CENTRALBLATT
für
Bakteriologie und Parasitenkunde.
XV. Band.
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CENTRALBLATT
für
Bakteriologie und Parasitenkunde.
In Verbindung mit
Geh. Hofrath Professor Dr. Leuckart
in Leipzig
und
Professor Dr. LoefFler
in Greifswald
herausgegebeu von
L!3RARY
N2W YORK
gdtanical,
Garden
Dr. Oscar UMworm in Cassel.
XV. Band.
Mit 3 lithogr. Tafeln und 28 Abbildungen im Texte.
Jena,
Verlag von Gustav Fischer.
1894.
xz
- 19 13
Bakteriologie und Parasitenkunde.
In Verbindung mit
fiel. Holt. Prof. Dr. Leitet m Professor Dr. Loofler
ln Leipzig ln Greifswald
herausgegeben von
Dr. O. Uhlworm in Cassel.
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
XV. Band.
-o- Jena, den 3. Januar 1894.
No. 1.
-~dt, Zu
Preis für den Band (26 Nummern) 14 Mark.
Jährlich erscheinen zwei Bände,
beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten •
künde” richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze enttveder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an
den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena , gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage , später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original -Mittheilungen.
Ein neuer gasbildender Bacillus.
[Aus dem hygienischen Institute der Universität Heidelberg.]
Von
Dr. F. Gärtner.
(Mit 6 Figuren.)
Zwei Meerschweinchen, welche zur Prüfung der Virulenz einer
Staphylokokken- und Diplokokkenreinkultur mit 1 ccm des einen und
des anderen Coccus intraperitoneal infiziert wurden, starben beide
2 Tage nach der Injektion. Bei vorgenommener Sektion zeigte sich
bei beiden Milztumor, eine eigentümliche, dunkelblutrote, leicht
brüchige Leber, Hydrops cystis felleae, etwas aufgetriebene Därme und
leichte Peritonitis mit mäßigem Exsudate, ohne fibrinöse Verklebungen.
XV. Bd. 1
2
F. Gärtner,
Von Leber, Milz, Blut und serösem Exsudate der Bauchhöhle wurden
Platten gegossen, doch wuchs auf dem dazu benutzten Agar-Agar
weder ein erwarteter Staphylo- noch Diplococcus, sondern ein
Kurzstäbchen als Reinkultur auf allen Platten. Von einer daraus
hergestellten Bouillonkultur wurde einem Meerschweinchen 1 ccmi in
die Bauchhöhle injiziert. Dasselbe verendete nach circa 20 Stunden.
Die Sektion ergab den gleichen Befund, wie bei den oben erwähnten
Meerschweinchen. Auch im Blute, Milz und Peritonealflüssigkeit
konnte dasselbe Kurzstäbchen als Reinkultur mittelst Plattenverfahrens
nachgewiesen werden.
Zur Sicherstellung der bakteriellen Diagnose wurden die bio-
logischen und toxischen Eigenschaften dieses Bacillus nun weiter
verfolgt. Doch ergab sich im Laufe der Untersuchung, daß derselbe
mit keinem der bis jetzt gefundenen identisch sei.
Das Resultat der Untersuchung ist folgendes:
Die Form des Bacillus ist die eines Kurzstäbchens mit abge-
rundeten Enden. Seine Breite ist annäherd konstant, während die
Länge sehr variabel ist und zwischen dem 4 — 12 fachen seiner Breite
schwankt.
Gelatine wird durch den Bacillus nicht verflüssigt.
Sein Wachstum auf Gelatineplatten ist ein langsames. Nach
3 Tagen haben die Keime ihre größte Oberflächenausdehnung erreicht,
welche jedoch nicht die Größe eines Stecknadelkopfes übersteigt. Bei
Fig. 1. Fig. 2.
schwacher Vergrößerung unter dem Mikroskope betrachtet, erhalten
wir die in Figur 1 und 2 wiedergegebenen Bilder: Der annähernd
runde Keimstock besitzt auf seiner Oberfläche eine Menge größerer
und kleinerer runder und eckiger Wärzchen, welche dem
Ganzen beiläufig das Aussehen einer Maulbeere geben.
Manche Keime weisen an einzelnen Stellen der Keim-
peripherie größere Mengen von übereinander geschich-
teten Wärzchen auf. Wieder andere Keime sind von
einem helleren, peripher scharf abgegrenzten Streifen
umgeben, in welchem hier und da einige ausspros-
sende Warzen des Grundstockes hineinragen.
Die Gelatinestichkultur (Fig. 3) besteht längs des
Impfstiches aus einer Menge graulich-weißer Perlen,
welche im ersten Drittel verschwindend klein sind
und dicht bei einander stehen, im zweiten Drittel
größer werden und weitere Zwischenräume zwischen
sich lassen. Im letzten Drittel des Stiches sind die-
Fig. 3. selben ganz vereinzelt und erreichen die Größe eines
Ein neuer gasbildender Bacillus.
3
Stecknadelkopfes. Der Kopf des Impfstiches hat nach circa 3 Tagen
seine größte Oberflächenausbreitung gewonnen, ist klein, linsengroß,
unregelmäßig gezackt, feucht glänzend und wenig über das Niveau
der Gelatine hervorragend.
Auf Agarplatten entwickeln sich die einzelnen Keime ähnlich
wie auf Gelatineplatten, jedoch ohne jene Figuren im mikroskopischen
Bilde aufzuweisen, wie auf letzterem.
Die Agarstrichkultur (Fig. 4) hat nach 24-stün-
digem Wachstume das Aussehen wie ein schmaler
Gebirgszug mit Hochplateau und sanft abfallenden
und häufig gebuchteten Abhängen. Die Kultur ist
ebenfalls feucht glänzend, von grauweißer Farbe,
welche je nach dem Auffallen des Lichtes bald in das
Gelbliche, bald in das hellste Blau spielt.
Auf Kartoffeln wächst der Bacillus je nach
der Temperatur verschieden. Bei 37° C beschränkt
sich sein Wachstum nur auf den Impfstich, welcher
hellbraun erscheint, während bei 24° C sich das
Wachstum des Bacillus mehr auf der Kartoffel
ausbreitet und eine hellschwefelgelbe Farbe annimmt.
Die Beweglichkeit des Bacillus ist eine nicht
sehr lebhafte. Nur einzelne Bakterien scheinen mehr
Bewegungsenergie zu zeigen und ziehen schlangenartig
durch das Gesichtsfeld des hängenden Tropfens. War
derselbe 24 Stunden in einer konstanten Temperatur
von 24° C, so ist die Beweglichkeit eine etwas leb-
haftere. Die Temperatur von 37° C des Brütofens
scheint seine Bewegungsenergie etwas zu erschlaffen, während die-
selbe, wie wir oben gesehen, im Gegenteil das Wachstum auf Agar
befördert. Der Bacillus weist somit eine deutliche Differenz in
der Wachstumsschnelligkeit auf: Wachstum auf Kartoffeloptimum bei
24° C; Wachstum auf Agaroptimum bei 37° C.
Die oberste Grenze, bei welcher die Kulturen noch gedeihen,
liegt bei 50° C. Darüber hinaus sistiert die Entwickelung und ein
10 Minuten langes Verweilen einer Bouillonkultur in einer Temperatur
von 60° C läßt den Bacillus absterben.
Veranlaßt durch die Beweglichkeit des Bacillus, forschte ich
nach Geißeln und es gelang mir, dieselben nach der Loeffler’ sehen
Färbemethode nachzuweisen. Jeder Bacillus besitzt eine lange,
polare Geißel. Die Geißelfärbung gelingt am besten bei neutraler
Reaktion der Beizflüssigkeit.
Die Vermehrung findet durch Auswachsen des Bacillus nach
einer Seite und Abschnürung in der Mitte statt. Sehr schön sind
diese Teilungsvorgänge durch die Geißelfärbung nachzuweisen, indem
hier die verschiedenen Stadien der Vermehrung besonders genau ver-
folgt werden können. Dadurch, daß nämlich an einem Ende des
Bacillus die Geißel als Orientierungspunkt bleibt, kann das An-
wachsen des anderen geißelfreien Endes leicht verfolgt werden. Erst
wenn der Bacillus ungefähr seine doppelte Länge erreicht hat,
fängt er an, sich abzuschnüren und nach der Abschnürung erst
i*
Fig. 4.
4
F. Gärtner
scheint dem sozusagen jungen Bacillus das Bewegungsorgan, die
Geißel, zu wachsen; denn aus keinem Präparate konnte eruiert
werden, daß der kurz abgeschnürte, immer noch in derselben Längs-
achse wie der Mutterbacillus stehende neue Bacillus an irgend
einem Pole schon eine Geißel trüge- Ob der schon einmal zur Ver-
mehrung, d. h. Abschnürung benützte Bacillus nochmals imstande
ist, auszuwachsen und von neuem sich zu teilen, bleibt dahingestellt.
Sporenbildung ist nicht beobachtet.
Das Luftbedürfnis des Bacillus ist fakultativ aerob. In
Traubenzuckeragar sowohl als auch bei Luftabschluß unter Wasser-
stoff findet sein Wachstum ungeschmälert statt. Auch in frischen
Eiern wächst unser Bacillus und hat zugleich für das Eiweiß der-
selben eine peptonisierende Wirkung, indem er dasselbe völlig ver-
flüssigt. Die Biuretreaktion gab die charakteristische rotblaue Farbe.
Die Gr am’ sehe und Loeffler’sche Methode für die isolierte
Färbung des Bacillus im Gewebe gelingt nicht; nur mit der
Pfeiffer’ sehen Universalmethode (Ziehl’sche Lösung — Ent-
färben mit Essigsäure — Alkohol. S. Zeitschr. f. Hygiene. Bd. XIII.
1893. Heft 3) läßt sich der Bacillus in Gewebsschnitten nach-
w eisen.
Die Gasproduktion des Bacillus ist eine außerordentlich leb-
hafte. 1 1/2 Proz. Traubenzuckeragar wird in hoher Schicht durch
die Gasbildung des Bacillus nach Impfstich völlig auseinander-
getrennt.
Um die Art des produzierten Gases festzustellen, benutzte ich
folgenden Apparat (Fig. 5). Ein Glaskolben a, welcher oben mit
einem doppelt durchbohrten, festschließenden Kautschukpfropf armiert
war und in welchem ein Scheidetrichter b und eine nur bis an das
untere Ende des^ Stopfens eintauchende Glasröhre c steckten, wurde
mit einer zur Gasbildung geeigneten Flüssigkeit in der Weise ge-
füllt, daß alle Luftblasen aus Kolben und Glasröhre entfernt waren.
Das untere Ende der Röhre c wurde mit einem Wattepfropf ver-
Ein neuer gasbildender Bacillus.
5
schlossen und der ganze Apparat in dem Koch’ sehen Dampfkoch-
topfe sterilisiert. Nach Erkalten der Flüssigkeit wurde die durch
Sterilisation ausgetretene Flüssigkeit wieder ergänzt und nun der
Kolben a durch den Scheidetrichter b mit einer Bouillonkultur unseres
Bacillus infiziert, der Hahn des Scheidetrichters geschlossen und
der Kautschukpfropf mit seinen Röhren paraffiniert.
Nach Entfernung des Wattepropfes an dem unteren Ende de
Röhre c wurde dasselbe unter eine sorgfältig mit Quecksilber ge
füllte, in einem Quecksilberbade stehende Röhre a gebracht und der
ganze Apparat in den Thermostaten gestellt.
Die erste Gasentwickelung war nach 6 Stunden zu bemerken.
Nach 12 Stunden hatte sie ihren Höhepunkt erreicht, um jetzt all-
mählich abzunehmen und nach 48 Stunden ganz zu sistieren.
Das hierbei erhaltene Gas wurde in der Bunte’ sehen Gasbürette
untersucht, und zwar wurde Kohlensäure mit Natronlauge, Sauerstoff
mit Pyrogallussäure und der Wasserstoff durch Verbrennung über
Palladium absorbiert. Die hierbei erhaltenen Gase wurden sämtlich
auf einen Barometerstand von 760 mm und eine Temperatur von 0°
umgerechnet. Anschließende Tabelle giebt die von verschiedenen
Flüssigkeiten erhaltenen Gasmengen wieder:
Nähr-
flüssigkeit
%
Vorherige
Reaktion
Ent-
nommene
Proben
Gesamte
Gasmenge
C02 O/o
H O/o
Unbe-
stimm-
barer
Rest
,200 ccm
Trauben-
zuckerbouillon
i1/.
sauer
1 52,8
U 91,5
144,3
31,7
39,2
57,8
43,6
10,5
17,2
»V
i7.
neutr.
I 90,0
11 76,7
166,7
39.5
43.06
43,9
45,7
16,6
11,24
11
3
sauer
I 60,8
II 85,2
156,0
29,6
42,4
63,4
47,6
7,0
10,0
' V! F
3
neutr.
I 112,5
II 86,5
199,0
42,2
58,07
33.6
35.7
24,2
6,43
n
3
neutr.
I 104,9
II 82,4
187,2
27,48
33,009
53,43
54,9
19,09
12,1
500 ccm
Peptonbouillon
1
neutr.
28,8
11,1
59,4
29,5
11
1
neutr.
27,3
9,9
63,2
26,9
Aus den Zahlen dieser Tabelle entnehmen wir folgendes:
Eine 3-proz. Traubenzuckerbouillon giebt eine größere Gasmenge
als eine 1 1/2-prozentige.
Eine bei Beginn der Gärung saure Reaktion der Traubenzucker-
bouillon hemmt die Gasentwickelung und liefert eine geringere Gesamt-
gasmenge, als eine gleichprozentige neutrale Traubenzuckerbouillon.
Die Energie der Gasentwickelung ist bei sauerer Reaktion der
Nährflüssigkeit anfänglich ziemlich herabgesetzt, während dieselbe
gegen Schluß der Gärung zunimmt.
Das Umgekehrte ist der Fall bei neutraler Reaktion der Trauben-
6
F. Gärtner
zuckerbouillon. Hier ist die Menge der in gleichen Zeitabschnitten
entnommenen Proben anfangs größer, als die gegen Schluß ent-
nommenen.
Suchen wir eine Erklärung hierfür, so mag hauptsächlich in Be-
tracht kommen, wie wir später genauer sehen werden, daß der Säure-
grad der bei Beginn der Gärung schon saueren Nährflüssigkeiten
am Schlüsse der Gärung nicht die Höhe erreicht, wie die vor der
Gärung neutrale Traubenzuckerbouillon : deshalb auch (vergl. Virulenz-
tabelle) die Energie der Bacillen als Gärungserreger bei einem schließ-
lichen Säuregrade von 0,25 — 0,35 Proz. eine größere ist, als bei einem
von 0,4 — 0,75-prozentigen (s. Aciditätstabelle).
Schon hier könnten wir deshalb die Behauptung aufstellen, welche
sich bei der Virulenzprüfung noch mehr bestätigen wird, daß, je
sauerer die Nährflüssigkeit, in welche der Bacillus gebracht wird,
desto geringer die Energie und Wirkung desselben ist.
Ein weiterer Unterschied in der Vergärung vorher neutraler und
sauerer Traubenzuckerbouillon besteht darin, daß, während bei ersterer
die C02- und H-Produktion gegen Schluß der Gärung zunimmt, bei
letzterer die H-Produktion abnimmt, die COs-Produktion sich jedoch
gleich verhält, wie die bei neutraler Gärflüssigkeit.
Größere Gesetzmäßigkeit in den gewonnenen Zahlenwerteu wäre
jedenfalls erzielt worden, wenn ich zu allen Versuchen Bouillon von
völlig gleicher Zusammensetzung verwendet hätte. Da die einzelnen
Versuche jedoch in verschiedenen Zeiten angestellt wurden, so war
es nicht möglich, Bouillon derselben Art vorrätig zu halten.
Ehe ich zur Pathogenese unseres Bacillus übergehe, muß ich
notwendigerweise einiges über seine Reaktionsveränderungen voraus-
schicken, da dieselben, wie schon oben angedeutet, wichtig zum Ver-
ständnis der Virulenzdifferenz des Bacillus sind.
Die Reaktion von Bouillonkulturen unseres Bacillus ist eine
schwach alkalische. Ob diese Alkalescenz jedoch durch Stoffwechsel-
produkte bedingt ist, ist nicht zu entscheiden. Die Bacillenmasse an
und für sich, von Agarkulturen entnommen, reagiert ebenfalls alka-
lisch. Doch auch hier kann die Reaktion von Stoffwechselprodukten,
welche zwischen die einzelnen Bacillen eingedrungen sind, beeinflußt
sein. Sobald jedoch der B a c i 11 u s in Gärungsthätigkeit ist, verliert die
Nährflüssigkeit ihre alkalische Reaktion und wird ausgesprochen sauer.
Der Säuregrad nimmt zu gegen die Höhe der Gaseutwickelung, per-
sistiert nach der Ausgärung 3 — 4 Tage, um dann allmählich wieder
abzunehmen, ohne jedoch je wieder zur neutralen Reaktion zurückzu-
kehren.
Die hier einschlägigen Versuche wurden mit einem von Herrn
Privatdozenten Dr. Cr am er konstruierten Apparate (Fig. 6) angestellt.
Derselbe besteht aus 3 Erl en me yer’ sehen Kölbchen, welche alle
mit doppelt durchbohrten Gummistöpselu verschlossen sind. An dem
mittleren Kölbchen a ist unten direkt über dem Boden ein Tubulus
ausgeblasen, welcher durch einen Gummistopf mit Glashahn ver-
schlossen ist. In b ragt ein Scheidetrichter d, welcher mit seiner
Spitze gerade die Oberfläche vom Quecksilber berührt und denselben
hierdurch nach oben luftdicht abschließt. Von b nach a führt eine
Ein neuar gasbildender Bacillus.
7
zweimal rechtwinklig gebogene Glasröhre e, welche in b nur bis an
das untere Ende des Kautschukpfropfs, in a jedoch tief in die
Bouillon eintaucht. Die a und c verbindende Röhre f taucht in c
2—3 cm tief in die Paraffinlösung, während sie in a ebenfalls nur
bis an das untere Ende des Kautschukpfropfs reicht. Aus c führt
ferner noch die rechtwinklig gebogene, mit einem Wattepfropf ver-
schlossene Glasröhre g.
Ist der Apparat nun in dieser Weise zusammengesetzt und
beschickt, mit Ausnahme der Flüssigkeiten in b und c, so wird er
behufs Sterilisation 1/2 Stunde in den Koch’schen Dampfkochtopf
gebracht. Nach dem Erkalten der Flüssigkeiten wird die Trauben-
zuckerbouillon in a mit dem Bacillus infiziert und in b und c in
angegebener Weise Quecksilber und Paraffin eingefüllt. Nun wird
der Scheidetrichter d mit einem einfach durchbohrten Kautschuk-
pfropfen, welcher mit einer Glasröhre armiert ist, verschlossen, letz-
tere mit dem Kipp’schen Wasserstoffapparate in Verbindung gebracht
und etwa 3/4 Stunden Wasserstoff durch den ganzen Apparat hin-
durchgeleitet. Nach Schließung des Hahnes am Scheidetrichter wird
das Wasserstoffdurchleiten unterbrochen, da der Apparat nun völlig
mit Wasserstoff gefüllt ist. Die Kautschukpfropfen werden paraffiniert,
in den Scheidetrichter wird Pyrogallussäure eingefüllt, der Hahn des-
selben geöffnet und eine gewisse Menge dieser Flüssigkeit in das
Kölbchen b gebracht, um auch den letzten Rest von Sauerstoff durch
Resorption auszuschließen. Den Apparat bringt man am besten auf
eine Glasplatte und stellt das Ganze in den Brutofen. Nach circa
4 Stunden beginnt die Gasentwickelung. Will man nun nach einer
gewissen Anzahl von Stunden eine bestimmte Menge von der Bouillon
in a ablassen, so hat man vor allem, um den Druck in dem Apparate
positiv zu machen, Quecksilber durch den Scheidetrichter in das
Kölbchen b einfließen zu lassen. Jetzt kann man, ohne zu riskieren,
daß durch das Ablassen der Bouillon bei g Luft einströmt, den Hahn
am Kölbchen a öffnen und so viel Flüssigkeit herauslaufen lassen als
der positive Druck im Apparate reicht. Hat man zu wenig Bouillon
8
F. Gärtner,
erhalten, so läßt mau wiederholt durch den Scheidetrichter Queck-
silber einfließen, um von neuem positiven Druck zu erzeugen. Am
besten taucht man Dach Verschluß des Hahnes die nach abwärts ge-
bogene Spitze desselben in vorher sterilisiertes Quecksilber, um eine
Verunreinigung der Bouillonmenge im Hahne durch Luft zu ver-
meiden. Man ist somit imstande, in beliebiger Zeit beliebige Mengen
von UntersuchuDgsflüssigkeit zu gewinnen.
Anschließende Tabelle soll den Aciditätsgrad verschiedener
Gärungsflüssigkeiten veranschaulichen. Versuch 7 (s. Tabelle) wurde
mit eben beschriebenem Apparate untersucht, und es ist daraus außer-
ordentlich deutlich zu sehen, iu welcher Zeit sich allmählich der
Aciditätsgrad derselben Flüssigkeit bei Vergärung steigert, m nach
erreichtem Maximum langsam wieder abzunehmen. Zu bemerken ist
noch, wie aus der Tabelle ersichtlich, daß die zur Gärung verwandte
Flüssigkeit nie einen solch hohen Aciditätsgrad erreichte, wenn sie
vorher nicht neutralisiert war.
Aciditätstabelle.
Alter der inf.
Bouillon nach be-
gonnener Gährung
O/o der Trauben-
zuckerbouillon
u. vorh. Reaktion
GäruDg
Barytlösung-
zusatz auf
50 ccm bis zur
Neutralität
Säuregrad
auf
Buttersäure
übertragen
1.
6 Wochen
1 XL neutral
ausgegoren
6,2
0,4 O/o
2.
48 Stunden
l'/j neutral
unterbrochen
11,6
0,75 O/o
3.
4 Wochen
3 sauer
ausgegoren
5,4
0,35 O/o
4.
4 Wochen
3 neutral
ausgegoren
10,6
0,68 O/o
5.
5 Wochen
1V2 sauer
ausgegoren
4,0
0,25 O/o
6.
3 Wochen
3 neutral
ausgegoren
9,6
0,62 O/o
7.
22 Stunden
l1/, neutral
unterbrochen
6,6
0,42 O/o
8.
31 Stunden
dieselbe
7,0
0,45 O/o
9.
48 Stunden
9,1
0,58 O/o
10.
62 Stunden
1»
ausgegoren
9,8
0,62 O/o
11.
5 Tage
>>
8,5
0,54 O/o
Wie eingangs erwähnt, starben die Tiere 14 — 18 Stunden nach
intraperitonealer Injektion von 1 ccm einer Bouillonkultur dieses
Bacillus.
Derselbe Versuch wurde bei weiteren 8 Meerschweinchen wieder-
holt. Auch hier trat nach intraperitonealer Injektion — jeweils 1 ccm
auf 500 g des Tiergewichts — der Tod in 14—18 Stunden ein, der
Sektionsbefund war derselbe wie bei eingangs erwähnten Versuchs-
tieren. Ebenso konnte nach erfolgtem Tode in allen Fällen und aus
allen Organen unser Bacillus als Reinkultur wieder gezüchtet
werden.
Von Interesse ist ein ziemlich bedeutender Zuckergehalt des
Urins der infizierten Tiere, welcher sofort nach dem Tode derselben,
in eiuigen Fällen noch im Agone, aus der fast immer prall gefüllten
Blase steril entnommen wurde; ebenso konnte in der hydropischen
Gallenblase jeweils Zucker nachgewiesen werden. Auch das Blut der
Tiere, dem Herzen entnommen, wies Spuren von Zucker auf.
Bei nicht infizierten Meerschweinchen konnte kein Zucker nach-
gewiesen werden.
Ein neuer gasbildender Bacillus.
9
Wurde unser Bacillus subkutan eingespritzt, so bildete sich
nach 2 — 3 Tagen eine Anschwellung an der betreffenden Injektions-
stelle, welche am 4. oder 5. Tage nach außen aufbrach. Der Tod
des Tieres erfolgte nach 5 — 7 Tagen. In dem Herzblute, der Milz
und der geschwürartigen Injektionsstelle wurden dieselben Bacillen
durch Mikroskop und Platten nachgewiesen. Auf dem Durchschnitte
hatte die Injektionsstelle das Aussehen eines grauen, diphtherischen
Belags. Der Urin dieses subkutan getöteten Meerschweinchens ent-
hielt gleichfalls Zucker.
Die ausgegorenen l1^- und 3-proz. Traubenzuckerbouillonkulturen
wurden gleichfalls zur Injektion in die Bauchhöhle bei weiteren
10 Meerschweinchen benutzt. Es ergaben sich hierbei überraschende
Resultate. Die vor der Gärung saueren Kulturflüssigkeiten töteten
die Meerschweinchen nach 36—75 Stunden, während die vor der
Gärung neutralen erst nach 96 — 216 Stunden den Tod herbeiführten.
Der Grund für diese Virulenzdifferenz liegt in dem verschiedenen
Säuregrade der zur Injektion verwendeten Injektionsflüssigkeiten.
Es dies ohne weiteres aus obiger Aciditätstabelle zu beweisen:
Die vor der Gärung saure Traubenzuckerbouillon erreichte keinen
solch hohen Säuregrad nach der Gärung als die vorher neutrale. Da,
wie wir wissen, die Höhe der Infektionswirkung bei schwach alkalischer
oder neutraler Reaktion der Infektionsflüssigkeit liegt, so ist leicht
verständlich, daß diejenige Infektionsflüssigkeit, deren Säuregrad am
weitesten von der neutralen Reaktion entfernt liegt, auf die tötliche
Wirkung am längsten warten läßt.
Den direkten Beweis hierfür lieferte ich durch Injektion von
künstlich sauer gemachten Bouillonkulturen.
Die verschiedenen Aciditätsgrade, wie sie in obiger Tabelle ver-
zeichnet sind, wurden in der Weise bei Bouillonkulturen unseres Ba-
cillus gewonnen, daß ich Milch- und Buttersäure in bestimmter
Menge, ihrem Säuregrade entsprechend, zusetzte. Hierdurch erhielt
ich die gleichen Injektionsresultate bei Meerschweinchen wie oben,
indem dieselben, je sauerer die Infektionsflüssigkeit, desto länger am
Leben blieben (s. Tabelle).
Die Frage, warum diese saure Reaktion von Bouillonkulturen
unseres Bacillus den Tod der Versuchstiere einige Zeit hintanhält,
ist unschwer zu beantworten. Obiger Säuregehalt tötet den Ba-
cillus nicht, sondern wirkt nur hemmend auf seine Entwickelung
und Virulenz. Sobald der Bacillus aus der saueren in neutrale
Nährflüssigkeit gebracht wird, zeigt er wieder seine angestammte,
rasch tötliche Wirkung. Ebenso verhält es sich mit Injektion von
ausgegoren oder künstlich sauer gemachten Kulturen unseres Ba-
cillus in die Bauchhöhle von Versuchstieren. Sobald die Säure
durch den Körper derselben eliminiert und die Energie des Bacillus
wiedergekehrt ist, was je nach dem Säuregrade einen bis mehrere
Tage dauert, nimmt derselbe seine alte vernichtende Thätigkeit
wieder auf.
Kaninchen unterlagen ebenfalls der intraperitonealen Injektion.
Es wurden entsprechend ihrem höheren Gewicht größere Injektions-
10
M. W. Beyerinck,
mengen genommen; so zwar, daß wie bei den Meerschweinchen auf
500 g je X ccm zur Verwendung kam.
Als wesentlich blieb endlich noch zu untersuchen, ob in den Aus-
scheidungen des Bacillus die tötlich wirkende Substanz enthalten
oder im Bacillus selbst?
Um hierüber Aufschluß zu bekommen, filtrierte ich große Mengen
infizierter Bouillonkulturen durch das B e r k e fei d’ sehe Thonfilter.
Das völlig bakterienfreie Filtrat ließ ich nun in großer, flacher, steri-
lisierter Schüssel, welche in eine verdeckte, mit Chlorkalium beschickte,
sterilisierte Glasschale gestellt wurde, bei 37° allmählich auf l/& des
Volums verdunsten. Bis zu 5 ccm dieses konzentrierten Filtrates in-
jizierte ich nun circa 1-pfündigen Meerschweinchen ohne jeden Erfolg.
Versuchstiere
Art der Impfung
Art d. injiz. Kultur
Tod nach
? Stunden
8 Meerschweinchen
intraperiton.
Bouillonkultur
00
rH
1
vH
3 Meerschweinchen
subkutan
Bouillonkultur
120 — 168
4 Meerschweinchen
intraperiton.
(vorher saure) ausgegorene
1V2- bis 3 - proz. Trauben-
zuckerbouillon
36—72
6 Meerschweinchen
intraperiton.
(vorher neutrale) ausge-
gorene 1 1li - und 3 - proz.
Traubenzuckerbouillon
96—216
2 Kaninchen
intraperiton.
Bouillonkultur
16—18
Heidelberg, 28. November 1893.
Notiz über den Nachweis von Protozoen und Spirillen
in Trinkwasser.
Von
Dr. M. W. Beyerinck
in
Delft.
Die Lebensbedingungen der meisten Protozoen und Spirillen
weichen so sehr von denjenigen der Bakterien, Hefen und Schimmel-
arten ab, daß man dieselben bei den gewöhnlichen bakteriologischen
Versuchen nur selten zur Ansicht bekommt. Durch meine Methode
der „Bakterienniveaus“1) werden nicht nur die Spirillen-, sondern auch
die Protozoenkeime in die Lage versetzt, sich zu entwickeln, denn
es ist eben das Eigentümliche dieser Methode, daß in der Kultur-
flüssigkeit, in einem einzelnen Versuche, sozusagen alle möglichen Be-
dingungen in Bezug auf Konzentration der Nährstoffe und des Sauer-
stoffes realisiert sind, und überdies der großen Mehrheit der uns hier
1) Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XIV. 1893. p. 827.
Noti« über den Nachweis von Protozoen und Spirillen in Trinkwasser.
zunächst interessierenden Formen, nämlich den „Bakterienfressern“,
geeignete Nahrung dargeboten wird.
Ich habe meine Versuche mit Leitungswasser zu Delft angestellt.
Dieses Wasser stammt aus den Dünen zu Loosduinen, wo es durch
Drains gesammelt wird. Wegen der Gegenwart von Humuskörpern,
welche aus der Moorschicht der Dünen herrühren, findet Klärung
mit Aluminiumsulfat statt. Danach verweilt das Wasser in Absatz-
bassins, worin ein brauner Lack sich absetzt, und dann findet ge-
wöhnliche Sandfiltration statt. Schließlich strömt das Wasser durch
eine Röhrenleitung von 14 Kilometer Länge und 25,4 cm Weite, um
Delft zu erreichen, und auf diesem Wege verliert es, unter dem Ein-
flüsse der Mikrobien und des Eisens, die Hälfte des gelösten Sauer-
stoffes. Die Bakterienanzahl ist in meinem Hause sehr ungleich und
wechselt mit dem Sauerstoffgehalte. Ist dieser Gehalt hoch, wie im
Sommer bei großer Hitze und viel Verbrauch, so ist die Anzahl der
Keime unzählbar; im Winter und Frühjahr bei einem Gehalte
an Sauerstoff von ca. 3,5 cm3, oder weniger pro Liter, finden sich
in 1 cm3 70 bis 200 Keime1 2). Diese Angaben beruhen auf Unter-
suchung nach dem gewöhnlichen Plattenverfahren, wobei allerdings
viele interessante Formen, wie Nitrit- und Nitratfermente, Wasser-
bakterien aus den Gattungen Cladothrix und Crenothrix, die
meisten Spirillen, anaerobe Arten, thermophile Formen u. a., nicht
zur Beobachtung gelangen *).
Ich hatte geglaubt, daß sich in diesem Wasser keine Infusorien
und Monaden in merklicher Anzahl vorfinden würden. Darin habe
ich mich jedoch geirrt; aus 25 cm3 erhalte ich immer einige Monaden-
arten und bisweilen auch eine Infusorie. Aus viel weniger, die untere
Grenze kenne ich noch nicht, jedenfalls aus weniger wie 3 cm3, kommen
ausnahmslos Monaden zur Entwickelung. Auch Spirillen von ver-
schiedener Art fehlen niemals. Zum Auffinden dieser Organismen
verfahre ich wie folgt:
Es werden, wie für einen Reinkulturniveauversuch, einige Tropfen
einer geeigneten Nährgelatine oder Agar am Boden einer sterilisierten
Reagenzröhre erstarrt. Anstatt aber mit sterilisiertem Wasser zu über-
gießen, wird mit der zu untersuchenden Wasserprobe überschichtet.
Wenn ich Fleischwassergelatine verwandte, entstand innerhalb 24 Stun-
den, oberhalb Würzegelatine nach 36 bis 48 Stunden ein scharfes Niveau.
Aus welchen Bakterien dieses Niveau besteht, interessiert hier zu-
nächst nicht, Bacillus liquefaciens vulgaris kann darin Vor-
kommen, B. perlibratus jedenfalls nur selten. Was hier aber wohl
die Untersuchung verdient, ist die Vegetation, welche sich sehr bald
in dem oberhalb des Niveaus befindlichen Wasser entwickelt. Es
versteht sich, daß der Gehalt an organischen Stoffen dort sehr gering
sein muß, da der von unten herkommende Diffusionsstrom derselben
durch das Niveau sozusagen filtriert wird und dort das eigent-
1) So war es wenigstens im Jahre 1892 — 93, ob immer, vermag ich noch nicht zu
beurteilen.
2) Auch Alkoholhefen werden bei dem gewöhnlichen Gelatineverfahren nicht ge-
funden, und zwar infolge ihrer Seltenheit; verwendet man aber Wasserproben von
50 cm8 oder mehr, so läßt sich darin gewöhnlich eine bestimmte Art nachweisen.
12
M. W. Beyerinck,
lieh Nahrhafte wohl größtenteils zurückläßt. Jedoch werden die
Stoffwechselprodukte der im Niveau und sich unterhalb desselben
befindlichen Bakterien die Vegetation wenig anspruchsvoller Arten
ermöglichen. Es treffen deshalb drei Umstände im oberen Teile
der Wassersäule zusammen, welche für die Entwickelung von Proto-
zoen (sowie von Cladothrix und Crenothrix) günstig sind,
nämlich, eine geringe Konzentration organischer Stoffe, ein relativ
hoher Bakteriengehalt und Sauerstoffspannungen, welche zwischen
sehr weiten Grenzen abwechseln. Die Folge davon ist denn auch
bald bemerkbar; aus nicht zu kleinen Leitungswasserproben ent-
wickeln sich, zunächst im Meniskus, massenhaft kleine Monaden
verschiedener Arten , welche teilweise vollständig übereinstimmen
mit Oikomonas termo Ehrenberg, nach Bütschli’s Be-
schreibung1). Bei meinen Kulturen bildet Oikomonas termo
eine äußerst feine, bläulich schimmernde Haut auf der Wasserober-
fläche. Sie lebt dort in Gesellschaft mehrerer Bakterien, wovon sie
sich auch ernährt. In Bezug auf die Atmungsfigur gehört sie offenbar
zu dem Aerobientypus. Die Länge dieser Monade beträgt ca. 7 ^ 2),
abgesehen von der einzigen Geißel, welche 8 bis 10 /.i lang ist. Sie bewegt
sich sehr lebhaft, setzt sich aber oft mit dem Hinterende fest. Ihr
Körper ist formveränderlich und nicht immer leicht von dem einer Amöbe
zu unterscheiden. Die Ernährung findet statt durch das Verschlin-
gen kleiner Bakterien. Die Nährmasse ist in einer Ernährungs-
vakuole enthalten, welche schließlich einen scharf sichtbaren, seitlichen
Ballen im mittleren Teile des Körpers erzeugt. Ueberdies sind im
Körper eine kleine kontraktile Vakuole und ein Kern sichtbar. Die
Vermehrung geschieht durch Längstheilung, Mundöffnung und Schlund
konnte ich nicht erkennen.
Nachdem die Oberfläche des Wassers durch eine dichte Bak-
terien- und Monadenschicht den Zutritt des Sauerstoffes nach der
Tiefe erschwert, fangen die Spirillen sich zu vermehren an. Es
scheint, daß davon stets mehrere Arten im Leitungswasser Vorkommen.
Ueber Fleischwasserpeptongelatine fand ich oft eine ziemlich statt-
liche Art, welche ich für identisch mit Spirillum Undula
O. F. Müller, Ehrenberg und Cohn halte und deren Anwesen-
heit im Trinkwasser ich nicht vermutet hatte. Diese Art gehört,
wie alle bisher bekannten Spirillen, in Bezug auf ihre Atmungsfigur
zu dem „Spirillentypus‘;. Bei reichhaltiger Entwickelung in den
Röhren entsteht infolge dieser Eigenschaft ein scharf ausgebildetes,
liniendünnes Niveau ungefähr einen Centimeter tief unterhalb des
freien Spiegels, diejenige Stelle bezeichnend, wo der gelöste Sauerstoff
in zwar sehr geringer, doch für die Spirillen in optimaler Spannung
vorhanden ist. Saugt man mit einem feinen Röhrchen etwas Material
aus diesem Niveau, so bekommt man gewöhnlich ein Präparat, worin
sich mikroskopisch nur die genannte Spirillenart nachweisen läßt.
Nach Spirochaeten habe ich ohne Erfolg gesucht.
1) Protozoa. Abt. II. p. 813. Tat. 40. Fig. 2.
2) Bütsch li sagt bei Oikomonas: „LäDge bis 0,015 mm“, das ist aber
sicher za laag.
Notiz über den Nachweis von Protozoen und Spirillen in Trinkwasser. J3
Etwas anders wird das Resultat, wenn, anstatt Fleischpepton-
gelatine, einige Tropfen Würzegelatine auf dem Boden der Reagenz-
röhre liegen. Die daraus nach oben diffundierenden Nährstoffe
sind für die Bakterienentwickelung außerordentlich günstig , be-
sonders für das Wachstum vieler Schleimbakterien. Natürlich
finden auch die etwa vorhandenen Gärungsbakterien, — und auch
diese fehlen im Leitungswasser niemals, — ausgezeichnete Ent-
wickelungsbedingungen, wodurch bei günstiger Temperatur schon
sobald Gasbildung stattfinden kann, daß Niveaus, infolge der Strö-
mungen, kaum sichtbar werden. Unter solchen Verhältnissen ist der
Sauerstoff bald über die größte Länge der Röhre verschwunden und
die Oberfläche schließt sich ab mit einer weichen, breiartigen
Bakterienschicht, welche bekanntlich der beliebte Tummelplatz für
Flagellaten und Infusorien ist. Bei meinen Versuchen mit Leitungs-
wasser sind unter diesen Bedingungen außer Oikomonas termo,
welche nie fehlte, dann und wann noch drei andere Arten dieser
Gruppen aufgetreten, nämlich ein kleines Infusorium, wahrscheinlich
Cjolpoda cucullus, eine zweite Oikomonas art und eine
Amöbe. Ich will ferner hervorheben, daß sich in diesem Gemisch
auch Cladothrix dichotoma, eine eigentümlich gekrümmte
Clado thrixart, eine Crenothrix und zwei sehr kenntliche,
dicke, kurze Spirillenarten, welche noch nicht beschrieben sind, in
profuser Vegetation vorfanden. Es lag nicht im Zwecke dieser Unter-
suchung, das Bakteriengemisch an sich zu entwirren; daß dasselbe
vollständig verschieden ist von dem ursprünglich im Wasser vor-
kommenden lehrt schon eine einfache mikroskopische Betrachtung.
Die mehrfach gefundene Infusorie halte ich, wie gesagt, für
Colpoda cucullus1). Die zweite Oikomonas art sowie die Amöbe
konnte ich nicht weiter determinieren. Die Monade hat aber eine
Eigenschaft, wodurch sie sich sofort kennbar machte, nämlich ihre
niedere Sauerstoffstimmung, wodurch sie veranlaßt wird, wenn sie sich
unter einem freien, nicht durch eine Bakteriendecke abgeschlossenen
Wassermeniskus findet, sich nahezu ll/2 cm tief unter dem Meniskus
anzuhäufen. Sie gehört deshalb zum „Spirillentypus“, ist jedoch auf
eine noch niedrigere Sauerstoffspannung gestimmt, wie die gewöhn-
lichen Spirillen. Sie besitzt eine ellipsoide Gestalt, ist ungefähr so
groß wie 0. termo, nämlich 8 (x lang. Sie ist scharf konturiert und
stärker gekörnt wie jene Art.
Es kann nicht mein Zweck sein, die Beschreibung der aufge-
fundenen Protozoen hier weiter auszuführen. Ich wünsche hier eben-
sowenig auf den Spirillenfund, sowie auf die Wachstumsverhältnisse
von Cladothrix und Crenothrix weiter einzugehen und be-
schränke mich nur darauf, hinzuweisen, daß diese Organismen in der
üppigsten Ausbildung in den Reagenzröhrchen auftreten können. Was
mir jedoch notwendig erscheint, ist näher zu betrachten, woher die
beobachteten Protozoen herstammen. Ist es vielleicht möglich, daß
sie, während der Versuchsanstellung, aus der Luft in meine Röhren
1) BUtschli, ProtozoeD. Abt. III. p. 1707. Taf 62. Fig. 7. 1889
14
M. W. Beyerinck, Notiz über den Nachweis von Protozoen etc.
gekommen sind? Zur Erledigung dieser Frage habe ich folgende
Versuche angestellt:
Erster Versuch. Sechs große Bechergläser wurden zur Hälfte
mit einem Gemische von gleichen Teilen Grabenwasser und destil-
liertem Wasser angefüllt und jedem derselben eine Spur Kalium-
phosphat zugegeben. Ins erste Glas wurde dazu 1/s Proz. Glukose,
ins zweite x/io Proz- Stärke, ins dritte ‘/4 Proz. Rohrzucker, ins
vierte gar nichts, ins fünfte 1 Proz. Pepton siccum, ins sechste einige
frische Luzernestengel und -blätter gebracht. Dann wurden alle
Gläser aufgekocht. Dadurch müssen Protozoen wohl ausnahmslos
abgetötet sein 1). Ich stellte die Gläser nun auf den Tisch im
Laboratorium offen auf und beobachtete dann und wann den Zustand
der Haut, welche sich an der Oberfläche bildete. Ich erwartete
darin, wenigstens im Luzerneglase, bald Oikomonas und Infuso-
rien zu finden, jedoch fand ich mich darin vom 20. Sept. bis
10. Dez. 1893, das heißt während der ganzen Versuchsdauer, ge-
täuscht: keine einzige Monade, kein einziges Infusorium konnte ich
auffinden 2). Spirillen fehlten ebenfalls. Ich brachte dann ins Luzerne-,
ins Rohrzucker- und in das Glukoseglas ein wenig Leitungswasser
und fand nach einigen Tagen darin zahllose Monaden, so daß die
Natur der Nährflüssigkeit, wenigstens in den genannten Gläsern,
eine entsprechende war. Ich muß deshalb schließen, daß während mehr
als zehn Wochen keine Protozoencysten 3) aus der Luft gefallen waren.
Natürlich bin ich völlig überzeugt, daß dieses nur Zufall war und
daß in anderen Lokalitäten Protozoen würden aufgetreten sein, allein
ich habe damit erwiesen, wie äußerst gering die Chance ist, während
eines Versuches aus der Luft mit Protozoen zu infizieren. Ich will
noch hinzufügen, daß ich meine Niveauversuche mit Bohnen (dieses
Centralbl. Bd. XIV. 1893. p. 827) oft in offenen Reagenzröhrchen
ausgeführt habe, welche viele Monate aufbewahrt wurden, jedoch eben-
falls ohne daß darin jemals Protozoen zu finden waren, wenn ich
anfangs nur gekochtes oder destilliertes Wasser verwendet hatte.
Zweiter Versuch. Da mir der beschriebene Versuch bei
aller Einfachheit doch nicht unwichtig erscheint, habe ich denselben
noch auf andere Weise ausgeführt.
In zwei sterilisierte weite Bechergläser wurde zu Boden des einen
eine papierdünne Schicht Fleischpeptongelatine, ins andere eine solche
Schicht von Würzegelatine gegossen. Nach dem Erstarren wurden
die Gelatineschichten mit gekochtem, destilliertem Wasser über-
schichtet, welches die offen auf den Tisch gestellten Gläser zu 3/4
anfüllte. Es konnten nun wieder alle möglichen Nahrungskonzeutrationen
entstehen und auch in Bezug auf den Sauerstoff war freie Wahl er-
möglicht. Aus der Zimmerluft des Laboratoriums konnten die ver-
1) Zwar wird von Dallinger und D r y s d a 1 e angegeben, daß O i k o m o n a s
und Cercomonas „Sporen“ erzeugen, welche in Nährflüssigkeit erst bei 131 0 C
und 114° C absterben, das gehört aber ins Gebiet der Traumbilder.
2) Die letzten mikroskopischen Untersuchungen hatten während des Druckes dieses
Aufsatzes stattgefunden.
3) Ob Oikomonas sich encystiert und getrocknet lebendig bleiben kann, weiß
ich nicht, doch vermute ich es.
Are ns, Eine Methode zur Plattenkultur der Anaeroben.
15
schiedenartigsten Keime immerfort hineinfallen. Eine während der
Monate Oktober und November wöchentlich wiederholte mikrosko-
pische Untersuchung des Inhaltes gab dasselbe Resultat wie beim
vorigen Versuche: Schimmel, Sproßhefen und Bakterien in Ueberfluß,
von Infusorien und Protozoen dagegen keine Spur. Auch Spirillen
fehlten vollständig und natürlich auch Crenothrix und Clado-
thrix.
Aus diesen Versuchen geht jedenfalls klar hervor, daß die in den
Niveauröhren gefundenen Spirillen, Monaden und Infusorien nur aus
dem Leitungswasser und nicht aus der Luft herkünftig gewesen sind,
und daß die Dauerzustände dieser Organismen in der Atmosphäre
eines Laboratoriumzimmers zweifellos äußerst selten sein müssen, wenn
dieselben überhaupt darin vorhanden sind.
Ich glaube im Vorhergehenden einen Schritt vorwärts gethan zu haben
auf dem Wege einer allgemeinen biologischen Analyse von Wasser
und anderen Flüssigkeiten, sowie von Luft. Die Methode der Niveaus
ist für eine weitere Ausdehnung geeignet. Durch eine bessere Form der
Glasgefäße, wodurch sich die verschiedenen Schichten leichter werden
trennen lassen, ferner durch die Ersetzung der Nährstoffe durch andere,
z. B. durch pathogene Materialien, durch Ueberschichtung mit be-
stimmten anderen Flüssigkeiten wie Wasser, — dadurch werden ge-
wisse Fragen betreffs der Lebensbedingungen und der Morphologie
bisher nicht isolierter oder kultivierter Mikrobien sich beantworten
lassen. Auch für die Luftuntersuchung ergeben sich Anhaltspunkte,
welche gewisse, sich auf Protozoen beziehende Fragen, wobei ich z. B.
an die Fieber- und Malariaparasiten denke, von anderer Seite wie
bisher in Angriff zu nehmen gestatten. Aus diesen und anderen
Gründen scheint es mir von Wert, den Beweis erbracht zu haben,
daß es möglich ist, auf einfache und klare Weise die Gegenwart von
Monaden und Infusorien in Wasserproben nachzuweisen.
Delft, 2. Dezember 1893.
Eine Methode zur Plattenkultur der Anaeroben.
[Aus dem hygienischen Institute Würzburg.]
Von
Dr. Aiens.
Zu den mannigfachen Methoden, besonders aber Apparaten, die
zu obigem Zwecke angegeben worden sind, möchte ich, veranlaßt durch
die neueste Veröffentlichung vonNovy1) noch einen hinzufügen, der
mir schon lange vorzügliche Dienste geleistet hat und der an Ein-
fachheit in der Behandlung sicherlich keinem der bis jetzt bekannten
nachsteht.
Einen der gewöhnlichen kleinen Exsiccatoren mit aufgeschliflfenem
1) Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XIV. No. 18.
16
Arens, Eine Methode zur Plattenkultur der Anaeroben.
Deckel, wie sie in jedem Laboratorium in mehreren Exemplaren vor-
rätig und in Gebrauch sind, füllt man mit nicht zu feinkörnigem
Quarzsaude, dem beliebige Menge trockener Pyrogallussäure beigemengt
ist, soweit, daß noch je nach Bedarf für ein oder mehrere kleine
Petri ’sche Schalen übereinander Platz bleibt.
Das Gießen der Platten geschieht in der gewöhnlichen Weise,
jedoch ziehe ich vor, statt einer dünnen Schicht, wie sie durch das
Ausgießen eines Reagenzgläschens mit infiziertem Nährboden entsteht,
sogleich noch 2 Gläschen mit verflüssigtem Nährboden nachzugießen,
um eine dicke Schicht zu erzielen. Nachdem man mit nicht zu
geringer Menge 10-proz. Kalilauge den Quarzsand in der Ausdehnung
der Oberfläche begossen hat, stellt man die Schalen geöffnet auf den
Sand und schließt mit dem gut eingefetteten Deckel durch Rotieren.
Zur Erleichterung der Beobachtung etwaigen Wachstums auf der
Platte empfiehlt es sich, die Quarzsandoberfläche mit schwarzem
Glanzpapier zu bedecken, ehe man die Schalen einbringt. Auf diesem
dunklen Untergründe lassen sich zur Entwickelung kommende Kolo-
nieen besser beobachten, als auf der sonst braunen Oberfläche.
Der Quarzsand erfüllt einen doppelten Zweck ; erstens verdrängt
er einen großen Teil der atmosphärischen Luft und zweitens wird
die noch im geschlossenen Apparate befindliche Luft durch die mit
der Pyrogallol - Kalilösuug benetzten Flächen der Quarzstücke aus-
giebiger mit der Absorptionsflüssigkeit in Berührung gebracht. Um
die Absorption des Sauerstoffs noch zu beschleunigen, kann man die
im Gefäß ruhende Luft durch Neigen des Exsiccators in Bewegung
setzen, nachdem die Platten erstarrt sind. Da gewöhnlich Brüttem-
peratur erforderlich und hierzu Agar am Platze ist, so geschieht
das Erstarren sehr schnell. Wegen der Kleinheit des Apparates kann
man denselben bequem im Brütschranke halten und mit demselben
umgehen. Auch ein vorübergehendes Oeffnen desselben und mikro-
skopische Kontrolle der Platten ist sehr gut möglich.
Ein Austrocknen der Platten, wie es Blücher1) beim Anwen-
den des B u ch ner’schen Absorptionsmittels beobachtet haben will,
ist mir selbst bei einem Belassen der Platten von 4 Wochen im
Apparate nicht aufgefallen und scheint mir auch nicht erklärlich.
Haben wir es doch nur mit Absorption des freien O zu thun, wäh-
rend eine Verminderung der Feuchtigkeit im Apparate nicht eintritt.
Da der Sauerstoff außerordentlich schnell beim Befolgen der obi-
gen Winke absorbiert wird, so ist eine Täuschung, d. h. ein Wachs-
tum anaerober Bakterien , vor der vollständigen Absorption des
Sauerstoffs nicht zu erwarten.
Ebensowenig läuft ein anaerober Pilz Gefahr, durch zu langes Ein-
wirken des im Exsiccator vorhandenen Sauerstofles seine Lebenskraft
einzubüßen.
Um die vollständige und schnelle Absorption des Sauerstoffes
darzuthun, setzte ich mit Agar beschickte Platten geöffnet der Luft
des Laboratoriums aus und verbrachte sie teils in den Exsiccator,
teils überließ ich sie geschlossen der atmosphärischen Luft. Auf
1) Zeitschrift für Hygiene. Bd. VIII.
Allgemeine Infektionskrankheiten.
17
ersteren kam nie weder eine Schimmel-] noch eine Spaltpilzkolonie
zur Beobachtung, auf letzteren zahlreiche beider Arten.
Um die Leistungsfähigkeit dieser Methode zu prüfen, habe ich die
bekannten pathogenen Anaeroben (Tetanus, Rauschbrand und malignes
Oedem) sowohl aus Reinkulturen, als aus Mischungen mit verschie-
denen Aerobeuarten zur Entwickelung bringen und isolieren können,
besonders das maligne Oedem habe ich aus mit Erde infizierten und
verendeten Tieren für meinen Bedarf häufig gezüchtet.
Sterilisation des ganzen Apparates ist nicht notwendig.
Im hiesigen hygienischen Institute ist der Apparat zu verschiedenen
Arbeiten mit Erfolg benutzt worden, ich selbst wende seit über
2 Jahren zur Züchtung von Anaeroben und zur Prüfung auf Anae-
robiose denselben ausschließlich an.
Würzburg, den 6. Dezember 1893.
Referate.
Kirchner, Martin, Grundriß der Militärgesundheits-
pflege. Lieferung 2 — 8. Braunschweig (Harald Bruhn) 1891 —
1893.
Ref. hatte vor 2 Jahren Gelegenheit genommen, Kirchner’s
Grundriß der Militärgesundheitspflege in dieser Zeitschrift einige
Worte der Begrüßung zu widmen und eine kurze Inhaltsangabe der
ersten Lieferung anzuschließen (s. Band X. p. 670). Seitdem sind
7 weitere Lieferungen erschienen, welche nach Inhalt und Form die durch
die Anfangsabschnitte hervorgerufenen hochgespannten Erwartungen
im vollsten Maße rechtfertigen, und es kann schon jetzt kein Zweifel
mehr darüber bestehen, daß Kirchner’s Werk unter den zur Zeit
vorhandenen Handbüchern der Hygiene an bevorzugter Stelle genannt
werden muß.
In der zweiten und dritten Lieferung wurde zunächst das
Wasser zu Ende besprochen. An die Beschreibung der Zusammen-
setzung und die Kritik der verschiedenen Arten desselben schloß
sich eine Uebersicht seiner mikroskopischen Bewohner. Für die
hygienische Beurteilung des Wassers legt Verf. dem Bakteriengehalt
entschieden maßgebende Bedeutung bei, indem er sich auf zahlreiche
Belege aus der Litteratur bezieht. Mit großer Sorgfalt ist die
W asseruntersuchung geschildert ; neben den bakteriologischen Methoden
sind auch die chemischen Verfahren entsprechend den an den Militär-
arzt in dieser Beziehung gestellten Anforderungen ausführlich wieder-
gegeben. Es folgen dann Abschnitte über Wasserversorgung und
Reinigung des Wassers. Die Kleinfilter, deren Anwendung zur
Trinkwasserbeschaffung Verf., wie den Lesern dieser Zeitschrift be-
kannt ist, auf Grund eigener Beobachtungen und älterer Versuche
Anderer nicht empfiehlt, sind gleichwohl in klarer Schilderung und
zahlreichen Abbildungen zur Darstellung gebracht.
XV. Bd.
2
18
Allgemeine Infektionskrankheiten.
Das dritte Kapitel ist der Luft gewidmet. Die Bestandteile
derselben und die Methode ihres Nachweises sind ausführlich abge-
handelt, ebenso die physikalischen Eigenschaften der Atmosphäre.
Im Anhänge werden die Begriffe des Klimas und der Acclimatisation
besprochen.
Das vierte Kapitel handelt vom Boden, und zwar werden nach
einander die Bestandteile desselben, seine chemischen und physika-
lischen Eigenschaften, seine Mikroorganismen und seine Untersuchung
in einzelnen Abschnitten geschildert. Auf die verschiedenen An-
schauungen über die hygienischen und epidemiologischen Einflüsse
des Bodens, des Grundwassers und der Grundluft ist mit Sorgfalt
eingegangen; bei der kritischen Beleuchtung der einzelnen Standpunkte
vertritt Verf. Koch’s Lehren mit Nachdruck.
Das fünfte Kapitel bildet eine klassische Darstellung der In-
fektionskrankheiten. Mit bewunderungswertem Fleiße hat sich Verf.
die umfangsreiche Litteratur auf diesem viel umstrittenen Gebiete zu
eigen gemacht; er hat es auch nicht verschmäht, aus den Quellen
des Altertums und Mittelalters selbst zu schöpfen, und dennoch ist
er dadurch nicht verleitet worden, in der Darstellung zu breit
zu werden. Daß er in Bezug auf Aetiologie und Prophylaxe einen
bestimmten Standpunkt einnimmt, trägt wesentlich zur Belebung der
Darstellung bei; die Thatsachen, welche anderen Anschauungen zu
Grunde liegen, sind indessen keineswegs mangelhaft berücksichtigt,
und so ermöglicht es die Lektüre der 12 Druckbogen, welche dieses
Kapitel umfaßt, sich in kurzer Zeit auf angenehme Weise alles
Wesentliche auf jenem Gebiete zu vergegenwärtigen. Nach einer
kurzen geschichtlichen Einleitung wird zunächst die Entstehung und
Verbreitung der Infektionskrankheiten im allgemeinen abgehandelt.
Die einzelnen Abschnitte dieses Teiles betreffen Begriff und Ein-
teilung der Infektionskrankheiten, Eigenschaften der Infektionsstoffe,
Verbreitungsweise der Infektionskrankheiten (Arten des Auftretens,
individuelle Disposition und Immunität, örtliche und zeitliche Dis-
position, Einfallspforten der Krankheitskeime). Demnächst folgt die
Verhütung und Bekämpfung der Infektionskrankheiten mit den Unter-
abschnitten: Verhütung der Einschleppung von Infektionskrankheiten
(internationale, staatliche, örtliche, persönliche und militärische Schutz-
maßregeln), Beschränkung der Krankheitsherde (rechtzeitige Erkennung
der ersten Fälle, Krankenabsonderung u. s. w.), Seuchenvernichtung
(Begriff der Desinfektion, Prüfung, Einteilung der Desinfektionsmittel,
Anforderungen an dieselben, mechanische, chemische und physikalische
Desinfektionsmittel im einzelnen, zahlreiche Abbildungen von Des-
infektionsapparaten, Ausführung der Desinfektion). Endlich werden
von einzelnen hierher gehörigen Krankheiten eingehend abgehandelt:
der Flecktyphus, das Rückfalltieber, der Unterleibstyphus, die Ruhr,
die asiatische Cholera (mit Berücksichtigung der Erfahrungen aus
der Epidemie von 1892), die Malaria, die Tuberkulose, die epide-
mische Genickstarre, Pocken, Scharlach, Masern, Diphtherie, Influenza,
venerische Krankheiten, ansteckende Augenkrankheiten, Pest, Gelb-
fieber, Wundinfektionskrankheiten, Milzbrand, Rotz und Tollwut.
Die beiden demnächst folgenden Kapitel Kleidung und Aus-
Sepsis. — Cholera.
19
rüstung nebst Hautpflege und Wohnung, von denen das erstere
bereits vollkommen, das andere teilweise vorliegt, bilden die ersten
Abschnitte des zweiten Buches des Werkes, welches „Künstliche
Hygiene“ überschrieben ist. In beiden findet sich nun stellenweise
Gelegenheit zu Mitteilungen aus dem bakteriologischen Gebiete.
Wie die bisher erschienenen Teile des Buches durchweg nach
Inhalt und Darstellung als Musterleistungen bezeichnet werden müssen,
so verdient auch ihre äußere Ausstattung volle Anerkennung. Im
besonderen gilt dies für die große Zahl der vorzüglich ausgeführten
Abbildungen. K ü b 1 e r (Berlin).
Canon, Bakteriologische Blutuntersuchungen bei Sep-
sis. (Deutsche medizinische Wochenschrift. 1893. No. 43.)
Seit fast 3 Jahren untersuchte Verf. das Blut von zahlreichen
Patienten, sowohl intra vitam als post mortem. In Untersuchung
nahm er gewöhnlich das aseptisch aus der Fingerkuppe gewonnene Blut.
In Leichenblut fand er bei Diphtherie
Streptokokken llmal.
Staphylococcus aureus lmal (5mal negativ).
Wenige Diphtheriebacillen neben Streptokokken lmal.
Bei Scharlach 2mal Streptokokken.
Bei Phthisis pulmonum 2mal Streptokokken.
Bei Sepsis :
Streptokokken 8mal.
Staphylococcus albus 2mal.
„ aureus 6mal.
Pneumokokken fanden sich lmal bei Peritonitis nach Carcinoma
uteri, einmal bei Oophoritis suppurativa nach Partus.
Bacterium coli commune fand sich 2mal bei Peritonitis.
Der Friedländer’sche Bacillus fand sich lmal bei Ab-
scessen der Galle infolge von Gallensteinen.
Wichtiger sind die Befunde am Lebenden.
Staphylococcus aureus fand sich im Blute 2mal bei Osteo-
myelitis acuta. Streptokokken, am frühesten 4 Tage vor dem Tode
nachgewiesen, fanden sich in 7 Fällen, wo lokale Eiterungen bestanden,
lmal bei Scharlach-Sepsis.
Pneumokokken fanden sich bei Gallenabscessen im Blute bei
jedem eingetretenen Schüttelfröste. In einem Falle von eiteriger Menin-
gitis mit unsicherer Diagnose fand sich ein dem Friedländer-
schen Bacillus ähnliches Bakterium.
Gegenüber diesen positiven Fällen waren viele Untersuchungen
des Blutes negativ, namentlich zahlreiche schwere Fälle von Phleg-
mone und einige geheilte Fälle von Pyämie.
In 2 Fällen schwerer Sepsis wurde der Schweiß mit negativem
Resultate untersucht. O. Voges (Danzig).
Palmirski, W., Notatki z epidemii cholery w Odessie i
okolicach. [Beobachtungen aus der Choleraepidemie
in Odessa und Umgebungen.] (Medycyna. 1892. November.)
[Polnisch.]
2*
20
Cholera. — Abwässer in Wien.
In der Odessaer bakteriologischen Station haben Palmirski
und D i atrop t o w den ersten Cholerafall bakteriologisch festgestellt.
Die Kulturen ergaben einen nicht wesentlichen Unterschied von den
alten Kulturen aus Valenzia und Annam und waren identisch mit
den frischen von Bujwid aus Lublin stammenden. Es wurde ziem-
lich schwer, während der großen Hitze in Odessa Ende August, zur
Zeit der ersten Cholerafälle, die Gelatinekulturen zu bekommen. Man
mußte daher im Eisschranke operieren. Ferner beschreibt P. ver-
schiedene morpho- und biologische Reaktionen, welche keinen wesent-
lichen Unterschied gegenüber den typischen Koch’schen Bacillen
darbieten.
In Odessa war die Epidemie eine ziemlich begrenzte, dank den
energischen und sehr rationellen Maßnahmen, welche von der Stadt-
verwaltung getroflen worden sind, wogegen in der Umgebung der
Stadt eine ziemlich starke Epidemie herrschte. In einigen Dörfern
erreichte die Mortalität bis 40 Fälle täglich. Es ist zu bemerken,
daß es nicht möglich war, festzustellen, woher die ersten Fälle
gekommen sind. Es erkrankten solche Personen, welche beständig
in Odessa gewohnt haben und in keiner Beziehung, wie es scheiut,
zu den erkrankten Personen standen. Mau muß bemerken , daß
Erkrankungen nur®;bei sehr ärmlich lebenden Personen beobachtet
wurden. Bujwid (Krakau).
Heider, A., Untersuchungen über die Verunreinigung
der Donau durch die Abwässer der Stadt Wien.
(Das österr. Sanitätswesen. 1893. Beilage zu No. 31.)
Verf. hat auf Anregung Gruber’s in der angegebenen Rich-
tung ansgedehnte Untersuchungen augestellt und vorläufig den beschrei-
benden Teil seiner Arbeit dem obersten Sanitätsrate, der sich mit
der Frage der Ableitung der Wiener Abwässer befaßte, vorgelegt.
Die Donau führt durchschnittlich (1879—1884) in der Sekunde
1600 m3 Wasser an Wien vorüber, und zwar 1400 m3 im Strome
und 200 m3 im Donaukanale. Letzterer zweigt an der Nordgrenze
des erweiterten Stadtgebietes (Nußiorf) am rechten Ufer des Stromes
ab, durchzieht in geschlängeltem Laufe die Stadt und mündet unter-
halb derselben wieder in die Donau ein. Seine Länge beträgt 16,8
km, der entsprechende Teil des fast geradlinigen Stromes 13,8 km.
Das Wasser der Donau kommt in einem Zustande befriedigender
Reinheit nach Wien; sein fester Rückstand beträgt durchschnittlich
181 mg, der Chlorgehalt 3,4 mg, die Oxydierbarkeit 7,6 mg. Cha-
mäleon p. 1 1, enthält Spuren von Salpetersäure, zeitweise Spuren
von Ammon, keine salpetrige Säure; die Keimzahl beträgt rund
2000 p. 1 c3.
Auf seinem Wege durch die Stadt nimmt der Donaukanal den
größten Teil der Wieuer Kanäle — über 120 — vorwiegend rechts,
und zwar direkt ohne zwischengebaute Sammelkanäle auf. Der In-
halt dieser ist meistens 2 — 3 mal konzentrierter, als der regulärer
Schwemmsysteme, fällt bei Niederwasser in Form ekelhafter Kas-
kaden in den Donaukanal und bildet darin Schmutzstreifen, die sich
nur langsam verwischen.
Abwässer in WieD,
21
Das Wasser des Donaukanals, das im oberen Teile ein vorwie-
gend sandiges, helles, im unteren ein schlammiges Sediment absetzt,
nimmt in seinem Verlaufe mehr und mehr der gröbsten Sediment-
stoffe auf und regelmäßig können darin Kotbestandteile in Form
gallig gefärbter, quergestreifter Muskelfasern gefunden werden. Die
Verunreinigung ist des Morgens relativ am geringsten, nimmt gegen
Mittag und Abend zu und ist am rechten Ufer größer als am linken.
Gleichwohl ist nach Einmündung des letzten Sammelkanals die
chemisch nachweisbare Verunreinigung des Donaukanalwassers nur
mittelgradig und drückt sich gegenüber dem Donauwasser oberhalb
Wien durch eine mittlere Vermehrung der Oxydierbarkeit um 4,7
mg Chamäleon, 2 mg Chlor, 1,4 mg Ammon und 12,5 mg des festen
Rückstandes aus. Auch der O-Gehalt des Donaukanalwassers ist
nur unbedeutend herabgesetzt, so daß derselbe nicht als ein empfind-
liches Kennzeichen stattgehabter Verunreinigung angesehen werden
kann.
Dagegen zeigen die bakteriologischen Daten überaus prägnante
Unterschiede zwischen dem reinen Donauwasser und jenem des Donau-
kanales nahe seinem Ende, indem hier die Keimzahl 21000 — 120000
p. 1 cs, also das 10 — 60fache des Donaustromes beträgt, ja es zeigt
sieb, daß trotzdem der letzte Sammelkanal 4 km oberhalb des Donau-
kanalendes einraündet, das Wasser hier noch nicht gleichmäßig
gemischt erscheint, indem der Keimgehalt am rechten Ufer stets
größer ist, als am linken. Die enorme Ueberlegenheit der bakterio-
logischen Untersuchungsmethode gegenüber der chemischen in Bezug
auf die Größe der Ausschläge ist bei derartigen Untersuchungen
demnach nicht zu verkennen.
Im weiteren Verfolge der durch den Zufluß des Donaukanales
dem Donaustrome zugeführten Verunreinigungen ist in erster Linie
zu beachten, daß durch die Vermischung mit der 7fachen Wasser-
menge eine außerordentliche Verdünnung geschaffen wird, die hin-
reicht, die chemische Verunreinigung bis zur Grenze der Nachweis-
barkeit zu verwischen.
Anders verhält es sich auch hier mit der bakteriellen Verun-
reinigung. Wohl ist stromabwärts eine stetige Abnahme der Keim-
zahlen zu erkennen, allein selbst noch 40 km unterhalb der Einmün-
dungsstelle des Donaukanales, bei Hainburg, enthält das Donauwasser
durchschnittlich um 4200 Keime mehr, als oberhalb Wien, und da
die Stromufer auf der Strecke überaus schwach besiedelt sind, darf
man annehmen, daß 3/5 aller hier vorhandenen Keime dem Donau-
kanale entstammen. Der aus den Keimzahlen des Donaukaualwassers
berechnete durchschnittliche Zuwachs würde allerdings 7400 Keime
betragen und eine gewisse bakterielle Selbstreinigung ist ohne Zweifel
vorhanden, allein es läßt sich doch erkennen, wie langsam dieselbe
erfolgt und auf wie weite Strecken sich die einmal geschehene bak-
terielle Verunreinigung eines Stromes geltend macht. Bei der Donau
kommt hierbei allerdings die große Stromgeschwindigkeit (1 — 2 m
p. Sek.), vielleicht auch die Dampfschiffahrt in Betracht.
Die geschilderten Verhältnisse können bei Berücksichtigung des
Verhaltens der pathogenen Keime unter der Konkurrenz der Sapro-
22
Pocken und Impfkrankheiten.
phyten nicht als bedeutungslos angesehen werden. Gr über und
v. Kerner haben nachgewiesen, daß Cholerakeime in nicht sterilisier-
tem Hochquell wasser 5, 6 und selbst 7 Tage lebensfähig und virulent
bleiben, der Einfluß der Bewegung ist nach Schmidt (Arch. f. Hyg.
Bd. XIII) keinesfalls sehr wesentlich und jener des Lichtes , dem
Büchner (Centralbl. f. Bakt. Bd. XI) für das Absterben von Typhus-
und Cholerakeimen große Bedeutung beilegt, käme für die genannte
Strecke gar nicht in Betracht, da die Nachtstunden für den Trans-
port der pathogenen Keime genügen, ganz abgesehen davon, daß die-
selben, in Substraten eingeschlossen, in das Wasser gelangen und so
gewissermaßen konserviert sein können. Schöfer (Wien).
Porter , Notes and queries on small-pox. (The Lancet.
1893. 11. Nov. p. 1179.)
Von den Beobachtungen P.’s über Pocken sind einige von all-
gemeinerem Interesse. Er fand verschiedentlich, daß der schützende
Einfluß einer Revaccination aufgehoben wurde durch eine schwere
Allgemeininfektion (z. B. Typhus, akuter Gelenkrheumatismus), eine
Wiederimpfung hatte in solchen Fällen fast immer Erfolg. Ferner
wies P. nach, daß der von einigen Autoren aufgestellte Satz, daß
während einer Pockeneruption eine Vaccination stets erfolglos sei und
daher in zweifelhaften Fällen zur Differentialdiagnose verwandt werden
könne, nicht richtig ist. Interessant ist die Beobachtung eines
eigenartigen Infektionsweges für das Pockenvirus. In einem Scharlach-
pavillon, der vom nächsten Pockenpavillon ziemlich weit entfernt war,
traten kurz nacheinander 2 Pockenfälle auf, trotzdem jeder Verkehr
zwischen den beiden Pavillons aufgehoben war. Es fand sich jedoch,
daß ein für die Heißwasserleitung bestimmter Kanal die zwei Pavil-
lons verband und daß z. B. Rauch nach einiger Zeit aus dem kälteren
Pockenzimmer in das wärmere Scharlachzimmer übertrat. Nach Ab-
stellung dieses Mißstandes kam eine Pockeninfektion in dem betr.
Scharlachpavillon nicht mehr vor. W. Petersen (Zürich).
Epstein, E., Beiträge zu den Impfkrankheiten. [Mitteilung
aus der pädiatrischen Abteilung der allgemeinen Poliklinik in Buda-
pest.] (Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. XXXV. 1893. p. 442.)
1) 2 Fälle von hämorrhagischer Diathese nach Vaccination.
Von 430 im Jahre 1892 mit Kälberlymphe geimpften Kindern
erkrankten 2 an Hämorrhagieen. Das eine derselben zeigte eine
regelrechte Pockenbildung, am 4. Tage aber wurde es unruhig,
fieberte und zeigte am ganzen Körper zerstreute, besonders dicht an
der Impfungsstelle sitzende blaßrote, auf Druck verschwindende Flecke
(„Erythema vaccinosum“) und an den Streckseiten der linken oberen
Extremität bis zum Fingerdorsum hin eine große Menge hirsekorn-
bis bohnengroßer, unregelmäßiger dunkelroter Flecke, die auf Finger-
druck nicht weichen. Diese beiden Hautaffektionen blassen allmäh-
lich ab und das Kind ist am 8. Tage nach der Impfung fieberfrei.
Am 9. Tage neue Unruhe, die als Prodromalstadium einer am
12. Tage einsetzenden typischen Masernerkrankung angesehen werden
muß; dieselbe war frei von hämorrhagischem Charakter. Verf. nimmt
Perniciöse Anämie.
23
an, daß das Kind schon mit Masern infiziert war, als die Impfung
vollzogen wurde; er bringt die Hämorrhagieen jedoch nicht mit den
Masern, sondern mit der Impfung in Beziehung, einmal wegen des
Ausbruches vor dem eigentlichen Masernausschlage und dann wegen
der Begrenzung auf den linken Arm. — Der zweite Fall betraf ein
viermonatliches Kind ; es begann am 6. Tage nach der erfolg-
reichen Impfung zu fiebern und zeigte am 8. Tage beinahe über die
ganze Körperoberfläche verbreitet, auf Brust, Bauch und Rücken
spärliche, auf den Extremitäten, besonders der Vorderseite des
rechten Unterschenkels reichliche, linsen- bis bohnengroße, karminrote
Flecke, die auf Fingerdruck nicht abblaßten (Hämorrhagieen). Die-
selben verfärbten sich vom nächsten Tage an in typischer Weise und
waren am 8. Tage verschwunden. Die Schleimhäute waren frei, die
Impfpusteln ohne blutige Färbung. Da das Kind nicht aus einer
Bluterfamilie stammte, so kann sich Verf. zunächst das Zustaude-
kommen dieser Erscheinung nicht erklären.
2) 14 Fälle von Erythema vaccinosum.
Unter 430 Impfungen trat 14mal das Erythem auf, meist erst
am 7. Tage nach der Impfung, jedenfalls nicht vor dem 4. Tage,
also in der Zeit der Blüte der Vaccinationserscheinungen überhaupt.
Es lokalisiert sich nicht konstant; meist findet es sich zuerst an der
Impfstelle, der Streckseite des Oberarmes. Zugleich tritt es auch an
der Streckseite des Unterarmes, besonders an der Ulnarseite auf;
dann zeigt es sich am Beine, vorzugsweise an Außen- und Hinter-
fläche des Oberschenkels, sowie am Thorax. Die Form ist sehr dem
Masernexanthem ähnlich; die hirsekorn- bis thalergroßen Flecke von
wechselnder Gestalt. Die Farbe schwankt zwischen Blaßrosa bis
Dunkelkarminrot, heller, als die der Masernflecke. Meist war Fieber
vorhanden. Die Dauer betrug 3 — 6 Tage. Spener (Berlin).
Perles, Max, Beobachtungen über perniciö se Anämie.
(Berliner klinische Wochenschrift. 1893. No. 40.)
Verf. hatte Gelegenheit, der Berliner medizinischen Gesellschaft
bemerkenswerte Befunde im Blute von 3 an sogenannter essentieller
oder progressiver perniciöser Anämie leidender Patienten vortragen
und demonstrieren zu können. Nachdem er kurz auf die diesen
Gegenstand bereits behandelnde Litteratur eingegangen, giebt er einen
Auszug aus den Krankengeschichten. Zum Zwecke der Blutunter-
suchung nimmt er unter den sorgfältigsten Vorsichtsmaßregeln einen
hängenden Tropfen von dem etwa aus der Fingerkuppe oder dem
Ohrläppchen aseptisch gewonnenen Blute und beobachtet ihn im Wärme-
mikroskope oder wenigstens nach vorheriger vorsichtiger Erwärmung der
feuchten Kammer auf Körpertemperatur. Er stellte dann mit Oel-
immersion den Rand des hängenden Tropfens ein. Er fand dann
eigenartige Gebilde an Stellen, wo die Blutkörperchen weniger dicht
lagen, welche mit unverkennbarer aktiver Beweglichkeit ausgestattet
waren. Die Menge derselben war verschieden, am größten jedoch in
dem am weitesten vorgeschrittenen Falle. Diese Bildungsformen
boten sich dar als länglich-elliptische, sehr dünne und schmale, bieg-
same, farblose und stark lichtbrechende Blättchen, die je nach der
24
Perniciö:>e Anämie.
augenblicklichen Stellung und Biegung ihrer Achsen verschieden von
oben aussehen können. Auf der Kante stehend, erscheinen sie fast
linienförmig, ihre größte Länge betrug ca. 3 //, die Breite unter 1 /.i.
Größe und Gestalt schienen, soviel man beobachten konnte, konstant
und rührten die Formverschiedenheiten nur von der verschiedenen
Lagerung her, da bei Umlagerung wieder die alten Formen zum Aus-
drucke kamen. Besondere Neigung bestand zur winkelförmigen Ab-
weichung mit nachfolgender, oft plötzlicher, ruckweiser Streckung.
Der Ablauf der Bewegung ist ein unregelmäßiger, oft von Pausen
unterbrochener, in welchen das Körperchen in völliger Ruhe verharrt.
Diese Bewegungsvorgänge unterscheiden sich von allen sonst an ein-
zelnen Blutteilen beobachteten Bewegungsarten. Bewegungsorgane
resp. Geißeln konnten nicht wahrgenommen werden, derartige Gebilde
durch Färbung oder durch das Kulturverfahren näher zu beobachten,
mißlang stets. Verf. hat sich den Eindruck nicht vorenthalten können,
daß es sich um lebende Organismen, vermutlich Protozoen, handelt,
doch will er in dieser Hinsicht vorläufig noch kein definitives Urteil
fällen. Er schlägt vor der Hand für diese Gebilde den Namen
Anämiekörperchen vor. Er bezeichnet es als wahrscheinlich, daß in
diesen Fällen primärer Anämie im Blute ein hämoglobinlösendes,
vermutlich von Parasiten erzeugtes Gift kreist. Außer diesen drei
auf primärer Anämie beruhenden Erkrankungen wurde zur Kontrolle
eine große Anzahl sekundärer Anämieen untersucht, welche durch
Tuberkulose, Tabes, Carcinom, schwere Magenblutungen, Nephritis,
lange dauernde Chlorose u. s. w. entstanden waren. Auch in diesen
Fällen war der Hämoglobingehalt des Blutes manchmal nicht über
30 Proz. In keinem Falle fand sich aber eine Andeutung der be-
schriebenen charakteristischen Körperchen, so daß auch dieser nega-
tive Befund eine Bestätigung des positiven bildet.
Verf. betont aber selbst, daß von den Koch’ sehen Forderungen
für die Bezeichnung eines Mikroorganismus als spezifischen Krank-
heitserregers nur die erste erfüllt scheine, während die Isolierung und
Ueberimpfung noch nicht gelungen sei, ein Fehler, den sie mit vielen
Protozoen teilen, die sich weder züchten noch färben lassen.
0. Voges (Danzig).
Fischei und Adler, Zur Kenntnis der pernieiösen Anä-
mie. (Zeitschr. für Heilkunde. Bd. XIV. Heft IV. S. 263 ff.)
Bei einem Falle von Anämie, dessen Krankengeschichte wie Ob-
duktionsbefund weitschweifig erörtert werden, wurden Streptokokken ge-
funden, die ihrem morphologischen und histologischen Verhalten nach
als Streptococcus pyogenes angesprochen wurden. Der Patient
hatte sich eine Verletzung am Fuße zugezogen, die Wunde war ge-
heilt. Wegen zunehmender Schwäche wurde ärztliche Hilfe in An-
spruch genommen. Es trat dann Fieber auf, welches dem der per-
nieiösen Anämie nicht ganz entsprach, sondern mehr dem der Sepsis
glich. Im Blute wurde eine starke Abnahme der roten Blutkörper-
chen konstatiert. Der Obduktionsbefund ergab universelle Anämie.
Kulturen des Streptococcus in Bouillon wurden abgetötet und
Kaninchen injiziert. Dabei ergab sich, daß die Stoffwechselprodukte
Dysenterie.
25
und abgetöteten Bakterienleiber die Zahl der roten Blutkörperchen
erheblich herabsetzten, so hatte ein Tier vor der Injektion 6 Millionen,
nach derselben, ante mortem 1,3 Millionen rote Blutkörperchen. Der
Obduktionsbefund ergab hochgradige Anämie und Eisen in der
Leber. Ein weiterer Versuch ergab, daß, wenn das Tier sich wieder
erholte,' die! Menge der roten Blutkörperchen zunahm. Fand jedoch
eine neue Injektion von sterilisierter Streptokokkenbouillon statt, so
trat eine !erneute Erniedrigung der Zahl der roten Blutkörperchen
ein. Es war demnach ersichtlich, daß die Stoffwechselprodukte des
Streptococcus einen perniciösen Einfluß auf die roten Blutkör-
perchen hatten. O. Voges (Danzig).
Wesener, Unsere gegenwärtigen Kenntnisse über Dys-
enterie in anatomischer und ätiologischer Hin-
sicht. (Centralbl. für Allgemeine Pathol. und Pathologische Ana-
tomie. Bd. III. 1892. p. 484.)
Wesen er hat die Litteratur über Dysenterie einem sorgfältigen
Studium unterworfen. Betreffs der Anatomie des Prozesses stellt er
fest, daß die allgemein angenommene Meinung heutzutage dahin geht,
daß sowohl bei der Ruhr — im klinischen Sinne — wie bei der
Dysenterie — im pathologisch-anatomischen Sinne — einerseits ein-
fache katarrhalische, andererseits diphtherische Schleimhauterkran-
kung seltener allein, meistens kombiniert sich vorfinden. Das Wesen
beider Arten der Darmentzündung ist im Grunde das gleiche und
beruht in der mehr oder weniger verschiedenen Kombination von
Koagulationsnekrose und eiteriger Infiltration resp. Schmelzung. Fast
alle Autoren betrachten die Entzündung als das Primäre, die Nekrose
der Schleimhaut und Submucosa als das Sekundäre. Die gerade
umgekehrte Ansicht von Kiener und Ke 1 sch muß so lange als
willkürlich angesehen werden, als nicht die nekrotischen Stellen als
erste Angriffspunkte des Ruhrvirus demonstriert sind. Die Anschau-
ung von Councilm an und Lafleur, daß den ätiologisch verschie-
denen Formen der Dysenterie auch verschiedene histologische Ver-
änderungen zu vindizieren seien, ist, wenn auch nicht als unmöglich,
doch noch als unerwiesen anzusehen.
Ueber die Dysenteriefrage in ätiologischer Hinsicht läßt sich
der Verfasser, der klinischen Einteilung in epidemische, endemische
und sporadische Ruhr folgend, derart aus:
Die sogenannte epidemische (Lager-, Feldzugs- etc.) Ruhr wird
wohl ganz sicher durch spezifische pflanzliche Parasiten hervorgerufen.
Welcher Art dieselben sind und ob es sich jedesmal um ein und die-
selbe Art handelt, oder ob wie bei der Pneumonie verschiedene Spalt-
pilze Ruhr in epidemischer Verbreitung erzeugen können, ist noch
fraglich, ebenso ob eine der bisher beschriebenen Arten ein epide-
misches Auftreten der Ruhr verursachen kann; wahrscheinlich ist
letzteres bei der von Ogata beschriebenen Bacillenspecies der Fall.
Die endemische (Tropen-) Ruhr wird höchstwahrscheinlich durch
tierische Parasiten (Amöben) hervorgerufen, ist nicht kontagiös, findet
sich jedoch nicht auf die Tropen beschränkt, sondern weiter ver-
breitet vor. Anscheinend sind die Amöben nur die primären Krank-
26
Dysenterie.
heitserreger und werden die Veränderungen zum Teil durch Bakterien,
die entweder primär einwandern oder durch die Amöben verschleppt
werden, bedingt. Ob es sich ferner dabei stets um dieselben Amö-
ben handelt, ist noch nicht ganz sicher festgestellt, jedoch nach den
bisherigen Untersuchungen ziemlich zweifellos..
Für die sporadische Ruhr ist einmal eine Entstehung aus me-
chanischer (z. B. Druck durch Kotmassen) oder toxischer (Reizung
durch zersetzten Darminhalt) Ursache zur Zeit wenigstens nicht von
der Hand zu weisen. Wahrscheinlich jedoch spielen auch hierbei
Schizomyceten eine Rolle, sei es dadurch, daß sie sekundär in das
mechanisch oder toxisch lädierte Gewebe, einwandern und so den
Prozeß verschärfen, sei es, daß sie von Anfang an die alleinige Ur-
sache der Darmveränderung darstellen. Welches diese Spaltpilze
sind, ist noch fast gänzlich unbekannt, nur sind sie sicher von denen
der epidemischen Ruhr verschieden; wahrscheinlich handelt es sich
um mehrere Arten und gehört vielleicht das Bacterium coli
commune zu denselben. Abel (Greifswald).
Laveran, fitiologie de la dysenterie. (La Semaine m6d.
1893. 8. Nov. p. 508.)
L. fand bei 10 Fällen von Dysenterie nur einmal Amöben, welche
sich als völlig identisch mit der Amoeba coli erwiesen. Er glaubt
daraus den Schluß ziehen zu können, daß Amöben nur bei der
tropischen Dysenterie eine Rolle spielen. Bacillen fanden sich in
allen Fällen in sehr großer Anzahl; sie waren jedoch vom Bact.
coli commune nicht scharf zu trennen. L. hält es nach dem
gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse für unmöglich, ein ab-
schließendes Urteil über die Ursachen der europäischen Dysenterie
abzugeben. W. Petersen (Zürich).
Quincke und Roos, A möb en-Enteritis. (Berliner klin. Wchschr.
1893. No. 45. p. 1089.)
Die Ansichten über die pathogene Natur der bei Dysenterie
gefundenen Amöben sind noch sehr widersprechend. Q u. u. R.
beobachteten 2 Fälle, in welchen der pathogene Charakter derselben
nicht zweifelhaft war. Bei dem ersten Falle schienen die Amöben
mit den von Lösch gefundenen identisch zu sein. Sie waren in
ruhendem Zustande rundlich, maßen 20 — 25 /x im Durchmesser,
waren scharf, aber einfach konturiert und zeigten ein grobkörniges
Protoplasma. Im Innern waren meist Vakuolen nachweisbar, von
Fremdkörpern nur rote Blutkörper. Daneben fanden sich encystierte
Formen, und zwar bemerkenswerter Weise besonders reichlich nach
einer Kalomelkur des Patienten (dasselbe Verhalten wurde bei dem
zweiten Patienten beobachtet). Die encystierten Amöben waren
bedeutend kleiner, 10 — 12 /x im Durchmesser, sie zeigten eine sehr
scharfe, wenn auch nicht deutlich doppelte Kontur. Klystiere von
amöbenhaltigem Stuhle führten bei Katzen zu starker Dysenterie
und nach 2 — 3 Wochen zum Tode; es fand sich in der Dickdarm-
schleimhaut ausgesprochene ulcerative Entzündung. Per os ließ sich
Untersucliungsmethoden, Instrumente etc.
27
eine Infektion nur dann hervorrufen, wenn der Stuhl encystierte
Amöben enthielt.
Während der erste Patient sich in Palermo infiziert hatte, war
der zweite Fall in Kiel autochthon entstanden. Der viel mildere
Lauf der Erkrankung sowie verschiedene, allerdings geringe morpho-
logische Unterschiede der hier Vorgefundenen Amöben legten die
Vermutung nahe, daß es sich um eine andere Amöbenart handele.
Diese Vermutung wurde dadurch bestätigt, daß diese Art bei Katzen
nur leichten Durchfall erregte. Die Verff. schlagen für die beiden
Arten die Benennungen Amoeba coli Lösch (A. coli felis) und
Amoeba coli mitis vor.
Bei 24 daraufhin untersuchten, nicht an Dysenterie erkrankten
Personen fanden sich im Stuhle 9mal eine spärliche, 3mal eine reich-
lichere Anzahl von ähnlichen Amöben; dieselben erwiesen sich als
nicht pathogen für Katzen (Amoeba intestini vulgaris). —
Die Amöben ließen sich meist ohne weitere Präparation im Stuhle
nachweisen ; Farbstoffe nahmen sie weniger stark auf, als die übrigen
Fäkalmassen oder das Darmgewebe. Die Therapie vermochte eine
dauernde Entfernung aus dem Darme nicht zu erreichen; am besten
wirkte Kalomel. W. Petersen (Zürich).
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Pouiklo, S., Ueber eine die Nachweisung von Cholera-
vibrionen im Wasser erleichternde Untersuchungs-
methode. (Wiener klinische Wochenschrift. 1893. No. 14.)
Verf. wendet auf Grund zahlreicher Laboratoriumsversuche foL
gendes Verfahren zur Untersuchung von verdächtigem Fluß- oder
Brunnenwasser an : Er füllt in einen sterilisierten Kolben 1 Liter
Wasser aus den oberflächlichen Schichten des Flußwassers, setzt diesem
hierauf 10 °/0 sterilisierte Bouillon hinzu und bringt den Kolben in
den Thermostaten. Nach Verlauf von 24 Stunden wird dann das an
der Oberfläche der Flüssigkeit entstandene Häutchen nach dem ge-
wöhnlichen Plattenverfahren untersucht. Man kann auch zwei oder
mehr Liter Wasser verwenden, wenn die dazu notwendigen umfang-
reicheren Apparate zur Verfügung stehen. Verf. verwertet also die
ursprünglich von G ruber und Schottelius konstatierte Tendenz
der Kommabacillen, sich wegen des Sauerstoffbedürfnisses an der
Oberfläche der Nährflüssigkeit zu entwickeln und ermöglicht mit seiner
Methode die Anwendung beliebiger Quantitäten Wasser zur Unter-
suchung, wodurch die Chancen der Entdeckung der etwa im Wasser
vorhandenen Kommabacillen wesentlich erhöht werden *).
Dieudonnö (Berlin).
1) Das Verfahren ist nahezu identisch mit dem von mir in dem Greifswalder
medizinischen Vereine am 3. Dezember 1892 mitgeteilten. (S. d. Centralbl. ßd. XIII.
No. 11/12. p. 384.) Loeffler.
28 Schutzimpfung, kiinstl. Infektionskrankheiten, Entwickeluugshemmung etc.
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
Sawtschenko, J. und Sobolotny, D.. Versuch einer Immun i-
sation des Menschen gegen Cholera. (Centralblatt für
Allgem. Pathologie. Bd. IV. 1893. No. 16.)
Um vergleichbare Resultate bei Immunisierungsversucheu gegen
die Infektion mit Cholera zu erzielen, haben es sich die Verff. zu-
nächst angelegen sein lasseu, eine Vaccine herzustellen, welche eine
genaue Dosierung ermöglicht. Zu dem Zwecke wurden 24 St. alte
Agarkulturen mit 0,5-proz. Kochsalzlösung abgespült, die Emulsion
an zwei aufeinanderfolgenden Tagen durch je einstündiges Erhitzen
auf 60 bez. 60—70° C sterilisiert, dann auf dem Wasserbade eine
bestimmte Menge davon eiugedampft und aus dem Rückstände nach
Abzug des CINa die in 1 g der Vaccine enthaltene Menge an Cholera-
bakterien berechnet. Mit dieser Vaccine, der noch soviel Karbolsäure
zugesetzt wurde, daß die ganze Lösung eine 0,5-proz. war, wurden
im wesentlichen zwei Versuchsreihen angestellt. In der ersten der-
selben nahmen die Versuchspersonen — die Verff. u. A. — mit der
Vaccine im Verlaufe von 29 Tagen im ganzen 1,393 oder 0,838 oder
1,08 g Cholerabakterien ein. 25 Tage nach der letzten Dosis wurden
Meerschweinchen mit dem Blutserum der Versuchspersonen immuni-
siert, und es zeigte sich, daß in einer Versuchsreihe als geringste
Menge 0,01 g Serum genügte, um ein Meerschweinchen gegen eine
Menge von 0,006 g Cholerabakterien unempfänglich zu machen, sowie
daß ein gewisses Verhältnis zwischen der Dosis des immunisierenden
Serums und der injizierten Bakterienmenge bestand. — In der zweiten
Versuchsreihe, bei welcher der Karbolsäurezusatz fortgelassen wurde,
nahmen die Versuchspersonen in 8 Tagen mit der Vaccine im ganzen
0,92 oder 0,92 oder 0,24 g Bakterien zu sich und tranken darauf,
nach Neutralisierung des Magensaftes, auf nüchternen Magen 0,1 ccm
einer 24 St. alten Bouillonkultur virulenter Choleravibrionen, ohne
daß krankhafte Erscheinungen sich eingestellt hätten. In den ganz
normalen Ausleerungen ließen sich schon am folgenden Tage Cholera-
bakterien konstatieren, die sich im Tierexperimente als virulent
erwiesen. Die Verff. glauben damit den experimentellen Nachweis
erbracht zu haben, daß auch anscheinend gesunde Personen, welche
Cholerabakterien in ihrem Darme beherbergen, zur Weiterverbreitung
der Krankheit beitragen können, da die Virulenz der Mikroben durch
das Passieren des Orgauismus nicht herabgesetzt zu werden braucht.
Aehnliche Beobachtungen (Rumpel) aus den letzten Epidemieen
scheineu eiue Bestätigung des Experimentes zu liefern.
K. Hintze (Rostock).
Neue Litteratur.
29
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Stand der Tierseuchen in Rumänien im 2. Vierteljahre 1893. (Veröffentl. d. kaiserl.
Gesundh.-A. 1893. No. 42. p. 818.)
Stand der Tierseuchen in Ungarn im 3. Vierteljahre 1893. (Veröffentl. d. kaiserl. Ge-
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Krankheiten der Wiederkäuer.
(Rinderpest, Lungenseuche, Texasseuche, Genickstarre, Ruhr und Diphtherie der
Kälber, Rauschbrand, entozootisches Verkalben.)
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Beyerinck, M. W., Notiz über den Nach-
weis von Protozoen und Spirillen in
Trinkwasser. (Orig.), p. 10.
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Perles, Max, Beobachtungen über perniciöse
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Wesener, Unsere gegenwärtigen Kenntnisse
über Dysenterie in anatomischer und
ätiologischer Hinsicht, p. 25.
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Pouiklo, S., Ueber eine die Nachweisung
von Choleravibrionen im Wasser erleich-
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Schutzimpfung, künstliche Infektions-
krankheiten, Entwickelungshemmung
und Vernichtung der Bakterien
und Parasiten.
Sawtschenko, J. und Sobolotny, D., Ver-
such einer Immunisation des Menschen
gegen Cholera, p. 28.
Neue Litteratur, p. 29.
t'ronmiannscho iSuciidruclcerci (ilcrnuum A'olilc) in Jcuu»
Centralblatt 81 — — -
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Die Redaktion des „ Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
künde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an
den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena , gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage , später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original -Mittheilungen.
Ueber die praktische Verwertbarkeit des Bacillus
der Mäuseseuche-Laser.
Von
Dr. Hugo Laser,
Assistenten am hygienischen Institute zu Königsberg i. Pr.
In Bd. XIII. No. 20 dieses Blattes publizierte ich eine Reihe von
Fütterungsversuchen mit dem von mir entdeckten Bacillus der
Mäuseseuche. Durch das bereitwillige Entgegenkommen des Herrn
Korpsroßarztes Pilz, dem mein besonderer Dank hiermit ausge-
sprochen sei, war es mir möglich, meine Versuche noch weiter fort-
zuführen, und sollen die dabei gefundenen Resultate im Nachstehenden
mitgeteilt werden. Zunächst erhielt eine Gans Brot, das mit bacillen-
XV. Bd. 3
34
Hago Laser
haltiger Bouillon durchtränkt war, deren Virulenz an Mäusen selbst-
verständlich vorher erprobt worden war, und eine zweite Gans direkt
5 ccm Bouillon eingeflößt; ebenso bekam ein Huhn 5 g Bouillon;
diese drei Tiere wurden ca. 1 V2 Monate beobachtet und zeigten
während dieser Zeit keinerlei ErkraDkungserscheinungen.
Ein Hammel dagegen, welcher 20 ccm Bouillon mit einem Male
schlucken mußte, käute zwei Tage später nicht mehr wieder; er
hatte Atembeschwerden, Nasenausfluß und entleerte breiige Faeces.
Sowohl von dem Nasensekrete als von den Faeces wurden Agarplatten
angelegt und in den Brütschrank gestellt, obwohl in den mikro-
skopischen Präparaten beider Substanzen keine beweglichen Bacillen
nachzuweisen gewesen waren. Auf diesen Agarkulturen wuchsen
nur unbewegliche Bacillen, die so plump aussahen, daß man sie bei-
nahe für Kokken hätte halten können. Der Hammel erholte sich
dann in den zwei folgenden Tagen , hatte wieder mehr gefärbte
Faeces. Am dritten Tage nach der überstandenen Krankheit stellten
sich wieder Atembeschwerden ein ; der Hammel erhielt Kreolin inner-
lich, verendete aber am nächsten Tage. Bei der Sektion zeigte sich,
daß nirgends Drüsen angeschwollen waren. Die Milz war stark
verkleinert und ganz trocken; Lungen waren normal; nur die Schleim-
haut im vierten Magen und im Dünndarme zeigte eine geringe entzünd-
liche Injektion. Mikroskopisch ließen sich in den Lungen und in der
Milz keine Mikroorganismen nachweisen, in dem Darminhalte Bak-
terien, die dem Bacterium coli commune glichen. Es wurden
Agarplatten von der Milz, Lunge, vom Inhalt des vierten Magens und
des Dünndarmes angelegt. Auf allen Platten wuchsen kurze, plumpe
Bacillen, die sich durch eine außerordentlich starke Molekularbe-
wegung auszeichneten. Von diesen Mikroorganismen wurde eine
Bouillonkultur angelegt und dann davon x/2 ccm einer weißen Maus
in die Bauchhöhle injiziert, welche 2 Tage später starb. In der
Milz fanden sich die injizierten Bakterien wieder, wie das Kultur-
verfahren ergab, aber nicht unser Bacillus.
Es war mir nun daran gelegen, noch zu erforschen, wie das Schwein
und Rindvieh eine Infektion per os vertragen würden, und auch
nochmals einen Hammel zu füttern. Von einer Bouillon , deren
Virulenz zuerst wiederum durch Fütterung einer Feldmaus erprobt
wurde, erhielt ein ca. 3/4 Jahr altes Schwein 20 g, auf Brot ge-
gossen, welches das Tier sofort verzehrte. Ebenso fraß eine ca. 13
Jahre alte Kuh Brot, das mit 30 g Bouillon getränkt war, sogleich
auf. Beide Tiere blieben völlig gesund, die Kuh gab sogar, wohl
infolge des guten Futters, mehr Milch, als vorher, die Menge stieg
von 5 bis auf 7 1 pro Tag — so daß diese Tiere nach 6 — 7-tägiger
Beobachtung aus der Tierklinik entlassen werden konnten. Ein
Schaf hingegen, welches 10 g Bouillon auf Brot erhielt, wurde
wieder 3 Tage später krank, es fraß weniger, hatte Nasenausfluß
und Durchfall und käute nicht wieder. Der Durchfall konnte durch
innerliche Anwendung von Salicylsäure und Tannin nicht gehoben
werden. Am 4. und 5. Tage erholte es sich ein wenig, abortierte
dann am Abend des 5. Tages, war darauf am 6. Tage munterer,
am 7. jedoch wieder krank und starb am Mittag des 7. Tages. Die
Ueber die praktische Verwertbarkeit des Bacillus der Mäuseseuche-Laser. 35
Obduktion ergab Auflockerung der Schleimhaut des Labmagens und
Entzündung der Schleimhaut des Dünndarmes. Die Milz war normal,
die Leber zeigte eine geringe Schwellung, außerdem bestand Bron-
chitis. Wie früher wurden auch in diesem Falle von dem Nasen-
sekret und den Faeces, die mikroskopisch nur plumpe Bacillen ent-
hielten, Agarkulturen angelegt, auf denen jedoch unser Bacillus
wiederum nicht wuchs. Nach der Sektion wurden Kulturen vom
Darminhalte, vom Inhalte des ersten und vierten Magens, von der Leber
und von der Milz angelegt. In allen Kulturen wuchs ein ziemlich plumper,
unbeweglicher Bacillus, der unserm Bacillus in keiner Be-
ziehung glich, jedoch identisch zu sein schien mit dem beim ersten
Hammel gefundenen Bacillus. Außerdem wurde je eine weiße Maus
mit 1/2 ccm Bouillon, in welcher Aufschwemmungen oben bezeichneter
fünf Untersuchungsobjekte gemacht waren, intraperitoneal geimpft
und eine sechste Maus zur Kontrolle mit ccm Aufschwemmung
unseres Bacillus. Letztere wurde bereits am nächsten Tage tot
aufgefunden, und zeigten Agarkulturen, von der Milz dieser Maus
angelegt, unseren Bacillus wieder.
Die übrigen Mäuse starben ebenso wie solche, welche von aus
den Untersuchungsobjekten angelegten Agarkulturen aus mit je
J/s ccm Aufschwemmung intraperitoneal geimpft waren, in der Zeit
von 3 — 10 Tagen ; einige blieben gesund ; aus der Milz aller ver-
endeten Tiere ließ sich derselbe unbewegliche Bacillus reinzüchten,
der auch auf der Gelatineplatte ganz anders wächst als unser
Bacillus. Die einzelnen Berichte über die 10 geimpften Mäuse
hier anzuführen, würde zu weit führen; ich behalte mir vor, den
so gefundenen Bacillus weiterhin nach seinen biologischen und
pathogenen Eigenschaften zu untersuchen und die Resultate eventuell
besonders zu publizieren.
Woran es nun lag, daß die Hammel eine besondere Empfäng-
lichkeit für unseren Bacillus zeigten, der weder intra vitam noch
post mortem vorgefunden werden konnte, ist noch eine offene Frage.
Möglich ist es, daß ein sonst harmloser Bewohner des Verdauungs-
kanals durch Symbiose mit unserem Bacillus pathogene Eigen-
schaften angenommen hat, möglich auch, daß schon die von dem
Bacillus in der Bouillon gebildeten Stoffwechselprodukte eine
deletäre Wirkung hervorrufen.
Wie dem auch sei, der Umstand, daß unser Bacillus für den
Hammel nicht unbedenklich ist, könnte im ersten Augenblicke die
praktische Verwendbarkeit desselben in Frage stellen. Allein weitere
Untersuchungen beseitigten jedes Bedenken. Es handelte sich bei
diesen darum, zu entscheiden, wie lange unser Bacillus auf Brot in
der Erde am Leben bleibe. Es wurden zu diesem Zwecke 8 würfel-
förmige Stücke Brot mit bacillenhaltender Bouillon durchtränkt und
in einer mit Erde gefüllten Kiste in ausgegrabene Gänge gelegt
Jeden Tag wurde alsdann ein Stück herausgenommen und zu Platten
verarbeitet. Vom 4. Tage an war unser Bacillus nicht mehr
durch das Plattenkulturverfahren nachzuweisen ; vom 5. Tage an trat
auf und in dem Brote lebhafte Schimmelpilzvegetation ein.
Bedenkt man nun, daß die Brotstücke bei einem praktischen
36
Hugo Laser, Ueber die praktische Verwertbarkeit etc.
Mäusetilgungsversuche tief in die Mäuselöcher hineingesteckt werden
und daß der Hammel zu denjenigen Tieren gehört, welche nicht
wühlen, dann ist eine Infektion dieser Tiere wohl als sehr ausge-
schlossen zu betrachten; im übrigen wäre es ja nur nötig, um ganz
sicher zu gehen, zu veranlassen, daß auf das betreffende Feldstück
innerhalb von 4 — 5 Tagen keine Schafherde getrieben wird.
Ich habe mich daher auch entschlossen, auf zwei Besitzungen
praktische Versuche durchzuführen, einmal in Mednicken in Ost-
preußen und dann in Bud wisch in Westpreußen. Die Resultate
waren zufriedenstellend, und zwar gestalteten sie sich folgender-
maßen :
Es wurden würfelförmige Brotstücke, die mit bacillenhaltender
Bouillon durchtränkt waren, tief in die Mäuselöcher hineingesteckt;
aufgepflanzte Zweige bezeichneten zum leichteren Wiederauffinden
die beschickten Stellen. Nach 6 Tagen wurden in meiner Gegenwart
die Löcher aufgegraben und da zeigte sich, daß nur vereinzelt tote
Mäuse zu finden waren; auffallend war es, daß weder in noch vor
den beschickten Löchern frisches Getreide oder sonstiges Futter vor-
handen war. In anderen Löchern dagegen, die zur Kontrolle auf-
gegraben wurden, lebten die Mäuse und in ihren Bauen war frisches
Futter in mehr oder minder größerer Menge aufgespeichert. Eine
ähnliche Beobachtung hat Loeffler seiner Zeit auch in Thessalien
gemacht. Mit seiner Erklärung dieses Befundes kann ich nur ganz
übereinstimmen. Sobald Mäuse erkranken, scheinen sie ein großes
Bedürfnis nach frischer Luft zu haben ; sie kommen daher aus ihren
Löchern heraus und werden dann von den mäusevertilgenden Vögeln
aufgefressen. Bei uns kommt in dieser Beziehung wohl hauptsäch-
lich die Krähe in Betracht. Und in der That ist, wie mir berichtet
wurde, besonders in Budwisch das Erscheinen von unzähligen Krähen
auf den Feldern 3 Tage, nachdem ich das Brot ausgelegt hatte, auf-
gefallen.
Nach alledem kann ich wohl mit Recht behaupten, daß der
praktischen Anwendung meines Bacillus nichts im Wege steht
und hoffe ich, daß die Erfolge überall günstige sein werden, wenn
die Arbeit in sachkundiger Weise angestellt wird. Darunter ver-
stehe ich, daß wirklich nur virulente Bacillen in Anwendung kommen
und dann, daß die Brotstücke sorgfältig tief in die Löcher hineinge-
schoben werden.
Königsberg i. Pr., 15. Dezember 1893.
H. Kerez, Ueber den Einfluß des Tabaks auf den Tuberkelbacillus. 37
Ueber den Einfluss des Tabaks auf den Tuberkelbacillus.
[Aus dem hygienischen Institute Zürich.]
Von
Dr. H. Kerez
in
Rom.
Untersuchungen über das Verhalten von Mikroorganismen unter
dem Einflüsse des Tabaks liegen nur in spärlicher Zahl vor und da-
tieren aus den letzten Jahren. Wernicke (Hygien. Rundschau vom
1. Nov. 1892) hat insbesondere den Einfluß des Tabaks auf die
Cholerabacillen während der Choleraepidemie in Hamburg eingehend
studiert und überzeugend dargethan, daß an letzterem Orte ver-
fertigte und lagernde Cigarren bei ihrer Versendung keine Gefahr
der Verschleppung von Cholerabacillen in sich bergen, indem diese
in Berührung mit den Tabakblättern in kürzester Frist zu Grunde
gehen. Der Cholerabacillus ist aber wenig resistent und es ist
daher nicht ausgeschlossen, daß ein so starker Konsumartikel, wie
der Tabak, bei Uebertragung resistenterer pathogener Mikroorganis-
men gelegentlich eine Rolle als Zwischenträger spielen könnte, wozu
die Gelegenheit um so eher geboten sein dürfte, als die Bearbeitung
des Tabaks meistens nicht unter den besten Verhältnissen und mit
geringsten hygienischen Kautelen geschieht.
Untersuchungen über die Wirkung des Tabakrauches auf
Mikroorganismen, wie sie namentlich von T a s s i n a r i (Centralblatt
f. Bakteriol. u. Parasitenkunde. 1888 u. 1891) vorgenommen und in
Bezug auf den Cholera bacillus von Wernicke (1. c.) wiederholt
wurden, berühren diese Frage nicht direkt. Jetzt, wo der
Kampf gegen die Tuberkulose von allen Seiten mit Eifer aufge-
nommen wird, lag es daher nahe, nachzuforschen, ob der Tabak und
seine Produkte bei der Verbreitung der Tuberkulose vielleicht eine
Rolle spielen und ob daher die öffentliche Gesundheitspflege auch in
diesem Gewerbe den Hebel anzusetzen habe, um prophylaktisch zu
wirken.
Es ist ja eine bekannte Thatsache, daß die hygienischen Ver-
hältnisse in den Cigarrenfabriken meistens sehr zu wünschen übrig
lassen, nicht weniger auch der Gesundheitszustand der in solchen
bethätigten Arbeiter. Der geringen Anforderung an ihre Leistungsfähig-
keit wegen strömen in diesen Etablissements konstitutionell bereits ge-
schädigte Leute zusammen, welche dann unter den ungünstigen Ver-
hältnissen relativ bald mannigfaltigen Leiden zum Opfer fallen.
Unter diesen spielen nach Roehs (Vierteljahresschr. f. gerichtl.
Medizin. 1889) Krankheiten der Respirationsorgane eine bedeutende
Rolle und nicht am wenigsten Lungentuberkulose, wie dies auch die
deutschen Fabrikinspektoren in ihrem amtlichen Berichte pro 1885
betonen. Kaiser (Ueber den Einfluß des Berufs auf Sterblichkeit und
Lebensdauer, Eulenburg’s Vierteljahresschrift f. gerichtl. Medizin.
38
H. Kerei
Bd. XXXIII) hat denn auch die mittelbare Lebensdauer der Tabak-
arbeiter auf nur 38 Jahre berechnet.
Wie aus Gesagtem erhellt, ist somit tuberkulöses Material un-
zweifelhaft meistens in Cigarrenfabriken vorhanden und sind die
Arbeiter selbst dessen Träger. Daß solches nur allzu leicht von
letzteren direkt auf den Tabak und mit diesem in die Cigarren
übertragen werden kann, geht aus der üblichen Darstellungsweise
der Cigarren hervor.
Es werden vorerst die kleineren Tabakblätter, welche als Füllung
der Cigarren dienen, in Wasser eingelegt und die großen, Material
für Umhüllungs- und Deckblätter ergebenden Tabakblätter durch
Wasser gezogen. Nachdem erstere von den Stielen befreit, werden
sie mit den Fingern in eine längliche, der Cigarre annähernd ent-
sprechende Form zusammengedrückt und möglichst glatt gerollt.
Schon bei dieser Prozedur bedient sich oft der Arbeiter des Be-
leckens seiner Finger, weil der zähe Mundschleim ein besseres
Bindemittel abgiebt, als reines Wasser. Weit häufiger und an vielen
Orten wohl regelmäßig geschieht dies beim folgenden und beim letzten
Akte der Darstellung von Cigarren, beim Einrollen der Füllungs-
masse in das Umhüllungsblatt und beim Umhüllen des Ganzen mit
dem Deckblatt. Ersteres sollte mit Wasser, letzteres mit einer ganz
dünnen Schicht von Kleister befeuchtet werden. Auch hier werden,
wo die Befeuchtung eine geringe ist oder Blattteile sich nicht gut
anlegen, beleckte Finger zu Hilfe genommen oder gar die Cigarre
behufs Befeuchtung an Lippen und Zunge gebracht; hernach kommen
die Cigarren in eine Form und aus dieser, in Kistchen gepreßt, in
einen Trocknungs- und Lagerungsraum, wo sie bei einer Temperatur
von ca. 30° C meistens bis zu ihrer Spedition verbleiben.
So kann tuberkulöses Sputum direkt auf die Cigarren gelangen,
aber auch die Möglichkeit indirekter Uebertragung durch die mit
Staub vermengte Luft ist dadurch gegeben, daß tuberkulöse Arbeiter
ihr Sputum auf den Boden entleeren, wo solches eintrocknet. Es
hängt von der Erhaltuug der Virulenz der Tuberkelbacillen auf Tabak
ab, ob auf solche Weise Raucher durch Cigarren gefährdet sind
oder nicht.
Um diese praktisch wichtige Frage zu entscheiden, habe ich
daher der sehr dankenswerten Anregung des Herrn Dr. 0. Roth,
Vorstand der bakteriologischen Abteilung des hygienischen Institutes
in Zürich, den Einfluß des Tabaks speziell auf tuber-
kulöses Sputum zu erforschen, gerne Folge geleistet.
Der Gang der Untersuchung lehnte sich möglichst an die Praxis
an, damit das Resultat derselben auch ohne weiteres für die Praxis
Geltung haben könnte, denn die Erfahrungen der Desinfektionspraxis
haben ja zur Genüge gezeigt, daß Reinkulturen von Tuberkelbacillen
und tuberkulöses Material sich gegenüber den auf sie einwirkenden
Agentien verschieden verhalten.
Es wurden Cigarren in der oben geschilderten Weise hergestellt
und, wie dies in der deutschen Schweiz gewöhnlich geschieht, für die
Füllung kleine Brasilblätter, für das Umhüllungs- und Deckblatt große
Javablätter verwendet. Um die Infizierung des Tabaks seitens tuber-
Ueber den Einfluß des Tabaks auf den Tuberkelbacillus.
39
kulöser Arbeiter durch Belecken der Finger oder Anfeuchten der
Cigarren mit Lippen oder Zunge nachzuahmen, wurde vor dem Ein-
hüllen in das Deckblatt tuberkulöses Sputum an die Finger gebracht
oder solches in geringer Menge mittels Pincette an der Spitze der
Cigarre zwischen Umhüllungs- und Deckblatt aufgetragen.
Gleiches Sputum wurde jeweilen auf Papier äufgestrichen, in
sterilen Reagenzröhrchen neben den mit infizierten Cigarren be-
schickten Kistchen aufbewahrt, um festzustellen, ob die Beein-
flussung der Virulenz der Tuberkelbacillen einer spezifischen Wirkung
des Tabaks oder nur dem Eintrocknen zuzuschreiben sei. Nach
Angabe de Toma’s (ref. in Baumgarten’s Jahresbericht über
pathog. Mikroorganismen. Jahrg. 1888. p. 173) und solcher Szawitz-
ky’s (ref. in Baumgarten’s Jahresbericht. Jahrg. 1891. p. 777)
schwankt die Virulenzdauer dem Eintrocknen unterworfenen Sputums
zwischen 14 Tagen und 21/ 2 Monaten. Offenbar ist solche von
Temperatur und Feuchtigkeitsgrad und hierdurch bedingter Schnellig-
keit des Eintrocknens abhängig.
Im vorliegenden Falle war das Sputum einer Temperatur von
28—30° C ausgesetzt und der Zutritt der Luft nur durch den das
Reagenzglas lose abschließenden Wattepfropf gehemmt.
Es wurde nur Sputum von reichlichem Bacillengehalte verwendet,
nachdem solcher vorerst durch Deckglaspräparate festgestellt war,
und das gleiche Sputum jeweilen in sterilem Wasser aufgeschwemmt
Kontrolltieren intraperitoneal injiziert behufs Prüfung der Virulenz
der im betreffenden Sputum enthaltenen Tuberkelbacillen.
Es erschien mir wichtig, im ferneren die Reaktion der Meer-
schweinchen auf Tabakinfus festzustellen, weshalb eine Menge von
4 — 5 ccm (das Infus von i/4 eines mittelgroßen Javablattes) solchen
Tieren in die Bauchhöhle injiziert wurde. Das Tabakinfus wurde
reaktionslos ertragen, insofern ihm nicht Blätterteile beigemischt
waren, in welchem Falle unter Kollapserscheinungen rapid Exitus
eintrat, ohne daß die Sektion greifbare Veränderungen ergab.
Nachdem die in obiger Weise infizierten und hernach in Kistchen
gepreßten Cigarren, sowie das mit Sputum beschickte Papier ver-
schieden lange Zeit über dem Brütschranke bei einer Temperatur
von 28 — 30° C gelagert hatten, wie dies in den Fabriken vor der
Abgabe geschieht, wurden einerseits die Deckblätter über einer
Petri’schen Schale abgerollt, mit sterilem Wasser abgespült und
mit dem Spatel abgeschabt, um das infektiöse Material von den Blättern
ohne deren Bestandteile zu erhalten, andererseits wurde das in-
fizierte Papier in gleicher Weise abgewaschen. Sodann wurde das
erhaltene Tabakwaschwasser je zwei, das Waschwasser vom Papier
jeweilen einem Meerschweinchen intraperitoneal injiziert. Stets
wurde ein Rest der beiden Waschwasser sedimentiert und durch
Färbung auf den Gehalt an Tuberkelbacillen untersucht. Die Impfung
der Versuchstiere erfolgte nach einer Lagerung der infizierten
Cigarren und des infizierten Papiers von 10 Tagen, 2, 3, 4 und
5 Wochen.
Der Gehalt an Tuberkelbacillen des zur Injektion verwendeten
Tabakwaschwassers war nur nach 10 Tagen Einwirkung reichlich,
40
H. Ke r e z,
bei längerer Einwirkung äußerst gering, bei dem vom Papier
stammenden Waschwasser dagegen ein mittlerer bis reichlicher. Die
vom Papier stammenden Bacillen zeigten gut erhaltene und gefärbte
Formen, die von den Cigarren stammenden aber meist schlecht ge-
färbte Involutionsformen.
Von den Konfrontieren verendeten zwei, das eine nach 18 Tagen,
das andere nach 23 Tagen infolge von Tuberkulose.
Von den Tabaktieren machte eines 5 Tage nach der Injektion
Exitus an Peritonitis, ein anderes, nach einer Einwirkung des Tabaks
auf das Sputum von 4 Wochen geimpft, ging nach l2/s Monaten an
Kachexie zu Grunde; das zweite, unter gleichen Bedingungen ge-
impfte Tabaktier verfiel ebenfalls fortschreitender Kachexie und wurde
zu gleicher Zeit in bereits moribundem Zustande getötet, ohne daß
die Sektion eine andere Todesursache ergab.
Alle übrigen nicht spontan verendeten Tiere wurden nach
2 Monaten getötet. In allen Fällen, auch denen, wo die Sektion
weder positiv noch irgendwie suspekt ausfiel, wurde der Befund nicht
nur makroskopisch festgestellt, sondern auch mikroskopisch in Aus-
strich- und in Schnittpräparaten die An- oder Abwesenheit von
Tuberkelbacillen in den Organen erforscht.
Bei der Sektion lagen im Uterus eines nach 10 Tagen von in-
fizierten Cigarren, sowie eines nach 2 Wochen von letzteren geimpften
Meerschweinchens je 3 gut entwickelte Früchte vor, ebenso 2 solcher
in einem von Papier nach 5 Wochen geimpften Tiere.
Sämtliche jeweilen mit dem nämlichen tuberkulösen Sputum ge-
impften Kontrolltiere erwiesen sich als tuberkulös.
Tuberkulose wurde ferner nachgewiesen bei den beiden nach
10 Tagen von infizierten Cigarren geimpften Tieren, wovon das eine,
trächtige, auf der Innenseite der Placenta vereinzelte miliare Knötchen
zeigte, in welchen durch Färbung Tuberkelbacillen nachweisbar waren.
Bei den nach 10 Tagen, 2 und 3 Wochen von infiziertem
Papier geimpften Tieren lag ebenfalls durch Färbung erhärtete
Tuberkulose vor, bei allen übrigen Versuchstieren war der Befund
negativ, ebenso bei sämtlichen Früchten, auch bei denen, welche in
jenem Muttertiere lagen, dessen Placenta miliare Tuberkulose zeigte.
Eine Uebersicht über die Resultate der im Vorhergehenden ge-
schilderten Untersuchungen giebt folgende Tabelle (s. p. 41):
Aus obiger Zusammenstellung geht hervor, daß nur, wenn die
mit tuberkulösem Sputum infizierten Cigarren bloß
10 Tage gelagert hatten, deren Waschwasser Tuber-
kulose bei Meerschweinchen zu erzeugen imstande
war; bei längerer Lagerung infizierter Cigarren verloren letztere ihre
virulenten Eigenschaften.
Dagegen vermochte die bloße Eintrocknung des gleichen tuber-
kulösen Sputums auf Papier unter ähnlichen äußeren Verhältnissen
die Virulenz desselben erst in der 4. Woche zu zerstören.
Mit Waschwasser von mit tuberkulösem Sputum infizierten Cigarren
angestellte Kulturversuche auf Glycerinagar und Glyceriubouillon zeigten
baldige und üppige Entwickelung von Bakteriengemischen, worunter
Hefearten eine hervorragende Rolle spielten, so daß aus diesen
Ueber den Einfluß des Tabaks auf den Tuberkelbacillus
41
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42
M. Lunkewicz,
Untersuchungen wie aus denen Wernicke’s hervorgeht, daß die
Konkurrenz anderer Bakterien gegenüber den pathogenen im Tabak
von Bedeutung ist.
Die Reaktion der großen Javablätter war vor der Verwendung
amphoter, diejenige der kleinen Brasilblätter deutlich sauer, durch die
Lagerung wurde die Reaktion der als Deckblätter verwendeten Javablätter
nach und nach in eine deutlich sauere umgewandelt. Es dürfte also
auch diese Säurebildung im Tabak eine hemmende Wirkung gegen-
über pathogenen Bakterien ausüben.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß noch vielerorts die
hygienischen Verhältnisse der Tabakfabriken viel zu wünschen übrig
lassen und daß namentlich im Interesse der Arbeiter Wandel dringend
geboten erscheint; für die Konsumenten liegt immerhin die Gefahr,
durch Cigarren als Zwischenträger mit Tuberkulose bedroht zu wer-
den, nicht vor, nachdem sich durch obige Untersuchungen herausge-
stellt hat, daß, wenn auch der resistentere Tuberkelbacillus in
der Hülle des Sputums dem Einflüsse des Tabaks bedeutend länger
widersteht, als der Cholerabacillus in Reinkultur, die Virulenz
des ersteren doch unzweifelhaft vor Ablauf der in Fabriken üblichen
und zum Trocknen der Cigarren unbedingt notwendigen Lagerungs-
frist erlischt.
Rom, 9. Dezember 1893.
Beitrag zur bakteriologischen Technik.
Von
Dr. M. Lunkewicz,
Chef des Militär-Medizinischen Laboratoriums zu Tiflis.
I. Viereckige Doppelkulturschalen.
Die jetzt so beliebten Kulturschalen von Petri haben außer
ihren Vorzügen auch ihre nicht unwesentlichen Nachteile. Der Boden
der unteren Schale ist nie ganz eben und horizontal, sondern im
centralen Teile etwas erhaben, wodurch beim Ausgießen des ver-
flüssigten festen Nährmediums das Abfließen desselben zur Peripherie,
und beim Erstarren des Nährsubstrats eine viel dickere Schicht am
Rande der Schale bedingt wird. Solche ungleiche Dicke des Nähr-
bodens ist, wie bekannt, nicht ohne Einfluß auf das Wachstum, resp.
auf das makro- und mikroskopische Bild der Kolonieen, da letztere,
wenn sie auch von einer Species der Bakterien stammen, in den
tieferen Schichten der Gelatine sehr oft ein ganz anderes Aussehen
haben, als auf der Oberfläche. Das Zählen der Kolonieen in den
kreisförmigen Schalen Petri’s ist auch manchmal ziemlich schwer,
da die W olff hügel’sche Zählplatte in qcm eingeteilt ist, das Ver-
fertigen der Zählplatten nach Brunner und Zawadski1) ist sehr
1) Centralblatt für Bakter. und Parasit. Bd. XIV. 1893. No. 19.
Beitrag zur bakteriologischen Technik.
43
umständlich, und man muß eigentlich für jeden bestimmten Durch-
messer der Schale eine spezielle Zählplatte anfertigen. Die mikro-
skopische Untersuchung der Kolonieen in den geschlossenen Pet ri-
schen Schalen ist fast unmöglich, da der Boden der unteren Schale
nie ganz parallel ist mit dem Boden der Deckelschale. Um diese
Nachteile zu beseitigen, beauftragte ich Herrn Leyboldt in
Köln , viereckige Doppelschalen anzufertigen. Das Hauptprinzip
dieser Kulturschalen ist, daß sie bei viereckiger Form einen
glatten , streng horizontalen Boden haben. Diese Kulturschalen
sind nicht aus einem Stücke, sondern die Seitenwände werden
an die Ränder einer Glasplatte mit einem Kitt, dessen Zusammen-
setzung ein Geheimnis des Herrn Leyboldt ist, angekittet. Dieser
Kitt ist sehr feuerfest — eine Temperatur von 200° C im Trocken-
schranke beim Sterilisieren hielt er glänzend aus. Die untere
Schale wird mit einer zweiten Deckelschale bedeckt, die verhältnis-
mäßig etwas breiter ist. Solche viereckige Doppelschalen haben
folgende Vorteile: 1) Das Zählen der Kolonieen, da der Boden der
Schale eigentlich die von vielen Bakteriologen bevorzugte Platte ist,
geschieht viel genauer und leichter auf der in qcm eingeteilten
Zählplatte — man kann sogar den Boden der Schale in Quadrate
einteilen lassen; 2) die Verteilung des Nährsubstrats resp. der
Kolonieen im Nährsubstrate, da der Boden streng horizontal ist, ist
eine viel regelmäßigere, als in den ziemlich unebenen Petri’schen
Schalen ; 3) da der untere Boden und der Boden der Deckelschale
parallel sind und die Höhe der Seitenwände verhältnismäßig gering
ist — ein ccm — hat man die volle Möglichkeit, mit Zeiss,
Objektiv a3 und A, was bei üblichen Unternehmungen ganz genügend
ist, die Kulturen in geschlossener Schale zu untersuchen, ohne die
Kultur einer möglichen Verunreinigung, beim öfteren Oeffnen, auszu-
setzen.
Solche viereckige Doppelkulturschalen vereinigen also vollkommen
die Vorteile der Koch’schen Glasplatte mit den Vorzügen der ge-
schlossenen Doppelschale.
In der mir zugänglichen Litteratur habe ich keine Andeutung
auf solche Schalen gefunden. Schimmel busch *) schaltet zwischen
zwei Glasplatten einen Papprahmen ein. Marpmann8) schlägt
vor, statt des Papprahmens Glasstreifen von 0,4 mm Dicke an eine
Glasplatte anzukitten und solche Zellen mit einer zweiten Glasplatte
zu bedecken. Die Marpmann’schen Kulturzellen sind aber wegen
geringer Höhe der Seitenstreifen und leichter Verschiebbarkeit der
Deckplatte wenig praktisch und eigentlich keine Doppelschalen. Der
einzige Nachteil der viereckigen Doppelschalen ist der ziemlich hohe
Preis = 2 M. pro Paar.
Die von mir bestellten Schalen sind von zwei Größen : 12 : 12 cm
und 6 : 12 cm Breite. Die Seitenwände haben 1 cm Höhe.
1) Kortsch. d. Med. Bd. VI. 1888. No. 16.
2) Centralblatt für Bakter. und Parasit. Bd. X. 1891. No. 14.
44
Original-Referate aus hygienischen, bakteriol. und parasitol. Instit.
II. Ein kühlbarer Objekttisch.
Wer während der heißen Sommerzeit mit Gelatineplattenkultureu
gearbeitet, der kennt die Schwierigkeit solcher Untersuchungen. Die
Gelatinekulturen in Schalen oder auf Platten, nachdem man sie aus
dem Eisschranke hervorholt, um mikroskopisch zu untersuchen, ver-
flüssigen sich von der hohen Lufttemperatur (hier in Tiflis öfters
bis 30° — 35° R im Schatten) sehr schnell; die Kolonieen schwimmen
und verlieren ihre ursprüngliche Form, so daß man keine Möglich-
keit hat, die Untersuchung fortzusetzen und einzelne Bakterien zu
isolieren, besonders am zweiten Tage der Untersuchung.
Um diesem Uebelstande abzuhelfen, kam ich auf den Ge-
danken, den heizbaren Objekttisch aus Glas, mit einigen Variationen,
als Kühlapparat beim Untersuchen der Gelatineplattenkulturen zu
verwenden.
Dieser Tisch ist eine dickwandige Glasschachtel mit abge-
schliffenen Oberflächen; die Seiten wände sind angekittet; durch das
Glasröhrchen A fließt Eiswasser ein, durch das Röhrchen B fließt
es ab; die Cirkulation des Wassers ist beständig. Solch eine Glas-
schachtel wird auf den Objekttisch des Mikroskops gelegt und auf
die Schachtel die Kulturscbale resp. Platte. Der Boden der Kultur-
schale oder die Kulturplatte wird ganz genügend abgekühlt, so daß
man ganz ruhig manipulieren kann, ohne die Verflüssigung der Ge-
latine zu befürchten — die Kolonieen bleiben ganz heil. Dieser
Tisch ist etwas größer als der Heiztisch (10 : 10 cm und 12 : 12 cm)
und etwas niedriger, hat aber auf der oberen Wand keine Ver-
tiefungen für feuchte Kammern und kein Thermometer, was auch
den Preis bedeutend billiger stellt (5 M. bei Leyboldt), als den des
heizbaren Objekttisches. Dieser Kühltisch hat im Laboratorium sehr
gute Dienste geleistet, während des Sommers d. J. besonders bei
den Cholerauntersuchungen.
Tiflis, 7. Dezember 1893.
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen
Instituten, Laboratorien etc.
Aus dem Hygienischen Institut in Gießen.
(Direktor Prof. Dr. Gaffky.)
Kutscher, Ein Beitrag zur Kenntnis der den Cholera-
vibrionen ähnlichen Wasserbakterien1).
Im Verlaufe vergleichender Untersuchungen, welche im hygieni-
schen Institute zu Gießen über die im Hamburger hygienischen Institute
isolierten Wasservibrionen einerseits (die näheren Angaben über diese
Bakterien finden sich in der Deutsch, med. Wochenschrift. 1893.
No. 33) und Choleravibrionen andererseits angestellt wurden, gelang
1) Deutsche medizin. Wochenschrift. 1893. No. 49.
Original-Referate aus hygienischen, bakteriol. und parasitol. Instit.
45
es, einen bisher unbekannten, für die Unterscheidung der beiden
einander sehr ähnlichen Vibrionenarten nicht unwichtigen Befund zu
erheben.
Der Gang der Untersuchung brachte es mit sich, daß Ref. sich
anfangs Oktober d. J. mit Vibrionenkulturen beschäftigte, die ganz
neuerdings dem Institute durch Vermittelung des Kaiserlichen Ge-
sundheitsamtes zugegangen und zu Hamburg in letzter Zeit aus
den Dejektionen verschiedener Personen isoliert worden waren. Bei
der Arbeit mit diesen Kulturen bemerkte Ref. an zwei derselben,
welche mit den Dunbar’schen Wasservibrionen völlig identisch zu
sein schienen, sehr starke grünweiße Phosphorescenz. Das Phänomen
veranlaßte die sofortige Untersuchung von 33 in Hamburg isolierten
Vibrionenkulturen, die dem Institute seit Auffinden des choleraähn-
lichen Wasservibrio zugänglich geworden waren, auf die Erscheinung
des Leuchtens.
Dabei ergab sich, daß von 8 aus dem Elb- resp. Leitungs-
wasser isolierten Kulturen 7 phosphorescierten.
Von 14 den Dejektionen teils leicht erkrankter, teils klinisch
völlig unverdächtiger Personen entstammenden Kulturen zeigten 4
Phosphorescenz.
Dagegen phosphorescierte keine der 11 Kulturen, die von an
Cholera schwer erkrankten Personen herstammten. Ein gleich nega-
tives Resultat lieferte die Untersuchung von 23 der vorjährigen
Hamburger Epidemie entstammenden Kulturen.
Diese Befunde, durch welche sich das Vorkommen des leuchten-
den Vibrio nicht nur im Wasser, sondern auch in den Dejektionen
verschiedener Personen nachweisen ließ, hätten den Gedanken nahe
legen können, daß es sich hier um eine bloße Modifikation des
Choleravibrio handele. Eine derartige Annahme erscheint jedoch
wenig wahrscheinlich, wenn man das ausschließliche Vorkommen des
leuchtenden Vibrio bei leicht resp. gar nicht erkrankten Personen be-
rücksichtigt; wenn man ferner in Betracht zieht, daß keiner der
vielen Forscher, welche den Choleravibrio unter den verschieden-
artigsten Bedingungen beobachtet haben, je eine derartige Modifi-
kation bemerkt hat.
Ausgedehnte Untersuchungen im Kaiserlichen Gesundheitsamte
und Institute für Infektionskrankheiten stellten bei sehr zahlreichen,
an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten isolierten
Cholerakulturen ebenfalls Fehlen der Phosphorescenz fest. Außerdem
wurde durch sie das Verbreitungsgebiet des leuchtenden Vibrio auf
die stark chlorhaltige Elbe und ihre Nebenflüsse beschränkt gefunden,
eine Thatsache, welche den Ref. die Vermutung aussprechen ließ,
daß der leuchtende Vibrio vom Meere aus auf irgend eine Weise in
die betreffenden Flußläufe gelangt sei, oder daß ein früher nicht
leuchtendes Bakterium in den stark chlorhaltigen Gewässern all-
mählich die Eigenschaft der Phosphorescenz angenommeu habe.
Die Versuche, welche Ref. mit dem leuchtenden Vibrio vornahm,
bezogen sich zunächst auf die Beziehungen zwischen Temperatur
und Phosphorescenz. Im Laufe derselben fand sich als Optimum
für das Auftreten der Phosphorescenz eine Temperatur von ca. 22 0 C.
46
Gärung.
Die untere Wärmegrenze, bei der noch Leuchten eintrat, lag bei ca.
10° C, die obere bei ca. 40° C.
Versuche über Einwirkung des Lichtes auf die Phosphorescenz
ergaben, daß durch diffuses Tageslicht weder eine Schädigung noch
eine Beförderung der Phosphorescenz in merklichem Grade stattfindet.
Nach intraperitonealer üeberimpfung des leuchtenden Vibrio
auf Meerschweincheu ließ sich derselbe wieder aus dem Tierkörper
isolieren, ohne in seiner Phosphorescenz geschädigt zu sein.
Bei anaerober Züchtung machte sich starke Verminderung des
Wachstums bemerkbar. Phosphorescenz trat nicht auf. Phosphores-
cenz und normales Wachstum traten dagegen wieder ein, wenn der
Sauerstoffabschluß aufgehoben wurde. (Autoreferat.)
Referate.
Greg , Percival H. , Fermentation in rum distilleries.
(The Sugar Cane. Vol. XXV. No. 292. p. 588 — 597. Manchester
1893. Noverab. 1.)
Der Rum wurde von jeher als ein Nebenprodukt bei der Zucker-
fabrikation betrachtet, und demselben wurde deshalb von seiten der
Männer der Wissenschaft nicht die Aufmerksamkeit gewidmet, welche
er verdient. Eine genauere Untersuchung der Gärungsphänomene wird
vielfach dazu beitragen können, sowohl die Rumquantität zu ver-
mehren, als auch die Qualität zu verbessern. Verf. giebt erst eine
Uebersicht von den Resultaten, welche europäische Forscher in Bezug
auf die Gärungsphysiologie im allgemeinen erreicht haben und er-
wähnt besonders die grundlegenden Untersuchungen von Hansen,
dessen Methoden er angewendet hat. Verf. bespricht, welche große
Bedeutung die reingezüchtete Hefe sowohl für die Brauerei als für
die Brennerei bekommen hat. Bei der Rumfabrikation hat man bis
jetzt ganz blindlings nach alten Rezepten gearbeitet. Die Zucker-
rohrmelasse, mit Wasser verdünnt, erleidet eine spontane Gärung, und
die vergorene Maische liefert nach erfolgter Destillation Rum. In-
folge der in den Tropenländern herrschenden hohen Temperatur wird
die Maische oft sauer, die Rumausbeute ist dann eine geringe, und
der Rum hat einen unaugenehmen Geschmack. Die Melasse wird
häufig u. a. mit „dunder“, d. h. die vergorene und entgeistete
Maische, gemischt. Wenn der „dunder“ sauer wird, muß man ihn
wegwerfen und bekommt dann eine sehr schwache Gärung. Der
„dunder“ ist nämlich eine Art von Hefendekokt und bildet deshalb
die denkbar beste Nahrung für die Erzeugung neuer Hefeuzellen.
Leider bildet er auch für Bakterien einen guten Nährboden, und in-
dem diese sich entwickeln, entstehen Säuren oder übelriechende Pro-
dukte, welche den Geschmack beeinträchtigen. Wie ist nun diesen
Uebeln abzuhelfen? Dadurch, daß die spontane Gärung abgeschafft
wird. Wie in der Brauerei und Brennerei, ist auch hier die Aufgabe,
Gärung. — Bakterien im Wasser.
47
«ine reingezüchtete, ausgewählte Hefenrasse anzuwenden. Um Versuche
hierüber zu machen, hat Verf. längere Zeit in Alfr. Jörgensen’s
gärungsphysiologischem Laboratorium zu Kopenhagen mit größeren
Quantitäten Melasse und „dunder“ aus Jamaica gearbeitet. Von den
in „dunder“ sich befindenden Organismen wurde eine sehr bedeutende
Anzahl von Heferassen in Reinkulturen dargestellt. Mit diesen wurden
Gärungsversuche in sterilen Flüssigkeiten (Melasse und „dunder“)
gemacht, und auf diese Weise wurde es dargethan, daß verschiedene
Arten und Rassen gegenwärtig waren. Es gelang, aus diesen einige
herauszufinden , die gerade solche Charaktere hatten , welche man
wünschte, nämlich eine kurze Gärdauer (3 Tage) nebst einer kräftigen
Gärung und als Resultat ein Produkt mit einem sehr feinen Ge-
schmack und eigentümlichem Aroma. Andere Arten dagegen gaben
eine geringe Alkoholausbeute und verliehen dem mit ihnen darge-
stellten Spiritus einen unangenehmen Geschmack, sowie sie auch die
Gärung erst in 12 Tagen zu Ende brachten. — Die Vorteile, die
man mit einer solchen rein gezüchteten ausgewählten Rasse erreichen
kann, liegen infolgedessen klar am Tage und lassen sich in Kürze
folgendermaßen augeben : 1) Unter gleichen Bedingungen Gleich-
mäßigkeit der Arbeit im Destillierhause; der Fabrikant wird im vor-
aus wissen, wie viel Zeit erforderlich sein wird, um eine gewisse
Quantität Maische von bestimmter Konzentration und Zusammen-
setzung auf einen gewissen Punkt hinunter zu vergären. 2)
wird er bis zu einem gewissen Grade imstande sein , die Qualität
seines Rums zu verbessern, und 3) wird er befähigt sein, sich
zu sichern, daß der charakteristische Geschmack und das Aroma
seines Rums sich konstant erhalte, soweit es auf die von der Hefe
zu erwartende Wirkung ankommt.
Just. Chr. Holm (Kopenhagen).
Zimmermann, 0. E. K.., Die Bakterien unserer Trink- und
Nutzwässer, insbesondere der Chemnitzer W asser-
leitu ng. Zweite Reihe. (Separat-Abdruck aus dem zwölften
Bericht der naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Chemnitz.)
Mit 30 Photogrammen. 92 p. Chemnitz (Karl Brunner [M. Bülz])
1894. Preis 4 M.
Vor kurzem hat Zimmermann die in Aussicht gestellte
„Zweite Reihe“ der „Bakterien unserer Trink- und Nutzwässer“ der
allen Interessenten wohlbekannten, 1890 im gleichen Verlage er-
schienenen ersten Reihe folgen lassen. Zu den Beschreibungen der
40 alten Arten sind 35 neue hinzugekommen, darunter neu aufge-
stellte Arten und einige bereits von anderen Autoren beschriebene,
alle nach dem gleichen, von den Tabellen der ersten Reihe her wohl-
bekannten Schema ausgeführt. Den Beschreibungen sind zur besseren
Verdeutlichung 30 Photogramme von mikroskopischen Präparaten
der betreffenden Mikroorganismen beigegeben worden. Einer dritten
angekündigten Reihe sollen auch möglichst für alle übrigen Formen
Photogramme beigegeben werden. Zur leichteren Diagnostizierung hat
der Verf. die in der ersten und zweiten Reihe beschriebenen Arten
in einem Schlüssel zusammengestellt. Der Verf. hat den Wunsch,
48
Gärung. — Bakterien im Wasser.
aus diesen Tabellen allmählich eine zusammenfassende Diagnostik
der im Wasser auftretenden Bakterienarten hervorgehen zu lassen,
und richtet deshalb an alle Fachgenossen die Bitte, ihm durch Ueber-
sendung von neuen oder in der ersten und zweiten Reihe noch nicht
beschriebenen Arten von Wasserbakterien bei seinem Vorhaben unter-
stützen zu wollen. — Wenn wir auch nicht verkennen, daß auch nach
Erscheinen dieser zweiten Reihe die Bestimmung mancher Arten
noch eine recht prekäre bleiben wird, so müssen wir doch in dieser
Fortsetzung der ersten Reihe einen weiteren Fortschritt begrüßen.
Wer selbst diese zeitraubenden und mühseligen Untersuchungen aus
eigener Erfahrung kennt, wird es dem Verf. Dank wissen, daß er
sich dieser großen Arbeit unterzogen hat. Erst allmählich und nur
durch die Einzelarbeit Vieler werden wir auf diesem Gebiete ganz
Vollkommenes erreichen können. Die Schwierigkeiten dabei liegen
zum großen Teil in der erstaunenswerten uns mitunter irreführenden
Variabilität, die sich bei einzelnen Arten dokumentiert. Unterdessen
muß uns jeder, auch der kleinste Beitrag, welcher unsere Orientierung
auf diesem so schwierigen Gebiete fördert, nur höchst willkommen
sein1). Cz aple ws ki (Hamburg).
Schardinger, Ueber das Vorkommen Gärung erregender
Spaltpilze im Trinkwasser und ihre Bedeutung für
die hygienische Beurteilung derselben. (Wien. klin.
WocheDSchr. V. No. 28, 29.)
Im menschlichen Dünndarme sind, wie insbesondere Macfadyen,
Nencki und Sieber nachgewiesen haben, zahlreiche Arten von
Mikroorganismen vorhanden, die die Eigenschaft besitzen, Gärung
hervorzurufen. Soll ihr Nachweis im Trinkwasser von gewissem Werte
sein, dürfen sie normalerweise im selben nicht Vorkommen, was auch
der Fall zu sein scheint, da Gärungserreger in hygienisch zulässigem
Trinkwasser nur vereinzelt nachgewiesen wurden, hingegen viel häufiger
in Fluß- und Kanalwasser Vorkommen, wohin sie wohl zumeist durch
Faeces gebracht werden. Es ist demnach der Nachweis speziell des
B. colicommuneim Trinkwasser während einer Typhusepidemie von
Wichtigkeit, weil durch dessen Nachweis die Diagnose des eventuell
mitgefundenen Typhusbacillus gestützt wird und sein Vorkommen
auf von Auswurfstoffen herrührende Zuflüsse hiu weist. Außerdem
ist der sichere Nachweis dieses Mikroorganismus leichter zu führen,
als jener des Typhusbacillus. Es wird also, abgesehen von den
Fäulniserregern, das Vorkommen einzelner, weit verbreiteter Gärungs-
erreger ein Wasser nicht verdächtig machen, wohl aber das Vor-
1) Bei der dritten Reihe wäre es vielleicht nicht unangebracht, wenn der Verf.
eine Aenderung gewisser Namen bei einzelnen der beschriebenen Bakterienarten vor-
nehmen wollte. Der Name B. ruber ist bereits lange vergeben. Der in der ersten
Reihe als Proteus mirabilis beschriebene Bacillus stimmte mit dem Proteus
mirabilis Hauser sowohl was die Beschreibung, als auch was Originalkulturen
anlangt, nicht überein. Tataroff führte den von Zimmermann als „Proteus
mirabilis“ beschriebenen Bacillus als „B a c i 1 1 u s m i r a b i 1 i s“ weiter. Es
wäre wohl zweckmäßig, jetzt an Stelle dieser durch ihren auffallenden Klang immer
wieder zu Verwechselungen Veranlassung gebenden Bezeichnung eine weniger zu.
Täuschungen verleitende Benennung einzurühren. R e f .
Bakterien im Wasser.
49
kommen von zahlreichen, überdies verschiedenen Arten zugehörigen
Gärungspilzen.
Unter allen vom Verf. untersuchten Fällen, in denen das Wasser
als der Typhusinfektion verdächtigt wurde, konnte zweimal das Vor-
handensein von Gärungserregern festgestellt werden. Namentlich in
dem einen Falle, bei welchem der Lokalbefund die leicht mögliche
Verunreinigung mit Fäkalstoffen sicherstellte, fanden sich 5 ver-
schiedene Arten, darunter B. coli commune, B. lactis aero-
genes und B. thoboeüdeum Geßner vor; im zweiten ähn-
lichen Falle das letztere und drei von jenen des ersten Falles ver-
schiedene Gärungspilze. Typhusbacillen konnten in keinem Falle
nachgewiesen werden. Verf. sammelte 15 verschiedene Arten von
Gärungserregern, die die Gelatine nicht verflüssigen. Als Gärungs-
produkte in rohrzuckerhaltigen Nährlösungen liefern die 9 bisher
geprüften Arten Milchsäure als Hauptprodukt, darunter 7 aktive und
2 inaktive Milchsäure. Einige von ihnen bilden daneben Bernstein-
säure, Essigsäure, Aetbylalkohol. Kral (Prag).
Steueraagel, Untersuchungen über die Verunreinigung
des Rheins durch die Kölner Kanalwässer, sowie die
Selbstreinigung desselben. Mit 2 Tafeln. (Gesundheits-
Ingenieur. 1893. No. 15. p. 474 — 486.)
Unter den Maßnahmen und Einrichtungen, die zu Zwecken der
sozialen Hygiene, zur Verbesserung der Gesundheit des Einzelnen
wie der Gesamtbevölkerung allmählich geschaffen worden sind, nimmt
eine nach einheitlichen Prinzipien eingerichtete und gründlich durch-
geführte Beseitigung aller Abfallstoffe und Schmutzwässer eine wich-
tige Rolle ein. Insbesondere führten die Anschauungen hervor-
ragender Hygieniker über einige Infektionskrankheiten darauf hin, in
erster Linie bei allen hygienischen Einrichtungen für den Boden
und seine Reinhaltung zu sorgen. Zu diesem Zwecke leitete man in
einzelnen Städten alle Schmutzstoffe und Abwässer direkt in Fluß-
läufe; erst in den letzten Jahrzehnten hat man begonnen, diesen
Zuständen größere Aufmerksamkeit zu schenken. Auch vorliegende
Arbeit beschäftigt sich mit der Frage der Verunreinigung und Selbst-
reinigung des Rheins, und zwar für die Strecke von Köln bis
abwärts in die Gegend von Düsseldorf.
Aus der zunächst gebrachten Beschreibung der lokalen Verhält-
nisse geht hervor, daß die Verunreinigungen am linken Rheinufer
längs der Stadt Köln einesteils durch die dort bestehenden Auslaß-
kanäle, andern teils durch den lebhaften Schiffahrtsverkehr, wobei
erfahrungsgemäß von jeher der Schmutz unbesorgt dem Strome
anvertraut wird, bewirkt werden. Stromabwärts von Köln finden
weiter auf dem linken Rheinufer nur noch geringgradige, kaum
bemerkenswerte Verunreinigungen statt. Auf der rechten Flußseite
dagegen führt Deutz und Mülheim seine Abwässer zum Rhein,
ebenso ergießen sich der Strunderbach und der Faulbach,
zwei kleinere Wasserläufe, welche aus angebauter Gegend kommen
und ziemlich schmutziges Wasser führen, daselbst in den Rhein.
WTeiter abwärts mündet die wegen ihres schwarzen Wassers bekannte
XV. Bd. 4
50
Bakterien im Wasser.
und stark verunreinigte Wupper noch ein, dann werden noch die Ab-
wässer einiger kleinerer Orte zugeführt. Mit Rücksicht hierauf
wurden die Entnahmestellen für die bakteriologischen Untersuchungen
derart gewählt, daß keine in Betracht kommende direkte Beein-
flussung der Untersuchungsresultate durch lokale Verunreinigungen
eintreten konnte.
Der Gehalt an Mikroorganismen wurde am linken und rechten
Rheinufer, sowie in der Mitte des Stromes an acht 49 km auseinander
liegenden Stellen in etwa 600 Untersuchungen festgestellt. Zur
Erzielung gleichmäßiger und einwandsfreier Resultate wurde die
Wasserentnahme an der Marien b u r g oberhalb Köln in der Regel
morgens 8 Uhr vorgenommen, diejenige an den übrigen Entnahme-
stellen, der mittleren Stromgeschwindigkeit entsprechend, zu Tages-
zeiten, an welchen das Wasser der an der Marienburg unter-
suchten Flutwelle etwa dorthin gelangt sein mochte. Ferner fanden
die Untersuchungen stets nach Verlauf von 6 Stunden nach der
Entnahme statt, innerhalb welcher Zeit sich die Bakterienzahl an-
nähernd verdoppelte. Endlich sind bei den einzelnen Untersuchungen
noch genau die Temperatur der Luft bei Tag und Nacht, die Wasser-
wärme, die Witterung, die Regenniederschläge sowie die Geschwindig-
keit und der Wasserstand des Rheines bei den einzelnen Wasser-
ständen angegeben.
Die vorgenommenen Untersuchungen führten im wesentlichen zu
folgendem Resultate:
^1) Durch das aus der Stadt Köln im Jahre 1892 in den Rhein
gelangte Abwasser fand eine starke Verunreinigung des Rheines statt.
An der Beobachtungsstelle unterhalb Köln an der Mülheim er
Schiffbrücke betrug der Bakteriengehalt in der Mitte des Stromes
1/6 und am rechten Ufer x/7 desjenigen am linken Ufer.
2) Stromabwärts macht sich eine ziemlich schnelle Selbstreinigung
bemerkbar. Am linken Ufer war schon 3 km unterhalb der Mül-
heim er Probeentnahmestelle die Bakterienzahl auf die Hälfte und
in einer Entfernung von 9 km auf ein Drittel der an der Mül-
heimer Brücke nachgewiesenen Bakterienzahl gefallen.
4) Von ganz wesentlichem, ungünstigem Einflüsse auf die schnelle
Selbstreinigung des Rheinwassers war der Einfluß der Wupper
oberhalb Rheindorf, doch findet auch hier eine rasche Selbst-
reinigung statt.
4) Trotz der durch die Wupper veranlaßten Verunreinigung
hat bei Vollmers werth (41 km unterhalb der Mülheimer
Schiffbrücke) nahezu eine vollständige Selbstreinigung des Wassers
am linken Ufer und in der Strommitte stattgefunden. Der geringe
Mehrgehalt am rechten Ufer dürfte teilweise dem Umstande zuzu-
schreiben sein, daß hier oberhalb der Entnahmestelle verschiedene
Bäche mit schmutzigem Wasser in den Rhein münden.
Im Folgenden konnte von den von einzelnen Forschern angenom-
menen Ursachen der Selbstreinigung aus den diesbezüglichen
Rheinuntersuchungen der Einfluß der Sedimentierung, ferner die
schädigenden Einflüsse anderer Bakterienarten und die nachteilige
Einwirkung chemisch wirkender Stoffe bestätigt werden. Den im
Bakterien im Wasser.
51
Rheine vorkommenden Algen (Rhodophyceen , Chlorophyceen , Dia-
tomeen und Cyanophyceen) wird wegen der geringen Menge keine
bedeutende Rolle für die Flußreinigung des Rheines zugeschrieben,
dagegen um so mehr den Bakterien und Wasserpilzen (Saprolegnien),
vor allem der Beggiatoa alba, welche massenhaft an den Ufern
auftritt und die zur Ernährung nötigen Stoffe aus dem verunreinigten
Flußwasser schöpft und somit zahlreichen anderen, vielleicht auch
schädlichen Bakterienarten die Existenzbedingungen hinwegnimmt.
Ein ersichtlich günstiger Einfluß der Lichtwirkung ließ sich bei den
Untersuchungen nicht feststellen; jedenfalls spielen bei der Selbst-
reinigung stärkere Faktoren mit, welche den Einfluß der Lichtwirkung
nicht zum Ausdrucke kommen lassen. Was endlich den Einfluß der
Geschwindigkeit auf die Selbstreinigung betrifft, so konnte auch in
diesen Rheinbeobachtungen bei vermehrter Geschwindigkeit Beschleu-
nigung der rasch eintretenden Verteilung der Schmutzwässer sowie
des Oxydationsprozesses der aufgelösten Schmutzteilchen und infolge-
dessen rasche Verminderung des Bakteriengehaltes konstatiert werden.
Zum Schlüsse giebt Verf. noch einen Vergleich über das Ver-
hältnis der im Kölner Kanalwasser suspendierten und gelösten
mineralischen und organischen Substanzen zu den oberhalb Köln im
Rheinwasser enthaltenen gleichen Bestandteilen, welche sich ungefähr
wie x/ 980000 : V5000 verhalten. Letzteres Zahlenverhältnis würde
sich nach Einleitung der Kanalwässer auf V4975 erniedrigen, woraus
ersichtlich ist, daß selbst bei dem denkbar niedrigsten Rheinstande
nur eine verhältnismäßig außerordentlich geringe Erhöhung der in
demselben enthaltenen Gesamtmengen an suspendierten und gelösten
Bestandteilen herbeigeführt wird. Es ist demnach auch aus dieser
Arbeit zur Genüge hervorgegangen, daß eine Selbstreinigung der
Flüsse unbedingt stattfindet und der ursprüngliche Reinheitsgrad des
Wassers sehr bald wieder hergestellt ist. Glas (München).
Klett, Adolf, DieFrage derFlußwasserreinigung. (Inaug.-
Diss.) 8°. 27 p. Berlin 1893.
Das Wasser zur Untersuchung entnahm Verf. der Pumpstation
der Reichenbergerstraße in Berlin unmittelbar vor dem Sandfange
des Stammkanales, bevor sich die körperlichen Bestandteile desselben
abgesetzt hatten. Der Gehalt an Keimen betrug 20 — 40 Millionen
für den ccm, ist aber in Wirklichkeit wesentlich höher anzunehmen,
da die angegebene Summe sich nur auf die aeroben Keime bezieht,
welche auf den Gelatineplatten entwickelungsfähig waren, während
die Zahl derer, denen dieser Nährboden nicht zusagte, unberück-
sichtigt bleiben mußte. Auch die Filtration des Abwassers, not-
wendig wegen der größeren Partikel, verringerte die Summe der
Bakterien, wie Konvolute von Mikroorganismen, welche aus Tausenden
aneinander klebender Individuen bestanden, auf der Platte aber nur
eine Kolonie geben und dadurch nur einen Keim vortäuschen. Die
gefärbten Präparate gaben ein sehr vielseitiges Bild: Bakterien,
Kurz- und Langstäbchen, mit und ohne Kapsel, Kokken aller Art,
Spirillen, Kommabakterien, namentlich aber Bacillus fluore-
scens, B. rarnosus, Proteusarten, Bacterium Zopfii, B.
4*
52
Bakterien im Wasser.
coli commune, Bacillus arborescens, B. subtilis, B.
gracilis, wie neue Formen: daneben Staphylokokken und Strepto-
kokken, einige Schimmelpilze und Sarcina alba.
Es fragt sich nun, ob dieses Wasser nach dem Einlaufe in die
Spree durch die stattfindende Verdünnung einen Einfluß auf die
Selbstreinigung des Flusses ausübt, insofern dadurch anspruchsvollere
Bakterienarten zu Grunde gehen, bez. ob eine Filtration des Ab-
wassers von Einfluß auf die Entwickelung der Bakterien ist.
Durch Versuche wurde nun erwiesen und ist wohl dieser Schluß
auf andere Flußläufe ebenfalls giltig, daß der Grad der Verdünnung
der Nährlösung nächst der Sedimentierung vielleicht der wichtigste
Faktor bei der Selbstreinigung der Flüsse ist. Nur muß man die
Minimalgrenze erheblich größer nehmen, als 1:15, wenn dieser
Faktor ausschließlich wirksam sein würde. Hauptsächlich wird aber
doch in einzelnen Fällen notwendig sein, durch stetig zu erneuernde
Versuche festzustellen, welche Reinigung ein Fluß in seinem Laufe
erreicht. E. Roth (Halle a. S.),
Seemann- Varel, Ueber den Einfluß des Gewitterregens
auf die Anzahl der Keime in abgeschlossenen Ge-
wässern. [Vorläufige Mitteilung.] (Bericht der Pharmaceutischen
Gesellschaft. 1893. p. 214.)
Verf. untersuchte im M ar p m a n n’schen bakteriologischen In-
stitute das Wasser des Schwanenteiches zu Leipzig zu wiederholten
Malen. Er fand im oberflächlichen Wasser des Teiches bei trockenem
Wetter 4424, in einer anderen Untersuchung 2400 Keime, in dem
aus der Mitte des Teiches stammenden Wasser 3000 bezw. 1920
Keime im ccm. Die entsprechenden Zahlen betrugen dagegen in
Proben, welche während eines Gewitterregens gesammelt wurden, für
die Oberfläche am Rande des Teiches 12 500000 und für die Mitte
des Teiches 132000. Verf. schrieb diese gewaltige Zunahme der
Keime zum Teil einer Vermehrung der Mikroorganismen im Wasser
unter den meteorologischen Einflüssen des Gewitters zu. Diesem Vor-
gänge entspreche das Sauerwerden der Milch unter Zunahme der
Milchsäurebacillen, welches man während des Gewitters beobachtet,
aber noch nicht zu erklären vermag. Daß jedoch auch Mikroorganis-
men, welche der Regen aus der Luft niedergerissen hatte, zu der
Vermehrung der Keimzahl beitrugen, bewies das Vorkommen von
Bakterienarten in den Proben, welche vorher in dem Teichwasser
nicht gefunden worden waren,
Verf. bestimmte folgende Bakterienarten bei seinen verschiedenen
Untersuchungen des Sch wanenteich wassers: Micrococcus aqua-
tilis und M. citreus, Bacillus mesentericus, B. aquatilis
und liq uefaciens, B. albus, B. constrictus, B. fluore-
scens liquefaciens, Proteus mirabilis, einen kleinen Vibrio,
ein größeres Spirillum und einen dem Bacillus sulcatus
Weichselbaum ähnlichen Mikroorganismus, welchen er wegen der
Bildung gezackter Kolonieen in Gelatine Bacillus crenatus be-
nennt und ausführlicher beschreibt. Es handelte sich um 2 mm dicke,
4—6 mm lange, an den Ecken abgerundete, einzeln oder in Reihen
Cholera.
53
auftretende, manchmal etwas gekrümmte, starke Eigenbewegung
zeigende Stäbchen, welche vielfach Involutionsformen und endständige
Sporenbildung erkennen ließen. Auf Gelatine bildeten sie weiße, nicht
verflüssigende Kolonieen mit strahligen Konturen und einer heller
gefärbten umgebenden Zone. Im Gelatinestiche trat ein schwaches
homogenes Wachstum ein mit flacher, weißlicher Ausbreitung auf der
Oberfläche. Pathogene Eigenschaften wurden nicht festgestellt. Hin-
sichtlich der weiteren Eigenschaften des Bacillus muß auf die
Originalarbeit verwiesen werden. Kühler (Berlin).
Stutzer, A. und Burri, R., Untersuchungen über die Bak-
terien der Cholera asiatica. (Zeitschr. für Hygiene und
Infektionskrankheiten. Bd. XIV. 1893.)
Die Verff. nehmen zunächst Veranlassung, die vom Ref. z. Z.
gemachte Angabe, daß die Choleravibrionen bei einem Gehalte des
Nährbodens von 1-proz. krystallisierter Soda am üppigsten vegetieren,
nachzuprüfen, und kamen zu dem Ergebnisse, daß das Optimum der
Alkalescenz um so weniger Alkali erfordert, je älter die Generation
ist, und so hatte nach wenigen Monaten dieselbe Reinkultur, mit
welcher Ref. arbeitete, sich derart verändert, daß sie schon besser
wuchs bei 0,6- wie bei 0,9-proz. kryst. Soda. Bei einem weiteren
Versuche mit direkt von Hamburg bezogenen frischen Cholera-
bacillen wurde jedoch in vollkommener Uebereinstimmung mit der
Angabe des Ref. festgestellt, daß dieselben ihr Optimum haben
zwischen 0,4- und 1,2-proz. kryst. Soda, während bei fast neutraler
(also „schwach alkalischer“) Gelatine (0,06-proz. kryst. Soda) die Kolo-
nieen äußerst kümmerlich gewachsen waren. Verff. stellten Versuche
an, um zu eruieren, ob die betreffenden Vibrionen die ihnen verloren
gegangene Unempfindlichkeit gegen große Mengen Alkali durch Anae-
robenzüchtung wiedererlangen, jedoch mit negativem Resultate.
Es wurde nun stets eine neutrale Gelatine verwandt, welcher
erst kurz vor dem Plattengießeu die betreffende Quantität einer
sterilen Sodalösung zugesetzt worden war. Hierdurch kam eine
trübe Gelatine zur Anwendung. Die Cholerakolonieen zeigten als-
dann außerhalb derselben in dem trüben Nährboden einen konzen-
trischen, vollständig klaren Hof, der durch Auflösen des ausgeschie-
denen Eiweißes [? Pepton und Triphosphate. Ref.] entsteht. Verff.
fanden, daß in Nährgelatine, welche mit 0,5-proz. wasserfreier Soda
(= 1,5-proz. kryst. Soda) versetzt ist, die Cholerabacillen die ein-
zigen sind, welche die Gelatine verflüssigen und außerdem diesen
Hof zeigen. Im Flußwasser, welches mit Choleravibrionen geimpft
war, wuchs bei 1,5-proz. kryst. Soda meist außer diesen nur eine
einzige Bakterienart. Verff. schließen hieraus die praktische An-
wendung, welche sich aus den von ihnen bestätigten Angaben des
Ref. ergiebt.
Ref. hatte bei der Neutralisierung der Nährgelatine ein min-
destens 15 Minuten langes Erhitzen der Gelatine auf 100° gefordert,
da bis zu dieser Zeit das freie Alkali allmählich abnimmt. Verff.
füllten mehrere Gläschen mit genau 1 Proz. Soda enthaltender Gela-
tine und setzten sie verschieden lange Zeit dem strömenden Dampfe
54
Cholera.
von 100° C aus. Es fand sich nach 15 Minuten nur noch 0,93 Proz.,
nach 45 Minuten 0,92 Proz. freier Soda vor, von dieser Zeit an
blieb der Alkalescenzgrad konstant. — Untersuchungen über die
Wirkung der Schwefelsäure und Phosphorsäure auf Choleravibrionen
zeigen, daß diese durch 0,03-proz. Schwefelsäure und 0,05 — 0,08-
proz. Phosphorsäure innerhalb einer Stunde getötet werden; Verff.
empfehlen, die Cholerafaeces anstatt mit 20-proz. Kalkmilch mit einer
solchen, stark verdünnten Schwefelsäure zu desinfizieren, da es
schwierig sei, die Fäkalien gleichmäßig mit der breiigen Kalkmilch
zu mischen und der nach und nach durch die Kohlensäure der Luft
wie anderweitig durch Bestandteile der Abgänge chemisch gebundene
Kalk sowie auch die unveränderten Fäkalien ein günstiger Nähr-
boden für die Cholerabakterien sei. Wenn Ref. z. T. derselben An-
sicht ist, so möchte er sich hierzu doch folgendes zu bemerken er-
lauben: Kitasato hat bereits in den Choleradejektionen nach
24 Stunden keine lebenden Cholerabakterien mehr aulfinden können,
da diese durch die Faecesbakterien überwuchert, resp. durch deren
Stoffwechselprodukte getötet werden. In allen Fällen, in welchen
die Abgänge in verschlossene Gruben gelangen und eine Zeit lang
liegen bleiben, also nicht durch Kanäle fortgeschwemmt werden und
eventuell in den Lauf der Flüsse geraten, erscheint daher die Des-
infektion unnötig, wie auch durch das Uebermaß der Desinfektion
der Grubenfäkalien, welche gewöhnlich zu Düngezwecken benutzt wer-
den, im Laufe der Zeit eine teilweise oder vollkommene Sterilisation
des betreffenden Ackers zu befürchten ist, wodurch nachgewiesener-
maßen (B. Frank) der Ertrag zum wenigsten ganz erheblich herab-
gemindert wird.
Eine 0,5-proz. Aetzammoniaklösung, entsprechend einer Misch-
ung von 5 g des offizineilen Liq. ammon. caustici mit Wasser tötet
die in Rede stehenden Mikroorganismen erst in einer Stunde. Eine
Lösung von 3- und 4,5 proz. Ammoniumkarbonat tötet die Vibrionen
erst nach fünfstündiger Einwirkung. Verff. kommen nach alledem
zu dem Schlüsse, daß in allen Fällen, wo Siedehitze für die zu des-
infizierenden Gegenstände nicht angewandt werden kann, eine ein-
prozentige Schwefelsäure die geeignetste Flüssigkeit zur Desinfektion
derselben sei, zumal die Säure nach der Einwirkung leicht abge-
waschen und neutralisiert werden kann.
Die vielseitige Arbeit befaßt sich fernerhin mit den eventuellen
physikalischen und chemischen Einwirkungen auf das Zustandekom-
men der Indolreaktion. Eine Einwirkung des Lichtes konnte nicht
festgestellt werden. Die Temperatur ist insofern von Einfluß, als
bei höherer Temperatur die Vermehrung der Vibrionen eine schnellere
und somit die die Reaktion bedingenden Stoftwechselprodukte eher
in genügender Quantität auftreten. Der Gehalt von Natriumkarbonat,
wie es dem Wachstume der Vibrionen günstig ist, wirkt fördernd auf
die Indolreaktion. Bezüglich der Stärke der Peptonlösung bestätigen
Verff. die Angabe von Beyerinck, daß eine halbprozentige Lösung
in Leitungswasser die geeignetste ist. Die beiden Peptonsorten von
Merck in Darmstadt und Denaeyer in Brüssel ließen keine
Cholera.
55
wesentlichen Unterschiede bezüglich der Einwirkung auf das Gelingen
der Reaktion erkennen. D ahmen (Crefeld).
Thomas, Ueber dieErzeugung derCholera von derBlut-
bahn aus und die prädisponierende Rolle des Al-
kohols. [Aus dem Laboratorium der medizinischen Universitäts-
klinik zu Straßburg i. E.] (Archiv für exper. Pathologie und Phar-
makologie. Bd. XXII. 1893. Heft 1 u. 2.)
Mittelst der intravenösen Injektion der Kommabacillen gelang
es Verf., ohne weitere Vorbereitungen beim Kaninchen die klinischen
Symptome der Cholera: Durchfälle, Krämpfe, Algidität hervorzurufen.
Die Sektion ergab stets die charakteristischen pathologisch-ana-
tomischen Läsionen: die schwappenden Dünndärme mit Ekchymo-
sierung der Schleimhaut und starker Injektion der Serosa und „Mehl-
suppen-“ oder „Reiswasserinhalt“. Endlich wurden in jedem Falle
aus den Faeces die Kommabacillen nahezu in Reinkultur, in verein-
zelten Fällen direkt in Reinkultur gewonnen. Diese Versuche wurden
an 30 Kaninchen ausgeführt mit 2 verschiedenen Kulturen, die eine
frisch aus Tonking, die andere von Massauah herrührend ; die erstere
war viel weniger virulent, als die zweite, indem von jener 5 ccm,
von dieser nur 0,36 ccm einer 3-tägigen Bouillonkultur zur Tötung
der Tiere notwendig waren. Die meisten Kaninchen starben nach
18 — 36 Stunden, 2 nach 3 und 2 nach 4 Tagen. Bei Tieren von
verschiedenem Körpergewichte brauchte man nicht eine verschieden
starke Dosis zur Tötung, so daß man also nicht bei einem Tiere von
geringerem Körpergewichte mit einer entsprechend geringeren Dosis
auskam. Bekamen die Tiere 2 Tage hintereinander absoluten Alkohol
(am 1. Tage 6—8 ccm, am 2. 10 — 12 ccm auf das 4— öfache mit
Wasser verdünnt), so zeigte sich, daß die Prädisposition für die
Cholerainfektion bis ungefähr auf das 6fache gesteigert war, nicht
nur durch die Beeinträchtigung des Stoffwechsels und der cellulären
Funktionen und durch die Erschlaffung der Gefäße, sondern auch
besonders durch die Schwächung der baktericiden Fähigkeit des
Blutserums. Dieudonn6 (Berlin).
Spronck, C. H. H., Over cholera-bacillen, onlangs in
Nederland uit rivier-, vaart-, gracht- en slootwater
gekweekt. (Ned. Tijdschrift voor Geneeskunde. 1893. Deel II.
No. 20.)
Verf. hatte Gelegenheit, aus verschiedenen Wasserproben Vibrio-
nen zu isolieren und verglich sie mit in Holland aus Dejektionen
von Cholerakranken gezüchteten, echten Cholerabacillen nach 15 ver-
schiedenen Gesichtspunkten, und zwar kam in Betracht:
1) Die Gelatineplattenkultur bei 21° C; 2) die Gelatinestich-
kultur bei 21° C; 3) die Jodoformreaktion von Bujwid bei 21° C;
4) die Agarplattenkultur bei 37° C; 5) die Kultur in Milch bei
37° C; 6) die Kultur in Nährbouillon bei 37° C; 7) die Kultur in
Lackmusbouillon bei 37° C; 8) die Kultur in Pepton-Kochsalzlösung
bei 21 und 37 0 C für die Nitroso-Indolreaktion ; 10) die Kultur auf
Kartoffelscheiben bei Zimmertemperatur und bei 37° C; 11) die
56
Cholera.
Kultur bei Luftabschluß; 12) die Färbung der Mikroorganismen —
Deckglaspräparate von verschiedenen Agarkulturen (37° C), sowie
verschiedenen Bouillonkulturen — mit Ziehl’schem Karbolfuchsin
und nach Gram; 13) Färbung der Geißeln nach Nico Ile und
Morax1); 14) die intraperitoneale Injektion von 18 — 20 Stunden
alten Agarkulturen bei Meerschweinchen mit kleinen abgewogenen
Dosen; 15) die intramuskuläre Injektion von abgewogenen Dosen
derselben Kulturen bei Tauben.
Es gelang, aus 5 von 11 Wasserproben Vibrionen zu züchten, die
kulturell von dem echten Choleravibrio nicht zu unterscheiden waren,
und zwar stammten die Wasserproben No. 1 aus der Dedemsvaart
bei Avereest (Oberyssel), No. 2 aus einer Gracht zu Loevorden
(Drenthe), No. 3 aus dem Außenrhein bei Oudshoorn (Südholland),
No. 4 aus einem Binnengewässer zu Aarlanderveen (Südholland) und
No. 5 aus der Dedemsvaart bei Dedemsvaart (Oberyssel). Die Vibrio-
nen No. 4 wuchsen nicht so schnell, als die aus Choleradejektionen
gezüchteten, aber immerhin noch schneller, als der Typus von Koch.
Nach 3 Tagen fand man außerdem in den bei 37 0 belassenen Bouillon-
kulturen eine größere Anzahl von Spiralen.
Die Tierversuche fielen sehr verschieden aus. Vier Meerschwein-
chen, mit No. 1 geimpft, starben in 9 1 /2 — 20 Stunden. Von 3 Meer-
schweinchen, mit No. 2 geimpft, zeigte das erste keine Krankheits-
erscheinungen, das zweite wurde am fünften Tage tot im Käfig ge-
funden, nachdem es vorher nur vorübergehend krank gewesen war
das dritte starb innerhalb 20 Stunden. Bei dem Vibrio No. 3 zeigten
sich ebenfalls solche Unterschiede, und zwar starb das erste Tier
am 6. Tage, das zweite innerhalb 20 Stunden, während das dritte
gesund blieb. Durch Impfung No. 4 starb ein Meerschweinchen in
20 Stunden , während 2 gesund blieben. No. 5 konnte bei 3 Tieren
nur vorübergehende Temperaturerhöhung hervorrufen.
Verf. knüpft hieran, gestützt auf seine Erfahrungen, sehr zeit-
gemäße Betrachtungen und wirft die Frage auf, inwiefern man be-
rechtigt sei, diese Vibrionen als echte Cholerabacillen anzusehen.
Verf. sagt, um mit Sicherheit einen irgendwo in der freien Natur
gefundenen pathogenen Mikroorganismus zu identifizieren, sei das
Tierexperiment unentbehrlich. Giebt es Mikroorganismen, welche, wie
der Bacillus typhi, ausschließlich für Menschen [und für Affen.
Ref.] pathogen sind, so ist es unmöglich, die Identität mit absoluter
Sicherheit festzustellen. Wenn nun Koch und Andere sagen, sie
hätten Cholerabacillen in der freien Natur gefunden, so ist darunter
zu verstehen, daß die gefundenen Mikroben mit den uns zu Gebote
stehenden Hilfsmitteln nicht von echten Cholerabacillen unterschieden
werden können und folglich höchst wahrscheinlich echte
Cholerabacillen sind [vorausgesetzt natürlich , daß Tierexperimente
nicht gemacht wurden, resp. negativ ausgefallen sind. Ref.] Dasselbe
glaubt Verf. auch von seinen Spirillen sagen zu können, weil sie
mittelst unserer Hilfsmittel von echten Cholerabacillen nicht zu unter-
scheiden sind und die Eigenschaften mit denjenigen der Vibrionen
1) Aunales de l’Iastitut Pasteur. VII. p. 554.
Cholera.
57
übereinstimmen, welche in den Niederlanden in den Dejektionen Cholera-
kranker angetroffen wurden. Ferner unterscheiden sich diese Spirillen
von allen anderen, die beschrieben wurden und besonders von den-
jenigen, welche mit dem Cholera vibrio sehr viel Aehnlichkeit haben.
Verf. führt dann weiter aus : Gleichwie der Vibrio der gegenwärtigen
Epidemie besitzen unsere Spirillen eine lebhafte Eigenbewegung,
tragen an einem Ende eine Geißel, gedeihen in Nährgelatine während
der ersten 24 Stunden schneller, als der Typus, den Koch zuerst
beschrieben und weichen hiervon weiterhin ab, dadurch daß sie
Milch bei 37° C in 48 Stunden gerinnen machen, Bouillon bei der-
selben Temperatur innerhalb weniger Stunden diffus trüben und erst
nach 2 Tagen an der Oberfläche ein Häutchen bilden.
Unter sich verglichen, lassen sich unter den einzelnen Vibrionen
kaum durchgreifende Unterschiede herausfinden. Bei der Injektion
in die Bauchhöhle von Meerschweinchen übertraf namentlich der aus
der Dedemsvaart bei Avereest gezüchtete Vibrio die anderen an Viru-
lenz, und von diesen war der später aus der Dedemsvaart bei Dedems-
vaart gezüchtete weniger virulent, wie die drei übrigen. Wenn der
Vibrio von dem Gewässer zu Aarlanderveen die Gelatine nicht so
schnell verflüssigte, wie die übrigen Exemplare, so kann dies als ein
Unterschied nicht angesehen werden, weil er, wie bereits gesagt, die
Gelatine immernoch schneller verflüssigte, wie der Typus von Koch.
Was die Virulenz der aus Wasser gezüchteten Vibrionen anbelangt,
so ist darüber so gut wie nichts bekannt, und auch Koch hat hier-
über bezüglich der während der Winterepidemie 1892 — 93 aus ver-
dächtigem Wasser gezüchteten Vibrionen keine Mitteilungen gemacht.
Pfuhl berichtet wie Lubarsch überden im Kielraume gefundenen
Vibrio, daß das mit demselben gemachte Tierexperiment mit den von
Pfeiffer gemachten Erfahrungen übereinstimmte, woraus zu schließen
sei, daß die Mikroorganismen die volle Virulenz wie die aus der
Dedemsvaart gezüchteten besessen haben.
Verf. bespricht alsdann den Ausfall seiner Tierexperimente. Es
konnten graduell 4 Arten des Krankheitsverlaufs unterschieden werden,
und zwar war die Wirkung gleicher gewogener Dosen derselben
Agarkulturen sehr ungleich. Zwei Meerschweinchen schienen bald
nach der Injektion wieder gesund, starben aber am 5. und 6. Tage
an echter Darmcholera, wie durch intrastomachale oder intraduode-
nale Infektion.
Ueber die Differentialdiagnose schreibt Verf. folgendes:
Von dem Vibrio Metschnikovii unterscheiden sich unsere
Spirillen sofort; während der Vibrio Metschnikovii für Tauben
sehr virulent ist, war bei unserem Versuche keine einzige Taube ge-
storben, obgleich die in den M. pectoralis injizierten Dosen relativ
groß waren. Es ist bekannt, daß der C h o 1 e r a b a c i 1 1 u s für Tauben
in der Regel sehr wenig virulent ist. Ab und zu hat man bei der
jüngsten Choleraepidemie Cholerabacillen gefunden, die für Tauben
sehr virulent waren (Sawtchenko in Kiew und Weichselbaum
in Weenen).
Von dem jüngst durch Neisser in Rubner’s Laboratorium
entdeckten Vibrio Berolinensis unterscheiden sich die gefun-
58
Cholera..
denen Spirillen nicht allein dadurch, daß dieselben die Gelatine viel
schneller verflüssigen, sondern auch durch das Aussehen der Kolo-
nieen in Gelatineplattenkulturen. Junge Kolonieen von dem Vibrio
Berolinensis sind feinkörnig und fast kreisrund; diejenigen dieser
Spirillen sind grobkörnig und haben sehr unregelmäßige Konturen.
Dann war der Vibrio von Neisser für Meerschweinchen in hohem
Grade virulent, wie es scheint, in noch höherem Grade, als der
Vibrio cholerae. Bezüglich des Vibrio Danubicus, der von
Hei der in Weenen aus dem Wasser des Donaukanals gezüchtet
wurde, bemerkt Verf., daß es noch sehr die Frage ist, ob jener nicht
der echte , Cholerabacillus ist, zumal die betreffende Wasser-
probe nahe der Ausmündungsstelle der Stadtkanäle geschöpft und
bereits am folgenden Tage dort ein Cholerafall festgestellt wurde.
Endlich hat D u n b a r kürzlich in einer vorläufigen Mitteilung
berichtet, daß er von 77 Wasserproben zwanzigmal einen Vibrio fand,
der sich allein dadurch von dem Choleravibrio unterschied, daß die
Entwickelungsenergie im allgemeinen größer ist, als die des Cholera-
vibrio. Diese Eigenschaft besitzen die in Rede stehenden Spirillen
nicht. Daß man aber auch bei Cholerakranken Choleraspirillen an-
treffen kann, die sich durch dieselbe Eigenschaft wie der Vibrio von
Dun bar unterscheidet, unterliegt nach Erfahrung des Verf.’s keinem
Zweifel. Nämlich unter den ersten Fällen, die sich wieder im Jahre
1893 in den Niederlanden zeigten, waren drei, bei denen die aus den
Dejektionen gezüchteten Cholerabacillen viel schneller und kräftiger
wuchsen und dies auch noch jetzt thun.
Ferner teilt Verf. noch mit, daß es auch ihm gelang, aus
Wasser ein Spirillum zu züchten, das die Nitroso-Indolreaktion gab,
jedoch von dem Typus des Cholerabacillus abwich. In solchen
Fällen, sagt Verf., sollte man nicht voreilig von einem Cholera-
bacillus, aber auch nicht von einem neuen Pseudocholera-
bacillus sprechen und bei Beurteilung des Wassers eher die Maxime
„in dubiis abstine“ als „in dubiis libertas“ in Anwendung bringen.
Nach den Angaben dieser sehr exakten Arbeit des Utrechter
Professors handelt es sich bei den aus verschiedenen holländischen
Gewässern gezüchteten Mikroorganismen zweifelsohne um echte
Choleravibrionen. Die Thatsache ferner, daß aus Dejektionen von
Cholerakranken Cholerabacillen gezüchtet wurden, die nicht genau
nach dem von Koch beschriebenen Typus wachsen, ist von großer
Bedeutung und gleichzeitig von positivem Erfolge begleitet, indem
es nunmehr bewiesen erscheint, daß die von Dunbar so häufig
gefundenen Vibrionen thatsächlich echte Cholera-
vibrionen sind, denn der einzige Grund, sie nicht als solche an-
zusehen, ist gefallen. Und so scheint mit dieser Arbeit der Anfang
gemacht zu sein, das Wirrsal zu lösen, welches durch die in der
letzten Zeit fortgesetzt gefundenen Arten von „Pseudocholerabacillen“
hervorgerufen worden ist, die nur in ganz geringem Maße sich von
dem von Koch beschriebenen Typus unterscheiden. Es würde sich
daher durch das genauere Studium der aus Dejektionen Cholera-
kranker gezüchteten und deshalb zweifellos als echte Choleravibrionen
erkannten Mikroorganismen sehr wahrscheinlich feststellen lassen, daß
Cholera.
59
geringe Abweichungen von denn Typus nach mancher Richtung hin
Vorkommen können und sich somit als nebensächlich erweisen.
Dahmen (Crefeld).
Heerwagen, Die Cholera in Riga 1892. (Zeitschrift f. Hyg.
Bd. XV. Heft 1. p. 11.)
In Riga kamen 1892 unter 210000 Einwohnern 129 Erkrankungs-
fälle an asiatischer Cholera vor. Außerordentlich starkes Sinken des
Grundwassers nach Ausbruch der Epidemie hatte keinen Einfluß auf
die Verbreitung derselben, ebensowenig meteorologische Verhältnisse.
Dagegen ließ der Verlauf der Seuche mehrfache Beziehungen zur
Wasserversorgung erkennen. Der erste Kranke war Matrose auf
einem Schiffe, welches etwa in der Mitte der beide Dünaufer ein-
nehmenden Stadt im Hafen lag. Woher derselbe sich infiziert hatte,
war nicht zu eruieren. Die nächsten zehn Erkrankungen betrafen
ausschließlich Matrosen und Arbeiter auf Schiffen, welche in der Nähe
des ersten Fahrzeuges lagen; die Leute hatten das Hafenwasser zum
Trinken benutzt. Im ganzen erkrankten durch den Genuß von
Wasser aus dem Hafen an dieser Stelle 27 Personen, die weitere fünf
in der Stadt infizierten. Nachdem den Schiffen der Gebrauch des
Hafenwassers untersagt und für Thee und abgekochtes Wasser ge-
sorgt worden war, verschwanden die Erkrankungen dort bald.
Der Kapitän eines Schiffes, welches an einer Cementfabrik lag,
hatte den in Rede stehenden Teil des stromaufwärts gelegenen Hafens
besucht und erkrankte auf seinem Schiffe. Einige Tage darauf er-
schienen Cholerafälle unter den Arbeitern der Fabrik, welche ihr
Wasser durch eigene Leitung aus der Düna bezog, unabhängig von
ihrem Domizil. Gegebenem Rate zufolge machte die Fabrikdirektion
es möglich, nur noch vorher gekochtes und abgekühltes Wasser durch
ihre Leitung fließen zu lassen, und von demselben Augenblicke an
hörte auf ihrem Grunde wie auch unter den in der Umgegend woh-
nenden Arbeitern die Seuche auf. Ein daneben liegendes, von Ar-
beitern derselben Fabrik bewohntes Grundstück, dessen Bewohner
sich direkt aus der dort sehr träge fließenden Düna mit Wasser ver-
sorgten, wurde nach wie vor stark heimgesucht, bis ein schnell her-
gestellter abyssinischer Brunnen auch hier das allmähliche Erlöschen
der Seuche zur Folge hatte.
Eine dritte Gruppe bildeten 16 Erkrankungen von Personen, die,
sämtlich in zwei Straßen wohnhaft, ihr Wasser gewohnheitsgemäß dem
anliegenden Dünaarm entnahmen, trotzdem ein artesischer Brunnen
in nächster Nähe stand.
Abgesehen von weiteren 21 Fällen, bei denen die Infektion direkt
oder indirekt auf das Wasser der Düna zurückgeleitet werden konnte,
kamen 34 andere vor, deren Entstehung dunkel blieb oder bei denen
Einschleppung von anderen Orten nachweisbar war.
Die augenscheinlichen Beziehungen der Krankheitsfälle zum
Dünawasser ließen in diesem die Erreger suchen, doch gelang der
Nachweis der Kommabacillen in demselben nicht.
Die Infektion der Düna reichte nur stromauf bis zur Mitte der
Stadt. Das Wasserwerk, welches das unfiltrierte Dünawasser der
60
Typhus.
Stadt zuführt, liegt mehrere Kilometer oberhalb. Wäre der Fluß
auch hier infiziert worden, so hätte man ebenso mörderische Epide-
mieen erwarten müssen, wie die von 1831 und 1848 waren, wo 4 und
5 1/2°/0 der Bevölkerung von Riga an Cholera starben. Damals wurde
das Wasser mitten in der Stadt aus dem Flusse entnommen. Seit
der Verlegung der Bezugsstelle weiter stromaufwärts sind zwar vier-
mal Einschleppungen von Cholera vorgekommen, aber niemals auch
nur entfernt so große Epidemieen aufgetreten.
Am Schlüsse seiner hochinteressanten Mitteilungen bemerkt der
Verf., daß 28 der 129 Fälle durch Infektion von Person zu Person
übertragen sind. Auch bei bestdurchgeführter Desinfektion werden
sich diese Ansteckungen nie ganz vermeiden lassen, denn manche
leichten Cholerafälle werden gar nicht zur Kenntnis des Arztes kommen.
Die Wichtigkeit einer gutorganisierten Desinfektion beweist folgender
Fall: Auf die telephonische Nachricht, es werde eine cholerakranke
Jüdin, die vor wenigen Stunden von auswärts zugereist, ins Kranken-
haus befördert, geht die Desinfektionskolonne sofort ab; sie findet,
daß andere in dem Hause wohnende Glaubensgenossen sich über die
besudelten Effekten der Erkrankten bereits hergemacht und einen
Teil beiseite geschafft haben , dessen habhaft zu werden nicht ge-
lingt. Das betreffende Haus lieferte im Laufe der folgenden Woche
noch fünf Fälle, die unerklärlich geblieben wären, wenn die Affaire
mit den Effekten der Ersterkrankten unbekannt geblieben wäre.
Abel (Greifswald).
Germano und Maurea, Vergleichende Untersuchungen
über den Typhusbacillus und ähnliche Bakterien.
[Aus dem bakteriol. Laboratorium der Zool. Station zu Neapel.]
(Ziegler’s Beitr. z. pathol. Anat. u. allg. Pathol. Bd. XII. Heft 3.
p. 494.)
Nach einer sehr eingehenden Untersuchung der in letzter Zeit
namentlich durch die Arbeiten von Babes und Rona in den Vorder-
grund gerückten Frage nach der Konstanz des Typhusbacillus
und seiner Verwandtschaft bezw. Identität mit anderen Bakterien,
kommen die Verfl. zu folgenden Schlußfolgerungen :
1) Es giebt eine solche Menge von typhusähnlichen Bacillen, daß
Namen, wie Faecesbacillus (Bac. neapolitanus) und Bacte-
rium coli commune, ungeeignet sind, weil unter diesen Namen
eine ganze Reihe von Bacillen mit verschiedenen Charakteren zu-
sammengefasst werden. Man muß daher diese Namen fallen lassen
und jeden typhusähnlichen Bacillus nach seinen besonderen Eigen-
schaften beschreiben. Das gilt ganz besonders für diejenigen typhus-
ähnlichen Bakterien, die man in vielen Fällen neuerdings als pathogen
auch für den Menschen erkannt hat.
2) Wenn die Charaktere in Betracht gezogen werden, welche bei
den Versuchen, verschiedene Species aufzustellen, gefunden wurden,
so ergiebt sich eine Sammlung von ungefähr 30 Species. Dabei
wurden besondere Feinheiten außer acht gelassen und Abweichungen
untergeordneten Grades nicht in Rechnung gezogen. So wurde z. B.
ganz unberücksichtigt gelassen der Grad des Alkali, welches in der
Typhus.
61
Bouillon, sowie der Säure, welche im Milchserum erzeugt wurde,
ferner das Verhalten in der Jequiritylösung etc. Hätten die Verff.
dies alles noch berücksichtigt, so würden sie noch eine größere An-
zahl von Species haben unterscheiden müssen.
3) Aus denselben Faeces oder aus derselben Leiche kann man
eine ganze Anzahl verschiedener typhusähnlicher Bacillen isolieren.
4) Die geprüften Charaktere sind nicht alle absolut beständig.
Das gilt in erster Linie für das pathogene Vermögen ; aber auch die
anderen Eigenschaften, besonders die Fermentationswirkung gegen-
über der Milch und den verschiedenen Zuckerarten, das Reduktions-
vermögen und die Säureabscheidung, sind quantitativ innerhalb ge-
wisser Grenzen veränderlich. Man kann wohl annehmen, dass man
bei längerer Fortsetzung der Kulturen in künstlichen Nährböden und
bei Abänderung der Kulturbedingungen noch mehr Variationen würde
konstatieren können.
5) Zwischen den typhusähnlichen Bacillen finden sich alle Ueber-
gänge und einige wenige nähern sich sehr dem Typhusbacillus.
Von der Feststellung dieser Thatsache indessen bis
zu der Annahme von Rodet und Roux, dass in der That
ein Uebergang der typhusähnlichen Bacillen in den
Typhusbacillus stattfindet, ist noch ein weiter Weg.
6) Von den verschiedenen Species sind 3 besonders häufig. Von
diesen wird die eine, und zwar die häufigste, dargestellt durch einen
beweglichen Bacillus, welcher (für Mäuse) pathogen ist, Milch
koaguliert, die Indolreaktion giebt, ein großes Reduktionsvermögen
und starke Säureproduktion aufweist, unter Entwickelung von Gas
Trauben-, Milch- und Rohrzucker zersetzt und Jequiritylösung ent-
färbt. Eine andere, ebenfalls sehr häufige Species wird gebildet von
einem Bacillus, welcher sich von ersterem allein dadurch unter-
scheidet, daß er Rohrzucker nicht zur Gärung bringt und Jequirity-
lösung nicht entfärbt. Ein dritter Bacillus, der ein wenig seltener
ist als die beiden vorhergehenden, unterscheidet sich vom zweiten
dadurch, daß er die Milch nicht koaguliert.
7) Die Kulturen von Typhusbacillen verschiedener Herkunft
weisen nicht derartige Verschiedenheiten auf, daß man Varietäten
zulassen müßte, wie Babes es will. Die einzigen Unterschiede,
welche bis zu einem gewissen Grade beständig zu sein scheinen, be-
stehen in der mehr oder weniger üppigen Wachstumsweise und der
größeren oder geringeren pathogenen Wirkung. Alle übrigen Unter-
schiede hängen weniger von einer Verschiedenheit der Typhusbacillen
verschiedenen Ursprungs, als von der abweichenden Beschaffenheit
der verschiedenen Nährböden ab. Dies wird durch die Unbeständig-
keit der Unterschiede bewiesen.
8) Das von Gaffky als typisch beschriebene Wachstum auf
Kartoffeln ist unglücklicherweise nicht immer verwertbar, da es an
vielen Orten (z. B. in Neapel) niemals zur Beobachtung kommt.
9) Wenn man Kulturversuche auf Kartoffeln und Gelatineplatten
in paralleler Weise mit einer sicheren Reinkultur des Typhus-
bacillus und mit verdächtigen Bacillen anstellt, so erhält man ein
diagnostisches Mittel allerersten Ranges.
62
Typhus.
10) Ein absolut sicheres Mittel, um den Typhus-
bacillus von den typhusähnlichen zu unterscheiden, giebt — nach
Erfahrungen, die an 88 Kulturen von typhusähnlichen Bacillen und
12 Kulturen von Typhusbacillen verschiedener Herkunft gesammelt
wurden — das Eintreten oder das Ausbleiben der Gasent-
wickelung in Stichkulturen in Agar mit 2 °/0 Trauben-
zucker. Der Typhusbacillus ruft hier keine Gasentwickelung
hervor. Dieses Verfahren ist um so schätzenswerter, als es in 24
Stunden zur Diagnose führt.
11) Alle übrigen Charaktere, als Mangel der Indolreaktion, Aus-
bleiben der Milchkoagulation, der Gärung des Roh- und Milch-
zuckers, pathogene Wirkung, Beweglichkeit und Cilien etc., haben
nur einen begrenzten Wert, da sie auch bei den typhusähnlichen
Bacillen auftreten können.
12) Zur Isolierung des Typhusbacillus giebt es Mittel, welche
bisweilen den Zweck erreichen lassen, jedoch nicht die Bedeutung
haben, welche ihnen von den einzelnen Autoren zugeschrieben wird.
Zur Trennung der Typhusbacillen von den typhusähnlichen Bakterien
sind sie nicht geeignet. Sie gewinnen an Wert, wenn man Kontroll-
versuche mit Typhusbacillen anstellt. W. Petersen (Zürich).
Cesaris-Demel und Orlandi, Sulla equivalenza biologica
dei prodotti del „B. coli“ e del „B. tiphi“. (Archivio per
le Sc. med. XVII. No. III. p. 279.)
Ueber die biologischen Eigenschaften und die gegenseitigen Be-
ziehungen des Bac. coli und des Bac. typhi kommen die Verff.
auf Grund umfassender (in Foä’s Laboratorium angestellter) experi-
menteller Untersuchungen zu folgenden Schlußfolgerungen:
1) Das Serum der mit B. coli immunisierten oder vaccinierten
Tiere hat präventive und therapeutische Kraft gegen die Infektion
mit B. coli; dasselbe Verhältnis besteht beim B. typhi.
2) Sowohl beim B. coli als beim B. typhi ist die präventive
Kraft des Serums wesentlich größer als die therapeutische.
3) Es besteht bei beiden Bacillenarten immer eine Beziehung
zwischen der therapeutischen Kraft und der Quantität der zur In-
fektion benutzten Kulturen.
4) Diese Beziehung tritt weniger deutlich hervor bei der immu-
nisierenden Wirksamkeit.
5) Bei beiden Bacillen wirkt das von einer bestimmten Tierart
entnommene Serum auch bei anderen Tierarten.
6) Die Wirksamkeit des Serums ist unabhängig vom Orte der
Einspritzung.
7) Die präventive und therapeutische Wirksamkeit des Serums
steht durchaus in keiner Beziehung zu seiner antiseptischen Kraft
im Reagensglase.
8) Das Serum der Tiere, welche für B. coli immunisiert sind,
hat auch präventive und therapeutische Kraft gegen die Infektion
mit B. typhi; umgekehrt besteht dasselbe Verhältnis.
Nach eingehender Berücksichtigung der übrigen Eigenschaften
Typhus.
63
der beiden Bacillenarten wird als Resume aufgestellt: Der B. coli
und der B. typhi können bei dem gegenwärtigen Stande unserer
Kenntnisse nach ihrem morphologischen und kulturellen Verhalten
nicht völlig identifiziert werden; sie sind jedoch außerordentlich nahe
verwandt und ihre Produkte erweisen sich bezüglich der
Immunisierung und Serumtherapie als biologisch
gleichwertig. W. Petersen (Zürich).
Schmidt, Paul, M i 1 c h , die Quelle einer Typhusepidemie.
[Inaug. Diss.] 8°. 26 p. Halle a/S. 1893.
Erst 1870 kamen verschiedene Beobachter fast zu derselben
Zeit zu der Ueberzeugung, daß die Milch die Trägerin des Giftes
des Abdominaltyphus sein könnte und durch das Spülen der Milch-
gefäße der Krankheitskeim in dieses unentbehrliche Nahrungsmittel
gebracht werde.
So beschrieb Ballard 1870 eine Typhusepidemie in Islington,
wo vom 3. Juli bis 10. Sept. in 67 Häusern in gesunder Gegend
und mit neuer Bauart, guter Kanalisation und reichlichem Wasser
167 Typhuserkrankungen stattfanden. Bei Besichtigung des Milch-
hofes, von wo fast alle infizierten Familien ihren Milchbedarf gedeckt
hatten, ergab sich, daß die Abortgrube mit der Pumpe, an welcher
die Milchgefäße gespült wurden, durch Rattengänge in Verbindung
stand. — Aehnliches ereignete sich 1873 in Armley, einer Vorstadt
von Leeds, dann in London selbst, Glasgow, Göteborg u. s. w.
1884 schildert Auerbach die erste derartige Epidemie in
Deutschland, nämlich in Köln, wo auch nur die Milch die Verbreiterin
der Seuche sein konnte. 1889 ereignete sich dasselbe zu Belgrad,
dann liegen Beobachtungen vor über Jolimant bei Melbourne,
Edinburgh.
Verf. wendet sich dann einer Epidemie zu, welche 1890 in
Straßburg i. E. beobachtet wurde. In den zwei dortigen Gefängnissen
trat Typhus, welcher seit 1870 nicht beobachtet war, nur bei einer
Reihe von Gefangenen auf, welche nachweislich Milch aus dem
benachbarten Holzheim genossen hatten. 90 Inhaftierte hatten zum
Teil einmal, zum Teil noch öfter Milch aus der Kantine bezogen,
es erkrankten 17 Proz. von ihnen, 300 andere lieferten keinen Typhus-
fall; die Epidemie erlosch, als die Abgabe dieser Milch unter-
sagt war!
Erschwerend trat hinzu, daß die Milch unabgekocht zum Kon-
sum gelangt war, was stets zu rügen ist, da die Milch außer den
Typhuskeimen leicht als Vehikel für andere Infektionsbacillen dienen
kann, wie die der Cholera, der Tuberkulose u. s. w.
E. Roth (Halle a. S.).
Almquist, E., Zur Biologie der Typhusbakterie und der
Escherich’ sehen Bakterie. (Zeitschrift für Hygiene und
Infektionskrankheiten. Bd. 1893. XV. H. 2. S. 283 ff.)
Um die Einwirkung der Erde von verschiedener chemischen Zu-
sammensetzung auf die genannten Bakterien zu studieren, wurde
64
Typhus.
reiner Sand, benutzter Filtersand und Sand mit Düngstoff aus verun-
reinigtem Untergründe des Viehstalles benutzt. Nach einem Monate
fanden sich bei Escherich’s Bacillus in dem Boden winzig
kleine Bildungen, scharf konturiert, rundlich, in der Form von kleinsten
Stäbchen mit abgerundeten, stumpfen Enden, 0,5 — 1 y lang. Sie
ließen sich leicht färben. Diese Gebilde schwellen an und wachsen
zu gewöhnlichen Stäbchen aus. Abstoßung einer Sporenhaut wurde
nicht beobachtet. Nach wenigen Tagen treten an die Stelle der
Langstäbchen Kurzstäbchen oder längliche Bildungen, oft zu Haufen
zusammenliegend. Diese Bildungen kommen so zustande, daß sich
in gewissen Teilen des Langstäbchens eine stärker färbbare Substanz
sammelt. Diese Masse häuft sich an den Enden an und manchmal
noch an der Seite, so daß drei Auswüchse erscheinen, welche in die
Kurzstäbchen zerfallen.
Verf. hält die letzteren für eine Art Sporen, welche Form nicht
deswegen auszuschließen sein braucht, weil keine Endosporen beob-
achtet sind.
Die Typhusbakterie repräsentierte sich in 2 Formen, eine breitere,
die gewöhnliche und eine schmälere; diese Formen vermögen in-
einander überzugehen, besitzen aber eine gewisse Konstanz. Die
Vermehrung des Bacillus geschieht nicht nur durch Längenwachs-
tum, sondern auch mittelst seitlicher Auswüchse. In reinem Sande
war die Entwickelung des Bakteriums nicht so wie in gedüngter
Erde und hielt es sich oftmals nicht lange lebensfähig. Schmale
Stäbchen und Degenerationsformen treten in diesem Medium sehr
häufig hervor. Im Sande, der mit gewissen Düngstoffen versetzt war,
hielt sich der Bacillus sehr lange am Leben und entwickelt zahl-
reiche sporenähnliche Bildungen, die zu neuen Stäbchen auswachsen
können. Wie die Sporen entstehen, konnte Verf. nicht mit Sicherheit
sagen. Mehrmals schienen an den kurzen Stäbchen die Enden zu
Sporen transformiert zu sein. Differentialdiagnostiscb ergab sich,
daß die Escherich’sche Bakterie ihre sporenähnlichen Bildungen in
kürzester Zeit in den verschiedensten Medien (Bouillon, Gelatine,
Erde u. s. w.) gab, der Typhusbacillus aber nur unter gewissen
äußeren Verhältnissen und nach viel längerer Zeit.
0. Voges (Danzig).
Vincent, H., Resultats expörimentaux de l’association
du streptocoque et du bacille typhique. (Bulletin m6d.
1892. No. 55. p. 1046.)
In einer früheren Mitteilung1) berichtete Verf. über Misch-
infektionen durch den Typhusbacillus und den Streptococcus.
Seither suchte Verf. die Beziehungen der beiden Mikroorganismen
zu einander auf experimentellem Wege festzustellen.
Der Typhusbacillus vermehrte sich nicht nur nicht, sondern
wurde manchmal sogar sehr rasch abgetötet, als er gleichzeitig mit
anderen Mikroorganismen, wie B. prodigiosus, Bact. coli
commune, Bact. termo, Proteus vulg. u. a. m. in Bouillon
1) cf. dieses Centralbl. Bd. XII. p. 634.
Tuberkulose.
65
ausgesät wurde. Dahingegen wuchs er sehr gut neben dem Strep-
tococcus und entwickelte sich selbst in alten oder sterilisierten
Kulturen des letzteren. Erwachsene Kaninchen widerstehen fast immer
größeren Dosen junger Typhuskulturen oder weisen nur ein vorüber-
gehendes Fieber auf. Junge Streptococcuskulturen in Dosen von
0,25 und selbst von 0,5 ccm subkutan oder intravenös appliziert,
führen in der Regel [bloß zu lokalen Erscheinungen oder zu einer
kurzdauernden Erkrankung. Injiziert man jedoch Kaninchen eine
Mischung von beiden Kulturen, so gehen sie fast regelmäßig unter
Diarrhöe, Stupor und Hyperthermie zu Grunde. Der Dünndarm ist
stark hyperämisch mit einer verschiedenen Anzahl hämorrhagischer
Peyer’scher Plaques; Milz und Mesenterialdrüsen vergrößert. In
einem Falle gelang es auch, nach der Verimpfung des Typhus -
bacillus, durch Einreiben einer Streptokokkenkultur auf die
erodierte Haut eine streptotyphische Allgemeininfektion und den Tod
des Kaninchens herbeizuführen. Zwei weiße Ratten, welche kleinen
Dosen der Mischkultur widerstanden hatten , waren gegen den
Typhusbacillus und gegen den Streptococcus immun ge-
worden.
Obzwar der Typhusbacillus beim Kaninchen keine ernsten
Erscheinungen auszulösen scheint, schwächt er dessen Organismus
nichtsdestoweniger derart, daß er den schwachen, für unbehandelte
Tiere nicht tötlichen Dosen des Streptococcus nicht zu wider-
stehen vermag. Aus dieser erhöhten Empfänglichkeit für den letzteren
ließe sich die Gefahr gewisser lokaler Aifektionen durch den Strepto-
coccus — insbesondere Erysipel — im Verlaufe von Typhus beim
Menschen erklären. Kral (Prag).
Babes, V. et Kalindero, N., Lesions tuberculeuses comme
porte d’entree de la fievre typhoide, l’ent6ro-he-
patite suppur6e et l’infection h6morrhagique.
Babes und Kalindero machen von neuem auf die Schwie-
rigkeiten, welchen man beim Studium bakterieller Mischinfektionen be-
gegnet, aufmerksam. Täuschungen durch Fäulnismikrobien der Leiche
hat man nicht zu fürchten, wenn man die Sektion schnell genug nach
dem Tode ausführt. Größer sind die Schwierigkeiten anderer Art,
welche teils in der großen Mannigfaltigkeit (? Variötö) und Wandelbar-
keit (? variabilit6) der associierten Mikrobien bestehen, teils darauf
zurückzuführen sind, daß gewisse Mikrobien sich anfangs nur auf
einem Boden zu entwickeln vermögen , der vorher mit dem asso-
ciierten Mikrobion besiedelt war1). In den Hospitälern Bukarests
haben die Verff. eine systematische, histologische und bakteriologische
Untersuchung der möglichst frischen Leichen durchgeführt. Dadurch
werden fast in jedem einzigen Falle natürlichen Todes bakterielle
Associationen aufgedeckt. Babes hatte bereits auf früheren Kon-
gressen die vorzüglichsten Typen solcher Bakterienassociationen ent-
wickelt. In der vorliegenden Mitteilung berichten die beiden Verff.
1) Eine Behauptung übrigens, welche noch erst durch mehrfache Beweise in
vollstem Umfange bestätigt werden muß. Bef.
XV. Bd.
5
66
Tuberkulose.
über mehrere spezielle, gemeinsam beobachtete Fälle solcher
bakterieller Associationen, bei denen, wie sie annehmen, die bestehende
Tuberkulose als Eintrittspforte für gewisse spezifische Krankheits-
erreger mit oder ohne Beteiligung der primären Tuberkulose diente.
Im ersten Falle, der mit hohem Fieber, Delirien, Roseola ein-
geliefert wurde, bei dem sich aber die klinische Diagnose infolge des
physikalischen Lungenbefundes und Tuberkel bacillennach weises im
Sputum mehr zu Gunsten der Annahme einer Lungentuberkulose ent-
schied, zeigte bei der Sektion frische, typhöse Veränderungen in der
Bauchhöhle neben älteren tuberkulösen, z. T. verkäsenden, z. T.
ulcerierenden und vernarbenden Prozessen auf der Oberfläche der ge-
schwellten Peyer’schen Plaques im Darme und in den Lungen. Durch
die bakteriologische Untersuchung wurde die tuberkulöse Natur der
älteren Prozesse bestätigt; in Milz und Leber fand sich der Typhus-
bacillus zusammen mit einem Bacillus aus der Gruppe des
B. coli commune. Hier hat sich also nach der Ansicht der Verff.
der Typhus auf dem Boden einer alten Tuberkulose entwickelt, und
zwar soll der Typhusbacillus durch die tuberkulösen Ulceratio-
nen des Darms eingewandert sein.
In einem zweiten Falle, bei welchem die klinische Diagnose auf
chronische Dysenterie und Lungentuberkulose lautete, ergab sich eine
ältere Lungentuberkulose, chronische, ulcerierende, zur Vernarbung
neigende Tuberkulose des Ileums, daneben eine ulcerierende Enteritis
des Dickdarms bis zum Rektum hinab ; ferner Leberabscesse. Bei
der mikroskopischen Untersuchung fanden sich in den großen skle-
rotischen Ulcerationen (des Ileums?) an der Basis tuberkulöse Ver-
änderungen mit spärlichen Tuberkelbacillen, die letzteren ebenso in
dem Eiter der Lungenkaverne. Die geschwürigen Prozesse (des
Colons?) waren entweder bakterienfrei oder zeigten reichliche lanzett-
förmige Diplobakterien. Züchtungsversuche auf Glycerinagar ergaben
Kolonieen „des prot6es capsulöes“. Kulturen von den Leberabscessen,
von Milz und Niere blieben steril. [Wenn die Verff. es nach diesen
Befunden für mehr als wahrscheinlich halten, daß das ursächliche
Moment für die Ulcerationen (des Dickdarms) und die Leberabscesse
durch die chronischen tuberkulösen Ulcerationen (des Ileums!) ein-
gedrungen sei, können wir ihnen in dieser Annahme wohl nicht
folgen. Ref.] — In einem dritten Falle (mit Peribronchitis tubercu-
losa subacuta, kleinen Kavernen, Atelektase der unteren Lungen-
partieen, Pneumonia lobularis, entzündlichem Oedem des Mediastinums,
ulcerierenden, follikulären Tuberkeln des Darms, Gastroenteritis
chronica follicularis, Nephritis parenchymatosa subacuta, Pleuritis
serofibrinosa, Hämorrhagieen in der Lunge, generalisierter Purpura
und den Allgemeinerscheinungen einer schweren hämorrhagischen
Septikämie) fanden sich in den Wandungen der kleinen Kavernen
typische tuberkulöse Veränderungen mit Tuberkelbacillen neben
einem großen Streptococcus, welcher sich nur schwierig und
nur in der Tiefe der Gelatine entwickelt. Wir stimmen den Verff.
bei, daß dem letzteren wahrscheinlich wohl die tötliche hämorrhagische
Sepsis (septicömie) zur Last zu legen ist, da es sich in allen Organen
und in den Bronchen in Reinkultur befand (Kulturen erzeugten beim
Tuberkulose.
67
Kaninchen tötliche Sepsis). Wir vermissen den Nachweis der Strepto-
kokken im Blute. Wenn die Verff. aber schreiben: „11 est ä remar-
quer que ce microbe existe ä l’6tat pur dans les bronches, de sorte
que c’ est probablement par les bronches que s’ est effectuee 1’ infection
septique et hömorrhagique“, so erscheint uns diese Ansicht noch
nicht genügend gestützt. Viel näher liegt unseres Erachtens die
Annahme, daß die Sepsis von den Ulcerationsprocessen, den kleinen,
von den Verff. erwähnten, vereiternden, konfluierten Tuberkeln und
ausgebildeten kleinen Kavernen, bei denen leicht unter Arrosion der
Gefäße ein Durchbruch in die Blutbahn stattfindet, ihren Ausgang
genommen. Ueber einen etwaigen Zusammenhang der Bronchitis
streptococcica mit den Herden der Pneumonia lobularis läßt sich aus
den kurzen Angaben der Verff. leider nichts entnehmen. — Der vierte
Fall betrifft einen 12-jährigen Knaben mit ausgedehnter Lymph-
drüsentuberkulose, verkäsender und hämorrhagischer (?) Tuberkulose
der centralen Lungenpartieen. Daneben fand sich eine gangränöse
Lungenkaverne, Gangrän der Bronchen, der Trachea, des Larynx und
Pharynx, ulcerierende Darmtuberkulose, teils hämorrhagisch, teils
gangränescierend Darmperforation und Zeichen alter (Verwachsungen)
und frischer Peritonitis, Venentuberkel und mehrfache Hämorrhagieen.
Die Verff. nehmen an, daß die Mikrobien, welche diese Gangrän
hervorgerufen haben — namentlich ein Pseudodiphtherie-
bacillus und ein typhusähnlicher Bacillus — im Innern einer
Kaverne gewuchert sind und von da aus die Schleimhäute des
Respirationstrakts und die schon tuberkulösen Lymphdrüsen infi-
ziert haben. Babes hebt an dieser Stelle hervor, daß der Pseudo -
diphtheriebacillus stets die Gangrän der Haut und Schleim-
haut begleitet und oft das einzige Mikrobion ist, welches man dabei
antrifft. Den typhusähnlichen Bacillus hält er für das saprogene
Element der Gangrän und für die Ursache der Hämorrhagieen.
Tuberkelbacillen wurden daneben in den tuberkulösen Prozessen der
Organe nachgewiesen. Die Verff. schließen, daß diese Fälle ihre
Studien über bakterielle Associationen insoweit vervollständigen , als
sie zeigen, daß selbst eine latente oder chronische Tuberkulose ohne
progressive Tendenz eine gewisse Gefahr bietet, da sie als Ein-
gangspforte für andere Infektionen dienen könne. Diese Fälle
lieferten eine Illustration dazu, worin die durch die Tuberkulose ge-
schaffene Disposition bestehe.
Ref. kann sich diesen Ausführungen der Herren Verff. nicht an-
schließen. Er hält es in diesen Fällen durchaus nicht für streng be-
wiesen, daß die tuberkulösen Läsionen wirklich direkt als Eingangs-
pforte für die oben erwähnten Infektionen gedient haben. Er sieht
darin nur Fälle von sekundären Infektionen bei bestehender chronischer,
zum Teil abheilender Tuberkulose, wie sie häufig genug Vorkommen, also
Mischinfektionen mit Tuberkulose, ohne daß die tuberkulöse Läsion
direkt als Ausgangspunkt verantwortlich gemacht zu werden brauchte.
Auf die Bedeutung dieser Mischinfektionen, auf den schwerwiegenden
Einfluß der Anwesenheit fremder Mikrobien auf die Prognose hat
u. a. Ref. schon nachdrücklichst gelegentlich seiner Ausführungen über
5*
68
Achorion.
Sputumuntersuchungen1) hingewiesen. Daß es sich bei solchen Misch-
infektionen, welche sich bei dem größten Teile aller Tuberkulosefälle,
wenn nicht bei allen, finden und oft tötlich verlaufen, durchaus nicht
immer und auch nicht einmal vorzugsweise um Streptokokkeninvasionen
zu handeln braucht, dafür bringen drei der Fälle der Herren Verff.
neue Belege bei. Czaplewski (Hamburg).
Neefoe, C. H. und Unna, P. Gr., Kritische Bemerkungen zum
Pleochroismus der Achorionarten. (Monatshefte für
prakt. Dermatologie. Bd. XVII. Heft 9.)
Die Arbeit enthält die Widerlegung eines Vorwurfes, den
Sabrazes den Autoren gemacht hat: daß sie auf den Pleomorphis-
mus des Pilzes, der den Favus beim Menschen erregt, nicht genügende
Rücksichten genommen hätten. Nebbe und Unna bringen nun die
Kautelen zur Sprache, unter denen ihnen die Differenzierung ihrer
verschiedenen Arten des Favuserregers gelungen sei, und die sie von
allen Forschern beobachtet wünschen; ehe zwei Favuspilzarten für
identisch gehalten werden, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
Es dürfen weder im Wachstum auf derselben Agarplatte, noch auf
Kartoffeln, noch in dem peptischen Verhalten gegen Gelatine und
Blutserum Differenzen vorhanden sein, noch darf die mikroskopische
Beobachtung des aus einer Spore gezüchteten Pilzes Differenzen in
der Fruchtbildung zeigen, und die bei einigen Favusarten vorkommen-
den Kronleuchter- und Blasenbildungen müssen in Qualität und Quanti-
tät übereinstimmen.
Die nahe Verwandtschaft zwischen dem Achorion eutythrix
und atacton einerseits und dem Achorion acromegalicum,
demergens und cysticum andererseits geben die Verff. zu; da-
gegen führen sie die Differenzen zwischen dem Achorion dikroon
(Unna) und dem Achorion moniliforme (Kral), sowie die
zwischen dem Achorion radians(Mibelli) und dem Achorion
moniliforme (Kral) an. Das Achorion moniliforme hat kein
Oberflächenwachstum auf Gelatine und verflüssigt erst in lx/2 bis
2 Monaten, während sowohl das Achorion dikroon wie r a d i a n s
Oberflächenwachstum zeigen und binnen 3 Wochen die Gelatine ver-
flüssigen. Auf Kartoffeln wächst das Achorion dikroon erst nach
9 Tagen mit stecknadelkopfgroßen Herden, während das Achorion
moniliforme schon nach 1 — 2 Tagen Wachstum zeigt und hohe
Faltenbildungen, welche beim Achorion radians nie vorhanden
sind. Auf Blutserum zeigt das Achorion dikroon nur kleinste
Herde aus Rosenkränzen, welche das Achorion moniliforme
niemals hat. Ebenso differenziert sich das letztere durch sein Wachs-
tum auf Agar mit luftmycellosem Oberflächenrasen ohne Zonenbildung
gegen das Achorion radians, das auf Agar ein weißes Luft-
polster mit Zonenbildung zeigt.
Um alle Zweifel an der Identität zweier Pilze zu heben, müssen
1) Mitt. aus Br. Brehmer’s Heilanstalt. Neue Folge. Wiesbaden (J. F. Berg-
mann) 1890. p. 160 u. ff. und Czaplewski, Die Untersuchung des Auswurfs auf
Tuberkelbacillen. Jena (Gustav Fischer) 1891. p. 8, 57 — 58.
Favus.
69
dieselben auf derselben Platte nebeneinander gezüchtet und die Agar-
schnitte der Kulturen mikroskopisch miteinander verglichen werden.
Lasch (Breslau).
Biro, Untersuchungen über den Favuspilz. (Archiv für
Dermat. u. Syphilis. 1893. Heft VI.)
Nach einer ausführlichen Einleitung über die bisher veröffent-
lichten Mitteilungen über das morphologische, pathogene und Kultur-
verhalten des resp. der Favuspilze kommt der Verf. auf seine eigenen,
in Dr. Elsenberg’s Laboratorium angestellten Untersuchungen zu
sprechen.
A. Kulturen: 1) Bouillonkulturen: Wenn B. ein Stückchen Borke
in peptonisierte Fleischbrühe übertrug, so zeigten sich im Brütofen
bereits nach 24 Stunden kaum wahrnehmbare Gebilde, bestehend aus
kugelartigem Rasen mit feinen, weißen Fäden. Diese Gebilde ver-
größerten sich unter fortwährender Verlängerung der Fäden allmäh-
lich, bis sie am 10. Tage einen silberartigen Rasen mit vielen weißen,
radialen Emissionen darstellten. Außerdem fand sich um diese Zeit
auf der Oberfläche ein die ganze Röhrchenbreite ausfüllendes, schnee-
weißes Häutchen, dessen Unterfläche erst silberglänzend, später
schwefelgelb war. Ueberimpfungen des Häutchens, des Rasens, so-
wie eines anscheinend von jenen Bildungen freien Tröpfleins der
Fleischbrühe in frische Fleischbrühe lieferten dieselben Gebilde.
2) Kartoffelscheibenkulturen: Ara 3. Tage nach der Impfung
entstanden (bei 37°) schneeweiße, polymorphe Rasen. Am 6. Tage
doppelt so groß ; unregelmäßig gefaltete Oberfläche. Die Unterfläche
nach 2 Wochen gelb.
3) Fleiscbpeptongelatinekulturen (Zimmertemperatur) : Es wurden
Stücken einer Favusborke, ferner eine Bouillonkultur und eine Kar-
toffelkultur übertragen ; in allen Reagenzgläsern — besonders von der
Borke aus — gelbe, teigartige Bildungen. Nach 3 — 4 Wochen be-
ginnende Verflüssigung, in die der Rasen einsinkt. Nach einigen
Wochen ist die ganze Gelatine verflüssigt und der Rasen sinkt zum
Boden des Reagenzröhrchens.
4) Fleischpeptonagarkulturen (35 — 37 °): a) 2 °/0 Fleischpepton-
agar, in welches Bouillon-Gelatine-Kartoflelkulturen und Borke über-
tragen wird. Ueberall dasselbe Resultat. Es bildeten sich eine Reihe
von konzentrischen Kreisen , die aufeinander gelagerten Kränzen
gleichen, b) Mit Dextrosezusatz: Die Kulturen, sehr ähnlich denen
von a, zeigen einen verhältnismäßig spärlichen Flaum mit dicken
Lufthyphen, c) Mit Nelkenöl: Die Kulturen bestanden aus halb-
kugeligen Erhebungen.
Unter den Fleischpeptonagarkulturen war dem Verf. eine mit
kürzeren Lufthyphen, spärlichem, später ganz verschwindendem
Flaum und beständig grauer Farbe aufgefallen. Es handelte sich
um die II. Varietät des Else n berg’schen Pilzes; als von dieser
Kulturen abgeimpft wurde, kamen wieder die Kulturen der I. Va-
rietät zum Vorscheine.
B. Mikroskopisch gewähren die beiden Varietäten Elsenberg’s
dasselbe Bild. Der Pilz stellt ein Mycel aus Fäden mit Ausläufern
70
Favus.
vor, welche weniger dick sind als die Haupthyphen. Haupt- und
Seitenhyphen bilden miteinander verschiedene Winkel ; sie haben
einen teils geradlinigen, teils gewellten Verlauf, bestehen aus be-
sonderen viereckigen Gliedern, in denen oft Proteinkörnchen und
Fetttropfen enthalten sind. Nächst den Hyphen sind Sporen ver-
streut. Die Hypheu teilen sich oft gabelig, die Enden sind ein wenig
verjüngt, zuweilen mit kolbigen Endanschwellungen mit glänzender
Wand und körnigem Inhalte.
C. Färbung des Pilzes: B. hat teils in situ, teils auf dem Ob-
jektträger gefärbt; die besten Resultate hatte er mit Eosin und Hä-
matoxylin; doch empfiehlt er, da jede Färbung eine Schrumpfung
verursacht, die Präparate ungefärbt, und zwar am besten auch ohne
die stark aufquellende Kalilauge in einem Tröpfchen Bouillon zu
untersuchen.
D. Die Entwickelung des Pilzes: Der Verf. hat, um die Ent-
wickelung recht genau verfolgen zu können, dieselbe mittelst der
Pf e if f er ’schen Kammer beobachtet. Seine ausführlichen Mitteilun-
gen verdienen im Originale nachgelesen zu werden; sie würden hier
zu weit führen.
E. Impfversuche: Der erste an sich selbst vorgenommene Ver-
such befriedigte den Verf., obwohl er an den Haaren Pilze nach-
weisen konnte, nicht, da das Krankheitsbild infolge von Maceration
der Haut und nachfolgendem Ekzem getrübt war. Dagegen gaben
die folgenden an Patienten vorgenommenen Impfungen schöne, posi-
tive Resultate.
Der Verf. stellte nun Versuche mit den ihm von Unna zuge-
schickten Pilzarten an, und zwar zuerst auf dem von Unna ange-
gebenen Nährboden. Die ursprünglich deutlichen Differenzen an
seinen Pilzen verringerten sich bei jeder neuen Ueberimpfung immer
mehr und nach langzeitigen Ueberimpfungeu auf seine eigenen Nähr-
böden konnte Biro konstatieren, daß kaum noch Unterschiede be-
standen. Die mikroskopische Untersuchung lieferte identische Bilder
aller 3 Arten, d. h. des Achorion eutythrix, des Ach orion
atacton und des Biro’schen Pilzes.
Bei den vergleichenden Impfversuchen erhielt B. einmal von allen
3 Pilzen nur herpetische Efflorescenzen, das zweite Mal an der Impf-
stelle des Ach. eutythrix und seines Pilzes klassische Borken mit
gleich intensiven umgebenden Entzündungserscheinungen, die viel
stärker waren, als an der Impfstelle des Ach. atacton, an der es
zur Favuseruption nicht kam.
Der Entwickelungsprozeß des Favus ist nach B. folgender: Die
Parasiten dringen in die Haarschläuche ein, der Pilz bahnt sich den
Weg zwischen dem Haarschlauche und der umgebenden Hautpartie,
hebt die Epidermis empor und leuchtet durch die emporgehobene
Epidermisschicht als gelbes Pünktchen hervor. Mit dem Wachstumc
der Kolonie wird die Erhebung größer, nach gewisser Zeit springt
die Epidermisschicht und es kommt zur Bildung einer Borke.
Zum Schluß wirft der Verf. die Frage auf, ob nicht die sowohl
bei Impfuugen wie auch sonst im Krankheitsbilde häufig beobach-
teten herpesartigen Efflorescenzen als eine antagonistische Erscheinung
Favus.
71
aufzufassen seien, mit der der Körper den schädlichen Wirkungen
des Pilzes einen Widerstand entgegenstellt.
Als Resultate seiner Untersuchungen stellt B. folgendes fest: Der
Favuspilz zeichnet sich durch verschiedenartiges Verhalten auf ver-
schiedenen Nährböden aus.
Die anscheinend verschiedenen Favuskulturen verlieren gewisser-
maßen ihre Differentialzeichen nach langzeitiger Ueberimpfung auf
demselben Nährboden.
Wir haben keinen Grund, zu behaupten, daß es mehrere Favus-
pilze giebt. Lasch (Breslau).
Jefsner, Favusstudien. II. (Berl. klin. W7ochenschr. 1893.)
Jeßner hat im ersten Teile seiner Favusstudien nachgewiesen,
daß morphologisch zwar das Ach orion atacton (Unna III) und
Achorion eutythrix (Unna I) identisch, wohl aber vom
Achorion dikroon (Unnall) und dem Kräl’schen Achorion
Schoenleinii verschieden seien, daß es somit möglich sei, aus
Favus scutulis differente Pilze zu züchten; er will nun in der vor-
liegenden Studie besprechen, ob diese morphologisch verschiedenen
Hyphomyceten Favus zu erzeugen vermögen, ob die verschiedenen
Pilze verschiedene oder gleichartige Erkrankungen hervorrufen.
Bekanntlich hat Unna mit allen 3 Pilzen bei Tieren Favus-
erkrankungen hervorrufen können (beim Menschen gelang es mit
dem A. dikroon nicht) die jedoch von einander verschieden
waren und von ihm als Favus griseus (durch das A. euty-
thrix), Favus sulfur, celerior (A. atacton), Favus sulfur.
tard. (A. dikroon) benannt wurden. Mit dem Kral’ sehen
Achorion hatte Pick beim Menschen Scutula mit dem von
Köbner beschriebenen herpetischen Vorstadium erzeugt.
Die ersten von Jeßner angestellten Impfversuche fielen negativ
aus, weil infolge der von ihm vorgenommenen Desinfektion (mit Seifen-
spiritus, Alkohol und Aether) eine starke Schuppung eingetreten war.
Er beschränkte sich daher später darauf, die Haare kurz abzuschnei-
den und dann ein Stück der Agarkultur fest in die Haut einzureiben,
wobei er die oberflächlichen Hornschichten mit der flachen Seite der
Messerklinge entfernte.
Die Resultate der Impfungen, die im Nacken, an den Ohren
und den Seitenteilen des Abdomens (U nn a) ausgeführt wurden, waren
folgende :
I. Achorion eutythrix (Unnal). Nach einer Inkubation
von ca. 9 Tagen entstanden an den Impfstellen kleine, von Haaren
durchwachsene Scheiben, die sich allmählich zu kleinen Hügeln ver-
dichten, sich vergrößerten und konfluierten. Die gelben Massen be-
standen mikroskopisch aus Pilzen. Damit scheint dem Verf. der Be-
weis erbracht, daß das A. eutythrix ein echter Favuspilz ist.
II. Achorion atakton (Unna III) zeigte sich dem Verf. wie
in morphologischer so auch in pathogener Hinsicht mit I identisch.
Bei den durch diese beiden Pilze hervorgerufenen Favuserkrankungen
trat stets — meist sehr schnell — spontane Heilung ein.
III. Achoriou dikroon. Mit diesem Pilze gelangen die
72
Lepra. — Skorbut.
Impfungen nur sehr schwer; erst nach sehr vielen negativen Versuchen
erhielt Jeßner bei 2 Meerschweinchen nach ca. 11-tägiger Inkubation
einen schön ausgebildeten Favus, der an Farbe, Konsistenz, Verlauf
dem durch die anderen Pilze erzeugten Krankheitsbilde vollkommen
identisch war. Ein gleiches Resultat erhielt er an einem Hahnen-
kamme nach einer Einreibung einer Agarkultur von A. dikroon und
A. Schön lein ii Kral.
Damit ist für Jeßner die Frage beantwortet, daß es morpho-
logisch differente Favuspilze giebt.
Zum Schlüsse macht der Verf. darauf aufmerksam, daß es wohl
denkbar sei, daß die verschiedenen Pilze dieselbe Abstammung haben
und Endprodukte einer Metamorphose sind, die sie unter dem Ein-
flüsse geänderter Lebensbedingungen erlitten haben. Vielleicht spielt
der Herkunftsort, resp. die klimatischen Verhältnisse dabei eine Rolle
und es wäre dann sehr einleuchtend, warum Forscher, die nicht wie
aus allen Himmelsrichtungen ihr Material bezogen haben, sondern
nur aus einer bestimmten Gegend, stets nur den gleichen Pilz
züchteten. Lasch (Breslau).
Pindikowski , Ueber eine in Deutschland bestehende
Lepraendemie. (Dtsch. med. Wochenschr. 1893. No. 40.)
Nach Ermittelungen, welche mit Hilfe der Verwaltungsbehörden
angestellt wurden, leben im Kreise Memel unter der litauischen
Landbevölkerung zur Zeit 9 Aussatzkranke, denen sich 4 in den letzten
Jahren Verstorbene anreihen. 6 derselben betreffen je 1 Familien-
mitglied, zweimal handelt es sich um 2, einmal um 3 Fälle in einer
Familie. Sämtliche Kranke haben niemals außerhalb des Kreises
gewohnt oder vorübergehenden Aufenthalt in Lepragegenden gehabt.
Die ersten Erkrankungen wurden im Jahre 1878 beobachtet und be-
treffen ein seitdem verstorbenes Brüderpaar. Alle Fälle gehören der
tuberösen Form an.
Nach ungefährer Schätzung beziffert sich die Menge der Lepra-
kranken in Westeuropa, Norwegen eingerechnet, auf 3000, in Frank-
reich und Süditalien zusammen auf 300. K übler (Berlin).
Babes, Ueber einen die Gingivitis und Hämorrhagieen
verursachenden Bacillus bei Skorbut. (Dtsch. med.
Wochenschr. 1893. No. 43.)
Eine Skorbutepidemie in einem rumänischen Reiterregimente ver-
schaffte dem Verf. Gelegenheit zu bakteriologisch-histologischen Unter-
suchungen. Als Ausgangsmaterial für dieselben diente vorzugsweise
Blut von den Kranken; außerdem wurden bei 2 derselben Gewebs-
stückchen vom Zahnfleischrande excidiert.
Ein Gewebsstückchen dieser Art wurde gewaschen, oberflächlich
sterilisiert, im sterilen Mörser verrieben, in Bouillon aufgsschwemmt
und 2 Kaninchen in die Blutbahn injiziert. Beide Tiere starben
nach 6 bezw. 8 Tagen. Bei dem einen derselben fanden sich zahl-
reiche kleine Blutungen im Unterhautgewebe und den serösen
Häuten, bei dem anderen Ekchymosen in der Muskulatur an den
serösen Häuten, in der Leber, blutige Durchsetzung des Zwölffinger-
Lepra. — Skorbut.
73
darmes und verschiedener anderer Darinteile, ausgedehnte Blutungen
im Unterhautgewebe der linken Bauchseite, bei den Föten (das Tier
war trächtig) punktförmige Blutaustritte im Unterhautgewebe und
den serösen Häuten.
An dem gehärteten und mit verschiedenen Farben behandelten
Zahnfleischgewebe derSkorbutkranken waren bei mikro-
skopischer Untersuchung die folgenden Schichten von außen nach
innen zu unterscheiden : 1) Größtenteils vom Epithel entblößte, mäßig
dicke, diphtheriemembranähnliche, blasse Schicht mit wenigen Kern-
fragmenten und verschiedenen Bakterien, namentlich Streptokokken.
2) 0,1 mm dicke, strukturlose Schicht, welche bei Färbung mit
Loefflerblau sich als Filz von krummen, oft wellig gebogenen, langen,
äußerst feinen Bacillen erweist. Dieselben erstrecken sich in Form
von Büscheln oder Bacillenzügen auch in die tieferen Gewebsteile
und in die oberflächliche Schicht, lassen in der letzteren aber
körnigen Zerfall erkennen. 3) Ein- und mehrkernige Rundzellen.
4) Durch Oedem und körniges Exsudat aufgeschwelltes Schleimhaut-
gewebe mit zahlreichen Bacillen der unter 2) beschriebenen Art. In
den Gefäßwandungen und ihrer Umgebung geschwellte Spindelzellen
mit retikuliertem und durch Methylenblau gut färbbarem Proto-
plasma. 5) Stark erweiterte größere Gefäße. In ihren Wandungen große
Spindelzellen. In dem die Gefäße strotzend anfüllenden Blute ver-
schiedene Zellenmassen, reichliche mehrkernige Leukocyten, Endo-
thelien und Mastzellen. Im Gewebe gleichfalls Mastzellen, aber keine
Bakterien.
Die subkutanen Blutaustritte bei Kaninchen fanden
sich vorzugsweise in der Nähe von erweiterten Gefäßen mit zellig
veränderten, d. h. aus Spindelzellen zusammengesetzten Wandungen,
und zwar vielfach in der Umgebung von Schweißdrüsen. Die roten
Blutkörperchen waren gequollen oder körnig zerfallen, die Leuko-
cyten besaßen fragmentierte Kerne. Bakterien fehlten hier, fanden
sich indessen in den Lungenalveolen und innerhalb großer, gefärbter
und zuweilen rote Blutkörperchen einschließender Zellen in dem Blute
der erweiterten Lungenkapillaren, ferner innerhalb der Pulparäume,
der Milz und in den Blutaustritten im Gewebe der Leber. Die stark
blutreiche Milz enthielt viele Spindelzellen, in den Kapillaren aber
auch Pfropfe von Bacillen der Kaninchenseptikämie. Die letzteren
fanden sich auch in der Leber.
Die Zahnfleischbacillen werden von Babes als 0,3 (x
breite und 3 /x lange, gekrümmte, an ihren Ecken zugespitzte Stäb-
chen beschrieben, welche als junge Individuen die Gestalt von Doppel-
bakterien zeigen, dann aber zu welligen Fäden auswachsen und meta-
chromatische Körperchen bilden. Dieselben sind rund oder kolben-
förmig, übertreffen die Bakterien an Dicke und finden sich endständig
oder in regelmäßigen Abständen, besonders an den Teilungsstellen
der Bacillen. Sie färben sich mit Methylenblau dunkelviolett, während
die Bacillen selbst sich sehr schwach mit Rubin färben lassen.
Gramfärbung gelingt nicht.
Die Züchtung der Bacillen machte Schwierigkeiten. Auf Gelatine
bei Zimmertemperatur blieb jedes Wachstum aus. Auf Agarplatten
74
Ikterus.
erschienen vorwiegend Kolonieen eines Streptococcus, welcher
von der Oberfläche des Zahnfleisches stammte. Dazwischen konnten
einige größere, mehr gelbliche Kolonieen mit der Lupe erkannt werden,
welche dem gesuchten Bacillus angehörten. Die Verwendung der-
selben zu Reinkulturen gelang anfangs nicht; nach Uebertragung
derartiger Kolonieen wuchs auf der neuen Platte entweder gar nichts
oder wieder ein Gemenge von Kolonieen, welche zum größten Teile
dem Streptococcus und nur vereinzelt dem Zahnfleischba-
cillus angehörten. Dagegen hatte die Verwendung von Glycerin-
agar, welcher dem Streptococcus als Nährboden gedient hatte
und dann sterilisiert worden war, den Erfolg, daß sich langsam
Kolonieen des Bacillus darauf entwickelten. Sie erreichten in
4 Tagen die Größe eines Hanfkorns und waren gelblich durch-
scheinende, dickteigige, scharf umriebene, steil erhabene Auf-
lagerungen. Die Züchtung der Bacillen gelang niemals bei 22°, sie
konnte andererseits auch in Bouillon und auf Zuckeragar erzielt
werden.
Nach Injektion von Bacillenkulturen in Dosen von 5—10 g gingen
Kaninchen und Meerschweinchen zum Teil nach 6—10 Tagen ein.
Bei diesen wie bei anderen in gleicher Weise infizierten Tieren, welche
5 — 7 Tage nach der Injektion getötet wurden, fanden sich punkt-
förmige Hämorrhagieen im subkutanen Gewebe und auf den serösen
Häuten. An der Injektionsstelle entstand in der Regel ein von
hämorrhagischem Gewebe umgebener, bakterienfreier Absceß.
Der vorher erwähnte S t rep tococcus schien allein nicht viru-
lent zu sein, verursachte indessen in der Regel eine tötliche hämorrha-
gische Infektion, wenn er in Mischung mit den Zahnfleisch-
bacillus injiziert wurde.
Babes sieht in dem Zahnfleischbacillus den Erreger des
Skorbuts. Er nimmt an, daß der Bacillus eine Nekrose am Zahn-
fleischrande erzeugt und durch Giftwirkung eine Proliferation der
fixen Bindegewebszellen und der Gefäßwände anregt, ohne selbst
mit diesen in unmittelbare Berührung zu kommen. Er vermutet
ferner, daß der Bacillus, welcher auch von Miller nach dessen
Beschreibung schon gefunden worden zu sein scheint, aber bisher
nicht kultiviert wurde, ein häufiger Bewohner der Mundhöhle ist, zur
Entfaltung seiner pathologischen Wirkung aber nur bei Herabsetzung
der Widerstandskraft des Organismus, bezw. bei Veränderung der
Organsäfte günstige Bedingungen findet. Auf diese Weise würde es
sich erklären, daß der Skorbut vorzugsweise Personen heimsucht,
welche durch Strapazen geschwächt oder längere Zeit hindurch in
einseitiger Weise ernährt worden sind. Kübler (Berlin).
Jaeger, H., Die Aetiologie des infektiösen fieberhaften
Ikterus (Weil’sche Krankheit). Ein Beitrag zur
Kenntnis septischer Erkrankungen und der Patho-
genität der Proteusarten. (Zeitschr. f. Hygiene. Bd. XII.
p. 525.)
Jaeger fand Gelegenheit, in Ulm eine Reihe von Fällen der
Weil’schen Krankheit zu beobachten, jener von Weil 1886 beschrie-
Ikterus.
75
benen Infektionskrankheit, die mit Beteiligung der Nieren, der Milz
und des Centralnervensystems unter schwerem Ikterus und hohem
Fieber verläuft. Drei Fälle, die zur Sektion kamen, gaben ein gaDz
ähnliches Ergebnis, wie die wenigen anderen bisher beschriebenen,
ein Ergebnis, wie es auch bei akuter gelber Leberatrophie und bei
Gelbfieber gefunden wird. Es fand sich Ikterus, blasse, fettig
infiltrierte bezw. degenerierte Leber, Verwischung des acinösen Baues
und kleinzelliger Infiltrationen im Gewebe. Ferner Verfettung und
trübe Schwellung der Nierenepithelien, sowie auch hier kleinzellige
Infiltrationen; akute parenchymatöse Nephritis; größere und kleinere
Hämorrhagieen in den verschiedenen Organen und schließlich mäßige
Milzschwellung. In einem Falle zeigten sich im Darme starke
Injektion der Gefäße, zahlreiche Hämorrhagieen und oberflächliche
Erosionen der Schleimhaut.
Zwei von diesen 3 Fällen wurden bakteriologisch untersucht. In
den Organen fand sich eine besondere Art von Bacillen. Dieselben
Organismen wurden bei 4 von 6 Kranken durch die Kultur aus dem
Harne gewonnen, bei dem fünften nur mikroskopisch im Urine nach-
gewiesen, bei dem sechsten waren sie wahrscheinlich in einer Glycerin-
agarkultur vorhanden, aber ihre Isolierung gelang nicht.
Leber, Nieren und Milz zeigten sich, besonders bei dem einen
Patienten, ganz massenhaft mit Bacillen durchsetzt, zumal in den
Nieren konnte man in jedem Schnitte ganze Blutgefäße von dicken
Bacillen vollgestopft sehen, daneben lagen die Organismen aber auch,
frei im Gewebe in unabsehbarer Menge. Am besten gelang die Dar-
stellung derselben bei 3 — 5 Minuten langer Färbung mit Karbol-
fuchsin und schneller Weiterbehandlung mit Essigsäure und Alkohol,
weil die Bacillen den Farbstoff sehr leicht wieder verlieren.
Die Bacillen erschienen im Gewebe als Kurzstäbchen, bekamen
bei der genannten Färbung einen gelblich-roten Ton und zeichneten
sich aus durch etwas intensiver gefärbte, abgerundete Enden, eine
meist leichte Krümmung und endlich durch eine eigentümliche Trans-
parenz, bedingt durch ihre geringe Tenacität für die Anilinfarben. In
besonders gut gefärbten Präparaten trug jeder Bacillus an seinen
beiden Langseiten borstenförmige Ansätze; später fanden sich in
Kulturen zahlreiche seitliche Geißeln, deren Ansätze genau mit diesen
Borsten übereinstimmten. Neben den eigentlichen Bacillen wurden
noch da und dort kürzere Glieder bis zu eigentlichen Kokkenformen
angetroffen, ja auch die Dicke dieser Glieder wechselte so sehr, daß
man glauben konnte, verschiedene Bakterienarten vor sich zu haben,
wenn man nicht alle Uebergangsformen hätte beobachten können.
Die Bacillen zeigten auf den verschiedenen Nährböden eine auf-
fallende Mannigfaltigkeit der äußeren Form, einen Wechsel zwischen
Kokkenformen und Kurzstäbchen bis zu Scheinfäden. Weitere Unter-
suchungen der Kulturen und häufige Kontrolle durch das Platten-
verfahren bewies, daß beide Formen einer Mikroorganismenart an-
gehörten. Dieselbe wies ferner die Eigentümlichkeit auf, daß regelmäßig
ein Teil ihrer Kolonieen die Gelatine verflüssigte, ein anderer nicht;
beide Sorten von Kolonieen bestanden aus kokken- und Stäbchen-
76
Ikterus.
förmigen Individuen neben einander. Die Kolonieen in der Tiefe der
Gelatine waren zuerst rund, hellgelb, scharf granuliert und konturiert;
später werden sie konzentrisch geschichtet wie Cholerakolonieen, aber
ohne den ausgeschlagenen Rand dieser, noch später erinnerten sie an
Milzbrand. Die oberflächlichen Kolonieen wuchsen zuerst typhusartig,
bildeten aber später völlig charakteristische Proteusfiguren, aben-
teuerliche Schnörkel und abgeschnürte selbständige Inseln. In der
Stichkultur wruchs der Bacillus cholera- oder auch Fink ler -artig
unter grünlicher Verfärbung der Gelatine. Von dem Wachstume auf
anderen Nährböden ist zu erwähnen der dunkelbraune Kulturrasen
auf der Kartoffel, die selbst in ihrer ganzen Substanz bleigrau gefärbt
erschien.
Mäuse, mit dem Bacillus subkutan oder intraperitonel infiziert,
erlagen nicht regelmäßig. Die Virulenz der Bacillen war in den
einzelnen Fällen eine ganz verschiedene. In den Organen der ge-
storbenen Mäuse fand sich reichliche Fettinfiltration der Leber- und
der Nierenepithelien und oft Fetttröpfchen frei im Herzblute und in
roten Blutkörperchen eingeschlossen. Es zeigte sich regelmäßig Milz-
schwellung, öfters Hämorrhagieen, Nekrosenherde und Enteritis, jedes-
mal eine eiterige Conjunctivitis und eine charakteristische Haltung
der Leichen, ähnlich wie bei der Mäuseseptikämie.
Verf. glaubt, in diesem Organismus, den er Bacillus pro-
teus fluorescens nennt, den Erreger der Weil’schen Krankheit
gefunden zu haben.
Hueber, der schon vor Ja eg er das gleiche Material wie dieser,
d. h. die Erkrankungen an Weil’scher Krankheit unter der Garnison
Ulms bearbeitet hatte, lenkte in seiner Publikation die Aufmerksam-
keit darauf hin, daß die Erkrankten fast durchgängig behaupteten,
ihre Krankheit durch das Baden in der Donau sich zugezogen zu
haben und daß die Mehrzahl der Krankheitsfälle unter der Truppe
eintraten, die am meisten mit dem Wasser zu schaffen hatte, den
Pionieren. Eine Epidemie von Typhus mit Gelbsucht in Altona, die
Pfuhl auf die Infektion durch Elbwasser zurückführte, sah Jaeger
ebenfalls für Weil’sche Krankheit an und versuchte, für Ulm die
Möglichkeit einer Infektion mit den von ihm gefundenen Organismen
durch W7asser nachzuweisen.
Die Untersuchung des Donauwassers ergab, wie nicht anders zu
erwarten, daß, je weiter stromabwärts an der Stadt entlang die Ent-
nahme stattfand, desto größer die Keimzahl war. Das Schmutz-
wasser, welches durch die Arme der die Stadt durchfließenden Blau
in die Donau geführt wurde, mischte sich aber nur langsam mit dem
Donauwasser und gerade dort, wo ein Hauptkanal der Blau mündete,
lag die Militärschwimmanstalt. Auf diese Stelle richtete sich natur-
gemäß der Hauptverdacht bezüglich der Infektionsquelle. Da aber
in der Civilbevölkerung Ulms die Weil’sche Krankheit nicht vorkam, so
konnte in Ulm selbst die Blau nicht das infektiöse Material aufgenommen
haben. Bei weiteren Nachforschungen eruierte Jaeger nun, daß in
dem großen Dorfe Söflingen, das oberhalb von Ulm an der Blau liegt,
seit mehreren Jahren eine Geflügelseuche auftrat, welche vorwiegend
Ikterus.
77
im Frühjahre, wenn das Geflügel die Bäche wieder aufsuchte, begann
und meist den Sommer über fortdauerte, wogegen sie im Winter
erlosch. Fünf Hühner, Gänse und Enten, welche dieser Seuche erlegen
waren, konnte er untersuchen. Es ergaben sich dieselben patho-
logisch-anatomischen Veränderungen wie beim Weil’schen Ikterus
bei diesen Tieren: Unterhautzellgewebe und Mesenterium ikterisch.
Leichte Enteritis mit sehr kleinen Ekchymosen auf der Schleimhaut,
in den Nieren kleine Nekrosenherde und Stellen mit kleinzelliger
Infiltration. Aus den Organen der Tiere wurden Bakterien kultiviert,
die in allen morphologischen und biologischen Merkmalen völlig
mit den vorher beschriebenen Organismen übereinstimmten. Die
Geflügelseuche und die Weil’sche Krankheit erwiesen sich also als
anatomisch und ätiologisch identische Krankheitsprozesse.
Es stellte sich nun ferner aus den Notizen des Arztes in Söf-
lingen heraus, daß auch hier einzelne Fälle von W eil’scher Krankheit
vorkamen, und zwar besonders an dem Arme der Blau, an dem auch
die Geflügelseuche herrschte. Jaeger gelang es außerdem, im Wasser
der Blau selbst in Söflingen seine Bacillen nachzuweisen. Von einer
Vorkultur verdächtigen Wassers, die im Brütschranke mit Bouillon-
zusatz 2 Tage gestanden, wurde Mäusen etwas intraperitoneal inji-
ziert. Die Tiere starben unter den typischen Erscheinungen und
enthielten die Bacillen in den Organen.
Pathogene Proteusarten sind von italienischen Forschern bereits
beschrieben worden. Jaeger äußert die Vermutung, daß es vielleicht
ein italienischer Proteus ist, der die Weil’sche Krankheit in Ulm
bedingt. Nach Söflingen wird nämlich viel italienisches Geflügel
importiert und die krepiert ankommenden Tiere werden mit zum
Gartendung verarbeitet.
Durch alles dies ist also die Möglichkeit erwiesen, daß von
Söflingen aus durch die Blau die infektiösen Keime nach der Militär-
schwimmanstalt gebracht werden können. Da die infektiösen Stoffe in
größeren zusammenhängenden Massen fortgeschwemmt werden (Stall-
streu, Mist, Tierkadaver), so ist ein Transport derselben in die Donau
sehr wohl angängig.
Jaeger nimmt nicht eine spezifische Proteusart als Erreger
der Weil’schen Krankheit an, vielmehr können nach ihm alle
Proteusarten in einem gewissen Grade als pathogen bezeichnet
werden. Die Artmerkmale sind unter den speziellen Lebensbedin-
gungen dieser Bakterien noch hinreichend prägnant zur Unterschei-
dung, aber diese Artmerkmale verwischen sich bei saprophytischen
Existenzbedingungen relativ rasch.
Gewinnen die Proteus arten durch mehrmalige Passage durch
den Tierkörper, hohe Temperatur, reichen Gehalt des Mediums an
Stickstoffsubstanzen, Anwesenheit anderer Bakterien erhöhte Virulenz,
so können sie nicht nur Intoxikationen, sondern auch schwere sep-
tische Infektionen erregen. Es sind faulende Substanzen, die ja
immer Proteus enthalten, von den öffentlichen Flußläufen fern-
zuhalten, da Infektionen durch das Baden in derart verunreinigten
Flußläufen oder das Trinken daraus entstehen können.
Abel (Greifswald).
78
Osteomyelitis.
Müller, Kart, Ueber akute Osteomyelitis. [Aus der chirurgi-
schen Klinik zu Halle a. S.] (Münchener med. Wochenschr. 1893.
No. 47 u. 48.)
Verf. bespricht unter Berücksichtigung der Litteratur und auf
Grund mehrerer selbstbeobachteter und untersuchter Fälle die Aetio-
logie der akuten Osteomyelitis. Dieselbe stellt eine akute Entzün-
dung im Knochenmark dar und kann in außerordentlich
mannigfaltigen, besonders nicht eiternden Formen auf-
treteu. Die entzündlichen Erkrankungen des Knochenmarks lassen
sich zunächst in chronische und akute scheiden, die chronischen
gehören fast alle in das Gebiet der Tuberkulose, außerdem
werden sie bei Lues und bei Knochenerkrankungen von Arbeitern in
Perlmutter- und Phosphorfabriken beobachtet. Die akuten Formen
treten in den verschiedensten Abarten auf, welche aber alle durch
den Nachweis der Staphylokokken als zusammengehöreud betrachtet
werden müssen; so kommt in erster Linie die subakute Form in
Betracht, welche gleichzeitig und oft bei demselben Individuum neben
der akuten beobachtet wird, sie lokalisiert sich meist in der Diaphyse
in der Nähe der Epiphysen. Eine besondere Form ist ferner die
recidive, welche sich dadurch auszeichnet, daß jahrelang nach der
Erkrankung eine neue auftritt; es handelt sich hierbei, wie bei der
Osteomyelitis der Erwachsenen, um eine Wirkung von Kokken,
welche jahrelang im Gewebe anscheinend schadlos schlummernd zu
neuer Virulenz erweckt sind, wofür Verf. einen bakteriologisch genau
untersuchten Fall beibringt. Bei einem 4 Jahre alten Ivnochen-
absceß, welcher niemals Hitze, Frost oder sonstige Zeichen eines
akuten Beginns gezeigt hatte, konnte Verf den Staphylococcus
aureus in Reinkultur züchten und seine Virulenz erweisen. Weitere
Abarten der Osteomyelitis sind die Periostitis albuminosa,
die trotz Anwesenheit von Staphylokokken von einem serösen Exsudat
begleitet ist, dann die sklerosierende Osteomyelitis und
endlich die h ä m or r h a gi sc h - sep tisc h e , bis jetzt in 3 Fälen
beobachtet, zu denen Verf. einen neuen hinzufügt. Bei allen dieen
mannigfaltigen Formen wurden stets Staphylokokken als Erreger
nachgewiesen und dadurch ihre Zusammengehörigkeit festgestellt.
Andere Bakterien, welche Osteomyelitis hervorrufeu können, sind der
Pneumococcus (bis jetzt in fünf Fällen beobachtet, wozu Verf.
einen weiteren hinzufügt), der Typhusbacillus (sechs Fälle ver-
öffentlicht) und der Streptococcus (ebenfalls sechs Fälle, wozu
Verf. einen weiteren beschreibt). Doch sind diese drei letztgenannten
Bakterien nach der Ansicht des Verf. nicht imstande, eine typische
Osteomyelitis hervorzurufen, sondern es handelt sich dabei um einen
Prozeß, welcher sich auf die Corticalis und das Periost beschränkt,
also um eine Ostitis und Periostitis, auch ist es noch zweifelhaft, ob
diese drei genannten Erreger bei Tieren Knocheneiterungen hervor-
rufen können. Deshalb hält Verf. an der einheitlichen Aetio-
logie der akuten Osteomyelitis fest, sie ist lediglich
das Werk von Staphylokokken. Als Eingangspforten für
dieselben sind kleine W'unden oder Schrunden an der Haut anzusehen,
Herpes zoster.
79
von dort kommen die Kokken in die Blut- oder Lymphströme, werden
aber binnen sehr kurzer Zeit aus dem Kreislauf entfernt und in den
Organen mit verlangsamter Cirkulation, der Milz, der Leber und dem
Knochenmark abgelagert. Während die Leber und die Milz beson-
ders eine außerordentliche Widerstandskraft gegen Kraukheitskeime
besitzt, ist das Knochenmark, besonders bei jüngern Individuen, ein
sehr wenig zum Kampfe gegen Entzündungserreger disponiertes
Gewebe, sodaß in das Blut aufgenommene Keime hier den Ort zur
Wucherung finden, während sie an anderen Stellen unschädlich ge-
macht werden. Dieud on nd (Berlin).
von Wasielewski, Herpes zoster und dessen Einreihung
unter die I n fe k tio n s k r an kh ei te n. (Correspondenz-Blätter
des Allg. Aerztl. Vereins für Thüringen. Jahrg. 21. No. 5.)
Die Arbeit des Verf.’s bildet die Fortsetzung und Vervollständi-
gung einer Publikation von L. Pfeiffer, welche dieser auf den
Sammelforschungen des Thüringer allg. ärztl. Vereins aufgebaut hatte
und in der er den Beweis für die parasitäre Natur des Zoster zu
erbringen versucht hatte. Dem Verf. stand ein sehr reiches Material
— 274 Fälle — zur Disposition.
Der Hauptteil der Abhandlung beschäftigt sich damit, das Un-
zulängliche der allgemein herrschenden Ansicht über die Ent-
stehung des Zoster durch Nerveneinfluß darzuthun. Der Zoster soll
bald durch eine Schädigung der trophischen oder vasomotorischen
Nerven, bald durch Nervenreizung oder durch Abschwächung des
trophischen Einflusses zustande kommen. Bärensprung stellte
die Theorie auf, daß der Zoster auf Erkrankungen der Spinalganglien
zurückzuführen ist und stets im Gebiete eines Hautnerven erscheint.
Die klinische Beobachtung lehrte, daß bisweilen nach Verletzungen
peripherer Nerven Zoster in dem entsprechenden Nervengebiete auf-
tritt. Verf. fand in der Litteratur nur 11 Fälle, die als beweisend
dienen könnten. Bedenkt man die Unzahl von Nervenverletzungen,
nach denen kein Zoster auftritt, so liegt es viel näher, in jenen
Fällen an das Entstehen des Zoster durch eine von außen eindringende
Schädlichkeit als durch Reizung des Nervensystems zu glauben. In
23 °/0 aller Fälle des Verf.’s trat der Zoster nicht, wie die allgemein
angenommene Bärensprung’sche Theorie es will, im Gebiete eines
Hautnerven auf. In den anderen Fällen zeigten oft nur geringe Teile
eines Hautnervengebietes einen Bläschenausschlag, die anderen Fälle,
in denen der Zoster scheinbar dem Nervenverlaufe folgt, verlieren
sehr an Wert durch den Beweis, den Pfeiffer geführt hat, daß
mit demselben Rechte wie der Nervenverlauf der Arterienverlauf für
die Erklärung dieser eigenartigen Lokalisationen in Anspruch ge-
nommen werden kann. Neuralgieen im Verlaufe des Zosters, deren
Auftreten ebenfalls als beweiskräftig für die nervöse Natur des Zoster
gelten sollte, ließen sich in weniger als der Hälfte der Fälle nur
beobachten; noch geringer wird ihre Zahl, wenn man die Fälle ab-
rechnet, in denen die durch den Hautausschlag bedingten Schmerzen
mit zu den Neuralgieen gezählt waren. — Eben so wenig wie die kli-
80
Herpes zoster.
nischen Beobachtungen beweisen die anatomischen für die nervöse
Entstehung, da Fälle von Zoster zur Sektion gekommen sind, in
denen das Nervensystem ganz intakt war. Werden, wie in einzelnen
Fällen, Veränderungen in demselben gefunden, so liegt nach Ansicht
des Verf.’s eine Infektion der Nervenorgane allein durch den Erreger
des Zoster vor; bei Thymallus vulgaris gelang es Pfeiffer,
Myxosporidien nachzuweisen, die in analoger Weise nur das Nerven-
system infiziert hatten, ohne daß andere Gewebe des Fisches sich
erkrankt zeigten. — Die Versuche der Physiologen haben nichts für
die Ansicht von der Entstehung des Zosters durch Nerveneinfluß
beibringen können.
Kürzer behandelt der Verf. die Beweise für die infektiöse Natur
des Zoster. Epidemieen desselben sind in letzter Zeit häufiger beob-
achtet worden, so einmal in Breslau von Breuer eine solche von 34
Fällen. Die einmal Befallenen werden fast konstant später von Zoster
nicht wieder heimgesucht. Wie bei den akuten Exanthemen treten
häufig Prodromalsymptome in Form von Unwohlsein, Uebelkeit u. s. w.
auf, ziemlich häufig ist vor und auch noch nach dem Auftreten des
Ausschlages Fieber vorhanden. Lokale Erscheinungen sind in Brennen
der Haut und in mehr oder minder starken Neuralgieen zu beobachten.
In den Bläschen fand der Verf. die P f e i ff e r ’schen Zosterparasiten,
über die er folgendes sagt: „Wenn man von den klaren, mit einem
serösen Inhalte gefüllten Herpesbläschen die Epitheldecke abhebt
und von dem Grunde der erkrankten Haut mit einem kleinen Skal-
pell Gewebselemente entfernt und auf einen Objektträger bringt, so
findet mau zwischea den normalen Epithelzellen stark vergrößerte
mit einem fremden Inhalte. Am meisten fallen dem Beschauer die
am stärksten vergrößerten Epithelzellen auf, in deren Mitte, meist
von einer deutlich sich abhebenden Cystenwand umschlossen, 6 — 8
diaphane Körper liegen. Bei genauerem Zusehen findet man auch
in den wenig oder gar nicht vergrößerten Epithelzellen dieselben
Körper, bisweilen neben dem Kern der Zelle, und man kann nun
leicht die Uebergänge zwischen diesen Formen, die junge Zellinfek-
tion und die erstgenannten reifen Cysten nachweisen. Genauere
Einzelheiten kann ich den Angaben Pfeiffer’s nicht zufügen. Als
Protozoen charakterisieren sie sich durch ihre in den verschiedenen
Stadien verfolgbare Entwickelung und ihre Eigenbewegung, die sie
nach Verlassen der Wirtszelle auf dem erwärmten Objektträger aus-
führen.“ — Sie zu erkennen, soll nach dem Verf. für jeden, der
Protozoeninfektionen bei Tieren gesehen hat, leicht sein, doch haben
bisher andere Untersucher als Pfeiffer und Wasielewski die
Zosterprotozoen nicht gesehen oder nicht als solche anerkannt. Zu
bedauern ist, daß der Verf. keine Uebertragungsversuche mit seinen
Parasiten vorgenommen hat, was bei der Harmlosigkeit des Zoster
ein ungefährliches Unternehmen gewesen wäre.
Den Schluß der Arbeit bildet die Beschreibung eines Falles von
ausgedehntem Zoster auf Rumpf, Extremitäten und Gesicht. Ein
Verzeichnis der neueren Zosterlitteratur ist angehängt.
Abel (Greifswald).
Herpes tonsurans. — Malaria.
81
Althansen, Matthias Joseph, Ueber Verbreitung und Be-
handlung des Herpes tonsurans. [Inaug.-Diss.] 8°. 29 p.
Bonn 1893.
Gruby entdeckte 1842 den heute unter Trichophyton ton-
surans bekannten Pilz und beschrieb ihn als Menta graphyta,
dem fast zu gleicher Zeit Malmsten einen angeblich anderen als
den Erreger der Krankheit gegenüberstellte. Nach vielerlei Zwischen-
stufen wissen wir heute, daß sowohl Herpes tonsurans als auch
Sycosis parasitaria eine Hautkrankheit ist, die durch den Pilz
Trichophyton tonsurans veranlaßt wird.
Sechs Arten von Trichophyton sind bekannt; vier kommen
beim Menschen vor, zwei aber nur selten. Am häufigsten findet sich
ein Trichophyton mit kleinen Sporen als der gewöhnliche Ur-
heber des Herpes tonsurans, wärend die Art mit großen Sporen die
Trichophytien des Bartes hervorruft; bei letzterem sieht man im
Gegensätze zu ersterem niemals Sporen außerhalb des Haares.
Man unterscheidet den Herpes tonsurans der nur mit Lanugo
behaarten Haut, den der behaarten Körperteile und den der Nägel.
Für die erste Form ist die des Kreises charakteristisch ; der H.
tonsurans an behaarten Stellen, besonders der Kopf- und Brustgegend,
zeigt gewöhnlich auch kreisförmige und schuppende Stellen, an denen
die Haare entweder durch die stark lichtbrechende Eigenschaft der
Sporen und Mycelien grau und glanzlos werden oder abgebrochen
aus den Follikeln emporragen. Tiefergreifende entzündliche Erschei-
nungen sind charakteristisch für den Herpes tonsurans des Bartes,
die Sycosis parasitaria.
Der Herpes tonsurans der Nägel (Onychomycosis trichophytina)
zeigt sich in Abschuppung der verhornten Epidermis; die Nägel
werden durch Abblätterung kürzer, sehen wie abgenagt aus, weisen
eine erdfahle Farbe auf und werden vollständig zerstört.
Der Herpes tonsurans ist sehr leicht übertragbar und in feuchten
Jahreszeiten erheblich leichter, als in trockenen Tagen ; feuchte Woh-
nungen begünstigen das Entstehen. Von Haustieren geht ungemein
häufig das Kontagium aus, namentlich von Rind oder Pferd , doch
überwiegt die Uebertragung von Mensch zu Mensch durch Küssen,
häufiges Berühren derselben Körperstelle, Rasieren u. s. w.
E. Roth (Halle a. S.).
Bahes, V. et Gtheorghiu, D., Etüde sur les differentes
formes du parasite de la Malaria en rapport avec
les differentes manifestation s cliniques de la mala-
die et sur les modifications des 6 1 6 m e n t s figurös du
sangdans cette maladie. [Travail de 1’ Institut de Patho-
logie et de Bactöriologie de Bucarest. 2 Planches.] (Archives
de medecine experimentale et d’ anatomie pathologique. 1893. No. 2.
p. 186.)
Verff. kommen nach zahlreichen Untersuchungen zu folgenden
Schlüssen: Die Malaria wird durch das von Laveran entdeckte
Plasmodium hervorgerufen; dasselbe wurde in 43 Fällen von
Bd. XV. 6
82
Malaria.
Coccidienkrankheit.
charakteristisch verlaufender Malaria ohne Ausnahme gefunden, nur
in einzelnen chronischen und fieberlos verlaufenden fehlte es. Nega-
tive Resultate glauben Verff. auf ungenügende Uebung der Unter-
suchenden zurückführen zu müssen. Das Ansteigen des Fiebers hängt
mit der Vermehrung des Parasiten im Blute zusammen, die Form
der Parasiten ist bei den verschiedenen klinischen Formen der Krank-
heit verschieden, so bei der Quotidiana im Winter, Frühjahr oder
Herbst, Es besteht sicher eine Beziehung zwischen der Form des
Parasiten der klinischen Form der Krankheit und der Jahreszeit,
ferner der Zahl der Parasiten und der Heftigkeit des Falles. Doch
möchten Verff. wegen den beobachteten Differenzen nicht, wie die
italienischen Autoren, verschiedene Arten für die verschiedenen
Krankheitsarten aufstellen, sondern sie halten es für möglich, daß
ein Teil dieser Verschiedenheiten von den Lebenseigenschaften des
Parasiten während der einzelnen Jahreszeiten einerseits und der
Widerstandskraft des Organismus andererseits abhängig ist. So ist
z. B. zweifellos die einfache Tertiana und die Quartaua, ferner das
peruiciöse Sommer- und Herbstfieber von verschiedenen Formen der
Parasiten abhängig, doch zögern Verff. noch, rückhaltlos die Ansicht
der italienischen Autoren aus dem Grunde anzunehmen, weil mau
oft verschiedene Varietäten in ein und demselben Falle, ebenso ver-
schiedene Stadien der Entwickelung in einer einzigen Krankheits-
phase findet; endlich deswegen, weil es Fälle giebt, wo der Typus
des Fiebers beim Recidiv wechselt. Die spezifische Behandlung läßt
die Parasiten aus dem Blute verschwinden, jedoch nicht sofort im
Anschluß an das Aufhören der Krankheitserscheinungen, sondern erst
nach Verlauf von mehreren (4 — 5) Behandlungstagen. Der ein-
gehenden Arbeit sind eine große Anzahl farbiger Zeichnungen bei-
gefügt, welche nach Photographieen gemacht wurden. Ueber einzelne
Details muß das Original nachgelesen werden.
Dieudonn6 (Berlin).
Felsenthal und Stamm, Die Veränderungen in Leber und
Darm bei der Coccidienkrankheit der Kaninchen.
(Virchow’s Archiv. Bd. CXXXII. p. 36.)
Die Verff. geben Beschreibungen der bekannten Erscheinungen
der Coccidienkrankheit beim Kaninchpn, die durch die vorzügliche
Darstellung R. Pfeiffer’s erschöpfend aufgeklärt ist. Bemerkens-
wert ist ihre Hypothese über die Entstehung der cystadenomartigen
Höhlen in der Leber. Nach den Verff. verläuft der Prozeß derart,
daß in irgend einem Teile des Ductus hepaticus eine Verstopfung
durch Coccidien entsteht, die wieder eine Dilatation der Verzwei-
gungen des Ductus hepaticus innerhalb der Leber herbeiführt. Die
sich erweiternden Gallengänge regen in der Umgebung zur Bildung
von Granulationsgewebe an. Aus diesem entwickeln sich, wie bei
der Cirrhose, neue Gallengänge, die mit den alten, bereits ektatischen
in Verbindung treten und dann selber wieder die beschriebenen Ver-
änderungen eingehen. Die sich ausdehuenden Kanäle komprimieren
das dazwischen liegende Gewebe, schwindet dasselbe an einer Stelle
Taubenepizootie.
83
gänzlich, so entsteht eine gemeinsame Höhle, in die der Rest der
ursprünglich trennenden Mittelpartie als zottiger Auswuchs der Wand
hineinragt. Abel (Greifswald).
Willach, P., Eine durchlnfusorien verursachteTauben-
epizootie. [Aus dem pathologischen Institute der tierärztlichen
Hochschule zu Berlin.] (Archiv für wissenschaftliche und prak-
tische Tierheilkunde. Bd. XIX. 1893. Heft 1 u. 2.)
W. fand bei der Obduktion zweier Tauben, welche aus einem
Bestände herrührten, in dem in letzter Zeit mehrere Tauben nach
verhältnismäßig kurzer Krankheitsdauer gestorben waren, in den
Lungen je einen ca. 10-pfennigstückgroßen, trüben, grauroten Hepati-
sationsherd, in dessen Nähe die Bronchien von körnigem Detritus
erfüllt waren. In der Leber machten sich zahlreiche feine gelbliche
Pünktchen bemerkbar; die Schleimhaut des Darmkanals war im
ganzen Verlaufe fleckig gerötet und leicht geschwollen. Bei einer
der beiden Tauben fanden sich außerdem noch hirsekorngroße, gelb-
liche Knötchen an vielen Stellen der Muskulatur und ein Emphysem
unter der Haut des ganzen Halses, der Brust und des Rückens,
ebenso auch unter der die Bauch- und Brusthöhle auskleidenden
Membran. Die mikroskopische Untersuchung des Blutes brachte
keinen positiven Befund , namentlich ließen sich Bakterien der Ge-
flügelcholera nicht nachweisen. Auch eine mit dem Blute geimpfte
Taube blieb gesund. Dagegen wurden in dem nekrotischen Lungen-
gewebe, in den gelblichen Knötchen der Leber und der Muskulatur
eigenartige Organismen nachgewiesen.
Die Parasiten waren Infusorien. Sie stellten ovale Gebilde dar
von Form und Aussehen der roten Blutkörperchen der Vögel, jedoch
etwas größer und von ausgesprochen grüner Farbe des Protoplasmas.
Der Kern, schwach granuliert, mit deutlichen glänzenden Kern-
körperchen war an der grünen Färbung nicht beteiligt. Das ganze
Individuum war mit sehr kurzen, dicht gestellten Wimpern bekleidet,
welche auch am Munde (Peristom) deutlich zu erkennen waren. Der
Mund stellte eine an einem Pole befindliche, dreieckige Einbuchtung
dar. Ein After ließ sich nicht feststellen. Einzelne Individuen ent-
. behrten eines sichtbaren Kernes, namentlich die kleineren, die aller-
kleinsten waren kugelrund, die größten längsoval; alle ließen unter
dem Mikroskope langsame, aber deutliche Bewegungen wahrnehmen.
Selten traf man zwei Individuen aneinanderliegend.
W. glaubt die beschriebenen Organismen der Unterklasse der
Holotrichen aus der Reihe der Infusorien zurechnen zu müssen und
bezeichnet sie wegen ihrer grünen Farbe und der Aehnlichkeit mit
Balantidium als„Balantidium(Paramaecium) viride“.
Außer diesen wurden noch größere Individuen von bräunlich grüner
Farbe gefunden. Diese waren mit Höckerchen dicht besetzt, die
Höckerchen trugen Wimpern, an einem Pole befand sich die drei-
eckige Mundöffnung. Ob auch diese Form dem Balantidium
viride zuzurechnen sei, läßt W. dahingestellt. Da sich trotz ge-
nauester Untersuchung eine andere Todesursache nicht auffinden ließ,
6*
84
Parasitische Vortic eilen
und weil bei beiden Tauben dieselben Infusorien nachgewiesen wurden,
so glaubt W. die letzteren für den Tod der Tiere verantwortlich
machen zu müssen. Der Taubenschlag, aus welchem die erkrankten
Tiere stammten, war in letzter Zeit mit Balken bedeckt worden,
welche den Winter über im Wasser gelegen hatten. Nachdem diese
Balken wiederum entfernt worden waren, hörte die Epizootie unter
den Tauben auf. Die Infusorien scheinen hiernach mit den feuchten
Balken in den Taubenschlag verschleppt worden zu sein. W. hat
versucht, durch Einstreichen der mit destilliertem Wasser verriebenen
nekrotischen Lungensubstanz in den Mund und in die Suborbital-
höhlen drei Tauben zu infizieren. Die Tauben äußerten zwar keine
auffallenden Krankheitserscheinungen, als jedoch nach 4 Wochen eine
derselben getötet wurde, ließen sich einzelne der grünen Gebilde in
einem einzigen unter der Pleura gelegenen, hirsekorngroßen, grauen
Knötchen der Lunge nachweisen. Hiernach scheint eine sehr große
Menge Infusorien erforderlich zu sein, um eine tödtliche Infektion
hervorzubringen. A. Eber (Dresden).
Lindner , Beitrag zur Kenntnis parasitischer Vorti-
cellen. (Deutsche med. Zeitung. 1893. No. 82.)
Der Verf. rekapituliert zunächst im ersten Teile seiner Arbeit
die früher bereits mitgeteilten Resultate seiner Untersuchungen über
das Wesen und Vorkommen der stiellosen Vorticellen. Eine genaue
Wiedergabe der ausführlichen Beschreibung würde den Rahmen eines
Referates überschreiten, so daß ich nur die notwendigsten Punkte
anführen will.
1) L. fand die Kapseln der Vorticellen zuerst 1884 in sehr un-
reinem Brunnenwasser nahe bei Kassel und in den Dejcktionen
mehrerer nach dem Genüsse dieses Wassers an Typhus erkrankter
Personen, sowie im Coecalinhalte anscheinend gesunder Schweine; in
der freien Natur: in Schmutz- und Abfallwässern und Mistjauche etc.
2) Sie haben eine beutel- oder schlauchförmige Gestalt, eine
Länge von 0,09 mm und eine Breite von 0,04 mm und tragen eine
vordere Wimperspirale und einen hinteren Wimpernkranz.
3) Ihr Nucleus ist selten rund, meist länglich, nierenförmig.
4) Ihre Vermehrung erfolgt zum Teil durch Kopulation von 2
gleich großen Individuen mit verschieden geformten Kernen — viel-
leicht männliche und weibliche Keimzelle; zum Teil erfolgt die Be-
fruchtung des Nucleus durch kleine, sehr flinke Männchen, welche in
jeder neu hergestellten Kulturflüssigkeit am 2. oder 3. Tage er-
scheinen, um nach 3 — 4 Tagen wieder zu verschwinden. Einfache
Teilung hat L. selten beobachtet.
5) Temperaturen über 42 — 45 0 C vertragen die Vorticellen
nicht, dagegen können sie bis — 2° C — und eingekapselt sogar
strenge Winterkälte — gut ertragen.
6) Verdünnter Essig, 3-proz. Jodtinktur, stark verdünnte Anilin-
farbenreagentien , die den sonst unsichtbaren Nucleus deutlich mar-
kieren, tödten die Vorticellen sofort.
7) Etwas besser vertragen sie — besonders in encystierter
Parasitische Vorticellen.
85
Form — eine dem Magensafte des Menschen nachgebildete saure
Flüssigkeit.
8) Ihre Nahrung besteht aus eiweißhaltigem Detritus, Blutserum,
Milch, Lymphe und selbst virulenten Arten von Spaltpilzen. Die
Tiere können in Reinkulturen von Typhus- und Tuberkelbacillen, ja
selbst Choleravibrionen längere Zeit vegetieren.
9) Der Vorgang der Einkapselung erfolgt unter höchst ener-
gischen Kontraktionen ihrer Cuticula, wobei sie in der Nähe vor-
handene Mikroorganismen mit in sich aufuehmen.
10) L. fand die Vorticellen sehr häufig im Schleimhautsekret
bei Nasen- und Rachenkatarrhen und auf der behaarten Kopfhaut
des Menschen, wo dieselben schmarotzen und eine ekzemartige Haut-
affektion hervorrufen. Es ist dem Verf. gelungen, durch Ueber-
tragung vorticellenhaltiger Flüssigkeit auf die Kopfhaut nicht nur ein
ekzemartiges Exanthem, sondern auch bei Excoriation der Epidermis
entzündliche Reizung der Lymphgefäße mit Schwellung der Drüsen
hervorzurufen.
11) Gegen Fäulnis und Austrocknen sind die Tiere enorm wider-
standsfähig.
12) Sie kommen in Bächen, Flüssen, Schlammboden etc. vor,
scheinen einesteils die daselbst wuchernden Bakterien vertilgen zu
helfen, andererseits übertragen sie dieselben auf Menschen und Tiere
durch ihre damit imprägnierten Kapseln.
Bei seinen in neuerer Zeit vorgenommenen Kulturversuchen fand
L. zunächst die Entwickelung eines Kahmhäutchens mit schillerndem
Glanze auf der Oberfläche des Nährsubstrates; in demselben sah er
kleine runde Körper sich sehr lebhaft hin und her bewegen. Die-
selben waren 3— 6 mal kleiner als die Blutkörperchen und vermehrten
sich rasend schnell; dazwischen fand er oft Bacillen, Spirillen etc.
Wenn diese letzteren überwuchern, so findet man nur die niederen
Entwickelungsstufen der Vorticellen, nämlich kokken- und cercomo-
nadenartige Formen, die sich ebenso wie die Bakterien selbständig
durch Teilung zu vermehren scheinen. Wenn aber die runden
Mikrobien die Oberhand behalten, so geht die Entwickelung zu
großen Vorticellen schnell vor sich.
Die enorme, oben erwähnte Resistenzfähigkeit der Vorticellen
gegen Eintrocknung gab dem Verf. das Mittel an die Hand, sich
Reinkulturen zu verschaffen, indem er Holzstäbchen in die Kahmhaut
eintauchte und dieselben 4, resp. 8, resp. 12 Wochen eintrocknen
ließ, während welcher Zeit die Spaltpilze abgestorben waren, während
er gut entwickelte Vorticellen innerhalb von 36, resp. 15, resp. 12
Stunden nach der Uebertragung in geeignete Nährflüssigkeit erhielt.
Mittelst dieser Stäbchen ist es L. auch gelungen, vollständige Rein-
kulturen der Vorticellen in ihren niedersten Entwickelungsstufen her-
zustellen. Dieselben niedersten Entwickelungsformen der Vorticellen
fand der Verf. im Blutserum eines Schweines und er war imstande,
aus denselben durch Uebertragen in verdünnte Fleischbrühe in 7 — 8
Tagen gut entwickelte, sich zahllos vermehrende Vorticellen zu er-
halten.
86
Myxosporidien.
Sehr interessant ist Lindner’s Wahrnehmung, daß die leben-
den stiellosen Vorticellen in dem Bindegewebe der tierischen Muskel-
bündel eine Strecke weit fortwandern, ehe sie sich einkapseln.
Zum Schlüsse macht L. noch einmal darauf aufmerksam, welche
wichtige hygienische Rolle die Vorticellen spielen können, wenn sie
zur Zeit einer Epidemie gelegentlich der Einkapselung die patho-
genen Bakterien in sich aufnehmen, wobei dieselben längere Zeit
lebensfähig bleiben und massenhaft durch die Luft verschleppt
werden können. Lasch (Breslau).
Gurley,R. R., On the Classification of the Myxosporidia,
a group of protozoan parasites infesting fishes.
(Bull, of the U. S. Fish Comm. for 1891. p. 407 — 420. Washington
1893.)
Wenn es uns auch noch verfrüht erscheint, eine Klassifikation
der noch so wenig bekannten Myxosporidien vorzunehmen, so sind
unsere Kenntnisse doch immerhin vorgeschritten genug, daß man
einen Versuch wagen kann ; bei dieser Gelegenheit hat der Verf.
einer ganzen Anzahl namenlos in der Litteratur geführter Formen
zu ihrer Taufe verholfen, was uns an und für sich ein großer Gewinn
zu sein scheint, wenn es mit einiger Umsicht und Vorsicht geschieht.
Gegenüber Thelohan (1892), der 4 Gruppen unter den Myxo-
sporidien bildet, teilt unser Autor dieselben in 2 Ordnungen:
I. Ordo Cry p tocystes *).
1. Fam. Glugeidae n. f.
1. Gen. Glugea Thel. 1891. (Gl. anomala Moniez 1887
= Gl. microspora Th61. 1891; Gl. destruens
Thöl. 1892.)
2. Gen. Pleistophora n. gen. (PI. typicalis n. sp.
für Parasiten der Muskeln von Cottus scorpio
Thelohan 1890.)
3. Gen. Th61ohania Henn. 1892. (Th. Contejeani
Henn. 1892; Th. Octospora Henn. 1892; Th.
G i a r d i Henn. 1892 und Th. m a c r o c y st i s n. sp.
— für Garbini’s Sarcosporidien von Palaemo-
netes varians 1891.)
II. Ordo Pbaenocystes1 2).
2. Fam. Cystodiscidae n. f.
4. Gen. Cystodiscus Lutz 1889 mit C. immersus Lutz
1889 und C.? diploxys n. sp. für Psorospermien
von Pyralis viridana Balbiani 1867.
3. Fam. Myxobolidae n. fam.
5. Gen. Myxobolus Bütsch. 1882 mit 1) M. unicap-
sulatus n. sp. (für Psorospermien in Labro nilo-
ticus Müller 1841); 2) M. piriformis Thel. 1892;
1) Myxosporidia, in which the pansporoblast prodnces many (at the fewest 8)
spores ; the last minute, witbout distinct symmetry, with a single capsule ; type : G 1 g e i d a e.
2) Myxosporidia, in which the pansporoblast produces few (at the most 2)
spores ; the last relatively large, with distinct symmetry and 2 or more capsules.
Myxosporidien.
87
3) M. inaequalis n. sp. (für Psorospermien von
PimelodesBlochii Müller 1841) ; 4) M. m u g i 1 i s
Perugia 1891; 5) M. oviformis Th61. 1892; 6) M.
Mülleri Bütschli 1882; 7) M. oblongus n. sp.
(für Psorospermien von Catostomus tuber-
cu latus Müller 1841); 8) M. ellipsoides Th61.
1892; 9) M. bicostatus n. sp. (für Myxosporiedien
von den Kiemen von Tinxa vulgaris Bütschli
2881); 10) M. Lintoni n. sp. (Psorospermien von
Cypsinodon variegatus Linton 1891); 11) M.
ob es us n. sp. (für Psorospermien von Alburnus
lucidus Balbiani 1883); 12) M. c y cl oid es n. sp.
(für Psorospermien von Leuciscus rutilus
Müller 1841); 13) M. sphae ralis n. sp. (für Psoro-
spermien auf Coregonus fera Claparede 1874);
14) M. g lob os us n. sp. (auf den Kiemen von
Catostomus tuberculatus); 15) M. trän s-
ovalis n. sp. (auf Phoxinus funduloides);
16) M. merlucii Perugia 1891; 17) M. per-
lat us n. sp. (für Psorospermien von Acerina
cernua Balbiani 1883); 18) M. ? Zschokkei
n. sp. (für Psorospermien an Coregonus fera
Zschokke 1884); 19) M. brevis Th61. 1892;
20) M. medius Th61. 1892; 21) M. monurus
n. sp. (für Psorospermien von Aphrododerus
sayanus Ryder 1880); 22) M. macrurus n. sp.
(in Cysten bei Hypognathus nuchalis Ag.;
23) M. strongylura n. sp. (für Psorospermien von
Synodontis schal Müller 1841); 24) M. Koles-
nikovi n. sp. (für Psorospermien von Coregonus
fera Kolesnikoff 1886); 25) M. linearis n. sp.
(für Psorospermien von Pimelodes sebae und
Platystoma fasciatum Müller 1841); 26) M.
schiozurus n. sp. (für Psorospermien von Esox-
lucius Müller 1841); 27) M. Creplini n. sp.
(für Psorospermien von Acerina cernua Creplin
1842 etc.); 28) M. psorospermica Th61. 1892)
und 29) M. d i p 1 u r u s n. sp. (für Psorospermien
von Lota vulgaris Bütschli 1882).
Fam. Chloromy xidae n. fam.
6. Gen. Chlor omyx um Mingazzini 1890.
Subg. Chloromyxum s. str. mit Ch. fluviatile
Th61. 1892; Ch. mucronatum n. sp. (für Psoro-
spermien von Lota vulgaris Lieberkühn
1884); Ch. Leydigii Ming. 1890; Ch. in-
c i s u m n. sp. (für Psorospermien von Raja
batis Leydig 1851); Ch? congri Perug. 1891.
Subg. Sphaero spora Th61. 1892 mit Chi. ele-
gans Th6I. 1892; Ch. Dujardini Th61. 1892.
88
Pfianzenkrankheiten. — Uotersuchungsmethoden, Instrumente etc.
7. Gen. C erat omyxa Thölohan 1892 mit C. sphaeru-
losa Th61.
5. Fam. Myxidiidae n. fam.
8. GeD. Myxidium Bütschli 1882 mit M. Lieberkühnii
B. 1882.
M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Dietel, P. , Descriptions of new species of Uredineae -
and Ustilagineae, with remarks on some other spe-
cies. I. (Botanic. Gazette. 1893. p. 253.)
Verf. beschreibt mehrere neue Üstilagineen und Uredineen von
Kalifornien.
Ustilago Holwayi Diet. von Ust. Lorentziana Thüm.,
durch das Epispor verschieden. Auf Hordeum pratense.
Puccinia rufescens Diet. et Holw. auf P e d i c u 1 a r i s
semi barbat a.
Puccinia intermedia Diet. et Holw. auf Epilobium
spec., sowohl der P. pulverulenta Grev., wie der P. Epilobii
Diet. in mancher Beziehung gleichend.
Puccinia californica Diet. et Holw. auf Cnicus Breweri.
Puccinia Cymopteri Diet. et Holw. auf Cymopterus
tereb in thinus.
Puccinia Polemonii Diet. et Holw. auf Polemonium
coeruleum.
üredo Arbuti Diet. et Holw. auf Arbutus Menziesii.
Von Puccinia ClarkiaePeck werden die bisher unbekannten
Uredosporen beschrieben. Lindau (Berlin).
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Burri, Bobert, Ueber einige zumZwecke der Artcharak-
terisierung anzuwendende bakteriologische Unter-
suchungsmethoden nebst Beschreibung von zwei
neuen, aus Rheinwasser isolierten Bakterien. (Diss.)
Zürich 1893.
Verf. suchte das Optimum der Alkalescenz für die Trinkwasser-
bakterien des Bonner Leitungswassers nach dem V organge von R e i n s c h
und dem Ref. zu ermitteln und bestätigt die Angabe des letzteren,
der das Optimum der Alkalescenz der Nährgelatine bei genau 0,15-
proz. kryst. (= 0,05-proz. wasserfreier) Soda fand.
Zur Anlage von Kartoffelkulturen schlägt Verf. vor, die sauer
reagierenden Kartoffeln 10 Minuten lang in Sodalösungen (s/4 Ltr.)
von bekanntem Gehalte zu kochen und in einer kalten Lösung von
derselben Konzentration abzukühlen. Durch längeres Kochen zer-
fallen die Kartoffeln. Bei Anwendung einer Lösung von 0,3-proz.
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
89
wasserfreier (= 0,8-proz. kryst.) Soda zeigten die Choleravibrionen,
bei 37° gezüchtet, einen rein weißen Rasen, während andere Autoren
ihn bei nicht vorbereiteten Kartoffeln als bräunlichrot bezeichnen.
Am 7. Tage war die Kultur rahmartig von Konsistenz und Farbe.
Bei Zimmertemperatur trat die Verfärbung einigemal schon vor
dem 7. Tage auf. Bei einer 0,05-prozentigen Sodakartoffel war das
Wachstum ein kümmerliches. Erst die das Optimum der Alkalescenz
enthaltende Kartoffel zeigte bei Zimmer- und Brüttemperatur rötlich-
braune, nach 14 Tagen leuchtend braunrote Auflagerungen. Verf.
bestätigte so die von K rann hals gemachten Beobachtungen. Dann
wurden die von Voges in Bd. XIII dieses Centralblattes beschrie-
benen Versuche nachgeprüft, jedoch mit wesentlich anderem Resultate,
was ja auch nach der Publikation des Ref. in Bd. XII dieses Cen-
tralblattes. p. 621 vorauszusehen war. Voges hatte 1 — 6-prozentige
Kochsalzkartoffeln mit Choleravibrionen geimpft und fand bereits auf
den bei Brüttemperatur gehaltenen am zweiten Tage Wachstum eines
breiten, dicken, honigbraunen Ueberzuges, bei den bei 20° gehaltenen
Kulturen trat das Wachstum erst am 3. Tage auf als eine zarte,
weiße Linie und am 5. Tage zeigte sich bereits ein kräftiger Belag,
der in späteren Tagen honigbraun wurde. Voges fand ferner, daß
die gewöhnlichen , geimpften Kartoffeln sowohl bei 37 wie 20° ohne
erkennbares Wachstum blieben, obgleich die Kochsalzkartoffeln nach
seiner Angabe sauerer waren.
Verf. erhält bei denselben Versuchen folgende Resultate: Bei
Brüttemperatur war am zweiten Tage auf der Kochsalzkartoffel ein
äußerst dünner, gelbbrauner Belag entstanden, der am 7. Tage immer
noch hautartig dünn war und in Bezug auf Masse nicht mit den
Kulturen auf 0,3-proz. (wasserfreien) Sodakartoffeln zu vergleichen war.
Bei 20° machte sich das Wachstum auf der Kochsalzkartoffel erst
am 5. Tage bemerkbar als ein feuchter Schimmer, der von Vibrionen
herrührte, die jedoch nach 14 Tagen die Ränder der Impffläche noch
nicht erreicht hatten. Verf. erwähnt ferner die von Voges gemachte
Behauptung, daß das günstigste Wachstum der Cholerabacillen auf
Kartoffeln mit Zusatz einer 2 — 3-proz. Kochsalzlösung stattfindet,
ein annähernd günstiges bei x/4 — 1/2-proz. Soda, und bemerkt hierzu
mit Recht, daß das Wachstumsoptimum der Cholerabacillen bei
1 Proz. Soda liegt [für die x/4 Proz. Soda absorbierenden Kartoffeln
also bei 1,25 Proz. Ref.].
Es wird dann weiter noch einmal auf die Wichtigkeit des Alkali-
gehaltes der Nährböden aufmerksam gemacht und empfohlen, dem
Verhalten der Kulturen auf Kartoffeln bei dem jedesmaligen, für die
betreffende Art optimalen Alkali- bezügl. Säuregehalt Aufmerksam-
keit zu schenken. In einem folgenden Abschnitte spricht Verf. über
die Bedeutung und Anlage von Oberflächenkulturen und beschreibt
ein neues, dem Dr oß bach’schen ähnliches Verfahren, solche Kul-
turen anzulegen. Es wird die mit den betreffenden Mikrobien ge-
impfte Flüssigkeit mittelst eines Zerstäubers auf die sterile Gelatine-
platte appliziert, indem letztere dem feinen Staubregen 1 — 3 Sekun-
den lang ausgesetzt wird. Natürlich ist diese Methode nur zur
90
Untersucbungsmethoden, Instrumente etc.
Erforschung nicht pathogener Mikroorganismen anwendbar, bei pa-
thogenen müßte eine geeignete Schutzvorrichtung angebracht werden.
Bezüglich Alkali- und Säurebildung wünscht Verf. ebenfalls bei Be-
schreibung eines Organismus unterrichtet zu werden und giebt bekannt,
daß bei einem von ihm aufgefundenen Coccus während 43 Tagen
keine Reaktionsänderung der Lackmusmolke eingetreten sei, während
derselbe Mikroorganismus bei Zugabe von Glycerin reichlich Säure
gebildet habe. Zum Schlüsse der Arbeit werden noch zwei aus
Rheinwasser gezüchtete Bakterien beschrieben, einen, gelben Farb-
stoff erzeugenden Bacillus, 21/2 — /t lang, 3/4 /i dick mit
Eigenbewegung, die Gelatine langsam verflüssigend, macht die Milch
gerinnen, ist aerob, zeigt das Wachstumsoptimum bei 0,05-proz.
wasserfreier (= 0,15-proz. kryst.) Soda, wirkt stark reduzierend,
gedeiht nicht bei Bluttemperatur und ist leicht färbbar. Ferner
wird ein Micrococcus beschrieben von 1 /2 — 5/4 /t Durchmesser;
er verflüssigt die Gelatine wenig, klein bleibende Kolonieen bildend.
In Milch findet keine Gerinnung statt, jedoch ist die Reaktion nach
14 Tagen sauer. Er gedeiht gut bei Brüttemperatur, ist jedoch nicht
pathogen, gedeiht am besten bei neutraler oder schwach sauerer
Reaktion. Einige Tage alte Agarkulturen geben einen säuerlichen
Geruch von sich, der von Milchsäure herzurühren scheint [Milchsäure
ist geruchlos. Ref.]. Der Micrococcus reduziert Lakmus sehr
stark. 0,3-proz. Soda und 0,03-proz. Schwefelsäure (S03) heben
das Wachstum auf. D a h m e n (Crefeld).
Schmidt, A., Ueber die Benutzung verschiedener Sputa
als Nährböden und das Wachstum der Pneumo-
kokken auf denselben. (Centralblatt für klinische Medizin.
Jahrgang XIV. No. 30. p. 625 ff.)
Der Frage, warum Pneumokokken in einem Falle eine Pneumonie
erzeugen, im anderen dagegen als harmlose Parasiten im Bronchial-
sekret sich finden, suchte Verf. näher zu treten. Eine Möglichkeit
der Erklärung wäre, daß noch eine zeitliche Disposition zum Zustande-
kommen einer Pneumonieinfektion hinzutreten müsse, eine andere dem
Verf. wahrscheinlichere Möglichkeit wäre, daß die Pneumokokken erst
in den tieferen Lungenpartieen die Stoffe zur Ernährung finden,
welche sie befähigten, ihre pathogenen Eigenschaften zu entfalten.
Von diesem Gedanken ausgehend, verwandte Verf. neben Agar auch
Sputum als Nährboden. Das pneumonische, sehr eiweißreiche Sputum
behandelte er wie Serum, nur bestand die Schwierigkeit, die im
Sputum vorhandenen Luftblasen erst auf mechanischem Wege zu
entfernen. Besonders geeignet erwies sich das Sputum, welches vor
der Krise entleert wurde.
Das Trachealsputum enthält sehr viel Mucin; da dieses aber
bei 60 0 dünnflüssig wurde, so darf mau die Erhitzung nur bis 55 0
steigern. 5 maliges einstündiges Erhitzen genügt aber zur Sterilisation.
Waren die Sputa zu wenig konsistent, so mußte eine 2-proz. Agar-
lösung zugesetzt werden. Das Wachstum der Pneumokokken auf
diesen drei Nährböden — Agar- Agarbouillon — Tracheal- und
Bronchialsputum war ganz das gleiche, doch zeigten sich auf den
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 91
mikroskopischen Färbepräparaten bemerkenswerte Unterschiede, welche
nach 48 Stunden am besten ausgeprägt waren. Während nämlich
die von den Agar-Agarkulturen angelegten Präparate kleine, undeut-
liche Bacillenformen ohne Kapsel darboten, die Neigung zur Ketten-
bildung erkennen ließen, so zeigten die auf den Sputis — einerlei,
welcher Art — gewachsenen Kokken durchaus die Formen, welche
man im Körper und im Blute der infizierten Tiere antrifft. Impfte
man von den Agarkulturen auf Sputumnährböden ab, so ergaben
sich wiederum die schönen Kapselbacillenformen. Ueber Lebens-
fähigkeit und Virulenzverhältnisse der Pneumokokken auf den Sputum-
nährböden hat Verf. keine Versuche angestellt.
0. Voges (Danzig).
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
Buttersack, Ueber Vaccine. [Aus der Gesellschaft der Charite-
ärzte. Sitzung vom 15. Dezember 1893.] (Deutsche med. Wochen-
schrift. 1893. No. 51.)
In der Sitzung der Chariteeärzte vom 15. Dezember 1893 machte
Buttersack (als königl. württembergischer Assistenzarzt zum
kaiserlichen Gesundheitsamte kommandiert) Mitteilungen über die
Resultate seiner Untersuchungen über den Pocken keim und das
Wesen des Vaccineprozesses, welche er im Reichsgesund-
heitsamte auszuführen Gelegenheit hatte. Von der Annahme aus-
gehend, daß der Vaccinekeim in den Pusteln, und zwar in reichlicher
Menge zu suchen sei, daß er sich aber vielleicht nur aus dem Grunde
dem optischen Nachweise entzogen habe, weil sein Brechungsexponent
mit dem hohen Brechungsexponenten der Lymphe (ca. 1,34) überein-
stimmte, beschloß Buttersack, die Präparate in einem anderen
Medium mit erheblich differentem Brechungsexponenten zu betrachten
und wählte dazu die Einbettung in Luft (mit Index 1), also Beobach-
tung des trockenen, ungefärbten Präparates, das mit Wachs-
füßchen gestützt wurde, während Salze und eiweißartige Stoffe mit
Wasser leicht entfernt wurden. [Bekanntlich hat sich diese Methode,
obwohl R. Koch mit ihr bereits ungefärbte Geißeln gesehen, bis jetzt
keine weitere Verbreitung erwerben können. Ref.] Buttersack
untersuchte mit dieser Methode Deckgläschen mit Kalbslymphe und
noch nicht mit Glycerin verriebenes Impfmaterial aus den verschie-
densten Impfanstalten des Reiches, ferner Vaccinepusteln von
100 Kindern, sowie eine Anzahl Pockenkranker in Gera, Prag und
Hamburg, und zur Kontrolle Brandblasen in verschiedenen Stadien,
Aknepusteln, Transsudate, Exsudate und Lymphe aus der normalen
Haut, ferner Blut und verschiedene Bakterienarten. — „Als zweite
Eigenschaft“ setzte Buttersack „bei dem Vaccinekeime eine be-
92 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
sondere Kleinheit und geringe Neigung, in Verbänden zusammenzu-
kleben, voraus, da die Lymphe auch in starker Verdünnung wirksam
bleibt, und da das Pockengift erfahrungsgemäß durch die Luft (? Ref.)
verschleppt wird, also ein sehr geringes Gewicht besitzen muß “ Da
ferner die Mißerfolge aller bisherigen Färbeversuche (? Ref.) auf ein
den bekannten Spaltpilzen nicht ähnliches chemisches Verhalten des
Keimes deuteten, vermutete er denselben „in summa als kleines,
blasses, unfärbbares Körperchen“. Er fand „massenhafte, ganz
kleine, blasse, immer gleich große, teilweise in Ketten angeordnete
Körperchen. Bei fortschreitender Uebung bemerkte er indessen
ein ganz feines Netzwerk aus blassen Fäden. Die Fäden zeigten
durchweg die gleiche Breite, ließen sich über weite Strecken ver-
folgen und enthielten in manchen Präparaten sehr zahlreich die er-
wähnten kleinen Körperchen“, und zwar fanden sich die Fäden vor-
wiegend in der wachsenden und entwickelten, die kleinen Körperchen
in der sich rückbildenden Pustel, sehr ausgesprochen namentlich bei
den rascher verlaufenden Impfpusteln der Revaccinierten, bei denen
sich am 7.-8. Tage fast nur die kleinen Körperchen fanden, während
bei Erstimpflingen zu der entsprechenden Zeit die Fäden sehr gut
sichtbar waren.
In dem Gewebssafte von Infiltrationen, welche nach einer sub-
kutanen Impfung mit käuflicher Lymphe beim Kalbe entstanden und
welcher wieder bei Kalb und Wiederimpflingen typische Impfpusteln
erzeugte, ließen sich die Fäden ebenfalls nachweisen. Daß es sich
dabei nicht etwa bloß um fibrinähnliche Niederschläge handelt, meint
Buttersack leicht damit widerlegen zu können, daß die Fibrinfäden
von wechselnder Stärke seien und an Berührungspunkten knoten-
förmig verschmelzen, „während die Vaccinefäden in scharfen Winkeln
über einander hinziehen.“ Von Natriumnitrat und Ammoniak blieben
Vaccinefäden im Gegensätze zu Fibrin unbeeinflußt. Dieselben seien
ferner im Gegensatz zu Fibrin nicht färbbar. Außerdem zeigten die
Vaccinegebilde einen bestimmten „biologischenEntwickelungs-
gang“. Nach Impfungen (des Autors selbst und einiger seiner
Freunde) mit sporenhaltiger Lymphe (Buttersack spricht hier
ganz plötzlich ohne weitere Motivierung von „sporenhaltiger“ (?)
Lymphe) zeigten sich in der Lymphe nach 6 Stunden vereinzelte,
nach 12 Stunden zahlreiche kurze Fäden; nach 24 Stunden war das
Netzwerk ausgebildet, „welches am dritten Tage darauf wieder den
Sporen (sic ! Ref.) Platz machte“.
Da „demnach das konstante Vorkommen der Gebilde
in der Vaccine, ihr Fehlen bei anderen Affektionen,
ihr biologischer Kreislauf parallel mit dem klinischen
Verlaufe der Pustel und des ganzen Vaccin ati ons-
prozesses und schließlich ihre Ueberimpfbarkeit für
ihre Bedeutung für die Impfung“ sprächen, wünschte Buttersack
festzustellen, ob sie auch bei Variola Vorkommen. Iu der That fand
er in Pockenpusteln, resp. im Gewebssafte der benachbarten Haut in
frischen Fällen die Fäden, in älteren die „Sporen“. Desgleichen
fanden sich die Fäden in den Infiltrationen, welche sich bei Kälbern
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 93
nach subkutaner Impfung mit Variolamaterial entwickelten, ganz wie
bei Impfung mit gewöhnlicher Lymphe. — Soweit der Bericht, den
Ref. bemüht war, möglichst wortgetreu wiederzugeben. Ueber den
Ausfall von Kontrollfärbe- und Züchtungsversuchen ist darin nichts
weiter enthalten. Es bleibt abzuwarten, wie weit etwa nur in der
kurzen Mitteilung über Buttersack’s Vortrag die logische Kette der
Beweisgründe und Schlußfolgerungen zerrissen und verstümmelt ist.
Darüber wird uns am besten jedenfalls die baldigst in Aussicht ge-
stellte, durch Photogramme erläuterte ausführliche Publikation belehren.
Die Untersuchungsmethode ist eine bei bakteriologischen Unter-
suchungen sonst so wenig geübte, ungewohnte, daß es gewiß noch
mancher vergleichender Untersuchungen bedarf. Weiteren Forschungen
muß es auch Vorbehalten bleiben, in der Konkurrenz zwischen den
neuen „Vaccinegebilden“ Buttersack’s oder den mehrfach
beobachteten protozoenartigen Formen oder den Vaccinekokken (der
älteren Autoren und neuerdings Ruete-Enoch’s) u. s. w. zu ent-
scheiden. Czaplewski (Hamburg).
Sobotka, J., Zur Kenntnis des Vaccineprozesses. [Eine
klinische Studie aus Professor Ganghofner’s pädiatrischer Klinik in
Prag. Mit 38 Kurvenfiguren und 23 Tabellen.] (Zeitschrift für
Heilkunde. Bd. XIV. Heft 5 und 6.)
Verf. machte an 88 vaccinierten Kindern genaue, in den meisten
Fällen 2-stündliche Temperaturmessungen und beobachtete dabei fol-
genden Temperaturgang des vaccinalen Fieber. Die 1. Phase um-
faßt die ersten 2 — 3 Tage und verläuft ohne Temperatursteigerung.
Die 2. Phase reicht vom 3. und 4. Tage bis zum Ende des 7. Tages ;
dieselbe wird oft eingeleitet durch ein markiertes Fieber am 3. und
4. Tage und ist durch den remittierenden Gang der Temperatur aus-
gezeichnet. Die 3. Phase ist die Hauptphase, sie umfaßt den 8. —
10. Tag; die Temperaturen zeigen entweder gar keine oder meist
nur ganz unerhebliche Schwankungen und halten sich immer auf der
febrilen Höhe. Die 4. Phase reicht vom Abfall des Fiebers am
10. Tage bis zur endgiltigen Rückkehr zu den normalen Verhältnissen
nach 2—3 Tagen. Ihre Abgrenzung gegen die 3. Phase ist zwar
nicht immer scharf, aber sie zeigt wieder mehr einen remittierenden
Charakter. Dieser Gang der Temperatur war in allen Fällen unab-
hängig von der Zahl der zur Entwickelung gelangten Pusteln, von
der Intensität der Lokalaffektion, von der Wahl der Lymphe, von den
vorgenommenen Nachimpfungen, von der Eröffnung der Pusteln oder
von dem Alter der Impflinge. Bei der Entwickelung der Lokal-
affektion hat man folgende Stadien zu unterscheiden, welche genau
den oben angegebenen 4 Phasen des Vaccinefiebers entsprechen; ein
Inkubationsstadium von ca. 3 Tagen, ein Entwickelungsstadium von
ca. 4 Tagen, das Stadium der Blüte von 3 Tagen und das Stadium
der Abheilung von nicht ganz bestimmter Dauer (durchschnittlich
7 — 10 Tage). Es besteht also sicher ein Zusammenhang des
Temperaturganges mit der Entwickelung der Lokalaffektiou , doch
kommt dem Fieber der 3. Phase mit seiner plötzlichen Temperatur-
94 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Steigerung noch eine andere Bedeutung zu als die einer einfachen
Begleiterscheinung der Lokalaffektion. Das Fieber der 3. Phase ist
höchst wahrscheinlich ein Symptom der allgemeinen Durchseuchung
des Körpers mit dem Vaccinegifte und zwar mit dem in den Pusteln
sich neuentwickelnden Virus , es ist also der Ausdruck der Total-
wirkung des Giftes auf den Organismus. Für diese Annahme spricht
auch das Verhalten des vaccinalen Fiebers bei Kindern, bei welchen
Nachimpfungen vorgenommen wurden. In den Fällen, bei welchen
eine oder mehrere Pusteln später als die übrigen, von der ersten
Impfung herrührenden zur Entwickelung gelangten, trat nie eine
neuerliche Fieberphase auf; ferner hafteten Nachimpfungen, welche
während des Vaccineverlaufes vorgenommen wurden, noch bis zum
6.-7. Tage, während noch später vorgenommene Nachimpfungen zur
Entwickelung neuer Pusteln nicht mehr führten. Die 3. Phase zeigte
außer der Temperaturerhöhung vermehrte Puls- und Respirations-
frequenz, Störungen des Allgemeinbefindens und eine beträchtliche
Vermehrung der Stickstoffausscheidung, welcher jedesmal eine Ver-
mehrung der Zahl der weißen Blutkörperchen vorausging.
Dieudonne (Berlin).
Cramer and Boyce, The nature of vaccine immunity.
(Brit. med. Journ. 1893. 4. Nov. p. 983.)
Die Verff. konnten die Beobachtungen von Chauveau, Straus,
Chambon und Menord, welche vergeblich versucht hatten, mit
dem Blute vaccinierter Tiere andere Tiere zu immunisieren, im allge-
meinen bestätigen. Die Uebertragung gelang unter 6 Fällen zwar
einmal, doch war hier eine vorher bestehende Immunität nicht sicher
auszuschließen. W. Petersen (Zürich).
Iwanoff, Versuche über die Desinfektion der städti-
schen Abwässer mit Schwefelsäure. (Zeitschrift für
Hygiene und Infektionskrankheiten. Bd. XV. 1893. Heft 2.)
Verf. infizierte Kolben mit Berliner Kanaljauche mit Cholera-
bacillen, auf 50 ccm eine starke Oese 18-stündiger Agarkultur oder
1/2 ccm Cholerastuhl. Diesem setzte er dann 0,02, 0,04 und 0,1
Proz. II2 S04 zu, schüttelte 3 Minuten lang und legte von 0,2 bis
0,3 ccm Jaucheinhalt Peptonröhrchen an. Nur die Röhrchen ohne
H2 S04 und mit nur 0,02 Proz. H2 S04 ergaben dann noch Cholera-
bacillen, ein Befund, der durch die Agarplatte bestätigt wurde. Bei
der Potsdamer Kanaljauche, welche dreimal so stark verunreinigt
war, als das Berliner Kanalwasser, waren erst bei 0,08 Proz. H2 S04
Zusatz die Kommabacillen abgetötet. Verf. empfiehlt auf Grund
dieser Versuche die Verwendung der Schwefelsäure zur Vernichtung
der Kommabacillen im Großen, da 100 kg der sogenannten 60-grädigen
Schwefelsäure für 61/* Mark zu haben sind.
Scheint dieser Vorschlag auch für Desinfektion von Fäkalien,
stehenden Wässern etc. ganz zweckmäßig, obwohl auch in der Praxis
die Kalkdesinfektion billiger und leichter ausführbar ist, da Kalk
überall zu haben ist, so dürften sich ihr doch für fließende Kanäle
Schutzimpfung etc. — Neue Litteratur.
95
etc. einige Schwierigkeiten in den Weg stellen, da es nicht leicht ist,
ein fließendes Wasser in seinem ganzen Laufe gleichmäßig mit einer
Substanz zu durchsetzen. 0. Voges (Danzig).
Brouardel, La defense contre le cholöra: valeur com-
par6e du Systeme quarantenaire ancien et du Systeme
adopt6 ä la conförence de Dresde pour la defense
des divers pays contre lechol^ra. (Annales d’Hygiene
publ. 1893. Nov. p. 385.)
Mit großer Wärme tritt Br. für die bekannten Beschlüsse der
Dresdener Cholerakonferenz ein und sucht etwaige Bedenken allzu -
ängstlicher Gemüter zu zerstreuen. Ein näheres Eingehen auf die
Ausführungen des Autors, die sich auf die gesamten Schutzmaßregeln
gegen die Cholera erstrecken, würde den Rahmen eines Referates
überschreiten; er empfiehlt im wesentlichen die Maßregeln, welche
auch Deutschland bei der letzten Epidemie ergriffen hatte. Hervor-
heben will ich nur kurz seine dringende Empfehlung der besonders
in England eingeführten „Cirkulationskarten“, welche eine 3 — 5-
tägige Kontrolle aller aus einem verseuchten Lande kommenden
Reisenden gestattet, ohne deren Bewegungsfreiheit einzuschränken.
W. Petersen (Zürich).
Neue Litteratur
znsammen^estellt von
Dr. Arthur Würzbürg,
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schiedener Sputa als Nährböden und das
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krankheiten, Entwickelungshemmung
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Sobotka, J. , Zur Kenntnis des Vaccine-
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Neue Litteratur, p. 95.
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herausgegeben von
Dr. O. Uhlworm in Cassel.
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
XY. Band. -©- Jena, den 23. Januar 1894. -o- No. 4.
Preis für den Band (26 Nummern) 14 Mark.
Jährlich erscheinen zwei Bände.
—Hi Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. £e—
Die Redaktion des „ Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
kunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an
den Verleger, Herrn Gustav Bischer in Jena , gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage , später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original -Mittheilungen.
Die Bakteriologie in einigen ihrer Beziehungen zur
chemischen Wissenschaft.
Von
Prof. Dr. Percy Frankland, F. R. S.,
Direktor des chemischen Institutes des Dniversity College zu Dundee, Schottland.
(Abkürzung eines Vortrages, gehalten vor der Versammlung der
British Association.)
Die Bakteriologie, obgleich ursprünglich ein Abkömmling der
Botanik, von welcher sie auch in ihrer früheren Kindheit kräftige
Unterstützung, durch die denkwürdigen Untersuchungen von Cohn,
Nägeli und Brefeld erhielt, wird ohne Zweifel immer mit der
Chemie in der Person von M. Pasteur in Verbindung bleiben,
IV. Bd, 7
102
Percy Frankland,
während bei weitem der größte Teil unserer neueren Kenntnisse über
Mikroorganismen durch die unermüdlichen Arbeiten von Medizinern
erworben worden ist, welche durch die glänzenden Entdeckungen von
Koch, Metschnikoff und Behring angefeuert wurden.
Bei diesen bakteriologischen Untersuchungen sind jedoch ' die
Mediziner immer mehr in den Bereich der Chemie hinübergedrängt
worden, so daß sie, von Erscheinungen ausgehend, welche sie zuerst
vom rein biologischen, d. h. mehr oder weniger oberflächlichen und
empirischen Gesichtspunkte betrachteten , bei tieferem Studium in
manchen Fällen die chemischen, physikalischen und mechanischen
Grundlagen erreicht haben, auf welchen alle biologischen Erscheinungen
notwendigerweise ruhen müssen.
Was man die moderne Bakteriologie nennen kann, beginnt mit
der jetzt etwa zwölf Jahre alten Einführung der systematischen Me-
thoden der Reinkulturen von Mikroorganismen, und obgleich die Ent-
deckung ihres Daseins notwendigerweise mit dem Mikroskope gemacht
werden mußte, so wies doch die Anwendung der modernen Methoden
diesem Instrumente erst die zweite Stelle bei ihrer Differenzierung
und Bestimmung an. Aber das sorgfältigere, länger fortgesetzte
Studium individueller Arten von Bakterien hat gezeigt, daß ihre
Unterscheidung von einander noch viel schwieriger ist, als man bis-
her geglaubt hatte, indem eine immer wachsende Zahl von nahe mit-
einander verwandten Formen entdeckt worden war. Man mußte zu
immer feineren und künstlicheren Unterschieden seine Zuflucht
nehmen und chemische und physikalische Unterscheidungsmittel an
die Stelle der morphologischen setzen.
Die chemischen Unterschiede, welche nahe verwandte Bakterien
zeigen, werden künftig ohne Zweifel noch viel genauer und systema-
tischer untersucht werden, als in der Vergangenheit, weil sie weit-
gehende Möglichkeiten zum Zwecke der Diagnose darbieten. So sind
außer der wohlbekannten Indolreaktion, der Verflüssigung der Gela-
tine, der Gerinnung der Milch, der Gärung der Dextrose und des
Fleischextraktes, die einzigen, jetzt im allgemeinen Gebrauch befind-
lichen chemischen Prüfungsmittel die Reduktion der Nitrate zu Ni-
triten und die ammoniakalische Gärung des Harnstoffes.
Bei weitem die auffallendsten chemischen Veränderungen, welche
durch Mikroorganismen hervorgebracht werden, sind diejenigen, welche
man gewöhnlich unter dem Namen von Gärungen zusammenstellt.
Von diesen ist vom praktischen Gesichtspunkte aus die wichtigste
die durch Hefe hervorgebrachte Alkoholgärung, welche jetzt durch
die klassischen Untersuchungen von Hausen und seinen Schülern
auf eine gesuude wissenschaftliche Basis gestellt worden ist.
Von größerem Interesse als die gewöhnliche alkoholische Gärung
sind für den Chemiker die zahlreichen und viel verschiedenartigeren
gärungsartigen Zersetzungen, welche durch Bakterien hervorgebracht
werden und deren Entdeckung wir großenteils Pasteur und Fitz
verdanken. Die Substanzen, von welchen man bis jetzt nachgewiesen
hat, daß sie durch Einwirkung lebender Bakterien Gärungsvorgängen
unterworfen sind, sind zwar zahlreich, beschränken sich aber prak-
tisch auf die Kohlehydrate, die polyhydrischen Alkohole und die
Hydroxysäuren.
Die Bakteriologie in einigen ihrer Beziehungen zur chemischen Wissenschaft. 103
Außerdem sind die bei diesen zahlreichen Gärungen erhaltenen
Produkte, wenn wir verhältnismäßig geringe Spuren ausnehmen, von
noch beschränkterer Zahl. Die gewöhnlichsten sind:
Alkohole: Aethyl, Butyl, Amyl.
Poiyhydrische Alkohole : Mannit.
Fettsäuren: Ameisen-, Essig-, Propion-, Butter-, Valeriansäuren.
Hydroxysäuren : Milchsäure.
Dibasische Säuren : Bernsteinsäure.
Gase: Kohlensäure, Wasserstoff, Sumpfgas.
In fast allen Fällen schließt übrigens die Zersetzung durch
Gärung einen Oxydations- und Reduktionsprozeß ein, indem ein Teil
der ursprünglichen Moleküle auf Kosten der anderen oxydiert wird.
So ist eine der gewöhnlichsten Formen der Gärung diejenige, wobei
eine Fettsäure und ein Alkohol, gewöhnlich der der fraglichen Säure
entsprechende, zugleich entstehen.
Zwei Fragen werfen sich bei diesen Zersetzungen durch Bakterien
von selbst auf: 1) Liefert dieselbe Substanz verschiedene Produkte,
wenn sie durch verschiedene Mikroorganismen in Gärung versetzt
wird? 2) Erzeugt derselbe Mikroorganismus dieselben Produkte,
wenn er verschiedene Substanzen in Gärung versetzt?
Die erste dieser Fragen ist durch die Untersuchungen von Fitz
beantwortet worden, welcher fand, daß dieselbe Substanz fähig ist,
verschiedene Gärungsprodukte zu liefern, je nach dem besonderen
Fermente, welches angewendet wurde. Dieses Resultat wird auch
nicht durch die Thatsache abgeändert, daß wir keinen Beweis be-
sitzen, daß die von Fitz benützten Fermente Reinkulturen waren;
in manchen Fällen waren sie sogar anerkannterweise Mischungen.
Andererseits kann die Antwort auf die zweite Frage offenbar nur
durch Experimente beantwortet werden, welche mit Reinkulturen von
Gärungsorganismen angestellt werden.
Ich habe seit einiger Zeit Experimente über diesen Gegenstand
angestellt, und soweit sie bis jetzt vorgeschritten sind — denn sie
sind notwendigerweise von höchst mühsamer Art — , neigen sie sich
ganz entschieden der Ansicht zu, daß die von demselben Organismus
aus verschiedenen gärungsfähigen Substanzen erzeugten Produkte
dieselben sind. So habe ich bewiesen, daß ein und derselbe Ba-
cillus, wenn er auf so verschiedene Substanzen einwirkt, wie Dex=
trose, Galaktose, Maltose, Milchzucker, Mannitol, Arabinose, Glycerin
und Glycerin säure, qualitativ dieselben Produkte liefert, nämlich
Aethylalkohol, Essig- und Ameisensäure (Spuren von Bernsteinsäure),
Kohlensäure und Wasserstoff.
Aehnliche Resultate hat in neuester Zeit Grimbert erhalten,
welcher die durch den B. orthobutylicus in Stärke, Inulin, Dex-
trose, Maltose, Rohrzucker, Invertzucker, Milchzucker, Arabinose,
Mannitose und Glycerin eingeleitete Gärung studiert hat. Er fand,
daß die Produkte in allen Fällen qualitativ dieselben waren, nämlich
Essig- und Buttersäure, normaler Butylalkohol , Kohlensäure und
Wasserstoff. Ich halte es jedoch durchaus nicht für wahrscheinlich,
daß ein und derselbe Organismus alle Substanzen so zersetzt, daß
er dieselben Produkte bildet ; aber es ist merkwürdig genug, daß die-
7*
104
Percy Frankland,
selben Produkte von so verhältnismäßig verschiedenen, verwandten
Substanzen erhalten werden sollen, und diese Erscheinung ist sehr
wahrscheinlich durch die Annahme erklärbar, daß diese verschiedenen
Substanzen zunächst in eine und dieselbe Zwischensubstanz verwan-
delt werden, welche dann die weitere Umbildung erfährt.
So hängt wahrscheinlich die Gärungsfähigkeit von Körpern da-
von ab, daß sie fähig sind, mit Leichtigkeit S9lche Zwischensubstanzen
zu liefern. Ein Stoff, welcher ohne Zweifel bei solchen Gärungs-
zersetzungen als Zwischensubstanz eine wichtige Rolle spielt, ist die
Milchsäure, welche bekanntlich imstande ist, unter Einwirkung von
Bakterien eine Anzahl verschiedener Produkte zu liefern, z. B. Vale-
rian-, Butter-, Propion- und Essigsäure, nebst Butyl- und . Aethyl-
alkohol. In dieser Verbindung ist es auch bemerkenswert, daß nur
solche Zucker durch Hefe in Gärung versetzt werden, welche drei
oder ein Mehrfaches von drei Atomen Kohlenstoff in dem: Molekül
enthalten ; überdies scheinen die Kohlenverbindungen, welche einen
solchen dreiatomischen Kohlenkern enthalten, selbst für die Bakterien-
fermente mit ihren umfangreicheren Neigungen besonders leicht an-
greifbar zu sein. Daß mehr oder weniger komplizierte Zwischen-
reaktionen bei diesen Gärungszersetzungen stattfinden, wird ferner
durch die verschiedenen Arten von Milchsäuregärung bewiesen, von
welchen ich sogleich sprechen werde.
Bei diesen Gärungserscheinungen scheint die Ameisensäure eine
sehr wichtige Rolle zu spielen; die Gegenwart dieses Stoffes unter
den Produkten der Gärung ist von vielen Beobachtern angegeben
worden. Sie wird häufig von Fitz und ebenso von G r i m b e r t als ge-
wöhnlich in geringer Menge in den Buttersäuregärungen vorkommend
angegeben, wie ich bereits erwähnt habe. Bei meinen Experimenten
habe ich jedoch gefunden, daß der Betrag an Ameisensäure durch
besondere Umstände bedeutend vermehrt werden kann. So war bei
Gärungen in Flaschen, welche nur durch Wattestopfen ge-
schlossen waren, die Menge der Ameisensäure gewöhnlich sehr unbe-
deutend, während bei Gärungen in verschlossenen Flaschen, welche
mit einem zum Auffangen der entwickelten Gase über Quecksilber
eingerichteten Abzugsrohre versehen waren, die Menge der erzeugten
Ameisensäure jedesmal sehr bedeutend war, und ferner habe ich bei
diesen geschlossenen Gärungen, wobei die Gase gesammelt wurden,
immer gefunden, daß Kohlensäure und Wasserstoff annähernd in dem-
selben Verhältnis auftraten, in welchem sie in der Ameisensäure vor-
handen sind, nämlich im gleichen Volum. Nun hat Duclaux ge-
zeigt (Annales de l’Institut Pasteur. Bd. VI. 1892. p. 558), daß freie
Ameisensäure ein kräftiges Antisepticum ist, und darum ist es höchst
wahrscheinlich, daß die Entstehung dieser Ameisensäure in ge-
schlossenen Gärungen die Ursache ist, daß sie durch dieses toxische
Produkt vorzeitig angehalten werden. Ob Ameisensäure überhaupt
nicht gebildet wird, wenn die Gärung in der offenen Flasche vor sich
geht, oder ob der Organismus sie in diesem Falle bei Gegenwart
von Luft zu zersetzen vermag, habe ich noch nicht untersucht.
Duclaux (1. c.) hat gezeigt, daß Schimmelpilze imstande sind, freie
Ameisensäure bei Gegenwart von Luft zu zersetzen. Aber die Wirkung
Die Bakteriologie in einigen ihrer Beziehungen zur chemischen Wissenschaft. 105
der Schimmelpilze ist, soviel wir wissen, wenn sie oberflächlich auf
organischen Flüssigkeiten wachsen, ganz verschieden von der der Bak-
terien, insofern als die Schimmel die organischen Elemente einfach in
ihre letzten Oxydationsprodukte verwandeln und nicht im strengen
Sinne des Wortes Gärungen erregen.
Die Milchsäuregärung, welche zu den am frühesten bekannten
Gärungen gehört und mit deren Erforschung die Namen von Pasteur
und Li ster verknüpft sind, ist neuerdings der Gegenstand von Unter-
suchungen gewesen, welche vom chemischen Gesichtspunkte aus be-
sonderes Interesse darbieten. Bei der gewöhnlichen Milchsäuregäruug
ist bekanntlich die entstandene Milchsäure inaktiv, ohne Unterschied,
ob sie von Stärke, Milchzucker, Rohrzucker, Dextrose oder Mannit
herstammt. Aber durch Anwendung verschiedener Milchsäuregärungs-
bakterien hat man durch direkte Gärung die beiden aktiven Milch-
säuren hervorgebracht. So haben Nencki und Sieber ein Milch-
säureferment entdeckt, welches Acid. sarcolacticum (d. h. rechts
drehende Milchsäure) bei der Gärung von Dextrose hervorbringt,
während Schardinger die Entstehung von links drehender Milch-
säure bei der Gärung von Rohrzucker beschrieben hat. Wie sind
diese verschiedenen Milchsäuregärungen im Lichte unserer gegen-
wärtigen Kenntnis von der Konstitution des Zuckermoleküls zu er-
klären, welche auf die allgemein bewunderten Untersuchungen von
Emil Fischer begründet ist?
Betrachten wir die jetzt allgemein angenommenen Formeln für
die Konstitution von Dextrose, Lävulose und Mannit:
CH2OH
I
+ CHOH
I
Dextrose + CH2OH
I
+ CHOH
I
— CHOH
I
COH
CH2OH
I
+ CHOH
I
Lävulose + CHOH
+ CHOH
I
CO
I
CH2OH
ch2oh
I
+ CHOH
I
Mannit + CHOH
I
+ CHOH
+ CHOH
I
ch2oh
worin die verschiedenen asymmetrischen Kohlenstotfatome durch die
Zeichen + oder — angegeben sind, je nach der bezüglichen Anordnung
der Gruppen, welche ihnen zugehören. Es ist leicht zu sehen, wie das
Kohlenskelett der Dextrose durch einfache Zersetzungen, wobei die
Endgruppen — COOH oder CH2OH — in COOH verwandelt werden,
entweder die rechts oder die links drehende Milchsäure liefern kann,
je nach dem besonderen, asymmetrischen Kohlenatom in der Dextrose,
aus welchem das asymmetrische Kohlenatom in der Milchsäure her-
vorgeht, also:
ch3
ch3
- CHOH
I
COOH
Links drehende Milchsäure.
+ CHOH
I
COOH
Rechts drehende Milchsäure.
106
Percy Franklftnd,
Ferner sollte bei einer so einfachen Zersetzung das Lävulose-
molekül nur imstande sein, rechts drehende Milchsäuren zu liefern,
und ebenso sollte das Mannitmolekül nur rechts drehende Milch-
säuren liefern können; denn es ist klar, daß, wenn die Endgruppen
nur in COOH verwandelt worden sind, die entstehende Milchsäure ihr
asymmetrisches Kohlen st off atom mit dem Zeichen davor haben wird.
Es ist unnötig, zu bemerken, daß alle diese Zeichen auch der wirk-
lich beobachteten Drehung direkt entgegengesetzt sein können, so
daß die Spekulation richtiger und kürzer in die Worte zusammen-
gefaßt werden kann, daß, während beide aktive Milch-
säuren theoretisch durch die einfachste Zersetzung
der Dextrose erhalten werden können, nur eines und
dasselbe von den beiden aktiven Isomeren auf ähn-
liche Weise entweder aus Lävulose oder aus Mannitol
sollte entstehen können.
Andererseits ist es ebenso offenbar, daß es zur Entstehung in-
aktiver Milchsäure aus einem der genannten Moleküle nötig ist, daß
entweder ein Zwischenprodukt gebildet wird, in welchem das asym-
metrische Kohlenstoffatom der zuletzt entstehenden Milchsäure seine
Asymmetrie verloren hat, oder daß die beiden activen Milchsäuren
in genau gleichen Molekulärverhältnissen gebildet sein müssen, so
daß die Drehung aufgehoben wird. Unter der letzteren Annahme
sollte inaktive Milchsäure nur aus Dextrose leicht entstehen können,
da weder das Lävulose- noch das Mannitmolekül theoretisch im-
stande ist, durch einfache Umwandlung mehr als eine der
aktiven Milchsäuren zu liefern, aber es ist experimentell festgestellt,
daß man durch Gärung von reinem Mannit inaktive Milchsäure er-
halten kann.
Bei diesen durch Mikroorganismen bewirkten Zersetzungen
beobachtet man nicht selten eine auffallende Erscheinung, welche so-
wohl vom chemischen als vom biologischen Gesichtspunkte aus von
großer Bedeutung sein muß: ich meine die Erscheinung der elek-
tiven oder Vorzugsgärung. Dieses Phänomen wurde zuerst
von Pasteur im Jahre 1860 an der Traubensäure beobachtet. Er
fand , daß sowohl Bakterien als Schimmelpilze vorzugsweise die
rechtsdrehende Weinsäure angreifen. Ebenso fand Lewkowitsch
im Jahre 1883, daß bei der Mandelsäure das links drehende Isomer
durch das Penicillium glaucum zuerst zerstört wird. In neuerer
Zeit habe ich gezeigt, daß bei der Gärwirkung des Bacillus
aethaceticus auf Glycerinsäure die links drehende Säure zuerst
zersetzt wird, und man erhält auf diese Weise eine rechts drehende
Glycerin säure, was insofern von besonderem Interesse und Wert ist,
als es die einfachste aktive Säure darstellt, welche man in einer
praktisch unbeschränkten Menge erhalten kann und mittelst deren
die Gesetze, welche die Drehkraft aktiver Körper im allgemeinen be-
herrschen, in ihrer einfachsten Form untersucht werden können. Von
dieser neuen Substanz sind in meinem Laboratorium schon nicht weniger
als zwanzig aktive Abkömmlinge hergeleitet worden ; sie haben dazu
gedient, auf die neueren Theorieen über den besonders anziehenden
Die Bakteriologie in einigen ihrer Beziehungen zur chemischen Wissenschaft. 107
Gegenstand des asymmetrischen Kohlenstoffatoms Licht zu verbreiten.
In noch neuerer Zeit habe ich durch elektive Gärung die rechts
rotierende Milchsäure (Acid. sarcolacticum) erhalten, welche, obwohl
bekannt, bis jetzt nur mit großer Schwierigkeit zu erlangen gewesen
ist; aber ich hoffe sie auf diese Weise ebenso zugänglich zu machen,
als die rechts drehende Glycerinsäure.
Die Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung der Elektivgärung
ist gegenwärtig noch ganz in Dunkel gehüllt, aber ich wage die
Vermutung auszusprechen, daß man sie in den Unterschieden suchen
muß, welche solche optische Isomeren nur entfalten, wenn sie mit
anderen aktiven Körpern verbunden sind. Wenn z. B. die optisch
isomeren Weinsäuren mit der optisch aktiven Base Cinchonin ver-
bunden sind, so zeigen die entstandenen rechts und links drehen-
den weinsauren Cinchoninsalze einen deutlichen Unterschied in
ihrer Löslichkeit. Ist es nicht höchst wahrscheinlich, daß optisch
aktive Substanzen, welche immer in lebenden Zellen vorhanden sind,
mit diesen optisch aktiven, gärungsfähigen Isomeren in Verbindung
treten können, und daß, wenn so Unterschiede — z. B. in der Lös-
lichkeit — zwischen ihnen auftreten, der eine von ihnen — wahr-
scheinlich der leichter lösliche — dem spezifischen, zersetzenden
Einflüsse des Zellprotoplasmas zugänglicher wird?
Ob bei solchen Elektivgärungen ausnahmslos dasselbe optische
Isomer unter dem Einflüsse der vitalen Zersetzung zuerst verschwindet,
ist nicht mit Sicherheit festgestellt worden. Pasteur fand jedoch,
daß die rechts drehende Weinsäure zuerst zerstört wurde, ohne
Rücksicht darauf, ob eine Bakteriengärung oder eine Schimmel-
verbrennung angewendet wurde. Ebenso war es bei der Milchsäure
die links drehende Säure, welche bei meiner Bakteriengärung zuerst
verschwand, wovon schon die Rede war, ebenso wie bei der Schimmel-
verbrennung der Milchsäure, welche Linossier untersucht hat.
Auf der anderen Seite berichtet Lewkowitsch über die vorzugs-
weise Zersetzung einer optisch isomeren Mandelsäure durch den
Schimmel Penicillium glaucum und des entgegengesetzten
Isomers durch ein Bakterienferment. Da dies, soviel ich weiß, das
einzige Beispiel dieser Art ist, so ist sehr zu wünschen, daß es von
neuem untersucht und entweder bestätigt oder widerlegt werde.
Man darf nicht annehmen, daß bei diesen Elektivgärungen das
eine der Isomeren überhaupt nicht in Gärung zu versetzen sei, denn
soweit der Gegenstand sorgfältig untersucht worden ist, scheint es,
daß das eine der beiden Isomeren nur verhältnismäßig weniger leicht
in Gärung zu versetzen ist. So fand ich bei der Gärung der Milch-
säure, welche ich neuerlich studierte, daß, wenn man die Gärung zu
Ende kommen ließ, die gesamte Milchsäure in andere Produkte
zerfiel; wenn man sie aber in einem mittleren Stadium unterbrach,
die unzersetzt gebliebene Milchsäure immer Acid. sarcolacticum ent-
hielt, zum Beweis, daß die links drehende Milchsäure vorzugsweise
zersetzt worden war.
Bei der Gärung der Glycerinsäure sind die Elektiverscheinungen
äußerst bemerkenswert. Als ich vor einigen Jahren zuerst den
Bacillus aethaceticus isolierte, fand ich, daß sein Vermögen,
108
Percy Frankland,
Glycerinsäure in der Form von glycerinsaurem Kalke in Gärung
zu versetzen, sehr gering sei, und daß, selbst wenn man die Gärung
vollständig werden ließ, so gut wie das ganze der rechts drehenden
Glycerinsäure von dem Bacillus unberührt blieb. Aber als ich
diesen Bacillus in Lösungen von glycerinsaurem Kalke weiter
kultivierte, fand ich, daß sein Vermögen, diese Substanz zu zersetzen,
merklich zunahm; so dauerte nicht nur die Gärung länger, sondern
die Menge der am Ende der Gärung unzersetzt bleibenden, rechts
drehenden Glycerinsäure wurde immer geringer. Um daher einen
genügenden Ertrag an übrig bleibender, aktiver Glycerinsäure zu
erhalten, wurde es jetzt nötig, die Gärung zu unterbrechen und so
die rechts drehende Glycerinsäure vor der Zerstörung zu bewahren.
Man kann auch einen genügenden Ertrag von aktiver Glycerinsäure
erhalten, wenn man zu der Gärung einen Bac. aethaceticus
benutzt, welcher bis jetzt Lösungen von Glycerinsäure fremd geblieben
ist. Diese Bacillen zersetzen dann nur die links drehende Glycerin-
säure, die Moleküle der rechts drehenden Glycerinsäure werden von
ihnen nicht angegriffen. Auf diese Weise kann die gärungserregende
Thätigkeit dieses Bacillus aethaceticus auf das genaueste
reguliert werden, und dies bietet ein gutes Beispiel für die tiefen
Abänderungen, welche man in Mikroorganismen durch ein Verfahren
hervorbringen kann, welches man Erziehungskultur nennen kann.
Eine vorzügliche Erläuterung hierzu bietet die künstliche Pro-
duktion von asporogenem Anthrax durch Chamberland und Roux,
sowie ähnliche tiefe und dauernde, morphologische Veränderungen,
welche Hansen an Hefenarten durch lang dauernde Kultur in
durchlüfteter Würze bei Maximaltemperatur hervorgebracht hat.
Auf die künstliche, dauernde Verminderung der Virulenz patho-
gener Mikroorganismen brauche ich nicht weiter einzugehen, da die
Erzeugung abgeschwächter Virus oder Vaccine zu dem Zwecke der
Schutzimpfungen bereits in einem Maßstabe ausgeführt wird, den
man industriell nennen könnte.
Wer Bakterien lange Zeit hindurch kultiviert hat, wird ferner
wahrscheinlich mehr oder weniger auffallende Veränderungen in
einigen ihrer funktionellen Thätigkeiten wahrgenommen haben, z. B.
daß das Vermögen, Gelatine zu verflüssigen, welches einige be-
sitzen, vermindert worden ist, oder daß die Erzeugung von Pigment
abgenommen oder ganz aufgehört hat, während in anderen Fällen die
Fähigkeit, eine gewisse Substanx in Gärung zu versetzen, durch
lang dauernde Kultur verloren gegangen ist. So besitze ich einen
Bacillus, welcher imstande ist, citronensauren Kalk in Gärung zu
versetzen, und er fährt seit Jahren fort, diese Funktion auszuüben,
wenn er auf passenden Nährböden gezogen wird. Wenn man eine
solche gärende Lösung von citroneu saurem Kalke der Plattenkultur
unterwirft, so erscheinen Kolonieen, wie gewöhnlich; aber wenn man
eine der Kolonieen in eine sterile Lösung von Kalkcitrat überträgt,
so erregt sie keine Gärung mehr, indem der Bacillus durch seinen
bloßen Durchgang durch Gelatine seine Gärkraft verloren hat. Wenn
dagegen eine solche Kolonie in Fleischbrühe gebracht wird, welche
citronensauren Kalk enthält, so wird letzterer leicht in Gärung ver-
Die Bakteriologie in einigen ihrer Beziehungen zur chemischen Wissenschaft. |09
setzt. Wenn man jetzt von hier etwas in schwächere, ebenfalls
Kalkcitrat enthaltende Brühe einbringt, so gerät auch dieses in
Gärung; und wenn man auf diese Weise nach und nach zu immer
schwächerer Brühe übergeht, so wird zuletzt die Gärung einer Kalk-
citratlösung eingeleitet, welche den von der Gelatineplatte direkt
entnommenen Bacillen durchaus widerstand.
In enger Verbindung mit diesen Erscheinungen steht ohne
Zweifel auch das aerobe und anaerobe Wachstum. Bekanntlich
lassen sich die Bakterien in 3 Klassen einteilen: 1) obligat aerobe,
2) fakultativ aerobe und anaerobe, 3) obligat anaerobe. Die Er-
scheinungen des aeroben Wachstums sind natürlich als die normalen
anzunehmen , aber bei vielen , durch Bakterien hervorgebrachten
Zersetzungen werden so große Mengen von Gasen — besonders
Kohlensäure und Wasserstoff — • entwickelt, daß aller freie Sauerstoff
schnell aus dem Medium entfernt wird, in welchem die Bakterien
ihre Wirkung ausüben. Unter solchen Umständen werden alle Bak-
terien, welche ganz von Sauerstoff abhängen, ihre Lebenskraft ent-
weder ganz verlieren oder doch eine Unterbrechung derselben erfahren,
während die, welche sich entweder zeitweise oder dauernd ohne
Oxygen erhalten können, sich in großem Vorteile befinden müssen,
weil sie ihren Lebensprozeß in dem sauerstoffreien Medium fortsetzen
können, welches sie selbst hervorgebracht haben. So wird es ver-
ständlich, daß ursprünglich aerobe Organismen, welche gewisse Sub-
stanzen unter Entwickelung von Gasen (C02, H u. s. w.) zu zersetzen
vermögen, so modifiziert werden, daß sie für immer längere Zeiträume
den Mangel an Öxvgen ertragen, und zuletzt sind einige Formen so
stark abgeändert worden, daß sie bei vollständiger Abwesenheit des
Sauerstoffes zu leben vermögen, mit anderen Worten, sie sind obligat
anaerob geworden.
Während Pasteur die Gärung von dem Leben von Mikro-
organismen bei Abwesenheit von Sauerstoff abhängen läßt, scheint es
mir, daß das Leben von Mikroorganismen in Abwesenheit von Sauer-
stoff notwendig gemacht wird durch ihr Vermögen, Gärungsvorgänge
zustande zu bringen, welche den Sauerstoff aus dem Medium aus-
treiben. Id der That besteht die gärungserregende Fähigkeit wahr-
scheinlich früher, als die anaerobe Fähigkeit.
Obgleich ich den wichtigen Gegenstand der Desinfektion über-
gehen muß, so giebt es doch einen Abschnitt dieses Gegenstandes,
über welchen ich zum Schlüsse einige Worte sagen möchte, nämlich
die desinfizierende oder bakterientötende Wirkung des Lichtes.
Bald nachdem Bakterien allgemein bekannt geworden waren,
also etwa seit einem Vierteljahrhundert, wurde von Down es und
Blunt die wichtige Entdeckung gemacht, daß diese kleinen Organis-
men gegen direktes Sonnenlicht merkwürdig empfindlich seien. Nach
diesen Beobachtungen sind in dieser Richtung in Frankreich, Deutsch-
land, Italien, Rußland und England zahlreiche Untersuchungen aus-
geführt worden, aber von besonderem Interesse sind in dieser Be-
ziehung einige ganz kürzlich von Richardson gemachte Experi-
mente. Dieser Forscher hat gezeigt, daß, wenn Urin dem direkten
110
Percy Frankland,
Sonnenlichte ausgesetzt wird, Wasserstoffsuperoxyd entsteht, dessen
Gegenwart die Entwickelung von Wachstum verhindert.
Die Bildung von Wasserstoffsuperoxyd bei der Besonnung führt
natürlicherweise zu der Frage, ob die ganze bakterientötende
Wirkung des Lichtes von diesem Stoffe herrührt oder ob er nur
teilweise zu der Erscheinung beiträgt. Richardson hat gezeigt,
daß die Bildung von Wasserstoffsuperoxyd von der Gegenwart eines
oder mehrerer besonderen Bestandteile im Uriue abhängt, und daß es
durch die Bestrahlung von Wasser oder selbst von einer Harnstoff-
lösung nicht erzeugt wird. Wenn also während der Insolation die
Bakterien in Wasser suspendiert sind, so kann in der Flüssigkeit
kein Wasserstoffsuperoxyd entstehen. Wie ich schon in Verbindung
mit meinen eigenen Experimenten angegeben habe (Proceedings Royal
Society. 1893), so stimmen eine Anzahl von Forschern darin überein,
daß Bakterien der Besonnung viel besser widerstehen, wenn sie in
Wasser, als wenn sie in Kulturmaterial suspendiert sind. Es ist
jedoch ebenso gewiß, daß sie wirklich und oft sehr schnell zerstört
werden, wenn sie in Wasser suspendiert sind. Dies kann beim
ersten Anblicke zu beweisen scheinen, daß die bakterientötende
Wirkung des Lichtes durch die Bildung von Wasserstoffsuperoxyd
beschleunigt werden, aber auch ohne sie stattfinden kann. Aber da
bei den bis jetzt über die Wirkung des Lichtes auf Mikroorganismen
angestellten Experimenten diejenigen Bedingungen nicht eingehalten
worden sind, welche die Entstehung von Wasserstoffsuperoxyd inner-
halb der Zellen von unvollkommen getrockneten Bakterien und deren
Sporen gänzlich ausschließen, so ist es höchst wahrscheinlich, daß
diese Entstehung wirklich stattfindet, und es ist sicher noch leichter,
an die Entstehung dieses Stoffes in Zellen zu glauben, wenn zu dem
Wasser, in welchem sie suspendiert sind, die Luft Zutritt hat.
Diese Frage regt offenbar eine andere und viel allgemeinere an,
welche der chemischen Welt lange Vorgelegen hat, nämlich ob bei
vollständiger Abwesenheit von W7asserdampf überhaupt eine Oxyda-
tion stattfiuden kann, und die Wahrscheinlichkeit spricht bei
dieser allgemeineren Frage ganz dafür, daß direkte Oxydationen bei
niedriger Temperatur die Gegenwart von Wasserdampf erfordern.
Insofern nun die bakterientötende Wirkung des Lichtes ohne Zweifel
einen Fall von Oxydation bei niederer Temperatur darstellt, so
sprechen starke Gründe, sowie gewichtige experimentelle Befunde für
die Annahme, daß Wasserdampf (was praktisch die Möglichkeit der
Gegenwart von Wasserstoffsuperoxyd oder eines ähnlichen Stoffes
bedeutet) zu ihrem Auftreten wesentlich ist.
Einer der wichtigsten Umstände in Beziehung auf diese Wirkung
des Lichtes auf Bakterien ist vom praktischen Gesichtspunkte aus
ein schon erwähnter Punkt, nämlich der stark vermehrte Widerstand,
welchen die Bakterien zeigen, wenn sie in Wasser suspendiert sind.
Zunächst jedoch möchte ich darauf aufmerksam machen, wie trüge-
risch jede Vergleichung zwischen der Dauer der Besonnung selbst
desselben Mikroorganismus in den Händen verschiedener Beobachter
ausfallen muß, da von der vorhergehenden Geschichte und Behand-
lung so viel abhängen muß. So habe ich gefunden, daß bei 18 — 20° G
Die Bakteriologie in einigen ihrer Begehungen zur ehemischen Wissenschaft. Hl
gebildete Milzbrandsporen viel widerstandsfähiger sind, als solche,
die bei 35 — 38° C entstanden sind. Bei allen vergleichenden Ex-
perimenten müssen also die Organismen derselben Kultur entnom-
men sein.
Um den Grund der größeren Empfindlichkeit von Bakterien gegen
das Licht, wenn sie in Kulturmitteln statt in Wasser der Sonne aus-
gesetzt werden, zu ermitteln, verfahre ich auf synthetischem Wege,
indem ich verschiedene Zusätze zu dem destillierten Wasser mache
und dann bestimme, wie ein solcher Zusatz die Wirkung des Lichtes
beeinflußt. Auf diese Weise habe ich schon einige vorläufige Versuche
mit Kochsalz und schwefelsaurem Natron gemacht. Einige von den
bis jetzt erhaltenen Resultaten finden sich in der folgenden Tabelle.
Wirkung des Sonnenlichtes auf in Wasser suspendierte
Mi lzbrandsporen.
Bei 18 — 20° C gezüchtete Sporen.
Dreistündige Besonnung Dunkelheit
240 per ccm 490 per ccm
NaCl
Na „ SO.
NaCl
Na2S0
1 °/0 117
239
450
474
3 °/0 81
218
384
426
10 °/0 46
187
150
622
Bei 38° C gezüchtete Sporen
Dreistündige Besonnung
Dunkelheit
4
per ccm
476
per ccm
NaCl
Na2S04
NaCl
Na2SO.
1 °/o 0
0
314
390
3 o/0 1,5
1
132
343
10 o/o 0
0
115
220
So ist die Wirkung des Lichtes auf Bakterien bedeutend größer
im kochsalzhaltigem als in destilliertem Wasser, dagegen hat die Zu-
gabe von schwefelsaurem Natron in demselben Verhältnisse wenig
oder keinen Einfluß in dieser Beziehung. Ein Zusatz von 10 Proz.
Salz scheint sogar im Dunkeln einige Wirkung auf die Bakterien aus-
zuüben. Der Einfluß dieser Stoffe auf die Erhöhung der bakterien-
tötenden Wirkung des Lichts wird durch folgende Experimente noch
deutlicher gemacht.
Wirkung des Sonnenlichtes auf in Wasser suspendierte
Milzbrandsporen.
Bei 18 — 20° C gezüchtete Sporen
Sonnenlicht, Zahl per ccm Dunkelheit, Zahl per ccm
Ohne Zugabe 1 °/0 3 °/0 10 °/0 Keine Zugabe 1 °"/0 3 °/0 10 °/ö'
NaCl NaCl NaCl NaCl NaCl NaCl
4Stdn. 16000 14000 8000 5000 13000 13000 9000 12000
11 „ 12000 8 000 3000 485 15000 13000 16000 14000
21 „ 378 39 49 0 18000 15000 14000 9 000
112
J. Marek,
Bei dieser kurzen Uebersicht habe ich viele andere Abteilungen
der Bakteriologie aus Mangel an Zeit übergehen müssen, obgleich
sie für die Chemie von großem Interesse sind, darunter ist die Bak-
teriologie der Agrikultur zu erwähnen, mit Einschluß so wichtiger
chemischer Veränderungen, wie die Salpeterbildung und die Fixierung
des freien Stickstoffes durch Leguminosen, die Entstehung von
Ptomai'nen und giftigen Albuminoiden, die Erscheinungen der natür-
lichen und künstlichen Immunität mit Einschluß des Problems der
Phagocytose und der bakterientötenden Eigenschaften des Blutserums
und anderer tierischer Flüssigkeiten.
In allen diesen Abteilungen ist nicht nur vieles für den Chemiker
von Interesse, sondern es ist zum besten der Wissenschaft dringend
nötig, daß diese Dinge die Aufmerksamkeit der Chemiker fesseln;
denn fast in jeder Richtung, nach welcher die Bakteriologie vorwärts
schreitet, stößt sie auf Probleme, die zu ihrer Aufklärung die tiefste
Kenntnis der Chemie erfordern. Der Schritt von dem Unbelebten
zu dem Belebten ist für den Chemiker nicht schwieriger, als für den
Pflanzen- oder Tiermorphologen, ja er ist vielleicht weniger schwierig,
denn während der Morpholog sich nur mit statischen Betrachtungen
beschäftigt, wendet sich in der modernen Chemie unsere Aufmerk-
samkeit mehr und mehr dynamischen Problemen zu.
Dundee, 15. Dezember 1893.
Kleine Mitteilungen zur bakteriologischen Technik.
Von
Professor J. Marek
in
Semlin.
1) Vereinfachte Untersuchung der Bakterien im
hängenden Tropfen. — Anstatt das Deckgläschen durch Vaseline,
Paraffin u. s. w. zu umranden, ist es einfacher und bequemer, wenn man
an einen hohlgeschliffenen (event. gewöhnlichen) Objektträger eine
passende durchlöcherte (Durchmesser des Loches 8 — 10 mm) Platte
(ca. 1 mm dick) aus schwarzem Patentgummi mit z. B. Cedernöl auklebt
und in die Vertiefung des Objektträgers einen Tropfen Wasser giebt.
Auf den Ausschnitt dieser Gummiplatte wird dann das Deckgläschen
(das größer sein muß, als der Ausschnitt) mit dem Tropfen nach
unten gesetzt. Das Deckgläschen wird dann so mit einem durch-
löcherten Objektträger (Durchmesser des Loches ca. 16 — 20 mm)
bedeckt, daß die zwei Ausschnitte konzentrisch zu stehen kommen.
Das Ganze wird mit Gummischnüren oder dergleichen zusammen-
gehalten oder man legt es direkt auf den Tisch des Mikroskopes,
wo dann die zwei Klemmen die obere Platte auf das Deckgläschen
und dieses wieder auf den Gummi drücken, wodurch der hängende
Tropfen gegen die Verdunstung geschützt wird. Ist man dann mit
Kleine Mitteilungen zur bakteriologischen Technik.
113
der Untersuchung des hängenden Tropfens im Reinen, so kann man
behufs event. Tinktion der betreffenden Bakterien ohne weiteres das-
selbe Deckglaspräparat verwenden.
2) Eine kleine Modifikation des von Tröster (Cen-
tralbl. f. Bakt. u. Parasitenk. Bd. XII. p. 627) und Kutner (1. c.
Bd. XIII. p. 411. Ref.) vorgeschlagenen Verfahrens, um
gleichzeitig viele Bakterieupräparate zu färben. —
Man nimmt eine Spiegelglasplatte von der Größe 6 X 12 cm
(und ca. 1 mm dick), auf die man nach Tröster’s Angabe
vertikale und horizontale Linien in ca. 6 mm Abstand einritzt
und beliebig bezeichnet. Dann schneidet man von derselben Glas-
sorte je 4 Streifen (6 resp. 10,8 cm lange und etwa 6 mm
breite). Je zwei dieser Glasstreifen werden mit Wasserglas gut
bestrichen, dann an die Glasplatte knapp bis zu den Rändern der-
selben gelegt und mäßig aufgedrückt. Nach einigen Stunden wird
diese Glasplatte in den Trockenschrank gestellt und darin durch
etwa 1 / a Stunde auf ca. 120 — 150° erhitzt. Nach dem Erkalten
werden die inneren Ränder der angeklebten Glasstreifen mit Glaskitt
glatt verkittet (etwa so wie die Glasscheiben der Fenster). Die so
vorbereitete Platte wird wieder im Trockenschranke durch etwa
1 Stunde auf 120 — 150° erhitzt und dient nach dem Erkalten als
Objektträger. Die durch 5 — 10 Minuten langes Erhitzen (im Trocken-
schranke) auf 120 — 130° C fixierten Bakterien werden mit der
Lösung des betr. Farbstoffes bedeckt, diese wird nach bestimmter
Zeit abgegossen, der Objektträger mit destilliertem Wasser abgespült,
bei gewöhnlicher Temperatur getrocknet und in Cedernöl ohne Deck-
glas untersucht. — Von solchem Objektträger kann das Immersionsöl
bei geneigtem Oberkörper des Mikroskopes nicht auf den Objekttisch
desselben fließen, wie dies manchmal bei dem einfachen Objektträger
nach Tröster der Fall ist. — Objektträger dieser oder ähnlicher
Art sind überhaupt von Vorteil beim Studium des Färbevermögens
verschiedener Bakterienarten (event. deren Sporen) oder ein und der-
selben Art, aber verschiedenen Ursprunges, verschiedener Kultur oder
Alters u. s. w., da die betr. Bakterien alle genau derselben Prozedur
unterliegen.
3) Glasplatten nach Art der Doppelschalen. Die Dop-
pelschalen nach Petri, Krönig und Schreiber sind bei aufge-
setzter Deckschale (um die Luftinfektion zu verhüten) für die mikro-
skopische Untersuchung der Kolonieen mit Z e i ß - Apochromat größter
Brennweite (16 mm) zu hoch; die Doppelschalen nach Soyka sind
zwar niedriger, aber nicht besonders handlich ; außerdem ist das Zählen
der Kolonieen und die photographische Aufnahme derselben bei den
runden Doppelschalen viel umständlicher, als bei den Platten. Um
aber die Vorteile der Platten und der Doppelschalen zu verbinden,
versieht man zwei Spiegelglasplatten von den Dimensionen 12 : 16 cm
(1 — 1,5 mm dick) auf gleiche Weise, wie die sub 2 beschriebenen
Objektträger mit Glasstreifenrahmen (auf jede Platte kommen 8 Streifen,
die 6 mm breit, 8 resp. 13,2 cm lang und 1 — 1,5 mm dick sind),
und zwar so, daß auf der einen Platte eine für die Gelatine oder
Agar-Agar verwendbare symmetrische Fläche von 8 X 12 cm =
114
J. Marek, Kleine Mitteilungen zur bakteriologischen Technik.
96 ccm entsteht. Auf der Deckplatte wird der Rahmen knapp an
den Rändern derselben gebildet. — Diese Plattendoppelschalen lassen
sich nur bei Mikroskopen mit größerem Objekttische (dessen Mitte
mindestens 6 cm vom Stativ entfernt ist) verwenden. — Wenn man
beim Ausgießen des Nährmediums das eine Ende der Deckplatte nur
so viel hebt, als es nötig ist, um bequem das Röhrchen auszuleeren,
dann ist auch eine Luftinfektion kaum zu befurchten. Solche Doppel-
schalen sind, bei einiger Vorsicht und wenn sie gut verfertigt sind,
sehr dauerhaft und man kann sie ebenso reinigen, wie die gewöhn-
lichen Doppelschalen, nur darf man dazu keine Säure verwenden.
4) Bei der Untersuchung vieler Kulturen, wie dies z. B. bei der
bakteriologischen Wasseruntersuchung der Fall ist, ist man oft im
Zweifel, ob man von dieser oder jener Kolonie schon Notiz genommen
und sie auch überimpft hat oder nicht. In solchen Fällen bediene
man sich der gewöhnlichen schwarzen Schreibtafeln aus Pappe (oder
dergleichen), die mit mehreren horizontalen und vertikalen Linien
versehen sind, die man noch zur leichteren Orientierung irgendwie
bezeichnet. Auf diese Tafel legt man die Kulturplatte und markiert
ihren Platz und ihre Lage auf der Tafel. Die relative Lage der
einzelnen untersuchten Kolonieen können, wie leicht einzusehen ist,
auch auf der Tafel markiert und event. mit entsprechenden Zeichen
versehen werden. Bei erneuerter Untersuchung derselben Kulturplatte
muß selbstverständlich die Kulturplatte wieder dieselbe Lage und
denselben Platz auf der Tafel einnehmen.
5) Feuchte Kammer für viele Platten oder Doppel-
schalen. Man nimmt dazu eine große, rechteckige, pneumatische
Wanne aus Glas und befestigt auf irgendwelche Art an den Rändern
der Oefinung derselben Watte und legt auf diese als Deckel eine Glas-
scheibe, die größer ist, als die Oefinung der Wanne. Dieser Glasdeckel
wird auf irgendwelche einfache Weise so angebracht, daß man die
Wanne bequem öffnen kann, ohne die eine Hand zum Halten der Deck-
scheibe zu verwenden. Der Boden der Wanne wird mit einer ca. 2 cm
hohen Schicht von Sublimatlösung (1 : 1000) bedeckt; in jede Ecke
der Wanne wird ein Würfel (ca. 4 cm Seitenlänge) aus irgendwelchem
vom Wasser und Sublimat nicht angreifbaren Material gesetzt. Auf
diese 4 gleichhohe Würfel kommt eine nicht knapp passende
Glasscheibe zu liegen. Auf diese legt man dann nebeneinander und
aufeinander die Kulturplatten oder Doppelschalen, zwischen die man
— um sie leichter auseinander nehmen zu können — dicke Glas-
streifen (oder dergleichen) legt. — Sorgt man dafür, daß die Doppel-
schalen in der Wanne ziemlich horizontal stehen, so kann man auch,
wenn dies die Größe der Wanne zuläßt, das Nährmedium auf diese
sich in der Wanne befindlichen Schalen ausgießen.
Sera 1 in, den 15. Dezember 1893.
Tb. Remesoff und S. Fedoroff, Zwei Fälle von Tetanus traumaticus etc. ^15
Zwei Fälle von Tetanus traumaticus behandelt und
der eine von ihnen geheilt durch das Blutserum
immun gemachter Tiere (Hunde).
Von
Th. Remesoff und S. Fedoroff
in
Moskau.
Schon im Anfänge des Jahres 1892 war der eine1) von uns mit
der Immunitätsfrage beim Tetanus traumaticus beschäftigt und im
folgenden Jahre waren wir im Besitze von einer Anzahl von Hunden
und Kaninchen, deren Blutserum, an anderen Tieren erprobt, eine
außerordentliche Immunisierungskraft zeigte. Aber nur im Oktober
und November dieses (1893) Jahres hatten wir Gelegenheit, das
Tetanusheilserum an Menschen zu erproben.
Hier möchten wir zwei Krankengeschichten, die wir der Liebens-
würdigkeit des Herrn Dr. Bete her verdanken, ausführlich mit-
teilen.
I. Michael K., 12 Jahre alt und 29,6 Kilo schwer, kam den
9. Oktober 1893 ins Krankenhaus, über Anfälle von Krämpfen, starke
Schmerzen im Rücken und Lendengegend und Unmöglichkeit, den
Mund zu öffnen, klagend. Vor zwei Wochen etwa verwundete sich
der Kranke mit einem im Boden steckenden Nagel die rechte Fuß-
sohle. Die Wunde war sehr klein und heilte bald ohne jede medi-
zinische Behandlung. Vor einer Woche verwundete sich der Kranke
zum zweiten Male denselben Fuß mit einem am Boden liegenden
Stück Glas. Auch dieses Mal war die Wunde sehr klein und heilte
sehr bald, so daß bei der Aufnahme ins Krankenhaus keine Spur
von einer Wunde am Fuße des Kranken zu bemerken war. Am
4. Oktober bemerkte die Mutter des Kranken, daß bei ihm die Augen-
spalten etwas enger waren und daß es dem Kinde schwer war, die
Augen zu öffnen.
So ging es bis zum 7. Oktober, wo der Kranke schon selbst be-
merken konnte, daß ihm das Kauen schwer wurde. Der Mund öffnete
sich nur wenig. Zuweilen traten auch krampfhafte Zusammenziehungen
der Maxillen auf.
Am 8. Oktober bekam der Kranke Schmerzen im Rücken,
Schwierigkeit bei Bewegungen des Kopfes und der Extremitäten und
Anfälle von Krämpfen. Zu alledem gesellte sich ein leichtes Fieber.
Am 9. Oktober (Tag der Aufnahme ins Krankenhaus) konnten wir fol-
gende Erscheinungen beim Kranken beobachten : Rigidität aller Gesichts-
muskeln. Die Stirn ist gerunzelt; die Augenspalten sind verengt.
Die Mundwinkel leicht nach außen und oben gerichtet. Sardonisches
Lachen. Die Masseteren sind stark gespannt. Das Oeffnen des
Mundes ist unmöglich. Die Bewegungen der Zunge erschwert. Das
1) S. Fedoroff, Chirurgische Annalen. Bd. III. 1893. p. 726,
116
Th. Remesoff und S. Fedoroff,
Kauen ist auch unmöglich, ebenso wie das Verschlucken harter
Speisen. Foetor ex ore.
Der kleine Kranke sagt selbst, daß es ihm scheint, als ob sein
ganzes Gesicht kleiner geworden ist.
Der Kopf ist stark nach hinten gezogen. Die Muskulatur des
Rückens und Nackens stark gespannt (Opistothonus). Der Kranke
klagt über Schmerzen im Rücken. Die Bauchmuskulatur weniger ge-
spannt. Rigidität der ganzen Muskulatur des Körpers und der Ex-
tremitäten. Am wenigsten stark ist die Rigidität der oberen Extremi-
täten. Leichte Reize, wie Geräusch, leichtes Berühren des Kranken
rufen starke tetanische Anfälle hervor. Es kommt vor, daß solche
tetanische Anfälle auch ohne jeden scheinbaren Grund auftreten.
Das Bewußtsein klar. Urin normal. Temperatur 38,4°. Puls
bis 112. Atmung 24. Der Kranke bekommt zwei Eßlöffel 3-proz.
Chloralhydratlösung und jede zwei Stunden einen Eßlöffel 4-proz.
Natriumbromatlösung.
Am 10. Oktober keine Besserung. Der Kranke schlief die
ganze Nacht nicht. Die Krämpfeanfälle sind sehr häufig und folgen
einer nach dem anderen. Starker Schmerz im Rücken. Großer
Durst. Der Kranke hat guten Appetit, kann aber nur Flüssigkeit
schlucken.
Um 2 Uhr 45 Minuten nachmittags bekam der Kranke 50 ccm
defibrinierten Blutes vom Hunde mit einem Heilwerte von 1:300000
unter die Haut der Bauchgegend eingespritzt. Nach der In-
jektion wurden die Krämpfeanfälle viel seltener. Der
Kranke schlief den ganzen Tag und die darauf folgen de
Nacht sehr viel.
Die Rigidität der ganzen Muskulatur blieb dieselbe.
Temperatur 37,3 — 37,5 °.
Remedia interna dieselben.
Am 11. Oktober fühlt sich der Kranke besser. Die
Krämpfeanfälle sind seltener. Rückenschmerzen kleiner. Der Kranke
kann den Mund etwas mehr öffnen. Um 1 Uhr nachmittags werden
dem Kranken 50 ccm Hundeblutserum desselben Heilwertes subkutan
eingespritzt.
Temperatur 37,6 — 37,8°.
Dieselben Remedia interna.
12. Oktober. Der Kranke schlief die Nacht ruhig. Die Krämpfe-
anfälle sind noch seltener und schwächer. Die Bewegungen des
Kopfes freier. Die Rigidität der Körpermuskulatur dieselbe.
Dritte Injektion von 50 ccm Hundeblutserum desselben Heil-
wertes.
Temperatur 37,5—37,6 °. Puls 132. Atmung 32.
Dieselben Remedia interna.
13. Oktober. Der Kranke schlief die Nacht schlecht. Die
Krämpfe sind jedoch noch schwächer. Rigidität der Körpermuskulatur
immer dieselbe.
Vierte und letzte Injektion von 50 ccm Hundeblutserum.
Temperatur 37,3—36,9°. Puls 128. Atmung 28.
Keine Remedia interna.
Zwei Fälle von Tetanus traumaticus etc.
117
14. Oktober. Der Kranke fühlt sich ganz gut ; schlief die Nacht
ruhig. Die Krämpfe noch schwächer und seltener. Die Rigidität
der Masseteren hat abgenommen. Die Bewegungen des
Unterkiefers viel freier. Der Kranke kann den Mund weiter öffnen,
kann kauen. Die Bewegungen des Kopfes ganz frei.
Temperatur 36,9 — 37,6°. Puls 128. Atmung 24.
15. Oktober. Krämpfeanfälle noch seltener. Kann harte Speisen
kauen.
Temperatur 37 — 37,7°.
16. Oktober. In der Nacht gut geschlafen. Krämpfeanfälle ganz
selten und schwach. Kann den Mund ganz leicht öffnen.
Temperatur 37,2 — 37,5°.
17. Oktober. Krämpfeanfälle sehr selten (nur vier während der
Nacht). Die Rigidität der unteren Extremitäten hat abgenommen.
Temperatur 37,2—37,6°.
18. Oktober. Der Kranke fühlt sich sehr gut. Rigidität der
Extremitäten ganz verschwunden. Rigidität der Bauchmuskulatur
noch vorhanden.
Temperatur 36,8 — 37,6 °.
19. Oktober. Idem.
20. Oktober. Der Kranke kann sitzen.
21. Oktober. Idem.
22. Oktober. Noch kleine Rigidität der Rückenmuskulatur.
23. Oktober. Der Kranke kann gehen.
24. Oktober. Der Kranke verläßt völlig gesund das Krankenhaus.
II. Die Kranke A. S., 6 Jahre 8 Monate alt, kommt den 1. Nov.
1893 ins Krankenhaus, über die Schwierigkeit, den Mund zu öffnen,
klagend. Vor vier Tagen hat die kleine Kranke leichten Husten be-
kommen, der ihr keine Beschwerden zufügte. Den 30. Oktober klagte
die Kranke ihrer Mutter über Schmerzen in der Zunge, wobei man
bemerken konnte, daß das Mädchen nicht gut genug den Mund öffnen
konnte. Beim Husten fühlte die Kranke heftige Schmerzen im Munde.
Am folgenden Tage wurden alle Krankheitserscheinungen stärker. Es
trat Trismus ein. Während der Krämpfeanfälle biß sich die Kranke
einigemal in die Zunge.
1. November. (Tag der Aufnahme ins Krankenhaus). Die Augen-
spalten sind verengt. Etwas weiter die Augen zu öffnen, ist der
Kranken unmöglich. Die Masseteren sind stark gespannt. Ebenso
gespannt ist auch die Muskulatur des Mundbodens. Die Kranke kann
fast gar nicht den Mund öffnen. Der Trismus erlaubt kaum das
Einführen eines Fingers in den Mund. Beim Husten treten starke
Anfälle von Trismus auf. Das Kauen ist durch die beständige Zu-
sammenziebung der Masseteren unmöglich gemacht. Das Schlucken
ist frei. Rigidität der beiden M. sternocleidomastoidei. Die Mus-
kulatur des Körpers und der Extremitäten ist normal. Die inneren
Organe der Brust und Bauchhöhle völlig gesund. Urin normal.
Temperatur 37,2 — 37,5°. Während der Nacht hatte die Kranke
16 Krämpfeanfälle (Trismus), die alle durch Husten hervorgerufen
wurden.
2. November. Die Kranke fühlt sich viel schlechter. Am
8
XV. Bd.
118
Th. Remesoff und S. Fedoroff,
Morgen Krämpfe der Masseteren und der Muskulatur des Nackens
und Rückens. Rigidität der Bauchmuskeln. Die Krämpfeanfälle
werden stärker und öfter.
Erste Injektion von Kaninchenblutserum von einem Heilwerte
1 : 200000 (?), 20 ccm.
Nach der Injektion werden die Krämpfe etwas stärker und öfter.
Remedia interna: 3 Löffel 3-proz. Chloralbydratlösung und jede
zwei Stunden ein Löffel 4-proz. Natribromatlösung pro die.
Temperatur 36,4—37,6°.
3. November. Keine Besserung. Die Krämpfe sind noch stärker
und öfter. Doch ist kein anderer Muskel, als die, welche früher an
Tetanus gelitten hatten, von der Krankheit ergriffen.
Zwei Injektionen von 25 und 30 ccm Hundeblutserum mit einem
Heil werte 1 : 300000.
Temperatur 37,4—37,5 °.
Dieselben Remedia interna.
4. November. Wegen öfterer Krämpfeanfälle schlief die Kranke
sehr wenig während der Nacht. Die Anfälle folgen fast ununter-
brochen, einer nach dem anderen (fast 200). Leichtes Geräusch und
Berühreu des Kranken rufen diese Krämpfeanfälle hervor.
Injektion von 50 ccm Hundeblutserum desselben Heilwertes.
Temperatur 37,1 — 37,4. Puls 152. Atmung 24.
Dieselben Remedia interna.
5. November. Die Kranke schlief die Nacht etwas besser. Die
Krämpfe schwächer und nicht so oft (nur 51).
Vierte und letzte Injektion von 25 ccm Hundeblutserum.
Temperatur 38,3—39,8 °. Puls 144.
Dieselben Remedia interna.
6. November. Rigidität des Rückens und der Bauch-
muskulatur hat abgenommen. Geringere Starre der
Muskulatur des Nackens. Die Kranke kann den Mund
öffnen. Die Krämpfe sind noch schwächer und seltener, dauern
aber etwas länger und sind von Cyanose des Gesichtes und der Ex-
tremitäten begleitet.
Die Kranke verlangt öfter zu trinken.
Dieselben Remedia interna.
Temperatur 39,2 — 38,5°. Puls bis 176.
7. November. Die Krämpfe werden wieder häufiger. Cyanose
des Gesichts und der Extremitäten.
Temperatur 38,5 — 39,0°. Puls 168. Atmung 56.
Dieselben Remedia interna.
8. November. In der Nacht sind die Krämpfe sehr stark. Starke
Cyanose des Gesichts und der Extremitäten.
Dyspnoe. Temperatur 38,4 — 39,4°.
Tod um 11 Uhr morgens.
Autopsie. Diagnosis anatomica. Hyperaemia venosa piae
cerebralis et spinalis. Pleuritis fibrinosa dextra. Pneumonia fibrinosa
dextra: Hepatisatio grisea et rubra. Pleuritis incipiens sinistra.
Pneumonia incipiens sinistra.
Es waren also mehr als genug Ursachen vorhanden, die den Tod
Zwei Fälle vou Tetanus traumaticus etc,
119
bei einem sehsjährigen Kinde herbeiführen konnten, so daß man den
Tetanus nicht unbedingt als Todesursache anzunehmen braucht.
Darum glauben wir am besten zu thun, wenn wir sagen, daß
dieser zweite Fall ebensoviel für als gegen die Tetanusserumtherapie
spricht.
Was die Aetiologie in diesem Falle betrifft, so konnten wir von
der Mutter der Kranken erfahren, daß das Mädchen sehr oft mit
Katzen spielte und kurz vor der Erkrankung von diesen einigemale
gekratzt worden war.
Wenn wir das über den ersten Fall Gesagte zusammenfassen, so
sehen wir, daß schon nach der ersten Injektion des Blutserums die
Krankheitssymptome schwächer wurden. Nach dem Anfänge der Be-
handlung wurde kein neuer Muskel, als die, welche bereits früher von
Tetanus ergriffen waren, von der Krankheit befallen. Allmählich ver-
kleinerten sich dann alle Krankheitssymptome, bis sie nach 12 Tagen
ganz verschwunden waren.
Auch im zweiten Falle konnte man am dritten Tage nach dem
Anfänge der Behandlung deutliche Besserung wahrnehmen.
Wenn wir jetzt die aus der Litteratur bekannten Fälle J) von
Tetanus mit den unsrigen vergleichend betrachten wollen, so können
wir einige analoge klinische Erscheinungen bei der Tetanusserum-
therapie beim Menschen hervorheben.
Erstens können wir alle diese in der Litteratur bekannten Fälle
von Tetanus in folgende vier Gruppen einteilen:
a) Fälle, wo die Tetanussymptome sofort nach der Injektion
schwächer werden und dann allmählich, aber konstant an
Stärke abnehmen.
b) Fälle, wo nach der Behandlung die Krankheit einige Zeit in
statu quo bleibt, bevor die Besserung eintritt.
c) Fälle, wo nach der Behandlung kein anderer Muskel als die,
welche früher vom Tetanus ergriffen waren, von der Krank-
heit befallen wird, während einige von den späteren Be-
schwerden (Trismus, Schlingbeschwerden u. s. w.) etwas zu-
nehmen können.
d) Fälle, die auch bei der Blutserumtherapie letal endigen.
Zweitens kann man noch eine ganze Reihe von Symptomen bei
der Tetanusserumtherapie beim Menschen beobachten :
1) Sehr bemerkenswert ist die entschieden kürzere Dauer der
Krankheit;
2) sehen wir fast überall Besserung des Selbstbefindens;
1) Gagliardi, Primo caso di tetano curato . . . (Riforma medica. II. 1892.)
Schwaz, Riforma medica. 1891. 15. Oktober. Pacini, Riforma medica. 1892.
No. 4. Finotti, Wiener klinische Wochenschr. I. 1892. Tizzoni, Gazetta degli
Ospitali. 1892. No. 88. Taruffi, Centralblatt f. Bakteriol. Bd. XI. 1892. p. 625.
Casali, Centralbl. f. Bakteriol. 1892/93. p. 56. Finotti, Riforma medica. II
1892. p. 866. Rotter, Behring und die Blutserumtherapie. II. 1892. p. 84. Rdnon,
Annal. de l’Inst. Pasteur. 1892. p. 233. Roux et Vaillard, Annal. de l’Inst.
Pasteur. 1893. p. 123 (7 cas.). Magagni, La Riforma med. 1893. No. 28. Finotti,
Rif. med. 1892. No. 284. R. Gattai, Centralbl. f. Bakt. Bd. XIV. 1893. No. 4 — 5.
Lesi, Centralbl. f. Bakt. 1893. p. 393, S. Fedoroff und Remesoff, 1893.
(zwei Fälle).
8*
120
Milch. — Diphtheri«.
3) sinkt die Temperatur nach den Injektionen;
4) tritt tiefer ruhiger Schlaf ein;
5) die Krampfanfälle werden schwächer und seltener;
6) die Frequenz des Pulses wird geringer.
Wenn wir jetzt zum Schlüsse unseren ersten Fall auch nicht zu
den schwersten rechnen können, müssen wir ihn doch wegen der
kurzen (4 [10 ?] Tage) Inkubationsperiode, dem schnellen Anwachsen
aller Tetanussymptome und dem Ergriffensein fast der ganzen
Körpermuskulatur zu den mäßig schweren, die noch eine ungünstige
Prognose geben, zählen und die schnelle Genesung, nach unserer
Meinung, der Behandlung mit Heilserum verdanken.
Moskau, den 5./17. Dezember 1893.
Referate.
Palleske, A., Ueber den Keimgehalt derMilch gesunder
Wöchnerinnen. (Virchow’s Archiv. Bd. 130. p. 185)
Verf. hat eine Nachprüfung der Cohn-Neumann’ sehen Unter-
suchungen über den Keimgehalt der Muttermilch an 22 gesunden
Wöchnerinnen vorgenommen und dabei 10 positive und 12 negative
Resultate der bakteriologischen Prüfungen erhalten. Er impfte 5
Tropfen der durch sanftes Streichen entleerten Milch zu verschiedener
Zeit nach dem letzten Anlegen in lauwarme flüssige Gelatine. Sein
Ergebnis ist in folgenden Worten zusammengefaßt. „In der Milch
auch völlig gesunder Frauen finden sich häufig, vielleicht in der
Hälfte aller Fälle, Mikroorganismen vor; dieselben gehören zu den
Kokken, und zwar, soweit ich meine Untersuchungen zu Grunde
legen darf, lediglich zu der Unterart des Staphylococcus pyoge-
nes albus. Ob dieselben durch den Blutstrom nach der Drüse
hingetragen werden oder von außen in dieselbe einwandern, ist zweifel-
haft. Die Entscheidung muß weiteren Versuchen anheimgestellt
werden. Sicher aber können ziemlich zahlreiche Staphylokokken in
der Milch der Brustdrüse Vorkommen, ohne daß Erscheinungen von
Mastitis oder Allgemeinerkrankungen hervortreten.“
Spener (Berlin).
Barbier, Sur une forme de septic^mie dans la diph-
th6rie et en particulier dans le croup. (Gaz. m^dicale
de Paris. 1893. 30. Sept.)
B. glaubt, daß bei der Diphtherie die Bedeutung der broncho-
pneumonischen Prozesse zu hoch angeschlagen, dagegen die Wichtig-
keit der Streptokokken-Mischinfektion unterschätzt werde. Besondere
Wichtigkeit legt er der lokalen Infektion der Tracheotomiewunde bei,
für deren größtmöglichen Schutz er eine Reibe von Vorschriften giebt.
In verschiedenen Fällen konnte B. die Streptokokken in den
Cervikal- und Peribronchialdrüsen nachweisen.
Cystitis.
121
Er glaubt, daß der Diphtheriebacillus und der Strepto-
coccus bei ihrer Symbiose gegenseitig ihre Virulenz steigern.
W. Petersen (Zürich).
ßeymond, Cystites chez les malades non sond6s. (An-
nales des malad, des Organes g6nito-urin. 1893. October.)
Reymond hat innerhalb von 4 Monaten 10 Cystitiskranke
beobachtet, welche nie sondiert worden waren und nie eine Gonorrhöe
durchgemacht hatten. Ferner berichtet R. aus einer größeren Zahl
von Fällen über 7 Cystitiskranke, die nie sondiert worden waren,
aber ein oder mehrmals Gonorrhöe gehabt hatten. Nach sorgfältiger
Desinfektion der äußeren Genitalien und Ausspülung der Harnröhre
mit 3-proz. Borsäure wurde mittelst eines sterilen Katheters der
Urin entleert. Zur Untersuchung wurde nie die Anfangsportion ver-
wendet. Der Urin wurde dann auf Bouillon, Gelatine u. s. w.
kultiviert und es ergab sich, daß in 7 Fällen das Bact. coli com-
mune als der Erreger der Cystitis zu betrachten war, während sich
in den 10 übrigen Fällen andere Mikroben, teils Kokken teils
Bacillen, vorfanden. Die Mehrzahl der von den verschiedenen Unter-
suchern gefundenen Mikroorganismen in der gesunden Urethra ist
eine außerordentlich große, könnte jedoch, wie der Verf. meint, bei
einer Zusammenfassung und passenden Einteilung in Spezies und
Arten bedeutend verringert werden. Um die von ihm aufgefundenen
Mikroorganismen mit den in der gesunden Harnröhre gefundenen
vergleichen zu können, hat sich R. an die Einteilung von Petit
und Wassermann gehalten, und er konnte zwischen seinen Mikroben
und einzelnen jener Autoren eine vollkommene Identität bis auf einen
Punkt konstatieren. Merkwürdigerweise waren alle Bakterien Rey-
mond’s für Tiere pyogen, während die identischen von Petit und
Wassermann keinerlei pathogene Eigenschaften besitzen. Der
Verf. sucht sich diese Differenz aus der Verschiedenartigkeit des
Nährbodens zu erklären, da die Cystitis-Bakterien in dem Residual-
harn eine besonders günstige Nährflüssigkeit besäßen.
Klinisch interessant ist die Feststellung Reymond’s, daß in
den Fällen von Cystitis mit Gonorrhöe in der Anamnese sich viel
häufiger die auch in der gesunden Harnröhre vorkommenden Bak-
terien fanden, während in den Fällen, in denen weder von Sondierung
noch von Gonorrhöe die Rede war, das Bacterium coli com-
mune als krankheitserregendes Agens aufzufassen ist, und daß die
Fälle, welche diesem Bakterium ihre Entstehung verdanken, unter
heftigen Beschwerden meist akut eintreten, während die anderen sich
schleichend, oft ohne jede Beschwerde entwickeln und erst die Trü-
bung des Urins die Aufmerksamkeit wachruft.
Die Frage, auf welchem Wege die Bakterien in die Blase
gelangen, um dort ihre Wirksamkeit ausüben zu können, beantwortet
sich für die auch in der gesunden Urethra vorkommenden Bakterien
von selbst. Wie weit die frühere Gonorrhöe zur Beförderung der-
selben aus der Pars anterior in die Pars posterior und die Blase
beiträgt, wie weit andere Einflüsse dabei im Spiele sind, das scheint
dem Verf. noch nicht vollkommen festgestellt. Daß die in die Blase
122
Gangränöse Stomatitis.
gelangten Bakterien in dem Residualharne einen guten Nährboden
und bei der verringerten Vitalität der Schleimhaut eines Prostati-
kers — und um solche handelt es sich ja fast ausschließlich — nur
geringe Resistenzfähigkeit finden, ist einleuchtend. Was nun den
Weg, den das Bact. coli commune nimmt, um in die Blase zu
gelangen, betrifft, so scheint hier die Urethra ausgeschlossen, da in
dieser das Bakterium nicht zu existieren vermag. Daß die Ein-
wanderung durch den Ureter von den Nieren aus geschieht, ist nicht
ausgeschlossen, aber, da bei keinem der Kranken eine Nieren-
erkrankung vorhanden war, unwahrscheinlich. Es bleibt also der
Weg vom Rectum aus mittelst der Prostata durch das Gewebe übrig,
und dieser ist nach dem Verf. auch derjenige, den das Bact. coli
commune gewöhnlich nehmen dürfte. Lasch (Breslau).
Foote, Charles J., Report of a case of gangrenous Stoma-
titis, with a bacteriological examination. (The American
journal of the med. scienc. XVI. 1893. No. 2, 256.)
Ein 7-jähriges Kind gesunder Eltern, in keiner Weise hereditär
belastet, erkrankte Mitte Oktober 1892 an einem eigentümlichen nekroti-
sierenden Prozesse der linken Wange. Vor 5 Jahren hatte es einmal an der-
selben Stelle infolge eines eingetriebenen Splitters eine 2 Monate lang
eiternde Wunde gehabt. Im Monat vor der letzten Krankheit machte
es Typhus durch. Die jetzige Erkrankung begann mit Ulceration des
Zahnfleisches, angeblich ausgehend von einem hohlen Zahne des linken
Kiefers. Der Prozeß wuchs rapide und verbreitete sich über die
Backe. Bei der Aufnahme fand sich auf ihr eine runde, nekrotische
Zone von der Größe eines Silberdollar, umgeben von einem Hofe ge-
röteten und geschwollenen Gewebes. Die Affektion soll schmerzlos
gewesen sein und sich dadurch verbreitet haben, daß das Kind mit
den Fingern in dem hohlen Zahne kratzte und dann die Wange be-
rührte; wenigstens soll danach besonders rasches Wachstum erfolgt
sein. Die Nekrose legte schließlich den Ober- und Unterkieferknochen
frei; es fielen gleichzeitig die Zähne aus und verbreitete sich foetider
Geruch. Der Urin ist eiweißfrei. Temperatur 130° F. Puls 130.
Die Nekrose verbreitete sich bis zu dem am 1. November er-
folgenden Tode bis zu dem unteren Rande des Unterkiefers und
dem Augenhöhlenrande.
Die Kenntnisse über den bakteriologischen Befund bei solchen
Nekrosen beziehen sich auf 6 Fälle: 1 von Schiramelbusch, 5
von Lingard. Schimmelbusch fand kleine Bacillen, oft paar-
weise und zu langen Fäden vereint; sie wachsen, Gelatine nicht ver-
flüssigend, bei Zimmertemperatur und färben sich nicht nach Gram.
Bei Injektion auf Kaninchen erzeugten sie einen lokalen Absceß.
Lingard’s Bacillen, 4—8 /.i lang, sind wohl mit diesen identisch.
L. konnte bei Kaninchen Schwellung, Rötung und Tod nach 10 Tagen
bewirken. Bei der Sektion fand sich das Perikard bedeckt mit einem
Ueberzuge, in dem sich die Bacillen fanden; desgleichen waren
nekrotische Partieen in der Magenwand, welche die Bacillen enthielten.
Bei dem hier beobachteten Falle zeigten Deckglasausstrich-
präparate: Staphylokokken, Streptokokken, Diplokokken und sehr
Psorospermose. — Maul- und Klauenseuche.
123
wenige lange Bacillen, oft gruppenweise, die sich am besten mit ge-
wissen Anilinfarben, aber auch nach Gram färbten. Im Blute
fanden sich keine Bacillen. In Kulturen wuchs der Staphylo-
coccus aureus, der Streptococcus pyogenes und der
Micrococcus cereus albus. Daß die beschriebenen Bacillen
nicht gefunden wurden, mag an einem Kulturfehler liegen. Tier-
experimente ergaben gleichfalls nichts spezifisches. Schnitte
durch die Nekrose derart, daß der Rand derselben getroffen wurde,
zeigten an diesem sehr reichliche Bacillen, deren Länge 2 ljs — 3 1/2 fx
betrug und die sich oft in Reihen aneinander gelagert hatten. An
diesen Stellen waren sie vielfach die einzige sichtbare Art; in der
Nekrose dagegen fanden sich meist nur Kokken und Streptokokken.
Die beschriebenen Bacillen erstrecken sich von dem Rande der Ne-
krose bis ins gesunde Gewebe ; sie färbten sich auch in den Schnitten
nach Gram, doch war Vorsicht in der Entfärbung nötig.
Diese Bakterien unterscheiden sich demgemäß von denen von
Schimmelbusch dadurch, daß sie sich durch die Gr am’ sehe
Methode färben , von denen von L i n g a r d durch ihre geringere
Größe. Vielleicht ist beides nur durch die Technik bedingt.
Zwar kann man diesen Bakterien nach der vorliegenden Unter-
suchung nicht eine aetiologiscbe Rolle sicher zusprechen, aber zu-
sammen mit den Befunden von Schimmelbusch und Lingard
gewinnt die Beobachtung an Wert. Kurt Müller (Halle).
DfHßpine and Cooper, A few facts concerning psorosper-
mosis or gregarinosis. (Brit. med. Journ. 1893. 14. Oct.
p. 834 )
Die Verff. haben an einem größeren Materiale die Psorospermose
der Kaninchen eingehend studiert. Kulturen gelangen am besten
aus coccidienhaltigem Kote in Wasser. Die Verff. fanden hierbei, daß die
Teilung nicht immer so regelmäßig erfolgt, wie gewöhnlich beschrieben,
daß vielmehr neben der gewöhnlichen Vierzahl sich nicht ganz selten
3, 5 und mehr Teilstücke finden. Bei 87 Kaninchen fanden sie die
Leber 67mal infiziert; bei 43 Kaninchen fanden sich im Darminhalte
regelmäßig die Psorospermien. Diese außerordentliche Häufigkeit bei
durchaus gesunden Kaninchen macht die Verff. gegen die bisherigen
Fütterungsresultate sowie die Annahme einer größeren pathologischen
Bedeutung des Coccidium oviforme sehr skeptisch.
W. Petersen (Zürich).
Kurth, H., Bakteriologische Untersuchungen beiMaul-
und Klauenseuche. Mit 4 Tafeln. (Arbeiten aus dem Reichs-
gesundheitsamt. Bd. VIII. 1893. Heft 3. S. 439—464.)
Nach einer Zusammenstellung der bisherigen Erklärungen der
Maul- und Klauenseuche teilt Verf. mit, daß er 1) sechs verschiedene
Seuchenherde untersuchte im Kreise Niederbarnim und hauptsächlich
seine Aufmerksamkeit auf die Euterblasen richtete; als Grund giebt
er an, daß hier die Reinigung der Umgebung sich besser als am
Maul bewerkstelligen ließ und dieser örtliche Krankheitsherd wohl
nur ausnahmsweise zugleich den Ort der ersten Ansteckung darstellt,
124
Maul- und Klauenseuche.
vielmehr ebenso wie die Klauenerkrankung als eine reine Aus-
scheidung des Krankheitsstoffes betrachtet werden darf.
Sieben Arten wurden durch Piattenaussaat des Inhaltes der
Euterblasen reingezüchtet; 6 derselben zeigten keine Gesetzmäßigkeit
im Auftreten, sie gehörten fast ausschließlich zu Streptococcus
und Micrococcus tetragenus. Dagegen fand sich der siebente
mit einer Ausnahme stets, und zwar in überwiegender Menge im In-
halte der Euterblasen und konnte in allen Fällen im Speichel bez. im
abgeriebenen Geschwürssaft der maulkranken Tiere nachgewiesen
werden.
Dieser Streptococcus unterscheidet sich auf den gebräuch-
lich festen Nährböden durchaus nicht von den häufig im gesunden
Körper und in der Leiche anzutreffeuden Streptokokken. Dagegen
finden sich bei dem Wachstum in Bouillon unter sehr regelmäßig
gewachsenen Ketten mit durchaus gleichmäßig runder Form der ein-
zelnen Zellen in jedem Röhrchen eine Zahl, deren Zellen auffällig
langgestreckt bis blasig-spindelförmig sind. Bei
erhöhtem Vorhandensein in dürftig wachsenden Kulturen hat man sie
wohl als Verkümmerungserscheinung anzusprechen.
Die Form hielt etwa die Mitte zwischen den kurzen Strepto-
kokken Behrings und den starren Kurth’s. — Bei weißen Mäusen
nicht pathogen! —
Augenfällige Veränderung tritt ein, sobald man den Nährböden
flüssiges Blutserum zusetzt und bei mindestens 30° züchtet.
Nach 24 Stunden bildet sich ein im Vergleich mit anderen
Streptokokken sehr reichlicher, locker zusammenhängender Bodensatz,
welcher vereinzelt großschollige Gebilde, daneben aber hauptsächlich
solche enthält, welche den merkwürdigen, im frischen Inhalt der
Bläschen vorkommendeD Gebilden gleichen. Es ist kein Zweifel, daß
es sich um Streptokokken handelt, welche in einer stark lichtbrechen-
den Hülle sitzen. — Die Kettennatur geht auch aus den Färbepräparaten
deutlich hervor, welche gleichzeitig die unzweifelhafte Andeutung
einer Teilung auch in der Querrichtung der Ketten erkennen läßt.
Kurth nennt diesen Mikroorganismus Streptococcus involutus.
Ein weiteres Merkmal ergiebt sich aus der Form der Kolonieen
in Agarplatten, welche nach Zusatz von flüssigem Blutserum gegossen
sind; nach 24 stündigem Wachstum bei 37° sind die Kolonieeu erheb-
lich größer als in gewöhnlichen Agarplatten und jede ist mit einem
je nach der Menge des zugesetzten Serums mehr oder minder dichten
Hofe stark lichtbrechender Körner umgeben.
Versuche mit zahlreichen anderen Streptokokken ergaben weder
die Andeutung einer Hülle, noch die Bildung eines Körnerhofes, so
daß Kurth berechtigt ist, zu behaupten: Streptococcus invo-
lutus ist ein regelmäßiger Befund auf dem Grunde der Bläschen
bei der Maul- und Klauenseuche des Rindviehes und, da er ander-
weitig sich nicht findet, zugleich ein Erkennungszeichen der Krank-
heit.
Die Ursache, daß nach 2— 3-stündiger Einwirkung 1-proz. Osmium-
säure stark dunkelbraune Färbung der Hülle eintritt, legte die Ver-
mutung nahe, daß es sich um einen Fettkörper handele.
Maul- und Klauenseuche. — Nematoden.
125
Versuche, an jungen Hammeln und Kälbern Krankheitserschei-
nungen durch Einreibung von Reinkulturen in das Maul hervorzurufen,
blieben erfolglos; Verfütterung oder Einspritzung der Reinkulturen
bei weißen Mäusen und Meerschweinchen führten zu keinem Resultat.
Bei Kaninchen rief die Einspritzung von 1 ccm der 24 Stunden
alten Reinkultur nur eine vorrübergehende Temperatursteigerung
hervor.
2) Bakteriologische Untersuchungen bei der bösartigen Seuche
in Oberbayern.
Merkwürdigerweise handelte es sich hier verschiedene Male nicht
um Streptococcus involutus, sondern tetragenus, wie
auch der Körnerhof bei den Auftreten von Streptococcus in-
volutus stets kaum halb so dicht war wie bei den norddeutschen
Kulturen.
Gelang es auch bisher nicht, mit Reinkulturen des Strepto-
coccus involutus bei Versuchstieren die Krankheit zu erzeugen,
so kann man daraus noch nicht den Schluß ziehen, daß der Strep-
tococcus nicht der Erreger der Seuche ist. Bekanntlich büßt eine
Reihe sehr giftiger und zum Teil auch als Erreger von Seuchen
anerkannter Bakterien in Reinkulturen ihre krankheitserregende Wirk-
samkeit fast sogleich oder nach einigen Weiterzüchtungen ein.
Es ist denkbar, daß die eigentliche Krankheitsursache so klein
ist, daß wir sie mit unsern Hilfsmitteln nicht zu erkennen vermögen
und der der Krankheit eigentümliche Streptococcus involutus
gerade in dem erkrankten Körper einen besonders günstigen Nähr-
boden antrifft.
Andererseits ist nicht ausgeschlossen, daß gewisse, ständig im
gesunden Körper vorkommende Arten zum Teil durch die Einflüsse
des erkrankten Körpers Veränderungen annehmen und dauernd
behalten, welche sie uns als neue Arten erscheinen lassen.
Der Streptococcus involutus bleibt in Bouillon und Blut-
serum monatelang lebend. Gegen höhere Temperaturen ist er eben-
so wenig widerstandsfähig wie die übrigen Streptokokken.
E. Roth (Halle a/S.).
Jägerskiöld, L. A. , Bidrag tili kännedomen om Nema-
toderna. (Akademisk afhandling. p. 1 — 86. M. 5 Taf.) 8°.
Stockholm 1893.
Verf. teilt seine speziellen anatomischen Untersuchungen mit,
betreffend Nematoden, welche im Darmkanale von Fischen und fisch-
fressenden Säugetieren und Vögeln leben: Ascaris osculata,
spiculigera, lobulata, decipiens, simplex, rotundata
und clavata, nebst zwei neuen Arten, Ichthyonema pelluci-
dum (aus Tetrodon stellatus) und Oxyuris flagelloides
(aus Atherura armata). Demnächst giebt er eine eingehende
Uebersicht über den Bau der Ernährungsorgane dieser Schmarotzer
— besonders der zur Speiseröhre gehörenden drüsenartigen Organe
— sowie auch der Exkretionsorgane derselben. Die von Diesing
und v. Dräsche gemachte Aussonderung einiger Arten von Ascaris
126
Lemu. — Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten etc.
als ein eigenes Genus, Peritrachelius, findet er zur Zeit nicht
hinlänglich anatomisch begründet. H. Krabbe (Kopenhagen).
Sajö, K., Das Getreidehähnchen (Lema melanopus L.)
(Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten. III. 1893 H. 3. S. 129 — 137.)
Im Aufträge des Ungarischen Ackerbauministeriums hat Verf.
im Comitate Temes ausgedehnte Versuche zur Bekämpfung des oben
genannten Käfers ausgeführt, welcher während der letzten Jahre,
vorzüglich 1891, in den fruchtbarsten Gegenden Ungarns unermeß-
lichen Schaden in der Frühlingssaat angerichtet hat. Anfänglich
wurden nur Gerste und Hafer angegriffen, im Jahre 1891 außerdem
der Weizen; auch Maispflanzen werden bisweilen befallen.
Gegen Anfang April beginnen die Weibchen der vergesellschaftet
lebenden Käfer die Eier abzulegen, nachdem sie vorher lineare Gänge
durch die Getreideblätter genagt haben. Die Eier werden perl-
schnurartig, eines nach dem andern, auf die obere Seite der Blätter
längs des Mittelnervs abgelegt. Von Anfang Mai an erscheinen die
Larven, welche sich meist auf der Unterseite der Blätter aufhalten
und diese längs der Gefäßbündel abfressen, wobei jedoch die obere
Epidermis unversehrt bleibt. Auf diese Weise bleiben die Umrisse
der Blätter in Form dünner Membranen erhalten, welche durch ihre
weiße Farbe die Infektionsherde schnell weithin kenntlich machen.
Die Ausdehnung der letzteren nimmt rapide zu.
Gegen Ende Mai oder Anfang Juni beginnt die Verpuppung der
vollwüchsigen Larven in der Erde. Wo das Uebel in Form kleinerer
Herde sporadisch auftritt, kann durch Abmähen und augenblickliches
behutsames Fortfahren der Halme der weiteren Ausbreitung ein Ziel
gesetzt werden. Größere infizierte Parzellen bespritzte Verf. der
Länge und der Breite nach mit einer Lösung von Tabaklaugen-
extrakt (2 kg in 100 L. Wasser; nicht schwächer!) und erzielte
damit ausgezeichnete Resultate. Das Mittel soll erst dann ange-
wendet werden, wenn bereits alle Larven aus den Eiern gekrochen
sind und wenn zwei bis drei trockene Tage in Aussicht stehen.
Als erfolglos erwiesen sich Kupferkalkmischung, in Wasser ver-
teiltes Schweinfurter Grün und Aufstreuen von Gyps. „Entomoktin“
(alkohol. Extrakt von Pyrethrum cinerariaefol.) ist seines hohen
Preises und der unsicheren Resultate wegen nicht zu empfehlen.
Das Stroh der mit Tabaklaugenextrakt behandelten Gerste
wurde vom Vieh gefressen, ohne irgend welche schädlichen Wirkungen
hervorzurufen. Busse (Berlin).
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 127
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
Heerwagen, Die Cholera in Riga 1892. (Zeitschrift für
Hygiene u. Infektionskrankheiten. Bd. XV. Heft 1.)
Verf. giebt eine Uebersicht über die Entstehung und Verbreitung
der 129 Erkrankungsfälle an Cholera. Was die lokalen örtlichen und
zeitlichen Verhältnisse betrifft, so wird hervorgehoben, daß die Regen-
menge keinen Einfluß auf die Erkrankungszahl hatte, ebensowenig
die Temperatur; nur das Erlöschen der Epidemie fiel mit starkem
Sinken der letzteren zusammen. Steigen und Sinken des Niveaus
des Grundwassers war auf die Epidemie belanglos. Bei ungeheuer
stark sinkendem Grundwasser bleiben die Fälle spärlich, bei steigen-
dem erreicht die Epidemie ihre Höhe, bei sinkendem kommen noch
einzelne Nachzügler und bei geringer Niveauerhebung erreicht sie
ihr Ende.
Der erste Fall muß in Bezug auf seine Entstehung unaufgeklärt
bleiben. Drei Gruppen von Erkrankungen ließen sich aufstellen,
welche alle ihren Ursprung der Infektion dem Dünawasser verdanken,
dazu kamen noch 28 einzelne Fälle ohne Zusammenhang unter-
einander, aber jeder auch durch den Genuß des Dünawassers ent-
standen. Der Rest, 34 Fälle, sind von auswärts eingeschleppt oder
dunkel in Bezug auf ihre Entstehung. Die Stadt bezieht unfiltriertes
Dünawasser; da die Entnahmestelle aber oberhalb der Stadt — wo
keine Verseuchung des Dünaflusses stattgefunden hatte — lag, so
kam es nicht zu einer ausgebreiteten Epidemie im Gegensätze zu
1831 und 1848, wo die Wasserversorgung in der Stadt selbst lag.
Mittelst des Gelatineplattenverfahrens gelang es nicht, im Wasser
Cholerakeime aufzufinden.
Eine Uebertragung auf 5 Personen fand dadurch statt, daß die
Hausinwohner sich über die Effekten einer erkrankten Mitinwohnerin
hermachten und beiseite schafften, bevor es gelang, ihrer habhaft
zu werden. O. Voges (Danzig).
Marthen, Experimentelle Untersuchungen über Anti-
sepsis bei Augenoperationen und die Bakteriologie
des Konjunktivalsackes. (Deutschmann, Beiträge zur
Augenheilkunde. 1893. Heft XII.)
M. weist zunächst die Ueberlegenheit der antiseptischen Methode
gegenüber der rein aseptischen bei Augenoperationen nach ; wenn auch
durch energische Sublimateinwirkung eine völlige Keimfreiheit der
Conjunctiva für 24 Stunden (unter dem Occlusivverbande) nur selten
und eine solche des Lidrandes nie erzielt werden konnte, so fehlte
doch die bei den Kontrollversuchen mit physiologischer Kochsalz-
lösung unter dem Verbände eintretende starke Keimvermehrung. In
exakten Versuchen wird weiterhin die keimtötende Kraft der Thränen-
flüssigkeit nachgewiesen, welche nach Aufhebung des Lidschlages nur
in sehr geringem Maße zur Geltung kommen kann; leider verbieten
128 Schutzimpfung, kiiDstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
es jedoch andere Verhältnisse, den Occlusivverband nach Operationen
fortzulassen. Eine keimtötende Kraft des tierischen Humor aqueus
fand M. im Gegensätze zu Büchner nicht. Unter den 23 im Kon-
junktivalsacke nachgewiesenen Bakterienarten fand sich der Staphy-
lococcus pyogenes aureus und albus, der Bacillus nodo-
sus parvus, die Sarcina lutea, Sarcina aurantiaca und
der Micrococcus candicans. Die übrigen Formen ließen sich
nicht identifizieren. W. Petersen (Zürich).
Franke, E., Untersuchungen über die Desinfektion des
Bindehautsackes nebst Bemerkungen zur Bakterio-
logie desselben. (Archiv für Ophthalmologie. Bd. XXXIX.
Heft 3.)
Die umfangreichen und sorgfältigen Untersuchungen von Franke
ergaben, daß, wie auch bereits von anderer Seite hervorgehoben ist,
auch eine völlig normal aussehende Conjunctiva Mikroorganismen,
sogar pathogener Natur, beherbergen kann; in dieser Hinsicht ist
besonders den Verhältnissen des Lidrandes Beachtung zu schenken.
Vor eingreifenden Operationen ist daher eine Desinfektion des Kon-
junktivalsackes vorzunehmen. Welches von den drei üblichen Mitteln,
die Verf. untersuchte, Sublimat, Aqua Chlori und Jodtrichlorid man
dabei wählt, dürfte ziemlich gleichgültig sein, denn mit Sicherheit
läßt sich eine Keimfreiheit des Bindehautsackes durch keines der-
selben erreichen. Dagegen gelingt es in ca. 24 Proz. der Fälle eine
Verringerung des Keimgehaltes anscheinend zu erreichen. Versuche
im Reagenzglase erwiesen, daß pathogene Keime, welche durch die
Wirkung des antiseptischen Mittels nicht getötet sind, eine Einbuße
an Infektionskraft nicht erleiden, also gerade so deletär wie vor der
Einwirkung des Antiseptikums zu wirken vermögen.
Mit den Tageszeiten wechselte der Keimgehalt des Auges nicht;
derselbe wuchs nicht, sondern nahm bisweilen beträchtlich ab, wenn
das Auge durch Verband geschlossen war, — ein Beweis dafür, daß
die Thränenflüssigkeit die Keime mit sich fort führt, während das
Zusammenkleben der Lider das Eindringen von außen hindert.
Unter den Mikroorganismen des Konjunktivalsackes überwiegt
die Kokkenform. Franke schildert acht Kokkenarten, die anscheinend
noch nicht beschrieben sind, darunter vier, die auf der eingeritzten
Kaninchenhornhaut pathologische Prozesse erregen und drei neue
Stäbchenarten.
Zum Schlüsse der Arbeit betont Franke gegenüber Schreiber,
der den Xerosebacillus auf ganz normaler Conjunctiva gefunden
haben will, daß er noch in keinem Falle die Xerosebacillen ohne die
schon früher von ihm beschriebene Bildung weißlichen Schlammes
zwischen den Lidern, auf die jener scheinbar gar nicht seine Auf-
merksamkeit gerichtet hat, gesehen habe.
Abel (Greifswald).
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129
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sackes, p. 127.
Neue Litteratur, p. 129.
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Die Redaktion des „ Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
kunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an
den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena , gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage , später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original > Mittheilungen.
Versuche über die Widerstandsfähigkeit der Typhus-
bacillen gegen Trocknung und über die Möglichkeit
ihrer Verschleppung durch die Luft.
Von
Prof. Dr. I. Uffelmann.
Untersuchungen über die Widerstandsfähigkeit der
Typhusbacillen gegen Trocknung, sowie experimentelle
Studien über die Möglichkeit ihrer Verschleppung und
Uebertragung durch die Luft, insbesondere durch den
Staub des Bodens, des Haus- und Straßenkehrichts
oder der Kleidung sind bislang in nur sparsamer Zahl angestellt
worden. Es muß dies Jedem auffällig erscheinen, da die Beobachtung
XV. Bd. 9
134
I. Uffelma n n ,
der Typhusepidemieen auf die Möglichkeit, selbst auf die Wahrschein-
lichkeit hinweist, daß wenigstens in einer Reihe von Krankheitsfällen
die Uebertragung des Erregers nicht durch Wasser, oder irgend
welche Nahrungsmittel, oder durch direkte Berührung mit den
Fingern, sondern durch die Lu ft stattfand. Ich erinnere nur an den
Bericht Yersi ns *) über die Epidemie von M e ir i n gen, welche
er auf die in diesem Orte vorgenommenen Ausgrabungen zurück-
führte, an die Mitteilung von Froidbise1 2), welcher die Epidemie
in der Kaserne zu Antwerpen daraus erklärte, daß Typhuserreger
von einem frisch aufgeschütteten Scheldedamm durch den Wind
transportiert seien, und an den kürzlich publizierten Aufsatz Pfuhls3)
über die Typhusepidemie zu Landsberg a. W., deren erste Fälle
nach seiner Ansicht durch den Staub der infizierten oberen Boden-
schicht entstanden waren. Auch die sehr zahlreichen Fälle von
Typhus, welche man mit der Einatmung fauliger Gase in ursäch-
lichen Zusammenhang brachte , mußten zu einer experimentellen
Untersuchung darüber auffordern, ob die Luft lebensfähige Typhus-
bacilleu in sich führen kann. Dies ist, wie schon vorhin gesagt
wurde, bislang nur von wenigen Forschern geschehen. Chantemesse
und Widal4) vermochten in der Luft keine Typhusbacillen nachzu-
weisen, dagegen kam Lassime5) zu dem Ergebnis, daß diese
Mikroben von trockenen, verstäubenden Medien lebensfähig sich in
die Luft erheben können, und Sicard6) behauptete sogar, sie in
der Ausatmungsluft von Typhuskranken fast konstant ge-
funden zu haben. Da zumal die Sicard sehen Untersuchungen
durchaus nicht einwandfrei erscheinen, so habe ich eine größere
Reihe von Versuchen angestellt, die den Zweck verfolgten, zu er-
mitteln, wie lange Zeit die Typhusbacillen der Trock-
nung widerstehen, und ob sie in lebensfähigem Zu-
stande durch Staub und mit demselben verschleppt
werden können.
Zu diesen Versuchen benutzte ich zweifellos ächte Typhusbacillen.
Sie waren in Gelatine von einer Kultur fortgezüchtet, welche aus
der Milz eines an Unterleibstyphus gestorbenen Individuums ge-
wonnen war. Mit ihnen stellte ich eine Aufschwemmung in sterili-
siertem Wasser, sowie eine Bouillonkultur her und verwandte die-
selben, aber auch dünne typhöse, sterilisierte und nicht sterilisierte
Fäces, welche mit jener Aufschwemmung vermischt worden waren,
zur Infektion 1) von Gartenerde, 2) von weißem Sand der
Ostseeküste, welcher hier als Filtersand benutzt wird, 3) von
Haus- und von Straßenkehricht, 4) von Kleidungs-
stoffen, nämlich von Leinen und Buckskin, endlich 5) von
Holz. Die Gartenerde, der weiße Sand, der Kehricht, die Klei-
1) Yersin: L’epidemie de fifevre typhoide ä Meiringen. Geneve. 1888.
2) Froidbise: Semaiue m6dicale. 1893. Nr. 29.
3) Pfuhl: Zeitschr. für Hygiene. XIV. 1.
4) Chantemesse und Widal nach Brouardels Vortrag auf dem Wiener
Kongreß für Hygiene 1889.
5) Lassime: Propagation de la fievre typhoide par l’air. Thfese. Paris 1890.
6) Sicard: Sernaine medicale 1892. Nr. 4.
Versuche über die Widerstandsfähigkeit der Typhusbacillen etc.
135
dungsstoffe waren vorher sterilisiert, das Holz jedoch nicht. Alle
diese Materialien blieben nach der Infektion in offenen Behältern,
welche in einem Zimmerschrank bei 14 — 16° R aufgestellt und da-
mit gegen Sonnenlicht geschützt waren.
Der Nachweis der Typhusbacillen hatte nach dieser
Versuchsanordnung nur da Schwierigkeit, wo nichtsterilisierte Fäces
verwandt wurden. Er geschah
1) durch die Feststellung des Aussehens der Kolonieen bei etwa
100-facher Vergrößerung;
2) durch diejenige der Gestalt und der Beweglichkeit der Bacillen ;
3) durch die Art des Wachstums in Methylviolettgelatine;
4) durch das Verhalten in 2-proz. Milchzucker-Gelatine (Nicht-
Auftreten von Gährung);
5) durch das Verhalten einer mit den betr. Bazillen geimpften
Milch (Nichtgerinnung).
Wenn man in Fällen, wo verdächtige Kolonieen gefunden wer-
den, diese fünf Proben unter Vergleich mit notorisch echten Typhus-
bacillen und Typhusbacillen-Kolonieen anwendet, darf man wohl
einen Irrtum als ausgeschlossen betrachten, wenigstens nach dem
derzeitigen Stande unseres Wissens.
An der Benutzung der Methylviole^tt-Gelatine zum
Nachweis von Typhusbacillen in Gemischen von Bakterien halte ich
noch immer fest. Nur setze ich statt der Citronensäure jetzt Kar-
bolsäure zu. Der genau neutralisierten gewöhnlichen Nährgelatine
wird zunächst auf 100 Cbcm 0,1 Cbcm reine Karbolsäure und da-
rauf 0,002 gr Methylviolett beigemischt, nachdem letzteres in 1 Cbcm
Alkohol und 2 Cbcm Aqua destillata gelöst worden war. Das
Wachstum der Typhusbacillen in dieser bläulichen Gelatine vollzieht
sich in derselben charakteristischen Weise, wie in der citronensauren
Methylviolettgelatine. (Siehe darüber meinen Aufsatz in der Berl.
Klin. Wochenschrift. 1891. Nr. 35). Zwar wachsen darin auch andere
Bakterien, insbesondere das B. coli, in ganz ähnlicher Weise. Aber
die Zahl der ähnlich wachsenden ist, wenn mau nur scharf beobachtet
und sie stets mit Kolonieen von echten Typhusbacillen vergleicht, die
am nämlichen Tage in blaue Gelatine verimpft und bei derselben
Temperatur gehalten wurden, nicht groß. Deshalb erleichtert die
Verwendung der Methylviolettgelatine den Nachweis unter allen Um-
ständen. Es versteht sich ganz von selbst und ist auch bereits vor-
hin, sowie an der eben zitierten Stelle hervorgehoben worden, daß
man sich niemals mit dieser einen Probe begnügen darf, daß man
in jedem Falle zugleich die anderen oben genannten vier Proben an-
zuwenden hat. Für die Unterscheidung der Typhusbacillus-Kolo-
nieen von denen des B. coli wird insbesondere die Verimpfung in
Milchzuckergelatine und in sterile Milch unerläßlich sein.
Wie man eingestehen kann, daß diese Methode der Anwendung
von Methylviolettgelatine — auch der früher von mir benutzten
citronensauren — eine Reihe von Bakterien aus den Bakterien-
gemischen ausschaltet, und zugleich behaupten kann, daß sie den
Nachweis der Typhusbacillen erschwert, ist zu verwundern. Aber
ich vermag schlechterdings nicht einzusehen, weshalb von einzelnen
9*
136
I. Uffelmanu,
Autoren ganz ignoriert wird, daß diese Methode unter allen Um-
ständen durch ihr negatives Ergebnis sehr wertvoll wird. Hat man
eine Methylviolettgelatine bereitet, auch festgestellt, daß in und auf ihr
Typhusbacillen gut wachsen, und findet mau, daß beispielsweise nach
Impfung dieser Gelatine mit einer Probe verdächtigen Wassers gar
keine oder doch keine den Typhuskolonieen in Methylviolettgelatine
ähnliche Kolonieen wachsen, so ist man imstande, mit voller Sicher-
heit das Vorhandensein von Typhusbacillen auszuschließen. Nach
allem diesem halte ich, wie gesagt, an der Verwendung der Probe
mit Methylviolettgelatine fest, wenn es sich um den Nachweis von
Typbusbacillen in Bakteriengemischen handelte.
1) Versuche mit Gartenerde.
Die Erde wurde der obersten Bodenschicht des Gartens beim
hygienischen Institute zu Rostock entnommen, in einer Porzellan-
schale durch Hitze von 140° sterilisiert, fein pulverisiert, darauf in
etwa 4 mm hoher Schicht mit der wässerigen Aufschwemmung der
Typhusbacillen gleichmäßig angefeuchtet und nunmehr in den Zimmer-
schrank gestellt. Nach 24 Stunden war die Erdmasse völlig luft-
trocken. Sie wurde jetzt mit sterilem Pistill noch einmal fein ver-
rieben. Aus dieser, also 1 Tag nach der Infektion entnommenen
Probe (3 Platinlöffelchen, ä 0,001 g, voll) entwickelten sich in Nähr-
gelatine sehr zahlreiche Kolonieen echter Typhusbacillen, ebenso aus
einer 3 Tage und 6 Tage nach der Infektion entnommenen gleich-
großen Probe. Aus einer am 10. Tage entnommenen Probe von
3 Löffelchen voll entwickelten sich Typhuskolonieen in mäßiger
Menge, aus einer am 16. uud 21. Tage entnommenen nur wenige.
Später konnten sie nicht mehr nachgewiesen werden.
Am 6. Tage nach der Infektion blies ich in einem separaten
Zimmer mittelst eines Kautschukballons Staub aus der Schale mit
pulverisierter, trockener Gartenerde über vier hintereinander auf
Papier aufgestellte, mit noch nicht ganz erstarrter Nährgelatine
erfüllte Glasschälchen und stellte letztere nach Bedeckung bei 23 0
hin. In ihnen allen entwickelten sich Kolonieen von Typhusbacillen
in nicht unbedeutender Menge.
An demselben Tage blies ich Staub aus der mit pulverisierter
Gartenerde erfüllten Schale über eine andere, in etwa 20 cm Entfernung
stehende, mit sterilisierter Milch erfüllte Schale und stellte sie bei
23° C hin, nachdem letztere mit einem Deckel geschlossen war.
Nach Ablauf von 2 Tagen entnahm ich 3 Proben, brachte sie in Nähr-
gelatine, rollte diese aus und sah aus allen Proben sich Kolonieen
echter Typhusbacillen in erheblicher Zahl entwickeln. Die Milch war
nicht geronnen.
2. Versuche mit weißem Sande.
Der Sand, welcher dem für das Rost ocker Wasserwerk be-
nutzten eigentlichen Filtersande (der obersten Schicht) völlig gleich-
kam, wurde, wie die Gartenerde, bei 140° sterilisiert, mit einem
sterilen Pistill verrieben, dann mit der wässerigen Aufschwemmung
von Typhusbacillen (in einer ebenfalls etwa 4 mm hohen Schicht) an-
Versuche über die Widerstandsfähigkeit der Typhusbacillen etc.
137
gefeuchtet und darauf in den Zimmerschrank gestellt. Nach
36 Stunden war die Sandmasse völlig lufttrocken und wurde jetzt
noch einmal verrieben. Es entwickelten sich aus der Probe von
3 Löffelchen voll,
1 */, Tag nach der Infektion entnommen, sehr zahlreiche Typhuskolonieen,
8 Tage
55
55 59
99
sehr zahlreiche
55
15 „
55
59 95
59
sehr zahlreiche
99
25 „
55
99 95
ziemlich zahlr.
))
31 „
55
55 55
99
ziemlich zahlr.
55
45 „
59
55 55
99
ziemlich zahlr.
59
60 „
55
59 59
>9
wenige
55
70 „
99
59 >9
99
wenige
99
82 „
»
59 59
55
ganz vereinzelte
59
später
keine
59
3. Versuche mit Haus- und Straßenkehricht.
Es wurde Kehricht aus meinem Schlafzimmer innerhalb
einer Porzellanschale in heißem Wasserdampf sterilisiert, getrocknet,
mit sterilem Pistill möglichst zerkleinert, darauf mit wässeriger Auf-
schwemmung von Typhusbacillen angefeuchtet und in den Zimmer-
schrank gestellt. Die etwa 2 mm hohe Schicht war nach 16 Stunden
lufttrocken. Ich verrieb noch einmal mit dem sterilen Pistill und
stellte die Schale wieder in den Schrank. Es entwickelten sich aus
der Probe von 3 Löffelchen voll,
1 Tag nach der Infektion entnommen, zahlreiche Typhuskolonieen,
7
Tage
55
95
59
59
zahlreiche
59
10
95
55
55
55
55
zahlreiche
59
16
55
59
95
55
9*
zahlreiche
55
22
55
99
59
55
55
mäßig zahlreiche
95
30
99
55
55
59
95
mäßig zahlreiche
55
36
55
55
55
55
55
vereinzelte
55
Ebenso wurde Straßenkehricht behandelt. Es gelang, in
ihm mit Bestimmtheit noch am 32. Tage nach der Infektion Typhus-
bacillen nachzuweisen, wenn schon in nur sparsamer Anzahl. Spätere
Versuche sind nicht angestellt worden.
4 Versuche mit Kleidungsstoffen.
Versuche mit Kleidungsstoffen anzustellen, schien mir mit Rück-
sicht auf die Praxis sehr wichtig. Es kommt ja ungemein häufig vor,
daß die Leibwäsche der Typhuskranken mit den Entleerungen der-
selben besudelt wird; und vielfach legt man solche Wäsche ohne vor-
herige Desinfektion weg. Es besteht dann die Möglichkeit, daß nach
Trocknung der Verunreinigungen durch Hantierung mit der Wäsche
Staub aufwirbelt und Typhusbacillen in die Luft gelangen, von dem-
jenigen aber, welcher mit der Wäsche zu thun hat, direkt eingeatmet
werden. Auch kommt es vor, daß andere Kleidungsstücke, insbesondere
Beinkleider, in den ersten Tagen der Krankheit, wenn der Patient
noch nicht bettlägerig ist, oder von Individuen mit ambulantem
Typhus durch eben entleerte Faecalmassen besudelt werden. Die
in diesen befindlichen Krankheitserreger können, wenn sie nach der
Trocknung am Leben bleiben, beim Reinigen der Stoffe, insbe-
sondere beim Ausklopfen und Bürsten, in die Luft ge-
138
I. Uffelmann
langen. Vielleicht sind viele der Krankheitsfälle in der von Gel au
beschriebenen Typhusepidemie, welche das 2. hannoversche Artillerie-
Regiment befallen hatte und welche erst nach gründlicher Des-
infektion der Uniformstücke aufhörte, durch Einatmen des Staubes
beim Reinigen derselben entstanden. (Deutsche militärärztliche Zeit-
schrift. Jahrgang 1887. Heft 6.)
Meine Versuche stellte ich in folgender Weise an :
Es wurden mehrere Stücke Leinwand und Buckskin von je
etwa 16 qcm Fläche in heißem Dampfe sterilisiert, darauf getrocknet,
nunmehr mit sterilisierten, typhösen Faeces, denen die Typhusbacillen-
Aufschwemmung im Verhältnis von 1 : 3 Faeces zugesetzt worden
war, auf beiden Flächen bestrichen und dann in den Zimmerschrank
gelegt. Als nach einigen Stunden die Flächen völlig trocken er-
schienen, bestrich ich sie noch einmal mit derselben Masse und legte
sie dann wieder in den Schrank. Aus der Leinwand und dem Bucks-
kin wurden nun an den nachfolgend bezeichneten Tagen mit einem
sterilisierten Locheisen Stückchen von 3 mm Durchmesser heraus-
geschnitten, auf steriler Glimmerplatte fein zerfasert, in Nähr-
gelatine gebracht, in dieser möglichst gut verteilt und die Gelatine
ausgerollt. Es entwickelten sich aus der
1 Tag nach der Infektion entnommenen Leinwandprobe zahlreiche Typhuskolonieen,
4 Tage „ „ „ „ „ zahlreiche „
8 „ „ „ „ „ „ zahlreiche „
20 „ ,, ,, ,, „ „ ziemlich zahlreiche „
30 ,, „ ,, ,, ,, „ ziemlich zahlreiche ,,
60 „ „ „ „ „ „ vereinzelte „
90 „ „ „ „ „ „ keine
1 Tag nach der Infektion entnommenen Buckskinprobe sehr zahlreiche Typhuskolonieen,
10 Tage
5»
zahlreiche
20
15
r>
zahlreiche
30
>1
»
zahlreiche
>>
60
wenige
70
>>
wenige
>>
80
>>
>>
wenige
100
V
>>
>>
»
keine
»
Es wurden ferner ebenso große Stücke Leinwand und Buckskin
mit nicht sterilisierten typhösen Faeces, denen eine
wässerige Typhusbacillenaufschwemmung im Verhältnis von 1 : 3
Faeces zugesetzt worden war, auf beiden Flächen zweimal hinter-
einander bestrichen, in den Schrank gelegt und nach erfolgter Trock-
nung mit dem Locheisen 3 mm im Durchmesser große runde Stück-
chen herausgeschnitten, diese zerfasert, in Methylviolettgelatine
gebracht, in ihr möglichst gut verteilt und die Gelatine ausgerollt.
Kolonieen von Typhusbacillen vermochte ich in den Leinwandproben
bis zum 72. Tage, in den Buckskinproben bis zum 85. Tage nach-
zuweisen.
Ich habe auch ein Stück sterilisierten Buckskins auf beiden
Flächen mit dünnen, typhösen, sterilisierten Faeces bestrichen, denen
eine Bouillonkultur von Typhusbacillen zugesetzt wurde, dann trocknen
lassen und nunmehr an einer Reihe von Tagen mit sterilen Fingern
so gerieben, daß der niederfallende Staub in ein mit nicht erstarrter
Versuche über die Widerstandsfähigkeit der Typhusbacillen etc.
139
Gelatine gefülltes Schälchen fiel. Letzteres wurde bedeckt und bei
23° C hingestellt. Noch am 16., 19. und 40. Tage nach der In-
fektion des Zeuges enthielt dasselbe lebensfähige Typhusbacillen.
Denn es entwickelten sich aus dem Staube in den Schalenkulturen
ziemlich zahlreiche Kolonieen, von denen die meisten sich durch die
oben bezeichneten Proben als solche von echten Typhusbacillen er-
wiesen.
Ebenso wurde ein Stück Leinen auf beiden Flächen mit sterili-
sierten typhösen Faeces, denen eine Bouillonkultur von Typhusbacillen
zugesetzt war, bestrichen, im Schranke getrocknet und an einer Reihe
von Tagen mit sterilen Fingern über einem Schälchen gerieben,
welches nicht erstarrte Gelatine erhielt. Auch hier vermochte ich
mit Bestimmtheit .festzustellen, daß in dem durch Reibung des Stoffes
entstandenen Staube noch am 16., 19. und 40. Tage nach der In-
fektion lebensfähige Typhusbacillen vorhanden waren. Spätere Ver-
suche sind nicht angestellt worden.
Endlich habe ich ein 100 qcm großes Stück gröberen Buckskins
an beiden Flächen mit sterilen typhösen Faeces bestrichen, denen die
wässerige Aufschwemmung von Typhusbacillen zugesetzt war, und
dann im Schranke getrocknet. Ara 16. Tage nach der Infektion
brachte ich das Stück Buckskin in einem separierten Zimmer auf
einen Bogen weißen Papieres, fixierte es mit einer Pincette und
und klopfte es stark mit einem eisernen sterilisierten Stabe. Der
auf dem Papiere sichtbar werdende Staub wurde mit angefeuchteter
Platinöse möglichst vollständig aufgenommen und in Nährgelatine
verteilt, diese aber ausgerollt. Es entwickelten sich zahlreiche
Kolonieen, welche zu etwa zwei Dritteilen als solche von Typhus-
bacillen sich erwiesen.
5. Versuche mit Holz.
Nach Abschluß der Versuche mit den bisher genannten Ma-
terialien habe ich noch solche mit Holz angestellt. Es erschien
nicht ohne Interesse, zu ermitteln, wie lange die in Faekalmasse ver-
teilten Typhusbacillen sich lebend erhalten, wenn jene in dünner
Schiebt, etwa wie nach Besudelung mit dünnen Typhusfaeces, auf der
Oberfläche von Holz antrocknet. Durch Abreiben solcher trocknen
Massen mit dem Schuhwerk, mit dem Kehrbesen u. s. w. können ja
die Erreger in die Luft gelangen.
Ich bestrich ein gehobeltes Tannenholzbrett an einer seiner
Flächen mit sterilisierten typhösen Faeces, denen auf 3 Teile 1 Teil
der wässerigen Aufschwemmung von Typhusbacillen zugesetzt worden
war, und legte es zum Trocknen in den Schrank. Der Aufstrich war
nach noch nicht einer halben Stunde völlig lufttrocken. Einen Tag
darauf kratzte ich mit der Spitze eines sterilisierten Messers etwas
von dem Aufstrich ab, brachte ihn in Nährgelatine, verteilte ihn und
rollte aus. Es entwickelten sich recht zahlreiche Kolonieen von
Typhusbacillen. Auch noch am 10., am 15., am 21., am 32. Tage
nach der Infektion entwickelten sich aus dem Abgekratzten Typhus-
kolonieen, wenn schon in allmählich abnehmender Zahl.
140 1- Uffelmann, Versuche über die Widerstandsfähigkeit der Typhusbacillen etc.
Also hielten sich die Typhusbacillen trotz Trocknung lebensfähig
1) in Gartenerde mit Bestimmtheit 21 Tage,
2) in weißem Filtersand mit Bestimmtheit 82 Tage,
3) in Kehricht mehr als 30 Tage,
4) auf Leinewand mit Bestimmtheit 60, resp. 72 Tage,
5) auf Buckskin „ „ 80, „ 85 „
6) auf Holz „ „ 32 Tage.
Dabei muß bemerkt werden, daß die Unter-
suchungen des Kehrichts und des Holzes nicht bis
zum völligen Verschwinden der Typhusbacillen fort-
gesetzt sind.
Selbstverständlich schließen die obigen Ergebnisse es keineswegs
aus, daß diese Bacillen unter anderen Verhältnissen, z. B. in dickerer
Schicht oder in etwas feuchterer Luft der Trocknung ausgesetzt,
noch länger am Leben bleiben, als von mir gefunden wurde.
Worauf es beruht, daß in der fein pulverisierten Gartenerde die
Typhusbacillen um so viel rascher zu Grunde gingen, als in dem
Filtersande, kann ich nicht sagen und verzichte auch darauf, einen
Versuch der Erklärung zu machen. Ebenso weiß ich nicht, ob die
etwas längere Persistenz auf Buckskin gegenüber der Leinwand mehr
als zufällig ist.
Unter allen Umständen lehren die eben beschriebenen Experi-
mente, daß die Typhusbacillen einer stetigen, nicht
durch Anfeuchtungen unterbrochenen Trockn ung.bei
Abschluß des Sonnenlichts verhältnismäßig lange,
insbesondere um Vieles länger widerstehen, als die
Cholerabacillen.
Sie lehren aber auch, daß lebensfähige Typhus;bac5illen
mit dem Staube des Bodens, des Haus- und Straßen-
kehrichts, der Kleidungsstoffe, der Verunreinigungen
des Fußbodens in die Luft sich erheben und dabei
Lebensmittel, wie Milch, infizieren können. Deshalb
muß die Möglichkeit einer Verschleppung und Ueber-
tragung der bezeichneten Krankheitserreger idurch
die Luft bedingungslos zugegeben werden. Fraglich
bleibt nur, ob sie, wenn eingeatraet, von den Respirationsorganen
aus, was nicht sehr wahrscheinlich, oder durch Verschlucken des
Mund- und Rachenschleimes, in welchen sie beim Atmen gelangten,
krankmachend wirken.
Rostock, 5. Januar 1894.
Jakob Bernheim, Ueber Invasion von Hautkokken bei Ekzem. 141
Ueber Invasion von Hautkokken bei Ekzem.
[Aus dem Züricher Kinderspital.]
Von
Dr. Jakob Bernheim.
(Hierzu 1 Tafel)
Das Ekzem wird in den Lehrbüchern allgemein als eine unge-
fährliche Erkrankung beschrieben. Kaposi1) hebt geradezu hervor,
daß die Prognose dieser Krankheit insofern günstig sei, als durch
sie niemals Gefahr für das Leben drohe. Im Widerspruche zu
dieser Lehre stehen eine Anzahl Beobachtungen, welche Professor
Oscar Wyß seit einer langen Reihe von Jahren bei an Ekzem leiden-
den Kindern gemacht hat. Es handelte sich in den betreffenden
Fällen immer um Säuglinge, bei welchen im Verlauf eines aus-
gebreiteten Ekzems entweder plötzlich der Tod eintrat , ohne daß
irgend ein schweres Symptom einen so unglücklichen Ausgang vor-
hersehen ließ , oder aber nachdem kurze Zeit schwere centrale
Symptome vorausgegangen waren. Ebenso auffallend wie der plötz-
liche Exitus waren die stets geringfügigen pathologischen Befunde
bei der Sektion. Da während meiner Assistentenzeit wiederum ein
solcher „Ekzemtod“ bei einem Säugling eintrat, machte ich mich
auf Veranlassung des Herrn Prof. Dr. Wyß an die mikroskopische
und bakteriologische Untersuchung der Organe. Ueber die übrigen
Fälle soll in einer Dissertation von anderer Seite berichtet werden.
Ara 24. Februar 1893 wurde in das Züricher Kinderspital der vier
Monate alte Knabe Ernst Derrer wegen ausgedehnten Ekzemes
aufgenommen. Der sofort festgestellte Status praesens konstatiert
ein hochgradiges, nässendes und crustöses Ekzem der behaarten
Kopfhaut, des Gesichtes und der Brust, in geringerem Grade auch
an den obern Extremitäten. An beiden Händen finden sich große
Pusteln. Die Nackendrüsen sind beiderseits hart und geschwollen.
Im Harn schwache, aber deutliche Eiweißreaktion ; außer Vergrößerung
der Milz ist an den innern Organen nichts Abnormes zu finden. —
Therapeutisch wurde vor der Hand nicht eingeschritten. Anam-
nestisch ist bemerkenswert, daß das Kind seit Dezember 1891
an Ekzem leidet, welches sich trotz Behandlung mit Krüschbädern, Zink-
salbe und Carboiglycerinseife nicht besserte. Seit der Geburt huste
Patient etwas; abends soll er öfters leicht fiebern. Im übrigen sei
das Kind immer munter gewesen und habe stets guten Appetit ge-
habt. Auch im Spital trank der Knabe die ihm gebotene Milch
gerne, zeigte in seinem Verhalten überhaupt nichts Auffälliges. Die
Temperaturmessung ergab nur 36,8° (?). — Um so größer war der
Schrecken der Wärterin, wie sie in der Nacht nach der Aufnahme
das Kind tot im Bette findet. — Eine Erklärung für den plötzlichen
Todesfall ließ sich nicht geben; auch die Sektion, welche etwa 6
1) Kaposi, Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten. Wien und Leipzig 1887.
142
Jakob Bernheim,
Stunden post mortem von Herrn Prof. W y ß ausgeführt wurde , er-
gab zunächst keinen hinreichenden Aufschluß.
Sektionsprotokoll.
Starke und sehr hochgradige Totenflecke auf dem Rücken und den
abhängenden Teilen der Gliedmaßen; hochgradige Blässe der übrigen
Teile, fehlende Starre. Die ekzematösen Stellen erscheinen blaß, nur
am behaarten Kopf, da, wo die Krusten fehlen, starke Füllung der Ge-
fäße. Am Halse zeigt die Haut flache, von rechts nach links verlaufende,
streifenförmige Epidermislücken.
Die Gehirnoberfläche ist ziemlich blutreich. Die Substanz der
Centralorgane an der Basis ist derb und fest, im übrigen ist das Gehirn
blutreich, aber ohne sonstige, makroskopische Veränderung. An den
Hirnhäuten ebenfalls nichts Besonderes. Muskulatur an Brust und
Bauch sehr schlaff, mit einem Stich ins Gelbliche. Lymphdrüsen am
Halse rechts geschwellt, namentlich in der Unterkiefergegend und über
dem Schlüsselbein. Unter der Pleura beider Lungen zahlreiche, punkt-
förmige Ekchymosen. Die Pleurahöhlen leer. Im Herzbeutel 2 — 3
ccm Serum; auch unter dem Epikard finden sich einzelne, kleine Ekchy-
mosen. Im rechten Herzen ziemlich reichliche Gasblasen. Das rechte
Herz nicht ausgedehnt, schlaff, enthält wenig schaumiges, flüssiges Blut;
auch der linke Ventrikel ist schlaff. Im rechten Vorhof ein kleines
Blutgerinnsel. Das linke Herz ist leer, nur wenig dunkles Blut und gar
keine Gerinnsel enthaltend, im linken Vorhof ein kleines Gerinnsel. Die
Muskulatur des linken Herzens ist blaß mit deutlichem Stich ins Gelb-
liche und trüber, mattglänzender Schnittfläche ; noch blasser und mehr
ins Gelbliche spielend ist die Muskulatur des rechten Herzens.
Die Mandeln sind unverändert, die linke enthält mehrere weiße
punktförmige Pfropfe. Speiseröhre im oberen Teile bläulich, sonst un-
verändert. Untere Kehldeckelfläche und Schleimhaut über den Stimm-
bändern blutreich, kleine, weiße, punktförmige Prominenzen zeigend.
Namentlich der unterste Teil der Luftröhre und die Anfänge der
großen Verzweigungen sehr blutreich, mit reichlichem, ziemlich dünn-
flüssigem Schleim belegt ; in sämtlichen Bronchien reichlich solcher
Schleim. Beide Lungen blutreich, überall lufthaltig, überall ausge-
breitetes, sehr starkes Oedem. Die Drüsen an der Teilungsstelle der
Luftröhre sind etwas geschwellt, zeigen an der Oberfläche weiße, durch-
schimmernde Follikel. Leber außerordentlich blaß, der linke Lappen
vollständig anämisch, der rechte zeigt nach außen und hinten in geringer
Zahl kleine, punktförmige Ekchymosen unter der Gl is so n’ sehen Kapsel.
Auch die Schnittfläche der Leber zeigt sehr bedeutende Blässe, sehr
stark verwischte Läppchenzeichnung, an zahlreichen Stellen gelbe, über
1 qcm große Verfärbungen.
Galle flüssig, sparsam. Die Thymus ist noch sehr groß und dick,
auf der Schnittfläche von normaler Beschaffenheit. Milz ist sehr um-
fangreich; Länge: 8 cm; Breite: 4 cm; Dicke: 1 1/2 cm. Oberfläche
glatt, gespannt. Gewebe der Milz blaß, sehr weich, zeigt zahlreiche,
ungleich große Follikel, welche auf Druck eine weiße, eiterähnliche
Flüssigkeit entleeren. Magen von normaler Größe, enthält reichlichen,
mindestens 50 ccm, sauer reagierenden Inhalt. Schleimhaut blaß, schlaff,
Ueber Invasion von Hautkokken bei Ekzem.
143
makroskopisch ohne jede Veränderung. Die M e s e n t er i a 1 d r ü s e n
auffallend stark weiß, nicht geschwellt, schlaff, enthalten anscheinend
viel Chylus. Zwölffingerdarm normal, blaß; aus der Papille entleert sich
gallig gefärbter Schleim. Schleimhaut des Jejunum und des Ile um
sehr blaß, sonst nicht verändert, nur selten gallige Beimengung. Nach
oben, weniger nach unten Schwellung der Pey er 'sehen Platten, sowie
der solitären Follikel. In den untersten zwei Dezimetern des Dünndarms
sehr starke Schwellung der solitären und zusammengruppierten Follikel;
noch viel stärker ist die Schwellung der isolierten Follikel im Dick-
darm, sowohl im Blinddarm, als auch weiter nach unten, namentlich
im Colon transversum und desceudens. Wurmfortsatz 8 cm lang, auch
hier sehr starke Schwellung der Follikel vorhanden. Würmer fehlen.
Bechte Niere 6,8 cm lang, 2,5 cm breit, 1,4 cm dick. Keine Lappung
an der Oberfläche. Nach unten ist eine Partie an der Oberfläche stark
mit Blut überfüllt und zeigt auf der Schnittfläche sehr starke Füllung
der Gefäße zwischen den Markstrahlen. Linke Niere 6,5 cm lang,
2,5 cm breit, 1,7 cm dick. Nierenbecken beiderseits normal. Rinden-
substanz ziemlich blaß. Die Blase ist leer, nur 2 — 3 ccm trüben,
blassen Urins enthaltend.
Diagnose: Akute Enteritis im Dünndarm und Dickdarm.
Milzschwellung. Parenchymatöse Leberveränderung.
Lungenödem.
Bakteriologische Untersuchung1).
1) Der Perikardialflüssigkeit.
Nach Eröffnung der Brusthöhle wird mit einer Pincette das
Perikard gefaßt, in die Höhe gezogen und hierauf mit ausgeglühter
Schere ein Einschnitt in die erhobene Falte gemacht. Mit der Pla-
tinöse wird sodann mit sorgfältiger Vermeidung der Schnittränder
aus dem am Grunde des Herzbeutels befindlichen Serum ein Tropfen
auf einer schiefen Agarfläche verstrichen.
2) Der Hirnventrikelflüssigkeit.
Nachdem das Hirn aus der Schädelhöhle genommen, wird mit
einem ausgeglühten Messer die Hirnsubstanz bis zur oberen Wand
des einen Seitenventrikels durchgeschnitten und hierauf aus dem am
Bodeu des Ventrikels angesammelten Liquor cerebro-spinalis eine
Oese voll auf Agar verstrichen. Auf dieselbe Weise wird auch aus
dem N. Ventrikel eine Oese voll Liquor entnommen und auf Agar
verimpft.
3) Des Blutes.
Nachdem die Herzspitze mit einem glühenden Platindraht ver-
schorft, wird mit ausgeglühtem Messer das Herz an dieser Stelle er-
öffnet. Sodann wird ein Tropfen Blut mit der Platinöse aus dem
Herzen entnommen und auf Agar gestrichen.
4) Des Leber - und Milzsaftes.
Verschorfung der Oberfläche und Einschnitt mit ausgeglühtem
Messer. Verimpfung auf schiefen Agar.
Es werden mit jeder der untersuchten Flüssigkeiten jeweilen
1) Dieselbe wurde im Hygienischen Institute der Universität Zürich ausgeführt.
144
Jakob Bernheim,
zwei Agarröhren beschickt. Sämtliche Röhrchen bleiben 24 Stunden
im Brütschrank bei 37 0 C. In den mit Liquor cerebro-spinalis und
Perikardialflüssigkeit geimpften Agarröhrchen schießen sehr zahlreiche
Kolonieen auf. Die mit Leberblut geimpften zeigen mäßiges Wachs-
tum, diejenigen mit Herzblut je nur eine Kolonie, die mit Milzsaft
bestrichenen Röhrchen bleiben steril.
Aus den gezüchteten Kulturen ließen sich drei Bakterienarten
isolieren: ein weißerund ein citronengelber Staphylococcus und
ein Diplococcus. Sämtliche drei Arten fanden sich in der Peri-
kardial- und Hirnventrikelflüssigkeit; im Herzblut der weiße, in der
Leber der weiße und der gelbe Staphylococcus.
A. Der weiße Coccus kennzeichnete sich durch sein Wachs-
tum auf Gelatine, Agar, Bouillon und Kartoffel, sowie durch seine
morphologischen Eigenschaften und sein Verhalten zu Anilinfarben als
Staphylococcus pyogenes albus. Seine Pathogenität wurde
an Mäusen und Kaninchenhornhäuten geprüft. Zwei mit je 1/2 ccbm
trüber Bouillonaufschwemmung einer 4 Tage und einer 8 Tage alten
Agarstrichkultur geimpfte weiße Mäuse blieben am Leben und zeigten
keine krankhaften Erscheinungen. Dagegen entstand an zwei Kanin-
chenhornhäuten, in welche je eine kleine Menge einer 7 Tage alten
Agarstrichkultur gebracht wurde, eine schwere Keratitis mit Ausgang
in Ulcus corneae und Hypopyon.
B. Der citronengelbe Coccus.
Wachstum im Gelatinestich.
Nach 24 Stunden finden sich feine grauweiße Punkte längs
des ganzen Impfstiches. Vom zweiten Tage an beginnt sich die
Gelatine von der Oberfläche her trichterförmig zu verflüssigen. Die
Verflüssigung schreitet rascher in die Tiefe, als in die Breite
fort. Die verflüssigte Gelatine ist dicht wolkig getrübt, am Boden
des Trichters gelbweißer Satz. Nach 5 — 6 Tagen nimmt der Ver-
flüssigungstrichter die ganze Länge des Impfstiches ein. Nach
10 Tagen ist die Gelatine in 4/5 ihrer Länge durch die ganze Breite
des Reagenzglases verflüssigt. Auf der Oberfläche schwimmt eine
dünne, gelbe Haut.
Wachstum auf der Gelatineplatte.
Nach 24 Stunden zeigen sich feine weiße Pünktchen, die unter
dem Mikroskope sich darstellen als gelbe, granulierte, scharf kreis-
förmig begrenzte Scheiben mit etwas dunklerem Centrum. In den
nächsten Tagen wird die Gelatine flach trichterförmig verflüssigt, am
Boden des Trichters liegt als gelber Punkt die Kolonie.
Wachstum auf Agar (Strichkultur).
Am zweiten Tage findet sich längs des Impfstriches ein opak-
graues, feucht glänzendes Band, welches den Impfstrich 1 — 2 mm
überschreitet. Nach einigen Tagen sind die medianen Partieeu gelb
gefärbt, die periphere Zone bleibt grau.
Die Bouillon ist nach 24 Stunden dicht grauweiß getrübt.
Am Boden des Reagenzglases weißer Satz, der später gelbliche Farbe
annimmt.
Auf der Kartoffel entsteht eine schmutziggelbe, dünne, glän-
Ueber Invasion von Hautkokken bei Ekzem.
145
zende Auflagerung, die nach und nach saftiger und citronengelb
wird.
Pathogenität. Der Coccus ist für Mäuse nicht pathogen.
Auf 2 Kaninchenhornhäuten verursacht eine 5 Tage alte Agarstrich-
kultur eine Pustel ohne Hypopyon.
Größe: 0,7— 0,9 /x.
Die meist in Haufen gelagerten Kokken färben sich nach Gram
und mit Fuchsin.
Diagnose: Sta phylococcus pyogenes citreus (?).
C. Der Diplococcus entspricht dem von Unna und Tom-
masoli1) beschriebenen Diplococcus albicans tardus.
Wachstum im Gelatinestich.
Nach 2 Tagen zeigen sich längs des ganzen Impfstiches feine
grauweiße Punkte. Vom 5. — 6. Tage an bemerkt man an der Ober-
fläche eine punktförmige Auflagerung, die nach weiteren 2 — 3 Tagen
etwa 2 mm im Durchmesser mißt, sehr dünn ist und leicht gezackten
Rand und glänzende Oberfläche zeigt. Der Rasen vergrößert sich
in der Folge nur noch wenig, die Gelatine wird nicht verflüssigt.
Wachstum auf der Gelatineplatte.
Nach 2 — 3 Tagen bemerkt man feinste graue Pünktchen in der
Gelatine, welche in den nächsten Tagen etwas größer werden, wobei
diejenigen an der Oberfläche graue, glänzende Tröpfchen darstellen;
diejenigen in der Tiefe erscheinen als graugelbe Punkte. Unter dem
Mikroskope bilden die kleinsten Kolonieen grünliche, runde Scheiben ;
die größeren sind granuliert, scharfrandig, dunkelgelb, in der Peri-
pherie etwas heller, als im Centrum. Die Kolonieen an der Ober-
fläche sind grau und zeigen erhabenes Centrum.
Wachstum auf Agar (Strichkultur).
Nach 24 Stunden findet man längs des Impfstriches eine durch-
scheinende, grauweiße, glänzende Auflagerung, welche den Impfstrich
nur um 1/2 mm überschreitet. Nach einigen Tagen sind die medianen
Partieen weißgrau gefärbt und etwas prominenter, als die peripheren,
welche durchscheinend , opakgrau bleiben. Die Ränder der Auf-
lagerung sind gekerbt.
Die Bouillon ist nach 24 Stunden stark getrübt und zeigt am
Boden des Reagenzglases grauweißen Satz.
Auf der Kartoffel entsteht eine dünne graue, feuchtglänzende
Auflagerung.
Pathogenität. Eine mit x/2 ccm Bouillonaufschwemmung
einer 9 Tage alten Agarstrichkultur infizierte Maus stirbt 1 J/2 Tage
nach der Infektion. Eine zweite Maus, mit derselben Menge einer
10 Tage alten Kultur geimpft, stirbt nach 2 Tagen. Beide Tiere
zeigen im Leber- und Herzblute nicht zahlreiche (5 — 7 auf 1 Oese)
Kolonieen des Diplococcus.
Die Größe der Kokken schwankt von 0,7 — 0,9 /x. Sie sind
meist als Diplokokken, häufig in kurzen Ketten gelagert und färben
sich mit Fuchsin und nach der Gram’schen Methode.
Die mikroskopische Untersuchung der Organe erfolgte
1) Eisenberg, Bakteriologische Diagnostik. Hamburg n. Leipzig (Voß) 1891.
146
Jakob Bernheim,
nach Fixierung in 4-proz. Sublimatlösung, Härtung in absolutem
Alkohol, Einbettung in Celloidin. Die Schnitte wurden teils mit
Hämatoxylin und Eosin, teils mit Eosin und Loef fler’schem
Methylenblau gefärbt. Bei letzterer Methode wurde mit Essigsäure-
wasser (1 — 2 Tropfen Essigsäure auf etwa 10 ccm destilliertes Wasser)
entfärbt.
In einer Anzahl von Schnitten der Lunge fällt die starke
Füllung der Kapillaren auf. In denselben findet man verhältnismäßig
häufig eosinophile Leukocyten. Um einzelne der kleineren Arterien
sind Anhäufungen von Rundzellen zu treffen. Trotzdem bei der
Sektion die Lungen überall lufthaltig erschienen, zeigen sich in
den erwähnten Präparaten deutliche pneumonische Herde. Die
Alveolen sind mit zelligem und fibrinösem Inhalte zum größten Teile
erfüllt. Die Zellen sind meist abgestoßene Alveolarepithelien, teils
mit homogenem, teils mit körnigem Plasma. Die Kerne lassen sich
nicht in allen diesen Zellen mehr färben. Rundzellen sind nur
wenige in den Alveolen vorhanden, noch seltener trifft man rote
Blutkörperchen an. Durch die Färbung mit Eosin und Methylenblau
lassen sich sowohl in den Alveolen, wie auch im interstitiellen Binde-
gewebe Diplokokken nach weisen, die bald in kurzen Ketten, bald
in Haufen angeordnet sind. Daneben finden sich noch größere,
schwächer färbbare Diplokokken, die häufig Degenerationsformen
zeigen. Beide Arten von Diplokokken besitzen keine sichtbare
Kapsel. In den Blutgefäßen sind nirgends Bakterien zu finden.
In der Milz sind nirgends Kokken zu finden, entsprechend dem
bakteriologischen Befunde.
Die Leberzellen zeigen stellenweise trübe Schwellung und
fettige Degeneration. Mikroorganismen ließen sich auf einer größeren
Anzahl von Schnitten nicht finden.
In der Niere fällt an einzelnen Stellen starke Hyperämie der
Gefäße zwischen Mark und Rinde auf, sowie der von ihnen ab-
zweigenden Arteriae und Venae interlobulares mit dem um die
gewundenen Harnkanälchen gelegenen Kapillarnetze. Die Gefäße der
entsprechenden Glomeruli sind im Gegensätze hierzu nur selten stark
mit Blut gefüllt. Die Harnkanälchenepithelien der hyperämischen
Partieen sind zum Teil trüb geschwellt mit nur schwach sich färben-
dem Kerne, teils nekrotisch. In einzelnen der Glomeruli liegen
zwischen Gefäßschlingen und Kapselwand geringe Mengen eines
körnigen, mit Eosin sich färbenden Exsudates. Endlich fallen nament-
lich in den mit Hämatoxylin, weniger in den mit Methylenblau
gefärbten Schnitten sich teils sehr intensiv, teils weniger stark
färbende, runde und ovale Körner auf, welche verschiedene Größe
zeigen (etwa 0,5 — 1,0 /<) und welche sicher keine Kokken sind. Sie
liegen am häufigsten in den Kapillaren der gewundenen Harnkanäl-
chen, seltener in den Glomerulusschlingen, ganz vereinzelt in den
Harnkanälchen. Manchmal scheinen sie den Nierenepithelien auf-
zuliegen, nie sind sie jedoch im Innern derselben.
In den Dünndarmschnitten ist bemerkenswert die Größe
und der außerordentliche Zellreichtum der Follikel. Ferner finden
sich an einzelnen Stellen Rundzellenanhäufuugeu im submucösen Ge-
Ueber Invasion von Hautkokken bei Ekzem.
147
webe und circumscripte Nekrosen der Mucosa, an welchen sowohl
die Lieberkühn’schen Drüsen als auch dasinterglanduläre Gewebe
beteiligt sind. In den nekrotischen Partieen finden sich feine, oft
als Diplobakterien gelagerte Stäbchen, seltener Diplokokken und dicke
Stäbchen angesiedelt. Auch imDickdarm zeigen sich die Follikel
vergrößert und sehr zellreich. Desgleichen findet man umschriebene
Nekrosen der Mucosa, in welchen ebenfalls Bacillen, jedoch plumpere
Stäbchen als im Dünndarm liegen. —
Daß bei Ekzem, wo an vielen Stellen die Haut der schützenden
Epitheldecke beraubt ist, Mikroorganismen in den Körper eindringen
können, ist leicht verständlich und gewiß auch nicht zu selten der
Fall. Allerdings ist darüber noch sehr wenig bekannt geworden.
Ich habe in der Litteratur nur einen Fall ausfindig machen können,
— der von Elsenberg1) beschrieben worden ist, — wo das Ein-
dringen von Staphylokokken bei Ekzem wahrscheinlich gemacht wird.
Es handelte sich um einen 30-jährigen Mann, der infolge einer
Schmierkur einen nässenden und pustulösen Ausschlag am Bauch
bekam, welcher sich auch auf Oberschenkel, Penis, Scrotum, Glu-
täen und Lendengegeud erstreckte. Die Inguinaldrüsen sind stark
vergrößert. Temperaturen bis 40,5°. Kein Husten. Milz vergrößert.
Bevor Heilung eingetreten, Kollaps und Exitus. Die Sektion er-
giebt in der rechten Pleurahöhle 100 g eitriges Exsudat. Pleura
costalis et pulmonalis verdickt , stark hyperämisch , mit viel kleinen
Hämorrhagieen. Der rechte Lappen oben emphysematos, unten zu-
sammeugedrückt, mit Knötchen. Trachea und Bronchien hyperä-
misch. Linke Lunge emphysematos, hinten ödematös. Im Perikard
20 g Serum. Herz schlaff, leicht zerreißbar. Milz groß, weich.
Leber- und Nierenschnitte zeigen trübe Schwellung. In den Organen
keine Parasiten, dagegen in den Knötchen und im Pleuraexsudat
viele Kokken, welche sich alsStaphylococcus albus charakteri-
sieren. Ob diese von der Haut stammen, und die Luugenveränderungen
uüd das Pleuraexsudat somit eine Folge des Ekzems sind, hat Elsen-
berg jedoch nicht bewiesen.
Daß in unserem Falle die Mikroorganismen von der Haut her-
stammen, dafür spricht der Umstand, daß die eine der drei Bakterien-
arten bis jetzt nur als Bewohner der menschlichen Haut gefunden
wurde. Daß sie aber auch wirklich von der Haut aus einge-
drungen sind, ist damit noch nicht bewiesen. Es könnte immer-
hin der Einwurf gemacht werden, daß eine Verunreinigung beim Ab-
impfen nicht ausgeschlossen ist. Einen schwerwiegenden Beleg für
die Kokkeninvasion von der Haut her liefern nun aber Schnitte der
ekzematös erkrankten Hautpartieen , von denen ich drei Stellen
abgebildet habe (Fig. 1, 2 und 3). Fig. 1 stellt ein durch das
Ekzem hochgradig verändertes Stück der Epidermis dar. Das
Epithel fehlt bei c völlig, so daß das Corium frei zu Tage liegt.
Die Ränder der noch erhaltenen Epithelpartieen sind unregelmäßig
1) Elsenberg, Ueber einen Fall von Ekzema madidans compliciert mit sep-
tischer Infektion. (Vierteljahrsschr. f. Derm. u. Syph. S. 383. 1888. Citiert nach den
Jahresberichten von Virchow und Hirsch.)
148
Jakob Bernbeim,
gebuchtet, wie ausgefressen; einzelne Epithelien und kleine Epithel-
zellengruppen sind vollständig vom Mutterboden getrennt, andere
hängen nur noch durch eine dünne Brücke mit ihm zusammen.
Durch diese Lücke im Epithel dringen Züge von Kokken und Diplo-
kokken weit in das Stratum papillare des Corium ein. — In Fig. 2
wandern die Mikroorganismen durch eine schmale, spaltenförmige Oeff-
nung des Epithels in eine der Epidermisdecke beraubte Papille ein.
Das Epithellager selbst vermochten die Kokken nicht zu durch-
wachsen. Wo sie im Corium zu finden sind, läßt sich immer ihr
Eindringen durch eine Epithellücke konstatieren. Ist die Epidermis
unversehrt, so beobachtet man Mikroorganismen nur auf der Ober-
fläche und in den obersten Lagen der Epithelzellen (Fig. 1 f).
Ob die erwähnten Spaltpilze, namentlich der Diplococcus
albicans tardus die Zerstörung des Epithels, ob sie den ekze-
matösen Prozeß verursachen, kann diese vereinzelte Untersuchung
nicht entscheiden. Für mich ist es vorläufig wahrscheinlicher, daß
die betreffenden Organismen erst dann in die Tiefe einzudringen und
sich zu entwickeln vermögen, wenn durch den spezifischen, ekzema-
tösen Prozeß das Epithel mehr oder weniger verändert worden ist.
Beide Faktoren zusammen führen dann vielleicht erst zu den hoch-
gradigen Erkrankungen der Haut, wie sie in Fig. 1 abgebildet, und
wie sie namentlich beim Ekzema pustulosum und madidans zu be-
obachten sind.
Vom Papillarkörper aus dringen die Kokken weiter in die Tiefe.
So findet man in dem Zellgewebe, welches zwischen und unterhalb
den Fettträubchen des Stratum subcutaneum der Cutis liegt, die
Mikroorganismen wieder; hier überwiegen die Diplokokken. Endlich
sieht man einzelne Lymphgefäße ( b ) dicht mit Kokkenhaufeu erfüllt
(Fig. 3), so daß sich nun der Weg überblicken läßt, auf welchem die
Mikroben in den Körper eingedrungen sind. — Von den Lymph-
gefäßen der Haut wurden sie sodann, ohne von den Lymphdrüsen
aufgehalten zu werden, in den Lymphkreislauf geschwemmt, in wel-
chem sie durch die bakteriologische Untersuchung konstatiert worden
sind. In das Blut können die Spaltpilze entweder von diesem aus
gelangen oder sie dringen direkt in die Blutgefäße der Haut, welche
beim Ekzem ja häufig genug lädiert werden. Intra vitam habe ich
leider das Blut nicht mehr bakteriologisch untersuchen können, da
der betreffende Patient eben zu bald nach seiner Aufnahme schon
verstarb. Dagegen gelang es mir bei einem 1 1 /2 Jahre alten Knaben,
welcher an ausgedehntem, nässendem und krustösem Ekzem mit Al-
buminurie litt, während einer Fieberattaque im Blute den Staphylo-
coccus pyogenes aureus nacbzuweisen. Die betreffenden Sta-
phylokokken waren sehr virulent; eine kleine Menge, in die Kanin-
chenhornhaut gebracht, führte zu einer großen Hornhautpustel mit
starkem Oedem der Lider und der Konjunktiven. Der Knabe erholte
sich wieder. Nach Ablauf des Fiebers wurden bei einer zweiten Ab-
impfung keine Mikroorganismen mehr gefunden. Dieser Nachweis ge-
lingt jedoch nicht immer. Bei zwei anderen Fällen von Ekzem, welche
allerdings nicht so hochgradig waren und beide ebenfalls zur Heilung
Ueber Invasion von Hautkokken bei Ekzem.
149
gelangten, konnte ich während solcher Fieberanfälle keine Mikroben
im Blute finden.
Eine weitere Aufklärung haben subkutane Impfungen mit den
drei beschriebenen Bakterienarten an weißen Mäusen ergeben. Der
Staphylococcus albus und citreus riefen, in Bouillonauf-
schwemmung unter die Rückenhaut eingeimpft, keine sichtbare Re-
aktion hervor. Die mit dem Diplococcus albicans tardus
infizierten Mäuse starben nach VU und 2 Tagen, wobei in der Leber
und im Herzblut die Diplokokkeu in geringer Anzahl durch die bak-
teriologische Untersuchung nachweisbar waren. Mikroskopisch konnten
sie in den Organeu, außer in der Leber, nicht konstatiert werden.
Histologisch waren bemerkenswert die starke Hyperämie der Leber
und vereinzelte Harucylinder und Nekrosen der Harnepithelien in den
Nieren. — Wurden nun mit Aufschwemmungen sämtlicher drei Arten
Mäuse infiziert — der Versuch wurde zweimal wiederholt — so
starben die Tiere schon nach 10 und 16 Stunden. Dabei konnte im
Herz- und im Leberblut bakteriologisch neben dem Diplococcus
nun auch der Staph. pyog. alb. in größerer Menge nachgewiesen
werden. Mikroskopisch fanden sich in den Capillaren der Leber und
Milz vereinzelte Kokken und Diplokokken. Histologisch konnte, außer
starker Hyperämie in der Leber, nichts Besonderes konstatiert werden.
Durch diese Versuche wird es also sehr wahrscheinlich, daß bei un-
serem Patienten wohl auch die gemeinsame, vielleicht gleichzeitige
Infektion mit den drei Kokkenarten von besonderer Bedeutung für
den bösartigen Verlauf war. Es erinnert derselbe an gewisse Fälle
von foudroyanter septischer Intoxikation, bei welchen es ebenfalls
nicht zu sehr auffallenden anatomischen Veränderungen der Organe
kommt. Auch in unserem Falle wird wohl die Intoxikation mit den
Stoffwechselprodukten der in den Körper eingedrungenen Mikroben
eine Rolle gespielt haben. Dafür sprechen namentlich die Befunde
an Leber und Milz. Trotzdem die Leber (vgl. Sektion) ziemlich aus-
gedehnte, wenn auch nicht hochgradige Verfettung zeigte, fanden
sich nur wenige Spaltpilze. Auch der Milztumor, in welchem weder
bakteriologisch noch mikroskopisch Kokken gefunden werden konnten,
ist wohl eine Folge der Intoxikation, ebenso wie die Veränderungen
des Herzmuskels — leider wurde derselbe mikroskopisch nicht unter-
sucht — welche letztere wohl als die unmittelbare Ursache des plötz-
lichen Kollapses angesehen werden müssen. Ob die im interstitiellen
Gewebe und in den Alveolen der Lunge mikroskopisch nachgewiesenen
kleineren Diplokokken mit dem Diplococcus albicans identisch
sind, bleibt dahingestellt, da versäumt wurde, die Lunge bakterio-
logisch zu untersuchen.
Therapeutisch ist in Anbetracht solcher Kokkeninvasionen
anzuraten, namentlich bei nässenden Ekzemen vor der Salbenbehand-
lung leichte Antiseptica (z. B. 2 °/0 Borsäureumschläge) zu verordnen.
Zürich, 4. XII. 1893.
Bd. XV.
10
150
D. S&bolotny,
Erklärung der Abbildungen.
Fig. 1. a Epithel, b Corium , c Lücke in der Epidermis, d Mastzellen, e vom.
Mutterboden abgelöste Epithelien , / in das Epithel eingedrungeue Kokken, g Binde-
gewebs- nnd Rundzellen.
Fig. 2 stellt ein Stadium dar, wo die durch das Ekzem zerstörte Epidermis sich
zum größten Teil wieder regeneriert hat. Es führt nur noch eine schmale Spalte (e)
in das Corium.
Fig. 3. Aus dem Unterhautzellgewebe. e mit Kokken dicht erfülltes Lymph-
gefäß, h Kokken in den Bindegewebsmaschen.
Infektions- und Immunisierungsversuche am Ziesel
(Spermophilus guttatus) gegen den Choleravibrio.
[Aus der bakteriologischen Station in Odessa.]
Vorläufige Mitteilung.
Von
D. Sabolotny.
Wenn es den Erreger von irgend einer Krankheit zu finden und
in reiner Kultur zu erhalten gelingt, versucht man gewöhnlich, ihn
auf Tiere zu übertragen, um ein ähnliches Bild der Erkrankung zu
erhalten. Dasselbe ist auch mit dem Choleravibrio geschehen.
Nachdem Robert Koch ihn in Reinkultur erhalten hatte, versuchte
er, denselben Tieren einzuimpfen behufs Erzielung einer cholera-
ähnlichen Erkrankung. Nachdem R. Koch an vielen verschiedenen
Tieren Versuche gemacht hatte, kam er zu dem Schlüsse, daß, obwohl
der Choleravibrio bei unmittelbarer Impfung für Tiere sehr giftig
sei, eine Ansteckung per os, wie beim Menschen, nur nach einer
vorhergehenden Soda-Opiumbehandlung gelinge.
Später beschäftigten sich viele Forscher mit der Frage über die
Ansteckung von Tieren mit dem Choleravibrio (Nicati und
Rietsch, van Ermenghem), indem sie allein die Impfungs-
methoden sehr verschiedenartig gestalteten. Nicati und Rietsch
eröflneten die Bauchhöhle und spritzten eine kleine Menge der Kultur
ins Duodenum. Andere versuchten die Tiere unter die Haut, ins
Peritoneum, ins Blut zu impfen.
Am prägnantesten erwies sich das klinische Bild bei dem Hunde
(Gamal eia) Bei anderen Tieren tritt gewöhnlich irgend eins von
den folgenden Symptomen auf: Beim Kaninchen beobachtet man
eine charakteristische Diarrhöe; beim Meerschweinchen Krämpfe
und ein charakteristisches Sinken der Temperatur; bei Hunden
erschienen Erbrechen, Diarrhöe, Krämpfe, Temperatursinken, Erkalten
der Extremitäten, Cyanose.
Bei Infektion per os muß man eine beträchtliche Menge der
Kultur einführen, um dieses Bild zu erhalten; für Meerschweinchen
z. B. 3 — 5 ccm der eintägigen Bouillonkultur (Pfeiffer, Wasser-
mann, Klemperer, Sobernheim u. a.). So stand die Frage,
als ich meine Untersuchungen anstellte, welche in dem bakterio-
logischen Institut zu Odessa ausgeführt wurden. Dem
Direktor des Institutes, Herrn Dr. P. N. Diatroptoff, sowie dem
wm, v
f
/ ' * ’T'. '* 9
*'• /*
Centmlbl f. Baktenol u Parasiterik Bd X\ T.
Figl.
•C
Tafl.
Fig.2.
o<
• 'S
Fig.3.
•M
Bemheim del
Verl. v Gustav Fischer, Jena.
Lith Anst.v.A.Giltsch, Jena
Infektions- und Immunisierungsversuche am Ziesel gegen Choleravibrio. J51
Vorstände des Institutes für allgemeine Pathologie zu Kiew, Herrn
Prof. W. W. Podwyssozky, sage ich meinen verbindlichsten Dank
für die Anregung zur Arbeit, sowie für gütige Anweisung und Beihilfe.
I. Infektionsversuche.
In Südrußland kommt in großer Menge ein Tier vor aus der
Ordnung der Nagetiere, Spermophilus guttatus (Zieselmaus,
Süslik). Dieses Tier ist sehr empfindlich gegen viele Infektions-
krankheiten, wie Hühnercholera (Metschnikoff, Gamalei'a),
Rotz (Metschnikoff, Kranzfeld), Vibrio Metschnikowi
(Palmirsky), Tuberkulose (Metschnikoff). Auch wurde die
Infektion mit Hühnercholera und Vibrio Metschnikowi zur
Vernichtung — nach Pasteur’s Methode — dieser für Getreide-
felder so schädlichen Tierspecies vorgeschlagen; zu dem Bacillus
typhi murium sind Spermophilen wenig empfindlich (Diatrop-
toff). Deshalb war die Uebertragung des Choleravibrio auf
dieses Tier sehr interessant.
Die Resultate meiner mehr als 80 Versuche an diesem Tiere
sind folgende: Bei den Versuchen benutzte ich hauptsächlich dieselbe
Kultur, mit welcher ich zusammen mit Herrn Dr. J. Sawtschenko
im Institute von Prof. Podwyssozky gearbeitet hatte und welche
von ihm ausführlicher beschrieben worden ist1).
Um die minimale tötliche Dose festzustellen, wurden einigen Paaren
Spermophilen ins Peritoneum verschiedene Mengen einer eintägigen
Peptonbouillonkultur von V2 bis 1/20 ccm geimpft. Alle Tiere, welchen
0,5 — 0,2 — 0,1 ccm geimpft wurde, starben im Laufe eines Tages
(12 — 18 Stunden); diejenigen aber, welche 3/20 ccm erhalten hatten,
blieben lebendig. Auf diese Weise erwies sich als die kleinste
absolut tötliche Dose für Spermophilen bei der intraperitonealen
Impfung 0,1— 0,2 ccm einer eintägigen, bei 37° C erwachsenen Kultur.
Zur Erläuterung bringe ich einen Auszug aus dem Protokolle bei :
Tabelle I.
Dosis
Infektion
Erfolg
Bemerkungen
24. VI.
1
2
3
4
5
6
*/2 ccm eintäg,
Bouillonkultur
»
0,2
7,o
n
intraperiton. i
1
i»
*>
subkutan
} f nach 10 — 12
[ Stunden
1 t nach 12 — 18
j Stunden
\ blieben leben-
J dig
Vibrionen im Blute
»>
j»
27. VII.
7
8
0,2
0,1
intraperiton.
”
1 innerhalb 24
J Stunden
Vibrionen im Blute
”
1) J. Sawtschenko und D. Sabolotny, Versuch einer Immunisation des
Menschen gegen Cholera. (Wratsch. 1893. No. 20, 21. — Centralbl. f. allg. Path. und
path. Anatomie. Bd. IV.)
10*
152
D. Sabolotny,
Dosis
Infektion
Erfolg
Bemerkungen
25. VIII.
1
0,5 ccm Bouil-
intraperiton.
f nachts
26- VIII. Sektion: Vibrio-
2
lonkultur vom
21. VIII. (1 Tag
im Brütofen)
0,2
»7
nen im Blute und im
Peritoneum
3
0,2
subkutan
4
0,1
5
0.1
fl
”
Nachdem ich also die Infektion subkutan und intraperitoneal ver-
sucht und mich von der großen Empfindlichkeit der Spermuphilen
gegenüber dem Choleravibrio überzeugt hatte, ging ich zur
Infektion per os über. Die Resultate übertrafen die Erwartungen.
Zur Infektion per os wurden die Spermophilen mit einigen Tropfen
einer eintägigen Kultur getränkt oder durch mit Kulturen begossenes
Futter genährt. Bei dieser Art der Fütterung stirbt gewöhnlich die
Hälfte der Spermophilen; von der übrigen Hälfte zeigt ein Teil
keine merkbare Erkrankung, ein Teil aber wird immun, nachdem er
eine schwere Erkrankung überstanden hat. Hier legen wir die
Tabelle II bei:
Tabelle H.
Infektion per os mit Futter (ohne Soda).
No.
Data
Infektion
Erfolg
Bemerkungen
11
28. VI.
per os , mit in-
fiziertem Hafer
t 1. VII.
12
blieb lebendig
15
1. VII.
per os, mit Agar-
aufschwemmung
infizierter Hafer
t 3. VII
16
t 3. VII.
Vibrionen im Blute
17
»»
+ 4. VII.
19
14. VII.
per os, mit 2-täg.
Kulturen benetzter
Hafer
f 16. VII. abends
20
14. VII.
J»
blieb lebendig
16. VII. sehr krank. Nach eine
Woche ganz munter. Die nach
folgenden Fütterungen mit Kn!
turen in sehr großen Dosen m
einer SodaneutralisieruDg d«
Magens hatten keine Wirkunf
Der Spermophilus blieb fa
einen Monat lebendig, wurde zwi
sehr mager, blieb aber imm<
munter. Er starb am 10. VII
aus einer unbekannten Ursacb
21
„
»»
+ 17. VII. morgens
Infektions* und Immunisierungsversuche am Ziesel gegen Choleravibrio. J53
No.
Data
Infektion
Erfolg
Bemerkungen
7 . Reihe
1
14. VIII.
per os, mit einer
15. VIII. sehr krank,
16. VIII. Sektion : Blut-, Leber-,
6 Uhr
1-täg. Kultur be-
t 16. VIII. morgeDS
Peritoneumvibrionen
netzter Hafer
2
>>
t»
blieb lebendig
3
„
15. VIII. sehr krank
16. VIII. Sektion : Blut-, Leber-
f 16. VIII. morgens
Vibrionen
4
,
15. VIII. krank, blieb
lebendig
Um die Infektion sicher zu machen,, fügte ich den jKulturen
oder dem infizierten Futter nach dem Rate Herrn Prof. Pod-
wyssozky’s eine kleine Menge Sodalösung hinzu.
Tabelle III.
Infektion per os mit infiziertem Futter unjd
Sodalösung (29. VIII.).
No. und
Gewicht
Gang der Erkrankung
Erfolg
Bemerkungen
No. 1
160 g
2. VIII. neue Fütterung mit
Soda
4. VIII. Erkrankung
6. VIII. Fütterung
12. VIII. „
13. VIII. erhielt 0,2 ccm
24-stündig. bei 37° er-
wachsener Bouillonkultur
intraperitoneal
blieb lebendig
blieb lebendig
Das Kon-
trolltier
No. 2
175 g
3. VIII. sehr krank, T. 36°,
Krämpfe, flüssige Stühle
4. VIII. ganz munter
13. VIII. erhielt 0,2 ccm
24-stündig. bei 37° er-
wachsener Bouillonkultur
intraperitoneal
f nach 12 — 15
Stunden
blieb lebendig
Das Kon-
trollier
+ nach 15 — 18
Stunden
No. 3
100 g
31. VIII. sehr krank
+ nach 48
Stunden
Blut 1 . ,
• , t eine andere
Leber ( Bakterie
Peritonealexsudat j K er e'
No. 4
185 g
30. VIII. „ „
f nach 36
Stunden
Blut 1
Perito-
neum J
keine Darm- |
Vibrio- — inhalt, !
nen Magen J
eine große
Menge von
Vibrionen.
No. 5
120 g
30. VIII. „
f nach 24
Stunden
Leber j yibrioneu.
Peritoneum J
Blut — keine Vibrionen.
Darminhalt — eine Menge von Vibrionen.
No. 6
100 g
30. VIII. „
t nach 36
Stunden
Blut j
Perito-
neum J
keine Darm- 1
Vibrio- — inhalt, [
nen Magen j
Vibrionen.
154
D. Sftbolotny,
ÜJ Was das Erkrankungsbild betrifft, so ist es fast stets folgendes :
Erstes Stadium. Das Tier wird schläferig, sitzt zusaramen-
geknickt, sträubt sich und bemüht sich immer, die frühere Stellung
anzunehmen, wenn man es auf den Rücken legt. Die Temperatur
bleibt immer subnormal (normal = 38 0 C). Das Tier frißt weder,
noch trinkt es.
Das zweite Stadium wird dadurch charakterisiert, daß die
Kräfte viel mehr gesunken sind. Auf den Rücken geworfen, ist das
Tier nicht imstande, die frühere Lagerung anzunehrnen, und sträubt
sich nicht. Die Ausleerungen sind oft flüssig. Die Temperatur sinkt
sehr (bis 35 — 32 0 C), was man schon durch Betasten bemerkt. Nicht
selten werden klonische Krämpfe in den Extremitäten und Cyanose
der Nase und der Zunge beobachtet. Bei solchen Symptomen stirbt
das Tier.
Nach dem Tode tritt zuerst eine starke Injektion des Darm-
tractus auf. Manchmal auch eine hämorrhagische Peritonitis. Die
erstere ist besonders scharf ausgeprägt bei der Infektion per os,
die letztere bei der Impfung ins Peritoneum. Der Darmkanal ist
meistenteils ausgedehnt. Der Darminhalt ist stets flüssig, mit einem
Zusatze von weißlichen Flocken und manchmal von Blut.
Bei der intraperitonealen oder subkutanen Impfung
findet man Vibrionen in allen Fällen, ohne Ausnahme, indem
Blute, in den Bauchorganen (Leber, Milz), sowie auch i n d e r
Peritonealflüssigkeit.
Bei der Infektion per os finden sich die Vibrionen
stets in großer Menge in dem Magen und im Darm-
inhalte (sogar bei mikroskopischer Untersuchung), oft in den
Bauchorganen, im Peritoneum und nicht selten im
Blute.
II. Im munisie rungs versu che.
Die Frage hinsichtlich der Immunität gegen Cholera war in
der letzten Zeit Objekt vieler Forschungen. Die wichtigste Unvoll-
kommenheit vieler von diesen Arbeiten liegt darin, daß Immunität
gegen eine solche Infektion, die beim Menschen nicht vorkommt, erzielt
wurde. Als Ausnahme sind die Arbeiten von Ferran, Vincenci,
Klemperer und Metschnikoff zu nennen. Die letztbenannten
Autoren ziehen die Infektion und Immunisierung per os besonders in
Betracht.
Klemperer meint, daß die Immunisierung per os vollständig
erreichbar ist. Metschnikoff kommt zu dem Schlüsse, daß die
Immunisierung per os am meisten wirksam ist. Klemperer’ s
Untersuchungen sind an Meerschweinchen, Metsch nikoff’s Ver-
suche an — Menschen ausgeführt worden. Da das Meerschweinchen
gegen Cholerainfektion nicht besonders empfindlich ist, die Versuche
am Menschen andere Unbequemlichkeiten darbieten, so benutzten wir
für unsere Versuche das neue Tier, welches sich sehr empfindlich
gegen die Cholerainfektion erwies.
Die Resultate sind folgende:
l)Die Spermophilen wurden per os mit bei 60 —
Infektions- und Immunisierungsversuche am Ziesel gegen Choleravibrio. )55
70 0 C innerhalb 2Stunden getötetenKulturen immuni-
siert Die mit solchen Vaccinen vorbehandelten Tiere wurden gegen
die intraperitoneale oder intrastomachale Infektion geschützt. Z u
diesemZwecke braucht man 5 — 7 Vaccineeinführungen
per os zu machen. Hier legen wir die Tabelle (IV) bei:
Tabelle IV.
Vorbehandlung per os mit bei 60 — 70° C innerhalb
2 Stunden abgetöteten Kulturen.
No. und Gewicht
Vorbehandlung
Infektion
Erfolg
No. 1 250 g
1. VIII., 2. VIII.,
3. VIII , 3 Tage
nach einander,
10 VIII.
14. VIII. 0,2 ccm 24-
stiindiger bei 37 0 C
gewachsener Bouillon-
kultur intraperitoneal.
blieb lebendig
No. 2 170 g
7,
11
„
No. 3 130 g
13 VIII. 0,2 ccm 24-
stündiger bei 37 0 C
gewachsener virulenter
Bouillonkultur intra-
peritoneal
No. 4 170 g
(Kontrolltier zu No 1, 2)
nicht
vorbehandelt
wie bei No. 1, 2
f nach 15 — 18 St.
(Vibrionen i. Blute)
No. 5 150 g
(Kontrolltier zu No. 3)
nicht
vorbebaudelt
wie bei No. 3
•j- innerhalb 24 St.
(Vibrionen i Blute)
No. 1, 2, 3 (nach der Impfung von 0,2 ccm) überlebten auch
die tötliche Dosis per os und erkrankten nicht.
2) Eine sichere Immunität kann man durch die
Vorbehandlung per os mit abgeschwächten Kulturen
erzielen. Auf solche Weise vorbehandelte Spermophilen überstehen
die tötliche Dosis, sei sie intraperitoneal oder per os eingeführt (auch
mit Soda).
Tabelle V.
Vorbehandlung per os mit abgeschwächten und alten
Kulturen.
No.
Vorbehandlung
Infektion per os
1
3. VIII,. 5. VIII.,
10. VIII
13. VIII. mit Agarauf-
sebwemmung einer
24-stündigen viru-
lenten Kultur (mit
Soda)
*
11
11
3
M
11
4
»♦
Kontroll-
nicht vorbe-
keine
tier
handelt
Intraperitoneale
Infektion
Erfolg
3. IX. 0,2 ccm 24-
stündiger bei 37° C
gewachsener viru-
lenter Bouillonkul-
tur intraperitoneal.
blieb
lebendig
n
f innerhalb
24 Standen
(Vibrionen im
Blate)
156
D. Sabolotny,
3) Die subkutane und intraperitoneale Vorbehand-
lung mit abgetöteten Kulturen schützt nicht vor
der tötlichen intrastomachalen Dosis:
Tabelle VI.
Vorbehandlung mit den bei 60 — 70° abgetöteten
Kulturen (intraperitoneal).
No. und Gewicht
Vorbehandlung
Infektion
Erfolg
No. 1 150 g
10. VIII. 3 ccm der
bei 60—70° ste-
rilisierten Agar-
aufschwemmung
intraperitoneal
13. VIII. 0,2 ccm der
24-stiindigen bei 37 0 C
gewachsenen virulenten
Bouillonkultur
blieb lebendig
No. 2 140 g
7»
11
No. 3 180 g
»»
13. VIII. tötliche Dosis
der 24-stündigen bei
37 0 C gewachs. virul.
Kultur per os
t 14 VIII.
No. 4 130 g
>1
»7
t nach 12 Stdn.
No. 5 170 g
Kontrolltier
nicht vorbe-
handelt
13. VIII. 0,2 ccm der
24-stündigen bei 37 0 C
gewachsenen virulenten
Bouillonkultur.
f innerhalb 24 St.
No. 6 160 g
Kontrolltier
V
7»
7»
Zu ähnlichen Ergebnissen kam Prof. Metschnikoff in seinen
..Recherches sur le Cholera“.
4) Die vorhergehende Impfung frischer Spermo-
philen mit 0,1 — 0,2ccm verschiedener Kulturen der Cho-
lera, uuter anderem von aus frischen Fällen gezüch-
teter Kulturen, schützt nicht vollständig vor der
nachfolgenden Einführung von 0,1 — 0,2 ccm des Virus
(Kultur aus Kiew) unter die Haut oder ins Peritoneum.
Diese Beobachtung kann durch den großen Unterschied der
Giftigkeit von verschiedenen Kulturen erklärt werden (worauf schon
verschiedene Forscher ihre Aufmerksamkeit gerichtet hatten).
Tabelle VII.
Vorbehandlung mit verschiedenen lebenden Kulturen.
No.
Vorbehandlung
25. VIII.
Infektion
31. VIII.
Erfolg
Bemerkungen
a) mit Berliner Kultur
mit virulenter Kultur
Vibrionen im-
(Kiew)
mer gezüchtet
1
0,2 ccm intraperit.
0,2 ccm intraperit.
blieb lebendig
aus dem Blute,
2
0,2 ., subkutan
0,2 „ subkutan
t 3. IX.
Leber, Perito-
3
0,1 „
0,1 ,, ,»
blieb lebendig
ueum
In i ek tions- und Immunisierungsversuche am Ziesel gegen Choleravibrio. 157
No.
Vorbehandlung
25. VIII.
Infektion
31. VIII.
Erfolg
Bemerkungen
b) mit Odessaer Kultur mit virulenter Kultur aus
des vorigen Jahres
Kiew
4
0,2 ccm intraperit.
0,2 ccm intraperit.
f 2. IX.
a
5
0,2 ,, subkutan
0,2 ,, subkutan
a
6
0,1 „
0,1 „
© S 3
— . ©
c) mit frisch. Kultur dieses
(idem)
ca j cl
Jahres aus Tiraspol
7
0,2 ccm intraperit.
0,2 ccm intraperit.
?f
S
8
0,2 „ subkutan
0,2 „ subkutan
blieb lebendig
©
9
0,1 „
t 3. IX.
<n
3
d) mit frisch gezüchteter
(idem)
cg
Kultur (Odessa)
10
0,2 ccm intraperit.
0,2 ccm intraperit.
t 2. IX.
©
11
0,2 „ subkutan
0,2 ,, subkutan
t 3. IX.
©
12
0,1 „
0,1 „
f 29. VIII.
tJJD
e) nicht vorbehandelt
mit virulenter eintägiger
©
E
(Konfrontiere)
Bouillonkultur infiziert.
g
13
—
0,2 ccm intraperit.
t 26. VIII.
3
14
—
0,2 ,, subkutan
©
15
—
0,2 „
,,
O
16
0.1 „
£
17
>f
„
>
Die beschriebenen Versuche gestatten uns folgende Schlüsse:
1) Der Spermophilus guttatus stellt die empfind-
lichste Tierart gegen die Cholerainfektion vor.
2) Bei der subkutanen und intraperitonealen
Impfung, wie bei Infektion per os durch das
Futter oder Getränk genügt eine sehr kleine
Quantität auch ohne S oda- 0 piu m b ehan dlun g.
3) Die an Spermophilus ausgeführten Infektions-
versuche liefern noch einen weiteren Beweis für
die ätiologische Bedeutung des Choleravibrio.
4) Bei der Impfung gelingt es, die Vibrionen im
Blute, inden inneren Organen und im Peritoneum
zu finden.
5) Die Immunisierung durch den Magen schützt
mehrvorder gewöh nlichen Infektion als andere
Methoden.
Kiew, den 22. Dezember 1893.
158
N. Sacharoff,
Ueber den Einfluss der Kälte auf die Lebensfähigkeit
der Malariaparasiten.
Von
N. Sacharoff
aas
Tiflis.
In einem in Virchow’s Archiv (Bd. 129) publizierten Artikel be-
richtet Dr. Plehn, daß er meine Beobachtungen nicht bestätigen
könne, denen zufolge es möglich ist, die Malariaplasmodien in einge-
frorenen Blutegeln während einer Woche lebend zu erhalten1), und
nimmt an, daß ich mich habe täuschen lassen durch die postmortalen
Pigmentbewegungen in den Plasmodien , welche Bewegungen ich als
vitale Erscheinung angesehen habe.
Die nämliche Erklärung läßt er noch für die Beobachtungen
von Rosenbach gelten, der gefunden hat, daß die Plasmodien
sich in Blutegeln im Laufe von 48 Stunden lebend erhalten
können 2).
Dr. Plehn meint, daß es zur Lösung der Streitfrage nötig ist,
die Präparate mit dem Gemisch von Methylenblau und Eosin nach
dem Verfahren von Dr. Romanow ski zu färben, wobei sich be-
kanntlich die Kerne der Plasmodien gut tingieren lassen. Nur im
Falle des nach diesem Verfahren bewiesenen Vorhandenseins eines
Kernes dürfe man die Plasmodien als lebend betrachten.
Wenn auch die Richtigkeit der von mir auf Grund meiner Be-
obachtungen gezogenen Schlußfolgerungen keinem Zweifel unterliegt,
indem ich bei Beurteilung der Vitalität der Plasmodien nicht von
den Bewegungen der Pigmentkörnchen ausgegangen war, sondern
von den amöboiden Bewegungen der Parasiten selbst, was als nicht
minder sicheres Zeichen der Vitalität des Parasiten gelten kann,
wie das Vorhandensein eines Kernes, hielt ich es doch für nütz-
lich, eine neue Versuchsreihe in dieser Richtung anzustellen. Ich
wollte einerseits die Ursache der verschiedenen von mir, Rosen-
bach und Plehn aufgefundenen Resultate ergründen und anderer-
seits den Einfluß der Kälte auf die verschiedenen Plasmodienarten
näher studieren. Die überall erzielten negativen Ergebnisse bei den
Züchtungsversuchen der Plasmodien, denen ich meine nach der Methode
von Coronado3) auch mit negativem Ergebnis angestellten Ver-
suche anschließen kann, scheinen auf die Notwendigkeit neuer Ver-
suche gerade in dieser Richtung hinzuweisen.
Ich habe zum Teil an den Malariaparasiten der Vögel, zum
Teil an den verschiedenen Arten der Malariaparasiten des Menschen
experimentiert. Bei ersteren amputierte ich die rohen unterbundenen
Gliedmaßen, welche ich dann sofort gefrieren ließ, bei den malaria-
1) Wratsch, 1890. Nr. 29
2) Deutsche med. Wochenschrift. 1892.
3) Coronado, Centralbl. f. Bakt u. Parasitenk. Bd. XIII. 1893. (Referat).
Uober den EinSaS der Kälte auf die Lebensfähigkeit der Malariaparasiten. J59
kranken Menschen wurde das Blut mit Hilfe von Blutegeln ge-
wonnen, welche danach in Gefäße mit Eis übertragen und im Eis-
keller aufbe wahrt wurden.
Ich werde hier einige Versuche an den Malariaparasiten des Menschen
beschreiben. Am 30. September, als ich im Blute des Arbeiters S.
mit Febris perniciosa comatosa eine enorme Anzahl von pigmentlosen
Plasmodien antraf, ließ ich dem Kranken drei Blutegel setzen, wo-
rauf letztere, wie oben angegeben, auf Eis aufbewahrt wurden und
dann täglich im Laufe einer Woche zur Untersuchung kamen. Zu
diesem Zwecke wurde aus dem Blutegel ein Tropfen Blut ausgepreßt
und der Blutegel wiederum in das Gefäß mit Eis zurückgebracht.
Das Ergebnis war immer das gleiche: Nicht nur hatten die pigment-
losen Plasmodien ihre amöboiden Bewegungen konserviert, sondern es
waren diese Bewegungen noch lebhafter geworden. Ich habe in Ge-
meinschaft mit Dr. Rechtsamer zehn Abbildungen eines solchen
Plasmodiums — in 4 Tage auf Eis aufbewahrtem Blute — gezeichnet :
Die Abbildungen wurden in Zwischenräumen von ungefähr je
3 Min. gezeichnet.
Ein Zweifel an der Richtigkeit dieser Beobachtung ist unmög-
lich. Das Blutkörperchen mit dem Plasmodium befand sich während
der ganzen Beobachtungszeit unbeweglich abseits von anderen Blut-
körperchen und war von seiten letzterer einem Druck nicht ausge-
setzt, womit man auch die Veränderungen in der Konfiguration des
Plasmodiums erklären möchte. Die Verwechselung mit einer Vakuole
kann ich nicht zugeben , da ich doch hinreichend vertraut bin mit den
Plasmodien der Malaria.
Als ich die getrockneten Präparate eines solchen Blutes nach
dem Verfahren von Romanowski tingierte, erhielt ich stets eine
deutliche Färbung des Parasitenkernes. Das Protoplasma des Para-
siten färbte sich aber sehr schlecht in einem schwachblauen Farben-
tone. Meistenteils blieb dasselbe sogar ganz ungefärbt und der
Parasit erschien in Form eines Ringes resp. eines Körpers mit un-
regelmäßigen Fortsätzen von weißer Farbe, welche sich deutlich auf dem
rosigen Grunde des Blutkörperchens abhoben. Bloß durch das Vor-
handensein eines intensiv violett gefärbten Kernes von runder resp.
länglicher Gestalt kounte man beweisen, daß wir es mit einem Plas-
modium zu thun haben.
Das Blut aus einem der drei erwähnten Blutegel habe ich zu
Impfungen benutzt.
Am 4. Oktober spritzte ich mir l/i ccm Blut unter die Haut,
welches aus diesem Blutegel ausgepreßt wurde, also am vierten Tage
der Konservierung des letzteren auf Eis.
Etwa einen Monat vor dem Versuche und im Verlaufe desselben
befand ich mich dauernd in Tiflis unter den besten hygienischen Ver-
hältnissen. An Malaria hatte ich während der letzten sieben Jahre
gar nicht gelitten.
Am 16. Oktober bekam ich Frost und darauf Fieber bis 38,7°,
welches gegen Morgen mit Schweiß und Abfall der Temperatur auf
37° sein Ende nahm.
160
N. Sacharoff,
Am 17. Oktober wiederum Frost und Fieber mit einer Tempe-
ratur von 39,8°.
Im Blute ist es nach längerem Suchen gelungen, eiue sehr ge-
ringe Anzahl von unzweifelhaften Malariaplasmodien aufzufinden —
ohne Pigment, von ringförmiger Gestalt, mit einem Kern, ähnlich
jenen Formen, die im Blute von S. augetroffeu waren. Ich will bei
dieser Gelegenheit erwähnen, daß das Aufsuchen von Plasmodien,
falls dieselben in geringer Anzahl vorhanden sind, erleichtert wird durch
Anwendung einer Färbung der Präparate mit wässeriger Lösung von
Gentianaviolett, welche bloß die Konturen der roten Blutkörperchen
tingiert und daher das in letzteren enthaltene Plasmodium sehr deut-
lich hervortreten läßt1).
Ich betrachtete also, auf Grund der Identität der bei mir und
bei S. gefundenen Parasiten und auf Grund der Inkubationsperiode
von 12 Tagen, den Ausgang der Malariainokulation als gelungen und
begann vom 18. Oktober an je 15 Gran Chinin einzunehmen, worauf
bei mir im Laufe einiger Tage Genesung eintrat.
Einen weiteren Impfversuch habe ich mit 7 Tage in Eis auf-
bewahrtem Blute gemacht. Obwohl in demselben die Plasmodien
noch lebend erschienen, hat der Versuch zu einer Infektion nicht
geführt. Es ist zu bemerken, daß in letzterem Falle das Blut be-
reits stark verändert war. Die roten Blutkörperchen hatten ihr
Hämoglobin größtenteils eingebüßt und dieses war ins Plasma über-
getreten.
Ich glaube, daß die beigebrachten Thatsachen unzweifelhaft be-
weisen, daß die Plasmodien im Darmkanal des Blutegels bei 0° bis
zu einer Woche lebend sich erhalten können. Es ist aber zu be-
merken, daß ich es mit denjenigen Parasiten zu thun hatte, welche
die sogenannten unregelmäßigen Malariafieber hervorrufen (ae-
stivo-autumnale nach Mar ch iafava), die im gemäßigten Klima
nicht vorzukommen scheinen. Diese Parasiten zeichnen sich durch
ihre größere Resistenz gegen Chinin aus im Vergleich zu den Para-
siten der regelmäßigen Malariafieber. Indem ich daher auf die Ver-
mutung kam, daß ein Mangel an Uebereinstimmung zwischen meinen
Beobachtungen und denjenigen von Dr. Plehn dadurch zu erklären
wäre, daß vielleicht Letzterer seine Beobachtungen an Parasiten der
regelmäßigen Malariafieber angestellt hätte, machte ich den Versuch
mit Konservierung von Parasiten der Febris tertiana.
Ich konservierte in Blutegeln, nach der nämlichen Methode, das
Blut eines Kranken mit Tertiana duplex, in welchem alle mög-
lichen Entwickelungsstadien der Parasiten, von den amöboiden pig-
mentlosen Formen an bis zu den großen pigmentierten Körpern
hinauf, aufgefunden wurden. Das Ergebnis dieses Versuches ge-
staltete sich etwas anders, als das vorhin beschriebene. Es erwies
sich, daß die jungen amöboiden, pigmentlosen Plasmodien nach Ver-
lauf von 48 Stunden ihre Bewegungen beibehalten hatten, daß aber
die großen Formen abgestorben waren, indem hier weder
1) Siehe meine Artikel „Recherches sur le parasite des fievres paludeennes irre-
gulieres“. (Annales de l’Institut Pasteur. 1891.)
Ueber den Einfluß der Kälte auf die Lebensfähigkeit der Malariaparasiten. 161
Bewegungen sich beobachten ließen, noch eine Kernfärbung nach
Romano wski zu erzielen war, während doch die Kerne der jungen
Formen eine deutliche Färbung annahmen.
Leider konnte ich das Aufbewahren dieses Blutes nicht über
2 Tage fortsetzen: es kam zu einer Auflösung des Hämoglobins im
Plasma des Blutes und Zerstörung der roten Blutkörperchen.
Die angeführten Versuche beweisen, daß die Frage nach dem
Einfluß der Kälte auf die Malariaparasiten eine ziemlich komplizierte
sein muß und mit Bezug auf verschiedene Parasiteuarten, sogar auf
verschiedene Entwickelungsstadien derselben Art, verschieden zu lösen
ist. Jedoch darf man wohl im allgemeinen annehmen, daß die Pa-
rasiten, je jünger sie sind, sich um so resistenter gegen-
über der Kälte verhalten. Diese Schlußfolgerung wird durch
die Beobachtung bei dem in Blutegeln durchgeführten Aufbewahren
der halbmondförmigen Körper, welche ein späteres Ent-
wicklungsstadium darstellen, erhärtet.
Die mehrfach von verschiedenen Beobachtern angestellten Ver-
suche haben ergeben, daß unter dem Einfluß einer kurzdauernden
Abkühlung die halbmondförmigen Körper in runde und darauf in
geißeltragende sich umzuwandeln befähigt sind.
Indem ich letztere nach der Methode von Romanowski färbte,
habe ich mich nuu überzeugt, daß der Bildungsprozeß der
geißeltragenden Körper in einer Störung der karyo-
kinetischen Kernteilung besteht, in einem Zerfall des
Kernes in Chromatinfäden und einem Heraustreten
derselben aus den Parasiten, wobei eben diese Fäden,
die in einer lebhaften Bewegung sich befinden , die Geißeln
vorstellen1). Weil dieser Prozeß zweifellos den Tod des Parasiten
herbeiführt, so ist es klar, daß die halbmondförmigen Körper, welche
zu geißeltragenden sich umwandeln, eine längere Abkühlung nicht
vertragen können, ohne zu Grunde zu gehen.
Die gleichen Schlußfolgerungen gelten auch für die auf karyo-
kinetischem Wege sich teilenden Parasiten der chronischen Malaria
bei den Vögeln sowie für die älteren Entwickelungsstadien der Para-
siten der Febris tertiana, bei welchen Romanowski während der
Teilung karyokinetische Figuren beobachtet hatte. Die ersteren so-
wohl als die letzteren verwandeln sich unter dem Einfluß der Ab-
kühlung in geißeltragende Körper, gehen also zu Grunde.
Gestützt auf die angeführten Erwägungen und auf die oben kurz
beschriebenen Versuche, darf ich wohl als allgemeine Regel aufstellen,
daß gegen Abkühlung der Kern des Plasmodiums sich am empfind-
lichsten erweist, wobei der Grad dieser Empfindlichkeit
von der Kompliziertheit der Kernstruktur, und zwar
der Chromatinsubstanz des Kernes, abhängig ist.
Weil letztere mit der Entwickelung der Plasmodien einen immer
komplizierteren Bau darbietet, indem bei juugen Formen das Chro-
matin zu einem kompakten Körperchen zusammengedrängt ist, wäh-
1) Protokolle der Kaukas. raed. Gesellschaft, 1833, 16. XI: „Ueber die Identität
der sog. Geißeln und Chromatinfäden bei Malaria-Parasiten“.
162
K. Ilkewitseh,
rend bei erwachsenen die karyokinetischen Figuren hervortreten, so
muß auch die Resistenz der verschiedenen Entwickelungsstadien gegen
Kälte eine verschiedene sein und in den oben angegebenen Grenzen
sich bewegen (eine Woche für die jungen amöboiden Formen und
1li Stunde für die halbmondförmigen Körper).
Dem Mitgeteilten möchte ich einige Worte über eine andere Art
von Bewegung hinzufügen, welche ich bei Beobachtung der auf Eis
konservierten Plasmodien gesehen habe und welche darin bestand,
daß die Konturen des Plasmodiums unverändert blieben, der Parasit
aber sich hin und her drehend bewegte oder auch mit seiner Längs-
achse wandernd (gegen das Gesichtsfeld des Mikroskops) aus der
horizontalen in die vertikale Lage überging. Besonders häufig habe
ich diese Bewegung bei Plasmodien mit biskuitförmiger Gestalt
beobachtet. Bewegungen solcher Art erkläre ich dadurch, daß diese
Plasmodien außerhalb des Blutkörperchens sich befanden und mit dem-
selben bloß durch einen Stiel verbunden waren. Es läßt sich hier
die von Laveran für alle Malariaplasmodien gebrauchte Bezeich-
nung „accolös“ anwenden. Daß solche Plasmodien Vorkommen, beweist
die Beobachtung am Malariablut der Vögel, in welchem zu sehen ist,
wie zwischen den Blutkörperchen sich bewegende Parasiten von
flaschenförmiger Gestalt (die sog. D a n il e w s k i’ sehen Würmchen),
indem sie an einem Blutkörperchen vorbeikommen, welches ein mit
allen Charakteren des endoglobulären erscheinendes Plasmodium auf-
weist, an letzteres nicht selten anstoßen, es mit sich reißen und so
das Blutkörperchen vom Parasiten befreien. Diese Erscheinung läßt
sich nur durch die Annahme erklären, daß das Plasmodium bloß am
Blutkörperchen fixiert und nicht in demselben enthalten gewesen ist.
Tiflis, im Dezember 1893.
Eine neue Methode zur Entdeckung von Tuberkel-
bacillen im Sputum Schwindsüchtiger.
[Aus dem Hygienischen Institute der Kaiserl. Universität zu Moskau.]
Von
K. Ilkewitseh
in
Moskau.
(Mit 3 Figuren.)
Mit Recht betrachtet man gegenwärtig die mikroskopische Unter-
suchung des Sputums auf Tuberkelbacillen als ein wichtiges Hilfs-
mittel bei der klinischen Untersuchung von Kranken, bei welchen
mau Tuberkulose vermutet.
Alles, was uns bis vor kurzer Zeit in dieser Richtung die bak-
teriologische Technik bot, bezieht sich auf die verschiedenen Bereitungs-
arten mikroskopischer Präparate auf Objektgläsern und auf die
Eine neue Methode zur Entdeckung von Tuberkelbacillen etc.
i6a
Untersuchung derselben ohne Deckglas mit Hilfe homogener Immer-
sionssysteme. Der Vorzug einer derartigen Zubereitung und Unter-
suchung mikroskopischer Präparate besteht erstens darin, daß man
hierbei größere Mengen des zu untersuchenden Materials zu dem
Präparate verwenden kann, als bei der Zubereitung der Präparate
auf Deckgläsern, und zweitens darin, daß die Herstellung der Prä-
parate selbst bedeutend einfacher ist und schneller vor sich geht.
Die erfolgreiche Anwendung der Centrifugalkraft zur Sedimen-
tierung und leichteren Aulfindung der tuberkulösen Mikroben in|der
Milch, wie sie von mir vor beinahe zwei Jahren in der Münchener
medizinischen Wochenschrift (1892. No. 5) beschrieben wurde, veran-
laßte mich, den Versuch zu machen, die Centrifugalkraft auch zur
Auffindung tuberkulöser Mikroben im Sputum zu utilisieren. Die
von mir in dieser Richtung angestellten Untersuchungen gaben in
der That derartig befriedigende Resultate, daß ich es für möglich
halte, die Centrifugalkraft als Mittel zu empfehlen, Tuberkelbacillen
aus dem Sputum abzusondern und somit deren Auffindung sogar in
dem Falle möglich zu machen, wo die Zahl derselben eine sehr
geringe ist.
Aber die Centrifugalkraft selbst genügt noch nicht zur sicheren
Ausscheidung der tuberkulösen Mikroben aus dem Sputum; es ge-
hört hierzu erstens noch eine besondere vorläufige Bearbeitung des
Sputums und zweitens eine besondere Einrichtung der Centrifuge resp.
der Cylinder, in welchen das bearbeitete und zu erforschende Sputum
centrifugiert werden soll.
Zu der Untersuchung versetze ich ca. J/2 ccm Sputum in einem
Porzellannäpfchen mit 20 ccm destillierten Wassers und einigen
Tropfen (8 — 12) einer 30-proz. Lösung von KHO; unter fortwähren-
dem Umrühren mit einem Glasstabe erwärme ich die Lösung bis zur
Dampfbildung. Nachdem sich das Sputum unter dem Einflüsse des
KHO, des Erwärmens und des Umrübrens gänzlich aufgelöst hat
(d. h. wenn die Sputumflöckchen vollständig verschwunden sind), füge
ich zu der erhaltenen durchsichtigen Flüssigkeit etwas Kasein liinzu,
welches sich unter der Wirkung des Erwärmens, Umrührens und bei
Zusatz von 1 — 2 Tropfen KHO ebenfalls auflöst und die vorher
durchsichtige Flüssigkeit in eine milchfarbene verwandelt.
Alsdann gieße ich die Mischung aus dem Porzellannäpfchen iu
ein Probierglas und füge einige Tropfen Essigsäure — bis zu den
ersten Anzeichen der Gerinnung des Eiweißstoffes — hinzu. Das
auf diese Weise bearbeitete Sputum gieße ich in einen kleinen, im
Innern gut polierten Messingcylinder von 20 ccm Rauminhalt mit
düunen Wänden (Fig. I a), dessen unteres Ende aus einem gut an-
geschliffenen, konischen Messingnäpfchen (Fig. I b) besteht, welches
dazu bestimmt ist, den niedersinkenden Bodensatz nebst den von
demselben mitgerissenen Mikroben aufzunehmen. Dann stelle ich den
Cylinder mit der in demselben befindlichen zu untersuchenden Flüssig-
keit in eine messingene Hülse (Fig. II); diese wird vermittelst der
Stange E (Fig. III) an einem messingenen Diskus (Fig. III d) be-
festigt, welcher an der drehbaren vertikalen Walze der Centrifuge
anzubringen ist.
164 K. Ilkewitsch, Eine neue Methode »ur Entdeckung von Tuberkelbacillen etc.
Wenn nach einer 5 — 10 Minuten langen Aktion der Centrifuge
sich der Bodensatz in dem Näpfchen (Fig. I b) angesammelt hat, be-
decke ich denselben mit einem messingenen, nicht bis auf den Boden
des Näpfchens reichenden Kügelchen (Fig. Ic, Abstand ca. 3 mm),
welches ich an einem Faden in den Cylinder herablasse, trenne das
Näpfchen (Fig. I b) von dem Cylinder (Fig. Ia) und gieße endlich
alle über dem Kügelchen befindliche Flüssigkeit ab. Bei den er-
wähnten Vorsichtsmaßregeln bleibt der unter dem Kügelchen befind-
liche Bodensatz gänzlich unverletzt.
a
b
Fig. 2. Fig. 3.
Darauf entferne ich diesen Bodensatz aus dem Näpfchen, lege
ihn sofort auf ein Objektivglas, bedecke dasselbe mit einem anderen
Objektivglase und verteile ihn durch reibende Bewegungen auf beiden
Objektivgläsern. Sobald die derartig bestrichenen Objektivgläser
trocken sind, fixiere ich die Präparate vorsichtig über der Flamme,
färbe sie nach der Z i eh 1’ sehen Methode und untersuche sie mit
homogener Immersion ohne Deckglas.
Auf diese Weise geraten alle in dem zu untersuchenden Sputum
vorhandenen Mikroben — mitgerissen von dem geronnenen Kasein
und mit ihm zusammen unter dem Einflüsse der Centrifugalkraft auf
den Boden des Näpfchens niedersinkend — schließlich auf zwei
mikroskopische Präparate.
Was die vorläufige Bearbeitung des Sputums anbetrifft, so gründe
ich die Versetzung desselben mit Kasein auf folgende Betrachtung:
Es ist bekannt, daß von allen Eiweißstoffen des Tierorganismus das
in der Milch befindliche Kasein (Laktoglobin) sich durch die größte
Empfänglichkeit für die Wirkung der Essigsäure auszeichnet. Hieraus
folgt, daß, wenn wir eine Mischung von aufgelöstem Kasein und
Sputum mit Essigsäure bis zum Erscheinen der ersten Zeichen von
Fig. 1.
Max Gruber, Antwort an Herrn Dr. Martin Kirchner etc.
165
Gerinnung versetzen, das Kasein (Laktoglobin) zuerst gerinnt und
wir nach der Centrifugierung ebensoviel Bodensatz erhalten, als wir
Kasein dem zu untersuchenden Sputum hinzugefügt haben.
Diese einfache Bearbeitung des Sputums und Anwendung schwacher
Centrifugalkraft gestatten mir, Tuberkelbacillen im Sputum sogar
solcher Kranken zu entdecken, bei welchen der tuberkulöse Prozeß
sich erst im Beginne befinde und klinisch nicht mit Bestimmtheit
diagnostiziert werden kann.
Als Beispiel führe ich die Untersuchung des Sputums einer
Kranken an, welche nach der Diagnose eines der hervorragendsten
Moskauer Klinikers nur die ersten Anzeichen der beginnenden Lungen-
tuberkulose darbot. Ein Mädchen von kräftigem Körperbau, 23 Jahre
alt, aus dem Tambow’schen Gouvernement gebürtig, wandte sich an
ärztliche Hilfe unter Klagen über Kopfschmerzen , Ohrensausen,
Schmerzen in der linken Brusthälfte (vorn, hinten und an der Seite),
Schwäche und etwas Husten. Die Untersuchung ergab: t. = 37,2°;
Atem = 18 in der Minute; Puls = 85, mittlerer Spannung ; Sputum
in sehr geringer Quantität und nicht charakteristisch. Der Vater
der Patientin ist schwindsüchtig. Die Perkussion ergiebt nichts
Anormales. An der oberen Ecke des linken Schulterblattes läßt sich
an einer begrenzten Stelle unregelmäßiges, kaum zu vernehmendes,
feuchtes Rasseln konstatieren, welches denn auch Veranlassung zur
Diagnose auf beginnende Tuberkulose gab. Doch ergab die auf ge-
wöhnliche Weise in der Klinik vorgenommene, wiederholte mikrosko-
pische Untersuchung des Sputums immer negative Resultate. Mich
für die Kranke interessierend, sammelte ich das von ihr im Verlaufe
von 24 Stunden abgesonderte Sputum (welches mit dem Speichel zu-
sammen nur 1 ccm betrug), bearbeitete dasselbe nach der oben er-
wähnten Methode, centrifugierte und erhielt zwei mikroskopische
Präparate (auf Objektgläsern), in welchen sich in der That einige
Tuberkelbacillen vorfanden. Wiederholte Untersuchungen des Spu-
tum ähnlicher Kranken gaben dasselbe Resultat.
Moskau, 7. Dezember 1893.
Antwort an Herrn Dr. Martin Kirchner in Sachen
der Prüfung von Wasserfiltern.
Von
Prof. Max Gruber
in
Wien.
Die inzwischen in diesem Blatte erfolgte Veröffentlichung von
Reg.-Arzt Dr. H. Schöfer *), in welcher experimentell bewiesen wird,
daß Typhusbakterien auch unter den günstigsten Bedingungen durch
ein von Anfang an keimdichtes Kieselgurfilter nicht durchwachsen
1) Dieses Centralblatt. Bd. XIV. No. 21.
XV. Bd.
11
166
Max Grober, Antwort an Herrn Dr. Martin Kirchner etc.
können, wenn ihnen nicht gute Nährstoffe in ausreichender Menge
dargeboten werden, enthebt mich der Notwendigkeit, auf die sachlichen
Einwendungen in der Entgegnung Herrn M. Kirchner’ s1) zu er-
widern.
Dagegen muß ich wohl die Motive, die mich zur Abwehr ver-
anlaßt haben, mit einigen Worten klarlegen, da Herr Kirchner
angiebt, gar nicht zu begreifen, warum ich denn so „gereizt“ gegen
ihn sei.
Herr Kirchner stellt neuerdings in Abrede, daß er je im Sinne
gehabt habe, Herrn Prochnik’s Vertrauenswürdigkeit zu bezweifeln,
ihn oder mich zu kränken. Ich darf und will an seiner Versicherung
nicht zweifeln. Dann kann ich aber nicht umhin, ihm den Vorwurf
zu machen, daß er seine Worte nicht genügend abwägt. Herr Kirchner
hat bei seiner Kritik der bisherigen Arbeiten über die Kieselgurfilter
die Untersuchungen Prochnik’s mit wenigen Worten abgethan 2).
Wenn man über eine experimentelle Arbeit, die zahlreiche Versuche
umfaßt, ohne sie zu diskutieren, hinweggeht, muß man einen triftigen
Grund dafür haben. Diesen Grund gab denn Herr Kirchner auch
an: „Die Arbeit Prochnik’s könne nicht als maßgebend anerkannt
werden, da er die Möglichkeit des Durchwachsens der
Bakterien durch die Filter in Abrede stellt, die doch von allen
anderen Beobachtern, zuerst von Nordtmeyer, ausdrücklich zuge-
geben wird.“ Ich kann nicht umhin, anzuerkennen, daß dieser Grund
sehr triftig wäre, wenn P roc h n ik die ihm zugeschriebene Aeußerung
gethan hätte. Wenigstens würde ich, wenn ich von jemandem eine
solche, längst feststehenden Thatsachen ins Gesicht schlagende Be-
hauptung in einer solchen Angelegenheit der Industrie lesen würde,
seine Abhandlung sicher ohne weiteres zuklappen, da sie mir nicht
„maßgebend“ sein könnte. Etwas ganz Anderes wäre es aber, wenn
ich lesen würde, daß der Betreffende bei seinen Versuchen zu
einem den bisherigen widersprechenden Ergebnisse gekommen sei.
In diesem Falle würde ich näher zusehen, um die Fehlerquelle oder
die abweichende Versuchsbedingung herauszufinden, auf welche dieses
Ergebnis zurückzuführen sei. Also, ob Jemand sagt: „Ein Durch-
wachsen der Bakterien durch dieses oder jenes Filter ist nicht mög-
lich“; oder : „In meinen Versuchen hat das Durchwachsen nicht
stattgefunden“, hat einen gänzlich verschiedenen Sinn. Im ersteren
Falle wird mir die Vertrauenswürdigkeit des Autors in höchstem
Maße verdächtig sein ; im zweiten Falle werde ich nur allenfalls
zweifeln können, ob er nicht irrt.
Die unrichtige Wiedergabe der Aeußerungen Prochnik’s durch
Kirchner war also durchaus geeignet, jenen und damit auch mich
und mein Institut zu diskreditieren und deshalb mußte ich das
Wort ergreifen. Daß Kirchner dies nicht einsieht, ist einer der
Gründe für meinen oben ausgesprochenen Vorwurf.
In meinem Briefe an Herrn Kirchner, für dessen nunmehrige
Veröffentlichung ich ihm sehr dankbar bin, habe ich ihn in einer,
1) Dieses Centralblatt. Bd. XIV. No. 16.
2) Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankb. Bd. XIV. S. 310.
G Wolffhügel, Zur Frag# der Gelatinebereitung.
167
wie ich glaube, nicht mißzuverstehenden Weise, auf den einzigen
Punkt hingewiesen, dessen Berichtigung ich von ihm verlangt habe,
nämlich die Berichtigung seines unrichtigen Citates. Nur nebenbei
habe ich ihn auch darauf aufmerksam gemacht, daß seine und
Prochnik’s Versuchsbedingungen verschieden waren und daher
auch verschiedene Resultate liefern konnten. Ich dachte mir: viel-
leicht sieht es K. selber ein und korrigiert seine Ansichten selbst. Man
vergleiche nun mit diesem Briefe die Darstellung in Herrn Kirchner’s
Nachtrag1), den Anfang: „Ich hätte ihn ersucht, seine Aeußerungen
über diese Arbeit nochmals zu prüfen und eventuell zu berichtigen“,
und den Schluß: „Amicus Plato, amicus Socrates, sed magis amica
veritas“. Damit lehnte Herr Kirchner mein angebliches Er-
suchen ab.
Spricht man so, wenn man thatsächlich, wenn auch unabsichtlich,
etwas Unrichtiges behauptet hat und aufgefordert worden ist, das
Richtige an dessen Stelle zu setzen? Das war allerdings eine sehr
großartige Redewendung. Aber in dem Leser mußte sie die falsche
Vorstellung erwecken, als hätte ich Herrn Kirchner gebeten, Gnade
statt Recht ergeben zu lassen und Prochnik’s Arbeit günstiger zu
beurteilen, als sie vielleicht verdient. Da er mich nicht verletzen
wollte, hat er also abermals den Sinn seiner Aeußerung nicht genügend
bedacht gehabt.
Noch eine Bemerkung. Herr Kirchner wundert sich, daß ich
mich für Herrn Prochnik ereifere. Es könne ja mir als Instituts-
vorstand gleicbgiltig sein, wenn Prochnik’s Arbeit nicht richtig sei.
Dem gegenüber folgendes: 1) Herr Prochnik weilt längst
wieder im fernen Indien und konnte sich daher nicht selbst recht-
zeitig verteidigen. 2) Jeder Institutsvorstand mag es halten, wie er
will. Ich aber lasse aus meinem Institute nichts hinausgehen, von
dessen Richtigkeit ich mich nicht persönlich so sicher als möglich
überzeugt habe. Ich bin also durchaus für solche Arbeiten ver-
antwortlich, und Angriffe auf dieselben treffen auch mich; falls es
sich nicht etwa um einen Autor handelt, der bereits seinen selb-
ständigen wissenschaftlichen Ruf besitzt.
Zur Frage der Gelatinebereitung.
Von
Prof. Dr. GL Wolffhügel.
Im Centralblatte für Bakteriologie und Parasitenkunde (Bd. XIV.
1893. No. 25. p. 845) hat Herr Dr. Hermann Timpe eine Ab-
handlung „Ueber den Einfluß der Eiweißkörper auf die Reaktion der
Nährböden“ veröffentlicht. Da diese Arbeit, aus Essen a. d. R.
vom 29. November 1893 datiert, ohne jede Angabe des Entstehungs-
1) Zeitscbr. f. Hygiene. Bd. XV. Heft 1. S. 179.
11*
168
G. Wolffhügel, Zur Frage der Gelatinebereitung.
ortes mitgeteilt ist, sehe ich mich, zur Wahrung der Rechte
unserer Arbeitsstätte, veranlaßt, bekannt zu geben, daß die experi-
mentellen Unterlagen, soweit dieselben sich auf das Verfahren der
Gelatinebereitung beziehen, zu gutem Teil im Institute für
medizinische Chemie und Hygiene der Universität
Göttingen entstanden und in meinem Aufträge sowie untermeiner
Leitung erarbeitet sind.
Herr Timpe war in derZeit vom Mai 1891 bis Juli 1893 (mit
wiederholten, zum Teil längeren Unterbrechungen) im Institute auf
meine Kosten als Privatassistent angenommen, um mit uns die Frage
der Verbesserung der Zubereitungsvorschriften für bakteriologische
Nährböden (durch chemische Analyse der Bestandteile, Versuche über
die Beseitigung der Schwierigkeit des Neutralisierens bezw. des Her-
stellens einer Nährgelatine von bestimmter Reaktion und bestimmtem
chemischen Bestände, Feststellung der von den verschiedenen patho-
genen Bakterien an die Beschaffenheit des Nährbodens gestellten An-
sprüche u. dgl. mehr) zu bearbeiten. Aus diesen Ermittelungen ist
u. a. auch ein Verfahren der Gelatinebereitung unter
Neutralisierung mit Phenolphtalein und nachträg-
lichem Zusatz einer abgewogenen Menge von Mono-
phosphat hervorgegangen, das wir im Institute, wie Herr Timpe
weiß, schon seit lange gebrauchen.
Zu der eigenmächtig und unter Verschweigung der Herkunft be-
wirkten Veröffentlichung ist Herr Timpe um so weniger berechtigt
gewesen, als laut brieflicher Vereinbarung bei seiner Indienstnahme
für die unter Mitwirkung des Privatassistenten entstehenden Arbeiten
mir das alleinige Veröffentlichungsrecht Vorbehalten war. Wenn nun
der Verf. im Gegensätze zu der Entstehungsgeschichte unseres Ver-
fahrens der Gelatinebereitung die Reaktion der Eiweißkörper zum
Ausgangspunkte seiner Abhandlung nimmt, wenn derselbe die im In-
stitute erarbeiteten zahlreichen ziffernmäßigen Beweise für den Wert
der neuen Nährgelatine unbenutzt läßt, bezw. an deren Stelle einige
andere Zahlen setzt oder das Rezept für die Zubereitung der Gela-
tine etwas modifiziert1), so ändert dieses nichts an der Thatsache,
daß Dr. phil. Hermann Timpe sich zum wenigsten eines unver-
zeihlichen Vertrauensmißbrauches schuldig gemacht hat.
Es ist nicht das erste Mal, daß Herr Timpe die Beziehungen
seiner Arbeit zu unserem Institute absichtlich verschweigt. Auch die
wiederholt erwähnte Inauguraldissertation (Leipzig 1892 und Archiv
für Hygiene. Bd. XVIII. 1893. p. 1) ist sowohl in ihrem bakterio-
logischen Inhalte als auch in der Redaktion zu gutem Teil unter
unserer wirksamen Beihilfe entstanden, ohne daß der Verf. es mit seinen
Interessen vereinbar gefunden hätte, diese Thatsache zu erwähnen.
Ich behalte mir vor, demnächst über unsere Vorschriften zur
Herstellung von Nährböden zu berichten.
Göttingen, den 31. Dezember 1893.
1) Zufolge einer von uns vorgenommenen Nachprüfung ist übrigens die gedachte
Abänderung nichts weniger als eine Verbesserung des Verfahrens.
Bakterien und Pflanzen.
169
Referate.
Russell, H. L., Bacteria in their relation to vegetable
tissue. (A dissertation presented to the Board of University
Studies of the Johns Hopkins University for the Degree of Doctor
of Philosophy. 41 p. Baltimore 1892.)
Während in der älteren Litteratur (einschließlich der Arbeiten
von De Bary) wenige oder gar keine Bakterienkraokheiten leben-
der Planzen erwähnt werden und man die Meinung hegte, daß die
lebende Pflanze durch die sauere Reaktion ihrer Zellsäfte u. s. w. ein
ungenügendes Nährsubstrat für die Bakterien bildete, fördert bekannt-
lich die neuere Bakteriologie fortgesetzt neue Bakterienkrankheiten
der höheren Pflanzen zu Tage (vgl. auch Ludwig, Lehrbuch der
nied. Kryptog. Stuttgart 1892). Verf. führt in einem Anhänge zur
vorliegenden Arbeit, unter näherer Angabe der Wirtspflanzen, Impf-
versuche, Litteratur u. s. w., bereits 22 durch Bakterien verursachte
Planzenkrankheiten auf, welche inzwischen durch die Entdeckungen
von Krüger, Went, Noack u. a. um eine Anzahl neuer Arten
vermehrt worden sind. Aber auch nach einer anderen Richtung
hin hat sich die Meinung jener älteren Mykologen als nicht stich-
haltig erwiesen. Lominsky hat zunächst 1890 (gl. Ref. im Central-
blatt für Bakt. u. Parasitenkunde. Bd. VIII. p. 325 — 329) für eine
Reihe von besonders bei Tieren pathogenen Bakterienarten (Milz-
brand, Typhus, Staphylococcus pyogenes aureus u. s. w.)
durch ca. 800 Versuche nachgewiesen, daß sie unter Um-
ständen in den Geweben höherer Pflanzen die Bedingungen zu ihrer
Weiterentwickelung finden, daß die betreffenden Blattpartieen oft
schon makroskopisch durch hellere Flecke (vgl. auch Savastano,
Ann. R. Scuola sup. d. Agr. in Portici. Vol. V. 1887) erkennbar sind.
Verf. hat weiter in der vorliegenden Arbeit das Verhalten der ver-
schiedensten — nicht nur der zoopathogenen — Bakterienarten in
den Pflanzengeweben untersucht und ist zu folgenden Hauptresultaten
gekommen:
Die künstliche Ueberimpfung von Bakterien, die bisher als nicht
pathogen für Pflanzen galten, auf lebende Pflanzen ergab, daß eine
ganze Anzahl unterschiedener Bakterienspecies befähigt ist, lange Zeit
im pflanzlichen Organismus zu leben und sich zu vermehren.
Unter ihnen überwiegen besonders die bisher als Saprophyten
bekannten Arten (B. fluorescens, B. acid. lact. , B. butyri-
cus u. s. w.), doch vermögen wohl alle Saprophyten in den pflanz-
lichen Geweben zu gedeihen.
Unter den als fakultative Tierparasiten bekannten Arten
sind nur wenige, wie der Bacillus pyocyaneus und der
Schweine seuchebacillus, imstande, länger in pflanzlichen Ge-
weben fortzukommen. Die meisten vermindern sich bald an Zahl und
sterben schließlich ab.
Bei Impfung von Pflanzen, welche den natürlichen Wirtspflanzen
pflanzenschmarotzender Bakterien systematisch fernstehen,
170
Bakterien und Pflanzen.
vermögen sich die letzteren zwar nicht weiter aaszubreiten, aber sie
vermögen an der Impfstelle in reichlicher Menge weiter zu leben.
Viele Bakterienspecies lebten in den pflauzlichen Geweben noch
nach 40 — 80 und mehr Tagen, manche (besonders Saprophyten)
verbreiteten sich auch von der Impfstelle 20 — 50 mm und weiter in
dem Gewebe.
Die örtliche Ausbreitung geschah immer nach oben zu, und die
Bakterien fanden sich allgemein intracellulär (nicht intercellulär).
Die vorstehend genannten Ergebnisse bezüglich der Fähigkeit,
besonders der saprophytischen Bakterien, in Pflanzengeweben zu ge-
deihen, werfen einiges Licht auf die Frage nach dem normalen Vor-
kommen von Bakterien in gesunden Pflanzen. (Ueber das normale Vor-
kommen von Bakterien in lebenden Geweben schrieben : B e r n h e i m und
Büchner [Münch, med. Wochenschr. 1888], Lehmann [1. c. 1889.
No. 7], deVestea, Fernbach [Ann. de l’Inst. Pasteur. 1888],
Fazio [vgl. Centralbl. f. Bakt. Bd. VII. p. 798], Groucher und
Deschamps [Arch. Med. Exp. 1893. p. 53], Galippe [C. R. Soc.
Biol. 1887], Laurent [Bull, de l’Ac. roy. de Belg. T. X. p. 38,
T. XIX. 1890. p. 468], Ralph [Trans. Roy. Soc. Victoria. Vol. XX.
1884], van Tieghem [Bull. Soc. Bot. de France. Vol. XXXI. 1884.
p. 283.]) Eine Anzahl von Kulturen, die von inneren Geweben ge-
sunder Pflanzenstengel gemacht wurden, enthielten keine Bak-
terien, nur wenn die Stengel vorher verwundet waren,
wenn auch noch so wenig, konnten Bakterien ins Innere gelangen,
und da sie daselbst mehrere Monate lang leben können, ist es mög-
lich, daß auch nach Vernarbung der Wunden im Innern lebende
Bakterien gefunden werden. Bakterien, die nicht dem Parasitismus
in der Pflanze angepaßt sind, können, wie es nach den Versuchen
des Verf. scheint, durch die unverletzte Epidermis nicht ins Innere
der Gewebe gelangen, während dies bei parasitären Arten möglich ist.
Einige der besonderen Ergebnisse des Verf.’s zeigen die folgenden
Tabellen.
Saprophytische Arten.
Datum der Schluß- Inkuba-
Name d. Bakterienspecies Impfung termin tionstage
Wirtspflanze
Ergebnis l)
Bacillus prodigiosus
20. X.
17.
XI.
27
Tradescantia
*»
99
20. X.
1.
II.
103
i»
—
99
26. XI.
ö.
XII.
10
Geranium
*
99
20. XII.
2.
II.
42
i>
*#
B. butyricus
20. XII.
2.
II.
42
i)
**
9»
28. XI.
10.
XII.
13
Limabohne
#
B. luteus
20. XII.
28.
I.
40
Geranium
##
B. Megaterium
19. XI.
30.
XI.
11
Limahohne
*
99
19. XI.
30.
XI.
11
ti
—
ft
12. I.
25.
II.
44
Geranium
*
B. coli commune
1. XII.
20.
XII.
19
i»
*#
»
1. XII.
30.
XII.
29
9»
**
B. ac. lactici
12. I.
16.
II.
35
99
#*
B. fluorescens
12. I.
24.
II.
43
»9
**
B. lactis aerogenes
4. I.
14.
II.
10
99
«
1) * wenige, ** zahlreiche Bakterien vorhanden, — keine Bakterien vorhanden.
Zahlen bedeuten die Zahlen der Kolonieen, die in der Kultur aus dem infizierten Ge-
webe erwuchsen.
Gärung.
171
Zoopathogene Arten.
Datum der
Schluß-
Inkuba-
Name d. Bakterienspecies
Impfung
termin
tionstage
Wirtspflanze
Ergebnis
B. pyocyaneus
27. XI.
4. II.
69
Begonia
**
7t
28. XI.
30. XII.
32
Geranium
#*
ft
27. XI.
2. I.
36
Penthorum
**
B. anthracis
20. XI.
26. I.
38
Geranium
—
ff
19. XI.
30. XI.
11
Limabohne
(0
f)
20. XI.
25. XI.
5
Echmocactus
(2)
Staph. epid. alb.
20. XI.
28. I.
40
Geranium
Staph. pyog. aur.
12. I.
23. II.
42
if
—
ff ff ff
10. XII.
23. XII.
13
Limabohne
(3)
Mic. cer. flav.
12. I.
19. II.
38
Geranium
(4)
Cholera gallinarum
20. II.
10. III.
18
it
*
Schweineseuche
8. III.
25. III.
17
9t
**
Mic. tetragenus
• 22. 'UI.
15. IV.
25
99
—
Bac. diphtheriae
8. III.
18. III.
10
ff
“
Phytopathogene Arten.
B. amylovorus in Begonia (30 Tage), Phaseolus vulgaris (30 Tage), Ph.
lunatus (16 Tage)
Tradescantia alba (60 Tage)
B. avenae in Begonia, Allium, Weizen u. s. w. (30 Tage)
Kultur
vom Impfstich Kultur vom Nachbargewebe
Bacillus luteus
in
Geranium
40 Tage
1850
Kolonieen
10
mm
oben
1764
Kolonieen
B. fluorescens
fi
ff
43 „
4200
ff
5
ft
tt
3850
ff
19
ff
ff
43 ,,
4200
tf
3
ft
unten
350
ft
B. butyricus
ft
ff
48 „
104
ff
5
tt
oben
45
ff
ff
ff
ff
48 „
104
ff
10
tf
tf
20
tf
B. acidi lacti
ff
ff
35 „
6500
ff
5
tf
tt
4200
tt
» V
ff
ff
35 „
6500
ff
25
ft
tt
2250
f?
ff tf
ff
ff
35 „
6500
ft
3
tt
unten
2000
ff
Die Abhandlung enthält noch eine Reihe wichtiger Untersuchungen
und Erörterungen über die Art der Verbreitung der Bakterien in den
pflanzlichen Geweben, über deren Beeinflussung dieser durch erstere,
über den Widerstand („Resistance“) und die Immunität („immunity“)
der Pflanzen gegen die Bakterien (die vegetabilischen Zellsäfte be-
sitzen an sich keine keimtötenden Eigenschaften wie im Tierkörper
z. B. das Blutserum u. s. w.), welche allgemeines Interesse bean-
spruchen, bezüglich deren wir jedoch wie in Bezug auf die Unter-
suchungsmethode selbst hier auf das Original verweisen wollen.
Ludwig (Greiz).
Beijerinck, M. W., Ueber die Butylalkoholgärung und
das Butylferment. (Verhandl. der Koninklijke Akademie vau
Wetenschappen te Amsterdam. Sect. II. Deel I. No. 10.) 51 p.
Amsterdam (Johannes Müller) 1893.
Die behandelte Gärung hat als Produkt den normalen Butyl-
alkohol, der bei 117° C siedet und in 12 Teilen Wasser löslich ist,
woraus er durch Chlorcalcium abgeschieden werden kann. Durch
Oxydation wird er in normale Buttersäure übergeführt. Der Alkohol
ist nicht nur das Produkt des vom Verf. alsGranulobacter buty-
licum bezeichneten Fermentes, sondern tritt auch in kleinen Quanti-
172
Gärung.
täten bei der Buttersäuregärung von Glukose, Rohrzucker, Glycerin,
Mannit durch Granulobactersaccharobutyricum,in Maltose-
würzen durch einen im Gartenboden verbreiteten Streptococcus
und durch ein mit Erde vom Senegal eingeführtes Clostridium
auf, vermutlich ein ziemlich verbreitetes Produkt des Bakterienlebens.
Verf. hat zuerst 1886 beobachtet, daß bei der Einmaischung ver-
schiedener Getreidemehl- und Gerstenmalzvarietäten und nachfolgen-
der 24-stündiger Aufbewahrung der Maische bei Brüttemperatur eine
Butylalkoholgärung unter reichlicher Wasserstoff- und Kohlensäure-
produktion zustande kommt, während aus anderen Mehlmusteru bei
gleicher Behandlung neben den genannten Gasen und sehr wenig
Butylalkohol der Hauptsache nach Buttersäure entstand. Die hierbei
und in der Folge vom Verf. beobachteten Bakterien, die bisher mit
den Namen Bacillus Amylobacter und Clostridium buty-
ricum bezeichnet, aber nicht geuügend unterschieden worden sind,
ferner das Buttersäureferment des Calciumlactates und den bisher
als Bacillus Polymyxa bezeichneten Spaltpilz stellt Verf. zu
der neuen Gattung Granulobacter , für die er folgende Diagnose
giebt: „Obligat oder temporär anaerobe Gärungsbakterien, welche
bei vollständiger Anaerobiose sich teilweise oder ganz mit Granulöse
anfüllen und dann Clostridiumform annehmen. Bei Gegenwart
von Sauerstoffspuren entstehen schnell bewegliche Stäbchen, welche
mit Jod gelb werden.
Sporen entstehen in den Clostridien und können einige Sekunden
oder Minuten auf 95 — 100 0 C in den Nährflüssigkeiten erhitzt werden,
wodurch die Entfernung von verunreinigenden Bakterien möglich ist.
Unter den Gärungsprodukten finden sich immer Kohlensäure und
gewöhnlich auch Wasserstoff, während Methan vollständig fehlt.“
Granulobacter butylicum (? Gruber’s Bacillus
Amylobacter I) ist das Butylferment vieler Getreidemehlvarietäten,
besonders häufig auf Hordeum distichura nudum, H. vul-
gare himalayense. Es ist anaerobisch, erzeugt aus Maltose
normalen Butylalkohol, Wasserstoff und Kohlensäure, aber keine
Buttersäure. Während der Gäruug entsteht viel Diastase, die ein-
heitlich ist und auch keine Glukase enthält. (Verf. gebraucht das
Wort „Amylase“ als Gattungsnamen für die amylolytisch wirkenden
Enzyme: 1. Maltase, II. Dextrinase, die beide die „Malzdiastase“ dar-
stellen, III. Ptyalin und Pankreasdiastase, IV. Diastase sensu strict.,
umfassend Maismalzdiastase, Butyldiastase, Buchweizendiastase, Nycta-
gineendiastase, V. Glukase.) Sporen groß, Clostridien dick und kurz.
Die Kolonieen in Malzwürzgelatine sind milchweiß, zähschleimig,
verflüssigen nicht.
Granulobacter saccharobuty ricu m (= Bacillus bu-
tylicus Fitz, De Bary’s Abbild, von Bacillus Amylobacter)
ist das echte Buttersäureferment des Zuckers. Kommt stets vor auf
Getreidemehl und in Erde von Gartenboden und ist auch in Graben-
schlamm sehr verbreitet; das anaerobe Ferment der gewöhnlichen
Buttersäuregärung aus Glukose und (schwieriger) aus Maltose. Es
erzeugt neben Gärungsbuttersäure in wechselnder Menge normalen
Butylalkohol, Kohlensäure und Wasserstoff. Während der Gärung
Gärung.
173
entsteht Diastase. Die Clostridien sind schmaler, Sporen und Gra-
nuloseorgan kleiner, als bei voriger Spezies. Die Kolonieen wachsen
in Malzwürzegelatine langsamer, bleiben kleiner und werden nicht so
zähe, wie bei Gr. butylicum. Verflüssigt die Gelatine nicht.
Granulobacter lactobutyricum (cf. Pasteur, fitudes
sur la biere. 1876. p. 282), das Buttersäureferment des Calcium-
lactates, aus dem es als anaerobe Clostridiumform Calcium-
butyrat, Wasserstoff und Kohlensäure mit unbekannten Neben-
produkten, aber kein Methan erzeugt. Es verliert sehr leicht die
Gärkraft und wird dann zu einer Stäbchenbakterie, die Bacillus
subtilis ähnelt, jedoch anfangs Calciumlactat energisch zersetzt
unter Bildung von Calciumkarbonat ohne Buttersäurebildung. Diese
aerobe Form verflüssigt die Gelatine schwach, verwandelt sich nicht
in die vorigen Arten und wächst nicht in deren Nährlösungen. Die
Clostridien sind gewöhnlich sehr kurz und dick, nur langsam beweg-
lich, die Endosporen klein, mehr rund, als beim Butylferment. Die
Granulöse färbt sich mit Jod nicht rein blau, sondern violettblau.
Die aerobe Form enthält in den in Reihen angeordneten Sporen
keine Granulöse und wird mit Jod gelblich. Das dadurch aus dem
Lactat erzeugte Calciumkarbonat besteht aus großen Spbäriten.
Nach einigen Ueberimpfungen hört das Wachstum bei Luftzutritt
gänzlich auf. Auch die anaerobe Form veranlaßt nur einzelne
Gärungen, um dann bei fortgesetzter Ueberimpfung einzugehen. In
den spontanen Buttersäuregärungen des Calciumlactates.
Granulobacter Polymyxa (Praimowski 1880). Tem-
porär anaerobe Gärungsbakterie der Malzwürze, am besten wachsend
bei völligem Luftzutritt, aber nur bei beschränkter Lüftung gärend.
Die Luftform besteht nur aus beweglichen Stäbchen, die Gär-
form aus Clostridien mit wenig Granulöse und meist mit Sporen.
Sie erzeugt einen weichen, massigen Schleim. Bei der Gärung ent-
steht nur Kohlensäure und spurenweise Butylalkohol, kein Wasserstoff
und keine Buttersäure. Die Nährgelatine wird langsam, aber völlig
vergoren. Der Spaltpilz, der etwas Diastase erzeugt, ist ein kon-
stanter Bewohner der Butylansätze und sicherlich auf Getreidekörnern
heimisch. Uebergangsform von Granulobacter zu den „Heu-
bacillen“.
Zwei weitere Granulobakterien aus Grabenmoder und von Getreide-
körnern ließen sich nicht kultivieren. Wahrscheinlich gehört auch
Leptothrix buccalis aus dem Zahnschleime zu den Granulo-
bakterien. Im Staube orientalischen Getreides fand Verf. noch Neben-
arten zu Gr. Polymyxa, deren eine aerobe Art sehr zähe Zooglöen
bildet und Glykogen anstatt Granulöse enthält.
Systematisch stehen die Granulobakterien neben den Heu- und
Kartoflelbacillen, andererseits dürften systematisch Bienstock’s
Bacillus putrefaciens coli und die übrigen sporenbildenden
Fäulnisbakterien der Eiweißkörper damit Zusammenhängen.
Granulobacter butylicum, wie Gr. saccharobutyri-
cum besitzen noch mehrere Formvarietäten (z. T. von Zwischen-
stellung). Die vorliegende Abhandlung beschäftigt sich aber nur mit
dem scharf charakterisierten Butylferment, obwohl Gr. saccharo-
butyricum allgemeiner verbreitet ist Letzteres verdrängt Gr.
174
Gärung.
butylicum leicht in den Getreidemaischen, indem es aus Glukose
die für das Butylferment verderbliche Buttersäure erzeugt. Die
glukosehaltigen Maischen von Mais, Sorgho, Reis und Buchweizen,
auch das Johannisbrot, sind dadurch sehr gut für G. saccharo-
butyricum, aber nicht für G. butylicum geeignet.
Verf. behandelt in besonderen Kapiteln, bezüglich deren wir auf
die wichtige Abhandlung selbst verweisen:
Den Butylansatz. — Die Gärungsflüssigkeit. — Reinkultur des
Butylfermentes in Nährgelatine. Methodisches. — Den Butylgärungs-
kolben und die Hauptgärung. — Den Verlauf einer Butylgärung. —
Form Verhältnisse und Beweglichkeit des Butylfermentes. — Das Vor-
kommen von gebundenem Sauerstoff in den Gärungswürzen. Aus-
gang und Ende der Butylgärung. — Die Butylgärungsgase und den
Butylalkohol. — Die Gewinnung der Butylbakterien und deren Stick-
stoffgehalt. — Die Granulobactergranulose und die Granulobacter-
diastase. — Die biologische Bedeutung der Gärungen. — Reduk-
tionsfunktion des Butylfermentes. — Allgemeines über Anaerobiose,
Reduktionsfunktion und Gärung.
Von besonderer Bedeutung sind die Ergebnisse, zu denen der
Verf. über Gärung, Anaerobiose und Reduktionsfunktion gelangt, und
die er in den folgenden Thesen ausspricht:
1) Es giebt drei verschiedene Formen der Anaerobiose, nämlich:
die wahre fakultative, die scheinbar fakultative oder
temporäre und die obligate.
2) Die fakultative Anaerobiose, wie z. B. bei den in-
dustriellen Milchsäurefermenten, ist charakterisiert durch Unabhängig-
keit vom freien Sauerstoff, wenn reduktionsfähiges Nährmaterial ge-
boten ist.
Die temporäre Anaerobiose, wie z. B. bei Mucor race-
mosus, den Alkoholhefen und einigen Gärungsbakterien, wie Photo-
bacterium phosphorescens, beruht auf der Gegenwart einer
gebundenen Sauerstoffreserve in den Zellen, welche bei den aktiven
Alkoholhefen einzelne (20 — 30) Zellteilungen erlaubt, ehe aufs neue
Sauerstoffzutritt nötig wird. Findet letzterer dann nicht statt, so
sterben die Zellen allmählich ab, auch bei der Gegenwart günstiger,
reduktionsfähiger, lose gebundenen Sauerstoff enthaltender Nahrung.
Die obligate Anaerobiose, wie bei dem Butylfermente, er-
heischt vollständige Abwesenheit von freiem Sauerstoff und Gegen-
wart von reduktionsfähigem Nährmaterial.
3) Gärungs- und Reduktionsfuuktion sind von einander unabhängig.
Dies erhellt daraus, daß die temporär anaerobe Alkoholhefe gärt, ohne
zu reduzieren, während die temporär anaerobe Leuchtbakterie Photo -
bacterium phosphorescens gärt und zu gleicher Zeit reduziert.
4) Gärung kann mit allen drei Formen der Anaerobiose kombiniert
Vorkommen und fehlt nur bei den vollständig aeroben Organismen.
5) Wahre fakultative und obligate Auaerobiose sind unzertrenn-
lich an reduktionsfähiges Nährmaterial gebunden.
6) Die Reduktionsfunktion kann mit allen Formen der Anaerobiose,
sowie mit der vollständigen Aerobiose kombiniert Vorkommen.
7) Die Fakultativanaerobien sowie die Obligatanaerobien können
Harntoxine.
175
bei Abwesenheit von Substanzen, welche zugleich assimilations- und
reduktionsfähig sind, oder auch bei Gegenwart wohl reduktions-, allein
nicht assimilationsfähiger Stoffe und bei sonst geeigneten Ernährungs-
bedingungen scheinbar als Aerobien leben und wachsen, d. h. die-
selben erheischen dann freien Sauerstoff, wenn auch von niedrigerer
Spannung. Die letzte These ist für die Erklärung der biologischen
Bedeutung der Gärungen besonders wichtig.
8) Die Gärfunktion ist notwendigerweise von Gas-
bildung begleitet (nur dann ist das Wort Gärung zulässig).
Die Gärung bezweckt durch die Gasbildung, die zu einer der drei
Klassen der Anaerobien gehörigen Urheber durch das Gas dem freien
Sauerstoff entgegeuzuführen. Das Funktionsoptimum des dafür er-
wünschten Sauerstoffdruckes liegt bei den Obligatanaerobien, bei Gegen-
wart reduktionsfähiger Nahrung, bei 0, bei Abwesenheit reduktions-
fähiger Nahrung oberhalb 0, allein niedriger, als es der Löslichkeit
dieses Gases unter dem gewöhnlichen Luftdrucke entspricht.
Ludwig (Greiz).
Jawein, Zur Frage von den Toxinen des tierischen
Harns bei akuten Infektionskrankheiten. (Wratsch.
1893. No. 7 — 8.) [Russisch.]
Verf. machte eine ganze Reihe von Versuchen an Kaninchen und
Meerschweinchen, um auf experimentellem Wege die Anwesenheit und
die pathogenen Eigenschaften der Toxine, welche in den Harn infi-
zierter Tiere übergehen können, zu prüfen. Er arbeitete mit Tieren,
welche einer Infektion mit dem F raenkel’schen Diplococcus,
Bac. pyocyaneus, Streptococcus erysipelatosus, Bac.
anthracis, Vibrio cholerae asiaticae, Bac. Hogcholerae
unterworfen waren ; ihren Harn führte er in die Bauchhöhle anderer
Tiere ein, um die Wirkung desselben zu prüfen.
Verf. kam sehr bald zur Ueberzeugung, daß alle diese pathogenen
Bakterien recht schnell in den Harn übergehen — er erhielt immer
Reinkulturen derselben aus dem Harne — und da ihre pathogenen
Eigenschaften in keiner Weise geschmälert werden, so ergaben
die erhaltenen Reinkulturen, auf Tiere verimpft, das gewöhnliche Bild
der entsprechenden Infektion. Daß jedoch gewisse Toxine im Harne
infizierter Tiere anwesend sind, bewiesen die Versuche mit Fraenkel’s
Diplokokken, Strept. erysip. , Bac. anthrac. und Bac. pyo-
cyaneus, bei welchen die Bakterien des Harns vorläufig mittels
Chloroform resp. 1-stündiger Erwärmung bis auf + 58° C getötet
waren. Die Tiere, welchen der auf diese Weise sterilisierte Harn in
die Bauchhöhle eingeführt war, gingen in kurzer Zeit wegen Kachexie
zu Grunde.
Bei den Versuchen mit Choleravibrionen au Meerschweinchen
kam es wohl vor, daß der Harn keine Vibrionen enthielt, besonders
wenn die Infektion durch die Bauchhöhle geschah, doch gelang es in
diesen Fällen nicht, eine genügende Quantität Harn zu sammeln, um
ihn auf den Gehalt von Toxinen prüfen zu können. Bei subkutaner
Impfung von Choleravibrionen (an Kaninchen) gehen die Bakterien
sehr bald zu Grunde, gelangen daher auch nicht in den Harn. Verf.
176
Infektion der Schußwunden.
wandte diesen bakterienlosen Harn zur Einführung in die Bauchhöhle
von Meerschweinchen an und überzeugte sich, daß er auch toxin-
frei ist.
Bei der Infektion mit Hogcholera gehen die Bakterien zu-
meist auch in den Harn über. Dem Verf. gelang es jedoch, aus
einer großen Versuchsreihe ein gewisses Quantum Harn zu erlangen,
welcher bakterienfrei war, und ihn 3 Kaninchen in die Ohrvene, resp.
in die Bauchhöhle einzuführen. Die Kaninchen fieberten den ganzen
Tag, genasen jedoch vollständig und dienten dann, gleichzeitig mit
einem Kontrolliere, zum Versuche mit der Hogcholerabakterien-
infektion. Das Kontrollier ging nach 3 Tagen zu Grunde, das eine
der Versuchstiere nach 7 Tagen, die übrigen zwei Versuchstiere
blieben anscheinend gesund am Leben.
Der Harn von mit Hogcholerabakterien infizierten Kaninchen ent-
hält also Substanzen, welche, anderen Kaninchen eingeführt, dieselben
bis zu einem gewissen Grade gegen eine tötliche Infektion mit den-
selben Bakterien immunisieren. Daß diese Substanzen nicht Hog-
choleratoxine waren, sondern ausschließlich immunisierende Körper,
beweist die Abwesenheit der typischen Vergiftungserscheinungen,
welche für die Hogcholeratoxinvergiftung charakteristisch sind.
Aus allen diesen Versuchen schließt der Verf., daß man heutzu-
tage noch nicht über spezifische, durch die Nieren secernierte Toxine
sprechen darf, da nur in den Fällen Toxine im Harne nachgewiesen
werden können, wenn der Harn die betreffenden Bakterien enthält.
Die Frage, ob die Toxine im Harne durch Lebensthätigkeit der
Bakterien erzeugt oder von den Nieren secerniert werden, bleibt
noch offen. Sind im Harne keine Bakterien nachzuweisen, so fehlen
darin auch Toxine, dagegen können (wie bei Hogcholerainfektion)
immunisierende Substanzen vorhanden sein.
Steinhaus (Warschau).
Pfuhl, Ueber die Infektion der Schußwunden durch mit-
gerissene Kleiderfetzen. (Zeitschr. f. Hyg. u. Infektions-
krankh. XIII. Heft 3.)
Dem Vorschläge Langenbeck’s, bei Schuß Verletzungen sofort
durch Naht oder Heftpflaster die Wunde zu schließen und dann den
Verwundeten dem nächsten Lazarett zuzuführen, haben in der Dis-
kussion Bruns und König widersprochen mit der Motivierung,
daß die mitgerissenen und in den Wundkanal eindringenden Fremd-
körper, namentlich Kleiderfetzen, eine Infektion der Wunde bewirken
würden. Pf. hat nun einige Versuche angestellt, um zu prüfen, ob
die in die WundeD mitgerissenen Kleiderfetzen thatsächlich für die
Wundinfektion die Bedeutung haben, die man ihnen bisher allgemein
zuschrieb. Als Erreger der Infektion kommen besonders die Strepto-
kokken und die weniger gefährlichen Staphylokokken in Betracht.
Die Versuche wurden an weißen Mäusen und Kaninchen in der
Weise vorgenommen, daß kleine Zeugstückchen von 3 — 4 mm Durch-
messer in die Haut, in die Muskulatur, in Pleura- oder Peritoneal-
höhle gebracht wurden. Die Zeugstücken waren den verschiedensten
Teilen der Bekleidung von 5 Soldaten, 1 Dienstmann, 1 Arbeiter
Pneumonie.
177
und 6 anderen Personen entnommen , wobei besonders die am
stärksten bestaubten und beschmutzten Stellen ausgesucht wurden.
Es wurden 26 Mäuse geimpft — erfolglos, keine Wundreaktion er-
folgte, während bei Kontrollieren die Impfung mit staphylokokken-
haltigen Zeugstücken Hautnekrose an der Impfstelle hervorrief.
Weiterhin wurden 10 Kaninchen in derselben Weise an den Ohren
mit 26 Zeugstücken geimpft. Hier zeigten sich stets Stauungs-
erscheinungeu, während die Stücke einheilten, aber es trat das gleiche
auch bei der Impfung mit sterilen Tuchstücken ein. Nur an drei
Impfstellen bildeten sich kleine „grützbeutelartige Cysten“, deren
Inhalt aber bakterienfrei erschien. Nie entstand eine Entzündung,
auch nicht in den 4 Fällen, wo ein Heftpflasterstreifen um die Basis
des Ohres zur Erzielung von venöser Stase gelegt war. Bei 2 Ka-
ninchen wurden 2 — 3 cm lange, 1/3 — 1/2 cm breite Tuchstreifen in
die Pleura- resp. in die Peritonealhöhle gebracht, auch hier trat
glatte Heilung ein. Ein mit monatealtem Staub bedeckter Tuch-
streifen bewirkte ferner, in die Pleura eines Kaninchens gebracht,
nur eine leichte Störung des Allgemeinbefindens, während zwei
weitere mit Staphylokokken, bezw. Streptokokken geimpfte Tuch-
streifen dem Versuchstiere schwere Krankheit, resp. Tod brachte.
Demnach waren in 51 Zeugproben keine virulenten Wundinfektions-
erreger enthalten ; wenn dieselben überhaupt vorhanden waren, so war
ihre Virulenz stark vermindert, wie sich ja auch aus den ungünstigen
Lebensbedingungen, denen die Kokken au den Kleidern unterworfen
sind, zur Genüge erklärt.
Pf. schließt aus diesen Versuchen, daß die Gefahr der Wund-
infektion durch mitgerissene Kleiderfetzen bisher überschätzt sei.
Spener (Berlin).
Wassermann, Ueber differentielle Diagnostik von ent-
zündlichen Lungenaffektionen. [Aus dem Institut f. In-
fektionskrankh. in Berlin.] (Deutsche medizin. Wochenschr. 1893.
No. 47.)
Wenn bisher die akute krupöse Lungenentzündung allgemein als
eine bestimmte Infektionskrankheit betrachtet wird, so wird ebenso
übereinstimmend zugegeben, daß es sich bei den lobulären und
Bronchopneumonieen nicht um einheitliche Vorgänge handelt. Man
hat versucht, Krankheitsprozesse dieser Art nach klinischen, oder
pathologisch- anatomischen Gesichtspunkten zu beurteilen und von
einander zu trennen; das einzig sichere Unterscheidungsmittel gewährt
indessen die Aetiologie. Es darf als sicher gelten, daß Tuberkel-
bacillen, Fraenkel’sche Diplobacillen, Pfeiffer’ sehe Influenza-
bacillen, Fri edländer’sche Bacillen, Staphylokokken und Strepto-
kokken entzündliche Vorgänge in den Lungen hervorrufen können,
und je nach Art des Krankheitserregers pflegen die einzelnen Krank-
heitsbilder von einander abzuweichen. Verf. hat im besonderen die
durch Streptokokken und Influenzabacillen erzeugten Lungenent-
zündungen zum Gegenstand eingehender Beobachtungen gemacht.
Streptokokkenpneumonieen sind bisher von Weichselbaum
(diese Zeitschr. Bd. I. p. 589), Naumann (ebenda p. 591) und
178
Pneumonie.
Finkler (ebenda Bd. XI. p. 208 ff.) beschrieben und von den letzt-
bezeichneten Forschern mit den von französischen Autoren als pneu-
monie infectieuse bezeichneten schweren Aflfektionen identifiziert
worden. In den von Wassermann beobachteten Fällen fehlten
die schweren Allgemeinerscheinungen. Jene Erkrankungen, von denen
zwei als Beispiele von dem Verf. ausführlich mitgeteilt werden, er-
innerten in ihren äußeren Erscheinungen sehr an Tuberkulose. All-
mähliche Entstehung des Leidens, Abmagerung der Patienten,
Schweiße, Lokalisation und physikalische Symptome der Krankheits-
vorgänge sprachen durchaus für deren Vorhandensein. Während
einige Male die Abwesenheit der Koch’ sehen Bacillen in dem reich-
lichen eiterigen Sputum zu Zweifeln an jener Diagnose berechtigte,
war in anderen Fällen die Erfolglosigkeit einer bezüglichen Unter-
suchung durch die Spärlichkeit des Auswurfes genügend erklärt.
Sichere Merkmale für die Unterscheidung gewährten indessen das
Ausbleiben der Reaktion nach Tuberkulininjektionen und der Nach-
weis von Streptokokken im Auswurf in Reinkultur oder doch in großen
Massen. Fälle dieser Art zeichneten sich auch durch einen eigentüm-
lichen Fieberverlauf aus. Die charakteristische „Streptokokkenkurve“
war entsprechend den zahlreichen Intermissionen und Remissionen
des Fiebers reich an spitzen Zacken. Die Temperaturerhöhungen traten
immer ganz plötzlich ein und waren zuweilen, aber keineswegs regel-
mäßig von Frost begleitet. Die Krankheit nahm in den vom Verf.
beobachteten Fällen einen langsamen Verlauf, endete jedoch stets in
Genesung. Therapeutisch wurden nach R. Koch’s Rat Inhalationen
von ätherischen Oelen oder konzentierter Aetherkampherlösung ange-
wendet, da diese Mittel die Streptokokken zu schädigen geeignet sind.
In allen Fällen handelte es sich um einen Streptococcus
longus; derselbe bildet auf Agar feingranulierte, bräunliche Ko-
lonien, an deren Rande bei stärkerer Vergrößerung ranken- und
schlingenförmige Ketten zu bemerken sind. In Bouillon, noch besser
in 1-proz. Traubenzuckerbouillon, bildet sich nach 24 Stunden ein
feinflockiger Niederschlag in der Kuppe des Reagenzglases, während die
übrige Flüssigkeit klar bleibt. Die Virulenz für Tiere war verschieden,
doch waren die Streptokokken stets pathogen für Kaninchen. Meistens
genügte 0,2 ccm einer 24-stündigen Bouillonkultur in die Ohrvenen
injiziert, um ein solches Tier innerhalb 3 — 4 Tagen zu töten. Die
Streptokokken waren alsdann im Blute und allen Organen nach-
zuweisen. Ein entsprechender Zusammenhang zwischen der Schwere
des Erkrankungsfalles und der Virulenz der von demselben ge-
wonnenen Streptokokken für Tiere ließ sich nicht konstant auffinden.“
Der Mitteilung seiner Beobachtungen über Influenzapneu-
monie schickt Verf. einige Bemerkungen über die Bedeutung der
Pf e i ff e r’ sehen Influenzabacillen voraus. Diese Mikroorganismen
sind im Institut für Infektionskrankheiten gelegentlich der Unter-
suchungen, welche sich auf viele Hunderte Sputa erstreckten, zur
Zeit der Epidemie massenhaft, beim Ablauf derselben seltener ge-
funden worden. In der epidemiefreien Zeit wurden sie hin und
wieder in den Sekreten einzelner Patienten massenweise nachgewiesen;
Pneumonie.
179
stets konnten dann die betreffenden Erkrankungen bis in die Influenza-
epidemie zurückverfolgt werden.
Die klinisch- bakteriologischen Untersuchungen des Verf. hin-
sichtlich der Influenzapneumonie erstrecken sich auf 40 Fälle. Die
betreffenden Lungenentzündungen unterschieden sich regelmäßig durch
ihren Verlauf von den gewöhnlichen krupösen Pneumonieen ent-
sprechend der bereits von Beck in den Charit6-Annalen 1892 ge-
gebenen Schilderung. Der Auswurf war nie rubiginös, sondern stets
schaumig eitrig, das Fieber zeigte unregelmäßigen Verlauf und endete
immer durch Lyse, die Resolution vollzog sich weit langsamer als
bei krupöser Pneumonie. So bildete die Lungenentzündung der In-
fluenza, welche als solche durch den Nachweis der Mikroorganismen
festgestellt wurde, eine von der Diplokokken-Pneumonie wesentlich
verschiedene Krankheit. Eine Kombination beider Prozesse wurde
nur in einem Falle beobachtet. Derselbe betraf ein junges Mädchen,
bei welchem sich im Laufe einer typischen Influenzaepidemie unter
Schüttelfrost und erhöhtem Fieber ein ganz anderes Krankheitsbild
entwickelte. In dem nun rubiginös gewordenen Sputum erschienen
die vorher nicht gefundenen Fränkel’ sehen Diplokokken; eine nur
wenig protrahirte Krise und die rasche Vollendung der Resolution
bestätigten die Annahme, daß es sich um eine Sekundärinfektion ge-
handelt hatte. Da indessen dieser Fall der einzige seiner Art unter
40 bezüglichen Krankenbeobachtungen blieb, so hält sich der Verf.
zu dem Schluß berechtigt, daß die reine Influenzapneumonie zur Zeit
einer wirklichen Influenzaepidemie bei weitem die Mehrzahl aller vor-
kommenden Lungenentzündungen bildet. K übler (Berlin).
Capobianco, F., La pneumonite da tir oidectom i a e quella
da recisione del vago nei conigli. (La Rif. med. 1893.
No. 166.)
Kaninchen überdauern nur ausnahmsweise die Thyroidektomie
und gehen zumeist an einer Lungenaffektion zu Grunde, welche so
ziemlich die Mitte hält zwischen der lobulären und lobären Pneu-
monie des Menschen. Bei 10 von 27 so eingegangenen Tieren konnte
C. bakteriologische Untersuchungen anstellen, welche in allen diesen
Fällen zur Isolierung eines in die Gruppe der typhusähnlichen
gehörigen, den Traubenzucker vergärenden Bakteriums führten. Die
Injektion von 2 ccm einer Bouillonkultur dieses Bakteriums tötete
Kaninchen in 24 — 30 Stunden mit dem Befunde einer hämorrhagi-
schen Pleuritis. In die Bauchhöhle injiziert, rief es eine diffuse
fibrinöse Peritonitis hervor.
Denselben Befund konnte der Verf. auch bei Pneumonieen nach
Durchschneidung der Vagus machen.
Wenn nun berücksichtigt wird, daß die Operationen vollkommen
aseptisch verliefen, bleibt zur Erklärung des Entstehens dieser Pneu-
monieen nur die Annahme übrig, daß durch die nach Thyroidektomie
und Vagusdurchschneidung auftretende Veränderung des Central-
nervensystems eine lokale Disposition zu einer bakteriellen Erkrankung
gesetzt werde, was den längst vermuteten Einfluß des Nerven-
180
Tetanus.
Systems auf die Acquirierung von Infektionskrankheiten zu bestätigen
scheint. Kamen (Czernowitz).
Yulpius, Ueber einen Fall von Wundstarrkrampf mit
Tierversuchen. [Aus der chirurgischen Universitätsklinik des
Prof. Lorenz in Heidelberg.] (Deutsche med. Wochenschr. 1893.
No. 41.)
Ein Knabe, welcher sich durch Sturz von einem Baume eine
komplizierte Fraktur des rechten Oberarmes zugezogen hatte, er-
krankte 41/2 Tage nach der Verletzung an Tetanus. Nach 18-stündiger
Krankheit trat der Tod ein. Eiter aus der Stelle der Verletzung,
Bestandteile eines in der Wunde gefundenen Tuchfetzens und Proben
des mißfarbigen Knochenmarkes von der Frakturstelle erwiesen sich
für Mäuse virulent. Die Tiere erkrankten 24 bis 40 Stunden nach
der Impfung und starben nach 12- bis 60-stündiger Krankheit. In
dem Wundsekrete der Impfstelle wurden die Tetanusbacillen stets
nachgewiesen.
Der Urin des Kranken, welcher 9 Stunden nach dem Einsetzen
der ersten Tetanussymptome gelassen war, wurde 2 Kaninchen in
Gaben von 5 bezw. 28 ccm subkutan injiziert, ohne daß hierauf bei
den Tieren tetanische Erscheinungen hervortraten. Undeutliche
Symptome dieser Art bildeten sich bei einem anderen Kaninchen nach
Injektion von 20 ccm des 13 Stunden nach Beginn der Erkrankung
gelasseneu Urins aus. Dagegen reichten schon 2 ccm des nach dem
Tode der Blase des Kranken entnommenen Harns hin, um bereits
nach 8 Stunden bei einem Meerschweinchen einen innerhalb 5 Stunden
tötlich verlaufenen Wundstarrkrampf hervorzurufen. Die Toxine des
Tetanus scheinen demnach allmählich in den Urin überzugehen, so
daß dessen Giftigkeit mit der Dauer der Krankheit zunimmt.
Das Serum des aus den Venen der Leiche des Knaben unter
den erforderlichen Vorsichtsmaßregeln entnommenen Blutes war
giftig für Mäuse (0,5 bezw. 2 ccm), Meerschweinchen (2 bezw. 4 ccm)
uud Kaninchen (10 bezw. 20 ccm). An der Impfstelle der Versuchs-
tiere wurden Bacillen ebenso wenig wie nach der Infektion mit Urin
gefunden. Es handelte sich demnach augenscheinlich um eine Toxin-
wirkung, welche bei Mäusen frühestens 12, bei Meerschweinchen 6
bis 16 Stunden, bei Kaninchen 20 Stunden nach der Injektion in die
Erscheinung trat.
Die Versuche des Verf. bestätigen demnach die Ergebnisse früherer
Beobachtungen, indem sie zeigen, daß die Inkubationszeit eine
kürzere Zeitdauer beansprucht, wenn die Toxine dem Organismus
unmittelbar zugeführt werden, als nach Verimpfung bacilleuhaltigen
Materials. Kübler (Berlin).
Kartulis, Stamatios, Untersuchungen über das Verhalten
des Tetanusgiftes im Körper. [Inaug.- Diss.] 8°. 30 p.
Berlin 1893.
Die im Institute für Infektionskrankheiten ausgeführte Arbeit
beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Nachweise des Tetanusgiftes
im Blute und mit der Frage, ob das Tetanusgift durch die Harn-
Tetanus; — Leukämie.
181
Sekretion ausgeschieden wird. Kaninchen, Meerschweinchen, Mäuse
bildeten die üblichen Versuchstiere.
Es wurde nachgewiesen, daß das Blut von künstlich tetanisierten
Tieren, wie auch das Blut von an Tetanus erkrankten Menschen in
jedem untersuchten Falle das Tetanusgift enthielten und daß dieses
bereits im Blute mit den ersten tetanischen Symptomen auftritt.
Das Tetanusgift geht nur unter gewissen Bedingungen in den Harn
über, d. h. wenn man das Tier mit großen Mengen von Tetanus-
kulturen vergiftet. Im Harne der Tiere, die in einer den natürlichen
Verhältnissen entsprechenden Weise infiziert wurden, war experimen-
tell das Gift nicht nachweisbar. Ebenso ließ sich im Harne von
Menschen, welche an Tetanus erkrankt waren, das Tetanusgift nicht
nachweisen. Der Harn an Tetanus erkrankter oder verstorbener
Menschen kann also für die Diagnose und für die Prognose der
Erkrankung nicht benutzt werden. E. Roth (Halle a. S.).
Hibler, E. yoü, Mitteilung über zwei Tetanusfälle nebst
Demonstrationen. (Sonderabdruck des Berichtes über die
WanderversammluBg des Vereines der Aerzte Deutsch-Tirols in
Imst am 22. Juli 1893.)
Bericht über 2 Fälle von Tetanus, der eine nach einer Schuß-
verletzung; bei dem anderen waren die Eingangspforte für die In-
fektion syphilitische Geschwüre des Unterschenkels. Die Patientin
hatte ihren Zimmerboden gereinigt und darauf sehr ermüdet sich ins
Gras gelegt. In der darauffolgenden Nacht Schlaflosigkeit und Fieber,
am anderen Tage Schlingbeschwerden, am 5. Tage Nackenstarre und am
7. Opisthotonus, am 10. Tage Exitus. In beiden Fällen konnte durch
Impfung Tetanus erzeugt werden, im 2. Falle nur durch das aus
den Unterschenkelgeschwüren gewonnene Material
Dieudonne (Berlin).
Koväcs, Zur Frage der Beeinflussung des leukämischen
Krankheitsbildes durch komplizierende Infektions-
krankheiten. (Wiener klinische Wochenschrift. 1893. No. 40.)
Verf. bereichert die Kasuistik der Beobachtungen, wo in Fällen
von Leukämie, lienal-medullärer Form sowohl, als lymphatischer, in-
folge infektiöser Erkrankungen eigentümliche Veränderungen so-
wohl an den hyperplastischen, blutbereitenden Organen, als auch im
Blutbefunde beobachtet wurden, um einen neuen Fall.
Ein Influenzakranker zeigte bei der Aufnahme durch einen großen
Milztumor und die charakteristische Blut Veränderung (be-
trächtliche Vermehrung der Leukocyten, Polymorphie und Mitosen,
Anwesenheit sehr zahlreicher Markzellen, weniger Lymphocyten, zahl-
reicher kernhaltiger, roter Blutkörperchen) das Bild der lienal-
medullären Leukämie. Während der Erkrankung an Influenza
nun und auch noch in der ersten Zeit der Rekonvalesceuz besserten
sich alle diese Erscheinungen; der Milztumor verkleinerte sich be-
trächtlich, die Polymorphie der Leukocyten nahm durch das Schwinden
der großen, mononukleären Zellen beträchtlich ab, die Mitosen und
kernhaltigen roten Blutkörperchen verloren sich. Gleichzeitig wuchs
XV. Bd. 12
182
Leukämie.
die Zahl der polynukleären Leukocyten, die schon im Beginn der Er-
krankung leichte Vermehrung gezeigt hatten. Mit Eintritt völliger
Genesung trat der Milztumor und die Blutveränderung wieder wie
vorher auf. Die roten Blutkörperchen zeigten nie große Schwankungen.
Alle bisher bekannten Fälle — Verf. referiert solche von Eisen-
lohr, Heuck, Quincke, Stintzing, Müller, Fröhlich —
haben das Gemeinsame, daß sich während verschiedener Infektions-
krankheiten (typhusähnliche Erkrankungen, eitrige Pleuritis, Miliar-
tuberkulose, chronische Lungenphthise, Sepsis) zunächst Aenderungen
des leukämischen Krankheitsbildes durch rasche Größenabnahme des
Milztumors und der Drüsenschwellungen zeigten. Auch die leukämi-
schen Neubildungen in anderen Organen folgen dieser Regel (Leber,
Quincke). Nach Eintritt der Genesung schwellen die Organe wieder
zum früheren Umfang an.
Nicht so übereinstimmend sind die Angaben über den Blutbefund.
Meist nehmen die Leukocyten ab; in einem Falle von Müller ver-
mehrten sie sich. Auch die roten Blutkörperchen sollen sich im all-
gemeinen vermindern. Augenscheinlich ist die Verkleinerung der
leukämischen Milz und der Drüsenschwelluugen und die Veränderung
des Blutbefundes Folge einer direkten besonderen Beeinflussung des
leukämischen Prozesses durch das infizierende Agens. Wahrschein-
lich wirkt, wie auch Müller annimmt, das Virus als „Reiz“ um-
stimmend auf die pathologisch affizierten Bildungsstätten und dadurch
auch auf die Produktion der roten und weißen Blutkörperchen. Die
von Müller und Verf. beobachtete mit dem Zurückgehen der Leuko-
cytenzahl auftretende Vermehrung der polynukleären weißen Blutzellen
hat man als Ausdruck einer infektiösen Leukocytose aufzufassen.
(Der beobachtete Grippefall war mit Pneumonie kompliziert.)
Kurt Müller (Halle).
Traversa, F., Un caso acutissimo di pseudoleucemia
linfatica. (La Rif. med. 1893. p. 153.)
Aus dem Blute und einer in vivo excidierten Lymphdrüse wurde
ein Streptococcus in Reinkultur gezüchtet. Kaninchen reagierten
auf subkutane Injektionen, je nach der Injektionsstelle, teils mit
Erysipel (am Ohre), teils mit Absceßbildung (am Rücken). Die nach
4 Monaten getödteten Tiere zeigten keine Spur einer an Pseudo-
leukämie erinnernden Affektion. Der Zusammenhang zwischem dem
bakteriologischen Befunde und Krankheit bleibt also trotzdem dunkel,
daß der Verf. bei dem Umstande, daß die bakteriologische Unter-
suchung zu einer Zeit gemacht wurde, wo sich der Patient in einem
noch ziemlich guten Zustaude befand, eine (in diesem Falle dennoch
höchst wahrscheinliche — Ref.) Sekuudäraffektion zur Erklärung des
gemachten Befundes nicht heranziehen möchte.
Kamen (Czernowitz).
Gfrossi, C., Su di un caso raro di pseudoleucemia acuta.
(La Rif. med. 1893. p. 156, 157.)
Verf. untersuchte einen Fall dieser seltenen Krankheit, bei
welchem die Diagnose durch die Sektion und histologische Unter-
Gonorrhöe.
183
suchung bestätigt wurde, bakteriologisch mit gänzlich negativem Re-
sultate. Weder mikroskopisch konnte im Blute, im Drüsensafte und
in Organschnitten irgendwelche Mikroorganismen nachgewiesen wer-
den, noch zeigten die mit Blut, Drüsensaft und Oedemtiüssigkeit
beschickten Nährböden irgend eine Spur von Pilzvegetation.
Kamen (Czernowitz).
Kollniann. ZurDiagnostik und Therapie der männlichen
Gonorrhöe. (Dtsch. med. Wochenschr. 1893. No. 47.)
Unter voller Anerkennung des Werts der bakteriologisch - mikro-
skopischen Methode für die Diagnostik der gonorrhoischen Erkrankungen
hebt der Yerf. gleichwohl hervor, daß ein sicheres Urteil in vielen
Fällen nur durch Zuhilfenahme anderer ergänzender Untersuchungs-
mittel, vor Allem der Endoskopie möglich ist. Wenn letzteres Ver-
fahren einer größeren Verbreitung sich immer noch nicht erfreut, so
liegt dies zum Teil an den Mängeln der bisherigen Apparate. Da-
gegen ist die Untersuchung neuerdings durch die Ni tze- Ober-
land er’ sehe Methode wesentlich erleichtert und zuverlässiger ge-
staltet worden.
Die Endoskopie ermöglicht die Diagnose in Fällen , wo die
bakteriologische Untersuchung im Stich läßt, weil die Gonokokken nur
in der Tiefe der Schleimhaut wuchern und mit den Oberflächen-
Sekreten daher nicht herausgespült werden. Denn nach den Aus-
führungen des Verf., welche sich vornehmlich gegen die vonNeißer
vertretenen Anschauungen richten, erfährt die Schleimhaut bei Gonor-
rhöe bestimmte Veränderungen, und diese können mittels des Endo-
skops ohne Schwierigkeit festgestellt werden. Es sind dies Infiltrate
der Mucosa, Sichtbarwerden massenhafter Drüsenmündungen und
Drüsenabscesse. Die Fälle, in denen nach Neiße r die Diagnose
chronischer Falle, deren endoskopische Veränderungen nur minimal
sind, allein durch den Nachweis der Gonokokken zu stellen ist,
kommen nur ausnahmsweise vor. Andererseits bilden Drüsenkatarrhe
mit spärlichem Sekret, welche durch die endoskopische Methode leicht,
durch die bakteriologische Untersuchung nur mit Schwierigkeiten und
hinsichtlich ihrer Lokalisation überhaupt nicht nachgewiesen werden
können, nicht selten die anatomische Grundlage der chronischen, den
gewöhnlichen Behandlungsarten trotzenden Fälle. Die Heilung, jener
in der Tiefe der Schleimhaut sich abspielender krankhaften Vor-
gänge gelingt begreiflicherweise mit Ausspritzungen, Ausspülungen
und Aetzungen nicht; sie kann aber auf endoskopischem Wege durch
Behandlung der einzelnen Drüse mittels intraglandulärer Ein-
spritzungen, Incisionen, Galvanokaustik oder Elektrolyse erreicht
werden.
Uebrigens wendet Verf. die Endoskopie nur in subchronischen
oder chronischen Fällen, also etwa 8 Wochen nach Beginn der Er-
krankung an ; im akuten Stadium verzichtet er auf dieselbe. Auch
wird anfangs nur die Pars cavernosa einschließlich des Bulbus endo-
skopiert.
Finden sich bei der Untersuchung Infiltrate, so werden dieselben
durch Dilatationen nach Oberländer mit Irrigationen (3 Proz.
12*
184
Gonorrhöe.
Borsäurelösung, 0,03 — 0,2 Proz. Höllensteinlösung) der Resorption
eutgegengeführt. Man verhindert auf diese Weise nach Ueberzeugung
des Verf. ,,die Entstehung gröberer chronischer Infiltrate und somit
auch die Striktur in fast allen Fällen.“ Kübler (Berlin).
Koplik, Urogenital Blennorrhoea in children. (Journal
of cutaneous and genito-urinary diseases. 1893. Juni, Juli.)
Der Verf. hält die Urogenitalblennorrhöe bei Kindern — Knaben
wie Mädchen — für häufig genug, um sie unter die gewöhnlichen
Kinderkrankheiten einzureihen. Er selbst hat innerhalb der letzten
6 Jahre mehr als 200 Fälle gesehen.
Die Urogenitalblennorrhöe der Mädchen:
Der Verf. wirft den anderen Autoren, außer Epstein, vor, daß
sie sich zu wenig mit den normalen anatomischen und physiologischen
Verhältnissen des kindlichen Urogenitaltractus beschäftigt hätten. So
hat erst dieser auf den desquamativen Katarrh der Neugeborenen als
einen physiologischen Prozeß hingewiesen. Es handelt sich hierbei
um einen Ausfluß, in dem sich Epithelien und allerhand Mikro-
organismen, aber keine Leukocyten finden , und der nach 2 Wochen
von selbst cessiert.
K. unterscheidet bei den kleinen Mädchen 3 Arten von Uro-
genitalkatarrh :
1) (Katarrh) Ausfluß; heftige Schmerzen beim Wasser lassen.
Der Introitus vagin. ist gerötet, geschwollen und um das Hymen
und Oritic. urethrae herum kleine Erosionen. Ursache: Unsauberkeit.
2) Einfacher Katarrh: einhergehend mit profusem gelben Aus-
fluß aus Urethra und Vagina, klinisch mit allen Symptomen der
Gonorrhöe; infektiös.
3) Die echte Gonorrhöe : profuser gelber oder gelbgrüner Ausfluß
mehr oder weniger dick aus Urethra und Vagina mit Schwellung der
Schleimhäute. Nur die mikroskopische resp. bakteriologische Unter-
suchung ermöglicht zwischen 2 und 3 die Differentialdiagnose. Der
Ausfluß beim einfachen Katarrh zeigt desquamierte Epithelien, Eiter-
körperchen und allerhand Bakterien in Form von Stäbchen, Kokken,
Diplokokken. Dieselben können in Leukocyten Vorkommen oder auf
den Epithelzellen und mau kann in demselben Eiterkörperchen.
Stäbchen, Kokken und Diplokokken zugleich finden. Im Ausflusse
bei der echten Gonorrhöe finden sich in dem profusen gelben
Sekrete in den Eiterkörperchen Diplokokken, die an Form, Größe
u. s. w. vollkommen den Gonokokken beim Tripper des erwachsenen
Mannes gleichen.
Bei der Besprechung der Aetiologie erörtert der Verf. ziemlich
ausführlich die Polemik zwischen Neißer, Steinschneider einer-
seits und Lustgarten und Mannaberg und Bokhard anderer-
seits, wobei er sich vollkommen auf den von Neißer vertretenen
Standpunkt stellt. Er meint, daß die von Steinschneider in
4,6 Proz. der Fälle gefundenen Diplokokken, welche sich nach
Gram entfärben — die sogenannten Pseudogouokokken — , wohl
von jedem Geübteren leicht von den Gonokokken unterschieden
würden.
Gonorrhöe.
185
K. hat nun versucht, aus dem Sekrete kleiner, an gonorrhoischer
Vulvovaginitis leidender Mädchen die Gonokokken zu isolieren. Er
fand dabei in der normalen Vagina kleiner Mädchen
1) einen Diplococcus, der gefärbt dem Lustgarten’schen voll-
kommen gleicht und der auf Blutserum in kleinen, weißen,
kugeligen Kolonieen wächst. Die Stichkultur im Gelatineröhr-
chen ergiebt ein nicht charakteristisches weißes Wachstum; auf
Gelatineplatten erhält man kleine, runde, gekörnte, bei durch-
fallendem Lichte olivenfarbene, bei reflektiertem gelbe Kolonieen.
Die mehr oberflächlich gelegenen Kolonieen sehen bei durch -
fallendem Lichte goldgelb, bei reflektiertem weiß aus. K. be-
zeichnet diesen Diplococcus, welcher die Gram ’sche Reaktion
giebt, als Diplococcus albus;
2) macht der Verf. auf einen Diplococcus aufmerksam, den er in
2 Fällen von nicht gonorrhoischer, aber nach seiner Ueberzeugung
infektiöser Vulvovaginitis fast wie in einer Reinkultur isoliert
gefunden hat. Derselbe entfärbt sich nicht nach Gram, ist im
allgemeinen ebenso groß, als der Gonococcus, ist jedoch sowohl
etwas kleiner, als auch etwas größer bisweilen zu beobachten.
In Agarplatten sind die Kolonieen nicht charakteristisch; auf
Gelatineplatten wächst er in Kolonieen, die bei durchfallendem
Lichte strohgelb, bei reflektiertem weiß sind. Im Stiche im
Gelatineröhrchen wächst er weiß und verflüssigt nach 48 Stunden
u. m. die Gelatine in geringem Maße. In Bouillon ruft er nach
24 Stunden Trübung hervor und nach einigen Tagen bildet sich
eine Membran; auf der Kartoffel hat er ein ziemlich üppiges
Wachstum von weißlicher Farbe ohne die Neigung, sich sehr nach
den Seiten hin auszudehnen;
3) fand K. einen gelben Diplococcus, von dem er annimmt, daß er
ganz besonders oft für den Gonococcus Neißer gehalten
worden ist. Er traf diesen Diplococcus ganz besonders häufig
bei der Vulvovaginitis jeder Art der kleinen Mädchen und dessen
üppigem Wachstume schiebt er das Mißlingen seiner Versuche,
den Gonococcus zu isolieren, zu. Im übrigen ist das Wachstum
auf Agar nicht sehr charakteristisch, erst mit weißer, allmählich
ins Gelbe übergehender Färbung.
Der Verf. macht seine Kulturversuche seit 1889, aber nie mit
Menschenblutserum, sondern stets mit Rinderblutserum, er glaubt,
wiederholt Gonokokkenwachstum erreicht zu haben, aber es war nie
möglich, dieselben zu isolieren und sie vor dem Ueberwuchertwerden
durch die anderen Mikroben der kindlichen Vagina zu schützen.
K. rekapituliert seine Befunde bei kleinen Mädchen folgender-
maßen :
1) Es giebt in der normalen weiblicheu Urethra einen weißen
Diplococcus, der nicht nach Gram entfärbt wird.
2) Beim einfachen Katarrh findet sich ein weißer Diplococcus,
der nicht nach Gram entfärbt wird.
3) Bei der gonorrhoischen Vulvovaginitis begegnet man
a) einem weißen Diplococcus, der sich Dach Gram entfärbt,
b) einem gelben Diplococcus (Diplococcus flavus Bumm).
186
Gonorrhöe.
Peinlich genau ausgeführte Messungen haben ergeben, daß durch-
schnittlich der Gonococcus im Längen-, wie im Breitendurchmesser
kleiner ist, als die sogenannten Pseudogonokokken, allerdings ist die
Differenz besonders mit dem in der normalen Urethra vorkommenden
weißen Diplococcus eine sehr geringe, und es kommt sehr wohl
vor, daß ein einzelnes Exemplar kleiner ist, als die Gonokokken.
Die Urogenitalblennorrhöe der kleinen Knaben :
1) Eine nicht spezifische Entzündung der Harnröhre, die sich
in Rötung und Schwellung der Schleimhaut, kleinen Erosionen am
Orificium und düuueitrigem Sekrete manifestiert, in dem sich Eiter-
körperchen finden, welche den Gonokokken nicht sehr ähnliche Diplo-
kokken enthalten. Die Aetiologie ist unklar.
2) Die echte Gonorrhöe der Knaben, die sich von der der
Erwachsenen in nichts fast unterscheidet, als in den geringeren
Störungen des Allgemeinbefindens. Die mikroskopische Untersuchung
des Sekretes zeigt in den Eiterkörperchen Gonokokken, die den bei
erwachsenen Männern vorkommenden in Lage, Form, Verhalten u. s. w.
vollkommen gleichen. Was die Uebertragung anlangt, so kommt sie
bei Knaben wie Mädchen zu stände
a) indirekt: durch gemeinsam gebrauchte Gegenstände (Schwamm,
Wäsche u. s. w.),
b) direkt: durch unmittelbare Berührung der Geschlechtsteile der
Kinder mit infizierten Erwachsenen oder Kindern (Benutzung
gemeinsamer Lagerstätten — Stuprum).
Ref. muß es sich au dieser Stelle versagen, auf die interessanten
Ausführungen des Verf.’s in der recht ausführlichen Arbeit in kli-
nischer und pathologisch - anatomischer und therapeutischer Hinsicht
einzugehen und möchte nur noch zum Schlüsse einige Worte über
die Zeitdauer des Aufenthaltes der Gonokokken im kindlichen
Organismus referieren.
K. spricht von einer Zeit von 8 — 10 Wochen bis 6 Monate; es
ist aber natürlich, daß bei der eiuer Behandlung überaus schwer
zugänglichen kindlichen Vagina und Cervix uteri sich die Krankheit
viel länger hinzieht. Oft auch kommt es vor, daß die Gonokokken
anscheinend verschwunden sind , um erst später wieder aus ihren
Schlupfwinkeln, den Falten und Fältchen von Urethra und Vagina,
zur Ueberraschung von Arzt und Patienten zum Vorschein kommen.
Lasch (Breslau).
Councilmau, W. T., Gonorrhoeal myocarditis. (The American
Journal of the medical Sciences. Vol. CVI. 1898. No. 3. p. 277.)
Seit der Beschreibung der Gonokokken durch Neißer 1881
wurde dieser Organismus bei allen Fällen akuter Gonorrhöe in dem
Ausfluß gefunden.
B u m m kultivierte den Pilz als Erster und studierte seine Patho-
genese auf der Conjunctiva. Die Versuche, welche Bokhard am
lebenden Menschen anstellte, sind nicht beweisend, da es sich jeden-
falls um gewöhnliche Eiterpilze handelte. Außer dieser nicht stich-
Gonorrhöe.
187
haltigen Veröffentlichung giebt es keine, in welcher genauer die Lä-
sionen bei der akuten Gonorrhöe studiert sind, speziell welche Rolle
die Gonokokken bei ihrer Erzeugung spielen. Ebenso spärlich sind
Berichte über die sekundären Affektionen beim Tripper. Sie bestehen
in purulenter Entzündung der mit der Urethra oder der Vagina in
Beziehung stehenden Hohlräume, akuter Schwellung der Lymphdrüsen,
akuter Entzündung der Gelenke und synovialen Ueberzüge und in
Pericarditis.
Man erklärt diese Komplikationen auf zwei Arten ; die Einen sehen
sie als eine entfernte Gonokokkeninfektion au, die Anderen als Folge
einer Mischinfektion mit anderen, besonders den eitererregenden
Mikroorganismen. Die gewöhnlichste Komplikation ist der Tripper-
rheumatismus. Fournier rechnet auf 64 Fälle, Besnier auf 50,
Grisolle auf 35 Fälle von Gonorrhöe einen mit Gelenkaffektionen
komplizierten; Loeb hält sie für viel häufiger. Rheumatismus wird
nach Ansicht der meisten Autoren nur beobachtet, wenn der gonor-
rhoische Prozeß den hinteren Teil der Harnröhre einnimmt; er ist
viel häufiger bei Männern, als bei Frauen und kann ganz ohne Fieber
verlaufen; wenn es vorhanden ist, so ist es meist kurz und ver-
schwindet trotz Weiterbestehens der Affektion; doch kommen auch
Fälle mit hoher Temperatur vor. Meist ist das Kniegelenk affiziert;
wogegen die Gelenke der oberen Extremitäten frei zu sein scheinen.
In 118 Fällen von Nolen war das Handgelenk 26mal, in 119 Fällen
von Fournier nur 14mal befallen. Die Gelenkaflektion unterscheidet
sich von der gewöhnlichen rheumatischen dadurch, daß sie auf Sali-
cylate nicht reagiert und selten zu Zerstörung der Gelenke führt.
Affektionen des Peri- und Eudocardiums sind als Komplikationen
der Gonorrhöe seltener. Man sieht sie für gewöhnlich zusammen
mit dem Rheumatismus. Nolan faud in 116 Fällen von Tripper-
rheumatismus lömal das Herz affiziert.
Währeud man diese sekundären Erscheinungen meist als Misch-
infektionen auffäßte, wurden in einer Anzahl von Fällen Organismen
gefunden, welche man als Gonokokken ansprach.
Petrona hat ähnliche Organismen wie in der Urethra in den
Gelenken und gleichzeitig im Blut gefunden; Kramer in den Ge-
lenken in einem Fall, in einem anderen keine, Hahn fand Kokken
in Gelenkaffektionen, sieht diese aber als Eiterorganismen an. Sie
finden sich aber nur in frischen und stürmischen Prozessen und fehlen
in chronischeren. Haslund hält den Tripperrheumatismus für eine
spezifische Infektion, fand aber keine Gonokokken. Leistikow fand
weder in Gelenken noch im Blut Gonokken.
Hartley hält die Gelenkaffektionen für Komplikation durch andere
Keime. Die Herzaffektionen scheinen sich gewöhnlich als Peri -
oder Endocarditis zu zeigen. Glusincki beschreibt 31 Fälle, bei
denen Komplikationen im Gefäßsystem eintraten, und fand einmal in
Vegetationen der Aortenklappen bei einer Affektion, die mehrere
Wochen nach einer Gonorrhöe eintrat, Organismen, welche wahr-
scheinlich Gonokokken waren.
Mehrere Autoren fanden Gonokokken in peri- und parurethralen
188
Gonorrhöe«'
Abscessen, Buboneu und verschiedenen anderen lokalen Pro-
zessen, welche der Gonorrhöe folgten.
Es folgt nun die Mitteilung eines komplizierten, selbstbeobach-
teten Falles von Gonorrhöe, bei dem sich augenscheinlich in den se-
kundären Herden Gonokokken fanden.
Bei diesem Fall trat 10 Tage nach Erscheinen von gonorrhoischem
Ausfluß Schwellung des linken Ivniees, später der Fingergelenke, der
Schultern und der Knöchel ohne Temperatursteigerung und eine Woche
später plötzlicher Tod ein, ohne daß sich vorher hätten größere Ver-
änderungen am Herzen nachweisen lassen. Die nach 28 Stunden ge-
machte Sektion ergab außer Lungenhypostase eine exsudative Peri-
carditis und eine eigentümliche, bei gewöhnlichen Eiterpilzen nicht
beobachtete Form von Endocarditis. Das Herzfleisch war blaß, wachs-
artig. Im Myokard sowohl als im Endocard fanden sich weiterhin
eigentümlich gelatinös erweichte Partieen. Auch in den Kniegelenken
besonders rechts ergab sich ein merkwürdiger Befund. Auf der ge-
schwollenen Synovialmembran fanden sich von Eiter bedeckt granula-
tionsartige Massen, ähnlich tuberkulösen Granulationen, deren Durch-
schnitt opak aussah und die einem ödematös gelatinösen Gewebe auf-
sitzen. In allen diesen Läsionen, die sich besonders durch das Fehlen
jeder fibrinösen Art von Exsudation und in der Produktion mannig-
faltiger Art von Degeneration des Gewebes, in Nekrose mit purulenter
Infiltration und Bildung einer Art von Granulationsgewebe mit schlei-
miger Degeneration der Zellen kundgeben und dadurch sich von den,
durch die gewöhnlichen Eiterpilze erzeugten Veränderungen unter-
scheiden, fanden sich in den Schnittpräparaten Diplokokken, welche
morphologisch und durch Färbungsversuche sich als Gonokokken
erwiesen. Kulturen aber wurden nicht angelegt. Trotz-
dem aber glaubt Verf. sowohl in Rücksicht auf den Krankheitsverlauf,
als auf den pathologischen Befund zur Annahme berechtigt zu sein,
daß es sich hier nicht um eine sekundäre Infektion, sondern um
Wirkung der Gonokokken handelt. [Bei dem Fehlen von Kulturen
wird Verf. schwerlich überall Uebereiustimmung mit seiner Ansicht
finden. Anm. des Ref.] Kurt Müller (Halle).
Hasse, Carl, Der Gonococcus Neißer, sein Vorkommen
bei Urethritis und Bartholinitis. [Inaug.-Diss.] 8°. 45p.
Straßburg i. E. 1893.
Verf. machte mit vielen Farbstoffen Versuche und kommt zur
Empfehlung folgenden Verfahrens, um die Kokken sichtbar zu
machen :
1) Das Deckglaspräparat wird leicht einmal durch die Flamme
gezogen ;
2) Färben 1 /2 Minute lang in gesättigter 5-proz. Kalium hyper-
manganicum- Methylenblaulösung ;
3) Abwaschen in Wasser und Entfärben in beliebig hergestellter
dünner Essigsäure, bis die blaue Farbe verschwindet und ein
Violett erscheint;
4) Entsäuren in Wasser;
Gonorrhöe.
189
5) Färben in vorzüglichster Pikrokarminlösung , bis auf weißem
Grunde rosarote Färbung eintritt, was nach 5—8 Minuten der
Fall ist, ev. auch leichtes Erwärmen;
6) Abwaschen in Wasser nur ganz knapp;
7) Trocknen, Untersuchen in Glycerin oder Kanadabalsam, wobei
die Kokken leicht blau erscheinen, Zellkerne rot sind, das
Plasma ganz schwach lachsfarben ist, und das der Epithelien
deutlicher und mit einem leichten Stiche ins Gelbe gesehen
wird.
In den untersuchten 625 Präparaten des Sekretes der Urethra
und der Bartholin’schen Drüse fand Hasse 19mal Bacillen allein,
27mal Kokken allein und 147mal beide nebeneinander. Im Sekrete
der Bartholin’schen Drüse fanden sich Kokken und Bacillen stets
vereint, und zwar bei 142 Präparaten 17mal, davon 14mal bei
negativem Gonokokkenbefunde. Im allgemeinen war die deutliche
Beobachtung zu machen, daß bei akuter Gonorrhöe keine anderen
Bakterien zu sehen waren, daß aber mit dem Verschwinden der
Gonokokken und der Zunahme des Epithels Bacillen und Kokken
oft in überraschender Anzahl erschienen, worauf sehr bald die Gono-
kokken gauz zu verschwinden pflegteu. Hin und wieder fand Hasse
auch Saprophyten in laugen Ketten bis zu 20 und 25 Gliedern.
Mit der Zunahme der Dauer des bestehenden Krankheitsprozesses
geht also eine Abnahme der Gonokokken Hand in Hand.
E. Roth (Halle a. S.).
Löwenhardt, Wann dürfen Gonorrhöiker heiraten. (Sep.-
Abdr. aus der „Zeitschrift für ärztliche Landpraxis“ 1893. No. 5.)
Der Verf. giebt in knapper, gedrängter Form sehr anschaulich
und treffend die Verhaltungsmaßregeln an, welche die Aerzte
beobachten sollen, wenn ein ehemals gonorrhoisches Individuum sich
den medizinischen Eheconsens holt. Da die Virulenz des Urethral-
sekretes nur allein durch die Anwesenheit des Gonococcus bedingt
wird, so ist der Heiratskandidat wiederholt daraufhin zu untersuchen,
und zwar ist das Sekret der pars anterior und pars posterior — ge-
trennt — nach der Jadassohn’schen Methode — genauer mikro-
skopischer Untersuchung zu unterwerfen. Man darf sich jedoch mit
dem gewöhnlich meist sehr spärlich vorhandenen Sekret nicht be-
gnügen , sondern suche durch Reizung der Urethralschleimhaut die
Sekretion zu vermehren und auf diese Weise dieselben Verhältnisse
sich zu verschaffen, wie sie später bei einer Exacerbation des schon
torpiden Prozesses (durch Excesse in Baccho oder in venere) zu-
stande kommen können. Mau erreicht das am besten durch Injektion
einiger Tropfen einer 1 — 5-proz. Arg. nitr. Lösung. Wenn auch nun
das Sekret gonokokkenfrei ist, so ist besonders bei schleimig-epithelialer
Beschaffenheit desselben die Ehe zu erlauben, während das Vor-
handensein zahlreicher Eiterkörperchen zu immer erneuter Unter-
suchung und therapeutischer Beeinflussung dieser Pseudogonorrhöe
ermahnt.
Löwenhardt hebt auch zum Schlüsse noch einmal hervor, daß
für die Virulenz des Sekretes und jenen ganzen schweren Komplex
190
Gonorrhöe. — Syphilis.
der Erkrankungen des weiblichen Genitaltraktus nur der Gono-
coccus verantwortlich zu machen ist. Lasch (Breslau).
Dock, Gonorrhea of the rectum. (The Medical News. 1893.
March 25.)
Der Verf. berichtet einen Fall von Rektalgonorrhöe, dessen Diagnose
über jeden Zweifel erhaben ist. Der betr. Patient wurde wegen einer
angeblichen Spermatorrhoe mit Rektalsuppositorien behandelt. Wäh-
rend dieser Behandlungsweise kam eine Urethralgouorrhöe mit reich-
lichen Gonokokken zum Ausbruch. Der Pat. bemerkte eines Tages
vor dem Stuhlgange den Ausfluß einiger Tropfen einer wässerigen Flüssig-
keit aus dem Rectum, die er dem Verf. zur Untersuchung brachte. Da
Dock in diesem Sekrete zahlreiche Gonokokken fand, untersuchte er das
Rectum mittelst eines Speculums und fand eine intensive Rötung und
Schwellung der Schleimhaut ohne Ulcerationen oder Erosionen. Im
Sekrete zeigten sich viele polynucleäre mit sehr wenigen eosinophilen
Leukocyten und eine große Zahl von Diplokokken, die in Form und
Größe den Urethralgonokokken vollkommen glichen.
Dock erklärt sich das Zustaudekommen der Rectalgonorrhöe
in diesem Falle durch die Uebertragung der Gonokokken mittelst der
Suppositorien und schließt eine direkte Iufektion aus. Er glaubt,
daß auch bei den Frauen die Rectalgonorrhöe zumeist auf indirektem
Wege zustande komme.
Der Therapie war der Fall wenig zugänglich. Jodoformsuppo-
sitorien, 1-proz. Kreolininjektion verminderten zwar die Rötung und
Schwellung, aber es war doch noch nach einigen Wochen gelbes,
eitriges, gonokokkenhaltiges Sekret vorhandeu. Wenn auch die Be-
schwerden des Patienten äußerst geringe waren, so hält der Verf.
diese chronisch verlaufenden Fälle für ungünstig, weil die Gefahr
einer Strictur ihm keineswegs ausgeschlossen erscheine.
Lasch (Breslau).
Binz, Die Einschleppung der Syphilis in Europa. (Dtsch.
med. Wochenschr. 1893. No. 44.)
Während es von allen Forschern als feststehend betrachtet wird,
daß die Lues venerea zum erstenmal auf europäischem Gebiete in
Neapel und Umgebung 1495 als Aufsehen erregende Epidemie erschien,
sind die Meinungen noch darüber geteilt, ob die Seuche schon
vorher in Europa und den auderen Ländern der alten Welt bestanden
hat, ohne in ihrem Charakter erkannt zu werden, oder ob sie erst
aus Amerika eingeschleppt worden ist. Auf Grund eingehender ge-
schichtlicher Untersuchungen neigt Verf. der letzteren Annahme
zu. Man hat Stellen aus der Bibel (3. Moses 15, 2 und 3, sowie
22, 4 und Buch Hiob 30, 17) und aus dem Papyrus Ebers als
Beweis dafür angesehen, daß die Syphilis schon bei den Israeliten
uud Aegyptern vorgekommen sei, doch ist die Krankheitsbeschreibung
jener Mitteilungen viel zu unbestimmt, als daß sie zu irgend
welchen Folgerungen berechtigte. Eine indische Schrift aus den
ersten Jahrhunderten v. Chr., Kämacästra genannt, schildert aus-
führlich alle möglichen Folgen übermäßigen Geschlechtsgenusses, ohne
eine der Syphilis ähnliche Krankheit dabei zu erwähnen. In den
Syphilis.
191
griechischen und römischen ärztlichen Schriften findet sich ebenso-
wenig wie in den satirischen Geißelungen des lüderlichen Lebens der
römischen Kaiserzeit, welche Martial, Properz undJuvenal
hinterlassen haben, eine Krankheitsbeschreibuug, welche auf Syphilis ge-
deutet werden könnte, während die Gonorrhöe und das Ulcus molle
von den letztgenannten drei Dichtern genau geschildert wird. Ebenso-
wenig ist aus den Ueberlieferungen der Araber und aus den mittel-
alterlichen Schriften zu entnehmen, daß die Lues vor der oben er-
wähnten Neapeler Epidemie in der alten Welt vorgekommen ist. Die
Erkrankungen des Bischofs Johann von Speyer und des Königs
Wenzel von Böhmen, welche nach den Berichten geschlechtlicher
Natur waren und letal verliefen, können der Beschreibung zufolge
sehr wohl in phagedänischen Schankergeschwüren bestanden haben.
Für die Einsclileppung der Lues aus Amerika sprechen mehrere
Berichte von Aerzten und anderen Schriftstellern aus dem Ende des
15. und Anfang des 16. Jahrhunderts. RodrigoRuiz Diaz de
Isla, welcher zur Zeit der Rückkehr des Columbus aus Amerika
in Barcelona Arzt war, erzählt ausführlich, wie die Krankheit in
jener Stadt durch die Mannschaften des Entdeckers von Amerika
verbreitet wurde. Gonzalo Hernandez aus Oviedo hatte 1513
Gelegenheit, die Seuche in Haiti zu studieren. Er beobachtete, daß
die Krankheit unter den Eingeborenen, welchen sie von alters her
schon bekannt war, in weit milderer Form auftrat, als unter den
Spaniern, die sie hier zuerst erwarben, und ist der festen Ueber-
zeugung, daß das Leiden aus der neuen Welt in die alte gelangt
sei. Ebenso spricht sich der Priester Las Casas aus, welcher
gleichfalls jene Zeit erlebte und vom Jahre 1502 ab in Amerika als
Missionar thätig war. Daß die Krankheit gelegentlich der zwischen
Karl VIII. von Frankreich und spanischen Truppen 1495 in
Süditalien geführten Kämpfe dort eingeschleppt wurde und jene Epi-
demie in Neapel erzeugte, welche den Ausgangspunkt einer nach und
nach sich vollziehenden Verseuchung ganz Europas bildete, wird von
allen Zeitgenossen anerkannt, so weit die Ansichten auch über die
Natur und teilweise sogar über die Verb reitungs weise der Seuche
noch auseinandergingen. Kübler (Berlin).
Gold, L., Sechs Fälle von extragenitaler Sypbilisin-
fektion. (Archiv für Dermatol, u. Syphilis. 25. Jahrg. 1893.
Heft 5. S. 791.)
Nach russischen Autoren kommt eine extragenitale Infektion mit
Syphilis namentlich bei der Landbevölkerung nicht selten und zwar
in 3—4 °/0 aller Infektionsfälle vor. Gold beobachtete in Odessa
bei 4 Personen einer Familie nacheinander extragenitale Ansteckung.
Ein l1/2-jähriges Kind bekam einen weißen Belag an den Lippen und
bald darauf Hautausschlag; es hatte mit einem Jungen gespielt, der
an den Lippen eine wunde Stelle besaß, hatte also wohl durch Küssen den
Infektionsstoff erhalten. Die Mutter, welche das Kind noch stillte, be-
kam einen Primäraffect an der Brustwarze. Von ihr infizierte sich
der Mann, der einen harten Schanker an der Lippe bekam, und
192
Beri-Beri.
schließlich erkrankte eine ältere Tochter, bei der Plaques mu-
queuses an den Lippen und im Munde gefunden wurden.
Fall 5 und 6 betreffen einen Mann, der gleichzeitig an Sulcus
retro-glandularis, Mons veneris und Lippe sklerotische Geschwüre be-
kam und seinen Sohn infizierte, bei welchem ein Ulcus auf der Ton-
sille entstand. Abel (Greifswald).
Glogner, M., Die Stellung der Beri-Beri unter den In-
fektionskrankheiten. (Yirchow’s Archiv. Bd. CXXXII.
p. 50.)
Zu den hervorstechendsten Symptomen der Beri-Beri gehört im
Anfänge außer einer gewissen Müdigkeit und Schmerzhaftigkeit der
Unterextremitäten der abnormale Zustand der Herzthätigkeit und der
Atmung. Heute hat der Kranke 100 Pulsschläge in der Minute und
32 Atemzüge, morgen und übermorgen ist der Puls und die Respira-
tion normal, um dann wieder zuzunehmen. Die Pulskurve zeigt
gewöhnlich in Zwischräumen von 2 — 3 Tagen Elevationen, mit denen
Hand in Hand eine Verschlimmerung aller Krankheitssymptome —
Unruhe, Appetitlosigkeit, Schmerzen besonders in den Unterschenkeln
— geht. In der Zwischenzeit sinkt die Pulszahl entweder zur Norm
— intermittierender Typus — oder bleibt etwas über derselben.
Diese periodischen Ausbrüche stärkerer Krankheitserscheinungen er-
innern lebhaft an die Malariaanfälle. Eine zweite Uebereinstimmung
besteht in dem schädlichen Einfluß, welchen die Malaria und die
Beri-Beri auf das Blut ausüben. Nach Glogner’s Untersuchungen
sinkt bei der letzteren der Gehalt des Blutes an roten Körperchen
und an Hämoglobin beträchtlich unter die Norm herab. Eine
weitere Analogie zwischen beiden Krankheiten wird durch die Be-
obachtung geschaffen, daß die Beri-Beri an bestimmte Orte gebunden
ist, z. B. im Wirkungskreise des Verf.’s an Atjeh auf Sumatra, wo
die Kraukheit seit der Zeit erschienen ist, als riesige Erdbauten
unternommen wurden. Auch eine zeitliche Disposition zeigt sich
hier, indem die Erkraukungsziffer in der Regenzeit von Oktober bis
April steigt, dann in der regenarmen Zeit fällt. Wie bei der Malaria
wird auch bei der Beri-Beri oft ein überraschender Erfolg bemerkt,
wenn die Kranken in gesunde Gegenden verbracht werden.
Die Versuche, Aufklärung über die Aetiologie der Beri-Beri zu
schaffen, haben bisher entweder zur Annahme von Bakterien, von denen
verschiedene Arten beschrieben sind, als Krankheitserreger geführt
oder man hat die Krankheit als Intoxikation aufgefaßt, deren Ent-
wickelung und Zunahme im menschlichen Körper abhängig ist von
dem Entwickelungsgange eines außerhalb des menschlichen Organis-
mus lebenden Parasiten. Beide Hypothesen sind nicht imstande, die
periodischen Schwankungen im Krankheitsverlaufe zu erklären, wenn
man nicht eine wiederholte Neuinfektion oder Intoxikation voraus-
setzt; wird aber diese auch angenommen, so ist nicht ersichtlich, warum
dann Kranke eines Saales zu ganz verschiedenen Zeiten , aber in
gleichmäßigen Zwischenräumen einen neuen Angriff von außen erfahren
sollten.
Von den Analogieen zwischen Malaria und Beri-Beri geleitet,
Lepra. — Hydrops.
193
untersuchte Verf. bei dieser das Blut der Patienten. Es gelang ihm,
in den allermeisten Fällen in den roten Blutkörperchen Plasmodien
zu finden, deren nähere Beschreibung er sich noch vorbehält. Mit
demselben Mittel, das besonders Laveran als kräftiges Gift für die
Malariaplasmodien erwiesen hat, dem Chinin, gelang es ihm, gute
Erfolge in der Behandlung der Beri-Beri zu erzielen. Die Anfälle,
an der Pulskurve verfolgt, wurden geringer, verschwanden ganz und
die Mortalität sank von 46,8 Proz. auf 13,1 Proz. — Die Beri-Beri
sieht der Verf. nach allem diesem für eine Protozoenkrankheit an.
Abel (Greifswald).
Joelsohn, B., Ueber die Erkrankung des Gefäßsystems
bei der Lepra. [Inaug.-Diss.] 8°. 68 p. 1 Taf. Dorpat (Jurjew)
1893.
Das gesamte Gefäßsystem erleidet bei der Lepra keine typischen
Veränderungen, wohl aber giebt es eine spezifisch-lepröse Erkrankung
derjenigen Gefäßabschnitte, welche in räumlicher Beziehung zur
Lokalisation der leprösen Neubildung stehen.
Die Periphlebitis leprosa ist bei leprös erkrankter Cutis und
Unterhautzellgewebe eine konstante Erscheinung an den subkutanen
Venen. Die Media erkrankt sekundär durch Einwanderung des
leprösen Gewebes aus der Adventitia. Ihre Erkrankung äußert sich
in lepröser Infiltration der Zwischenräume und Atrophie mit körnigem
Zerfall der Muskelelemente im späteren Stadium.
Die Periphlebitis leprosa ist regelmäßig begleitet von einer
Intimawucherung nicht bacillärer Natur.
Die Endophlebitis leprosa setzt sich aus zwei Prozessen zu-
sammen: einer anfänglichen Wucherung der Intima und einer Ein-
wanderung von leprösem Gewebe aus der Adventitia.
In selteneren Fällen tritt Verschluß der erkrankten Venen durch
Thrombose ein.
Die Periarteritis leprosa ist wegen des anatomischen Baues der
arteriellen Adventitia selten.
Die Endarteritis leprosa hat dieselbe Entstehungsweise wie die
Endophlebitis leprosa.
Eine Ablagerung von Bacillen im Endothel der Gefäße findet
häufig statt, es kann sich aber von hier aus kein Leprom in der
Intima entwickeln. E. Roth (Halle a. S.).
Hamburger, Hydrops von bakteriellem Ursprung. (Dtsche
med. Wochenschr. 1893. No. 42.)
Der Verf. nimmt auf Grund früherer Untersuchungen, welche
sowohl von ihm selbst1), als auch von Heide nhain2) ausgeführt
worden sind, an, „daß die Capillaren im allgemeinen nicht als Filter
betrachtet werden können, sondern daß denselben sekretorische Eigen-
schaften beigelegt werden müssen“. Hierdurch zu der Vermutung
1) Zeitschr. f. Biologie. Bd. XXVII. 1890. p. 259 und Verhandelingen der Koninkl.
Akad. v. Wetenschappan. Dl. III. 1893. No. 3.)
2) Pflüger ’s Archiv. Bd. XLIX. 1891. p. 209.
194
Hydrops
geführt, daß der pathologische Hydrops unter Umständen durch
Stoffe verursacht wird, welche in der Blutbahn kreisen und das
Capillarendothel zur erhöhten Lymphproduktion anregen, beschloß
er, „zu untersuchen, ob sich in Transsudaten sogenannte Lymphagoga
befanden, Stoffe, welche imstande waren, den Lymphstrom zu be-
schleunigen“. Er bediente sich eines gelbgrünlichen, etwas trüben
Transsudates, welches sich in der Haut und der Bauchhöhle eines
Knaben angesammelt hatte. Von der Flüssigkeit wurden 30 ccm
nach Reinigung mittelst eines Chamberlandfilters einem Kälb-
chen in die Jugularvene gespritzt. Es trat hierauf eine Beschleu-
nigung des Lymphstromes ein, deren Nachweis durch Messung der
Lymphmenge gesucht wurde, welche aus dem biosgelegten Ductus
thoracicus in Zeiträumen von je 5 Minuten ausfloß. Vor der Injek-
tion betrugen die aufgefangenen Lymphmeugen 4 1/2, 5, 41/2, 5, 4,
41/*, uach der Einspritzung 6 l/a, 7, 7 1 /2, 6, 5 Viertel-Cubikcenti-
meter. Die Beschleunigung des Lymphstromes trat nicht ein, wenn
die Injektionsflüssigkeit vorher 2 Stunden auf 56° erhitzt war.
Da die trübe Beschaffenheit des unfiltrierten Transsudates durch
darin befindliche Mikrokokken verursacht war, nahm der Verf. an,
daß die vermeintliche lymphtreibende Substanz möglicherweise durch
die Bakterien erzeugt worden sei. Er stellte daher zu weiteren Ver-
suchen eine Kultur der Kokken her, indem er die filtrierte und durch
Erhitzen ihrer lymphtreibenden Eigenschaften beraubte Flüssigkeit
mit denselben impfte und 2 Tage im Brutofen beließ. Nach Ein-
verleibung von 15 ccm dieser Kultur in die Vena saphena trat dann
auch eine Beschleunigung des Lymphstromes ein, welche diesmal
von längerer Dauer war, als nach Injektion des filtrierten Trans-
sudates. Die aus dem Ductus thoracicus aufgefangenen Lymph-
mengen betrugen vor der Injektion 3, 3, 3^, 4, 31/,, 3, 3 1/8, nach-
her 5V2, 5, 6, 5, 4 V2, 6, 6 1 /2, 4, 4V2, 6, 7, 7, 8, 7l/2, 8, 8, 8V2,
8, 9 Viertel-Cubikcentimeter. Zugleich wurde Nasenausfluß und Ab-
scheidung mikrokokkenhaltiger Flüssigkeit in die Bauchhöhle, nach
dem Versuche Hydrops des interstitiellen Bindegewebes der Lunge,
bei dem Versuchstiere beobachtet.
Verf. glaubt daher, in den Mikrokokken ein „Bacterium
lymphagogum“ gefunden zu haben.
Die Kokken besitzen nach der Beschreibung des Verf.’s mäßige
Beweglichkeit, färben sich in Anilinfarben und nach Gram, sind
streng aerob, sterben ab in Rinder-, Kalbs-, Pferdebouillon und Serum,
wachsen dagegen reichlich im flüssigen Serum des Menschen und in der
fraktioniert-sterilisierten Ascitesflüssigkeit. Da die den Kokken feind-
liche Substanz des Rinder-, Kalbs- uud Pterdeserums durch große
Quantitäten Sauerstoff unwirksam gemacht werden kann, gelingt die
Kultur auf der Oberfläche erstarrten Serums dieser Art (bezw. im
lebenden, Sauerstoff führenden Blute, sonst hätte der vorher ge-
schilderte Versuch mit dem Kalbe mißlingen müssen. Ref.). Auch
auf Agar und Gelatine läßt sich der Coccus züchten, nicht aber
aut Kartoffeln. Form der Kolonieen und Verflüssigungsvermögen für
Gelatine wird durch die Konsistenz des Nährbodens bedingt. Feste
Gelatine wird nicht verflüssigt. Kühler (Berlin).
Pflanzenkrankheiten.
195
Tubeuf, C. t., Mitteilungen über einige Pflanzenkrank-
heiten. (Ztschr. f. Pflanzenkrankheiten. III. 1893. H. 3. p. 140 —
143; H. 4. p. 201-205.)
Die in vorliegender Mitteilung behandelten phytopathologischen
Studien wurden vom Verf. im August 1892 hauptsächlich bei St.
Anton am Arlberge gemacht.
I. Cryptorh y n ch us lapathi Tr. und Valsa oxystoma
Rehm, zwei Feinde der Alpenerl e.
Die Larven des Rüsselkäfers Cr. lap. bohren Gänge in Holz
und Rinde der von ihnen befallenen Erlenzweige und bringen auf
diese Weise die Zweige und Aeste zum Absterben. Das braune Laub
der vertrockneten Aeste und das an den Eingangsstellen der Gänge
sichtbare, rotbraune Bohrmehl lassen die Anwesenheit der Parasiten
erkennen. Viel weniger schädlich als die Larven ist der Käfer selbst,
welcher Blätter und Zweige benagt. Cr. lap. befällt auch Weißerlen,
Schwarzerlen, Birken und Weiden und soll besonders am Arlberg
sehr verbreitet sein.
Der Pilz Valsa oxystoma galt bisher als harmlos, da sich
seine Peritbecien erst auf vollkommen abgestorbenen Zweigen ent-
wickeln. Das Mycel wuchert in der Rinde der befallenen Zweige und
dringt auch in die Gefäße ein; die hier verursachte Störung der
Wasserleitung läßt schließlich den ganzen Zweig vertrocknen. Später
treten durch die Epidermis schwarze, linsenförmige Stromata hervor,
welche ziemlich gleichmäßig über die Zweige verteilt sind und schließ-
lich von den in der Rinde gebildeten Perithecien durchbrochen
werden.
II. Erkrankung der Weißerlen durch Polyporus
igniarius in Tirol.
Verf. fand in den Weißerlenbeständen zwischen St. Anton und
P i a n s zahlreiche Bäume , deren obere Partie abgestorben war.
Polyporus igniarius hatte die bekannte Zersetzung des Holz-
körpers verursacht, infolge deren den oberen Partieen nicht mehr
genügende Wassermengen zugeführt werden konnten.
III. Erkrankung der Preißelbeeren durch Gibbera
vaccinii.
Häufig an feuchten Stellen im Fichtenwalde bei St. Anton.
Schon an lebenden grünen Trieben der Preißelbeeren zeigen sich
kohlig schwarze Polster und zahlreiche Perithecien ; die darüber liegen-
den Partieen der Zweige sterben alsbald ab.
Verf. versuchte im Herbste Sporen von G. vacc. zum Keimen
zu bringen, doch ohne Erfolg.
IV. Krankheiten der Alpenrosen.
In der Nähe von St. Anton konnte Verf. davon eine ganze
Reihe beobachten. Sehr gemein Exobasi di um rhodode n dri und
die Milbenkrankheit, welche ein festes Einrollen der Blatt-
ränder nach innen hervorruft. Die Gallen von Exobas. und die
Milbenkran keit kommen auch gemeinschaftlich auf den Blättern vor.
Ferner Sclerotinia Rhod., Chrysomyxa Rhod. und an den
196
Pflanzenkrankheilen
Kapseln Cenangell a Rh od. Chrysomyxa trat in allen Höhen-
lagen bis herab zur Fichtenregion massenhaft in der Uredoform
auf, so daß zur Zeit des Stäubens der Fichtenäcidien die Alpenrosen
einer doppelten Infektion ausgesetzt waren. Teleutosporen konnte
Verf. nicht finden.
V. Die nadelbewohnende Form von Gymnosporangium
j uniperin um.
Ueber diese selten beobachtete Form hat Verf. schon früher an
dieser Stelle berichtet1 2); neuerdings (1892) fand Verf. sie zahlreich
auf Junip. comm. am Tegernsee und auf Junip. nana bei
St. Anton neben hochgradig infizierten Exemplaren von Sorbus
aucuparia. Infektionsversuche mit dieser Form gelangen Verf.
nur auf Sorbus aucup.*), mit der stammbewohnenden Form nur
auf Amelanchier vulgaris.
Ferner wird über einen erfolgreichen Infektionsversuch mit
Gymnosp. clavariaeforme auf Crataegus oxyacantha
berichtet; es gelang mit den Aecidiosporen von Crataegus wiederum
Junip. comm. zu infizieren, an welchem sich dann im folgenden
Mai die Gy m nosporangi u m - Zäpfchen zeigten.
VI. Außer den genannten fand Verf. noch sehr häufig die folgenden
Parasiten :
Herpotrichia nigra, in der Umgebung des Arlberg auf
Fichten, Latschen, Junip. communis und nana; Exo-
basidium Vaccinii auf Vacc. vitis idaea und massenhaft
auf Vacc. uliginosum, auch auf Vacc. Myrtillus; Uro-
myces Primulae auf Prim, villosa; Puccinia Solda-
nellae; Rhytismasalicinum auf Salix reticulata; eine
nicht näher bekannte Erkrankung von Empetrum nigrum;
Cronartium asclepiadeum auf Cynanchum vincetoxi-
cum; Ustilago Jensenii auf Gerste; Ustilago Maidis,
verbreitet in den Maisfeldern bei Pi ans; anknüpfend an die letzte
Beobachtung, giebt Verf. eine Reihe von Vorschlägen für die Be-
kämpfung des Maisbrandes, auf welche hier nur hingewiesen werden
kann.
VII. Notizen über Pilze aus dem Bayrischen Walde.
Bei Bise h of f s r e ut fand sich auf Acer pseudoplatanus
neben Rhytisma acerinum auch Rhyt. punctatum Pers.
Daselbst konnte Verf. auch eine neue Krankheit der Rot-
buche beobachten, welche in feuchtem Mischwalde an jungen Buchen-
stauden häufig auftritt. Große Astpartieeu erkrankter Stauden zeigen
graue, weiche, abgestorbene Blätter oder grüne Blätter mit grauen
Flecken. Besonders die Nervatur der Unterseite und vor allem die
Blattstiele sind von einem zarten, weißen, flockigen Mycel bekleidet,
welches auch häufig Zweigpartieen und Knospen überzieht. Zwischen
den einzelnen Knospenschuppen bildet das Mycel dickere Polster und
dringt dann in das Gewebe der Blätter ein.
1) cf. dieses Centralblatt. Bd. IX. p. 89 — 98, 167—171.
2) 1. c.
Untersuchnngsmethoden, Instrumente etc.
197
Verf. beschließt seine Mitteilungen mit einigen Angaben über
das Vorkommen des Polyporus fomentarius in den alten Be-
ständen des Bayrischen Waldes. Busse (Berlin).
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Schrank, Anleitung zur Ausführung bakteriologischer
Untersuchungen. Zum Gebrauch für Aerzte, Tierärzte, Nah-
rungsmittel-, Agrikultur- und Gärungschemiker, Apotheker und
Bautechniker. Mit 137 Abbildungen. 8°. 253 p. Leipzig und
Wien (F. Deuticke) 1893.
In der That ein weiter Interessentenkreis, auf welchen Verf. rechnet.
Nach Ansicht des Verf.’s „fehlt bis jetzt in der Litteratur ein Werk,
das in gedrängter, leicht faßlicher und übersichtlicher Weise den in
bakteriologischen Arbeiten minder Geübten eine Anleitung zur Aus-
führung bakteriologischer Untersuchungen giebt“. Für Aerzte ist
sicher an Anleitungen zur Ausführung bakteriologischer Unter-
suchungen kein Mangel, für die anderen obengenannten Interessenten
aber darf ein auf ihre Bedürfnisse Rücksicht nehmender Leitfaden
willkommen geheißen werden.
Das Buch unterscheidet sich von anderen Anleitungen zu bak-
teriologischen Untersuchungen wesentlich durch zwei Dinge, durch
die vollständige Aufzählung aller Bakteriennährböden und durch die
ausführliche Schilderung der bakteriologischen Untersuchung von
Nahrungsmitteln und Gebrauchsgegenständen, Medikamenten und
Arzneistoffen, Verbandstoffen, Desinfektionsmitteln, Wasserfiltern sowie
der bakteriologischen Untersuchungen für Zwecke der Brauerei, Land-
wirtschaft, Zuckerfabrikation, Gerberei und Bauhygiene.
Das Werk ist mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der oben-
genannten Interessenten zweckentsprechend abgefaßt und wird seinen
Zweck sehr wohl erfüllen. Für eine Neuauflage möchten wir dem
Verf. Rücksicht auf korrekte Diktion (Beisp.: „Zusatz . . . wird zu-
gegeben“, „Gärber statt Gerber“, „entnimmt die Durchschnittszahl“
statt „aus der Durchschnittszahl“), besonders aber die Richtigstellung
einiger kleiner Irrtümer empfehlen. So beginnt (p. 98) die Ver-
flüssigung des Agars nicht schon bei 50°, sondern erst nahe dem
Siedepunkte; der Erfinder des Alkali- Albuminats heißt nicht (p. 94
u. 105) Taschanoff, sondern Tarchanoff; auch dürfte durch Einlegen
der Eier (p. 94) in Kalihydrat kaum Natronalbuminat entstehen;
warum diese Eier nach dem Herausnehmeu aus dem Alkali noch
einmal mit Sublimatlösung, statt sofort mit sterilisiertem Wasser,
gewaschen werden sollen, ist schwer verständlich; unter den flüssigen
Nährböden ist (p. 94) aufgeführt Glycerinbouillon mit Zusatz von
3 Proz. Gelatine; Kochen des Agars ira Dampfapparate (p. 101) unter
fleißigem Umrühren wird sich kaum bewerkstelligen lassen, ebenso
dürfte das Melken in Gefäße, die mit sterilisierten Wattepfropfen
verschließbar sind, also enge Oeffnungen haben, sich schwierig ge-
XV. Bd. 13
198
Dntersuchungsmethoden, Instrumente etc.
stalteu ; zu Liebig’s Fleischextrakt (p. 98) ist nicht die für das Bakterien-
wachstum nützliche Menge Kochsalz bereits bei der Bereitung des
Extrakts zugesetzt; Hueppe’s Fleischextraktgelatine muß nicht deshalb
lange sterilisiert werden (p. 98), weil das Fleischextrakt viele, son-
dern (gleich dem Milchzucker) schwer zu vernichtende Keime ent-
hält; daß man eine Pipette dadurch sterilisiren kann, daß man sie
(p. 107) 3 — 4 Tage im Thermostaten der Brüttemperatur aussetzt,
ist dem Ref. neu; p. 121 muß es Babes statt Baber heißen u. a. m.
Doch das sind nur kleine Versehen, welche den Wert des Buches
nicht wesentlich beeinträchtigen. Schill (Dresden).
Weinricli, Max, Die bakteriologischen Untersuchungs-
methoden bei chronischer Gonorrhöe des Mannes.
8°. 31 p. Inaug.-Diss. Berlin 1893.
25 Patienten bildeten das der Arbeit zu Grunde liegende
Material. Von diesen litten an chronischer Gonorrhöe diejenigen, bei
denen im Sekrete die Gonokokken nachzuweisen waren. Auch bei
denen, bei welchen trotz wiederholter, durchschnittlich 4 Wochen lang
fortgesetzter mikroskopischer Untersuchung Gonokokken nicht gefunden
wurden, schließt W. aus den Symptomen und dem ganzen klinischen
Verlaufe der Krankheit auf chronische Gonorrhöe. Zwar fanden sich
hin und wieder den Gonokokken sehr formäbnliche Diplokokken, aber
mit Sicherheit war nicht zu entscheiden, waren es Gonokokken,
Diplococcus Bumm’s oder Pseudogonokokken Mann ab er g’s
oder Lustgarten ’s.
Leider liefert auch die Ro ux-Gram’sche Methode keine Sicher-
heit, da sich zwar der Gonococcus Neißer stets entfärbt, aber
auch andere Diplokokken sich ebenso verhalten.
Auch die haufenweise Lagerung im Inneren der Zellen um den
Kern herum soll dem Diplococcus Neißer wohl allein zukommen,
aber absolut sicher ist es auch noch nicht nachgewiesen.
Das Reinkulturverfahren führt ebenfalls nicht zum sicheren Ziele,
da nach Verf. über keine der die Gonorrhöe betreffenden Unter-
suchungsmethoden so viel Unklarheiten herrschen und sich so viel
einander direkt widersprechende Angaben der namhaftesten Autoren
gegenüberstehen, wie gerade in Bezug auf die Reinkulturen.
Kurz, die bakteriologischen Untersuchungsmethoden sind noch
nicht zu solch einem Grade der Vollendung gebracht, daß sie in
allen Fällen zu praktischen Zwecken verwertbar sind und vor allem
in den zweifelhaften Fällen keine sichere Klarheit ergeben. Diese
ist bei dem heutigen Stande der Wissenschaft nur aus dem klinischen
Verlaufe, der Endoskopie und der bakteriologischen Untersuchung
im Vereine zu finden, wenn auch feststeht, daß der Gonococcus
Neißer ganz unzweifelhaft der pathogene Mikroorganismus des
Trippers ist, der demnach durch Excesse in venere oder baccho,
durch körperliche Ueberanstrengung, durch Berührung des Penis mit
Menstrualblut, durch einfachen Fluor albus ebenso wenig entstehen
kann, wie durch Gegendenwindpissen. E. Roth (Halle a. S.).
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 199
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
Kruse, W., Bemerkungen über Infektion, Immunität
und Heilung. [Aus dem bakteriolog. Laboratorium der Zoolo-
gischen Station zu Neapel.] (Beitr. z. pathol. Anat. u. allg. Pathol.,
Bd. XII. No. 3.)
Verf. giebt uns eine sehr anregend geschriebene kritische Zu-
sammenfassung unserer derzeitigen Anschauungen über Infektion,
Immunität und Heilung. Folgendes sind seine eingehend begründeten
Hauptsätze:
Wir haben allen Organismen Substanzen zuschreiben müssen, die
bakterienfeindlich wirken: Abwehrstoffe oder Al ex ine. Die-
selben werden durch die Zellen regelmäßig produziert und sind viel-
fach auch in den Säften nachzuweisen. Die Bakterien sind nicht
imstande, in tierischem Gewebe zu wachsen, wenn nicht diese Alexine
neutralisiert werden; das geschieht durch lytische Stoffe, zu denen
die den infektiösen Bakterien spezifischen Angriffsstoffe oder
Lysine gehören. Die Wirkung der letzteren kann wieder durch
andere antilytische Substanzen aufgehoben werden; die virulenten
Mikroorganismen erzeugen dieselben indirekt selbst als spezifische
Körper: Impfstoffe oder Antilysine.
Neben den Lysinen sind direkte Bakterienprodukte solche, die
örtliche Wirkung hervorbringen (z. B. chemotaktische Substanzen)
und solche, die allgemeine Symptome erzeugen: Gifte oder Toxine.
Einige, nicht alle infektiösen Bakterien können indirekt giftzerstörende
Substanzen bilden: Gegengifte oder Antitoxine.
Die natürliche Heilung der Infektion beruht wesentlich
auf dem Vorhandensein von Alexinen im Körper, die den Lysinen
der angreifenden Bakterien zu trotzen vermögen. Unterstützt kann
sie werden durch die im Laufe der Krankheit erfolgende natürliche
Bildung von Antilysinen, in geringerem Grade durch lokale Reaktionen
oder die gewöhnlichen Sekretionsmechanismen, die zur Elimination
von Krankheitserregern führen können.
Der künstliche Schutz gegen Infektion und die
künstliche Heilung derselben erfolgt durch:
1) verstärkte Produktion von Abwehrstoffen;
2) Einführung von Antiseptica zur Unterstützung der Alexine;
3) Einführung antilytisch wirkender Substanzen ;
4) Einverleibung von Stoffen, die zugleich antitoxisch und anti-
lytisch wirken.
Kr. verhehlt sich nicht, daß seine Aufstellungen in manchen Be-
ziehungen noch rein hypothetischer Natur sind. So giebt er
als möglich oder sogar wahrscheinlich zu, daß sich lokale und All-
gemeinwirkungen der Bakterien zum Teil auf identische Produkte
derselben werden zurückführen lassen. Besonderen Wert legt er auf
die Trennung der Angriffs- und Giftstoffe, die vielfach auch dort noch
zusammengeworfen würden, wo ihre Verschiedenheit schlagend er-
wiesen sei. Gerade der unterschiedslose Gebrauch des Wortes „Gift“
13*
200 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
für alle Bakterienprodukte habe bisher ein klares Verständnis dieser
Verhältnisse gehindert. Kr. kann sich, wie bereits aus obigem her-
vorgeht, der Ansicht von Brieger, Kitasato und Wasser-
mann, daß der Impfschutz allein auf einer Festigung des Organis-
mus gegen die von den Bakterien gebildeten Gifte beruhe, nicht an-
schließeu; er glaubt vielmehr, daß derselbe zugleich auf einer Wachs-
tumsbehinderung der Bakterien beruhe, daß mit der Giftfestigung in
diesen Fällen auch eine wirkliche Immunität einhergehe, daß neben
den Antitoxinen in den geimpften Tieren auch Antilysine gebildet
seien; denn nirgends sei von obigen Autoren der Nachweis erbracht,
daß die Entwickelung der betreffenden Bakterien in den geimpften
Tieren ebenso reichlich erfolgt sei als in den nicht geimpften.
W. Petersen (Zürich).
Janet, Traitement abortifdela blennorrhagie parle
permanganate de potasse, mode d’action de ce pro-
duit. (Annales de Dermatologie et de Syphiligraphie. 1893.
No. 10.)
Bevor der Verf. seine abortive Behandlungsmethode der Gonor-
rhöe und die damit erzielten Erfolge mitteilt, giebt er einen historischen
Ueberblick über die bisher übliche Art und Weise der Abortiv-
methodeu und setzt in scharf kritischer Weise deren Fehler aus-
einander.
Zuerst wendet er sich scharf gegen Di d a g g und diejenigen Aerzte,
welche, ohne die Untersuchung auf Gonokokken zu machen, sofort
ihre abortive Behandlung anfangen, sowie sich ein Tropfen Eiter in
der Urethra zeigt. Dadurch wird eine Anzahl nicht gonorrhoischer
Urethritiden mit in die Statistik hineingezogen, deren Heilung für
den Wert der Methode ohne Bedeutung ist. Nur die Fälle, bei denen
mittelst des Mikroskops Gonokokken gefunden werden, sind als echte
Gonorrhöen zu zählen und für eine Statistik, die die Vorteile einer
Behandlungsmethode beweisen soll, zu verwerten.
Dann spricht Janet über die Schnelligkeit, mit der die Gono-
kokken sich in den meisten Fällen über die Schleimhaut der ganzen
Urethra verbreiten und in die tieferen Schichten des Gewebes ein-
dringen. Nach seiner Statistik war in 40 Proz. der Fälle bereits
4 Tage und in 26 Proz. bereits 24 Stunden nach dem Auftreten des
ersten Eitertropfes eine Gonorrhoea posterior vorhanden — er führt
zum Vergleiche die Ro na’ sehe Statistik an, der in 82,9 Proz. der
Fälle in der ersten Woche das Vorhandensein einer Infektion der
Urethra posterior angiebt. Ebenso dringen nach J. die Gonokokken
mit großer Schnelligkeit in die tieferen Epithelschichten, erfüllen die
Krypten der Harnröhre und dringen in die Lakunen und die Aus-
führgänge der Drüsen und in diese selbst ein. Demgemäß muß jede
Abortivbehandlung erfolglos bleiben, welche, mit geringen Flüssigkeits-
mengen von großer Konzentration ausgeführt, nur die Urethra anterior
berücksichtigt und nur die oberflächlichen Epithellagen zerstört und
zur Desquamation bringt. Dagegen ist kräftigen Auspritzungen und
noch besser Ausspülungen der Urethra mit größeren Mengen von
Flüssigkeiten in schwächerer — aber noch bakterientötender Kon-
zentration ein gewisser Wert nicht abzusprechen, und wenn diese
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 201
Methode keine besseren Erfolge aufzuweisen hat, so liegt es nach
Ja net nur daran, daß sie nicht richtig und exakt ausgeführt worden
ist. Jan et giebt dann eine sehr ausführliche Beschreibung seiner
abortiven Behandlungsweise, die sich naturgemäß nur auf die ganz
frischen Fälle — aber nur auf solche ohne allzu stürmische
Begleiterscheinungen (stärkeres Oedem, sehr lebhafte Schmerzen
beim Urinieren und den Erektionen und beträchtliche Schwellung
des meatus u. s. w.) anwenden läßt. Es handelt sich um Aus-
spülungen mit Kal. permang. l/s oo — 1Uoooi je nach dem vor-
liegenden Falle. Die genauere Mitteilung dieses Teiles der Arbeit
gehört nicht hierher; nur so viel will ich hervorheben, daß der Verf.
angiebt, schon nach der ersten Ausspülung mit Kal. permang. in
keinem Falle mehr Gonokokken gefunden zu haben.
Es folgen dann die Krankengeschichten von 15 von ihm auf
diese Weise behandelten Gonorrhöen mit ausgezeichnetem Resultate.
Im Anschluß hieran erörtert er die Frage, wodurch das Kal. permang.
trotz einer viel geringeren desinfizierenden Kraft als Argent. nitr.
und Sublimat so viel besser wirkt; er kommt zu dem Schlüsse, daß
nach dem Kal. bei richtiger Anwendung (d. h. nicht zu lange hinter-
einander, noch zu schnell hintereinander, noch in zu großer Konzen-
tration, dürfen die Eingießungen vorgenommen werden) nicht wie nach
den erwähnten Desinficientien eine reichliche Eiterung einige Stunden
nach der Spülung eintritt, sondern daß das Kalium eine sehr geringe
Menge seröse Sekretion hervorbringe, die lange anhalte und während
deren Dauer keine Gonokokken zu findea wären, weil sie in diesem
Nährsubstrate nicht gediehen. Ebenso verändere das durch das
Kalium hervorgerufene leichte Oedem der Urethra den Nährboden
für die tiefer eingedrungenen Gonokokken so, daß sie nicht zu
existieren vermöchten. Ein weiterer Vorzug der Methode ist ihre
Schmerzlosigkeit. Lasch (Breslau).
Mauriac, Ce que devraient etre le traitement sp6ci-
fique et la prophylaxie de la Syphilis. (LaSemaine
ra6d. 1893. No. 72.)
Als die idealste Behandlungsmethode der Syphilis denkt sich
Mauriac diejenige, die das Virus im Augenblicke nach der In-
vasion an der Infektionsstelle zu vernichten vermöchte, bevor es im-
stande ist, sich auch nur im Geringsten weiter zu verbreiten. Wollte
man erst in späterer Zeit — wenn das Gift den Organismus bereits
durchseucht hat — eingreifen, so müßte man versuchen, das einge-
wanderte Virus vernichtende und seine Toxine neutralisierende Sub-
stanzen dem Organismus einzuverleiben resp. in ihm zu erzeugen,
die aber demselben sonst in keiner Beziehung schädlich sein können.
Stets wird uns der Erfolg in diesen Fällen ein ungewisser bleiben,
da uns der Maßstab dafür fehlt, ob wir bei den für uns unsichtbar
sich abspielenden Vorgängen wirklich eine radikale Heilung der Krank-
heit oder nur die Beseitigung der momentanen Manifestationen er-
zielt haben, wie wir es bei den „äußeren Dermatomykosen sehr wohl
zu beurteilen imstande sind. Bisher sind wir nach M a u ri a c’ s An-
sicht noch nicht im Besitze von Mitteln, die das Krankheitsagens
wirklich zu beseitigen vermögen ; Quecksilber und Jod sind nach ihm
202 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
nur eigentlich palliative Mittel ; sonst müßte heute die Syphilis zu
den allerseltensten Erkrankungen gehören, nachdem sie seit Jahr-
hunderten mit dem Quecksilber bekämpft wird.
Der Verf. hofft einen größeren Erfolg von der künstlichen
Syphilisation. Freilich bleibt, so lauge das Virus der Syphilis uns
unbekannt und die Uebertragung auf Tiere unausführbar ist, diese
Hoffnung eiu Traumbild für die Zukunft, das dem Verf. selbst des-
wegen leichter zu verwirklichen erscheint, weil wir in der natürlichen
Immuuisation der Mutter durch vom Vater her syphilitische Kinder
bereits eine Art Analogon zur Immunisierung durch Vaccination be-
sitzen. Es ist ferner anzunehmen, daßdie Impfung mit dem abgeschwächten
Virus nichts ganz gleichgültiges ist und es bleibt immerhin fraglich,
wie viele bereit sein würden, sich derselben zu unterziehen, als
Prophylaxe gegen eine Krankheit, gegen welche sie sich selbst
schützen zu können glauben.
Zum Schlüsse streift M. das Kapitel der Prophylaxe der Aus-
breitung der venerischen Krankheiten und betont die große Unge-
rechtigkeit und den schweren Fehler, der dadurch geschieht, daß nur
die Frauen, nicht auch die Männer ärztlich untersucht werden. Durch
Unterlassung der Untersuchung der Männer bleibt die Maßregel nur
eine halbe, da es am wichtigsten wäre, die prostituierten Puellae vor
der Infektion zu schützen. Lasch (Breslau).
Centanni, Die spezifische Immunisation der Elemente
der Gewebe. [Ein Beitrag zur Kenntnis der Immunität und der
Serumtherapie bei Rabies.] (Deutsche medizinische Wochenschrift.
1893. No. 44. p. 1061 ff., No. 45. p. 1115 ff.).
Mit dem vom Verf. entdeckten Bacillus aerogenes me-
ningitidis vermochte derselbe Kaninchen zu immunisieren, so daß
sie einer nachfolgenden subduralen Inokulation virulenter Kulturen
erfolgreich widerstanden. Das Blut der immunisierten Tiere hatte
in vitro nicht nur keine baktericide Eigenschaften, sondern es war
der Bacillus sogar noch virulenter geworden, wenn er auf Blut-
fleischbrühe gewachsen war. Auch für die immunisierten Kaninchen
war dieselbe Dose, in den Kreislauf injiziert, ebenso tödlich wie für
die nicht immunisierten. Auch wurde keine immunisierende Wirkung
beobachtet bei Uebertragung des immunisierten Blutes eines Tieres
auf ein anderes Tier. Das Blut hatte also an der Immunisierung
keinen Anteil und wurden Versuche angestellt, ob irgend welche Ge-
webselemente das immunisierende Prinzip enthielten.
I. Experimente über das vergleichende Immuuisationsvermögen
der Gewebe.
Von den nach der italienischen Methode vaccinierten Kaninchen
wurden Serum wie auch Nervensystem anderen Tieren injiziert, und
zwar im Verhältnis von 1 Nerveusubstanz auf 300 Teile Tier und
1 Serum auf 150 Tier.
Die Infektion wurde auf subduralem Wege bewirkt, und zwar
3 Arten von Immunisation aufgestellt: erstens eine schützende
Immunität, 5 Tage vor der Infektion, dann eine gleichzeitige,
gleichzeitig mit derselben, drittens eine heilende, 5 Tage nach der
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 203
Infektion. Außer dem Nervensystem wurde 7raal ein anderes Gewebe
untersucht, doch mit stets negativem Erfolg.
II. Die Stadien des Vaccinationsprozesses.
Bei der Infektion mit Nervensubstanz handelt es sich um
passive Immunität, wobei dem zu immunisierenden Organismus die
Immunisierungsstoffe fertig in bestimmter Menge zugeführt werden,
ohne daß der Organismus an dem Mengenverhältnis etwas ändern
kann. Gegenüber dieser passiven Immunisierung, die für das Tier
reaktionslos verläuft, sprechen wir von aktiver, wenn der Organismus
auf die Einführung virulenter oder toxischer Stoffe durch Selbst-
produktion immunisierender Substanz antwortet.
Die Injektion im Nervensystem bewirkt eine passive Immuni-
sierung. Es ergab sich, daß eine allmählich ansteigende Immuni-
sierungskraft im Blut vorhanden ist, welche proportional der Re-
sorption des Nervensystems wuchs, am 25. — 30. Tage ein Maximum
mit einer Immunitätskraft von 1 : 500 erreichte, nach l1/2 Monaten
auf 1 : 150 herabsank, um schließlich ganz zu erlöschen. Nach Ein-
führung neuen Nervenmarkes unter die Haut wurde derselbe Vorgang
noch einmal wiederholt. Auf anderem Wege ließ sich auch durch
chemische Reaktion die immunisierende Substanz aus dem Nerven-
system darstellen und diese dem Tier injizieren. Das immunisierende
Prinzip kann dann so wirken, daß es entweder im ganzen Organismus
kreisend das später eindringende Gift aufsucht und vernichtet, oder
daß es sich an bestimmten Stellen ablagert, welche für das später
eindringende Gift den Angriffspunkt bilden. Die Beobachtung hat
ergeben, daß ein gewisser Zeitpunkt eintreten kann, wo das Tier im
Kreislauf eine mehr als hinreichende Menge immunisierender Substanz
besitzt, welche jedoch das Tier selbst nicht vor der Erkrankung zu
schützen vermag. Zudem ergaben weitere Versuche und Ueberlegungen,
daß die erste Hypothese unhaltbar wurde. Es erwies sich nun, daß
im gleichen Verhältnis, wie die Imraunisierungskraft des Blutes ab-
nahm, die des Nervensystems zunimmt, woraus das Gesetz abgeleitet
wird, daß dieselben Elemente, welche vorzugsweise die spezifische
Wirkung des Virus erfahren, auch vorzugsweise die betreffende immuni-
sierende Substanz in sich aufnehraen. Oder anders ausgedrückt : die
Assimilation des immunisierenden Prinzips durch die dasselbe auf-
nehmenden Elemente sättigt die Anziehungskraft des nervösen Mole-
küls zu dem Rabiesvirus, so daß die spätere Berührung mit diesem
Virus unwirksam bleibt.
IH. Allgemeiner Begriff der Serumtherapie.
Bei der Immunisation kommt es zunächst darauf an, das Tier,
welches das immunisierende Serum liefern soll, für sich selbst immun
zu machen. Dann muß dem Serum eine möglichst hohe Immuni-
sierungskraft verschafft werden, was am besten durch die italienische
Methode erreicht wird. Der Einfluß des so erhaltenen Serums ist
ein indirekter durch Vermittelung der Zellen und können bei be-
gonnener Krankheit nur die Zellenkomplexe mit den immunisierenden
Stoffen gesättigt werden, welche noch nicht von dem Gifte ergriffen
sind. 0. Voges (Danzig).
204 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Lazarus, A. und Weyl, Th., Weitere Beiträge zur Theorie
der I mm u n ität g e gen Milzbrand. [Aus dem Laboratorium
des städtischen Krankenhauses Moabit.] (Berl. klin. Wochenschr.
1892. No. 45.)
Nachdem Weyl früher nachgewiesen hatte, daß die unter die
Brusthaut des Huhns gebrachten Sporen des virulenten Milzbrandes
schon nach 2 — 4 Tagen ihre Virulenz vollkommen verloren hatten,
suchten nun die Verff. festzustellen, ob diese sporentötende Kraft des
lebenden Huhnes sich erst im Laufe des extraovulären Lebens ent-
wickele oder bereits kurz nach dem Auskriechen aus dem Ei vor-
handen sei. Sie impften zu dem Zwecke Hühnchen der gleichen
Race, welche von derselben Henne zu gleicher Zeit angebrütet waren
und alle im Verlaufe vou 12 Stunden das Ei verlassen hatten, also
gleichalterig waren, verschiedene Zeit nach der Geburt mit virulenten
Milzbrandsporen, und zwar 2 am 1. Tage, 2 am 2., 2 am 5. und 2
am 12. Tage nach der Geburt. Von diesen 8 Tieren starb nur ein
einziges am Tage nach der Impfung an einem kleinen, dem
Loeffl er’ sehen B. typhi murium sehr ähnlichen Bacillus,
also nicht am Milzbrand. Hiermit ist bewiesen, daß die Immuni-
tät gegen Milzbrand den Hühnern angeboren ist, oder
wenigstens sich im Verlaufe der 24 Stunden entwickelt haben muß,
welche vou dem Auskriechen bis zur Impfung verstrichen waren. Um
zu prüfen ob das Serum des jungen Huhns als Heilmittel gegen Milz-
brand dienen könne, wurde weißen Mäusen eine Milzbrandsporen-
emulsion und Serum sowohl von den bei dem früheren Versuche be-
nützten als noch nicht mit Milzbrand geimpften Hühnchen injiziert.
Die so behandelten Mäuse sind niemals am Leben geblieben, vielmehr
wenig später als die Kontrollmäuse eingegangen. Da vielleicht das
Serum des Hühnchens so schwache sporentötende Kraft besaß, daß
dieselbe sich erst nach längerer Einwirkung auf die Sporen äußern
konnte, wurde das Gemisch von Sporenemulsion uud Serum 24 —
48 Stunden im Eisschranke stehen gelassen und dann injiziert; doch
starben die Tiere ebenso schnell als die Mäuse, welchen die frische
Mischung von Serum und Sporen injiziert worden war. Auch das
Serum des ausgewachsenen Huhnes war kein Heilmittel
gegen Milzbrand, wie durch eine Reihe von Versuchen nachge-
wiesen werden konnte. Demnach vermag das Blutserum eines
Tieres, welches eine angeborene Immunität gegen
Milzbrand besitzt, ein zweites, gegen Milzbrand nicht
immunes Tier vor Milzbrand nicht zu schützen.
Dieudonn6 (Berlin).
Pansini, Sergio, Weitere Untersuchungen über das Ver-
halten des Serums gegenüber den Mikroorganismen,
insbesondere über seine Heilkraft bei der Pneu-
moniekokken-Infektion. (Beitr. z. pathol. Anat. u. allg.
Pathol. Bd. XII. H. 3. S. 372.)
Die Untersuchungen P.’s erstreckten sich auf 3 Punkte. Es
wurde zunächst an einer großen Anzahl verschiedener Bakterienarten
die keimtötende Kraft des menschlichen Serums geprüft. Das Blut-
serum zeigte eine enorme keimtötende Kraft gegenüber allen Sapro-
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten. Entwickelungshemmung etc. 205
phyten; recht bedeutend war dieselbe auch gegen solche pathogenen
Bakterien, welche keine Septikämie erzeugen (Rotz, Diphtherie, Cho-
lera). Die Sterblichkeitsziffer der Bakterien war in den ersten Mo-
menten nach der Einführung in das Serum besonders groß; es schienen
alle schwächeren Individuen sofort abzusterben. Von einem gewissen
Zeitpunkt an jedoch (kritischer Zeitpunkt des Wachstums) begann
wieder eine Vermehrung der Bakterien (also ein Auslöschen oder
eine Neutralisation der keimtötenden Kraft). Es ist diese Erschei-
nung entweder als eine Wirkung der toten Bazillen aufzufassen (Bo-
naduce) oder auf ein lytisches Vermögen der weiterwachsenden zu
beziehen.
Auffallend war die Thatsache, daß in verschiedenen Fällen viru-
lente Varietäten eines Mikroorganismus abgetötet wurden, während
weniger virulente Formen desselben Mikroorganismus in demselben
Serum weiterwuchsen. Die keimtötende Kraft der verschiedenen Sera
gegen dasselbe Bakterium war sehr verschieden groß; die Bakterien
erwiesen sich also als lebendige Reagentien zum Nachweis qualitativer
Unterschiede in der Zusammensetzung unserer Körpersäfte. Es ließ
sich ferner bei den meisten Bakterien eine gewisse Beziehung zwi-
schen der Immunität einer Tierart und der keimtötenden Kraft seines
Blutserums nachweisen; diese Beziehung war jedoch nicht konstant
genug, um zur Erklärung der Immunität zu genügen.
In einer zweiten Versuchsreihe wies P. für den Diplococcus
der Pneumonie und den Streptococcus pyogenes die Mög-
lichkeit nach, in menschlichem Blutserum abgeschwächte Formen
wieder in vollvirulente umzuzüchten. Keines der Sera, welches dem
abgeschwächten Diplococcus seine Virulenz wieder verliehen hatte,
erwies sich bei Impfversuchen mit dem virulenten Diplococcus
für Kaninchen heilkräftig.
Bei dem 3. Thema, der Heilung der Pneumokokkeninfektion
durch das Blutserum immuner Tiere kommt P. zu folgenden Ergeb-
nissen: Bei der Pneuraokokkeninfektion kann in vielen Fällen Heilung
durch Einimpfung von Blutserum natürlich immuner Tiere (Hund) er-
reicht werden; in manchen Fällen bleibt jedoch die Heilwirkung aus
und in einzelnen tritt sogar eine Verstärkung der Infektion ein. Da
das menschliche Serum dem Hundeserum in seiner Heilwirkung fast
gleicbsteht, so ist der Mensch als natürlich immun gegen Pneumonie
anzusehen; die Immunität wird nur bei einzelnen Individuen und
zeitweise aufgehoben. Das Blutserum bewahrte (in Tuben einge-
schlossen) seine Heilkraft bis zu 45 Tagen, einmal sogar 4 Monate
lang. Bei vielen Kaninchen war mit der Heilung zugleich Immunität
eingetreten. Beziehungen zwischen therapeutischer und immunisirender
Kraft waren beim Menschenserum nur in gewissen Grenzen, beim
Hundeserum überhaupt nicht nachweisbar.
Was die Heilung der menschlichen Pneumonie betrifft, so hält
P. die Heilversuche mit dem Serum von Menschen oder Tieren,
welche Immunität erworben haben, für durchaus berechtigt; das
Serum natürlich immuner Menschen oder Tiere kann er dagegen
nicht empfehlen, da von diesem zu große Mengen erforderlich sein
würden. W. Petersen (Zürich).
206 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Foä, P., Sur l’iufection par le Diplococcus lanceolatus.
(Archives Ital. de Biologie. Vol. XX. Fsc. I. p. 14.)
Die Ergebnisse der eingehenden Untersuchungen Foä’s weichen
von den durch Klemperer, Emmerich u. A. gefundenen sehr
wesentlich ab und stehen zum Teil in direktem Gegensätze zu diesen.
Zur Immunisierung von Kaninchen gegen den Diplococcus lan-
c e o 1 a t u s (s. pneumoniae) erwies sich F. weitaus am geeignetsten
ein wässeriger Glycerinextrakt der Diplokokkenkulturen; derselbe
wirkte bedeutend zuverlässiger und sicherer als der durch Alkohol
und Schwefelammonium ausgefällte Stoff oder als sterilisierte Kulturen.
Die bisher vielfach angegebene Beobachtung, daß die einmal erzielte
Immunität durch wiederholte nachtolgeude Infektionen gesteigert
werde, fand F. nicht bestätigt. Das bemerkenswerteste Resultat der
ersten Versuchsreihen F.’s ist die Thatsache, daß das Blutserum
der immunisierten Kaninchen gegen die Diplokokken-
infektion anderer Kaninchen nicht die geringste
therapeutische oder präventive Wirkung zeigte. Den
schroffen Gegensatz, welchen dieser Befund zu früheren Beobachtungen
(Klemperer, Emmerich und Fowitzki) bildet, glaubt F. nur
dadurch erklären zu können, daß bei den verschiedenen Unter-
suchungen ganz verschiedene Diplokokkenarten Vorgelegen haben.
Um nun für spätere Untersuchungen ein gleichartiges Material
zu schaffen, stellt er' zunächst einen „konstanten Laboratorientypus“
auf. Zu dessen Gewinnung empfiehlt er, die aus pneumonischem
Sputum stammenden Diplokokken zunächst durch 2 Ratten, alsdann
durch mehrere Kaninchen hindurchzuschicken, da nur so eine voll-
virulente Form erhalten werden könne. Die Virulenz erhielt sich am
längsten (ca. 60 Tage), wenn die Kokken nicht in künstlichem Nähr-
materiale, sondern im Tierblute selbst in sterilisierten Gläsern, vor
Licht geschützt, aufbewahrt wurden. Aber auch dieser „konstante
Typus“ zeigte bei genauerer Untersuchung verschiedene Varietäten
mit erheblichen Unterschieden. Besonders scharf ließen sich zwei
Formen trennen, welche F. nach ihrem häufigsten Fundorte „Pneumo-
coccus“ und „Men in go co c cu s“ benennt. Der erstere rief beim
Kaninchen starke lokale, seröse Entzündung, mäßige Septikämie mit
geringer weicher Milzschwellung hervor; der letztere dagegen keine
lokale Reaktion, eine starke Septikämie und hochgradige harte Milz-
schwellung. Zwischen diesen beiden extremen Formen fand sich eine
Reihe von Uebergängen ; alle Varietäten aber ließen wieder stark-
virulente und schwachvirulente Unterarten erkennen. Die oben er-
wähnten Immunisierungsversuche wurden mit dem „Pneumococcus“
angestellt. Die mit dem „Meningococcus“ durchgeführten Unter-
suchungen gaben wesentlich andere Resultate. Zunächst gelang es
nicht, aus diesem einen immunisierenden Stoff von ebenso zuver-
lässiger Wirkung zu isolieren, wie beim „Pneumococcus“. Das
Serum immunisierter Kaninchen konnte, wenn es gleichzeitig mit
dem infizierenden Material in ein anderes Kaninchen eiugeführt
wurde, dasselbe niemals retten. Wurde das Serum vor der Iufektion
angewandt, so starben die Kaninchen zwar auch, jedoch erst nach
8 Tagen statt nach 24 Stunden, wie die Kontrolltiere. Eine noch
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 207
frühere Anwendung des Serums oder eine Steigerung seines Quantums
konnte dies Resultat nicht verbessern.
Ganz auffallenderweise war der Unterschied zwischen dem
Pneumococcus und Meningococcus so groß, daß Kaninchen,
welche gegen einen derselben immunisiert waren, der Infektion durch
den anderen unterlagen !
' ’ Bei manchen Kaninchen trat während ihrer Immunisierung mit
dem Glycerinextrakt ein akuter Marasmus auf; allgemeine Atrophie
und starke Blutzersetzung, welche zum Tode führten. Mit dem
Serum eines .solchen Kaninchens konnte der gleiche tötliche Maras-
mus auf ein zweites Tier übertragen werden, während dessen Serum
bei einem dritten Tiere zwar noch starke Atrophie, aber nicht den
Tod verursachte.
Die Versuche, Kaninchen durch das Serum von Tieren, welche
eine natürliche Immunität gegen den Diplococcus besitzen (z. B.
Hund) oder durch das Serum, welches pneumoniekranken Menschen
in den verschiedensten Stadien der Erkrankung entnommen war,
schlugen gleichfalls fehl. Ferner zeigte die Injektion von dem Glycerin-
extrakt, welcher Kaninchen sicher immunisierte, weder auf den Ver-
lauf von menschlichen Pneumonieen noch von Kaninchenpneumonieen
(trotzdem mildere Formen ausgesucht wurden) die allergeringste Ein-
wirkung.
F. glaubt, aus diesen Versuchen einen scharfen Gegensatz zwischen
septischen Infektionen (wie Pneumonie) und rein toxischen (z. B.
Diphtherie, Tetanus) konstruieren zu können und warnt dringend da-
vor, die bei den einen gefundenen Resultate ohne weiteres auf die
anderen zu übertragen. W. Petersen (Zürich).
Rosin , Einfluß von Chinin und Methylenblau auf
lebende Malariaplasmodien. (Deutsche medizin. Wochen-
schrift. No. 44. 1893.)
Verf. untersuchte auf dem Objektträger unter dem Mikroskop
den Einfluß des Chinins und des Methylenblau auf lebende Malaria-
parasiten. Um die Vorgänge im Körper nachzuahmen, verwandte er
eine Chininlösung von 1 : 5000, da das Chinin in nicht stärkerer Kon-
zentration im Blut vorkommt. Unter Einwirkung einer solchen Lösung
von Chinin blieb die Bewegung der Plasmodien noch 10 Stunden er-
halten, zu einer Zeit, wo die roten Blutkörperchen schon erhebliche
Veränderungen erlitten hatten. Methylenblaulösung wurde verwandt
im Verhältnis von 1 : 20000 physiol. Kochsalzlösung. Diese Lösung
war in dünner Schicht noch schwach blau, dagegen unter dem Mikro-
skop farblos. Sofort nach Zusatz dieser dünnen Methylenblaulösung
hörte die Bewegung der Körnchen in den Plasmodien auf. Nach
einer halben Stunde waren die meisten Plasmodien intensiv blau, die
Kerne der weißen Blutkörperchen nur blaßblau, während die roten
Blutkörperchen ihre Farbe, Gestalt und Form behalten hatten. R. em-
pfiehlt daher diese Färbung der lebenden, frischen Plasmodien, da
sie eine viel größere Verwandtschaft zur Farbe haben wie die durch
Erhitzen auf 120° durch Härten in Alkohol abgetöteten.
Verf. schließt von diesen Experimenten nicht auf den Menschen,
zumal das Methylenblau im Blutstrom als farbloses Leukoprodukt
208 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
kreist, zu welchem es durch die alkalische Reaktion und stark redu-
zierende Kraft wird. 0. V o g e s (Danzig).
Kollmann, Ueber Lammbluttransfusion bei Syphilis.
(Sekt. f. Dermatol, der 65. Naturforschervers. 1893. — Monatsh.
f. prakt. Dermatol. Bd. XVII. p. 382.)
K. konnte günstige Erfolge von Larambluttransfusion bei Syphilis
im Gegensätze zu Tommasoli nicht beobachten. Von 8 bereits
früher mit Quecksilber behandelten Luetischen mußten 4 wegen
schwerer Erscheinungen bald wieder vom Lammblute zum Queck-
silber zurückkehren; bei den übrigen 4 traten nach kurzer Zeit
wieder neue Erscheinungen auf. Von vorher unbehandelten Syphi-
litikern zeigte nur einer nach Lammbluttransfusionen deutliche
Besserung, bei den andern erfolgte dieselbe erst bei nachträglicher
Quecksilberkur. W. Petersen (Zürich).
Richards, Presidential address on infectious diseases
with especial reference.to th eir tre atment by vac-
cine. (Brit. med. Journ. 1893. 4. Nov. p. 985.)
Eine kurze historische Uebersicht unserer derzeitigen Kenntnisse
über die Heilung und Verhütung von Infektionskrankheiten (speziell
Pocken, Cholera, Lepra, Tetanus, Diphtherie, Tuberkulose) durch
Impfung. Hervorzuheben ist, daß R. auf Grund seiner Erfahrungen
die Kuhpocken für übertragene Menschenpocken hält. Den in neuerer
Zeit so außerordentlich starken Rückgang der Kuhpocken erklärt er
vor allem dadurch, daß heutzutage das Vieh nicht mehr so leicht
von frisch geimpften Menschen besorgt wird, als dies früher der
Fall war. W. Petersen (Zürich).
Verpflichtung zur Anzeige von ansteckenden Krankheiten
in Frankreich.
In ihrer Sitzung vom 17. Oktober hat die academie de m^decine
beschlossen, dem Minister des Innern eine Liste epidemischer Krank-
heiten zu überreichen, an deren Anzeige die Aerzte nicht durch das
Berufsgeheimnis gehindert werden sollten. Die in diese Liste auf-
genommenen Krankheiten sind Cholera und choleraähnliche Affektionen.
Gelbfieber, Pest, Variola und Variolois, Scharlach, Schweißfrieseln
(Suette miliaire), Diphtherie, Typhus, Fleckfieber, Ruhr, Puerperal-
fieber und Augenentzündung der Neugeborenen. (Semaine medicale.
p. 467 u. 468.) K übler (Berlin).
Pfuhl,!., Zur Wirkung des Saprols. (Zeitschrift für Hygiene
u. Infektionskrankheiten. Bd. XV. H. 2. p. 142 ff.)
Es wird über Untersuchungen über die Desinfektionswirkung des
Saprol A und des Saprol B berichtet, und zwar wurden die Unter-
suchungen angestellt auf Urin, Fäkalien, Schmutzwässern, tuberkulösem
Sputum und Reinkulturen von Milzbrandsporen und frisch gezüchtetem
Staphylococcus aureus. Die Versuche ergaben, daß Saprol A
wie B ein starkes Antiseptikum waren, welches in 1-proz. Lösung
zersetzungsfähige Flüssigkeiten keimfreizu machen vermögen. Bei
festen und fest-weichen Fäulnisstoffen reicht es auch bei weit höherem
prozentuarischen Zusatz nicht aus. Milzbrandsporen werden nur in
Substanz getötet, nicht aber von der Oberfläche von Flüssigkeiten
Neue Litteratur.
209
aus. Bei letzter Art der Anwendung wurden nur die Vegetations-
formen pathogener Bakterien innerhalb weniger Stunden bis Tage
vernichtet. Saprol besitzt eine ausgesprochene desodorierende Wirkung,
und zwar Saprol B noch weit mehr wie A. Doch hält die Wirkung
nur 8 — 14 Tage an und bedarf dann der Erneuerung. Zur völligen
Desinfektion von Senkgruben, Tonnen u. s. w. ist Saprol ungeeignet
und besitzt keinen größeren Wert wie alle anderen zu diesem Zwecke
benutzten Antiseptica. Ungünstige Nebenwirkungen, besondere Gift-
wirkung, Aetzwirkung und dergl. wurden nicht beobachtet. Besondere
Feuergefährlichkeit wurde nicht gefunden, doch ist die Gefahr ent-
schieden größer als bei anderen brennbaren Desinfizientien, die wegen
ihres höheren spezifischen Gewichtes in die Tiefe sinken.
Bei Versuchen im großen — Tonnenabfuhr — entfaltete das
Saprol nur dann seine wichtigste Fäulnisgerücbe beseitigende Eigen-
schaft, wenn es die seiner Wirkung unterworfenen Massen in einer
gleichmäßigen Schicht bedeckt. Voges (Danzig).
Neue Litteratur
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De. Arthur Würzburg,
Bibliothekar im Kaiserlichen Gesnndheitsamte in Berlin.
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212
Inhalt.
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Koplik, Urogenital Blennorrhoea in ehild-
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Löwenhardt, Wann dürfen Gonorrhöiker
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über seine Heilkraft bei der Pneumo-
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Verpflichtung zur Anzeige von anstecken-
den Krankheiten in Frankreich, p. 208.
Neue Litteratur, p. 209.
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Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
kunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an
den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena , gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage , später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original • Mittheiiungen.
Ueber das Vorkommen feiner Spirillen in Dejektionen
Cholerakranker.
[Aus dem hygienischen Institute der Universität Greifswald.]
Von
Dr. Rudolf Abel,
Privatdozenten und Assistenten des Instituts.
In No. 49 der Wiener klinischen Wochenschrift vom 7. Dezember
1893 findet sich ein Referat über einen Vortrag, welchen Kowalski
in der Gesellschaft der Aerzte in Wien gehalten hat. Kowalski
beschreibt in seinem Vortrage eine Art von feinen Spirillen, welche
er elfmal im Stahle Cholerakranker nachgewiesen hat. Dieselben
ähneln nach der Darstellung Ko walski’s den Zahnspirochäten oder
XV. Bd. 14
214
R u d o 1 ( O W i f
Recurrensspirillen, besitzen eine bis drei, seltener mehr Windungen,
sind lebhatt beweglich und wachsen auf keinem der üblichen Nähr-
böden. Mit Anilinfarben färben sich die Spirillen nur schwach, beim
Abspülen der Präparate verlieren sie ihre Farbe leicht wieder. Im
Darminhalte, wie in Entleerungen, gehen die Organismen schon nach
drei bis vier Tagen zu Grunde, im Wasser, welches mit Dejekten
geimpft ist, bleiben sie noch einen Tag länger nachweisbar.
Kowalski erscheint es auffällig, daß bei den zahllosen Unter-
suchungen von Cholerafaeces in den beiden letzten Jahren von keiner
Seite über ähnliche Befunde berichtet worden ist; er fordert auf,
entsprechende Beobachtungen zu veröffentlichen.
Bei einer Reihe von Cholerafällen, deren Faeces im hygienischen
Institute zu Greifswald untersucht wurden, sind nun Befunde ganz
entsprechend denjenigen von Kowalski erhoben worden. Es
handelt sich um fünf Patienten aus Swinemünde und Wollin, von
denen Entleerungen zwischen dem 27. Oktober und 6. November 1893
dem Institute eingesaudt worden waren; bei allen wurde durch das
Kulturverfahren asiatische Cholera festgesteilt.
Im Stuhle des ersten Patienten fielen neben den sehr
zahlreichen Kommabacillen große Mengen ganz feiner Spirillen
ins Auge. Dieselben erinnerten beim ersten Anblicke lebhaft
au losgerissene Bakteriengeißeln , wie man sie in den nach
Loeffler’s Methode gefärbten Präparaten mancher Organismen-
arten häufig sieht. Sie besaßen meistenteils zwei bis drei, seltener
vier gleichmäßige Windungen, bisweilen wiesen die Krümmungen
aber eine verschiedene Gestalt und Größe auf. Beide Enden waren
scharf zugespitzt. Die Spirillen lagen unregelmäßig im Gesichtsfelde
verteilt, bald einzeln, bald in kleineren oder größeren Haufen durch-
einander gewirrt. Eine Eigenbewegung kam den Gebilden zu, docü
sind leider genaue Untersuchungen über diesen Punkt nicht vorge-
nommen worden. Mit Methylenblau und Fuchsin war eine Färbung
der Spirillen leicht zu erreichen, dieselbe blieb an Intensität aber
weit hinter der Tinktion der Cboleravibrioneu zurück. Das braucht
nicht auf irgend einer geringeren Färbbarkeit der Spirillen zu be-
ruhen, sondern erklärt sich daraus, daß die Spirillen im Verhältnis
zu den Cholerabacillen nur eine sehr geringe Dicke besitzen, also auch
bei Aufnahme großer Farbstoffmengen heller als jene erscheinen
müssen. Die besten Resultate gab die Färbung mit Aniliuwa^ser-
fuchsin.
Bei der weiteren Verarbeitung der Faeces zur Stellung der >
Choleradiagnose wurden Kulturen in Peptonwasser, Bouillon, Gelatine i
und Agar hergestellt. In keinem dieser Nährböden war bei der )
fortgesetzten Untersuchung eine Spur von den Spirillen aufzufinden,
dagegen waren sie in dem Stuhle noch mehrere Tage nachweisbar.
In ganz analoger Weise, nur in geringeren Mengen, fanden sich
die Spirillen in den anderen vier Fällen.
\\ as die Deutung und die Bedeutung dieses Befundes anbetrifft, '
so ist zunächst die Annahme von der Hand zu weisen, daß wir etwa
Geißeln der Choleraspirillen vor uns gehabt haben, welche durch eine i
eigentümliche Zusammensetzung des Darminhaltes eine Art Beizung di
vofcre*
Ueber das Vorkommen feinei ° illen in Oejektionen Cholerakranker. 215
erfahren hatten. Dagegen spricht der Umstand, daß die feinen
Spirillen fast stets isoliert, entfernt von den Bacillen lagen. Nur in
vereinzelten Fällen haben wir bei sorgfältigem Suchen ein Aueinander-
liegen der Kommabacillen und Spirillen nachweisen können. Auch
dabei war nur die Möglichkeit, durchaus nicht die Sicherheit
eines wirklichen Zusammenhanges gegeben. Außerdem entsprach die
Form der Spirillen nicht derjenigen der Cholerageißeln, auch waren
die Spirillen im hängenden Tropfen sichtbar, was bei Geißelfäden
sicherlich nicht der Fall gewesen wäre.
Man mußte danach annehmen, daß man es mit einer Mikro-
organismenart zu thun hatte. Nach dem ersten Auffinden der Spirillen
wurde natürlich sorgfältig in allen Fällen von Cholera auf das Vor-
handensein derselben in den Faeces geachtet. In den Stühlen von
drei Fällen aus Wohin, welche am 2. und 7. November zur Unter-
suchung gelangten, also zu derselben Zeit, wie die fünf ein positives
Ergebnis liefernden Fälle, waren keine Spirillen zu sehen. Ebenso-
wenig waren sie ir Cholerafaeces zweier Kranken aus Stettin vom
23. Oktober enthalten, welche nachträglich noch auf Spirillen unter-
sucht wurden.
Auch die mikroskopischen Präparate von Cholerafäkalien mehrerer
Patienten aus dem Jahre 1892, welche teils gefärbt, teils ungefärbt
aufbewahrt worden waren, wurden vergeblich nach den Spirillen
durchforscht.
Die Spirillen bilden mithin keinen regelmäßigen Befund in den
Choleradejektionen und haben also mit der Aetiologie der Cholera
nichts zu thun. Im Stuhlgange gesunder oder an Cholera nostras
erkrankter Leute sind sie hier nie bemerkt worden, womit nicht ge-
sagt sein soll, daß sie sich nicht doch in gewöhnlichen Fäkalien
finden könnten. In der Diskussion über den Vortrag Kowalski ’s
bemerkt Paltauf, daß Escherich und er selbst wiederholt in
normalen Faeces ganz ähnliche Gebilde gesehen hätten. Kowalski
erwähnt in seinem Vortrage zwei Fälle mit choleraähnlichen Er-
scheinungen, bei welchen keine Choleraspirillen, wohl aber die in Rede
stehenden Organismen gefunden wurden.
Daß die Spirillen vielleicht in geringer Zahl gewöhnliche Be-
wohner des menschlichen Darmes sind und daß sie an dem chemisch
veränderten Darminhalte bei der Cholerainfektiou ein besonders gutes
Subitrat finden, in dem sie sich stark vermehren, ist möglich, ent-
behrt aber des Beweises. Auffallend ist immerhin, daß bisher in der
Litteratur sich keine Notiz über das Auftreten der kleinen Spirillen
bei der Cholera findet. Kowalski hat elf Fälle in Hamburg und
in Ungarn, wir fünf in Pommern beobachtet, so daß anzunehmen ist,
die Gebilde müßten, wenn sie schon in so verschiedenen Gegenden
Vorkommen, überall sich finden lassen, falls erst einmal die Aufmerk-
samkeit auf ihr Vorhandensein gerichtet ist.
Nicht unwahrscheinlich ist es, daß auch Klein (Zur Kenntnis
der Geißelfärbung der Choleravibrionen, dieses Centralblatt. Bd. XIV.
No. 19. p. 618) in England bereits die Spirillen gesehen hat. Er
hat dieselben aber als Geißeln der Cholerabacillen gedeutet, welche
durch den Darminhalt gebeizt worden seien. Diese seine Anschauung
216
Z. Dmochowski und W. Janowski,
wird zweifelhaft dadurch, daß nach seiner Beobachtung die Mehr-
zahl der Geißeln abgerissen, also frei ist, was bei Geißelfärbungen
der Choleraspirillen doch nicht das Gewöhnliche darstellt. Ferner
sollen die Bacillen mehr als eine Geißel tragen können, zwei an
einem Pole, was nach Beobachtungen von Loeffler und Anderen
bei den aus Kulturen entnommenen Vibrionen niemals der Fall ist,
oder an jedem Pole eine, was nach anderen Untersuchern als Keim
nur ausnahmsweise vorkommt. Außerdem ist es uns nicht gelungen,
nach der K 1 e in ’schen Vorschrift (Färbung mit Anilin wassergentiana-
violett und absolutem Alkohol ää, Auswaschen in Wasser) Geißeln an
den Kommabacillen in Fäkalien darzustellen.
Greifswald, den 15. Januar 1894.
Beitrag zur Lehre von den pyogenen Eigenschaften
des Typhusbacilius.
[Aus dem pathologisch-anatomischen Institut des Prof. W. Brodowski
in Warschau.]
Von
Dr. Z. Dmochowski, und Dr. W. Janowski,
Geh. des Pros, für path. Anat. Assist, in der Abteil, f. inn. Krankl).
und städtisch. Bakteriologen in Warschau.
Vorliegender Artikel bildet nur einen kleinen Auszug aus unserer
gemeinschaftlichen Arbeit über die pyogene Wirkung des Typhus-
bacillus. Die ganze Arbeit wird hoffentlich im Laufe des nächsten
Jahres zur Veröffentlichung kommen. Wir behalten es uns deshalb
vor, erst dann den historischen Grundriß der uns hier beschäftigenden
Frage, eine detaillierte Beschreibung der Technik der verschiedenen
Serien von Experimenten, die Beschreibung unserer Kontrollmethoden
und die endgiltigen Resultate unserer Forschungen anzuführen, wie
auch unsere Ansicht über das Verhältnis des Typhusbacillus zu
eiterigen Prozessen im allgemeinen.
Vorliegende Arbeit soll nur zeigen, ob der Typhusbacillus
die Eigenschaft besitzt, im Subkutangewebe eiterige Vorgänge hervor-
zurufen.
Behufs Aufklärung dieser Frage teilen wir hier die Resultate
unserer an Hunden und Kaninchen angeführten Experimente mit.
Bei allen unseren Experimenten wurde auf die Weise zu Werke
gegangen, daß wir den Tieren mittelst Glasröhrchen, deren scharfes
Ende erst nach Einführung unter die Haut subkutan abgebrochen
wurde, wässerige Aufschwemmungen der Typhusbacillen einverleibten.
Zu diesem Zwecke wurde einer Gelatinestrichkultur 1 ccm steri-
lisiertes destilliertes Wasser beigemischt und von der auf diese Weise
entstandenen Aufschwemmung zu einem Experiment die Hälfte ge-
nommen. Anfänglich berücksichtigten wir das Alter der Kulturen
nur wenig. Als aber eine ganze Reihe solcher an Hunden und an
Beitrag znr Lehre von den pyogenen Eigenschaften des Typhusbacillus. 217
Kaninchen gemachter Experimente nur negative Resultate ergab,
führten wir eine Aenderung ein, indem wir Hunden eine Reinkultur
des Typhusbacillus subkutan oder in die Muskeln injizierten,
die Tiere nach 24 — 48 Stunden töteten, aus der Injektionsstelle (ohne
Rücksicht auf den Zustand derselben) wieder Typhusbacillen züchteten
und erst die auf diese Weise erhaltene erste oder zweite Generation
dieses Parasiten auf oben angegebene Weise Tieren unter die Haut
eiuführten. Wir fanden hierbei, was uns übrigens hinsichtlich anderer
Mikroorganismen aus unseren Nachforschungen in der einschlägigen
Litteratur bekannt war, daß solche frisch aus dem Tierkörper kulti-
vierten Parasiten weit virulenter sind als schon oft verimpfte Kulturen.
Dieser Unterschied hinsichtlich der Wirkung von Parasiten ver-
schiedenen Alters trat am deutlichsten in den an Kaninchen ausge-
führten Experimenten zu Tage. Es erwies sich nämlich, daß schon
öfter von Tier zu Tier verimpfte Typhusbacillen bei ihnen nur in
Ausnahmefällen Eiterung verursachen , während dieselben Mikro-
organismen, wenn sie aus dem Subkutangewebe des damit geimpften
Hundes kultiviert werden, bei Kaninchen fast immer Eiterung hervor-
rufen.
Wir kommen nun zu der Beschreibung unserer Experimente und
zur kurzgefaßten Angabe der dabei erhaltenen Resultate. Wir be-
ginnen mit den Experimenten an Hunden.
Experiment 1. 23. Juli 1892 wurde einem Hunde die Hälfte
einer Typhusbacillenkultur auf Gelatineplatten injiziert.
24. Juli. An der Injektionsstelle ist eine etwa 4 ccm große,
nicht fluktuierende, wenig schmerzhafte Geschwulst.
26. Juli ist die Geschwulst kleiner.
1. Aug. hatte sich die Geschwulst ganz verloren.
Nach 20-tägiger Observation blieb der Hund vollständig gesund.
Experiment 2. 23. Aug. Genau wie bei No. 1.
Nach 48 Stunden starb der Hund. An der Injektionsstelle waren
keine Veränderungen zu entdecken. Nach der Incision fand man un-
bedeutende Hyperämie des Subkutangewebes und der anliegenden
Muskeln vor. Mikroskopische Untersuchungen wurden nicht ange-
stellt.
Experiment 3. 25. Juli. Wie No. 1.
Der Hund wurde 20 Tage lang beobachtet; es wurden jedoch
au der Injektionsstelle keine Veränderungen wahrgenommen.
Experiment 4. 24. Juli. Ausgeführt wie No. 1.
Der Hund war 14 Tage lang unter Beobachtung; an der In-
jektionsstelle waren keinerlei Veränderungen wahrzunehmen.
Experiment 5. 28. Aug. Ausgeführt wie No. 1.
1. Sept. An der Injektionsstelle ist ein kleines, wenig schmerz-
haftes Infiltrat.
3. Sept. Das Infiltrat ist resorbiert. Der Hund wurde noch
14 Tage lang beobachtet und blieb ganz gesund.
Experiment 6. 28. Aug. Ausgeführt wie No. 1.
Der Hund wurde 14 Tage lang beobachtet; an der Injektions-
stelle traten keine Veränderungen auf.
21. S
Z D in o c h'o w s k i und W. J » n o w s k i ,
Experiment 7. 28. Aug. Ausgeführt wie No. 1.
Der Hund starb in der Nacht; starke Hyperämie an der In-
jektionsstelle. Nähere Untersuchungen wurden nicht angestellt.
Experiment 8. 14. Sept. Ausgeführt wie No. 1.
Der Hund blieb 26 Tage unter Beobachtung; es wurden dabei
keine Veränderungen gefunden.
Experiment 9. 13. Sept. Ausgeführt wie No. 1.
15. Sept. An der Injektionsstelle wurde intensive Schwellung
und Infiltration konstatiert. Diese Infiltration nahm 6 Tage lang
immer zu. Endlich bildete sich eine Geschwulst, die ungefähr von
der Größe eines kleinen Hühnereies war. Sehr undeutliche Fluktuation.
Da am 7. Tage die Hautspannung und die Elasticität der Geschwulst
im Abnehmeu begriffen war, wurde
am 21. Sept. der Hund getötet. Nach der Incision erwies sich das
Subkutangewebe stark infiltriert, verdickt, etwas durchscheinend, hart
und gleichsam geschwollen. Aus der Schnittfläche fließt etwas durch-
sichtige, leicht blutig gefärbte, dicke Flüssigkeit heraus, die ziemlich
lange Faden zieht. Diese Flüssigkeit wurde von der Schnittfläche
abgekratzt und auf Gelatineplatten gegossen, nach 3 Tagen erwiesen
sich die Gelatineplatten noch immer steril. Die sich entleerende
Flüssigkeit wurde auf Deckgläschen gestrichen und unter dem Mikro-
skop untersucht. Es wurden nur wenig Blut- und sehr wenig Eiter-
körperchen gefunden. Typhusbacillen wurden nicht entdeckt. In
gleicher Weise wurden auch excidierte Gewebsstückchen mikroskopisch
untersucht.
Es ließ sich dabei weder intensive Infiltration, uoch Nekrotisierung,
noch die Anwesenheit von Mikroorganismen in den Lymphzwischen-
räumen nachweisen; letztere waren nur an vielen Stellen ziemlich
stark erweitert. Ihren Inhalt bildete eine strukturlose, einige Körn-
chen und hier und da ein farbloses Blutkörperchen enthaltende
Masse.
In obigen Experimenten kamen ausschließlich schon oft verimpfte
Kulturen des Typhusbacillus zur Anwendung. Es wurde nur
darauf geachtet, daß die Kulturen nicht über 6—8 Tage alt waren.
Die negativen Resultate dieser Experimente veranlaßten uns, an Hunden
Experimente mit auf obige Weise durch den Hundeorganismus ge-
führten Kulturen anzustellen. Die Resultate dieser Fixperimeute waren
folgende :
Experiment 10. Am 18. Dez. wurde einem Hunde die
wässerige Aufschwemmung der Hälfte einer Gelatineplattenkultur von
Typhusbacillen subkutan injiziert. Die Parasiten stammten aus zweiter
Generation.
Der Hund wurde 4 Tage lang beobachtet ; hierbei traten an der
Injektionsstelle keine Veränderungen auf. Am 5. Tage wurde der
Hund durch Chloroform getötet. An der Injektionsstelle war un-
bedeutende Hyperämie zu bemerken. Die Achseldrüsen war auf
dieser Seite intensiv geschwollen ; von der Schnittfläche wurde mit
einem Scbäufelchen ein kleiner Teil dieser Flüssigkeit entnommen
und Gelatiueplatten damit beschickt. Dieselben blieben steril.
Beitrag zur Lehre von den pyogenen Eigenschaften des Typhusbacillus. 219
Experiment 11. 15. Dez. Wie No. 10.
Der Hund wurde nach 10 Tagen durch Chloroform getötet. Vorher
waren keine Veränderungen zu Tage getreten. Der Befund ist mit
dem bei No. 10 erhaltenen identisch.
Experiment 12. 18. Dez. Wie Nq. 10.
Nach 12 Tagen wurde der Hund durch Chloroform getötet. An
der Injektionsstelle ließen sich Veränderungen nicht nachweisen. Der
Befund war dem in No. 10 gleich.
Experiment 13. 18. Dez. Wie No. 10.
Auch die Resultate waren identisch.
Es sind also im ganzen 13mal subkutane Injektionen mit Typhus-
bacillen an Hunden gemacht worden. Eiterung wurde dabei kein
einziges Mal erzielt.
Im ganzen sind von den 13 geimpften Hunden 6 genesen, 2 ge-
storben, 5 getötet worden.
Unter den 6 gesund gebliebenen Hunden wurden bei 2 am
2. oder 3. Tage unbedeutende Schwellungen beobachtet, die sich bald
wieder zerteilten. Bei 4 Hunden traten gar keine Veränderungen auf.
Von den 2 zu Grunde gegangenen Hunden starb der erste am
3., der zweite am 2. Tage. An der Injektionsstelle war nur Hyperämie
zu konstatieren. Weitere Untersuchungen wurden nicht ancestellt.
Die 5 übrigen Hunde wurden am 5., 6., 10., 12. und 20. Tage
getötet.
Nur in einem Falle, und zwar bei dem am 6. Tage getöteten
Tiere, fand man intensive serös-exsudative Entzündung des Unterhaut-
zellgewebes. Bei den übrigen 4 zeigte sich an der Injektionsstelle
nur Hyperämie. In allen 5 Fällen wurden bakteriologische Unter-
suchungen angestellt.
Allein es gelang uns nicht, aus der mit einem sterilisierten Platin-
schäufelchen von der Schnittfläche des Subkutangewebes abgekratzten
Flüssigkeit Parasiten zu züchten. Ebensowenig fanden wir dieselben
bei der mikroskopischen Untersuchung des die bei Lebzeiten des
Tieres auftretende Geschwulst bildenden Gewebes. Allem Anscheine
nach werden also bei Hunden die Typhusbacillen aus dem Gewebe,
in welches sie injiziert worden sind, ziemlich rasch resorbiert, denn
bereits nach 5 Tagen ist es mit Anwendung aller uns zu Gebote
stehenden Mittel nicht möglich, auch nur noch eine Spur derselben
zu entdecken. Dies ist eine der Ursachen, weshalb die Typhusbacillen
im Subkutangewebe bei Hunden keine Eiterung hervorrufen. Damit
nämlich Parasiten ihre Wirkung auf irgend ein Gewebe geltend machen
können, ist es erforderlich, daß sie längere Zeit darauf einwirken
können. Die übrigen Ursachen, weshalb die Typhusbacillen in unseren
Fällen ihre pyogene Eigenschaft nicht geltend gemacht haben, sollen
hier nicht erörtert werden, wir behalten uns dies bis zur Veröffent-
lichung unserer ganzen Arbeit vor. Nur auf einen Punkt muß hier
noch hingewiesen werden. Die Hunde scheinen zu den Tiergattungen
zu gehören, deren Gewebe unter Einwirkung der Typhusbacillen
nicht so leicht zur Eiterung kommt, wie das anderer Tiere. Aus
diesem Grunde darf man keinesfalls, von [den negativen Resultaten
der an ihnen angestellten Experimente ausgehend, behaupten, der
220
Z Dmochonski und W. Janowski,
Typhusbacillus könne im allgemeinen im Subkutaugewebe nicht
Eiterung erzeugen. Dies wird u. a. auch durch die Resultate unserer
mit Typhusbacillen derselben Abstammung an Kaninchen augestellten
Versuche bewiesen.
Anfangs injizierten wir den Kaninchen auch Kulturen schon viel-
fach verimpft gewesener Typhusbacillen unter die Haut, indem wir
unser Augenmerk nur auf das Alter der verwandten Kultur richteten,
das zwischen 5—9 Tagen schwankte.
Die Resultate der 10 von uns in dieser Weise gemachten Experi-
mente waren folgende: 2 Kaninchen starben am Tage nach der Impfung,
7 Kaninchen blieben vollständig gesund, obgleich sie 20—32 Tage
unter strikter Aufsicht waren. Nach dieser Zeit wurden sie chloro-
formiert, und die alsdann erfolgte Sektion zeigte nirgends weder eine
Ansammlung von Eiter, noch überhaupt irgend einen anderen ent-
zündlichen Prozeß. Folglich war der Befund in 9 Fällen ein ganz
negativer. Erst das 10. Experiment ergab folgendes Resultat.
Experiment 10. 25. Nov. 1892 wurde das Experiment ange-
stellt.
26. Nov. |
27. Nov. An der Iujektionsstelle keine Veränderungen.
28. Nov. J
29. Nov. Mau fühlt an der Injektionsstelle eine kleine Verdickung
des Subkutangewebes.
30. Nov. Unverändert.
31. Nov. Die Verdickung (ist etwas größer, ^'weniger elastisch,
gleichsam teigartig.
1. Dez. Unverändert. Das Kaninchen wurde getötet. DerSektious-
befund war folgender: In einer Ausdehnung von circa 12 qcm um das
abgebrochene Röhrchen herum befindet sich im Subkutangewebe Eiter.
Er ist dickflüssig, fast quarkartig, sehr schwach gelb gefärbt. Das
Subkutangewebe um den Absceß herum und die Muskeln, auf denen
der Absceß lag, waren hyperämisch, aber nur sehr wenig infiltriert.
Im allgemeinen war der Absceß genau umschrieben.
Der Eiter wurde auf Gläschen gestrichen und mit Loeffler-
scher Flüssigkeit gefärbt, wobei darin keine Parasiten gefunden wurden.
Gelatineplatten wurden ebenfalls mit dem Eiter beschickt; nach 5 Tagen
waren sie noch steril. Ein Teil der Absceßwand wurde in Paraffin
eingeschlossen und mikroskopisch untersucht. Es zeigte sich hierbei,
daß das den Absceß umgebende Gewebe sehr stark mit Eiterkörper-
chen infiltriert ist, die Saftkanälchen sind bedeutend erweitert. In
ihnen befinden sich eben die das Gewebe infiltrierenden Leukocyten.
Neben ihnen sieht man an einigen Stellen rothe Blutkörperchen in
geringer Anzahl. Parasiten konnten wir im Gewebe nirgends ent-
decken.
Nachdem wir bei subkutaner Injektion bereits mehrfach verimpfter
Kulturen des Typhusbacillus an Kaninchen obiges Resultat er-
halten hatten, beschlossen wir die Wirkung des Typhusbacillus
derselben Abstammung nach vorhergehendem Durchführen durch den
Tierkörper zu prüfen. Zu diesem Behufe wurde einem Hunde subkutan
Vu ccm der wässerigen Aufschwemmung einer Agar- oder Gelatine-
Beitrag zur Lehre von den pyogenen Eigenschaften des Typhusbacillus. 221
kultur des Typhusbacillus injiziert, das Tier nach 24 — 48 Stunden
getötet und die alsdann aus dem injizierten Gewebe erhaltenen Kulturen
nach nur einmaliger Verimpfung Kaninchen auf dieselbe Art und
Weise unter die Haut eingeführt, wie wir dies in allen übrigen Experi-
menten gethan. Die Resultate dieser Experimente waren folgende:
Experiment 11. 21. Nov. Ausführung des Experimentes. Es
wurde subkutan l/2 ccm einer wässerigen Aufschwemmung einer leben-
den Agarkultur 2. Generation injiziert.
22. Nov. An der Injektionsstelle ist eine kleine elastische, nicht
fluktuierende Geschwulst.
24. Nov. Die verdickte Stelle ist weniger elastisch ; sie ist etwas
teigartig.
25. Nov. Unverändert. Das Kaninchen wurde getötet.
Nach Eröffnung der Geschwulst sieht man, daß das ganze Sub-
kutangewebe um das Glasröhrchen herum geschwollen, intensiv hyper-
ämisch ist; an vielen Stellen nimmt man kleine Blutergüsse wahr.
Das abgebrochene Ende des Röhrchens ist von kleinen, blaßgelben,
körnigen Massen von käsiger Konsistenz umgeben. Im anliegenden
Gewebe sieht man einige kleine, hellgelbe Herde, aus denen sich aber
nichts ausdrücken läßt.
Die um das Röhrchen herum gefundenen körnigen Massen wurden
auf Gläschen verrieben und mikroskopisch untersucht. Es erwies sich,
daß es typischer Eiter war; allein Mikroorganismen wurden nicht darin
gefunden. Dieselben körnigen Massen wurden mit Gelatine vermischt
und auf Platten gegossen. Nach 3 Tagen entwickelten sich mehrere
Kolonieen von Typhusbacillen. Andere Mikroorganismen fehlten ganz.
Das Gewebe wurde mikroskopisch untersucht. Es wurde dabei reich-
liche kleinzellige Infiltration, bedeutende Erweiterung der Saftkanäl-
chen und einige nekrotische Herde gefunden. An solchen Stellen und
um dieselben herum war die Infiltration am intensivsten. Trotz sorg-
fältigster Nachforschungen konnten wir in der Absceßwand nirgends
Bacillen entdecken.
Experiment 12. 21. Nov. Injektion, wie bei No. 11.
22. Nov. An der Injektionsstelle ist in einem Umkreise von etwa
16 qcm eine Erhöhung zu fühlen.
23. Nov. Die Erhöhung ist geringer geworden.
24. Nov. An der Injektionsstelle fühlte man eine haselnußgroße,
elastische Geschwulst heraus.
26. Nov. Die Erhöhung ist härter, weniger elastisch, etwas
teigartig.
27. Nov. Unverändert. Das Kaninchen wurde getötet. Nach
Eröffnung der Geschwulst erwies es sich, daß sie mit blaßgelbem,
sehr dickflüssigem Eiter in geringer Quantität angefüllt war. Es
waren etwa 3 ccm Eiter darin enthalten. Das umgebende Gewebe
war wenig geschwollen, intensiv infiltriert. Im Eiter fand man bei
der Untersuchung auf Gläschen Typhusstäbchen in großer Anzahl.
Er wurde in Gelatine auf Platten gegossen. Nach 3 Tagen ent-
wickelten sich zahlreiche Kolonieen von Typhusbacillen. Das den
Absceß umgebende Gewebe wurde in Paraffin gebettet und mikro-
skopisch untersucht. In dem nekrotisch gewordenen Gewebe nahm
222
Z. Dmochowski und W. Jauowski,
man intensive Infiltration mit Eiterkörperchen wahr. An vielen
Stellen sah mau Typhusbacillen in den Saftkanälchen liegen. Es
muh hierbei betont werden, daß an den Stellen, wo die Eiterung
vollständig entwickelt war, d. h. wo das Gewebe ganz aufgelöst war,
keine oder doch nur sehr wenige Parasiten gefunden wurden. Die
Hauptmasse derselben befand sich in dem noch schwach infiltrierten
Gewebe.
Experiment 13. 21. Nov. Injektion, wie bei No. 11.
22. Nov. An der Injektionsstelle ist eine geringe Schwellung
bemerkbar.
25. Nov. An der Iujektionsstelle ist eine walnußgroße, harte
Geschwulst.
27. Nov. Die Geschwulst ist noch härter.
28. Nov. Derselbe Zustand.
29. Nov. Das Kaninchen starb. Nachdem die Haut aufge-
schnitten worden war, fand man einen etwa 3 ccm dickflüssigen,
blaßgelbeu Eiter enthaltenden Absceß. Durch die mikroskopische
Untersuchung wurden ziemlich viel Stäbchen darin nachgewieseu.
Es wurden Gelatineplatten gegossen. Nach 3 Tagen hatten sich
ausschließlich Kolonieen des T y p h u s b a c i 1 1 u s entwickelt. Das Ge-
webe wurde ebenfalls mikroskopisch untersucht. Die darin Vorge-
fundenen Veränderungen waren den in No. 12 beschriebenen identisch.
Ex p e r l m en t 14. 21. Nov. Injektion wie bei No. 11. Am
darauf folgenden Tage bildete sich au der Iojektionsstelle eine Ge-
schwulst; nach 3 Tagen war sie schon recht groß, die Haut aber
noch sehr gespannt. In den darauf folgenden Tagen wurde die Ge-
schwulst weicher, und nach einer Woche war sie teigartig.
Am 10. Tage, d. h. d. 2. Dez., wurde das Kauinchen getötet.
Au der Iujektionsstelle war eine etwa thalergroße, etwa l1/2 cm
hohe Geschwulst zu fühlen. Nach der Eröffnung fand mau inmitten
des intensiv hyperamischeu, aber nicht geschwollenen Gewebes einen
haselnußgroßen, hellgrauen Erweichungsherd. Eiter floß jedoch nicht
heraus. Mit einem Platinschaufelcheu wurde ein kleiner Teil der
trüben, dicken Flüssigkeit aufgeuommen. Dieselbe wurde mikro-
skopisch untersucht und in Gelatineplatten gegossen. Es stellte sich
heraus, daß diese Flüssigkeit Eiter war, in dem jedoch unter dem
Mikroskop keine Typhusbacillen gefunden wurden. Auf den Gelatine-
platten aber entwickelten sich Kolonieen des Typhusbacillus.
Das Gewebe wurde ebenfalls zur mikroskopischen Untersuchung
herangezogen. In dem nekrotisierteu, sehr stark infiltrierten Ge-
webe wurde eine große Anzahl Typhusbacillen gefunden.
Experiment 15. 21. Nov. Injektion, wie bei No. 11.
In den ersten Tagen waren die auftreteudeu Veränderungen den
bei den vorhergehenden Experimenten gefundenen identisch. Am
11. Tage wurde die Geschwulst, die bis dahin teigartig gewesen
war, etwas größer. Am 13. Tage war deutliche Fluktuation zu
fühlen. Am 14. Tage, d. h. am 6. Dez. wurde das Kaninchen ge-
tötet. Nachdem der Hauteinschnitt ausgeführt war, fanden wir einen
7 cm langen, 5 cm breiten Absceß, aus dem (gegen 15 ccm) blaß-
gelber, sehr heller, dickflüssiger Eiter herausfloß. Die Untersuchuugs-
Beitrag zur Lehre von den pyogenen Eigenschaften des Typhusbacillus. 223
metbode war dieselbe, wie in *den früheren Experimenten. Unter
dem Mikroskop wurden im Eiter keine Mikroorganismen gefunden.
Aut den Gelatineplatten entwickelten sich nach 3 Tagen sehr zahl-
reiche Typhuskolonieen.
Im Gewebe wurden dieselben Veränderungen konstatiert, wie in
den vorhergehenden Fällen. Es wurden Bacillen in großer Anzahl
gefunden.
Experiment 16. 21. Nov. Injektion, wie bei No. 11.
Dieselben Veränderungen, wie in den früheren Experimenten.
Am 9. Tage wurde die walnußgroße Geschwulst teigartig und wuchs
bis zum 20. Tage nicht mehr. Alsdann, d. h. den 11. Dez. wurde
das Kaninchen getötet. Man fand ganz dickflüssigen, blassen Eiter,
der aber keine Mikroorganismen enthielt. Auf den Gelatineplatten
keimte nichts. Im Gewebe waren dieselben Veränderungen wahrzu-
nehmen, wie in den vorhergehenden Fällen. Mikroorganismen waren
darin spärlich vertreten.
Experiment 17. 21. Nov. Injektion, wie in No. 11.
Dieselben Veränderungen, wie in den vorhergehenden Fällen;
nach 5 Tagen hatte sich eine kleine Erhöhung gebildet, die sich am
7. Tage teigig anfühlte. Das Kaninchen wurde am Leben gelassen.
Die Geschwulst nahm allmählich ab, uud am 25. Tage waren keine
Veränderungen mehr zu bemerken.
Experiment 18. 21. Nov. Injektion, wie in No.^11.
22. Nov. Sehr starke Schwellung in einem Umkreise von 20 cm.
23. Nov. Das Kaninchen starb in der Nacht. An der Injektions-
stelle war sehr starke Hyperämie und unbedeutende Schwellung des
Subcutis wahrzunehmen. Die sich entlehrende Flüssigkeit wurde
auf Gelatineplatten gegossen, um frische Kulturen zum Experimen-
tieren zu erhalten. Es entwickelten sich auch auf den Platten sehr
zahlreiche Typhusbacillenkolonieen.
Experiment 19. 21. Nov. Injektion, wie in No. 11.
Dieselben Veränderungen, wie in den vorhergehenden Experi-
menten. Schon am 5. Tage wurde die Geschwulst teigartig. Am
6. Tage, d. h. den 27. Nov. starb das Kaninchen. An der Injektions-
stelle war ein flacher, haselnußgroßer Absceß. Nach der Incision
floß der Eiter nicht heraus und ließ sich nicht herausbefördern, da
er nicht frei war, sondern nur das Subkutangewebe infiltrierte. Das
umgebende Gewebe war leicht hyperämisch, nicht geschwollen. Aus
dem infiltrierten Gewebe wurde ein wenig eiterige Flüssigkeit abge-
kratzt, dieselbe auf Gläschen gestrichen und mikroskopisch unter-
sucht. Unter den sehr zahlreichen Eiterkörperchen wurden keine
Mikroorganismen gefunden. Dieselbe Masse wurde in Gelatine auf
Platten gegossen. Die Platten waren nach 4 Tagen noch steril.
Das Gewebe wurde in Paraffin eingebettet. Bei der Untersuchung
wurden ebensolche Veränderungen entdeckt, wie in den früheren
hallen. Typhusbacillen waren im Gewebe in beträchtlicher Anzahl
vorhanden.
Experiment 20. 21. Nov. Injektion, wie in No. 11.
Dieselben Veränderungen, wie in den vorhergehenden Experi-
menten. Nach 4 Tagen bildete sich eine Geschwulst, die am 8. Tage
224 Dmochowski u. Jmowsk!, Beitrag zur Lehre über den Typhusbacillus.
teigartig wurde. Das Kaninchen wurde am Leben gelassen, um zu
sehen, ob diese Geschwulst von selbst wieder zurückgehen werde; in
der That wurde sie nach und nach immer geringer, und nach 30
Tagen war keine Spur davon mehr zu fühlen.
Aus obigen Beschreibungen geht hervor, daß auf 20 subkutane
an Kaninchen vorgenommenen Injektionen von Typhusbacillen im
ganzen bei 10 Eiterung entstand ; bei 9 davon waren Tvphusbacillen-
kulturen verwandt worden, die durch den Hundeorganismus geführt
worden waren , bei einem nur eine alte Kultur desselben Mikro-
organismus. In einem Falle ging das mit einer aufs neue aus dem
Tierorganismus erhaltenen Kultur des Typhusbacillus injizierte
Kaninchen zu Grunde, ehe es zu einem lokalen eiterigen Prozeß ge-
kommen war.
Abscesse wurden bei Tieren konstatiert, die am 4., 6., 9., 10.,
14. uud 20. Tage nach der Injektion getötet worden waren. In allen
diesen Fällen war der Eiter hellgelb, dickflüssig, fast käsig. In der
Mehrzahl der Fälle konnten, wie ersichtlich, durch die mikroskopische
Untersuchung keine Bacillen im Eiter nachgewiesen werden. Die
bakteriologische Untersuchung dagegen zeigte sie stets, wenn auch
in ganz verschiedener Anzahl. Die mikroskopische Untersuchung des
den Absceß umgebenden Gewebes wies in allen Fällen, mit Ausnahme
eines einzigen (No. 11), das Vorhandensein von Typhusbacillen in
verschiedener Anzahl nach. Nie wurden durch die bakteriologische
Untersuchung des Eiters andere Parasiten außer den Typhusbacilien
entdeckt. Auch war das Verhalten der im Gewebe Vorgefundenen
Bacillen gegen die Gram’sche Flüssigkeit und bei der Weigert-
schen Färbungsmethode ein für die Typhusbacillen charakteristisches.
In Anbetracht dessen müssen wir zugeben, daß diese Mikro-
organismen imstande sind, ganz selbständig bei Kaninchen im Sub-
kutangewebe Eiterung hervorzurufen. Die Abscesse entstehen, wie
wir gesehen, nicht immer zu gleicher Zeit nach der Injektion, und
zwar vom 4. — 8. — 10. Tage. Wenn die Abscesse bei den Kaninchen
einen gewissen Höhepunkt ihres Wachstums erreicht haben, können
sie resorbiert werden. Hiervon überzeugten uns die zu diesem Be-
hufe aDgestellten Experimente No. 17 und 20, in denen am 26. (im
ersten Falle) und am 30. Tage (im 2. Falle) nach der Injektion au
der Injektionsstelle keine Spur einer Geschwulst mehr zu finden war,
während hier vorher im Laufe von 4 Tagen deutlich ein Absceß
herauszufühlen gewesen war. Dies stimmt mit den Beobachtungen
überein, die man auch bei Abscessen anderen Ursprungs an Kanin-
chen anstellen kann. Einer von uns überzeugte sich schon vor 5
Jahren durch den Augenschein davon , daß bei Kaninchen durch
Terpentinöl hervorgerufene Abscesse einen ebenso milden, unbemerk-
baren Verlauf nehmen. Die Abscesse zeichnen sich nämlich bei
Kaninchen durch eine sehr schwache Reaktion des umgebenden Ge-
webes aus, so daß sie bei der gewöhnlichen Palpation der Tiere durch
die Haut leicht übersehen werden können, wenn nicht ganz besondere
Aufmerksamkeit darauf verwandt wird ; außerdem können sei zweifel-
los langsam resorbiert werden.
Damit der Typhusbacillus im Subkutangewebe bei Kaninchen
M Askanazy, Zur Lehre von der Trichinosis.
225
Eiterung hervorrufen könne, ist ein gewisser Grad von Virulenz er-
forderlich; ist derselbe nicht vorhanden, so kann die Injektion ganz
erfolglos bleiben oder nur seröse Entzündung bewirken, wie dies aus
den früher angeführten 9 Experimenten zu ersehen ist, die mit alten,
abgeschwächten Bacillenkulturen an Kaninchen gemacht worden
waren. Ist jedoch die Virulenz stärker, als dies zur Hervorrufung
einer örtlichen pyogenen Wirkung notwendig ist, so tritt, abgesehen
von den örtlichen Abscessen, allgemeine Infektion des Tieres mit töt-
lichem Ausgange ein (Exper. 13 und 10). Wenn die Allgemein-
wirkung überwiegt, kann der Tod eintreten, ehe es zur örtlichen
Eiterung kommt (Exper. 18).
Ziehen wir nun die Resultate der hier angeführten Experimente
zusammen, so kommen wir zu folgenden Schlüssen:
1) Die Typhusbacillen können zweifellos allein bei Kaninchen
Eiterung hervorrufen.
2) Diese Eiterung entsteht nur selten unter Einwirkung oft ver-
impft gewesener Mikroorganismen, aber fast konstant unter Ein-
wirkung frisch durch den Tierkörper geführter Bacillen.
3) Der durch den Typhusbacillus bei Kaninchen hervor-
gerufene Eiter ist dem unter Einwirkung anderer pyogener Momente
bei ihnen entstehenden gleich.
4) Bei Hunden bewirkt der Typhusbacillus an und für
sich sogar nach Durchführung durch den Tierkörper keine Eiterung.
Hieraus läßt sich aber noch nicht folgern, daß dieser Mikro-
organismus im allgemeinen bei diesen Tieren keine pyogenen Eigen-
schaften haben könne. Vielleicht kann unter gewissen, seine Wirkung
erleichternden Umständen der Typhusbacillus auch bei Hunden
Eiterung herbeiführen. Dies soll die Aufgabe unserer weiteren
Forschungen bilden. Es war hier nur unsere Absicht, auf die
unserer Ansicht nach vom theoretischen Standpunkte wichtige That-
sache hinzuweisen, daß der Typhusbacillus im allgemeinen
imstande ist für sich allein, ohne irgend welche örtliche Reizung
anderen Ursprungs, bei einigen Tieren Eiterung hervorzurufen, daß
also einzelne Autoren dies mit Unrecht schon im Prinzip in Abrede
stellen.
Warschau, 2. Januar 1894.
Zur Lehre von der Trichinosis.
[Referat eines in der biologischen Gesellschaft zu Königsberg i. Pr.
gehaltenen Vortrages mit Demonstration als vorläufige Mitteilung.]
Von
Dr. M. Askanazy,
Assistenten am patholog. Institute.
In dem trichinösen Infektionsprozesse harrten bisher besonders
zwei Fragen ihrer Lösung: 1) Wie passieren die nach der allgemeinen
226
M. Askanazy. Zur Lehre von der Trichinosis.
Ansicht nur im Darmlumen geborenen Embryonen die Darmwand?
und 2) Auf welchen Wegen bewegen die Embryonen sich weiter, bis
sie ihr Endziel, die quergestreifte Muskelfaser, erreichen? — Die
Fortschritte der histologischen Technik lassen heute von entsprechen-
den Studien sicherere Resultate erwarten, als sie vor 30 Jahren von
Leuckart, Yirchow und Zenker, den Meistern der Trichinen-
lehre, gewonnen werden konnten. Untersuchungen der Darmwände
konnten neben der ersten Frage auch für die Entscheidung der
zweiten von Wichtigkeit sein. Mußte die Lage der Parasiten in der
Darmwand doch zugleich den Weg verraten, den sie in erster Linie
bei ihrer Propagation innehielten. Sehr stark infizierte Kaninchen
wurden nach 7, 8 und 10 Tagen in der Weise verwandt, daß ganze,
unaufgeschnittene Darmstückchen in Flem mi n g’sche Lösung hinein-
fallen gelassen, nach bekannter Weiterbehandlung in Celloidin ein-
gebettet, geschnitten und mit Saffranin gefärbt wurden. Es ergab sich:
1) Die weiblichen Darmtrichinen bohren sich selbst in die Zotten
und Schleimhaut des Darmes ein. Sie liegen dann im Gewebe der
Mucosa oder im Lumen der oft beträchtlich erweiterten Chylusgefäße.
Man findet sie in den oberflächlichsten Schichten bis zur Muscularis
mucosae herab, nie unterhalb derselben.
2) Freie, in dem Gewebe der Darmwand oder in den Blutgefäßen
derselben liegende Embryonen wurden nicht gesehen.
3) Dagegen fanden sich in zwei Schnitten einer Serie zwei freie
Embryonen im Lumen des Chylusgefäßes einer Zotte. Seitlich stülpte
sich eine mit Embryonen erfüllte Darmtrichine in die Zotte ein. Es
muß als sehr wahrscheinlich gelten, daß diese Darmtrichine ihre
Embryonen in das Chylusgefäß deponiert hat, zumal die schräge
Lage des einen Embryo nach der Richtung der Darmtrichine hinwies.
Die Darmtrichinen bergen ihre Jungen also in der Darmschleim-
haut, indem sie sich selbst in dieselbe einbohren. Der Lymphstrom
ist es, welcher die Embryonen aus dem Darme fortführt, denn die
Darmtrichinen gebären die junge Brut in den, bezw. in die Chylus-
gefäße. In Uebereinstimmung damit konstatierten Virchow und
Ger lach Embryonen in den Mesenterialdrüsen.
Daß die alte Anschauung, wonach die im Darmlumen geborenen
Embryonen die Darmwand aktiv durchbohren, nebenbei zu Recht
besteht, ist bisher nicht mit Sicherheit bewiesen. Gegen die Geburt
in der Darmhöhle als regelmäßigen Vorgang lassen sich folgende
Bedenken erheben:
1) Die Litteratur zeigt, wie unsicher die Befunde von Embryonen
im Darmlumen sind.
2) In zahlreichen eigenen, frischen Präparaten gelang es nie,
wenn man die Darmtrichinen im Darmschleime untersuchte, ohne sie
zu quetschen, einen einzigen freien Embryo zu sehen, selbst wenn die
Muttertiere zum Bersten mit Jungen gefüllt waren.
3) Unter unzähligen Schnitten wurden nur 2mal Embryonen
neben Darmtrichinen im Darmkanale beobachtet. Auch hierbei spielten
vielleicht noch artefizielle Momente mit. Darunter befanden sich
Präparate, deren jedes 1 — 3 Durchschnitte einer Darmtrichine aufwies.
4) Wenn man durch starkes Erwärmen des Objektträgers die
Nicolaier. Bemerkung zu der Arbeit von Prof. G. P. Novv etc. 227
auf demselben im Darmschleime gelegene Darmtrichine bisweilen zur
künstlichen Geburt veranlassen kann, so folgt daraus noch nicht, daß
die Embryonen gewöhnlich im Darmschleime geboren werden.
5) Wie zahlreich müßten die Embryonen im Darminhalte sein,
wenn wirklich jede weibliche Darmtrichine ihre 1V2 Tausend Jungen
im Darmlumen absetzte !
Die gleiche Erwägung spricht dagegen, daß die aktive Wanderung
der Embryonen durch die Darmwand ein gewöhnliches Ereignis ist.
Bisher hat noch niemand einen Embryo frei in der Darmwand
angetroffen. Daß ich sie auch in den Lymphgefäßen nicht reichlich
antraf, erklärt sich leicht. Der Lymphstrom in den erweiterten
Gefäßen treibt die Embryonen — unter Beihilfe ihrer aktiven Be-
weglichkeit und der Darmkontraktionen — rasch aus der dünnen
Darmwand fort. (Ausführlichere Darstellung erfolgt in nächster Zeit.)
Königsberg i. Pr., 13. Januar 1894.
Bemerkung zu der Arbeit von Prof. F. G. Novy
„Die Kultur anaerober Bakterien“.
(Centralbl. f. Bakteriologie u. Parasitenkunde. Bd. XIV. 1893. No. 18.)
Von
Privatdocent Dr. Nicolaier
in
Göttingen.
Novy beschreibt in seiner Arbeit einen Apparat, der es ermög-
licht, die Züchtung einer größeren Anzahl von Reagenzglaskulturen
anaerober Mikroorganismen in einer Gasatmosphäre zu bewerkstelligen.
Er benutzt dazu eine weithalsige, starke Flasche, die mit einem Glas-
bezw. doppelt durchbohrten Gummistopfen verschlossen ist, und bei
der die Durchleitung des Gases durch zwei an den Hals der Flasche
und den Glasstopfen angeschmolzene, bezw. durch die Bohrungen des
Gummistopfens gesteckte, durch Glashähne verschließbare Glasröhren
bewirkt wird. Es ist Novy entgangen, daß ich denselben Apparat,
nur mit der kleinen Abweichung, daß der Verschluß der durch den
Gummistopfen gesteckten Glasröhren durch kurze Enden von dick-
wandigem Gummischlauche geschieht, der durch Schraubenquetsch-
hähne zusammengepreßt wird, schon im Jahre 1892 in meiner
Arbeit „Zur Aetiologie des Kopftetanus (Rose)“ (Virchow’s
Archiv. Bd. CXXVIII. p. 10) zur Züchtung von Kulturen anaerober
Mikroorganismen (Tetanusbacillen) empfohlen habe. Ich benutze diesen
Apparat, wie aus dieser Arbeit hervorgeht, schon seit einer Reihe
von Jahren mit gutem Erfolge und nicht bloß, wie Novy, zur
Züchtung von Reagenzglaskulturen, sondern auch für Plattenkulturen
anaerober Bakterien.
228 Original-Referate ans bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc.
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen
Instituten, Laboratorien etc.
Aus dem Hygienischen Institute der kgl. Universität zu Rom.
(Direktor Prof. Dr. Celli.)
Ueber Fänloisgase als prädisponierende Ursache zur
Typhusinfektion.
Von
Dr. Giuseppe Alessi.
Die Experimente wurden gemacht mit Ratten, Meerschweinchen,
Kaninchen. Die Ratten wurden in einen Kasten eingeschlossen, dessen
Boden aus einem Metallnetze bestand, welches die Oeffnung eines
Abtrittes verschloß. Die Meerschweinchen und die Kaninchen wurden
in einem Kasten gehalten, dessen Boden gleichfalls von einem Metall-
netze gebildet wurde und einen Recipienten verschloß, welcher die
Auswurfstoffe der betr. Tiere enthielt. Die Tiere, welche die Fäulnis-
ausdünstung einatmeten, verloren nach einer gewissen Zeit ihre
gewöhnliche Lebhaftigkeit und siechten dahin, trotzdem sie gierig
fraßen. Injiziert mit einer relativ kleinen Quantität des Typhus-
bacillus (0,25— 0,50), unterlagen sie nach 12 — 36 Stunden. Von
den Kontrollieren, die mit derselben Quantität von Kultur injiziert
wurden, fühlte keines schädliche Wirkungen; wenige bewiesen sich
etwas deprimiert, nur eines starb. Aus diesen Experimenten schloß
man, daß die Tiere, welche Fäulnisausdünstungen einatmen, sehr
empfänglich werden auch für den abgeschwächten Typhusbacillus.
Die makroskopische Untersuchung ergab Anzeichen von einer
hämorrhagischen Enteritis, Zunahme des Volumens der P eye r 'sehen
Drüsen und der Milz. Die Bacillen fanden sich im Blute, in der
Leber und in der Milz.
Bei den Meerschweinchen und Kaninchen bewies sich uns die
Veränderung der typhösen Infektion viel hervortretender und charakte-
ristischer, als bei den Ratten.
Als man die Experimente mit dem Bacterium coli wieder-
holte, erlangte man den Tod des Tieres circa in demselben Zeiträume.
Der mikroskopische Befund war jener einer akuten Entzündung,
die sich über alle Unterleibsorgane verbreitete und einigemal auch
auf die Lunge. Das Bacterium coli wurde in allen Organen
immer im Zustande der Reinheit angetroffen. Die dazu notwendige
Zeit, daß die Tiere die Prädisposition für die typhöse Infektion
erwarben, variierte von 5 — 72 Tagen bei den Ratten, von 7 — 58 bei
den Meerschweinchen, von 3—18 bei den Kaninchen. Es ist be-
merkenswert, daß die Tiere die Prädisposition für die Infektion viel
leichter erwarben in den zwei ersten Wochen, als nach dieser Zeit,
eine Tbatsache, die in gewisser Weise uns erklären könnte, wie einige
Individuen, welche gewohnheitsmäßig Kloakenluft einatmen, sich
schließlich daran gewöhnen und nicht von Eingeweideinfektionen
betroffen werden.
Man suchte die Einzelwirkung der verschiedenen Gase, welche
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc. 229
sich bei den Fäulnisprozessen erzeugen, zu studieren, um zu sehen,
ob eines von ihnen für sich allein fähig wäre, einen prädisponierenden
Einfluß auf den Organismus auszuüben. Die gebrauchten Substanzen
waren Skatol, Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Kohlenwasserstoffsäure,
Kohlenoxyd, Schwefelammonium.
Man ließ die Tiere die Gase einatmen innerhalb einer großen
Glasglocke, welche derart geschlossen war, daß auch der Luftwechsel
möglich war, und man injizierte ihnen die Typhusbacillen in der-
selben Art, wie bei den anderen Experimenten. — Das Resultat war
beständig negativ. Die genannten Gase und Dämpfe also, isoliert
eingenommen, prädisponieren die Tiere nicht für die typhöse Infek-
tion. Dasselbe gilt für einige Mischungen derselben Substanzen.
Würde die Prädisposition für die typhöse Infektion von den Tieren
nach der Einatmung der Fäulnisausdünstungen erworben, so ist sie
anderen Substanzen zuzuschreiben, welche sich unseren gegenwärtigen
Isolierungsmethoden entziehen. Autoreferat.
Aus dem Hygienischen Institute der kgl. Universität zu Rom.
(Direktor Prof. Dr. Celli.)
Ueber die Enzyme.
Vergleichende Studien
von
Claudio Fermi und Leone Pernossi.
Einleitung.
Obwohl man die Enzyme vielfach studierte, blieb dessenungeachtet
noch sehr viel bezüglich der Eigentümlichkeiten derselben zu thun, und
sodann geradezu alles, um über ihre chemische Natur ins Klare zu kommen.
Da wir jedoch glaubten, diesem letzteren Probleme besser, als
auf direktem chemischen Wege, durch das Studium der Eigentümlich-
keiten der Enzyme begegnen zu können, so wird sich die vorliegende
Arbeit eigens mit diesem Studium befassen.
Die vollständige Arbeit wird in Bälde erscheinen. Wir geben
hier daher nur die
Zusammenfassung der erlangten Resultate.
I. Wirkung der Temperatur.
1) Das Trypsin, x/2 Stunde lang bei 130° C erwärmt, verliert
ca. 1/3 seiner Wirksamkeit. Erwärmt bei 140° C, verliert es ca. die
Hälfte, bei 155° C 5/6 derselben und wird bei 160° C völlig zerstört.
2) Pepsin und Trypsin unter den oben dargelegten Bedingungen
widerstanden bei 80° C für 1 Stunde in Chloroform, in Amylalkohol
und in Benzol und wurden beide zerstört in Aether. Nur in Amyl-
alkohol widerstanden die beiden für dieselbe Zeit auch bei 100° C.
II. A. Wirkung des Sonnenlichtes auf Trypsin und
Pepsin in Gegenwart verschiedener Säuren
und einiger Salze.
1) Sowohl das Trypsin wie das Pepsin, sei es in Gegenwart von
Bd. XV. lg
230 Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologiscben Instituten etc.
Säuren oder Salzen, wie von einfachem Wasser, werden viel mehr
abgeschwächt, wenn sie dem Sonnenlichte ausgesetzt, als wenn sie
im Dunkeln gehalten werden.
Die Abschwächung ist größer bei der Sounenlichttemperatur von
44 — 56° C, als bei der von 37 — 47° C. Auch bei den im Dunkeln
gehaltenen Proben ist die Abschwächung bei der Temperatur von
40 — 42° C größer, als bei der von 25 — 28° C.
2) Die Abschwächung des Trypsins ist größer in Gegenwart von
Säuren, als in der von kohlensaurem Natron und Chlornatrium.
3) Unter den Säuren üben Chlorwasserstoff-, Phosphor-, Milch-,
Oxal- und Weinsäure eine viel abschwächendere Wirkung auf das
Trypsin aus, als es Propion-, Essig-, Butter- und besonders Baldrian-
säure thun.
4) Von den Salzen bewahrt Chlornatrium besser die Wirksamkeit
des Trypsins, als kohleusaures Natron.
5) In Wasser schwächt sich das Trypsin viel mehr ab, als in
Gegenwart der beiden obengenannten Salze und sogar auch der
Butter- und Baldriausäure.
6) Das Pepsin verliert viel schneller seine proteolytische Kraft
über die Gelatine und über das Fibrin, wenn es der Chlorwasserstoff-
säure und vielleicht auch der Baldriansäure ausgesetzt, als wenn es
der Phosphor-, Wein-, Milch- und Essigsäure ausgesetzt ist.
7) Das Pepsin, der Oxalsäure ausgesetzt und in Gegenwart der-
selben, entwickelte eine größere verflüssigende Energie auf die Gela-
tine, als wenn es anderen Säuren ausgesetzt wurde oder sich in
Gegenwart derselben befand. Das Gegenteil geschah bei seiner
Wirkung auf Fibrin, wo es dasselbe in Gegenwart jener Säure fast
gar nicht löste.
8) Während das Pepsin, wenn es der Chlorwasserstoff-, der
Propion-, der Butter- und Baldriausäure ausgesetzt wird, sich un-
wirksam auf die Gelatine erweist, bewahrt es statt dessen noch seine
Wirksamkeit auf das Fibrin , auch wenn es direktem Sonnenlichte
ausgesetzt wird.
ß. Wirkung des Sonnenlichtes auf die Enzyme
im Zustande völliger Trockenheit.
1) Das Pepsin, Ptyalin, die Diastase und das Emulsin, im Zu-
stande völliger Trockenheit dem Sonnenlichte ausgesetzt, erhalten
ihre Wirksamkeit unverändert auch für 3 Monate. Das Trypsin hin-
gegen bewies sich etwas geschwächt.
2) Die obengenannten Enzyme, im Zustande völliger Trocken-
heit direktem Sonnenlichte ausgesetzt, bewahren in Chloroform, in
Aether, Amylalkohol und in Benzol ihre Wirksamkeit auch über
200 Stunden.
3) Die proteolytischen Euzyme der Bakterien in Lösung, aus-
gesetzt für 200 Stunden direktem Sonnenlichte, werden zerstört oder
um vieles geschwächt.
Das Ferment des Bac. prodigiosus und jenes des Bac.
Kiel sind die empfindlichsten, jenes des Bac. indicus und der
Staphylokokken sind die resistentesten.
Original-ßeferate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc. 231
III. Wirkung der Gase.
1) Das Pepsin, Ptyalin, die Diastase und das Emulsin in Lösung,
ausgesetzt für 15 Stunden der Wirkung eines Schwefelwasserstoff-
stromes, bewahren beinahe unverändert ihre Wirksamkeit. Etwas
abgeschwächt hingegen beweist sich das Trypsin.
2) Von den bakterischen Enzymen bewiesen sich am empfind-
lichsten jene des Bac. prodigiosus, des Proteus vulgaris
und des Bac. indicus, welche völlig ihre Wirksamkeit verloren.
Dagegen sind resistenter: Das Enzym des Bac. pyocyaneus,
des Tetanusbacillus, des Milzbrandbacillus, des Vibrio
Metschnikowi und des Vibrio Miller.
Die Enzyme des Vibrio Metschnikowi und des Vibrio
Miller sind resistenter, als jene des Vibrio Finkler-Prior
und jene des Choleravibrio.
3) Das proteolytische Enzym des Vibrio der Cholera Massaua,
des Bac. Miller und jenes des Vibrio Deneke ertrugen, fast
ohne sich zu verändern, einen auf 15 Stunden verlängerten Strom
von kohlensaurem Gase.
IV. Wirkung verschiedener chemischer Substanzen
auf Pepsin und Trypsin.
1) Es zerstörten das Trypsin völlig in 48 Stunden die folgenden
Substanzen :
{Phosphorsäure 5 Proz.,
Chromsäure 5 Proz.,
Pikrinsäure,
Phosphorwolframsäure,
Salicylsäure.
Salze
Sublimat 2,5 Proz.,
Zinkchlorür 5 Proz.,
Kadmiumchlorür 5 Proz.,
Kupfersulfat 5 Proz.,
Zinksulfat 10 Proz.,
Aluminiumsulfat 10 Proz.,
Silbernitrat,
Wismutnitrat,
Hypermangansaures Kali 5 Proz.
f Jod (alkohol. Lös.) 5 Proz.,
{ Barythydrat.
(Aseptol 10 Proz.,
Kresilol 5 Proz.,
* Lysol 5 Proz.,
j Kresol 5 Proz.,
I Karbolsäure (alkohol. Lös.) 5 Proz.
2) Alkohol und Calciumchlorür würden eine erhaltende Wirkung
auf das Trypsin ausüben.
3) Das Trypsin schlugen nieder die folgenden Substanzen:
Alkohol,
Chromsäure,
Pikrinsäure,
15*
232 Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc.
Phosphormolybdänsäure,
Phosphorwolframsäure (stark),
Tanninsäure,
Sublimat (stark),
Kobaltchlorür,
Kadmiumchlorür (schwach),
Eisenchlorür (schwach),
Bleiacetat (stark),
Kupfersulfat,
Kupferacetat (stark),
Silbernitrat,
Wismutnitrat (schwach),
Eisencyansaures Kali,
Jod,
Jodkali (schwach).
4) Es machten die Gelatine unflüssigbar durch die Enzyme die
folgenden Substanzen:
Phosphorwolframsäure,
Tanniusäure,
Sublimat,
Zinkchlorür,
Kadmiumchlorür,
Eisenchlorür,
Bleiacetat,
Kupferacetat,
Kupfersulfat,
Zinksulfat,
Aluminiumsulfat,
Wismutnitrat,
Hypermangansaures Kali,
Barythydrat, Kalkwasser und^ besonders Kalichromat und
Aetzkali würden die Gelatine leichter flüssig machen.
5) Es zerstörten das Pepsin völlig in 48 Stuudeu die folgenden
Substanzen :
Chromsäure,
Pikrinsäure,
Kalichromat, »
Eisencyansaures Kali,
Barythydrat.
Es schwächten das Pepsin:
Kobaltchlorür,
Kadmiumchlorür,
Phosphorwolframsäure,
Bleiacetat,
Kupferacetat,
Wismutnitrat,
Jod (alkohol. Lös.)
Aseptol,
Kresylol,
Kreolin.
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc. 233
Es verminderten die Lösbarkeit des Fibrins die folgenden Sub-
stanzen :
Chromsäure (1 : 4000),
Pikrinsäure (1 : 100),
Phosphorwolframsäure (2 : 100),
Kobaltchlorür (2 : 100),
Kadmiumchlorür (2 : 100),
Bleiacetat (2 : 100),
Kupferacetat (1 : 100),
Wismutnitrat,
Eisen cyansau res Kali (1 : 400),
Aseptol (1 : 200),
Kresylol (1 : 200),
Kreolin (1 : 100).
Keine der verschiedenen geprüften Substanzen, mit Ausnahme
vielleicht der alkoholischen Jodlösung, schlug das Pepsin nieder.
Die Zerstörung des Pepsins von seiten der verschiedenen
chemischen Agentien geschah ohne Niederschlagung derselben. Das
Pepton konnte man nur nachweisen in jenen Fällen, in welchen man
das Fibrin gelöst hatte.
6) Sowohl das Pepsin, wie auch das Trypsin ertragen die Wirkung
des kohlensauren Natrons zu 30 Proz. auch über 5 Tage hinaus, ohne
ihre Wirksamkeit zu verlieren.
Das Trypsin, für 24 Stunden in einer gesättigten Lösung von
kohlensaurem Natron gehalten, würde circa 4/5 seiner Wirksamkeit
verlieren.
Die beiden obengenannten Enzyme werden zerstört von Kali und
Aetzkali schon in der Konzentration von 1 Proz. in 24 Stunden und
widerstehen hingegen für verschiedene Tage jener von 0,25 Proz.
Das Pepsin ist daher gegen die Alkalien nicht viel empfindlicher,
als das Trypsin.
V. Verhalten der Enzyme gegen das Porzellan-
filter.
1) Das Trypsin wird von dem Porzellanfilter aufgehalten.
Eine Trypsinlösung von 1 : 200 verliert circa die Hälfte ihrer
Wirksamkeit. Das Trypsin wird auch aufgehalten, wenn die Lösung
vollkommen ist und keine ungelösten Teilchen des genannten Enzyms
mehr enthält.
Nach wiederholter Filtrierung derselben Lösungen gelangte man
nach 5 oder 6 Malen an einen Punkt, wo das ganze Trypsin von
dem Filter aufgehalten wurde.
2) Das Pepsin passiert viel leichter als die andern Enzyme das
Porzellanfilter.
VI. Verhalten der Enzyme gegen die Tiermem-
branen.
1) Das Pepsin, sei es in einfacher wässeriger Lösung, wie in
Gegenwart von Säuren, Chlornatrium und Glycerin — Substanzen,
von denen die beiden letzten die Dialyse erleichtern — passiert nicht
durch gutes und dickes Pergament, während es in allen Fällen durch
Papier de la Rue passiert.
234 Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc.
Die mit Bleiacetat und mit Tanninacetat behandelte Lösung hält
auch vor dieser letzten Membran an.
2) Das Trypsin verhielt sich ungefähr wie das Pepsiu; auch es
passiert nur das Papier de la Rue.
Chlornatrium und Glycerin erleichtern die Dialyse desselben.
3) Die beiden obengenannten Enzyme verhalten sich zur Dialyse
wie die anderen Albuminoidsubstanzen und das Peptou.
VII. Wechselwirkung der proteolitischen Enzyme
auf einander.
1) Das Pepsin löst und peptonisiert das Fibrin in Gegenwart
von Ameisen-, Apfel-, Milch-, Oxal-, Wein-, Essigsäure und auch, ob-
wohl mit geringerer Leichtigkeit, in Gegenwart von Propionsäure.
Mit Butter-, Baldrian-, Bernstein- und Borsäure hingegen bleibt es
fast völlig unwirksam.
2) Das Pepsin übt keine nachweisbare Wirkung auf das Tryp-
sin aus.
VIII. Schicksal der Enzyme im Organismus.
1) Das Trypsin findet sich nicht weder in dem Urin des Menschen,
noch der Pflanzenfresser, weder bei gesunden, noch bei kranken
Nieren.
2) Der Urin zerstört nicht das Trypsin.
3) Das Trypsin, subkutan injiziert, ist nach 15 Minuten noch in
den Luugen, im Herzen, in der Leber, in der Milz, in den Nieren
und in den Muskeln nachweisbar, nach einer Stunde aber und sogar
früher nicht mehr.
4) Das Trypsin mit der Milz, mit der Leber, mit den Nieren,
mit den Muskeln, fein gehackt, vermischt, ist nach einiger Zeit nicht
mehr nachweisbar. Dies ist nicht der Fall, wenn diese Präparate
vorher gekocht worden sind.
5) Der Versuch, das Trypsin von den genannten Organen zu
isolieren, gab ein negatives Resultat.
6) Das Trypsin und das Pepsin, injiziert in starker Dosis (2 — 5 g),
gehen, wenn auch in Spuren, sicher in den Urin über. Dasselbe ge-
schieht bei der Diastase, bei Ptyalin und Emulsin.
IX. Giftigkeit der Enzyme.
1) Die Enzyme, gegen die Meinung von Bechamp, Baltus,
Nencki, Sahli, Bergmann, Angerer, Hildebrand u. s. w.,
sind ungiftig, auch wenn sie in großer Quantität zu 2 g täglich für
eine Woche subkutan injiziert worden.
2) Die von den genannten Autoren behauptete Giftigkeit der
Enzyme ist den Mikroben, die in den Fermentpräparaten reichlich
enthalten waren, zuzuschreiben. Autoreferat.
Bakterien in Milch und Wasser.
235
Referate.
Montefusco, II latte in Napoli. (Anoali dell’ Istituto d’Igiene
della R. Universitä di Roma. Yol. III.)
Bericht über die Beschaffenheit der Milch in Neapel, aus dem
die Beschreibung der Art und Weise, wie die Milch in die Häuser
geliefert wird, interessant ist. Die Kühe und Ziegen^werden morgens
und abends durch die Straßen getrieben und direkt in die.Gefäße der
Abnehmer gemolken. Auf diese Weise werden Milchpanschereien aus-
geschlossen und die Bakterienzahl der so bezogenen Milch;, war natür-
lich geringer, als die Zahl der aus einer Molkerei entnommenen.
Doch stieg die Bakterienzahl bei der im Hause aufbewahrten, dort
gemolkenen Milch in wenigen Stunden ebenso hoch, wie die der
Molkereimilch war. Abel (Greifswald).
Blachstein, Contribution ä l’ötude microbique de l’eau.
(Annales de l’Institut Pasteur. 1893. Oct. p. 689.)
Bl. ersetzte bei seinen Wasseruntersuchungen die gewöhnliche
quantitative und qualitative Bacillenuntersuchung durch eine mehr
biologische, indem er die Wirkung des betreffenden Wassers auf Tiere
studierte. Er fand dabei, daß im allgemeinen hygienisch gutes
Wasser unschädlich für Tiere war, schlechtes dagegen pathogen.
Wasser, welches 8 Tage dem Lichte ausgesetzt wurde, ging fast
immer seiner pathogenen Eigenschaften verlustig, trotzdem sich noch
eine große Menge Bacillen darin nachweisen ließ; bemerkenswert war
jedoch, daß unter diesen sich kommaförmige Arten, die in pathogenem
Wasser sehr zahlreich waren, nur selten fanden. Es gelang Bl.,
einen Kommabacillus zu isolieren, der dem Cholerabacillus
in manchen Beziehungen ähnlich war, sich aber durch die feinere
Granulierung und das opakere Aussehen seiner Kulturen scharf von
jenem trennen ließ, — dagegen zeigte er die größte Uebereinstimmung
mit dem Cholera vi brio von Netter. — Das Seinewasser, welches
direkt unterhalb von Paris stark pathogene Eigenschaften zeigte, ver-
lor dieselben nach Bl.’s Untersuchungen zwischen Billancourt und
St. Cloud, wohin Bl. daher den Punkt der vollendeten Seinereinigung
legt. W. P et er sen (Zürich).
Edel, Untersuchungen über den Bakteriengehalt des
Badewassers. (Archiv f. Hygiene. Bd. XXIX. 1893. No. 3.)
Edel stellte Untersuchungen darüber an, den Grad der Verun-
reinigung des Badewassers durch das Baden in bakteriologischer
Hinsicht festzustellen. Es geht daraus hervor, daß durch das Baden
in größeren Schwimmbassins eine recht erhebliche Keimvermeh-
rung erfolgen kann. Dieselbe rührt nicht allein von den dem Körper
anhaftenden Keimen her; vielmehr ist der in das Bassin fallende
Staub, die Bakterien der Badekleidung, der Staub an den Füßen und
der beim Auskleiden sich entwickelnde Staub zu berücksichtigen;
ferner werden durch das Schwimmen am Boden und den Wänden
236
Typhus.
haftende Bakterien freigemacht, welche zur Verunreinigung beitragen.
Nach dem Baden in gut gereinigten Wannen ist aus den letzteren
Gründen deshalb der Keimgehalt ein geringerer.
Was die Badeschwämme anbetrifft, so enthalten dieselben
Substanzen, welche imstande sind, einer stärkeren Vermehrung der
Keime Vorschub zu leisten. Wahrscheinlich sind dies geringe Mengen
organischer Substanz. Die Zahl der Bakterien im Wasser steigt ja
stets mit der Zunahme der organischen Substanz. Gebrauchte
Schwämme soll man deshalb stets ausdrücken, damit die desinfizie-
rende Wirkung der Austrocknung in Kraft tritt.
Kurt Müller (Halle).
Loewy, Die Typhusepidemie in Fünfkirchen, verursacht
durch Infektion der Wasserleitung. (Klin. Zeit- und
Streitfragen. Bd. VII. Heft 9.) Wien (A. Holder) 1893.
In Fünfkirchen herrschte vom 1. November 1890 bis 31. März
1891 eine hochgradige Typhusepidemie; es erkrankten 1220 Personen,
davon ziemlich die Hälfte Männer und Frauen bei einer Einwohner-
zahl von 35000; es erkrankten somit 3,5 Proz der Einwohner. Die
Epidemie bot zwei heftige Ausbrüche, von denen der eine in den
Anfang November, der andere Ende Februar fällt. Sehr interessant
ist die Darstellung des Verf.’s über die Entstehung dieser beiden
umfänglichen Massenerkrankungen bez. der ganzen Epidemie. Die
Stadt Fünfkirchen wird zum größten Teile durch eine Leitung aus
mehreren Quellen versorgt. Im Sommer 1890 herrschte anhaltende
hohe Hitze und Trockenheit; am 18. Oktober war starker Gewitter-
regen, gegen Ende des Monats 4 Tage und Nächte andauerndes
Regenwetter. Nach jedem Regenwetter nahmen die Wassermengen
der Quellen in enormer Menge zu, von 2000 bis 15000, ja 20000 cbm.
Diese Wassermassen überschwemmten ein kleines Thal und in dem-
selben Senkgruben und Aborte, u. a. auch solche, in welche Dejekte
von Typhuskranken, die im Laufe des Sommers vereinzelt in Be-
handlung kamen, gelangt waren, und ergossen sich zum Teil durch
durchlässiges Erdreich in die Bischofsquelle. In dieser gelang es
dem Verf., Typhusbacillen durch Kultur nachzuweisen, deren Echtheit
durch Prof. Loeffler anerkannt wurde. Die ersten Fälle in größerer
Zahl traten in der Nähe dieser Quelle und am Endpunkte der
Wasserleitung auf. Unter den Erkrankten herrschten anfangs vor
Kinder und Frauen, weil diese nach Ansicht L.’s mehr Wasser trinken,
als die Männer. Der behördlichen Warnung, das Wasser ungekocht
zu genießen und zu gebrauchen, war ein rasches Nachlassen der
Epidemie Ende November zu danken. Die Bevölkerung ließ jedoch,
trotzdem im Januar täglich noch 2 — 3 Erkrankungen vorkamen, die
Vorsichtsmaßregeln bald außer acht. Da mit einemmal erfolgte am
17. Februar ein neuer heftiger Ausbruch der Epidemie, welche, wie
Verf. später ermittelte, dadurch veranlaßt wurde, daß, als infolge
des lange anhaltenden harten Winters großer Wassermangel in der
Wasserleitung eintrat, der Brunnenmeister, um dem erwähnten Uebel-
stande abzuhelfen, das Wasser der bisher ausgeschalteten Bischofs-
quelle, in welcher im November die Typhusbacillen nachgewiesen
Typhus.
237
worden waren, der Wasserleitung wieder zufließen ließ. Dies geschah
gegen Mitte Februar. Mit erneutem Schließen der Bischofsquelle
hörte die Epidemie im wesentlichen auf; vom 27. März an kamen
nur noch vereinzelte Typhuserkrankungen vor. Nach Ausbruch der
zweiten Epidemie konnten in der Bischofsquelle Typhusbacillen
nicht nachgewiesen werden. Erklären die plötzliche Ausbreitung
im Beginne der Epidemie, vornehmlich in der Nähe der genannten
Wasserleitung, das Freibleiben von Bewohnern anderer Stadtteile,
welche ihr Wasser aus Pumpbrunnen bezogen, ebenso das Freibleiben
der 2000 Mann starken Garnison, des bischöflichen Seminars und
Gefangenenhauses von je 200 Einwohnern die Epidemie nur dann un-
gezwungen, wenn man eine Wasserleitungsepidemie annimmt, so wird
durch die Auffindung des Typhusbacillus in der Bischofsquelle,
durch das nachgewiesene Hineingelangen von Inhalt von Aborten, in
welchen Typhusstühle deponiert worden waren, in die genannte
Quelle und durch den unverkennbaren Zusammenhang zwischen Oeff-
nung und Schließung der Bischofsquelle mit dem An- und Abschwellen
der Epidemie der sichere Beweis erbracht, daß die Typhusepidemie
in Fünfkirchen durch Infektion der Wasserleitung bedingt war.
(Eine ganz ähnliche Entstehung hatte eine von Ramdohr
beschriebene Typhusepidemie im 1. Kgl. Sächs. Ulanenregiment No. 17
zu Oschatz im Herbste 1882 (Ramdohr, Die Typhusepidemie im
1. Kgl. Sächs. Ulanenregiment No. 17. Leipzig 1884). Die infolge
großer Trockenheit auftretende Unergiebigkeit des Kasernenbrunnens
veranlaßte einen untergeordneten Beamten, dadurch Abhilfe zu schaffen,
daß er aus dem nahe an der Kaserne vorbeifließenden Bache durch
ein Rohr Wasser in den Brunnenschacht leitete. Dies Rohr mündete
unter der Bachsohle und war nur mit einer Schicht groben Kieses
überschichtet, welche filtrierend wirken sollte. In dem nächsten,
oberhalb der Kaserne am Bache gelegenen Hause kamen einige
Typhuserkrankungen vor. Die Stühle der Typhuskranken wurden in
den Bach gegossen und gelangten so in den Kasernenbrunnen, dessen
Benutzung alsbald eine heftige Epidemie der Kaserneneinwohner
hervorrief. Ein Nachweis des Typhusbacillus wurde im Herbste
1882 nicht versucht; unter Berücksichtigung aller Verhältnisse aber
erschien die oben angegebene Aetiologie der Epidemie die einzig
mögliche.) Schill (Dresden).
Klemm, Die Knochenerkrankungen im Typhus. (Archiv
für klinische Chirurgie. Bd. XLVI. 1893. No. 4.)
Knochenerkrankungen im Gefolge von Typhus sind nicht
so seltene Komplikationen dieser Krankheit. Bei einem bereits in
der Rekonvalescenz befindlichen Kranken pflegt unter Temperatur-
steigerung und heftigen Schmerzen eine Schwellung an
einem Knochen aufzutreten. Besonders gern werden Extremitäten-
knochen und die Uebergangsstellen der knöchernen in die knorpeligen
Rippen befallen, doch sind auch andere Skeletteile nicht immun. Die
Schwellung ist meist nicht sehr bedeutend und geht später in der
Mehrzahl der Fälle unter Zurücklassung einer harten Knochenauf-
treibung zurück. Diese Knochenprozesse können solitär und multipel
238
Typhus.
auftreten. Statt dieser periostischen Auflagerung, welche in den
meisten Fällen zurückbleibt, kann auch eine Verkäsung oder eine
Verflüssigung der primären Schwellung eintreten. Man findet
dann das Periost oft in weiter Ausdehnung durch ein mehr oder
weniger ausgedehntes Exsudat von eigentümlicher Beschaffenheit ab-
gehoben und den Knochen meist nur cirkumskript angegriffen.
Verf. spricht sich im folgenden dann weiter über die Qualität
dieser Exsudatbildungen aus und versucht die Frage zu beantworten,
ob diese Exsudate als Produkte seröser oder eiteriger Entzün-
dung, oder als solche der regressiven Metamorphose aufzu-
fassen sind. Er kommt zu dem Schlüsse, daß in den Fällen korti-
kaler Osteomyelitis, in denen nicht Resorption eintritt, sondern
Fistelbildung und Exsudation beobachtet wurden, wir es mit den
Folgen regressiver Metamorphose zu thun haben, der die in der
Corticalis des Knochens abgesetzten und gewucherten Massen ver-
fallen. Die Typhuspilze sind Organismen, denen hauptsächlich eine
nekrotisierende Wirkung zukommt.
Die nicht zu leugnende Beobachtung, daß bei Typhuskranken
oftmals Eiterungen auftreten, glaubt Verf. dahin deuten zu dürfen,
daß es sich in diesen Fällen um Mischinfektionen mit Eiter-
erregern handelt, wie es auch bakteriologisch schon nachgewiesen ist,
indem Anton und Fütterer in einem Parotisabsceß bei Typhus
neben den Typhusbacillen Staphylokokken fanden. Für die Typhus-
osteomyelitis fehlte bisher der Nachweis beider Keiraarten. Verf.
füllt diese Lücke durch Beobachtung eines diesbezüglichen Falles bei
einem 39-jährigen Manne aus. In dem subperiostalen Abscesse so-
wohl, als im Mark fanden sich nebenein mder der St aphylococcus
pyogenes aureus und der Typhusbacillus.
Verf. sucht dann weiterhin die Frage nach der Mischinfektion
experimentell zu erklären, indem er versucht, durch vorhergehende
Durchseuchung des Tierkörpers mit Typhusbacillen den Boden für die
\nsiedelung der Eiterpilze günstig zu gestalten.
Zur Kontrolle injizierte er zunächst Tieren (Kaninchen) Typhus-
kulturaufschwemmung in die Blutbahn und konstatiert, daß
1) bei Injektion einer solchen Aufschwemmung in die Blutbahn
eine Alteration des Befindens des Tieres eintritt, die sich bis zum
Tode steigern kann ;
2) daß eine Vermehrung der eingeführten Keime im Knochen-
marke stattfinden kann;
3) daß in anderen Fällen die Mikroben dagegen absterben ;
4) daß nie Eiterbildung eintritt und
5) daß das Mark oft gewisse Veränderungen zeigt, die sich in
Erweichung und bräunlich-roter Verfärbung äußern.
Nachdem so die Vorfrage entschieden war, wurden nach’vorher-
gegangener Typhusdurchseuchung des Körpers virulente Staphylo-
kokkenkulturen (aureus) injiziert. Es bekamen jetzt von 1 1 Versuchs-
tieren 4 eine eiterige Osteomyelitis, eins davon mit Epiphysenlösung.
In den Exsudaten konnte kulturell stets nur der Staphylococcus
pyogenes aureus nachgewiesen werden. Aus seinen Versuchen
Typhus.
239
glaubt Kl. auf eine Prädisponierung der Versuchstiere für die Eiterung
durch die Typhusinjektion schließen zu dürfen.
Zum Schlüsse stellt er folgende Typen der Knochenerkrankung
im Typhus auf:
I. Spezifisch typhöse Knochenerkrankung:
1) Kortikale Osteomyelitis mit Neigung zu spontaner Re-
sorption.
2) Kortikale Osteomyelitis mit Neigung zu Verkäsung.
3) Kortikale Osteomyelitis mit Neigung zu Verflüssigung, die
jedoch in keiner Weise mit Eiterung konfundiert werden darf.
4) Centrale Osteomyelitis mit Ausgang in Sequesterbildung.
II Eiterung des Knochenmarkes im Sinne der gewöhnlichen in-
fektiösen Osteomyelitis, als Ausdruck einer Mischinfektion durch
Ansiedelung zweier Mikrobenspecies im Knochenmarke.
iVerf. stellt damit in seiner Arbeit, wie es auch des Referenten
Ansicht ist, die typischen, osteomyelitischen Erkrankungen, welche bei
Typhus Vorkommen, als eine Sekundärinfektion, d. h. eine spezifische
Infektion mit den Osteomyelitiserregern, den Staphylokokken, hin.
Er ist jedoch nicht abgeneigt, dem Typhusbacillus selbst die
Fähigkeit, typische Osteomyelitis zu erzeugen, zuzusprechen. Die
letzte Ansicht steht in lebhaftem Widerspruche mit seiner eigenen,
kurz hinterher verfochtenen Anschauung, wonach dem Typhus-
bacillus eitererregende Eigenschaften nicht zukommen. Da wir
aber unter der Osteomyelitis acuta einen eiterigen oder in selteneren
Fällen schweren serös-entzündlichen Vorgang im Knochenmarke ver-
stehen, so würde dem Typhusbacillus, der phlogogene oder
pyogene Fähigkeiten nach Ansicht des Verf. nicht besitzt, die Er-
zeugung einer typischen Knochenmarkeiterung gar nicht möglich
sein. Dieser Widerspruch ist jedoch leicht zu überbrücken. Der Fall,
den Verf. p. 873 als „echte Osteomyelitis“, erzeugt einzig durch
Typhusbacillen, ansieht, kann kaum als eine solche aufgefaßt werden.
Es fehlte jeder Eiter, vor allem aber entzündliche Erscheinungen, welche
man bei keiner nekrotisierenden Form der akuten Osteomyelitis ver-
mißt; es fehlte jede Temperaturdifferenz zwischen gesundem und
krankem Gliede und jedeSpur einer Schmerzhaftigkeit; auch schei it
der Patient kein Fieber gehabt zu haben ; wenigstens ist nichts da-
von bemerkt. Dies alles sind Punkte genug, um eine typische, in-
fektiöse Osteomyelitis auszuschließen. Es liegt bei diesem Falle
in der That eine bisher in dieser Mächtigkeit durch die
Typhusbacillen noch nicht beobachtete Nekrotisierung des Knochens
vor. Daß aber solche Nekrosen auf Grund mannigfaltiger Ver-
anlassungen Vorkommen, das zeigen uns die Tuberkulose, die Lues
und die Phosphornekrosen. Wir dürfen deshalb nicht ohne weiteres
solche Prozesse unter die spezifisch osteomyelitischen rechnen. Ref.
möchte also auch dieser Beobachtung gegenüber, wie er es schon
mehrfach gethan hat, betonen, daß kein Grund vorliegt, von der
ätiologischen Einheit der akuten infektiösen Osteomyelitis abzuweichen,
sie ist ein spezifisches Werk der Staphylokokken.]
Kurt Müller (Halle).
240
Cholera.
Sanarelli, Les vibrions des eaux et 1’ Ätiologie du Cho-
lera. (Annales de l’Institut Pasteur. 1893. Oct. p. 693.)
Die Schlußfolgerungen der ausgedehnten Untersuchungen S.’s,
betr. deren Einzelheiten auf das Original verwiesen werden muß,
weichen von den herrschenden Anschauungen in manchen Punkten
stark ah.
1) Die einheitliche morphologische Auffassung der Cholera-
vibrionon muß verlassen werden ; es giebt verschiedene morphologisch
scharf bestimmte Varietäten der Vibrionen, welche alle beim Menschen
und beim Tiere das gleiche Krankheitsbild hervorrufen können. Die
bakteriologische Diagnose der Cholera, wie sie kürzlich von Robert
Koch festgestellt wurde, entspricht weder der Idee eines bestimmten
Monomorphismus, noch der Annahme eines Polymorphismus.
2) Man kann in durchseuchtem Wasser, woher es auch immer
stammt, pathogene Vibrionen nachweisen, welche alle Eigenschaften
besitzen, die man als charakteristisch für die Cholerabacillen ansieht.
3) Außer diesen pathogenen Vibrionen , die den Vibrionen in-
testinaler Herkunft durchaus analog sind, giebt es im Wasser eine
ziemlich große Anzahl von Vibrionenarten, welche mit jenen so viele
Berührungspunkte haben, daß man sie als Varietäten der pathogenen
Art ansehen muß und daher als fähig, unter bestimmten Umständen
ihre verlorenen Eigenschaften wieder zu gewinnen.
4) Die konstante Gegenwart der pathogenen Vibrionen in allen
verseuchten Gewässern zeigt die große Wichtigkeit, welche dem
Wasser für den Ursprung und die Verbreitung der Cholera zu-
kommt.
5) Zwischen den aus Dejektionen Cholerakranker stammenden
Vibrionen und den im Wasser gefundenen besteht in jeder Beziehung
eine so enge Verwandtschaft, daß ihr gemeinsamer Ursprung sicher
oder doch höchstwahrscheinlich ist.
6) Die virulenten Vibrionen behalten im Wasser ihre Virulenz
nicht lange, nach und nach verschwindet dieselbe ebenso wie andere
Eigentümlichkeiten, z. B. ihre Fähigkeit, Nitrate zu reduzieren oder
die Indolreaktion zu geben. Die Vibrionen passen sich allmählich
an das Wasser an, in welchem sie als Saprophyten weiter leben.
7) Der Ursprung der Vibrionen, welche man im Wasser findet,
ist nicht mit Sicherheit nachweisbar. Die Gegenwart von Vibrionen
im Wasser, welches mit Ueberresten tierischen Lebens verunreinigt
wurde, sowie in dem Darminhalte gesunder Menschen zeigt uns zwei
Möglichkeiten ihrer Herkunft. W. Petersen (Zürich).
Gamaleia, Ueber das Leben der Cholerabacillen im
Wasser, unter dem Einflüsse des Ei ntrocknens und
der Feuchtigkeit. [Aus dem Laboratorium für chirurgische
Pathologie des Herrn Prof. Dr. A. D. Pawlowsky zu Kiew.]
(Dtsche med. Wochenschr. 1893. No. 51.)
Nach den bisher veröffentlichten Versuchen Anderer sieht es
Verf. als erwiesen an, daß die Cholerabacillen im Wasser gut gedeihen
können. Er prüfte nun, in welcher Weise diese Lebensfähigkeit der
Cholera.
241
Bakterien durch Zusatz einer bestimmten Menge teils bakterieu-
feindlicher, teils mehr indifferenter Chemikalien, teils gewisser Pro-
dukte des tierischen Daseins beeinträchtigt werden könnte. Die mit
Wasser unter Zusatz der betreffenden Stoffe beschickten Reagenz-
gläschen wurden mit Cholerabakterien geimpft. Ob ein Wachstum
erfolgt oder ausgeblieben war, ergab sich danu später aus einer etwa
eingetretenen Trübung der Flüssigkeit und aus der Untersuchung
des hängenden Tropfens oder gefärbter Präparate, in zweifelhaften
Fällen auch durch das Plattenverfahren. Die nach 3 — 6 Tagen vor-
genommene Untersuchung zeigte, daß kein Wachstum eingetreten
war, bei Zusatz von Salol, Naphthalin, Ammonium salicylicum, Men-
thol, Thymol, Acidum muriaticum, Acidum nitricum, Acidum phos-
phoricum, Aqua calcis, Kalium causticum, Natrium phosphoricum,
Natrium nitricum, Natrium nitrosum, Saccharum amyli, Ammonium
tartaricum (jedesmal 1 : 100 H.,0) und Lackmustinktur (2 Tropfen).
Bei Zusatz von Phosphormolybdän (1 : 100) erfolgte in den ersten
Tagen schwaches Wachstum; nach 5 Tagen fanden sich auf den
Platten dagegen keine Kolonieen. Kein Wachstum erfolgte bei Zusatz
von 0,02:10,0 Allantoin, Harnstoff, Kreatin, Glycocholl, Taurin,
Taurocholsäure, Leucin und Asparagin. Bei entsprechendem Zusatze
von Tyrosin entwickelten sich dagegen uach 4 Tagen auf den Platten
große Kolonieen , und der Zusatz von Pankreatin hatte starkes
Wachstum zur Folge. Es weist das auf die Möglichkeit der Ver-
mehrung der Kommabacillen im Wasser in Gegenwart von pankrea-
tischem Saft (Fäkalmassen) hin.
In anderen Versuchen impfte der Verf. je 10 ccm Wasser mit
je 1 Oese von Agarkulturen des B. prodigiosus, butyricus,
pyocyaneus, capsularis, anthracis, tussis convulsivae,
Diplococcus Friedlaenderi, Proteus vulgaris. Die hier-
auf sterilisierten Gläschen wurden mit Cholerabacillen infiziert. In
gefärbten Präparaten des Wassers aus den Gläschen mit Zusatz von
prodigiosus, proteus, anthracis, capsularis und buty-
ricus wurden dann später Kommabacillen überhaupt nicht, in den
übrigen drei Proben zu je 2 — 4 Exemplaren gefunden.
In dem filtrierten und hierauf sterilisierten Wasser aus einem
Brunnen, welcher der Verunreinigung mit Küchen- und Stallabgängen
ausgesetzt ist und daher Nitrate enthielt, wurde in den ersten 3 Tagen
reichliches Wachstum der Cholerabacillen beobachtet. Dagegen gingen
die Bakterien innerhalb von 5 Tagen zu Grunde in dem gleich
behandelten Wasser aus zwei Teicheu, einem Brunnen, zwei Quellen
und zwei Flüssen, in einer mit Pferdemist verunreinigten Wasserprobe
und in einem Heuaufgusse. Bis zum siebenten Tage blieben sie in
Dnjeprwasser lebensfähig.
Auf Leinwandstückchen, welche mit Cholerakulturen durchtränkt
waren, fanden sich nach 40 Stunden lebende Bakterien nicht mehr,
wenn jene unter einer Glasglocke, nach 17 Stunden, wenn sie unter
dem Exsiccator getrocknet wurden. Auf feuchtgehaltenen Leinwand-
stückchen blieben die Cholerabacillen dagegen länger als 33 Tage
lebensfähig. K ü b 1 e r (Berlin).
242
Cholera. — Rotz.
Cacace, E. , Dell’ azione dei prodotti di ricambio del
bacterium coli commune sullo sviluppo del bacillo
del colera e di quello del bacillo del colera sullo
sviluppo del bacterium coli. (La Ref. med. 1893. p. 196.)
Die im Glase in der Art angelegten Versuche, daß frische
Bouillonkulturen von Bacterium coli in durch einstündige Er-
warmung auf 55° C durch 5 Tage sterilisierten Bouillonkulturen des
Cholerabacillus und umgekehrt gezüchtet und aus diesem Nähr-
medium sodann weiter auf die üblichen Nährböden übertragen wurden,
hatten den Zweck, zu ermittelu, ob die Stoffwechselprodukte des
einen Bakteriums nicht das Wachstum des anderen beeinträchtigen
und ob die biologischen Eigenschaften der zu diesen Versuchen
verwendeten Arten bei diesem Züchtungsmodus keine Veränderung
erfahren.
Es ergab sich hierbei, daß
1) sowohl das Bacterium coli, als auch die Choleravibrionen
in sterilen Bouillonkulturen der anderen Bakterienart gut ge-
deihen;
2) daß nur die Choleravibriouen insofern eine Aenderung ihrer
biologischen Eigenschaften erfahren, als sie nach Züchtung in
sterilen Bouillonkulturen des Bacterium cohi eine kaum
wahrnehmbare Indolreaktion geben. Kamen (Czernowitz).
Tedeschi, A. , Untersuchungen über die Wirkung der
Einimpfung des Rotzes auf die Nervencentra. (Zieg-
ler’s Beiträge z. patholog. Anat. Bd. XIII. 1893. Heft 2.)
Die Arbeit bringt eine ausführliche Darstellung der zahlreichen
Experimente und Untersuchungen, welche T. über die Wirkung des
Rotzes auf das Ceutralnervensystem und die dabei auftretenden
Veränderungen im tierischen Organismus angestellt hat. Die haupt-
sächlichsten Ergebnisse dieser Untersuchungen hat der Verf. bereits
in einer vorläufigen Veröffentlichung in Bd. XII. 1892. No. 4/5 dieses
Blattes mitgeteilt, in betreff der reichen Fälle von Einzelbeobach-
tungen muß auf das Original verwieseu werden. Das Resultat seiner
Experimente faßt der Autor am Schlüsse der Arbeit im wesentlichen
dahin zusammen, daß
1) die Inoculatiou des Rotzes in die Nervencentra empfängliche
Tiere schneller tötet, als andere gebräuchliche Inokulations-
methoden;
2) für unempfänglich geltende Tiere (Hunde, Ratten) mehr oder
weniger schnell sterben, wenn sie in das Nervensystem inokuliert
werden ;
3) alle so geimpften Tiere Zeichen schwerer Allgemeininfektion
zeigen ;
4) das Rotzvirus durch den Durchgang durch das Centralnerven-
system empfänglicher und unempfänglicher Tiere virulenter wird
und die damit angelegten Kulturen ihre Virulenz lange Zeit
behalten ;
5) iu dem inokulierten Nervensystem sich Substanzen bilden, welche
für gesunde sowie für rotzkranke Tiere pyrogen sind und eine
Maligne Tumoren.
243
Substanz, welche bei infizierten [Tieren eine örtliche und all-
gemeine Reaktion hervorruft, ähnlich dem Tuberkulin bei Tu-
berkulose ;
6) die Rotzinoculation in die Nervencentra starke, kleinzellige In-
filtration, Bildung von Rotzknötchen und schwere Degeneration
der Nervenzellen hervorruft. K. Hintze (Rostock).
Reinbach, Gr., Ueber das Yerhalteu der Leukocyten bei
malignen Tumoren. [Aus der Königl. chirurgischen Klinik
des Prof. Mikulicz zu Breslau.] (Archiv f. klinische Chirurgie.
Bd. XLVI. 1893. No. 3.)
Um den Einfluß von malignen Tumoren auf die Blutbeschaffen-
heit festzustellen, untersuchte Verf. das Blut von Sarkom- und Car-
cinomkranken (40 Fälle). Es wurden nur solche Kranke herange-
zogen, bei denen Zweifel in der Diagnose nicht bestanden.
Gezählt wurden die Blutkörperchen mittelst der Thoma-Zeiß-
schen Zählkammer ; der Hämoglobingehalt wurde mittelst des F 1 e i s c h 1 -
sehen Apparates bestimmt, die Deckglastrockenpräparate nach der
Ehr lich’schen Methode angefertigt (penible Reinigung der Deck-
plättchen, Anfertigung ganz dünner Präparate, Erhitzung auf 120°,
Färbung nach Chenzinski oder Ehrlich’sche Triacidfärbung).
Nach dieser Methodik zeigte sich, daß der Hämoglobin-
gehalt des Blutes stets, zum Teil sehr erheblich herabgesetzt ist;
die roten Blutkörperchen verhalten sich meist normal, so daß nur
5mal Poikilocy tose sich fand.
Was die Leukocyten anbetrifft, so ergab sich, daß in einer
Zahl von Fällen das quantitative Verhältnis der einzelnen Arten von
Leukocyten ganz oder fast ganz ungestört ist (11 Fälle), daß in der
größeren Mehrzahl aber erhebliche Verschiebungen eintraten, derart,
daß in der größeren Zahl der Fälle die polynucleären Zellen vermehrt
und die Lymphocyten vermindert sind, wahrend in anderen allerdings
das Gegenteil eintritt.
Ganz unzweifelhaft geht ferner aus den Tabellen hervor, daß
diese Aenderungen im Blutbefunde mit viel größerer Regelmäßigkeit
bei Sarkom- als bei Carcinomkranken eintreten. Während bei Car-
cinomen im allgemeinen die Blutveränderung mit der Schwere der
Fälle zu wachsen scheint, geht bei der Sarkomatose die Blutbeschaffen-
heit nicht parallel mit derselben, sondern auch bei relativ leichten
Fällen lassen sich schwere Blutveränderungea konstatieren ; jedenfalls
alterieren also die Sarkome spezifisch die BlutbeschaÖenheit. Ge-
schwulstelemente ließen sich im Blute niemals nachweisen.
Kurt Müller (Halle).
Snow, The so-called „parasitic protozoa“ of mammary
Carcinoma. (The Lancet. 1893. 11. Nov. p. 1182.)
S. wendet sich in seinen Ausführungen hauptsächlich gegen die
Arbeiten Ruffer’s, welcher die Carciuomparasiten als sicher nach-
gewiesen ansieht. S. hebt hervor, daß Ruff er ebensowenig wie
einer seiner Vorgänger an den fraglichen Zelleinschlüssen eine Eigen-
schaft nachgewiesen habe, welche nicht durch Degenerationsvorgänge
244
Carcinom.
am Zellprotoplasma oder Kern völlig erklärt werden könne. Die
mehrfach beobachtete Spalte zwischen „Parasit“ und Zellprotoplasma,
sowie die radiäre Streifung des „Parasiten“ seien durch das Härtungs-
verfahren bedingt; die Färbungsdifferenzen seien zum Teil sehr gering,
zum Teil durch die von Ruffer angewandte Ueberfärbung verursacht.
Weiterhin begründet S. seineu prinzipiell ablehnenden Stand-
punkt gegenüber der parasitären Carciuomtheorie. Er betont sehr
entschieden die großen Unterschiede zwischen dem Verlaufe des Car-
cinoms und der bisher bekannten Infektionskrankheiten. Das Carcinom
sei weder kontagiös, noch epidemisch ; noch nie sei bei einem bis
dahin carcinomfreien Volke ein epidemischer Ausbruch beobachtet
worden ; Lebensweise und Klima seien fast ganz ohne Einfluß. Be-
sonderen Nachdruck legt S. auf den Umstand, daß sich in den
Carcinonunetastasen stets die Zellform des primären Herdes wieder-
findet, während alle bisher bekannten Parasiten auch in den Metastasen
eine Wucherung des betreffenden Gewebes hervorrufen, in welches sie
eindringen. W. Petersen (Zürich).
Nöggerath, Beiträge zur Struktur und Entwickelung
des Carcinoms. Wiesbaden (J. F. Bergmann) 1892.
Ein großer Teil der N ögg er ath’schen Arbeit beschäftigt sich
mit der Frage der Carcinomparasiten und ist daher auch für die
Leser dieser Zeitschrift von Interesse. N. beschreibt zunächst die-
jenigen Zelleinschlüsse, welche von verschiedenen Autoren als „Karyo-
phagus carcinomatosus“ gedeutet wurden. Dieselben traten
am deutlichsten hervor bei der Färbung mit Alaunkarmin und Pikrin-
säure. Es ließen sich dann leicht drei Stadien der Entwickelung des
„Protozoon“ beobachten. In dem Anfangsstadium fand sich der
Zellkern geschrumpft, plattgedrückt und es lag ihm ein runder
Körper, der „Karyophagus“, an, welcher allmählich weiter in den
Kern vordraug. Diesem Eindringen folgte eine Aufnahme von chemisch
veränderter Kernmasse in das „Protozoon“; dieses verdrängte schließ-
lich den Kern vollständig, indem dessen Substanz teilweise in den
„Karyophagus“, teilweise in den Zellleib überging. Das zweite Stadium
war gekennzeichnet durch bedeutendes Anwachsen des „Karyophagus“
zu einer großen hyalinen Blase, so daß die so verwandelte Kernmasse
den ganzen, jetzt auch vergrößerten Zellleib anfüllte und nuu beide
zusammen eine hyaline Metamorphose eingingen. Im dritten Stadium
fand sich eine Einkapseluug mit Bildung von kleinsten Sporeu. Diese
anscheinend so eindeutigen Bilder erhielten jedoch ein ganz anderes
Ansehen bei der Anwendung von Anilinfarben; hierbei zeigte sich,
daß der „Karyophagus“ nichts anderes war, als ein veränderter Teil
des Kernes selbst; während die Alaunkarmin-Pikrinsäurefärbung den
modifizierten Keruanteil derartig darstellte, daß derselbe als hetero-
gene Masse, dem ursprünglichen Kerne gegenüber, in Erscheinung
trat, ließ die Anwendung von Anilinfarben diesen Gegensatz nicht so
scharf hervortreten und infolgedessen kein selbständiges „Protozoon“
mehr unterscheiden.
Der Kernzerfall konnte auf doppelte Weise vor sich gehen.
Entweder wurde der Kern in unzählige kleinere oder größere Frag-
Carciuom.
245
mente zersprengt, welche mobil zu werden schienen und sich nicht
nur in die Zelle verteilten, sondern sich auch im Gewebe außerhalb
derselben auffinden ließen. Oder aber das Fortschaffen der zer-
pulverten Kernsubstanz erfolgte auf verwickeltere Weise; „es erscheinen
Zellformen, welche unter anderen Verhältnissen nicht zu Tage treten.
Dieselben zeichnen sich dadurch aus, daß sie in schmale, röhren-
artige, kurze, oder wenn der Schnitt günstig ausgefallen, längere
pseudopodienartige Ausläufer münden, in welche der Kernbrei sich
ergießt. Ich habe diese mit feinstem Kerndetritus gefüllten Schläuche
nur bei Behandlung mit Anilinfarben zur Anschauung bringen können.“
Dicht bei solchen Zellhaufen fanden sich häufig im Gewebe lang-
gestreckte, intensiv gefärbte Röhren, deren Natur auf andere Weise
nicht zu erklären war. [Vielleicht ist auch Korotneff’s „Rho-
palocephalus“ ähnlich zu deuten. Ref.]
Auch die eigenartigen, von Sjöbring als Sporencysten
beschriebenen Gebilde des Carcinoms führt N. auf Zelldegeneration
zurück. Er fand alle erdenklichen Uebergänge zwischen diesen
„Sporencysten“ und zwischen Zellanhäufungen, welche sich anschickten,
zu einer gemeinsamen Masse zu verschmelzen.
Schließlich zeigten sich auch die von Russell beschriebenen
„Fuchsin-Corpuscles“ einer ähnlichen Erklärungsweise zugänglich;
dieselben wurden von Russell als Sproßpilze angesehen ; von
Sjöbring wurden ähnliche Körper, die zum Teil eine langgestreckte
und gewundene Form annahmen, als „Sarkoden“ bezeichnet. N.
weist nun aus der Form, der Lagerung und dem Färbbarkeits-
vermögen dieser Gebilde nach, daß es sich um Kernsubstanzderivate
handelt; er zeigt, daß in einem gewissen Stadium der Entwickelung
des Carcinoms die chromophile Substanz des Kernes sich in eine
chlorophile und fuchsinophile oder auch eosinophile und hämatoxino-
phile Substanz spaltet, und zwar in einer so prägnanten Weise, wie
man es bei keiner anderen Geschwulstform findet. „Indessen be-
schränkt sich dieser Prozeß nicht immer auf den Kern, sondern greift
auch auf die Zelle über, es tritt eosinophile Körnchenbildung in der
Kernsubstanz selbst auf. Wahrscheinlich geschieht es auch hier, daß
Kernsubstanz in das Zellprotoplasma einwandert.“ Diese fuchsino-
philen Kernbestandteile, die auch in die Umgebung der Zelle aus-
wandern können, geben bei ihren verschiedenen Umwandlungen Rus-
sell’s Fuchsinkörper und Sjöbring’s Sarkoden. „In manchen
Fällen sind die Fuchsinkörperchen evident nichts Anderes, als zwar
chemisch, nicht aber der Form nach veränderte Nucleoli.“
Nachdem N. dann noch auf die großen Unterschiede zwischen
den verschiedenen Formen der „Krebsparasiten“ und den Entwicke-
lungsstadien eines wirklichen Protozoons, des „Coccidium ovi-
forme“, hingewiesen hat, kommt er zu der Schlußfolgerung, daß es
gelingt, all die mysteriösen Krebsbefunde einfach auf pathologische
Veränderungen der Krebszellen, vor allem ihrer Kerne, zurückzuführen,
und daß es dringend nötig sei, um weiteren Irrungen vorzubeugen,
„den in Frage stehenden Parasiten so tot wie möglich zu machen“.
Der Arbeit sind auf 3 Tafeln 108 in Farbendruck vorzüglich
ausgeführte Abbildungen beigegeben, W. Petersen (Zürich).
XV. Bd. 16
246
Carcinom. — Brustseuche.
Unna, Zur Kenntnis der hyalinen Degeneration der
Carcinomepithelien. (Dermatolog. Zeitschrift. Bd. I. 1894.
Heft 1.)
In der vorliegenden Arbeit bringt Unna einen Beitrag zum
Studium des Epithelhyalins bei Hautcarcinomen ; nach seiner Ansicht
hat die ungenügende Kenntnis der Formen des hyalin entarteten
Epithels dazu geführt, irrtümlich die zooparasitäre Natur für eine
Anzahl von Krankheiten zu behaupten. Für die Untersuchung sehr
erleichternd ist die Eigenschaft des hyalin entarteten Epithels, saure
Farbstoffe intensiv in sich aufzunehmen und bei der Entfärbung des
Epithelprotoplasmas festzuhalten.
Unter den verschiedenen Formen des Hyalins sind zwei von
prinzipieller Verschiedenheit. In dem einen Falle handelt es sich
um frei in den interepithelialen Saftspalten vorkommende Kugeln —
wie sie sich bei vielen infektiösen Prozessen finden und weder von
Leukocyten noch von Epithelien herstammen; im anderen Falle
sind diese hyalinen Gebilde epitheliale Abkömmlinge, wie entweder
ihre Lagerung im Innern der Epithelien oder ihr kontinuierlicher
Zusammenhang mit denselben beweist. Diese letzteren Gebilde zerfallen
wiederum in zwei Gruppen — in diffuse, hyaline Infiltration der Epi-
thelien und in geformte, scharf umschriebene hyaline Gebilde. Auf
die 8 verschiedenen Formen der letzteren und die Deutung, die
Unna ihnen giebt und durch Abbildungen erläutert, kann hier im
Referate nicht näher eingegangen werden. Einzelne Gebilde sind —
wie Unna selbst angiebt — gewissen tierischen Schmarotzern im
eingekapselten Zustande nicht unähnlich. Lasch (Breslau).
Beck, M., Der Bacillus der Brustseuch e beim Kaninchen.
(Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten. Bd. XV. 1893.
H. 2. p. 363 ff.)
Die Kaninchen im Institute für Infektionskrankheiten waren an
einer influenzaähnlichen Infektionskrankheit im Winter 1891 — 1892
erkrankt. Der Obduktionsbefund der eingegangenen Tiere zeigte grau-
weißliche, fibrinöse Auflagerungen auf den Lungen, die letzteren waren
hyperämisch, besonders in den unteren Partieen stark infiltriert und
atelektatisch. Die Milz war mäßig gerötet, ohne erhebliche Schwellung.
Die Leber war hyperämisch und dunkelbraunrot verfärbt. An den
übrigen Organen nichts Besonderes. In Lungen und Pleura fanden
sich kleine, feine, unbewegliche Stäbchen, etwa doppelt so lang und
dick wie die Bacillen der Influenza. Auf allen gebräuchlichen Nähr-
böden mit Ausnahme der Kartoffel fand Wachstum statt. Gelatine-
platten zeigten nach 48 Stunden kleine, glasartige, feingekörnte, cirkum-
skripte Kolonieen, ältere Kolonieen waren hellbraun. Verflüssigung
tritt nicht ein. Der Gelatineimfstich zeigt fein gekörntes Wachstum
von weißer Farbe. Bouillon zeigt anfangs leichte Trübung, später
weißlichen Bodensatz, aus Fäden und Flocken bestehend. Anaerob
fand kein Wachstum statt. Auf der Agarplatte ist die Kolonie grau-
gelb, der Rand fein gekörnt und scharf umschrieben. Beim Abheben
mit der Platinnadel waren die Kolonieen zäh schleimig und faden-
ziehend. Eine Schleimhülle um die Bacillen wurde nicht beobachtet.
Tierische Parasiten.
247
Nach Gram trat Entfärbung auf. Sporenbildung wurde nicht
beobachtet, doch war die Lebensdauer ziemlich bedeutend. Kaninchen
und Meerschweinchen erkrankten nach Infektion der Kulturen, welches
am besten intraperitoneal geschah. 5 — 6 Stunden nach der Impfung
stieg die Temperatur, blieb dann einige Tage auf der Höhe, um dann
rapid zu fallen, bis zum Tode, der nach 3 — 5 Tagen eintrat. Die Tiere
zeigten Husten, feuchte Nase, frequenten Atem, der Tod trat durch
Dyspnoe ein. Gleiche Erscheinungen traten auf, wenn die Kulturen
durch die Nase eingespritzt oder in einem Kasten einem Spray von
Bouillonkulturen längere Zeit ausgesetzt waren. Bei der Obduktion fanden
sich die Bacillen im Pleuraexsudate und im Blute. Weiße wie graue
Mäuse erlagen der Infektion in die Bauchhöhle innerhalb 2 — 3 Tagen.
Ratten, Hühner und Tauben waren gegen subkutane und intra-
peritoneale Impfung refraktär. Weitere Untersuchungen über diese
Mikrobie werden in Aussicht gestellt. 0. Voges (Danzig).
Leuckart, Rudolf, Die Parasiten des Menschen und die
von ihnen herrührenden Krankheiten. Ein Hand- und
Lehrbuch für Naturforscher und Aerzte. Zweite völlig umgearbeitete
Auflage. Bd. I. Lieferg. 5. Mit 118 Holzschnitten. Leipzig
(C. F. Winter) 1894.
Wiederum sind 20 Bogen des klassischen Werkes unseres Alt-
meisters fertiggestellt. Mancher der Subskribenten wird ungeduldig
und unwillig die jahrelangen Pausen über sich ergehen lassen. Wer
aber dann eine solche Lieferung sorgfältig durchsieht, muß notwendig
versöhnt sein. Denn es springt in die Augen, daß sich der Autor
niemals begnügt, die Untersuchungen über das gerade vorliegende
Material sorgfältig zusammenzutragen und kritisch zu verarbeiten,
sondern er liefert fast in allen Punkten neue Originalarbeiten.
So haben wir auch in der vorliegenden Lieferung eigentlich wieder
zwei Monosraphieen, Bilharzia und die H i r u d in e e n , die eine
Fülle des Neuen bringen. Leuckart hat neue Untersuchungen an
Bilharzia haematobia und crassa gemacht und kann die
früheren Darstellungen in vielen Punkten berichtigen, so z. B. gestaltet
sich der Bau des männlichen Genitalapparates einfacher, das von
Fritsch als Schalendrüse gedeutete Gebilde ist eine kolbige Ver-
dickung des Uterus (Ootyp), während die Schalendrüsen diffus sind
und unterhalb dieser Verdickung liegen. Vor allem interessiert uns
hier aber der Abschnitt: „Zur Entwickelungsgeschichte der Bil-
harzia“. Erst jüngst berichtete Prof. Braun in dieser Zeitschrift
(Bd. XIV. No. 14. p. 466) über eine vorläufige Mitteilung Sonsino’s,
nach der die Entwickelung der Bilharzia ohne Generationswechsel
geschehen solle, indem sich der Embryo in einem kleinen Krebse zu
einem jungen Distomum metamorphosiere. Leuckart äußert
hiergegen mehrere Bedenken und giebt in einer vorläufigen Mit-
teilung seines Assistenten, Herrn Dr. Looss, der sich zw Zeit
gerade in Alexandrien zum Studium der Entwickelungsgeschichte von
Bilharzia aufhält, eine sehr exakte Beschreibung des Embryos,
dessen Bau die von Sonsino behauptete einfache Entwickelung
durch Metamorphose sehr zweifelhaft erscheinen läßt. Nach Looss
16*
248
Empusa Aulicae.
enthält der Embryo nämlich eine große Menge von Keimballen, die
doch darauf hinweisen, daß ein Sporocystenzustand zu erwarten ist.
Leuckart giebt der Vermutung Raum, der im Wasser sehr bald
freiwerdende Embryo selbst bilde vielleicht für Menschen und Tiere
die Infektionsquelle und mache seinen Sporocystenzustand dann in
demselben Körper durch, ähnlich wie es nach den Untersuchungen
von Grassi bei Taenia murina der Fall ist. Hierdurch würde
das massenhafte Vorkommen in einem Körper seine Erklärung
finden.
Auf die Monographie der Hirudineen einzugehen, ist hier
nicht der Ort, ich will aber nicht zu erwähnen unterlassen, daß
besonders das Studium der Speicheldrüsen und der Exkretionsorgane
außerordentlich interessante Resultate ergeben hat. Die Behandlung
der Geschlechtsorgane und der Entwickelungsgeschichte ist für die
nächste Lieferung Vorbehalten. Außer diesen großen Originalarbeiten
finden sich am Anfänge der Lieferung die kritischen Schilderungen
der zum Teil dubiösen, zum Teil nur unvollkommen beschriebenen
Arten : Distomum ophtalmobium, Monostomum lentis
und Amphistomum hominis. Brandes (Halle).
Tubeuf, C. v., Empusa Aulicae Reich, und die durch
diesen Pilz verursachte Krankheit der Kiefer n -
eulenraupe. Mit 7 Abbildgn. (Forstl.-naturwissensch. Zeitschr.
1893. Heft 1. p. 31—47.)
Verf. giebt zunächst einen ausführlichen geschichtlichen
Ueberblick über die größeren durch Empusa Aulicae Reich,
veranlaßten Epidemieen der Kieferneule (T rach e a piniperda),
wie sie seit dem Beginne des 18. Jahrhunderts beobachtet wurden;
die Einzelheiten desselben sind auf p. 31 — 40 des Originales nach-
zusehen. Es ergiebt sich aus demselben, daß aller Wahrscheinlich-
keit nach jene plötzliche und allgemeine, mit dem Tode endende
Erkrankung der Tiere stets durch die Empusa herbeigeführt wurde,
wobei jedoch zu beachten, daß solches immer erst, nachdem die
Raupen bereits ganz erheblichen Schaden angerichtet
hatten, geschah. Die künstliche Einführung des Pilzes in Bestände,
welche für das nächste Jahr von einem starken Fräße bedroht
werden, dürfte im ganzen wenig Erfolg haben. Für die Ueber-
winterung kommen Dauersporen in Betracht, während die rapide
Ausbreitung durch massenhaft gebildete Conidien geschieht, diese
besitzen jedoch eine relativ kurze Keimfähigkeit.
In dem zweiten, der Biologie und Entwickelung des
Parasiten gewidmeten Abschnitte teilt Verf. eine Reihe bezüglicher
Beobachtungen mit, deren Einzelheiten mehrfach an die von E.
muscae bekannten Thatsachen erinnern. Die fortgeschleuderten
Conidien können ihrerseits — wie auch schon von R. Hartig
beobachtet — wieder Sekundärconidien bilden, und diese
weiterhin Tertiärconidien fortspritzen; der Vorgang kann selbst bis
zur Formierung solcher vierten und vielleicht auch fünften Grades
sich wiederholen, wobei naturgemäß eine successive Größenabnahme
stattfindet. Runde, derbwandige, als Dauersporen gedeutete
Untersuchungsmetlioden, Instrumente etc.
249
Gebilde kommen gegen Ende des Sommers zur Ausbildung, eine
Keimung derselben hat Verf. nicht gesehen. Im übrigen hält der-
selbe diese Species für nicht identisch mit Entomophthora
Goylli, wie solches von Thaxter auf Grund der ersten Angaben
Bail’s angenommen wurde, ßail selbst, wie auch Schröter in
der Cohn’schen Kryptogamenflora, sprach sich späterhin jedoch für
eine Trennung der zwei Species aus. Unstreitig sind aber Aehnlich-
keiten vorhanden.
Ein Versuch der Infektion von Heuschrecken durch den Raupen-
pilz mißlang, ebenso waren Raupen des B ucep h al us immun gegen
denselben, während Gemüseeulen und andere mit Erfolg infiziert
wurden. W e hmer (Hannover).
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Terni, Camillo, La diagnosi diff erenziale del bacillo del
tifo. (Annali dell’ Istituto d’Igiene sperimentale della R. Universitä
di Roma. Vol. III. N. S. Fase. 3.)
Terni kommt bei seinen sorgfältigen Studien über die Typhus-
bacillengruppe zu dem Resultate, daß er meint, es gäbe jetzt genügend
charakteristische Merkmale, um in jedem Falle eine Differentialdiagnose
stellen zu können; der Ansicht, daßBacterium coli uud Typhus-
bacillen Modifikationen einer Urform sind und daß die Typhusähnlichen
den Uebergang zwischen beiden vermitteln, will er nicht direkt wider-
sprechen, ohne sich für sie zu entscheiden. Er hält es für nötig,
zur Sicherung der Diagnose auf Typhusbacillen stets eine Reinkultur
dieses Organismus zur Kontrolle herbeizuziehen.
Die Untersuchungen Terni’s beschäftigen sich hauptsächlich
mit der Gärungsfähigkeit und der Beweglichkeit der Bakterien aus
der Typhusgruppe. Das verschiedene Gärungsvermögen des Typhus-
bacillus und desBacterium coli bildet ein wesentliches Unter-
scheidungsmerkmal beider. Es ändert sich nicht bemerkbar unter
dem Einflüsse des diffusen Lichtes und des Sauerstoffes, ebensowenig
in reinem oder verunreinigtem Boden und Wasser und in Faeces,
also unter Bedingungen, wie sie die Organismen in der Natur finden.
Das Gärungsvermögeu vermag aber im allgemeinen nicht zur Trennung
der Typhusähnlichen vom Typhusbacillus auszureichen.
Weiter kommt man hier bei Beachtung der Besonderheiten,
welche der Typhusbacillus in seiner Beweglichkeit zeigt. Das
Optimum für diese liefert ein Nährboden, welcher aus peptonfreier
Bouillon mit 3 Proz. Glycerin besteht und entsprechend 0,01 Proz.
HCl natursauer ist. In diesem Substrate erhält der Typhus-
bacillus seine Motilität acht Tage und länger. In 1-proz. Pepton-
bouillon hört er nach 72 Stunden auf, sich zu bewegen , während
dieser Zeit aber ist er sehr lebhaft beweglich, wenn der Nährboden
neutral oder leicht sauer ist. Die Bacillen ziehen schnell in langen
250
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Reihen parallel dem Rande des Tropfens hin und erinnern in ihrer
Bewegung lebhalt an die Züge der Ameisen ; die Temperatur darf
nicht unter 12° sinken, wenn Bewegung beobachtet werden soll.
Kein anderer Organismus zeigt solch eine charakteristische Bewegung.
Einflüsse, welche die Motilität des Typhusbacillus bis zur
Vernichtung herabsetzen können, sind, was das Substrat angeht: Zu
langes Kochen der Bouillon, wodurch die gelösten albuminoiden Sub-
stanzen verändert werden; Gehalt an Pepton über 3 Proz., an Gly-
kose, Laktose, Liebig’s und Kemmerich’s Fleischextrakt; Ver-
wandlung der Zuckersubstanzen der Bouillon in Karamel; höhere
Grade natürlicher Säure als 1 Proz., auf Milchsäure bezogen; von
Mineralsäuren HCl mehr als 0,1, H2S04 mehr als 0,03, HN03 mehr
als 0,07 Proz.; stärkere Alkalescenz als KHO 0,01, Ca(OHa) 0,1,
Na2C03 0,09 Proz. in KHO; Ammoniaksalze in Mengen von 10 Proz.
für NH4C1, 0,8 Proz. für (NH4)2C03 und 4,5 Proz. für NH4N03;
Kloakenjauche, wenn sie dem Medium eine Alkalescenz über 0,6 Proz.
KHO hinaus verleiht.
In klarem Quell-, Fluß- und Meerwasser ist der Typhus-
bacillus unbeweglich; er wird beweglich, wenn die Menge der or-
ganischen Substanz mindestens einer Oxydierbarkeit des Wassers von
0,01 Proz. 0 entspricht. Wenn er seine Beweglichkeit verloren hat,
erlangt er sie in charakteristischer Weise unter günstigen Bedingungen
sofort wieder. Das Bacteri u m coli und die vonTerni studierten
typhusähnlichen Organismen sind in sauren Nährböden unbeweglich
und besitzen überhaupt einen anderen Bewegungsmodus, als der
Typhusbacillus. Abel (Greifswald).
Zabolotny, Zur Frage der raschen Bakteriendiagnose der
Cholera. (Dtsch. med. Wochenschr. 1833. No. 51.)
Auf der bakteriologischen Station zu Odessa wurden während der
verflossenen beiden Cholerajahre verschiedene Verfahren der Bakterien-
diagnose zur Anwendung gezogen. Soweit nicht typische Reiswasser-
stühle zur Untersuchung gelangten, bewährte sich die Kultur auf
Eiweißplatten am besten, da sie schon nach 5—6 Stunden im Brüt-
ofeu charakteristische Kolouieen lieferte. Das Hühnereiweiß wurde
nach Rosenthal oder nach Tarchanoff und Kolesnikoff be-
handelt, mit oder ohne Gelatine und Bouillonzusatz, demnächst in
Petrischalen ausgegossen und im Dampf koch topfe oder in gleicher
Weise wie Blutserum zur Gerinnung gebracht. Die vollkommen
durchsichtigen Platten hatten vor der Gelatine den Vorzug, im Brüt-
schranke aufbewahrt werden zu können und vor dem Agar den Vor-
teil, daß die auf ihm entstehenden Cholerakolonieen ein sehr charak-
teristisches Aussehen zeigten. Sie wurden mit Aufschwemmungen
der Dejektionen, bezw. der von solchen Aufschwemmungen angelegteu
Verdünnungen benetzt und im Brütschranke schräg gestellt; die im
tieferen Teile sich ansammelnde Flüssigkeit verhinderte dann das
Austrockuen der Oberfläche. Kübler (Berlin).
Freymutli und Lickfett, Nochmals zur Diagnose der
Cholera mittelst Agarplatten. (Dtsch. med. Wochenschr.
1893. No. 52.)
Untersttchuagsmethoden, Instrumente etc.
251
Die Verff. verteidigen das von ihnen angegebene Verfahren zur
Schnelldiaguose der Choierabakterien (vgl. Bd. XIV. p. 80) gegen
die Ein wände Sc hi 11er ’s (vgl. ßd. XIV. p. 292). Wenn sich bei
Anwendung des Verfahrens auf der Oberfläche des Nährbodens ein
der Trennung der einzelnen Kolonieen unzuträglicher ßakterienschleier
bildet, so kann das au einer zu reichlichen Aussaat liegen. Der Be-
netzung der Plattenfläche mit Kondenswasser ist ein derartiger
Uebelstand zuzuschreibeu, wenn der Nährboden in Petrischalen
ausgegossen war, innerhalb deren das Kondenswasser nicht abfließen
kann. Trägt mau ihn dagegen nach dem Vorgänge der Vertf. auf
Objektträger auf, und setzt mau diese demnächst innerhalb einer
Doppelschale, deren Deckel an seiner Innenfläche mit Fließpapier be-
kleidet ist, der Brutwärme aus, so fließt das Kondenswasser nach unten
ab und das Fließpapier hindert das Herabtropfen auf die Oberfläche
des Nährbodens. Bei der mikroskopischen Untersuchung der ge-
wachsenen Kolonie ist die Anwendung eines Deckglases nicht ratsam,
da dessen leichter Druck genügt, um die Flüssigkeit aus dem Nähr-
boden hervortreten zu lassen und die Oberflächenkolonie zu zer-
drücken. Das Fischen mit der Bakterienharpune ist weniger zeit-
raubend, als das von Schiller empfohlene zweizeitige Verfahren
und führt sicher und bequem zum Ziele. Kübler (Berlin).
Maalsen, A., Zur bakteriologischen Diagnose der asia-
tischen Cholera. Ein neues Anr ei cheruugsver fahren
für Spirillen und Vibrionen. (Arbeiten a. d. Kaiserl. Ge-
suudheitsamte. 1894. p. 122 — 126.)
Während man sich bei den bisher gebräuchlichen Anreicherungs-
Verfahren ausschließlich flüssiger Nährmedien bedient, grüudet
sich die neue Methode des Verf.’s auf die Eigentümlichkeit der
Choleravibrionen, auf festem Blutserum üppig zu gedeihen,
in die Tiefe zu wuchern und diesen Nährboden durch
Peptonisieren kräftig zu verflüssigen, eine Eigenschaft,
welche die Cholerabakterien vor vielen in Choleraobjekten — Darm-
iuhalt, Faeces — vorkommenden Bakterien auszeichuet.
Die Ausführung des neuen Verfahrens, welches sich in erster
Linie für den schnellen Nachweis der Choleravibrioneu in Darm-
entleerucgen und im Darminhalte von Leichen vorteilhaft verwerten
läßt, ist sehr einfach. „Breiige oder salbenweiche Massen werden
mit einem dicken Platiudrahte oder kleinen Platinspatel auf die
Serumtiäche ausgestrichen; mau beschickt einige Röhrchen mit mehr,
andere mit weniger Material. Dünnflüssige Massen bringt man ent-
weder in Form von Tupfen mit der Oese oder mit einem sterilen
Glasröhrchen auf das Serum oder man verreibt sie gleichmäßig.
Sind Flocken vorhanden, so fischt mau eine Anzahl heraus und
breitet sie auf dem Serum aus. Geformte oder breiige Stühle rührt
mau zweckmäßig zur Auffindung der Schleimfiockeu mit Pepton-
wasser an.“
Bei Anwesenheit von Choleravibrionen erscheinen die besäeten
Stellen nach 6 — 12, spätestens nach 20 Stunden wie angefressen; es
bilden sich Löcher und Rinnen, aus deren Tiefe man die Vibrionen
252 Schutzimpfung, kÜDstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
meist fast in Reinkultur herausholen kann. Oft ist die Anreicherung
der Vibrionen schon vor sichtlicher Erweichung und Verflüssigung
des Serums (nach 3 — 4 Stunden) nachzuweisen. In manchen Fällen
läßt mau zweckmäßig auf die erste Blutserumanreicherung eine zweite
auf Serum oder in Pepton-Kochsalzlösung folgen.
„Für den Nachweis der Cholera im Wasser kann man das
Blutserum als zweite Vorkultur aus der ersten Pepton-Kochsalz-
anreicherung verwerten. Bei solchen Versuchen hat es sich gezeigt,
daß das Blutserum in gewisser Beziehung als eine Spirillen- oder
Vibrionenfalle wirkt. Formen, die mau auf anderen Nährsubstraten
nicht zum Wachsen bringt, gedeihen auf dem festen Serum und
können durch zweckentsprechendes Verfahren auf diesem Nährboden
in Reinkultur gezüchtet werden.“
Die Vorteile des schräg erstarrten Blutserums als Anreicherungs-
kultur, welches neben dem Peptonwasser bei zahlreichen, während
des letzten Jahres im Kaiserl. Gesundheitsamte ausgeführten Unter-
suchungen von Choleraobjekten vorzügliche Resultate geliefert hat,
werden vom Verf. in folgenden Sätzen präzisiert:
„1) Man kann, insbesondere von nicht diarrhöischen Stühlen, die
voraussichtlich nur wenige Kommabacillen enthalten, mehr Material
zur Aussaat bringen, als in Peptonröbrchen.
2) Die Verflüssigung des Serums innerhalb 24 Stuudeu ist ein
makroskopisches Zeichen für die Wahrscheinlichkeit der Anwesenheit
von Choleravibrionen.
3) Fehlt dieses Zeichen nach Ablauf von 24 Stunden, so sind
Choleravibrionen nicht vorhanden.
4) Ein Ueberwuchern der Choleravibrionen durch andere Bak-
terien findet auf dem Serum innerhalb 24 Stunden nicht so leicht
statt, wie in flüssigen Nährsubstraten. Mithin kann man sich die
ängstliche Ueberwachung der Anreicherungskultur ersparen.“
Busse (Berlin).
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
ßomträger, Desinfektion oder Verhütung und Vertrei-
bung ansteckender Krankheiten. Für Aerzte, Verwal-
tungsbeamte und Gebildete jedes Berufes. Leipzig (H. Hartung
& Sohn) 1893. Preis 2,40 M.
Verf. hat sich, wie er im Vorworte seines Buches ausführt, die
Aufgabe gestellt, den durch die Choleragefahr und ihre Bekämpfung
angeregten Wissensdurst der Bevölkerung in hygienisch -epidemio-
logischen Fragen zu befriedigen. Er beginnt mit einer gemein-
verständlichen Schilderung der Bakterien, ihrer Bedeutung und ihrer
Bekämpfung und bespricht im einzelnen die Maßregeln zur Verhütung
der Einschleppung, der Verbreitung und der Ansiedelung pathogener
Schutsimpfung, kiinstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 253
Bakterien. Hierbei werden Sperren und Quarantänen, Kranken-
absonderung, Beaufsichtigung verdächtiger Personen, Verkehrskontrolle
und Beschränkungen, öffentliche Belehrungen, Maßnahmen auf dem
Gebiete des Leichenwesens, der Wasserversorgung, Wohnungshygiene
und anderes erörtert und gewürdigt. Der letzte Abschnitt enthält
unter dem zusammenfassenden Titel Desinfektion einerseits that-
sächlich Erklärungen über den Wert und die Anwendungsweise der
Desinfektion im allgemeinen, wie ihrer einzelnen Verfahren ; anderer-
seits eine Kritik des gegenwärtigen Standes der öffentlichen Gesund-
heitspflege, der Stellung der Medizinalbeamten, der Aerzte, der
höheren Gesundheitsbehörden u. s. w.
Es kann nur anerkanut werden , daß der Verf. den Versuch
gemacht hat, das Dunkel, in welchem sich der weitaus größte Teil
der „gebildeten“ Bevölkerung unseres Vaterlandes hinsichtlich aller
die menschliche Gesundheit und ihre Gefahren betreffenden Fragen
befindet, etwas zu erhellen und gegenüber den wunderlichen An-
schauungen und Entstellungen, welche ungenannte Verfasser in den
politischen Zeitungen, Naturheilkundige und mehr oder weniger
angesehene wirkliche Aerzte in Volksversammlungen, Belehrungs-
schriften, Pamphleten während der letzten beiden Jahre verbreitet
haben, aufklärend zu wirken. Die besondere Bestimmung dieser
Zeitschrift verbietet es jedoch, im einzelnen zu erläutern, in welcher
Weise der Verf. seine Aufgabe gelöst hat. Ref. möchte nur folgende
Punkte hervorheben:
Obwohl es unbestreitbar als ein Vorzug des Buches bezeichnet
werden kann, daß die Darstellung klar ist und dem Standpunkte
eines nichtwisseuden Lesers in zweckmäßiger Weise sich anpaßt, so
dürfte der beabsichtigte nützliche Zweck noch besser erreicht worden
sein, wenn der Stoff strenger gesichtet und demgemäß der Umfang
des Buches beschränkt worden wäre. Auch unter den wirklich nach
Belehrung verlangenden Laien wird die Mehrzahl sich, wie Ref.
fürchtet, begnügen, die ersten Seiten zu lesen, dann aber das Buch,
durch seinen Umfang (164 Seiten) abgeschreckt, aus der Hand legen.
Dasselbe wird dann auch den Zweck eines Nachschlagebuches nicht
leicht erfüllen, weil ein alphabetisches Register fehlt. Zum Nachteile
kann es dem Buche ferner gereichen, daß der Verf. in den Fragen
der Quarantäne und Absperrungsmaßregeln sowie andererer Verkehrs-
beschränkungen einen Standpunkt einnimmt, welcher von den gegen-
wärtig an leitender Stelle befindlichen Hygienikern der verschiedenen
Schulen nicht geteilt wird. So weitgehende Maßregeln, wie der Verf.
für nützlich hält, werden zur Durchführung in Deutschland jedenfalls
in sachverständigen Kreisen nur wenige befürwortende Stimmen
finden. Immerhin aber handelt es sich bei dem besprochenen Buche
im ganzen doch um ein nützliches Unternehmen, dessen Förderung
empfohlen werden muß, und im besonderen gewährt es eine Genug-
tuung, daß nach den vielfachen Entstellungen und gehässigen An-
feindungen nun doch auch einmal eine wohlwollende Erklärung und
Begründung der zur Seuchenbekämpfung bei uns zur Anwendung
gelangten Maßnahmen in die Bevölkerung getragen wird.
K übler (Berlin).
254 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Kubier, Die Gesetzgebung zur Bekämpfung gemein-
gefährlicher Krankheiten in einigen Staaten des
Auslandes. (Deutsche med. Wochenschr. 1893. No. 14.)
Eine kurze, übersichtliche Zusammenstellung der in verschiedenen
europäischen Staaten bereits herrschenden Gesetze zur Bekämpfung
infektiöser Krankheiten, welche beweist, daß Deutschland mit der Vor-
lage eines Seuchengesetzes keineswegs den Anfang gemacht hat und
daß viele Bestimmungen des deutschen Entwurfes, welche bei uns als
zu weitgehend verurteilt werden, in anderen Ländern seit Jahren zu
Recht bestehen, ohne Klagen der Bevölkerung hervorzurufen.
Abel (Greifswald).
Montefusco, Azione delle basse temperature sullaviru-
lenza degli spirilli del colera. (Annali dell’ Istituto
d’Igiene sperimentale della R. Universitä di Roma. Vol. III. N. S.
Fase. 1. p. 31.)
Die Versuche des Verf.’s sollen zeigen, daß Cholerabouillonkulturen
bei Temperaturen von 0 bis — 5° während einer halben Stunde eine
Herabsetzung ihrer Virulenz erfahren, bei — 10 bis — 15° ihre Virulenz
in derselben Zeit ganz verlieren. M. hat diese Thatsache allerdings
nur für die stomachale Infektion von Meerschweinchen bewiesen; in
dem einzigen Versuche, in welchem er Meerschweinchen intraperitoneal
infiziert, bringt er fünf Tieren eine Dosis, welche bei nicht abgekühlten
Kulturen sicher tätlich wirkt, von einer Bouillon bei, die 2 Stunden
lang — 15° ausgesetzt gewesen ist; alle fünf Tiere sterben, so daß
die Virulenz der Choleraspirillen doch nicht ganz verschwunden ge-
wesen zu sein scheint. Bekanntlich wirkt die intraperitoneale In-
jektion von Choleravibrionen sicherer letal, als die stomachale, auch
von M.’s Konfrontieren überlebten bei dem letzteren Infektionsmodus
mehrere.
Die Cholerakulturen, welche unter der Einwirkung der Kälte ihre
Virulenz verloren haben, erlangen dieselbe bei Umzüchtung und Kul-
tivierung bei 37° wüeder. Werden bei 50° abgetötete Kulturen
niedrigen Temperaturen ausgesetzt, so macht sich keine Abnahme der
darin enthaltenen Giftstoffe bemerkbar.
Das Ueberstehen einer Impfung mit abgekühlten Kulturen schützt
Meerschweinchen gegen eine nachfolgende Infektion mit Cholera-
spirillen oder Intoxikation mit Choleragiften. Abel (Greifswald).
Witkowski, Stanislaus von, Ueber Cholerabehandlung.
(Wiener medizinische Presse. 1893. No. 41.)
Bei der asiatischen Cholera handelt es sich um eine Vergiftung,
die vorzugsweise das Herz und die Cirkulationsbahnen lähmt; der
Wasserverlust des Körpers ist nur von untergeordneter Bedeutung; die
subkutanen Salzwasserinfusionen haben demgemäß nur einen geringen
Wert. Bei der Cholerabehandlung sind vielmehr 3 Indikationen zu
erfüllen und danach die Mittel zu wählen. Die erste bezweckt d i e
Ausscheidung der Giftstoffe (Erbrechen und Durchfälle sind
durch lindernde Mittel zu beeinflussen); die zweite die Herzthätig-
keit zu heben (subkutane Kampferinjektionen), die dritte hat zur
Schutzimpfung, künatl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 255
Aufgabe, den Darm zu desinfizieren. Die letzte Indikation
wird im Stadium alleiniger Durchfälle durch Salol mit Bismuthum
salicylicum erfüllt; sind Brechdurchfälle oder Erbrechen vorhanden, so
ist Cocain am Platze, dem man zweckmäßig Kreosot zusetzt.
Auch Ichthyol wirkt besonders im Stadium typhoideum günstig.
Nachdem das Erbrechen nachgelassen hat, hat man stets dafür
Sorge zn tragen, daß der Magen nicht ganz leer ist. In der
Rekonvalescenz sind schwer verdauliche Speisen zu vermeiden.
Kurt Müller (Halle).
Busclike, Ueber die Immunisierung eines Menschen
gegen Tetanus. (Dtsch. med. Wochenschr. 1893. No. 50.)
In der chirurgischen Universitätsklinik zu Greifswald war ein
Kranker an Tetanus verstorben. Das Blutserum desselben besaß, wie
Tierversuche zeigten, eine toxische Wirkung nicht. Um zu prüfen,
ob es immunisierende oder heilende Kraft gegenüber der experimentell
bei Tieren erzeugten Krankheit besaß, unternahm der Verf. damit
Impfversuche bei Mäuseu. Bei einem derartigen Versuche verletzte
er sich die Volarfläche des kleinen Fingers mit der Kanülenspitze der
Spritze, welche vorher behufs Einverleibung des Serums einer Maus
in der Gegend der mit Tetanusbouillon geimpften Stelle unter die
Rückenhaut eingeführt worden worden war. 5 Tage darauf ließ
sich der Verf. 5 ccm Behrin g’sches Heilserum, d. h. das 30-
fache derjenigen Menge, welche nach Behring zur Immunisierung
vor der Impfung hingereicht haben würde (das Serum hatte
einen Immunisierungswert von 1 : 100000), in das Unterhaut-
gewebe der Streckseite des linken Oberschenkels injizieren. Etwa
am vierten Tage nach dieser Injektion begannen sich leise rheuma-
tische Schmerzen in der Körpermuskulatur zu zeigen, gleichzeitig
bildete sich eine schmerzhafte Anschwellung einer linksseitigen
Leistendrüse. Zwei Tage später entstand ein urticariaähnliches
Exanthem in der Gegend der Injektionsstelle, welches sich fernerhin
noch weiter am Oberschenkel ausbreitete. Zugleich nahm die
Schwellung und Schmerzhaftigkeit der Leistendrüse zu. Fieber stellte
sich ein, ein großes Hinfälligkeitsgefühl bemächtigte sich des Kranken.
Die Muskelschmerzen steigerten sich mehr und mehr und gewannen
in den folgenden Tagen einen eigentümlichen Charakter. Sie durch-
zuckten blitzartig die Gliedmaßen und die Rumpfmuskulatur ein-
schließlich der Atemmuskeln und wurden durch ganz leichte Be-
wegungen plötzlich ausgelöst. Zu Krämpfen kam es dagegen nicht.
Dieser Zustand währte etwa 2 Tage. Dann gingen alle Erscheinungen
allmählich zurück, bis der Kranke wenige Tage darauf sich als ge-
nesen betrachten konnte.
Die Epikrise der vorstehenden Krankengeschichte läßt sich nicht
in Form eines kurzen Referates wiedergeben und muß daher im
Originale nachgelesen werden. Sie führt den Verf. zu der Folgerung,
daß es sich wahrscheinlich um einen durch das Behring’sche Mittel
abgeschwächten Tetanus gehandelt hat. Um diese Annahme voll-
giltig zu beweisen, sei es indessen notwendig, auszuschließen, daß
alle Symptome entweder als Nebenwirkungen des sterilen Pferde-
256 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
serums oder als Immunisierungserscheinungen unmittelbare Folgen der
Einverleibung des ß ehr ing’ sehen Mittels gewesen seien. Der letzt-
bezeichnete Beweis würde sich jedoch nur durch neue, am Menschen
anzustellende Versuche erbringen lassen. K üb ler (Berlin).
Maiselis, Issai, Ueber die erworbene Immunität nach
menschlichen Infektionskrankheiten. [Inaug. - Diss.]
8°. 29 p. Berlin 1893.
Während die Immunität auf der Fähigkeit der zellenfreien Blut-
flüssigkeit beruht, die toxischen Substanzen, welche die Bakterien
produzieren, unschädlich zu machen, ist es noch nicht als feststehend
zu erachten, wie es sich mit der durch das Ueberstehen einer Infek-
tionskrankheit erworbenen Immunität des Menschen verhält. Verf.
stellte deshalb die in der Litteratur ihm zugänglichen Fälle wieder-
holter Erkrankungen an Infektionskrankheiten zusammen, d. h. nur
solche, bei welchen die Intervalle zwischen den Erkrankungen von
größerer Zeit waren und unzweifelhaft wiederholte Erkrankungen
darstellen. Es bestätigt sich, daß auch für den Immunisierungs- bez.
Heilungsvorgang der Natur quantitative Verhältnisse maßgebend sind;
je intensiver die Produktion der Immunisierungsstoffe, desto dauern-
der die Immunität.
Bei den Pocken sind zweimalige Erkrankungen oftmals beob-
achtet, dreimalige sind neunmal angegeben, Centanni berichtet von
einer siebenmaligen.
Zweimalige Scharlacherkrankungen sind im allgemeinen selten,
doch giebt Maiselis deren 29 an; dreimalige 4, achtmalige 1
(Scarlatina habitualis).
Dasselbe gilt von den Masern, deren zweimaliges Auftreten bei
demselben Individuum sogar von Aerzten geleugnet wird. 36 Fälle
zweimaliger, 1 Fall dreimaliger Erkrankung.
Typhus abdominalis pflegt nach klinischer Erfahrung nur einmal
den Menschen zu befallen, doch beweiseu zahlreiche Angaben, daß
Fälle zwei-, drei- und selbst viermaliger Erkrankung bei ein und
demselben Individuum Vorkommen.
Auch die Cholera asiatica gewährt durch das einmalige Ueber-
stehen eine Immunität, ohne sicher zu schützen.
Im ganzen vermochte Verf. folgende Zusammenstellung zu liefern :
Erkrankung zwei-
drei-
viermalig
Summe
Pocken
505
9
—
514
Scharlach
29
4
—
33
Masern
36
1
—
37
Typhus abdominalis
202
5
i
208
Cholera asiatica
29
3
2
34
E. Roth (Halle a. S.).
Bark, J., Aural Catheter Steam Sterilizer. (Journ. of
Laryng., Rhinol, and Otol. Vol. VI. No. 7.)
Eine Hohlkugel aus Metall von etwa 2 cm Durchmesser, die am
oberen Pole mittelst Schraube und Mutter mit einer zur Horizontalen
abgebogenen Metallröhre verbunden ist. Letztere ist an ihrem freien
Neue Litteratur.
257
Ende mit einem konischen Gummiring versehen. Außerdem trägt
die Kugel eine kleine Drahtöse in der Nähe der Schraubenmutter.
Die Kugel wird zur Hälfte mit Wasser gefüllt, die Röhre dicht auf-
geschraubt, das breite Ende des Katheters auf den Gummikonus
aufgeschoben und die Kugel nun mittelst Zange oder eines durch
die Oese gesteckten Stäbchens (Zündhölzchen) über eine Weingeist-
oder andere Flamme gehalten. Nach kurzer Zeit wird ein kräftiger
Dampfstrahl durch den Katheter getrieben, der das Instrument
gründlich reinigt, worauf es bis zum Gebrauche in einer antiseptischen
Flüssigkeit aufbewahrt wird. Krdl (Prag).
Neue Litteratur
zusammengestellt von
De. Abthub Wübzbueg,
Bibliothekar im Kaiserlichen Gesundheitsamte in Berlin.
Morphologie und Systematik.
Johne, Notwendige Ergänzung zu meinem Artikel „Zur Kenntnis der Morphologie der
Milzbrandbacillen“. (Dtscbe Ztschr. f. Tiermed. 1894. Bd. XX. No. 1. p. 73 — 74.)
Biologie.
(Gärung, Fäulnis, Stoffwccbselprodukte u. s. w.)
Gamaleia, P. N.. Ueber das Leben der Cholerabacillen im Wasser unter dem Einflüsse
des Eintrocknens und der Feuchtigkeit. (Dtsche med. Wchscbr. 1893. No. 51. p. 1350
— 1353.)
Kuprianow, J., Beiträge zur Biologie der Vibrionen. (Arch. f. Hygiene. 1894. Bd. XIX.
No. 3. p. 282—294.)
Beziehungen der Bakterien und Parasiten zur unbelebten Natur.
Nahrungs- und Genussmittel, Gehrauchsgegenstände.
Edel, M , Untersuchungen über den Bakteriengehalt des Badewassers. (Arch. f. Hygiene.
1894. Bd. XIX. No. 3. p. 225—247.)
Beziehungen der Bakterien und Parasiten zur belebten Natur.
Krankheitserregende Bakterien und Parasiten bei Menschen.
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30. Oktober 1893. (Veröffentl. d. kaiserl. Gesundheits-A. 1893. No. 51. p. 994.)
Exan thematische Krankheiten.
(Pocken [Impfung], Flecktyphus, Masern, Rötbein, Scharlach, Friesei, Windpocken.)
Barrault, Le typhus exanthömatique ä la prison de la sante. (Gaz. d. höpit. 1893.
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Hope, E. W., Recent outbreaks of small-pox in Liverpool and the action in connectiou
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260
Inhalt.
Inhalt.
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Leuckart, Rudolf, Die Parasiten des Men-
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Reinbach, G. , Ueber das Verhalten der
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Sanarelli, Les vibrions des eaux et l'ätio-
logie du choldra, p. 240.
Snow, The so-called ,,parasitic protozoa“
of mammary carcinoma, p. 243.
Tedeschi, A. , Untersuchungen über die
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die Nervencentra, p. 242.
Tubeuf, C. v., Empusa Aulicne Reich, und
die durch diesen Pilz verursachte Krank-
heit der Kieferneulenraupe, p. 248.
Unna, Zur Kenntnis der hyalinen Degene-
ration der Carcinomepithelien, p. 246.
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Freymuth u. Lickfett, Nochmals zur Dia-
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Maafsen, A., Zur bakteriologischen Dia-
nose der asiatischen Cholera. Ein neues
Aureicherungsverfahron für Spirillen und
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Terni, Camillo, La diagnosi differenziale
del bacillo del tifo, p. 249.
Zabolotny, Zur Frage der raschen Bak-
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Schutzimpfung, künstliche Infektions-
krankheiten, Entwickelungshemmung
und Vernichtung der Bakterien
und Parasiten.
Bark, J., Aural Catheter Steam Sterilizer,
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Bornträger, Desinfektion oder Verhütung
und Vertreibung ansteckender Krank-
heiten, p. 252.
Buschke, Ueber die Immunisierung eines
Menschen gegen Tetanus, p. 255.
Kubier, Die Gesetzgebung zur Bekämpfung
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gen Staaten des Auslandes, p. 254.
Maiselis, Issai, Ueber die erworbene Im-
munität nach menschlichen Infektions-
krankheiten, p. 256.
Montefusco, Azione delle hasse tempera-
ture sulla virulenza degli spirilli del
colera, p. 254.
Witkowski, Stanislaus von, Ueber Cholera-
behandlung, p. 254.
Neue Litteratur, p. 257.
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Jährlich erscheinen zwei Bände.
— Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. %*—
Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
kunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an
den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena , gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage , später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original- Mittheilungen.
Ueber die Kerne der Milzbrandsporen.
[Aus dem hygienischen Institute der kaiserl. Universität in Moskau.]
Von
TV. Ukewicz.
Mit 1 Figur.
Obgleich gegenwärtig schon viele Arbeiten über den Bau der
Mikroorganismen im allgemeinen und einzelner Mikroben im be-
sonderen existieren, so ist doch die Frage über die Sporen-
kerne noch so wenig bearbeitet, daß man sie als gänzlich offen
betrachten kann. Die Unzulänglichkeit der uns zur Verfügung
stehenden optischen Hilfsmittel bei dem Betrachten so kleiner Ob-
jekte, wie die Sporenkerne der Bakterien, und der Mangel an Färbe-
XV. Bd. 17
262
W. Ilkewicz,
methoden, welche uns gestatten würden, diese kleinen Objekte sicht-
bar zu machen, haben bis auf die jüngste Zeit die Forscher bewogen,
die Entscheidung dieser Fragen der Zukunft zu überlassen. Am
frühesten ist denselben nahe getreten Herr Nil Sjöbring, dessen
Arbeiten ich, wenn auch nur in kurzen Worten, am Ende meiner
Mitteilung Erwähnung thun werde. Mit Hilfe einer von mir
für mikrophotographische Zwecke empfohlenen Färbemethode, welche
ich in einem der Redaktion des „Wratsch“ (russisch) bereits einge-
sandten Artikel: „Methode zum Färben der Bakterien vermittelst
Ueberosmiumsäure zu Zwecken der Mikrophotographie, und einige
Worte über das Färben der WTimperhaare (Geißeln) bei den Bakterien
nach der Lo effle r’ sehen Methode“ beschrieben habe, gelang es
mir, bei den Milzbrandsporen u. a. solche Gebilde zu entdecken, welche
man meiner Meinung nach für Kerne ansehen muß.
Mit Rücksicht auf das Interesse, welches die beim Färben der
Milzbrandbacillen nach der erwähnten Methode erhaltenen Gebilde
darbieten, erlaube ich mir vorläufig kurz zu beschreiben, was mir in
den Milzbrandsporen zu sehen gelang und auf welche Weise es mir
glückte, diese Gebilde zu färben. Ich gebe keine Beschreibung der
chemischen Seite meiner Färbemethode, da eine solche ziemlich
detailliert in dem oben erwähnten Artikel enthalten ist, und wende
mich direkt zur Beschreibung der Methode, mit deren Hilfe ich bei
verschiedenen Mikroorganismen höchst interessante Bilder erhielt und
die es mir ermöglichte, unter anderem in den Milzbrandsporen die
Gegenwart von Kernen zu konstatieren und den Teilungsprozeß der
Spore selbst zu beobachten.
Das Prinzip der Methode, welche ich zur Färbung der Einzel-
heiten des Bakterienbaues empfehle, ist von mir einer histologischen
Arbeit des Herrn Dr. K o 1 o s s o w entnommen, welcher zur Aufklärung
der Struktur des Pleuroperitoneal- und Gefäßepithels (Endothels) die
Fähigkeit der Ueberosmiumsäurelösung benutzt, sich bei der Be-
rührung mit Tanninlösung oder Pyrogallussäure zu desoxydieren und
sich im ersten Falle schwarz, im zweiten aber bläulich - schwarz zu
färben x). Diese äußerst empfindliche Reaktion bildet auch die Grund-
lage der vonKolossow gefundenen und ausgearbeiteten neuen Me-
thode der Bearbeitung der Gewebe, vermittelst welcher er im Bau
nicht nur des archiblastischen Pleuroperitonealendothels, sondern
auch des paroblastischen Gefäßendothels Einzelheiten entdeckte,
welche bis jetzt unbekannt geblieben waren *). Die Färbungsmethode,
mit deren Hilfe er diese Resultate erzielte, besteht in folgendem:
Die zum Färben bestimmten Präparate werden vorerst in einer
Mischung von Ueberosmiumsäure, Spiritus, Wasser und Salpetersäure
fixiert und sodann in eine Flüssigkeit getaucht, welche von Kolossow
„Reduktionsflüssigkeit“ benannt worden ist und auf folgende Weise
präpariert wird: 30 g Tannin werden in 100 ccm destillierten
W'assers aufgelöst und auf 24 Stunden in einem offenen Gefäße
stehen gelassen; der sich am Boden bildende Niederschlag wird ab-
1) Zeitschrift für wiss. Mikroskopie u. f. mikr. Technik. Bd. IX. H. 1. p. 38 — 43.
2) A. Kolossow, Archiv für mikroskop. Anatomie. Bd. XLII. p. 318 — 383.
Ueber die Kerne der Milzbrandsporen.
263
filtriert, das Filtrat aber wird mit einer Lösung von 30 g Pyrogallus-
säure in 100 ccm destillierten Wassers gemischt. Zu dieser Mischung
werden dann noch 250 ccm destilliertes Wasser, 100 ccm 85-proz.
Spiritus und 50 g Glycerin hinzugefügt.
Beim Studium der Arbeit Kolossow’s fiel mir ein, seine Me-
thode zum Färben der Bakterien behufs Photographierens derselben
anzuwenden. Zu gleicher Zeit hegte ich die Erwartung, diese Methode
könnte zur Aufkläruug des Baues der Bewegungsorgane (Wimperhaare)
der Bacillen und der Struktur der Bakterien selbst beitragen. Der
Versuch ergab insofern negative Resultate, als sich die Bakterien
entweder gar nicht oder doch nur so schwach färbten, daß man unter
dem Mikroskope kaum ihre Umrisse unterscheiden konnte. Es war
also nötig, die Intensität des Färbens zu erhöhen, und da ich den
Mißerfolg zu erklären wünschte, bemühte ich mich, soweit es mir
möglich erschien, einerseits die Eigenschaften der Ueberosmiumsäure
an und für sich (behufs Begünstigung ihres Einsaugens in den Mi-
krobenleib), und andererseits die Eigenschaften der Bestandteile der
Kolossow’schen Reduktionsflüssigkeit (behufs Erhöhung der desoxy-
dierenden Fähigkeit dieses Reagens) zu studieren. Die Aufklärung
der bei dieser Färbemethode vor sich gehenden chemischen Prozesse,
sowie auch experimentelle Untersuchungen ermöglichten es mir, den
Grund des Mißerfolges zu finden. Es zeigte sich nämlich, daß die
negativen Resultate beim Färben der Bakterien nach der Methode
Kolos so w nicht davon abhängen, daß der „Entwickler“ die 0s04
in dem von ihr durchtränkten Gewebe ungenügend reduziert, sondern
davon, daß die 0s04 nicht in das Innere der Gewebe eindringt, da
sie schon auf der Oberfläche der Bacillen zur Entstehung einer dichten,
undurchdringlichen Hülle von Albuminaten der 0s04 Veranlassung
giebt. Um die Bildung dieser Hülle zu verhindern, versuchte ich 0s04-
Lösungen verschiedener Konzentration verschiedene Quantitäten von
Oxalsäure, Propionsäure, Milchsäure, Essigsäure, Salpetersäure u. dgl.
hinzuzufügen; doch blieben die Resultate ebenso negativ wie früher.
Positive Resultate erhielt ich erst dann, als ich der 1/2- proz. 0s04-
Lösung Ameisensäure hinzufügte und das Präparat in dieser Lösung
erwärmte; jetzt konnte ich die Mikroorganismen sogar in ein ge-
sättigtes Schwarz färben. Das Studium der einzelnen Bestandteile
der Kolossow’schen Reduktionsflüssigkeit sowie auch der Mischung
selbst veranlaßte mich, dieser Flüssigkeit schwefligsaures Natron (in
weiter unten angegebener Quantität) hinzuzufügen, wodurch die Energie
der bei dieser Färbungsmethode entstehenden chemischen Prozesse be-
deutend erhöht wird.
Ich muß bemerken, daß ich die Kolo ssow’sche Flüssigkeit nie
in großen Quantitäten bereitet habe, weil dieselbe durch Sauerstoff-
aufnahme ihre ursprüngliche Fähigkeit, die 0s04 schnell zu reduzieren,
in hohem Maße einbüßt. Es ist deshalb weit besser, diese Mischung
in kleineren Quantitäten, aber öfter zuzubereiten. — Bei meinen Unter-
suchungen bediente ich mich Kulturen von Bac. anthracis, die
bei einer Temperatur von 37° in Glycerin - Agar - Agar gewachsen
waren, nach 3— 4maliger (je einmal im Tage) Umimpfung. Nach
vielen Versuchen, ein für die Mikrophotographie geeignetes, gefärbtes
17*
264
W. II k e w ic z ,
Präparat zu erhalten, blieb ich bei folgender Färbungsmethode
stehen :
Die beste fixierende Flüssigkeit erhält man, wenn man zu 7 ccm
einer :/ s-proz. wässerigen Lösung von Ueberosmiumsäure 3 ccm Ameisen-
säure hinzufügt. Als Reduktionsflüssigkeit benutzte ich sowohl Dr.
Kolossow’s Mischung (nur nahm ich nicht 85-proz., sondern
95-proz. Spiritus, jedoch in derselben Quantität), als auch folgende
zwei Reduktionsflüssigkeiten, von denen die eine aus gleichen Teilen
der Kolossow’schen Flüssigkeit (mit Spiritus von 95 Proz.) und
einer Mischung von 8,0 Pyrogallussäure, 3,0 Citronensäure, 17,0 Natri
sulfurosi und aus 150,0 destillierten Wassers bestand, während die
andere aus 10 ccm der genannten Mischung, 3 ccm Spiritus, 2 ccm
Tannin (20 Theile Tannin auf 80 Theile Wasser) und 1 ccm Glycerin
zusammengesetzt war. Wenn die eine dieser Reduktionsflüssigkeiten
kein positives Resultat gab, so erhielt ich dasselbe mit Hilfe der
anderen. Das Färben bewerkstelligte ich auf folgende Weise : Indem
ich vorsichtig mit einer Platinöse etwas von der zu untersuchenden
Kultur wegnahm — mich bemühend, dabei keinen Nährboden mit-
zufassen (da der letztere ebenfalls durch 0s04 gefärbt wird, giebt
er auf dem Präparate schwarze Niederschläge) — schwemmte ich
dieselbe in einem Tropfen destillierten Wassers auf; wenn es aber
aus irgend einem Grunde nicht möglich war, das Mitreißen eines
Teiles des Nährbodens zu vermeiden (z. B. bei Gelatinekulturen mit
Verflüssigung der Gelatine), so wusch ich die Kultur mit einigen
Tropfen Wasser und bestrich die Deckgläser erst mit dem letzten
Tropfen.
Die über der Flamme fixierten Deckglaspräparate (ich hielt das
Glas zwischen den Fingern und führte es einmal durch die Flamme)
legte ich mit der bestrichenen Seite nach oben in ein Uhrglas, begoß
sie mit der oben beschriebenen Mischung von 1/2- proz. wässeriger
Lösung der 0s04 mit Ameisensäure und erwärmte 1 — 2 Minuten
bis zu schwacher Dampfbildung. Ich fixierte die Kultur auf den
Deckgläsern vermittelst Durchführen durch die Flamme deshalb, weil
vergleichende Untersuchungen über das Fixieren der Kulturen 1) auf
Deckgläsern, welche an der Luft getrocknet und dann in die Ueber-
osmiumlösung eingelegt wurden, 2) auf Deckgläsern, welche sofort
nach ihrem Bestreichen in die Lösung von 0s04 eingelegt wurden
und 3) auf Deckgläsern, die vor dem Einlegen in Ueberosmiumsäure
durch die Flamme gezogen wurden, mich davon überzeugten, daß bei
allen diesen Manipulationen sowohl die Gestalt der Bacillen, als auch
ihre Färbung überall gleich blieben und daß Deckglaspräparate, welche
nicht über der Flamme fixiert, sondern direkt in die 0s04 gelegt
werden, ebenso gut gelingen, wie die durch die Flamme fixierten, nur
mit dem Unterschiede, daß die ersteren einer wenigstens 4-stündigen
Fixation in 0s04 bedürfen. Um also die Arbeit zu beschleunigen,
fixierte ich die Kultur immer vorerst dadurch, daß ich die Deck-
gläser vor dem Eintauchen in die 0s04 einmal durch die Flamme
führte. Darauf wurden die Präparate entweder in Kolossow’s
Mischung oder in eine der von mir modifizierten Reduktionsflüssig-
keitne gelegt und ebenfalls 1 — 2 Minuten bis zur Dampfbildung er-
wärmt. Sodann wurde das Präparat in destilliertem Wasser abge-
Ueber die Kerne der Milzbrandsporen.
265
waschen, noch einmal in das Uhrglas mit der 0s04 eingelegt und
erwärmt, dann wiederum in der Reduktionsflüssigkeit erwärmt u. s. f.
Diese Prozedur wiederholte ich meist zweimal, spülte zum Schluß
das Präparat im Wasser ab, trocknete und betrachtete es entweder
in Glycerin oder in Kanadabalsam. Zweimaliges Uebertragen des
Präparates aus einer Flüssigkeit in die andere gab immer eine ziem-
lich intensive Färbung ; ein dreimaliges Uebertragen und dreimaliger
Wechsel der Reagentien giebt oft eine zu große Intensität der Farbe.
Bei dieser Methode färben sich die verschiedenen Teile des B a c.
anthracis verschiedenartig. Das Protoplasma färbt sich in ein
dunkles Grau und hat, wie es scheint, eine körnige Struktur. Die
Sporen färben sich entweder gar nicht oder nehmen eine mehr blaß-
graue Farbe an, wobei man in solchen Präparaten Sporen von drei
verschiedenen Größen bemerken kann — große, mittlere und kleine.
Auf der beiliegenden Zeichnung befinden sich keine kleinen Sporen,
sondern nur große und mittelgroße. Einige Sporen mittlerer Größe
erscheinen als vollständig gleichartige, stark lichtbrechende Maße (wie
266
W. 1 1 k e w i c z ,
das auf der Zeichnung bei a, a, a zu sehen ist) oder sie stellen sich
dem Auge als leicht gekörnt dar, oder aber sie besitzen ein im
Centrum liegendes, schwarz gefärbtes Körnchen ( b , ö, b). In den
Sporen vom kleinsten Kaliber habe ich niemals derartige Gebilde
bemerken können; in den großen, meist ovalen Sporen jedoch traf
ich sowohl ein einzelnes , als auch zwei solche schwarzgefärbte
Körnchen an. Diese letzteren liegen zuweilen quer zur Längsachse
des Stäbchens (c, c, c), meist aber parallel derselben ( d , d, d). Im
letzteren Falle kann man hin und wieder in einigen Sporen einen
äußerst feinen Strich bemerken, der von einem Rande der Hülle zum
gegenüberliegenden reicht und die Spore in zwei gleiche Teile teilt,
von denen jeder ein schwarzes Pünktchen im Centrum besitzt. Ge-
bilde solcher Art lassen die Vermutung zu, daß es sich hier nicht
um zufällige Körnchen handelt, sondern um Sporenkerne. Und
ich denke, daß diejenigen Sporen, welche einen Kern haben, voll-
ständig ausgewachsene reife und sich im Dauerzustände befindende
sind ; diejenigen Sporen aber, welche keinen Kern besitzen und körnig
erscheinen, stellen das Stadium der beginnenden Teilung dar, wo der
Kern aufhört, als ein Punkt zu erscheinen, die dritten, seltener vor-
kommenden Sporen (die großen) mit zwei Kernen und einer Scheide-
wand zwischen ihnen, stellen geradezu den Moment dar, wo sich die
Teilung des Kernes in der Mutterspore eben erst vollzogen hat, das
Protoplasma aber sich im Stadium der Teilung der Mutterspore in
zwei gleiche Tochtersporen, mit Kernen in den Centren, befindet.
Was nun die in unserer Zeichnung ebenfalls sichtbaren schwarzen
Punkte anbetrifft, welche auf der inneren Seite der das Zellenproto-
plasma des Milzbrandfadens umgebenden Hülle liegen und schon von
Herrn N. Sjöbring beschrieben wurden1), so habe auch ich die-
selben in meinen Präparaten erhalten; doch kann man ihnen kaum
eine besondere Bedeutung beilegen, wenn man erwägt, daß der Faden
des Bac. anthracis selbst, wie meine Beobachtungen an verhält-
nismäßig alten Kulturen bewiesen haben, oft die Gestalt einer leeren,
zerrissenen, an vielen Stellen durchlöcherten, grauschwarzen Haut
annimmt.
Was nun die Frage anbetriflt, ob die Kerne auch in den Dauer-
sporen zu sehen sind, bei Abwesenheit von vegetativen Formen, wie
sie sich iu 2 — 3 Monate alten Kulturen finden, so ist zu bemerken,
daß bei den geringen Dimensionen dieser Sporen die zur Verfügung
stehenden optischen Mittel mir nicht die Möglichkeit boten, etwas
anderes zu sehen als die Spore selbst in Gestalt grauer Punkte.
Präparate jedoch aus verhältnismäßig jüngeren Kulturen (einmonat-
lichen), in welchen neben den freien Sporen auch noch Fäden vor-
handen waren, ermöglichten es mir, außer den kleinsten Sporen in
den Fäden noch eine geringe Zahl kleiner und mittlerer Sporen zu
erblicken ; hierbei gelang es, iu einigen Sporen mittlerer Größe einen
central liegenden Kern oder sogar zwei Kerne mit einer Scheidewand
zwischen ihnen zu erkennen. In keinem Falle aber gelang es mir,
1) Siehe seine Arbeit: „Ueber Kerne und Teilungen bei den Bakterien.“ (Centr.
f. Bakteriol. u. Parasitenk. Bd. XI. No. 3/4. p. 68. Fig. 10.)
Ueber die Kerne der Milzbrandsporen.
267
in Anthraxsporen solche Gebilde zu sehen, wie sie Herr N. S j ö b r i n g
in seiner vorläufigen Mitteilung1) beschrieb, obgleich ich mehrere
Male versuchte die Präparate sowohl nach meiner Methode, als auch
nach der Methode des genannten Forschers zu färben. Es scheint
mir, daß seine gedrängte, zuweilen sogar unverständliche und ver-
wickelte Beschreibung der von ihm erwähnten Thatsachen, welche
offenbar der Arbeit des Prof. Bütschli „Ueber den Bau der Bak-
terien und verwandter Organismen“ entnommen sind2), wenig zur
wahren Sachlage paßt. Die Kürze der Schilderung, die Abwesenheit
genauer Angaben über die Methode des Färbens, mit deren Hilfe er
seine seltsamen Gebilde erhielt, machen seine Folgerungen noch
zweifelhafter. Ja, noch mehr, es ist mir unbegreiflich, wie Herr
Sjöbring dazu kommt, das Wort „Spore“ durch die Benennung
„Kern“ zu ersetzen und die Existenz von Kernen sogar bei denjeni-
gen Bakterien anzunehmen, bei welchen noch nicht einmal die Sporen
entdeckt sind, indem er — es fragt sich warum? — die Zelle der
Bakterien mit den Zellen höherer Tiere identifiziert.
Meine Untersuchungen sind mit den Oelapochromaten von Zeiss
(von 2 und 1,5 mm Brennweite) und mit Kompensationsokularen
6 und 8 ausgeführt. Die beiliegende Zeichnung stellt eine etwa
zweifach vergrößerte, bei öOOfacher Vergrößerung erhaltene photo-
graphische Aufnahme dar.
Zum Schlüsse möchte ich erwähnen, daß bei der hier beschriebenen
Färbungsmethode viele Bacillen aus einzelnen, schwach gefärbten,
stark lichtbrechenden Kokken zu bestehen scheinen, welche von eini-
gen Verfassern für Sporen angesehen werden, und zwischen welchen
sich größere oder kleinere, dunkelgefärbte Zwischenräume befinden.
Bac. tuberculosis, Bac. diphtheriae, Bac. pyocyaneus,
Koch’s Commabacillus, Bac. typhi abdo minalis , Bac.
coli communis, Bac. mallei u. a. — sie alle erscheinen bei
dieser Art der Färbung entweder paternosterförmig oder aber sie
ähneln den kurzen Fäden des Bac. anthracis.
13
Moskau, den ~ Dezember 1893.
2o.
Erklärung der Zeichnung.
Milzbrandfäden 1000 mal vergrößert.
a, a, a — Sporen mittlerer Größe, welche keinen Kern besitzen.
b, b, b — Sporen ebensolcher Größe, welche einen central liegenden Kern besitzen.
c, c, c — Sporen großen Umfangs, welche zwei senkrecht auf der Längsachse des
Fädchens liegende Kerne besitzen.
d, d, d — Sporen größeren Umfangs , welche zwei parallel der Längsachse des
Fadens liegende Kerne, mit einer Scheidewand zwischen ihnen, besitzen.
e, e, e — An der Wand liegende schwarze Körnchen, welche sich in der Hülle
jedes Fadens zerstreut vorfinden.
1) Loco cit.
2) Vortrag, gehalten am 6. Dezember 1889 im Naturhist.-med. Verein zu Heidel-
berg. Leipzig 1890.
268
J. de Haan und A. C. Huysse,
Die Koagulation der Milch durch Cholerabakterien.
von
J. de Haan,
Stabsarzt
und
A. C. Huysse,
Militärapotheker der 2. Klasse der Königl. Niederl. Armee
in
Utrecht.
Koch1) fand bei seinen Untersuchungen über die Cholera in
Aegypten 1883, daß die Cholerabakterien auch in der Milch sich sehr
schnell und reichlich vermehren, ohne dabei Gerinnung oder sonstige
makroskopisch sichtbare Veränderung hervorzubringen. Auch noch
1887 wurde von Hu epp e2) dieses Factum bestätigt. Als nun im
Jahre 1892 während des Herrschens der Choleraepidemie in Ham-
burg auch bei uns zu Lande sporadische Fälle dieser Krankheit vor-
kamen und eine Anzahl Dejektionen auf die Anwesenheit des
Koch’schen Vibrio im bakteriologischen Laboratorium des Militär-
spitals in Utrecht untersucht wurden, fiel uns die Erscheinung auf,
daß in allen Fällen, in welchen der Choleravibrio gefunden
wurde, dieser stets in 2 X 24 Stunden sterilisierte Milch zur Gerinnung
brachte und sehr stark sauer machte. Dies wurde zuerst von
Netter3) bei den Fällen, welche in der Banlieue Ouest de Paris
vorkamen, beschrieben und nachher von mehreren Beobachtern be-
stätigt.
In der Absicht, diese Wirkung des Choleravibrio auf die
Milch zu studieren, wurden eine Anzahl Kölbchen mit Milch gefüllt,
intermittierend bei 100° im strömenden Wasserdampftopfe und bei
115° in dem Autoklaven sterilisiert. Die Milch reagierte nach der
Sterilisation ganz schwach sauer oder amphoter. In einem Teile der
Kölbchen wurde die Milch durch Zufügung von sterilisiertem Na2C03
stark alkalisch gemacht, andere wurden mit pulverisierter steriler
Kreide beteilt.
Nach der Infektion mit frisch gezüchteten Cholerabacillen wurden
die Kölbchen bei 37 0 im Brütschranke gehalten. In allen Fällen
war die Milch nach 2 X 24 Stunden koaguliert, während die leicht
gelbe Flüssigkeit, welche über dem voluminösen Kaseinpräcipitate
stand, sehr kräftig sauer reagierte. Das präcipitierte Kasein war
löslich in Alkalien und konnte nach der Filtration durch Asbest
wieder durch Säuren als eine flockige Masse niedergeschlagen werden.
1) Koch, Bericht über die Thätigkeit der zur Erforschung der Cholera im Jahre
1883 nach Aegypten und Indien entsandten Kommission, p. 163.
2) H u e p p e , Ueber Fortschritte in der Kenntnis der Ursachen der Cholera asiatica.
(Berl. klin. Wochenschr. 1887. No. 9.)
3) Netter, Recherches bactSriologiques sur les cas de cholera ou de diarrh^e
choleriforme observes dans la banlieue Ouest de Paris. (La Semaine mldicale. 1892.
No. 37.)
Die Koagulation der Milch durch Cholerabakterien.
269
Die Löslichkeit in Alkalien macht es schon nicht wahrscheinlich, daß
die Gerinnung des Kaseins die Folge der Anwesenheit eines durch die
Cholerabacillen geformten Labfermentes sei, indem das iu dieser Weise
gebildete Kasein (Hammarsten’s Käse)1) nicht in Alkalien,
sondern in Säuren löslich ist.
Milchzucker bouillon, mit sterilisiertem NaC203 stark alkalisch ge-
macht und mit dem Koch’schen Vibrio infiziert, reagierte eben-
falls nach 2X24 Stunden kräftig sauer.
Sowohl aus der sauren Molke als aus der sauren Milchzucker-
bouillon konnten die Cholerabakterien in Reinkultur gezüchtet werden
und lebten noch während langer Zeit darin fort.
Nach diesen Untersuchungen schien es uns am wahrscheinlichsten,
daß durch den Choleravibrio Milchzucker in Milchsäure umge-
setzt und durch diese Säure das Kasein präcipitiert sei.
Im November des abgelaufenen Jahres wurde mit von frischen
Krankheitsfällen gezüchteten Choleravibrionen diese Untersuchung neu
aufgenommen und konnten wir die oben mitgeteilten Thatsachen in
jedem neuen Falle durchaus bestätigen.
Zur Entscheidung der Frage, ob hier eine Enzymwirkung oder
Säurebildung vorlag, wurde eine große Quantität sterilisierter Milch
mit dem Koch’schen Vibrio infiziert und im Brütschranke bei 37°
gehalten. Nachdem die Milch koaguliert war, wurde sie mittelst
einer Wasserluftpumpe durch ein Chamberlandfilter filtriert. Die
filtrierte Flüssigkeit hatte eine braungelbe Farbe und reagierte stark
sauer. Aus drei Säurebestimmungen ging als Mittelzahl hervor, daß
4,3 ccm normal Na2C03 genügten zur Neutralisierung von 10 ccm
der Flüssigkeit. Als Indikator wurde Phenolphtalein angewendet.
Ein Teil der Flüssigkeit wurde mit Kalkmilch erwärmt, filtriert,
bis zur Syrupdicke eingedampft und einigemal mit heißem , sehr
starkem Spiritus ausgeschüttet. In dieser Weise wurde bei Abkühlung
des heißen Alkohols ein gelblich gefärbtes, schön krystallisiertes Salz
dargestellt. Ebenso durch Zufügung von Aether zu der abgekühlten
spirituösen Flüssigkeit. Die Krystalle wurden vom Alkohol befreit
durch Lösung in Wasser, völlige Abdampfung auf dem Wasserbade
und Trocknung im Exsiccator während 2 — 3 Tagen. Im Schälchen
waren hiernach einige kleine Kügelchen mit strahligem Bau zurück-
geblieben, höchst wahrscheinlich bestehend aus Ca-Laktat. Das Salz
war leicht löslich in Wasser und war selbst hygroskopisch. Als Me-
talle wurden Ca und Na darin aufgefundeu. Es hatte den Geruch
nach flüchtigen Fettsäuren. Auf mikroskopischem Wege konnte keine
Milchsäure angezeigt werden. Die diversen Reaktionen auf Fett- und
Oxysäuren waren kombiniert vorhanden. Durch Destillation nach
Oxydation mit K2Cr2C7 und H2S04 gelang es jedoch, mit entfärbter
Fuchsinlösung die Gegenwart von Aldehyd darzuthun. Auch hatte
das Destillat Aldehydgeruch. Das Aldehyd konnte schwerlich von etwas
anderem als von Milchsäure herrühren.
Mit einem anderen Teile der Flüssigkeit wurde versucht, ein
möglicherweise darin anwesendes Enzym aufzufinden. Mit absolutem
1) Hammarsten, Jahresbesicht der Tierchemie. 1874. p. 145 u. 1877. p. 150.
270
Julius Schnitzler,
Alkohol, welcher langsam zugefügt wurde, entstand ein flockiger
Niederschlag. Dieser Niederschlag wurde gesammelt und hatte sauere
Reaktion. Zur Neutralisierung wurde das im Exsiccator getrocknete
und in Wasser wieder gelöste Präcipitat mit sterilisierter Kreide ge-
schüttelt. Nach Filtration wurde aufs neue mit Alkohol präcipitiert,
filtriert und getrocknet. Alles geschah mit vorher sterilisierten
Utensilien.
Die in dieser Weise dargestellte leicht gelbe Masse war ein
Eiweißkörper. Sie zeigte die Biuret- und die Tyrosinreaktion. Ein
Teil der in einem sterilen Mörser fein pulverisierten Masse wurde in
Wasser gelöst und einem Kölbchen steriler Milch zugesetzt, mit Zu-
fügung einiger Tropfen Chloralchloroform. Diese Milch blieb wochen-
lang unverändert. Doch war in dieser Weise ein Enzym dargestellt,
nur nicht ein Enzym, das die Milch zur Gerinnung bringen konnte,
sondern ein die Gelatine verflüssigendes. Wenn dieses Enzym auf
eine Gelatineplatte ausgestreut wurde, bildete sich schon innerhalb
zwei Stunden ein Hof verflüssigter Gelatine um die mikroskopisch
kleinen Kügelchen herum, ohne daß nur eine einzige Bakterienkolonie
sich entwickelt hätte. Dieser ganze Versuch wurde zweimal mit
durchaus gleichem Resultate von uns wiederholt.
In der Deutschen medizinischen Wochenschrift. 1893. No. 7 ist
durch Fokker1) mitgeteilt, daß er in einer verflüssigten Cholera-
gelatinekultur ein Enzym aufgefunden habe, welches imstande sei,
Milch zur Gerinnung zu bringen. Damit ist aber offenbar die Ursache
der Milchgerinnung nicht gegeben. Möge auch ein die Milch ge-
rinnendes Enzym in der Gelatine entstehen, in der Milch ward es
nicht gebildet. Unserem Versuche zufolge meinen wir den Satz auf-
stellen zu können, daß die durch Cholerabakterien verursachte Ge-
rinnung der Milch nicht die Folge der Wirkung eines durch die
Choleravibrionen gebildeten Labfermentes ist, sondern einer Zerlegung
des Milchzuckers, wobei Milchsäure frei wird.
Utrecht, den 24. Januar 1894.
Ueber den Befund virulenter Staphylokokken in einem
seit 35 Jahren geschlossenen osteomyelitischen Herde.
[Aus Hofrat Alber t’s chirurgischer Klinik.]
Von
Dr. Julius Schnitzler,
Assistenten der Klinik.
Im Nachfolgenden will ich zunächst einen Fall von nach 35 Jahren
recidivierender Osteomyelitis referieren und dann einige Bemerkungen
über das Ergebnis der bakteriologischen Untersuchung anfügen.
1) Fokker, Ueber einen dem Cholerabacillus ähnlichen Pilz. (Deutsche med.
Wochenschr. 1893. No. 7.)
lieber den Befund virulenter Staphylokokken etc.
271
F. Z., 42 Jahre alter Wirt, aufgenommen am 6. XII. 1893. Keine
hereditäre Belastung. Im 7. Lebensjahre erlitt Pat. eine schwere Con-
tusion durch Auffallen einer Stange auf die rechte untere Extremität.
Zwei Tage später traten heftige Schmerzen im rechten Schienbein,
Schüttelfröste und starke Schwellung der schmerzhaften Gegend auf.
Nach ca. 5 Wochen, welche Pat. bettlägerig verbrachte, erfolgte Auf-
bruch der Schwellung, Entleerung von Eiter, später von mehreren
Knochenstückchen. Die Eitersekretion nahm bald ab und ca. ein halbes
Jahr nach Beginn der Erkrankung war Heilung, d. h. Abschlufs der
Fisteln und völliges Verschwinden aller Beschwerden eingetreten. Pat.
fühlte sich nun vollkommen gesund bis zum August 1892, zu welcher
Zeit plötzlich wieder heftige Schmerzen im rechten Schienbeine und
Fieberbewegungen sich einstellten. Seitdem bestehen diese Schmerzen,
häufige Fieberanfälle und eine an Intensität schwankende Anschwellung
in der Gegend des rechten Sohienbeines. Doch bestehen diese Be-
schwerden nicht fortwährend, sondern cessieren oft für mehrere Wochen
fast vollständig. In den letzten Wochen haben jedoch die Schmerzen
ununterbrochen angehalten und liefs Pat. sich deshalb in die Klinik
aufnehmen.
Die Untersuchung des sehr kräftigen Pat. ergab eine Verlänge-
rung der rechten Tibia von 2 cm mit konsecutiver Valgusstellung des
r. Fufses, Verdickung der unteren Tibiahälfte. Dieser entsprechend
mäfsig starkes Oedem, geringe Rötung der Haut. Starke Druckempfindlichkeit
des unteren Tibiadritteiles ; eine ca. 4 cm lange, an der inneren Tibiafläche
fixierte Narbe. Temperatur normal. 6 Tage hindurch vor der Operation
gemessen, stieg die Temperatur nur einmal auf 37,8, blieb sonst immer
unter 37,5.
Operation am 12. XII. Schnitt durch die alte Narbe. Abheben des
verdickten Periostes mit dem Raspatorium. Knochen verdickt, die um-
gebenden Weichteile ödematös. Nirgend Andeutung einer Fistelöffnung.
Der sklerosierte Knochen wird eingemeifselt und nach Ueberwindung
einer mindestens 2l/2 cm dicken Knochenschicht gelangt man in einen
wallnufsgrofsen, von sklerosiertem Knochen allenthalben umgebenen, mit
Granulationen, sehr wenig Knochensand und einer geringen Menge Eiter
erfüllten Hohlraum. Breite Eröffnung mit dem Meifsel. Ausräumung mit
dem scharfen Löffel. Jodoformgazeverband. Aus dem weiteren Verlaufe
sei erwähnt, dafs die Sekretion sehr rasch abnahm und Pat. schon am
8. Januar mit fast vollkommen geschlossener Wunde entlassen werden
konnte.
Die mit dem ausgekochten scharfen Löffel entnommenen Granu-
lationen mit dem anhaftenden Eiter wurden in sterilisierten Eprouvetten
aufgefangen und bakteriologisch untersucht. Es ergab sich als einzig
vorhandener Mikroorganismus der Staphylococcus aureus und
zwar wie Versuche am Kaninchen ergaben, in virulentem Zustande.
(Subkutane Injektion von 0,3 ccm einer BRC. erzeugte einen hasel-
nußgroßen Absceß. Intrapleurale Injektion von 0,5 ccm einer BRC.
tötete Kaninchen innerhalb 36 Stunden unter Erregung einer
fibrinös-eiterigen Pleuritis und Perikarditis. Aus den Exsudaten der
inneren Organe und dem Herzblute ließ sich derStaph. aureus wieder
in Reinkultur gewinnen.) In dem kurz skizzierten Falle hatte also
272
Julius Schnitzler,
vor 35 Jahren eine zur Nekrose und Sequesterbildung führende
Osteomyelitis bestanden. Rasch war damals eine scheinbare Aus-
heilung eingetreten. Nach einem sehr langen Intervall, innerhalb
dessen nichts mehr auf das Vorhandensein infektionsfähiger Keime
hingewiesen hatte, trat ohne ersichtlichen Aulaß ein nicht akut
verlaufendes Recidiv ein.
Einen ähnlichen Fall hat Krause beobachtet.
Krause1) teilt einen Fall mit, in dem fast 30 Jahre nach der
scheinbaren Heilung — Vernarbung — einer zur Sequesterbildung
führenden Osteomyelitis ein Knochenabsceß sich an derselben Stelle
der Tibia entwickelte, an der die erste osteomyelitische Attaque ab-
gelaufen war. Aus dem Eiter züchtete Krause den Staphylo-
coccus pyogenes aureus. Tierversuche bewiesen, daß die Kul-
turen der Osteomyelitiskokken aus allen Fällen — den frischesten
und dem eben citierten ältesten — gleich virulent waren.
Ressemann2) berichtet über einen ganz analogen Fall —
Entwickelung eines Knochenabscesses in der Tibia an derselben Stelle,
an der 30 Jahre früher eine mit Sequesterbildung einhergehende
Osteomyelitis abgelaufen war. Doch wird in diesem Falle über
keine bakteriologische Untersuchung berichtet.
In allerjüngster Zeit teilt Müller3) mit, daß er aus einem
vier Jahre lang bestehenden Knochenabsceß bei einem 11-jährigen
Knaben den St aphyl. aureus in virulentem Zustande züchten konnte.
Es hatten niemals akute Erscheinungen bestanden. Müller meint,
„man habe nach dieser Beobachtung das Recht, die recidivierenden
Formen und die Osteomyelitis der Erwachsenen als das Werk latent
gebliebener Kokken aufzufassen, welche den Knochen der Erwachse-
nen, der eigentlich an und für sich gegen Osteomyelitis immun erscheint,
durch jahrelange unbemerkte Arbeit in eine solche Konstitution über-
führten, daß er nun empfänglich werde. Dann genügt eine oft nur
geringfügige Ursache, sie zu erwecken“.
Es nehmen jedoch nicht alle Autoren für die Entstehung der
recidivierenden Osteomyelitis ein Liegenbleiben der Kokken in den
erkrankten Knochen an, sondern manche halten eine erneute Infektion
der früher einmal erkrankt gewesenen Knochenpartie für wahrschein-
licher. Eine vermittelnde Stellung nimmt Kraske4) ein. Er
glaubt allerdings, daß für die Mehrzahl der Fälle von recidivierender
Osteomyelitis die Auffassung die richtige sei, daß die bei der Aus-
heilung der ersten Erkrankung eingeschlossenen Keime später durch
irgend eine Gelegenheitsursacbe „zu neuem Leben und neuer Thätig-
keit“ angeregt werden. Insbesondere acceptiert Kraske diese
Auffassung für die wenig stürmisch, meist als cirkumskripte Ent-
zündungen mit Bildung kleiner Sequester verlaufenden oder zu
typischen Knochenabscessen führenden sog. recidivierenden Osteomye-
litiden. Für die unter foudroyanten Symptomen verlaufenden Atta-
quen hingegen nimmt er eine neue Infektion als wahrscheinlicher
1) Fortschr. d Med. Bd. II Nr. 7 u. 8
2) Ein Fall von recidiv. Osteomyelitis. [Inaug.-Diss.] Greifswald 1885.
3) Münchener med. Wochenschr. 1893. No. 47.
4) Langenbeck’s Archiv. Bd. XXXIV.
Ueber den Befund virulenter Staphylokokken etc.
273
an. In diesen Fällen sei nur der früher schon einmal erkrankt ge-
wesene Knochen prädisponiert für die Ansiedelung der Kokken.
Haben wir nun den oben geschilderten Fall als Reinfektion
oder als Recidive der vor 35 Jahren erfolgten Infektion aufzufassen ?
In letzterem Falle sind wir gezwungen, eine fast 35-jährige
Latenz des Staphyl. aureus in jener Knochenhöhle anzunehmen,
und es fragt sich, ob eine solche Annahme mit unseren Kenntnissen
über die Biologie der Eiterkokken vereinbar ist. Aber diese
Frage löst sich in zwei verschiedene auf, von denen die eine sich
daraufhin richtet, ob diese Mikroorganismen so lange Zeit im mensch-
lichen Körper fortpfianzungsfähig (und geeignet, unter Umständen
wieder pathogene Wirkung zu entfalten) sich erhalten können, wäh-
rend die zweite dahin lautet, ob die Eiterkokken im Innern eines
menschlichen Gewebes leben können, ohne eine sichtliche, d. h.
klinisch nachweisbare Reaktion hervorzurufen. Was zunächst die
letztere Frage betrifft, so ist sie wohl sicher in bejahendem Sinne
entschieden. Wissen wir doch gerade von den Eiterkokken, daß
sie in per primam heilenden Wunden ziemlich häufig finden und
daß trotz der Anwesenheit der virulenten Eiterkokken die Wund-
heilung oft absolut ungestört verläuft. Nicht im gleichen Sinne zu
verwerten sind die Befunde virulenter Pneumokokken im Speichel
und im Bronchialsekrte gesunder Menschen oder der einmal erhobene
Befund von Tuberkelbacillen im Bronchialsekrete eines nicht tuber-
kulösen Menschen *) oder die mehrmals gemachte Beobachtung vom
Vorhandensein virulenter Diphtheriebacillen auf nicht diphtheritisch
erkrankten Schleimhäuten. Hier handelte es sich immer um das
Vegetieren der betreffenden Bakterien an der Oberfläche und nicht
im Innern eines Gewebes.
Wir wissen aber auch, daß im Innern eines Gewebes die Existenz
von Bakterien in der Regel nicht lange geduldet wird. Es gehen
entweder die Bakterien, ohne eine Reaktion veranlaßt zu haben, zu
Grundeoder es kommt zu einer mehr oder weniger heftigen Reaktion
des Gewebes, und dann kann sich das weitere Schicksal der betreffen-
den Bakterien sehr verschieden gestalten.
Es ist auch das Leben der Eiterkokken in den heilenden Wunden
kein lange dauerndes. Ist die Heilung vollendet, so fehlen auch die
Bakterien (im Innern des Gewebes), und die Narbe ist ebenso
bakterienfrei wie ein normales Gewebe. Ganz anders aber liegen,
wie vielfache Erfahrungen gezeigt haben, die Verhältnisse, wenn
keine primäre Verklebung der Wunde oder kein narbiger Ersatz des
Substanzverlustes erfolgt, sondern irgendwo eine Höhle, ein „toter
Raum“ zurückbleibt. Da ist es nicht mehr lebendes Gewebe, mit
dem die Bakterien um ihre Existenz kämpfen müssen, sondern da
herrschen Verhältnisse, die mehr den auf toten Nährböden vor-
liegenden gleichen. Gerade im Knochen kann es durch ungünstige
Formverhältnisse relativ leicht zur Bildung derartiger toter Räume
kommen. Ist ein osteomyelitischer Sequester ausgestoßen oder hat
sich ein Knochenabsceß nach außen geöffnet, so kann auf zweierlei
1) Langerhans, Berliner klin. Wochenschr. 1891. No. 41.
274
Julius Schnitzler
Weise die Ausheilung erfolgen. Entweder (und dies wird insbesondere
dann der Fall sein, wenn die Oeffnung der Knochenhöhle eine sehr
breite ist) zieht sich von den Wundrändern aus Epidermis in die
Knochenhöhle hinein, die Wand der Knochenhöhle wird dann in die
Körperoberfläche einbezogen und es besteht keine Höhle mehr oder
aber es tritt Ausheilung durch Neubildung von Knochen ein, und
auch in diesem Falle kann natürlich eine Höhle nicht mehr vorliegen.
In manchen Fällen jedoch, und der oben beschriebene ist wohl ein
solcher, kann eine solche wirkliche Ausheilung ausbleiben. Es kommt
wohl zu einem Verschluß der Knochenfistel (wahrscheinlich vom um-
gebenden Periost her), in der Tiefe bleibt jedoch eine von Granu-
lationen, Eiter und Knochensand erfüllte Höhle zurück, ein Schlupf-
winkel für die Eiterkokken, die hier wohl unter viel günstigeren
Existenzbedingungen stehen, als in einer per primam heilenden Wunde.
Wie lange können sich nun Eiterkokken in einer solchen Höhle
fortpflanzungsfähig erhalten? Der von mir geschilderte Fall soll
eben beweisen, daß dies durch mehr als drei Jahrzehnte möglich
ist, und ich muß daher die Gründe anführen, die es mir wahrschein-
lich machen, daß es sich in diesem Falle nicht um eine Reinfektion,
sondern um ein Recidiv gehandelt hat.
Ziemlich genaue Kenntnis haben wir zunächst von der Lebens-
dauer der pathogenen Mikroorganismen auf unseren künstlichen Nähr-
böden. Wir wissen aber auch, daß die Existenzbedingungen auf
diesen durchaus nicht die günstigsten für die pathogenen Bakterien
sind. Wissen wir doch, daß der Weichselba um’sche Pneumo-
coccus, der in unseren künstlichen Nährmedien oft nach Tagen
schon seine Virulenz und Lebensfähigkeit verliert, im Eiter meta-
pneumonischer Empyeme oft durch Wochen und Monate in virulentem
Zustande anzutreffen ist. Und doch haben wir allen Grund zu der
Annahme, daß der von einer Mikroorganismenart gebildete Eiter
durchaus keinen günstigen Nährboden für diese Art repräsentiert.
Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß eine im Körper
gelegene, nicht ganz mit Eiter erfüllte Höhle bessere Existenz-
bedingungen für die Eiterkokken darbietet. Ein großenteils mit
Granulationsgewebe erfüllter, nur wenig Eiter enthaltender Hohlraum,
wie er sich in meinem Falle fand und wie er sich in den meisten Fällen
von Knochenabsceß vorfand, dürfte wohl für eine lange dauernde
Existenz von Mikroorganismen besonders gute Chancen darbieten. Was
nun den uns zunächst interessierenden Mikroorganismus, den gelben
Eitercoccus, betrifft, so wissen wir, daß er sich auf künstlichen
Nährböden sehr lange — bis zu 1 Jahre — fortpflanzungsfähig und
virulent erhalten kann. Levy1) berichtet über einen Fall, in
welchem ein in das Ellenbogengelenk einer 55-jährigen Frau ein-
gedrungener Heckendorn eine chronische Entzündung erzeugt hatte.
2 Jahre später wurde das Gelenk eröffnet, der Fremdkörper extrahiert.
Es fand sich Granulationsgewebe und ein im ganzen dem tuberku-
lösen Fungus ähnelndes Bild. Die weitere Untersuchung ergab
jedoch, daß es sich nicht um Tuberkulose handelte, sondern daß als
1) Archiv f. exper. Pathologie. Bd. XXIX.
Ueber den Befund virulenter Staphylokokken etc.
275
einziger Mikroorganismus der Staphylococcus pyog. albus
nachweisbar war, der offenbar (2 Jahre früher) mit dem Fremdkörper
in das Gelenk eingedrungen war. Eine vierjährige Lebensdauer von
Eiterkokken in einem Knochenabsceß beweist der oben citierte Fall
Müller’s.
Ist es nun wahrscheinlicher, daß in dem erwähnten Falle Krause’s
die Kokken 30, in meinem Falle 35 Jahre lang in der Knochenhöhle
fortpflanzungsfähig blieben oder daß eine neue Aufnahme von Eiter-
kokken in die Blutbahn mit Lokalisation an der schon einmal
erkrankten Stelle, also eine Reinfektion im Sinne der oben erwähnten
Ausführungen K ras ke’s stattfand? Gegen eine 30 Jahre und länger
erhaltene Fortpflanzungsfähigkeit der Eiterkokken unter den ge-
schilderten Existenzbedingungen scheint mir gar nichts zu sprechen.
Auf den künstlichen Nährböden gehen die Mikroorganismen teils
durch Erschöpfung des Nährbodens, teils infolge von Ansammlung
ihrer Stoffwechselprodukte zu Grunde, im Eiter wahrscheinlich durch
letzteren Umstand in erster Linie.
In einer von Granulationen ausgekleideten Höhle liegen die Ver-
hältnisse wohl anders. Hier werden immer neue Nährstoffe zu-
geführt, andererseits können die entwickelten Stoffwechselprodukte
resorbiert oder in irgend einer Weise durch die aktive Rolle des
Granulationsgewebes unschädlich gemacht werden. Es erscheint mir
gezwungen, hier der möglichen Existenzdauer der Kokken irgend
eine willkürliche Grenze zu setzen. Noch viel unnatürlicher erscheint
mir jedoch die Annahme, daß eine Knochenhöhle von der geschil-
derten Beschaffenheit „prädisponiert“ für eine Reinfektion sei im
Sinne K ras ke’s. Zunächst erscheint mir ein allseits von sklero-
siertem Knochen umgebener Hohlraum durchaus nicht so geeignet
für die Ablagerung irgendwelcher corpusculärer Elemente aus der
Blutbahn, wie etwa das normale Knochenmark. Und dann ist es
wohl noch sehr fraglich, ob an jener Stelle, die schon einmal der
Sitz einer akuten Eiterung gewesen ist, die Eiterkokken ein zweites
Mal leichter haften und sich vermehren oder weniger leicht. Daß
ein Hämatom, eine frische Fraktur für in der Blutbahn kreisende
Mikroorganismen einen willkommenen Aufenthaltsort bietet, daß hier
wirkliche Prädilektionsstellen für hämatogene Eiterungen bestehen,
das steht wohl — trotz mancher gegensätzlicher experimenteller
Beweisversuche — auf Grund zahlreicher klinischer Erfahrungen
zweifellos fest. Daß aber an Orten, die einmal der Sitz von Eite-
rungen waren, später eine neue Infektion leichter haftet, daß etwa
ausgeheilte Abscesse, obliterierte Sequesterladen für eine Reinfektion
„prädisponiert“ seien, wie manche Autoren noch immer anzunehmen
scheinen, ist eine völlig unbewiesene und durchaus unwahrscheinliche
Vermutung.
Wenn wir aber die Annahme einer Reinfektion als durchaus
unglaubwürdig verwerfen, so müssen wir eine Erklärung für das
durch seine Häufigkeit nicht weniger interessante Phänomen suchen,
daß in einem solchen ruhenden alten Eiterherde plötzlich akute Er-
scheinungen auftreten, daß das Gleichgewichtsverhältnis, das zwischen
Kokken und Gewebe lange Zeit bestanden hat, plötzlich gestört wird.
276
E. Klein,
Seit langer Zeit weiß man, daß Traumen hier eine große Rolle
spielen, und es liegt hier die Erklärung in dem Sinne sehr nahe,
daß kleine Blutungen, mechanische Läsionen des Gewebes die
Gleichgewichtsstörungen zur Folge gehabt haben. Ich kann es aber
nicht unterlassen, hier auf eine schon von Büchner erwähnte, von
Klein1) in einer experimentellen Arbeit erwiesene Thatsache hin-
zuweisen, die für das Verständnis des Recidivirens eiteriger Prozesse
von großer Bedeutung zu sein scheint. Es gelingt nämlich durch
Injektion von Bakterienprotei'nen (Tuberkulin), sowohl beim Menschen,
als beim Versuchstiere, im Erlöschen begriffene und selbst — klinisch —
abgelaufene akute Entzündungsprozesse (z. B. Erysipel) neuerdings
zum Vorschein zu bringen. Die lokalen und die allgemeinen Er-
scheinungen (Fieber) des scheinbar erloschenen Prozesses treten
wieder mit der Intensität des ersten Prozesses auf und klingen nach
und nach wieder ab. Wenn wir nun wissen, daß experimentell durch
die Aufnahme bestimmter chemischer Substanzen in die Blutbahn
eine Reacerbation akut entzündlicher Prozesse erfolgen kann, liegt es
da nicht nahe, an die Möglichkeit zu denken, daß Stoffwechsel-
alterationen einen latenten Eiterherd wieder in Erscheinung treten
lassen, indem sie den Kokken vermehrte Virulenz verleihen?
So sehen wir, daß auf Grund unserer derzeitigen Kenntnisse von
der Biologie der Eiterkokken manche Möglichkeit besteht, eine lange
Latenz im menschlichen Körper und eine plötzlich eintretende Virulenz-
zunahme dieser Mikroorganismen anzuerkennen und daß wir uns
wohl mit der Annahme abfinden müssen, daß unter Umständen die
in den menschlichen Körper eingebrochenen Eiterkokken sich in
diesem länger als ein Menschenalter hindurch fortpflanzungsfähig und
stets gefahrdrohend erhalten können.
Wien, 15. Januar 1894.
Ueber den von Gärtner beschriebenen neuen gas-
bildenden Bacillus.
Von
E. Klein
in
London.
In Bd. XV. No. 1 dieser Zeitschrift beschreibt Gärtner einen
gasbildenden pathogenen Bacillus, den er zufällig nach intraperi-
tonealer Injektion von Kokkenkultur in dem peritonealen Exsudate,
im Blute und in den Organen der verstorbenen Meerschweinchen
aufgefunden hat. Ich erlaube mir über eine ähnliche Erfahrung zu
berichten, mit dem Zusatze jedoch, daß es sich meiner Ansicht nach
1) Ursachen der Tuberkulinwirkung. Wien u. Leipzig 1893.
üeber den von Gärtner beschriebenen neuen gasbildenden Bacillus. 277
höchst wahrscheinlich um einen virulenten Bacillus coli handelt.
Während der Experimente über intraperitoneale Injektion von Agar-
kulturen verschiedener Bakterienspecies (diese Zeitschrift. Bd. XIII.
No. 13, siehe auch die Bestätigung dieser Beobachtungen durch
Sobernheim in der Hygienischen Rundschau. III.) ereignete es
sich einmal, daß ein nach intraperitonealer Injektion mit Bacillus
prodigiosus eiugegangenes Meerschweinchen von seinem peri-
tonealen Exsudate Kulturen lieferte, in denen neben dem Bacillus
prodigiosus ein farbloser, aus beweglichen Kurzstäbchen be-
stehender Mikrobe auftrat, aus dem Herzblute jedoch nur der letztere
gezüchtet wurde. Bei weiterer Uebertragung des peritonealen Ex-
sudates oder der Mischkultur in die Peritonealhöhle neuer Meer-
schweinchen wurden aus dem Herzblute und aus der peritonealen
Flüssigkeit (Tod biunen 24 Stunden) schließlich nur die beweg-
lichen Kurzstäbchen gezüchtet. Subkutane und intraperitoneale
Impfungen an Meerschweinchen bewiesen, daß diese Bacillen einen
hohen Grad von Virulenz besitzen, und waren die Symptome den
von Gärtner beobachteten analog. Nur sei noch hinzugefügt,
daß nach subkutaner Injektion des peritonealen Exsudates ein aus-
gebreitetes subkutanes, übelriechendes, blutiges Oedem sich ent-
wickelte; die Oedemflüssigkeit, das blutige, peritoneale Exsudat sowie
das Herzblut waren mit den beweglichen Kurzstäbchen erfüllt. Die
Details dieser Beobachtungen habe ich in dem in Kürze zu erschei-
nenden Report of the Med. Off. of the Local Gov. Board 1892 — 1893
beschrieben, und erlaube ich mir hier noch auf das Faktum auf-
merksam zu machen, daß in dem peritonealen Exsudate wiederholt
große angeschwollene Leukocyten mit den Kurzstäbchen ganz erfüllt
angetroffen wurden. Was die Morphologie und das kulturelle Ver-
halten der Stäbchen anlangt, so finde ich zwischen ihnen und denen
des Bacillus coli keinen wesentlichen Unterschied, es sei denn,
daß die ersteren etwas mehr gleichförmig cylindrisch sind, als die
des letzteren. In Bezug auf Beweglichkeit, das Aussehen und Wachs-
tum der Kolonieen auf der Platte, in der Gelatinestich- und Strich-
kultur, in der Schüttelkultur (reichliche Gasbildung in den tieferen
Schichten), in der Milch (rasche Koagulation), in der Bouillonpepton-
kultur (Indolreaktion), auf dem Agar und der Kartoffel scheint eine
so große Aehnlichkeit mit Bacillus coli zu bestehen, daß die
beiden Mikroben, wenn nicht identisch, doch gewiß sehr nahe ver-
wandt sind. Wie oben erwähnt, sind die Stäbchen nur in einem
Falle im peritonealen Exsudate eines iutraperitoneal mit Bacillus
prodigiosus infizierten Meerschweinchens angetroffen worden, und
obgleich ich eine Reihe von weiteren Experimenten absichtlich in
dieser Richtung mit lebenden und auch sterilen Kulturen von Ba-
cillus prodigiosus vorgenommen, habe ich vergeblich nach den
obigen beweglichen Stäbchen im peritonealen Exsudate und dem
Herzblute der verstorbenen Tiere gesucht. Die Erklärung des in
dem einen Falle nachgewiesenen Vorhandenseins der beweglichen
Stäbchen schien mir damals sowie auch heute noch nach Gärtner ’s
Erfahrungen die zu sein, daß bei der intraperitonealen Injektion
zufällig eine Läsion des Darmes stattfand, die, obgleich nicht zur
XV. Bd. 18
278
Lorenz,
Perforation führend, dennoch dem Bacillus coli das Durchwachsen
in die Peritonealhöhle gestattete; einmal hatte sich dieser durch
rasches Wachstum des Terrains ganz bemächtigt. Sowohl im Gärt-
ner’schen Falle, als auch in dem meinigen kann es sich doch nur
um einen aus dem Körper des Meerscheincbens selbst und nicht aus
der primär angewendeten Kultur — Kokkenkultur (Gärtner), Ba-
cillus prodigiosus (selbst) — stammenden Bacillus handeln,
und ist wegen der Nähe des Darmes und wegen der im Peritoneum
etablierten Krankheit (intensive Peritonitis erzeugt durch Injektion
der Primärkultur) ein Verdacht auf Bacillus coli gerechtfertigt.
Dazu kommt noch, daß die beiden Mikroben in den meisten Cha-
rakteren eine auffallende Aehnlichkeit darbieten. Doch muß hinzu-
gefügt werden, daß bei der intraperitonealen Injektion von Meer-
schweinchen mit Agarkulturen des Bacillus coli die aus dem
peritonealen Exsudate sowie aus dem Blute der verstorbenen Meer-
schweinchen gezüchteten Kulturen des Bacillus coli eine geringere
Virulenz, namentlich bei der subkutanen Injektion, aufweisen, als die
obigen Kulturen der fraglichen Kurzstäbchen.
London, 18. Januar 1894.
Schutzimpfungs versuche gegen Schweinerotlauf
mit Anwendung eines aus Blutserum immunisierter
Tiere hergestellten Impfpräparats.
Von
Obermedizinalrat Dr. Lorenz
in
Darmstadt.
Das I. Heft des XX. Bandes der Deutschen Zeitschrift für Tier-
medizin und vergleichende Pathologie enthält eine Beschreibung der
Schutzimpfungsversuche gegen Schweinerotlauf, welche nach dem von
mir empfohlenen Verfahren und mit Anwendung der von mir herge-
stellten Impfpräparate bis jetzt angestellt worden sind. Um den
Verlauf und den Ausgang der Versuche in möglichster Ausführlichkeit
zu behandeln, habe ich in der erwähnten Arbeit, soweit erforderlich,
die Korrespondenz derjenigen Herren zum Abdruck bringen lassen,
welche die Versuche ausgeführt und beobachtet haben.
Die Versuche fielen in die Zeit von Dezember 1891 bis Herbst
1893 und sind in 18 einzelnen Abschnitten beschrieben. Der erste
an Schweinen angestellte Versuch fand Anfang Dezember 1891 an
zwei 4 Wochen alten Ferkeln statt. Ein Kontrollferkel, das ohne
Heilserumbehandlung dieselben Kulturinjektionen wie die beiden
Versuchsferkel erhalten hatte, zeigte hierauf anfangs keine Reaktion,
erkrankte aber später an Rotlaufendocarditis und ging Anfangs März
1892 daran ein. Die mit Heilserum behandelten Ferkel entwickelten
Schutzimpflingsversuche gegen Schweinerotlauf etc.
279
sich gut und wurden im Herbst 1892 geschlachtet. Von dem einen
derselben wurden 300 g Blut zur Bereitung von Heilserumpräparat
verwendet. Diesem Schwein waren 8 und 4 Tage vor der Schlach-
tung jedesmal 10 ccm Rotlaufkultur, in Fleischwasserpepton gezüchtet,
zur Hälfte intravenös, zur Hälfte subkutan injiziert worden. Von
den gewonnenen 30 ccm Präparat waren 0,025 ccm nötig, um eine
graue Hausmaus eine gleichzeitig vorgenommene Rotlaufinfektion
überstehen zu lassen.
Die zweite Schutzimpfung wurde von Bezirkstierarzt Welz
in dem Orte D. im Bezirke Buchen in Baden an 19 Schweinen im
Juni 1892 vorgenommen. Abgesehen von Knotenbildungen an den
Impfstellen bei einzelnen der geimpften Schweine ist die Impfung
nach der von Welz erhaltenen Mitteilung ohne jede Reaktion ver-
laufen. Auch ist nachträglich keines der geimpften Schweine an
Rotlauf erkrankt.
Welz hatte mit übriggebliebenem Impfpräparate den Versuch
gemacht, rotlaufkranke Schweine zu heilen und hatte damit in vier
Fällen einen günstigen Erfolg beobachtet. Hierauf wurde das Mittel
zunächst zu weiteren Versuchen als Heilmittel gegen Schweinerotlauf
im Großherzogtum Baden verwandt. Die aus Kaninchenblut herge-
stellten Präparatmengen wurden für diese Versuche in Anspruch ge-
nommen, so daß vorerst weitere Schutzimpfungsversuche unterblieben.
Im ganzen wurde an sieben badische Bezirkstierärzte 253 g Heil-
serumpräparat abgegeben. Vier dieser Bezirkstierärzte haben im
Herbste 1892 mitgeteilt, daß sie keine Gelegenheit gefunden hätten,
das Präparat anzuwenden. Nur drei, die Bezirkstierärzte in Tauber-
bischofsheim, Wolfach und Buchen, haben zusammen über 12 be-
handelte rotlaufkranke Schweine Mitteilung gemacht. Von diesen
12 Schweinen sind 2 notgeschlachtet worden, 2 sind krepiert, 2 sind
an chronischem Rotlaufe erkrankt und 6 sind genesen. Dieses zweifel-
hafte Ergebnis, namentlich aber ein später beobachteter Fall, haben
mich zu der Ueberzeugung geführt, daß die Heilung rotlaufkranker
Schweine überhaupt mit Sicherheit nicht erzielt werden kann, da,
wenn auch durch Anwendung des fragl. Serumpräparates Giftfestigkeit,
d. h. Widerstandsfähigkeit des Tieres gegen die durch die Krankheits-
keime im Tierkörper erzeugten schädlichen Stoffe erreicht wird, ein
Absterben der in bestimmten Krankheitsherden, namentlich in endokar-
ditischen Auflagerungen enthaltenen Krankheitskeirae nicht herbei-
geführt und diese Auflagerungen selbst nicht entfernt werden können.
Ein erst vor kurzem beobachtetes Sektionsergebnis hat in mir
wieder die Ueberzeugung bestärkt, daß eine Heilung des Rotlaufs bei
Schweinen nicht in allen Fällen möglich ist. Ein an akutem Rotlaufe
krepiertes Schwein von etwa 75 kg Körpergewicht zeigte am ganzen
Körper, namentlich am Bauche, an der Brust und am Halse, die be-
kannten Rötungen sehr intensiv; in der Bauchhöhle zeigten sich die
Erscheinungen des Darmrotlaufs und Milzvergrößerung; im Herzen
fanden sich in beiden Herzkammern die V. mitrales und semi-
lunares mit nicht leicht ablösbaren Gerinnseln von faseriger Be-
schaffenheit bedeckt. Es war mithin schon im akuten Stadium des Rot-
laufs eine Endocarditis eingetreten, die, wenn sie auch nicht momentan
18*
280
Lorenz,
den Tod des Tieres verursacht hatte, da dieser wohl in Folge der
Giftwirkung eingetreten sein mag, eine vollständige Heilung des
Tieres mindestens als unwahrscheinlich, wenn nicht als unmöglich
erscheinen ließ.
Um die Verwendung des aus dem Blute für Rotlauf immunisierter
Tiere zu gewinnenden, immerhin eine bedeutende immunisierende
Wirkung zeigenden Präparates zu Schutzimpfungszwecken anzubahnen,
veröffentlichte ich in No. 8 der „Deutschen tierärztlichen Wochen-
schrift. 1893“ und in No. 11 und 12 des „Centralblattes für Bakterio-
logie und Parasitenkunde. 1893“ einen Artikel, überschrieben: „Ein
Schutzimpfungsverfahren gegeu Schweinerotlauf“. Im Januar 1893
hat Regierungsrat Beißwänger auf meinen Wunsch einen Schutz-
impfungsversuch an 4 Schweinen im Gewichte von 44 — 56 kg ange-
stellt und mir das günstige Resultat dieses Versuches mitgeteilt,
wonach bei einem an zwei der geimpften Schweine angestellten
Kontrollversuche diese auf je 3 ccm intravenös injizierter Rotlaufkultur
gar nicht reagierten, während ein nicht schutzgeimpftes Schwein bei
derselben Behandlung an Rotlauf zu Grunde ging. Dieser Versuch
ist als dritter Schutzimpfungsversuch in dem eingangs erwähnten
Aufsatze in der „Deutschen Zeitschrift für Tiermedizin“ angeführt.
Der vierte Schutzimpfungsversuch wurde ebenfalls von Regierungs-
rat Beißwänger ausgeführt. Derselbe impfte nach meinem Verfahren
im April 1893 fünf Schweine im Gewichte von 32—42 kg mit
günstigem Erfolge.
Der fünfte Schutzimpfungsversuch wurde von dem Großherzgl.
badischen Bezirkstierarzte Schuemacher von Wertheim in dem
Orte H. an 10 Schweinen von verschiedenem Alter und Gewichte aus-
geführt. Die Schweine hatten ein Gewicht von 10 — 150 kg.
Reaktionen wurden an zwei Tieren wahrgenommen. Eines derselben
bekam einen Absceß an der Injektionsstelle, das andere, ein 60 kg
schwerer Zuchteber, zeigte kurz nach der Seruminjektion (vor der
Kulturinjektion) einen urticariaähnlichen Hautausschlag mit ganz
leichtem Verlaufe.
Die als sechster bis neunter beschriebenen Schutzimpfungs-
versuche waren diejenigen, welche ich an Mastschweinen anstellte,
um aus deren Blute nach der Schlachtung frische Mengen Heilserum-
präparat zu gewinnen. Bis dahin sind die Versuche mit aus Kaninchen-
blut im Sommer 1892 hergestelltem Präparate ausgeführt worden.
Auf die Veröffentlichung des Aufsatzes in No. 8 der „Deutschen
tierärztlicheu Wochenschrift“ und in No. 11 und 12 des „Central-
blattes für Bakteriologie und Parasitenkunde“ mußte ich erwarten,
daß, wenn auch nicht in großer Zahl, so doch immerhin einige Auf-
forderungen wegen Abgabe von Impfstoff an mich ergehen
würden. Ich mußte daher, wenn ich mich nicht ablehnend denselben
gegenüber zeigen wollte, für Impfstoff sorgen. Da Kaninchen zu
wenig Blut liefern , schritt ich zur Impfung von Schweinen. Die
Großherzoglich hessische Regierung stellte mir bereitwillig die nötigen
Mittel zur Verfügung. Die Aufgabe, der ich mich unterzogen, war
keine leichte ; denn es war schwer, Schweine zum Impfen zu be-
kommen. Da ich nun zunächst dazu auch schon nahezu schiacht-
Schutzimpfungsversuche gegen Schweinerotlauf etc.
281
reife Schweine suchte, welche demnächst zur Schlachtung gelangten,
um aus dem Blute Impfstoff zu bereiten, hielt es doppelt schwer,
einen Anfang zu machen. Ich kaufte deshalb zunächst zwei Schlacht-
schweine und gab sie einem hiesigen Bäckermeister in Fütterung.
Mühlenbesitzer Hilde brand hier stellte mir ferner zwei Schweine in
der Wiesenmühle bei Eberstedt, Pachter Simon in Neuhof bei Neu-
Isenburg eins und die Molkerei Nierstein sechs Schweine zur Ver-
fügung. Diese vierzehn Schweine impfte ich sämtlich mit altem,
aus Kaninchenblut hergestelltem Impfstoffe in den letzten Tagen des
Monats März und Anfangs April. Dreizehn Tiere ertrugen die Impfung
ohne sichtbare Reaktion. Eines von den Niersteiner Schweinen,
welches zu wenig Serumpräparat erhalten hatte, erkrankte leicht an
den sogenannten Backsteinblattern. Dreizehn von den Schweinen
wurden Ende April bis Ende Mai im hiesigen Schlachthause ge-
schlachtet. Ein Schwein von den vieren des Pachters Simon war auf
dem Transporte verunglückt.
Daß die Impfung und weitere Vorbereitung der Schweine zur
Gewinnung eines wirksamen Giftstoffes für die Tiere nicht nachteilig
ist, dafür spricht die beträchtliche Gewichtszunahme der Impflinge
nach der Impfung. Die beiden Schweine, welche ich zum Zwecke
des Impfens gekauft, wogen am Tage der Uebernahme (24. März)
106 und 95 kg, zusammen also 201 kg. Am 30. März erhielten sie
die nötige Menge Serumpräparat, dann wurden ihnen am 1. April
je 1,0 ccm, am 13. April je 3,5 ccm, am 23. April je 20 ccm und
am 28. April je 40 ccm Kultur injiziert. Am 2. Mai sind die Schweine
vor der Schlachtung lebend gewogen worden, wobei sich ergab, daß
das eine 111,5, das andere 124,5, beide zusammen also 236 kg wogen.
Sie hatten demnach in 38 Tagen zusammen 35 kg zugenommen,
so daß auf das Schwein eine tägliche Gewichtszunahme von 0,5 kg
kommt. Beide Schweine hatten ein Schlachtgewicht von 89 und
102 kg, = 191 kg. Es kamen also nicht ganz 20 Proz. Schlacht-
abgang in Abzug, was ebenfalls für ein gutes Mastergebnis spricht.
Bei den anderen zur Gewinnung des Impfstoffes vorbereiteten
Schweinen wurde die Gewichtszunahme nicht kontrolliert, doch haben
die Eigentümer zugegeben, daß die Schweine nach der Impfung noch
gut zugenommen hätten.
Der zehnte Versuch wurde von Kreisveterinärarzt Schmidt
von Nidda in dem Orte Wolf, im Kreise Büdingen, am 18. Mai 1893
an 17 Schweinen vorgenommen. Dieselben gehörten sieben verschie-
denen Besitzern und hatten ein Gewicht von 10—100 kg. Ein
80 kg schwerer Zuchteber reagierte auf die Heilseruminjektion nach
24 Stunden durch vorübergehende Flockenbildung auf die Haut
(vergl. Verf.’s V). Ein Schwein war am Tage der Seruminjektion mit
Rotlauf behaftet und zwei Tage danach vollständig gesund.
Der elfte Schutzimpfungsversuch wurde an 33 Schweinen der
Arbeiterkolonie Neu-Ulrichstein, im Kreise Alsfeld, am 3. Juni 1893
von Kreisveterinärarzt Kolb vorgenommen, nachdem kurz vorher auf
diesem Gute 26 Schweine an der Rotlaufseuche eingegangen waren.
Die geimpften Schweine hatten ein Gewicht von 6 — 250 kg. Einem
13 kg schweren Ferkel wurde bei der Seruminjektion eine Arterie
282
Lorenz
verletzt, so daß es noch längere Zeit blutete und wahrscheinlich das
dicht neben der verletzten Arterie injizierte Präparat größtenteils
ausgeflossen ist. Es erkrankte zwei Tage nach der ersten Kultur-
injektion an Rotlauf und ging zwei Tage später daran ein. Ein
anderes Ferkel von demselben Gewichte hatte zur Zeit der Serum-
injektion Backsteinblattern. Es genas anscheinend, wurde aber später
siech, so daß es die Verwaltung schlachten ließ.
Der zwölfte Schutzimpfungsversuch wurde auf dem Rbeinfelder
Hof, im Kreise Groß-Gerau, an 10 Ferkeln und 4 jungen Mutter-
schweinen am 8. Juli 1893 vorgenommen. Erstere hatten ein
Gewicht von je 10, letztere von je 30 kg. Eine Reaktion ist nicht
eingetreten.
Den dreizehnten Schutzimpfungsversuch nahm Kreisveterinär-
arzt Kolb von Alsfeld auf dem Hofgute Dotzelrod, im Kreise Als-
feld, an 38 Schweinen im Gewichte von 10 — 180 kg am 21. Juli
1893 vor. Vom 17. bis 21. Juli waren auf dem Gute 6 Schweine an
Rotlauf krepiert und eines wegen Erkrankung daran notgeschlachtet
worden. Ein 10 kg schweres Ferkel war zur Zeit der Seruminjektion
hochgradig rotlaufkrank. Es verendete 2 Tage später an Rotlanf.
Etwa 8 Läuferschweine bekamen an den Injektionsstellen Eiterknoten.
Der vierzehnte Schutzimpfungsversuch wurde in dem nahe
bei Dotzelrod gelegenen Eudorf, im Kreise Alsfeld, an 25 Schweinen
am 3. August 1893 vnn Kreisveterinärarzt Kolb vorgenommen. Die
25 Schweine gehörten 11 Besitzern und hatten ein Gewicht von 30
bis 100 kg. 4 bekamen Anschwellungen an den Impfstellen.
Der fünfzehnte Versuch fand in Bindsachsen, im Kreise Bü-
dingen, statt. Kreisveterinärarzt Schmidt impfte daselbst am
1. September 1893 in meinem Beisein 27 Schweine im Gewichte von
20 — 100 kg. Die Schweine gehörten 15 Besitzern an. In Bind-
sachsen herrschte damals die Rotlaufseuche. In einem Gehöfte, in
dem die Schweine geimpft wurden, war kurz zuvor ein Schwein an
Rotlauf eingegangen und ein rotlaufkrankes notgeschlachtet worden.
Einer der Impflinge zeigte zur Zeit der Seruminjektion Fleckenbildung
auf der Haut und fraß nicht. Am Tage der Kulturinjektion war der-
selbe wieder gesund. Zwei andere Schweine sollen kurz nach der
Seruminjektion vorübergehende Fleckenbildung gezeigt haben.
Als sechzehnter Versuch sind eine Reihe von Impfungen auf-
geführt, welche Tierarzt Graffunder in Landsberg a. W. in Branden-
burg in der Zeit von Ende Mai bis September 1893 vorgenommen
hat. Graffunder hat im ganzen 38 Schweine geimpft, darunter
2 an Rotlauf erkrankte Mutterschweine von je 200 kg. Gewicht zum
Zwecke der Heilung. Eines derselben ist genesen, das andere krepiert,
Die 36 schutzgeimpften Schweine hatten ein Gewicht von 15 — 150 kg.
8 davon waren zur Zeit der Seruminjektion rotlaufkrank. Davon ist
1 krepiert, 3 sind notgeschlachtet worden und 4 genasen. In ver-
schiedenen der geimpften Bestände war die Rotlaufseuche vor der
Impfung aufgetreten.
Siebzehnter Schutzimpfungsversuch. Marinestabsarzt Dr.
Sander, Assistent am hygienischen Institute der Universität Berlin,
hat 7 Schweine auf dem Gute seines Vaters bei Lissa in Posen in den
Schutzimpfungsversuche gegen Schweinerotlauf etc.
283
Monaten Juli und August 1893 nach meinem Verfahren geimpft. Die
Schweine hatten ein Gewicht von 45 — 90 kg. 2 haben geringe
lokale Reaktion nach der Kulturinjektion gezeigt.
Als achtzehnten Schutzimpfungsversuch habe ich die an
43 Einlegeschweinen in der Molkerei Guntersblum a. Rh. zum Zwecke
der Heilserumgewinnung vorgenommenen Impfungen aufgeführt. Die
Impfungen wurden zuerst am 18. August 1893 von Tierarzt Men ge r
in Guntersblum an 15 Schweinen in meinem Beisein begonnen. Am
19. September wurden 28 Schweine geimpft. In der Molkerei Gunters-
blum werden jährlich 400 — 500 Schweine gemästet und da dort
ein Tierarzt wohnt, der die Injektionen besorgen konnte, erschien mir
der Schweinebestand gerade dieser Molkerei geeignet für die Gewinnung
von Heilserum. Ich kann hier anführen, daß der Molkereivorstand
schon wiederholt die Ueberzeugung ausgesprochen hat, daß die
Impfung und weitere Vorbereitung der Schweine für die Heilserum-
gewinnung ohne allen Nachteil für die Schweine verlaufen sei.
Was den Verlauf der angeführten Impfversuche anlangt, so bin
ich in der Lage, zu erklären, daß sie alle nach den erhaltenen Mit-
teilungen zur Befriedigung der Besitzer ausgefallen sind. Mit Aus-
nahme des einen in Neu-Ulrichstein infolge eines bei der Injektion
begangenen Fehlers eingegangenen Ferkels ist nur ein Schwein nach
der Impfung an Backsteinblattern leicht und ohne Nachteil erkrankt.
Von den 12 bei der Schutzimpfung bereits rotlaufkranken Schweinen
sind 6 genesen, 3 notgeschlachtet worden, 1 ist siech geworden und
3 sind krepiert. Im ganzen ist die Schutzimpfung nach meinem Ver-
fahren bis jetzt an 294 Schweinen ausgeführt worden. Von denselben
hatten 37 ein Gewicht von bis 10 kg, 63 von 11 — 20 kg, 39 von
21—40 kg, 94 von 41 — 60 kg, 37 von 67 — 80 kg, 12 von 81 — 100 kg,
6 von 101 — 150 kg, 3 von 151 — 200 kg und 2 von 201 — 250 kg.
Spätere Erkrankungen in den schutzgeimpften Beständen sind nach
den erhaltenen Mitteilungen nicht beobachtet worden, auch in denen
nicht, in welchen kurz vor der Impfung die Rotlaufseuche aufge-
treten war.
Durch vorstehende Versuche dürfte der Nachweis
geliefert sein, daß das von mir empfohlene Verfahren
ohne Gefahr für die Impflinge angewandt werden
kann und einen genügenden Impfschutz gewährt.
Was die Ausführung der Impfung anlangt, so mag dieselbe
manchem vielleicht etwas umständlich erscheinen, namentlich wenn
drei Einspritzungen gemacht werden sollen. Es mag deshalb gleich
hier angeführt werden, daß die späteren, zur Erreichung eines Impf-
schutzes an 221 Schweinen verschiedenen Alters ausgeführten
Impfungen (Versuch 13, 14, 15 und größtenteils 16) nur in 2 In-
jektionen, einer von Heilserumpräparat und einer 5 — 7 Tage später
erfolgten Kulturinjektion bestanden haben, ohne daß sich ein Nachteil
oder ein Mangel an Impfschutz gezeigt hätte. Was die Schwierig-
keit der Technik betrifft, so bin ich bei den von mir selbst ausge-
führten Impfungen auf einige Erleichterungen gekommen Zunächst
habe ich mir eine leichter zu gebrauchende Spritze konstruiert. Die-
selbe besteht in einer gewöhnlichen Infektionsspritze von 5—10 ccm
284
Lorenz,
Inhalt mit graduierter Kolbenstange. Anstatt die Impfnadel nun direkt
auf die Spritze zu stecken, schiebe ich an dieselbe einen dickwandigen,
mit feiner Oeffnung versehenen Gummischlauch von 10 cm Länge
auf. Am anderen Ende des Schlauches wird ein kleiner, mit feiner
Oeffnung durchbohrter Metallzapfen angefügt, auf welchen sich die
Impfnadel luftdicht aufstecken läßt. Diese Vorrichtung gewährt eine
wesentliche Erleichterung bei der Injektion, indem die einmal einge-
stochene Nadel nicht festgehalten zu werden braucht und die Ein-
spritzung auch bei einiger Unruhe des Impflings ausgeführt werden
kann, ohne daß die Nadel wieder herausgezogen und frisch einge-
stochen werden muß oder gar abbricht. Die Nadel wählt man für
die Seruminjektion stärker, für die KulturiDjektion feiner. Als Impf-
stelle eignet sich am besten die Haut zwischen den Schenkeln oder
hinter den Ohren. Letztere zu wählen empfiehlt sich namentlich bei
Schweinen, die ein schmutziges Lager haben, da von demselben aus
leicht die Impfstiche eiterig infiziert werden. Als Aseptik beim
Impfen empfiehlt sich außer einer guten Reinigung der Impfspritze
mit gekochtem und wieder abgekühltem Wasser ein Abwaschen der
Impfstelle mit 4-proz. Karbollösung direkt vor der Einspritzung. Bei
der Kulturinjektion muß jedoch die desinfizierte Stelle wieder mit
reiner, trockener Watte abgetupft werden, damit keine Karbollösung
mit der Kultur injiziert wird oder in die Impfnadel gelangt. Ein
Fesseln der Impflinge ist kaum nötig. Kleine Schweine läßt man von
zwei Leuten an den Beinen halten, größere injiziert man, indem man
sie am Schwänze durch einen Gehilfen läßt, während ein anderer sie
am Ohre hält. Sehr unruhige Schweine läßt man durch eine kleine
Bordwand, eine ausgehobene Schweinestalltüre oder dergleichen gegen
die Wand drücken. Für meine Impfungen in der Molkerei Gunters-
blum habe ich mir einen besonderen Verschlag, einem Transportkasten
für Schweine ähnlich, machen lassen, der hinten und vorn eine Fall-
thür und seitlich nur Latten hat, durch deren Zwischenräume man
mit der Spritze hineinreichen kann. Die Schweine werden zu der
einen Kastenthüre hineingeschoben und nach erfolgter Einspritzung
durch die andere hinausgelassen. Mit dieser Einrichtung kann bei
einiger Uebung der Impfende unter Hilfe zweier Leute, welche die
Schweine in den Kasten schieben, in einer Stunde 30—40 größere
Schweine injizieren.
Es soll hier auch erwähnt werden, daß die Impfstoffbereitung
selbst keine besonderen Schwierigkeiten veranlaßt. Eine komplete
Einrichtung für die Herstellung größerer Mengen wird sich allerdings
nahezu auf 500 M. stellen. Die Herstellung des Impfstoffes selbst
kostet verhältnismäßig nur wenig; dagegen fand ich bis jetzt noch
einige Schwierigkeiten in der Gewinnung von wirksamem Blutserum.
Sobald nämlich die Metzger merken, daß für gedachten Zweck be-
stimmte Schweine in einem Orte geschlachtet werden sollen, machen
sie Schwierigkeiten beim Ankäufe, während die Besitzer der Schweine,
bei denen die Impfungen mit größeren Kulturmengen behufs Vor-
bereitung zur Serumgewinnung vorgenommen wurden, die aller-
höchsten Preise forderten. Mit solchen Umständen ist natürlich vor-
erst zu rechnen, namentlich so lange, bis die Sache mittelst Hilfe der
Schutzimpfungsversuche gegen Schweinerotlauf etc.
285
Verwaltungsbehörden und der landwirtschaftlichen Vertretungen all-
gemeiner zur Einführung gebracht werden kann. Die Umstände aber
kosten verhältnismäßig viel, vielleicht das Sechsfache der eigentlichen
Impfstoffbereitung. Um diese Kosten einigermaßen zu decken, müßte
zunächst für den ccm Serumpräparat 5 Pfg. erhoben werden. Ich
habe aber, wenigstens für das Großherzogtum Hessen, einen anderen
Modus in Vorschlag gebracht. Die Besitzer der zu impfenden
Schweine sollen dafür einen Ersatz in Form einer Impfgebühr leisten.
Für Schweine unter 25 kg Körpergewicht sollen 50 Pfg., für solche
über 25 kg 1 M. pro Stück entrichtet werden. Der höhere Betrag
für die Impfung größerer Schweine ist gerechtfertigt durch den
größeren Verbrauch an Impfpräparat und die schwierigere Ausführung
der Impfung. Es würde durch diese Verschiedenheit in der Höhe
der Impfgebühr den Schweinebesitzern Veranlassung gegeben, ihre
Schweine schon früher impfen zu lassen, bevor sie ein größeres
Körpergewicht erreichen, wodurch eine allgemeine Durchführung der
Impfung in den verseuchten Bezirken wesentlich erleichtert werden
könnte. Damit aber die Schweinebesitzer auch einen greifbaren
Vorteil von der Impfung vor Augen sähen, wäre denselben eine nach
dem Körpergewichte zu bemessende Entschädigung für die nach der
Impfung etwa an Rotlauf eingehenden Schweine zuzusichern. Zu
diesem Zwecke müßten die geimpften Schweine ein dauerndes Impf-
zeichen erhalten, das mittelst einer Tätowierzange bei der Impfung
am Ohre anzubringen wäre. Selbstverständlich könnte von einer
Entschädigung der Schweine, die schon bei der Impfung seuchenkrank
sind, nicht die Rede sein, und in bereits verseuchten Beständen
müßte eine gewisse Zeit abgewartet werden , nach der die Ent-
schädigungspflicht erst einzutreten hätte.
Etwaige Wünsche wegen Abgabe von Impfstoff bitte ich mög-
lichst frühzeitig an mich gelangen zu lassen, da ich die Menge, die
von mir gefordert werden wird, keineswegs ermessen kann und des-
halb auch nicht in der Lage bin, dafür zeitig zu sorgen. In den
mir zugehenden Gesuchen um Abgabe von Impfstoff bitte ich gleich
die Anzahl der zu impfenden Schweine und deren Gesamtkörper-
gewicht (für die Zeit der geplanten Impfung taxiert) anzugeben.
Das Serumpräparat nebst Impfkultur kostet pro 10 kg Körpergewicht
der zu impfenden Schweine 5 Pfg. Die Verschickung erfolgt durch
die Firma Ehrhardt & Metzger zu Darmstadt, welche außerdem
für Glas und Verpackung einen billigen Satz in Rechnung bringt.
Geeignete Impfspritzen sind ebenfalls bei genannter Firma zum Preise
von 5,25 M. zu erhalten.
Darmstadt. 29. Dezember 1893.
286
H. W e i g m a n n und G g. Z i r n
Ueber das Verhalten der Cholerabakterien in Milch
und Molkereiprodukten.
Von
Dr. H. Weigmann (Ref.) und Gg. Zirn.
I. Ueber das Verhalten der Cholerabakterien im Käse.
Die nachfolgenden, noch nicht abgeschlossenen Versuche sind ver-
anlaßt worden durch die während der Choleraepidemie in Hamburg
im Jahre 1892 seitens des Reichsgesundheitsamtes ausgegebenen Ver-
haltungsmaßregeln in Bezug auf den Genuß verschiedener Nahrungs-
mittel, wobei Butter und Käse, namentlich Weichkäse, als infektions-
gefährlich aufgeführt wurden, sie wurden aber weiter veranlaßt durch
die Stellungnahme des (deutschen) milchwirthschaftlichen Vereins
gegenüber diesen Verdachtsaussprüchen, welche eine ungemein schwere
Schädigung sowohl des Butter- wie des Käsehandels und damit des
ganzen Molkereigewerbes zur Folge hatten. Mau sagte sich von
Seite dieses Vereins, daß eine Verbannung von Butter und Käse vom
Markte, wenn auch nur auf wenige Monate, eine wohlbegründete sein
müsse, daß man nicht ohne Vorbedacht einen bedeutenden Handel und
eine dahinterstehende, sehr bedeutende und sehr ausgedehnte Fabri-
kation der Schädigung aussetzen würde. Es mußten doch wohl Er-
fahrungen gemacht worden sein, welche die Molkereiprodukte zu
epidemischen Zeiten als besonders zu fürchtende Krankheitsträger
verdächtig machen oder es mußten wissenschaftliche Versuche zu
diesem Verdachte berechtigen. Was die Erfahrungen bezüglich der
Gefährlichkeit von Butter und Käse zu Cholerazeiten anlangen, so
scheinen diese, soweit dem Ref. die Litteratur zur Verfügung steht,
in nicht allzu reichlichem Maße vorzuliegen. Dagegen sind bereits
mehrere Versuche über das Verhalten von Cholerabakterien nament-
lich in Milch, weniger in Butter und Käse, ausgeführt und mitgeteilt
worden. Diese Versuche müssen also den Grund für die vom Reichs-
gesundheitsamte ausgehenden Warnungen vor dem Genüsse von Butter
und Käse abgegeben haben und gerade diese Versuche sind es, welche
der Ref. bereits in einem im (deutschen) milchwirthschaftlichen Vereine
gehaltenen Vortrage einer Kritik zu unterziehen sich erlaubte und
welche dem Ref. keineswegs geeignet erscheinen, daß sie zu den ge-
machten Schlußfolgerungen und den für das Molkereigewerbe so ver-
hängnisvollsn Warnungen vor dem Genüsse der Moikereiprodukte be-
rechtigen konnten.
Um diese Behauptung zu rechtfertigen, möge auch hier nochmals
auf eine Betrachtung dieser Versuche eingegangen werden.
Die hauptsächlichsten Versuche sind beinahe gleichzeitig von
Kitasato, Hesse und Heim angestellt worden.
Kitasato fügte einer Menge von 10 — 15 ccm frischgemolkener,
nicht sterilisirter Milch eine Platinöse einer Agarkultur von Cholera-
bakterien hinzu und fand, daß die Cholerabakterien erst dann zu
Grunde gingen, wenn die Milch sauer geworden war. Wenn man be-
Ueber das Verhalten der Cholerabakterien in Milch und Molkereiprodukten. 287
denkt, daß frisch gemolkene Milch, wenn die betreflende Kuh rein
war, recht wenig Bakterien enthalten kann und daß dem gegenüber
eine Platinöse von einer Agarkultur ganz ungeheure Mengen Cholera-
bakterien enthält, so muß man wohl annehmen, daß in dem Versuche
das Verhältnis der Cholerabakterien zu den Milchbakterien sehr zu
Gunsten der ersteren ausfallen mußte. Es giebt sich dies auch in dem
Verhalten der Milch kund, die bei 22 — 25° C erst nach 28 Stunden
und bei 15 — 18° C erst nach 45 Stunden gut sauer wurde. Ein Ver-
such mit 10 ccm Milch, die durch 1 ccm einer 10-proz. Sodalösung
alkalisch gemacht worden war, ergab begreiflicherweise eine längere
Lebensdauer der Cholerabakterien.
Hesse prüft nur sterilisirte Milch, die ja selbstverständlich ein
sehr guter Nährboden für Cholera- wie für alle Bakterien ist. Ferner
impfte Hesse sterilisierte Kuhkäse und fand nach 1 Monate keine
Cholerabakterien mehr.
Eingehendere Versuche stellte Heim an. Heim gab zu
100 ccm Milch „die ganze in 4 Röhren auf der Oberfläche von schräg
erstarrtem Agar nach eintägigem Stehen im Brütschranke zur Ent-
wickelung gekommene Bakterienmenge“ und fand, daß diese trotz
Gerinnung noch nach 6 Tagen Cholerabakterien enthielt. In einem
anderen Versuche, zu dem „ganz frisch gemolkene Milch“ verwendet
und zu der „keine so grossen Mengen Cholerabakterien zugesetzt
wurden“, findet Heim die Cholerabakterien bei der im Zimmer ge-
haltenen Milch noch nach 1 Tage, wenn er zu 50 ccm Milch 1 ccm
einer Verreibung von 2 vier Tage alten Agarkulturen in 10 ccm Milch
hinzugefügt, noch nach 2 Tagen, wenn er zu 50 ccm Milch 2 ccm
einer Kultur in steriler Milch setzt, dann wieder schon nach 1 Tage
nicht mehr, wenn er zu 50 ccm Milch 3 ccm einer 3 Tage alten
Kultur in steriler Milch zusetzte (wobei die Milch noch nicht sauer !)
und ferner noch wieder nach 2 Tagen, wenn er zu 50 ccm Milch
1 ccm einer Verreibung von 2 Agarkulturen, 3 Tage bei 37,5° C
gestanden, mit 5 ccm Milch hinzugefügt. Diese Versuche geben, wie
ersichtlich, recht verschiedene Resultate aus dem leicht begreiflichen
Grunde, weil entweder die Zahl der Milchbakterien oder auch der
Cholerabakterien eine sehr verschiedene war oder beides zugleich. Es
ist bedauerlich, daß auf diese Verhältnisse nicht näher eingegangen ist.
Doch wichtiger für unseren Zweck sind die Versuche Heim’s mit
Käse, die Versuche mit Butter mögen später zum Vergleiche mit den
von uns anzustellenden herangezogen werden.
Der erste Versuch Heim’s mit Käse war derart, daß dem
Käse zuerst Cholerabakterien einverleibt wurden. Es wurde zu je 50
Gramm Quark die Aufschwemmung von einer 3 Tage und einer 12
Tage alten Agarkultur in Wasser zusammengemengt. — Die Cholera-
bakterien konnten am Tage darauf schon nicht mehr gefunden werden.
Dann wurden 90 ccm Milch mit den Cholerabakterien, die auf
5 Agarröhrchen nach 2-tägigem Stehen im Brütschranke gewachsen
waren, infiziert. Die Milch war während und nach dem Laben schwach
alkalisch und die Molke war noch am nächsten Tage schwach alkalisch
und enthielt Cholerabakterien. Der Käse selbst war schwach sauer und
enthielt am nächsten Tage noch Cholerabakterien, am übernächsten
288
H. Weigmann und G g. Zirn,
Tage aber nicht mehr. Bei einem zweiten Versuche wurden 120 ccm
Milch mit 10 einen Tag alten Choleraagarkulturen geimpft, — die
Cholerabakterien fanden sich nur noch am ersten Tage.
Während also der Quark die Cholerabakterien gar nicht aufkommen
ließ, wurden in selbstverfertigten, aus Cholerabakterien haltender Milch
hergestellten Käsen die Cholerabakterien noch nach 1 und 2 Tagen ge-
funden. Man wird sich darüber kaum wundern, wenn man die Mengen
Milch und die Mengen Cholerabakterien in Betracht zieht, die dieser
einverleibt wurden. Heim sagt selbst in der Einleitung seiner Abhand-
lung, daß er darauf Bedacht genommen habe, eine große Zahl Krank-
heitskeime in die zu untersuchenden Nahrungsmittel einzuführen, um
möglichst sicher zu sein, daß die verhältnismäßig kleinen Proben,
welche behufs der in kürzeren oder längeren Zeiträumen angestellten
Untersuchung entnommen wurden, die Keime, sei es im lebendem
oder abgestorbenem Zustande, enthalten mußten. Freilich meint
Heim, daß man nicht einwenden könne, daß ein Einbringen so vieler
Keime den thatsächlichen Verhältnissen nicht entspreche, da unzweifel-
haft unter Umständen große Mengen von Krankheitskeimen in die
Milch u. s. w. gelangen können. Ref. der folgenden Versuche möchte
dem gegenüber doch die Behauptung aussprechen, daß die von Heim
angestellten Versuche mit Käse an und für sich und mit Bezug auf
die angewendeten Mengen Bakterien nicht den thatsächlichen Ver-
hältnissen entsprechen. Abgesehen von der direkten Einverleibung
von Cholerabakterien in Käse, die in praxi nur die äußersten Partieen
der Käse betreffen kann, weil dem Käse, auch dem Quark, kein mög-
licherweise Cholerabakterien haltendes Wasser einverleibt wird, ist
eine Infektion von Milch, die zum Käsen verwendet wird, im allge-
meinen nur möglich entweder beim Melken, wenn die melkende Person
cholerakranke Personen behandelt oder bei der weiteren Verarbeitung
der Milch durch ebenfalls infizierte Hände oder durch infiziertes Wasser,
eventuell auch Luft. Bei solchen Gelegenheiten werden, selbst wenn
die Milch nur weniger Kühe zur Verarbeitung kommt, doch wohl
niemals so große Mengen Cholerabakterien, wie sie zu so winzig
kleinen Mengen Milch hinzugefügt wurden, in diese gelangen. Es
müssen schon ganz außergewöhnliche Fälle herangezogen werden —
und ich wüßte nicht welche — , wenn solche Verhältnisse, wie sie
Heim zu seinen Versuchen benutzt hat, der Wirklichkeit entsprechen
sollen. In cholerainfiziertem Wasser hat man mittelst des gewöhn-
lichen Gelatineverfahrens die Cholerabakterien nur in besonderen Fällen,
dann nur in geringer Zahl nachweisen können — ein Beweis, daß
ihre Zahl in W asser meist gering und daß auch mit cholerainfiziertem
Wasser, wenn solches zum Reinigen der Gefäße oder auch zum Ab-
spülen der Butter verwendet wird, nicht sehr viele Cholerabakterien
in Milch und Butter gelangen. Und selbst wenn man außergewöhn-
liche Fälle annehmen wollte, würden sie, eben weil sie außergewöhn-
lich und deshalb sehr selten sind, nie die Berechtigung geben, sie zur
Begründung eines quasi Verbotes eines Nahrungsmittels heranzuziehen,
eines Verbotes resp. einer Warnung, die so schwerwiegende Kon-
sequenzen nach sich zieht. Man darf solche außergewöhnliche Fälle
nicht zu den allgemeinen oder auch nur häufigen stempeln, wie dies
Ueber das Verhalten der Cholerabakterien in Milch und Molkereiprodukten. 289
leider oft und nach vielen Richtungen hin, in denen die Hygiene eine
Rolle mitspielt, geschieht.
Aber selbst wenn man die von Heim eingehaltenen Verhältnisse
als geltende ansehen wollte, kann man mit Bezug auf Käse die Be-
rechtigung einer solchen Warnung nicht einsehen, weil diese erwiesen
haben, daß mindestens nach 2 Tagen der Käse keine Cholerabakterien
enthält und der Käse, — wenn man nicht gerade Quark essen will,
der aber auch nur in den seltensten Fällen vor 24 Stunden nach
seiner Herstellung in der Käsewanne zum Genüsse kommt — jedoch
eine viel längere Reifezeit durchmacht, auch Weichkäse, der für
besonders verdächtig erklärt wurde.
Weitere Versuche sind von Uffelmann und Friedrich an-
gestellt worden — die von Hugo Laser wollen wir vorläufig
übergehen, weil sie das Verhalten der Cholerabakterien in Butter
betreffen.
Uffelmann machte Versuche mit Milch und fand, daß die
Cholerabacillen in derselben anfänglich zu-, dann aber mit der
wachsenden Säuremenge und der wachsenden Anzahl der übrigen
Bakterien abnahmen, so daß solche nach 30 1 /2 Stunden noch vor-
handen waren, nicht mehr aber nach 40 Stunden. Das Original der
Arbeit steht mir nicht zur Verfügung, doch möchte man annehmen
dürfen, daß der Zusatz von Cholerabakterien sehr reichlich war und
zwar auf Grund des weiteren von Uffelmann angestellten Versuches.
Er infizierte Flußwasser künstlich mit Cholerabakterien, spülte eine
Porzellanschale mit dem Wasser aus und gab in diese Schale 25 ccm
Milch — in dieser Milch waren bereits nach 6 Stunden keine Cholera-
bakterien mehr zu finden. Derselbe Versuch, mit sterilisierter Milch
wiederholt, ergab fast dasselbe Resultat, von Cholerabacillen waren
nach 6V2 Stunden nur wenige vorhanden. Dieser Versuch ist einer
der wenigen, der thatsächlichen Verhältnissen entspricht.
Friedrich nahm Berliner Marktmilch und Rahm, versetzte sie
mit einer frischen Choleraagarkultur und fand nach 24 Stunden keine
Cholerabakterien mehr (mit Ausnahme zweier Röhrchen Magermilch,
die im Eisschranke gestanden hatten).
Bei den angezogenen Versuchen sind also meistens unverhältnis-
mäßig viel Cholerabakterien zur Anwendung gekommen, Mengen, wie
sie bei einer wirklichen Infektion nicht Vorkommen werden, auch sind
die Verhältnisse bei Herstellung von Käse und noch mehr bei Butter,
wie wir ein andermal sehen werden, so gewählt, daß sie zum Ver-
gleiche mit den thatsächlich statthabenden Fabrikationsweisen und
den dabei obwaltenden Verhältnissen nicht dienen können. Es war also
wünschenswert, zunächst einmal wirklichen Käse, und zwar den be-
sonders gefährlich gehaltenen Weichkäse aus cholerainfizierter Milch
unter möglichst genauer Einhaltung der Fabrikationsweise herzustellen
und dabei die wahrscheinlicheren Mengen von Cholerakeimen anzu-
wenden.
Wenn Ref. sich nicht früher schon zu solchen Versuchen, die ja
für das Molkereigewerbe von weitgehendster Bedeutung sind, entschloß,
so lag der Grund dafür zunächst darin, daß niemand vermuten konnte,
daß man solche Produkte wie speziell Käse für cholerainfektions-
290
H. Weigmann und G g. Zirn
verdächtig erklären werde uDd weiter lag der Grund in der Gefahr,
solche Versuche in einem Institute anzustellen, mit dem eine Meierei
verbunden ist. Erst nach Beseitigung der möglichen Infektionswege
konnte an die Vornahme der Versuche gedacht werden.
Versuch I. Die von uns zu den nachfolgenden Versuchen be-
nutzte Cholerakultur war frisch und stammte von einer in Hamburg
an Cholera gestorbenen Person. Die Prüfung der Kultur ergab eine
völlige morphologische Uebereinstimmung mit Cholera asiatica und
da sie ganz frisch war, konnte an ihrer Virulenz nicht gezweifelt
werden.
Der erste von uns am 25. September 1893 angestellte Versuch
sollte mehr ein Vorversuch sein. 3 Röhrchen mit steriler Milch
wurden mit Cholerabakterien geimpft, 2 Tage im Brütschranke ge-
lassen und sodann in 1 Liter sterilisierter Milch gegeben. Diese
Kultur blieb zuerst 2 Tage im Brütschranke und dann noch 1 Tag
bei Zimmertemperatur stehen und zeigte bei einer Prüfung mittelst
Färbepräparat sowie beim Gießen von Platten eine ungeheuere Zahl
Cholerabakterien.
Von dieser Kultur wurde je 1/2 Liter zu je 10 Liter Milch ge-
geben, um damit je 1 Käse herzustellen.
Der dazu gebrauchte Apparat sowie die angewendete Methode
sind ganz und gar den Verhältnissen in der Praxis nach geahmt.
Der Apparat besteht aus 2 gleich großen Kupferkesseln, die
nebeneinander in ein Wasserbad eingesetzt werden, so daß auf die Milch
sowie den Käsebruch ganz gleiche Temperaturen einwirken und die
Käse somit unter möglichst gleichen Verhältnissen hergestellt werden
können, was speziell bei vergleichenden Versuchen, für welche der
Apparat bestimmt ist, von Wichtigkeit ist.
Die Herstellung der Käse geschah auf folgende Weise. Die Milch,
je 10 Liter, wurde erst auf 30° C erwärmt, dann je 1/2 Liter der
Cholerakultur zugesetzt und unter fortwährendem Umrühren noch
1I2 Stunde auf der Temperatur von 30° C gehalten. Sodann wurde
die Milch mit Lab versetzt, umgerührt, die Milch zum Stillstand ge-
bracht, die Kessel bedeckt und der Labprozeß abgewartet. Derselbe
trat bereits nach 20 Minuten ein, während er zwischen 30 — 40 Minuten
eintreten soll, doch trat das eigentliche Festwerden des Bruches erst
nach 30 Minuten ein. Nachdem der Bruch den Grad der Festigkeit
erreicht hatte, daß er sich über dem Finger scharf brach, wurden
die oberen Partieen desselben mit der Käsekelle abgehoben und an
die Seite gelegt und darauf der Bruch mittelst eines selbstgefertigten
Käsesäbels in viereckige Stücke geschnitten. Nachdem wurde der
Bruch 2 — 3mal „verzogen“, d. h. die unteren Partieen des Bruches
nach oben gebracht und umgekehrt und bei dieser Gelegenheit auch
gleichzeitig bis zu Wallnußgröße zerkleinert. Nach dem Absetzen
des Bruches wurde derselbe mit der Kelle herausgeholt und in die
Form eingebracht. Diese besteht aus einem länglichen Holzkasten,
der mehrfach durchlöchert ist, um der Molke das Ablaufen zu ge-
statten, die Käsemasse wird durch Bleche geschnitten und abgeteilt.
In der Praxis kommt der Käse sodann in den sogenannten
Spanntisch, unsere Cholerabakterien enthaltenden Käse konnten nicht
Ueber das Verhalten der Cholerabakterien in Milch und Molkereiprodukten. 291
so behandelt werden, weil wir die Gefahr der Infektion nicht außer
Augen lassen durften.
Auch die bei diesem Versuche benutzte Käseform wurde später
durch eine andere ersetzt, weil die erstere sich für solche nicht ganz
ungefährliche Versuche als zu unhandlich erwies und Teile der Molke
nicht in den Käsekessel zurückliefen, sondern auf den Fußboden des
Laboratoriums gelangten, was uns zwang, mit großen Mengen Sublimat
der Möglichkeit einer Infektion entgegenzuarbeiten.
Aus der Form, in der die Käse länger als gewöhnlich belassen
wurden, kamen sie in eine weite Glasschale, die in einem nicht be-
schickten Eisschranke aufbewahrt wurde. Die sich in der Glasschale
noch fortwährend ansammelnde Molke wurde von Zeit zu Zeit abge-
gossen.
Die Proben für die Untersuchung auf Cholerabacillen wurden
zuerst in der Weise genommen, daß man nach dem Beispiele
Duclaux’s mittelst eines mehrfach eingefeilten und auf diese Weise
rauh gemachten Platinstabes an den verschiedensten Stellen des Käses
kleine Partieen herausholte und in dem Gelatineröhrchen durch
Reiben vermischte.
Da die Cholerabakterien bekanntlich eine gut alkalische Nähr-
gelatine lieben und auf dieser, wenn sie nicht gut alkalisch ist, bei
Gegenwart anderer Bakterien im Wachstume leicht behindert werden,
so benutzten wir zu unseren Versuchen immer eine besonders gut
alkalisch gemachte Nährgelatine.
Mit dem Probenehmen wurde bei dem ersten Versuche 9 Stunden
nach dem Zusatze des Labes zur Milch begonnen, es wurden je 4 Stiche
an 4 verschiedenen Stellen entnommen, in der Gelatine verteilt und
diese nach vorgenommenen Verdünnungen auf Platten ausgegossen.
Nach 3 Tagen wurden sämtliche choleraähnliche Kolonieen mittelst
Färbepräparat untersucht — es erwies sich keine derselben als
Cholerakolonie. Dasselbe Resultat wurde erhalten mit der 24 Stunden
nach dem Labzusatze genommenen Probe.
Dieses gegenüber den Resultaten anderer Forscher als abnorm
zu bezeichnende Resultat veranlaßte uns, sowohl die Art der Probe-
nahme wie der Untersuchungsmethode zu ändern. Die erstere sollte
von nun an in der Weise geschehen, daß ein etwa wallnußgroßes
Stück des Käses in einer Reibschale mit sterilisiertem Wasser ganz
zu einem sehr feinen, dünnflüssigem Brei verrieben wurde, der dann
zur Entnahme von Proben diente. Die Methode der Aufsuchung
sollte namentlich in den späteren Stunden nach der Fabrikation, resp.
nach dem Labzusatze nach der zuerst von Schottelius angegebenen
und auch von Heim bei seinen Versuchen über das Verhalten der
Cholerabakterien in Milch, Butter und Käse eingehaltenen Methode
ausgeführt werden. Die Peptonbouillon wurde nach dem von Arens
(Centralbl. f. Bakteriol. u. Parasitenkunde. Bd. XIV. p. 256) ange-
gebenen Verfahren hergestellt. Von der Brauchbarkeit dieser Methode
überzeugten wir uns durch mehrfache Versuche mit durch Cholera-
bakterien infizierter Milch, wobei sich erwies, daß die Methode die
Auffindung sehr weniger, selbst einzelner Cholerabakterien gestattet
292
H. Weigmann und G g. Zirn,
Der Lickfett’sche Nährboden erwies sich für unseren Zweck nicht
als geeignet.
Versuch II. 91 Magermilch wurden auf 30° C erwärmt und
dazu 1^2 1 einer Choleramilchkultur gegeben, die aus 4 1 Mager-
milch bestehend , mit 3 Choleramilchröhrchen geimpft und sodann
ca. 14 Tage bei gewöhnlicher Temperatur gestanden hatte. Diese
Choleramilchkultur war infolge der nicht beabsichtigten längeren
Dauer der Aufbewahrung bereits sehr stark fortgeschritten, es konnte
daher fraglich erscheinen, ob die in ihr enthaltenen Cholerabakterien
noch kräftig genug waren. Es wurde daher ein mit gewöhnlicher,
nicht sterilisierter Magermilch gefülltes Röhrchen mit etwa J/3 ihres
Volumens von dieser Kultur versetzt und mit dem Gemische einige
Röhrchen mit Peptonlösung geimpft und bei 35—37 0 C im Brüt-
schranke 6 Stunden lang aufbewahrt. Nach dieser Zeit wurden
einige Oesen von der oberen Schicht der Peptonlösung abgenommen
und in Gelatine übergeimpft, die dann zu Platten ausgegossen wurden.
Die Kulturen erwiesen sich beinahe als Reinkulturen von Cholera-
bakterien. Daraus muß geschlossen werden, daß die Cholerabakterien
der 14 Tage alten Milchkultur ebenso lebenskräftig waren, als die
Bakterien der Magermilch, sowie daß die Kultur für den vorliegenden
Zweck brauchbar war. Nach dieser Prüfung der Kultur wurden 9 1
Magermilch von 30° C mit 1 x/2 1 dieser Kultur versetzt, gut ge-
mischt und gelabt. Der Käse wurde diesmal und bei den folgenden Ver-
suchen nicht wie bei Versuch I in die gebräuchliche Käseform gebracht,
sondern wir ließen den für die Sterilisierung von Röhrchen üblichen
Drahtkorb innen mit Holz auskleiden, also in den Drahtkorb einen
Kasten hineinstellen, der wie eine Form stark mit Löchern durch-
setzt worden war, damit die Molke leicht abfließen konnte. Dieser
Korb war viel handlicher und konnte, da jetzt nur je 1 Käse her-
gestellt wurde, immer in den zweiten Käsekessel gestellt werden, so
daß ein Abtropfen der Molke in das Zimmer unmöglich und damit
die Infektionsgefahr beseitigt war. Von dem Käse, der, wie oben
beschrieben, gewonnen wurde, wurde bei jedesmaliger Probenahme ein
größeres Eckstück abgeschnitten und von der inneren Masse des
Käses selbst mittelst eines sterilen Spatels ein etwa wallnußgroßes
Stück herausgenommen. Nachdem dieses in der Reibschale mittelst
Pistill und mit nur ganz wenig sterilem Wasser zu feinem Brei zer-
rieben und dann weiter mit etwas Wasser verdünnt und zu einer
milchigen, schwach breiigen Flüssigkeit verarbeitet war, in der sich
keine größeren Stücke der Käsemasse befanden, wurden davon die
Proben zur Auffindung der Cholerabakterien entnommen. Auf ein
Peptonröhrchen wurden 3 Tropfen, auf ein zweites 2 Tropfen der
milchigen Flüssigkeit gegeben und dann dem ersten Peptonröhrchen
nach gehörigem Mischen x/2 ccm zur Impfung für ein drittes Pepton-
röhrchen entnommen. Die Röhrchen wurden sodann frühestens nach
6 Stunden, meist nach 6 — 9 Stunden zur Impfung von Nährgelatine-
röhrchen und zum Plattengießen verwendet.
Die erste dieser Probenahmen geschah 2 Stunden nach erfolgtem
Labprozeß, zu einer Zeit, wo der Käse noch recht viel Molke enthielt.
Ueber das Verhalten der Cbolerabakterien in Milch und Molkereiprodukten. 293
Die Plattenkulturen von dieser Probe enthielten neben vielen
anderen Bakterien mehrere Cholerakolonieen, deren Identität mittelst
Färbepräparaten und Stichkulturen nachgewiesen wurde. Ferner
fand sich in etwas größerer Zahl eine Kolonie vor, welche Aehn-
lichkeit mit den Cholerakolonieen hatte, die sich aber als aus einem
Streptococcus gebildet erwies.
Ferner wurden nach 24 Stunden Proben und zwar aus der Mitte
des Käses genommen — die Platten enthielten aber keine einzige
Cholerakolonie, sondern nur Milchbakterien, und zwar war der ver-
flüssigende Coccus sehr stark vertreten.
Dasselbe Resultat wurde erhalten bei den Probenahmen nach
56, 72 und 96 Stunden. Sämtliche Platten wurden einer genauen
mikroskopischen Prüfung unterworfen und in zweifelhaften Fällen die
choleraverdächtigen Kolonieen abgestochen und Färbepräparate an-
gefertigt, doch war Cholera in keinem Falle mehr nachweisbar.
Bei dieser Gelegenheit konnte auch eine sehr bemerkenswerte
Veränderung in der bakteriologischen Zusammensetzung des Käses
beobachtet werden. Während nämlich nach 24 Stunden der oben
erwähnte verflüssigende Coccus recht zahlreich vertreten war, kam
er nach 56 Stunden weniger vor und hatte sich bei den Proben nach
72 und 96 Stunden ganz und gar verloren. In diesen letzten Proben
entwickelten sich auf den Platten hauptsächlich ganz kleine, weiße
Kolonieen, die wir als Säuerungsbakterien sehr wohl kennen. Die
Erklärung für diese Erscheinung dürfte wohl die folgende sein: Es
ist eine uns Bakteriologen, die wir im Dienste der Milchwirtschaft
und des Molkereiwesens stehen, wohlbekannte Thatsache, daß der
erste, im reifenden Käse vor sich gehende Prozeß eine Säuerung ist,
sowie daß beim Eintreten dieser Säuerung — sowohl beim Käse wie
beim Rahm — eine ganze Reihe verschiedener Bakterienarten ver-
schwinden. So auch hier, der verflüssigende Coccus ist offenbar
eine Bakterie, die alkalische oder wenigstens neutrale Reaktion liebt,
da sie bei den Kulturen in der alkalischen Peptonbouillon sehr gut
wächst und mit den Cholerabakterien zusammen die Oberfläche der
Bouillon bewohnt. Sobald die Säuerung beginnt, die in dem Käse
durch die Zugabe von lJ/2 1 alkalischer Choleramilchkultur etwas
verzögert worden ist, verschwindet der Coccus und macht den
Säuerungsbakterien, die sich nunmehr mit voller Energie entwickeln,
Platz.
Versuch III. Die aus dem vorhergehenden Versuche sich
ergebende Thatsache, daß selbst bei Zugabe von 1 x/2 1 einer un-
geheuer viel Cholerabakterien enthaltenden Milchkultur zu 9 1 einer
bereits etwas älteren Magermilch schon nach 24 Stunden in dem
daraus hergestellten Käse keine Cholerabakterien mehr enthalten
waren, konnte trotz der oben angeführten Prüfung auf die Virulenz
der Cholerabakterien die Vermutung aufkommen lassen, daß die-
selben, weil einer 14 Tage alten Kultur entstammend, zu schwach
gewesen waren, um den Kampf mit den Milchbakterien zu bestehen.
Der Versuch wurde deshalb wiederholt, und es sollte, weil sich an-
nehmen ließ, als ob Vollmilchkäse die Cholerabakterien länger zurück-
halte, als Magermilchkäse, jetzt Vollmilch verwendet.
XV. Bd.
19
294
H. Weigmann und G g. Zirn,
Es wurden zu 8 1 Vollmilch 1 1 einer 31/2 Tage alten Cholera-
railchkultur zugesetzt, 10 Minuten lang umgerührt und darauf gelabt.
Von der Choleramilchkultur wurde 1 Oese in ein Gelatineröhrchen
gegeben und davon eine Platte gegossen, die Platte enthielt außer-
ordentlich zahlreiche Cholerakeime, so daß die Zahl der zur Milch
zugesetzten Cholerabakterien ebenfalls eine ganz außerordentlich große
sein mußte. Die Molke lief, weil der Käse Vollmilchkäse war, nicht
so rasch ab, wie sonst, so daß der Käse sich nur langsam setzte und
noch nach 6 Stunden recht viel Molke enthielt, ein Umstand, der
vermuten ließ, daß diesmal die Cholerabakterien längere Zeit aus-
dauern würden resp. noch längere Zeit nach dem Labprozeß zu finden
sein möchten.
Es wurden wie in der früheren Weise Proben genommen 9, 15
und 22 Stunden nach dem eingeleiteten Labprozesse resp. des Zu-
satzes der Cholerakultur, die Käseprobe wurde wieder möglichst fein
verrieben, was hier etwas schwieriger war, als bei den Magerkäsen,
und 3 und 1 Tropfen der Aufschwemmung in je 1 Peptonröhrchen
gegeben und von dem ersteren 1/2 ccm in ein drittes Peptonröhrchen
übergeführt. Die Peptonröhrchen standen 6 — 9 Stunden im Brüt-
schranke und darauf wurden von der Oberfläche einige Oesen ab-
genommen und in Gelatine übergepflanzt, darauf Platten gegossen.
Auf den Gelatineplattenkulturen, welche die nach 9 Stunden
nach der Zugabe genommene Probe enthielten, waren mehrfach
choleraähnliche Kolonieen gewachsen , aber alle die von diesen
choleraähnlichen Kolonieen abgestochenen und eingehender unter-
suchten enthielten entweder den obenerwähnten Co ccus oder gerade
Stäbchen. Selbst diejenigen Kolonieen, die wir bei der mikro-
skopischen Durchsuchung zweifellos für Cholerabakterien hielten, und
auch die davon angelegten Stichkulturen ergaben ein negatives
Resultat.
Die Kulturen von der 15 Stunden nach der Zufügung der
Cholerakultur entnommenen Käseprobe enthielten ebenfalls cholera-
ähnliche Kolonieen, die sich bei näherer Untersuchung wieder nicht
als solche erwiesen. Ebenso verhielten sich die Kulturen mit der
Probe nach 22 Stunden.
Es ist also nach diesem Versuche mindestens zweifelhaft, ob
unter den Mischungsverhältnissen 1 1 Choleramilchkultur zu 8 1
Vollmilch die Cholerabakterien den Milchbakterien im Kampfe ums
Dasein länger als 9 Stunden widerstehen können. Daß die Cholera-
milchkultur ganz ungemein viel Cholerakeime enthielt, ist durch den
oben angeführten Versuch ja nachgewiesen. — Man muß also, da
eine starke Säuerung im Käse nicht nachzuweisen war und die
Cholerabakterien durch die Säuerung allein somit nicht abgetötet
sein konnten, annehmen, daß die Milch so sehr viel Bakterien ent-
hielt, daß diese die Cholerabakterien leicht überwucherten. Wir
nahmen uns daher vor, bei einem nächsten Versuche das gegenseitige
Verhältnis der Cholerabakterien zu den Milchbakterien festzustellen.
Bevor wir aber zu der Beschreibung des nächsten Versuches über-
gehen, möge noch einer Erscheinung Erwähnung gethan werden,
deren Beobachtung uns wichtiger wurde infolge der zu derselben
Ueber das Verhalten der Cholerabakterien in Milch und Molkereiprodukten. 295
Zeit mitgeteilten Beobachtungen Dahmen’s über die verschiedenen
Formen der Cholerakolonieen.
D ahmen unterscheidet nämlich zwischen a- und ß- Cholera-
vibrionen, die sich sowohl in der Form der einzelnen Bakterien, als
auch in der Form der Gelatineplattenkolonieen und Gelatinestich-
kulturen unterscheiden. Auch wir konnten bei dem vorbeschriebenen
Versuche III auf der aus der angewendeten Choleramilchkultur her-
gestellten Gelatineplatte stark in die Augen springende Differenzie-
rungen entdecken und fanden ebenfalls, daß vielfach zwei verschieden
gestaltete Kolonieen einander entgegen- und auch ineinander wuchsen,
so daß die Form von Hutpilzen nicht selten gesehen wurde. Der
eine Teil der Kolonieen zeigte eine scharf berandete, flache Ver-
flüssigungsschale, in der eine unscharf berandete bis gelappte Kolonie
von grobkörnigem, „glasbröckchenartigem“ Inhalte, wie Friedrich
sich ausdrückt, sich befand, die andere, an der Oberfläche wachsende
resp. von der Oberfläche der Gelatine aus wachsende Form hatte einen
sehr steilen und tiefen Verflüssigungstrichter, auf dessen Grunde die
Kolonie lag. Wir glaubten anfangs noch eine dritte und zwar am
häufigsten auftretende Form unterscheiden zu müssen — es waren
dies in der Gelatine oder dicht unter der Oberfläche derselben
liegende Kolonieen, die scharfrandig, sehr hell und feinkörnig und
mit einem oder mehreren konzentrischen Kreisen versehen waren.
Diese konzentrischen Kreise wuchsen häufig, wenn die Kolonieen
einander nahe lagen, einander entgegen und nahmen dann Eiform
an. Die zwischen den Kreisen liegenden Ringe zeigten deutlich eine
Differenzierung der Beschaffenheit des Inhaltes. Später überzeugten
wir uns, daß diese anfänglich für eine dritte Modifikation gehaltene
Cholerakolonie mit der erst beschriebenen, von D ahmen mit a
bezeichneten identisch war. Es blieb leider nicht die Zeit, diese
Erscheinungen genauer zu verfolgen und auf den Grund derselben
näher einzugehen. Als merkwürdig darf hervorgehoben werden, daß
wir diese Differenzierung bei den früheren und auch den nachherigen
Versuchen, wenigstens bei Versuch V, nicht mehr beobachteten,
während bei Versuch IV auf der Platte mit der Choleramilchkultur
noch vereinzelte Differenzierungen gefunden wurden.
Versuch IV. Bei diesem und dem folgenden Versuche sollte
zunächst auf das gegenseitige Verhältnis der Milchbakterien zu den
Cholerabakterien besondere Aufmerksamkeit verwendet werden. Dann
aber sollte auch eine andere Möglichkeit der Infektion, wie sie in
der Praxis Vorkommen kann, ins Auge gefaßt werden. Während
nämlich bei den ersten Versuchen die Möglichkeit ins Auge gefaßt
war, daß zu gewöhnlicher Milch solche hinzugefügt wird, die unter
ausnahmsweise ganz ungemein günstigen Bedingungen mit Cholera-
bakterien infiziert ist und daher sehr viel Cholerabakterien enthält,
sollte hier die Infektion der Milch gleich beim Melken gewissermaßen
nachgeahmt werden. Zu dem Zwecke wurde die frisch gemolkene Milch
von 1 — 2 Kühen direkt nach dem Melken in das Laboratorium gebracht
und davon eine bestimmte Menge mit dem Inhalte dreier Milchröhrchen
(je etwa 15 ccm) versehen, die nach der Impfung mit Cholerabakterien
aus einer frischen Gelatinekultur Tage im gut geheizten Zimmer
19*
296
H. Weigmann und Gg. Zirn,
gestanden hatten. Die Menge der der Milch zugefügten Cholera-
bakterien darf als eine sehr große angesehen werden und man darf
wohl annehmen, daß solche Mengen Cholerabakterien in der Wirk-
lichkeit, also wenn das Melken von einer Person ausgeübt wird,
die einen Cholerakranken behandelt oder dessen Wäsche u. s. w.
gereinigt hat, niemals in die Milch gelangen werden. Um die Ver-
hältnisse, wie sie in der Praxis des Gewerbes liegen, möglichst getreu
nachzuahmen, wurde die infizierte Milch gekühlt, allerdings nicht in
vorschriftsmäßiger Weise, mittelst Kühler, sondern indem die Milch
in dem für die Käserei bestimmten Kessel, also im Käsekessel, in
kaltes Wasser gestellt wurde.
Von einem der zu gleicher Zeit und in gleicher Weise geimpften
sowie unter denselben Verhältnissen gehaltenen Milchröhrchen wurde
wieder eine Plattenkuitur angelegt, um zu prüfen, ob die Cholera-
milchkultur auch genügend Bakterien enthalte. Eine Oese dieser
Milchkultur gab, mit Nährgelatine gemischt und ausgegossen, eine
ungemein große Zahl von Cholerakolonieen, die nicht gezählt werden
konnten, auch nicht in der Weise, daß man die Zahl der auf ein
Gesichtsfeld fallenden Kolonieen feststellte und die Größe des Ge-
sichtsfeldes ausmaß. Natürlich war die Platte nur so lange einer Be-
sichtigung unterziehbar, als die Kolonieen noch ganz jung waren,
später verflüssigte sie vollständig. Die Zahl der in 1 Oese Milch
enthaltenen Keime betrug 464. Die Zahl der verschiedenen Arten
konnte bei der allerdings nicht eingehenden Prüfung auf 8 festgestellt
werden.
Es wäre wohl richtiger gewesen und man hätte einen besseren
Vergleich mit der Bakterienzahl in anderen Milchproben gehabt,
wenn wir die Anzahl der Milchbakterien in der Weise festgestellt
hätten, daß wir etwa 1 ccm Milch auf 500 oder 1000 ccm Wasser
verdünnt und dann mit 1, */ 2 u. s. w. ccm dieser Verdünnung
Platten gegossen hätten, aber dieses Verfahren hätte uns zu sehr in
der Ausführung der anderen Probenahmen gehindert und zudem
kam es ja nicht auf die genaue Feststellung der Bakterienzahl in
der Milch an — um so weniger, als die Zahl der in 1 Oese enthaltenen
Cholerabakterien eine unzählbare war — sondern es handelte sich
um die Feststellung des Verhältnisses der Milchbakterien zu den
Cholerabacillen. Die Zahl der in 1 Oese enthaltenen Milchbakterien
gewährt namentlich im Vergleiche mit dem Versuche V einen An-
haltspunkt und eine Kontrolle für dieses Verhältnis.
Sofort nach dem Zusatze der drei Choleraknlturen zur Milch (6 kg
Vollmilch) und nach gründlichem Durchmischen der beiden (morgens
6 Uhr) wurde ein Gelatineröhrchen mit einer Oese des Gemisches
geimpft und eine Platte gegossen. Nach 3-tägigem Stehen im warmen
Zimmer wurde die Platte untersucht und das Verhältnis der Cholera-
bakterien, die sich sehr deutlich unterscheiden ließen, zu den Milch-
bakterien in der Weise festgestellt, daß man in etwa 30 Gesichts-
feldern an den verschiedensten Stellen der Platte die Zahl der Cholera-
bakterien und der Milchbakterien auszählte. Das Mittel aus diesen
Auszählungen ergab das Verhältnis von 5 Milchbakterien zu 2 Cholera-
bakterien. Von mehreren der für Cholerakolonieen gehaltenen
Ueber das Verhalten der Cholerabakterien in Milch und Molkereiprodukten. 297
Kolonieen wurden Ausstrichfärbpräparate gemacht und festgestellt,
daß es sich um Cholerabakterien handelte, auch wurde ein Pepton-
röhrchen mit 5 Oesen von der infizierten Milch angesetzt und 6 Stunden
bei 36 0 C gehalten und dann Platte gegossen, — die Plattenkultur
war fast eine Reinkultur von Cholerabakterien. 4 Stunden nach der
Infektion der Milch wurde der Labprozeß vorgenommen. Unmittelbar
nach dem Zusatze des Labes und Umrühren der Milch wurde wieder
eine Probe, 1 Oese, von der Milch entnommen, in Nährgelatine ge-
geben und Platte gegossen, zugleich wurden auch 5 Oesen von der
mit Lab versetzten Milch in ein Peptonröhrchen gegeben und wie
sonst verfahren.
Während nun die Gelatineplatte, welche mit 1 Oese der Milch
direkt geimpft worden war, keine Cholerabakterien erkennen ließ,
fanden sich auf der Gelatineplatte, welche aus dem Peptonröhrchen
geimpft worden war, zahlreiche Cholerakolonieen, ein Beweis für die
Vorzüglichkeit des Peptonverfahrens, welche sich noch besser durch
die folgenden Resultate kundgiebt:
11 Uhr vormittags, also 5 Stunden nach der Infektion der Milch,
wurden von der Molke, die von dem inzwischen, wie üblich, herge-
stellten Käse abtropfte, Proben genommen, und zwar 2 Tropfen in
Gelatineröhrchen, davon 5 Oesen zur Verdünnung abgeimpft und
beide Röhrchen ausgegossen — auf keiner der beiden Platten konnten
Cholerakolonieen gefunden werden, alle einigermaßen ähnlich ver-
flüssigende Kolonieen wurden geprüft und ihre Verschiedenheit von
Cholerabakterien festgestellt. Gleichzeitig wurden auch 2 Tropfen
von der abtropfenden Molke in ein Peptonröhrchen gegeben und wie
sonst verfahren — diese Platte zeigte sehr viele Cholerakolonieen.
Bei der Herstellung des Käses in diesem und im folgenden Ver-
suche wurde der Ablauf der Molke etwas rascher ermöglicht, in dem
wir den Käsebruch nicht direkt in die Form gaben, sondern diese erst
mit einem Käsetuche auskleideten, wodurch verhindert wurde, daß
sich die Abtropflöcher teilweise verstopften und so den Abfluß der
Molke etwas hinderten. Auch wurde die Labtemperatnr etwas höher
genommen, damit der Bruch fester werde.
Um 4 Uhr nachmittags, 6 Stunden nach dem Zusatze des Labes
und 10 Stunden nach der Infektion der Milch, wurde wieder eine
Probe des Käses genommen und wie früher verarbeitet, sowie Pepton-
röhrchen in der angegebenen Weise geimpft. Die Platten aus den
Peptonröhrchen wurden nachts 12 Uhr gegossen — sie zeigten nach
3 Tagen und später keine Cholerakolonieen. Um 1 Uhr nachts, also
15 Stunden nach dem Labzusatze und 19 Stunden nach der Infektion
der Milch wurde wieder Probe vom Käse genommen und Pepton-
röhrchen geimpft — auch die Platten von diesen Röhrchen zeigten
keine Cholerakolonieen. Ferner waren noch Proben genommen worden
um 10 Uhr vormittags, 4 Uhr nachmittags, 1 Uhr nachts des nächsten
Tages und um 1 Uhr mittags am übernächsten Tage, also 28, 34, 40
und 55 Stunden nach der Infektion der Milch.
Alle Proben wurden wieder in Peptonröhrchen gegeben und dann
nach 6 — 9 Stunden Gelatineplatten gegossen — alle Platten waren
frei von Cholerakolonieen.
298
H. Weigmann und G g. Z i r n ,
Versuch V. Dieser Versuch ist eine Wiederholung des Ver-
suches IV nur sollten die Proben in den ersten Stunden nach der
Herstellung des Käses, die also für das Verschwinden der Cholera-
bakterien die kritischen waren, öfter genommen werden. Wie unten
ersichtlich, hat sich diese kritische Zeit ziemlich hinausgeschoben,
weil das Verhältnis der Milchbakterien zu den Cholerabakterien für
die letzteren ein günstigeres geworden war, in Folge des geringen
Bakteriengehaltes der frisch gemolkenen Milch. Diese enthielt in
1 Oese (die gleiche wie in Versuch IV) nur 280 Keime. Die 3 Cholera-
milchröhrchen hatten wieder l1/* Tage im Zimmer gestanden und
die davon angesetzte Gelatineplatte hatte wieder unzähliche Cholera-
kolonieen entstehen lassen. Die Vermischung der 3 Choleramilch-
röhrchen mit 6 kg Vollmilch erfolgte um 6 Uhr 30 Minuten morgens,
sogleich nach der Probenahme aus Milch nnd Choleramilchkultur.
Das Verhältnis der Milchbakterien zu den Cholerabakterien
erwies sich gleich 5:3 — die Zahl der Cholerabakterien betrug also
mehr als die Hälfte der Zahl der Milchbakterien.
Um 10 Uhr, vor dem Labzusatze, wurde Probe in ein Gelatine-
röhrchen und 5 Oesen in ein Peptonröhrchen gegeben, die Gelatine-
plattenkultur der ersteren Probe ließ Cholera'kolonieen mit Sicherheit
nicht erkennen, während die aus dem Peptonröhrchen viele Cholera-
kolonieen aufwies.
Um 11 Uhr wurde wieder Probe genommen und zwar von dem
Käsebruch und der Molke zusammen, a) in Gelatine, b) in Pepton-
röhrchen, a ließ wieder keine, b dagegen ziemlich viele Cholera-
kolonieen zum Wachstum gelangen.
Um 12 Uhr, also 5V2 Stunden nach der Infektion der Milch,
wurde Probe vom Käse genommen und wieder in Gelatine und in
3 Peptonröhrchen gegeben — die direkt angesetzte Gelatineplatten-
kultur ließ wieder keine Cholerabakterien, die aus dem Peptonröhrchen
angesetzte dagegen viele erkennen. Ebenso verhielt es sich mit
einer um 1 Uhr genommenen Käseprobe. Eine um 3 l/8 Uhr nach-
mittags angesetzte Probe der abtropfenden Molke, bestehend aus
7 Tropfen, in ein Peptonröhrchen geimpft, ließ noch Cholera er-
kennen, während eine vorher, um 1 Uhr, genommene Probe mit
1 Tropfen direkt in Gelatine angesetzt keine Cholerakolonieen mehr
erkennen ließ.
Ferner wurden Käseproben genommen um 5 Uhr nachmittags,
um 2 Uhr morgens und um 10 Uhr vormittags des anderen Tages,
also nach 10 A/2 , nahezu 20 und nahezu 28 Stunden seit der Ver-
mischung der Cholerakultur mit der frischen Milch und nach circa 6,
16 und 24 Stunden nach Ausscheidnng des Käsebruches.
Die Proben wurden jedesmal in Peptonröhrchen gegeben und
zwar 5 Tropfen und 1 Tropfen, sowie aus dem mit 5 Tropfen be-
schickten Röhrchen 1/s ccm in ein drittes Röhrchen.
Während es nun gelang, in den Gelatineplattenkulturen von den
um 5 Uhr nachmittags und um 2 Uhr morgens genommenen Proben
noch Cholerakolonieen aufzufinden, in letzterer Probe allerdings nur
ganz vereinzelte, fanden sich in den Proben, die um 10 Uhr vor-
Ueber das Verhalten der Cholerabakterien in Milch und Molkereiprodukten. 299
mittags, also 24 Stunden nach Herstellung des Käses genommen
worden waren, Cholerabakterien nicht mehr vor.
Aus diesem Versuche ist wieder die Exactheit der Peptonmethode
so recht ersichtlich.
Wenn wir nun die Resultate der 5 Versuche mit Käse in’s Auge
fassen, so sehen wir, daß die Cholerabakterien sehr rasch zu Grunde
gegangen sind. In 2 Fällen waren sie schon nach 9 Stunden nicht
mehr zu finden, in 1 Falle (wenn die Milch mehrere Stunden vorher
infiziert worden war) schon sogar 6 Stunden nach Herstellung des
Käses nicht mehr, in keinem Falle aber, selbst nicht in dem letzten
Versuche, wo das Verhältnis der Cholerabakterien gegenüber den
Milchbakterien ein sehr günstiges war, konnte eine Lebensdauer der
Cholerabakterien über 24 Stunden in Käse konstatiert werden. Das
Ergebnis unserer Versuche stimmt also vollständig mit dem Ver-
suche Hei m’s überein, soweit Heim nicht allzuviel Cholerabakterien
zu seinen Versuchen anwandte. Da, wo dies der Fall, findet Heim
auch eine längere Lebensdauer der Cholerabakterien — aber solche
Mengen Cholerabakterien werden im praktischen Leben wohl niemals
in den Käse gelangen, es müßte denn sein, daß Choleradejektionen
direkt in die Milch gelangten.
Daß die Ausdauer der Cholerabakterien gegenüber den Milch-
bakterien sehr von ihrer Zahl resp. dem Verhältnisse ihrer Menge
gegenüber der der Milchbakterien abhängig ist, geht zur Evidenz
auch aus dem Versuch V hervor. Ref. möchte glauben, daß dieses
Verhältnis ausschlaggebender ist, als die Säuerung der Milch, jeden-
falls ist es ausschlaggebend bevor eine Säuerung in der Milch statthat.
Um uns über die Berechtigung dieser Ansicht Aufklärung zu
verschaffen, sollten noch Versuche über das Verhalten der Cholera-
bakterien in nicht sterilisierter süßer Milch gemacht werden und
zwar wieder unter genauer Berücksichtigung des gegenseitigen Ver-
hältnisses der Menge der Cholerabakterien zu den anderen.
Der erste dieser Versuche ist leider mißglückt, weil wir an der
Aussaat der Choleramilchkultur erkennen mußten, daß dieselbe nicht
rein war. Die Gelatineplatte dieser Milchkultur zeigte neben Cholera-
bakterien eine sehr große Zahl kleiner Kolonieen. Diese stammten
offenbar von einer Milchbakterie her, für die die Nährgelatine ein
sehr schlechter Nährboden ist, wie dies überhaupt bei vielen spezi-
fischen Milchbakterien, z. B. schon den Milchsäurebakterien, der
Fall ist.
Dieser, sowie der nächstfolgende Versuch, wurden in der Weise
ausgeführt, daß wir je 50 ccm einer gut gemischten und oft ge-
schüttelten Vollmilch in Arzneigläser von 150 ccm Inhalt gaben und
zu diesen verschiedene Mengen einer Choleramilchkultur hinzu-
fügten. Von diesen Gemischen wurden möglichst von Stunde zu
Stunde nach starkem Umschütteln von der Menge 1 Oese genommen
und in den ersten Stunden direkt in Gelatine übertragen und sogleich
zu Plattenkulturen ausgegossen, in den späteren Stunden wurden,
um das Vorhandensein von Cholerabakterien überhaupt noch festzu-
stellen, wieder Peptonkulturen, 3 Tropfen des Gemisches in je
1 Röhrchen, angelegt. Das Verhältnis der Mengen wurde so ge-
300
H. Weigmann und G g. Zirn
wählt, daß Gemisch I 0,2 ccm, Gemisch II 1 ccm und Gemisch III
5 ccm der Cholerakultur erhielt. War die Wiederstandsfähigkeit
der Cholerabakterien gegenüber den Milchbakterien, abgesehen von
der Säuerung, von der numerischen Ueberlegenheit der ersteren ab-
hängig, so mußte bereits in den ersten Stunden nach der Hinzu-
fügung der Cholerabakterien die Zahl der letzteren allmählich, aber
in deutlich hervortretender Weise abnehmen.
Bei dem ersten Versuche, zu dem eine 5 Stunden alte Vollmilch
verwendet wurde, war, wie gesagt, eine Verunreinigung der Cholera-
kultur eingetreten, es wurde dadurch das Verhältnis für die Cholera-
bakterien ein sehr ungünstiges. Die Unterschiede in den der Milch
zugefügten Mengen Cholerabakterien waren somit gering, es waren
deshalb auch keine deutlich sichtbaren Abnahmen in dem Verhältnis
der Cholerabakterien zu den Milchbakterien zu erwarten.
Zeit
Nach 1 Stunde
„ 2 Stunden
>> 37j »
4 „
Gemisch I Gemisch II
? Cholera
Cholera vereinzelt Cholera weniger häufig
als nach 1 Stunde
1 choleraähnliche keine Cholera
Kolonie, zweifelhaft
ob Cholera
Gemisch III
viel Cholerakolonieen
keine Cholera
(Platten zu dicht)
keine Cholera
keine Cholerakolonieen mehr.
Dies Bild ist offenbar kein deutliches, zumal bei Gemisch III
nach 2 Stunden schon keine Cholerabakterien mehr zu erkennen
waren, obwohl 1 Stunde vorher noch sehr viele davon gefunden
wurden. Es steht dies wohl im Zusammenhänge mit der von Re fa-
st ein er gemachten Beobachtung, daß bei der Kultur auf Nähr-
gelatine das Wachstum der Cholerabakterien unterdrückt wird, wenn
zugleich viele andere Bakterien eingesät sind.
Zum zweiten Versuche wurde eine 4 Stunden alte Milch ver-
wendet und wieder in der beschriebenen Weise verfahren.
Von der Choleramilchkultur wurde 1 ccm auf 1000 ccm ver-
dünnt und von dieser Verdünnung 1 ccm zur Gelatineplattenkultur
verwendet. Die Platte enthielt 100 Cholerakolonieen. Milch in der-
selben Weise auf ihren Bakteriengehalt geprüft, enthielt makro-
skopisch 42 Kolonieen, bei Anwendung einer schwachen Vergrößerung
zeigten sich jedoch in der Gelatine wieder eine ganze Anzahl sehr
kleiner Körper, die sich bei näherer Untersuchung zweifellos als
Bakterienkolonieen erwiesen. Die Zahl dieser Kolonieen wurde bei
der mikroskopischen Auszählung in Rücksicht gezogen.
Sogleich nachdem die Gemische I, II und III hergestellt worden
waren, sowie nach verschiedenen Zeiten wurden wieder direkt Platten-
kulturen aus Nährgelatine mit je 1 Oese des Gemisches gegossen
und nach Verlauf von ca. 3 Tagen das Verhältnis der Milchbakterien
zu den Cholerabakterien sowohl makroskopisch wie mikroskopisch auf
das Sorgfältigste festgestellt, in den späteren Stunden wurden Pepton-
kulturen angelegt.
Um das Bild nicht zu trüben, möge von der Mitteilung der
Ueber das Verhalten der Cbolerabakterien in Milch und Molkereiproduktcn. 301
Einzelzählungen abgesehen werden und das Resultat in folgender
Tabelle zusammengestellt sein:
Nach der makroskopischen Auszählung:
Zeit
Art der Kultur
Gemisch I
Gemisch 11
Gemisch III
Milch-
Cholera-
Milch- Cholera-
Milch- Cholera-
bakt.
bakt.
bakt. bakt.
bakt. bakt.
direkte Gelatine-
sogleich
plattenkultur
1
: 8
1 : 38
1 : sehr viel
nach l1/, Std.
11
1
: 5
1 : 30
1 : 150
i> 21/*
»»
11
3
: 1
1 : 2,5
1 : 12
>. *7,
>»
11
32
: 1
10 : 1
1 : 2
„ 77z
ff
11
300
s 1
—
—
» 7 V2
11
Peptonkultur
—
15 : 1
2,5 : 1
Nach der mikroskopischen Auszählung :
Zeit
Art der Kultur
Gemisch I
Gemisch II
Gemisch III
Milch-
Cholera-
Milch- Cholera-
Milch- Cholera-
bakt.
bakt.
bakt. bakt.
bakt. bakt.
direkte Gelatine-
sogleich
plattenkultur
54
: l
9 : 1
—
nach 1 1L Std.
11
100
: 1
50 : 1
20 : 1
,, 21/,
11
2000
: 1
1000 : 1
27 : 1
„ H
,,
11
20000
: 1
2240 : 1
320 : 1
„ 77z
11
120000
: 1
—
—
, 7 72
Peptonkultur
3200 : 1
450 : 1
„ 137,
,,
11
Cholera noch nachweisbar
,1 22
Cholera nicht mehr zu
finden
„ 25
7»
,,
»»
,, 30
11
,, 37
,,
11
11
„ 48
11
11
11
Diese Verhältniszahlen sind natürlich etwas abgerundet und sollen
nur das ungefähre Verhältnis angeben, obwohl auf die Zählungen die
größte Sorgfalt verwendet wurde.
Ein besseres Bild von dem gegenseitigen Verhalten der Milch-
und Cholerabakterien erhält man, wenn man die Zahl der ersteren
gleich 1 setzt und das Verhältnis der Zahl der Cholerabakterien
dazu berechnet, aus diesen Zahlen dann die Abnahme der Zahl der
Cholerabakterien festsetzt und diese Abnahme in Prozenten der je-
weilig vorhandenen Menge Cholerabakterien ausdrückt und schließlich
diese Zahlen auf 1 Stunde als Zeiteinheit umrechnet. Aus den bei
der mikroskopischen Zählung erhaltenen Angaben berechnen sich
dann folgende Zahlen:
Verhältnis der Milch- Verlust der Cholera- Verlust der Cholera-
Zeit bakterien zu den bakterien in Proz. der bakterien in Proz. und
Cholerabakterien jeweilig vorhand. Menge auf 1 St. Zeit berechnet
Gemisch I
sogleich
1 :
: 0,0185
45,9
nach 17 3 Std.
1 :
: 0,01
11 27, 11
1 :
: 0,0005
95,0
» 47* 11
1 :
: 0,00005
90,0
83,4
■>* 77» »
1 ;
: 0,0000083
33.0
95.0
45.0
27,8
302 H* W ei g mann und Gg. Zirn, Ueber das Verhalten der Cholerabakterien etc.
Zeit
Verhältnis der Milch- Verlust der Cholera- Verlust der Cholera-
bakterien zu den bakterien in Proz. der bakterien in Proz. nnd
Cholerabakterien jeweilig vorhand. Menge auf 1 St. Zeit berechnet
Gemisch II
sogleich 1 : 0,111
nach l‘/j Std. 1 : 0,02
„ 21/, „ 1 : 0,001
„ 47, „ 1 : 0,00044
82,0
95.0
56.0
29,5
54,7
95.0
28.0
9,8
„ 77, „ 1 : 0,00031
Gemisch III
sogleich
18,0
92,4
29,0
18,0
46,2
9,7
Aus diesen Zahlen geht ohne Frage folgendes hervor:
1) Die größten Verluste fallen in die ersten 4 Stunden und von
da ab, teilweise auch schon früher, nehmen die Verlustzahlen ab.
2) Die Verlustzahlen sind bei Gemisch II und III und nament-
lich in den letzten Stunden nicht so groß wie bei Gemisch I, d. h.
die Cholerabakterien sind um so widerstandsfähiger, je zahlreicher
sie sind.
Aus diesen Folgerungen muß weiter geschlossen werden, daß die
Abnahme der Cholerabakterien in der Milch nicht allein der fort-
schreitenden Säuerung zugeschrieben werden darf, sondern auch und
in viel höherem Maße von der Konkurrenz der Milchbakterien ab-
hängig ist; ferner, daß die Cholerabakterien um so länger in der
Milch sich aufhalten werden, je zahlreicher sie sind. Diese letztere
Schlußfolgerung ist gewissermaßen selbstverständlich, sie ist jedoch
von Wichtigkeit mit Bezug auf unsere Behauptung, daß die Versuche
Heim’s u. s. w. nur deshalb eine so bedeutende Langlebigkeit der
Cholerabakterien in Milch, Butter und Käse ergeben haben, weil bei
denselben diesen Objekten unverhältnismäßig große Mengen Cholera-
bakterien einverleibt worden sind.
Unsere Versuche über das Verhalten der Cholerabakterien in
Milch halten wir damit noch nicht für abgeschlossen, auch werden
wir noch weitere Studien über das Verhalten der Cholerabakterien
in Sauer- und Süßrahmbutter anstellen.
Bakteriologische Abteilung
der landwirtschaftlichen Versuchsstation
Kiel, 6. Februar 1894.
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc. 303
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen
Instituten, Laboratorien etc.
[Istituto d’Igiene sperimentale della ft. Universitä dl Roma.]
Ueber das Tetanusgift.
Vergleichende Studien mit Berücksichtigung anderer Gifte
und der Enzyme.
Von
Dr. Claudio Fermi, Assistent, und Dr. Leone Pernossi.
Zusammenfassung der erlangten Resultate.
I. 1) Die Agarkulturen des Te tan u sba eil lus sind die giftig-
sten; nach diesen kommen jene in Gelatine und alsdann jene in
Bouillon.
II. 2) Immun gegen das Tetanusgift sind das Huhn, die Kröten,
die Tritonen, die Schlangen und die Schildkröten.
3) Das Tetanusgift bleibt nachweisbar wirksam in den oben
genannten Tieren bis zum dritten oder bis zum siebenten Tage nach
der Injektion.
III. 4) Das Tetanusfiltrat von Kulturen in Agar und in Gelatine
ist etwas resistenter gegen die Wärme, als das in Bouillonkulturen
erlangte. Wie bei den Enzymen, so ist es auch bei dem Tetanus-
gift: daß, je reiner es ist, und wenn es sich in Gegenwart von Wasser
befindet, desto geringer seine Stabilität ist.
5) Das Tetanusgift, wenn es in Gegenwart der dissociierenden
Wirkung des Wassers schon nach einer Stunde bei 55 0 C zerstört
wird, widersteht hingegen für dieselbe Zeit auch der Temperatur von
120 0 im Zustande vollkommener Trockenheit. Bei 150 0 C wird es
übrigens völlig zerstört.
6) Das Tetanusgift, getrocknet und eine Stunde hindurch bei
80° C erwärmt, wird zerstört, wenn es mit Aether oder mit Chloro-
form gemischt ist, und widersteht dagegen in Gegenwart von Amyl-
alkohol und Benzol. Bei der Temperatur von 100 0 C und in Gegen-
wart einer der obengenannten Flüssigkeiten verliert es völlig seine
Wirksamkeit. Die zerstörende Wirkung dieser Flüssigkeit auf
das in Rede stehende Gift nimmt also zu mit dem Steigen der
Temperatur.
IV. 7) Das Tetanusgift wird in Gegenwart von Wasser zerstört
nach circa 8 — 10 Stunden nach der direkten Sonnenwirkung (höchste
Temperatur am schwarzen Thermometer 56 0 C) , und in 15 Stunden,
wenn für die in Wasser eingetauchten Röhrchen die Temperatur
37 0 C nicht überschreitet; bei der Wirkung der Sonnenwärme
(Temperatur zwischen 38 bis 41 0 C) bleibt es wirksam auch nach
mehreren Tagen.
8) Das Tetanusgift im Zustande völliger Trockenheit widersteht
der direkten Wirkung der Sonne durch gute 100 Stunden hindurch.
9) Dasselbe geschieht auch, wenn sich das getrocknete Tetanus-
gift in Amylalkohol, in Chloroform und in Benzol befindet.
304 Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc.
V. 10) Das Tetanusgift, durch 2 Stunden einem elektrischen
Strome von 0,5 Ampere ausgesetzt, verliert völlig seine Giftigkeit.
VI. 11) Das Tetanusgift wird von den folgenden Substanzen
zerstört: Hypermangansaures Kali (5 Proz. l) 48 Stunden), Phosphor-
Wolframsäure (gesättigt 24 Stunden), Kalkwasser (gesättigt 24 Stunden),
Aether mit Wasser (4 Tage), Aseptol (konz. 24 Stunden), Kresylol
(konz. 24 Stunden), Lysol (konz. 24 Stunden), Chlorwasserstoffsäure
(0,25 Proz. 24 Stunden), Buttersäure (25 Proz. 24 Stunden), Phosphor-
säure (25 Proz. 24 Stunden), Oxalsäure (4 Proz. 24 Stunden), Propion-
säure (4 Proz. 24 Stunden), Weinsäure (1 Proz. 24 Stunden) und ge-
winnt seine Giftigkeit nicht wieder nach der Neutralisierung der Säure.
Es widersteht der Wirkung folgender anderen Substanzen: Tartarus
stybiat. (5 Proz. 24 Stunden), Bleiacetat (gesättigt 4 Tage), Magnesia-
oxyd (48 Stunden), Chloroform (4 Tage), Essigsäure (25 Proz.
24 Stunden).
Nach Kitasato würden das Tetanusgift nach 24 Stunden zer-
stören : Tannin (1,5 Proz. der Lösung), Paraphenolschwefelsäure (2,5),
Aetzkalk (0,08), Ammoniak (6,9), Soda (8,2), Bariumhydrat (1,0),
Platinchlorür (0,4). Nach einer Stunde: Goldchlorür (0,5), Aethyl-
alkohol (60,0), Methylalkohol (50,0), Amylalkohol (77,0), Karbol-
säure (1,5), Natronlauge (0,4), Jodtrichlorür (0,5), Kresol (1,0).
Wirkungslos hingegen wären: Bleiacetat, Kupferacetat, Kalomelan,
Jodoform, Cyansilber, Isobutyrat, Propionat und Aethylformiat.
VII. 12) Die Schwefelwasserstoffsäure, das Oxygen, Kohlensäure-
anhydrid, Kohlenoxyd, Kohlenwasserstoff und Wasserstoff üben auch
nach 10 — 15 Stunden keine nachweisbar schädliche Wirkung auf das
Tetanusgift aus.
13) Das sauerstoffhaltige Wasser übt auch nach 2 Stunden nur
eine abschwächende Wirkung auf das Tetanusgift aus.
VIII. 14) Der Magensaft zerstört das Tetanusgift allein kraft
der Wirkung der Chlorwasserstoffsäure und nicht durch das Pepsin.
15) Ptyalin, die Diastase und das Emulsin üben keine Wirkung
auf das Tetanusgift aus. Für das Trypsinpräparat, wie auch für den
Pankreasinfus ist die Wirkung noch zweifelhaft.
IX. 16) Das Tetanusgift widersteht der zersetzenden Wirkung
der Mikroben (Bac. prodigiosus, Bac. indicus, Bac. sub-
tilis, Bac. pyocyaneus, Bac. Megaterium, Bac. ramosus,
Bac. Fitzii, Proteus vulgaris, Aspergillus niger, Peni-
cillium glaucum u.s. w.). Das würde auf die Vermutung bringen,
daß das genannte Gift nicht zu den Reihen jener Substanzen gehört,
welche von den Mikroorganismen zersetzt werden.
X. 17) Der Meerschweinchendarm, wie jener der lebenden Katze,
besitzt eine starke zerstörende Kraft auf das Tetanin. Diese Kraft
fehlt wahrscheinlich dem toten Darme völlig.
18) Der Hundedarm, auch lebend, zum Unterschiede der oben-
genannten Tiere, ist dieser Fähigkeit bar. Der Darm der verschie-
denen Tiere verhält sich also nicht gleichartig gegen gegebene Sub-
stanzen, mit denen er in Kontakt gebracht wird.
19) Diese zerstörende Macht über das Tetanusgift, welche dem
1) Prozente der Lösung.
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc. 305
lebenden Darme eigentümlich und fast Null ist im Darme post
mortem, ist zuzuschreiben weder den Mikroben, noch den Fermenten,
noch der Galle, noch dem Darminhalte, noch den Drüsen Brunner’s
oder jenen Lieberkühn’s, sondern dem Epithel, welches den
wirksamen Teil des Absorbierungsapparates ausmacht.
20) Das Tetanusgift wird wahrscheinlich vom Huhndarme, von
dem es übrigens, wie wir wissen, nicht zerstört wird, nicht absorbiert.
XI. 21) Das Passieren des Tetanusgiftes durch die Nieren ist
keine Thatsache, welche uns ohne weiteres berechtigt, die Meinung
von der colloiden Natur des genannten Körpers zurückzuweisen.
Diese Thatsache würde höchstens dann Wert gewinnen, wenn ein
tetaninhaltiger Urin absolut frei wäre von Albumin und von anderen
colloiden Substanzen, oder wenn nach völliger Entfernung jeder
colloiden Substanz der Urin selbst noch unverändert seine tetanigene
Kraft bewahrte.
22) Der Urin übt keine besonders zerstörende Gewalt auf das
Tetanusgift aus.
XII. 23) Das Tetanusgift ist kein Ferment und hat nichts mit
den Enzymen zu thun.
Das Gift des Tetanusbacillus und das entsprechende pro-
teolytische Enzym sind zwei verschiedene Substanzen.
24) Die Enzyme sind nicht giftig.
XIII. 25) Das Tetanusgift passiert leicht das Porzellanfilter.
Die colloiden Substanzen, die morphologischen Elemente und im
allgemeinen suspendierten Substanzen, sei es, daß sie an sich das
Gift aktivieren, sei es, daß sie die Poren des Filters schließen,
hindern die völlige Filtrierung desselben.
XIV. 26) Das Tetanusgift löst sich, weder im Zustande der
Trockenheit, noch in sauerer, noch in neutraler, noch in alkalischer
Lösung, in keiner der gewöhnlichen Solvenzen der Alkaloide, welche
sind: Chloroform, Aether, Amylalkohol, Benzol und absoluter Alkohol,
sei es, daß man sie vorher mit Filtrat von Agentien behandle, welche
die colloiden Substanzen (Tannin, Bleiacetat, Phosphor- Wolframsäure)
niederschlagen, sei es, daß man sie mit jenen behandle, welche die
Alkaloide niederschlagen.
Das einzige Lösungsmittel des Tetanus ist bis jetzt das Wasser,
sei es gesäuert oder alkalisiert.
XV. 27) Der Versuch, das Tetanusgift auf eiweißfreien Substraten
oder auf anderen Colloiden zu erzeugen, mißglückte völlig.
Der Tetanusbacillus entwickelt sich in keinem der geprüften
zahlreichen und sehr verschiedenen Substrate.
XVI. 28) Das Tetanusgift dialysiert, sei es in sauerer, in alka-
lischer oder in neutraler Lösung, auch nach 5 Tagen nicht, wenn der
Dialysator gut gemacht und von echtem und dickem Pergament ist,
und passiert nur äußerst langsam durch Papier de la Rue.
In Gegenwart von Chloroform, Aether, absolutem Alkokol, Amyl-
alkohol oder Benzol dialysiert es keineswegs.
Das Tetanusgift verhält sich also zur Dialyse wie die Albumine
und das Pepton.
29) Die Alkaloide im natürlichen Zustande passieren leicht die
Tiermembranen.
306 Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc.
Hygienisches
Gegenüberstellung der Eigentümlichkeiten des Tetanus-
Dr. Claudio Fermi
Eigenschaften
Tetanusgift
Diphtheritis-
gift
Gift der Naja
tripudians
Gift der
Lachesis
rhombeata
Gift der
Krotalen
Wärme
In Lösung: Zer-
In Lösung : Zerst.
In Lösung : Zerst.
In Lösung ;
Crotalus ada-
stört bei 60 0 C
b. 100° C in 30
zw. 97— 98«; b.
Widersteht
manteus. In
in 30 Min. (Tiz-
Min. Nach 2 St.
90° C verliert es
es der Er-
Lös. : Zer-
zoni). Im trockn.
bei 58° C nicht
nur seine irri-
hitzune (!)
störtb.76°
Zustande wider-
mehr paralys.
tierende Wirk.
(Lacerda).
C. Trocken
steht es für 1 St.
Im trockn. Zust.
auf die Schleim-
widerst, es
bei 120° u. wird
widerst es bei
haut (Calmette).
b. 115* C
zerstört b. 150°
100° auch über
(Mitchell).
C. (Fermi und
20 Min. (Roux-
Pernossi).
Yersin).
Sonnen-
Direktes Sonnen-
Direktes Sonnen-
Direktes Sonnen-
Schädlich.
Schädlich.
licht
licht : Höchste
licht : Nach 5 St.
licht: Nach 2
Temperatur des
verliert es seine
Wochen ist es
schwarzen Ther-
paralys. Wirk.,
zerstört (Cal-
mometers 54 —
aber produziert
mette).
56 0 C. Zerstört
noch Oedemas
in 8 — 10 Stdn
(Roux-Yersin).
Chemische
Zerstört v. hyper-
Empfindlich gegen
Zerst. : Von hyper-
Zerst.: Von
Zerstört von
A ge n t i e n
mangans. Kali,
Säuren (Roux-
mangans. Kali,
hyperman-
hyperman-
von Sublimat,
Yersin).
von Sublimat, v.
gaus. Kali
gansaurem
von Silbernitrat,
Goldchlorür, v.
5 Proz., v.
Kali, von
von Jod u. von
den Säuren und
Kalcium-
Sublimat,
Brom, von den
von d. Alkalien
chlorür
Silbernitr.,
Säuren und von
(Norris Wolffen-
2 Prozent
Jod, Brom,
den Alkalien ;
den, Calmette).
(Aron)
v. Säuren
von Aseptol und
u Alkalien
Kresitol u. s. w.,
(Mitchell-
von Gold- und
Platinchlorür,
von Phosphor-
wolframsäure.
Widersteht dem
Blei- u. Kupfer-
acetat, d. Kalo-
melan u. s. w.
Reichert).
(Kitasato, Fermi
und Pernossi).
Nieder-
Schlägt nieder mit
Schlägt nieder mit
Schlägt nicht nied.
Werden sich
Werden sich
schlag
Ammonium-
Kalciumphosphat
m. Kalciumphos-
sehr wahr-
sehr wahr-
Sulfat, Kalcium-
u. nicht mit Alu-
phat (!). Schlägt
scbeinlich
scheinlich
sulfat u. unvoll-
miniumchlorür
nied. m. Alkoh.,
verh.wie d.
verh.wie d.
kommen mit
und Ammoniak
Aeth., Tann., Jod
Gift d. Naja
Gift d.Naja
Aluminiumbydr.
(Roux-Yersin).
etc. (Calmette).
tripudians
tripudians.
Lösbarkeit
Lösbar in Wasser
Lösbar in Wasser,
Lösb. in Wasser u
Lösbar in
Lösbar in
Unlösbar in Al-
unlösbar in AI-
in Glycerin. Un-
Wass., un-
Wass., un-
kohol, in Aether,
kobol.
lösbar in Alko-
lösbar in
lösbar in
Chloroform,
bol, Aether und
Alkohol,
Alkohol,
Amylalkohol n.
Chloroform
Aether u.
Aether u.
Benzol.
(Calmette).
Chlorofrm.
Chlorofrm.
Filtrierung
Filtr. leicht schon
Filtriert.
Filtriert mäßig bei
Wird s.wahr-
—
durch das
bei einer Atmo-
4 Athmospbären.
scheinlich
Porzellan-
Sphäre.
verh. w. d.
f i lt er
Gift d. Crota-
lusu.d.Cobra
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc. 307
Institut zu Rom.
und des Diphtheritisgiftes und jener anderer Gifte von
(Assistent).
Ichthyotoxi-
cum Mossos
Gift des Treto-
don rubripes
u. d. T. inermis
(Fugü)
Gift d. Mytilus
edulis
Vegetabilische
sehr stabile
Alkaloide
wenig stabile
Enzyme
In Lös. : Zer-
In Lösung :
In Lösung :
In Lösung er-
Das Aconitin
In Lösung: Werden
stört b. 70° C
Widerst, der
Widerst, bei
tragen Tem-
ändert sich
zerst.zw. 55 — 70°C
(U. Mosso).
verlängerten
Erhitzung
(Takahaski).
110 0 durch
7 Min. (Sal-
kowski).
peraturen
über 150° C.
schon bei
einer Tem-
peratur unt.
100° C.
in 1 St. Trocken
widerstehen sie bei
130—150® C.
—
—
—
Widerstehen.
Nikotin, Conin,
Spartein,
Muskarin,
Colin u. Er-
gotin s. ver-
änderlich
(Flückiger).
In Lös. nach 100 St.
werd. viele geschw.,
andere zerstört. Im
trockenen Zustande
bewahren sie ihre
Giftigk. auch üb. 5
Monate (Fermi).
Zerstört von d.
Widersteht der
Sensibel eeeen
Widerstehend.
Das Aconitin
Das Trypsin wird zer-
Säuren und
Wirkung der
kohlens. Na-
Wirkung d.
ist sensibel
stört von hyper-
Alkal. (Soda,
Säuren (Ta-
tron b. Hitze.
konzentrier-
geg. d.Wirk.
mangansaurem K ali,
Kalilauge,
kahaski). Be-
Widerst, d.
ten Säuren
der Säuren
Sublimat , Silber-
Ammoniak).
wahrt seine
verdünnten
a. b. Hitze.
und der ver-
nitrat etc., dann von
Widersteht
Giftigkeit i.
Säuren (Sal-
Bilden Kom-
dünnten Al-
den Säuren u. ver-
C04 und den
neutr. Salz.
(U. Mosso).
Alkoh. auch
durch 6 Mon.
(Knoch).
kowski).
posita mit
versch. Me-
tallen.
kalien auch
bei Kälte.
dünnten Alkalien,
von Jod, Aseptol,
Lysol. Das Pepsin
wird zerstört von
hypermangans.Kali,
Chromsäure, Pikrin-
säure, chromsaurem
Kali, eisencyansaur.
Kali, Barythydrat.
Schlägt nieder
mit Ammo-
niaksulfat
(U. Mosso).
Schlägt nicht
nieder mit
Blei- u. mit
Kupferacetat
(Takahashi).
—
—
—
Schlagen nied. mit all.
Subst., welche die
Albuminoide nieder-
schlag. E. Ausnahm,
würde i. einig. Fäll,
das Pepsin machen.
Lösb. L Wass.,
Lösb. i. Wass.,
Lösb. in Alko-
Oie Alkaloide in freiem Zust.
Löslich in Wasser u.
unlösbar in
unlösbar in
hol (!) (Sal-
sind unlösl.
in Wasser u.
in Glycerin (!). Un-
Alkohol (U.
Mosso).
Alkohol,
Aeth., Chlo-
roform etc.
kowski).
lösl. in Aether, Chloroform,
Amylalkohol, Substanzen,
i. denen d. neutr. Salze u. d.
Alkalien ders. unlösl. sind.
löslich in Alkohol,
Aether u. s. w.
Filtrieren leicht.
Filtrieren alle m. Aus-
nahme einiger in-
versiven Enzyme
(Aspergillus).
308 Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc.
Hygienisches
Gegenüberstellung der Eigentümlichkeiten des Tetanus-
Dr. Claudio Fermi
Eigenschaften
Tetanusgift
Diphtheritis-
gift
Gift der Naja
tripudians
Gift d. Lachesis
rhombeata
Gift der
Krotalen
Dialyse.
Verhält sich zur
Dialysiert nach
Dialysiert langsam
Wird s. wahr-
Dialys. (Hei-
Dialyse wie die
Albuminoidsub-
stanzen und das
Pepton (Fermi
u. Pernossi).
Wassermann
und Roux-
Yersin; nach
Brieger und
Fraenkel
nicht.
(Calmette).
scheinl. ver-
halten wie
das Gift der
Krotalen u.
der Cobra.
denschild).
Wirkung d.
Enzyme.
Widersteht d. pro-
teolitischen En-
zymen ; w. zerst.
v. Chlorwasser-
stoffsäure, nicht
v. Pepsin (Fermi
u. Pernossi).
Wird zerstört
vom Magen-
saft.
N. Gautier wider-
steht es 48 St.
dem Magensaft ;
nach Calmette,
entgeg. Fayrer,
wäre es, in den
Mund genomm.,
unwirksam.
desgl.
Wirkung d.
Darmes.
Zerstört von den
Darmwänden.
—
Unwirks. i. Darme
(Calmette).
desgl.
—
A b s o r-
Es wirkt nicht
Langsame
Schnelle Wirkng :
Tötet in einigen Stunden,
bierungs-
Schnellig-
keit.
sichtb. vor 8 —
10 Stunden.
Wirkung.
Kann in 15 Min.
einen Menschen
töten u. i. 1 Min.
einen Vogel.
aber auch nach mehreren
Tagen.
Klein st e
Die kleinste Dosis
Kleinste Dosis
Dosis impondera-
-
Dosis.
ist impondera-
bei.
imponderab.
bei.
Empfang-
Maus und Meer-
Taube u. Ka-
Affen und Hunde Alle Tiere sind mehr oder
1 i c h k e i t
schweinch. sind
nincben sind
sind viel em-
weniger empfindlich mit
der ver-
schiedenen
Tiere.
am empfindlich-
sten ; Kröten ,
Tritone, Schild-
kröten und
Schlangen sind
widerstandsfähig
(Fermi u. Per-
nossi), wie auch
das Huhn.
empfänglich
wie auch das
Meerschw.
Maus und
Ratte sind
fast immun.
pfindlicher als
Frösche.
Ausnahme der Schlangen.
Wirkung
Tetanus, Paralyse,
Oedema, respi-
Wirkt a.d. Rücken-
Wirken ungefähr wie das Gift
auf den
Organis-
mus.
Asphyxie.
rator. Para-
lyse.
mark , erzeugt
tetanische Kon-
traktionen und
Paralyse ; irri-
tiert d. Schleim-
häute.
der Naja tripudians.
Chemische
Toxalbum. (Brie-
Serumalbumin
Ist keine Base
Wird s. wahr-
Ist keine Base
Natur nach
ger u. Fraenkel).
(Brieger und
(Gautier - Cal-
scheinl. von
(Mitchell,
v e r s c h.
— Nucleoalbu-
Fraenkel).
mette). Ist ein
ders. Natur
Armstrong,
Autoren.
min (Gamaleia).
— Es ist kein
Albuminoid
(Brieger-Cohn).
— Ist ein Albu-
minoid (Uscbins-
ky).
Acidalbumin od.
ein Pepton.
sein wie das
Gift d. Naja
u. der Kro-
talen.
Brunton).Ist
e. Globul. Ist
ein Pepton
oder ein Se-
rumalbum.
(Mitcbell-
Reichert).
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc. 309
Institut zu Rom.
und des Diphtheritisgiftes
(Assistent).
undjener
anderer Gifte vo
n
Ichthyotoxi-
cum Mosso’s
Gift des Tetro-
don rubripes
u. d. T. inermis
(Fugü)
Gift d. Mytilus
edulis.
Vegetabilische
Alkaloide
sehr wenig
stabile stabile
Enzyme
Dialysiert nicht (U.
Mosso).
Dialysiert (Ta-
kahaski).
Dialysieren auch in
natürlich. Zustande
(Fermi u. Pernossi).
Dialysieren nicht.
Wird zerstört vom
Magensafte und von
der Verwesung.
Widerst, sehr
gut dem Ma-
gensafte.
Widersteht d.
Magensafte.
Widerstehen sehr gut.
Mit Ausnahme des
Pepsins werden sie
v. Magensafte zer-
stört (von Chlor-
wasserstofifsäure)
(Fermi).
Injiziert in die Jugul.v
tötet in 1 — 5 Min.
Nicht zerstört
Nicht zerstört
Tötet in 1 — 5
Nicht zerst. vielleicht
m Ausnah. v. einig.
Schnelle Absorbie-
rung; schnelle Wir-
Nicht zerstört.
Subkutan injiziert sinr
einige nachweisbad
Wirkt gleichartig
subkutan injiziert
(A. Mosso).
Tötet in 8 — 10
Min. od. in
2 St. (Sawt-
Min.; 1 — 2
ccm alkohol.
Extr. töt. ein
kung
i. den Organen nach
einigen Stunden.
Die tödliche Dosis be-
trägt 0,5 ccm Serum
(A. Mosso).
schenko).
Kaninch.(E
Salkowski).
Die tötlichen Dosis
sind immer wägbar.
Die Absorb. d. Pepsins
scheint schnell, zu
gesch. a. j. d. Tryps.
Hund und Kaninchen
sind unempfindl. als
das Meerschwein-
chen, die Taube u.
Frösche (A. Mosso).
Der Mensch u.
d. Hund sind
empfindlich.
Der Mensch, d.
Hund, d. Ka-
ninchen und
die Frösche
s. empfindl
Mensch u. Hund sind
am empfindlichsten.
Die Vögel sind ge-
gen das Morphium
widerstandsfäh.; die
Tauben u Schneck,
gegen das Atropin ;
der Esel gegen die
Datura stramonium.
Konvulsion., Paralyse,
Asphyxie. Irrit. die
Schleimh. u. nimmt
d. Blute d. koagul.
Eigensch. Wirkt w.
d. Gift d. Schlangen
(A. Mosso).
Wirkt wie
Opium und
wie Chloral-
hydrat.
Verschieden nach dem
Alkaloid.
Giftig(Baltus,Wencki,
Bergmann , Hilde-
brand u. s. w. Nicht
giftig (Fermi).
Ist weder ein Salz
noch ein Pepton,
denn es dialysiert
nicht (!). Es ist ein
Serumalbum. (D.
Mosso).
XV. Bd.
Ist keine
Base (!).
Sind Basen. Viele sind
krystallisierb. We-
nige sind amorph,
flüssig od gasartig.
Kolloide Substanzen,
welche sich den Al-
buminoiden nähern.
20
310
Allgemeines über Bakterien und Infektionskrankheiten.
Aus der gegebenen Tabelle ist ersichtlich, wie das Tetanusgift,
wie jenes der Diphtheritis, nach der Art des Verhaltens gegen die
Wärme, gegen das Licht, gegen die chemischen Agentien und die
Dialyse, wie auch mit Rücksicht auf das geeignete Lösungsmittel, auf die
Agentien, die es niederschlagen, sowie in Beziehung auf seine Wirkung
auf den Organismus, sich überaus nähert den Giften der Schlangen
(Naja tripudians, der Krotalen u. s. w.), demjenigen der Aale,
der Muränen und der Gonger, wie auch der Schar der Enzyme1).
Ueber die chemische Natur dieser Gruppe von Substanzen kann man
für jetzt nichts Anderes sagen, als daß sie mehr die Kennzeichen der
colloiden Substanzen haben, als jene der nicht colloiden, daß sie sich
vielmehr den Albuminoidsubstanzen als den Basen annähern. Hiermit
wird nicht im geringsten beabsichtigt, die immer wahrscheinliche
Hypothese zu verwerfen, daß diese Gifte Säuren seien, Basen oder
andere sehr instabile besondere Substanzen, die mit Colloidsubstanzen
innig vereint sind, wie es z. B. der Fall ist für die Alkalien und
Acidalbumine und so viele andere Albuminate.
Rom, 18. Januar 1894.
Referate.
Weyl, Handbuch der Hygiene. Jena (Gustav Fischer) 1893.
Aus der Ankündigung des in der Entstehung begriffenen Sammel-
werkes, welche die Verlagsbuchhandlung den Lesern des Central-
blattes mit einer der letzten Nummern dieser Zeitschrift hat zugehen
lassen, geht hervor, daß sich der Herr Herausgeber mit einer größeren
Zahl hervorragender Fachleute zusammengethan hat, um den gegen-
wärtigen Standpunkt der hygienischen Wissenschaft in einem nach
einheitlichen Gesichtspunkten durchgearbeiteten Handbuche zusammen-
zufassen. Es sollte dabei ein möglichst unparteiischer Standpunkt
erstrebt werden, indem die Vertreter der verschiedensten Schulen zur
Mitarbeit herangezogen wurden. In der That sind unter den Mit-
arbeitern Forscher wie Fodor, Loeffler, Weichselbaum und
Emmerich neben einander verzeichnet, von denen es bekannt ist,
daß jeder das gemeinsame hohe Ziel der Erkenntnis anf seinem eigenen,
besonderen Wege sucht.
Das Unternehmen Weyl’s darf wohl der allgemeinen Sympathie
gewiß sein und verdient eine rege Förderung. Die großen Fortschritte
der hygienischen Wissenschaft haben in den verschiedenen Hand-
büchern und Lehrbüchern der jüngsten Zeit nicht allenthalben aus-
führliche Berücksichtigung finden können. Es verbot sich das in der
Regel schon deshalb, weil die Verfif. das große Material in einen
verhältnismäßig engen Raum zusammendrängen mußten. In Weyl’s
Buch ist nun jedes Kapitel einem bestimmten Fachmann übertragen,
1) Ohne daraus je den Schluß zu ziehen, daß das Tetanusgift, das Gift der Diph-
theritis, der Schlangen und das Ichthyotoxicum Diastasen seien.
Allgemeines über Bakterien und Infektionskrankheiten.
311
in dessen Hand es liegt, das gesamte Gebiet des ihm zugewiesenen
Stoffes für die Bearbeitung zu verwerten und in Gestalt einer in
sich abgeschlossenen Monographie in übersichtlicher Form allen
Hygienikern zugänglich zu machen.
Von dem Werke liegen bereits 4 Sonderabhandlungen vor, welche
verschiedenen Kapiteln des Handbuches angehören. Alle zeichnen
sich durch anziehende Darstellung aus, deren Vorzüge vor allen in
der klaren Ausdrucksweise und in der knappen Form liegen ; zugleich
bietet ihr reicher Inhalt eine Fülle von Anregung und Belehrung.
Die erste Lieferung handelt von der geschichtlichen Ent-
wickelung und Organisation der öffentlichen Gesund-
heitspflege in den Kulturstaaten und stammt aus der be-
währten Feder Finkelnburg’s. Wie der Verf. einst durch seine
kritischen Studien der Gesundheitsverwaltung Englands Aufsehen
erregt hat, so hat er bei der Abfassung des vorliegenden Abrisses
die sanitäre Organisation jenes Landes mit besonderer Liebe be-
handelt und in fesselnder Beschreibung veranschaulicht. Die jüngsten
Gesetze, infectious diseases notification und prevention acts, public
healtli London act, sind nicht berücksichtigt, vermutlich, weil sie
ihrem Inhalte nach bei dem Kapitel Infektionskrankheiten besprochen
werden sollen. Neben Englands Gesundheitswesen sind auch die
bezüglichen Verhältnisse in den Staaten des Altertums und Mittel-
alters, und in einigen europäischen Ländern der Gegenwart, Deutsch-
land, Oesterreich, Frankreich, Italien berücksichtigt, und besonders
dankenswert ist die Schilderung der internationalen, auf Abwehr der
Seuchen gerichteten Maßnahmen, in welcher der Inhalt der Verein-
barungen zu Venedig (1892) und Dresden (1893) ausführlich er-
örtert wird.
Der den sogenannten „kontagionistischen“ Anschauungen abholde
Standpunkt des Verf.’s ist aus seinen in der letzten Zeit erschienenen
und auch in den politischen Blättern vielfach besprochenen Veröffent-
lichungen allgemein bekannt. Es war daher nicht anders zu erwarten,
als daß diese Auffassungen auch in der vorliegenden Monographie ver-
treten sein würden, und in der That wird nicht jeder Hygieniker mit
Finkelnburg übereinstimmen, wenn er z. B. die Benachteiligungen,
welche der deutsche Handel durch oft geradezu drakonische Maßregeln
gegen unsere Herkünfte im Auslande während des Jahres 1892 erlitten
hat, als folgerechte Repressalien gegen die 1883 zwischen den deutschen
Bundesseestaaten vereinbarten „Vorschriften über die gesundheits-
polizeiliche Ueberwachung der Seeschiffe“ hinstellt. Indessen werden
sich auch die „Kontagionisten“ gern aus der vom Verf. gegebenen
Uebersicht über viele einschlägige Thatsachen und Verhältnisse orien-
tieren und vor Allem mit ihm übereinstimmen in der günstigen Be-
urteilung der Ergebnisse der Dresdener Konferenz, welche nicht zum
geringsten Teile R. Koch zu danken sind.
Die zweite Lieferung besteht in einer Abhandlung von Munk
über Einzelernährung und Massenernährung. Was im
Eingänge dieses Referates über Inhalt und Form der bisher er-
schienenen Teile des Wey Eschen Handbuchs gesagt war, trifft in
Bezug auf diesen Abschnitt in vollem Masse zu. Die Monographie
20*
312
Allgemeines Uber Bakterien und Infektionskrankheiten.
ist in 4 Hauptteile gesondert, welche dem Stoffverbrauch des Menschen,
der Bedeutung der Nahrungsstoffe, der Nahrung des Menschen und
der Massenernährung gewidmet sind. Eine ausführlichere Bespre-
chung erscheint an dieser Stelle nicht angezeigt, da bakteriologische
Gebiete in den bezüglichen Abschnitten nicht berührt werden.
In der dritten Lieferung haben Wernich das Leichenwesen
einschließlich der Feuerbestattung und Wehmer das
Abdeckereiwesen bearbeitet. In dem Wernich’schen Teile
wird nach einem geschichtlichen Ueberblick über die verschiedenen
Verfahren der Bestattung zunächst die Totenschau besprochen. Der
Verf. hebt im Besonderen die Wichtigkeit derselben für die Medizinal-
statistik hervor, trägt aber in unparteiischer Weise auch den großen
Schwierigkeiten Rechnung, welche einer allgemeinen Einführung der
allein in dieser Beziehung w irklich wertvollen ärztlichen Leichen -
besichtigung entgegenstehen. Es folgt dann eine Schilderung der
verschiedenen Verfahren mit Leichen in der Zeit von der Todesfest-
stellung bis zur endgiltigen Bestattung. Wernich tritt hier mit
Lebhaftigkeit für die allgemeiue Einführung der Leichenhallen ein ;
die bezüglichen bisher in dieser Beziehung gütigen Bestimmungen
werden eingehend verwertet, wie dies auch betreffs der Abschnitte
über Totenschau und Leichentransport besonders anzuerkennen ist.
Ein Bericht über Forschungen und Feststellungen an Leichen bringt
u. A. Mitteilungen der bekannten Untersuchungen Petri’s über
die Lebensdauer pathogener Keime in Tierleichen und die Forschun-
gen Brieger’s u. a. über Leichenalkaloide. Hinsichtlich der end-
giltigen Bestattung der Leichen ist der Verf. den auf Einführung
der Feuerbestattung gerichteten Bestrebungen freundlich gesinnt, er
verurteilt jedoch alle agitatorischen Uebertreibungen , welche in
dieser Bewegung hervorgetreten sind, mit Nachdruck. Die einzelnen
Arten der Bestattung werden ausführlich besprochen, ihre Bedeutung
in hygienischer Beziehung gebührend hervorgehoben. Besonders
gefällig liest sich u. a. die Schilderung der Vorgänge der Fäulnis und
Verwesung.
In dem von Wehmer bearbeiteten Teil wird zunächst die Zu-
sammenstellung der einschlägigen deutschen und österreichischen
Gesetzgebung allgemein willkommen sein. Die weiteren Abschnitte,
welche von der Ausübung des Abdeckereigewerbes, den an dieses
Gewerbe zu stellenden Anforderungen und dem durch Abdeckerei zu
beseitigenden Material handeln, verdienen in jeder Weise volle An-
erkennung. Einige wohlgelungene Abbildungen, in denen u. a. der
H enneberg’sche Kafill-Desiufektor, eine Anlage zur Verarbeitung
von Tierleichen nach Podewils und ein Kos i ’scher Verbrennungs-
ofen für Tierleichen dargestellt sind, tragen wesentlich zur Veran-
schaulichung des Inhalts bei.
Eine Besprechung der 4. Lieferung, welche die Hygiene des
Bodens behandelt und von Fodor verfaßt ist, behält sich Ref. für
eine spätere Nummer dieser Zeitschrift vor.
Der Verlagsbuchhandlung gebührt für die angemessene Aus-
stattung der bisher erschienenen Teile des Werkes besonderer Dank.
K übler (Berlin).
Bakterien in Milch.
313
Knochenstierna, Hugo, Ueber den Keimgehalt der Dor-
pater Marktmilch nebst einigen bakteriologischen
Untersuchungen von Frauenmilch. [Inaug.-Diss.] 8°.
51 p. Dorpat 1893.
Die Arbeit bringt im ersten Teile nicht viel Anderes, wie die von
Gernhardt; erwähnt möge sein, daß Verf. eine deutliche Beziehung
zwischen Keimgehalt und Rahmgehalt nicht zu entdecken vermochte,
auch einen merklichen Einfluß der kälteren Jahreszeit auf die Höhe
der Keime nicht fand.
Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit der Frauenmilch. —
Während man früher die Muttermilch gesunder Frauen für voll-
ständig keimfrei erachtete, haben neuere Untersuchungen ergeben,
daß stets Keime vorhanden sind, deren Zahl sich einesteils nach der
Zeitdauer richtet, welche seit dem letzten Saugakte verflossen ist, und
zweitens von der Größe des Milchquantums abhängt, welches unmittel-
bar vor der zur Untersuchung benutzten Milchprobe entleert wurde.
Von Keimarten fanden sich in 4/5 der Fälle der Staphylo-
coccus pyogenes albus, seltener der pyogenes aureus und
der Streptococcus pyogenes. Unter 44 Proben wiesen 31
Eiterkokken ausschließlich auf, 9 dieselben mit anderen Bakterien
vermischt, aber selbst überwiegend, und nur 4 zeigten andere Bak-
terien ohne Eiterkokken.
Ob diese Keime nun durch den Blutstrom nach der Drüse hin-
getragen sind oder von außen einwandern, ist selbst nach den
neuesten Untersuchungen von A. Palleske unentschieden geblieben.
Knochenstierna untersuchte die Milch von 8 vollständig ge-
sunden Frauen, 7 Wöchnerinnen und 1 Amme, welche vor 4 Wochen
geboren hatte, und stellte 48 Untersuchungen an. Eine Konstanz
des Keimgehaltes vermochte Verf. nicht festzustellen und faßt seine
Behauptungen folgendermaßen zusammen: Die nach Reinigung der
Warze mit Sublimat und Alkohol bez. Alkohol allein aus der ge-
sunden Brust einer gesunden Frau entleerte Milch enthält oft Keime,
unter denen der Staphylococcus pyogenes albus am häufig-
sten vorkommt. Er scheint von außen in die Milchsinus eingewandert
zu sein, entfaltet aber dort keine pathogenen Eigenschaften. Außer-
dem kommen noch mehrere Arten von anderen Kokken und einige
Arten Bakterien vor; jede einzelne Art ist aber im Vergleiche mit
dem gesamten Mikroorganismus viel seltener. Einmal wurde weiße
Hefe gefunden. E. Roth (Halle a. S.).
Gernhardt, Eugen, QuantitativeSpaltpilzuntersuchungen
der Milch. [Inaug.-Diss.] 8°. 78 p. Dorpat (Jurjew) 1893.
Bereits 1840 erkannte Fuchs in der Milch Vibrionen, ihm folgte
dann Pasteur, welcher fand, daß sie weit schwerer als irgend eine
andere Flüssigkeit von ihren Keimen zu befreien sei.
Verf. nahm das Zählen der Kolonieen am dritten Tage nach der
Impfung vor und erhielt folgende Tabelle für die Dorpater Ver-
hältnisse:
314
Bakterien in Milch. — Fleischvergiftung.
Niedrigster
Höchster
7 535 150
15 139 338
20 303 000
26 056 500
Mittlerer Keimgehalt
Gutsmeiereien 402 046
Städtische 1 294 649
Dorfmilch I 1 749 930
2 322 103
5 506 601
9 670 873
11 274 703
39 990 850
„ II 2 120 968
Marktmilch 2 093 181
116 817 200
Als Gegensatz seien andere Städte angeführt: nach Renk in
Halle 6 — 30,7 Mille in 1 ccm, nach Lehmann in Würzburg 1,9 bis
7,2 Mille, in Müncheu nach Es eher ich 1 — 4 Mille, in Gießen nach
Uhl 83100—169 632000.
Gernhardt wandte dann seine Aufmerksamkeit den Keimen
zu, die nicht als Milchbakterien bezeichnet sind. Am häufigsten fand
er den Radiciformis, welcher ja auch ein fast regelmäßiger Be-
fund des Fluß- und Brunnenwassers ist und durch die Wasserspülung
der Gefäße an die Wandungen derselben gelangen dürfte.
Sonst Vorgefundene Schimmelarten stammen wahrscheinlich so-
wohl aus dem Staube der Luft, als auch aus den oft schimmelhaltigen
Kellerräumen.
Proteusarten dürften ebenfalls durch Wasser in die Milch
gelangt sein.
Es wurde darauf versucht, nach Möglichkeit keimfreie Milch auf
den Gütern der UmgegeDd selbst zu gewinnen, wobei Verf. zu dem
Resultate kommt, es sei dieses ein Ding der Unmöglichkeit. Die
Hauptschuld ist den Ausführungsgängen der Drüse selbst beizumessen,
da die Keimzahl in dieser von vornherein in einem sich fast stets
gleichbleibenden «Durchschnitte 15000 pro 1 ccm ausmacht.
Die Milch gelangt ferner erst etwa 6, 12 oder 18 Stunden nach
dem Melken zum Verkauf, was der Entwickelung der Keime ungemein
förderlich ist. Die Ueberzahl der Keime stammt aber aus der Außen-
welt und wird durch den Melkakt wie die Gefäße und Art der Be-
handlung der Ware in dieselbe hineingebracht; namentlich in den
Wirtschaften mit täglicher Stallreinigung will Gern hardt, wahr-
scheinlich durch das Bewegen des Mistes, eine erheblich größere
Anzahl von Keimen angetrofi'en haben. — Centrifugierte Milch weist
die niedrigste Zahl von Bakterien auf und ist hygienisch am meisten
zu empfehlen. E. Roth (Halle a. S.).
Schroeder, Die Fleisch- und Wurstvergiftung inU. und
Umgegend des Kreises Weißenfels im Jahre 189 2.
(Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin und öffentliches Sani-
tätswesen. 1893.)
29 Familien mit insgesamt über 100 Personen erkrankten nach
dem Genüsse von Kuhfleisch von einem Tiere, welches infolge von
Maul- und Klauenseuche ein Panaritium bekommen hatte. Der Tier-
arzt hatte das Fleisch für gesund und als Nahrungsmittel verwendbar
erklärt. Die Krankheitssymptome trafen vorwiegend den Magendarm-
kanal und bestanden in Leibschmerz, Durchfall, Kollern, Erbrechen,
daneben war Kopfschmerz und Schwindel beobachtet. Ein Fall endete
letal und wird das bezügliche gerichtliche Obduktiousprotokoll mit-
geteilt. In den Wurstteilen, die zur bakteriologischen Untersuchung
kamen, fanden sich der Proteus, prodigiosus und subtilis.
Septikopyämie. — Grüner Eiter.
315
Wurstgifte uud Fäulnisgifte waren in den Leichenteilen, Würsten und
Schinken nicht nachweisbar.
Im Anschlüsse an diesen Fall giebt Verf. eine Uebersicht aller
bis dato bekannt gewordenen Fleischvergiftungen und teilt die Fälle
eiu 1) in solche, in denen unzweifelhafte Ptomainsymptome vorhanden
waren, 2) in solche, in denen mehr die Symptome der Intestinal-
mykose vorherrschen.
In der Uebersicht werden in toto 48 Fälle besprochen, und zwar
geben die Tabellen an: Litterarische Notizen, Bezeichnung der
Epidemie nach Art, Ort und Zeit des Auftretens, die Ursache des-
selben, das Inkubationsstadium, die Zahl der Erkrankungen, Zahl der
Todesfälle, die Krankheitserscheinungen, Obduktionsbefunde, Gifte
und Gifte produzierende Organismen sowie sonstige Bemerkungen.
Mit Recht beklagt sich der Verf. über den schleppenden Geschäfts-
gang, der verhinderte, daß das verdächtige Material sofort an einer
geeigneten Stelle bakteriologisch verarbeitet würde, weil die fraglichen
Objekte erst durch der Hände lange Kette der Justizbeamten wandern
muß. Er verlangt, daß der Staat obligatorisch chemisch-bakteriolo-
gische Institute mit der Untersuchung beauftrage und daß das erste
Amtsgericht, dem Anzeige von dem Falle gemacht werden, sogleich
die Senduugen an diese Institute verabfolge, ähnlich wie es jetzt ja
auch mit dem choleraverdächtigen Materiale geschieht.
Prophylaktisch fordert er ein staatliches Verbot des Verkaufes
von Fleisch kranker Tiere, dann eine durchgreifende tierärztliche
Kontrolle, und um den Besitzer vor Schaden zu schützen, eine von
Zeit zu Zeit wiederholte öffentliche Mahnung zur Viehversicherung
und eventuelle staatliche Unterstützung im Falle des Betroffenwerdens
eines Viehzüchters. — Gewiß läßt sich manches Unglück durch diese
Maßregeln vermeiden. 0. Voges (Danzig).
Arloing et Cliantrc, fitude sur l’origine microbienne de
l’infection purulente chirurgicale. (Arch. genör. de
med. 1893. Oct. p. 497.)
Die Verff. kommen zu folgenden Resultaten:
1) Die „Infection purulente chirurgicale“ (die deutsche Septiko-
Pyämie) wird verursacht durch die gewöhnlichen Eiterstreptokokken.
2) Eine Mischinfektion ist häufig, aber nicht notwendig.
3) Der Streptococcus hat dabei die gleiche Virulenz wie bei
der schweren Form des Puerperalfiebers.
4) Die Ursache der Umwandlung seiner pathogenen Eigenschaften
ist noch unklar. W. Petersen (Zürich).
Schimmelbusch, Ueber grünen Eiter und die pathogene
Bedeutung des Bacillus pyocyaneus. (Sammlung kli-
nischer Vorträge von Volkmann. Serie 3. Heft II. No. 62.
p. 303 ff.)
Im Anschluß an eine Krankenvorstellung berichtet Verf. über
die durch den Bacillus pyocyaneus hervorgerufenen Erschei-
nungen. Er schildert die Grünfärbung der Verbände, das Aussehen
der Wunde, beschreibt die Theorieen, welche vor der Entdeckung des
316
Grüner Eiter. — Septikopyämie.
Bakteriums in betreff der Grün- und Blaufärbung der Verbandstoffe
herrschten, wobei besonders die Ansicht von Longuet auffällt, welcher
diese Erscheinung meist nach Gewittern beobachtet haben will, wo
dann unter dem Einflüsse der ozonreicheren Luft das Jod der in
Hospitälern stets in der Luit vorhandenen Tinct. Jodi die Stärke-
verbände bläue. Jetzt weiß man, daß das Pyocyanin, welches durch
Ausschütteln der Verbandstoffe mit Chloroform gewonnen wird, die
Ursache der Verfärbung ist. Ebenso wie der Farbstoff wird aber
auch ein charakteristischer Geruch durch den Pyocyaneus hervor-
gerufen. Aber nicht nur grünen Farbstoff sehen wir, sondern bisweilen
auf anderen Nährböden auch blauen, ja sogar braunen und vermag
man eine ganze Farbenskala zwischen Grün und Braun herzustellen.
Die Produktion der chromogenen Substanz erweist sich dabei abhängig
von genügender Luftzufuhr, vom passenden Nährsubstrate und von der
Beschaffenheit der Bacillen selbst.
Was die Frage anbelangt, wie der Bacillus pyocyaneus
auf und in die Wunden gelangt, so waren frühere Autoren der An-
sicht, daß es sich um eine Infektion aus der Luft handelt. Doch
ergaben neuere Untersuchungen, daß der Organismus ein Parasit an
unserem gesunden Leibe ist. Mühsam fand, daß er beim Gesunden
in der Achselhöhle, der Anal- und Inguinalfalte in 50 Proz. der unter-
suchten Fälle vorkam. Dieser Bacillus bewirkt nun weder
Eiterung noch Sepsis, doch produziert er ein Protein, welches, sub-
kutan oder intravenös injiziert, heftige Wirkungen hat. Ein Arzt
injizierte sich 0,5 ccm bei 100° im Dampfe sterilisierter Bouillon-
kultur in den Vorderarm. Nach wenigen Stunden stieg unter leichtem
Frösteln die Temperatur an, in circa 12 Stunden erreichte sie 38,8 °,
um dann langsam abzufallen. Von der Injektionsstelle aus verbreitete
sich eine erysipelasähnliche Anschwellung über den Unterarm ohne
Eiterung, die Drüsen der Achsel waren geschwollen und sehr schmerz-
haft. Büchner berichtet von einem ähnlichen Falle. In der Praxis
wurden derartige Einwirkungen nie beobachtet. Dennoch aber ist die
Infektion nicht so harmlos. Der Geruch ist lästig und widerwärtig,
die Sekretion der Wunde ist enorm und oft mit den gewaltigsten
Verbandmassen nicht zu bewältigen. Die Granulationen werden in ihrer
Konsolidation gestört. Transplantationen werden oft gänzlich ver-
hindert. Auf den Wunden liegen Aetzschorfe, wie diphtherische Beläge,
welche sich ohne Blutung kaum entfernen lassen; sie bestehen aus
Massen von Pyocyaneusbacillen. Ist die Intoxikation auch
keine plötzliche, wie bei der Subkutaninjektion der Kulturmassen, se
handelt es sich um langsam schleichende Vergiftung. Kaninchen
siechten hin, zeigten parenchymatöse Degenerationen der inneren Organe,
chronische Nephritis und Amyloid. — Aus allen Beobachtungen geht
bis jetzt hervor, daß der Bacillus pyocyaneus zwar giftige
locale und allgemeine Wirkungen zu Stande bringt, daß ihm aber
die Eigenschaften eines invasiven pathogenen Organismus abgehen.
— Ueber eine wirksame Bekämpfung und einzuschlagende Therapie
schweigt leider der Artikel. O. Voges (Danzig).
Siebourg, Leonhard, ZurCasuistikderkryptogene tischen
Septicopyämie. [Inaug.-Diss.] 8°. 32 p. Bonn 1893.
Meningitis. — Streptococcus.
317
Wohl keine Krankheit weist so mannigfaltige und dem An-
scheine nach so weit auseinanderliegende Formen auf, wie die septische
Infektion.
Zahlreiche Untersuchungen der Neuzeit haben ergeben , daß die
Septikopyämie durch die verschiedenen Arten der die gewöhnliche
Wundeiterung bedingenden Mikroben hervorgerufen wird. Diese
bilden, wenn sie im Körper günstige Lebensbedingungen antreffen,
Kolonieen, welche ihrerseits wieder zum Ausgangspunkte spezifischer
Embolien in entfernten Organen werden können. Diese Mikroorganis-
men sind vorzugsweise Streptococcus pyogenes, ferner pyo-
gene Staphylokokken und zuweilen kommen auch wohl noch andere
Bakterienarten in Betracht.
Als Eingangspforte für die Mikroorganismen ist in den meisten
Fällen die traumatische Läsion zu bezeichnen, vielfach auch die
Schleimhäute des Digestions- und Respirationstraktus oder des
Urogenitalapparates, wie denn ferner alte, irgendwie früher ent-
stehende Eiterherde in Betracht kommen.
Temperatur ist meist hoch, zeigt sprungweisen Verlauf und ist
meist von Frost begleitet. Atmungshäufigkeit in der Regel bedeutend
gesteigert und andere Begleiterscheinungen, welche deu Kliniker an-
gehen.
Alle untersuchten pathogenen Bakterien sind hier gewöhnlich
auf Zufuhr von Sauerstoff angewiesen , weshalb sie sich im linken
Herzen vorzugsweise entwickeln.
Verwechselungen können zunächst eintreten mit Malaria, durch
Anwendung von Chinin leicht zu bemerken, Variola, Scharlach, Milz-
brand, Rotz, Pemphigus u. s. w. E. Roth (Halle a. S.).
Beck, M., Ueber eine durch Streptokokken hervor-
gerufene Meningitis. (Zeitschr. für Hygiene und Infektions-
krankheiten. Bd. XV. 1893. H. 2. p. 359 ff.)
Im Anschlüsse an eine Angina und einen Tonsillarabsceß war
eine eiterige Meningitis entstanden, die in kurzer Zeit zum Tode
führte. Der Krankheitsvorgang war durch Streptokokken, welche
sich durch große Virulenz gegenüber Kaninchen und Mäusen aus-
zeichneten, ausgelöst.
Zwei Wege, auf denen von der Tonsille aus die Kokken in die
Schädelhöhle, gelangen konnten, stehen offen, entweder direkt oder
auf dem Wege der Allgemeininfektion. Im Blute und anderen Or-
ganen (mit Ausnahme der Leber) ließen sich keine Bakterien nach-
weisen, so daß wohl eine direkte Infektion stattgefunden haben mag,
wobei die Kokken durch die Siebbeinzellen nach der Gehirnoberfläche
vorgedrungen sind und hier zu einer Eiteransammlung Veranlassung
gegeben haben. 0. Voges (Danzig).
Marot, Felix, Sur un Streptocoque. [These.] (Soci6t6 d’edi-
tions scientifiques. Paris 1893.)
In einer längeren, sehr lesenswerten Arbeit berichtet Marot
über die Resultate seiner Streptokokkenstudien. Da er eine Diffe-
renzierung der Streptokokken nach dem Grade ihrer Virulenz als zu
trügerisch aufgab, sah er sich nach neuen Differenzierungsmitteln um
318
Streptococcus.
und glaubt ein solches in dem Ausfälle der Kartoffelkultur gefunden
zu haben. Er teilt danach die Streptokokken in 2 große Gruppen,
1) in solche, welche kein sichtbares Wachstum auf Kartoffeln zeigen
und 2) in solche, welche ein sichtbares Wachstum auf Kartoffeln
deutlich erkennen lassen. Bei der ersten Gruppe sagt er mit Absicht
nur, „welche kein sichtbares Wachstum auf Kartoffeln zeigen“,
um mit diesem nichts weiter präjudizierenden Ausdrucke sich weiter
in gar keine Diskussion darüber einzulasseu, ob sie sich nicht viel-
leicht doch auf der Kartoffel trotzdem vermehren. Zu dieser ersten
Gruppe rechnet er den Erysipelcoccus und verwandte Arten,
Streptokokken bei puerperalen Affektionen, Streptococcus pyo-
genes, Str. murisepticus, die Streptokokken a und ß und den
Diplostreptococcus von Barbier, den Str. scarlatinosus
von d’Espine und Marignac, die Streptokokken bei Angina
phlegmonosa und crouposa. Wahrscheinlich gehören nach ihm dazu
auch die Streptokokken bei Bronchopneumonieen, welche nach Mosny
mit dem Erysipelstreptococcus identisch sind; ferner der von
Beck bei einem choleraähnlichen Falle beobachtete Streptococcus;
desgleichen die Streptokokken bei Pleuritiden (Vignaion) und Peri-
tonitiden, welche dem Str. pyogenes gleichen u. s. w. und schließ-
lich der Pneumococcus. Zu der zweiten Gruppe mit sichtbarem
Wachstume auf Kartoffeln zählt er einige von v. Lingelsheim
beschriebene Streptokokken, ferner drei von d’Espine und Ma-
rignac und dann die von ihm selbst aus Fällen von Angina, ferner
bei gesunden Individuen , aus Phlegmoneneiter, Bronchopneumonie,
Stomatitis „ulcero-membraneuse“ gezüchtete Streptokokken, deren
kulturelles Verhalten er genauer augiebt. Darauf giebtMarot sehr
genaue Beschreibungen des Erysipelstreptococcus und eines
durch seine Kartoffelkultur ausgezeichneten Streptococcus1),
welchen er aus dem Munde von Gesunden und — sehr reichlich — bei
gewissen „angines pultac6es“ fand. Im folgenden schließt er daran
Protokolle von 18 mehr oder weniger genau analysierten Strepto-
kokkenfällen an. Seine Resultate faßt er in folgenden Schlüssen
zusammen: I. Bei der wichtigen Rolle, welche den Streptokokken in
der menschlichen Pathologie zukommt, schien es von Interesse, die-
selben in gewisse Kategorieen zu gruppieren. II. Bei der Gruppie-
rung schien nach den angestellteu Versuchen ein Merkmal speziell
als Basis zu Grunde gelegt werden zu können: die Art des Wachs-
tums auf Kartoffeln. III. Abgesehen von dem theoretischen Interesse
und ohne daraus etwas für seme Spezificität präjudizieren zu wollen,
erschien ihm dies Merkmal für die bakteriologische Differential-
diaguose verwertbar, und zwar überlegen in letzterer Hinsicht
IV. sowohl der Prüfung auf die so schwankende Virulenz, als auch
gegenüber den von v. Lingelsheim empfohlenen morphologischen
Charakteren, da die Kettenlänge wegen ihrer großen Variabilität für
die Differentialdiagnose nicht verwertbar erschiene. Danach teile er
V. die Streptokokken in 2 große Klassen, in die, welche kein sicht-
bares Wachstum auf Kartoffelu zeigen, und in solche, welche deutlich
1) Note sur un caractere differeutiel d'uue streptocoque de la bou.'he. (Societe de
biologie. 1892. 5. novembre )
Streptococcus.
319
sichtbares Wachstum darauf erkennen lassen. Zu der ersten Klasse
gehörten VI. der Erysipelstreptoceccus mit seinen Verwandten
und der Pneumococcus, während sich VII. die Streptokokken
der zweiten Klasse den von v. Lingelsheim als Streptococcus
brevis beschriebenen Streptokokken zu nähern schienen. VIII. — X. Der
eine vom Verf. genauer studierte, hierher gehörige Streptococcus,
welcher im Munde ziemlich häufig zu sein schien, wurde in beson-
derer Reichlichkeit in gewissen Fällen von Angine pultacöe beobachtet,
so daß es nahe lag, ihn — bis zu einem gewissen Grade — in diesen
Fällen verantwortlich zu machen.
Ref. möchte hieran einige Bemerkungen knüpfen. Ob der
Erysipelstreptococcus auf Kartoffeln kein Wachstum zeigt,
ist ein strittiger Punkt. Bekanntlich hatte sein Entdecker, Fehl-
eisen selbst, angegeben, daß derselbe auf Kartoffeln, und zwar schon
bei Zimmertemperatur wächst. Demnach ist also Mar ot’s Annahme
(p. 16), daß v. Lingelsheim wohl der erste gewesen sei, welcher
Streptokokken mit sichtbarem Wachstume auf Kartoffeln beschrieben,
hinfällig. Was des weiteren den Wert des von Marot vorgeschla-
genen Kartoffelwachstums der Streptokokken für die Differential-
diagnose anlangt, so werden darüber weitere Erfahrungen entscheiden
müssen. Ref. steht diesem Beginnen nach seinen eigenen früheren
Versuchen ziemlich skeptisch gegenüber. Zunächst ist die Kartoffel,
wie das neuerdings wieder die Krannhals’schen Versuche für
Choleravibrionen erwiesen, doch ein recht difficiler, mit Vorsicht zu
beurteilender Nährboden. Man kann sich ja nun bis zu einem
gewissen Grade durch Alkalisieren der Kartoffeln, wie das Krann-
hals für Choleravibrionen durchführte, zu helfen suchen. Bei gleichen
unveröffentlichten Versuchen, die Ref. im Frühjahre 1891 in Görbers-
dorf anstellte, zeigte sich nun, daß auf alkalisierten Kartoffeln jetzt
auch das Wachstum von Streptokokken deutlich sichtbar wurde, die
auf den unbehandelten Kartoffeln kein sichtbares Wachstum gezeigt
hatten. Daß auf diesen das Wachstum aber durchaus nicht ganz
ausgeblieben, sondern nur ähnlich wie bei Typhuskartoffelkulturen
unsichtbar geblieben war, konnte Ref. auf folgende Weise de-
monstrieren: Die nicht alkalisierten, in Glo big- Ro u x’schen
Röhren sterilisierten Kartoffeln wurden strichförmig mit einer ganz
frischen Streptokokkenkultur (am besten Bouillonkultur) geimpft
und bei 37 0 2 Tage gehalten. Diese Röhrchen wurden dann mit
einem verdünuteu Loef fler’schen Methylenblau (so daß die Flüssig-
keit im Reagenzglase eben ziemlich dunkelblau durchsichtig war)
gefüllt und 1/2 — 1 — 2 Tage stehen gelassen. Durch spezifische
Elektion zeigte sich dann die Streptokokkenkultur nach Abgießen der
Methylenblaulösung und vorsichtigem Spülen mit Aqua destillata
stärker gefärbt, als die Kartoffel, in zierlichen charakteristischen,
dunkelblauen Figuren auf lichter blauem Grunde. Bei Impfung mit
älteren Kulturen blieb das Wachstum oft ganz aus. Diese Figuren
entsprechen dem Bilde von Strichkulturen auf anderen Nährböden,
nur waren sie weniger üppig. Bei der Untersuchung zeigten sie sich
aus mehr oder weniger intensiv gefärbten Streptokokken zusammen-
gesetzt. Ref. ist nach seinen eigenen Versuchen der Ansicht, daß es
auch hier keine strengen Gegensätze zwischen sichtbarem und nicht
320
EiteruDg.
sichtbarem Wachstume giebt, sondern vielfache allmähliche Ueber-
gänge, welche zum Teil von der Kartoffelsorte und ihrer Reaktion,
zum Teil aber wohl auch von der größeren oder geringeren Wachs-
tumsenergie der Streptokokken selbst abhängeu dürften.
Czaplewski (Königsberg i. Pr.).
Singer, Karl, Beitrag zur Lehre von der Streptokokken -
Infektion. [Inaug-Diss.] 8°. 34 p. Würzburg 1893.
Ueber den W eg, welchen die Streptokokken machen, ist folgen-
des sicher. An der Injektionsstelle sind im Unterhautzellgewebe
massenhaft Bakterien vorhanden. Die Muskulatur scheint nur insofern
betroffen zu werden , als sie mechanisch bei der Impfung irritiert
wurde, tiefer in sie hinein wandern die Bakterien nicht. Die Ver-
mehrung der eingeimpften Keime findet sehr rasch statt, denn bereits
binnen wenigen Stunden hat sich unter der Haut ein Eiterherd ge-
bildet, der nach Zurückpräparieren der Haut in seinem Aussehen au
ein diphtherisches Geschwür erinnert und dessen mechanische Be-
seitigung (Abwaschen und Abreiben mit einem Desinfektionsmittel
und W7atte) die Streptokokkeninfektion des Körpers nicht mehr auf-
halten kann.
Vom primären Eiterherde aus geht die Infektion durch Weiter-
wuchern der Bakterien ins Gewebe auf die Nachbarschaft und iu
entferntere Bezirke über. Die Hauptverbreitungswege bilden die
Lymphgänge. In den nächstgelegenen größeren Lymphknoten ist
das erste größte Depot der Streptokokken, welche die Drüse in
Entzündung und Schwellung versetzen und schießlich der Koagu-
lationsnekrose zuführen.
Die Entzündung setzt sich in das lockere Bindegewebe, welches
den Anus und die Harn- und Geschlechtsorgane umgiebt, leichter
fort, als in das derbe, weniger saftreiche Gewebe im Rücken. Man
sieht längs der Wirbelsäule aufwärts die Eiterung bald sich begren-
zen , während sie nach den Harn- und Geschlechtsorganen zu mit-
unter in florider Weise fortschreitet.
Die Leukocyten haben an der Verschleppung des infektiösen
Materials einen großen Anteil. Dafür sprechen Bakterienplaques,
wie sie in den Lymphspalten des Gewebes so häufig gefunden werden,
und die ihren Ausgang von Zellen nehmen, welche an solchen Orteu
liegen geblieben sind. Auch in den Blutgefäßen begegnet man im
Körper wandständig liegenden Leukocyten, welche Träger von Strepto-
kokken sind. Ara meisten aber sind die Bakterienplaques in der
Milz vorhanden, wo ja eine Hauptstelle für Leukocytenansammlung
ist. Abgesehen von einer beträchtlichen Schwellung ist die Milz bald
weniger, bald mehr von kleineren und größeren, dem Kernschwunde
anheim gefallenen Bezirken durchsetzt, die als gelbe Stellen sich
präsentieren und von der ursprünglichen braunroten Farbe der Milz
fast nichts mehr erkennen lassen.
Bei der Frage, ob die Bakterien von den Zellen aufgenommen
und gefressen werden oder ob diese Erscheinung sich anders er-
klären lasse, glaubt Verf. behaupten zu können, daß die Leukocyten
an der ersten Infektionsstelle von den wachsenden Streptokokken
befallen, wieder iu den Kreislauf, und zwar zunächst in die Lymphwege ge-
Paralysis ascendens acuta.
321
langen, von hier aus nach den verschiedenen Organen, am meisten in die
benachbarten verschleppt werden, wo sie an irgend einer Stelle liegen
bleiben, den an ihnen haftenden Bakterien als Nährsubstrat dienen
und so zu einer weiteren Infektion des Gewebes Veranlassung geben.
Die weiter in den Körper hineingeführten bakterienhaltigen Leuko-
cyten gelangen in der Folge in das Blut und sind dann im ganzen
Gefäßsysteme meist wandständig gelagert. Im allgemeinen nimmt
mit der Entfernung von der Impfstelle die Massenhaftigkeit der
Bakterien ab, so daß man von keinem Organe sprechen kann, in wel-
chem sich die Bakterien mit Vorliebe ansiedelten. Auch das starke
Befallensein der Milz rührt nicht primär von den Bakterien her,
sondern von der Eigenschaft der Milz als Blut bildendes Organ, in
welchem die bakterienhaltigen Leukocyten in größter Menge deponiert
werden.
Ob und wie sich die Ausscheidung der Streptokokken aus dem
Mäusekörper vollzieht, darüber vermochte Singer keine positiven
Anhaltspunkte zu gewinnen, wenn sich auch der Harn als strepto-
kokkenhaltig erwies. Verf. nimmt einen Durchtritt der Bakterien
nach Zerreißung der Blutgefäße und Verletzung der normalen Scheide-
wände nach den Nieren an und hält eine Ausscheidung der Bakte-
rien durch die Blutgefäße nur auf indirektem Wege für möglich,
wenn nämlich die Gefäßwand selbst erkrankt und ihre Widerstands-
fähigkeit hinfällig geworden ist. Durch die Magen- und Darmdrüsen
wurde kein Uebertritt der Bakterien in das Lumen dieser Orgaue
beobachtet, ebensowenig war in der Lunge eine Auswanderung von
Bakterien oder eine Ausschwitzung von Zellen in die Alveolen wahr-
zunehmen. E. Roth (Halle a. S.).
Albu, A., Zur Aetiologie der Paralysis ascendens acuta,
nebst Bemerkungen zur Theorie der infektiösen Er-
krankungen des Centralnervensystems. (Zeitschrift f.
klin. Medizin. Bd. XXIII. 1893. Heft 5 u 6. p. 385 ff.)
A. hatte Gelegenheit, einen Fall von Landry’scher Paralyse,
sowie auch dessen Obduktion zu beobachten. Blut, Milz, Rücken-
mark wurden postmortal auf Bakterien untersucht durch Aussaaten
auf Glycerinagar. Außerdem wurden frische Zupf- und Quetsch-
präparate des Rückenmarks mit Fuchsin und Loeffler’s Kali-
methylenblau gefärbt. Das Resultat war absolut negativ, ebensowenig
erfolgreich waren nach Gram und nach Sahli gefärbte Schnitte.
Verf. neigt nun der Ansicht zu, daß es sich bei besagter Krank-
heit um eine Intoxikation durch Bakteriengifte handelt, ähnlich, wie
diese Thatsache bereits für Tetanus feststeht. Es wird daher in
Vorschlag gebracht, bei künftigen Fällen Blut, Harn, Schweiß sowie
frisch entnommenes Rückenmark auf seine event. toxischen Eigen-
schaften hin am Tiere zu prüfen. Diese Toxine werden gedacht als
chemisch wirkend, und zwar entweder reizend oder lähmend auf das
vasomotorische Centrum. Hierdurch werden dann die Symptome aus-
gelöst, welche wir intra vitam zu sehen gewohnt sind. Würde es
sich um eine Infektion handeln, so müßten doch, wie bei jeder
anderen infektiösen Erkrankung, anatomische Veränderungen in den
322
Pneumaturie.
erkrankten Organen nachweisbar sein. Ob sich diese Anschauungen
des Verf.’s bewahrheiten werden, bleibt abzuwarten, jedenfalls müssen
aber Versuche in besagter Richtung angestellt werden, um auf diesem
Wege der Aetiologie dieser und ähnlicher, noch völlig dunkler Nerven-
krankheiten auf die Spur zu kommen. 0. Voges (Danzig).
Heyse, Ueber Pneumaturie, hervorgerufen durch Bacte-
rium lactis aerogenes, und über pathologische Gas-
bildung im tierischen Organismus. (Zeitschrift f. klin.
Medizin. Bd. XXIV. Heft 1 u. 2. p. 130 ff.)
In einer breit angelegten Arbeit bespricht Verf. zunächst die
Geschichte der Pneumaturie und die Befunde gasbildender Bakterien
im Harne und den Harnorganen. Veranlassung zu diesen Unter-
suchungen bot sich durch einen Fall von Pneumaturie dar, welche
auf der I. med. Klinik in Berlin als Komplikation einer Rücken-
markserkrankung beobachtet wurde. Die Krankengeschichte wird,
soweit sie sich auf das Blasenleiden bezieht, ausführlich mitgeteilt.
Es konnte als die Ursache der Gasansammlung in der Blase ein
Bacillus isoliert werden, dessen morphologische und biologische
Eigenschaften mitgeteilt sind, der sich alsBacterium aerogenes
lactis Escherich präsentierte. Es ließ sich feststellen, daß derselbe
infolge des reichlichen Milchgenusses in den Darm und von hier aus
in die Vagina und von letzterer durch Katheterismus in die Harn-
wege gelangt war. Das von diesem Bakterium produzierte Gas wurde
einer genauen Analyse (z. T. von Zuntz ausgeführt) unterworfen, es
bestand aus 50,8 Proz. C02 und 49,2 Proz. H in Bouillonröhrchen.
Um zu erforschen, woher das Gas stamme, ob aus Zucker oder aus
Eiweiß oder einem Abkömmling des letzteren, wurden zahlreiche
Versuche angestellt. Dabei mußte jedoch die Frage, wie in dem
zuckerfreien Urin der Patientin das Gas entstanden sei, ungelöst
bleiben, denn in zuckerfreiem Urin bildete sich kein Gas. H. ist
geneigt, anzunehmen, daß der dem Urin beigemengte Blutgehalt viel-
leicht die Gasbildung habe eintreten lassen. Es wurde dann unter-
sucht, ob der Bacillus in tierischen Gewebsflüssigkeiten Gas bilden
könne.
Es stellte sich heraus , daß in nach H u e p p e angelegten
Eikulturen Gasbildung statthatte, ebenso entwickelte sich bei Fröschen,
welche bei 35° gehalten wurden, so ungeheuer viel Gas, daß sie
erstickten, dick aufgeblasen waren und tot auf dem Wasser schwammen.
Auch bei Warmblütern kam es zur Gasentwickelung, unter
anderen konnte durch Injektion der Bacillenemulsion in die Knie-
gelenkshöhle eine Gasbildung beobachtet werden. Injektion in die
Blase war erfolglos, trotzdem der Inhalt alkalisiert war. Impfung in
die Bauchhöhle bewirkte eiterige Peritonitis, die in die Pleura
erzeugte einen Pyopneumothorax. Von zwei Fütterungsversuchen war
der eine erfolgreich, da das Kaninchen einging, ohne jedoch irgendwo
Gasbildung zu zeigen, während der Bacillus wieder gezüchtet
werden konnte.
Im Anschlüsse an diesen Fall werden noch die bisherigen Be-
obachtungen über pathologische Gasbildung im Körper besprochen.
Skorbut.
323
Den hier gesammelten Beobachtungen kann Ref. noch einige in
der Werth’schen Klinik in Kiel gemachte und von Härting in
seiner Dissertation beschriebene „Beiträge zur Kasuistik und Aetiologie
des Auftretens von Gasgehalt in cystischen Geschwülsten der Unter-
bauchgegend“ anreihen. Meist ließ sich eine Kommunikation der Cyste
mit der Darmwand nachweisen. ln einem dieser Fälle konnte Ref.
in einer parametranen Cyste eine Reinkultur von Bacterium coli
commune Escherich nachweisen und wurde angenommen, daß dieses,
welches wahrscheinlich im Anschlüsse an ein Puerperium die Er-
scheinungen gemacht, auch die Gasbildung verursacht haben mußte.
0. Voges (Danzig).
Bornträger, J., Skorbut auf Schiffen. (Vierteljahrsschrift für
gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen. Bd. VI. H. 4
und Supplement.)
Verf., dessen Schriften durch eine glänzende Darstellungsgabe
schon an sich sehr lesenswert sind, bespricht in diesem Aufsatze den
Skorbut. Es hat mit großem Fleiße und vieler Mühe aus allen Ecken
und Winkeln Beiträge zu den vorliegenden Fragen herbeigetragen,
erörtert das Für und Wider der einzelnen Arbeiten und kommt am
Schlüsse zu folgenden Ergebnissen:
1) Wenn auch 1795, wo Großbritannien sich zum erstenmal der
Gesundheit seiner Kriegsmarine annahm, die Grenze zwischen skor-
butischer und antiskorbutischer Zeit bezeichnet, so kommt doch auch
in der Gegenwart Skorbut in beachtenswerter Weise noch auf
Schiffen vor.
2) Man muß den Skorbut nicht als eine Konstitutionsanomalie
auffassen, sondern als eine bakterielle Erkrankung, wobei die Keime
stets oder meist durch den Darm in den menschlichen Körper ge-
langen. [Babes fand allerdings kürzlich, daß ein Skorbut-
bacillus vom Zahnfleische aus wirksam ist. Ref.]
3) Lange Verpflegung mit der gleichförmigen, schwer verdaulichen,
aus konservierten Nahrungsmitteln bestehenden Seemannskost, sowie
Genuß verdorbener Nahrung und verdorbenen Trinkwassers begünstigen
oder bewirken ganz besonders die Entstehung des Skorbuts, sei es,
daß durch sie spezifische Skorbutkeime eingeführt werden — so
beobachtete Verf. bei einem Falle von Skorbut Kokken, ohne aber
diese nun schlechthin als Krankheitserreger dieser Krankheit hin-
stellen zu wollen — sei es, daß durch die Atonie oder sonstige Ver-
änderung des Darmes die Aufnahme von Fäulniskeimen ins Blut ge-
stattet wird, welche in der Norm mit dem Unrate abgehen, oder daß
sonst abnorme Fäulnis im Darme stattfindet (Darmfäulnis) — einer
Meinung, der sich auch Brieger anschließt.
4) Wie weit hygienische Mißstände anderer Art begünstigend
auf die Entstehung des Skorbutes einwirken, ist nicht klar festge-
stellt.
5) In Bezug auf die Prophylaxe des Scorbutes auf Schiffen
sind zwei Punkte besonders wichtig: einmal Verbesserung der Ver-
pflegung, welche noch in mancher Weise erreichbar ist, und giebt
gerade hierfür Verf. eine ganze Reihe praktischer und brauchbarer
324
Kahlköpfigkeit. — Dermatitis.
Vorschläge an, dann Berücksichtigung der bakteriellen Natur der
Krankheit durch richtiges Verhalten in skorbutverseuchten Häfen
bezüglich des Wassers und der Nahrungsmittel, durch Desinfektion
der Bilge und Aborte und durch allgemeine, auf die Verhütung der
Bakterieninvasion gerichtete Maßnahmen. — Letztere Bemühungen
würden wohl weniger aussichtsvoll sein , wenn es sich bewahrheiten
sollte, daß der B ab es’ sehe Organismus der Erreger des Skorbutes
sei und dieser schon in der Mundhöhle Gesunder sich findet, wobei
ihm nur erst durch die ungünstigen hygienischen Verhältnisse Ge-
legenheit gegeben würde, seine ganze verderbliche Thätigkeit zu ent-
falten. 0. Voges (Danzig).
Glaenz, Emil, Ueber die Kahlköpfigkeit mit besonderer
Berücksichtigung der frühzeitigen, idiopathischen
Form. [Inaug-Diss.] 8°. 36 p. Freiburg i. B. 1893.
Verf. führt zunächst die verschiedenen Theorieen für die Ent-
stehung der Kahlköpfigkeit an und stellt als neue auf, daß selbst
Störungen, welche auf den Gesamtorgauismus nicht einmal zum Aus-
druck kommen, eine schädliche Beeinträchtigung der Haarpapillen
hervorrufen können; namentlich psychische Alterationen wie geistige
Ueberanstrengung sollen diese Wirkung hervorbringen. Die
dann vielfach augewaudten Maßregeln haben dann jedenfalls den
Erfolg, statt haarerzeugend enthaarend zu wirken und bereiten das
Feld für allerhand noch nicht klassifizierte und anonyme Bakterien,
welche das begonnene Werk dann fortsetzen mögen, unterstützt durch
vielfach verorduete Waschungen mit kaltem Wasser, die den Kopf-
haarpapillen nur äußerst nachteilig sein können.
Daß Männer, die über einigermaßen stärkere Körper- und be-
sonders aber Bartbehaarung verfügen, das weitaus größte Kontingent
zu den Kahlköpfigen stellen, ist allgemein bekannt und hat mit des
Verf.’s „neuer“ Theorie gar nichts zu thun. Wenn auch örtlich ge-
steigerte Ernährung übermäßiges Sprießen von Haaren veranlassen
kann, so fehlt doch der logische Zusammenhang, warum das Barthaar
bei diesen Männern stärker ernährt wird, wie das Kopfhaar, da das
letztere doch das früher bestehende ist. Anders klingt das Heran-
ziehen der Neger mit dichterem und standhaftigerem Haupthaar-
wuchse und geringerer sonstiger Körperbehaarung.
Der namentlich von Lassar verfochtenen Meinung, die Kahl-
köpfigkeit beruhe auf einem lokalinfektiösen und übertragbaren Leiden,
will Pionski nicht beistimmen, obwohl es z. B. gelungen ist, durch
Uebertragung der Haarabfälle von Kahlköpfigen bei zahlreichen
Tieren und bei einem jungen Manne ausgebreitete Kahlheit innerhalb
weniger Wochen zu erzeugen. E. Roth (Halle a. S.).
Russell, The bacteriology of epidemic exfoliative der-
ma titis. (British Journal of Dermatology. 1892. No. 42 und
Hersley-Boyce, The report of the department of Pathology of
University College London.)
R. konnte in einer Reihe von Fällen von epidemischer exfoliativer
Dermatitis. — Prostatitis.
325
Dermatitis sowohl mikroskopisch als durch Kultur einen Mikro-
organismus nachweisen, den er wegen der Konstanz seines Vorkom-
mens für den wahrscheinlichen Erreger der Krankheit hält. Es
handelte sich um einen Diplococcus von runder oder elliptischer
Gestalt, ohne Kapsel, der in seinen Größenverhältnissen ungefähr
dem Friedländer’schen entsprach, sich jedoch nach Gram nicht
färbte. Derselbe fand sich in allen Schnitten der erkrankten Haut
sowie in den Kulturen, die durch Abimpfung von der Unterfläche der
abgehobenen Epidermisteile gewonnen wurden. In einem tötlich ver-
laufenen Falle konnte er aus dem Herzblute gezüchtet werden. Der-
selbe wuchs auf den verschiedensten Nährböden; am besten bei 20 —
25° C und bei reichlichem Sauerstoffzutritte. Gelatine wurde nicht
verflüssigt. In der Gelatinestichkultur wuchs er entlang dem Stiche
in kleinen, weißen Kolonieen, ähnlich wie der Erysipelcoccus;
auf der Oberfläche bildet sich schnell ein weißbläuliches Häutchen.
Auf der Kartoffel entfaltete er ein sehr üppiges Wachstum und bil-
dete einen gelben, dicken Ueberzug. Bei der Ueberimpfung auf Tiere
erwies er sich in zahlreichen Experimenten als völlig unschädlich,
außer in einem Falle, wo er bei einem Kaninchen eine Septikämie
erzeugte und sich aus dem Blute wieder züchten ließ.
W. Petersen (Zürich).
t. Sehlen, Zur Diagnostik und Therapie der Prostatitis
chronica. (Internat. Centralbl. f. Physiol. u. Pathol. der Harn-
und Sexualorgane. 1893. Heft 6 — 8.)
Eiterige Prostatitiden gehen in der großen Mehrzahl der Fälle
in direkter Fortleitung aus gonorrhoischen Entzündungen bezw. aus
Mischinfektionen der hinteren Harnröhre hervor. Obwohl Zahlen,
welche über die Häufigkeit einer gonorrhoischen Prostataerkrankung
Aufschluß geben, bisher nicht existieren, so ist doch kein Zweifel
darüber, daß die Prostata bei chronischer Gonorrhöe ein beliebter
Schlupfwinkel für die Gonokokken ist und daher bei der Behandlung
der Erkrankung berücksichtigt werden muß. Als diagnostisches
Hilfsmittel für die Mitbeteiligung der Prostata an der Gonorrhöe und
überhaupt für die Erkrankung derselben empfiehlt v. Sehlen nuu
die von ihm angewendete Methode der 3-Gläserprobe.
Der Patient muß zunächst einen Teil seines Blaseninhaltes in
2 Gläser entleeren, dann wird die Prostata vom Rectum aus massiert,
und dann uriniert der Kranke in ein drittes Glas. Die dritte Urinportion
enthält dann das Prostatasekret, aus dessen makroskopischem und
mikroskopischem Aussehen die Diagnose der vorliegenden Prostata-
erkrankung gestellt werden kann. Bei gleichzeitig bestehender
Blasenerkrankung muß vor der Massage der Prostata eine Ausspülung
der Pars anterior und posterior und der Blase erfolgen — ein Ver-
fahren, welches in der Breslauer dermatologischen Klinik in den
meisten Fällen von Prostatauntersuchung geübt wird.
Ist man verhindert, die mikroskopische Untersuchung sofort vor-
zunehmen, so empfiehlt der Verf. den Zusatz einer Bor-Boraxlösung,
die 10 Proz. Borsäure enthält, zu dem Urin zu gleichen Teilen ; der-
XV. Bd. 2 1
326
Tierische Parasiten.
selbe genügt, um die Urinproben auf Wochen und Monate vor jeder
Zersetzung zu schützen.
Der übrige Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Therapie.
Bei dieser Gelegenheit betont der Verf. die unbedingte Notwendigkeit
der Asepsis der in die Blase einzuführenden Instrumente und der Anti-
sepsis bei ihrer Einführung und empfiehlt die Verabreichung von
Salol per os, um einen antiseptischen, salicylhaltigen Urin zu erzielen,
in dem ev. mitgeschleppte Keime nicht aufkommen und sich nicht
vermehren können. Lasch (Breslau).
Heisig, Oswald, Beitrag zur Statistik menschlicher
Entozoen. [Inaug.-Diss.] 8°. 26 p. Greifswald 1893.
Heisig’s Untersuchungen erstrecken sich auf 230 lebende
Personen aus Greifswald und Umgegend ohne Unterschied des Alters,
meist aber den niederen Ständen angehörend ; die Dejektionen wurden
auf die Eier der Parasiten mittelst des Mikroskopes untersucht und
von dem Vorkommen solcher auf die Anwesenheit der zugehörigen
Tiere im Darme der betreffenden Individuen geschlossen. Von jedem
Falle wurden 3 — 4 Präparate angefertigt, welche in der Mehrzahl
dasselbe Resultat ergaben.
Von Wurmeiern wurden die des Trichocephalus dispar,
des Ascaris lumbricoides und je einmal die von Taenia
solium und T. saginata angetroffen.
Oxyuriseier wurden gar nicht beobachtet.
Der weitaus häufigste der hier in Betracht kommenden Rund-
würmer ist der Trichocephalus dispar, 104mal gefunden.
Bei Kindern treten die Helminthen häufiger auf, als bei Er-
wachsenen, am häufigsten bei Kindern von 5—10—15 Jahren.
Während der Trichocephalus sich bei allen Altersstufen
vorfand, wurde der Ascaris lumbricoides ausschließlich bei
jugendlichen Individuen konstatiert, nämlich 34mal.
Kinder unter 1 Jahre waren sämtlich helminthenfrei.
Meist waren alle Kinder einer Familie mit Ausnahme der bis zu
1 Jahre alten im Besitze von Helminthen.
Beide Bandwurmarten bewohnen nicht selten gleichzeitig den-
selben Darm: 26 Fälle = 22,8 Proz. der Untersuchten.
Dem weiblichen Geschlechte ist von seiten der Schmarotzer dem
männlichen gegenüber kein besonderer Vorzug gegeben.
Unter den 230 Individuen waren 119 oder 49,5 Proz. Parasiten-
wirte, 129 männlichen Geschlechts 60 = 46,0 Proz., von 101 weib-
lichen Individuen 54 = 53,4 Proz.
Die Häufigkeit der Helminthen verteilt sich folgendermaßen:
Untersucht
Parasitenwirte
— 1 Jahr
6
0 = 0 Proz.
1— 5 „
53
14 = 28,3 „
5—10 „
59
47 = 79,6 „
10—16
44
34 = 77,2 „
15 — 30 ,.
17
7 = 41,5 ,,
30—50 ,.
28
9 = 32,1 „
50—80 .,
23
3 = 13,0 ,.
Tierische Parasiten.
327
Trichocephalus dispar fand sich:
Ascaris
— 1 Jahr
1— 5 „
5-10 „
10—15 „
15—30 „
30—50 „
50—80 „
Untersucht
6
53
59
44
17
28
23
Parasitenwirte
0 = 0 Proz.
14 = 28,3 „
41 = 69,4 „
34 = 77,2 „
4 = 23,5 „
8 = 28,5 „
3 = 14,0 „
lumbricoides
Parasit
0 = 0 Proz
4 = 7,5 „
10 = 32,2 „
9 = 20,4 „
2 = 11,7 „
0=0 „
0=0 „
Daß die Untersuchung der Faeces kein Oxyurisei kenntlich
werden ließ, steht in Uebereinstimmung mit den Beobachtungen von
Leichten stern, der als Autorität den Satz aufstellt: Die mikro-
skopische Untersuchung der Faeces hat für die Diagnose der Oxyu-
riasis so gut wie keine Bedeutung, da sie, solange sie im Darm-
kanale verweilen und leben, dort keine Eier legen, wohin bereits
Wunderlich vor 40 Jahren gelangt war.
Als Ursache der häufigeren Erkrankung der Kinder will Heisig
allein die Unreinlichkeit angesehen wissen.
Für T richoceph alus dispar wie Ascaris lumbricoides
lauten die statistischen Ergebnisse anderer Beobachter für Ascaris
ungefähr gleich , während für den ersteren Parasiten erheblich
niedriger. Als Grund macht Heisig in dieser Hinsicht darauf
aufmerksam, daß ein Spulwurm wegen seiner Größe nicht so leicht
übersehen wird, während die Kleinheit des Peitschenwurmes ein Ent-
gehen unschwer gestattet. E. Roth (Halle a. S.).
Chiari, H., Ueber einen in Prag sezierten Fall von An-
cylostomiasis bei einem Kruneger. (Prag. med. Wochen-
schrift. 1893. No. 44.)
Ein 15 Jahre alter Kruneger, der im März 1892 nach Hamburg
gekommen war und schließlich in Prag eine Stellung als Diener ge-
funden hatte, erkrankte im März 1893 an Lungentuberkulose und
Pericarditis; bei der Untersuchung der Faeces wurden Eier von
Ancylostoma duodenale gefunden. Der Patient starb am
5. April d. J. und die am 6. vorgenommene Sektion, über welche ein
sehr ausführliches Protokoll veröffentlicht wird, bestätigte die klinische
Diagnose in allen Stücken. Im Jejunum fanden sich 18 vollkommen
ausgebildete Exemplare von Ancylostoma duodenale, teils
Weibchen, teils Männchen; ihr Darm war mit Blut erfüllt, wodurch
die Würmer rot erschienen ; in erwärmter Kochsalzlösung zeigten die
Parasiten lebhafte Eigenbewegung. Die Mucosa des Jejunum war
hier und da mit einzelnen, halbkugelig vorspringenden, wie miliare
Blutaustritte sich darstellenden Knötchen versehen, in deren Mitte
des öfteren eine punktförmige Vertiefung wahrzunehmen ist. Die
Zahl der Knötchen übertrifft die Zahl der gefundenen Ankylostomen
um das Mehrfache; im Darmschleime Eier von Ancylostoma.
Aus den im Originale mitgeteilten Umständen dürfte es keinem
Zweifel unterliegen, daß die Infektion nicht in Europa, sondern in
21*
328
Tierische Parasiten.
der Heimat des Negers (Republik Liberia) stattgefunden hat, von
wo Ancylostoma bisher noch nicht konstatiert ist.
Die oben erwähnten Knötchen des Jejunums zeigten auf Schnitten
eine die Mucosa perforierende Oeffnung, die sich nach innen in einen
unregelmäßig begrenzten Kanal fortsetzte. Das diesen Kanal be-
grenzende Gewebe der Mucosa zeigte nur geringe leukocytäre In-
filtration, dagegen fand sich im Bereiche der Submucosa neben sehr
starker Füllung der Blutgefäße hochgradige Infiltration mit Leuko-
cyten und Infiltration mit roten Blutkörperchen um den Wundkanal.
In der unmittelbaren Umgebung des letzteren überwog die leuko-
cytäre Infiltration, nach außen die mit roten Blutkörperchen. Als
Folge der Infiltration ist das Prominieren der Bißstellen zu be-
trachten. M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Schmidt, Ferdinand, Ueber Echinococcus im weiblichen
Becken. Im Anschlüsse an einen in der hiesigen
gynäkologischen Klinik beobachteten Fall. [Inaug.-
Diss.] 8°. 33 p. Halle a. S. 1893.
Selbst einem Neißer sind Irrtümer bei den Aufzählungen von
Echinococcus erkrankungen passiert, so daß die Meier-Sontag-
sche Liste nunmehr nur sicher nachgewiesene Fälle enthält, welche
sich folgendermaßen gruppieren:
1) Echinococcus des Beckenbindegewebes 47 Fälle
2) „ des Uterus, der Blase, der Becken-
knochen 6 „
3) „ der Bauchdecke, des Netzes, der
Leber, Nieren, Milz 14 „
4) Echinococcus als Geburtshindernis 13 „
Diese Statistik wird nun durch Schmidt um einen Fall be-
reichert, dessen ausführliche Krankengeschichte angegeben ist und
Verf. Gelegenheit giebt, das Bekannte zusammenzustellen. Danach
scheint der Schafereichtum eines Landes bestimmend zu sein, inso-
fern den Hunden auf den Weideplätzen eine immerwährende Gelegen-
heit gegeben ist, sich mit Echinococcus blasen dieser Tiere zu
infizieren, während wiederum die Schafe Gelegenheit haben, die im
Hundekote entleerten Tänien sich einzuverleiben. Daher die große
Häufigkeit der Echinokokkenkrankheiten in Island, Australien, Mecklen-
burg, Pommern und Schlesien. Dabei scheint das weibliche Ge-
schlecht von den Schmarotzern bevorzugt zu werden, wie denn die
Fälle multipler Echinokokken fast ausnahmslos dieses betreffen. Ob
nun der Embryo mittelst seines Haarkranzes sich aktiv durch die
Darmwandung hindurchbohrt, in die Blut- und Lymphgefäße so ge-
langt und von da aus in die Organe passiv weggeschwemmt wird
oder durch kleine Lumina des Darmes passiv hindurchgelange, steht
noch nicht fest. Sicher ist wiederum, daß das Ovarium das einzige
Beckenorgan ist, in dem eine primäre Echinokokkenentwickelung
bisher noch nicht erwiesen ist. Leicht ergeben sich Verwechselungen
zwischen einem Ovarialtumor, Echinococcus und anderen Krank-
heiten oder Extrauterinschwangerschaft, was Verf. veranlaßte, folgende
Sätze aufzustellen:
Tierische Parasiten. — Pflanzenkrankheiten.
329
1) Man darf in der Beckenhöhle einen Echinococcus ver-
muten, wenn man in derselben einen oder mehrere glatte, prall
elastische, wenig verschiebbare, auf Druck nicht schmerzhafte Tumoren
findet, neben denen man die Ovarien gesondert nachzuweisen vermag,
und wenn sich diese Tumoren langsam und allmählich ohne Fieber
und charakteristische Schmerzen entwickeln und trotz ihrer relativen
Größe nicht zur Kachexie geführt haben.
2) Wahrscheinlieh ist dieser Tumor ein Echinococcus, wenn
er zwischen Uterus und Rectum liegt, wenn dabei die geschlecht-
lichen Funktionen wenig oder gar nicht gestört sind, wenn in anderen
Organen, wo erfahrungsmäßig Echinokokken häufig sind, sich gleiche
Tumoren finden, wenn die Patientin bereits früher an Echino-
coccus gelitten hat und wenn ein intimer Umgang mit Hunden
zugestanden wird.
3) Zur Gewißheit wird die Vermutung, wenn es gelingt, deut-
liches Hydatidenzittern zu finden.
4) Eine definitive Entscheidung kann nur eine durch Spontan-
durchbruch nach außen oder durch die Punktion gewonnene Flüssig-
keit, weiche die charakteristischen Bestandteile aufweist, herbeiführen.
jE. Roth (Halle a. S.).
Cattle und Miliar, On certain gregarinidae and the
possible connexion of allied forms with tissue-
changes (cancer) in man. (The Lancet. 1893. 18. Nov. p. 1236.)
Die Verff. beobachteten bei verschiedenen Sporozoen die Ver-
mehrungsvorgänge in Schnitten, welche in Wasser eingelegt waren.
In Schnitten, welche aus Krebsgewebe entnommen waren, gelang ein
solcher Nachweis nicht. Trotzdem glauben die Verff. die meisten der
Zelleinschlüsse des Carcinoms als Sporozoen ansehen zu müssen. Im
Gegensätze zu anderen Beobachtern fanden sie dieselben besonders
reichlich an den Stellen des stärksten Wachstums; es zeigten die
„Sporozoen“ nach ihren Untersuchungen einen unverkennbaren Ein-
fluß auf die Zellvermehrung. Ferner fanden sie verschiedentlich Ein-
schlüsse, deren Kern sich von außen nach innen teilte und sich in
eine Gruppe stark lichtbrechender Körner umwandelte; noch ehe
dieser Teilungsvorgang ganz zum Abschlüsse gelangt war, wanderten
einzelne Körner (Sporen?) durch das Protoplasma und durch die
Kapsel in die Umgebung der Zelle aus, wo ein weiteres Wachstum
und Eindringen in andere Epithelzellen zu beobachten war. In
anderen Fällen teilte sich der Kern nur in wenige größere Stücke.
W. Petersen (Zürich).
Cavara, F., Ueber einige parasitische Pilze auf dem
Getreide. Mit 1 Tafel. (Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten.
Bd. III. 1893. Heft 1. p. 16—26.)
1) Gib eil in a cerealis Pass, bewirkte im Jahre 1891 bei
Florenz ernste Erkrankung der Felder und ist nach der Art des Auf-
tretens wirklicher Parasit, obschon künstliche Impfversuche noch nicht
vorliegen. Die Schimmelform auf den Blattscheiden hat nur begrenzte
Dauer. Die Perithecien entstehen im Gewebe der Scheide und er-
330
Pflaozenkrankheiten.
scheinen dem Auge als schwarze Pünktchen; ihr Inneres ist von
Schläuchen und Paraphysen ganz angefüllt. Erstere gelatinieren
zeitig, so daß reife Früchte nur noch freie Sporen enthalten; letztere
sind anfangs einzellig, bei der Reife jedoch zweifächerig und messen
22-32 X 7,5—9 /li.
Keimungsversuche mit denselben verliefen resultatlos; die Weiter-
verbreitung der Erkrankung erfolgt nach Ansicht des Verf.’s durch
die rosenkranzförmig gestellten Conidien, welche den zuerst auf-
tretenden grauweißen Schimmelanflug bilden.
Im Jahre 1892 war die Krankheit an den 1891 infiziert gewesenen
Oertlichkeiten nicht wieder aufgetreten, was nach Verf. auf die an-
gewendeten Vorbeugungsmaßregeln — möglichst frühe Fortnahme
und Vernichtung der kranken Halme — zurückzuführen ist.
2) Septoria graminum Desm. ist gleichfalls ein parasitischer
Pilz, dessen Ausbreitung in Italien in steter Zunahme begriffen ist.
Auf kranken Pflanzen fand Verf. neben dieser Species auch die S.
tritici Desm., ausgezeichnet durch die größeren Perithecien, und
auf Grund einer Revision der authentischen Exemplare von Des-
mazieres sowie einer Prüfung der Exsiccaten von Rabenhorst,
T hü men u. A. gelangt Verf. zu der Wahrscheinlichkeit, daß S.
graminum und S. tritici samt den hierher gezogenen Varietäten
nur Formen einer einzigen mykologischen Art sind.
3) Phoma lophiostomoides Sacc. Perithecien dieser fanden
sich mit der vorhergehenden auf Blatt, Scheide und Stengel verge-
sellschaftet, ohne nach Ansicht des Verf.’s die Rolle eines Parasiten
zu spielen, doch unstreitig zum Verderben des Getreides beitragend.
Die Perithecien messen nur 60 — 80 ,« im Durchmesser und sind ganz
im Gewebe verborgen. Die fadenförmigen, bis 10 /i langen, gebogenen
Sporen sind sehr beweglich. Eine sehr ähnliche Form wurde von
Morin i beobachtet und als Septoria Briosiana beschrieben.
4) A c rem o nie 11a occulta n. sp. auf den gleichen Getreide-
feldern vom Verf. gefunden und sich in der Markhöhle der Halme
ansiedelnd, doch als Parasit noch zweifelhaft. Die Diagnose ist im
Originale (p. 24) nachzusehen; Gleiches gilt für die der folgenden
Species.
5) Ophiocladium Hordei nov. gen. et spec. wurde vor
2 Jahren vom Verf. auf Gerstenblättern beobachtet und ist dem
Oidium an gu i n eu m Fresen., welches von Bonorden im übrigen
mit Unrecht als besondere Art nicht angesehen wurde, sehr ähnlich,
vielleicht mit ihm identisch. Er bildet schmale graue Flecke in den
Blättern, auf denen kleine, weiße Büschel von geschlängelten Hyphen
erscheinen, welche endständig je eine einzellige, farblose Conidie
tragen. Auch hier läßt Verf., da er die Art neben der Puccinia
graminis fand, die Frage nach dem etwaigen Parasitismus noch
offen. W ehm er (Hannover).
Untersuchungsmethoden, Instrumente ete.
331
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Lafar, Franz, Eine neue Zählvorr ichtnng -für Platten-
kulturen in Petrischalen. (Zeitschrift für Nahrungsmittel-
untersuchung u. s. w. Wien 1893. No. 24. p. 429.)
Keine andere Arbeit hat der praktisch thätige Bakteriologe öfter
auszuführen, als die Ermittelung des Keimgehaltes einer Probe. Die
Zählvorrichtung, deren man sich hierbei bedient, ist meist die von
Wolffhügel angegebene. Sie ist zu einer Zeit konstruiert worden,
in der man als Unterlage für die Gelatineschicht ausnahmslos ebene
Glasplatten verwendete. Nun benutzen aber heutzutage viele, wenn
nicht die meisten der bakteriologischen Laboratorien nicht mehr ebene
Glasplatten, sondern die allgemein als Petrischalen bezeichneten
niedrigen Glasschalen.
Wer sich die Mühe nimmt, eine Anzahl solcher Schalen genauer
zu untersuchen, wird bald finden, daß die innere Seite des Boden-
teiles derselben schwach gewellt ist. Wellenberge und Wellenthäler
sind abwechelnd in ziemlich konzentrischen Kreisen um den Mittel-
punkt angeordnet. Die Glasfabrikanten versichern, daß diese uner-
wünschten Unebenheiten in der Art der Herstellung begründet sind
und sich daher nicht völlig vermeiden lassen. Man kann sie durch
Schleifen beseitigen, jedoch erhöht diese Verfeinerung den Verkaufs-
preis ganz beträchtlich. Man kommt daher gar bald von der Ver-
wendung dieser kostspieligen Schalen ab und greift zu den billigeren
ungeschliffenen.
Die in eine derartige Schale eingegossene Gelatine wird, der
Gestalt der Bodenoberfläche folgend, in wulstförmigen, konzentrischen
Ringen von abwechselnd größerer und geringerer Dicke erstarren.
Setzt man nun gleichmäßige Verteilung der Keime in der verflüssigten
Gelatine voraus, so werden die in den Wellenthälern liegenden
Schichten der zählreifen Platte pro qcm mehr Kolonieen aufweisen,
als die den Wellenbergen auflagernden. Es ist klar, daß für eine so
geartete Platte die W ol f f h üg e 1’ sehe Zählvorrichtung nicht ver-
wendbar ist. Man darf nicht nach Qnadratcentimetern, sondern muß
innerhalb von Sektoren auszählen. Nur letztere geben ein
verkleinertes Bild des Zustandes der ganzen Platte.
Es sind bisher zwei Zählvorrichtungen bekannt geworden, die
Sektorenteilung aufweisen, nämlich die von Petri und die von
Heyroth, doch keine derselben hat eine weitere Verbreitung ge-
funden ; die erstere insbesondere wegen ihres ziemlich hohen Preises,
die letztere hauptsächlich deshalb, weil ihre Sektorenplatte keine
Unterabteilungen enthält und nur dann zu verwenden ist, wenn man
alle Kolonieen einer dünn besäten Platte zählen will.
Aus diesem Grunde hat der Verf. eine neue Vorrichtung ange-
geben, deren Gebrauch, wie er hoflt, bequemer und deren Anschaffungs-
preis niedriger ist, als der der beiden zuvor genannten Hilfsapparate.
Die verbessernde Abänderung der Einteilung dieser neuen Zählplatte
besteht darin, die Sektoren in Felder von je 1 qcm Inhalt
zu zerlegen. Dies wird manchem willkommen sein, der an den
332
L'ntersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Gebrauch der Wolf f hü gel’ sehen Platte gewöhnt ist. Es empfiehlt
sich, mindestens einen Sektor von 60° auszuzählen. Der dabei be-
gangene Fehler wird dann beim Umrechnen versechsfacht. Eine Aus-
rechnung der Oberfläche der Gelatineschicht vorzunehmen, wie dies
bei Verwendung der Wolff h ügel’schen Platte stets geschehen muß,
ist hier selbstredend nicht nötig.
Es wird manchmal Vorkommen, daß die Platte so dicht besät
ist, daß es Tätlich scheinen mag, bei der Auszählung innerhalb einer
engeren Grenze (als 60°) zu verbleiben. Um auch für diesen Fall
vorzusorgen, wurden neben den sechs radiären Hauptstrahlen noch
weitere zwölf Nebenstrahlen aufgenommen, durch welche die 60-grädigen
Hauptsektoren in je drei Ausschnitte von 20°, also in je den acht-
zehnten Teil der Gesamtfläche der Gelatineschicht, zerlegt werden,
wie die Fig. 1 zeigt 1).
Für die Radien der eingeschriebenen Kreise wurden folgende
Zahlen berechnet:
1) Für die liebenswürdige leihweise Ueberlassung des Cliche sei dem Herausgeber
der „Z. f. N.-U.“, Herrn Dr. Hans Heger, auch an dieser Stelle verbindlichst
gedankt.
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 333
r: = 13,8 mm r3 — 36,6 mm
r2 — 27,6 mm r4 = 43,7 mm.
Von den ausnahmslos je 1 qcm Inhalt besitzenden Feldern, welche
durch diese beiden Liniensysteme gebildet werden, sind die sechs
mittleren Kreissektoren, alle übrigen jedoch Vierecke. Drei von
einander um je 120° abstehende, radiäre Reihen derselben sind noch
überdies durch geradlinige, dünner gehaltene Diagonalen in kleinere
Feldchen geteilt, wie die Figur erkennen läßt. Diese drei Sektoren
(von je 20°) sind, wie oben erwähnt, für das Auszählen sehr dicht
besäter Platten bestimmt. In diesem Falle hat man, um auch die
Spitze des Sektors auszählen zu können, die denselben einschließen-
den Radienstücke mittelst Feder und Tinte bis zum Mittelpunkte zu
verlängern.
Das beschriebene Liuiendoppelsystem wird mittelst Aetzung auf
eine blasenfreie, geschliffene Glasplatte von 10 cm Durchmesser auf-
getragen. Man läßt diese dann in einen ca. 8 mm hohen Reifen aus
gedrechseltem Holze oder Messingguß fassen. Sein Durchmesser im
Lichten betrage ca. 9,5 cm. Die mit der Teilung versehene Fläche
wird nach innen zu gerichtet. Schalen, deren äußerer Durchmesser
erheblich geringer ist, als 9,5 cm, überzieht man, bevor man die
Zählvorrichtung aufsetzt, am Rande mit einem hinreichend dicken,
ringförmigen Gummibande. Der Deckel einer auszuzählenden Platte
wird stets abgenommen. Darf dieselbe wegen ihres Gehaltes an
verflüssigenden Kolonieen nicht umgewendet werden, so setzt man sie
in die Zählvorrichtung hinein ; deren geätzte Seite ist in diesem Falle
nach oben gerichtet. Hingegen wird eine Kultur, die ohne Gefahr
gewendet werden darf, so ausgezählt, daß man die Zählvorrichtung
auf den nach oben gerichteten Boden der Petrischale hutartig
darauf stülpt. Im einen wie auch im anderen Falle liegt die die
Einteilung tragende Seite der Zählplatte unmittelbar der Bodenfläche
der Schale an, wodurch die Parallaxe auf ein Minimum reduziert und
infolge hiervon nicht nur die Genauigkeit, sondern auch die Bequem-
lichkeit des Auszählens erhöht wird.
Die Ausführung der Zählplatte ist dem technischen Institute von
F. Mollenkopf, 10, Thorstr., Stuttgart, übertragen worden, wohin
auch Bestellungen zu richten sind. Preis 8 — 9,50 M.
Lafar (Hohenheim b. Stuttgart).
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
Boretius, Die Beseitigung der Ansteckungsstoffe, ins-
besondere der flüssigen, bei Infektionskrankheiten.
(Dtsche militärärztl. Ztschr. 1893. p. 425.)
Boretius befürwortet warm die Anwendung des Torfmulls zur
Beseitigung der Ansteckungsstoffe, insbesondere der flüssigen, bei
334 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Infektionskrankheiten. Nicht die antiseptischen Eigenschaften des
Torfes sind es, welche Verf. zu der Empfehlung veranlassen, sondern
die Fähigkeit des Torfmulls, Flüssigkeiten zu verdichten, d. h. in
sich aufzunehmen und so gleichsam in den festen Zustand über-
zuführen, und die leichte Verbrennbarkeit des verdichteten Materials.
Torfmull würde sich vorzüglich eignen zum Bestreuen des Er-
brochenen und der Stühle von Cholera-, Typhus- und Dysenterie-
kranken, welche auf dem Fußboden verschüttet worden sind (Verf.
macht darauf aufmerksam, daß durch Zugießen flüssiger Desinfektions-
mittel das Entleerte über einen größeren Teil der Dielen und in diese
verbreitet wird), zum Einfüllen in die Nachtstühle bez. Unterschieber
bei den vorgenannten Krankheiten und zum gefahrlosen Entfernen
des Inhaltes der Unterschieber, zum Einfüllen in die Spuckgläser
von Phthisikern und Pneumoniekranken, zur Aufnahme der bei
Diphtherie und Scharlachepidemie beim Pinseln und Gurgeln aus der
Mundhöhle herausbeförderten Krankheitskeime, zum Aufstreuen auf
den Fußboden um das Bett von Scharlach- und anderen akuten
Hautausschlagskranken zum Aufnehmen der Hautschuppen, zum Auf-
saugen des Urins Tetanuskranker, der Stühle bei Abtreibung von
Darmparasiten, des Verbandmaterials und Spülwassers bei Wund-
eiterung, der Leichenflüssigkeiten bei Sektionen, endlich zum Auf-
saugen der Sputa in Spuckschalen. Die „so mit Torfmull versetzten
und verbrennbar gemachten Flüssigkeiten“ oder vielmehr der mit
letzteren imprägnierte Torfmull kann in jeder Feuerstelle verbrannt
werden, doch hält es Verf. für praktischer, dies in besonderen, ganz
einfachen, nur aus Ziegelsteinen erbauten Oefen mit Schlot, welche
auf dem Hofe von Krankenhäusern errichtet werden, zu thun. Diese
Oefen, für welche Verf. eine kleine Skizze giebt , haben die Eigen-
tümlichkeit, daß der Mull von oben her auf ein kräftiges Steinkohlen-
feuer bez. auf eine darüber rostartig gelegte Holzschicht geschüttet
wird. 3 — 4 mit Kalkmich versetzte Stuhlentleerungen sind in
18 Minuten so weit verkohlt, daß neue Aufschüttung erfolgen kann.
Die Reinigung der Spuckgläser soll sich folgendermaßen ge-
stalten: In jedes Glas wird etwas recht warme Kaliseifenlösung
(20 g : 10 1) gegossen, mit einem Holzstabe umgerührt (die zähen
Sputa lösen sich so leicht von der Wand), der Inhalt des Glases
nun in einen Eimer mit Mull entleert, hier verrührt und nebst dem
Holzstabe später verbrannt. Die entleerten Gläser kommen einige
Minuten in heiße Kaliseifenlösung und werden dann erst abgetrocknet.
So vorteilhaft die Verbrennung der Sputa mit dem Torfmull erscheint,
müßte der Nachweis der Abtötung aller Tuberkelbacillen an den
Gläsern, welche „einige Minuten“ in der „recht warmen Kaliseifen-
lösung“ gelegen haben, erst erbracht werden. — Die zum gleichen
Zwecke empfohlenen Sägespähne sind nach Verf. teuerer als Torfmull
und saugen schlechter auf. Schill (Dresden).
Zappert, J., Ueber das Vorkommen der eosinophilen
Zellen im menschlichen Blute. [Aus der II. medizinischen
Klinik in Wien.] (Zeitschrift für klinische Medizin. Bd. XXIII.
Heft 3 u. 4.)
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 335
Verf. machte eine große Anzahl Blutuntersuchungen in Bezug
auf das Vorkommen der eosinophilen Zellen im menschlichen Blute
bei gesunden Menschen und bei einer großen Anzahl von Krankheiten.
So fand er u. a. bei afebriler Lungentuberkulose häufig Verminderung
der eosinophilen Zellen, dagegen bei einem großen Teile der Haut-
krankheiten oft hochgradige Vermehrung derselben, bei den meisten
fieberhaften Krankheiten wurde während der febrilen Intoxikation
eine Verminderung der eosinophilen Zellen beobachtet, doch kehrten
dieselben nach Ablauf des Fiebers rasch wieder zurück. Bei
Tuberkulininjektionen war nur bei starker Reaktion mit höherer
Temperatursteigerung eine Verminderung und hierauf eine postfebrile
Vermehrung nachzuweisen. Dieudonn6 (Berlin).
Stern, Ueber einige Beziehungen zwischen mensch-
lichem Blutserum und pathogenen Bakterien. (Sep.-
Abdruck aus den Verhandlungen des XII. Kongresses für innere
Medizin.)
Das menschliche Blutserum läßt bei Infektionskrankheiten einer-
seits toxische Wirkungen erkennen, andererseits gewinnt es im
Verlaufe derselben schützende, immunisierende und hei-
lende Wirkung. So konnte Verf. in einigen Fällen von Erysipel
auf der Höhe der Krankheit durch Blutserum in der Menge von
0,5 — 1 ccm weiße Mäuse töten, während normales Blutserum erst in
weit größeren Mengen (3 ccm und mehr) für diese Tiere tötlich ist.
Die bakteriologische Untersuchung des Blutes selbst und der veren-
deten Mäuse ergab keinerlei Mikroorganismen, so daß es sich also
sicher um Giftwirkung gehandelt hat. Der Inhalt einer Blase bei
Erysipelas bullosum wirkte schon in der Menge von x/2 ccm auf
Mäuse tötlich, wobei die bakteriologische Untersuchung sowohl der
Flüssigkeit als der verendeten Mäuse ebenfalls negatives Resultat er-
gab. Die imm unisieren d e Wirkung des Blutserums zeigte sich
bei Untersuchungen über den Abdominaltyphus. Es wurde das Blut-
serum von 14 Personen, welche Abdominaltyphus überstanden hatten,
untersucht; in 7 Fällen erfolgte die Untersuchung zwischen dem 2.
und 8. Tage nach der Entfieberung; das Serum zeigte bei 5 dieser
Fälle im Tierexperimente deutliche schützende Wirkung, während in
2 Fällen das Resultat negativ blieb. Bei 7 anderen Personen lag
die Krankheit zwischen 1 und 17 1/2 Jahren zurück, in dieser Gruppe
zeigten nur 3 ein positives, 4 ein negatives Resultat. Endlich wurde
das Blutserum von 14 Personen untersucht, welche nie an Typhus
gelitten hatten ; von diesen zeigten 2 eine schützende Wirkung, ein
Befund, welchen Verf. nicht zu deuten vermag. Verf. glaubt, daß es
sich bei der schützenden Wirkung des Serums, wenigstens bei Typhus,
nicht um einen außerhalb des Organismus nachweisbaren, gift-
zerstörenden Einfluß desselben handeln kann, sondern daß das Serum
auf den infizierten Organismus selbst wirken, in diesem Veränderungen
hervorrufen muß, durch welche die eingeführten Bacillen am Wachs-
tum gehindert werden. Dieudonnö (Berlin).
236 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Bighi, J., L’immunitä nei suoi rapporti con la funzione
della milza. (La Rif. med. 1893. p. 170, 171.)
Yerf. verfolgte bei seinen Versuchen einen doppelten Zweck;
erstens, um zu eruieren, ob entmilzte Tiere immunisiert werden können,
und zweitens, ob immunisierte Tiere nach Abtragung der Milz diese
Eigenschaft verlieren oder nicht.
Experimentiert wurde mit Cholera, Typhus und Tetanus an
Meerschweinchen, Mäusen und Kaninchen. Bei Cholera und Typhus
zeigte sich, daß die Entfernung der Milz einen Einfluß ausübt weder
auf die Erlangung der Immunität, noch daß die vorher immuni-
sierten Tiere ihre Immunität einbüßen, wenn sie nachträglich entmilzt
werden.
Bei den Versuchen mit Tetanus zeigte sich hingegen, daß
entmilzte Kaninchen einen höheren Grad von Immunität erlangen
können, als normale und daß man die Immunität normaler Tiere ertöten
könne, wenn man sie nachträglich entmilzt. Mit Rücksicht auf die
wenigen in dieser Richtung durchgeführten Versuche möchte jedoch
der Verf. dieses Ergebnis nur im Sinne einer vorläufigen Mitteilung
bekannt gegeben haben. Derselbe bemerkt ganz richtig zum Schlüsse,
daß auch seine Versuche keinen Aufschluß über die Funktion der Milz
bei der Immunisierung geben und daß wir noch immer sehr weit
entfernt sind von der Lösung mehrere Punkte der Immunitätsfrage.
Kamen (Czernowitz).
Tizzoni, GL e Cattani, Gl., Sulla importanza della milza
neli’ immunizzazione sperimentale del coniglio
contro il tetano. (La Rif. med. 1893. p. 189.)
In Fortsetzung ihrer im Jahre 1892 publizierten einschlägigen
Versuche kommen die Verff. zu dem Ergebnise, daß „die Milz als
solche keinen direkten Anteil am Immunisierungsprozesse selbst
nimmt und daß, wenn die immunisierende Substanz ein Produkt des
Tierkörpers ist (was übrigens wenig Wahrscheinlichkeit für sich
hat), deren Bildung nicht in der Milz oder wenigstens nicht allein
in der Milz stattfindet“. Kamen (Czernowitz).
Corrigendum.
In dem Artikel „Ueber den Einfluß der Kälte auf die Lebensfähigkeit der Malaria-
parasiten“ von N. Sacharoff in No. 5/6 dieses Centralbl. p. 158 Z. 11 von oben
ist statt „daß ich mich habe täuschen lassen“ zu lesen „daß ich mich vielleicht habe
täuschen lassen“; Z. 14 von oben derselben Seite ist „auch“ statt „noch“, Z. 5 von
unten „vorher“ statt „rohen“ und p. 160 Z. 18 von oben „zweiten“ statt „weiteren“
zu setzen.
Neue Litteratur.
237
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znsammengestellt von
De. Arthub Würzburg,
Bibliothekar im Kaiserlichen Gesundheitsamte in Berlin.
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Inhalt.
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Corrigendum, p. 336.
Neue Litteratur, p. 337.
fc'rommannsche Buchdruckerei CH ermann Pohle) in Jena.
^ A LB£^ ^
Bakteriologie und Parasitenkunde.
In Verbindung mit
Gell. Hofr. Prof. Dr. Lenckart nna Professor Dr. Loeffler
in Leipzig In (ireiftwald
heransgegeben von
Dr. O. TJlilworm in Cassel.
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
XV. Band. -o- Jena, den 16. März 1894. -o- No. 10/11.
Preis für den Band (26 Nummern) 14 Mark.
Jährlich erscheinen zwei Bände.
— . t% Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Die Redaktion des „ Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
kunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an
den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena , gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage , später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original - Mittheilungen.
Zur Lehre von den Carcinomparasiten.
Von
M. Kurloff,
Prof, der spec. Pathol. u. Therapie an der Kaiserl. Universität zu Tomsk.
•<ji Mit 1 Tafel.
Die Aetiologie des Carcinoms gehört zu einer der interessantesten
Fragen, welche gegenwärtig die Beachtung vieler Aerzte und Natur-
forscher auf sich lenkt. Diesem allgemeinen Streben folgend, habe
auch ich einen Teil meiner Muße dieser Frage gewidmet, wobei ich
mich indessen einstweilen nur auf mikroskopische Beobachtungen be-
schränkt habe, d. h. diejenige Untersuchungsmethode, mittelst welcher
die Mehrzahl der zeitgenössischen Forscher, wie Kossinsky,
Sawtschenko, Podwyssozky, Sudake witsch, Ruffer,
XV. Bd. 22
342
M. Kurloff ,
Walker, Rüssel, Pfeiffer, Korotneff und viele andere diese
Frage zu lösen versucht haben.
Unerachtet der großen Anzahl (21) Carcinome, welche von mir
mikroskopisch untersucht wurden, bin ich dennoch nicht zu irgend
welchem positivem Resultate gelangt, d. h. ich will damit sagen, daß
die sich clarbietenten Bilder so sehr undeutlich und unklar waren, daß
ich diese Untersuchungen nach keiner Richtung hin für abgeschlossen
erachten kann, ja ich war sogar geneigt, diese verdrießliche Arbeit
ganz aufzugeben, als plötzlich die Mitteilungen des Prof. Korotneff1)
erschienen, iu welchen ein besonderer, sehr großer Parasit beschrie-
ben uud abgebildet war, der in Carcinomeu der Lippe und einiger
anderer Organe bei Kranken gefunden worden, die in der Klinik des
Prof. R i n n e k operiert waren. Dieser Parasit war der Beschreibung
nach so eigenartig, und die Mitteilung über ihn rührte von einem so
erfahrenen Manne her, daß an der Bedeutung der vorgestellten Ab-
bildungen zu zweifeln nicht wohl möglich war. Man kaun nur seine
Vei wunderung darüber ausdrücken, daß so große und eigenartige
Parasiten in den Carcinomeu Vorkommen, ohne daß es bis jetzt
jemandem gelungen, dieselben zu beobachten, und man kaun vielleicht
bedauern , daß bei der Beschreibung dieses neuen Parasiten —
Rhopalocephalus canceromatosus — nicht auch die Kranken-
geschichten der Patienten angeführt wurden, von welchen die zur Unter-
suchung dargeboteuen Carcinome herstammten. Darin besteht ebeu das
Wunderbare, wie es möglich war, daß ein so eigenartiger, großer
Parasit der Beobachtung so zahlreicher Forscher, welche sich mit
dieser Frage beschäftigt haben, entgehen konnte. Es scheint demnach
klar zu sein, daß wohl ganz besondere Fälle sich dargeboten haben
müssen, welche ganz aus der Reihe der gewöhnlichen Carcinomformen
heraustraten. Diese Voraussetzung ist schon deshalb wahrscheinlich,
weil uns bekannt ist, daß Carcinome überhaupt Kraukheitserscheinungen
sind, welche sich nach ihren anatomischen uud klinischen Krankheits-
bildern scharf voneinander unterscheiden. Wenn mau z. B. die Car-
cinome der Extremitäten in Betracht zieht, so kann man sie in
klinischer Hinsicht in 2 oder 3 Gruppen einteilen, von denen die-
jenigen Carciuome, welche sich aus Geburtsfiecken oder angeborenen
Warzen entwickeln, sich durch einen hohen Grad von Bösartigkeit
und schnellen Verlauf auszeichnen, während Carciuome derselben Ex-
tremitäten, welche aus vielfach wieder aufgebrochenen oder wund-
geriebeuen Narben und Schwielen, Geschwüren und Fisteln, oder ein-
fach auf der scheinbar normalen Haut entstanden sind, gewöhnlich
langsam verlaufen, selten und spät auf die benachbarten Lymphdrüseu
übergehen und oft sogar nach einfachem Ausschneiden der vom
Krebs ergriffenen Gewebsteile völlig heilen. Bezüglich der Gesichts-
carciuome kann man ebenfalls behaupten, daß sie weniger bösartig
sind und nicht so rasch die anliegenden Lymphdrüsen anstecken, wie
z. B. die Lippencarcinome. Ein so verschiedener Verlauf der Car-
cinome kaun nicht durch einen verschiedenartigen Boden, durch ver-
1) Wratscb. 1893. p. 33. Centralbl. für Bakteriol. und Parasitenkunde Bd. Xlll.
1893.
Zur Lehre von den Carcinomparasiten.
343
schiedene anatomische Bedingungen, unter denen Neubildungen ent-
stehen, erklärt werden, sondern mit größerer Wahrscheinlichkeit durch
die Aetiologie, z. B. die verschiedenen Formen von Krebserregern.
Einstweilen können wir dieses noch nicht beweisen, aber man hat
auch keine genügenden Gründe, eine solche Erklärung zu widerlegen.
Beim Lesen der Mitteilung des Prof. Korotneff drängt sich daher
unwillkürlich jedem, welcher sich mit der Aetiologie der Carcinome
beschäftigt hat, die Frage auf, welche Carcinomformen wohl zur
Untersuchung gelangt sein mögen und ob dieselben nicht irgendwelche
klinische4Eigentümlichkeiten aufwiesen oder sich irgend wodurch von
den gewöhnlichen Carciuomformen, bei welchen bisher noch niemand
den Rhopaiocephalus canceromatosus beobachtet hatte,
scharf unterschieden. Das sind namentlich die Fragen, welche ich mir
vorlegte, weil ich 5 Fälle von Carcinom der Lippe untersucht hatte
und in keinem einen derartigen Parasiten gefunden, wie ihn Prof.
Korotneff beschrieben. Ich bin der Ansicht, daß gegenwärtig
jeder, welcher einen Carcinomparasiten untersucht, notwendigerweise
eine, wenn auch nur kurze, Krankengeschichte der untersuchten Fälle
beifügen muß, damit man die Möglichkeit hat, die von den verschie-
denen Forschern erlangten Resultate in irgend ein bestimmtes System
zu bringen. Wie sehr solche Krankheitsgeschichten, begleitet von
pathologisch-anatomischen Daten, notwendig sind, erhellt daraus, daß
die vorhandenen Facta mit großer Wahrscheinlichkeit die Parasiten-
natur der Carcinome vermuten lassen, daß aber das, was als Car-
cinomparasit beschrieben wird, sich in den Beschreibungen der
einzelnen f orscher scharf voneinander unterscheidet. Andererseits
wissen wir, daß auch die pathologisch-anatomischen und klinischen
Carcinombilder in einzelnen Fällen bedeutend voneinander abweichen
und infolgedessen auch die besonderen anatomischen und klinischen
Carcinome unterschieden sind. Schon aus diesem Grunde erscheint
es kaum gerechtfertigt, eine und dieselbe Art Carcinomparasiten in
allen verschiedenen Carcinomformen zu suchen, oder, wenn man einen
solchen Parasiten in 2 — 3 Fällen gefunden hat, denselben auf alle
Fälle zu übertragen oder vielmehr sich zu bemühen, seine Formen,
welche aus einzelnen anatomisch und klinisch verschiedenen Carcinomen
herstammen, zu einem allgemeinen Bilde allmählicher Entwickelung
zu verbinden. In gegenwärtiger Zeit, wo die Carcinomuntersuchungen
erst beginnen, wo unsere Kenntnisse in dieser Hinsicht noch sehr un-
zureichend sind, scheint es mir, daß wir notwendigerweise zuvor nur
das Material sammeln, d. h. die Parasiten in den einzelnen Fällen
oder in den anatomisch und klinisch übereinstimmenden Formen be-
schreiben müssen. Nur wenn man solche genaue Beschreibungen be-
sitzt, wird es möglich sein, die Daten in irgend ein allgemeines System
zusammenzustellen. Wie sehr solche Krankheitsgeschichten notwendig
sind, wird mau, glaube ich, aus der Beschreibung eines Falles ersehen,
der den Gegenstand gegenwärtiger Mitteilung bilden soll und in
welchem ein anscheinend gleicher Parasit gefunden wurde, wie ihn
Prof. Korotneff beschreibt. Dieser Fall muß seinen klinischen
Eigentümlichkeiten nach zu der Carcinomgruppe gehören, von der
jener Autor voraussetzt, daß in ihr keine Parasiten vorhanden sind.
22*
344
M. Kurloff,
Der Kranke, K — eff, ein Greis von 80 Jahren, aus dem örtlichen
Armenhause, lebt in letzterem bereits 7 Jahre und hatte niemals an
seinen Händen irgend einen Krankheitsprozeß durchzumachen, d. h.
er erinnert sich, niemals an ihnen Warzen, Geschwüre, Schrammen,
Wunden u. s. w. bemerkt zu haben. Seine Hände sind nur rauh und
schwielig von seiner früheren schweren Arbeit. Der Kranke beschäf-
tigte sich im Armenhause mit dem Flechten von Körben. Im Sommer
vor 4 Jahren hatte er sich beim Schneiden der Ruten zu dieser Korb-
arbeit die Rückenseite der linken Hand durchstochen, wobei sich eine
Hautabschürfung bildete, welche lange Zeit nicht zuheilte und all-
mählich in eine Wunde überging. Letztere vergrößerte sich im Ver-
laufe von 4 Jahren derart, daß sie fast die ganze Rückenseite der
linken Hand einnahm, indem sie sich bis zu den Fingern und zum
Radiocarpalgelenk, auf der inneren Gelenkseite bis zum Rande der
Hand und auf der äußeren bis zum zweiten Os metacarpi aus-
dehnte.
Die ganze W'unde ist mit einem schmutzigen Zerfall bedeckt,
ihre Ränder aufgerissen, hügelig, erhärtet und stellenweise unter-
graben, stellenweise aber mit einer darübergeschobenen Schicht junger
Epidermis bedeckt, welche ihrerseits wiederum hier und da Verwun-
dungen aufweist. Der Boden der Wunde ist nicht eben, bedeckt mit
wuchernden Hügeln von der allerunregelmäßigsten Form, welche die
erhöhten Wundränder oft überragen , sich aber größtenteils im Zu-
stande des Zerfalls befinden, mit mehr oder weniger tiefen Schwären
bedeckt, welche bis zu den Sehnen der Fingerstrecker reichen. Die
Finger der vom Geschwür infizierten Hand, vermutlich der 2., 3., 4.
und 5. sind ein wenig gekrümmt und stark angeschwollen. Der
Kranke klagt über bedeutende Schmerzen in der Haud, welche ihn
verhindern mit derselben irgend welche Arbeit zu verrichten. Die
Ellenbogen- und die Achseldrüse sind nicht vergrößert und nicht
durchzufühlen. Der Kranke zehrt sehr ab und fällt durch sein ent-
kräftetes Aussehen auf. Alle diese Daten ließen auf ein primäres
Hautcarcinom der Hand schließen, das sich aus einer Abschürfung
der ursprünglich dem Anscheine nach normalen Haut entwickelt hatte,
ohne auf die benachbarten Lymphdrüsen überzngehen, aus welchem
Grunde dem Kranken eine Amputation des unteren Dritteils des
Unterarmes in Vorschlag gebracht wurde, worauf er gern einging.
Die Operation wurde im Juni d. J. in dem Krankenhause des
Kollegiums Allgemeiner Fürsorge vom Dr. J. J. Step an off voll-
zogen und der abgeschnittene Teil des Armes nach der Operation mir
zur mikroskopischen Untersuchung übergeben.
Kleine Stückchen des Geschwürs wurden von mir in Flem-
ming’sche Flüssigkeit gethan und sodann auf dem gewöhnlichen
Wege in Paraffin eingeschlossen, aus welchem Schnitte mit dem
Mikrotom hergestellt wurden. Die Schnitte wurden darauf mit ver-
schiedenen Färbmitteln tingiert : mit Borax-, Ammoniak-, Alaun- uud
Pikrinkarmin, mit Hämatoxylin, Safranin, Methylviolett u. a. Am
gelungensten erwiesen sich die durch Safranin gefärbten Präparate,
unter nachträglicher Behandlung mit einer verdünnten Lösung von
Alkohol mit Pikrinsäure.
Zur Lehre von den Carcinomparasiten.
345
An solchen Präparaten konnte man sogar mit bloßem Auge eine
große Anzahl roter Punkte verschiedener Größe und Gestalt wahr-
nehmen , welche sich auf dem allgemeinen gelblichen Fonds ab-
zeichneten. Bei der mikroskopischen Untersuchung erwiesen sich die
gefärbten Stellen als Carcinomperle, deren Anzahl so zahlreich war,
daß man an jedem Schnitte ihren Wuchs und ihre Entwickelung leicht
beobachten konnte.
Wir wollen unsere Beschreibung mit den jüngeren und dem An-
scheine nach erst in der Bildung begriffenen Perlgeschwülsten be-
ginnen. Im Centrum derselben befindet sich gewöhnlich eine ver-
größerte, hypertrophische Epithelialzelle. Sie liegt den benachbarten
Zellen dicht an, welche sie unter dem Einflüsse ihres eigenen Wachs-
tums und ihrer Vergrößerung plattdrückt und welche sie wie kleine
Schalen, die auf den Schnitten wie kleine Halbmonde von verschiedener
Dicke und Größe aussehen, von zwei und mehr Seiten umgeben. Das
Plattgedrücktwerden der Zellen erstreckt sich auch auf die weiter
nach außen liegenden, so daß auf die erste Reihe plattgedrückter
Zellen eine zweite u. s. w. folgt, bis die Zellen der letzten Reihe all-
mählich in gewöhnliche, ihrer Form nach unveränderte Zellen über-
gehen. Gleichzeitig mit der Vermehrung der Anzahl der abgeplatteten
Zellenschichten erfolgt ihre Verhornung, welche vom Centrum aus
beginnt.
Die Ursache der Hypertrophie der Centralzellen untersuchend,
kaun man wahrnehmen, wie im Protoplasma vieler dieser Zellen ein
Körperchen von gewöhnlich runder, länglicher, häufig aber unregel-
mäßiger Form sich befindet. Diese Körperchen sind sogar an un-
gefärbten Präparaten deutlich wahrnehmbar wegen ihrer dunkel-
braunen, von der Osmiumsäure herrührenden Schattierung, was auf
ihren Reichtum an Protoplasma hindeutet. Das Körperchen, allmäh-
lich größer werdend, drängt den Kern der Epithelialzelle nach dieser
oder jener Seite der Peripherie hin, so daß bei der beträchtlichen
Größe des Körperchens von der vergrößerten Epithelialzelle kaum
nur ein schmaler Reif übrig bleibt, an dessen Rande der leicht ab-
geplattete Kern sich befindet. Zwischen dem Körperchen und dem
Protoplasma der Zelle kann man stets eine helle Zone beobachten,
woraus sich schließen läßt, daß das Körperchen in einer Vakuole
liegt. Die Größe der beschriebenen Gebilde in den Zellen ist eine
sehr verschiedene; man trifft deren sehr kleine, aber auch so große,
daß sie den Umfang der größten Carcinomzellen übersteigen. Sie
werden durch verschiedene alkalische Anilinfarben grell gefärbt und
behalten diese Färbung sogar bei anhaltender Entfärbung der Prä-
parate durch Alkohol, wenn alle übrigen Elemente bereits gänzlich
oder beinahe ihre Farbe verloren haben, bei. Dieses Verhalten der
Körperchen zu den Farben und ihre bedeutende Größe erleichtert
das Auffinden und die Untersuchung derselben sogar bei geringer
mikroskopischer Vergrößerung. Wenn man ihren inneren Bau durch-
mustert, findet man, wenigstens in den größeren, erwachseneren
Formen derselben 1, 2 oder 3 Kerne, welche ein wenig gekörnt sind
und sich stärker färben, als das ganze übrige Protoplasma. Chro-
matinfasern , wie auch kleine Kerne sind in ihnen nicht wahr-
346
M. Kurloft,
zunehmen; ihre Umrisse sind nicht scharf begrenzt, das Protoplasma
der Körperchen selbst ist gleichmäßig kleinkörnig. In einigen Ele-
menten kann man noch kleine Teile eines dunkelbraunen Pigmentes
in verschiedener Menge erkennen. Der Umriß der beschriebenen
Körperchen ist, wie schon erwähnt, nur zum Teil ein rundlicher,
gewöhnlich sind die Ränder der Körperchen ungleich und lassen hier
und da Erhöhungen erkennen. Diese letzteren sind in einigen
Exemplaren so bedeutend, daß sie aus der Zelle in Art von Aus-
läufern von verschiedener Länge heraustreten. Wenn diese Aus-
läufer klein sind, so befinden sie sich in der hypertrophischen Zelle,
wenn sie aber lang sind, so durchbohren sie ihre Zelle und dringen
in die Nachbarzelle ein oder sie drängen die beiden Zellen aus-
einander und lagern sich frei zwischen ihnen. Die Größe und die
Form dieser Ausläufer — Pseudopodien — ist eine sehr verschiedene.
In einigen Fällen sind sie kurz, in anderen aber überragt ihre Länge
den Durchmesser des Körperchens, aus dem sie herausgetreten, um
lOmal und mehr. Sie sind bald fein wie Fäden, bald zeichnen sie
sich durch ihre Dicke aus, wobei sie mit der Entfernung von der
Zelle allmählich dünner werden, zuweilen aber stellenweise Erweite-
rungen von unregelmäßiger Form aufweisen. Wenn dieser Ausläufer
ein einziger ist, so verläuft er gewöhnlich in gerader Richtung in
Art eines Schwänzchens, das aus einem rundlichen Köpfchen hervor-
geht, wobei der Kern stets im Köpfchen zurückbleibt, wenigstens
habe ich in den Pseudopodien niemals einen Kern beobachten können.
Zuweilen dreht sich der Ausläufer an seinem Ende spiralförmig, und
zuweilen entsendet er nach einer oder beiden Seiten Nebenzweige.
Oft kann man von sehr großen Körperchen zwei oder mehr Ausläufer
ausgehend beobachten, von den kleineren öfter nur einen langen. So
viel ich aus meinen Präparaten schließen konnte, scheint es mir, daß
das Körperchen mittelst dieser Ausläufer seine Stelle verändern und
aus einer Zelle in die andere übergehen kann. Ich konnte beobachten,
wie ein solches Pseudopodium, fein wie ein Faden, in eine benach-
barte, mehr oder weniger entfernte Zelle tief eindrang und an seinem
Ende eine knopfförmige Verdickung bildete. In anderen Fällen war
das in die Nachbarzelle eindringende Pseudopodium ein dickeres, und
seine Vergrößerung in der Zelle nahm so zu, daß es den Umfang
der Ursprungszelle übertraf. Es scheint, daß das Protoplasma des
Körperchens vermöge dieses^verdickten Füßchens in die Nachbarzelle
überfließt.
Aus dem Dargelegten kann man, glaube ich, den Schluß ziehen,
daß die von uns beschriebenen Gebilde lebende Parasiten sind: indem
sie sich in der Epithelzelle festsetzen, rufen sie eine Hypertrophie
derselben hervor und tragen demnach zur Bildung von Epithelial-
Perlgeschwülsten bei. Sie sind imstande, ihre Form zu verändern,
indem sie Ausläufer von verschiedener Größe von sich entsenden, die
zuweilen sehr lang sind und zuweilen sich verzweigen. Vermittelst
dieser Pseudopodien können sie sich, dem Anscheine nach, von einem
Orte zum anderen fortbewegen und gehen aus einer Zelle in die
andere über. Unzweifelhaft zeichnen sie sich demnach durch lebende
Eigenschaften aus und bedingen den Anfang der für Carcinome so
Zur Lehre von den Carcinomparasiten.
347
charakteristischen anatomischen Veränderungen, aus welchem Grunde
man sie, meiner Ansicht nach, im gegebenen Falle für Erreger des
pathologischen Prozesses — des Carcinoms durch Parasiten —
halten muß.
Jetzt fragt es sich: in welcher Beziehung steht der von mir
gefundene Carcinomparasit zu dem von Prof. Korotneff beschrie-
benen ? Wenn wir aus der ganzen Gruppe der von mir beschriebenen
Parasitenbilder nur bei denjenigen stehen bleiben, bei welchen der
Parasit nur ein langes Pseudopodium hervorstreckt, und bei den
jungen Formen desselben, die sich bereits in der Zelle entwickeln,
so werden die beschriebenen Formen ganz dem Rhopal ocephalus
canceromatosus entsprechen, der im erwachsenen Zustande als
schmales, langes Band mit einer keulenförmigen Erweiterung am
vorderen Ende erscheint, in welchem ein grobkörniger Kern ein-
gelagert ist, der keine scharfen Umrisse hat und weder Chromatin-
fäden noch kleine Kerne enthält. Dieser Parasit entwickelt sich im
Innern der Epithelialzellen, welche hypertrophisch vergrößert werden
und aus welchen er heraustritt, sobald er eine beträchtliche Größe
erlangt hat. Die jungen Exemplare stellen sich als kleine eierartige
Körperchen dar, mit einem schwach ausgeprägten Kerne, und sind
ebenfalls im Protoplasma der Epithelialzellen abgelagert. Bei reich-
licher Nahrungszuführung erwächst der junge Parasit zur typischen
langgeschwänzten Form ; wenn aber das Nahrungsmaterial gering ist,
dann nimmt der Parasit nur die rundliche Form an und umgiebt
sich mit einer doppeltkonturierten Kapsel; der Kern zeichnet sich
scharf ab, und in demselben erscheinen Chromatinfasern und kleine
Kerne, in welchem Zustande der Parasit stark an eine Coccidie
erinnert, und in letzterer erblickt Prof. Korotneff die Ausgangs-
form aller verschiedenen Veränderungen des von ihm entdeckten
Parasiten, und zwar: im Innern dieser inkapsulierten Zelle bildet
sich ein besonderes Körperchen von länglicher, ovaler Form mit
einem zugespitzten Ende; dieses Körperchen — Zooid — tritt aus der
Kapsel hervor, dringt in eine der Epithelialzellen ein und, je nach
dem Nahrungsmaterial, verkapelt es sich entweder oder es erwächst
zu der spitz zulaufenden großen Form. Außer den eben beschriebenen
Zooiden entwickeln sich in solchen inkapsulierten Zellen noch andere
Gebilde — Sporozoiden — in Art von sichelförmigen, ein wenig ge-
krümmten Körperchen, welche von einer hyalinen Cyste umgeben sind,
in deren Innerem an der Achse des Körperchens ein Plasma sich
ausbreitet, welches keine Spuren eines Kernes enthält. Man kann an-
nehmen, daß das Sporozoid das oben erwähnte Zooid ist, aber von
einer hyalinen Cyste umgeben. Nachdem das Sporozoid aus der
Kapsel herausgetreten, wirft es die hyaline Cyste ab und erwächst,
ohne in die Epithelialzelle einzudringen, zur Amöbe, welche sich
zwischen den Zellen einlagert und in das Bindegewebe eindringt, in
welchem diese Amöbe längs den Lymphgängen mit fortwandert. Bei
der weiteren Vergrößerung des intercellularen Raumes, den die
Carcinomamöben eingenommen haben, bildet sich um diesen Raum
aus den umgebenden Geweben eine Cyste von unregelmäßiger Form.
In diesen Cysten schließen sich die Amöben nun ein, indem sie sich
348
M. Kurloff,
an den Wänden nur mit ihren Pseudopodien befestigen, und ohne die
Cyste ganz auszufüllen. Im Inneren einer solchen eingeschlosseuen
Amöbe bilden sich die Zooiden und Sporozoiden, welche sich nun
nach allem Dargelegten entwickeln: die Zooiden zu geschwänzten
Formen oder zu Coccidien, die Sporozoiden aber aufs neue zu
Amöben *).
Den von Prof. Korotneff beschriebenen Cyklus der Entwickelung
des Parasiten an meinen Präparaten zu beobachten, ist mir nicht ge-
lungen. Ich kann nur sagen, daß auch ich oft Zellen angetroflen
habe, welche von doppeltkonturierten Kapseln umgeben waren. Diese
Zellen entsprachen allen ihren Eigenschaften nach den Epithelial-
zellen, in deren Mitte sie belegen waren, aber sie hatten keine Spur
von dornartigen Auswüchsen, und, wie bereits erwähnt, sie waren
von einer hellen Cyste umgeben, was bei Epithelialzellen nicht vor-
kommt. Es ist mir indes nicht gelungen, bei ihnen die Entwickelung
eines Zooids oder Sporozoids zu beobachten, weshalb ich mir auch
erlaube, die Art der Entwickelung der von mir untersuchten Parasiten
nicht weiter zu berühren. Es ist leicht möglich, daß derselbe nicht
gleicher Art war, wie der von Prof. Korotneff beschriebene Parasit.
Seinen Eigenschaften nach erinnerte er an eine große Amöbe, welche
nach allen Seiten Ausläufer entsendet, die sich zuweilen verzweigen;
außerdem waren viele Exemplare der von mir beobachteten Parasiten
mit einem Pigment versehen, von dem Prof. Korotneff in seiner
Mitteilung nichts erwähnt. Solche mit Pigment versehene Formen
trifft man in großer Anzahl sich frei bewegend zwischen den Epithelial-
zellen, zuweilen auch im Bindegewebe, aber die größeren Exemplare
befinden sich zwischen den konzentrierten Schichten der Epithelial-
carcinomperlgesch wülste. Und diese Zellen färben sich grell durch
Safranin; ihre Form ist eine rundliche, ohne Ausläufer, und man
findet in ihnen stets eine größere oder kleinere Anzahl von Körnchen
dunkelbraunen Pigments verschiedener Größe. In der Mehrzahl der-
selben kann man keinen Kern wahrnehmen. Die Anzahl solcher Ge-
bilde innerhalb der Wände der Carcinomperle ist eine verschiedene:
gewöhnlich trifft man 1—2, es giebt deren aber auch zu 10 und
in letzterem Falle findet man sie auch im Centrum der Kapsel. Ob
diese rundlichen Klümpchen des Pigmentprotoplasmas irgend welche
spezielle Veränderungen der konzentrisch angeordneten , abgeplat-
teten Perlgeschwulstzellen bilden, oder ob dieselben ebenfalls Para-
siten sind, wage ich nicht zu behaupten. Ich kann nur bemerken,
daß diese Körperchen in vielen Krebsperlen gleichsam wie neue
Centren auftreten, um welche sich die benachbarten Epithelialzellen
konzentrisch gruppieren, wodurch aus den anfangs ganz regelmäßig
kugelförmigen Perlen sich unregelmäßig gestaltete Anhäufungen
kleinerer Perlen bilden, welche in ausgedehnten Reihen von unregel-
mäßiger Form um die Mutterperle umherliegen. Auf solche Weise
erscheinen diese Pigmentkörperchen als neue Centren der Entwickelung
neuer Töchterperlgeschwülste, und wenn man demzufolge anerkennt,
daß die Mutterperlgeschwülste sich unter dem Einflüsse des Wachs-
1) Centralbl. f. Bakt. Bd. XIII. No. 11 u. 12. p. 373.
Centralbl f Baklenol. u. Parasiten k . Bd. XV.
Taril.
l\(j 4r
Fig. 8.
Fig 6
Kurl off nel.
Ver] v Gustav Fischer Jena
Lith Ansi v A Glitsch , Jr na
Zur Lehre von den Carcinomparasiten.
349
tums des Krebsparasiten entwickeln, so kann man nach Analogie an-
nehmen, daß diese Pigmentkörperchen ebenfalls als Parasiten auf-
treten, aber in welcher Beziehung sie zu den beschriebenen Amöben-
formen ohne Pigment stehen, darüber kann ich noch nichts Bestimmtes
äußern, da es mir nicht gelungen ist, irgend welche Uebergangsformen
bei ihnen zu beobachten.
Indem ich meine Mitteilungen hiermit schließe, füge ich noch
hinzu, daß meiner Ansicht nach kaum irgend ein Zweifel an der
Parasitennatur des beschriebenen Organismus entstehen kann. Letzterer
erscheint von solcher Größe, daß man ihn selbst bei geringer Ver-
größerung — 300— 400 mal — ohne Mühe beobachten kann, was die
Untersuchung natürlich sehr erleichtert. Es wäre daher zu wünschen,
daß die Herren Aerzte und namentlich die Chirurgen, in deren
Händen sich ein umfangreiches Material ansammelt, diese Bemerkungen
nicht unbeachtet lassen und es nicht verabsäumen, Fälle von primären
Hautcarcinomgeschwülsten von sozusagen nicht typisch lokalisierter
Form genau zu untersuchen. Ich habe Grund, anzunehmen, daß die
primären Hautcarcinome, welche an Krebsperlen reich sind, durch den
obenbeschriebenen Parasiten und vielleicht durch verschiedenartige
Formen desselben bedingt werden, und ich hoffe, daß diese meine Ver-
mutung bald ihre Bestätigung findet1).
Zum Schlüsse muß ich meine herzliche Anerkennung Herrn Prof.
A. Dogiel aussprechen, welcher alle zur Veröffentlichung bestimmten
Zeichnungen von den mikroskopischen Präparaten gefertigt hat. Alle
Zeichnungen wurden mittelst der Camera lucida von Oberhäuser
bei einer Vergrößerung durch Reichert’ s Obj. 8a hergestellt.
Tomsk, den 4. Dezember 1893.
Beschreibung der Abbildungen.
Abb. 1. Ein junger Parasit in der Epithelialzelle.
Abb. 2. Dieselbe Form eines Parasiten mit kurzem Ausläufer.
Abb. 3. Eine große Zelle mit doppeltkonturierter Cyste im Inneren der ent-
wickelten Perlgescbwulst. (Vielleicht ist diese Zelle eine von den Formen, welche von
Prof. Korotneff als coccidienförmige Stufe der Entwickelung des R h o p a 1 o-
cephalus canceroma tosus beschrieben worden ist.) Nebenan befindet sich ein
Parasit mit einem langen, unregelmäßig geformten Ausläufer, welcher die Kapsel durch-
dringt.
Abb. 4. Ein großer amöbenartiger Parasit mit einem Ausläufer, der die Kapsel
durcbdringt.
Abb. 5 und 6. Dergleichen Parasiten mit einem langen Ausläufer. Diese Formen
entsprechen am meisten dem Rhopalocephalus canceromatosus.
Abb. 7. Ein Parasit mit sich abzweigenden Pseudopodien.
Abb. 8. Eine Parasitenform, an welcher ersichtlich ist, daß die Pseudopodien des
Parasiten stellenweise Erweiterungen und Aestchen bilden.
Abb. 9. Ein Parasit, welcher mittelst der Pseudopodien aus der Kapsel in die
benachbarte hypertrophische Epithelialzelle Übertritt.
1) Prof. N. A. Rogowitsch, welcher sich für meine Präparate interessierte,
untersuchte einen Fall von Unterschenkelcarcinom und fand eine beträchtliche Anzahl
von Parasiten, die dem beschriebenen sehr ähnlich waren.
350
K. B. Lehmann,
Ueber die Sauerteiggärung und die Beziehungen des
Bacillus levans zum Bacillus coli communis.
[Aus dem hygienischen Institute in Wiirzburg.]
Von
Prof. Dr. K. B. Lehmann I).
Zur Brotbereitung sind gegenwärtig 2 Methoden in Gebrauch,
die eine stellt aus Weizenmehl, Hefe und Wasser säurearme Ge-
bäcke (Weißbrot) her, die andere erzeugt mit Hilfe von Sauerteig
vorwiegend aus Roggenmehl oder Gemischen von Weizen- und
Roggenmehl mehr oder weniger dunkelfarbiges, säurereiches Brot
(Graubrot, Schwarzbrot).
Die Theorie der Weißbrotdarstellung mit Hilfe von Hefe scheint
längst vollkommen aufgeklärt. Durch Fermente von diastatischer
Wirkung, welche im Mehle, namentlich in der sogenannten Kleber-
schicht enthalten sind, wird Stärke in Zucker verwandelt und dieser
durch die Hefe zu Alkohol und Kohlensäure vergoren.
Viel weniger klar sind zur Zeit trotz vieler und mühsamer Ar-
beiten unsere Kenntnisse über den Vorgang bei der Sauerteiggärung.
Bekannt und von keiner Seite bestritten ist, daß der Sauerteig, d. h.
eine vom Tage vorher übrig gebliebene Teigprobe, sowohl Hefe als
Spaltpilze in reichlicher Menge enthalten, aber es ist streitig, ob die
Bakterien oder die Hefe oder beides bei der Sauerteiggärung das
Maßgebende sind.
Bei der Wichtigkeit der Frage habe ich Herrn Alexander
W olffin aus Warschau veranlaßt, in meinem Institute nach gründ-
lichem Studium der Litteratur die ganze Frage nochmals einer ein-
gehenden experimentellen Prüfung zu unterziehen. Derselbe hat in
diesen Tagen eine eingehende Bearbeitung der Frage für einmal ab-
geschlossen und wird selbst an anderem Orte eingehend seine Ergeb-
nisse referieren.
Da mir die erhaltenen Resultate nach verschiedener Richtung
hin sehr interessant zu sein scheinen und die Publikation der aus-
führlichen Arbeit immer noch einige Zeit auf sich warten lassen kann,
so möchte ich mir heute erlauben, die bisherigen Hauptresultate dieser
Arbeit unter Weglassung aller Litteraturangabe und Litteraturkritik
kurz vorzuführen.
Gießt man direkt Gelatineplatten mit einer Aufschwemmung von
Sauerteig, so erhält man reichliche Hefekolonieen, die im wesent-
lichen dem Saccharomyces minor Engel entsprechen. Es ist
übrigens auf die Identifizierung dieser Hefeart bisher wenig Mühe
verwendet worden, es sind Untersuchungen hierüber zur Zeit in
unserem Institute noch im Gange, Saccharomyces minor ist über-
haupt zur Zeit eine nur ungenügend beschriebene Art.
Neben den Hefekolonieen sieht man, man mag den Nährboden
wählen, wie man will, vereinzelte, niemals sehr reichliche Bakterien-
1) Nach einem Vortrage, gehalten am 3. Februar 1894 in der physikalisch -medi-
zinischen Gesellschaft zu Würzburg.
Ueber die Sauerteiggärung etc.
351
kolonieen. Es muß dies verwundern, da bei direkter mikroskopischer
Betrachtung von gefärbten Präparaten aus Sauerteig die Spaltpilze
sehr zahlreich vorhanden sind. Läßt man aber Agarplatten aus
Sauerteig bei Brüttemperatur stehen, so bleiben die Hefepilze unent-
wickelt und es treten nun Spaltpilzkolonieen in großer Zahl und
üppiger Entwickelung auf der Platte auf. Die mikroskopische Unter-
suchung der Platten ergiebt, daß eine Spaltpilzart wesentlich
dominiert und daß andere Spaltpilze nur vereinzelt und unregelmäßig
Vorkommen.
Ich lasse die letzteren, obwohl sie von Wolffin auch näher
untersucht worden sind, bei meiner heutigen Mitteilung ganz außer
acht.
Das in Menge vorkommende Bakterium, das wir aus gleich zu
beschreibenden Gründen Bacillus levans (levare heben) ge-
nannt1) haben, zeigt folgende Haupteigenschaften. Es wächst auf
Gelatineplatten als weißliche, saftige Auflagerung, verflüssigt die
Gelatine niemals, zeigt bei schwacher Vergrößerung scharfrandige, fein
granulierte Kolonieen mit etwas hellerer Randzone, etwas dunklerem
Centrum, ab und zu ist eine maulbeerartige Struktur der Kolonie
angedeutet oder ausgebildet. Der Organismus ist fakultativ anaerob,
wächst auch in Kohlensäureatmosphäre. Ab und zu treten schon in
zuckerfreier Fleischwasserpeptongelatine einzelne Gasblasen auf. Ge-
waltig ist die Gasbildung in zuckerhaltiger Gelatine oder zucker-
haltigem Agar, sowohl bei Platten- als bei Stich- und Schüttelkultur»
Die Agar- und Gelatinestichkultur zeigt übrigens keine hervorragen-
den Merkmale: Ziemlich großes Oberflächenwachstum als üppiger
Rasen fehlt nie, aber ebensowenig gutes Wachstum im Stich.
In Bouillon erzeugt der Pilz alsbald Trübung, in Zuckerbouillon
heftige Gasbildung (Gärung). Auf Kartoffeln wächst er als gelblich-
weißer, schleimiger, scharf begrenzter Rasen. Die mikroskopische
Betrachtung zeigt kürzere oder längere Stäbchen.
Eigenbewegung fehlt nie, sie ist meist sehr lebhaft.
Geißelfärbung ist nicht versucht, Sporen fehlen.
Die Gase, die in Zuckerbouillon erhalten werden, bestehen, ab-
gesehen von etwas Stickstoff, nach zahlreichen Untersuchungen etwa
zu 1I3 aus Wasserstoff, zu a/3 aus Kohlensäure. Kohlenwasserstoffe
waren keine zu finden. In zuckerfreier Fleischinfuspeptonbouillon
wird nur ein bescheidenes Quantum Wasserstoff gebildet, keine
Kohlensäure.
In zuckerhaltigem Nährboden wird eine beträchtliche Menge von
Säure gebildet, Essigsäure, Milchsäure und Spuren von Ameisensäure
wurden nachgewiesen, auf Buttersäure wird noch weiter untersucht.
Wir haben also einen Organismus isoliert, der sowohl imstande
ist, die Säurebildung, wie die Lockerung des Teiges durch Gasbildung
bei der Sauerteiggärung zu erklären, und es fragt sich nun, ob der
Organismus allein vermag, steriles Mehl in Gärung zu versetzen.
1) Der ausführlichen Arbeit bleibt Vorbehalten, zu untersuchen, inwieweit unser
Bacillus levans mit dem Bacillus c von Peters, dem Bacillus panifi-
cans von Laurent und dem anaeroben Bacillus von Popo ff stimmt.
352
K. B. Lehmann,
Ein Sterilisieren von Mehl geschieht, wie wir uns überzeugten, weit-
aus am leichtesten dadurch, daß man die Mehlprobe nach dem Vor-
gänge von Wollny einige Tage bis Wochen unter Aether hält. Nach
Abdestillierung des Aethers und Versetzen mit sterilisiertem Wasser
ist ein sicher steriler Nährboden vorhanden. Impft man den Inhalt
eines solchen Kolbens mit unserem Bacillus, so entsteht bei Brüt-
temperatur eine intensive Gärung, ein starkes Aufgehen des Teiges,
sowie kräftige Säurebildung. Die gebildeten Gase und Säuren sind
die gleichen, wie die aus Zuckerbouillon erhaltenen und der Geruch
des gärenden Teiges ist durchaus identisch mit dem einer Mehlportion,
die mit Sauerteig angesetzt worden ist.
Es hat sich übrigens gezeigt, daß auch eine unsterilisierte, mit
Wasser versetzte Mehlprobe gauz genau in die gleiche Gärung gerät
und daß aus ihr der Bacillus levans fast in Reinkultur jeden-
falls ohne Hefe zu gewinnen ist.
Nur ein interessanter Unterschied ist bei der näheren Unter-
suchung zwischen einer mit Bacillus levans und einer mit Sauer-
teig angesetzten Mehlportion hervorgetreten. Es fehlte nämlich in
den Gasen, die die mit Sauerteig versetzte Portion bildete, regel-
mäßig der Wasserstoff, währenddem er ebenso regelmäßig in Proben
auftritt, bei denen Mehl ohne Zusatz oder sterilisiertes Mehl mit
Bacillus levans gärte. Da die mikroskopische Untersuchung
in beiden letzteren Fällen stets ein Fehlen von Hefe nachweist, ein
Resultat, was auch durch die Kultur bestätigt wird, während im mit
Sauerteig beschickten Kolben regelmäßig neben Bacillus levans
Hefe in reichlicher Menge vorhanden ist, so ist zu vermuten, daß
die Hefe an dieser verschiedenen Beschaffenheit der Gärungsgase
schuld ist.
Eigens zur Kontrolle dieser Vermutung angestellte Versuche
bestätigten, daß die Wasserstoff bildung ausblieb, sowie man sterili-
siertes Mehl gleichzeitig mit Bacillus levans und mit Hefe in-
fizierte. Eine befriedigende Erklärung dieser Wirkung der Hefe ver-
mögen wir zur Zeit nicht zu geben. Ob die Hefe auf die Menge der
durch den Bacillus levans gebildeten Säure auch vermindernd
einwirkt, ist bisher noch nicht untersucht, dagegen steht fest, daß
mit Sauerteig, d. h. mit Hefe und Bacillus levans rascher, also
auch bei geringerem Säuregehalt eine maximale Gärung eintritt, als
wenn der Bacillus levans das Gärungsgeschäft allein besorgt.
Immerhin ist sicher, daß Bacillus levans allein ausreicht, um
eine intensive Teiggärung zu erzeugen und wie Backversuche nach-
wiesen, ist das mit Bacillus levans allein bereitete Brot nicht
nur genießbar, sondern auch wohlschmeckend.
Abgesehen von diesen mehr praktischen Ergebnissen hat aber
die Arbeit des Herrn Wo 1 ff in noch ein allgemeines, großes bakterio-
logisches Interesse. Es war ihm aufgefallen, daß der Bacillus
levans in einer Reihe seiner wesentlichen Merkmale mit dem als
Darmbewohner bekannten Bacillus coli communis überein-
stimmt. Eingehende Vergleichungen haben nun gezeigt, daß morpho-
logische Abweichungen nicht zu entdecken sind. Die Gasbildung ist
bei coli communis ebenso intensiv wie bei levans. Man kann
Ueber die Sauerteiggärung etc.
353
sogar mit coli sterilisiertes Mehl wunderschön zu Aufgehen und
Gären bringen. Einer unserer Bac. coli war 1890 von Kral
bezogen, der andere ist selbst aus Darminhalt gezüchtet.
Nur in 2 Punkten ist in biologischer Hinsicht ein leichter Unter-
schied von coli, wie er gewöhnlich beschrieben wird, zu
konstatieren.
Erstens ist uns noch kein Bacillus levans vorgekommen,
der die Milch koaguliert, und zweitens enthalten die Gase, die c o 1 i
aus Zuckerbouillon und Mehl produziert, nicht J/ 3 Wasserstoff und
2/3 Kohlensäure, sondern ungefähr 2/3 Wasserstoff und V s Kohlen-
säure.
Will man auf diese Merkmale hin einen Unterschied zwischen
dem Bacillus levans und demBacillus coli communis be-
gründen? Ich möchte diese Frage vorläufig unentschieden lassen,
wir haben auch, um den vorsichtigsten Standpunkt einzunehmen,
unserem Organismus einstweilen einen neuen Namen beigelegt. Ich
muß aber bekennen, daß bei der bekannten Variabilität des Ba-
cillus coli communis dieser Unterschied mir sehr wenig schwer-
wiegend erschien.
Es sind in neuerer Zeit mehrfach Rassen, Varietäten beschrieben
worden, denen die Fähigkeit der Milchgerinnung abgeht. Es ist
selbst in meinem Laboratorium eine solche Form aus dem Darme
gezüchtet, und Herr Studiosus Unkelhäuser hat durch fortgesetzte
Kultur von ursprünglich sehr stark Zucker vergärendem coli auf
gewissen Nährböden eine Rasse gezüchtet, welche diese ehemalige
Fähigkeit verloren haben.
Es hat dies nach den Erfahrungen, die an Bacillus acidi
lactici in vielen und so auch in unserem Laboratorium gemacht
worden sind, durchaus nichts Auffallendes.
Ich möchte aber auch die verschiedenen prozentischen Zusammen-
setzungen der Gärungsgase nicht für einen durchgreifenden Unter-
schied halten, ehe nachgewiesen ist, daß die vielen Varietäten des
coli immer ein Gas von der oben als normal angenommenen Zu-
sammensetzung liefern.
Namentlich die Arbeit von Germano und Maure a enthält so
viele Angaben über biologische Rassen des Coli — Indolbildung1),
Vergärung verschiedener Zuckerarten, Milchkoagulierung sind bei
einzelnen Formen bald vorhanden, bald fehlen sie — daß unser Ba-
cillus levans noch sehr wohl in den Rahmen des Bacillus
coli im weiteren Sinne hineiDgefügt werden kann.
Wenn es auch nicht ausgeschlossen scheint, daß weitere Studien
über die Coli gruppe gestatten werden, einzelne relativ gut umschrie-
bene Species abzutrennen, so muß ich doch offen bekennen, daß ich
nach dem, was ich bisher aus den Studien verschiedener Schüler über
diese Frage abzuleiten vermag, es für viel wahrscheinlicher halte, daß
hier in der That eine Gruppe von Organismen vorliegt, deren Klassi-
1) Levans bildet kein Indol, vergärt Dextrose gut, Maltose schlecht, Laktose
nicht. Ueber diese Punkte enthält die ausführliche Mitteilung nähere Angaben. Auch
wird meine Ansicht über das Verhalten von levans und coli von Herrn Wo lffin
noch ausführlicher und mit Berücksichtigung der Litteratur dargelegt werden.
354
Valerian v. Klecki,
fikation wegen der Variabilität der Merkmale den Bakteriologen ebenso
große praktische und theoretische Schwierigkeit machen wird, wie die
Gattungen Rosa Kubus und Hieracium den Botanikern. Es sind hier
eingehende Studien über die Konstanz der an zufällig gefundenen
Species beobachteten Merkmale unter verschiedenen Kulturbedingungen
dringend notwendig und in meinem Institute bereits nach verschie-
denen Richtungen begonnen.
Zum Schlüsse wird man noch fragen, wie es mit der Pathogenität
unseres Pilzes stehe. Es siud bisher nur wenige Versuche in dieser
Richtung gemacht, die am Kaninchen eine langsam zum Tode führende
Erkrankung ergaben, ähnlich wie sie namentlich französische Autoren
auch mit wenig virulenten Rassen des Bacillus coli erhielten.
Es sollen noch Versuche darüber gemacht werden, ob bei längerer
Kultur auf geeigneten Nährböden Bacillus levans eine erhöhte
Virulenz erlangt.
Jedenfalls werden diese Ergebnisse zur Vorsicht mahnen, nicht
aus jedem im Wasser gefundenen c o 1 i artigen Organismus eine Ver-
unreinigung des betreffenden Wassers durch Fäkalien abzuleiten.
Ja es erscheint möglich, daß dieser Nachweis seinen Wert vollkommen
einbüßt, wenn genauere Untersuchungen Arten der Coli gruppe noch
weiter in der Umgebung des Menschen nachweisen.
Ueber die Herkunft des Bacillus levans sind viele Unter-
suchungen vorgenommen worden; denn obwohl es ja feststand, daß
der Organismus im Mehle vorhanden sein muß, wollte er sich längere
Zeit auf Platten, die mit Mehlaufschwemmungen angesetzt waren,
nicht nachweisen lassen. Erst allmählich gelang es, den Bacillus
levans, allerdings stets nur spärlich, auf solchen Platten aufzu-
finden. Im Mehle dominieren, wie die Untersuchungen meiner Schüler
Wolff und Steinitz gezeigt haben, andere Arten, namentlich ein
langsam verflüssigendes gelbes Kurzstäbchen außerordentlich gegen-
über dem Bacillus levans. Ueber diese letzteren Untersuchungen
soll demnächst im Auszug berichtet werden.
Würzburg, den 10. Februar 1894.
Ueber einige aus ranziger Butter kultivierte Mikro-
organismen.
[Mitteilungen aus dem bakteriologischen Laboratorium von G. Marp-
mann in Leipzig.]
Von
Dr. Valerian v. Klecki.
Während die Milch vielfach Gegenstand bakteriologischer Unter-
suchungen gewesen ist, hat man sich mit dem Studium der Butter
in bakteriologischer Beziehung nur wenig beschäftigt.
Im Jahre 1890 untersuchte R, Krueger1) eine käsige Butter,
1) Centralblatt f. Bakteriologie. Bd. VII. 1890. No. 14 — 16. p. 425.
Ueber einige aus ranziger Butter kultivierte Mikroorganismen.
355
aus welcher er 6 Species isolierte und beschrieb. Diese 6 Species
sind die folgenden:
1) Micrococcus acidi lactis,
2) Bacillus fluorescens non liquefaciens,
3) Bacillus acidi la. ctici (wahrscheinlich identisch mit dem
Hueppe’schen Bacillus),
4) Saccharomyces flava lactis,
5) Saccharomyces acidi lactis,
6) Oidium lactis.
Heim1) und Gasperini2) untersuchten das Verhalten von
einigen pathogenen Bacillen in der Butter. Aus ihren Beobachtungen
geht hervor, daß Cholerabacillen, Typhusbacillen und Tuberkelbacillen
in Butter, sogar in ranziger, sich lebensfähig erhalten können. Diese
Angaben wurden von Hugo Laser3) nicht bestätigt.
Im Jahre 1891 untersuchte Lafar4) unter verschiedenen Be-
dingungen aufbewahrte Butter in Beziehung auf ihren Bakteriengehalt
und beschrieb zwei neue Mikroorganismenformen: Bacterium butyri
colloideum und Bacillus butyri fluorescens. Von diesen
beiden Species verträgt die erste einen bis zu 10 Proz. steigenden
Kochsalzzusatz, sowie längere Einwirkung von Kälte, während die
zweite gegen Kochsalzzusatz und Kälte sehr empfindlich ist. Außer-
dem fand Lafar in der von ihm untersuchten Butter einigemal das
Bacterium aerogenes Escherich, häufig Sproßpilze und den
Bacillus acidi lactici Hueppe.
Während Lafar den von ihm beschriebenen Bakterien keinen
Einfluß auf das Ranzig werden der Butter zuschreibt, soll nach
Storch5) eine die Milch säuernde und koagulierende und die
Form gewöhnlicher Milchsäurebakterien habende Form den widerlich
talgigen Geschmack der Butter hervorrufen. Ferner hat Weig-
mann6) beobachtet, daß Butter, welche aus einem mit einem von
ihm beschriebenen Bakterium, welches der Milch einen bitteren Ge-
schmack verleiht, infiziertem Rahme hergestellt war, schmierig und
schwach ranzig wurde. Bacterium mycoides verändert, nach
Weigmann, die Butter in dieser Weise nicht.
Adametz7) beobachtete sehr rasche Zersetzung von Butter,
welche aus einem Rahme hergestellt wurde, der aus mit dem
Bacillus lactis visco sus Adametz infizierter Milch gewonnen
wurde. Da nach den Untersuchungen von Adametz der Bacillus
lactis viscosus an und für sich nicht imstande ist, weder das
Butterfett zu zerlegen, noch den Milchzucker zu Buttersäure zu ver-
gären, so schließt Adametz, daß gewisse, von dem Bacillus
lactis viscosus gebildeten Produkte für die Entwickelung solcher
X) Arbeiten aus dem kaiserl. Gesundheitsamte Berlin. V. p. 294.
2) Giornale della R. Soc. d’Igiene. Milano 1890. (Ref. Centralbl. f. Bakt. Bd. VII.
1890. p. 641.)
3) Ref. Biedermann ’s Agrikultur-Chem. Centralbl. 1892. p. 787.
4) Bakteriologische Studien über Butter. Inaug.-Diss. Leipzig-München 1891.
5) A. Eoch's Jahresb. üb. Gärungsorganismen. I. 1890. p. 85.
6) Ueber bittere Milch. (Milchzeitung. XIX. 1890. p. 881.)
7) Landw. Jahrbücher. Bd. XX. 1891. p. 195.
356
Valerian v. Elecki,
Organismen besonders günstig sind, welche dann diese Veränderungen
hervorrufen.
Conn1) beobachtete in einer Butter, welche aus 1/2 Stunde auf
70° erhitztem Rahme hergestellt war, der mit einem von Conn
gezüchteten Micrococcus infiziert war, ranzigen Geschmack und
schlechtes Aroma. Der Conn’sche Micrococcus erzeugt in Milch
Buttersäure.
Nach C. O. Jens en 2) beruhen einige Butterfehler auf Zersetzungen,
welche von verschiedenen Mikroorganismen eingeleitet werden. Einige
dieser Mikroorganismen wurden von Jensen isoliert. In dem Bacil-
lus foetidus lactis fand Jensen den Erreger eines Butterfehlers,
der sich in einem süßlich-faulen Gerüche und Geschmacke der Butter
äußert; die Butter wird dann „rübig“, „turnipsartig“ bezeichnet.
Eine andere Form (Bb A I), eine kleine, ovale Bakterie, ist eine der
Ursachen des als „Oeligkeit“ bezeichneten Butterfehlers. Micro-
coccus V und eine kleine, ovale Bakterie KA4 bewirken den dumpf-
bratigen Geruch und Geschmack der Butter.
Die Mikroorganismen veranlassen aber in der Butter nicht bloß
unerwünschte Zersetzungen („Butterfehler“). Nach den Untersuchungen
von Storch3) und von Weigmann4) verdanken wir das an-
genehme Aroma der Butter bestimmten, im Rahme vorkommenden
Milchsäurebakterien.
Aus einer chemischen Untersuchung über das Ranzigwerden der
Butter, die ich letzthin ausgeführt habe und die bereits erschienen
ist 5), entnehme ich die Beschreibung von 5 aeroben Species, die es
mir gelungen ist, aus der ranzigen Butter, welche ich zu meinen
chemischen Untersuchungen benutzt hatte, rein zu kultivieren.
Trotzdem die Quellen, aus denen Bakterienkeime in die Butter
gelangen können, gar mannigfache sind, indem in der Milch, im
Rahme, im Wasser, welches beim Auswaschen der Butter benutzt
wird, und in der Luft eine große Anzahl von verschiedenen Bakterien-
formen stets vorhanden ist, so ist es jedenfalls doch nicht zu be-
streiten, daß nicht alle Bakterienspecies in einem so fettreichen und
eigentümlich beschaffenen Substrat, wie es die Butter darstellt, zur
Entwickelung gelangen können. Es treten daher bei der bakterio-
logischen Untersuchung von Butter (namentlich ranziger) manche
Erscheinungen auf, die allgemeineres Interesse bieten: so habe ich
z. B. in allen meinen Versuchen stets ein sehr langsames Wachstum
aller Bakterienspecies auf den Gelatineplatten konstatieren können,
und erst durch mehrfaches Ueberimpfen wurden die Bakterien zu
einer rascheren Entwickelung angeregt. Dies läßt sich dadurch
erklären, daß in der stark ranzigen Butter die größtenteils von den
Bakterien selbst gebildete Säure denselben eine nur kümmerliche
Entwickelung gestattet und erst durch das Ueberimpfen auf zucker-
1) Centralblatt f. Bakteriologie. Bd. IX. 1891. p. 653.
2) A. Koch’s Jahresb. üb. Gärungsorganismen. II. 1892. p. 181.
3) Milcbzeitung. 1890. p. 304.
4) Landw. Wochenbl. f. Schlesw. -Holst. 1890. No. 29 u. 48.
5) Untersuchungen über das Ranzigwerden und die Säurezahl der Butter von
Dr. Valerian v. Klecki. Leipzig (Verlag von Th. Stauffer) 1894.
Ueber einige aus ranziger Butter kultivierte Mikroorganismen.
357
haltigen und säurefreien Nährböden die Bakterienkulturen gleichsam
aufgefrischt werden.
Was die Methode der Untersuchung anbelangt, so habe ich nur
weniges darüber anzugeben. Ich benutzte das übliche Koch’sche
Plattenkulturverfahren, um die einzelnen Species zu isolieren, und
verfolgte das Wachstum derselben auf verschiedenen Nährböden, stets
die durch Umimpfung hervorgerufenen Veränderungen mikroskopisch
verfolgend. Daß bei allen Untersuchungen die notwendige Vorsicht
(Sterilisation etc.) beobachtet und Kontrollierung der einzelnen Be-
funde öfters vorgenommen wurde, braucht wohl nicht besonders
hervorgehoben zu werden. Es wurden zunächst aus mit der Butter
geimpfter Nährgelatine Platten (2 — 3 Verdünnungen) angelegt. Die
Aussaat erfolgte mehrere Male und jedesmal wurden die ausgewach-
senen Kolonieen sofort in Nährgelatineröhrchen geimpft. Dadurch
wurde ich in den Besitz einer größeren Anzahl von Kulturen gesetzt,
die sich bei späterer mikroskopischer Untersuchung zum Teil als
Gemische verschiedener Formen, zum Teil auch als identische Formen
erwiesen. Nachdem die Kulturen in Milchpeptongelatine gut aus-
gewachsen waren, impfte ich mit denselben mit Lackmoid blau gefärbte
sterilisierte Milch. Diejenigen Kulturen, die eine Säuerung der Milch
bewirkt hatten (von 22 Kulturen bewirkten 11 Säuerung der Milch),
wurden alsdann durch mehrmalige Aussaat in Petri’sche Schalen
oder Anlegen von Platten gereinigt. Die schließlich erzielten Rein-
kulturen wurden durch Aussaat in Schalen auf ihre Reinheit geprüft
und zur Untersuchung des Wachstums auf verschiedenen Nährböden
benutzt. Als Nährböden benutzte ich: neutrale Milchserumgelatine,
sauere und alkalische Fleischextraktgelatine, Bierwürzegelatine, Agar-
Agar, Fleischbouillon mit Traubenzuckerzusatz, Kartoffeln und Milch.
Die Beweglichkeit wurde im hängenden Tropfen in Bouillon beob-
achtet.
Diesen allgemeinen Angaben lasse ich die Beschreibung der
isolierten 5 Bakterienspecies folgen:
1) Bacillen, 0,4 f.i dick, bis 2 /.i lang mit abgerundeten Enden,
meist zu zweien zusammenhängend und einen Winkel bildend. Nach
2 — 3 Tagen erscheinen auf der Gelatineplatte porzellanweiße, punkt-
förmige Kolonieen. Sie wachsen langsam und verflüssigen die um-
liegende Gelatine nicht. Bei mikroskopischer Untersuchung erscheinen
die Kolonieen als runde, scharf umgrenzte Scheiben, deren Inhalt
gleichmäßig und stets am Rande hell, im Centrum bräunlich ist.
In Milchserumgelatine (Stichkultur) wächst der Bacillus
dem Impfstiche nach mit weißer Farbe und ziemlich breit, so daß der
Impfstich voluminös erscheint; oben auf der Gelatineoberfläche ent-
steht eine strahlenförmige weiße Auflagerung.
In alkalischer Fleischextraktgelatine bildet sich ein
grauer oberflächlicher Belag und spärliches Wachstum dem Impfstiche
entlang.
In Bouillon entsteht nach 4 Tagen bei 35° C eine starke
Trübung und weißer Bodensatz. Nach 5 Tagen konnte in der
Bouillon ein Auswachsen der ursprünglich ganz kurzen Bacillen zu
der 2 /.i langen Form, wie sie in den sonstigen Nährböden überall
XV. Bd. 23
358
Valerian v. Klecki,
gleichartig zu finden war, mikroskopisch verfolgt werden. Auch in
der Bouillonkultur hingen die Stäbchen meist zu zweien zusammen.
Die Untersuchung im hängenden Tropfen zeigte eine deutliche Eigen-
bewegung dieser Species.
Auf Agar-Agar (Strichkultur) entstand eine weiße, bläulich
opalisierende, perlmutterartige Auflagerung. In gefärbten Präparaten
war die winkelförmige Anlagerung der Bacillen zu zweien so aus-
geprägt, daß dadurch scheinbar gekrümmte Stäbchen entstanden.
Auf Kar t offein wuchsen die Bacillen als ein bräunlich-weißer,
unangenehm riechender, glänzender und gefurchter Belag. Das Bild
der Bacillen war mit demjenigen der auf den anderen Nährböden
gewachsenen identisch.
In sterilisierte Milch eingeimpft, bewirkt der Bacillus eine
Säuerung, die nach 4 Tagen nach der Impfung beginnt und am
sechsten Tage sehr deutlich an der roten Farbe des Lackmus-
farbstoffes zu erkennen ist. Die Milch wird dabei nicht koaguliert.
Um durch die Bezeichnung von Mikroorganismen mit Zahlen
u. dgl. entstehende Konfusion zu vermeiden, will ich diese Species
nach dem Fundorte Bacillus butyri I bezeichnen.
2) Diplokokken häufig in Ketten, bis zu 12 einzelnen Kokken
bestehend, gelagert. Durchmesser ca. 1 fi. In allen Nährböden war
diese Form unverändert zu beobachten.
Auf der Gelatineplatte wuchsen diese Diplokokken sehr langsam,
so daß erst nach 6 Tagen ganz kleine, punktförmige Kolonieen zu
bemerken waren. Bei mikroskopischer Untersuchung erschienen sie
als kleine, runde, weißgelbliche Scheiben, deren Inhalt gleichmäßig
war. Allmählich trat eine langsame Verflüssigung der umliegenden
Gelatine ein.
In Milchserumgelatine wachsen diese Diplokokken dem
Impfstiche langsam entlang und bilden nach ca. 10 Tagen einen
weißen Kanal und einen großen Verfiüssigungstrichter. Auf der
Gelatiueoberfläche bildet sich eine charakteristische kreideähnliche
Auflagerung, die auf der verflüssigten Gelatine schwimmt.
In alkalischer Fleischextraktgelatine trat nur sehr
spärliches Wachstum ein; es entstand ein kleiner, trockener, gelblich-
weißer, oberflächlicher Belag. Verflüssigung war nicht zu beobachten.
Die Bouillon trübte sich durch Impfung mit den Diplokokken
schon am nachfolgenden Tage. Nach 5 Tagen war in der Bouillon-
kultur eine wolkenartige Trübung wahrnehmbar, worauf Abscheidung
von trockenen Häuten erfolgte, welche an der Gläschenoberfläche
fettig hafteten. Bei der Untersuchung im hängenden Tropfen erwiesen
sich die Diplokokken als unbeweglich.
Auf Agar-Agar wuchsen die Diplokokken als weiße Auf-
lagerung, die in dickeren Schichten gelblich erschien.
Auf Kartoffeln bildeten die Diplokokken eine matte, weiße,
kreideähnliche Auflagerung.
In sterilisierte Milch eingeimpft, bewirken die Diplokokken keine
Veränderung derselben.
Die beschriebene Form könnte Diplococcus butyri genannt
werden.
Ueber einige aus ranziger Butter kultivierte Mikroorganismen.
359
3) Bacillen 0,8 /x bis 1,0 fx dick, 2 fx lang, zu Fäden bis 10 /x
lang auswachsend.
Diese Bacillen zeigten, auf verschiedenen Nährböden kultiviert,
eigentümliche Veränderungen :
Auf der Gelatineplatte erscheint nach 4—6 Tagen die Kolonie
als ein weißer, schwach gelblicher, schleimartiger Punkt, der langsam
an Größe zunimmt und den Nährboden nicht verflüssigt. Unter dem
Mikroskope betrachtet, zeigt die Kolonie das Aussehen einer ver-
filzten, scharf umgrenzten, runden Scheibe, die beim weiteren Wachs-
tume meist linsenförmige Gestalt annimmt. Die oberflächlichen Kolo-
nieen zeigen eine graue, die tiefer liegenden eine gelbe Färbung.
In Milchserumgelatine macht sich schon nach 24 Stunden
ein schwaches Wachstum längs des Impfstiches bemerkbar. Der
Stichkanal erscheint zunächst aus einzelnen weißen jKörnchen zu-
sammengesetzt; später bildet sich eine gelblichweiße Auflagerung auf
der Oberfläche der Gelatine. Die Bacillen erscheinen in Ketten, die
mit einer gemeinschaftlichen Scheide versehen sind, so daß man,
namentlich bei stark gefärbten Präparaten, den Eindruck von dicken
und sehr langen Bacillen gewinnt.
In Bierwürzegelatine und in sauerer Fleischextrakt-
gelatine ist das Wachstum und die Formverhältnisse gleich den
in der Milchserumgelatine.
In alkalischer Fleischextraktgelatine bot das Wachs-
tum nichts Auffallendes; in mikroskopischen Präparaten, die der
alkalischen Kultur entnommen wurden, konnte Sporenbildung nach-
gewiesen werden. Die Bacillen waren an den Enden angeschwollen
(bis zu 1,5 /x Dicke), wodurch sehr deutliche Sanduhrform entstand.
Die endständigen Sporen konnten nach der üblichen Methode der
Sporenfärbung (Karbolfuchsin, Entfärben und Nachfärben mit Methylen-
blau) gefärbt werden.
In Bouillon tritt nach dem Einimpfen dieser Species eine
starke Trübung ein, wobei sich aber keine Haut bildet. In Bouillon-
kulturen machte der Bacillus noch mehr als in Milchserumgelatine-
kulturen den Eindruck eines sehr großen Stäbchens, indem die Scheide
und die Zusammensetzung aus einzelnen Stäbchen nur bei schärferer
Beobachtung sichtbar waren. Im hängenden Bouillontropfen konnte
deutliche Eigenbewegung dieser Bacillen beobachtet werden; die ein-
zelnen Teile der mit der Scheide umgebenen Form zeigten starke
Lichtbrechung.
Auf Kartoffel n bilden diese Bacillen einen dicken, schmutzig-
weißen, bläulich schillernden, feucht glänzenden, übelriechenden
Belag. In Präparaten, die aus Kartoffelkulturen gemacht wurden,
war die äußere Hülle (Scheide) der Stäbchen nur sehr schwer
erkennbar, so daß ein Bild von scheinbaren Streptokokken erschien.
Die einzelnen Stäbchen zerfielen somit auf den Kartoffeln in einzelne
kokkenähnliche Gebilde. Aus Kartoffeln in Bouillon zurückgeimpft,
zeigten die Bacillen wieder dieselbe große Form, an der sich die
Scheide deutlich erkennen ließ. Die Form dieser Bacillen erinnert an
diejenige des von Miller1) beschriebenen Jodococcus vaginatus.
1) Die Mikroorganismen der Mundhöhle. 1892. p. 63.
23*
360
Valerian v. Klecki,
Auf Agar-Agar bilden sich zuerst sehr kleine weiße Körn-
chen, die dann zu einer weißen Auflagerung zusammenfließen. In
aus Agarkulturen angefertigten mikroskopischen Präparaten war der
Zerfall der mit Scheide umgebenen Bacillen in einzelne Stäbchen
nicht so deutlich zu sehen, wie in den aus Kartoffel kulturen an-
gefertigten. Das Bild war demjenigen, welches in den aus Bouillon-
kulturen gemachten Präparaten zu Tage trat, genau gleich. Im
gefärbten (Methylviolett) Zustande waren nur die kleinen Stäbchen
gefärbt, während die Hüllen sich nicht färbten, jedoch konnte man
an nur mit Jod gefärbten Präparaten die Scheide deutlich erkennen
und gewann das Bild der Bacillen, wie es in Präparaten aus Milch-
serumgelatinekulturen auftrat. Eine Blaufärbung des Zelleninhaltes
mit Jod trat nicht auf.
In sterilisierte Milch eingeimpft, bewirkten die Bacillen keine
Säuerung derselben.
Die beschriebene Form will ich , anschließend an das von
G. Marpmann1) gefundene und beschriebene Bacterium lim-
batum acidi lactis mit dem Namen Bacillus limbatus
b utyri belegen.
4) Tetrakokken oder aus zwei Doppelzellen bestehende Diplo-
kokken; die Länge einer Doppelzelle beträgt 1,5 /<, die Dicke 1 /x .
Die Diplokokken sind entweder zu zweien oder zu Ketten und Haufen
vereinigt.
Auf der Gelatineplatte bilden sich nach 4 — 5 Tagen weiße,
schleimige Pünktchen; dieselben erscheinen unter dem Mikroskope
als etwas gelbliche und leicht granulierte, scharf umgrenzte Scheiben,
deren Durchmesser nach 10 Tagen etwa */ 5 mm beträgt. Ver-
flüssigung der Gelatine wird durch diese Tetrakokken nicht eiDgeleitet.
In Milchserumgelatine wächst dieser Tetracoccus lang-
sam dem Stiche entlang als weißer Streifen ; oberflächlich bildet sich
ein weißer Belag und Einbuchtung in die Gelatiuemasse.
In Bierwürzegelatine und in alkalischer Fleisch-
extraktgelatine ist das Wachstum minder üppig, bietet aber
sonst nichts Auffallendes.
In Bouillon zeigt sich nach einigen Tagen eine geringe Trü-
bung. Im hängenden Tropfen erweist sich diese Species als un-
beweglich.
Auf Agar-Agar bildet sich ein weißer Belag dem Impfstiche
nach, die Form wächst aber auch in den Nährboden hinein.
Auf Kartoffeln bilden sich ganz kleine ockergelbe Pünktchen.
In sterilisierte Milch eingeimpft, bewirken die Tetrakokken eine
Säuerung derselben, die etwas schwächer ist (sie tritt erst nach
5 — 6 Tagen auf), als die durch den Bacillus b utyri I veranlaßte.
Die Milch wird nicht koaguliert.
Diese Species kann Tetracoccus butyri genannt werden.
5) Bacillen 1,2 /.i dick, 3 — 6 /x lang, mit abgerundeten Enden
zu längeren Fäden auswachsend.
1) Ueber die Erreger der Milchsäuregärung. (Ergänzungshefte zutn Centralblatt für
allgemeine Gesundheitspflege. II. 1886. 2.)
üeber einige aus ranziger Butter kultivierte Mikroorganismen.
361
Auf der Gelatineplatte erscheinen nach einigen Tagen runde,
weißliche Kolonieen mit scharfem Rande; die tiefer liegenden erscheinen
gelb. Im Centrum sind die Kolonieen dunkler gefärbt und besitzen
eine radial gestreifte Randzone. Der Inhalt der Kolonie läßt die
Zusammensetzung aus einzelnen Stäbchen erkennen. Nach 7 Tagen
ist der Durchmesser der Kolonieen im Mittel x/7 mm groß. Die
Bacillen verflüssigen die Gelatine nicht.
In Milchserumgelatine bildet sich dem Impfstiche entlang
eine aus einzelnen weißen Körnchen bestehende weiße Wolke; ober-
flächlich entsteht eine weiße Auflagerung, die in dickeren Schichten
grünlich erscheint und zähe, schleimige Konsistenz besitzt. Das
Wachstum im Stiche erfolgt langsam und ist nur ein spärliches.
In Bouillon entsteht nach einigen Tagen eine schwache Trü-
bung und es bilden sich Fäden von 20 — 30 (x Länge, aus einzelnen
Gliedern bestehend; im hängenden Bouillontropfen erweist sich diese
Species als beweglich.
In Bierwürzegelatine wächst diese Form ebenso gut und
in gleicher Weise wie in Milchserumgelatine.
In alkalischer Fleischextraktgelatine ist das Wachs-
tum bedeutend weniger üppig.
Auf Kartoffeln bildet sich eine Auflagerung, die Farbe und
Konsistenz geschmolzener Butter zeigend. Es bilden sich bald auf den
Kartoffelkulturen Involutionsformen. Die Kartoffelkultur ist geruchlos.
Auf Agar-Agar entsteht ein weißer, perlmutterartiger, bei auf-
fallendem Lichte glänzender Belag.
In sterilisierter Milch verhalten sich die Bacillen indifferent.
Diese Form möchte ich mit dem Namen Bacillus butyri II
bezeichnet wissen.
Alle die von mir beschriebenen Formen gedeihen ebenso gut bei
35 0 C, als auch bei Zimmertemperatur. Sie lassen sich mit Methyl-
violett, Fuchsin u. s. w. gut färben, sind aber nach der Gram’schen
Methode nicht färbbar. Impfung von Mäusen mit allen 5 Mikro-
organismenformen blieb erfolglos.
Diese spärlichen Angaben über einige in der Butter gefundene
Mikroorganismen können selbstverständlich weder die Frage über die in
der Butter vorkommenden Bakterienspecies noch über deren physio-
logische Wirkung erschöpfen. Sie können nur als erster Anhalt bei
späteren umfassenden bakteriologischen Untersuchungen dienen. Daß
bei der Säuerung der Butter den Bakterien die Hauptrolle zukommt,
unterliegt nach meinen chemischen Untersuchungen keinem Zweifel; daß
die Mikroorganismen reines Fett zu zersetzen nicht vermögen, haben
Duclaux und Ritsert festgestellt; daß ferner in der Butter Bak-
terienformen Vorkommen, die eine Säuerung durch Umwandlung des
Milchzuckers in Milchsäure verursachen, hat Krueger nachgewiesen ').
Es wäre noch zu untersuchen, ob die in der Butter vorkommenden
Mikroorganismenformen in der Butter (nicht im reinen Butterfett)
1) Auch die von mir aus der Butter kultivierten Formen : Bacillus butyri I
und Tetracoccus butyri bewirken eine Säuerung der Milch.
362
Henry B. Ward,
aus dem Fett Säure zu entwickeln imstande sind und wie dieselben
im speciellen unter verschieden modifizierten Umständen sich in der
Butter entwickeln.
In der angedeuteten Richtung eröffnet sich für die bakteriologische
Forschung ein weiter Kreis von Fragen, deren Lösung der Zukunft
Vorbehalten bleibt.
Es sei mir gestattet, Herrn G. Marpmann, in dessen hygie-
nischem Laboratorium in Leipzig diese Arbeit ausgeführt wurde, für
seine freundliche Unterstützung mit Rat und That an dieser Stelle
meinen tiefempfundenen Dank auszusprechen.
Leipzig, 22. Januar 1894
TJeber das Vorkommen von Distoma Westermanni
in den Vereinigten Staaten.
Von
Henry B. Ward, Dr. ph.
Im verflossenen Juni wurde mir ein Stück von der Lunge einer
Katze gebracht, weil sie einige dem Besitzer unbekannte Fremd-
körper enthielt. Eine oberflächliche Untersuchung ließ dieselben als
Distomiden erkennen und ein sorgfältigeres Studium schien den ersten
Eindruck zu bestätigen, daß sie, trotz einigen leichten Unterschieden,
Exemplare des asiatischen Distoma Westermanni seien. Da
ich etwas zweifelhaft war und die Litteratur nicht zur Hand hatte,
sandte ich einige an Dr. C. W. Stiles, den Helminthologen des
Bureau of Animal Industry zu Washington, D. C., welcher mir
schrieb, daß er an der Identität der beiden keinen Zweifel hege.
Für seine Güte bei dieser Gelegenheit und für seine Uebersendung
der Synonymie der Species sage ich ihm meinen aufrichtigen Dank.
Ebenso bin ich Herrn W. A. Kickland, Assistenten am zoologischen
Laboratorium der Universität von Michigan, sehr verbunden, weil er
die Güte hatte, mir das von ihm gefundene Exemplar zu über-
senden.
Die Katze, welcher die Würmer entnommen worden waren,
stammte aus Ann Arbor, Mich., und hatte einige Zeit in fünfzig-
prozentigem Alkohol gelegen, während sie seziert wurde. Infolge da-
von waren die Würmer stark maceriert, aber nach Härtung in Al-
kohol sie geeignet, fast jedes Organ erkennen zu lassen. Einige
wurden präpariert und ein zerschnittener wurde graphisch wieder
zusammengesetzt, so daß die grobe Anatomie der Form sehr deut-
lich war.
In dem kleinen Stücke von der Lunge, welches erhalten worden
war, fanden sich gegen zwölf Exemplare. Sie schienen in das Ge-
webe eingebettet zu sein, welches teilweise weggeschnitten war. In-
folge des schlechten Zustandes des Organes war es unmöglich, die
Lage der Parasiten genau zu bestimmen, aber man kann mit Ent-
schiedenheit behaupten, daß sie sich nicht an der Oberfläche be-
Ueber das Vorkommen von Distoma Westermanni in den Vereinigten Staaten. 363
fanden. Das alkoholische Exemplar des Wurmes war dunkel stahl-
grau an den Rändern mit einem helleren Streifen längs der Mitte;
die schwarzen, dendritischen Fortsätze der Vitellaria (bei durch-
fallendem Lichte braun) sah man mit der Lupe deutlich am Rande
der dunkleren Fläche. Der Form nach waren die Würmer natürlich
sehr unregelmäßig, aber deutlich abgeflacht, nicht oval; der Quer-
schnitt zeigte eine verlängerte Ellipse. Die Größe der sieben ge-
messenen Exemplare schwankte zwischen 11,2 X 4,8 und 15,7 X 7,7 mm,
im Durchschnitt 13,6 X 8 mm. Ich glaube, daß die fünf an Dr. Stiles
gesendeten etwas kleiner waren1). Die Durchschnittsgröße über-
schreitet jedoch bedeutend die äußerste von Leuckart2) für Dist.
West, angegebene. Der Mundsaugnapf war so entstellt, daß die
Messung nur annähernd war; sie schwankte zwischen 1 und 1,4 mm
Durchmesser. Der Bauchsaugnapf variierte von 0,75 bis zu 1 mm
Durchmesser, im Durchschnitt 0,84 mm. Man wird nicht nur be-
merken, daß hier die Durchschnittsgröße die äußerste von Leuckart
(p. 405, „höchstens 0,75 mm“) angegebene übertritft, was sich durch
die bedeutendere Größe des Wurmes erklären läßt, sondern auch, daß
der Mundsaugnapf merklich größer ist, als der am Bauche, was sich
bei Dist. West, gerade umgekehrt verhält (Leuckart, p. 409).
Bei dem Zustande des Materials und noch mehr bei der genauen
Uebereinstimmung der zu beschreibenden inneren Anatomie sollte
man diesen Punkten aber nicht allzuviel Gewicht beilegen.
Die Stacheln fanden sich an der Cuticula, was bei der langen
Maceration nicht auffallen kann. Der Pharynx, der sehr kurze Oeso-
phagus und der gegabelte Darm stimmen genau mit der Beschreibung
dieser Organe bei Dist. West, überein. Auch der vorstehende
Sekretionsporus und der große Sinus sind von überraschender Aehn-
lichkeit. Der Sinus ist die Ursache des hellen Streifens längs der
Mitte des Alkoholexemplars, wie schon erwähnt wurde. Auch an den
Reproduktionsorganen ist die Uebereinstimmung auffallend. Die beiden
gelappten Hoden in dem hinteren Drittel des Körpers, die geraden
Vasa deferentia, die Abwesenheit eines Cirrhus, die Lage des
Geschlechtsporus an der Ventralseite, ein wenig hinter dem Acetabulum,
die enorm großen Vitellaria, welche gerade unter der Oberfläche fast
über den ganzen Körper hin liegen, die vorstehenden Ductus vitellini
und das Ovarium, der dichte Knäuel des Uterus und der gut ent-
wickelte Laurer’ sehe Kanal, welcher schief zur Rückenfläche auf-
steigt — dies alles sind Punkte, welche im einzelnen mit dem Bau
des Dist. West, übereinstimmen. Die Eier variieren von 96X98 /.i
zu 118X53 /.i, mit einer Mittelgröße von 102X53 /.i. Dies zeigt
wieder eine leichte Abweichung von den für die Eier von Dist.
West., d. h. 80X56 l u, von Leuckart gegebenen Figuren, (p. 436.)
Die Eier von beiden stimmen jedoch darin überein, daß beide eine
Hülle besitzen.
Trotz den angegebenen beträchtlichen Größenunterschieden zwingt
uns die genaue Uebereinstimmung der inneren Anatomie, die Gleich-
heit dieser Form mit dem asiatischen Distoma anzuerkennen, für
1) Sie befinden sich jetzt in der Sammlung des Bureaus in Washington.
2) R. Leuckart, Die Parasiten des Menschen. 2. Aufl. Bd. I. p. 404 — 408.
364
H. T i m p e ,
welches der Name Distoma Westermanni Kerbert (1878) offen-
bar das Prioritätsrecht besitzt.
Verschiedene wichtige Fragen drängen sich hierbei auf, und zu-
erst von allen die nach der Quelle der Infektion. Die Katze war
ein herumschweifendes Tier, über ihr Vorleben war nichts zu erfahren,
von ihrem Verhalten vor dem Tode war nichts bekannt. Daß sie
von einem Chinesen nach Amerika gebracht worden sei, ist natürlich
möglich, weil Katzen von dieser Menschenrasse als Lieblinge hoch-
geschätzt werden, und die große Zahl der Chinesen in den Vereinigten
Staaten macht dies zu einer nicht so fern liegenden Möglichkeit, als
es auf den ersten Blick scheinen möchte. In diesem Falle fand die
Infektion ohne Zweifel statt, ehe das Tier Ostasien verließ. Selbst
wenn dies der Fall wäre, so wäre die Entdeckung von Wichtigkeit,
denn es ist offenbar, daß, wenn sich in diesem Lande ein sekundärer
Wirt findet, sich infolge von solchen Einführungen ein gefährlicher
Parasit bei uns ansiedeln kann. Wenn dagegen die Infektion nicht
in Ostasien zustande gekommen ist, so muß sich ein sekundärer Wirt
hier schon vorgefunden und der Parasit in unserem Lande schon Fuß
gefaßt haben. Die Art seiner Einführung läßt sich nur vermuten.
Unter den zahlreichen Chinesen an unseren Küsten hat es ohne
Zweifel einige gegeben, welche bei der Häufigkeit dieser Krankheit
im Osten, den Parasiten mitgebracht haben. Die von ihnen auf ihren
Reisen ausgestreuten Eier haben Embryonen hervorgebracht, welche
hier und da günstige Bedingungen zu ihrer Entwickelung gefunden
haben. Es ist nicht nötig, darauf hinzuweisen, wie wichtig es wäre,
genaue Kenntnis über die Verbreitung der Infektion unter Tieren und
selbst unter den Menschen zu erlangen, indem die Diagnose wahr-
scheinlich unsicher bleiben wird, solange die Sputa nicht mikroskopisch
untersucht werden. Es ist zu hoffen, daß sich die Aufmerksamkeit
Gelehrter auf diese Auffindung richtet und weitere Thatsachen über
diesen Gegenstand aufgefunden werden, denn es ist klar, daß dieser
einzelne Fall nicht als Beweis für die Ansiedelung des Parasiten in
diesem Lande gelten kann.
Universität von Nebraska in Lincoln, Nebraska, U. S. A.
Erklärung zur Frage der Gelatinebereitung1).
Von
Dr. H. Timpe.
Auf die Frage (in Nr. 5/6 dieses Blattes) des Herrn Prof.
Wolffhügel sehe ich mich zu meinem Bedauern veranlaßt, das
Folgende zu erklären: Die Behauptung des Genannten, das von
mir im Centralblatt f. Bakt. u. Parasitenk. Bd. XIV. No. 25 veröffentlichte
Verfahren zur Neutralisation der Nährgelatine sei im hygienischen
X) Das Erscheinen der Entgegnung des Herrn Dr. Timpe in No. S/9 ist leider
in Folge des Umstandes, dass der Unterzeichnete von Kassel während einiger Tage ab-
wesend war, unmöglich geworden.
Erklärung zur Frage der Gelatinebereitung.
365
Institute zu Göttingen entstanden, muß ich entschieden zurückweisen.
Dasselbe ist vielmehr zu einer Zeit von mir erdacht worden, wo ich
zu Herrn Wolffhügel in gar keiner Beziehung stand.
Allerdings habe ich dem genannten Herrn das Verfahren mit-
geteilt, ohne dasselbe vorher veröffentlicht zu haben, und hat Herr
Prof. Wolffhügel dann freilich nicht gezögert, mein Verfahren in
dem seiner Leitung unterstellten Institute zur Anwendung zu bringen.
Hieraus aber irgend welche Ansprüche herleiten zu wollen, setzt
mindestens recht eigenartige Rechtsbegriffe voraus.
Ich bemerke diese Thatsache indessen nur, weil Herr Prof.
Wolffhügel in seiner Anfrage, über deren Ton und Darstellungs-
weise ich keine Worte verlieren möchte, sich Beleidigungen erlaubt,
die insbesondere wegen ihrer Aufnahme in einem wissenschaftlichen
Blatte eine Antwort erfordern. Andernfalls würde ich wenig Wert
auf diesen Gegenstand legen, denn ich müßte mir selbst ein bedenk-
liches Armutszeugnis ausstellen, wenn ich diese einfache und für
einen Chemiker von Fach selbstverständliche Nutzanwendung längst
bekannter Thatsachen als eine geistige Errungenschaft auffassen
wollte, und wenn Herr Prof. Wolffhügel keinen besonderen Miß-
griff darin erblickt haben sollte, mir zuvorzukommen und das Ver-
fahren als sein Eigentum zu veröffentlichen, so würde ich es ver-
mutlich kaum der Mühe wert erachtet haben, eine solche Angabe
zu korrigieren.
Den Hauptinhalt der in Rede stehenden Arbeit bilden indessen
Betrachtungen über die Bedeutung, welche den Eiweißkörperu auf
die Reaktion des Substrates und das Wachstum der Bakterien zukommt,
und hierauf lege ich sehr wohl WTert, denn es sind neue Beobachtungen,
welche ich während einer 4-jährigen Thätigkeit als Assistent an
landwirtschaftlichen Instituten gesammelt habe und von denen auch
Herr Prof. Wolffhügel durch die bezeichnete Arbeit wohl zum
ersten Male Kenntnis erhalten haben dürfte. Um seine Ansprüche
zu begründen, bemerkt dann Herr W olffhügel sehr richtig weiter,
daß laut Vereinbarung die Veröffentlichung der unter meiner Mit-
wirkung als Assistent entstandenen Arbeiten demselben allein Vorbe-
halten war, allein es konnte sich eine derartige Abmachung doch
wohl selbstredend nur auf solche Arbeiten beziehen, die nach seinen
Angaben ausgeführt wurden und sich somit als sein geistiges Eigen-
tum charakterisierten, nicht aber auf meine Gedanken, und wenn
Herr Wolffhügel durch die erwähnte Bedingung trotzdem etwas
Aehnliches bezweckt haben sollte, so hätte er dieses deutlich aus-
sprechen müssen, denn ich würde mich auf ein derartiges Verlangen
nie eingelassen haben.
Daß die in Rede stehende Arbeit aber ausschließlich mein
geistiges Eigentum ist, wird ein Jeder ohne große Mühe erkennen
können, der meine frühere, unter dem Titel „Ueber die Beziehungen
der Phosphate und des Kaseins zur Milchsäuregärung“ im Archiv f.
Hygiene. Bd. XVIII. No. 1 veröffentlichte Arbeit, die aber, wie Herr
Wolffhügel sehr treffend bemerkt, bereits im März 1892 als
Dissertation eingereicht wurde (und deren Referat in dieser Nummer
des Centralblattes enthalten ist), gelesen hat. Es wird ein Jeder
finden, daß die letzte Arbeit nur eine logische und notwendige
366
H. Timpe, Erklärung zur Frage der Gelatinebereitung.
Schlußfolgerung der ersteren ist, denn wenn erst einmal für das
Kasein und das Pepton wie für den Leim erwiesen war, daß die-
selben vermöge ihres saueren Charakters, resp. ihres Säurebindungs-
vermögens einen Einfluß auf das Wachstum der Milchsäurebakterien
auszuüben imstande sind, so gehört gerade kein großer Gedanken-
sprung dazu, anzunehmen, daß ähnliche Verhältnisse auch für andere
Bakterien maßgebend sein werden.
Ob aber das Recht, diese Schlußfolgerung zu ziehen, dem Verf.
der ersten Arbeit aus dem Grunde abgesprochen werden kann, weil
er einmal bei Herrn Prof. Wolffhügel Assistent war, muß aller-
dings dem Urteil der geehrten Leser überlassen bleiben.
Das Alles scheint Herr Wolffhügel selbst sehr wohl bedacht
zu haben, deshalb versucht er in einem Nachsatze auch einen Anteil
an meiner Arbeit über die Milchsäuregärung für sich in Anspruch
zu nehmen, um so seine Angaben glaubwürdiger zu gestalten.
Merkwürdigerweise hat aber Herr Wolffhügel gänzlich vergessen,
bezüglich dieses Punktes nähere Angaben hinzuzufiigen, so daß ich
mich gezwungen sehe, seine Angaben zu vervollständigen.
Die von Herrn Wolffhügel erwähnte Arbeit über die Milch-
säuregärung, zu deren Veröffentlichung im Archiv für Hygiene der-
selbe mich mit besonderem, nach der jüngsten Erfahrung aber
erklärlichem Eifer zu bewegen suchte, entstand, wie ich auch im
Texte der Arbeit erwähnte, im landwirtschaftlichen Institute der
Universität Leipzig und war zum größeren Teil beendet,
als ich im Sommer 1891 auf volle 6 Wochen als Assi-
stent zu Herrn Wolffhügel kam.
Nachdem ich im darauf folgenden Winter die Arbeit
beendet hatte, ohne daß Herr Wolffhügel von dem
Inhalte derselben eine Ahnung gehabt hätte, übte ich
die Höflichkeit, ihm die Abhandlung zur Ansicht zuzu-
senden, da ich alsbald zu ihm als Assistent zurück-
zukehren gedachte. Das letztere geschah am 1. Mai,
während die Arbeit bereits am 1. März der philos.
Fakultät in Leipzig eingereicht wurde.
Diese Thatsachen dürften zur Beurteilung der Frage wohl ge-
nügen; doch muß ich noch hinzufügen, daß mich das Verfahren des
Herrn Prof. Wolffhügel wenig in Erstaunen versetzt, denn es ist
allerdings nicht das erste Mal , daß er sein Institut mit meinen
Arbeiten in Verbindung zu bringen und damit den Schein der geistigen
Urheberschaft für sich zu erwecken versucht. Dasselbe war der Fall
mit einer rein chemischen Arbeit über die Fettbestimmung in der Milch,
welche ich ebenfalls im landwirtschaftlichen Institute zu Leipzig ge-
macht und die ich Herrn Wolffhügel gegenüber zufällig erwähnt
hatte. Auch in betreff dieser Arbeit äußerte derselbe den Wunsch,
dieselbe doch als aus dem hygienischen Institute zu Göttingen hervor-
gegangen zu veröffentlichen, worauf ich dankend verzichtete. Wie
Herr Prof. Wo lffh ügel aber bereits früher anderen Herren gegen-
über in ähnlicher Weise verfahren ist, wird an geeigneterer Stelle
demnächst erörtert werden.
Göttingen, den 5. Februar 1894.
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc. 367
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen
Instituten, Laboratorien etc.
Arbeiten auf dem Gebiete der pathologischen Anatomie
und Bakteriologie aus dem pathologisch-anatomischen
Institute zu Tübingen.
(Herausgegeben von Dr. P. Baum garten, o. ö. Professor der Patho-
logie an der Universität Tübingen. Bd. II. Heft 1. Braunschweig
[Harald Bruhn] 1894.)
Besprochen von
Professor Dr. P. Baumgarten
in
Tübingen.
Das Heft wird eröffnet mit einer Arbeit der Herren Dr. E. Cza-
plewski und Dr. F. Boloff, Assistenzärzten des Institutes, betitelt:
Ueber den Heilwert des Tuberkulins nach Experimen-
ten an tuberkulös infizierten Meerschweinchen.
In seinem berühmten Vortrage auf dem X. internationalen Kon-
gresse zu Berlin hatte R. Koch bezüglich der Erfolge, welche er mit
seinem, später als „Tuberkulin“ bezeichneten „Heilmittel gegen
Tuberkulose“ an Tieren erhalten, kurz nur folgendes mitgeteilt,
„daß Meerschweinchen, welche bekanntlich für Tuberkulose außer-
ordentlich empfänglich sind, wenn man sie der Wirkung einer solchen
Substanz aussetzt, auf eine Impfung mit tuberkulösem Virus nicht
mehr reagieren und daß bei Meerschweinchen, welche schon in hohem
Grade an allgemeiner Tuberkulose erkrankt sind, der Krankheits-
prozeß vollkommen zum Stillstände gebracht werden kann, ohne daß
der Körper von dem Mittel etwa anderweitig nachteilig beeinflußt
wird“. Hiermit war scharf und klar ausgesprochen, daß durch das
gefundene Mittel erstens eine Immunisierung gegen Tuberkulose,
zweitens eine Heilung von dieser Krankheit selbst in weit vor-
gerückten Stadien derselben bei einem für Tuberkulose hochempfäng-
lichen Versuchstiere zu erreichen sei. In seinen späteren Publi-
kationen war Koch auf die therapeutischen Wirkungen seines Mittels
gegenüber der experimentellen Tuberkulose nicht mehr zurück-
gekommen, hatte sich vielmehr sogleich der Schilderung seiner Er-
fahrungen über die Wirkungsweise seines Mittels beim tuberkulösen
Menschen zugewandt. So bestand eine Lücke, welche namentlich
in den Kreisen der theoretischen Mediziner lebhaft empfunden wurde
und die sich bald um so fühlbarer machte, als die Beobachtungen
und Untersuchungen am kranken, mit Tuberkulin behandelten Menschen
zu vielfachen Kontroversen über die Wirkungsweise und Wirkungs-
fähigkeit des Mittels führten, welche eine Einsicht in die leichter zu
übersehenden und zu beurteilenden Ergebnisse der am Versuchstiere
angestellten Experimente über die Wirkung des Mittels dringend
wünschenswert erscheinen ließen. Angesichts dieser Sachlage zögerte
368 Original-Referat« ans bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc.
Ref. Dicht, die Resultate einer größeren Versuchsreihe zu publi-
zieren1), welche er gemeinschaftlich mit Herrn Stabsarzt Dr. Gra-
matschikoff aus St. Petersburg „über den Heilwert des
Tuberkulins auf die Impftuberkulose der Kaninchen“
ausgeführt hatte. Diese Versuche hatten, wie den Lesern dieser
Zeitschrift bekannt sein dürfte, ergeben, daß das Tuberkulin Kanin-
chen weder gegen Tuberkulose zu immunisieren vermag, noch im-
stande ist, die Tuberkulose dieser Tiere zu hemmen, zu bessern oder
vollends zu heilen. Abgesehen von einem einzigen Tiere, dessen
anscheinende Heilung auch nur eine vorübergehende war (vergl. die
an zweiter Stelle zu besprechende Mitteilung), hatte kein Tier aus
der umfangreichen Versuchsreihe, trotz mannigfacher Variation der
Behandlungsweise, irgend welchen Vorteil, sondern nur Nachteil von
den Injektionen gehabt. Auf Grund dieser Versuche mußte also dem
Tuberkulin sowohl eine immunisierende, als auch eine heilende
Wirkungsfähigkeit gegen tuberkulöse Prozesse abgesprochen wer-
den. Zu im wesentlichen ganz übereinstimmenden Resultaten waren
in gleichzeitig oder bald nachher erscheinenden Publikationen Po-
poff2), Alexander3), sowie die italienischen Aerzte Gasparini
und Mercanti4) gelangt. Entgegengesetzte, zu Gunsten des
Heilwertes des Tuberkulins sprechende Arbeiten wurden jedoch bald
darauf aus R. Koch’s Institut für Infektionskrankheiten von Dö-
nitz5) und von Pfuhl6) veröffentlicht. Dönitz kam auf Grund
seiner Beobachtungen „über die Wirkung des Tuberkulins auf die
experimentelle Augentuberkulose des Kaninchens“, entgegen dem Ref.,
zu dem Schlüsse, daß das Tuberkulin, wenn nicht vorher schon tief-
greifende Zerstörungen vorhanden waren, ein sicheres Heil-
mittel gegen die genannte Erkrankung sei. Die entgegenstehenden
Erfahrungen des Ref. erklärte Dönitz durch die von ersterem an-
gewandte ungeeignete Behandlungsmethode. Abweichend von dem
bisher (nach Koch’s Vorschrift) angewandten Injektionsturnus verfuhr
nämlich Dönitz so, daß er die mit beginnender Augentuberkulose
behafteten Tiere andauernd unter starker Tuberkulinreaktion hielt.
Er erreichte dies dadurch, daß er, mit ziemlich hohen Dosen anfangend,
täglich, und zwar in täglich steigender Dosis injizierte. Auf
diese Weise glaubte Dönitz jede nicht zu weit vorgeschrittene
experimentelle Augentuberkulose heilen zu können. Dagegen gestand
Dönitz die Unfähigkeit des Tuberkulins zur Immunisierung
gegen Tuberkulose, sowie sein Unvermögen , die Entwickelung
der Tuberkulose zu hemmen, unumwunden zu mit dem Ausspruche:
„Alles Tuberkulin, das man vorher injiziert (bevor mikroskopisch
nachweisbare Tuberkel vorhanden sind), ist verschwendet.“ In der
11 Berl. klin. Wochenschr. 1891. No. 19. p. 464 und Beiträge zur wissensch.
Medizin, Festsehr Rudolf Virchow gewidmet zur Vollendung seines 70. Lebensjahres
1891. Bd III. p. 81.
2) Berl. klin. Wochenschr. 1891. No. 35. p. 859.
3) Centralbl. f. prakt. Augenheilkunde. 1891. Juni- Juli-Heft.
4) Annali di Ottalmologia. Anno XX. 1891. fase. 1 u. 2.
5) Deutsche med. Wochenschr. 1891. No. 47 p. 1289.
6) Zeitschr. f. Hygiene und Infektionskrankheiten. Bd. XI. 1892. p. 241.
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc. 369
bald danach erscheinenden Abhandlung von Pfuhl, welcher, wie
Koch, nicht an Kaninchen, sondern an Meerschweinchen mit
Tuberkulin experimentierte, wurde nun aber nicht nur die immuni-
sierende Kraft, sondern auch die Heilwirkungsfähigkeit, wenigstens
gegen die tuberkulöse Allgemeininfektion, dem Tuberkulin that-
sächlich abgesprochen. Von 47 mit Tuberkulin behandelten Meer-
schweinchen waren zur Zeit der Publikation der betreffenden Unter-
suchungen 44 eingegangen. Der von einigen der gestorbeuen Tiere
in einer tabellarischen Uebersicht kurz angegebene Sektionsbefund
ließ, nach eigenem Urteile des Autors, zwar eine „heilende Wirkung
des Tuberkulins auf Leber und Milz“, dagegen „Unwirksamkeit
der Behandlung auf den tuberkulösen Prozeß in der
Lunge“ wahrnehmen. In einer kleinen Studie „über die neueren
experimentell-pathologischen Arbeiten über Tuberkulin Wirkung“ *) hatte
sich Ref. sodann gegen die Deutungen, welche die beiden oben-
genannten Forscher aus den Ergebnissen ihrer Arbeiten gezogen,
gewendet. Gegen Dönitz’s Auffassung der „Heilung“ seiner an
Impftuberkulose leidenden Versuchstiere machte Ref., seine kritischen
Erörterungen der D ö n i t z ’schen Befunde und Deutungen resümie-
rend, gelteud, „daß seinen Beobachtungen gegenüber, wonach die
Behandlung der nach der Masse und dem Grade der Virulenz des
infektiösen Impfstoffes mehr oder minder heftig auftretenden Impf-
tuberkulose des Auges mit großen, stetig steigenden Dosen Tuber-
kulins, mit nur solchen Pausen, daß das Auge dauernd in Reaktion
erhalten wird, nicht wesentlich andere, in der Regel sogar ungünstigere
Resultate liefert, als die Unterlassung jeder Behandlung — daß diesen
Beobachtungen gegenüber die von Dönitz demonstrierten Augen
teils wegen der nicht sichergestellten Prüfung der Virulenz des ver-
' impften tuberkulösen Gewebes, teils wegen der willkürlichen Deutung
der nach der Behandlung zurückgebliebenen makroskopischen Er-
scheinungen, unkontrolliert durch entsprechende mikroskopische Unter-
suchungen, teils wegen Mangels der unerläßlichen mikroskopischen
und sonstigen Prüfung der verschiedenen Augeuhäute auf Bacillen
während des auf dem Wege der Resorption vor sich gehen sollenden
Verschwindens der Knötchen und nach demselben, teils wegen der
zugestandenen Möglichkeit des Recidivs, nicht zu beweisen vermöchten,
daß durch tägl i che Einspritzungen von Tuberkulin in großen, stetig
steigenden Dosen eine Heilung, noch viel weniger eine sichere Heilung
erreicht sei.“ Pfuhl’s Deutung, daß das Tuberkulin auf die Tuberkulose
der Leber und Milz heilend wirke, die der Lunge dagegen unbeein-
flußt lasse, ja sogar ungünstig beeinflusse, beanstandete Ref. mit dem
Hinweise, daß jeder Beweis aus dem Sektionsbefunde dafür fehle, daß
die in Milz und Leber der Tuberkulintiere Vorgefundenen gering-
. fügigen Veränderungen zurückgebildet seien aus jenen tiefer-
greifenden, käsig-tuberkulösen Zerstörungen der genannten Organe,
wie sie in der Regel bei den unbehandelten Tieren gefunden
werden. Wolle man Pfuhl folgen in seiner Interpretation, so müsse
man aDnehmen, daß nekrotisches Gewebe der Leber und Milz von
1) Berl. klin. Wochenschr. 1891. No. 51.
370 Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc.
dem Umfange eines Drittels der Organe in kurzer Zeit durch das
Tuberkulin in normales, funktionsfähiges Gewebe umgewandelt sein
müßte. Gegen solche Annahme müsse die Pathologie vorläufig
sich verwahren. Viel wahrscheinlicher sei die Deutung, daß die
Leber- und Milztuberkulose bei den Tuberkulintieren von vorn-
herein zurückgeblieben sei in der Entwickelung gegenüber den
betreli'enden Erkrankungen bei den unbehandelteu Tieren, welcher
Unterschied sehr wohl dadurch herbeigeführt sein könne, daß unter
dem Einflüsse der Tuberkulinbehaudlung von vornherein eine schnel-
lere und reichlichere Ansiedelung von Bacillen in den Lungen
(als dem ersten Orte der hämatogenen Metastase) stattfinde, wo-
durch das bacilläre Material gewissermaßen von den Lungen auf-
gelangen und den entfernteren Organen entzogen werde. — Einen
Hauptwert der Tuberkulinbehaudlung sieht Pfuhl in der Ver-
längerung des Lebens der tuberkulösen Tiere. In der That
starben in Pfuhl’s Versuchen durchschnittlich die unbehandelten
Tiere früher, als die behandelten und der Herr Autor schrieb selbst-
verotändlich die Lebensverlangerung der Einwirkung des Tuberkulius zu.
Seiner Annahme jedoch, daß diese Folge aus der direkten Wirkung
des Tuberkulins auf die tuberkulösen Prozesse der inneren Organe
herzuleiten sei, mußte widersprochen werden, da eine direkte günstige
Wirkung auf die Tuberkulose der Unterleibsorgane nicht erwiesen,
eine solche auf die Lungentuberkulose nach des Autors eigenen Be-
funden nicht stattfindet, während eine andere Erklärung durch ver-
schiedene Angaben über die Gewichtsverhältnisse der mit Tuberkulin
behandelten Meerschweinchen nahe gelegt wurde, daß nämlich das
Tuberkulin indirekt durch seine günstige Wirkung auf die Er-
nährung den Erfolg vermittelt, so daß die dann günstig ernährten
'liere der Krankheit länger Widerstand leisten können.
Der eben erwähnten kritischen Prüfung der Arbeiten von
Dönitz und Pfuhl haben nun die Herren Dr. Czaplewski und
Dr. Rololf auf Wunsch des Ref. eine direkte experimentelle
Nachprüfung der ebengenannten Arbeiten nachfolgen lassen. Nachdem
bereits in einer vorläufigen Mitteilung x) die wichtigsten Resultate
dieser Nachprüiung mitgeteilt, bringen nun die Herren Czaplewsky
und Rololl jetzt eine ganz ausfüürliche Darlegung und Erörterung
ihrer umfangi eichen und eingehenden, an einer großen Zahl von
Kaninchen und Meerschweinchen angestellten Beobachtungen und
Untersuchungen.
Es wurden im ganzen 9 Versuchsserien unternommen.
Die Versuchsresultate der einzelnen Serien sind tabellarisch zu-
sammengestellt; je einer „Uebersichtstabelle“ folgt stets die ent-
sprechende „Verlaufstabelle“. Die Ergebnisse der einzelnen Serien
sind in besonderen „Epikrisen“ ausführlich und genau zusammen-
fasseud dargelegt und erörtert. Die Versuche an Kaninchen
wurden unter strenger Anlehnung an das Dönitz’ sehe Injektions-
Verfahren, die Versuche au Meerscheinchen in Anlehnung an Pfuhl’s
Behandlungsmethode ausgeführt.
1) Berl. kliu. Wocheuschr. 1892. No. 29.
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc. 371
Was nun zunächst den Erfolg der nach Dönitz ausgeführten
Behandlungen von an intraokulärer Impftuberkulose leidenden Kanin-
chen anlangt, so konnte weder bei den schweren, noch auch selbst
bei den leichten Affektionen ein irgendwie begünstigender thera-
peutischer Einfluß des Tuberkulins beobachtet werden. Allerdings
ü e i 1 1 e die Augentuberkulose (selbstverständlich unter Zurücklassung
der entsprechenden Narben) bei einem Teil der Versuchstiere, nämlich
bei denjenigen, welche mit wenig virulenten oder mit sehr ge-
ringen Mengen virulenten Materials geimpft waren, aber sie heilte
bei diesen Tieren, gleichviel, ob sie mit Tuberkulin behandelt
wurden oder ohne jede Behandlung blieben. Mit starkvirulentem
Materiale (Perlsucht- und Perlsuchtpassagevirus) geimpfte Augen gingen
dagegen trotz präzisester Einhaltung der Dö n itz ’ scheu Vorschriften
unaufhaltsam zu Grunde.
Bezüglich des Verhaltens nach subkutaner Tuberkuloseimpfung
bei Kaninchen zeigte sich in analoger Weise wie bei den Augen-
versuchen, daß Impfungen mit minder virulentem Materiale auch vo n
selbst ausheilten, während Impfungen mit virulentem Material (Perl-
sucht) niemals, ü. h. weder ohne Behandlung noch trotz der genau nach
Dönitz durchgeführteu Tuberkulinbebandlung, zur Heilung gelaugten.
Eine Al 1 gerne in tuberkulöse kam bei Anwendung eines wenig
virulenten und in geringer Menge eingebrachten Materials über-
haupt nicht zum Ausbruche, gleichviel, ob Tuberkulin angewendet
wurde oder nicht. Bei größeren Mengen nicht sehr virulenten
Materials entwickelte sie sich langsam, schnell jedoch und reichlicher
bei Infektion mit sehr virulentem Materiale. In letzterem Falle
zeigte die Tuberkulinbehandlung insofern einen bemerkenswerten
Einfluß, als, ähnlich wie in den Pfuhl’schen Versuchen an Meer-
schweinchen, die Entwickelung der Tuberkulose in den Lungen er-
heblich stärker, in den Unterleibsorganen, speziell den Nieren,
dagegen erheblich schwächer war, als bei den nichtbehandelten
Tieren. In eingehender Begründung kommen die Vertf. mit dem Ref.
zu dem Schlüsse, daß die Nierentuberkulose unter der Tuberkulin-
behandlung lediglich zurückbleibt, nicht etwa, wie Pfuhl für
seine entsprechenden Befunde an Meerschweinchen angenommen, aus
einer vorher stärker entwickelten Tuberkulose zurückgebildet
wird, und daß dieses Phänomen in der unter dem Einflüsse des Mittels
so viel rascher und ausgedehnter vor sich gehenden Entwickelung der
Lungentuberkulose seinen Grund hat. Der Schaden, den die Tiere
durch die Verstärkung der Lungentuberkulose erfahren, überwiegt
bei weitem den Vorteil der geringeren Nierenerkrankung, da der Tod
bei der experimentellen Tuberkulose durch die Summe der Organ-
erkrankungen überhaupt, in erster Linie aber und oft allein durch
die der Lungen erfolgt, während die Nierentuberkulose allein als
Todesursache gar nicht in Betracht kommt. Die Krankheit wird
also um so ungünstiger für das Tier beurteilt werden müssen , je
mehr die Tuberkulose der Lungen an Schwere die der anderen
Organe übertrifl't, mithin wirkt das Tuberkulin durch Herbeiführung
dieser präponderierenden Entwickelung der Lungentuberkulose trotz
des Zurückbleibens der Unterleibs-, speziell Nierentuberkulose un-
günstig auf den Verlauf der ganzen Krankheit.
372 Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc.
Hinsichtlich des Verhaltens der Tuberkulose der Meer-
schweinchen unter dem Einflüsse der Tuberkulinbehandlung konnten
im allgemeinen die Pfuhl’ sehen Resultate dem objektiven That-
bestande nach bestätigt werden. Haupsächliches Gewicht wurde in
den Versuchen der Verff. auf das Studium des Verhaltens der
lokalen Impfstellen unter dem Einflüsse der Tuberkulinbehand-
lung gelegt. Hierbei ergab sich zunächst insofern eine Abweichung
von den von Pfuhl beobachteten Erscheinungen, als innerhalb der
von diesem Forscher hierfür angegebenen Zeit keine Heilung des
subkutanen Infektionsherdes eintrat, obwohl die gleichen oder noch
größere Mengen von Tuberkulin, als sie Pf u hl verwandt hatte, ver-
braucht waren. Erst nach dem Aussetzen des Tuberkulins kam es
zu einer und zwar ganz vollkommenen Vernarbung der Impfstellen;
indessen — und das ist die zweite, viel erheblichere Differenz gegen-
über den Pfuhl’ sehen Beobachtungsresultaten — auch bei den
Kontrolltieren vernarbten die Impfstellen in ganz
gleicher Weise wie bei den Tuberkulintieren.
Einer besonderen Prüfung unterwarfen die Verff. die Frage nach
dem Verlaufe einer zweiten Tuberkuloseimpfung. Beim Meer-
schweinchen wurde zuvörderst die Angabe Koch’s bestätigt,
daß bei Verwendung von künstlich rein kultivierten Bacillen beim
bereits allgemein tuberkulösen Tiere eine trockene Nekrose der
zweiten Impfstelle eintritt mit Abstoßung und glatter Heilung. Wurde
jedoch Perlsuchtmaterial zur zweiten Impfung genommen, so blieb
dieser Effekt aus und es kam zur Bildung typischer tuberkulöser
Impfgeschwüre. Anders als das Meerschweinchen verhält sich, wie
die Verff., die früheren diesbezüglichen Beobachtungen des Ref. be-
stätigend, fänden, das Kaninchen. Bei ihm geht trotz weitgediehener
Allgemeintuberkulose die zweite Impfung stets an, mögen Reinkulturen
oder Perlsuchtstotfe verwendet werden. Auch das Ueberstehen mehrerer
leichterer (lokaler) Impftuberkulosen vermochte, wie beiläufig fest-
gestellt werden konnte, Kaninchen uicht refraktär — weder lokal
noch allgemein — gegen erneute Tuberkelimpfungen zu machen.
Tuberkelbacillen, die längere Zeit in Tuberkulin gelegen hatten,
erwiesen sich als noch immer infektionsfähig, entsprechend Koch’s
Angabe, daß das Tuberkulin die Bacillen selbst nicht schädige. Doch
wirkten die tuberkulinisierten Bacillen etwas anders auf die Gewebe,
als die unbehaudelteu Bacillen, in welcher Hinsicht auf das Original
verwiesen sein möge. Durch Kontrollversuche wurde wahrscheinlich
gemacht, daß diese modifizierende Wirkung des Tuberkulins auf die
pathogenen Eigenschaften der Tuberkelbacillen wohl wesentlich dem
Gly cer i u gehalte desselben zuzuschreiben sein möge. Den tuberku-
lösen Krankheitsherden gegenüber war jedoch das Glycerin nicht dem
Tuberkulin an Wirkung gleichwertig; die eigentümliche Reaktion des
letzteren auf die tuberkulösen Gewebe vermochte es nicht auszulösen.
In einer Schlußbemerkung kommen die Verff. noch ganz kurz auf
die Kitasato’sche Arbeit: „Ueber die Tuberkulinbehandlung tuber-
kulöser Meerschweinchen“ zu sprechen, eine Arbeit, die erst nach
völligem Abschluß ihrer Untersuchungen publiziert wurde. Kita-
sato’s Resultate decken sich im wesentlichen mit denjenigen Pfuhl’s
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc. 373
nur giebt Kitasato im Gegensätze zu Pfuhl an, eine „Rück-
bildung“ (Vernarbung) der Tuberkulose auch in den Lungen seiner
mit Tuberkulin behandelten Versuchstiere beobachtet zu haben.
Abgesehen davon, daß vergleichende Untersuchungen an den Lungen
der betreffenden Kontrolliere fehlen, man also im Unsicheren
bleibt, ob ähnliches nicht auch bei unbehandelter Tuberkulose
gleichen Charakters vorkommt, ist erstens der Beweis nicht ge-
liefert, daß es sich bei den „Narben, welche an Stelle der vor-
dem da befindlichen tuberkulösen Bildungen getreten waren“, wirk-
lich um aus zurückgebildeten Tuberkeln hervorgegangene Narben
gehandelt habe — es kommen ja in der Meerschweinchenlunge viel-
fach auch Narben aus anderer Ursache (Entozoen z. B.) vor —
andererseits läßt sich mangels Angabe über die mikroskopische
Untersuchung dieser „Narben“ nicht entscheiden, ob dieselben wirk-
lich aus reinem Narbengewebe bestanden oder sog. „fibröse“ Tuberkel
waren, die ja gerade in der Meerschweinchenlunge häufig auftreten.
An und für sich ist ja eine vollständige und definitive Vernarbung
von Tuberkeln nichts Ungewöhnliches, in der menschlichen Lunge
kann man diese Erscheinung täglich auf dem Sektionstische zu sehen
bekommen, bei experimenteller Tuberkulose der Meer-
schweinchen und Kaninchen habe ich dieselbe jedoch bisher
an den metastatischen Knötchen noch niemals beobachtet und
möchte daher bis auf weiteres um so eher einen Irrtum in der
Deutung des Gesehenen seitens Kitasato’s annehmen, als auch
Pfuhl sowie die Herren Dr. Czaplewski und Dr. Roloff bei
ihren in ganz gleicher Weise wie die Kitasato’schen behandelten
Versuchstieren nicht eine Spur von narbigem Schwunde an den
Tuberkeln in den Lungen zu konstatieren in der Lage waren.
2. An die eben besprochene Arbeit schließt sich in dem vorliegen-
den Hefte eine Mitteilung des Referenten (Baumgarten) an: „Ueber
recidivierende Tuberkulose nach Behandlung mittelst
Tuberkulins“. Die Beobachtung betrifft das in den früheren be-
züglichen Publikationen mehrfach erwähnte Tier seiner ersten Ver-
suchsreihe, dessen an intraoculärer Impftuberkulose leidende Augen
anscheinend, nach der mit sehr großen Dosen lange Zeit fortge-
setzten Tuberkulinbehandlung, vollständig zur Verheilung ge-
langt waren. In der vorliegenden Abhandlung wird die Kranken-
geschichte dieses Tieres, welches beinahe 3 Jahre unter fortlaufender
Beobachtung blieb, sehr genau geschildert. Seit Ende Februar 1891
geheilt, hielten sich die Augen dieses Tieres 3/4 Jahre lang in ihrem,
abgesehen von den erwähnten geringfügigen Merkzeichen des abge-
laufenen Primärinfekts, dem normalen Verhalten gleichenden Zustande.
Dann trat (Ende November 1891) das erste Recidiv der Augen-
tuberkulose ein. Dieses erste Recidiv bildete sich nach mehrwöchent-
lichem Bestände allmählich von selbst d. h. ohne daß eine Spur
von Tuberkulin oder eine sonstige Medikation angewandt wurde, mit
Hinterlassung kleiner, grubiger Narben an Stelle der Tuberkel wieder
zurück, so daß Ende Januar 1892 die Augen in denselben reizlosen,
fast integren Zustand zurückgekehrt waren, wie er vor Ausbruch des
Recidivs bestanden hatte.
XT. Bd.
24
374 Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc.
Gegen Ende Januar 1893 — also diesmal nach einer Latenz-
periode von einem vollen Jahre — erschien ein zweites Recidiv,
welches nach einiger Zeit wiederum von selbst zum Rückgänge ein-
zulenken schien, ohne daß es jedoch zu einer vollständigen restitutio
in integrum im weiteren Verlaufe gekommen wäre. Vielmehr machten
sich allmählich die Zeichen einer Verflüssigung des Glaskörpers
geltend und zuletzt fiel auch der bis zum März 1893 brillant ge-
bliebene allgemeine Ernährungszustand einer sichtlich fortschreitenden
Verschlechterung anheim, so daß gegen Ende seines Lebens das Tier
fast die Hälfte seines ursprünglichen Gewichtes verloren hatte. Am
5. Juni 1893 wurde das Tier tot in seinem Stalle liegend gefunden.
Aus den in extenso mitgeteilten Obduktions- und mikroskopischen
Befunden sei hier nur ganz kurz hervorgehoben, daß hier doppelseitige,
noch manifeste Iridocyclitis tuberculosa sowie eine im Fort-
schreiten begriffene Tuberkulose der Lungen nachgewiesen wurde.
In eingehender epikritischer Erörterung der vorliegenden
Beobachtungsthatsachen konstatiert Verf. zunächst das Faktum, daß
es in den Augen des in Rede stehenden Tieres zu einem zwei-
maligen, echten Recidiv des tuberkulösen Lokalprozesses
kam, und zwar mit Latenzperioden von der Dauer von drei Vierteln,
resp. eines ganzen Jahres. „Die Augen unseres Tuberkulintieres
schienen von ihrem tuberkulösen Infekt geheilt, absolut geheilt und
doch waren sie nicht definitiv geheilt, wie das zweimalige tuber-
kulöse Recidiv, deren letztes in einen unheilbaren Verfall der Aug-
äpfel überführte, zeigte.“ Bezüglich der festgestellten Latenzperioden
bemerkt Verf. beiläufig, „daß dies zufällig gerade die, oder noch mehr
als die Zeit sei, die der menschliche Embryo bis zu seiner Reife in
utero verharrt, wonach man sich jetzt wohl nicht mehr so sehr der
Vorstellung werde verschließen wollen, daß kongenital übertragene
Tuberkelbacillen keine manifeste Tuberkulose des ausgetragenen Fötus
hervorzurufen brauchen, wie nunmehr wohl auch, nachdem eine f/4-
bis 1- jährige Latenz von Bacillenkeimen positiv erwiesen, die Annahme
keinen Anstoß mehr erregen dürfte, daß unter Umständen diese
eigentliche Latenz, d. h. derjenige Zustand der Bacillen, in welchem
sie durch ihr Vorhandensein in den Geweben keinerlei makroskopisch-
klinisch erkennbare Störung in denselben hervorrufen, noch längere
Zeit in Anspruch nehmen dürfte“.
Für die Frage nach dem Heilwerte des Tuberkulins er-
giebt sich nach Verf. aus der vorliegenden Beobachtung, „daß das
einzige Tier aus der großen Reihe der teils von mir selbst, teils unter
meinen Augen von den Herren Dr. Gramatschikoff, Dr. Roloff
und Dr. Czaplewski angestellten bezüglichen Versuche, bei welchen
anscheinend ein Heilerfolg des Tuberkulins zu konstatieren war,
schließlich doch infolge der Impfung mit dem tuberkulösen Virus, resp.
durch die Folgen dieser Impfung plus denen der Tuberkulinbehandlung,
sein Augenlicht verloren und ums Leben gekommen ist“.
Der soeben kurz referierten Mitteilung reiht sich an eine Ab-
handlung von Dr. F. Henke, Assistenzarztes der bakteriologischen
Abteilung des Institutes : „Ueber die Desinfektion infizierter
Hände und die Not wendigkeit der geburtshilflichen
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc. 375
Abstinenz“ — ein interessantes, aber etwas heikles Thema ! Denn
es greift hinein in einen alten, bis heute unausgetragen gebliebenen
Streit zwischen Interessen der wichtigsten Lehrfächer der prak-
tischen und theoretischen Medizin, es berührt eine der schwer-
wiegendsten und peinlichsten Kollisionen, die zwischen den medi-
zinischen Unterrichtsfächern und deren Vertretern zur Zeit bestehen
und eines der unliebsamsten Hemmnisse, welches den schwergeplagten
Studierenden der späteren medizinischen Semester entgegentritt.
Hierin liegt wohl der Grund, daß das Thema, gewissermaßen als ein
„Noli me tangere“ gefürchtet, bisher fast gar nicht ernstlich in An-
griff genommen wurde. Um so größeren Dank sind wir dem Verf.
der vorliegenden Abhandlung schuldig, daß er, unbeirrt durch solche
äußerliche Rücksichten, sein Thema mit der größten Unbefangenheit,
rein wissenschaftlichen Gesichtspunkten folgend, unternommen und
mit unentwegter Konsequenz durchgeführt hat.
Bekanntlich gehen die Geburtshelfer von der Anschauung aus,
daß Berührung mit infektiösem, speziell Sektionsmaterial, eine gründ-
liche Desinfektion der Hände in hohem Grade erschwert und daß
diese Schwierigkeit am besten gehoben wird durch ein ein- bis mehr-
tägiges Fernbleiben von jeder geburtshilflichen Verrichtung nach der-
artiger Hantierung. Demzufolge besteht an allen gynäkologischen
Kliniken die Vorschrift, daß die Studierenden nach geschehener Be-
rührung mit septischen Stoffen , Leichenmaterial etc. 24 — 48 — 96
Stunden warten müssen, ehe sie eine innere Untersuchung in der
Klinik vornehmen dürfen. Nachdem Verf. auseinandergesetzt, wie
einschneidend und hemmend solche Vorstellungen und Maßnahmen
sowohl auf den klinischen Unterricht, als auch auf die Thätigkeit
des praktischen Arztes einwirken, kommt er zu der Frage nach der
wissenschaftlichen Begründung der genannten Vorstellungen
und Maßnahmen. Diese Frage beantwortet er dahin, daß dieselben
sich auf frühere, jetzt überwundene Anschauungen über Infektion und
Desinfektion stützen, während neuere, an der Hand der modernen
bakteriologischen Kenntnisse und Untersuchungsmethoden angestellte
Versuche, welche die Annahme von der Notwendigkeit der geburts-
hilflichen Abstinenz festzulegen imstande wären, in der Litteratur nicht
vorhanden sind. Verf. griff daher die bisher fast unberührte Aufgabe
an und bearbeitete sie systematisch in der Weise, daß er direkte
Vergleichsversuche zu geben versuchte, indem er, bei selbst-
verständlich gleichem Desinfektionsmodus, seine Hände einmal in
ihrem gewöhnlichen Zustande desinfizierte, das andere Mal nachdem
er sie auf verschiedenartige Weise absichtlich infiziert hatte. Wurden
nun die Hände mit empfindlichen Nährböden in Berührung gebracht,
so waren in den in beiderlei Versuchsreihen aufgegangenen Keimen
direkte Vergleichsobjekte gewonnen. Wuchsen auf den Platten mehr
und andersartige Keime nach erfolgter Desinfektion, wenn die Hand
vorher absichtlich „septisch“ gemacht worden war, so mußte eine
Erschwerung der Desinfektion im Sinne der Anschauung der Geburts-
helfer zugestanden werden, im anderen Falle aber, wenn kein Unter-
schied zu entdecken war, konnte diese Annahme als eine berechtigte
nicht anerkannt werden. Um genau das eventuelle Wiedererscheinen
24*
376 Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologiscben Instituten etc.
der zur Infizierung der Hand verwendeten Bakterien in den Platten
gegenüber den gewöhnlichen Handbakterien konstatieren zu können,
wurden neben den Versuchen mit septischen Rohmaterialien auch
noch Versuche mit leicht zu identifizierenden Reinkulturen patho-
gener Mikroben gemacht. Indem bezüglich der sehr genau wieder-
gegebenen Methodik der Versuche sowie der objektiven Resultate
der einzelnen zahlreichen Versuche auf das Original verwiesen werden
muß, sei hier nur das generelle Ergebnis hervorgehoben, daß nach
den Versuchen des Verf.’s „die Annahme, die Desinfektion einer be-
wußt oder absichtlich infizierten Hand sei wesentlich schwerer, als
die der gewöhnlichen Tageshand, nach bakteriologischen Kriterien
nicht zutreffend ist. Alles, was frisch auf die Hand gebracht wird,
seien es Eiter, Jauche oder Reinkulturen von Infektionsorganismen,
ist bei entsprechender Waschung und längerem Kontakte mit Anti-
septicis gar nicht besonders schwer wegzuräumen ; den zähesten
Widerstand leisten gerade die alten bakteriellen
Stammgäste der verschiedenen Schlupfwinkel der
Hand, und daß darunter auch auf sog. „normalen“ Händen, selbst
solchen, die nicht kürzlich oder niemals mit Leichenteilen oder mit
vom kranken Menschen stammenden „septischen“ Stoffen zu thun
gehabt haben, auch pyo- und septogene Keime sich befinden, ist
durch vielfache Zeugnisse belegt.“ Was man zur Begründung der
Maßregel der „geburtshilflichen Abstinenz“ augeführt hat oder was
man a priori allenfalls dafür anführen könnte, ist, wie der Verf.
des näheren ausführt und schlagend begründet, den modernen
bakteriologischen Erfahrungen und Anschauungen gegenüber nicht
stichhaltig. „Die Frage nach der Notwendigkeit der geburtshilflichen
Abstinenz ist nach alledem vom bakteriologischen Standpunkte aus
nur zu verneinen.“
Am Schlüsse seiner Abhandlung streift Verf. noch die Frage
der sog. „Selbstinfektion“, welche Frage er in einen sehr bemerkens-
werten Zusammenhang mit derjenigen von der „geburtshilflichen
Karenz“ bringt. Ausgehend von den gesicherten Beobachtungen
über das häufigere Vorkommen der das Puerperalfieber erregenden
pathogenen Mikroorganismen in Scheide und Cervicalkanal gesuuder
Frauen, namentlich im schwangeren Zustande derselben, weist Verf.
auf einen bisher ungeahnten oder wenigstens nirgends bestimmter
ausgesprochenen Zusammenhang zwischen Digitaluntersuchungen und
instrumentellen Eingriffen an den weiblichen Genitalien während der
Schwangerschaft und besonders der Geburtsperiode einerseits und
der Entstehung puerperaler Infektionsprozesse andererseits hin. Es
erscheint nämlich leicht möglich, daß diese präexistierenden patho-
genen Keime der Vagina und der Cervix durch den untersuchenden
Finger oder das Instrument in höher gelegene Teile des Genital-
kanales verschleppt, ja bei gewaltsamem Operieren sogar in das
vulnerable Endometrium hinein okuliert werden. Auf diese Weise
kann der keimfreieste Finger, das denkbar reinste Instrument schwere
puerperale Infektionen veranlassen, ohne daß den Untersucher, den
Operateur hierbei die geringste Schuld trifft. Demgemäß erachtet es
Verf. als ein dringendes Postulat der geburtshilflichen Hygiene, bei
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc. 377
SchwaDgeren häufige prophylaktische Ausspülungen der Scheide mit
desinfizierenden Flüssigkeiten vornehmen zu lassen , wie dies that-
sächlich ja auch bereits in vielen Kliniken geschieht (mit besonders
evidentem Erfolge an Hofmeier’s großer Unterrichtsanstalt in
Würzburg).
Nach alledem, sagt Verf. am Schlüsse seiner Abhandlung, liegt
eine rationelle und wirksame Prophylaxe des Wochenbetrfiebers in
Gebäranstalten nicht in der zur Abwehr der den Wöchne-
rinnen drohenden Infektionsgefahren nutzlosen „ge-
burtshilflichen Abstinenz“, sondern, neben strenger Durch-
führung der allgemeinen Salubritäts- und Desinfektionsmaßnahmen,
in derEinführung eines möglichst vollkommenen und
sorgfältig überwachten Händedesinfektionsverfah-
rens vor den geburtshilflichen Manipulationen und
in der möglichst ausgiebigen Anwendung der prophy-
laktischen Scheidendouche.
4. Es folgt nunmehr eine Arbeit von Dr. W. Crone: Ein
Beitrag zur Lehre vom Lupus-Carcinom (Tuberculo-
Carcinom). Beschreibung eines Falles von Tuberculo-Carcinom
des Kehlkopfes. Während Fälle einer Kombination von Tuber-
kulose mit Krebs ander äußeren Haut — in Gestalt der Lupus-
Carcinome — wenn auch nicht häufige, so doch auch nicht
allzu seltene Vorkommnisse sind, lagen über das kombinierte Vor-
kommen der beiden Erkrankungen an den Schleimhäuten bisher
keine gesicherten Beobachtungen vor. Es ist daher der von Herrn
Dr. Crone beschriebene Fall von Tuberculo-Carcinom einer
Schleimhaut, und zwar der Kehlkopfschleimhaut, von einigem Interesse.
Klinisch imponierte der Fall als Carcinom und die Unter-
suchung eines Probeexcisionsstückchens schien diese Diagnose zu be-
stätigen. Es wurden in die Tiefe greifende zapfenförmige Wuche-
rungen des Deckepithels gefunden, welche stellenweise bis in den
Knorpel, diesen verdrängend und aufzehrend, vordrangen. Nur an
einer Stelle der zahlreich gemusterten Schnitte zeigte sich eine
wenig charakteristische Riesenzelle. Die Untersuchung von Teilen
der exstirpierten Gesamtgeschwulst ließ zwar auch reichliche
atypische Wucherungen des Deckepithels erkennen, die hauptsäch-
liche Affektion bestand jedoch hier in einer echt tuberkulösen
Gewebserkrankung. Nach dem Grundsätze: „A potiori fit denomi-
natio“ mußte das Kehlkopfleiden also als Tuberkulose bezeichnet
werden; doch konnte des Faktors der mitvorhandenen destruieren-
den Epithelwucherung nicht ungedacht bleiben und sonach ergab
sich die Bezeichnung: Tuberculo-Carcinom des Kehlkopfes, womit
die Auffassung zum Ausdrucke gebracht sein soll, daß hier auf tu-
berkulöser ebenso wie an der äußeren Haut auf „lupöser“ Basis eine
krebsige Wucherung des Deckepithels Platz gegriffen.
Der soeben ganz kurz referierten Arbeit von Dr. Crone schließt
sich eine kleinere Mitteilung des Ref. (Baumgarten): „Ueber ein
Kehlkopfcarcinom kombiniert mit den histologischen
Erscheinungen der Tuberkulose“ an. Der in dieser Mitteilung
genauer beschriebene und erörterte Fall bildet gewissermaßen das
378 Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc.
Gegenstück zu dem von Dr. Crone (s. o.) publizierten Falle, indem
er ein legitimes Kehlkopfcar ci n om in Verbindung mit den charak-
teristischen histologischen Merkmalen der Tuberkulose zu Gesicht
brachte.
Die Frage, um die es sich bei der Beurteilung des vorliegenden
Falles wesentlich drehte, war die: Handelte es sich um eine Kom-
bination von Carcinom mit richtiger Tuberkulose oder ist die tuberkel-
artige Struktur als der Ausdruck irgend welcher anderen, nicht auf
den spezifischen Tuberkelbacillus zurückzuführendeu formativen Rei-
zung der Gewebe anzusehen?
Nach eingehender Erörterung aller in Betracht kommenden
Möglichkeiten der Deutung der vorliegenden histologischen That-
sachen kommt Ref. zu dem Schlüsse, daß sich kein durchschlagender
Einwand gegen die Auffassung, daß im vorliegenden Falle eine Kom-
bination, eine Art Symbiose von Krebs- und Tuberkelgewebe statt-
gefunden habe, erheben lasse und daß eine andere Deutung der
Erscheinungen wohl kaum aufzustellen sein würde.
Zur Erklärung des Zustandekommens der in Rede stehenden be-
merkenswerten Afi'ektion würde demnach anzunehmen sein, daß aus-
nahmsweise hier, nicht wie sonst, auf normalem, sondern auf kreb-
sigem Gewebsboden eine Invasion von Tuberkelbacillen sich voll-
zogen habe, die, langsam, schleichend darin proliferierend, das ihrer
histopathogenen Wirkung entsprechende Tuberkelgewebe erzeugten,
welches nun das Carcinomgewebe umsponn und mit jener Unzer-
trennlichkeit begleitete, wie der Pilz die Alge begleitet, mit der er
sich zu dem gemeinsamen Haushalte eines Flechtendaseins ver-
bunden hat.
Im Gegensätze zu dem nicht allzuseltenen Vorkommen von Car-
cinom auf tuberkulöser (lupöser) Basis stellt das Vorkommen von
Tuberkulose auf carcinomatöser Basis eine große Rarität, in der hier
beobachteten und beschriebenen Weise wohl geradezu ein Unikum
dar. Friedländer und Köster erwähnen in ihren bekannten
Publikationen: „Ueber lokale Tuberkulose“ ganz beiläufig der eigenen
Beobachtungen des Auftretens von „Tuberkeln“ „im Stroma von Krebs-
geschwülsten“ und Ref. selbst hat schon vor längerer Zeit in Königs-
berg einen exstirpierten Fall von Mastdarmkrebs untersucht, wo
bei der mikroskopischen Exploration mitten im Krebsgewebe typische
Tuberkel (mit centraler Verkäsung) offenbar als ganz lokale (d. h.
nicht als Teilerscheinungen einer verbreiteteren Darmtuberkulose zu
deutende tuberkulöse Produkte gefunden wurden. Von einer so
innigen Durchdringung der beiden Gewebe, des Krebsgewebes einer-
seits, des Tuberkelgewebes andererseits, wie in dem vorliegenden Falle
einer Mischgeschwulst von Krebs und tuberkelartigem Gewebe war
in dem erwähnten Falle von Mastdarmkrebs und wohl auch, der
kurzen Notiz nach zu urteilen, in den Friedländer-Köster-
schen Beobachtungen nicht die Rede, so daß erstgenannter, hier ganz
kurz referierter Fall wohl als ein bisher noch nicht beschriebenes
Vorkommnis besonderes Interesse für sich in Anspruch nehmen dürfte.
Bakterien und Butter. — Scheidenbakterien.
379
Referate.
Sigismund, Olaf, Untersuchungen über die Rancidität
der Butter unter Berücksichtigung der Marktver-
hältnisse in Halle a. S. 8°. 25p. [Inaug.-Diss.] Halle a. S.
1893.
Das Ranzigwerden der Butter ist bedingt durch indirekte Ein-
wirkung von Bakterien und durch direkte Einwirkung von Luft und
Licht, doch scheint der erste Einfluß noch wirksamer als der zweite
zu sein. Kunstbutter ist diesen Einwirkungen in ungleich niedrigerem
Maße unterworfen als Naturbutter, leicht erklärlich, insofern Kunst-
butter aus frisch ausgelassenem Fette, das längere Zeit höherer
Temperatur ausgesetzt war, und frischer Milch bereitet wird, während
man, um aus Kuhmilch allein Butter zu gewinnen, diese meist erst
sauer werden läßt. So fand Lafar in Kuhbutter meist 2,5 — 20
Millionen Keime in 1 g Substanz, während eine Probe Kunstbutter
nur 0,75 Millionen aufwies; eigene Untersuchungen des Verf.’s er-
gaben für Margarine 134000 und 322000 Keime pro ccm, während
8 Butterproben zwischen 26000 und 2 Millionen pro ccm lieferten,
Sigismund suchte nuu einen Zusammenhang zwischen Bak-
teriengehalt und Rancidität aufzufinden, doch vergeblich, wie folgende
Tabelle zeigt:
Ranciditätsgrade
Keimzahl in 1 g Substanz
Kuhbutter
1,86
26 000
4,34
557 000
4,8
1 358 000
4,8
2 000 000
4,8
927 000
5.3
976 000
5,5
1 483 000
5,9
321 000
18,94
—
14,97
—
25,63
989 000
Kunstbutter
1,8
134 000
5,8
322 000
Sonst stellte Verf. fest,
daß die Butter,
wie sie in Halle
boten wird, den hygienischen Anforderungen nicht entspricht, da mehr
als der vierte Teil der untersuchten Proben wegen gesundheits-
widriger Beschaffenheit zu beanstanden war, was bei keiner Kunst-
butter vorkam.
Butter, bei welcher die Centrifuge zur Verwendung gelangte,
erwies sich stets bedeutend ärmer an Spalt- wie Schimmelpilzen
gegenüber anderer Ware. E. Roth (Halle a. S.).
Burckhardt, Louis, Ueber den Einfluß der Scheiden-
bakterien auf den Verlauf des Wochenbettes. (Archiv
f. Gynäkol. Bd. XLV. 1894. Heft 1. p. 71.)
Ein nicht geringer Prozentsatz der Wochenbetterkrankungen hat
ihre Entstehung den in der Scheide vorhandenen Mikroorganismen
380
Scheidenb&kterien. — Trachom.
zu danken ; normales Scheidensekret giebt bei der bakteriologischen
Untersuchung fast stets nur die Anwesenheit einer Bacillenart kund,
deren Lebenseigenschaften sich sowohl in der Scheide als im Kultur-
glase als charakteristisch erwiesen; dabei ist die Reaktion intensiv
sauer, das Material weißlich und krümlig, von der Konsistenz ge-
ronnener Milch. Pathologisches Sekret ist gelblich bis gelblich-grün,
von ähnlicher Konsistenz, nicht selten mit kleinen, massenhaften Gas-
blasen durchsetzt, schaumig oder mit zähem, gelbem Schleime ver-
mengt und von schwach sauerer Reaktion, nicht selten auch neutral
oder alkalisch; in dem pathologischen Sekrete sind die verschieden-
artigsten Mikroorganismen, Bacillen wie Kokken, in großer Zahl vor-
handen.
Verf. teilt die Untersuchungen von 116 Nr. mit und kommt zu
dem Schlüsse, daß normales und pathologisches Sekret schwer aus-
einander zu halten ist und daß die Gefahr eines krankhaften Wochen-
bettes bei letzterem bedeutend größer ist als bei ersterem. Des-
infektion der inneren Geburtswege empfiehlt Burckhardt zu unter-
lassen, da am Introitus vaginae und an den Pubes konstant Staphylo-
und zuweilen Streptokokken nachgewiesen werden können und durch
die angebliche Desinfektion leicht eine Infektion stattfände. Von
Bakterien führt Verf. bei seinen 116 Nr. folgende auf: Scheideu-
bacillen und Kokken, Streptokokken, Diplobacillen, Staphylokokken,
Neiße rbacillen, Hefe. Normales, d. h. mikroskopisch normales Se-
kret mit nur abgestoßenen Epithelzellen der Vaginalschleimhaut traf
Burckhardt unter den 116 Fällen 69 mal an; 27,50 Proz. wiesen
pathologisches Sekret auf, d. h. gleichzeitig mit Epithelzellen traten
massenhaft Eiterkörperchen auf; 15 waren nicht normal oder patho-
logisch, da entweder die Farbe oder die Reaktion u. s. w. nicht mit dem
Charakter des Sekretes übereinstimmte; 5 waren unbestimmt, 2 ent-
hielten bei normalem Sekrete nur Staphylokokken und zwei weitere
Kokken der verschiedensten Arten und Scheidenbacillen in gleicher
Zahl. E. Roth (Halle a. S.).
Truc, Contagion du trachome (ophthalmiegranuleuse).
(La Semaine m6dicale 1893. No. 70.)
Verf. stellte bei 173 Familien mit 531 Personen in Montpellier
Cette und Umgebung Ermittelungen über die Art und die Ueber-
tragbarkeit des Trachoms an. Die Familien wurden innerhalb ihrer
Quartiere besucht, und der Verf. bemühte sich bei allen Familien-
mitgliedern 1) den Beruf, die Unterkunft, Kleidung, Ernährung und
Lebensweise; 2) die vorausgegaugenen Krankheiten, den allgemeinen
Körperzustand, den Augenbefund; 3) die wahrscheinliche Ursache
und Uebertragung des Trachoms festzustellen.
Das Verhältnis der gesund gebliebenen Familienmitglieder zu
der Zahl der erkrankten betrug 48 Proz. in Montpellier, 60 Proz. in
Cette, 63 Proz. auf dem Lande, eine Thatsache, welche der Verf.
den eigentümlichen Arbeitsverhältnissen und den gesünderen Lebens-
bedingungen der Landbevölkerung zuschreibt. Soweit sich feststellen
ließ, war die Uebertragung in 24 Fällen zwischen Eheleuten, in 48
Fällen zwischen Eltern und Kindern, dagegen in umgekehrtem Ver-
Trachom. — Carcinom.
381
hältnis nur 5mal, und 20mal zwischen Geschwistern erfolgt. 47 Proz.
der der Ansteckung ausgesetzten Personen, und zwar in 27 Fällen
solche Individuen, welche mit Trachomkranken Bett und Wäsche ge-
teilt hatten, blieben gesund. Die Kranken waren zu 21 Proz. Männer,
zu 37 Proz. Frauen und 42 Proz. Kinder.
Die übertragbare Form des Trachoms wurde besonders bei jungen
Individuen gefunden und betraf unter diesen vorzugsweise das weib-
liche Geschlecht. Die Uebertragung erfolgte in der Regel unmittel-
bar oder durch Vermittelung von Wäsche und Kleidung.
Die nicht übertragbare Form war gleichfalls häufig; sie bildete
die Regel bei kräftigen jungen aber erwachsenen Männern. Sie
charakterisierte sich durch spärliche Sekretion. Mit dem Eintritt von
akutem oder subakutem Rachenfieber oder zu Zeiten der Eiterung
und des Katarrhs konnten solche Fälle infektiös werden.
In den Schulen konnten Fälle von Uebertragung des Trachoms
nur ausnahmsweise nachgewiesen werden.
Der Verf. hält demnach das Trachom zwar für übertragbar,
aber für weniger kontagiös als früher, wo die eitrige Form desselben
häufiger war; die Uebertragung kommt nach seiner Annahme fast
ausschließlich in dem engen Verkehr der Familie und durch mittel-
bare Berührung des An steck ungsstoffs zu stände; zu fürchten sind
nur die mit schleimig-eitriger Sekretion verbundenen Formen der
Krankheit; Frauen, Kinder und skrophulöse Personen werden am
leichtesten infiziert.
Zur Verhütung der Verbreitung der Krankheit soll man alle
Granulösen überwachen; akute oder subakute mit schleimiger oder
eitriger Sekretion verbundene Krankheitsfälle machen strengere Maß-
regeln erforderlich. Im Hospital müssen solche Kranke isoliert werden,
bleiben sie in der Familie, so erteile man ihnen und ihren Ange-
hörigen entsprechende Belehrung. In der Kaserne sollten Granulöse
jeder Form abgesondert werden, in den Schulen nur die mit Sekretion
behafteten , während die an weniger leicht übertragbaren Formen
leidenden nur überwacht zu werden brauchen. In allen Fällen dringe
man auf geeignete Behandlung des Leidens. Auch erleichtere man
den Kranken die Aufnahme in das Hospital, so weit dies irgend
möglich ist. K ü b 1 e r (Berlin).
Banti, G., Sui parassiti del carcinoma. (La Rif. med. 1893.
p. 181.)
Auch Banti, Professor der pathol. Anatomie in Florenz, tritt
mit dieser Mitteilung in die Reihen derjenigen, welche die in Car-
cinomen gefundenen und von angesehenen Forschern für Krebspara-
siten erklärten Gebilde für Produkte der Krebszellen, nicht aber für
Sporozoen halten. Nach seiner Ansicht entstehen die Krebsgeschwülste
durch eine besonders energische Proliferationsfähigkeit der Krebs-
elemente, welche allerdings infektiösen Ursprungs sein kann. Doch
muß leider gesagt sein, daß uns die bisherigen Forschungsergebnisse
zur Zeit noch keinen Aufschluß über die Natur dieses die Krebs-
zellen zur üppigen Wucherung reizenden Agens verschafft haben.
Kamen (Czernowitz).
382
Carcinom. — Maltafieber.
Steven, J. L. and Brown, J., On the so-called parasitic
Protozoa of Cancer. (The Journal of Pathology and Bacterio-
logy. Vol. II. 1893. p. 26.)
Die Verff. beschreiben die Einschlußkörper , welche beobachtet
wurden: 1) in einem Falle von Krebskrankheit des Pylorus mit
sekundärer Drüsenaffektion, und 2) in einem Falle von allgemeiner
krebsiger Infiltration des Peritoneums und Mediastinums. Der erste
Fall zeigte in beinahe jedem Schnitte zahlreiche Körperchen, die
sogenannten parasitischen Protozoa, welche, obwohl von verschiedener
Größe, die gleiche Reaktion auf färbende Reagentien und den gleichen
inneren Bau aufwiesen. Diese Körperchen waren bald extra-, bald
intracellulär. Im letzteren Falle waren sie gewöhnlich vereinzelt, ob-
wohl gelegentlich mehr als ein Einschlußkörperchen in Krebszellen
beobachtet werden konnte. Diese fast immer vollkommen kreisförmigen
Körperchen fanden sich nie getrennt von den Gruppen der Krebs-
zellen, noch innerhalb der Nuclei. Die meisten der Einschluß-
körperchen besaßen eine scharf abgegrenzte Kapsel, und nur sehr
selten beobachtete man im Mittelpunkte einen Nucleus, wie in der Be-
schreibung von Ruff er und Walker.
Schnitte von dem zweiten Falle zeigten weniger zahlreiche Ein-
schlußkörperchen, als im vorhergehenden. Gewisse deutliche Unter-
schiede wurden beobachtet. Sie waren in der Regel kleiner und
anders gefärbt, als die schon erwähnten Einschlußkörperchen. Ein
tief gefärbter roter Nucleus war immer vorhanden. Die Verff. neigen
sich zu der Ansicht, daß verschiedene Typen von Krebs verschiedene
Einschlußtypen haben könnten.
Was die Natur dieser Einschlußkörper betrifft, so erklären die
Verff., daß solche nicht Vakuolen noch Produkte degenerativer Ver-
änderungen seien. Sie betrachten dieselben als organisierte Elemente;
ob sie endogen entwickelte Zellen oder Parasiten sind, bleibt unent-
schieden. N o v y (Ann Arbor).
Bruce, On the etiology of Malta fever. (Army medical de-
partment report for the year 1890. Vol. XXXII. London 1892.
Appendix No. IV. p. 365.)
Surgeon-Captain David Bruce, Assistent Professor der Patho-
logie zu Netley wurde im Herbst 1891 nach Malta entsendet um die
Natur des Maltafiebers zu ergründen. Seine Untersuchungen haben
ergeben, daß es sich nicht, wie vielfach vermutet wurde, beim Malta-
fieber um eine lokale Varietät von Typhus oder Malaria, sondern
um eine bestimmte spezifische Krankheit handele.
Als Ausgangsmaterial für seine Untersuchungen benutzte Bruce
Gewebspartikel lege artis aus der Milz möglichst bald nach dem Tode
entnommen, welche auf Agar übertragen und bei Körpertemperatur
gehalten wurden. In 13 Fällen (11 vom Verf. und 2 von Gipps)
wurden 12 mal dieselben Mikroorganismen gefunden. Versuche, die
Mikroorganismen aus dem Gewebe (Blut?) zu züchten, waren nur
teilweise von Erfolg begleitet (in 11 Fällen 2mal), was Verf. der zu
hohen alkalischen Reaktion seiner Nährböden zuschreibt.
Maltafieber.
383
Gleichzeitig in Malta beobachtete Fälle von Typbus, von denen
Kulturen angelegt wurden, ließen in den Kulturen nie den Fberth-
Gaffky’schen Bacillus vermissen; während hier nach 24 Stunden
ein üppiges Wachstum der Kulturen zu konstatieren war, ist bei dem
Micrococcus des Maltafiebers das Wachstum ein sehr langsames.
Der Micrococcus des Maltafiebers hat eine runde oder leicht ovale
Gestalt und in Trockenpräparaten etwa 0,33 /x Durchmesser, er ist
also ein sehr kleiner Organismus, welcher nur bei 1000 — löOOfacher
Vergrößerung deutlich sichtbar ist. Im hängenden Tropfen erscheint
er als heller Punkt in aktiver Molekularbewegung, meist einzeln,
selten gepaart, nie in Rotten. Er besitzt eigene Beweglichkeit nicht.
Er färbt sich leicht in wässeriger Lösung von Gentianaviolett; bei
Anwendung des Gram’schen Verfahrens wird er entfärbt.
Bei Aussaat in peptonhaltige Fleischbrühe sieht man in den
ersten Tagen keine Veränderung; später Wolkenbildung (aber keine
Hautbildung auf der Oberfläche). Den besten Nährboden für die
Kultur bildet das gewöhnliche 1 1l2°l0ige Fleisch wasserpeptonagar.
An Agarstichkulturen sieht man erst nach mehreren Tagen rund
um den Stichpunkt kleine perlweiße Flecke und längs des Nadel-
stiches kleine runde weiße Kolonieen. Nach einigen Wochen sind die
Kolonieen an der Oberfläche größer geworden und bilden Rosetten-
form; im Stich bilden sie einen soliden Strang von gelblich-brauner
Farbe mit sägeförmigen Vorsprüngen. Nach einigen Monaten er-
scheint das Wachstum auf die Area beschränkt, die Färbung ist röt-
lich-gelb. Auf dem schräg erstarrten Agar zeigen die Kolonieen
nach 9—10 Tagen bei 37° die Größe von Schrot Nr. 4, haben eine
runde Gestalt mit glattem Kontur, erheben sich wenig über die
Oberfläche des Agars und erscheinen glatt und glänzend. Bei durch-
fallendem Lichte erscheinen die Kolonieen in der Mitte gelblich, am
Rande bläulich-weiß ; bei auflallendem Lichte dagegen erscheinen die
Kolonieen milchweiß. Einzeln liegende Kolonieen auf der Oberfläche
des Agars wachsen nicht unbegrenzt weiter; nach Monaten sind sie
nicht größer als Hanfsamen groß. Sichtbar werden die Kolonieen
bei 25 0 C erst nach 7 Tagen, bei 37 0 C etwa in der Hälfte der Zeit.
An Stichkulturen in 10 Proz. Nährgelatine zeigt sich (bei 22 0 C)
nur sehr schwaches Wachstum. Nach 1 Monat erscheint der Stich
nur angedeutet ; auf der Oberfläche eine weiße, nicht über stecknadel-
kopfgroße Kultur, Verflüssigung der Gelatine tritt nicht ein. —
Plattenkulturen gelangen dem Verf. nicht. Auf Kartoffeln fand ein
Wachstum nicht statt.
Uebertragungen auf Tiere von Reinkulturen des Mikro-
organismus wurden vergebens versucht auf Mäuse, Meerschweinchen
und Kaninchen ; dagegen waren Uebertragungen auf Affen erfolgreich :
Subkutane Injektion von Reinkulturen des Micrococcus des Malta-
fiebers rief eine Krankheit des Versuchsaffen hervor, welche große
Aehnlichkeit mit der Erkrankung des Menschen zeigte und verur-
sachte in 4 Fällen 3 mal den Tod. Bei allen diesen 3 Tieren fand
sich derselbe Micrococcus in Reinkultur.
Verf. spricht hiernach dem oben beschriebenen Micrococcus
384
Malaria.
als Ursache des Maltafiebers an und hält es für erwiesen, daß die
Krankheit ein spezifisches Fieber, ganz verschieden von Typhus und
Malaria sei. Schill (Dresden).
Bouzian, Abdelkader Oulit, Recherches sur Uh^matozoaire
du paludisme faites ä l’höpital civil de Mustapha-
Alger. [These.] 4°. 47 p. Montpellier 1892.
Im Winter wie im Frühjahr vermochte Verf. während seiner
durch zwei Jahre fortgesetzten Untersuchungen in dem Blute von
Menschen keine Körper mit oder ohne Geißeln aufzufinden.
Wenn also l’h^matozoaire de Laveran, welcher im Blute eines
Individuums gefunden ist, den Schluß gestattet, daß dieser von einer
Impffieberinfektion befallen ist, so verliert diese diagnostische Methode
ihren Wert im Winter wie im Frühjahr, da man sie dann nicht auf-
zufinden vermag, abgesehen von einigen seltenen Leukocyten, welche
nicht bei allen derartig Erkankten auftreten.
Die Malaria wurde von dem Verf. bereits im letzten Monat des
intrauterinen Lebens nachgewiesen.
Der vielfach laut gewordene Zweifel, daß Mikroben die Ursache
der Malaria seien, hat seinen Grund eben darin, daß die Unter-
suchungen auf die Mikroorganismen im Winter und Frühjahre an-
gestellt wurden, und deshalb kein Resultat oder ein negatives ergaben.
Damit dürfte auch Zusammenhängen, daß zu den angegebenen Jahres-
zeiten die Malaria in einem geringeren Maße auftritt und weniger
tödlich wirkt wie sonst. E. Roth (Halle a. S.).
Amann , Notiz über einen Plasmodien-Befund in einem
atypischen Falle von Malaria. (Schweizer Woch. für
Chemie und Pharmacie. Separatabdruck.)
P. hatte früher zwei Fieberanfälle, jetzt einen pro Tag. Blut-
untersuchung 4 bis 5 Stunden vor dem Anfall. Sehr zahlreiche Plas-
modien (meist frei mit Pseudopodien und ohne Pigment, x/6 bis 11 3
der roten Blutscheiben groß), zum Teil auch in roten Blutkörperchen
gelegen. Wenige halbmondförmige Gebilde im Innern roter Körper-
chen. Abel (Greifswald).
Golgi, C., Sülle febbri malariche estivo-autunnali di
Roma. [Ueber die im Sommer und im Herbst in Rom
auftretenden Malariafieber.] (Gazzetta medica di Pavia.
1893. Nov. u. Dez.]
In dieser von Golgi in Form eines an Baccelli gerichteten
Briefes geschriebenen Arbeit wird über sehr interessante Studien
berichtet, die G. über die Aetiologie jener besonderen Gruppe Malaria-
fieber gemacht hat, die im Sommer und im Herbste in Gegenden
herrschen, in denen schwere Malaria existiert, und die von Marchia-
fava und Celli als „Sommer- und Herbstfieber“ bezeichnet
worden sind. Bekanntlich haben die letztgenannten Forscher als
Ursache dieser Fieber eine besondere Parasitenvarietät beschrieben,
die ihre Entwickelungsphasen im Blute durchmacht, in welchem sie
vorherrschend in Form kleiner, nicht pigmentierter oder
Malaria.
385
nur mit spärlichen Pigmen tkörnchen versehener intra-
globulärer Amöben angetroffen wird, und bekannt ist ferner,
daß Marchiafava und Bignami auch 2 Varietäten solcher Para-
siten unterschieden haben, von denen die eine ihre Entwickelung in
einem Tage und die andere ihre Entwickelung in zwei Tagen voll-
zieht und die zwei verschiedenen, von M. und B. „Sommer- Quo-
tidiana“ und „Sommer-Tertiana“ genannten Fiebertypen entsprechen.
Die Sommer-Tertiana nannten sie auch „maligne Tertiana“, um sie
von der gewöhnlichen Tertiana zu unterscheiden, deren Parasit von
Golgi mit seinen charakteristischen Entwickelungsphasen entdeckt
und beschrieben wurde.
Golgi hingegen ist auf Grund sorgfältiger und systematischer
vergleichender Untersuchungen des aus der Milz extrahierten und
des cirkulierenden Blutes zu dem Schlüsse gekommen, daß bei den
im Sommer und im Herbste auftretenden Malariafiebern der Parasit
seine Entwickelung nicht im cirkulierenden Blute vollzieht, sondern
sich vielmehr beständig in den inneren Organen (Milz und Knochen-
mark) findet und hier seine Entwickelungsphasen durchmacht, und
daß er nur zufällig und infolge von noch nicht festgestellten Be-
dingungen ins Blut gelange. Die im Blute der Sommermalariakranken
cirkulierenden Amöben stellen also nur ein zufälliges, nicht not-
wendiges Zeichen dieser besonderen Malariafiebergruppe dar, und
dies erklärt die schon vorher gemachte Beobachtung, daß es bei
dieser Fiebergruppe an Beziehungen fehlt zwischen den klinischen
Manifestationen und dem hämatologischen Befunde, indem es nicht
selten geschieht, daß in Fällen schwerer Infektion nur spärliche
amöboide Formen im Blute vorhanden sind, oder auch gar keine, und
umgekehrt.
Obgleich der Entwickelungscyklus dieser Parasiten in den inneren
Organen bezüglich seiner Modalitäten in Form und Zeit noch nicht
vollständig erforscht ist, beschreibt Golgi doch schon jetzt das
Vorhandensein von 3 Phasen bei demselben, und zwar: die erste
Phase, dargestellt durch die kleinen pigmentlosen oder mit wenigen
Pigmentkörnchen versehenen Amöben, mit den Modifikationen, wie sie
für die im Blute cirkulierenden Amöben beschrieben wurden; die
zweite Phase, dargestellt durch die kleinen Amöben mit centralem
Pigmenthäufchen, bis zur mehr oder weniger vorgeschrittenen Invasion
des roten Blutkörperchens, bisweilen mit vollständiger Zerstörung des
Hämoglobins, bisweilen mit Fortbestehen eines Restes desselben; die
dritte Phase, dargestellt durch die endoglobuläre Entwickelung
aufweisenden oder freien Parasiten, die für die sich mit vielfältigen
und unregelmäßigen Formen vollziehenden Reproduktionsprozesse
(Sporulation) in verschiedener Weise modifiziert sind.
G. hält es außerdem für wahrscheinlich, daß diese Parasiten ihre
Entwickelungsphasen innerhalb der Zellen (Leukocyten oder
Gewebselemente) durchmachen, und daß hierin der Grund für die
größere Widerstandsfähigkeit, die sie der Wirkung des Chinins ent-
gegenstellen, zu suchen sei.
Auf Grund der Resultate dieser Untersuchungen schlägt G. vor,
die Malariafieber in zwei große Gruppen zu teilen:
386
Malaria.
1. Gruppe: Fieber, deren Pathogenese an Parasiten gebunden
ist, die ihren Sitz vorwiegend im cirkulierenden Blute haben und
in diesem vorwiegend ihre Entwickelungsphasen durchmachen. —
Diese Fieber sind auf verschiedene Parasiten-Species oder
-Varietäten zurückzuführen, und mit Bezug auf die verschiedene
Biologie dieser letzteren kann man unterscheiden:
a) Intermittierende Fieber, die an den Cyklus eines Parasiten
(amoeba malariae varietas febris quartanae) gebunden sind, der
seine Entwickelung in 3 Tagen vollzieht. Je nachdem bei dieser
Unterabteilung von Fiebern die Infektion durch 1, 2 oder 3 Parasiten-
generationen dargestellt ist, hat man die einfache Quartana, die
Quartana duplex und die Quartana triplex (eine besondere Kategorie
Quotidianfieber), sowie gewisse unregelmäßige Fieber, die an mehrere
ohne den gewöhnlichen Intervall von einem Tage aufeinander folgende
Generationen desselben Parasiten gebunden sind.
b) Intermittierende Fieber, die an den Cyklus eines sich in
2 Tagen entwickelnden Parasiten (amoeba malariae var. febris
tertianae) gebunden sind. Je nachdem im Blute ein oder zwei, mit
1 Tage Intervall reifende Parasitengenerationen vorhanden sind, hat
man die Typen der einfachen Tertiana und der Tertiana duplex (eine
andere Kategorie Quotidianfieber) oder unregelmäßige Fieber, wenn
nämlich im Blute mehrere Generationen desselben Parasiten vorhanden
sind, die ohne den gewöhnlichen Intervall von 1 Tage aufeinander
folgen.
2. Gruppe: Fieber, deren Pathogenese an Parasiten gebunden
ist, die ihren Sitz vorwiegend in den inneren Organen haben und
unter Bedingungen von relativer Stabilität in diesen vorwiegend
ihren Cyklus durchmacheu (besonders im Knochenmarke und in der
Milz). Zu dieser zweiten Gruppe gehören Fieber, die klinisch sich
unter mannigfachen, oft unregelmäßigen Typen darbieten, bei denen
man jedoch vorläufig noch keine auf eine bestimmte Biologie oder
einen bestimmten Entwickelungscyklus sich stützende Gruppierung
vornehmen kann. Jedenfalls handelt es sich aber hier um Parasiten-
generationen, die, da sie sich in den inneren Organen in verschiedener
Entwickelungsphase, in ziemlich regelmäßigen Perioden oder mit mehr
oder weniger fortdauernder Aufeinanderfolge finden, Kolonieen junger
Amöben den Ursprung geben, die in großer oder geringer oder ganz
unbedeutender Menge ins cirkulierende Blut sich ergießen können
und dann den bekannten Befund der kleinen endoglobulären Amöben
veranlassen. Näher miteinander verwandt zeigen sich viele Fieber,
die, je nach der Dauer und der Art der Aufeinanderfolge der An-
fälle oder dem Verhalten der thermischen Kurve im allgemeinen, sich
unter dem Typus von eintägigen, von doppelt zweitägigen (thermische
Kurven, die einen Teil von 2 Tagen umfassen), von unregelmäßigen
Fiebern, von Febris subcontinua und F. subintrans, sowie von per-
niciösen Fiebern darbieten, und die während der heißesten Monate
in Gegenden herrschen, in denen die Malaria eine größere Intensität
und Virulenz besitzt. Zu derselben Fiebergruppe müssen auch die
unregelmäßigen intermittierenden Fieber gerechnet werden, die an die
Dochmiasis.
387
Anwesenheit der sogenannten semilunaren Formen oder sichelförmigen
Körper (Grassi’s Laverania malariae) im Blute gebunden sind.
In diagnostischer Beziehung muß hervorgehoben werden, daß,
während bei der erstgenannten Gruppe die mikroskopische Unter-
suchung des Blutes in jeder Periode des klinischen Verlaufes stets
ein positives Resultat ergiebt, mit den an die verschiedenen Ent-
wickelungsphasen gebundenen charakteristischen Modifikationen, bei
der zweiten Gruppe hingegen weder der spezifische Befund im
cirkulierenden Blute ein absolut konstanter ist, noch die in demselben
wahrzunehmenden Parasitenformen jene Aufeinanderfolge zeigen, die
für die Fieber der ersten Gruppe so charakteristisch ist; vor allem
fehlt es an jeder Beziehung zwischen dem hämatologischen Befunde
und den allgemeinen klinischen Manifestationen der Malariainfektion.
Bordoni-Uffreduzzi (Turin).
ßätz, St. v., Ueber die Dochmienkrankheit der Hunde.
(Arch. f. wiss. u. prakt. Tierheilkunde. Bd. XIX. 1893. p. 434
—458.)
Der Autor hatte Gelegenheit, 5 dochmienkranke Hunde, aller-
dings im letzten Stadium der Krankheit, zu beobachten und eine
größere Zahl von Sektionen an Dochmiasis gestorbener Hunde aus-
zuführen. Die kranken Hunde waren mehr oder weniger abgemagert,
traurig und teilnahmlos; die Conjunctiva sowie die Mundschleimhaut
erschienen sehr blaß, die Nase etwas geschwollen und die Nasenlöcher
mit getrockneten Krusten belegt. In den Tracheen hörte man Rassel-
geräusche und weitere Symptome deuteten auf vorhandene Lungen-
entzündung. Die Darmentleerungen waren unregelmäßig ; bei einigen
Hunden bestand Obstipation, bei anderen blutige Diarrhöe. Die Tiere
wurden schließlich so schwach, daß sie sich gar nicht mehr erheben
konnten, die Bauchwände waren gespannt, der Hals und die unteren
Teile des Thorax geschwollen.
Die bei den Sektionen gefundenen pathologischen Veränderungen
betrafen — von der Lungenentzündung abgesehen — vorzugsweise
den Darm, der in verschieden großer Erstreckung die Erscheinungen
der Entzündung darbot; alle Schichten des Dünndarmes waren ver-
dickt, die Drüsen geschwollen, das interstitielle Bindegewebe war
vermehrt, an manchen Stellen von Rundzellen durchsetzt und zeigte
kleine Hämorrhagieen und erweiterte Blutgefäße. Magen und Dick-
darm waren katarrhalisch affiziert, die Mesenterial- und Bronchial-
drüsen vergrößert. Bei der Untersuchung des Blutes erwiesen sich
die weißen Blutkörperchen sehr vermehrt, die roten Blutkörperchen
zum Teil verkleinert und in ihrer Form verändert. Herzhypertrophie
wurde nicht gefunden.
Die immer zu mehreren Hundert gesammelten Dochmien saßen
im Anfangsteile des Jejunum, seltener im Duodenum und im Ileum ;
einmal wurde ein Weibchen auch im Magen beobachtet. Stets über-
wogen an Zahl die weiblichen Dochmien. Bei frischen Kadavern
hafteten die Parasiten in der Darmschleimhaut und waren auch
häufig noch mit Blut gefüllt, von dessen Plasma sie sich wohl er-
nähren. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Parasiten die direkten
388
Ascariden. — Sporozoen. — Cysticercus.
oder indirekten Ursachen der gefundenen Veränderungen sind; um
die Darmveränderungen zu erklären, bedürfe es nicht der Annahme,
daß von den Dochmien eine besondere, reizende Substanz ausge-
schieden werde. Die Kachexie der kranken Hunde ist wohl mehr
auf die durch die fortwährenden Blutverluste entstehende Anämie
zurückzuführen; sie wird gesteigert durch sekundäre Veränderungen
im Darme, welche eine normale Verdauung beeinträchtigen.
Die gefundenen Dochmien gehörten zwei Arten an: Dochmius
trigonocephalus Rud. und D. stenocephalus Baill. ; D.duo-
denalis hat der Verf. im Hunde nie gefunden, die darauf bezüg-
lichen Angaben in der Litteratur beruhen wohl auf Irrtümern.
M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Gtfarr£, C., Grave infezione da ascaridi in bambina
geofaga. (Lo Sperimentale. 1893. No. 19.)
Verf. beobachtete bei einem 2-jährigen Kinde, welches gewohn-
heitsmäßig alles, was es auf der Erde fand, in den Mund nahm, eine
außergewöhnlich große Anzahl von Ascariden. Das Kind hatte sich
auf dem Lande aufgehalten und an einem mit den Exkrementen von
Schweinen und anderen Haustieren beschmutzten Orte oft Erde in
den Mund gesteckt und gegessen. Einen Monat nach der Rückkehr
in die Stadt zeigten sich die ersten Ascariden und nun traten inner-
halb von 2 Monaten mehr als 300 und, nachdem es in die Klinik
aufgenommen war, in 1 Monat noch 118 Ascariden aus. Verf. hält
den Fall besonders deshalb für interessant, weil die Aetiologie genau
beobachtet wurde und dadurch die von Epstein mit Erfolg aus-
geführte Verfütterung von Ascarideneiern eine Bestätigung findet.
Dieudonnb (Berlin).
Smith, Th., Preliminary notes on a Sporozoon in the
intestinal vills of cattle. (U. S. Depart. of agricult. Bur.
of anim. industry. Bulletin No. 3. Washingt. 1893. p. 73 — 78. With
1 pl.)
Der Autor berichtet kurz über ein Sporozoon im unteren Teile
des Dünndarmes bei Rindern, welches er anfänglich geneigt war, in
Beziehungen zu den Blutparasiten des Texasfiebers zu setzen. Doch
es handelt sich um einen selbständigen Darmparasiten, der in zwei
verschiedenen Entwickelungsmodi beobachtet worden ist; einmal als
0,3 — 0,4 großer, ovaler Körper mit zahlreichen sichelförmigen Keimen
und dann als kleinerer Körper von Sonnenblumenform, der aus einer
centralen, körnigen Scheibe und peripher ansitzenden sichelförmigen
Sporen bestand. Wahrscheinlich kommt auch hier die Ausbildung
von Schwärm- und Dauercysten vor, wie dies für die Coccidien der
Mäuse und der Kaninchen angenommen wird. Weitere Mitteilungen
werden in Aussicht gestellt. M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Schwarz, Zur Unterscheidung des Cysticercus cellu-
losae von dem Cysticercus tenuicollis. (Zeitschrift für
Fleisch- u. Milchhygiene. Jahrg. III. 1893. Heft 5. Febr. p. 89 — 93.
Mit Abb.)
Temnocephala. — Echinococcus.
389
Durch sorgfälige Zählungen an je 1000 Finnen konnte festgestellt
werden, daß die Anzahl der Haken keine absolut sicheren Anhalts-
punkte zur Unterscheidung der in Rede stehenden Cysticerken bietet.
In der Mehrzahl der Fälle besitzt zwar Cyst. cellulosae 24 — 26
und Cyst. tenuicollis 30 — 34 Haken, aber es schwankt die Haken-
zahl bei der ersten Art zwischen 20 und 31, bei der zweiten zwischen
25 — 44. Bezeichnender ist die Verschiedenheit in der Form der
Haken und besonders der Wurzelfortsätze der kleinen Haken; dazu
kommt noch, daß bei Cyst. tenuicollis der kurze Wurzelfortsatz
oft (75 Proz.) gespalten ist, freilich oft nur bei einem oder wenigen
Haken. M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Yayssi^re, A., fitude s ur le Temnocephala, parasite de
l’Astacoides madagascariensis. (Annales de la facult6
des Sciences de Marseille. Tome II. Fascicule V. 1 Taf.)
Verf. beschreibt eine auf dem im Titel genannten Süßwasserkrebs
Madagaskars gefundene zweifellos neue Temnocephala art unter
dem Namen Temnocephala madagascariensis. Auffallend
ist besonders die stattliche Zahl von 12 Tentakeln, der sehr kleine
Saugnapf und die Ausmündung der Exkretionsblasen an den Seiten-
rändern. Auch die Schilderung des Genitalapparates bietet manches
Neue (so z. B. sind nur e i n Paar allerdings stark gelappte Hoden
vorhanden), aber dieselben scheinen etwas kursorisch abgehandelt zu
sein, sodaß vielleicht eine genauere Untersuchung die typischen Cha-
raktere des Genus Temnocephala auch bei dieser Art konsta-
tieren wird. Ueber die interessanten histologischen Fragen giebt die
Arbeit wenig Auskunft, die bisher meist als „Kerne“ aufgefaßten
Gebilde der äußeren Körperschicht hält Vayssiere für einzellige
Drüsen; die systematische Stellung zu den ektoparasitischen Trema-
toden scheint ihm zweifellos zu sein. Brandes (Halle).
Storch, A., Echinococcusblase in der Herzkammer-
scheidewand. (Berliner tierärztl. Wochenschr. 1893. No. 22.)
Bei der Sektion einer ganz plötzlich verendeten Kuh wurde, ab-
gesehen von ganz geringgradiger rechtsseitiger Lungentuberkulose,
im Septum ventriculorum cordis eine Echinococcusblase von der
Größe eines kleinen Apfels gefunden, deren Wandungen intakt waren.
Die Muskulatur des Septums war fast vollständig verdrängt, so daß
der Tumor nur von einer papierdünnen Muskelfaserschicht überdeckt
war. Die Muskulatur der Scheidewand war fettig degeneriert. Ein
zweiter Echinococcus konnte in keinem Teile des Körpers gefunden
werden. Ger lac h (Wiesbaden).
Müller, Martin, Zur Kasuistik und Symptomatologie der
Muskelechinokokken. [Inaug.-Diss.] 8°. 50 p. Halle a. S.
1893.
Wenn sich auch der Echinococcus hauptsächlich in der
Leber festsetzt, so giebt es doch nur wenige Organe, in welchen er
nicht beobachtet ist. Bezüglich der Häufigkeit folgen sich: Lungen,
Nieren, Schädelhöhle, Muskulatur, kleines Becken, Milz, Knochen.
XV. Bd. 25
390
Echinococcus.
Selten tritt der Parasit auf in den weiblichen Genitalien, der Mamma,
der Augenhöhle, dem Rückenmark, den männlichen Genitalien, der
Schilddrüse und Parotis.
Die Häufigkeit der Muskelechinokokken ist mit etwa 7,8 Proz.
anzunehmen, von denen Ne iß er 46 Fälle zusammenstellte, ohne der
in einer Bergmann’schen Arbeit vorhandenen zu gedenken.
Verf. geht dann auf einen in der Hallenser chirurgischen Klinik
beobachteten Fall von Echinococcus in der M. Iliopsoas näher
ein und berücksichtigt 158 aufgefundene Muskelechinokokken. Von
103 Erkrankungen fielen 47 auf das männliche, 56 auf das weibliche
Geschlecht, ein Vorkommen, welches ohne Zweifel auf den oft sehr
intimen Umgang mit Schoß- und Luxushunden zurückzuführen ist;
Clemens glaubt sogar, bei den Leiden alter Jungfern, welche so
oft mit Zimmerhuuden Zusammenleben, würden bei sorgfältiger Dia-
gnose weit häufiger Echinococcus infektionen nachgewiesen werden.
Dem Alter nach vermochte Müller folgendes zu ermitteln:
1—10
Jahr
7
Patienten
=
7,7
11—20
99
8
11
=
8,8
21—30
99
32
11
=
35,1
31—40
99
24
11
=
26,4
41—50
11
11
11
=
12,1
51—60
11
6
11
=
6,6
61 — 70
11
3
11
«=
3,3
Es entfallen also 61,5 Proz., weit über die Hälfte aller Er-
krankungen, in die mittlere Lebenszeit oder die Hauptzeit der Ge-
schlechtsfunktionen.
Die Entwickelungsdauer der Geschwülste erstreckte sich über
1
Jahr oder weniger
18
Patienten
=
28,1
Proz.
2
Jahre
17
99
«=
26,5
99
3
91
4
ii
=
6,2
99
4
9)
3
99
=
4,7
5
99
3
99
=
4,7
99
6
99
7
99
=
11,0
99
7—8
99
3
99
=
4,7
99
9 — 10
99
4
99
=
6,2
99
11—15
99
2
99
=
3,1
99
16
,, und länger
3
99
=
4,7
Nach dem Vorkommen der Echinokokken in der Muskulatur an
Kopf und Hals, am Rumpfe und an den Extremitäten ist der Kopf
und der Hals mit 33, der Rumpf mit 63, die Extremitäten mit 62
beteiligt; die einzelnen Körperregionen führt Müller ganz speciell an.
Hervorzuheben ist als besonders charakteristisches und nament-
lich auch für die Diagnose sehr gut zu verwertendes Symptom das
ruckweise Wachstum von Echinokokkencysten, welches in den von
Müller angeführten Fällen allein 19mal ausdrücklich hervorgehoben
wurde.
Die Beschwerden für den Patienten durch das Wachstum der
Parasiten sind bedingt durch den Sitz wie die Größe der entstandenen
Geschwulst. Die schwersten und für das Leben am meisten bedroh-
lichen Symptome entwickeln sich unstreitig beim Sitze der Cyste an
der vorderen seitlichen Halsgegend, am ungefährlichsten erscheinen
Echinococcus.
391
die an der Muskulatur der Extremitäten auftretenden Echinokokken-
geschwülste.
Die Größe vermag bis zum Kindskopf-, Mannskopf-, Kokosnuß-
umfang zu wachsen; namentlich die Beckengegend tritt in dieser
Hinsicht hervor.
Der Rest der Arbeit verläßt das parasitologische Gebiet und
geht auf die Diagnostik (hauptsächlich die Probepunktion !) und
Therapie ein. E. Roth (Halle a. S.)
Bahr, Hans, Ein Beitrag zur Kenntnis der Echinokokken-
krankheit in Vorpommern. [Inaug.-Diss.] 8°. 47 p. Greifs-
wald 1893.
Bekanntlich gehört Vorpommern mit Mecklenburg zu den klassi-
schen Ländern des Echinococcus in Deutschland. Verf. verfügte
über 133 vorpommersche Fälle, welche sich folgendermaßen verteilen:
Echinokokken der Leber 89 Fälle
„ „ Lungen 15 „
,, „ Bauchhöhle 14 „
„ ,, Haut und Muskulatur 8 „
„ „ Niere 4 „
„ )i Milz 3 ,,
133 Fälle
oder nach Prozenten ist unter 100 Fällen von Echinococcus be-
teiligt mit
66,9 Proz. die Leber,
11,2 ,, die Lunge,
10,5 „ die Bauchhöhle,
6,1 ,, die Haut und die Muskulatur,
3,0 ,, die Niere,
2,3 „ die Milz.
Männlichen Geschlechts waren 78, weiblichen 55 Personen =
58,6 und 41,4 Proz.
Die 78 männlichen Personen verteilen sich auf
Arbeiter, Tagelöhner, Knechte 31
Handwerker 8
Schäfer, Fleischer, Hirten 13
Beamte 3
Kaufleute 3
Landwirte 5
Rentiers 2
65
die übrigen 13 waren teils zu jung, teils nach ihrer Beschäftigung
nicht zu ermitteln.
Nach dem Alter gruppieren sich die 133 Personen :
1 — 10 Jahre 6
10—20
11
10
20—30
11
29
30—40
11
36
40—50
11
24
5o—60
11
12
60—70
11
11
70—80
11
4
80—90
11
1
25*
392
Echinococcus.
In Greifswald wurden von 1862 bis zum Juli 1893 nahezu 3500
Sektionen gemacht, von denen 51 Echinokokken ergaben, d. h. an-
nähernd unter 75 Sektionen stieß man auf eine mit Echinococcus
behaftete Leiche.
Echinococcus multilocularis wurde nur einmal beobach-
tet; auch Krabbe fand unter 138 mecklenburgischen Echino-
coccusfällen nur einmal diese Art.
Seit 1889 ist ein Schlachthaus in Greifswald errichtet. Daß die
Zahlen dennoch nicht in den Jahren darauf gesunken sind, führt B.
darauf zurück, daß die Provinz stark an den Fällen beteiligt ist und
die Greifswalder Fälle bereits vor der Fertigstellung des Schlacht-
hauses infiziert waren, da bekanntlich Echinokokken jahrelang keine
Symptome hervorzurufen brauchen, ja intra vitam überhaupt keine
Erscheinungen verursachen können.
Sicherlich geht aber aus der Zusammenstellung wieder einmal
hervor daß ein reichliches Zusammensein mit Hunden die betreffen-
den stark der Gefahr der Infektion aussetzt.
E. Roth (Halle a. S.).
Geelvmk, Conrad Wilhelm, Ein Fall von Echinococcus
hypophrenicus. [Inaug.-Diss.] 8°. 21 p. Marburg 1893.
Beschreibung eines Krankheitsfalles mit wiederholter Operation,
wobei eine multiple Ansiedelung von Cysten wahrscheinlich ist. Aus-
geschlossen ist zwar nicht, daß eine vorher solitäre Cyste durch ein
Trauma platzte und zur Aussaat der Tochterblasen führte.
E. Roth (Halle a. S.).
Goltz, üeber Schwarzfärbung des Rostellum und
Fehlen des Hakenkranzes bei Cysticercus cellulosae.
(Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhygiene. Jahrg. IV. 1894. Heft 4. Jan.
S. 65—67 mit 2 Abb.)
Bei sämtlichen 25 in der Muskulatur eines ungarischen Schweines
gefundenen Finnen wurden entweder gar keine oder nur rudimentäre
Haken beobachtet und die Scheitelfläche des Kopfes schwarz pigmen-
tiert gefunden. Mit Rücksicht auf die neuerlich geäußerte Ansicht,
daß solche Pigmentierung auf die Aufnahme von Eisensalzen aus
Medikamenten zurückzuführen sei, ist diese Beobachtung von Interesse.
M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Nenmann, Gf., Sur un Echinocoque du Chat. (Rev. v6t6rin.
1893. Sept. p. 464—468.)
In der Litteratur findet man wiederholt die Hauskatze unter den
Trägern des Echinococcus angeführt, aber ohne nähere Beweise;
der einzige Fall, der in diesem Sinne, aber auch nur mit Wahrschein-
lichkeit zu deuten ist, stammt von Gurlt (1831, resp. 1838), der
kurz über beträchtliche Mengen von „Hydatiden“ aus dem Abdomen
einer Hauskatze berichtet. Auch Coenurus soll bei der Katze Vor-
kommen, aber das — allerdings durch die kolossale Zersplitterung
Davainea.
Taenia.
393
der Litteratur ungemein erschwerte — Zurückgehen auf die Quelle
dieser Angabe zeigt, daß der vermeintliche Co en urus ein Echino-
coccus und die vermeintliche Katze, die diesen besessen haben soll,
eine Kuh war !
Der Autor berichtet nun über zwei authentische Fälle des Vor-
kommens von Echinococcus bei der Hauskatze; der eine befindet
sich in der Sammlung des Veterinär-Institutes zu Alfort, den anderen
hat der Verf. selbst beobachtet: es handelte sich um eine alte Haus-
katze, bei deren Sektion in der vergrößerten Leber, und zwar in
einem gemeinschaftlichen Hohlraume zwei Echinococcusblasen
von 12, resp. 6 mm Durchmesser gefunden wurden; die kleinere war
steril, zeigte aber die für Echinococcus so charakteristische ge-
schichtete Cuticula; die größere besaß zahlreiche kleine Keimkapseln
mit Echinococcusköpfchen, die fast alle nach außen gestülpt
waren. M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Diamare, V., Le funzioni dell’ ovario nella Davainea
tetragona Mol. (Rendic. R. Accad. d. sc. fis. e mat. di Napoli.
1893. Fase. 8—12. 4°. 7 p. c. figg.)
In einer dem Ref. noch nicht zu Gesicht gekommenen Arbeit
hatte de Filippi (Atti R. Accad. dei Lincei. Ann. 1892. Vol. VII)
Angaben über den weiblichen Genitalapparat der Taenia bothrio-
plitis Piana (aus Gallus domesticus) gemacht, aus denen
hervorzugehen schien, daß der Uterus dieser Art gleichzeitig als
Ovarium funktioniert und daß in diesem Eier, Sperma, Dottermasse
und Schalensubstanz sich zusammen findet. Mit Rücksicht auf diese
Mitteilungen hat Diamare die Taenia (Davainea) tetragona
Mol. (identisch mit T. bothr ioplitis P.) genau untersucht und das
Rätsel gelöst. Der Keimstock besteht aus zwei Seitenhälften und
dem diese verbindenden Mittelstücke; aus letzterem entspringt wie
sonst der Keimgang, in dessen Anfangsteil der vom Receptaculum
seminis der Vagina herkommende Canalis seminalis einmündet. Der
Keimgang zieht im Bogen nach hinten, vereinigt sich hier mit dem
Ausführungsgange des unpaaren Dotterstockes und die vereinigten
Gänge bilden nun jenen Abschnitt des Leitungsapparates, der, von
Schalendrüsenzellen umgeben, als Ootyp bezeichnet werden kann.
Jenseits der Schalendrüse setzt sich nun der Kanal, den wir dem
Anfangsteile des Uterus gleich setzen müssen, nach vorn zu fort,
statt aber, wie gewöhnlich in den irgendwie gestalteten Uterus über-
zugehen und blind zu enden, setzt er sich nach einer Schleifenbildung
mit dem Querstücke des Keimstockes in Verbindung. Es gelangen
demnach befruchtete und mit Dotter- und Schalensubstanz versehene
Eier wieder in den Keimstock zurück, um sich in den Seitenteilen
desselben anzusiedeln und ihre weitere Entwickelung wie in einem
Uterus durchzumachen. M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Küchel, B., Eine Drillingsmißbildung der Taenia sagi-
nata. [Inaug.-Diss.] 8°. 16 p. mit 1 Tafel. Kiel 1893.
Es handelt sich um eine sogenannte dreikantige Taenia, welche
394
Tierische Parasiten.
der Verf. wegen gleicher Ausbildung der drei Teile und radiärer
Stellung der 6 Saugnäpfe als Drillingsbildung auffaßt.
M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Clans, C., Eingeweidewürmer des Menschen. (Aus: Samml.
med. Abhdlg. f. prakt. Aerzte und Studierende. No. 2.) 8°. 32 p.
Mit 52 Abb. Wien 1894.
Der Autor behandelt nach einer kurzen Einleitung die beim
Menschen schmarotzenden Trematoden, Cestoden, Nematoden und
Acanthocephalen — aber auch diese nur mit Auswahl. Die Be-
schreibung der Arten dürfte besonders in Berücksichtigung der zahl-
reichen guten Abbildungen ausreichend sein — immerhin wäre es
notwendig gewesen, gerade denjenigen Produkten der Helminthen,
mit denen der Arzt am ersten zu thun bekommt, d. h. den Eiern,
eine größere Aufmerksamkeit zu schenken; genaue Beschreibungen
und gute Abbildungen sind auch in diesem Punkte unerläßlich. Recht
befremdend nimmt sich im Munde eines Zoologen die Gleichstellung
von Ei- und Embryonalschale bei Cestoden aus. Auch sonst finden
sich manche Irrtümer resp. Unterlassungen: z. B. ist die p. 19. Fig. 31
abgebildete Larve zwar eine Bothriocep haluslarve, aber nicht
die des Bothriocephalus latus, als welche sie bezeichnet ist;
unter den Cestoden des Menschen wird auch Cysticercus tenui-
collis aus der Leber des Menschen angeführt — es ist aber längst
erwiesen, daß die hierauf bezügliche Angabe Esch er ich’s auf einem
Irrtume beruht; für Taenia leptocephala, resp. flavopun-
ctata ist die Entwickelung durch Grassi schon vor Jahren sicher-
gestellt worden. Es dürfte nicht schwierig sein, diese und andere
Ungenauigkeiten, z. B. Druckfehler, verkehrt gestellte Abbildungen,
bei einer neuen Auflage auszumerzen.
M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Janson, Die Krankheiten der Haustiere inJapan. (Arch.
f. wiss. u. prakt. Tierheilkunde. Bd. XIX. 1893. p. 241 — 276.)
Wir müssen uns darauf beschränken, aus diesem Artikel das-
jenige anzuführen, was auf tierische Parasiten Bezug hat.
A. Pferde.
1) Ascaris megalocephala verursacht zuweilen Gesundheits-
störungen; die entsprechenden Arten bei Schwein, Hund und
Mensch veranlassen in China und Japan häufiger Erkrankungen,
als in Europa (Zahlen fehlen!).
2) Sclerostomum armatum kommt zwar häufig, aber meist
nur in geringer Zahl vor und veranlaßt nur ausnahmsweise so
ausgedehnte Aneurysmen wie in Deutschland.
3) Spiroptera megastomum in Geschwülsten der Schleimhaut
des Magens.
4) Spiroptera microstomum in großer Zahl frei im Magen.
5) Oxyuris curvula im Dickdarm.
6) Filaria papillosa, sehr häufig im Abdomen.
7) Filaria lacrimalis.
Tierische Parasiten.
395
8) Taenia perfoliata. Die Arten sub 3 — 8 verursachen keinen
Schaden.
B. Rind. Die hier anzuführenden Parasiten verursachen selten
auffallende Störungen.
1) Distomum pancreaticum — sehr häufig im Ductus
wirsungianus und dessen Verzweigungen, Erweiterungen der
Gänge, aber nicht Verdickungen und Funktionsstörungen veran-
lassend.
2) Distomum hepaticum ist bisher nur beim Rinde, nicht
auch beim Schafe beobachtet.
3) Amphistomum conicum mitunter außerordentlich häufig im
Magen.
4) Echinococcus ist sehr selten.
5) Cysticercus Taeniae saginatae ist noch nicht kon-
statiert, muß aber vorhanden sein, da die Tänie sehr häufig beim
Menschen vorkommt.
6) Oesophagostomum sp.
C. Schaf.
1) Die Regierung kaufte zur Einführung der Schafzucht Tausende
von Schafen in Australien, Amerika und China, aber die Tiere
wollten nicht recht gedeihen ; ca. 20 Proz. starben jährlich. Wie
der Verf. konstatierte, ist als Hauptursache der abnorm hohen
Sterblichkeit das aus Amerika zuerst beschriebene Oesopha-
gostomum columbianum zu betrachten, das bei fast allen
untersuchten Tieren in Knötchen am Darme lebt und Ursache
zu Darmgeschwüren, selbst zu Perforationen giebt. Die er-
wachsene Form lebt im Darme der Schafe. Die Art beim Rinde
dürfte identisch mit Oesophagostomum columbianum
sein.
2) Strongylus contortus im Magen.
3) Taenia expansa im Darme, beide von geringerer Bedeutung.
D. Schwein. Ascaris lumbricoides sehr häufig, Tricho-
cephalus crenatus und Strongylus paradoxus selten ;
Trichinen und Cysticercus cellulosae bisher nicht beobachtet.
E. Hund. Zu den schon früher von demselben Autor bekannt
gegebenen Parasiten des Hundes kommt noch Trichocephalus
depressiusculus hinzu. Die ebenfalls früher als Tristomen be-
zeichneten Trematoden, die im Darme eines Hundes gefunden worden
waren, erweisen sich als Distomen, und zwar als Distomum
heterophyes, was, Richtigkeit der Bestimmung vorausgesetzt, aus
verschiedenen Gründen von Interesse ist.
Als Coenurus cerebralis wird ein Coenurus angeführt,
den Ijima in einem Hasen zwischen den Bauchmuskeln gefunden
hat. Die Verfütterung an einen Hund ergab 32 Exemplare von
Taenia coenurus. Gegenüber dieser Deutung ist wohl als sicher
anzunehmen, daß der gefundene Coenurus nicht die Species cere-
bralis, sondern C oenurus serialis Gerv. ist, der aus Hasen
und Kaninchen Frankreichs, Englands und Rußlands bisher bekannt
396 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
geworden ist; demnach ist auch die erzogene Tänie die der T.
coenurus nahestehende T. serialis Baill.
F. Katze. Distomum sinense Cobb. häufig in den Gallen-
gängen, Ascaris mystax im Darme.
Ferner wurde bei Hühnern Taenia infundibulifor mis
und bei Aalen (Anguilla), die einer verheerenden Seuche erlegen
waren, Nematoden von 1 — 2 cm Länge in so kolossalen Mengen ge-
funden, daß der Darm wurstartig vollgepfropft war.
Endlich wird das häufige Vorkommen von Mondblindheit bei
Pferden angeführt, welche P. Willach neuerdings auf jugendliche
Nematoden und Trematoden zurückführt, sowie eine Hauterkrankung
bei Pferden, „Himushi“ genannt, die nur bei Pferden, welche zur Be-
stellung der Reisfelder benutzt werden, auftritt und höchst wahr-
scheinlich durch den Biß von Blutegeln veranlaßt wird.
M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
Schneidemühl, Ueber die wissenschaftlichen Grund-
sätze und die praktische Regelung der Fleisch-
beschau. (Deutsche med. Wochenschr. 1893. No. 45 u. 46.)
Eine zweckmäßige Fleischbeschau hat es schon bei den alten
Egyptern gegeben, und auch bei den Römern wurde der Fleischver-
kauf kontrolliert. Im Mittelalter trugen weltliche und geistliche Be-
hörden Sorge, daß verdorbenes oder von kranken Tieren herrührendes
Fleisch nicht in den Verkehr gelangte, und erst in den letzten Jahr-
hunderten führte die allmähliche Verbreitung der Annahme, daß das
Fleisch kranker Tiere ohne Schaden genossen werden könne, eine
nachteilige Sorglosigkeit hinsichtlich der Beaufsichtigung des Ver-
kaufes jenes Nahrungsmittels herbei. Seit der Entdeckung von der
Gefährlichkeit der Trichinen ist indessen die Fleischkontrolle in
Deutschland wieder vervollkommnet worden, und in Preußen hat die
den Gemeinden gesetzmäßig verliehene Berechtigung, bei Errichtung
eines öffentlichen Schlachthauses das Schlachten außerhalb desselben
zu verbieten, dazu geführt, daß in einer großen Zahl von Städten
alle Schlachtungen in einem bestimmten Gebäude vorgenommen
werden. Diese öflentlichen Schlachthäuser ermöglichen eine bessere
Aufsicht der Schlachtungen und eine Kontrolle des Schlachtviehes
wie des erschlachteten Fleisches. Hierdurch gelingt es, ekelerregen-
des und gefährliches Fleisch dem Verkehre zu entziehen, ansteckende
Tierkrankheiten zu ermitteln und zu beschränken und der Tierquälerei
beim Schlachten entgegenzuwirken. Besonders wohlthätig ist auch
die mit vielen Schlachthäusern verbundene Einrichtung einer Frei-
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 397
bank, an welcher das Fleisch kranker Tiere unter geeigneter Be-
zeichnung verkauft werden kann. Es wird dadurch einerseits ver-
hindert, daß der Käufer unwissentlich solches Fleisch als vollwertige
Ware erwirbt; andererseits werden Vorräte jenes Nahrungsmittels,
welche oft durchaus genießbar sind oder wenigstens nach gründlichem
Durchkochen ohne Bedenken verzehrt werden können, noch verwertet,
während dieselben bei strenger Auslegung des § 10 des Nahrungs-
mittelgesetzes würden verworfen werden müssen.
Wenn indessen die Schlachthäuser ihren Zweck vollkommen er-
füllen sollen, so müssen sie nach den Ausführungen des Verf.’s unter
tierärztlicher Leitung stehen und mit einem zeitgemäß eingerichteten
Laboratorium nebst Tierstalle versehen sein. Auch muß die Fleisch-
beschau, welche zur Zeit in den einzelnen Staaten und Provinzen
Deutschlands noch ganz verschieden gehandhabt wird, durch Reichs-
gesetz geregelt werden.
Die wesentlichen Ziele, welche die Fleischschau im Auge haben
muß, bestehen in Beseitigung und Vernichtung schädlichen und ekel-
erregenden Fleisches und in Erhaltung alles genießbaren Fleisches
für die Volksernährung. Das Fleisch kranker Tiere darf indessen
unter allen Umständen nur unter Deklaration für den Verkauf ver-
wertet werden; diese Bedingung muß auch in dem Falle erfüllt
werden, daß solches Fleisch an Güte demjenigen gesunder Tiere nicht
nachsteht oder dasselbe sogar übertrifft, wie dies z. B. oft bei dem
Fleische tuberkulösen Schlachtviehes der Fall ist. Eine solche Rück-
sicht kann der Käufer fordern, und sie hat nebenbei auch den Vor-
teil für die Volksgesundheit, daß ihre Beobachtung allein die Vieh-
züchter dazu drängt, wirksame Maßregeln gegen die gefährliche
Seuche zu ergreifen.
Als ungenießbar (ekelerregend oder der Gesundheit schäd-
lich) bezeichnet der Verf. solches Fleisch, welches 1) stark übel-
riechend oder in Fäulnis übergegangen ist, 2) von verendeten Tieren
(einzelne plötzliche Todesarten: Blitzschlag, Verletzungen ausgenom-
men), 3) von ungeborenen oder zu früh geborenen Tieren, 4) von
Tieren herrührt, welche an Milzbrand, Wut, Rotz, ausgebreiteter
Tuberkulose, Trichinen, an Finnen (in großer Ausdehnung), an einer
mit Blutvergiftung, Fieber oder Abzehrung verbundenen Krankheit
vor dem Schlachten gelitten haben.
Genießbar und vollwertig ist alles Fleisch von gesunden,
gut genährten und ordnungsmäßig geschlachteten Tieren, welches an
Farbe und Geruch frisch erscheint, auch wenn bei dem Schlachttiere
an einzelnen Körperteilen oder in einzelnen Organen Veränderungen
gefunden werden, welche auf sein Wohlbefinden und die Beschaffen-
heit des Fleisches erfahrungsgemäß keinen Einfluß ausgeübt haben
können. Veränderungen dieser Art sind Dasselbeulen in der Haut,
gutartige Geschwülste an der Haut, an den Gelenken und den Knochen,
Hernien, Parasiten im Gehirn, in der Lunge, in der Leber, im Herz,
Gekröse und den Nieren. Die betreffenden Organe und Körperteile
sind natürlich in jedem Falle zu verwerfen.
Als genießbar jedoch nicht vollwertig ist der Freibank
398 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
zu überweisen das Fleisch von verunglückten, alten und abgemager-
ten Tieren, von Kälbern, welche noch nicht 8 Tage alt sind, von
kranken Tieren, wenn die Krankheit den Fleischgenuß nicht unbe-
dingt ausschließt oder nur auf einzelne Körperteile oder Organe be-
schränkt ist. Das Fleisch von Tieren, welche zur Zeit der Schlachtung
fiebern, ist stets zu verwerfen.
Bei tuberkulösen Tieren wird die Entscheidung über die
Genießbarkeit des Fleisches nach dem Grade der Ausbreitung der
Krankheit gefällt werden müssen. Hochgradig tuberkulöse Tiere
pflegen abgemagert zu sein, und ihr Fleisch wird daher schon mit
Rücksicht auf ihren Allgemeinzustand verworfen werden müssen. Wo
es sich dagegen um örtliche Tuberkulose handelt, ist das Fleisch oft
tadellos. Die Ungefährlichkeit seines Genusses in solchen Fällen be-
weist die Erfahrung ebensowohl wie die wissenschaftliche Unter-
suchung. Bei Tuberkulose in den serösen Häuten der großen
Körperhöhlen muß die Entfernung der erkrankten Teile mit großer
Sorgfalt ausgeführt werden, der Genuß des Fleisches ist nicht un-
bedenklich, wenn es roh gegessen wird und mit zurückgebliebenen
Teilen des erkrankten Brust- oder Bauchfelles oder auch erkrankten
Lymphdrüsen durchsetzt ist. Unter Berücksichtigung aller dieser
Verhältnisse wird das Fleisch tuberkulöser Tiere je nach Lage des
Falles als genußfähig, nur in gekochtem Zustande genießbar oder als
ganz ungenießbar bezeichnet werden müssen ; es ist jedoch immer als
minderwertig zu betrachten und der Deklarationspflicht beim Verkauf
zu unterwerfen.
Das von M iescher’schen Schläuchen durchsetzte Fleisch
ist nur bei sehr verbreitetem Vorkommen der Sarkosporidieu, deren
Genuß bisher eine Erkrankung beim Menschen nicht verursacht zu
haben scheint, zu vernichten bezw. der Freibank zu überweisen. In
Berlin kann es infolge einer Polizeiverordnung vom 14. Januar 1892
freigegeben werden, nachdem es durchgekocht ist.
Das Fleisch der Schweine, welche an Stäbchenrotlauf oder
Schweineseuche gelitten haben , hat nach den bisherigen Er-
fahrungen zu Erkrankungen unter Menschen noch nicht Veranlassung
gegeben, ist indessen leicht zur Fäulnis geneigt. Auch trägt das
Schlachten der kranken Tiere nachweislich zur Verbreitung der
Seuchen bei. Je nach der Lage des Falles wird solches Fleisch der
Freibank zu überweisen oder vom Genüsse auszuschließen sein.
Aehnlich wird hinsichtlich des Fleisches von Tieren verfahren
werden müssen, welche an Lungenseuche und zahlreichen anderen
infektiösen und nicht infektiösen Krankheiten gelitten
haben. Kübler (Berlin).
Prozorowski, Ueber die Wirkung von Kaffee und von
einigen Kaffeesurrogaten auf pathogene Mikro-
organismen. (Wratsch. 1893. No. 18.) [Russisch.]
Verf. untersuchte den echten Ceylonkaffee und zwei Surrogate
— den Eichel- und den Roggenkaffee — auf ihre baktericiden Eigen-
schaften. Zur Untersuchung gelangten die Typhusbacillen, die Cholera-
vibrionen und der Bacillus anthracis.
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 399
Die Versuche selbst sind in der hier referierten vorläufigen Mit-
teilung nicht wiedergegeben. Seine Ergebnisse formuliert der Verf.
folgendermaßen :
1. Der Kaffee besitzt zweifellos antiseptische Eigenschaften, wenn
auch nicht in hohem Maße; die Wirkung der Surrogate ist in dieser
Hinsicht geringer, wobei der Eichelkaffee höher zu schätzen ist, als
der Roggenkaffee.
2. Der Kaffee verdankt seine antiseptischen Eigenschaften zum
Teil den beim Rösten sich bildenden Substanzen, zum Teil aber auch
der Kaffeegerbsäure; nur durch die Anwesenheit der letzteren er-
klären sich die beobachteten antiseptischen Wirkungen der Dekokte
von rohem Kaffee.
3. Die Wirkung der Surrogate ist ebenfalls zum Teil an die
beim Rösten sich bildenden Substanzen gebunden; zum Teil ergiebt
sie sich auch aus der saueren Reaktion der betreffenden Dekokte.
4. Reine Kaffee- resp. Surrogatdekokte wirken viel stärker, als
gleichprozentige Dekokte, in welchen das Wasser durch ein für die
Entwickelung von Mikroorganismen günstigeres Medium (Bouillon)
ersetzt ist.
5. Reines Kaffeedekokt von der im täglichen Leben üblichen
Kraft tötet Choleravibrionen und Milzbrandbacillen in 3 Stunden,
Typhusbacillen in 24 Stunden und Milzbrandsporen in 9 Tagen ab.
Steinhaus (Warschau).
Cucco, Giovanni, Ueber die Wirkung des Phenocollum
hydrochloricum bei Malaria. (Therapeutische Monatshefte.
Jahrg. VII. 1893. p. 156 ff.)
Das Phenokoll, welches sich in mancher anderen Hinsicht bewährt
hat, versucht Verf. bei Malaria. Er gab das Mittel 12 Stunden vor
dem Fieberanfalle, und zwar in Dosen von 1 — 1,5 g pro die und 0,5 g
pro dos. Unter 84 Fällen erwies es sich 52 mal als wirksam, 21 mal
war das Resultat zweifelhaft, 4 mal war kein Einfluß auf den Er-
krankungsprozeß bemerkbar. In einzelnen Fällen wurde es dann mit
Erfolg angewandt, wenn Chinin unwirksam gewesen war. Die Wirkung
ist nach Meinung des Verf.’s ähnlich der des Chinins auf die Malaria-
plasmodien. Gefahren und Unzuträglichkeiten sah C. nicht, so daß
er wenigstens mit Rücksicht auf seine erst 2 Monate hindurch ver-
folgten Studien dieses Mittel als ein bei Malaria brauchbares
empfehlen möchte. 0. Voges (Danzig).
400
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Inhalt.
Inhalt.
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Diamare, V., Le funzioni dell’ ovario nella
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lum und Fehlen des Hakenkranzes bei
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Janson, Die Krankheiten der Haustiere in
Japan, p. 394.
Küchel, B , Eine Drillingsmißbildung der
Taenia saginata, p. 393.
Müller, Martin, Zur Kasuistik und Sym-
ptomatologie der Muskelechinokokken,
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Neumann , G. , Sur un Echinocoque du
Chat, p. 392.
Bitz, St v., Ueber die Dochmienkrankheit
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Schwarz, Zur Unterscheidung des Cysti-
cercus cellulosae von dem Cysticercus
tenuicollis, p. 388.
Sigismund, Olaf, Untersuchungen über die
Rancidität der Butter unter Berücksich-
tigung der Marktverhältnisse in Halle a. S.,
p. 379
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Truc, Contagion du trachome (Ophthalmie
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Vayssiere, A , Etüde sur le Temuocephala,
parasite de l’Astacoides madagascarien-
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Schutzimpfung , künstliche Infektions-
krankheiten. Entwickelungshemmung
und Vernichtung der Bakterien
und Parasiten.
Cucco, Giovanni, Ueber die Wirkung des
Phenocollum hydrochloricum bei Malaria,
p. 399.
Prozorowski , Ueber die Wirkung von
Kaffee und von einigen Kaffeesurrogaten
auf pathogene Mikroorganismen, p. 398.
Schneidemühl , Ueber die wissenschaft-
lichen Grundsätze und die praktische
Regelung der Fleischbeschau, p. 396.
Neue Litter&tur, p. 400.
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Jährlich erscheinen zwei Bände.
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Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
kunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an
den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena , gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage , später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original -Mittheilungen.
Ueber den Befund feiner Spirillen in den Dejektionen
einer unter Cholerasymptomen gestorbenen Frau.
Von
Dr. Aufrecht,
Oberarzt der inneren Station des Krankenhauses Magdeburg-Altstadt.
Die Mitteilung Abel’s in No. 7. Jahrgang 1894 dieses Central-
blattes veranlaßt mich, über den Befund von Spirillen zu berichten,
welche mit den von Abel sowie mit den schon vor ihm von Ko-
walski gefundenen vollständig übereinstimmen. Meine Beobachtung
stammt aus dem August 1893. Das betreffende Präparat hat sich
bis jetzt gut erhalten. Ich begnügte mich damals, dasselbe mehreren
Kollegen zu demonstrieren, hielt aber vorläufig eine Beschreibung
XV. Bd. 26
406
Aufrecht,
nicht für opportun, da es sich nur um einen einzelnen Fall gehan-
delt hatte. Im Anschlüsse an die bisherigen Mitteilungen aber dürfte
derselbe nicht ganz ohne Wert sein.
Während des Jahres 1893 sind im Ganzen 3 Cholerafälle in
Magdeburg zur Beobachtung gekommen und allesamt in das Alt-
städter Krankenhaus eingebracht worden. Bei allen dreien ist durch
das Plattenkulturverfahren der Koch’ sehe Cholerabacillus
nachgewiesen worden. Einen ausführlichen Bericht über diese Fälle
wird demnächst der damalige Assistenzarzt Herr Dr. Therig in der
Deutschen medizinischen Wochenschrift veröffentlichen.
Außer diesen 3 Cholerafällen sind noch 3 choleraverdächtige
Fälle vorgekommen. Der eine ist außerhalb des Krankenhauses in
der Privatwohnung tödlich verlaufen. Die Leiche der Verstorbenen,
einer Frau von 27 Jahren, wurde in das Krankenhaus gebracht. Die
Obduktion ergab alle anatomischen Kriterien der Cholera asiatica;
aber Cholerabacillen konnten trotz Zuhilfenahme des von Koch
empfohlenen Verfahrens der Anreicherung durch Pepton nicht nach-
gewiesen werden.
Der zweite und dritte choleraverdächtige Fall betraf ein älteres
Ehepar P. Der Mann, 54 Jahre alt, sowie die Frau, 56 Jahre alt,
wurden am 16. August 1893 schwer krank in das Krankenhaus über-
geführt. Ersterer hatte schon seit 14 Tagen Diarrhöe, im Beginne
der Krankheit auch Erbrechen. Klinisch mußte die Diagnose:
Choleratyphoid gestellt werden. Er wurde nach 9 Tagen geheilt ent-
lassen. — Die Frau dagegen hatte erst seit 5 Tagen heftige Diarrhöe,
seit 4 Tagen wiederholt Wadenkrämpfe, seit 3 Tagen Erbrechen. Zur
Zeit der Aufnahme waren alle Symptome einer schweren Cholera asia-
tica vorhanden. Zwölf Stunden nach der Aufnahme trat der Tod ein.
Weder aus den Dejektionen der beiden Kranken, noch aus dem
Darminhalte der verstorbenen Frau P. konnten Cholerabacillen kulti-
viert werden, obwohl die Untersuchung unter Zuhilfenahme aller
Kulturmethoden ebenso sorgfältig ausgeführt wurde, wie bei den oben
erwähnten Fällen von Cholera asiatica. Ich darf behaupten, daß
Cholerabacillen nicht vorhanden waren, sonst wären sie ebenso gut
gefunden worden, wie dort.
Alle sonstigen Befunde, sowohl der anatomische bei der nach
dem Tode eingebrachten Frau, als auch die klinische Beobachtung
bei dem Ehepaare, ebenso wie die Autopsie der nach 12-stündigem
Aufenthalte im Krankenhause gestorbenen Frau P. sprachen für
Cholera asiatica und ich hätte auf Grund meiner Erfahrungen aus
früheren Epidemieen , vor der Entdeckung des Kommabacillus,
nicht einen Moment gezögert, diese Diagnose zu stellen. — Ich muß
noch hinzufügeu, daß die mikroskopische Untersuchung der Nieren
der beiden verstorbenen Frauen genau dasjenige Ergebnis bot, welches
ich auf Grund der im voraufgegangenen Jahre vorgenommenen Unter-
suchungen von Choleranieren mitgeteilt hatte1).
Dies alles aber würde kein Grund zu einer Beschreibung an
dieser Stelle sein, wenn ich nicht in den Stuhlgängen der Ehefrau
1) Die Choleranepkritis. (Centralbl. f. klin. Medicin. 1892. No. 45.)
Ueber den Befund feiner Spirillen etc.
407
P. solche Bakterien gefunden hätte, wie sie von Abel und Ko-
walski geschildert worden sind.
Wie seit Jahren, so habe ich auch hier die Deckglaspräparate
vom Stuhlgange mit 1/10 promilliger Fuchsinrubinlösung 5 bis 10 Mi-
nuten gefärbt, nachher in Wasser abgespült, getrocknet und in
Kanadabalsam eingelegt. In diesen Präparaten fand ich nun zu
meiner großen Ueberraschung eine enorme Zahl feiner Spirillen, deren
Aehnlichkeit mit Rekurrensspirillen mir sofort in die Augen fiel. Nur
schienen sie eher noch etwas feiner wie Rekurrensspirillen zu sein
und ihre Windungen waren etwas länger ausgezogen. Uebrigens be-
sitze ich auch heute noch ein Präparat von Rekurrensspirillen aus dem
Jahre 1878, welches die Fuchsinfarbe ebenso gut angenommen hatte,
wie diese Stuhlgangsspirillen. Daß die Sichtbarkeit trotz der voll-
kommenen Färbung eine etwas erschwerte ist, kann, wie Abel mit
Recht bemerkt, nur eine Folge ihrer geringen Dicke sein.
Ganz besondere Beachtung verdient die enorme Zahl dieser
Spirillen. Ich überschätze wohl kaum, wenn ich sage, daß sie in
meinem Falle tausendfach zahlreicher vorhanden waren, wie Rekurrens-
spirillen im Blute.
Nach diesen Befunden von Kowalski und Abel sowie nach
dem von mir mitgeteilten wird es von jetzt ab wohl erforderlich sein,
bei Cholerakranken sowie bei Choleraverdächtigen auf das Vorkommen
dieser Spirillen besonders zu achten.
Vorläufig liegt kein Recht vor, sie in irgend eine Beziehung zum
Cholerabacillus zu bringen. Wohl aber könnte die durch weitere
Beobachtungen vielleicht zu begründende Thatsache, daß ein massen-
haftes Vorkommen dieser Spirillen der asiatischen Cholera eigen ist,
die Möglichkeit einer vorläufigen Diagnose bieten oder gar eine
sichere Diagnose zu stellen gestatten. Es wäre dies um so erwünschter,
weil erwiesenermaßen in einzelnen Fällen erst nach mehrtägigem
Untersuchen der Nachweis von Cholerabacillen möglich ist.
Ob die beiden Fälle Kowalski’s, bei denen choleraähnliche
Erscheinungen bestanden hatten, aber keine Koch’ sehen Cholera-
bacillen, sondern nur die hier in Rede stehenden Organismen vor-
handen waren, ebenso wie der von mir beobachtete Fall, welcher,
ohne Cholerabacillen in den Dejektionen zu enthalten, klinisch und
anatomisch bis in die kleinste Einzelheit dem Bilde des Morbus
asiaticus glich, dieser Krankheit zugerechnet werden dürfen, muß
demnach weiteren Untersuchungen Vorbehalten bleiben.
Magdeburg, den 5. März 1894.
408
Esche rieh, Notiz zu dem Vorkommen feiner Spirillen etc.
Notiz zu dem Vorkommen feiner Spirillen in diar-
rhöischen Dejektionen.
Von
Prof. Dr. Escliericli.
Wie ich aus den Bemerkungen Kowalski’s (Wiener klin.
Wochenschrift. 1893. No. 49) und dem in No. 7 d. Bl. erschienenen
Artikel Abel’s ersehe, sind meine Befunde und Untersuchungen
über Spirillen in diarrhöischen Stühlen in bakteriologischen Kreisen
so gut wie unbekannt geblieben. Nachdem man diese Gebilde jetzt
wieder entdeckt und in verschiedenem Sinne gedeutet hat, dürfte es
nicht überflüssig erscheinen, an meine diesbezüglichen Publikationen
zu erinnern, in denen sich wenigstens einiges positive Material zur
Beurteilung ihrer Herkunft und ihrer Bedeutung vorfindet. Ich
bemerkte dieselben zum ersten Male in den stark schleimigen, Sago-
suppe ähnlichen Stühlen von Cholerakranken, wie ich sie in der
Neapeler Epidemie 1884 zu untersuchen Gelegenheit hatte. (Klinisch-
therapeutische Beobachtungen aus der Choleraepidemie in Neapel.
Aerztliches Intelligenzblatt, spätere Münchener medizinische Wochen-
schrift. 1884. No. 54.) Ich war damals geneigt, sie für Zahn-
spirochäten zu halten, die sich in dem pathologisch veränderten
Darminhalte besonders reichlich vermehrt hatten. Nachdem meine
Aufmerksamkeit einmal darauf gerichtet war, fand ich gelegentlich
meiner Untersuchungen über Darmbakterien ähnliche Formen in den
Stühlen und dem Darme von an Diarrhöe verstorbenen jungen Katzen.
Ich habe dieselben unter dem Namen Vibrio felinus in der
Münchener mediz. Wochenschrift. 1886. No. 43 beschrieben und ab-
gebildet. Es sind ziemlich plumpe, schraubenartig gewundene Spi-
rillen, die, im hängenden Tropfen untersucht, lebhafte, um die Längs-
achse rotierende Bewegung bei starrer Schraube und ausgesprochenem
Sauerstoffbedürfnis zeigen. Sie finden sich außer in den Stühlen
überaus reichlich in dem der Darmwand anhaftendem Schleimbelage
des Dickdarmes und dringen, wie man an Schnittpräparaten sehen
kann, auch in die Ausführungsgänge der Drüsen sowie in das Innere
von Epithelzellen ein. Im Dünndarme sind sie nur spärlich und im
untersten Abschnitte vorhanden. Ihre Züchtung gelang in Naegeli-
scher Lösung; auf festen Nährböden konnten sie nicht zur Ent-
wickelung gebracht werden.
Größeres Interesse besitzt der häufige, ja fast regelmäßige Befund
von Spirillen in diarrhöischen Ausleerungen von Säuglingen (Münch,
med. Wochenschrift. 1886. No. 46). Sie finden sich darin vorwiegend
in den schleimigen Partieen. Im Vergleiche mit dem Vibrio feli-
nus sind sie viel zarter und schwerer färbbar. Am häufigsten be-
gegnet man der starren, korkzieherartig gewundenen Form mit steilen
Windungen, ähnlich, nur kürzer und kleiner, wie die Zahnspirochäte;
sehr viel seltener (nur 6mal unter 41 positiven Fällen) einer als
Peitschenform bezeichneten, welche eine deutliche Zuspitzung an den
M. Braun, Helminthologische Notizen.
409
Enden und je nach der Bewegungsphase, in der sie fixiert ist, eine
unregelmäßige Krümmung oder Schlängelung aufweisen. Diesem
letzteren Typus scheinen die von Kowalski gesehenen Spirillen
anzugehören. In 17 Fällen wurde der Darmkanal von an Verdauungs-
störungen gestorbenen Kindern untersucht und bei allen (mit Aus-
nahme eines erst 14 Tage alten, an akutem Gastro-intestinalkatarrh
gestorbenen Kindes) die Spirillen in großer Menge in dem Schleim-
belage des Dickdarmes, am reichlichsten im Coecum nachgewiesen.
Im Dünndarme fehlten sie. Sie verhielten sich somit in dieser Be-
ziehung ähnlich dem Vibrio felinus. Kulturversuche mißlangen
gänzlich.
Ueber die Herkunft dieser Spirillen ließ sich nichts Weiteres
eruieren; jedoch kann man hier die Vermutung, daß sie nur zufällig
aus der Mundhöhle eingewanderte Gäste sind, ausschließen, nachdem
Spirochäten in dem zahnlosen Munde des Säuglings
gänzlich fehlen. Sie dürften wohl mit der Nahrung wahrschein-
lich schon sehr früh in den Darmkanal gelangen und dort, wie dies
Kuisl unter Buchner’s Leitung für den Erwachsenen nachgewiesen
(Münch, med. Wochenschrift. 1885. No. 36), als harmlose Schmarotzer
an gewissen Prädilektionsstellen (Coecum) vegetieren. Unter patho-
logischen Verhältnissen, dünnflüssiger Konsistenz der Stühle, katar-
rhalischer oder entzündlicher Reizung der Schleimhaut vermehren sie
sich beträchtlich und erscheinen dann im Stuhle. Zu den Gärungs-
prozessen des Darminhaltes stehen sie in keiner Beziehung.
Graz, 3. März 1894.
Helminthologische Notizen.
Von
M. Braun
in
Königsberg i. Pr.
III. Cysticercus tenuicollis Rud. und C. acanthotrias
Weinl. beim Menschen.
Seit mehr als zwei Jahren mit der Zusammenstellung der Litte-
ratur über Cestoden beschäftigt, bin ich hierbei auf einige über-
sehene Angaben gestossen, die ich bei dem Interesse, das sie bean-
spruchen dürfen, der Vergessenheit entreißen möchte.
Was zuerst den Cysticercus tenuicollis Rud. betrifft, der
bekanntlich in unseren Schafen sehr häufig vorkommt, doch auch bei
zahlreichen anderen Säugetierarten beobachtet ist und den Finnen-
zustand der Taenia marginata Bätsch (aus Hund und Wolf)
darstellt, so ist es bekannt, daß derselbe auf Grund der Angaben
älterer Autoren, z. B. Plate r, Köplin als Parasit auch des Menschen
hingestellt worden ist; aber diese Angaben reichen lange nicht aus,
um dies zur Gewißheit zu erheben. Sicher erschien dagegen eine
410
M. Braun,
Mitteilung von Eschricht(l), dein unter Echinokokken vom
Menschen aus Island auch ein Cysticercus tenuicollis zuge-
sandt war; es ist nicht zu bezweifeln, daß wirklich diese Art vor-
lag, aber es hat sich später durch Krabbe (2) herausgestellt, daß
nur durch einen Irrtum der Cysticercus tenuicollis unter die
vom Menschen stammenden Echinococci geraten war und so war
dieser Fall ganz auszuscheiden.
Nun traf ich ein Citat, aus dem hervorging, daß Dr. Hodges
Cysticercus tenuicollis beim Menschen beobachtet hat;
da die Zeitschrift, in welcher der betreffende Artikel (3) publiziert
war, trotz aller Bemühungen nicht aufzutreiben war, wandte ich mich
an Herrn Prof. Ch. S. Minot in Boston, der mir den Artikel zu-
sandte. Dort wird nun berichtet, daß bei einem Farmer von 49 Jahren
am Axillarrande des rechten M. pectoralis major eine hühnereigroße,
oberflächlich sitzende Geschwulst beobachtet wurde, bei deren Incision
etwas Eiter hervorspritzte und auf leichten Druck eine durchscheinende
Blase „as large as a robin’s egg“ hervortrat. Diese erwies sich, wie
Dr. Ellis konstatierte, als ein Cysticercus und nicht, was man
zuerst vermuten konnte, als Echinococcus.
Prof. Wyman hat diesen Cysticercus nun genauer unter-
sucht; es fanden sich am Kopfe vier Saugnäpfe und zum Teil bereits
dislocierte Haken ; neun solcher hatten noch normale Lage und er-
laubten den Schluß, daß der ganze Ring 16 Haken besaß ; ein kleinerer
Haken repräsentierte den zweiten Hakenkranz. Die Blase selbst
hatte einen Durchmesser von mehr als 3/4 Zoll (mehr als 19 mm)
und war fast kuglig. In Größe und Gestalt glich der vorliegende
Cysticercus dem Cysticercus tenuicollis, ebenso auch
in der Zahl der Haken (32), indessen waren die Haken kleiner, als
bei dieser Art und glichen mehr denen des Cysticercus cellu-
losae, der aber weniger Haken (22—24) besitzt.
Leider wird gerade durch den letzten Hinweis auch dieser
Fall zweifelhaft ; man muß zugeben, daß der vorliegende Cysticercus
durch seine Größe und durch die Zahl der Haken an Cysticercus
tenuicollis erinnert und wenn auch letzterer gewöhnlich im Abdomen
sitzt, so haben wir doch auch Angaben über sein Vorkommen in der
Muskulatur der Schlachttiere, wo er kaum jemals die Größe erreichen
wird, wie in der Leibeshöhle; der Cyst. ovis Cobb. aus der Muskulatur
der Schafe ist nach J. Chatin nur ein kleiner Cysticercus
tenuicollis, der sich, wie festgestellt wurde, in Hunden zu T a e n i a
marginata entwickelt, aber im Menschen sich nicht ansiedelt, was
Chatin an sich selbst probierte. Der Sitz am Musculus pectoralis
würde also nicht gegen die Annahme, daß Wyman Cysticercus
tenuicollis beim Menschen beobachtet hat, sprechen.
Die Zahl der Haken anlangend, so müssen wir berücksichtigen,
daß in dem vorliegenden Falle dieselbe nicht direkt beobachtet,
sondern nur erschlossen ist. Nun unterliegt aber die Zahl der Haken
sowohl bei Cysticercus cellulosae wie bei Cysticercus
tenuicollis nicht unbeträchtlichen Schwankungen; nach sorgfältigen
Zählungen, die Schwarz (4) vor kurzem an 1000 Cyst. cellu-
losae des Schweines ausgeführt hat, schwankt hier die Zahl zwischen
Helmintliologische Notizen.
411
20 (bei 2,8 Proz. der Cysticerken) und 31 (bei 0,1 Proz.); am
häufigsten sind 24 Haken (23,9 Proz.) und 26 Haken (20,5 Proz.).
Bei Cysticercus tenuicollis, von dem 500 Exemplare, von
Schweinen und 500 Exemplare von Schafen stammend, in Bezug auf
Hakenzahl untersucht wurden , liegen die Grenzen zwischen 25
(0,4 Proz.) und 44 (0,2 Proz.), die Mittelzahlen sind 30 (24,1 Proz.),
32 (28,4 Proz.) und 34 Haken (16,6 Proz.); demnach kann also die
Hakenzahl allein nicht die Diagnose sichern.
Die Größe (über 19 mm) und die Gestalt spricht in dem vor-
liegenden Falle allerdings sehr für Cysticercus tenuicollis,
denn Cysticercus cellulosae ist meist länglich und bedeutend
kleiner (6—12 mm lang), aber nach Neumann (5) soll die Schweine-
finne bis 20 mm lang werden können.
Recht schwierig dürfte es auch sein, allein aus der Form der
Haken die Differentialdiagnose zu stellen, denn auch die Masse
der Haken schwanken etwas; im allgemeinen sind die Haken des
Cysticercus cellulosae kleiner und plumper; besondere Unter-
schiede scheinen in den kleinen Haken gegeben zu sein: die von
Cysticercus cellulosae sind in ihrem Hakenteil mehr gestreckt,
die des Cysticercus tenuicollis stark gekrümmt (man vergl. die
Abb. beiLeuckart, Tier. Paras. d. Menschen. II. Aufl. Bd. I. p. 661
u. p. 714). Nun gerade in Bezug auf die Form der Haken erfahren
wir durch Wyman, daß sie kleiner waren, als man sie gewöhnlich
bei Cysticercus tenuicollis findet und daß sie denen von
Cysticercus cellulosae glichen.
Mindestens mit demselben Recht, mit dem man behaupten kann,
es habe Wyman ein Cysticercus tenuicollis Vorgelegen,
kann man auch sagen, die betreffende Finne sei ein abnorm großer
kugliger Cysticercus cellulosae gewesen, der eine abnorm
hohe Hakenzahl besessen hat.
Wie viele andere, so lehrt auch dieser Fall, wie notwendig
eine genauere Beschreibung, eine bessere Ausbeutung desselben
gewesen wäre.
Der Cysticercus acanthotrias ist bekanntlich von Wein-
land zuerst beschrieben worden; er stimmt in Größe und Aussehen
mit dem Cysticercus cellulosae des Menschen überein und ist
auch als solcher von seinem Entdecker Wyman angesehen worden.
Von allen bisher bekannten Cysticerken unterscheidet er sich aber
durch den Besitz eines dreifachen Hakenkranzes, im ganzen
42 — 48 Haken; da nun auch die Haken selbst in Gestalt und Größe
sich von denen des Cy s tice rcus cellulosae unterscheiden, so
hat man Grund genug, eine besondere Art aufzustellen. Die zuge-
hörige Tänie ist unbekannt, doch fühlt man sich — schreibt Leuckart
(1. c. p. 713) — mit Rücksicht auf die Aehnlichkeit mit der gewöhn-
lichen Muskelfinne zu der Annahme geneigt, daß dieselbe (die Tänie)
den menschlichen Darm bewohne und der Taenia solium nicht
fern stehe; natürlich müßte die Finne normalerweise bei Tieren, und
zwar da es sich um einen Cysticercus handelt, bei Säugetieren
Vorkommen.
In der Litteratur finden sich noch zwei, von den meisten nicht
412
M. Braun, Helminthologische Notizen.
gekannte Beobachtungen eines Cysticercus mit 3 Hakenreihen
beim Menschen; der eine stammt von X. Delore (7) und ist sicher1):
einer Seidenarbeiterin (in Lyon) wurde aus dem M. biceps des Ober-
armes ein nußgroßer Cysti cer cus exstirpiert, denBertolus, wie
es scheint, schon als Präparat, zur Untersuchung bekam; leider war,
so schreibt Bertolus (ibidem) war die Präparation nicht ganz ge-
lungen, indessen scheint die Anwesenheit von drei verschiedenen
Hakensorten und die vollkommene Uebereinstimmung der Masse jedes
dieser Organe mit den von Weinland und Leuckart für
Cysticercus acanthotrias gegegenen Zahlen sicher dafür zu
sprechen, daß auch hier diese seltene Species vorlag. DaBertolus
ein zuverlässiger Beobachter war, so ist an der Richtigkeit seiner
Angaben nicht zu zweifeln.
Der andere Fall ist von Cobbold (8) kurz erwähnt; es handelt
sich um einen in Dallinger’s Sammlung befindlichen Cysticercus
aus dem Hirne eines Menschen, der ebenfalls drei verschiedene
Hakensorten besaß und wohl als Cysticercus acanthotrias
zu bezeichnen ist.
Endlich ist ein vierter Fall von R e d o n (9) publiziert, der unter
hundert vom Menschen stammenden Cysticercus cellulosae,
deren Hakenzahl zwischen 28 und 32 schwankte, einen fand, bei
dem er 41 2 ) ganz regelmäßig in drei Reihen angeordnete Haken
zählte.
Es erhebt sich zunächst die Frage, ob diese vier Fälle einander
gleichwertig sind; die einzige Differenz, die man nahmhaft machen
könnte, besteht darin, daß Weinland und Leuckart bei allen
von ihnen untersuchten Exemplaren des amerikanischen Cysticercus
acanthotrias die drei Hakenreihen fanden, während bei Delore
und Cobbold überhaupt nur ein Cysticercus vorlag und bei
Redon unter circa 100 Cysticercus cellulosae einer mit
drei Hakenreihen beobachtet wurde. Aber ich glaube nicht, daß
man hierauf sehr viel Gewicht legen darf; betont doch z. B, Leuckart
(Thier. Paras. d. Menschen. II. Aufl. Bd. I. p. 662), daß an-
scheinend die gleichzeitig nebeneinander sich entwickelnden Schwein-
finnen bald 28, bald 32 Haken besitzen; auch beschrieb vor kurzem
Goltz (10) einen Fall, wo alle (25) in einem Schweine gefundenen
Finnen (Cysticercus cellulosae) keine oder nur rudimentäre
Haken besaßen und ein schwarz pigmentiertes Rosteilum aufwiesen.
In anderen Fällen wiederum treten derartige Abnormitäten nur ganz
isoliert auf. Jedenfalls braucht die oben angegebene Differenz nicht
gegen eine Identifizierung der vier Fälle zu sprechen.
Gleichviel aber, ob man dies annimmt oder nicht, so bleiben
Cysticerken mit drei Hakenreihen äußerste Seltenheiten, die schon
deswegen den Verdacht erregen, Abnormitäten und nicht selbständige
Arten resp. eine solche zu sein. Die zugehörige hypothetische
1) Herr Prof. R. Blanchard in Paris war so liebenswürdig, mir ein Excerpt
des Artikels zu senden.
2) Die Zahl 41 ist auffallend, scheint mir aber nicht gegen die Sicherheit des
Falles zu sprechen, da entweder ein Schreib-, Druck- oder Zäblfehler vorliegen oder
ein Baken verloren gegangen sein kann.
Max Kahane, Ceber das Vorkommen lebender Parasiten etc.
413
Taenia acanthotrias könnte kein kleiner Bandwurm sein, sondern
müßte sich anderen großhakigen Cystotänien in Form und Größe an-
schließen und müßte daher, selbst wenn sie selten wäre, in Europa
oder in Amerika schon gefunden sein; es ist nicht anzunehmen, daß
eine solche Art, wenigstens den Beobachtern in Frankreich und
England, entgangen sei. Daher erscheint es mir so gut wie sicher,
daß in Cysticercus acanthotrias keine besondere Art, sondern
nur eine interessante Abnormität des Cysticercus cellulosae
zu sehen ist, eine Ansicht, die vor mir schon andere Autoren (z. B.
Kedon, Blanchard, Railliet) ausgesprochen haben.
Litteratnr.
1) Eschricht, D. F., Afhandling om de Hydatider der fremkalde den i Island
endemiske Leversyge. (Overs. K. Dansk. Selsk. Forhdlg. 1853. p. 211 — 238.)
2) Krabbe, H., Helminthologiske Undersogelser in Danmark og paa Island. (Vidensk.
Selsk. Skrf., 5 R. naturv. og math. Afd. Bd. VII. 1865. p. 347 — 408. 7 Taf. —
Rech. beim, en Dänemark et en Islande. Copenh. 1866. p. 43.)
3) H o d g e s , Cysticercus tenuicollis in the human body. (The Boston med. and
surg. Journ. Vol. LXXV. No. 9. 27. Sept. 1866. p. 185 — 186.)
4) Schwarz, Zur Unterscheidung des Cysticercus cellulosae von dem Cysticercus
tenuicollis. (Zeitscbr. für Fleisch- und Milchhygiene. Jahrg. III. 1892/93. Heft 5.
p. 89—93. Mit Abb.)
5) Neumann, L. G., Traitd des maladies parasitaires non microbiennes des ani-
maux domestiques. IIe ddit. Paris 1892. p. 646.
6) Weinland, An essay on the tapeworms of man. Cambr. 1858. p. 64. — Beschrei-
bung zweier neuer Tänioiden des Menschen. (Nov. Act. d. k. Leop.- Carol.
Akad. d. Naturf. Bd. XXVIH. 3 Taf.)
7) Delore, X., Cysticercus acanthotrias observ6 chez une jeune fälle. (Compt. rend.
soc. de scienc. med. de Lyon. T. II. 1863. p. 203.)
8) C o b b o 1 d , T. S p., On a rare and remarkable parasite from the Collection of
the Rev. W. Dallinger. (Rep. 40 meet. British assoc. adv. of scienc. 1870/71.
Not. p. 135.)
9) Redon, Experiences sur le döveloppement rubanaire des Cysticerque de l’homme.
(Compt. rend. Ac. sc. Paris. T. LXXXV. 1877. p. 675 — 678. — Gaz. med. de Paris.
48e Ann. 1877. p. 519. — Ann. d. sc. nat. 6 ser. T. VI. 1877. Art. No. 4. —
Arch. vdter. publ. ä l’ecole d’Alfort. T. II. 1877. p. 910 — 912.)
10) Goltz, Ueber Schwarzfärbung des Rostellum und Fehlen des Hakenkranzes bei
Cysticercus cellulosae. (Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. Jahrg. IV. 1893/94-
p. 65 — 67. Mit Abb.)
Königsberg, 12. Februar 1894.
Ueber das Vorkommen lebender Parasiten im Blute
und in Geschwulstzellen bei Carcinomatösen.
[Aus der II. chirurgischen Abteilung (Prof. v. Mosetig-Moorhof)
des Wiener allgemeinen Krankenhauses.]
Vorläufige Mitteilung
von
Dr. Max Kahane.
Auf dem dunklen und an Schwierigkeiten so überreichen Ge-
biete der Pathologie giebt es wohl kaum noch eine Frage, in welcher
414
Max Kahane
die Ansichten so schroff und unvermittelt einander gegenüberstehen,
als dies bei der Pathogenese des Carcinoms der Fall ist. Trotz der
geradezu lavinenartig angewachsenen Litteratur ist es hier noch nicht
gelungen, eine Klärung der Anschauungen zu erzielen. Die Ursache
liegt wohl darin, daß statt der strengsten Objektivität, die hier be-
sonders am Platze wäre, vorgefaßte Meinungen noch allzusehr das
Feld beherrschen.
Während einerseits die Gegner der Lehre vom parasitären Ur-
sprünge der Carcinome — und man findet darunter eine Reihe der
gewichtigsten Namen — von vornherein erklären, daß für diese ätio-
logische Auffassung absolut kein Bedürfnis vorhanden sei und dem-
gemäß die Parasitenfunde als irrtümliche Deutung zelliger Degenerations-
produkte hinstellen und von beklagenswerten Verirrungen sprechen,
sind die Anhänger der Parasitentheorie in das entgegengesetzte Ex-
trem verfallen und stellen — ohne den strikten Beweis für ihre Be-
funde derzeit erbringen zu können — auf Grund eben dieser um-
fassende ätiologische Theorieen über die Pathogenese des Carcinoms
auf, wobei einzelne Forscher Auffassungen vertreten, die im völligen
Widerspruche zu allen Errungenschaften stehen, welche in der Patho-
logie der Neoplasmen als gesicherter Besitz erscheinen. Die
schwankende und unsichere Grundlage, auf welcher gerade die ex-
tremsten Theorieen dieser Art beruhen, machen es den Gegnern dieser
Lehren leicht, die völlige Haltlosigkeit derselben in überzeugendster
Weise darzulegen. Bei diesen Verhältnissen ist es nur zu begreiflich,
daß trotz aller aufgewendeten Mühe und Arbeit ein wirklicher Fort-
schritt nicht erzielt werden konnte. Schwer ins Gewicht fällt hier
auch die zum Nachweise der Parasiten angewendete Methodik. Die
meisten Arbeiten auf diesem Gebiete wurden an gehärteten und ge-
färbten Präparaten durchgeführt. Auf diesem Wege wird es aber
nie und nimmer gelingen, den überzeugenden Nachweis der parasitären
Natur, all der zahllosen, als Sporozoen beschriebenen Gebilde zu er-
bringen. Die pathologische Sporozoenforschung befindet sich eben
noch in den ersten Anfängen und verfügt noch nicht über die exakten
und beweiskräftigen Methoden, die der Bakteriologie zur Verfügung
stehen. Während bei den Spaltpilzen die Ergrüudung ihrer biologischen
Eigenschaften, der Nachweis der lebenden Parasiten mit vollem
Rechte im Vordergründe steht, will man sich auf dem Gebiete der
Sporozoenforschung mit dem sehr prekären morphologischen Nach-
weise begnügen, wobei man außer acht läßt, daß die Protozoen den
Körperzellen resp. ihren Degenerationsprodukten morphologisch viel
ähnlicher sind, als etwa die in dieser Richtung scharf charakteri-
sierten Spaltpilze. An dieser Klippe sind bis jetzt noch sämtliche
Arbeiten, von denen die meisten mit unendlichem Fleiße ausgeführt
wurden, gescheitert. Keine unter ihnen konnte sich die entsprechende
Geltung auf ätiologischem Gebiete verschaffen.
Es ergiebt sich daraus mit voller Klarheit, daß der bisher ein-
geschlagene Weg nicht zum Ziele führen kann. Es ist hier das
erste und wichtigste Postulat, die Parasiten womög-
lich im lebenden Zustande nachzuweisen. Zu diesem
Zwecke ist es unerläßlich, daß frisch dem Körper entnommene
Ueber das Vorkommen lebender Parasiten etc.
415
Flüssigkeiten und Gewebsstückchen überlebend erhalten und sofort
der Untersuchung zugeführt werden. Da für die Sporozoen die
Kulturmethoden, welche in so vollkommener Weise für die Spaltpilze
bereits ausgebildet sind, noch fehlen, so muß man sich bei ihnen mit
einem Kriterium begnügen, welches als Zeichen des Lebens betrach-
tet werden kann, nämlich mit dem Nachweise selbständi-
ger und eigenartiger Bewegungserschein ungen ihres
Protoplasmas. Solange dieser Nachweis nicht überzeugend er-
bracht werden kann, solange ist auch kein weiterer Beweis ätiolo-
gischer Natur zu erbringen. Die erste Aufgabe der Forschung ist
es, nachzuweisen, daß beim Carcinom überhaupt lebende Parasiten
vorhanden sind, erst wenn dieser Beweis erbracht ist, kann
daran gegangen werden, die ätiologische Bedeutung derartiger
Befunde zu erörtern. Diese letzteren Untersuchungen können nur
auf Grund ausgedehntester Beobachtungen durchgeführt werden und
erfordern Leistungen, die vielleicht die Arbeitskraft des einzelnen
Forschers weit übersteigen. Wer auf Grund einiger weniger, mit den
bisherigen Methoden untersuchter Fälle daran geht, die Aetiologie
des Carcinoms ergründen zu wollen, wird nie zum Ziele gelangen
können. Die ganze Frage ist viel zu schwierig und kompliziert, als
daß oberflächliche Beobachtungen etwas anderes als Verwirrung in
sie hineinbringeu können.
Wenn wir nun daran gehen, über eigene Untersuchungen auf
diesem so überaus rätselvollen Gebiete zu berichten, so geschieht
dies nur deshalb, weil einige mit möglichster Berücksichtigung der
vorhin erwähnten Grundsätze erhobene Befunde geeignet sind , die
Aufmerksamkeit auf ein Gebiet zu lenken, das bisher noch nicht im
Vordergründe der Untersuchungen stand.
Es sei gleich hervorgehoben, daß an diese Untersuchungen mit
völliger Unbefangenheit und Vermeidung jeglicher Voreingenommen-
heit im ätiologischen Sinne herangegangen wurde; nur so ließ sich
die Gewinnung verwertbarer Thatsachen erwarten. Mit gleichem
Nachdrucke sei auch bemerkt, daß die Zahl der Untersuchungen eine
noch viel zu geringe ist, als daß nur im entferntesten daran gedacht
werden könnte, Schlüsse entscheidender Art daraus zu ziehen. Es
wurde dabei die Methode befolgt, die aus dem Körper entnommenen
Gewebsstückchen sofort in sterilisierte, physiologische Kochsalzlösung
zu bringen und mit der gleichen Raschheit der mikroskopischen Unter-
suchung zu unterziehen. Bei diesem Vorgehen ließ es sich mit
einiger Berechtigung erwarten, eventuell vorkommende Parasiten
lebend nachzuweisen.
Unsere diesbezüglichen Erwartungen wurden auch in sämt-
lichen bisher durchgeführten Untersuchungen nicht enttäuscht.
Zunächst gelang es, im Blute dieser Gewebsstückchen kleine,
mit äußerst lebhafter Eigen bewe gun g ausgestattete
Körperchen nachzuweisen, welche eine Be w egun gs form
zeigten, wie sie nur durch den Besitz von eigenen
motorischen O r g an e n (G eiß el n u n d W i m p e rn) erklärt
werden kann.
Die Bewegungen dieser glänzenden, im lebenden Zustande un-
416
Max Kahane,
regelmäßig konturierten, amöbiformen Körperchen, die sich als außer-
ordentlich lichtbrechend erwiesen, waren teils enorm schnell ausge-
führte Rotationen, teils direkte segelnde Bewegungen, durch welche
sie rasch aus dem Gesichtsfelde entschwanden. Diese ganz außer-
ordentliche Beweglichkeit war noch — und darauf sei besonders Ge-
wicht gelegt — zu einer Zeit nachweisbar, wo die zeitigen Elemente
des Blutes bereits zu vollständiger Ruhe gelangt waren. Diese
kleinen bewimperten Körperchen cirkulierten teils frei im Blute, teils
umschwärmten sie die roten Blutkörperchen.
Besonders bemerkenswert erscheint uns der Umstand, daß direkt
unter dem Mikroskope beobachtet werden konnte, wie die kleinen
Mikramöben in die roten Blutkörperchen eindrangen und in dem weichen
Plasma derselben noch die tanzende Bewegung eine Zeit lang fortsetzten.
Dabei schien es, als ob das früher kleine, stark lichtbrechende
Körperchen sich mit einer Hülle umgehen hätte und dann größer,
aber viel weniger deutlich erschien, bis schließlich weitere Bewegungs-
erscheinungen nicht mehr nachweisbar waren. Beim Anblick der ab-
gestorbenen Körperchen wird es vollkommen klar, auf welche Weise
das Vorhandensein derselben sich der Beobachtung vollständig ent-
ziehen kann. Es nehmen die Gebilde im abgestorbenen Zustande
einen rundlichen Kontur an und sehen dann den Blutplättchen
in einer Weise ähnlich, daß eine Unterscheidung ein-
fach unmöglich ist. Ebenso konnten wir uns überzeugen, daß
antiseptische Stoffe, besonders aber das Jodoform, eine direkt lähmende
Wirkung auf die beschriebenen Gebilde ausüben und auf diese Weise,
durch Entziehung des wichtigsten Kriteriums, der deutlich ausge-
sprochenen Eigenbewegung, dem Nachweise derselben hinderlich, ja
ihn gänzlich zu vereiteln imstande sind.
Es sei gleich hier eine Beobachtung erwähnt, die gewiß noch der
gründlichsten Nachprüfung bedarf, aber doch eine gewisse Wahr-
scheinlichkeit besitzt. Wir glauben uns nämlich zur Annahme berech-
tigt, daß gerade jene Blutkörperchen, in welche die vor-
hin beschriebenen Gebilde eingedrungen sind, jene
eigentümliche Form der körnigen Nekrobiose zeigen,
vf eiche bereits mehrfach beim Carcinom konstatiert
wurde, während die freigebliebenen Blutkörperchen noch längere
Zeit ihre scheibenförmige Gestalt beibehalten, ohne jene eigentüm-
lichen Granula (meist sind es vier oder fünf) in ihrem Plasma her-
vortreten zu lassen. So wie das frei im Blute sich bewegende Ge-
bilde im abgestorbenen Zustande einem Blutplättchen zum Verwechseln
ähnlich ist, so kann man sich auch überzeugen, daß ein im roten
Blutkörperchen eingeschlossenes Gebilde, wenn es seiner Eigenbewegung
verlustig würde, sich nicht mehr von den infolge der Nekrobiose auf-
getretenen Granulis unterscheiden ließe. Daraus läßt sich wohl er-
sehen, daß beim Fehlen der Bewegungserscheinungen die Gebilde in
ihrer Eigenart der Diagnose unzugänglich werden. Wenn es nicht
gelingt, das Blut eine Zeit lang in überlebendem Zustande zu er-
halten, so ist von vornherein ein negativer Befund zu erwarten.
Das Vorhandensein dieser eigenartigen, an Schwärmsporen
erinnernden Gebilde ließ den Gedanken aufsteigen, ob es sich nicht
Ueber das Vorkommen lebender Parasiten ete.
417
um EntwickeluDgsformen eines Parasiten handle, der mit den bei
der Febris intermittens nachgewiesenen Lebewesen einige Aehnlich-
keit besitzt. Es handelte sieb also darum, nachzuforscben, ob Gebilde
vorhanden seien, die mit den bei der Malaria beschriebenen Plasmodien
eine Aehnlichkeit besitzen.
Es gelang nun thatsächlich, plasmodienartige Gebilde morpho-
logisch mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit im
Blute nachzuweisen. Nachdem es aber ein für allemal im Plane
unserer Arbeit lag, nur biologische Beweise als bindend anzu-
sehen, und zwar in erster Linie charakteristische Bewegungserscheinungen,
so konnte der morphologische Nachweis nicht für sich allein aner-
kannt werden, um so mehr, als es uns genau bekannt ist, daß gerade
hier die gewaltigsten Irrtümer und Täuschungen nur allzu leicht bei
Außerachtlassung der nötigen Vorsicht Vorkommen können. Obwohl
uns nun auch bei diesen Plasmodien mehrfach der direkte Nachweis
eigenartiger amöbiformer Bewegungsphänomene gelungen ist und die
Beobachtungen stets unter Kontrolle stattfanden, so erscheinen uns
die diesbezüglichen Beobachtungen noch nicht zahlreich und sicher
genug, um bezüglich der Plasmodiennatur dieser Gebilde etwas
Sicheres auszusprechen. Es machte uns den Eindruck, als ob gerade
die letzterwähnten Formen sehr schnell absterben und nur bei einzelnen
Exemplaren Bewegungsphänomene durch längere Zeit nachweisbar
sind. Solche Phänomene wurden einmal von uns in überraschender
Schönheit beobachtet, indem in deutlichster Weise gesehen werden
konnte, daß ein derartiges Plasmodium mit seinen windmühlenflügel-
artigen Fortsätzen eine benachbarte Geschwulstzelle gleichsam
peitschte und in steter Unruhe erhielt. Die Beobachtung konnte
lange genug fortgesetzt werden, um eine Täuschung mit nahezu ab-
soluter Gewißheit auszuschließen. Um noch weitere Anhaltspunkte
zu gewinnen, wurde die vitale Methylenblaufärbung (mit Kochsalz-
lösung nach Rosin) vorgenommen. Es zeigte sich dabei, daß die
plasmodienartigen Gebilde sich mit Methylenblau färbten und deutlich
in ihrem Innern stärker blau gefärbte Gebilde erkennen ließen,
ebenso färbten sich auch die schwärmsporenartigen Gebilde deutlich
und intensiv mit dem Farbstoffe. All die angeführten Kriterien, so
sehr sie auch das Vorhandensein von Plasmodien wahrscheinlich
machen, genügen uns noch nicht, um Sicheres über die Natur der
Gebilde auszusprechen. Es handelt sich um Beobachtungen, die noch
zahlreiche, überaus sorgfältige Nachuntersuchungen erfordern und bei
denen auch jeder Schein einer Täuschuug ausgeschlossen werden muß.
Trotz aller gebotenen Reserve konnten wir uns des Eindruckes
nicht erwehren, die Lebenserscheinungen eines Parasiten
vorunszu sehen, welcher mit den bei der Febris inter-
mittens beobachteten Parasiten morphologisch und bio-
logisch eine gewisse Analogie besitzt. Weitere eingehende Beobach-
tungen sollen nun lehren, wie weit diese Analogie geht. Neben den
Analogieen zeigen sich aber auch deutliche Unterschiede. So z. B.
gelang es uns nicht, Pigment im Blute nachzuweisen, ebenso — worauf
wir besonderes Gewicht legen — schienen die plasmodienartigen Ge-
bilde im Blute der Carcinomatösen viel mehr außerhalb als innerhalb
418
Max Kahane, Ueber das Vorkommen lebender Parasiten etc.
der roten Blutkörperchen zu liegen. Doch all diese Fragen sind noch
lange nicht spruchreif.
Zum Schlüsse seien noch die in den Geschwulstzellen selbst bei
Untersuchung im frischen Zustande nachgewiesenen Einschlüsse er-
wähnt. Dieselben erwiesen sich zum Teil als ebensolche kleine, stark
lichtbrechende, teils rundlich, teils unregelmäßig geformte Körperchen,
an denen wiederholt Erscheinungen selbständiger Bewegung nach-
gewiesen werden konnten. Doch auch hier wollen wir noch weit-
reichenden Schlüssen vorsichtig aus dem Wege gehen, wenn auch sich
der Gedanke gebieterisch aufdrängte, daß die in den Geschwulstzellen
nachweisbaren Einschlüsse wenigstens teilweise identisch sind mit den
im Blute — außerhalb und innerhalb der roten Blutkörperchen —
beobachteten schwärmsporenartigen Gebilden. Auch gaben diese Ein-
schlüsse bei der Ros in’ sehen Methode lebhafte Färbung mit Me-
thylenblau.
So viel über die mikroskopischen Befunde. Obwohl die Zahl der
Beobachtungen viel zu gering ist, Schlüsse irgendwelcher Art daraus
zu ziehen, so seien dieselben wegen der Koustanz der Befunde und
wegen des Nachweises charakteristischer Bewegungserscheinungen
wenigstens vorläufig mitgeteilt. Zur Ergänzung sei noch hervor-
gehoben, daß die Gewebsstückchen, resp. das untersuchte Blut aus
oberflächlich sitzenden Epitheliomen (Gesicht, Praeputium, Cervix)
stammten und wir daher stets auch die Möglichkeit — namentlich
bei den letzterwähnten Fällen — ins Auge faßten, daß es sich an
diesen Orten, welche auch im gesunden Zustande der Sitz zahlreicher
Parasiten sind, auch um rein accidentelle Befunde handeln könnte.
Gegen letztere Auffassung würde allerdings der Umstand sprechen,
daß es uns in einem Falle von Cervixcarcinom gelang, in dem der
Fingerbeere entnommenen Blute jene mit den charakteristischen Be-
wegungsphänomenen ausgestatteten Gebilde nachzuweisen. Ganz der
gleiche Befund ließ sich in einem Carcinome der Gallenblase erheben1).
Sollte es aber andererseits gelingen, die Realität und Konstanz
der von uns erhobenen Befunde nachzuweisen, wozu zahlreiche, aus-
gedehnte Nachprüfungen unbedingt notwendig sind, so wäre vielleicht
darin ein Weg gefunden, auf welchem ein Verständnis der Pathogenese
des Carcinoms wenigstens angebahnt werden könnte. In diesem Falle
würde der Nachweis eines dem Malariaparasiten analogen Gebildes
vielleicht zur Erklärung der Carcinomanämie, des erdfahlen
Kolorites u. s. w. eher herangezogen werden können, als die hypo-
thetischen Toxine. Da wir durch morphologische Untersuchungen,
die neben den hier vorläufig mitgeteilten Ergebnissen den Gegenstand
einer ausführlichen Arbeit bilden sollen, zur Ansicht gelangt sind, daß
den roten Blutkörperchen bei der Carcinomentwickelung eine größere
Bedeutung zukommt, als ihnen bisher zugeschrieben wird, daß nament-
lich in jedem Carcinome lebhafte Auswanderungs- und Zerstörungs-
vorgänge der Erythrocyten (letzteres namentlich durch Aufnahme der
1) Zusatz bei der Korrektur: Weitere Blutuntersuahungen unter streng
aseptischen Maßnahmen zeigten — wenn auch nicht mit absoluter Konstanz — prote-
zoen- und plasmodienähnliche Gebilde im cirkulierenden Blute.
W. Kruse, Eine allgemein anwendbare Verbesserung des Plattenverfahrens. 419
roten Blutkörperchen in die wuchernden Epithelzellen, welch letztere
zweifellos, trotz aller vagen Theorieen, das Wesentliche des Carcinoms
ausinachen) stattfinden, so hat sich uns mehr und mehr die Ansicht
aufgedrängt, daß dem Blute beim Studium der Pathoge-
nese des Carcinoms eine überaus große Wichtigkeit
zukommt und daß von hier aus noch entscheidungs-
schwere Ergebnisse zu erwarten sind.
Zum Schlüsse erübrigt es nur noch, meinem hochverehrten Lehrer,
Herrn Prof. v. Mos etig- Moor hof, für die mir nach jeder Rich-
tung hin gewährte Unterstützung meinen tiefgefühltesten und
wärmsten Dank auszusprechen.
Wien, den 27. Februar 1894.
Eine allgemein anwendbare Verbesserung des Platten-
verfahrens.
Von
Dr. W. Kruse,
Privatdozenten für Hygiene und Assistent des hygienischen Instituts in Bonn.
Jeder Bakteriologe kennt den Unterschied zwischen den ober-
flächlichen und den tiefliegenden Kolonieen der Bakterien auf Gelatine-
oder Agarplatten. Die ersteren sind meist größer, schneller entwickelt,
charakteristischer, als die letzteren. Es liegt das einerseits an dem
Sauerstoffbedürfnisse der Bakterien, andererseits an dem geringeren
Wachstumswiderstande, den dieselben an der Oberfläche des Nährbodens
finden.
Auf den Platten bilden, wenn sie nach der gewöhnlichen Vor-
schrift angefertigt werden, die oberflächlichen Kolonieen eine geringe
Minderheit. Die große Mehrzahl der Bakterienindividuen bleibt natur-
gemäß in der Gelatine eingeschlossen und entwickelt sich meist nur
langsam zu relativ kleinen, meist wenig charakteristischen, oft über-
einandergelagerten und deswegen schwer isolierbaren Herden. Dieser
Umstand hat immer wieder die Neigung begünstigt, statt der Platten
in Reagenzröhren schräg erstarrte Nährböden zu benutzen, auf deren
Oberfläche man das zu untersuchende Material einfach ausstreicht.
Wer diese Methode angewandt hat, kennt ihre Nachteile. Sie beruhen
hauptsächlich darauf, daß mau nicht imstande ist, die einzelnen Ko-
lonieen so bequem zu diagnostizieren und so leicht zu isolieren, wie
auf der Platte. Neuerdings hat man deswegen begonnen — die Be-
schäftigung mit der Cholera scheint dazu der Anlaß gewesen zu sein
— das bakterienhaltige Urmaterial nicht auf schrägen Flächen, sondern
auf fertig gegossenen Platten mit Hilfe der Platinöse auszubreiten
(vgl. Koch, Zeitschr. f. Hyg. Bd. XIV. p. 331). Der Fortschritt ist
unleugbar, aber in praxi nicht genügend. Er bedeutet übrigens nur
ein Zurückgehen auf eine alte Methode; wie man weiß, bestand das
erste Koch’sche Verfahren der Reinkultur darin, daß man mit dem
Platindrahte Strichkulturen auf Gelatine anlegte. Viel sicherer, spar-
420 W. Kruse, Eine allgemein anwendbare Verbesserung des Plattenverfahrens.
samer und zugleich bequemer ist ein Verfahren, auf das ich verfallen
bin, als ich mich in Breslau mit der Frage nach dem Nachweise der
Typhusbacillen im Wasser beschäftigte. Bekanntlich sind nur
die oberflächlichen Kolonieen dieser letzteren auf Gelatine besonders
charakteristisch. Es handelte sich also darum, möglichst alle etwa im
Wasser vorhandenen Typhuskeime auf der Oberfläche der Gelatine zum
Wachstum zu bringen. Nach einigen vergeblichen Versuchen, das zu
untersuchende Wasser gleichmäßig auf der Platte zu verteilen, kam
ich darauf, Pinsel dazu zu benutzen. Mit Hilfe derselben kann man
die ganze Gelatinefläche mit einer gleichmäßigen und doch nicht über-
mäßigen Schicht Wasser benetzen. Einige der üblichen Platten ge-
nügen zur Aufnahme eines Kubikcentimeters Wasser. Benutzt man
umfangreichere Platten (Doppelschalen), so ist der Vorteil um so
bedeutender, weil man mit Leichtigkeit größere Wassermengen ver-
arbeiten kann.
Man könnte wohl von vornherein annehmen, daß die rasch wach-
senden und die Gelatine verflüssigenden Saprophyten des Wassers
die etwa vorhandenen Typhusbacillen unterdrücken würden, es ist
das nicht der Fall, die Typhuskeime entwickeln sich unter den ge-
nannten Umständen ebenfalls außerordentlich schnell, schon nach
24 Stunden Aufenthalt bei 22 0 sind ihre Kolonieen deutlich als solche
zu erkennen.
Diese Pinselmethode habe ich weiterhin in Breslau noch für den
Nachweis von Diphtheriebacillen und hier in Bonn für den der
Influenzabacillen und Streptokokken vielfach erprobt; sie
ist den bisherigen Verfahren bei weitem überlegen. Sehr zweckdienlich
sind die gewöhnlichen Tuschpinsel, von denen man verschiedene Größen
benutzen kann. Dieselben lassen sich mit Leichtigkeit im Dampf-
kochtopfe sterilisieren. Die richtige Verteilung der Kolonieen auf
den Platten erzielt man entweder dadurch, daß man mehr oder
weniger Material mit dem Pinsel aufnimmt oder dasselbe vorher mit
sterilem Wasser oder Bouillon verdünnt. Auch bekommt man schon
dadurch beliebige Verdünnungen, daß man denselben Pinsel hinter-
einander auf verschiedene Platten ausstreicht. Bei der Anfertigung
der Platten kann man am Nährboden sparen, indem man nur ganz
dünne Schichten ausgießt. Beim Ausgießen der Agarplatten hat man
die Vorsicht zu beachten, daß man das Auftreten von Kondenswasser
beim Erstarren verhütet. Je nach dem Wassergehalte des Agars
führen verschiedene Methoden zum Ziele. Entweder man gießt das
am Boden des Reagenzröhrchens ausgepreßte Wasser vor der Ver-
flüssigung des Agars weg, oder man läßt die frisch gegossenen Platten
eine Zeit lang offen stehen, oder man entfernt das auf dem Deckel
der Doppelschale auftretende Kondenswasser, sobald es sich ge-
bildet hat.
Gleich anwendbar bleibt mein Verfahren, wenn bestimmt modifizierte
Nährböden benutzt werden müssen. Zur Kultur der Influenza-
bacillen trägt man auf die fertigen Agarplatten vor der Impfung
ebenfalls mit Hilfe eines Pinsels steril aufgefangenes Blut (einer
Taube, eines Menschen) auf. Zur Erleichterung der Isolierung von
Diphtheriebacillen wendet man statt des Agars Loeffl er’sche
G. Wolffhügel, Zur Frage der Gelatinebereitung.
421
Serummischung an, die man in Doppelschalen erstarren läßt. Aehn-
liches dürfte für die Züchtung der Gonokokken gelten.
Auch auf Anaeroben läßt sich die Methode anwenden, wenn man
die Kultur in einer Wasserstoffatmosphäre vor sich gehen läßt.
Im allgemeinen möchte ich behaupten, daß das bisherige Platten-
verfahren durch meine Modifikation stets und mit großem Vorteil er-
setzt werden kann. In gewissen Fällen ist der letztere freilich nicht
so groß, wie in den oben angeführten, z. B. gilt für die Cholerabacillen
der Satz, daß dieselben auch in der Tiefe der Gelatine ganz cha-
rakteristische Kolonieen bilden und daher auch nach der gewöhn-
lichen Methode leicht diagnostiziert werden können. Bei Anwendung
von Agarplatten hat aber meine Methode auch für die Cholera-
diagnose Vorteile voraus.
Zur Frage der Gelatinebereitung,
Von
Prof. Dr. G. Wolffhügel.
Herr Timpe versucht in einer Erwiderung vom 5. Februar d. Js.
(No. 10/11 dieser Zeitschrift) den ihm von mir gemachten Vorwurf *)
zu entkräften, — mich hat er dadurch eines besseren nicht belehrt.
Ich bleibe dabei, daß Herr Timpe widerrechtlich gehandelt und
eines Vertrauensmißbrauches damit sich schuldig gemacht hat, daß
er in dem auf die Gelatinebereitung bezüglichen Teile seiner Abhand-
lung die mit mir erarbeiteten Versuchsergebnisse entgegen der Ver-
einbarung für seine Person als geistiges Eigentum ausnützt ; ich tadele
es nach wie vor, daß Herr Timpe nicht wenigstens den Entstehungs-
ort genannt hat, obwohl er zu einer bezüglichen Angabe sich schon
durch den in Universitätsinstituten bestehenden Brauch hätte ver-
pflichtet fühlen müssen.
Wenn ich die Dissertation als Gegenstück mit in Erörterung
gezogen habe, so ist dies in der Voraussicht geschehen, daß Herr
Timpe unberechtigter Weise einen Zusammenhang mit dieser für das
Verfahren der Gelatinebereitung in Anspruch zu nehmen sich ver-
messen würde. Im Jahre 1891 war Herr Timpe nach Ausweis
unserer Aufzeichnungen in den Monaten Mai, Juni, Juli im Institute
thätig, und zwar die ersten l*/8 Monate als Privatassistent verwendet,
die übrige Zeit ausschließlich mit seiner Doktorarbeit beschäftigt.
Für letztere hatte derselbe in einer Reihe von teilweise noch un-
vollendeten Milchaschen-Analyseu einiges Material aus Leipzig mitge-
bracht, welches er (wie uns die Dissertation selbst auf S. 28 bekennt)
ursprünglich zu einem anderen Zwecke ermittelt hatte. Dieses er-
wies sich bald als kaum verwendbar und im besten Falle nur zur
Staffage geeignet, was mir, ich darf gestehen, nicht unangenehm war,
weil ich selbstredend mich ungern darauf einlasse, daß Arbeiten, die
1) Vergl. Centralblatt für Bakteriologie etc. Bd. XV. 1894. No. 5/6.
XV. Bd. 27
422
G. Wolffhügel,
in anderen Instituten angefangen sind, bei uns zu Ende geführt
werden. Herr Timpe bekam zur Doktorarbeit, die er leider erst
später im Laboratorium der C. Bolle’schen Meierei in Berlin zum
Abschluß bringen konnte, nicht nur das Thema, vielmehr auch Unter-
stützung mit Rat und That, sowie Beihilfe bei der Redaktion, wie
dies nachstehender beglaubigter Auszug aus dem Briefwechsel so ganz
im Widerspruche mit der vorliegenden Erklärung nachweist ').
1. H. Timpe an Prof. Wolffhügel. Berlin, den 29. August 1891.
„Vor allem muß ich Sie herzlich um Entschuldigung
bitteu, daß ich Ihnen nicht schon früher nochmals meinen Dank für all
Ihre Liebenswürdigkeit gesagt habe, gedacht habe ich aber täglich daran
und bedaure immer mehr, daß es mir nicht vergönnt war, länger unter
Ihrer Leitung arbeiten zu dürfen. Was ich in der kurzen Zeit gelernt
habe, bemerke ich erst heute, wo ich auf mich selbst angewiesen
bin.“
2. H. Timpe an Prof. Wolffhügel. Berlin, den 17. Januar 1892.
„Ich erlaube mir ergebenst, Ihnen beifolgend die Arbeit
zu übersenden, welche mir seit zwei Jahren soviel Schmerzen verursacht
hat. Ich bin überzeugt, daß, wenn ich nicht durch Ihre liebenswürdige
Fürsorge zu diesem Thema gekommen wäre, die Sache wohl noch auf
demselben Fleck stände, wie vor einem Jahre. Ich möchte Ihnen des-
halb nochmals meinen herzlichsten Dank aussprechen. Leider hat sich
die Beendigung der Arbeit bis jetzt verzögert, aber doch ohne mein Ver-
schulden, denn nachdem ich das in Göttingen gesammelte Material zu
verarbeiten gedachte, ergaben sich so viele dunkle Punkte und Fragen,
deren Beantwortung unerläßlich war.“
„Es ist daher mein Wunsch, daß die Arbeit in der vor-
liegenden Form genügen möge, um daraufhin das Examen machen zu
können. Ehe ich dieselbe aber in die Reinschrift übertrage, möchte
ich sie gern Ihrem Urteil unterbreitet haben, und bitte ich Sie daher
herzlich, falls es Ihre Zeit erlaubt, dieselbe auf ihren Wert zu prüfeu,
damit ich eventuell noch AenderuDgen treffen kann.“
3. H. Timpe an Prof. Wolffhügel. Berlin, den 5. März 1892.
„Für Ihre liebenswürdigen Ratschläge, sowie die Ueber-
sendung des Heftes sage ich Ihnen meinen herzlichsten Dank, und hoffe
ich, daß die Arbeit in ihrer neuen Fassung Ihren Anforderungen besser
genügen wird. Die Aenderungen bezieheu sich auf eine bessere An-
ordnung des Stoffes, größere Uebersichtlichkeit, kleine Zusätze und end-
lich auch eine andere Einleitung.“
Soviel nur aus dem Briefwechsel, welcher reichlich Belege dafür
enthält, daß das Gedächtnis Herrn Timpe im Stiche läßt und daß
dessen hohes Selbstbewußtsein erst neueren Datums ist.
Die Frage, ob nicht das Institut als Entstehungsort der Disser-
tation hätte mit genannt werden sollen, hatte ich einmal hinterher,
nach Fertigstellen des Druckes, Herrh Timpe gegenüber zur Sprache
gebracht und daraufhin das Geständnis erhalten, daß nichts anderes
als Examensrücksichten ihn zur ausschließlichen Nennung der land-
1) Hat uns zur Einsichtnahme Vorgelegen. Red.
Zur Frage der Gelatinebereitung.
423
wirtschaftlichen Institute zu Göttingen und Leipzig bestimmt haben.
Jetzt will es mich aber bedünken, daß Herr Timpe unsere Mit-
wirkung verschwiegen hat, um später das neue Verfahren der Gelatine-
bereitung um so leichter für sich allein als geistiges Eigentum in
Anspruch nehmen zu können. Da ich die Doktorarbeit im Manuskript
wiederholt gelesen, wußte ich wohl, daß Herr Timpe unser Institut
nicht nennen wollte, — damit wird aber auch die Unterstellung hin-
fällig, daß ich an der Aufnahme in das Archiv für Hygiene ein per-
sönliches Interesse gehabt. Allerdings habe ich dazu beigetragen,
daß diese Abhandlung von einer hygienischen Zeitschrift angenommen
wurde, jedoch bin ich hierin auf besonderen Wunsch des Herrn Timpe
vorgegangen, welchem (wie uns auch der Briefwechsel mit dem Ver-
leger vom 14./17. Dezember 1892 nachweisen kann) für die Wahl
der Zeitschrift die Frage maßgebend war, wo man am billigsten zum
Druck der Dissertation kommen könnte.
Herr Timpe versucht sein Vorgehen hinsichtlich Veröffentlichung
von Vorschlägen für die Gelatinebereitung mit der Behauptung zu
rechtfertigen, daß er das Verfahren zur Neutralisation der Nähr-
gelatine zu einer Zeit erdacht habe, wo er nicht mit mir in Bezie-
hung stand. Meines Wissens und von Zeugen mir bestätigt ist aber
der Grund zu dem Verfahren im Sommer 1891 durch einen wieder-
holten Meinungsaustausch1), an welchem u. a. auch der Assistent
des Institutes, Herr Dr. Reiche nbach, lebhaften Anteil genommen
hat, gelegt worden, — also gerade zu der Zeit, welcher Herr Timpe
in dem oben unter 1 erwähnten Briefe gedenkt. Aber selbst wenn
Herr Timpe erst später (dies müßte denn bei C. Bolle in Berlin
oder Dr. Weigmann in Kiel gewesen sein) auf den von ihm selbst
als naheliegend anerkannten Gedanken gekommen wäre und diesen
beim Wiedereintritt im Jahre 1892 mitgebracht hätte, so folgt hieraus
nicht die Berechtigung, das Verfahren der Gelatinebereitung als das
seinige voll in Anspruch zu nehmen, weil doch letzteres unter Mit-
wirkung von Anderen, namentlich auch Herrn Dr. Reichenbach,
bei uns erst ausgearbeitet und durch lange Versuchsreihen begründet
worden ist. Uebrigens muß Herr Timpe beim Niederschreiben
seiner Veröffentlichung (Centralblatt. Bd. XIV. 1893. No. 25) doch
selbst das Gefühl gehabt haben, daß er nicht zur Mitteilung des bei
uns gebräuchlichen und unter seiner Mitwirkung entstandenen Ver-
fahrens berechtigt war, — wie sonst wäre er zu einer anscheinend
nur am Schreibtisch entstandenen Abänderung (vergl. meine Be-
merkung in Fußnote auf p. 168. No. 5/6) gekommen? Warum ver-
sucht Herr Timpe nicht dem Angriffe damit die Spitze abzubrechen,
daß er verrät, in welchem Laboratorium (für Milchwirtschaft oder
Lebensmittelkontrolle?) von ihm die neue Nährgelatine nach unserer
Methode an alten Cholerakulturen geprüft worden ist?
Durch vorstehende Darstellung des Sachverhaltes sind im wesent-
lichen die Behauptungen des Herrn Timpe an der Hand von un-
widerleglichen Belegen — zum Teil aus seinen eigenen Briefen, die
1) Besprechungen, welche Herrn Timpe auch für seine Doktorarbeit zu statten
gekommen sind.
27*
424
Thermogene Bakterien.
ich schon am 31. Dezember v. J. den Herausgebern dieser Zeit-
schrift zur Einsichtnahme vorgelegt habe1) und gern auch Anderen
vorzulegeu bereit bin, — als hinfällig zurückgewiesen.
Da ich die Eigenart des Herrn Timpe, wenn auch leider
später als Andere, kennen gelernt habe, darf ich es seiner Neigung
zu Mißtrauen zu gute halten, wenn er mir die Erlaubnis, Versuche
über Fettbestimmung als seine Privatarbeit neben den von mir ge-
stellten Arbeitsaufgaben fortführen zu dürfen, so deutet, als hätte ich
damit meinen und nicht eben seinen Vorteil im Auge gehabt. Was
aber Herr Timpe mit dem Hinweis darauf, daß es anderen Herren
bei mir ähnlich ergangen sei, sagen will, verstehe ich nicht. Ich
kann darin nur eine auf Verleumdung beruhende Gegenbeschuldigung
erblicken.
Göttin gen, den 10. März 1894.
Referate.
Cohn, F., Ueber thermogene Bakterien. (Ber. d. Deutsch.
Bot. Ges. 1893. Generalversammluugsheft. p. 66.)
Bekanntlich ist für die Praxis die Frage sehr wichtig, in welcher
Weise die Selbsterbitzung und sogar Selbstentzündung gewisser Waren,
wie Malz, Tabak, Heu, Baumwolle etc. vor sich geht. Schon früher
wurde die Ansicht ausgesprochen, daß die Temperaturerhöhung aus-
schließlich von der Lebensthätigkeit der Bakterien abhängig sei.
Verf. kann dies durch seine Versuche vollauf bestätigen.
An trockener sowie feuchter Baumwolle ließ sich in einem eigens
dazu konstruierten Kasten, den er Thermophor nennt, keinerlei
Temperaturerhöhung, selbst nach längerer Zeit, nachweisen. Ebenso
waren Versuche mit gefetteter Baumwolle völlig ergebnislos, obgleich
in der Praxis gerade die entgegengesetzte Ansicht herrscht.
Waren nun die bisherigen Versuche resultatlos, so gelang es
dagegen leicht, eine bedeutende Erhitzung bei Baumwollabfällen, die
nach der Reinigung der Wolle durch die Maschine Zurückbleiben,
unter vorhergehender Befeuchtung im Thermophor zu beobachten.
Die Untersuchung ergab als Erreger der Erhitzung eine Micrococcus-
art, die Trimethylamin bildet. Da bei der Fermentation der
Baumwolle ein lebhafter Verbrauch von Sauerstoff und Erzeugung
von Kohlensäure stattfindet, und zwar proportional mit der Erhöhung
der Temperatur, so ist der Schluß berechtigt, daß der ganze Prozeß
bedingt ist durch die Atmung der aeroben Bakterien.
Diese Eigenschaft der Abfälle, sich angefeuchtet zu erhitzen, ist
bereits praktisch in Verwendung und hierdurch wurde auch Verf.
zuerst auf die Thatsache aufmerksam gemacht. In Augsburg näm-
lich werden in den Gewächshäusern lange Kästen mit den Abfällen
1) Wird bestätigt. Red.
, Milchsäuregärung.
425
gefüllt und die Blumentöpfe hineingestellt. Sobald jetzt die Wolle
besprengt wird, tritt Erwärmung ein, welche mehrere Tage langsam
ansteigt, um dann allmählich zu fallen. Lindau (Berlin).
Timpe, Hermann, Ueber die Beziehungen der Phosphate
und des Kaseins zur Milchsäuregärung. (Archiv für
Hygiene. Bd. XVIII. 1893. Heft 1.)
Die Beobachtung, daß Milchsäurebakterien in eiweißfreien Zucker-
lösungen nur äußerst geringe Mengen von Milchsäure zu bilden ver-
mögen, während in der Milch nach Rieh et (Compt. rend. T. LXXXVI.
1878) bis zu 1,6 Proz., nach Hueppe (Mitteil. a. d. kais. Ges.-A. H.
1884) 0,8 Proz. Säure gebildet werden, wurde bislang allgemein dahin
erklärt, daß Eiweiß und Phosphorsäure, als notwendige Nahrungs-
mittel, die Mikroorganismen zu einer um so kräftigeren Ausübung
ihrer Funktionen ermunterten, je mehr von den genannten Substanzen
vorhanden war.
Kabrhel (Allgem. Wiener med. Ztg. 1889. No. 52 u. 53) hat
zuerst die Vermutung ausgesprochen, daß das Kasein bei der Milch-
säuregärung als Neutralisationsmittel für die gebildete Säure diene,
weil derselbe die Beobachtung gemacht hatte, daß Mikroorganismen,
die in salzsauerer Lösung von bestimmter Konzentration vernichtet
wurden, weit weniger alteriert wurden, wenn zugleich Eiweißkörper
zugegen waren, und weil außerdem die Thatsache bekannt ist, daß
Säure bildende Bakterien, welche bei bestimmter Konzentration der
von ihnen gebildeten Stoffwechselprodukte zu Grunde gehen, bei An-
wesenheit genügender Mengen von Substanz ihre Funktionen stets
weiter auszuüben vermögen, solange für eine geeignete Neutralisation
der gebildeten Säure gesorgt ist.
Durch Versuche wurde nun in der vorliegenden Arbeit fest-
gestellt, daß in reiner Milchzuckerlösung nur 0,04 Proz. Milchsäure
gebildet werden, während bei Gegenwart von Dinatriumphosphat
genau so viel Säure gebildet wird, daß in der Lösung alles Phosphat
als sauer reagierendes Monophosphat und ein Ueberschuß von
0,04 Proz. freier Säure vorhanden ist. Da auf Phenolphtaleiu das
Diphosphat neutral, das Monophosphat aber sauer reagiert, so wurde
mit Hilfe dieses Indikators die Zunahme der Acidität, welche der
gebildeten Säure entspricht, bestimmt.
Ebenso wurden die entsprechenden Versuche angestellt mit Milch-
zuckerlösungen, welche wechselnde Mengen chemisch reines Kasein
enthielten. Auch hier bildeten die Milchsäurebakterien eine be-
stimmte Säuremenge, welche direkt proportional der absoluten Menge
des Kaseins, nicht aber abhängig war von der prozentischen Kase'in-
menge.
Durch diese Versuche ist festgestellt, daß 100 Teile Kasein
8,42 Teile Milchsäure zu binden imstande sind, und da bereits früher
durch Söldner (Landw- Versuchsstat. XXXV. 1888) gezeigt war,
daß das Kasein sich mit der der genannten Säuremenge äquivalenten
Menge Alkali (2,36 Teile CaO in maximo) chemisch verbindet, so ist
damit die Doppelnatur des Kaseins, d. h. dessen Fähigkeit erwiesen,
zugleich als Neutralisationsmittel für Säuren und Basen zu dienen.
426
Citronensäuregärung(
Bei der Milchsäuregärung dient das Kasein ebenso wie die
Diphosphate als Neutralisationsmittel für die gebildete Säure, und
geht das Wachstum der betreffenden Mikroorganismen nur so weit,
bis das gesamte Kasein in seiner Verbindung mit Säure und die
Phosphorsäure als Monophosphat vorhanden ist.
Die gleiche Eigenschaft, sich mit Säuren chemisch zu verbinden
und so als Neutralisationsmittel bei der Milchsäuregärung zu dienen,
wurde auch für das Pepton und die Leimsubstanz erwiesen.
Aus diesen Resultaten ergiebt sich im Verein mit dem bereits
früher bekannten chemischen Verhalten der entsprechenden Körper
für die Milchsäuregärung das Folgende:
Die Acidität der frischen Milch (18—30 ccm 1/10 N. auf 100),
welche zum Teil durch Monophosphate, zum Teil durch das Kasein
bedingt ist, muß bei der Milchsäuregärung, entsprechend dem Gehalte
an Kasein und Phosphorsäure, auf rund 90 ccm 1/10 N. ansteigen.
Die gebildete Milchsäure, welche der Differenz aus der durch
Titration, unter Anwendung von Phenolphtale'in als Indicator be-
stimmten End- und Anfangsacidität entspricht, ist im Mittel gleich
0,6 Proz., d. h. genau so viel, als auf Grund der obigen Angaben
vorher berechnet werden konnte.
Wollte man aber irrtümlich anstatt der Zunahme der Acidität
den gesamten Säuregrad der Milch, d. h. 90 ccm x/lö N. auf Milch-
säure berechnen, so erhält man allerdings die von Hueppe an-
gegebene Zahl 0,8 Proz.
Im Anschluß hieran wurde noch die von Rieh et zuerst ge-
machte und von Hueppe bestätigte Beobachtung, wonach in ge-
kochter Milch bis zu 0,3 Proz. Säure weniger gebildet werden, als in
ungekochter, dahin erklärt, daß beim Kochen der Milch Tricalcium-
phosphat gefällt wird, wodurch 2/3 des Kalkgehaltes der Milch, d. h.
durchschnittlich 0,1 g CaO als Neutralisationsmittel für die gebildete
Säure verloren gehen. Diese 0,1 g CaO entsprechen aber 0,32 g
Milchsäure, also so viel, als die Genannten angeben.
Zum Schlüsse wird noch durch eine Reihe von Versuchen ge-
zeigt, daß die Dauer bis zur Gerinnung der Milch unter sonst
gleichen Umständen abhängig ist von der Menge der vorhandenen
Neutralisationsmittel. Timpe (Göttingen).
TFehmer, C., UeberCitronensäuregärung. (Sitzungsberichte
der KöDigl. Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin.
Gesamtsitzung v. 15. Juni 1893. p. 519 — 523.)
Die Mitteilung giebt in kurzen Zügen das Wesentliche des als
Citronensäuregärung bezeichneten neuen Gärungsprozesses, welcher
gleichwie die Oxalsäuregärung durch höhere Pilze (Eumyceten) her-
vorgerufen wird, während die bis zur Zeit bekannten anderen Säure-
gärungen physiologische Leistungen von Bakterien sind. Ver-
lauf und Intensität auch dieses Vorganges sind wie in anderen
bekannten Fällen wesentlich abhängig von den Bedingungen,
denen der in Betracht kommende Pilz (zwei bisher nicht beschriebene
Hyphomycetenspecies, die der neuen Gattung Citromyces unter-
stellt werden) ausgesetzt wird. In betreff' der weiteren auf die Mor-
phologie und Physiologie sich beziehenden Angaben ist auf das
Citronensäuregärung.
427
Original und das Referat der späteren ausführlichen Arbeit zu ver-
weisen. Wehm er (Hannover).
Wehmer, C., Beiträge zurKenntnis einheimischer Pilze.
I. Zwei neue Schimmelpilze als Erreger einer
Citronensäuregärung. Mit 2 Tafeln, 1 Holzschnitte und
1 Tabelle. 8°. 91 p. Hannover und Leipzig (Hahn’sche Buch-
handlung) 1893.
Inhaltlich gliedert sich vorliegende wesentlich experimentelle
Arbeit in eine Reihe an sich ziemlich selbständiger Kapitel, die sich
zu einem Teile mit der Morphologie, Entwickelungs-
geschichte, Biologie und Systematik der beiden neuen, als
Citromyces Pfefferianus und C. gl ab er bezeichneten Pilze,
zum anderen Teile mit einer physiologischen Untersuchung der von
ihnen erregten Citronensäuregärung beschäftigen. Ein rein
chemischer Abschnitt behandelt die Untersuchung und Identi-
fizierung der Säure selbst; die am Schlüsse beigegebene Ta-
belle verzeichnet die bisher beschriebenen grünen Schimmel-
pilzarten (Penicillien und Aspergillen) unter Angabe ihrer auf die
Größenverhältnisse sich beziehenden Merkmale, soweit solche zur Zeit
näher bekannt sind.
Zwei Tafeln dienen zur Erläuterung des eingehender geschilderten
Morphologischen und Kulturellen. Aus dem Inhalte selbst kann hier
raumeshalber nur einzelnes berührt werden.
Charakteristisch für die zwei neuen Pilzspecies ist insonderheit
einmal die Form ihrer Conidienträger und weiterhin die
Fähigkeit, Zucker in Citronensäure zu verwandeln; sie
werden dadurch von allen anderen bisher bekannten Arten unter-
schieden. Auf geeignetem Substrate bilden sie dicht verflochtene
grüne Decken von ganz hervorragender Wachstums- und Säuerungs-
intensität, im übrigen sind sie aber nur mikroskopisch von denen
anderer grüner Schimmelpilze unterscheidbar.
Die Entwickelungsgeschichte der Art liegt noch nicht
ganz klar, obschon eine Zugehörigkeit zu den Perisporiaceen annehm-
bar ist; die der Conidienträger stimmt mit der der Penicillium-
arten überein, obschon deren fertige Form sich der der Asp er gi 11 i
anschließt, so daß in gewisser Beziehung eine Mittelstellung zwischen
diesen beiden Gattungen resultiert.
Die Pilze besitzen ein ausgesprochenes Sauerstoffbedürfnis,
während das Licht ohne Einfluß auf die Gesamtheit der Lebens-
funktionen ist. Sauerstoff und Wärme beeinflussen neben der
chemischen Qualität des Substrates auch die Säuregärung
in hohem Maße, so daß Eintreten wie Verlauf im speciellen von deren
mehr oder weniger reichlichem Gegebensein abhängig sind.
Bemerkenswert erscheint die geringe Empfindlichkeit gegen sich
innerhalb der Nährlösung ansammelnde Citronensäure, von der selbst
noch relativ hohe Konzentrationen ertragen werden, obschon Säuren
anderer Art und insbesondere Mineralsäuren bereits in geringer Menge
wachstumshemmend wirken.
Eine ausführlichere Erörterung wird der Frage zu teil, wie die
Bildung der Säure zu erklären und welche Bedeutung derselben
428
Citronensäuregärung. — Allgemeines über Bakterien.
für den Stoffwechsel zukommt; ihrer chemischen Konstitution
nach kann sie ein direktes Oxydationsprodukt des Zuckers nicht
sein. Es erscheint nicht ohne Interesse, daß die Eliminierung der-
selben aus dem Stoffwechsel für das Wachstum gleicbgiltig ist und
ihre Bildung voraussichtlich mit dem Stofifzerfall im Atmungs-
prozeß zusammenhängt, so daß ihr Weiterzerfall somit zur Kohlen-
säureentbindung führt.
Bei der reichlichen Abspaltung ist der ein wurfsfreie Beweis für
den chemischen Charakter der Säure unschwer zu führen und wird
einmal durch Analyse des Kalksalzes, weiterhin aber durch
Isolierung der freien krystallisierten Säure und deren
Untersuchung erbracht. Der Konzentrationsgrad innerhalb der
wachsenden Kulturen wird durch Fällung als Kalksalz sowie Ti-
trieren sicher bestimmt.
Das neue Verfahren zur Gewinnung dieser wertvollen Säure auf
relativ einfachem Wege wird, beiläufig bemerkt, technisch ausgenützt.
W e h m e r (Hannover).
Zinno, A., Contributo allo Studio dei processi biochi-
mici dei batteri con speciale riguardo aila diagnosi
differenziale fra varii microorganismi simiglianti.
(La Rif. med. 1893. p. 218.)
Fügt man zu Kulturen von Bacterium coli in 2-proz. Pepton-
lösung einige Tropfen von Natriumkarbonatlösung uud sodann einige
Tropfen einer frisch bereiteten Nitroprussidnatriumlösung hinzu, so
färbt sich die Bouillon intensiv rot. Läßt man die so erhaltene
Flüssigkeit stehen, so geht die rote Farbe allmählich in gelbe über.
Bei Zusatz von Essigsäure tritt eine smaragdgrüne Farbe auf, welche
allmählich in blaue übergeht (Sal ko w ski’sche Reaktion des Kreati-
nins). Bei Ammoniakzusatz bleibt die Reaktion aus.
Diese Reaktion gaben sämtlich Kulturen von Bacte-
rium coli verschiedener Provenienz, welche dem Verf. zur
Verfügung standen, während sie bei Typhusbacillen ganz
a u s b 1 i e b. Dieselbe Reaktion geben auch der Choleravibrio und
der Vibrio Metchnikoff, während sie bei Deneke und Finkler-
Prior ausbleibt.
Daß es sich thatsächlich um Kreatinin handelt, wurde nach der
von Neubauer angegebenen Methode durch Darstellung der Krea-
tininchlorzinkkrystalle nachgewiesen.
Es scheint daher diese Reaktion wohl verwendet werden zu
können, um einzelne ähnliche Arten von einander unterscheiden zu
können; es ist jedoch wünschenswert, daß dieselbe noch an einer
großen Zahl von verschiedenen Kulturen geprüft werde, bevor sie zu
einem differential-diagnostischen Merkmale erhoben wird.
Kamen (Czernowitz).
Marchand, Ueber einen noch nicht näher bekannten
Kapselbacillus. (Sitzungsberichte der Gesellschaft zur Be-
förderung der gesamten Naturwissenschaften in Marburg. 1893.
No. 3.)
Verf. fand denselben in großer Menge in dem Exsudat einer
Bakterien im Verdauungskanale. — Pericarditis.
429
lobären Pneumonie; es sind Bacillen von sehr verschiedener Länge,
teils kurze, kokkenähnliche Formen, teils lange, geschlängelte Fäden,
welche sämtlich durch sehr breite Kapseln ausgezeichnet waren,
während der eigentliche sich leicht färbende Bakterienkörper im
Innern der Fäden geringe Dicke und unregelmäßige Gliederung
zeigte. Die Kapselbacillen ließen sich leicht auf den gewöhnlichen
Nährböden kultivieren, sowohl bei Zimmertemperatur als im Brut-
schränke; am üppigsten wuchsen sie bei Blutwärme auf Agar. Die
Bacillen waren leicht auf Mäuse, Meerschweinchen und Katzen,
weniger leicht auf Hunde übertragbar; sie bringen bei diesen Tieren
erstens lokal entzündliche Veränderungen, sodann aber auch Ent-
zündungsprozesse in entlegenen Organen und allgemeine Infektion
hervor. Bei einem Hunde wurde bei der intravenösen Injektion eine
Meningitis mit äußerst bacillenreichem Exsudate beobachtet, bei Katzen
eine Panophthalmitis mit reichlichen, oft zu längeren Fäden ausge-
wachsenen Bacillen im Innern des getrübten Glaskörpers. Die Bacillen
gehören einer größeren Gruppe von Kapselbacillen an, von denen
bisher der Friedländer’sche Pneumoniebacillus, der von
Bordoni-Uffreduzzi gefundene Proteus incapsulatus
hominis, der von Pa u Isen beobachtete schleimbildende Kapsel-
bacillus bei atrophierender Rhinitis und der Bacillus
capsulatus mucosus von Fasching beschrieben sind. Mit
diesem letzten scheint der neue Bacillus am meisten Aehnlichkeit
zu haben. Ausführliche Mitteilung wird in Aussicht gestellt.
Dieudonnö (Berlin).
Bappin, Sur les microorganismes des voies digestives
(Conference faite ä l’Ecole de Medecine le 20. Mai 1893.)
Uebersicht über das morphologische und biologische Verhalten
der in dem Verdauungskanale aufgefundenen Bakterien. Unter den
Bakterien der Mundhöhle erwähnt Verf. einen Vibrio, welchen er
wiederholt bei seinen Untersuchungen beobachtete. Bezüglich der
Morphologie, der Größe und der Beweglichkeit hat derselbe viel
Aehnlichkeit mit dem Koch’ scheu Choleravibrio.
Dieudonn6 (Berlin).
Oddo, Pericardite c omplication de colique h6patique.
(Revue de mödecine. 1893. September. Nr. 9.)
Als Folge von Gallensteinkoliken kommen infolge Infektion von
der Gallenblase aus mannigfaltige sekundäre Infektionen im Körper
vor; zu den seltensten gehören H er z affek t i on e n , von denen bis-
her nur 8 Beobachtungen existieren.
Sieben dieser (von Luys, Murchison, Jaccoud, Roudot,
M a t h i e n und Malibran, Netter und Martha) Komplikationen
stellen Endocarditiden dar. Der Fall von Netter und Martha
beweist deutlich, daß beide Atfektionen, die Gallenblasenerkrankung
und die Endocarditis, bakteriologisch Zusammenhängen, indem von
dem ersten Organe aus die Infektion des zweiten erfolgt. Bei diesen
Komplikationen prävaliert das weibliche Geschlecht, wie es auch bei
der Gallensteinerkrankung prävaliert; sehr bemerkenswert ist, daß in
430
Bacillus pyocyaneus.
der Mehrzahl der Beobachtungen die Herzerkrankuug auf dem Boden
einer alten stattfand. Nur einmal ist der Sitz der Endocarditis das
rechte Herz, sonst das linke, und zwar nur einmal das Ostium aorticum,
4 mal die Mitralklappe. Man kann also klinisch den Satz aufstellen,
daß Gallensteinkoliken für alte Herzerkrankungen sehr gefährlich
sind. Die Komplikation tritt meist im Gefolge einer Gallensteinkrise
auf und deutet sich durch einen Schüttelfrost an. Darauf folgt
Fieber, und während die heftigen Kolikschmerzen cessieren, zeigen sich
auskultatorisch die Zeichen der Herzerkrankung. Bald kommen
dann Erscheinungen der Allgemeininfektiou dazu, bis unter typhösem
Zustande der Tod erfolgt; die Endocarditis biliären Ursprungs scheint
stets tödlich zu sein.
Während alle in der Litteratur verzeichneten Beobachtungen
Endocarditiden betreffen, sah Verf. bei einem 40-jährigen Patienten
infolge gleicher Erkrankung eine Pericarditis als Komplikation.
Bei diesem Falle zeigte sich zunächst die Gallensteinkolik; darauf
folgte ein Schüttelfrost und 24 Stunden später war physikalisch eine
Pericarditis nachweisbar, welche in 6 Tagen infolge von Myocarditis
zum Tode führte.
Verf. glaubt den Satz aufstellen zn dürfen, daß es bei Gallen-
steinkoliken zu Endocarditiden kommt, wenn die Organismen
auf dem Wege der Blutbahn fortgeschwemmt werden und daß
Pericarditiden infolge einer Infektion auf dem Wege der
Lymphbahnen auftreten. Kurt Müller (Halle).
Mühsam, ß. und Schimmelbusch, C., Ueber die Farbenpro-
duktion des Bacillus pyocyaneus bei der Symbiose mit
anderen Mikroorganismen. (Archiv für klinische Chirurgie.
Bd. XLVI. 1893. No. 4.)
Es ist eine lange bekannte Thatsache, daß die Luftzufuhr, das
Nährsubstrat und die Beschaffenheit der Bacillen selbst von hoher
Bedeutung für das Zustandekommen und die Qualität der Farbstoff-
bildung des Bacillus pyocyaneus sind. Verff. zeigen, daß auch
die Symbiose mit verschiedenen anderen Mikroorga-
nismen dieselbe zu beeinflussen vermag.
Pyocyaneus mit Staphy lococcus pyogenes, Tetra-
genus, Anthrax, Aspergillus fumigatus, Oidium lactis
und einem Pilze aus saurer Milch gemeinsam in Nährbouillon ver-
impft, verliert sein Farbenproduktiousverraögen ganz oder fast
ganz. Bereits grüne Pyocyaneuskulturen nachträglich
mit Staphylococcus aureus, Micrococcus tetragenus oder
Bacillus der sauren Milch geimpft, verblassen. Bei Verimpfung
des Pyocyaneus auf entwickelte Kulturen von Staphylokokken,
Anthrax oder Tetragenus tritt anfänglich eine Grünfärbung ein,
welche später verschwindet. Da sich in Kulturen stets beide Bakterien-
arten nebeneinander nachweisen ließen, so kann der Verlust der Farb-
produktion nicht durch Tod der Bacillen erklärt werden; da ferner
eine Aenderung in der Reaktion des Nährbodens nicht eintritt, so
können nicht so einfache chemische Vorgänge vorliegen, wogegen auch
noch andere Beobachtungen sprechen, auf die nicht näher einge-
gangen wird. Kurt Müller (Halle).
Bacillus pyocyaneus.
431
Krannhals, Ueber Pyocyaneusinfektionen. (Deutsche Zeit-
schrift für Chirurgie. Bd. XXXVII. Heft 2. p. 181 ff.)
Sich auf die Arbeit von Schimmelbusch, dieses Thema be-
treffend, beziehend, sucht Verf. zunächst den Nachweis zu führen,
daß der Pyocyaneus doch eine septische Allgemeinerkrankung
herbeizuführen imstande ist. Er bringt eine Uebersicht aller in
Bezug auf diese Eigenschaft charakterisierten Pyocyaneus infektionen .
Den 7 bereits bekannten reiht er einen achten an. Im Anschluß an ein
Empyem entstand hier eine Art septische Infektion und ließ sich
post mortem aus dem grünen Empyemsekret, dem Serum des
Perikardialsacks und der Milzpulpa der Pyocyaneus in Rein-
kultur züchten. Fast in jedem der angeführten Fälle ließ sich
mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit die Entstehung der Infektion nach-
weisen. Immer handelte es sich um eine Sepsis. Der wesentliche
Obduktionsbefund war akute Enteritis und Milztumor.
Für die Befunde Mühsam’s, welcher den Pyocyaneus bei
einer großen Anzahl Gesunder auf der Haut fand, verlangt K. noch
eine Bestätigung von anderer Seite, indem er vermutet, daß infolge
von lokalen Verhältnissen gerade hier so häufige positive Resultate
erzielt wurden. Daher hält er es auch nicht für wahrscheinlich, daß
post mortem der Pyocyaneus häufig von der Haut aus in das
Innere eindringen könnte, ebensowenig aber vom Darme aus, da Verf.
nur in äußerst wenigen Fällen, wo der Darm bakteriologisch unter-
sucht wurde, den Pyocyaneus finden konnte, daher man wohl ge-
zwungen sein muß, die citierten Fälle als septische Infektionen intra
vitam zu erklären. Auch das Tierexperiment ließ eben die Erschei-
nungen hervortreten, wie die am Menschen beobachteten — akute
Enteritis und Milztumor — . In chronischen Fällen zeigten sich ganz
besonders charakteristische motorisch - paralytische Störungen, wie
sie ebenso auch beim Menschen beobachtet wurden. Ein solcher
Fall von chronischer Py ocy aneusinfektion am Menschen wird noch
citiert.
Die durch den Pyocyaneus hervorgerufene Erkrankung muß
als eine wesentlich toxische angesehen werden. Tierversuche ergaben
auch anolog, daß abgetötete Kulturen dieselbe Wirkung hervorriefen,
wie lebende.
Die beiden als Pyocyaneus a und ß bezeichneten Unterarteu
glaubt Verf. im Gegensätze von Schimmelbusch aufrechterhalten
zu müssen, da die jetzt seit 31/2 Jahren auf den verschiedensten
Nährmedien fortgezüchteten Kulturen stets die Konstanz ihrer Art
beibehalten haben. In einem kurzen Nachtrage berichtet Verf. dann
noch über einen weiteren Fall einer Pyocya neusinfektion, welcher
intra vitam als Typhus abdominalis gravis oder Meningitis? ange-
sprochen worden war. Genauere Angaben werden für später in
Aussicht gestellt. O. Voges (Danzig).
Jako wski, M., B ei träge zur Lehre von den Bakterien des
blauen Eiters (Bacillus pyocyaneus). (Zeitschrift für
Hygiene und Infektionskrankheiten Bd. XV. 1893. Heft 3. p. 474
bis 494.
432
Cystitis colli gonorrhoica. — Gonorrhoischer Eiter.
Der Bacillus wurde in Rom wie in Warschau aus dem Inhalte
einer Dickdarmfistel isoliert und ergab bei näherer Untersuchung
Verschiedenheiten von dem bis jetzt bekannten Auftreten, wenn sich
auch die morphologischen Merkmale in der Kultur wie in den Resultaten
der Impfung gleich zeigten. Auf Kartoffeln und Milch gezüchtet,
bringt er sicher keine Sporen hervor. Als wichtigste Eigenschaft sei
hervorgehoben, daß er ohne Sauerstoffzutritt wuchs und in C02-
Atmosphäre sehr energisch Eiweiß zersetzte. Freilich ist es nicht als
unmöglich von der Hand zu weisen, daß die von Jakowski erhaltenen
Individuen diese letztere Eigenschaft durch Verweilen im Darmkanale
gewonnen haben und beibehielten. E. Roth (Halle a. S.).
Casper, Ueber Cystitis colli gonorrhoica. (Dermatolog.
Zeitschrift. Bd. I. 1894. Heft 2.)
In der vorliegenden Arbeit, welche fast ausschließlich ein kli-
nisches Interesse hat, beschäftigt sich Casper mit dem Symptomen
und der Therapie der Cystitis colli gonorrhoica, d. h. derjenigen
Erkrankung, welche durch das Uebergreifen des von den Gonokokken
hervorgerufenen Krankheitsprozesses von der Urethra anterior über
den Muscul. compressor auf die Pars posterior urethrae entsteht. Der
Verf. giebt für das Krankheitsbild der Urethritis posterior 3 Kranken-
geschichten , welche in prägnanter Weise die akute, subakute und
chronische Form veranschaulichen.
Neben der Treibung des Urins, dem quälenden, alle 5 — 10 Min.
eintretenden Harndrange, ist ganz besonders charakteristisch das Auf-
treten von Blut am Ende der Harnentleerung oder zugleich mit den
letzten Tropfen.
Casper hält das Ende der 3. Woche für den Zeitpunkt, in
welchem die Gonorrh. posterior aufzutreten pflegt. Außer der Gonorrhöe
kann auch ein Trauma zu einer Cystitis colli führen, welche unter
denselben Symptomen verläuft, wie die gonorrhoische und durch die
gleiche Therapie wie jene günstig beeinflußt wird.
Der Verf. empfiehlt mehr die Durchspülung mit größeren Mengen
einer Arg. nitr.-Lösung von geringerer Konzentration Viooo oder Vsoo»
als die Instillationen geringer Mengen (1 Pravaz’sche Spritze oder
2 — 3 Tropfen) einer starken 1/i (1/8 — 2-proz.) Arg. nitr.-Lösung. Das
Nähere über die Technik muß im Original nachgesehen werden.
Lasch (Breslau).
Posner und Lewin, Farbenanalytische Untersuchungen
über gonorrhoischen Eiter. (Dermatolog. Zeitschrift. Bd. I.
1894. Heft 2.)
Ausgehend von dem Gedanken, daß bei der Verwandtschaft von
Sperminkrystallen mit den Leyden -Char cot’schen dieselben
ebenso wie die letzteren in einer Beziehung zur Produktion der
eosinophilen Zellen stehen könnten, haben Posner und Lewin
Untersuchungen angestellt über die Häufigkeit des Vorkommens
eosinophiler Zellen bei Erkrankungen des männlichen Genitalapparates,
speziell der Prostata, der Bildungsstätte der Sperminkrystalle. Als
besonders geeignetes Untersuchungsobjekt benutzten die Verff. den
goDorrhöischen Eiter. Die Methode war folgende : Bei Eiterunter-
Choleraäholiche Vibrionen.
433
suchungen wurden die lufttrockenen Präparate durch die Flamme
erhitzt (bei Blutuntersuchungen findet die Erwärmung besser all-
mählich im Trockenschranke statt), dann mit einer gesättigten Glycerin-
Eosinlösung V2 Minute erwärmt, in der erwärmten Farbe 3 Minuten
gelassen, abgespült und 1 Minute mit einer gesättigten Methylenblau-
lösung nachgefärbt. Auf diese Weise fanden die Verff. im allgemeinen
über die eosinophilen Zellen des gonorrhoischen Eiters folgendes: Die
eosinophilen Körnungen sind nur im Leibe der Zelle, nie aber im
Kerne nachzuweisen , die Größe derselben ist auch bei demselben
Präparate eine sehr wechselnde, ebenso die Verteilung der Granula,
welche bald diffus im Zellenleibe verteilt sind, bald sich besonders um
den Kern herum gruppieren.
Auch in der Größe und Form der eosinophilen Zellen herrscht
eine große Verschiedenheit, sie siud zumeist polynucleär und ihre
Kerne färben sich auffallend schwach mit Methylenblau. Die Ergeb-
nisse ihrer Untersuchungen fassen die Verff. in den folgenden Thesen
zusammen :
1) Die Anzahl der eosinophilen Zellen im Eiter ist im Beginne
der Gon. acut. ant. im Vergleich zum Gehalte des Blutes an eosino-
philen Zellen außerordentlich vermindert.
2) Die Menge der eosinophilen Zellen erreicht ihren Höhepunkt
in der 3. Woche.
3) Bei den Erkrankungen der hinteren Harnwege zeigt der Ge-
halt des Eiters an eosinophilen Zellen sehr schwankende Verhältnisse.
4) Beziehungen zwischen Prostata- resp. Sperminproduktion und
eosinophilen Zellen sind nicht nachweisbar.
5) Der Gehalt des gonorrhoischen Eiters an eosinophilen Zellen
erklärt sich nicht durch den Blutbefuud, vielmehr scheinen lokale
Veränderungen eine Rolle zu spielen. Lasch (Breslau).
Iwänoff, M., Ueber eine neue choleraähnliche Vibrionen-
art. (Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten. Bd. XV.
1893. Heft 3. p. 434—438.)
Die im Institute für Infektionskrankheiten in Berlin gefundene
neue Art wurde aus den Darmentleerungen einer Typhuskranken
isoliert zu der Zeit, wo in Berlin ein Cholerafall vorlag. Von dem
Choleravibrio unterscheidet sich der neue Mikroorganismus
hauptsächlich durch sein vYachstum auf Gelatine- und Agarplatten,
indem auf ersteren an Stelle der bekannten, nach etwa 36 Stunden
auftretenden Körnung der Cholerakolonieen eine deutlich zu erkennende
Fadenbildung Platz greift; auf Agarplatten gewachsene Kolonieeu
haben ein deutlich mit der Lupe erkennbares weißliches Centrum,
während die Cholerakolonieen auf denselben Böden sich durch Gleich-
mäßigkeit und Diaphanität kennzeichnen. Ein weiteres Merkmal ist
in der Größe des neuen Vibrio zu finden, wie in seiner Neigung,
in Spirillenform aufzutreten.
24-stündige Agarkulturprodukte führten in 10 — 12 Stunden den
Tod von Meerschweinchen herbei unter dem Bilde einer Cholera-
intoxikation. Tauben, Ratten und Mäuse erwiesen sich als unempfind-
lich gegen den Mikroorganismus, Kaninchen gingen bei größeren
Dosen ein. E. Roth (Halle a. S.).
434
Cholera.
Friedrich , Vergleichende Untersuchungen über den
Vibrio cholerae asiaticae mit besonderer Berück-
sichtigung der diagnostischen Merkmale desselben.
(Arbeiten a. d. kaiserl. Gesundh.-Amt Bd. VIII.)
Die Angaben Cunningham’s, daß nämlich der Vibrio cho-
lerae asiaticae je nach der Lokalität erhebliche Verschieden-
heiten zeige, sucht Fried rieh zu erklären, indem er prüft, wie
weit der Vibrio in Form, Wachstum und Entwickelung Differenzen
zeigt und wie weit diese Veränderungen von Einfluß auf die Diagnose
desselben sind. Die untersuchten Kulturen stammten aus Shangai,
Calcutta, Malta, Paris, Finthen und aus verschiedenen Krankenhäusern.
Die Züchtung derselben geschah in Fleischwasser-Pepton-Kochsalz-
gelatine, in Fleischwasser-Pepton-Kochsalzagar, Peptonbouillon, Pepton-
wasser, Hammelblutserum und auf Kartoffeln.
Verf. stellte zunächst fest, daß der Vibrio cholerae asia-
ticae, der längere Zeit auf künstlichen Nährböden gehalten wurde,
sich beträchtlich von den Formen unterscheidet, die wir im Cholera-
darme sehen und die wir aus dem Cholerastuhle gewinnen. Diese
Veränderungen sind aber nicht konstant und aus den veränderten
können wieder typische Formen hervorgehen. Die von C u n n i n g -
ham gezüchteten Formen zeigen keine prinzipiellen Verschiedenheiten;
Arthrosporenbildung ist sicher nicht vorhanden. Wenn ein Bacil-
lus in einzelne Teilchen zerfällt, so entwickeln sich aus diesen nie-
mals neue Bacillen.
In der Beweglichkeit der Choleravibrionen gelingt es weder durch
langes Züchten auf künstlichen Nährböden, noch durch Veränderungen
dieser eine Abschwächung hervorzubringen. Auch die Art des Wachs-
tumes in 10-proz. Gelatine, sowohl in der Stichkultur, als in der
Platte ist sehr konstant, wenn auch die Fähigkeit, die Gelatine zu
verflüssigen, kleine Veränderungen erleidet. Erhebliche Differenzen
finden sich beim Wachstume in Bouillon; insbesondere schwankt auch
die Zeit der Hautbildung bei Kulturen verschiedener Provenienz inner-
halb sehr weiter Grenzen.
Die Rotfärbung der Kulturen nach Zusatz von Säuren ist ein
gutes diagnostisches Hilfsmittel. Gegenüber dem Vibrio von
Finkler-Prior, von Miller und von Deneke sind erhebliche
Zeitdifferenzen bezüglich des Eintrittes der Färbung vorhanden, wäh-
rend die Art der Färbung ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber
dem Vibrio Metschnikoff bildet. Das Wachstum des Vibrio
cholerae asiaticae auf Kartoffeln ist abhängig von deren Alter
und Art, besonders was die Pigmentbildung anbelangt. Die ver-
schiedenen, in den Kreis der Untersuchung gezogenen Cholerakulturen
zeigen die gleiche Infektionskraft gegenüber den Meerschweinchen
und Tauben. Dies gilt insbesondere auch von den indischen Kulturen.
Der Verf. kommt zu dem Schlüsse, daß Cunningham im Unrechte
ist, wenn er das Vorhandensein verschiedener Species von Cholera-
vibrionen behauptet. Ger lach (Wiesbaden).
Renyers , Die Choleraerkrankungen im städtischen
Krankenhause Moabit. (Dtsche med. Wochenschr. 1894.
No. 3.)
Cholera.
435
Von 122 ErkraDkungsfällen, welche im städtischen Krankenhause
Moabit wegen Choleraverdachtes im Jahre 1893 bakteriologisch unter-
sucht wurden, konnten 13 als Fälle von asiatischer Cholera festgestellt
werden. Von diesen Erkrankungen nahmen 4 einen tödlichen Aus-
gang. Das ausgesprochene Bild der Cholera boten 5 der bezüglichen
Kranken, 5 andere hatten nur leichte Durchfälle und bei den übrigen
3 war die Anwesenheit der Bacillen das einzige Cholerasymptom.
Unter denjenigen Fällen, in welchen der Nachweis der Bacillen
nicht gelang, waren 7 klinisch und 2 von diesen, welche zur Obduk-
tion gelangten, auch pathologisch-anatomisch nicht von der Cholera
zu unterscheiden. Einige dieser Erkrankungen konnten jedoch auf
Fleischvergiftungen zurückgeführt werden, bei anderen wurden im
Darminhalte auffallend viele Streptokokken nachgewiesen.
Bei einer ferneren Gruppe von Fällen, in denen gleichfalls die
Bacillen fehlten, fand sich in einem gleich von Beginn der Erkrankung
an vorhandenen hohen Fieber ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal
gegenüber der Cholera bei einem dieser sonst sehr ähnlichen Krank-
heitsbilde.
9 von den nachweislich als cholerakrank befundenen Personen
haben sich ihre Erkrankung vielleicht durch Spreewasser zugezogen ;
die übrigen 4 gehörten zu den vorher erwähnten Fällen, in welchen
die klinischen Symptome fehlten, und hatten die Bacillen wahrschein-
lich gelegentlich eines in ihrer gemeinsamen Familie vorgekommenen
schweren Cholerafalles aufgenommen.
Neben den angeführten Erkrankungen wurde auch 1 Fall von
Laboratoriumscholera beobachtet. Derselbe ereignete sich zu einer
Zeit, wo anderweitige Cholerafälle im Krankenhause nicht behandelt
wurden und betraf einen Assistenzarzt, welcher sich mit den Vibrionen
im Laboratorium beschäftigte.
Verf. vertritt den Standpunkt, daß nur der bakteriologische
Nachweis des Vibrio cholerae in den Abgängen zwischen den
verschiedenen Formen der Enteritis acutissima eine Ditferentialdiagnose
ermöglicht, und zwar auch nur dann, wenn die Stuhlgänge möglichst
frühzeitig untersucht werden, da die Vibrionen zuweilen schon nach
mehreren Tagen aus dem Darminhalte verschwinden. Die Befunde
von Kommaformen anderer Art im Wasser hätten für die Diagnose
eine praktische Bedeutung nicht, da solche Bakterien bei ätiologisch
oder klinisch verdächtigen Personen bisher noch nicht gefunden
worden seien.
Bei der Ausführung der bakteriologischen Untersuchungen be-
währten sich die unlängst von Koch empfohlenen Methoden vorzüg-
lich. Die Anreicherung in Peptonlösung brachte die früheste Ent-
scheidung in 5, die späteste in 16 Stunden. Im einem Drittel der
Fälle konnte schon aus dem mikroskopischen Befunde eine vorläufige
Diagnose gestellt werden.
Daß der Bacillenbefund bei den klinisch unverdächtigen Personen
nur auf anderweitige, in deren nächster Umgebung vorausgegangene
Erkrankungen zurückzuführen war und daher wie frühere ähnliche
Beobachtungen von nicht zu unterschätzendem Werte für das Studium
der Choleraätiologie ist, bestätigen zahlreiche Kontrolluntersuchungen
436
Cholera.
des Darminhaltes anderer dem Kraukeuhause gleichzeitig zugegangener
Menschen; weder in deren Abgängen, noch in denjenigen der Aerzte
oder Wärter wurden jemals die Vibrionen gefunden.
Für die Erklärung der Entstehung von Choleraerkrankuugen war
der Fall eines Arbeiters beachtenswert, welcher unmittelbar nach
Ueberwindung eines 24-stündigen ausgesprochenen Choleraanfalles ein
reichliches Abendessen aus Kartoffeln und Hering zu sich nahm,
hierauf von neuem erkrankte und seinem zweiten Anfalle erlag.
Aus den bisherigen Erfahrungen schließt Verf., daß der durch
den Menschen durchgegangene Vibrio eine geringere Giftwirkung
besitzt, als der unter günstigen Bedingungen saprophy tisch gewachsene
Keim. Die Umstände, welche die bald höhere, bald geringere Viru-
lenz der Cholerabacillen bedingen, seien indessen noch nicht bekannt
und stellten der weiteren Forschung wichtige Aufgaben.
Kübler (Berlin).
Karlinski, Unter der gelben Flagge. Erinnerungen und
Eindrücke von meiner Reise nach Arabien und
Kleinasien. (Hygienische Rundschau. 1894. No. 1, 2 u. 3.)
Verf. wurde von der Landesregierung für Bosnien und Herzegowina
zur Abholung der Pilger von Djeddah entsandt uud hat sehr in-
teressante Beobachtungen über die Cholera in Arabien machen können.
Er beschreibt zunächst die Verhältnisse der Stadt Djeddah, die
allen hygienischen Verhältnissen Hohn sprechen. 2 Aerzte hatte man
zur Bewältigung des Ansturms der ungeheueren von Cholera durch-
seuchten Karawaneuzüge ausgesandt. 60000 Pilger sollten in einer
Woche von diesen beiden unglücklichen Aerzten untersucht und be-
handelt werden. Leichen fanden sich massenhaft auf den Straßen,
und Fliegen, Aasgeier und Schakale sorgten, daß die Cholerabakterien
nicht ausstarbeu. Dabei herrschte eine Temperatur von 26 — 41° C.
Medikamente, Desinfektionsmittel, Wohnungen etc. gab es natürlich
nicht. Dazu müssen die Pilger halb nackt, ihrem religiösen Gebrauch
folgend, einherziehen. Wasser wurde in Schläuchen aus einer fernen
Quelle gebracht, in Hauscisternen aufbewahrt und filtriert, ohne daß
der Keimgehalt durch deu Filterprozeß abnahm. Die Schiffe hatten
einen Ring gebildet und die Preise so emporgeschroben, daß niemand
fahren konnte uud die Menschenflut sich immer mehr anstaute. Als
die türkische Regierung diesem Treiben ein Ende machte, pfergte
man die Pilger wie Heringe in die Schiffe, um sich so für die Preis-
herabsetzung zu entschädigen. Zahlen, welche aufgestellt sind, um
die Anzahl der Pilger, der Erkrankten uud der Cholera Erlegenen
festzustellen, sind absolut unzuverlässig, da der Wüstensand schweigt.
Wenn Franckland das heilige Wasser aus dem Brunnen Sem-Sem
in Mekka für Kanaljauche erklärt, so konnte K. zeigen, daß er nicht das
wahre Wasser gehabt, welches nie einem Nichtmohammedaner gegeben
wird. Nur dadurch, daß Verf. deu der Cholera Erlegenen ihr Sem-Sem-
Wasser heimlich fortuahm, gelangte er in den Besitz desselben und fand
im Kubikcentimeter 548 Kolonieen, 4 Bacillen, 4 Kokkenarten, sämtlich
harmloser Natur. Chemisch fanden sich im Liter in Milligrammen:
Rückstand 128, Chlor 3,0, Salpetersäure 29,4, Ammoniak 0, Salpetrige
Cholera.
437
Säure 0, Sauerstoffverbrauch 2,2. Eine zweite Probe verhielt sich
ähnlich. K. betont, daß durch dieses Wasser wohl kaum die Cholera
übertragen werden könne, da dasselbe 36 Tage auf dem Seewege
oder 40 Tage auf dem Landwege als Minimum bis nach Konstantinopel
unterwegs sei und selbst Cholerapeptonkulturen bei den ungeheueren
Temperaturschwankungen nur 20 Tage lebensfähig blieben.
Entsetzliche Zustände herrschten auf dem Schiffe. Der Kapitän
war ewig betrunken, die Schiffslisten gefälscht. Aerztliche Revision
fand natürlich nicht statt, da kein Arzt da war. Statt 1119 Passagieren
wurden nur 990 angegeben, nur 7 erlagen an Maladie ordinaire, während
von 38 Toten 27 der Cholera erlegen waren. Klosetts, Luft, Wasser,
Essen waren geradezu entsetzlich. El Tor gab zwar einen verlängerten
Aufenthalt, aber der Drangsale noch mehr. Von 8 Aerzten waren
nur 2 europäisch geschult. Das Wasser war stark salzhaltig und
wies erhebliche Mengen von Magnesiumsulfat auf, so daß es keine
bessere Vorbereitung für die Cholerainfektion gab, als dessen Trank.
Dysenterie dezimierte natürlich die Pilger noch weiter. Badevor-
richtungen, Schlafräume waren äußerst mangelhaft. Geradezu pestilenz-
artig wirkten die Latrinen, einfach in den heißen Sand gegrabene
Gruben. Desinfektion wurde zwar kräftig gehandhabt, aber in völlig
sinnloser Weise. Die Kleider wurden dann dem Desinfektionsofen
entnommen, sobald der elektrische Kontaktthermometer zu klingeln
begann. So dauerte eine solche Sitzung 10 — 28 Minuten. Mitein-
gelegte Milzbrandsporen, Darmbakterien und Cholerakulturen wuchsen
nach ihrer „Abtötung im strömenden Dampfe“ noch lustiger denn zuvor.
Die Schiffsräume wurden mit 5-proz. Karbolspray bearbeitet, an das
Bilgewasser dachte niemand. Nach 20 Tagen ging es weiter, 192 Pilger
deckte eine 45 cm hohe Sandschicht. Etwas günstiger gestalteten
sich die Verhältnisse in Suez. In Clazomenae erwarteten bei einer
weiteren Quarantäne zwei Aerzte die Pilger, und der Respekt vor
dem Kommabacillus war schon so groß, daß K.’s Papiere mit
einer Feuerzange hervorgeholt und nach Einsicht mit hypermetropem
Blick im Chlorkalk desinfiziert wurden. In Smyrna wurde sich nur
noch auf 5 m Entfernung unterhalten, Briefe geräuchert, Geld des-
infiziert, wie die aus der Stadt einlaufenden Telegramme. Eine Unter-
suchungsstation der Choleradejektionen wurde wegen der Möglichkeit
der Verbreitung der Bacillen vom Generalinspektor untersagt. An
der ostrumelischen Landesgrenze schlief man im nassen und kalten
Herbste auf einer kahlen Wiese und die Luft wurde auch hier noch
desinfiziert, indem bei Desinfektion der Wiese, des Weges zur Bahn
und der Bahnwagen ab und zu ein Strahl ins Blaue geschickt wurde,
dann erst ging es nach Hause. Und trotzdem kommt die Cholera
noch nach Europa? 0. Voges (Danzig).
Nanu, Jean Georges, Notes sur le c h o 1 6 r a de 1892 o b s e r v 6
ä l’höpital Necke r. [These.] 4°. 139p. Paris 1893.
Mit Beschränkung auf den bakteriologischen Teil der Arbeit er-
fahren wir, daß von 163 eingelieferten Cholerakranken bei 48 die
Stuhlgänge bakteriologisch untersucht wurden ; in 28 Fällen wurden
Kommabacillen aufgefunden, 21 davon boten die charakteristischen
XV. Bd. 28
438
Tetanus.
Eigenschaften des Koch’ sehen Bacillus. 7 Stühle lieferten einen
Konnnabacillus, welcher die Gelatine verhältnismäßig zu rasch
verflüssigte und nicht die Reaktion des Cholerarot ergab. Die Komma-
bacillen traten 11 mal allein auf, in 16 Fällen waren sie mit Bac-
terium coli commune vergesellschaftet, einmal in Verbindung
mit Bacterium termo. Bei 28 Personen, welche keine Komma-
bacillen aufwiesen, wurde 17mal das Bacterium coli commune
konstatiert, einmal zusammen mit Streptococcus und zweimal
mit einem Diplobacillus, welcher pathogene Eigenschaften zeigte.
Auf 28 Fälle mit Kommabacillen kamen 11 Todesfälle, auf 20
ohne dieselben nur 2 Tote.
Bei Tierimpfungen erwiesen sich beide Arten der Kommabacillen
als gleichwirkend bei intraperitonealer Einspritzung, sie führten
gleicherweise in 10 — 14 Stunden den Tod bei Meerschweinchen herbei.
E. Roth (Halle a. S.).
Brunner, C., Die bisherigen Resultate experimenteller
Untersuchungen über die Art der Wirkung des Te-
tanusgiftes auf das Nervensystem. (Deutsche medizin.
Wochenschrift. 1894. No. 5. p. 100 ff.)
Verf. verbreitet sich über die obiges Thema berührenden Arbeiten von
Autokratow, Courmont und Doyon, Buschke und 0 er g el.
Er prüfte zunächst die Versuche Autokratow’ s nach, schnitt einem
warmblütigen Tiere die hinteren Rückenmarkswurzeln durch und in-
jizierte, nachdem das Tier sich vom Shok erholt hatte, demselben das
Tetauusgift. Es zeigte sich dann, analog den vom Verf. bereits früher
angestellten Trigeminusversuchen, daß die Krämpfe sich wieder ein-
stellten, wenn auch etwas später und mit geringerer Intensität, wie
beim Kontrolltiere. Da die Inkubationsdauer beim Frosche eine sehr
lange ist, konnte an diesem Tiere erst nach Ausbruch des Tetanus
die Operation ausgeführt werden. Der Tetanns verschwand dann
nicht, wurde aber gemindert. Verf. schließt deshalb, daß die Centren
des Rückenmarkes durch das Gift direkt in einen Zustand abnormer
Erregbarkeit versetzt werden. Wurde am Tetanusfrosche das abge-
schnittene centrale Ende der hinteren Wurzel gereizt, so wurden Be-
wegungen ausgelöst, so daß also das Gift selbst die Erregbarkeit des
Rückenmarkes steigert, die Erzeugung einer Bewegung resp. eines
Krampfes aber eines sensiblen Impulses auf das Rückenmark bedarf ;
ein Verhalten, welches Hering analog für das Strychnin feststellte.
Verf. bestätigte dann ferner die Angaben von Buscuke. Wurde
der Tetanusfrosch kurarisiert, so hörte der Tetanus auf, er blieb be-
stehen nach einer Enthirnung. Wird der untere Teil des Rücken-
markes beim tetanischen Frosche zerstört, so zeigen die Hinterbeine
nur leichte Zuckungen, in den Vorderbeinen ist der Tetanus etwas
schwächer. Das Toxalbumin auf die Centralwindungen eines Kaninchens
gebracht, war wirkungslos. Alles in allem scheint somit das Rücken-
mark der Angriffspunkt für das Tetanusgift zu sein.
Verf. prüfte dann die Experimente, welche beweisen sollen, daß
das tetanische Gift die sensiblen Nervenendigungen direkt erregt, nach
und kommt zu dem Resultate, daß der Beweis dieser Vermutung
durch dieselben nicht erbracht ist, ebensowenig aber durch dieselben
Tetanus. — Influenza.
439
erwiesen sei, daß eine solche Erregung nicht stattfinde. Wurde das
Toxalbumin mit dem peripheren Ende eines abgeschnittenen motorischen
Astes in Verbindung gebracht, so reagierte dieser nicht. Sehr störend
bei den Versuchen erwies sich die lange Inkubationsdauer. Cour-
mont und Doyon hatten über Versuche berichtet, aus den Muskeln
tetanischer Tiere eine Substanz zu gewinnen, welche Tetanus ohne
Inkubation machte. Verf. machte dieses Experiment nach, fand aber
überhaupt keinen Tetanus bei den geimpften Mäusen. Verimpfte er
das Blut tetanischer Tiere, so trat, wie schon Uschinski in dieser
Zeitschrift. Bd. XIV. No. 10 fand, erst nach der gewöhnlichen Inku-
bationszeit der Tetanus auf. Soweit die bisherigen Angaben über
dieses Thema. O. Voges (Danzig).
Koncali, D. B., Contributo allo Studio dell’ infezione
tetanica sperimentale negli animal i. (La Rif. med. 1893.
p. 165.)
Die von Vaillard und Rouget ausgesprochene Ansicht, daß
die des Tetanotoxins durch protrahierte Waschung oder längere Er-
wärmung auf mehr als 80° C beraubten Tetanussporen im tierischen
Körper nicht auskeimen und daher keinen Tetanus hervorrufen können,
wenn nicht durch andere banale Bakterien Veränderungen hervor-
gerufen werden, welche die Auskeimung der Sporen ermöglichen,
veranlaßten den Verf., eine Reihe einschlägiger Versuche anzustellen.
Diese ergaben nun, daß
1) die Verteilung des tetanigenen Materiales im Erdreiche eine sehr
ungleiche ist;
2) bei Tierimpfuugen mit Tetanuskulturen auf den üblichen Nähr-
böden das in diesen Nährböden produzierte Toxin es ist, welches
die Tiere tötet;
3) die Tetanussporen, welche auf die eine oder andere Art des
Toxins beraubt wurden , im Tierkörper auskeimen und durch
Bildung des Toxins die Tiere in 4, 5—6 Tagen töten;
4) daß schließlich die Tetanussporen auch ohne Mitwirkung der im
Erdreiche befindlichen, auf Wunden gelangenden anderen Bak-
terienarten die tetanische Infektion erzeugen können und den
letzteren höchstens insofern eine Mitwirkung zuerkannt werden
könne, als sie durch ihre Produkte eine Vergiftung des Organis-
mus und dadurch größere Disposition zur Acquirierung des
Tetanus hervorrufen. Kamen (Czernowitz).
Huber, Ueber den Influenzabacillus. (Zeitschrift für
Hygiene und Infektionskrankheiten. Bd. XV. 1893. Heft 3. p. 454
bis 459.)
20 Fälle wurden untersucht. Verf. empfiehlt zu diagnostischen Unter-
suchungen den Blutagar vor dem Hämatogen-Agar wegen der geringen
Wachstumsenergie der Bacillen auf letzterem, zu Versuchszwecken
ersteren wegen der bei ihm allein möglichen Stichkultur. Hämoglobin
ist nicht in seiner Eigenschaft als Sauerstoffträger, wohl aber in-
folge seines Eisengehaltes der für das Gedeihen der Influenzakolonieen
unentbehrliche Faktor. Hämatogenbouillon eignet sich ebenfalls zur
28*
440
Periostitis dentalis. — Pflanzenkrankheiten.
Züchtung des Bacillus, Natronlauge erwies sich als ungeeignet.
Wiederholt nahm Verf. Gelegenheit, auch andere Krankheitsfälle auf
eventuell vorhandene Bakterien von der Art des Influenza-
bacillus zu untersuchen, so mehrere Fälle von Lungenentzündung
und Bronchialkatarrh, doch gelang es nicht, typische Influenzabacillen
nacbzuweisen.| E. Roth (Halle a. S.).
Schreier , E. , Zur Aetiologie und Pathogenese der
Periostitis dentalis. (Aus dem Institute für pathologische
Histologie und Bakteriologie in Wien. Oest.-Ung. Vierteljahrs-
schrift für Zahnheilkunde. Jahrgang IX. Heft II.)
Während sämtliche Autoren darüber einig sind, daß sowohl die
Periostitis dentalis wie die Pulpitis infektiösen Ursprungs ist, finden
sich über die Natur der Erreger selbst keine näheren Angaben. Verf.
untersuchte deshalb 20 Fälle von Periostitis und Pulpitis und fand
dabei den Diplococcus pneumoniae 8 mal in Reinkultur und
7 mal mit Staphylococcus pyogenes albus zusammen, 3 mal
den Staphylococcus pyogenes albus, je lmal den Staphy-
lococcus pyogenes aureus und den Streptococcus pyo-
genes in Reinkultur. Also ist der Diplococcus pneumoniae,
der ja auch in der Mundhöhle oft gefunden wird, ein häufiger
Erreger der Periostitis dentalis, die Erkältung wirkt dabei
als prädisponierendes Moment. Der von Müller beschriebene
Bacillus pulpae pyogenes dagegen, sowie die von diesem
Forscher und anderen aus der Mundhöhle rein gezüchteten, für Tiere
pathogenen Mikroorganismen kommen für die Pathogenese der Pulpitis
und Periostitis nach der Ansicht des Verf.’s kaum in Betracht.
Dieudonnö (Berlin).
Frank, B., Ueber ein parasitisches Cladosporium auf
Gurken. (Zeitschrift für Pflanzenkrankh. Bd. III. 1893. Heft 1.
p. 30-31.)
Auf den Früchten der Gurkenpflanzen einer Gärtnerei bei Berlin
trat im Sommer 1892 eine Krankheit auf, welche die Gurkenernte
völlig vernichtete, während die Blätter gesund blieben.
Auf den kranken Flecken fand Verf. ein von ihm als CI. cucu-
meris bezeichnetes Cladosporium, dessen Hyphen im grünen
Rindengewebe der Frucht sich unter Abtöten desselben ausbreiten.
Die Conidien zeigten nach Aussaat in Pflaumendekokt hefeartige
Sprossung; anderweitige Fortpflanzungsorgane fanden sich nicht vor.
Versuche, durch Anwendung von Bordeauxbrühe der Krankheit Ein-
halt zu thun, waren erfolglos, da die Erkrankung trotzdem schnell
um sich griff und der Pilz gegen Kupfersalze somit sehr widerstands-
fähig zu sein scheint. Webmer (Hannover).
Frank, Ueber die Befallung desGetreides durch Clado-
sporium und Phoma. (Zeitschrift für Pflanzenkrankh. Bd. III.
1893. Heft 1. p. 28—30.)
Verf. macht Mitteilung über eine Reihe von Fällen, in denen
Cladosporium herbarum und Phoma Hennebergii para-
sitisch auf Getreide (Weizen, Roggen) beobachtet wurde, und bemerkt,
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 441
daß das häufigere Auftreten derselben entweder auf eine Steigerung
des parasitären Charakters derselben hinweise oder Folge des Ein-
tretens äußerer Bedingungen sei, welche dieses Verhalten begünstigen.
Wehm er (Hannover).
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
Gatti , G., Süll’ aumento del potere microbicida del
sanguedurantelainfezione. (La Rif. med. 1893. p. 187,
188.)
Um den Grad des baktericiden Vermögens, welches das Blut
während einer Infektion erlangt, zu prüfen, wurden Tieren (Kaninchen)
sowohl unmittelbar vor als auch nach erfolgter Infektion bestimmte
Blutmengen entzogen und das aus denselben gewonnene defibrinierte
Blut oder Blutserum mit demselben Mikroorganismus geimpft, mit
welchem die Infektion geschah. Die Zahl der aus diesem Blute oder
Serumproben auf in bestimmten Zeitabschnitten gegossenen Agar-
platten aufgekeimten Kolonieen diente als Maßstab für die mikrobi-
cide Kraft des Blutes.
Die in dieser Weise mit Pneumokokken und Milzbrand ange-
stellten Versuche ergaben, daß das Blut thatsächlich während der
Infektionsdauer eine Steigerung des baktericiden Vermögens zeigt und
daß das letztere erst zum Schlüsse der Infektion abnimmt. Dieses
baktericide Vermögen äußert sich nicht in Abtötung einer bestimmten
Zahl der eingeführten Mikroorganismen, sondern eines bestimmten
Prozentsatzes derselben. Kamen (Czernowitz).
Corzolino, V., La microcidina ed il cloruro di sodia per
i processi microbici massime piooge n i d e 1 1 ’ orecchio,
del naso e della gola. (La Rif. med. 1893. p. 200.)
Auf Grund zahlreicher therapeutischer Versuche zumeist eiteriger
Krankheiten des Ohres, der Nase und des Rachens mit dem von
Berlioz im Jahre 1890 erfundenen Mikrocidin, welches aus Naph-
thol ß und Aetznatron besteht, erklärt C. dasselbe für ein wertvolles
antiseptisches Mittel, welches, ohne irgend welche Reizungserscheinungen
hervorzurufen, in 1 — 5-promilligen Lösungen mehr leistet, als 4 —
5-proz. Borsäurelösungen.
Das ebenfalls von ihm geprüfte Chlornatrium wirkt in 10 —
15-proz. Lösung antiseptisch, jedoch wesentlich langsamer und könnte
daher wohl nur in der Armenpraxis Verwendung finden.
Kamen (Czernowitz).
Bonaduce, Ueber Beziehungen des Blutserums von
Tieren zur natürlichen Immunität. [Aus dem bakteriol.
Laborator, der Zool. Stat. zu Neapel.] (Ziegler’s Beiträge zur
pathol. Anat. u. allg. Pathol. Bd. XII. Heft 3. p. 353.)
442 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Nach B.’s Untersuchungen entspricht für dieselbe Infektion
(Milzbrand) das größere oder geringere keimtötende Vermögen des
Serums der verschiedenen Tiere in den meisten Fällen (Meer-
schweinchen, Kaninchen), aber nicht immer (Hunde) der ungleichen
Empfänglichkeit der Tiere für die betr. Bacillen. Betrachtet man
ferner die verschiedenen Infektionen desselben Tieres (Kanin-
chen), so entspricht auch hier die Eigenschaft des Serums als Nähr-
boden für gewisse Bakterien allerdings der größeren oder geringeren
Empfänglichkeit (Milzbrand, Hühnercholera, Hogcholera, Rotz), für
andere jedoch nicht (Diphtherie). — Die Verminderung der Alkalinität
des Serums konnte die keimtötende Kraft desselben nicht konstant
vernichten; ebensowenig gelang dies in konstanter Weise durch
längere Erwärmung auf 55°. (Diese Inkonstanz der durch die Er-
wärmung ausgeübten Wirkung erklärt die widersprechenden Resultate
von Büchner, welcher die keimtötende Kraft durch Erwärmung
zerstörte, und von Pane, welchem dies nicht gelang.) Im Gegensätze
zu Lubarsch fand B., daß das Serum des Kaninchens, außerhalb
des Körpers bei Körpertemperatur aufbewahrt, ziemlich schnell die
ihm vorher innewohnende keimtötende Kraft verlor. — Auch B.
konnte im Körper der abgestorbenen Bacillen zwei verschiedene Sub-
stanzen nachweisen, von welchen die zuerst auftretende die Wirkung
der Schutzstoffe des Tierkörpers, der Alexine, paralysierte (Lysine),
während die später auftretenden entwickelungshemmend auf die
Bakterien wirkten (Antilysine). Wenn also in Blutserum zugleich
mit lebenden Bakterien abgestorbene derselben Art gebracht wurden,
so erfolgte zunächst eine stärkere Entwickelung als im Koutrollserum,
welches nur mit lebenden Bakterien beschickt war; nach einiger Zeit
kehrte sich jedoch das Verhältnis um. Emulsionen von toten Milz-
brandbacillen, 6—9 Stunden bei 58 — 60° gehalten, verliehen Meer-
schweinchen gegenüber der Milzbrandinfektion sicheren Impfschutz.
W. Petersen (Zürich).
Brieger, L., und Colin, Gr., Beiträge zur Konzentrierung
der gegen Wundstarrkrampf schützenden Substanz
aus der Milch. (Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrank-
heiten. Bd. XV. Heft 3. p. 339 ff.)
Als Versuchstiere verwandten die beiden Autoren Ziegen, und
zwar wegen der übergroßen Empfindlichkeit trächtiger Tiere dies-
mal 2 — 3-jährige einige Wochen nach dem Wurfe. Es wurde nun
versucht, die Grundimmunität dadurch herzustellen, daß dem Tiere
das mittelst Ammoniumsulfat hergestellte Rohtetanusgift injiziert
wurde. Trotz größter Vorsicht erlagen die Tiere. Es zeigte sich
dabei, daß von dem Gifte, welches in einer Dosis von 0,000001 g
eine Maus in 4 Tagen tötete, für Ziegen 0,00012 g die krank
machende, 0,00024 g die eben tötliche und 0,00043 die rapid
tötende Dosis ist. Da es sich als schwierig erwies, die Tiere an der
Klippe der letalen Dosis unbeschadet vorbeizuführen, so zogen es
die Verff. vor, ihre Tiere nunmehr nach der Methode von Behring
durch Einverleibung abgeschwächter, allmählich sich steigender Dosen
von Tetanuskulturen zu immunisieren. Auch so erwies es sich dann noch
als sehr schwierig, die Tiere über die letale Dosis hinwegzubringen
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 443
und bedurfte es einer Zeit von 2 Monaten, erst dann konnten die
Injektionen von Rohgift benutzt werden. Um nicht durch das
AmmoDiumsulfat üble Zufälle heraufzubeschwören, wurde das Rohgift
durch 24-stündiges Dialysieren möglichst von demselben befreit. Diese
ganze Behandlungsmethode rühmen die Verff. sehr, denn sie ge-
statteten ein Giftmaterial von stets gleichbleibender Giftwirkung und
darum auch genauerer Dosierung anzuwenden, nur mußte die Vor-
sicht gebraucht werden, daß das fein gepulverte Gift sorgsamst vor
Licht und Luft und besonders vor jeder Spur Feuchtigkeit geschützt
wurde, deshalb mußte auch die Schwefelsäure im duüklen Exsiccator
sehr oft erneuert werden. 20 g dieses Giftes hatten denn genügt,
eine ziemlich hohe Immunität zu erreichen, so daß der Milchwert
schließlich 90 (XX) Immunitätseinheiten erreichte. Auffallend war, daß
eine Verdoppelung der Giftdosen nicht die gleiche, sondern nur eine
geringere Zunahme der Schutzsubstanz bedingte.
Bei der Konzentrierung der Schutzsubstanz aus der Milch der
Ziege wurde die Erfahrung gemacht, daß die Wertigkeit der aus der
Molke dargestellten wirksamen Präparate nicht proportional dem
Gehalte der Milch an Antikörpern zunimmt, sondern geringer bleibt,
wofür aber quantitativ mehr gewonnen wurde.
Zur Erleichterung der Verarbeitung der Molke wurde diese durch
Zusatz von 3 Teilen Tetrachlorkohlenstoff und 1 Teil Chloroform und
tüchtiges Durchschütteln geklärt. Durch 32 Proz. Ammoniumsulfat
wurden sämtliche Antikörper gefällt. Der Niederschlag wird gelöst
und mit basischem Bleiacetat in schwach alkalischer Lösung versetzt.
Der Bleiniederschlag wird mit schwach alkalischem Wasser gewaschen,
die abfiltrierte Flüssigkeit sowie das Waschwasser mit Ammonium-
sulfat gesättigt und der nun entstehende Niederschlag in wenig Wasser
gelöst. Der hieraus durch Sättigung mit Ammouiumsulfat resul-
tierende Niederschlag wird, auf Thon gestrichen, im Vacuum getrocknet.
Da das in dieser Masse enthaltene Antitoxin durch Pergament im
strömenden Wasser diffundiert, so mußten die Salze durch ein
Schlemmverfahren entfernt werden. Wurde das Pulver mit reinem
Chloroform gut geschüttelt, so schwimmt es an der Oberfläche,
während die Salze zu Boden sinken. Dieses Präparat besaß zuletzt
einen Immunitätswert von 25000000. Zwecks weiterer Reinigung
wurde der mit Blei behandelte Antikörper dann dem fraktioniertem
Aussalzen mit verschiedenen Neutralsalzen unterworfen, und zwar durch
successives Sättigen mit Kochsalz, phosphorsaurem Natron und
Ammoniumsulfat. Dann wurden Antikörper im Werte von 55000000
gewonnen.
Versuche an Mäusen mit diesem Antitoxin ließen erkennen :
1) daß auch die Antikörper der Milch gegenüber dem Tetanusgifte
Heilkraft entfalten;
2) daß die nach Einverleibung des Tetanusgiftes dem unabwendbaren
Tode verfallenen Mäuse noch sicher gerettet werden können,
wenn die tetanischen Symptome noch nicht zum Ausbruche ge-
langt sind;
3) daß auch nach dem Auftreten tetanischer Symptome selbst 30
Stunden nach stattgehabter Intoxikation mit dem Tetanusgifte
der Tetanus gehoben werden kann;
444 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
4) daß selbst 48 Standen nach der Vergiftung der Eintritt des
Todes stark verzögert wird ;
5) daß aber selbst bedeutende Mengen unseres Antitoxins nicht den
Ausbruch tetanischer Symptome zu hindern vermögen, wenn die
Behandlung 5 Stunden nach der Vergiftung beginnt.
Die für einen Menschen lebensrettende Dosis des Antitoxins
würde 50 g betragen, vorausgesetzt, daß die tötliche Intoxikation die
entsprechend gleiche wie bei den Mäusen ist.
Wenige Mäuse, denen Tetanussplitter unter die Haut geschoben
wurden, erlagen aber merkwürdigerweise trotz Anwendung der 50000-
fachen Menge der immunisierenden Dosis. 0. Voges (Danzig).
TVladimiroff, Ueber die antitoxinerzeugende und im-
munisierende Wirkung des Tetanusgiftes beiTieren.
(Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten. Bd. XV. 1893.
Heft 3. p. 405 ff.)
Verf. sucht in einer langen Versuchsreihe die Empfänglichkeit
verschiedener Tierarten für das Tetanusgift vergleichsweise festzu-
stellen. Als Impfmaterial benutzte er eine Bouillonkultur, welche
3 Tage nach dem Karbolzusatze einen Wirkungswert von 1:500000
für Mäuse hatte. Er prüfte dann das Verhalten des Giftes im Körper
von Mäusen, weißen Ratten, Meerschweinchen, Kaninchen und Ziegen.
Es ergab sich als minimale tötliche Dosis für
Weiße Maus 1:500000,
Weiße Ratte 1 : 50000,
Meerschweinchen 1 : 1 000 000,
Kaninchen mehr als 1:24000,
Ziege 1 : 250000.
Dieses ergiebt in absoluter Zahl
Weiße Mäuse
Weiße Ratte
Meerschwein
Ziege
ausgedrückt
0,00008 ccm
0,004
0,0002 „
0,1
Mittelgroßes Kaninchen 5,0 „
Im weiteren Verlaufe der Darstellung berichtet W. dann über
Versuche an 3 Ziegen, durch welche der Beweis geliefert wurde, daß
die Produktion von Tetanusantitoxin im Organismus der Ziegen nicht
davon abhängig gedacht werden muß, daß diese Tiere ihrerseits
eine erhöhte Widerstandsfähigkeit erlangen, sondern daß Antitoxin
auch dann produziert wird, wenn infolge der Tetanusgiftwirkung die
ursprüngliche Giftwiderständigkeit herabgesetzt wird. Hierbei nimmt
Verf. Gelegenheit, die Anschauung, die Behring neuerdings über
die sogenannte Ueberempfindlichkeit ausgesprochen hat, in gedrängter
Kürze zu besprechen. Die durch gelöstes Antitoxin bedingte Gift-
widerständigkeit ist transitorisch im Gegensätze zu der von Natur
vorhandenen dauernden Unempfindlichkeit, letztere ist aber abhängig
von dem Verhalten der belebten Teile des Organismus. Unterempfind-
lich ist ein Individuum, wenn seine Giftwiderständigkeit erhöht, über-
empfindlich, wenn sie herabgesetzt ist. Ist durch Vorbehandlung ein
Individuum überempfindlich, so ist die toxische Minimaldosis für
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 445
dasselbe geringer als für das nicht behandelte Individuum derselben
Gattung. Dieses geht so weit, daß ein Tier, ohne selbst Gift-
immunität erlangt zu haben, in seinem Blute so viel transitorische
Antitoxine enthalten kann, daß dasselbe andere Tiere gegen das
Gift schützen kann. Diese Versuche lassen zur Evidenz die merk-
würdige Thatsache erkennen, daß ein Individuum, ohne selbst Gift-
immunität erlangt zu haben, ein Blut liefern kann, mit dem man im-
stande ist, andere Individuen gegen das Gift zu schützen.
In einer dritten Versuchsreihe führt Verf. dann aus, daß bei
weißen Mäusen die Giftdosen nicht unter ein gewisses Minimum
heruntergehen dürfen, wenn mittelst derselben die Widerstandsfähig-
keit gegen das Tetanusgift erhöht werden soll. Es werden diese
Schlüsse durch ausgedehntes Tabellenmaterial belegt und geht aus
demselben auch noch hervor, daß es bei dem Immunisierungsverfahren
nicht darauf ankommt, daß man hinter einer gewissen minimalen
Dosis nicht zurückbleibt, sondern daß dabei auch die zeitliche Ver-
teilung der Giftapplikation eine hervorragende Rolle zu spielen
scheint. 0. Voges (Danzig).
Bruschettin^A.jL’immunitä sperimentalenell’influenza.
Ia serie di ricerche. (La Rif. med. 1893. p. 163.)
Auf Grund zahlreicher Versuche kommt B. zu dem Schlüsse,
daß es möglich ist, Kaninchen gegen die toxische Wirkung der In-
fluenzabacillen zu immunisieren. Das zu diesem Zwecke geeignetste
Mittel fand er in filtrierten Blutkulturen, welche in einer auf 60 —
72 Tage verteilten Gesamtmenge von 40 — 60 ccm die Tiere selbst
gegen größere Quantitäten vollvirulenter Blutkulturen immun machten,
als welche notwendig sind, um den Tod der Kontrolltiere binnen
wenigen Tagen herbeizuführen. Das Blutserum der immunisierten
Tiere besitzt ein ausgesprochenes antitoxisches, keineswegs aber auch
ein baktericides Vermögen ; es gelingt aber durch Injektionen eines
solchen Serums (ä 3 ccm subkutan) Kaninchen, bei welchen 2 Tage
vorher durch intracheale Einimpfung virulenter Influenzabacillen die
schwersten Formen von Influenza erzeugt wurden, vor dem sonst un-
ausbleiblichen Absterben zu retten. Kamen (Czernowitz).
Klipstein, E., Ueber das Verhalten der Cholera- und
Typhusbakterien im Torfmull mit Säurezusätzen.
(Hygienische Rundschau. 1893. No. 24. p. 1093 ff.)
Anschließend an seine gemeinsam mit Fraenkel in Marburg
veröffentlichten Untersuchungen über die Desinfektionskraft des Torf-
mulls berichtet Verf. über neue Versuche mit diesem Substrat. Als
Prüfstein wurde Cholera uud Typhus benutzt.
Cholerakulturen wurden in Wasser aufgeschwemmt, dann auch
mit Fäkalien und Urin gemischt und diese verschiedenen Medien
untersucht. Da es sich herausgestellt hatte, daß die Desinfektions-
kraft des Torfmulls fast nur von der in demselben enthaltenen
Säure abhinge, so war es wahrscheinlich, daß eine Steigerung dieses
Säurezusatzes die Desinfektionswirkung noch erhöhen mußte. In der
That zeigte sich, daß die von Fedor Wolff & Co. Helenaveen in
446 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Holland fabrikmäßig hergestellte 2 Proz. 60-proz. Schwefelsäure-
Torfmallmischung Choleravibrionen in 2 — 7 Stunden meist prompt
tötete. Es war wünschenswert, den Säuregrad noch weiter zu steigen.
Dabei mußte aber erst geprüft werden, ob das Aufsaugungsvermögen
des Torfmulls durch den stärkeren Säuregrad nicht litte. Es stellte
sich heraus, daß dieser Verlust nur ein unbedeutender war bei ein
und derselben Torfsorte, daß jedoch das Wasseraufnahmevermögen
der einzelnen Torfsorten ganz erheblichen Schwankungen unterworfen
ist. Die Schwefelsäure wurde nun noch in 4, 6 und 10 Proz. zu-
gesetzt. Der Stuhl wurde sowohl in frischem, schwach alkalischem
Zustande, wie auch nach langem Stehen bei stark alkalischer Reaktion
verwandt. Es zeigte sich eine bemerkenswerte Differenz der Lebens-
dauer der Keime, je nachdem sie in Wasser oder in Fäkalien verteilt,
dem Torfmull zugeführt wurden, dann aber auch ein erheblicher
Unterschied der durch die Benutzung verschiedener Faeces und Urine
bei sonst gleichen Versuchsbedingungen bewirkt wurde. Die in
Wasser suspendierten Keime starben um so schneller ab, je stärker
der Säuregrad (bei 10 Proz. H2S04 schon nach 10 Minuten). Bei
den Fäkaluringemischen kam vor allem die Alkalescenz, wodurch eine
größere oder kleinere Säuremenge neutralisiert wurde, in Betracht,
daneben aber auch die sonstige Beschaffenheit der Stühle, so daß die
Absterbezeit bald 1, bald 12 Stunden dauert, nach 20 Stunden wurden
jedoch durch Peptonkultur keine lebenden Cholerakeime mehr kon-
statiert.
Weit günstigere Resultate als der Schwefelsäuretorfmull lieferte
jedoch das von Dr. Meyer in Dömitz a. E. erhaltene, Phosphorsäure
enthaltende Torfmullpräparat. 15 Minuten genügten, um in den
Gemischen die Keime mit Sicherheit abzutöten.
Neben den Cholerakeimen wurde noch der für die Desinfektion
der menschlichen Stühle wichtige Typhusbacillus auf seine
Lebensenergie hin untersucht. Da derselbe aber aus den Bakterien-
gemengen nur schwer wiederzufinden ist, so wurden sterilisierte
Medien angewandt und mit Reinkulturen gearbeitet. Verf. sucht
dabei gleichzeitig den Nachweis zu liefern, daß diese Versuchs-
anordnung auf die erhaltenen Resultate ohne Belang sei. In 4-proz.
Schwefelsäuretorfmull waren die Bakterien nach 9 — 24 Stunden noch
lebensfähig, nach 2 Tagen aber sicher vernichtet, in allen stark
alkalischen Stühlen erhielten sie sich aber bis zu 6 Tagen. 10-proz.
Schwefelsäuretorfmull ließ nach 12-stündiger Einwirkung keine Typhus-
keime mehr aufkommen. In dem 10-proz. Phosphorsäuretorfmull
wurden die Typhusbacillen mit Sicherheit schon nach 6 — 10 Stunden
abgetötet, auch wenn die Stühle bereits stark alkalisch waren.
Als Facit glaubt Verf. die Einführung der in Rede stehenden
Torfmullpräparate vom Standpunkte der Hygiene durchaus empfehlen
zu sollen, zumal ähnliche, ja noch günstigere Resultate von Stutzer
und Burri in Bonn vorliegen. O. Voges (Danzig).
Salus, H., Ueber das Verhalten der Choleravibrionen
im Taubenkörper und ihre Beziehungen zum Vibrio
Metschniko vi. (Archiv f. Hygiene. Bd. XIX. 1893. Heft 4.)
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 447
Es handelt sich in der vorliegenden Arbeit um eine Nachprüfung
und Berichtigung von Forschungen, die Pfeiffer und Nocht vor
einiger Zeit in der Zeitschrift für Hygiene unter ähnlichem Titel
veröffentlichten und welche zu dem Resultate geführt hatten, daß der
Vibrio Metschnikovi für*Tauben ganz außerordentlich pathogen
ist, während die Cholerabakterien für diese Tiere so gut wie gar
keine Virulenz besitzen, daß es ferner möglich ist, Meerschweinchen
und Tauben gegen Vibrio Metschnikovi zu immunisieren und
daß eine wechselseitige Immunität der mit Vibrio Metschnikovi
vorgeimpften Tiere gegen Cholera asiatica und umgekehrt nicht besteht.
Die Versuche des Verf.’s beschäftigen sich mit dem Verhalten
der Cholerabakterien gegen Tauben und mit den Wechselbeziehungen
der Cholerakeime zu dem Vibrio Metschnikovi. Die ersten
Kulturen, mit denen experimentiert wurde, stammten aus Hamburg.
Dieselben bewiesen sich in der ersten Zeit nur mäßig virulent, inso-
fern zur sicheren Infektion eines Meerschweinchens circa 1/3, zur
Infektion einer Taube circa 1/2 Agarkultur notwendig waren. Von
zwei aus München mitgebrachten Kulturen zeigte die eine keine
größere Virulenz, als die vorerwähnten, während der anderen die
Eigentümlichkeit zukam, eine besonders deutlich septikämisch ver-
laufende Tiercholera zu veranlassen.
Die mit großer Sorgfalt vorgenommenen Experimente berechtigen
den Verf. zu folgenden Schlüssen bezüglich des Verhaltens der
Tauben gegenüber der Infektion mit dem Ko ch’schen Vibrio: Der-
selbe besitzt im virulenten Zustande auch für Tauben eine sehr hohe
Virulenz. Die durch die Cholerabacillen erzeugte Erkrankung beruht
bei Tauben auf Infektion, die eingebrachten Keime vermehren sich
lebhaft im Blute; der Prozeß verläuft als Septikämie.
Was das Verhalten der mit Cholera immunisierten Tauben gegen
den Vibrio Metschnikovi und umgekehrt betrifft, so bestätigte
sich die Angabe Pfeiffer’s, daß es leicht gelingt, Meerschweinchen
und Tauben gegen den Vibrio Metschnikovi zu immunisieren.
War es erst gelungen, Tauben gegen einen der beiden geprüften
Vibrionen zu immunisieren, so vertrugen dieselben auch die Impfung
mit dem anderen Vibrio: dabei ergab sich jedoch eine quantitative
Ueberlegenheit des Vibrio Metschnikovi insofern, als bei nicht
hoch immunisierten Tieren nach Ueberstehen der Infektion mit
Vibrio Metschnikovi ein Keimschutz gegen den Vibrio
Kochi sicher bestand, während ein mit Cholera nur mäßig vor-
geimpftes Tier die nachträgliche Infektion mit dem Vibrio Metsch-
nikovi nicht überlebte. Dagegen vermochten 5 Tauben, die, mit
Cholerakeimen vorgeimpft, einen hohen Grad von Immunität gegen
diese Vibrionen erreicht hatten, eine Impfung mit Vibrio Metsch-
nikovi sehr wohl zu überstehen. Daß so behandelte Tiere nach
Ueberstehen der Infektion mit Vibrio Metschnikovi auch wieder
Impfungen mit Vibrio Kochi überstehen, ist natürlich.
Hieraus ergiebt sich, daß man sehr wohl eine wechselseitige
Immunität der mit dem Vibrio Metschnikovi vorgeimpften
Tiere gegen den Vibrio cholerae und umgekehrt erzeugen kann
448 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
urnl daß eine sehr nahe Anverwandtschaft «wischen diesen beiden
Vibrionen bestehen maß. Maaß (Freiburg i. B.).
Jolles, Maximilian, Ueber die Desinfektionsfähigkeit
von Seifenlösungen gegen Cholerakeime. (Zeitschrift
für Hygiene und Infektionskrankheiten. Bd. XV. 1894. Heft 3.
p. 460—473.)
Die im chemisch-mikroskopischen Laboratorium von Max und
Adolf Jolles in Wien augestellten Untersuchungen kommen zu
folgendem Schlüsse: Die Lösungen der einzelnen Seifengattungen
zeigen unter den gleichen Bedingungen, d. h. der gleichen Temperatur,
gleichen Wirkungsdauer und gleicher Konzentration hinsichtlich ihrer
Desinfektionsenergie gegeu die Cholerabakterien nur unbedeutende
Differenzen. Sie sind als Choleradesinfektionsmittel für alle Fälle,
wo Seifenlösungen anwendbar sind, sämtlich fast gleich brauchbar.
Ihr großer Vorzug vor anderen Desinfektionsmitteln besteht in der
Leichtigkeit der Beschaffung, der Anwenduugsweise und der völligen
Ungefährlichkeit.
Die Seifen waren bezeichnet als Kaliwaschseife, Kalilysolseife,
Glycerinseife, Ledatoiletteseife und Rasierseife; die Fettsäuren be-
wegten sich um 67 Proz., die Alkalien um 9,5 Proz., das freie Alkali
schwankte von 0,004 Proz. bis zu 0,065 Proz. Von jeder Seife wurden
in einer Versuchsreihe je 10 verschiedene Lösungen von 1 — 10 Proz.
hergestellt, eine zweite operierte mit Lösungen von 0,1 — 0,9 Proz.
u. s. w., die Einwirkungsdauer schwankte von momentaner bis zu
24 Stunden, wobei die Temperaturgrade u. s. w. verändert wurden.
Ausführliche Tabellen geben genauen Aufschluß auf die gewonnenen
Resultate. E. Roth (Halle a. S.).
Yillard, Fernand, De quelques mesures prophylactiques
prises pendant l’6pidemie de cholßrade 1892. [These.]
4°. 71 p. Paris 1893.
In Bezug auf die zwei Choleraepidemieen von 1892 behauptet
Verf., daß die der Bannlinie von Paris an Ort und Stelle entstanden
sei, während die andere ihren Ursprung in dem nordwestlichen Teile
Ostindiens genommen habe und über Baku nach Europa auf dem
Verkehrswege verschleppt sei.
Um die allseitig geübte Quarantaine zu einer wirklich wirksamen
zu gestalten, sei unbedingt ein geschultes Personal notwendig, welches
mit der Desinfektion umzugeheu wisse, widrigenfalls die Maßregeln
als verfehlte bezeichnet werden müssen.
Vor allem sei ferner dem Wasser große Aufmerksamkeit zu
schenken, durchseuchtes oder auch nur verdächtiges Wasser keines-
falls zu gebrauchen und der Verwendung desselben selbst mit Gewalt-
maßregeln entgegenzutreten. Im Notfälle des Gebrauches sei
mindestens eine Zerstörung der Keime durch eine hinreichende Des-
infektion vorzunehmen. Ferner redet Verf. der Leichenverbrennung
das Wort und erhofft von ihr Einschränkung der Seuche.
E. Roth (Halle a. S.).
Neue Litteratur.
449
Neue Litteratur
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Schutzimpfungen, künstliche Infektionskrankheiten, Entwlcke-
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Heilverfahren gegen Tuberculose.
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Gallier, A., Empiriques et inoculations preventives. (Recueil de med. vdterin. 1894.
No. 1. p. 18 — 20.)
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zu München 1890/92. München 1894. p. 219 — 242 )
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Inhalt.
Inhalt.
Originalmitteilungen.
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rillen in den Dejektionen einer unter
Cholerasymptomen gestorbenen Frau.
(Orig.), p. 405.
Braun , M , Helminthologische Notizen.
(Orig.), p. 409.
Escherich. Notiz zu dem Vorkommen feiner
Spirillen in diarrhöischen Dejektionen.
(Orig.), p 408.
Kahane , Max , Ueber das Vorkommen
lebender Parasiten im Blute und in
Geschwulstzellen bei Carcinomatösen.
(Orig ), p. 413
Kruse, W., Eine allgemein anwendbare Ver-
besserung des Plattenverfahrens. (Orig.),
p. 419.
Wolffhügel, G., Zur Frage der Gelatine-
bereitung. (Orig.), p. 421.
Referate.
Brunner, C., Die bisherigen Resultate ex-
perimenteller Untersuchungen über die
Art der Wirkung des Tetanusgiftes auf
das Nervensystem, p. 438.
Casper, Ueber Cystitis colli gonorrhoica,
p. 432.
Cohn , F. , Ueber thermogene Bakterien, ]
p. 424.
Frank, B., Ueber ein parasitisches Clado-
sporium auf Gurken, p. 440.
— — , Ueber die Befalluug des Getreides
durch Cladosporium und Phoma, p. 440.
Friedrich, Vergleichende Untersuchungen
über den Vibrio cholerae asiaticae mit
besonderer Berücksichtigung der diagno-
stischen Merkmale desselben, p 434.
Huber, Ueber den Influenzabacillus, p. 439.
Iwünoff, M., Ueber eine neue choleraähn-
liche Vibrionenart, p. 433
Jakowski. M , Beiträge zur Lehre von den
Bakterien des blauen Eiters (Bacillus
pyocyaneus), p. 431.
Karlinski, Unter der gelben Flagge. Er-
innerungen und Eindrücke von meiner
Reise nach Arabien und Kleinasien,
p. 436.
Krannhals, Ueber Pyocyaneusinfektionen,
p. 431.
Marchand, Ueber einen noch nicht näher
bekannten Kapselbacillus, p. 428.
Mühsam, R. u. Schimmelbusch, C., Ueber
die Farbenproduktion des Bacillus pyo-
cyaneus bei der Symbiose mit anderen
Mikroorganismen, p. 430.
Nanu, Jean Georges, Notes sur 1c cholera
de 1892 observe ä l’hopital Necker, p.437.
Oddo, Pericardite complication de colique
hepatique, p. 429.
Posner u Lewin, Farbenanalytische Unter-
suchungen über gonorrhoischen Eiter,
p. 432.
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digestives, p. 429.
Renvers, Die Choleraerkrankungen im
städtischen Krankenhause Moabit, p. 434.
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infezione tetanica sperimentale negli ani-
mali, p 439.
Schreier, E , Zur Aetiologie und Patho-
genese der Periostitis dentalis, p. 440.
Timpe, Hermann, Ueber die Beziehungen
der Phosphate und des Kaseins zur
Milchsäuregärung, p 425.
Wehmer, C., Ueber Citronensäuregärung,
p. 426.
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Pilze I. Zwei neue Schimmelpilze als
Erreger einer Citronensäuregärung, p. 427.
Zinno, A., Contributo allo studio dei pro-
cessi biochimici dei batteri con speciale
riguardo alla diagnosi differenziale fra
varii microorgaiiismi simiglianti, p. 428
Schutzimpfung, künstliche Infektions-
krankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Bonaduce, Ueber Beziehungen des Blut-
serums von Tieren zur natürlichen Im-
munität, p. 441.
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zentrierung der gegen Wundstarrkrampf
schützenden Substanz aus der Milch, p. 442.
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di sodia per i processi microbici massime
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gola, p. 441.
Gatti, G., Süll’ aumeuto dei potere micro-
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p. 441.
Jolles, Maximilian, Ueber die Desinfek-
tionsfähigkeit von Seifenlösungen gegen
Cholerakeime, p. 448.
Klipstein, E. , Ueber das Verhalten der
Cholera- und Typhusbakterien im Torf-
mull mit Säurezusätzen, p. 445.
Salus, H., Ueber das Verhalten der Cho-
leravibrionen im Taubenkörper und ihre
Beziehungen zum Vibrio Metschnikovi,
p 446.
Villard , Fernand , De quelques mesures
prophylaetiques prises pendant l’6piddmie
de cholera de 1892, p. 448.
Wladimiroff, Ueber die antitoxinerzeugende
und immunisierende Wirkung des Teta-
nusgiftes bei Tieren, p. 444
Neue Litteratur, p 449.
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Jährlich erscheinen zwei Bände.
— Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. |«*-
Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten -
künde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um IÄefei'ung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an
den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena , gelangen zu
lassen . Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage, später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original -Mittheilungen.
Ueber die Verwendung des Uschinsky’schen Nähr-
bodens zur Choleradiagnose.
Von
Dr. med. 0. Voges
in
Danzig.
In Bd. XIV. No. 10 dieser Zeitschrift berichtete Uschinsky
über einen eiweißfreien Nährboden, auf dem Cholera, Diphtherie,
Schweinerotlauf, Peripneumonia bovina, Tetanus und Typhus ebenso
üppig wuchsen, wie in Bouillon. Die Zusammensetzung dieses Nähr-
bodens ist folgende :
ü\. Bd.
29
454
O. V o g e s ,
Wasser 1000,
Glycerin 30—40,
Chlornatrium 5 — 7,
Chlorcalcium 0,1
Magnesiumsulfat 0,2 — 0,4,
Dikaliumphosphat 2 — 2,5,
Ammonium lacticum 6 — 7,
Natrium asparaginicum 3,4
Es erschien uns nicht uninteressant, diese Angabe zu erproben.
Zu diesem Ende impften wir mehrere Röhrchen von U s c h i n s k y ’ scher
Nährlösung mit Cholerabacillen und beobachteten nach 8 Stunden
im Brütofen eine Trübung und ein schönes Häutchen. Die mikro-
skopische Untersuchung ergab eine Reinkultur von Kominabacillen
ebenso wie das kulturelle Verfahren. Es fragte sich nun, ob dieser
Nährboden sich an Stelle des Peptons gebrauchen ließe. Wir stellten
uns eine größere Menge der Nährlösung her, machten aber die Ent-
deckung, daß der Nährboden trübe war und nach einiger Zeit einen
weißlichen Bodensatz fallen ließ. Aus der Zusammensetzung der
einzelnen Nährmedien erschien es wahrscheinlich, daß sich im Wasser
so gut wie unlösliches schwefelsaures Calcium bildete, wodurch der
Niederschlag entstand. Es wurde nun das Chlorcalcium aus der
Lösung fortgelassen und blieb darauf der Nährboden auch nach der
Sterilisation klar. Der Choler abacil lus gedieh gleich gut in der
neuen Mischung. Die Reaktion dieses Mediums zeigte sich für
Lackmus neutral, ja fast etwas zum Saueren neigend.
Es wurden nun zunächst einige Röhrchen mit Cholera, andere
mit Kot, wieder andere mit Urin, weitere mit Urin und Kot gemischt,
mit Erde und Schlamm beschickt und da zeigte sich, daß nach 8-
stündigem Aufenthalte im Brütofen die mit Cholera geimpften Röhrchen
bereits ein zartes Häutchen erkennen ließen, während in allen
anderen kaum eine Trübung des Nährbodens statt hatte. Erst in
späterer Zeit trat auch in den anderen Röhrchen eine Häutchen-
bildung ein, meist handelte es sich in diesen Fällen um den Ba-
cillus coli communis oder wurzelförmigen Erdbacillus,
während ungezählte andere Keime, so auch der Subtil is, nicht
wuchsen.
Um zu prüfen, wie sich die Cholerabakterien in Bakteriengemengen
verhielten, wurden Röhrchen mit 10 ccm Inhalt mit je 10 und je
1 Oese eines diarrhöischen Stuhles gemischt und darauf mit so viel
von Cholerabacillen infiziert, als au einer feinen Platinnadelspitze
hängen blieb, es konnte sich, wie Kontrollversuche ergaben, immer
nur um verschwindende Mengen gegenüber den in den Röhrchen vor-
handenen Kotbakterien handeln. Zur Kontrolle wurde ein Röhrchen
ohne Kot angesetzt. Um gleichzeitig einen Vergleich zwischen der
Wachstumsenergie der Cholerabacillen auf Uschinsky’ schein Nähr-
boden und in PeptoDröhrchen zu haben, wurden mehrere Pepton-
röhrchen in ganz der nämlichen Weise behandelt.
Nach 8 Stunden Brütofenaufenthalt ergab die Untersuchung
folgendes:
Ueber die Verwendung des Üschinsky’schen Nährbodens zur Choleradiagnose. 455
I. U s c h i n s k y lösung ohne Stuhl mit Cholera. Trübung des Nährbodens, be-
ginnende Häutcbenbildung im mikroskopischen Präparate. Reinkultur von Cholera-
bacillen.
II. U s c h i n s k y lösung mit 1 Oese Stuhl mit Cholera. Häutchenbildung mäßiger
Dicke. Mikroskopisch mäßig viele Cholerabacillen, daneben überwiegend an Zahl
ein kurzes Stäbchen (Bact. coli).
III. U s c h i n s k y lösung mit 10 Oesen Stuhl mit Cholera. Ziemlich starkes Häutchen.
Mikroskopisch zu gleichen Teiler Cholerabacillen und Bact. coli
la. Peptonlösung ohne Stuhl mit Cholera Ziemlich starkes Häutchen Reinkultur
von Cholerabacillen.
Ha. Peptonlösung mit 1 Oese Stuhl mit Cholera. Ziemlich starkes Häutchen. Mikro-
skopisch neben Kommabacillen etwa 3 — 4 andere Stäbchen- und Kokkenarten,
lila. Peptonlösung mit 10 Oesen Stuhl mit Cholera. Starkes Häutchen. Mikroskopisch
neben wenigeren Kommabacillen überwiegend 3 — 4 Kokken- und Stäbchenarten.
Von diesen Röhrchen wurden nun mit ein und derselben sehr
kleinen Platinöse je 1 Oese auf Gelatine übertragen und in Petri -
sehen Schälchen ausgesät. Nach 2 Tagen zeigte sich folgendes:
I. Röhrchen. Reinkultur von Cholerabacillen im Verhältnisse zu.
la. Röhrchen, welches ebenfalls Reinkultur von Choleravibrionen zeigte, etwas geringer
an Zahl der Kolonieen.
II. Röhrchen. In überwiegender Anzahl Bacterium coli commune, daneben
in der Minderheit nur noch Cholerakolonieen.
Ila Röhrchen. Neben Cholerakolonieen etwa 3—4 verschiedene Bakterienarten. Im
ganzen waren mehr Kolonieen gewachsen, wie auf der U s c h i n s k y platte. Die
Cholerakolonieen waren dementsprechend auch häufiger.
III. Röhrchen. Neben überwiegenden Cholerakolonieen weniger Kolonieen von Bac-
terium coli.
lila Röhrchen. Neben mäßig vielen Cholerakolonieen 3 — 4 andere Bakterienkolonieen
in der Ueberzahl.
Es fragte sich, wie gestalten sich die Verhältnisse, wenn größere
Massen Nährboden und Untersuchungsmaterial verwandt werden. Es
wurden 300 ccm Usch insky lösung im Erlen rneyer’ sehen Kolben
mit 30 ccm des dünnflüssigen Stuhles infiziert und dieser ganzen
Menge wiederum nur eine Nadelspitze Cholerabouillonkultur zuge-
setzt und gut durchgeschüttelt. Zur Kontrolle wurde eine ebensolche
Menge ohne Cholera angesetzt. Nach ca. 9 Stunden fand sich in
beiden Kolben ein deutliches Oberflächenhäutchen, dasselbe bestand,
wie mikroskopische Untersuchungen und Kulturversuche ergaben, bei
dem Kontrollkolben aus einer Reinkultur von Bacterium coli
commune (neben sonstigen Merkmalen wurde auch stets auf Milch-
gerinnung und Gasbildung geachtet). In dem Cholerakolben fanden
sich in der Minderheit Bacterium coli, in der überwiegenden
Anzahl Cholerakeime.
Bei der Beobachtung dieser Resultate fällt es auf, daß, je mehr
Kot und je größere Quantitäten zur Untersuchung kamen, destomehr
die Cholerakeime das Uebergewicht erlangten. Es läßt sich diese
Erscheinung ganz gut damit erklären, daß durch den richtigen
Zusatz von Kot für den Cholerabacillus ein Optimum der Wachs-
tumsbedingungen gegeben ist, welches naturgemäß sehr wohl ein
anderes sein kann, wie das des Bacterium coli commune.
Außerdem ist sehr bemerkenswert, daß, während wir in den Pepton-
gemengen immer mit 4—5 Bakterienarteu zu kämpfen haben, wir
bei der U s c h i n s k y lösung nur noch das Bacterium coli wachsen
sehen. Diese Thatsache erscheint mir wichtig genug, um für die
29*
456 °- Voges»
bakteriologische Untersuchung eines choleraverrlächtigen Stuhles die
Mitbenutzung des Uschinsky’schen Nährbodens empfehlen zu sollen.
Einen Nachteil dieses neuen Nährsubstrates dürfen wir auch nicht
verschweigen. Nach den bisherigen Beobachtungen hat es den An-
schein, als oh das Wachstum der Cholerabacillen auf demselben
gegenüber den Peptonlösungen ein etwas verlangsamtes ist; denn
wie man sieht, werden die Untersuchungen der Röhrchen immer erst
nach 8 — 9 Stunden vorgenommen. Es ist nun zwar möglich, bereits
nach 6 Stunden, wie beim Pepton, Abimpfungen vorzunehmen, jedoch
ist die Vermehrung der Cbolerabacillen dann immerhin noch eine
geringere. Trotzdem glaube ich, thut man gut, neben dem Pepton-
röhrchen solche mit Usch in sky anzustellen, denn es ist doch ent-
schieden vorteilhafter, nach 8 Standen Kommabacillen zu finden und
daraufhin weitere Schritte thun zu können, als sich mit einem nega-
tiven Resultate aus den Peptonröhrchen begnügen zu müssen.
Neben der Untersuchung des Stuhls wendet man neuerdings auch
der des Wassers auf Cholerabacillen die größte Aufmersamkeit zu.
Sollte sich unser Nährboden nicht auch für dieses Substrat verwen-
den lassen? Wenn wir in dem ursprünglichen Nährboden Aq. dest.
durch das zu untersuchende Wasser ersetzen, so machen wir die
Entdeckung, daß auch, wenn wir das Chlorcalcium fortlassen, dennoch
durch den im Wasser vorhandenen Kalk ein Niederschlag erfolgt, (
wodurch der Nährboden unbrauchbar wird. Ein gewöhnliches Wasser,
besonders aber meistens das der Cholerabacillen verdächtige, enthält
nun schon die für das Wachstum der Cholerabacillen nötigen Salze
und nahmen wir deshalb ff. Lösung für unsere Untersuchung.
Chlornatrium 4
Dikaliumphosphat 1
Ammonium lacticum 3
Natrium asparaginicum 2
Diese Salze werden aufgelöst in 100 Aq. dest. und sterilisiert. Wir
haben dann eiDe konzentrierte Lösung, welche völlig klar bleibt.
Dieser Lösung kann man nun von dem zu untersuchenden Wasser
400 ccm zusetzen, dann hat man eine klare Lösung von demselben
Verhältnis wie die ursprüngliche U sch inski’ sehe. Will man sich
die konzentrierte Lösung nicht vorrätig halten, so kann man einfach
die Salze gleich in dem zu untersuchenden Wasser auflösen. Da
mir kein cholerabacillenhaltiges Wasser zur Verfügung stand, impften
wir, nachdem Versuche im Reagenzglase ein positives Resultat ge-
geben hatten, 300 ccm mit einer Cholerabacillenmenge, die eben an
einer Platinnadelspitze haften blieb. Da das Wasser der hiesigen
Wasserleitung relativ bakterienarm ist, so fand sich nach 9 Stunden
eine als Häutchen imponierende völlige Reinkultur von Cholerabacillen.
Dieselben sahen aber derartig verkümmert und verkrüppelt aus, daß
erst die nun nachfolgende Aussaat auf Agar und Gelatine mit Sicher-
heit gestattete, sie als Cholerakeime anzusprechen, und erst die
öftere Beobachtung dieser Formen konnte die Diagnose erleichtern.
Wir sehen eben, daß der Cholerabacillus so ziemlich an der
Grenze seiner Wachstumsbedingungen angekommen ist, da die Bilder
lieber die Verwendung des Uscliinsky’sclien Nährbodens zur CholerAdiagnose. 457
nicht unähnlich sehen denen, welche man aus alten ausgelaugten
Kulturen erhalten kann. Spirillen wurden nicht beobachtet.
Wir haben seitdem diese Versuche des öfteren wiederholt, und zwar
auch mit Wässern, welche 5000 Keime und mehr im ccm enthalten. Stets
wurde nur die minimalste Menge Cholerabacillen zugesetzt und stets
fand sich nach 8 — 10 Stunden Brütofenaufenthalt nur eine Reinkultur
von Cholerabacillen auf der Oberfläche. Von den unter den natürlichen
Bedingungen gewöhnlich uns begegneten Bakterien fand sich überhaupt
außer dem Bacterium coli commune kein anderes Bakterium,
welchem diese karge Nahrung zusagte. Kontrollproben ohne Cholera
waren stets selbst nach 20 und mehr Stunden noch völlig klar,
während die mit Cholera geimpften Kolben ein dickes Cholerahäut-
chen aufwiesen. Wir glauben daher einige Berechtigung zu haben,
für die Untersuchung neben dem gewöhnlichen, von R. Koch ange-
gebenen Verfahren noch den U s chin ski’schen Nährboden empfehlen
zu dürfen, da er entschieden in mancher Beziehung dem Pepton
überlegen ist. Sehr zweckmäßig hat sich auch mir die Methode
erwiesen, daß man von den Peptonkolben nach etwa 4 — 6 Stun-
den auf eine Uschi nskilösung überimpft. Fast stets gelingt
es dann, wenn nicht gerade besondere Verhältnisse vorliegen, eine
Reinkultur von Cholerabakterien ohne Benutzung eines festen Nähr-
bodens zu erhalten.
Es läßt sich übrigens durch Zusatz von 2 Proz. Agaragar
ein guter, fester Nährboden hersteilen, auf welchem die Cholera-
bacillen in einer Form wachsen, welche sich sehr gut von dem
auf eben dem Nährsubstrate gedeihenden Colibacilleu unterscheiden
lassen. Die Versuche hierüber sollen noch weiter fortgesetzt
werden. — Die U s chi u s ki’schen Cholerakulturen geben übrigens
nie die Indolreaktion, wie dasselbe ja auch von vornherein wahr-
scheinlich ist und geht hieraus hervor, daß das Indol durch Spal-
tungsprozesse und nicht auf dem Wege der Synthese gebildet wird.
Für die Praxis bot sich bis jetzt noch keine Gelegenheit, den
Uschin ski’schen Nährboden verwenden zu können, doch möchten
wir schon jetzt auf die durch diese Experimente hervorgerufenen
Resultate aufmerksam machen, damit auch von anderer Seite die
Brauchbarkeit dieses Nährbodens studiert wird, denn nur durch
vielseitige Prüfung kann ein richtiges Resultat gewonnen werden.
Zweck dieser Zeilen war es, auf die Verwendung dieses Nähr-
bodens aufmerksam zu machen, wir werden selber die Versuche mit
demselben fortsetzen und über das Ergebnis derselben berichten.
Danzig, 12. Mär2 1894.
458
J. Kuprianow,
Zur Methodik der keimfreien Gewinnung des Blut-
serums.
[Aus dem hygienischen Institute der Universität zu Greifswald.]
Von
Dr. J. Kuprianow.
Mit 1 Figur.
Jeder, der sich mit Bakteriologie beschäftigt, weiß, wie schwer
es ist, sterilisiertes Blutserum zu bekommen. Wie bekannt, benutzt
man gewöhnlich das Blut eines soeben im Schlachthause getöteten
Tieres. Den ersten Strahl des Blutes aus der großen angeschnittenen
Ader des Halses läßt man ablaufen, das nachströmeude Blut fäugt
man in sterilisierten Gefäßen auf und stellt diese an einen kühlen
Ort während 24 Stunden. Nach dieser Zeit bringt man das gebildete
Blutserum mit einer sterilisierten Pipette in einen Kolben beziehungs-
weise in Reageuzgläschen und legt diese gleich nachher entweder in
den Apparat zum Erstarren oder mau sterilisiert sie zuerst 8 Tage
lang bei 58° C; dann stellt man sie für 2 bis 3 Tage in den Brüt-
schrank und nachher sterilisiert man aufs neue an zwei Tagen bei
58°. Nach der Erstarrung stellt man die Reageuzgläschen noch
24 Stunden in den Brütschrank und scheidet die steril gebliebenen
von denjenigen, welche Keime enthalten, aus. Gewöhnlich wenn das
Blutserum anfangs nicht sterilisiert war, ist fast die Hälfte oder ein
noch größerer Teil unbrauchbar.
Auch bei der oben beschriebenen Sterilisation verderben manche
Reagenzröhrchen. Schon lange haben Miquel1), van Tieghem2)
und Gl obig3) gezeigt, daß es eine große Reihe von Bakterien giebt,
die zwischen 50 und 70° gedeihen, deren Temperaturoptimum bei
56 bis 58 0 C liegt, also gerade bei der Temperatur, welche man bei
der fraktionierten Sterilisation anwendet. Noch unbequemer ist es,
wenn man sich nicht mit erstarrtem, sondern mit flüssigem Blutserum
beschäftigen muß und wenn man eine bestimmte abgemessene Menge
desselben ohne weitere Sterilisation in Reagenzröhrchen , oder in einem
Kolben haben will. Ein einziger in das flüssige Serum gelangter
Keim kann die ganze Serummenge verderben. Das in letzter Zeit
von Kirchner4) angegebene Verfahren zur Sterilisierung von Blut-
serum durch Versetzen und Schütteln mit Chloroform ist zu lang-
wierig und nicht ganz sicher. Man muß viele Wochen und Monate
lang das Blutserum in mit Gummipfropfen geschlossenen Flaschen
halten, um Keimfreiheit zu erzielen. Nach der Einfüllung solchen
Blutserums in Reagenzgläschen und nachdem sie einen Tag im Brüt
1) Les organismes vivants de l’atmosphfere. 1888. p. 183. (Aunuaire de l'observa-
toire de Monsouris. 1885. p. 571.)
2) Bulletin de la societe botanique de France. 1881. p. 35.
3) Zeitschrift für Hygiene. Bd. III 1887. p. 295.
4) Kirchner, Heber die Einwirkung des Chloroform auf die Bakterien. (Zeit-
schrift für Hygiene. Bd. VIII. 1890. p. 465.)
Zur Methodik der keimfreien Gewinnung des Blutserums.
459
schranke gewesen sind, findet man auch dann noch häufig einen Teil
unbrauchbar.
In letzter Zeit mit verschiedenen Fragen über Immunität be-
schäftigt, mußte ich Versuche mit einer bestimmten Menge absolut
sterilen Blutserums machen, welches weder die Einwirkung höherer
Temperatur, noch irgend eines desinfizierenden Mittels erfahren hatte.
Zu diesem Zwecke habe ich Blutserum gewonnen von Blut, welches
unmittelbar aus der Ader eines Tieres durch Röhren in einen sterili-
sierten Kolben übergeleitet war, ohne mit der Luft in Berührung zu
kommen. Zunächst bereitete ich zwei oder drei Kolben von zwei
Liter Inhalt vor, in der Weise, daß jeder mit einem gut passenden,
doppelt durchbohrten Kautschukpfropfen versehen wurde. In die
beiden Bohrungen wurden Glasröhrchen eingeführt, welche einige
Centimeter in den Kolben hineinreichten und außerdem rechtwinklig
gebogen waren. Die eine dieser Röhren, welche wir a nennen wollen,
trug am äußeren Ende einen ziemlich langen Gummischlauch, in
welchen eine gläserne, im rechten Winkel gebogene Kanüle gesteckt
war. Die Spitze der letzteren war spindelförmig ausgezogen und
sollte zur Einführung in die Ader des Tieres dienen. Zur Vorsicht
muß man sich mit mehreren dieser Kanülen versehen, denn bei der
Operation können sie leicht zerbrechen oder verstopft werden. Die
Kanüle kann man sehr leicht in der Flamme eines Brenners aus ein-
fachen Glasröhren anfertigen, wobei man aber Sorge tragen muß, daß
die Weite der Spitze der Weite des Gefäßes entspricht und die Ein-
schnürung, die hinter der Spitze der Kanüle sein muß, groß genug
gemacht wird, weil sonst das Gefäß leicht von der Kanüle abgleiten
kann. Das zweite Rohr b des Pfropfens dient nur zum Eintritte der
Luft und wird mit einem Wattepfropfen versehen.
Die so mit allem Zubehör zubereiteten Kolben werden an drei
aufeinander folgenden Tagen zwei Stunden lang im Dampftopfe
sterilisiert.
Wenn alles fertig ist, bringt man das Tier (Hammel oder Kalb),
welches zur Blutentnahme bestimmt ist, in das Laboratorium 1), bindet
ihm die Füße, schneidet auf einer Stelle des Halses die Haare weg,
rasiert die Haut und wäscht diese mit Seife, Sublimatlösung, Alkohol
und Aether wie bei jeder chirurgischen Operation. Dann macht man
mit dem sterilisierten Messer einen Schnitt durch Haut und Fascie,
sucht die Carotis (oder Vena jugularis externa) und löst die letztere
von den umgebenden Geweben in ziemlich großer Ausdehnung los.
Wie bei dieser Operation üblich, legt man an einer Stelle des Gefäßes
eine Ligatur und an einer zweiten, je nachdem man aus einer Arterie
oder Vene das Blut entnehmen will, central oder peripher eine
Klemmpincette an. In den mit Blut gefüllten Gefäßteil macht mau
mit der Scheere einen schrägen Schnitt uud bindet in die Oeffnung
die Kanüle ein. Eine gewisse Länge des mit der Kanüle verbundenen
Gummischlauches verhindert ein Herausreißen der Kanüle bei etwaigen
heftigen Bewegungen des Tieres.
1) Man nimmt das Tier ins Ijaboratorium nach Vereinbarung mit dem Schlächter,
welcher es nach der Operation zum Schlachten zurückerhält.
460
J. Kuprianow,
Die Hammel liegen im übrigen bei dieser Operation meist ganz
ruhig. Entnimmt mau das Blut aus der Vena jugularis, so erhält
man nur einen Teil desselben; man muß alsdann, wenn das Blut aus
der Vene zu fließen aufhört, eine neue Kanüle in der Arterie ein-
binden. Oefl'uet man, nachdem die Kanüle eingebunden war, die
Klemmpincette, so fließt das Blut in ununterbrochenem Strahle in
den Kolben, welcher mit der Kanüle verbunden ist. Wegeu etwaigen
Bewegungen des Tieres thut man besser, den Kolben in den Händen
zu halten. Bei dieser Operation müssen selbstverständlich einige
Assistenten zur Hand sein, gewöhnlich zwei, einer, um den Kopf des
Tieres zu halten, der andere zur Hilfe bei der Ausführung der
Operation. Gegen das Ende der Operation, nachdem man etwa
1 Liter bekommen hat, erstarrt das Blut in der Kanüle mit den Röhren
und hört auf zu fließen, deshalb ist es nötig, Kanüle und Kolben zu
wechseln. Zu diesem Zwecke hält man die Arterie mit der Klemmpincette
unter der Kanüle fest, schneidet die Ligatur über der Kanüle ab,
zieht die Kanüle heraus und steckt statt ihrer eine andere, mit einem
neuen Kolben verbundene Kanüle hinein, bindet die Arterie über die
Kanüle wieder fest und öffnet die Klemmpincette. Dann fließt das
Blut bis zum Tode des Tieres ab. Die Kolben mit dem angesammelten
Blute bringt man in den Keller an einen kühlen Ort. Den Gummi-
pfropfen kann man mit einem Wattebausch vertauschen. Nach einem
Tage scheidet sich das klare, blaßrosa gefärbte Blutserum ab. Zum
Abnehmen des letzteren habe ich mich des folgenden Verfahrens
bedient.
Von dem das Blutserum enthaltenden Kolben nahm ich den
Pfropfen ab und setzte statt seiner einen anderen sterilisierten,
doppelt durchbohrten, ebenso wie der früher beschriebene, einge-
richteten Gummipfropfen auf, mit dem Unterschiede, daß das Glas-
röhrchen a dieses Pfropfens innerhalb des Kolbens mit einem kurzen
Gummischlauche versehen war, welcher au seinem Ende wieder ein
kleines Glasröhrchen trug, so daß das letztere in das Blutserum hiuein-
tauchen konnte. Vermöge seiner Beweglichkeit kann man das Ende
des Röhrchens durch Neigen des Kolbens an jede Stelle des Kolbens
bringen. Dieses Glasröhrchen a war durch einen Gummischlauch mit
einem Glasröhrchen a, welches in der einen Durchbohrung eiues
anderen, ganz ähnlichen Gummipfropfens steckt, verbunden. Der
letztere verschloß einen Kolben, welcher zur Aufnahme des Blutserums
bestimmt war. Das Glasröhrchen b des ersten Kolbens, welchen wir
Blutkolben nennen wollen, hatte am äußeren Teile eine mehrfache
Biegung und war mit einem Wattebausch verstopft, ebenso wie das
Glasröhrchen b' des zweiten Kolbens, welchen wir Blutserumkolben
nennen, Zur Entnahme des Serums senkte ich das Ende des Röhr-
chens a des Blutkolbens so tief, daß es in das Serum, welches oben
liegt, hineintauchte. Durch Blasen in das Röhrchen b desselben
Kolbens trieb ich die Flüssigkeit in die Höhe, bis Heberwirkung eiu-
trat, dann fließt das Serum in ruhigem Strome in den Blutserum-
kolben über. Der Wattebausch des Glasröhrchens b kann nicht in
den Kolben hineingeblasen werden infolge der vielfachen Biegungen
dieses Röhrchens. Entsprechend der Verminderung des Serums im
Zur Methodik der keimfreien Gewinnung des Blutserums.
461
Blutkolben senkte ich das Glasröhrchen a allmählich nieder und end-
lich legte ich den Kolben auf eine Seite, so daß die Reste des Blut-
serums sich dort ansammelten. Infolge der Neigung des Kolbens
beugte sich auch das bewegliche Ende des Glasröhrchens auf diese
Seite und das Blutserum floß fast bis auf den Rest aus. Im Kolben
mit dem gesammelten Blutserum konnte der Gummipfropfen nachher
durch einen sterilisierten Wattebausch ersetzt werden. Beläßt man
aber den Gummipfropfen in dem Kolben, dann nimmt man den
Gummischlauch, welcher die Kolben verbindet, von dem Blutkolben
ab, legt an diesen Schlauch eine Klemme und schiebt ihn auf das
Glasröhrchen b' des Serumkolbens. Alsdann bringt man den Kolben
zur Prüfung der Sterilität des Blutserums in den Brutschrank.
Wenn die Entnahme des Blutes und die Abfüllung des Blut-
serums ohne Fehler durchgeführt war, erweist sich das Blutserum
steril und kann nun lange Zeit in dem Kolben aufbewahrt werden.
Die Menge des auf die angegebene Weise von einem Hammel
von 50—60 Pfd. Gewicht erhaltenen Blutes beträgt 2— 21/« 1 und die
Menge des Blutserums etwa 700—800 ccm.
Dieses Blutserum muß zuweilen in ganz bestimmter Menge ohne
weitere Sterilisierung in Reagenzgläschen oder in kleinere Kolben
übergeführt werden. Um bei dieser Ueberführung, welche gewöhnlich
mit einer Pipette vorgenommen wird, jede zufällige Verunreinigung
durch Keime aus der Luft zu verhindern, habe ich folgenden Apparat
eingerichtet.
Ich nehme eine gewöhnliche in Kubikcentimeter geteilte Bürette,
deren obere Oeffnung mit einem Wattebausch verstopft wird; die
untere Oeffnung derselben steht durch einen kurzen Gummischlauch
mit dem Zweig k eines Glasröhrchens P in Verbindung, welches
wird ein kurzer Gummischlauch mit einem kleinen Glasröhrchen,
welches am Ende eine spitze Oeffnung hat, angesetzt. Dieser Gummi-
schlauch ist mit einer Klemme No. 1 versehen. Der Zweig m ist
durch einen langen Gummischlauch, welcher die Klemme Nr. 2 trägt,
mit dem langen Glasröhrchen eines, ebenso wie früher, eingerichteten
Gummipfropfens verbunden. Diesen Pfropfen stecke ich in den
Kolben mit Blutserum nach Entfernung des Wattebausches. Wenn
aber dieser Kolben, mit Gummipfropfen versehen, aufbewahrt ist, so
schiebt man auf den Zweig m das Ende des langen Gummischlauches,
welcher mit dem Glasröhrchen V des Blutserumkolbens verbunden
ist. Nachher wird die Bürette in einem Stativ befestigt. Nach der
Oeffnung der Klemme No. 2 und nach Blasen durch das Glasröhrchen
V erscheint die Flüssigkeit in der Bürette, dann schließt man die
Klemme wieder und stellt den Kolben auf ein Drahtnetz, welches auf
den Ring eines anderen Stativs gelegt ist, so daß der Boden des
Kolbens höher steht, als der O-Strich der Skala an der Bürette.
Aus umstehender Zeichnung ist die Anordnung des ganzen
Apparates ersichtlich.
\k
nebenstehende Form hat
Auf Zweig l dieses Röhrchens
462 Kuprianow, Zur Methodik der keimfreien Gewinnung des Blutserums.
Jetzt drückt man auf die Klemme No. 2 und füllt die Bürette
bis 0, macht die Klemme No. 2 wieder zu, öffnet die Klemme No. 1
und läßt die Flüssigkeit in die Reagenzgläschen in abgemessener
Menge fließen. Nachdem die Bürette geleert ist, macht man die
Klemme No. 1 zu, öffnet die Klemme No. 2 und füllt die Bürette
wieder u. s. w. Wenn es nicht nötig ist, eine genau bestimmte Menge
der Flüssigkeit abzumessen, so nimmt man die Klemme No. 2 ganz
ab und läßt die Flüssigkeit bis zum O-Strich der Bürette aufsteigen;
bei Entleerung eines Teiles der Flüssigkeit durch Oeffnung der
Klemme No. 1 füllt sich die
Bürette selbstthätig stets wieder
von neuem.
Anstatt der Bürette kann man
auch eine graduierte Pipette
nehmen und die Letztere in der
Hand halten , was aber nicht
bequem ist. Besser ist es, wenn
man eine Bürette oder Pipette
nehmen kann, welche am unteren
Ende in zwei Zweige ausläuft,
deren jeder einen Hahn trägt,
dann braucht man nicht das
Glasröhrchen P zu diesem Appa-
rat zu setzen.
Wenn es nicht nötig ist, die
ganze Flüssigkeit abzufüllen, so
nimmt man den Kolben vom
Stativ ab, öffnet die Klemme
No. 2, dann fließt die Flüssigkeit
aus der Bürette und aus dem
Gummischlauch wieder in den
Kolben zurück bis auf die kleine
Menge, welche in dem Zweige l
des Glasröhrchens P enthalten
ist. Die Letztere läßt man weg-
fließen. Nachher nimmt man den
langen Gummischlauch von dem
Zweige m ab und steckt ihn
wieder auf das Glasröhrchen
Dieses geschilderte Verfahren zur Blutserumgewinnung liefert,
abgesehen davon, daß es viel Zeit erspart, ganz sichere Resultate.
Der beschriebene Apparat kann natürlich angewendet werden für
jeden Nährboden, besonders wenn es nötig ist, ganz bestimmte Mengen
der Flüssigkeit abzumessen und wenn man nach Einfüllung der
Flüssigkeit nicht mehr sterilisieren kann. Dieser Apparat kann also
als vollständiger Ersatz für den Tr eskow’schen Abfüllapparat an-
gesehen werden, um so mehr, als letzterer ziemlich teuer ist und beim
Sterilisieren sehr leicht zerbrechen kann.
H. Weigmann und G g. Z i r n , Ueber „seifige“ Milch.
463
Ueber „seifige“ Milch,
Von
Dr. H. Weigmann und Gg. Zim
in
Kiel.
Mit 2 Abbildungen.
Unter „seifiger“ Milch versteht man nach Herz, der diese Be-
zeichnung eingeführt hat, eine eigentümlich laugig, seifenartig
schmeckende Milch, die außerdem die Eigenschaft besitzt, daß sie
selbst nach längerem Stehen nicht gerinnt, sondern nur einen
schleimigen Bodensatz ausscheidet und daß sie oder der aus ihr
gewonnene Rahm beim Verbuttern stark schäumt. Das eigentlich
Charakteristische ist der seifenartige Geschmack, die begleitenden
Eigenschaften sind solche, wie sie auch bei der „nicht gerinnenden“
oder „schwer zu verbutternden“ Milch beobachtet werden. Eine strenge
Unterscheidung ist begreiflicherweise bei den verschiedenen Milch-
fehlern nicht möglich, weil diese, soweit sie nicht primärer Natur
sind , bakteriellen Ursprung haben und deshalb eine von einer
Bakterienart oder -Gattung hervorgerufene Erscheinung zugleich bei
verschiedenen Milchfehlern auftreten kann oder auch die Wirkung
einer Bakterienart von der einer oder mehrerer anderen Bakterien-
arten begleitet sein kann.
Von solcher seifig schmeckender und schwer zu verbutternder
Milch sind uns im vergangenen Winter 2 Fälle von verschiedenen
Stellen bekannt und von uns bakteriologisch genauer studiert worden.
Der eine Fall trat in der Meierei der Versuchsstation selbst auf
und wurde an der Milch beobachtet, welche die Versuchsmeierei
behufs Verarbeitung von einem Gute in der Nähe Kiels täglich
eingeliefert erhält. Diese Milch, speziell die in besonderen Kannen
transportierte Abendmilch, hatte während einer längeren Zeit einen
scharfen, stechenden Geruch und einen eigentümlich laugigen, seifen-
artigen Geschmack. Zur Säuerung aufgestellt, gerann sie selbst nach
mehreren Tagen nicht, sondern setzte einen schleimigen Bodensatz
ab, während der schlechte Geruch und Geschmack noch zunahm.
Beim Ausbuttern des aus der Milch gewonnenen Rahmes trat sehr
starke Schaumbildung auf und die Butter nahm bereits am zweiten
oder dritten Tage schon einen unangenehmen, kratzenden Geschmack
an und wurde nach mehreren Tagen geradezu ungenießbar. Bei
der Herstellung von Käsen zeigte die Milch nur geringe Abnormi-
täten.
Da es sich vor allem darum handelte, die Ursache des Milch-
fehlers festzustellen, so wurde der betreffende Stall aufgesucht und
die Verhältnisse für die Milchgewinnung einer genauen Beaufsich-
tigung unterworfen. Es wurde dabei die Beobachtung gemacht, daß
das zur Einstreu verwendete Stroh nicht ganz frisch, sondern viel-
mehr stellenweise verfärbt war, ohne daß man hätte sagen können,
464
H. Weigmann und G g. Z i r n ,
daß es verdorben oder schimmelig gewesen wäre. Wir legten daher
diesem Umstande vorläufig nur wenig Wert bei und kamen erst
später wieder auf diese Beobachtung zurück, dagegen entnahmen wir
im Stalle selbst den Gemelken einzelner Kühe Proben in sterilisierten
Flaschen.
Um das Verhalten dieser selbst genommenen Proben Milch
beobachten zu können, ließen wir sie in den sterilisierten Flaschen
stehen. Dabei zeigte sich, daß fast alle 6 Proben selbst nach 4-5-
tägigem Stehen entweder gar keine oder nur eine schwache Gerin-
nung erlitten. Das Gerinnsel war schleimig und sehr weich, so daß
es leicht in sehr dünne, feine Flocken zerfiel, die übrige Milch
wässerig und auffallend durchsichtig, resp. wasserklar. Die Proben
boten also ganz und gar das Bild einer Milch, welche mit der Rein-
kultur einer peptonisierten Bakterie versetzt worden ist. Eine der
Milchproben nahm bei weiterem Stehen noch eine grünliche Farbe
an, ein Zeichen, daß sie eine fluorescierende Bakterie enthielt.
Von diesen Milchproben wurden gleich nach der Rückkehr in
das Laboratorium sowie nach 4 Tagen Plattenkulturen gegossen und
gleichzeitig Ueberimpfungen in sterilisierte Milch vorgenommen. Die
Plattenkulturen sämtlicher Milchproben zeigten eine fast völlige Ueber-
einstimmung insofern, als auf allen dieselben und zwar 5 verschiedene
Bakterienarten vorhanden waren; eine Verschiedenheit trat nur in
der Anzahl der einzelnen Bakterienarten hervor, indem eine Bakterien-
art in der einen Milchprobe mehr vorherrschte, als in einer anderen,
ferner eine Probe etwas größere Mengen Säuerungsbakterien und die
bereits erwähnte grüngefärbte Milch eine verflüssigende fluorescierende
Bakterie enthielt.
Die 5 in allen Milchproben vorkommenden Bakterienarten wurden
in Reinkultur gezüchtet und des näheren studiert.
Die Bakterie I, durchschnittlich am meisten vertreten, bildet
feine, 0,9 — 1,6 n lange und 0,4 — 0,5 ^ breite Stäbchen mit ab-
gerundeten Enden von geringer Beweglichkeit. Die Kolonieen auf
Fleischwasserpeptongelatine sind in jugendlichem Zustande weiße,
rundliche, ziemlich dicke Auflagerungen von schleimiger Beschaffen-
heit. Sie sind in der Mitte mit einem gelblichen Punkte versehen,
der anfangs nur angedeutet ist, dann aber deutlicher hervortritt und
schließlich bei zunehmendem Alter der Kolonie sich so ziemlich über
die ganze Kolonie verbreitet. Der Durchmesser der im mittleren
Alter fast völlig runden Kolonieen mißt 2—3 mm. Bei schwacher
Vergrößerung zeigt der Rand der Kolonieen eine nicht ganz scharfe
Begrenzung und das Innere der Kolonieen bietet nichts Charakte-
ristisches. Die älteren, etwa 8 Tage alten Kolonieen erscheinen
abgeflacht, von gelblicher, nach innen kräftiger werdender Färbung,
die umgebende Gelatine zeigt sich schwach verflüssigt.
Die Stichkultur in Nährgelatine bildet einen zusammenhängenden,
weißlichen Faden, auf dem eine Erhebung von gleicher Gestalt wie
die beschriebenen Kolonieen sitzt. Nach mehreren Tagen bildet sich
ein Verflüssigungstrichter, der allmählich bis zur Mitte reicht und
auf dessen Boden gelbe Flocken sich ansammeln.
Die Strichkultur auf Nährgelatine wächst gleichmäßig breit aus,
Ueber „seifige“ Milch.
465
verflüssigt rascher als die Stichkultur und gleitet dann auf den Boden
des Röhrchens.
Der Impfstrich auf Agar-Agar erscheint schon nach einem Tage
als ein breiter, unregelmäßig begrenzter, weißlicher Streifen, mit einem
gelben Faden in der Mitte. Der Belag wird später runzlich und der
Farbstoff breitet sich auch hier fast ganz über die Masse.
Auf Kartoffel erzeugt die Bakterie nach einigen Tagen schon
einen reichlichen schleimigen Belag von wachsgelber Farbe.
In Bouillon entsteht Trübung, aber keine Hautbildung.
In Milch geimpft, ruft
die Bakterie keine äußer-
lich merkbare Verände-
rung hervor, nach meh-
reren Tagen jedoch er-
scheint jene schleimig und
bleibt an der Platinöse
haften, einen dünnen, bald
reißenden Faden bildend.
Der Geschmack der Milch
ist ein intensiv seifig-
laugiger und stimmt mit
dem der fehlerhaften Milch
vollständig überein, so daß
man nicht umhin kann,
den Bacillus als die
Ursache des Milchfehlers
zu bezeichnen. Bei Züch-
tung dieses „Bacillus
der seifigen Milch“,
wie wir ihn bezeichnen
möchten, wurde außerdem
beobachtet, daß der Ge-
schmack an die Erschei-
nung des Schleimigwer-
dens gebunden zu sein
scheint. Denn wird die
Milchkultur bei Brüt-
wärme oder bei Tempera-
tur unter 10 0 C gehalten,
so tritt das Schleimig-
werden der Milch nicht ein und gleichzeitig ist auch der Geschmack
nicht so intensiv seifig. Die günstigste Temperatur für das Schleimig-
werden der Milch und den seifigen Geschmack scheint die eines
mäßig kühlen Zimmers zu sein.
Die Bakterie II aus den 6 Milchproben ist ein Stäbchen von
1,3 — 1,9 /.i Länge und 0,4— 0,5 Breite, mit stark abgerundeten
Ecken und ziemlicher Beweglichkeit.
Die Kolonieen auf der gewöhnlichen Fleischwasserpeptongelatine
sind im Anfänge — nach etwa 3 Tagen — dünne, flache, durch-
sichtige, rundliche Auflagerungen, im durcbfallenden Lichte irisierend.
Bei schwacher Vergrößerung zeigt sich der Rand wellig und gebuchtet.
Kolonieen der Bakterie der „seifigen Milch“
(auf Nährgelatine).
466
H. Weigmann und G g. Ziru,
Nach einigen Tagen wird die Auflagerung kräftiger und es bildet sich in
der Mitte eine flache, runde Mulde, die mit der Zeit tiefer und größer
wird, während die Berandung dieser Mulde, gleichsam der Anstieg
der Erhöhung, durch radial gestellte Furchen ausgezeichnet ist.
In der Gelatinestichkultur zeigt sich kaum bis zur Mitte Wachs-
tum, dagegen ein ausgebreitetes Oberflächenwachstum mit der ge-
schilderten charakteristischen Zeichnung und einer allmählichen Ver-
flüssigung. Diese greift soweit um sich, daß nach 9 — 10 Tagen die
Gelatine x/2 cm hoch in der ganzen Weite des Röhrchens verflüssigt.
An der Oberfläche dieser Verflüssigung bildet sich eine Haut und
die Verflüssigung ist erfüllt mit kleinen weißen Flocken.
Die Stichkultur auf Agar weist ein rasches energisches Wachs-
tum auf, so daß sich schon nach einigen Tagen ein stark gewölbter
Streifen zeigt, der oben schmal, unten aber breit ist.
Auf der Kartoffel wächst die Bakterie als ein bräunlicher, fettiger
Rasen.
In Milch kultivirt, hat der Bacillus ein etwas kräftigeres Wachs-
tum, namentlich ist er etwas dicker; die Milch fängt am 3. Tage
an dicklich zu werden und zeigt sich am 4. Tage koaguliert, das
Koagulum ist kein zusammenhängendes, sondern feinflockiges, das
Serum schwach sauer. Nach weiteren 5 Tagen hat sich das Gerinnsel
abgesetzt und darüber steht, etwa 1/3 des Gesamtvolumens einneh-
mend, ein trübes, weißes Serum von schwach aromatischem Gerüche.
In Bouillon wächst die Bakterie mit 2,0— 2,3 /x Länge und
0,5 — 0,6 /u Breite, nach mehreren Tagen tritt Sporenbildung ein.
Die Bakterie III ist ein dickes, abgerundetes Stäbchen von
1,1 — 1,7 (.i Länge und 0,5 — 0,8 /x Breite und von lebhafter Beweg-
lichkeit. Auf den Gelatineplattenkulturen bildet die Bakterie ziem-
lich dichte Auflagerungen von zuerst scharfer, nachher aber lappig-
buchtiger Umgrenzung. Diese Kolonie sinkt schon am 3. — 4. Tage
in die Gelatine ein, diese schwach verflüssigend.
Die Strichkultur in Gelatine wächst kaum bis zur Mitte und
bildet an der Oberfläche die oben beschriebene Kolonie. Die Ver-
flüssigung dehnt sich an der Oberfläche aus, ohne nach der Tiefe
(längs des Stichkanals) zuzunehmen.
Die Stichkultur auf Agar besteht aus einem reichlichen, weißen,
glänzenden Belag. Auf Kartoffeln entsteht ein braungrauer, feuchter,
unebener Belag.
In Milch ruft die Bakterie nach 2 — 3 Tagen eine Koagulation
hervor von schwach saurer Reaktion, sowie einen schwach aroma-
tischen Geruch. Die Bakterie zeigt in Milch eine Länge von 1,3 —
2,0 (x und eine Breite von 0,6 — 0,8 /x. In Bouillon bildet sich nach
3 Tagen an der Oberfläche eine starke Haut, die Bouillon ist stark
getrübt. Die Bakterie wächst darin 1,5 — 2,0 /x lang und 0,5 (x breit.
Nach mehreren Tagen bilden sich Sporen.
Die Bakterie IV ist, von Gelatine genommen, ein 1,0— 1,5 f/
langes, 0,4— 0,6 /x breites Stäbchen mit abgerundeten Enden und
geringer Beweglichkeit.
Auf der Gelatineplattenkultur entstehen nach 2 Tagen runde,
scharf berandete, verflüssigende Kolonien, die nach einigen Tagen in
der Mitte einen Kern und darum herum einen konzentrischen, buch-
Ueber „seifige“ Milch.
467
tigen Kreis zeigen. Nach weiteren einigen Tagen bilden sich um
den Kern konzentrisch und rosettenartig gelagerte Trübungen, die
sich darauf in radial gestellte, aber meist schwach spiralig aufge-
rollte Speichen umwandeln, während vom Rande der Kolonie her
ebenfalls radial gestellte Trübungen entgegenwachsen.
Die Gelatinestichkultur bildet erst eine luftblasenartige Ver-
tiefung mit gleichzeitiger Verflüssigung, die allmählich plattenförmig-
halbkugelig wird und die Gelatine oben bis zum Rande ver-
flüssigt, während der Stichkanal kaum verflüssigt. Nach mehreren
Tagen ist die Gelatine bis zu 1/3 verflüssigt, wobei die Verflüssigung
scharf gegen die feste Gelatine abschneidet. Keine Fluorescenz.
Die Strichkultur wächst rasch und bildet auf Agar einen weißen
glänzenden Streifen, der nach einigen Tagen fluorescierend wird.
Das Wachstum auf der Kartoffel erzeugt einen braungelben, glatten,
trockenen Rasen.
Milch mit der Bakterie geimpft, wird am 3. Tage schleimig,
nach 4 Tagen zeigt sie alkalische Reaktion, fluoresciert schwach und
am Boden bildet sich ein geringer weißer Niederschlag, während die
überstehende Milch wieder dünnflüssig geworden ist. Nach etwa
6 Tagen bildet die Milch eine dünne, wässerig-trübe Flüssigkeit von
schwacher Fluorescenz. Die Bakterie produziert also ein stark pep-
tonisierendes Ferment.
Die Kultur in Bouillon hat bei schwacher Trübung Hautbildung zur
Folge. — Sporenbildung.
Größe der Stäbchen beim Wachstume:
in Milch 1,2— 1,7 /x lang, 0,5 /t breit,
auf Gelatine 1,0— 1,5 [x lang, 0,4— 0,6 f.i breit,
in Bouillon 1,0— 1,5 /.i lang, 0,5 /x breit.
Bakterie V ist, von Gelatinekultur genommen, ein 0,8— 1,2 (.c
langes, 0,3— 0,5 (x breites, also langes, dünnes Stäbchen mit abgerun-
deten Enden und ziemlicher Beweglichkeit.
Die Kolonieen auf der Gelatineplattenkultur erscheinen als flache,
sehr dünne, bläuliche Auflagerungen mit unregelmäßig buchtigem, ge-
lapptem Rande. Nach einigen Tagen ist die Auflagerung nur wenig
dicker und etwas weißlicher und läßt in der Mitte im Centrum 2—3,
auch 4 mit dem Rande parallel laufende konzentrische Linien, sowie
eine schwach angedeutete radiale Streifung erkennen.
Die Gelatinestichkultur wächst dem ganzen Stichkanal entlang,
an der Oberfläche die beschriebene Kolonie bildend.
Die Stichkultur auf Gelatine bildet schwachen Belag mit starkem,
buchtigem Seiten Wachstum von bläulichem, perlmutterartigem Glanze,
auf Agar einen kräftigen weißen, glänzenden Belag.
Auf der Kartoffel entsteht eine graugelbe, fettig-glänzende Auf-
lagerung.
In Milch ruft die Bakterie keine Veränderung hervor.
In Bouillon entsteht starke Trübung ohne Hautbildung.
Größe der Bakterien :
in Gelatine 0,8 — 1,2 /x lang, 0,3 — 0,5 (x dick,
in Milch 0,9 — 1,3 /.i lang, 0,7 — 0,8 (x dick,
in Bouillon 1,7— 2,0 fx lang, 0,7— 0,8 (x lang.
Sporenbildung.
468
H. Weigmann und G g. Z i r n
Es wurde versucht, die 5 verschiedenen Bakterienarten an der
Hand der neuen Auflage der E ise nberg’schen Tabellen mit bereits
bekannten zu identifizieren, die beschriebenen Wachstumseigentüm-
lichkeiten unserer Bacillen stimmen jedoch mit keiner der in Eisen-
berg beschriebenen Bakterienarten überein.
Die Bakterie I, welche den eigentümlich faden, laugig-seifigen
Geschmack in der Milch hervorrief und, wie gesagt, als die Ursache
Kolonieen der Bakterie IV (auf Nährgelatine).
des unangenehmen Geschmackes der Milch angesehen werden muß,
muß demnach als Bacillus der seifigen Milch (Bacillus
lactis saponacei) bezeichnet werden. Auf eine Namengebung
der übrigen Bakterienarten kann verzichtet werden, bis sich an ihnen
vielleicht weitere auf die Milchwirtschaft Bezug habende charakte-
ristische Eigenschaften zeigen. Vom Bacillus IV soll nur erwähnt
werden, daß er dem Bacillus subtilis verwandt sein möchte.
Es ist schwierig, die Wachstumsformen der Bakterien auf den ver-
schiedenen Nährböden, speziell der Nährgelatine zu beschreiben, noch
Ueber „seifige“ Milch.
469
schwieriger aber, Bakterien nach den Beschreibungen zu identifi-
zieren; es ist deshalb wünschenswert, daß die Form der Kolonieen,
auf Nährgelatine wenigstens, in irgend welcher Weise fixiert würde.
Wir haben daher von den Kolonien der 5 Bakterien auf gewöhnlicher
Koch’scher Fleisch wasserpeptongelatine Photogramme angelegt, von
denen die von Bakterie I und IV, als den wichtigeren, hier nach-
gebildet sind.
Um die Herkunft der Bakterien und damit die äußerlich wahr-
nehmbare Ursache des Milchfehlers zu ermitteln, wurde das bereits für
verdächtig gehaltene Stroh, das zur Einstreu verwendet worden war,
einer bakteriologischen Analyse unterworfen. Das Resultat derselben
war die wichtige Thatsache, daß die Streu nicht bloß dieselbe bak-
teriologische Zusammensetzung hatte, resp. dieselben Bakterien be-
herbergte, wie die Milch, sondern daß es nur diese Bakterienarten
und keine weiteren führte. Damit ist nicht bloß der Herd für den
Milchfehler entdeckt, sondern es ist vor allem, was in milchwirt-
schaftlicher Beziehung wichtiger ist, der experimentelle Nachweis für
eine der verschiedenen Herkunftsarten der Bakterien der Milch er-
bracht. Daß verdorbene Streu nicht selten die Ursache schlechter
Molkereiprodukte ist, hat der Referent bereits vielfach Gelegenheit
gehabt, zu erfahren.
In solchen Fällen hat denn immer die Entfernung der schlechten
Streu oder wenn kein anderes Material zur Verfügung stand und
die Milch zur Herstellung von Sauerrahmbutter verwendet wurde,
die Benutzung von Reinkulturen von Milchsäurebakterien über den
Fehler binweggeholfen. Auch in dem vorliegenden Falle halfen diese
Maßregeln. Noch während des Verlaufes der Untersuchung wurden
in der Versuchsmeierei Reinkulturen von Milchsäurebakterien zur
Ansäuerung des Rahms verwendet und damit die fehlerhafte Be-
schaffenheit der daraus gewonnenen Butter auf ein Minimum herab-
gedrückt, Freilich gelang das erst nach Anwendung von 8 — 10%
(vom Volumen des Rahmes) reinen Sauers, was sich leicht erklärt,
wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Milch aus dem betreffenden
Stalle selbst kaum Milchsäurebakterien oder wenigstens in so geringen
Mengen enthielt, daß eine Säuerung in ihr nicht zu Stande kommen
konnte.
Der Fehler verschwand ferner auch, nachdem statt der verdor-
benen Streu gutes Stroh angewendet wurde und den Kühen die
Euter einigemal abgewaschen worden waren.
Aus dem Vergleiche der Erscheinungen an der seifigen Milch, daß
diese nämlich selbst bei längerem Stehen nicht säuert und koaguliert,
sondern im Gegenteil immer dünnflüssiger wird und nur einen schlam-
migen Bodensatz ausscheidet, mit den Erscheinungen, welche die 5 be-
schriebenen Bakterien, namentlich aber die Bakterie IV, in sterilisierter
Milch hervorrufen, läßt sich wohl mit Recht der Schluß ziehen, daß
auch die sogenannte „nicht gerinnende Milch“ nichts anderes ist, als
eine von Bakterien hervorgerufene Erscheinung, und zwar von Bak-
terien hervorgerufen, die, wie die oben beschriebenen, weder durch
eine Säure, noch durch ein Labferment eine Koagulation, sondern
infolge Ausscheidung eines peptonisierenden Fermentes eine Auflösung
XV. Bd. 30
470
A. Celli und R. Fiocca,
des Kaseins der Milch bewirken. Dieselbe Erscheinung kommt natür-
lich zustande, wenn einer Labfermentwirkung die Wirkung eines
peptonisierenden Fermentes nebenhergeht oder folgt.
Wenn in dem oben beschriebenen Falle der Zusammenhang
zwischen Streu und bakteriologischer Beschaffenheit der Milch un-
zweideutig nachgewiesen werden konnte, so gelang es in einem zweiten
Falle, einen solchen zwischen den Bakterien der Milch und denen
des Futters aufzufinden. Auch hier handelte es sich um nicht ge-
rinnende und seifig schmeckende Milch, der Fehler rührte jedoch
nicht von schlechter Streu, wohl aber von Heu her, und zwar von
äußerlich tadellosem und nach Qualität sehr gutem Heu. Auch hier
konnte durch Anwendung von Reinkulturen von Milchsäurebakterien
geholfen werden. Der Zusammenhang zwischen Heu und Milchfehler
bestätigte sich im Laufe des Sommers, indem dieselbe Erscheinung
während des Weideganges auftrat, wenn das Vieh auf derjenigen
Koppel weidete, von welcher das im vorhergehenden Winter ver-
fütterte Heu stammte. Wurde das Vieh auf eine andere Koppel
gebracht, so verschwand der Fehler nach einiger Zeit, trat aber
wieder auf, wenn die Kühe wieder nach der ersten Koppel getrieben
wurden. Man wird nicht irre gehen, wenn man in diesem Falle an-
nimmt, daß der Kot, von dem ja immer Anteile in die Milch gelangen,
der Ueberträger der Bakterien auf die Milch ist.
Kiel, 30. Januar 1894.
Beiträge zur Amöbenforschung.
[Aus dem hygienischen Institute der Universität Rom.]
Erste vorläufige Mitteilung
von
Prof. A. Celli und Dr. ß. Fiocca.
Allen ist die Bedeutung bekannt, die die Amöben in der letzten
Zeit für die Pathologie gewonnen haben ; so z. B. in der Dysenterie,
und nach Einigen auch in der Malaria, wenngleich bis jetzt noch nicht
bewiesen ist, daß die Plasmodien Amöben seien.
Da ferner die Amöben überall in unserer Umgebung verbreitet
sind, ist es sehr wahrscheinlich und in jedem Falle des Untersuchens
wert, in welcher Art sie an jener Reihe von biochemischen Phänomenen
teilnehmen, die so viel dazu beitragen, hygienische Veränderungen in
der Umgebung hervorzubringen, in der wir leben.
Wir wissen bisher von der Biologie der Amöben nur wenig, und
dieses Wenige nur durch einfache Beobachtung, die ohne Beihilfe der
Reinkulturen unvermögend ist, das Leben dieser Wesen innerhalb
und außerhalb des tierischen Organismus aufzuklären.
Wir stellten es uns deshalb zur ersten Aufgabe, Kulturen im
Sinne der heutigen Bakterienforschung anzustellen.
Beiträge zur Amöbenforschung.
471
Wir haben verschiedenartiges Material benutzt, den Darminhalt
des gesunden und an verschiedenen Darmkrankheiten erkrankten
Menschen, Scheiden- und Mundschleim, Darminhalt von Tieren, Wasser
aus den Abzugskanälen, oberflächliche und tiefe Terrains, Sumpferde
und Wasser in gesunden und Malarialandstrichen, Trinkwasser und
Thermalwasser, Häuserstaub u. s. w. ; nach vielen vergeblichen Ver-
suchen mit den gewöhnlichen Nährböden der Bakterien ist es uns
gelungen, in einem besonderen von uns hergestellten Nährboden
prachtvolle Kulturen von verschiedenen Amöben zu erzielen,
von denen wir einige, in mit ihrer Entwickelungsperiode korrespon-
dierenden Intervallen, seit fast zwei Jahren kultivieren.
Wir beschränken uns hier darauf, einige dem Leben aller von uns
kultivierten Amöben gemeinsame Thatsachen anzuführen :
Alle haben bisher zwei Phasen aufgewiesen: Amöben- und
Cystenphase.
In der Cystenphase besteht die Amöbe aus einem mehr oder
weniger granulierten Inhalte und aus einer Schale, die diesen ein-
schließt. Diese besteht meist aus zwei Wänden, einer inneren mit
stets glattem, rundlichem Kontur und einer äußeren, die glatt sein
kann oder gewellt, so daß es Cysten mit glattem oder mit runzeligem
Kontur giebt.
In der amöboiden Phase besteht die Amöbe aus einer inneren,
mehr oder weniger granulierten Substanz (Endoplasma) und aus einer
äußeren, hyalinen (Ektoplasma). Dieses kann sich entweder in wirk-
lichen Wellen bewegen oder mit einfachen zackigen Ausläufern und
ist entweder in geringer Menge vorhanden oder mehr oder weniger
reichlich. Im ersten Falle ist die Amöbe sehr beweglich, im letzteren
hat sie langsame Bewegungen. Die einen haben während der Be-
wegung eine längliche Form bei, andere weisen nur wenig Unter-
schied zwischen dem Längs- und Quermesser auf. Im Endoplasma
ist stets der gewöhnlich bläschenförmige Kern sichtbar. Oft sieht
man auch Vakuolen, deren Zahl (3 — 7 und mehr), Form und Lage
wechselt: manchmal sieht man in einer ganzen Generation keine
einzige.
Die Amöben verschlucken zu ihrer Ernährung die festen Körperchen,
die sie in ihrer Nähe finden, und zum Beispiel mit großer Gier die
Bakterien und deren Sporen; es ist sogar häufig, daß sie eine An-
häufung derselben an einem Pole haben. Sie schließen die roten Blut-
körperchen mit Leichtigkeit ein und lösen ihr Hämoglobin ohne
Pigmentbildung auf; man findet sie leicht mit einem Einschlüsse von
ein bis vielen roten Blutkörperchen und vollständig denen analog, die
man als charakteristisch für die Dysenterie beschrieben hat.
Alle Strukturverhältnisse werden sehr gut an frischen Exemplaren
beobachtet, besonders im hängenden Tropfen. Die am Malariablute
gebräuchlichen Färbemethoden, auch mit der besten Technik ver-
wertet, dringen in die Cysten nur schlecht ein und runzeln die
amöboiden Formen.
Die Vermehrung erfolgt in allen bisher kultivierten Formen
durch Teilung. Bisher ist es uns trotz aller verschiedenen Kultivierungs-
arten nie gelungen, eine Sporulation zu beobachten. Anstatt dessen
30*
472
A. Celli and R. Piocca, Beiträge zur Amöbenforschung.
sieht man in der Mehrzahl der Fälle, zwei bis sechs Stunden nach
Impfung in den hängenden Tropfen, den Inhalt der encystierten Form
granulöser werden; häufig erscheint dann der Kern, wenn er vorher
noch nicht sichtbar war; der granulierte Inhalt fängt an, sich zu
bewegen, und zwar manchmal, indem er sich auf einer Seite zusammen-
zieht. Dann erfolgt ein Bruch an einer Stelle der Cystenwand, und
der granulierte Inhalt tritt aus einem engen Spalte nach und nach
aus. Er bleibt einige Minuten mit der Cyste in Verbindung und löst
sich dann los und wird zur freien Amöbe. Diese spaltet sich dann
in zwei junge Amöben, die dann ihrerseits wachsen und sich spalten
u. s. w.
Dieser Prozeß kann sehr gut am Mikroskop in Kulturen im
hängenden Tropfen beobachtet werden und dauert 24—72 Stunden.
Bei einigen Formen beginnt die Einkapselung nach 24 Stunden, bei
anderen nach 48 — 72 Stunden. Im Beginn werden die Amöben
weniger beweglich, fangen an, sich zu runden und werden schließlich
rund. In den folgenden Tagen (3 — 7) scheiden sie eine äußere
Wand aus, die, wie schon oben erwähnt, entweder einen völlig runden
oder gerunzelten Kontur hat. Während in den runden Formen fast
stets der Kern sichtbar ist, ist er es selten in den encystierten
Formen, besonders in den runzligen. Wenn die Cysten nach einer
gewissen Anzahl von Tagen in ein neues Nährmaterial übergeführt
werden, beginnen sie ihren Cyklus aufs neue. Diesen kann man
in der größten Anzahl der Fälle verfolgen, während in anderen, aus
noch nicht gut definierten Gründen, Involutionsformen entstehen, die
auf das feinste granuliert sind, mehr oder weniger rundlich mit stellen-
weise unregelmäßigem, wie unterbrochenem Kontur.
Interessant ist das Verhalten der Amöben gegen phy-
sikalisch-chemische Reagentien. So z. B. können die
amöboiden wie die encystierten Formen Temperaturen von 0 — 15°
während Stunden und Tagen ertragen, ohne abzusterben. Höhere
Temperaturen hingegen, wie 45° während 5 Stunden und 50° während
einer Stunde, töten sie in der amöboiden Phase; in der encystierten
können sie auch 60° eine Stunde lang ertragen und dann nach
4-tägiger Behandlung mit 55°, auch während 7 Tagen, mehrere
Stunden täglich, 67° widerstehen.
Dem Sonnenlichte widerstehen sie im trockenen und feuchten
Zustande bis zu 270 Stunden bei einer mittleren Temperatur von
12—15°.
Der mehr oder weniger schnellen Austrocknung widerstehen sie
bei diffusem Lichte oder in der Dunkelheit dauernd.
Anaerobiotisch kultiviert, entwickeln sie sich nicht; aber wenn
man sie dann nach 4 — 6 Monaten auf den gewöhnlichen Nährboden
zurückversetzt, vermehren sie sich wieder; demgemäß findet man sie
in einer Tiefe von 2 m wie an der Oberfläche der Erde.
In fauligen tierischen Flüssigkeiten sterben die Amöben nach
23 Tagen, die encystierten Formen nach 33 Tagen.
Gegen antiseptische Substanzen (Kalkwasser, Ammoniak, Kali,
Fluorwasserstoffsäure, fluorwasserstoffsaures Ammon und Natron,
Salicylsäure, Gerbsäure, Phenol, Lysol, Cresylol, Natriumsulfit, Queck-
W. Schewiakoff, Ein abnorm gebauter weiblicher Genitalapparet etc. 473
silberbichlorid) sind sie auch encystiert weniger widerstandsfähig, als
die gewöhnlichen Bakterien, mit denen sie zusammen auftreten.
Hervorzuheben ist ihr geringer Widerstand gegen Säuren und ihr
relativ großer gegen Alkalien, so z. B. in 10 ccm Kulturboden 4,5 ccm
gesättigter Lösung von kohlensaurem Natrium, oder 1 ccm Kalilauge
N
jq. Auf diese Weise kann man auf sehr alkalinischen Nährböden
fast Reinkulturen ziehen. Vollständig bakterienfreie Kulturen zu er-
zielen, ist uns trotz aller chemischen und mechanischen Mittel nicht
gelungen; hingegen ist es leicht, die verschiedenen Amöben in
Kulturen zu isolieren.
Wir behalten uns vor, in der nächsten Mitteilung weitere That-
sachen raitzuteilen, besonders die Beschreibung der bis jetzt kulti-
vierten Amöben, die wir einesteils aus der Umgebung, anderenteils
aus dem kranken und gesunden Menschen isoliert haben.
Rom, den 15. März 1894.
Ein abnorm gebauter weiblicher Genitalapparat von
Ascaris lumbricoides L.
Von
Dr. W. Schewiakoff,
Privatdocent zu Heidelberg.
Mit 2 Figuren.
Als im laufenden Wintersemester während der zootomischen
Uebungen von den Studierenden unter meiner Leitung Ascaris
lumbricoides präpariert wurden, zog der weibliche Genitalapparat
eines von Herrn cand. med. O. Sch ult ze geöffneten Tieres meine
Aufmerksamkeit auf sich. Derselbe schien nicht doppelt zu sein,
sondern aus einem einzigen, unpaaren Schlauche zu bestehen, was
auch die genauere Untersuchung bestätigte. Da nun über eine der-
artige Abnormität bei Ascaris lumbricoides in der Litteratur
nichts bekannt ist, so soll im Nachfolgenden über diesen Befund kurz
berichtet werden.
Das betreffende Exemplar war sonst ganz normal gebaut und
besaß eine Länge von 25 — 26 cm, so daß ein ausgewachsenes Tier
vorlag. Die quergestellte Vulva lag etwas seitlich von der ventralen
Medianlinie im vorderen Körperdrittel und führte in eine enge, etwa
8 mm lange Vagina. Letztere verlief bogenförmig (siehe Figur 1)
nach hinten und setzte sich in einen einzigen (ungeteilten) Uterus
fort, der geschlängelt und zum Teil unter Schleifenbildung nach dem
hinteren Körperende hinzog. Dort verengte sich der Uterus , bog
nach vorne um und ging in den Ovidukt über, welcher seinerseits sich
in das Ovarium fortsetzte. Dieser Abschnitt des Genitalschlauches
umwickelte in zahlreichen Schlingen den Uterus und den Darm. Die
474
W. Schewiakoff,
V -
Ui -
Ovd
Länge des ganzen Genitalapparates betrug in
seiner natürlichen Lage 12 cm. Nach einer sorg-
fältigen Auseinanderbreitung desselben konnte ich
mich überzeugen , daß er aus einem einzigen
Schlauche bestand, an dem man vier hinter-
einander gelegene Abschnitte (Vagina, Uterus,
Ovidukt und Ovarium) auch äußerlich unter-
scheiden konnte. Die Länge des ausgebreiteten
Genitalschlauches betrug circa 157 cm — also
das Sechsfache der gesammten Körperlänge des
Tieres. Diese Länge entspricht vollkommen der,
welche bei normalen Exemplaren beobachtet
wurde, da nach Leuckart’s Angaben1) bei
einer weiblichen Ascaris lumbricoides (von
20 — 28 cm Länge) jeder einzelne Genitalschlauch
5V2 — 7mal die Gesamtlänge des Tieres beträgt.
Obgleich nun nach dem äußeren Aussehen
des Genitalschlauches kaum zu erwarten war,
daß er durch eine innige Verwachsung eines
paarigen Organs entstanden sein konnte, wollte
ich mich doch an Querarbeiten von der Richtig-
keit dieser Voraussetzung überzeugen. Die durch
20 verschiedene Stellen der Genitalröhre gemach-
ten Schnitte zeigten auch keine Spur von Ver-
wachsung. In histologischer Beziehung besaß der
Genitalapparat einen vollkommen normalen Bau;
zudem war der Uterus von befruchteten Eiern
in allen Stadien der Entwickelung erfüllt, wo-
gegen im Ovidukt unbefruchtete Eier und Sperma-
tozoen und im Ovarium an der Rhachis sitzende
Eizellen anzutreffen waren. Nur eine Stelle des
Ovariums (etwa 40 cm vor dem Beginne des
Ovidukts) zeigte einen etwas abweichenden Bau,
indem sich hier statt einer Rhachis zwei fanden,
um welche die Eizellen strahlenförmig (siehe
Figur 2) angeordnet waren. Diese doppelte
Rhachis war an Schnittserien nur eine kurze
Strecke hindurch (etwa 0,5 mm) zu verfolgen
und ging dann wieder in eine einfache über. Um
zu sehen, ob die doppelte Rhachis auch an an-
deren Stellen des Ovariums vorhanden war, wurde
der Ovarialschlauch in circa 50 kleine Stücke
zerschnitten, welche in eine Schnittserie (circa
60 ä 30 /. i ) zerlegt wurden. Das Studium der-
selben ergab, daß an 5 Stellen des Ovariums
die Rhachis doppelt war, wobei die zweite Rhachis sich immer
nur auf eine geringe Entfernung (nicht über 1 mm) erstreckte.
Daß die stellenweise doppelte Rhachis bei unserem Exemplare etwa
m-\- \-l
Fig. X. Weiblicher Ge-
nitalapparat in seiner
natürlichen Lage.
V Vagina; Ut Uterus ;
Os Ovarium ; Ovd Ovi-
dukt ; D Darm; 8 Sei-
tenlinie.
X) R. Leuckurt, Die menschlichen Parasiten. Bd. II. X876. p. 63 und X97.
Ein abnorm gebauter weiblicher Genitalapparat von Ascaris lumbricoides L. 475
auf die Verwachsung zweier Ovarial-
schläuche hindeuten sollte, ist meiner
Meinung nach vollkommen ausgeschlossen.
Dies um so mehr, da ich eine doppelte
Rhachis (obgleich viel seltener) auch bei
Individuen mit normal gebautem (paarigen)
weiblichen Genitalapparate nachweisen
konnte. Ich halte es daher für sehr
wahrscheinlich, daß der unpaare Genital-
schlauch nicht durch eine sekundäre Ver-
wachsung zweier Schläuche entstanden ist, F,g- n2- Qliersc^n'tt durch das
sondern daß seine Entwickelung vermutlich
den Gang nahm, welcher den männlichen,
(meist) unpaaren Geschlechtsorganen zukommt.
Bekanntlich entstehen die Geschlechtsorgane bei beiden Ge-
schlechtern vieler Nematoden aus einer einzigen Mesodermzelle,
welche unter Kernvermehrung sich in die Länge streckt^und darauf
in eine oberflächliche Hüllschicht und einen axialen Abschnitt sondert,
wobei die erstere das Epithel der Ausführgänge, der letztere dagegen
die Geschlechtsprodukte selbst liefert. Der Unterschied besteht nur
darin, daß beim Weibchen die oberflächliche Hüllschicht sich nur am
medianen Teile der schlauchförmigen Embryonalzelle deutlich ent-
wickelt, wobei die beiden Enden des Schlauches zu den blinden
Enden des paarigen Ovariums werden. Beim Männchen dagegen
kommt die Hüllschicht nur an einem (hinteren) Ende der schlauch-
förmigen Embryonalzelle zur Ausbildung und liefert auf diese Weise
den unpaaren Genitalschlauch. Wie gesagt, halte ich es für mög-
lich, daß im vorliegenden Falle ein entsprechender Entwickelungsgang
eingeschlagen wurde, welcher eine unpaare Genitalröhre zur Folge
hatte.
Die bei unserem Exemplare stellenweise doppelt angelegte Rhachis
wird wohl den Zweck haben, eine größere Anzahl von Eiern zur Aus-
bildung zu bringen, da doch infolge des unpaaren Genitalschlauches
(dessen Länge ungefähr die des einen Schenkels eines paarigen
Genitalapparates beträgt) sonst weniger Eier erzeugt werden könnten.
Nicht uninteressant ist der Umstand, daß in dem unpaaren männ-
lichen Genitalschlauche (Hoden) der Nematoden die Rhachis nicht in
der Einzahl, sondern bald in 2-, 4- oder sogar 16— 20-Zahl (Ascaris
lumbricoides) auftritt1), wodurch gleichfalls eine größere Anzahl
von Spermatozoen erzeugt werden kann.
Der beschriebene, abnorm gebaute Genitalapparat ist auch inso-
fern von gewissem Interesse, als er uns einige Schlüsse von allge-
meiner Bedeutung gestattet. Bekanntlich besteht der männliche
Genitalapparat der Nematoden aus einem unpaaren Schlauche, wo-
gegen der weibliche paarig gebaut ist. Eine Ausnahme davon bilden
nur wenige Formen. So besitzen die Männchen von Gordius und
Filaria attenuata einen paarigen, wogegen die Weibchen von
Trichina, Trieb oceph alus, Trichosoma, Leptodera
1) B. Leuckart 1, c. p. 81 u. 187.
476 W. Schewiakoff, Ein abnorm gebauter weiblicher Genitalapparat etc.
membraoosa1 2) und einer Rhabditisart3) einen einfachen, un-
paaren Genitalschlauch aufweisen. Außerdem besitzen noch manche
Formen einen vielgeteilten Genitalschlauch; so ist derselbe vierteilig
bei Pbysaloptera abbreviata, Ascaris rubicunda und
Ascaris quadrangularis und fünfteilig bei Filaria labiata
(Schneider p. 256 — 257). Eine individuelle Abnormität im Baue
des Genitalschlauches ist nur einmal von Meißner3) bei einem
Männchen von Mermis albicans beobachtet worden, welches eine
doppelte Genitalröhre besaß. Dieser Fall sowie der unsere zeigen
demnach, daß der Bau der Geschlechtsorgane innerhalb der Species
variieren kann. Daraus folgt aber, daß die Modifikationen derselben
keinen systematischen Wert beanspruchen können und bei der Klassi-
fikation, wie es öfters bei Nematoden geschehen ist, nicht verwendet
werden können — ein Umstand, auf den bereits Bütschli (1. c.
p. 11) hingewiesen hat. Ferner ist es sehr wahrscheinlich, daß die
Filaria horrida Dies, und F. labiata Crepl. , welche nach
Schneider (1. c. p. 89—90) nur dadurch sich unterscheiden sollen,
daß die erste einen zweiteiligen, die zweite einen fünfteiligen Uterus
besitzt, identisch sind, was auch von Schneider (p. 256) vermutet
wurde.
Weiterhin ist der vorliegende Fall noch insofern von Interesse,
als er uns einige Spekulationen bezüglich der Variation der Arten
erlaubt. Bekanntlich wird der Ursprung der Arten durch allmählich
auftretende Variationen erklärt, welche auf die Nachkommen vererbt
werden. Der beschriebene unpaare Genitalapparat ist wohl sicher
nicht durch allmähliches Verkümmern einer Hälfte des paarigen ent-
standen, sondern wahrscheinlich plötzlich als eine Abnormität auf-
getreten, da im anderen Falle Zwischenformen hätten beobachtet
werden müssen. Nun ist es nicht unmöglich, daß diese Abnormität
auf die Nachkommen vererbt werden kann, wodurch eine Varietät der
Ascaris lumbricoides entstehen würde. Analog diesem plötz-
lichen Auftreten eines unpaaren weiblichen Genitalapparates kann
man sich auch das Auftreten derjenigen Nematoden denken, welche
ständig einen unpaaren Genitalapparat aufweisen. Oder mit anderen
Worten könnten wir diese letzteren Formen von denjenigen mit
paarigem Genitalapparate ableiten nicht durch allmähliches Ver-
kümmern des einen Genitalschlauches, sondern durch das plötz-
liche Verschwinden desselben, welches auf die Nachkommen vererbt
wurde.
Heidelberg, im Februar 1894.
1) A. Schneider, Monographie der Nematoden. 1866. p. 245 u. 256.
2) O. Bütschli, Beiträge zur Kenntnis der freilebenden Nematoden. (Nova Acta
d. Kgl. Leop. Carol. Deutsch. Akad. d. Naturf. Bd. XXXVI. No 5. p. 11.)
3) G. Meißner, Beiträge zur Anatomie und Physiologie von Mermis albicans.
(Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. V. p. 247.)
C. W. Stile«, Bemerkungen über Parasiten.
477
Bemerkungen über Parasiten. — Ueber die Erhaltung
von Typen.
Von
C. W. Stiles, Dr. ph.
Prof. Max Braun hat kürzlich (Zool. Anzeiger. 1893. No. 428)
einen Vorschlag über die Erhaltung von typischen Originalexemplaren
von Parasiten gemacht, welcher jeden Zoologen angeht, der über
systematische Helminthologie gearbeitet hat, aber zu meinem Er-
staunen hat darüber von seiten der europäischen Helminthologen keine
Meinungsäußerung stattgefunden. Nachdem ich umsonst einige Zeit
auf Aeußerungen meiner europäischen Kollegen gewartet habe, welche
Prof. Braun ’s Vorschlag unterstützten, nehme ich mir die Freiheit,
obgleich ich eines der jüngeren Mitglieder der Brüderschaft bin,
einige Worte über die Notwendigkeit zu sagen, zur Unterstützung
des allgemeinen, von unserem geehrten Königsberger Kollegen aus-
gesprochenen Prinzipes gemeinschaftlich vorzugehen.
Braun hatte soeben ein sorgfältiges Studium der Distomen von
Katzen und verwandten Tieren begonnen, als er durch die Ver-
gleichung verschiedener Beschreibungen und Abbildungen zu dem
Schlüsse gezwungen wurde, daß in dieser Gruppe die größte Un-
ordnung und Ungewißheit herrscht, und diese Erfahrung hat jeder
von uns, der irgend ein Genus von Parasiten sorgfältig studiert hat,
ebenfalls gemacht. Er mußte die typischen Exemplare der betreffen-
den Species untersuchen, um die Formen zu bestimmen, und das
Resultat seiner trefflichen Arbeit ist jetzt allen bekannt, welche das
Centralbl. f. Bakteriologie u. Parasitenkunde oder den Zoologischen
Anzeiger verfolgen. Seinen Artikel im Zoolog. Anzeiger schließt er
mit einem Aufrufe an die Helminthologen, welcher nach meiner
Meinung vollständig in dem Centralbl. f. Bakteriologie u. Parasitenk.
erscheinen sollte, welches jetzt als unser internationales Journal für
Parasitologie anerkannt ist. Braun sagt:
„Ich kann nicht umhin, bei dieser Gelegenheit eine Frage anzu-
regen, deren Verwirklichung unserer Wissenschaft nur von Nutzen
sein könnte: für meine Arbeiten war es von wesentlichem Vorteile, daß
ich die Originale einiger Dis toma arten vergleichen konnte. Ent-
sprechendes ist bei jeder systematischen Arbeit notwendig oder wenig-
stens wünschenswert. Leider sind solche Originale in den ver-
schiedensten Sammlungen zerstreut und oft gar nicht zu eruieren.
Es wäre nun schon viel gewonnen, wenn von zuständiger Seite Listen
aufgestellt und an einen Forscher eingesandt würden, der aus ihnen
ein Verzeichnis (etwa in systematischer Folge) anzufertigen und zu
publizieren hätte (Zool. Anzeiger). Zweckmäßiger wäre es m. E.,
wenn alle noch vorhandenen Originalobjekte in einer Centralanstalt
vereinigt würden; doch da dieses kaum erreichbar ist, so sollten wir
wenigstens von nun an mehr für die Zukunft sorgen, d. h. nicht nur
die Originale zu beschreibender Arten konservieren, sondern sie auch
478
C. W. Stiles,
an ein Institut abgeben (z. B. an das Berliner Museum), und zwar,
wenn möglich, in größerer Anzahl. Ein Teil dieser Dubletten, die
sich ja oft genug beschaffen lassen, wird natürlich auch an dem Orte
verbleiben, wo der betreffende Autor gearbeitet hat. Ganz gegen die
Interessen unserer Wissenschaft ist es aber, wenn die Originale Be-
standteile von Privatsammlungen werden. Vielleicht wird die an-
geregte Frage auf die Tagesordnung der nächsten Versammlung der
deutschen zoologischen Gesellschaft gestellt; sie erscheint als wichtig
genug, um wenigstens eine Besprechung im Kreise der Fachgenossen
zu verdienen.“
Obgleich ich ganz mit dem in B r a u n ’s Arbeit angeregten Ge-
danken übereinstimme, so möchte ich mir doch einige Bemerkungen
über den Gegenstand erlauben und einige kleine Aenderungen Vor-
schlägen. Erstlich wird es den Helminthologen aller Länder kaum
möglich sein, ihre Typen in irgend einem centralen Museum nieder-
zulegen. Wenn dergleichen möglich und ausführbar
wäre, so würde ich gern das Berliner Museum vorziehen, denn es
würde schwer sein, ein Museum zu finden, dessen Direktor mit solcher
Freigebigkeit und Freundlichkeit den Forschern erlaubt, die ihm
an vertrauten Typen zu vergleichen, wie Karl Möbius. Dennoch
bin ich stark der Meinung, daß das typische Originalexem-
plar, nach welchem die Species beschrieben worden ist, in einem
Museum des Landes niedergelegt werden sollte, aus welchem der
Parasit kommt. In der That ist dies nicht allein der Gegenstand
einer persönlichen Meinung, sondern für gewisse Fälle ist es in diesem
Lande gesetzlich vorgeschrieben. Nach dem Gesetze der Vereinigten
Staaten werden alle wissenschaftlichen Sammlungen, welche von irgend
einem Regierungsdepartement gemacht worden sind, das Eigentum
des V. St.-Nationalmuseums in dieser Stadt, und ein spezieller Befehl
ordnet an, daß die typischen Exemplare der Arten, welche im Dienste
beschrieben worden sind, das dauernde Eigentum der Regierung
bleiben. Daher würde es für jeden im Dienste der Vereinigten
Staaten stehenden Zoologen unmöglich werden , seine Typen nach
Berlin zu senden. Ich bin also der Meinung, daß die Typen der
Species in dem Nationalmuseum des Landes niedergelegt werden,
aus welchem sie beschrieben werden, nicht nur weil sie in diesem
Lande wertvoller sein würden, als in irgend einem anderen, sondern
auch, weil in meinem Falle und im Falle mancher anderen Amerikaner
dieser Punkt durch Gesetz geregelt ist.
Mein zweiter Vorschlag besteht darin, daß die Helminthologen der
verschiedenen Länder Übereinkommen möchten, typische Exem-
plare von ihren neuen Arten an die Nationalmuseen anderer
Länder, außer ihrem eigenen, zu senden, um die Arbeiter in
verschiedenen Ländern in den Stand zu setzen, Exemplare von ähn-
lichen Formen aus verschiedenen Teilen der Welt zu untersuchen.
In der kurzen Zeit, während deren ich mit dem Bureau of Animal
Industry in Verbindung gestanden habe, habe ich unter Zustimmung
Dr. Salmon’s diesen Plan ausgeführt, obgleich die Zahl der von
mir bis jetzt beschriebenen Arten sehr beschränkt ist. Exemplare
von meinen Species kann man finden in Leuckart’s Laboratorium
Bemerkungen über Parasiten. — üeber die Erhaltung von Typen. 479
(Leipzig), im Berliner Museum, im Wiener Museum, im Parona’s
Laboratorium (Genua), in Sonsino’s Laboratorium (Pisa), in
Railliet’s Laboratorium (Alfort) und an mehreren anderen Orten,
und ich möchte fremde Zoologen herzlich bitten, typische Exemplare
an unser hiesiges Nationalmuseum einzusenden. Für ihre gute Er-
haltung kann ich einstehen.
Ein anderer Vorschlag, den ich machen möchte, ist dieser, daß
die Autoren einander behilflich wären , sich über ihre weitläufige
Litteratur auf dem Laufenden zu erhalten, indem sie vollständigere,
bibliographische Notizen über alle ihre Arbeiten entweder an das
Centralbl. f. Bakt. u. Parasitenk. oder an den Zoologischen Anzeiger
einsendeten, und daß alle Diagnosen neuer Genera oder die revidierten
Diagnosen alter Genera in dem Centralbl. f. Bakt. u. Parasitenk. oder
einem anderen Centralblatte unmittelbargnach der Publikation jedes
Originalartikels veröffentlicht würden.
Nach Braun’s Vorschlag verfahrend und dem Beispiele Pa-
rona’s folgend, haben Hass all und ich einen Katalog von den
Exemplaren verschiedener amerikanischer Sammlungen vorbereitet,
welcher unsere Kollegen in den Stand setzen wird, zu sehen, welche
Exemplare wir zum Tausch besitzen, und welcher zeigen wird, wo
viele von Leidy’s Typen zu finden sind. Dieser Katalog wird den
Spezialisten zugesandt, sobald er veröffentlicht ist.
Zum Schlüsse will ich anführen, daß mir folgende Sammlungen
von Parasiten in diesem Lande bekannt sind:
1) Die Sammlung des Bureau of Animal Industry, U. S. Dept. of
Agriculture, Washington, D. C.
2) Die Sammlung des U. St.-Nationalmuseum ; für jetzt enthält es
nur wenige Parasiten, aber gelegentlich werden alle Typen von
Curtice, Linton, Hassall und Stiles Eigentum dieses
Museums werden.
3) Sammlung des U. S. Army medical Museums, enthält ungefähr
50 Gläser mit Parasiten, von denen viele von Leidy be-
stimmt sind.
4) Sammlung des U. St. Naval Museum, enthält eine kleine Samm-
lung, aber keine Typen. Die Exemplare sind von Hass all und
Stiles bestimmt.
5) Leidy’s Sammlung. Es giebt wenigstens drei Sammlungen
dieses Namens:
a) die eine gehört dem Biological Department der Universität
von Pennsylvanien und wird gegenwärtig von mir revidiert.
In dieser Sammlung befindet sich eine Anzahl von Leidy’s
Typen; im ganzen sind sie schlecht erhalten und viele von
Leidy’s Species sind ohne Zweifel mit europäischen Arten
identisch ;
b) eine zweite Sammlung gehört Dr. Chapman vom Jefferson
Medical College, Philadelphia;
c) eine dritte Sammlung befindet sich in dem College of Phy-
sicians, Philadelphia.
6) Die Gassall’sche (Privat-) Sammlung, welche eine große Zahl
von Bandwürmern (Flukes) enthält. Typen von neuen Species
werden im Nationalmuseum niedergelegt werden.
480
W. Podwyssozky,
7) Die Sammlung: der U. S. Fish Commission, Lin ton ’s Typen
enthaltend. Diese Sammlung wird Eigentum des U. S.-National-
museums werden.
8) Die Stiles’sche (Privat-) Sammlung. Wird dieses Jahr im
Nationalmuseum niedergelegt werden.
9) Prof. Packard von Brown University, Providence, teilt mir mit,
daß er eine Anzahl von 0 1 s s o n ’s Typen besitzt, aber ich kenne
die Größe dieser Sammlung nicht.
Bureau of Animal Industry,
U. S. Department of Agriculture.
Washington, D. C., 9. Januar 1894.
Bakteriologische und parasitologische Kongresse.
Parasitologisches und Bakteriologisches vom
V. Pirogow’schen Kongresse der russischen Aerzte zu
St. Petersburg, 27. Dezember 1893 bis 3. Januar 1894.
Von
W. Podwyssozky
in
Kiew.
Da Vorträge von parasitologischem Inhalte in verschiedenen Ab-
teilungen des Kongresses gehalten wurden, so ist es bequemer, alle
Vorträge je nach dem speziellen Inhalte in zwei Gruppen zu sammeln,
und zwar 1) die Sporozoen-Gruppe, 2) die bakterio-
logische Gruppe.
I. Die Sporozoen-Gruppe.
Vorgetragen den 30 Dezember 1893 in der Abteilung für Bakteriologie:
I. DaniJewsky, TT. (Charkow): Ueber die Hämatozoen bei
Tieren, welche analog den Malaria-Häm atozoen
beim Menschen sind.
II. Podwyssozky, W. (Kiew): Entwickelungsgeschichte
des Coccidium oviforme im Zusammenhänge mit
der Lehre von den Krebsparasiten.
III. Sawtschenko, J. (Kiew): Weitere Untersuchungen
über die Krebsparasiten (zur Entwickelungsge-
schichte derselben).
Vorgetragen den 31. Dezember 1893 in der gynäkologischen Abteilung:
IV. Miller, W.: Ueber die Krebsparasiten bei Carcinoma
uteri.
I. Herr Danilewsky richtete zuerst seine Aufmerksamkeit
auf die große Verbreitung einiger Flagellata (die frei lebenden im
Parasitologisches und Bakteriologisches vom V. Pirogow’schen Kongresse etc. 481
Plasma — Trypanosoma, Trypanomonas, Herpetomonas
Lew., Hexamitus) sowie einiger Sporozoen (die intracellulären
Haemocytozoa) im Blute von Wirbeltieren. Nachdem kurz die
morphologischen und biologischen Eigenschaften dieser Schmarotzer
beschrieben wurden, sprach Herr Danilewsky speziell über die
Aehnlichkeit zwischen den Haematozoa der Vögel und
des Menschen.
Indem der Vortragende analoge Formen in beiden Fällen zu-
sammenstellte, und zwar bei der a k u t e n sowie bei der chronischen
Malariainfektion, behauptete er, daß die bemerkenswerte Aehn-
lichkeit in der Gestalt, ebenso wie in der Struktur und den biolo-
gischen Eigenschaften zwischen den Haemocytozoa der Vögel
und des Menschen den Gedanken erweckt, daß in beiden Fällen
die Schmarotzer zu einer und derselben zoologischen Gruppe (Genus,
vielleicht auch Species) gehören. Diese Verallgemeinerung kann als
berechtigt angenommen werden, seitdem es D an ilewsky gelang, zu
beweisen, daß bei denVögeln eine akute Malariainfek-
tion, d. h. ein echtes intermittentes Malariafieber vor-
kommt und daß diese Krankheit durch besondere, in den roten Blut-
körperchen schmarotzende Cytamöben, welche ähnlich den mensch-
lichen Cytozoen sporulieren (Gänseblümchenform), hervorgerufen wird.
Was einige nicht wichtige Unterschiede zwischen den Malaria-
Hämocytozoen des Menschen und der Vögel betrifft, so soll man bei
Erklärung derselben in Betracht ziehen , daß die Eigenschaften
der Nahrungsbedingungen resp. des Blutes zweifellos eine gewisse
modifizierende Einwirkung auf die im Blute wohnenden Zoomikrobien
ausüben. Außerdem sollte man in acht nehmen, daß die pathologische
Reaktion des Organismus nicht bloß durch die Bösartigkeit der
Mikroben selbst bewirkt wird ; eine wichtige Rolle in dieser Be-
ziehung gehört den Organismen und nämlich deren Widerstands-
fähigkeit.
Vom allgemeinen biologischen Standpunkte ist Danilewsky
geneigt, den bei Malariaerkrankung vorkommenden Cytomikroben
des Blutes bei Menschen sowie bei Vögeln als einzelne Fälle einer
gemeinsamen Erscheinung, und zwar einer Sporozoose des Blutes
bei allen Wirbeltierklassen zu betrachten.
H. Die Uebersicht des gegenwärtigen Standpunktes
der Frage über den Parasitismus bei Carcinomen giebt
Herrn Podwyssozky Veranlassung, zwei Richtungen hervorzuheben:
die einen Forscher lassen sich durch die Aehnlichkeit der Sporozoen mit
degenerierten Gewebezellen resp. Kernen lörtreißen und halten letztere
öfters für Parasiten ; die anderen aber weisen einen überflüssigen
Skeptizismus auf und rechnen deshalb zweifellose Sporozoen zu de-
generierten Zellen. Der Grund einer solchen Konfusion liegt zum Teil in
der ungenügenden Kenntnis der Entwickelungsgeschichte der Sporozoen
überhaupt und speziell derjenigen Sporozoen, welche in ihrer patho-
genen Wirkung eine große Analogie mit den Carcinomparasiten
haben sollen. Die ätiologische Bedeutung des Coccidium oviforme
als Erreger der adenomatösen Wucherungen in der Kaninchenleber steht
fest und ist zweifellos. Was aber die Entwickelungsgeschichte dieser
482
W. Podwyssozky,
Sporozoen und namentlich deren endogene, von R. Pfeiffer zuerst
nachgewiesene Sporenbildung betritft, so ist in dieser Beziehung noch
manches unklar. Und während die Sporenbildung bei anderen
Coccidieu, z. B. bei E i m e r i a N e p a e u. a. durch A i m 6 Schneider
so genau beschrieben ist, kann man dasselbe betreffs des Cocci-
dium oviforme der Kanincheuleber nicht sagen. Unsere Kennt-
nisse darüber sind noch lückenhafte.
Um ein Kriterium zum Vergleiche bei der Untersuchung der
Carcinomsporozoen zu haben, sollte man neben der weiteren Erfor-
schung auf diesem Gebiete auch feinere morphologische Verhältnisse
in dem Entwicklungscyklus solcher Sporozoen verfolgeu, deren para-
sitäre Natur außer Zweifel ist und welche Epithelwucherungen bei
Säugetieren hervorrufen. Infolgedessen teilte sich der Vortragende die
Arbeit mit seinem Assistenten, Herrn Sawtschenko. Indem der
Letztere weitere Untersuchungen über Carcinomsporozoen übernahm,
richtete Podwyssozky seine Aufmerksamkeit speziell auf die Ent-
wickelungsgeschichte des Coccidium oviforme, und
zwar auf das intracelluläre Leben desselben, welches
am meisten Analogie mit den parasitären Zellein-
schlüssen bei Krebsgeschwülsten hat.
1) Bemerkenswert ist die Erscheinung der Vakuolenbildung
im Protoplasma des Gallengangsepithels unter dem
Einflüsse der eingedrungenen jungen Coccidien resp.
Sporen. Einmal in die Zelle gedrungen, verliert die Spore ihre
spindelförmige oder fischartige Gestalt, wandelt sich in ein rund-
liches homogenes Protoplasmaklümpchen um, welches nichts anderes
als eine Zelle darstellt. Wie auch für andere Coccidien und Gregarinen
charakteristisch ist, bleibt der Kern (Nucleus) einer jungen Coccidie
ganz ungefärbt und erscheint daher als helles Bläschen, in dessen
Centrum ein intensiv rubinartig mitSafranin sich färbender Nu cleolus
sich findet (nach Fixierung in Flemmi ng’scher Flüssigkeit). Schon
neben den kleinen intracellulären Coccidieu bildet sich eine Höhle
resp. Vakuole im Protoplasma der Epithelzelle. Diese Vakuolen-
bildung ist das Resultat einer physischen Reaktion
(Zusammenziehung)desZellprotoplasma gegenüber den
eingedrungenen Parasiten. Die H ö h 1 e , in welcher die Coccidie
liegt, ist von Eiweißflüssigkeit sowie von Schleim frei.
Beim Auswachsen der Coccidie nimmt ihr Protoplasma zu,
verliert das ursprüngliche homogene Aussehen und zeigt
eine immer deutlicher her vortretende Granulation;
einzelne Granula färben sich deutlich mit Safranin, gehören aber
nicht zu der Nuclein-Chromatinsubstanz (wie schon früher von Aim6
Schneider für andere Coccidien gezeigt wurde) nach ihrer mikro-
chemischen Reaktion. Sie sind am meisten den Dotterplättchen
ähnlich und haben die Bedeutung eines Reservestotfes , welcher
sich vor der Sporulierung im Körper der Coccidie aufspeichert
(Schneider). Mit dem Alter der Coccidie werden diese Granula
immer größer und verschwinden bei dem Zerfall des gesamten
Körpers der Parasiten in eine Menge von Sporen.
Parasitologisches und Bakteriologisches vom V. Pirogow’sehen Kongresse etc. 483
2) Die jüngeren intracellulären Coccidien sind in
der Mehrzahl der Fälle an einer Seite mit einem ausgezogenen
oder mehr runden, halbmondförmigen Körper versehen,
welcher in der die Coccidie umhüllenden Höhle liegt. Je kleiner
resp. jünger die Coccidie ist, desto deutlicher und dichter ist dieser
Körper; mit dem Auswachsen der Parasiten wird er im Gegenteil
immer undeutlicher, breiter und rückt immer mehr von der Coccidie
ab. Er färbt sich nicht mit Safranin und anderen Kernfarben.
Typisch ist seine Färbung ins Bläulich-grüne bei Behandlung der
Präparate mit Pikro-Indigokarmin. Dieser Körper scheint sich zuerst
an dem Schwanzteile der spindelförmigen Spore im Moment des
Eindringens in die Zelle zu bilden. Später gesellt sich dazu eine
periphere Schicht der wachsenden Coccidie. Unter allmählicher
hyaliner Degeneration verschwindet dieser Körper und bei ausge-
wachsenen, mit großen Granulationen versehenen Coccidien ist er nicht
mehr wahrnehmbar. Am geeignetsten wäre es, diesen Körper als
Decidua der Coccidie zu betrachten. Bei keinem von den Coccidien
und Gregarinen wurde bis jetzt solch ein Gebilde beschrieben.
3) Der Prozeß der endogenen Sporulation zeichnet
sich aus durch einen außerordentlichen Polymorphismus.
Er geschieht nach dem Typus der Sporulation bei manchen Gregarinen
und Coccidien (Eimeria Nepae, Clepsidrina blattarum etc.),
wie er von Schneider, Wolters, L. Pfeiffer und Anderen be-
schrieben wurde. Vom Kerne, welcher seine scharfe Begrenzung ver-
loren hat, sondern sich Chromatinkörnchen ab, welche im Proto-
plasma der Parasiten sich verteilen und den Dotterplättchen ähnlichen
Granulationen des Protoplasmas sich zugesellen. Bilder solcher Ver-
teilung der Chromatinkörperchen des Nucleus machen den Eindruck,
als ob durch dieselbe eine Befruchtung der Protoplasmagranulationen
hervorgerufen wäre. Und zwar entstehen nach dieser Verteilung im
Körper der Coccidie einzelne Centren mit Differenzierung der proto-
piasmatischen und der Kern- resp. Chromatinsubstanz, was zur Bil-
dung einer Anzahl kleiner runder Protoplasmaklümpchen führt, von
denen jedes mit einem bläschenförmigen Nucleus und einem intensiv
sich färbenden Nucleolus versehen ist. Es bilden sich in dieser
Weise zahlreiche runde Sporen. Die zuerst gebildeten, resp.
die an der Peripherie der Coccidie liegenden Sporen
wandeln sich in flache, sichelartige oder fischförmige
Gebilde um, in welchen ein breiter Kopf- und ein enger,
ausgezogen er Sch wanzteil ganz deutlich wahrnehmbar
ist. Allmählich wandelt sich eine solche ausgewachsene Coccidie
in eine Sporocyste um, bestehend aus einer Anzahl von fischförmigen
Sporen. Die Größe sowie die Anzahl solcher Sporen ist
keine beständige und hängt von der Größe der ausge-
wachsenen Coccidien sowie von den Raumbedingungen
ab. Es kommen Sporocysten mit 4 — 8 — 10 Sporen vor uud neben den-
selben solche mit einigen Hunderten von sichelförmigen Sporen, Je
größer die Anzahl der Sporen ist, desto kleinere Dimensionen haben
einzelne Sporen. Die größeren Sporen erreichen nicht nur
den doppelten, sondern den zehnfachen Durchmesser
484
W. Podwyssozky,
der kleinsten. Solche kleinste Sporen sehen wie feine, gekrümmte,
mit je einem Chromatinkörnchen versehene Würmchen aus, besitzen
keinen Kopf- und Schwanzteil und sind nur mit stärksten Oelimmer-
sionssystemen deutlich zu sehen, während die größeren fischartigen
Sporen schon ganz deutlich erscheinen bei Vergrößerungen von
250 — 300 mal. Die Anordnung solcher kleinsten Sporen ist sehr
charakteristisch. Die ganze Sporocyste macht den Eindruck, als ob
sie von einer großen Anzahl vou kleinen Vakuolen gebildet sei und
an der Peripherie jeder Vakuole gruppieren sich 2 — 4 und noch
mehr halbmondförmig gebogene Würmchen. Die kleinen würmchen-
förmigen Sporen bilden sich folgenderweise: Sobald im Leibe der
reifen Coccidie einzelne Centren resp. runde Sporen erschienen sind,
wandeln sich diese letztren nicht direkt in eine große fischförmige
Spore um, sondern ihr Nucleolus erleidet eine Teilung in 2 oder 4
Körnchen. Die gebildeten Chromatinkörnchen rücken von einander
ab, bleiben aber an einem Centrum gruppiert und wandeln sich
in würmchenartige Sporen um. So entstehen die Vakuolen mit den
an der Peripherie derselben liegenden halbmondförmigen Würmchen.
Der ganze Prozeß ist anolog demjenigen, den Aim6 Schneider
an Eimeria N e p a e abgebildet hat.
4) Von Coccidien infiziert werden gewöhnlich die Gallengangs-
epithelien. In den Leberzellen selbst sind bis jetzt bei Coccidiose
der Kaninchenleber keine Coccidien gesehen worden. Dem Vor-
tragenden gelang es einige Male, auch in Leberzellen kleinere,
hüllenlose Coccidien zu konstatieren, nämlich in der
Nähe der Vena portae und der kleineren Gallengänge.
Das Verhalten des Zellprotoplasmas zu dem eingedrungenen Schma-
rotzer ist dasselbe wie im GalleDgangsepithel, und zwar Vakuolisierung
resp. Retrahierung des Protoplasmas. Ein Unterschied besteht darin,
daß man in der Höhle, welche sich neben dem Parasiten gebildet
hat, Schleim zuweilen konzentrisch geschichtet findet,
welcher schöne Metachro masiereaktion nach Safranin-
färbung resp. Violettnuance zeigt. Ein anderer Unterschied
besteht darin, daß die in der Leberzelle liegende Coccidie
ihre ausgezogene, spindelförmige Gestalt behalten
kann, was in den Gallengangsepithelien nicht der Fall ist. Vielleicht
handelt es sich hier (in der Leberzelleninfektion) um eine andere Art
von Sporozoen. Jedenfalls ist das ganze Verhalten solcher infizierter
Leberzellen sehr ähnlich der von Sawtschenko neuerdings be-
schriebenen Krebszelleninfektion. Das Vorkommen infizierter Leber-
zellen ist äußerst selten, und es müssen viele Präparate durchgemustert
werden, bevor man eine vakuolisierte, mit einem runden oder ausge-
zogenen Sporozoon versehene Leberzelle findet. Eine Sporulation im
Innern der Leberzellen hat Verf. kein einziges Mal konstatieren
können.
5) In allen Fällen, d. h. im Gallengangsepithel sowie in den
Leberzellen, führt die Infektion mit Coccidien zur Ab-
flachung und Zusammendrückung des Zellkernes, zur
starken Ausdehnung der Zelle selbst und endlich zur
Parasitologisches und Bakteriologisches vom V. Pirogow’schen Kongresse etc. 485
völligen Atrophie und Verschwinden derselben. Die
Infizierung schreitet nur von den Lumina der Gallengänge aus vor.
III. Im Vortrage von Herrn Sawtsclienko sind seine neueren
Beobachtungen über die Car ci n o m parasiten mitgeteilt.
Wenn noch manche Autoren die parasitäre Natur aller Carcinom-
einschlüsse, sowie überhaupt das Vorhandensein von Sporozoen in den
Krebsgeschwülsten leugnen, so liegt nach S. die Ursache eines solchen
Skeptizismus in dem Umstande, daß die Verteidiger des parasitären
Vorkommens der Carcinomeinschlüsse neben den zweifellosen Sporo-
zoen solche Gebilde beschreiben und abbilden, welche nichts mit den
Parasiten zu thun haben.
Zu solchen nicht parasitären Zelleinschlüssen rechnet Saw-
tschenko alle diejenigen unter dem Namen von Coccidien beschrie-
benen intracellulären, runden Gebilde, welche mit einer anscheinenden
Kapsel umhüllt sind und eine Metachromasiereaktion zeigen (nach
Sudakewitsch charakteristisch für die Krebssporozoen).
Nachdem Sawtschenko verschiedene Farbenreaktionen, die von
manchen Autoren als charakteristisch für die von ihnen beschriebenen
coccidienähnlichen Sporozoen bezeichnet werden, näher untersucht
hatte, kommt er zu dem Schlüsse, daß alle diese Reaktionen
als genaueste Farben reaktionen für Mucin nnd nicht
für die Sporozoen selbst zu betrachten sind.
Außer den schon bekannten mikrochemischen Farbenreaktionen
für Mucin schlägt Sawtschenko noch die folgende vor: Härtung
in Sublimat, Färbung mit Boraxkarmin und nachfolgend mit Gentiana-
violett (nach Gram). Die kleinsten Klümpchen von Mucin, die
schleimig entarteten Zellen in den Schleimdrüsen, sowie der Inhalt
der in den Carcinomen vorkommenden coccidienartigen Gebilde,
welche von den Autoren als Sporozoen angenommen wurden, färben
sich bei dieser Methode in einer intensiv violett-blaue Farbe; die
Kapsel aber von diesem Gebilde, ebenso wie das gesamte Proto-
plasma der Zelle nehmen vom Karmin eine Rosafarbe an.
Der Inhalt der einge kapselten Gebilde, welcher die
Farbenreaktion auf Schleim (sogenannte Metachromasie der Autoren)
und zuweilen das Bild einer Radiierung und mehrfachen Schichtung
zeigt, ist nichts anderes als Schleim (das Resultat schleimiger
Entartung des Zellprotoplasmas, sowie auch wahrscheinlich der
peripheren Schichten des Parasiten selbst). Was aber die scheinbare
Kapsel betrifft, so stellt dieselbe verdicktes Protoplasma der Carcinom-
zelle dar. Das gesamte Gebilde ist eine Schleimvakuole.
Solche Schleimvakuolen in den Krebszellen finden sich am meisten
in solchen Krebsgeschwülsten, deren Zellen in naher genetischer Ver-
wandtschaft mit den Schleimhautepithelien stehen und namentlich a m
meisten in den Krebsen der Speicheldrüsen und der
Bauchspeicheldrüse, weniger in den Carcinoma ventriculi et
oesophagi und noch weniger in den Krebsen der Brustdrüse und
anderer Organe.
Die Bildung der S ch leim vakuo 1 en wird durch Ein-
dringen der Sporozoen in das Protoplasma der Zelle
hervorgerufen; nicht selten findet man im Innern einer solchen
XV. Bd. 31
486
YV. Podwyssozky,
Vakuole den Parasiten. Zuweilen aber zieht derselbe von der Vakuole
aus, so daß in der Vakuole nur Schleim liegen bleibt. Es kommt
aber auch vor, daß in die Vakuole Leukocyten eindringen.
Sawtschenko charakterisiert die Zelleinschlüsse, welche er zu
den Parasiten rechnet, folgendermaßen:
1) Die in den Carcinomen schmarotzenden Sporozoen auf allen
Entwickelungsstufen besitzen eine protoplasmatische so-
wie eine Kern- resp. Ch romatin su b s tanz, welche sich
gut mit Anilinfarben färbt. Das Protoplasma des Parasiten
verhält sich zu den Anilinfarben ebenso wie das Protoplasma der
Geschwulstzellen selbst. Sehr deutliche Bilder erhält man mit
Magentarot; der Schleim wird deutlich metachromatisch ins Violette,
die Kerne des Parasiten dagegen, sowie die der Krebszellen ins Rote
gefärbt.
2) Die Größe des Parasiten selbst ist selten derjenigen
eines Leukocyten ähnlich. In der Mehrzahl der Fälle sind die
Parasiten sehr klein und können nur. mit starken Vergrößerun-
gen deutlich gesehen werden.
3) Die ausgewachsene amöboide F orm desParasiten
ist kugelartig oder oval, von fein granuliertem Protoplasma
und besitzt einen intensiv sich färbenden homogenen Kern.
4) Die Fortpflanzung geschieht nach dem Typus,
welcher für die Gregarinen und Coccidien gemein ist:
Die Chromatinsubstanz des Kernes zerfällt in kleinste Körnchen,
welche bei den größeren Parasiten mehr oder minder regelmäßig sich
an der Peripherie gruppieren; bei den kleineren dagegen bilden sich
nur einzelne Chromatinkörnchen, welche unregelmäßig in verschiedenen
Teilen des Protoplasmas des Parasiten sitzen bleiben. Infolge der
äußerst kleinen Dimensionen des Parasiten ist es unmöglich, die
Details der Bildungen der Sporen neben diesen Chromatincentren
genau zu verfolgen. Doch findet Sawtschenko eine Analogie
zwischen dieser Sporenbildung mit der Sporenbildung bei Cocci-
dium oviforme. (Vergleiche den Vortrag von Podwyssozky.)
5) Im Endresultate zeigen sich die schon gebildeten
Sporen als spindelförmige oder fischförmige Körper-
chen, welche ein homogenes Protoplasma und ein intensiv sich
färbendes Chromatinkörnchen (Nucleus) an einem resp. dem dickeren
Ende besitzen.
6) Die Zahl der Sporen, in welche die amöboide Form
des Parasiten zerfällt, ist keine beständige und steht in Beziehung
zu der Größe der Sporozoen, welche er bis zu Anfang der Sporulation
angenommen hatte.
7) Von ihren Bildungsstätten gelangen die Sporen entweder in
das Protoplasma derselben Zelle oder in das Protoplasma der benach-
barten Zellen. Neben solchen noch immer spindelförmigen Sporen
bilden sich Vakuolen. In solchen kleinen, neugebildeten Vakuolen
ist Mucin mikrochemisch noch nicht nachweisbar; ältere Vakuolen
aber besitzen schon Mucin, ebenso wie eine verdickte Wandung,
welche eine Kapsel simulieren kann.
Parasitologisches und Bakteriologisches vom V. Pirogow’schen Kongresse etc. 487
8) Während manche der ins Protoplasma eingedrungenen Sporen
schon sehr früh eine kugelartige Gestalt annehmen, wonach sich sehr
kleine amöboide Gebilde, welche alle Eigenschaften eines ausge-
wachsenen Parasiten besitzen, bilden, behalten andere einige
Zeit die ausgezogene birnartige Gestalt; diese letztere
ist einer Froschlarve ähnlich und hat morphologisch
viel Gemeinsames mit dem entsprechenden Stadium
des Hämatozoon. Später, bei weiterem Verbleiben der Spore im
Protoplasma der Krebszelle, verwandeln sich diese ausgezogenen Formen
in kugelartige resp. amöboide.
9) Offenbar sind die embryonalen wie die amöboiden Formen
des Parasiten beweglich; sie können von einer Zelle in
die andere überwandern und hinter sich als Rest
hohle, mit Schleim gefüllte, große Vakuolen liegen
lassen. Die Bildung schleimiger Vakuolen in dem Zellprotoplasma
könnte man vielleicht als Schutzanpassung des Protoplasmas gegen
den Parasiten betrachten. In manchen Vakuolen findet man öfters
tote, degenerierte Sporozoen.
10) Bei carcinomatösen Infiltrationen der Lymphdrüsen finden
sich die Parasiten auch im Protoplasma des Endothels
der Lymphdrüsenspalten; bei den Scirrhen der Brustdrüse finden
sich dagegen die Parasiten in den Bindegewebszellen, und zwar an
Stellen der frisch gebildeten Infiltrationen.
11) Da kein einziges Mal eingekapselte, resp. mit eigener Kapsel
versehene Parasiten vom Vortragenden in den Carcinomen gefunden
wurden, was der Fall hätte sein müssen, und zwar an den Stellen
des Zerfalles der Geschwulst, wenn man mit Coccidien zu thun hätte,
so rechnet er die von ihm beschriebenen Parasiten nicht
zu den Coccidien, wohl aber zu den Amöbosporidien.
Viel ähnliches haben diese Carcinomsporozoen mit den Haemato-
zoa der Vögel.
IV. Herr W. Miller berichtet über seine mikroskopischen Unter-
suchungen von 21 Gebärmutterkrebsen. Nur in 4 Fällen gelang es,
zweifellose Gebilde parasitärer Natur zu konstatieren. Andere Fälle
gaben negative Resultate, obschon beständig Zelleinschlüsse gefunden
wurden, welche eine Verschiebung und Abflachung des Zellkernes
hervorrufen und aus homogenem Plasma mit stark sich färbenden
Kernkörperchen bestehen. Betreffs der Natur dieser Einschlüsse ist
die Erklärung noch zulässig, daß sie keine Parasiten sind. Was
aber die anderen 4 Fälle betrifft, so ist der Vortragende überzeugt,
daß er es mit schmarotzenden Sporozoen zu thun hatte, welche sogar
Gebilde der Sporulation zeigten. In einigen Fällen fand er extra-
celluläre parasitäre Gebilde und namentlich Cysten, welche mit einer
deutlichen Kapsel versehen waren und homogenen Inhalt mit einzelnen
sich stärker färbenden Körperchen resp. Sporen besaßen.
(Fortsetzung folgt.)
31
488
Anaerobe Mikroorganismen.
Referate.
Sanfelice, Untersuchungen über anaerobe Mikroorga-
nismen. [Aus d. hygien. Inst, zu Rom.] (Zeitschrift f. Hyg. und
Infektionskrankh. Bd. XIV.)
Verf. giebt nach Aufzählung der früher erschienenen Arbeiten
über die Kultur von Anaeroben einen Ueberblick über die Züch-
tungsmethoden, indem er den Ausschluß der Luft durch die Queck-
silberluftpumpe, durch hohe Schichten des Nährbodens oder deren
Ersatz durch Wasserdampf oder Gase, ferner die Entziehung von
Sauerstoff mittelst pyrogallussauren Kali erwähnt, während er nach
seiner eigenen, bereits beschriebenen Methode der bedeckten Platten-
kulturen oder mit Gelatine bezw. Agar in hohen Schichten arbeitet.
Letztere werden zum Zwecke weiterer Untersuchung in parallele
Scheiben zerlegt. Die Nährböden sollen alsbald nach der Sterilisation
verwendet werden, damit sie nicht beim Stehen aus der Luft Sauer-
stoff aufnehmen. Verf. beschreibt alsdann Wachstum und Patho-
genität der Erreger des Tetanus, des Rauschbrandes und des malignen
Oedems, sowie 9 von ihm in Erde, faulem Fleische und Kot gefun-
dene anaerobe Bacillen, die nicht pathogen sind und deren Wachstum
nur in Gelatine, nicht aber in Agar sich unterscheidet. Gelatine
wird von ihnen verflüssigt unter Erzeugung übelriechender Gase.
Die 9 Formen teilt Verf. in 3 Gruppen, welche er den oben genannten
3 pathogenen Anaeroben anschließt, von welchen sie nur durch den
Mangel der Pathogenität verschieden sind.
Wie häufig die Erreger des malignen Oedems und des Tetanus
im Erdboden Vorkommen, prüft Verf. an einer größeren Reihe von
Versuchen, in welchen von 48 Meerschweinchen, die mit Erde von
der Oberfläche subkutan geimpft wurden, 3 an Tetanus, 19 an
malignem Oedem zu Grunde gingen. Mit Erde, die verschiedener
Tiefe entnommen war, wurden 22 Meerschweinchen geimpft. Von
diesen starben 12 an malignem Oedem, 2 an Tetanus. Zwölf Erd-
proben veranlaßten den Tod der Versuchstiere durch andere Krank-
heiten. Aufschwemmungen dieser Proben wurden mehrere Monate
lang im Dunkeln bei Zimmertemperatur gehalten und nun von neuem
zur Impfung verwendet. Jetzt zeigten sich diese virulent, und zwar
10 Proben durch malignes Oedem, 2 Proben durch Tetanus. 18
weitere Erdproben wurden mit Bouillon aufgeschwemmt und 8 bis
10 Tage lang in eine Temperatur von 37° gestellt. Diese Auf-
schwemmungen töteten sämtlich die mit denselben geimpften Tiere
an Tetanus. Merkwürdigerweise fand Sanfelice den Bacillus
des Rauschbrandes niemals in der Erde, obgleich Erkrankungen an
Rauschbrand namentlich in Oberitalien nicht eben selten auftreten.
Wenn die durch 2 verschiedene Anaeroben erzeugten Gifte gleich-
zeitig einwirken, so sterben die Versuchstiere bedeutend früher, als
bei der Infektion mit nur einem derselben. ' Das Gleiche gilt aber
auch, wenn neben dem Gifte eines pathogenen Anaeroben gleichzeitig
die Stoffwechselprodukte eines nicht pathogenen zur Wirkung ge-
Säurebildung durch Bakterien.
489
langen. Eine Tetanuskultur, welche Meerschweinchen nach 3 Tagen
tötet und eine Kultur des Bacillus des malignen Oedems, welche
Meerschweinchen nach 24 — 36 Stunden tötet, bewirken bei gleich-
zeitiger Einimpfung den Tod des Versuchstieres nach 14—18 Stunden
unter den Erscheinungen des Tetanus. Bei gleichzeitiger Anwendung
von Rauschbrand und malignem Oedem weisen die pathologischen
Befunde mehr auf malignes Oedem, als auf Rauschbrand hin. Die
Beschleunigung des Todes bei Impfung mit einer pathogenen und
einer nicht pathogenen Art tritt sowohl ein, wenn die Impfung gleich-
zeitig geschieht, als auch wenn die Impfung mit der nicht pathogenen
Kultur 5—6 Tage früher geschehen ist. Durch gleichzeitige Impfung
mit aeroben Bakterien und Anaeroben tritt keine Beschleunigung
des Todes ein. — Werden die tetanusähnlichen Anaeroben auf einem
Nährboden gezüchtet, der Tetanusgift enthält, so nehmen sie toxische
Eigenschaften an. Die analogen Versuche gelangen bei Rauschbrand
und bei malignem Oedem nicht. Gerl ach (Wiesbaden).
Kuprianow, J., Beiträge zur Biologie der V ibrionen. (Arch.
für Hygiene. Bd. XIX. 1893. Heft 3.)
Angeregt durch die Untersuchungen von Bitter, Kitasato
undSclavo, welche feststellten, daß durch die Lebensthätigkeit des
Koch’schen Vibrio der asiatischen Cholera, sowie des Vibrio
Finkler-Prior, des Vibrio Metschnikovi u. a. in zucker-
haltigen Nährböden Säuren produziert würden, stellte sich der Verf.
die Aufgabe, zu ermitteln, ob die morphologisch zu derselben Gruppe
gehörenden Bakterien alle dieselben Säuren bilden oder ob sich
Unterschiede feststellen lassen. Seine im hygienischen Institute zu
Berlin vorgenommenen Arbeiten wurden am Vibrio der asiatischen
Cholera, Vibrio Finkler-Prior, Vibrio Metschnikovi,
Vibrio Deneke, Vibrio aquatilis sowie am Vibrio Bero-
linensis, Vibrio Bonhoff b, Vibrio Bon hoff a und Vibrio
Weibel ausgeführt und ergaben folgende Resultate:
Vom Vibrio aquatilis ist inaktive Milchsäure gebildet
worden, vom Vibrio Deneke, Koch, Finkler-Prior und
Metschnikovi aktive und zwar, von Vibrio Deneke die rechts
drehende, von den übrigen drei die links drehende Modifikation. Der
Vibrio Koch hat am meisten Milchsäure gebildet und am meisten
Zucker zerstört. Der Vibrio Deneke hat am wenigsten Zucker
zersetzt und dementsprechend auch am wenigsten Milchsäure gebildet.
In den übrigen drei Versuchen geht der Verbrauch von Zucker und
die Bildung von Milchsäure nicht Hand in Hand. Es entstehen dem-
nach außer der Milchsäure noch andere Produkte in wechselnder
Menge.
Die weiteren, die Vibrionen Deneke, Bonhoff a und b sowie
Berolinensis betreffenden Untersuchungen ergaben, daß auch
diese vier Vibrionen Milchsäure bilden, und zwar der Vibrio Bero-
linensis und Bonhoff b die inaktive, der Vibrio Bonhoff a
die rechtsdrehende und der V i b r i o W e i b e 1 die linksdrehende Modi-
fikation.
Die Versuche werden fortgesetzt. Maaß (Freiburg i. B.).
490
Tuberkulose.
Ortner, N., Die Lungen tub e rkulose als Mischinfektion.
[Aus dem Institute für pathol. Histol. und Bakteriol. — Prof.
A. Weichselbaum — in Wien.] gr. 8°. 164 p. u. 2 Tafeln.
Wien (Braumüller) 1893.
In dieser ebenso interessanten als mühevollen und fleißigen Ar-
beit suchte O. auf Anregung Prof. Weichselbaum’ s der Frage
näher zu treten, ob und inwieweit es sich bei den verschiedenen
Formen der Lungentuberkulose um eine einheitliche krankmachende
Ursache — den Tuberkelbacillus — handelt oder um den Be-
stand einer Mischinfektion.
O. unterzog im ganzen 61 Fälle makroskopisch verschiedener
Formen von Lungentuberkulose einer eingehenden bakteriologischen
und histologischen Untersuchung und teilt einer leichteren und
besseren Uebersicht halber dieselben in 3 große Gruppen.
Die erste Gruppe umfaßt jene Fälle, in denen neben der tuber-
kulösen Affektion auch pneumonische Veränderungen makroskopisch
— in lobulärer oder lobärer Ausdehnung — erkennbar waren, die
zweite alle jene Fälle, bei welchen es sich makroskopisch um eine
einfache, chronische Granulartuberkulose handelte, und die dritte
endlich Fälle von akuter resp. subakuter miliärer Lungentuberkulose.
Alle 61 Fälle werden einzeln in genauer und sachlicher Weise er-
örtert. Das Ergebnis der Untersuchungen war folgendes:
In Bezug auf die pathologische Histologie ließ sich feststellen,
daß die Bronchopneumonieen bei chronischer Granulartuberkulose
der Lunge durchaus Prozesse darstellen, welche die Bezeichnung
zeilig-fibrinöser Pneumonieen beanspruchen können; makroskopisch
erstreckten sich diese pneumonischen Infiltrate nur auf einzelne
Gruppen aneinander gereihter Lungenläppchen. Selbst der eine
beobachtete Fall von frischer Lobärpneumonie bei chronischer Spitzen-
tuberkulose und die fünf Fälle sogenannter käsiger Pneumonie mußte
0. als Fälle konfluierter, zum Teil mehr oder minder frischer, zum
Teil verkäster Bronchopneumonieen ansprechen. Es lag daher in
keinem der untersuchten Fälle eine echte lobäre Pneumonie vor. Ein
histologisch, verschiedenes Aussehen zeigten die Fälle chronischer
Granulartuberkulose ohne makroskopisch erkennbare entzündliche
Affektion; exsudatführende Lungenalveolen waren entweder nur auf
die nächste Umgebung der Tuberkelknötchen beschränkt oder er-
streckten sich auch auf weitere, vom Tuberkel entferntere Strecken.
Fälle vollkommen reiner Granulartuberkulose im Sinne Orth’s
wurden nie angetroffen. Auch die Fälle akuter und subakuter miliarer
Lungentuberkulose zeigten alle entzündliche Infiltration der um die
Tuberkelknötchen gelegenen Lungenalveolen.
Was nun die bakteriologischen Ergebnisse anlangt, so konnte 0.
in den meisten der untersuchten Fälle, abgesehen vom Tuberkel-
bacillus, einen Coccus finden, der alle Variationen vom typischen
Streptococcus pyogenes bis zum typischen Dipl o coccus
pneumoniae zeigte und den er als „Micro coccus pneumo-
niae“ bezeichnet wissen will. Bei der ersten Gruppe der unter-
suchten Fälle konnte unter 27 Fällen der Micrococcus pneu-
moniae 23 mal, der Tuberkelbacillus 25 mal im Gewebe nach-
Tuberkulose.
491
gewiesen werden; stets fand sich ersterer in den vom entzündlichen
Exsudate erfüllten Lungenalveolen, während der Tuberkel ba eil lus
nur in jenen Gewebspartieen konstant zur Beobachtung gelangte, die
bereits histologisch sich als tuberkulös affiziert erwiesen. Dieser
Umstand einerseits, andererseits aber die verschiedenen, durch viel-
fache Beobachtungen und Experimente erwiesenen Wirkungsweisen
beider Bakterienarten und die Thatsache, daß man innerhalb des
pneumonisch infiltrierten Gewebes Tuberkelbacillen findet, die keinen
oder wenigstens keinen histologisch erkennbaren Anteil an dem be-
stehenden Erkrankungsprozesse genommen haben, lassen es als un-
zweifelhaft erscheinen, daß die bei chronischer Granulartuberkulose
der Lunge bestehenden Bronchopneumonieen ätiologisch durch den
Micrococcus pneumoniae bedingt sind und daß der Satz
Fraenkel’s: „Wo sich der Tuberkelbacillus findet, da han-
delt es sich um Tuberkulose“, dahin abzuändern wäre, daß er lautet :
„Wo sich der Tuberkelbacillus findet, da ist Tuberkulose oder
wird Tuberkulose werden.“
Auch die bei diesen Prozessen vorkommenden käsigen Herde
sind nach Ortner’s Untersuchungen nichts anderes, als durch den
Micrococcuspneumoniae vorerst pneumonisch affizierte Lungen-
alveolengruppen, in welchen nachträglich die vorhandenen Tuberkel-
bacillen das zellige Exsudat in Verkäsung bringen, es wäre daher
die Bezeichnung „käsige Pneumonie“ und „infiltrierte Lungentuberku-
lose“ durch die Benennung „tuberkulisierende konfluierte Broncho-
pneumonie“ zu ersetzen.
Auch für die zweite und dritte Gruppe der untersuchten Fälle
sind die die Tuberkulose der Lunge begleitenden, meist nur histo-
logisch erkennbaren entzündlichen Veränderungen ätiologisch nach
den Befunden des Verf.’s durch den Micrococcus pneumoniae
bedingt. Bemerkenswert ist auch der Befund Ortner’s bei 3 Fällen
miliarer Tuberkulose, wo er Pneumoniekokken im Lumen der in den
Alveolarseptis vorhandenen Kapillargefäße vorfand, ein Befund, der
die Annahme gerechtfertigt erscheinen läßt, daß in einer Reihe von
Fällen allgemeiner Miliartuberkulose neben Tuberkelbacillen auch
andere Bakterien, darunter der Micrococcus pneumoniae, in
die Blutbahn gelangen können, so daß es sich in diesen Fällen dann
um eine Tuberkelbacillen-Kokken-Septikämie handelt.
Auf Grund dieser Befunde stellt O. folgenden Schlußsatz auf:
„Man muß in der tuberkulös affizierten Lunge zweierlei pathologische
Prozesse auseinanderhalten, jene der Bildung von Tuberkeln und jene
der Entwickelung pneumonischer Prozesse. Beide sind histologisch
voneinander zu scheiden, beide sind aber auch ätiologisch voneinander
verschieden. Denn die bei Lungentuberkulose so häufig vorkommen-
den pneumonischen Prozesse sind Produkt der Thätigkeit des Mi-
crococcus pneumoniae, die Tuberkel jener des Tuberkel-
bacillus. Ghon (Wien).
Arribat, Marius, Des associations microbiennes de la
tuberculose. [These.] 4°. 83 p. Montpellier 1893.
Die mikrobischen Genossenschaften sind äußerst häufig anzu-
492
Tuberkulose.
treffen; man vermöchte beinahe zu behaupten, daß sie die Regel bei
der Tuberkulose aller Organe bildeten.
Die Mikroben, welche man am häufigsten antrifft, sind der
Bacillus pyogenes und die Mikrobe der Pneumonie.
Diese Mikroben dringen durch die natürlichen Höhlen ein, welche
Verbindungen mit der äußeren Luft haben, wohin sie direkt aus
letzterer gelangen. Die Tuberkulose begünstigt durch die Wirkung
ihrer löslichen Produkte, wie durch die Veränderungen, welche sie
in den Organen herbeiführt, das Vordringen und die Vermehrung
dieser Keime. Diese sekundären Infektionen verschlimmern im allge-
meinen die Tuberkulose und sind oftmals der Grund zum Tode; bei
der Behandlung Schwindsüchtiger hat man ihrer ganz besonders
Rechnung zu tragen, wie sie denn durch prophylaktische Maßnahmen
zum Teil vermieden werden können.
E. Roth (Halle a. S.).
Dixon, Involution form of the Tubercle Bacillus and
the effect of subcutaneous injections of organic
substances on inflammations. (From the Proceedings of
the Academy of Natural Sciences of Philadelphia. 1893. 21. Fe-
bruar.)
Dixon bringt in der vorliegenden Arbeit eine Ergänzung der
im Jahre 1889 in The Medical News erschienenen Veröffentlichung:
Possibility of establishing tolerance for the Tubercle Bacillus. Die
damalige Mitteilung Dixon’s über verästelte Formen des Tuber-
kelbacillus ist inzwischen durch Allen J. Smith, Klein u. A.
bestätigt worden. Auch dem Verf. ist es in der Zwischenzeit wieder-
holt gelungen, die damals beschriebenen Formen wieder zu erhalten;
besonders gelang es, wenn dem Agar Glycerin in größerer Menge
beigemischt wurde und bei Temperaturen von 40°. Impfungen mit
den so geformten Bacillen erzeugten stets Tuberkulose.
Im Anschlüsse hieran bespricht der Verf. seine Erfahrungen über
die Wirkung des Tuberkulins, welche bei Tieren, die durch Impfung
tuberkulös gemacht worden waren, eine verschiedene und zwar gün-
stigere sei, als bei den von Natur tuberkulösen Tieren.
Um die Einwirkung der Substanzen der Amidogruppe auf ent-
zündete Gewebe zu prüfen, wurden in einem Falle von Lupus subkutan
Injektionen von Kreatinin gemischt abwechselnd mit Taurin, Harnstoff
und Harnsäure gemacht. Bei sehr geringen Dosen war die allgemeine
Reaktion eine sehr unbedeutende, die lokale dagegen deutlich aus-
gesprochen und es trat eine entschiedene Besserung ein; bei Fällen
von vorgeschrittener Tuberkulose war keine Besserung zu erzielen.
Die diesbezüglichen Experimente sollen fortgesetzt werden.
Lasch (Breslau).
Tassinari, Ricerche sull’ aria di una fabrica di tessuti
rispetto al contenuto in microorganismi ed osserva-
zioni sul numero loro in rapporto alle condizioni
dell’ aria ambiente con speciale riguardo al bacillo
Tuberkulose.
493
della tuberculosi. (Annali dell’ Istituto d’Igiene sper. della
R. Universitä di Roma. Vol. II. (N. S.) Fase. 3.)
T. gelang es nicht, in der Luft der Arbeitsräurae einer Weberei
Tuberkelbacillen nachzuweisen, trotzdem die Weber eine ganz be-
sonders hohe Sterblichkeit an Tuberkulose aufweisen. Er verfuhr bei
seinen Versuchen derart, daß er die Luft durch Zuckerfilter saugte, den
Zucker in Wasser löste und die Lösung Meerschweinchen injizierte.
Die Zahl der Keime im allgemeinen war geringer in den Sälen mit
Maschinenbetrieb, als in denen mit Handweberei. Gute Ventilation
hatte einen bedeutenden Einfluß auf die Organismenmenge, zwischen
dieser und der Kohlensäuremenge in der Luft bestand kein Zu-
sammenhang. Abel (Greifswald).
Schlenker, Beiträge zur Lehre von der menschlichen
Tuberkulose. Ueber Tuberkulose als Ursache pleu-
ritischer Adhäsionen. (Virchow’ s Archiv. Bd. CXXXIV.
p. 151.)
Zur Unterstützung der Ansicht, daß Pleuraadhäsionen meistens
auf Tuberkulose zurückzuführen sind, veröffentlicht S. das Resultat
der Untersuchung von 57 Fällen von Pleuraverwachsungen. Bei 33
derselben, d. h. bei 57,89 Proz., war Tuberkulose iu Lungen oder
Bronchialdrüsen bei mikroskopischer Untersuchung nachweisbar, so daß
für diese Fälle die Adhäsion mit Wahrscheinlichkeit auf Tuberkulose
zurückzuführen ist. Abel (Greifswald).
Schlenker, E., Beiträge zur Lehre von der menschlichen
Tuberkulose. Ueber die Häufigkeit tuberkulöser
Veränderungen in menschlichen Leichen. (Virchow* s
Archiv. Bd. CXXXIV. p. 145.)
Daß tuberkulöse Veränderungen oder obsolete Reste früherer
tuberkulöser Herde in Körpern auch solcher Personen, bei welchen
die klinische und die allgemeine anatomische Untersuchung nicht auf
einen derartigen Befund hinwies, durchaus nicht selten vorgefunden
werden, ist eine längst bekannte Thatsache. Nach den verschiedenen
Autoren soll bei einem wechselnden Prozentsätze, bei etwa 1/i bis
über 2/3 aller Leichen latente Tuberkulose oder deren Reste nach-
zuweisen sein.
Schlenker nahm seine Untersuchungen an 100 Leichen von
Erwachsenen und Kindern vor, und zwar in der Weise, daß, abge-
sehen von vollständiger Ausführung der ganzen Sektion, die Lungen
und besonders die Spitzen, nach gründlichem Abtasten revidiert
und daß namentlich Mesenterial-, Bronchial- und Halsdrüsen
einer eingehenden Besichtigung unterworfen wurden. Käsige, kalkige
oder bröcklige Einschlüsse wurden als Tuherkulose gerechnet, ein-
fache Indurationen der Lunge nicht. Das Mikroskop wurde nur selten
zu Hilfe genommen.
Von 100 Leichen erwiesen sich 66 als tuberkulös. Von diesen
war Tuberkulose Hauptkrankheit bezw. Todesursache bei 53 Proz.,
von erheblicher Bedeutung bei 6 Proz., latent bei 41 Proz. Rechnet
494
Tuberkulose.
man die Fälle, bei welchen die Tuberkulose latent war und diejenigen,
welche keine Spuren von Tuberkulose darboten, zusammen, so kommen
auf 56 Proz. nicht Tuberkulöse 44 Proz. latent Tuberkulöse. Iu der
Gesamtzahl der Leichen waren also a/3 mit Tuberkulose behaftet,
während von den nicht manifest Tuberkulösen fast jeder zweite einen
versteckten Herd enthielt. Diese Zahlen müssen immer noch als
Minimalwerte betrachtet werden, weil die Untersuchung uur grob
anatomisch, nicht stets mikroskopisch ausgeführt worden ist und weil
selbst bei genauester Untersuchung durch einen speziell Eingeübten
doch noch sicher der eine oder andere Herd übersehen werden kann.
Aus der Arbeit läßt sich der Schluß ziehen, daß die Tuberkulose
noch weit mehr verbreitet ist, als vielfach angenommen wird und daß
sie oft ausheilt. Die Differenz zwischen den Ziffern der Gesamtzahl
der Tuberkulose bei den verschiedenen Autoren dürfte sich geringsten
Teiles aus der wechselnden Häufigkeit der Krankheit in verschiedenen
Gegenden erklären, sondern vielmehr aus der Art des der Statistik
zu Grunde liegenden Materials, welches von der Untersuchungsmethode
und von den Aufnahmebedingungen des betreffenden Spitals ab-
hängig ist. Abel (Greifswald).
Hallopeau, Des trevcs dans les manifestations cutan^es
de la tuberculose. (Anuales de Dermat. et de Syphiligraphie.
1893. October.)
Hallopeau unterscheidet primäre und sekundäre Hauttuberku-
lose. Die letztere schließt sich au eine Erkrankung der tiefer ge-
legenen Organe an; die Formen der ersteren sind:
1) Lupus vulgaris, bei welchem die Erkrankung uur das Corium
trifft.
2) Tuberculosis verrucosa cutis und der Hauttuberkel, bei welchen
der Papillarkörper der Sitz der Erkrankung ist.
3) Lichen scrofulosorum — die Tuberkulose der Talgdrüsen.
4) Lupus erythematosus, den der Verf. entschieden mit zu den
tuberkulösen Erkrankungen rechnet, weil er sich häufig bei Individuen
findet, welche Lupus vulgaris oder eine sonstige tuberkulöse Er-
krankung zeigen. Hier sind es die Haarbalgdrüsen, welche erkraukt
sind.
In der vorliegenden Arbeit spricht nun der Verf. über die Re-
missionen, die infolge zweckmäßiger Behandlung bei der Hauttuberku-
lose eintreten und oft eine vollkommene Heilung vortäuschen können,
bis nach längerer Zeit — der Verf. hat in einigen Fällen Iutervalle
von 25—40 Jahren beobachtet — neue Nachschübe auftreten.
Die Arbeit hat vorwiegend ein klinisches Interesse — uud ich
möchte hier nur kurz einige Punkte herausgreifen.
Zunächst interessant ist der günstige Einfluß, den nach Hallo-
peau’s Ansiebt die Erysipelas auf den Verlauf der Erkrankung haben
kann. Er erklärt sich denselben so, daß die Streptokokkeninvasion die
Konstitution der Haut so verändert, daß dieselbe für den Tuberkel-
bacillus keinen guten Nährboden mehr bildet; er steht nicht au,
die künstliche Einimpfuug als therapeutischen Eingriff vorzuschlagen,
Tuberkulose.
495
da die leicht beeinflußbare Erysipelas nur als geringe Fährlichkeit auf-
zufassen sei, wenn es sich um die Heilung eines so chronischen
Leidens wie den Lupus handele.
Die Thesen, mit welchen H. seine Arbeit schließt, sind folgende :
Kürzere oder längere Remissionen kommen bei allen Formen der
Hauttuberkulose vor; daß die Pausen zur definitiven Heilung werden,
ist am ehesten beim Lichen scrofulosorum und der sekundären Haut-
tuberkulose der Fall; am seltensten sind sie bei der Tuberculosis
cutis verrucosa.
Die Recidive zeigen, daß es sich bei den Remissionen nur um
ein längeres uuthätiges Verharren der Krankheitserreger im Gewebe
handelt, bis dasselbe aus bisher unbekannten Gründen von neuem ein
geeigneter Boden für ihre Weitereutwickelung wird.
Gute Remissionen sind die Folge zweckmäßiger Behandlung.
Lasch (Breslau).
MaKSvot, De la tuberculose de la verge. (Annales des mala-
dies des Organes g6nito-urinaires. 1893. November.)
Bei der relativen Seltenheit sicher beobachteter Fälle von
Tuberkulose des Penis ist jeder kasuistische Beitrag, wie der hier
vorliegende, wertvoll. Es handelt sich um einen 14 -jährigen
jungen Mann, der an der Eichel rund um das Orificium urethr. ein
20 Centimes-Stück großes Geschwür hatte. Die Anamnese, das Aus-
sehen des Geschwüres, die Konstitution des Patienten, das Alles
deutete mit Sicherheit auf Tuberkulose hin; er wurde ins Institut
Pasteur geschickt. Hier wurden mit dem Messer einige kleine
Gewebspartikel entnommen, von denen einige zerrieben und unter
Zusatz von Aqu. destill. flüssig gemacht wurden, während andere
geschnitten und gefärbt wurden. Es war nicht möglich, in einem
der Schnitte Tuberkelbacillen zu finden. Mit der zerriebenen und
verdünnten Masse werden 3 Meerschweinchen subkutan in die linke
Seite geimpft; jedes erhält 1 ccm der Masse. 3 Wochen nach der
Inokulation haben die zwei, weitere 14 Tage später auch das dritte
an der Injektionsstelle einen harten Knoten. '/* Woche nach der
Impfung sind bei allen 3 Tieren die der Inokulationsstelle zunächst
gelegenen Drüsen stark geschwollen.
14 Tage darauf (am 65. Tage post inoculationem) stirbt das
eine Meerschweinchen, nachdem es ll 5 seines Körpergewichtes ver-
loren hatte. Die Autopsie ergab an der Injektionsstelle einen kirsch-
kerngroßen käsigen Absceß, in der nächstgelegenen Leiste 5 verkäste
große Drüsen, auch andere verkäste Drüsen sowie Miliartuberkulose
der Lungen und der Leber.
10 Tage später starb das zweite Meerschweinchen, dessen Sektion
ebenfalls allgemeine Tuberkulose ergab.
Dagegen nahm das dritte Tier erheblich an Körpergewicht zu.
Im 6. Monat p. i. bildete sich an der Impfstelle ein kalter Absceß,
in dessen Eiter sich vereinzelte Bacillen fanden. Derselbe heilte, das
Tier nahm weiter zu (von 362 — 703 g) und wurde im 8. Monat p. i.
getötet. Auch hier fanden sich verkäste Drüsen sowie tuberkulöse
Herde in der Milz, Leber, Lungen.
496
Tuberkulose.
Es war die klinische Diagnose durch den Tierversuch vollauf
bestätigt. Daß in den Schnitten keine Tuberkelbacillen gefunden
wurden, wird niemanden wuuder nehmen, der bei Lupus oder Haut-
tuberkulose in Schnitten Tuberkelbacillen gesucht hat. Das lange
Leben des dritten Meerschweinchens beruht wohl auf seiner größeren
Widerstandsfähigkeit oder auf der geringeren Virulenz (vielleicht
wegen kleinerer Zahl von darin enthaltenen Bacillen) der injizierten
Masse. Lasch (Breslau).
Gibiiey, P., Final results intubercular ostitis ofthe
knee in c h i 1 d r e n — commonly kuown a s „w h i t e swel-
ling“. (The American Journal of the medical Sciences. 1893.
Oktober. No. 258.)
Der Bericht über die Resultate der Kniegelenkstuberkulose der
Kinder umfaßt 223 mäunliche und 276 weibliche Individuen, welche
Verf. alle selbst beobachtete. Er versteht unter „tubercular ostitis
of the knee“ eine Tuberkulose entweder der unteren Epiphyse des
Femur oder der oberen der Tibia oder beider als primären Erkran-
kungsherd und durch Fortleitung chronische Entzündung der das
Gelenk bildenden Gewebe, — schließt also eine primäre Kapseltuber-
kulose aus.
Es folgt darauf eine genaue Beschreibung der oft sehr undeut-
lichen Initialsymptome der Kniegelenkstuberkulose, deren Erkennung
für die Prognose sehr wichtig ist: dies ist das erste Stadium,
das Stadium, welches der Deformität vorangeht. Dieses geht in das
zweite Stadium, das Stadium der Deformität über. In ihm
können schon Abscesse erscheinen; die Gegend des Gelenks verändert
sich in der genugsam bekannten Weise, bis die Veränderungen des
dritten Stadiums, des der Eiterung eingetreten siud, Luxation
oder Subluxation der Tibia und Patella mit Fixation des Gliedes,
teils durch Muskelspasmen, teils (später) durch Ankylose. Es kann
in Septikämie überführen, oder amyloide Degeneration innerer Organe
bildet den Abschluß, seltener Meningitis, der meist Patienten im
zweiten Stadium erliegen.
Von diesen 499 Kniegelenken verteilen sich ungefähr je die
Hälfte auf das rechte und linke Bein. Was das Alter anbetraf, so
brach die Krankheit aus bei
47 Patienten vor vollendetem 2. Lebensjahre,
bei
64
j!
zwischen 2.
und 3.
11
40
11
11
3.
11
4.
11
11
46
11
11
4.
11
5.
11
11
47
11
11
5.
11
6.
11
11
33
11
1»
6.
11
7.
11
11
20
11
11
7.
11
8.
11
11
27
11
11
8.
11
9.
11
11
15
11
11
9.
11
10.
11
11
12
11
11
10.
11
12.
11
11
20
11
11
12.
11
15.
1*
11
7
11
11
15.
1»
20.
11
11
8
11
11
20.
11
30.
1»
11
1
M
mit 41
Jahren;
Tuberkulose.
497
bei 112 Fällen fehlt die Altersangabe. Es bleiben also für die Alters-
bestimmung 387 Fälle:
in 51 Proz. brach die Krankheit vor dem 5. Jahre aus,
in 36 Proz. zwischen 5. und 10.
Von den 499 hatten nur 3 Proz. Erkrankung noch anderer Ge-
lenke. Von 300 hatten 140 (46 Proz.) Abscesse; 160 keine, 40 sind
gestorben, und zwar an Meningitis (6), Abzehrung (14), Phthisis (3),
Dysenterie (2), amyloider Degeneration (2), 12 an interkurrenten
Krankheiten, 1 an Shok nach der Excision. Es starben also 22
direkt an der Krankheit, d. h. 7 */3 Proz.
Die Behandlung teilt er in eine 1) rein ab warten de
(expectant); 2) die Behandlung mit Fixation, d. h. fortgesetzten Ge-
brauch elastischer oder stählerner Apparate, und 3) „protective
treatment“, worunter er Immobilisation des Geleuks bis zum Ver-
schwinden aller akuten Symptome versteht. Auch Korrektion
wird bei dieser Behandlung ausgeübt. Von den angeführten Fällen
wurden 71 Fälle mit 3 Todesfällen nach der „expectant“ Methode
behandelt; 5 kamen danach zur Excision, 3 zur Amputation und 60
hatten gute Resultate (wovon 38 Proz. Abscesse hatten).
190 Fälle wurden mit Fixation behandelt; 35 starben, 9 wurden
excidiert, 1 amputiert, 145 gaben gute Resultate (wovon 43 Proz.
mit Abscessen). Unter 39 Fällen, nach der „protective“ Me-
thode behandelt, waren 2 Todesfälle, sonst gute Resultate (50 Proz.
mit Abscessen).
Was die Beweglichkeit anbetrifft, so bekamen von 60 nach
der I. Methode behandelte und zwar
von 23 eiternden Fällen — 14 Beweglichkeit, 9 Ankylose;
„ 37 nichteiternden „ — 30 „ 7 „
Von 145 mit Fixation behandelten Fällen
von 63 eiternden Fällen — 43 Beweglichkeit, 20 Ankylose,
„ 87 nichteiternden „ — 70 „ 12 „
Von 37 nach der III. Methode behandelten
von 19 eiternden Fällen — 16 Beweglichkeit, 3 Ankylose,
„ 18 nichteiternden „ — 18 „ 0 „
Kurt Müller (Halle).
Ducamp, Les tuberculoses atypiques. (La Semaine m6di-
cale. 71.)
Verf. referiert ausführlich alle bisher bekannten Veröffentlichungen
über pathologische Veränderungen und klinisch beobachtete Krank-
heitsprozesse, welche der Tuberkulose mehr oder weniger ähnlich
oder gleich sind, ohne ihre Entstehung dem Koch’ sehen Bacillus
zu verdanken. Er unterscheidet unter diesen „Tuberkulosen“ 1) die
durch unbelebte Stoffe erzeugten Pseudotuberkulosen, die durch
tierische Parasiten hervorgerufene Strongylose, die durch pflanzliche
Parasiten hervorgerufene Aspergillose; 2) die gewöhnliche Koch 'sehe
Tuberkulose; 3) die atypischen Tuberkulosen. Zu letzteren rechnet
er die Kokkentuberkulose von Toussaint (1880), die Zooglöa-
tuberkulose von Malassez und Vigna 1 (auch von Eberth,
Nocard, Chan temesse, Pfeiffer u. A. beobachtet und be-
498
Tuberkulose.
schrieben), die Bacillentuberkulose von C har rin und Roger, die
Streptobacilleutuberkulose von Dor, die Bacillentuberkulose von Du
Cazal und Vaillard, Hayem und Lesage, Legrain, die
Bacillentuberkulose von Cour m out, die Bacillentuberkulose vou
Preiß und Guinard und die verschiedenen von Cornil und
Toupet, von Lagari, von Parietti, vonMdgnin und Mosny
beschriebenen Bacillentuberkulosen, endlich die von Cour mo nt be-
schriebene Form einer menschlichen, auf Kaninchen und Meer-
schweinchen übertragbaren Tuberkulose, deren Ursache bisher unbe-
kannt ist. K übler (Berlin).
Kotlar, Ueber Herzthrombentuberkulose. (Prager med.
Wochenschrift. 1894. No. 7 u. 8.)
Der Verf. berichtet über zwei sehr interessante Fälle von all-
gemeiner Tuberkulose, welche im pathologischen Institute zu Prag
zur Sektion gelangten. In beiden ergab die Autopsie des Herzens
im rechten Herzrohre einen organisierten Thrombus, der gleichzeitig
Sitz von Tuberkulose war. In einem Falle hatte der tuberkulöse Prozeß auf
die Muskulatur der Auricula übergegriffen, während in dem andern ein
solches Eindringen nicht zu konstatieren war. In seiner Erklärnng
der Genese des tuberkulösen Herzthrombus bezw. der Art des Zu-
sammenhanges zwischen Tuberkulose und Thrombose spricht sich Verf.
für die Annahme aus, daß zuerst die Thrombose vorhanden war und
erst in dem in Organisation begriffenen Thrombus die Tuberkulose
entstand. Dabei stützt er sich auf die Lage der älteren Tuberkulose-
herde im Thrombus, die central war, während in der Nähe der Herz-
waud sich nur jüngere Knötchen fanden. Die Bildung von marantischen
Thromben im Herzen ist bei chronischer Tuberkulose nichts Seltenes ;
häufig kommt es zur Organisation dieser Thromben und gelangen iu
einem solchen Falle Tuberkelbacilleu in das Blut, so dringen diese
an der freien Oberfläche des Thrombus in denselben ein und rufen
innerhalb des Bindegewebes in ihm eine tuberkulöse Entzündung her-
vor. Eine Vorbedingung zur Entwickelung von Tuberkulose in einem
Thrombus ist, daß derselbe bereits in Organisation begriffen ist, da
ohne dieselbe die etwa in den Thrombus gelangten Tuberkelbacilleu
keine tuberkulöse Gewebsbilduug erzeugen können.
Die beiden vom Verf. mitgeteilten Fälle fordern dazu auf, die
in den Leichen tuberkulöser Individuen gefundenen Herzthromben stets
genau zu untersuchen und legen den Gedanken nahe, daß vielleicht
manche Fälle von Herzwandtuberkulose nichts anderes sind, als der
Effekt des Uebergreifens der Tuberkulose von einem Herzthrombus
auf die Herz wand. Maaß (Freiburg i. B.).
Bärlund, A., 2 fall afmedfödd tuberkulös. [Zwei Fälle
von angeborener Tuberkulose.] (Finsk Veterinär Tidskrift.
Bd. I. No. 5. p. 77.)
B. hat 2 Fälle von angeborener Tuberkulose bei Kälbern an-
getroffen. Die Kälber wurden, ca. 1 Woche alt, getötet und zeigten
verkalkte sowie auch frische Tuberkel iu den Lungen und in den
Lymphdrüsen der Brusthöhle. C. 0. Jenseu (Kopenhagen).
Tuberkulose
499
Leloir, Lupus et anthrax. Revue des cours et des clini-
ques. (Journal des maladies cutanöes et syphilitique. X. 1893.)
Gelegentlich einer Krankenvorstellung — es handelt sich um
einen lupösen Pat., bei welchem sich unter einer Lupusefflorescenz
ein großer Karbunkel ausgebildet hatte — erwähnt Le loi r, daß der
Lupus, wenn es sich nicht um eine weitgehende Zerstörung der
Hautdecke handelt, doch meist kleine Exkoriationen schafft, welche
für die uns überall umgebenden Eitererreger eine bequeme Eingangs-
pforte bilden. Nach ihm ist auch das häufig beobachtete Oedem und
die sehr starke Lymphdrüsenschwellung, wie sie besonders bei Lupus
des Gesichtes Vorkommen, zum Teil als eine Folge eingedrungener
Eitererreger aufzufassen, weshalb man noch vor Beginn der eigent-
lichen Lupusbehandlung nach Applikation infizierender Umschläge
oft sehr schnell Oedem und Lymphdrüsenschwellung zurückgehen
sieht.
Ein ferneres Beispiel für die Neigung der eitererregenden Mi-
kroben, in den menschlichen Organismus einzudringen, sieht Leloir
in dem häufigen Auftreten von Ulcerationen im Anschlüsse an die
durch das Einstecken der Ohrringe verursachte Verletzung.
Das letzte Kapitel dieser Betrachtungen widmet der Verf. den
furunkel- und karbunkelähnlichen Erkrankungen, die dadurch hervor-
gerufen werden, daß pyogene Bakterien durch die Vermittelung von
Insekten in die Haut eindringen. Es ist ihm wiederholt gelungen,
in derartigen, durch den Stich von Insekten entstandenen, schnell
zur Eiterung führenden Verletzungen mittelst des Kulturverfahrens
Staphylokokken und Streptokokken nachzu weisen. In einem Falle
erhielt er auch aus dem Insekte, dessen Stich zu einem großen
Furunkel mit Lymphangitis geführt hatte, eine reichliche Kultur von
Staphylococcus pyogenes aureus. Lasch (Breslau).
Bollinger, 0., Ueber die Infektiosität des Blutes tuber-
kulöser Rinder. (Münchener med. Wochenschr. 1893. No. 50.)
Behufs Feststellung der Virulenz des Blutes perlsüchtiger Rinder
wurde dasselbe unter den erforderlichen Kautelen bei der Schlachtung
entnommen und möglichst frisch zu Impfungen auf Meerschweinchen
verwendet. Von 10 Meerschweinchen, welche auf diese Weise im
pathologischen Institute zu München von Dr. Hagem an n geimpft
wurden, blieben 9 gesund, während ein Versuchstier 7 Wochen nach
der Impfung sich als stark tuberkulös (Tuberkulose der Milz, der
Leber, der abdominalen und intrathoracischen Lymphdrüsen) erwies.
Es ergiebt sich daraus, daß das Blut perlsüchtiger Rinder in einzelnen
Fällen infektiöse Eigenschaften besitzt. Das zu der erfolgreichen
Impfung verwendete Blut stammte von einer hochgradig perlsüchtigen
Kuh von mittlerem Ernährungszustände, deren Fleisch zum mensch-
lichen Genüsse noch zugelassen und auf die Freibank verwiesen
worden war. Wenn nun auch das Blut der Rinder als solches kaum
als menschliches Nahrungsmittel Verwendung findet, so giebt Verf.
doch zu bedenken, daß es kein absolut blutfreies Fleisch giebt, da
bei den gebräuchlichen Schlachtmethoden etwa l/3 des Gesamtblutes
im Tierkörper zurückbleibt. Dieudonn6 (Berlin).
500
Tuberkulose,
Bolliüger, 0., Ueber die Identität der Perlsucht der
Rinder mit der menschlichen Tuberkulose. (Münch,
med. Wochenschrift. 1894. No. 5.)
Baumgarten äußert sich in dem „Jahresberichte über die Fort-
schritte in der Lehre von den pathogenen Mikroorganismen“ (7. Jahr-
gang. 1891), es sei ein noch nicht sicher erfülltes Desiderat, durch
menschliche Tuberkelbacillen beim Rinde Perlknoten zu erzeugen.
Verf. bemerkt hierzu, daß er dieses Desiderat schon im Jahre 1879
erfüllt habe, indem er folgenden Versuch anstellte:
Ein 3 Monate altes, gesundes, kräftiges Kalb wurde mit tuber-
kulöser Flüssigkeit aus einer menschlichen Lunge intraperitoneal ge-
impft. Bei der Tötung des Tieres, welche 7 Monate nach der
Impfung erfolgte, fand sich eine charakteristische Perlsucht des
Bauchfells, gestielte erbsen- bis welschuußgroße Knoten auf dem Me-
senterium und namentlich in sehr charakteristischer Form und Aus-
bildung auf der Milzkapsel. Mikroskopisch zeigten diese Knoten
vollständige Uebereinstimmung mit den Neubildungen der spontanen
Perlsucht der Rinder. Außerdem waren die retroperitonealen und
mesenterialen Lymphdrüsen tuberkulös erkrankt, die übrigen Körper-
organe, namentlich der Brusthöhle, normal, so daß die Entwickelung
der Perlknoten des Bauchfelles zweifellos auf die peritoneale Impfung
zurückzuführen war. Verf. hatte geglaubt, diesen Versuch bereits
veröffentlicht zu haben, thatsächlich jedoch war die Publikation unter-
blieben. Dieudon ne (Berlin).
ttockel, Mathieu, Zur Aetiologie des Leichentuberkels.
[Inaug.-Diss.] 8°. 23 p. Wüfzburg. 1893.
Die Aetiologie ist infolge ausführlicher Erörterungen dahin zu
deuten, daß der Leichentuberkel sein eigentliches Dasein entzündungs-
erregenden Mikroorganismen oder irgend einem Ptomain verdankt.
Seine tnberkulöse Natur, wenn dieselbe vorhanden ist, kommt aber
erst in zweiter Linie durch sekundäre Einwirkung des Tuberkel-
bacillus zustande, welchem einerseits erst durch die übrigen Mikro-
organismen oder durch das fragliche Ptomain ein günstiger Nähr-
boden geschaffen werden muß, andererseits aber zu einer allzu
üppigen Wucherung durch die seitens der Mikroorganismen und die
Ptomaine im Körper sich vollziehende Thätigkeit der Boden streitig
gemacht wird, wodurch sich, im Verein mit den erwähnten ungün-
stigen Nährbedingungen, welche die Haut der Hände dem Tuberkel-
bacillus bietet, sowie der durch das Alter verminderten Dispo-
sition zur Tuberkulose der gutartige Verlauf des tuberkulösen Leichen-
tuberkels leicht erklärt.
Bekanntlich ist der Raum zwischen den Fingerspitzen und den
Fingernägeln ein äußerst günstiges Reservoir für Mikroorganismen
aller Art, namentlich ist der Tuberkelbacillus fast stets unter
den Fingernägeln der Phthisiker nachweisbar und findet von da seine
Verbreitung. Freilich müssen erst Käulnisbakterien in dem resisten-
ten Hautgewebe einen entzündlichen Prozeß hervorrufen, hierdurch
die Widerstandskraft desselben vermindern und erst dann vermag
der Tuberkelbacillus seiue Funktionen auszuüben.
E. Roth (Halle a. S.).
Tuberkulose.
501
Kruse, Ueber das Vorkommen der sog. Hü liner tub erku -
lose beim Menschen und bei Säugetieren. [Aus dem
bakteriol. Laboratorium der zoologischen Station in Neapel.]
(Ziegler ’s Beitr. zur pathol. Anat. u. zur allg. Pathol. Bd. XII.
Heft 3. p. 544.)
Kr. machte bei genauer Untersuchung von 4 Kulturen, welche
er längere Zeit für menschliche Tuberkulose gehalten hatte, die
überraschende Beobachtung, daß es sich um Hühnertuberkulose
handelte. 2 Kulturen stammten von Meerschweinchen, welche mit
Sputum von Phthisikern infiziert waren, die dritte aus den Lungen-
tuberkeln eines Rindes; der Ursprung der vierten Kultur ließ sich
nicht mehr völlig genau feststellen, doch stammte sie jedenfalls vom
Menschen. Diese 4 Kulturen verhielten sich Versuchstieren gegen-
über völlig wie Hühnertuberkulose. Zur Differentialdiagnose erwiesen
sich am geeignetsten Hühner; bei der intraperitonealen Infektion mit
Säugetiertuberkulose zeigen diese entweder überhaupt keine Störung
oder sie gehen unter starker Abmagerung, jedoch ohne jede Tuberkel-
bildung zu Grunde; bei der intraperitonealen Einverleibung einer
größeren Bacillenmenge aus obigen Kulturen starben sämtliche in-
fizierten Hühner unter starker Abmageruug und zeigten bei der
Sektion ausgedehnte Bildung miliarer Tuberkel, besonders in der
Leber. Die Kulturen zeigten bei genauer Untersuchung noch einige
bemerkenswerte Eigentümlichkeiten. Besonders auffallend war die
starke Pigmentbildung, welche die Bacillen auf verschiedenen Agar-
sorten zeigten ; die für gewöhnlich weißen Kulturen nahmen ein
rötliches oder schwärzlich- violettes Aussehen an; bei der Weiter-
züchtung auf Nähragar anderen Ursprungs (jedoch stets aus Rind-
fleisch hergestellt und von völlig gleicher Zusammensetzung) konnte
die Pigmentierung wieder verschwinden. — Ferner fiel es auf, daß
bei einer unzweifelhaften Hühnertuberkulosekultur der feuchte
Glanz, die Weichheit und Zerreiblichkeit fehlte und sich statt deren
völlig der trockene, rissige, festhaftende Charakter der Säugetier-
tuberkulose zeigte. Kruse erinnert daran, daß Kitasato einen
Fall beschrieben hat, wo umgekehrt die menschliche Tuberkulose
feuchte, glänzende Kulturen lieferte. — Die klinische Form der Er-
krankung, welche die Hühnertuberkulose beim Menschen erzeugt, ist
noch unbekannt, ebenso wie ihre relative Häufigkeit gegenüber der
gewöhnlichen Tuberkulose. Es gelang Kr. ebensowenig, wie früher
Pansini, durch tuberkulöses Sputum bei Hühnern eine Allgemein-
infektion zu erzeugen; dagegen glückte es auch ihm, durch kutane
Verimpfung eine lokale Tuberkulose des Kammes hervorzurufen. —
Die nahe Verwandtschaft der beiden Bacillenarten wird jedenfalls
durch diese Beobachtungen bezeugt. W. Petersen (Zürich).
Plancard, Antonin, Despseudotuberculosesmicrobiennes.
[These.] 4°. 101 p. Montpellier 1893.
Die Pseudotuberkulosen zerfallen nach Roger in solche, her-
vorgerufen
1) durch leblose Substanzen, wie Quecksilber, Staub, Kanthariden,
Lycopodium, Cayennepfeffer u. s. w. ;
XV. Bd.
32
502
Tuberkulose. — Pleuritis.
2) durch höhere Parasiten, wie Distom um und andere Würmer;
3) Schimmelpseudotuberkulosen, erzeugt z. B. durch Cladothrix,
Asp ergillus ;
4) solche, bewirkt durch Bacillen, Mikrokokken u. s. w.
Verf. will die Bezeichnung Pseudotuber kulose auf die vierte Ab-
teilung beschränkt wissen und schlägt vor, den anderen Benennungen
anderer Art zu geben.
Plancard weist dann nach, daß der Tuberkel, nachdem er
seine spezifische Eigenschaft verloren hat, als das Reaktionsprodukt
innerer Zellen betrachtet werden muß, welche im Kampfe mit irgend
einem Agens liegen; die Koch’sche Tuberkulose ist nicht die
einzig existierende, sondern daneben sind andere mikrobische Tuber-
kulosen anzunehmen. Der heutigen Einteilung der Pseudotuberkulosen
ist nur eine provisorische Geltung zuzuschreiben.
Die Koch’sche Entdeckung schien die ganze Sachlage zu ver-
einfachen, doch wurde sie durch das allmähliche Auffinden der
anderen mikrobischen Pseudotuberkulosen aber kompliziert, so daß
die Bakteriologie auf der einen Seite einzureißen genötigt ist, was
sie auf der anderen gebaut und aufgeführt hat.
Verf. will in allen Tuberkulosefällen und namentlich in solchen,
welche irgendwelche Anomalie aufweisen, genaue Untersuchungen an-
gestellt wissen, welche sich nicht nur auf die Färbung, sondern auch
auf Kulturen und Impfversuche bei Tieren zu erstrecken hätten.
Jetzt herrscht eine heillose Verwirrung in den Einteilungen und
durch die von Plan ca rd vorgeschlagene dürfte es nicht besser
werden.
Coccicienne de Toussaint.
Zoog!6ique de Malassez et Vignal, Castro — Soffia,
Eberth, Nocard et Masselin, Chantemesse, Grancher
etLedoux — Lebard, Leroy, Amrusch, Pfeiffer, Man-
fred i.
Bacillaire de Charrin et Roger.
Strepto-bacillaire de Dor.
Bacillaire de Ducazel etVaillard, Hayem et Lesage,
Legrain.
Bacillaire de Preiz et Guinard. E. Roth (Halle a. S.).
Pruddeu, Mitchell, A study on the aetiology of exsuda-
tive Pleuritis. (New York Medical Journal. 1893. June 24.)
Prudden untersuchte das Exsudat in 45 Fällen von Pleuritis.
Unter 21 Fällen von sero-fibrinöser Pleuritis fanden sich nur zwei-
mal Bakterien; beide Fälle gingen mit akuter lobärer Pneumonie ein-
her, der Pneumococcus wurde bei ihnen allein gewonnen. Unter
den negativen waren vier mit frischer Pneumonie verbundene Fälle,
drei mit tuberkulösen Lungenherden. 24 Fälle von Empyem ent-
hielten sämtlich Mikroorganismen im Exsudate. Bei einfachem Em-
pyem fand sich meist (siebenmal unter acht) der Streptococcus
pyogenes, bei metapneumonischem Empyem gewöhnlich (neunmal
unter elf) der Pn eu m o co ccu s. In vier fötiden Empyemen waren
verschiedene Bakterienarten vorhanden, meist Bacillen, einmal der
Hühnercholera. — Exoasceen.
503
Staphylococcus aureus. Ein tuberkulöses Empyem enthielt
den Tuberkel bacillus allein. Die Sterblichkeit der Empyem-
kranken war größer bei Streptokokkeninfektion (5 : 8), als bei Pneumo-
kokkeninfektion (2 : 8, beide tödlich verlaufenden Fälle hatten gleich-
zeitig akute Entzündungen am und im Herzen). Die Kenntnis der
Art der vorhandenen Organismen gewährt also eine gewisse Grund-
lage für die Prognose. Prudden hält darum mindestens eine
mikroskopische, wenn nicht eine kulturelle Untersuchung des Exsu-
dates für wünschenswert, für dieselbe genügen wenige ccm desselben,
wie denn auch er bei seinen Untersuchungen nur die kleinen, bei der
Probepunktion erhaltenen Mengen verarbeitet hat.
Abel (Greifswald).
Schömverth, Abhängigkeit der erfolgreichen Infektion
mit H üb n er cholera von der Anzahl der dem Tiere
einverleibten Bacillen, sowohl bei intramuskulärer
Injektion, als bei Fütterung. (Archiv für Hygiene.
Bd. XVII.)
Verf. hat früher gezeigt, daß ein mit den Erregern der Hühner-
cholera infizierter Brunnen sich nach 2 — 3 Wochen soweit von den
infektiösen Elementen befreit, daß mit dem Wasser desselben keine
positiven Tierversuche mehr gelingen. Diese Thatsache berechtigt
nicht zu der Annahme, daß keine Hühnercholerabacillen mehr vor-
handen sind, sondern läßt nur schließen, daß in den zur Injektion
verwendeten Wassermengen nicht mehr die „nötige“ Anzahl von
Bacillen vorhanden ist. Diese „nötige“ Anzahl zu bestimmen, macht
Verf. sich zur Aufgabe, indem er sich zunächst eine Methode zum
Zählen der Bakterien sucht, bezüglich welcher wir auf die Original-
abhandlung verweisen müssen. Aus mehreren Tabellen über In-
jektionsversuche an Tauben geht hervor, daß in der großen Mehrzahl
der Fälle (wenn man absieht von einem Versuche, bei welchem die
Taube eine Injektion von circa 100 Bacillen gut überstand) 1 bis
2 Bacillen der Hühner cholera genügen, um den Tod des Tieres herbei-
zuführen.
Schönwerth hat ferner festgestellt, daß die Virulenz der
Hühnercholerabacillen sehr erheblich gesteigert werden kann, wenn
man dieselben mehrmals den Taubenkörper passieren läßt, während
die Passage durch den Kaninchenkörper oder durch Bouillon die
Virulenz sehr bedeutend herabsetzt. Von sehr virulenten Kulturen,
die 25 mal durch den Taubenkörper geführt worden waren, müssen
aber doch etwa 168 Mill. Bacillen verfüttert werden, um den Tod
des Tieres zu bewirken. Ger lach (Wiesbaden).
Sadebeck, R., Die parasitischen Exoasceen. Eine Mono-
graphie. (Jahrbuch der Hamburgischen Wissenschaftlichen An-
stalten. X. 2.) [Arbeiten des botanischen Museums.] 110 p. und
3 Doppeltafeln. Hamburg 1893.
Zu den Exoasceen werden alle diejenigen Ascomyceten ge-
stellt, deren Asken zu einem Fruchtkörper nicht vereinigt sind. Es
32*
504
Exoasceen.
gehören hierher zunächst diejenigen parasitisch lebenden Arten, welche
früher unter Ex oascus oderTapbrina in eine Gattung zusammen -
gefaßt wurden, die aber jetzt vom Verf. auf Grund eines eingehenden
Studiums ihrer Entwickelungsgeschichte in die 3 Gattungen Exo-
ascus Fckl., Taphrina Fr. und Magnusiella nov. gen. unter -
gebracht werden und sodann, saprophytisch lebend, die Gattungen
Endomyces Tul. und Ascocorticium Bref., ferner ev. die noch
kontroversen Saccharomyceten und die Gattungen Eremascus
Eidam, Ascodermis v. Tiegh., Podocapsa v. Tiegh., 01 ei na
v. Tiegh., Eremothecium Borzi und Bargellinia Borzi, über
deren systematische Stellung Verf. sich noch kein genügendes Urteil
hat bilden können.
Die drei obengenannten parasitischen Gattungen, die in der vor-
liegenden Abhandlung eine ausführliche Bearbeitung finden, unter-
scheiden sich nun nicht nur morphologisch und entwickelungs-
geschichtlich, sondern auch biologisch. Während bei Magnusiella
die Asken, ähnlich wie bei En do m y c es, als Anschwellungen an den
Enden der Mycelfäden, resp. deren Verzweigungen entstehen, nehmen
dieselben bei Taphrina und Exoascus, ähnlich wie bei Asco-
corticium, von einem mehr oder weniger losen Fruchtlager ihren
Ursprung.
Bei Exoascus ist die Erhaltung der Art außer durch die
Infektion vermittelst der Sporen durch ein in der Wirtspflanze
(im inneren Gewebe der Achsenorgane, in den Knospen oder in
den Auswüchsen des Blattes) perennierendes Mycel gesichert. Aus
demselben entwickelt sich zur Zeit der neuen Vegetationsperiode in
den Blättern (Frucht- oder Laubblättern) des befallenen Pflanzenteiles
ein fadenförmiges Mycel, welches sich zwischen der Cuticula und den
Epidermiszellen in vielfachen Verzweigungen ausbreitet, darauf jedoch
ganz direkt — d. h. ohne irgend welche vorhergegangene Differen-
zierungen — in einzelne Stücke zerfällt, indem sich einzelne Zellen
desselben oder wenigzeilige Zellkomplexe aus dem Zusammenhänge
loslösen. Alle diese Zellen schwellen dann im Verlaufe der weiteren
Entwickelung gleichmäßig an und werden entweder ganz unmittelbar
oder nach weiteren Teilungen und Individualisierungen zu ascogenen
Zellen, welche meist dicht an einander gedrängt stehen und ein sub-
cuticulares Fruchtlager (Hymenium) darstellen. Das subcuticulare Mycel
geht also vollständig in der Bildung der Asken auf. Die Asken sind
mit oder ohne Stielzelle. Die Erkrankung ergreift ganze Sprosse oder
Sproßsysteme der Wirtspflanze, und es werden daher durch den Reiz,
den der Parasit ausübt, an den Blättern und zum Teil auch an den
Achsenorganen mehr oder weniger bedeutende hypertrophische De-
formationen hervorgebracht. Taschenbildungen an den Fruchtblättern,
Zweigdeformationen und Hexenbesenbildungen (im weitesten Sinne
des Wortes, d. h. alle Deformationen ganzer Sprosse und Sproß-
systeme, auch wenn durch die Infektion keine deutlich nachweisbaren
Verkürzungen, Krümmungen u. s. w. der einzelnen Zweige entstehen)
an Laubsprossen sind daher die äußeren Krankheitserscheinungen,
durch welche diese Gattung charakterisiert wird. Bis jetzt bekannt
Exoasceen.
505
sind 21 Species in dieser Gattung, wovon neu1) sind: E. Rostru-
pianus Sadeb. auf Prunus spinosa L. Taschen bildend; E.
communis Sadeb. auf Pr. americana Marsh., Pr. pumila L.
und Pr. maritima Wang. Taschen bildend; E. Kruchii Vuillem.
Hexenbesen auf Quercus Ilex L. erzeugend; E. Cornu Cervi
(Giesen hgn.) Sadeb. Stift- oder geweihartige Auswüchse auf den
Blättern von Aspidium aristatum Sw. hervorrufend.
Bei Taphrina ist ein in der Nährpflanze perennierendes Mycel
nicht vorhanden. Die Erhaltung der Art ist nur durch die Infektion
vermittelst der Sporen gesichert. Nach der Keimung derselben ent-
wickelt sich ein subcuticulares (nur bei der Untergattung Taphri-
nopsis innerhalb der Epidermiszellen befindliches) Mycel, welches
sich über einen mehr oder weniger großen Teil des Blattes (Laub-
oder Fruchtblattes) ausbreitet und sehr bald infolge reichlicher, teils
apikaler, teils lateraler Anschwellungen und Emergenzen sich in einen
sterilen und fertilen Teil, die fertile Hyphe, differenziert. Die letztere
entwickelt sich nun unter reichlicher Nahrungsaufnahme aus der
Wirtspflanze zum Fruchtlager, während der steril gebliebene Teil
allmählich seiner Inhaltsstoffe verlustig geht und verschleimt, also
schließlich völlig verschwindet. Das gesamte ursprüngliche, subcu-
ticulare Mycel wird also nicht für die Bildung der Asken verbraucht.
Die fertile Hyphe geht entweder vollständig in der Bildung der
Asken auf oder wird bei der Bildung der Asken nicht vollständig
verbraucht. Die Asken sind mit oder ohne Stielzelle. Die äußerlich
sichtbare Krankheitserscheinung beschränkt sich stets nur auf mehr
oder weniger große Flecken auf den Blättern (nur Taphrinopsis
erzeugt größere Deformationen). Bis jetzt bekannt sind 15 Arten; da-
von sind neu: T. extensa (Peck) Sacc. auf Quercus macro-
carpaMx.; T. (Taphrinopsis) Laurencia Giesnhgn., büschel-
artige Auswüchse auf den Wedeln von Pteris quadriaurita
Retz, erzeugend.
Bei Magnusiella verbreitet sich das vegetative Mycel nament-
lich in den inneren Geweben der befallenen Pflanzenteile und ent-
sendet von da aus erst Verzweigungen zur Oberfläche der Wirtspflanze.
Die Enden dieser Verzweigungen schwellen meist sehr bedeutend an
und entwickeln sich zu je einem Ascus. Die Anlage der Asken er-
folgt schon zwischen den Epidermiszellen oder intercellular noch
tiefer im Innern der Gewebe der Nährpflanze. Die Differenzierung
einer Stielzelle ist an diesen Asken noch nicht beobachtet worden.
Die Asken nehmen also von keinem gemeinsamen Hymenium ihren
Ursprung, sondern entstehen einzeln; sie haben mehr als 4 Sporen
und entwickeln meist in ihrem Innern bereits Conidien, während der
Ascus noch geschlossen ist; die Conidien der meisten Arten sind sehr
klein. Die Infektion beschränkt sich stets nur auf mehr oder weniger
große Flecken auf den Blättern und findet sich nur seltener auch
auf den Stengelteilen. Hierher gehören folgende 5 bisher zur Gattung
l) Bezüglich der bis 1890 bekannten Arten der parasitischen Exoasceen wolle man
das Referat Bd. IX. 1891. No. 17. p. 576 — 578 vergleichen.
506
Epheukrebs.
Taphrina gerechnete Arten: M. Potentillae (Farlow) Sadeb.,
M. lutescens (Rostrup) Sadeb. auf Polystichum Thelypte-
ris Rth., M. flava (Farlow) Sadeb., M. Githaginis (Rostrup)
Sadeb. auf Agrostemma Githago L. und M. Umbellifera-
rum (Rostrup) Sadeb.
Außer der Beschreibung jeder Species wird von einer Reihe von
Arten die Entwickelungsgeschichte und Biologie eingehender be-
sprochen. Besondere Kapitel sind ferner gewidmet dem perennieren-
den Mycel der Exoa sc us arten, der Biologie der Asken, der geo-
graphischen Verbreitung der parasitischen Exoasceen, sowie einer
Uebersicht der durch dieselben hervorgebrachten Pflanzenkrankheiten.
Br ick (Hamburg).
Lindau, G., Der Epheukrebs. (Zeitschrift für Pflanzenkrank-
heiten. 1894. Heft 1. p. 1 — 3. Mit 1 Tafel.)
Verf. empfing Epheupflanzen zur näheren Untersuchung, die
äußerlich ähnliche Krankheitserscheinungen darboten, wie sie kürzlich
an Eschen beobachtet wurden. Sowohl Stengel wie Blätter waren
von ihnen befallen und starben unter Zerfall des Gewebes schließ-
lich ab.
In ihrem ersten Stadium stellte sich die Erkrankung als kleine,
dunkler gefärbte und scharf von der grünen Epidermis sich abhebende
Beule dar, welche sich allmählich vergrößerte, durch Absterben der
Epidermis braun wurde und schließlich durch einen Längsriß auf-
klaffte. In diesem letzten Stadium war auch gewöhnlich das Holz
freigelegt und ebenfalls gesprungen. Durch periphere Ausbreitung
wurde die Rinde rund um den Zweig herum zum Absterben gebracht,
infolge dessen dann der gesamte oberhalb gelegene Teil des Sprosses
vertrocknete. Auch die Flecke auf den Blättern vergrößerten sich
rasch und brachen nach Zerstörung des Gewebes aus.
Die zerfallenden und teilweise verschleimenden Gewebspartieen,
welche zunächst durch ein mehrschichtiges Periderm abgeschlossen
wurden, enthielten stäbchenförmige (2^0,7 /. i ) Bakterien, die
nach Verf. als Ursache jenes Zerfalls anzusehen sind. Fraglich bleibt
allerdings, ob sie Primärursache der Erkrankung siud oder erst
einwandern, nachdem bereits Verletzungen etc. vorhanden; dieser
Entscheid kann nur durch Impfversuche geführt werden. Durch die
Spaltöffnungen scheint die Infektion nicht zu erfolgen. Sekundär
traten auf einigen Krebswunden Pykniden und Hyphen eines unbe-
stimmbaren Pilzes auf. Wehm er (Hannover).
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
507
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Sclavo, Deila conservazione dei virus in glicerina.
(Ministero dell’ Interno. Laboratori scientifici della direzione di
Sanitä Roma. 1892.)
Es ist bekannt, daß sich Pockenlymphe und Rabiesmedullen
lange Zeit in voller Virulenz in Glycerin erhalten können. Sclavo
brachte Milzen von Tieren, welche an Pneumokokken-, Hühnercholera-
uud Milzbrandinfektion eingegangen waren, in Glycerin und verimpfte
von Zeit zu Zeit Stückchen der Milzen, in sterilem Wasser ausge-
waschen, auf Versuchstiere. Die Pneumokokken waren in der höchsten,
ausprobierten Zeit, nach 67 Tagen, noch für Kaninchen virulent, die
Hühnercholerabacillen noch nach 74 Tagen, nach 4 Monaten aber
nicht mehr. Die Milzbrandbacillen verloren ihre Virulenz nach 7 bis
10 Tagen und zeigten schon vorher Erscheinungen von Abschwächung.
[Wie lange die Lebensfähigkeit der Organismen im Glycerin, abge-
sehen von der Infektionstüchtigkeit, sich erhält, scheint Sclavo
nicht untersucht zu haben. Ref.] Abel (Greifswald).
Sclavo, Di un nuovo apparecchio per la presa dell’
acqua a profonditä. (Ministero dell’ Inter no. Laboratori
scientifici della direzione di Sanitä. Roma 1892.)
Um Wasserproben aus beliebigen Tiefen zu entnehmen , be-
dient sich Sclavo des folgenden Apparates: Ein Reagenzglas wird
an der Grenze des unteren Viertels etwas ausgezogen und um das-
selbe an dieser Stelle ein Drahtring gelegt, welcher an einer Seite
ein Metallgewicht trägt, an der anderen an einem Faden befestigt ist,
den der Untersucher in der Hand hält. Der obere Teil des Glases
ist in ein Röhrchen ausgezogen, das rechtwinklig umgebogen ist und
mit der zugeschmolzenen Spitze den Faden umfaßt. Wird der leicht
zu sterilisierende Apparat ins Wasser gebracht, so zieht ihn das Be-
lastungsgewicht nieder. Sobald die gewünschte Tiefe erreicht ist, läßt der
Experimentator ein Bleigewicht auf der Schnur herabrollen, welches die
zugeschmolzene Spitze des Röhrchens bis zu einem Feilstriche dicht am
Anfänge des ausgezogenen Teiles abbricht und dann durch einen
Knoten im Faden am weiteren Herabrutschen verhindert wird. Da-
durch, daß der Aufhängepunkt des Röhrchens in der Nähe der Kuppe
liegt, kippt die Eprouvette um und füllt sich mit nach unten hängen-
der Mündung zum Teil voll Wasser. In derselben Lage wird sie
nach oben gezogen. Beim Emporheben des Röhrchens dehnt sich die
in demselben noch enthaltene Luft aus und drängt Wasser aus der
Mündung heraus, so daß also nicht zu befürchten ist, daß Wasser
der obereu Schichten dem zu untersuchenden beigemengt wird.
Abel (Greifswald).
Sclavo, Di un rapido processo per le colorazione della
ciglia di alcuni Microorganismi. (Ministero dell’ interno.
Laboratori scientifici della direzione di Sanitä. Roma 1893.)
508
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Die Deckgläser werden sorgfältigst gereinigt, um Präparate ohne
Niederschläge zu erhalten (konzentrierte Mineralsäure, gewöhnliches,
destilliertes Wasser nacheinander, Aufbewahren in Alcohol absolutus),
dann mit Material bestrichen und folgendermaßen behandelt:
1) Eine Minute in Tanninlösung gehalten, Tannin 1,0 in 100 ccm
50-proz. Alkohol.
2) In destilliertem Wasser gewaschen.
3) Eine Minute in 50-proz. Pbosphorwolframsäure gebracht.
4) Sorgfältig in destilliertem Wasser ausgewaschen.
5) 3 — 5 Minuten auf die leicht erwärmte Farblösung gebracht
(pulverisiertes Fuchsin in Anilinwasser bis zur Sättigung gelöst
und nach Bedarf filtriert).
6) In destilliertem Wasser abgespült.
7) Zwischen Fließpapier getrocknet, mit einem Pinselchen abgestäubt
und in Kanadabalsam gebracht.
Nach diesem Verfahren färben sich die Geißeln von Bac.
cyanogenus, Proteus vulgaris und mirabilis, Bac. mega-
terium, mesentericus vulgatus. Typhus gab inkonstaute
Resultate, typhusähnliche zeigten teils ihre Geißeln gefärbt, teils nicht.
Die Geißeln des Bact. coli, der Spirillen von Koch, Metschni-
koff, Prior- Finkler, Deneke färbten sich nicht, dagegen
gaben Färbungen von Wasserproben sehr schöne Geißeln der in ihnen
enthaltenen Organismen. Abel (Greifswald).
Dräer, Arthur, Ueber den Wert des Dune ker’ sehen
Dampffeuchtigkeitsmessers. (Hygien. Rundschau. 1894.
No. 5.)
Duncker hat einen Apparat konstruiert, welcher die Fähigkeit
haben soll, den Zeitpunkt genau anzugeben, wann desinfektionskräf-
tiger Dampf in das Innere eines zu desinfizierenden Konvoluts von
Kleidern, Wäsche etc. gedrungen sei. Es soll dann vermöge einer
in dem Instrument angebrachten Darmsaite, welche sich im Wasser-
dampfe zusammenzieht, ein Kontakt entstehen, wodurch ein Strom
einer zwischen diesem Instrument, einer Batterie und einem Läute-
werk bestehenden Leitung geschlossen werde.
Dräer, welcher den Apparat im Königsberger hygienischen
Institute prüfte, führt gleich anfangs aus, daß der Apparat ein vor-
zügliches Kontrollinstrument wäre, wenn die Darmsaiten ein voll-
kommen zuverlässiges und stets gleichmäßiges Material wären; dem
ist aber nicht so; im Gegenteil besteht eine ganz beträchtliche Ver-
schiedenheit der einzelnen Darmsaiten in der Länge und Dicke, so
daß man also schon annehmeu kann, daß die Zusammenziehung der-
selben bis zum Kontakt wohl nicht bei allen in gleicher Zeit vor sich
gehen werde, eine Annahme, die sich bei den Versuchen als richtig
herausstellte.
Bei den ersten Versuchen, die im Koch’schen Dampfcylinder
angestellt wurden, ertönte das Signal zweier Dampffeuchtigkeitsmesser
später, als das eines Kontaktthermometers, und zwar um 30 Sek.,
1 Min. 30 Sek., 2 Min. 30 Sek. und 7 Minuten später. Alsdann
benutzte D. den B uden b er g’schen Desinfektionstopf, da bei diesem
Üntersuchungsmethoden, Instrumente etc.
509
im Gegensatz zum Koch’schen der Dampf von oben eintritt; aber
auch hier trat das Signal des Dampffeuchtigkeitsmessers stets später
ein, als das des Koutaktthermometers. Fraglich ist allerdings, ob
zur Zeit, als das Signal des Thermometers ertönte, auch schon ge-
sättigter Wasserdampf und zwar ohne Luftbeimengung in der Nähe
des Instrumentes war, da nur unter diesen Umständen Duucker
ein genaues Arbeiten seines Instrumentes verspricht. Verkürzen sich
die Darmsaiten bei gesättigtem Wasserdampfe von nicht unter 99 bis
100° C, so müssen sie dies auch bei der Berührung mit siedendem
Wasser thun. Indes war bei 10 hierauf geprüften Darmsaiten die
Verkürzungsdauer eine sehr verschiedene und schwankte zwischen
48 Sek. und 3 Min. 42 Sek.
D. benutzte zu ferneren Versuchen einen Autoklaven, um den
Einwurf zu entkräften, daß die Gegenwart von atmosphärischer Luft
im Dampfraume, die sich mit dem Wasserdampfe vermische, die
Funktion des Dampffeuchtigkeitsmessers nachteilig beeinflusse. Hier
funktionierte der Apparat besser, vielleicht deshalb, weil es sich um
gespannten Dampf handelte.
Bei weiteren 3 Versuchen, die so angeordnet wurden, daß nur
Wasserdampf mit den Darmsaiten des Dampffeuchtigkeitsmessers in
Berührung treten konnte, ertönte das Signal desselben früher, als
ein Thermometer eine Temperatur von 100° anzeigte, nur einmal
gleichzeitig. D. konnte sogar konstatieren, daß die Darmsaiten schon
bei einer niedereren Temperatur als 99 — 100° C sich verkürzen und
in dem Instrumente den Kontakt hervorrufen, wenn z. ß. Wasser-
dampf von höchstens 92° C einige Minuten hindurch auf sie einge-
wirkt hat. Nach diesen und noch anderen Versuchen, die zu be-
schreiben zu weit führen würde, kommt D. zu dem Schlüsse, daß der
D u n c k e r ’sche Dampffeuchtigkeitsmesser in seiner jetzigen Zusammen-
setzung durchaus kein Kontrollinstrument für Desinfektionen ist.
Hugo Laser (Königsberg i. Pr.).
Weigmann, Die Methoden der Milchkonservierung,
speziell das Pasteurisieren und Sterilisieren der
Milch. Bremen (M. Heinsius Nachf.) 1893. 1,50 M.
Eine von bakteriologischer Grundlage ausgehende, allgemein
verständlich und übersichtlich geschriebene Abhandlung über die ver-
schiedenen üblichen Verfahren zur Milchkonservierung.
Abel (Greifswald).
510 Schutzimpfung, kiinstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungsheinmung etc.
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
r. Esmarch, E., Ueber Sonnendesinfektion. (Zeitschr. für
Hyg. u. Iufektionskrankh. ßd. XVI. 1894.)
Um Gegenstände, die inan einer Desinfektion durch Wasserdampf
nicht aussetzen kann, zu sterilisieren, wie z. B. Pelze, Ledersachen,
gepolsterte und fournierte Möbel, fest eingebaute Polstersitze in
Eisenbahnen etc., ist man vorläufig auf gasige, chemisch wirkende
Mittel angewiesen, die sich aber, mit Ausnahme vielleicht des
Formalius, als durchaus nicht immer sicher desinfizierend erwiesen
haben; oder man besprengt die Gegenstände mit flüssigen Des-
inficientien, wie Karbol oder Sublimat, wodurch aber ein Effekt wohl
bei glatter, harter Oberfläche zu erzielen ist, nicht aber bei dicken,
wolligen Stoffen.
Da nun vielfach bewiesen ist, daß wir in der Bestrahlung durch
die Sonne ein recht wirksames Mittel zur Abtötung der Bakterien
haben, unternahm es v. E., festzustellen, ob es gelingen sollte, durch
Einwirkung der Sonnenstrahlen auf und in verschiedenen Stoffen
haftende pathogene Keime zu töten, v. E. benutzte zu seinen Ver-
suchen nur solche Stoffe, die auch in der Praxis häufiger zur Des-
infektion kommen, wie Möbelüberzüge, Bettkissen mit verschiedenem
Inhalte, und vor allem Felle. Es wurden nur pathogene Bakterien
berücksichtigt, die meist in Reinkultur zur Anwendung kamen; mehr-
fach wurde auch mikrokokkenhaltiger Eiter direkt benutzt. Die
betreffenden Stoffe wurden damit imprägniert und kamen entweder
sofort oder nach dem Trocknen in die Sonne.
Schon aus den ersten, sehr sinnreich angeordneten Versuchen
ist deutlich zu ersehen, daß den Sonnenstrahlen eine bedeutende
Wirkung zukommt, soweit sie oberflächliche Schichten treffen,
daß diese Wirkung aber sehr schnell abnimmt, sobald die Bakterien
durch darüber liegende Stofflagen geschützt werden; dunkle Stoffe
schützen viel mehr wie helle; die erwärmende Kraft der Sonne
hat also eine nur untergeordnete Rolle bei der Abtötung der Bakterien.
Nur die Cholerabakterien gehen auch in tieferen Schichten schnell
zu Grunde, die allerdings auch schon durch einfaches Austrocknen
getötet werden. Bei Typhusbacillen macht es anscheinend keinen
Unterschied, ob sie in feuchtem oder trockenem Zustande exponiert
werden. Da bei diesen Versuchen eine 8 — 10-stündige Dauer der
Sonneneinwirkung recht unbefriedigende Resultate ergeben hatte,
wurde noch versucht, ob eine längere Exposition an mehreren auf-
einander folgenden Tagen mehr erreichen läßt.
In der That geht dabei der Diphtheriebacillus im Innern
von Kissen zu Grunde, während er in der Tiefe des Schafpelzes, ge-
schützt durch die wolligen Haare, noch nach 39 Stunden Sonne am Leben
ist; viel resistenter erwiesen sich dagegen die Eiterkokken in den
Kissen wie im Felle, die selbst am fünften Expositioustage uoch ent-
Schutzimpfung, kiinstl. Infektionskrankheiten, Entwickclungshemmung etc. 511
wickelungsfähig waren. Auch auf Möbelstoffe angewendet, waren die
Resultate wenig befriedigend.
Wir ersehen also aus diesen Versuchen, daß wir in der Sonnen-
bestrahlung ein brauchbares Desinfektionsmittel für die Praxis nicht
besitzen.
v. E. hat auch noch geprüft, ob das Besprayen von Objekten
mit einer Desinfektionsflüssigkeit Erfolg hat, und zwar benutzte er
2- und 5-proz. Karbolsäurelösung; doch auch sie läßt im Stiche;
die 2-proz. Lösung scheint sogar die Sonnenwirkung nicht merklich
zu übertreffen; die 5-proz. hat wenigstens bei Möbelstoffen und
Kissen gewirkt, aber nicht die Felle desinfiziert.
Hugo Laser (Königsberg i. Pr.).
Scholl, H., Bak teriologische und chemische Studien
über das Hühn ereiweiß. [Aus dem hyg. Institute der Univ.
München.] (Archiv f. Hygiene. Bd. XIII.)
Von der vorliegenden interessanten Arbeit sei hier nur der erste
Teil besprochen; die nicht minder wichtigen chemischen Studien ge-
hören nicht in den Rahmen dieses Centralblattes.
Wir verdanken Emmerich und Büchner die Kenntnisse von
den baktericiden Eigenschaften des Blutes. Das Blutserum verliert
diese Eigenschaften durch Erwärmen auf 57°, dieselben können aber
nach Emmerich nnd Tsuboi wiedergewonnen werden, wenn man
dem Blutserum eine geringe Menge von Kalihydrat zusetzt. Scholl
versucht nun, ob es gelingt, andere Eiweißkörper durch Zusatz von
Kalihydrat bakterien vernichtend zu machen. Zu dem Zwecke ent-
nimmt er mit sterilisierter Pipette das Hühnereiweiß, bringt dies auf
einen Gehalt von 0,3 Proz. Kalihydrat und dialysiert die Masse
24 Stunden lang in 0,75-proz. Kochsalzlösung. Das dialysierte
Kalieiweiß wurde alsdann mit Typhusbacillen geimpft. Sogleich nach
der Impfung, nach 3 Stunden und nach 6 Stunden, wurden sodann
Plattenkulturen angelegt. In der ersten Platte wuchsen 90000, in
der zweiten Platte 500, in der dritten Platte nur 5 Kolonieeu. —
Nun wurde aus dem Hühnereiweiß Albumin und Globulin getrennt
dargestellt und jedes für sieb, nach vorhergegangener oben ange-
gebener Behandlung, auf seine baktericiden Eigenschaften geprüft.
Es ergab sich auch hier ein dem obigen analoges Resultat. Die
durch Behandlung mit Kalilauge im Hühnereiweiß hervorgebrachten
bakterienvernichtenden Körper werden durch Erwärmen auf 100°
nicht zerstört. Ger lach (Wiesbaden).
Fraenkel,C. und Sobernheim, Ve rsuch e über das Zustande-
kommen der künstlichen Immunität. (Hygienische Rund-
schau. 1884. No. 3 u. 4.)
H. Büchner hat in seinem Aufsatze „Ueber Bakteriengifte und
Gegengifte“ (Münchener medizinische Wochenschrift. No. 24 u. 25)
die Hypothese aufgestellt, daß sowohl die Bakterientoxine wie Anti-
toxine Produkte der Bakterien seien und daß letztere nicht wie
Behring u. A. annehmen, eine spezifische Reaktion des spezifisch
gereizten Organismus seien. Er hatte mit Tetanus Versuche au-
512 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
geführt, welche diese Thatsache zu einer unumstößlichen zu machen
schienen und dann als Verallgemeinerung diese Befunde auf andere
Bakterien übertragen. Die beiden Verff. machten ihre Studien an
Cholerabakterien und berichten über die Resultate bei der intra-
peritonealen Infektion der Meerschweinchen.
Falls der tierische Organismus bei der Bildung der Antitoxine
unbeteiligt ist, mußte es nicht möglich sein, durch fortgesetztes
Uebertragen von Serum von Tier zu Tier, von Serumtier I auf Serum-
tier II u. s. f. eine Serienreihe immuner Tiere zu erhalten, sondern
der Grad der Immunität mußte abnehmen mit der Verdünnung der
ursprünglich dem ersten Tiere injizierten Antitoxinmengen. Das Er-
gebnis einer diesbezüglichen Versuchsreihe wird tabellarisch mit-
geteilt. Es geht daraus hervor, daß es möglich ist, durch eine ein-
fache Serumübertragung die Immunität auf mehrere Generationen
von Meerschweinchen weiterfortzuführen. Früher oder später verliert
jedoch das Serum seine immunisierende Fähigkeit. Das Serum im-
muner Tiere ist als solches demgemäß nicht nn stände, einen spezi-
fischen Reiz auf den lebendigen Tierkörper auszulösen und diesen
zu immer erneuter Hervorbringuug der immunisierenden Stoffe anzu-
regen. Trotzdem dieses auf den ersten Anblick sehr zu Gunsten der
B u c h n er ’schen Anschauungen zu sprechen scheint, stellt sich
bei genauerer Berechnung doch das Resultat im anderem Lichte dar.
Das letzte Tier einer Serieureihe, welches der Cholerainfektion
nicht erlag, hatte nämlich nur 0,037 ccm erhitzter Kultur erhalten,
also den Ö. — 10. Teil der sonst erforderlichen Dosis. Dazu kommt
noch, daß ein Teil dieser Menge im Gewebe nutzlos abgelagert ist
und kämen daher in Wirklichkeit noch geringere Mengen in Betracht.
Trotzdem war das Tier immun und mußte daher selbstthätig seiue
Schutzstoffe gebildet haben. Ehrlich wies nach, daß die Antitoxine
mit den Sekreten ausgeschiedeu werden und trotzdem dauert die
Stammimmunität lange Zeit. Wenn mau den immunisierteu Meer-
schweinchen bis zu */3 des Blutes nahm und dieses des öfteren in
größeren Pausen wiederholte, so waren die Tiere dennoch noch im-
mun. Die Serumimmuuität, welche diese Meerschweinchen besaßen,
stimmt daher mit der Stammimmunitat insofern übereiu, als es sich
nicht um ein bloßes Kreisen von im Blute suspendierten Antikörpern
handelt, sondern die einmalige Seruminjektion eine mehr oder weniger
langdauernde Gewebsimmuuität zur Folge hat.
Das von den immunisierten Tieren herrührende Serum verlor durch
Erhitzen auf 70° C eiue Stunde laug nicht seiue Fähigkeit, immuni-
sierend zu wirken, doch hatte dasselbe völlig seiue baktericiden Eigen-
schaften eingebüßt. Wurde solches erhitztes immunisierendes Serum
Tieren injiziert, so waren diese Tiere nicht allein immun gegen eine
nacnfolgende Choleraiufektion, sondern das von diesen Tieren ge-
wonnene Serum hatte, nicht vorher erhitzt, auch die baktericiden
Eigenschaften, wie unverändertes Schutzserum.
Diese Versuche ergebeu deshalb zur Evidenz, daß die Bildung
der Antitoxine bei dem Experimente der iutraperitouealeu Iufektion
der Meerschweinchen nicht durch die Cholerabacillen erfolgt und
dem Tiere gleichzeitig mit der Injektion der tödlichen Kultur
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 513
auch eine gewisse Menge lebensrettenden Gegengiftes beigebracht
wird, sondern daß der Organismus sich aus seinem eigenen Leibe
seine Schutzstoffe aufbaut, um sie im Kampfe gegen den eindringenden
Feind zu verwenden. 0. Voges (Danzig).
Rammo, G., Sulla immunitä alle infezioni per assuefa-
zione farmacologica. (Mitridatismo.) Stricnina e
tetano. (La Rif. med. 1893. p. 232.)
Ausgehend von der Betrachtung, daß die pathogenen Mikro-
organismen auf den tierischen Organismus durch die von ihnen pro-
duzierten Gifte einwirken, ferner, daß diese Gifte selbst dem Organis-
mus Immunität gegen die diesbezügliche Infektion, die zugleich sich
auch als Intoxikation darstellt, verleihen können, kam Verf. a priori
zu der Ueherzeugung, daß bei der Immunisierung neben der Phago-
cytose, Chemotaxis, den antitoxischen Eigenschaften des Blutes und
der Körpersäfte auch noch ein anderer Vorgang sich geltend mache,
welchen der Verf. als „Mithridatismus“ bezeichnen möchte und welcher
in einer chemisch-molekularen Anpassung, Angewöhnung des Zell-
protoplasmas an das spezifische Gift bestünde.
Eine experimentelle Basis wurde dieser neuen Theorie in der
Weise verliehen, daß in der Absicht, zu erforschen, ob man Tiere
gegen eine bestimmte Infektion durch ein ähnlich wirkendes vege-
tabilisches oder mineralisches Gift immun machen könne, der Versuch
gemacht wurde, Mäuse und Meerschweinchen mittelst Strychnin gegen
Tetanus zu immunisieren. Als die beste Art der Angewöhnung der
Tiere an Strychnin stellte sich die Fütterung heraus. Subkutane
Injektionen hatten namentlich bei Mäusen selbst in minimalen Dosen
nahezu ausnahmslos den Tod zur Folge und es gelang auf diese
Weise überhaupt nicht, die Tiere gegen Strychnin absolut refraktär,
d. h. gegen solche Gaben unempfindlich zu machen, die von den
gefütterten Tieren später vertragen wurden. Durch Fütterung gelang
es hingegen, fünf Meerschweinchen soweit an Strychnin zu gewöhnen,
daß sie als höchste Dosis 31/2 mg des Alkaloids ohne Störung ver-
trugen.
Bei den Infektionsversuchen dieser Tiere mit voll virulenter
Tetanuskultur zeigten die nur relativ gegen Strychnin refraktären
Tiere ein nahezu gleiches Verhalten, wie die Kontrolltiere. Um die
krankhaften Erscheinungen besser beobachten zu können, wurde zu
einer weniger giftigen Kultur gegriffen, welche den Tod der Tiere in
6 — 8 Tagen herbeiführte. Mit dieser wurden nun jene 5 Meer-
schweinchen und 8 Kontrolltiere (5 Meerschweiechen und 3 Mäuse)
geimpft. Sämtliche Kontrolltiere gingen zwischen dem 5. — 11. Tage
unter charakteristischen Tetanussymptomen ein. Von den 5 gegen
Strychnin refraktären Meerschweinchen zeigte das eine 10 Tage nach
der Impfung Kontraktur der geimpften Extremität, welche jedoch in
den folgenden Tagen wieder verschwand. Trotzdem ging das Tier
nach 23 Tagen unter paralytischen Symptomen ein. Die übrigen
vier Tiere blieben am Leben, ohne auch nur eine Spur
von tetanischen Symptomen gezeigt zu haben.
Aus diesen Versuchen schließt der Verf. zunächst, daß Meer-
514 Schutzimpfung, kttnstl. Infektionskrankheiten, Entwiekelnngsbemmune etc.
scbweinchen gegen Tetanus immunisiert werden können durch An-
gewöhnung an Strychnin und daß daher neben den früher erwähnten
Immunitätstheorieen auch die des Mithridatismus berechtigt ist, einen
Platz einzunehmeu. (Hierzu will Ref. nur so viel bemerkt haben,
daß, so geistreich auch die Ausführungen R.’s sind, sie dennoch eine
Lücke auf weisen, welche darin besteht, daß wir nicht von dem
Zweifel befreit werden, ob nicht die durch Strychnin erzielte Immu-
nität gegen Tetanus weniger auf einer Anpassung der Tierzelle und
chemisch molekularen Veränderung ihres Protoplasmas, als auf einem
etwa vorhandenen Antagonismus der zwei Gifte beruht?)
Kamen (Czernowitz).
Büchner, H., Ueber den Einfluß der Neutralsalze auf
Serumalexine, Enzyme, Toxalbumine, Blutkörper-
chen und Milzbrandsporen, [Aus der hygien. Abteilung
des Operationskurses für Militärärzte in München.] (Archiv f, Hy-
giene. Bd. XVII. S. 138.)
Verf. hat durch frühere Untersuchungen den Beweis geliefert,
daß das destillierte Wasser geradezu wie ein Gift
lähmend auf die Aktivität der Alexine wirkt: In vor-
liegender Arbeit sucht B. darzuthun, daß ein durch Wasserzusatz
unwirksam gewordenes Serum seine Wirksamkeit durch nachträg-
lichen Zusatz der entsprechenden NaCl-Menge wieder erhält. In
den Versuchen wurde dieser regenerierende Zusatz bethätigt, nachdem
die betreffenden Serutnprobeu bezw. 0, 1, 4 und 24 Stunden in
wasserverdünntem, d. h. unwirksamem Zustande im Eisschrauke ver-
weilt hatten. — Die Ergebnisse lassen sich in folgender Weise zu-
sammenfassen :
1) Durch WT a s s e r zusatz wird die Aktivität von Hunde- und
Kaninchenserum aufgehoben, während Zusatz der normalen Koch-
salzmenge dieselbe wieder herstellt. Die Rolle des Kochsalzes kann
hierbei nur eine indirekte sein, indem seine Anwesenheit die Funk-
tion der Serumalexiue erst ermöglicht.
2) Es vermögen außer Kochsalz auch verschiedene andere
Salze, so Kalium-, Lithium- und Ammoniumchlorid, Natrium-, Ka-
lium-, Ammonium- und Magnesiumsulfat die gleiche Funktion im
Serum auszuüben. — Es handelt sich für die Aktivität der Alexine
also nicht um eine spezifische Bedeutung des Kochsalzes, sondern
um das Vorhandensein einer gewissen Salzmenge in der Lösung
überhaupt.
3) Das Salzbedürfnis des Serums steht in Parallele zum Salz-
bedürfnis des Gesamtorganismus. Auch im Serum müssen es
die eiweißartigeu Bestandteile sein, auf welche die Funktion
der Salze sich bezieht. Die Alexine müssen daher als E i w ei ß kö r-
p e r betrachtet werden.
4) Anwesenheit von Sulfaten der Alkalien im verdünnten
Serum steigert die Aktivität der Serumalexine und erhöht deren
Resistenz gegen Erhitzung um etwa 10 Temperaturgrade. Die gün-
stigste konservierende Wirkung ergab für Hundeserum ein Zusatz
Schutzimpfung, kiinstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.. 515
von gleichen Teilen einer 8-proz. Ammonsulfat- oder einer 28,4-proz.
Natriumsulfatlösung.
Biernacki hatte ganz ähnliche Verhältnisse für die Enzyme
nachgewiesen, und B., welcher die Versuche Biernacki’ s für
Pepsin aus Schweinemagen nachprüfte, konnte dessen Angaben
durchaus bestätigen.
5) Natriumchlorid wirkt als Zusatz zum Serum auch kon-
servierend gegen Erhitzung, aber in äquivalenten Mengen wesentlich
schwächer, als die Sulfate. Noch geringere Wirkung in dieser Hin-
sicht zeigen die Nitrate.
6) Entscheidend für die Resistenzerhöhung ist nicht nur die in
der Raumeinheit vorhandene Menge von Salzmolekülen, sondern auch
das Verhältnis zur Menge der gleichzeitig anwesenden Serumteilchen.
7) Die konservierende Wirkung des Salzzusatzes beruht demnach
auf der von den verschiedenen Salzen ausgeübten Wassere n tzi e-
hung, die nach Hofmeister bei den Sulfaten am stärksten, bei
den Nitraten am geringsten, bei den Chloriden eine mittlere ist.
8) Das Invertin der Hefe zeigt bei Anwesenheit von Na-
triumsulfat eine um mehr als 10 Temperaturgrade gesteigerte
Resistenz gegen Erhitzung, während Natriumnitrat keine, Natrium-
chlorid nur eine geringe Erhöhung der Resistenz bewirkt.
9) Genau ebenso verhält sich das Toxalbumin des Tetanus-
bacillus bezüglich Resistenzsteigerung durch Salze und in ähn-
licher Weise auch das Toxalbumin des Diphtheriebacillus.
10) Blutkörperchen vom Kaninchen und Hunde zeigen sich
ebenfalls in äquivalenten Lösungen der Sulfate wesentlich resi-
stenter gegen Erhitzung, als in solchen der Nitrate, während Na-
triumchlorid eine mittlere Stufe einnimmt.
11) Milzbrandsporen sind ebenfalls in stärker salzhaltigen
Lösungen widerstandsfähiger gegen Erhitzung, als in bloßem Wasser.
12) In trockenem Zustande ertragen nicht nur die Enzyme
und Toxalbumine, sondern auch die Serumalexine wesentlich
höhere Hitzegrade, ohne ihre Aktivität zu verlieren. (Serumalexine
ertragen in trocknem Zustande eine V2-stündige Erhitzung auf 70°,
ohne ihre Aktivität zu verlieren, während im gelösten Zustande schon
eine 1/2-stündige Erhitzung auf 55° sicher jede Spur von Aktivität
vernichtet.)
Alle diese Erscheinungen können nach Verf. nur begreiflich
werden auf Grund der Annahme, daß das Wasser an sich eine
schädigende Wirkung auf die untersuchten aktiven
Eiweißkörper auf Alexine, Enzyme und Toxalbumine besitzt.
M. Kolb (München).
Büchner, H., Ueber den Einfluß des Lichtes auf Bak-
terien und über die Selbstreinigung der Flüsse.
(Archiv für Hygiene. Bd. XVII. S. 177 f. mit Berücksichtigung der
Originalarbeiten im Centralbl. f. Bakt. und Parasitenk. Bd. XI.
No. 25 u. Bd. XII. No. 7/8.)
Für die Selbstreinigung der Flüsse hat man verschiedene Ur-
sachen angeführt, wie z. B. Sedimentierung, oxydierender Einfluß des
516 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Sauerstoffes, die im Wasser vorkommenden Algen, jedoch lauter
Faktoren, welche hauptsächlich für die chemische Seite der Selbst-
reinigung in Betracht kommen, dagegen kaum für die Hand in Hand
damit gehende Verminderung der Bakterienzahl. Als Er-
klärung für letztere Thatsache muß nach B.’s Ansicht ein schädigen-
der und tötender Einfluß von Seite des Sonnenlichtes bestehen.
Es haben zwar schon früher einzelne Forscher (Downes, Blunt;,
Pansini) dem Lichte eine schädliche Wirkung auf Bakterien zu-
geschrieben ; jedoch ihre Experimente waren nicht ganz einwandfrei.
Verf. wollte in seinen Versuchen möglichst die natürlichen Bedin-
gungen nachahmen ;ersuspendierteBakterienkeimeinWas-
ser und exponierte sie dem Lichte. Es wurden verwendet Bouil-
lonreinkulturen (vorher durch sterilisiertes Papier filtriert) von Ty-
phusbacillen, B. coli, B. pyocyaneus, Choleravibri-
onen, endlich verschiedene, in Dejektionen vor kommende
Bakterien; die Aussaat der Bakterien erfolgte teils in steri-
lisiertes, teils nicht sterilisiertes Leitungswasser nebst Anwendung
von Glasgefäßen der verschiedensten Form und Größe (Proberöhren,
Kolben, größere Glascylinder, ferner wurde die Höhe der Flüssig-
keitssäule und damit der Luftzutritt variiert ; endlich kamen große, flache,
mit Oelfarbenanstrich versehene Blechgefäße in Verwendung ; die
Versuche wurden teils im Zimmer, großenteils aber im Freien ange-
stellt und dabei die Temperatur der Wasserproben durch ein einge-
setztes Thermometer kontrolliert. Stets wurden von zwei zusammen-
gehörigen Proben die eine offen dem Lichte exponiert, die andere
durch schwarzes Papier vor Lichtwirkung geschützt. Bei dieser
ersten Versuchsreihe ergab sich das Resultat, daß das Licht auf
die genannten Bakterienarten, wenn dieselben imWas-
ser suspendiert sind, einen gewaltigen desinfizieren-
den Einfluß ausübt. In einem Wasser z. B., das zu Beginn
des Versuches ca. 100000 Keime von B. coli comm. pro ccm ent-
hielt, waren schon nach 1-stündiger Exposition im direkten Sonnen-
lichte überhaupt keine Keime mehr durch das Plattenverfahren
nachzuweisen, während in der dunklen Kontrollprobe die Bakterien-
zahl sogar etwas zugenommen hatte.
Diffuses Tageslicht im Zimmer wirkte schwächer als direktes
Sonnenlicht; jedoch im Freien bei offener Exposition der Wasser-
proben zeigte auch diffuses Tageslicht eine rasch tötende Wirkung.
— Weitere Versuche, welche in kleinen Klärbassins (flache Blech-
gefäße von 0,25 qm Grundfläche, innen mit weißer Oelfarbe ange-
strichen und 10 cm hohe Wasserschicht) angestellt wurden, ergaben
ebenfalls zufriedenstellende Resultate.
Nachdem B. nun erwiesen hatte, daß das Licht einen
raschtötenden Einfluß auf Bakterien, die in Wasser
suspendiert sind, ausübt, stellte er noch Versuche an, wie
sich größere Wasserschi chten bezüglich der Lichtdurchgän-
gigkeit verhalten. Zu diesem Zwecke mußte ein Verfahren ausfindig
gemacht werden, welches erlaubte, Bakterien in beliebigen Wasser-
tiefen dem Lichteinflusse zu exponieren : B. versetzte Nähragar, das
zuerst durch Kochen verflüssigt und dann auf 40° abgekühlt war,
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 517
mit frischer Bouillonkultur einer bestimmten Bakterienart (vide oben),
verteilte die Aussaat gleichmäßig und goß das Agar in eine flache
Glasschale mit Rand aus. Nach eingetretener Erstarrung befestigte
er ein Kreuz aus schwarzem Papier oder Buchstaben etc. an der
Unterfläche der Agarplatte und exponierte letztere für 1 — 1 Stunden
dem direkten oder für 5 Proz. dem diffusen Tageslichte. Nach 24
Stunden Aufenthalt im Dunkeln zeigten die Platten die aufgeklebten
Buchstaben etc. vollkommen scharf, gebildet von den zur Entwickelung
gelangten Bakterienkolonien, während der ganze übrige Teil der
Platte steril blieb.
Verf. exponierte nun im weiteren Verlaufe seiner Versuche die
Platten am Boden eines größeren Steingutgefäßes 0,5 m unter dem
Spiegel der Wasserfläche der Mittagssonne, wobei die Lichteinwir-
kung den gleichen schädigenden Einfluß wie außerhalb des Wassers
zeigte. Versuche in großem Maßstabe, im Sternbergersee an gestellt,
ergaben, daß bei ziemlich klarem Wasser der Lichtein-
fluß sich noch bis etwa 2 m Tiefe vollkommen kräftig
auf die Bakterien äußert.
Ferner wurden Beobachtungen angestellt am fließenden
Wasser, wobei die Trübung des Wassers sehr häufig ein tieferes
Eindringen der Lichtwirkung verhindert, weshalb man zweifeln könnte,
ob der Einfluß des Lichtes hier überhaupt zur Geltung kommt. Die
dabei gewonnenen Resultate entsprachen durchaus den gehegten Er-
wartungen.
Nach dem Ergebnis der vorstehenden Untersuchungen besitzt
also d as Lieh t ei n e n ge wal tige n Ei nfl u ß auf die Selbst-
reinigung der Flüsse, d. h. auf die Keimabnahme im
Flußwasser. Direktes Sonnenlicht besitzt sogar einen mäch-
tigen desinfizierenden Einfluß auf die im Wasser schwebenden Keime,
aber auch d iffu s e s Tageslicht wirkt bei längerer Dauer sehr nach-
teilig auf dieselben.
Schließlich sei noch erwähnt, daß Versuche mit elektrischem
Bogenlichte und einzelnen Spektralfarben ebenfalls wachs-
tumshemmende und tötende Einwirkung auf die ausgesäten Bakterien
äußerten. M. Kolb (München).
Bnchner, H., Beruht die Wirkung des Behriti g’ sehe n
Heilserums auf Giftzerstörung? (Berliner klinische Wo-
chenschrift. 1894. No. 4. p. 73 ff.)
Behring hatte in seinen Schriften die Behauptung aufgestellt,
daß das Serum der tetanusimmunisierten Tiere eine direkte Zerstörung
der spezifischen Gifte im Körper des tetanusvergifteten Organismus
herbeizuführen vermöge und hatte als Beleg einen Versuch angeführt,
bei dem ein im Versuchsglase außerhalb des Körpers bereitetes Ge-
misch von Tetanusgift mit antitoxischem Serum bei der Injektion
im Tierkörper sich völlig wirkungslos zeigte. Da dieser Versuch
aber noch zweifelhaft ließ, ob nicht eine sofort im Tierkörper sich
geltend machende Immunisierung die Wirkung des Tetanusgiftes auf-
hebe, so hielt B. eine neue Versuchsreihe für notwendig. Er stellte
sowohl Toxin wie Antitoxin in getrocknetem Zustande her, um eine
XV. Bd. 33
518 Schnt»lmpfiinK, kHnstl. Infektionskrankheiten, F.ntwirkelungshetmmine etc.
möglichst gleichbleibende Wirkungskraft zu erzielen. Es wurde nun
eine Mischung beider Stoffe weißen Mäusen injiziert und die Dosie-
rung der Einzelstoffe so gewählt, daß die Wirkung nahezu gleich
Null war. Von dieser für Mäuse neutralen Mischung injizierte er
nun gleiche absolute Mengen den relativ empfänglicheren Meer-
schweinchen. Hier aber war die Wirkung nicht Null, sondern es
traten entschieden stärkere tetanische Vergiftungserscheinungen auf.
Verf. zieht daraus den Schluß, daß das Gift in der für Mäuse neu-
tralen Mischung nicht zerstört ist und daß in Wirklichkeit Gift und
Antitoxin nicht unmittelbar aufeinander, sondern daß beide Stoffe
getrennt auf den tierischen Organismus einwirken.
Auch wenn die beiden Stoffe im Reagenzglase miteinander län-
gere Zeit in Kontakt gewesen, trat dieselbe Erscheinung am Meer-
scheine zu Tage. B. nimmt also an, daß das Antitoxin das Toxin
nicht zerstört, sondern die Gewebe, die Zellterritorien für die Wir-
kung des Toxins unempfänglich macht. Auf bereits erkrankte Teile
hat das Serum keinen Einfluß mehr. Verf. führt dann noch aus,
daß auch Tizzoni, Cattani, C e n t a u u i, ja auch Behring unfrei-
willig selbst dieser Ansicht huldigen.
Auch die Antitoxine faßt B. nicht als spezifische Reaktionspro-
dukte des Organismus auf, sondern als von den Bakterien her-
rührende Stoffe, deren Natur von derjenigen der spezifischen Tox-
albumine nicht allzusehr abweicht, da sonst eine gegenseitige spe-
zifische Beziehung nicht möglich wäre. Als Beweis hierfür erwähnt
er die Beobachtung von Busehke, daß am gesunden Menschen
das Tetanusantitoxin schwache tetanusartige Symptome auszulösen
vermag. Aehnlich ist das Verhalten des ungiftigen Cholins und des
giftigen Neurins. Auf Grund dieser Versuche ist nach Büchner
daher die Behring’sche Anschauung einer spezifischen Giftzerstörung
fallen zu lassen und ist die Blutserumtherapie nicht etwas prinzipiell
Eigenartiges, sondern nur eine besondere Modifikation der bisherigen
Immunisierungsmethoden. 0. Voges (Danzig).
Vaughan, V. C., The principles of immunity and eure in
the infectious diseases. (The Resident’s address read
before the Section of General Medicine of the First Pan-American
Medical Congress. held at Washington, U. S. A., 1893. Sep-
tember 5, — Medical News. 1893. Oct.)
Der Verf. behauptet, daß in jedem Falle, in welchem experi-
mentelle Immunität gewonnen wurde, solche entweder direkt oder in-
direkt herrührte von der in den tierischen Körper gemachten Ein-
führung der Substanz des Keimes, entweder tot oder lebend, entweder
morphologisch intakt oder in Lösung. Er macht folgende Zusammen-
fassung :
Bei Erzeugung der Immunität in einem natürlicherweise em-
pfänglichen Tiere müssen drei Faktoren thätig sein :
1) Eine incidierende oder immunisierende Substanz muß in den
Körper eingeführt werden. In großen Zügen sind wir mit der Na-
tur einiger dieser Substanzen bekannt, z. B. des Schlangengiftes, der
Pflanzenproteide Abrin, Ricin und Robin, und gewisser bakterieller
Schutaimpfung, künstl. Infektionskrankheilen, Entwirkelunjfsbemmnng etc. 519
Produkte. Verf. nennt diese Proteide und weist ausdrücklich darauf
hin, daß dies versuchsweise geschieht, in anbetracht der Thatsache,
daß von keinem derselben die genaue chemische Beschaffenheit be-
kannt ist; indessen dürfen wir sie für die Gegenwart Proteide nennen.
Aus schon angegebenen Gründen glaubt der Verf., daß diese Proteide,
welche Immunität herbeiführen, zur Klasse der Nucleine gehören,
obschon physiologische Chemiker die Nucleine nicht immer unter die
Proteide, sondern unter die Albuminoidkörper zählen. Diese Substanzen,
seien sie Nucleine, Proteide oder Albuminoide, haben die Eigenschaft,
bei der Einführung in die Körper bestimmter Tiere in bestimmten
Mengen und unter bestimmten Bedingungen die Thätigkeit bestimmter
Organe in dem Tiere derart anzuregen, daß diese Organe ein Gegen-
gift gegen die eingeführte Substanz erzeugen und dem Blute zu-
führen.
2) Die Organe, deren Thätigkeit durch dies immunisierende
Agens angeregt wird, sind diejenigen, welche Nucleine hervorbringen,
wie Milz, Schilddrüse und Mark.
3) Die antidotale Substanz ist ein Nuclein. Die Art und die
Menge des gebildeten Nucleins wird von der Beschaffenheit des
incidierenden Agens und dem Zustande des oder der beeinflußten
Organe abhängen. Das Wort Nuclein wird in einer umfassenden
Bedeutung gebraucht und schließt die wirklichen Nucleine, Nuclein-
säuren und Nucleo-Albumine ein. Unter dem Ausdrucke „Nuclein“
ist der Teil der Zelle zu verstehen, welcher unter normalen Bedin-
gungen die Fähigkeit des Wachstums und der Reproduktion hat,
welcher andere Proteide assimiliert und diesen assimilierten Substanzen
seine eigenen Eigenschaften giebt. Es ist der Teil der Zelle, der
ihr ihre Individualität giebt.
Der Unterschied zwischen Immunität und Toleranz wird darge-
stellt, wie folgt:
In ersterer werden die Zellen bestimmter Organe aggressiv, eine
spezielle Funktion wird entwickelt, das eingeführte Gift wird zerstört.
In der Toleranz besteht keine aggressive Thätigkeit irgend eines
Organs, keine Entwickelung spezieller Funktionen findet statt, das
eingeführte Gift wird nicht zerstört, nur tötet es nicht.
Wesentliche Unterschiede bestehen zwischen Immunität und
Heilung. An erster Stelle sind die zur Erzeugung der Immunität
angewandten Substanzen nicht zur Hervorbringung einer Heilung an-
wendbar. Dieselben sind schon in dem Körper und haben es unter-
lassen, das Nuclein anzuregen, welches Zellen bildet, so daß ihre
eigene Vernichtung verursacht wird. Die Einführung von mehr
bakterischem Gifte, nachdem einmal der eindringende Giftstoff sich
im System festgesetzt hat, wird den Eindringling nur stärken. Keine
Krankheit ist nach guter Entwickelung durch Anwendung des baye-
rischen Stoffes geheilt worden. Verf. bereitete Nucleine von Hefe,
von den Testikidardrüsen, von der Schilddrüse und von Eigelb und
hat nachgewiesen , daß alle deutliche keimtötende Eigenschaften
besitzen. (S. Medical News. 1893. May.) Er spricht die Ver-
mutung aus, daß Nucleintherapie die Blutserumtherapie ersetzen wird
33*
520 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
o
(-0
und daß auf diese Weise die keimtötende Substanz in viel größeren
Dosen benutzt werden kann, als diejenigen, die bei der Behandlung
mit Blutserum in Anwendung kommen können. Autoreferat.
Vaughan, V. 0. and Mc Clintock, C. T., The na tu re of the
germicidal constituents of blood serum. (A paper
read before the Medical Section of the First Pan-American Medi-
cal Congress, Washington, U. S. A., 1893. September. — Medical
News. 1893. December.)
Nach einer sorgfältigen und kritischen Uebersicht über die
Forschungen von Fodor, Nuttall, Büchner und Anderen sind
die Verff. zu den folgenden Schlüssen gekommen:
1) Serumalbumin ist nicht die keimtötende Substanz in Blut-
serum. Entweder muß dies richtig sein oder der Versuch, durch
welchen Büchner darlegte, daß ein thätiges Pepsin die keimtötende
Wirkung des Blutes nicht zerstört, muß ein Irrtum gewesen sein;
denn Pepsinverdauung verwandelt Serumalbumin leicht und voll-
ständig in Peptone, und diese sind dem Wachsthum von Bakterien
besonders günstig.
2) Die keimtötende Substanz muß zu den Proteiden gehören.
Sonst wäre es schwierig, die Thatsache zu erklären, daß eine hohe
Temperatur Blutserum unthätig macht.
3) Das einzige Proteid, dessen Anwesenheit im Blutserum wahr-
scheinlich ist und das durch Pepsinverdauung nicht zerstört wird,
ist Nuclein.
Nach Erlangung dieser Schlüsse werden die folgenden Fragen
gestellt:
1) Giebt es ein Nuclein in Blutserum?
2) Hat dieses Nuclein, wenn es ein solches giebt, keimtötende
Eigenschaften?
Zur Beantwortung der ersten Frage nahm man Blutserum von ge-
sunden Tieren in großer Menge und behandelte solches mit etwa
10 Volumina einer Mischung von gleichen Teilen absoluten Alko-
hols und Aethers. Das sich bildende voluminöse Präcipitat ließ man
24 Stunden, in einigen Fällen viel länger stehen, wobei
der Alkohol und Aether während dieser Zeit abgegossen und durch
gleiche Volumina ersetzt wurden. Schließlich wurde die überstehende
Flüssigkeit abgegossen und ein gleiches Volumen einer 0,2-proz.
Lösung von Chlorwasserstoffsäure, thätiges Pepsin enthaltend, zuge-
setzt, die Flasche in einen Thermostaten bei 38 Grad gestellt und
die Verdauung fortgesetzt, bis die Flüssigkeit der Biuretreaktion für
Peptone nicht mehr entsprach. Jedesmal, wenn diese Reaktion ge-
macht wurde, wurde die Flüssigkeit von der unverdauten Portion ab-
gegossen und durch ein gleiches Volumen frischer verdaulicher
Flüssigkeit ersetzt. In allen Fällen war die Verdauung rasch und
ging bis zu einem bestimmten Punkte, wo sie gänzlich aufhörte. Die
unverdaute Portion war von geringer Quantität und graulicher Farbe.
Diese wurde in einem kleinen sterilisierten Filter gesammelt und ge-
waschen, zuerst mit einer 0,2-proz. Lösung von Chlorwasserstoffsäure
und dann mit Alkohol. Nach der Waschung mit Alkohol ließ man
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Eutwickelungshemmung etc. 521
den Filter eine halbe Stunde und länger der Luft ausgesetzt stehen,
damit der Alkohol ganz durchgehen oder verdampfen könne. Das
Präcipitat wurde dann in einer sterilisierten Lösung von Kalilauge
aufgelöst. Die Stärke dieser gewöhnlich benutzten alkalischen Lösung
war 0,12 Proz. Gewöhnlich enthielt diese Lösung außer dem Alko-
hol noch 0,6 Proz. Natriumchlorid. Die Lösung wurde durch eine
C h a m be rl a nd röhre filtriert und in einer sterilisierten Flasche
aufgefangen. Die so gewonnene Lösung war vollkommen klar, farb-
los und entsprach nicht der ßiuretreaktion. Der Zusatz starker
Salpetersäure erzeugte eine Wolkigkeit, die beim weiteren Zusatze
der Säure sich klärte. Diese Säurelösung wurde beim Erhitzen nicht
gelb, jedoch wurde sie das nach einem Zusatze von Ammoniak.
Die erste Frage ist nun beantwortet: Blutserum enthält ein Nuclein.
Mit dieser alkalischen Nucleinlösung, die im richtigen Maße mit
sterilisierter Salzlösung verdünnt wurde, wurden Versuche gemacht,
die ihre keimtötende Wirkung bewiesen an dem Bacillus der
asiatischen Cholera, dem Milzbraudbacillus ohne Sporen und
dem Staphylococcus pyogenes aureus. Die keimtöteude
Wirkung dieser Lösung von Nuclein erwies sich in allen Fällen ganz
deutlich. Autoreferat der Verfasser.
Dixon, Possibility of establishing tolerance for the
Tubercle Bacillus. (The Medic. News. 1889. 19. October.)
Dixon fand gelegentlich der Untersuchung eines mit gewöhn-
lichen Tuberkelbacillen geimpften Röhrchens keulenförmige Bacillen,
von denen er annahm, daß es sich um Formen von geringerer Viru-
lenz handele. Nach mehrtägigem Aufenthalte bei Zimmertemperatur
wurden neue Präparate angefertigt, welche verästelte Bacillen zeigten.
Dieselben wurden von neuem überimpft und es wuchsen typische
Tuberkelbacillen. Der Verf. stellt 2 Hypothesen auf:
1) Es ist möglich, daß durch genaue Filtration der Bacillen aus
dem tuberkulösen Materiale ein Filtrat erhalten werden kann, das
durch systematische Ueberimpfungen so abgeschwächt werden kann,
daß dadurch eine Veränderung in den lebenden tierischen Geweben
hervorgebracht werden kann, welche dieselben gegen virulente Tuberkel-
bacilleu resistent macht.
2) Um die chemische oder physikalische Veränderung in den
lebenden Geweben hervorzubringen, welche dieselben zur Resistenz
gegen die tuberkulöse Phthise befähigt, müßten möglicherweise
Impfungen mit den Bacillen gemacht werden — doch darf das nur
nach Abschwächuug der vollvirulenten Bacillen geschehen.
Der Verf. hat mit Bacillen, welche die in der mitgegebenen
Zeichuung veranschaulichten Formen zeigten, Tiere geimpft, die da-
durch gegen Impfung mit virulenten Tuberkelbacillen resistent wurden.
Dixon stellt weitere Mitteilungen in Aussicht.
Lasch (Breslau).
Richter, P., Ueber neuere Behandlungsmethoden der
Tuberkulosevompathologisch-anatomischenStand-
punkte. (Schmidt’ s Jahrbücher der gesamten Medizin.
Bd. CCXXXIX. p. 177.)
522 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwiekelungshemmung etc.
Verf. giebt eine kritische Uebersicht von allgemein pathologischen
Gesichtspunkten aus über Prinzipien und Resultate der heutigen
Tuberkulosetherapie; er bespricht die Erfolge des Jodoforms, die
Versuche mit abgetöteten Tuberkelbacillen, die Blutserummethode,
die Liebreich’ sehe Behandlung mit kantharidinsaurem Natron,
die Behandlung mit Perubalsam und Zimmtsäure von Länderer,
das Koch’ sehe Tuberkulin, das von Launelongue angegebene
Injektionsverfahren mit Chlorzink, die Bier’sche Anwendung der
Stauungshyperämie und endlich die Behandlung der Peritonealtuber-
kulose mittelst Laparotomie. Verf. kommt zu dem Schlüsse, daß die
Ausbeute an wirklichen therapeutischen Erfolgen und Heilungen im
pathologisch -anatomischen Sinne noch eine verhältnismäßig geringe
ist. Jedenfalls sei bei der Tuberkulose noch weniger als bei anderen
Infektionskrankheiten die Uebertragung von Reagenzglasversuchen
auf den Menschen gestattet. Am meisten sei von solchen Verfahren
zu erwarten, welche den spontanen Heilungsvorgang der Natur künst-
lich nachzuahmen und zu erzeugen, bezw. zu beschleunigen bestimmt
siud und erst indirekt durch Beeinflussung des tuberkulösen Gewebes
die Bacillen schädigen und unschädlich machen.
Dieudonne (Berlin).
de Grazia, F. e Casaretti, V., I derivati del creosoto nella
cura della tisi polmonare. (Beuzoilguaiacolo, car-
bonato di guaiacolo, acido guaiacol-carbonico, car-
bonato di creosoto.) (La Rif. med. 1893. p. 219.)
Wenn auch die oben angeführten Präparate von Phthisikern gut
vertragen werden, konnte selbst bei längerem Gebrauche dieser Mittel
keine wesentliche Besserung erzielt werden. Nur auf Benzosol ließ
sich eine Abnahme der katarrhalischen Erscheinungen wahrnehmen.
Eine Verminderung der Tuberkelbacilleu konnte jedoch iu keinem
Falle konstatiert werden. Kamen (Czernowitz).
Secclii, T., Di un caso di lupus eritematoso guarito con
le injezioni ipoderraiche di tubercolina Koch. (La
Rif. med. 1893. p. 169.)
Verf. berichtet über einen Fall von Lupus erythematosus,
bei welchem Injektionen der Koch’schen Lymphe sowohl lokale als
auch allgemeine Reaktion hervorriefen und der unter dieser Behand-
lung in Heilung überging. Auf Grund dieses Umstandes und des
histologischen Befundes glaubt der Verf., daß der Lupus erythe-
matosus trotz des negativen bacillären Befundes nur eine Varietät
des Lupus vulgaris sei. Kamen (Czernowitz).
Schütz, Zur Behandlung des Lupus vulgaris. (Archiv
für Dermatologie und Syphilis. XXVI. 1. 1894.)
Für die schweren Fälle von Lupus, welche durch Excision des
Erkrankten nicht beseitigt werden können, empfiehlt S. folgende
Therapie. Nach Auskratzung des morschen Gewebes mit dem
scharfen Löffel wird der Boden der Wuudfläche und etwa
1 cm des gesunden Randes sehr sorgfältig skarifiziert. Nach-
Schutzimpfung, kiinstl. Infektionskrankheiten, Gntwickelungshemmung etc. 523
dem die recht erhebliche Blutung völlig gestillt ist, wird das ganze
W undgebiet mit einer kaltgesättigten alkoholischen Chlorzink-
lösung, welcher, um sie klar zu erhalten, etwas Salzsäure zugesetzt
ist, überpinselt. Dadurch wird binnen kurzem die ganze Wundfläche
weiß und tritt für 6 Stunden heftiger Schmerz ein, welcher
durch Eiskompressen gelindert werden kann. Morphium hilft nur
wenig. Gewöhnlich treten bald danach Oedeme der Umgebung auf,
welche unter Borwasserumscblägen zurückgehen. Nach zwei Tagen
wird die Wunde, welche sich inzwischen gereinigt hat, mit einem
dreimal täglich zu wechselnden Pyrogallussäurevaselin- (1 : 4) Salben-
verbande bedeckt, der nach 3 Tagen weggelassen wird. (Beim Luft-
zutritt heftige Schmerzen.) Nun folgen Borwasserumschläge, unter
denen sich die durch die Pyrogallussäureeinwirkung geschwärzte
Wunde nach 4 — 5 Tagen reinigt. Die gereinigte Wunde wird nun
zum zweiten Male für 4 Tage mit Pyrogallussäure verbunden und
schließlich, wenn sie sich nach höchstens 3 Tagen gereinigt hat, zum
dritten Male der Pyrogallusätzung ausgesetzt. Unter Emplastrum
Hydrargyri oder Jodoformpulver und Borsalbenlintverbänden vollzieht
sich die Heilung verhältnismäßig rasch, so daß in 21/2 — 3 Monaten
ausgedehnte Lupusherde sehr schön vernarbt sein können.
Verf. rühmt seiner Methode nach, daß entschieden mehr Fälle
recidivfrei bleiben, als anders behandelte. Die Aetzung mit Chlor-
zink hat deshalb so große Vorzüge, weil sie das Blut nicht zur Ge-
rinnung bringt; durch das Glüheisen wird infolge der durch die
Hitze eintretenden Eiweißgerinnung nicht viel genutzt, indem den
eiudringenden chemischen Substanzen dadurch der Weg verlegt wird,
was bei der versprengten und isolierten Lage der Tuberkelnester
nicht unwesentlich ist.
Neben der lokalen Behandlung ist natürlich großer Wert auf
die Ernährung zu legen und sind Begleiterscheinungen tuberkulöser
und skrofulöser Art sorgsam zu behandeln.
[Wenn Verf. an mehreren Stellen „Dauersporen“ des Tuber-
kelbacillus für die Hartnäckigkeit des Lupus verantwortlich
macht, so kann Ref. in dieser Behauptung vorläufig nur eine Hypo-
these erblicken.] Kurt Müller (Halle).
Adossides, Alex., Ueber den heutigen Stand der Thera-
pie der Peritonitis tuberculosa. [Aus der chirurgischen
Klinik zu Halle a. S.] [Inaug.-Diss.] Halle 1893.
Die Arbeit enthält eine Zusammenstellung von 405 wegen tuber-
kulöser Peritonitis ausgeführten Laparotomieen und teilt 6 neue
Fälle aus der chirurgischen Klinik des Herrn Professor von Bra-
mann mit.
An der Hand dieser Fälle werden die Aetiologie, die patho-
logische Anatomie, die Symptome und der Verlauf, die Diagnose und
Prognose der tuberkulösen Peritonitis besprochen. Nach Abhandlung
über die Technik der Laparotomie werden die Kontraindikationen, die
Recidive und schließlich in einem längeren Abschnitte die Theorieen
über die Laparotomiewirkung besprochen. Besonderes Interesse be-
ansprucht es, den Prozentsatz der erzielten Heilungen zu erfahren.
524 Schutzimpfung, kiinstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Die Gesamtmortalität bei den 405 Fällen beträgt 27 Proz., wo-
von 10 Proz. dem Eingriffe direkt zur Last fallen. Bei Kindern
ist das weibliche Geschlecht mit 66 Proz., bei Erwachsenen
mit 90 Proz. unter diesen Fällen vertreten. Heilungen sind erreicht
bei Erwachsenen
in der exsudativen Form 73 Proz.
in der trockenen sog. plastischen Form 62 „
in den Formen mit Ileus 23 „
in der eiterigen Form 50 „
in den Formen mit Genitaltuberkulose 63 „
bei Kindern
84 Proz.
62 „
30 „
72 „
Zum Schlüsse der Arbeit ist eine ausführliche Tabelle über die
405 in der Litteratur bekannt gewordenen Laparotomiefälle bei-
gegeben. Kurt Müller (Halle).
Laser, Hugo, Ueber den Einfluß der Citronensäure auf
den Diphtheriebacillus. [Aus dem hygienischen Institute in
Königsberg i. Pr.] (Hygienische Rundschau. 1894. No. 3.)
Aus der mir zugänglichen Litteratur ersah ich, daß d’Espine,
Abadie, Loeffler und Babes die Anwendung der Citronensäure
bei Diphtherie empfehlen, während Ferrän behauptet, daß dieselbe
wirkungslos gegenüber der Entwickelung der Diphtheriebacillen ist.
Ich machte zunächst entwickelungshemraende und abtötende Ver-
suche mit Citronensaft, resp. Citronensäure in verschiedenen Kon-
zentrationen; aus der großen Reihe der von mir angestellten Versuche
sollen nur zwei Resultate mitgeteilt werden:
1) 15 Tropfen 6,5-proz. Citronensäure bewirken Abtötung, 10
und 5 Tropfen erst Entwickelungshemmung, dann Abtötung, und
zwar töten 15 Tropfen 6,5-proz. Citronensäure in 10 ccm Diphtherie-
bouillon = 0,48 Proz. in 5 Stunden die Bakterien.
2) 1 ccm 50-proz. Citronensäure ist imstande, in 10 ccm
Diphtheriebouillon (= 5 Proz.) die Bacillen in 4 — 5 Minuten zu
töteu. Es besitzt also die 5-proz. Citronensäure eine stark desinfi-
zierende Kraft den Diphtheriebacillen gegenüber.
Es wurden nunmehr 3 Meerschweinchen an der Vagina mit
Diphtherie geimpft; nachdem sich Membranen gebildet hatten, wurden
2 mit Citronensäure behandelt, das dritte, welches zur Kontrolle
diente, nicht; letzteres wurde gesund ebenso wie die behandelten
Tiere, allerdings erst circa 5 Tage später.
Ein auderer Versuch zeigte, daß die Citronensäure 5 Proz. in
einer diphtheritischen Membran, wenn sie mehrmals aufgetupft wird,
die Bacillen vernichtet.
Nach diesen Versuchen wandte ich die Citronensäure auch beim
Menschen an. 15 wahre Diphtheriefälle, bei denen die Diagnose
durch die bakteriologische Untersuchung erhärtet wurde, kamen zur
Behandlung; 14 davon heilten in durchschnittlich 3 Tagen, nur
1 Kind starb, bei welchem die Membranen mehr Streptokokken
als Diphtheriebacillen enthielten, am nächsten Tage. Schwere Falle
von Angina follicularis, von denen circa 70 zur Behandlung
gelangten, heilten in 1 — 2 Tagen.
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 525
Gereicht wurde die Citronensäure: 1) innerlich 5 — 10 Proz. Acid.
citric; davon 1 Eßlöffel mit einem Glase Wasser verdünnt; 1 — 2-stdl.
1 Eß- resp. Theelöffel; dieselbe Lösung benutzten größere Kinder
zum Gurgeln. Außerdem erhielten alle rohe Citronen zu essen,
kleine Kinder starke Citronenlimonade zu trinken.
Autoreferat.
Grulber, M., Ueber die Löslichkeit der Kresole in
Wasser und über die Verwendung ihrer wässerigen
Lösungen zur Desinfektion. (Archiv für Hygiene. Bd.
XVII. p. 618.)
Bisher hat man die Kresole durch Mineralsäuren, Alkalilaugen,
durch Harz und Fettseifen, ferner durch andere Alkalisalze gewisser
organischer, besonders aromatischer Säuren reichlich in wässerige
Lösungen übergeführt und so entstanden die verschiedenen Vor-
schriften zur Herstellung von Desinfektionslösungen aus 100-proz.
Karbolsäure und Teerkresol, sowie die Handelserzeugnisse Lysol,
Solutol, Solveol u. s. w. Jedoch die Frage nach der Löslichkeit der
Kresole in W'asser und nach der etwaigen Wirksamkeit ihrer rein-
wässerigen Lösungen hat man ganz beiseite gelassen. Grube r
machte nun Versuche über die Löslichkeit der Kresole in Wasser
allein, und wies nach, daß die Löslichkeit des Ortho- und Para-Kre-
sols, sowie des Gemisches der Kresole gar keine so geringe ist, als
man sich dachte. Hinsichtlich ihrer Wirksamkeit stellte sich heraus,
daß eine Lösung von 1 Volumprozent Teeröl-Kresol
in Wasser den M. pyogenes aureus binnen x/2 Minute
mit Sicherheit tötet, x/2 Volumprozent dieselbe Kokkenart
binnen 10 — 12 Minuten, den Choleravibrio binnen 1 — 2 Minuten
u. s. w. Die wässerige Kresollösung ist farblos, auch bei Verwendung
von hartem Brunnenwasser völlig klar (im Gegensätze zu den Kresol-
seifenlösungen, welche mit gewöhnlichem Wasser hergestellt, infolge
der Bildung von Erdalkaliseifen trübe sind, so daß darin liegende
Instrumente undeutlich gesehen werden) und macht Haut und In-
strumente nicht schlüpfriger, als Wasser. Sie besitzt einen keines-
wegs unangenehmen, aromatischen Geruch. — Wegen der geringen
Giftigkeit und geringen Konzentration dürfte die 1-proz. Kresollösung
ein relativ harmloses Desinfektionsmittel sein. Der Preis ist ein
mäßiger.
Verf. glaubt daher die 1-proz. wässerige Lösung
des T ee r öl- K r esols den Chirurgen und Operateuren
überhaupt nachdrücklichst zum Versuche empfehlen zu sollen. Zum
Schlüsse macht Verf. darauf aufmerksam, wie rasch die Desinfek-
tionswirkung aller Phenole und Phenolpräparate mit der Zunahme
ihrer Verdünnung abnimmt. Wie schon erwähnt, tötet 1-proz. Kre-
sollösung Aureus kokken binnen x/2 Minute, x/2-proz. aber erst nach
10 — 20 Minuten; in l/4-proz. Lösung bleiben die Aureus keime noch
stundenlang am Leben. Man hüte sich also davor, das Kresolöl
oder die 100-proz. Karbolsäure in größerer als der hier angegebenen
Verdüunung zu verwenden, da sonst der gewünschte Erfolg ausbleiben
würde. M. Kolb (München).
526 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Carstens, Andr., Ueber Fehlerquellen bei der Ernährung
der Säuglinge mit sterilisierter Milch. (Jahrbuch für
Kinderheilkunde. Neue Folge. No. 36. p. 144.)
Die vorliegende Arbeit verdankt ihr Entstehen dem Bestreben,
die Säuglingsernährung mit sterilisierter Milch für das Leipziger
neue Kinderkrankenhaus im großen Maßstabe einzuführen. Gleich
zu Anfang dieses Versuches zeigte sich, daß die entgegentretenden
Schwierigkeiten bedeutende waren. So ergab die Verabreichung
einer in der Küche des Hauses nach Soxhlet sterilisierten Milch,
welche von einem :}/4 Stunden entfernten Gute stammte und den an
eine gute Marktmilch zu stellenden Anforderungen in chemischer Be-
ziehung entsprach, schlechte Resultate: Es traten besonders bei
schon verdauungsschwachen Kindern Dyspepsieen und Durchfälle ein.
Gleich ungünstige Resultate wurden mit dem Zapfapparate
(Es eher ich) erzielt, den mau wieder aufgab, weil bakteriologische
Untersuchungen von Flaschen, die auf gewöhnliche Weise gereinigt
waren und in die Milch gezapft werden sollte, eine enorme Menge von
Keimen aufwiesen, auch wegen der nur schwer zu reinigenden Zapf-
vorrichtung am Boden des E scher ich’ sehen Apparates. Man kehrte
zum Soxhlet’ sehen Systeme zurück. Trotz aller möglichen Maß-
regeln, die eine anderweitige Infektion der Kinder verhüten sollten,
wurden die Resultate auch jetzt nicht bessere. Deshalb wendete man
nunmehr seine Aufmerksamkeit der hygienischen Beschaffenheit der
gelieferten Milch zu und überwachte gleichzeitig das Sterilisieren
persönlich. Zwei Fehlerquellen wurden ermittelt. Die Reinigung der
Flaschen war nicht vorwurfsfrei, und die Haltbarkeit der gelieferten
Milch ließ zu wünschen übrig. Man bemerkte nämlich an der Innen-
seite der beim oberflächlichen Betrachten spiegelblanken Flaschen bei
genauerer Inspektion kleine Trübungen und Wölkchen, die von nicht
entfernten Milchresten herrührten. Derartige Flaschen enthielten,
wie vergleichende Versuche mit tadellos gereinigten ergaben, etwa
20 mal soviel Keime als diese, und unter diesen ließen sich Arten
nachweisen, die auch durch Erhitzen auf über 100° C nicht zu zer-
stören waren. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, wurden die
Flaschen, welche in heißem Schmierseifenwasser gereinigt werden,
täglich von einer eigens für das Milchsterilisieren augestellten Wärterin
nach dem völligen Trocknen kontrolliert und die nicht genügenden an
den wolkigen Stellen mit Oelkreide versehen, zur nochmaligen Reinigung
in die Küche zurückgeschickt. Was die hygienische Beschaffenheit der
Milch anlangt, so ergab die Keimzahlbestimmung ziemlich hohe Werte,
(270 — 290000 Keime im ccm) und demgemäß auch die Inkubationszeit-
bestimmung, welche nach dem von Soxhlet angegebenen und vom Ref.
für die Praxis modifizierten Verfahren ausgeführt wurde, ungünstige
Resultate. Als recht bemerkenswert ist hier hervorzuheben, daß der
vom Ref. aufgestellte Satz, daß Milch, die beim 3-stündigen Verweilen
im Brütofeu bei 37° C eine Zunahme von Säure aufweist, auf Kinder
schädlich wirkt, im vollen Maße bestätigt wurde. Nach den Er-
fahrungen des Verf.’s läßt sich aber dieser Satz nicht umdrehen.
Wenn also eine Milch sich, ohne an Säure zuzunehmen, 3 Stunden
im Brütofen hält, so kann daraus noch nicht geschlossen werden,
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 527
daß diese nun auch unter allen Umständen für Kinder unschädlich
sein muß. Es ist deshalb mit Freuden zu begrüßen, daß der Verf.
ein Verfahren in der Leipziger Kinderklinik eingeführt hat, das auch
diese Fehlerquelle sicher vermeidet. Es werden von den sterilisierten
Milchflaschen (60) zwei, drei Tage im Brütofen bei 37° C gehalten
und die übrigen 58 erst dann an die Säuglingsstation abgegeben,
wenn die Milch in den Probeflaschen sich während dieser Zeit weder
im Geschmack noch sonst wie verändert hat. Sicher wird diese
Methode Vorzügliches leisten, wenn man gewiß ist, daß alle 60 Flaschen
gleichmäßig gut gekocht haben1).
Nicht genügend sterilisierte Milch bekommt nach einigen Tagen
bekanntermaßen einen intensiv bitteren Geschmack. Dieser beruht,
nach der Ansicht des Verf.’s, wahrscheinlich auf chemischer Um-
setzung ohne Mitwirkung der Bakterien (durch Toxine hervorgerufen,
die sich schon vor der Sterilisation der Milch gebildet haben). Verf.
schließt dies daraus, daß sich auf aeroben Platten, die von derartiger
Milch gegossen wurden, meist keine oder nur wenig Keime ent-
wickelten. Da aber anaerobe Platten, wie Ref. auf Erkundigung beim
Verf. erfuhr, nicht gegossen wurden, so bedarf dieser Punkt noch
weiterer Beachtung in diesem Sinne. Auf die weiteren Versuche des
Verf.’s, welche sich auf Prüfung der Reinlichkeit der Milch beim
Melken beziehen und die Vergleichung der jetzigen Milchquelle mit
der früheren, sowie die Vorschriften beim Verabreichen der Milch
an die Säuglinge kann hier näher nicht eingegangen werden.
Aus den Veröffentlichungen des Verf.’s gewinnt der Leser die
Ueberzeugung, daß es bei der nötigen Aufmerksamkeit und dem
nötigen Verständnisse sehr wohl gelingt, auch in einer großen Anstalt
Soxhlet’s Prinzip streng durchzuführen, eine Tbatsache, an deren
Möglichkeit leider noch von vielen Seiten gezweifelt wird.
Plaut (Leipzig).
1) Besonders müßte nach Ansicht des Ref. darauf geachtet werden, daß das
sogenannte Anziehen der Gummischeiben gleichmäßig gut erfolgt. Man kann nämlich
nur dann eine Milch als tadellos (nach S o x h 1 e t ’scher Methode) sterilisiert betrachten,
wenn sie in der Flasche nach dem Herausheben des Einsatzes aus dem Kochtopfe oder
nach dem Abheben des Deckels noch weiter kocht. Alle Flaschen, die direkt nach dem
Herausheben keinen aufsteigenden Schaum am Halse zeigen, sind, das haben zahlreiche
Versuche des Ref. erwiesen, als nicht genügend sterilisiert zu betrachten. Der Fehler
liegt meist au den zu groß gewordenen Gummischeiben. Solche Flaschen ziehen beim
Erkalten auch noch leidlich an, geben aber nicht die Erscheinung des Lufthammers so
deutlich, wie die regelrecht sterilisierten. Bei der obengenannten Probe ist also auf das
„richtige“ Anziehen gut zu achten, damit nicht trotz der günstig ausgefallenen Probe
später Milch verbraucht wird, welche sich nicht gehalten hat.
528
Neue Litteratur.
Neue Litteratur
zusammengestellt von
De. Abthue Wübzbubg,
Bibliothekar im Kaiserlichen Gesundheitsamt« in Berlin.
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tvromzuann8Cbe üuchdruckerel (Hermann ir*oiile) iu Jeu*.
Bakteriologie und Parasiteukunde.
In Verbindung mit
Oeb. Holt. Prof. Dr, IMart m Professor Dr. Loeffler
ln Leipzig In Greifswald
herausgegeben von
Dr. O. Uhlworm in Cassel.
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
XY. Band. -o- Jena, den 17. April 1894. -o- No. 15.
Preis für den Band (26 Nummern) 14 Mark.
Jährlich erscheinen zwei Bände.
— Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. -ff—
Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
kunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an
den Verleger, Herrn Gustav Eischer in Jena , gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage , später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original -Mittheilungen.
Ueber die Beziehungen der Bakteriologie zur allgemeinen
Mykologie und Physiologie x).
Von
Dr. C. Wehmer,
Privatdozenten an der Technischen Hochschule zu Hannover.
Allgemein bekannt ist es, daß unter den phanerogamen Pflanzen
sich manche vor den übrigen durch Besonderheiten im Stoffwechsel
1) Im Hinblick auf die gelegentlich hervortretende Unterschätzung, wie sie den
sogen. „Schimmelpilzen“ und ihrem Stoffwechsel zu teil wird, glaube ich die Ver-
öflentlichung obigen wesentlich Neues nicht bringenden Aufsatzes gerechtfertigt. Zu
den kürzlich von Frankland gegebenen Ausführungen (diese Zeitschr. 1894. No. 4)
stehe ich in einigen Punkten in Gegensatz und versuche den Gegenstand von einem
etwas allgemeineren Standpunkte zu behandeln, da ein Studium der Form- und Wesens-
XV. Bd. 34
534
C. Wehmer,
auszeichnen und physiologisch nur bedingte Aehnlichkeit mit ihnen
systematisch sehr nahestehenden Species aufweisen. So sei hier nur
an die farblosen parasitischen Blütenpflanzen (Cuscuteen, Rafflesia-
ceen) und andererseits an die specifische Giftstoffe produzierenden
Gewächse (Solaneen, Strychneen u. a.) erinnert: Jenen mangelt die
den meisten „höheren“ Pflanzen zukommende Fähigkeit der Pro-
duktion kohlenstoffhaltiger Verbindungen aus dem Endprodukte (C02),
diese dagegen liefern bei dem Umsätze derartiger Verbindungen
Zwischenprodukte ganz eigenartiger Natur und Wirkung. Greifen
wir noch ein weiteres aus der Fülle der Thatsachen heraus, so sehen
wir gegenüber den besondere Alkaloide produzierenden Gewächsen
solche, die durch die bemerkenswerte Fähigkeit der reichlichen Bil-
dung und Anhäufung freier organischer Säuren (Weinsäure, Aepfel-
säure, Oxalsäure, Citronensäure) ausgezeichnet sind, ohne daß auch
diese allen Species desselben Verwandtschaftskreises gleichmäßig zu-
kommt.
Die nach morphologischen und entwickelungsgeschichtlichen Mo-
menten vorgehende systematische Gruppierung umfaßt somit bei dem
oft verschiedenartigen „Wesen“ der zu einem Verwandtschaftskreise
zusammengezogenen Formen keineswegs immer physiologisch ähnliche
Species und die gelegentlich sich findende Auffassung, der zufolge
größere systematische Gruppen auch durch Besonderheiten des Stoff-
wechsels streng geschieden sind, wird durch die Thatsachen hin-
reichend widerlegt.
Jene soeben hervorgehobenen Differenzen sehen wir nun in gleicher
Weise bei den chlorophyllfreien K r y p t o g a m e n wiederkehren, deren
Ernährungsmodus überhaupt kein von dem der Phanerogamen funda-
mental verschiedener ist, solange wir wenigstens Ausnahmefälle nicht
zu Gruppenkennzeichen generalisieren. Es ist ja zur Genüge bekannt,
daß nur gewisse Bakterien Gärungs-, Krankheits- oder Fäulnis-
erreger sind — also bald organische Säuren bestimmter Qualität,
bald giftige, stickstoffhaltige Zersetzungsprodukte u. s. w. erzeugen,
während die größere Zahl derselben ebensowenig durch besondere
biologische oder physiologische Eigentümlichkeiten ausgezeichnet ist,
wie die Mehrzahl der Phanerogamen. Wir haben somit in derartigen
Merkmalen kein Charakteristikum der gesamten Gruppe zu suchen
und müssen das um so mehr betonen, als wir ganz gleiches auch im
Gebiete der gemeinhin als „Schimmelpilze“ bezeichneten Organismen
wiederfinden.
Von vornherein dürfen wir hier der Anschauung entgegentreten,
welche in den sogenannten Gärungs Vorgängen dem Wesen nach etwas
für die niederen Pflanzen — und speziell die Spalt- und Sproßpilze —
ganz Charakteristisches sieht; hiervon weiß die Physiologie, welche
die Erscheinungen im Gesamtgebiete der Botanik zu erklären strebt,
nichts* 1). Die farblose Zelle des Fruchtfleisches von Citrus, die in
kenutnis der Bakterien — ohne sich der Gefahr einer gewissen Einseitigkeit und ihrer
notwendigen Nachteile auszusetzen — kaum auf eine Berücksichtigung verwandter
Gebiete (also auch botanisch-physiologischer Fragen) verzichten darf.
1) Demgemäß läßt auch Pfeffer in den Gärungsorganismen eine der Anlage nach
in allen höheren Pflanzen vorhandene Fähigkeit in weitgehender Weise ausgebildet sein
Ueber die Beziehungen der Bakteriologie zur allgemeinen Mykologie etc. 535
ihrem Saftraume freie Citronensäure bis zu mehreren Prozenten an-
häuft, diejenige des Rhizoms von Sempervivum, welche 3 — 4 Proz.
Aepfelsäure ansammelt, die Alkohol bildende Zelle mancher Früchte
u. a. stehen nicht anders da, als die gleichfalls mit der erstgenannten
Fähigkeit begabte Zelle der Hyphe von Citromyces Pfefferia-
nus oder jene des Bacterium acidi lactici bez. der Saccha-
romyceten, welche den Zucker in Milchsäure bez. in Alkohol um-
bildet. In allen Fällen entstammt das Produkt, gleichviel welcher
Art, der Umformung des in die Zelle eingeführten organischen Nähr-
stoffes, denn es braucht wohl kaum darauf hingewiesen zu werden,
daß das den grünen Gewächsen eigentümliche Vermögen der Synthese
kohlenstoffhaltigen Materials aus der atmosphärischen Kohlensäure
ausschließlich den chlorophyllführenden Gliedern des Zellen-
staates einer derartigen Pflanze zukommt, alle farblosen Zellen
ernährungsphysiologisch aber nicht anders gestellt sind als die
unserer Pilze oder Bakterien. Ein Unterschied bei jenen jeweilig an
sich gleichen chemischen Vorgängen besteht zunächst nur in dem
verschiedenen Umfange derselben, der zum guten Teile aber in den
besonderen Bedingungen begründet ist, denn es liegt auf der Hand,
daß zunächst das Maß der Ansammlung des rasch exosmierenden
Produktes von der Möglichkeit einer solchen abhängig ist, diese
aber nur in Berührung mit erheblichen Flüssigkeitsmengen realisiert
wird. Es trifft das für die auf oder in großen Voluminis flüssiger
Medien kultivierten Pilzzellen, nicht aber für die Phanerogamenzelle
welche sämtliche derartige Produkte nur in einem engen Saftraume
speichern kann, zu x).
Von einer näheren Erörterung der verschiedenen Versuche, Vor-
gänge dieser Art durch Hypothesen verständlich zu machen, dürfen
wir hier wohl, und zwar mit Recht, absehen; an den Thatsachen selbst
ändern sie nichts und nur die in dem Gärungsbegriffe bereits liegende
Beschränkung („durch niedere Organismen bewirkte umfangreiche
Stoffzertrümmerungen“ u. s. w.) rechtfertigt sein Bestehen, wenn
schon wir die zu denselben Produkten führenden Stoffumsetzungen
innerhalb der Phanerogamenzelle sehr wohl mit dem gleichen
Namen belegen können. Hier registrieren wir dieselben in ihrer Ge-
samtheit einstweilen kurzer Hand als Phasen des Stoffwechsels oder
auch wohl als Aeußerungen der intramolekularen Atmung; sie sind
aber in gleicher Weise physiologische Leistungen der betreffenden
Zellen, wie die gewöhnlich unter Kohlensäureentbindung vor sich
gehende Bildung der gleichen chemischen Verbindungen (Säuren,
Alkohole, Basen u. s. w.) durch Pilze verschiedener Art.
Die heutige Bakteriologie, welche durch intensive Arbeiten der
letzten Jahre zu einem umfangreichen Spezialgebiete geworden, wird
(Pflanzenphysiologie. Bd. I. p. 365). Im ganzen erscheinen mir jedoch für das Maß der
Aeußerung jener Fähigkeit mehr die eigenartigen Umstände (Vegetation isolierter Zellen
in flüssigen Medien) entscheidend, wie ja auch hei Phanerogamen derartige Prozesse
gerade in sehr saftreichen Organen (Früchte) verlaufen.
1) Da die fortschreitende Ansammlung eines nachteiligen Stoffwechselproduktes seine
Entstehung selbst inhibiert, so bestimmt allein das Volumen seine absolute Menge.
Quantitative Belege für diese bekannte Thatsache gab ich neuerdiugs für die Oxalsäure
(s. unten).
34
536 •
C. Wehmet,
nur mit Nachteil ihre Beziehungen zu der Botanik als Mutterwissen-
scbaft und speziell zu deren Physiologie lockern können, sie bedarf
nicht nur der Unterstützung von seiten rein chemischer Forschung,
sondern insbesondere auch der Fühlung mit den Ergebnissen und
den Anschauungen, welche botanisch-physiologische Untersuchungen
zu Tage fördern. Ein Hinweis hierauf erschiene überall überflüssig,
wenn er nicht für einige Fälle angebracht wäre, denn thatsächlich
sind ja die Bakterien nicht Organismen sui generis, sondern — trotz
der Morphologen — den anderen niederen Kryptogamen ihrem Wesen
nach sehr nahestehend, so daß eine Berücksichtigung dieser somit
auch insbesondere ein Verständnis ihres Stoffwechsels erleichtert.
Wie das Leben selbst, so bilden auch die chemischen Vorgänge
als der nächste Ausdruck desselben das allgemein verbindende Glied
zwischen den verschiedenen Zweigen der biologischen Forschung,
und wie einerseits die Untersuchung solcher bei Bakterien für das
Gesamtgebiet unstreitig von hohem Interesse, so tragen andererseits
hier gewonnene Erkenntnisse wesentlich zu einer sachgemäßen Be-
urteilung jener bei.
Im ganzen will es uns jedoch bedünken, als ob wir uns in einer
Zeit befinden, in der die unablässig weiterarbeitende und weiter-
strebende Bakteriologie ihr Schwestergebiet — oder wohl richtiger
ihre Mutter — , die mykologische Forschung, erheblich überflügelt
hat und ihr dem zufolge auch wohl nicht immer ganz gerecht wird.
Dem gegenüber ist aber die Notwendigkeit eines engeren Zusammen-
schlusses dieser beiden zu betonen und auf das Wünschenswerte
einer Stellung der Bakterien innerhalb des Bereiches und nicht
neben den „Pilzen“ hinzuweisen, wie solche äußerlich in unseren
größeren systematischen Werken (Schröter, Winter, Saccardo)
übrigens auch eingehalten wird, so daß wir hier durchweg die be-
kannte Dreiteilung in Schleim-, Spalt- und echte Pilze (Myxomyceten,
Bakterien, Eumyceten) finden. Lassen wir die ersteren einmal ganz
bei Seite und beschäftigen uns kurz mit der Stellung der beiden
letzteren zu einander, so laufen die Differenzen im wesentlichen auf
Besonderheiten des Vegetationskörpers und der Art seines Wachs-
tums, sowie der Vermehrung hinaus, ohne natürlich streng durch-
greifende zu sein, denn wo immer der Mensch Grenzlinien zieht,
werden solche künstliche sein. Es ist weder ersterer bei den
Eumyceten stets als „Hyphe“ entwickelt, noch ist derselbe bei den
Spaltpilzen stets streng einzellig, wie ja andererseits auch die
vegetative Zelle der Fadenpilze physiologisch oft selbständig ist.
Intercalares Wachstum weisen — wie es scheint — die sub-
mersen Fäden der letzteren mehrfach auf, und bei der Faden-
entwickelung gewisser Spaltpilze dürfte auch Spitzenwachstum
mit in Frage kommen, welches den Sproßpilzen wiederum fehlt. Es
fragt sich überhaupt noch, inwieweit auf diese Charaktere besondere
Eigentümlichkeiten in der Lebensweise von Einfluß sein können. Die
Ei n zelligkeit an sich kann schon gegenüber den Hefepilzen nicht
sehr ins Gewicht fallen, wichtiger wäre vielleicht der Vermehrungs-
modus durch fortgesetzte Zweiteilung und die meist sehr win-
zigen, wenige u nicht überschreitenden Dimensionen. Uebrigens
üeber die Beziehungen der Bakteriologie zur allgemeinen Mykologie etc. 537
dürfen wir nicht übersehen, daß die Aufnahme der Saccharomyceten
unter die „Mycelpilze“ auf Grund deren Sporenbildung eine
Inkonsequenz einschließt und noch weniger gerechtfertigt ist als die
der niederen Chytridiaceen. Wollen wir derartige, oft sehr unregel-
mäßige endogene Sporenbildungsvorgänge (in Ascis) als wichtiges
systematisches Merkmal und durchgreifendes Unterscheidungsprinzip
festhalten, so gelangen wir wohl kaum stets zu befriedigenden Er-
gebnissen und müßten gegebenenfalls selbst einen Spaltpilz unter die
Ascomyceten aufnehmen. Von einem typischen Mycel bei Saccharo-
myceten kann aber nach den bisher vorliegenden Abbildungen kaum
die Rede sein, andernfalls müßte man auch Fadenbildungen mancher
Bakterien als solches ansprechen.
Es ist nun ein mehrfach wiederkehrender und zu Mißverständ-
nissen Veranlassung gebender Uebelstand, daß einige Bakteriologen
und Gärungsphysiologen sich mit den gesamten Eumyceten, deren
Zahl die der gut bekannten Spaltpilze um mehr als das Hundertfache
übertrifft, kurzerhand als mit „Schimmelpilzen“ abfindet, obschon
weder eine derartige systematische Gruppe existiert, noch der
Ausdruck überhaupt zutreffend ist. Allerdings bedient man sich
vielfach dieser Bezeichnung auch in botanischen Kreisen, versteht
dann aber darunter nur ge wisse Pilzformen, die durch die Art der
Ausbreitung auf dem Substrat jene bekannten fädig-wolligen (schimmel-
artigen) Ueberzüge hervorrufen, im übrigen aber ganz verschiedenen
systematischen Abteilungen angehören (Mucorineen, Peronosporeen,
Aspergilleen). Keineswegs ist dies aber ein Kennzeichen der meisten,
geschweige denn aller Eumyceten, denn Uredineen, Ustilagineen,
Oomyceten, Basidiomyceten und Ascomyceten sind doch im ganzen
mit einer derartigen Bezeichnung höchst unzutreffend charakterisiert,
und niemand wird wohl den Getreiderost (Uredo), die Trüffel oder
den FJiegenschwamm im Ernst und mit Recht als „Schimmelpilz“
bezeichnen oder gar mit dieser Benennung treffend charakterisieren.
Die Benennung ist aber trotzdem ebenso häufig wie verbreitet und
jedenfalls besser durch den Ausdruck „Fadenpilze“1) zu ersetzen,
von denen dann die hefeartigen Formen als Sproßpilze aus-
zuschließen sind; diese Bezeichnungsweise wird wenigstens dem
Dinge in einer Beziehung gerecht.
Für uns hat hier nur der Stoffwechsel dieser Gruppe Inter-
esse, einmal um darauf aufmerksam zu machen, daß wir über den-
selben keineswegs noch so unorientiert sind, wie die Sache bisweilen
dargestellt wird, dann aber auch, um zu zeigen, wie sich hier die-
selben Erscheinungen wiederholen, die wir teilweise von Phanero-
gamen wie Bakterien bereits kennen. Es ist aber sicher, daß wir
hier noch vor einem Gebiete stehen, dessen Studium bisher über
Gebühr vernachlässigt wurde, obschon es als von höchstem Interesse
bezeichnet werden darf. Stoffwechselfragen allgemeinerer Bedeutung
sind überhaupt mit weit mehr Sicherheit und Erfolg innerhalb
dieser reichhaltigen Gruppe mit gut charakterisierten Formen
durchzuführen, als bei den Spaltpilzen, wo nur geschulte Forscher
1) Der sich dann allerdings nicht mit „Hyphomyceten“ decken würde.
538
C. Wehmet,
vor mancherlei naheliegenden Täuschungen sicher sind und nicht
wenige der bisher vorliegenden Resultate sich auf unreine Kulturen
beziehen. Im übrigen liegen aber, wie bereits oben angedeutet,
durchgreifende fundamentale Differenzen in dieser Hinsicht nicht vor,
und wir dürfen, ohne uns dem Vorwurfe des Optimismus oder einer
nicht sachgemäßen Beurteilung auszusetzen, hier mit einigem Rechte
auch fast alle jene Besonderheiten erwarten, durch die manche Bak-
terien ausgezeichnet sind.
Dem entspricht denn auch, was wir zur Zeit bereits über die
physiologischen Leistungen der Angehörigen dieser Gruppe wissen.
Sehen wir von der Produktion verschiedenartiger Fermente (diasta-
tische, invertierende, peptonisierende, emulgierende, celluloselösende) —
von denen das einer allgemeiner bekannten Art selbst in großem
Maßstabe zu Verzuckerungsprozessen verwendet wird x) — ganz ab,
so sind manche dieser Fadenpilze in gleichem Sinne Gärungs-
erreger1 2) wie gewisse Bakterien oder Saccharomyceten , trotz
der sich noch gelegentlich findenden veralteten Angabe, derzufolge
sie das Substrat nur zu Kohlensäure und Wasser verbrennen sollen 3) ;
— eine Eigenschaft, die natürlich für die meisten Formen beider
systematischen Gruppen gleichmäßig zutrifft, und nichts für die
eine derselben charakteristisches betont. So wenig experimentelle
Untersuchungen — deren Fehlen zum guten Teil der wenig ver-
breiteten Formenkenntnis dieser umfangreicheu Gruppe entspringt
— bisher auch nach dieser Richtung erst vorliegen, so wissen wir
doch bereits, daß eine Anzahl derselben in Zuckerlösung bei sub-
merser Vegetation — also unter den gleichen Wachstumsbedin-
gungen wie Spalt- und Sproßpilze kultiviert — (Mucorineen, Ustila-
gineen u. a.) A lko holgär ung4) erregt5). Andere wieder rufen
auf dem gleichen Substrat eine lebhafte Oxalsäure-6) und
Citronensäuregärung7) hervor, sodaß die Mengen der er-
zeugten Säuren 50— 100 °/0 des angewandten Zuckers betragen können.
Die näheren Bedingungen entsprechen ganz denjenigen bei der durch
Spaltpilze veranlaßten Essiggärung sowie mancher Milchsäuregärungen
1) Aspergillus Oryzae wird für die Reiswein-Gewinnung in Japan seit Jahr-
hunderten fortgezüchtet.
2) F. Cohn, der hierauf bereits früher hinwies, faßt jedenfalls den Gärungs-
begriff allzuweit, wenn er auch die durch ausgeschiedene Fermente bewirkten Stoff-
umwandlungen (Verzuckerung) hierher rechnet. (S. B. d. Schles. Ges. f. vaterl. Kult.
Bd. LXI. 1883. p. 226.)
3) cf. u. a. Frankland 1. c. p. 105; desgl. Reinitzer, welcher glaubt, daß
ähnliche Beobachtungen für die höheren Pilze und übrigen Pflanzen noch nicht ge-
macht sind (Ber. d. D. Bot. Gesellsch. 1893. p. 532). Von der neueren Litteratur
ganz abgesehen, ist solches schon aus Pfeffer, Pflanzenphysiologie. I. p. 365 zu
entnehmen.
4) Nach den Arbeiten von Brefeld, Gayon u. A.
5) In Medien anderer Zusammensetzung werden so voraussichtlich auch andere
Produkte auftreten, doch ist der Nachweis hierfür bisher noch nicht einmal versucht
worden.
6) So insbesondere Aspergillus niger van Tiegh. (Vergl. C. Wehmer,
Entstehung und physiologische Bedeutung der Oxalsäure i. Stoffwechsel einiger Pilze
in Bot. Zeitg. 1891.)
7) C. Wehmer, Zwei neue Schimmelpilze als Erreger einer Citronensäure-
Gärung. (,, Beiträge z. Kenntn. einheimischer Pilze“. I. 1893.)
üeber die Beziehungen der Bakteriologie zur allgemeinen Mykologie etc. 539
und die Vorgänge selbst sind nach Bedingung und Verlauf über-
haupt nicht wesentlich anderer Art. Weiterhin werden auch Eiweiß-
stoffe von diesen Organismen unter reichlicher Produktion von Am-
moniakverbindungen oder Derivaten zersetzt *), und es ist zur Genüge
bekannt, daß der Stoffwechsel mehrerer Arten (Agaricineen, Claviceps
u. a.) reichlich toxische Substanzen (stickstoffhaltige Basen) liefert,
die an Wirkung denjenigen gewisser Phanerogamen (Strychneen, So-
laneen) und Bakterien nicht nachstehen. In Verfolg der weiteren
Erforschung derartiger Prozesse eröffnet sich dem experimentellen
Mykologen ein Gebiet, welches voraussichtlich noch manche wert-
vollen Erkenntnisse birgt, denn bisher ist die Zahl der methodisch
in Kulturen bearbeiteten Arten eine gänzlich verschwindende, ob-
schon für alle die Möglichkeit einer derartigen künstlich herbei-
geführten Vegetation offen zu halten ist.
Aber auch eine Reihe speziellerer Fragen von allgemeinem
Interesse, deren Lösung dem Bakteriologen teilweise noch am Herzen
liegt, hat die physiologisch-mykologische Forschung bereits beant-
wortet, und wir wissen hier mehrfach von den „Schimmelpilzen“
thatsächlich mehr als von den Spaltpilzen. Hier sei nur die eine
Frage nach den Beziehungen zwischen spezifischer Natur, Substrat
und Stoffwechselprodukt gestreift1 2).
Wie verschiedene Organismen auf gleichem Substrate quali-
tativ verschiedene Nebenprodukte bilden können, aber keineswegs
stets bilden müssen, so vermag gleiches derselbe Organismus
auf chemisch von einander verschiedenen Substraten, denn im all-
gemeinen wird der chemische Charakter dieses — neben der Natur
der Species selbst — auch den Chemismus in einem gewissen Grade
beeinflussen, so daß, wenn wir endlich noch einen dritten Punkt —
die physikalischen Außenbedingungen — in Rechnung ziehen, im
wesentlichen durch drei Faktoren eine bestimmende Wirkung auf
den Verlauf des Prozesses ausgeübt wird. Mit anderen Worten:
Es kann die einem beliebigen Organismus zukommende besondere
Fähigkeit nur unter bestimmten Umständen zum Ausdruck
kommen, so daß, um ein Beispiel zu geben, der freie Citronensäure pro-
duzierende Citromyces diese besondere Eigentümlichkeit in merklichem
Grade nur bei der Ernährung durch Zucker, und zwar insbesondere bei
optimaler Wachstumstemperatur zum Ausdruck bringt, während bei
der Ernährung durch Eiweiß u. a. die Reaktion nicht dieselbe ist,
und somit auch das gewünschte Produkt ausbleibt 3). Das ist ja auch
bei der gut bekannten Oxalsäuregärung des Aspergillus niger
nicht anders und die Giltigkeit dieser Thatsache sollte zur Zeit mit
1) C. Wehm er, Oxalsaures Ammon als pilzliches Stoffwechselprodukt bei der
Ernährung durch Eiweiß. („Jahresber. d. Naturhist. Gesellsch. z. Hannover“. 1892.
p. 99.)
2) Bezügliche Angaben liegen übrigens auch bereits für einige Spaltpilze vor ;
vergl. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. I. p. 363 und Näheres in den Arbeiten von
Pitz, sowie bei Schützenberger, Ad. Mayer, Pasteur u. A. — Detaillierte
Belege werden freilich gelegentlich vermißt.
3) Aehnliches haben wir ja auch bei den Essigsäurebakterien, welche nach An-
gabe nur Alkohol und nicht Zucker zu Essigsäure vergähren, vor uns.
540
C. Wehmer,
etwas mehr Nachdruck betont werden, da sie gelegentlich in bak-
teriologischen Arbeiten nicht immer hinreichend beachtet wird, ob-
schon sie in gleichem Maße selbstverständlich ist, wie die Abhängig-
keit anderweitiger Funktionen des Organismus von irgend welchen
Bedingungen.
Wennschon dieser im allgemeinen auf demselben Substrat
auch stets die gleichen Nebenprodukte erzeugt oder jedenfalls doch
erzeugen kann, so darf dabei doch ein weiterer Punkt nicht über-
sehen werden und dieser betrifft die morphologische und physio-
logische Ungleichwertigkeit der Zellen; thatsächlich kommt es so
zur Bildung verschiedener chemischer Stoffe in örtlich ge-
trennten Regionen desselben Pilzkörpers aus dem gleichen Nährstoff,
und das ist eigentlich nur durch eine im Wesen der verschiedenen
Zellen liegende Ungleichheit zu erklären. Es werden besondere
Farbstoffe (grün, braun, gelb, schwarz) in festem oder löslichem Zu-
stande erzeugt von den Conidienträgern und Conidien zahlreicher
Fadenpilze, obschon das Mycel dauernd farblos bleibt, und ein plau-
sibler Grund zu diesem abweichenden Verhalten jener Zellen des
gleichen Organismus nicht zu sehen ist, — ein Grund farbige
chemische Substanzen von ungefärbten scharf abzutrennen aber
schlechterdings nicht vorliegt. Unser Verständnis der Erscheinungen
im lebenden Organismus hört hier auf, wir können sie nur noch
registrieren, denn es ist nicht einzusehen, weshalb u. a. die Conidie
durch Farbstoffbildung sich färbt, während ihre Mutterzelle (das
Sterigma), aus der sie durch Sprossung hervorging, dauernd farblos
bleibt *). Hier haben wir eine Aenderung des Stoffwechsels von
Zellen gleicher „Art“, und das legt uns nahe, die Bedeutung der rein
chemischen Forschung für die Bakteriologie und speziell die Cha-
rakterisierung von Spezies nach Qualität und Quantität der gebildeten
Produkte nicht allzusehr zu überschätzen. Auf die physiologische
Ungleichwertigkeit der Generationen mancher Spaltpilze weisen einige
Thatsachen bereits hin (Degenerationserscheinungen, Verlust der
Pathogenität), und so liegt immerhin einiges vor, welches auch hier
für einen allmählich sich vollziehenden Wechsel in der Natur der
— morphologisch einander gleichen — Descendenten sprechen könnte,
obschon im übrigen die Frage noch keineswegs spruchreif erscheint.
Jedenfalls kommt darin aber wieder nur die allgemeine Erfah-
rung zum Ausdruck, daß eine Wesensgleichheit der sämtlichen
Zellen eines Individuums oder Organs bez. auch einer Kolonie nicht
faktisch oder notwendig existiert und aus Gleichem gegebenenfalls
Ungleiches — in morphologischer wie physiologischer Beziehung —
hervorgehen kann. So sei hier auch nur kurz an die ganz ver-
schiedenartigen Produkte der Cambialzellen der phanerogamen Pflanze,
oder überhaupt an die Thatsache, daß ein aus einer Zelle hervor-
gegangenes gleichmäßiges embryonales Gewebe zu ganz ungleichen
Zellformen führt, erinnert. Und doch wieder sind alle gleicher
1) Bei Phanerogamen sind derartige Erscheinungen ja allgemein bekannt (Farb-
stoffbildung in Blüten, Bildung von Chlorophyll, Oel, Kalkoxolatkrystallen, Aleuron-
körnern etc. in bestimmten Zellen).
Ueber die Beziehungen der Bakteriologie zur allgemeinen Mykologie etc. 541
„A r t“ in ganz demselben Sinne, wie die Descendenten einer Pilz-
oder Bakterienzelle, wennschon diese alsbald ihren näheren Zusammen-
hang aufgeben und wenigstens gestaltlich einander meist ähnlich bleiben.
Für die Wesensgleichheit ist aus letzterem Moment aber auf diesem
Gebiet nichts zu entnehmen.
Wir kommen nun auf diejenigen Fälle, wo nachgewiesenermaßen
durch die Entwickelungsbedingungen chemischer oder phy-
sikalischer Art eine Modifikation der Produkte veranlaßt werden
kann, und dafür liegen gerade bei den Fadenpilzen hinreichende Er-
fahrungen vor. Bei übrigens gleicher Ernährung (durch Zuckerlösung
z. B.) sehen wir ein neues Produkt gelegentlich auftreten, wenn der
betreffende Pilz zu einer submersen Lebensweise veranlaßt wird
(Alkoholbildung durch Muco r arten, Ustilagineen etc.) und nach be-
züglichen weiteren Versuchen ist dafür nicht gerade der Uebergang
in die Sproßform entscheidend. Ebenso spielt die Wachstums-
temperatur nachgewiesenermaßen ein gewisse Rolle, indem bei-
spielsweise eine ergiebige Oxalsäureproduktion bei mehreren Species
an niedere Temperaturen gebunden , durch höhere aber ausge-
schlossen wird, andere Stoffe (Ammonkarbonat) aber wieder gerade
unter diesen Verhältnissen entstehen können, ohne daß sonstige
Bedingungen eine Aenderung erfahren haben. Während im allge-
meinen die Farbstoffbildung unter wechselnden Verhältnissen ziemlich
konstant erscheint, sehen wir doch auch sie in einigen Fällen durch
die Temperatur sehr wesentlich beeinflußt (Penicillium luteum),
während andere Male das Substrat in noch nicht klargelegter
Weise influiert, so daß bald grüne, bald gelbe Stoffe auftreten
(Aspergillus flavus u. a.).
Erwähnen wir nur beiläufig die eigenartige Wirkung gewisser
Salze, welche Säuregärungen bald unterdrücken, bald ausnehmend
fördern1), so liegt endlich von vornherein klar, daß gerade che-
mische Verhältnisse innerhalb der Nährlösung auf die Art
der Produkte von Einfluß sein müssen. So liefert der Konsum einer
in Salzform gebotenen organischen Säure naturgemäß eine Basis
als Rest, die in der Mehrzahl der Fälle nunmehr durch irgend einen
anderen vom Pilze erzeugten sauren Körper Sättigung erfährt (wein-
saures Kali geht in oxalsaures Salz über), während die freie
Säure dagegen ohne Rest verbraucht wird x). Ebenso muß gegen-
über dem Kohlehydrat-, Glycerin-, Alkohol-Molekül dasjenige stick-
stoffhaltiger Verbindungen (Eiweiß, Gelatine) einen stickstoffreichen
Rest lassen, der als Salz oder Derivat des Ammoniaks auftritt, und
die Reaktion der Nährlösung in alkalischem Sinne zu beeinflussen
bestrebt ist, Entstehung freier Säuren aber ganz ausschließt. An
mehreren Beispielen sind diese Thatsachen bereits hinreichend klar-
gelegt 2).
Unter genauer Beachtung der chemischen Natur der Nährstoöe
läßt sich überhaupt der durch die Pilzvegetation erzielte Effekt be-
1) Einfluß von Chloriden, Sulfaten etc. auf die Oxalsäure-, Milchsäure-, Citronen-
säuregärung, über die zur Zeit bereits eine ganze Reihe von Angaben vorliegt.
2) C. Wehm er, Oxalsäure-Entstehung 1. c.
542
C. Wehmer
züglich der Reaktion in der Regel Vorhersagen, sobald man hierzu
die durch Konsum verschwindenden Gruppen ins Auge faßt. Lösungen
mit ternären (N-freien) Kohlenstoffverbindungen neigen auf Grund des
Charakters der Oxydationsprodukte dieser zum Sauerwerden, können
jedenfalls alkalische Reaktion meist erst nach Verbrauch des orga-
nischen Nährstoffes erlangen , während diese in stickstoffreichen
Flüssigkeiten durch die unvermeidliche und in überwiegender Menge
sich ansammelnden Ammoniakderivate ausnahmslos vorgeschrieben
ist, unter Umständen freilich durch die Qualität der anorganischen
Nährstoffe hinausgeschoben werden kann.
Alle diese Fragen sind aber keineswegs rein mykologischer bez.
bakteriologischer Art, sie gehören in das Gebiet des Stoffwechsels
überhaupt, und liegen somit auch nicht anders bei Phanerogamen,
obschon ihnen hier experimentell weit schwieriger nahezutreten ist.
Dagegen ist aber ihre Beantwortung bei niederen Organismen
besonders aussichtsvoll, und dieserhalb widmen wir ihnen hier auch
eine gewisse Aufmerksamkeit — aber nicht etwa, weil wir besonderen
nur diesen eigentümlichen Kräften nachspüren. Die Notwendigkeit
einer engeren Fühlung der bakteriologischen Forschung mit der all-
gemeinen Physiologie ergiebt sich damit aber wieder von selbst.
Die chemische Forschung, der wir überhaupt erst einen Einblick
in die Lebensvorgänge verdanken und die den Aeußerungen des
Lebens noch folgt, wo es dem Auge sich entzieht, spielt im Bereiche
der organischen Welt eine ganz hervorragende Rolle, denn sie er-
schließt uns das eigentliche Verständnis des Geschehens; dem gegen-
über dürfen wir ihr auch die Verwirrung verzeihen, welche sie in
vereinzelten Köpfen hervorgerufen, die nunmehr in chemischen
Vorgängen die Ursache desselben sahen und bei jeder Gelegen-
heit mit unreifen Hypothesen in ziemlich kritikloser Weise physio-
logischen Fragen nahetreten. Ihre Beziehung zur Botanik ist ja auch
eine sehr alte und wir verdanken ihr die Aufdeckung einer ganzen
Reihe von Eigentümlichkeiten unserer Pflanzen, wie wir denn ohne
sie von einer eigentlichen tieferen Kenntnis des pflanzlichen Körpers
nicht reden könnten. Bei ihrer Anwendung auf die niederen Orga-
nismen sucht sie deren Lebensbedingungen und -Eigentümlichkeiten
zu studieren, sie folgt den Wirkungen und schließt auf die Kräfte,
um diese mit dem innerhalb der Zelle der höheren Pflanzen zum
Ausdruck kommenden in Vergleich zu stellen. Sie soll aber nicht
weniger auch die Bedin g ungen der Prozesse studieren, da un-
streitig das höhere Interesse weniger der Natur der Produkte, als
vielmehr den Einzelheiten ihrer Entstehung, also dem Vorgänge selbst
zukommt, und somit bleibt ihr als Hauptziel, den Stoffwechsel in
seinen feineren Einzelheiten aufzuklären.
Umfangreichere und methodisch angestellte Versuche in dieser
Richtung liegen zur Zeit noch wenig vor, denn nur für einige Fälle
kennen wir die Beeinflussung des Resultates durch Abänderung be-
stimmter chemischer Faktoren in der Versuchsanstellung. Dazu ist
jedenfalls von den noch heute meist gebräuchlichen Nährlösungen
etwas summarischer Art bis zu einem gewissen Grade abzugehen,
und es hat eine genauere Berücksichtigung aller Bestandteile ein-
Ueber die Beziehungen der Bakteriologie zur allgemeinen Mykologie etc. 543
zutreten. Die Bedeutung derartiger, scheinbar recht unwesentlicher
Momente erhellt schon daraus, daß manche sonst gut nährenden
Substrate für gewisse Fälle untauglich sind und geringe Aenderungen
in der Wahl der Mineralsalze den Stoffwechsel sehr wesentlich beein-
flussen können, ohne daß wir zur Zeit über den eigentlichen Grund
etwas auszusagen vermögen.
Das gilt auch für die sich hier anschließenden Erscheinungen
der verschiedenen Nährfähigkeit isomerer Verbindungen, wie
des sogen, elektiven Stoffwechsels im Ganzen. Eine rasche und leichte
Zertrümmerung erleiden bekanntlich nur gewisse Zuckerarten,
während andere ihnen isomere oder fast identische teilweise recht
schwierig angegriffen werden. Bietet man Aspergillusarten ein
Gemenge fumar- und maleinsaurer Salze, so unterliegen dem Konsum
zunächst und fast ausschließlich die ersteren, wie denn auch die freie
Fumarsäure ein sehr geeigneter Nährstoff ist, während freie Malein-
säure selbst in relativ geringer Konzentration (von 0,5 Proz. an) in
gleichem Maße wie Oxalsäure aseptisch wirkt1). Aehnliches tritt
uns auch bei der durch Pilze veranlaßten Spaltung gewisser organischer
Verbindungen entgegen, so daß nach Pasteur bei Kultur auf
Traubensäurelösungen zunächst die rechtsdrehende Weinsäure ver-
zehrt wird; im übrigen möchte ich aber derartige Angaben der älteren
Litteratur, welche nicht immer der sachlichen Kritik in allen Punkten
einwurfsfrei gegenüberstehen, als der Nachuntersuchung wert hin-
stellen, ohne damit ihre Thatsächlichkeit in Zweifel ziehen zu wollen.
Wir wollen jedoch nie vergessen, daß derartige Erscheinungen allge-
meine Wirkungen lebender Zellen sind, also keineswegs etwa Besonder-
heiten niederer Kryptogamen, wennschon einzelne derselben sie aller-
dings in hervorragendem Grade darbieten. Andererseits sind aber
nicht wenige Angaben der neueren Litteratur über den temporären
oder dauernden Verlust derartiger Fähigkeiten infolge bestimmter
Kulturbedingungen zunächst noch mit einiger Reserve aufzunehmen,
denn thatsächlich wissen wir zur Zeit, daß selbst manche Form-
änderungen nur ein zeitweiliger Ausdruck der Bedingungen, also von
geringerer Konstanz sind. Die Chemie — falls solches in ihr Gebiet
schlägt — schuldet uns aber noch den Aufschluß darüber, weshalb
gewisse pathogene und zymogene Organismen unter bestimmten Um-
ständen eine Wesensänderung erfahren.
Es erweist sich auch wohl zweckmäßig, fernerhin mit der Bezeich-
nung „Gärung“ etwas weniger freigebig umzugehen; zunächst ist
dieser Begriff allmählich ein so weiter geworden, daß man Vorgänge
ihrem Wesen nach sehr verschiedener Art unter ihn aufgenommen hat
und schließlich jede chemische Leistung pilzlicher Zellen, sofern sie
nicht an die Wirkung besonderer Fermente geknüpft ist, darunter ver-
steht. Unstreitig sind aber die Alkoholbildung durch Hefe, die Milch-
säurebildung durch Bakterien, die Amraoniakbildung ebenfalls durch
letztere im einzelnen ungleich, da zumal das letztgenannte Produkt ein
Endprodukt des Stoffwechsels ist. Wenn man will, kann man ja
1) Male'iüsaures Kalium und Ammonium sind dagegen nährfähig, insbesondere für
manche Bakterien, schlechter für Fadenpilze, (cf. C. Wehmer, Die Maleinsäure
als Asepticum in „Beiträge zur Kenntnis einheimischer Pilze“. II.)
544
C. Wehmer,
die sogenannten Oxydationsgärungen von den übrigen abtrennen und
nur die bei Sauerstoffabschluß oder -Mangel bewirkten Zertrümmerungen
als Gärungen im engeren Sinne zusammenfassen; dann aber würde
manches bisher als „Gärung“ bezeichnetes anders zu benennen sein,
und ein Grund dafür ist auch nicht recht einzusehen, denn der
Sauerstoff ebenso wie die entbundene Kohlensäure haben eine nähere
Beziehung zunächst nur zu dem Organismus selbst, welcher
die chemischen Umformungen bewirkt, so daß dieser, wenn ihm die
Fähigkeit der Anaerobiose zukommt, ohnedies die gleichen Produkte
liefern kann (aerobe und anaerobe Milchsäuregärung u. a.). Kohlen-
säure ist überhaupt stets da und keine Leistung des Organismus ver-
läuft eigentlich ohne ihre gleichzeitige Entstehung, so daß es wohl
kaum gerechtfertigt ist, sie zum Charakteristikum des Gärungsbegriffes
zu machen, und selbst ihr gänzliches Fehlen (welches bei einigen
Säuregärungen voraussichtlich möglich ist) an dem Vorgänge nichts
ändert. Dieser ist eben eine mehr oder weniger komplizierte Leistung
der lebenden Zelle, eine ergiebige chemische Umformung des dabei
zertrümmerten Substrates, welche aber nicht bloß zu Endprodukten
des Stoffwechsels führt und sich darin gerade von der ihr natur-
gemäß sehr nahestehenden Atmung unterscheidet 1). Denn im
wesentlichen entscheiden nur die Umstände, ob ein Stoff glatt ver-
braucht, bezw. veratmet oder unter Bildung intermediärer Produkte
„vergoren“ wird. Rückt man jedoch den ernährungsphysiologischen
Wert der Produkte in den Vordergrund, so kann die ammoniakalische
Gärung des Harnstoffs u. a. schlechterdings nicht hierher gerechnet
werden, so daß schließlich als gemeinsames Merkmal wenigstens der
meisten derartigen Prozesse nur die chemische Zerspaltung organischer
Stoffe 2) durch einen lebenden niederen Organismus bleibt, — eine
Zerspaltung, die aber ebenso gut von jeder anderen pflanzlichen oder
tierischen Zelle auch vollführt wird.
Sproß- und Spaltpilzgärungen bieten in Bezug auf den Verlauf
insofern einiges Besondere, als sie meist innerhalb der Flüssig-
keiten verlaufen, wo die Bedingungen somit andere als auf der Ober-
fläche und jedenfalls weniger gleichmäßig sind, so daß dadurch auch
wohl die Natur der Produkte beeinflußt wird. Unregelmäßigere
Zersetzungen bewirken auch Fadenpilze bei submerser Vegeta-
tion. Im übrigen sind wieder die Spaltpilzgärungen je nach Species
und Substrat so sehr verschiedener Art, daß sie nichts weniger
als ein einheitliches Ganze bilden, und auch dieselbe Species
muß schließlich auf chemisch von einander sehr abweichenden Sub-
straten wieder ganz verschiedene Umsetzungen bewirken. So können
natürlich Essigsäurebakterien nicht auf Eiweißlösungen dieselbe
Reaktion hervorrufen und verhalten sich hier — wie auch andere
1) Die Produkte einer Zahl von Gärungen sind eben Erzeugnisse einer unvoll-
ständigen Atmung, d. h. einer nicht bloß zu den End produkten führenden Stoff-
zertrümmerung, so daß Atmung und Gärung überhaupt zusammengehören.
2) Was naturgemäß wieder für die sogen. Salpetersäuregärung nicht zutrifft. Andere
Vorgänge wie die sog. schleimige Gärung, die C e 1 1 u 1 o s e gärung gehören über-
haupt nicht hierher. Eine Zusammenstellung aller derartigen Vorgänge findet man bei
Frank, „Lehrbuch der Botanik“. I. 1892. p. 508.
Ueber die Beziehungen der Bakteriologie zur allgemeinen Mykologie etc. 545
Säuerungsvorgänge hervorrufende Arten — ganz wie Fadenpilze. Der-
artige ergiebige Oxydationsprozesse können ganz naturgemäß nur bei
Gegebensein bestimmter Kohlenstotfverbindungen stattfinden, es
verlaufen hier aber Spaltungen ebensowohl wie Oxydationen
(Sauerstofiübertragungen) bei den sogenannten Spaltungsgärungen und
eine Trennung nach diesen Gesichtspunkten ist nicht möglich ; zumal
kann eine „Oxydationsgärung“ wie z. B. gewisse Milchsäuregärungen
nach Angabe auch bei Luft a b s c h 1 u ß stattfinden, da eben Oxydationen
im allgemeinen nicht bloß an die — übrigens nicht leicht ganz aus-
zuschließende— Gegenwart physikalisch gebundenen Sauersoffes
gekettet sind. Endlich haben wir ja auch noch keinerlei Recht, die
Entstehung organischer Säuren auf eine unmittelbare Sauerstoffüber-
tragung zurückzuführen und der meist üblichen Auffassung darf ent-
gegengehalten werden , daß die Citronensäuregärung von Zucker-
lösungen jedenfalls für diesen Fall das Gegenteil nahelegt, da natürlich
eine Säure mit anormaler Kohlenstoffkette nicht direkt — ohne Um-
formung — aus dem Zuckerraolekül ihren Ursprung nehmen kann.
Ebensowenig sind wir ja berechtigt, andere Gärungsvorgänge in den
Rahmen chemischer Formeln zu pressen1 2), die Aufstellung dieser
vielmehr nur ihr Verständnis erleichtern soll. Dem gegenüber finden
wir freilich nicht selten eine Auffassung, die als rein chemischer Art
ohne Erwägung anderweitiger Momente als unhaltbar gelten muß.
Zumal Bakteriengärungen sind in nicht wenigen Fällen relativ un-
regelmäßige Zersetzungen, bei denen aus mehreren Gründen Quantität
wie Qualität der Produkte selbst in scheinbar gleichgestellten
Parallelversuchen nennenswerten Schwankungen unterliegen kann.
Wir haben uns oben dafür ausgesprochen, daß die generellen
Lebensvorgänge im Bereiche der als Bakterien zusammengefaßten
systematischen Gruppe prinzipielle Besonderheiten nicht bieten und
die uns hier entgegentretenden Erscheinungen des Stoffwechsels sich
denen bei anderen Kryptogamen wie bei Phanerogamen anschließen,
wenngleich wir gewisse derselben unter einem besonderen Namen ge-
sondert zu behandeln pflegen, ohne daß diese aber wieder unter sich
überall eine nähere Verwandtschaft aufweisen und zumal sich teil-
weise denen von Fadenpilzen bekannten direkt anreihen.
Dem entsprechend schließen sich auch allgemeine Ziele und Me-
thoden der bakteriologischen Forschung — ohne wesentlich Ab-
weichendes zu bieten — enger insbesondere an die der mykologischen
Forschung überhaupt an, denn einmal bezweckt die wissenschaftliche
Bakteriologie eine Kenntnis der Formen und ihrer Lebenseigentümlich-
keiten, ein andermal sucht sie diese zu erreichen durch direkte Beobach-
tung und Experiment, dessen Form hier vorzugsweise die unter bestimmten
Gesichtspunkten bewirkte Kultur ist. Das ist bei Kultur von Faden-
pilzen nicht anders, wennschon hier auch mehr morphologische und
entwickelungsgeschichtliche Ermittelungen in den Vordergrund treten,
1) U. a. erweisen schon die mannigfachen Nebenprodukte, daß wir es mit recht
komplizierten chemischen Reaktionen zu thun habeD, die sich in ihren einzelnen Phasen
unserer Einsicht ganz entziehen.
2) cf. H u e p p e , Untersuchungen über die Zersetzung der Milch durch Mikro-
organismen. („Mitteil. d. kaiserl. Gesundheitsamtes“. II. 1884. p. 371.)
546
Nicola Bochicchio,
während die Speciesdiagnose der gestaltlich meist sehr uniformen Bak-
terien nicht selten zu biologisch-chemischen Charakteren greifen muß.
Im übrigen sind aber die für die Methoden gütigen Gesichtspunkte
die gleichen, und die Bakteriologie hat nur den Vorteil, daß jene für
ihr Gebiet sehr speziell durchgearbeitet und den Einzelfällen genau
angepaßt sind, während der experimentierende Mykologe zur Zeit noch
über eine recht beschränkte Zahl von Vorarbeiten verfügt und somit
mehrfach den Untersuchungsgang dem Einzelfalle anzupassen bemüht
sein muß. Der selbstverständliche Ausgang jeder derartigen, eine
bestimmte Species betreffenden Forschung, von deren wirklich noto-
rischen Keimen, bedarf keiner Hervorhebung, es ist das nicht
anders, wie wenn z. B. — unter Benutzung eines recht trivialen Bei-
spieles — der Landwirt zur Erzielung einer Weizenernte auch Früchte
dieser Species zur Aussaat benutzt. Resultate, die der Forscher aus
nicht nachgewiesenermaßen reinen Kulturen erhält, haben somit
eine sehr untergeordnete Bedeutung.
Einen nicht zu unterschätzenden Vorteil zieht die heutige Bak-
teriologie aus ihrer Verbindung mit dem täglichen Leben, der Hygiene
und Medizin, ihr verdankt sie ihren Aufschwung, ihre Selbständigkeit,
andererseits aber auch ihre Hinüberleitung in mehr praktische Bahnen,
die sie der rein wissenschaftlichen Botanik in gewissem Grade ent-
fremden. Dem gegenüber steht die allgemeine mykologische Forschung
erheblich zurück, und im wesentlichen nur durch ihre Beziehung zum
Gärungsgewerbe und der Pathologie unserer Kulturpflanzen vermag
sie sich ein weiteres Interesse zu wahren. Ich sehe darin aber
einstweilen keinen unbedingten Nachteil; erst die Zeit wird erweisen,
inwieweit sämtliche an den intensiven Betrieb rein bakterio-
logischer Forschung geknüpfte Erwartungen in Erfüllung gehen, und
welcher Anteil der Resultate später nur der Wissenschaft zu gute
kommt.
Hannover, 27. Februar 1894.
Ueber einen Milchzucker vergärenden und Käse-
blähungen hervorrufenden neuen Hefepilz.
Kurze Mitteilung
von
Dr. Nicola Bochicchio,
Prof, der Naturwissenschaften und Vicedirektor der königl. italienischen landwirtschaft-
lichen Schulen *).
Mit 3 Figuren.
Im Laufe meiner mikrobiologischen Studien über Italienerkäse
in dem bakteriologischen Institute der Universität Bern habe ich in
einem frischen, vier Tage alten lombardischen Granakäse
1) Eine vorläufige Mitteilung wurde hierüber in der naturforschenden Gesellschaft
in Bern den 3. März 1894 gemacht.
Ueber einen Milchzucker vergärenden etc. neuen Hefepilz.
547
der landwirtschaftlichen Schule in Brescia eine noch nicht be-
schriebene Hefeart gefunden.
Ich lasse vor allem die Angaben, die mir Herr Dr. Josef
Sartori, Prof, der Molkereichemie an der landwirtschaftlichen
Schule von Brescia (dem ich hier meinen Dank ausspreche), zu ver-
schaffen die Güte hatte, hier folgen:
Datum der Fabrikation des untersuchten Käses: 26. November
1893.
I. Z ootechnische Angaben:
Zustand der Tiere betreffend: 44 gesunde schweizerische Milch-
kühe.
Nahrung der Kühe: Heu und Gras der lombardischen
Marciti (im Sommer und Winter bewässerte Wiesen); das Gras
war feucht.
Außentemperatur: 8° C.
Temperatur in der Stallung: 20° C.
II. Technische Angaben:
Verarbeitete Milch:
Aufbewahrung in Gefäßen zur Aufrahmung:
Abgeschöpfter Rahm:
Erhaltene Butter:
Verwendetes Lab (1 : 80000):
Dauer der Koagulation:
Absetzenlassen des Koagulums:
Temperatur des ersten Erwärmens:
„ „ zweiten „
Dauer der beiden Erwärmungen:
Gewicht des Käses nach 24 Stunden:
Der Gang der Fabrikation war normal; die
Käses ebenfalls.
380 1
30 Stunden
20 1
7,500 kg
19 ccm
1 Std. 5 Min.
10 Min.
44° C
50° C
35 Min.
24 kg.
Eigenschaften des
III. Analyse der Milch:
Spez. Gewicht bei 15° C 1,0306
Wasser 87,50
Fett 3,45
Eiweißstoffe 3,50
Milchzucker 4,73
Mineralische Salze 0,77
Verlust 0,05
100,00
IV. Analyse des Käses, 16 Stunden nach seiner
Fabrikation.
Wasser 48,37
Fett 13,24
Eiweißkörper 31,88
Amide 1,02
Milchsäure 0,31
Milchzucker 1 ,50
Asche 3,71
100,03
548
Nicola Bochicchio,
Aus diesen Angaben ersieht man, daß dieser Granakäse zur
Gruppe der Hartkäse gehört; seinen Namen hat er vielleicht von
seiner granulierten Beschaffenheit.
Nach Dr. von Freudenreich (1) können die folgenden
Mikroben (Milchsäurebakterien u. s. w.) die Blähung des Käses
hervorbringen :
1) Bacillus Schafferi, Freudenreich (2), jedenfalls ver-
wandt mit den im Darme stets gegenwärtigen Bakterienarten;
2) Bacillus Guillebeau a, b und c, Freudenreich (3),
von Prof. Guillebeau bei Euterentzündungen gefunden;
3) Bacterium coli c o m m u n e (Darmbakterien) ;
4) Zwei Mikrokokkenarten, welche Adametz in Sornthal fand,
auch zu den Erregern der Euterentzündungen von ihm ge-
rechnet ;
5) Kokken und Streptokokken (Adametz, Mac6, Hueppe),
die bei Euterentzündungen angetroffen wurden;
6) Bakterien, welche bei ihren Zersetzungen, außer Kohlensäure,
große Mengen anderer Gase bilden, z. B. Wasserstoff; zu den-
selben gehören zwei von Weigmann in der Milch gefundene
und näher untersuchte Bacillen, welche bei seinen Versuchen
taubeneigroße Löcher in kleinen Käsen verursachten;
7) Bacillus actinobacter polymorphus von Duclaux
und verschiedene Bacillenarten, die der gleiche Forscher in
Weichkäsen gefunden hat;
8) Hefearten , welche in der Käsemasse Gärungserscheinungen
hervorbringen, jedoch, wie es scheint, nur in Weichkäsen, da
Hartkäse für sie kein günstiger Nährboden ist.
In sehr detaillierter und eingehender Weise führt sie Dr. L.
Adametz, o. ö. Prof. a. d. k. k. Universität in Krakau (4), in
folgender Reihenfolge auf:
Ueb ersichtliche Zusammenstellung der wichtig-
sten an der Blähung der Käse beteiligten Mikroben:
I. Blähungserregende Bakterien, welche zugleich
pathogene Eigenschaften besitzen:
A) Erreger der infektiösen Euterentzündungen:
Micrococcus Sornthali No. I, Adametz.
51 55 5’ H5 55
Bacillus Guillebeau, a) v. Freudenreich-Guillebeau.
55 55 b) ,, ,5
55 55 c) ,5 55
Micrococcus der gelben Galt; gärende Varietät, Adametz.
Streptococcus de la mammite contagieuse, Varietät a,
b, c; Mac 6.
Micrococcus mastitis (Hueppe’s Laboratorium).
B) Erreger der infektiösen Enteritis, der Kälberruhr
u. s. w. (Syn. Milch ko tbakterien):
1) Bacterium coli commune, Escherich.
2) „ lactis aerogenes „
1)
2)
3)
4)
5)
6)
7)
8)
Heber einen Milchzucker vergärenden etc. neuen Hefepilz.
549
II. Nichtpathogene Blähungserreger der Käse aus
der Gruppe gewöhnlicher Gärungs- und Fäulnis-
bakterien:
1) Bacillus der Käseblähung No. I, Weigmann.
55 »1 11 11 11
3) Bacillus Schafferi, v. Freudenreich.
4) Bacillus actinobacter poly morphus, Duclaux.
5) Bacillus diat ry peticus casei, Baumann.
III. Blähungserreger der Käse aus der Gruppe jener,
unter gewöhnlichen Umständen eine normale Reifung
der Käse veranlassenden Spaltpilze:
1) Tyrothrix (Bacillus) urocephalum, Duclaux.
2) Tyrothrix (Bacillus) tenuis, gärende Varietät Duclaux-
Winkler.
3) Tyrothrix (Bacillus) catenula, Duclaux (?).
4) „ „ c 1 a v i f o r m i s „ (?).
IV. Blähungen der Käse veranlassende Sproßpilze
(Milchzucker vergärende Torula- und Hefearten):
1) Duclaux-Torula, Duclaux.
2) Saccharomyces lactis, Adam et z.
3) „ Kefyr, Beyer inc k.
4) „ Tyrocola,
5) Milchzucker vergärende Hefe, Weigmann.
6) „ „ „ Kays er.
0 >1 >1 „Mix.
8) „ „ „ Adametz-Winkler.
Gerade diesen letzten Mikroorganismen kann ich nun meinen
Hefepilz kinzufügeu , den ich im fraglichen Käse gcfuudeu und
dessen Eigenschaften ich in dem bakteriologischen Laboratorium der
Universität Bern studiert habe.
Ich lasse nun die bakteriologische Diagnose desselben folgen:
Dieser Mikroorganismus zersetzt bei günstigen Lebensbedingungen
sehr schnell verschiedene Zuckerarten, hauptsächlich Milchzucker,
wobei hauptsächlich gasförmige Produkte entstehen, und er kann
somit die so unangenehmen Käseblähungen hervorbringen. Er ent-
wickelt sich mit größter Leichtigkeit auf jeglichem Nährboden, selbst
wenn diese bereits von anderen Mikroben zersetzt worden sind, auch
vermischt mit anderen Bakterien, und lebt sogar in destilliertem und
sterilisiertem Wasser und auf Gipsblöcken. Bei oberflächlichen Kul-
turen bildet er schöne, runde, mit glatten Rändern versehene, die
Gelatine nicht verflüssigende, sehr fein granulierte und weißliche
Kolonieen, welche oft einen Durchmesser von einigen Millimetern
erreichen. Meistens erscheint er als mehr oder weniger längliche,
elliptische oder eirunde, selten kugelrunde oder stäbchenartige Hefe-
zellen, mit deutlich bemerkbarer Membran und bisweilen mit Kern-
körpern oder Vakuolen. Diese Zellen haben im Mittel eine Länge
von 5 p und eine Breite von 3 «, sind leicht zu färben und entfärben
sich nicht nach der Gram’schen Methode.
XV. Bd.
36
550
Nicola U o c li i c c li i o ,
Auf zuckerhaltigen Nährböden, speziell milchzuckerhaltigen, er-
reicht er bei Luftzutritt und bei ziemlich hoher Temperatur (zwischen
20° und 30°, ja 40°) die höchste Entwickelung, wobei ein Geruch
nach gärendem Moste bemerkbar wird unter lebhafter Schaumbildung
auf flüssigen Nährböden. Er koaguliert die sterilisierte Milch schon
nach einigen Tagen und bringt auch eine partielle Verflüssigung des
Koagulums hervor ohne deutliche Säurebildung. Die Zellen besitzen
eine merkbare Molekularbewegung (Brown’sche Bewegung) und sie
vermehren sich durch einseitige Sprossung. Bis jetzt habe ich weder
Sporen- noch Kapselbildung beobachten können.
Bei einer Temperatur unter 20° C ist seine Entwickelung sehr
langsam und beinahe unmerklich, bei 40° C sehr rasch, aber bei
45° C nimmt sie sofort ab und bei 50 — 60° stirbt der Pilz unfehlbar
nach 15 Minuten ab. Sublimatlösungen von */ 2 — 1 pro mille und
Phenollösungen von 2,5 — 5 Proz. töten ihn binnen wenigen Augen-
blicken oder spätestens in einigen Minuten. Er widersteht jedoch
der Einwirkung von gesättigter Salzlösung während 30 — 40 Minuten,
von 3-proz. Natronlösung während höchstens 10—15 Minuten, ln
Bouillon mit bis höchstens 1 — 2 Proz. Milchsäure kann er noch
vegetieren. In diesen Fällen jedoch, sowie unter anderen ungünstigen
Lebensbedingungen zeigt die Kultur einen gewissen Rückgang und
viele Degenerations- oder Involutionsformen, jedoch nicht ästige; die
Gasentwickelung und mit ihr auch die Vitalität des Pilzes erfahren
dadurch eine merkbare Schwächung. Die Eintrocknung bei 35° C
vernichtet ihn in wenigen Tagen (höchstens in 1 Woche). Eine zwei-
monatliche Kultur zeigt noch keine Abschwächung seiner Lebenskraft.
In Gefäßen bildet er einen Niederschlag und möglicherweise findet
er sich in den tieferen Lagen der Luft, im Wasser u. s. w. der
Molkereien, sowie in der Milch und in der frischen Käsemasse.
Impft man ihn in frische und normale Milch und macht man
aus derselben einen Hartkäse, so bringt er, auch bei einer Temperatur
unter 20° C, eine merkbare Blähung mit großen Löchern besonders
in den oberflächlichen Teilen des Käses hervor. Er verwandelt die
Molke in ein schäumendes und nicht unangenehm schmeckendes Ge-
tränk. Die infizierte Molke hat weder bei Hunden noch bei mir
selbst irgendwelche Magenstörungen hervorgebracht. Die Tierversuche
haben bis jetzt keine pathologischen Erscheinungen verursacht.
Alles in allem unterscheidet sich dieser Hefepilz merklich von
den Hefepilzen des Bieres und des Weines von den bis jetzt von
Adametz (5), Freudenreich (2), Kayser (3) und anderen in
Fällen von Käseblähuugen beschriebenen und studierten Mikro-
organismen.
Ich schlage deshalb vor, ihn Lactomyces inflans casei-
grana (Milchzucker vergärender, Blähungen verursachender Hefepilz
des Granakäses) zu nennen im Hinblick auf den von ihm hauptsäch-
lich veränderten Stoff, seine verderbliche Wirkung und seine Her-
kunft; auch habe ich die Absicht, in nächster Zeit eingehendere
chemisch-physiologische Untersuchungen über diesen Hefepilz aus-
zuführen.
t’eber einen Milchzucker vergärenden etc neuen Hefepilz.
551
Aus dem bisher Gesagten und aus vielen anderen Beobachtungen
folgt, daß dieser Pilz schädlich und nützlich zugleich sein kann, indem
er einerseits Käseblähungen verursacht, andererseits aus der Molke
ein angenehmes, erfrischendes und billiges Getränk machen kann.
Fig. 2. Schnitt durch einen Kontroll- Fig. 3. Schnitt durch einen mit der Hefe
käse. geimpften Käse. (Vergr. 3fach.)
Gestützt auf diese Angaben, sei es mir gestattet, folgende Schlüsse
zu ziehen:
1) Dieser Pilz ist eine saprophyte, nicht pathogene, nicht chromo-
gene, fakultativ aerobe, unbewegliche, elliptische, durch einseitige
Sprossung sich auszeichnende, die Milch zum Gerinnen bringende,
hauptsächlich aber Milchzucker vergärende, Kohlensäure und Alkohol
bildende Hefeart, die wahrscheinlich in dem Wasser, in dem Lab, in
der Luft der Molkereien, ferner in der Milch und in der frischen
Käsemasse Vorkommen kann.
2) Er kann die Blähung, auch der harten Käse, verursachen,
hauptsächlich im Sommer, in warmen Lokalen, bei gewärmter und
längere Zeit stehen gebliebener Milch.
3) Durch Anwendung einer nicht allzuhohen Temperatur ist man
leicht imstaude, ihn zu vernichten, indem z. B. der Bruch während
10 — 15 Minuten auf 55 — 60° erwärmt wird. Infizierte Geräte, Boden
und Wände lassen sich daher durch siedendes Wasser leicht des-
infizieren.
552
N. Cholodkowsky,
4) Dieser Pilz kann zur Vergärung von Molke gebraucht werden,
die er in ein angenehm schmeckendes, alkoholisches Getränk ver-
wandelt. Zu diesem Zwecke könnte man ihn mit einer Hefeart des
Weines vermischen und der Molke einen kleinen Zucker- und Wein-
säurezusatz beifügen.
Es bleibt mir noch meinen hochgeehrten Lehrern, Herrn Prof.
Dr. Tavel, und seinem Assistenten, Herrn Dr. Krumbein, sowie
Herrn Dr. von Freudenreich, Direktor des bakteriologischen
Laboratoriums der Molkereischule der Rütti bei Bern, die mir mit
Rat und That zur Seite standen, meinen Dank auszusprechen.
Bakteriologisches Laboratorium der Universität Bern,
März 1894.
Litteratur.
1) Die Bakteriologie in der Milchwirtschaft Basel 1893. p. 36—43.
2) Landw. Jahrbuch der Schweiz. Bd. IV. 1890. p. 17 — 26. Ueber einen neuen im
geblähten Käse gefundenen Bacillus. (Annales de Micrographie. T. 111. 1890 — 91.
p. 161.)
3) Annales de Micrographie. T. II. p. 353 und Milchindustrie. 1890. No. 8.
4) Ueber die Ursachen und Erreger der abnormalen Reitungsvorgänge beim Käse
(Erweiterter Separat-Abdruck aus der „Milchzeitung“. Bremen 1893. p. 54 — 55.)
5) Die Aufzählung der einzelnen Arten innerhalb der verschiedenen (iruppen gebt in
der Arbeit von Adam et z nach der Zeitfolge ihrer Auffindung vor sich.
Ueber eine neue Species von Taenia,
Von
Dr. N. Cholodkowsky,
Professor der Zoologie au der kais. Militär-Medizinischen Akademie zu St. Petersburg.
Mit 2 Figuren.
Im Dezember 1893 und im Januar 1894 habe ich vom St. Peters-
burger Schlachthofe 8 Exemplare von Tänien bekommen, nämlich
3 Exemplare aus dem Darme vom Schweine und 5 vom Rinde.
Sämtliche Exemplare gehörten zu einer und derselben Art, die sich
bei näherer Untersuchung als eine neue Species erwies, welche ich
zu Ehren meines verstorbenen Lehrers und Vorgängers im Amte,
Prof. Dr. Ed. Brandt, Taenia Brand ti nenne.
Diese Tänie ist ca. 3 m lang und in ihrem hintersten Teile
10 mm breit. Der Kopf ist rundlich-viereckig, ohne Haken, mit vier
starken Saugnäpfen und einem kurzen, stumpfen Rostellum versehen,
1 mm breit. Der Hals ist etwa um ein Drittel enger als der Kopf
und ca. 7 mm lang. Die ersten Proglottiden sind sehr kurz, einen
Meter hinter dem Kopfe sind dieselben etwa 5 mm breit und 1,25 mm
lang, die hintersten sind 2,50 mm lang bei einer Breite von 10 mm.
Die Geschlechtsöffnungen liegen randständig, unregelmäßig alternie-
rend, bald an der rechten, bald an der linken Seite der Glieder.
Der Uterus hat die Gestalt eines langen, geschlängelten Kanales,
welcher quer von rechts nach links durch die Proglottis verläuft und
Ueber eine neue Species von Taenia.
553
zahlreiche, ebenfalls geschlängelte Aeste nach vorn und nach hinten
abgiebt; die vorderen Aeste sind notwendigerweise viel kürzer als
die hinteren, da der Hauptstamm des Uterus nahe dem Vorderrande
der Proglottis liegt (vgl. Fig. 1). Die Hoden liegen im Randfelde,
nach außen von den großen Wassergefäßstämmen, bestehen aus zahl-
reichen rundlichen oder ovalen Bläschen und sind nur in unreifen
Proglottiden, d. h. wo der Uterus noch nicht die volle Ausbildung
erreicht, komplett zu beobachten, während in reiferen Proglottiden der
größte Teil der Hodenbläschen (wenn nicht alle) reduziert oder ver-
schwunden ist- Außer den genannten, für alle Tänieu typischen
Hodenbläschen giebt es bei unserer Tänie noch eine Anzahl läng-
lich-ovaler Drüsenfollikel, die eine kompakte, sich mit Karmin stark
Fig 2. Zwei fast reife Proglottiden von Taenia Brandt! sp. n. ; ut Uterus,
ov ■ Ovarium, vt Dottorstoek, cb Cirrusbeutel, c Cirrus, vg Vagina, w^WassergefäRstamm,
ac accessorische männliche Geschlechtsdrüse.
färbende, dem Cirrusbeutel aufsitzende Drüsenmasse bilden (Fig. 1
u. 2 ac). Diese Drüsenraasse, die vielleicht nur eine besondere Portion
der Hoden bildet oder wohl eine accessorische männliche Geschlechts-
drüse ist, erscheint sehr früh, noch ehe die ersten Spuren des Uterus
aufgetreten sind und bleibt fortbestehen, wenn der Uterus vollkommen
entwickelt und die typischen Hodenbläschen schon verschwunden sind.
Sie wiederholt sich also im Randfelde, unregelmäßig alternierend, bald
auf der linken, bald auf der rechten Seite der Glieder. Die Cirri
(Penes) ragen sehr oft aus der Geschlechtsöffnung heraus. Die
Ovarien und Dotterstöcke liegen ebenfalls alternierend, bald rechts,
bald links, dicht neben dem Randfelde, nach innen von den Wasser-
gefäßstämmen. Die Eier sind klein, rundlich-oval (0,02 mm im größten
Durchmesser), sehr düunschalig und zu 4—6 oder mehr Stück von
besonderer Kapsel umgeben. Die beschalteu Eier befinden sich nur
in den hintersten Proglottiden, wo der stark entwickelte Uterus fast
die ganze Proglottis ausfüllt und seine zahlreichen, sehr breit ge-
554
N. C h o 1 o d k o W5 k )■ , Uebpr eine neue Species von Taenia.
wordene» Aeste dicht aneinander liegen. Im einem 240 cm langen
Exemplare von unserer Tänie enthielten die hintersten Proglottiden
noch keine beschälten Eier.
Daß die soeben beschriebene Tänie im Darme vom Schweine
lebt, ist sehr interessant, und das ist, meines Wissens, überhaupt der
erste bekannt gewordene Fall des Vorhandenseins einer ausgebildeten
Tänie im Darmkanale des Schweines. Vergleicht man unsere
Tänie mit den übrigen bis jetzt beschriebenen Tänien der Säuge-
tiere, so steht dieselbe unzweifelhaft der Taenia ovilla Rivolta
am nächsten 1). Die Aehulichkeit springt besonders in die Augen,
wenn man eine reife Proglottis von T. ovilla mit einer unreifen
Fig. 2. Eine unreife Proglottis von Taenia Brand ti sp. n. ; t Hudenhläschen ; die
übrigen Buchstaben wie in Fig. 1.
Proglottis der Taenia Brand ti (Fig. 2) vergleicht. Die Taenia
Brand ti unterscheidet sich aber von der Taenia ovilla durch
folgende Merkmale: 1) durch größere Dimensionen, 2) durch die
stark verzweigte Form des Uterus, der bei T. ovilla im reifen Zu-
stande einen einfachen, beschälte Eier enthaltenden Gang bildet,
3) durch die besonderen, oben beschriebenen Verhältnisse der Hodeu-
bläschen, 4) durch die Anwesenheit der oben beschriebenen acces-
sorischen männlichen Geschlechtsdrüse.
Eine ausführlichere Beschreibung und Abbildungen der Taenia
Brand ti werde ich an einem anderen Orte publizieren.
o . T-) . , 26. Februar 1on.
St. Petersburg, - -.j.:-- 1894.
° 10. Marz
1) Vgl. Rivolta, Giornale die anatomia , fisiologia e patologia degli animali.
1878. p. 302; R. Moniez, Comptes rendus Ac.. Sc Paris T. JjXXXVIÜ. 1879
p. 1094; PerroDcito, I parassiti dell’ uomo c degli animali utili. p. 246. Milano
1882; Neu mann, Trait4 des maladies parasitaires de l’hommc ct des animaux dome-
stiques. p. 408 — 409. Paris 1892 Neumann hat Präparate von Rivolta, Moniez
und Perron cito gesehen und behauptet, daß die von Rivolta unter dem Namen
,, ovilla“ beschriebene Tänie mit der Moniez 'scheu Species ,,Giardi“ und
Perron cito ’s „aculeata“ identisch sei. Moniez sagt aber von seiner Taenia
Giardi, daß dieselbe an beiden Enden des quer verlaufenden Uterus Ovarien
besitzt, was bei T. ovilla, nach der Abbildung Neumann ’s (Präparat von Ri-
volta) zu urteilen, nicht der Fall ist.
Zettnow, Reinigung verschmutzter Objektträger und Deckgläser. 555
Reinigung verschmutzter Objektträger und Deckgläser.
Von
Prof. Dr. Zettnow
in
Berlin.
Folgende Flüssigkeit gestattet, mit Del oder Kanadabalsam ver-
schmutzte Objektträger und Deckgläser ohne erhebliche Mühe zu
reinigen , und reichen 2 Liter der Flüssigkeit aus , um 5 — 6mal
hintereinander, jedesmal 150 — 200 Stück Objektträger und etwa
300 Deckgläser zu reinigen:
200 g rotes chromsaures Kali übergießt man mit 2 Liter heißen
Wassers und setzt hierauf allmählich und unter stetem Umrühreri
200 ccm konzentrierte rohe Schwefelsäure hinzu. Die in Freiheit
gesetzte Chromsäure oxydiert das Harz und verwandelt es in eine
am Glase nicht oder nur wenig adhärierende Masse. Da die Flüssig-
keit ihre Wirkung nur an denjenigen Stellen ausüben kann, an
welchen sie das Harz berührt, so ist es notwendig, die Deckgläser
von den Objektträgern abzukitten. Man hält zu diesem Zwecke den
Objektträger, das Deckglas nach unten gekehrt, 2 — 3 Sekunden lang
über eine kleine, etwa 2 cm hohe Bunsenflamme; alsdann läßt sich
auch bei jahrelang aufbewahrten Präparaten das Deckglas leicht
mit dem Fingernagel vom Objektträger herunterschieben und in etwa
300 ccm Reinigungsflüssigkeit werfen, während der Objektträger in
den Rest der Flüssigkeit eingelegt wird. Hat die Reinigung keine
Eile, so läßt man die Objektträger 2 — 3 Tage bei gewöhnlicher
Temperatur in der Flüssigkeit liegen und hat hierauf nur nötig, sie
von den nicht mehr schmierenden oxydierten Substanzen durch Ab-
spülen mit kaltem Wasser resp. Abreiben mit einem Lappen zu
befreien und abzutrocknen. 2 — 4 Proz. der Objektträger pflegen an
einzelnen Stellen, an welchen besonders viel Harz sich befand, noch
nicht völlig sauber zu sein ; bei diesen vollendet man die Reinigung
durch Abwischen mit Hilfe eines durch Alkohol angefeuchteten
Tuches.
Bei den Deckgläsern verbietet sich eine mechanische Reinigung
der leichten Zerbrechlichkeit wegen und kann man bei ihnen ein
zweimaliges Abkochen nicht umgehen. Sind sämmtliche Deckgläser
nach dem Abkitten in die in einer Porzellanschale oder einem
Becherglase befindliche Flüssigkeit geworfen, so setzt man dieselbe in
einen Topf mit kochendem Wasser, resp. erhitzt sie über der freien
Flamme etwa 10 Minuten lang, indem man ab und zu durch Um-
schwenken dafür Sorge trägt, daß die Flüssigkeit überall zwischen
die Deckgläser dringt Das geschmolzene Harz kommt als grünliche
Masse an die Oberfläche und läßt sich mit steifem oder 4fach zu-
sammengelegtem gewöhnlichen Papier leicht entfernen. Man unter-
lasse nicht gut umzuschwenken und mit einem Glasstabe die Deck-
gläser vorsichtig umzurühreu, damit auch alle Teile derselben in
556
Säuregehalt des Brotes.
innige Berührung mit der Reinigungsflüssigkeit kommen. Hierauf
wird die Flüssigkeit abgegossen, die Deckgläser einige Male mit
kaltem Wasser abgespült, und ein wenig verdünnte Natronlauge auf
dieselben gegossen. Diese löst beim Erwärmen und Umschwenken
die Hauptmasse des noch adhärierenden Harzes auf, so daß die Mehr-
zahl der Deckgläser bereits sauber erscheint. Man läßt die Natron-
lauge etwa 5 Minuten einwirken, gießt sie fort, kocht die Deckgläser
nach dem Abspülen mit Wasser zum zweiten Male mit der Reini-
gungsflüssigkeit etwa 5 Minuten lang, spielt von neuem mit Natron-
lauge, Wasser und schließlich 2mal mit etwas Alkohol ab; der
letztere erleichtert in hohem Maße das Putzen der Deckgläser. Um
letztere Operation schnell und möglichst ohne Bruch zu vollziehen,
legt man eine Anzahl Deckgläser aus dem Alkohol auf eine Glas-
platte, schiebt mit den Fingern der rechten Hand ein Deckglas bis
an den Rand der Platte, faßt es mit dem Daumen und Zeigefinger
der rechten Hand, welche auf diese Weise durch etwas Alkohol ge-
feuchtet werden, nimmt es hierauf in die linke Hand und trocknet
es mit der rechten Hand unter Verwendung eines feinen, möglichst
abgewascheneu Tuches. 200 Deckgläser putzt man in etwa 1 Stunde.
Nach dem Ausglühen auf einem Eisenbleche sind dieselben tadellos
rein. — Sollen Objektträger schnell gereinigt werden, so genügt bei
diesen einmaliges Erhitzen mit der Reinigungsflüssigkeit und Ah-
spülen mit kaltem Wasser. Zum Abkitten von 200 Objektragern
sind etwa lQj Stunden erforderlich; zum Abkochen der Deckgläser
30 — 40 Minuten.
Berlin, 16. März 1894.
Referate.
Lehmann, K. B., Qualitative und quantitative Unter-
suchungen über den Säuregehalt des Brotes. (Archiv
für Hygiene. Bd. XIX. 1893. Heft 4.)
Die Untersuchungen Leb mann ’s befassen sich mit der Natur
der Brotsäuren, ihrer qualitativen und quantitativen Bestimmung
einerseits, mit dem Säuregehalte des deutscheu Brotes andererseits.
Die saure Reaktion des Brotes ist mindestens durch zwei verschiedene
Substanzen bedingt, erstens durch freie organische Säure, die mau
riecht und abdestillieren kann, und zweitens durch saures phosphor-
saures Kali, entstanden durch chemische Umsetzung von bei der
Gärung neu entstandener organischer Säure mit den im Mehl präexi-
sticrenden neutralen Phosphaten. Die quantitative Bestimmung der
Brotsäure kann einfach durch Titrierung des zu Brei erweichten
Brotes gemacht werden, und ergiebt, daß ein Brot so viel Säuregrade
enthält, als Kubikcentimeter Normalnatronlauge zur Titrierung von
100 g frischer Krume unter Anwendung von Phenolphthalein als
Indikator notwendig sind.
Säuregehalt des Brotes
557
Die in den verschiedenen Brotsorten enthaltene Acidität setzt
sich in der Regel etwa zu gleichen Teilen aus freien ätherlöslichen
Säuren und sauren Phosphaten zusammen, in selteneren Fällen können
die freien Säuren auf 1/3 der Gesamtacidität sinken und auf a/3
steigen. Was die Frage der Art der im Brote enthaltenen Säuren
anlangt, so enthält jedes mittelstark saure Brot Essigsäure und
Milchsäure in so reichlichen Mengen, daß der Nachweis sicher er-
bracht werden kann. Daneben fehlt nie eine geringe Menge einer
höheren Fettsäure, auch Ameisensäure und Aldehyd scheinen bis-
weilen spurenweise vorhanden. Dagegen konnte Buttersäure bisher
in keinem Brote nachgewiesen werden, dürfte aber auch zuweilen
Vorkommen. Von diesen Säuren nimmt die Essigsäure in fast allen
Broten weitaus die wichtigste Stelle ein; ihr Prozentsatz beträgt
fast nie unter 50 Proz., meist aber nahezu zwei Drittel der Gesamt-
säure. In den Rest teilen sich die nichtflüchtigen Säuren in ziemlich
unregelmäßiger Weise. Den größeren Teil hicrvou nimmt die Milch-
säure für sich in Anspruch, während der übrige Teil durch eine der
Oelsäurc nahestehende Säure gebildet wird, die vermutlich in einem
Gemische höherer Fettsäuren besteht und wahrscheinlich aus dem Fette
tles Getreides bei der Teig- oder Brotbereitung abgespalten wird.
Endlich wurde in einigen Versuchen auch der Nachweis geführt, daß
neben den freien organischen Säuren auch organische saure Salze
vorhandeu sind, deren quantitative Bestimmung jedoch ganz besonders
umständlich ist, da der Aether nur sehr langsam aus wässeriger
Lösung die organischen Säuren auszuschütteln gestattet.
Bei der Prüfung der einzelnen Brotsorten mit dem Geschmacks-
sinne läßt sich nach einiger Uebung der Säuregehalt sehr gut ab-
sebätzen. Auf Grund vielfacher Versuche des Verf.’s und einer für
die einzelnen Brotsorten aufgestellten Tabelle bezüglich ihrer Acidität
zeigte sich, daß bei den Schrotbroten, d. h. Broten aus grob-
gemahlenem Getreide (fast ausschließlich Roggen) ohne Absonderung
der Kleie, Brote mit starkem Säuregehalte viel häufiger Vorkommen,
als bei den übrigen Roggen- und Weizenbroten, und daß bei den
Weißbroten die hohen Säuregehalte ganz fehlen.
Als eine Hauptursache des hohen Säuregehaltes der ländlichen
Schrot-, Schwarz- und Graubrote muß nach diesbezüglichen Versuchen
die zu lange dauernde Gärung unter Anwendung von Sauerteig an-
gesehen werden. Ebenso ergiebt sich, daß man aus jeder Art Mehl
annähernd säurefreie Gebäcke bereiten kann, indem alle mit reiner
Hefe bereiteten Brote einen niederen oder sehr niederen Säure-
gehalt haben.
Um sich endlich noch über die Säuregärung von Mehl- und
Wassermischungen bei verschiedenen Temperaturen zu orientieren,
stellte Verf. noch eine Reihe von Versuchen an, welche ergaben, daß
Schrotmehlteige viel rascher und intensiver gären, als Feinmehlteige.
Warum dies der Fall ist, wird der Gegenstand weiterer Unter-
suchungen sein, wie auch die Fragen, welche Säuregehalte vom
hygienischen Standpunkte wünschenswert seien, in späteren Mitteilungen
erörtert werden. Maaß (Freiburg i. B.),
558
Bakterienflora des Atlantischen Ocean.
Russell, H. L., The bacterial flora of the Atlantic Ocean
in the vicinity of Woods Holl, Mass. (The Botanical Ga-
zette. 1893. Vol. XVIII. p. 383, 411, 439.)
Vor kurzer Zeit veröffentlichte der Verf. seine „Untersuchungen
über im Golfe von Neapel lebende Bakterien“ (Zeitschrift f. Hygiene.
Bd. XI. p. 165), und seither hat er seine Studien auf die itn atlan-
tischen Ozean in der Umgegend von Woods Holl, Mass., U. S. A.,
gefundenen Bakterien ausgedehnt. Die angewandten Methoden sind
wesentlich dieselben, wie in Neapel. Das Studium der Tiefsee-
bakterien wie in Neapel war an diesem Orte unmöglich infolge der
Seichtigkeit des Ozeans, dessen Tiefe innerhalb des Arbeitskreises
des Laboratoriums 65 Fuß nicht überstieg.
Seine Untersuchungen zeigen, daß die numerische Verteilung von
Bakterien im Seewasser in verschiedenen Tiefen zwischen der Ober-
fläche und der Bodenschicht und zwischen der Küstenlinie und einer
Entfernung von 20 Meilen zwischen weiten Grenzen variiert, jedoch
weniger als in Süßwassern. Die wirkliche Anzahl Bakterien auf den
ccm variierte von einigen Keimen bis zu etwa 120. Die tieferen
Schichten des Seewassers waren an Bakterien ebenso reich, wie die
Oberflächenschichten.
Ueber hundert Prüfungen des Meeresbodens zeigten, daß die
Durchschnittszahl der Bakterien auf den ccm etwa 17 000 betrug und
die Grenzen des Unterschiedes sehr weit waren. Diese Zahl ist weit
geringer, als die in Neapel gefundene, wo der Schlamm in Tiefen
von 150 Fuß oder weniger gewöhnlich 200 — 300000 Keime auf den
ccm enthielt. Dieser große Unterschied rührt nicht von einem Unter-
schiede in der Temperatur des Wassers an diesen Orten her, da die-
selbe an beiden Plätzen annähernd die gleiche war.
Der große Unterschied zwischen der Anzahl der auf dem Meeres-
boden und der in dem darüber liegenden Wasser gefundenen Bakterien
ist großenteils bestimmten Arten von Bakterien zuzuschreiben, die
sich nur im Schlamme finden. So zeigte es sich in Neapel, daß drei
Arten, die ausschließlich Schlammbakterien waren, wenigstens 35 Proz.
aller im Schlamme gefundenen Bakterien ausmachten. Ebenso ver-
hält sich das in Woods Holl, wo verschiedene Arten gefunden wurden,
die ausschließlich Schlammbewohner waren. Außer diesen enthält der
Meeresboden lebhaft wuchernde Bakterien, die vom überliegenden
Wasser abgeleitet sind. Wie in Neapel, so wurden auch hier Bak-
terien im Sporenzustande in verschiedenen Tiefen des Wassers und
im Schlamme vom Meeresboden aufgefunden.
Die Mehrheit der in Woods Holl isolierten Bakterien verflüssigen
Gelatine, und keine derselben besitzen pathogene Eigenschaften. Sie
sind alle entschieden aerob und besitzen deutliche reduzierende Eigen-
schaften, indem sie Nitrate in Nitrite verwandeln. Im vegetativen
Zustande werden sie leicht vom direkten Sonnenlichte zerstört.
In dem in einer Tiefe von 450 Fuß und bei einer Entfernung
von 100 Meilen vom Festlande erhaltenen Schlamme fanden sich
zwei Arten Schlammbakterien, die nahe beim Ufer sehr zahlreich
waren, was zeigt, daß die im Schlamme gefundenen Formen über eine
beträchtliche Ausdehnung des Meeresbodens sich erstrecken. Der
Bacillus pyocyaneus pericarrtitidis. — Bacterium coli commune.
559
Bacillus limosus, eine Art, der gewöhnlichen Schlarambakterien,
die in Neapel bei einer Tiefe von 3500 Fuß isoliert worden war, fand sich
als ein gewöhnlicher Bewohner des Seeschlammes bei Woods Holl,
nahe der Küste sowohl wie in einer Entfernung von 100 Meilen vom
Lande.
Die Anzahl der in dem Wasser und dem Schlamme des Meeres
gefundenen Arten ist nicht sehr groß. Die gewöhnlichsten Formen
sind die folgenden 4 neuen Arten :
Bacillus limicola,
Bacillus pelagicus,
Bacillus litorosus,
Bacillus maritimus,
die alle im Originale ausführlich beschrieben werden.
No vy (Aun Arbor).
Harold, C. Ernst, The Bacillus pyocyaneus pericardi-
tidis. (The American journal of the medical Sciences. 1893.
October. No. 258.)
Der Herzbeutel eines an exsudativer Pericarditis erkrankten
47- jährigen Arbeiters wurde mehrfach aseptisch punktiert und
daraus große Mengen einer klaren, bernsteingelben, leicht alkalischen,
wenig absetzenden Flüssigkeit gewonnen. Sie koagulierte bei Hitze
und wurde sterilisiert ein guter Nährboden für einen in ihr neben
dem Tuberkclbacillus gefundenen Keim. Dieser letztere lag meist in
Zellen und ließ sich kulturell als eine bisher nicht beschriebene Abart
des Bacillus pyocyaneus, den Verf. mit dem Epitheton „P e r i-
carditidis“ belegt, erkennen. Von dem B. pyocyaneus Gessard
und B. pyocyaneus ß (Ernst) unterscheidet er sich:
1) Durch die blau-grüne Farbe der Gelatine platten-
kultur bei reflektiertem Lichte, welche von der gelbgrünen der
anderen Arten wesentlich abweicht.
2) Frische Agar kulturell sind trocken und haben einen metal-
lischen Schimmer bei ihrem blaugrünen Charakter. Alte Agarkulturen
sind feucht, erhaben und nußbraun.
3) Die Kultureu in Peptonlösungen verschiedener Stärke sind
mehr grün, die der anderen Arten mehr blau.
4) Die Kulturen in Gelatine und Bouillon reagieren viel heftiger
auf Säureu und Alkalien, als die anderer Arten. Bei Zufügen von
Säuren, sowohl organischer, als anorganischer, werden sie rot; bei
Zufügung von Alkalien erscheint ein leuchtendes Grasgrün.
Mikroskopisch sind von Gelatinekulturen gefertigte Prä-
parate von anderen Arten nicht zu differenzieren, dagegen kontra-
stieren die in Pep ton lös ungen gezogenen schlanken, langen
Stäbcheu stark zu den kurzen, ovalen der anderen Arten.
Kurt Müller (Halle).
Kiefsling, Das Bacterium coli commune. (Hygieu. Rund-
schau. 1893. No. 16.)
K. giebt ein sehr ausführliches zusammenfassendes Referat über
die bisherigen Arbeiten, welche sich mit dem Bact, coli com-
560
Bocter'ium coli commune.
mune befassen. Für ein eingehendes Studium muß auf das Original
verwiesen werden ; hier müssen wir uns auf die Wiedergabe der
wichtigsten Thatsachen beschränken. Das Bact. coli commune
ist ein sehr polymorpher Bacillus, durchschnittlich 2 — 3 /< und
0,4— 0,6 [i breit; je nach dem Nährboden und den übrigen Wachs-
tumsbedinguugen verschieben sich diese Zahlen etwas. Sporenbildung
ist nie beobachtet worden. Das Bact. nimmt alle Anilinfarben —
z. T. etwas langsam — auf, wird durch die Gram’sche Methode
entfärbt. Eigenbeweguug mittelst vorhandener Geißelfäden (4 — 6,
nach Anderen 2—3) ist beobachtet.
In Nährgelatine gedeiht das Bact. coli comm. gut, ohne dieselbe
zu verflüssigen. Die Kolonieen sehen milchglasähnlich aus, in der
Mitte am dicksten; sie haben bei durchfallendem Lichte einen iri-
sierenden Glanz. Die tieferen Kolonieen der Platten entwickeln sich
— Dach Büchner wegen Sauerstoffmangels — weniger kräftig. Der
Geruch der Platten ist smegmaartig. Im Gelatineimpfstich entwickelt
sich ein gelblich-weißer Faden, der aus kleinen Kugeln besteht.
Schwach alkalische Fleischwasserbouillon wird vom Bact. coli
comm. in 1 — 2 Tagen getrübt; nach einigen Tagen scheidet sich
die Bouillon in eine obere klare, fast keimfreie und in eine untere
getrübte, bakterienreiche Schicht. 25 Tage nach der Impfung be-
ginnt Schwefelwasserstoffoildung. Auf Kartoffeln entwickelt sich bei
Zimmertemperatur ein dicker, bräunlich-gelber Rasen, der sich sehr
schnell ausbreitet. Doch spielen hier Reaktion und Alter des Nähr-
bodens eine große Rolle.
In steriler Milch gedeiht das Bact. gut; es koaguliert dieselbe
bei Brühofentemperatur in 2 — 3 Tagen unter Säurebildung. Die zu-
meist feinen Gerinnsel schließen sich zu einem festen Klumpen zu-
sammen, der in dem klaren Serum zu Boden sinkt und die gesamte
Kulturmasse enthält. Beifügung von Eiweißkörpern befördert das
Wachstum und beschleunigt die Gerinnung. In frischer Milch zer-
setzt das Bact. ein Drittel des ursprünglich vorhandenen Kaseins
und ein Sechstel des Zuckers, während es auf die Fette fast ohne
Einfluß ist. Bei Anwesenheit peptonartiger Verbindungen bewirkt es
nach Büchner Gas- und Säurebildung in Fleischextraktlösungen,
denen Rohr-, Milch- oder Traubenzucker beigemischt ist. Sein Re-
duktionsvermögen wurde zuerst von Soramaruga sichergestellt,
der der Bouillon Rosolsäure zusetzte. Auch im Rosolsäureagar zeigte
sich das Reduktionsvermögen des Bact., nicht so in Rosolsäuregela-
tiue. Was die Bildung eines diastatischen Fermentes anlangt, so
wurde dieselbe von Baginski iu Abrede gestellt; dagegen fand
Ferni ein diastatisches Ferment, das zwischen 4° und 50° die Wirkung
behält, bei 37° sein Optimum hat, durch Erwärmung auf 70° oder
Zusatz von 5 Proz. Salzsäure oder 3 Proz. Karbolsäure zerstört wird.
Die Indolreaktion ist positiv bei Anwesenheit von Pepton oder von
Eiweiß und Fermenten, die dieses in Pepton umzuwaudeln ver-
mögen.
Ferner wächst das Bact. coli gut in Jequirity-Nährböden in
Kokosmilch, in Galle, im sterilem Urin, in welchem es langsam den
Harnstoff in kohlensaures Ammoniak umsetzt. Iu Mischkulturen wächst es
ßacterium coli cotnmune.
561
neben Cholera- und Typhusbacillen ungestört weiter, ebenso wächst
es gut in faulenden Faeces. Unter Einwirkung künstlichen Magen-
saftes haben Keime und gut entwickelte Kulturen schon nach 4 Mi-
nuten ihre Lebensfähigkeit verloren. Direktes Sonnenlicht wirkt
sehr schnell abtötend, weniger intensiv diffuses Tageslicht. Die An-
gaben über die Temperatur, die das Bact. verträgt, zeigen große
Differenzen. Nach Roux kann es bis +80° erwärmt, und nach
Büchner bis — 20 — 24° abgekühlt werden, ohne abzusterben.
Ebenso zeigt es gegen Austrocknung große Widerstandsfähigkeit.
Escherich fand bei Luftabschluß eine Einwirkung auf das Bact.
nur in Nährböden, die Pepton oder Traubenzucker enthielten.
Was die pathogene Bedeutung des Bact. coli comm. für Tiere
anlangt, so sind überaus zahlreiche Impfungen vorgenommen worden.
Emmerich erhielt fast immer ein choleraähnliches Bild; in anderen
Fällen kam es zur Entwickelung von Peritonitis oder Septikämie oder
nur zur lokalen Abceßbildung. Guyon rief durch Einbringung des
Bact. in die Blase bei Ligatur der Urethra Cystitis hervor. Zahl-
reiche Versuche lehren, daß sowohl das Bact. selbst wie seine Stoff-
wechselprodukte die Erkrankungen hervorrufen können.
Da über fand, daß Meerschweinchen, welche eine einmalige In-
fektion mit dem Bact. überstanden hatten, sich viel resistenter
zeigten und größere Mengen ohne Schaden vertrugen.
Was die pathogene Bedeutung des Bact. für den Menschen be-
trifft, so ist zwischen pathogener und pyogener Wirkung zu unter-
scheiden.
Von den Krankheiten des Verdauungstraktus wurde das Bact.
als Erreger des infektiösen Darmkatarrhs, der Dysenterie und der
Cholera angesehen; während die Rolle, die es für die beiden ersten
Krankheiten spielt, keine ganz sichere ist, ist die Behauptung
Emmerich’ s, daß es der Erreger der Cholera asiat. sei, wohl als
definitiv widerlegt anzusehen. Dagegen sind einzelne Forscher ge-
neigt, die Symptome des Typboidstadiums der Cholera auf eine se-
cundäre Infektion mit dem Bact. coli comm. zurückzufübren. Bei
Peritonitis wurde das Bact. wiederholt im Exsudate gefunden und
war bei der Uebertragung auf Tiere pathogen. Es stammt zumeist
aus dem Darme, den es normalerweise nicht verlassen kann; ist da-
gegen die Schleimhaut pathologisch verändert, so vermag es durch
die Wandungen hindurch wohl auf den Lymphwegen in die Peri-
tonealhöhle einzudringen. In einzelnen Fällen von septischer Allge-
meininfektion und schwerer Pyämie wurde es im eiterigen Exsudate
der Hirnhäute gefunden. Ebenso ist es bei Pericarditis, ferner in
der Leber bei eiteriger Entzündung der Gallen wege und bei Leber-
abscessen gefunden worden; über seine Bedeutung als Cystitiserreger
sind die Untersuchungen bisher noch nicht eindeutig genug; von
Lungenaffektionen fand es sich bei sekundären Bronchopneumonieen ;
ferner im entzündeten Endometrium , endlich bei Strumitis und
Scharlachangina in Fällen, in denen gleichzeitig noch eine Darmer-
krankung bestand.
Der wichtige Streitpunkt: Sind Typhusbacillen uud Bact. coli
comm. zwei gauz verschiedene Mikroben oder sind sie nur zwei
562
Neue Kommabacillen.
Varietäten, von denen die eine sich in die andere um wandeln läßt? ist
noch nicht entschieden. Außer geringen morphologischen uud kul-
turellen Differenzen ist hervorzuheben, daß der Bac. typh. ab-
dom. Eberth Milch nicht zur Gerinnung bringt, ein sehr geringes
Reduktionsvermögen besitzt, weder Gas in zuckerhaltigen noch Indol
in peptonhaltigen Lösungen produziert, gegen Säure und Alkalien
weniger widerstandsfähig ist, als das Bact. coli comm, Die zum
Nachweise dieser Differenzen angegebenen Untersuchungsmethoden
sind von K. ausführlich wiedergegeben; die Mehrzahl der Forscher
neigt der Ansicht zu, daß diese beiden Bakterien nicht nur Varie-
täten, sondern vollkommen von einander zu trennen sind.
In Leichen ist im unversehrten Darme das Bact. coli nicht au-
zutretfen, dagegen begünstigen Darmgeschwüre die Ansiedlung.
Unter normalen Verhältnissen fehlt das Bact. fast nie im Darm-
kanale. Nach Escherich gelangen seine Keime schon vor der ersten
Nahrungsaufnahme in den Darmkanal, indem sie mit der Luft und
dem Speichel verschluckt werden. Der Hauptsitz ist das Kolon und
Coecum, wo das Bact. bei der Zersetzung des Fettes und Ver-
gärung des Mucins eine gewisse Rolle spielt. Es ist nicht imstande,
die Darmepithelien zu zerstören. Wie beim Menschen findet es sich
sehr häufig auch beim Tiere, ebenso kommt es oft im Wasser vor
und ist nach Escherieh der in der Natur meist verbreitete Fäul-
niserreger. Neben dem Bact. coli bestehen noch zahlreiche Spalt-
pilze, die vielleicht als Varietäten aufzufassen sind; es sind einige
von Brieger und Fraenkel beschrieben worden.
Der Begriff' des Bact. coli comm. ist noch kein vollkommen
einheitlicher und fest definierter, sondern dieselben charakteristischen
Eigenschaften kommen einer Anzahl von einander ähnlichen Spalt-
pilzen vor, zwischen denen eine weitere Unterscheidung noch nicht
möglich ist. Lasch (Breslau).
Roiihoff, üeber zwei neue in Wasser gefundene Komma-
ba c i 1 1 e n arte n. (Archiv für Hygiene. Bd. XIX. 1893. Heft 3.)
Die bakteriologische Untersuchung eines aus Stolp in Pommern
zur Prüfung an das hygienische Institut zu Berlin eingesandten
Wassers ließ neben anderen zahllosen ßakterienarten — in 1 ccm
des Wassers fanden sich 80000 Keime — Kolonieen erkennen, die
eine so auffallende Aehnlichkeit mit Cholerakolonieen hatten, wenig-
stens bei der Untersuchung nach 24-stündigera Wachstume, daß jeder,
der sie sah, sie für typische Cholerakolonieen erklärte. Dieser Um-
stand wurde die Veranlassung zu einer genauen Durchmusterung der
Platten dieses Wassers und einer eingehenden mikroskopischen Unter-
suchung der irgendwie auffälligen Kolonieen. Dabei wurde eine
zweite, wie gleich erwähnt sei, die Gelatine nicht verflüssigende,
deutlich ausgesprochene Kommaform gefunden und reingezüchtet,
deren genaue Untersuchung sich der Verf. zur Aufgabe machte.
Der Form nach unterscheidet sich dieses gekrümmte Stäbchen
an gefärbten Präparaten von 24-stündigen Agarkulturen kaum von
den Koch’schen Vibrionen. Nur ist die Krümmung des neu ge-
fundenen Stäbchens eine etwas geringere, S-Formen sind entschieden
Neue Kommabacillen.
563
spärlicher vorhanden, als bei jungen Cholerakulturen, neben diesen
findet man aber immer noch zu zweien zusammenhängende kleinere
Kui-zstäbchen, die wie jene sich in der Mitte dick, an den freien
Enden spitzlaufend darstellen. Anilinfarben nehmen sie ebenso gut
au wie die ausgeprägten Kommaformen; nur zeigen sie bei der
Färbung helle, farblose Stellen in ihrem Innern. Zu den geeignetsten
Farben gehören Gentianaviolett und die bläuliche Nuance des Jod-
violetts; auch mit saueren Anilinfarben, z. B. Eosin, ließ sich eine
gute Färbung der Vibrionen erzielen; die Gram’sche Methode ließ
eine Entfärbung eintreten. Gegen schwächste Säuren waren die
Präparate überaus empfindlich. Im hängenden Tropfen zeigen die
Vibrionen eine lebhafte Eigenbewegung, bei der sich jedoch zum
Unterschiede von der schießenden Bewegung der Cholerabakterien
sehr häufig rotierende, einen Kreis beschreibende Bewegungen ein-
stellen, welche ausgelöst werden durch einen am Ende des Kommas
sitzenden gewundenen Geißelfaden, der völlig dem des Chol er a-
vibrio analog gebildet und nach dem Lo ef fl er’schen Geißel-
färbungsverfahren gut darzustellen ist. — Was nun die künstlichen
Nährböden anlangt, auf welchen der Vibrio wachsen soll, so müssen
dieselben erstens feucht und zweitens frei von Säuren sein. Am
besten wächst er bei Brüttemperatur; schon bei Zimmertemperatur
tritt eine erhebliche Verzögerung des Wachstumes ein, bei 15° C ist
dieselbe noch stärker und bei Temperaturen unter 10° C wächst er
überhaupt nicht mehr. Die obere Wärmegrenze liegt jedenfalls über
40° C.
Agarplatten zeigen nach 24 Stunden Stecknadelknopf- bis erbsen-
große, an der Oberfläche liegende Kolonieen, deren größter Teil aus
einer über die Agarfläche sich fortschiebenden zarten Haut besteht.
Diese wächst nach allen Seiten fort und erst das Trockenwerden des
Agars oder Verunreinigungen aus der Luft behindern schließlich das
Wachstum. In alkalischer Bouillon ließ sich nach 24 Stunden in
allen Fällen ein üppiges Wachstum erkennen. Die Obex-fläche zeigte
ein feines graues Häutchen, weißer und nicht so glänzend wie bei
Cholerabakterien. Die Bouillon selbst war getrübt und von einer
Ansammlung von Bakterien am Boden des Glases nichts zu erkennen.
Es gelang niemals, weder durch Zusatz von Schwefel- noch von
Salzsäure eine Rotfärbung der Bouillon zu erzielen. Wenn man von
einer Reinkultur dieser Kommaformen Gelatineplatten gießt und bei
22° C aufbewahrt, so sieht man erst nach 48 Stunden kleinste,
stecknadelspitzgroße Punkte in grauweißer Farbe, die sich unter dem
Mikroskope als kreisrunde, silbergraue, mit scharfem Rande versehene
Kolonieen darstellen, in deren Innern sich einzelne, nicht sehr helle,
glänzende Bröckchen erkennen lassen. Im Laufe der nächsten Tage
wachsen die Kolonieen beträchtlich und schieben eine graugelbe,
feuchtglänzende Haut gleichmäßig nach allen Seiten über die Gelatine
fort, so daß es zu recht beträchtlichen, bis Zwanzigpfennigstück-großen
Ausbreitungen auf der Gelatine kommt. Die Haut ist wesentlich
dicker als die vomBacterium coli commune. Im Gelatinestich
ist in den ersten Tagen kaum eine Fortpflanzung zu sehen. Erst
vom dritten Tage au beginnt das Oberüächeuwachstum, die Aus-
564
Neue Kommabacillen.
breitung der schon bei den älteren Kolonieen beschriebenen Haut über
die freie Fläche der Gelatine, während in den oberen Teilen des
Impfstiches noch eine geringere, in den unteren gar keine Vermehrung
mehr stattfindet. Bei der Kartoffel blieb das Wachstum auf den
Impfstich beschränkt. Ein Einfluß der Reaktion ließ sich nicht fest-
stellen. Die S- Formen kamen auf den schrägen Kartoffelflächen be-
sonders schön zur Entwickelung. Auf Rinderblutserum bildet sich
nach 24 Stunden ein feines, durchsichtiges, silberweißes Häutchen, in
welchem sich die schönsten Kommaformen erkennen lassen, ebenfalls
mit dem Auftreten eines feinen Häutchens über dem Kondensraume.
Dieselbe Erscheinung zeigte sich in flüssigem Menschenserum. Am-
photere Milch, mit Kommabacillen geimpft, ließ in den ersten
14 Tagen eine Veränderung nicht erkennen; dann aber sah man an
der Oberfläche gelbe Fetttropfen angesammelt. Die darunter befind-
liche Milch veränderte im Laufe der nächsten Tage ihre Farbe derart,
daß sie schließlich ein bernsteingelbes Aussehen gewann. Zugleich
hatte sich am Boden des Gefäßes eine weiße Masse angesammelt, die
aus Laktalbuminen und phosphorsauren Salzen bestand. Trotz des
entschiedenen Vorhandenseins von freiem Alkali ließ sich Ammoniak
nicht nachweisen. Kochsalzzusatz zur Gelatine ließ weder Ver-
besserung noch Verschlechterung des Wachstums im Vergleich zur
gewöhnlichen Gelatine erkennen. Im sterilen destillierten Wasser kam
es niemals zu einer Vermehrung der Vibrionen, während im gewöhn-
lichen Leitungswasser eine Zunahme derselben beobachtet wurde;
außerdem war lauf sämtlichen vom Leitungswasser geimpften Röhr-
chen üppigste Bakterienentwickelung, während auf den vom destil-
lierten Wasser abgeimpften Röhrchen nirgends eine Kolonie zu
sehen war.
Von den Veränderungen in den künstlichen Nährlösungen ist die
interessanteste das Auftreten einer Rotfärbung in 1-proz. Pepton-
lösung auf Zusatz von Salz- oder Schwefelsäure. Die Reaktion läuft
ebenso ab wie jene bei Cholera asiatica, und so darf man wohl an-
nehmen, daß es sich um Nitrosoindol handelt. Von Interesse ist
ferner, daß in den Bouilloukulturen im Brütschranke sich eine
schwache SchwefelwasserstoffäusscheiduDg nachweisen ließ: Bleizucker
war am zweiten Tage am unteren Rande 1 mm geschwärzt. Die
Versuche betreffs des Verhaltens des Vibrio gegen Säuren ergaben
durchweg, daß seine Widerstandsfähigkeit gegen dieselben eine äußerst
geringe ist.
Endlich ist noch über die Ergebnisse einiger vom Verf. vor-
genommenen Tierversuche zu berichten. Ein gleichmäßiges Resultat
ist aus diesen Versuchen nicht erzielt worden. Mäuse verhielten sich
im allgemeinen reaktiouslos, während Meerschweinchen, wenn mau
ihnen nach Art der iutrastomachalen Cholerainfektion Sodalösung
und darauf nach einiger Zeit die Bouillonkultur in den Magen
brachte, deutlich eine Herabsetzung der Temperatur zeigten, die
noch deutlicher bei intraperitonealer Infektion erfolgte; außerdem
zeigte sich in manchen Fällen Gewichtsverlust. Nach wenigen
Tagen jedoch hatten die Tiere ihr Anfangsgewicht und normale
Temperatur wieder erreicht und zeigten sich völlig munter, so daß
Diphtherie. — Angina ulcerosa benigna. — Pneumonomycosis.
565
also auch für Meerschweinchen der Vibrio auf keinen Fall hoch-
gradig pathogen ist. Auch Vögel, Hühner, Tauben und Kanarien-
vögel zeigten keine bemerkenswerten Reaktionen. Nur einige Kanarien-
vögel gingen zu Grunde, zeigten bei der Sektion aber einen völlig
negativen Befund. Dagegen ließen sich in allen Organen, im Herz-
blute und Darminhalte durch Kultur und Strichpräparat Reinkulturen
des Vibrio nach weisen. Maaß (Freiburg i. B.).
Elsclmig, Ein Fall von Diphtherie der Bindehaut.
(Wiener med. Wochenschrift. 1893. No. 32. p. 1526.)
E. behandelte ein 8 Monate altes Kind, welches seit 3 Tagen
an anscheinend leichter katarrhalischer Entzündung des linken Auges
erkrankt war. Die Uebergangsfalte sowie die Bindehaut des unteren
Lides war aber bedeckt von einer ziemlich konsistenten, aber leicht
ablösbaren Kruppmembran. Das obere Augenlid, Augapfelbindehaut
und Cornea waren normal. Mund und Rachen zeigten nichts Ab-
normes. Allgemeinbefinden gut, ebenso das nicht ergriffene Auge.
In der Kruppmembran fanden sich echte Loeffler’sche Diphtherie-
bacillen. Die Membranen wurden zweimal täglich entfernt, die blos-
gelegte Bindehaut mit 1 °/0o Sublimatlösung bepinselt, Cornea und
Bulbus mit l°/00o Sublimatlösung berieselt. Ohne weitere Kompli-
kationen heilte der Fall in 5 Tagen. Die Bindehaut kehrte zur
Norm zurück, war aber auf die Hälfte ihrer Flächenausdehnung
reduziert. 0. Voges (Danzig).
Sedzcak, J., Ein Fall der sogenannten Angina ulcerosa
benigna (Heryng). (Monatsschr. f. Ohrenheilkunde, Kehl-
kopf-, Nasen- und Rachenkrankheiten. Jahrgang XXVI. No. 7.
p. 199.
Ein poliklinischer Patient batte an beiden hinteren Gaumen-
bögen zwei sich an beiden Seiten des Zäpfchens in der Entfernung
1 cm von seiner Basis symmetrisch befindliche Geschwüre. Die
Ulcera waren oval, die Ränder scharf abgegrenzt gegen das gesunde,
nur wenig gerötete und geschwollene Gewebe. Die Oberfläche war
mit grünlichweißem Sekret bedeckt, welches sich nur schwer ent-
fernen ließ. Bakteriologische Untersuchungen ließen erkennen, daß
es sich um eine Infektion mit dem von Bujwid beschriebenen
Streptococcus monomorphus et variegatus handelte.
Tierversuche mit diesem Organismus verliefen im wesentlichen ohne
Ergebnis.
Verf. glaubt diesen Fall auf Grund der bakteriologischen Unter-
suchungen wie auch bezüglich vieler klinischen Symptome als eine
Angina ulcerosa benigna, wie sie Heryng seinerzeit be-
schrieb, betrachten zu sollen, obwohl der Sitz nicht wie bei letzterem
Krankheitsbilde auf den vorderen, sondern auf den hinteren Gaumen-
bögen zu finden waren. Als prädisponierend für die Erkrankung
wird starkes Rauchen angesehen. 0. Voges (Danzig).
Kolm, Ein Fall von Pneumonomycosis aspergillina.
(Dtsch. med. Wochenschr. 1893. No. 50.)
XV. Bd.
36
566
Pneumonomykose. — Aktinomykose.
Ein 58-jähriger Mann machte im Januar 1893 eine Hämoptoe
durch. Er litt bereits seit Jahren an Stockschnupfen. Einmal ge-
lang es ihm. eine lange, bandwurmartige Membran aus der Nase zu
ziehen. Anfang Juni wurde er wegen Husten, bräunlichem Auswurfe
und anderen Brustbeschwerden in das Krankenhaus am Urban zu
Berlin aufgenommen. Im Auswurfe fanden sich Tuberkelbacillen nicht,
die Untersuchung der Brust ergab Lungenemphysem, Katarrh, Ver-
dichtung der linken Lungenspitze und Retraktion des Thorax über
derselben. Kurze Zeit darauf hatte Verf. Gelegenheit, die Obduktion
auszuführen. Es fand sich Emphysem und Oedem beider Lungen,
in der linken Spitze und im linken Mittellappen je ein Herd, in
welchem das Lungengewebe stark zu Grunde gegangen war. In der
linken Spitze war der bezügliche Herd durch ein derbes Infiltrat von
einem gelblich-grauen Hofe getrennt und von mehreren thrombosierten
Gefäßen durchzogen. Die Alveolen enthielten verschieden große mehr-
kernige Leukocyten in geringer Zahl. Der Hof bestand ausschließlich
aus einem dichten Walle sehr kleiner, anscheinend in Schrumpfungs-
nekrose befindlicher Leukocyten. Außerdem fanden sich in den Al-
veolen des Herds zahlreiche von dem Verfasser als dem Aspergillus
fumigatus zugehörig angesprochene Fadenpilze, bald in Form schlan-
ker, mehr oder weniger verfilzter Fäden, bald von kurzer, dicker und
knorriger Gestalt, bald in Drusen, von denen nach allen Seiten Fäden
ausliefen. In den kleinsten Bronchien lagen die Pilze in dichteren
Haufen, hier waren auch Fruchthyphen vorhanden: „bräunlich-grüne
Hyphen, welche nach oben keulenförmig anschwellen und mit kurzen,
cylindrischen , unverzweigten Sterigmen besetzt sind , die an einigen
seltenen Stellen noch die kleinen, glatten, runden, blaßbräunlichen
Sporen tragen. Auskeimende Sporen sind vielfach zu sehen.“ An
einzelnen Stellen waren die Pilzfäden durch die Gefäßwand hindurch
gesproßt, so daß sie frei in das Blut hineinragten.
Verf. hält es für möglich, daß der Verstorbene sich gelegentlich
der von ihm betriebenen Kanarienvögelzucht infiziert hatte, da diese
Vögel besonders häufig an Aspergillusmykosen leiden. Er nimmt an,
daß der Stockschnupfen den Pilzen seine Entstehung verdankt hatte
und daß die Erkrankung dann von der Nase aus auf die Lunge
übergegangen sei. Kübler (Berlin).
Netter, De l’actinomycose pulmonaire. (La Semaine möd.
1893. 8. Nov. p. 509.)
Die Aktinomykose des Menschen ist in Frankreich außerordent-
lich selten; N. konnte aus der Litteratur nur 12 Fälle zusammen-
stellen. Er selbst beobachtete 3 Fälle, von welchen einer den Pleura-
raum, ein zweiter das hintere Mediastinum betraf ; beide Male waren
die Lungen frei. N. nimmt an, daß hier die Infektion vom Oeso-
phagus aus erfolgt sei. Gestützt wird diese Annahme dadurch, daß
bei der Sektion des zweiten Falles sich eine Fistel des Oesophagus
fand, die in das eiterig infiltrierte, zahlreiche Actinom yces pilze
aufweisende prävertebrale Gewebe führte. Der dritte Fall konnte
nicht genauer verfolgt werden. Zur Therapie empfiehlt N. dringend
Jodkalium (2—5 g täglich), welches sich bei der Tieraktinomykose
Aktinomykose. — Lepra.
567
vorzüglich bewährt hat. Im ersten Falle wurde ohne operativen
Eingriff mit Jodkalium Heilung erzielt. W. Petersen (Zürich).
Redtenbacher, Leo, Ein Fall von Actinomycosis abdomi-
nalis. (Wiener klinische Wochenschrift. 1893. No. 41. p. 738.)
Eine 19-jährige Magd war bis Frühjahr 1892 gesund. Damals
bemerkte sie eine Geschwulst im Bauche, die sich zunächst wieder
verkleinerte, um vom Herbst an wieder stark zu wachsen. Im April
1893 fand sich am Abdomen eine handtellergrosse Vorwölbung der
Bauchdecken vom linken Hypogastrium bis in das Mesogastrium ; die
Haut über der Geschwulst war von normalem Aussehen, verschieblich.
Nach innen von dieser Geschwulst fühlt man eine kleinere, apfelgroße,
die mit der ersteren in Verbindung steht. Die Oberfläche dieser derb
sich anfühlenden Tumoren ist glatt; sie sind druckempfindlich und
lassen sich nicht deutlich von den Ovarien abgrenzen. Sie wuchsen
noch zusehends, so daß am 16./IV. incidiert wurde; es entleerte sich
jedoch nur Blut und kein Eiter. Der Fall wurde deshalb als in-
operabel angesehen und starb 8 Wochen später.
Bei der Sektion zeigte es sich nun, daß es sich um Aktinomykose
gehandelt hatte. An der beschriebenen Stelle ist das subcutane, inter-
musculäre und das Muskelgewebe von zahlreichen fistulösen Gängen
durchsetzt; die darunter liegenden Darmschlingen sind verwachsen,
wodurch kleine Hohlräume gebildet werden. Auch im Douglas findet
sich eine eitergefüllte Höhle, welche nach vorn der hinteren Blasen-
wand anliegt und diese perforiert hat. Nur diese Hohlräume ent-
halten eiterige Massen, in denen sich reichlich Actinomyceskörner
finden; ebensolche sind im Urin zahlreich suspendiert. Desgleichen
sind die Ovarien, weniger der Uterus und die Tuben erkrankt. Auch
die Rectalwand ist mit zahlreichen Gängen durchsetzt.
Es handelt sich zweifellos um eine primäre aktinomykotische
Erkrankung der Darmschleimhaut. Kurt Müller (Halle).
Fisichella, V., Sulla tossicitä d e 1 1 ’ urina dei lebbrosi.
(La Rif. med. 1893. p. 180, 181.)
Ueber die Giftigkeit des Harns Lepröser fehlten bis jetzt jeg-
liche Angaben. Verf. benutzte daher die sich ihm an 2 Fällen dar-
gebotene Gelegenheit, um zu prüfen, ob der Harn Lepröser giftiger
sei als der normale, ferner ob die Giftigkeit auf irgendwelche cha-
rakteristische WTeise sich äußere und zum Schlüsse, ob der Grad der
Toxicität im Verhältnisse stehe zum Grade der Krankheit. Da die
zwei Kranken der von Ferrari mit Erfolg angewendeten Behand-
lungsmethode (Kauterisation der Knoten und Darreichung von
Kreosot wein und Oleum gynocardiae) unterzogen wurden, wurde der
Harn sowohl vor der Einleitung der Behandlung als auch nach ein-
getretener Besserung auf seine Giftigkeit mittelst intravenöser In-
jektionen (Kaninchen) geprüft.
Das Resultat dieser Versuche lautet dahin, daß
1) der Harn Lepröser giftiger ist als der normale;
2) der Grad der Giftigkeit direkt abhängig ist von der Schwere
des Falles und dessen Dauer;
36*
568
Cystitis. — Bacterium Zopfii.
3) die nach den Injektionen auftretenden Erscheinungen sind bis
auf ein gewisses Vorwiegen von Konvulsionen und Hypothermie
dieselben wie bei Injektion größerer Mengen normalen Harnes;
4) nach beendeter Kur nach Ferrari’s Methode kehrt die Giftig-
keit des Harnes zur normalen zurück. Kamen (Czernowitz).
Bary, Des cystites par infection descendante. (Annales
des maladies des Organes genito-urinaires. 1893. November.)
Der Verf. teilt in der vorliegenden Arbeit seine Ansichten über
das Zustandekommen von Cystitiden mit bei Individuen, die niemals
bougiert worden sind, noch irgend eine Urethralerkrankung gehabt
haben. Um jedem Einwande zu begegnen, hat Bary weder Frauen,
deren Urethra leicht der Sitz und Weg für Infektionserreger ist,
noch Männer, welche jemals eine Gonorrhöe gehabt haben — da nach
seinen eigenen Erfahrungen anscheineud geheilte Gonorrhöen öfter
noch nach 10—15 Jahren eine Cystitis hervorgerufen haben — in
den Kreis seiner Beobachtungen gezogen.
Bary selbst hat im Jahre 1892 in der Soci6t6 de biologie die
Mitteilung gemacht, daß Injektionen einer Bacter. coli comm.-
Kultur in die Ohrvene eines Kaninchens oder in die Pfote eines
Hundes bei dem betreffenden Tiere eine Cystitis hervorgerufen hätten
ohne Mitbeteiligung der Niere. Die Abbindung der Urethra (ohne
diese kommt nie eine Cystitis zustande) braucht nicht länger als
6 Stunden zu dauern, um eine ödematöse Schwellung und Hyperämie
besonders am Blasenhalse zu erzeugen. Im Urin finden sich natür-
lich Bact. coli- Bacillen.
Bemerkenswert ist die überaus schnelle Heilung dieser Cysti-
tiden, die der Verf. daraus erklärt, daß die Bacillen keine Zeit haben,
stärkere Veränderungen des Epithels und des darunter liegenden
Gewebes hervorzurufen.
In einem von ihm selbst beobachteten Falle trat bei einem
kräftigen jungen Manne, der bis auf geringe Verdauungsstörungen
mit leichten Diarrhöen und zeitweiliger Harnverhaltung vollkommen
gesund war, im Anschlüsse an eine Erkältung eine Cystitis mit
heftigen subjektiven Beschwerden auf. Der Urin hatte ein dickes
gelbes Sediment — bisweilen war den letzten Tropfen Blut bei-
gemischt — ; die bakteriologische Untersuchung ergab eine Rein-
kultur des Staphylococcus aureus. Die Heilung verlief etwas
langsamer. Dafür ist die oben erwähnte Retention verantwortlich zu
machen; denn da, wo die Bakterien eine infolge der Retention etwas
gereizte Blase antreffen, führen sie zu tieferen Zerstörungen und
können wegen der unvollständigen Entleerung länger in der Blase
sich aufhalten, um ihr Zerstörungswerk fortzusetzen. Sehr oft können
pathogene Bakterien unbemerkt die Harnwege passieren, wenn es
ihnen selbst an der genügenden Virulenz fehlt, wenn die Zahl zu
gering oder die Krankheitserscheinungen zu unbedeutend sind.
Lasch (Breslau).
Boyce and Evans, Upon the action of gravity on Bac-
terium Zopfii. Communication made to the Royal Society,
Februar 1893.
Bacterium Zopfii. — Laboulbeniaceen.
569
Bacterium Zopfii, von Kurth im Hiitmerdarm, von C r o o k-
shank in der Luft gefunden, wurde von den Verff. aus einem Falle
von Mittelohreiterung bei der Katze kultiviert. Auf Gelatine bildete
dasselbe im Stiche ein federartiges Wachstum auf der Oberfläche
und in der Tiefe, dort wuchsen die federähnlichen Fasern etwa in
einem Winkel von 45° nach oben, hier waren sie annähernd hori-
zontal. Symmetrisches federartiges Wachstum kam nicht zustande,
wenn die Gelatineröhrchen horizontal gehalten wurden, während es
sich in entsprechenden vertikal gehaltenen Röhrchen entwickelte.
Durch Aufstellen der Kulturen in verschiedenen Winkeln von der
Horizontalen bis zur Vertikalen ließ sich eine Reihenfolge von Asym-
metrie bis zur Symmetrie der Federbildung erreichen. Wurde ein
vertikal gehaltenes Röhrchen, in dem federartige Entwickelung statt-
gefunden hatte, umgekehrt, so entstand wieder eine Federbildung,
welche die andere durchkreuzte. Wurde die Einwirkung der Schwer-
kraft auf das Wachstum des Bakteriums dadurch variiert, daß die
senkrecht aufgestellten Röhrchen langsam, d. h. von einem Male pro
Minute bis zu einem Male pro Stunde um eine horizontale Achse ge-
dreht wurden, so entstand keine Federentwickelung. Der Organismus
wurde also augenscheinlich von der Schwerkraft in seinem Wachs-
tume beeinflußt, und zwar schien er negativen Geotropismus zu be-
sitzen. War dies der Fall, so mußte er in der Centrifuge centripetal
wachsen und thatsächlich that er das , denn horizontal liegende
centrifugierte Kulturen gaben bei 3 bis 5 Umdrehungen pro Sekunde
ebenso vollkommenes Federwachstum wie senkrecht stehende Kulturen.
Der Widerstand der Gelatine verhindert, daß das Wachstum des
Organismus genau entgegen der Wirkung der Schwerkraft, also
senkrecht vor sich geht. So erklärt sich auch die schon erwähnte
Erscheinung, daß die Kulturfasern an der Oberfläche stärker von
der horizontalen abweichen als in der Tiefe, wo die dickere Gela-
tineschicht größeren Widerstand leistet. Am besten bildet sich das
Federwachstum bei 20—21° und in dickeren Gelatineschichten, also
in Röhrchen, nicht in Platten und Schälchen.
Abel (Greifswald).
Thaxter, Roland, New Species of Laboulbeniaceae from
various localities. (Proceedings of the American Academy of
Arts and Sciences. 1893. X. — Contributions from the Cryptogamic
Laboratory of the Harvard University. p. 156 — 188.)
Verf. hat in 4 verschiedenen Abhandlungen (1890, 1891, 1892,
1893), deren letzte uns vorliegt, von den auf Fledermausläusen
(Nycteribien), Fliegen und Käfern schmarotzenden Laboul-
beniaceen, von denen man bisher nur 15 Arten kannte (12 europäische,
den Gattungen Laboulbenia, Stigmatomyces, Helmintho-
phana, Chitomyces, Heimatomyces angehörig, 2 südameri-
kanischen und 1 nordamerikanischen Art) über 100 neue Arten und
16 neue Gattungen beschrieben, und zwar von
Peyritschiella 3 Arten, Cantharomyces 2 Arten, La-
boulbenia 55 Arten, Zodiomyces 1 Art, Hesperomyces
1 Art, Heimatomyces 12 Arten, Ceratomyces 7 Arten, Core-
570
Laboulbeniaceen. — Kartoffelkrankheit.
thromyces 4 Arten, Acanthomyces 6 Arten, Dimorphomyces
1 Art, Amorphomyces 2 Arten, Haplomyces 3 Arten, Can-
tharomyces 1 Art, Idiomyces 1 Art, Chaetomyces 1 Art,
Ehadinomyces 2 Arten, Teratomyces 1 Art, Dichomyces
1 Art.
Die Mehrzahl dieser neuen Arten stammt aus Amerika. Für
das Gebiet der Rab enhorst’schen Kryptogamenflora (Deutschland,
Oesterreich, Schweiz) sind neu:
Idiomyces Peyritschii Thaxt. auf Deleaster dichrous
Gray. ;
Laboulbenia subterranea Thaxt. auf Anophthalmus;
L. Europaea Thaxt. auf Chlaenius und Calistus;
L. cristata Thaxt. auf Paederus arten, L. a n c e p s Peyr. auf
Platynus arten, Acanthomyces hypergaeus Thaxt. auf Anoph-
thalmus;
A. furcatus Thaxt. auf Othius, A. breyipes Thaxt. auf
Lathrobium;
Ehadinomyces pallidus Thaxt. auf Lathrobium.
Weiter findet sich Laboulbenia proliferans Thaxt. in Japan
und Syrien, L. Pheropsophi Thaxt. und L. zanzibarina Thaxt.
in Zanzibar, L. Australiensis Thaxt. in Australien.
Als Wirte der neu aufgefundenen Laboulbeniaceen werden vom
Verf. aufgeführt Arten von
Platynus, Sunius, Bledius, Patrobus, Harpalus,
Hydrocombus, Chilocorus, Casnonia, Bembidium, Lac-
cophilus, Haliplus, Cnemidotus, Hydroporus, Tropister-
nus, Cryptobium, Atranus, Omophron, Chlaenius, Ne-
bria, P t e r o s t i c h u s , Galerita, Gyrinus, Brachinus,
S c hi z o g e niu s , Falagria, Deleaster, Anophthalmus, Ani-
sodactylus,01isthopu8, Stenolophus,Badister, Aptinus,
Quedius, Eudema, Coptodera, Morio, Clivina, Phero-
psophus, Panagaeus, Acrogenys, Pachyteles, Paederus,
Philonthus, C r e p i d o g as ter , Calleida, Colpodes, Othius,
Lathrobium, Pinophilus, Acylophorus, Bidessus, Be-
rosus, Hydrocombus, Philhydrus.
Yerf. ist gegenwärtig mit der Bearbeitung einer illustrierten
Monographie der Laboulbeniaceen beschäftigt. Ludwig (Greiz).
Sorauer. P., Einige Beobachtungen bei der Anwendung
von Kupfermitteln gegen die Kartoffelkrankheit.
(Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten. Bd. III. 1893. Heft 1. p. 32
—38.)
Ein sorgfältig überwachter Anbauversuch mit zwei verschiedenen
Kartoffelsorten führte zu einigen bemerkenswerten Ergebnissen über
die Wirkung zweier Kupfermittel (Sulfost6atite cuprique und Bouillie
bordelaise) auf gesunde und kranke Kartoffelpflanzen. Die Anwen-
dung derselben erfolgte in der Weise, daß in mehrfacher Wieder-
holung innerhalb derselben Sorte je eine Reihe das Specksteinmehl
eine zweite Kupfervitriolkalkmischung erhielt, während die dritte un-
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 571
bespritzt blieb. In betreff der Einzelheiten auf das Original ver-
weisend sei hier nur bemerkt, daß als Unterlage für die Folgerungen
die bei der Ernte konstatierte Größe, Zahl und Gewicht der Knollen
dienten.
Es ergab sich, daß die Kupfersalze zunächst einen nachweisbar
störenden Einfluß auf die Krautentwickelung wie den
Knollenansatz ausüben, indem beides bei unbesprengten gesunden
Pflanzen sich günstiger gestaltete. Tritt aber nunmehr [die in we-
nigen Tagen sich rasch ausbreitende Krankheit hinzu, so ändert sich
das Resultat alsbald zu Gunsten der mit den Kupfermitteln behandelten
Pflanzen, denn nunmehr wird der geringe, durch diese bewirkte Nach-
teil durch die pilzhemmende Wirkung derselben reichlich ausge-
glichen, indem jetzt Laub- und Knollenentwickelung gerade an
Kupferpflanzen die günstigste war und hier insbesondere die massen-
hafte Erkrankung der Knollen fortfiel. Es wurde also faktisch
eineErhöhung derErnte erreicht, weil der durch die Phytoph-
thora herbeigeführte unvermeidliche Verlust bedeutend vermindert
wurde. Die oft wiederholte Bestäubung in dem Sommer des Be-
obachtungsjahres hatte weiterhin eine partielle oder auch totale
leichte Bräunung der Blattflächen zur Folge, der aber eine praktische
Bedeutung nicht beizumessen ist; solche verdient aber nach Verf.
ein gewisses wissenschaftliches Interesse, weil durch sie eine eigen-
tümliche Veränderung (Intumescentia) des Blattkörpers begünstigt
zu werden scheint, die bei unbesprengten Pflanzen in minderem
Grade und zumal erst zu einer späteren Zeit auftritt. Näheres
hierüber ist im Originale einzusehen und sei hier nur noch bemerkt,
daß Verf. das Erscheinen derartiger Intumescenzen als Zeichen einer
verminderten Assimilationsfähigkeit auffaßt.
W e h m e r (Hannover).
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
Solbrig, Ueber die Prophylaxis der Diphtheritis vom
sanitätspolizeilichen Standpunkte. (Vierteljahrsschrift
für gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen. Dritte Folge
Band VII. 1894. Heft 1. p. 145-161.)
Als epidemische Krankheit scheint die Diphtheritis erst seit
wenigen Jahrzehnten zu erscheinen, wenn auch ihr Vorhandensein in
den frühesten Jahrhunderten feststeht. Die Zunahme der Sterblich-
keit in Preußen zeigt sich z. B. an folgender Liste, wo von 100000
Lebenden starben:
1879 145,6
1880 132,9
1881 146
1882 180,5
572 Schutzimpfung, küustl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
1883 164,2
1884 175,9
1885 181,1
1886 194,1
Genau gezählt ergiebt sich, daß fast ein Fünftel der Kinder
zwischen 0 und 10 Jahren iu den Jahren 1875 bis 1885 in Preußen
an Diphtheritis und Bronchitis starb.
Loeffler wies 1890 nach, daß der von Klebs 1881 und von
ihm 1884 gefundene Bacillus der Krankheitserreger sei.
Bekannt ist, daß der Bacillus bei Kindern eine weitaus größere
Sterblichkeit als bei Erwachsenen hervorruft, daß er bei der ärmeren
und dichter wohnenden Bevölkerung häufiger wie in wohlhabenden
Kreisen auftritt, daß das Land eine größere Sterblichkeit wie die
Städte aufweist und daß die kältere Jahreszeit mehr Opfer fordert
wie die wärmeren.
Da die Bacillen nach den Loeffler’schen Untersuchungen nur
in den lokalen Krankheitsprodukten lebens- und entwickelungsfähig
bleiben, kommt Uebertragung vor
1) direkt durch Berührung mit den Kranken, z. B. durch Küsse,
2) indirekt durch alles, was mit den Kranken in Berührung war,
und zwar sowohl die umgebende Luft, wie alle nur erdenk-
lichen Gegenstände.
Nachgewiesen ist z. B., daß Diphtheriebacillen in Milch gut ge-
deihen. Butter und Käse ist oft der Verbreiter der Krankheit, wie
auch an Brot die Keime haften bleiben.
E. Roth (Halle a. S.).
Fedoroff, Zur Blutserumtherapie der Cholera asiatica.
(Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankh. Bd. XV. Heft 3.
p. 423 ff.)
Verf. immunisierte mit dem in Bd. XIII der Zeitschrift für
Hygiene näher beschriebenen Choleraantitoxiu 6 Kaninchen. Nach
3 Tagen überstanden die Tiere je 5 ccm hochvirulente Cholera-
mischung. Nach weiteren 4 Tagen erhielten die Tiere ein ganzes
Kulturröhrchen von dem aus Paste ur’s Institute stammenden Haff-
kin’schen „Virus fort“, von dem */4 Kultur ein Kontrollier tötete.
Nach 5 Tagen wurde einem Tiere Blut entnommen, dessen Serum
erwies sich aber noch von geringer Schutzkraft (nicht einmal 1 : 200).
Es wurde noch einmal 10 ccm 3-tägiger Bouillonkultur injiziert,
nach weiteren 19 Tagen erhielten die Tiere 5 ccm Bouillonkultur
und 2 Agarkulturen, 9 Tage später 15 ccm Bouillon und 3 Agar-
röhrchen. Diese letzte Dosis überstand nur 1 Tier. 0,01 ccm seines
Serums waren nun imstande, eine Maus von 20 g gegen eine sicher
tödliche Choleraimpfung zu schützen. Durch Alkoholzusatz und
Trocknung über Schwefelsäure wurde aus dem Reste des Serums ein
braunes, in Wasser schwer, leichter in 0,1-proz. Kalilauge oder
7-promill. Kochsalzlösung lösliches Pulver gewonnen, welches in der
Dosis von 2 dg ein Meerschwein von 230 g vor der tödlichen Cholera-
dosis schützte.
Hunde, welche nach intraperitonealer Infektion mit Cholera-
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 573
kulturen ein ähnliches Bild darboten wie Kaninchen, werden für
weitere Versuche benutzt. Die erste Injektion geschah mit Thymus-
cholerabouillon, die nachfolgenden mit von Choleraagarkulturen mit
Cholerabouillon.
Das von dem Hunde, welcher in 54 Tagen 100 ccm Cholera-
bouillon und 17 Agarröhrchen Cholera bekommen hatte, gelieferte
Serum hatte einen Schutzwert von 1 : 7000, d. h. 0,003 ccm schützten
eine Maus von 20 g. Weitere 3 Kaninchen erhielten in 4 Monaten
je 200 ccm Cholerabouillon und 15 Agarröhrchen. Die Schutzkraft
war bis auf 1 : 100000 angewachsen.
Die mit diesem Serum angestellten Versuche ergaben, daß eine
Immunität erzielt werden konnte, wenn die Tiere etwa 2 Stunden
vor der Cholerainfektion das Serum bekommen hatten. Waren die
Symptome der Krankheit ausgebrochen, so nützten selbst große
Serummengen nichts, während des sogenannten Inkubationsstadiums
glaubt er jedoch einen immunisierenden Einfluß des Serums noch
fixieren zu müssen. O. Voges (Danzig).
Wolkowitsch, Ueber den therapeutischen Wert des
Salols bei der Choleradiarrhöe. (Terapeutische Monats-
hefte. Jahrgang VII. 1893. Heft 9. p. 457 ff.)
Verf. versprach sich von der Anwendung des Salols bei Cholera
asiatica Erfolge und wandte in circa 100 Fällen dasselbe an.
Leider entbehrt diese Arbeit der Grundlage und scheint dem
Verf. Diarrhöe und Cholera identisch zu sein. Zwar hatte die
mikroskopische Untersuchung Cholerabacillen ergeben, in wie viel
Fällen dieselbe aber gemacht, wird nicht verraten und scheint es
dem Verf. unbekannt zu sein, daß gerade in Cholerazeiten Diarrhöen,
welche nicht Cholera sind, häufiger auftreten, so daß bei Beurteilnng
der Erfolge seiner Kur eine exakte Sicherstellung der Diagnose in
jedem Falle notwendig gewesen wäre, wenn man auf Grund derselben
ein Mittel empfehlen will. Einige dieser verdächtigen Krankenge-
schichten werden mitgeteilt. Die erste Dosis betrug 2 g, dann wurde
3-stündlich 1 g verabfolgt. Tägliche Dosis 8 — 10 g. Nachdem
Besserung eingetreten, wurde die Dosis allmählich stufenweise herab-
gesetzt. Außerdem wurde Bettruhe, heißer Thee mit Citrone em-
pfohlen. Eine Karbolvergiftung wurde nicht beobachtet. Schwindel
und Ohrensausen auf Rechnung des salicylsauren Natrons gesetzt, der
Urin selbstverständlich nicht untersucht. Verf. beobachtete einen
durchaus günstigen Verlauf der von ihm beobachteten Fälle. Zum
Schluß fordert Verf., daß die nächste Hilfeleistung so zu organisieren
sei, daß die Kranken jederzeit den Arzt und die entsprechenden
Arzneimittel erhalten können , denn „in Fällen wirklicher Cholera-
diarrhöen“ ist die Zeit wertvoll und der Kranke sollte nicht einige
Stunden auf die entsprechende Arznei — wahrscheinlich das Salol
gemeint — zu warten brauchen. Für W. scheint somit die goldene
Zeit gekommen, wo der Zaubertrank Salol den Menschen vom Cholera-
tode errettet. Schade nur, daß andere Autoren dem nicht bei-
stimmen können. 0. Voges (Danzig).
574 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Goldschmidt, J. (Madeira), Die Behandlung und Heilung
der Lepra tuberosa mit Europhen. ( Therapeutische
Monatshefte. 1893. p. 153 ff.)
Verf. versuchte, von der Idee ausgehend, daß die Lepra ein ur-
sprünglich rein lokales Leiden sei , welches erst allmählich die
enorme Verbreitung über den ganzen menschlichen Organismus er-
reicht, diese Erkrankung lokal zu behandeln, nachdem auch von ihm
das Tuberkulin mit negativem Erfolge angewandt war. Er suchte
analog der Behandlung der Tuberkulose mit Jodoform auch eine
lokale Jodbehandlung einzuführen und verwandte das Europhen,
welches er in 3-proz. und allmählich steigend bis 5-proz. Lösung in
einer Menge von 1 ccm in die leprösen Knoten injizierte. Die
Injektion dieser Masse konnte nur sehr allmählich stattfinden, da die
Gewebe nur schwer die Flüssigkeit aufnahmen. Fälle, welche schon
sehr weit vorgeschritten waren, verliefen ohne merkliches Resultat,
doch war in leichteren Fällen der Erfolg eklatant und in einem Falle
trat nach 15-monatlicher Behandlung völlige Heilung ein, ein Ver-
halten, welches G. bei seiner 25-jährigen Leprabehandlung sonst nie
beobachten konnte. Auch durch Einreibungen des Europhens ließen
sich Heilerfolge verzeichnen, doch ist die Injektionsmethode vorzu-
ziehen. — Andere Fälle wurden mit Pyoktanin in 1-proz. Lösung
behandelt, da man annahm, daß durch die Färbung der Bacillen in
vivo die Abtötung erfolgte. Die Färbung gelang zwar vortrefflich,
aber der Patient starb trotzdem, wenn seine Zeit gekommen war.
0. Voges (Danzig).
Ostertag , Zur Jodtherapie der Aktinomykose. (Monats-
hefte für prakt. Tierheilkunde. Bd. IV.)
Ostertag bezeichnet das von Thomasseri 1885 für die Be-
handlung der Rinderaktinomykose empfohlene Jod als ein Spezifikum
gegen dieselbe. Die Geschwülste werden mit Jodtinktur, welche besser
als Lugol’sche Lösung wirkt, eingepinselt. Innerlich wird Jod-
kali verabreicht. Heilung in wenigen Wochen.
Abel (Greifswald).
Cazeneuve, P., Rollet, Et. et Nicolas, Sur l’action micro-
bicide du Gallano 1. (Lyon mödical. 1893. No. 45.)
Die Verff. haben den Einfluß des Gallanols auf die Lebensfähigkeit
und die Pathogenität der Bakterien an Milzbrandbacillen, Staphylo-
coccus aureus, Pyocyaneus, Typhusbacillen unddemBacte-
rium coli commune geprüft. Sie setzten zu Nährbouillon Gallanol
in verschieden starken Dosen, und zwar 5—10 Proz., 0,1 Proz. und
0,02 Proz. Kulturen der genannten Bakterienarten wurden in der 5-10-
proz. Gallanolbouillon in kurzer Zeit sämtlich abgetötet, in 0, 1-proz. wur-
den Typhusbacillen getötet, Milzbrandbacillen und Staphylococcus
aureus im Wachstume geschwächt, Pyocyaneus und dasBacte-
rium coli aber blieben unbeeinflußt. Die 0,02-proz. Gallanolbouillon
war in keiner Weise mehr wachstumshemmend. Versuche an Meer-
schweinchen und Kaninchen, die mit Kulturen in 5 — 10-proz. Gallanol-
bouillon geimpft wurden, aber vollkommen gesund blieben, bestätigten die
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemtnung etc. 575
Abtötung der genannten Bakterienarten und ließen die Ungiftigkeit des
Mittels erkennen. Bei Impfung von Kaninchen und Meerschweinchen
mit Kulturen in 0,02-proz. Gallanolbouillon zeigte sich , daß die
Lebensfähigkeit der Bakterien nicht beeinflußt, dagegen ihre Patho-
genität für Tiere fast bei allen Arten geschwächt war. Verff. em-
pfehlen das Mittel wegen seiner Ungiftigkeit in nicht zu hohen Dosen
— ein Hund von 10 kg Gewicht überlebte eine subkutane Ein-
spritzung von 5 g in Wasser gelösten Gallanols — bei parasitären
Hautkrankheiten und berichten über gute Erfolge bei Favus, Tricho-
phytieen und anderen Hautkrankheiten. Lösener (Berlin).
Radcliffe, Ichtyol as a remedy for facial erysipelas.
(The Therapeutic Gzaette. 16. V. 1892.)
Der Verf. hatte Gelegenheit, bei einer großen Anzahl von Fällen
von Erysipelas , die sich an eine Imfluenzaepidemie anschlossen , die
Wirksamkeit der verschiedenen Heilmethoden auszuproben. Das Er-
gebnis seiner Erfahrungen legt er mit einer einleitenden Bemerkung
über das Wesen des Erysipels in der vorliegenden Mitteilung nieder.
Nicht wie in früherer Zeit, als man den Grund für das Erysipel in
schlechter Blutbeschaffenheit suchte, seien „blutreinigende“ Mittel zu
verordnen, sondern die Erkenntnis, daß die Krankheit durch Strepto-
kokken veranlaßt würde, bedinge die Anwendung parasitärer Mittel.
Die Mitteilungen, die der Verf. in der Litteratur fand, nach denen das
Ichthyol fast ein Spezifikum gegen das Erysipel sei und das Wachs-
tum der Streptokokken verhindere, veranlaßten ihn, dasselbe anzu-
wenden. Der Erfolg war stets ein ausgezeichneter. Das Fieber ver-
schwand am 2. oder 3. Tage vollständig und am 5. oder 6. Tage
war in allen Fällen vollkommene Heilung erzielt.
Lasch (Breslau).
Berichtigung
Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XV. No. 12. p. 438. Zeile 12 von unten lies
anstatt „Verf. bestätigte dann ferner die Angaben von Buschke“ „V e r f. ’s Angaben
bestätigte dann ferner Buschke“.
576
Neue Litteratur.
Neue Litteratur
zusammengestellt von
De. Arthub Würzbueg,
Bibliothekar im Kaiserlichen Gesnndbeitsamte in Berlin.
Allgemeines über Bakterien und Parasiten.
Annales de l’Institut de pathologie et de bacteriologie de Bucarest publ. par V. Babes.
II. annee. 1890. 4°. 504 p. Bucuresci 1893. [Rumänisch und französisch.]
Arbeiten auf dem Gebiete der pathologischen Anatomie und Bakteriologie aus dem
pathologisch-anatomischen Institut zu Tübingen, hrsg. von P. Baumgarten. Bd. II.
Heft 1. gr. 8°. III, 170 p. Braunschweig (Harald BruhD) 1894. 5 M.
Kellermann, Kleine bakteriologische Studien. (Aerztl. Mitteil. a. und f. Baden. 1893.
No. 24. p. 188—191.)
Küthe , F. Ph. , De ontwikkeling en het tegenwoordig standpunt der bakteriologie.
Eerste stuk. 8°. 153 p. Haarlem 1893.
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
van Ermengem, E., Nouvelle methode de coloration des cils des bacteries. (Annal. de
la soc. de med. de Gand. 1893. p. 231 — 236.)
Biologie.
(Gärung, Fäulnis, Stoffwechselprodukte usw.)
Brown, A. M., The animal alkaloids; cadaveric and vital. With introduction by
A. Gautier. 3. ed. 8°. 260 p. London (Kimpton) 1894. 7 sh. 6 d.
Cacace, E., Dell’ azione dei prodotti di ricambio del bacterium coli commune sullo
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Infektionsgeschwülste.
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Krankheiten].)
Bollinger, Maßnahmen behufs Verhütung der Weiterverbreitung der Tuberkulose. Referat
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Länderer, A., Die Behandlung der Tuberkulose mit Zimmtsäure. (Therapeut. Mtsh.
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Genickstarre, Mumps, Rückfallsfieber, Osteomyelitis.
Albu, A., Zur Kenntnis der Influenzapneumonieen. (Dtsche med. Wchschr. 1894. No. 7.
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Bayern. Erlaß des Staatsministeriums des Innern, Sammlung von Beobachtungsmaterial
über das erneute Auftreten der Influenza betr. Vom 13. Januar 1894. (Veröffentl.
d. kaiserl. Gesundheits-A. 1894. No. 7. p. 102.)
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Fiore-Spano, Recherches bacteriologiques sur le sperme d’individus affectös de tubercu-
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Neue Litteratur.
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C. Entozootische Krankheiten.
(Finnen, Bandwürmer, Trichinen, Echinokokken, Filaria, Oestruslarve, Ascaris,
Anchylostomum, Trichocephalns, Oxyuris.)
Mercanti, F., Gli animali parassili dell’ uomo. 8°. Mailand 1894. 1,50 1.
Krankheitserregende Bakterien und Parasiten bei Menschen und Türen.
Milzbrand.
Gibson, G. E., Anthrax. (Veterin. Journ. 1894. Jan. p. 25 — 35.)
Maul- und Klauenseuche.
Preußen. Reg.-Bez. Oppeln. Verordnung, betr. Schutzmaßregeln gegen die Einschlep-
pung und Verbreitung der Maul- und Klauenseuche. (Veröffentl. d. kaiserl. Gesund-
heits-A. 1894. No. 7. p. 99—100.)
Krankheitserregende Bakterien und Parasiten bei Tieren.
Säugetüre.
A. Infektiöse AUgememkrankheiten.
Verbreitung von Tierseuchen im Deutschen Reiche im Dezember 1893. (Veröffentl. d.
kaiserl. Gesundheits-A. 1894. No. 5. p. 73.)
Krankheiten der Vielhufer.
(Rotlauf, Schweineseuche, Wildseuche.)
Buch, J., Beitrag zur Kenntnis der Schweineseuche. (Dtsche tierärztl. Wchschr. 1894.
No. 6. p. 41—43.)
Krankheitserregende Bakterien und Parasiten bei Pflanzen.
Jolicoeur, H., Le phylloxera vastatrix, ses differentes formes, les lesions qu’il determine.
8°. 12 p. Epernay 1894. 0,25 fr.
Lindau, G. , Der Epheukrebs. (Ztschr. f. Pflanzenkrankb. 1894. Bd. IV. Heft 1.
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Mohr, C., Ueber eine Schädigung der Tabakpflanze durch eine Acarine. (Ztschr. f.
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Rathay, E., üeber die in Südtirol durch Tetranychus telarius hervorgerufene Blatt-
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Sajo, K., Beiträge zur landwirtschaftlichen Insektenkunde. 1. Die Schädlichkeit der
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Schutzimpfungen, künstliche Infektionskrankheiten, Entwicke-
lungshemmung und Yernichtung der Bakterien mit besonderer
Berücksichtigung der Arbeiten über das Koch’sche
Heilverfahren gegen Tuberculose.
Andrews, E., A remarkable effect of Koch’s lymph. (Internat, clinic, Philad. 1893.
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Behring, Antitoxisch wirkende Desinfektionsmittel. (Dtsche med. Wchschr. 1894. No. 8.
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Henius, Bemerkungen über die Desinfektion nach ansteckenden Krankheiten. (Dtsche
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Neue Litteratur.
Holzendorff. H , Ein Beitrag zur Beurteilung des diagnostischen Wertes der Impfung
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Kitt, Th., Zur Kenntnis der Immunitätsverhältnisse bei der Geflügelpest. (Ntsh. f.
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Kolle, Beiträge zu den experimentellen Cholerastudien an Meerschweinchen. (Ztschr.
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Marchal, E., Sur un procedd de Sterilisation ä cent degres des Solutions d’albumine.
(Bullet, de l’Acad. roy. d. scienc. de Belgique. 1894. p. 323 — 327.)
Phisalix, C. et Bertrand, G., Sur la propriete antitoxique du sang des animaux vaccines
contre le venin de vipere. (Compt. rend. 1894. T. CXVIII No. 7. p. 356 — 358.)
Sticker, A., Die Notwendigkeit von Verbrennungsöfen für Seuchenkadaver. (Centralbl.
f. allg. Gesundheitspfl. 1894. No. 1/2. p. 29 — 37.)
Tizzoni. G. u. Centanni, Serum gegen Rabies, von hoher, immunisierender Kraft, auf
den Menschen anwendbar. (Berl. klin. Wchschr. 1894. No. 8. p. 189 — 191.)
Inhalt.
Originalmitteilungen.
Bochicchio, Nicola, Ueber einen Milch-
zucker vergärenden und Käseblähungen
hervorrufenden neuen Hefepilz. (Orig.),
p. 546.
Cholodkowsky, N , Ueber eine neue Species
vou Taenia. (Orig.), p. 552.
Wehmer, C., Ueber die Beziehungen der
Bakteriologie zur allgemeinen Mykologie
und Physiologie. (Orig ), p. 533.
Zettnow, Reinigung verschmutzter Objekt-
träger und Deckgläser. (Orig ), p. 555.
Referate.
Bary, Des cystites par infection descen-
dante, p. 568.
Bonhoff, Ueber zwei neue in Wasser ge-
fundene Kommabacillenarten, p. 562.
Boyce and Evans. Upon the action of
gravity on Bacterium Zopfii, p. 568.
Elschnig , Ein Fall von Diphtherie der
Bindehaut, p. 565.
Fisichella, V , Sulla tossicitä dell’ urina
dei lebbrosi, p. 567.
Harold, C. Ernst, The Bacillus pyocyaneus
pericarditidis, p. 559.
Kiefsling, Das Bacterium coli commune,
p. 559.
Kohn, Fin Fall von Pneumonomycosis
aspergillina, p. 565
Lehmann, K. B., Qualitative und quanti-
tative Untersuchungen über den Säure-
gehalt des Brotes, p. 556.
Netter , De l’actinomycose pulmonaire.
p. 566.
Redtenbacher, Leo, Ein Fall von Actino-
mycosis abdominalis, p. 567.
RusseU, H. L., The bacterial flora of the
Atlantic Ocean in the vicinity of Woods
Holl, Mass, p. 558.
Sedzcak, J., Ein Fall der sogenannten An-
gina ulcerosa benigna (Heryng), p. 565.
Sorauer, P., Einige Beobachtungen bei der
Anwendung von Kupfermitteln gegen
die Kartoffelkrankheit, p. 570.
Thaxter, Roland, New species of Laboul-
beniaceae from various localities, p. 569.
Schutzimpfung, künstliche Infektions-
krankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Cazeneuve, P., Rollet, Nicolas, C., Sur
l’action microbicide du Gallanol, p. 574.
Fedoroff, Zur Blutserumtherapie der Cho-
lera asiatica, p. 572.
Goldschmidt, J., Die Behandlung und Hei-
lung der Lepra tuberosa mit Europhen,
p. 574.
Ostertag, Zur Jodtherapie der Aktinomy-
kose, p. 574.
Radcliffe, Ichtyol as a remedy for facial
erysipelas, p. 575.
Solbrig, Ueber die Prophylaxis der Diph-
theritis vom sanitätspolizeilichen Stand-
punkte, p. 571.
Wolkowitsch, Ueber den therapeutischen
Wert des Salols bei der Choleradiarrhöe,
p. 573.
Berichtigung, p. 575.
Neue Litteratur, p. 576.
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industrie (Beiträge zur Lebensgeschichte der Mikroorganismen)“,
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matischen Affectionen aller Art, theils in Folge seiner durch ex-
perimentelle und klinische Beobachtungen erwiesenen redneirenden,
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die Resorption befördernden und den Stoffwechsel steigernden Wir-
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Jährlich erscheinen zwei Bände.
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Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
kunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an
den Verleger, Herrn Gustav Eischer in Jena , gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage , später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original -Mittheilungen.
Beitrag zur Lehre über die pathogenen Eigenschaften
des Friedländer’schen Pneumococcus.
[Aus dem pathologisch-anatomischen Institute von Prof. W. Brodowski
in Warschau.]
Von
Dr. Z. Dmocliowäki,
Geh. des Pros, für pathol. Anat. an der Universität Warschau.
Die vorliegende Mitteilung ist nur ein kurzer Auszug aus einer
größeren, ein anderes Thema behandelnden Arbeit. Ich beeile mich
indessen, dieselbe zu veröffentlichen, einerseits auf Grund der Seltenheit
eines derartigen Falles im allgemeinen und dann infolge einer neuen
Beobachtung, welche die eitererregenden Eigenschaften des Fried-
XV. Bd. 37
582
Z. Dmochowski,
1 ä n d e r ’ sehen Pneumococcus bestätigt, über welche bis jetzt
nur spärliche Andeutungen existieren. Unter den wenigen derartigen,
nicht direkt zur Sache gehörenden Arbeiten sollen hier nur drei Er-
wähnung finden, in denen die Autoren durch den Friedländer’ sehen
Pneumococcus hervorgerufene, dem von mir beobachteten ähnliche
Prozesse geschildert haben.
Bei der Sektion eines an akuter Pneumonie verstorbenen Indi-
viduums fand Mills1) eiterige Meningitis vor. Aus dem Eiter
züchtete er den Pneumococcus Friedländeri, der sich nach
Gram nicht färbte und unter 20° C wuchs.
Netter 2) fand unter 28 untersuchten Meningitiden 16 mal den
W e i c h s e 1 b a u m ’ sehen Pneumococcus, 4 mal Streptococcus
pyogenes, 2 mal Diplococcus intracellularis und nur
1 mal den Pneumococcus Friedländeri. Er weist daraufhin,
daß der Eiter in diesem Falle sehr zähe, gleichsam schleimig war.
Weichselbaum3) beschrieb einen Fall, in welchem bei eiuer
57-jährigen Frau 4 Wochen vor dem Tode eine Otitis media puru-
lenta konstatiert wurde. Kurz vor dem Tode wurde die Patientin
nicht beobachtet. Bei der Sektion wurde gefunden: Akuter Nasen-
katarrh, eiterige Entzündung des mittleren Ohres und des Processus
mastoideus, Phlegmone um den M. sterno-cleidomastoideus und akute
Pneumonie. Der gefundene Eiter wurde sofort bakteriologisch untersucht.
Ueberall, sogar in den Lungen, will der Autor den Friedländer ’scheu
Pneumococcus entdeckt, denselben daraus gezüchtet und seine
Identität nach den letzten Anforderungen der Bakteriologie festge-
stellt haben.
In den Schlußfolgerungen bestätigt der Autor die von Z a u f a 1 1
schon früher ausgesprochene Ansicht, daß Otitis media unter dem
Einflüsse des Pneumococcus entstehen kann, und daß eine eiterige
Entzündung des Unterhautzellgewebes durch den letzten bedingt
werden kann.
Mein Fall betrifft einen 54-jährigen, mit der Diagnose Pneumonia
cruposa, Phlegmona colli et faciei verstorbenen Mann. An der gut
gewachsenen und gut genährten Leiche mit blasser, dünner und
weicher Haut sieht man, daß die rechte Wange stark ödematös ist;
der Parotisbezirk ist ebenfalls ödematös. Nach außen und etwas
nach unten vom äußeren Winkel der Augenhöhle sieht man in der
Haut eine nicht chirurgische, steckuadelkopfgroße Oeffnung. Beim
Andrücken der rechten Wange fließt aus dieser Oeffnung dicker,
gelblich-grüner, zäher, nicht übel riechender Eiter aus.
Die Sektion wurde vom Schädel begonnen. Der Befund war
folgender: Die Schädelform und -Größe normal; die Knochen mäßig
dick. Diploe mäßig entwickelt; die Dura mater auf der Konvexität
des Schädels stark gespannt, von normaler Dicke; ihre Außen- und
1) Mills, M^ningite ä pneumocoques (Journal de med. de Bruxelles. 1892. No. 29.
Ref. im Centralbl. für Bakt. Bd. XII. 1892. No. 13.)
2) Netter, Recherches sur les m^ningites suppur^es. (France med. 1889. No. 64.)
3) Weichselbaum, Ueber eine von Otitis media suppurativa ausgehende und
durch den Bac. pneumoniae (Friedländer) bedingte Allgemeininfektion. (Monatschr.
f. Ohrenheilkunde. 1888. No. 8, 9.)
Beitrag aur Lehre über die pathogenen Eigenschaften etc.
583
Innenfläche glatt. Pia mater etwas hyperämisch. Auf der Hirn-
konvexität sieht man unter der Pia mater längs den Venen eine
eiterige Infiltration. Auf der Hirnbasis ist diese Infiltration sehr in-
tensiv und dabei füllt der Eiter hier den ganzen Raum zwischen der
harten und weichen Hirnhülle aus. Die Hirnsubstanz ist auf dem
Durchschnitte feucht, etwas hyperämisch. Im vorderen Theile des
rechten Lobus frontalis wurde ein wallnußgroßer Hirnabsceß mit
glatten Wänden gefunden. Der Eiterherd war mit grünlich-gelbem,
nicht übelriechendem, sich stark ziehendem Eiter ausgefüllt. Der
Eiter wurde einer bakteriologischen Untersuchung unterworfen. Nach
sorgfältigem Ausspülen der Hirnbasis, zur Entfernung des dort vor-
handenen Eiters, wurde konstatiert, daß die Dura mater besonders
an der rechten Seite neben der Sella turcica stark verdickt, eiterig
infiltriert und durchlöchert ist. Die Oeffnung war bohnengroß, durch-
bohrte die Knochen und führte in den Sinus sphenoidalis.
Es erwies sich nun, daß der ganze Sinus sphenoidalis mit Eiter
desselben Aussehens, wie wir es im Hirnabsceß gesehen hatten, aus-
gefüllt war. Mittelst einer sterilisierten Kanüle wurde vom Sinus ein
wenig Eiter zur bakteriologischen Untersuchung ausgezogen. Es
wurde ein Querschnitt der Haut durch den Schädel gemacht, der
für gewöhnlich an der Seite auf der Höhe der Ohröffnung endet, in
diesem Falle aber noch bis zur Mitte des Halses, hinter dem Ohre
durchgehend, weiter geführt. Ferner wurde die Haut von der Stirn
und Wange getrennt, wobei man den Augapfel enukleierte und nach
unten herunterzog. Es wurde dabei bemerkt, daß an der rechten
Seite des Stirnbeins, 5 cm über dem Auge, an der ganzen Schläfen-
gegend und an der rechten Wange das Unterhautgewebe ödematös
und sehr stark hyperämisch war; an mehreren Stellen waren darin
einzelne oder zusammenfließende Eiterherde entstanden. Der ausge-
dehnteste Herd war an dem Stirnbein. In der Augenhöhle hinter
dem Augapfel fand man ebenfalls Eiter. Die Parotisdrüse war stark
infiltriert, hyperämisch, Eiterherde waren darin jedoch nicht zu
finden. Nachdem die Augenhöhle ausgespült war, erblickte man an
der unteren Wand, 1/2 cm nach innen vom Canalis infraorbitalis, eine
bohnengroße Oeffnung, durch welche mau in das Antrum Highmori
gelangte. Um diese Oeffnung herum ist der Knochen total vom
Periost entblößt und seine Oberfläche uneben. Diese Bloßlegung des
Knochens geht in Form eines schmalen Streifens immer mehr nach
unten, reicht bis an den Augenhöhlenrand und geht von da auf
die Außenwand des Oberkiefers über. Hier breitet sich der Prozeß
etwas mehr aus, so daß er einen 2 cm langen und 3 cm breiten Raum
umfaßt und geht daun, immer schmaler werdend, auf das Jochbein
über. Von da aus schreitet er weiter um die Augenhöhle herum und
geht auf das Stirnbein über, wo er die größte Ausdehnung erreicht,
da der hier entstandene Herd 7 cm lang und 4 cm breit ist.
An den bloßgelegten Stellen ist der Knochen überall 1 — 2 mm
tief zerstört, uneben, hyperämisch und an sehr vielen Stellen, be-
sonders am Joch- und Stirnbein, eiterig infiltriert. Durch die Oeffnung,
durch welche die Augenhöhle mit dem Antrum Highmori kommuni-
ziert, wurde in das letztere eine sterilisierte Kanüle eingeführt und
37*
584
Z. Dmochowski,
daraus ein wenig Eiter zu bakteriologischen Zwecken herausgezogen.
Ferner wurde die Schädelbasis in der Mittellinie in zwei Teile zer-
sägt, und zwar in der Weise, daß der Schnitt durch den Sinus fron-
talis, sphenoidalis und genau durch die Mitte (den Zwischenraum)
der Nase und zwischen den mittleren Schneidezähnen führte. Der
zweite Schnitt wurde senkrecht zum ersten geführt und lief dicht
hinter der äußeren Ohröffnung vorbei. Auf diese Weise wurde der
ganze Oberkiefer samt der Hälfte des Stirnbeins, dem ganzen Ohr
und der Hälfte der Nase entfernt. Die Nasenschleimhaut war an der
rechten Seite stark gerötet, etwas ödematös und mit eiterigem Schleim
in geringer Menge bedeckt. Die Nasenmuscheln waren etwas verdickt,
jedoch wenig hypertrophiert. An der linken Seite war sowohl die
Nasenschleimhaut wie auch die Muscheln vollkommen normal. Nach
Abtragen der rechtseitigen Muschel bemerkte man, daß aus der etwas
erweiterten, in das Antrum Highmori führenden Oetfnung dicker, gelb-
grüner, zäher Eiter herausfloß. Die die Außenwand der Nase be-
deckende Schleimhaut, welche die oben geschilderten Veränderungen dar-
bot, wurde abpräpariert. Der entblößte, die Innenwand des Antrum
Highmori bildende Knochen war gewissermaßen hyperämisch. An
demselben fand man an drei Stellen gelbe, hirsekorngroße Pünktchen.
Beim Betasten mit der Sonde fühlten sich diese Stellen ganz weich
an, der Knochen war zerstört und durch die Oeffnung konnte man
in das Antrum Highmori gelangen. Die ganze Knochenwand wurde
herausgenommen und die die Außenfläche des Knochens bekleidende
Schleimhaut durchgeschnitten. Die ganze Höhle war mit dickem,
zähem, nicht übelriechendem Eiter von gelblich-grüner Farbe ausge-
füllt. Nach Abspülen des Eiters zeigte es sich, daß die ganze Höhle
iu allen Dimensionen etwas verkleinert ist. Die sie auskleidende
Schleimhaut ist stark verdickt und gerötet; an der Außenwand und
in dem oberen inneren Winkel war sie mit Blutextravasateu besät;
an der Innenwand war sie, wie gesagt, an drei Stellen zerstört und
durchlöchert. Die Ränder der Ulceratiouen sind dick, wulstförmig,
weich. Eine derartige Zerstörung ist auch oben an der Hinterwaud,
in dem Winkel zwischen der Hinter-, Ober- und Außenwand wahr-
zunehmen. Auch hier ist es zur Bildung einer Oeffnung gekommen,
durch welche die in das Antrum Highmori eingeführte Sonde in den
Sinus sphenoidalis gelaugt. Die beiden Höhlen kommunizieren mit
einander durch einen mit Eiter ausgefüllten und unebene Wände be-
sitzenden Kanal; in den spongiösen Teilen des Knochens ist eine An-
zahl kleiner Eiterherde sichtbar. Eine Kommunikation mit dem
Antrum Highmori ist noch an einer dritten Stelle zustande gekom-
men, nämlich durch die obere Wand mit der Augenhöhle. Die Sinus
frontalis et ethmoidalis sind vollkommen normal ; die sie auskleidende
Schleimhaut ist nur wenig gerötet.
Im subkutanen Gewebe des Halses und zwischen den Muskeln
sind keinerlei Veränderungen zu beobachten. Der Kehlkopf und
Rachen sind vollkommen normal. Die linke Lunge weist keine aus-
gesprochenen Veränderungen auf; im unteren Lappen der rechten
Lunge wurde ein harter, faustgroßer Herd gefunden, der auf dem
Duchschnitte rot und leicht zerreißlich war, und von der Oberfläche
Beitrag zur Lehre über die pathogenen Eigenschaften etc.
585
des Durchschnittes floß eine trübe, blutige, leicht schaumige Flüssigkeit
heraus. — In den anderen Organen wurden keine Veränderungen wahr-
genommen, außer einer geringen Vergrößerung der Milz und einer
trüben Schwellung der Leber und Milz.
Die Diagnose lautete dem entsprechend : Empyema Antri High-
mori et sinus sphenoidalis, Caries ossis sphenoidei, maxillae superioris,
ossis zygomatici et ossis temporalis. Phlegmone subcutaneum faciei
et frontis. Rhinitis acuta purulenta. Leptomeningitis purulenta.
Pachymeningitis purulenta. Abscessus meningum. Pneumonia cachec-
ticorum.
Den Verlauf des Prozesses stelle ich mir folgendermaßen vor:
Aller Wahrscheinlichkeit nach begann der Prozeß in Form eines
Katarrhs in der Nase, von wo er auf das Antrum Highmori und den
Sinus sphenoidalis überging. Ob die beiden Sinus gleichzeitig affi-
ziert worden sind oder nicht, müssen wir dahingestellt sein lassen,
da wir keine Andeutungen weder für das Eine, noch für das Andere
besitzen. In diesen beiden Höhlen brach somit der eiterige Prozeß
aus, der schließlich zu Ulcerationen der Schleimhaut und an mehreren
Orten zur Knochenzerstörung führte. Vom Antrum Highmori ging
der Prozeß durch die obere Wand in die Augenhöhle über, von da-
hin auf die Wange herunter, umschritt die Augenhöhle und griff
auf die Stirn herüber. Ein gleicher Prozeß tritt, wenn auch viel
später, auf der Innenwand auf, da es hier zur schließlichen Perforation
der Nase nicht gekommen ist. Vom Sinus sphenoidalis ging der
Prozeß durch die Oeffnung in der oberen Wand auf den Schädel über,
in welchem er die Lepto- et Pachymeningitis purulenta und einen
metastatischen Absceß im Gehirn hervorgerufen hat, was aller Wahr-
scheinlichkeit nach den Tod direkt verursacht hat. Außerdem hat
sich noch eine Kommunikation zwischen dem Sinus sphenoidalis et
frontalis gebildet.
Die Eiterung der Seitensinus der Nase, die zur Knochencaries
führt, ist zweifellos keine Seltenheit und ein einzelner derartiger
Fall wäre kaum einer Veröffentlichung wert, wenn hier nicht als Ur-
heber dieses Prozesses ein Mikroorganismus zu betrachten wäre, der
bis dahin in derartigen Fällen der Urheberschaft kaum beschuldigt
wurde.
Wie schon früher bemerkt, hatte man zur bakteriologischen
Untersuchung den Eiter aus drei Stellen genommen, nämlich vom
Hirnabsceß, Sinus frontalis und Antrum Highmori. Der Eiter wurde
auf Deckgläschen zerrieben und nach der üblichen Methode gefärbt
(wässerige Gentianaviolettlösung), wie auch nach Gram und W eigert.
Es zeigte sich nun bei der Untersuchung, daß der Eiter sehr wenige
Leukocyten, dafür aber viel Schleim enthält. In dem aus dem Hirn
stammenden Eiter wurde nur eine Art Mikroorganismen aufgefunden,
und zwar in geringer Anzahl.
Es waren vornehmlich kürzere und längere Stäbchen, mitunter
von ovaler Kokkenform ; die spezifische Färbung wies keine Kapsel
um dieselben herum aus. Diese Mikroorganismen waren, wie gesagt,
sehr spärlich. Nach Weigert ließen sie sich gar nicht färben. Der
aus dem Sinus frontalis und Antrum Highmori stammende Eiter
586
Z. Dmochowski,
präsentierte sich ebenso, nur war die Zahl der darin aufgefundenen
Mikroorganismen beträchtlich. Es waren vornehmlich Stäbchen, in-
dessen häufig auch einzelne oder je zwei in einer charakteristischen
Kapsel eingeschlossene Kokken. Die Kapsel war besonders an den-
jenigen Gläschen deutlich, die ich in einer sauren Gentianaviolett-
lösung gefärbt und in angesäuertem Wasser ausgewaschen habe.
Nach Weigert färbten sich diese Mikroorganismen nicht.
Den Eiter aus allen diesen drei Herden habe ich auf Gelatine-
platten, Agar-Agar und Agar mit Glycerin ausgegossen. Schon am
nächsten Tage waren besonders auf den Agarplatten, die im Thermo-
staten blieben, feine und weiße Kolonieen sichtbar, die ich jedoch nicht
weiter verimpft habe. Am dritten Tage wuchsen die isolierten
Kolonieen sehr beträchtlich sowohl auf Gelatine wie auf Agar-Agar
und präsentierten sich in Form von grauweißen, etwas über die
Oberfläche hervorragenden Pünktchen. Unter dem Mikroskope waren
die Plattenkolonieen leicht nußbraun gefärbt mit vollkommen glatten
Rändern und außerordentlich feinkörnig. Die Zahl der Kolonieen
war sehr groß. Außer den soeben besprochenen entwickelte sich
noch eine andere Mikroorganismenart. Sie präsentierte sich als
sehr spärliche, beträchtlich größere, weißere nnd an der Oberfläche
trockenere Kolonieen. Unter dem Mikroskope waren die Platten-
kolonieen durchsichtig weiß, an den Rändern sehr grobkörnig. Von
diesen letzten Kolonieen waren kaum einige auf jeder Platte wahr-
zunehmen. Ich untersuchte sie sofort auf den Deckgläschen und
konnte mich überzeugen, daß es sehr große Kokken waren, die sich
nach Weigert färbten. Auf Grund ihrer Dimensionen und der
trockenen Oberfläche, ferner auf Grund ihrer geringen Anzahl habe
ich dieselben als Verunreinigung angesehen und ihre nähere Unter-
suchung nicht weitergeführt. Die erste Kolonieenart übertrug ich auf
Gelatine und machte Stichkulturen und auch einige Strichkulturen.
Auf Deckgläschen zerrieben und gefärbt, zeigten sich diese Mikro-
organismen mit denjenigen, die ich im Eiter gesehen habe, ganz
identisch; der Unterschied bestand nur in einer geringeren Anzahl
der Stäbchen und in dem vollkommenen Fehlen der Kapsel. Auf
Gelatineplatten entwickelte sich nach einigen Tagen ein reichlicher,
dicker, grauweißer, fast durchsichtiger Belag mit charakteristischem,
porzellanartigem Glanz. In den Stichkulturen entwickelten sich
typische Nagelformen, deren Stiele feinkörnig waren und deren Kopf
glänzend und stark über die Oberfläche prominent war. Die Gelatine
war nirgends aufgelöst.
Dies waren schon fast vollkommen genügende Merkmale, um die
Bestimmung des in Frage stehenden Mikroorganismus festzustellen.
Der Genauigkeit halber habe ich mit demselben aber noch folgende
Experimente gemacht:
1) Eine wässerige Emulsion mit einer 5 Tage alten Gelatine-
stichkultur injizierte ich zwei Hunden subkutan. Am nächsten Tage
trat an der Injektionsstelle ein leichtes Oedem auf, das am dritten
Tage geringer wurde und am vierten vollständig verschwand. Die
Hunde blieben gesund.
2) Die gleiche Menge von Mikroorganismen injizierte ich auch
zwei Kaninchen subkutan.
Beitrag zur Lehre über die pathogenen Eigenschaften etc.
587
3) Dasselbe Experiment führte ich auch an zwei Meerschweinchen
durch, nur injizierte ich hier nur die Hälfte der Kultur. Eins der-
selben ging in der Nacht zu Grunde, weshalb es mir auch nicht genau
bekannt ist, wieviel Stunden nach der Injektion der Tod eintrat. Bei
der Sektion habe ich außer einer Hyperämie an der Injektionsstelle
keine deutlicheren Veränderungen finden können. Das andere Meer-
schweinchen blieb am Leben.
4) Zwei Hunden injizierte ich die gleiche Menge von Mikro-
organismen in die Pleura. Die beiden Hunde blieben am Leben
und ich konnte bei denselben keine krankhaften Symptome wahr-
nehmen.
5) Das Nämliche wiederholte ich an zwei Kaninchen. Eines
derselben ging um 8 Uhr morgens zu Grunde, also nach 20 Stunden.
Bei der Sektion fand ich eine Rötung der Pleura, wo ich die Kultur
injiziert hatte, leichte Trübung der Pleura visceralis und Hyperämie
der Lunge selbst. Die Milz war unbedeutend vergrößert. Das zweite
Kaninchen genas.
6) Zwei Meerschweinchen injizierte ich in die Pleura eine wässe-
rige Aufschwemmung der Hälfte einer 5-tägigen Gelatinekultur. Ein
Meerschweinchen starb nach 7 Stunden. Bei der Sektion fand ich
in der Pleura nur eine leichte Rötung. Das andere starb am nächsten
Tage abends, folglich nach etwa 30 Stunden. Bei der Sektion wurde
in der Pleura etwas trübe, blutige Flüssigkeit gefunden, wobei die
Pleura getrübt und mit geringer Menge Fibrin bedeckt war. Die aus
der Pleura gewonnene Flüssigkeit wurde auf Gelatineplatten ausge-
gossen und nach 3 Tagen aus derselben die gleichen Mikroorganismen
gezüchtet.
Ich möchte noch hinzufügen, daß ich die das Antrum Highmori
und den Sinus frontalis auskleidende Schleimhaut abpräparierte und
einer mikroskopischen Untersuchung unterwarf. An den Präparaten
konnte ich konstatieren, daß das sie bedeckende Flimmerepithel fast
überall unversehrt war, mit Ausnahme derjenigen Stellen, welche
den Ulcerationen anlagen; hier war es total zerstört oder auch in-
tensiv infiltriert. Das Bindegewebe, aus welchem die Schleimhaut des
Antrum Highmori fast ausschließlich bestand, war sehr beträchtlich
und ungleichmäßig verdickt. An manchen Stellen war es bis 7 mm
dick, an anderen dagegen bedeutend weniger, da der Querdurchmesser
kaum 1 —2 mm betrug. Das Bindegewebe war fast überall beträcht-
lich sklerosiert.
Die Blutgefäße präsentierten sich wie in eine harte Umhüllung
eingeschlossen, und an den Präparaten waren sie weit offen geblieben.
Zwischen dem Bindegewebe waren sehr viele Schleimdrüsen, ihre
Alveolen waren indessen vornehmlich auseinander gedrängt und
komprimiert; unter denselben waren überall breite, mit Leukocyten
infiltrierte Bindegewebsstreifen sichtbar. An manchen direkt unter
dem Epithel befindlichen Stellen konnten wir ziemlich intensive Blut-
extravasate sehen; an anderen dagegen war das Bindegewebe in-
filtriert. Die Infiltration war auf einen beschränkten Raum lokalisiert ;
ähnliche Stellen beobachteten wir meistenteils dicht unter der Ober-
fläche. Um die Ulcerationen herum war die ganze Schleimhaut sehr
588
Max Oker-Blom,
intensiv und gleichmäßig infiltriert. An diesen Stellen sahen wir
massenhaft isolierte, schon oben beschriebene Mikroorganismen. Die
Kapsel zu Gesichte zu bekommen, ist uns jedoch nicht gelungen.
Ich möchte noch nebenbei andeuten, daß in der Schleimhaut zwischen
dem Bindegewebe in der Nachbarschaft der Schleimdrüsen gewöhn-
lich einige mit schleimiger Masse ausgefüllte Dermoidcysten gefunden
wurden. Diese Cysten waren mit Flimmerepithel ausgekleidet. Auf
diese Frage will ich indessen heute nicht näher eingehen, da sie
nicht zu dem vorliegenden Thema gehört.
Die den Sinus sphenoidales auskleidende Schleimhaut war weit
weniger verdickt und die unter dem Mikroskope hervortretenden
Veränderungen präsentierten sich in gleicher Weise.
Das nach Untersuchung des vorliegenden Falles erhaltene Resum6
läßt sich folgendermaßen definieren :
1) Die gezüchteten Mikroorganismen sehe ich für F r i e d 1 ä n d e r -
sehe Pneumokokken an, auf Grund ihrer morphologisch charakteri-
stischen, auf den Nährböden erhaltenen Merkmale und auf Grund ihrer
Virulenz für Tiere. Im gegebenen Falle ist, meiner Ansicht nach, der
Pneumococcus als Erreger des ganzen Prozesses deshalb anzusehen,
weil ich erstens im Eiter unter dem Mikroskope ausschließlich denselben
gesehen habe und dann, weil ich daraus eine fast reine Kultur dieses
Mikroorganismus erhielt. Die geringe Anzahl von Kolonieen, die
schon morphologisch als nicht pathogene angesehen werden müssen,
kann hier nicht in Frage kommen.
2) Der Fri ed 1 än d er ’sche Pneumococcus kann nicht bloß
als Erreger der Pneumonie, der Entzündung der Schleimhaut der
Nase und des mittleren Ohres angesehen werden, sondern auch als
der der eiterigen Entzündung des Unterhautgewebes, der Meningitis,
der Hirnabscesse und sogar der Knochencaries.
Warschau, den 10. März 1894.
Beitrag zur Kenntnis des Eindringens des Bacterium
coli commune in die Darmwand in pathologischen
Zuständen.
Von
Dr. Max Oker-Blom,
Stadtarzt in Willmanstrand, Finnland.
Im Jahre 1883 brachte Nepveu die Frage über das Eindringen
der Darmbakterien in die Darmwand zur Sprache durch die Mit-
teilung, daß er in 8 Fällen von incarcerierten Brüchen stets Bakterien
in der Bruchflüssigkeit fand, auch wenn die Einklemmung nur einige
Stunden gewährt hatte und der Darm noch normal erschien. Die
Wahrscheinlichkeit dieser Behauptung wird jedoch von Friedländer,
der die Mitteilung Nepveu’s in Fortschr. d. Med. Bd. I. p. 642
referiert, bezweifelt.
Beitrag zur Kenntnis des Eindringens des Bacterium coli commune etc. 589
Zu ganz entgegengesetzten Resultaten kam Garr6, welcher
gleichfalls über 8 Fälle von Hernia incarcerata disponierte und wo
die Bruchflüssigkeit von 8 Stunden bis 8 Tagen nach Eintritt der
Incarceration untersucht wurde. Garrö erhielt nämlich nur in einem
einzigen dieser 8 Fälle eine Bakterienkultur, und zwar in einem Falle,
wo die Darmeinklemmung nur 8 Stunden gedauert hatte.
Auch Bönnecken hat die Bruchflüssigkeit von 8 eingeklemmten
Hernien untersucht und kam zu dem Resultate, „daß es keiner
schwereren Veränderung in der Textur der Darmwand bedarf, um
letztere für Mikroorganismen durchgängig zu machen, daß vielmehr
eine stärkere venöse Stase, eine stärkere seröse Durchtränkung des
Gewebes genügt, um das Eindringen von Bakterien in die Darmwand
und den Durchtritt durch dieselbe zu ermöglichen“.
Im Mai 1892 teilte Thorild Rovsing das Ergebnis seiner
bakteriologischen Untersuchungen der Bruchflüssigkeit von 5 Hernien
mit, deren Incarcerationszeit von 24 — 72 Stunden variierte und woraus
hervorgeht, daß nie Bakterien in der Bruchflüssigkeit entdeckt werden
konnten, auch wenn diese fäkalen Geruch hatte und die Darmwand
stark mißfarbig war.
Rovsing schließt sich daher der schon von Garr6 aus-
gesprochenen Ansicht an, daß die eingeklemmte Darmwand undurch-
dringlich für Bakterien ist, solange ihre Serosa unbeschädigt bleibt
und hält vom bakteriologischen Gesichtspunkte aus sowohl Nepveu’s
als auch Bönnecken’s Untersuchungsmethoden für weniger zuver-
lässig.
Um seine Resultate zu prüfen, hat Bönnecken eine Serie
künstlicher Darmeinklemmungen an Kaninchen angestellt und auch
dabei stets in der Bruchflüssigkeit mehrere verschiedene Arten von
Mikroben gefunden, darunter in 11 Fällen von 15 das Bacterium
coli commune.
Bei der mikroskopischen Untersuchung von Schnitten incarce-
rierter Darmstücke findet Bönnecken Mikroben hier und da in der
Mucosa verstreut, betont aber dabei, „mit auffälliger Konstanz finden
sich größere Mengen Mikroorganismen nur in den großen Lymph-
gefäßen, die unter und parallel der Serosa laufen“.
Andere experimentelle Forscher wie Kraft und Grawitz (nach
Rovsing) sprechen sich gegen ein so schnelles Hinauswandern der
Bakterien in die Peritonealhöhle aus, und Waterhouse äußert
darüber, „daß Tiere (Kaninchen und Katzen), welche eine Darm-
unterbindung bis zu 6 Stunden Dauer erlitten hatten, sich ohne jede
Störung erhalten, ja daß es gelingt, nach 14- und selbst 20-stündiger
Unterbindungsdauer durch sorgfältiges Auswaschen der Bauchhöhle,
Resektion des hyperämischen Darmstückes und Anlegung eines künst-
lichen Afters oder Darmnaht die Tiere vor Peritonitis zu bewahren.
Erst als eine Dickdarmschlinge 23 Stunden lang abgebunden war,
starb das Tier 30 Stunden nach der Lösung der Ligatur an Peri-
tonitis. Der Darm war nekrotisch, im Exsudat fanden sich Kokken
und Darmbacillen“.
M. Macaigne hat in seiner Arbeit „Bacterium coli com-
mune son röle dans la pathologie“ im Abschnitte über incarcerierte
590
Max Oker-Blotn,
Brüche nichts Wesentliches zur Lösung der Frage beizutragen, hebt
aber beim Besprechen der Infektion durch das Bacterium coli
hervor, „que l’absorption se lait non pas seulement dans le sac her-
niaire ou dans le p6ritoine oü sa pr6sence est secondaire, mais bien
sur toute l’ötendue de la muqueuse intestinale enflamm6e, comme
cela se passe pour le chol6ra“.
Neulich hat Arnd in seinen Experimenten eine Stütze für
Bönnecken’s Behauptung gefunden, daß Bakterien leicht die Darm-
wand durchwandern können. Dabei ist zu bemerken, daß Arnd mit
Bakterien experimentierte, die dem Darmkanale in normalem Zustande
fremd sind und dem Tiere teils per os, teils durch Injektionen in die
eingeklemmte Schlinge zugeführt wurden.
Die Ansichten über die Rolle der Darmbakterien bei incarce-
rierten Brüchen sind also sehr geteilt und, was speziell das Bac-
terium coli commune betrifft, noch ganz unentschieden ; hierbei
ist von den Angaben über das Vorkommen des Bakterium coli
commune im Peritoneum oder in der Darm wand, wo dasselbe nach
dem Tode, wie z. B. Malvoz konstatiert, abgesehen.
Wir erwähnen hier noch den lange bekannten Umstand, daß
Mikroben bei gesunden Kaninchen einigermaßen konstant iH der
Darmwand am Proc. vermiformis und Sacculus rotundus Vorkommen.
Bizzozero findet regelmäßig Bakterien in den Lymphfollikeln an
diesen Stellen, und zwar am dichtesten in dem zur Muscularis ge-
richteten Teile des Follikels. Betreffend die Art ihrer Einwanderung
und ihres Vorkommens im übrigen sagt Bizzozero: „Die Bak-
terien sind zum größten Teile im Protoplasma von Zellen enthalten,
die an der Zusammensetzung des Follikelparenchyms teilnehmen
und “
„In jedem Falle handelt es sich um eine Einschließung von
Bakterien durch Zellelemente, und wir haben jene Elemente vor uns,
die kürzlich mit dem Namen Phagocyten bezeichnet wurden.“ Die
Wanderung der Bakterien wäre leicht zu konstatieren, sie gingen
durch die Stöhr’schen Stigmata, wenn auch in der den Leukocyten
entgegengesetzten Richtung.
Ribbert, der dasselbe gefunden, hat jedoch eine andere Auf-
fassung über den Durchgang der Mikroben, welcher nach ihm durch
aktive Einwirkung der Epithelzellen vermittelt wird.
Auch Ruf fer hat dieses Verhältnis untersucht und schreibt den
Transport der Bakterien ausschließlich Wanderzellen oder Mikro-
phagen zu, welche an der inneren Fläche des Darmes die Mikroben
aufnehmen und sich dann in die Darmwand zurückzögen, wo sie mit
ihrer Beute stehen blieben, die also ihrem Untergange in irgend
einem Mikrophagen entgegen ginge. Dieses will Ruf fer auch in
anderen Darmgebieten als den oben erwähnten beobachtet haben.
Vor einem Jahre veröffentlichte S u n d b e r g eine Abhandlung,
worin auch er das konstante Vorkommen von Bakterien, u. a. bei
Kaninchen, in der Darmwand des Sacculus rotundus und
Processus vermiformis hervorhebt. Ihr Durchgang wird nach
Ruffer durch Wanderzellen vermittelt, doch teilt er zugleich
Bizzozero ’s Ansicht über freie Wanderung der Mikroben längs
Beitrag zur Kenntnis des Eindringens des Bacterium coli commünc etc. 591
den Bahnen der Mikrophagen, wo sie jedoch nach und nach von den-
selben aufgenommen werden, so daß man etwas weiter in der Darm-
wand nie freie Bakterien beobachtet.
Wenn sie auch in ihrer Auffassung über die Vermittelung der
Mikroben Wanderung von einander abweichen, so sind doch alle diese
vier Forscher darin einig, daß in der Regel Mikroben frei nur in
dem am Epithel haftenden Darmschleime, hier und da zwischen den
Epithelzellen und, wo zahlreichere Mikrophagen sich vorfinden, zwischen
ihnen ein Stück in die Darmwand hinein Vorkommen ; wo aber noch
tiefer Mikroben zu finden sind, sind sie stets von Mikro- oder Makro-
phagen aufgenommen.
Bis in die Submucosa haben Bakterien nicht entdeckt werden
können. Darüber äußert sich Sundberg: „Det hör tili sällsynthe-
terua att finna nägra mikroberi denna och när de nägongäng anträffas,
sä ligga de alltid inora celler, rundceller eller fria bindväfsceller.“
(„Es gehört zu den Seltenheiten, in der Submucosa Mikroben zu
finden, und wenn sie einmal angetroffen werden, so liegen sie
stets in Zellen, Rundzellen oder freien Bindegewebszellen einge-
schlossen.“)
Andere Teile des Darmkanals betreffend, betont Suudberg
„det aldrig svikande fyndet, att mikroberna kunua ligga i stora
mäugder i tarmslemmet tätt inpä epitelierna, men öfverallt framstär
kutikularskifvan som en tydlig och väl tecknad barriere.“ („den nie
trügenden Fund, daß die Mikroben in großen Mengen im Darm-
schleime, dicht an den Epithelien liegen können, aber immer erweist
sich die Cuticularscheibe als deutliche und scharf gezeichnete
Barriere.“)
Da mir wissentlich speziell über das Vermögen des Bacterium
c ol i c o in m u n e in die Darmwand einzudringen, keine experimentellen
Untersuchungen vorliegen, habe ich mich veranlaßt gesehen, folgende
Mittheilungen zu veröffentlichen. Obgleich das der Mitteilung zu
Grunde liegende Material zu knapp ist, um sichere Schlüsse zu ge-
statten, schreite ich doch zur Veröffentlichung, da ich zur Zeit außer
stände bin, die Versuche zu weiterer Prüfung aufzunehmen.
In Anbetracht der bedeutenden Rolle, welche in letzter Zeit den
Darmbakterien, und besonders dem Bacterium coli commune
ganz allgemein bei Darminfektionen und dergleichen zuerkannt wird,
unternahm ich im Herbste 1892 eine Reihe von Laparotomieen an
Kaninchen, wobei eine Darmschlinge während kürzerer oder längerer
Zeit in einen künstlichen pathologischen Zustand versetzt wurde, um
bei Untersuchung einer eventuellen Bakterieninvasion in die Darm-
wand als Material zu dienen.
Zunächst galt es zu ergründen, ob und unter welchen Verhält-
nissen das Bacterium coli commune bei einer Incarceration
des Darmes in die Darmwand eindringe oder dieselbe durchdringe.
Ich versuchte daher verschiedene Momente pathologischen Zu-
standes, denen der Darm bei einer Incarceration unterworfen ist, sei
es in einem Bruch oder bei Volvulus, nachzuahmeu.
592
Max Oker-Blom,
Die Versuche zerfallen also in drei Abteilungen: 1) den freien
Durchgang der Darmcontenta zu verhindern, 2) eine Blutstauung
hervorzurufen oder die Blutcirculation in der Darmwand ganz und
gar aufzuheben und 3) einen Darmteil diesen beiden Momenten
gleichzeitig zu unterwerfen.
Bei der Operation wurde im allgemeinen so vorgegangen, daß
der Bauch des Kaninchens erst rasiert und dann mit schwacher
Lysollösung abgewaschen wurde. Die Bauchwunde wurde mit carbo-
lisierter Seide vernäht. Einige Zeit — 2 — 72 Stunden — nach der
Operation wurde das Versuchstier geköpft oder zu Tode chlorofomiert ;
hernach wurde, wie weiterhin beschrieben wird, der Peritonealhöhle
das sich etwa gebildete Exsudat, sowie ein die operierte Stelle um-
fassendes und auch einige cm oberhalb und unterhalb desselben be-
findliches Darmstück nebst dazu gehörendem Mesenterium , ent-
nommen.
In Anbetracht dessen, daß die Peritonealhöhle so sehr der Mög-
lichkeit einer Verunreinigung durch herumfliegende Kaninchenhaare
u. dergl. ausgesetzt sein kann, wurde weniger Gewicht auf die bak-
teriologische Untersuchung des Peritonealexsudates gelegt; doch sei
hier die Methode, welche zum Auffangen des Materials hierzu in
Anwendung kam, erwähnt: Aus einem weichen, feinporigen Schwamme
wurden erbsengroße Würfel geschnitten, durch Kochen sterilisiert und
jedes für sich in ein mit circa 5 ccm sterilisierter Nährbouillon
gefülltes Proberöhrchen gesenkt, welches mit einem Wattestöpsel
versehen noch zwei Tage nacheinander während einer halben
Stunde bis zur Siedehitze erwärmt wurde. Auf diese Art präpariert,
wurden die Proberöhrchen, in denen sich die Bouillon, als Beweis
für vollständige Sterilisation, klar erhielt, für den Bedarf bereit ge-
halten. Mit frisch geglühter Pinzette wurde ein derartiger Bouillon-
schwamm erfaßt und die Stelle des Peritoneums oder Darmes, welche
Gegenstand der Operation gewesen, damit bestrichen, wonach er
wieder in seine Bouillon zurückversenkt wurde, welche nunmehr das
Untersuchungsmaterial einschloß.
Die Darmstücke wurden auf gewöhnliche Weise in Spiritus ge-
härtet und in Celloidin eingebettet, worauf mit dem Mikrotom
Serienschnitte gemacht wurden. Betreffs der Färbungsmethode
konnte Gram selbstverständlich nicht in Frage kommen, da sich
bekanntlich das Bacterium coli commune nach derselben nicht
färbt. Dagegen erwies sich Weigert’s Färbungsmethode mit
Loeffler’s Methylenblau und Entfärbung durch Essigsäure 1 : 1000
am vorteilhaftesten und beziehen sich sämtliche hier mitgeteilte An-
gaben auf diese Methode. Die Anmerkung sei noch vorausgeschickt,
daß in Fällen, wo nach dieser Färbungsmethode Stäbchenbakterien
in der Darmwand nachzuweisen waren, Kontrollfärbung der Schnitte
nach Gram stets ein negatives Resultat ergab.
I. Doppelligatur des Darmes.
Exp. I. Ein beinahe zwei Monate altes Kaninchen, Laparotomie.
Ohne Einklemmung von Mesenterialgefäßen wurde das Ueum 4 und 6 cm
oberhalb der Valvula Bauhini unterbunden, — jedoch entstand an
Beitrag zur Kenntnis des Eindringens des Bacterium coli commune etc. 593
der unteren Ligatur eine kleine Blutung. Getötet mittelst Chloro-
form nach 41/2 Stunden.
Das Peritoneum glatt, nicht injiziert. Das Darmstück ist weder
zwischen noch oberhalb der Ligatur merkbar aufgetrieben. Kein
Peritonealexsudat sichtbar, ebenso kein Bacterium colicommune
in der Schwammbouillon.
Mikroskopische Untersuchung der Darmwand : An dem Darm-
stück zwischen den Ligaturen sieht man hier und da, am freien Ende
der Zotten, Stäbchenbakterien haften, besonders an solchen Zotten,
wo Mikrophagen in reichlicherer Menge Vorkommen. Teils befinden
sich die Bakterien dann zu ein, zwei oder drei zusammen in einem
oberflächlichen Mikrophagen, teils sieht man sie frei neben oder dicht
hinter einem Mikrophagen wandern, den von diesem eben eröffneten
Eingang zwischen den Epithelzellen benutzend, genau wie Sundberg
dasselbe Verhältnis bei Kaninchen im Processus vermiformis und
Sacculus rotundus als sehr konstant vorkommend beschreibt.
Die Bakterien in den Mikrophagen färben sich nicht immer so
gut und gleichmäßig wie die frei wandernden, erbieten also bisweilen
Degenerationsformen. Mit Ausnahme an der freien Spitze der Zotten
konnten im Gewebe der Darmwand nirgends Bakterien nachgewiesen
werden. In den L ieberkühn ’schen Schläuchen fanden sich hier
und da eine geringere Anzahl freier Bakterien.
Obenstehende Beschreibung ist auch für das Darmstück gleich
oberhalb der oberen Ligatur geltend. In der Darmwand unterhalb
der unteren Ligatur wurden gar keine Bakterien gefunden.
Exp. II. Altes weißes Kaninchen. Laparotomie. Der untere
Teil des Ueums wurde durch zwei, ungefähr 5 cm von einander ent-
fernte, um den Darm gelegte Seidenligaturen abgeschlossen, doch so,
daß keine Mesenterialgefäße mit unterbunden wurden. Am nächsten
Morgen, 23 Stunden nach der Operation, war das Kaninchen tot.
Der Magen und der Darm oberhalb des Verschlusses stark ausge-
dehnt, das Peritoneum überall, besonders in der Gegend des unter-
bundenen Darmstückes, stark injiziert, hier und da an den Därmen
subseröse Ecchymosen. Kein Peritonealexsudat sichtbar.
Die Schwammbouillonkultur gab auf Gelatineplatten beinahe eine
Reinkultur von Bacterium coli commune.
Mikroskopische Untersuchung der Darmwand: An dem Darm-
stücke zwischen den Ligaturen haftet an der Schleimhaut stellen-
weise Darminhalt, der reichlich mit Stäbchenbakterien vermengt ist.
Ferner finden sich Bakterien in großen Mengen in den Lieberkühn-
schen Drüsen und besonders zahlreich am Peritoneum. In der
Mucosa kommen sie auch zahlreich vor, aber ganz unregelmäßig ver-
streut, weniger reichlich dagegen in der Submucosa, wo ihre Rich-
tung hauptsächlich sowohl in longitudinaler als cirkulärer Hinsicht,
den Fasern der Muscularis parallell ist. Gleich oberhalb der oberen
Ligatur ergiebt sich dasselbe Verhältnis, wie zwischen den Ligaturen.
Auch zeigt der Darm unterhalb der unteren Ligatur dasselbe Bild,
doch kommen die Bacillen hier nicht so zahlreich vor, auch scheinen
sie nur ausnahmsweise die Submucosa erreicht zu haben. Im
Mesenterium des zwischen den Ligaturen befindlichen Darmstückes
594
Max Oker-Blotn
und noch mehr im Mesenterium oberhalb der oberen Ligatur finden
sich zahlreiche Stäbchenbakterien in der Nähe der Blutgefäße vor,
ja es scheint, daß sie bisweilen in das Lumen des Gefäßes einge-
drungen sind, wo man neben den Blutkörperchen vereinzelte Bacillen
beobachten kann. Im Mesenterium unterhalb der unteren Ligatur
sind keine Bacillen zu entdecken.
Es sei hinzugefügt, daß die Bakterien meist frei waren, nur
ausnahmsweise konnte man in einem in der Nähe des Darmlumens
befindlichen Mikrophagen Bacillen entdecken. Dieser Fall ist sonst
von geringerem Interesse, da der größere Teil der Bakterien in der
Darmwand ziemlich sicher einer postmortalen Invasion zuzuschreiben
ist; doch kann nicht geleugnet werden, daß das geringere und
weniger tiefe Vorkommen von Bakterien unterhalb der unteren
Ligatur dafür spricht, daß Mikroben schon vor dem Tode des Tieres
in gewissem Grade in die Darmwand zwischen und oberhalb der
Ligatur eingedrungen waren.
Als Todesursache ist Peritonitis anzunehen ; unentschieden bleibt
die Zeit und der Ort des Eindringens des Bacterium coli
commune in die Bauchhöhle.
II. Gehemmte Blutcirkulation in einem Darmstücke.
Exp. III. Altes weißes Kaninchen. Laparotomie. Ein größeres
Blutgefäß am Mesoileum wird mit Karbolseide unterbunden.
Nach 7 Stunden wurde das Kaninchen geköpft. Das dem unter-
bundenen Gefäßgebiet entsprechende Darmstück ist etwas höckerig
zusammengezogen, von geringerem Lumen, als der übrige Darm. Das
Peritoneum überall normal.
In der Peritonealhöhle kein Bacterium coli commune
nachzuweisen.
Exp. IV. Erwachsenes weißes Kaninchen. Laparotomie. Li-
gatur eines Mesenterialblutgefäßes mit Karbolseide ungefähr 120 cm
vom Pylorus.
Nach 24 Stunden wurde das Kaninchen getötet. Der Teil des
Ileums (ungefähr 6 cm), dessen Blutcirkulation gehemmt wurde, ist
mäßig injiziert und wie im vorigen Exp. etwas zusammengeschrumpft.
Das Peritoneum normal. Keine Bakterien in der Peritonealhöhle.
Exp. V. Großes graues Kaninchen. Laparotomie. Ein Mesen-
terialblutgefäß, dessen Gebiet ungefähr 10 cm des Dünndarmes um-
faßt, mit Karbolseide ligaturiert.
Nach 72 Stunden wurde das Kaninchen mit Chloroform getötet.
Die Därme durchgehend injiziert, in geringerem Maße im Gebiete
des unterbundenen Blutgefäßes; im übrigen ist dieser Teil höckerig
zusammengeschrumpft, wie in den beiden vorhergehenden Fällen.
Kein Bacterium coli commune in der Bauchhöhle.
Exp. VI. Junges weißes Kaninchen. Laparotomie. Das Mesen-
terium mit den drei darin laufenden Blutgefäßen wird mit rot-
glühendem Messer in einer Ausdehnung von ungefähr 5 cm abge-
schnitten.
Nach 24 Stunden wurde das Kaninchen getötet. Peritoneum
normal, außer an der operierten Stelle des Mesenteriums, wo sich
Beitrag zur Kenntnis des Eindringens des Bacterium coli commune etc. 595
eine lokale adhäsive Peritonitis entwickelt hatte; das entsprechende
Darmstück etwas schlaff.
In der Peritonealhöhle eine Reinkultur von Bacterium coli
commune.
Mikroskopische Untersuchung. Charakteristisch und auffallend
ist für III, IV und V ein oft stark ausgeprägtes gekerbtes oder
wellenförmiges Aussehen des Peritoneums und der Submucosa, hervor-
gerufeu durch einen Kontraktionszustand der Muscularis, welcher
deutlich darauf beruht, daß die Ligatur des Blutgefäßes auch die
dasselbe begleitenden Darmnerven komprimiert, die mit einer Kon-
traktion der Muscularis reagierten. In VI, wo mit den Blutgefäßen
auch die Nerven durchschnitten wurden, fehlt diese höckerige Be-
schaffenheit.
In keinem dieser vier Experimente konnten Bakterien in der
Darmwand oder dem dazu gehörenden Mesenterium entdeckt werden ;
sie hafteten nicht einmal in bemerkbarem Grade am Epithel. Eine
Ausnahme bildet jedoch VI, wo Stäbchenbakterien an der Serosa des
Mesenteriums in der Nähe der durchschnittenen Stelle hafteten. In
diesem Versuche war das Bacterium coli commune der Peri-
tonealhöhle offenbar bei der Operation zugeführt worden und hatte
dann in der Blutung oder Transsudation, welche nach dem Abschnei-
den des Mesenteriums eintrat, guten Boden gefunden. Die aufge-
zählten Experimente III — VI sind insofern nicht rein, da bei der
Unterbindung oder dem Abschnitte eines Mesenterialgefäßes gleichzeitig
Nerveneinfluß hervorgerufen wurde, welcher sich in III, IV und V zu
einer Kontraktur und in VI zu einer leichten Parese der Muscularis
entwickelte.
III. Künstliche Incarceration einer Darmschlinge.
Exp. VII. Junges, weißes Kaninchen. Künstliche Incarceration
einer ungefähr 5 cm langen Schlinge des Colon ascendens wurde da-
durch erzeugt, daß ein gut sterilisierter Gummihandschuhfinger über
die Darmschlinge gezogen und an seinem Ausgange mit Gummischnur
umbunden wurde.
Nach 2 Stunden wurde das Kaninchen geköpft. Die incarcerierte
Schlinge stark injiziert, bläulich, nicht besonders aufgetrieben. Serosa
glatt. Der Darm oberhalb unbedeutend ausgedehnt, sonst normal.
Keine Bruchflüssigkeit im Handschuhfinger sichtbar; keine Kul-
turen von Bacterium coli commune auf Gelatineplatten.
Exp. VIII. Graues, junges Kaninchen. Laparotomie. Einelleum-
schlinge wurde ungefähr 5 cm oberhalb der Valvula Bauhini nebst
ihrem Mesenterium mit sterilisierter Seide umbunden.
Tod durch Chloroform nach 4x/2 Stunden. Die abgebundene
Darmschlinge stark injiziert und etwas aufgetrieben. Der Darm ober-
halb nicht wesentlich ausgedehnt. Peritoneum überall normal. Bac-
terium coli commune in der Bauchhöhle nicht nachzuweisen.
Die mikroskopische Untersuchung der Darmwand gab in diesen
beiden Versuchen, sowohl innerhalb, oberhalb, wie natürlich auch
unterhalb der Incarceration ein durchaus negatives Resultat.
596
Max Oker-Blom,
Exp. IX. Junges, schwarzes Kaninchen. Laparotomie. Künst-
lich incarcerierter Bruch einer ca. 6 cm langen Dünndarmschlinge,
15 cm vom Pylorus, auf dieselbe Weise wie in Exp. VII.
Nach 10 Stunden wurde das Kaninchen geköpft. Die einge-
klemmte Schlinge fast schwarz, doch mit glatter Serosa. Der Darm
oberhalb stark ausgedehnt, blutigen Schleim enthaltend. Im Hand-
schuhfinger ungefähr 1.5 cm blutgefärbte Bruchflüssigkeit, nicht fäkal,
enthält nicht Bacterium coli commune.
Die mikroskopische Untersuchung des incarcerierten Darmstückes
erwies, daß stäbchenförmige Bakterien in dem am Epithelium haften-
den Schleime, so wie in den Lieb er kühn’ sehen Schläuchen, pa-
rallel neben- und hintereinander in großen Mengen wandernd, Vor-
kommen. Ungefähr auf 2/s der Tiefe der Schläuche sieht man schon
einen Teil der Bacillen von der Richtung des Hauptheeres abweichend,
sich direkt gegen die Epithelschicht wenden, welche sie hier und da
durchdrungen haben, so daß man bisweilen zwei, drei Stäbchen zu-
sammen zwischen den Epithelzellen und dem darunterliegenden Ge-
webe liegend findet. In höherem Grade findet dieses Eindringen in
die Darmwand erst am Boden der Drüse statt, wo sich mitunter das
Epithel geradezu ablöst, weil sich Bakterien unter die Epithelzellen
drängen. Durch die Epithelschicht gelangt, wandern die Bacillen
meist vereinzelt in verschiedenen Richtungen der Submucosa zu, wo
sie sich gewöhnlich parallel mit den verschiedenen Muscularisfasern
ordnen. Meist sieht man sie in den Lymphwegen um die hier lau-
fenden Blutgefäße, in welche sie niemals einzudringen scheinen. Eine
Bakterieninvasion findet aber auch — obgleich im geringeren Grade
— aus den freien Enden der Zotten statt. Noch dicht unter der
Serosa sieht man hier und da ein vereinzeltes Stäbchen, welches mit-
unter senkrecht gegen das Peritoneum gewandt ist ; dieses selbst habe
ich nie von ihnen durchdrungen gesehen. Ueberall waren die Bak-
terien, wo sie in der Darmwand vorkamen, frei wandernd ; in Mikro-
phagen habe ich sie gar nicht gefunden.
Am Mesenterium findet man in mehreren Schnitten freie Stäb-
chenbakterien in der Nähe der Blutgefäße, aber nie in denselben.
Im Darmstück oberhalb der Incarceration kommen, in der oben
erwähnten Ordnung, die Bacillen nur am Mesenterium vor.
Exp. X. Junges, gelbes Kaninchen. Laparotomie. Künstliche
Incarceratiou einer 6 cm langen Schlinge des Colon descendens wie in
Exp. VII und IX. 13 Stunden nachdem wurde das Kaninchen ge-
köpft.
Die eingeklemmte Schlinge dunkelgrün ; Serosa glatt ; Peritoneum
im übrigen normal. Ungefähr 1 ccm mißfarbene und fäkale Bruch-
flüssigkeit enthält nahezu eine Reinkultur tvon Bacterium coli
commune.
Leider wurde das betreffende Darmstück durch ein Mißverständnis
zerstört, so daß die mikroskopische Untersuchung fehlt.
Ob die von mir in einigen der beschriebenen Versuche in der
Darmwand beobachteten Bakterien wirklich Bacterium coli com-
mune sind, ist unmöglich zu entscheiden. Für diese Annahme spricht
indessen außer dem Verhalten der betreffenden Bakterien zur Gram-
Beitrag zur Kenntnis des Eindringens des Bacterium coli commune etc.
sehen Färbungsmethode der Umstand, daß in den Fällen, wo die
Stäbcheubakterien am tiefsten in die Darmwand eingedrungen waren,
das Bacterium coli commune auch in der Peritonealhöhle bei-
nahe in Reinkultur nachzuweisen war. Dieses war der Fall im Exp. II,
wenn auch unentschieden bleiben muß, ob sich die Infektion des
Peritoneums mit Bacterium coli co rn m une wirklich vom Darme
herleitet. Exp. IX und X vereint scheinen mir auch in gewissem
Grade für die obige Annahme zu sprechen ; in Exp. IX war es den
Stäbcheubakterien schon gelungen, bis dicht unter die Serosa, aber
nicht durch dieselbe zu dringen ; und in Exp. X , wo die Incarce-
ration 3 Stunden länger gedauert hatte, fand sich Bacterium coli
commune in der Bruchflüssigkeit in Reinkultur. Bei dem Exp. VI
wurde es schon bemerkt, daß das Vorkommen von Bacterium
coli commune im Peritoneum wahrscheinlich auf Verunreinigung
beruhte.
Aus so geringem Materiale wie das vorliegende dürften sich
keine sicheren Schlüsse ziehen lassen , doch sprechen die Versuche
dafür :
1) daß eine venöse Stase in der Dauer von 2 bis 72 Stunden
nicht hinreichend ist, um das Eindringen des Bacterium coli
commune in die Darmwand, noch wenigerden Durchtritt derselben
in die Peritonealhöhle zu ermöglichen ;
2) daß ein vollständiges Hindernis des Durchganges der Darm-
contenta eine Invasion des Bacterium coli commune in die
Darmwand auf dieselbe Weise, wie sie normal (nicht speziell Bac-
terium coli comm une) innerhalb des Proc. vermiformis vorkommt,
hervorrufen kann;
3) daß bei heftiger Incarceration Bacterium coli commune
nach 2 bis 10 Stunden die Darmwand nicht durchdringt, auch wenn
sie, gleich der Bruchflüssigkeit, recht mißfarben ist ; nach 10-stün-
diger Incarceration dagegen wandert es in großen Mengen frei (nie
in Mikrophagen) in die Darmwand ein , in deren Submucosa es bald
in die Lymphwege gelangt und längs diesen ins Mesenterium. Die
Serosa scheint den Durchtritt der Bakterien am längsten Widerstand
zu leisten.
Im Beginne einer Incarceration scheint in der Wand des einge-
klemmten Darmstückes ein Kontraktionszustand einzutreten, der viel-
leicht für kürzere Zeit ein Hindernis für die Bakterieninvasion bilden
kann, bis der Meteorismus überhand nimmt und die Kontraktur der
Muscularis erschlafft.
Wie wir sehen, kann auch eine Infektion des Organismus ohne
Vermittelung des Bruchsackes, resp. des Peritoneums durch die In-
carceration eines Darmstückes entstehen, da das Bacterium coli
commune nicht nur im Mesenterium des eingeklemmten Darmstückes,
sondern auch oberhalb desselben gefunden wurde. Die Wanderung
des Bacteriums wird dabei nicht durch die starke Kompression, die
die Darm wand mit deren Mesenterium in einer engen Bruchpforte
unterworfen ist, gehindert.
Die Frage von der Undurchdringlichkeit der Serosa für Bakterien
bei einer Incarceration verliert also an praktischer Bedeutung und
XV. Bd. 38
598
E. Klein,
muß eine Infektion vom Darme aus durch die Mucosa und Lymph-
gefäße zustande kommen können, wie es sich auch Macaigne ge-
dacht hat.
Außer Bacterium coli commune habe ich bei meinen Ex-
perimenten in der Peritonealhöhle hier uud da verschiedene Kokken
in geringer Zahl angetroffen.
Schließlich muß ich darauf hinweisen, welchen Irrtümern man
bei bakteriologischen Untersuchungen, bei Auffangen des Unter-
suchungsmateriales durch Anwendung der üblichen Pipette, leicht
ausgesetzt ist. Ein oder einige Tropfen Flüssigkeit in der Pipette
können beim Zusammenschmelzen der Spitze sehr leicht sterilisiert
werden und die Untersuchung giebt ein negatives Resultat, welches
man im allgemeinen mehr geneigt ist als richtig, anzunehmen als
ein positives, ohne zu bedenken, daß das Resultat ein Kunstprodukt
sein kann. Um diese Ungelegenheit zu vermeiden, verfertigte ich mir
die oben beschriebenen Bouillonschwämme, welche mit Vorteil auch
zum Auffangen des Materiales bei Operationen am lebenden Menschen
angewandt werden können.
Dezember 1893.
Litteratur.
1) Nepven, Ref. in Fortschr. d. Med. Bd. I. p. 642.
2) Garre, nach Rovsing, Hospitaltidende. 1892. p. 490.
3) Bönnecken, Virchow’s Arch. Bd. CXX. p. 10 u. 11.
4) Rovsing, Hospitaltidende. 1892. p. 489.
5) Waterhouse, Virchow’s Arch. Bd. CXIX. p. 357.
6) Bizzozero, G., Centralblatt f. d. med. Wissensch. 1885. No. 45. p. 802.
7) Ru ff er und Ribbert nach Sundberg.
8) Sundberg, Undersökningar öfver möjligheten af mikrobers inträngande genom
den oskadade tarmslemhinnansyta Upsala 1892.
9) Macaigne, M., Le Bacterium coli commune. Son role dans la pathologie.
Paris 1892.
10) Arnd, Ueber die Durchgängigkeil der Darmwand eingeklemmter Brüche für Mikro-
organismen. (Centralbl. f. Bakteriol. 1893.)
Ein weiterer Beitrag zur Kenntnis der intracellulären
Bakteriengifte.
Von
E. Klein
in
London.
In Bd. XIII. No. 13 dieser Zeitschrift wurde über Experimente
berichtet, durch die dargethan wurde, daß eine Reihe von Bakterien-
species: Choleravibrio, Vibrio Finkler, Bacillus pro-
digiosus, coli und typhosus sowie Proteus vulgaris in
ihrer Zellsubstanz ein Gift enthalten, das für alle diese Species
von derselben physiologischen Natur ist, indem gezeigt wurde:
Ein weiterer Beitrag zur Kenntnis der intracellulären Bakteriengifte. 599
1) daß es, in genügender Dosis in die Peritonealhöhle des Meer-
schweinchens injiziert, dasselbe Krankheitsbild und dieselben patho-
logischen Veränderungen hervorruft, und 2) daß eine vorherige
Injektion mit genügender Menge der lebenden oder sterilisierten Zell-
substanzen irgend eines dieser Species gegen eine weitere intra-
peritoneale Injektion mit lebender Kultur derselben oder der anderen
Species schützend wirkt. Sobernheim (Hygienische Rundschau.
1893. No. 22) hat diese Beobachtungen im wesentlichen bestätigt
und sie auch auf den Heubacillus ausgedehnt.
R. Pfeiffer (Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh. Bd. XVI.
Heft 2. p. 268) läßt die von mir und Sobernheim gegebene Er-
klärung nicht gelten (1. c. p. 284), nimmt dagegen an, daß es sich in
unseren Experimenten nicht um eine wahre Immunisierung der Meer-
schweinchen gegen den Choleravibrio gehandelt hat, sondern
um eine vorübergehende Resistenzverleihung, ähnlich wie sie durch
seinen Schüler Issaeff (Ibidem, p. 287) mittelst normalen Serums,
Bouillon, Kochsalzlösung, mit Nucleinsäurelösung u. s. w. erzielt
wurde. Pfeiffer hält ferner an seiner früheren Auffassung (Zeit-
schrift f. Hygiene u. Infektionskrankh. Bd. XI. No. 3) über das
„primäre“, d. h. den Choleravibrionen selbst innewohnende Gift, fest
und vindiziert demnach der Intracellularsubstanz dieser Vibrionen
ein spezifisches, von anderen Bakterien gründlich verschiedenes Gift.
Es ist nicht meine Absicht, dieser mit Scharfsinn entwickelten An-
nahme Pfeiffer’s hier entgegenzutreten, doch möchte ich mir
erlauben, darauf hinzuweisen, daß, soweit das thatsächliche Experiment
am Meerschweinchen einen Schluß erlaubt, dieser der Pfeiffer-
schen Lehre nicht günstig ist. Fürs Erste läßt es sich leicht kon-
statieren, daß die intraperitoneale Injektion des Meerschweinchens —
es handelt sich in allen Experimenten der verschiedenen Beobachter
nur um solche — mit Choleravibrionen selbst, ohne deren Stoff-
wechselprodukte, genau dieselbe Krankheit, klinisch und pathologisch,
hervorruft, wie die mit anderen von mir benutzten Species: Vibrio
Finkler, Bacillus prodigiosus, coli und typhosus und
Proteus vulgaris. Das ganze Krankheitsbild, der rasche Tod
durch intensive Peritonitis, die postmortalen Veränderungen, die Ver-
breitung der injizierten Bakterien im peritonealen Exsudate und im
Blute sind in allen Fällen genau dieselben; daraus kann man doch
unmöglich auf eine spezifische Verschiedenheit zwischen der Intra-
cellularsubstanz der Choleravibrionen und der der anderen Species
schließen.
Daß die Menge der letalen Dosis der Intracellularsubstanzen bei
den verschiedenen Species verschieden ist, ändert doch wenig an der
Natur der Sache, thatsächlich ist in dieser Richtung der Bacillus
prodigiosus, coli und typhosus, worin auch Sobernheim
beistimmt, giftiger als der Choleravibrio oder der Vibrio
Finkler.
Nebenbei sei hier bemerkt, daß die hohe Giftigkeit der
Pfeif fer’schen Cholerakulturen (1. c. p. 281) mit der bei meinen
Cholerakulturen gefundenen durchaus nicht übereinstimmt. Die
meisten meiner von typischen tödlichen Cholerafällen in England
38*
600
E. Klein,
abstammenden Kulturen (Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh.
ßd. XVI. No. 2. p. 255) sowie die von einem Hamburger Falle in
1892 gezüchteten (diese Zeitschr. Bd. XIII. No. 13. p. 428) hatten eine
ganz bedeutend niedrigere Giftigkeit, als die von Pfeiffer benutzten.
Fürs Zweite steht die Annahme von Pfeiffer, daß es sich in
meinen Anticholeravaccinationen mit den Intracellularsubstauzen der
verschiedenen nichtpathogenen Bakterien nur um eine vorübergehende,
wenige Tage (4 — 5) andauernde Resistenz der Meerschweinchen ge-
handelt, nicht im Einklänge mit den Thatsachen. Die Meerschwein-
chen, die ich mit Bacillus prodigiosus oder Bacillus coli
vorbehandelt, zeigten sich noch nach 2, 3, 4 und selbst 5 Wochen
gegen sonst letale Dosen der Choleravibrionen „giftfest“.
Im Anschlüsse an die in meinem ersten Aufsatze (diese Zeitschr.
Bd. XIII. No. 13) besprochenen Bakterienspecies habe ich ähnliche
Experimente mit typischen pathogenen Bakterien ausgeführt, und will
ich hier deren Resultate beschreiben. Die Species, die zu diesen
Experimenten gewählt wurden, sind: 1) Bacillus anthracis,
1) Bacillus diphtheriae und 3) Bacillus der Hühnercholera.
In den früheren Experimenten (diese Zeitschr. Bd. XIII. No. 13)
wurde konstatiert, daß die Intracellularsubstanzen der oben erwähnten
6 Species, in Form von abgetöteten Bakterien, intraperitoneal injiziert,
ebenso letal wirken, wie die der lebenden Bakterien, nur muß die
Dosis der ersteren etwas größer sein, um letal zu wirken. Da bei
der Untersuchung über die Wirkung der Intracellularsubstanzen der
spezifisch pathogenen Bakterien nur abgetötete Bakterien benutzt
werden können — die lebenden Bakterieu, in die Peritonealhöhle
injiziert, bewirken an und für sich Infektion mit letalem Ausgange
— , so müssen die eben erwähnten Bakterien vor der Injektion erst
sterilisiert werden.
1) Bacillus anthracis. Wie in den früheren Experimenten
wurden auch jetzt Agarkulturen auf schiefer Oberfläche (6 Zoll lang,
2 Zoll breit) angelegt; nach 48 Stunden, bei 37° C gewachsen, ist
die Oberfläche des Agars mit gleichmäßiger Schicht der Anthrax-
bacillen bedeckt; diese wird dann in 5 ccm steriler Bouillon ab-
gekratzt, in eine sterile Eprouvette abgegossen und durch Schütteln
gleichmäßig verteilt. Um die etwa vorhandenen Sporen abzutöten,
wird die Bouillonaufschwemmung durch 5 Minuten im kochenden
Wasser gehalten, wodurch vollkommene Sterilisierung bezweckt wird.
Mit dieser Aufschwemmung werden nun Meerschweinchen intraperi-
toneal injiziert, je ein Tier erhält */s einer Kultur. Die Tiere sind am
nächsten Tage und weiter ganz normal. Nach mehreren Tagen werden
sie wieder mit sterilisierter Agarkultur intraperitoneal injiziert, jedes
Tier wiederum mit 2/s einer Kultur. Die Tiere bleiben gesund.
Nach 4 — 5 Tagen werden sie nun mit kleinen Dosen lebender Agar-
kultur intraperitoneal oder subkutan injiziert; sie sterben an typischem
Milzbrände binnen 48 Stunden.
2) Bacillus diphtheriae. Von Agar- oder Gelatinekulturen,
auf deren schiefer Oberfläche im ganzen Umfange gutes Wachstum
stattgehabt, wird ebenso wie sub 1 in steriler Bouillon eine Auf-
schwemmung bereitet, diese wird bei 70° C durch 10 Minuten voll-
Ein weiterer Beitrag zur Kenntnis der intracellulären Bakteriengifte. 601
kommen sterilisiert. Hierauf werden Meerschweinchen intraperitoneal
injiziert, jedes Tier erhält 2/s bis eine ganze Kultur. Die Tiere
bleiben gesund. Dann werden sie nach 4 — 5 Tagen subkutan
oder intraperitoneal mit lebender Kultur inokuliert, ebenso Kontroll-
iere; alle sterben innerhalb 40 — 48 Stunden unter den typischen
Symptomen.
3) Bacillus der Hühnercholera. Die Bouillonaufschwem-
mung wird ebenso wie in dem vorigen Experimente bereitet und
sterilisiert1) und damit werden Kaninchen intraperitoneal injiziert,
jedes Tier erhält 2/3 — 1, selbst 2 Kulturen. Die Tiere bleiben gesund.
Nach mehreren (4—5) Tagen werden sie subkutan oder intraperi-
toneal mit kleinen Dosen lebender Agar- oder Gelatinekultur inoku-
liert; alle sterben binnen 48 Stunden an typischer Hühnercholera.
Es folgt somit aus diesen Experimenten, daß große Mengen dieser
spezifisch pathogenen Mikroben, als tote Zellsubstanz intraperitoneal
injiziert, keine Krankheit hervorrufen und den Tieren keinerlei Re-
sistenz gegen eine nachherige Infektion mit lebender Kultur verleihen.
Wenn solch große Mengen der sterilisierten Mikroben, wie sie in
diesen Experimenten angewendet wurden, von den nicht pathogenen
Bakterien (Bacillus prodigiosus oder Bacillus coli) in die
Peritonealhöhle injiziert werden, so rufen sie stets Vergiftung und
Tod durch akute intensive Peritonitis hervor, und wenn die Dosis
nicht letal ist, verleihen sie dem Tiere Resistenz gegen eine weitere
sonst letale Dosis. Hierin zeigt sich ein fundamentaler Unterschied
zwischen dem Choleravibrio, Vibrio Finkler, Bacillus
prodigiosus, coli und typhosus und Proteus vulgaris
einerseits und dem Bacillus anthracis, Bacillus diphthe-
riae und Bacillus der Hühnercholera andererseits. Will man,
wie dies Pfeiffer thut, dem Choleravibrio, dem Vibrio
Finkler, dem Bacillus prodigiosus, coli und typhosus
u. s. w. ein „primäres“ spezifisches Gift vindizieren, so muß man nach
den obigen Experimenten dem spezifisch pathogenen Bacillus
anthracis, Bacillus diphtheriae und Bacillus der Hühner-
cholera ein solches absprechen, wird vielmehr, wie dies bisher auch
allgemein angenommen wurde, die spezifisch pathogene Wirkung dieser
Mikroben auf die bei ihrer Vermehrung im infizierten Organismus
entstehenden Stoffwechselprodukte einzig und allein zurückführen.
London, 31. März 1894.
1) Die Bouillonaufschwemmung wird durch das 10 Minuten lange Erhitzen auf
70° C in charakteristischer Weise dicklich, fast wie halberstarrte Gelatine.
602
M. Braun
Ueber ein für den Menschen neues Distomum aus
der Leber,
Von
M. Braun.
Durch ein Referat des Herrn Kollegen Lu kj an ow *) über eine
Distom um- Art aus der Leber des Menschen (Distomum sibi-
ricum Winogradoff) war ich auf zwei in russischer Sprache ge-
schriebene Arbeiten des Herrn Kollegen K. Winogradoff in Tomsk
aufmerksam geworden, in welchen die eben erwähnte Art zweimal
beim Menschen konstatiert wurde. Wegen des in dem Referate ent-
haltenen Hinweises auf Dist. choledochum v. Linst, und Di st.
longissimum v. Linst, aus der Leber von Anas und Ardea,
Distomen, welche mit dem von mir untersuchten Distomum feli-
ne um Riv. verwandt erscheinen, kam mir der Gedanke, daß viel-
leicht diese oder eine nahe verwandte Art vorliege. Herr Kollege
Lukjanow war so liebenswürdig, mir auf meine Bitte diejenigen
Arbeiten Wi n ogr a do f f ’s 1 2), die sich mit dem Distomum si-
b i r i c u m beschäftigen, zu übersenden.
Diese Mitteilungen verdienen in der That volle Beachtung; han-
delt es sich doch um einen Parasiten, der bis jetzt aus dem Menschen
unbekannt war, der in Sibirien häufig ist, recht schwere Störungen
hervorruft und der, wie sich ergeben wird, auch in Europa, in
Deutschland, Italien etc. vorkommt, wenn auch hier noch nicht beim
Menschen beobachtet ist. Diese Umstände rechtfertigen es wohl,
wenn ich in Anbetracht der Sprache des Originales 3) einen etwas
ausführlicheren Bericht gebe, in welchem ich alle drei Arbeiten ver-
einige.
W in ogr adof f hat Dist. sibiricum bei 124 Sektionen 8 mal,
und zwar nur bei Männern beobachtet = 6,45 Proz. Dem gegenüber
ist Taenia sagin ata beobachtet 4mal (3,2 Proz.), Echino-
coccus multilocularis und veterinorum 3 (2,4 Proz.),
Ascaris lumbricoides 2 (1,6 Proz.) und Oxyuris vermicu-
laris lmal (0,8 Proz.) — demnach ist Distomum sibiricum
unter dem Materiale, das in Tomsk zur Obduktion kommt, der weit-
aus häufigste Parasit des Menschen. Im ganzen verfügt
der Verf. über 9 Beobachtungen; der eine Fall mehr stammt von
1) In: Centralbl. f. allgem. Pathol. und pathol. Anat. Bd. III. 1892. p. 910.
2) Winogradoff, K., Ueber eine neue Distomnm-Art in der Leber des
Menschen. (Nachricht, v. d. Kais. Univ. Tomsk. Bd. IV. Tomsk 1892. Abt. II. No. XIII.
p. 116 — 130- 1 Taf.) — Winogradoff, Ein zweiter Fall von Distomum sibi-
ricum in der Leber des Menschen (ibid. No. IX. p. 131 — 136). — Winogradoff,
K., Ueber die Eingeweidewürmer des Menschen nach den Ergebnissen der pathol. -anat.
Universität Tomsk. (Abdruck aus den Nachr. d. Kais. Univ. Tomsk für d. Jahr 1892.)
8°. 13 p. Tomsk 1892.
3) Herr Stud. Cohn hat mir eine fast wörtliche Uebersetzung der drei Arbeiten
geliefert, wofür ich ihm auch an dieser Stelle danke.
Ueber ein für den Menschen neues Distomum der Leber.
603
einer gerichtlichen Obduktion und ist unter die obigen 8 nicht auf-
genommen.
Der Tod der Patienten war verursacht durch Lungentuberkulose
2 mal, Gastroenteritis, resp. Cholera nostras, kruppöse Lungenentzün-
dung, Aortenaneurysma, Pericarditis, Epilepsie, Vitium cordis je 1-
mal und 1 mal war die direkte Todesursache unbekannt, doch bestand
chronische Tuberkulose der Lungen und des Darmes und Hydro-
thorax. Bei allen Fällen fanden sich mehr oder weniger weitgehende
Veränderungen in der Leber, resp. auf solche zurückzuführende Er-
scheinungen: Ikterus 5 mal, Verkleinerung der Leber 5, Abdominal-
wassersucht 3, Vergrößerung der Leber 2, Cholestearinkonkretionen
2, Eiterherde in den Gallengängen 1 mal und nur 1 mal hatte die Leber
normale Größe.
Die Veränderungen, welche in der Leber selbst auftreten, lernen
wir am besten aus einem Befunde, dem ersten, kennen:
Der betreffende Patient war im September 1890 beim Fischfang am
Ob beschäftigt, wo er erkrankte; am 30. Oktober trat er mit Ikterus in
das Spital ein; man fand die Leber um 3 Finger breit vergrößert, die
Exkremente meist farblos; Temperatur war normal. Der Tod trat infolge
von Lungentuberkulose ein.
Bei der Sektion erwies sich die Leber als verkleinert, höckerig;
ihre Kapsel war stellenweise mit dünnen fibrinösen Häuten bedeckt, ihr
Gewebe erweicht und in nuß- bis faustgroßen Partieen dunkelgrün ge-
färbt; die zwischenliegenden Teile waren bleich mit bräunlichem An-
flug. Innerhalb der grünen Stellen ist das Gewebe der Leber gequollen,
die Grenzen der Lobuli sind verwischt und die Gallengänge sind hier
wie an anderen Stellen mit dickflüssiger, dunkler Galle und mit Schleim
gefüllt; Gallenblase von der Größe eines Gänseeies mit gelbgrünem,
schleimigem Inhalte und kleinen Konkrementen. Ductus choledochus und
cysticus normal. In der Leibeshöhle eine große Menge gelber, seröser
Flüssigkeit; Milz stark vergrößert, erweicht, rot; Nieren etwas vergrößert;
in ihrer Rindenschicht starke ikterische Färbung etc.
Bei der Untersuchung des Inhaltes eines Gallenganges wurden Di-
stomeneier und schließlich die Distomen selbst gefunden. Die weiteren
Veränderungen in der menschlichen Leber waren folgende: Die Wan-
dungen der großen wie kleinen Gallengänge waren an vielen Stellen ent-
zündet, hyperämisch und von Leukocyten durchsetzt; diese fanden sich
auch in dem interlobulären Bindegewebe und in den Lobulis selbst. Be-
sonders an den grünen Stellen zeigten sich weitere Stadien einer fort-
geschrittenen Cirrhosis ; die Lobuli waren oft in ihrer ganzen Dicke von
Granulationsgewebe durchsetzt, während die Leberzellen selbst einzeln
oder in Gruppen lagen, oder auch zerfallen waren. Die Gallen kapillaren
erschienen an vielen Stellen als ein dunkelgrünes Netzwerk zwischen
mehr oder weniger veränderten Leberzellen. Zum größten Teile befand
sich hier das Leberparenchym im Zustande der braunen Atrophie.
In einem anderen Falle wurden in der Leber zahlreiche hirse-
korn- bis erbsengroße, gelbliche Knötchen beobachtet, die sich als
mehr oder weniger erweiterte Strecken der Gallengänge erwiesen,
wobei das umgebende Bindegewebe sehr stark von vielkernigen Rund-
zellen durchsetzt war; in einigen dieser Knötchen war völlige Ver-
604
M. Braun,
eiterung eingetreten. In keinem dieser Knötchen waren übrigens
Eier von Distomeu oder Distomen selbst nachzuweisen, doch fandeu
sich solche an anderen Stellen.
Wir haben demnach das Bild einer Cirrhosis parasitaria vor uns,
wie sieZwaardemaker1) vom Hunde schildert, hier ebenfalls ver-
anlaßt durch ein Distomum.
Man wird zugeben müssen, daß auch beim Menschen die ge-
fundenen Veränderungen in der Leber auf Rechnung der Distomen
zu setzen sind, die in verschiedener Anzahl, einige wenige, 50 — 60
— 100 — 200 und darüber in den dilatierten Gallengängen, gelegent-
lich auch im Darme gesammelt wurden; es ist das um so sicherer,
als wir wissen, daß andere Arten ebenfalls Entzündungen in der
Leber verursachen.
Beschreibung der Distomen aus der Leber
des Menschen.
Winogradoff hat, wie wir gleich vorweg nehmen wollen, zwei
verschiedene Arten beobachtet, ein 2,5 mm langes, 1 mm breites und
ganz bestacheltes Distomum, das nur einmal in Fall VIII neben 50
größeren Distomen, wie solche in allen 9 Fällen gesammelt sind, beob-
achtet wurde; die zweite größere Art mit ganz glatter Hautschicht wird bis
13,5 mm lang und bis 3 mm breit; sie ist das Distomum sibiri-
cum und ähnelt in ihrer ganzen Form sehr dem bekannten Distomum
lanceolatum, unterscheidet sich aber sofort von diesem dadurch, daß die
Geschlechtsorgane hinter dem Uterus im hinteren Körperteile liegen.
Vorderer, kugeliger Saugnapf 0,328 mm im Durchmesser. 2,129 mm
weiter nach hinten liegt der 0,308 mm große Bauchsaugnapf; der
Pharynx (0,388 mm lang, 0,320 mm breit) folgt dicht dem Mundsaug-
napfe; Oesophagus 0,161 mm lang; Darmschenkel ziehen bis ans hintere
Körperende, sind unverästelt und von dunkelbrauner, körniger Masse er-
füllt, so daß man sie mit bloßem Auge erkennen kann.
Nach außen von ihnen sieht der Verf. je einen hellen Streifen;
diese lassen sich nach vorn bis zum Pharynx verfolgen, wo sie durch
eine Querkommissur sich verbinden; hinten ziehen die Streifen bis ans
Ende des Körpers zum Exkretionsporus ; zu diesem tritt dann noch von
vorn her ein dritter, medianer Streifen, der sich zwischen den Geschlechts-
organen verliert. Der Verf. betrachtet alle drei Streifen oder Kanäle
als Exkretionsgefäße, doch sind zweifellos die seitlichen hellen Streifen
die Seitennerven, welche vorn dicht hinter dem Pharynx in die Cerebral-
kommissur eintreten, und der mediane Kanal, den der Autor nach vorn
bis zwischen die Genitalien verfolgen kounte, ist die langgestreckte Ex-
kretionsblase; die eigentlichen Exkretionsgefäße scheint Winogradoff
nicht gesehen zu haben.
Im hinteren Körperteile sieht man voreinander zwei gelappte
Körper, die Hoden; der vordere ist vierlappig, der hintere fünflappig.
Vor dem vorderen Hoden liegt das 0,75 mm lange, 0,2 mm breite Re-
ceptaculum seminis, das durch einen Gang mit dem rundlichen Keim-
stocke (0,45 mm') verbunden ist, während andererseits nach hinten der
t) Virchow’s Arch. f. path. Anat. Bd. CXX. 1890. p. 197 — 203. 1 Tal'.
Ueber ein für den Menschen neues Distomum der Leber.
605
etwas gebogen verlaufende und dorsal ausmündende L a u r e r 'sehe Kanal
zu erkennen ist. Vom Vorderraude des Keimstockes beginnt der Uterus,
dessen enge Windungen zwischen den Darmschenkeln bis zum Bauch-
saugnapfe emporsteigen und links neben demselben hinziehen, um dicht
vor demselben auszumünden. Rechts neben dem Bauchsaugnapfe liegt
eine breite, schlingenbildende und mit Sperma gefüllte Röhre, die neben
dem Uterus ausmündet. Der Verf. hält diese Röhre für die Vesicula
seminalis, offenbar ist sie aber der Endabschnitt des Vas deferens ; ein
Cirrus fehlt. Neben dem Keimstocke ist dann noch die Schalendrüse
gesehen worden.
Nach außen von den Darmschenkeln liegen die Dotterstöcke, aus
zahlreichen kleinen Acinis bestehend; sie enden vorn etwas hinter dem
Bauchsaugnapfe, hinten kurz vor dem vorderen Hoden. Aus ihnen ent-
springen, und zwar am Beginne ihres letzten Viertels, die queren Dotter-
gänge, die sich nach dem Keimstocke zu begeben. Die gedeckelten Eier
sind 0,026 — 0,038 mm lang, 0,010 — 0,022 mm breit.
Bei dem Vergleich mit Distomum lanceolatum, con-
junctum und sinense werden die Unterschiede der sibirischen
Art hervorgehoben, ebenso die gegen Dist. choledochum und
D. longissimum und schließlich, da keine völlige Uebereinstim-
mung mit einer dieser Arten gefunden wird , die sibirische Form
Distomum sibiricum n. sp. genannt.
Dank der sorgfältigen Beschreibung dieser Art von Seiten Wino-
gradoff’s ist man imstande, auch ohne die dem Original beige-
gebene Abbildung zu sehen, sich ein klares Bild von diesem Parasiten
zu machen ; dem Leser des Centralblattes für Bakteriologie, dem unser
Artikel über „Die Leberdistomen der Hauskatze (Felis catus do-
rn estica) und verwandte Arten“, speziell die darin gegebene Be-
schreibung des Distomum felineum Riv. *) bekannt ist, wird
die große Uebereinstimmung des Distomum sibiricum mit Dist.
felineum auffallen; dieselbe geht so weit, daß ich nicht anstehe,
zu behaupten: die beiden Formen sind identisch. Gewiß finden sich
einige Unterschiede in den Maßen, z. B. der Saugnäpfe, aber diese
Differenzen sind irrelevant, da es sich um Organe handelt, die vor-
zugsweise aus kontraktilen Fasern bestehen und infolgedessen je nach
der Kontraktion ein wenig im Durchmesser differieren werden ; mög-
licherweise sind aber diese Differenzen zum Teil auch auf Fehler in
den Messungen, resp. der zum Messen benutzten Apparate zurückzu-
führen. Jedenfalls können sie bei allen sonstigen Uebereinstimmungen
nicht ausschlaggebend sein.
Meine Behauptung, Distomum sibiricum sei identisch
mit Dist. felineum wird aber sehr wesentlich durch den Umstand
gestützt, daß Winogradoff das Dist. sibiricum in der Leber
von Katze und Hund selbst beobachtet hat und die Uebereinstimmung
im Baue zwischen den Katzen- resp. Hundedistomen und denen des
Menschen hervorhebt. Differenzen bestehen nur in der Größe: die
Leberdistomen der Katze sind (konserviert) 5 — 8 mm lang und 1,2 mm
breit; der Mundsaugnapf dieser hielt bei den großen Exemplaren
0,250, der Bauchsaugnapf 0,225 mm im Durchmesser ; die Eier 0,024
1) Dieses Centralblatt Bd. XIV. 1893. No. 12 u. 13.
6Q6 M. Braun, Ueber ein für den Menschen nenes Distomum der Leber.
bis 0,030mm lang, 0,014 — 0,020mm breit. Die Distomen aus der
Leber eines Hundes (293 Exemplare) waren 4 — 8 mm lang, 1 — 2 mm
breit, im übrigen „mit denen aus dem Menschen identisch“. Ferner
kommt noch hinzu, daß Winogradoff auch die von ihm beobach-
teten Miracidien aus den Distomen des Hundes so schildert, wie sich
die Miracidien der Leberdistomen hiesiger Katzen verhalten, und daß
die Gestalt der Eischale — abgestutzter spitzer Pol — bei der si-
birischen und hiesigen Form ganz gleich ist.
Durch die wichtigen Beobachtungen Winogradoff’ s, die nichts
dadurch einbüßen, daß die Species verkannt worden ist, gewinnt das
Distomum feline um Riv. eine besondere Bedeutung, da es auch
im Menschen vorkommt und hier nicht zu den unschuldigen Para-
siten zählt, übrigens auch für Katze und Hund nicht ganz gleich-
giltig ist. Bei der großen Häufigkeit des Distomum felineum
in Katzen aus Königsberg, wobei also auch der Zwischenträger häufig
sein muß, ist es nicht ausgeschlossen, daß diese Art nicht einmal
auch beim Menschen in Europa, am ehesten noch hier gefunden wer-
den wird, nachdem man auf sie durch Winogradoff aufmerksam
geworden ist; sicher aber wird sie in Europa wie andere Distomen
nur sehr selten beim Menschen Vorkommen. Bedauerlich bleibt es,
daß wir noch nicht in der Lage sind, den Zwischenträger zu nennen.
Was nun die oben erwähnte zweite Species von Leberdistomen
des Menschen anlangt, so ist es zunächst sicher, daß eine besondere
Art vorliegt, da sie ganz bestachelt ist, während Dist. felineum
keine Spur von Stacheln, auch nicht in den Jugendstadien, die ich
wiederholt untersucht habe, aufweist. Ob nun aber Dist, trun-
catum (Rud.) oder Dist. albidum Braun oder eine andere Art vor-
liegt, ist zur Zeit nicht zu entscheiden; ich möchte einstweilen an-
nehmen, daß es sich um Distomum truncatum (Rud.) handelt,
weil bei dieser Art die Bestachelung gleichmäßig über den ganzen
Körper entwickelt ist und die Stacheln leichter zu sehen sind. Ge-
wißheit können nur weitere Untersuchungen bringen, die voraussicht-
lich nicht ausbleiben werden.
Zum Schlüsse noch ein Wort über die spontane Heilung der
Cirrhosis parasitaria beim Menschen; eine solche nimmt W i n ogra-
doff mit Recht an. Er stützt sich dabei auf das Vorkommen von
Veränderungen in der Leber, die mit den oben geschilderten überein-
stimmen, wobei aber in der Leber selbst keine Distomen gefunden
worden sind, sowie auf den Umstand, daß er die Distomen im Darme
fand, wohin sie ja nur aus der Leber gelangt sein können ; der Autor
deutet diesen Fund als ein spontanes Verlassen der Leber, womit,
da die Ursache des Leidens fortgeschafft ist, die Möglichkeit zu einer
Ausheilung gegeben ist. Es kommt noch hinzu, daß in keinem der
9 Fälle der Tod direkt auf das Leberleiden zurückzuführen ist,
sondern auf andere interkurrierende Krankheiten. Wir wissen, daß
auch bei den Schafen die durch Distomum hepaticum und lan-
ceolatum bedingte Erkrankung der Leber spontan ausheilt, da die
Distomen die Leber verlassen.
Königsberg, den 20. Febr. 1894.
Bacillus Hydrophilus fuscus.
607
Referate.
Trambusti, A., Ueber die physiologische Wirkung der
Stoffwechselprodukte des Hydrophilus fuscus. (Bei-
träge zur pathologischen Anatomie und allgemeinen Pathologie.
XIV. 1893. 2.)
Von Mikroorganismen, welche für Frösche pathogen sind, kennen
wir zwei, den Bacillus ranicida (Ernst) und Bacillus
hydrophilusfuscus(Sanarelli). Der letztere, ein dem Typhus-
keime ähnlicher Bacillus, der sich mit Anilinfarben leicht, nach
Gram dagegen nicht färbt, auf allen Nährböden wächst, Gelatine
nicht verflüssigt, im Gegensätze zu dem ähnlichen Bacillus rani-
cida bei Körpertemperatur gut gedeiht und für Frösche, Kröten,
Tritonen, Eidechsen, Barben und Aale, sowie von Warmblütern
für Meerschweinchen, Kaninchen, Hunde, Katzen, Ratten, Fleder-
mäuse, Igel, Hühner und Tauben, wenn auch weniger als für Poikilo-
thermen, pathogen ist, bildet den Ausgang nachfolgender physiologischer
Untersuchungen über seine Stoffwechselprodukte.
Untersuchungen über die physiologische Wirkung von Stoffwechsel-
produkten der Mikroorganismen existieren im ganzen erst wenige,
nämlich nur über die Hühnercholera (Pasteur), Cholera
(Bouchard), Diphtherie (Loeffler, Roux und Yersin),
Streptokokken (Traversa und Manfredi), Pneumonie
und Erysipel (Sciolla und Trovati), über den Bacillus
pyocyaneus (Charrin und Gley), über Staphylococcus
pyogenes (Rodet und Courmont) und endlich über den
Bacillus septicus putridus (Roger).
Zur Isolierung der Stoffwechselprodukte ist die beste Methode
die Fällung mit absolutem Alkohol; dadurch kann man die ver-
schiedenen Gruppen von Substanzen trennen, indem die einen aus-
fallen, die anderen in Lösung bleiben. Als Produkte des Stoff-
wechsels findet man so oft genug Substanzen, welche verschiedene,
ja entgegengesetzte Wirkung haben. Die Untersuchungen über die
physiologische Wirkung der löslichen Produkte des Hydrophilus
fuscus zerfallen in drei Reihen:
1) Physiologische Wirkung der reinen Kulturen,
2) „ „ „ durch Alkohol niedergeschlagenen,
3) „ „ ,, in Alkohol löslichen Produkte.
Zur Kontrolle wurde die Untersuchung der physiologischen
Wirkung der reinen (zur Kultur benutzten) Fleischbrühe, des alko-
holischen Niederschlages derselben und ihres Extraktes vorgenommen.
Aus den Versuchen, welche die Wirkung auf Nerven, Muskelu
und auf das Herz, sowie die chemische Reaktion derselben Organe, des
Gehirns und des Rückenmarkes betrachten, geht hervor, daß sich die Pro-
dukte des Stoffwechsels des Hydrophilus fuscus in zwei Gruppen
teilen lassen, erstens in eine alkoholische Gruppe, welche allge-
mein lähmend wirkt und zweitens eine durch Alkohol fallende,
welche eine erregende Wirkung auf Nerven, Muskeln und das
608
Bacillus pyocyaneus. — Staphylokokken.
Herz ausübt und in ihrer Wirkung der des Koffein und Veratrin
ähnelt. Es finden sich also auch hier wieder zwei Körper von ent-
gegengesetzt physiologischer Wirkung, eine Beobachtung, welche
vielleicht die Erklärung für gewisse Unterschiede liefern kann, die
sich bisweilen bei der klinischen Erscheinung mancher Infektionen
zeigen. Kurt Müller (Halle).
Ernst, H. C., The Bacillus pyocyaneus pericarditis.
(American Journal of Medical Sciences. CVI. 1893. p. 396.)
Der Verf. isolierte aus der Pericardialflüssigkeit eines Patienten
einen neuen Mikroorganismus, ähnlich dem Bacillus pyocya-
neus von Gessard und dem von P. Ernst. Derselbe war be-
gleitet von dem Tuberkelbacillus und eingeschlossen in den
Zellen der Flüssigkeit. An Gestalt ist er ein kleiner, gerader Ba-
cillus mit abgerundeten Enden, drei- oder viermal so lang als breit
und in der Regel ein klein wenig größer als der B. pyocyaneus.
Er ist lebhaft beweglich. Die Plattenkulturen unterscheiden sich von
denen des B. pyocyaneus durch eine bläulich-grüne Farbe. Die
Gelatine wird langsam verflüssigt. In seiner Kulturbeschaffenheit
hat der Bacillus große Aehnlichkeit mit dem von Gessard und
gleich diesem läßt er sich leicht mit Anilinfarben und nach Gram’s
Methode färben. Intraperitoneale Einspritzungen von Bouillonkulturen,
1/2 ccm, führten bei Kaninchen und Meerschweinchen in 50 Proz.
binnen 24—36 Stunden den Tod herbei. Novy (Ann Arbor).
Charrin et Teissier, Modification de la pression arterielle
sous l’infl uence d e s t o x i n e s p y ocy a n i ques. (Comptes
rendus. 1893. Janvier 23.)
Die subkutane Injektion von Pyocyaneus toxinen beim Menschen
erhöht den arteriellen Druck. Die Größe der Steigerung ist direkt
proportional dem Alter der Kultur, dem Gehalte der Bouillon an
Eiweißkörpern und der injizierten Menge; sie ist ausgesprochener,
wenn die Bacillenleiber mit injiziert werden. In wenigen Stunden
geht die Wirkung vorüber. Als Versuchspersonen dienten Tuberkulöse
und Typhuskranke, Kontrollinjektionen mit destilliertem Wasser waren
erfolglos. Abel (Greifswald).
Terni , Camillo , Le fermentazioni dei micrococchi
piogeni. Contributo allo Studio della suppurazione.
(Rivista d’Igiene. Anno IV.)
Die löslichen Produkte in Kulturen des Staphylococcus
aureus vermögen nicht Meerschweinchen und Kaninchen gegen die
Infektion mit diesem Organismus zu schützen. Exemplare derselben
Tierspecies, welche gegen Milzbrand, Pyocyaneus und Pneumo-
c occ us vacciniert sind, besitzen keine erhöhte Widerstandsfähigkeit
gegen die pyogenen Mikrokokken.
Die pyogenen Staphylokokken besitzen ein sehr bedeutendes
Gärungsvermögen, welches nicht von ihrer pathogenen Kraft ab-
hängt. Sie produzieren Säuren, welche den im Eiter gefundenen
analog sind. Es sind dies Buttersäure, Baldrian-, Propion- und
Mikroorganismen aus Sputum. — Gonorrhöe.
609
Milchsäure, betreffs der Einzelheiten muß auf das Original hinge-
wiesen werden. Die Inokulation der sauren Produkte der Staphylo-
kokken aus Kulturen oder Kauiucheneiter bringt alle Erscheinungen
einer Infektion bis zum Auftreten von Eiterung hervor und begün-
stigt das Eindringen der Organismen. Terni schließt, daß die
pathogene Eigenschaft der pyogenen Staphylokokken nicht von
spezifischen Toxinen sich herleitet, sondern durch die Produkte der
Säuregärung bedingt wird, welche im Gewebe ebenso wie in Kulturen
gebildet werden.
Viele interessante Einzelheiten der fleißigen Arbeit lassen sich
im Referate nicht wiedergeben. Abel (Greifswald).
Bunzl-Federn, Ueber einen fürTiere pathogenen Mikro-
organismus aus dem Sputum eines Pneumonie-
kranken. (Archiv für Hygiene. XXIX. 1893. 3.)
Aus dem Sputum eines kurz nachher verstorbenen Pneumonie-
kranken züchtete Verf. einen Pilz, der sich mit keinem bekannten
identifizieren läßt.
Er besitzt bei den verschiedenen Tierarten, für die er pathogen
ist, keine einheitliche konstante Form, die auch ebenso mit der
Art der Nährböden wechselt. In Gelatine, welche er nicht
verflüssigt, findet man ihn in Diplokokkenformen und als kurzes
Stäbchen; in Bouillon als kleine Diplokokken und kurze Stäb-
chen; auf schiefem Agar bilden sich bei Brüttemperatur feuchte
glänzende Ueberzüge, die aus feinem, in auffallendem Lichte farb-
losen, in durchfallendem grauweißen Tropfen bestehen; hier über-
wiegen im mikroskopischen Bilde die feinen Stäbchen von der Länge
und Dicke der Tuberkelbacillen über alle anderen Formen. Sporen
bildet der Keim nicht ; Eigenbewegung fehlt ihm. Er ist patho-
gen für Kaninchen, Meerschweinchen, weiße Mäuse und Tauben,
welche er unter dem Bilde einer akuten Septikämie tötet. Die
Keime, welche sich am besten mit Karbolfuchsin färben, nach Gram
entfärben, finden sich im Blute, den Transsudaten und inneren Organen.
Kurt Müller (Halle).
Veit, Frische Gonorrhöe bei Frauen. (Dermatolog. Zeit-
schrift. Bd. I. 1894. Heit 2.)
Die vorliegende Arbeit Veit’s beschäftigt sich mit der Sympto-
matologie und Therapie der akuten Gonorrhöe der Frauen. Obwohl
Veit die Ueberzeugung hat, daß die Gonorrhöe durch die Gono-
kokken hervorgerufen wird, ist er ein Gegner der bakteriologischen
Untersuchung. Er hält das klinische Bild für ein so charakteristi-
sches, daß er folgendes schreibt: „Die bakterielle Untersuchung über-
gehe ich hier, sie ist für die Diagnose und Behandlung der akuten
Gonorrhöe nicht notwendig. Ich bin überzeugt, daß, so sehr selbst
der Praktiker für die Diagnose z. B. von Cholera und Phthise die
bakteriologischen Untersuchungen beherrschen muß, er hier zur Ver-
meidung von Irrtümern besser thut, ohne Bakteriologie auszukoramen.
Sie führt schwer zum sicheren Resultate, ist außerordentlich mühsam
und bringt bei einigermaßen ausgedehnter klinischer Erfahrung die
610
Gonorrhoe. — Infusoriendiarrhöe.
Diagnose nicht weiter.“ Die Hauptstücke für die Diagnose sieht der
Verf. in den charakteristischen Veränderungen der Schleimhaut von
Vulva, Vagina, Cervix und Urethra und speziell in der Kombination
akuter Erkrankung der Harnwege mit solchen des Genitalapparates.
Veit hält die akute Gonorrhöe des Weibes, die, durch einmalige
Infektion entstanden, sofort zur Behandlung kommt, für eine wenig
gefährliche Affektion. Meist pflegen derartige akute Gonorrhöen ohne
Behandlung spontan auszuheilen und die hauptsächlich zu betreibende
Therapie ist die Behandlung des Mannes, um weitere Infektionen
auszuschließen. Nur für die Fälle, in denen es infolge fortgesetzter
Infektionen zur chronischen Erkrankung kommt, sind prognostisch
ungünstig; für die einmalige Infektion gilt die infaustere Prognose
nur dann, wenn die Infektion kurz vor oder kurz nach der Entbin-
dung erfolgt, weil der puerperale, aufgelockerte Zustand der weib-
lichen Genitalien die anatomische Grundlage für die schwereren Er-
krankungen bildet.
Bei frischen Fällen hält der Verf. die Behandlung nicht nur für
überflüssig, sondern eventuell für schädlich. Er warnt dringend vor
der Behandlung des Uteruskörpers, weil er glaubt, daß der innere
Muttermund eine sichere Grenze ist, die die Gonokokken nicht leicht
überschreiten, daß aber eine Verletzung desselben, wie sie bei der
Behandlung leicht Vorkommen kann, diese Sicherheit gefährdet; ferner
ist er der Ansicht, daß der Uteruskörper, falls er erkrankt, imstande
ist, die akute gonorrhoische Erkrankung zu überwinden. Für die
Behandlung der Vagiua. und Vulva empfiehlt er nur austrocknende
Tampons, da auf diese Weise die Lebensbedingungen für die Gono-
kokken sehr ungünstige würden; erst nach der Ausheilung der Vagina
soll man mit milden Mitteln den Cervix behandeln.
Auch bei der Urethra kommt es nach Veit zu einer spontanen
Ausheilung, falls es sich um eine akute Erkrankung nach einmaliger
Infektion handelt; er geht so weit, daß er anderenfalls nicht glaubt,
daß es sich um eine akute Erkrankung, sondern um die Exacerbation
einer chronischen handle. Die Möglichkeit, durch die Behandlung
der Urethra Infektionskeime in die Blase zu befördern, veranlaßt
ihn, von einer Behandlung der akuten Urethritis bei Frauen ab-
zusehen. Als Resum6 seiner Betrachtung fügt Veit seiner Arbeit
folgende Worte an:
„Einmalige gonorrhoische Infektion beim Manne kann selbst bei
rechtzeitiger Behandlung dauernde nachteilige Folgen haben. Die
Frau ist bei einmaliger frischer Infektion ungleich besser daran, sie
kann dauernd geheilt werden. Ihr schadet nur die mehrfach in
kurzen oder längeren Pausen immer wieder erneute Infektion.“
Lasch (Breslau).
ßoos, E., Ueber Infusoriendiarrhöe. (Zeitschrift für klin.
Medizin. 1892.)
Verf. fand Gelegenheit, einige chronische Diarrhöen zu beobachten,
bei denen sich verschiedene Formen von Infusorien fanden.
Im ersten Falle — die Krankengeschichten werden mitgeteilt —
fand sich die von Grassi als Megastoma entericum be-
Tierische Parasiten.
611
schriebene Flagellate und die von Marchand beschriebene Tri-
chomonas intestinalis, sowie auch die encystierten Formen des
ersteren. Eine ausführliche Beschreibung dieser Gebilde wird ge-
geben. Therapeutisch gelang es, nachdem die verschiedensten Me-
dikamente fehlgeschlagen, durch Darreichung von 3 mal täglich
0,1 Kalomel die Infusorien aus dem Darme verschwinden zu machen
und der Diarrhöe Herr zu werden. Außer den erwähnten Gebilden
treten noch zwei andere unter einander, sowie von anderen Bekannten
wohl unterscheidbare Tierchen auf, welche durch Bild und Beschrei-
bung fixiert werden. Die eine Form ähnelt der von Nothnagel
bereits beschriebenen.
In einem zweiten Falle fand sich das von Leuckart und
Ort mann beschriebene Balantidium coli, auch hier erwies
sich das Kalomel als sehr wirksam. Es war wahrscheinlich, daß die
Infektion durch das Reinigen von Schweineställen aus erfolgt war.
In Fall 3 fand sich das von Davaine beschriebene Cerco-
monas hominis. Durch Ruhe und Diät trat Besserung ein.
In einem vierten Falle von Ikterus fanden sich in dem dick-
breiigen Stuhle große pfriemenförmige Infusorien, 14—16 (i lang,
3 — 4 /x breit, lebhaft beweglich, mit mondartiger Einbuchtung, auf
deren Höhe eine feine Geißel sichtbar. Der sonst homogene Körper
zeigte in einer kolbigen Anschwellung einen Kern.
In Fall 6 fand sich in einem von einer Lungencaverne aus ent-
standenen Empyem die von Kannenberg beschriebene Cerco-
monade.
In einem weiteren Falle wurde das Cercomonas coli May
gefunden und dessen morphologische und biologische Eigenschaften
aufgeführt.
Diesen beschriebenen Fällen reiht Yerf. dann die in der Litte-
ratur bekannt gewordenen an und fordert auf, auch für die Zukunft
sein Augenmerk mehr auf die Stuhlentleerungen und deren Infusorien
zu richten. Zum Zwecke der Untersuchung empfiehlt er, den frisch
gelassenen Stuhl in einen Topf mit heißem Wasser aufzustellen,
damit das durch die Kälte hervorgerufene Absterben der Infusorien
verhindert werde, da letztere alsdann völlig unkenntlich geworden
sind. Auch sonst ist es notwendig, die Stühle möglichst frühzeitig
zu untersuchen, da auch der Umschlag der chemischen Reaktion
infusorientötend wirkt. O. Voges (Danzig).
Stiles, C. W., Notes on parasites. — 18: On the presence
of Sarcosporidia in birds. (U. S. Departement of agri-
culture. Bur. of anim. industry. Bull. No. 3. Wash. 1893. p. 79 — 85.
with 2 pl.)
Die vom Verf. beobachteten Sarcosporidien aus der Muskulatur
der Vögel werden unter folgenden Namen beschrieben:
1) Balbiania Rileyi n. sp. aus dem intermuskulären Binde-
gewebe von Anas boschas und Anas (Spatula) clypeata
Nordamerikas; spindelförmige Körper von 1,6 mm Länge und 0,48 mm
Breite, deren Cuticula nicht gestreift erscheint. Die Maschen sind
612
Tierische Parasiten.
unregelmäßig, doch meist langgestreckt und radiär gestellt; die
Sporeu sind 0,012—0,014 mm lang, au einem Ende etwas verdickt
und abgerundet, an dem anderen zugespitzt; ein Kern ist deutlich.
2) Balbiania falcatula n. sp. aus dem intermuskulären
Bindegewebe der Habia ludoviciana Nordamerikas; Gestalt
spindelförmig, Länge 1,3— 3,2 mm, Breite 0,4 mm, Cuticula nicht
gestreift; im ganzen der vorigen Art ähnlich, doch von dieser schon
durch geringere Größe der Sporen (0,005 — 0,006 mm) unterschieden.
3) Sarcocystis falcatula n. sp. aus den Muskelfasern der
Habia ludoviciana Nordamerikas. Gestalt spindelförmig, Länge
2,4 mm, Dicke 0,152 mm, Cuticula fein gestreift; sichelförmige Körper
0,006 mm lang. M. Braun (Königsberg i. Pr.).
v. Linsto w, Zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte
der Tänien. (Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLI1. 1893. p. 442 — 459.
2 Tat.)
1) Taenia ursina n. sp., gesammelt von Krabbe in einem
aus Rußland stammenden und in Kopenhagen gestorbenen Bären
(Ursus arctos) die erste Tänie aus dem genannten Wirte. Kopf
1,106 mm breit, mit 4 halbkugelförmigen Saugnäpfen und einem
doppelten Kranze von 26 Haken. Kalkkörperchen fehlen (was viel-
leicht auf Rechnung der Behandlung mit Reagentien zu setzen ist?
Ref.); die Geschlechtsöffnuugen sind randständig und unregelmäßig
alternierend; ein Cirrus soll fehlen, der Cirrusbeutel vielmehr nur
von einem einfachen geraden Kanäle durchsetzt werden; derselbe ist
außen von Drüsenzellen bedeckt, während sein Lumen nach außen
gerichtete Härchen trägt (man wird doch wohl diesen Endteil des
Vas deferens als Cirrus bezeichnen dürfen, Ref.). Die Vagina ver-
läuft geradlinig nach der Mitte der Proglottis und geht hier in ein
großes Receptaculum seminis über; auch ihre Innenfläche ist mit
nach außen sehenden Borsten besetzt. Die kugelförmigen, von dicker
Schale umgebenen „Eier“ halten 0,416 mm im Durchmesser.
2) Taenia struthionis Houtt., ebenfalls von Krabbe im
Darme von Struthio molybdophanes gesammelt, bis 620 mm
lang, mit 164 Haken auf dem Scheitel des Kopfes; Kalkkörperchen
finden sich nur in den letzten Proglottiden; die Geschlechtsöffnungen
randständig, auf einer Seite. Der Keimstock in 0,13 mm großen
Zellgruppen durch die Markschicht verteilt, die alle von dem großen
Receptaculum seminis vaginae Aeste erhalten. Der Dotterstock
ist klein, Schalendrüse fehlt; ebenso Uterus; reife „Eier“ wurden
nicht beobachtet.
3) Taenia serpentulus Schrank aus Corvus corone;
ohne Hals und ohne Kalkkörperchen; die Finne dieser Art hat
v. Linstow in einem der häufigsten unserer Mistkäfer, die mau
allenthalben in Wäldern auf den Wegen bei den Pferdeexkrementen
findet, in Geotrupes silvaticus entdeckt; auch hier handelt es
sich um ein geschwänztes Cy sticer coid, wie solche in den letzten
Jahren von zahlreichen Vogeltänien beobachtet worden sind.
M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Tierische Parasiten. — Untersuchungsmethoden etc.
613
Ashmead, W. H., Monographie der nordamerikanischen
Proctotrypiden. (Bull. No. 45. U. S. Nat. Mus. 1893. 472 p.
18 Tafeln.)
In diesem ausgezeichneten Werke beginnt Ashmead mit einer
kurzen, aber genauen Darstellung der äußeren Morphologie der
Insekten, welche zu der Familie der Proctotrypiden gehören, nebst
Bemerkungen über ihre Biologie. Auf eine historische Uebersicht
der von Haliday, Westwood und Thomson vorgeschlagenen
Klassifikation folgt ein Umriß der neuen, von Ashmead angegebenen
Einteilung, worin die Familie in 10 Unterfamilien und zahlreiche
Genera und Species geteilt wird, von denen viele neu sind. Zahl-
reiche analytische Tafeln für Unterfamilien, Genera und Species mit
genauen Darstellungen jeder Abteilung machen den Hauptteil des
Werkes aus. Obgleich das Buch sich nur für eine Monographie der
amerikanischen Arten ausgiebt, so hat der Verf. doch alle Genera
der Welt in seine Arbeit aufgenommen, worin viele amerikanische
Autoren seinem Beispiele folgen sollten. Am Ende der Monographie
wird eine Uebersicht der Species nach ihren Wirten gegeben, soweit
diese Wirte bekannt sind, und auf 18 Tafeln wird wenigstens eine
Species von jedem Genus abgebildet. Das ganze Werk ist höchst
befriedigend und enthält die Resultate jahrelanger geduldiger Arbeit,
welche von einem der tüchtigsten Entomologen Amerikas teils in
Washington, D. C., teils in Berlin (Deutschland) ausgeführt wurde.
Stiles (Washington, D. C.).
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Williams, F. H., Diphtheria and other membranous af-
fections of the throat. (American Journal of Medical
Sciences. CVI. 1893. p. 519.)
Als Mittel zur Diagnose von Diphtherie greift der Verf. zur
Prüfung von Kulturen aus dem verdächtigen Rachen. Zu diesem
Zwecke wird der Hals mit einem sterilisierten Baumwollwischer aus-
gerieben und von dem so gewonnenen Materiale werden Deckglas-
präparate und Kulturen hergestellt. Derartig vorgenommene Prü-
fungen dienen nicht nur dazu, die Diagnose von Diphtherie festzustellen,
sondern zeigen auch, daß die letztere Krankheit mit Scharlachfieber,
Masern und Typhus zusammenfallen kann. So waren in 97 Fällen
von Scharlachfieber 35 mit membranösem Rachen verbunden und von
diesen [zeigten 12 durch die Anwesenheit des Klebs-Loef fl er-
sehen Bacillus Diphtherie und 23 Pseudodiphtherie.
Novy (Ann Arbor).
XV. Bd.
39
614 Schutzimpfung, kiinstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
Bernabeo, Gaetano, L’autodifesa d e 1 1 ’ organismo contro
i germi infettivi i u rapporto colle suppurazioni.
(Anuali dell’ Istituto d’Igiene Speriuientale di Roma. Vol. III.
Fase. 4.)
Verf. erinnert daran, daß in der Schutzwehr des Körpers die
Leukocyten eine wichtige Rolle spielen, lokal und allgemein; die
hauptsächlichste Aeußerung der lokal schützenden Eigenschaften ist
der Phagocytismus. Die biologischen Eigenschaften der Leukocyten,
auf denen letzterer beruht, finden eine weitgehende Deutung in dem
so häufigen und wichtigen Suppurationsprozesse, was Verf. weiter aus-
führt, die bekannten Thatsachen der Phagocytose aufzählend. Er
stellt die Frage, welchen Einfluß auf das allgemeine Schutzvermögen
des Organismus diese lokale Reaktion gegenüber den die Suppuratiou
erregenden Momenten auszuüben vermöge. Er stellte sich die Auf-
gabe, zu untersuchen:
1) den Einfluß der Suppuration auf die physio- und chemotaktischen
Eigenschaften der Leukocyten;
2) ob die purulente Exsudation Modifikationen in der Leukocytose
Blutes herbeiführe;
3) welche Modifikationen die eiternden Oberflächen in dem bakterieu-
tötenden Vermögen des Blutes hervorrufen.
Es wurden ausschließlich Kaninchen als Versuchstiere verwendet
und eiternde Hautflächen durch Inokulation einer Agarkultur von
Staphylococcus pyogenes aureus auf wund gemachte Haut-
stelleu (8 — 10 cm) des Abdomens erzielt.
Für die chemotaktischen Untersuchungen lehnte sich B. au die
erst von Pfeiffer, dann von Leber, Massard und Bordet,
Gabritschewsky und Anderen verwendeten Methoden der Capillar-
röhrchen an. Um aber ausgedehnte, die Resultate event. störende
Verletzungen zu vermeiden, konstruierte Verf. aus einer kapillaren,
auf einen dünnen Glasstab aufgelöteten Platinhülse einen Träger,
mittelst dessen er die mit sterilisierter Kultur von Staphylo c.
pyog. aur. gefüllte Glaskapillarröhre unter aseptischen Kautelen in
eine möglichst kleine Hauttasche einführte.
Die Kapillarröhren wurden je 2, 4 und 5 cm vom Rande der
eiternden Fläche, sowie am Rücken subkutan appliziert und nach je
24, 18 und 6 Stunden entfernt. In gleicher Weise wurde an einem
Koutrolltiere ohne eiternde Fläche verfahren.
Es zeigte sich, daß bei einem eiternden Kaninchen in
der Nähe der Eiterfläche positive Chemo taxis besteht,
welche mit der Entfernung von letzterer abnimmt.
Der Einfluß der Dauer der Implantation der Kapillar-
röhrchen ist ein geringer. Die einwandernden Leukocyten
sind meistens mono- und polynucleäre; sie waren mit Eiterkokken
erfüllt, insofern sie aus der Nabe der eiternden Fläche stammten.
Schutzimpfung, kiinstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 615
Diese Resultate ließen Verf. vermuten:
1) daß bei einem mit eiternder Fläche versehenen Kaninchen eine
gleich große eiternde Fläche an einem von ersterer entfernten
Punkte sich langsamer und weniger intensiv entwickeln müsse;
2) daß in letzterem Falle die zweite Eiterung sich normal ent-
wickeln müßte, wenn sie auf einer größeren Fläche hervorgerufen
würde;
3) daß ein Mikroorganismus mit positiver Chemotaxis, einem eitern-
den Kaninchen inokuliert, an einer von der Eiterung entfernten
Stelle unter gleichen Bedingungen sich schädlicher erweisen
sollte, als auf einem gesunden Tiere.
Die vorstehende Fragen verfolgenden Untersuchungen ergaben
das erwartete Resultat, und es zeigte sich in einem Falle,
wo der Verband abfiel, das Versuchstier die eiternde Fläche am Ab-
domen beleckte und infolgedessen letztere sich mit einem trockenen
Schorfe bedeckte, daß in der Intensität der Exsudation
zweier gleich großer, voneinander entfernter eitern-
der Flächen ein Antagonismus besteht, indem im vor-
liegenden Falle die Eiterung am Rücken bedeutend zunahm, als die
am Abdomen verschwand. Für die Entscheidung der dritten vor-
stehenden Frage benutzte Verf. Bouillonkulturen von Bacterium
coli commune, welche bei intraperitonealer Injektion eiternde
Tiere töteten, während die mit gleicher Dose behandelten Kontrolliere
nicht oder später eingingen. Verf. weist darauf hin, daß obige experi-
mentell erhärteten Erscheinungen der Chemotaxis die Erfolge mancher
althergebrachter therapeutischer Maßnahmen, wie der Fontanellen, Haar-
seile, Vesikantien u. s. w. wissenschaftlich zu erklären imstande seien,
und glaubt schließen zu dürfen, daß in Fällen, wo Entzündung das
für den Körper schädlichste bemerkbare Moment ist, durch Erzeugung
einer heftigeren Entzündung (von größerem chemotaktischem Ver-
mögen) an mehr oder weniger entfernter Körperstelle die Leukocyten
veranlaßt werden, von dem Orte geringerer Anziehungskraft gegen
denjenigen größerer Anziehungskraft hin sich zu bewegen. Die oben
erwähnten mikroskopischen Befunde des Inhaltes der Kapillarröhrchen
— zahlreiche mono- und polynukleäre, spärliche eosinophile und
lymphoide Zellen — bestätigten von neuem die hohen physiotaktischen
und phagocytischen Eigenschaften der ersteren Zellenarten, die ge-
ringen dagegen der zweiten.
Bei der Erörterung der Frage, welche Modifikationen lokale
Suppuration in der Leukocytose des Blutes herbeiführe, erwähnt Verf.
die Untersuchungen über entzündliche Leukocytose von Tumas,
Beckmann, Kalla, Jaksch, Limbeck und P ee, dann aus der
römischen inneren Klinik und der von Genua, welche in den exsu-
dativen Prozessen, wie namentlich der krupösen Pneumonie, deut-
liche Leukocytose konstatierten, während namentlich Limbeck und
Pee solche bei Typhus, Malaria und Tuberkulose leugneten.
Verf. stellte Untersuchungen darüber an, welches die Modifi-
kationen der Zahl der Leukocyten im Blute eines mit Eiterung be-
hafteten Kaninchens sind und welche Varietät von Leukocyten in der
Zahl Alterationen erfährt. Die Zählung der Leukocyten am dritten bis
39»
616 Schutzimpfang, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmnng etc.
zehnten Tage der Eiterung ergab eine Vermehrung von 12500 auf
18000 bis 19000 pro cmm Blut. Mit der Heilung unter Schorf nach
Abnahme des Verbandes verschwand diese Leukocytose nach und
nach.
Verf. möchte in diesem Falle die Theorie von Löwit zur Er-
klärung der Leukocytose heranziehen, wonach zum Ausgleiche des Ver-
lustes des Blutes an Leukocyten ein um so höherer Zufluß an solchen vor-
übergehend aus den blutbildenden Organen stattfindet; er betont aber
nochmals, daß dieses Ersatzmaterial vermindertes chemotaktisches
Vermögen besitze und deshalb den Körper gegen eiue Infektion an
einer von der eiternden Fläche mehr oder weniger entfernten Stelle
weniger schütze. Färbungen der Leukocyten vor und während der
durch Eiterung erzeugten Leukocytose ließen erkennen, daß die
Leukocytose auf Rechnung der mono- und polynukleären Elemente
stattfindet.
Durch die Angabe von Hankin, daß zwischen Veränderungen
der Leukocytose und dem baktericiden Vermögen des Blutes ein
inniger Zusammenhang stattfinde und daß die von den eosinophilen
Zellen stammenden Alexine Büchner’ s dem Blute diese Eigenschaft
verleihen, sah sich Verf. veranlaßt, das mikrobicide Verhalten des
Blutes von Kaninchen mit Eiterung zu prüfen, um so mehr, als seine
Untersuchungen die eosinophilen Zellen bei der Leukocytose hatten
spärlich erscheinen lassen.
Er verwendete die von Giaxa und Guarneri modifizierte
Buchner’sche Methode zur Prüfung der baktericiden Kraft des
Blutes von Kaninchen, die er 5 und 15 Tage einer lokalen Eiterung
unterworfen hatte. Es ergab sich keine merkliche Differenz für das
Blutserum der Versuchstiere im Vergleiche mit dem gesunder Tiere.
Verf. nimmt daher an, daß bei vorhandener Eiterung der Organismus
gegen eine Allgemeininfektion in höherem Grade reagieren könne
nur durch das phagocy tische Vermögen des Blutes mittelst Ver-
mehrung der mono- und polynukleären Leukocyten im Kreisläufe, in-
sofern wenigstens deren chemotaktisches Vermögen nicht vermin-
dert sei.
Die Resultate des Verf.’s würden also die Hypothese von
Hankin nicht stützen. Er erinnert daran, daß auch andere Autoren,
wie Ehrlich, nicht mit Hankin übereinstimmen.
Das Resultat seiner Arbeit faßt Verf. in folgenden Sätzen zu-
sammen :
Eine eiternde Fläche vermindert in einer gewissen Distanz von
ihren Rändern die physiochemotaktischen Eigenschaften der Leuko-
cyten.
Die Eiterung kann die Widerstandskraft des Organismus
gegenüber einem anderen infektiösen Mikroorganismus vermindern,
welch letzterer den Körper an einem mehr oder weniger von der
Eiterung entfernten Punkte bedroht.
Der Körper versieht sich bei stärkerem Bedarfe an Leukocyten
und daheriger relativer Verarmung des Blutes an solchen durch Er-
höhung der Leukocytose.
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungsliemmung etc, ß!7
Diese Leukocytose übt keinerlei Einfluß aus auf die bakterien-
tötende Kraft des Blutes außerhalb des Organismus.
H. Kerez (Rom).
de Griaxa, V. e Lenti, P., Sulla virulenza, sul contenuto
d’azota e sul reciproco potere immunizzante del
bacillo del colera a seconcta della varia provenienz a.
[Hygien. Institut zu Neapel.] (Annali dell’ Istituto d’Igiene speri-
mentale di Roma. Vol. III. Fase. 4.)
In der Einleitung erinnert Verf. an den Standpunkt Douglas -
Cunninghara’s, welcher die Spezifität des Koch ’schen Bacillus
bestreitet und annimmt, daß verschiedene, jedoch manche Ueberein-
stiinmung zeigende Species von Vibrionen imstande seien, asiatische
Cholera zu erzeugen. Verf. möchte aber auf Grund alles heutigen
Wissens über Spezifität und Biologie der bekannten infektiösen Mikro-
organismen und die Identität sowie Variabilität der von letzteren
erzeugten Krankheiten, die Möglichkeit nicht von der Hand weisen,
daß ein Keim, ohne seine Spezifität einzubüßen, sich modifizieren
und seine pathologischen Wirkungen mildern könne. Das Studium
der Bedingungen, unter denen dies geschieht, ist für Hygiene und
Pathologie von großer Bedeutung, namentlich mit Bezug auf den
Cholerabacillus, den Erreger so variabler Epidemieen.
Nachdem nach Cunningham eine Reihe anderer Forscher, die
Verf. anführt, die Verschiedenheit des Cholerabacillus in seiner
Morphologie und Virulenz je nach Provenienz und Kultur konstatiert
hatten, hat kürzlich Metschnikoff, nachdem er hervorgehoben,
daß beim gegenwärtigen Stande der Bakteriologie die Vibrionen nicht
als eine gut definierte Species erscheinen, die Verschiedenheit dreier
Cholerabacillen verschiedener Provenienz beschrieben.
Die Wichtigkeit dieser Thatsache veranlaßte Verf., welcher im
Besitze von 5 Cholerakulturen verschiedenen Ursprungs war, den
Gründen dieser Erscheinung nachzugehen, und er stellte Unter-
suchungen an, um folgende Momente festzustellen:
1) Die Virulenz der einzelnen Kulturen auf Versuchstieren.
2) Das Verhältnis der Virulenz und des Stickstoffgehaltes der
nämlichen Bakterien.
3) Die Grenze und die Intensität des Stoffwechsels der einzelnen
Bakterien in Beziehung zu ihrer Virulenz.
4) Der Verbrauch an Stickstoff in Beziehung zur Intensität des
Stoffwechsels und der Virulenz.
5) Das gegenseitige immunisierende Vermögen der verschiedenen
Kulturen.
Die verschiedenen Kulturen stammten von Massaua, Hamburg
(1892), Paris (1892) und Neapel, wovon eine von einer im Okto-
ber 1892 in der Stadt (A), die andere von einer auf einem Schiffe
im Hafen von Neapel im November 1892 vorgekommenen Cholera-
erkrankung stammte (B).
Die morphologischen Eigentümlichkeiten der verschiedenen
Bacillen bei Züchtung auf künstlichem Nährboden betreffend, be-
merkten Verff. ein schnelleres Wachstum beim Bacillus von
(J18 Schutzimpfung, kiinsti. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Massaua, als bei den anderen und unter letzteren entwickelte sich
der von Paris stammende am langsamsten, ebenso waren Trübung
und Kahmhautbildung am promptesten und intensivesten bei den
Bouilloukulturen des Massauabacillus, dann bei deueu von
Hamburg, am wenigsten beim Pariser, wo oft die Kahmhautbilduug
ausblieb. Bei den Agarkulturen konnten keine bemerkenswerten
Differenzen konstatiert werden außer die bereits von Hammerl
beobachtete Eigentümlichkeit der Agarkultur des Hamburger
Bacillus. Verff. können aber die Angabe Hamme rl’s nicht be-
stätigen, daß nämlich die Ueberimpfung von solchen Kulturen
meistens mißlinge. Auftreten und Intensität der Indolreaktion
hielten Schritt mit der Schnelligkeit der Entwickelung der flüssigeu
Kulturen; beim Massauabacillus war sie nach 2—3 Tagen in-
tensiv, bei den Kulturen von Hamburg und den beiden von Neapel
am 3. — 4. Tage, bei der Pariser Kultur nach 5—6 Tagen. In einzelnen
Fällen, besonders von dem Falle aus der Stadt Neapel (A) stam-
menden , blieb die Reaktion auch in mehr als 8 Tage alten
Kulturen aus.
Konstant zeigte es sich, daß die Indolreaktion um so prompter
und intensiver auftrat, je mehr die Kulturen mit dem Sauerstoffe der
Luft in Berührung waren. Es bestätigte sich die Angabe Sei avo’s,
daß eine nicht so hohe Temperatur, jedenfalls unter 30° C, die Re-
aktion begünstigt. Die Bacillen von Bouillon- und Agarkultureu von
Hamburg und Neapel zeigten gebogene und zugleich feinere, zier-
lichere Formen, diejenigen von Massaua und Paris waren dicker
und mehr gerade. Bei Bacillen von Agarkulturen waren diese Unter-
schiede nicht so ausgesprochen. In den Kulturen des Massaua-
bacillus herrschte die Neigung, lange Fäden zu bilden, sehr vor
uud in gefärbten Präparaten zeigte derselbe fast immer in seinem
Centrum einen ungefärbten Punkt.
Behufs Prüfung der Virulenz wurden 3-tägige Kulturen in
Bouillon (aus 1 Teil Färsenfleisch und 2 Teilen Wasser unter Zusatz
nach der Neutralisation von 1 Proz. Pepton, V2 Proz. Kochsalz uud
0,3 Proz. Soda genommen) verwendet, welche von den Originalagar-
kulturen durch Gelatinekulturen hindurch überimpft worden waren
und bei einer Temperatur von 25—30° C gehalten wurden. Verff.
verfolgten dieses Verfahren, weil ihnen die genaue Dosierung leichter
erschien, als bei Injektion von Aufschwemmungen von Agarkultureu
in Wasser oder Bouillon, wie sie Pfeiffer und Koch empfahlen.
Die Injektionsmenge richtete sich nach dem Gewichte des Tieres.
Es wurden Meerschweinchen verwendet und die Injektion intraperitoneal
gemacht.
Mit einer Injektionsmenge von 1,5 Proz. des Körpergewichtes
beginnend uud solche je nach den Resultaten modifizierend, stellten
Verff. folgende Virulenzverhältnisse fest: Massaua 0,2— 0,3 Proz.,
Hamburg 1 — 1,5 Proz., Paris 2 — 3 Proz. Neapel A 1 — 1,5 Proz.,
Neapel B 1,2 — 1,5 Proz., wobei die ersten Zahlen die geringste
Menge von Iujektionsflüssigkeit angeben, welche nötig war, um den
Tod innerhalb 24 Stunden sicher herbeizuführen, während die Limite
Schutzimpfung, kttnstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. (ff9
zwischen beiden Zahlen wohl der individuell schwankenden Resistenz
der verschiedenen Versuchstiere zuzuschreiben ist.
Verff. stelten ferner Untersuchungen darüber an, ob die Kon-
servierung von Kulturen durch in bestimmten Abständen
stattfindeude Ueberimpfungen auf künstliche Nährböden
deren Virulenz beträchtlich modifiziere.
Zu diesem Zwecke wurden die einzelnen Kulturen je alle 5 Tage
in Gelatine übergeimpft und nach 4 Monaten von der Gelatine in
Bouillon abgeimpft, um wiederum die 3-tägigen Bouillonkulturen zur
Injektion der Versuchstiere zu verwenden. Es stellte sich Er-
höhung der Virulenz sämtlicher Kulturen außer der
von Massauaheraus; die Differenzen der verschiedenen Kulturen
verringerten sich dabei. Die Kultur von Massaua vermochte nur
noch bei 0,6 Proz. des Körpergewichtes sicher das letale Ende her-
beizuführen, während die Neapolitaner Kultur B dies jetzt schon
bei 0,4 Proz. vermochte.
Zum Studium des Verhältnisses zwischen Virulenz und Stick-
stoffmenge übergehend, erinnern Verff. daran, daß die giftigen
Stotfwechselprodukte oder Strukturbestandteile der Bakterien, welchen
man die verschiedenen Virulenzgrade zuschreibt, von den meisten
Autoren zu den stickstoffhaltigen, und zwar zu den Proteinsubstanzen
gerechnet werden. Es könnte daher der Grad der Virulenz vom
Stickstoffgehalte abhängig sein, wenn auch zugegeben werden muß,
daß die Giftigkeit nicht nur von der Quantität, sondern auch von
der molekularen Lagerung der stickstoffhaltigen Körper bedingt sein
könnte, oder endlich durch eine besondere, im Verhältnis zu den
gesamten Stickstoffverbindungen des Bakteriums nur in geringer
Menge vorhandenen Substanz.
Verff. bedienten sich nach dem Vorgänge von Cr am er der
alkalischen Agarkultur (2 Proz.) zu diesen Versuchen, um die
Bakterienkörper möglichst frei von ihren Produkten zu erhalten.
Die schiefen Agarflächen wurden je mit 3 Tropfen 48-stündiger
Bouillonkulturen geimpft und da vor der Impfung das Kondenswasser
durch Einstellung in den Brütschrank bei 37° C während 48 Stunden
möglichst entfernt war, dann während 48 Stunden bei 28 — 30° C
horizontal aufbewahrt, daun wurden die Kulturen mit einer Platin-
sonde von der Agarfläche abgekratzt, ohne letztere zu verletzen, und
in Platinschälchen während 4 Stunden in ein Wasserbad von
100° C gebracht, dann für 11 Stunden in den Exsiccator.
Hierauf wurden die Schälchen gewogen und der Stickstoff nach der
von Gunning modifizierten Methode von Kjeldal bestimmt. Die
gefundenen Zahlen zeigen, daß die Stickstoffmenge für die
verschiedenen Bacillen variiert, daß kein Zusammen-
hang zwischen solcher und der Virulenz besteht. Die
virulenteren Massauabacillen zeigten einen mäßigen Stickstoffgehalt.
Der Letztere wechselte bei zu verschiedenen Zeiten
vorgenommenen Untersuchungen des nämlichen,
unter gleichen Bedingungen gezüchteten und gehal-
tenen Bacillus.
Es erschien Verff. ferner wichtig, Grenzen und Intensität des Stoff-
620 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Wechsels der verschiedenen Cholerabacillen zu vergleichen, sie mußten
sich darauf beschränken, den Zusammenhang zwischen dem Verbrauch
fester Stoffe durch die verschiedenen Bacillen und ihrem Virulenz-
grade zu erforschen, sowie in welcher Progression dieser Verbrauch
zu verschiedenen Zeiten der Kultur sich halte. Es wurde der
Trockeurückstaud der Bouillon von 4 Reagenzgläsern bestimmt und
sodann je derjenige gleicher Menge von Bouillonkulturen der ver-
schiedenen Cholerabacillen und zwar 60 Stunden, 8 Tage und 15 Tage
nach Anlegung der Kulturen.
Es ergaben si c h geri nge D if f e r e nz e n s o w o hl i n de m
Verbrauche an Trockensubstanz durch die verschie-
denen Bacillen, als auch in der Zunahme desKonsums
mit der Zeit. Bei allen Bacillenarten nahm aber der Konsum
direkt proportional mit dem Alter der Kultur zu. Ein Zusammenhang
zwischen Größe des Konsums und dem Virulenzgrade konnte nicht
festgestellt werden, durch weitere Untersuchungen zeigte es sich,
daß mit der Abnahme der Trock en Substanz auch die
S tic ks to f f m eng e abnimmt, jedoch ohne daß zwischen
diesem Verbrauche von Stickstoffund dem Virulenz-
grade ein Zusammenhangbestünde; solcherhängtauch
nicht von dem Gehalte der einzelnen Bacillen an
Prote'insubstanzen ab.
Für die älteren Kulturen kann man den Schluß ziehen, daß das
Verhältnis des Gesamtverbrauches und des Stickstoffkonsums sich
in gewissen Grenzen erhalten, so daß die beiden Zahlen sich etwa
wie 6 — 10 : 100 verhalten, während bei den jüngeren Kulturen von
60 Stunden der Stickstoffverbrauch relativ beträchtlicher ist.
Um das gegenseitige Immunisierungsvermögen der verschiedenen
Cholerabacillen festzustellen, wurden Meerschweinchen mit der
1 */2 — 2-fachen letalen Dose der Kultur einer der 5 Bacillenarten
geimpft, nachdem 5 Tage zuvor die halbe tödliche Dose eines der
anderen Bacillen behufs Immunisierung inokuliert worden war.
Es zeigte sich, daß, wenn man ein der verschiedenen Virulenz
entsprechendes konstantes Verhältnis zwischen den prozentualischen
Dosen der behufs Immunisierung den Tieren injizierten verschiedenen
Kulturen beibehält, ein beständiges gegenseitiges Immuni-
sier ung s ver m ögen von Cholerabacillen verschiedener
Provenienz innewohnt.
Am Ende der Arbeit rekapitulieren die Verff. die Resultate
ihrer Untersuchungen, wie sie sich bereits oben wiedergegeben finden.
H. Kerez (Rom).
Pannwitz, Der Desinfektionsapparat als Haushaltungs-
gegenstand. (Deutsche med. Wochenschr. 1893. No. 51.)
Verf. empfiehlt, die Durchführung einer Dampfdesinfektion auch
in den Einzelhaushaltungen durch Beschaffung eines nur mit kleinen
Abänderungen zu versehenden Kessels mit Brausevorrichtung (auto-
matische Waschkessel) für die Wäsche zu ermöglichen. Solche Kessel
haben einen doppelten Boden. Der untere Teil des Behälters nimmt
das Wasser auf, der obere hat infolge doppelter Wandungen einen
Schutzimpfung, kiinstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 621
besonderen Innenraum für die Wäsche; in seinem äußeren Raume steigen
der Innenwand anliegend Röhren auf, welche in der Nähe des Deckels
in den Innenraum münden und daher das beim Kochen in ihnen aus
dem unteren Teile des Kessels empordringende Wasser von oben her
auf die Wäsche ergießen; durch feine Oeffnungen an den unteren
Teilen der Wandungen des Innenraumes fließt dann das Wasser,
nachdem es die Wäsche durchdrungen hat, wieder in das untere Re-
servoir zurück, um dort von neuem zum Sieden gebracht zu werden.
Der letztbezeichneten Oeffnungen gegenüber befindet sich ein kleiner
Hahn zum Ablassen überschüssigen Dampfes. Wird nun der Deckel
eines solchen Kessels durch Filz oder dergleichen gut gedichtet und
mit Schlußklammern versehen, so kann dieser Apparat auch zur Des-
infektion verwendet werden. Das Wasserreservoir wird nur soweit ge-
füllt, daß in die Röhren zwar Dampf, aber kein Wasser eintreten
kann. Der Dampf strömt daher von oben in die Desinfektionskammer
(den Innenraum) ein und verdrängt die Luft durch die Löcher bezw.
den Dampfhahn nach außen. Seine Temperatur beträgt, wie der
Verf. durch Versuche festgestellt hat, 100° C. Bei gutem Schluß
des Deckels und teilweisem Schluß des Dampfhahnes, auch durch
Ueberlegen feuchter Tücher auf den Deckel läßt sich ein Ueberdruck
erzielen. Durch Umhüllung der Desinfektionsgegenstände und Ein-
fügen einer Siebplatte im Innenraume wird die Durchfeuchtung der
ersteren mit Kondenswasser vermieden. Kübler (Berlin).
Lacour-Eymard, M., Exp6riences sur le filtre Chamber-
land, Systeme Pasteur ä nettoyeur m^canique O.
Andr6. (Revue d’Hygiene et de pol. san. 1893. No. 6.)
Die Untersuchungen sind die Fortsetzung einer Arbeit desselben
Autors: Recberches chimiques et bacteriologiques sur les boues des
filtres Chamberland (Rev. d’Hyg. 1892. No. 6. p- 465) und erstrecken
sich auf chemische und bakteriologische Prüfung des Chamberland-
filters System Andr6, welcher bereits Rev. d’Hyg. 1892. No. 6.
p. 535 genau beschrieben ist. Besonders wichtig ist bei diesem
Systeme der Zusatz eines indifferenten Pulvers — poudre d’entretien
— , welches vom oberen Teile des Filters aus einem Behälter dem
Filterbassin zuläuft, die Oberfläche der Kerzen mit einer durchlässigen
Schicht überzieht, eine Ansammlung von Schmutz an den Kerzen ver-
hindert und so die Reinigung derselben mittelst des Reinigungsappa-
rates — nettoyeur — erleichtert. Betreffs dieses „poudre d’entretien“
fand Verf., daß er in keiner Weise die chemische Zusammensetzung
des Wassers verändert, nur etwa 1/,0 der im Wasser gelösten Gase
absorbiert; auch wurde kein Einfluß des Pulvers auf den Bakterien-
gehalt des Wassers nachgewiesen. Der ebenfalls von Andr6 ange-
gebene Druckregulator ermöglicht die Lieferung keimfreien Wassers
bis zu 10 Tagen, sobald nur der Druck — 1 oder 2 Atmosphären
— der gleiche bleibt. Die Sterilisation des Filters" muß alle 10 Tage
erfolgen, und zwar besser durch Alkohol und Alaun, als’durch Hitze,
schon der geringeren Kosten wegen. Wenn auch die Filter ohne
jede „Reinigung“ 10 Tage lang keimfreies Wasser lieferten, so wird
doch durch häufiger vorgenommene Reinigungen die Leistungsfähigkeit
des Filters erhöht. Lösener (Berlin).
622 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Kirchner, 0., Ueber die Behandlung des Saatgetreides
mit warmem Wasser als Mittel gegen den Flug- und
Steinbrand. (Zeitschrift f. Pflanzenkrankheiten. 1893. Heft 1.
p. 2 — 15.)
Verf. schildert einleitend den augenblicklichen Stand der an-
gezogenen Frage, berichtet alsdann über eine Reihe eigener Versuche
und zieht endlich die sich aus deren Resultate ergebenden Schlüsse.
Von Jensen wurden im Jahre 1888 Untersuchungen über den
Brand des Getreides veröffentlicht, in denen derselbe als Mittel gegen
denselben an Stelle des bisher üblichen Einbeizens mit Kupfervitriol
eine Behandlung des Saatgutes mit warmem Wasser empfahl.
Durch das 5 Minuten dauernde Eintauchen in Wasser von 52 — 60° C
waren die Brandsporen meist vollständig vernichtet und keinerlei
nachteiliger Einfluß auf die Körner selbst ausgeübt, so daß auch
einige Anbauversuche in freiem Lande ein günstiges Resultat lieferten.
Dem gegenüber wurden von Kühn, welcher die Methode nicht
als ganz zuverlässig betrachtet, Bedenken geäußert und insbesondere
auf die Schädi gu n g der Keimfähigkeit des Saatgutes (Gerste)
durch eine derartige Behandlung hingewiesen. Von dieser Seite
wurde somit dem Einbeizen das Wort geredet, und das mag bewirkt
haben, daß auch in Deutschland weitere Versuche mit jener nicht
angestellt wurden, während solche in anderen Ländern (Dänemark,
Schweden, Holland, den Vereinigten Staaten, Ungarn) mit günstigem
Erfolge unternommen siud. Es ergeben das die Veröffentlichungen
von Eriksson, Kellermann undSwingle sowie Li nhard und
Mezey, die ausführlicher vom Verf. im Original herangezogen
werden und in betreff deren Ergebnisse auf dieses zu verweisen ist.
Die Herabsetzung der Keimfähigkeit des Kühn’schen Saat-
materiales dürfte voraussichtlich auf die sehr lange Verquellung
(12 statt 4 Stunden) desselben zurückzuführen und somit dessen
Resultate nicht einwurfsfrei sein. Trotzdem erachtet es Verf. in
Hinblick auf die in Deutschland wenig bekannt gewordenen Unter-
suchungen der ausländischen Forscher für wünschenswert, die Frage
der Warmwasserbehandlung des Saatgutes einer erneuten Prü-
fung zu unterwerfen, und solche bezog sich alsdann einmal auf die
Widerstandsfähigkeit der Sporen von Ustilago avenae
Rostr. gegen die Wärme, weiterhin aber auf die Beeinflussung
des Saatmateriales durch eine Temperatur in derselben
Höhe. Versuchsanstellung wie andere Einzelheiten mögen hier über-
gangen werden und nur die Resultate in den Hauptzügen Platz finden.
Diese ergaben mit Sicherheit, daß eine 5 Minuten lange Ein-
wirkung eines Wassers von 54,5 — 56° C zur Vernichtung der
Keimfähigkeit der Flugbrandsporen des Hafers ausreicht, solche aber
die Keimfähigkeit der Saat nur un merklich alteriert.
Um ein geringes blieb solche allerdings beim Weizen und Roggen
hinter jener der unbehandelten zurück, während aber andererseits Hafer
und Gerste sogar eine günstige Beeinflussung derselben wie auch der
Keimungsenergie aufwiesen. Wennschon auf letzteres ein besonderes
Gewicht nicht zu legen ist, so sei doch darauf hingewiesen, daß die
gleiche Erscheinung für Hafer bezw. Gerste bereits von Keller-
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 023
mann und Swingle, Linhard und Mezey sowie von Jensen
beobachtet wurde. Für die Richtigkeit der theoretischen Grundlage
des Jensen’schen Verfahrens war damit ein neuer Beweis geführt,
und Verf. unternahm nunmehr noch einen Anbauversuch in
kleinerem Maßstabe zwecks Feststellung des Einflusses jener Behand-
lung — deren Dauer hier bis auf 15 Minuten verlängert wurde —
auf das Verhältnis zwischen gesunden und kranken Pflanzen bei der
Ernte. Es wurden dazu die stark mit Brandstaub (Tilletia Tritici
Wint.) verunreinigten Körner einer im Vorjahre geernteten unbespelzten
Getreideart (Weizen) benutzt und die im weiteren Verfolg erzielten
Ergebnisse genau aufgezeichnet.
Es geht daraus hervor, daß bezüglich der Unterdrückung des
Brandes der Erfolg der Behandlung des Saatgutes mit warmem
Wasser ein sehr guter war, da sowohl die Zahl der brandigen
A ehren wie die der Stöcke dadurch auf ein sehr Geringes
herab ging (von 5 bez. 10 Proz. auf Bruchteile von Prozenten)
und der Erfolg dem des Einbeizens mit Kupfervitriol gleichkam.
Auch auf die Gesamtentwickelung und den Ernteertrag der Pflanzen
hatte die Warmwasserbehandlung keinen ungünstigen Einfluß, denn
gerade das am längsten (15 Min.) derselben ausgesetzt gewesene
Saatgut lieferte die besten Resultate. Eine genauere Untersuchung
der Stöcke ergab noch, daß die Länge der brandigen Halme
durchgehend bedeutend geringer war, während ihre Bestockung
die der gesunden übertraf. Brandige und gesunde Aehren waren
in verschiedenen Verhältnissen an demselben Stocke vorhanden,
während die einzelne Aehre wenigstens doch vorwiegend kranke
Körner enthielt.
In Hinblick auf diese den günstigen Erfolg des Jensen’schen
Verfahrens bestätigenden Versuche wirft Verf. zum Schlüsse die
Frage auf, ob dasselbe der Kupfervitriolbeize nicht vorzuziehen und
schildert dann des Wichtigste aus den Vorschriften, wie sie von den
obengenannten Forschern gegeben wurden, unter gleichzeitigem Hin-
weise auf einige Vereinfachungen auf Grund der neuerdings noch
gemachten Beobachtungen. Wehm er (Hannover).
Berichtigung
In No. 10/11. Bd. XV dieses Centralbl. p. 362 Zeile 16 von unten lies „die von
ihm gefundenen Exemplare“ statt „das von ihm gefundene Exemplar“, Zeile 10 von
unten „Einige wurden präpariert und eine Schnittserie wurde nachher graphisch wieder
rekonstruiert, so daß die grobe Anatomie außer Zweifel gesetzt wurde“ statt „Einige
wurden präpariert und ein zerschnittener wurde graphisch wieder zusammengesetzt, so
daß die grobe Anatomie der Form sehr deutlich war“, p. 363 Zeile 8 von oben
„15,7 X ?,3 mm“ statt „15,7 X 7,7 mm“, Zeile 9 von oben „13,6 X 5,8 mm“ statt
„13,6 X 8 mm“, Zeile 24 von oben „Stacheln fanden sich an der Cuticula nicht mehr“
statt „Die Stacheln fanden sich an der Cuticula“. Zeile 21 von unten „Exkretionsporus“
statt „Sekretionsporus“, Zeile 9 von unten „96 X 94 M-“ statt „96 X 98 n“, Zeile 5
von unten „einen Deckel besitzen“ statt „eine Hülle besitzen“, p. 364 Zeile 27 von
oben „besonders unter den Menschen zu erlangen, da im letzteren Falle die Krankheit
wohl einer falschen Diagnose unterworfen wird“ statt „selbst unter den Menschen zu
erlangen, indem die Diagnose wahrscheinlich unsicher bleiben wird“.
624
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zusammengestellt von
De. Arthur Würzburg,
Bibliothekar im Kaiserlichen Gesundheitsamt« in Berlin.
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C’rommannsche liucbdruckerei (Hermann i'ohle) in Jeua.
$S^AL BL4fp
Bakteriologie und Parasitenkunde.
In Verbindung mit
Gel. Bofr. Prof. Dr. Lerntet m Professor Dr. Loeffler
Id Leipzig In Greifswald
herausgegeben von
Dr. O. Uhlworm in Cassel.
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
XV. Band. -O- Jena, den I. Mai 1894.
No. 17.
Preis für den Band (26 Nummern) 14 Mark.
Jährlich erscheinen zwei Bände.
— Zu heziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
fr-
Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
künde“ richtet an die. Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an
den Verleger , Herrn Gustav Fischer in Jena , gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage, später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original- Mittheilungen.
Weitere Mitteilungen über das Vorkommen lebender
Parasiten im Blute und in den Geschwulstzellen bei
Carcinomatösen *).
Aus der II. chirurgischen Abteilung (Prof. v. Mosetig-Moorhof)
des Wiener allgemeinen Krankenhauses.]
Von
Dr. Max Kahane.
Die fortgesetzte Untersuchung frischen Geschwulstmateriales,
owie des Blutes bei Carcinomfällen hat zu Ergebnissen geführt,
welche teils die in der ersten Mitteilung gebrachten Angaben zu
1) S. Centralblatt für Bakteriologie und Parasitenkunde. 1894. No. 12.
XV. Bd. 40
630
Max Kahane,
stützen geeignet sind, teils eine Richtigstellung derselben mit sich
bringen. Wenn nun nach kurzer Zeit neuerdings die Resultate unse-
rer Beobachtungen mitgeteilt werden, so liegt dies in dem Bestreben
die anfänglich mit großer Reserve vertretene Anschauung über das
Wesen der von uns beobachteten Gebilde womöglich mit beweis-
kräftigeren Argumenten zu stützen und so den zur Nachprüfung ge
neigten Beobachtern brauchbare Angaben vorzulegen. Maßgebeuc
war uns auch der Umstand, daß auf dem gegenwärtig in Rom tagen-
den internationalen Kongress die Frage des Carcinomparasitismus au
der Tagesordnung stand und von einem auf diesem Gebiete hervor
ragend thätigen Forscher zusammenfassend behandelt wurde.
Die Grundsätze, die hierbei maßgebend wareu (Studium an ge-
härteten und gefärbten Präparaten, Annahme der ätiologischen Be
deutuug des supponierten Parasiten ohne biologische Beweise), sind
unserer Auffassung nach nicht geeignet, die bisherigen Gegner dei
Parasitentheorie zu überzeugen, so interessant auch die Befunde des
Referenten an und für sich sein mochten.
Es ist auch demnach nicht zu erwarten, daß die ersehnte Klä-
rung der Anschauungen auch bei dieser so bedeutungsvollen Gelegen
heit erreicht werden könnte. Beweiskräftig ist eben nur die Be
obachtung lebender Parasiten , das direkte Studium ihrer vitaler
Erscheinungen und schließlich der Uebertragungsversuch.
In unserer ersten Mitteilung haben wir über eigenartige Be-
wegungserscheinungen au Gebilden, die in den Geschwulstzellen und
im Blute bei Carcmomatösen sich vorfanden, berichtet. Die Befundt
im Blute legten den Gedanken nahe, ob es sich nicht um einen, den
beim Menschen bereits genau bekannten Malariaparasiten nahe-
stehenden Parasiten handelt. Diese Vermutung, die zunächst au!
den Nachweis selbständiger Bewegung begründet war, hat nun in
Verlaufe der weiteren Untersuchungen eine wesentliche Stütze er-
halten. Es gelang uns nicht nur eine größere Reihe von Formet
unseres Parasiten, die ihn den Malariaerregern immer näher brachte
zu beobachten, sondern es war uns auch, worauf wir das größte Ge-
wicht legen, wiederholt ermöglicht, den Sporulationsvorgan^
direkt unter dem Mikroskop zu verfolgen und so in
Zusammenhang mit den bereits beschriebenen Bewegungserscheinuu
gen die parasitäre Natur der von uns beschriebenen Gebilde mii
nahezu absoluter Sicherheit nachzuweisen. Schließlich wurde aucl
das Verhältnis der Parasiten zu den roten Blutkörperchen genaue)
verfolgt und auch hier Vorgänge beobachtet, welche auf ein direktes
Schmarotzertum dieser Gebilde hinweisen. Wenn man berücksichtigt
1 j ^
UbUliiCUWl^Ll CUlil TT Li U U1UU UWUtBOlVUllpV
daß bisher meist an totem Materiale gearbeitet wurde, so ist leich
einzusehen, daß dem Nachweise selbständiger Ernährung, Bewegung
uud Fortpflanzung für die parasitäre Natur eines Gebildes gewil
eine größere Beweiskraft zukommt, als gehärteten und gefärbte)
Präparaten.
Namentlich war es eine genügend lange Zeit hindurch und unte
Kontrolle angestellte Beobachtung, welche geeignet war, die bishe
gehegten Zweifel vollständig zu bannen. Es wurde nämlich in eine
Carcinomzelle (aus einem recidivierenden Epitheliom der Orbit)
Weitere Mitteilungen über das Vorkommen lebender Parasiten im Blute etc. 63 1
stammend) ein ziemlich großes, rundes, granuliertes Gebilde beobach-
tet, welches die deutlichsten Erscheinungen aktiver Beweglichkeit
zeigte. Das Gebilde wanderte zunächst gegen den seitlichen Rand
der Epithelzellen, streckte Fortsätze aus, zog dieselben wieder ein
und kehrte zunächst an seinen früheren Platz zurück. Nach kurzer
Zeit stellten sich von neuem Bewegungen ein, bis das Gebilde gegen
den oberen Pol (nach dem Gesichtsfelde orientiert) der Zelle wanderte
und schließlich aus derselben völlig austrat. Die Zelle war dabei
wesentlich kleiner geworden, ein Beweis, daß es sich um einen ersten
Einschluß handelte. Das aus der Zelle ausgetretene Gebilde zeigte
unregelmäßige Konturen und erschien stärker lichtbrechend als früher.
Das Wichtigste war aber, daß in der denkbar deutlichsten Weise
beobachtet werden konnte, wie das Gebilde kleine und größere
Körperchen von sich abschnürte, welche sogleich Eigenbewegungen
zeigten. Es waralsogelungen, denSporulationsvorgang
eines Parasiten in der direktesten Weise zu beobach-
ten. Der ganze Auswanderungs- und Sporulationsvorgang nahm
ungefähr eine Stunde in Anspruch, so daß reichlich Gelegenheit war,
eventuelle Täuschungen auszuschließen. Auch später gelang es
uns — allerdings nur extracellulär — Sporulationsvorgänge direkt
zu beobachten.
Es hat sich im Verlaufe unserer Untersuchungen ergeben , daß
die parasitären Gebilde nicht nur in den Carcinomzellen eingeschlossen
waren, sondern auch frei zwischen denselben lagen und lebhafte Be-
wegungen zeigten, daß ferner auch im cirkulierenden Blute (aus der
Fingerbeere), sowie in dem aus den exstirpierten Geschwulststückchen
stammenden Blute befindlichen Parasiten zwar zu wiederholten
Malen in oder an den roten Blutkörperchen beobachtet wurde, daß
aber die Mehrzahl derselben frei im Blute schwamm. Es konnte
mit großer Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, daß die scheinbar
in den roten Blutkörperchen liegenden Parasiten in Wirklickeit nur
auf denselben lagen, da man deutlich sehen konnte, wie sie das
Blutkörperchen, in das sie scheinbar eingedrungen waren, wieder
verließen.
Da wir uns genauere Angaben für die spätere Publikation Vor-
behalten, so sei nur kurz eine tabellarische Uebersicht der bisherigen
Befunde gegeben.
Tabelle.
Größe und
Gestalt des
Parasiten
Licht-
brechungs-
vermögen
Struktur
und
Beweglichkeit
Verhalten
zu den Zellen
und
Blutkörperchen
Fortpflanzung
1) Ganz kleine
Formen, 1 {jl
oder noch
klein., rund.
Sehr stark
lichtbrechd.
Uomogene Struktur,
sehr lebhaft beweg-
lich.
Gelegentlich in der
Ein- oder Zweizahl
endoglobulär, meist
die roten Blutkör-
perchen umschwär-
mend.
ln den Geschwulst-
zelleu nicht mit
Sicherh. nachweisb.
Mit Sicherheit
nachgewies.
als ein Spo-
rulations-
produkt der
Form 5.
40*
632
Max Kahane
Größe und
Gestalt des
Parasiten
Licht-
brechungs-
vermögen
Struktur
und
Beweglichkeit
Verhalten
zu den Zellen
und
Blutkörperchen
Fortpflanzung
2) Kleine For-Sehr stark Homogen, ebenf. sehr
men, 2 — 3 p
kreisrund,
leicht hut-
förmig, bim-
förmig.
lichtbrechd.
3) Mittelgroß, Schwach licht-
brechd., oft
von ganz
außerordent
licher Zart-
heit des
Plasmas.
Stärker licht-
brechend als
3, schwach
grünl. glänz.
etwa 3 — 4 p,
meist oval,l
selten, kreis-
rund. Kon-
tur fein ge-
zähnelt.
3a) Mittelgroße
Formen , 4
— 5 p, längs-
oval, gezäh-
nelt. Kontur.
4) Mittelgroße
Form, rund,
oft kleeblatt-
förmig, glat-
ter Kontur.
(Relat. seltene
Form.)
5) Große Form, Meist gering.
8—10 p.
Rund , längs-
oval.
beweglich.
Fast homogen oder
äußerst fein granu-
liert.
Lokomotion gering,
leichte undulierende
Bewegungen und
Kontraktionen.
Erdbeerartiges, fein-
stacheliges Ausseh.
Undulation, oft von
einem sehr hellen
Saum umgeben.
Enthalten 1 — Plasma äußerst zart
3 sehr stark mit stark lieht-
lichtbrechd , brechenden Körn
zieml. große chen. In den Klee
Körnchen. blattformen jedem
Blatte ein Körnchen
entsprechend.
Lebhaft beweglich, oft
intensivste Drehbe-
wegungen.
Plasma zart granu-
liert, bald heller,
bald dunkler. Be-
weglicbk. minimal.
Eigentümliche Undu-
lation des Rand-
saumes. Körnchen-
strömungen.
Manchmal endoglobu-
lär, dabei eine un-
regelmäßige Gestalt
annehmend Oft
durch einen dünnen
Fortsatz den roten
Blutkörperchen an-
haftend, meist aber
frei im Blute.
Wiederholt als beweg-
liche Einschlüsse
d. Geschwulstzellen
beobachtet. Im un-
beweglich. Zustande
den Blutplättchen
gleichend.
Meist frei im Blute
schwimmend , ein
zeln oder in Grup-
pen. Intracellulär
weder im Blute noch
in Geschwulstzellen
mit Sicherheit nach-
gewiesen.
Frei im Blute.
Unbekannt,
vielleicht m.
3a in Zu-
sammenhang
stehend.
Meist frei im Blute.
Ab und zu den roten
Blutkörperch. direkt
anliegend.
Als sich.Sporu-
lationsprod.
von Form 5
beobachtet,
gleichzeitig
mit Form 1
auftretend.
Unbekannt,
vielleicbtwie
Form 3.
Unbekannt,
vielleicht in
Form 2 in
Bezieh, steh
Frei im Blute, docl. Mit Sicherheit
ab und zu der Ein- als Mutter-
druck, als ob es zelle d. Form
sich um eine Sub- 1 u. 3 nacb-
stitution des roten gewiesen.
Blutkörperch. durch
diese Parasit, han-
deln würde. In
Fällen schwerer
Carcinom-Kachexie
im Blute zahlreich.
Einmal als Ein-
schluß in einer Ge-
schwulstzelle beob-
achtet.
Weitere Mitteilungen über das Vorkommen lebender Parasiten im Blute etc. 633
Es ist selbstverständlich, daß in der kurzen Tabelle nicht sämt-
liche Befunde Platz finden konnten, denn es handelt sich beim Car-
cinom um einen außerordentlichen Formenreichtum der zur Beobachtung
gelangenden Gebilde, und zwar geht dieser Formenreichtum so weit,
daß er die Sichtung und Ordnung der Befunde bedeutend erschwert.
Es ist daher kein Zweifel, daß die in der Tabelle gegebenen Daten
im weitesten Sinne einer Korrektur zugänglich sind, doch Eines geht
wohl aus derselben hervor, daß es sich wohl kaum um Degenerations-
produkte handelt. Die Erscheinungen der Bewegung, des fakultativen
Zellparasitismus, der Sporulation dürften bei Degenerationsprodukten
kaum anzunehmen sein. Was nun die in der ersten Mitteilung her-
vorgehobene Analogie mit den Malariaparasiten betrifft, so ist die-
selbe bis zu einem gewissen Grade wohl sicher vorhanden.
Namentlich sind es die Formen 1, 3 und 5, die entschieden große
Aehnlichkeit mit den Hämatozoen der Malaria zeigen und deren
Abstammung von gemeinsamen Mutterzellen direkt beobachtet wer-
den konnte, ebenso ist die Analogie in den Bewegungserscheinungen
auffällig (Abnahme der Lokomotion mit der Reifung der Parasiten).
Andererseits läßt es sich nicht in Abrede stellen, daß biologisch
ziemlich beträchtliche Unterschiede vorhanden sind. Die beim Car-
cinom angetroffenen Parasiten sind meist frei im Blute schwimmend,
seltener — aber sicher — kommt es vor, daß sie endoglobulär er-
scheinen. Die Pigmentbildung ist bei Carcinom1) wohl vorhanden,
ist aber keineswegs so intensiv wie bei der Febris intermittens
u. s. w. Die Rosettenformen, Halbmonde etc. gelangten in Carcinomen
niemals zur Beobachtung, wiewohl unser Material noch keine Ent-
scheidung gestattet.
Pathologisch ist der Unterschied der beiden Parasitenformen
leicht verständlich. Während bei der Malaria oft eine periodische
Masseninvasion des Blutes stattfindet und sich daraus der ganze
Symptomenkomplex erklären läßt, scheint es sich beim Carcinom um
ein successives Hineingeraten der Parasiten aus dem wuchernden Ge-
webe in die Blutbahn zu handeln. Es sind aber alle diese Fragen
noch lange nicht spruchreif.
Ueber die ätiologische Bedeutung dieser konstanten Parasiten-
funde läßt sich — außer Vermutungen — noch nichts Vorbringen.
So verlockend auch die Vorstellung ist, daß die Parasiten in die
Epithelzellen eindringen, diese zur Wucherung anregen und schließ-
lich ins Blut auswandern, wo sie die Erscheinungen der Anämie und
fortschreitenden Kachexie erzeugen, so ist sie derzeit noch nicht ge-
nügend gestützt, um irgendwelche Geltung beanspruchen zu dürfen.
Die Thatsache, daß im Blute der Tumoren viel mehr Parasiten nach-
weisbar sind, als im Blute aus entfernteren Körperstellen spricht
illerdings für die Annahme, daß der Tumor selbst der erste An-
siedelungsort der Parasiten ist und daß von dort aus die Infektion
ies Blutes erfolgt. Es ist ferner zweifellos, daß ein derartiger Blut-
parasitismus, wie er beim Carcinom vorkommt, nicht gleichgiltig ist
1) Bei schwerer Carcinomkachexie sind zahlreiche Rundzellen im Blute nachweisbar
nit beweglichen Pigmentstäbchen und Körnchen.
634
Marpmann,
und daß seine Heranziehung zur Erklärung der Anämie gewiß mehr
gerechtfertigt ist, als die völlig hypothetischen Toxine. Doch es sei
nochmals nachdrücklich hervorgehoben, daß die ätiologische Bedeu-
dung nur auf Grund gelungener Iufektions- und Uebertragungsver-
suche festgestellt werden kann.
Es bleibt nur die Frage übrig, wieso unsere mit den einfachsten
ja geradezu primitiven Methoden angestellten Beobachtungen nicht
schon längst mit Sicherheit festgestellt wurden, da es sich doch um
augenfällige konstante Befunde handelt. Die Antwort liegt wohl in
dem Umstande, daß dem Carcinomblute bezüglich des Parasitismus
geringere Aufmerksamkeit geschenkt wurde, daß ferner eventuell be-
obachtete Formen eben wegen des Uebersehens der Bewegungs- und
Sporulationsvorgänge mit Blutplättchen, Leukocyten, Produkten der
Nekrobiose etc. zusammengeworfen wurden , wie es ja thatsächlich
anfangs mit den heute absolut sichergestellten Malariaparasiten
geschah. Es ist mit Recht ein gewisses Mißtrauen gegen neue Blut-
befunde vorhanden, doch darf die Skepsis nicht so weit gehen,
jeden Blutparasitismus außerhalb der Malaria zu leugnen. Es ist
kein Zweifel, daß, wenu einmal diese in nichts begründete Schranke
gefallen sein wird, der Blutparasitismus als verbreitetes und hoch-
wichtiges pathologisches Moment die ihm gebührende Beachtung
finden wird, wobei für die Pathogenese vieler — bis jetzt rätselhafter
— Erkrankungen (man denke an die Leukämie, perniciöse Anämie
etc.) bedeutungsvolle Ergebnisse zu erwarten sind.
Wien, 4. April 1894.
Mitteilungen aus Marpmann’s hygien. Laboratorium.
Von
Marpmann
in
Leipzig.
Im Verlaufe der Ganglienfärbungen nach Golgi und anderen
fand Fräul. Dr. med. Bclelier eine kleine Vorrichtung zum Aufbe-
wahren der gesilberten Präparate, welche für weitere Kreise nicht
wertlos bleiben dürfte.
Die Präparate wurden in einem Tropfen dünnflüssigen Kauada-
balsam auf Glimmerplättchen von 18 : 24 mm Größe befestigt und
an der Luft, vor Staub geschützt, einige Tage getrocknet. Die
Objektträger wurden in der Mitte bandförmig circa 1 — 1,5 mm tief
ausgeschliffen, so daß eine Vertiefung entstand, welche circa 15 bis
18 mm Breite besaß. Die Glimraerplatte kam sodann auf den Hohl-
raum, so daß das Präparat, nach unten liegend, frei in der Luft
schwebte und wurde am Rande auf den Objektträger mit Kanada-
balsam fixiert. Solche Präparate zeigten keine Verzerrungen der
Silberniederschläge in den Ganglienzellen, sind dauerhaft, weil die
Mitteilungen aus Marpmann's hygien. Laboratorium.
635
Glimmerplatte nicht zerbricht und lassen sich daher sehr gut als
Dauerpräparat aufbewahren. Vor anderen Methoden zeichnen sich
diese Präparate durch Sauberkeit und Eleganz aus. Die Objekt-
träger dürften sich auch für andere Zwecke eignen, wo es darauf
ankommt, das Präparat mit freiem Luftzutritte zu untersuchen oder
aufzubewahren.
Dieselbe Dame benutzte zum Färben der Schnittpräparate ,
welche mit Celloidinöl auf den Objektträger fixiert sind, geriefte
Glasklötze von 8 — 10 cm Länge, 1 cm Dicke und 2 cm Höhe. Die
Glasklötze sind auf beiden Seiten mit circa 10 Riefen versehen
und können in größeren Glasschalen oder Glaskästen derart aufge-
[stellt werden, daß zwischen zwei Glasklötze je 8 — 10 Objektträger
festgestellt werden können. Vor Draht- oder Blechgestellen hat das
Glas den Vorzug der Reinlichkeit und vor den bekannten fertigen
Glaskisten haben diese Klötze den der Billigkeit voraus. Außerdem
ist es leicht, jedes beliebige Objektträgerformat zwischen zwei Klötzen
zu fixieren und Reihen von 40 — 60 und mehr Stück Objektträger
hinter- und nebeneinander zu stellen, da man den Klotz von beiden
Seiten benutzen kann. Zum Einsetzen eignen sich die Glaskasetten,
welche zum Photographieren benutzt werden. Man gebraucht für
viele Präparate daher verhältnismäßig wenig Farblösung, die Farb-
stoffe werden nicht zersetzt und das Verdampfen des Wassers,
eventuell Alkohols kann man durch Bedecken der Kassette mit einer
ausgeschliffenen Glasplatte verhindern.
Solche Glasklötze werden durch die Firma Marpmann &
Sch urig in Leipzig zum Preise von 1 — 2 Mark, je nach Größe,
hergestellt.
Ueber das Vorkommen von Ptomaünen im Harne Influenzakranker
arbeitete im Wintersemester 1893 Herr Dr. Hood. Nachdem ver-
schiedene Ptomaine aus pathologischen Sekreten hergestellt waren,
über welche die Arbeiten zur Zeit noch nicht abgeschlossen sind,
kamen einige Fälle von Influenza vor und es interessierte uns, hier
auf Ptomaine zu suchen. Es wurde jede Einwirkung starker
chemischer Agentien, von Wärme, Licht und auch Selbstzersetzung
der Flüssigkeiten durch längeres Stehen sorgfältig vermieden, da,
wie bekannt, die Ptomaine an sich sehr leicht durch Bakterien
weiter verändert, aber auch durch Kochen von in Zersetzung be-
griffenen Eiweißstoffen mit Laugen etc. sehr leicht neu gebildet
werden.
Man erhält dann in Folge der chemischen Methoden alkaloidartige
Körper, die sich analog den Ptomalnen verhalten, die jedoch niemals
durch Bakterienprozesse entstanden sind. Auch die Abscheidung
flüchtiger Ptomaine wurde in der Weise ausgeführt, daß die be-
treffende Flüssigkeit mit Kalkwasser schwach alkalisiert und dann
im Vakuum bei 40° C abdestilliert wurde. Die erste Methode wurde
bereits früher angewandt.
Nach Compt. rend. v. 27. November 1893 fandpn A. B. G riffi th s
et R. S. Ladel ein Ptomain im Urin von Influenzakranken nach
folgender Methode:
636
Marpmann,
Der Urin wurde mit Natriumkarbonat alkalisch gemacht, wieder-
holt mit Aether ausgeschüttelt und die ätherischen Auszüge nach
dem Filtrieren mit weinsäurehaltigem Wasser geschüttelt. Nachdem
dann die wässerige Lösung wieder alkalisiert und mit Aether be-
handelt war, wurde durch Verdunsten des Aethers eine weiße Masse
als Rückstand erhalten, welche aus Wasser krystallisiert in zarten
prismatischen Krystallen.
Die wässerige Lösung reagiert schwach alkalisch.
Durch Phosphorwolframsäure entsteht ein brauner Niederschlag.
Phosphormolybdänsäure „ „ gelblicher „
Pikrinsäure „ „ gelber „
Gerbsäure „ „ roter „
Quecksilberchlorid „ „ weißer „
Neßler’sches Reagens „ „ brauner „
Die Sulfat- und Chloridsalze krystallisieren gut.
Der Körper ist sehr giftig und hat die chemische Formel
C9H9N04.
Herr Dr. H. konnte diese Resultate bestätigen.
Es ist daher kein Zweifel, daß durch die Entwickelung der
Influenzabakterien im kranken Körper das Ptomain gebildet und
durch den uropoetischen Apparat secerniert wird. Daher lag der
Gedanke nahe, ob es möglich sei, das Ptomain durch diuretische
Antiseptika zu zerstören, eventuell die Bildung desselben zu ver-
hindern und außerdem war es wahrscheinlich, daß die Erscheinungen
der Krankheit durch die Anwesenheit des Ptomains im Kreisläufe
verursacht wurden — gelänge es, die Entstehung des pathologischen
Ptomains zu verhindern, daun müßten eventuell die krankhaften Er-
scheinungen ganz oder teilweise aufhören.
Die Versuche wurden mit einigen bekannten Kranken gemacht, die
mit Chinin , Antipyrin , Naphthalin , Naphthol , Guayakol, carbon.
Kreosot, Helenin, Terpinhydrat, Alantol, Salol und Natr. salicylic. be-
handelt wurden. In dieser vorläufigen Mitteilung will ich nur be-
merken, daß für die obigen Zwecke sich eine Mischung von Alantol
mit Copaivabalsam bewährte, die Mischung wurde später in Gelatine-
kapseln hergestellt und einigen Bekannten zum weiteren Versuche
übergeben.
Wir konnten hier konstatieren, daß nach Verbrauch von 6 bis
8 Kapseln pro die die Ptomainbildung fast aufhörte, und es ließ sich
außerdem eine Besserung der Kranken konstatieren.
Die weiteren Resultate wird Herr Dr. H. später in geeigneter
Form veröffentlichen, für meine Mitteilung kam es nur darauf an,
daß hier der Zusammenhang zwischen Krankheit und Bakterien-
ptomain ziemlich sicher erwiesen ist.
Zum Schlüsse habe ich noch über eine Arbeit des Herrn Dr. med.
A. von Mielecki, prakt. Arzt in Leipzig, zu berichten, welche als
Inaugural-Dissertation bearbeitet wurde.
Herr Dr. v. M. fand in osteomyelitischem Kuochenmarke, von
chronischer Osteomyelitis stammend, zwei bis jetzt nicht beschriebene
Bakterien.
Mitteilungen aus Marpmann’s hygien. Laboratorium.
637
I. Diplococcus septicus haematobius:
Kleine Kokken von 0,6 — 1,0 /x Länge, ohne Eigenbewegung.
Auf Gelatineplatten entstehen kleine Verflüssigungstrichter von
weißer Farbe mit scharfem Rande und bräunlichen Bodensätze.
Gelatinestichkultur in A. Alkalische Gelatine. Nach 3 Tagen Wachs-
tum längs des Impfstichs, langsame Bildung eines Verflüssigungs-
trichters, Anhäufung der Bacillen am Grunde des Stichkanals.
B. Saure Gelatine, Wachstum nach 7 Tagen längs des Stichs in
weißlichen Kugeln, später Verflüssigung, zuletzt wird die ganze
Gelatine verflüssigt.
Agar-Agar, die Kolonieen breiten sich längs des Strichs bei
+ 37° C als feiner grünlicher Belag aus.
Lackmusgelatine, wird nicht gerötet und nicht entfärbt.
Lackmusmilch, wird nicht gerötet, die Diplokokken sind nach
8 Tagen massenhaft vorhanden.
Kartoffeln, unsichtbares Wachstum, die feuchte Oberfläche der
Kartoffeln enthält massenhaft Diplokokken. Wachstum bei 20° und
bei Blutwärme verhielt sich gleich.
Färbung nach Gram gelingt.
Mäuse verhielten sich nach der Impfung in die Schwanzwurzel
weniger lebhaft, an der Impfstelle entstand ein Schorf, unter dem
Schorfe und im Blute wurden nach 5 Tagen große Mengen des
Diplococcus gefunden.
Die Mäuse starben nach 18—22 Tagen, es fand sich bei einer
Sektion die linke Niere zur Hälfte vereitert, Milz etwas vergrößert.
Im Blute unter der Impfstelle im Eiter fanden sich massenhaft die
Diplokokken in Reinkultur.
II. Bacillus septicus limbatus:
Bildet kleine Stäbchen von 0,3 — 1,0 /x Länge, welche in eine
Kapsel eingeschlossen sind und mit der Kapsel 0,8 — 1,8 /x besitzen.
Die Stäbchen sind oscillatorisch beweglich und färben sich schwach
nach Gram.
Auf Gelatinekapseln entstehen flache, punktförmige, weiße Kolonieen
mit glattem Rande, ohne Ausbuchtungen, nicht gekörnt.
Stichkulturen in A. Alkalische Gelatine: Oberflächliche schwache
Auflagerung, erst nach 8 Tagen ist dem Impfstich entlang eine
Entwickelung nachzuweisen.
B. Saure Gelatine zeigt kein Oberflächenwachstum und sehr
langsame Entwickelung längs des Impfstichs.
Agar-Agar entwickelt bei -+- 37° C eine weiße trockene Auf-
lagerung.
In Lackmusgelatine und Lackmusmilch entsteht keine Ver-
änderung. Säurebildung ist ausgeschlossen.
Auf Kartoffeln entsteht unsichtbares Wachstum, jedoch sind auf
den Kartoffeln reichliche Bacillen mit Kapsel zu finden.
Mäuse werden nach der Impfung nach 4 Tagen somnolent, an
der Impfstelle entsteht Schorf, unter dem Schorfe viele Bacillen. Die
Mäuse starben nach 19 — 20 Tagen.
638
Z e tt n o w,
Die inneren Organe der sezierten Mäuse waren nicht verändert,
im Blute vereinzelte, dagegen im Knochenmarke massenhaft Bacillen
zu finden.
Diese Bacillen färbten sich nach Gram sehr schön, zeigten
jedoch keine Kapsel.
Herr Dr. v. M. vermutet, daß der letzte Bacillus in Zu-
sammenhang mit der chronischen Osteomyelitis gestanden hat.
Leipzig, März 1894.
Ein Apparat zur Kultur anaerober Bacillen.
Von
Prof. Dr. Zettnow
in
Berlin.
Mit 2 Figuren.
Im Winter 1892/93 habe ich mir den unten beschriebenen Apparat
konstruiert, einmal zu dem Zwecke, um anaerobe Bacillen vermittelst
Gelatine- oder Agarplatten in ähnlicher Weise zu ziehen, wie dies
bei den aeroben üblich ist, sowie um die Kolonieen derselben sowohl
bei auf- wie bei durchfallendem Lichte ohne Störung für weiteres
Wachstum betrachten zu können; zweitens in der Absicht, schöne,
wohl ausgebildete Kolonieen behufs photographischer Aufnahme zu
erhalten. Der Apparat hat den an ihn gestellten Anforderungen ge-
nügt und ist von demjenigen, der die Kunst des Lötens versteht,
aus Weiß- oder Zinkblech, Glas und Mennigekitt leicht selbst in vier-
eckiger Form herzustellen, wie ich ihn mir angefertigt habe. Ueber-
trägt man die Arbeit einem Klempner, so verdient die runde Form
leichterer Herstellung wegen den Vorzug vor der viereckigen.
Die einzelnen Teile des Apparates sind folgende:
1) Eine Blechschale mit schrägen Wänden, deren Boden zum
größten Teile entfernt und durch eine aufgekittete Glasscheibe ersetzt
ist, bildet den Behälter zur Aufnahme der übrigen Teile des Apparates.
Durchmesser der Schale unten 16 cm, oben 18 cm. Höhe der Wände
5 cm. Oeffnung im Boden 12 cm. An der Außenseite der Wand
trägt sie 2 kleine Haken, um die Glocke (siehe No. 3) vermittelst
Bindfaden, welchen man 2 — 3mal umschlingt, fest auf den Boden
drücken zu können. Behufs dichten Schlusses ist es zweckmäßig,
die den Boden bedeckende Glasplatte bis an die Seitenwände der
Schale gehen zu lassen.
2) Ein kleiner Tisch, 3 cm hoch, 13 cm im Durchmesser, dessen
Seitenwände aus durchlöchertem Bleche, dessen Platte aus Glas be-
steht, erlaubt, daß eine Doppelschale der üblichen Art und ein Be-
hälter für alkalisches Pyrogallol auf ihm Platz finden. Die Glasplatte
läßt sich leicht aus dem Falze des Tisches entfernen behufs bequemer
Reinigung; den Behälter für Pyrogallol bildet ein 15 mm hohes, 10 mm
Ein Apparat zur Kultur anaerober Bacillen. 039
breites, die Doppelschale außen zum größten Teile umgebendes Blech-
gefäß.
3) Die Glocke, mit welcher man den Tisch bedeckt, besteht aus
einer Blechschale, 14,5 cm im Durchmesser, mit geraden, 7 cm hohen
Wänden und eingekitteter Glasplatte, 12 cm im Durchmesser wie bei
No. 1. An der einen oberen Ecke trägt dieselbe einen eingelöteten
Messinghahn behufs Zuleitung von Wasserstoff, an der entgegen-
gesetzten unteren dagegen ein gläsernes, bewegliches Ableitungsrohr.
Dasselbe besteht aus einem dünnen, im rechten Winkel gebogenen
Glasrohre, dessen kürzerer Schenkel 2 cm lang ist, während der andere
7—8 cm Länge besitzt. Man setzt dieses Rohr mit Hilfe eines durch-
bohrten und hierauf mit Paraffinum solidum getränkten Korkes fest
in ein in der Wand der Glocke eingelötetes Messingrohr von 12
— 15 mm Länge und Durchmesser ein ; man kann alsdann dem Glas-
röhre eine beliebige Stellung geben.
4) Als Teller, um bei Benutzung des Apparates die Glocken aus
der Hand zu setzen, das von ihnen abtropfende Paraffin aufzufangen
uud Schmutzereien nach Möglichkeit zu verhüten, benutzt mau eine
Zinkplatte mit aufgebogenen, etwa 1 cm hohen Rändern, 30—35 cm
im Durchmesser.
Ehe man einen neuen Apparat zur Anlage von Kulturen benutzt,
ist es notwendig, dem Mennigekitt an einem warmen Orte 8 Tage
Zeit zum Trocknen zu lassen und hierauf eine Prüfung auf Dichtig-
keit vorzunehmen. Dieselbe geschieht in folgender Weise: Auf den
Boden der Schale gießt man soviel Paraffinum liquidum albissimum,
daß die Schicht 15—18 mm hoch ist; stellt das Ableitungsrohr der
Glocke senkrecht, setzt sie auf den Boden, bindet sie fest und leitet
nun Wasserstoff durch. Ein über das Ableitungsrohr gestülptes
Reagenzglas erlaubt ohne Gefahr die Prüfung auf Reinheit des
Wasserstoffs vorzunehmen. Entzündet sich der Inhalt des Glases,
dessen Oeffnung man nach unten hält, an einer Flamme, statt
pfeifend mit einem schwachen Puffe, so dreht man das Ableitungs-
rohr fast auf den Boden der Schale und leitet so lange Wasserstoff
zu, bis das Paraffin außen 3 — 4 cm höher steht als innen, schließt
hierauf den Zuleitungshahn und überläßt den Apparat 24 Std.
sich selbst. Soll er brauchbar sein, so darf sich der Stand des
Paraffins nach dieser Zeit nicht verändert haben. Zum Einfetten des
Hahnes benutze ich Lanolinum anhydricum.
Beim Beginne meiner Versuche hatte ich mir einen derartigen
Apparat in größeren Dimensionen angefertigt, so daß auf dem Tische
desselben bequem 4 Doppelschalen, von denen eine alkalisches Pyro-
gallol enthielt, Platz fanden. Die Ungleichheit in der Entwickelung
der Kolonieen bei den einzelnen Verdünnungen und der Uebelstand,
daß man z. B. die Originalplatte nicht entfernen kann, ohne die zurück-
bleibenden Schalen in der Entwickelung zu schädigen, resp. die Glocke
von neuem mit Wasserstoff füllen zu müssen, haben mich veranlaßt,
dem oben beschriebenen Apparate mit kleineren Dimensionen den Vor-
zug zu geben, so daß jede Doppelschale ihren besonderen Apparat
erhält und unabhängig von den anderen untersucht werden kann.
640
Z e t Cn o w ,
Die Anzahl der einzelnen Apparate wird sich daher nach der Anzahl
der Verdünnungen richten und meist der Dreizahl entsprechen.
Zur Entwickelung des Wasserstoffs benutze ich statt der üblichen
Apparate nach Kipp & Mohr lieber eine gewöhnliche Gasentbindungs-
flasche von 1,5 1 Inhalt, da dieselbe einen kräftigeren Gasstrom liefert.
Das Trichterrohr derselben versieht mau mit Hilfe eines Stückchen
Gummischlauch mit einer ausgezogenen Glasröhre; die Oeffnung der
letzteren muß so eng sein, daß beim Eingießen von Flüssigkeit Luft
nicht mit hinuntergerissen wird. Zur einmaligen Füllung eines aus
drei Glocken bestehenden Apparates sind, wie mir viele Versuche
gezeigt haben, 25 — 301 Wasserstoff vollkommen genügend; zu deren
Herstellung sind 85 g Zink und 75 ccm konzentrierte, von Arsenik
freie Schwefelsäure notwendig. Füllt man daher die Entwickelungs-
flasche mit Abfällen von Zinkblech fast voll und stellt sich eine halbe
Stunde vor Gebrauch des Apparates ein Gemisch von 500 ccm Wasser
mit 75 ccm Schwefelsäure dar, so daß dasselbe noch warm zur Be-
nutzung gelangt, so kann man in 30 — 40 Minuten die Luft aus dem
Apparate verdrängen.
Ferner bedarf man einiger Pyrogallolstücke, welche man sich im
Vorräte herstellt, indem man 10 g Pyrogallol mit soviel Alkohol be-
feuchtet, daß eine gerade knetbare Masse entsteht und diese in 18
— 20 Kugeln teilt.
Zum Waschen des Wasserstoffs verwendet man zwei Flaschen,
von denen die erste mit alkalischer Blei-, die zweite ebensolcher
Pyrogallollösung beschickt ist.
Soll der Apparat benutzt werden, so gießt man in gewöhnlicher
Art die Platten, stellt alsdann während des Erstarrens der Gelatine
die Glocken der Apparate auf das Abtropfblech, giebt den 3 Blech-
schalen durch untergelegte, 1 cm hohe Leisten eine schiefe Stellung;
beschickt die Pyrogallolkästchen an den höchsten Stellen mit je
2 Pyrogallolstücken, giebt hierauf an die tiefste Stelle 10 — 12 ccm
verdünnte Natronlauge derartig, daß dieselbe das Pyrogallol vorläufig
nicht berührt ; setzt alsdann die Doppelschalen aut den Glastisch und
entfernt den Deckel derselben erst im letzten Augenblicke, wenn man
die Glocke überdecken und festbinden will. Nun verbindet man durch
Gummischläuche den mit der Hälfte der Schwefelsäure in Thätigkeit
gesetzten Wasserstoflfapparat mit dem Zuleitungshahne des ersten Appa-
rates; dessen gläsernes Ableitungsrohr mit demjenigen des zweiten
u. s. f., während man über das letzte Ableitungsrohr ein Reagenzglas
stürzt: Gelangt die verdünnte Schwefelsäure zu heiß zur Verwendung,
so mäßigt man die allzu starke Entwickelung durch Einsetzen der
Flasche in laues Wasser; ist sie zu kalt, so erhält man keinen leb-
haften Strom von Wasserstoflfgas. Ist auch die zweite Hälfte der
Schwefelsäure nach 15 — 20 Minuten vorsichtig nachgegossen und geht
schließlich die Entwickelung ihrem Ende entgegen, so entfernt man
die untergelegten Leisten, damit die Natronlauge das Pyrogallol auf-
lösen kann; dreht das gläserne Ableitungsrohr des letzten Apparates
unter die Oberfläche des Paraffins, beinahe bis auf den Boden, wartet,
bis das zuströmende Gas durch das Rohr entweicht; schließt den Zu-
leitungshahn und entfernt schnell den Gummischlauch vom Ableitungs-
Ein Apparat zur Kultur anaerober Bacillen.
641
rohre des mittleren Apparates; senkt dieses unter das Paraffin u. s. w.
In den Glocken befinden sich nun die Kulturen unter einem Drucke
von etwa 3 cm Paraffin in einer reinen Atmosphäre von Wasserstoff.
Selbst die geringsten Spuren von etwa noch vorhandenem Sauerstoffe
Fig. 2.
werden alsbald vom Pyrogallol absorbiert; von der außerordentlichen
Energie, mit welcher Pyrogallol in alkalischer Lösung Sauerstoff
absorbiert und sich zugleich braun färbt, kann man sich leicht durch
folgenden Versuch überzeugen : Füllt man eine Flasche mit Gummi-
verschluß von etwa 100 ccm Inhalt mit ausgekochtem Wasser an,
642
Zettnow, Ein Apparat zur Kultur anaerober Bacillen.
setzt einige Kubikcentimeter Natronlauge hinzu und hierauf die Flasche
während 30 — 40 Minuten in einen Topf mit kochendem Wasser, sorgt
durch Nachfällen von kochendem Wasser, daß sie zum Ueberlaufen
voll ist, wrirft hierauf ein Stückchen Pyrogallol hinein und verschließt
augenblicklich die Flasche, so erhält man eine sehr wenig gefärbte
Flüssigkeit, welche, guten Verschluß der Flasche vorausgesetzt, sich
beliebig lange aufbewahren läßt, ohne daß die Färbung zunimmt.
Sowie man jedoch den Verschluß für 1 Sekunde öffnet, so daß der
beim Erkalten der Flüssigkeit gebildete leere Raum etwa 3 ccm sich
mit Luft füllen kann, erhält man eine tief dunkelbraune Flüssigkeit
nach dem Umschütteln. Das Gewicht des absorbierten Sauerstoffs
beträgt etwa 3/4 Milligramm.
Läßt man die Entwickelung der Kulturen bei höherer als Zimmer-
temperatur vor sich gehen, so ist eine Bedeckung der Glockenober-
fläche anzuraten, da sich sonst an ihr leicht Wasser kondensiert und
die beschlagene Glasscheibe den Einblick hindert. Um die Platten
bei durchfallendem Lichte zu betrachten, richtet man sich eine Holz-
kiste derartig zu, daß man in der einen schmalen Seite eine Oeffuung
von etwa 10 cm anbringt und die Kiste, nach Entfernung des Deckels,
mit der nun offenen Seite einem Fenster gegenüber aufstellt. Setzt
man nun den Apparat auf die obere kleine Oeffnung, so kann man
durch einen schräg gestellten Spiegel das Hiramelslicht nach oben
hin werfen. Bringt man zum Schutze für die Augen ein schwarzes
Stück Pappe an der oberen Kante der offenen Seite an, so kann
man die Platten in derselben Art bei durchfallendem Lichte betrachten,
wie man dies bei den aeroben zu thun pflegt.
Mit Verunreinigungen habe ich bei meinen Versuchen nicht zu
kämpfen gehabt, trotzdem besondere Vorsichtsmaßregeln, wie z. B.
Wattefilter zwischen den einzelnen Apparaten, zu ihrer Vermeidung
nicht angewendet wurden. Ich verdanke meinem Apparate ausge-
zeichnete Kolonieen der pathogenen anaeroben Bacillen, habe auch
Klatschpräparate derselben angefertigt, sowie lebende Tetanusstäbchen
mit Sporen photographiert. Denjenigen, welche sich für mikrophoto-
graphische Aufnahmen interessieren, bin ich gern bereit, gegen Er-
stattung der Kopierkosten von 75 Pf. pro Stück, Abzüge von meinen
Aufnahmen zu senden.
Von den beiden Skizzen deutet die eine den Apparat im Quer-
schnitt, die andere die Glocke, das Pyrogallolgefaß und die Schale
in der Aufsicht schematisch gezeichnet au.
Berlin, d. 16. März 1894.
Ed v. Freudenreich, Ueber eine Verbesserung des Plattenverfahrens. 643
Ueber eine Verbesserung des Plattenverfahrens,
Von
Dr. Ed. v. Freudenreich,
Leiter des bakteriol. Laboratoriums der Molkereischule Rütti bei Bern.
In No. 12 dieser Zeitschrift, p. 419 hat Dr. W. Kruse ein modi-
fiziertes Plattenverfahren beschrieben, dessen Vorteile darin bestehen,
daß nur oberflächliche Kolonieen entstehen, was die Diagnose be-
deutend erleichtert. Dieses wird dadurch erreicht, daß die Platte vor
dem Impfen in Petri’sche Schalen (Gelatine oder Agar) gegossen
wird und nach dem Erkalten mit einem in die zu untersuchende
Flüssigkeit (Wasser u. s. w.) eingetauchten Pinsel bepinselt wird. Mit
dem gleichen Pinsel kann man nach einander 2 oder 3 Platten be-
pinseln und auf diese Weise Platten von verschiedenen Verdünnungen
erhalten.
Aus eigener Erfahrung kann ich, da ich dieses Verfahren meiner-
seits auch früher angewandt habe, die Vorteile der Kruse’schen
Methode vollauf bestätigen. Seit beinahe einem Jahre indessen gebe
ich einem anderen Verfahren den Vorzug, der den gleichen Zweck
erreicht und mir noch bequemer zu sein scheint. Es mag mir daher
erlaubt werden, dasselbe hier kurz zu beschreiben :
Nähr-Agar oder Gelatine werden in Petri’sche Schalen ge-
gossen und zum Erstarren gebracht. Während letzteres statttindet,
bereitet man die nötigen Verdünnungen der zu untersuchenden Flüssig-
keit mit sterilem Wasser, etwa in Reagenzgläsern, mit Hilfe einer
sterilisierten Pipette oder der Platinöse. Darauf gießt man einfach
den Inhalt des Reagenzglases auf die Agar- resp. Gelatineschicht
und läßt die Flüssigkeit von der Platte abfließen, indem man den
Deckel ein wenig lüftet und die Platte in vertikaler Stellung hält,
bis die letzten Tropfen abgeflossen sind. Man legt den Deckel wieder
auf und stellt die Platte in den Brutofen, mit dem Deckel nach
unten gerichtet. Man vermeidet auf diese Weise, daß zu viel Flüssig-
keit auf der Agarschicht bleibe. Hat man es mit einer wenig keim-
reichen Flüssigkeit zu thun, so kann man sie selbstverständlich un-
verdünnt gebrauchen.
Wie ich mich durch unzählige Platten überzeugen konnte, sind
zufällige Verunreinigungen, wenn man etwas schnell operiert, sehr
selten, viel seltener, als bei der Bepinselung der Agarfläche, auch
erspart man sich dabei eine Anzahl Pinsel, die bei der Sterilisierung
im Autoklaven ziemlich rasch leiden.
Je nach dem Verdünnungsgrade hat man mehr oder weniger
Kolonieen auf der Platte; auf den Platten dritter und vierter Ver-
dünnung z. B. habe ich meistens 20—30 Kolonieen, die die Ober-
fläche gleichmäßig bedecken.
Diese Oberflächenplatten sind auch deswegen sehr praktisch, weil
die Nährsubstanz nicht mehr durchsichtig zu sein braucht. So wende
ich z. B. vielfach Milchnährböden an, die indessen einer besonderen
Bereitung bedürfen, denn wenn man Milch direkt mit Agar oder
644
H. T i m p e ,
Gelatine im Autoklaven sterilisiert, so tritt regelmäßig eine Aus-
scheidung des Kaseins ein. Ich bereite mir daher 2-proz. Agar oder
20-proz. Gelatine (mit Wasser) und verteile diese in Portionen von
ca. 5 ccm in Reagenzgläser. Gleiche Portionen Milch (centrifugierte
Milch) werden ebenfalls in Reagenzgläsern sterilisiert. Will man nun
Plattenkulturen anlegen, so erwärmt man einige Reagenzgläser, bis
das Agar oder die Gelatine flüssig sind, und gießt sie mit der eben-
falls erwärmten Milch in Petri’ sehe Schalen aus. Man bewegt die
Schale hin und her, bis beide Flüssigkeiten gut durcheinandergemischt
sind, läßt sie erstarren und behandelt die Platten, wie oben beschrieben
wurde. Solche Platten sehen ganz gleichmäßig milchigweiß aus und
sind unbedingt der Milchserumgelatine vorzuziehen, da das Kasein
nicht wie bei der letzteren ausgefällt worden ist.
Bern, den 7. April 1894.
Zur Frage der Gelatinebereitung.
Von
Dr. H. Timpe.
In No. 12 dieser Zeitschrift vom 24 März d. J. glaubt Herr
Wolffhügel für seine früheren von mir bereits genügend beleuch-
teten Angaben über den obigen Gegenstand weitere Momente Vor-
bringen zu müssen, und sehe ich mich deshalb ebenfalls veranlaßt,
nochmals auf dieses Thema zurückzukommen.
Vorab will ich nur darauf hinweisen, daß Herr Wolffhügel,
der in seinem in No. 5 und 6 dieses Blattes enthaltenen Angriffe
mein Verfahren zur Neutralisation der Nährgelatine für sich in An-
spruch nehmen möchte, in No. 12 des Blattes bereits nur noch von
Versuchen redet, die mit der nach meinem Verfahren neutralisierten
Gelatine angestellt sind, und zwar klammert er sich dabei wieder-
holt an eine angebliche Abmachung, die ich schon in meiner Erwide-
rung in No. 10/11 einer eingehenden Betrachtung unterzogen habe.
Wenn nun aber Herr Wolffhügel zugleich behauptet, daß er
durch meine Widerlegungen eines Besseren nicht belehrt worden sei,
so ist dieses einer von den vielen Widersprüchen, die sich in seiner
neuesten Darlegung bemerkbar machen, denn hier tritt Herr Wolff-
hügel offenbar bereits den Rückzug an.
Beweise vermag Herr Wolffhügel aber auch für diejenigen
Behauptungen, welche er gern aufrecht erhalten möchte, nicht zu er-
bringen, und sucht er deshalb sein ganzes Heil in der Behauptung,
daß meine frühere Arbeit über die Milchsäuregärung, auf welcher
die Methode zur Neutralisierung der Gelatine beruht, im hygienischen
Institute zu Göttingen entstanden sei.
Recht auffällig ist es schon, daß Herr Wolffhügel sagt:
„Wenn ich die Dissertation als Gegenstück mit in Erörterung ge-
zogen habe, so ist das in der Voraussicht geschehen, daß Herr T.
Zur Frage der Gelatinebereitung.
645
unberechtigterweise einen Zusammenhang mit dieser für das Ver-
fahren zur Gelatinebereitung in Anspruch nehmen würde.“ Warum
setzte denn Herr Wolffhügel solches voraus? Mich will es be-
dünken, daß Herr Wolffhügel besser getban hätte, diese Rede-
wendung beiseite zu lassen, denn sie wird jedem denkenden Leser
zu mancherlei Schlußfolgerungen Veranlassung geben, die nicht im
Interesse des Genannten liegen. Viel näher liegt die Vermutung,
daß Herr Wolffhügel in gerechter Würdigung des Zusammen-
hanges einen Bezug auf diese meine Arbeit, die er scheinbar nicht
ohne Grund mit Vorliebe als Dissertation bezeichnet, nur deshalb ge-
nommen hat, weil er einige mit etlichen Höflichkeitsphrasen ausge-
stattete Briefe später für seine Zwecke glaubte ausnützen zu können.
Sollte sich aber jemand die Mühe machen , diese von Herrn
Wolffhügel in so zarter Weise veröffentlichten Briefe auf ihren
Inhalt zu prüfen, so wird er kaum etwas finden, was einem Beweise
für die Wolffhügel’schen Behauptungen ähnlich sieht. Daß ein
Chemiker in einem hygienischen Institute in bakteriologischer Hin-
sicht manches lernen kann, was ihm bis dahin fremd war, hätte man
Herrn Wolffhügel vielleichtauch ohne diese Briefe geglaubt, und
daß auch ich die Gelegenheit, in einem vom Staate mit schweren
Mitteln ausgestatteten Laboratorium mein Wissen zu vervollkommnen,
nicht unbenutzt gelassen habe, habe ich in besagten Briefen in an-
erkennenden Worten konstatiert. Recht wunderbar aber muß es an-
muten, wenn Herr Wolffhügel deren Inhalt auf seine Weise zu
deuten und auszunutzen versucht, denn ein jeder wird Höflichkeits-
phrasen, die gelegentlich einer Bewerbung um eine Stelle gemacht
werden, auf ihren reellen Wert zurückzuführen wissen.
Ich würde diesem Versuche des Herrn Wolffhügel daher
kaum etwas hinzuzufügen haben. Da derselbe mir nun aber einmal
mit gutem Beispiele vorangegangen ist, so will ich nicht unterlassen,
auch die Antworten auf meine Briefe der Oeflentlichkeit zu über-
geben, denn diese geben den besten Aufschluß über die Urteilskraft
des Herrn Wolffhügel, charakterisieren seine Kenntnisse in
chemischen Dingen und sind deshalb besser als alles andere geeignet,
seine Stellung zu meiner fast rein chemischen Arbeit zu kenn-
zeichnen.
Auf meinen Brief vom 17. Jan. 1892 antwortet Herr Wolff-
hügel:
„Göttingen, 14. Febr. 1892.
Lieber H. T. Erst heute habe ich für Sie und die Durchsicht
Ihrer unterm 17. v. M. mir vorgelegten Arbeit eine ruhige Stunde
finden können
Auch heute, nachdem ich die Arbeit erst einer flüchtigen, mehr
orientierenden Durchsicht unterzogen habe, bin ich noch nicht imstande,
sie ohne weiteres als druckfertig zu bezeichnen, aber so viel
weifs ich doch darüber zu berichten, dafs ich mit grofser Freude
davon Kenntnis genommen und den Eindruck daraus
erhalten habe, dafs Sie in Ehren damit sich zum Doktor-
examen melden können. Im weiteren ...wollte ichsieauch
H. Tollens ... zu lesen geben.
XV. Bd.
41
646
H. Timpe
Bei uns werden Sie eine Verzögerung in der Erfüllung des Wun-
sches einer baldigen Promotion nicht zu gewärtigen haben, denn im
Laufe dieser Woche können wir Ihnen die Arbeit (wenn Sie wollen,
wie sie geht und steht, oder auch mit Vorschlägen zu
Korrekturen versehen — Sie dürfen nur befehlen) zurück-
senden. . . .
Hoffentlich bleibt Ihnen neben der dienstlichen Thätigkeit auch
Zeit für die Fortsetzung der eigenen Arbeiten. Ich erwarte
dies um so mehr, weil Sie jetzt sich in das Geleise des selbstän-
digen Arbeitens einrangiert haben, so dafs letzteres Ihnen selbst
nicht mehr sauer werden kann (trotz aller Milchsäure) “
Fünf Tage später schreibt Herr Wolffhügel über denselben
Gegenstand:
Göttingen, den 19. Febr. 1892.
Lieber Herr Timpe!
Auf Ihren freundl. Brief vom 15. d. M. bedauere ich Ihnen nichts
Erfreuliches berichten zu können. Herr Tollen s hat zwar auch die
von Ihnen erarbeiteten Materialien als ausreichend für eine
.Doktorarbeit erachtet, sich aber über die Behandlung des Stoffes in der
Abhandlung so wenig günstig geäufsert, dafs ich Sie ersuchen mufs,
Ihre Heise nach Leipzig zu verschieben. Nachdem ich infolge dieser
ungünstigen Becension die Arbeit neuerdings in Augenschein genommen,
mufs ich die Auffassung des Herrn T o 1 1 e n s teilen. . . . etc.
Warum hat Herr Wolffhügel nun nicht gleich der Voll-
ständigkeit halber auch diese seine Briefe zur Veröffentlichung ge-
bracht und den verfänglichen Inhalt derselben zu erklären versucht?
Wie ist es möglich, daß Herr Wolffhügel, wenn er den Inhalt
meiner Arbeit begriffen hatte und wirklich zu der in seinem Briefe
vom 14. Februar 1892 ausgesprochenen Ansicht gelangt war, 5 Tage
später eine Ansicht entwickeln konnte, die beim Vergleiche mit der
ersteren bei jedermann ein Lächeln hervorrufen wird? Sollte Herr
Wollffhügel in der That nicht fühlen, welche Blöße er sich da-
mit gegeben hat, oder hoffte er vielleicht, daß diese Zeugen seiner
Urteilsfähigkeit inzwischen der Vernichtung anheim gefallen seien?
Herr Wolffhügel hat offenbar den durchweg chemischen Inhalt
meiner Arbeit gar nicht begriffen, und weil ihm derselbe ganz fremd
war, weil er nur die am Schlüsse zusammengestellten Ergebnisse zu
schätzen verstand, so war er ebenso maßlos in seinen Lobeserhebungen,
als er es 5 Tage später in seinen Schmähungen meiner Arbeit war.
Herr Wolffhügel hatte inzwischen die Arbeit dem Vorstande des
agrikultur che mischen Laboratoriums, Herrn Prof. Toi lens, über-
geben und die im Briefe vom 19. Februar 1892 ausgesprochene An-
sicht ist nicht die des Herrn Wolffhügel, sondern die des Herrn
Prof. Tollens.
Der übrige Inhalt spricht für sich selbst.
Wenn Herr Wolffhügel noch weiterhin zur Stütze seiner An-
gaben behauptet, daß der Grund zu meinem Gelatineneutralisations-
verfahren im Sommer 1891 durch einen Meinungsaustausch gelegt sei,
der auch meiner Doktorarbeit zu gute gekommen sei, so beweist er
damit nur, daß er, falls er diese Behauptung bona fide nieder-
Zur Frage der Gelatinebereitung.
647
geschrieben haben sollte, selbst nicht mehr weiß, welcher Art die
von mir im Sommer 1891 für ihn ausgeführten Arbeiten gewesen
sind oder was er damit bezweckt hat. Mir dagegen ist noch recht
genau bekannt, daß Herr Wolffhügel den Wunsch hatte, einen
Nährboden zu besitzen, der möglichst frei von den schädlichen Bei-
mischungen der einzelnen Bestandteile war, besonders hatte er die
zum Bleichen der Gelatine benutzte schweflige Säure im Auge, wo-
bei er indessen gänzlich außer acht ließ, daß S02 wegen seiner Un-
beständigkeit gar nicht in den gelatinierenden Zusätzen enthalten
sein konnte. Ich hatte demnach während meiner sechswöchentlichen
Thätigkeit in Göttingen die Aufgabe, eine Reihe gelatinierender Sub-
stanzen auf mineralische Bestandteile zu untersuchen, wie Herr
C. v. Uslar, welcher die Arbeit fortsetzte, zu bezeugen bereit ist.
Wenn also Jemanden das Gedächtnis im Stiche läßt, so scheint dieser
Jemand einzig Herr Wolffhügel zu sein.
Ganz ebenso verhält es sich mit den übrigen Behauptungen
dieses Herrn, auf die ich einzeln wegen Mangel an Raum nicht ein-
gehen kann, doch bin ich jederzeit bereit, durch Zeugen nachzuweisen,
daß die Angaben desselben in recht bedenklicher Weise von den
Thatsachen ab weichen. Besonders ist dieses der Fall mit der Be-
hauptung des Herrn Wolffhügel in betreff der Aufnahme meiner
Arbeit in das Archiv für Hygiene, wozu, wie ich nochmals behaupte,
Herr Wolffhügel mich mit nicht besonders ansprechenden Mitteln
veranlaßt hat und zu der ich mich nur widerstrebend erst dann ver-
standen habe, nachdem ich die Herren Professoren Toi lens und
Li eb scher unter Darlegung des Sachverhaltes um Rat befragt hatte.
Mag daher Herr Wolffhügel zu noch so sonderbaren Mitteln
seine Zuflucht nehmen, die Thatsache bleibt bestehen, daß seine Be-
hauptungen nichts weiter sind, als ein Versuch, sich fremdes geistiges
Eigentum anzueignen und sein ganzes Vorgehen in dieser Angelegen-
heit kann nur als ein weiterer Beweis dafür dienen, denn wenn Herr
Wolffhügel sich durch die Veröffentlichung meiner Arbeit wirklich
beeinträchtigt fühlte, warum wählte er dann nicht den würdigeren
Weg, durch persönliche Verhandlungen zu seinem angeblichen Rechte
zu gelangen?!
Daß Herr Wolffhügel nicht allein nicht von meinen Privat-
arbeiten, sondern selbst nicht einmal von den von mir für das
hygienische Institut ausgeführten Arbeiten Kenntnis hatte, beweist
derselbe durch 2 Karten des Herrn Dr. Reichenbach, in welchen
er mich nach Niederlegung meiner Stellung bitten läßt,
zur Besprechung meiner Versuche zu ihm zu kommen.
W'enn nun endlich Herr Wolffhügel die Erwähnung einer
Angelegenheit, die er längst vergessen und begraben wähnte, kurzer
Hand mit der Bemerkung abfertigen zu können glaubt, daß solches
auf Verleumdung beruhe, so kann man ihm dieses nicht verdenken,
nur will ich Herrn Wolffhügel noch bemerken, daß ich Verleum-
dungen ihm allein überlasse, und daß er von dieser Erlaubnis bereits
früher den ausgiebigsten Gebrauch gemacht hat, bin ich bereit, ihm
auf Wunsch an dieser Stelle durch schriftliche Belege nachzuweisen.
Göttingen, den 29. März 1894.
41
048 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
Bakteriologische und parasitologische Kongresse.
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen
Kongresse in Rom.
Referent: Dr. Gc. Sanarelli, Privatdozent in Rom.
Chiari , H. (Prag) , Ueber das Vorkommen von Typhus-
bacillen in der Gallenblase bei Typhus abdominalis.
Angeregt durch einen Fall von durch Typhusbacillen bedingter
schwerer, nekrosierender Cholecystitis, der im April 1893 zur Be-
obachtung gelangte, unternahm Chiari an einem größeren Sektions-
materiale das systematische Studium der Frage des Vorkommens von
Typhusbacillen in der Gallenblase bei an Typhus abdominalis ver-
storbenen Menschen.
Es erschien das deswegen von Interesse, weil zwar mehrfache
Angaben über das Vorkommen schwerer Cholecystitis bei Typhus
abdominalis vorliegen, so namentlich bei Hölscher, Typhusbacillen
in den Gallenwegen bisher aber nur selten (Gilbert et Girode,
L6tienne, Dupr6, Guarnieri und Chiari) nachgewieseu
wurden.
Chiari untersuchte im ganzen 22 Fälle von Typhus abdomi-
nalis, und zwar 2 Fälle aus dem Stadium infiltrationis, 7 Fälle aus
dem Stadium necroseos, 6 Fälle aus dem Stadium ulcerationis, 4 Fälle
aus dem Stadium separationis und 3 Fälle von Typhus recidivus.
Die Diagnose der Typhusbacillen stützte sich stets auf verschie-
dene Momente, i. e. auf die Kulturen in Agarplatten, im Agarstriche,
im hohen Agar, im Gelatinestiche, auf Kartoffeln uud in Milch, auf
die negative Indolreaktion in Bouillon, auf die Beweglichkeit, die
Geißeln und die Entfärbung der Bacillen nach Gram. Die Virulenz
der Typhusbacillen wurde durch intraperitoueale Injektion bei Meer-
schweinchen geprüft.
In den 22 Fällen wurden 19mal Typhusbacillen aus dem Inhalte
der Gallenblase kultiviert. Nur 3 Fälle waren negativ, und zwar
1 Fall aus dem Stadium infiltrationis uud 2 Fälle aus dem Stadium
necroseos.
Die Typhusbacillen waren meist die einzigen Bakterien, die sich
aus dem Inhalte der Gallenblase züchten ließen. Nur 4mal fanden
sich daneben noch andere Bakterien.
Die Typhusbacillen waren meist in großer Zahl in der Gallen-
blase vorhanden, wie aus der Untersuchung der Deckglaspräparate
hervorging.
Zu wiederholten Malen fand sich Entzündung in der Gallenblase,
und zwar I3mal unter den 19 positiven Fällen. Meist betraf die
Entzündung nur die Mucosa, in 1 Falle aber sämtliche Wandschichten
der Gallenblase.
Chiari zieht aus seiner systematischen Untersuchung den
Schluß, daß beim Typhus abdominalis überhaupt das
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 649
H i n ei ngelan ge n von Typhusbacillen in die Gallen-
blase keineswegs zur Ausnahme, sondern im Gegen-
teile zur Regel gehört.
Der Weg, den die Typhusbacillen einschlagen, um in die Gallen-
blase zu gelangen, könnte ein doppelter sein ; entweder ascendieren
sie vom Darme aus, wie das bei anderen Bakterien bestimmt vor-
kommt, oder sie kommen durch die Blutbahn in die Gallenblase,
wofür namentlich die Experimente von Blachstein und auch
eigene Experimente Ch i ar i’s sprechen. Eine definitive Entscheidung
darüber kann aber noch nicht getroffen werden.
Die Typhusbacillen können sich in der Gallenblase vermehren,
da die Galle nach Corrado für sie indifferent ist. Für die Ver-
mehrung spricht die oft sehr große Zahl der Typhusbacillen in der
Gallenblase.
Bezüglich der klinischen Bedeutung des Hineingelangens
der Typhusbacillen in die Gallenblase kann gesagt werden, daß sie
Cholecystitis erzeugen können, welche mitunter geradezu zur Todes-
ursache wird. Weiter ist es wahrscheinlich, daß sie Cholelithiasis
anzuregen vermögen und endlich, daß sie die Veranlassung zu einem
Recidive des Typhusprozesses im Darme abgeben können, indem sie
bei stärkerem Einfließen der Galle in den Darm aus der Gallenblase
in diesen gelangen und denselben neuerdings infizieren können.
Tsuboi, Jiro, Die Cholera asiatica als eine Nitrit-
vergiftung.
Verf. erörtert zuerst alle Gründe, welche bei Gegenwart von
Kommabacillus und Nitrat im menschlichen Darme eine akute
Nitritvergiftung veranlassen können. Als Beweise dafür giebt derselbe
die Resultate der Tierexperimente an, die er gemeinschaftlich mit
Prof. Emmerich ausgeführt hat. Wenn die asiatische Cholera
eine Nitritvergiftung ist, so müßte man bei Cholerakranken jedesmal
Methämoglobin finden. Dies scheint aber nach ihm voraussichtlich
nicht der Fall zu sein. Durch Versuche an seinem eigenen Blute
im Vergleiche mit Meerschweinchenblut hat er gefunden, daß zur
spektroskopisch nachweisbaren Methämoglobinbildung bei Menschen
fast 1 g Nitrit notwendig ist. Bevor 1 g Nitrit im menschlichen
Darme gebildet wird, tritt schon der Tod ein. Daher wird man
im Cholerablute nur bei gewissen Fällen Methämoglobin zu finden
sein.
Nannotti, A., Ueber die Wirkung der sterilisierten
Eitersubstanzen bei Impfungen.
Verf. hat durch seine Versuche über die pathogene Wirkung
der Absonderungsprodukte des Staphylococcus pyogenes zu-
erst bewiesen, daß der Marasmus, welchem die an chronischer
Eiterung leidenden Individuen entgegen gehen, hauptsächlich von einer
Vergiftung durch die Absonderungsprodukte jenes Pyogenes her-
rührt. Verf. berichtet nun über die bei der Impfung der sterilisierten
Eiterungsprodukte erhaltenen Resultate. Dieselben sind die folgenden :
650 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
1) Die Impfungen der sterilisierten Eiterungsprodukte haben unge-
fähr eine identische Wirkung wie die Absonderungsprodukte des
Staphylococcus pyogenes.
2) Die Hauptwirkung der fraktionierten Impfungen ist der Ma-
rasmus.
3) Die toxische Wirkung der Impfungen von Eiterungsprodukten in
das subkutane Bindegewebe ist stärker als diejenige, welche bei
der Impfung in dem Blutkreisläufe veranlaßt wird.
Nannotti und Baciocchi, Ueber den Mechanismus und über
den Genesu ngsprozeß der tuberk ulösen Peri tonitis
durch die Laparotomie.
Verff., welche zum erstenmale die Frage experimentell zu beant-
worten suchen, kommen nach einer großen Reihe von Versuchen zu
den folgenden Schlüssen:
1) Die Laparotomie übt unzweifelhaft einen wohlthätigen Einfluß
auf die tuberkulöse Peritonitis auch bei den niederen Tieren aus.
2) Bei Kaninchen erhält man fast immer eine mehr oder weniger
anzuerkennende Verbesserung, aber nie Genesung.
3) Bei Hunden bringt nur ausnahmsweise die Laparotomie keine
Verbesserung hervor, sondern im allgemeinen hat sie ein voll-
ständiges oder fast vollständiges Verschwinden der tuberkulösen
Peritonitis zur Folge.
4) Das Verschwinden der Peritoneumtuberkulose vollzieht sich durch
Reabsorption und Umwandlung im Bindegewebe.
5) Die Reabsorption der Tuberkel findet statt infolge der Zer-
störung des Tuberkelerregers (Phagocytose) und der Neugefäß-
bildung. Die Neugefäßbildung trat sehr deutlich bei den Ver-
suchen mit Hunden hervor.
6) Infolge der Umwandlung im Bindegewebe hat man nachher viel-
seitige Berührungspunkte unter den Unterleibsorganen und in
den Därmen untereinander. Diese Berührungspunkte können im
weiteren Verlaufe derartige Verletzungen hervorbringen, daß
durch dieselben ebenso viele morböse Erscheinungen entstehen.
7) Die Wirksamkeit der Laparotomie bei der tuberkulösen Peritonitis
zeigt sich manchmal nur nach wiederholten Operationen.
8) Die Zurückbildung der Tuberkel nach der Laparotomie geht
rasch vor sich, aber im allgemeinen bleiben immer einige In-
fektionsherde zurück, welche schwer verschwinden, so daß man
nur mit größter Vorsicht von Genesung sprechen darf, auch
wenn die klinischen Erscheinungen dieselbe als vollständig an-
zusehen erlauben möchten.
9) Der wohlthätige Einfluß der Laparotomie scheint nicht erhöht
zu werden durch das Waschen der Bauchhöhle.
10) Die physio-pathologische Wirkung der Laparotomie bei gesunden
Tieren besteht in einer Entzündung des Peritoneums, welche von
einer wesentlichen Steigerung der Reabsorptionskraft desselben
begleitet ist.
11) Es würde also scheinen, als ob die wohlthätigen Einflüsse der
Laparotomie bei der Peritoneumtuberkulose an eine Entzündung
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. ß51
gebunden wären, so daß außer einer Steigerung der Reab-
sorptionskraft des Peritoneums die Zerstörung des Tuberkel-
erregers sowie die Gefäßbildung der Tuberkel und ihre darauf-
folgende Reasorption hervorgerufen würde.
Roger (Paris), Die Leber in den Infektionskrankheiten.
In der Leber können die verschiedensten Infektionskrankheiten
anatomische Verletzungen oder Störungen in ihren Funktionen ver-
ursachen. Die Verletzungen variieren nicht nur von einer Krankheit
zur anderen, sondern auch im Verlaufe einer und derselben Krankheit,
welche sich in Tieren von gleicher oder verschiedener Species ent-
wickelt. So z. B. ruft die Tuberkulose in den Hühnern eine vitröse
Degeneration, in den Fasanen eine amyloide Degeneration, in den
Meerschweinchen Knoten oder einen eigentümlichen Marasmus (Typus
Y er sin) hervor. Durch den Bacillus, welchen Verf. unter dem
Namen Bacillus septicus puti dus beschrieben hatte, konnte
er in der Leber Thrombose, hyalinische Degenerationen, embryonale
Infiltrationen, systematische periportale Cyrrhosen hervorbringen.
Alle diese Verletzungen hat er durch sterilisierte und filtrierte Kul-
turen wiedererzeugen können, was beweist, daß alle von Thrombose
bis zur Sklerose von einem toxischen Prozesse herrühren.
Es genügt nicht bloß, die anatomischen Verletzungen der
Leber zu kennen, sondern man muß auch den Zustand ihrer Funk-
tionen studieren. Es ist bekannt, daß die Leber die Mehrzahl der
Gifte, welche ihr von der Vena porta zugeführt werden und be-
sonders die Bakteriengifte zurückhält und umwandelt. Diese Funktion,
wie Verf. schon gezeigt hat, ist an der Anwesenheit des Glykogens
innigst gebunden und deshalb wurde er veranlaßt, zu unter-
suchen, wie sich das Glykogen im Verlaufe der Infektion ändert.
Beim Studium des Milzbrandes und der Streptokokkeninfektion in den
Kaninchen konnte Verf. nachweisen, daß im Verlaufe der ersten
Periode dieser Infektionen die Menge des Glykogens, welches in den
Zellen enthalten ist, normal bleibt; und trotz der thermischen Er-
höhung, welche bis 41° und darüber steigt, die Menge des
Zuckers, welche das Blut enthält, nicht variiert. Später, wenn
schlimmere Phänomene eintreten und die Temperatur sinkt, ver-
schwindet einerseits das Glykogen schnell, während andererseits der
Zuckergehalt des Blutes bei Milzbrand bis 2 — 3 °/00 steigt, bei Strepto-
kokkeninfektion dagegen bis zum Verschwinden sinkt.
Man kann daraus schließen, daß die Leber trotz des Fiebers den
Organismus gegen die Bakteriengifte oder andere weiter schützen
kann. Diese Resultate erlauben zahlreiche klinische Anwendungen
und erklären besonders die Schwere der Infektionskrankheiten bei
solchen Leuten, welche schon vorher an einer Leberkrankheit litten.
Roger (Paris), Ueber die Wirkung der Bakteriengifte
aufs Herz.
Verf. hat mittelst der graphischen Methode die Wirkung studiert,
welche die Gifte folgender Bakterien, B. septicus putidus, B. coli,
B. diphtheriae, Proteus vulgaris auf das Herz von Fröschen
652 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
ausübt. Die Kulturen dieser vier Mikroben verlangsamen die Herz-
schläge, steigern die Dauer der Systole, dessen Diagramm geradlinig
wird und verlängern die Diastole. Die Weite der Kontraktionen ver-
ringert sich unter dem Einflüsse der Gifte der Diphtheritis und
Coli, sie bleibt dagegen normal oder nimmt zu unter jenem des
Proteus und des B. septicus. Die faradische Reizbarkeit des
Herzens wird durch diese Gifte nicht verändert, ausgenommen von
jenen des B. septicus. Die durch diese Bakterien abgesonderten
Gifte, oder genauer ausgedrückt, die Substanzen, welche man durch
Alkohol aus den Kulturen ausfällen kann, machen das Herz voll-
kommen unreizbar.
Man kann es nicht mehr durch das Elektrisieren des Vagus zur
Ruhe bringen, man kann nicht mehr durch einen nach den Herz-
muskeln geleiteten Strom die Art und den Rhythmus der Kontraktionen
ändern.
Endlich ein letzter Charakterzug dieser Vergiftung besteht darin,
daß das Herz in Diastolen zu schlagen aufhört, nachdem die Systolen,
welche sehr energisch bleiben, aber immer seltener werden, bis zu
einem Intervall von einer Minute, um nachher vollständig auszu-
bleiben.
Bouchard und Charrin, Ueber die Gründe der Unschäd-
lichkeit einiger Parasiten.
Die Parasiten des Menschen können schädlich, nützlich oder in-
different sein. Einige Parasiten , welche in dem Menschen im
saprophytischen Zustande leben, können sehr schädlich werden, wenn
sie sich im Organismus anderer Tiere entwickeln. Im allgemeinen
zeigen die Parasiten, welche in der Luft Vorkommen, keine große
Virulenz.
Verff. haben den Grund dieses Verhaltens studiert vermittelst
einer mit der Oospora Guignardi ausgeführten Reihe von Ver-
suchen ; einem Pilze, welcher in der Luft lebt uud gewöhulich nicht
pathogen ist, wenn er auch mit den Luftröhrenschleimhäuten in Be-
rührung gekommen ist. Diesen Pilz züchtet man gut auf Kartoffeln,
in Gelatine , Bouillon, Milch etc. und besonders in den Bouillon-
kulturen zeigt er viele Berührungspunkte mit dem Milzbrand-
bacillus, da er weißliche, aus langen Fasern bestehende Flocken
bildet, welche zahlreiche Sporen enthalten. Verff. haben die Kulturen
in den verschiedensten Teilen des Körpers (Blutgefäße, Luftröhre,
Rippenfell, Peritoneum, Verdauungskanal, Unterhautgewebe, Meningen,
Auge, Sierosen etc.) von Kaninchen, Meerschweinchen, Vögeln, aber
immer ohne Erfolg, ausgenommen 2 mal unter 23 Fällen eingeimpft.
Wenn das Tier stirbt, findet man bei der Autopsie nur eine all-
gemeine Kongestion der Organe. Wenn aus diesen Organen Kulturen
angelegt werden, erhält man nur positive Kulturen während 2 — 5 Tagen
nach der Injektion. Die Mikroben findet man in größerer Quantität
in der Leber vor, vielleicht wegen des Glykogens, das darin ent-
halten ist.
Gegenüber den Antiseptika (Borsäure, Quecksilberchlorid, Naphtol)
scheint die Oospora empfindlicher zu sein, als der B. pyocyaneus,
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 653
dasselbe kann man sagen von dem Einflüsse des Druckes, der Wärme,
der Kälte, des Ozons, des Sauerstoffes, der Elektricität, des Lichtes etc.
Diese Agentien also, die uns umgeben, scheinen viel energischer auf
Oospora Guignardi zu wirken, als auf B. pyocyaneus. Dar-
aus schließen die Verth, daß dieser Pilz, wenn er in den Organismus
eintritt, schon sehr geschwächt sein muß. Außerdem zieht die
Oospora solche Medien vor, welche Zucker oder Kohlehydrate
enthalten, während der B. pyocyaneus wie alle anderen patho-
genen Mikroben die Peptone und die tierischen Gewebe vor-
ziehen. Folglich findet der B. pyocyaneus im Organismus bessere
Lebensbedingungen, als die Oospora, welche sich überhaupt im Serum
nicht gut entwickelt.
Wenn man die Oospora mit dem B. pyocyaneus einimpft, so
stirbt erstere im Kampfe ums Leben, wenn man sie aber in solchen
Verhältnissen einirapft, daß der letztere ohne Wirkung bleibt, so
kann die erstere seine Aktivität erhöhen.
Jedoch ist die Bildung giftiger Substanzen äußerst langsam ; die
sterilisierten Kulturen haben keine giftige Wirkung, nur wenn sie
drei Monate alt sind, können sie Hypothermieen verursachen.
Aus dem Gesagten ziehen Verff. den Schluß, daß gewisse Para-
siten, wenn sie auch in den Menschen eingeimpft werden, aus folgenden
Gründen unschädlich bleiben:
1) Weil die physischen und chemischen Agentien sie mehr schwächen,
als die anderen pathogenen Mikroben.
2) Weil sie im Organismus keine günstigen Lebens- und Entwicke-
lungsbedingungen finden.
3) Weil sie ihre Gifte sehr langsam absondern.
Bernheim, S. (Paris), Cow-Pox und Tuberkulose.
Auf dem Pariser Kongresse für Tuberkulose hat Verf. gezeigt,
daß sich der Koch’sche ißaci llus und die Pockenlymphe, ohne
sich gegenseitig irgend zu beeinflussen, in derselben Bouillonkultur
sehr gut entwickeln. In Anbetracht der Arbeiten von Toussaint
und der eigenen erklärte Verf., daß ^nan berechtigt wäre, den Ver-
dacht zu haben, daß die Schutzlymphe, welche von schwindsüchtigen
Menschen oder Tieren stammte, die direkte Ursache der Tuberkulose
sein könnte. In der That kommt die Tuberkulose in allen ihren
Formen sehr häufig bei Kindern vor, oft nach einigen Tagen oder
Wochen oder einigen Monaten nach der Impfung, und man kann da-
für keinen anderen Grund finden, als die Pockenimpfung selbst.
Bei der Autopsie einer sehr großen Anzahl von jungen Kühen,
auf welche Verf. Cow-Pox gezüchtet hatte, entdeckte er tuberkulöse
Verletzungen bei Tieren, welche das beste gesunde Aussehen hatten.
Er hat eine junge Kuh geimpft, welche spontan schwindsüchtig ge-
worden war, und nachher den größten Teil der erhaltenen Lymphe
einer schönen gesunden Kuh eingeimpft. Die Impfung entwickelte
sich normal, aber es trat auch ein starker kachektischer Zustand
ein. Nach 75 Tagen wurde die Kuh geschlachtet und alle Organe
waren mit zahlreichen Tuberkeln besät. Die aus dieser zweiten Kuh
erhaltene Lymphe wurde in großer Menge 9 Kaninchen eingeimpft,
654 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
von denen 4 schwindsüchtig starben. Verf. konnte weder in der
Impfungslymphe der ersten Kuh, noch in der der zweiten Koch-
sche Bacillen nachweisen.
Verf. zieht den Schluß, daß es gefährlich ist, aus einer leben-
digen Kuh direkt Menschen zu impfen, ohne zu versuchen, ob das
Tier gegen Tuberkulin reagiert. Wenn man kein vollständiges Zu-
trauen zu dieser Probe hat, ist es noch einfacher und sicherer, den
Cow-Pox nur alsdann zu brauchen, wenn die Autopsie das Tier
als gesund erwiesen hat.
Diese Methode hat Verf. seit mehreren Jahren in Anwendung
gebracht, sie ist äußerst einfach und bietet alle möglichen Garantieen.
Bernheim, S., Die Behandlung der Tuberkulose mit
immunisiertem Serum.
Man kann, wenigstens für einige Zeit, den Tieren die Immuni-
tät gegen Tuberkulose sichern. Um diese Immunität zu erhalten,
hat sich Verf. auf die Versuche von Kitasato und Behring
gegen Diphtheritis und Tetanus gestützt. Verf. hat anderthalb
Stunden lang eine frische Kultur von Koch’schen Bacillen bei 80°
erhitzt, am Chamberland filtriert und die filtrierten löslichen Produkte
im Verhältnis von 1 ccm zu 5 Kilo Gewicht Tieren eingeimpft. Er
hat diese Injektionen während 5 Tagen fünf- oder sechsmal an jedem
Tiere wiederholt. Die gesunden Tiere, welche für die erste Injektion
sehr empfindlich waren, sind für die anderen unempfindlich geblieben;
im Gegensätze zu den sehr jungen und kränklichen Versuchstieren,
welche an akuter Nephritis gestorben sind.
Die überlebenden Tiere sind gegen Tuberkulose widerstandsfähig
geworden; große Mengen von Koch’schen Bacillen, welche durch die
Verdauungs - , Atmunes - oder Unterhautwege eingeführt waren,
sind ohne schädliche Wirkung geblieben. War einmal dieser wider-
standsfähige Zustand erhalten, so wurde das Tier seziert, das Serum
mit allen möglichen Vorsichtsmaßregeln gesammelt, sterilisiert und
in Röhrchen zu 2 — 5 ccm eingeschmolzen. Diese Zubereitung ist
äußerst delikat, weil die organische Flüssigkeit sich sehr schnell zer-
setzt. Es ist wichtig, das Tier zu sezieren, wenn es zum Maximum
der Immunität gelangt ist. d. h. sofort nach der letzten Einimpfung
löslicher Produkte. Die Erfahrung hat eben gezeigt, daß die anti-
bakterische Wirkung des Serums mit der Zeit abnimmt, obschon
das Tier seine Immunität vollständig behält.
Verf. hat eine große Anzahl Schwindsüchtiger mittelst der
Serumtherapie behandelt. Er hat in der Nähe der Schulterplatte
und zwischen den Schultern zu Anfang jeden Tages, später alle
zwei Tage 1—3 ccm immunisiertes Serum eingeimpft. Diese Impfung,
welche nie schmerzhaft und auch nie gefährlich ist, sobald man die
gewöhnlichen antiseptischen Vorsichtsmaßregeln trifft, soll bei den
gewöhnlichen Fällen 3—4, bei den schwereren 5—6 Monate fortge-
setzt werden.
Verf. meint damit nicht, alle Arten von Tuberkulose zu heilen,
die erzielten Resultate sind aber jedenfalls sehr ermutigend und um
so besser, wenn das Uebel in seinem Beginne bekämpft wird und der
allgemeine Zustand des Patienten befriedigend ist.
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 655
Man kann sagen, daß dem immunisierten Serum eine impfende
Wirkung gegen die Tuberkulose zukommt. Nach Yerf. ist diese
Wirkung eine zweifache. In den Blutkreislauf eingeführt, zerstört
das Serum die zahlreichen Gifte, welche den Organismus des Tu-
berkulösen vergiften, Gifte, welche den Grund seines Fieberzustandes
und seiner Depression bilden. Sind dann die löslichen Produkte
neutralisiert, so gewinnt der Schwindsüchtige die verlorenen Kräfte
wieder, die Kraft der Leukocyten nimmt zu und erhalten schließlich
das Uebergewicht über die Bakterien.
Verf. hat sich auch des Serums bedient, um die Abkömmlinge
von Schwindsüchtigen zu impfen und jene Personen, welche während
einiger Zeit mit solchen zusammengelebt haben und angesteckt sein
konnten. Diese Schutzimpfung ist noch zu neu und die Versuche
sind noch nicht so zahlreich, um eine definitive Schlußfolgerung zu
erlauben.
Bemheim, S., Vorgängige Diagnose der Tuberkulose.
Verf. hat bemerkt, daß bei tuberkulösen Tieren die Lymphdrüsen,
welche in Beziehung zu dem Impfungrsorte stehen, geschwollen waren,
d. h. hier lokalisiert sich die erste Wirkung der Infektion. Verf. hat
außerdem noch bei allen Versuchsobjekten bemerkt, daß die Milz
stark hypertrophisch war, so daß sie das Volumen der Leber er-
reichte oder sogar überschritt. In einer späteren Periode ist das
ganze lymphatische System beteiligt, die Ganglien sind geschwollen
und man entdeckt in ihrem Parenchym die Koch’schen Bacillen.
Diesen Mikroorganismus findet man im Gegenteile sehr selten im
Blute, wo er nicht zu leben liebt.
Es geschieht dasselbe auch bei dem Menschen. Man findet selten
die Bakterien in dem Blute eines Schwindsüchtigen auch in einem
vorgeschrittenen Stadium, aber andererseits kann man manchmal die
Tuberkulose durch Einimpfung des Blutes solcher Individuen erzeugen.
Eine große Anzahl klinischer Symptome können dazu dienen,
eine vorgängige Diagnose zu stellen. Die Depression des allgemeinen
Zustandes, die Abschwächung der Nahrungsfunktionen, die eingetretene
Abmagerung, das Steigen der Temperatur, gewisse gastrische und
nervöse Störungen, welche die Aufmerksamkeit der Kliniker auf sich
ziehen, sind ebenso viele Anzeichen der Tuberkulose. Aber zu diesen
allgemeinen Merkmalen kann man andere präzisere hinzuzählen:
1) Die Untersuchung der physiologischen Flüssigkeiten. Der Harn
zeigt eine Zunahme von Phosphaten und eine Abnahme von Harn-
stoff, die gefärbten Elemente des Blutes sind nicht mehr normal, der
Auswurf enthält manchmal (selten) Bakterien, welche auch im Harne
Vorkommen können u. s. w. ; 2) die Einimpfung des Blutes des
Kranken in ein Tier; 3) die Untersuchung des lymphatischen Systems
(bei der Mehrzahl Schwindsüchtiger findet man schon im Anfänge
eine Hypertrophie gewisser Lymphdrüsen); 4) vor allem der Zustand
der Milz, welche bei Schwindsüchtigen immer geschwollen ist; 5) die
Einimpfung des immunisierten Serums, welches für die Tuberkulösen
ist, was Quecksilber für die Syphilitiker. Die ersteren sind für die
Serumtherapie sehr empfindlich, diese verbessert ihren Zustand, während
die anderen Kranken dieser Behandlung gegenüber unempfindlich bleiben.
656 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
Ausgenommen die sehr vorgeschrittenen Fälle von Tuberkulose,
bei welchen die Natur der Krankheit unzweifelhaft ist, muß man die
Mehrzahl der angegebenen Merkmale verbinden, um die Diagnose
sicherzustellen. Ein einziges ist fast immer ungenügend, um die
völlige Sicherheit zu erlangen.
Bernheim, S. (Paris), Erblichkeit und Ansteckung der
Tuberkul ose.
Verf. hat bei mehreren Generationen Kaninchen und Meer-
schweinchen, welche von tuberkulösen Tieren abstammten, beobachtet,
daß die Abkömmlinge, welche bei den tuberkulösen Eltern gelassen
wurden, zum größten Teile ebenfalls tuberkulös geworden sind; da-
gegen wenn die Neugeborenen sofort entfernt wurden, sind sie gesund
geblieben. Diese Entfernung allein konnte die Ansteckung verhindern,
ausgenommen jene Fälle, bei welchen auf der Placenta selbst Tuberkel
vorkamen. In diesen Fällen wurden alle Tiere ohne Ausnahme tuber-
kulös trotz der sofortigen Entfernung.
Die subkutane und intravenöse Injektion von frisch kultiviertem
Koch’ sehen Bacillus in trächtige Hunde, Kaninchen oder Meer-
schweinchen hat Verf. zu demselben Resultate geführt. Er konnte
sich überzeugen, daß die Jungen trotz der experimentellen Infektion
während der Schwangerschaft nie tuberkulös wurden. Man kann
deshalb sagen, daß die Bacillen die Placenta der Mutter nicht zu
durchdringen vermögen, wenn dieses Organ selbst gesund bleibt. Mit
Nocard glauben die Mehrzahl der Tierärzte, daß die Schwindsucht
in dem Tierreiche eine seltene Krankheit bei den Neugeborenen ist,
so daß dieselben wenig an die Erblichkeit der Phthisis glauben.
Verf. konnte selbst beobachten, daß man die Kinder von schwind-
süchtigen Eltern von der Tuberkulose retten konnte, wenn man die-
selben sofort nach der Geburt vom Infektionsorte entfernte. Eine
Ausnahme bilden nur diejenigen, welche von einer tuberkulösen Pla-
centa oder von Tuberkeln des Uterus oder der Scheidenhaut ange-
steckt worden waren. In diesem Falle sind die Neugeborenen immer
unter zwei Jahren gestorben.
Verf. hatte Gelegenheit, drei Fälle von schwindsüchtigen Frauen,
welche Zwillinge geboren hatten, zu beobachten. Er konnte jedesmal
eines der Kinder im Vaterhause durch eine gesunde Amme ernähren
lassen, während die anderen aufs Land geschickt und mit dem
Biberon aufgezogen wurden. Die drei ersten, welche in der Familie
geblieben sind, starben ; der eine an Lungenschwindsucht, die zwei
anderen an tuberkulöser Meningitis, und außerdem starben auch zwei
von den Ammen an der Tuberkulose. Die entfernten Kinder dagegen,
welche auf dem Lande unter gesunden hygienischen Umständen auf-
gezogen wurden, sind alle drei noch am Leben und gesund.
Verf. glaubt zu der Schlußfolgerung berechtigt zu sein, daß eine
wirkliche Erblichkeit der Tuberkulose nicht existiert, daß alle Phthisis-
formen durch Ansteckung verursacht werden, und daß alle Kinder,
welche von schwindsüchtigen Eltern stammen, sofort nach der Ge-
burt vom Infektionsorte entfernt werden müssen. (Fortsetzung folgt.)
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc. ß57
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen
Instituten, Laboratorien etc.
Aus dem Hygienischen Institute in Kiel.
Die Bakterien des Meeres nach den Untersuchungen der
Planktonexpedition unter gleichzeitiger Berücksichtigung
einiger älterer und neuerer Untersuchungen1).
Von
Dr. Bernhard Fischer.
Verf. hat die Untersuchungen über die Meeresbakterien, die er
bereits im Herbst 1885 aut' einer Reise nach Westindien begonnen
hatte , größtenteils im Sommer 1889 auf der PlanktoDexpedition
ausgeführt. Dieselben wurden vervollständigt durch zahlreiche, im
hygienischen Institute zu Kiel seit 1887 angestellte Untersuchungen.
Eine willkommene Ergänzung bildeten schließlich Meerwasserunter-
suchungen, die der Marinestabsarzt Dr. R. Bassenge im vergangenen
Jahre auf Kreuztouren in den heimischen Gewässern, sowie auf einer
Fahrt nach Trinidad nach Anleitung des Verf. ’s ausgeführt hat.
Die Arbeiten beziehen sich auf den Atlantischen Ocean, den eng-
lischen Kanal, die Nord- und die Ostsee. Unter regelmäßiger Ent-
nahme von Wasserproben und unter alsbaldiger Untersuchung der-
selben wurde der Ocean von etwa 60° Nord- bis etwa 8° Südbreite
nach verschiedenen Richtungen und auch zu verschiedenen Jahres-
zeiten durchkreuzt. Alle wichtigeren Strömungen des Oceans wurden
dabei durchfahren und der Ocean nicht weniger als 6mal auf ver-
schiedenen Breiten durchquert.
Zum erstenmal fand eine derartige Durchquerung des Oceans
auf der Heimreise von Westindien (Januar bis April 1886) statt.
Nachdem das Schiff von La Guayra (Venezuela) durch das Karai-
bische Meer nach den Virginischen Inseln, Santa Cruz und S.
Thomas gesegelt war, erfolgte von hier aus die Fahrt durch den
Ocean erst in fast nördlicher Richtung bis in die Nähe der Ber-
mudainseln , worauf Kurs auf die Azoren genommen und nach
einem Besuche der Insel Fayal der englische Kanal angesteuert
wurde. Auf der Weiterreise nach Kiel wurden im Kanäle Plymouth
und in der Nordsee Wilhelmshaven angelaufeu. Im ganzen gelangten
31 Meerwasserproben zur Untersuchung, 5 von den Ankerplätzen,
2 aus dem Karaibischen Meere, 18 aus dem Ocean (Antillenstrom,
Sargassosee, Golfstrom), davon 1 aus 190 m Tiefe und 5 aus dem
Kanal bezw. der Nordsee und dem Großen Belt.
Bei der Planktonexpedition, welche Mitte Juli 1889 von Kiel
aus ging, wurde die Nordsee auf dem direkten Wege von Skagen
nach dem Pentland Firth (Straße zwischen den Orkneiinseln und
1) Ergebnisse der Plankton-Expedition der Humboldt-Stiftung. Bd. IV. M. g. Kiel
u. Leipzig (Lipsius & Tischer) 1S94.
658 Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologiscben Instituten etc.
Schottland) durchschnitten, sodann der Ocean auf etwa 60° Nord-
breite von der Nordspitze von Schottland bis in die Nähe der Süd-
spitze von Grönland durchfahren, worauf nach Südwesten abgeschwenkt
und die Reise über die Neufundlandbank nach den Bermudainseln
fortgesetzt wurde. Hierbei wurden Wasserproben aus dem Golfstrome,
der irminger See, dem Nordgrönland-, Westgrönland-, Labrador- und
Floridastrome, sowie aus der Sargassosee entnommen. Von den
Bermudainseln fand die Weiterreise im August erst in östlicher
Richtung durch die Sargassosee und weiterhin durch den Kanarien-
strom nach den Cap Verdeninseln statt, von denen S. Vincent und
S. Jago angelaufen wurden. Von hier ging es anfangs September
durch den Nordäquatorial-, Guinea- und Südäquatorialstrom bis zur
Insel Ascencion, wobei auch die vom Süden kommende kalte Strö-
mung, der sog. südatlantische Strom, gestreift wurde, und fand von
hier aus die Fahrt über den Ocean nach Para in Brasilien in ziem-
lich gerader Richtung, südlich vom Aequator, im Südäquatorialstrome
statt. Anfangs Oktober erfolgte von hier die Rückreise über die
Azoren, von denen Ponta Delgada auf S. Miguel angelaufen wurde,
durch den englischen Kanal und die Nordsee nach Kiel, welches
anfangs November erreicht wurde. Dieses Mal konnten bei der
Fahrt durch den Ocean Wasserproben aus dem Südäquatorial-,
Guinea- und Nordäquatorialstrome, aus der Sargassosee und aus dem
Golfstrome für die Untersuchung gewonnen werden. Die Gesamtzahl
der auf der Planktonfahrt untersuchten Meerwasserproben betrug
126, wovon nur 10 auf die heimischen Gewässer entfallen und allein
29 aus z. T. beträchtlichen Meerestiefen entnommen waren. Auch
zur Untersuchung von Proben des Meeresgrundes aus oceanischen
Tiefen bot sich einige Male Gelegenheit, ohne daß indes in den 4 aus
1523, 2406, 5250 bezw. 4099 m Tiefe entnommenen Grundproben
durch die mikroskopische Untersuchung oder durch die Kultur Mikro-
organismen nachgewiesen werden konnten. Uebrigens wurden gelegent-
lich auf der Planktonexpedition auch lebende und tote Fische und
andere Seetiere auf Bakterien untersucht.
Von Dr. Bassenge wurden auf den Kreuztouren (Sommer 1893)
in den heimischen Gewässern 28 Meerwasserproben, auf der Reise
nach Trinidad (Oktober und November 1893) sowie auf einer sich
anschließenden Fahrt durch das Karaibische Meer (Dezember 1893)
39 Wasserproben, davon 14 aus 10 und 1 aus 6 m Tiefe untersucht.
Die Fahrt ging vom englischen Kanal über Madeira und Teneriffa,
westlich an den Cap Verdeninseln vorbei, worauf im Bereiche des
Nordäquatorialstromes, etwa in derselben Gegend, in welcher vom
Verl, bereits im Herbste 1885 Untersuchungen ausgeführt worden
waren, die Ueberfahrt über den Ocean stattfand.
Die Untersuchungen im hygienischen Institute zu Kiel bestanden
einmal in der weiteren Beobachtung und Bearbeitung der von den
transatlantischen Reisen mitgebrachteu , bezw. von Dr. Bassenge
eingesandten Kulturen, sie bezogen sich aber andererseits auf Wasser,
Sand, Fische und andere Seetiere, sowie auch auf Pflanzen aus der
Nord- und der Ostsee. Bei einer größeren Zahl der Wasserunter-
suchungen aus dem Kieler Hafen und den angrenzenden Teilen der
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc. 659
Ostsee war auch die Menge der Bakterien bestimmt, im übrigen
dienten die Untersuchungen zur Feststellung der in den heimischen
Gewässern vorkommenden Bakterien, von denen insbesondere die
Leuchtbakterien eine eingehende Berücksichtigung fanden.
Die Entnahme der Wasserproben erfolgte mit Hilfe von keim-
frei gemachten Gefäßen unter thunlichster Vermeidung einer Ver-
unreinigung. Zur Erlangung von Wasser aus der Tiefe dienten der
Tiefwasserschöpfer von Sigsbee, sowie der ähnliche, vom Verf. für
diesen Zweck konstruierte Apparat, der sich zur Entnahme von
Proben aus beliebiger Tiefe für die bakteriologische Untersuchung
besonders geeignet erwies, und von dem der Verf. auch schon in
Bd. XIII der Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh. eine ausführ-
liche Beschreibung und zugleich auf Tafel III eine Abbildung ge-
geben hat.
Zu den Aussaaten wurde auf der westindischen Reise die
gewöhnliche Nährgelatine — in wärmeren Gegenden eine mit 2 Proz.
Agar versetzte — benutzt, und zwar wurden teils Platten gegossen,
teils die flüssig gemachte Gelatine in möglichst weiten Reagenz-
gläsern nach Einbringen der Wasserprobe und nach genügender Ver-
mischung in thunlichst schräger und daher möglichst dünner Schicht
zum Erstarren gebracht. Bei den weiteren Untersuchungen konnte von
den inzwischen eingeführten Schälchen- bezw. Rollröhrchenkulturen
Gebrauch gemacht und dadurch die Untersuchung an Bord wesentlich
erleichtert werden. Auf der Planktonexpedition wurden regel-
mäßig neben der Nährgelatine bezw. der Nähragargelatine, bei den
späteren Untersuchungen aber überhaupt ausschließlich Fischseewasser-
pepton-Gelatine bezw. -Agargelatine verwandt. Diese Fischseewasser-
näürböden waren ähnlich wie die gewöhnliche Nährgelatine hergestellt,
nur fand statt Rindfleisch dasjenige grüner Heringe und statt Wasser
mit V 2 Proz. Kochsalz Seewasser aus der Nordsee bezw. aus dem
Atlantischen Oceane Verwendung. Es zeigte sich, daß manche Meeres-
bakterien nur auf diesen Seewassernährböden wuchsen oder sich
daselbst wenigstens besser entwickelten, als auf den Nährböden mit
dem gewöhnlichen Salzgehalte. Statt der auf der westindischen
Reise gewöhnlich zu den einzelnen Aussaaten verwendeten Wasser-
mengen von 0,5 und 0,05 ccm, die sich als zu klein herausgestellt
hatten, wurden später gewöhnlich 1,0 und 0,25 ccm, ja mehrfach sogar
2 — 4 ccm genommen.
Durch die weitere Untersuchung und Beobachtung der
Kulturen wurde die Zahl sowie das makroskopische und mikro-
skopische Verhalten der gewachsenen Kolonieen festgestellt. Stets
wurde auf das Vorkommen von die Gelatine verflüssigenden Arten,
von makroskopisch erkennbaren Schimmelpilzen und von im Dunkeln
leuchtenden Kolonieen geachtet. Bei der ebenfalls regelmäßig aus-
geführten Untersuchung mit schwacher Vergrößerung wurde das Aus-
sehen der Kolonieen festgestellt. Auf der westindischen Reise, sowie
auf der Planktonfahrt schloß sich hieran in der Regel die Unter-
suchung in Färbepräparaten und im hängenden Tropfen, soweit das
nicht durch zu starke Bewegungen des Schilfes bei stürmischem
Wetter u. s. w. unmöglich gemacht wurde. Von allen bei dieser
660 Original-Referate aus bakteriologischeu und parasitologischen Instituten etc.
vorläufigen Untersuchung an Bord als verschieden erkannten Kolo-
nieen jeder einzelnen Wasserprobe wurden Reinkulturen zur weiteren
Untersuchung angelegt. Leider blieb aber infolge einer laugdauern-
den schweren Malariaerkrankung, welche sich der Verf. auf der
Planktonreise zugezogen hatte, die Untersuchung der zahlreichen,
von dieser Expedition mitgebrachten Reinkulturen eine unvollständige.
Verf. macht im ersten Kapitel seiner Abhandlung eingehendere
Angaben über die Entnahme der Proben von der Meeresoberfläche
und aus der Tiefe, über die Aussaat sowie über die weitere Unter-
suchung der Kulturen und teilt zum Schlüsse seine Erfahrungen in
Betreff der Wahl, Einrichtung uud Ausrüstung des Arbeitsraumes
au Bord mit.
Das zweite Kapitel enthält die Einzelergebnisse der auf den
transatlantischen Reisen, sowie auf den Kreuztouren in den hei-
mischen Gewässern ausgeführten Meerwasseruntersuchungen. Von
224 Einzelproben sind in Tabellen Auszüge aus den Untersuchungs-
protokollen gegeben. Dieselben enthalten Angaben über das Datum,
die Tageszeit, die geographische Lage, über die Entfernung der Ent-
nahmestellen vom nächsten Lande, über die Tiefe, aus welcher die
Proben entnommen, über die Temperatur der Luft und des Wassers,
über die Meeresströmungen und das Verhalten der Meeresober-
fläche, über die Witterung etc. Außer dem jedesmaligen Keimgehalte
finden sich in den Tabelleu noch Aufzeichnungen über besondere
Vorkommnisse, Versuchsstörungeu etc., sowie vor allen Dingen über
das mikroskopische und kulturelle Verhalten der im Meerwasser
nachgewieseuen Mikroorganismen. Die mehrfach im Meerwasser an-
getrotfenen, bezw. die eingehender untersu chten Mikroorganismen, die
fast durchweg bisher noch nicht bekannt waren, sind der besseren
Uebersichtlichkeit halber mit Kamen belegt und meist in Aumerkungeu
kurz beschrieben. Bei den aus dem Meere reingezüchteten Leucht-
bakterienarten beschränkt sich die Beschreibung auf diejenigen
Merkmale, welche eine rasche, bezw. sichere Unterscheidung der
einzelnen gefundenen Arten von einander bezw. von früher be-
schriebenen gestatten ; eine eingehendere Beschreibung derselben soll
demnächst in dieser Zeitschrift erfolgen.
Zu den wiederholt beobachteten, bezw. eingehender untersuchten
Meeresbakterien gehörten auf der westindischen Reise Hai ib acte -
rium pellucidum, roseum und liquefaciens, sowie der
damals aus dem Karaibischen Meere gezüchtete „westindische
Leuch tb acil 1 us“, von welchem bereits in Band II. der Zeit-
schrift für Hygiene eine eingehende Beschreibung gegeben ist. Auf
der Plauktonreise zeigte wieder Halibacterium pellucidum die
größte Verbreitung, häufiger angetroffen, bezw. eingehender unter-
sucht wurden noch: Halibacterium polymorphum, auran-
tiacum, rubrofuscum und purpureum, sowie 4 lichtent-
wickelnde Meeresbakterien, von denen Photobacterium delga-
dense im Hafen von Ponta Delgada, Photobacterium phos-
phorescens, degenerans und tuberosum aber in der Kordsee
gefunden waren. Photobacterium phosphorescens war bereits
von Fischen der Nord- und Ostsee bekannt, die 3 auderen Arten
Original-Refsrate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc. 60 ^
sind bisher noch nicht beschrieben. Auf den Kreuztouren in der
Ostsee wurde von Dr. Bassenge die vom Verf. als „einheimischer
Leuchtbacillus“ in Band III. dieser Zeitschrift beschrie-
bene Leuchtbakterienart (= Photobacterium Fischeri,
Beyerinck) angetroffen, und in der Nordsee fanden sich hei den
Kreuztouren im Sommer 1893 wieder Photobacterium de-
generans und tuberosum. Auf der Ausreise nach Trinidad
wurden dann aus der Nordsee noch 2 Leuchtbakterien isoliert, die
bei den weiteren Untersuchungen im hygienischen Institute zu Kiel
als zwei neue Arten erkannt und als Photobacterium papillare
und glutinosum bezeichnet wurden. Von 3 aus dem englischen
Kanäle isolierten und dem Institute eingeschickten Leuchtbakterien
stimmte das eine mit Photobacterium glutinosum aus der
Nordsee überein, die anderen beiden, als Photobacterium annu-
lare und corona tum bezeichneten Arten waren neu. Auch das im
Dezember 1893 aus dem Karaibischen Meere gezüchtete Leucht-
bacterium erwies sich als von den bisher bekannten verschieden.
Dasselbe wurde nach seinem Fundorte Photobacterium cara-
ibicum genannt.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem Keimgehalte des
Meeres. Nur in besonders großen Tiefen sowie außerdem an ganz
vereinzelten Stellen der Oberfläche des Oceans konnten in den unter-
suchten Wassermengen Mikroorganismen nicht gefunden werden.
Bei 175 untersuchten Proben von der Meeresoberfläche betrug
der höchste Keimgehalt 29400, der niedrigste 0, der durchschnitt-
liche 1083. Letzterer wurde nur 26 mal überschritten. 7 mal fanden
sich gar keine, 57 mal 1—25, 17 mal 26—50 und 14 mal 51 bis
100 Keime. Bei 54 Proz. der Wasserproben von der Meeresober-
fläche betrug der Keimgehalt höchstens 100, bei 66 Proz. höchstens
250 Keime pro ccm.
In nächster Nähe des Landes wurde oft ein außerordentlich
hoher Keimgehalt im Meerwasser angetroffen, derselbe verminderte
sich indes, wie namentlich durch die Untersuchungen im Kieler
Hafen festgestellt wurde, mit der Entfernung vom Lande rasch, und
war vor der Kieler bezw. Flensburger Föhrde schon in 5 km Abstand
vom Lande der Einfluß desselben auf den Bakteriengehalt nicht mehr
wahrzunehmen. Zu ganz ähnlichen Resultaten waren De Giaxa,
sowie Russell bei ihren in der Zeitschrift f. Hygiene. Bd. VI. bezw.
Bd. XI mitgeteilten Untersuchungen im Golf von Neapel gekommen.
Die Untersuchungen von Russell bilden übrigens die einzigen bis-
her bekannt gewordenen systematischen Arbeiten über die Meeres-
bakterien.
Auch bei den überseeischen Reisen wurde in weniger als 3 See-
meilen Abstand vom Lande gewöhnlich ein höherer Keimgehalt be-
obachtet, so daß derselbe bei 14 derartigen Proben bspw. nur 1 mal,
also in 7 Proz., weniger als 250 betrug, während bei 158 in größerem
Abstande vom Lande geschöpften Proben 110 mal, also in 69 Proz.,
weniger als 250 Keime im ccm gezählt wurden.
Während der Ebbe war auf den Ankerplätzen der Keimgehalt
XV. bi. 42
662 Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc.
2 mal höher, 1 mal (allerdings bei sehr geringem Abstande vom Lande)
dagegen niedriger als bei Flut.
In den Binnenmeeren wurde ein höherer Keimgehalt häufiger
angetroffen als im Ocean. Bei 56 Proz. der 39 Binnenmeerproben
wurdeu mehr als 100 und bei 41 Proz. sogar mehr als 250 Keime
im ccm gezählt, während sich unter 121 ebenfalls in mehr als 3 See-
meilen Entfernung vom Lande geschöpften Oceanproben nur bei
38 Proz. über 100 und nur bei 28 Proz. über 250 Keime im ccm
fanden. Die Ostsee zeigte hierbei i. A. einen höheren Keimgehalt
als die Nordsee. Einige besonders niedrige Werte, wie sie für den
Keimgehalt in der Nordsee und im Kattegat gerade zur Sommerszeit
gefunden wurden, sowie den niedrigen Keimgehalt im Karaibischen
Meere wird man nach den bei den Oceanuntersuchungen gemachten
Erfahrungen wohl auf die bakterienschädigende Wirkung des Sonnen-
lichtes zurückzuführen haben.
Im Ocean wurden unter den erwähnten 121 Oberflächenproben
7 mal 0, 49 mal 1 — 25, 12 mal 26—50, 8 mal 51 — 500, 13 mal 101 —
250, 7 mal 251 — 500, 13 mal 501—1000, 6 mal 1001 — 5000, 4 mal
5001 — 10000 und 2 mal über 10000, nämlich 18900 bezw. 28000
Keime pro ccm nachgewiesen. Der Keimgebalt an der Oberfläche des
Oceans war demnach meist ein niedriger und nur an
einigen Stellen ein besonders hoher. (Nur bei etwa 20 Proz. der
Proben von der Oberfläche betrug der Keimgehalt mehr als 500.)
Für dieses auffallende Verhalten des Keimgehaltes an der Ober-
fläche des Oceans ließ sich anfangs eine genügende Erklärung nicht
geben. Erst bei weiterem Zusehen wurde festgestellt, daß die Mehr-
zahl der Entnahmestellen mit hohem Keimgehalte auf die Ränder
der Meeresströmungen bezw. auf das Grenzgebiet zwischen 2 Strömun-
gen fiel. Die der Abhandlung beigegebene Karte, bei welcher auf
den Fahrtlinien der jedesmalige Keimgehalt der Meeresoberfläche
graphisch dargestellt ist, gleichzeitig aber auch die Meeresströmungen
ersichtlich gemacht sind, läßt das Vorkommen der hohen Werte für
den Keimgehalt an den Stromgrenzen bezw. Randpartieen der
Strömungen deutlich erkennen. Die an den Strömungsgrenzen vor-
kommenden Stromkabbelungen, die man gewöhnlich auf aufwärts ge-
richtete Strömungen zurückführt und die mehrfach an den Entnahme-
stellen mit hohem Keimgehalte auch wirklich beobachtet waren,
führten zu einer befriedigenden Erklärung der auffallenden Ver-
schiedenheiten im Keimgehalte der Oceanoberfläche. An den Stellen
mit besonders hohem Keimgehalte der Meeresoberfläche muß eine
Zufuhr keimreichen Wassers aus der Tiefe stattfinden. Daß unter-
halb der meist keimarmen Oberfläche keimreichere Wasserschichten
Vorkommen, ergaben die Untersuchungen von Wasserproben aus der
T ie f e.
Während in den 4 dem Meeresgründe aus Tiefen von 1523
—5250 Metern entnommenen Proben, wie bereits erwähnt, Bakterien
mit Sicherheit nicht nachgewiesen werden konnten, wurden im
Wasser bis zu 1100 Meter Tiefe Bakterien angetroffen, ja sie fanden
sich bis zu 400 Meter Tiefe regelmäßig und sogar meist in größerer
Zahl. Nach den bei Untersuchung von Wasser aus der Tiefe ge-
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc. ßß3
machten Erfahrungen ist es übrigens nicht unwahrscheinlich, daß
auch noch in größeren Tiefen vereinzelte entwickelungsfähige
Keime angetroffen werden.
Wenn der Meeresgrund im Oceane Bakterien nicht enthielt, so-
mit ein wesentlich anderes Verhalten zeigte, als der Meeresgrund im
Mittelmeere bezw. im Golfe von Neapel, woselbst Russell selbst noch
in der aus 1100 Meter Tiefe heraufgeholten Schlammprobe 24000
Keime pro ccm nachzuweisen vermochte, so wird man das in erster
Linie auf die weit niedrigere Temperatur in den oceanischen
Tiefen zurückzuführen haben. Mehrfach wurden in 200 bezw. 400
Meter Tiefe weit mehr Bakterien gefunden, als in der an derselben
Stelle von der Oberfläche geschöpften Probe.
Eine derartige Verteilung der Bakterien in senkrechter Richtung
mußte die Vermutung nahe legen, daß die bei der Mehrzahl der
Proben von der Oberfläche beobachtete Keimarmut unter dem Ein-
flüsse des Sonnenlichtes zustande komme. Kulturen verschiedener
aus dem Meere isolierter Bakterien ließen in der That, wenn sie im
August in Kiel nur kurze Zeit der Mittagssonne ausgesetzt waren,
die bakterienvernichtende Wirkung der Sonne deutlich erkennen,
selbst dann noch, wenn die Sonnenstrahlen erst eine 1/2 Meter dicke
Schicht von Seewasser zu durchdringen hatten, ehe sie auf die Kul-
turen trafen. Dafür, daß die Sonne auf die Bakterien der Meeres-
oberfläche schädigend einzuwirken vermag, sprach auch die wieder-
holt gemachte Beobachtung, daß die Entwickelung der Kolonieen in
den Aussaaten der Oberfläcbenproben weit langsamer und schwächer
erfolgte, als in den gleichzeitig angefertigten Aussaaten von Wasser
aus der Tiefe. Alle etwa vorhandenen Zweifel an der Richtigkeit
obiger Vermutung mußten aber verschwinden, als bei den vergleichen-
den Untersuchungen auf der Fahrt von Kap Verden nach Trinidad
kurz nach Sonnenaufgang regelmäßig ein weit höherer Keimgehalt
gefunden wurde, als in den jedesmal erst am Nachmittage geschöpften
Oberflächenproben, und daß ferner in den zu gleicher Zeit aus
10 Meter Tiefe entnommenen Proben meist mehr als 2000 (zum
, mindesten aber 790) Keime gefunden wurden, während in den ent-
sprechenden Obei flächenproben nur ein einziges Mal 126, sonst aber
nur 14 — 53 Keime pro ccm gezählt wurden.
Hiernach wird man überall da, wo die Sonne eine genügende
Kraft entfaltet, wo sie hoch genug steht, wo sie lange genug ein-
wirkt, wo ihre Wirkung nicht durch Wolken, Nebel u. s. w. abge-
schwächt oder aufgehoben wird, an der Meeresoberfläche einen niedrigen
Keimgehalt antreffen, falls nicht, wie das gerade an den Stromgrenzen
bezw. Stromrändern vorzukommen scheint, durch fortwährendes Auf-
steigen von Wasser aus tiefen, keimreicheren Wasserschichten ein
höherer Keimgehalt der Oberfläche zustande kommt. Die Tiefe, bis
zu welcher sich die bakterienschädigende Wirkung des Sonnenlichtes
bemerkbar macht, wird abhängig sein von der Stärke und Dauer der
Sonnenwirkung, sowie auch von dem Verhalten (Klarheit) des Wassers.
Für gewöhnlich scheint dieselbe nach den bisherigen Erfahrungen nur
einige Meter tief zu reichen, so daß es keine besonderen Schwierig-
keiten zu machen scheint, auch bei in Fahrt befindlichem Schiffe
42*
004 Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologischen Instituten etc.
Wasserproben für die Untersuchung aus Schichten zu gewinnen, bis
zu welchen die Sonne ihre bakterienschädigende Wirkung noch nicht
entfaltet hat.
Solange diese unterhalb der keimärmeren Oberfläche befind-
lichen, an Keimen reicheren Schichten noch nicht genauer untersucht
sind, kann man sich von der Menge der im Meere vorkommenden
Bakterien noch keine richtige Vorstellung machen. Bei einer Be-
rechnung, bei welcher angenommen wurde, daß das Mittel des Keim-
gehaltes an der Oberfläche und in 200 m Tiefe annähernd dem
mittleren Keimgehalte in der oberen, 200 in tiefen Wasserschicht ent-
spricht, wurde gefunden, daß die am westlichen Rande der Sargasso-
see in einer Wassersäule von 200 m Höhe und 0,1 qm Querschnitt
vorhandenen Bakterien den Raum von nicht ganz */ 64 ccm ein-
nehmen, während die Menge der in derselben Wassersäule schweben-
den, durch die Planktonnetze herausgefischten Tiere und Pflanzen
an denselben Stellen des Ozeans etwa 4,1 ccm, also etwa das 260-
fache betrug.
Das letzte Kapitel handelt von der Art und Beschaffenheit, sowie
von der Verbreitung und Bedeutung der durch bakteriologische Unter-
suchung im Meere nachgewiesenen Mikroorganismen.
Schimmelpilze fanden sich mit einer einzigen Ausnahme nur
in Entfernungen vom Lande, bis zu welchen sie durch die Luft oder
Wasserströmungen vom Lande aus sehr wohl getragen sein konnten.
Dagegen wurden Sproßpilze wiederholt besonders auf der
Strecke Schottland-Grönland-Neufundlandbank, sowie in dem nach
Südosten umbiegenden Teile des Golfstromes in so großen Entfernungen
vom Lande und in so großer Zahl angetroffen, daß sie dahin unmög-
lich vom Lande aus gelangt sein können, daß man vielmehr eine
Entwickelung von Sproßpilzen im Meere annehmen muß. Nach
Laboratoriumsversuchen vermehren sie sich im Meerwasser, auch
können sie sich in demselben längere Zeit schwebend erhalten.
Durch das Sonnenlicht werden sie ähnlich wie die Bakterien
abgetötet. Meist handelte es sich um die sogenannten Tor u la arten,
1 Mal wurde die sog. „schwarze Hefe“, und einige Male wurden
Mycod ermaarten gefunden, worüber demnächst in dieser Zeit-
schrift weitere Mitteilungen gemacht werden sollen.
Am häufigsten und zahlreichsten von allen Mikroorganismen
wurden in den Aussaaten Bakterien angetroffen, die sich aber
morphologisch und biologisch von den am Lande vorkommenden
unterschieden. Typische „Kokken und „Bacillen“ wurden auf hoher See
so gut wie stets vermißt. Die Meeresbakterien = Halibakterien, von
welchen die lichtentwickelnden, aus dem Meere gezüchteten, nach
Beyerinckals Photobakterien bezeichneten eine Unterabteilung bilden,
sind durch die Mannigfaltigkeit in der Form und Größe sowie da-
durch gekennzeichnet, daß bei den einzelnen Arten regelmäßig
schraubig gekrümmte Formen Vorkommen. Letztere sind zuweilen so
überwiegend, daß die Bakterien von Kommabacillen auf den ersten
Blick nicht zu unterscheiden sind. Bei anderen Arten und zu
anderen Zeiten beherrschen die kugeligen und stäbchenartigen, nicht
gekrümmten Formen das Bild, und finden sich die letzteren teils als
Original-Referate aus bakteriologischen und parasitologiscben Instituten etc. 665
Kurz-, teils als Langstäbchen, teils als gegliederte oder ungegliederte
Fäden. Auch anderweitige Anordnung sowie Vereinigung durch
Zooglöamassen wird vielfach beobachtet. Häufig sind involutions-
artige Formen. Die gefärbten Bakterien zeigen oft Lücken. Sporen
wurdeu bisher nicht gefunden, obwohl einige der Meeresbakterien in
Agarkulturen nach 21/a Jahren noch nicht abgestorben waren.
Bei allen Meeresbakterien wurde, wenigstens zeitweise, Eigen-
bewegung beobachtet, die oft eine außerordentlich lebhafte war.
Die Darstellung der Bewegungsorgane ist bis jetzt noch nicht in be-
friedigender Weise gelungen, bei einigen wurden von dem einen Pole
ausgehende Büschel längerer, wellig gebogener Geißelfäden ge-
sehen. Die Meeresbakterien eignen sich nicht für die Färbung
nach Gram.
Auch in den Kulturen findet sich oft eine weitgehende Aehn-
lichkeit zwischen den Meeresbakterien und den Kommabacillen
(Vibrionen), sie unterscheiden sich aber von den letzteren durch ihre
Vorliebe für die Seewassernährböden, auf denen die Kommabacillen,
darunter auch die in letzter Zeit mehrfach aus Flußwasser sowie
aus menschlichen Darmausleerungeu isolierten lichtentwickeln-
den Vibrionen (Dunbar-Kutscher), nicht so kräftig wachsen wie auf
den Nährböden mit gewöhnlichem Salzgehalte. Eine Ausnahme hier-
von machen nur die in Seewasser gekochten Kartoffeln, auf denen
die Kommabacillen durchweg besser gedeihen, als auf gewöhnlichen
Kartoffeln. Die Meeresbakterien können schon im gewöhnlichen
Meerwasser eine Vermehrung erfahren, sie gedeihen üppig in mit
1 Proz. Pepton versetztem Seewasser sowie in Peptonkochsalzlösungeu.
In Seewasser gekochte Kartoffelstücke sowie gekochte Fische bilden
gute Nährböden für dieselben. Sie gedeihen nicht auf sauren Nähr-
böden, einige wachsen auch bei Sauerstoffabschluß.
Aus ihrem Vorkommen in großen Meerestiefen darf man schließen,
daß es unter ihnen solche giebt, die einen sehr hohen Druck (z. B.
mehr als 100 Atmosphären) unbeschadet längere Zeit ertragen
können.
Unter den Leuchtbakterien wurden allein 5 Arten gefunden, die
schon bei 0° C wachsen, andere zeigten noch bei 46° C Wachstum.
Die Veränderungen, welche einige der lichtentwickelnden Meeres-
bakterien an den Nährlösungen hervorriefen und die durch Rötung,
Bläuung bezw. Entfärbung des zugefügten Lackmusfarbstoffs, bezw.
durch Rotfärbung auf Schwefelsäurezusatz (Nitrosoindolreaktion), bezw.
durch Gasbildung in zuckerhaltigen Nährlösungen angezeigt wurden,
blieben einige Male trotz anscheinend gleicher Versuchsbedingungen aus.
Mehrfach wurde bei den Meeresbakterien auch eine Farbstoff-
bildung beobachtet, dieselbe wurde zum Teil zur Benennung der
einzelnen Arten verwertet.
Die Lichtentwickelung, die bei vielen Meeresbakterien beobachtet
wurde, findet sich nach den erwähnten neueren Beobachtungen auch
bei Süßwasserbakterien, ist also nicht, wie man früher glauben konnte,
auf die halophilen Bakterien beschränkt. Manche Leuchtbakterien
verlieren bei der Züchtung rasch ihr Leuchtvermögen oder erfahren
hierbei bezw. durch künstliche Eingriffe eine Abschwächung desselben.
666
Bakterien und Fleisch
Auch unter natürlichen Verhältnissen scheint nach einer Be-
obachtung eine solche Abschwächung des Leuchtvermögens
stattzufinden.
Bei Uebertragung größerer Mengen von Leuchtbakterien der ver-
schiedenen Arten in das Peritoneum von Meerschweinchen oder Mäusen
starben die Tiere, und konnte bei eiuigen Arten auch eine Vermehrung
der Bakterien im lebenden Tierkörper nachgewiesen werden. Mit den
uichtleuchtenden Meeresbakterien, von denen allerdings keine frisch
aus dem Meere isolierten Kulturen zur Verfügung standen, gelang es
auf diese Weise nicht, die Tiere krank zu machen oder zu töten.
Im ganzen schien die Zahl der im Ocean vorhandenen Arten
eine geringe, einige Meeresbakterien hatten eine sehr große Ver-
breitung im Ocean.
Während der Nachweis von Leuchtbakterien in den Küsten-
regionen und Binnenmeeren vielfach gelang und dieselben dort auch
durch eine größere Zahl von Arten vertreten waren, so daß z. B. in
der Nordsee allein 8 Arten nachgewiesen sind, konnten sie bisher im
Wasser auf hoher See nicht gefunden werden. Daß sie daselbst nicht
völlig fehlen, geht schon daraus hervor, daß sie einmal auf einem
mitten im Ocean gefangenen „fliegenden Fische“ angetroffen wurden.
Jedenfalls sind sie auf hoher See für gewöhnlich in weit geringerer
Zahl vorhanden, als in der Nähe des Landes.
Nach den in betreff der Meeresbakterien gemachten Beobachtungen
darf man annehmen, daß sie als Zersetzungserreger im Ocean eine
ähnliche Rolle spielen wie die Bakterien auf dem Festlande, d. h. sie
führen die abgestorbene organische Substanz in die einfachen an-
organischen Verbindungen über, deren die Pflanzen zu ihrem Aufbau
bedürfen, und helfen somit die Nahrung für die übrige Lebewelt des
Oceans bereiten. Zu der letzteren scheinen sie aber auch noch in
anderen Beziehungen zu stehen, da sie bei Fischen und anderen See-
tieren sowohl an der Körperoberfläche, als auch im Darmkanale
mehrfach angetroffeu wurden. Ob sie den übrigen Lebewesen auch
als Krankheitserreger verderblich werden können, muß zunächst noch
dahingestellt bleiben. Autoreferat.
Referate.
Bordoni-Uffreduzzi, Ein Fall von fuchsin ähnlicher Bak-
terienfärbung des Fleisches. (Hygienische Rundschau.
1894. Heft 1.)
Verf. fand an den Ueberresten eines gebratenen Huhnes den
Bacillus prodigiosus, welcher dieselben gleichmäßig mit roter
Farbe überzogen hatte, so daß das Fleisch wegen Verdachts auf
Vergiftung eingeliefert wurde. Gelegentlich dieses Fundes stellte
Verf. einige Färbst offreaktioneu mit dem Bacillus an. Das Pig-
ment ist in Wasser gut löslich und verleiht demselben eine fuchsin-
Strumitis. — Pyonephrose. 667
rote Farbe, mit leichtem Stiche ins Gelbe. Noch deutlicher tritt die
Gelbfärbung in der alkoholischen Lösung hervor.
1) Die wässerige Lösung in Berührung gebracht mit entfetteter
weißer Wolle und gekocht, färbt den Faden gerade wie eine Fuchsin-
lösung. Durch längeres Kochen wird die Farbe noch intensiver.
2) Gir a rd’sche Fuchsinprobe. Die wässerige Fuchsinlösung mit
Ammoniak in Berührung gebracht, wird entfärbt, indem Rosanilin
frei wird und Chlorammon auftritt. Zieht man mit Aether oder
Amylalkohol das Rosanilin aus, so wird die neue Lösung durch
einige Tropfen Essigsäure wieder rot (Rosanilinacetat).
Die wässerige Pigmentlösung dagegen wird mit Ammoniak
gelblich -blaß. Aether oder Amylalkoholextrakt läßt aber ebenfalls
Rotfärbung auftreten nach Zusatz von einigen Tropfen Essigsäure.
Verf. vermutet daher, daß die Farbe der Pigmentlösung des Prodi-
giosus aus zwei verschiedenen Farbstoffen bestehe.
3) König’sche Probe. Ein entfetteter Wollfaden wird in der vor?
her mit Ammoniak behandelten Fuchsin lösung gekocht, dann wird der
ungefärbte Faden in konz. Aetzkalilösung gelöst und diese Lösung
mit Amylalkohol und Aether zu gleichen Teilen verrührt, dann färbt
sich die abgeklärte und filtrierte alkoholisch-ätherische Lösung durch
Essigsäure rot.
Diese Probe mit dem Farbstoffe des Prodigiosus angestellt,
ergiebt :
a) Die Wolle bleibt in der alkalischen Lösung rot.
b) Die in der Aetzkalilösung vorhandenen Wollreste bewahren ihre
rote Farbe, die Lösung ist aber ungefärbt.
c) Die alkoholisch - ätherische Lösung zeigt bei Essigsäurezusatz
ganz leichte Rotfärbung.
4) Die wässerige Fuchsinlösung, mit Salzsäure behandelt, verliert
ihre rote Farbe und nimmt eine schmutzig-grüne Färbung an. Die
des Bacillus prodigiosus verliert durch die Salzsäure ihren natür-
lichen Reflex und nimmt eine glänzende fucbsinrote Farbe an.
Aus diesen Proben geht hervor, daß die in den Pigmentschollen
des Bacillus prodigiosus enthaltene chromogene Substanz
zwar dem Fuchsin sehr ähnlich aber doch nicht mit ihm iden-
tisch ist. 0. Voges (Danzig).
Schnitzler, Julius, Chirurgisch-bakteriologische Mit-
teilungen. [Aus Hofrat Albert’s Chirurg. Klinik in Wien.]
(Internationale klinische Rundschau. 1893. No. 16, 17, 20, 21.)
1) Zur Aetiologie der Strumitis. Sch. konnte 5 Fälle von
Strumitis bakteriologisch untersuchen. 3 mal fand er den Weichsel-
baum’schen Diplococcus, 2mal blieb die Untersuchung erfolg-
los, indem weder mikroskopisch noch kulturell Mikroorganismen
nachweisbar waren. Sch. betont die relative Häufigkeit der Diplo-
kokkenbefunde bei Strumitis und bringt sie in Beziehung zu der
Lage der Schilddrüse zu den Athemwegen, in welch letzteren der
genannte Mikroorganismus fast stets anzutreffeu ist.
2) Pyonephrose, dasBacterium coli commune enthaltend.
Verf. berichtet über einen zunächst mit Nephrotomie behandelten
668
Peritonitis.
Milzbrand.
Fall, in welchem der eiterige Nierenbeckeninhalt das B. coli in
großer Menge und ohne jede andere Beimengung enthielt. Als
einige Monate später die erkraukte Niere exstirpiert wurde, wies
dieselbe nur hydronephritische Veränderungen auf. Verf. hat nun
Versuche über die Einwanderung des B. coli in die Niere in der
Weise angestellt, daß er zunächst einen Ureter ligierte und daun den
Darm des Tieres verschiedenen Schädlichkeiten aussetzte. Doch er-
folgte niemals eine Infektion der derart erzeugten Hydronephrose
durch Darmbakterien. Sch. hat diese Versuche unternommen, weil
ihm das Hinaufwandern des B. coli aus der Blase in das Nieren-
becken ohne Retentio urinae (und eine solche bestand in dem er-
wähnten Falle nie) nicht wahrscheinlich war.
3) Zur Bakteriologie eiteriger Peritonitiden. In 3 Fällen von
Perforatiousperitonitis, die vom Processus vermiformis ausge-
gangen waren, fand sich das B. coli commune in Reinkultur.
Alle 3 endeten tödlich. In einem Falle von Dünndarmperforations-
peritonitis (bei der Taxis rupturirte Hernie) fand sich der
Staph. pyog. in Reinkultur. Der Fall ging in Genesung aus.
Endlich erwähnt Verf. einen Fall von abgesackter eiteriger Peritonitis,
in welchem die bakteriologische Untersuchung des Eiters Staphylo-
coccus in Reinkultur, die Untersuchung des verdickten Peritoueums,
von dem ein Stück behufs Untersuchung exstirpiert worden war,
Tuberkulose ergab. Die Sektion wies vom Genitale ausgehende
Peritonealtuberkulose nach.
4) Abscesse, durch seltenere Eiterungserreger bedingt. In zwei
Fällen wurde der Weichselbaum ’sche Diplococcus, im dritten
der Staph. cereus albus als alleiniger Urheber gefunden. Mit
letzterer Art stellte Sch. erfolglose Selbstimpfungsversuche an.
5) Zur Therapie der Pustula maligna. Einer 28-jährigen Bürsten-
bindergattin, bei welcher die Exstirpation der über dem Handgelenke
befindlichen Milzbrandpustel keine Besserung der Allgemeinsymptome
bewirkt hatte, entfernte Sch. die geschwollenen, hämorhagisch in-
farzierten Axillardrüsen. Sofortiger Temperaturabfall, Genesung. In
den exstirpierten Drüsen fanden sich Milzbrandbacillen. Sch. tritt
für die Exstirpation der infizierten regionären Drüsen bei Anthrax
ein. Autoreferat.
Roger, Sur les variations de laglycog6niedansl’in-
fection charbouneuse. (Gazette m6dicale de Paris. 1893.
No. 45.)
Kultiviert man Milzbrand in Leberabkochungen, so konstatiert
man schon nach weniger als 24 Stunden, daß alles Glykogen ver-
schwunden und auch keine Spur von Zucker mehr vorhanden ist.
Bei milzbrandinfizierten Kaninchen bleibt die glykogenbildende Funk-
tion der Leber in den ersten Tagen unbeeinflußt; die Menge des
Zuckers im Blute ist normal oder etwas verringert. Gegen Ende
der Krankheit verschwindet das Glykogen aus der Leber und es
entsteht ein deutlich vermehrter Glykosegehalt des Blutes.
Abel (Greifswald).
Schutzimpfung, klinstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. ßgQ
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
Tizzoni, Gr. e Cattäni, Gr., Ulteriori ricerche sperimentali
sulla immunitä contro il tetano. (La Rif. med. 1893.
p. 250—253.)
Die Neuheit der Lehre über die Immunisierung und Serum-
therapie läßt es sehr wünschenswert erscheinen, auch die eigenen
Versuche unter günstigen Bedingungen zu wiederholen, welche nicht
selten dazu beitragen, daß die ursprünglichen Resultate in mehr oder
weniger wesentlicher Art richtiggestellt werden können. Auch die
auf diesem Gebiete rühmlichst bekannten Verff. sahen sich veranlaßt,
die in das Kapitel der Tetanusimmunisierung und Heilung ein-
schlagenden Versuche neuerdings aufzunehmen und auf folgende vier
Hauptfragen auszudehnen :
1) Haben die zoologischen Unterschiede der verschiedenen Tier-
gattungen einen Einfluß auf den Grad des Immunisierungswertes
des Blutserums?
2) Ist es möglich, auf irgend welche Weise den Immunisierungswert
des Blutserums ad maximum zu steigern?
3) Wie wirkt das Blutserum kurativ?
4) Auf welche Weise gewinnt man aus dem Blutserum die darin
enthaltene wirksame Substanz in möglichster Reinheit?
In Bezug auf die erste Frage haben die dahin gerichteten Ver-
suche ergeben, daß für eine bestimmte Tierart (Kaninchen) den
größten Immunisierungswert das homogene (von derselben Tiergattung
stammende) Blutserum besitzt.
Was den zweiten Punkt anbelangt, so war schon durch frühere
Forschungen sicher erwiesen, daß das Blutserum eines Tieres einen
um so größeren Immunisierungswert besitzt, als das Tier größere Dosen
virulenter Tetanuskulturen verträgt. Die erneuert an Pferden, Hunden
und Kaninchen ausgeführten Versuche haben nun ergeben, daß bei einem
Pferde der Immunisierungswert des Serums die Höhe von 1 : 2500000
erreichte, als die Menge der injizierten Tetanuskultur auf 100 ccm
stieg ; bei dem zweiten Pferde stieg derselbe bei 200 ccm Kultur bis
auf 1 : 100000000.
Für den Hund fand sich bei 300 ccm injizierter Kultur ein Im-
munisierungswert von 1 : 1000000, für das Kaninchen nach Injektion
von 10 ccm Kultur ein Wert von 1 : 1000000.
Führt man diese Zahlen auf das Körpergewicht der Tiere (Pferd:
400 kg, Hund: 20 kg, Kaninchen: 2 kg) zurück, so ergiebt sich, daß
das Blutserum dieser Tiere in folgendem Verhältnisse einen höheren
Immunisierungswert erlangt :
Tier: Menge der auf 1 kg Tier Immunisierungs-
injizierten Kultur: wert:
Pferd 7, ccm 1 : 100 000 000
Hund 15 „ 1 : 1000 000
Kaninchen 5 „ 1 : 1000000
670 Schutzimpfung, künstl. Infektionskraukheiten, Eutwickelungshemmung etc.
Das will so viel sagen, daß beim Pferde bei Injektion von lOmal,
beziehungsweise 30 mal geringerer Quantität Kulturals beim Kaninchen
und Hunde ein 100 mal so großer Immunisierungswert des Blutes er-
zielt wurde.
Es ist sehr wahrscheinlich, daß man durch Steigerung der in-
jizierten Kulturmenge einen noch höheren Immunisierungswert erzielen
könnte; doch glauben die Verff., daß dies für praktische Zwecke über-
flüssig sei und für die Behandlung des Menschen ein Blutserum mit
1 : 1000000 Wert vollkommen genüge, wobei die Tiergattung keine
Rolle spielt.
Eine vielfach ventilierte und verschieden gedeutete Frage ist die
dritte in Bezug auf die Wirkungsweise des Blutserums immunisierter
Tiere. Die ursprünglich aufgestellte Ansicht, daß dasselbe auf die
Weise wirke, daß eine darin enthaltene Substanz das Tetanusgift zer-
störe, also antitoxisch wirke, ist gegenwärtig nicht mehr haltbar.
Wäre dies der Fall, so müßte die Injektiou des Heilserums sofort
wirken und nicht, wie es thatsächlich der Fall ist, erst im Verlaufe
von einem und mehreren Tagen ; es müßte auch der Rückgang der
tetanischen Erscheinungen ein rascher, nicht aber, wie durch vielfache
Versuche erwiesen wurde, ein allmählicher mit mitunter wochen- und
monatelanger Persistenz der lokalen tetauischen Symptome sein.
Es müßte unter allen Verhältnissen, selbst im vorgeschrittenen
Stadium des Tetanus, eiu Nachlaß der Symptome eiutreten, was aber
in den meisten so weit vorgeschrittenen Formen nicht zutriflft. Es
ist daher eher anzunehmen, daß das Heilserum keine antitoxische,
sondern nur eine immunisierende Wirkung entfaltet, insofern, als es
die bereits entwickelten tetanischen Kontrakturen nicht löst, sondern
nur die noch nicht ergriffenen Partieen des Nervensystems immuni-
siert und auf diese Weise den Tetanus lokalisiert. Nur auf diese
Weise läßt sich eben erklären, warum das Heilserum, beziehungsweise
die darin enthaltene wirksame Substanz die Heilung des Tetanus in
der Regel nur dann bewirkt, wenn es im Beginne der Affektion an-
gewendet wird und warum bei nur kurzer Dauer der immunisieren-
den Wirkung eine Rückkehr der tetanischen Erscheinungen statt-
findet. Es muß eben im letzteren Falle angenommen werden, daß
die immunisierende Wirkung des Serums früher aufhört, noch bevor
das ganze Tetanusgift aus dem Körper eliminiert wurde. Als Beweis
für die Richtigkeit dieser Ansicht führen die Verff. mehrere Versuche
an Kaninchen auf, welche sämtlich folgenden Verlauf nahmen:
Es wurden den Tieren an der linken hinteren Extremität
Quantitäten einer virulenten Kultur, welche in 5 — 6 Tagen den Tod
der Tiere herbeizuführen pflegten, injiziert. Tags darauf, nachdem
die ersten lokalen Erscheinungen sich ausgebildet hatten, Injektion
einer die Tiere sonst immunisierenden Menge Pferdeheilserum. Im
Laufe der nächsten Tage Steigerung der lokalen tetanischen Er-
scheinungen ad maximum, sodann allmählicher Rückgang.
Die Injektion des Serums hat somit wohl die tetanischen Sym-
ptome lokalisiert, ihre volle Entwickelung konnte sie jedoch nicht ver-
hindern.
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 071
Diese Annahme ist auch wohl imstande, jenes scheinbar wider-
sinnige Versuchsergebnis Behring’ s zu erklären, nach welchem eine
gleichzeitige oder zeitlich nahe aneinander gerückte Injektion von
Tetanusgift und Heilserum die Entwickelung tetanischer Symptome
nicht zn verhindern vermag. Es findet hier gewissermaßen ein Wett-
lauf dieser zwei Substanzen statt; diejenige Substanz, welche früher
am Ziele anlangt, d. h., welche früher das Nervensystem occupiert, dasselbe
durchtränkt und unempfindlich gegen die andere macht, siegt. Die
Wirkung des sogenannten Tetanusantitoxins ist demnach eine in-
direkte und die Bezeichnung „Antitoxin“ im strengsten Sinne des
Wortes unrichtig.
Die Gewinnung dieser wirksamen Substanz aus dem Serum in
möglichst reinem Zustande geschah nun auf zweifache Art.
Nach der einen Methode wurde, nachdem vorausgegangene Ver-
suche sichergestellt haben, daß das Antitoxin eine nicht dialysier-
bare Substanz ist, eine wässerige filtrierte Lösung des alkoholischen
Präcipitats mehrere Tage dialysiert, sodann wieder mit Alkohol ge-
fällt, neuerdings in Wasser aufgelöst, filtriert und schließlich über
Schwefelsäure getrocknet. Die auf diese Art gewonnene Substanz
hatte dieselben Eigenschaften, wie die nach der folgenden zweiten
Methode gewonnene.
Eine bestimmte Quantität Serum wurde mittelst titrierter Essig-
säurelösung neutralisiert und sodann daraus die Globuline mit
20 Volumen destillierten Wassers ausgefällt. Nach erfolgter Sedi-
mentierung wurde die klare Flüssigkeit abpipettiert, das Präcipitat
am Filter gesammelt und wiederholt mit Wasser gewaschen. Auf
diese Weise erhielt man die Globuline und die Serine, die in der
Flüssigkeit verblieben sind, voneinander getrennt und konnte mit
beiden für sich experimentieren. Es stellte sich dabei heraus, daß
das der Globuline beraubte Serum nahezu dieselbe Menge Antitoxin
enthielt, wie das Originalserum, während die präcipitierten Globuline
nur eine Spur dieser beim Ausfällen mechanisch mitgerissenen Sub-
stanz enthielten. Diese wurde nun durch Fällung mit Alkohol und
weiterer Behandlung nach der zuerst geschilderten Methode isoliert
und stellte in getrocknetem Zustande ein goldgelbes Pulver dar.
Dieser Körper quillt zunächst, in Wasser auf und löst sich sodann;
die Lösung ist leicht opalisierend. Die Löslichkeit ist in leicht al-
kalischem Wasser eine größere; zur Lösung dieser Substanz ist eine
geringere Quantität Wasser nötig, als diejenige des Serums beträgt,
aus welchem sie gewonnen wurde. Die physiologische Wirkung ist
dieselbe wie die des Heilserums, und zwar genügt bei Mäusen eine
minimale Menge, eine Nadelspitze voll, bei Kaninchen 1 cg, um die
Tiere teils sicher zu immunisieren, teils bei Infektion mit tödtlichen
Giftdosen zu heilen, und man kann annehmen, daß 40— 50 cg dieser
Substanz genügen dürften, um beim Menschen auch Fälle von akutem
Tetanus zur Heilung zu bringen. Camen (Czernowitz).
672
Neue Litteratur.
Neue Litteratur
zusammengestellt von
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Chiari, H., Ueber das Vorkommen von
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Berücksichtigung einiger älterer und
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Schnitzler , Julius , Chirurgisch-bakterio-
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Schutzimpfung, künstliche Infektions-
krankheiten, Entwickelungshemmung
und Vernichtung der Bakterien
und Parasiten.
Tizzoni, G. e Cattani, G., Ulteriori ricerche
sperimentali sulla immunitä contro il
tetano, p. 669.
Neue Litteratur, p. 672.
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Preis für den Band (26 Nummern) 14 Mark.
Jährlich erscheinen zwei Bände.
— Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten, jfe-
Die Redaktion des „ Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
kunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Horrekturabzüge direkt am
den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena, gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage, später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original - Mittheilungen.
Kurze Mitteilungen über einige Versuche zur Frage
der fäulniswidrigen Eigenschaften der Kohlensäure.
[Aus dem hygienischen Institut zu München.]
Von
Dr. C. Steinmetz
in
München.
Die Einwirkung der Kohlensäure auf die Fäulnis ist von Kolbe *)
und von Carl Fraenkel1 2) untersucht worden3). Beide verfuhren
1) Kolbe, Antiseptische Eigenschaften der Kohlensäure. (Journal f. prakt. Chemie.
Neue Folge. Bd. XXVI. 1882. p. 249 ff.)
2) Carl Fraenkel, Die Einwirkung der Kohlensäure auf die Lebensthätigkeit der
Mikroorganismen. (Zeitschr. f. Hygiene. Bd. V. p. 332 ff.)
3) Wie mir Herr Prof. T s u b o i mitteilte , sind über denselben Gegenstand auch
XV. Bd. 43
678
C. Steinmetz,
nach verschiedenen Methoden; beide kamen auch zu verschiedenen
Resultaten.
Kolbe hing Ochsenfleisch in CO 2- Atmosphäre auf und konnte
nach 14 Tagen bis 3 Wochen durch Geruch, Gesicht und Geschmack
das Ausbleiben von Fäulnis konstatieren. Er hält somit „d i e K o h 1 e n -
säure für ein vorzügliches Mittel, Ochsenfleisch vor
Fäulnis zu bewahren und ihm mehrere Wochen lang
den Wohlgeschmack zu erhalten“. Am Schlüsse seiner
Arbeit finden wir sogar den Satz: „Vielleicht ist die Kohlensäure
bei chirurgischen Operationen als Antiseptikum verwendbar etc.“
F r a e n k e 1 infizierte mit Nährbouillon gefüllte Kolben mit faulen-
den Substanzen und setzte sie dann dem C02-Strome aus. Es zeigte
sich, daß „durch die C02 zwar der Eintritt der Fäulnis in der
Regel verzögert und hinausgeschoben wurde, daß dieselbe aber in
allen Fällen schließlich doch zur Entwickelung kam“. Nach Fraenkel
„kann mit Bestimmtheit behauptet werden, daß die
C02 als ein fäul nis wi d ri g es Mittel, als ein Antisepti-
kum im engeren Sinne des Wortes, nicht verwertet
werden kann und ihr höchstens die Fähigkeit zu-
kommt, bestehende Fäulnis in geringem Maße einzu-
schränken und beginnende in ihrer Entwickelung zu
hem men“.
Das sind zwei ziemlich entgegengesetzte Ansichten. Es wäre
nun immerhin von einiger praktischer Bedeutung, zu wissen, ob wir
in der C02 wirklich ein Mittel besitzen, Fleisch mehrere Wochen
lang zu konservieren. In der Hoffnung, diese Frage zu entscheiden,
habe ich auf Anregung von Herrn Prof. Emmerich Kolbe’s
Versuche wiederholt, dabei aber das Fleisch vor und nach der Auf-
bewahrung in CO 2 einer bakteriologischen Untersuchung unter-
worfen.
Zunächst konnte konstatiert werden, daß, wie auch schon Kolbe
angiebt, wenn man das Fleisch auf dem Boden von mit C02 ge-
füllten, luftdicht verschlossenen Glasflaschen aufbewahrt, von einer
fäulniswidrigen Wirkung der C02 nichts zu bemerken ist.
Es wurden nun je */4 Pfund frisch geschlachtetes Ochsenfleisch,
teils in dem von Liborius zur Züchtung der Anaeroben angegebenen
Apparate, teils in den von Kolbe angegebenen Blechbüchsen mit
Glycerinverschluß frei aufgehängt und so lange aus einem Kipp ’schen
Apparate C02 durchgeleitet, bis die Luft vollständig verdrängt war
(Eintauchen des Luftaustrittsschlauchs in Kalilauge, bis keine Gas-
blasen mehr aufsteigen). Alsdann wurden die Apparate verschlossen,
Bei der Herausnahme des Fleisches nach 12 — 14 Tagen war in
sämtlichen Versuchen nicht die Spur von Fäulnisgeruch wahrnehm-
bar, während gleichzeitig in gleichen Apparaten in Luft aufbewahrtes
Fleisch sich schon in hochgradiger Zersetzung befand. Das in C02
aufbewahrte Fleisch roch leicht säuerlich , sah an der Oberfläche
graurötlich, an einzelnen Stellen mehr livid aus. Die Schnittfläche
von Prof. Ogata in Tokio Versuche ausgeführt worden. Die Arbeit ist jedoch nur
in japanischer Sprache erschienen.
Mitteilungen über einige Versuche zur Frage fäulniswidriger Eigenschaften etc. 679
verhielt sich nach Aussehen und Geruch wie die von frischem
Fleische. Die Reaktion des Fleisches und des meist nur in geringer
Menge abgetropften Fleischsaftes war schwach, aber deutlich sauer.
Also eine vollständige Uebereinstimmuug mit den Kolbe 'sehen
Resultaten.
Was lehrte aber nun die bakteriologische Untersuchung? In
Präparaten von der Oberfläche, Schnittfläche und vom abgetropften
Fleischsafte fanden sich stets massenhaft Bakterien. Erbsengroße
Stücke, die von der Oberfläche und Schnittfläche mit sterilen Instru-
menten entnommen und zu Gelatineplatten verarbeitet wurden, er-
gaben im Vergleiche zu den vor der Aufbewahrung in C02 aus den-
selben Fleischstücken in gleicher Weise hergestellten Platten, daß
eine ganz bedeutende Vermehrung derBakterien statt-
gefunden hatte; meist war die Gelatine schon nach 24 Std.
vollständig verflüssigt, und es gelang erst, zählbare Platten zu be-
kommen, wenn man die Fleischstückchen in 10 ccm Bouillon schüttelte
und davon einige Oesen in die zur Platte bestimmte Gelatine über-
trug. Zur Illustration mögen einige in folgender Tabelle zusammen-
gestellte Versuche dienen:
Frisch geschlacht. Ochsenfleisch
ln
C02 auf bewahrt
d
S
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Zahl der Keime
auf den
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Zahl der Keime auf den
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12 Tage
Erbsengroßes St
Schnittfläche in
jillon geschüttelt
6 Oesen über
85
O
4526
|
Um zu entscheiden, ob diepakterientötenden Eigenschaften des
Serums bei der Konservierung in C0.2 in Betracht kämen, wurden
in mehreren Versuchen die Fleischstücke vor der Aufbewahrung in
C02 x/2 Stunde lang auf 60° erhitzt. Doch war bezüglich der
Bakterienvermehrung und des sonstigen Verhaltens dieses Fleisches
43*
680
M. Braun,
dem vorher nicht erhitzten Fleisch gegenüber kein wesentlicher
Unterschied zu beobachten.
Kochte man die der Schnittfläche des in C02 auf bewahrten
Fleisches entnommenen Stückchen 20 Minuten lang vor der Ver-
arbeitung zu den Platten, so wuchs auf den Platten nichts mehr.
Es hatte demnach während des Aufenthaltes in CO, keine Sporen-
bildung stattgefunden, d. h. es waren jedenfalls keine so wider-
standsfähigen Sporen, wie die des Bacillus subtilis etc., ge-
bildet worden.
Was die Arten der auf den Platten zur Entwickelung gekom-
menen Bakterien angeht, so waren es teils festwachsende Kurz-
stäbchen und Kokken, teils verflüssigende Bacillen. Auf den Platten
vom Rande fanden sich gewöhnlich die meisten, auf denen des
vorher erhitzten Fleisches die wenigsten verflüssigenden Kolonieen.
Ließ man das Fleisch nach der Aufbewahrung in C02 auf einem
Teller an der Luft liegen, so zersetzte es sich sehr rasch an den
Stellen, die infolge des Aufliegens auf den Teller feucht blieben,
während es an der freien Oberfläche zu einer schwärzlichen Masse
vertrocknete. Diese Beobachtung, im Verein mit den Resultaten der
ersten Versuche, bei denen die im Fleischsafte am Boden der Gefässe
liegenden Fleischstücke trotz Eindringens der C02 in den Fleisch-
saft, was sich durch die entstehende schwärzliche Färbung kund
gab, rasch faulten, scheinen darauf hinzuweisen, daß es für die Kon-
servierung des Fleisches im Sinne Kolbe’s auf eine kombinierte
Wirkung der Trockenheit und des C02 ankommt. Von einer
wirklichen Konservierung des Fleisches in CO2 kann
jedoch, da eine bedeutende Vermehrung der Fäulnis- i
bakterien in der C02- Atmosphäre stattfindet, nicht
die Rede sein. Dagegen scheint durch den kombi-
nierten Einfluß der Trockenheit und der C02 der
F äulnis p ro ze ß etwas verlangsamt, der Eintritt der
stinkenden Fäulnis gehemmt zu werden.
Dies stimmt auch mit den Fraen keTschen Ergebnissen.
München, den 10. April 1894.
Helminthologische Notizen. IV.
Zur Entwickelungsgeschichte der Holostomiden.
Von
M. Braun.
Unsere Kenntnisse über die Entwickelung der Holostomiden sind
sehr dürftige : sie beschränken sich auf die Kenntnis des Miracidien-
stadiums einer oder zweier Arten, sowie darauf, daß im Laufe der
Zeit einige zwanzig Tetracotyle (i. S. Brandes) bekannt ge-
worden sind, die man mit vollem Rechte als die Larven von Holo-
stomiden in Anspruch nimmt — aber in keinem einzigen Falle ist
Helminthologisehe Notizen. IV.
681
die Zugehörigkeit irgend einer dieser Tetra cotyl elarven zu Holo-
stomidenarten gesichert. Denn der bekannte Fütterungsversuch
Ercolani’s (1881) hat nur die Möglichkeit der Umwandlung einer
Tetra cotyle in ein Holostomum statuiert, die Artfrage aber
offen gelassen, während ein zweiter Versuch (Brandes, 1890) vom
Autor selbst als nicht beweisend angesehen wird.
Diese große Lücke sollte durch Versuche ausgefüllt werden, die
ich den Herren A. und O. Ehrhardt, Kandidaten der Medizin
an hiesiger Universität, vorgeschlagen hatte; ich will nur kurz die
Resultate hier mitteilen, da eine ausführlichere Publikation für eine
andere Stelle vorbereitet ist.
Zuerst versuchten wir es, Holostomidenlarven (Diplostomum
volvens und Tetracotyle ovata) in das Eiweiß zu bebrütender
Hühnereier einzuführen, in der Erwartung, daß die Entwickelung der
Larven so weit fortschreiten würde, daß man die Speciescharaktere
würde erkennen können. Diese Erwartung ist getäuscht worden, zwar
konnten wir 3 und 5 Tage nach der Bebrütung die eingeführten
Tetracotylen im Eiweiße lebend wiederfinden, aber eine Entwickelung
derselben hatte nicht stattgefunden.
Wir wendeten uns daher zu Fütterungsversuchen: In der An-
nahme, daß die zahlreichen Krähen, die sich an den Ufern der Haffe
im Sommer herumtreiben, ihre Holostomiden (Holostomum
sphaerula Duj.) sich aus den Augen von Fischen holen, die tot
am Strande liegen, wurden zuerst einige Nebelkrähen (Corvus cornix)
mit Diplostomum volvens v. Nordm., das in den Augen hiesiger
Fische, besonders Cyprinoiden sehr häufig ist, gefüttert — jedoch
ohne Erfolg, die Versuchstiere blieben frei von Holostomiden.
Dagegen gelang es, Diplostomum volvens im Darme von
jungen Lachmöwen (Larus ridibundus) in Hemistomum spa-
thaceum überzuführen; die noch als Nestjunge zu uns gelangten
Möwen wurden in einem Käfig längere Zeit gehalten, nur mit Pferde-
fleisch und dann nach einigen Wochen mit Augen von Cypri-
noiden gefüttert, welche D iplost om um volvens enthielten; es
gelang, eine große Zahl von Uebergängen der Larve zum geschlechts-
reifen Hemistomum bei den infizierten Tieren zu sammeln, ent-
sprechende Stadien auch bei natürlich infizierten Möwen zu finden,
so daß die Infektionsquelle als festgestellt angesehen werden kann.
Eine zweite Versuchsreihe wurde mit Te tr aco tyle ovata,
encystiert am Peritoneum und besonders am Herzen von Acerina
cernua (Kaulbarsch), angestellt: Versuche an Passer domesticus
(Sperling) und Corvus cornix (Nebelkrähe) ergaben kein Resul-
tat; dagegen wurde Tetracotyle ovata in Holostomum
variegatum Crepl. im Darme von Lachmöwen (Larus ridibun-
dus) und Seeschwalben (Sterna hirundo) übergeführt. Die In-
fektion gelang ganz sicher bei 5 von 6 Versuchstieren; das sechste
bekam während der Versuchszeit eine sehr heftige Diarrhöe, auf
deren Auftreten wir den Mißerfolg schieben dürfen. Denn abge-
sehen von dem Erfolge in den anderen Fällen liegen so zahlreiche
Uebergangsstadien von Tetracotyle ovata in Holostomum
variegatum vor, daß dadurch die Richtigkeit des Resultates er-
682 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
wiesen ist. Auch hier konnte durch das Auffinden von solchen Ueber-
gangsstadien in erlegten Seeschwalben der Weg der natürlichen In-
fektion erkannt werden.
Zu einer dritten Versuchsreihe dienten Tetracotyle colubri
v. Linst, (aus Ringelnattern und Kreuzottern) sowie zwei Waldkäuze
(S t r i x a 1 u c o) und ein Bussard (B u t e o vulgaris), ebenfalls junge
Tiere, die erst wochenlang mit Pferdefleisch gefüttert worden waren,
ehe die Versuche begannen; die genannte Tetracotyle ging in
H.olostomum variabile Nitzsch über.
Endlich standen im Herbste 1893 noch zwei Störche (Ciconia
alba) zur Verfügung, junge Tiere, die seit Monaten frei im
Garten des Museums herumliefen und mit Pferdefleisch gefüttert
wurden, freilich auch selbst Insekten, Landschuecken und Regen-
würmer auflasen, Tiere, in denen jedoch Holostomidenlarven bisher
nicht gefunden worden sind. Es war von vornherein wahrscheinlich,
daß der Storch seine Holostomiden (Holostomum cornu Nitzsch
und Hemistomum excavatum) sich aus Fröschen holt; daher
erhielt der eine Storch im November 1893 eine Rana esculenta,
die sehr stark mit dem großen Codonocephalus mutabilis
durchsetzt war; bei der 8 Tage nach der Iufektion vorgenommenen
Sektion fanden sich keine Holostomiden. Der andere Storch erhielt
Mitte Oktober 15 Rana temporaria, die hierorts fast immer zahl-
reiche Tetracotylen führen ; bei der 4 Wochen später vorgenommenen
Sektion wurden im Darme etwa 100 Exemplare von Hemistomum
excavatum (geschlechtsreif) und zwei jüngere (d. h. mit nicht
entwickelten Genitalien) gesammelt; es ist sehr wahrscheinlich, daß
hier die Infektion auf den Fütterungsversuch zurückzuführen ist.
Dagegen gelang es nicht, Tetracotyle musculicola Wldbg.
(aus Leuciscus rutilus) durch Verfütterung an Corvuscor-
nix und Larus ridibundus zur Ansiedelung zu bringen. — In
diesem Jahre sollen die Versuche fortgesetzt und namentlich die Ent-
wickelung der Tetracotylen studiert werden.
Königsberg i. Pr., den 1. April 1894.
Bakteriologische und parasitologische Kongresse.
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen
Kongresse in Korn.
Referent: Dr. G. Sanarelli, Privatdozent in Rom.
(Fortsetzuug.)
Mya, G. (Florenz), Ueber die Pathologie der Diphtherie-
infektion.
Verf. teilt das Resultat einiger auf die Diphtherieinfektion be-
züglichen Untersuchungen mit.
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 683
Im ersten Teile dieser Untersuchungen hat er den Dr. C. Gfiarrß
zum Mitarbeiter gehabt. In demselben hat er sich mit dem Werte
einiger bäuerischen Vereinigungen bei der Diphtherieinfektion be-
schäftigt. Die Arten von Mikroorganismen, welche in ihren Bezie-
hungen zum Diphtheriebacillus untersucht werden, sind der
Streptococcus pyogenes, der Staphylococcus aureus und
der Pneumococcus. Die bezüglichen Experimente wurden so aus-
geführt, daß bei einer hinreichenden Anzahl von Tieren (Meerschweinchen)
die Wirkung der alleinigen Einimpfung des Diphtheriebacillus,
des Streptococcus und des Pneumococcus mit der der fol-
genden Vereinigungen: Diphtheriebacillus mit Streptococ-
cus; Diphtheriebacillus mit Staphylococcus und Diph-
theriebacillus mit Pneumococcus verglichen wurde.
Die Schlußfolgerungen des Verf.’s können in folgendem zusammen-
gefaßt werden:
1) Bei den Einimpfungen des Diphtheriebacillus allein be-
stätigten sich die von den früheren Beobachtern erhaltenen Resultate
genau.
2) Bei den kombinierten Einimpfungen des Streptococcus
und des Diphtheriebacillus zusammen, worüber schon einige
Beobachtungen von Roux und Y er sin, sowie einige Experimente
mit den filtrierten Kulturen von Schreiner vorliegen, stellte sich
heraus, daß dieselben einen höheren Grad von Giftigkeit besitzen, als
die des Diphtheriebacillus allein. Die allgemeine Verbreitung
des Streptococcus wurde nie erzielt.
3) Beim Staphylococcus und Diphtheriebacillus zu-
sammen ließ sich nur eine Zunahme des fibrinösen Exsudates be-
merken. Die allgemeinen Erscheinungen waren jedoch nicht von in-
tensiverer Natur. In zwei Fällen konnte man den Staphylococcus
aus dem Herzblute nachweisen, was bei den Einimpfungen des
Staphylococcus allein nie der Fall war.
4) Die Einimpfungen des Pneumococcus mit dem Diph-
theriebacillus zusammen hatten, abgesehen von einer Zunahme
des lokalen Exsudates, bei den Meerschweinen eine viel reichlichere
Speichelseptikämie, als sie gewöhnlich bei diesen Tieren stattzufinden
pflegt, zur Folge. Keines der mit dem P neumococcus allein ge-
impften Tiere ist von selbst gestorben, und aus dem Herzblute der
getöteten Tiere haben sich nur spärliche Kolonieen des Diplococcus
ergeben.
5) Die Einimpfungen mit unreinen Kulturen, d. h. durch Ueber-
tragung von Fragmenten der Pseudomembran in Bouillon ge-
wonnenen, besitzen einen sehr hohen Grad von Virulenz und in
einigen Fällen eine rapid kaustische Wirkung. Die Kulturen dieser
Art enthielten gewöhnlich außer dem Diphtheriebacillus den
Streptococcus und den Staphylococcus.
6) Wenn man den Staphylococcus zuerst einimpfte und
später, nach verschiedenen Zeitabständen, den Diphtherie-
bacillus, so erhielt man entweder einen langsameren Tod, als es
in den Fällen, in welchen die Kontrollobjekte der Diphtherieinfektion
allein ausgesetzt waren, stattfand, oder ein Ueberleben des Tieres,
g34 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
eine Thatsache, welche im Verlaufe aller bisher ausgeführten Experi-
mente (mehr als fünfzig) ganz ausnahmsweise dasteht.
7) Der Einfluß dieser Vereinigungen ist also unzweifelhaft auch
aus diesen Experimenten festgestellt und muß wahrscheinlich bei der
Anwendung der Serumtherapie auf den Menschen, bei welcher Ver-
einigungen dieser Art konstant sind, berücksichtigt werden.
Gfasperini, Gr. (Pisa), Versuche über das Genus „Actino-
myces“.
Verf. ist auf Grund einer großen Reihe von Versuchen über das
Genus Actinomyces imstande, ein vollständiges Verzeichnis der
dazu gehörigen Mikroorganismen zu geben. Dieselben sind die
folgenden :
Name
Beobachter
Synonym
Beobachter
Act. bovis salphureus
Rivolta
Act. bovis (?)
Act. Foersteri
Cohn
Streptothrix Foersteri
—
Act. canis
Vachetta
Act. pleuriticus canis fa-
miliaris
Act. canis
Rivolta
Rabe
Act. bovis farcinicns
Nocard
Bacillus farcinicus
—
Act. cati
Rivolta
—
—
Act. bovis albus
Gasperini
Strept. 1, 2, 3
Strept. Albus
Almquist
Rossi-Doria
Act. asteröides
Eppinger
Cladothrix asteröides
Strept. asteröides
Strept. Eppingerii
Gasperini
Rossi-Doria
Act. chromogenus
Gasperini
Strept. chromogenus
Strept. niger
Oospora Metschnikowi (?)
Oospora Guignardi (?)
Rossi-Doria
Saurageau und Radais
Sauvageau und Radais
Act. bovis luteo-rosens
Gasperini
—
—
Act. cuniculi
Scbmorl
Streptothrix cuniculi
—
Act. Hoffmanni
Gruber
Micromyces Hoffmanni
—
Act. albido-flavus
Rossi-Doria
Streptothrix albido-flava
—
Act. violaceus
Rossi-Doria
Streptothrix violacea
—
Act. carnens
Rossi-Doria
Streptothrix carnea
—
Act. citreus
Gasperini
—
—
Act. pluricolor (?)
Terni
—
—
Act. arborescens
Edington
—
—
Act. ferragineus
Naunyn
—
—
Diese Tabelle zeigt nicht nur , durch wieviel Arten und
Varietäten das Genus „Actinomyces“ bereichert worden ist,
sondern außerdem, wie viel noch zu thun bleibt, bis das Geschlecht
selbst als definitiv geordnet betrachtet werden kann.
Obschon also über die Mikromyceten dieser Gruppe noch viele
Untersuchungen zu vervollständigen bleiben, kann man doch nach der
Ansicht des Verf. ’s inzwischen folgende Schlüsse ziehen:
1) Daß die Arten des Geschlechtes „Actinomyces“ sich
normal durch freie Luftsporen (Conidien) vervielfältigen und daß sich,
wenn durch Mangel an Sauerstoff oder aus irgend einem anderen
Grunde die Erzeugung von Luftfädchen behindert wird, in den
Mycelien Conidien oder Sporen bilden.
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 685
2) Daß Aktinomykosen des Rindviehes, welche klinisch sowie
anatomisch und pathologisch nicht differenzierbar sind, durch ver-
schiedene Varietäten des Actinomyces hervorgebracht werden
können.
3) Daß der Actinomyces, der sich nicht direkt vom Rinde
kultivieren läßt, einer üppigen Entwickelung in den gewöhnlichen
Nährböden fähig wird, nachdem er im Hunde gewachsen ist.
4) Daß das Auftreten der Keulenformen an der Peripherie der
Büschel in direkter Beziehung zu dem langsamen Verlaufe der Krank-
heit und dem Vorwiegen des neoplastischen Typus steht, weil der
für das Knochensarkom der Kinnlade charakteristische Actinomyces
selbst sich entwickelt, indem er zu Abscessen ohne Spur von Keulen
Veranlassung bietet.
5) Daß man je nach den Organen, in welchen sich der Actino-
myces entwickelt, oder je nach den Tieren, in welche er eingeimpft
wird, das Vorwiegen von vielmehr einer als von einer anderen der
verschiedenen anatomisch-pathologischen Erscheinungen erhält, welche
dieser Infektion (Pseudotuberkulose, Abscesse, neoplastische, den
Sarkomen ähnliche Bildungen etc.) eigentümlich sind.
6) Daß die direkt von den Tieren isolierten Arten in den suces-
siven Kulturen immer sauerstoffbedürftiger werden und mit dem
Verluste der Fähigkeit, sich anaerobisch zu entwickeln, sich all-
mählich schwächen, so daß sie schließlich ganz unschädlich werden.
Es ist noch nicht bekannt, wie man ihnen die Virulenz wieder-
geben kann.
7) Daß einige Fälle von Aktinomykose der Rinder von
einer in dem Medium, wo sie sich im saprophytischen Zustande be-
findet, sehr verbreiteten Art (Act. albus) herrühren, und daß daher
die aktinomykotische Infektion im allgemeinen von der durch bis
jetzt unbekannte Ursachen hervorgerufenen Anpassung dieser Mikro-
myceten an den Parasitismus abhängt.
8) Daß diese gewöhnlich unschädlichen Mikromyceten, sobald sie
einmal eine pathogene Kraft angenommen haben, in Bezug auf die
Uebertragbarkeit der Krankheit mehr zu fürchten sind. Ihre Viru-
lenz kaun sich mit sehr verschiedener Intensität zeigen, woher die
Verschiedenheit, mit welcher die Gewebe reagieren ; und je nach dem
Eintrittswege und der Virulenz entsteht der große klinische Poly-
morphismus.
9) Daß die Arten dieser Gruppe als spontane Krankheitserreger
gefunden worden sind sowohl bei den Pflanzenfressern und Omnivoren,
als bei den Fleischfressern, unabhängig von der Ernährungsart.
10) Daß jede Ursache, welche die Kontinuität der Haut oder
der Schleimhäute verletzt, den Eintrittsweg für den Actino-
myces öffnen kann, dessen Sporen den Erdboden, das der Infektion
ausgesetzte Wasser und die freie oder begrenzte Luft zum
„Habitat“ haben. Die Gerstenschalen und die Splitter von Vege-
tabilien anderer Natur haben also, außer daß sie ein Förderungs-
mittel für den Keim bilden, eine ätiologische Bedeutung durch die
Thatsache, daß sie die Kontinuität der Häute zerstören können.
ß80 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
11) Daß die Arten oder Varietäten, welche diesem Genus
angehören, vielfachen Variationen ausgesetzt sind in Bezug auf Form,
Dicke und Kompaktheit der isolierten oder vereinigten Kolonieen
oder Häutchen, auf ihre Fähigkeit, Luftsporen zu bilden oder nicht,
und auf das Färbungsvermögen je nach den physisch-chemischen
Bedingungen des Mediums, in welchem sie leben. Es sind zarte,
gegenüber den geringsten Verschiedenheiten des Substrates äußerst
empfindliche Wesen. Die schwach saure Reaktion, die Verf. für den
Chro mögen us gezeigt hat, dient dazu, die Farben besser zu unter-
scheiden, und diese treten mit den successiven Verpflanzungen in ge-
wöhnliche Stärke oder auf Glycerinagar mehr hervor, unter der
Voraussetzung, daß die an Sauerstoff reiche Luft freien Zutritt zu
dem Schwamme hat.
12) Daß sich in dem Cyklus der jedem Actinomyces eigen-
tümlichen Variationen Berührungspunkte zwischen einer und der
anderen Art finden, ohne daß dies ein Hindernis für die Beurteilung
der charakteristischen Verschiedenheiten einer jeden bildet.
Bonoiue, A., Neue Beobachtungen über die diagnosti-
sche und Heilwirksamkeit des Malleins gegen Rotz
bei den Menschen und den Tieren.
Verf. hat gefunden, daß die biologischen Eigenschaften des Rotz-
bacillus je nach der Virulenz und dem Nährboden variieren. Bei den
gegen Rotzinfektion empfindlichsten Tieren (Eseln und Katzen) verur-
sacht das Mallein eine rasche Abmagerung, welche von katarrhalischen
Entzündungen der Conjunctiva und der Nasenschleimhäute begleitet
ist. Oft beobachtet man auch Pustelausschläge und eine Temperatur-
erniedrigung. Bei Kaninchen ist die Reaktion eine stärkere und der
Infektionsprozeß wird beschleunigt, auch wenn dieser seinen chronischen
Verlauf nimmt. In diesen Fällen hat man es mit einer wirklichen
akuten Rotzknoteneruption zu thun. Bei Meerschweinchen und bei
den Hunden, welche experimentell rotzkrank gemacht wurden, ver-
ursachen die Malle'ineinimpfungen die rasche Abmagerung und neue
Viruslokalisationen.
Verf. hat die Wirkung der Malle'ininjektionen auf 32 Pferde
untersucht, indem er eine von 1 — 1,5 ccm variierende Dosis unter
die Haut einimpfte. Von diesen Pferden haben nur 24 reagiert, 18
wurden geschlachtet und bei 17 hat man bei der Autopsie rotzige
Verletzungen beobachtet. Die 6 anderen, welche nicht getötet wurden,
sind gesund geblieben und die Impfungen der Produkte ihres Stoff-
wechsels in Meerschweinchen und Hunde sind ohne Wirkung ge-
blieben.
Betreffend die Fieberreaktion, welche man nach den Impfungen
von Mallein beobachtet, meint der Verf., daß alle rotzkranken Pferde
eine Temperaturerhöhung zeigen, aber daß diese nicht immer die
Krankheit anzeigt.
Verf. bat außerdem noch die Wirkung des Malleins in den chro-
nischen Fällen von Rotz bei den Menschen untersucht und erklärt,
daß das Mallein nicht nur ein wertvolles diagnostisches, sondern auch
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 687
ein gutes therapeutisches Mittel ist. Sieben Stunden nach der Ein-
impfung von V lg — */20 ccm beobachtet man eine Temperaturer-
höhung, welche von einer Beschleunigung des Pulses, von einer
Polyurie, von einer Kopfbeschwerung und Anschwellung der kranken
Schleimhaut begleitet ist. Die Reaktion hat nach 6 — 80 Stunden
nachgelassen. Wenn die Injektionen nach einer Pause von 2—3 Tagen
wiederholt werden, beobachtet man bei dem Kranken eine deutliche
Verbesserung.
Verf. hat, indem er von dem Gedanken ausgeht, daß der Rotz-
bacillus bei seinem Durchgänge durch den Organismus der Katzen
geschwächt wird, mit dem Blute und den Organen dieser Tiere ein
Mallein dargestellt, mit welchem er den spontanen Pferderotz be-
handelt hat. Durch 14 Einimpfungen an einem experimentell als
rotzkrank erkannten Pferde hat er nach 45 Tagen das vollständige
Verschwinden aller Rotzsymptome herbeigeführt. Dieses Pferd be-
findet sich noch heute, d. h. nach einem Jahre, ganz gut und reagiert
nicht mehr gegen das Mallein. Verf. hat auch durch die mitgeteilte
Behandlung bei Hunden Genesungen von experimentellem Rotze er-
halten. Die Meerschweinchen können dagegen durch das Maliern
nicht geheilt werden. Wenn man aber während 15 Tagen Rotz-
bacillen mit Ochsenserum in Berührung hält und nachher die Flüssig-
keit filtriert, so erhält man eine Lymphe, mit welcher der Verf. rotz-
kranke Meerschweinchen geheilt zu haben versichert.
Verf. zieht also den Schluß, daß der Rotzbacillus Substanzen
bildet, welche je nach den Bedingungen, unter welchen sie entstehen
und je nach den Tieren, welchen sie eingeimpft werden, eine reelle
Wirksamkeit besitzen, sowohl in diagnostischer als in therapeutischer
Beziehung.
Di Vestea, A. (Pisa), Einiges über die neuen Ansichten
von Emmerich und Tsuboi, die Pathogenesis der
Cholera betreffend.
Die neue pathogenische Theorie der Cholera von Emmerich
und Tsuboi, wie sie aufgestellt worden ist, kann nur den Wert
einer Hypothese haben, trotzdem verdient sie die größte Beachtung.
Die Harnuntersuchung und spektroskopischen Beobachtungen des
Blutes, die Verf. an den Cholerakranken der letzten Epidemie in
Livorno angestellt hat, bestätigen jene Hypothese nicht, wenn man
sie in der Weise versteht, daß der allgemeine Cholerabefund das
Resultat einer allgemeinen Nitritvergiftung sei. Sie bieten aber die
Gelegenheit, weiter nachzuforschen, ob die Anwesenheit von Nitraten
und Kohlehydraten (vegetabilische Ernährung) in dem Darme solcher
der Infektion ausgesetzten Individuen nicht die Wahrscheinlichkeit
des Erkrankens und die Intensität der Erkrankung bestimmen kann,
da man in der Reduktion der Nitrate in einem sauren Medium, die
Veranlassung zu der cholerischen Diarrhöe, das primum movens
des Choleraanfalls erblicken könnte. Bei dem Mangel an Mitteln,
die Cholerainfektion in den Tieren zu veranlassen, und da der Verf.
den Einwendungen von Klemperer kein großes Gewicht beimessen
ß88 Mitteilungen aus dem XI internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
will, bleiben als einziges positives üntersuchungsfeld nur die klini-
schen und epidemiologischen Beobachtungen, wenn die letzteren durch
die nötigen Laboratoriumuntersuchungen vervollständigt werden.
Grley und Charrin (Paris), Die Wirkung der Bakteriengifte
auf die vasomotorischen Organe und diejenigen des
Blutkreislaufs.
Verff. berichten über die erzielten Resultate ihrer seit Jahren
angefangenen und fortgesetzten Untersuchungen.
Sie haben beobachtet, daß die Einimpfung der Produkte des
Stoffwechsels des B. pyocyaneus die Paralysis der vasodilatatori-
schen Zentren veranlaßt. Der Sn eilen -Sc hi ff’ sehe Reflex ist lang-
samer und braucht eine stärkere Reizung. Sie haben außerdem
nachweisen können, daß zwischen den eingeimpften und normalen
Tieren kein Unterschied im Verhalten vorliegt, und schließen daraus,
daß die Immunität nicht von Accoutumance der Zelle an die Bak-
teriengifte bedingt wird. Die flüchtigen Bestandteile dieser Gifte
wirken auf die vasodilatatorischen Centren und erschweren die Aus-
schwitzungen und die Diapedesis, indem sie einen Zustand von In-
feriorität gegenüber den Infektionen bilden, weil die die Bakterien
zerstörenden Säfte und die Leukocyten nicht wirken können. Anderer-
seits erlauben diese flüchtigen Substanzen, welche aus den Kulturen
oder aus den Lungen angesteckter Menschen abgesondert werden
können, gewisse Wirkungen der Luft von Räumen, wo sich Kranke
befinden, zu erklären.
Schon im Jahre 1889 haben Verff. nachgewiesen, daß die Bak-
teriengifte auf das Rückenmark einwirken. Später haben sie auch
seine Wirkung auf das Herzgewebe, auf das von seinen Nerven-
centren getrennte Herz, auf die Nasen und auf den Druck gezeigt.
Diese Resultate sind insofern wertvoll, als sie die Anämieen, die
Oedeme, die Kongestionen und die Entzündungen erklären können.
Inghilleri (Rom), Ueber das Verhalten einiger Mikro-
organismen in Bouillonkulturen, welche die Bujwid-
sche Reaktion geben.
Verf. teilt mit, daß einige Mikroorganismen fähig sind, in solchen
Bouillons weiter zu leben, in welchen vorher der C hol e r ab aci 1 1 us
gezüchtet wurde und welche sehr deutlich die Nitrosoindolreaktion
geben. Ihr Verhalten ist indessen nicht das gleiche, weil sie auf die
anorganischen Verbindungen des Stickstoffs verschieden einwirken.
So z. B. während einige sich entwickeln, ohne die Bujwid’sche
Reaktion zu modifizieren, wird sie dagegen von anderen zerstört,
und zwar hauptsächlich von den Bacillen des Verdaungskanals, speziell
dem B. coli communis, indem diese die salpetrigsauren Salze zu
Ammoniak und anderen Stickstoffverbindungen reduzieren. Das Indol
bleibt aber unzersetzt, es scheint sogar in den Kulturen des B. coli
communis zuzunehmen, so daß es immer möglich ist, seine An-
wesenheit durch die Reaktion von Ivitasato nachzuweisen.
Außerdem wenn einige dieser Bacillen, wie z. B. der B. coli
oder der Typhusbacillus mit dem Cholerabacillus in
Typhus.
689
einer Lösung von Fleischpepton gezüchtet werden, so zeigt die Flüssig-
keit statt der Bujwid’schen Reaktion nur die von Kitasato.
Auf diese Art verliert der Cholerabacillus eine seiner wich-
tigeren Differentialeigenschaften. Diese Thatsachen müssen jedenfalls
bei der bakteriologischen Prüfung jedes choleraverdächtigen Materials
berücksichtigt werden, weil trotz der Anwesenheit des Cholera-
bacillus die Nitrosoindolreaktion versagen kann, wenn, wie dies
bei Stühlen der Fall ist, andere die salpetrigsauren Salze zerstörenden
Mikroben anwesend sind. (Fortsetzung folgt.)
Referate.
D6hu, Paul, Etüde sur le role du bacille d’Eberth dans
les complications de la fievre typhoide. [These.] 4°.
196 p. Paris 1893.
Verf. stellt 42 Fälle zusammen, in denen allein der Bacillus
Eberth nachgewiesen wurde und somit als der ausschließliche Er-
zeuger der Entzündung anzusehen ist.
Aus der Reihe geht hervor, daß es sich am meisten um Eiter-
verletzungen handelt.
Es handelt sich unter Beibehaltung der französischen Bezeich-
nungen um Pöritonite purulente encapsul^e, Suppuration d’un ganglion
m^sentürique, Abces de la rate, Pneumonie typhique, Pleurösie puru-
lente , s^rofibrineuse, h^morrhagique, Angiome orbitaire suppuree,
Endocardite verruqueuse, Affection spinale aigue, Crises 6clamptiques,
M6ningite purulente, s6ro-purulente, suppur6e, ceiAbro-spinale, Orchite
suppuree, Epididymite suppur6e, Strumite, P6riostite suppur6e du
tibia, d’un mötatarsien, costale, Exostoses du tibia, Abces osseux et
musculaires multiples, Synovite suppuree du cou-de-pi6d , Abces
musculaire de la jambe, de la paroi abdominale, Otite suppuree,
Angiocholite suppur6e zum Teil in verschiedenen Beobachtungen.
Die Schlußfolgerungen aus dieser Liste nehmen allein drei Seiten
4° in Anspruch, die Mitteilung der Fälle erstreckt sich von Seite
125-196. E. Roth (Halle a. S.).
Quincke, H. und Stühlen, Zur Pathologie des Abdominal-
typhus. [Aus der medizinischen Klinik in Kiel.] (Berliner klin.
Wochenschrift. 1894. No. 15.)
I. Typhusbacillen im Knochenmark. Von H. Quincke.
Im Jahre 1889 beschrieb Ebermaier (Arch. f. klin. Medizin.
Bd.XLIV. 1889) 8 Fälle von Entzündungen der verschiedensten Knochen
des Skeletts bei Typhus, und bei zweien derselben gelang ihm der
Nachweis von Typhusbacillen. Verf. hat 9 Typhusleichen zur Fort-
setzung dieser Untersuchungen benutzt und bei allen aus dem Marke
einer Rippe, zweimal aus dem Sternum und außerdem, abgesehen
von einem Falle, aus der Milzpulpa Kulturen angelegt. In 8 von
690
Typhus.
diesen Fällen wuchsen Typhuskolonieen in der Platte, deren Zahl bei
den Impfungen aus der Milz anscheinend größer war, als bei den
Impfungen aus dem Knochenmarke. Von den 8 Fällen waren 3 in
der 3. Krankheitswoche, 4 in der 4. Woche, 1 in der 6. bis 7. Woche
gestorben. In letzterem Falle war die Anzahl der Kolonieen am
kleinsten und in dem 9. Falle, welcher ebenfalls in der 6. bis 7. Woche
starb und bei welchem Milz- wie Markplatten frei blieben, zeigte die
Sektion vollkommen gereinigte Darmgeschwüre. Die erhaltenen
Typhuskolonieen wurden diagnostiziert auf Grund ihres Aussehens,
der Beweglichkeit der Stäbchen im hängenden Tropfen, nach ihrer
Gestalt im gefärbten Präparate und dem Befunde bei der Kartoffel-
kultur. In einigen Fällen wurde auch die Säurebildung in Bouillon-
kulturen zur Sicherung der Diagnose herangezogen. Nach diesen
Befunden ist die Behauptung gerechtfertigt, daß sich im roten
Knochen marke Typhuskranker der Typhusbacillus
mit derselben Konstanz findet, wie in der Milz.
Fraenkel und Baumgarten suchen die Aetiologie bei den
zur Eiterung führenden Fällen in dem Hinzutreten von pyogenen
Kokken. Wenn sich in der Nähe eines Herdes von Typhusbacillen
sich eine solche Eiterung entwickelt, dann mag es ja bei dem gleich-
zeitigen Befunde beider Bakterienarten fraglich sein, welchen Anteil
jede derselben an dem Auftreten der Eiterung genommen hat. Aber
wo aus dem Eiterherde ausschließlich Typhusbacillen gezüchtet
werden, ist man nach Verf. nicht berechtigt, deren Eiterung erregende
Eigenschaft deswegen zu leugnen, weil sie gewöhnlich keine Eiterung
erzeugen.
H. Ueber typhöse Meningitis. Von A. Stühlen.
Als Erreger der eiterigen Meningitis sind bis jetzt bekannt :
der Staphylococcus pyogenes aureus, der Strepto-
coccus pyogenes, der Fraenkel’sche Pneumococcus, so-
wie in vereinzelten Fällen der Diplococcus intracellularis
von Weichselbaum und der Bacillus meningitidis von
Neumann und Schäffer. Verf. beschreibt nun einen eigentüm-
lich verlaufenen Fall von Abdominaltyphus, bei welchem sich bei
der Sektion eiterige Cerebrospinalmeuingitis und Pachymeningitis
fand. Von dem Eiter der Hirnhäute wurden Plattenkulturen auf
Gelatine angelegt, auf welchen sich nach 2 Tagen Kolonieen ent-
wickelt hatten, die aus Typhusbacillen bestanden und von Prof.
Fischer als solche diagnostiziert wurden. Leider wurden von der
bereits in Fäulnis übergegangenen Milz keine Kulturen angelegt.
Der Typhusbacillus war der einzige Mikroorganismus, welcher
aus dem Entzündungsherde gezüchtet werden konnte, und somit liegt
kein Grund vor, dem Typhusbacillus die Eigenschaft, unter
— allerdings nicht näher bekannten — Umständen Eiterung zu er-
regen abzusprechen. Gerl ach (Wiesbaden).
Moreau, Auguste Charles Joseph, Contributiou a l’dtude
de l’etiologie de la fievre typhoide et de la v i t a 1 i 1 6
dans le sol du bacille d’Eberth. [These.] 45 p. Bor-
deaux 1893.
Typhus.
691
Verf. beschäftigt sich mit der Epidemie in Boussay in dem
Loire-Infdrieure-Departement während des Februars 1891. Nach
Moreau sind die Fragen des unterirdischen Verweilens des Typhus-
erregers noch vollständig unaufgeklärt, ebenso wie die Art und Weise,
wie das ansteckende Agens in den Erdboden hineingelangt. Ruhen nur
die Sporen in dem Erdreiche, vermehren sie sich, Alles sind offene
Fragen ! Die Epidemie in dem genannten Orte vermochte zur Auf-
klärung der Mikroorganismen nur beizusteuern, daß letztere jahre-
lang unter unbestimmten Bedingungen in dem Boden und Unter-
wässern existirt haben, ohne Gelegenheit gefunden zu haben, wirk-
sam zu werden. Weshalb der Ausbruch der Epidemie plötzlich er-
folgte, ist unaufgeklärt geblieben, wenn auch dem Wasser die Schuld
zweifellos beizumessen ist. So trank ein drei Kilometer von dem Orte
wohnender 12-jähriger Junge bei einem Besuche von dem Wasser
und hatte ein Typhusfieber zu überstehen. Auch andere Erkrankungen
wiesen stets auf den kommunalen Ziehbrunnen als Infektionstätte hin.
Dieser war etwa 6 Jahre vor Ausbruch der Seuche als Fontaine mit
wenig Tiefe errichtet worden, welcher ein natürlicher Zufluß von
Quellwasser fehlte; man hatte es also nur mit einer Art von Cysterne
zu thun. Erschwerend tritt der Umstand hinzu, daß sich diese
Fontaine auf einem alten Friedhofe erhebt, welcher auf einem etwas
erhöhten Terrain um die Kirche angelegt war. Halten sich Typhus-
keime schon lange Zeit — diesen Ausdruck als ganz unzureichend
definiert, bemängelt Moreau besonders — im gewöhnlichen Boden,
wie viel mehr in dem von organischen Nährstoffen durchsetzten
Terrain eines alten Kirchhofes! E. Roth (Halle a. S.).
Radiguet, Henri Edouard Michel, Contribution äl’6tude
de l’origine hydrique de la fievre typhoide. Fievre
typhoide et eau de Seine dans les prisons de Paris.
[These.] 4°. 120 p. Paris 1893.
Von 1883—1889 betrachtete man den Bacillus Eberth als
das spezifische Agens des typhischen Fiebers und das Wasser wurde
als der gewöhnlichste Träger desselben angesehen. Im letztgenannten
Jahre wurde dem B acill u s Eb er t h der zweite Platz zuerteilt und
die Hauptrolle dem Coli ba eil lus zugemessen; ersterer sei erst die
Folge des letzteren.
Ueber die Gewässer der Seine liegen zahlreiche Veröffent-
lichungen vor, welche übereinstimmend bekunden, daß scheinbar die
Pariser Gefängnisse von dem typhuserregenden Wasser der Seine
unberücksichtigt geblieben sind. Besonders tritt dieser Fall in der
Santd auf, welches Krankenhaus jahraus jahrein Seinewasser ver-
wendet. Ob dieses Unschädlichwerden des sonst so zahlreiche Fälle
von typhösem Fieber hervorrufenden Seinewassers der Gewöhnung
oder den Filtern zuzuschreiben ist, läßt Verf. dahingestellt.
E. Roth (Halle a. S.).
Schäfer, Die Typhusepidemie des Jahres 1891 im Kreise
Niederbarnim. (Berliner klinische Wochenschrift. 1894. No. 12.
p. 289 ff.)
692
Typhus.
Yerf. bespricht in seiner Abhandlung die vorjährige Typhusepidemie
bei Berlin, welche angeblich auf den Genuß von Drainwasser von den
Rieselfeldern zurückgeführt wurde. Y i r c h o w hatte gegen diese
Auffassung verschiedene Bedenken geäußert. Zunächst hatte er be-
tont, daß im Kreise Niederbarnim auch sonst Fälle von Typhus auf-
getreten seien. Es kamen im ganzen 48 Fälle in Betracht, von denen
10 aus verschiedenen Gründen ausgeschlossen werden mußten. Von
den übrigen 38 betrafen 14 Rüdersdorf und müssen als eine Epidemie
für sich bestehend angesehen werden. Ihre Entstehungsursache bleibt
unbekannt. Bei den 8 Fällen in Malchow nahm Virchow an, daß
durch einen Brunnen die Infektion stattgehabt hätte. Verf. weist
nach, daß die ersten Fälle hier durch 2 Rieselarbeiter bedingt ge-
wesen seien, welche Drainwasser getrunken hatten, ein dritter hatte
dasselbe bald darauf wieder ausgebrochen und blieb gesund. Nur
durch falsche Mitteilungen sei der eine Fall als erst später entstanden
aufgeführt. Daher setzt Verf. die Malchower Epidemie mit einem
sehr hohen Grade von Wahrscheinlichkeit auf das Conto der Riesel-
felder. Die Epidemie von Alt-Weißensee soll nach den Ermittelungen
des Verf. ’s von Malchow, also indirekt auch von den Rieselfeldern aus
entstanden sein, sie betraf 4 Personen.
Wenn Virchow behauptet, daß bislang unter den städtischen
Arbeitern kein Fall von Typhus vorgekommen, der auf eine Infektion
durch die Rieselfelder zurückzuführen sei, so betont Sch., daß die
Zahl der städtischen Arbeiter nur einen verschwindenden Bruchteil
der durch die Pächter der Rieselfelder beschäftigten Arbeiter aus-
macht und daß erstere angewiesen werden, nicht das Wasser zu
trinken u. s. w., letzteren dagegen keinerlei Maßnahmen vorgeschrie-
ben werden, so daß dieselben viel leichter einer Infektion ausgesetzt
seien. 0. Voges (Danzig).
Schild, Eine Typhusepidemie mit nachweisbarer Ent-
stehungsursache und die Diagnose des Typhus-
bacillus mittelst Formal in. (Zeitschrift für Hygiene und
Infektionskrankh. Bd. XVI. 1894.)
In Seehausen bei Magdeburg konnte Verf. gelegentlich einer dort
im Herbste vorigen Jahres ausgebrochenen Typhusepidemie in
2 Brunnen den Typhusbacillus finden und konnte den Nachweis
liefern, wie die einzelnen an Typhus erkrankten Personen durch diese
beiden Brunnen infiziert waren. Da diese Brunnen mit einem zum
Teile unterirdisch fließenden Wasserlaufe kommunizierten, so war es
anzunehmen, daß von diesem aus die Typhuskeime in die Brunnen
gelangt waren. In einem anderen, nicht mit dem Wasserlaufe in Ver-
bindung stehenden Brunnen konuten keine Typhuskeime gefunden
werden. Die gefundenen Typhusbacillen entsprachen auf Kartoffeln
dem beschriebenen unsichtbaren Belag, brachten Milch nicht zur Ge-
rinnung und bildeten in Bouillon kein Gas.
In dem zweiten Teile seiner Arbeit berichtet Verf. über Resul-
tate, die er mit Formalindämpfen an Typhus- und typhusähnlichen
Bakterien anstellte. Er machte die Beobachtung, daß der Typhus -
bacillus gegen die Formalindämpfe viel empfindlicher ist, als das
Typhus. — Bacterium coli commune.
693
Bacterium coli und ein typhusähnlicher Wasserbacillus.
Verf. glaubt diese Beobachtung für die Typhusdiagnose verwerten zu
können. Er stellte sich eine Formalingelatine 1 : 13000 her, doch
muß man das Formalin nach der Sterilisation zusetzen, da es sonst
verdampft, in derselben wachsen Bacterium coli und typhusähn-
liche Wasserbakterien, aber nicht Typhusbacillen; in derselben Weise
trat Wachstum ein in Formalinbouillon. Stammt daher die zu
prüfende Reinkultur aus Dejektionen Typhuskranker, so ist ein wieder-
holtes Klarbleiben solcher Bouillon entscheidend für Typhus, eine
Trübung für Bacterium coli. Stammt die Kultur aus dem Wasser,
so ist zwar das Klarbleiben nicht für Typhus entscheidend, weil viel-
leicht andere ähnliche Wasserbakterien ebenfalls nicht darin gedeihen,
wohl aber ist eine Trübung entscheidend gegen Typhus.
Die Formalinbouillon stellt Sch. nach folgender Formel her:
9»
1 : ^ = x : c. Hierin ist a die gewünschte Konzentration der
Formalinbouillon, b die Konzentration der zuzusetzenden Formalin-
lösung, x die zuzusetzende Menge der letzteren und c die Menge der
in jedem Glase vorhandenen Nährbouillon. Eine beigegebene Tabelle
überhebt uns der Mühe der Berechnung. Diese Formalinnährböden
sind nur frisch zu verwenden, da das flüssige Formalin mit der Zeit
entweicht. Verunreinigungen der so hergestellten Nährböden beob-
achtete Verf. höchstens durch leicht erkennbare Schimmelpilze.
0. Voges (Danzig).
Bruch, Alfred, De la fievre typhoide chez les Arabes en
Alg6rie. [These.] 4°. 58 p. Montpellier 1893.
Merkwürdigerweise findet sich typhöses Fieber nur ganz aus-
nahmsweise bei den Arabern. Die angeblichen Beobachtungen über
diese Erkrankung in Algier stellten sich als Malaria heraus mit
typhösen Anklängen. Ein Grund für diese Unempfindlichkeit ist
ebensowenig bekannt, wie die der Neger gegen Malaria und gelbes
Fieber, aber die Thatsache, daß fast alle gänzlich immun gegen typhöses
Gift sind, ist unbestreitbar. E. Roth (Halle S.).
Fremlin, Vergleichende Studien an Bact. coli commune
verschiedener Provenienz. (Archiv für Hygiene. XIX.
1893. 3.)
Verf. machte es sich zur Aufgabe, Bacterium coli des
Menschen und verschiedener Tiergattungen bezüglich seiner morpho-
logischen, kulturellen und pathogenen Eigenschaften mit einander und
mit dem Typhusbacillus zu vergleichen. Er kommt zu folgen-
den Schlußsätzen: Das Bacterium coli tritt auf Gelatine in
zwei Variationen auf, einmal, indem es Häutchen und dann,
indem es Pünktchen ohne Verflüssigung des Nährbodens bildet. In
zuckerhaltigen Nährböden wird Gas erzeugt; Milch gerinnt.
Sporen scheint das Bacterium coli nicht zu besitzen; es läßt
sich leicht mit Anilinfarben, aber nicht nach Gram färben. Von
verschiedenen Tieren gezüchtet, gleichen die einzelnen Arten sich
XV. Bd. 44
694
Bacterium coli commune.
sehr; die Größe ist bei allen gleich; in der Eigenbewegung ist das
heftigste das Bacterium coli des Menschen, während das des
Kaninchens gar keine oder geringe Beweglichkeit zeigt. Etwas
größere Mannigfaltigkeit zeigen die einzelnen Arten beim Wachstum
auf der Kartoffel; Geißeln sind schwer darstellbar, bei dem des
Kaninchens überhaupt nicht.
Was den Unterschied zwischen Bacterium coli und
Typhusbacillus anbetrifft, so ist
1) der Typhusbacillus viel beweglicher, als der Kolon -
bacillus.
2) Der Ty phusb acillus bildet gern lange Fäden, der Kolon -
bacillus fast nie.
3) Auf den Gelatineplatten wächst der Typhuskeim viel lang-
samer, als das Bacterium coli.
4) Der Typhuskeim wächst auf Kartoffeln fast unsichtbar, im
Gegensätze zum Kolonbacillus, der stets etwas Färbung
zeigt.
5) Der Typhusbacillus hat keine gärungserregende Kraft,
die dem Kolonbacillus zukommt.
6) Während Milch durch das Bacterium coli gerinnt, bleibt
sie, mit Typhus infiziert, flüssig.
7) Die Typhuskeime haben sehr zahlreiche Geißeln; das Bac-
terium coli hat meist nur einen Geißelfaden, der sich im
Gegensätze zum Typ husb acillus sehr schwer darstellen läßt.
8) Das Bacterium coli giebt die Indolreaktion mit Kalium-
nitrit, der Typhusbacillus nicht.
Zahlreiche Einzelheiten, besonders über die morphologischen und
kulturellen Eigenschaften der einzelnen Arten des Bacterium coli,
müssen im Originale eingesehen werden. Kurt Müller (Halle).
Sittinann und Barnow, Ueber einen Befund von Bac-
terium coli commune im lebenden Blute. (Dtsch. Arch.
für klin. Med. Band LII. Heft 4.)
In der medizinischen Klinik des Geheimrat von Ziemssen in
München wurde im Mai dieses Jahres ein Fall beobachtet, in welchem
es sich um eine vom Urogenitalapparate ausgehende, durch das
Bacterium coli commune bedingte, allgemeine Infektion han-
delte und in dem es gelang, das Bacterium coli schon während
des Lebens im Blute nachzuweisen. Die klinische Diagnose lautete:
Sepsis, strictura urethrae, Cystitis, Pneumonie des rechten Unter-
lappens. Die Sektion ergab das Bestehen einer eiterigen jauchigen
Cystitis, Pyelitis, eiterigen parenchymatösen Nephritis, eiterigen Peri-
nephritis, verrucösen Endocarditis der Aorta und Mitralis, Hyper-
ämie beider Unterlappen, Gastritis granulosa, allgemeinen Ikterus und
Sepsis. Elf Stunden vor dem Tode wurden aus dem durch Punktion
der Vena mediana genommenen Blute Agar- und Gelatineplatten
angelegt. Auf sämtlichen Platten wuchs in Reinkultur ein stäbchen-
förmiger Mikroorganismus, dessen morphologisches Verhalten in
jeder Beziehung mit dem Bacterium coli commune Escherich
Bacterium coli commune.
695
übereinstimmte. Dasselbe Bacterium gelang den Verff. auch aus
dem Urin des Kranken zu züchten. Zu Tierversuchen wurden
Kaninchen verwandt, die teils subkutan, teils in die Ohrvene mit
einer 24 Stunden alten Agarkultur geimpft wurden ; teils wurden sie
durch Injektion einer wässerigen Bakterienemulsion in die Blase in-
fiziert. Es ergab sich, daß nur das Hineingelangen des Bakteriums
in das Blut irgend welche Wirkung hatte, daß aber sonstige Infektions-
methoden fehlschlugen. Besonders merkwürdig ist das Ausbleiben
der Infektion des Urogenitalapparates (der im allgemeinen leicht
durch Colibacillen infiziert wird,) zumal man nach dem Verhalten
im menschlichen Organismus das Gegenteil erwarten dürfte. Gerade
dieser Umstand spricht für das Vorhandensein des Bacterium
Escherich, von dem bekannt ist, daß seine Virulenz ungemein
variabel ist. Wenn also auch zugegeben werden muß, daß die Tier-
versuche einen Beweis dafür nicht liefern , daß das im vorliegenden
Falle gefundene B a c t e r i u m die Ursache der menschlichen Erkrankung
ausmachte, so darf man doch andererseits nicht vergessen, daß bei
einem so variablen Bacterium wie Bacterium Escherich nicht
ohne weiteres aus den Tierversuchen auf den Menschen geschlossen
werden darf, und es ist daher sehr dankenswert von den Verff.
die Aufmerksamkeit bei Blutuntersuchungen in Urethralfiebern und
sonstigen septischen Prozessen auf das eventuelle Vorkommen von
Bacterium coli commune hingelenkt zu haben.
Maaß (Freiburg i. B.).
Neisser, Untersuchungen über den Typhusbacillus und
das Bacterium coli commune. (Zeitschrift für klinische
Medizin. Bd. XXIII. 1893. p. 93 ff.)
Manche, besonders französische Autoren, sind der Meinung, daß
das Bacterium coli commune Escherich und der Erreger des
Abdominaltyphus identisch seien, eine Anschauung, die durch die
vielen beiden gemeinsamen Merkmale und ihr schwieriges Unter-
scheidungsvermögen entstanden ist.
Verf. bringt einen nicht uninteressanten Beitrag zu dieser Frage.
Er suchte zu entscheiden, ob die zu gleicher Zeit aus dem Darme
eines Typhuskranken gezüchteten Kolonbacillen dieselben Virulenz-
grade für Mäuse haben, wie die durch Punktion der Milz gewonnenen
Typhusbacillen derselben Person.
Es zeigte sich nun die bemerkenswerte Thatsache, daß der
Typhusbacillus die stärkste Virulenz im Beginne der Krankheit
aufwies, während die der Kolonbacillen ganz unbekannten Schwankungen
unterworfen waren. (Gegen diese interessanten Versuche läßt sich jedoch
einwenden, daß die aus der Milz gezüchteten Bakterien ganz andere
Vitalitätsbedingungen darbieten konnten, als die in dem völlig anders
beschaffenen Darme und Darminhalte gewachsenen, so daß dieser
Unterschied der Virulenz allein durch die Art des Nährstoffes be-
dingt sein konnte.) — Ein weiterer Unterschied beider Bakterien wurde
dadurch konstatiert, daß das Kolonbacterium Gas bildete, die
Typhusbakterie dagegen nie. Einen weiteren Beweis für die Verschieden-
44*
696
Bacterium coli commune. — Periostitis albuminosa.
artigkeit beider Organismen sieht Verf. dann darin, daß die mit dem
Bacillus coli commune vorbehandelten Tiere keinen Impfschutz
gegen eine nachfolgende letale Injektion mit Typhusbacillen erlangt
hatten und umgekehrt.
Auf Grund dieser 3 Resultate ist Verf. geneigt, den Bacillus
coli commune, obwohl auch er krankheitsauslösend wirken kann,
als ein vom Bacillus des Abdominaltyphus verschiedenes Wesen
anzusprechen. 0. Voges (Danzig).
Renault, Jules, Du bacterium coli commune dans l’in-
fection urinair e. [These.] 4°. 80 p. Paris 1893.
Die nicht verflüssigenden Urinbacillen bilden einen Teil derselben
natürlichen Gruppe wie die verflüssigenden Verwandten und der
ganzen Abteilung kommt die Bezeichung Bacterium coli zu;
weder morphologische Gestalt, noch die Kulturen auf den gewöhn-
lichen Nährsubstraten, noch die pathogenen Eigenschaften lassen die
einen in Unterschied von den anderen treten.
Wohl kann man aber in der großen zusammenhängenden und
zusammengehörenden Gruppe mehrere Typen unterscheiden und
auseinanderhalten; zu diesem Zwecke muß man auf demselben Sub-
strate dieselben Keime nach einander säen, wodurch sie verschiedene
biologische Eigenschaften offenbaren.
Der Urin dient nicht zur Ernährung dieser Bacillen, er wird
nicht von ihnen zersetzt, wohl aber übt er ihnen gegenüber eine ge-
wisse antiseptische Eigenschaft aus, er stört ihre Entwickelung und
hemmt dieselbe in beträchtlicher Weise. E. Roth (Halle S.).
Schrank, W., Zwei Fälle von „Periostitis albuminosa“
(O liier). (Archiv für klinische Chirurgie. XL VI. 1893. No. 4.)
Verf. bereichert die Kasuistik des seltenen Krankheitsbildes der
Periostitis albuminosa um 2 neue Beobachtungen. Beide Fälle be-
trafen den Unterschenkel wachsender Individuen, bei denen die
Krankheit subakut eingesetzt hatte. Während bei dem ersten Falle
der Knochen nur oberflächlich angegriffen erschien, zeigten sich im
zweiten die Zeichen einer Osteomyelitis mit Sequesterbildung. Bei
beiden Fällen fanden sich die für osteomyelitische Prozesse typischen
ockergelben Granulationen, aber statt des Eiters ein seröses Exsudat.
Was den zweiten Fall zu einem ganz besonders lehrreichen macht,
ist der Umstand, daß sich subperiostal sitzend ein seröses Exsudat
vorfand; als man jedoch die Markhöhle freilegte, war sie mit Eiter
erfüllt; es handelte sich also um eine Kombination von typischer
eiteriger Osteomyelitis mit sogenannter Periostitis albuminosa. Der
Fall gewinnt noch dadurch ganz besonders an Interesse, als sich so-
wohl in dem serösen oberhalb der Corticalis, als in dem eiterigen
unterhalb derselben in der Markhöhle sitzenden Erguß dieselben Mikro-
organismen vorfanden, nämlich Staphylokokken und Streptokokken.
Die beiden Erreger hatten also an ein und demselben Individuum
au verschiedenen Stellen verschiedene Grade der Entzündung her-
vorgerufen.
Periostitis. — Pyelonephritis.
697
In dem ersten Falle fand sich der Staphylococcus pyo-
genes albus in Reinkultur.
Verf. ist der Ansicht, daß besonders der zweite Fall — die
Kombination von eiteriger Osteomyelitis mit Periostitis albuminosa
— geeignet ist, die von Schlange, Garre und Anderen ange-
nommene Zusammengehörigkeit der Osteomyelitis infectiosa acuta
und der Periostitis albuminosa zu beweisen. Im übrigen glaubt er,
daß unter dem Namen Periostitis albuminosa eine ganze Zahl von
Krankheitsprozessen zusammengefaßt worden sind und daß sich ein
einheitliches Krankheitsbild der Periostitis albuminosa nicht auf-
stellen lasse.
[Die Arbeit bringt eine neue Bestätigung der von Garre,
Jordan und Referenten vertretenen Ansicht, daß die sogenannten
„pyogenen Kokken“ nicht stets und ausschließlich pyogen wirken,
sondern zur Erzeugung jeden Grades der Entzündung befähigt sind.
In einem Punkte ist Ref. aber anderer Ansicht als Verf. Wenn man
die Osteomyelitis acuta als eine spezifische, lediglich durch
Staphylokokken erzeugte Erkrankung ansieht, eine Ansicht,
welche Ref. neuerdings gegen die Anhänger einer Lehre der Nicht-
spezifität der Osteomyelitis acuta zu beweisen versucht hat, so wird
es stets gelingen, das von Schlange gezeichnete Krankheitsbild
der Periostitis albuminosa aufrecht zu erhalten. Das Entscheidende
ist jedesmal die Anwesenheit von Staphylokokken bei bestimmten
Knochenerkrankungen.] Kurt Müller (Halle a. S.).
Schmidt, Martin B. und AscliofF, Ludwig, Die Pyelone-
phritis in anatomischer und bakteriologischer Be-
ziehung und die ursächliche Bedeutung des Bacte-
rium coli commune für die Erkrankung der Harn-
organe. 101 pp. Mit 1 lithographischen Tafel und 1 Tafel in
Lichtdruck. Jena 1893.
Verff. geben zunächst eine ausführliche Beschreibung des Sektions-
befundes und der mikroskopischen Untersuchung von 16 Fällen von
Pyolenephritis ; 14 Fälle wurden bakteriologisch genau untersucht und
dabei zwölfmal eine die Gelatine nicht verflüssigende Stäbchenart
gefunden, und zwar neunmal sicher in Reinkultur. Auf Grund der
gefundenen morphologischen und biologischen Eigenschaften konnte die-
selbe mit Escherich’s Bacterium coli commune identifiziert
werden. In einem Falle wurde neben B. coli Proteus Hauseri
und einmal letzterer in Reinkultur gefunden.
Entsprechend dem differenten Wachstum auf der Gelatine werden
3 Typen des B. coli unterschieden: 1) die transparente Form,
2) die opake und 3) die lei s ten bil de n d e Form. Sämtliche
untersuchten Fälle bis auf einen zeigten einen dieser drei Typen in
scharf begrenzter Weise, doch konnte bei der Weiterimpfung der
ursprünglich gewonnenen Kulturen eine vollständig geschlossene Reihe
von Uebergangsbildern zwischen den drei Formen gewonnen werden.
Ferner gelang es, aus der typischen E scher i ch’ sehen Form des
B. coli die anderen Arten hervorgehen zu lassen. In einem Falle
698
Pyelonephritis. — Lepra.
züchteten Verff. einen Bacillus aus den Nieren, welcher sich dem
B. coli ebenfalls eng anschließt, aber eine abweichende Form der
Bouillonkultur zeigt. Während nämlich B. coli eine gleichmäßige
Trübung der Bouillon bedingt, blieb hier die Flüssigkeit ganz oder
fast ganz klar, nur am Boden bildete sich ein dickes, flockiges oder
krümliges Sediment. Im hängenden Tropfen zeigten sich völlig un-
bewegliche, ziemlich dicke und plumpe, kurze oder längere Stäbchen,
welche auch vielfach ineinander verschlungene Fäden und Ketten
bildeten. Oft waren die Einzelindividuen so kurz, daß Streptokokken -
formen entstanden. Wegen dieses Verhaltens der Bouillonkultur
können Verff. den gefundenen Bacillus nicht mit dem B. coli
für identisch erklären.
Kaninchen versuche wurden im ganzen 17 gemacht; dabei
wurde der linke Ureter freigelegt, in seiner Mitte aseptisch zuge-
bunden und oberhalb der Ligatur nach dem Nierenbecken zu mit
sterilisierter Spritze injiziert. Dazu wurden verdünnte Bouillon- oder
abgeschabte und in Bouillon suspendierte Gelatinekulturen benutzt;
13 mal wurden die aus den verschiedenen Fällen isolierten Arten
von B. coli, einmal Proteus, einmal zum Vergleich Staphylo-
coccus aureus verwendet, endlich wurde zweimal die aseptische
einfache Unterbindung des Ureters vorgenommen. Die durch Ein-
spritzung des B. co li erzielten pathologischen Veränderungen stimmten
mit den an den menschlichen Nieren beobachteten im wesentlichen
überein, die eingespritzten Bacillen hatten sich außerordentlich rasch
durch die Harnkanälchen verbreitet. Auch die Versuche mit Pro-
teus hatten positiven Erfolg, das Parenchym zeigte reichliche und
ausgedehnte Erkrankungsherde; bei der Injektion von Staphyl.
aureus war dagegen nichts von Nekrosen zu bemerken. Die beiden
Tiere, denen der Ureter aseptisch unterbunden war, überstanden den
Eingriff und die Untersuchung der Nieren 7 resp. 9 Tage nach der
Operation zeigte keine Erscheinungen von Entzündung im Nieren-
becken.
Zum Schlüsse geben Verff. eine ausführliche Litteraturübersicht
über die bakteriologischen Befunde bei Pyelonephritis und Cystitis
mit besonderer Berücksichtigung des B. coli. Der sehr eingehenden
Arbeit ist eine Tafel in Lichtdruck, welche die verschiedenen Typen
des B. coli zeigt und eine lithographische Tafel beigegeben.
Dieudonn e (Berlin).
Armaner Hansen, On the report of theLeprosy-Commis-
sion in India 1830 — 1831; a criticisra. (The Lancet. 1893.
28. Oct. p. 1053.)
Die Hauptpunkte des Berichtes der Indischen Leprakommission
waren folgende :
1) Die Lepra wird nicht durch Erblichkeit übertragen.
2) Die Lepra muß, rein wissenschaftlich genommen, als kontagiös
und inokulierbar angesehen werdeD, jedoch erfolgt auf diesem Wege
ihre Ausbreitung nur in sehr geringem Maße.
Lepra. — Rotz.
699
3) Die Lepra wird nicht direkt verursacht durch irgend welche
Nahrung, noch auch durch klimatische, tellurische oder soziale Ein-
flüsse ; sie bevorzugt keine Rasse und keine Kaste.
4) Die Leprainfektion wird indirekt beeinflußt durch ungesunde
Umgebung, schlechte Nahrung, Wohnung etc., indem diese eine
individuelle Disposition schaffen.
5) Die Lepra entsteht in der großen Mehrzahl der Fälle de
novo (d. h. miasmatisch), unter Bedingungen, welche uns noch un-
bekannt sind.
Hansen verficht diesen Ausführungen gegenüber seinen be-
kannten kontagionistischen Standpunkt. Wenn die Kontagiosität
einmal theoretisch zugegeben sei, so sei der Schluß, daß diese doch
nur selten im Spiele sein könne, da sie sich so selten nachweisen
lasse, zum mindesten voreilig; ein solcher Nachweis müsse in einem
Lande, wo die Lepra endemisch sei, immer außerordentlich schwierig
sein. Jeder Mensch sei disponiert für Lepra; jeder Mensch er-
kranke, in dessen Körper die Bacillen am günstigen Orte und in
günstiger Weise eindrängen. Wenn die indische Kommission zwar
die Errichtung von Asylen, aber nicht die gesetzliche Isolation em-
pfehle, so weise er auf die Erfolge hin, welche mit der Isolation
in Norwegen erzielt seien, wo die Zahl der Leprakranken in den
letzten 25 Jahren von 2833 auf circa 700 gesunken sei. Daß die
Lepra unter den nach Amerika ausgewanderten Norwegern sobald
verschwinde, beruhe einzig darauf, daß das erste, was der norwe-
gische Bauer in Amerika lerne, die Reinlichkeit sei; diese aber sei
in den meisten Fällen ein völlig genügender Schutz gegen die Lepra.
W. Petersen (Zürich).
Sittmann, Gr., Ein Fall akuter Rotzinfektion beim
Menschen. (Annalen der städtischen allgemeinen Kranken-
häuser in München. 1890/92. München 1894. p. 84 — 91.)
Verwechselungen mit anderen Infektionskrankheiten finden auch
heute noch nach dem Bekanntsein des spezifischen Krankheitser-
regers statt, namentlich kommt akuter Gelenkrheumatismus hier in
Frage, sonst Typhus exanthematicus, Purpura haemorrhagica, Perio-
stitis traumatica und traumatische Phlegmone.
Auch in dem von Sittmann beobachteten Falle waren die
Gelenke mitergriffen. Aus Pusteleiter und Blut angelegte Agar- und
Kartoffelkulturen zeigten bald die charakteristischen Wachstums-
erscheinungen der Rotzbacillen. Meerschweinchen gingen unter den
Folgen der Impfungen mit dieser Kultur bald ein, weiße Mäuse
blieben am Leben. — Die Krankheitsdauer — ausschließlich des
Inkubationsstadiums — überschritt die von Bollinger für akuten
Rotz berechnete Durchschnittsdauer um 2 Tage.
Eine Infektionspforte ließ sich mit Sicherheit nicht feststellen,
doch glaubt Sittmann den Vorgang so auffassen zu dürfen, daß
hochgradig virulente Rotzbacillen von rotzkranken Pferden durch
eine später mit Bestimmtheit nicht mehr nachweisbare Pforte in
das menschliche Blut gelangten, zu einer primären Blutinfektion
700
Texasfieber. — Tierische Parasiten. — Krebs der Eichen.
führten und nimmt an, daß die Erscheinungen von seiten der äußeren
Bedeckung u. s. w. sekundärer Natur waren.
E. Roth (Halle a. S.).
Billings, Frank S., Southern Cattle Plague (Texas fever).
3. Aufl Lincoln, Nebraska. 1893.
Unter Beibringung neuen Materiales verficht B. seine Ansicht,
daß der von ihm beschriebene Bacillus der Erreger der genannten
Krankheit ist. Besonders heftig wendet er sich gegen die Ansicht,
daß die Seuche auf Infektion durch Protozoen beruht, und daß auf
den erkrankten Tieren schmarotzende Zecken bei der Uebertragung
eine Rolle spielen. Im Körper der Zecken will er ebenfalls seinen
Bacillus gefunden haben. Abel (Greifswald).
Billings, Frank S., The Com Fodder Disease in Cattle
and other Farm Animais etc. Lincoln, Nebrasca, 1892.
Eine neue, durch weitere Beobachtungen bereicherte Auflage
des Buches, in dem B. die im Titel angeführte für eine Septikämie
erklärt, bei der erst sekundär Erscheinungen von Entzündung in der
Lunge auitreten. Der Erreger soll ein Organismus aus der Gruppe
der Wildseuchebacillen sein. Abel (Greifswald).
de Magalhäes, P. S., Notes d’ heim int hologie br^silienne.
II. (Boll. soc. zoolog. de France. T. XVII. 1892. p. 219—221.
Avec fig.)
Beschreibt Heterakis brasiliensis n. sp. aus dem Darme
des Haushuhnes in Brasilien ; die Art, die bisher nur in männlichen
Exemplaren beobachtet ist, erreicht eine Länge von 24 mm bei
einer Breite von 0,6 mm und unterscheidet sich durch Zahl und
Stellung der Kaudalpapillen von den anderen 4, bisher aus Hühnern
bekannt gewordenen H eteraki sarten.
M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Hartig, B., EinekrebsartigeRindenkrankheitderEiche,
erzeugt durch Aglaospora Talola. (Forstlich-naturw.
Zeitschrift. 1893. 1. p. 1—6. Mit 4 Fig.)
Nach einer die krebsartigen Erkrankungen der Holzgewächse
kurz berührenden Einleitung wendet sich Verf. zu einer genaueren
Schilderung der krebsartigen Erscheinungen, welche an Stämmen
eines 35 -jährigen Eichenbestandes beobachtet wurden. Fast alle
Stämme waren mehr oder weniger erkrankt und ein hoher Prozent-
satz bereits zu Grunde gegangen; jüngere Bestände waren eigen-
artigerweise jedoch nicht in Mitleidenschaft gezogen. Die Krankheit
äußerte sich in der Weise, daß au den von Borke noch nicht be-
kleideten Stämmchen die Rinde an einzelnen Stellen sich bräunt
und abstirbt, welcher Vorgang eine sehr erhebliche Ausdehnung an-
nehmen kanu und nicht selten sich mehrere Meter in der Längs-
richtung des Stammes ausbreitet. Auch der jüngere Teil des
Holzes wird davon ergriffen und nur im Kernholze vermißt man
Pflanzenkrankheiten. — Untersuchungsmethoden etc.
701
die an den anderen Orten zahlreichen Mycelfäden des Parasiten.
Die durch Abstoßung der toten Partieen entstandenen nackten Stellen
werden vom Rande aus früher oder später durch einen Ueber-
wallungsprozeß geschlossen, welcher bei schwächlichen Bäumen
jedoch wenig ergiebig sein kann. Die Infektionen selbst dürften in
vielen Fällen von kleinen Rindenverletzungen, durch welche die Kork-
haut beschädigt wurde, ihren Ausgang nehmen.
Von dem Pilze selbst giebt Verf. Beschreibung und Abbildung
der Perithecien, Schlauchsporen und Conidien, welch
erstere im zweiten Jahre, und zwar in der Mehrzahl innerhalb kleiner,
die Korkhaut sprengender höckerartiger Fruchtpolster entstehen und
in der Regel gemeinschaftliche Ausführöffnung besitzen. Ihre Ge-
stalt ist flaschenförmig; innerhalb sind sie rundum mit Ascis be-
setzt, welche gewöhnlich 8 in einer Reihe angeordnete und durch
fadenförmige Fortsätze ausgezeichnete zweizeilige Sporen enthalten.
Die Conidien sind sichelförmig und entstehen unterhalb des Periderms
an denjenigen Stellen, wo solches von den Perithecienhälsen durch-
brochen wird; nach außen hervorgestoßen, bilden sie das jene um-
gebende und schon mit unbewaffnetem Auge kenntliche weiße Pulver.
Wehmer (Hannover).
Tubeuf, C. y., Hexenbesen der Lärche. (Forstlich-Naturw.
Zeitschr. 1893. Heft 1. p. 48.)
Notiz des Verf.’s über Auffinden einiger Hexenbesen auf Lar ix
mit Abbildung eines solchen (nach Photographie). Außer oberfläch-
lichen Kolonieen saprophytischer Pilze konnte parasitisches Mycel
im lebenden Gewebe nicht nachgewiesen werden.
W e h m e r (Hannover).
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Unna, P. G., Natürliche Reinkulturen der Oberhaut-
pilze. (Monatshefte für prakt. Dermat. 1894. No. 6.)
Unna giebt in der vorliegenden Arbeit eine neue Färbemethode
für Mikroorganismen in Schuppen und Krusten und überhaupt im
hornigen Gewebe an. Durch beigegebene Tafeln, welche halb auf photo-
graphischem Wege halb durch Handzeichnung angefertigt sind, giebt
er einen Ueberblick über die Resultate seiner Methode ; sie zeigen die
Pilze der Pityriasis versicolor, Trichophytosis und u. a. auch die von
dem Verf. als mutmaßliche Erreger des Ekzem seborrh. angesprochenen
Morokokken und Flaschenbacillen.
Die zu untersuchenden Schuppen und Krusten verschaflt sich
Unna dadurch, daß er auf die erkrankten mit Schuppen bedeckten
Hautpartieen Zinkpflastermull für einige Minuten aufdrückt, so daß
beim Abnehmen die Schuppen auf dem Pflastermull kleben. Sie
702 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
werden zuerst in Benzin gebracht, dann in salzsauren absoluten Alko-
hol. Wenn nicht schon durch das Benzin, so sind sie jetzt pflaster-
frei. Dann werden die Stücken behufs Färbung auf den Objektträger
gebracht, 15 Minuten mit starker Anilinwassergentianaviolettlösung
gefärbt, getrocknet und 2—3 Minuten mit einer Jodlösung (5 °/0 Jod-
kaliumlösung und Wasserstoffsuperoxydlösung ää) bedeckt, wieder ge-
trocknet und für mindestens 2—12 Stunden in Pikro- oder Eosinani-
lin gebracht.
Nähere Details über die Färbemethode und die damit erzielten
Resultate sind im Original nachzulesen. Lasch (Breslau).
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
Pagano, L’azione tossica della linfa e del sangue.
(Archivio per le Scienze med. XVI. Fase. III. p. 221.)
Die Untersuchungen P.’s über die giftigen Eigenschaften der
Lymphe und des Blutes einer Tierart für eine andere sind in unserer
Zeit der Serumtherapie auch von bakteriologischem Interesse. P.
fand, daß die Lymphe die gleichen schädlichen Wirkungen entfalten
kann wie das Blut, nur in geringerem Grade. Diese Wirkung konnte
nicht bezogen werden auf eine Zerstörung der roten Blutkörperchen,
welche von der Lymphe nicht geschädigt werden. Es ist wahrschein-
lich, daß sich unter pathologischen Verhältnissen die Giftwirkung
steigern kann. Die toxischen Substanzen des Blutes stammen nach
P.’s Beobachtungen zum Teil aus dem Blute selbst; die tödliche
Wirkung des übertragenen Blutes beruhte (wenigstens bei Experi-
menten mit Hund und Kaninchen) nicht auf einem Untergange roter
Blutkörperchen, sondern auf einer Gerinnung des Blutes und dadurch
bedingter Asphyxie. W. Peter sen (Zürich).
Spina, Einige Versuche über die Wirkung von intra-
parenchymatösen Injektionen von Giften in die ver-
kästen Knoten bei der Impftuberkulose der Meer-
schweinchen. (Allg. W'iener med. Zeitung. 1893.)
Daß in krankhaft veränderten Geweben Stoffe erzeugt werden
können, welche, in den Kreislauf gelangt, nach Art von Giften wirken
können, ist durch klinische und experimentelle Erfahrungen, besonders
klar für Tetanus und Diphtherie, erwiesen worden. Es ist jetzt
üblich geworden, von Toxinen und von Toxinvergiftungen bei vielen
pathologischen Vorgängen auch dann zu sprechen, wenn der Beweis,
daß das erkrankte Gewebe Gift enthält, nicht geführt worden ist.
Aber auch der Nachweis von der Gegenwart solchen Giftes reicht
noch nicht hin, jene Verallgemeinerung für berechtigt zu halten, es
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 703
muß des weiteren dargethan werden, daß das Gewebe befähigt ist,
das Gift an das Blut oder die Lymphe thatsächlich abzugeben, und
zwar in so großer Menge, daß daraus eine Vergiftung resultieren
kann. Ein pathologisches Gewebe, welches nicht dazu imstande
ist, stellen nach Spina’s Versuchen die verkästen Knoten dar, wie
sie nach subkutaner Impfung von Meerschweinchen mit tuberkulösem
Materiale sich bilden.
Injiziert man gesunden, erwachsenen Meerschweinchen subkutan
0,5 ccm einer 1-proz. Sublimatlösung, so erliegen die Tiere der Ver-
giftung nach drei Tagen, beträgt die Dosis aber 1,0 ccm, so sterben
sie oft noch vor Ablauf eines Tages. Ebenso verhalten sich mit
Tuberkulose infizierte Tiere, wenn die Injektion entfernt von der
Impfstelle oder in die noch nicht verkästen Knoten erfolgt. Wird
aber das Sublimat in verkäste Knoten injiziert, dann zeigen die
Tiere keine Symptome von Vergiftungen und bleiben so lange am
Leben, bis sie den Folgen der Impfung erliegen.
Auch bei der Injektion von Strychnin in verkäste Knoten kommt
keine Vergiftung bei Anwendung sonst tödlicher Dosen zustande.
Auf Injektion von 0,1 ccm einer 3-proz. Lösung von Strychninum
nitricum bei normalen Meerschweinchen brechen die ersten Anzeichen
der Vergiftung nach 6 Minuten aus und im Verlaufe von 20 bis
40 Minuten erfolgt der Tod. Bei der Injektion derselben Menge in
verkäste Knoten treten keine Zeichen von Giftwirkung auf, wenn
man die Vorsicht gebraucht, die Injektionsspritze etwa 10 Minuten
mit der Hand in ihrer Lage zu fixieren. Auf diese Weise verhindert
man, daß während der kritischen Zeit der ersten Minuten geringe
Mengen der Giftlösung aus dem Knoten in das umgebende Gewebe
aussickern und leichte Vergiftungserscheinungen hervorrufen. Nach
Entfernung der Spritze können dieselben natürlich auftreten, weil
Gift aus der Wunde austritt, aber die Erscheinungen werden
schwächer sein, als bei normalen Tieren, da weniger Gift zur Wir-
kung gelangt.
Bei seinem Verbleiben im Knoten kann das Gift entweder eine
chemische Veränderung erleiden oder es kann den Knoten successive
in unwirksamen Mengen verlassen. Wenn man einen mit 0,1 ccm
Strychnin injizierten Knoten nach etwa 20 Stunden zerdrückt, so
daß sich sein Inhalt unter die Haut verbreitet, dann sterben die
Tiere nicht, sondern geben nur eine vermehrte Reflexerregbarkeit zu
erkennen. Abel (Greifswald).
704
Neue Litteratur.
Neue Litteratur
zusammengestellt von
De. Arthüb Würzbubg,
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Neue Litteratur, p. 704.
fc'ronmia mische Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena,
K ALB£^ pp
Bakteriologie und Parasitenkunde.
In Yerbindung mit
Geb. flott. Prof. Dr. Lenctart m Professor Dr. Loefler
in Leipzig In Greifiwald
herausgegeben von
Dr. O. DJilworm in Cassel.
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
XV. Band. Jena, den 19. Mai 1894. No. 19/20.
Preis für den Band (26 Nummern) 14 Mark.
Jährlich erscheinen zwei Bände.
— »K Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. %*—
Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
kunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um, Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an
den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena, gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage, später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original -Mittheilungen.
Ueber das Vorkommen von Trichomonas im Harne
eines Mannes, nebst Bemerkungen über Trichomonas
vaginalis.
Von
F. Marcliand
in
Marburg.
Mit 1 Tafel.
Am 12. März d. J. wurde dem pathologischen Institute durch
Herrn Dr. A b 6 e ein trüber, schmutzig-rötlicher Harn zur Unter-
suchung gesandt, welcher viel Eiweiß enthielt und beim Stehen einen
reichlichen schmutzig-gelblichen Bodensatz aus Eiterkörperchen lie-
IV. BdL 45
710
F. Marchand,
ferte. Die Reaktion war sauer. In dem Bodensatz fanden sich
zahlreiche weißliche Flöckchen aus Plattenepithelien von der Be-
schaffenheit verhornter Epidermiszellen, dazwischen mehr vereinzelte
gequollene, hyaline Epithelzellen mit noch erkennbaren Kernen, ein-
zelne hyaline Cylinder, ziemlich zahlreiche rote Blutkörperchen.
Zwischen den Epithelzellen, welche häufig eine netzförmige An-
ordnung mit Bildung rundlicher Lücken und konzentrischer Schichtung
zeigten, fanden sich eigentümliche hyaline Körperchen, etwas größer
als Leukocyten, welche stellenweise deutliche Eigenbewegung zeigten
und sich bei näherer Beobachtung, besonders im P feiffe r ’ sehen
Wärmekasten, als Flagellaten erwiesen. Infolge dieses sehr eigen-
tümlichen Fundes wurde die Untersuchung des Harnes bis Anfang
April fast täglich fortgesetzt, doch war das Vorkommen und der Er-
haltungszustand der Infusorien sehr wechselnd, so daß ziemlich viel
Mühe aufgewendet werden mußte, um über die Natur derselben ins
Klare zu kommen. Der Harn stammte von einem etwa 60-jährigen
Manne, welcher bereits seit längerer Zeit (17 Jahren) an einer für
tuberkulös gehaltenen Becken ei terung mit fistulösem Durchbruch neben
dem After litt und wegen dieser Affektion im Jahre 1893 in chirur-
gischer Behandlung gewesen war. Das Auftreten von Eiter im Harne
ist damals nach freundlicher Mitteilung durch Herrn Dr. Volkmann
auf einen Durchbruch in die Blase bezogen worden, da die übrigen
Erscheinungen einer Cystitis fehlten. Diese sollen auch zu der Zeit,
während der Kranke sich in Behandlung der Herren Dr. Aböe und
Sardemann befand, nicht vorhanden gewesen sein. Der anfangr
sehr mangelhafte Kräftezustand besserte sich allmählich. Der Harn
blieb während dieser Zeit stets trübe, wurde aber allmählich wieder
gelb, und der Bodensatz wurde immer geringer. Darin fanden sich
meistens eigentümliche gelbliche Klümpchen von Stecknadelknopf- bis
Hanfkorngröße, welche an Smegma erinnerten und bei Druck unter dem
Deckglase eine Zusammensetzung aus Epithelzellen, Fettsäurenadeln und
Eiterkörperchen erkennen ließen. Daneben kamen die bereits erwähnten
kleinen Epidermisschüppchen oder -flöckchen in wechselnder Zahl vor,
außerdem kleine weiche Flöckchen aus zusammenhängenden Eiter-
körperchen und Schleim.
Stets enthielt der Harn — auch der frisch gelassene — sehr
zahlreiche Bacillen, in den erwähnten Klümpchen auch Mikrokokken-
massen. Tuberkel-Bacillen waren nicht nachzuweisen. Die Infusorien
fanden sich fast ausschließlich in den lockeren Epithelflöckchen, welche
mehr oder weniger reichlich mit Eiterkörperchen durchsetzt waren.
Häufig genügte es, ein solches Flöckchen unter das Mikroskop zu
bringen, um eine ganze Anzahl der Tiere zu Gesicht zu bekommen;
bei der Beobachtung im Wärmekasten, bei ca. 30° C gelang das
Auffinden und die weitere Untersuchung viel leichter, besonders wenn
der Harn nicht mehr ganz frisch war. Nach mehrstündigem Stehen
war es in der Regel nicht mehr möglich, gut erhaltene Infusorien zu
entdecken. Zum Aufsuchen benutzte ich meist Hartnack, Syst. 7,
zur genauen Untersuchung Zeiß, homogene Immersion J/l2 oder
Aprochromat 2 mm, Komp. Ok. 4.
Ueber das Vorkommen von Trichomonas im Harne eines Mannes etc. 711
Ich lasse zunächst eine Beschreibung der Tiere hier folgen:
Die typischen, gut erhaltenen Individuen, wie ich sie erst ziem-
lich spät zu Gesicht bekam, haben eine spindelförmige, länglich-runde
oder ovoide Gestalt; die Größe schwankt zwischen ziemlich weiten
Grenzen, von 0,012 — 0,03 mm Länge und 0,010 — 0,015 mm Breite.
Das Hinterende ist entweder zugespitzt oder abgerundet, in letzterem
Fall ist es indes nicht selten mit einem kurzen, geraden, feinen,
schwanzartigen Anhang versehen (Fig. la — f). An dem etwas vor-
springenden oder abgerundeten Vorderende finden sich vier faden-
förmige Geißeln, welche von einem Punkte entspringen und
nicht selten an der Basis so vereinigt sind, daß sie von einem
gemeinschaftlichen kurzen Stiele auszugehen scheinen. Die Länge
der Geißeln kommt in den kürzeren rundlichen Formen der Körper-
länge ziemlich gleich. Die Geißeln befinden sich bei gut erhaltenen
Tieren in beständiger schlagender Bewegung nach einer Seite und
zurück; in der Wärme wird die Bewegung meist lebhafter.
Nicht selten sind die Geißelfäden zu zweien miteinander ganz
oder teilweise verklebt, so daß sehr häufig der Anschein entsteht, daß
nur zwei oder drei vorhanden sind. Von der Basis der Geißeln ver-
läuft an der einen Seite des Tierchens in der Längsrichtung ein feiner
undulierender Saum (eine durch eine äußerst feine, durchsichtige
Membran mit dem Körper verbundene Geißel), welcher sich in be-
ständiger schneller Bewegung befindet, und zwar in der Weise, daß
eine Welle von vorn nach hinten verläuft; die Bewegung der Geißeln
ist stets gegen diesen Saum gerichtet. Der Saum erstreckt sich über
die vordere Hälfte oder über die vorderen zwei Drittel des Körpers.
Sind die Geißeln zur Ruhe gekommen oder, was nicht selten der
Fall ist, überhaupt nicht sichtbar, so kann man häufig die lebhafte
zuckende oder flimmernde Bewegung des Saumes erkennen. Endlich
kann auch diese ganz fehlen oder unsichtbar werden. Das Proto-
plasma des Körpers ist entweder ganz homogen und hyalin, glänzend,
oder in der Regel mit einer großen Anzahl kleiner Vakuolen und
kleinster Körnchen durchsetzt, besonders im Bereiche des hinteren
Endes. Einzelne Vakuolen können durch etwas beträchtlichere Größe
hervor treten und enthalten dann nicht selten glänzende Körnchen.
Eine kontraktile Vakuole ist nicht vorhanden, auch den Kern kann
man im frischen Zustande nicht erkennen. Eine Mundöffnung oder
Mundspalte vermochte ich nicht mit Sicherheit zu konstatieren, doch
fand ich zuweilen eine kleine Einkerbung in der nächsten Nähe der
Geißelbasis. Einmal sah ich in der Gegend des flimmernden Saumes,
ziemlich am Ende desselben eine grubige Vertiefung entstehen, zu
welcher die Wellenbewegung des Saumes hinführte (Fig. 1 h i). Die
Tierchen machten vermittelst der Geißeln und des undulierenden Saumes
schwingende und rotierende Bewegungen an Ort und Stelle, konnten
aber auch den Ort wechseln. Dabei zeigten sie eine sehr große Ver-
änderlichkeit der Form, indem sie sich zwischen Eiterkörperchen und
Epithelien langsam hindurchdrängten, hier und da Ausbuchtungen und
Anschwellungen zeigend, wodurch der Körper flaschenförmig, langge-
streckt, kurz, sehr verschieden gestaltet wurde. Die in Ruhe befindlichen
Tiere sind meist eiförmig, bimförmig oder kugelig, einige augenscheinlich
45*
712
F. Marchand,
in Degeneration begriffene stark vakuolär (Fig. 1 1). Einige Male be-
obachtete ich an den im Wärmekasten befindlichen Tieren (bei 30 —
40 °C) plötzlich eintretende Kontraktionen des ganzen Körpers, wodurch
dieser sehr viel kleiner und an der ganzen Oberfläche stark runzelig
wurde (Fig. 6); zuweilen traten diese Kontraktionen langsamer ein.
Am auffälligsten war diese Erscheinung einige Male bei Zusatz eines
Tröpfchens frischen, nicht erwärmten Harnes an den Rand des
Deckglases, vermutlich also wohl Folge der plötzlichen Temperatur-
ditferenz. Allmählich quoll der Körper wieder zu der ursprünglichen
Form auf. Die Geißelbewegung sistierte während der Kontraktion.
Eine andere sehr auffällige Erscheinung, welche besonders deut-
lich an einzelnen Tagen beobachtet wurde, bestand in dem Auftreten
von amöboiden Bewegungen mit Gestaltveränderungen des
ganzen Körpers und von feinen Pseudopodien an verschiedenen
Stellen. Die ersteren bestanden in der Bildung von rundlichen
hyalinen Vorsprüngen an dem vorher kugeligen Körper, welcher durch
Cilien oder undulierenden Saum in zitternder Bewegung erhalten wurde.
Während diese Bewegung aufhörte (und weder Cilien noch Saum
sichtbar waren), traten weitere Gestaltveränderungen des ganzen
Körpers ein, welcher schließlich in eine flache, sarkoileähnliche Masse
(mit zahlreichen Vakuolen am Rande) auseinanderfloß, sich dann wieder
kugelig gestaltete, neue hyaline Ausläufer bildete und mit Hilfe der-
selben einen in der Nähe liegenden Leukocytenkern vollständig um-
schloß, welcher nachher wieder zum Vorschein kam ; endlich nahm
der Körper wieder bimförmige Gestalt an und zeigte hin und her
schwingende Bewegung. (Diese fortwährende Gestaltveränderung
konnte ich in einem Falle zusammen mit Herrn Dr. Saxer 21/2 St.
hindurch beobachten, worauf dann keine weiteren Veränderungen mehr
eintraten ; einige der verschiedenen Bewegungsphasen sind in Fig. 4 a,
b. c abgebildet.) Bei anderen Exemplaren war das Hinterende bei
erhaltener Geißelbewegung in ein langes Pseudopodium von wechseln-
der Form ausgezogen, während an einer anderen Stelle des Körpers
sich ein fadenförmiges Pseudopodium bildete (Fig. 5); die Pseudo-
podien fixierten sich nicht selten am Deckglas, an Leukocyten und
konnten an Länge den übrigen Körper übertreffen. Die amöboiden
Bewegungen, sowie die Bildung feiner Pseudopodien habe ich nur
bei Erwärmung beobachtet; ob diese Erscheinungen mit der
Nahrungsaufnahme in Beziehung zu bringen sind, vermag ich nicht
anzugeben.
Durch Zusatz von wässeriger Methylenblaulösung ließen sich die
Tiere färben, nachdem sie in der Farbstofflösung abgestorben waren
(anfangs waren sie als hellglänzende Kugeln in der blauen Flüssig-
keit sichtbar) ; das Protoplasma nahm dabei eine mehr oder weniger
deutlich körnige blaue Färbung an 1), während in der Nähe der
Geißelbasis ein Kern von runder oder länglich-runder Form zum
Vorschein kam. Der gefärbte Inhalt des Kernes bildete meist mehrere
dunkle Körner, Nukleolen (Fig. 3). Nach vorheriger Abtötung durch
1) Das Protoplasma retrahiert sich stellenweise, so daß eine feine Cuticula an der
Oberfläche zum Vorschein kommt (Fig. 2).
Ueber das Vorkommen von Trichomonas im Harne eines Mannes etc. 713
Osmiumsäure erschien der Inhalt des Kernes als eine mehr kompakte
Masse (Fig. 2); durch Zusatz von Essigsäure und nachträgliche
Färbung durch Methylenblau wurde das Protoplasma feingranuliert,
bläulich; an einzelnen Exemplaren war eine feine Längslinie zu er-
kennen, doch konnten die Einzelheiten wegen der geringen Zahl ge-
eigneter, hinreichend freiliegender Exemplare nur unvollkommen fest-
gestellt werden (siehe unten).
Nach den geschilderten Charakteren gehören die im Harn beob-
achteten Flagellaten der Gattung Trichomonas (Cimaeno-
monas Grass i) an; zur genaueren Feststellung war eine Ver-
gleichung mit Tr. vaginalis erforderlich, welche zugleich Veran-
lassung zu einer etwas genaueren Untersuchung dieses Parasiten gab.
Obwohl Trichomonas vaginalis zu den häufigsten para-
sitischen Protozoen gehören dürfte, ist doch seine Naturgeschichte
noch wenig bekannt. Selbst wenn wir von den älteren Beschrei-
bungen absehen, welche infolge der Mangelhaftigkeit der damaligen
optischen Hilfsmittel ungenügend waren , sind auch die aus den
letzten Jahrzehnten stammenden Angaben von Blochmann,
Künstler und Bütschli nicht übereinstimmend. Ziemlich tref-
fend schildert Künstler1) den Parasiten, indem er zunächst die
sehr wechselnde Form desselben hervorhebt ; die Formveränderungen
erfolgen ziemlich schnell unter den Augen des Beobachters. Oft
sieht man Pseudopodien an der ganzen Oberfläche des Körpers, oder
häufiger am hinteren Körperende. Das vordere Körperende trägt
vier Geißeln, welche unter sich an der Basis in wechselnder
Ausdehnung verklebt sind, wodurch sie sehr schwer von einander
zu unterscheiden sind. Von der Insertionsstelle der Geißeln geht
eine gezähnelte Membran aus, welche gegen das hintere Ende sich
richtet und von einer sehr schnellen undulierenden Bewegung be-
lebt ist. Diese Membran ist in ihrer ganzen Ausdehnung auf einer
„Längsrippe“ fixiert, welche sich vom vorderen bis zum hinteren
Ende des Körpers erstreckt und sich oft noch hinten in einen mehr
oder weniger langen, zugespitzten Schwanz verlängert. An der Basis
der Cilien fiudet sich die Mundöffnung, welche in ein Schlundrohr
von rauhem Aussehen und ziemlicher Länge führt. Neben diesem
Gang, oder richtiger neben seinem unteren Ende, ist ein Kern vor-
handen, manchmal rund, häufiger abgeplattet und verlängert. Das
ganze Protoplasma der Trichomonas zeigt eine vakuoläre Struk-
tur; die Vakuolen enthalten häufig sehr deutliche Körnchen.
Blochmann2), dessen Untersuchung noch vor dem Bekannt-
werden der vorstehenden Angaben stattfand, nennt das Protoplasma
feingranuliert, häufig gröbere, rundliche Körperchen (Mikrokokken ?)
einschließend. Fast bei allen Exemplaren beobachtete B. zwei nach*
hinten konvergierende Reihen feiner Körnchen. Dem Vorderende
näher liegt der Kern. Am Vorderende finden sich drei Geißeln,
von deren Ursprungsstelle aus eine undulierende Membran sich bis
1) Recherches sur les infusoires parasites. (Comptes rendus. Vol. 97. Oct. 1883.
p. 755.)
2) Bemerkungen über einige Flagellaten. (Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie.
Bd. XL. 1884. p. 42 )
714
F. Mtrchand,
ungefähr zur Mitte des Körpers erstreckt. Eine kontraktile Vakuole
fehlt. Die „Längsrippe“ erwähnt B. nicht, bildet sie auch nicht
ab. Auch nach Bütschli1) ist bei Trichomonas vaginalis
hiervon (im Gegensatz zu Trichomastix undTrichom. batra-
chorum) nichts Deutliches zu erkennen. Bütschli2) schreibt
der Gattung Trichomonas drei Geißeln zu, während Leuckart3 4)
vermutete, daß nur zwei Geißeln vorhanden seien.
Grassi, welcher auffallenderweise Trichomonas vagi-
nalis als große Rarität in Italien bezeichnet und es daher selbst
nie zu sehen bekommen hat, ist der Ansicht, daß der sog. Kiel am
Rücken bei Trichomonas thatsächlich ein Stäbchen im Innern
sei, ein inneres Skelett, möglicherweise ein Umwandelungsprodukt aus
der Kernmembran, ähnlich dem „Achsenfaden“ vieler Spermatozoeu.
Die Mundöffnung macht bei Tr. den Eindruck einer Spalte oder
Grube in der Nähe der Insertion der Geißeln. Die sie begrenzenden
Lippen können voneinander abstehen oder zusammenfallen, und in
letzterem Falle konnte der Mund Blochmann, Bütschli und
Künstler (siehe dagegen des letzteren Angaben) entgehen. Gr.
glaubt, daß die Spalte durch Vermittelung einer Vakuole bei der
Nahrungsaufnahme klaffend wird 5). Diese Schilderung scheint haupt-
sächlich von Trichomonas hominis (intestinalis) (Cimaeno-
monas Grassi) hergenommen zu sein, wo die Verhältnisse indes
doch noch anders zu sein scheinen als bei Tr. vaginalis.
Nach meinen eigenen Beobachtungen an Trichomonas vagi-
nalis, welche ich durch freundliche Vermittelung der Herren Prof.
Ahlfeld und Dr. Kühne machen konnte, kann ich die Angaben
Künstler’s bezüglich des allgemeinen Habitus nur bestätigen. Die
normale Zahl der Geißeln ist zweifellos vier, allerdings sind die-
selben sehr häufig auch in der Ruhe nicht zu unterscheiden 6). Der
Kern schimmert meist schon am lebenden Tiere als hellerer Fleck
durch; er ist erheblich größer als auf der Abbildung bei Bloch-
mann, meist länglich und seitlich abgeplattet. Das Protoplasma ist
sehr zart, durchscheinend und mit sehr zahlreichen runden Körperchen
(Vakuolen?) durchsetzt, welche häufig eine gewisse Anordnung er-
kennen lassen. Dadurch kann ein Bild entstehen, welches an die
beiden Köruerreihen von Bloch mann erinnert. In manchen Fällen
geht ein aus aneinandergereihten Körnern gebildeter Streifen in der
Längsrichtung durch die Mitte des Körpers, in anderen nimmt ein
Teil der verstreuten Körner eine reihenförmige Anordnung an, oder
es bilden sich zwei Reihen zu beiden Seiten des Kernes.
Das Hinterleibsende ist nicht selten zugespitzt, häufig pseudo-
podienartig verlängert und fixiert, während der Körper hin und her
1) Bronn ’s Klassen und Ordnungen. Bd. I. Protozoa. 2 Abt. p. 666.
2) 1. c. p. 842.
3) Die Parasiten des Menschen. Bd. I. Abt. 1. 1874 — 1886. p. 313.
4) Significatio patologica dei protozoi parassiti dell’ uomo. (Atti della Reale accad
dei Lincei. Rendiconti. Vol. IV. 1. Roma 1888. p. 83.)
5) Morfologia sistematica di alcuni protozoi parassiti. (Ebenda, p. 11.)
6) Ob die Minderzahl der Geiseln, welche man oft zu sehen bekommt, eine that-
sächliche oder immer nur scheinbare ist, läßt sich nicht feststellen.
Ueber das Vorkommen von Trichomonas im Harne eines Mannes etc. 715
schwingt ; je mehr die Tiere zur Ruhe kommen, desto mehr nimmt
der Körper die Kugelgestalt an; meist ist am Hinterende ein feiner,
gerader Schwanzfaden von wechselnder Länge sichtbar.
Bei Zusatz von verdünnter Essigsäure wird das Protoplasma sehr
feinkörnig und trübe ; der Kern tritt deutlich hervor und außerdem
eine feine Längslinie, welche unmittelbar an der Insertionsstelle
der Geißeln beginnt und im Bogen nach hinten verläuft, wo sie in
den Schwanzfaden übergeht. Beim Rollen des Körpers um die Längs-
achse schien es mir, als ob die Linie besonders vorn thatsächlich an
der Oberfläche verliefe, andererseits steht sie aber in ganz bestimmter
Beziehung zum Kerne, welcher dem vorderen Teile der gekrümmten
Linie eng anliegt und sogar mit ihr verbunden zu sein scheint.
(Fig. 8, 9). Dies würde für die Ansicht von Grassi sprechen.
Jedenfalls entspricht die Linie nicht der Insertion der undulierenden
Membran, wohl aber scheint die Anordnung der Körner, welche
das Bild oberflächlicher Körnerreihen Vortäuschen kann, mit der Längs-
linie zusammenzuhängen (Fig. 10 — 15). Nicht selten sieht man auch
zwei Längslinien, welche in verschiedener Weise zu einander ange-
ordnet sind, zuweilen eine langgestreckte, spindelförmige Figur be-
grenzend, in deren vorderem Teile der Kern eingeschlossen ist, zu-
weilen vorn weiter auseinanderweichend und nicht in derselben
Ebene gelegen (Fig. 9a). Ich muß mich begnügen, diese verschiedene
Anordnung hier zu erwähnen, ohne den Versuch einer Deutung der-
selben machen zu können. Ich möchte nur noch hinzufügen, daß ich
manchmal Bilder fand, welche darauf hinwiesen, daß vom Kerne aus
verschiedene Streifen durch den Körper nach hinten ausstrahlen. In
der Regel findet sich nur ein centraler Faden.
Am deutlichsten lassen sich diese Einzelheiten nach Färbung mit
schwacher wässeriger Methylenblaulösung (nach vorgängiger Essig-
säurebehandlung) erkennen. Derartige Präparate vertragen auch
Glycerinzusatz; die Färbung des Kernes und der erwähnten Linien
tritt darin nach einiger Zeit deutlicher hervor, häufig erkennt man
auch die ungefärbten Vakuolen in der blaßbläulichen Substanz, hier
und da auch eingeschlossene, dunkelblau gefärbte Bakterien. Auch
Präparate, welche durch Osmiumdämpfe fixiert waren, nehmen die
Färbung gut an. (Zuweilen fand ich in solchen auch die Geißeln
blau gefärbt, in der Regel aber farblos.)
Am vollkommensten wird die Körperform fixiert durch Zusatz von
konzentrierter Sublimatlösung, welche auch die Geißeln und den
Schwanzfaden gut zur Anschauung bringt. (Zur Färbung benutzte ich
eine Mischung von Pikrinsäure und Säurefuchsin, doch werden sich
wahrscheinlich andere Färbungsmittel noch besser eignen.) Die Ein-
schlüsse des Protoplasmas erscheinen dabei als stark glänzende runde
Körner; besonders deutlich tritt infolgedessen das eigentümliche
centrale Gebilde hervor, welches sich vom Kerne bis zum Schwanz-
faden erstreckt und aus reihenweise angeordneten Körnern besteht ;
der centrale Faden wird dadurch mehr verdeckt. Bei einigen Exem-
plaren fand ich den undulierenden Saum in seiner ganzen Ausdehnung
fixiert und flügelförmig vom Körper abstehend (Fig. 10, 11). Die
716
F. Marchand,
Geißeln sind gegen das Ende zugespitzt1); der Scbwanzfaden ist bei
vielen Exemplaren deutlich konisch gestaltet und gerade, an einzelnen
endete derselbe aber mit einem dünnen, peitschenähnlichen Anhänge
(Ende des centralen Fadens? Fig. 10) 2) .Es macht den Eindruck, als
könne der Schwanzfaden eine mehr oder weniger reichliche proto-
plasmatische Umhüllung erhalten, wodurch die Uebergänge zu den
Formen mit zugespitztem Hinterleibsende sich erklären würden (wie
Fig. 1 a b). Die scharfe Grenzlinie an der Oberfläche scheint für
das Vorhandensein einer Cuticula zu sprechen, welche an den Pseudo-
podien nicht sichtbar ist.
Der Kern ist von verschiedener Form und Größe, länglich-rund,
plattgedrückt, mehr oder weniger langgestreckt, flaschenförmig, mit
halsförmiger Verlängerung, welche stets dem vorderen)* Ende ent-
spricht und sich bis unmittelbar an die Insertion der Geißeln erstreckt»
Bei manchen Individuen ragt diese Stelle etwas schnabelförmig her-
vor. Der Kern ist deutlich bläschenförmig und enthält entweder
einen rundlichen Nucleolus oder eine je nach der Kernform unregel-
mäßiger gestaltete, dunkler gefärbte, körnige Masse, welche sich nicht
selten wie ein kompakter Körper von der Wand retrahiert (Essig-
säurewirkung).
Von dem Vorhandensein einer Mund Öffnung habe ich mich
an den lebenden Tieren nicht überzeugen können. An fixierten und
gefärbten Exemplaren ist zuweilen ein farbloser Spalt oder Hohlraum
zu erkennen, welcher sich von der Geißelbasis aus an der Seite des
Kernes hinab erstreckt. In einem Falle sah ich auch, daß die Basis
der Geißeln in diesen Spalt hinabreichte, da aber die Form dieses
Tieres durch Kontraktion verändert schien, so möchte ich das nicht
für beweisend ansehen. Einen Ursprung der Geißeln im Inneren
glaube ich aber annehmen zu müssen.
An einigen in Sublimat fixierten Exemplaren glaube ich auch
ein kurzes, röhrenartiges Gebilde gesehen zu haben, welches sich
von der Spitze des Vorderendes zum Kerne erstreckte (Fig. 13) und
bei einem Tiere etwas herauszuragen schien (Fig. 12).
Teilungsformen habe ich an den fixierten und gefärbten Objekten
in ziemlich großer Zahl gefunden, erstens Individuen mit zwei Kernen,
welche mehr oder weniger einander genähert waren, außerdem un-
regelmäßige, zum Teil sehr große Formen mit weiter auseinander-
gerückten Kernen, welche hier und da deutlich durch eine ebenfalls
färbbare Linie von der gleichen Beschaffenheit wie die Längslinie
oder der centrale Faden miteinander in Verbindung standen. (Die
Linie war stets in derselben Einstellung sichtbar, wie die Kerne,
mußte also in derselben Ebene liegen.) Was das Verhalten der
Geißeln bei der Teilung anlangt, so habe ich mich mehrfach von dem
Vorhandensein derselben an der jedem einzelnen Kerne entsprechen-
den Stelle überzeugen können, doch waren sie manchmal nur undeut-
lich erkennbar und ihre Zahl nicht bestimmbar (Fig. 16, 17, 18).
1) Vergl. dagegen die Anmerkung bei Blochmann (1. c. p. 43) und Bütscbli
(p. 673.)
2) Einmal beobachtete ich auch eine dichotomische Teilung am Ende des Schwanz-
fadens (Fig. 2).
Ueber das Vorkommen von Trichomonas im Harne eines Mannes etc. 717
An den lebenden Tieren sieht man nicht ganz selten ein kleineres
Individuum in Verbindung mit einem größeren, gewissermaßen als
Anhang, möglicherweise handelt es sich dabei um abgeschnürte, aus
der Teilung hervorgegangene Individuen.
Die Bewegungsvorgänge der Trichomonaden sind von früheren
Beobachtern hinreichend geschildert; sie entsprechen im ganzen den
oben beschriebenen, doch habe ich vollständig amöboid gewordene
Exemplare bei Tr. vaginalis bisher vermißt. Kleinere und größere
Pseudopodien können an verschiedenen Stellen des Körpers, abgesehen
vom Hinterleibsende, zum Vorscheine kommen, dagegen habe ich das
Auftreten zahlreicher Pseudopodien an der ganzen Körperober-
fläche, welches Künstler erwähnt, hier nicht beobachtet. Wohl
aber findet man nicht selten Formen, welche durch Kontraktion an
der ganzen Oberfläche uneben, runzelig und höckerig erscheinen Was
es mit der von H e n n i g *) und Haussmann 1 2) beschriebenen Form,
welche an der ganzen Körperoberfläche mit starren Härchen besetzt
sein soll, für eine Bewandtnis hat, vermag ich nicht anzugeben.
Vielleicht handelt es sich nur um anhängende Fremdkörperchen
(Bakterien?), welche bei geringerer Vergrößerung Härchen Vor-
täuschen können.
Die Größe der Tr. vaginalis wechselt in ziemlich weiten
Grenzen, die Länge beträgt durchschnittlich 0,02, die Breite 0,012 —
0,018 mm, erstere kann sich aber auf 0,03 mm und mehr steigern.
Ein Vergleich der im Harn gefundenen Flagellaten mit der
Trichom. vaginalis ergiebt mindestens eine sehr große Aehnlich-
keit, wenn nicht Uebereinstimmung beider. Die ersteren zeichnen sich
aus durch eine mehr hyaline, weniger deutlich vakuoläre Beschaffen-
heit des Protoplasmas, meist geringere Größe, Uebergang in voll-
ständig amöboide Form; ich möchte aber bezweifeln, ob diese
Eigentümlichkeiten ausreichen als Artunterschiede, und ob sie nicht
vielleicht nur von der verschiedenen Beschaffenheit des Mediums
abhängen, in welchem die Tiere leben.
Immerhin ist das Vorkommen der Trichomonaden im Harn von
einigem Interesse, auch wenn nicht anzunehmen ist, daß dieselben
irgend welche Bedeutung als Krankheitserreger besitzen. Sie finden
aller Wahrscheinlichkeit nach ihre Existenzbedingungen lediglich auf
einer bereits pathologischen veränderten Schleimhaut in dem gelocker-
ten, in Abstoßung begriffenen Epithelüberzug und zwischen Eiterkörper-
chen, ähnlich wie in der Vagina. Aus welchem Teil der Harnwege
die Parasiten in unserem Falle stammen, ist nicht anzugeben. Die
nahe liegende Möglichkeit, daß dieselben überhaupt nicht aus den
Harnwegen selbst, sondern aus dem Präputialsack bei etwa vorhan-
dener Balanitis herrühren könnten, worauf die Form der Platten-
epithelien hinweisen konnte, ist auszuschließen, da bei dem Patienten
zwar eine geringe Phimose, aber keine Balanitis bestand; es waren
nur einige feste, trockene Smegmakrusten vorhanden. Eine epi-
1) Der Katarrh der weiblichen Geschlechtsorgane. Leipzig 1870.
2) Die Parasiten der weiblichen Geschlechtsorgane des Menschen und einiger Tiere.
Berlin 1870. p. 41.
718
F. Marchand,
dermisähnliche Umwandlung des Epithel kommt nun bekanntlich
in verschiedenen Abschnitten der Harnwege, sowohl der Harnröhre
als der Blase, als auch des Nierenbeckens vor, und zwar in letzterem
besonders bei chronisch entzündlichen, z. B. tuberkulösen Prozessen.
Ob dabei an ein Eindringen der Parasiten von außen oder von
einer anderen Stelle aus (bei etwaiger Kommunikation mit einem
Absceß im Becken) zu denken ist, ist nicht zu entscheiden.
Bis jetzt sind die Angaben über das Vorkommen von Protozoen
im menschlichen Harne sehr spärlich. Die älteste von Leuckart *)
citierte Beobachtung von Hill Hassal lautet nach dem Referat
in Schmidt’s Jahrbüchern*) folgendermaßen: „Eine zweite Art
von im Harn vorkommenden Infusorien (sc. außer Vibrionen) bildet
der Bodo urinarius. Die lebenden, sich bewegenden Individuen
sind oval oder rund, 1 2/180 0" lang und Vsooo" breit (=0,013 und
0,008 mm), granuliert und den Schleimzellen ähnlich. Manchmal
sind sie an einem Ende breiter und an verschiedenen Stellen mit 1,
gewöhnlich 2, selbst 3 Fäden oder Cilien versehen, durch welche sie
sich mit größter Schnelligkeit bewegen, und die am besten bei toten
Individuen zu sehen sind. Sie vermehren sich durch Teilung (nach
der Abbildung durch Längsteilung). Unter den beschriebenen In-
fusorien haben sie die größte Aehnlichkeit mit Bodo intestinalis
Ehrenberg.
Sie entwickeln sich mit den Vibrionen, am besten in alka-
lischen, eiweißhaltigen und der Luft ausgesetzten Harnen, sind
jedoch nicht immer Begleiter der Vibrionen, kommen aber besonders
häufig mit Indigo vor. Auch sie bilden, mit Indigo vermengt, eine
schieferfarbige oder bläuliche Haut.
In einzelnen Harnproben desselben Individuums fehlen sie manch-
mal, während sie in anderen zugegen sind, ebenso entwickeln sie
sich binnen 3 — 4 Tagen in einzelnen Proben von alkalischem Eiweiß-
wasser, in anderen aber nicht.“
Aus diesen Angaben geht nicht hervor, ob die Infusorien über-
haupt in frisch gelassenem Harn gefunden worden sind, oder —
wie es den Anschein hat — nur nach längerem Stehen.
Bei Bütschli3) findet sich eine hierauf bezügliche Stelle:
„Wie eine Cercomonas erscheint auch der jüngst von Künstler
(Soc. d’anat. et de physiologie de Bordeaux, 27. Nov. 1883) wieder
aufgefundene sogenannte Bodo urinarius Hassal ’s aus dem
menschlichen Urin gewisser Kranker. Derselbe besitzt jedoch zwei
vordere Geißeln, und daher ist es zur Zeit fraglich, ob er sich mehr
an Cercomonas oder die Amphimonadinen anschließt.“
Leider ist mir die Mitteilung Künstle r’s nicht zugängig ge-
wesen, so daß ich über das Verhältnis der von ihm beobachteten
Form zu der oben beschriebenen nicht urteilen kann.
Nach Leuckart4) sind Monaden bei Tieren, deren Harn orga-
nische Beimischungen häufiger enthält, als der des Menschen im
1) 1. c. p. 305.
2) Bd. CIX. p. 157. 1861. (Das Original war mir leider nicht zugänglich.)
3) 1. c. p. 813
4) 1. c. I. p. 305.
Ueber das Vorkommen von Trichomonas im Harne eines Mannes etc. 719
Normalzustände, im frisch gelassenen Urine nichts weniger als selten
(nach Leeuwenhoek z. ß. beim Pferde).
Ich erwähne hier noch die Beobachtungen über das Vorkommen
von Amöben im Harn resp. in der Blase von Baelz1) (Tokio),
Jürgens2), Kartulis3) undPosner4). Während es sich in
den Fällen von Baelz und von Pos n er um relativ große Formen
und zweifellose Amöben handelt, waren die von Kartulis gefundenen
Parasiten nur 12 — 20 /.i groß; sie bewegten sich etwas träge und
stießen kurze Pseudopodien aus. Vakuolen und Kern wurden bei
der Färbung mit Methylenblau sichtbar.
Nach dem oben Mitgeteilten sind Verwechselungen zwischen
kleinen Amöben und amöboiden Flagellaten nicht ganz ausge-
schlossen.
Endlich sei noch auf die große Aehnlichkeit der im Harn be-
obachteten Trichomonaden mit der von R. May5) beschriebenen und
neuerdings auch von Roos6) aufgefundenen Form hingewiesen,
welche sich nur durch ihre sehr viel geringere Größe auszeichnet
(7—9 jU lang, 3 — 6 breit). Auch diese ist jedenfalls eine Tricho-
monas.
Marburg, 9. April 1894.
Erklärung der Abbildungen auf Taf. III.
Fig, 1. a — e Verschiedene Formen der Trichomonas aus dem Harne, nach dem
Leben gezeichnet (teils mit Zeiß 1/1J, Ok. 2, teils mit Apochr. 2 mm, Ok. 4; Vergr.
ca. 600.
a, b Ziemlich große Formen mit zugespitztem Hinterende, deutlichem undulierenden
Saume, 0,03 mm lang, 0,01 mm breit.
c, d Zwei Individuen mit kolbig angeschwollenem Hinterleibsende, ohne erkenn-
baren Schwanzfaden.
e, f Zwei kurz-eiförmige Individuen mit feinem Schwanzfaden, Ansicht von der
Seite und von der ventralen Fläche; Länge 0,02 mm, Breite 0,012 mm; Länge des
Schwanzfadens 0,004 mm.
g Ein Individuum mit zugespitztem Hinterleibsende und Bildung eines feinen
Pseudopodiums, welches am Deckglase fixiert war ( p ). Deutlicher Flimmersaum.
h Dasselbe Tier, einige Zeit später; in der Gegend des undulierenden Saumes hat
sich eine Einbuchtung gebildet.
i Dasselbe, eine Stunde später.
k Ein ziemlich großes, breites Exemplar mit dünnem Pseudopodium am Hinterende ;
die Cilien scheinen zu einem einfachen Faden vereinigt, welcher am Ende fixiert zu
sein schien.
1 Kugelige, augenscheinlich in Degeneration begriffene Form mit zahlreichen deut-
lichen Vakuolen, von denen einige glänzende Körperchen einschließen; Cilien in Be-
wegung; Saum nicht sichtbar. Durchm. 0,018 mm.
Fig. 2. Zwei Individuen nach Abtötung durch Osmiumsäure und Färbung mit
wässeriger Methylenblaulösung, a Der Kern (n) hat sich ziemlich intensiv und homogen
gefärbt; die Wurzel der Geißeln scheint sich ins Innere fortzusetzen. Das gefärbte
körnige Protoplasma hat sich etwas retrahiert, so daß eine Art Membran zum Vor-
schein kommt, b Der Inhalt des Kernes hat sich von der Wand retrahiert.
1) Berliner klin. Wochenschr. 1883. No. 16.
2) Verhandlungen des Vereins f. innere Medizin. (Dtsche med. Wochenschr. 1892.
p. 454.)
3) Zeitschrift für Hygiene. Bd. XIII. 1893. p. 1.
4) Berliner klin. Wochenschr. 1893. No. 28.
5) Ueber Cercomonas coli hominis. (Deutsches Archiv f. klin. Med. Bd. XLIX. 1892
p. 51.)
6) Ueber Infusoriendiarrhöe. (Daselbst. Bd. L. 1893. p. 505.)
720
F. Marchand, Ueber das Vorkommen von Trichomonas etc.
Fig. 3. Zwei Individuen durch wässerige Methylenblaulösung gefärbt, ohne vor-
herige Abtötung. Im Kerne kommen mehrere gefärbte Körner zum Vorschein.
Fig. 4. Drei Stadien aus einer längeren Beobachtungsreihe eines Tieres, welches
sehr lebhafte amöboide Bewegungen zeigte und zuletzt wieder ovoide Form annahm,
wobei wieder Bewegung (Cilien oder undulierender Saum?) auftrat. Ein Leukocytenkern
wird umschlossen.
Fig. 5. Ein Tier aus demselben Harne von kugeliger Form, mit Geißeln in Be-
wegung und drei feinen Pseudopodien , welche an benachbarten Leukocyten fixiert
waren (p).
Fig. 6. Plötzliche Kontraktion bei Zusatz von frischem Harne zu dem erwärmten
Objekt ; a) vor, b) nach der Kontraktion ; Geißeln an letzteren nicht erkennbar ; nach
einiger Zeit stellte sich das ursprüngliche Aussehen wieder her.
Fig. 7. a — d Trichomonas vaginalis aus der Scheide bei Blennorrhoe, nach dem
Leben; der Kern schimmert als heller Fleck durch; das Protoplasma ist mit kleinen
Vakuolen und Körnchen durchsetzt. Bei a und b ist der undulierende Saum am Rande
deutlich, bei b die reihenförmige Anordnung der Körner (Vakuolen); bei c Andeutung
einer Doppelreihe; bei d ist das Hinterende in ein unregelmäßig gestaltetes, sehr zartes
Pseudopodium ausgezogen und dadurch fixiert (Vorderende hin und her schwingend).
Größe von a: 0,02 mm, Breite 0,012 mm.
Fig. 8. a — c Mehrere Exemplare nach Behandlung mit Essigsäure und Färbung
mit Methylenblau. Protoplasma fein granuliert Bei a ist neben der gebogenen Längs-
leiste noch eine zweite feine Linie sichtbar ; Kern seitlich und etwas unregelmäßig.
Fig. 9. a — c Drei ähnliche Formen mit verschiedener Lage der beiden Linien,
welche den Kern im vorderen Teile zu umfassen scheinen. Bei a ist der undulierende
Saum angedeutet.
Fig. 10. Ein Exemplar nach der Behandlung mit Sublimat; der undulierende
Saum sehr deutlich sichtbar, ebenso die Körnerreihen im hinteren Körperabschnitt;
gerade gerichteter Schwanzfaden, welcher einen kleinen peitschenförmigen Anhang besitzt.
(Fig 10 — 18 bei Zeiß Apochr. 2 mm, Ok. 8. Vergr. ca. 900.)
Fig. 11. Ein großes Exemplar nach Behandlung mit Sublimat; der undulierende
Saum in ausgebreitetem Zustande sichtbar. Geißeln nach abwärts umgeschlagen, nur
zwei sichtbar.
Fig. 12. Ein ebenso behandeltes Exemplar, an dessen Vorderende ein kleiner
cylindrischer Fortsatz hervorragt, aus welchem die Cilien entspringen, und der sich ins
Innere verfolgen läßt.
Fig. 13. Ebenso behandelt; die Basis der Cilien läßt sich bis zum Kerne ver-
folgen.
Fig. 14. Ebenso behandelt; um den Kern ist ein spaltförmiger Hohlraum sichtbar.
Fig. 15. Ein Exemplar nach Behandlung mit Essigsäure und Methylenblau; der
Kern sehr groß, flaschenförmig, mit körnigem, kontrahiertem Inhalte; stark ausgeprägte
Längslinie; die Vakuolen als helle Flecken sichtbar; in zwei größeren Vakuolen
glänzende Einschlüsse.
Fig. 16. Ein kugeliges Individuum mit zwei Kernen, welche durch einen Faden
vereinigt sind ; an jeder Kernstelle einige lange Geißeln. (Essigs. Methylenblau.)
Fig. 17. Ein ungewöhnlich großes, in Teilung begriffenes Exemplar mit zwei
Kernen, welche durch einen längeren Faden verbunden sind. An der gegenüberliegenden
Seite ein dunkel gefärbter Körper (Kern?), welcher ebenfalls durch einen Faden mit
ersterem zusammenhängt.
Fig. 18. Ein sehr großes, in Teilung begriffenes Exemplar mit 4 Kernen, von
denen zwei durch einen Faden Zusammenhängen. Cilien an drei Stellen, z. T. undeut-
lich. Länge 0,03 mm, Breite 0,016 mm.
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Jüriur.l del
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Lustig und De Giaxa, Ueber das Vorkommen von feinen Spirillen etc. 721
lieber das Vorkommen von feinen Spirillen in den
Ausleerungen von Cholerakranken.
Note
von
A. Lustig (Florenz) und Y. De Giaxa (Neapel).
Aus einer Mitteilung des Dr. Kowalski in der Gesellschaft der
Aerzte in Wien, über welche in No. 49 der Wiener mediz. Wochen-
schrift vom 7. Dez. 1893 berichtet wird, sehen wir, daß er in 11 Fällen
in den Ausleerungen von Cholerakranken eine Art feiner Spirillen
angetroffen hat, welche den Spirochäten der Zähne oder den Spirillen
der Febris recurrens ähnlich sind, eine, zwei oder mehr Windungen
besitzen, sich lebhaft bewegen und nicht auf den gewöhnlichen Nähr-
böden wachsen. Mit Anilinfarben färben sie sich schwach; in wenig
Tagen verschwinden sie aus dem Darminhalte. Kowalski bemerkt,
er habe in der neueren Litteratur über die Cholera keine Beschrei-
bung ähnlicher Formen gefunden und legt diesen Spirillen eine
gewisse Wichtigkeit bei, welche bei der Diskussion von Pal tauf
bestritten wird.
R. Abel nimmt in No. 7 des Centralbl. f. Bakt. u. Parasitenk.
Bd. XV. 1894 den Gegenstand wieder auf und beschreibt aus den
Darmentleerungen der von ihm zwischen dem 27. Okt. und 6. Nov.
1893 untersuchten Cholerakranken außer dem Kommabacillus
auch Spirillen, welche ihren Charakteren nach den von Kowalski
gesehenen ähnlich sind. Er beweist mit kräftigen Gründen, daß diese
Spirillen nicht als Cilien des Cholerabacillus betrachtet werden
können, sondern eine eigene Bakterienart für sich bilden.
Endlich teilt Dr. Aufrecht (Centralbl. f. Bakt. u. Parasitenk.
Bd. XV. 1894. No. 12) uns mit, daß er im August 1893 in den Ent-
leerungen einer unter Cholerasymptomen gestorbenen Frau, bei welcher
alle anatomischen Kennzeichen der asiatischen Cholera gefunden
wurden, Spirillen in außerordentlich großer Zahl gefunden habe,
während in diesem Falle die Kommabacillen fehlten. Er legt diesen
Spirillen Wichtigkeit bei und erklärt es für nötig, künftig auf deren
Gegenwart bei Cholerakranken und in verdächtigen Fällen zu achten.
Dies vorausgeschickt, scheint es uns zweckmäßig, daran zu erinnern,
daß wir schon im Jahre 1886 in der Wiener mediz. Wochenschr.
No. 10, 11 u. 12 eine Mitteilung „über die vier Cholerafälle in Triest“
publiziert haben, in welcher wir u. a. die Zeichnung eines makro-
skopischen Präparates von mit Fuchsin gefärbten Mikroorganismen,
von uns in den Entleerungen eines an Cholera gestorbenen Indivi-
duums gefunden, gebracht haben. Diese Mikroorganismen wurden
von uns als Kommabacillen, Vibrionen und Spirillen beschrieben.
Die Spirillen, wie man aus der damals veröffentlichten Figur sieht,
sind dünner und erscheinen darum blasser als die anderen Mikro-
organismen ; sie bestehen aus einer wechselnden Zahl von Windungen,
sind ganz isoliert und ihre Enden spitzen sich zu. Es scheint uns,
722
Claudio Fermi und Giuseppe Montesano,
daß diese Spirillen sich von den von den genannten Autoren be-
schriebenen in nichts unterscheiden.
Später hatte der Eine von uns x) Gelegenheit, die mikrosko-
pischen Präparate und die Kulturen aus den Darmentleerungen von
mehr als 100 Cholerakranken zu untersuchen, und obgleich ihm die
Existenz dieser Spirillen nicht unbekannt war, so fand er doch keine
Gelegenheit, sie wiederzufinden. Es scheint uns daher, daß unsere
Untersuchungen die Hypothese nicht bestätigen, daß diese Spirillen,
welche von uns in den Choleraentleerungen früher als von anderen
gesehen worden sind, in Beziehung zu der asiatischen Cholera stehen.
Florenz, 10. April 1994.
Ueber die Dekomposition des Amygdalins durch Mikro-
organismen,
[Aus dem Hygienischen Institute der kgl. Universität zu Rom.]
Untersuchungen von
Dr. Claudio Fermi, Assistenten, und Dr. Giuseppe Montesano.
Durch die Untersuchungen eines von uns (Fermi) war bei
vielen Mikroorganismen die Eigentümlichkeit nachgewiesen worden,
Wirkungen hervorzubriugen, welche jenen einiger Fermente, die sich
im tierischen Organismus und in den Pflanzen finden, analog sind,
wie z. B. den Wirkungen des proteolytischen, des diastatischen, des
inversiven , des milchgerinnenden Ferments u. s. w. Deshalb war
es von Interesse, zu wissen, ob es irgend einen Mikroben gäbe, der
eine Wirkung hätte, die jener des Emulsins analog wäre und also
das Amygdalin zerlegte in Blausäure, Benzaldehyd und Zucker.
Wir führten die betr. Untersuchung aus, indem wir eine Amyg-
dalinlösung zu 3 Proz. in gewöhnlicher Bouillon präparierten. Nach-
dem die Mischung in Proben (10 cmm für jede) verteilt und steri-
lisiert worden, vereinigten wir mit jeder der Proben einen anderen
Mikroben, siebzig im ganzen, unter welchen auch noch einige
Schimmelpilze waren. Nach 15 Tagen und auch früher prüften wir
nacheinander die verschiedenen Kulturen, um zu wissen, ob man in
irgend einer von ihnen den charakteristischen Geruch des Benzaldehyd
konstatieren könne.
Die Prüfung wurde 5 mal wiederholt und ergab die folgenden
Resultate :
a) Mikroorganismen, welche konstant Benzaldehyd
erzeugen in Bouillon mit Amygdalin zu 3 Proz. Von
diesen ist nur Micrococcus pyogenes tenuis zu nennen,
dessen Wirkung eine rapide ist und der schon am zweiten Tage der
Impfung wirkt, wenn man die Proben bei einer Temperatur von
ca. 30° hält.
1) A. Lustig, Untersuchungen über Cholera. (Ztschr. f. Hygiene. Bd. III. 1887.)
üeber die Dekomposition des Amygdalins durch Mikroorganismen. 723
b) Mikroorganismen von inkonstanter Wirkung.
Unter diesen haben wir zwei, und zwar Vibrio Metschnikoff
und das Bacterium coli. Die Wirkung dieser Mikroben erlangt
man insonderheit, wenn man die Impfung mit frischen Kulturen
anstellt. Dies gilt mehr für den V. Metschnikoff als für das
Bacterium coli, denn wir haben Veranlassung gehabt, zu be-
merken, daß von mehreren Varietäten dieses letzteren Mikroben,
wenn sie direkt um den Darm der verschiedenen Tiere und des
Menschen isoliert worden waren, nur einige den charakteristischen
Geruch gaben, andere hingegen niemals.
c) Mikroorganismen von unsicherer Wirkung. Von
diesen müssen wir notieren den Diphtheritisbacillus, den
Bac. Megaterium, Sarcina aurantiaca. Bei ihnen konnte
man nur einigemal die Wirkung von Benzaldehyd konstatieren,
ohne daß man je die Inkonstanz des Phänomens mit dem Zu-
stand der Mutterkulturen oder mit anderem in Verbindung bringen
konnte.
d) Mikroorganismen ohne irgend eine Wirkung:
Bac. pyocyaneus, Bac. neapolitanus (Emmerich), Bac.
rhinoscleromatis, Bac. Friedlaenderi,Bac. murisepticus,
Bac. cuniculicida,Bac. cavicida(Brieger), Bac. cholerae
gallinarum, Schweinerotlaufbacillus, Bac. Diph-
theriae columbarum, Bac. anthracis, Bac. aliaceus
(Vincenzi), Bac. Fitzii, Bac. luteus, Bac. indicus, Bac.
Megaterium, Bac. radiciformis, Bac. subtilis, Bac.
Odessae, Bac. acidi lactici, Bac. cyanogenus, Bac.
ruber, Bac. fluorescens,Bac. fluorescens liquefaciens,
Bac. prodigiosus, Proteusvulgaris, Proteus mirabilis,
Proteus Zenkeri, Spirillum cholera asiaticae, Spiril-
lum Finkler et Prior, Spirillum Deneke, Spirillum M i 1 -
leri, Staphylococcus pyogenes aureus, Staphylococcus
pyogenes albus, Staphylococcus pyogenes citreus,
Staphylococcus pyogenes cereus flavus, Streptococcus
erysipelatis, Streptococcus pyogenes, Micrococcus
tetragenus, Micrococcus viscosus, Sarcina alba, Sar-
cina rubra, Sarcina lutea, Micrococcus cinn abarius,
Micrococcusmastitis(Kitt), Ferrnento roseo, Fermento
bianco, Fermento nero, Streptothrix actinomyces,
Streptothrix violacea, Streptothrix cornea, Strepto-
thrix alba, Streptothrix albi d o-flava, Streptothrix
Eppingeri (Cladothrix asteroides), Streptothrix nigra,
Oidium albicans, Aspergillus niger, Aspergillus
flavescens, Penicillium glaucum, Mucor rhizopodi-
formis, Trichothecium roseum.
Aus dieser Tabelle resultiert, daß recht wenige unter den be-
kannten Mikroben das Amygdalin dekomponieren mit Erzeugung von
Benzaldehyd , daß sogar von den konstanten dies nur ein einziger
thut, der Micrococcus pyogenes tenuis. Wichtig auf jede
Weise ist die, obwohl nicht konstante Erzeugung desselben Phäno-
mens von seiten des Spirillum Metschnikoff und des Bac-
724
Claudio Fermi und Giuseppe Montesano,
terium coli, welche mit anderen ähnlichen Mikroben als Krite-
rium der Unterscheidung dienen kann. Wir haben über diesen
Gegenstand zahlreiche Experimente gemacht, und konnten konstatieren,
daß besonders für den V. Metschnikoff das genannte Kriterium
großen Wert hat; denn man erhielt niemals die Erzeugung von Benz-
aldehyd von seiten anderer Spirillen, wie von dem Cholera-
spirillum, von welchem wir mehrere Varietäten (Massaua, Ham-
burg, Rom u. a.) verwandten, oder von dem Spirillum Deneke
oder Finkler. Weniger gut dient die genannte Methode für eine
Differentialdiagnose zwischen dem Bacterium coli und dem
Typhusbacillus und allen ihm ähnlichen. Von fünf Varietäten
des Bacterium coli, die aus den Faeces verschiedener Tiere
und des Menschen isoliert worden, gaben nur zwei allein konstant
das Phänomen ; die übrigen drei keineswegs , und andererseits er-
langten wir das Phänomen in einem Falle bei dem Typhusba-
cillus. Bei den anderen, dem Typhusbacillus ähnlichen, je-
doch — wir experimentierten mit fünf Varietäten — , erlangten wir
nie das Phänomen, so daß dieses immer ein in gewisser Weise an-
nehmbares Kriterium ist für die Differentialdiagnose zwischen dem
Bacterium coli und dem Typhusbacillus und den ihm ähn-
lichen Bacillen.
Abgesehen von all diesen bekannten Mikroben, deren Kollek-
tion wir im Laboratorium besaßen, suchten wir zu erfahren, ob sich
in der Luft oder in der Erde andere befänden, welche dieselbe Eigen-
tümlichkeit besäßen. Man wußte thatsächlich aus den Untersuchungen
von H. Grisson (Jahresber. der Tierch. 1883), daß im Fäulnis-
prozeß das Amygdalin zersetzt wird mit Erzeugung von Benzaldehyd.
Wir setzten daher eine Mischung von Bouillon und Amygdalin der
Luft aus, und nach einigen Tagen hatten auch wir Gelegenheit, die
Erzeugung von Benzaldehyd zu konstatieren.
Nachdem wir von der genannten Mischung Plattenkulturen ge-
macht hatten, konnten wir einen Mikroorganismus isolieren, welcher
bei wiederholten Impfungen auf sterilen, Amygdalin enthaltenden
Bouillonbrühen konstant die Erzeugung des Benzaldehyd zwischen
dem 3. und 4. Tage der Entwickelung ergab. Die Charakteristika
dieser Mikroben sind die folgenden : Lange und subtile Bacillen, welche
im hängenden Tropfen sehr beweglich sind und die Gelatine nicht
flüssig machen. Auf den Platten bilden sie granulöse, blasse Kolonieen,
die tief liegenden mit runden, glatten Rändern, die an der Oberfläche
mit ausgezackten Rändern. In Röhrchen mit Gelatine erlangt man
ein Wachstum längs der Impfung und viel mehr an der Oberfläche,
wo sich ein schmutziggrauer Belag bildet. Auf Agar bildet sich ein
ziemlich blasser Belag, der wenig sichtbar, gleichförmig ist und leicht
fluoresziert. In Bouillon ist die Entwickelung spärlich, aber von gleich-
mäßiger Trübung.
Außer diesem Mikroben, den wir der Kürze halber Bac. emul si-
nus nennen werden, hatten wir Gelegenheit, einen anderen von ana-
loger Wirkung aus Erde zu isolieren, einen Mikroben, der sich ent-
wickelt bei der Temperatur von circa 60°; er ist ein subtiler, langer,
unbeweglicher Bacillus (wenigstens bei gewöhnlicher Temperatur),
Ueber die Dekomposition des Amygdalins durch Mikroorganismen.
725
der die Gelatine nicht flüssig macht. Genauere Einzelheiten über
diesen Mikroben werden in einer anderen Arbeit gegeben werden.
Auch bei ihm ist die Wirkung auf das Amygdalin konstant in
Bouillonkulturen, die bei einer Temperatur von 60° gehalten werden,
bei welcher übrigens auch das gewöhnliche Emulsin ausgezeichnet
seine Wirksamkeit manifestiert.
Nachdem nun also konstatiert worden war, welche Mikroben eine
sichere Wirkung auf die Dekomposition des Amygdalins ausüben,
schien es uns interessant, zu studieren, ob diese Dekomposition in
der That jener von dem Emulsin herrührenden ähnlich wäre und ob
also bei ihr außer Benzaldehyd auch Zucker und Cyansäure erzeugt
werde. Wir wiederholten zu diesem Zwecke die Kulturen von
Mikroben konstanter Wirkung, wie von Micrococcus pyogenes
tenuis, Bacterium coli (die Varietät von sicherer Wirkung),
von Bacillus emulsinus, thermophilus und auch von dem
Vibrio Metschnikoff, jedoch nicht mehr in Proben, sondern in
Erl en m ey er’schen Kolben, welche wenigstens 300 ccm der ge-
wöhnlichen Mischung enthielten. Wir machten ferner chemische
Proben 15 Tage nach der Impfung, nachdem wir die völlige Ent-
wickelung und die Erzeugung von Benzaldehyd konstatiert hatten.
Die Untersuchung auf Zucker wurde mit den Ny 1 an de r ’schen
Reaktionen gemacht, aber die Resultate waren beständig negativ
in all den zahlreichen Proben, die wir anstellten. Für die Cyansäure
wurde die qualitative Analyse mit Berlinerblau-Reaktion gemacht.
Die Resultate waren hier jedoch kontradiktorisch, so sehr, daß wir
uns Vorbehalten, noch andere Untersuchungen anzustellen, über welche
wir in der Folge berichten werden.
Auf jeden Fall interessant ist die Thatsache, daß wir niemals
Zucker konstatieren konnten; wir werden Gelegenheit haben, hierauf
in Bälde zurückzukommen.
Eine andere Frage entstand für uns, nachdem wir die dekompo-
nierende Wirkung der Mikroben auf Amygdalin festgestellt hatten,
nämlich die Frage, ob diese Wirkung einem wirklichen Fermente, das
von den Mikroben ausgeschieden wird, zu verdanken sei oder viel-
mehr der Wirksamkeit des lebenden Protoplasmas.
Es ist aus den Untersuchungen eines von uns (Fermi) ersicht-
lich geworden, daß das proteolytische und das diastatische Ferment
der Mikroben wirkliche Enzyme sind ; in einer anderen Arbeit werden
wir Gelegenheit haben, dasselbe zu beweisen für das inversive Fer-
ment.
Um nun auf unsere eben gestellte Frage zu antworten, kulti-
vierten wir dieselben Mikroben von konstanter oder fast konstanter
Wirkung in Flaschen, deren jede ein Liter Bouillon enthielt, aber
ohne Amygdalin. Wir verwandten jedoch nicht nur die einfache
Bouillon, sondern auch jene mit Glycerin. Nach 15 und nach 30
Tagen filtrierten wir die Kulturen im Porzellanfilter und mischten die
Filtrate mit Amygdalinlösungen, die auch Antiseptika enthielten,
wie Karbolsäure zu 2 Proz. und Sublimat 1 : 2500. Die Mischung
wurde zu gleichen Teilen gemacht derart, daß die Verdünnung der
Karbolsäure auf 1 Proz. und die des Sublimats auf 1 : 5000 gebracht
46
XV. Bd.
726
Clandio Fermi und Giuseppe Montesano,
wurde. Kontrollexperimente mit reinem Emulsin hatten uns be-
wiesen, daß diese Antiseptika in der vorgenannten Verdünnung die
Wirkung des Ferments nicht behindern, zum Unterschied von der
Salicylsäure, welche schon in der Verdünnung von 1 : 500 die De-
komposition des Amygdalins von seiten des Emulsins erschwert.
Wir mischten also die Filtrate mit den genannten Lösungen von
Antisepticis mit Amygdalin und hielten die Mischung im Brütofen
bei der Temperatur von ca. 30° länger als einen Monat hindurch.
In keinem Falle jedoch, und zwar auch nach längerer Zeit, konnten
wir die geringste Spur von Erzeugung von Benzaldehyd konstatieren.
Wir wiederholten dieselben Proben nicht mehr mit Filtraten,
sondern geradezu an nicht filtrierten Kulturen. In der That konnte
man denken, daß, auch wenn von den Mikroben ein Ferment aus-
geschieden würde, dieses entweder von den Poren des Filters auf-
gehalten werde, wie dies von einem von uns (Fermi) für die anderen
Fermente, wenigstens zum größeren Teil, beobachtet worden war, oder
daß das Ferment, ohne in die Kulturflüssigkeit überzugehen, geradezu
von dem Protoplasma aufgehalten würde. In beiden Fällen hätte die
Mischung der Kulturen mit den Lösungen von Amygdalin und den
Antisepticis positive Resultate geben müssen, weil man die Wirkung
des Filters ausschloß und das Ferment, indem die Mikroben starben,
sich von ihrem Protoplasma befreite. Aber auch hier, anstatt positiv
zu sein, waren die Resultate völlig negativ, sogar bei Kulturen, die
mehr als einen Monat alt waren und nach 60 Tagen nach der
Impfung. In einem Falle allerdings erlangte man einmal ein positives
Resultat nach 30 und mehr Tagen nach der Impfung von einer Kul-
tur des Micrococcus pyogenes tenuis, die 5 Tage alt war,
und von Amygdalin zu 2 Proz. (zu gleichen Teilen). Da dieser Fall
jedoch vereinzelt blieb, so konnten wir ihm keine Wichtigkeit bei-
legen, obwohl wir unter den Dekompositionsprodukten außer Benzal-
dehyd auch Zucker konstatiert hatten, ganz wie bei dem Emulsin.
Aus diesen Resultaten kann man schließen, daß die Dekomposition
des Amygdalins gerade durch die Wirksamkeit des lebenden Proto-
plasmas geschieht und nicht durch jene eines löslichen, von dem
Mikroben ausgeschiedenen Ferments. Dies konnte übrigens ohne
weiteres vermutet werden, nachdem man unter den Dekompositions-
produkten des Amygdalins das Fehlen von Zucker konstatiert hatte.
Der Unterschied zwischen der Wirksamkeit der Enzyme und jener
des lebenden Protoplasmas ist in der That der, daß, während die
ersteren relativ leicht Umbildungen (Stärke in Zucker u. s. w.) hervor-
rufen, die für eine weitere Zersetzung nicht empfänglich sind, das
zweite hingegen bedeutende Modifikationen hervorruft, und zwar vom
Albumin zum Ammoniak und von dem Kohlehydrate zu einfacher
Kohlensäure. Nur verdankt man hier das Fehlen des Zuckers keines-
wegs der weiteren Transformation, welche der Mikrobe macht für die
Bedürfnisse seines Stoffwechsels.
Wir wollten bei dieser Gelegenheit Nachforschungen anstellen,
auch darüber, ob man die Dekomposition des Amgydalins nicht für
eine teleologische Wirkung ansehen könnte, so daß also die Pro-
duktion von Zucker nötig wäre für die Ernährung des Mikroben.
lieber die Dekomposition des Amygdalins durch Mikroorganismen.
727
Wir wollten sehen, ob, wenn man zu den Erdkulturen mit Amyg-
dalin auch Traubenzucker und Rohrzucker hinzufügt, die Erzeugung
von Benzaldehyd fehlen würde , gleichsam wie wenn der Mikrobe
kein Bedürfnis hätte, das Amygdalin zu zersetzen, indem er den
Zucker direkt aus dem Nährsubstrate zöge.
Die bei den gemachten Experimenten erlangten Resultate wür-
den diese Art zu sehen bestätigen können. Von den vier unge-
impften Mikroben erzeugten Benzaldehyd, sowohl in Nährsubstraten
mit Rohzucker, wie in solchen mit Traubenzucker: Das Bacterium
thermophilus und Bacterium coli; während der Bacillus
emulsinus es nur in Substraten mit Rohzucker und nicht in jenen
mit Traubenzucker erzeugte. Der Micrococcus pyogenes
tenuis erzeugte das Benzaldehyd in keinem der beiden Fälle. Die
Differenzen standen in gewisser Weise in Uebereinstimmung mit der
Ueppigkeit der Entwickelung. Nachdem die Zuckerprobe in den Sub-
straten gemacht worden waren, zu denen vor der Impfung Traubenzucker
hinzugefügt worden war, erlangte man negative Resultate bei den
Kulturen, wo man die Erzeugung von Benzaldehyd erreicht hatte,
und positive bei den anderen. Dies würde beweisen, daß die Dekom-
position des Amygdalins nicht vor sich geht in Gegenwart von
Zucker, sondern nur dann, wenn der Zucker ganz verbraucht ist,
würde der Mikroorganismus das Amygdalin zersetzen.
Aus unseren Untersuchungen indes ergiebt sich das Folgende:
1) Es dekomponieren das Amygdalin konstant die folgenden
Mikroben :
Micrococcus pyogenes tenuis, ein Bacillus, der
sich in der Luft findet und den wir emulsinus nennen möchten,
und ein Bacillus thermophilus, der sich in der Erde befindet.
In weniger konstanter Weise haben dieselbe Wirkung der Vibrio
Metschnikoff und das Bacterium coli, einige Varietäten
dieses letzteren jedoch keineswegs. Sehr unsicher findet man endlich
die genannte Wirkung beim Diphtheritisbacillus, beim Ba-
cillus Megaterium, bei der Sarcina aurantiaca.
2) Die Dekomposition geschieht nicht in jedem beliebigen Sub-
strate, das Amygdalin enthält. Sie bleibt aus bei dem Micro-
coccus pyogenes tenuis bei Gegenwart von Zucker; sie bleibt
aus bei dem Bacillus emulsinus in Substraten, die Trauben-
zucker enthalten, obwohl man in all diesen Fällen die Entwickelung
üppig sehen kann.
3) Die genannte Dekomposition scheint übrigens von dem leben-
den Protoplasma bewirkt zu werden und nicht von einem besonde-
ren, von den Mikroben ausgescbiedenen Enzym.
Rom, den 15. April 1894.
46*
728
M. W. Beyerinck,
Ueber die Natur, der Fäden der Papilionaceenknöllcken.
Von
M. W. Beyerinck.
Vor einigen Jahren habe ich mich vielfach mit der Kultur der
Papilionaceenbakterien in Nährlösungen bemüht. Es hatte sich da-
bei herausgestellt, daß verdünnte Extrakte von Papilionaceenblättern
und Stengeln unter Zusatz von 1 bis 3 Proz. Rohrzucker sich dafür
am besten eigneten und die sehr merkwürdigen morphologischen Ver-
hältnisse der Wurzelbakterien schön zur Entwickelung brachten l 2).
Als ich später mehrere solche Kulturen mit Alkohol fällte und von
der sich dabei ziemlich gut ausscheidenden Bakterienmasse den Stick-
stoff nach Kjeld ahl bestimmte, ergaben sich so außerordentlich ver-
schiedene Zahlen, daß es klar wurde, es müßte der Bakterienkörper in
manchen Fällen, neben Eiweiß, noch einen stickstofffreien Körper in
beträchtlicher Menge enthalten können. Besonders bei den Bakterien
von Vicia war der Stickstoffgehalt gering, während bei Lupinus
und Cytisus Kulturen mit höherem Gehalte gefunden wurden * ).
Ich will noch bemerken, daß ich dabei nur Material verwendete, wel-
ches reich war an „Bakteriensternen“, weil darin ein sehr sicheres
Merkmal für die Diagnose der Papilionaceenbakterien vorliegt, was
bei Kulturen, welche, wie in diesem Falle, einige Monate dauern und
im Dunkeln und in der Kälte aufbewahrt werden, so daß einige Ge-
fahr für Infektion entsteht, alle Beachtung verdient.
Natürlich lag die Vermutung nahe, daß die stickstofffreie Sub-
stanz Bakterienschleim sein müßte. Als dieser Gesichtspunkt gewonnen
war, überzeugte ich mich bald, daß die Schleimbildung in den
Gelatinekulturen ebenfalls außerordentlich verschieden war. Während
dieselbe in den Bakterien von Vicia und Trifolium eine gewal-
tige ist, fehlt sie beinahe oder ganz beiOrnithopus, Lupinus
und Phaseolus und nimmt eine Mittelstellung ein bei Ca rag an a
und Robinia, obschon sie auch hier unter Umständen bedeutend
werden kann. Es ist nun auffallend, daß sich aus dieser Angabe ein
ziemlich genauer Parallelismus ergiebt zwischen der Ausbildung der
„Schleimfäden“ in den Knöllchen und der Bildung des Bakterien -
Schleimes bei den aus diesen Knöllchen gewonnenen Bakterien. Es ist
nämlich bekannt, daß die Schleimfäden nur sehr wenig entwickelt sind
oder auch ganz fehlen eben in den Knöllchen von Lupinus, Pha-
seolus und Ornithopus und ganz besonders entwickelt sind bei
Vicia und Trifolium und in mittlerer Ausbildung Vorkommen bei
Robinia und Caragana. Daß die Coi'ncidenz nicht auf Zufall
beruhen kann, ist deutlich.
1) Verslagen en Mededeelingen der Kon. Akad. v. Wetenschappen te Amsterdam.
3. Reeks. 1891. Deel 8. p. 460.
2) Von den Bakterien von Ornithopus sativus konnte ich bisher, trotz
zahlreicher Versuche, keine guten Kulturen in Nährlösungen erhalten, wohl aber auf
geeigneter Nährgelatine.
Ueber die Natur der Fäden der Papilionaeeenknöllchen.
729
Zur vollständigen Gewißheit bezüglich der Natur der Fäden bin
ich jedoch erst gekommen durch das Auffinden eines besonders
günstigen Untersuchungsobjektes. Dieses ist die schon im März
blühende Vicia lathyroides aus dem Dünensande. Es ist ein
kleines, schon in der Mitte des Sommers absterbendes, annuelles
Kraut.
Als ich im April 1893 und 1894 die Knöllchen dieser Pflanze
untersuchte, fand ich nur solche mit kleinen Bakteroiden, welche
größtenteils „erschöpft“ waren und die früher von mir beschriebenen
„Bläschenbakteroiden“ enthielten 1). Zwar zeigten die Knöllchen keine
vollständige, allein doch eine ziemlich geförderte Bakterienüber-
wucherung 2 3), und es war leicht, darin viele nicht in Bakteroiden ver-
wandelte Bakterien, wenn auch ohne Bewegung, aufzufinden. In
diesen Knöllchen sind die Schleimfäden zahlreich und treten beim
Präparieren oft aus den Zellen. Oft sind sie mehr oder weniger zu-
sammengezogen und nicht selten zu isolierten Kugeln zusammengeballt,
welche ganz frei in den Zellen liegen. Bei einer genauen Unter-
suchung der Fäden und Kugeln unter Mithilfe von Farbstoffen fand
ich hier, wie das auch mit den meisten Präparaten anderer Papilio-
naceenknöllchen gelingt, stellenweise eingeschlossene Bakterien. In
anderen Fällen sind die Fäden dagegen ganz bakterienfrei.
Da ich durch diese Erfahrungen die Ueberzeugung bekommen
hatte, daß die Bakterien von Vicia lathyroides in dem vorliegen-
den Materiale zu einer besonders stark schleimerzeugenden Form ge-
hören müßten, interessierte es mich, dieselbe in Reinkultur zu
bringen, was auch gut gelungen ist.
Auch hier ergab sich, daß die Bakterien, wie gewöhnlich aus
mehr oder weniger in Erschöpfung begriffenen Knöllchen, ziemlich
rasch auf geeigneter Nährgelatine wachsen. Der beste Kulturboden
ist, ähnlich wie ich früher für Vicia Faba undPisum angegeben
habe , ein Dekokt von den grünen Teilen von Papiliouaceen mit
2 Proz. Rohrzucker und 7 — 8 Proz. Gelatine. Es ist empfehlens-
wert, die Gelatine vor dem Gebrauche mit destilliertem Wasser zu
extrahieren, um die löslichen Stickstoffverbindungen, wie Eiweiß und
Peptone, daraus zu entfernen, weil die Knöllchenbakterien sehr
empfindlich für diese Körper sind und schon bei geringer Anhäu-
fung derselben in ihren Nährböden nicht mehr wachsen. Es scheint
mir nicht überflüssig, dies noch besonders zu betonen, denn ich glaube,
daß die Schwierigkeiten, welche gewisse Autoren bei ihren Kultur-
versuchen begegneten, daraus hervorgegangen sind, daß die Nährböden
zu stickstoffreich waren. Zwar darf der gebundene Stickstoff im
Nährboden nicht ganz fehlen, weil bei vollständiger Abwesenheit
davon überhaupt kein Wachstum stattfindet, doch muß dieser Gehalt
1) Es giebt noch immer Autoren, welche diese „Bläschen“ für „Sporen“ halten
und glauben, daß die Bakterien der Papilionaceen „Dauerorgane“ erzeugen, was nicht
zutrifft. Die Natur der „Bläschen“ ist noch nicht aufgeklärt.
2) Für diesen Ausdruck siehe Bot. Zeit. 1888. p. 727.
3) Da die Gelatine durch die Wurzelbakterien nicht verflüssigt wird, ist der Stick-
stoff dieser Gelatine an sich für die Bakterien sozusagen nicht gegenwärtig.
730
M. W. Beyerinck,
auf ein sehr geringes Minimum gehalten werden. Unsicheres und
unregelmäßiges Wachstum sind bezeichnend für Stickstoffübermaß.
Als ich Luzernedekokt mit 2 Proz. Rohrzucker und 7 Proz.
Gelatine verwendete, wurden bei den Versuchen mit Vicia lathy-
roides iu Impfstrichen am vierten oder am fünften Tage die kleinen
durchsichtigen Bakterienkolonieen sichtbar. Für die Striche konnte
ich im Anfang April alle reinen Teile des Bakteriengewebes der
Knöllchen verwenden. Dieses hängt mit der teilweisen Bakterien-
erschöpfung zusammen, wobei überall wachstumsfähige Bakterien Vor-
kommen xj. Meine Hoffnung, daß ich hier eine sehr schleimige
Bakterie finden sollte, wurde nicht getäuscht. Die Kolonieen waren
zwar äußerlich ganz gewöhnlich, ergaben sich aber als derart zäh und
schleimig, daß es schwierig war, dieselben von der Gelatine zu heben,
wobei sie nur als lange Fäden zu entfernen waren. Eine so starke
Schleimbildung hatte ich bei keiner anderen Papilionaceenbakterie
beobachtet. Bei der Fortsetzung der Reihenkulturen ist die Schleim-
bildung später zwar auf die für die Vi c iabakterien gewöhnliche
Norm zurückgegangen, das ist aber für die vorliegende Untersuchung
gleichgiltig.
Schon das erste Präparat der Kolonieen, welches ich unter
das Mikroskop brachte, überzeugte mich, daß die „Schleimfäden“ der
Knöllchen hier wiedergefunden wurden, es war kein Zweifel mög-
lich, daß der zähe Bakterienschleim mit jenen Fäden identisch sein
müßte. Je genauer der Schleim untersucht wurde, je sicherer wurde
die Ueberzeugung. Durch richtiges Schieben und Drücken des Deck-
glases ließen sich alle möglichen Gestalten der Fäden, welche ich iu
den Knöllchen gesehen hatte, künstlich aus den Schleimkolonieen
meiner Bakterien hersteilen. Fäden und isolierte Ballen und Kugeln,
entweder völlig durchsichtig oder durch noch hier und dort einge-
schlossene Bakterien punktiert oder getrübt, konnten ebeuso leicht
erhalten werden, wie bakterienfreie schleimige Häutchen. Hier-
durch wurde der Beweis gebracht, daß die Bakterienkörper leicht aus
ihrer schleimigen Hautschicht herausbefördert werden können. Das
Wort „Hautschicht“ ist hier sicher erlaubt, denn daß der Schleim
der Schleimbakterien überhaupt nur als stark gequollene Zellwand
aufzufassen ist, ist schon längst bekannt. Mit Chlorzinkjod färben
sich die Schleimbildungen blau, und dieses nicht, wie ich früher
glaubte, nur oberflächlich, sondern durch die ganze Dicke, natürlich
nur mit Ausnahme der noch eingeschlossenen Bakterien, welche
gelbbraun werden. Die Fäden der Knöllchen verhalten sich ebenso,
auch hier kann man sich überzeugen, daß auch das Innere aus
Cellulose besteht. Wenn es schwierig ist, die Fäden der Knöllchen
über ihre ganze Länge blau zu färben, so begegnet man einer
ähnlichen Schwierigkeit beim Schleime der Bakterienkolonieen, worin
auch gewisse Bakterien sich der Färbung durch Chlorzinkjod hartnäckig
entziehen. Auch Anilinfarbstoffe, wovon ich besonders Gentianaviolett
1) In Knöllchen ohne Bakterienerschöpfung ist man für Bakterienkultur auf sehr
junge Knöllchen oder auf junge Vegetationspunkte angewiesen und selbst damit gelingen
nicht alle Versuche.
Ueber die Natur der Fäden der Papilionaceenknöllchen.
731
und Methylenblau verwendete, verhalten sich gegenüber Bakterien-
schleim und Schleimfäden identisch.
Meine früher ausgesprochene Meinung, die Fäden beständen
aus Chromatinsubstanz und Protoplasma, gründete ich auf das ziem-
lich starke Färbungsvermögen, welches, verglichen mit dem relativ
schwachen Färbuugsvermögen der Papilionaceeubakterien, auffallend
ist. Damals war es mir jedoch nicht bekannt, daß Bakterienschleim
im allgemeinen sich oft stark durch jene Reaktive färbt, während
die protoplasmatischen Bakterienleiber mancher Schleimbakterien sich
der Färbung oft mehr oder weniger entziehen, und ich glaube, daß
eben auch die Einhüllung der Papilionaceenbakterien durch ihre
dicke Schleimhülle ihr schwaches Färbungsvermögen wenigstens teil-
weise bewirkt. Denn wenigstens einzelne anscheinend hüllenlose
V i c i a bakterien sah ich intensiv Gentianaviolett und Methylenblau
aufspeichern, unter der merkwürdigen, damit so oft verbundenen
starken Anschwellung des Bakterienkörpers. Doch scheint es mir,
daß diese Erklärung nicht ausreicht, die geringe Affinität der Papilio-
naceenbakterien und der Bakteroiden in solchen Fällen , wie bei
Lu p in us und Ornithopus, wo die Schleimhüllen jedenfalls sehr
dünn sind, zu erklären.
Für den vorliegenden Zweck brauche ich auf die ferneren Eigen-
schaften der Wurzelbakterien von Yicia lathyroides nicht ein-
zugehen. Fasse ich das Vorhergehende zusammen, so ergiebt sich :
1) Die Fäden der Papilionaceenknöllchen bestehen aus Bakterien-
schleim.
2) Dieser Schleim , welcher die Zellwände der betreffenden
Bakterien repräsentiert, hat bei der Fädenbildung die zugehörigen
Bakterienkörper entweder vollständig ausgestoßen oder schließt noch
manche davon ein.
Es ist bemerkenswert, daß die in den Schleimfäden noch liegenden
Bakterien keine Bakteroidengestalt annehmen, vielleicht bleiben die-
selben auch besonders lange keimfähig, indem die Schleimhüllc eine
mehroder weniger undurchdringliche Decke bildet, welche die Bakterien-
körper schützt gegen den seitens des Zellprotoplasmas geübten meta-
morphosierenden Einfluß, welcher zur Entstehung der Bakteroiden
aus den Bakterien Veranlassung giebt. Da ich es als wichtig be-
trachte, dies näher festzustellen, hoffe ich, darauf zurückkommen zu
können.
Ich habe früher die Scbleimfäden der Papilionaceenknöllchen für
Ueberbleibsel der Kerntonnen erklärt, ohne über deren eigentliche
Herkunft eine Ansicht auszusprechen. Ob dieselben zum Proto-
plasma der Zellen gehören oder daran fremdartig sein sollten, darüber
war ich ganz unsicher. Indem ich nun ihre Natur als^Bakterien-
schleim festgestellt habe, muß ich doch noch ihre Beziehung zu den
Kerntonnen aufs neue hervorheben. Es ist nämlich sicher, daß
der Schleim beim Prozesse der Zellteilung passiv der Teilung mit
unterliegt, so daß eine Schleimpartie, welche anfangs in einer Zelle
lag, später in zwei oder mehreren, durch Teilung auseinander hervor-
gegangenen Zellen gefunden wird. Ob hierbei Bakterienwachstum, das
heißt Vermehrung dieses Schleims stattfindet, ist zunächst gleich-
732 Beyerinck, Ueber die Natur der Fäden der PapilionaceeDknöllchen.
giltig, obschon das wohl im allgemeinen zutreffen dürfte. Es scheint
mir nun, daß die mechanische Beeinflussung des Protoplasmas seitens
des sich teilenden Zellkernes sich auch über den Bakterienschleim
erstrecken muß und daß diese sich ebenso gut am Aufbau der
Kerntonnen mit beteiligen kann, wie das Protoplasma. Es ist jeden-
falls bemerkenswert, daß die Schleimfäden so außerordentlich oft
auf die Zellkerne gerichtet sind, so daß sie die Kerne angrenzender
Zellen sozusagen verbinden, wobei sie vielfach genau senkrecht von
den Zellwänden geschnitten werden, und dieses scheint mir darauf hin-
zudeuten, daß, wenigstens in solchen Fällen, die Schleimmasse
während der Zellteilung in den Kerntonnen selbst vorkam. Ein
weiteres Studium des Schleimes in Bezug auf das Verhalten desselben
bei der Zellteilung wäre vielleicht interessant.
Daß der Schleim in Wurzelhaaren oft solche besonders lange
Fäden bildet, hängt in ähnlicher Weise mit dem Wachstume dieser
Haare zusammen. Da dieses Wachstum besonders stark in die
Längsrichtung stattfindet, muß auch ein ursprünglich etwa rund-
licher in der jugendlichen Haaranlage gebildeter Schleimklumpen
später sich als lang gereckter Faden vorthun. Im allgemeinen müssen
auf Grund der Theorie die Fäden passiv durch das Längswachs-
tura gedehnt werden, und die Erfahrung lehrt, daß ihre Richtung
in den Knöllchen mit dieser Voraussetzung in Uebereinstimmung
steht. Wird der Schleim beim Wachstume der Zellen nicht durch einen
Haftpunkt zurückgehalten, so muß ei sich zu kugeligen Gebil-
den zusammenziehen. Dieses findet z. B. statt in vielen Knöllchen
von RobiniaPseudacacia und bisweilen bei Lotus corni-
c ul ata, wobei dann meistens die Bakterien (welche sich bei diesen
Pflanzen kaum von den Bakteroiden unterscheiden) in den Schleimballen
eingeschlossen verbleiben.
Ich will diese Mitteilung nicht schließen, ohne zu bemerken,
daß Alfred Koch die wahre Natur der Schleimfäden der Knöllchen
zwar nicht ausgesprochen, jedoch in klaren Worten die Möglichkeit
angedeutet hat, dieselben könnten vielleicht aus Bakterienschleim be-
stehen J).
Delft, 16. April 1894.
1) Zur Kenntnis der Fäden in den Wurzelknöllchen der Leguminosen. (Boten.
Zeitung. 1890. p. 614.)
v. L instow, Hetcrakis Sonsinoi.
733
Heterakis Sonsinoi.
Von
Dr. v. Linstow
in
Göttin gen.
Mit 3 Figuren.
Herr Dr. P. Sonsino in Pisa, welcher helminthologische
Forschungen in Nordafrika machte, ist der Erste, welcher parasitische
Helminthen in Chamaeleo vulgaris gefunden hat; selber mit dem
Studium von daselbst entdeckten Trematoden beschäftigt, hatte er
die Freundlichkeit, mir im Darme des Chamäleons lebende Nematoden
zu schicken, welche dem Genus Heterakis angehören.
Stossich1) hat vor einigen Jahren eine schöne Monographie
des Genus Heterakis veröffentlicht, in welcher er 45 Arten be-
schreibt und abbildet; die Zahl hat sich inzwischen noch um 5 ver-
mehrt, und von diesen 50 leben 8 in Säugetieren, 27 in Vögeln, 5
in Reptilien und 10 in Fischen, alle im Darme ihres Wirts; die Rep-
tilien bewohnenden sind Heterakis annulata Molin aus Ophis
s a u ro ceph al us, H. flexuosa Schneider aus Crotalus spec.?;
H. g r a c i 1 i s v. Linst, aus Agama sanguinolenta, H. turgida
Schneider aus Tej us monitor und H. Feae Parona aus Tes tudo
spec. ?
Das Genus Heterakis gehört zu den Polymyariern, in den
Seitenlinien verläuft eine erhabene Leiste von dreieckigem Querschnitt,
ähnlich wie bei Oxyuris und Oxysoma, mit welchen Gattungen
Heterakis auch einen großen Bulbus mit Ventilzähnen am Ende
des Oesophagus gemein hat; die Spicula sind gleich oder wenig an
Größe verschieden, bald mit, bald ohne Stützapparat, am männlichen
Schwanzende stehen 8 bis 30 Papillen, vor der Kloake steht ein der
Gattung eigentümlicher runder oder ovaler Saugnapf, am Kopfende
finden sich keine oder drei Lippen mit Papillen.
Heterakis Sonsinoi wurde im Endteil des Darms von Cha-
maeleo vulgaris bei Gabes und Gefsa in Nordafrika gefunden;
in etwa der Hälfte der untersuchten Tiere kam der Parasit vor.
Die Haut zeigt eine gröbere und eine feinere Querringelung,
erstere steht in unregelmäßigen Zwischenräumen, letztere in Abständen
von 0,0023 mm; in den Seitenlinien erheben sich Leisten von drei-
eckigem Querschnitt (Fig. 1); die Cutis zieht unter ihnen hin, die
Cuticula aber erhebt sich kammförmig und auf der First des
Kammes legen sich die Lamellen von der Bauch- und Rückenseite an
einander, ohne mit einander zu verschmelzen und die Enden sind
hakenförmig zurückgebogen im Querschnitt; diese Seitenleisten be-
ginnen ganz vorn am Kopfende und lassen sich bis ans Schwanz-
1) M. Stossich, II genere Heterakis Dujardin. (Societas historico-naturalis
Croatica. Zagreb 1888.)
734
v. L instow, Heterakis Sonsinoi
ende verfolgen; die Muskulatur ist in der Rücken-, der Bauch- uud
den beiden Seitenlinien durch breite Wülste unterbrochen. Der Mund
ist von 3 kleinen, halbkugelförmigen Lippen umstellt, die eiue Strecke
weit zurückgezogen werden könneu, so daß vor
ihnen eine napfförmige Einziehung entsteht, da
die Haut und Muskulatur stehen bleibt; das
Schwanzende ist spitz. Zwischen den Lippen
und dem eigentlichen Oesophagus ist ein
0,052 mm langes Vestibulum eingeschaltet. Der
Oesophagus selber ist schmal und schwillt am
Ende zu einem kugelförmigen Bulbus an, der in
seinem Innern Ventilzähne enthält; der darauf
folgende Teil des Darms ist doppelt so breit
wie der Bulbus, wird aber in seiuem Verlaufe
nach hinten wieder schmäler; 0,014 mm vom
Kopfende entfernt umgiebt den Oesophagus ein
Nervenring, während 0,29 mm von demselben
in der Bauchlinie die Exkretionsgefäßöffnung
steht, in der man ein Chitingerüst bemerkt.
Das Männchen ist lebend 4 mm lang und
0,30 mm breit; der Oesophagus nimmt 1/3,6
der Schwanz 1/9,5 der Gesamtlänge ein ; an der
Bauchseite des Schwanzendes steht der für das
Genus Heterakis charakteristische Saugnapf
dicht vor der Kloake, hier finden sich jederseits
6 langgestielte Papillen neben und vor dem-
selben (Fig. 2); postaDale Papillen zählt man
jederseits 5, von denen, von hinten gezählt, die
Fig. 1. Seitenkaote im
Querschnitt.
Fig. 2. Männl. Schwanz-
ende, Bauchseite.
Fig. 3. Ei bei der Geburt aus
der Vulva.
2., 4. und 5. mehr median, die 1. und 3. mehr seitlich stehen; am
Hinterrande des Saugnapfes steht noch eine unpaare; die Spicula,
bei dem Genus Heterakis oft ungleich, sind hier gleich lang; sie
sind sichelförmig gebogen und messen 0,33 mm; sowohl an der Bauch-
wie an der Rückenseite werden sie von einem 0,117 mm großen Stütz-
apparate umgeben.
Kurt Müller, Der jetzige Staad der Eiterungsfrage etc.
735
Das Weibcheu wird 6 mm laug und 0,37 mm breit; der Oeso-
phagus macht 1/5,5 und der Schwanz 1/6,9 der ganzen Körperlänge
aus; die Vulva ist prominent und liegt etwas vor der Körpermitte,
so daß sich der durch sie gebildete vordere Körperabschnitt zum
hinteren verhält wie 11:17; sie bildet einen quer verlaufenden Spalt,
und wenn ein Ei aus ihr geboren wird (Fig. 3), so tritt die orale
und aborale Lippe von einander. Die Eier haben eine doppelte Schale,
die äußere ist viel dünner als die innere; an der Innenseite der
inneren bemerkt man ein glänzendes Richtungskörperchen; sie sind
0,091 mm lang und 0,065 mm breit und zeigen keine Furchungs-
kugeln, die nach Sonsino bereits im Darme des Chamäleons sich
zu bilden beginnen.
Göttingen, 24. April 1894.
Zusammenfassende Uebersicht.
Der jetzige Stand der Eiterungsfrage von bakterio-
logischem Standpunkte aus.
Von
Dr. Kurt Müller,
Assistenten der chirurgischen Klinik zu Halle a. S.
Wer bei dem heutigen Stande der Bakteriologie daran geht, von
bakteriolgischem Standpunkte aus den Stand der einen oder der
anderen Frage zu beleuchten, wie es die folgenden Zeilen für die
Aetiologie der Entzündungs-, speziell der Eiterungsprozesse
thun sollen, der hat eine ganze Anzahl von Vorbedingungen zu
berücksichtigen, ehe er an die Beantwortung einer solchen viel dis-
kutierten Frage gehen kann. Er muß sich in erster Linie des
bewußt sein, daß wir heute die Lehre von der Spezifität der
Mikroorganismen nicht mehr in dem Grade aufrecht erhalten
können, als mau sie im Beginne unserer Wissenschaft statuiert hatte.
Wir kennen ja allerdings eine ganze Zahl von Keimen, denen wir bis
heute die Spezifität nicht absprechen können; ein Krankheitsbild wie
die Cholera erregt nur der Koch’sche Kommabacillus; der
Tetanus hat einen wohl isolierbaren Pilz zur Ursache, der Milz-
brandbacillus erzeugt ein wie das andere Mal bei geeigneten
Versuchstieren eine schnell verlaufende septikämische Erkrankung,
oder beim Menschen entweder Karbunkel oder den einer akuten
Vergiftung gleichenden internen Milzbrand. Diese drei genannten
Pilze haben ganz typische Angriffsstellen, von denen aus sie den
Organismus schädigen. Die Cholera vergiftet vom Darme aus den
Körper, der Keim des Wundstarrkrampfes sendet seine am
Orte der Verwundung erzeugten Giftstoffe durch die Blut- und
Lymphbahnen in den Körper, der spontane Milzbrand ist be
736
Kurt Müller
Tieren wie Menschen zunächst eine cirkumskripte Darmerkrankung,
der lokale eine cirkumskripte Hauterkrankung; erst wenn die
Zellen der Umgebung, durch die abgesonderten Stoffwechselprodukte
vergiftet, ihre Fähigkeit als Kampforgane des Körpers eingebüßt
haben, gestatten sie den Infektionserregern ein Eindringen in den
gesamten Organismus. Während die ersteren vorwiegend vom Orte
ihrer Wucherung durch Giftstoffe die Zusammensetzung entfernter
Organe mehr oder weniger schädigen, kann sich der Anthrax-
bacillus in den Organen selbst, in die er durch Blut- und Lymph-
bahnen geführt wurde, ansiedeln und durch Entwickelung, von Stoff-
wechselprodukten diese selbst zerstören.
Aber trotz dieses verschiedenartigen Krankheitsbildes haben
doch die drei angeführten Erreger etwas ganz Spezifisches an sich,
welches zur Aufstellung dieser drei spezifischen Typen nach ihrer
Aetiologie berechtigt. Ich brauche nicht noch andere Keime anzu-
führen, bei denen wir trotz der Mannigfaltigkeit der Krankheitsbilder,
welche sie erregen können, wohl für alle Zeiten an der Lehre von
ihrer Spezifizität festhalten werden.
Anders, wenn wir heute nach der Aetiologie der Eite-
rung en fragen.
Es ist noch nicht so lange her, daß man auch die Eiterungen
für das spezifische Werk ganz bestimmter Keime ansah, die Befunde
undVersuche von Ogston1), Rosenbach2), Passet3), Garre 4),
Fehleisen5) und vieler Anderer schienen dies mit Sicherheit zu
beweisen. Stets war es dieselbe kleine Zahl von Keimen, welche
man beim Menschen in Eiterherden vorfand, stets konnte man mit
ihnen weiterhin bei Tieren Eiterung erzeugen. Man wurde dadurch
ganz naturgemäß zu der Ansicht geführt, daß besonders die der
Staphylo- und der Streptokokkengruppe angehörigen Keime
das spezifische Element zur Erzeugung von Eiterung seien, zumal es
Klemperer6), Straus7), Scheuer len 8), Ruys9), Knapp9),
Nathan10), Kronacher11) und Anderen nicht gelang, auf asep-
tischem Wege durch irgendwelche Mittel Eiterung zu erzeugen. Auch
der Punkt, daß die Eiterung sich von allen anderen Arten der Ent-
zündung qualitativ unterscheidet, nämlich dadurch, daß trotz reich-
1) Ogston, Ueber Abscesse. (Archiv für klinische Chirurgie. XXV.)
2) Rosenbach, Die Mikroorganismen bei den Wundinfektionskrankheiten des
Menschen. 1884.
3) Passet, Ueber Mikroorganismen der eiterigen Zellgewebsentzündung des
Menschen. (Fortschritte der Medizin. 1885 )
4) Garre, Zur Aetiologie akut-eiteriger Entzündungen. (Fortschritte der Medi-
zin. 1885.)
5) Fehleisen, Zur Aetiologie der Eiterung. (Langenbeck’s Archiv für
klin. Chirurg. XXXVI.)
6) Klemperer, Ueber die Beziehungen der Mikroorganismen zu der Eiterung.
(Zeitschrift für klin. Mediz. Bd. X.)
7) Straus, Comptes rendus de la societe de Biologie. 1883.
8) Scheuerlen, Die Entstehung und Erzeugung der Eiterung durch chemische
Reizmittel. (Archiv für klinische Chirurgie. Bd. XXXII. 1885.)
9) cf. Anm. No. 4 u. 5. p. 734.
10) Nathan. Zur Aetiologie der Eiterung. (Langenbeck’s Archiv. XXXVII.)
11) Kronacher, Die Aetiologie und das Wesen der eiterigen Entzündung. 1891.
Der jetzige Stand der Eiterungsfrage von bakteriologischem Standpunkte aus. 737
licher Anwesenheit von weißen Blutzellen eine Gerinnung nicht ein-
tritt (W eigert) '), schien für eine spezifische Ursache der Eiterungen
zu sprechen.
Erst allmählich machten sich gegen dieses Dogma Zweifel
geltend und die Möglichkeit einer aseptischen Eiterung wurde
experimentell durch Grawitz1 2), Grawitz und de Bary3),
Kreibohm und Rosenbach4), Christmas5), Dubler6),
Steinhaus7), Janowsky8 9), Leber f) und Andere bewiesen.
Ich habe es nicht nötig, näher und mehr historisch auf die
Entwickelung dieser Streitfrage einzugehen, da erst neuerdings uns
Jordan10) eine mustergiltige Zusammenstellung geliefert hat. Auf
Grund der litterarischen Angaben und eigener Beobachtungen kommt
er zur Ansicht, daß einerseits die Eiterung nur eine bestimmte
Stufe der akuten Entzündungen darstellt, daß sie ebenso,
wie die akute Entzündung überhaupt, durch chemische Mittel
allein sowohl, als durch Bakterien erzeugt werden kann und
daß andererseits die eitererregenden Pilze nichts Spezi-
fisches an sich haben, daß es vielmehr eine große Zahl solcher
giebt, welche in gleicher Weise Eiterung zu erzeugen imstande sind.
Da sich die Streitfrage im allgemeinen darauf hinspitzt, ob
Eiterung ohne Bakterien möglich ist oder nicht, An-
sichten, welche beide eine große Zahl bekannter Autoren zu Ver-
fechtern haben, so legt Jordan in seiner Abhandlung den Nach-
druck bei der Entscheidung dieser Frage darauf, ob thatsächlich
die Erzeugung von Eiterung ohne Mithilfe von Bakterien oder
Bakterienstoffwechselprodukten in einwandsfreier Weise gelungen ist,
und muß auf Grund der experimentellen Untersuchungen, beson-
ders von Grawitz und de Bary, von Kreibohm und Rosen-
bach, Christmas, Steinhaus, Janowsky, diese Frage be-
jahen, wie ich glaube, mit Recht, da eine kleine Zahl positiver
Versuche eine große negativer auf- und über wiegen. Es kann wohl
demgemäß keinem Zweifel mehr unterliegen, daß eine aseptische
Eiterung existiert, eine immerhin wichtige Entscheidung, wenn
auch beim Menschen aseptische Eiterungen niemals beobachtet sind
1) Weigert, lieber Entzündung. (Fortschritte der Medizin. 1889.)
2) Grawitz, Ueber die Bedeutung des Cadaverins für das Entstehen von Eite-
rung. (Virchow’s Archiv. Bd. CX.)
3) Grawitz und de Bary, Ueber die Ursachen der subkutanen Entzündung
und Eiterung. (Virchow’s Archiv. Bd. CVIII.)
4) Kreibohm und Rosenbach, Experimentelle Beiträge zur Frage : Kann
Eiterung ohne Mitbeteiligung an Mikroben durch tote Stoffe entstehen? (Langen-
becks Archiv. XXXVII.)
5) Christmas, Recherches experimentales sur la suppuration. (Annales de
l'Institut Pasteur. 1888.)
6) Dubler, Ein Beitrag zur Lehre von der Eiterung. Basel 1890.
7) Steinhaus, Die Aetiologie der akuten Eiterungen. Leipzig 1889.
8) Janowsky, Ziegler ’s Beiträge zur patholog. Anatomie. 1889.
9) Leber, Die Entstehung der Entzündung und die Wirkung der entzündungs-
erregenden Schädlichkeiten. Leipzig 1890.
10) Jordan, Die akute Osteomyelitis mit besonderer Berücksichtigung ihres Ver-
hältnisses zu den pyogenen Infektionen auf Grund klinisch-bakteriologischer Beobach-
tungen und des jetzigen Standes der Bakteriologie bearbeitet. (Beiträge zur klinischen
Chirurgie. Bd. X. 1893. No. 3.)
738
Kurt Müller,
und dieselben ein praktisches Interesse nicht beanspruchen. Es ist
ja auch a priori gar nichts Unwahrscheinliches, daß man mit einigen
einfachen chemischen Mitteln wird Eiterung erzeugen können. Nach-
dem wir wissen, daß bei den bakteritischen Infektionen nicht [die
Anwesenheit der Infektionserreger, sondern die Aeußerung
ihrer Lebensthätigkeit, d. h. die Erzeugung von Stoffwechsel-
produkten und das Freiwerden von bestimmten Eiweißkörpern, also
bestimmte chemische Prozesse das schädigende Moment sind,
so lag es auf der Hand, daß die Erregung mehr oder weniger ähn-
licher chemischer Prozesse im Körper ohne Anwesenheit von Bak-
terien würde das Gleiche hervorrufen können. Da es aber außer-
ordentlich heterogene Körper sind, welche, wie diese experimentellen
Untersuchungen beweisen, aseptische Eiterung erzeugen und anderer-
seits die eitererregenden Pilze, wie ich später zeigen werde, nicht
stets Eiterung hervorzurufen brauchen, sondern oftmals nur geringere
Grade der Entzündung erregen, so muß außer der mittelbaren
Ursache stets noch eine unmittelbare hinzukommen, durch
deren Zusammenwirken erst der Symptomenkomplex entsteht, den
wir als Eiterung bezeichnen. Daß wir diese unmittelbare Ursache
im Körper des freiwilligen oder unfreiwilligen Versuchsobjektes zu
suchen haben, ist nicht nur wahrscheinlich, sondern durch eine ge-
nügende Zahl von Beobachtungen bestätigt, mit anderen Worten, die
Spezifität der Gewebe ist zum Zustandekommen der Eiterung
neben der mittelbaren Ursache der Hauptfaktor.
Jedem, der mit Staphylokokken experimentiert hat, selbst
solchen , welche von den akutesten Osteomyelitisfällen gewonnen
wurden, welche die üppigsten Kulturen lieferten, werden oftmals Tier-
versuche an Kaninchen und Meerschweinchen mißlungen sein; oft
genug konnte ich für das Mißlingen dieser Versuche keinen anderen
Grund finden, als daß das betreffende Versuchstier nicht empfänglich
war; ganz ähnliches habe ich mehrfach bei Verwendung von Strepto-
kokkenkulturen aus phlegmonösem und von periostitischem Eiter1)
beobachtet.
Dann wieder ist man erstaunt, da positive Resultate zu erhalten,
wo man eher ein negatives erwartet hatte; so bekam ich2) bei der
Verwendung des Eiters eines osteomyelitischen Knochenabscesses,
der 4 Jabre bestanden hatte, ohne je akute Erscheinungen zu machen,
ein positives Resultat, trotzdem man hätte annehmen sollen, daß der
betreffende Pilz bei der langen latenten Anwesenheit im Körper
außerordentlich abgeschwächt war. Noch interessanter in derselben
Hinsicht ist der Versuch von Schnitzler3), welcher im Eiter eines
35 Jahre alten osteomyelitischen Abscesses vollvirulente Staphylo-
kokken fand. Gr a witz und de Bary betonen diese Spezifität
auch bei ihren Versuchstieren ganz ausdrücklich, ebenso Krei-
1) Kurt Müller, Ueber akute Osteomyelitis. (Münchener medizin. Wochenschr.
1893. No. 47 u. 48.)
2) 1. c. und Centralbl. f. Bakt. u. Parasitenk. Bd. XIV. 1893. p. 247.
3) Julius Schnitzler, Ueber den Befund virulenter Staphylokokken in einem
seit 35 Jahren geschlossenen osteomyelitischen Herde. (Centralbl. f. Bakt. u. ParasiteDk.
Bd. XV. 1894. No. 8 u. 9.)
Der jetzige Stand der Eiterungsfrage von bakteriologischem Standpunkte aus. 739
bohm und Rosenbach, Christmas und Andere. Sie spricht
sich auch ganz besonders unter anderen bei der Osteomyelitis
acuta, bei der infektiösen Knochenmarkeiterung aus. Für das
Zustandekommen dieser Erkrankung ist ein absolut spezifisches Ge-
webe notwendig. Das Knochenmark wachsender Individuen
oder ein ganz besonders vorbereitetes älterer gehört
dazu, um sie zustande kommen zu lassen. Beim Typhus sehen
wir nicht so selten auch Gelenk- und Knochenerkrankungen als
Komplikation eintreten; trotzdem man in allen Lokalisationsherden
die Typhusbacillen in Reinkultur nachgewiesen hat, so erzeugen die-
selben doch an jeder Stelle ein ganz spezifisches Krankheitsbild. Im
Darme sind es die parenchymatöse und nekrotisierende Form der
Entzündung, in den Gelenkergüssen oftmals die seröse und bei den
periostitischen Knochenerkrankungen, die allerdings immerhin nur
seltener beobachtet worden sind (Ebermaier, Ullmann, Orloff,
Achalme, Colzi, Klemm)1 2), ausschließlich die eiterige Form,
welche auftritt.
Noch mehr tritt die Spezifität der einzelnen Gewebe in den
Vordergrund bei verschiedenen selteneren Arten der akuten
Osteomyelitis, ein Hinweis, den wir besonders Garrö3) ver-
danken. Wir finden Formen der Osteomyelitis, die ohne jede Eiterung
verlaufen; die sog. Periostitis albuminosa ist trotz der An-
wesenheit von Staphylokokken von einem serösen Exsudate begleitet.
Die gleichfalls von Staphylokokken erzeugte sklerosierende Form
ist eine parenchymatöse Entzündung des Knochens. Am alleraus-
gesprochensten haben wir aber die Bedeutung der Spezifität der Gewebe
bei denjenigen Formen der akuten Osteomyelitis, bei deuen der Prozeß
multipel auftritt, und während er an der einen Stelle akut eiterig
verläuft, sich an einer anderen nur als Verdickung, also in paren-
chymatös entzündlicher Form oder als seröse albuminöse Periostitis
kundgiebt.
Fs wäre ein leichtes, die Bedeutung der Spezifität der Gewebe
fast für jeden einzelnen Pilz zu beweisen; sie findet sich selbst da
ausgesprochen, wo der Tod ganz akut einzusetzen pflegt, wie ich 3) es
für die Milzbrandinfektion nachweisen konnte. Von ganz besonderer
Wichtigkeit ist es, daß selbst bei dieser für geeignete Tiere so akuten
Erkrankung die spezifische Bedeutung der Gewebe nachgewiesen ist.
Während man früher kaum beobachtet hatte, daß der Milzbrandkeim
schwere parenchymatös entzündliche Veränderungen in inneren Organen
machte, gelang es Metschnikoff, Czaplewsky und mir, auch
eine nekrotisierende Wirkung desselben nachzu weisen. Christmas
beschreibt sogar Eiterungen in inneren Organen, die ich jedoch nur
als Nekrosen ansprechen möchte. In den inneren Organen von
Tieren, die der Krankheit erlegen waren, fand ich den Keimgehalt
sehr verschieden, und zwar nicht etwa entsprechend der Blutverteilung,
1) Klemm, Die Knochenerkrankungen im Typhus. (Archiv für klin. Chirurgie.
Bd. XL VI. 1893. No. 4.)
2) Garrfe, (Jeher besondere Formen und Folgezustände der akuten infektiösen
Osteomyelitis. (Beiträge zur klinischen Chirurgie. Bd. X. 1893. No. 2.)
3) Kurt Müller, Der Milzbrand der Ratten. (Fortschritte der Medizin. 1893.)
740
Kurt Müller
sondern infolge ganz spezifischer Einwirkung der Organzellen, wie es
sich mikroskopisch nachweisen ließ.
Es kann deshalb, nachdem so durch eine große Zahl von Be-
obachtungen die Bedeutung der Spezifität der Gewebe
bewiesen ist, nicht mehr wunder nehmen, wenn man Pilze, welche
für gewöhnlich Eiterung erzeugen, bei anderen Stufen der Entzündung
trifft oder solche, welche für gewöhnlich Eiterung nicht erzeugen, bei
einer solchen findet, mit anderen Worten, spezifische Eiter-
erreger nicht existieren.
Für unsere gewöhnlichsten Eiterpilze, die Staphylococci
aureus und albus, habe ich schon vorhin angeführt, daß dieselben
nicht stets eiterige Entzündung, sondern auch die anderen Grade
derselben hervorzurufen vermögen; die parenchymatöse Form
der Entzündung finden wir bei der sklerosierenden Osteomyelitis, die
seröse bei der Periostitis albuminosa; ferner hat Sahli1) neuer-
dings für den akuten Gelenkrheumatismus ihre Bedeutung
als Erreger festgestellt. Außerdem existieren zahlreiche Einzel-
beobachtuugen, wo bei serösen Ergüssen Staphylokokken gefunden
wurden (Levy2), Goldscheider3), Legiehn4), Garre5)).
Auch die Streptokokken sind nicht ausschließlich pyogen.
Nachdem durch Jordan die Identität zwischen dem Strepto-
coccus erysipelatis und pyogenes nachgewiesen war 6 ), zeigte
sich ja von vornherein die Bedeutung der Körperzellen für das Zu-
standekommen der Krankheitsform. In nicht eiterigen Pleuraergüssen
fanden ihn Weichselbau m 7), Goldscheider8). Jordan9)
führt an, daß viele „subkutane oder subfasciale Phlegmonen“, welche
einzig eine fibrinöse Entzündung darstellen und nie in wahre Eiterung
übergehen, oft den Streptococcus in Reinkultur beherbergen. Als
harmlosen Bewohner des Mundes fand in ö1^ Proz. bei gesunden
Menschen Netter 10 11) Streptokokken (127 untersuchte Fälle). Im Duo-
denum finden sich nach Geßner 1X) Streptokokken, welche sich durch
nichts von denen des Erysipels unterscheiden, ohne irgend welche
Störungen zu verursachen, sehr häufig. Auch v. Düngern l2) konnte
1) Sahli, Zur Aetiologie des akuten Gelenkrheumatismus. (Korrespondenzblatt
für Schweizer Aerzte. Bd. XXII. 1892.)
2) Levy, Bakteriologisches und Klinisches über pleuritische Ergüsse. (Archiv
für experimentelle Pathologie und Pharmakologie. 1890. No. 27.)
3) Goldscheider, Zur Bakteriologie der akuten Pleuritis. (Zeitsehr. für klin.
Medizin. 1892.)
4) Legiehn, Ceber die sogen. Periostitis und Ostitis albuminosa. [Inaug.-Diss.]
Königsberg 1890.
5) Garrfe , cf. 1. c.
6) Jordan, Die Aetiologie des Erysipels. (Langenbeck’s Archiv. Bd. XL1I.
Heft 2.)
7) Wiener medizinische Jahrbücher. 1886.
8) 1. c.
9) Jordan, Die akute Osteomyelitis u. s. w. p. 29.
10) Netter, Microbes pathogenes contenus dans la bouche des subjects saios.
(Revue d’Hygifene. 1893.)
11) Geßner, Ueber die Bakterien im Duodenum des Menschen. (Archiv f. Hyg.
Bd. IX. No. 2.)
12) v. Düngern, Ein Fall von Gasphlegmone unter Mitbeteiligung des Bacterium
coli. (Münchener med. Wochenschrift. 1893. No. 40.)
Der jetzige Stand der Eiterungsfrage von bakteriologischem Standpunkte aus. 741
in den Entleerungen eines Tuberkulösen, der keinerlei Eiterungen im
Körper bei der Sektion hatte, Streptokokken im Stuhle nachweisen.
Es folgt aus diesen Beobachtungen, daß von einer Spezifität der
eitererregenden Pilze nicht gesprochen werden kann ; weder Staphylo-
kokken noch Streptokokken dürfen als solche angesehen werden ; wir
können nur sagen, daß diesen Pilzen die Fähigkeit innewohnt, bei
bestimmten Organzusammensetzungen pyogen zu wirken.
Eine ganz besondere Stütze für eine solche Auffassung, wonach
die Spezifität der Gewebe es ist, welche die Eiterung bedingt, bilden
solche Fälle, wo vorher seröse Entzündungen ohne irgend welche
sekundäre Infektion in eine eiterige übergehen. Solche Fälle finden
sich in der Litt.eratur kaum beschrieben, und es scheint mir deshalb
wichtig, einen hierher gehörigen, in der chirurgischen Klinik des
Herrn Professor von Bramann beobachteten Fall zu berichten:
Ein Arbeiter, welcher 2 Wochen vor seiner jetzigen Erkrankung
am Mittelfinger der rechten Hand eine kleine eiternde Wunde gehabt
hat, erkrankt plötzlich mit einem Schüttelfröste, so dafs er sich sofort
ins Bett legen mufs. Noch in derselben Nacht traten heftige, stechende
Schmerzen in der rechten Achselhöhle hinzu; am Morgen war diese
Gegend gerötet, doch schwoll sie angeblich erst nach weiteren 3 Tagen
an. Die Schwellung ging schliefslich auf die Brust über; Patient suchte
eine Klinik auf, von der aus er überwiesen wird. Sein Zustand ist der
folgende :
Patient bietet ein verfallenes Aussehen, die Lippen sind trocken, er
ist absolut apathisch, der Puls klein und aussetzend. Die Haut über
der rechten Schulter ist gerötet und geschwollen bis auf den Hals hin-
auf; sie fühlt sich heifs an und ist auf Berührung scheinbar schmerz-
haft. Diese Schwellung setzt sich über die hintere Seite des Schulter-
gelenkes hinüber auf die rechte Thoraxhälfte in der Länge des ganzen
Brustkorbes fort. Nach vorn reicht die Schwellung bis zur Mamillarlinie,
nach hinten bis etwa handbreit von der hinteren Axillarlinie. Weiter
abwärts vom Schultergelenk verliert sioh die Rötung der Haut allmäh-
lich, welche letztere nur noch infiltriert erscheint. Während man sonst
im Bereiche der recht beträchtlichen Schwellung nur das Gefühl einer
teigigen Masse hat, glaubt man unterhalb und nach vorn von der
Scapula Fluktuation zu fühlen. Nach dem Befunde konnte es sich um
keine Phlegmone gewöhnlicher Art handeln ; das Ganze machte eher den
Eindruck eines Milzbrandödems, eine Annahme, welche die Operation zu
bestätigen schien. Ein Schnitt, in der hinteren Axillarlinie verlaufend,
spaltet Haut und subkutanes Gewebe, welches in eine eigentümlich
gallertartige Masse verwandelt ist, aus deren Spalten eine seröse
Flüssigkeit quillt — ein Befund, wie man ihn bei Milzbrandödemen bei
Tieren typisch vor sich findet.
Die seröse Masse läfst sich mit Leichtigkeit in grofsen Mengen
herausdrücken. Die Operation wurde bei dem Befunde beendet und die
Wunde mit sterilen Verbandstoffen verbunden.
In den Ausstrichpräparaten und in den Gewebsschnitten finden sich
mit Anilinfarben und nach Gram färbbare Streptokokken, welche kul-
turell besonders üppig bei Luftbeschränkung in hochgeschichtetem Agar
XV. Bd. 47
742 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
und bei Körpertemperatur, doch auch bei gewöhnlicher Temperatur und
in niedrigen Nährböden gedeihen. Die Wunde wurde mit aseptischen
Verbandstoffen verbunden und bis zu dem nach 3 Tagen unter septischen
Erscheinungen erfolgenden Tode vor Infektion mit anderen Keimen ge-
schützt. Bei der Sektion nun fand sich die ganze Gegend eiterig durch-
setzt: die seröse Durchtränkung hatte einer eiterigen Platz gemacht.
Die angelegten Kulturen, Platten sowohl von Agar bei Körpertemperatur,
als auch von Gelatine, liefsen einzig Streptokokkenkolonieen wachsen,
und auch in den Deckglaspräparaten fanden sich dieselben Organismen
als einzige Erreger. Das Blut, welches schon iutra vitam (durch breiten
Einschnitt auf die Eingerkniebel gewonnen und an verschiedenen Tagen
untersucht) weder mikroskopisch noch kulturell Streptokokken oder
andere fremde Beimengungen gezeigt hatte, war auch jetzt steril. Dafs
es sich um eine Sekundärinfektion nicht handeln konnte, geht aus der
Einzahl des Infektionserregers hervor. (Schluß folgt.)
Bakteriologische und parasitologische Kongresse.
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen
Kongresse in Rom,
Referent: Dr. 0. Sanarelli, Privatdozent in Rom.
(Fortsetzung.)
Bordoni-Uffreduzzi (Turin), Ueber die Lokalisation des
Gonococcus im Innern des Organismus (Ueber die
durch den Gonococcus hervorgerufene Pleuritis und
A rthritis).
Die Frage der Lokalisationen des Gonococcus im Innern des
Organismus ist noch eine offene, da bis jetzt noch kein sicherer und
unanfechtbarer Beweis dafür erbracht ist, daß die sich im Verlaufe
der Blennorrhoe häufig, besonders in den serösen Häuten einstellen-
den Entzündungsprozesse wirklich und ausschließlich durch den spe-
zifischen Erreger dieser Krankheit hervorgebracht werden, welcher,
wie nunmehr außer Zweifel steht, der N e i ß e r ’sche Gonococcus ist.
In den bisher beschriebenen Fällen, in denen sich bei Individuen,
die an Gonorrhöe litten, Arthritis, Peritonitis und Endocarditis ent-
wickelt hatten, gründete sich die Diagnose der Gonokokkeninfektion
meistens auf die mikroskopische Untersuchung der Krankheitsprodukte
und somit auf die Formmerkmale, das Färbungsverhalten und den
endocellularen Sitz der beobachteten Mikrokokken, und nur in einigen
seltenen Fällen war der mikroskopische Befund auch durch die Rein-
kulturen des Mikroorganismus erhärtet worden. Es sind deshalb
zum großen Teil berechtigte Zweifel und Einwendungen bezüglich der
Richtigkeit der Diagnose in jenen Fällen erhoben worden, und es
giebt auch heute noch Viele, die der Meinung huldigen, daß die sich
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Kom. 743
im Verlaufe der Blennorrhoe entwickelnden inneren Krankheiten sekun-
dären Infektionen zuzuschreiben und anderer Natur sind, oder sich
auf die reizende Wirkung der chemischen Produkte des Gonococcus
zurückführen lassen.
Bei diesem Stande der Dinge kann als ein wichtiger Beitrag zum
Studium dieser Frage der von Dr. Mazza, Assistenten am hygienischen
Institute zu Turin, beobachtete und von ihm studierte Fall angesehen
werden, in welchem sich bei einem elfjährigen Mädchen, welches von
einem an spezifischer Harnröhrenentzündung leidenden Mann geschändet
worden war (Beweggrund zu dieser Schändung war der ziemlich ver-
breitete Aberglaube, daß ein Tripper durch Beischlaf mit einer Jungfrau
geheilt werde), während des Verlaufs der Blennorrhoe eine Pleuritis
entwickelte. Das Mädchen wurde wenige Tage nach der Schändung
von Polyarthritis und bald darauf von bilateraler Pleuritis befallen.
Nach Aussage des Arztes, der sie behandelte, hätten sich zu diesen
Komplikationen auch noch Pericarditis und Endocarditis hinzugesellt,
von denen noch jetzt klinische Symptome bestehen. Das mittelst
Saughebers unter den erforderlichen Vorsichtsmaßregeln extrahierte
Pleuraexsudat wurde von Dr. Mazza untersucht, der nicht nur durch
die mikroskopische Untersuchung die Anwesenheit von in der Form
und dem Färbungsverhalten dem Ne iß er’ sehen Gonococcus
gleichenden Diplokokken in den Leukocyten und den Endothelzellen
konstatierte, sondern auch durch Anwendung der Werth ei m’ sehen
Methode (Reinzüchtung in einer Mischung von Agar und menschlichem
Blutserum) die Abwesenheit jeder anderen Bakterienform im Exsudate
nachweisen konnte, außer dem Gonococcus, der mit den ihm
eigenen Merkmalen in den Kulturen wuchs.
Dieser Fall ist interessant sowohl wegen der Lokalisation in
der Pleura, die als Komplikation der Blennorrhoe noch nicht be-
schrieben wurde, als auch deshalb, weil die alleinige Anwesenheit des
Gonococcus nicht nur durch die mikroskopische Untersuchung,
sondern auch durch die nach den genauesten der bis jetzt bekannten
Methoden gemachten Kulturen nachgewiesen wurde.
Noch größeres Interesse aber, nicht wegen der Neuheit des kli-
nischen Befundes, sondern wegen der Resultate der bakteriologischen
und experimentellen Untersuchungen , bietet ein anderer von mir
studierter Fall. Es handelt sich in diesem Falle um eine junge Frau
von besserem Stande, die an Blennorrhoe litt und die, weil sie ihre
Krankheit geheim halten wollte, keinen Arzt zu Rate gezogen hatte.
Kurze Zeit nach dieser Erkrankung wurde sie von Polyarthritis
befallen. Der nun herbeigezogene Arzt konstatierte den spezifischen
Fluß, und da die Gelenkentzündung am Fuße einen besonders ernsten
Charakter angenommen hatte, beschloß er, eine Operation vorzunehmen
und extrahierte zuerst, unter Anwendung aller bakteriologischen Vor-
sichtsmaßregeln, eine gewisse Menge Exsudat.
In diesem eiterartigen und fadenziehenden Exsudate konstatierte
ich durch die mikroskopische Untersuchung die Anwesenheit von
Mikrokokken, die in den Eiterzellen enthalten waren und in den
Formmerkmalen sowie im Färbungsverhalten (Gram’sche Methode
gänzlich negativ) den Mikrokokken glichen, die im Gonorrhöeeiter an-
47*
744 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
getroffen werden. Durch Reinzüchtung in einer Mischung von Nähr-
agar und menschlichem Blutserum erhielt ich die Entwickelung einer
einzigen Mikroorganismenform, die die gleichen Merkmale aufwies,
wie die in den Eiterzellen enthaltene. Mit diesem Resultate gab ich
mich jedoch nicht zufrieden ; um jedem Einwande zu begegnen, der
bezüglich der Richtigkeit der mikroskopisch und bakteriologisch ge-
stützten Diagnose, daß nämlich der „Gonococcus“ der spezifische
Erreger der Gelenkentzündung war, noch erhoben werden könnte,
habe ich ein Experiment am Menschen gemacht, indem ich das Pro-
dukt der zweiten Generation des von mir gezüchteten Micrococcus
in die Harnröhre eines Mannes impfte.
Das Individuum, das sich mir freiwillig zur Verfügung stellte, war
zu einem derartigen Experimente ein besonders geeignetes Objekt.
Es handelt sich um einen gesunden und kräftigen 23-jährigen Mann,
der nie eine venerische Krankheit irgendwelcher Art gehabt hatte
und außerdem im geschlechtlichen Verkehre mit dem weiblichen Ge-
schlechte so enthaltsam war, daß in dem Augenblicke, in welchem das
Experiment ausgeführt wurde, mehr als vier Monate seit dem letzten
Coitus verflossen waren. Trotzdem untersuchte ich vorher sorgfältig
seine Geschlechtsteile und machte auch mikroskopische Präparate
die mir nur die Anwesenheit der gewöhnlichen Smegraabacillen dar-
thaten; hierauf wusch ich die Eichel und die Harnröhrenöffnung mit
sterilisiertem Wasser und brachte mit einer Platinnadel eine kleine
Menge des der zweiten Generation meiner Kultur entnommenen
Materials auf die Harnröhrenschleimhaut, die Harnröhrenöffnung
kaum überschreitend, wobei ich auch sorgfältig vermied, die Schleim-
haut irgendwie zu verletzen.
Nach zwei Tagen entwickelte sich eine spezifische Harnröhren-
entzündung mit allen Merkmalen des gewöhnlichen Trippers , und in
den Eiterzellen fanden sich in reichlicher Menge Mikrokokken ein-
geschlossen, die die gewöhnlichen Merkmale aufwiesen und von denen
ich hier Präparate vorzeige. Patient hielt, meiner Anordnung gemäß,
den Penis mit sterilisierter Watte umwickelt, und die am zweiten
Krankheitstage mit dem Eiter gemachten Kulturen thaten die alleinige
Anwesenheit der Gonokokken dar, wie man in diesfen Kulturröhren
sehen kanu, von denen die eine eine Mischung von Nähragar und
menschlichem Blutserum und die andere einfach solidifiziertes Kalbs-
serum enthält und die beide mit dem am zweiten Krankheitstage
entnommenen Eiter geimpft wurden. In der ersteren Röhre sieht
man die kleinen halbdurchsichtigen Gonokokkenkolonieen , in der
letzteren dagegen nimmt man gar keine Entwickelung wahr.
Zum Schlüsse bemerke ich noch, daß die Impfung der Kultur
in Gelatine, in Agar und in Kalbs-, in Esels und in Lammserum
vollständig steril blieben , während die in Glycerinagar gemachten
Kulturen nach 48 Stunden eine sehr beschränkte Entwickelung von
ganz kleinen und halbdurchsichtigen Kolonieen aufwiesen, die nicht
weiter fortschritt.
Die Vitalität und die Virulenz dieses Mikroorganismus erlöschen
bald in den Kulturen, wie ich dies ausführlicher darthun werde,
wenn ich das biologische Studium desselben beendigt haben werde.
Bakterien und Milch. — Typhus.
745
Inzwischen glaube ich durch diese meine Untersuchungen den
unfehlbaren Beweis dafür geliefert zu haben, daß der Gonococcus
sich auch im Innern des Organismus verbreiten und hier für sich
allein die Entzündungserscheinungen hervorrufen kann, die er in den
Geschlechtsorganen zu erzeugen vermag, da in meinem Falle die
logische Kette der experimentellen Thatsachen die zum sichern und
absoluten Nachweis des pathogenen Vermögens eines Mikroorganismus
erforderlich sind, vollständig erbracht ist. Autorreferat.
(Fortsetzung folgt.)
Referate.
Freudenreich, Ed. v., Die Bakteriologie in der Milch-
wirtschaft. 8°. 78 p. Basel (Carl Sollmann) 1893.
Preis kartonn. M. 1,20.
Das Vorwort zum ersten Hefte seiner „Untersuchungen aus der
Praxis der Gärungsindustrie“ beginnt Hansen mit dem Satze:
„Experimentelle Studien über die Mikroorganismen führen leicht zu
praktischen Aufgaben, auf der einen Seite im Dienste der Medizin,
auf der anderen in dem der Industrie.“
Was nun diese letztere betrifft, so ist es keineswegs leicht, die
Resultate der Studien auf die Praxis zu übertragen. Es mangelt bei
dem Hilfspersonale an Verständnis der Lebensweise der in Betracht
kommenden Mikroorganismen. Popularisierung der Mikrobiologie
und Gärungsphysiologie ist es, was mit allen Kräften angestrebt
werden muß.
Vorliegendes Büchlein ist als ein gelungener Versuch in dieser
Richtung zu bezeichnen. Wie sein Titel besagt, ist es bestimmt zum
Gebrauche für Molkereischüler, Käser und Landwirte. Ref. meint,
daß nebst den genannten noch ein weiterer Berufszweig hätte an-
geführt werden sollen, nämlich der der Lehrer der Chemie und der
Botanik an Molkerei- und an Haushaltungsschulen. Diese sind be-
rufen, ihre Schüler über Wesen und Wirksamkeit der Mikroorganismen
aufzuklären. Der vorliegende Grundriß wird ihnen diese Bemühungen
sehr erleichtern. Das Werkchen ist mit Sorgfalt zusammengestellt
und kann den obgenannten Interessenten bestens empfohlen werden.
Lafar (Hohenheim bei Stuttgart).
Agro, Eug., Dei rapporti patogeni fra il Bacillo del
Tifo e il Bacterium coli commune. (Annali dell’ Istituto
d’Igiene Sperimentale di Roma. Vol. III. Fase. 4.)
Bacterium coli commune ist fast immer im Darme des
Menschen und der meisten Tiere vorhanden, die Frage daher von
Interesse, ob dieses Bacterium, bald saprophy tisch, bald patho-
gen, entweder durch Modifikation des Darminhaltes, welcher den
Nährboden anderer pathogenen Darmbakterien (Typhus, Cholera)
746
Typhusbacillus und Bacterium coli commune.
bildet, oder durch seine Stoffwechselprodukte dazu beitragen kann, die
Virulenz der anderen Bakterien oder die Giftigkeit der Produkte
derselben zu erhöhen, oder ob endlich es selbst höhere Virulenz und
Giftigkeit erlangen kann durch Gemeinschaft mit dem einen oder
anderen dieser pathogenen Bakterien. Ueber die Wichtigkeit der
Symbiose des Bact. coli mit den spezifischen Erregern im Darm-
inhalte von Typhus- und Cholerakranken kann man sich kaum
Rechenschaft geben.
Von neueren Untersuchungen über Verwandtschaft des Bact.
coli co mm. und des Eberth’schen Typhusbacillus erwähnt
Verf. die von Sanarelli, welcher die abgeschwächte Virulenz des
Typhusbacillus durch die Stoffwechselprodukte des Bact. coli
im Versuchstiere erhöhen konnte.
Cesaris und Orlandi kamen durch experimentelle Unter-
suchungen zu folgendem Schlüsse:
Die Stoffwechselprodukte des Bact. coli comm. und des
Typhusbacillus sind biologisch gleichwertig, insofern sie gegen-
seitig den Meerschweinchen Immunität gegen den einen oder anderen
der beiden Mikroorganismen verleihen können.
Verf. stellte sich für seine Untersuchungen folgende Fragen:
1) Ob die Virulenz des Typhusbacillus zum Teil und bis zu
welchem Grade ersetzt werden könne durch die des Bact. coli
comm. und umgekehrt;
2) ob gegenseitig sich ersetzende Virulenz zwischen den Kulturen
des Bact. coli und jenen des Typhusbacillus vorhanden
sei bei in verschiedenen Zeitperioden erfolgenden Infektionen und
ob daraus gegenseitige Verleihung der Immunität resultieren
könne ;
3) ob die gemeinsam gezüchteten Kulturen des Typhusbacillus
und des Bact. coli einen höheren Grad der Virulenz aufweisen,
als gleiche oder kleinere Mengen der beiden isoliert gezüchteten
Bakterien ;
4) wie sich die kumulative Wirkung und die immunisierende Fähig-
keit der Stoffwechselprodukte der beiden Bakterien gestalten.
Verf. stellte erst den Grad der Virulenz der beiden
Bakterien fest.
Er setzte die letale Dosis einer durch mehr als 6 Monate
durch Ueberimpfung virulent erhaltenen Kultur des Bact. coli
comm. aus dem Stuhle eines Gesunden für Meerschweinchen
auf 0,80 Proz. des Körpergewichtes fest.
Verf. wollte den Typhusbacillus in Milchkulturen oder in
Bouillonkulturen mit Milchzucker (5—10 Proz.) verwenden, sah sich
aber veranlaßt, die Virulenz dieser Kulturen zu erhöhen. Dies gelang
ihm nicht durch das oben angeführte Verfahren San arelli’s. Auch
eine zweite Methode San arelli’s versagte, nämlich die wiederholte
Ueberimpfung auf Meerschweinchen der Peritonealflüssigkeit eines an
Typhusinfektion verendeten Meerschweinchens, weil die Menge der
erhältlichen Peritonealflüssigkeit nach der dritten Ueberimpfung nicht
mehr genügte. Er zog daher die Anlegung von Kulturen aus dem
Tiere und successive Impfung von Kulturen auf andere Tiere vor.
Typhusbaeillus und Bacterium coli commune.
747
Er gelangte so weit, daß 0,40 Proz. des Körpergewichtes
von einer leicht alkalischen Typhusbouillonkultur genügte,
Meerschweinchen zu töten.
Es wurden immer Kulturen gleicher, jedesmal nachgeprüfter
Virulenz verwendet und zur Lösung der ersten Frage je 2 Versuchs-
tieren je die Hälfte der tödlichen Dosis der beiden einzelnen Kulturen
injiziert, 2 weiteren ein Gemisch der halben tödlichen Dosis der
Kulturen von Typhusbacillus und von Bact. coli, ebenso
wurden Gemische von je x/3 und von je l/5 der tödlichen Dosis der
beiden Kulturen verwendet.
Die Mischung der beiden Kulturen erwies sich in
geringeren Dosen tödlich, als der Toxicität der bei-
den Komponenten entsprach, immerhin durfte die Dosis jeder
einzelnen zur Injektion gelangenden Kultur nicht weniger als x/3 der
letalen Dosis betragen.
Behufs Beantwortung der zweiten Frage impfte Verf. Meer-
schweinchen mit der halben letalen Dose des einen oder anderen der
beiden Bakterien und nahm Nachimpfungen mit Kulturen des anderen,
noch nicht inokulierten Bacteriums vor nach 24, 18, 12, 6 und
3 Stunden, und zwar mit 1/2, 3/4 und endlich der ganzen letalen
Dose des zweiten Bacteriums. Es zeigte sich, daß die Injektion
jedes der beiden Bakterien Immunität gegen die
letale Dosis des anderen Bacteriums dem Kaninchen
zu verleihen vermag, insofern die Zwischenzeit zwi-
schen beiden Inokulationen nicht kürzer ist, als
6 Stunden. Die Tiere starben nach längerer Zeit an Kachexie.
Gelatinekulturen aus Peritonealflüssigkeit solcher Tiere, welche
der nach 3 Stunden vorgenommenen zweiten Impfung erlegen waren,
zeigten nicht nur Entwickelung der Typhusbacillen , sondern auch
des 3 Stunden früher injizierten Bacter. coli. Um den Grad der
Virulenz gemeinsam gezüchteter Kulturen beider Bakterien
zu prüfen, wurden Meerschweinchen mit solchen Kulturen in Bouillon
geimpft.
Da vom Gemisch getrennt gezüchteter Kulturen x/3 der letalen
Dosis jedes der beiden Bakterien genügt, den Tod herbeizuführen
und dies für den Typhusbacillus 0,13 °/0, für Bacter. coli
0,37 °/0 des Körpergewichts entspricht, so verwendete Verf. für diesen
Versuch 0,50 °/0 des Körpergewichts.
Die Virulenz erschien bedeutend erhöht durch die
gemeinsame Kultur beider Bakterien, indem schon eine
Dosis von 0,20 °/0 des Körpergewichtes letal wirkte.
Zählungen vor der Impfung ergaben, daß das Verhältnis der
beiden Bakterien in der Kultur ungefähr gleich war.
Um zu entscheiden, ob das gefundene wechselseitige Verhältnis
der beiden Bakterien auf die Wirkung der lebenden Bakterien oder die
ihrer Stoffwechselprodukte zurückzuführen sei, impfte Verf. Versuchs-
tiere mit sterilisierten Kulturen jedes einzelnen Bakteriums, andere
mit einem Gemisch sterilisierter Kulturen beider Bakterien. Er hatte
die letale Dose solcher Kulturen für Typhusbacillus auf 1,65 °/0,
für Bacter. coli comm. auf 2,60 °/0 des Körpergewichtes für Meer-
748
Cholera.
schweinchen festgesetzt. Es wurde für das Gemisch je die halbe
letale Dosis der beiden Bakterien verwendet, wobei Exitus erfolgte.
Die Gemische sterilisierter Kulturen haben also
erhöhte Giftigkeit, aber es zeigte sich, daß geringe Herab-
setzung der Dosis negativen Erfolg zur Folge hatte, wenn auch die
Tiere später kachektisch endeten.
Ferner untersuchte Verf. das reciproke Verhalten von in einem
Intervall von 24 Stunden nacheinander vorgenommenen Injektionen
der beiden sterilisierten Kulturen, etwas geringere Mengen als die
letalen verwendend. Das Resultat war negativ. Verf. vermutet, daß
die Schädigung des Tieres durch die erste Injektion entweder nicht
genügend intensiv sei, um die Resistenz gegen die zweite Injektion
herabzusetzen oder dann nicht 24 Stunden andauere.
In seinen Schlußsätzen erinnert Verf. daran, daß das Bacter.
coli im menschlichen und tierischen Darme vorhanden sei, ohne
unter normalen Verhältnissen Schaden anzurichten, sei es wegen des
Schutzes, den die intakte Darmwand bietet, sei es, weil die Stoff-
wechselprodukte langsam und in richtigem Verhältnisse zur Elimination
resorbiert worden. Dagegen gestalten sich die Verhältnisse schädlich
für den Organismus, wenn daneben ein die Darmwand alterierendes
Bacterium vorhanden ist. Gerade im Typhus abdominalis sind
solche Bedingungen in hohem Grade gegeben, und es dauern solche
lange Zeit. Dadurch werde die Absorption der Stoffwechselprodukte
anderer Bakterien, worunter auch des Bacter. coli comm., be-
günstigt und vielleicht zugleich die Produktion toxischer Stoffe ver-
mehrt.
Verf. glaubt, daß die von ihm erhaltenen Resultate geeignet
seien, wenn auch nicht in vielen Fällen des Typhus abdominalis die
Symptomatologie aufzuklären, so doch auf die Wichtigkeit der Rolle
des Bacter. coli comm. hinzuweisen und ähnliche Fragen von
großem Interesse auch bei anderen Infektionskrankheiten anzuregen.
H. Kerez (Rom).
Pfeiffer , B. , Studien zur Choleraätiologie. (Zeitschrift
für Hygiene und Infektionskrankheiten. Bd. XVI. Heft 2. p. 268
—286.)
Die von vielen Seiten gegen die Anschauungen des Verf.’s in
betreff der Choleragifte erhobenen Angriffe veranlaßten denselben zu
einer erneuten Besprechung dieses Themas unter Berücksichtigung
der Arbeiten von Issaeff, Zenthoefer und Kolle. Er betont,
daß er nach wie vor den Standpunkt einnehmen muß, daß in den
Leibern der Choleravibrionen Giftsubstanzen enthalten sind, welche,
in den gewöhnlichen Kulturmedien fast unlöslich, im Körper der als
Versuchstiere benutzten Meerschweinchen nach dem Zugrundegehen
der injizierten Bakterien frei werden und dann auf die Centren der
Cirkulations- und Temperaturregulieruug lähmend wirken. Diese
Giftstoffe sind in ungewöhnlichem Grade labil. Nach ihrer Zerstö-
rung durch thermische oder chemische Eingriffe bleiben sekundäre
Giftkörper zurück, die in ihrer physiologischen Wirkung den primären
Toxinen sehr ähnlich sich verhalten, aber erst in vielfach höherer
Cholera.
749
Dosis denselben toxischen Effekt hervorzurufen vermögen. Diese
sekundären Toxine sind relativ sehr resistente Substanzen, die sogar
stundenlanges Kochen vertragen. Die von Wiener und Gr über,
von Scholl und Hueppe und Hammerl, Klein und S obern -
heim dieses Thema betreffenden Arbeiten werden kritisch be-
sprochen und auf die Unrichtigkeiten in deren Ergebnis aufmerksam
gemacht.
Da man an Meerschweinchen, welche den Infektionen per os er-
legen sind, stets das Epithel des Dünndarms nekrotisch findet, so
nimmt Verf. an , daß dieser Schwund der Epitheldecke äußerst
wichtig für das Zustandekommen der Cholerainfektion ist, da gerade
hierdurch ein Kontakt großer Mengen lebender oder toter Bacillen
mit dem Körpergewebe vermittelt wird, welche zur raschen Resorp-
tion der giftigen Zellstoffe Veranlassung giebt. Einen ähnlichen
Vorgang erblickt Verf. bei der Influenza. Von diesem Gesichtspunkte
aus müssen auch die Versuche von Pe ttenkofer’s u. A. gedeutet
werden. — Auf Emmerich’s Nitritvergiftuug eingehend, konnte er
im Verein mit Proskauer in keinem Stadium der künstlichen
Choleraintoxikation Nitrite nachweisen. Versuche mit frischen Cholera-
kulturen an Meerschweinchen und Tauben ergaben als minimal letale
intraperitoneale Dosis 1/5 — x/8 Oese für die Meerschweinchen, während
die subkutan geimpften Meerschweinchen nur mit Fieber reagierten,
Tauben blieben am Leben.
Am Schlüsse seiner Arbeit bespricht Verf. die Arbeit von I s s a e f f
und deutet die von anderen Autoren gemachten Befunde im Sinne
dieser Arbeit, so daß wir durch Injektion vieler Stoffe eine vorüber-
gehende Immunität, bedingt durch Phagocytose, aber keine dauernde,
wie nach Vorbehandlung mit Cholerakulturen erlangen können.
0. Voges (Danzig).
Kolle, Beiträgezu den experimentellen Cholerastudien
an Meerschweinchen. (Zeitschrift für Hygiene und Infek-
tionskrankheiten. Bd. XVI. H. 2. p. 329 — 362.)
Verf. berichtet in seiner Arbeit zunächst über den Infektions-
modus bei der intraperitonealen Cholerainfektion und hebt hervor,
daß die Hauptfehlerquelle in einer Verletzung des Darmes beruht,
welche bei einer gewissen Prozentzahl der Fälle stets auftreten.
Er glaubt konstatieren zu können, daß nur dann die Cholerabakterien
nach intraperitonealer Infektion im Meerschweinchendarme in größe-
rer Menge vorhanden sein könnten , wenn der Darm verletzt ist.
Er nimmt auf Grund seiner Versuche an, daß bei ca. 80 Proz. der
Fälle dieses nicht der Fall war und in nur 20 Proz. waren sie vor-
handen, doch meist in so geringer Menge, daß sie mikroskopisch
gar nicht nachzuweisen waren. Ein gleiches Resultat erreichte Verf.
bei der Infektion in die Pleura, das subkutane Gewebe in die Blut-
bahn und in die laparotomierte Bauchhöhle. Die Vibrionen schienen
dabei durch die Blutbahn in den Darm zu wandern, ob sie sich
wirklich im Lumen des Darmes finden oder nur in den Blutkapillaren
der Schleimhaut enthalten sind, konnte Verf. mit absoluter Sicher-
750
Cholera.
heit nicht entscheiden. Damit ein Vorkommen der Cholerabacillen
im Darme wie auch in der Blutbahn stattfinden konnte, mußte die
Dosis der injizierten Bakterienmenge so groß sein, daß die bakterien-
feindlichen Agentien im Meerschweinchenkörper nicht ausreichten, um
die Bakterien abzutöten. Bei gradweiser Dosierung gelang es, Tiere
zu finden, bei denen durch intraperitoneale Infektion mit Cholera-
material dieselben getötet wurden, ohne daß außer im Peritoneum
Choleravibrionen im Darme, Blute und inneren Organen gefunden
werden konnten. Ist die Dosis noch etwas geringer gewählt, so ist
auch das Peritoneum steril. Diesen Intoxikationsprozeß beim Meer-
schweinchen hält K. für ein Analogon des Stadium algidum der
Cholera beim Menschen. Wenn Hueppe annimmt, daß die An-
siedelung der Cholerabakterien im Darme der Meerschweinchen nach
intraperitonealer oder subkutaner Einverleibung zur Erzeugung des
bekannten Krankheitsbildes nötig sei, so kann Verf. auf Grund seiner
Beobachtungen diese Anschauung nicht teilen.
Führte Verf. in die Carotis von Meerschweinchen lebende
Choleravibrionen ein, so gingen dieselben im Blute rasch zu Grunde,
wirkten aber durch eine rapide auftretende Intoxikation. In einem
Teile der Fälle ließen sich dann die Bakterien im Darme auffinden,
aber in stets relativ sehr geringer Menge, in einem anderen Teile
konnten überhaupt keine Cholerakeime aus dem Darme nacbgewiesen
werden. 0. Voges (Danzig).
Büchner, H. , Ueber Choleratheorieen und die Not-
wendigkeit weiterer Choleraforschungen. (Deutsche
Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege. Bd. XXV.
Heft 3. p. 432 ff.)
In seiner Abhandlung berichtet Verf. zunächst über die Lehre
Koch ’s von der Kontagiosität der Cholera, er betont, daß diese
Lehre nicht imstande sei, das Cholerarätsel zu lösen. Dieses vermag
aber die lokalistische Theorie, welche im zweiten Teil der Abhand-
lung Gegenstand näherer Erörterung ist. Verf. führt in seinen Aus-
führungen viel altes und neues Material für und gegen die beiden
Theorieen an, regt dann ferner die Frage an, ob es ein ektogenes
Stadium der Choleravibrionen giebt, führt aus, daß dasselbe überhaupt
entbehrlich sei und daß somit auch keine Berechtigung vorhanden
sei, dasselbe als wesentliche Hilfsursache für Choleraepidemieen anzu-
nehmen. Weiter wird die zeitlich-örtliche Disposition für Cholera-
epidemieen abgehaudelt. Einen großen Teil der Arbeit nimmt die
vom Verf. aufgestellte diblastische Theorie in Anspruch. B. nimmt
an, daß für das Zustandekommen der Cholera ein Epitheldefekt im
Darmkanale notwendig sei, dieser aber werde nicht durch die
Cholerabakterien, sondern durch ein anderes Etwas, vielleicht Amöben
hervorgerufen. Eine Unzahl Beispiele werden in der Arbeit heran-
gezogen, viele neue Fragen angeregt, doch ist es unmöglich, im ein-
zelnen auf dieselben einzugehen und muß die Arbeit im Zusammen-
hänge gelesen werden. Hier sei nur auf ihren Inhalt aufmerksam
gemacht. O. Voges (Danzig).
Cholera.
751
Karlinski, Kleine Beiträge zur Aetiologie der Cholera.
Verf. bespricht einige auf der in der Hygienischen Rund-
schau. 1894 schon geschilderten Reise nach Arabien gemachten
Cholerastudien ; es handelt sich um Ergebnisse bakteriologischer
Untersuchungen, bei denen entweder die Cholerabacillen intra vitam
gar nicht nachgewiesen werden konnten, oder andere, in denen
sie gefunden wurden, ohne daß Cholerasymptome je bestanden
hatten.
Fall I litt an Leberaffektion und erkrankte mit Cholerasym-
ptomen. Die bakteriologische Untersuchung mit Peptonkultur wie
Gelatineplatten verlief negativ. Tod nach 8 Stunden, im Blinddärme
fanden sich massenhaft Cholerabacillen.
Fall II. Im Stuhl 4 — 8 keine Cholerabacillen nachweisbar,
erst 36 Stunden nach dem Beginne der Erkrankung gelang die
Kultur.
Fall III. Nach Ausbruch des Durchfalls wurden Choleraspirillen
gefunden, 24 Stunden später nicht mehr, erst am fünften Tage, wo
die Durchfälle stürmischer wurden , traten sie wieder massen-
haft auf.
Fall IV. 10 Tage im Reiswasserstuhl keine Cholerabacillen
nachweisbar, erst nach Kalomel in halbfesten Stuhle wurden dieselben
gefunden am 10. Tage, dieselben waren so virulent, daß sie
Meerschweinchen in 7 Stunden töteten.
Fall V — VII zeigten in der Rekonvalescenz nach längerem Aus-
bleiben der Cholerabacillen plötzlich wieder solche.
Fall IX. Bei einem Laboratoriumsdiener fanden sich zufällig
bei völliger Gesundheit Cholerabacillen, welche 4 Tage lang nach-
weisbar waren, später verschwanden, ohne irgend je eine Reaktion
hervorzurufen.
Schließlich berichtet Verf. noch über eine Selbstinfektion, ganz
zufällig entdeckte er in seinem Stuhle Bacillen, welche weder in Stich-
kulturen, noch bei der Indolreaktion, noch beim Tierexperimente
irgendwelche Unterschiede von Cholerabacillen darboten, trotzdem
bestanden, abgesehen von etwas größerer Dünnflüssigkeit des Stuhles,
keinerlei Beschwerden. Vielleicht war Verf. bereits immun, da er
1892 einen Choleraanfall überstanden.
Bei den 293 Untersuchungen fanden sich 81mal Cholerabacillen
in Reinkultur, 97mal in Verbindung mit Bacteri u m coli allein
und 110 mal in Verbindung mit diesem und dem Bacillus
proteus Hauser, so daß die Theorie N e n c k i ’s , der die Wirkung
des Cholerabacillus nur durch Symbiose mit 3 anderen Stäbchen-
bakterien erklären will, nicht mehr stichhaltig ist.
Die Lebensfähigkeit der Choleravibrionen in den Dejektionen
betrug in einem Falle 52 Tage, während andere Proben bereits am
16. Tage keine lebendigen Cholerakeime mehr enthielten.
Um die Wirkung der Desinfektionskraft der Sonne auf die
Cholerabakterien zu erproben, legte Verf. mit Choleradejekten be-
schmierte Leinwandstücke in die Sonne bei. einer Temperatur von
40,3 des Sandes und 46,4° C der Luft. Nach 2 Stunden waren
keine lebensfähigen Cholerakeime mehr nachzuweisen. Das gleiche
752
Cholera.
Ergebnis batten die in gleicher Weise mit den Reinkulturen ange-
stellten Versuche. Die gleichen Versuche im Schatten bei 39 bis
40 0 C angestellt, ließen in den Choleradejekten keine lebenden Keime
mehr erkennen, während die Reinkulturen nach 3 Stunden noch
lebensfähige Kulturen ergaben. 17 Tage in einem Kasten einge-
schlossene Leinwandstücke ließen sowohl aus den Choleradejekten
wie aus den Reinkulturen keine Kulturen mehr aufgehen, die
Maximaltemperatur des Kastens hatte 44° C betragen. Aehnliche
Versuche werden für die nächste Zeit in Aussicht gestellt.
O. Voges (Danzig).
Zentliöfer, Ueber das Verhalten der Cholerakulturen
in Hühnereiern. (Zeitschrift für Hygiene u. Infektionskrank-
heiten. Bd. XVI. H. 2. p. 362 — 367.)
Scholl und H u e p p e , in neuerer Zeit auch Hammerl, Wie-
ner und Grub er, haben berichtet, daß die von Cholera infizierten
Eier einen starken Geruch nach Schwefelwasserstoff haben und der
Dotter eine schmierige Masse von gelber Farbe bildete. R. Pfeif-
fer bestritt diese Anschauungen und hielt Verf. es für notwendig,
diese Versuche nachzuprüfen. Die Eier wurden durch mehrstündiges
Liegeulassen in Sublimat 1 : 1000 desinfiziert. Ref. hält diese Me-
thode nicht gerade für sehr glücklich gewählt, da durch das stunden-
lange Liegen in der Desinfektionsflüssigkeit immerhin, wenn auch ein
geringer Teil derselben, in das Eiinnere dringen muß und bei der
starken Konzentration diese Spuren, wenn auch nicht eine Unter-
drückung, so doch eine Hemmung der Wachstumsfähigkeit der ein-
geschlossenen Bakterien verursachen können. Jedenfalls wäre diese
Vorfrage noch durch Versuche zu prüfen. Sodann haben wir uns
längst gewöhnt, bei Tierversuchen Kontrollversuche zu machen, warum
stellt man nicht auch Kontrolleier mit in den Brütofen? Verf. ver-
meidet sehr glücklich einen Fehler anderer dadurch, daß er auch
anaerobe Kulturen anlegte. Als Resultat seiner Beobachtungen teilt
er mit, daß in denjenigen Hühnereiern, in welchen die Cholerabakterien
thatsächlich in Reinkulturen durch die mikroskopische und kulturelle
aerobe wie anaerobe Untersuchung nachweisbar waren, in keinem
Falle so viel Schwefelwasserstoff entwickelt wurde, daß dieser durch
Bildung von Schwefelquecksilber auf der Schale oder durch den Ge-
ruchsinn sich verraten hätte. Das Eigelb hatte seine normale honig-
gelbe Farbe bewahrt, das Eiweiß war leicht getrübt und verflüssigt.
Ueberall aber, wo Schwefelwasserstoff in größeren Mengen im Eiinhalte
vorhanden war, wies die genauere Untersuchung die Gegenwart ver-
unreinigender Bakterienarten nach, die an Zahl auch die spärlichen
Cholerabacillen überragten. Diese konnten einerseits durch die mikro-
skopische Untersuchung nachgewiesen werden, andererseits wuchsen
sie aber im Botkin’schen Apparate in einer Wasserstoflfatmosphäre,
während die Gelatineplatten nur eine Reinkultur von Cholerabacillen
ergaben. 0. Voges (Danzig).
Die Choleraepidemie in der Türkei und speziell in Kon-
stantin opel. (Deutsche med. Wochenschrift. 1894. No. 5 u. 6.)
Cholera.
753
Chantemesse, L’ Epidemie chol6rique de Constantinople.
(La Semaine mödicale. 1894. No. 6.)
Der erste der beiden Aufsätze ist von einem anscheinend in
Konstantinopel ansässigen Arzte geschrieben , welcher sich nur mit
D. unterzeichnet. In seiner Schilderung des Verlaufs der vorjährigen
Choleraepidemie in der Türkei und den gegen dieselben getroffenen
Maßregeln hebt der Verf. schonungslos zahlreiche, io den der otto-
manischen Regierung unterstellten Ländern vorhandene Mißstände
hervor. Der Thätigkeit, welche Chantemesse im Aufträge der
türkischen Regierung in Konstantinopel entfaltet hat, gedenkt er da-
gegen nur mit wenigen Worten.
Chantemesse berichtet, daß Konstantinopel bisher 4mal,
nämlich in den Jahren 1831, 1847, 1865 und 1871 von Cholera-
epidemieen heimgesucht worden ist. Die erste und dritte waren auf
dem Seewege von Galatz bezw. aus dem Hedjaz , die zweite auf
dem Landwege von Persien her eingeschleppt. Die bedeutendsten
Verheerungen richtete die dritte Epidemie an; 30000 Personen
fielen in ihr der Seuche zum Opfer. Der Ursprung der Epidemie
des Jahres 1893 ist nach Chantemesse dunkel; bekannt sei ihm
geworden, daß am 24. August ein Todesfall aus dem Viertel Has-
keui, am 28. August 2 weitere aus Galata gemeldet wurden, daß
am 29. August ein heftiger Ausbruch der Seuche in der Irrenanstalt
zu Skutari erfolgte, und daß gleichzeitig im Gefängnis von Stambul
ein kleinerer Herd sich entwickelte. Die Krankheit herrschte dann
zunächst in den 3 Vierteln Galata, Stambul und Skutari, trat Mitte
September in der Salimkaserne auf und wurde durch die kranken
Soldaten in das Häi'dar-Pascha-Lazarett verschleppt. Später er-
folgten Erkrankungen auch am asiatischen Ufer des Bosporus und
am goldenen Horn. Der größte Teil von Stambul blieb indessen
verschont. Auffällig war es, daß jedem während der Monate Sep-
tember und Oktober eingetretenen Regengüsse eine Zunahme der Er-
krankungsziffer folgte. Ende Oktober schien die Seuche erloschen
zu sein, als sie plötzlich am 6. November nach einem am 3. Novem-
ber erfolgten Gewitter in bedeutend vermehrter Heftigkeit auftrat.
Die Gesamtzahl der Erkrankungen (und Todesfälle) berechnet
Chantemesse auf ca. 2000 (1100), von denen 449 (ca. 300) in
die Zeit bis zum 31. Oktober fielen.
Der Verf. der anderen Arbeit ist der Ansicht, daß die Cholera
von 2 verschiedenen Seiten aus nach Konstantinopel eingeschleppt
worden sei. Einmal hätten türkische Arbeiter, welche nach Ausbruch
der Seuche in Rumänien aus Sulina zurückkehrten, und unter denen
thatsächlich Choleraerkrankungen vorgekommen sind, die Seuche zu-
nächst nach dem Quarantänelazarett von Sinope und dann nach Kon-
stantinopel gebracht; doch sei der auf diese Weise entstandene Herd
bald wieder erloschen. Die hauptsächliche Ursache der vorjährigen
Erkrankungen sei die vorausgegangene Epidemie in Hedjaz gewesen.
Dorthin ist die Seuche nach Auffassung des Verf.’s durch türkische
Truppen gekommen, welche bereits längere Zeit vorher zur Unter-
drückung aufständischer Bewegungen in das Y6men geschickt waren,
754
Cholera.
seit der Epidemie in Mekka vom Jahre 1891 ununterbrochen Cholera
hatten und nach Aufhebung der Quarantäne gegen das Y6men im
vorigen Jahre nach verschiedenen Orten verlegt wurden. Sie haben
sowohl nach Smyrna als auch nach Mekka die Cholera gebracht.
Die Zahl der Choleratodesfälle unter den dort ein getroffenen Pilgern,
welche amtlich auf 10000 — 11000 angegeben wurde, ist in Wahrheit
viel größer gewesen. Die den Pilgern auferlegten Quarantänen,
deren Unzulänglichheit in einem von Karlin sky verfaßten Aufsatze
„Unter der gelben Flagge“ kürzlich in der Hygienischen Rundschau
beleuchtet worden ist, vermochten es nicht zu hindern, daß im Gefolge
der Heimkehrenden die Seuche nach verschiedenen Oertlichkeiten
gelangte. Am 20., 21. und 23. August kamen die ersten Pilger-
schiflfe (Nime Huda, Sögütlü1) und Zeadet) in Konstantinopel an;
am 29. August erfolgten die ersten Erkrankungen im Irrenhause von
Skutari. „Wer den Glauben der Türken kennt an die Heilkraft,
die von einem Hadji ausgeht — die Kranken legen sich auf die
Erde und der Mekkapilger stellt sich auf sie — oder an die Wunder,
die das heilige Wasser Zem-Zem thut — der wird sich über diesen
Ausbruch nicht wundern.“ Zu betonen ist, „daß zuerst die türkische
Bevölkerung — das Irrenhaus, die Kasernen, die Kriegsschiffe und
die Marinesoldaten — das bedeutendste Kontingent zu den Erkrankungen
stellte; erst später wurden auch jüdische Quartiere und die Stadt-
gegend am Bosporus verseucht.“
Die Verbreitung der Cholera wurde durch die anfänglich er-
griffenen ganz sinnlosen Absperrungsmaßregeln, welche sich nicht
allein gegen die heimgesuchten Häuser mit ihren Insassen, sondern
auch gegen die behandelnden Aerzte richteten, nicht aufgehalten.
Die Hoffnung, der man sich Ende Oktober, als die Epidemie abzu-
nehmen schien, hingab, war trügerisch. „Der November setzte mit
heißem Wetter und schwülen Südwinden ein. Vom 5. November ab
brach die Epidemie in verschiedenen Hafenquartieren mit großer Hef-
tigkeit von neuem aus.“ Nun wurde die Maßregel der Hausab-
sperrungen zunächst auf 3 Tage herabgesetzt, dann aufgehoben, dann
wieder mit 5-tägiger Dauer eingeführt. „Seit Mitte Dezember hat
man, unter Leitung eines aus Paris verschriebenen Sachverständigen
Desinfektoren neueren Systems für die Hausdesinfektion etc. in Ge-
brauch genommen. Für den Ernstfall genügen aber sowohl Ange-
stellte wie Apparate kaum. Wenn die behördlichen Maßnahmen nicht
rationeller betrieben, wenn besonders die zwecklosen Summen für
Hausquarantänen nicht auf eine wirkliche Desinfektion der Häuser
und Effekten verwandt werden“, schrieb der Verf. im Dezember,
„so ist ein Erlöschen der Epidemie sicher nicht auf Conto der
Regierungsmaßregeln zu setzen.“ Die Abnahme der Seuche im
Januar hat der Verf. in der Nachschrift seines Aufsatzes dann auch
mit dem seit Beginn des laufenden Jahres eingetretenen trockenen
und kalten Wetter in Verbindung gebracht. Die Ausgang 1893 er-
folgten Seuchenausbrüche in Adrianopel, Saloniki, Trapezunt, Tripolis
1) Durch diesen Dampfer war die Cholera in das Quarantänelager von El Tor ein-
geschleppt worden.
Cholera.
755
und Tunis sind nach seinen Mitteilungen auf Truppentransporte zu-
rückzuführen.
Nach Chantemesse sind die Ursachen der Ausbreitung der
Cholera in Konstantinopel sowohl in unmittelbaren oder mittelbaren
Uebertragungen des Ansteckungsstotfes von Person zu Person zu
suchen, als auch in den mangelhaften Einrichtungen, welche für die
Beseitigung der Abfallstoffe und für die Trinkwasserversorgung in
der Hauptstadt der Türkei bestehen. Einwandfreies Trinkwasser
steht nur den bemittelten Bewohnern Konstantinopels zur Verfügung.
Die Choleravibrionen, welche Chantemesse aus Fällen in
Konstantinopel züchtete, standen hinsichtlich ihrer Gestalt und ihres
Wachstumes den von Koch seiner Zeit aus Indien mitgebrachten
Bakterien der gleichen Gattung am nächsten. Die Indolreaktion
gaben sie in Bouillonkulturen nur schwach, gut gelang dagegen die
Blaureaktion nach Weyl-Legal. Sie standen in ihrer Virulenz
Tauben und Meerschweinchen gegenüber den Bacillen aus Massauah
und Nantes nach , kamen in dieser Beziehung denjenigen aus
Paris 1892 ungefähr gleich und übertrafen die Hamburger Vibrionen
darin.
Vor seiner Ankunft in Konstantinopel hatte Chantemesse
bereits brieflich einige Anordnungen, wie Desinfektionsmaßregeln
und Verabreichung gekochten Wassers, für die Irrenanstalt in Skutari
getroffen, welche in der That mit günstigem Erfolge zur Anwendung
gelangten. Nach Eintreffen am Orte der Seuche vermochte der ge-
nannte Hygieniker die Aufhebung der Hausabsperrungen nicht durch-
zusetzen, dagegen erwirkte er die Einrichtung von 3 Desinfektions-
anstalten in Skutari, Stambul und Pera, welche mit Dampfapparaten
ohne Ueberdruck, Pulverisateuren (!) sowie geeigneten Wagen aus-
gestattet werden sollten und als Personal 30 Pompiers erhielten,
deren Ausbildung ein Angestellter der Stadtdesinfektionsanstalt
in Paris übernahm. Als Desinfektionsmittel kamen Sublimat-
lösung neben Kalkmilch und Chlorkalk zur Anwendung. In Er-
mangelung der Dampfapparate wurden die verunreinigten Matratzen
verbrannt, Wäschestücke für die Dauer einer Stunde in Desinfektions-
flüssigkeiten eingelegt, Zimmerwände und Möbel mit Sublimatlösung
besprengt(l). Wiederholt wurde öffentlich vor dem Genüsse unge-
kochten Wassers gewarnt. Durch ärztliche Hausbesuche unter der
ärmlichen Bevölkerung erstrebte man neben dem Zwecke der Belehrung
auch eine Verbesserung des Nachrichtendienstes. Chantemesse
glaubt, ohne sich ein Urteil über die Art der Ausführung einiger
der prophylaktischen Maßregeln erlauben zu wollen, doch nicht ver-
kennen zu dürfen, daß die von der Cholera angerichteten Verheerungen
unter der Bevölkerung Konstantinopels verhältnismäßig gering waren,
und daß dieses Resultat der Initiative und Energie des Sultans zu
verdanken sei, da er selbst nur beraten durfte, Exekutivgewalt aber
nicht hatte.
Inwieweit die Vorschläge Chantemesse’s, welche sich auf
Assanierung Konstantinopels beziehen und im wesentlichen Errichtung
eines obersten hygienischen Rats, Ausbesserung der Drainage- Ein-
richtungen, Sandfiltration des Trinkwassers, Beschaffung von Porzellan-
756
Cholera. — Diphtherie (Krupp).
filtern für die Kasernen und Anlage einer Quellenwasserleitung
vom Balkan zum Ziele haben, auf Verwirklichung rechnen können, ist
seinen Ausführungen nicht zu entnehmen. Ein Irade des Sultans
hat zunächst genehmigt, daß der Schüler Pasteur’ s, Nicolle, und
einige französische Aerzte an der medizinischen Schule in Konstanti-
nopel in französischer Sprache Unterricht in Mikrobiologie, innerer
Medizin und Chirurgie erteilen sollen. Kühler (Berlin).
Klein, E., Beobachtungen über die Cholera in England.
(Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten. Bd. XVI.
Heft 2. p. 249-256.)
Von August bis Oktober 1893 kamen in England eine Anzahl
choleraartiger Erkrankungen zur Beobachtung; in 30 Fällen fanden
sich die Koch’schen Cholerabacillen, in 25 Fällen war das Kultur-
verfahren negativ, obwohl in mehreren die mikroskopische Unter-
suchung des Darminhaltes Kommabacillen und freie Geißeln (!) ergab.
16 Fälle entstammten lokalen Epidemieen, 14 kamen vereinzelt vor.
In 4 der letzten Fälle ließ sich eine Uebertragung der Bacillen ver-
muten oder nachweisen, in 10 Fällen waren jedoch weder vor noch
nach der Erkrankung irgend welche Anhaltspunkte zu erlangen, 5
derselben werden ausführlicher mitgeteilt.
Am Schlüsse der Arbeit wird eine tabellarische Uebersicht der
kulturellen Charaktere der von den 30 positiven Fällen in Reinkultur
gezüchteten Vibrionen gegeben. In einem Falle wurde die Gelatine-
stichkultur erst nach 14 Tagen etwas verflüssigt, während die Platten
wie alles andere normal war. Milch war zum Teil geronnen, zum
Teil nicht; auf Kartoffeln war das Wachstum unsicher. Indolreaktion
wurde stets beobachtet. Um den Tod eines Tieres herbeizuführen,
genügten 1/9 — ‘/4 einer 48-stündigen Brütofenagarstrichkultur.
0. Voges (Danzig).
Booker, W. D., As to the aetiology of primary pseudo-
membranous inflammation of the larynx and trachea
etc. (Archives of Pediatrics. X. 1893. p. 642.)
Der Verf. beschreibt einen Fall des sogenannten Krup, bei
welchem der Rachen normal und frei von Diphtheriebacillen er-
schien , der aber sonst den Charakter wirklicher Diphtherie des
Kehlkopfes, der Luftröhre und der primären Bronchien zeigte. Die
Schleimhäutchen dieser Teile waren bedeckt mit einer weißlich-
grauen, bisweilen 1 mm dicken Pseudomembran, in welcher der
Bacillus diphtheriae sehr zahlreich war und mikroskopisch
sowohl wie durch Kulturen erkannt wurde. Milz, Submaxillardrüse
und Pseudomembran gaben beinahe reine Kulturen des Klebs-
Loeff ler’schen Bacillus. Einige Kolnonieen des Bacillus waren
von der Lungenspitze und vom Herzblute isoliert.
In einem anderen Beispiele, einem Falle von Masern mit ent-
schiedener Krupatmung, war der Kehlkopf mit einer Pseudomem-
bran überzogen, in welcher der Diphtheriebacillus sich
nicht finden ließ, während Streptokokken überaus zahlreich waren.
Novy (Ann Arbor).
Diphtherie.
757
Martin (Sidney), Goulstonian lectures on the Chemical
pathology of diphtheria, compared with that of
anthrax, infective endocarditis and tetanus. (The
British Medical Journal. 1892. March 26., April 2.)
Die Wirkung der im Titel genannten Bakterien auf die Eiweiß-
stoffe des Körpers oder des Nährmediums, in welchem sie sich ent-
wickeln, läßt sich in Parallele stellen mit der Wirkungsweise des
peptischen oder tryptischen Fermentes. Es entstehen zwei Reihen
von Körpern, zunächst Albumosen, Proto- und Deuteroalbumosen, welche
die Träger der spezifischen Giftwirkung sind und schließlich ein
nicht mehr den Eiweißstoffen zugehöriger Körper, der bei dem An-
thrax ein basisches Alkaloid, bei Diphtherie dagegen eine organische
Säure ist. Verf. stellte diese Körper zunächst aus den Leichen von
8 an Diphtherie verstorbenen Kindern dar. Die Methode, deren er
sich bediente, war folgende: Die zu untersuchenden Organteile wur-
den in Spiritus geworfen und blieben darin, bis alle gewöhnlichen
Eiweißkörper koaguliert sind. Hierauf wird filtriert, der Alkohol bei
35° verjagt, und der Rückstand in Wasser gelöst, neuerdings mit
absolutem Alkohol gefüllt und diese Prozedur mehrmals wiederholt.
Man erhält so schließlich ein helles, gelbbraunes Pulver, das im
wesentlichen aus Deuteroalbumose besteht, in Wasser löslich ist
und sämtliche Eiweißreaktionen giebt. Der alkoholische Extrakt aus
den Geweben enthält außerdem eine geringe Menge freier Fettsäuren
und den oben erwähnten sauren Körper, der sich durch seine Un-
löslichkeit in Chloroform von jenen trennen läßt. Die Menge der
auf diese Weise gewonnenen Produkte beträgt 0,1 — 0,8 an Albumosen,
0,2 — 0,45 an Alkoholextrakt. Die größte Quantität dieses Stoffes
findet sich in Blute und Milz, welch letztere der eigentliche
Stapelplatz (chief repositary) des diphtherischen Giftes zu sein
scheint.
Verf. hat auf die genauere chemische Analyse dieser jedenfalls
noch unreinen Stoffe verzichtet und sich mit dem Studium der
physiologischen Reaktion als der ungleich feineren Prüfungsmethode
begnügt. Meerschweinchen und Kaninchen in der Menge von 0,1
bis 0,25 per Kilo eingespritzt, erzeugen sie geringe unregelmäßige
Temperatursteigerung und lokales Oedem ; bei Injektion der gleichen
Dosis ins Blut bisweilen raschen Tod und Verlangsamung der Gerin-
nungszeit des Blutes. Etwas kleinere Dosen wiederholt eingespritzt,
rufen bei den Tieren unregelmäßige Temperaturschwankungen, fort-
schreitende Muskelschwäche mit mehr oder weniger ausgesprochenen
Lähmungserscheinungen, starkes Sinken des Körpergewichtes, wässe-
rige Diarrhöen hervor. Bei der Sektion findet man die inneren
Organe ganz normal, das Blut gerinnt entschieden langsamer, die
einzig ausgesprochenen Veränderungen finden sich bei der genaueren
Untersuchung des peripheren Nervensystems. Dieselbe geschah durch
Einlegen in Osmiumsäure und Nachfärbung mit Carmin. Die Nerven
zeigen sowohl in ihren feinen Muskelästen als in den großen Strängen
Veränderungen, die sich zunächst auf die Markscheibe beziehen.
Dieselbe verliert ihre Färbbarkeit, zeigt quere Sprünge und geht
ganz oder bis auf kleine Reste verloren, so daß der ungefärbte
XV. Bi 48
758
Diphtherie.
Achsencylinder eine Strecke weit zu Tage tritt. Derselbe kann ent-
weder intakt bleiben oder es erkrankt auch dieser. Er erscheint
dann granuliert, verschmächtigt , in seiner Kontinuität unterbrochen.
Bei denjenigen Fasern, wo dieses letztere der Fall ist, zeigt sich in
den peripherwärts gelegenen Partieen die Wal 1 er ’sche Degeneration.
An größeren Nervenbündeln greifen diese Veränderungen, an einer
Stelle des Querschnittes beginnend, allmählich auf sämtliche Nerven-
fasern über, können sich jedoch auch auf einen Teil der Fasern be-
schränken. In den vorgeschrittensten Stadien trifft man dann an
dieser Stelle überhaupt keine Markscheiden, sondern nur mehr ver-
schmächtigte, von Sch wann’scber Scheide umhüllte Achsencylinder
an. Der von solchen Nerven versorgte Muskel zeigt partielle, fettige
Degeneration der Muskelfasern. Die histologischen Veränderungen
der Nerven sind durch treffliche Photogramme illustriert. Der Herz-
muskel war in allen Fällen fettig degeneriert, ohne daß der Nervus
vagus erkrankt war. Auch in den sensiblen Nerven und dem Sym-
pathicus fanden sich die gleichen Veränderungen. Stets waren
mehrere Nerven und an den verschiedensten Stellen des Körpers er-
griffen, die nervösen Centralorgane dagegen stets normal.
Es handelt sich dabei um eine spezifische Wirkung der Diph-
theritisalbumosen , welche gerade das periphere Nervensystem zum
Angriffspunkte wählen. Die Veränderungen stimmen mit den von
Gombault und Meyer beschriebenen Befunden bei den von den
diphtherischen Lähmungen ergriffenen Nerven des Menschen über-
ein : eine einfache, an der Markscheide beginnende, parenchymatöse
Degeneration. Die Kernvermehrung und die knotenförmigen An-
schwellungen, welche der letztere Autor erwähnt, gehören wahrschein-
lich beginnenden Regenerationsvorgängen an. Die von D6jerine
in den Vorderhörnern des Rückenmarkes gefundenen Veränderungen
sind sekundär als Folgen der peripheren Neuritis entstanden.
Die gleichen Experimente mit aus dem Alkoholextrakte isolierten
sauren Körpern angestellt, ergeben ähnliche, jedoch sehr viel schwächere
Wirkungen. Dagegen fanden sich in dem Extrakte der diphtherischen
Membran selbst Eiweißstoflfe, welchen eine noch energischere Wirkung
zukam, als den aus dem Körper isolierten Albumosen. Die Unter-
suchung derjenigen Stoffe, welche in den peptonhaltigen Bouillon-
kulturen der Diphtheriebacillen gefunden wurden, ergab folgende
mit den Ergebnissen von Roux uud Y er sin übereinstimmenden
Resultaten :
1) Der Diphtheriebacillus bildet in denselben Toxal-
bumine von der gleichen chemischen Zusammensetzung wie diejenigen,
welche aus dem Körper der an Diphtherie erkrankten Menschen ge-
funden werden.
2) Es kommt denselben auch die gleiche Wirkung auf den Tier-
körper zu: Temperatursteigerung, Diarrhöen, Gewichtverlust und
eine fortschreitende Muskelschwäche, die von Veränderungen in
den peripheren Nerven begleitet ist.
3) Der Diphtheriebacillus erzeugt dieselbe Veränderung
durch die Wirkung eines von ihm produzierten Fermentes auf die
Eiweißkörper des Nährmediums, resp. des Tierkörpers. Er ist dem-
Diphtherie.
759
nach der primäre Infektionserreger (primary infective agent) der
Diphtherie. Das Schema der durch dieses Ferment bewirkten Ver-
änderungen, das ich im Wortlaute folgen lasse, lautet:
Diphtheria digestian.
Primary infective agent
Bacillus diphtherie
Secondary infective
agent
Diphtheria ferment
(Roux and Yersin’s
poison) in the
membran
Digestive products
Hetero-albumose
Proto-albumose
Deutero-albumose
Organic acid
| in membrane
| in body
Die im Körper gefundenen Verdauuugsprodukte sind nicht oder
nur zum kleineren Teile direkt aus der Membran resorbiert. Sie
werden vielmehr durch das aus der Membran resorbierte Ferment
im Körper selbst gebildet und es scheint, daß die in der Milz auf-
gehäuften Zersetzungsprodukte des Eiweißes , wie Harnsäure,
Xanthin etc., diesen fermentativen Vorgang begünstigen.
In ähnlicher Weise hat der Verf. die Albumosen eines Falles
von infektiöser Endocarditis, von Milzbrand und Tetanus studiert.
Ihre Wirkungen verhielten sich mit Ausnahme der Veränderung an
den Nerven ähnlich den bei Diphtherie gefundenen. Betreffs dieser
muß auf das Original verwiesen werden. Verf. betont, daß man in
dem Nachweise derartiger, durch ihre physiologischen Wirkungen
wohl charakterisierter Körper ein neues und wertvolles Hilfsmittel
zur Erkennung der infektiösen Erkrankungen im allgemeinen besitzt,
auch dann, wenn der Bacillus bereits wieder verschwunden oder
gar nicht gefunden ist. Escherich (Graz).
Eigenbrodt, Ueber denEinfluß der Familien dis position
auf die Verbreitung der Diphtherie. (Deutsche Vier-
teljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege. Bd. XXV. H. 3.
p. 517 ff.)
Ueber die während einer langjährigen Praxis gewonnenen Er-
fahrungen über den Infektionsmodus der Diphtherie giebt uns der
Verf. einen Bericht. Er führt zunächst einige Fälle an, wo er auf
das bestimmteste nachweisen konnte, daß die Inkubation 6 — 7 Tage
währte; außer einigen Beobachtungen citiert er dann noch einige in
der Litteratur verzeichnete Fälle. Weiter nimmt er an, daß das
oft scheinbar- autochthone Entstehen von Diphtherie häufig durch leichte
Fälle, die ohne Beschwerden verlaufen, seine Erklärung findet und
führt in dieser Hinsicht mehrere Fälle an. Da diese Abortivformen
auch bei Erwachsenen häufiger Vorkommen, so kann man sich der
Ansicht nicht verschließen, daß gerade derartige Individuen häufig
die Krankheit von einem zum andern vermitteln. Es kommen jedoch
andererseits auch Fälle von Angina lacunaris vor, welche sich als
ansteckend erweisen, ohne aber mit der Diphtherie in irgend einem
ätiologischem Zusammenhänge zu stehen und werden in diesbezüg-
licher Hinsicht eine ganze Reihe von Beispielen mitgeteilt. Die
Frage einer zeitweisen individuellen Disposition betreffend, glaubt
Verf., daß durch die Menstruation — wofür einige Beispiele beige-
bracht werden — durch die vielen zeitweise vorkommenden Läsionen
48*
760
Diphtherie.
der Schleimhaut durch Katarrhe eine erhöhte Disposition getroffen
wird. Andererseits aber tritt er entschieden für die Annahme einer
Familiendisposition ein und führt in dieser Hinsicht die Erkrankungen
der großherzoglich hessischen Familie an. Die Aetiologie dieser
Epidemie, deren einzelne Erkrankungen genauer mitgeteilt werden,
ließ sich in keiner Weise trotz eifrigsten Nachforschens feststellen.
Weder die hygienischen Verhältnisse des Schlosses, noch der Ver-
kehr mit erkrankten Personen, noch der Genuß der Milch konnten
zur Verantwortung herangezogen werden.
Diese Familiendisposition scheint sogar erblich zu sein und
führt Verf. für diese Hypothese einige wichtige Fälle ins Feld.
Einen großen Unterschied in Beziehung auf die Erkrankungs-
zahl und die Heftigkeit der Fälle findet Verf. in dem Orte der Er-
krankung. Die Landbevölkerung stellt ein weit höheres Kontingent
der Erkrankungen wie die Städter und werden hierfür teils eigene,
teils Beobachtungen Anderer in Menge angeführt. Das erste Auf-
treten der Diphtherie ruft zunächst in kleineren Ortschaften schwere
Epidemieen hervor, während die größeren Städte erst später epidemisch
ergriffen werden. Manche Volksstämme verhalten sich der Diphtherie
gegenüber anders wie die übrige Bevölkerung ; so blieb die jüdische
Bevölkerung in einigen Epidemieen auffallend verschont, während
sie bei anderen Epidemieen gerade bevorzugt schien. In der eng-
lischen Kolonie Victoria in Australien sind die Chinesen verschont
geblieben, während in Pecking die Diphtherie eine alljährlich sich
wiederholende Erscheinung ist. Verf. fordert zu weiteren Beobach-
tungen in dieser Richtung auf. 0. V o g e s (Danzig).
Councilman, W. T., The pathology and diagnosis of
Diphtheria. (American Journal of Medical Sciences. CVI.
1893. p. 540.)
Der Verfasser trägt in klarer und interessanter Weise die Haupt-
punkte in der Pathologie der Diphtherie vor und beschreibt Methoden
zur Entdeckung von Loeffler’s Bacillus. Auch hier gründet
sich die Erkennung des Bacillus auf direkte Deckglaspräparate
und auf Kulturen. Die letzteren werden auf bei Siedetemperatur
sterilisiertem geschrägtem Rinderserum gemacht. Alkalische Methylen-
blaulösung, wie sie Loeffler empfiehlt, ist am besten für die Färbung
des Bacillus. Novy (Ann Arbor).
Brunner, Eine weitere Beobachtung von Wunddiph-
therie. (Berliner klin. Wochenschrift. No. 13.)
Verf., welcher bereits vor einiger Zeit über 3 Fälle von Wund-
diphtherie berichten konnte, hatte Gelegenheit, einen weiteren Fall zu
beobachten, er betraf ein Kind, welches sich eine Fingerwunde zu-
gezogen hatte. Die Wunde war ulcerös und überzogen mit schmutzig-
grauem Belag. Bakteriologische Aussaaten von der Membran ergaben
Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes, Kolo-
nieen von Loeffler’s Diphtheriebacillen, welche für Meerschweinchen
pathogen waren. Eine an Prof. Loeffler in Greifswald geschickte
Streptokokken.
761
Kultur dieser Bacillen wurde auf Grund eingehender Untersuchungen
von Dr. Abel als echte Loef fl er’sche Diphtheriebacillenkultur er-
kannt. Yerf. berichtet dann noch Angaben Abel’s, welcher in einem
Falle wo, von einer Rachendiphtherie ausgehend, eine diphtherische
Erkrankung eines Fingers stattgefunden, ebenfalls der Loeffler’sche
Bacillus gefunden wurde; ebenso wird noch über einen von Ne iß er
bereits beschriebenen Fall referiert.
In B.’s Fall war das Kind nachweislich nie mit einem diphthe-
ritisch erkrankten Individuum zusammengekommen. Nachdem die
Fingerwunde bereits eine Zeitlang bestanden, soll ein vorübergehendes
Schluckweh aufgetreten sein; dasselbe wurde nicht weiter beachtet.
Wie aber die Infektion der Fingerwunde zu erklären ist, ist völlig
dunkel. Der Fall endete mit Genesung. 0. Voges (Danzig).
Pasqnale, Alessandro, Vergleichende Untersuchungen
über Streptokokken. (Beiträge zur patholog. Anat. und zur
allgem. Pathologie von Prof. Dr. Ziegler. Bd. XII. p. 433 — 493.)
In außerordentlich sorgfältiger Arbeit und von unbefangenem
Standpunkte ausgehend, hat der Verf. sich der Mühe unterzogen,
unter Zugrundelegung der bereits zahlreich und umfangreich vor-
liegenden Untersuchungsergebnisse anderer Autoren nochmals an
einer großen Reihe von Streptokokkenkulturen verschiedener Her-
kunft die bis jetzt zur Unterscheidung von Streptokokken-
arten herangezogenen verschiedenen Merkmale durchzuprüfen. Eine
jede Kultur wurde nach allen den verschiedenen Gesichtspunkten
untersucht, welche bisher als bedeutsam bezeichnet sind, und das
Ergebnis ist für den Verf. unzweifelhaft ein non liquet; eine Trennung
der Streptokokken nach Arten sei nicht möglich. Zwar vermag Verf.
die Auffälligkeit mancher Merkmale nicht in Abrede zu stellen; ja
auf Grund eben jener, schon vordem zur Unterscheidung verwerteter,
entwirft er folgende Grundlinien zu einer natürlichen Klassifikation
der Streptokokken:
I. Kurze saprophytische Streptokokken
bei niederer Temperatur bei höherer Temperatur
(Faeces und äußere Umgebung) (Mund und Respirationsschleimhäute)
II. Lange, nicht virulente Streptokokken
Faeces Mundschleimhaut
z. B. Streptoc. coligracilis (Kruse und Pansini)
III. Lange pathogene Streptokokken
Erysipel, Eiter, Pneumonie, Sputum von Pneumonikern
Diphtherie, Scharlach u. s. w. (Kruse und Pansini)
IV. Kurze, höchst infektiöse Streptokokken
Tuberkulose u. s. w. Pneumonie
(Diplococcus pyogenes) (Diplococcus pneumoniae)
aber diese Klassifikation soll nicht „scharfe Grenzen zwischen den
verschiedenen Streptokokken ziehen, sondern im Gegenteil das natür-
liche Band, welches zwischen ihnen existiert, mehr hervortreten
lassen. In der That handle es sich allenthalben nur um Uebergänge
von einer Form zur anderen.“
762
Streptokokken.
Daß man durch die wirklich wirren Verhältnisse bei den Strepto-
kokken zu eben diesem Schlüsse gedrängt werden könne, haben die
früheren Autoren betont. Gerade Ref. hat in seiner, vom Verf. ein-
gehend berücksichtigten Arbeit wiederholt darauf hingewiesen, daß
eine Entscheidung der Frage noch nicht angängig sei und selbst die
Aufstellung des Strept. conglomeratus als eine versuchsweise
bezeichnet, auch das zeitweilige Verschwinden des hautförmigen
Wachstums bei älteren, aus Scharlachfällen stammenden Kulturen
angegeben.
Die Prüfung von Streptokokkenkulturen, welche als Begleiter
ursächlich bereits erforschter Krankheits Vorgänge
auftreten, insbesondere bei Diphtherie und Tuberkulose, ist nur ge-
eignet, die Entscheidung eiuer so schwierigen Frage, wie die vor-
liegende, noch zu erschweren. Am ersten ist immer noch ein Erfolg
bei Berücksichtigung solcher Krankheiten zu erhoffen, deren Ursache
einesteils noch nicht feststeht und bei denen andererseits die Strepto-
kokken zur regelmäßigen Begleiterscheinung gehören ; und Ref. glaubt,
daß der Verf., wenn ihm seine inzwischen veröffentlichten Unter-
suchungen über die besonderen Merkmale der Streptokokken bei
Impetigo contagiosa und bei Maul- und Klauenseuche bekannt ge-
wesen wären, mit dem obigen Urteile noch zurückgehalten oder es
doch nur auf die von ihm geprüften Merkmale bezogen hätte, um
so mehr, da unter der Reihe seiner 38 Streptokokken sich auch die
bei Maul- und Klauenseuche gezüchteten befanden.
Sehr bedeutungsvoll ist die vom Verf. festgestellte Thatsache,
daß die bei tuberkulösen Krankheitsformen erhaltenen Streptokokken
fast durchweg hohe Virulenz besitzen.
Von den 16 in Betracht gezogenen Merkmalen sind das mikro-
skopische und makroskopische Verhalten von Kulturen in alkalischer
Bouillon an die Spitze gestellt, denn „sowohl die morphologischen
Eigenschaften als die bei der Kultur sich äußernden Charaktere der
Streptokokken treten am deutlichsten in Bouillon zu Tage“ (p. 448
der Arbeit). Wiewohl der Verf. diesen eben angeführten Worten
nach die Bedeutung jenes Merkmales nicht verkennt, ist er nicht
geneigt, demselben bei seiner Einteilung der Streptokokken einen
Platz einzuräumen. Nur die Betrachtung der Länge der Ketten
entlehnt er den Beobachtungen in der Bouillonkultur. Zur Annahme
dieses ablehnenden Standpunktes mag Verf. wohl z. T. durch die in
der Litteratur anfänglich übertrieben aufgefaßte Bedeutung jenes
Merkmales gedrängt sein. Der auf seiner Tabelle (p. 452 der Arbeit)
dargestellte Wechsel der Erscheinungen in der Bouillon ist aber doch
nicht so regellos, daß nicht schon aus eben jener Tabelle zu ent-
nehmen wäre, daß die kurze, aber auch lange Ketten bildenden
Streptokokken niemals mit flockigem Bodensätze wachsen. Sehr
bedauerlich ist es, daß dem Verf. bei seinen Untersuchungen gerade
die von Scharlachfällen stammenden Conglomeratuskulturen fehlten.
(Auch von Lingelsheim, der das Merkmal des Conglomeratus
nicht anerkennt, standen bei Abfassung seiner Arbeit keine solche
zu Gebote.) Vielleicht würde Verf. alsdann, besonders bei jedes-
maliger vergleichender Beobachtung der ersten aus dem Körper
Streptokokken.
763
gezüchteten Generationen, dieses Merkmal nicht für unerheblich
erklärt haben.
Bei Kultur auf Gelatine, auf Agar und in Milch hat Yerf. das-
selbe wie die früheren Beobachter festgestellt. Eine feste Beziehung
zwischen Milchgerinnung und fehlender Virulenz ließ sich nicht er-
mitteln. Die virulentesten Kulturen bewirkten keine Gerinnung, im
Gegensätze zu den von Kruse und Pansini beschriebenen That-
sachen.
Auf Kartoffeln und Kartoffelgelatine wuchsen im all-
gemeinen die kurzen Streptokokken am üppigsten und nur wenige
Kulturen überhaupt nicht.
Bei den Züchtungen in verschiedenen Serumarten
ergab sich als bemerkenswerte Thatsache, daß in Kaninchenserum,
je nach den verschiedenen Individuen, von denen das
Serum stammte, derselbe Streptococcus sich gut, schlecht oder
gar nicht entwickelt.
Agar mit Zuckerzusatz wurde von allen kurzen Streptokokken
getrübt. Verf. schiebt den Grund dieser Trübung auf Säurebildung.
Neu und sehr bemerkenswert ist die Feststellung, daß die bei
Kaninchen Septikämie hervorrufenden Streptokokken einen blut-
roten Farbstoff erzeugen können. (Diese Thatsache kann Bef.
nach eigener Erfahrung bestätigen.) Zum Auftreten desselben bilden
die Beschaffenheit des Fleisches, welches zur Nährlösung verwendet
wurde, und der Mangel an Sauerstoff zwei wesentliche Bedingungen;
außerdem betrifft die Färbung in Plattenaussaaten einer Reinkultur
durchaus nicht alle Individuen derselben; so gelingt es, durch Aus-
wahl der Kolonieen gefärbte und ungefärbte Kulturen zu erhalten.
Eine Unterscheidung der Streptokokken nach ihrem Reduk-
tionsvermögen ist nicht möglich, ebenso nicht nach ihrer Fähig-
keit, Säure zu bilden. Die Menge der gebildeten Säure steht
im allgemeinen im Verhältnis zur Menge des Wachstums.
Die Dauer der Lebensfähigkeit ist durchweg gering. Im
allgemeinen gelang es Verf., in Bouillonkulturen bis zu 40 Tagen
nach der Aussaat noch lebende Keime nachzuweisen. Nach 48 Stunden
ist allemal das Maximum der Eutwickelung erreicht und der größte
Teil der Keime stirbt alsdann schnell ab.
Versuche über das pathogene Vermögen wurden an grauen
Mäusen und Kaninchen angestellt. Bei sorgfältiger jedesmaliger Be-
rechnung der zur Einspritzung (in das Bauchfell oder unter die
Haut) verwendeten Mengen von frischer Bouillonkultur wurden
3 Gruppen von Streptokokken unterschieden, je nachdem bei An-
wendung von 1 ccm und weniger Bouillonkultur 1) tödlicher Aus-
gang mit Anwesenheit der Streptokokken im Blute, 2) tödlicher Aus-
gang mit Anwesenheit der Streptokokken in den Organen, aber nicht
im Blute eintrat oder 3) der Tod überhaupt nicht erfolgte. Die
giftigsten Kulturen der ersten Gruppe stellen die kurzen, gelegentlich
roten Farbstoff bildenden, von tuberkulösen Menschen stammenden
Streptokokken dar. Von diesen genügt eine subkutane Impfung mit
0,004 ccm Bouillonkultur, d. i. höchstens 20000 Keimen, um Septi-
kämie zu erzeugen. Die im letzten Abschnitte der Arbeit unter der
764
Streptokokken.
Ueberschrift „Immunität“ aufgeführten Versuche waren haupt-
sächlich zur Entscheidung der Frage bestimmt, ob für eine Strepto-
kokkenkultur ein bestimmter Zusammenhang zwischen der Fähigkeit,
im künstlich gewonnenen Blutserum eines Kaninchens sich zu ver-
mehren, und der Fähigkeit, Septikämie an demselben lebenden Tiere
zu erzeugen, sich würde ermitteln lassen. Dieses ist nach den
erhaltenen Ergebnissen nicht der Fall. Im allgemeinen ging das
Wachstum im Serum besser außerhalb als innerhalb der Blutgefäße
vor sich; doch wurde auch das Umgekehrte beobachtet.
Kurth (Bremen).
Chatiii, Paul, Contribution ä la recherche des strepto-
coques dans l’air atmospherique. [These.] 4°. 72 p.
Lyon 1893.
Verf. benutzte zu seinen Experimenten den Apparat von Strauß
u. Wurtz und unterwarf Luftvolumina von mindestens 20 und 70 1
höchstens der Prüfung.
Von 7 Luftentnahmen entwickelten sich bei zweien nur die stets
in der Luft vorhandenen Mikroorganismen, ein Fall lieferte Strepto-
kokken, doch erwiesen sich dieselben nicht als virulent, ein weiterer
brachte sehr virulente Streptokokken hervor, welche Erysipelas er-
zeugten; drei weitere ließen nur unreine Kulturen entstehen, doch
brachte eines Oedem bei den Versuchstieren hervor.
Eine weitere Versuchsreihe wurde an Orten aufgenommen, an
denen man von vornherein Streptokokken voraussetzen durfte, so im
Operationssaale des Hotel Dieu, in einem Saale des genannten
Krankenhauses u. s. w. Hier wurden wohl Keime gefunden, aber sie
erwiesen sich als nicht pathogen. Trotzdem ist die Ansteckungs-
gefahr für Erysipelas und Puerperalfieber durch das Agens der Luft
wohl nicht abzustreiten.
Ein weiterer wichtiger Punkt der Arbeit besteht in der Nach-
weisung des guten Gedeihens von Streptokokken in saueren Lösungen,
ja die Kulturen waren größer und stärker als die gewöhnlichen, auf
Bouillon gezüchteten; die Mikroorganismen waren gleichmäßig von
einem größeren Umfange, während die Länge der Ketten andererseits
stets an Ausdehnung einbüßten. E. Roth (Halle a. S.).
Dornberger, Ueber das Vorkommen der Streptokokken
in der normalen und kranken Mundhöhle desKindes.
(Jahrbuch für Kinderheilkunde. Bd. XXXV. H. 4. p. 395 ff.)
Nach Mitteilung der einschlägigen Litteratur berichtet Verf.
über die Ergebnisse der Untersuchungen von 94 Fällen. Er giebt
nur kurze Krankengeschichten. In 45 Proz. wurden bei gesunden
Kindern Streptokokken gefunden. 7 Fälle diphtherischer, 19 lakunärer
oder follikulärer Angina wurden verarbeitet. Einfluß von Jahreszeiten,
gewisser Krankensäle und Betten, wie ihn Zeitlmann beobachtete,
konnte nicht konstatiert werden, dagegen fand sich, daß in gewissen
Häusern die Angina endemisch zu sein schien. Um den Ueber-
tragungsmodus der diese ADginen verursachenden Streptokokken
kennen zu lernen, inokulierte Verf. mit dem aseptisch entnommenen
Sepsis.
765
Belage andere Kinder. Von 8 Versuchen verliefen 6 resultatlos. In
78,9 Proz. aller untersuchten Fälle fand sich der Streptococcus
longus Lingelheim. Eine Reinkultur von Streptokokken fand sich
jedoch nie. Bei Aphthen und Herpes der Mundhöhle wurden in den
wenig untersuchten Fällen keine Streptokokken nachgewiesen, eben-
sowenig in einem Falle von Stomacace. Bei Angina phlegmonosa
fanden sich Streptococcus b re vis. In 7 Fällen von Angina
catarrhalis fanden sich 5mal Streptokokken. Bei chronisch-katar-
rhalischen Anginen wurden in der Hälfte aller Fälle Streptokokken
nachgewiesen, in 2 Fällen von luetischer Tonsillenaffektion fanden sie
sich ebenfalls. In kariösen Zähnen wurden von 8 in 7 Fällen lange
Streptokokken konstatiert.
Nachdem sich ein so häufiges Vorkommen von Kokken, die in
ihrer Gestalt und Gruppierung mit den bekannten pathogenen Strepto-
kokken übereinstimmten, nicht nur bei den verschiedenen Affektionen
des Mundes und Rachens, sondern auch bei normalem Befunde ge-
zeigt hatten, prüfte Verf., ob diese Mikroorganismen auch sonst in
ihren Wachstums- und Lebensbedingungen dem Streptococcus
pyogenes bezw. erysipelatos ähnlich oder gleich seien. Er
berichtet zunächst über die einschlägige Litteratur, giebt hierauf
eingehende Beschreibung von dem Wachstum auf den verschiedenen
Nährmedien und über den Erfolg der Tierversuche. Am Schlüsse
seiner Arbeit erwähnt Verf. dann noch die Unzulänglichkeit unserer
Desinfektionsversuche, da trotz Anwendung stärkster Desinficientien
stets noch lebende und virulente Streptokokken nachgewiesen werden
konnten. O. Voges (Danzig).
Fischl, R., Ueber septische Infektion des Säuglings
mit gastrointestinalen resp. pulmonalen Symptomen.
[Aus Prof. Chiari’s pathologisch-anatomischem Institute an der
deutschen Universität in Prag.] (Zeitschr. f. Heilkunde. Bd. XVI.
1894. Heft 1.)
Verf. beobachtete bei einer Reihe von Säuglingen aus den ersten
Lebenswochen, welche in Gebär- und Findelanstalten interniert
waren, daß die Infektion ihres Organismus mit eitererregenden Mi-
kroben nicht selten unter den klinischen und anatomischen Er-
scheinungen einer akuten oder subakuten Gastroenteritis oder einer
kapillaren Bronchitis und Lobularpneumonie zum Ausdrucke gelangte.
Als Grund, die vorstehend genannten Erkrankungen in die Gruppe
der Septicopyämieen des Neugeborenen einzureihen, sieht Verf. die
vollkommene Uebereinstimmung im histologischen und bakteriologi-
schen Befunde mit jenen Affektionen, die sowohl klinisch als anato-
misch als septicopyämische Infektionskrankheiten gelten. Der histo-
logische Charakter der Organerkrankung gelangt in Nekrose der
spezifischen Zellen, interstitieller Entzündung und Neigung zu Hämor-
rhagie zum Ausdrucke; die mikroskopischen Veränderungen an der
Schleimhaut des Magendarmkanals sind selbst bei heftigsten klinischen
Symptomen von seiten desselben meist ganz unbedeutende oder können
auch vollständig fehlen.
766
Sepsis. — Milzbrand.
Bakteriologisch wurden im ganzen 14 Fälle untersucht und dabei
aus den verschiedensten OrganeD, am häufigsten und regelmäßigsten
aus den Lungen, welche gewissermaßen ein Depot der in den Kindes-
körper eingedrungenen Mikroben darstellen, die pyogenen Strepto-
und Staphylokokken erhalten. Staphyl. pyog. albus wurde neun-
mal allein und zweimal mit Staphyl. aureus zusammen gefunden;
Streptococcus pyog. in 3 Fällen, und zwar zweimal allein, ein-
mal mit dem B. coli commune zusammen, welch letzteres sich
nicht pathogen erwies. Die Pathogenität der gefundenen Eitererreger
wurde durch das Tierexperiment festgestellt und erwies sich stets
als sehr bedeutend.
Die Leichendiagnose dieser Prozesse gründet sich auf die rela-
tiv unbedeutenden Veränderungen an der Mucosa des Verdauungs-
traktes, die parenchymatösen Degenerationszustände in den Unter-
leibsdrüsen , Ekchymosen an den serösen Häuten, Vereiterung der
Entzündungsherde in den Lungen, miliare Abscesse und besonders
auf das Ergebnis der bakteriologischen Untersuchung. Die Quelle
der Infektion ist mit größter Wahrscheinlichkeit in der Luft der
Krankenzimmer zu suchen. Die Bahnen, auf welchen das Gift in
den Körper gelangt, sind teils die Nabelwunde, teils dringt das
organische Virus mit der Nahrung in den Körper ein, oder es wird
mit dem Inspirationsstrome den Lungen zugeführt, was der häufigste
Modus zu sein scheint. Auf Grund dieser Untersuchungen betrachtet
Verf. solche Fälle von scheinbarer reiner Erkrankung des Magen-
darmkanales und der Lungen als modifizierte Verlaufsweisen septi-
copyämischer Infektion, für welche er den Namen „septische Infek-
tion des Säuglings mit gastrointestionalen resp. pulmonalen Sym-
ptomen in Vorschlag bringt. Daß daneben auch akute dyspeptische
Erkrankungen, sowie genuine Pneumonieen mit spezifischem bakterio-
logischem Befunde bei Anstaltskindern zur Beobachtung gelangen, ge-
steht Verf. ohne weiteres zu, hält dieselben jedoch für entschieden
seltenere und prognostisch günstigere Affektionen. Prophylaktisch
kommt außer der wohl überall geübten strengen Asepsis die Hygiene
der Anstaltsräume in Betracht. Dieudonnd (Berlin).
Werigo, M., Developpement du charbon chez le lapin.
D’apres les tableaux micr os copiques du foie et de
la rate. (Annales de l’Institut Pasteur. 1894. No. 1.)
Nachdem Verf. früher (Annales de PInstitut Pasteur. 1892.
Referat : Centralbl. für Bakteriol. Bd. XIII. p. 241) gezeigt hatte, daß
virulente Milzbrandbacillen, in das Blut des Kaninchens eingespritzt,
ungemein rasch von den weißen Blutkörperchen aufgenommen wurden,
wollte er nun erforschen, wie die eingeschlossenen Bakterien wieder
frei würden.
Zu dem Zwecke wurde die Entwickelung des Milzbrandes beim
Kaninchen in allen Stadien verfolgt. Dazu hätten eigentlich alle Or-
gane der zu verschiedenen Zeiten getöteten Tiere untersucht werden
müssen, da aber dabei eine zu große Anzahl Tiere hätte geopfert
werden müssen, beschränkte sich Verf. auf die möglichst genaue
Milzbrand. 767
Untersuchung der Leber und der Milz und in einigen Fällen auch
der Lunge.
Um den Verlauf der Krankheit zu beschleunigen, wurde eine
verhältnismäßig sehr große Menge Bakterien in die Ohrvene einge-
spritzt; die Tiere wurden 2 1/2, 5, 7 l/2, 8, 10, 20 und 40 Minuten,
von da ab stündlich bis zur 21. Stunde, endlich noch 25 1/2, 26 V2
und 27 a/2 Stunden nach der Injektion getötet, außerdem wurde noch
ein Tier untersucht, welches nach 28 V2 Stunden der Krankheit erlegen
war und eines, welches 19 1/2 Stunden nach der Infektion in Agone
getötet wurde. Bei der Untersuchung wurde die Gesamtzahl
der Bakterien, die Zahl der in den Leukocyten einge-
schlossenen Bakterien und die Zahl der normalen und der
degenerierten Bacillen möglichst genau bestimmt.
In der Leber sind bereits 7 l/2 Minuten nach der Infektion
charakteristische Erscheinungen zu beobachten : Die Endothelzellen der
Kapillargefäße zeigen eigentümliche morphologische Veränderungen,
welche als eine Reaktion den eingedrungenen Bakterien gegenüber
aufzufassen ist. Diese so veränderten Zellen scheinen für den Kampf
gegen die Bakterien geeigneter zu sein; Verf. bezeichnet dieselben
als „macrophages hepatiques“. In diesen Zellen finden sich eine
große Anzahl Bakterien eingeschlossen, welche bereits 7 1/2 Minuten
nach der Infektion Degenerationserscheinungen darbieten, ein Beweis
für die außerordentlich energische zerstörende Kraft dieser Zellen. Außer-
dem ist in dieser Zeit auch in den Leukocyten ein gewisser Prozentsatz
(20 — 30 Proz.) der Bakterien eingeschlossen, welche aber viel geringere
Degenerationserscheinungen zeigen. Der Verlauf des Milzbrandes läßt
sich entsprechend der Zahl der Bakterien in 3 Perioden einteilen:
1) in die der langsamen Abnahme der Bakterien (bis zur 4. Stunde
nach der Infektion), 2) das Stadium, während dessen die Zahl gleich-
bleibt (bis zur 16. Stunde) und 3) das Stadium der abermaligen Ver-
mehrung bis zum eintretenden Tode. Während der zwei ersten
Perioden sind alle Bakterien in den „Leberfreßzellen“ und in den
weißen Blutkörperchen eingeschlossen , freiliegende Bacillen fehlen
vollkommen; diese erscheinen erst im Anfänge der 3. Periode, und
in der Agone sowie beim Tode sind alle frei.
Im Anfänge der 3. Periode ist eine deutliche Vermehrung der
Bakterien zu beobachten, indem diese zu langen Fäden auswachsen.
Der Verlauf der Erkrankuug in der Leber ist also folgender: Die
in die Blutbahn eingespritzten Bakterien werden von den veränderten
Leberzelllen aufgenommen und rasch zerstört. Sämtliche
Bakterien, welche in die Leber des Kaninchens kom-
men, gehen ihrem unvermeidlichen Untergange ent-
gegen. Doch dauert diese Vernichtung in der Leber nicht während
der ganzen Krankheit an, schon am Ende der 2. und während der
ganzen 3. Periode werden die angeschwemmten Bakterien nicht in
dem Maße zerstört wie anfangs und die Bakterien vermehren sich
nun im Innern der Zellen, letztere zerfallen, wodurch die Bakterien
frei werden und nun die Leber überschwemmen.
In der Milz können ebenfalls 3 Stadien im Verlaufe der Krank-
heit unterschieden werden, doch geht die Abnahme der Bakterien viel
768
Milzbrand.
langsamer vor sich und die Zahl derselben ist auch im 2. Stadium
größer als in der Leber; in der 1. Periode sind auch hier sämtliche
Bakterien in Zellen eingeschlossen, aber schon während der ganzen
2. Periode werden dieselben frei und in der 3. sind sämtliche frei.
Die freien Bacillen sind stets normal, die eingeschlossenen zeigen
ausschließlich Degenerationserscheinungen.
Der Verlauf der Krankheit gestaltet sich demnach folgender-
maßen : Die in die Blutbahn eingespritzten Bakterien werden
in der Leber von den Leberfreßzellen aufgenommen und zer-
stört, in der Milz geschieht dies viel weniger energisch. Nach
kürzerer oder längerer Zeit beginnen einige der lebend ge-
bliebenen Bakterien der Milz auszuwachsen und sich zu vermehren.
Nun entspinnt sich ein Kampf zwischen den Bakterien und den
weißen Blutkörperchen, welche sich massenhaft um die Bakterien
sammeln, dieselben aufnehmen und entweder sofort fressen oder in
die Leber zur endgiltigen Zerstörung schleppen. So geht es eine
mehr oder weniger lange Zeit fort, während der sich stets die
Bakterien in der Milz vermehren, von den weißen Blutkörperchen
in die Leber verschleppt und hier zerstört werden. Allmählich be-
ginnen die Leukocyten zu erlahmen, infolgedessen die Bakterien
sich vermehren, frei werden, in das Blut und die Leber gelangen,
welche nun auch nach kürzerem oder längerem Kampfe nicht
mehr Widerstand genug leistet und von den massenhaft nachdrängenden
Bakterien überschwemmt wird, worauf bald der Tod des Tieres eintritt.
Vom Gesichtspunkte der Einwirkung der Zellen aus betrachtet,
leisten im ersten Stadium alle 3 beschriebenen Arten (Milz- Leber-
freßzellen und weiße Blutkörperchen) kräftigen Widerstand den Bak-
terien gegenüber, welcher aber nur einige Stunden dauert. Zuerst
werden die Zellen der Milz geschwächt, so daß sich die Bakterien
in denselben vermehren können. In der 2. Periode wird der Kampf mit
den Bakterien von den Lebermakrophagen und den Leukocyten geführt,
wodurch die Bakterien auf eine relativ niedrige Zahl beschränkt
werden. Im weiteren Verlaufe erlahmen auch die Leukocyten, so daß
sich die Bakterien in der Milz und allen Organen vermehren können ;
die Leberzellen, welche nun allein gegen die massenhaft andrängen-
den Bakterien kämpfen müssen, können nur kürzere oder längere
Zeit erfolgreichen Widerstand leisten und nun führen die auf allen
Teilen des Schlachtfeldes siegreichen Bakterien rasch den Tod des
Organismus herbei.
Für diese allmähliche Abnahme der Widerstandsfähigkeit der
verschiedenen Phagocytenarten können nun zwei Erklärungen mög-
lich sein. Entweder wird dieselbe durch die sich bildenden Toxine
der Bakterien hervorgerufen oder aber durch die allmählich größer
werdende Virulenz der Bakterien auf dem Wege der natürlichen
Auslese, welche eine Art derselben zustande bringt, die geeigneter
für den Kampf mit den Phagocyten ist. Wahrscheinlich spielen diese
beiden Faktoren zugleich eine Rolle.
Dieser geschilderte Kampf spielt sich außer in den untersuchten
Organen jedenfalls in sämtlichen anderen ähnlich ab, doch findet die
wirksamste Zerstörung in der Leber statt.
Baelz’sche Krankheit. — Panophtalmitis.
769
Die vorstehenden Untersuchungen sind nach der Ansicht des
Verf’s. ein neuer Beweis für die Bedeutung der Phagocytose. Wenn
von anderen Beobachtern keine Bakterien im Innern der weißen
Blutkörperchen gefunden werden konnten, so komme dies daher, daß
das cirkulierende Blut nur wenig Leukocyten mit eingeschlossenen
Bakterien enthalte und dieselben nur ganz kurze Zeit darin gefunden
werden ; bei der Untersuchung von Organstücken seien dagegen die-
selben stets zu finden. Um dieselbe auch bei anderen Krankheiten
nachzuweisen, sei es notwendig, nach der angewendeten Methode zu
verfahren. Die Phagocytose genüge vollkommen für eine befriedigende
Erklärung der Befunde, ohne daß die chemotaktische Wirkung der
Leukocyten dabei eine Rolle spiele.
Der eingehenden Arbeit, welche im Laboratorium von Metsch-
nikoff begonnen und im „Institute für experimentelle Medizin“ in
Petersburg im Laboratorium von Nencki ausgeführt wurde, liegen
drei kolorierte Tafeln bei. Dieudonnö (Berlin).
Broes van Dort, Ein Fall von Baelz’scher Krankheit.
(Dermatolog. Zeitschrift. Bd. I. 1894. Heft 3.)
Unter dem Namen der Baelz’ sehen Krankheit versteht der
Verf., dem Beispiele Unna’s folgend, ein Krankheitsbild, welches in
Ulcerationen der Mundschleimdrüsen besteht. Das Aussehen der
Affektion, ihr Lieblingssitz an den Lippen, lassen eine Verwechselung
mit syphilitischen Erkrankungen, Ulcus molle, Carcinom und Tuber-
kulose sehr leicht erscheinen. Die Affektion ist durchaus gutartig
und zeichnet sich aus durch das Fehlen jeder Drüsenschwellung und
das Fehlen von Schmerz, sowie durch einen sehr chronischen Ver-
lauf, da sie sich selbst überlassen, nach Unna’s Beschreibung von
einer Drüse nach der andern übergreift. Van Dort glaubt die
Atfektion einer besonderen Infektion zuschreiben zu müssen. In
einem Falle trat sie im Rekonvalescenzstadium einer akuten, wohl
infektiösen Krankheit auf.
Ein sehr gutes Mittel scheint die Jodtinktur zu sein. Bei der
mikroskopischen Untersuchung fand sich nur ein Netz von feinen
Bindegewebsfasern mit weiten Zwischenräumen , in denen sich viele
Leukocyten fanden. Lasch (Breslau).
Randolpli, B. L., A case of Panophtalmitis, caused by
the Bacillus coli communis. (American Journal of Medical
Sciences. CVI. 1893. p. 440.)
In einem von einer Verletzung herrührenden Falle von Panoph-
thalmitis fand sich, daß der purulente Stoff im Augapfel einen
augenscheinlich mit dem Bacillus coli communis identischen
Organismus enthielt. Keine anderen Bakterien konnten entdeckt
werden. Impfungen mit Reinkulturen in die vordere Augenkammer
von Kaninchen erzeugte eine heftige Entzündung, welcher eine teil-
weise Undurchsichtigkeit der Hornhaut folgte. Wenn die Impfungen
in den Glaskörper gemacht wurden, so ergab sich eine zerstörende
Panophthalmitis. Novy (Ann Arbor).
770
Bakterien in den Thränengängen. — Carcinom.
Levin^on, J., Etüde cliniquebacteriologique etcritique
sur les maladies des voies lacryraales produisant le
larmoiement. [These.] 4°. 197 p. Paris 1893.
Beschränken wir uns auf den bakteriologischen Teil, so sind
nur wenige Arbeiten vorhanden, welche sich mit diesem Gegenstände
beschäftigen. Man hat Streptokokken, Staphylokokken und selbst
einen eigentümlichen Bacillus angetroffen, durch dessen Weiter-
impfung dieselbe Krankheitserscheinung wieder hervorgebracht wurde;
der Staphylococcus aureus findet sich stets in der Conjunc-
tiva, Bacterium Termo wurde angetroffen.
Die Krankheiten der Thränenwege und ihre pathogenen Erschei-
nungen sind in zahlreichen Fällen nur Folgezustände von nasalen
Affektionen.
Leider erfährt man über den eigentümlichen Bacillus nur,
daß er noch „indeterminö“ ist, vielleicht aber mit dem fluorescenten
Mikroorganismus zusammenhängt, welcher die menschlichen Nasen zu
bewohnen pflegt. E. Roth (Halle a. S.).
Gribbes, H., On the parasitic na tu re of Cancer. (American
Journal of Medical Sciences. Vol. CVI. 1893. p. 1.)
Zur Vergleichung wählt der Verf. die Coc cidi u m krankheit der
Kaninchen als eine typisch parasitische Krankheit, um daran die
hervorgebrachten Veränderungen und das Verhältnis des Parasiten zu
dem neugebildeten Gewebe zu studieren. Das Differenzieren des
Parasiten von dem Gewebe geschieht vermittelst doppelter Färbung.
Die folgenden Farblösungen werden benützt: No. 1 wird hergestellt
durch Auflösung von 2 ccm Anilinöl in 10 ccm Alkohol, sodann Ver-
dünnung mit destilliertem Wasser zu 100 ccm und Hinzufügung von
2 Proz. Rosanilinsulfat. No. 2 wird auf die gleiche Weise hergestellt,
ausgenommen, daß statt des Rosanilinsulfats 1 Proz. Jodgrün zuge-
setzt wird.
Die in Alkohol gehärteten Schnitte werden etwa 10 Minuten
lang in die filtrierte Farblösung No. 1 gestellt. Sie werden dann in
Wasser, leicht in gewöhnlichem Alkohol gewaschen und in die Farb-
lösung No. 2 gesetzt. Wenn die ursprünglich rote Farbe sich in ein
mattes Purpur verwandelt, wasche man in destilliertem Wasser, in
gewöhnlichem Alkohol, reinige in Nelkenöl und trage auf Xylol-
balsam auf.
Mit dieser Methode läßt sich nach dem Verf. zeigen, daß die
Parasiten zwischen den Kolumnarzellen der Gallengänge eingekeilt
und in keinem Falle innerhalb derselben enthalten sind. Die Er-
weiterung des Gallenganges rührt demnach von dem chronischen
Reize her, den die Vermehrung desCoccidium oviforme ausübt.
Soweit die parasitische Natur des Krebses in Betracht kommt,
zieht der Verf. den Schluß, daß die bei einem geringen Prozentsätze
von glandulären Carcinomata gefundenen Erscheinungen durch endogene
Zellenbildung verursacht werden; daß die große Mehrheit der glan-
dulären Carcinome nichts zeigen, was als parasitisch betrachtet
werden kann, wenn gehärtet nach irgend einer Methode, welche bei
der Anwendung auf normales Gewebe einen typischen Schnitt ergeben
wird. Novy (Ann Arbor).
Carcinom.
771
Rossi, E., I corpuscoli-fucsina di W. Rüssel. (La Rif. med.
1893. p. 260.)
Verf. fand diese von William Rüssel in Krebsgeschwülsten
beschriebenen rundlichen, homogenen, 4 — 12 f.i im Durchmesser
messenden und sich in einem Gemisch von Fuchsin und Jodgrün in
2 Proz. Karbolsäure rot färbenden Körper in 10 von 14 untersuchten
Carcinomen, aber auch in 2 Fällen von Lungentuberkulose und in
1 Falle von Riesenzellensarkom. Er hält sie daher nicht für para-
sitäre Gebilde, sondern für Zelldegenerationsprodukte vielleicht hyaliner
Art. Kamen (Czernowitz).
D’Arcy Power, Some effects of chronic irritation upon
living tissues, being first steps in a rational study
of cancer. (British med. Journal. 1893. Oct. 14.)
Bei dem Studium der Aetiologie des Carcinoms suchte der Verf.
zwischen den Veränderungen, welche auf Rechnung chronischen Reizes
zu setzen sind, und denen, welche spezifische Eigentümlichkeiten des
Krebses sind, zu unterscheiden. Wenn er Haut oder Knorpel von
Tieren über Wochen und Monate hin in einem Reizzustande hielt,
wozu er meist Jodpräparate benutzt zu haben scheint, so fand er
Vakuolenbildung und Oedem der Zellen, Bildung von Zellnestern und
Leukocytenansammlungen und bisweilen Schwellungen der benach-
barten Lymphdrüsen mit manchen Zeichen wie von Endotheliom-
bildung.
In zwei Versuchen brachte Verf. Kaninchen Carcinomstückchen in
die chronisch gereizte Vagina und fand dann in Epithelzellen ähn-
liche Körperchen, wie sie von Ruff er und Anderen beschrieben sind;
dieselben waren durchaus verschieden von den durch chronischen
Reiz hervorgerufenen Bildungen. Gute Photographieen geben die
Belege für die Ausführungen des Verfassers. Abel (Greifswald).
Adamkiewicz, Zur Reaktion der Carcinome. (Wiener med.
Wochenschrift. 1893. No. 30. p. 1292.)
A. wendet sich gegen die Ausführungen Spiegler’s, welcher
die Sätze aufstellte, daß die Reaktion der Carcinome stets auf
AenderuDgen der Cirkulation beruhe und das Cancroin eine Schäd-
lichkeit sei, ohne einen Heilwert zu besitzen. Gegen die erste Be-
hauptung führt er an, daß die entzündlichen Reaktionen in den
Carcinomen in verschiedenen Zeiten eintreten, also abhängig von dem
variablen Verhalten der Herde, nicht von der konstanten Eigenschaft
des Mittels sind. Dann aber verschwinde auch ein großer Teil der
reagierenden Gebilde, besonders die Lymphdrüsen, ohne jede ent-
zündliche Reaktion. Daß das Neurin die Krebszellen tötet und
nicht eine Schädlichkeit im Körper, sondern in gewissen Fällen von
Heilwirkung ist, dafür führt Verf. mehrere Beispiele an. In einem
Falle verschwanden von 13 großen Metastasen 13 infolge des Mittels.
Das primäre Lippencarcinom wurde operativ entfernt. Nach einem
Jahre war der Zustand nicht verschlechtert. In einem weiteren Falle
verschwand ein Drüsenpacket in der Schlüsselbeingrube bei einem
operierten Mammacarcinom. Nach 4 Monaten zeigte die rechte Brust-
772
Carcinom und Tuberkulose. — Tierische Parasiten.
drüse und Achselhöhle Carcinomknoten ; auch sie verschwanden nach
Neurininjektionen. Nach fast Jahresfrist entstand eine Uterusmeta-
stase mit Leistendrüsenanschwellung und Ascites. Die moribunde
Kranke erholte sich soweit, daß sie umhergehen konnte. Daß die
Metastasen nicht durch die Injektionen hervorgerufen seien, ist des-
halb auszuschließen, weil die Zeiträume zwischen Injektion und
Metustasenauftreten sehr groß waren und immer größer waren, als
die Zeiträume der Injektionen bis zum Schwunde der Tumoren und
weil zweitens die erste Metastase nach der Operation entstanden
war. 0. Voges (Danzig).
Strauer, Systematische Blutuntersuchungen bei Schwind-
süchtigen und Krebskranken. (Ztschr. f. klin. Med. XXIV.
Heft 3. u. 4.)
Auf der Frauenabteilung der Gerhardt’schen Klinik zu Berlin
unternahm Verf. in Gemeinschaft mit Grawitz Blutuntersuchungen
bei Phthisikern und Carcinomatösen, die viel des Interessanten bieten.
Es wurden möglichst alle in Frage kommenden Faktoren bei den
einzelnen Fällen berücksichtigt, Fieber, Schweiße, ulceröser Zerfall
tuberkulöser Produkte, Ernährung u. s. w. und außerdem gleichzeitig
die Zahl der roten und weißen Blutkörperchen, der Trockengehalt
des Gesamtblutes und des Serums und das spezifische Gewicht er-
mittelt. Es ergab sich, daß im allgemeinen bei Tuberkulose, trotz
vorgeschrittenen Stadiums und Nachweises von Kavernen die Werte
für die Anzahl der roten Blutkörperchen, für den Eiweißgehalt und
das spezifische Gewicht des Blutes denen bei gesunden Menschen
nahe kommt. Nur wenn die Patienten beständig fiebern und ein
Verfall der Kräfte eintritt, sind die entsprechenden Werte herab-
gesetzt. Insbesondere nehmen die roten Blutkörperchen mit dem
fortschreitenden Marasmus und wenn amyloide Degeneration der
inneren Organe sich zur Lungentuberkulose zugesellt, ganz bedeutend
ab. Bei Komplikation der Lungenphthise mit Larynstuberkulose macht
sich, sobald Stenosenbildung eingetreten ist, wohl infolge venöser
Stauung eine Eindickung des Blutes bemerkbar.
Bei Carcinomkranken ist die Verschlechterung der Blutzusammen-
setzung mit dem Fortschreiten der Cachexie sehr ausgesprochen.
Zahl der roten Blutkörperchen, Eiweißgehalt und spezifisches Gewicht
sind subnormal, womit eine Vermehrung der Leukocyten Hand in
Hand zu gehen pflegt. Endlich ist noch zu erwähnen, daß die roten
Blutkörperchen bei der Poikilocytose keine Veränderungen ihrer Form
eingehen, während sie bei den späteren Stadien des Carcinoms alle
Formen der Tuberkulose aufweisen. Maaß (Freiburg i. B.).
v. Linstow, Zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte
der Tänien. Mit 2 Taf. (Arch. f. mikr. Anatom. Bd. XLII.
p. 442—459.)
Verf. beschreibt Taenia ursina n. sp. aus dem Darme von
Ursus arctos, aus dem bisher noch keine Tänie bekannt war,
sodann Taenia Struthionis Houttoyn, eine Form, die zu dem
Subgenus Davainea gehört und im Darme von Struthio mo-
Tierische Parasiten.
773
lybdophanes gefunden wurde. Endlich beschreibt v. Linstow
die in Corvus corone häufige Taenia serpentulus und führt
sie nach der Form der Haken auf eine geschwänzte cysticerkoide
Larve in der Leibeshöhle von Geotrupes sylvaticus zurück.
Brandes (Halle).
Labb6, A., Sur les Coccidies des oiseaux. (Compt. rend.
Ac. sc. Paris. T. CXVI. 1893. I. p. 1300—1303.)
Die Darmcoccidien der Vögel gehören zu zwei Gruppen; die eine,
dem Coccidium perforans der Kaninchen nahestehend, ist bei
den Vögeln (Huhn) repräsentiert durch C. te ne 11 um Raill., neben
dem noch C. truncatum Raill. und C. globosum n. sp. Vor-
kommen — doch sind letztere beiden wahrscheinlich nur Varietäten
des C. tenellum; die andere Gruppe ist durch kugelige Coccidien,
die 2 gleiche Sporoblasten mit je 4 Sporozoiten bilden, vertreten:
Diplospora n. g., während Coccidium bekanntlich 4 Sporen
mit je 2 Sporozoiten bildet. Es werden 2 Arten unterschieden:
Diplospora Lacazei n.sp. beim Stieglitz (Fringilla carduelis),
der Lerche (Al au da arvensis oder arborea?) etc. und Diplo-
spora Rivoltae n. sp. beim Fink (Fringilla coelebs), Bunt-
specht, Meise u. a. Bei Diplospora Lacazei dauert die Entwicke-
lung in der feuchten Kammer 4 — 5 Tage, bei der anderen Art etwa
15 Tage.
Die Infektion der Vögel mit Coccidium oder Diplospora
ist absolut chronisch und scheint die Tiere nicht zu belästigen ; doch
kann man eine akute Erkrankung künstlich hervorrufen, wenn man
dem Futter der Stieglitze und Finken bereits entwickelte Cysten von
Diplospora beimengt; die Tiere sterben nach 2 — 3 Tagen und
man findet massenhaft die jungen Parasiten in den Epithelzellen
des Darmes, einige anscheinend in Teilung, andere im Beginne der
Encystierung, andere im Zerfall, nirgends aber „Schwärmercysten“!
M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Labb6, A., Dimorphisme dans le dövelop pement des
h^mosporidies. (Compt. rend. Ac. sc. Paris. T. CXVI. 1893.
I. p. 1209—1210.)
Die Untersuchungen betreffen die bekannten endoglobulären Para-
siten der Frösche (Drepanidium ranarum) und der Eidechsen
(Drepanidium Danislewskyi), bei denen der Autor einen dop-
pelten Modus der Reproduktion konstatiert hat, insofern doppelt, als es
sich um Ausbildung von Makro- und Mikrosporen handelt. Die Drepa-
nidien encystieren sich nicht, sondern der Rest des roten oder weißen
Blutkörperchens, in denen diese auch als C y t o z o a oder Gaule ’sche
Würmchen bekannten Parasiten leben, bildet eine Art Cystenhülle.
Der Kern der Drepanidien teilt sich vielfach und darauf zerfällt das
Drepanidium in Makro- und Mikrosporen. Die ersteren, von ver-
schiedener Größe, trifft man oft in den Leukocyten der Milz, der
Nieren, des Knochenmarkes und der Leber; die in der Zahl von
5—6, manchmal auch von 15 — 20 entstehenden Sporozoiten sind
0,005 — 0,007 mm lang und um ein oder zwei Restkörper gruppiert.
XV. Bd. 49
774
Tierische Parasiten. — Pflanzenkrankheiten.
Wo Mikrosporen gebildet werden, erreicht das abgerundete Drepa-
nidium ranarum 0,020 — 0,025 mm Größe, Drep. Danilewskyi
0,020—0,030 mm, und die Zahl der 0,003—0,005 mm großen,
bakterienähnlichen Sporozo'iten beträgt 50 — 60; auch sie sind stets
um einen, manchmal um zwei Restkörper gruppiert. Der Autor giebt
an, bei den beiden Drepanidienarten eine laterale Konjugation be-
obachtet zu haben. Von Interesse ist es nun, daß Mikrosporen ebenso
wohl im Frühjahr wie im Herbst, Mikrosporen besonders im Mai und
Juni gebildet werden; zu dieser Zeit wird das Blut der infizierten
Frösche mit großen Mengen von Sporen belastet und die Erkrankung
eine akute.
Trotz zahlreicher Untersuchungen auch beiakuterCoccidiose
konnte der Autor den von R. und L. Pfeiffer angenommenen
doppelten Entwickelungsgang („Schwärmer- und Dauercysten“) der
Coccidien nicht finden. M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Brock, Sandison, Anatomy and physiology of the Bil-
harzia comm. (The Lancet. 1893. 3. Sept.)
B.’s wesentlichste Befunde sind folgende: Der im Ei liegende
Embryo ist überall mit Cilien besetzt, die nur an den Körper-
öffnungen fehlen. Die Kaudalöffnung ist wahrscheinlich rudimentär;
die Exkretion wird besorgt durch 2 Reihen kranzförmig angeordneter
lateraler Oeffnungen. Im Körper läßt sich deutlich ein Verdauungs-
und ein Wassergefäßsystem nachweisen; in letzteres eingeschaltet
fand B. vorn und hinten je 2 kugelige Organe, an denen er rhyth-
mische Kontraktionen beobachten konnte. Die bimförmigen gestielten
Massen zur Seite des Magens hält er für muskulöse Stützapparate
des Kopfes. Etwa 2 Tage nach der Entleerung des Eies mit dem
Urin stößt der Embryo aus den lateralen Oeffnungen eine mit Körn-
chen vermischte Flüssigkeit aus, welche schließlich die Schale zum
Platzen bringt. Der freie, normal walzenförmige Embryo nimmt in
kaltem oder unreinem Wasser die verschiedensten unregelmäßigen
Formen an. Seine weitere Entwickelungsgeschichte konnte nicht
verfolgt werden. W. Petersen (Zürich).
Sorauer, P., Populäre Anleitung für den Landwirt zur
Unterscheidung der im Getreide vorkommenden
Stein - und Staubbrandarten. (Zeitschr. f. Pflauzenkrankh.
1893. p. 271. 1 Tab.)
Von vorwiegend praktischen Gesichtspunkten ausgehend, bespricht
Verf. an der Hand von Abbildungen die charakteristischen Unter-
scheidungsmerkmale der verschiedenen Stein- und Staubbrandkrank-
heiten des Getreides, wobei er auf die anzuwendenden Mittel zur
Verhütung der Krankheit genau eingeht. Aus allem geht hervor,
daß dem Landwirt die geuauere Kenntnis der einzelnen Arten sehr
notwendig ist, da die Gegenmittel recht verschiedene sind.
Lindau (Berlin).
Brick, C., Ueber Nectria cinnabarina (Tode) Fr. (Jahrbuch
der Hamburgischen wissenschaftlichen Anstalten. X. 2. Arbeiten
des Botanischen Museums. Hamburg 1893. 14 p.)
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
775
Dieser so außerordentlich schädliche, aber noch viel zu wenig
beachtete Parasit verbreitet sich durch seine zahlreichen Sporen,
welche in dreierlei Gestalt erzeugt werden: 1) durch einzellige Co-
nidien, welche entweder auf Polstern in ungeheurer Zahl entwickelt
werden (Tubercularia vulgaris Fr.) oder an den jungen Myce-
lien sich bilden können oder durch Sprossung an den Ascosporen
und den Conidien selbst entstehen, 2) durch die zumeist 6-zelligen
Makroconidien von sichelförmiger Gestalt (Fusisporium Nectriae
cinnabarinae), welche vor den einzelligen Conidien auf denselben
Polstern ihren Ursprung nehmen und nur unter bestimmten, noch
nicht näher bekannten Bedingungen erzeugt werden, und 3) durch
die Ascosporen, deren Perithecien eine Anpassung dergestalt zeigen,
daß die Sporen zu sehr verschiedenen Zeiten aus ihnen heraus-
gelangen. Das Mycel ist im Innern des Holzkörpers den äußerlich
sich zeigenden Krankheitssymptomen weit voraus. Beim Absterben
der Rinde können ähnliche äußere Krankheitserscheinungen, wie sie
bei Nectria cucurbitula (Tode) Fr. und N. d i t i s s i m a Tul.
bekannt sind, auftreten, z. B. eingesunkene, abgestorbene Rindenpartieen
und getötete Ueberwallungswülste, welche solche Stellen zu über-
wachsen versuchten; es sind dies also die Anfänge krebsartiger
Bildungen, deren Erzeugung auch durch Nectria cinnabarina
bisher noch nicht beobachtet war. Wenn eine Rettung des Baumes
oder Strauches versucht werden soll, muß ein sehr weit gehendes
und frühzeitiges Zurückschneiden stattfinden. Sonst sind vorbeugende
Maßregeln, wie Vermeidung von Wunden, regelrechte Wundbehandlung,
Verbrennen der erkrankten Zweige event. Bekämpfungsmaßregeln.
Br ick (Hamburg).
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Drossbacli, GL P., Methode der bakteriologischen Wasser-
untersuchung. (Chemikerzeitung. Bd. XVII. 1893. p. 1483.)
Bei der Beurteilung des absoluten Wertes der Trink Wässer will
Verf. in erster Linie die Bestimmung der bei Bluttemperatur ent-
wickelungsfähigen Keime, insbesondere der fakultativen Anaerobionten,
berücksichtigt wissen.
Verf. ist bemüht gewesen, ein für den vorliegenden Zweck geeig-
netes und bequemes Verfahren der Anaerobenzüchtung ausfindig zu
machen und empfiehlt folgenden Modus der Absorptionsmethode:
Petrischalen werden auf Drahtdreiecken unbedeckt übereinander ge-
schichtet, in einen Dosenexsiccator gestellt, dessen Boden mit einem
energisch Sauerstoff absorbierenden Körper bedeckt ist. Als solchen
verwendet Verf. Eisenoxydul oder Chromacetat.
Das erstere wird dargestellt, indem man auf den Boden des Ex-
siccators eine 1—2 ccm hohe Schicht konzentrierter Natronlauge giebt,
auf diese die konzentrierte Lösung einer äquivalenten Menge Eisen-
49*
776 Untersuchuugsmethoden. — Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten etc.
chlorür vorsichtig schichtet, dann den gut gedichteten Deckel auf-
setzt und nun erst die Flüssigkeiten durch stärkeres Umschwenken
mischt. Das sich ausscheidende Eisenoxydul kleidet als steifer Brei
die Innenwand des Exsiccators aus.
Wird eine hinreichende Menge von Eisenchlorür verwendet und
die Dose bei jedesmaligem Gebrauche nicht länger, als nötig, geöffnet,
so soll die erzeugte Qualität Eisenoxydul für zahlreiche Bestimmun-
gen genügen.
Noch energischer und schneller als Eisenoxydul soll Chrom-
acetat den Sauerstoff absorbieren. Zur Darstellung des letzteren wird
statt der Natronlauge eine konzentrierte Lösung von Natriumacetat
verwendet, auf welche eine unfiltrierte, vorher mit Zn + HCl bis zur
rein blauen Färbung reduzierte, konzentrierte Lösung von rohem
Chrom sesquichlorid geschichtet wird. Busse (Berlin).
Lanz, Ein neues Verfahren der Gonokokkenfärbung.
(Deutsch, med. Wochenschrift. 1894. No. 9.)
Das zur Untersuchung bestimmte Sekret wird in der üblichen
Weise am Deckglase angetrocknet. Letzteres kommt darauf für
1/g — 2 Minuten in 20-proz. Trichloressigsäure, wird demnächst in
Wasser abgespült, mit der beschickten Fläche mit Methylenblau-
lösung (30 ccm Wasser, 1 — 2 Tropfen 5-proz. KHO-Lösung, gesättigte
alkoholische Farblösung bis zum Eintritte dunkelblauer Farbe) ge-
legt, nach 3—5 Minuten wieder mit Wasser gespült, getrocknet und
mit Kanadabalsam auf dem Objektträger befestigt. Die Gonokokken
sollen bei diesem Verfahren besonders scharf hervortreten und sich
von den Zellen deutlich abheben, da die letzteren durch die Ein-
wirkung der Trichloressigsäure auffallend durchsichtig werden. Sehr
schöne Ergebnisse soll nach Beendigung der Methylenblaufärbung
eine Kontrastfärbung mit Bismarckbraun (x/4 — 1j3 Minute) liefern.
Kübler (Berlin).
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
Pettenkofer, 31. v., Maßregeln gegen die Cholera hier,
die sanitären Verhältnisse der Irrenanstalten,
S i echenhä u s e r, A r bei t s h äu ser , Gef a n gen- und Straf-
anstalten. Gutachten des k. Obermedizinal-Ausschusses. (Münch,
med. Wochenschrift. 1894. No. 10.)
Der von der Cholerakommission aufgestellte Fragebogen bezüg-
lich der sanitären Verhältnisse obengenannter bayrischer Anstalten
wurde von 42 derselben beantwortet. Das Ergebnis dieser Unter-
suchung darf im ganzen als ein erfreuliches bezeichnet werden. Von
großem Interesse ist das Auftreten von Erkrankungen an Cholera und
Abdominaltyphus in den verschiedenen Anstalten. Von 42 waren
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 777
bloß 8 ein Schauplatz der Cholera, davon 5 in München. Die Zahl
der von Ab dom in al typ h us frei geblienenen beträgt einige 20.
Sehr lehrreich ist die relative Häufigkeit von Cholera- und Typhus-
fällen in früherer und jetziger Zeit in diesen Anstalten, worin sich
der Einfluß der Assanierung der Anstalten unwiderleglich ausspricht
wie z. B. im Zuchthause Kaisheim. Hier zeigte die Frequenz der
Typhusfälle eine große Abhängigkeit von der Jahreszeit; als Beleg
dafür, daß die Typhusfrequenz hier ebensowenig wie die in München
vom Trinkwasser abgeleitet werden darf, ist anzuführen, daß mit
Einführung der Quellwasserleitung der Typhus nicht sofort ver-
schwand, sondern das Aufhören desselben eine Nachwirkung der Assa-
nierung des verseuchten Bodens war.
Wie in Gefängnissen zeigt sich auch in Krankenhäusern, daß die
während Cholera- und Typhusepidemieen vorkommenden Hausinfek-
tionen nicht kontagionistisch aufzufassen und nicht vom Trinkwasser
abzuleiten sind. Eines der schlagendsten Beispiele ist das Kranken-
haus links der Isar in München. Bei allen Typhus- und Cholera-
epidemieen, welche München gehabt, zeigte sich bis in die neuere
Zeit das Krankenhaus als ein Infektionsherd für seine Krankenbe-
völkerung und Krankenpfleger.
Weder in München noch in einer der anderen Anstalten des
Königreiches konnte eine Abhängigkeit der Typhus- und Cholera-
bewegung vom Wasser im Sinne der kontagionistischen Trinkwasser-
theorie nachgewiesen werden. Das Wasser kann Träger von Infek-
tionskeimen sein, ohne daß sein Genuß infiziert, wenn solche Keime
nicht in der nötigen Menge darin enthalten sind; da nun nach allen
bisherigen Untersuchungen Typhus- und Chlolerakeime im Wasser
nur in äußerst geringer Menge gefunden wurden, so ist anzunehmen,
daß diese Keime, wenn sie auch durch Wasser ins Haus kommen,
da immer noch eine Brutstätte finden müssen, auf welcher sie sich
bis zum nötigen Grade der Konzentration und Virulenz vermehren
können.
Vom rein praktischen Standpunkte aus betrachtet, tritt deutlich
hervor, daß die lokale Assanierung, wozu auch reines Wasser gehört,
das beste Schutzmittel ist, und daß man kontagionistischer Maßregeln
nicht bedarf. Man hat den Typhus aus München entfernt, ohne
Typhuskranke zu isolieren, ohne zu desinfizieren.
Zum Schlüsse spricht Verf. den Wunsch aus, daß man wie in
England auch in Deutschland mehr der lokalistischen als der konta-
gionistischen Lehre folge und nicht nutzlos die persönliche Freiheit,
Handel und Wandel bedrücke. Dieudonn6 (Berlin).
Issaeff, Un te r s uch u n ge n über die künstliche Immuni-
tät gegen Cholera. (Zeitschrift für Hygiene und Infektions-
krankheiten. Bd. XVI. H. 2. p. 287—328.)
In dem Wirrwarr der sich überstürzenden Arbeiten über die
Choleraimmunität der Meerschweinchen erscheint eine neue Arbeit
Verf.’s welche uns über manche Punkte die einfachsten Aufklärungen
giebt. Der Verf. geht ein auf die das gleiche Thema besprechenden
Arbeiten anderer Autoren und kommt auf Grund zahlreicher Ver-
778 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungs hemmung etc.
suche zu folgendem Ergebnis. Wir sind imstande, durch intraperi-
toneale oder subkutane Injektion von Blutserum normaler Menschen,
sowie auch durch Injektion der verschiedensten sauren, wie alkalischen,
wie neutralen Flüssigkeiten Meerschweinchen gegen eine nachfolgende
Injektion von Cholerabacillen resistenter zu machen. Diese Wider-
standsfähigkeit ist aber äußerst schwach und vorübergehend, und ist
nicht identisch mit der durch Behandlung mit lebenden Cholera-
kulturen erzielten Immunität der Meerschweinchen. Die Meer-
schweinchen, welche gegen Cholera vacciniert sind, erlangen trotz
hoher Unempfänglichkeit gegen die Infektion mit lebenden Vibrionen-
kulturen keinerlei Widerstandsfähigkeit gegen die toxischen Produkte
der Choleravibrionen und besitzt demgemäß auch das Blut keine
antitoxischen Eigenschaften. Die maximale Choleratoxindosis, welche
die immunisierten Meerschweinchen vertragen können, ist um nichts
größer, als die der Kontrolltiere und nur etwas größer als die
Maximaldosis des von ihnen gerade noch vertragenen intraperitoneal
injizierten lebenden Choleravirus. Die durch mehrfache Injektionen
mit lebenden Cholerakulturen vorsichtig immunisierten Meerschwein-
chen besitzen spezifische, sehr stark ausgesprochene immunisierende
und in gewissem Sinne auch heilende Eigenschaften. In der näm-
lichen Weise verhält sich auch das Blut von Menschen, welche sich
in der Cholerarekonvalescenz befinden. In letzterem Falle treten
diese Merkmale erst gegen Ende der 3. Woche nach der Erkrankung
hervor und verschwinden wieder nach 2 — 3 Monaten vollständig.
Untersucht wurde im ganzen das Blut von 8 Personen.
Es stellte sich heraus, daß die Schutz Wirkung, die durch In-
jektion von Bouillon, Kochsalzlösung, Nucleinsäure, Tuberkulin, mensch-
lichem Blutserum, Harn etc. hervorgerufen wird, gegenüber einer
nachfolgenden Cholerainfektion lediglich in der Einwanderung massen-
hafter Leukocyten in die Bauchhöhle und demgemäß in der Phago-
cytose ihre Ursache hat. Verf. konnte durch Entnahme der Perito-
nealflüssigkeit mit einer feinen Glaskapillare diese Vorgänge genauer
verfolgen. Läßt man jedoch den Leukocyten Zeit, nach gethaner
Arbeit wieder in den Körper zurückzuwandern, so sind die Tiere
gegen eine nachfolgende Cholerainfektion nicht mehr und nicht
weniger geschützt, wie andere nicht vorbehandelte Kontrolltiere. Die
Phagocytose ist — wenn auch vorhanden — so doch nicht der
ausschließlich maßgebende Faktor bei der wirklichen, nur durch
Cholerakultureninjektion hervorzurufenden Choleraimmunität, sondern
es müssen andere Faktoren mit im Spiele sein, welche die immuni-
sierten Tiere befähigen , auch nach Ablauf der Phagocytenreaktion
sich wirksam gegen das Choleragift zu schützen.
O. Voges (Danzig).
Pfeiffer, R. und Issaeff, Ueber die Spezifizität der Cho-
leraimmunisierung. [Vorläufige Mitteilung aus dem Institut
für Infektionskrankheiten in Berlin.) (Deutsche med. Wochenschr.
1894. No. 13.)
Nachdem in neuerer Zeit, insbesondere durch Klein, Hueppe
und So b er n heim, Mitteilungen geworden sind, aus welchen hervor-
Schutzimp fung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 779
geht, daß man mit vielen anderen Bakterienarten Meerschweinchen
gegen intraperitoneale Cholerainfektion immunisieren kann, geben Verff.
darauf eine kurze Zusammenstellung ihrer Versuchsresultate, indem
sie sich die Publikation der ausführlichen experimentellen Belege
Vorbehalten.
1) Es ist nicht möglich, einen dauernden Schutz gegen Cholera
mit anderen als mit echten Choleravibrionen zu erzielen. Während
Meerschweinchen nach Vorbehandlung mit echten Cholerakulturen
noch 3 Monate später gegen die intraperitoneale Einverleibung der
Koch’schen Bacillen geschützt sind, erliegen Meerschweinchen,
welche mit Typhus, Proteus, Bacterium coli, Pyocyaneus
immunisiert sind, 10 — 15 Tage nach der letzten Vorbehandlung, so-
wie die dadurch bedingten peritonealen Reizungserscheinungen ab-
gelaufen sind, der Wirkung der Choleravibrionen wie die Kontroll-
tiere. Umgekehrt zeigen mit Cholera immunisierte Meerschweinchen
keine Immunität gegen irgend eine der vorbenanDten Bakterienarten,
wenn die Infektion 10 — 15 Tage nach der letzten Vorbehandlung mit
Cholerabakterien ausgeführt wird.
2) Das Serum von Meerschweinchen, welche mit Cholerakulturen
vorbehandelt sind, schützt, wenn es in kleinen Dosen (0,1 ccm)
24 Stunden vorher subkutan injiziert wird, gegen die intraperi-
toneale Einspritzung einer für Kontrolliere absolut tödlichen Dosis
von Cholerabakterien. Dagegen hat das Serum von Tieren, welche
gegen Proteus, Typhus, Bact. coli, Pyocyaneus, Diphtherie
und Tetanus immunisiert sind, selbst in erheblich größerer Dosis,
nicht diese schützende Kraft gegenüber der Cholerainfektion.
3) In neuerer Zeit sind durch das Peptonverfahren aus dem
Wasser sowie aus menschlichen Dejektionen vielfach Vibrionen ge-
züchtet worden, welche mit den Cholerabakterien die Cholerarot-
reaktion und die Tierpathogenität gemeinsam haben. Es ist den
Verff. gelungen, unter diesen Vibrionen eine ganze Reihe von Arten
durch ihr biologisches Verhalten bei der Immunisierung von den
echten zu unterscheiden. So sind z. B. Meerschweinchen, welche
gegen Cholera immunisiert sind, nicht geschützt gegen die krank-
machenden Wirkungen des Vibrio Metschnikowi und verwandter
Vibrionenarten, andererseits vermögen Meerschweinchen, welche eine
starke Immunität gegen den Vibrio Metschnikowi erworben
haben, der intraperitonealen Injektion der Choleraerreger nicht zu
widerstehen. Sehr scharfe spezifische Unterschiede treten hervor,
wenn man mit dem Serum von choleraimmunen Tieren gegen eine
andere Bakterienart zu schützen versucht und umgekehrt.
Auf diese Weise haben sich ganz sicher von der Cholera diffe-
renzieren lassen alle diejenigen Vibrionen, welche durch ihre Patho-
genität für Tauben schon längst verdächtig waren. Es gehört hier-
her der Vibrio Metschnikowi selbst, eine den Verff. vor einem
Jahre aus Paris zugesandte angebliche Cholerakultur, die von
Weichselbaum gezüchtete Kultur (siehe R. Pfeiffer, Studien
zur Choleraätiologie. Zeitschr. f. Hygiene. Bd. XVI. p. 282), der
Vibrio danubicus und andere mehr. Nicht zur Cholera gehörig
erwiesen sich ferner die von Dunbar aus dem Elbwasser gezüchteten
780 Schutzimpfung, kiinstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
leuchtenden Vibrionen. Dagegen verhielten sich nach jeder Richtung
wie echte Cholerabakterien beispielsweise die in Nietleben aus der
Wasserleitung während der bekannten Choleraepidemie gewonnenen
Vibrionen, ferner Kulturen, die aus am 15. Oktober 1893 entnom-
menen Proben des Rohwassers auf Filter C und D in Stettin ge-
züchtet sind. Ger lach (Wiesbaden).
Sobernlieim , Experimentelle Untersuchungen über
Choleragift und Choleraschutz. [Aus d. hygien. Institut
zu Marburg.] (Zeitschr. f. Hygiene. Bd. XIV. p. 485.)
Die Ergebnisse der Untersuchungen lassen sich nach Verf. etwa
in folgenden Sätzen zusammenfassen:
Gehen Meerschweinchen nach intraperitonealer Injektion von
lebenden Cholerakulturen zu Grunde, so findet man bei der Sektion
die Bakterien regelmäßig im peritonitischen Exsudate, fast ausnahms-
los im Darminhalte, öfters, allerdings in sehr wechselnder Menge, im
Blute. Es handelt sich hierbei nicht um einen rein infektiösen Pro-
zeß, vielmehr spielt auch das toxische Moment eine wesentliche
Rolle. Es gelingt mit abgetöteten Kulturen — in entsprechend
größerer Menge — die Thiere unter gleichen Erscheinungen wie
nach Injektion lebender Kulturen zu töten. Die hierbei in Frage
kommenden Giftstoffe stehen, wie Pfeiffer gefunden, in enger Be-
ziehung zu der Leibessubstanz der Bakterien und sind auch in den
Filtraten älterer Bouillonkulturen nachweisbar. Sie werden durch
mehrstündiges Einwirken höherer Temperaturen nicht zerstört. Bei
intrastomacbaler Einführung erweisen sich erhitzte und lebende
Cholerakulturen etwa gleich wirksam. Schutzimpfungen gegen den
intraperitoneal erzeugten Choleraprozeß sind durch lebende, abge-
tötete und filtrierte Cholerakulturen, sowie durch das Serum immuni-
sierter Tiere erfolgreich durchzuführen. Gegenüber dem per os er-
zeugten Prozesse erweisen sich alle diese Immunisierungsversuche als
unzureichend. Der bei Meerschweinchen zu erzielende Choleraschutz
beruht auf wahrer „Immunität“. „Giftfestigung“ ist dabei nicht
vorhanden. In Uebereinstimmung hiermit steht die Thatsache, daß
im Reagenzglase das Blutserum immunisierter Meerschweinchen den
Cholerabakterien gegenüber hochgradig baktericide Eigenschaften
äußert, welche dem normalen Meerschweinchenserum fast vollkommen
abgehen. G e r 1 a c h (Wiesbaden).
Abbott, A. C., The results of inoculations of milk
cows with cultures of the Bacillus diphtheriae. (The
Journal of Pathology and Bacteriology. Vol. II. 1893. p. 35.)
Der Verf. wiederholte die Versuche Klein’s (s. diese Zeitschrift.
Bd. VII. p. 788) betreffs der Impfung von Kühen mit dem Ba-
cillus diphtheriae und kam zu etwas verschiedenen Ergebnissen.
Zwei Kühe wurden benützt, jede mit 1 ccm einer Bouillonkultur des
Bacillus. Eine derselben starb 16 Tage nach der Impfung und
die andere wurde am 20. Tage getötet. Der nach Klein’s Be-
schreibung an Euter und Zitzen nach den Impfungen erscheinende
Ausbruch wurde an keinem der Tiere beobachtet, und zu keiner Zeit
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 781
Heß sich etwas Abnormales an diesen Organen bemerken. Die Milch
beider Kühe zeigte trotz sorgfältiger Prüfung nicht die Anwesenheit
des Bacillus diphtheriae. Bei der Autopsie fehlten die von
Klein beschriebenen pathologischen Verletzungen der inneren Organe.
Der Bacillus diphtheriae war in verhältnismäßig großer An-
zahl in den Geweben vorhanden, doch fand sich die Klein’sche
lädenartige Form nicht vor. Novy (Ann Arbor).
Pane, N., Ripristinamento della virulenzadel diplo-
bacillo pneumoniae mediante il virus carbonchioso.
(La Rif. med. 1894. p. 238.)
P. hatte gelegentlich zahlreicher Versuche die Wahrnehmung
gemacht, daß, wenn man Kaninchen Milzbrand- und Pneumocccus-
blut oder virulente Kulturen der beiden Mikroorganismen geichzeitig
injiziert, die Tiere beiläufig in demselben Zeiträume wie an einfacher
Milzbrand- oder Pneumcoccu sinfektion eingehen. Bei der
Autopsie fanden sich jedoch nur Zeichen von Pneumococcus-
septikämie; von Milzbrandbacillen konnte in den meisten Fällen
entweder keine Spur oder nur einzelne degenerierte, keine Färbung
mehr annehmende Exemplare gefunden werden.
In einer zweiten Serie von Versuchen wurden teils avirulente,
teils abgeschwächte Pneumococcus kulturen zu ähnlichen Im-
pfungen wie in der ersten Reihe verwendet. Die Tiere gingen
an Pneum o c o c c u s septikämie zu Grunde, wenn auch mit einer
gewissen Verzögerung (in 3—5 Tagen). Doch konnte durch fortge-
setzte Impfungen schon beim dritten Tiere derselbe Zeitpunkt des
Todeseintrittes erzielt werden, wie bei Impfungen mit vollvirulenten
Kulturen.
Es läßt sich daher auf diese Weise dem Pneumococcus,
welcher nach einem längeren sapropbytischen Wachstume seine
Virulenz eingebüßt hat, dieselbe wieder rück verleihen.
Kamen (Czernowitz).
Bergmann, J., Ein neuer Vorschlag zur Prophylaxe gegen
Diphtherie. (Allgemeine mediz. Centralzeitung. 1894. No. 1.)
Verf. bespricht zunächst die Unzulänglichkeit der bisherigen
Prophylaxe gegen Diphtherie, er weist die prophylaktische Tonsillo-
tomie und die Gurgelwässer zurück und macht uns dann mit seinem
neuen, von ihm entdeckten und mit dem stolzen Namen Diphtheri-
cidium belegten Mittel bekannt. Dieses Mittel besteht aus Pastillen,
welche 2 mg Thymol, 2 cg Natrium benzoicum und 0,015 Saccharin
enthalten und sind diese 3 Mittel durch eine Verbindung von Gutta-
percha und Damaraharz zu einer festen Masse verbunden. Die
Kinder sollen diese Pastillen kauen und ist der Verf. der Meinung,
daß gerade diese von ihm gefundene Methode in ganz hervorragender
Weise wirken muß. In zwei Fällen von Angina ohne Belag konsta-
tierte er einen entschieden günstigen Erfolg. Zum Schlüsse seiner
Arbeit wendet sich Verf. noch gegen die Ausführungen von Szana,
welcher das Desinfiziens in einer konsistenten, jedoch im Speichel
sich lösenden Masse (Zucker) geben will und betont, daß seine
782 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwicklungshemmung etc.
Methode eine ungleich bessere ist, obwohl er selber zugiebt, daß die
von ihm angestellten bakteriologischen Untersuchungen wesentlich
nur dasselbe ergaben, wie die von Szana. Im übrigen werden wir
aber durch die Mitteilung dieser bakteriologischen Untersuchungen,
welche allein ein Maßstab für die Beurteilung der Sache sein könnten,
in keiner Weise belästigt. O. Voges (Danzig).
Vulpius, Kritische Bemerkungen und praktische Er-
fahrungen über das Antidiphtherin Klebs. [Aus der
chirurgischen Universitätsklinik in Heidelberg.] (Dtsch. med. Wochen-
schrift. 1894. No. 6.)
In dem ersten Teile seiner Abhandlung unterzieht der Verf. die
von Klebs über die Wirkung seines Antidiphtherins veröffentlichten
Mitteilungen einer Prüfung. Wenn die Beeinflussung von Diphtherie-
kulturen in vitro von Klebs als Beweis für die Heilkraft des Präparats
verwertet worden ist, so vermißt Verf. eine Angabe der Umstände, welche
es ermöglichten, auszuschließen, daß die Wirksamkeit des Mittels in
diesem Falle seinem Gehalte an Orthokresol (0,2 °/0) zuzuschreiben war.
Der Auffassung von Klebs, daß das Antidiphtherin vermöge seines
feindlichen Verhaltens gegenüber den lebenden Bacillen Heilerfolge
erziele, widerspricht es zudem, daß er als Beweis für die Wirk-
samkeit Versuche an Tieren mitteilt, welche mit Diphtherietoxinen
und demnächst mit subkutanen Injektionen des Antidiphtherins be-
handelt worden waren. Die Bereitwilligkeit Anderer zu Versuchen
mit dem Mittel wird durch den Mangel einer Mitteilung über dessen
Einfluß auf Lunge und Magen herabgesetzt, da seine Anwendung
unter Umständen durch intratracheales Einträufeln erfolgt oder sein
Verschlucken in einer Dose von mehreren Grammen nach sich zieht.
Die gewöhnliche Anwendungsweise durch Pinselung beruht auf der
keineswegs erwiesenen Voraussetzung, daß Bacillen von virulenter
Beschaffenheit nur auf den Pseudomembranen der Kranken vorhanden
sind, in deren übrigen Körper aber fehlen. Der von Klebs be-
sonders hervorgehobene Umstand, daß die Membranen sich bei An-
wendung des Antidiphtherins nicht auflösen, sondern von ihrer Unter-
lage abstoßen und dann eine glatte Schleimhaut zurücklassen, hat
nichts Auffallendes, da der gleiche Erfolg vom Verf. auch nach Pinse-
lung mit 10°/0iger Salzsäure erreicht wurde. Den Nachweis, daß
die Bacillen in den gepinselten Membranen abgestorben waren,
hat Klebs dagegen nicht geführt. Von den 13 von Klebs mit
Antidiphtherin behandelten Fällen einer mittelschweren Epidemie,
welche sämtlich geheilt wurden, waren nur 6 durch bakteriologische
Untersuchung als Diphtherie diagnostiziert. Nur in einem der-
selben trat eine prompte Entfieberung nach Anwendung des Mittels
ein , „zweimal war der Temperaturabfall kein eklatanter , zweimal
wurde bei fieberfreien Rekonvalescenten gepinselt , bei einem hoch-
fiebernden Manne fehlte bedauerlicherweise eine Notiz über den
weiteren Temperaturverlauf.“ Von den übrigen Fällen schließt Verf.
2, in denen es sich der von Klebs gegebenen Beschreibung nach
um Angina follicularis gehandelt habe, und eine Scharlachdiphtherie
von der Beurteilung aus ; es bleiben dann noch 4 Kranke, an denen
Neue Litteratur.
783
nur 2 nach Einleitung der spezifischen Behandlung rasch entfiebert
waren.
Das ungünstige Urteil, welches Yerf. hinsichtlich der Klebs-
schen Behandlungsart auf Grund der vorstehend wiedergegebenen
Erwägungen fällte, fand eine Bestätigung in dem Ausfälle von
Heilversuchen in 19 in der chirurgischen Universitätsklinik zu
Heidelberg behandelten Fällen von Diphtherie Die Diagnose war
auch hier nicht immer durch bakteriologische Untersuchungen ge-
stützt worden, wurde indessen durch den schweren Verlauf der Er-
krankungen und durch Sektionsbefunde gesichert. Das Anti-
diphtherin wurde mit einem langen Haarpinsel zunächst auf die
Tonsillen und den weichen Gaumen demnächst nach gründlicher
Reinigung und Desinfektion des Instruments auf die Schleimhaut des
Kehlkopfs aufgetragen, bezw. in schwächerer Lösung in die Tracheal-
kanäle eingeträufelt. Bei Kindern machte die Anwendung des Ver-
fahrens stets Schwierigkeiten; Würgbewegungen und Erbrechen haben
vermutlich nicht selten Teile der eingebrachten Flüssigkeit wieder
herausbefördert, ehe sie in die Membranen eingedrungen waren.
Eine Aenderung des Fieberverlaufes wurde unter der Behandlung
in der Regel nicht beobachtet; die Pseudomembranen blieben meistens
unverändert und verschwanden nur selten ausnahmsweise rasch.
Mehrmals wurde eine Neubildung oder Ausbreitung der Beläge be-
obachtet. In wiederholt gründlich mit dem Antidiphtherin behandelten
Membranen fanden sich später wachstumsfähige Diphtheriebacillen.
Von den 19 Kranken starben 10, also mehr als 50 °/0, während von
anderer Seite die Sterblichkeit bei Diphtherie überhaupt auf 48,7 °/0
berechnet worden ist. K übler (Berlin).
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Neue Litteratur. p. 783.
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Heft I — II, 1890 — 92 (R. Oldenbourg, München).
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Inhalt: Einleitung. — I. Animalische Nahrungsmittel. 1. Milch. 2. Butter.
3. Käse. 4. Eier. 5. Fleisch (a. Fleisch von Säugetieren und Vögeln, b. Das Fleisch
der Fische, Fischkonserven, Caviar. c. Das Fleisch der Krustentiere und Muscheln). —
II. Vegetabilische Nahrungsmittel. 1. Das Mehl von Cerealien. 2. GraupeD,
Gries, Grütze. Beis. 3. Brot. 4. Die Hülsenfrüchte. 5. Kartoffeln und andere Wurzel-
gewächse. 6. Pflanzen, deren Blätter oder Stengel als Gemüse oder als Salat genossen
werden. 7. Sonstige Gemüse. 8. Obst und frische Früchte 9. Pilze und Schwämme
10. Das Stärkmehl. 11. Zucker und Honig. 12. Oel. 13. Konservierte Nahrungs-
mittel vegetabilischen Ursprungs. 14. Kindermehle. — III. Die alkoholischen
Getränke. 1. Der Wein. 2. Das Bier. 3. Der Obstwein. 4. Branntwein.
5. Schaumwein und Likör. — IV. Genussmittel, welche keinen Alkohol
enthalten. 1. Das Kochsalz. 2. Der Essig. 3. Die Gewürze. 4. Der Tabak.
5. Thee. 6 Kaffee. 7. Kakao und Chokolade. 8. Koncentrierte Süssstoffe (Saccharin,
Dulcin). — Begister.
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Bakteriologie und Parasitenkunde.
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Preis für den Band (26 Nummern) 14 Mark.
Jährlich erscheinen zwei Bände.
— Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. -Je—
Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
kunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an
den Verleger , Herrn Gustav Fischer in Jena , gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage , später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original -Mittheilungen.
Ueber eine transitorische Varietät vom Choleravibrio.
[Aus dem hygienischen Institute der Universität Rom.]
Von
A. Celli und S. Santori.
Während der sehr leichten Choleraepidemie im letzten Sommer
und Herbste1) wurden 44 Fälle eingehend unter dem bakteriologischen
Gesichtspunkte studiert, und 12mal fanden wir hierbei eine Vibrionen-
art, die wir der Kürze halber Vibrio romanus2) nennen, und
hier summarisch beschreiben.
1) In 128 Tagen, vom 3. VIII. bis zum 9. XII., hatte man 107 Fälle und 45
Choleratote.
2) Wir hielten es für nützlich, diesen Namen anzuwenden, um nicht beständig zur
Bezeichnung dieses Vibrio Umschreibungen anwenden zu müssen.
XV. Bd.
50
790
A. Celli und S. Santori,
1. Morphologische Merkmale.
Die charakteristische Kommaform beobachtet man selten und
fast nur in den Kolonieen auf Plattenkulturen. In diesen Fällen ist
der Vibrio romanus durch Größe, Krümmung, Bewegung etc.
vollkommen identisch mit jenem von Koch. Im allgemeinen jedoch
ist die Form des Vibrio romanus ziemlich verschieden von
letzterem; die Kommata sind lang, dick, wenig färbbar, mit ab-
gerundeten Extremitäten und mit zahlreichen Vacuolen : mit großer
Leichtigkeit geben sie lange Spirillen und Involutionsformen.
2. Verhalten auf den gewöhnlichsten Nährsubstraten
und biologische Eigentümlichkeiten.
Fleischgelatine. — Die Stichkulturen bieten keineswegs
den charakteristischen Anblick der Cholerakulturen. Nach 48 Stunden,
bei einer Temperatur von 18 — 24 °, erlangt man entweder gar keine
Entwickelung oder nur eine lineare mit kleinen Körnchen, die längs
der ganzen Strecke der Nadel verteilt sind, und ohne irgend ein
Anzeichen zur Blasenbildung. Erst nach 4 — 5 Tagen beobachtet
man eine sehr beschränkte Fluidifikation an den Oberflächen.
Plattenkulturen. — Auf den mit Fleischgelatine gemachten
Platten beobachtet man keine Entwickelung vor 36—48 Stunden.
Manchmal, nach 8 — 10 Tagen, bemerkt man sehr kleine Kolonieen;
oft jedoch sind schon am 3. Tage die Kolonieen vollkommen identisch
mit jenen des Koch 'sehen Vibrio.
Fleischbouillon. — Alle Kulturen sind immer steril ge-
blieben, sowohl wenn sie im Thermostaten bei 37 0 gehalten werden,
als wenn man sie bei der Zimmertemperatur von 19—24° beließ.
Peptonisiertes Wasser 1 Proz. — Die Röhrchen, im
Thermostaten bei 37 0 gehalten, bleiben steril : jene hingegen, die man
bei der Zimmertemperatur von 18 — 24° beließ, beginnen nach 36 — 48
Stunden eine sehr leichte Trübung zu zeigen, welche sich von Tag
zu Tag vermehrt. Nach 4 — 5 Tagen bemerkt man an den Oberflächen
der Flüssigkeit hin und wieder ein ziemlich dickes, zackiges Häut-
chen. Behandelt man diese Röhrchen mit Schwefelsäure, so erlangt
man keinerlei Reaktion.
Die Thatsache, daß einige Vibrionen sich weder in Fleischbouillon,
noch bei der Temperatur von 37 0 entwickeln, ist schon von Anderen
beobachtet worden (Sanarelli a. a. 0.).
Peptonisiertes Agar mit Fleischbouillon. — Alle Strich-
kulturen sind steril geblieben, sowohl wenn man sie im Thermostaten
bei 37° hielt, als auch bei der Zimmertemperatur (18 — 24°).
Peptonisiertes Agar ohne Fleischbouillon. — Die in den
Thermostaten von 37° gebrachten Strichkulturen sind immer steril
geblieben; jene, die in der Umgebungstemperatur verblieben (18 — 24°),
bieten eine regelmäßige Entwickelung.
Auch unter den von Sanarelli isolierten Vibrionen (a. a. 0.)
sind einige, welche dieselbe Eigentümlichkeit haben; d. h., während
sie sich in Agar mit Fleischbouillon keineswegs entwickeln, wachsen
sie hingegen normal in Agar ohne Bouillon.
Ueber eine transitorische Varietät vom Choleravibrio.
791
Alkalialbumine. — Deycke1 *) lobt dieses Nährsubstrat
sehr, welches übrigens nichts anderes ist, als die gewöhnliche Gelatine,
die das Alkalialbumin an Stelle des Fleiches besitzt. Deycke
bediente sich dieses Substrates , um die Kolonieen des Cholera-
vibrio von jenen anderer Mikroorganismen, die sich im Darme finden,
zu unterscheiden. Der Vibrio romanus, in Alkalialbumin kulti-
viert, entwickelt sich in derselben Weise wie in der gewöhnlichen
Fleischgelatine.
Kartoffeln. — Auf gewöhnlichen schwachsauren Kartoffeln
erlangt man keine Entwickelung, weder bei der Temperatur von 37 °,
noch bei der Umgebungstemperatur. Alkalinisiert man die Kartoffeln,
indem man sie entweder eine Stunde hindurch in einer Lösung von
Kalilauge (0,25 Proz.) kochen oder sie in einer Lösung von Kali-
karbonat erkalten läßt, so erlangt man immer eine üppige Ent-
wickelung von dem charakteristischen Aussehen des Koch ’schen
Vibrio.
Auch hier jedoch versteht es sich von selbst, daß die Kartoffeln
nicht in den Thermostaten gebracht werden, sondern bei der Zimmer-
temperatur zu belassen sind. Bei der mikroskopischen Prüfung be-
obachtet man die gewöhnlichen involuten, dicken, langen und schlecht
färbbaren Formen.
Kuhmilch 2 Stunden hindurch bei Wasserdampf sterilisiert.
— Man bemerkt keine Veränderung, kein Gerinnen. Die in den
Thermostaten bei 37 0 gebrachten Röhrchen bleiben steril ; die anderen
zeigen bei der Prüfung wenige Vibrionen.
Säurebildendes Vermögen. — In allen in den oben-
genannten Substraten erlangten Kulturen beobachtete man niemals
die Bildung von Säuren: dies wird außer von den sensiblen Papieren,
auch von dem Fehlen des Gerinnens der Milch bewiesen.
Fügt man zu dem peptonisierten Wasser Laktose zu 1 Proz.,
so erlangt man eine Entwickelung wie in einfachem peptonisiertem
Wasser, jedoch ohne Bildung von Milchsäure und auch von anderen
Säuren.
Reduzierendes Vermögen. — In den Kulturen, welche in
Gelatine, die leicht mit Methylenblau gefärbt wurde, gemacht worden
waren, erlangte man die Entwickelung, obgleich mit einer gewissen
Schwierigkeit: die Färbung wird nicht im geringsten modifiziert.
Diese Thatsache, wie jene des Fehlens des Häutchens, dient dazu,
zu beweisen, wie diese Vibrio Varietät nicht jene große Begierde
nach Sauerstoff hat, wie der Koch’sche Vibrio.
Pathogenes Vermögen. — W7ir verwandten Meerschweinchen
vom mittleren Gewichte von 350 — 400 g und tödteten sie nur,
wenn wir ihnen in die Bauchhöhle 8 — 10 ccm einer Kultur in
peptonisiertem Wasser, die 48 Stunden bei der Umgebungstemperatur
verblieb, einführten. Diese Kulturmenge (8 — 10 ccm), die not-
wendig ist, um ein Meerschweinchen zu töten ist sehr groß im Ver-
gleich mit jener (U2 — 1 ccm) der Koch’schen Vibrionen, und giebt
1) Dey cke , Ueber einen neuen elektiven Nährboden für Cholerabacillen. (Deutsch,
med. Wochenschr. 1893. 14. Sept.)
50*
792
A. Celli und S. Santori,
uns ein gutes Recht, anzunehmen, daß in den Meerschweinchen das
krankheitserregende Vermögen dieser Varietät fast Null ist.
3. Wirkung der gewöhnlichsten physikochemischen
Agentien *).
Wirkung der langsamen Austrocknung am Lichte und im Dunkeln.
In eine Kultur in peptonisiertem Wasser, die man 48 Stunden
hindurch bei der Zimmertemperatur sich entwickeln ließ, haben wir
sterilisierte Seidenfäden eingeführt und sie darin 6 Stunden belassen.
Alsdann, nachdem man diese Fäden auf zwei sterilisierte Platten
gelegt, ward eine davon dem diffusen Lichte auf einem Fenster-
brette ausgesetzt; die andere Platte hielt man im Dunkeln. Die
Temperatur schwankte zwischen 12 — 24°. Um über den Tod
der Mikroorganismen Gewißheit zu haben, führte man die Fäden in
flüssige Gelatine ein, welche dann auf die Scheiben gegossen wurde.
Wirkung der langsamen Austrocknung am Lichte.
Dauer des Experiments
1
2*
Tage
3**
4
5
Vibrio romanus ....
+
+
1 -
—
—
Cholera vibrio
+
+
+
—
—
Wirkung der langsamen Austrocknung im Dunkeln.
Dauer des Experiments
1*
Tage
2*
3**
4
5
6
Vibrio romanus ....
+
+
T
—
—
—
Choleravibrio • . . . .
+
+
+
+
+
—
* Die Fäden sind noch feucht.
** Die Fäden sind anscheinend ausgetrocknet.
Wirkung der rapiden Austrocknung.
Die völlige Austrocknung der mit der Kultur eines Mikroorganis-
mus getränkten Fäden erfordert immer eine gewisse Zeit, und es ist
nicht leicht, genau den Moment zu kennen, in welchem der innere
Teil des Fadens völlig getrocknet ist. Um deshalb die Wirkung der
rapiden Austrocknung zu beobachten, haben wir eine Platinöse einer
Kultur in peptonisiertem Wasser genommen, und nachdem sie sorg-
fältig auf dem Boden einer Petri’ sehen Schalen verstreut worden, be-
wegten wir sie schnell an der Luft. In einer Minute ist das Tröpfchen
ausgetrocknet. Präpariert man auf diese Weise mehrere Schalen und
bringt nach mehr oder weniger Zeit flüssige Gelatine hinein, so findet
man, wie sehr die Mikroorganismen der Austrocknung widerstanden
haben.
1) Um über den Wert dieser Experimente mit mehr Genauigkeit zu urteilen, hielten
wir es für angebracht, vergleichsweise die Wirkung dieser physikochemischen Agentien
auf den Vibrio romanus und auf einen der charakteristischsten Koch’ sehen cholera-
erzeugenden Vibrionen, den Pasquale in Neapel isolierte, zu studieren.
Ueber eine transitorische Varietät vom Choleravibrio.
793
Dauer des Experiments
15'
20'
25' 30'
45'
Vibrio romanus ....
+
+
|
Choleravibrio
+
+
+ 1 +
—
Kombinierte Wirkung der Austrocknung und der hoben
Temperaturen.
Die wie oben präparierten Fäden auf sterilisierte Platten gelegt,
sind in den Thermostaten eingeführt worden, der bei verschiedenen
Temperaturen gehalten wurde. Die Austrocknung ist immer in den
ersten 5 — 10 Minuten vor sich gegangen.
Bei der Temperatur von 37°.
Dauer des Experiments
15'
30'
45'
60'
75'
90'
2 Stunden
Vibrio romanus
+
+
+
+
+
—
—
Choleravibrio
+
+
+ .
+
+
+
—
Bei der
Tempera tur
von 37 °.
Dauer des Experiments
15'
30'
45'
60'
Vibrio romanus .
+
+
—
—
Choleravibrio
+
+
+
—
Bei der
T em p e ratur
von 38°.
Dauer des Experiments
15'
30'
45'
60'
Vibrio romanus .
+
—
—
—
Cholera vibrio
. . .
+
+
—
—
Kombinierte Wirkung der
Austrocknung und des
Sonn
enlicbtes.
Die in derselben Weise präparierten und auf eine sterilisierte
Platte gelegten Fäden sind dem direkten Sonnenlichte ausgesetzt
worden (Temperatur 25 —34°).
Dauer des Experiments
3'
5'
10'
15'
30' j 45'
Vibrio romanns ....
+
+
—
—
- 1 -
Choleravibrio
+
+
+
+
+ 1 "
Einfache Wirkung des Sonnenlichtes.
Um die Fäden feucht zu halten, ließ man beständig peptonisiertes
Wasser darauf tropfen (Temperatur 25 — 34°).
794 A. Celli und S. Santori, Ueber eine transitorische Varietät etc.
Dauer des Experiments
15'
30'
45'
60'
75'
Vibrio romanus ....
+
+
—
—
—
Choleravibrio
+
+
—
—
—
Wirkung der hohen Temperaturen auf Kulturen in
peptonisiertem Wasser.
Die Kulturen, welche man 48 Stunden hindurch bei der Zimmer-
temperatur sich entwickeln ließ, sind im Warm wasserbade gehalten
worden.
Bei der Temperatur von 40°.
Dauer des
Stunden
Experiments
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Vibrio romanus .
+
+
+
+
+
+
—
—
—
Choleravibrio . .
+
+
+
+
+
+
+
+
+
Wirkung der verwesten Substanzen.
Da die Wirkung der verwesten Substanzen sich je nach den
verschiedenen Perioden der Verwesung in sehr verschiedener Weise
manifestiert, so ist die Resistenz der Vibrionen sowohl in den im
Beginne der Verwesung sich befindenden Substanzen, als in jenen seit
langer Zeit verwesten studiert worden.
I. Man bringt die gewöhnlichen Fäden in Kölbchen, welche
Wasser und Fleischstückchen enthielten, ließ dann das Ganze bei der
Zimmertemperatur: Nach 7 — 9 Tagen beobachtet man das Ver-
schwinden der Vibrionen. Dies gilt ohne Unterschied sowohl für
den Vibrio romanus wie für den Vibrio Neapel.
II. Bringt man statt dessen die Fäden in Kölbchen, welche
seit 2—3 Wochen in Verwesung begriffenes Fleisch und Wasser ent-
halten, so findet man den Vibrio romanus und den Vibrio
Neapel bis nach 20 — 30 Tagen unterschiedslos wieder.
Zusammenfassung der Resultate.
Während der letzten Choleraepidemie in Rom isolierten wir unter
44 genau studierten Fällen 12mal einen Vibrionen (Vibrio ro-
manus) mit den folgenden wichtigsten Kennzeichen : Er giebt
nicht die Indolreaktion, wirkt bei den Tieren nicht pathogen,
wächst nicht bei 37°, weder in Bouillon noch in Agar, noch macht
er die Milch gerinnen. Er würde also fast all der notwendigen
Charakteristika ermangeln, damit man ihn unter die choleragenen
Bacillen einrechnen könnte, und wir würden ihn mit den Kriterien
Koch’s1) gewiß nicht für choleragen halten können, wenn wir
ihn nicht isoliert hätten, und manchmal fast in reiner Kultur, von
den Faeces von 12 zweifellos cholerakranken Individuen, von denen
3 starben. Es handelt sich also um eine untypische Form des
l) Der augenblickliche Stand der Choleradiagnose. (Zeitschrift für Hygiene etc.
Band XIV. 1893.)
M. Rechtsamer, Ueber die feinen Spirillen in Dejektionen Cholerakranker. 795
Cholerabacillus, welche analog ist jenen Formen, die in der Um-
gebung von verschiedenen Beobachtern isoliert wurden, eine Form,
die zum erstenmal, und zwar reichlich in den Cholerakranken ge-
funden wurde.
Es ist sodann wichtig, daß die Merkmale, welche unseren Vibrio
vom typischen Chol er a vibrio unterscheiden, nicht alle permanent
sind. Und in der That, obwohl auch heute (8 Monate, nachdem der
Vibrio in unserem Institute kultiviert wurde) die obengenannten
kulturellen Kennzeichen sich verloren haben, da der Vibrio sich
in Bouillon und in Agar entwickelt und die Indolreaktion giebt, ist
jedoch das pathogene Vermögen auch heute fast Null. Diese Rück-
kehr der kulturellen Merkmale zum Typus , welche vom bak-
teriologischen Gesichtspunkte interessant sein kann, beweist gleich-
falls, daß es sich in unserem Falle um eine transitorische Varietät
des Vibrio cholerae asiaticae (Koch) handelt.
Im Vergleiche mit einem typischen Choleravibrio, der von
Pasquale in Neapel isoliert wurde, widersteht er weniger der lang-
samen Austrocknung bei diffusem Lichte und im Dunkeln, der rapiden
Austrocknung, der Austrocknung bei erhöhter Temperatur, der Aus-
trocknung bei direktem Sonnenlichte, bei der Temperatur von 40° C.
Können diese Thatsachen zusammen mit der schon angeführten Ab-
schwächung der Giftigkeit dazu beitragen , die spärliche Ver-
breitung der Cholera in der letzten Epidemie zu erklären ? Natürlich
kann man nur mit ähnlichen Beobachtungen bei anderen Epidemieen
antworten ; und bis heute wissen wir nur, daß in den diarrhöischen
Faeces eines Kranken während der letzten Cholera in Altona Vog-
ler1) einen Vibrio gefunden hat, welcher auch die Indolreaktion
nicht giebt und bei dem Tierversuche nicht pathogen ist.
Auf jeden Fall resultiert auch aus unseren Beobachtungen, daß
man die bakteriologische Diagnose der Cholera nicht immer stellen
kann, wenn man sich zu streng an die von Koch aufgestellten
Normen hält.
Rom, 5. Mai 1894.
Ueber die feinen Spirillen in Dejektionen
Oholerakranker.
Von
M. Rechtsamer
in
Tiflis.
In No. 7 (Bd. XV) dieses Centralblattes berichet Dr. Abel über
den Befund feiner Spirillen in den Dejektionen von fünf Cholera-
1) Ueber einen neuen, im diarrhöischen Stuhle gefundenen Vibrio. (Deutsche med.
Wochenschr. 1893. No. 33.)
796
M. Rechtsamer,
kranken. Er weist hierbei auch auf die Befunde von Kowalski
(Wiener klinische Wochenschrift. 1893. No. 49) welcher diese Spirillen
in elf Fällen gesehen hatte, hin. Mit Recht nimmt der Yerf. an,
daß schon Klein1) „nicht unwahrscheinlich“ denselben Gebilden
begegnet ist, solche aber nur fälschlich als Geißeln der Cholerabacillen
gedeutet hat.
Leider ist mir eine Notiz über Kowalski’s Befunde nicht in
die Hände gekommen und erst die Abel’ sehe Mitteilung veranlaßt
mich, dasjenige weiteren Kreisen zugänglich zu machen, was hier im
Kaukasus schon während der Choleraepidemie 1892 in betreff dieser
Frage erhoben worden ist. Ich halte mich bei der folgenden Dar-
stellung also zunächst daran, was gelegentlich kurzer Choleraberichte
anfangs von mir in Gemeinschaft mit Dr. Haudeli n 2) und später
von mir allein3) in der Kaukasischen medizinischen Gesellschaft im
Jahre 1892 vorgetragen und demonstriert wurde. Anknüpfend ge-
langen dann die diesbezüglichen, in der genannten Gesellschaft an-
geregten Diskussionen zur Sprache, schließlich soll mit wenigen
Worten der Erfahrungen aus der kleineren Epidemie des Jahres 1893
Erwähnung geschehen.
Ich habe — während der Choleraepidemie 1892 — den Darm-
inhalt von beinahe 200 Cholerakranken untersuchen müssen. Die
mikroskopische Untersuchung wurde an mit Gentiana oder Fuchsin
gefärbten Trockenpräparaten vorgenommen, und man konnte fast in
jedem Falle neben Kommabacillen eine Menge blasser, feiner Spirillen
beobachten, die teils einem S romanum ähnlich aussahen, teils
längere Fäden mit größerer Anzahl von Windungen darstellten. Von
den bekannten Spirillen des Vibrio cholerae asiaticae unter-
schieden sich solche Fäden dadurch, daß sie, abgesehen von ihrer
blässeren Färbung, ihrer zuweilen auffallenden Feinheit, ihrer häufig
sehr bedeutenden Länge, niemals eine Spur von Gliederung zeigten und
stets aus Windungen zusammengesetzt waren, deren jede einen viel
größeren Bogen, dafür aber von geringerer Krümmung beschrieb, als
man es bei den echten Choleraspirillen zu beobachten pflegt. In
Reinkulturen waren die Gebilde nicht zu erhalten, wenigstens nicht
auf unseren gewöhnlichen Nährböden, obgleich sie z. B. in Bouillon
(nach Schottelius) noch im Laufe einiger Tage sich nach weisen
ließen. In letzterem Falle fand man sie sowohl in Präparaten aus
den oberen Schichten der Bouillon neben Kommabacillen, als in Prä-
päraten aus den unteren Schichten neben anderen Mikroorganismen-
arten. Die Mengen der eigentümlichen Spirillen in Präparaten, welche
direkt aus Darminhalt angefertigt waren, schwankten in ziemlich
weiten Grenzen, es stellte sich hierbei auch die merkwürdige That-
sache heraus, daß diese Mengen dem Quantum der Kommabacillen
in entgegengesetzter Richtung entsprachen: je mehr Spirillen, um so
weniger Kommabacillen und umgekehrt. Im Beginn der Epidemie
pflegte das Verhältnis wohl mehr zu Gunsten der Kommabacillen
1) Dieses Centralblatt. Bd. XIV. No. 19.
2) Protokoll der Kaukasischen medizinischen Gesellschaft vom 1. September 1892.
3) Protokoll vom 18. Dezember 1892.
Ueber die feiuen Spirillen in Dejektionen Cholerakranker.
797
sich zu gestalten, zum Schlüsse aber bekam ich gerade die Spirillen
zuweilen in enormen Mengen zu sehen, selbst quasi in Reinkultur.
In einem der 44 von mir sezierten Fälle konnte ich folgendes kon-
statieren : Im Dünndarme beinahe Reinkultur von Kommabacillen, im
Dickdarme beinahe Reinkultur der Spirillen. Und dennoch ließen sich
gerade diese Gebilde nicht weiter züchten! Auch im gefärbten
Trockenpräparate entziehen sie sich viel schneller dem Auge des Be-
obachters, als andere Mikroorganismenarten, weil sie mit der Zeit
ziemlich schnell abblassen und nur bei erneuten Tinktionen sichtbar
zu machen sind.
Dies sind ungefähr die Angaben, die von m i r und Dr. H a u d e 1 i n ,
resp. von mir allein in zwei Sitzungen der Kaukasischen medizini-
schen Gesellschaft (September und Dezember 1892) mit Bezug auf
die eigentümlichen Spirillen im Darminhalte Cholerakranker mitgeteilt
und durch Demonstrationen erhärtet wurden. In den Diskussionen,
die sich hieran anschlossen, bestätigte Dr. S accharoff die von uns
erhobenen Befunde aus seinen Erfahrungen, und Dr. Finkeistein,
welcher die Spirillen in 28 von 29 Fällen gesehen zu haben erklärte
(in Dejektionen sowie in Bouillon nach Schottelius), wies sogar
darauf hin, daß er bei Anwesenheit unserer Spirillen immer auch
Kommabacillen erwartete, was sich stets auch bewahrheitete. Dr.
Rüden ko, der noch Fälle außerhalb des Kaukasus — in Trans-
kaspien — zu untersuchen hatte, erklärte, auch dort diese Spirillen
gesehen zu haben, nur sollen letztere nicht vom Beginne der Epidemie,
sondern erst später aufgetreten sein und zwar dann schon in großer
Anzahl in den betreffenden Fällen. Merkwürdigerweise hat aber
Dr. Lunkewitsch, welcher um dieselbe Zeit in Transkaspien thätig
gewesen ist, in 34 Fällen zweifelloser Cholera keine Spirillen auf-
finden können. Dr. Mont will behauptet, in seinen eigenen Dejek-
tionen sehr lange Spirillen mit circa 20 Windungen konstatiert zu
haben und doch soll er nicht an Cholera gelitten haben. Einstimmig
wird in den Diskussionen zugegeben, daß unsere Spirillen in der
Litteratur beinahe gar nicht erwähnt sind, speziell mit Bezug auf
ihr Vorkommen im Darminhalte Cholerakranker. So lasse sich z. B.
van Ermengem (in seiner Monographie über die Cholera) nur mit
wenigen Worten über diese Gebilde aus, und Fürbringer1) be-
richtet gelegentlich der Mitteilung eines tödlichen Falles, den er aller-
dings der Cholera nostras zurechnet, über Spirillenbefunde, ohne
hierbei auch auf die kürzeste Beschreibung einzugehen.
Was die Deutung und die Bedeutung unserer Befunde anlangt,
so muß ich mit Dr. Abel zunächst die Annahme von der Hand
weisen, daß wir es mit Geißeln der Cholerabacillen zu thun gehabt
haben. Als diese Annahme während der Diskussion in der Kauka-
sischen medizinischen Gesellschaft geäußert wurde, mit der Bemer-
kung, daß die Geißeln, z. B. infolge der Einwirkung unserer Medi-
kamente, gewisse Veränderungen erlitten haben könnten, hielt ich
dem, abgesehen von den Abel’ sehen ähnlichen Erwägungen, die
1) Fürbringer, Tödlicher „choleraverdächtiger“ Fall etc. (Deutsche medizinische
Wochenschrift. 1892. No. 34.)
798 M. Rechtsamer, Ueber die feinen Spirillen in Dejektionen Cholerakranker.
Thatsache entgegen, daß die Spirillen von mir sowohl nach als vor
der Verabreichung irgend welcher Medikamente beobachtet worden
sind. Ob nun diese Spirillen aber dennoch kausal mit der Cholera
etwas zu thun haben, wage ich auch gegenwärtig nicht auszusagen
und wiederhole nur das, worauf schon 1892 nachdrücklich von mir
hingewiesen wurde.
Wir stehen hier jedenfalls vor einem sonderbaren Faktum, und,
möge man zu dessen Erklärung die eine oder die andere Hypothese
geltend machen, behaupten will ich für meinen Teil bloß die Angabe,
daß solche Spirillenbefunde, soweit meine Erfahrungen sich erstrecken,
lediglich bei Cholerakranken Vorkommen. Allerdings darf ich, be-
sonders nach den während der kleineren Epidemie 1893 von mir ge-
sammelten Beobachtungen, nicht auch die Behauptung aufstellen, daß
diese Spirillenbefunde bei allen Cholerakranken Vorkommen. Ich habe
nämlich im Jahre 1893 den Darminhalt von nur über ein Dutzend
Fällen untersucht und bloß in der Minderzahl der letzteren die Spi-
rillen sehen können. Andererseits muß ich aber hinzufügen, daß auch
die Kommabacillen in Präparaten direkt aus Darminhalt nur selten
mit Sicherheit zu diagnostizieren waren und dann lediglich durch
die Koch’ sehe Peptonmethode schnell zum Vorschein zu bringen
waren. Für unsere Spirillen besitzen wir nun eben gar keine Kultur-
methode. Aus diesem Grunde sind wir nicht berechtigt, uns auch
darüber strikte auszusprechen, inwiefern dieselben mit den im Munde
(Spirochaete dentium) resp. mit ev. in normalen Fäces (nach
Escherich) nachzuweisenden Gebilden zu identifizieren seien.
Wir gelangen also zu folgenden Schlußsätzen:
1) Gleich Kowalski in Ungarn und Hamburg, Abel in Pom-
mern und nicht unwahrscheinlich Klein in England hat man schon
1892 im Kaukasus (und in Transkaspien) bei Cholerakranken eigen-
tümliche Spirillenfunde gemacht, die wenigstens mikroskopisch kaum
von denjenigen der eben genannten Autoren zu unterscheiden sind.
Im Gegensätze zu Abel hat man bloß hier diese Spirillen in Bouillon
nach Schottelius sich einige Tage lang erhalten sehen.
2) Die Spirillenbefunde während der Epidemie 1892 waren bei
uns sehr konstant (weniger im Jahre 1893) und kamen wohl nur
bei Cholerakranken vor.
3) Man hatte es hierbei jedenfalls nicht mit losgerissenen Geißeln
zu thun, sondern mit Mikroorganismen, deren Identifizierung — weil
Kulturversuche bisher erfolglos waren — der Zukunft Vorbehalten
bleibt. Aus demselben Grunde dürfte die Frage nach der Bedeutung
dieser Gebilde beim Choleraprozesse vielleicht nicht so ohne weiteres
zurückzusetzen sein. Immerhin handelt es sich um eine sehr merk-
würdige Erscheinung, die gerade bei der Cholera in so auffallender
Weise aufgetreten ist und noch gar keine plausible Erklärung er-
fahren hat.
Tiflis, im März 1894.
M. W. Beyerin ck, Ueber Thermotaxis bei Bacterium Zopfii.
799
Ueber Thermotaxis bei Bacterium Zopfii.
Von
31. W. Beyerinck.
Das Resum6 von Herrn Abel in Greifswald eines Vortrages
von den Herren Boyce und Evans1) über präsumierten Geotro-
pismus bei Bacterium Zopfii veranlaßt mich, Folgendes mitzu-
teilen :
Im Februar des Jahres 1888 isolierte Professor Wysman in
meinem Laboratorium Bacterium Zopfii aus einem Muster
„schwarzen Leims“, welches eingesandt war durch die Gelatinefabrik
zu Delft, um die Ursache der Färbung, welche eine Fabrikkalamität
war, festzustellen2). Als wir B. Zopfii auf Fleischpeptongelatine
kultivierten, bemerkten wir sofort das sonderbare federartige Wachs-
tum, welches Herr Abel nach den Untersuchungen der englischen
Forscher beschreibt. Zunächst war uns die .Ursache völlig uner-
klärlich und auch wir dachten an Geotropismus. Eine genauere
Forschung stellte jedoch heraus, daß es sich hier um eine außer-
ordentlich große Empfindlichkeit für Wärmedifferenzen
handelt. Das Wachstum wird dadurch derart beeinflußt, daß die
„Strahlen“ genau auf diejenigen Stellen, welche am wärmsten sind,
gerichtet sind und sich dorthin fortbewegen. Das Merkwürdige da-
bei ist, daß die aus den eigentümlichen Bakterienkonglomeraten und
-Bündeln bestehenden Strahlen in die Gelatine hineinwachsen, obschon
B. Zopfii dieselbe nicht verflüssigt. Durch richtiges Anbringen
von Wärmequellen kann man die Federstrahlrichtung innerhalb der
Gelatine willkürlich abändern. Das Hineindringen von B. Zopfii
in die Oeffn ungen des tierischen Körpers dürfte, nach meiner Ansicht,
auf ihrer Thermotaxis beruhen.
Seit dem Jahre 1888 habe ich das Bacterium in Reihenkulturen
fortgezüchtet und noch immer besitzt es seine erstaunliche Empfind-
lichkeit, wenn es auf Fleischwassergelatine gezüchtet wird.
Das Bacterium ist geeignet, um kleine, aber konstante Tem-
peraturdifferenzen, welche in einem Thermostaten herrschen, durch
seine Wachstumsrichtung genau nachzuweisen, indem es, wie ein
Bündel von Zeigefingern, die Stelle der höchsten Temperatur an-
deutet.
Delft, den 21. April 1894.
1) Dieses Centralblatt. Bd. XV. 1894. p. 568.
2) Man vergl. meinen Aufsatz : Lebensgeschichte einer Pigmentbakterie. (Botan.
Zeitung. Bd. 1891. p. 705.)
800 E. Perroncito, Ueber die Entwickelung der Taenia mediocanellata.
Ueber die Entwickelung der Taenia mediocanellata.
[Kgl. medizin. Akademie zu Turin. Sitzung vom 9. Februar 1894.]
Von
Prof. E. Perroncito
in
Turin.
Dieser Tage hatte ich Gelegenheit, eine wichtige Beobachtung
zu machen, welche, wenn sie einerseits zur Bestätigung dessen
dient, was ich bereits im Jahre 1877 *) und in meinem Buche über
die Parasiten 1 2) gesagt habe, andererseits neue Daten zur progres-
siven Entwickelung unserer Darmtänien bringt.
Es handelt sich um eine Dame, welche mit Taenia medio-
canellata behaftet war und am 6. Januar d. J. infolge ärztlicher
Verschreibung irgend ein Elektuarium und hierauf ein Infusum von
Kamala in Fenchelwasser und Cognac genommen hatte, wodurch sie
einige Meter eines nach ihrer Erklärung nach vorn hin sich ver-
jüngenden Str obilus entleerte. Es gelang jedoch nicht, auch den
Kopf abzutöten; dieser blieb vielmehr mit den kleineren Ringen im
Darm und erzeugte daselbst eine neue Portion von Taenia medio-
canellata. Als die Dame gewahr wurde, daß sie noch nicht ge-
heilt sei, wandte sie sich an einen anderen Arzt, welcher ihr ein
Bandwurmmittel nach meiner Formel verschrieb. Diesmal entleerte
sie den ganzen Parasiten in der Länge von 1,20 m, bestehend aus
etwa 490 sämtlich unreifen Gliedern. Die ersten 170 nach dem
Kopfe massen insgesamt 80 mm, die übrigen 1,12 m.
Wenn man nun annimmt, daß das erste Mal an dem den Kopf
tragenden Halbstück einige 60 Proglottiden von insgesamt kleinerer
Länge als 3 cm haften blieben, so hätten wir 420 Proglottiden, ent-
sprechend einer Länge von 117 cm, welche sich in beiläufig 32 Tagen
gebildet hatten, was einer täglichen Bildung von etwa 36V2 mm in
Länge oder einer Anzahl von rund 13 Proglottiden entsprechen
würde. Ich halte es für angezeigt, hier zu bemerken, daß ich im
Jahre 1877 nach genauen Beobachtungen ausgerechnet hatte, daß
eine reife Taenia mediocanellata von 69 Tagen einen mittleren
täglichen Zuwachs von 72 mm mit einer Bildung von Proglottiden
13,43 im Mittel und pro Tag aufwies.
Wenn man diese Beobachtungen mit jenen der letzten Tage
vergleicht, so hätte man die Bestätigung einer mittleren Entwicke-
lung von 13 und einem Bruchteil von Proglottiden pro Tag, sowohl
für die reife als für die unreife Taenia mediocanellata,
während für letztere die Zunahme an Größe (Länge) fast weniger
als die Hälfte wäre. Dies bewiese, was übrigens selbstverständlich
1) Esperimenti sulla produzione del cisticercus nelle carni dei bovini, e sullo
sviluppo della tenia mediocanellata. Torino 1877.
2) I parassiti dell’ uomo e degli animali utili. Milano 1882.
Einar Lönnberg, Ueber eine neue Tetrabothriumspecies etc.
801
ist, daß das Maximum des Längenwachstums und der allgemeinen
Entwickelung in dem zweiten Monate fällt, d. h. in den Zeitraum,
wo der Parasit seinen Organismus vollenden muß und zur Reife ge-
langt, so daß, während man im ersten Monate einen täglichen
mittleren Zuwachs von 3 cm Länge hat, im zweiten Monate eine
fortschreitende Länge von 14 cm pro Tag und eine entsprechende
und verhältnismässige Größenzunahme der Glieder beobachtet 1 ).
Ueber eine neue Tetrabothriumspecies und die Ver-
wandtschaftsverhältnisse der Ichthyotänien.
Von
Dr. Einar Lönnberg
in
Upsala.
Im November 1892 gelang es mir, im Darme eines Trionyx
ferox einige Cestoden zu finden, die einer kurzen Beschreibung wert
sein dürften. Das Wirttier hatte ich in Lake Apopka in Orange
County, Florida, gefangen, wo diese Schildkröte sehr zahlreich ist.
Ueber die Cestoden, die in Schildkröten schmarotzen, ist außerordent-
lich wenig bekannt und über diejenigen der Trionychiden , soviel
ich mich erinnern kann, gar nichts. Da die Lederschildkröten für
sich eine Gruppe altertümlicher Tiere vorstellen, war es natürlich
von Interesse, zu untersuchen, ob auch ihre Parasiten ursprünglicher
Gestalt sind oder nicht. Ich habe deshalb mit einer gewissen
Spannung die Untersuchung vorgenommen. In meinem Tagebuche
finde ich das Folgende aufgeschrieben: „Im Darme von einem Trionyx
nicht wenige Cestoden, meist junge Strobilen. Sie haben einen quer
abgestutzten Skolex mit vier rundlichen Sauggruben, kein Rostellum.
Bei den jüngeren ist der Skolex von der Strobila wie bei einem
Tetrabothrium wohl begrenzt, bei den älteren ist dies weniger der
Fall. Zwischenform zwischen Taenia und Tetra b othrium (? !).“
Auf den konservierten Exemplaren ist aber der Skolex immer
deutlich abgegrenzt und von flach kugelförmiger Gestalt. Die
Oeffnung der Bothrien ist vorwärts und seitlich gerichtet. Der
Durchmesser der vorderen Skolexfläche beträgt etwa x/2 mm. Die
Gliederung der Strobila ist deutlich, aber nicht besonders scharf
ausgeprägt. Die längsten Strobilen waren etwa 3 — 4 cm und ihre
größte Breite ein wenig mehr als 1 mm.
Da die Art sicher noch nicht beschrieben ist, schlage ich für
sie den Namen Tetrabothrium trionychinum vor.
Bezüglich des anatomischen Baues des Skolex finden wir sogleich,
daß die Bothrien in ihren Strukturverhältnissen denjenigen von
1) Die Veröffentlichung obiger Mitteilung ist leider in unliebsamer Weise ver-
zögert worden. Ked.
802
Einar Lönnberg,
(Tetrabothrium) D ipl ob o thrium affine Lönnberg1) recht
ähneln. Sie sind folglich vom umgebenden Gewebe wohl begrenzt
und die kräftigen Radialfasern, zwischen welchen man Kerne und
Zellen sieht, bilden ihre Hauptmasse. Es giebt aber auch andere
Muskeln wie Ringmuskeln in den Lippen und peripherische Fasern
an der Membrana limitaus u. s. w. Andere kräftige Muskel-
systeme durchkreuzen den Skolex und verbinden die Botbrien unter
sich und mit der Grenzmembran. Die Geschlechtsorgane dieser Art
ähneln denjenigen bei den von mir früher untersuchten Diplo-
bothrien (D. affine und simile). Die Zahl der querovalen Hoden-
bläschen ist sehr groß. Sie nehmen die Mitte der Proglottis ein.
Das Vas deferens ist wenigstens in späteren Stadien dicht zusammen-
geknäuelt. Der Cirrusbeutel ist ziemlich groß, aber dünnwandig.
Seine Gestalt ist beinahe cylindrisch, seine Lage transversal, nahe
dem Vorderrande der Proglottis. Die Geschlechtsöffnungen sind un-
regelmäßig alternierend. Der innere Teil des Penisrohres oder der
Ductus ejaculatorius ist im Ruhestadium zusammengeknäuelt und
recht dickwandig. Querschnitte durch dasselbe zeigen , daß seine
innere Fläche mit kleinen Stachelchen bekleidet ist, die jedoch nicht
auf allen Präparaten gleich gut sichtbar sind. Das Penisrohr ist
auch von kräftigen Rings- und Längsfasern und außerhalb dieser
von einer Zellenlage umgeben. Gegen die äußere Mündung erweitert
es sich sehr beträchtlich und füllt das Lumen des Beutels aus, so
daß es hier nicht gebogen sein kann. Seine Wand ist aber hier noch
besser entwickelt und es giebt außerdem eine peripherische Zellenlage.
Ich habe hier aber keine Stachelchen beobachtet. Die Vagina öffnet
sich vor dem Penis. Ihr erster Teil ist mit dem Cirrusbeutel parallel
und die Wand ist da innerhalb der Mündung mit kräftigen Rings-
muskeln versehen. Von da biegt sie nach hinten ab und läuft mit
zahlreichen, aber kurzen Windungen in der Mitte der Proglottis nach
dem Hinterende der Proglottis, wo sie hinter dem großen Ovarium
noch einige Windungen macht. Hier liegt auch eine nicht unbeträcht-
liche Schalendrüse und hier treten gleichfalls die Dottergänge zu.
Dagegen habe ich bei dieser Form den Pintner’schen „Schluck-
apparat“ an der Insertion der Vagina in das Ovarium nicht be-
obachten können. Die Dotterstöcke sind wie bei den übrigen Tetra-
bothriden follikulär2) und peripherisch.
Ich habe schon vorher die Frage aufgeworfen, ob diese Form
phylogenetisch alt ist. Es scheint mir, als ob diese Frage mit einem
„Ja“ beantwortet werden könnte, und ich glaube, daß sie zwei Gruppen
von Cestoden verbindet, die bisher als weit getrennt aufgeführt
wurden, ich meine die Ichthyotänien und die Tetrabothrien.
Von eigenen Untersuchungen war es mir schon längst klar, daß die
Ichthyotänien keine wahren Tänien darstellten. Die Untersuchungen
1) Vergl. Lönnberg, Anat. Stud. Skand. Cestod. II. (Kgl. Sv. Vet. Akad. Handl.
Bd. XXIV.)
2) Dies ist natürlich ein primäres Verhältnis, da es bei den Trematoden gleichwie
bei den einfacheren Cestoden wiedergefunden wird.
Ueber eine neue Tetrabotbriumspecies etc.
803
von Kraemer1) haben dies vollkommen bestätigt. In Wahrheit
haben die Fischtänien mit den anderen Tänien nicht viel mehr als
die Form der Sauggruben gemeinsam. Dagegen sind so viele andere
Merkmale da, die auf die Tetrabothrien hinzeigen, daß wir ohne
Bedenken die Fischtänien in die Familie der Tetrabothrien unter
dem Gattungsnamen Ichthyotaenia2) überführen können. Für
ein solches Verfahren sprechen sehr viele Thatsachen, aber vor allem
der Bau der Geschlechtsorgane. Bei Ichthyotaenia wie bei Tetra-
bothrium öffnet sich die Vagina neben und vor dem Cirrusbeutel,
die Organisation von diesem , wie die Windungen von jener ist in
beiden diesen Gattungen übereinstimmend. Die peripherische Lage
und die follikuläre Form der Dotterstöcke vereinigt gleichfalls die
erwähnten Genera sehr nahe und trennt sie von den verschiedenen
Gattungen der wahren Tänien. Daß die Proglottiden bei Ichthyo-
taenia und Tetrabothrium (wie auch bei den Tetrabothriden
im allgemeinen) nicht so scharf von einander getrennt sind, d. h.,
daß die Strobilation bei ihnen auswendig weniger ausgeprägt ist, im
Gegensatz zu dem Verhältnisse bei den Tänien, muß auch nicht
vergessen werden. Der große, stark entwickelte Skolex von Tetra-
bothrium war bis jetzt die einzige scharfe Grenze zwischen ihm
und der Ichthyotaenia. Hier aber vermittelt Tetrabothrium
trionychinum (vergl. oben!) den Uebergang um so mehr, weil
es in einem Süßwassertiere schmarotzt. Ich denke deshalb, daß
wir in dieser Weise die Abstammung der Ichthyotaenia ganz
klar haben. Diese Gattung repräsentiert in betreff des
Skolex degenerirte Tetrabothrien, die Süß wassertiere
bewohnen.
Als Typen dieser Gattung Ichthyotaenia können die folgenden
hervorgehoben werden:
I. filicollis Rudolphi,
I. ocellata Rudolphi,
I. longicollis Rudolphi,
I. torulosa Bätsch,
I. coryphicephala Monticelli3).
In der Zukunft werden aber wahrscheinlich viele andere Tänien
aus Knochenfischen dahin geführt werden, wenn ihre Anatomie voll-
ständiger bekannt wird.
Upsala, im April 1894.
1) Kraemer, Beiträge zur Anat. und Hist, der Cest. der Süßwasserfische. (Zeit-
schr. f. wiss. Zool. Bd. LHI. H. 4.)
2) Der Name Arhynchotaenia Diesing ist nicht gut, da es so viele ver-
schiedene Formen umfaßt, die jetzt mit verschiedenen Gattungsnamen belegt sind.
3) Notizie su di alcune specie di Taenia. (Boll. Soc. Nat. Napoli, 1891.)
804
Kurt M fil 1er,
Zusammenfassende Uebersicht.
Der jetzige Stand der Eiterungsfrage von bakterio-
logischem Standpunkte aus.
Von
Dr. Kurt Müller,
Assistenten der chirurgischen Klinik za Halle a. S.
(Schlafs.)
Wie haben wir uns nun diesen Wechsel in den Graden der Ent-
zündung ohne Hinzutreten einer Sekundärinfektion nach so wenigen
Tagen zu erklären? Die Entzündung, welche zunächst einen serösen
Charakter getragen hatte, war ohne Zweifel eine intensivere geworden
und hatte zur Eiterung geführt. Wir haben in diesem Falle uns
den Vorgang so vorzustellen, daß unter dem Einflüsse der Lebens-
äußerung der Bakterien, dadurch, daß die erzeugten Stoffwechsel-
produkte einerseits auf die Gewebszellen schädigend wirkten, anderer-
seits durch das Absterben von Keimen freigewordene Proteine (Büch-
ner) die Entzündung steigerten, die Gewebe in einen solchen Zustand
versetzt wurden, daß sie jetzt auf den gleichen Reiz mit einer viel
stärkeren Reaktion antworteten, als vorher. Während in solchen
Fällen der Grund für die verschiedenartigen Formender
Entzündung klar auf der Hand liegt, entzieht er sich in anderen
unserer Beobachtung. Zweifellos ist eine solche durch die Keime
selbst geschaffene Disposition, wie einzelne Autoren wollen, nicht
notwendig. Jordan legt mit Recht großen Nachdruck auf die
Versuche Büdinger’s, welcher mit Staphylokokken bei Versuchs-
tieren nur eine geringe Wirkung erzielen, an seinem eigenen Arme
dagegen mit derselben Kultur eine schwere Furunkulose erzeugen
konnte. Hier konnte, wie Jordan bemerkt, von einer Vorbereitung
der Gewebe durch chemische Stoffwechselprodukte kaum die Rede
sein; hier hatten vielmehr ohne Mitwirkung prädis-
ponierender Momente sehr kleine Mengen von Kokken
zur Erzeugung von Eiterung genügt Trotzdem aber müssen
wir bei der verschiedenen Wirkung ein und derselben Kultur den
letzten Grund der Wirkung in den Geweben suchen, ein Grund, der
sich bei der komplizierten Zusammensetzung des tierischen Organismus
wohl auch noch für lange Zeit unserer Beobachtung entziehen wird.
Daß natürlich neben der Spezifität der Gewebe auch ver-
mehrte oder verminderte Virulenz der Erreger in
Frage kommt, ist eine so viel besprochene Frage, daß ich sie hier
nur zu erwähnen brauche ; daß sie aber allein zur Erklärung der That-
sache, warum Krankheitserreger einmal so, das andere Mal so wirken,
nicht ausreicht, das geht aus den angeführten Beispielen hervor:
die Spezifität der Gewebe ist ein zum mindesten ebenso
wichtiger Faktor. Viel weniger wichtig ist ohne Zweifel die Frage
nach der Menge der Infektionserreger; bei einem disponierten Ge-
Der jetzige Stand der Eiterungsfrage von bakteriologischem Standpunkte aus. 805
webe genügen jedenfalls schon sehr geringe Dosen, um Krankheit
hervorzubringen.
Eine ähnliche Beobachtung als die eben angeführte ist die
folgende. Ein 16-jähriger Knabe war vor einigen Tagen an einer
Osteomyelitis erkrankt und kam hochfiebernd mit einer mächtigen
Anschwellung des linken Oberschenkels, der die Zeichen der akuten
Entzündung bot, in die Klinik. Wegen des desolaten Zustandes
mußte zunächst von jeder größeren Operation abgesehen und konnte
nur durch einen dicken Troikart eine große Menge typischen osteo-
myelitischen Eiters entleert werden. Nach zwei Tagen hatte er
sich so weit erholt, daß ein größerer Eingriff gewagt werden
konnte. Es wurde an der Außenseite des Oberschenkels, ober-
halb des Kniegelenks beginnend, durch einen etwa 20 cm langen
Schnitt der Knochen freigelegt. Das Periost war durch einen
schwappenden Abscess in seiner ganzen Ausdehnung bis oben an das
Hüftgelenk hin rings herum vom Knochen abgelöst, der frei in der
Eiterhöhle lag. Man mußte sich darauf beschränken, die Mark-
höhle oberhalb der unteren Epiphyse nur wenig zu eröffnen, und
fand das Knochenmark vereitert. Nach Anlegung einer Kontra-
incision an der inneren Seite des oberen Drittels des Oberschenkels
wurde drainiert und tamponiert. Das Fieber fiel zunächst ab ;
schon am folgenden Tage stieg es wieder über 40, und eine ge-
ringe Rötung und Spannung deutete auf ein Ergriffensein des Knie-
gelenks. Am folgenden Tage war der Erguß noch deutlicher nach-
zuweisen und die entzündlichen Erscheinungen noch ausgesprochnere.
Da man eine Vereiterung des Kniegelenkes anDehmen mußte, so wurde
nach gründlicher Desinfektion punktiert. Es entleerte sich jedoch
nur ein seröser Erguß, von dem sofort etwas in verflüssigten
Agar verteilt und nach Anfertigung dreier Verdünnungen zu Platten
ausgegossen wurde. Zur Kontrolle wurden drei solcher Versuche
unternommen, so daß 3 Originalplatten und 9 Verdünnungen existierten.
Die Platten wurden bei 37 0 gehalten und zeigten nach 36 Stunden
deutliche und schön entwickelte Kolonieen des Staphylococcus
aureus, wie durch Kontrollversuche in Gelatine und durch Färbe-
methoden festgestellt wurde. Steril blieben nur einige der letzten
Verdünnungen, während auf den Originalplatten sehr zahlreiche, aber
noch zählbare Kolonieen vorhanden waren. Es hatten dieselben
Staphylokken demgemäß im Knochenmarke eine eiterige, im Kniegelenke
hingegen eine seröse Entzündung erzeugt. Da bei dem Kranken
zwei Tage nach seiner Aufnahme kulturell im Blute der Finger
Staphylokokken nachgewiesen werden konnten, ein Befund, der bereits
am folgenden Tage nicht mehr erhoben werden konnte, so ist anzu-
nehmen, daß durch den Uebergang der Staphylokokken ins Blut die-
selben in dem erkrankten Kniegelenke aus ihm abgelagert wurden, daß
es sich also um eine Blutinfektion handelt, um denselben Weg also,
auf dem auch die Metastasen in anderen Knochen bei der akuten
Osteomyelitis erzeugt werden.
Sowohl von den Staphylokokkenkulturen aus dem eiterigen Er-
güsse im Knochen, als auch von denen aus dem Kniegelenke wurden
je 1 ccm einer 36-stündigen Bouillonkultur (bei 37°) je einem
XV. Bd. 51
806
Kurt Müller,
Kaninchen intramuskulös eingespritzt. Beide Tiere waren weiß, aus-
gewachsen und waren ungefähr gleich groß und gleich schwer: beide
überstanden die Impfung, ohne daß sie Krankheitserscheinungen ge-
zeigt hätten; auch ein Absceß an der Impfstelle trat nicht auf; mit
anderen Worten, auch die Staphylokokken des eitrigen Ergusses
waren nicht imstande, schwerere Erscheinungen zu machen, als die
des serösen, eine Beobachtung, welche die Bedeutung der Körper-
gewebe für das Zustandekommen der Infektion so recht in klares
Licht setzen kann. Während das Kniegelenk auch im Verlaufe der
späteren Wochen von Eiter frei blieb, traten bei dem Kranken nach-
einander eine große Zahl von Metastasen ein; bei allen fand sich
Eiter, in dem die Staphylokokken massenhaft vorhanden waren.
So entstand ein Herd an der hinteren Seite des Sternums, ein anderer
im rechen Humerus und endlich eine große Zahl von Weichteil-
abscessen an den verschiedensten Körperstellen. Besondere Prädi-
lektion zeigten die Stellen, welche für gewöhnlich dem Decubitus
ausgesetzt sind. Trotzdem Patient in Watte gehüllt auf einem Wasser-
kissen lag, entwickelten sich nacheinander zahlreiche Dekubitalabscesse
an den gedrückten Stellen, ohne daß die Haut perforiert wäre. Also
die Stellen, welche infolge des Druckes eine behinderte Cirkulation
hatten, wurden im Laufe der Krankheit wieder vorzugsweise befallen,
eine Beobachtung, wie man sie bei septischen Kranken oft genug
machen kann.
Eine außerordentlich interessante Arbeit ist in derselben Hin-
sicht die von Schrank1). Derselbe beschreibt einen Fall von sog.
Periostitis albuminosa, wo sich zwischen Periost und Knochen ein
seröses Exsudat, in dem Knochenmarke dagegen ein eiteriges fand ;
in beiden so verschiedenartigen Exsudaten ließen sich aber dieselben
Organismen nachweisen, Staphylokokken und Strepto-
kokken.
„Wir kämen demnach zu dem überraschenden Resultate“, sagt
Verf., „eine im Blute kreisende Noxe, welche für gewöhnlich nur
eiterige Entzündungen hervorzurufen pflegt, hat in diesem Falle
einen eiterigen Prozeß im Knochen hervorgerufen, hat, wie das ja
meist der Fall ist, auf das Periost übergegriffen, daselbst aber eine
seröse Entzündung bewirkt.“
Das „überraschende Resultat“ ist nichts anderes, als die Folge
der Spezifität der Gewebe. Das bedeutend mehr zu Eiterungsprozessen
disponierte Knochenmark erkrankt schwerer, als das bedeutend
widerstandsfähigere Periost.
Um endlich noch ein Beispiel für die große Bedeutung der
Spezifität der Gewebe anzuführen, möchte ich auf Experimentalunter-
suchungen hinweisen, welche ich zur Klärung dieser Frage für den
Milzbrand an Ratten vornahm.
Ratten, welche in ihrer Jugend außerordentlich für die
Anthraximpfung empfänglich sind, werden mit zunehmendem Alter
resistenter. Bei Erwachsenen zeigt sich dann die merkwürdige
1) Schrank, Zwei Fälle von „Periostitis albuminosa“ Ollier. [Aus dem
St. Joseph-Hospital zu Wiesbaden.] (La n g e nb ec k ’s Archiv. 1893. Bd. LXVI. No. 4.)
Der jetzige Stand der Eiternngsfrage von bakteriologischem Standpunkte aus. 807
Thatsache, daß alle die Tiere, welche eine dunkle Hautfarbe
haben, bedeutend größere Dosen vertragen, als alle die mit heller
Haut. Erliegen sie der Impfung, so spricht sich dieser verschiedene
Resistenzgrad sogar in dem Sektionsbefunde aus, der so different ist,
daß er zur Aufstellung zweier Typen, des Milzbrandes der dunklen
und des Milzbrandes der hellen Rasse berechtigt. Es besteht also
eine völlige Rassendifferenz, die ja, um ein grobes Beispiel anzuführen,
auch bei dem Menschengeschlechte vorhanden ist. Die weiße Rasse
ist bedeutend empfänglicher für Malaria, als die dunkle, wenn natür-
lich auch zur Erklärung dieser Thatsache eine ganze Zahl anderer
Punkte mitsprechen. Aber noch mehr tritt die Bedeutung des
tierischen Gewebes für das Zustandekommen der Infektion in den
Vordergrund, wenn es gelingt, durch bestimmte chemische Mittel
den Körper zu beeinflussen. Solche Versuche hat unter anderen
Fodor gemacht, der sich bemühte, durch Sodalösung die Blut-
alkalität und damit die Resistenz zu erhöhen.
Ich versuchte der Lösung dieser Frage auf einem anderen Wege
entgegen zutreten. Schon Fes er hatte Ratten, die ausschließlich mit
Fleisch gefüttert waren, resistenter gegen Milzbrand gefunden, eine
Beobachtung, die ich durch eine größere Reihe von Experimenten
völlig bestätigen konnte. Indem ich nun, von der Ansicht ausgehend,
daß für die Erhöhung der Resistenz durch Fleischfütterung zweierlei
in Frage kommen könne, einmal die Zufuhr der Fleischeiweiß-
stoffen und dann die von Fleischsalzen, behandelte ich Tiere
mit Fleischextraktlösungen bestimmter Konzentration und
konnte auch so ihre Resistenz zum Teil ganz beträchtlich erhöhen.
Es hatte also die bestimmte Ernährung und Beeinflussung des
Rattenorganismus mit den Fleischsalzen diesen so verändert, daß er
nun resistenter wurde.
Es würde mich zu weit führen, wollte ich noch mehr Beispiele
von der Bedeutung des tierischen Organismus für das Zustande-
kommen von Infektionen anführen; sie genügen völlig, um zu be-
weisen, daß wir von ausschließlich pyogenen Kokken nicht
sprechen können; Staphylokokken und Streptokokken sind vielmehr
nur Organismen, welche mit bedeutenden pyogenen Eigen-
schaften begabt, in der Mehrzahl ihrer Wirkungen pyogen
werden. Sie stellen unter allen phlogogenen Organismen die
dar, denen diese Eigenschaft für gewöhnlich im
stärksten Grade zukommt.
Betrachten wir nunmehr die Pilze, welche man bisher bei Eite-
rungen nachgewiesen hat und denen damit gleichfalls unter Umständen
pyogene Eigenschaften zukommen. In seiner sorgfältigen Zusammen-
stellung hat Jordan außer den Staphylococci aureus, albus,
citreus und dem S t r ep to coccus pyogenes den Staphylo-
coccus cereus albus (Passet), den Streptococcus cereus
flavus (Passet), den Micrococcus pyogenes tenuis
(Rosenbach), den Micrococcus tetragenus (Gaffky), den
Pneumococcus Fränkel-W eichselbaum, den Bacillus
pyogenes foetidus (Passet), den Typhusbacillus, das
51*
808
Kurt Müller,
Bacterium coli commune und den Bacillus pyocyaneus
als unter Umständen Eiterung erregende Mikroorganismen aufgeführt.
Ich bin der Ansicht, daß man noch einige Mikroorganismen hier
aufzählen muß, denen hohe phlogogene uud unter Umständen
pyogene Eigenschaften zukommen, nämlich den Tuberkel-
bacillus, den Gonococcus und den Strahlenpilz. Auch
dem Leprabacillus sind von verschiedener Seite eitererregende
Fähigkeiten zugesprochen.
Um zunächst mit dem Tuberkelbacillus zu beginnen, so
hat zuerst Garre1) nachgewiesen, daß ohne Hinzutreten sogenannter
Eiterkokken durch ihn im Knochensysteme Eiterung hervorgerufen
werden kann, die chronische tuberkulöse Osteomyelitis.
Auch für kalte Weichteil- oder Drüsenabscesse gelang ihn der-
selbe Nachweis durch das Tierexperiment .stets, seltener mikro-
skopisch.
Diese Beobachtungen sind später von Hoffa, Steinhaus,
Krause und Anderen bestätigt, von de Ruyter und Roth ange-
zweifelt worden. Die Ansichten der letzten Autoren wurden jedoch
durch Ta vel2) ausführlich widerlegt, so daß heute an der Richtig-
keit der Auffassung Garre’s nicht gezweifelt werden kann, selbst
wenn eine Autorität wie Billroth3) sich noch kurz vor seinem
Tode dagegen ausgesprochen hat. Er sieht die Eiterung bei Tuber-
kulose stets als ein Accidens an; bei tuberkulöser Meningitis,
Pleuritis, Peritonitis und Synovitis findet sich, bemerkt er,
fast stets ein seröses Exsudat; aber auch im Anschlüsse an
tuberkulöse Knochenerkrankungen, so bei Coxitis, bei Wirbel-
und Beckenkaries, beobachtet man, allerdings seltener, seröse
Ergüsse, welche wohl deshalb vielfach übersehen werden, weil man
sie als kalte Abscesse deutet.
Wenn auch die reiche Erfahrung Billroth’s die höchste Be-
achtung verdient, so ist nach den Befunden oben genannter Autoren,
nach ihren exakten Versuchen, die Ansicht nicht mehr recht halt-
bar. Auch der Punkt, daß man mit fast absoluter Sicherheit in den
als kalte Abscesse gedeuteten Geschwülsten Eiter findet, spricht mit
einiger Wahrscheinlichkeit gegen eine solche Auffassung. In der
hiesigen chirurgischen Klinik hatte ich vielfach Gelegenheit, besonders
aus tuberkulösen Knochenherden durch Punktion anläßlich folgen-
der Jodoformglycerininjektion entleerten Eiter bakteriologisch zu
untersuchen; indem ich die Frage der Anwesenheit von Tuberkel-
bacillen in ihm als gelöst ansah, beschränkte ich mich darauf, den-
selben in Glycerinagar auf Platten zu verteilen und bei Körper-
temperatur zu halten ; auf diese Weise erhielt ich in jedem der etwa
25 untersuchten Fälle weder Kulturen von Eiterkokken, noch von
1) Garrfe, Zur Aetiologie der kalten Abscesse: Drüseneiterung, Weichteil- und
Knochenabscesse (Senkungsabscesse) und der tuberkulösen Gelenkeiterungen. (Deutsche
medizinische Wochenschrift. 1886. No. 34.)
2) Festschrift zum 25-jährigen Doktor- und Doc.- Jubiläum von Theodor
Kocher. Wiesbaden (J. T. Bergmann) 1891.
3) Billroth, Th., Erlebtes und Gedachtes über Entzündung und Eiterung
(Wiener klinische Wochenschrift. 1893. No. 1 und 2.)
Der jetzige Stand der Eiterungsfrage von bakteriologischem Standpunkte aus. 809
Tuberkelbacillen, die Platten blieben steril. Daß Tuberkelbacillen
nicht aufkeimten, kann bei der geringen Zahl der im Eiter ent-
haltenen Keime und ihrer Modifikation als Sporen (Gar re) bei der
Kleinheit der verwendeten Dosen (Platinöse von 1 mm Durchmesser)
nicht wunder nehmen.
Demgemäß müssen wir wohl zweifellos den Tuberkelbacillus
zu den unter Umständen e i t er er reg e n den Pilzen rechnen,
die Ausführungen Billroth’s können nichts anderes als die Be-
deutung der Gewebe für das Zustandekommen der Intensität der
Krankheitsprozesse beweisen. Dieselbe Anschauung, daß dem
Tuberkelbacillus unter Umständen eitererregende Wirkungen
zukommen, vertreten unter anderen auch Leyden1) und A.
Fraenkel1). Leyden betont dort, daß es eine alte klinische
Erfahrung sei, daß Tuberkulöse außerordentlich wenig zu anderen
Infektionen, namentlich zu Eiterungsprozessen neigen. Die Empyeme,
welche man bei Tuberkulose findet, enthalten in der Regel gar keine
Mikroorganismen; wenigstens lassen sich, wie Ehrlich zeigte, nur
mit großer Sorgfalt schließlich einige Tuberkelbacillen nachweisen.
Ein weiteres Beispiel für die eiterer regende Fähigkeit des Tuberkel-
bacillus ist, wie A. Fraenkel anführt, die käsige Pneu-
monie. A. Fraenkel stellt geradezu den Satz auf, daß er
Empyeme, in denen Mikroorganismen nicht zu finden sind, als tuber-
kulöse ansieht, eine Anschauung, der sich im wesentlichen Leyden
auch anschließt.
Eine andere Frage ist es, ob man nicht die tuberkulösen Eite-
rungen, wie es Klemm2) neuerdings für die typhösen gethan hat,
als Produkte rein regressiver Gewebsmetamorphose auf-
fassen und demgemäß aus dem Kapitel der Entzündungen ausscheiden
soll. Es ist dazu nötig, uns über den Begriff und über das Wesen
der Entzündung, besonders über die Grenzbestimmung gegen die
regressive Metamorphose gegen die Nekrose, klar zu werden.
Ein seit alter Zeit her stammender Ausdruck nennt den Inhalt
der bei der Tuberkulose auftretenden fluktuierenden Geschwülste,
„Eiter“ und diese selbst kalte Abscesse. Aeußerlich unterscheidet
sich in der That dies Exsudat nicht wesentlich von Eiter, der auf
andere Weise entstand und in anderen Abscessen gefunden wurde.
Erst bei genauerer Betrachtung erweist sich der tuberkulöse Eiter
meist flüssiger als der phlegmonöse; beim Stehen setzt sich eine
kleine getrübte und eine mächtige, oft drei und mehrmals stärkere
seröse Schicht ab ; doch kommt auch tuberkulöser Eiter vor, der sich
ohne weiteres infolge seiner dicken rahmigen Beschaffenheit kaum
von phlegmonösem unterscheiden läßt.
Mikroskopisch zeichnet sich der phlegmonöse Eiter außer
Anwesenheit von Eiterpilzen durch dicht nebeneinanderliegende, gut
erhaltene Eiterkörperchen und geringe Detritusmassen aus;
im tuberkulösen Eiter sieht man überall das Bild regressiver
1) Deutsche med. Wochenschrift. 1893. No. 57. p. 898.
2) Klemm, Die Knochenerkrankungen im Typhus. (Archiv für klinische Medizin.
Bd. XLVI. 1893. No. 4.)
810
Kart Müller,
Metamorphose, Detritus in großen Mengen, massenhaft fettig
degenerierende Eiterzellen, nur selten eine gut erhaltene,
und zahllose, von undefinierbaren Protoplasmasäumen und Fetttropfen
umgebene, gerade noch färbbare Kerne. Während bei dem phleg-
monösen Eiter also die ausgewanderten weißen Blutkörperchen der
wesentliche Teil sind, ist der tuberkulöse Eiter, zum größten Teil
aus nekrotischen Gewebsfetzen in größerer oder geringerer regressiver
Metamorphose befindlich, gebildet, denen nur eine geringere Menge
von Eiterzellen beigemischt sind.
Die pyogenen Eigenschaften des Tuberkelbacillus
sind also entschieden nur geringe, bedeutend stärker sind seine
nekrotisierenden. Trotzdem aber glaube ich, können wir einer-
seits dem Tuberkelbacillus die phlogogenen und pyogenen Eigen-
schaften nicht absprechen, andererseits sind wir aber auch nicht be-
rechtigt, ohne weiteres alle nekrotisierenden Prozesse aus dem Kapitel
der Entzündungen zu streichen.
Um auf den ersten Punkt zunächst zu kommen, so ist es ja be-
kannt, daß die gelösten Stoffwechselprodukte des Tuberkelbacillus
außerordentlich hohe Grade entzündlicher Erscheinungen erzeugen
können; auch bei einzelnen klinischen Formen der Tuberkulose be-
merkt man ausgesprochenere entzündliche Erscheinungen; es treten
solche heftigere entzündliche Erscheinungen z. B. besonders gern bei
der auch sonst prognostisch ungünstigen Tuberkulose des Atlanto-
occipital-Gelenks auf; die Erscheinungen sind infolge der Lokalisation
dort oft so stürmische, daß leicht eine akute Osteomyelitis vorgetäuscht
werden kann.
Dem Tuberkelbacillus kommen also in der That phlogogene
Eigenschaften zu; andererseits ist aber, und damit komme ich auf
den zweiten Punkt, die Entzündung nicht absolut von der
Nekrose zu trennen. Es giebt Entzündungen, welche ihren
Ausgang in Nekrose finden ; besonders die parenchymatösen Ent-
zündungen innerer Organe, z. B. die der Leber- und Nierenepithelien,
gehen oft in Nekrose aus ; auch solche von Muskelfasern zeigen regres-
sive Vorgänge, indem sie in Verfettung übergehen.
Obwohl wir uns zwar bewußt sein müssen, daß der Tuberkel-
bacillus typische Eiterung nicht erzeugt, so ist es doch ein Punkt,
welcher uns berechtigt, ihn zu den phlogogenen und ev. pyogenen
Mikroorganismen zu rechnen, nämlich die Eigentümlichkeit, daß er
imstande ist, eine fortgesetzt in die Umgebung fort-
schreitende Auflösung der Umgebung zustande zu bringen,
eine Eigenschaft, durch die sich gerade auch die klinischen Bilder
der akuten Entzündung und Eiterung auszeichnen.
Diese Eigenschaft aber, infolge ihres Wachstums einen stets fort-
schreitenden Prozeß zu erzeugen, kommt nun gerade den Bakterien
zu. Während z. B. bei Behandlung eines lebenden Gewebes mit
konzentrierten Säuren eine Nekrose zustande kommt, welche sich
da begrenzt, wo die Einwirkung aufhörte oder nicht mehr intensiv
genug war, also nur ein cirkumskripter Prozeß, geht bei jeder durch
Bakterieninvasion hervorgerufeneu Nekrose der Prozeß so lange
weiter, als Stoffwechselprodukte gebildet werden,
Der jetzige Stand der Eiterungsfrage von bakteriologischem Standpunkte aus. gl J
d. h. als lebende Keime vorhanden sind. Wir sehen also einen ganz
•wesentlichen Unterschied in diesen beiden Formen der Nekrose. Da
nun ferner die Loslösung der Nekrosen stets nur unter Beteiligung
von Leukocyten vor sich geht, deren Ansammlung mit der
Länge und der Schwere des Prozesses fortgesetzt zu-
nimmt, so wird das Bild makroskopisch dem der Eiterung um so
identischer und mikroskopisch wenigstens um so ähnlicher, je inten-
siver und je weiter in die Umgebung die Nekrose fortschreitet, Vor-
gänge, die sich ausgesprochen nur bei bakteritischen Infektionen finden.
Klinisch sind es aber dieselben Symptome und Folgen,
welche beide Prozesse haben, so daß die Kliniker zwischen pro-
gredienten Nekrosen undEiterungen überhaupt nicht
scheiden. Die Gefahr beider Prozesse liegt in dem Verbrauch
der Körpersubstanz einerseits durch das Fieber, andererseits in
der Schwächung des Organismus durch den Säfteverlust.
Nach diesen Gesichtspunkten möchte ich es nicht empfehlen,
wie Klemm es will, die progredienten bakteritischen Ne-
krosen von der Eiterung abzutrennen und dadurch den an
und für sich schon nicht klaren Begriff „Eiterung“ noch mehr zu
verwirren. Wir können und müssen alle progredienten
Nekrosen zu den Eiterungsprozessen rechnen, mit
denen sie die klinischen Symptome und das makroskopische Aus-
sehen, aber auch zahlreiche mikroskopische Einzelheiten gemeinsam
haben.
Nun käme der Gonococcus zur Besprechung, dessen wirklich
eitererregende Fähigkeiten nicht zu leugnen und nie bestritten sind.
Die Blennorrhoe, wodurch sie auch erzeugt sein mag — ich kann
hier nicht näher auf die noch nicht genauer bestätigten bakterio-
logischen Befunde, welche meist Diplokokken betreffen, eingehen —
und die Gonorrhöe scheiden sich von den sonstigen akut oder
chronisch eiterigen Prozessen durch ihre Lokalisation auf der Schleim-
haut. Entweder ist dabei die Schleimhaut selbst gar nicht
verändert und es handelt sich nur um eine dauernde Eitersekretion
(chronische Form), oder die geschwollene Schleimhaut ist mehr
oder weniger mit Leukocyten durchsetzt (akute oder sub-
akute Form). Was diese Art der Entzündungen wesentlich von
den sonstigen trennt, ist das Fehlen von Gewebszerstörungen,
ohne welche Eiterungen in anderen Geweben nicht vor sich gehen.
Jedenfalls sind also die blennorrhoischen Eiterungen in ein eigenes
Kapitel einzureihen. Daß die Gonokokken aber auch echte Eiterungen
erzeugen können, beweisen die Gelenkergüsse und die erst in
der letzten Zeit mitgeteilten Befunde von Leyden, der sie wie
Councilman1) in Encocard fand, Beobachtungen, die allerdings
nicht als ganz einwandsfrei anzusehen sind, da der kulturelle Nach-
weis fehlt. In einwandsfreier Weise sind sie aber von Horwitz2)
1) Councilman, Arthritis and Peri- u. Myoearditis. (Associatiou of American Phy-
sicians. Eighth annual meeting held at Washington, May 30, 31, and June 1, 1893.
— Medical News. 10. VI. 93. LXII. No. 23. Whole No. 1065. p. 630.)
2) Horwitz, Ein Beitrag für Gonokokkenmetastase. (Wiener klin. Wochenschrift.
1894. Nr. 4.)
812
Kurt Müller,
in einem Abscesse auf dem Dorsum des linken Mittelfingers nach-
gewiesen worden.
Der Strahlenpilz, Actinomyces, wird nicht so selten heut-
zutage als Ursache chronischer Eiterungen aufgefunden, seit man sich
gewöhnt hat, mehr auf die kleinen charakteristischen gelben Körnchen
zu achten, als es früher geschah. Daß er allein imstande ist, eine
oft kolossale Eiterung und Zerstörung ohne Beihilfe pyogener Mikro-
organismen zu erzeugen, ist eine sicher bewiesene Thatsache. Gegen
eine solche Mithilfe spricht allein schon in der Mehrzahl der Fälle
die Temperaturkurve. Da eine große Zahl von Aktinomykosen von
hohlen Zähnen und vom Darme ihren Ausgang nehmen, so kann es
nicht wunder nehmen, daß man den aktinomykotischen Eiter in
solchen Fällen von einer kleineren oder größeren Zahl indifferenter
Keime verunreinigt findet. Andererseits giebt es aber eine ganze
Zahl von aktinomykotischen Abscessen, in deren Inhalt man nur den
Strahlenpilz und nichts anderes findet. Wenn vielleicht dem Strahlen-
pilze auch nur geringe pyogene Eigenschaften zukoramen, so hat er
eine ausgesprochene Neigung, einmal erzeugte Eiterung zu
unterhalten; dafür spricht, daß aktinomykotische Herde, wenn sie
nicht eröffnet werden, so gut wie nie heilen, daß dagegen ausgiebig ge-
spaltene eine verhältnismäßig energische Tendenz zur Verheilung zeigen.
Es liegt dies wohl daran, daß der Strahlenpilz die Granulations-
bildung augenscheinlich mächtig anzuregen imstande ist; denn
stets findet man die aktinomykotischen Rasen von einem granulations-
artigen Gewebe umgeben. Die Frage, ob der Actino myces selbst,
ohne Beihilfe anderer, Eiterung zu erregen imstande ist, laßt sich
nur durch den Tierversuch entscheiden, ein Punkt, über den trotz
der Untersuchungen von Israel und Wolff Klarheit noch nicht
herrscht. Bei der menschlichen Aktinomykose hat man stets das zu
berücksichtigen, daß die Infektion meist keine reine war; möglicher-
weise konnten bei derselben Eitererreger mit hineingelangt und erst
später in dem Eiter untergegangen sein. Nur die Impfung mit der
Reinkultur kann diese Frage klären. Daß aber immerhin dem Acti-
nomyces allein pyogene Eigenschaften zukommen müssen, das be-
weist, wie schon bemerkt, der oftmals bei kolossalen Eiterungen
ganz fieberlose Verlauf.
Es bliebe hier noch zu erwähnen, daß als ein immerhin den
menschlichen Körper nur selten angreifender, Eiterung erregender
Pilz, der den Rotz erzeugende, angesehen werden muß.
Kürzer kann ich mich mit der Besprechung der bereits von
Jordan als Eitererreger gewürdigten Pilze des Pneumococcus,
des Bacterium coli commune, des Bacillus pyocyaneus
und des Typhusbacillus, um nur die gewöhnlichsten herauszu-
greifen, fassen. Er hat die Litteratur der Fälle so genau zusammen-
gestellt, daß es nur nötig ist, auf seine Zusammenstellung zu ver-
weisen.
Für das Bacterium coli liegen bereits sehr zahlreiche Beob-
achtungen vor, welche seine pyogenen Fähigkeiten bestätigen; den
Typhusbacillus fand neuestens, um Jordan’ s Statistik zu ver-
Der jetzige Stand der Eiterungsfrage von bakteriologischem Standpunkte aus. 8l3
vollständigen, Guarnieri1) in dem Eiter eines Gallenblasen-
empyems infolge SteinbilduDg und Weintraud2) in einem im An-
schlüsse an Typhus aufgetretenen Empyem. Letzterer Autor spricht seine
Meinung dahin aus, daß der Typhusbacillus unter die eitererregenden
Pilze zu rechnen sei.
Zampetti glaubt dem Typhusbacillus gleichfalls pyogene
Eigenschalten zuschreiben zu müssen, die, wie schon bemerkt, sich
besonders auch bei den mehrfach als Osteomyelitis beschriebenen,
durch ihn erzeugten Periostitiden kundgiebt. Besonders sorgfältige
Angaben haben über die durch diesen Pilz verursachte Eiterung
Vidal und C h a n tem es s e gemacht3). Nach ihnen existieren etwa
40 Beobachtungen über spezifisch typhöse Eiterungen. Dieselben
erscheinen mit Vorliebe am Ende der typhösen Erkrankung und bevor-
zugen das Knochengewebe, dann die serösen Häute. Von besonderem
Interesse ist es, daß sie in 14 Beobachtungen, welche spezifisch
typhöse Erkrankungen des Knochensystems betrafen, n i e eine wahre
Osteomyelitis sahen , wie sie einzelne Autoren und neuerdings auch
Klemm beschreiben; alle von ihnen beobachteten Prozesse betrafen
die Corticalis; es handelte sich um Periostitiden, ein Punkt,
auf den ich mehrfach 4) aufmerksam gemacht habe.
Für den Diplococcus pneumoniae (Fraenkel) liegen
schon so zahlreiche Beobachtungen vor, daß es kaum nötig ist, aus
der letzten Zeit solche von Zenker5), Tuffier6), Bacchiocchi7),
und Anderen anzuführen.
Schließlich sind endlich einige nicht näher definierte
Pilze in eitrigen Ergüssen beschrieben worden, welche mangels einer
Bestimmbarkeit hier nicht berücksichtigt werden können. Bald sind
es Kokken, bald Stäbchen, welche einzeln oder in ihren charakte-
ristischen Lagen zu einander als Diplo- und Streptoformen diese
Prozesse erzeugen und die sich von den bekannten Formen der Mikro-
organismen mehr oder weniger wesentlich unterscheiden.
Außer diesen bei Menschen beobachteten Eitererregern könnte
ich schließlich noch mehrere aus der Tierpathologie anführen. Um
nicht zu weit abzuschweifen, sei es mir nur gestattet, zu erwähnen,
daß solche Pilze unter Umständen auch beim Menschen beobachtet
sind. Hierher gehört z. B. die Mitteilung von Hauser8), der
Proteus vulgaris aus jauchigen phlegmonösen Eiterungen
züchtete. Diese am Lebenden gewonnenen Resultate stehen immerhin
vereinzelt da, während wir gerade diesen Pilz als einen schon sehr
1) Rivista generale italiana di clinica med. 1892.
2) Weintraud, Ein Fall von Typhusempyem. (Berliner klinische Wochen-
schrift 1893. No. 15.)
3) SocietS medicale des bopitaux. Sitzung 24. XI. 1893.
4) cf. I. c. und Centralblatt für Bakteriologie. 1894.
5) Zenker, K. , Beitrag zur Lehre von der Abscedierung der fibrinösen Pleuro-
pneumonie. (Deutsches Archiv für klinische Medizin. Bd. L. p. 531.)
6) Tuffier, Perinephrite ä pneumococques. (Le Bulletin med. 1892. No. 39.)
7) Bacchiocchi, Di un caso di setticemia acuta dovuta al pneumococco di
Fraenkel. (Sperimentale. 1893. No. 16 u. 17.)
8) Hauser, G. , Ueber das Vorkommen von Proteus vulgaris bei einer jauchigen
phlegmonösen Eiterung. (Münchener med. Wochenschrift. 1892. No. 7.)
814
Kurt Müller, Der jetzige Stand der Eiterungsfrage etc.
rasch post mortem in menschlichen Leichen auftretenden seit lange
kennen.
Eine ähnliche vereinzelte Beobachtung stellt die von Jako wski x)
dar, der aus zwei Fällen menschlicher Eiterung den Tetragenus, einen
für gewisse Tierspecies außerordentlich pathogenen Pilz, gezüchtet
haben will, eine Beobachtung, die er als eine nicht ein wandsfreie
ansieht, da Kulturen nicht angelegt wurden.
Durch die vorliegenden Zeilen ist das bewiesen worden, daß es
spezifische Erreger der Eiterung nicht giebt. Eine
große Zahl bekannter und eine ganze Reihe nicht näher definierbarer
Pilze können sie hervorrufen; diese Pilze haben teils die Fähigkeit,
für gewöhnlich Eiterung, nur selten geringere Grade der Entzündung
zu erzeugen, teils wohnt ihnen zwar eine gewisse phlogogene Eigen-
schaft inne, die sich aber nur unter bestimmten Umständen bis zur
Eiterungsfähigkeit steigert.
Die Eiterung stellt nur eine bestimmte Stufe in den
Entzündungsprozessen dar ; eine unter verhältnismäßig gering-
fügigen Symptomen verlaufende Eiterung ist die durch Bakterien
hervorgerufene progrediente Nekrose, wie wir sie durch den
Typhusbacillus, den T ub er k el b acil 1 u s und den Strahlen -
pilz bewirkt finden.
Wie die Bakterien diese Prozesse durch Erzeugung chemi-
scher Produkte hervorrufen, so können auch nichtbakterielle
chemische Körper Eiterung erzeugen. Während jedoch die
klinisch zu beobachtenden Eiterungsprozesse einen mehr oder
weniger energischen Charakter, sich in dieUmgebung
zu verbreiten und diese einzuschmelzen zeigen, geht
diese Fähigkeit den durch chemische oder durch bakteritische, von
den Pilzen isolierte Produkte erzeugten Eiterungsprozessen ab. Während
wir für die progredienten Nekrosen in dem klinischen Bilde und Ver-
laufe die Berechtigung finden, sie den Eiterungen zuzuzählen, ver-
missen wir in den letztangeführten Arten von Eiterung eine solche
Zahl von Punkten, die für Eiterung charakteristisch sind, daß wir
sie eher zu den Nekrosen zählen sollten.
Ich glaube, daß gerade das Progrediente der Eiterung
dazu dienen kann, eine scharfe Grenze gegen die Nekrose zu finden.
Was diesen Charakter nicht zeigt, ist auszuschließen:
wenn wir in diesem Gesichtspunkte den Stand der Eiterungsfrage ent-
scheiden wollen, so lautet diese Entscheidung:
Eiterung ist lediglich Werk von Bakterien; alle
anderen als Eiterung angesprochenen Prozesse, welche außer von
Pilzen durch chemische Stoffe oder Stoffwechselprodukte von Bakterien
erzeugt worden, müssen ausgeschlossen werden; ihnen fehlt eins der
Hauptsymptome, die Ausbreitung in dieUmgebung und damit
der für das organische Leben schwer bedrohliche Charakter.
Halle a. S., 14. April 1894.
1) cf. Ullmann, Beiträge zur Lehre der Osteomyelitis acuta. Wien (Holder)
1891. p. 30.
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 815
Bakteriologische und parasitologische Kongresse.
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen
Kongresse in Rom.
Referent: Dr. Gr. Sanarelli, Privatdozent in Rom.
(Fortsetzung.)
Leoni, 0. (Rom), Ueber die Faktoren der spezifischen
und pathogenen Aktivität der Pockenlymphe.
Verf. sagt, daß bezüglich der aus den Wirkungen der Injektionen
beobachteten Aktivität der Pockeniymphe hervorzuheben ist:
1) Das spezifische Vermögen , nach einer bestimmten Zeit von
der Impfung an charakteristische und typische Pusteln zu bilden,
welche die Immunität gegen Pocken bewirken. Diese charakteristischen
Pusteln sind das Produkt der spezifischen Virulenz der
Schutzlymphe.
2) Das eventuelle Auftreten verschiedener pathologischer Er-
scheinungen, wie z. B. von Pseudovaccinationsausschlägen, vorzeitigen
Eiterungen entsprechend den Impfungspunkten in der Präpustular-
periode, phlegmonöse Entzündungen, Erysipel, Lymphangioiden, bis-
weilen von wirklichen Formen von Septikämie. Diese Phänomene
sind das Produkt der pathogenen Virulenz von Mikroorganis-
men, von welchen der Impfstoff zufällig infiziert ist. In Bezug auf
die spezifische Virulenz des Impfstoffes sind unsere Kenntnisse nach
dem Verf. noch sehr unvollkommen, obwohl die Studien Guar-
nieri’s in letzter Zeit darüber einiges Licht verbreitet haben.
Dasselbe ist jedoch nicht der Fall in betreff der Faktoren der
pathogenen Wirkung des Impfstoffes. Vermittelst bakteriologischer
Beobachtungen experimenteller Einimpfungen hat Verf. schon seit
1889 erwiesen, daß dieselbe ausschließlich der Gegenwart fremder
pathogener Keime zuzuschreiben ist. Die Anzahl dieser Keime stehe
immer in umgekehrtem Verhältnisse zu dem Alter der der Unter-
suchung unterzogenen Lymphe. Dieselben befinden sich immer in
großer Anzahl im frischen Impfstoffe. In der mit Glycerin bereiteten
und eine Zeit lang aufbewahrten Pockenlymphe verschwinden sie
fast ganz, wie aus den Kulturen und Eiuimpfungen in Tiere her-
vorgeht. Diese Ergebnisse wurden in der Folge auch von Saint-
Yoy, Menard, Du Chambon und Strauß bestätigt.
Hiernach glaubt Verf. folgende Schlußfolgerungen ziehen zu
können :
1) Der frisch entnommene tierische Impfstoff ist eine infizierte
Lymphe.
2) Die Urheber der Infektion (die Keime) verlieren ihre Kraft
in dem eine Zeit lang in Glycerin aufbewahrten Impfstoffe.
3) Die 1 — 4 Monate nach der Abnahme und in Glycerin auf-
bewahrte Pockenlymphe stellt das Ideal des reinen Impfschutzes dar.
giß Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
4) Man kann deshalb die direkte Uebertragung der Lymphe vom
Tiere auf den Menschen nicht anraten.
5) Man muß schließlich in der Impfpraxis den Gebrauch der
vorher von den Rindern abgelösten Pusteln mißbilligen.
Pinna, G. (Cagliari), Ueber die Wirkung des Meerwassers
auf die Virulenz der Milzbrandbacillen.
Schon De Giaxa hatte bei seinen Untersuchungen über das
Verhalten der verschiedenen pathogenen Mikroben in Meerwasser
gefunden, daß der Milzbrandbacillus in Meerwasser zwar über
36 Stunden leben kann, aber daß er schon nach 4 — 10 Tagen seine
Virulenz vollständig verloren hat. Verf. hat mehr im einzelnen
die Entdeckung De Giaxa’s bestätigen wollen und gelangte zu fol-
genden Schlüssen:
1) Die Milzbrandbacillen, mit Meerwasser gemischt, erfahren in
den ersten Stunden keine Aenderung.
2) Das Meerwasser fängt erst nach 2—3 Stunden an, eine leichte
Abschwächungswirkung auszuüben.
3) Die Abschwächungswirkung nimmt schwankend bis zum 10.
und selbst bis zum 28. Tage zu.
4) Nach 28 — 33 Tagen ist die Virulenz der Milzbrandbacillen
in Meerwasser vollständig aufgehoben, während die Bacillen weiter
leben und sich noch ziemlich entwickeln können, wenn sie in einen
geeigneten Nährboden gebracht werden.
Foä, P. (Turin), Ueber die Aetiologie des Krebses.
Verf. meint, daß die Hypothese über die parasitäre Natur des
Krebses nicht a priori bekämpft werden kann, obschon bis jetzt die
Versuche, die Existenz eines spezifischen Krebsparasiten unter den
Schizomyceten nachzuweisen , keine positiven Resultate ergeben
haben. In kaum fünf Jahren hat sich eine zahlreiche Litteratur
über den Gegenstand gebildet, und Verf. untersucht jene Arbeiten,
welche die Existenz eines Krebsparasiten von der Art der Protozoen
zu beweisen oder zu bekämpfen suchen. Verf. beschreibt nachher
im einzelnen jene in den Krebszellen eingeschlossenen Körper, welche
nach seiner Ansicht als Parasiten zu betrachten sind. Er hebt her-
vor, daß er zuerst dieselben schon im Jahre 1891 beschrieben hat
und daß sie nichts Gemeinschaftliches haben mit den von früheren
Forschern als Krebsparasiten angegebenen Organismen, während sie
identisch sind mit denen, welche später Ruffer und zum Teil
Soudakewitch beschrieben haben.
Sie sind Elemente, welche aus einem von einer dünnen Schicht
Protoplasma umgebenen und von einer doppelrandigen Kapsel be-
grenzten Kern bestehen. Diese Kapsel ist manchmal fein und regel-
mäßig gestreift und das Protoplasma so gefaltet, daß das ganze
Körperchen das Aussehen einer Kokarde annimmt oder so in Seg-
mente geteilt, daß das Körperchen rosettenförmig aussieht. Die
Segmente aber können sich nicht von einander trennen und haben
nicht etwa die Bedeutung von Sporen. Der Kern vergrößert sich,
während das Protoplasma allmählich verschwindet, dann teilt sich
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 817
der erstere in ebenso viele kleine Kugeln, welche die Sporen dar-
stellen würden.
Die von diesen Körperchen bewohnte Zelle unterliegt einer lang-
samen Aenderung, welche sie bis zur Nekrose führt. Wo Parasiten
Vorkommen, hat man gewöhnlich keine Zellenwucherung, diese ent-
wickelt sich um die Geschwulstzone, welche die Parasiten enthält.
Diese Spore würde in die jungen Epithelzellen eintreten und würde
ihre ganze Entwickelung vervollständigen, d. h. bis sie ein neues
Sporen enthaltendes cystisches Körperchen wird. Die Parasiten
kommen im Stammherde und auch in den neuesten metastatischen
Knoten vor. In zweifelhaften Fällen erleichtert die Anwesenheit des
Parasiten die Krebsdiagnose. Die Einwendungen , welche man den
früheren Forschern gemacht hat, können für die vom Verf. und von
Anderen beschriebenen Körperchen keine Geltung haben, wonach die
Hypothese ihrer parasitischen Natur am wahrscheinlichsten ist. Ob-
schon man bis jetzt noch keine Kulturen haben hann und obschon
die Krebseinimpfungen sich nur bei den Menschen, resp. bei den
Tieren gleicher Species , wie das mit dem Krebs behafteten , ent-
wickeln, so muß man doch berücksichtigen, daß die Tierparasiten
für einen bestimmten Organismus und für ein bestimmtes Element
dieses Organismus spezifisch sind, und daß niemand z. B. an der
parasitischen Natur der Malariaplasmodien zweifelt, obschon man sie
noch nicht hat kultivieren können und man sie nur durch Einimpfung
in den Menschen weiterbilden kann.
Denys, J. (Louvain), Widerstandsfähigkeit des Organis-
mus gegen die Mikroben.
Zwei Theorieen machen sich unter den Ansichten der Gelehrten
über die Widerstandsfähigkeit des Organismus gegen die Mikroben
den Rang streitig: die Lehre von der bakterientötenden Kraft der
Säfte und diejenige der phagocytären Kraft der Zellen, namentlich
der Leukocyten.
Man muß den Einfluß beider Kräfte annehmen.
1) Die bakterientötende Kraft der Säfte kann nicht durch eine
Aenderung des Mediums erklärt werden ; denn sie äußert sich, wenn
man die Säfte (Blut oder Serum) mit Organismen, welche sich in
denselben Säften entwickelt haben, besäet.
2) Die phagocytäre Kraft kann ebensowenig geleugnet werden,
denn wenn man Hundeblut durch Löschpapier filtriert, so daß man
die polymorphen Leukocyten davon trennt, so verliert dieses Blut
den größten Teil seiner mikrobentötenden Wirkung.
Die beim Hunde durch Injektion von positiven chemiotaxischen
Substanzen hervorgerufenen Ausschwitzungen verlieren ihre bakterien-
tötende Kraft fast gänzlich, wenn man die Leukocyten durch Filtrieren
oder Centrifugieren entfernt. Das Blut und die Ausschwitzungen
eines Hundes, welche ihre Kraft fast ganz verloren haben, gewinnen
dieselbe wieder oder werden selbst mächtiger, wenn man ihnen die
Leukocyten zurückgiebt.
Die mikroskopische Untersuchung erlaubt, die Erscheinungen von
Absorption und Entartung zu verfolgen. Das Hundeblut ist nament-
313 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
lieh durch die Leukocyten, dasjenige des Kaninchens namentlich
durch ein besonderes Verhalten des Serums bakterientötend.
Denys, J. (Louvain), Diagnose der asiatischen Cholera
vermittelst des Mikroskops.
Bis jetzt ergiebt die mikroskopische Untersuchung der Er-
brechungen und Stuhlgänge der an der asiatischen Cholera leidenden
Kranken nur in einem Teile der Fälle ein Resultat. Koch selbst
gesteht zu, daß die Vibrionen zahlreich sein müssen, um die Diagnose
möglich zu machen. Nun wissen alle diejenigen, welche die Gelegen-
heit gehabt haben, Untersuchungen über die Dejektionen von
Cholerakranken anzustellen, daß dies bei weitem nicht immer der
Fall ist.
Im vergangenen Januar hat Verf. Gelegenheit gehabt, eine
kleine, in St. Cloud ausgebrochene Choleraepidemie aus der Nähe
zu beobachten. Er hat etwa fünfzehn Fälle von verschiedener Hef-
tigkeit studieren und wiederholte Präparate von denselben machen
können. Verf. hat dabei sich überzeugen könneu , daß man die
Diagnose der asiatischen Cholera in fast allen Fällen vermittelst
des Mikroskops machen kann, indem man jedoch nicht die Form
der Bakterien , sondern ihre Bewegungen zur Grundlage der Be-
obachtungen macht. Die Beweglichkeit des asiatischen Bacillus in
den Kulturen ist schou beträchtlich, diejenige aber, welche er in dem
Erbrochenen und Stuhlgängen besitzt, ist noch größer, so daß es
fast immer unmöglich ist, die Form des Organismus zu erkennen.
Diese Beweglichkeit ist der Art, daß es sozusagen unmöglich ist,
den Bacillus an einem Punkte festzuhalten ; kaum tritt er zum Vor-
scheine, so ist er schon wieder in einer niederen oder höheren Lage
verschwunden. Er besitzt außerdem eine stark accentuierte Drehungs-
beweglichkeit, infolgedessen, wenn die Bacillen zahlreich sind, ihr
Gesamtbild mit einem Insektenschwarm verglichen werden kann,
welcher an einem ruhigen Sommerabend in der Luft umherschwirrt.
Wenn die Krankheit sich in ihrem akuten Stadium befand,
haben wir die Bacillen jedesmal sofort erkennen können. Im Stadium
der Genesung, d. h. wenn das Erbrechen aufgehört und die Stuhl-
gänge eine gewisse Konsistenz erlangt haben, ist dem Verf. der
Bacillus unter einer großen Anzahl von Versuchen nur zweimal
entgangen, als die Kulturen in gesalzener Peptonbouillon positiv
waren. In diesen beiden Fällen war der Bacillus an den vorher-
gehenden Tagen in den schon konsistenten Stuhlgängen bemerkt
worden und die Aussaaten ergaben am folgenden Tage mehr Bacillen.
So befand man sich ganz am Ende der Krankheit. In allen anderen
Untersuchungen von Konvalescenten hat Verf. den Bacillus gefun-
den. Freilich wird er häufig sehr selten, so daß man das ganze
Präparat sorgfältig prüfen muß, um einige zu entdecken, aber dank
ihrer außerordentlichen Beweglichkeit kann man sie identifizieren.
Verf. hat zahlreiche Stuhlgänge von gesunden oder mit verschiedenen
Krankheiten behafteten Individuen untersucht, ohne Organismen,
welche sich mit denen der asiatischen Cholera verwechseln ließen,
zu begegnen. Kurz, statt zu einem festen und gefärbten Präparate
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 819
für die Diagnose der asiatischen Cholera seine Zuflucht zu nehmen,
ist es nützlicher, die Abgänge als solche, oder nachdem man sie
mit einem Tropfen Bouillon verrührt hat, zu untersuchen. In allen
Fällen kann man die Diagnose im akuten Stadium und fast immer
während der Konvalescenz unmittelbar stellen. Natürlich steht nichts
entgegen, zugleich die Aussaaten zu Hilfe zu nehmen.
Dieses Verfahren kann den Anschein haben, als ob es sich auf
eine wenig klare Unterscheidung, etwas mehr oder weniger Bewegung,
gründet, aber Verf. ist der Ueberzeugung, daß der Skeptizismus bei
den ersten Versuchen fallen wird. Verf. rät den Bakteriologen um
so entschiedener die Befolgung dieser Methode, als sie eine der
einfachsten ist.
Ingliilleri e Eolando (Rom), Beitrag zur Kenntnis der
Choleraspirillen.
Verff. bemerken, daß, obschon man heute im allgemeinen der
Meinung ist, daß die experimentelle Cholera der Tiere von jener des
Menschen wesentlich verschieden ist, man doch über das Wesen
des Mechanismus jener Krankheit nicht einig ist. Während nämlich
einige von einer wahren Infektion reden, betrachten sie andere als
eine wirkliche Vergiftung.
Verff. haben, um einen Beitrag zur Beantwortung der Frage zu
geben, 1) die Virulenz der Choleraspirillen in den Meerschweinchen
und Tauben, 2) die Verteilung derselben in dem Organismus der mit
ihnen inokulierten Tiere, 3) die Wirkung der aktiven Stoffe dieser
Spirillen studiert. Für ihre Untersuchungen haben sich Verff. stets
der Choleraspirillen Massaua-Ghinda bedient, deren Virulenz zuerst
durch wiederholte Einimpfungen in Meerschweinchen und Tauben
erhöht war. Die Schlußfolgerungen, zu welchen sie gelangen, sind
die folgenden:
1) Die Choleraspirillen sind giftige Mikroorganismen. Ihre
Wirkung wie jene der Gifte steht in direktem Verhältnisse zu der
inokulierten Dosis und hängt von dem Inokulationsorte wie von der
Species des Tieres ab.
2) Wenn sie unter der Haut, in die Muskelü, in das Peritoneum
eiDgeimpft werden, so werden sie nur in der Nähe des Inokulations-
ortes gefunden. Sie können vermöge deren Bewegungen in das
Blut oder in die Organe eindringen, aber nie vor dem Tode.
3) In den Blutkreislauf eingeführt, verschwinden sie schon nach
ca. zwei Stunden, je rascher sie verschwinden, desto rascher stellen
sich die KraDkheitspbänomene ein und erfolgt der Tod.
4) Mag die Inokulationsart sein, welche sie will, so findet doch
ein Uebergang von der Mutter zum Fötus nie statt.
5) Die Spirillen Massaua-Ghinda entwickeln sich in Blutserum
und in dcfibriniertem Blute, in letzterem Medium aber mit merklicher
Verminderung der toxischen Wirkung.
6) Das Gift besteht aus dem Protoplasma der lebenden oder
toten Mikroorganismen selbst. Die Produkte des Stoffwechsels sind
an sich wenig aktiv, sie begünstigen nur die Wirkung des lebendigen
820 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
Cholerabacillus und der Proteine, indem sie vielleicht die
Resistenzmittel des Organismus vermindern.
7) Die lebendig eingeimpften Cholerabacillen können im Orga-
nismus auf zweierlei Arten wirken:
a) Wenn sie in die Venen eingeimpft werden , sind sie nur in
starker Dosis tödlich; wenn das Tier überlebt, verschwinden
die Spirillen rasch aus dem Blute und können nicht mehr vor-
gefunden werden.
b) Wenn sie dagegen unter die Haut oder in das Peritoneum ein-
geirapft werden, so verschwinden sie am Inokulationspunkte nur
sehr spät und deshalb unterliegt das Tier für lange Zeit der
Wirkung des abgesonderten Giftes.
8) Wenn die Mikroben schon tot eingeimpft werden, so wirken
sie in direktem Verhältnisse der eingeimpften Dosis einfach wie
ein Gift. Die tödliche Dosis ist ca. 0,004 g pro Kilo Meer-
schweinchen.
Ingliilleri (Rom), Ueber das Verhalten des Milzbrand-
bacillus in u n steri 1 is i erter Milch.
Verf. hat das Verhalten sowohl der Entwickelungs- wie der
dauernden Formen des Milzbrandbacillus in nichtsterilisierter
Milch ebensowohl bei Zimmertemperatur als bei 37 0 studiert. Im
ersten Teile seiner Untersuchung hat er sich stets des Milzbrand-
blutes bedient. Auf diese Weise konnte er mit einer wahren Ent-
wickelungsform, deren Virulenz er kannte, arbeiten. In dem zweiten
Teile operierte er mit Sporen gleicher Abstammung, deren patho-
genes Vermögen vorher gemessen wurde. Er gelangt zu folgenden
Ergebnissen :
1) Der Milzbrandbacillus ist wenig widerstandsfähig in
einem Medium, wo er in den Kampf ums Leben mit anderen Mikro-
organismen, welche die Kohlehydrate in Säuren umwaudeln können,
eintreten muß. Die Abschwächung seines Entwickeluugsvermögens
und seiner Virulenz und der darauf folgende Tod, wenn er in un-
sterilisierter Milch gezüchtet wird, hängen eben vom Kampfe ums
Leben mit den anderen Mikroorganismen ab.
2) Die Sporen können in starken Aciditätsgraden gut leben, aber
sie können sieb nicht entwickeln.
3) Die Thatsache, daß man auf Platten auch zwei Tage nach
der Iujizieruug seltene Milzbrandkolonieen beobachten kann und daß
die Meerschweinchen nach 4 — 5 Tagen sterben können, wenn sie mit
starker Dosis geimpft werden, ist dadurch bedingt, daß sich nicht
alle Sporen in Folge der zunehmenden Acidität entwickelt haben, und
folglich können sie, wenn sie rechtzeitig von dem sauren Medium
entfernt und in günstige Umstände versetzt werden, noch ihre
Virulenz zeigen.
Ingliilleri (Rom), Ueber eine neue rasche Doppelfärbungs-
methode bei den bakteriologischen Untersuchungen
des Blutes und der anderen Gewebe.
Verf. glaubt, daß seine Methode im Vergleich mit den anderen
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 821
dieser Art den doppelten Vorzug der Raschheit der Ausführung und
der Schärfe der Präparate besitzt. Verf. stützt sich auf die Eigen-
schaft, welche absoluter Alkohol, Aether, Chloroform als Beiz- und
FixiermittePbesitzen und wendet eben die letzte Substanz zu diesem
Zwecke an. Das Präparat darf aber nicht länger als 30 Minuten in
Chloroform (wie auch in Alkohol und Aether) bleiben, sonst wird
die Sensibilität der histologischen Elemente gegenüber den verschie-
denen Farbstoffen zerstört, so daß die ersteren sowohl die sauren
wie die basischen Farbstoffe aufnehmen können. Verf. verfährt wie
folgt: Das Deckglas- oder Durchschnittspräparat wird für 30 Minuten
in Chloroform gestellt und nachher in eine Mischung von
40 Teilen 1-proz. Eosin in 70° Alkohol,
60 Teilen gesättigter wässeriger Methylenblaulösung
gebracht und darin 2 — 3 Minuten lang warm gehalten.
Diese Methode hat sich in Bezug auf Schärfe und Klarheit der
Präparate sehr gut bewährt, besonders bei dem Studium der Phago-
cytose und der Malariaparasiten.
Inghilleri (Rom), Ueber das verschiedene Verhalten des
B. coli und des Typhusbacillus in amygdalinhaltiger
Bouillon.
Seit 1889, als G. Roux und Rodet die Resultate ihrer Unter-
suchungen über die Identität der beiden Bakterien veröffentlicht
haben, ist eine große Reihe von Untersuchungen veröffentlicht worden,
welche für und gegen die Lyoner Schule sind. Heute erkennt die
Mehrzahl der Forscher an, daß zwischen den beiden Mikroorganismen
wesentliche Unterschiede bestehen und obschon sie wahrscheinlich
von demselben Typus abstammen, kann man doch nicht von ihrer
Identität sprechen.
Beide Mikroben verhalten sich nach Verf. auch in amygdalin-
haltigen Nährböden verschieden.
Während die Reaktion der Bouillonkulturen des B. coli sauer
wird und man nach 36 Stunden den Bittermandelölgeruch bemerkt,
bleibt bei Typhus die Reaktion alkalisch. Dies hat seinen Grund
darin, daß der B. coli communis wie Emulsin wirkt, indem er
das komplexe Molekül des Glykosids in die einfacheren des Trauben-
zuckers, der Blausäure und des Benzaldehyds spaltet. Die saure
Reaktion rührt davon her, daß der B. coli successive auf Glykose
einwirkt und sein Molekül in Kohlensäure und Milchsäure etc. spaltet.
Verf. hat sich der Gr über- Bercholtz ’ sehen Reaktion bedient,
um Glykose nachzuweisen, die Blausäure wurde zuerst aus der
Kultur ausgetrieben, in Kalihydrat aufgefangen und mittelst der
Berlinerblaureaktion nachgewiesen.
“In den Kulturen vom Typhusbacillus kommt nichts der
Art vor.
Auf die Frage, ob dieses Verhalten von einem von B. coli ab-
gesonderten Fermente bedingt ist, glaubt Verf. geantwortet zu haben,
indem er sagt, daß eine sterilisierte Kultur keine Wirkung hat, und er
schließt daraus, daß dieses Verhalten mit dem Leben des Bacillus
XV. Bd. 52
822 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
verbunden ist. Verf. bebt außerdem die toxikologische Wichtigkeit
dieser Eigenschaft des B. coli hervor, um jene Vergiftungsfälle von
Blausäure nach Einnahme von Amygdalin zu erklären, bei welchen
die Wirkung des Emulsins ausgeschlossen war. Diese Fälle wurden
damals durch eine analoge Wirkung der gastroenterischen Säfte und
der Zellen der Darmschleimhäute erklärt, heute können sie einfach
durch diese Eigenschaft des B. coli erklärt werden.
Colasanti. Gr. (Rom), Die bakterientötende Wirkung des
Euforins.
Verf. hat zwei Versuchsreihen ausgeführt. In der ersten hat er
die Wirkung des Euforins auf die auf Fließpapier getrockneten
Mikroorganismen, in der zweiten auf die Bouillonkulturen unter-
sucht. Das Euforin wurde einerseits in 1-proz. und 2,5-proz. Lösung
angewandt, andererseits wurde zu den Kulturen soviel Euforin hin-
zugefügt, daß dieselben 1 Proz. davon enthielten.
Die Resultate sind die folgenden:
Verbrauchte Zeit zur Sterilisation
Mikroorganismen
Auf Fließpapier getrocknete
Mikroorganismen
1 0/0 Lösung | 1 0/q Lösung
Bouillonkulturen
mit
1 0/q Euforin
Micrococcus prodigiosus
15 — 20 Stunden
1 Stunde
„ tetragenus
5—7
45 — 60 Minuten 45 — 60 Minuten
V viscosus
3-8
1 Stunde
30—40
Staphylococcus pyog. aureus
45 — 60 Minuten
15 — 30 Minuten
30—45 „
„ ,, albus
45—60 „
15—30 „
30—45 „
,, „ cereus
45—60 „
15—30 „
30—45
Bacillus anthracis
inaktiv
inaktiv
(inaktiv
„ typhi abd.
7 — 9 Tage
30 — 45 Minuten
—
,, Megaterium
5 — 7 Stunden
30—45 „
45 — 60 Minuten
,, subtilis
5 — 6 Tage
1—2 Tage
45—60 „
,, acidi lact.
1 — 2 Tage
—
30—45
,, cyanogenus
—
—
30—45 „
„ pyocvaneus
12 — 15 Stunden
9 — 12 Stunden
45—60
,, radiciformis
10 — 15 „
—
30—45
Vibrio cholerae as.
—
—
5—8 „
Finkleri
—
—
15—30
Deneke
—
—
25—30
Torula rosea
15 — 20 Minuten
—
5—15 „
Oidinm albicans
5—15
—
5—15 „
PiJie
+ —
+ —
+ —
(Fortsetzung folgt.)
Bakterien im Meere.
823
Referate.
Rüssel, H. L., Bacterial investigation of the sea and its
floor. (Read before Section F, A. A. A. S., Rochester meeting,
August 1892. From Botanical Gazette. Vol XVII.)
Verf. hat im Frühjahre und Sommer 1891 auf der Zoologischen
Station in Neapel und im Jahre 1892 in dem Marine Biological
Laboratory in Wood’s Holl (Massachusetts) zahlreiche Versuche über
den Bakteriengehalt des Meerwassers und des Meergrundes angestellt.
Um bei der Entnahme von Wasserproben aus verschiedenen Tiefen
die Bakterien der Wasseroberfläche, der Küste u. s. w. vollständig
fernzuhalten , wandte er folgenden Apparat an. Eine weite , oben
offene Glasflasche wird durch einen Pfropfen fest verschlossen ; durch
ein Loch in der Mitte desselben wird etwa s/4 Zoll tief eine dünne
Glasröhre hineingelassen, die über dem Korke rechtwinklig gebogen
und so weit zur Kapillare ausgezogen ist, daß ein Zuschmelzen schnell
möglich ist. Nach Sterilisierung des Apparates wird durch Erwärmen
Luft aus demselben ausgetrieben und die Kapillare zugeschmo'zen.
Das Herablasscn ins Wasser geschieht in einem Holzgestell, an dem
ein Bleistück beweglich angebracht ist, welches an der gewünschten
Entnahmestelle die Kapillare zerbricht, so daß Wasser in den Apparat
eindringen kann, was gewöhnlich zu 2/3 oder 3/4 geschieht. Beim
Herausziehen aus dem Wasser kann kein neues Wasser mehr in den
Apparat treten. Der vom Verf. benutzte Apparat zur Entnahme von
Proben des Meeresgrundes ist, wie Verf. selbst zugiebt, zwar theoretisch
nicht einwandsfrei, doch hat sich beim Gebrauche ein Nachteil nicht
ergeben. Dieser Apparat besteht aus einer unten offenen, etwas zu-
gespitzten eisernen Röhre, die nach oben in einen durch ein Ventil
verschlossenen „Aermel“ übergeht. Die Röhre, welche beim Herablassen
von Wasser durchspült wird, senkt sich auf dem Meeresgründe durch
seine Schwere in den Boden ein und saugt sich vollständig mit Schlamm
voll. Bei der Herausnahme kann durch den Wasserdruck und durch
die kohäsive Natur des Oceanschlarames kein Material entweichen.
Verf. fand nun im Gegensätze zu Challenger, der nur in den
oberflächlichen und tiefen Zonen des Meeres Keime angetroffen hatte,
auf der Neapler Station das Meer in allen Schichten keimhaltig.
Die gewöhnliche Keimzahl betrug 10 bis 150 im ccm. Bei weitem
mehr Keime als im Wasser fanden sich am Meeresgründe. In einer
Tiefe von 150 Fuß betrug die Keimzahl des Meeresgrundes 200000
— 300000, bei 700 Fuß nur noch 25000 im ccm. Von 700—3500 Fuß
blieb die letzte Zahl konstant. Auf der Station in dem nördlicher
gelegenen Wood’s Holl wurden nicht solche Tiefen erreicht; hier war
die Keimzahl stets etwa 1/10 kleiner, als in den entsprechenden Tiefen
des Mittelländischen Meeres. Bei Neapel wurden 3 Bakterienarten
isoliert, die 35 Proz. der vorhandenen ausmachten und nur auf dem
Meeresgründe vorkamen, während bei Wood’s Holl nur eine dem
Grunde eigentümliche Art, die zu 30 bis 50 Proz. vorkam, gefunden
wurde. Lösen er (Berlin).
55*
824
Pyelonephritis. — Pellagra. — Lepra.
Saror, Rudolf, Zur Aetiologie der akuten Pyelonephritis.
(Aus dem Institute für patholog. Anatomie in Wien. — Wien. klin.
Wochenschr. 1894. No. 4 u. 5.)
Verf. hat 19 Fälle von Pyelonephritis bakteriologisch untersucht.
In 13 Fällen fand sich ein die Gelatine nicht verflüssigender Bacillus,
der sich als zur Coli gruppe gehörig erwies. Er fand sich lOmal in
Reinkultur, 3mal in Gemeinschaft mit dem Proteus Hauser; dieser
fand sich außerdem 4mal in Reinkultur. Einmal war nur der
Staphy lococcus pyog. aureus vorhanden. S. giebt eine genaue
Beschreibung des nicht verflüssigenden Bacillus, konstatiert überein-
stimmend mit anderen Autoren seinen Polymorphismus, die Varietäten
der Plattenkulturen etc. Es gelang dem Verf., Bact. coli 4mal in
der Urethra gesunder Männer (es wurden 20 Untersuchungen aus-
geführt) und 4mal in der Urethra gesunder Frauen (12 Unter-
suchungen) zu finden. Gesondert bespricht S. einen Fall von Cysto-
pyelitis cruposa, als deren Erreger der Streptococcus pyogenes
sich erwies. Verf. gelangt zu dem Schlüsse, daß die mit Cystitis
kombinierte Pyelonephritis in der Mehrzahl der Fälle ausschließlich
durch das Bacterium coli bedingt sei; in einer kleinen Reihe
von Fällen sei der Proteus Hauser das pathogene Mikrobion.
Meist ist, nach S., die Blase das zuerst erkrankte Organ, doch ist
für eine große Anzahl von Fällen die primäre Infektion der Niere
auf dem Wege der Blutbahn mit absteigender Erkrankung der Harn-
wege möglich. Julius Schnitzler (Wien).
Baduel, C., Nota clinica e batteriologica sopra un caso
di Pielite bilaterale suppurativa. (Lo Sperimentale. 1893.
No. 22—23.)
Verf. fand in dem steril aufgefangenen Urine bei einem Falle von
Pyelitis suppurativa einen Bacillus, welchen er wegen seiner morpho-
logischen und biologischen Eigenschaften als eine Varietät (varietä
urinaria) des Bact. coli erklärt. Dieudonnö (Berlin).
Mircoli, Sülle alterazione spinali ed etiologia della
Pellagra. (Gazzetta degli ospitali. 1893).
Italienische Autoren haben eine parasitäre Ursache der Pellagra
angenommen. Mircoli fand in drei Fällen in den pathalogischen
Veränderungen des Rückenmarkes nichts von Organismen, einmal das
Bacterium coli, dem er nur sekundäre Bedeutung beimißt.
Abel (Greifswald).
v. Düring, Lepra und Syringomyelie. (Dtsch. med. Wochen-
schrift. 1894. No. 6.)
Reiche, in Konstantinopel gesammelte eigene Beobachtungen über
die Lepra haben den Verf. veranlaßt, die von Zambako Pascha
angeregte Frage, ob die Syringomyelie, bezw. die Morvan’sche Krank-
heit in zahlreichen Fällen oder überhaupt mit der Lepra mutilans
zu identifizieren sei, einer Prüfung zu unterziehen. Er ist dabei zu
einem Ergebnisse gelangt, welches im wesentlichen die Auffassung
Tierische Parasiten. 825
Zambako’s bestätigt. Aus seinen Erörterungen hebt er selbst am
Schlüsse nachstehende Punkte besonders hervor.
1) Krankheitsfälle, welche von mehreren Autoritäten in Paris
als Paradigmen der Syringomyelie und Maladie de Morvan gehalten
worden waren, sind durch Zamba ko später als Lepra erkannt
worden. In Konstantinopel hat Verf. selbst Kranke gesehen, deren
Symptome der Syringomyelie und Maladie de Morvan glichen, nichts-
destoweniger aber auf lepröse Infiltration zurückgeführt werden mußten.
2) Die früher von Neurologen angegebene Möglichkeit einer
Differentialdiagnose der Syringomyelie durch die nicht vorhanden ge-
wesene Gelegenheit einer Leprainfektion besteht thatsächlich nicht,
nachdem der Nachweis geführt ist, daß die Lepra in verschiedenen
europäischen Ländern (Frankreich, Ostseeprovinzen, Ostpreußen) vor-
kommt.
3) Der Nachweis der Leprabacillen gelingt in zweifellos als Lepra
erkannten Krankheitsfällen zuweilen nicht und kann daher für die
Differentialdiagnose nur im positiven Sinne verwertet werden.
4) Die Annahme, daß die nervösen Störungen bei Lepra lediglich
auf periphere Erkrankungen zu beziehen sind, ist nicht begründet.
Klinische Beobachtungen sprechen vielmehr häufig für Veränderungen
des Centralorgans.
Eine Differentialdiagnose zwischen Syringomyelie und Lepra ist
demnach mit Sicherheit nicht zu stellen und man wird zu der An-
nahme gedrängt, daß verschiedene Ursachen gleiche Wirkungen
hervorbringen können, d. h. daß die Lepra im Centralorgane Ver-
änderungen bewirkt, welche ein Aequivalent der Gliosis sind.
Kübler (Berlin).
Friedeberg, Ein Fall von Rückenmarkskompression
durch Echinokokken im Wirbelkanal e. (Centralblatt f.
klin. Med. 1893. No. 51. p. 1057.)
Die Echinococcusblasen haben das Kreuzbein zerstört und reichen
im Wirbelkanale bis zum 2. Brustwirbel, das Rückenmark komprimierend,
nicht durchwachsend. Etwa 20 Fälle dieser seltenen Lokalisation
sind in der Litteratur beschrieben. Abel (Greifswald).
Houllier, G., Contribution ä l’6tude de la filariose et
en particulier de l’h6m ato- chy 1 u r i e endömique des
pays cbauds, une de ses principales manifestations.
[These.] 4°. 129 p. Montpellier 1893.
Verf. wurde in dieser Arbeit durch die siebenjährige Beobachtung
eines typischen Falles geführt, welcher sich zum Teil in der heißen
Zone abspielte, zum Teil in einem gemäßigten Klima verlief.
Dabei stellte sich die notwendige Thatsache heraus, daß diese
Krankheit in den englischen Kolonieen wohl bekannt und erkannt
ist, während sie in denen Frankreichs kaum jemals diagnostiziert
wurde.
Was die Geschichte dieser Krankheit anbelangt, so wurde sie
bis 1863 von den französischen Aerzten der Masturbation wie dem
täglichen Genüsse scharf gewürzter Speisen zugeschrieben, obwohl
826
Tierische Parasiten.
bereits 1861 Bilharz im Hospital Kasr-el-Ain als wahre Ursache
die Trematode entdeckt hatte, welche nach ihm Bilharzia haema-
tobia benannt ist.
Dabei erinnert Verf. an die Thatsache, daß in Barbados,
jener Antilleninsel, vor dem Bekanntwerden dieses Fadenwurmes
daselbst die Einwohner dasselbe Leben wie später führten, die
Elephantiasis aber daselbst unbekannt war. Als dann bei gleichen
Existenzbedingungen die Trematode erst sich auszubreiten begann,
die Moskitos die Eier von Ort zu Ort und von Wasser zu Wasser
trugen, erschien diese Krankheit und nahm stetig zu, so daß das
ganze Land jetzt als verseucht in dieser Beziehung bezeichnet werden
muß. Doch wurde die Ursache erst sehr spät erkannt.
Demarquay entdeckte darauf die Embryonen in der Flüssig-
keit einer chylösen Hydrocele, denen 1872 Lewis in Kalkutta den
Fund derselben im Blute eines Erkrankten anfügte. Griesinger
wies dann die Eier von Distomum haematobium oder Bil-
harzia haematobia im Urine Blutharnender nach, dem dann
andere Forscher namentlich in den Tropen folgten.
Die Infektion durch die Nematode erfolgt entweder durch die
Haut beim Baden, häufiger aber durch das Trinkwasser wie sonstigen
Küchengebrauch. Die Lebensgeschichte des Distomum wie seine
Naturgeschichte dürfte bekannt sein.
Die Krankheit, welche bei ihrer Endemie in heißen und tropischen
Gegenden häufig erworben wird, läßt sich durch einen längeren
Aufenthalt in einem temperierten Klima wieder heben, doch reichte
hierzu z. B. in einem bestimmten Falle ein Aufenthalt von 6 Jahren
nicht aus. Hydrotherapie und Jodtanniupräparate werden zur Heilung
empfohlen. E. Roth (Halle a. S.).
Lucas, Jean Alexis Marie, Des m anifestations pathologi-
ques dues ä la presence de la Filaria sanguinis ho-
minis dans l’organisme humain. [These.] 4°. 83 p.
Bordeaux 1893.
Demarquay wies als Erster die Anwesenheit von Embryonen der
Filaria in dem milchweißen Inhalte einer Hydrocele nach. Später
wurden wiederholt erwachsene wie geschlechtsreife Iudividuen dieser
Nematode beim Menschen aufgefunden und man hat festgestellt, daß
zum vollständigen Entwickelungsgange die Embryonen durch den
Körper eines anderen Tieres wandern müssen, aber auch in Larven-
gestalt durch Vermittelung des Wassers in den Menschen gelangen
können.
Es können durch diese Filariose zehn verschiedene Krankheits-
bilder hervorgerufen werden: Die Hämatochylurie, die Elephantiasis,
Chylocelen, Chylöse Ascites, Chylothorax, lymphatische Varices,
Lymphoscrotum, Craw-craw, lymphatische Abscesse, Thrombose und
lymphatische Oedeme.
Die Filarianatur der Elephantiasis ist von manchen Autoren
bestritten worden, so wiese die richtige Elephantiasis Arabum niemals
Fadenwürmer auf.
TierischeJParasiten.
827
Auch bei Craw-craw ist die Filariaerscheinung oftmals bestritten
worden , doch erscheint sie nach brasilianischen Autoren glaubhaft.
In allen den anderen Krankheiten ist die Anwesenheit der Filaria
im Organismus wohl allgemein anerkannt und ihr Zusammenhang mit
der Nematode festgestellt.
Um die Anwesenheit der Fadenwürmer mit Sicherheit feststellen
zu können, empfiehlt Verf. die Filtration der beargwöhnten Flüssig-
keit, da sie auf diese Weise selbst bei geringer Zahl aufgefuuden
werden müssen, natürlich mit Hilfe des Mikroskopes.
Zu Dauerpräparaten hält Lucas das Verfahren von De Nabias
und Sabrazes für am meisten geeignet, von dem sie in der Sitzung
der Soci^te de biologie vom 27. Mai 1892 Mitteilung machten.
Osmiumsäure, Boraxkarmin, Salzsäure, Methylenblau spielen mit
Alkohol bekanntlich darin die Hauptsache.
Die einzelnen Krankheitsbilder geben Veranlassung zu besonderen
Kapiteln und führen zu 4 Tafeln. E. Roth (Halle a. S.).
Burdin, Lucien, Phthiriase des paupieres. [These]. 4°.
62 p. Bordeaux 1893.
Obwohl diese Krankheit seit geraumer Zeit bekannt ist, wurde
sie bisher nur sehr unvollkommen studiert. Die Mehrzahl der Au-
toren betrachtet sie als äußerst selten, während Burdin glaubt, sie
als ziemlich verbreitet hinstellen zu sollen. Der Parasit ist der
Phthirius inguinalis; zwischen der Laus der Pubes und der
der Augenbrauen vermag Verf. nur kleine Unterschiede in den
Größenverhältnissen anzugeben; die zweite Art ist bedeutend kleiner
als erstere. Störungen in den Funktionen der Sinneswerkzeuge sind
nur äußerst gering. Das Jucken ist nur als unerheblich zu be-
zeichnen, ja derartig minimal in manchen Fällen, daß die Befallenen
kar keinen Argwohn auf Parasiten hegen. Hieraus geht hervor, daß
die Diagnose eine große Aufmerksamkeit erheischt. Die Behandlung
ist sehr einfach und bewegt sich in drei Richtungen: 1) Vertilgung
der Parasiten durch eine antiseptische Salbe, 2) Zerstörung der Eier
durch Essigeinreibungen und 3) hinreichende Desinfektion.
E. Roth (Halle a. S.).
LabM, A., Coccidium Delagei, coccodie nouvelle para-
site des tortues d’eau douce. (Arch. de. Zool. exp6r. et g6n.
3e S6r. T. I. 1893. No. 2. p 267— 280. Av. 1 pl.)
Coccidium Delagei lebt in den Darmepithelzellen der
Cistudo europaea; die ovale Cyste, wie sie mit den Faeces ent-
leert wird, ist 0,020—0,022 mm lang und 0,016—0,017 mm breit;
sie entwickelt sich in Thymolwasser oder Wasser, dem einige Tropfen
Chromsäurelösung zugeführt smd, innerhalb weniger Tage. Dabei
zeigt sich das interessante Faktum, daß der große, kernlose, aber
eine Vacuole enthaltende Restkörper stets am spitzen Pole der Cyste
und die vier Sporoplasten resp. Sporen stets nebeneinander am
stumpfen Pole stehen. Die Sporen selbst sind wie bei Coccidium
oviforme gebaut; sie enthalten 2 Sporozo'iten und einen Sporen-
restkörper; die Sporozo’iten besitzen einen Kern und 1 oder 2 Vakuo-
828
Pflaazenkraukheiten .
len auf jeder Seite des Kernes; die Gestalt der Sporozo'iten ist lang-
gestreckt kolbenförmig, d. h. das eine Ende ist verdickt und ab-
gerundet, das andere zugespitzt. Sie liegen bald mit den dickeren
Enden neben einander in der Sporenhülle oder auch, wie bei Cocci-
dium oviforme, mit den entgegengesetzten Enden , so daß ein
gekrümmter hantelförmiger Körper von beiden Sporozo'iten gebildet
wird.
Diese neue Coccidienart besitzt in ihrem Plasma chromatoide
Granula, welche sich von den Granula plastica (Th61ohan)
unterscheiden ; sie färben sich intensiv mit Hämatoxylin, Methylenblau,
Safranin, Karmin etc. und imponieren als Kern, doch läßt sich der
unveränderte, bläschenförmige Kern mit seinem Chromatin kerne
oder Chromatinbande immer nachweisen. Auch bei anderen Coccidien
kommen diese Granula vor, aber auch bei Hämosporidien (Malaria-
parasiten und Verwandte) und bei Sarkosporidien. Sie kommen be-
sonders in den nicht encystierten Coccidien vor und sind wahrscheinlich
albuminoide Reservestoffe.
Bei der Bildung der Sporoplasten verschwindet der bläschenförmige
Kern; das zurückbleibende Chromatin desselben rückt an die Peri-
pherie und teilt sich unter Mitose in 2 und dann in 4 Stücke , um
welche sich dann die Leibessubstanz nach Ausstoßung des Restkörpers
in den 4 ovalen Sporoblasten absondert. Kleine chromatoide Granula
sind auch in den Sporoblasten, im Restkörper der Cyste wie der
Sporen und in den Sporozo'iten selbst nachweisbar.
M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Müller, Julius, Zur Kenntnis des Runzelschorfes und
der ihm ähnlichen Pilze. (Sep.-Abdr. aus Pringsheim’s
Jahrbüchern für wiss. Bot. Bd. XXV. Heft 4. Berlin 1893. 215 p.
Taf. XXVII— XXIX.)
Als Runzelschorfe hat man Pilzkrankheiten bezeichnet, die nach
dem heutigen Stande der Wissenschaft durch Pilze verschiedener
Verwandtschaft verursacht werden. Verf. beschränkt diese Bezeich-
nung auf die durch Rhytisma verursachten Krankheitserscheinungen
höherer Pflanzen.
De Candolle hatte 41 Arten der früheren Gattung Xyloma
unterschieden, von denen Elias Fries 20 Arten in die Gattung
Rhytisma hinübernahm. Fuckel unterscheidet nur 6 — 8 Species
von Rhytisma und Winter hat in der Kryptogamenflora
Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz 7, bezw. 10 Arten auf-
geführt, nämlich:
Rhytisma juncicolum Rehm auf Jun cus Hos ti i (Hoch-
alpen des Oetzthales); Rh. acerinum (Pers.) auf Acer cam-
pestre, platanoides und Pseudoplatanus; Rh. punctatum
(Pers.) auf Acer Pseudoplatanus in Mitteldeutschland; Rh.
sali ein um (Pers.) auf der Oberseite der Blätter der verschie-
denen Weidenarten von der Ebene bis in die Hochalpen; Rh.
Andromedae (Pers.) auf der Oberseite der Blätter von Andro-
meda polifolia in den Mooren Nord- und Süddeutschlands; Rh.
Em petri Fries auf Empetrum nigrum im Hochgebirge; Rh.
Pflanzeukrankheiten.
829
Urticae (Walld.) an den Stengeln von Urtica dioica; ferner
die „ganz zweifelhaften Arten“ Rhytisma Pedicularis (DC.)
an Blättern von Pedicularis incarnata und Bartsia alpina
am Mont Cenis; Rh. nervale Alb. et Schw. auf der unteren
Seite der abgeworfenen Blätter von Birken und Erlen, Rh. Cotini
Ces. (Klotzsch, Herb. myc. 1953) auf Blättern von Rhus Cotinus
bei Brixen in Südtirol. [Rh. Rubiae Mont, auf den Blättern von
Rubia tinctorum und Rh. monogramme Berk, et Curt. auf
Vitis aestivalis in Nordamerika werden vom Yerf. nicht er-
wähnt. Das frühere Rhytisma aquilinum stellt Rehm als
Cryptomyces Pteridis (Rebent.) Rehm zu einer neuen
Gattung. Es erzeugt in der „Spermogonienform“ Fusidium
Pteridis Kalchbr. eine Krankheit des Adlerfarns.] Den von
Frank, Sorauer u. A. als Rhytisma Onobrychidis be-
zeichneten, bisher nur in der Spermogonienform bekannten Pilz hatte
Saccardo alsPlacosphaeriaOnobrychidis bezeichnet. Verf.
beschreibt letzteren Pilz als Diachora Onobrychidis (DC.) n.
g., als „Doppelschorf1, beschreibt einen neuen Runzelschorf Rhytisma
symmetricum auf der Purpurweide, einen wohl bisher mit Rh.
acerinum verwechselten Pilz auf Acer als „falschen Runzelchorf“,
Discomycopsis rhytismoides n. g. et n. sp. und teilt seine
Ergebnisse einer Neuuntersuchung der bekannten Runzelschorfe des
Ahorns und der Weiden mit. Der „falsche Runzelschorf“ der Ahorne
läßt sich von den echten Ahornrunzelschorfen durch folgende Dif-
ferentialdiagnose unterscheiden :
Discomycopsis rhytismoides. Stroma auf der Oberseite
der Blätter, später auch auf den Blattstielen und Rippen der Unterseite
der Blätter von Acer Pseudoplatanus. Auf der Oberseite ver-
schieden gestaltete, buchtig begrenzte, durch 2 cm und mehr lange
pechschwarze Schorfe bildend, welche im Schnitte parallel zur Blatt-
oberfläche netzartig erscheinen und oberhalb der von der Cuticula
getrennten Epidermiszellen ihr Wachstum entfalten. Innerlich werden
im zeitigen Sommer des nächsten Jahres Sporen in verschieden ge-
stalteten Fruchtlagern intercalar gebildet. Dieselben sind im reifen
Zustande gebräunt, meist isodiametrisch und bis 27 /ti dick, bisweilen
mehr oblong oder in die Länge gezogen und dann 19 — 35 ^ 17 bis
25. Spermogonien sind zu gleicher Zeit mit den Sporen im Stroma
vorhanden. In pathologischer Hinsicht gleicht der falsche Runzel-
schorf dem echten in seiner Wirkung auf die Nährpflanze. Zwar
sind die pathologischen Veränderungen, die er in den Mesophyllzellen
der Ahornblätter hervorruft, geringer, er übertrifift aber in der Stö-
rung des Assimilationsthätigkeit der Nährpflanze das Rhytisma
trotzdem, da er bisweilen das Blatt in seiner ganzen Ausdehnung
einnimmt. Ludwig (Greiz).
Mer, E. , Recherches sur la maladie des branches de
Sapin, caus6e par le Phoma abietina R. Hartig
(Fusicoccum abietinum Prill. et D ela er.). (Journ. de
Botan. 1893. p. 364.)
830 Schutzimpfung, küustl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmuog etc.
Auf Grund eingehender Studien kann Verf. jetzt den Entwicke-
lungsgang des gefährlichen Parasiten fogendermaßen zusammenfassen :
Die Ausstreuung der Sporen erfolgt etwa im August bis Oktober;
zu derselben Zeit fiudet die Keimung auf der Rinde der Tannenäste
statt, das Mycel ergreift die Rinde, dann das Cambium. Dünnere
Zweige zeigen bereits im folgenden Frühjahre Absterbungserschei-
n ungen. Bei dickeren Aesten zeigt sich anfangs kein Unterschied
gegenüber den gesunden, bis etwa im Mai oder Juni neue Triebe
hervorbrechen, welche kümmerlicher und mit kleineren Nadeln versehen
sind. Zugleich erscheinen am Rande der Infektionsstelle, soweit
innen das Mycel bereits vorgedrungen ist, kleine Knötchen, die sehr
harzreich sind. Etwa um dieselbe Zeit treten auch die Pykniden
auf. Das Absterben der Zweige erfolgt unter ähnlichen Symptomen,
wie sie das Ringeln hervorruft. Das in der Nähe des infizierten
Cambiums liegende Meristem wird in seinen Funktionen gestört und
bildet unregelmäßiges Holz aus.
Als bestes Vertilgungsmittel hat sich das Abschneiden und Ver-
nichten der befallenen Zweige bewährt, wenn es in einer Zeit ge-
schieht, wo die Pykniden noch nicht reif sind.
Lindau (Berlin).
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
Tizzoni, Gr. und Centamii, E., Serum gegen Rabies, von
hoher, immunisierender Kraft, auf den Menschen
anwendbar. (Berl. klin. Wochenschr. 1894. No. 8. p. 189 ff.)
Die beiden Autoren berichten über weitere Experimente, welche
sie mit Serum gegen Rabies angestellt haben. Um dieses Serum für
den Menschen anwendbar zu machen, war es nötig, festzustellen, ob
auch größere Tiere als die bisher verwandten Kaninchen den immu-
nisierenden Stoff in hinreichender Menge lieferten. Es wurden daher
Schafe und Hunde als Versuchstiere verwandt. Denselben wurden
jeden zweiten Tag 0,33 g fixen Virus pro jedes Kilo Körpergewicht
injiziert. In verschiedenen Zwischenräumen wurde das Serum dieser
Tiere in verschiedener Dosis einer Reihe von Kaninchen injiziert, an
denen nach 24 Stunden die Injektion unter die Dura mater mit
Hundegift ausgeführt wurde, welches die Versuchstiere in 17—19 Tagen
tötete. Die Versuche ergaben, daß das von diesen größeren Tieren
herstammende Blut noch günstigere Verhältnisse bot, als das der
Kaninchen, da verhältnismäßig geringe Dosen Vaccin genügten, um
ein Serum von höherer Kraft zu erlangen. Es zeigte sich damit, daß
auch das Serum eiues fremden Tieres für Kaninchen immunisierende
Kraft erlangen kann und daß dasselbe trotz der lang dauernden In-
kubation schützende Wirkung entfaltet. Bis jetzt gelang es, ein
Serum von 1 : 50 000 herzustellen, wobei der Grad immer durch die
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. g31
Menge des Serums bestimmt wurde, welche bei den trepanierten
Kaninchen auf dauernde Weise die Entwickelung jeder Krankheits-
erscheinung zu verhindern vermag. Für einen Menschen von 70 kg
wären somit 2,80 ccm erforderlich. Dieses Serum, in einen festen
Zustand übergeführt, behält völlig seine Wirksamkeit. Die immuni-
sierende Kraft steigt einige Zeit nach der Vaccination an, um dann
später langsam zurückzugehen. Das Schaf besitzt am fünften Tage
1 : 1000 — 1 : 5000. Der Hund hatte etwas geringeren Wert. Am
zehnten Tage haben Schaf wie Hund 1 : 10000, am zwanzigsten Tage
1 : 25000 — 1 : 50000. Von hier ab scheint die Kurve zu fallen, so
daß der 25. Tag der günstigste sein dürfte.
Als Vorteile gegenüber der Pasteur’schen Methode heben die
Autoren hervor: Wirksamkeit in jeder Periode der Inkubation bis
zum Erscheinen der ersten Symptome der Rabies. Die Wirkung tritt
fast augenblicklich ein ; absoluter Mangel an Virulenz und an jeder
sonstigen schädlichen Einwirkung; sehr schnelle Behandlung durch
eine oder wenige Einspritzungen von sehr geringer Menge Materials;
vollkommene Löslichkeit und daher schnelle Aufsaugung des letzteren
und seine lange Haltbarkeit in trockenem Zustande, so daß es leicht
überall angewandt werden kann. Für die nächste Zeit werden
größere Mengen von Serum in Aussicht gestellt und sollen auch
abgegeben werden, so daß Versuche am Menschen gemacht werden
können. 0. Voges (Danzig).
Grermano, E., e Colucei, C., Sull’azionedella cura Pasteur
negli epilettici. (La Rif. med. 1993. p. 241, 242.)
Die glänzenden Erfolge, welche Babes u. A. bei mit schweren
nervösen Störungen belasteten Individuen mit der antirabischen Be-
handlung erzielt haben wollen, veranlaßten die Verff., diese Be-
handlungsmethode in einer Reihe von Fällen genuiner Epilepsie in
Anwendung zu bringen und berichten in der vorliegenden Arbeit über
9 von 14 so behandelten Kranken.
Das Ergebnis dieser Versuchsreihe ist ein recht klägliches und
läßt sich folgendes zusammenfassen:
In allen behandelten Fällen ließ sich während der Behandlung
eine hochgradige Steigerung der Reflexe, der Anfälle selbst, deren
Verlängerung und schwere komatöse Zustände im postepileptischen
Stadium sowie Störungen der Herzaktion wahrnehmen; in keinem
einzigen Falle konnte eine Besserung des Zustandes konstatiert
werden.
Wenn auch trotzdem die Autoren diese Versuche fortsetzen
wollen, warnen sie dennoch vor der Anwendung dieses Verfahrens,
da sie dessen Wirkung auf den epileptischen Organismus für außer-
ordentlich schädlich halten. Kamen (Czernowitz).
832
Neue Litteratur.
Neue Litteratur
zusammengesteüt von
De. Aethdk Wübzbueg,
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Neue Litteratur, p. 832.
Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Fohle) in Jena,
Bakteriologie und Parasitenkunde.
In Verbindung mit
Geh. Hofr. Prof. Dr. Lenctart ui Professor Dr. Loeller
tn Leipzig in Greifswald
herausgegeben von
Dr. O. Dlilworin in Cassel.
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
XV. Band.
-o- Jena, den 2. Juni 1894. -0-
No. 22.
—dt. Zu
Preis für den Band (26 Nummern) 14 Mark.
Jährlich erscheinen zwei Bände,
beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
kunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um Lieferung von besonderen Abdi'ücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an
den Verleger , Herrn Gustav Fischer in Jena , gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage , später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original -Mittheilungen.
Ueber das Wachstum des Streptococcus longus in
Bouillon.
Von
ß. Waldvogel, cancl. med.,
in
Gö ttin gen.
Durch die Arbeit von Knorr (Archiv für Hygiene. Bd. XIII),
dem es gelang, mit einer Streptokokkenart Tiere gegen verschiedene
Streptokokken zu immunisieren, erscheint die Spezifität der bisher
aufgestellten Streptokokkenarten sehr in Frage gestellt. Die Unter-
scheidung dieser verschiedenen Streptokokken wurde, abgesehen von
der Virulenzprüfung und der Züchtung auf festen Nährböden, haupt-
XV. Bd. 53
838
R. Waldvogel,
sächlich durch die von v. Lingelsheim und Kurth hervor-
gehobene Verschiedenheit im Bouillon Wachstum versucht; dieselbe
trennten einen die Bouillon klar lassenden, einen flockigen od
schleimigen Bodensatz bildenden, sehr lange Ketten erzeugende
Streptococcus longus (conglomeratus u. s. w.) von einem
die Bouillon diffus trübenden, nur aus ganz kurzen Ketten bestehen-
den Streptococcus brevis. Doch gelang es v. Lingelsheim,
durch starke Erhöhung der Alkalescenz und des Peptongehaltes mit
dem Streptococcus longus ein mehr diffuses, aber immer noch
feinkörniges Wachstum zu bewirken. Später wies Behring darauf
hin, daß es Formen vom Streptococcus longus giebt, welche
schon bei direkter Züchtung aus dem Tierkörper eine länger an-
haltende stärkere, doch auch körnige Trübung zeigen. Endlich konnte
Knorr bei seinen Versuchen mit Streptococcus Maertens,
welcher eine Form des die Bouillon feinkörnig trübenden Strepto-
coccus longus repräsentiert, die Beobachtung machen, daß der-
selbe allerdings nur in einem Falle nach Passieren des Tierkörpers
die Bouilion vollständig klar ließ und einen flockigen Bodensatz
bildete. Bei weiteren Tierversuchen mit dem letzteren ging derselbe
mit der Abnahme der Virulenz in seine ursprüngliche Form zurück.
Auf die Frage, ob es gelingt, durch Züchtung im Tierkörper die
verschiedenen Formen des Streptokokkenwachstums in Bouillon in-
einander überzuführen, beziehen sich folgende Ergebnisse, welche bei
Versuchen mit einem aus einem Diphtheriefall gezüchteten typischen
Longus zufällig gefunden wurden. Derselbe ließ die Bouillon voll-
kommen klar und erzeugte auch bei längerem Wachstume uur einen
geringen krümeligen Bodensatz. Bei mehrfacher Umzüchtung auf
Agar behielt er diese Eigenschaften konstant bei.
Mit der Bouillonkultur wurde geimpft weiße Maus No. 1 (26. März).
Tod nach 4 Tagen ; an der Injektionsstelle kleiner Absceß.
Züchtung aus demselben ergiebt Reinkulturen der Ausgangsform.
Züchtung aus dem Herzblute ergiebt Reinkulturen eines die
Bouillon ganz diffus trübenden, keine Körnung aufweisenden, kurze
Ketten von 4 — 6 Gliedern bildenden Strep tococcus; die bei allen
diesen Impfungen angewandte Bouillon war von gleicher Herkunft,
schwach alkalisch.
Beide Streptokokkenformen lassen bei mehrfacher Umzüchtung
auf Glycerinagar und Rückimpfung in Bouillon stets dieselben scharfen
Unterschiede erkennen.
Da es sich trotz angewandter Vorsichtsmaßregeln um Ver-
unreinigung handeln konnte, wurde Maus No. 2 mit einer frischen
Bouillonkultur des langen Streptococcus geimpft (31. März).
Tod nach 3 Tagen.
Die Impfungen aus dem Herzblute in Bouillon ergaben wiederum
diffuse Trübung mit Bildung ganz kurzer Ketten.
Die Weiterimpfung der Ausgangskultur wie der neugewonnenen
Streptococcusform auf Agar und Bouillon zeigt stets dieselben
Unterschiede.
Ein drittes in dieser Richtung ausgeführtes Experiment ergab
den gleichen Befund.
Ueber das Wachstum des Streptococcus longus in Bouillon.
839
Die beim 2. und 3. Versuche angewandte Bouillon war dieselbe
t ie beim ersten.
Auf Grund der von v. Lingelsheim gemachten Angaben
irden beide Streptokokkenformen in eine stark alkalische Bouillon
überimpft (20 ccm Normallauge auf 1000 ccm Fleischwasser). Dabei
zeigte sich, daß der lange Streptococcus die Bouillon auch in
den oberen Schichten zu trüben begann, daß diese Trübung jedoch
keine diffuse, sondern durch eine feine Körnung hervorgerufen war,
während die kurze Form eine milchige, dichte Trübung der Bouillon
hervorrief. Umgekehrt konnte durch Verimpfung der kurzen Form
in ganz schwach alkalische, fast neutrale Bouillon eine starke Ab-
nahme der Trübung bis zur fast völligen Klarheit und das Auftreten
einer feinen Flockenbildung mit starker Verlängerung der Ketten,
somit eine Annäherung an die Ausgangskultur erzielt werden.
Erwähnt sei noch, daß der Bodensatz bei der langen Form alle
möglichen Uebergänge zwischen den von Kurth angegebenen und
zur Unterscheidung verwerteten Formen aufwies.
Beide Formen konnten auf Kartoffeln nicht zum sichtbaren
Wachstume gebracht werden. Auf Agar zeigten sich keine sichtbaren
Unterschiede. Auf Gelatine trat erst nach 5 Tagen bei einer Durcb-
schnittstemperatur von 15° C sichtbares Wachstum ein. Impfversuche
mit der kurzen Form ergaben für weiße Mäuse ähnliche Resultate
wie mit der langen Form.
Diese Versuche bestätigen wohl die schon von Knorr gewon-
nenen Resultate und zeigen die Möglichkeit, die beiden bisher als
Unterscheidungsmerkmal betrachteten Formen des Bouillonwachstums
als Longus und B re vis bei einem und demselben Strepto-
coccus durch Züchtung im Tierkörper zu gewinnen.
Die biologischen Eigenschaften wurden durch die morphologischen
Veränderungen nicht berührt.
Die ausführlicheren Mitteilungen über die bakteriologischen Ver-
suche und die anatomischen Befunde des zu Grunde liegenden Krank-
heitsfalles werden in einer Dissertation niedergelegt werden.
Für die Ueberlassung des Materiales spreche ich Herrn Prof.
Orth meinen Dank aus und erwähne dankend, daß HerrDr. Asch off,
Assistent am pathologischen Institute zu Göttingen, an diesen Ver-
suchen regen Anteil nahm.
Göttingen, 12. Mai 1894.
53*
840
J. T i c t i u ,
Zur Frage über die Bedeutung der Milz bei Febris
recurrens.
Von
Dr. J. Tictin
in
Odessa.
Wie KarterJ)und Koch1 2), so beobachtete auch Metschni-
koff3) bei seinen Untersuchungen an Affen, welche er mit Spiro-
chaete Obermeie ri enthaltendem Blute impfte, bei diesen Tieren
Recurrensanfälle. Bei seinen mikroskopischen Untersuchungen des
Blutes und der Organe der infizierten Tiere in verschiedenen Stadien
der Recurrensanfälle fand er, daß während derselben die Spirochäteu
sich nur im Blute finden und sie erst kurz vor dem Abfall der Tempera-
tur, wie auch in den ersten Stunden der Apyrexie, aus dem Blute
verschwinden und sich ausschließlich in der Milz, namentlich in den
Mikrophagen derselben, in welchen ihre Verdauung vor sich geht, au-
sammeln. Einige Jahre später wiederholte Sudakewitsch4 5) diese
Versuche und kam zu denselben Resultaten. Außerdem impfte er auch
noch mit Spirochätenblut Affen, deren Milz früher entfernt wurde.
Das Resultat dieser Versuche war, daß die Tiere zu Grunde gingen
und in dem Blute aller Organe sich Spirochäten in großen Mengen
finden ließen. Außer anderen Schlüssen, welche er aus seinen und
Metschnikoff’s Untersuchungen zog, behauptet er noch, daß: „der
milzlose Organismus der Affen einen günstigen Boden für Spirillen-
kulturen darstellt ; dieselben vermehren sich unbehindert, wobei weder
die Drüsen, das Knochenmark, die Leber, noch die endothelialen
Zellen der Gefäße, unbeachtet ihrer nahen Berührung mit den Spiro-
chäten, den Organismus von den Parasiten, welche sich mehr und
mehr im Blute vermehren, zu schützen vermögen.“
Die Recurrensepidemie in Odessa im Jahre 1892 bot mir Ge-
legenheit, einige Untersuchungen an Affen vorzunehmen. Die Ver-
suche bestanden darin, daß ich den Tieren einige Tropfen spirochäten-
haltigen Blutes unter die Haut brachte; unter den Tieren befanden
sich auch solche, deren Milz längere Zeit vor der Infektion entfernt
war. Die Operation wurde von kräftigen Tieren gut überstanden;
schon am 6. Tage nach der Operation waren sie soweit hergestellt,
daß sie wie früher munter und lebhaft wurden und wieder Freßlust
1) F. Loeffler, Zur Immunitätsfrage. (Mitteilungen aus dem Kaiserlichen Ge-
sundheitsamte. 1881. p. 166 u. 167.)
2) Mitteil, aus dem Kaiserl. Gesundh. 1881. p. 167 u. 168.
3) Metschnikoff, üeber den Phagocytenkampf beim Rückfalltyphus. (Vir-
chow’s Archiv. Bd. CIX. 1887.)
4) Sudakewitsch, Recherches sur la fievre recurrente. (Annales de l'Institut
Pasteur. 1891.)
5) Loco cit.
Zur Frage über die Bedeutung der Milz bei Febris recurrens.
841
zeigten; die Wunde heilte per primam. Erst einen Monat nach der
Milzexstirpation wurden diese Tiere mit spirochätenhaltigem Blute
infiziert. Ich halte es für zweckmäßig, darauf hinzuweisen, daß alle
diese Versuche im Sommer vorgenommen wurden, da ich dadurch in
der Lage war, die Tiere im Freien halten zu können, was ja in Ver-
bindung mit sorgfältiger Pflege günstig auf ihren Gesundheitszustand
einwirkte. Möglicherweise wären die Resultate anderer Art gewesen,
wenn die Versuche im Herbst oder Winter unternommen worden
wären, wobei man die Tiere in dumpfen, schlecht ventilierten, unge-
nügend und ungleichmäßig geheizten Räumen hätte halten müssen;
es ist ja bekannt, wie empfindlich gerade Affen gegen Kälte und
schlechte Luft sind : die Mehrzahl derselben geht bei uns unter solchen
Verhältnissen auch ohne Operation zu Grunde, wobei die Tuberkulose
die meisten Opfer verlangt. Es ist ja selbstverständlich, daß die
operierten und infizierten Tiere gegen unser Klima noch empfindlicher
sein müssen.
Versuch I. Es werden 2 Affen — bei einem derselben war
die Milz früher exstirpiert — mit spirochätenhaltigem Blute infiziert.
Der operierte Affe (aus der Familie der Meerkatzen) hustete und
fieberte schon vor der Infektion. Diese Symptome konnte man un-
unterbrochen während der ganzen Inkubationszeit wie auch dann, als
sich im Blute Spirillen zeigten, verfolgen. Die Spirillen zeigten sich
am 4. Tage nach der Infektion: in den ersten 2 Tagen zeigten sie
sich in kleineren, in den folgenden 2 Tagen in großen Mengen, und
das Tier saß mit gekrümmtem Rücken unbeweglich da, fraß wenig
und war traurig; am Abend des 7. Tages nach der Infektion ver-
endete es; eine halbe Stunde darauf wurde es seziert. Die Autopsie
zeigte: in der rechten Lungenspitze eine mit Käsemassen angefüllte
Kaverne von der Größe einer großen Erbse; diese Spitze ist mit
der Pleura verwachsen. Im unteren linken Lungenlappen, der eben-
falls mit der Pleura verwachsen ist, eine gleiche, mit Käsemassen ge-
füllte Kaverne. Die Leber vergrößert, ganz von graugelben Knötchen
von der Größe eines Hirsekorns bis zu der einer kleinen Erbse durch-
setzt. Einige Tuberkel finden sich auf dem Peritoneum und der
Schleimhaut des Dünndarmes. Alle Lymphdrüsen — die inneren wie
auch die äußeren — stellen fibröse Kapseln dar, die mit käseartigem
Detritus erfüllt sind. Das Knochenmark ist von rosagelber Farbe.
Die Spirillen fanden sich nur im Blute. Im Blute des Herzens
eine große Menge beweglicher Spirillen, die teils einzeln, teils in knäuel-
artigen Gruppen zu finden sind ; im Blute der Leber weniger, in dem
des Gehirns noch spärlicher. In den Lymphdrüsen, dem Knochen-
mark, im Transsudat des Pericardiums, wie auch in der Galle lassen
sich keine Spirochäten entdecken. In den mikroskopischen Präparaten,
die nach der Methode von Günther gefärbt und von verschiedenen
Organen hergestellt wurden, läßt sich keine Erscheinung der Phago-
cytose nachweisen. Die spezifische Färbung der Tuberkelbacillen
zeigte, daß solche in den Kavernen, dem Lymphdrüsendetritus und
1) Loco cit. p. 561.
842
T. Ticti n,
der Leber vorhanden sind. Da dieser Affe an einer schweren Form
der Tuberkulose mit akutem Verlauf litt, erscheint es unentschieden,
wie bei ihm die Recurrens verlaufen wäre und zu welchen Folgen
sie geführt hätte, wenn das Tier nur milzlos, im übrigen aber ganz
gesund gewesen wäre.
Der gesuude Affe (Zati sinicus [Cynamolgus] Reichen-
bach), gleichzeitig mit dem soeben beschriebenen infiziert, erkrankte
nach 3 Tagen. Am 4. Tage nach der Infektion fanden sich im Blute
spärlich Spirillen bei normaler Temperatur. Am Tage darauf zeigten
sich bedeutend mehr Spirillen; nur abends stieg die Temperatur an
(40,1 °) ; am Morgen des 3. Tages nach der Erkrankung war die
Temperatur 41 °, doch waren die Spirillen aus dem Blute ver-
schwunden; um 2 Uhr desselben Tages fiel die Temperatur auf 38.4°.
Während dieser 3 Tage war der Affe lustig, lebhaft, fraß und zeigte
überhaupt keine Krankheitserscheinungen , ein Beweis, daß er den
Recurrensfall leichter als der operierte überstand.
Versuch II. Es wird ein Affe (Meerkatze), dem früher die
Milz exstirpiert war, wie auch noch ein anderer normaler Affe (Meer-
katze, doch einer anderen Gattung) mit Spirillen infiziert. Beim ersten
Affen war weder eine Temperatursteigerung, noch ein Erscheinen der
Spirillen im Blute bemerkbar; der andere hatte einen Rekurrensan-
fall ; am 5. Tage nach der Infektion zeigten sich im Blute Spirillen
bei normaler Temperatur; am folgenden Tage bemerkte man mehr
Spirillen, die Temperatur stieg an ; am 3. Tage hörte der Anfall auf.
Zwei Wochen später wurden dieselben Affen von neuem geimpft, doch
erkrankte keiner von beiden. Schließlich wurde nach einiger Zeit
eine wiederholte Impfung vorgenommen. Der milzlose Affe erkrankte
auch diesmal nicht; der normale bekam einen Anfall von 24-stün-
diger Dauer. Also ungeachtet der dreimaligen Inoku-
lation blieb der milzlose Affe immun.
Es muß betont werden, daß dieser Affe auch schon vor der Milz-
exstirpation immun war; die Milzexstirpation wurde vorgenommen,
um festzustellen, ob nicht die Milz als Ursache der Immunität zu be-
trachten sei. Außer diesem Affen besaß ich noch einen anderen,
welcher ebenfalls gegen Febr. recurrens immun war.
Versuch III. Bei einem Affen (Zatisinicus [Cynamolgus]
Reichenbach) wurde 1 Monat nach der Infektion mit Spirillenblut
(s. Versuch I) die Milz entfernt. Als sich das Tier vollkommen von der
Operation erholt hatte, wurde es von neuem infiziert. Nach 6-tägiger
Inkubationsperiode zeigten sich im Blute bei normaler Temperatur
Spirillen. Der Anfall dauerte 3 Tage, die letzten 2 Tage war die
Zahl der Spirillen beträchtlich, die Temperatur erhöht ; der Affe be-
wegungslos, traurig und nahm keine Nahrung zu sich. An den Blut-
präparaten, die nach Günther gefärbt waren, war keine Erschei-
nung der Phagocytose zu eruieren. Am 4. Tage nach dem Erscheinen
der Spirillen fiel die Temperatur und die Parasiten verschwanden aus
dem Blute; der Affe erholte sich vollkommen. Die Abwesenheit der
Milz war daher kein Hindernis für die vollständige
Genesung. Da dieser Affe 2mal Recurrensanfälle hatte — einen
vor, den anderen nach der Milzexstirpation — so erscheint es mög-
Zur Frage Uber die Bedeutung der Milz bei Febris recurrens.
843
lieh, den Charakter beider Erkrankungen zu vergleichen. Der zweite
Anfall verlief bedeutend schwerer. Beim ersten war die Temperatur
nur während 15 Stunden erhöht, Spirillen fanden sich im Blute wenig;
im allgemeinen keine Veränderung am Tiere bemerkbar; beim zweiten
Anfall hielt die Temperatursteigerung 2 Tage lang an, Spirillen fanden
sich in großer Menge, das Tier saß unbeweglich da, war traurig, fraß
nicht und litt an einem heftigen, schleimigen Durchfall, der noch
2 Wochen nach dem Recurrensanfall fortdauerte. Es ist be-
merkenswert, daß dieser Affe nach mehrfacher spä-
terer Infektion (einen Monat nach dem letzten Anfall, dann zwei
Wochen darauf und zuletzt zum 3. Male noch 3 Wochen später) sich
immun gegen dieselbe erwies.
Versuch IV. Es wird ein Affe (Meerkatze), dessen Milz früher
exstirpiert wurde, mit Spirillenblut geimpft. Nach 3-tägiger Inkuba-
tionsperiode zeigten sich im Blute bei normaler Temperatur Spirillen
in kleinen Mengen, am folgenden Tage gab es mehr Spirillen, sie
wurden länger, die Temperatur stieg au; im Laufe des 3. und 4. Tages
waren die Spirillen in großen Mengen vorhanden, die Temperatur
erhöht; das Tier saß unbeweglich da, war traurig und nahm keine
Nahrung zu sich. Am 5. Tage verschwanden die Spirillen aus dem
Blute, die Temperatur fiel; der Affe erhielt seinen früheren Frohsinn
und Appetit wieder; nach einigen Tagen erholte er sich vollständig.
An den ausgestrichenen und gefärbten Blutpräparaten keinerlei Er-
scheinung der Phagocytose. In diesem Falle genaß der Affe,
obwohl ihm die Milz exstirpiert war. Nach einigen Tagen
wurde der Affe von neuem mit Spirillenblut geimpft. Nach Verlauf
der Inkubationsperiode, welche diesmal 6 Tage dauerte, fanden sich
im Blute Spirillen in kleinen Mengen, bei hoher Temperatur; der
Anfall dauerte 2 Tage; darauf verschwanden die Spirillen aus dem
Blute, die Temperatur fiel; das Tier genas. Also der zweite
Anfall verlief leichter als der erste. 4 Tage nach der
Henesung wurde der Affe zum 3. Male geimpft. Die Inkubations-
periode währte 4 Tage; darauf zeigten sich im Blute Spirillen; in
den 2 ersten Tagen in kleinen Mengen, bei normaler Temperatur;
am 3. Tage des Anfalles waren mehr Spirillen vorhanden und man
konnte eine kurzdauernde Temperatursteigerung (von einigen Stunden)
konstatieren; der Affe wurde sehr schwach, lag, konnte sich nicht
erheben, fraß nicht; am folgenden Tage vermehrten sich die Spirillen,
tags war die Temperatur normal, das Tier zeigte die Erscheinung großer
Prostration; abends war die Temperatur bis 35,8°; am Abend des
5. Tages große Mengen von Spirillen, Temperatur bis 33°, der Affe
ist kalt, starkes Oedem der Hautdecken, besonders des Skrotums;
am Morgen des 6. Tages krepierte das Tier; 4 Stunden vor dem
Tode fanden sich im Blute keine Spirillen mehr. Die
Autopsie wurde 18 Stunden nach erfolgtem Tode vorgenommen ; es
fand sich folgendes : Das Herzfleisch im Stadium stark ausgesprochener
Fettdegeneratiou ; die Leber sehr hyperämisch ; die Hautdecken stark
ödematös; in den übrigen Organen keine besonderen Veränderungen.
Im Blute sind keine Spirillen zu finden. In den ausgestrichenen und
gefärbten Blutpräparaten aus verschiedenen Organen waren keine
844 Tic-tin, Zur Frage über die Bedeutung der Milz bei Febris recurrens.
Spirillen, weder in den Zellelementen, noch außerhalb derselben zu
entdecken. Dieser Affe ging an Herzparalyse zu Grunde, worauf auch
die stark ausgesprochenen Oedeme und bedeutende Herzfleischver-
fettung hinweisen. Jedenfalls überwand der Organismus
2mal die Parasiten der Recurrens, ungeachtet der
Abwesenheit der Milz.
Auf Grund meiner Versuche komme ich zu folgenden Schlüssen':
1) Die mit Spirillen (Spirochaete Obermeier i) subkutan ge-
impften Affen erholen sich von den Anfällen der Febris recurrens
auch ohne Mitwirkung der Milz.
2) Sie werden nicht allein gesund, sondern erlangen auch eine Im-
munität gegen diese Krankheit.
3) Milzlose Affen überwinden die Anfälle der Febr. recurr. schwieriger
als normale.
4) Im Blute der milzlosen Affen konnte man weder während der
Anfälle der Febr. recurr., noch nach denselben Erscheinungen der
Phagocytose nachweisen.
5) Affen, die (bei subkutaner Infection) immun gegen Febr. recurr.
sind, bleiben immun auch nach der Milzexstirpation.
Die Resultate meiner Versuche widersprechen vollkommen denen
Sudakewitsch’s, nach dessen Angaben die milzlosen Affen schon
bei dem ersten Anfall der Febr. recurr. krepierten.
Wovon hängt also dieser Unterschied ab? Wenn man sich
erinnert, daß nicht selten die milzlosen Affen während eines Anfalles
der Febr. recurr. sich im Stadium einer so tiefen Prostration befinden,
daß der Einfluß unbedeutender schädlicher Momente genügt, um sie
zu töten, so wird es verständlich sein, woher die Differenz der Re-
sultate Sudakewitsch’s und der meinigen. Bei einem Affen Su-
dakewitsch’s1 2) fand sich am Os parietale ein ziemlich tiefer Ein-
druck von 0,7 cm im Durchmesser (traumatisch ?) ; obgleich an
der inneren Fläche des Knochens, entsprechend der Vertiefung, und
am Gehirn sich keine Veränderungen vorfanden, so konnte doch der
Schlag auf den Schädel — worauf der Eindruck hinwies — so
stark gewesen sein, daß er den Tod des durch einen sehr starken
Anfall geschwächten Tieres hervorrufen konnte (durch Gehirnerschütte-
rung). Bei einem anderen Affen *) waren bedeutendere Veränderungen :
ein Absceß im Peritonealraume, Perihepatitis, in den Lungen Mengen
von Infarkten von der Größe einer Stecknadel bis zu der eines
Kirschkernes. Daß die Existenz nur eines Abscesses den Tod eines
milzlosen Affen hervorrufen kann, beweist einer meiner eigenen Fälle:
ein Affe, dem ich die Milz exstirpierte, fing an, sich nach der
Operation zu erholen, die Wunde heilte; das Tier fraß alles, erlangte
seine frühere Munterkeit wieder und schien vollkommen gesund; am
Anfang der 3. Woche fand man ihn eines Morgens krank im Käfig;
gegen Abend desselben Tages krepierte er. Nach Eröffnung fand
sich am Operationsstumpfe der Milz ein Absceß von der Größe einer
Kirsche; in den übrigen Organen keine Veränderungen.
1) Loco cit.
2) Loco eit.
M. Lunkewitsch, Beitrag zur Biologie des Bacillus typhi murium etc. 845
Die Versuche Sudakewitsch’s an Affen, bei welchen die Milz
exstirpiert war, beweisen also gar nicht, daß die Tiere deshalb
während eines Anfalls der Febr. recurr. zu Grunde gingen, weil sie
milzlos waren.
Die Resultate meiner Versuche stehen im Widerspruche mit
denen von Metschnikoff, aus welchen hervorgeht, daß die Spirillen
am Ende eines Anfalles der Febr. recurr. sich in der Milz ansammeln,
wo sie auch zu Grunde gehen. Doch ist dieser Widerspruch nur
ein scheinbarer, da die Versuche Met sehn ikoff’s sich auf normale
Affen beziehen uud nicht auf solche, bei denen die Milz entfernt
war. Es kann sein, daß bei milzlosen Affen irgend eine Kompensation
im Kampfe des Organismus mit den Spirillen zustande kommt,
d. h. daß die Zellelemente anderer Organe für sie (Milz) eintreten.
Ob dem so ist, konnten wir leider nicht feststellen, da die Recurrens-
epidemie bei uns in Odessa aufhörte nnd wir nicht die Möglichkeit
hatten, das für die Versuche nötige Material zu beschaffen.
Odessa, 19. April 1894.
Beitrag zur Biologie des Bacillus typhi murium (Loeffler)
und seine Virulenz gegen die Feld- und Hausmäuse.
Von
Dr. M. Lunkewitsch
in
Tiflis.
Da in einigen Bezirken des Kaukasus die Ernte durch die große
Menge von Feldmäusen vernichtet wurde, so wandte sich die kau-
kasische landwirtschaftliche Gesellschaft an den Verf. mit der Bitte,
in dem von ihm verwalteten militär-medizinischen Laboratorium zu
Tiflis die Virulenz der von Prof. Loeffler bezogenen Kulturen des
Bacillus typhi murium gegen die kaukasischen Feldmäuse1) zu
erproben. Die Versuche wurden in 3 Gruppen eingeteilt: 1. Gruppe:
Einmaliges Füttern der Mäuse mit dem in eine eintägige Bouillon-
kultur des Bac. typhi murium eingetauchten Brote; an folgenden
Tagen wurde nicht infiziertes Brot gegeben. 2. Gruppe: Infizieren
der Mäuse durch die Kadaver der an Typhus murium verendeten
Individuen, zu gleicher Zeit wurden die Mäuse vom Anfänge des
Versuches an reichlich mit Brot versorgt. 3. Gruppe: Füttern der
Mäuse mit Brot, das mit infiziertem Strohinfus durchtränkt wurde
(auf 1 1 des Infuses wurde eine ganze Eprouvette der Agarkultur des
Bacillus zugesetzt).
Die Versuche wurden mit den Feldmäusen und den Hausmäusen
gemacht. Auf 2 — 3 Tiere nahm man 5 ccm einer eintägigen Bouillon-
kultur des Bacillus.
1) Die kaukasische Species erwies sich als Arvicola arvalis.
346 M. Lunkewitsch, Beitrag zur Biologie des Bacillus typhi murium etc.
Zu den Experimenten der ersten Gruppe wurden 3 Feldmäuse
benutzt, zu denen zweiter 7 Feldmäuse und zu denen der dritten
Gruppe 2 Feldmäuse.
Die Resultate waren folgende:
1) Der Bacillus typhi murium ist für die kaukasischen
Feldmäuse vollkommen pathogen, durch einmaliges Füttern mit
infiziertem Brote starben die Tiere nach 5—6 Tagen.
2) Die durch Kadaver infizierten Feldmäuse starben nach 4 bis
8 Tagen, größtenteils aber nach 5 — 6 Tagen.
3) Die Feldmäuse zernagen nicht nur die Kadaver, sondern es
töten und benagen sogar die gesunderen und stärkeren Tiere die
kranken und schwachen.
4) In allen Organen und im Blute der an Typhus verendeten
Mäuse war, wie sich aus den Gelatineplattenkulturen erwies, nur eine
Reinkultur des Bacillus zu finden.
5) Beim Füttern mit dem in die Strohinfuskultur eingetauchten
Brote starben die Mäuse nach 10 — 11 Tagen.
Was die Hausmäuse anbetrifft, so gaben die Versuche folgende
Resultate:
1) Für die Hausmäuse, wie sich aus den Versuchen an 36 Mäusen
erwies, ist der Bacillus, wenn mit dem Futter verabreicht, ganz
unpathogen.
2) Beim Infizieren der Hausmäuse mit den Kadavern der an
Typhus verendeten Feldmäuse (an denen die Hausmäuse, nebenbei
gesagt, nur sehr ungern nagen, sogar wenn man ihnen gar keine
andere Nahrung giebt) starben aus vielen Objekten nur 5 und sehr
spät, die eine Maus nach 17 Tagen, die zweite nach 24, die dritte
nach 32, die vierte nach 35 und die fünfte sogar nach 47 Tagen.
In ihren Organen konnte man den Bac. typhi murium in Rein-
kultur finden.
3) Bei der Subkutaninjektion des Bacillus starben die Haus-
mäuse nach 24 Stunden und in ihren Organen wie auch im Blute
waren die Bacillen in großer Menge vorhanden.
4) Bei den an Typhus verendeten Hausmäusen konnte man
3 — 4 Tage vor dem Tode eine Parese der Hinterfüße beobachten,
später auch der Vorderfüße, was bei den Feldmäusen nicht zu be-
merken war.
Der Bacillus typhi murium (Loeffler) tötet also auch
die kaukasische Feldmaus schnell und sicher; die Neigung der Feld-
mäuse, sogar beim Vorhandensein reichlicher Nahrung an den Ka-
davern zu nagen und die Möglichkeit, Strohinfus statt Bouillon
anzuwenden, wodurch die Lo eff 1 er’sche Methode auf den Feldern
eine sehr billige wird, ist von großem praktischem Werte.
Tiflis, 23. April 1894.
Hans Reichenbach, Ueber einen neuen Brütofen etc.
847
Ueber einen neuen Brütofen für beliebiges Heizmaterial.
[Aus dem hygienischen Institute zu Göttingen.]
Von
Dr. Hans Reichenbach,
Assistenten des Instituts.
Mit 2 Figuren.
Das Bedürfnis nach einem Brütofen für Petroleumheizung ist kein
großes. Die meisten Laboratorien, in denen bakteriologische Unter-
suchungen ausgeführt werden, sind mit Gasleitung versehen, und die
Vorteile und Bequemlichkeiten der Gasheizung sind so beträchtlich,
daß man nur im Notfälle zu einem anderen Brennmateriale greifen wird.
Wenn ich trotzdem einen ursprünglich für Petroleumheizung kon-
struierten Thermostaten im Folgenden kurz beschreibe, so möchte ich
das damit rechtfertigen, daß er neben der Verwendbarkeit für be-
liebiges Heizmaterial einige andere Vorzüge besitzt, die wir bei nun-
mehr fast einjährigem Gebrauche im Göttinger hygienischen Institute
an ihm erprobt haben.
Der Brütofen ist von der Firma F. Sartorius, Göttingen, in
Anlehnung an ein englisches Modell (Patent Hearson) folgender-
maßen gebaut: Der Brütraum hat die Gestalt eines Parallelepipedons
und wird an fünf Seiten von einem Wassermantel umgeben, die sechste,
vordere, ist durch eine Thür von starkwandigem Spiegelglase ver-
schlossen und kann zum Schutze gegen das Licht noch mit einer
Filzdecke verkleidet werden. Die Innenwandungen sind der besseren
Wärmeabgabe wegen aus Wellblech hergestellt. Nach außen ist der
Wassermantel von einer dicken Kieselgubrschicht umkleidet, die äußere
Umhüllung des ganzen Apparates bildet ein Zinkmantel mit Wachs-
tuchüberzug. Sämtliche Wandungen bestehen, soweit sie mit Wasser
in Berührung kommen, aus Kupferblech. Die zur Heizung benutzte
Gas- oder Petroleumlampe befindet sich seitlich; vermittelst eines
u-förmig gebogenen Rohres cc, das in horizontaler Richtung von dem
der Lampe als Schornstein dienenden senkrechten Rohre S abgeht,
werden die Heizgase durch den Wassermantel geführt. Sie nehmen
diesen Weg aber nur, wenn der Schornstein oben durch den Deckel
d verschlossen ist, anderenfalls entweichen sie hier direkt, ohne den
Apparat zu durchziehen.
Die selbstthätige Regulierung der Temperatur geht nun auf
folgende Weise vor sich. Im Brütraume befindet sich eine elastische,
mit einer leicht siedenden Flüssigkeit gefüllte Kapsel h aus Neusilber-
wellblech. Die Bewegung dieser Kapsel wird auf den Stift s und
von da durch Vermittlung der Schraube j auf den einarmigen Hebel
h übertragen, an dessen freiem Ende der Deckel d über dem Schorn-
steine herabhängt. Bei steigender Temperatur dehnt sich die Kapsel
aus, die Bewegung geht auf den Hebel und stark vergrößert auf den
Deckel über; dieser hebt sich, läßt die Mündung des Schornsteins
frei und die Heizgase entweichen ganz oder zum Teil ins Freie. Das
848
Hans Reichenbach,
Umgekehrte findet statt, wenn bei sinkender Temperatur die Tension
der Dämpfe in der Kapsel sich verringert. Zur Einstellung der ge-
wünschten Temperatur dient die Schraube j , durch deren Bewegung
der Hebel und mit ihm der Deckel gehoben oder gesenkt werden
kann ; behufs feinerer Regulierung soll das Laufgewicht g auf dem Hebel
verschoben werden. Man kann aber bei einiger Vorsicht ganz gut
mit der Schraube allein auskommen und das Laufgewicht ganz fort-
Fig. 1.
nehmen oder möglichst nahe am Drehpunkte ein für allemal fest-
schrauben, wodurch der Vorteil geringerer Belastung der Kapsel und
damit größerer Empfindlichkeit erzielt wird.
Für weit auseinanderliegende Temperaturen bedarf man mehrerer
Kapseln mit verschiedener Füllung. Ein und dieselbe Kapsel ist für
ein Temperaturintervall von etwa 10° brauchbar, man wird also bei
bakteriologischen Arbeiten für gewöhnlich mit zweien, von denen die
eine bei Temperaturen von 20 — 30°, die andere von 30 — 40° ange-
wandt wird, vollständig ausreichen.
Ueber einen neuen Brütofen für beliebiges Heizmaterial.
849
Wie alle Dampftensionsregulatoren ist auch der beschriebene vom
Barometerstände abhängig. Da es sich hier aber um Flüssigkeiten von
sehr niedrigem Siedepunkte, also großer Dampftension handelt, so sind
die kleinen, durch den Luftdruck hervorgerufenen Volumänderungen
gegenüber den schon durch geringe Wärmeunterschiede bewirkten
Spannungsschwankungen ohne große Bedeutung, Thatsächlich hat
ein im hiesigen Institute seit fast einem Jahre in Beobachtung befind-
licher Sartorius’scher Brütofen bei einem Barometerstände, der
zwischen 728 und 762 mm schwankte, als größte Temperaturdifferenz
Fig. 2. Vertikalschnitt.
0,7 0 gezeigt. Bei gleichbleibendem Luftdrucke ist auch die Temperatur
konstant, die Schwankungen betragen dann höchstens 0,1°.
Da bei unserem Thermostaten im Gegensätze zu anderen Kon-
struktionen durch die Regulierungsvorrichtung nicht die Gaszufuhr
zur Flamme, sondern nur der Weg der Heizgase verändert wird, so
könnte es scheinen, als ob hier, bei der Anwendung von Gas als Heiz-
material, eine unnötige Verschwendung getrieben würde. Indessen
liegen die Verhältnisse doch wesentlich günstiger, als man danach er-
warten sollte, sobald man nur dafür sorgt, daß die Flamme nicht viel
größer brennt, als gerade zur Erhaltung der Temperatur nötig ist.
Es gelingt mit einiger Geduld, den Gasverbrauch so zu regeln, daß
der Deckel dem Schornsteine fast ganz aufliegt, daß also thatsächlich
850
Hans Reichenbach, lieber einen neuen Brütofen etc.
nahezu die gesamte produzierte Wärme dem Apparate zu gute kommt.
Unser Ofen, dessen Brütraum die Dimensionen 25X25X35 cm hat,
verbraucht bei Einstellung auf 37 0 in 24 Stunden 580 1 Gas. Jeden-
falls tragen auch die günstige Anordnung des Heizrohres und die
gute thermische Isolierung viel zur Verminderung des Gasverbrauchs
bei. Als Vergleich möge dienen, daß ein d’ Arsonval’scher
Thermostat von annähernd gleicher Größe in derselben Zeit 530 1
braucht.
Eine Einrichtung des Brütofens möchte ich noch besonders her-
vorheben, da sie ihre Entstehung einer aus dem hiesigen Institute her-
vorgegangenen Anregung verdankt. Es ist dies eine Vorrichtung
zum Befeuchten der Ventilationsluft. Um einen regulierbaren Luft-
wechsel im Apparate zu ermöglichen, ist der Boden durchbrochen
und in der Decke befindet sich, durch einen Schieber v verschließbar,
eine Reihe von Abzugsöffnungen. Bevor die Luft in den Brütraum
eintritt, durchströmt sie die in der unteren Oeflnung angebrachte Be-
feuchtungsvorrichtung, einen flachen, mit Wasser gefüllten Blech-
kasten <2, der zur Vermehrung der verdunstenden Oberfläche einen
mit Leinwand oder besser Filtrierpapier überzogenen Einsatz aus
durchbrochenem Zinkblech trägt. Das Wasser wird durch die seit-
lich angebrachte Sturzflasche auf konstantem Niveau erhalten. Eine
ähnliche Vorrichtung haben wir auch an unserem d’ A r so nval’ sehen
Thermostaten schon seit Jahren in Gebrauch und sind mit dem Er-
folge durchaus zufrieden.
Allerdings darf mau sich von einem solchen Befeuchtungsapparate
nicht allzuviel versprechen. Welchen Grad der Trockenheit die Luft
im Brütraume annehmen muß, zeigt eine einfache Rechnung. Nehmen
wir an, die Luft träte mit einer Temperatur von 18° und einer rela-
tiven Feuchtigkeit von 30 Proz. in den Apparat ein — was für die
Verhältnisse im Winter meistens annähernd zutreffen wird — so muß,
wenn sie keine Gelegenheit hat, Wasserdampf aufzunehmen, bei einer
Erwärmung auf 37 0 ihre relative Feuchtigkeit auf 10 Proz. sinken.
Es ist deshalb immerhin schon eine erfreuliche Leistung, wenn es ge-
lingt, diese enorme Trockenheit merklich zu verringern. In unserem
Thermostaten stellt sich bei reichlicher Ventilation die Feuchtigkeit
auf 40 Proz., bei vollkommen geschlossenem Schieber auf 60 Proz. ein.
Ohne Befeuchtungsvorrichtung beträgt sie unter den der vorstehenden
Rechnung zu Grunde liegenden Bedingungen 14 Proz. Wahrscheinlich
läßt sich übrigens durch eine noch günstigere Anordnung der wasser-
abgebenden Fläche der Effekt auch noch erhöhen.
Göttingen, den 8. Mai 1894.
Krückmann, Eine Methode zur Herstellung bakteriologischer Museen etc. 851
Eine Methode zur Herstellung bakteriologischer
Museen und Konservierung von Bakterien.
[Aus dem pathologischen Institute zu Rostock.]
Von
Dr. Emil Krückmann,
2. Assistent am pathologischen Institute.
Durch den persönlichen Verkehr mit Herrn Dr. He gl er, Assi-
stenten am hiesigen botanischen Institute, erfuhr ich, daß die
gebräuchlichen Bakteriennährböden, wie Gelatine oder Agar,
durch Formalin gegerbt werden und, so behandelt, durchsichtig
bleiben, solange Formalin sich auf ihrer Oberfläche befindet. Auf
Grund eigener Untersuchungen hat derselbe diese Methode verwandt,
um die sog. Wurzelhöschen in Gelatine zu konservieren. Da außer
Pflanzen höherer Ordnung sich diese Eigenschaft besonders bei den
Bakterien verwerten ließ, habe ich in dieser Weise Untersuchungen
angestellt, die befriedigende Resultate hatten.
Eine Lösung von Formalin und Wasser 1 : 4 gab sehr häufig
sowohl im Reagenzglase als auch auf der Platte einen grauen
Niederschlag, d. h. es bildete diese aufgeschichtete Lösung eine
graue, undurchsichtige Flüssigkeit. Außerdem wurden sowohl im
Stiche wie auf schrägem Nährboden, besonders aber auf der Platte
die Kolonieen, gleichgiltig, ob sie verflüssigten oder nicht, wegge-
spült, auch wenn sie unmittelbar nach dem Aufgießen an Ort und
Stelle erhalten waren. Nach 1 — 2 Stunden schwammen sie entweder
auf oder in der Flüssigkeit umher oder sie hatten die Oberfläche
des Nährbodens getrübt, indem von den Kolonieen aus graue
Bakterienmassen sich diffus in und auf die Umgebung lagerten. Bei
stärkerer Konzentration wurde sowohl der Niederschlag der Lösung
selbst geringer, als auch das Haftenbleiben der Kolonieen an Ort
und Stelle ein häufigeres. Diesen Lösungen von Formalin und
Wasser wurden sodann verschiedene Fixieruugsmittel zugesetzt, und
zwar habe ich davon eine große Menge probiert. Fast alle verdarben
entweder die Kolonieen, oder das Aussehen des Nährbodens, oder
beides. Nur zwei erfüllten in dieser Beziehung ihren Zweck, das
Sublimat und die konzentrierte reine Salpetersäure. Ersteres hat
mich zuletzt nie mehr im Stiche gelassen, während ich der Salpeter-
säure nur einen kleinen Distrikt einräumen kann, in dem sie dann
allerdings vorzügliche Dienste leistet. Zuweilen müssen das Sublimat
und die Salpetersäure nach einander angewandt werden. In 3/i- bis
1-proz. Dosis angewandt, verursacht das Sublimat meistens noch
starke Trübungen. Die Kolonieen sind schließlich kaum mehr an
den Nährböden zu unterscheiden; ganz gleichmäßig grau sieht der
Inhalt des Reagenzglases aus. In geringer Dosis — am besten bis
0,1 Proz. der genannten Flüssigkeit — hat bei meinen Versuchen
das Sublimat nie mehr gestört. Die Nährböden bleiben vollkommen
klar und durchsichtig und die Kolonieen lassen sich sowohl in An-
ordnung wie Farbe und Form von allen Seiten prächtig abgrenzen,
so daß man den Eindruck von frisch angelegten Kulturen hat. Beim
852
Emil Krückmann,
schrägen Agar z. B. sieht oft schon von der hinteren Seite die Kultur
ganz besonders schön aus, weil der an und für sich im Verhältnis
zu der Gelatine meist etwas trübere Agar nach der Formalinbehaud-
lung mitunter glänzender und durchsichtig wird. Kleine, sowie
granulierte Kolonieen, wie die Streptokokken, Tuberkel-
und Milzbrandbacillen, kommen dann besser zur Geltung.
Die Salpetersäure wird nur in kleiner Dosis benutzt. 2 bis
4 Tropfen werden mit der wässerigen Formalinlösung auf je
eine Platte oder ein Reagenzglas verwandt. Dieselbe hat in
vielen Fällen — ganz allgemein ausgedrückt — die Eigen-
schaft, zu bleichen, d. h. die Farben werden matter und
blasser. Es verliert z. B. das Spirillum rubrum schon nach
einer halben Stunde seine schöne rote Farbe, desgleichen wird mit-
unter die Gelatine so klar und hell, daß man die aufgeschichtete
Flüssigkeit kaum von der Gelatine abgrenzen kann, was ich besonders
bei verflüssigenden Kulturen, die oben eine Luftblase haben , wie bei
allen Cholera- und choleraähnlichen sehr empfunden habe. Zuweilen
trübt Salpetersäure auch Zuckeragar, so daß z. B. bei den gasbilden-
den Arten die Blasen deutlicher und die Kulturen undeutlicher
werden. Unter einer Bedingung jedoch vernotwendigt sich der
Gebrauch der Salpetersäure. Es kommt in einigen Fällen vor, daß
nach dem Zugießen der wässerigen sublimathaltigen Formalinlösung
die ganze Gelatine einen Stich ins Grünliche erhält. Der Grund ist
mir unklar. Gießt man dann diese Flüssigkeit ab und frische
Formalinlösung wieder hinein, der einige Tropfen Salpetersäure zu-
gefügt werden, so wird die Gelatine wieder hell. Man muß nun
kontrollieren, bis die grüne Farbe verwischt ist, um dann entweder
wässerige Formalinlösung aufzugießen oder direkt schon Formalin.
Ein nach mehreren Stunden im Nährboden auftretender grauer Ring
ist als Diffusionszone aufzufassen. Er verschwindet, sobald er den
Boden des Gefässes erreicht hat.
Gewöhnlich härtet und gerbt die wässerige Formalinlösung
bald, d. h. in einigen Tagen. Ist der Nährboden mit seinem
Bakterienmateriale fixiert, so gieße ich reines Formaliu auf, so daß die
ganze Oberfläche bedeckt ist. Das Präparat ist nun fertig. Be-
merken will ich, daß das Aufgießen sehr vorsichtig und langsam ge-
schehen muß. Unter allen Umständen ist es weiter nötig, den ganzen
Nährboden mit der Flüssigkeit zu bedecken; denn sonst bilden sich
häufig an der Grenze Trübungen in dem unbedeckten Nährboden,
die sich ziemlich oft auch in den bedeckten Teil hineinstrecken.
Beim schrägen Agar ist es ferner besser, das ausgepreßte Wasser,
das sog. Kondensationswasser, vorher abzugießen, denn es kann in
doppelter Hinsicht den Versuch beeinträchtigen. Da das Formalin
und auch die wässerige Formalinlösung spezifisch schwerer ist als
dieses Wasser, so kommt letzteres beim Angießen auf die Oberfläche
der Flüssigkeit und schwemmt die Mikroorganismen fort, bevor die-
selben von der fixierenden Flüssigkeit benetzt werden. Alsdann ent-
hält, zumal bei tief angelegtem Striche, dies Wasser auch immer
Bakterien, welche durch das Zugießen in der Flüssigkeit verteilt
werden, um später auf der Oberfläche des Glases und des Nähr-
bodens haften zu bleiben.
Eine Methode zur Herstellung bakteriologischer Museen etc.
853
Meistens stelle ich das zu verwendende Agar einen Tag vor
der Impfung in den Brütofen und gieße nach 24 Stunden das aus-
gepreßte Wasser ab, möglicherweise wiederhohle ich dies. Bei nicht
pathogenen Mikroorganismen habe ich auch nach der Entwickelung
der Kolonieen mitunter einige Tropfen der Formalinlösung vorsichtig
an der freien Glasfläche hineinlaufen lassen und dann ebenso vor-
sichtig die Mischung ausgegossen. Dies muß nach Umständen gleich-
falls wiederholt werden.
Bei schrägen Kulturen, gleichgiltig, ob Gelatine, Agar oder
Kartoffel, gießt man am besten so zu, als wenn man überschichten
will, indem man beide Gläser fast horizontal, Ma
Die Oberfläche aller schrägen Nährböden muß
der Impfung unbedingt trocken sein. Am besten kontrolliert man
dies dadurch, daß die untere dickere Partie sich von der Glas-
wand abhebt. Da bei Gelatine, sowie bei Agar, dem etwas Gela-
tine zugesetzt ist, dies sehr spät eintritt, so trocknet man diese
Nährböden am besten vorher aus. Ueberhaupt ist das Austrocknen
bei schrägen Nährböden sehr empfehlenswert, weil die sich selbst
überlassenen Kolonieen nach einiger Zeit doch häufig von ihrem
typischen Aussehen eiubüßen, während sie durch die kurze Zeit der
künstlichen Austrocknung nicht geschädigt werden; höchstens wird
die oberste Partie des schrägen Nährbodens wegen ihrer Dünne so-
wie ihrer großen Nähe zur Austrocknungsflüssigkeit etwas rissig.
Dies geschieht aber nur bei längerer Austrocknung. Die besten
Dienste hat mir folgendes geleistet:
Ich nehme ein weites Standgefäß und stelle in dieses ein Becher-
glas mit den auszutrocknenden Reagenzgläsern, gieße englische Schwefel-
säure um letzteres herum UDd fülle es außerdem mit soviel Hagel-
körnern, bis dasselbe fest im Gefäße steht; darauf bedecke ich das
Ganze mit einer Glasscheibe, nachdem der Rand des Gefäßes mit
Vaseline eingefettet worden. Auf diese Weise ist es mir z. B. ge-
lungen, innerhalb 21/2 Tagen auf schrägem Agar eine frische typische
Milzbrandkultur zu gewinnen. Am 16. April morgens impfte
ich eine Maus, die am 17. nachmittags starb. Kurze Zeit nach dem
Tode zog ich dieselbe durchs Wasser, öffnete die Bauchhöhle und
trennte die Milzkapsel. Mit der Platinöse wurde direkt von der
Milz auf schräges Agar übertragen. Das Reagenzglas mit dem Agar
hatte ich gleichfalls am 16. April in den Brütofen eingestellt. Das-
selbe wurde am 17. abends nach Abgießung des Wassers mit Milz-
brand beschickt. Am 18. morgens war der Milzbrand gewachsen,
kam in den Exsiccator, und am 20. morgens wurde er mit Formalin
fixiert.
Bei den verflüssigenden Bakterien in der Gelatine muß man
gleichfalls vorsichtig sein. Liegen die Mikroorganismen in der ver-
flüssigten Gelatine selbst, so werden sie in ihrer Lage bei gewisser
Vorsicht in der gegerbten Gelatine fixiert. Liegen sie reichlich von
Luft umgeben, so ist mitunter ein Wegschwemmen nicht zu ver-
meiden. Eine Kahmhaut läßt sich am besten folgendermaßen er-
halten: Mit einer Spritzflasche läßt man kleine Tropfen allmählich
XV. Bd. 54
Seite mit dem Nährboden aber nach oben
854
Emil Kriickmann,
direkt auf ihre Mitte fallen, damit dieselben sich von dort nach der
Peripherie hin gleichmäßig verteilen, und nicht durch einseitiges
Beschweren dieselbe aus ihrer Lage bringen. Ist die Kahmhaut erst
fixiert, so kann man später die Flüssigkeiten wechseln. Eventuell
kann man auch von einem Glasstabe die Tropfen langsam in die
Mitte herunterfallen lassen.
Die für die Sammlung bestimmten Plattenkulturen habe ich
meistens folgendermaßen hergestellt: Von der zweiten oder dritten
Verdünnung goß ich auf breite Objektträger und behandelte dieselben
ebenso wie die übrigen Kulturen. Beim Mikroskopieren sieht man
die Verhältnisse ebenso wie auf der Platte: die Granulierung, den
scharfen resp. unregelmäßigen Rand, den Verflüssungstrichter, die
Farben u. s. w. Man trocknet die untere unbeschickte Seite des
Objekträgers ab und hält die obere mäßig feucht. Besser sind
Petri’sche Schälchen. Man kann auch die Platten nach der Ver-
arbeitung mit ihren Kolonieen trocknen lassen; doch halten sie sich
nicht lange. Zur Demonstration von Zooglöen u. s. w. eignen sich
Rollkulturen sehr schön. Nur mit Blutserum habe ich keine Versuche
machen können, doch hoffe ich damit nichts versäumt zu haben,
weil es jetzt sehr entbehrlich geworden ist. Wahrscheinlich verhält
es sich damit aber ebenso.
Was die chromogenen Bakterien anlangt, so kann ich im all-
gemeinen behaupten, daß sie ihre Farbe dauernd behalten, wenigstens
auf Agar und Gelatine. Auf Kartoffelkulturen ist es anders. Die
pathogenen Mikroorganismen bleiben sogar tadellos; ausgenommen
der Pyocyaneus — wenn man ihn überhaupt zu den pathogenen
rechnen will — welcher von seinem schillernden Aussehen einbüßt.
Ueberhaupt verlieren bei stärkerer Konzentration alle diejenigen
Mikroorganismen an Farbenintensität, deren Farbstoffbildung mit
einem Schillern, Fluorescieren, Glänzen u. s. w. verbunden ist. Hängt
die intensivere und raschere Farbstoffbildung von dem Aufenthalte
im Brütofen ab, so kann ein mehrtägiges Verweilen in demselben
sowie die Anwendung mäßig ansteigender Konzentrationsgrade der
Formalinlösung dennoch die Kultur so erhalten, daß sie als solche
ohne weiteres erkannt werden kann. Ausgezeichnet bleibt der
Prodigiosus sowohl auf Agar wie Gelatine; besonders aber auf der
Kartoffel ist er durchaus typisch. Eine Kultur auf Agar, welche ich
im Brütofen während drei Tagen gelassen , dann mehrere in den
Exsiccator gestellt hatte und an welcher bis dahin nur wenig Farb-
stoffentwickelung zu erkennen war, zeigte dieselbe autfallenderweise
einige Stunden nach der ersten Formalinbehandlung. Sehr gut halten
sich vor allen die Schimmelarten; selbst auf Bierwürze behielt
der rote Schimmel sein schönes Aussehen.
Die drei ähnlichen pathogenen Mikroorganismen auf Kartoffel:
Rotz, Cholera, Pyocyaneus sind nach der Formalinbehandlung
gänzlich von einander verschieden. Nicht wieder zu erkennen war der
Pyocyaneus, wenig Farbe hatte die Cholera und am meisten der
Rotz behalten. Der Viola ceus, welcher sich in der Gelatine aus-
gezeichnet macht, blaßt wiederum auf Kartoffel ab. Ueberhaupt
bleiben die chromogenen Bakterien am besten auf schrägem Agar
und im Gelatinestiche sowie auf Platten von diesen beiden Nährböden.
Eine Methode zur Herstellung bakteriologischer Museen etc.
855
Mit Ausnahme derjenigen, welche dem Nährboden ein schillerndes
Aussehen verleihen, blieben die von mir untersuchten, worunter auch
Sarcinearten sich befanden, gut, wobei ich noch bemerken will, daß
die Gelatine das Fluorescieren deutlicher bewahrt, als die übrigen
Nährböden. Im Gelatinestiche blieb u. a. äußerst charakteristisch
die Farbstofibildung auf der Oberfläche beim Prodigiosus,im Stiche
beim Spirillum rubrum und sowohl unten wie oben beim Siegel-
lack. Kahmhäute vom Prodigiosus und Violaceus, welche ich
entfernte und in ein Glas mit Formalinlösung brachte, haben bis
heute ihr gutes Aussehen bewahrt. Phosphorescierende Bakterien
hatte ich leider nicht zur Verfügung.
Die Anwendung von Salpetersäure hat bei meinen Versuchen
dauernd nur der Siegellac k vertragen. Sollte die Gelatine nach
längerer Behandlung mit Formalin einen Stich ins Grünliche an-
nehmen — ihre Durchsichtigkeit bleibt immer bewahrt — so kann
man auch bei den Chromogenen vorsichtig Salpetersäure versuchen;
mitunter ist ihre Wirkung in einigen Stunden vollendet, so daß man
dann wieder Formalin aufschütten kann.
Ich habe mich absichtlich auf keine chemischen und physio-
logischen Schlußfolgerungen eingelassen, wie z. B., ob die nach dem
Zugießen von konzentrierter Sublimatlösung entstehenden Trübungen
durch die Bestandteile der Nährböden, der Bakterien, sowie ihrer
Stoffwechselprodukle, oder durch das Zusammenwirken mehrerer von
ihnen zustande kommen; desgleichen ob die Trübungen, welche an
der Stelle des Nährbodens entstehen, welche von der Formalinlösung
teils bedeckt, teils unbedeckt ist, durch den Sauerstoff bewirkt werden
oder nicht; doch halte ich es für möglich, daß Formalinextrakte aus
Bakterien beim Tierexperimente vielleicht noch weitere Aufschlüsse
geben können. Ich bemerke hier, daß nach Loew1 2) Pepton gefällt
wird, Eiweiß nicht.
Das Formalin ist ein wahres Plasmagift, welches die Bakterien
unmittelbar nach dem Zugießen tötet *). Dasselbe muß immer dunkel
und kühl aufbewahrt werden , desgleichen die damit behandelten
Reagenzgläser und Platten. Da es leicht verdampft, so ist es am
besten , wenn man die Gläser hermetisch verschließt. Abgesehen
davon, daß wegen undichten Verschlusses bei konzentrierten Nähr-
lösungen die Oberflächen der Nährböden eintrocknen, sowie bei ver-
dünnten durch Abnahme des Konzentrationsgrades die Kolonieen weg-
schwimmen können, empehle ich dies besonders noch aus dem Grunde,
weil das verdampfende Formalin durch die Wattepfropfen der anderen
Reagenzgläser eindringt und die Virulenz der übrigen Bakterien
schwächt. Das Formalin reizt alle Schleimhäute sehr und macht die
Haut rauh und derb; es gerbt sie förmlich. Es löst sich zu 40 Proz.
in Wasser.
Wenn ich schließlich nochmals alles zusammeufassen soll, so ist
die Formaünbehandlung am besten mit schwacher Sublimatlösung vor-
zunehmen, und zwar bei nicht verflüssigenden Nährböden auf mög-
1) Loew, Physiologische Vorträge über Formaldehyd. (Sitzungsberichte am 1. Mai
1888 der Münchener Biologischen Gesellschaft.)
2) Loew, Pflüger ’s Archiv für Physiologie. Bd. XXXII.
54'
856 Krückmann, Eine Methode zur Herstellung bakteriologischer Museen etc.
liehst trocknen. Es ist besser, mit mäßigen Konzentrationen zu
beginnen, welche sich später bis zum reinen Formalin steigern, damit
die Farben exakter erhalten bleiben und die Schrumpfung, welche
zuletzt doch eintreten muß, eine allmähliche wird und daher eine
nicht störende bleibt. Beim Grünwerden der Gelatine ist vorsichtig
Salpetersäure zu benutzen. Alle Nährböden mit Ausnahme der Kar-
toffel — diese nur beschränkt — erweisen sich als brauchbar. Sollten
Kahmhäute aus ihrer Lage gebracht sein, so muß man sie entweder
abgießen oder vorsichtig mit der Nadel entfernen. Schließlich teile
ich noch mit, daß man das zur Formalinlösung zu benutzende Wasser
am besten vorher aufkocht, um Blasen zu vermeiden.
Auf Rat von Herrn Professor Lubarsch, dem ich meine Prä-
parate zeigte und welcher meine Ansicht betreffs des Nutzens der
Formalinbehandlung bestätigte, untersuchte ich der Vollständigkeit
wegen die behandelten Kulturen auch im Schnitte.
Die Methoden von Neißer1) lassen sich sowohl bei Gelatine
wie bei Agar an wenden. Allerdings kann man auch Gelatine und
Agar in Celloidin einbetten, d. h. mit einem Celloidinmantel umgeben,
doch ist diese Behandlung nicht so gut wie die Neißer’sche. Bei
der Gelatine ist es in einigen Fällen besser, wenn sie nicht mit der
von Neißer erwähnten Kali bichromicum-Lösung vorher behandelt
wird. Die von Lipez2), Jacobi3) und Günther4) angegebenen
Methoden zur Erhaltung von Plattenkulturen habe ich gleichfalls mit
Erfolg benutzt. Am besten eignet sich die Gün t her ’sche aus dem
Grunde, weil mau nach dieser die Platten färben kann, wenn man
will, da sie sich beim Glycerineinschluß gut halten.
Der größte Vorteil besteht aber dann, daß
1) die Kulturen sich zu den Demonstrationszwecken als dauernd
ausgezeichnet erweisen5);
2) zu Lehr- uüd Lernzwecken direkt von den so behandelten
vorrätigen Kulturen — zumal, wenn man sich dieselben auf ver-
schiedenen Nährböden und von verschiedenem Alter hält — von jeder-
mann gefahrlos abgeimpft werden kann, weil die Bakterien sich
morphologisch, sowie in Hinsicht auf ihre Färbbarkeit tadellos halten
und man daher außer der jeweiligen Mühe bei den pathogenen Mikro-
organismen jegliche Infektionen vermeidet;
3) gegenüber den anderen Methoden die Herstellung eine leichtere
und bequemere, desgleichen die Konservierung der Kulturen als auch
der Bakterien selbst eine bessere ist.
Rostock, 9. Mai 1894.
1) Centralblatt für Bakteriologie. Bd. III. 1888. No. 16.
2) Lipez, Centralbiatt f. Bakt. Bd. I. 1887. No. 13.
3) Jacobi, Centralbl. f. Bakt. Bd. III. 1888. No. 17.
4) Günther. Deutsche med. Wochenschr. 1889. No. 20.
5) Ich habe z. B. die Cholera mit ihren ähnlichen, wie Metschnikoff,
Deneke, Berolinesis, Finkler zugleich abgeimpft und dieselben Kulturen zu
gleicher Zeit in verschiedenen Abständen mit Formalin behandelt. Diagnostisch
differenziell sind dieselben sehr verwertbar. Die Luftblase bleibt gut erkennbar; be-
sonders beim geringen Schiefhalten kann man sie deutlich abgrenzen.
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 857
Nachtrag.
Nach der Einsendung meiner Arbeit erhielt ich durch die
Freundlichkeit von Herrn Dr. Uhlworm den Separatabdruck eines
Vortrages, gehalten von Prof. Ferd. Cohn zu Breslau in der
Sitzung der botanischen Sektion der Schlesischen Gesellschaft für
vaterländische Kultur am 16. November 1893, in welchem über ähn-
liche Versuche Hauser’s mit Formalindämpfen berichtet wird. So-
wohl dieser Vortrag, wie die Originalmitteilung von Hauser — die
ich jetzt gefunden habe x) — war sowohl mir wie sämtlichen hiesigen
bakteriologischen und botanischen Fachmännern entgangen. In der
Zwischenzeit habe ich gleichfalls dies Verfahren probiert und muß
gestehen, daß bei schrägen Nährböden das Austrocknen mit Schwefel-
säure unnötig wird, sowie daß die Kahmhäute sowie die verflüssigen-
den Kulturen in ihrer Lage besser erhalten werden. Allerdings
halte ich es für besser, die Kulturen stets feucht zu halten, sowie
etwas Sublimat hinzuzusetzen, weil die Kolonieen und die einzelnen
Mikroorganismen in ihrer Gestalt und Färbbarkeit sich besser kon-
servieren. Außerdem scheinen bei den chroraogenen Bakterien die
Farben durch die Dämpfe leichter zerstört zu werden. Weiter ist
es nicht nötig, zuletzt reines Formalin zu nehmen, es genügt eine
Lösung von 1 : 10 bis 1 : 4. Die Sammlungspräparate fixiere ich
jetzt folgendermaßen : Zuerst kommen sie in den Exsiccator, der statt
Schwefelsäure Formalin enthält, um die oberflächlichen Schichten der
Nährböden zu gerben. Dann wird eine wässerige, 0,1 Proz. Sublimat
enthaltende Formalinlösung von 1 : 10 aufgegossen, darauf mit einer
etwas stärkeren gewechselt und dann das Reagenzglas hermetisch
verschlossen.
Rostock, 26. Mai 1894.
Bakteriologische und parasitologische Kongresse.
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen
Kongresse in Rom.
Referent: Dr. G. Sanarelli, Privatdozent in Rom.
(Fortsetzung.)
Donath, J. (Budapest), Ueber fi eber regend e Stoffe.
Die Frage, ob bei akuten Infektionskrankheiten das Fieber
durch den parasitären Lebensprozeß der Mikroben oder durch deren
Stoffwechselprodukte erzeugt wird, wurde an Bacillus anthracis,
Streptococcus pyogenes, Staphylococcus pyogenes
aureus, Bacillus pyocyaneus zu lösen gesucht.
1) Die keimfrei filtrierten Milzbrandkulturen er-
zeugen beim Kaninchen subkutan oder intraperitoneal kein Fieber,
aber auch virulente Anthraxkulturen können ohne ausgesprochenes
1) Münch, med. Woehenschr. 1893. No. 30 und 35.
858 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
Fieber zum Tode führen oder es findet nur eine mäßige Temperatur-
erhöhung statt.
2) Von Streptococcus pyogenes zeigten die löslichen
Produkte schon deutliche Fieberwirkung bei Kaninchen, Schafen und
Pferden. Die fiebererregenden Substanzen der S tr eptococcus-
kulturen sind in Alkohol löslich.
3) Von Staphylococcus pyogenes aureus zeigten sich
die durch Erwärmen auf 63° sterilisierten Kulturen in allen Ver-
suchen als thermogen. Jedoch konnten durch subkutane Injektionen
virulenter Kulturen von Staphylococcus pyogenes aureus bei
Kaninchen ebensowenig wie mit Streptococcus pyogenes
Fieber hervorgerufen werden.
4) Die intensivsten Fieberwirkungen zeigten die Py ocyaneus-
produkte (Schafe und Pferde).
5) Was das Verhältnis der Milz zu den fiebererregenden Stoffen
anlangt, so zeigte sich sowohl der wässerige als der alkoholische
Auszug der Milz von Schweinen, welche an Schweinerotlauf zu Grunde
gegangen waren, fiebererregend (Kaninchen, Schafe, Pferde). Die
wässerigen Auszüge erwiesen sich gleichzeitig auch giftig. Aehn-
liches gilt für die Leberauszüge von Tauben, welche an verimpftem
Schweinerotlauf zu Grunde gegangen waren.
Haupt, A. (Bad Soden), Die möglichen und erlaubten
Grenzen einer Prophylaxe der Tuberkulose vom
Standpunkte der praktischen ärztlichen Erfahrung.
Die gegenwärtig maßgebenden und noch in Beratung stehenden
prophylaktischen Maßregeln hinsichtlich der Tuberkulose stützen sich
einzig und allein auf die Lehre von der Kontagiosität der Schwind-
sucht. Die ärztliche Erfahrung steht nicht im Einklänge mit dieser
Lehre, nimmt vielmehr als hauptsächlichste Ursache der Verbreitung
der Tuberkulose die Erblichkeit an. Diese Verbreitungsart zu be-
seitigen, ist in der Hauptsache unmöglich, möglich aber ist ein Er-
folg in der Bekämpfung der Hilfsursachen, welche für die Entwicke-
lung der Krankheit den Ausschlag geben. Unsere Prophylaxe muß
deshalb das ganze Gebiet der Hygiene umfassen. Was wir zur Er-
höhung der Widerstandskraft des kindlichen Organismus thun, was
wir zur Verbesserung der biologischen Bedingungen der heranwach-
senden Generation und zur Milderung der sozialen Schäden für die
arbeitende und ihr Geschlecht fortpflanzende Menschheit überhaupt
zu leisten vermögen, leisten wir im Dienste der Prophylaxe der
Tuberkulose.
Hesse, W. (Dresden), Ueber die Beziehungen zwischen
Kuhmilch und dem Cholerabacillus.1
Rohe K uhmilch ist kein Nährboden für den Cholera bacillus,
vielmehr tötet sie denselben im allgemeinen binnen wenigen Stunden
ab, und zwar bei Brüttemperatur schneller als bei Zimmertemperatur.
Ebensowenig ist lange Zeit dem Dampfstrome ausgesetzt gewesene
und dadurch sauer gewordene Kuhmilch ein Nährboden für alle
Cholerabacillen. Dagegen ist kurze Zeit dem Dampfstrome ausge-
setzt gewesene Kuhmilch ein guter Nährboden für den Cholera-
Mitteiluogen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom 859
bacillus, sie bewahrt jedoch diese Eigenschaft nur wenige Tage,
weil infolge einer durch die Cholerabacillen eingeleiteten und unter-
haltenen, bis zur Gerinnung des Kaseins fortschreitenden Säuerung
der Milch, der Vermehrung, dann der Vegetation und schließlich dem
Leben der Bacillen ein Ziel gesetzt wird. Nachdem festgestellt ist,
daß die rohe Kuhmilch den Cholerabacillus binnen kurzem
abtötet, durch Erhitzen aber diese schätzenswerte Eigenschaft ver-
liert und sich in einen guten Nährboden für den Cholera bacillus
umwandelt, erscheint einerseits die Gefahr, die Cholera mit dem
Genüsse von roher Kuhmilch zu erwerben, sehr gering; andererseits
erscheint es angezeigt,
1) Kuhmilch nicht ohne Not zu erhitzen ;
2) erhitzt gewesene Kuhmilch vor dem Zutritte pathogener Mikro-
organismen besonders zu schützen;
3) erhitzt gewesene Kuhmilch, die der Infektion durch den Ch o 1 e r a-
bacillus ausgesetzt war oder verdächtig ist, unmittelbar vor
dem Genüsse nochmals zu erhitzen;
4) die Maßnahmen zu fordern, die geeignet sind, die Zersetzung
der rohen Kuhmilch thunlichst hintanzuhalten, insbesondere die
Milch nach dem Melken abzukühlen und dann möglichst kühl
zu halten.
Charrin (Paris), Einfluß der Atmosphärilien auf die
Mikroorganismen.
Verf. hat seit langer Zeit gemeinschaftlich mit Dr. d’Arsonval
Untersuchungen in betreff des Einflusses der physisch-chemischen
Agentien auf die Mikroben und die Produkte ihres Stoffwechsels an-
gestellt. Er hat zum Gegenstände seiner Studien den Bacillus
pyocyaneus erwählt, welcher sich wegen seiner hervorragenden
Färbungseigenschaften besser als irgend ein anderer für seinen Zweck
eignete.
Die Kälte wirkt sehr rasch auf die Schnelligkeit der Entwicke-
lung und der Absonderung; aber um die Mikroben zu töten, muß
man auf sehr niedrige Temperaturen von — 60 bis — 90° hinunter-
gehen, welche man vermittelst des Cailletet’schen oder des
modifizierten Car raschen Apparates erhält. Um die Mikroben bei
— 60° zu töten, ist schon eine während 4 — 6 Stunden fortgesetzte
Abkühlung erforderlich. Diese Ergebnisse lassen uns verstehen,
warum die Epidemieen sich auch im Winter entwickeln können.
Die Hitze ist wirksamer. Der D ru ck schwächt den Ba cill us
pyocyaneus erst bei 30—40 Atmosphären ab; aber wenn man in
Betracht zieht, daß Chauveau den Milzbrandbacillus mit
Anwendung von nur 9—12 Atmosphären abschwächt, so begreift man,
wie verschieden die Widerstandskraft gegen dieses physikalische
Mittel von einer Species zur anderen sein kann.
Die Elektricität vermindert, ohne thermische Erhöhung oder
chemische Zersetzungen hervorzurufen, an und für sich wesentlich
die Absonderungen der Bacillen; aber Verf. hat Sinusströme mit
gesteigerter oder verminderter Frequenz anwenden müssen.
Das Ozon ist ein mittelmäßiges Antiseptikum und vermag nicht
jede Lebenskraft auszulöschen.
360 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
Der reine Sauerstoff verhält sich ebenso und vermag nur
die Erzeugung der Farbsubstanzen zu beeinflussen. Nach dem Verf.
ist die hygienische Wirkung der Ventilation vor allem diesem Gase
zuzuschreiben.
Das Zittern, die wiederholten Bewegungen, welche
Verf. zusammen mit Bouchard studiert hat, haben complexe
Wirkungen, welche einerseits der Erschütterung, andererseits der
Lüftung vergleichbar sind. Bei längerer Dauer erzeugt dieses Zittern
einen geringen Grad von Abschwächung, welcher in einer Verminde-
rung der Pigmentbildung ihren Ausdruck findet.
Die Austrocknung ist für die Mikroorganismen viel schäd-
licher als die Feuchtigkeit.
Das Licht stellt einen der wichtigsten Faktoren dar. In der
That sind wir genötigt, die anderen Agentien in übertriebener Art
anzuwenden. Das Licht dagegen ist ganz so, wie wir es besitzen,
sehr energisch und seine Wirkungen offenbaren sich, sei es, daß mau
es von der Sonne, sei es von dem Volta’schen Bogen, empfängt.
Es existiert jedoch eine Verschiedenheit zwischen den verschiedenen
Strahlen des Spektrums. Während diejenigen, welche sich dem Violett
nähern , schleunig abschwächen oder sogar den Tod hervorrufen,
haben die roten oder denselben benachbarten Strahlen fast gar keine
Wirkung.
Atmosphärilien modifizieren gleichfalls die Bakteriengifte. So ist
z. B. das längere Zeit dem Sauerstoffe ausgesetzte Tuberkulin
nachher weniger aktiv. Diese verschiedenen Agentien verändern
gleichfalls die Nährböden selbst. Wenn man sterilisierte Bouillon
bis auf — 90° abkühlt und dieselben dann, nachdem man sie auf
Brüttemperatur gebracht hat, mit dem Bacillus pyocyaneus
besät, so läßt sich konstatieren, daß sich in den meisten Fällen
dieser Bacillus in den vorher gefrorenen Bouillons weniger gut
entwickelt.
Die Resultate dieser Versuche können eine ausgedehnte An-
wendung in der Hygiene und in der Pathologie finden, weil die ver-
schiedenen Atmosphärilien, welche ohne weiteres früher als Krank-
heitsursachen betrachtet wurden, anfangen, in das Bereich der Ex-
perimente gezogen zu werden.
Pernice, B. uud Pollaci, GL (Palermo), Ueber den Einfluß
der Absonderungen im Verlaufe der Infektions-
krankheiten.
Die Verff. haben vermittelst Experimenten feststellen können, daß
während nach der Injektion einer gewissen Quantität einer Kultur von
Milzbrandbacillen die Hunde meistens mit allen Zeichen des Wohlbe-
findens fortleben, dagegen wenn das Einimpfen derselben Kultur-
quantitäten von Milzbrandbacillen nach der experimentellen, mehr oder
weniger vollständigen Anurie stattfindet, oder wenn während der
Periode, in welcher die Keime im Organismus existieren, die Funktion
der Nieren gestört oder gehemmt wird, daß dann die so behandelten
Hunde die Symptome der Infektion aufweisen und derselben häufig
unterliegen. Der Tod findet gewöhnlich 24 — 48 Stunden nach der
Impfung statt, in einer Zeit, in welcher es leicht ist, ihn von dem
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 861
durch urämische Vergiftung hervorgerufenen zu unterscheiden ; jedoch
dauert die Periode der Existenz der krankheitserzeugenden Keime
nach ihrem Eindringen in das Tier nur kurze Zeit, weil sie schnell
verschwinden.
Nach solchen Resultaten kommen die Vertf. zu der Ansicht, daß
die Aktivität der Urinabsonderung und im allgemeinen die Aktivität
der Absonderungsapparate dazu beiträgt, den Organismus vor den
Infektionen zu bewahren, und so ist es auch möglich, daß dieselbe
auf den Verlauf und den Ausgang der Infektionskrankheiten Ein-
fluß besitzt.
Scagliosi, Gr. (Palermo), Ueber die mikrobischenLeber-
entzündun gen.
Indem der Verf. die bisherigen negativen experimentellen Resultate,
welche man in betreff der Eingebung von Alkoholen bei Tieren er-
halten hat, mit den klinischen Daten in Einklang bringen wollte,
hat er sich a priori die Meinung gebildet, daß die Leber
günstige Bedingungen aufweisen müsse, damit der Alkohol seine
Wirkung thue. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, hat er die
Leber von Tieren (Meerschweinchen und Kaninchen) zu alterieren
gesucht, indem er ihnen unter die Haut krankheitserzeugende Bak-
terien einimpfte, entweder nicht in großer Quantität oder wiederholt,
da es bekannt ist, daß viele Mikroorganismen durch die Galle be-
seitigt werden. So hat er mikroskopisch den Beginn von Alterationen
im Bindegewebe zwischen den Lappen beobachten können, welche in
mehr oder weniger hervortretender Angiocolitis, in Weißkörperchen-
infiltrationen rings um die Gallenkanälchen (Kaninchen) und in einer
gewissen größeren Ausdehnung der Gallenräume bestanden. Jetzt
ist Verf. damit beschäftigt, den so vorbereiteten Tieren Alkohol ein-
zugeben, um diese beginnenden Alterationen sich besser entwickeln
zu lassen, woraus der zweite Teil der vorliegenden Arbeit be-
stehen wird.
Sormani, GL (Pavia), Ueber die den Cholerabacillus neu-
tralisierenden Mittel.
1) Da es sich gezeigt hat, daß eine 2-promill. sauere Sublimat-
lösung die Virulenz einer Cholerakultur in weniger als 1 Minute zer-
stören kann, zieht Prof. Sormani im allgemeinen die chemische
Desinfektion, wenn sie durchführbar ist, derjenigen durch Wärme vor,
und zwar wegen der Ersparnis an Zeit, Geld, Arbeit und Personal
und wegen der geringeren Gefahr der Verbreitung von pathogenen
Mikroorganismen.
2) Verf. findet auch in der 5-proz. Schwefelsäure ein vorzüg-
liches und billiges Desinfektionsmittel, welches den Cholerabacillus
leicht zerstört und allen so warm empfohlenen Desinfektionsmitteln
des Handels vorzuziehen ist.
3) Verf., obschon er die guten Eigenschaften der vor kurzem
empfohlenen Kalkmilch anerkennt, bedauert, daß der Chlorkalk bei-
seite gestellt worden sei, da dieser jedenfalls weit energischer ist.
4) Als Desinfektionsmittel der Hände zieht Verf. noch immer
eine Sublimatlösung den vielen Seifen des Handels vor.
862 Mitteilungen aus dem XI. internationaleu medizinischen Kongresse in Rom.
5) Für den Mund hat sich erwiesen, daß man sich auf eine
gesättigte Borsäurelösung nicht verlassen kann, sondern 2-proz. Salz-
säure den Vorzug geben soll.
6) Als innere Desinfektionsmittel der Därme hat Verf. auf Cho-
lerakulturen die Wirkung von vielen Substanzen untersucht, wie
z. B. der Kampfersäure, Asephtol, Kreosot, Zink- und Quecksilber-
cyanid, Dermatol, Phenosalol u. s. w. Am wirksamsten haben sich
Salol und Wismutsalicylat gezeigt.
Sormani, GL (Pavia), Ueber die den Diphtheriebacillus
neutralisierenden Mittel.
Verf. hat die Wirkung der bis jetzt gebrauchten und der neuen
Mittel, welche bei Diphtheritis lokal angewendet werden, untersucht.
1) Die gewöhnlich gegen den Loef fler’schen Bacillus ge-
brauchten Mittel, wie Kaliumchlorat, Borsäure, Silbernitrat (1-proz.),
Euphorin, Zink- und Quecksilbercyanid (Lister) haben nach den Ver-
suchen des Verf.’s wenig oder fast keine Wirkung. Wirksamer haben
sich Eisenchlorid (1-proz.), Salveol (2-proz.) und Schwefelsäure (1-proz.)
erwiesen.
2) Unter den Ichthyolvasogen, Jodoformvasogen, Kreolinvasogen
und Kreosotvasogen hat sich letzteres am wirksamsten gezeigt, weniger
aktiv haben sich Petroleum, Kreosotal, Xylol und Formalin erwiesen.
3) Energischer als die oben genannten zeigten sich das Jodoform
und das Chlorokresol, fast unwirksam sind benzoesaures Naphtol,
Dermatol, Salol, im Gegensätze zu Sozojodol, Saccharin, Auisol und
Pyoktanin.
4) Verf. bittet auch die Kollegen, zu untersuchen, ob die von
ihm als neutralisierende Mittel geprüften Substanzen auch für die
Heilung nützlich sind. So viel steht jedoch fest, daß diese Sub-
stanzen zur Desinfektion des Mundes und der Kehle dienen können,
die Leichtigkeit der Ansteckuug vermindern und die Konvalescenz
beschleunigen.
5) Verf. hat auf Kulturen auch das Antidiphtherin vou Klebs
untersucht und erklärt, daß dieses Mittel ohne Wert sei.
Bordoni-Uffreduzzi (Turin), Ueber den Wert einiger für
die Desinfektion geschlossener Räume vorgeschla-
genen gasförmigen Desinfektionsmittel.
Die Schlußfolgerungen, zu welchen Verf. kommt, sind die
folgenden :
1) Die Ammoniakdämpfe können nicht zur Desinfektion geschlos-
sener Räume angewandt werden, wie es vor kurzem vorgeschlagen
wurde, weil dieselben auch die am wenigsten widerstandsfähigen
Keime nur nach langer Zeit und die Milzbrandsporen erst nach 15-
tägiger Einwirkung töten.
2) Das Formalin (40-proz. wässerige Lösung von Formaldehyd)
besitzt eine energische und rasche desinfizierende Wirkung, besonders
im Dampfzustände, aber für die Desinfektion von Räumlichkeiten kann
es der großen Quantität wegen, die dazu erforderlich wäre, und auch
wegen des zu hohen Preises nicht verwendet werden.
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 863
Bordoni-Uffreduzzi und Abba (Turin), Ueber eine aus dem
Menschen isolierte Varietät des Cholerabacillus
und über die bakteriologische Diagnose der Cholera.
1) Der Cholerabacillus besitzt bisweilen einen so hohen
Grad von Virulenz, daß er auch in dem Menschen eine allgemeine
Infektion zu verursachen vermag und sich in das Blut und in die
inneren Organe verbreiten kann, wie es gewöhnlich geschieht, wenn
man Tiere mit einem sehr aktiven Bacillus impft.
2) Die bakteriologische Diagnose der Cholera kann oft auch
einem geübten Bakteriologen schwer fallen wegen der natürlichen
morphologischen und biologischen Abweichungen des spezifischen
Bacillus von klassischem Typus, welchem die isolierten Vibrionen
genau entsprechen müßten, um die Diagnose mit Sicherheit stellen
zu können.
3) Da Verff. in dem Brunnenwasser und dem Powasser in Turin
keine choleraähnlichen Vibrionen vorgefunden haben und in Anbetracht
dessen, daß in Turin seit dem Jahre 1884 kein Cholerafall vor-
gekommen ist, so glauben sie a priori sagen zu können, daß,
wenn man ähnliche Versuche wie die ihrigen auch in anderen Städten,
wo seit langer Zeit kein Cholerafall vorgekommen ist, anstellte, man
zu denselben Resultaten wie sie kommeu würde. Deshalb glauben
sie, daß die bakteriologische Diagnose des Cholerabacillus jene
hygienische Wichtigkeit wiedergewinnen würde, welche sie zum Teil
nach der Entdeckung von choleraähnlichen Vibrionen verloren hatte.
Bujwid, 0. (Krakau), Ueber die antirabische Behandlung
nach der Pasteur ’schen Methode und die Verände-
rungen der Nervenzellen bei der Tollwut.
Die bei der antirabischen Behandlung in seinem Institute in
Warschau erhaltenen Resultate erlauben dem Verf. folgende Schluß-
folgerungen :
1) Die intensive präventiv-curentive antirabische Behandlung hat
durchschnittlich, in den letzten Jahren, eine Sterblichkeit von 0,5 bis
02 Proz. ergeben, d. h. etwa 15 — 20 mal weniger als die gewöhnliche
Sterblichkeit, welche auf 7 — 12 Proz. angesetzt wird. Selbst in das
Gesicht und in den Kopf gebissene Personen geben jetzt eine sehr
kleine Mortalität, welche nicht mehr als 1 Proz. beträgt.
2) Die Modifikationen, welche der noch nicht bekannte Toll-
wutvirus in Organismus, Rückenmark und Medulla oblongata her-
vorruft, bestehen, nach den Untersuchungen des Verf. und 0 r 1 o w s k i ’s,
in Vakuolisation und einer glasigen Degeneration der Zelle.
Am Schlüsse betont Verf. die Notwendigkeit, in allen größeren
Städten des Auslandes antirabische Institute zu begründen.
Tenii, C. (Pisa), Das Serum der kaltblütigen Tiere bei
der Milzbrandinfektion.
Das Studium der natürlichen Resistenz der kaltblütigen Tiere
gegen Milzbrand schließt alle Fragen, die die Immunität betreffen, in
sich. Die Temperatur hat darauf keinen Einfluß, weil, wenn man die
Virusinokulationen, auch in warmen Jahreszeiten, unter normalen
Umständen und bei einer Temperatur von 20 — 25° macht, welche für
804 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
die Entwickelung der Keime sehr günstig ist, dieselben ohne
positive Resultate bleiben. Die Zerstörung des Virus geschieht haupt-
sächlich durch die Phagocyten; aber obschon ihre zerstörende Ak-
tivität wunderbar ist, genügt sie doch nicht, uns eine vollständige
Erklärung der Immunität zu geben, da man auch nach 48 Stunden
bei dem Inokulationsorte lebendige und virulente Bacillen finden kann,
welche noch ein Kaninchen in derselben Zeit und bei einer kleineren
Dosis als diejenige, welche einen Frosch oder eine Eidechse nicht zu
vergiften vermag, töten können. Man muß folglich annehmen, daß
das Serum der kaltblütigen Tiere der Entwickelung der Bacillen
entgegensteht, wodurch die zerstörende Wirkung der Phagocyten
erleichtert und beschleunigt wird. Dieses Verhalten des Serums der
immunisierten Tiere ist schon, besonders bei den warmblütigen Tieren,
studiert und verschieden erklärt worden. Nach Tador, Chor,
Setchenof ist die Wirkung des Serums eine physikalisch-chemische,
sie rührt von der Alkalinität desselben, welche durch die Anwesenheit
von anorganischen oder noch unbekannten organischen Basen bedingt
sein kann, oder von seinem Kohlensäuregehalte her. Christmas,
Ogata und Andere glauben, daß die bakterientötende Wirkung von
der Anwesenheit albuminoider Stoffe herrühren kann, welche, wie das
Eialbumin, auf die Bakterien tötend wirken.
Verf. hat seine Untersuchung auf die kaltblütigen Tiere beschränkt,
und zwar auf Rana esculenta, Triton cristatus, La-
certa viridis et muralis, Testudo graeca, Emis lutaria,
Coluber viridi-fla vus et austriacus, Vipera berus und
suchte zu bestimmen, ob wirklich das Serum der kaltblütigen Tiere
ein ungünstiges Medium für die Entwickelung der Milzbrandbacillen
sei. Das ist aber nicht der Fall. Die Bacillen entwickeln sich gut
in dem Serum, in vitro und in den Organen der getöteten Tiere.
Bei dem Durchgänge durch die kaltblütigen Tiere nimmt der Milz-
brandbacillus ansteckende Eigenschaften für dieselben an, ohne
einer Verminderung seiner Virulenz für die warmblütigen Tiere
(Meerschweinchen und Kaninchen) zu unterliegen, er verliert aber
das Vermögen, Sporen zu bilden. Dasselbe kann nur nach wieder-
holten Durchgängen durch warmblütige Tiere wiedergewonnen werden.
Diese Tbatsachen bilden einen Beweis für die Wirkung des Blut-
serums auf das Protoplasma der Bakterien, welche von speziellen
albuminoiden Substanzen des Serums und nicht von seiner alkalischen
Reaktion abhängt. Indem aber die Virulenz der Keime für die
warmblütigen Tiere unverändert bleibt, so wird der Serumtherapie
bei der Milzbrandinfektion nach der Methode von Ogata jede
wissenschaftliche Grundlage entzogen, weil dieselbe sich auf die
bakterientötende Wirkung des Blutserums kaltblütiger Tiere gründet.
(Fortsetzung folgt.)
Melaeua.
865
Referate.
Gärtner, Identischer Bakterienbefund bei zwei Me-
laenafällen Neugeborener. (Arch. f. Gynäkologie. Bd. XLV.
Hft. 2.)
Dem Vorgänge Runge’s folgend, teilt Verf. die bisher für
Melaena als ätiologisch bezeichneten Momente in zwei Gruppen : kon-
stitutionelle Krankheiten (Syphilis, Sepsis und die akute Fettent-
artung nach Buhl) und örtliche Affektionen des Magendarmkanales
(Erosionen und Geschwüre). Er gedenkt der Ansicht Pomorski’s,
daß Verletzungen des vasomotorischen Centrums Ursache der Melaena
seien und erwähnt die Arbeiten Rehn’s, der Mikrokokkenanhäufung
in der Darm wand fand, und Neumann’s, der aus dem Gewebssafte
einmal den B. pyocyaneus ß Ernst, das andere Mal Eiterkokken
züchtete.
Verf. teilt nun die Resultate seiner bakteriologischen Unter-
suchungen von zwei Melaenafällen mit. Der erste Fall betraf ein
Kind, das zwei Tage nach der Geburt erkrankte und zwei Tage später
starb. Der zweite Fall ging in Heilung aus. In beiden Fällen
wurden die Blutentleerungen aus dem Dai-me, im ersten Falle, der zur
Sektion kam, Milz und Herzblut, im zweiten Falle das Blut des
Patienten untersucht. Ueberall fand sich bereits nach 24 Stunden
auf Agarplatten ein und dasselbe Kurzstäbchen, welches G. für einen
neuen pathogenen Bacillus erklärt. Der Bacillus hat lebhafte
Eigenbewegung und besitzt 1—6 seitliche Geißelfäden. Die Vermehrung
geschieht durch Teilung.
Auf Agar platten bildet er wenig charakteristische, erhabene,
weißlich-feuchtglänzende, stecknadelkopfgroße Pünktchen.
Auf Gelatineplatten ist die Kolonie bei schwacher Vergröße-
rung betrachtet, scharfrandig, nur hie und da an der Peripherie
einzelne auswachsende Bläschen zeigend. Das Innere führt ver-
schiedene konzentrische Ringe, „welche, je weiter das Wachstum
nach der Oberfläche der Gelatine zuschreitet, allmählich verschwinden“.
Der Gelatinestich setzt sich aus feinen Pünktchen zusammen,
die gegen die Tiefe zu spärlicher werden.
Die Agar strichkultur stellt einen am Rande vielfach ge-
buchteten, erhabenen, feuchtglänzenden, gelblich-weißen Belag dar.
Auf Kartoffeln bildet sich eine dicke, grau-gelbbraune, breiige
Masse.
Gasbildung ist vorhanden.
Die mikroskopisch untersuchte Milz des ersten Falles zeigte die
Bacillen im Gewebe, Kapillarverstopfung, Hämorrhagieen. In der
Darmwand ist fast ausschließlich die Drüsenschicht vom B. m el a en ae
bevölkert. Wo diese bereits zerstört ist, findet sich eine von Bacillen
wimmelnde Detritusmasse.
Der Gärtner’sche Bacillus ist für Tiere pathogen. Durch
intraperitoneale Injektion bei jungen, 1 — 14 Tage alten Tieren (speziell
Hunden) ist es sogar gelungen, Sektionsbefunde zu erzielen, die mit
der Melaena neonatorum erstaunliche Aehnlichkeit haben : Blutige
Flüssigkeit im Peritoneum, Hyperämie und Hämorrhagieen in der
866
Pocken. — Syphilis.
Darmwand, auf der Serosa Petechien, Milztumor. Im Herzblute, in
der Milz findet sich der Bacillus wieder in Reinkultur.
Aus Schnittpräparaten weist G. nach, daß die Bacillen von der
Serosa aus in den Darm eindringen. Mit der Vermehrung der Ba-
cillen in der Drüsenschicht geht eine Zerstörung des Gewebes, durch
welche die Blutungen bedingt sind, einher.
Auch Infektion per os wurde an Hunden, die durch Einbringung
eines Tropfens Krotonöl in den Magen vorbereitet waren, vorge-
nommen. Die Tiere starben in 3—4 Tagen, ohne bei der Sektion
das typische Melaenabild, wie nach intraperitonealer Injektion, zu er-
geben ; wohl aber zeigten dies ganz junge, an der kaum überhäuteten
Nabelstelle infizierte Tiere.
Ueber die Krankheitserscheinungen nach den verschiedenen In-
fektionsarten bringt G. keine Mitteilungen.
Er schließt mit der Bemerkung, daß die Melaena neonatorum
offenbar eine spezifische Infektionskrankheit sei, bei der die Infektion
höchst wahrscheinlich vom Nabel aus erfolgt. Schloffer (Graz).
Oettinger, De la specificite de la varicelle. (La Semaine
medicale. 1894. No. 7.)
Verf. führt zum Beweise dafür, daß die Varicellen eine von der
Variola verschiedene Krankheit darstellen, einen Fall an, in welchem
ein Kind sich in der Rekonvalescenz von Varicellen mit Variola vera
infizierte. Die im Inkubationsstadium der letzten Krankheit voll-
zogene Impfung führte zur Entwickelung von 3 Vaccinepusteln, welche
indessen erst nach Beginn der Variola aufkamen und den tödlichen
Ausgang dieser Krankheit nicht verhinderten.
Küble r (Berlin).
VT olff. Die Syphilis unter den Urvölkern Amerikas mit
besonderer Bezugnahme auf ihr Bestehen daselbst
vor der Entdeckung Amerikas durch Columbus.
(Dermatolog. Zeitschrift. Bd. I. 1894. Heft 3.)
Es ist eines der interessantesten und viel umstrittensten Kapitel
der Geschichte der Medizin, zu dem Wolff in der vorliegenden
Arbeit einen Beitrag bringt. Als besonders interessant sind die
Befunde und pathologischen Nachweise der Syphilis in den Knochen
der Urvölker, wie sie besonders von Prof. Jones von Knochen, die
er in den Steinsärgen längst verschollener Völker Amerikas fand,
beigebracht wurden. Das Bestehen der Syphilis in Japan und China
seit Jahrtausenden ist sichergestellt und ebenso scheint es festzu-
stehen, daß lange vor der Entdeckung Amerikas durch Columbus
bereits ein Verkehr zwischen Japan und Amerika bestanden hatte
und daß auf diese Weise die Syphilis nach Amerika gebracht worden
ist. Es deuten geschichtliche Berichte, Traditionen und Gebräuche,
beweisende Sprachstudien, die den Indianern längst bekannte Be-
handlung der Syphilis mit Guajakholz, Sarsaparilla etc., und die
pathologischen Belege sehr wohl auf die Möglichkeit einer Einschlep-
pung der Syphilis aus Amerika nach Europa hin.
Lasch (Breslau).
Syphilis. — Herpes. g07
Schirren, Ueber Lungensyphilis. (Dermatolog. Zeitschrift.
Bd. I. 1894. Heft 3.)
Das Vorkommen von Visceralerkrankungen im Frühstadium der
Lues ist noch keineswegs von allen Seiten anerkannt, die Sympto-
matologie derselben, speziell der Lungenerkrankungen noch so wenig
festgestellt, daß jede Veröffentlichung einschlägiger Fälle sehr er-
wünscht ist. Die Krankengeschichte des von Schirren mitgeteilten
Falles ist folgende: Eine 20-jährige, hereditär nicht Belastete, bisher
stets gesuude Frau wird am 6. Juni 1891 von einem völlig gesunden
Knaben entbunden. 6 Wochen später, am 17. Juli, erkrankt sie
mit Fieber, Schmerzen im Hinterkopfe, Steifigkeit aller Glieder, Be-
nommenheit und Hyperästhesie der ganzen Haut; die Diagnose
lautete: Meningitis; erst nachdem Jodkalium verabreicht wurde,
gingen die Erscheinungen zurück und am 3. August wurde die
Patientin als geheilt entlassen. Die Patientin konnte sich nicht
ordentlich erholen und kam 2 Monate später mit Klagen über all-
gemeine Schwäche und sehr quälenden Husten. Die Perkussions- und
Auskultationsergebnisse deuteten auf einen interstitiellen Infiltrations-
prozeß des größeren Teiles der rechten Lunge und eines cir-
cumscripten Teiles der linken Lunge, zu dem sich noch ein
Bronchialkatarrh hinzugesellt hatte. Das Fehlen von Tuberkelbacillen
im Sputum, die Einseitigkeit der Erkrankung bes. im Mittellappen
der rechten Lunge leiteten auf die Diagnose: Syphilis, welche durch
die Untersuchung des Mannes der Patientin, der neben einem Primär-
affekte deutliche Symptome einer frischen konstitutionellen Syphilis
zeigte, noch wahrscheinlicher wurde. Der glänzende Erfolg der ein-
geleiteten antisyphilitischen Kur (40 Sublimatinjektionen und Jodkali)
bewies die Richtigkeit der Diagnose. Der Verf. nimmt ao, daß der
infizierende Coitus 3 Wochen nach der Geburt des Kindes stattge-
funden hat und bezieht die 3 Wochen nach diesem Zeitpunkte
aufgetretene „meningitische“ Erkrankung, die durch Jodkalium geheilt
wurde, auf die Syphilis — wobei er allerdings selbst zugiebt, daß
das Auftreten so schwerer Allgemeinerscheinungen wie in diesem
Falle 3 Wochen nach dem infizierenden Coitus, d. h. in einer Zeit,
in der wir gewohnt sind, nur den Primäraffekt — das Lokalzeichen
der Infektion — zu sehen, ohne daß bereits eine Durchseuchung des
gesammten Organismus stattgefunden hat, zu den größten Selten-
heiten gehört.
Von den von dem Verf. am Schlüsse hervorgehobenen Thesen
mögen erwähnt werden:
1) Die Lungensyphilis kann als Sekundärerscheinung auftreten.
2) Die Symptome der Lungensyphilis sind keine für die Syphilis
charakteristischen. Lasch (Breslau).
Marianelli, A., Sul Trichophyton tonsurans. (Lo Sperimen-
tale. Memorie originali. 1893. Fase. V e VI.)
Auf Grund einer Reihe von Untersuchungen kommt Verf. zu dem
Ergebnisse, daß sich bei dem Herpes tonsurans des Menschen
nur eine Art des Trichophyton tonsurans findet und daß das
verschiedene morphologische Verhalten bei verschiedenen Fällen von
der Beschaffenheit des Nährbodens, der Temperatur etc. abhängt.
868
Gruby’sche Krankheit.
Die Kulturen des Tr. tonsurans sowohl wie die infizierten Haare
können jahrelang ihre Virulenz bewahren. Bringt man Tr. tons.
mit anderen Pilzen(A chorion S choen lein i i) zusammen, so wächst
der erstere viel üppiger und kann die anderen überwuchern; bei den
gewöhnlichen Eitererregern (Staphyl. aureus und Strepto-
coccus) wird dagegen der Tr. von diesen in seiner Entwickelung
gehindert. LDieudonn;6 (Berlin).
Sabouraud. Sur une mycose innomiuee de Thomm e. La
teigne tondante sp6ciale de Gruby, Microsporon
Audouini. (Annales de Tlnstitut Pasteur. 1894 25. fevr.)
Sabouraud macht darauf aufmerksam, daß bereits Gruby
im Jahre 1843 das Trich ophy ton microsporon beschrieben und
es als den Erreger der „Porrigo decalvans“ bezeichnet hat, daß aber
diese Mitteilung infolge der Verschiebung der Nomenklatur in Ver-
gessenheit geraten sei. Er selbst habe unter Besnier’s Leitung
das Trichophyton megalos p. und microsp. differenziert und
nachgewiesen, daß die von den beiden Parasiten hervorgerufenen
Krankheitsbilder nichts Gemeinsames hätten, als daß sie beide die
behaarten Stellen des Körpers ergreifen. Für das durch das Tricho-
phyton microsp. oder Audouini verursachte Krankheitsbild
schlägt S., da noch kein Name existiert, die Bezeichnung „la tondante
rebelle oder maladie de Gruby“ vor. Im Gegensätze zum Megalo-
spor. befällt das Trich. microsp. zuerst das Haar und erst
sekundär erkrankt die Epidermis.
Von den folgenden klinischen Ausführungen über die tondante
rebelle sei hier nur kurz erwähnt, daß am Anfang am Haar 2 — 3 mm
hoch über der Follikelöffnung eine grauweiße Umhüllung sichtbar wird,
welche fast wie eine Fortsetzung der Epidermis aussieht; später
brechen die Haare in einer Höhe von 6—7 mm ab und die ergriffene
Partie des behaarten Kopfes sieht infolge feiner weißer Schuppung
aus wie mit Asche bestreut! Die Haare epilieren sich leicht und
zeigen nur eine 1 ’/* mm lange Wurzel, die kreideweiß ist und doppelt
so stark als das übrige Haar. Die Affektion kommt fast ausschließ-
lich im Kindesalter vor, hat selten eine Glatze zur Folge und be-
schränkt sich stets auf den behaarten Kopf. Die Dauer ist eine sehr
lange — 8 — 10 Monate in günstigen Fällen, jahrelang in ungünstigen ;
die Kontagiosität ist enorm groß — 40 — 50 Uebertragungen in
wenigen Wochen sind beobachtet, aber der Verlauf ist ein gutartiger,
schmerzloser uud es kommt zur vollkommenen restitutio ad integrum.
Die Differentialdiagnose zwischen Favus, der echten Trichophytie
ä grosse spore und der tondante rebelle ist meist nicht schwer. Das
erkraukte Haar sieht aus wie ein mit Leim bestrichenes und mit
feinem Sande bestreutes Stäbchen.
Das, was makroskopisch wie ein Epidermisüberzug aussah, ist
ein Gewebe von angehäuften Elementen des Parasiten, welches das
Haar umgiebt, wie die Rinde einen Baum — das zeigt sich am besten
bei Alkoholpräparaten — . Dieses Gewebe wird von unzähligen kleinen,
runden, ganz gleichen Sporen gebildet, die wie Mosaiksteine unver-
bunden nebeneinander lagern und bei stärkerer Vergrößerung sich
jede einzelne von einem schmalen hellen Raume umgeben zeigen. Die
Gruby’ache Krankheit-
869
Sporen sind kaum größer als Staphylokokken. Bei richtiger Behand-
lung mit 40-proz. Kalilauge sieht man, daß das Haar von den Sporen
rings umgeben ist, daß jedoch die Dicke des Sporenlagers von oben
nach der W urzel zu abnimmt, d. h. daß der Parasit sich von oben
nach unten weiter verbreitet. Bei Behandlung und Erwärmung mit
40-proz. Kalilauge erscheinen die Sporen größer und ebenso der
Zwischenraum infolge der quellenden Eigenschaft der Kalilauge.
Uebt man auf das Deckglas einen leichten Druck aus, so trennt sich
die Umhüllung von dem Haare und man unterscheidet an den Sporen
einen dunkleren, ovalären, centralen Teil, der von einer helleren, ziem-
lich dicken Umhüllung umgeben ist, die sich mit einer Eosinlösung
V50o leichter färbt, als das Centrum und so noch deutlicher wird,
und zwar ist das letztere das Zellenprotoplasma, das von einer
dichten Hülle umgeben ist. Centrale und periphere Partieen haben
vollkommen parallele Konturen. Auf dem von dem Sporenlager freien
Haar sieht man nicht sehr zahlreiche sigmaähnliche, kleine Ver-
zweigungen, 2 fx breit, 6 /n lang, welche auch Gruby bereits als
Aestchen beschrieben hat.
Gegen das Trichophyt. megalos p. differenziert sich also
das Microsp. Audouini in folgenden 4 Punkten:
a) In der Größe der Sporen;
b) durch die Lage derselben um das Haar — nicht in demselben;
c) durch die Nebeneinanderlagerung, ohne Fäden und Ketten zu bilden ;
d) dadurch, daß es sich von oben nach der Wurzel zu fortpflanzt,
während sich das T r. m e g. in der Richtung des Haares ent-
wickelt. Ebenso deutlich differenziert es sich vom Favuspilz.
Was die Kulturen anlangt, so gelingen dieselben ziemlich leicht
auf den gewöhnlichen Nährböden.
Die Strichkultur auf der Kartoffel ist die charakteristischste, die
man vom Microsp. Audouini erhält. In 7 — 8 Tagen wird der
Strich grau, dann rotbraun; in 10 — 12 Tagen bildet sich ein spär-
licher Flaum mit einzelnen Büschelchen, sehr wenig reichlich ; während
aber alle anderen bekannten Trichophyt onpilzkulturen auf Kartoffeln
nach 3 Wochen absterben, entwickelt sich die Kultur des Tr ich.
microsp. langsam weiter und ist nach 3 Monaten noch lebensfähig.
In diesem Verhalten liegt eine eminente Differenz gegen alle
anderen Trichophyton arten.
Auch auf den anderen Nährböden — besonders den zucker-
haltigen — sind die Kulturen der beiden Pilze sehr verschieden.
Weitere Differenzen fallen auf, wenn man im hängenden Tropfen
die Entwickelung der Tochtersporen aus den Muttersporen bei den
beiden Pilzen studiert.
Inokulationen auf Tiere gelangen nicht ; Impfungen auf Menschen
und Anlegung von Kulturen aus den an den Impfstellen entstandenen
schuppenden, leicht geröteten Plaques haben nicht recht zufrieden-
stellende Resultate ergeben; jedoch S. hat 192 Fälle beobachtet und
stets lieferte die identische klinische Affektion denselben Pilz mit
den gleichen morphologischen und kulturellen Eigentümlichkeiten.
Den noch fehlenden Inokulationsnachweis hofft Sabouraud an
jungen Pferden liefern zu können.
XV. Bd.
55
870
Favus. — Rotz.
Hinsichtlich der Behandlung giebt S. an, daß es eigentlich kein
Mittel giebt ; die Epilation ist wegen des Abbrechens der Haare un-
möglich, resp. zwecklos und die antiseptischen Lösungen und parasi-
ticiden Salben dringen nicht tief genug ein.
In den Schlußfolgerungen seiner Arbeit hebt Sabouraud noch
einmal ganz besonders hervor, daß die durch das Trichophyton
Audouini oder Trichoph. microsporon hervorgerufene Affek-
tion vollkommen zu trennen ist von den anderen Trichophytien und
daß auch ihr Erreger ganz andere morphologische und kulturelle
Eigentümlichkeiten hat, wie die sonst zu den Trichophyten gerech-
neten Pilze. Lasch (Breslau).
Delassus, P., De la teigne faveuse dans le döpartement de
l’Hörault et ä la clinique des enfants äl’höpital göne-
ral de Montpellier. [These.] 4°. 45 pp. Montpellier 1893.
Bekanntlich ist diese Gegend ein Hauptort für diese Krankheit,
welche ein Leiden der armen Leute genannt werden kann und aus
Mangel an Prophylaxe und Hygiene entsteht. Während sich sonst
in Frankreich seit 1839 die Zahlen dieser Art Kranken vermindert
haben, hat sich allein das Departement l’Hörault auf derselben Stufe
erhalten, etwa 20 pro Mille. Nächstdem treten die von Pas de Calais
und der Seine inferieure auf. Das platte Land kommt allein für den
Favus in Frage, die großen Städte spielen kaum eine Rolle. Verf.
will der Infektion von den Tieren aus eine gewisse Schuld beimessen,
wenn auch die Hauptlast auf die Eltern zu wälzen ist. Ratten und
Mäuse scheinen hauptsächlich unter dem Favus zu leiden, die Katzen
bilden dann das Zwischenglied.
Delassus redet vor allem einer Untersuchung und Ueber-
wachung der Schuljugend das Wort, um weitere Ansteckungen und
Infektionen zu vermeiden. Vor der vollständigen Herstellung ist das
betreffende Kind vom Schulbesuche fernzuhalten. Mit der Skrofulöse
hat der Favus keine engere Verbindung. So gehört das Departe-
ment l’Hörault in betreff des Favus in die erste Klasse, während
es in der Skrofulöse erst die 7. Stufe einnimmt.
Statistische Zahlen sind vielfach angeführt, der Behandlung ein
weitläufiger Teil gewidmet. E. Roth (Halle a. S.).
Däralos, J. N., El muermo en la Habana. (Crönica medico-
quirürgica de la Habana. 1893. No. 18. September.)
Obgleich der Artikel mehr allgemein hygienisches als speziell
bakteriologisches Interesse hat, verdienen doch wohl folgende statistische
Angaben hier mitgeteilt zu werden.
In Cuba war der Rotz bis zum Jahre 1872 unbekannt. Da wurde
aus den damals von einer heftigen Epizootie heimgesuchten
Vereinigten Staaten ein rotzkrankes Pferd importiert, und die Folge
war, daß schon in den beiden folgenden Jahren 18 Menschen der
Krankheit erlagen. Die erste Veröffentlichung darüber, eine aus-
führliche Beschreibung von 2 Fällen, findet sich im Jahrgange 1875
der Crönica mödico-quirürgica.
Die erste bakteriologische Untersuchung wurde 1887 gemacht und
wird seitdem immer zur Sicherung der Diagnose wiederholt, indem
Kotz. — Tierische Parasiten.
871
man den Eiter mikroskopisch untersucht, Kulturen auf Agaragar,
Kartoffeln, Fleischbrühe, Kokosmilch und Glycerin anlegt, mit den
Kulturen Meerschweinchen impft, aus deren Pusteln neue Kulturen
gewinnt und abermals überimpft.
Seitdem sind folgende Todesfälle an Rotz festgestellt worden:
1888 11
1889 20
1890 13
1891 12
1892 20
9 erste Monate von 1893 13
Zusammen 89
Die schwächere Virulenz der Kulturen aus Menscheneiter im Ver-
gleiche zum Pferdeeiter ist seit der ersten Beobachtung im Jahre 1887
immer wieder konstatiert worden.
An der großen Verbreitung des Rotzes in Havanna ist die gänz-
liche Nichtbeachtung der bestehenden Vorschriften und Vertuschung
der Krankheit bei den Pferden schuld. Sentinon (Barcelona).
ßailliet, A., Traite de Zoologie mödicale et agricole.
2e ed. Fase. I. 8°. 736 p. avec 494 fig. Paris 1893.
Das vorliegende Werk, das in verhältnismäßig kurzer Zeit in
zweiter Auflage erschienen ist, ist ein Handbuch der Zoologie, welches
zwar alle Tiergruppen behandelt, jedoch den Schwerpunkt auf die
Darstellung der medizinisch und landwirtschaftlich wichtigen Tiere
legt, das sind in dem bisher erschienenen ersten Teile fast ausschließ-
lich tierische Parasiten des Menschen und der Haustiere (Säuger wie
Vögel). Die Anordnung des Stoffes ist naturgemäß, da es sich um
ein Handbuch der Zoologie handelt, eine systematische, und umfaßt
(nach einer Einleitung über Morphologie und Entwickelung der Tiere,
ihr System, ihre Beziehungen untereinander etc.) die Tiere von den
Protozoa bis zu den Insecta. Soviel ich habe vergleichen können,
fehlt im Texte keiner der tierischen Parasiten des Menschen und der
Haustiere; alle werden mehr oder weniger ausführlich — je nach
dem, was man über sie weiß, resp. je nach ihrer Wichtigkeit — be-
schrieben, durch fast durchweg gute und vielfach neue Abbildungen
illustriert und schließlich in der Bedeutung für ihre Träger behandelt.
Die Schreibweise ist bei aller Verständlichkeit knapp und präzis, die
Ausstattung des Werkes vorzüglich, so daß ich dasselbe allen Studieren-
den der Medizin, Veterinärwissenschaft und Landwirtschaft, wie allen
Menschen- und Tierärzten nur aufs wärmste empfehlen kann;
der Zoologe wie Anatom, Physiologe, Pathologe und Hygieniker werden
es mit gleichem Vorteile als ein bequemes, rasch orientierendes Werk
benutzen, denn sie alle kommen bei der jetzigen Richtung des For-
schens und Lehrens oft in die Lage, auch über Dinge, die der eigenen
Studienrichtung ferner liegen, sich orientieren zu müssen. Hierbei
wird man es freilich manchmal als einen Uebelstand empfinden, daß
der Verf. von der Beigabe einer größeren Zahl von litterarischen
Nachweisen hat absehen müssen, da sonst das Werk zu umfangreich
geworden wäre.
55*
872
Rotz.
Tierische Parasiten.
Auf Einzelheiten möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen,
jedoch hervorheben, daß der Verf. die alte Gattung T a e n i a in zahl-
reiche Gattungen auflöst und innerhalb der Täniaden mehrere Unter-
familien bildet ; so notwendig dies sein mag, so wollen wir doch hoffen,
daß man Taenia im alten Umfange beibehalten und die neuen Namen
in Klammern beifügen, also z. B. schreiben wird: statt „Andrya
wimerosa (Mon.)“ Taenia (Andrya) wimerosa Mon.; es wird
dies neben der raschen Orientierung auch noch den nicht zu unter-
schätzenden Vorteil haben, daß die neuen Arten der Gattung Taenia
s. 1. nicht mit Namen belegt werden dürfen, die in diesem Genus
bereits vergeben sind. M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Monticelli, Fr. Sar. , Studii sui Trematodi endoparas-
siti; primo contributo di osservazioni sui Distomidi.
(Suppl. III. zu: Zool. Jahrb. hrsg. v. J. W. Spengel.) 8°. 229 p.
con 8 tav. litogr. e 3 fig. nel testo. Jena 1893.
Diese umfangreiche Arbeit behandelt die Anatomie mehrerer
marinen Distomen, besonders die von Distomum calyptrocotyle
n. sp. aus Beroe ovata unter steter Berücksichtigung der bisher
bekannt gewordenen Verhältnisse. Mit Rücksicht auf den Leserkreis
des Centralblattes ist es wohl gerechtfertigt, wenn wir uns auf
wenige Punkte beschränken. Die genannte Art, welche zweifellos in
einem höherstehenden Tiere erst geschlechtsreif wird, besitzt bereits
die Genitaldrüsen ausgebildet; ihre Haupteigentümlichkeiten liegen
1) in der Form des Bauchsaugnapfes: von dessen Centrum erhebt
sich eine konkave Muskelmasse, welche wie eine Kapuze von der
Dorsalseite den Saugnapf deckt und, abgesehen vom Centrum, durch
Parenchym vom Saugnapfe selbst getrennt wird; in der Zusammen-
setzung gleicht diese Kapuze den Saugnäpfen; 2) in der Gestaltung
des Darmes: zwar ist derselbe zweischenklig wie fast bei allen
Distomen, aber die beiden Schenkel entsenden kopfwärts je einen
Blindsack, ähnlich wie bei Distomum pelagiae Köll. ; da nun
der Oesophagus sehr lang ist und bis zur Höhe des Bauchsaug-
napfes reicht, so sind die auf gleicher Höhe entspringenden vorderen
Darmschenkel ebenfalls lang und der ganze Darmapparat gleicht
einem lateinischen H; 3) in den Lagebeziehungen der Ge-
schlechtsdrüsen : die beiden Hoden liegen vor dem kleinen!,
kugligen Keimstocke, eine Eigentümlichkeit, die freilich auch bei
anderen, mit D. calyptrocotyle nicht näher verwandten Arten,
wie z. B. beim D. lanceolatum Mehl, vorkommt. Auch der
Exkretionsapparat bietet einige Besonderheiten, die aber hier über-
gangen werden sollen, wie manche andere Punkte.
In Bezug auf die Auffassung der Hautschicht der Trematoden
verteidigt der Autor entschieden die Ansicht, daß die sogenannte
Cuticula ein umgewandeltes ektodermales Epithel ist, das in den
allermeisten Fällen auch seine Kerne verloren hat; nur Distomum
R i c h i a r d i und, wie Referent gefunden hat, auch Monostomum
mutabile machen in letzterem Punkte eine Ausnahme, da bei
beiden Arten Kerne in dieser vielgedeuteten Schicht mit Leichtigkeit
nachzuweisen sind ; auch sonst werden bei den Trematoden deutliche
Epithelschichten nicht selten „cuticularisiert“. Die großen, ebenfalls
Botz. — Tierische Parasiten.
873
sehr verschiedenartig gedeuteten Zellen zwischen den Muskeln der
Saugnäpfe und des Pharynx erweisen sich, wie dies Crety bereits
begründet hat, als Ganglienzellen.
Von mehreren Autoren sind in den Darmschenkeln der Trematoden
zweierlei Epithelien beschrieben worden ; wie der Verf. nachweist
und wie gelegentlich schon früher, z. B. von Leuckart geäußert
worden ist, handelt es sich nur um 2 verschiedene Formzustände
derselben palissadenförmigen Zellen.
Die anderen Arten, welche eine mehr oder weniger weitgehende
Untersuchung durch den Verf. erfahren haben, sind: Distomum
Richiardii Lop. (aus Acanthias vulgaris, Mustelus
vulgaris und Myliobatis aquila), D. (Echinostomum)
cesticillus Mal. aus Lophius piscatorius, dessen Larve
S tossich als D. valdeinflatum aus Gobius jozo beschrieben
hat; D. (Urogonimus) cercatum n. sp., Wirt unbekannt; D.
furcatum Rud. aus Box salpa; D. capitellatum Rud. aus
der Gallenblase von Uranoscopus scaber; D. fuscescens
Rud. aus Caranx trachurus; D. Bonnieri n. sp. von der
Schleimhaut der Kiemenbogen der Trigla gurnardus; D.nigro-
venosum Bell, aus der Mundhöhle von Tropidonotus natrix;
D. Betencourti für Dis t. luteum v. Ben., aus dem Magen
eines S c y 1 1 i u m ; D. P a ro n a e n. sp. aus dem Magen von S e r i o 1 a
Dumerilii und D. teretiusculum n. sp. aus dem Darm von
Solea Klenii.
Unter den erwähnten Arten sind Dist. Richiardii und D.
cercatum wohl die bemerkenswertesten; erstere dadurch, daß sie
jederseits am Körper, nach außen von den Darmschenkeln, wo sonst
die Dotterstöcke liegen, sehr zahlreiche Hoden besitzt, vor denen
die kleinen, verästelten Dotterstöcke sich finden, und D. cercatum
nicht nur dadurch, daß der Genitalporus wie bei Dist. macro-
stomum am Hinterende liegt, sondern auch durch den Besitz eines
kleinen Schwanzes. Zwar kennt man eine größere Anzahl Distomen,
deren hinterer Körperteil sich in mehr oder weniger großer Aus-
dehnung schwanzartig absetzt, wohl auch immer eingezogen werden
kann, aber hier handelt es sich um einen dünnen kleinen Anhang,
der ganz wie ein Cerkarienschwanz aussieht und wohl auch als solcher
aufzufassen ist — jedenfalls viel eher als das schwanzartige Hinter-
ende der oben erwähnten Distomen, welche zu der Dujardin ’schen
Untergattung A p o b 1 e m a gehören. Der Verf. ist geneigt, in diesem
Dist. cercatum einen neuen Fall der sogenannten Neotonie zu
sehen, wo Tiere gewisse Larvencharaktere in das erwachsene Stadium
mit hinübernehmen, Charaktere, die der Mehrzahl der nächstver-
wandten Arten nur eben im Larvenzustande zukommen. Beiläufig
sei bemerkt, daß von Linstow im Jahre 1873 ein Distomum
caudatum aus Erinaceus europaeus beschrieben hat — die
Infektionsquelle (Landschnecken) ist neuerdings von Bloch-
mann entdeckt worden — , das ebenfalls einen schwanzartigen An-
hang trägt, aber vielleicht den Apoblemen zuzuweisen ist.
Bei Gelegenheit der Beschreibung des Dist. Richiardii
macht Monticelli auch Vorschläge über eine Einteilung der
Distomiden, die ja freilich noch immer ein Postulat ist und wohl
874
Rotz. — Tierische Parasiten.
noch lange bleiben wird. Mit Recht verwirft der Autor die Zahl der
Hoden als klassifikatorisches Element, weil nur ein einziger, ziem-
lich untergeordneter Punkt berücksichtigt und zahlreiche andere ver-
nachlässigt werden ; aber die Lage der Ausmündungsstellen der
Genitalien, deren Verschiedenheit Gattungsmerkmale nach Monti-
celli abgeben soll, ist zur Klassifikation kaum brauchbarer, als die
Zahl der Hoden, denn erstens sind diese Verschiedenheiten nicht
erschöpft1), sondern nur drei benutzt — Genitalporus vor oder neben
dem Mundsaugnapfe (Cephalogonimus) , hinter dem Bauchsaug-
napfe (Mesogonimus) und am hinteren Körperende (Urogoni-
mus) und zweitens werden naturgemäß , sowie die vermeintliche
Gattung nur eine größere Artenzahl umfaßt, recht verschiedene
Formen zusammengebracht, so z. B. unter Mesogonimus das
Dist. heterophyes, Dist. Westermanni (= D. pulmonale)
und D. lorum! B 1 an c h ard (Compt. rend. soc. biol. Paris 1881.
14. Juli) weist mit Recht auf die großen Differenzen zwischen den
erstgenannten beiden Arten hin, die eine Vereinigung in einem nur
durch die Lage des Genitalporus charakterisierten Genus nicht er-
lauben. Und wie weit steht Distomum lorum von den beiden
anderen Arten? Wenn so entfernt stehende Formen zu einer Gat-
tung vereint werden können, so trägt von vornherein das der Ein-
teilung zu Grunde liegende Prinzip den Stempel der Unnatürlichkeit
auf der Stirn. Die Aufgabe ist vielmehr, was auch Monticelli
betont, durch emsige Detailforschung die zahlreichen Distomen, von
denen man kaum mehr als ihre Existenz, ihren Wirt und ihren
Namen kennt, genauer zu erforschen, dann werden sich Gruppierungen,
welche aber alle Verhältnisse berücksichtigen müssen, von selbst
ergeben. Solche Gruppen sind bereits bekannt, wie z. B. die Formen,
welche sich an Dist. hepaticum anschließen oder die Arten, die wir
im vorigen Bande des Centralblattes behandelt haben (Dist. feli-
neum und Verwandte) oder die Apoblemen, die Echinostomen etc.
Endlich möchten wir es noch als einen besonderen Vorzug des
Werkes von Monticelli hinstellen, daß seit langer Zeit wieder
Abbildungen von Trematoden in natürlichem Kolorit publiziert
worden sind. M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Willach, P.2), Monostoma hepaticum suis. (Arch. f. wiss.
u. prakt. Tierheilkde. Bd. XIX. 1893. p. 40 —42 mit Abb.)
Was der Autor unter Monostoma hepaticum suis beschreibt
und abbildet, ist ein unverkennbares Entwickelungssta-
dium des Cysticercus tenuicollis. Das 3 Monate alte Schwein,
von dem dieser Parasit stammt, war an den Folgen einer starken Infek-
tion mit Taenia marginata zu Grunde gegangen, was der Verf.
bei einiger Kenntnis der tierärztlichen Litteratur selbst hätte wissen
müssen, da solche Funde oft verzeichnet sind!
M. Braun (Königsberg i. Pr.).
1) Man vergleiche die Zusammenstellung, die ich in Bd. IV von Bronn ’s Klass.
u. Ordn. d. Tierreiches, p. 734 — 737 gegeben habe.
2) Ueber diese Arbeit ist zwar schon (Bd. XIV. No. 13) ein Referat erschienen,
aber da der Herr Referent nicht den leisesten Zweifel an der Richtigkeit der Deutungen
kundgiebt, so dürfte ein Zurückkommen auf denselben Gegenstand wohl gerechtfertigt sein.
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
875
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Zopf, W., Zur Kenntnis der Färbungsursachen niederer
Organismen. (Vierte Mitteilung). Basi diomy ceten -
färbungen. (Beiträge zur Physiologie und Morphologie niederer
Organismen, herausgegeben von W. Zopf. Heft 3. p. 60—74.
Mit 3 lithograph. Tafeln und 10 Textabbildungen.) Leipzig (Felix)
1893.
1. Der blutrote Lochers chwamm , Polyporus san-
guineus Fries.
Der durch die prächtig rote Färbung ausgezeichnete Pilz findet
sich in tropischen Gegenden der alten und neuen Welt ziemlich häufig
als Bewohner von Laubstämmen und erinnert an unseren zinnober-
roten Polyporus ci n nabarin us Jacq. Als Untersuchungsmaterial
dienten dem Verf. ca. 12 Exemplare verschiedener Größe, die bei
Santa Catharina (Brasilien) von Schenk gesammelt und auch von
Magnus als dieser Species angehörig bezeichnet worden waren.
Die Hüte wurden nach Zerkleinerung zu einer sägemehlartigen Masse
mit absolutem Alkohol erschöpft und aus dem eingedampften Extrakte
durch Behandlung mit verschiedenen Lösungsmitteln dreierlei gefärbte
Anteile isoliert. Von diesen wurde der wasser- und benzolun-
lösliche („Xanthotrametin“) ausführlicher untersucht.
Nach Reinigung stellt er mikroskopisch kleine wetzsteinartige
Krystalle von rotbrauner bis rötlich-gelber Färbung dar, die in den
meisten Lösungsmitteln nur wenig löslich sind und mit Säuren und
Alkalien eine Reihe von im Original nacbzusehender Reaktionen geben.
Er ist mit dem seinerzeit vom Verf. in Trametes cinnabarina
Jacq. gefundenen Pigmente identisch. Von den Gewebshyphen des
Hutes, insbesondere denen der Hymenialröhren, wird er in Körnchen-
form ausgeschieden, so daß diese stellenweise dicht mit ihm inkrustiert
und somit dunkelrot gefärbt sind. Dementsprechend erhält man auch
Schnitten die gleichen Farbenreaktionen, insbesondere auch mit konz.
Schwefelsäure (Purpurviolettfärbung). Der amerikanische wie der
europäische Polyporus (Trametes) cinnabarinus enthalten
das gleiche Pigment in derselben Verteilung auf die verschiedenen
Gewebe.
Der benzollösliche Farbstoff des P. sanguineus besteht
im wesentlichen aus einem gelb bis rotbraun gefärbten Fette, während
der wasserlösliche, nur in geringer Menge vorhandene, nicht näher
untersucht wurde.
2. Der zinnoberrote Blätterschwamm, Cortinarius
(Dermocybe) cinnabarinus Fries.
Durch successive Behandlung der zerriebenen trockenen Frucht-
körper mit Wasser und kochendem Aether gelangt Verf. zu vier
teils amorphen, teils krystallisierenden gelben und roten Farbstoffen,
die ihrer chemischen Natur nach als Säuren angesprochen werden,
deren Zusammensetzung jedoch dahingestellt bleibt. Es sind das ein
gelber krystall isie ren der Körper, in Wasser unlöslich und
den Reaktionen nach der Chrysophansäure bezw. der Thyscinsäure
nahestehend, welcher seitens der Hyphen von Hut und Stiel in kleinen
876
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
gelben Kryställchen zur Abscheidung kommt; weiterhin eine gelbe,
amorphe, wasserlösliche Substanz („Cybinsäure“), in Alkalien
mit violetter Farbe löslich und darum durch Salzsäure in gelben
Flocken fällbar ; ein roter, amorpher, wasserlöslicherFarb-
sto ff („Dermocybsäure“), dessen Sitz die Zellenwand zu sein scheint,
und endlich ein roter, wasserunlöslicher krystallinischer
F arbstoff (als „Rhodocybsäure“ bezeichnet) vom Schmelzpunkt
210-212° C.
3. Cortinarius (Dermocybe) cinnamomeus (L.) Fr.
Nach einleitenden Bemerkungen über Vorkommen und Merk-
male des Zimmtschwammes behandelt Verf. die demselben eigentüm-
lichen färbenden Substanzen, welche durch Extraktion der frischen
Pilze mittelst Alkohol gewonnen wurden. Es sind das ein rot-
braunes Harz und eine gelbe, wasserlösliche, säure-
artige Substanz („Cortinarsäure“), welch letztere im Zellinhalte
der Hyphen von gelbgefärbten Stellen des Pilzes nachweisbar ist.
Im einzelnen läßt sich freilich hier wie auch bei den anderen vom
Verf. behandelten Farbstoffen gegen die Art der Gewinnung, Be-
schreibung etc. vom rein chemischen Standpunkte gar manches ein-
wenden, so daß auf eine eingehendere Kritik von vornherein Verzicht
geleistet werden darf. Darauf wurde vom Ref. bereits bei früherer
Gelegenheit hingewiesen, so daß dieser Punkt — unter Beschränkung
auf ein rein sachliches Referat — weiterhin nicht berührt werden soll.
In dem rotbraunen Harze vermutet Verf. ein Oxydations-
produkt der wasserlöslichen gelben Substanz. Es wird auch in
Form eines bräunlichen Ueberzuges von den reichlich im Hymenium
auftretenden großen Paraphysen ausgescbieden und giebt denselben eine
klebrige Oberfläche, der bei alten Hüten reichlich Sporen des Pilzes
anhaften können, so daß die Paraphysen zu unförmlichen Keulen ver-
ändert erscheinen. Einzelheiten sind im Originale einzusehen.
Wehm er (Hannover).
Acosta y Grande Rossi, T6cnica bacteriolögica. (Crönica
medico-quirürgica de la Habana. 1893. No. 16.)
Verff. haben untersucht, wie lange in ihrem Laboratorium
Reagenzgläser mit Nährböden und Saatnadeln unbedeckt bleiben
können, ohne ihre Sterilität einzubüßen. Sie haben gefunden, daß
für beide Gegenstände die Sterilität sich 1 1/2 Minuten erhält. Bei
2 Minuten langem Offenstehen blieb nur ein mit der Mündung nach
unten schief gestelltes Reagenzglas uninfiziert und nach 2 1jt — 3 Mi-
nuten war keines mehr steril. Sentinon (Barcelona).
Mie, G., Eine Modifikation des Wolf fhügel’ sehen K olo-
nieen-Zähl apparates. (Hygienische Rundschau. 1894. No. 7.)
Verschiedene Unzuträglichkeiten führten Verf. auf die Idee, den
W olffhügel’schen Zählapparat in der Weise zu modifizieren, daß
er als Zählplatte die Unterlage benutzte und als Deckschicht nur
eine einfache Glasplatte verwandte. Dadurch wird die Entfernung
zwischen Zählplatte und Gelatine verringert und somit die optische
Paralaxe vermindert, auch sonst zeigt diese Anordnung verschiedene
kleine Vorteile, so daß Verf. diese Modifikation empfehlen möchte.
UntersuchuDgsmethoden, Instrumente etc.
877
Derselbe ist zu beziehen vom Optiker R. Magen, Berlin NW., Scharn-
horststr. 34a zu dem gleichen Preise wie der W olf f hügel’ sehe
Apparat. 0. Voges (Danzig).
Elsner, Zur Plattendiagnose des Cholerabacillus. (Hy-
gienische Rundschau. 1894. No. 7.)
Zu 1 1 Wasser fügt man 250 g Gelatine, 10 g Liebig’s Fleisch-
extrakt, 10 g Pepton und 5 g Kochsalz und erwärmt die Mischung
im VNasserbade von 50° C bis zur Lösung. Dann wird neutralisiert
mit Sodalösung bis zur deutlich alkalischen Reaktion, sodann das
Weiße von einem Hühnerei zugesetzt und kräftig geschüttelt. Hierauf
kocht man im Dampf von 100° C genau eine Stunde und filtriert unter
mäßiger Erwärmung des Filters. Das Filtrat wird in Röhrchen ge-
füllt und in 3 aufeinanderfolgenden Tagen genau 16 Minuten im
strömenden Dampfe sterilisiert. Diese 25 °/0ige Gelatine bleibt fest bis
30° C. Stellt man mit Cholera geimpfte Platten bei 27,5 — 28° C
hin, so erreichen schon nach 9 — 10 Stunden die Kolonieen eine Größe
wie 2tägige, auf gewöhnlicher 10°/0iger Gelatine bei 21° C gewachsene
Cholerakolonieen. Sie sind ebenfalls gut diflferenzierbar, und fordert
Verf. deshalb auf, mit diesem Nährboden bei Cholerauntersuchungen
zu arbeiten. 0. Voges (Danzig).
Turrö, R., Reacciön del indol en las deyecciones col6-
ricas. (Gaceta irödica catalana. 1894. No. 4.)
Verf. hat in 9 von den 42 im vorigen Sommer in Barcelona
konstatierten Cholerafällen die Ausleerungen direkt auf die Reaktion
des Cbolerarotes hin untersuchen können und schließt seine Mit-
teilung darüber mit der Aufstellung folgender Thesen: 1) Wenn man
Choleraausleerungen mit Schwefelsäure behandelt, so zeigt sich die
Indolreaktion. 2) Diese ist unverkennbar in den Reiswasserstühlen ;
bei denen aus anderen Stadien der Krankheit ist es zweckmäßig, die
durch den Säurezusatz hervorgerufenen Farbeveränderungen mit nicht
angesäuerten Ausleerungen zu vergleichen. 3) Ausleerungen mit
wenig Kommabacillen braucht man nur 6 Stunden lang bei 37° zu
halten, um die Reaktion zum Vorschein zu bringen. 4) Das Cholera-
rot kann noch nach 5 Tagen in den Ausleerungen nachgewiesen
werden. 5) Diese Reaktion scheint der asiatischen Cholera aus-
schließlich zuzukommen. Sen ti non (Barcelona).
Mally, F. W., Combination hotfilterand steam sterilizer ;
a handy incubating cage. (Modern medicine and bacterio-
logical world. 1893. No. 11. p. 275.)
Da die Bereitung von Agar-Agar und anderen festen Nährböden
und namentlich das Filtrieren derselben bei Kälte wegen der schnellen
Abkühlung häufig Schwierigkeiten macht, empfiehlt Verf. den folgenden,
von ihm angegebenen Apparat, eine Verbindung von Heißfilter mit
Dampfsterilisator, der das Filtrieren erleichtern und ein keimfreies
Filtrat liefern soll. Auf einem gewöhnlichen Dampfsterilisator, der
in der Mitte ein durchlöchertes Diaphragma enthält, wird ein 8 Zoll
hoher, mit einem seitlichen Griffe versehener, fest schließender Aufsatz
gestellt, welcher in der Mitte seiner oberen Bedeckung einen in den
878
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Sterilisator reichenden, umgekehrt abgestumpften hohlen Kegel trägt,
dessen oberes Ende einen Durchmesser von 4 Zoll, dessen unteres
von 21/i Zoll besitzt und der durch einen gut passenden Deckel ver-
schlossen werden kann. Neben diesem als Filtertrichter dienenden
Kegel ist in dem Aufsatze eine Durchbohrung für ein Thermometer
angebracht. Der Aufsatz ist wie der übrige Sterilisator mit Asbest
umkleidet. Der Kolben mit der Nährflüssigkeit und ein anderer, gleich
großer leerer Kolben werden nun in den Sterilisator gesetzt und der
Trichter mit Filtrierpapier belegt. Wenn der im Sterilisator ent-
wickelte Dampf den Trichter gehörig erhitzt, der durch denselben
entweichende Dampf das eingelegte Filtrierpapier befeuchtet hat und
der im Sterilisator stehende Kolben mit der Nährflüssigkeit genügend
erwärmt ist, wird letzterer herausgenommen, die Flüssigkeit in den
Filter gegossen und derselbe mit dem Deckel verschlossen. Das
Filtrat läuft in die leere Flasche im Sterilisator. Um zu vermeiden,
daß die Filtergeschwindigkeit durch den Druck des Dampfes herab-
gesetzt wird, kann der Trichter eine gerippte Form mit entsprechend
passendem Deckel erhalten, damit der Dampf teilweise entweichen
kann.
Verf. empfiehlt ferner statt der gewöhnlichen Drahtkörbe zur
Aufnahme der Kulturgläser im Brütschranke einen viereckigen läng-
lichen Holzkasten mit Glaswänden — „Incubating cage“ — , welcher
die Beobachtung der Kulturen von außen gestattet, ohne ein Heraus-
nehmen nötig zu machen. Lösen er (Berlin).
Bogdan , Versuche über die Leistungsfähigkeit der
Freiherr von Kuhn’ sehen Asbestfilter. (Der Militär-
arzt. 1894. No. 4.)
Das geprüfte Filter besteht aus einem nach unten sich ver-
jüngenden Aluminiumcylinder mit 2 Drahtsiebeinsätzen. Auf den
unteren feinmaschigen Einsatz wird Asbest geschüttet und unter
Aufgießen von Wasser zur gleichmäßigen Schicht verteilt. Der obere
gröbermaschige Einsatz soll grobe Verunreinigungen des Wassers
zurückhalten, welches zunächst durch einen in die obere Oeffnung
des Cylinders gehängten Leinwandsack geseiht wird. Das Filter ist
wenig ergiebig ; zwar lieferte ein kleiner Apparat seiner Konstruktion
bei mittlerem Drucke und Verwendung von verhältnismäsig reinem
Wasser 150 ccm, ein größerer 1250 ccm Filtrat in der Minute, doch
wurden Schmutzflüssigkeiten langsammer filtriert. Auch erschien die
erste von solchen abfiltrierte Flüssigkeit trübe. Die in ihnen
enthaltenen Bakterien wurden durch das Filtrieren zwar ihrer Zahl
noch vermindert, doch fanden sich im Filtrate dieselben Arten wie
im Rohwasser. Die Reinigung des einmal verschlammten Asbestes
ist schwer ausführbar. Kühler (Berlin).
Piefke, C., Ueber die Betriebsführung von Sandfiltern
auf Grundlage der zurZeit gütigen sanitätspolizei-
lichen Vorschriften. (Zeitschrift für Hygiene und Infektions-
krankheiten. Bd. XVI. H. 1.)
Verf. berichtet über die bei dem Stralauer Wasserwerke in Berlin
beobachteten Erfahrungen. Wir werden bekannt gemacht mit den
Untersuchungsmethodeu, Instrumente etc.
879
Schäden und Mängeln dieser Einrichtung und werden die infolge der
letzten sanitätspolizeilichen Verordnungen notwendigen Maßnahmen
einer Kritik unterwerfen. Die bakteriologische Untersuchung, täg-
lich an jedem Filter vorgenommen, wird mitgeteilt; meist betrug die
Anzahl der Keime unter 100 pro 1 ccm Wasser bei einer Filtrations-
geschwindigkeit von 100 mm pro Stunde. Die bakteriologischen
Untersuchungen ließen einen deutlichen Mangel an praktischer Ein-
richtung erkennen und werden zweckentsprechende Pläne für Neu-
anlagen von Filtern gemacht. Danach ist es notwendig, die Filter,
jedes gesondert, in das Reinwasserbassin laufen zu lassen, sowohl um
jedes einzeln untersuchen zu können, wie auch um Druckschwankungen
möglichst auszugleichen. Verf. verlangt für die Prüfung eines Wassers
dann auch noch genaue und lückenfreie Kenntnis des Rohwassers.
Von Bedeutung erwies sich die Art der Stoffe, aus denen sich die
Decke der Filter bilden mußte. Versuche im Kleinen mit Kulturen
des Bacillus violaceus angestellt, ergaben bei einem Gehalte von
45—87000 Bakterien im Rohwasser nach Filtration durch ein Filter
mit Lehmdecke im ccm 19, beim Filter mit Algendecke 45, beim
Filter mit Eisendecke 25 Keime. P. fordert auf Grund dieser Ergeb-
nisse daher zu größerer Beachtung dieses Punktes auf. Auch im
Großbetriebe zeigte sich, daß die gedeckten Filter, bei denen wegen
Lichtmangels die Algen weniger üppig wachsen, weit schlechter und
langsamer arbeiteten, als die freiliegenden.
Eine kurze Formel wird für den Wirkungsgrad eines Sandfilters
R
angegeben : E = , wobei E = Wirkungsgrad des Sandfilters,
vm.pm
vm Filtrationsgeschwindigkeit im Mittel,
pm Mittlerer Ueberdruck,
R Retentionsvermögen der Decke.
Manche andere Ratschläge uud Erwägungen wollen im Original
gelesen sein. Das Material ist sehr reichlich und fleißig zusammen-
getragen und giebt manche Aufschlüsse und Belehrungen.
O. Voges (Danzig).
Traube, Moritz, Einfaches Verfahren, Wasser in großen
Mengen keimfrei zu machen. (Zeitschrift für Hygiene und
Infektionskrankheiten. Bd. XVI. 1894. Heft 1. p. 149 — 150.)
Chlorkalk in der höchst geringen Menge von 0,0004260 g (ent-
haltend 0,0001065 g wirksames Chlor) zu 100 ccm stark bakterien-
haltigen Wassers zugesetzt, tötet innerhalb zweier Stunden uud wahr-
scheinlich bereits früher alle darin vorhandenen Mikroorganismen.
Zur Entfernung des nicht verbrauchten Chlorkalks war ein Zusatz
von 0,000209 g Natriumsulfit hinreichend.
Es würden also zur Sterilisierung von einer Million Kubikmeter
Wasser etwa 85 Ctr. Chlorkalk und ungefähr 40 Ctr. Natriumsulfit
erforderlich sein. E. Roth (Halle a. S.).
ggO Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten etc. — Neue Litteratur.
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
Kramsztyk, J., Sterilisation oder Pasteurisation? (Jahr-
buch für Kinderheilkunde und physische Erziehung. Band XXXVII.
Heft 2.)
Die vom Verf. mit Unterstützung des Prof. Bujwid und der
Herren Dr. Zusakowsky und Palmirski in Warschau vor-
genommenen sehr interessanten und für die praktische Ausführung
der künstlichen Säuglingsernährung außerordentlich wichtigen Unter-
suchungen weisen nach, daß das Pasteurisieren der Milch, d. h. das
Sterilisieren vermittelst Erhitzung durch Wasserdampf von ungefähr
70° C, verworfen und peinlich sterilisierte Milch durch starkes Auf-
kochen und Aufbewahren der Milch in ein und demselben Gefäße an-
empfohlen werden muß. Alle Versuche des Pasteurisierens durch
zweimaliges Erhitzen auf 70 — 75° C während 15 — 20 Minuten und
sogar auf 80° C bewiesen, daß es auf diese Art kein einziges Mal
gelang, eine vollkommen oder auch nur ziemlich keimfreie Milch
wenige Stunden nach der Sterilisation zu erhalten, um so weniger
eine haltbare. Bei allen Proben zeigte sich nach 24 Stunden ein
hoher Keimgehalt. Dagegen werden durch starkes, wenn auch kurz
anhaltendes Auikochen alle Keime getötet. Doch entwickeln sich aus
den übrig gebliebenen , unvernichteten Sporen schon nach einigen
Stunden neue Keime, deren Anzahl beim Abfüllen der Milch in nicht
sterilisierte Flaschen sehr rasch wächst. Der Geschmack und Ge-
ruch wie auch die Verdaulichkeit wird durch das Sterilisieren in
sehr hohen Temperaturen in keiner Weise ungünstig beeinflußt. Eine
wie wichtige Bedingung das Reinhalten und die Fütterungsart der
Kühe, deren Milch zur Kinderernährung sterilisiert werden soll, ist,
beweist der Umstand, daß die Milch der Kühe mit Grasfütterung
sich im allgemeinen unter Bildung von Buttersäure 4mal so schnell
zersetzt, als diejenige der Tiere mit Trockenfütterung. Diese Ver-
änderungen hängen vom Bacillus butyricus ab, welcher sowohl
im Organismus der Kuh, wie auch in dem Kindes sehr schädliche
Folgen hervorrufen kann. Maaß (Freiburg i. B.).
Neue Litteratur
zusammengestellt von
De. Arthur Würzburg,
Bibliothekar im Kaiserlichen Gesnndheitsamte in Berlin.
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Preußen. Ministerial-Verfügung, betr. den Nachrichtendienst in Viehseuchen-Angelegen-
heiten. Vom 27. März 1894. (Veröffentl. d. kaiserl. Gesundbeits-A. 1894. No. 15.
p. 230—231.)
Tierseuchen in Rußland in der Zeit vom 1. Oktober 1893 bis 13. Januar 1894. (Ver-
öffentl. d. kaiserl. Gesundheits-A. 1894. No. 15. p. 235.)
Schutzimpfungen, künstliche Infektionskrankheiten, Entwicke-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien mit besonderer
Berücksichtigung der Arbeiten über das Koch’sche
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Aronson, H., Zur Diphtherieheilungsfrage. Entgegnung auf den Artikel des Herrn
Prof. Behring. (Dtsche med. Wchschr. 1894. No. 17. p. 384 — 385. Bemerkung
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884
labalt.
Inhalt.
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stellung bakteriologischer Museen und
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Bacillus typhi murium (Loeffler) und
seine Virulenz gegen die Feld- und Haus-
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Streptococcus lingus in Bouillon. (Orig.),
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Bakteriologische and parasitologische
Kongresse.
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internationalen medizinischen Kongresse
in Rom. (Orig ), p 857.
Bordoni -Uffreduzzi. Ueber den Wert
einiger für die Desinfektion geschlos-
sener Räume vorgeschlagenen gasför-
migen Desinfektionsmittel, p. 862.
— — und Abba, Ueber eine aus dem
Menschen isolierte Varietät des Cho-
lerabacillus und über die bakterio-
logische Diagnose der Cholera, p. 863.
Bujwid, 0., Ueber die antirabische Be-
handlung nach der Pasteur’schen Me-
thode und die Veränderungen der
Nervenzellen bei der Tollwut, p. 863.
Charrin, Einfluß der Atmosphärilien auf
die Mikroorganismen, p. 859
Donath. J., Ueber fiebererregende Stoffe,
p. 857.
Haapt, A.. Die möglichen und erlaubten
Grenzen einer Prophylaxe der Tuber-
kulose vom Standpunkte der prak-
tischen ärztlichen Erfahrung, p. 858.
Hesse, W , Ueber die Beziehungen zwi-
schen Kuhmilch und dem Cholera-
bacillus, p. 858.
Pernice, B. and Pollaci, G , Ueber den
Einfluß der Absonderungen im Ver-
laufe der Infektionskrankheiten, p. 860.
Scagliosi, G.. Ueber dia mikrobischen
Lebereutzündungeu, p. 861.
Sormani, G , Ueber die den Cholera-
bacillus neutralisierenden Mittel, p. 86 1.
, Ueber die den Diphtheriebacillus
neutralisierenden Mittel, p. 862.
Terni, C., Das Serum der kaltblütigen
Tiere bei der Milzbrandinfektion, p. 863.
Referate.
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p. 87Q.
Delassus, P., De la teigne faveuse dans
le departement de l'Herault et ä la cli-
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Montpellier, p. 870.
Gärtner, Identischer Bakterieubefund bei
zwei Melaenafällen Neugeborener, p. 865.
Marianelli, A., Sul Trichophyton tousurans,
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Monticelli, Fr. Sav., Studii sui Trematodi
endoparassiti ; primo contributo di os-
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Oettinger, De la speeifite de la varicelle,
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Railliet, A., Traite de Zoologie medicale
et agricole, p. 871.
Sabouraud, Sur une mycose iunominee de
l’homme. La teigne tondante speciale
de Gruby, Microsporon Audouini, p 868.
Schirren, Ueber Lungensyphilis, p. 867.
Willach, P . Monostoma hepaticum suis,
p. 874.
Wolff, Die Syphilis unter den Urvölkern
Amerikas mit besonderer Bezugnahme
auf ihr Bestehen daselbst vor der Ent-
deckung Amerikas durch Columbus,
p. 866.
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Acosta y Grande R3ssi, Tecuica bacterio-
lögica, p. 876.
Bogdan , Versuche üoer die Leistungs-
fähigkeit der Freiherr von Kuhn’schen
Asbestfilter, p. 878.
Elsner, Zur Plattendiagnose des Cholera-
bacillus, p. 877.
Mally, F. W., Combination hot Alter and
steam sterilizer; a handy iucubating
cage, p. 877.
Hie. G., Eine Modifikation des WolfFnügel-
schen Kolonieen-Zählapparates, p. 876.
Piefke, C., Ueber die Betriebsführung von
, Sandfiltern auf Grundlage der zur Zeit
gütigen sanitätspolizeilichen Vorschriften,
p. 878.
Traube, Moritz, Einfaches Verfahren,
Wasser in großen Mengen keimfrei zu
machen, p. 879.
Turro, R., Reacciön del indol en las de-
yecciones colericas, p. 877.
Zopf, W., Zur Kenntnis der Färbungs-
ursachen niederer Organismen (Vierte
Mitteilung). Basidiomyceteularbungen,
p. 875.
Schutzimpfung, künstliche Infektions-
krankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Kramsztyk, J., Sterilisation oder Pasteuri-
sation ?, p. 880.
Neue Litteratur, p. 880.
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FELLOW OF THE CHEMICAL SOCIETY
PROFESSOR OF CHEMISTRY IN CNIVERSITY COLLEGE, DUNDEE, ST. ANDREW’s UNIVERSITY
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LONDON
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Bakteriologie und Parasitenkunde.
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Die Redakti"*- ' . Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
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Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen am die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Eorrekturabzüge direkt am
den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena, gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage, später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original -Mittheilungen.
Zur Mischinfektionsfrage1).
Von
Dr. med. M. Mühlmann
in
Odessa.
Seitdem man als Grund der verschiedenartigen Komplikationen
und der Verschlimmerung im klinischen Verlaufe vieler Infektions-
krankheiten eine Mischinfektion aufgestellt hat, wurde die Aufmerk-
samkeit der Aerzte auf die Natur der Mischinfektion ganz besonders
gelenkt. Wenn einige Forscher sich besonders mit der abschwä-
chen den Wirkung gewisser Bakterien auf andere beschäftigt haben,
1) Vortrag, gehalten in der Gesellschaft der Aerzte zu Odessa am 18. (30.) März d. J.
XV. Bd. 56
886
M. Mühlmann
z. B. Fehleisen1) mit der des Streptococcus Erysipelatos
auf die Tuberkulose (Lupus), Cantani2) Bacterium Termo auf
dieselbe (pulm.), Emmerich3) und Pawlowsky4)Strept. Erys.
auf Milzbrand, Pawlowsky Bac. prodi g., Staph. aureus und
Bac. Friedländer auf Milzbrand, Bouchard et Guignard5),
Freudenreich6), Woodhead und Wood7), Charrin8),
Blago weschts che nsky 9) Bac. pyocyan eus auf Milzbrand,
Büchner10) Bac. Friedländer auf denselben, so ist gerade in
den letzten Jahren die verstärkende Wirkung einer Mikrobenart
auf die andere Objekt der meisten Untersuchungen geworden.
Roger11) hat durch Mischinfektion mit 2 Nichtpathogenen (Bac.
prodig. und einem Anaeroben) pathogene Wirkung erzeugt,
Monti12) und Klein13) haben durch Mischung abgeschwächter
pathogener Kokkenarten mit Proteus die ersteren wieder virulent
gemacht. Klein hat auch den Diphtheriebacillus durch
Mischinfektion mit Bac. pyocyaneus verstärkt. Roux und
Y er sin14) und von Schreider15) haben die Virulenz des
Diphtheriebacillus durch Mischinfektion und Mischkultur mit
Streptokokken verstärkt. Endlich hat Trombetta16) teilweise
nach Grawitz und de Bary17), sowie nach Stern und
Hirschler18) abgeschwächte pyogene Bakterien durch verschiedene
Mischinfektionen wieder virulent gemacht.
1) Fehleisen, Die Aetiologie des Erysipels (bei Pawlowsky). Berlin 1883.
2) Cantani, Versuch einer Bakteriotherapie. (Centralbl. für med. Wissenschaft.
1884. [ibid.].)
3) Emmerich, Heilung der Infektionskrankheiten. (Tgbl. der 59. Versammlung
deutsch. Naturf. und Aerzte. 1886 [ibid.].)
4) Pawlowsky, Heilung des Milzbrands durch Bakterien und das Verhalten der
Milzbrandbacillen im Organismus. (Virchow’s Archiv. Bd. CVIII. 1887.)
5) Bouchard, Infiuence qu’exerce sur la maladie charbonneuse l’inoculation du
bacille pyocyanique. (Compt. rend. de l’Ac. des sc. de Paris. T. CVIII. 1889. Cen-
tralbl. f. Bakt. Bd. VI. 1889.)
6) Ann. de Micrographie. 1889. No. 10 (bei Blagoweschtschensky).
7) Comt. rend. 1889 (ibid.).
8) Maladie pyocyanique. 1890 (ibid.).
9) Blagoweschtschensky, Sur l’antagonisme entre les bacilles du charbon
et ceux du pus bleu. (Adu. de l’Inst. Pasteur. 1890. p. 689.)
10) Büchner, Berl. klin. Wochenschr. 1890. No. 18.
11) Roger, Effets des associations microbiennes. (Sem. med. 1889. No. 4.
— Centralbl. f. Bakt. Bd. V. — Idem, Centralbl. f. Bakt. Bd. VI.)
12) Monti, Influenza dei prodotti tossici etc. (Atti. d. R. aecad. dei Lincei.
Vol. II. 1887. No. 7. — Baumgarten ’s Jahrb. Vol. V. 1889 )
13) Klein, On concurrent inoculation etc. (Anim. Rep. of the Loc. Govern.
Board. 1889 — 1890. — Suppl. con. the Rep. of the Med. Offic. XIX. — Centralbl. f.
Bakt. 1890. — Further observ. ibid.)
14) Ann. de l’Inst. Pasteur T. IV. 1890.
15) v. Schreider, Ueber Mischkulturen von Streptokokken und den Diphtherie-
bacillus. (Centralbl. f. Bakt. Bd. XII. 1892. p. 289.)
16) Trombetta, Die Mischinfektion bei den akuten Eiterungen. (Centralbl. f.
Bakt. Bd. XII. 1892. p. 121.)
17) Grawitz und de Bary, Ueber die Ursache der subkutanen Entzündung und
Eiterung. (Virchow’s Archiv. Bd. CVIII. 1887.)
18) S t e r n und H i r s c h 1 e r , Beiträge zur Lehre von der Mischinfektion. (Wiener
Presse. No. 28 — 30 [bei Tromb.].)
Zur Mischinfektionsfrage.
887
Herr Dr. B. Schaposchnikoff, dirigierender Arzt der
therapeutischen Abteilung des jüdischen Krankenhauses zu Odessa,
hat mich zuerst auf die große Bedeutung der Mischinfektion im
klinischen Verlaufe der Tuberkulose, des Typhus, der Diphtherie,
des Scharlachs etc. am Krankenbette hingewiesen und ich unternahm
es, verschiedene Seiten der Mischinfektion zu durchforschen.
Die folgenden Untersuchungen beziehen sich auf 2 Mikroorga-
nismen: den Diplococcus pneumoniae Fraenkel’s und den
Milzbrandbacillus, welche gemischt in verschiedenen Virulenz-
graden Kaninchen und Mäusen subkutan injiziert wurden.
Diplococcus pneumoniae ist bekanntlich pathogener für
Kaninchen als für Mäuse, Milzbrand umgekehrt. Der von uns vom
Menschen entnommene Diplococcus war in den ersten Kulturen
für Kaninchen sehr virulent: 2 ccm der Bouillonkultur desselben
töteten das Tier innerhalb 24 Stunden. Durch Kultur auf künst-
lichen Nährböden ist er aber bald so abgeschwächt worden, daß
weder 2 ccm der 4. Generation, noch 4 ccm der 9. Kaninchen töteten,
sondern nur Abscesse an der Injektionsstelle erzeugten. Einen
solche n D iplococcus, derKaninchen in großenMengen
injiziert, sie nicht mehr tötete, wandten wir in allen folgen-
den Versuchen an. Dagegen war der angewendete Milzbrand-
bacillus, welcher aus einer Pustula maligna eines Menschen kul-
tiviert wurde, sehr virulent: er tötete eine Maus in 24 Stunden und
ein Kontrollkaninchen (1,0 ccm der Bouillonkultur) in 3 Tagen.
Versuche an Kaninchen.
I. Wir spritzten je 1 ccm von jedem Mikroben (alle Injektionen
wurden mit 2-tägiger Bouillonkultur des Diplococcus und 1-tägiger
Bouillonkultur des Milzbrandbacillus ausgeführt) einem Kanin-
chen ein und 2 anderen 2 ccm des Diplococcus und 1 ccm
Milzbrand. Die Kaninchen sind mit subkutanem Oedem, vergrößerter
dunkelroter Milz nach 3, 4 und 5 Tagen gestorben. Frische Präparate
des Blutes, sowie Kulturen aus dem Blute und inneren Organen
konstatierten die Anwesenheit beider Mikroben; somit starben alle
3 Kaninchen an einer Mischinfektion.
II. Wir injizierten 1 Kaninchen 2 ccm des Diplococcus und
0,5 ccm des Milzbrands (4 : 1), einem anderen 4,0 des ersten und
0,5 des zweiten (8 : 1) und einem dritten 3,0 des ersten und 0,3 des
zweiten (10:1). [0,5 ccm des Milzbrands töteten ein Kontroll-
kaninchen in 5 Tagen.] Die Kaninchen starben in 15, 14 und
36 Tagen mit trockenem Unterhautgewebe, nicht vergrößerter Milz,
einem geringen Peritonealexsudate und Hyperämie der Venen. Im
Blute und den Organen sind ausschließlich Diplokokken vorhanden
(Präparat und Kultur). Somit hat also der abgeschwächte Diplo-
coccus, welcher allein nicht mehr imstande war, das Kaninchen
zu töten , durch die Mischinfektion mit virulentem Milzbrand das
Kaninchen umgebracht; dazu genügte eine Beimischung von 0,3 bis
0,5 ccm Milzbrand; es mußte aber 4,8- und lOmal mehr Diplo-
coccus als Milzbrand genommen werden.
56*
888
M. Mühlmann,
Schon in der ersten Versuchsreihe, wo der Diplococcus in
gleicher und in 2 mal größerer Menge als Milzbrand genommen
wurde, konnte auffallen, daß der Diplococcus gleich dem Milz-
brandbacillus im Blute und den Organen vorhanden war; er
vermochte also schon dort, gleich dem Milzbrände, das Tier gewisser-
maßen zu infizieren, was er, allein injiziert, nicht mehr thun konnte:
er ist also wieder virulent geworden. Nur scheint der Milzbrand-
bacillus vollständig die Fähigkeit zu verlieren, zusammen mit dem
Diplococcus das Kaninchen zu infizieren, wenn er mit einer ver-
hältnismässig großen Menge desselben eiugespritzt wird.
III. Das Kaninchen ist gegen eine zweite Infektion mit dem
Diplococcus pneumoniae leicht immun zu machen; dazu ist
eine einmalige Injektion mit einer kleinen Dosis eines starken Virus
genügend, wenn das Tier sie mit einer gewissen Reaktion (Abscess
an der Impfstelle etc.; Kruse und Pansini1) u. A.) überstanden
hat. Um so leichter ist das Kaninchen gegen die Wirkung eines
schwachen Virus zu immunisieren, welche "Wirkung nur in einem
Abscesse an der Impfstelle besteht. 2 Kaninchen, welche von einer
einmaligen Infektion mit dem abgeschwächten Diplococcus einen
Absceß an der Impfstelle davongetragen hatten, überstanden eine
weitere Injektion 12 und 15 Tage später ohne jede Reaktion. Einem
von diesen und 2 anderen, welche ebenfalls eine Impfung mit dem
abgeschwächten Diplococcus bekommen hatten, wurde ein Monat
später (nach der ersten Impfung) ein Gemisch von abgeschwächtem
Diplococcus und virulentem Milzbrand injiziert, und zwar einem
2 ccm Diplococcus und 1 ccm Milzbrand, einem zweiteu 1,5 ccm
Diplococcus und 0,5 Milzbrand und einem dritten je 1 ccm
von beiden. Die ersten 2 Kaninchen starben in 4 und 10 Tagen
mit Hyperämie und parenchymatöser Entzündung der intraperitonealen
Organe und vollständig negativem Resultate in Bezug auf Mikro-
organismen, das dritte in 7 Tagen mit einer vergrößerten Milz
und mit beiden Mikroben im Blute und den Organen.
Wenn wir das dritte Kaninchen ausschließen, welches zu gleicher
Zeit die erste Impfung ohne Abscess davontrug, so sehen wir, daß
das einmalige Ueberstehen der Infektion mit dem abgeschwächten
Diplococcus eine große Aenderung im Gange der Mischinfektion
machte, nämlich den Tod bewirkte mit Zeichen einer Iutoxikation
ohne Mikroorganismen im Sektionsbefunde. Eine Erklärung der
Erscheinung werden wir bei analogen Versuchen an Mäusen suchen.
IV. Schließlich wurde eine Prüfung der Frage angestellt, was eigent-
lich der Hauptfaktor bei den gesehenen Erscheinungen der Mischin-
fektion ist: die Beimischung des Milz b ran dbacillus selbst oder
der Produkte seines Stoffwechsels? Durch 10 Minuten langes Er-
wärmen einer eintägigen Milzbrandbouillonkultur vernichteten wir die
tötende Wirkung des Bacillus auf Kaninchen und spritzten sie zu-
sammen mit dem abgeschwächten Diplococcus ein. Ein Kontroll-
kaninchen bekam 2 ccm der erwärmten Milzbrandkultur, lebte danach
X) Walther Kruse und Sergio Pansini, Untersuchungen über den Diplo-
coccus pneumoniae und verwandte Streptokokken. (Zeitschr. f. Hygiene. Bd. XI. 1892.)
Zur Mischinfektionsfrage.
889
2 Monate und starb mit negativem Sektionsbefunde. Drei Versuchs-
kaninchen bekamen: 1) 1 ccm desselben Milzbrandes und 1 ccm des ab-
geschwächten Diplococcus, 2) 0,5 des ersten und 1,5 des zweiten
und 3) 0,5 des ersten und 2,5 des zweiten. Sie starben alle drei nach 34,
35 und 36 Tagen ohne Unterhautödem, mit einem geringen Exsudat in
der Bauchhöhle und einer verkleinerten Milz. Bakteriologischer Befund:
D i p 1 o c oc c u sreinkultur, ein ähnliches Ergebnis wie in den ersten
zwei Versuchsreihen, nur sind dort die Kaninchen viel rascher ge-
storben, auch waren hier im ganzen die Mikroben in geringer Anzahl
vorhanden. Die Stoffwechselprodukte des Milzbrandbacillus
spielten also bei der Mischinfektion beinahe dieselbe Rolle, wie der
Bacillus selbst mit jenen zusammen; der Bacillus selbst be-
wirkte nur rascher und vollkommener die Verstärkung des abge-
schwächten Diplococcus, als seine Stoflfwechselprodukte allein.
Durch diese Beobachtung bestätigt sich teilweise die von Nencki’s
Schule (Nencki 1), v. Sieber 2), v. Schreider 3) u. A.) vertretene
Ansicht, daß bei der Mischinfektion die chemischen Produkte (Gifte)
der Mikroben die Hauptrolle spielen.
Versuche an Mäusen.
Hier war die Wirkung der Mischinfektion nicht so stark auf den
abgeschwächten Diplococcus als auf den abgeschwächten
Milzbrandbacillus, Mittelpunkt der Untersuchung, weil Mäuse
für Milzbrand weit empfänglicher sind, als für den Dipl, pneum.
Den Milzbrandbacillus schwächten wir mittels Erwärmung ab.
Die Bouillonkultur des Milzbrandbacillus wurde auf 10 — 15 Min.
in ein Wasserbad von 54 — 52° gestellt. Um Sporenbildung zu ver-
meiden, wurden Ueberimpfungen nur aus eintägigen Kulturen bei 37°
gemacht, die von einem an Milzbrand gestorbenen Tiere stammten;
selbstverständlich wurden ständig vor und nach dem Erwärmen mikro-
skopische Präparate hergestellt. Die Injektion mit dem auf diese
Weise abgeschwächten Milzbrandbacillus verursachte bei keinem
der Kontrollmäuse Tod an Milzbrand. Die Tiere starben in 2 bis
3 Wochen ohne jedes Unterhautödem, ohne vergrößerte Milz und mit
vollständig sterilem Blute und Organen.
Vom abgeschwächten Diplococcus allein, welchen wir in allen
Mischinfektionsversuchen anwendeten, blieben Kontrollmäuse am
Leben.
Mit diesen beiden abgeschwächten Mikroben wurden folgende
Versuche angestellt. [In jedem Versuche bekam eine Kontrollmaus
den abgeschwächten Milzbrandbacillus, eine Kontrollmaus den
abgeschwächten Diplococcus (diente manchmal für mehrere Ver-
suche) und 1—5 Mäuse die Mischinjektion in der Menge von 0,2 bis
0,4 ccm.]
I. 5 Versuche. 14 Mäuse. Beide Mikroben in gleichen Mengen.
In 3 Versuchen starben alle Mäuse in 2—3 Tagen mit gelatinösem,
1) Nencki, Ueber Mischkulturen. (Centr. f. Bakter. Bd. XI. 1892.)
2) Wiener Monatshefte für Chemie. Bd. X. Jahrg. 1889 (ibid.).
3) v. Schreider 1. c.
890
M. Mühl mann. Zur Mischinfektionsfrage.
subkutanem Oedem und stark vergrößerter Milz. Bakteriologisch : In
einem Falle aus dem Blute und Organen Milzbrandkultur, in 2 Fällen
ein Gemisch von beiden Mikroben. Der abgeschwächte Milzbrand-
bacillus ist also durch die Miscbinjektion mit dem abgeschwächten
Diplococcus virulent geworden und infizierte den Organismus, analog
dem, was wir bei den Kaninchen gesehen haben, mit dem Unterschiede,
daß die Milzbrandkultur, durch welche dort sozusagen das Leben
dem abgeschwächten Diplococcus zurückkehrte, allein imstande
war, das Kontrollkaninchen zu töten, hier aber ist der Diplo-
coccus, welcher dem Milzbrände seine Kraft wiedergab, nicht im-
stande, allein das Kontrollier zu infizieren. Bemerkenswert ist, daß
in zwei Versuchen der Diplococcus neben dem Milzbrand-
bacillus gefunden wurde.
Die übrigen zwei Versuche gaben ein negatives Resultat in Bezug
auf Bakterien: Die Mäuse (2) starben in 3 und 8 Tagen mit ver-
größerter Milz ohne Oedem, mit sterilem Blute und Organen. Eine
Erklärung dieses Ergebnisses wissen wir vorläufig nicht.
II. 3 Versuche. 14 Mäuse. Vom Diplococcus wurde ca. 8mal
mehr als vom Milzbrände eingespritzt. Die Mäuse starben in 2 — 18
Tagen. Diejenigen (2), welche in 2 Tagen starben, hatten eine ver-
größerte hellrote Milz; in den Impfungen auf Agar-Agar erwies sich
Diplokokkenreinkultur. Die übrigen (6), welche länger als 2 Tage
lebten, hatten keine vergrößerte Milz, steriles Blut und sterile Organe.
Milzbrand wurde in keinem Falle gefunden. Da also, wo der Diplo-
coccus in viel größerer Menge eingespritzt wurde, konnte der
Milzbrandbacillus nicht mehr gedeihen.
In einem Versuche diente eine Kontrollmaus, die Milzbrand be-
kommen hatte, gleichfalls für einen Versuch der folgenden (III.) Reihe
als Kontrolltier, und wir werden bald sehen, daß derselbe Milz-
brandbacillus unter anderen Umständen der Mischinfektion seine
Virulenz wiedergewounen hat.
In der III. Reihe namentlich wurden Versuche mit Mäusen au-
gestellt, die eine vorherige Diplokokkeninfektion schon überstanden
hatten und die unempfänglich gegen eine zweite Infektion mit dem-
selben zu sein schienen. Eine Kontrollmaus, die 5 Tage nach der
ersten Impfung mit Diplococcus geimpft wurde, starb in 5 Tagen,
eine andere, die nach 15 Tagen zum zweiten Male geimpft wurde, starb
in einem Monate, beide ohne Mikroben im Blute und den Organen *).
III. 2 Versuche. 9 Mäuse. Die Mischinfektion wurde 15 Tage nach
einer Impfung mit dem Diplococcus eingebracht. Dabei wurde
mehr Diplococcus als Milzbrand genommen. Die Mäuse starben in
2 — 5 Tagen mit subkutanem Oedem und vergrößerter Milz an einer
Mischinfektion; im Blute und den Organen waren beide Mikroben
zugegen. Der abgeschwächte Milzbrandbacillus gewann seine
Virulenz wieder; außerdem hat aber auch der abgeschwächte Diplo-
1) In alleD Fällen dieser Arbeit wurden mikroskopische Präparate aus dem Blute
und der Milz hergestellt und Impfungen auf Agar-Agar aus diesen beiden und oft auch
der Leber oder seltener nur Impfungen auf Agar-Agar gemacht.
Heinrich Walliczek, Die baktericiden Eigenschaften der Gerbsäure. 891
coccus, obgleich zum zweiten Male injiziert, den Organismus infi-
ziert. Bei den ähnlichen Versuchen an Kaninchen (III) sahen wir
als Endresultat Tod mit Zeichen einer Intoxikation, aber ohne Mikro-
organismen. Die Immunität ist bei beiden Tieren nach der Misch-
injektion verschwunden. Das vorherige Ueberstehen der Infektion
mit dem Fränkel’ sehen Diplococcus, welches gewöhnlich das
Tier weniger empfänglich (oder unempfänglich) für eine zweite macht,
scheint also dies nicht zu thun, wenn die zweite eine gemischte ist.
Es wäre interessant, das Tier gegen Milzbrand zu immunisieren
und dann eine Mischinjektion mit Milzbrand hinzuzufügen; das haben
wir noch nicht versucht.
Um nochmals die Quintessenz aus allen unseren Versuchen zu
extrahieren, wollen wir uns erinnern, daß Monti1) und Klein2)
einigen abgeschwächten Mikroben die Virulenz durch Beimischung
von Saprophyten zu der Infektion Wiedergaben. Wir, scheint uns,
erzielten dasselbe Resultat durch Beimischung eines pathogenen
Mikroben, welcher gegenüber dem betreffenden Organismus abge-
schwächt oder gegenüber welchem der betreffende Organismus weniger
empfänglich war. Selbstverständlich spielt, was bei Klein’s Ver-
suchen auch sichtbar ist, das Verhältnis zwischen der Menge der
injizierten Pathogenen eine nicht unbedeutende Rolle.
Wir sahen auch, daß das vorherige Ueberstehen der Iufektion
mit dem Diploc. pneum. den Organismus für die Mischinfektion
empfänglicher machte, mit anderen Worten: Die Immunität, war sie
schwach oder stark, wurde zerstört. Wir stehen somit an der Grenze
der Frage: Wie wirkt die Mischinfektion auf die erworbene und
natürliche Immunität überhaupt, denn nach unseren Versuchen will es
scheinen, daß letztere durch die Mischinfektion beeinträchtigt wird?
Das wird eine weiter zu lösende Frage sein.
Odessa, im April 1894.
Die baktericiden Eigenschaften der Gerbsäure.
(Tannin der Apotheken.)
Von
Dr. Heinrich Walliczek,
Magister der Pharmacie
in
Wien.
Prof. Koch hat im Jahre 1881 in den Mitteilungen des kaiser-
lichen Gesundheitsamtes die Ergebnisse seiner Untersuchungen über
die bakterientötende Kraft einer großen Anzahl chemischer Körper
1) M onti 1. c.
2) Klein 1. c.
892
Heinrich Walliczek,
Diedergelegt. Unter diesen Körpern befindet sich auch das Tannin ;
Koch hat gefunden, daß eine 5-proz. Lösung des Tannins Milzbrand-
sporen bei einer 24-stündigen Einwirkung nicht tötet. Auf andere
Bakterien, auf andere Koncentrationsgrade und auf verschiedene
Einwirkungsdauer der Tanninlösung hat Koch bei dieser vielseitigen
Arbeit nicht Rücksicht genommen.
Weitere Versuche über die baktericide Eigenschaft des Tannins
sind meines Wissens in der Litteratur nicht erwähnt.
Prof. Tschirch giebt in seiner Pflanzenanatomie (p. 129) der
Anschauung Ausdruck, daß die Gerbstoffe in den Samen, in welchen
sie die Epidermis bevorzugen, antiseptisch wirken und das Ver-
schimmeln oder das Zerstören der Samen durch Bakterien bei der
Keimung verhindern dürften.
Mir ist sowohl aus der Litteratur als aus eigener Erfahrung be-
kannt, daß selbst in konzentrierten Tanninlösungen Schimmelpilze
ganz üppig gedeihen, und ich sah gelegentlich dieser Untersuchungen
erst kürzlich üppige Schimmelpilze in einer 10 proz. Tanninlösung
gedeihen.
Auf Anregung der Herren Professoren Tschirch und Tavel
in Bern habe ich Lösungen des offizineilen Tannins in Konzen-
trationsgraden von 1I2 Proz., 1 Proz., 2 Proz., 5 Proz. und 10 Proz.
und bei einer Einwirkungsdauer von einer, fünf und dreißig
Minuten, zwei und vierundzwanzig Stunden auf folgende
Bakterien einwirken lassen: Bacteriura coli commune,
Bacillus anthracis resp. seine Sporenform undStaphylo-
coccus aureus, und die baktericide Eigenschaft dieser Lösungen
ermittelt.
Die Versuche wurden derart ausgeführt: Mittels Locheisen
wurden gleichgroße Filtrierpapierscheibchen ausgehauen, diese trocken
sterilisiert. Sie kamen dann in eine Aufschwemmung der Rein-
kultur des betreffenden Mikrobs. — Aus der Aufschwemmung wurden
die einen Papierscheibcheu vermittelst sterilisierter Pincette direkt
in steriles Wasser verbracht und nach 5 Minuten in verflüssigte
Gelatinenährböden, welche sich in Reagenzgläsern befanden; dies
waren die Kontrollröhrchen. Die anderen Papierscheibchen wurden
aus der Aufschwemmung in die Tanninlösungen von oben erwähnter
Konzentration verbracht und während der Dauer der obengenannten
Zeiten darin belassen, sodann für 5 Minuten in sterilem Wasser ge-
waschen. Hierauf wurden sie je einzeln in die Röhrchen mit ver-
flüssigter Gelatine gebracht. Die Bakterien wurden also nicht, wie
sonst üblich, auf das Papier angetrocknet, um sie zu fixieren. Die
Röhrchen wurden nach je 30 maligem Auf- ünd Niederbewegen hori-
zontal gelegt.
Die Zählung der ausgewachsenen Kolonieen wurde je 3mal vorge-
nommen und die letzten Zahlen, soweit sie sich überhaupt noch ge-
ändert hatten, berücksichtigt. Hier das Ergebnis in Tabellenform:
Die baktericiden Eigenschaften der Gerbsäure. (Tannin der Apotheken ) 893
Desinficens: Tannin (der Pharmacopöen).
I. Versuchsobjekt: Bacterium coli commune — 12. — 13. Juli 1893.
Aufschwemmung aus einer Agarreinkultur.
Kontroll-
versuch
Konzen-
tration der
Lösung
in Proz.
1 Minute
5 Minuten
30 Minuten
2 Stunden
24 Stunden
fl
<d
V»
12 000
110
—
—
—
fei
1
8 700
230
100
—
—
-fl o
£*
2
570
60
—
—
—
o
o
5
70
o
o
10
25
70
—
—
—
II.
Bacillus
a n t h r a c i
s mit Sporen — 1 8.—
-19. Juli 1893.
Aufschwemmung aus einer
Agarreinkultur.
Konzen-
versuch
Lösung
1 Minute
5 Minuten
30 Minuten
2 Stunden
24 Stunden
in Proz.
fl
Vs
+ V2)
+ v
+ v
+ v
+ ▼
S 'S
1
+ V
+ v
+ v
+ v
140
<D O
2
+ V
+ V
+ v
+ V
100
o «
o
5
+ V
+ V
+ v
+ V
7
O
o
10
+ V
+ V
+ V
+ V
25
III. Staphylococcus aureus (aus Osteomyelitis) — 28. — 29. Juli 1893.
Aufschwemmung aus einer Agarreinkultur.
Konzen-
Kontroll-
versuch
tration der
Lösung
in Proz.
1 Minute
5 Minuten
30
Minuten
2 Stunden
24 Stunden
fl
Q)
Vs
660
160
20
—
—
gj
1
200
3000
76
—
—
tue O
<D ^
2
210
52
—
—
—
o
5
200
—
—
—
—
o
o
CO
10
310
90
—
—
Man ersieht aus obigen Tabellen:
Bacterium coli commune wird bei einer Einwirkungs-
dauer von 2 Stunden schon von l/2- proz. Tanninlösung sicher
getötet.
Bacillus anthracis, resp. seine Sporen blieben selbst bei
24-stündiger Einwirkung von 10-proz. Tanninlösung entwickelungs-
fähig. Gleichwohl ist eine ausgesprochene Abnahme der Zahl der
Kolonieen bei längerer Einwirkungsdauer erkennbar. Auch eine Ver-
1) Die Kontrollplatten zeigten frühere Entwickelung, als die mit Tannin be-
handelten.
2) v = verflüssigt vor vorgenommener Zählung.
894
Miller,
zögerung der Entwickelung war bei den mit Tannin behandelten
Bakterien gegenüber den mit Tannin nicht behandelten in den
Kontrollröhrchen zu konstatieren.
Staphylococcus aureus wird ebenso wie Bacterium
coli commune bei einer Einwirkungsdauer von 2 Stunden schon
von 1/2- proz. Tanninlösung sicher getötet.
Aus allen 3 Tabellen ersieht man uoch, daß die Verlängerung
der Einwirkungszeit des Desinficiens entschieden energischer wirkt,
als die Erhöhung des Prozentgehaltes desselben, welcher Fall wohl
bei anderen Desinfektionsmitteln ebenso zutreffen dürfte. — Für die
Praxis giebt dies den Fingerzeig, wenn Möglichkeit vorhanden, lieber
die Einwirkungsdauer des Desinficiens zu erhöhen, als durch kon-
zentriertere Anwendung des Desinficiens die Kosten zu erhöhen.
Welche Folgen der Genuß der Kaffeegerbsäure in unserer täg-
lichen Kaffeeration auf die Darmbakterien hat, muß ich ärztlichem
Studium überlassen, um so mehr, als ich gar keine diesbezüglichen
Tierversuche mit Tanninpräparaten vorgenommen habe.
Baden bei Wien, 5. Mai 1894.
Einige kurze Notizen in Bezug auf bakteriologische
Untersuchungsmethoden.
Von
Prof. Dr. Miller
in
Berlin.
Ein Jeder, der sich längere Zeit mit bakteriologischen Studien
beschäftigt, wird auf geringe oder auch größere Modifikationen der
bekannten Methoden kommen, die zuweilen geeignet sein mögen, all-
gemeinere Anwendung zu finden. So gestatte ich mir, auf die folgenden
„Kniffe“ aufmerksam zu machen, die mir nützlich gewesen sind:
1) Das Trocknen der Deckglaspräparate nach dem Färben ver-
läuft nicht immer nach Wunsch. Tupft man dieselben mit Fließpapier
ab, so kann die Eiweißschicht gestört werden oder es bleiben Fasern
haften. Pustet man das Wasser herunter, entweder mit dem Munde
oder durch ein Glasröhrchen, so wird die Feuchtigkeit des Atems
auch störend wirken. Ausgezeichnet dagegen läßt sich das Deck-
gläschen trocknen, wenn man das Wasser mit einer Luftspritze, wie
sie von den Zahnärzten gebraucht wird und in allen Dental Depots
für 1,50 Mark zu haben ist, herunterpustet. Man läßt dabei den
unteren Rand des Deckgläschens auf Fließpapier ruhen oder legt
das Deckgläschen flach auf das Papier hin und kann fast das ganze
Wasser mit einem Luftstoße forttreiben.
Um die Schicht absolut trocken zu erhalten, kann man warme
resp. heiße Luft anwenden, indem man beim Einziehen der Luft die
Nase der Spritze in die Gasflamme hält.
Einige kurze Notizen in Bezug auf bakteriologische Untersucbungsmethoden. 895
2) Das lästige Ansammeln von Kondensationsflüssigkeit auf dem
Deckel der P e t r i - Schalen, das namentlich bei kleineren Brutofen, wo
die Temperatur im unteren Teile immer etwas höher ist als im
oberen, stattfindet, läßt sich vermeiden, wenn man einfach die
Schälchen verkehrt in den Ofen stellt. Anfänglich stülpte ich
immer ein drittes Schälchen über das Doppelschälchen, um das Hin-
einfallen von Luftkeimen zu verhindern, was sich aber als unnötig
erwies. Nach mehrmonatlicher Anwendung dieser Methode habe ich
gefunden, daß eine Verunreinigung der Kulturen nicht häufiger statt-
findet, als wenn die Schälchen nicht verkehrt hineingestellt werden.
Die Agarschicht bleibt auch feuchter.
3) Bei Strichkulturen auf der Oberfläche des Agars übergieße
ich zuweilen nach dem Impfen einen Teil der Platte mit einer dünnen
Schicht Agar, um das Wachstum der Kolonieen gleichzeitig auf der
Oberfläche und in der Tiefe beobachten zu können. Dieses Verfahren
hat einen besonderen Vorteil, wo man photographische Aufnahmen
der Kulturen wünscht. Da die oberflächlichen und tieferen Kolonieen
in derselben Ebene liegen, so kann man beide Sorten auf einem
Photogramm bekommen.
4) Zur Vernichtung von Schimmelpilzsporen in den Schälchen
oder Röhrchen bringe ich eine kleine Quantität Chlorkalk auf die
Oberfläche des Agars, übergieße sie mit Salzsäure und schließe die
Kultur. In wenigen Sekunden sind die Sporen ausgeblaßt und somit
auch tot.
5) Beim Impfen von Mäusen werden dieselben stets mit Aether
narkotisiert. Man faßt die Maus mit der linken Hand an der
Schwanzwurzel, mit der rechten an der Kopfhaut und hängt sie in
eine Florenzflasche , die eine kleine Quantität Aether enthält.
(Ein bißchen Uebung ist hierbei nötig.) Die Maus ist in 20 — 30
Sekunden narkotisiert und die Impfung geht viel leichter von statten,
als wenn sie durch irgendwelche Vorrichtung festgeklemrat wird.
Außerdem ist es durchaus nicht zu unterschätzen, daß hierdurch die
Impfung für das Tier schmerzlos geschieht, denn wir haben kein
Recht, selbst Mäusen unnötige Schmerzen zu bereiten. Handelt es
sich um die Betastung der infizierten Maus, um festzustellen, ob sich
Exsudate oder Eiterherde gebildet haben, so ist die Aetherisierung,
namentlich bei Untersuchung der Bauchhöhle, besonders zu empfehlen.
Berlin, 30. Mai 1894.
896
A. Gottstein, Eine historische Bemerkung etc.
Eine historische Bemerkung zu dem Aufsatze von
Fermi und Montesano „Ueber die Dekomposition des
Amygdalins durch Mikroorganismen“1).
Von
A. (xottstein
in
Berlin.
Die interessanten Mittheilungen von Fermi und Montesano
über die Zerlegung des Amygdalins durch Mikroorganismen rufen
die Erinnerung an eine Streitfrage zur Aetiologie der Cholera aus
dem Jahre 1855 wach, bei welcher die Zerlegung des Amygdalins
eine wesentliche Rolle spielte und bei deren Wiedergabe ich der
Darstellung von Virchow2) folge.
Nachdem Schmidt in Dorpat im Blute Cholerakranker das
Vorhandensein einer dem Emulsin ähnlichen Substanz angenommen,
stellte Thier sch Versuche an, nach denen nicht nur das Blut
Cholerakranker, sondern auch deren Darminhalt, sowie verschiedene
Leichenteile das Amygdalin zu spalten vermögen. Allerdings zeigte
auch das Blut anderer Kranker, speziell noch die Darmentleerungen
von Typhösen, die gleiche Fähigkeit, doch galten diese Beobachtungen
als bei vielleicht Infizierten gemacht. Th. brachte diesen Vorgang
ausdrücklich mit der Wirkung von Pilzen als den Träger des
Cholerastoffes in Zusammenhang. Vi r c h ow ließ nun diese Versuche
durch seinen Assistenten Grobe wiederholen, und es ergab sich hieraus,
daß die Thatsache der energischen Spaltung des Amygdalins nicht für die
Cholera spezifisch sei, sondern daß namentlich Blut, Darminhalt und
Milzextrakt Typhöser, aber auch das Blut anderer Krankheiten
(Struma carcinomatosa , Hydrops durch chronische Bronchitis) die
gleiche Eigenschaft zeigten. Freilich vermöge durchaus nicht jede sich
zersetzende tierische Substanz diese Zerspaltung hervorzubringen,
„allein ein Körper, der so vielfach vorkommt, kann gewiß nicht der
spezifische Mittelpunkt einer Krankheit sein“. Virchow schließt
seinen Aufsatz mit den Worten, daß er hoffe, es werde gelingen, für
Cholera, Typhus, Blattern den spezifischen Mittelpunkt einmal zu
finden, es bedürfe aber hierbei noch einen guten Schritt vorwärts.
Für die oben angeführten Beobachtungen von der Zerlegung des
Amygdalins durch tierische, in Zersetzung befindliche Substanzen
liefert nunmehr die Arbeit von Fermi und Montesano einen Bei-
trag zur Aufklärung.
Berlin, 29. Mai 1894.
1) Diese Zeitschrift. No. 19/20.
2) Offenes Schreiben an Herrn Geh. Rat Schönlein, Würzburg, 18. Jan. 1855.
(Deutsche Klinik. 1855. No. 4. — Gesammelte Abhandlungen zur öffentl. Medizin und
Seuchenlehre. Bd. I. p. 195.)
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 897
Bakteriologische und parasitologische Kongresse.
Mitteilungen aus dem XI, internationalen medizinischen
Kongresse in Rom,
Referent: Dr. Gr. Sanarelli, Privatdozent in Rom.
(Fortsetzung.)
Heim (Würzburg), Ueber Streptococcus longus pyo-
thoracus.
Nachdem der Vortragende die Art der Untersuchungen von
pleuri tischen Exsudaten auf pyogene Bakterien erläutert und die
Unterscheidung der Streptokokken von den lanzettförmigen Kapsel-
kokken berücksichtigt hatte, wandte er sich zur Darlegung der Aus-
breitung der Streptokokkeninfektion im Körper der weißen Mäuse,
der für Versuche mit diesen Bakterien geeignetsten Tiere. An der
Hand von Mikrophotogrammen legte Heim die Einwanderung der
Streptokokken in den Körper und ihre Wirkung auf verschiedene
Organe dar, auf die Hoden, die Drüsen, die Milz etc. Am auf-
fallendsten war der zerstörende Einfluß gegenüber dem Parenchym
der Drüsen, das seine Aufnahmefähigkeit für Anilinfarbstoffe einge-
büßt hatte, während das Stützgewebe dicht von den Kettenkokken
besetzt war. In ähnlicher Weise waren die Zellen der Milz ver-
ändert an Stellen, wo das stets vergrößerte Organ makroskopisch
sichtbare gelbe Punkte trug; an ihrem Rande lagen mikroskopisch
Streptokokkenhaufen, die ihre Ausläufer in das noch nicht verödete
Gewebe sandten. In der ebenfalls vergrößerten, jedoch seltener mit
jenen gelben Stellen besetzten Leber sah man in den Venen wand-
ständig gelagerte Leukocyten; einzelne enthielten Streptokokken, die
augenscheinlich mit ihnen hierher verschleppt und dann aus ihnen
herausgewachsen waren. Die Leukocyten hatten sich also hier als
Träger der lebensfähigen Bakterien erwiesen. Der Harn wurde bei
mehr oder minder hochgradiger Veränderung des Nierengewebes
streptokokkenhaltig gefunden. Magen- und Darmwand, Lungen, Ge-
hirn wiesen einen spärlichen Bakteriengehalt auf; Pleuritis entstand
nach der Impfung unter die Haut an der Schwanzwurzel nicht. Die
Embryonen einer der Infektion erlegenen Maus enthielten, kulturell
geprüft, keine Keime, in hochgradig veränderten Hoden waren mikro-
skopisch die Kettenkokken nur im Bindegewebe vorhanden, nicht in
den Hodenkanälchen.
Immunisierungsversuche fielen bei Mäusen negativ aus. Positive
Ergebnisse wurden nur bei Kaninchen durch Einspritzung sterilisierter
Kulturen erzielt. Erwachsene Kaninchen reagierten auf die Impfung
meist nur mit einer Intoxikation und darum gelang die Immunisierung.
Eine Behinderung der Ausbreitung der Streptokokken im Körper der
hoch empfänglichen Mäuse ließ sich bis jetzt nicht erreichen, eine
Immunisierung gegen die Streptokokkeninfektion war somit bis jetzt
nicht möglich.
898 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
Wernicke (Berlin), Ueber das Verhalten der Komma-
bacillen au f T a b a ks b lä tt er n.
In dieser Arbeit bringt Verf. den Nachweis, daß die Komma-
bacillen der Cholera asiatica auf Tabakblättern auch im feuchten Zu-
stande schneller als sonst zu Grunde gehen, daß also die Gefahr der
Verbreitung der Cholera durch Tabak und Cigarren eine außerordent-
lich geringe ist.
Wernicke (Berlin), Ueber Behring’s Blutserumtherapie
bei Tetanus.
Verf. berichtet zuerst über die bis zu der Zeit der Entstehung
der Arbeit citierten Forschungsresultate und zeigt an einem experi-
mentellen Beitrage, in welcher Art und Weise Serum hochimmuner
Pferde bei Mäusen nicht nur in großer Verdünnung immunisierend
wirkt, sondern wie größere Dosen desselben auch bei Mäusen, die
schon Symptome von Tetanus zeigen, noch heilende Potenzen ent-
falten. In der Arbeit wird zugleich genau beschrieben, in welcher
Art und Weise das Tetanusheilserum bei erkrankten Menschen An-
wendung finden sollte. Der Verf. gab solches Serum für Tetanusfälle
in der Armee ab.
Wernicke (Berlin), Beitrag zur Kenntnis des Loeffler’ sehen
Diphtheriebacillus und zur Blutserum therapie bei
Diphtherie.
Verf. teilt die Resultate einer größeren experimentellen Arbeit
über die Wirkung des Diphtheriebacillus bei Hunden, über
zweckmäßige Immunisierung dieser Tiere gegen die Diphtherieinfektion
mit und zeigt unter Anderem, wie Hunde durch Verfütterung von
Fleisch von Schafen, die einer Diphtherieinfektion erlegen waren, oder
von solchen, die gegen Diphtherie immunisiert worden waren, gegen
eine Diphtherieinfektion immunisiert werden können. Weiter wird
dargelegt, in welcher Art und Weise Hunde so hochgradig gegen
Diphtherie immunisiert werden können, daß ihr Serum Meerschwein-
chen gegen Diphtherie sicher immunisiert und auch schon schwer
diphtheriekranke Tiere heilt. Schließlich werden einige Fälle von
Diphtherie beim Menschen mitgeteilt, die mit Diphtherieheilserum,
das von Hunden gewonnen wurde, behandelt wurden und mit Wahr-
scheinlichkeit durch die subkutanen Injektionen geheilt worden sind.
Die Immunisierungsmethode wird genau mitgeteilt, um Nachunter-
suchern Gelegenheit zu geben, in den Besitz eines immunen Tier-
materials zu kommen. Die Arbeit ist eine Weiterfortführung von
Untersuchungen, die Verf. vor Jahren mit Behring unternommen
hat und welche seiner Zeit veröffentlicht worden sind.
Donath, Julius (Budapest), Ueber fiebererregende Bak-
terienprodukte.
In der Aetiologie, Prophylaxis und Therapie der Infektionskrank-
heiten vermag heutzutage die Bakteriologie große Fortschritte aufzu-
weisen. Jedoch ist bezüglich einer so allgemeinen Erscheinung der
ansteckenden Krankheiten, wie es das Fieber ist, bisher wenig ge-
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 899
scheheD. Die Frage ist aber auch eiue höchst schwierige, denn das
Fieber ist eine komplizierte Erscheinung, welche auf eine gemeinsame
Ursache nicht zurückgeführt werden kann und wo jedenfalls das vaso-
motorische Centrum beteiligt ist.
In den Fragen der Infektion und Vaccination huldigte man be-
kanntlich der vitalistischen Theorie von Pasteur. Doch drängen
die Beobachtungen immer mehr zur Annahme, daß es in letzter Linie
nicht der parasitäre Lebensprozeß der Bakterien an sich, sondern
deren Stoffwechselprodukte es sind, welche die Krankheitserscheinungen
sowie die Immunisation hervorbringen. Treffend bezeichnet Ga mal eia
die Infektion als „einelntoxikation mit Bakteriengiften“. — Nachdem es
schon Pasteur gelungen ist, mittelst keimfreier Bouillonkulturen von
Hühnercholera die Hauptsymptome dieser Krankheit hervorzurufen,
wurde die Möglichkeit der chemischen Vaccination — d. h.
die Schutzimpfung ohne Mikroben — in neuester Zeit für verschiedene
Infektionskrankheiten erwiesen, unter denen ganz besonders die Diph-
therie und der Tetanus hervorzuheben sind. Tizzoni undCattani
ist es sogar gelungen, aus dem Blutserum von Tieren, welche gegen
Tetanus immun gemacht worden waren, die immunisierende albumi-
noide Substanz in einem bemerkenswerten Grade von Reinheit dar-
zustellen.
Was das Fieber anbelangt, so wissen wir vom Tuberkulin und
Mal lein, daß sie hohes Fieber erzeugen können und daß sie des-
halb als wertvolle diagnostische Mittel dienen. Charrin und Rüffer
fanden fiebererregeud das keimfreie Filtrat des B. pyoceaneus;
ähnliches fand Serafini bezüglich der Friedländer’schen und
Lucatello bezüglich des Fränkel’schen Bacillus.
Verf. experimentierte mit Kaninchen, Schafen und Pferden. Bei
Kaninchen und Schafen, deren Temperatur schon unter normalen Ver-
hältnissen bedeutende Schwankungen zeigt, wurde nur dann Fieber
angenommen, wenn die Temperatur über 40° C stieg. Dagegen
zeichnet sich das Pferd durch eine sehr beständige Temperatur aus
(37,6—38° C).
Es ist zu bemerken, daß schon reine Peptonbouillon thermogen
wirkt, aber nur in größerer Menge oder Konzentration.
An thr axfiltrate in Mengen von 2 — 10 ccm in die Bauchhöhle
oder unter die Haut gespritzt, erzeugen beim Kaninchen kein Fieber.
Aber auch virulente Anthraxkulturen, in Mengen von 0,5 — 1,0 ccm
subkutan einverleibt, können ohne ausgesprochene Fieberbewegung zum
Tode führen. Von 9 Kaninchen bekamen auf diese Weise 4 Fieber;
6 gingen zu Grunde, von denen 3 gefiebert hatten. Das Auftreten
des Fiebers ist überhaupt nicht maßgebend für das Erhaltenbleiben
oder Zugrundegehen des Tieres. Bei dieser Gelegenheit untersuchten
auch die Verff, ob die keimfreien Filtrate der Anthraxkulturen
Immunität zu verleihen vermögen. Sie fanden, daß ein solches Er-
gebnis thatsächlich zu erzielen ist, wenn die Bouillonkultur eine halbe
Stunde bei 100 0 C im Autoklaven sterilisiert wurde. Von 7 so be-
handelten Kaninchen gingen nach der darauffolgenden Impfung mit
virulentem Anthrax 2 zu Grunde, 5 blieben am Leben ; von 4 Kontroll-
tieren gingen 2 zu Grunde.
900 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
Die löslichen Produkte von Streptococcus pyogenes zeigen
ausgesprochene Fieberwirkung. So erzeugten beim Kaninchen 20 ccm
einer 18-tägigen Kultur Fieber zu 42 °C, bei einem anderen Tiere
30 ccm einer 29-tägigen Kultur Fieber zu 40,1 0 C. Bei Schafen be-
wirkten 50 ccm, subkutan injiziert, Temperatursteigerungen um 0,6 0
— 1,5° C; bei Pferden riefen 80 ccm Steigerungen um 1,1— 1,3° C
hervor. Virulente Streptococcuskulturen riefen beim Kaninchen
subkutan zu 1,0 — 1,5 ccm kein ausgesprochenes Fieber hervor. Die
Sterilisation im Wasserbade bei 63 0 durch 20 Minuten scheint die
pyogenen Substanzen teilweise zu zerstören. Die fiebererregenden
Substanzendes Streptococcus pyogenes sind in Alkohol löslich.
Die Stoffwechselprodukte des Staphylococcus pyogenes
aureus zeigten sich bei allen Versuchen fiebererregend. Die Tempe-
raturerhöhung beträgt beim Kaninchen 1,0° bezw. 0,8° C, beim
Schafe 1,0° bezw. 0,7° C, beim Pferde 1,2° bezw. 1,4° C. Beim
Kaninchen wurden 15—20 ccm, beim Schafe 50, beim Pferde 80 in
Anwendung gebracht. Der Höhepunkt des Fiebers wurde beim Schafe
nach 12 bezw. 10, beim Pferde nach 5 — 16 Stunden erreicht. Viru-
lente Staphylococcus kultur erzeugt beim Kaninchen kein Fieber.
Von 3 Kaninchen gingen 2 zu Grunde, bei einem dieser Tiere war
ausgedehnte Hautnekrose aufgetreten.
Von Bacillus pyocyaneus erzeugten 15 ccm keimfreie
Bouillonkultur beim Kaninchen Fieber von 40,2° C. — Von 3 Tieren
gingen 2 an Intoxikation zu Grunde. Ausgesprochener war das Fieber
beim Schafe und Pferde. — Das Temperaturmaximum betrug beim
Schafe 41,7° C., beim Pferde 39,6° (heftiger Schüttelfrost!). Die
Steigerungen betrugen bei den Schafen über die normale Anfangs-
temperatur 1,6° — 2,6° C, bei den Pferden 2,2° — 3,4° C.
Zur Entscheidung der Frage, ob in der geschwellten Milz bei In-
fektionskrankheiten fiebererregende Stoffe sich finden, wurden die
wässerigen und alkoholischen Auszüge der Milz von Schweinen unter-
sucht, welche an Schweinerotlauf zu Grunde gegangen waren.
Von 3 Kaninchen bekamen 2 Fieber von 41 0 bezw. 42 0 C, das dritte
ging ohne Temperatursteigerung zu Grunde. — Bei 2 anderen Kanin-
chen zeigte sich Temperaturerniedrigung. — Giftig erwies sich auch
die Leber von Tauben, welche an verimpftem Schweinerotlauf zu
Grunde gegangen waren. Die Auszüge von gesunden Schweinemilzen
erzeugten kein Fieber. Beim Schafe erwiesen sich sowohl die wässerigen
als die alkoholischen Auszüge der Schweinerotlaufmilz als fieberer-
regend.
Diese Versuche beweisen also zur Genüge, daß die pathogenen
Bakterien pyogene Stoffwechselprodukte erzeugen und daß dieselben
bei akuten Infektionskrankheiten auch in der geschwellten Milz ab-
gelagert werden.
Escherieh, E. (Graz), Zur Pathogenese der Diphtherie.
Der Verf. faßt das Resultat seiner klinischen und experimentellen
Untersuchungen in folgenden vier Thesen zusammen :
1) Zum Zustandekommen der diphtherischen Erkrankung ist außer
dem Bacillus und der Möglichkeit seiner Invasion das Vorhanden-
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 901
sein einer spezifischen Empfänglichkeit seitens der Gewebe des zu in-
fizierenden Organismus erforderlich. Dieselbe kann eine örtliche und
auf die erkrankte Schleimhautoberfläche beschränkte oder eine den
gesamten Körper betreffende sein.
2) In erster Linie ist die spezifische Empfänglichkeit gewöhnlich
als örtliche und allgemeine Disposition bezeichnet, und erst in zweiter
Linie der größere oder geringere Grad der Virulenz der Bacillen
maßgehend für den klinischen Verlauf und Ausgang der Einzeler-
krankung.
3) Die Anwesenheit anderer pathogener und saprophytischer
Bakterien sowie deren Stoffwechselprodukte ist von Einfluß auf den
Gang der Erkrankung. Es kommt bekanntlich der Mischinfektion mit
Streptokokken eine ungünstige, die Schwere der toxischen Erscheinung
steigernde Bedeutung zu; jedoch nicht weil, wie Roux annimmt, die
Virulenz der Diphtheriebacillen gesteigert, sondern die Disposition
des Organismus für das Diphtherotoxin gesteigert wird. In entgegen-
gesetztem Sinne scheinen einige Staphylokokken zu wirken.
4) Die Heilung der Diphtherie erfolgt nicht durch Verschwinden
der Bacillen oder durch Abschwächung ihrer pathogenen Eigenschaften,
sondern durch Immunisierung des Organismus, indem die früher vor-
handene Disposition beseitigt und in das Gegenteil verwandelt wird.
Der dadurch erzielte Grad der Immunität ist aber ein geringer und
schützt nicht vor wiederholten Erkrankungen, die schon wenige Monate
nach der ersten ausbrechen können.
Eselierich, E. (Graz), Das Bacterium coli als Cystitiser-
reger.
Verf. demonstriert einige Präparate von Cystitisharn. In Zeit
von drei Jahren sind an der Grazer Kinderklinik sieben Fälle von
Cystitis bei Kindern zwischen sechs Monaten und neun Jahren beob-
achtet worden, die durch das Bacterium coli communis hervor-
gerufen waren. Da es sich ausschließlich um Mädchen handelte und
bei einigen derselben leichte spezifische Vulvitis vorhanden war, ist
es am wahrscheinlichsten, daß die Bacillen von der Vulva aus durch
die kurze und weite Harnröhre in die Blase eingedrungen sind. In
zwei Fällen wurden sie auch aus dem Scheidensekrete gezüchtet. Die
Beschwerden und die klinischen Symptome waren bei allen mit Aus-
nahme des jüngsten Kindes geringfügige. Die Heilung gelang rasch
durch Blasenspülung mit Kreolin, die durch Verabreichung von Salol
unterstützt werden kann. In einem Falle wurde die spontane Heilung
abgewartet.
Arloing, S. und Chantre, Ed. (Lyon), üeber chirurgische
Eiterinfektion und über die morphologischen und
pathologischen Veränderungen ihres Erregers.
Verff. haben schon früher gezeigt (siehe Semaine mödicale. 1893.
p. 403), daß die Eiterinfektion von Streptococcus pyogenes
bei Abwesenheit aller anderen septischen Mikroben hervorgerufen
werden kann, jedoch unter der Bedingung, daß er sich in jenem be-
sonderen virulenten Zustande befindet, welchen er bei den akuten und
57
XV. Bd.
902 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
schweren Geburtsinfektionen zeigt. Wenn aber außer dem gewöhn-
lichen Streptococcus noch andere Mikroben anwesend sind, so
können dieselben die Eiterinfektion komplizieren, aber sie sind zu
deren Entwickelung nicht nötig. Verfl. habeu den Streptococcus
unter dem morphologischen und dem pathologischen Gesichtspunkte
studiert und betrachten die Unterscheidungsmerkmale, welche Behring
und seine Schüler der pathogenen Gruppe des Streptococcus
1 o n g u s zugeteilt haben, als unsicher, weil die Verif. im Gegensätze
zu dem, was die letztgenannten Forscher behaupten, gefuuden haben,
daß der von ihnen angewandte Streptococcus homogene, trübe
Bouillonkulturen gab und auf Kartoffeln dicke Kolonieen bildete.
Nach den Verff. muß man auf dem Polymorphismus der ver-
schiedenen Individuen bestehen, welchen sie zu wiederholten Maleu
in vielen Kulturen, sowohl in flüssigem Nährboden als in Tieren, fest-
stellen konnten. Sie haben oft beobachtet, daß der Streptococcus
nach einer bacillären Form strebt, zu welcher er bisweilen durch eine
Reihe von Zwischenformen kommt. Die tiefgreifenden Aenderungen
in der Morphologie eines Streptococcus können trotz der Arbeiten
von Zopf und der in einer anderen Richtung von Guignard und
Charrin unternommenen auffallend scheinen und es mußte bewiesen
werden, daß sowohl die Bacillenform als die Coccusform dieselben
pathogenen Eigenschaften besitzen. Zu diesem Zwecke haben Verff.
zwei parallele Inokulationsreihen mit typischen Kulturen und auf ver-
schiedenen Wegen an Kaninchen, Meerschweinchen und Hunden aus-
geführt. Die Wirkungen und besonders die Eiterungserscheinungen
waren in beiden Versuchsreihen ganz ähnlich, ausgenommen bei den
Meerschweinchen. Letztere sind unter dem Einflüsse der Bacillen-
kulturen gestorben, dagegen unter jenem der Coccuskulturen lebend
geblieben. Man muß folglich annehmen, daß der Bacillus eine be-
sondere Form des Streptococcus pyogenes ist, eine Form,
welche eine allgemeinere Virulenz als die Coccusform besitzt, weil
sie mit Leichtigkeit die Meerschweinchen tötet.
Verff. haben versucht, diese Aenderungen nach Belieben hervor-
zurufen, indem sie Kulturen unter wechselnden Umständen machten,
und zwar indem sie die Kultur mit der Inokulation in den Serösen
und in dem Bindegewebe des Kaniuchenohres kombiniert haben. Diese
verschiedenen Mittel haben erlaubt, in einer mehr oder minder voll-
kommenen Art den Streptococcus in den bacillären Zustand über-
zuführen und vice versa. Die successive und alternative Einführung
in das Bindegewebe des Ohres und in sehr gute Bouillon hat es mög-
lich gemacht, die schönste Ueberführung der Streptococcusform
in die bacilläre zu erhalten. Aber wenn mau auch ziemlich leicht
eine Zustaudsänderung hervorbringt, so war es doch bis jetzt unmög-
lich, sie in demselben Stadium zu erhalten. Somit sind an diesem
Streptococcus jene Modifikationen des pathogenen Vermögens
bestätigt worden, welche Chaveau und der eine der Verfasser
vor langer Zeit bei Gelegenheit des Streptococcus der Geburts-
infektion beschrieben hatten.
Verff. haben außerdem nachweisen können, wie letzthin A c h a 1 m e
beobachtet hatte, daß der Streptococcus pyogenes sich bei
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 903
einem gewissen Zustande der Virulenz darauf beschränkt, das
Erysipel hervorzurufen. Die Verff. haben also, von einem Mikroben
ohne merkliche Virulenz ausgehend, durch die Einführung derselben
in das Blut oder in das Peritoneum eines Kaninchens successiv ein-
fache Erysipel, Erysipel mit Nekrose des umgebenden Darmes, Erysipel
mit Nekrose und Eiterung, die pseudomembranöse Peritonitis, meta-
statische Abscesse, die galoppierende septische Peritonitis erhalten.
Die allgemeinen Schlußfolgerungen sind die folgenden:
1) Die chirurgische Eiterinfektion kann nur durch den Strepto-
coccus allein verursacht sein, unter der Bedingung, daß er sich in
einem besonderen virulenten Zustande befindet.
2) In den verschiedenen virulenten Zuständen bringt der Strepto-
coccus wechselnde Erscheinungen hervor.
3) Die verschiedenen Arten pathogener Streptokokken, welche
von einigen Forschern als solche angesehen werden, sind nichts
anderes, als Varietäten derselben Species.
4) Der Streptococcus des Erysipel, der Eiterinfektion, der
Geburtsinfektion in ihren verschiedenen Formen ist nichts anderes,
als die gleiche Species in verschiedenen virulenten Zuständen.
5) Die Mikrokokken streben nach einer bacillären Form, welche
sie unter noch nicht genügend festgestellten Umständen sowohl inner-
halb wie außerhalb des Organismus annehmen.
6) Die Virulenz der bacillären Form kann dieselben Aenderungen
erleiden, wie die Streptococcusform.
7) Es ist wahrscheinlich, daß gewisse Eiterbacillen nichts anderes
als modifizierte Streptokokken sind.
8) Wenn man mit dem Streptococcus pyogenes andere
Bacillen zusammen findet, darf man nicht mit Bestimmtheit von einer
bakterischen Vereinigung reden.
Zu dem oben referierten Vortrage macht Herr Prof. Babes aus
Bukarest einige Bemerkungen. Er schließt sich zum Teil den Aus-
führungen des Vorredners an, will aber noch betonen, daß wir zwar
nicht berechtigt sind, zwei bis drei große Gruppen von Streptokokken
zu unterscheiden, wohl aber existiere eine Anzahl von Species oder
natürlicher Varietäten, unter denen B ab es verflüssigende Formen wie
bei Scharlach, solche, welche bei Zimmertemperatur und andere, welche
nur bei Körpertemperatur wachsen, zuerst nachgewiesen hat. Manch-
mal finden sich selbst bei einem Individuum mehrere Species. Es
giebt Jahreszeiten, wo die meisten Krankheiten durch virulente
Streptokokken ungünstig beeinflußt werden. So fanden sich in ge-
wissen Monaten mit großer Sterblichkeit bei allen Autopsieen Strepto-
kokken, welche aber gewisse beständige Unterschiede untereinander
erkennen ließen. Allerdings zeigen besonders gewisse Formen Pseudo-
ramifikationen , an deren Enden Prof. Babes Verdickungen wie
bei Diphtheriebacillen nachweisen konnte. Auch wechseln in ver-
schiedenen Kulturboden eingekapselte Formen mit abgeplatteten und
lanzettähnliche lange Ketten mit ganz kurzen ab, namentlich auf
Blutserum entwickeln manche Varietäten kolossale Kokken, auch
Stäbchenformen, gewöhnlich mit buckligen Rändern, finden sich in
57*
904 Mitteilungen aus dem XI, internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
den Ketten eingeschaltet. Nie aber konnte Prof. Babes eine aus
Streptokokken hervorgehende Reinkultur von Bacillen erzielen.
Pernice, B. und Scagliosi, Gr. (Palermo), Experimentelle Ne-
phritis bakterischen Ursprungs.
In zwei anderen Arbeiten, die eine „über die Entfernung der
Bakterien aus dem Organismus“, die andere „über den Einfluß der
Urinabsonderung auf die Entwickelung der Infektionskrankheiten“,
haben die Verff. verschiedene Alterationen beobachten können, welche
sich in den Nieren zeigen, wenn gewisse krankheiterzeugende Mikro-
organismen durch dieselben hindurchgehen oder nicht und haben
mit spezieller Sorgfalt die verschiedenen Verletzungen studiert, welche
aus diesem Grunde für die einzelnen Bestandteile der Nieren ein
Interesse habeD, um festzustellen, ob dieselben lediglich durch die
Infektionskeime hervorgebracht seien oder ob zu ihrer Krankheits-
erzeugung auch die Wirkung der giftigen, durch die Bakterien selbst
hervorgebrachten Substanzen beitrage. Es hat sich daraus das Resultat
ergeben, daß in Fällen allgemeiner Infektion der Durchgang der
Bakterien durch die Nieren iufolge ihrer Ausscheidung mit dem
Urin sich nach anatomisch-pathologischen Veränderungen vollzieht,
welche in den verschiedenen Bestandteilen derselben bervorgerufen
werden. Die Gesamtheit dieser Veränderungen, welche infolge der
Wirkung des Milzbrandbacillus, des Bacillus pyocyaneus,
Staphylococcus pyog. aur. und des Micrococcus prodi-
giosus hervorgerufen worden sind, bildet einen ziemlich klaren und
anschaulichen experimentellen Nachweis der bakteriologischen Knäuel-
nephritis, welche in erster Linie und hauptsächlich für die Rinden-
substanz, dann und in geringem Grade für die Marksubstanz von
Bedeutung ist. Der physiopathologische Prozeß fängt in dem lokalen
Gefäßapparate mit Endoarthritis, Störungen im Kreisläufe und Hä-
morrhagieen an, auf welche Veränderungen in den Nierenknäueln, in
den B o w m a n kapseln und in dem Epithel der geraden und ge-
bogenen Kanälchen folgen, mit Bildung einer amorphen und hyalinen
Substanz, welche sich in dem Lumen der Kapsel und den Harn-
kanälchen absetzt.
Den Epithelveränderungen folgt die Abschuppung und die Ver-
welkung der Kanälchen, die Verbindung ihrer Wände, ähnlich einer
Hyperplasie der Bindegewebe und folglich bei den Genesungsfällen
die Neubildung der Harnkanälchen. Zu der Pathologie dieser Ne-
phritis kommen also vor allem die allgemeinen Entzündungen in Be-
tracht, aber auch die von ihnen abgesonderten Gifte haben als
Ursache der Verletzungen eine gewisse Wichtigkeit, weil sie, einmal
in den Blutkreislauf gekommen, in die Nieren gelangen und die
Nephritis verursachen können.
(Fortsetzung folgt.)
Schwefelwasserstoffbildung der Bakterien.
905
Referate.
Petri, R. J., und Maafsen, A., Beiträge zur Biologie der
krankheitserregenden Bakterien, insbesondere über
dieBildungvon Schwefelwasserstoff durch dieselben
untervornehmlicher Berücksichtigungdes Schweine-
ro tl aufs. (Arb. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamte. Bd. VIII. 1893.
p. 318 — 356.)
Die vorliegende, im Juli 1892 erschienene Arbeit, über deren
wichtigste Ergebnisse die Verff. bereits im Februar 1892 in einer vor-
läufigen Mitteilung berichtet hatten, gliedert sich in acht Abschnitte,
von denen einige ihrem Inhalte nach eingehendere Besprechung er-
fordern.
Nachdem die Verff. zunächst das Ausgangsmaterial für die Rot-
laufversuche und die Uebertragung des Rotlaufs auf Versuchstiere be-
rücksichtigt, wird 2) das Wachstum derRotlaufbakterien in
Reinkulturen ausführlich behandelt. Aus diesem Abschnitte sei
nur folgendes erwähnt: Die Schwefelwasserstoffbildung konnte bei
Rotlaufkulturen in flüssigem Blutserum nach etwa 18 Stunden nach-
gewiesen werden ; besonders deutlich trat sie in Peptonlösungen hervor.
Der Nachweis des II2S wurde in der Weise geführt, daß zwischen
den doppelten Watte Verschluß des Kulturglases ein zusammengerollter
Streifeu Bleipapier eingeschaltet und das Glas alsdann mit einer
Gummikappe verschlossen wurde.
Auch in Nährböden mit starkem Zuckerzusatze fand reich-
liche H2S-Bildung statt: die Ansicht, daß d e r Z ucker g 1 ei ch-
zeitig vorhandene Eiweißkörper vor der Zersetzung
durch das Ba k te ri en wa c h s t um schütze, trifft also
nur in beschränktem Maße zu.
3) Der Nachweis von H2S im Blute und in den Or-
ganen der an Rotlauf gestorbenen Tiere. Bei 16 von 38
untersuchten Schweinen konnte H2S unmittelbar nach dem Tode auf
spektroskopischem Wege (nach Hoppe-Seyler) und durch die Blei-
reaktion teils im Blute, teils in blutigen Exsudaten nachgewiesen
werden. Warum in den übrigen Fällen der Spektralbefund negative
Resultate lieferte, ließ sich nicht ergründen.
Die mit dem Blute von an Rotlauf eingegangenen Versuchs-
tieren — Tauben, Mäusen und Kaninchen — angestellten Spektral-
versuche verliefen negativ, doch wurde die Bildung von H2S in
den Organen von sofort nach dem Tode obduzierten Rotlauftieren:
Schweinen, Tauben und Kaninchen festgestellt, indem Organ-
stückchen aseptisch in Reagenzgläser gebracht und diese im Brüt-
schranke aufbewahrt wurden. Nach 1 — 2 Tagen zeigte sich — bei
gleichzeitiger üppiger Entwickelung der Rotlaufbakterien — das ein-
geschaltete Bleipapier geschwärzt. „Daß die Rotlaufbakterien aus
frisch dem Tierkörper entnommenem Materiale Schwefelwasserstoff
bilden können, wurde durch diese Versuche bewiesen. Diese Eigen-
schaften teilen sie mit zahlreichen anderen Bakterien.“
906
Schwefelwasserstoffbildung der Bakterien.
4) Versuche zur Toxikologie des Schwefelwasser-
stoffs. Die Verff. bestätigen u. a. die Angaben Lewin’s über
die spektroskopische Beschaffenheit des Blutes bei Vergiftungen mit
H2S; Schwefelalkalien und Natriumsulfantimoniat (Schlippe’schem
Salz). Während im Blute von Mäusen und Kaninchen nach intra-
venöser Einspritzung von 0,1 g Na3SbS4 vor und nach dem Tode
H2S spektroskopisch stets nachweisbar war, gelang es nach Ein-
spritzung von 0,1 g Na2S niemals, den Schwefel methämoglobinstreifen
im Blute zu sehen. Dagegen wurde ein gleich nach Einspritzung des
Na2S vor Maul- und Nasenöffnung der erkrankten Kaninchen ge-
haltenes Bleipapier gebräunt. Bei Mäusen, welche mit 0,01 g Na3SbS4
vergiftet worden waren, mißlang der spektroskopische Nachweis von
H2S stets.
Für die Beurteilung der unter 2 erwähnten Versuchsresultate
sind diese Verhältnisse insofern von Wichtigkeit, als sie zeigen, „daß
eine tödliche Schwefelwasserstoffvergiftung vom Blute aus nur unter ganz
besonderen, noch keineswegs aufgeklärten Bedingungen zur Bildung
des Schwefelwasserstoffspektrums Anlaß giebt und daß das Fehlen
desselben das Vorhandensein der Schwefelwasserstoffvergiftung nicht
ausschließt.“
5) Versuche über den Nachweis etwaiger durch die
Rotlaufbakterien gebildeter Gifte. Weder in den Rot-
laufkulturen noch im Safte aus den Organen von an Rotlauf zu Grunde
gegangenen Tieren gelang es den Verff. (abgesehen von H2S), Gifte
nachzuweisen. Die Verff. wollen jedoch ihre Versuche in dieser
Richtung noch nicht als endgiltige aufgefaßt wissen.
6) Versuche über die Einwirkung von Rotlauf-
kulturen auf tuberkulöse Meerschweinchen. Solche
wurden angestellt, da bekanntlich tuberkulöse Meerschweinchen für
Bakteriengifte sehr empfindlich sind. Subkutane Injektionen von
filtrierten Rotlaufkulturen in 1-proz. Peptonbouillon übten keine
Wirkung aus, Injektionen mit Kulturen in 10-proz. Peptonbouillon töteten
die Versuchstiere innerhalb 24 Stunden. Bei Kontrollversuchen mit
unbesäeter steriler 10-proz. Peptonbouillon ergab sich das
überraschende Resultat, „daß diese Bouillon, welche für ge-
sunde Meerschweinchen, in Mengen von 4 ccm einge-
spritzt, ohne Nachteil war, die tuberkulösen Tiere
tötete.“ Dabei zeigte die Umgebung der Tuberkelherde starke Re-
aktionserscheinungen. Direkt eingebrachter H,S wirkte auf tuber-
kulöse Meerschweinchen nicht schädlich ein.
7) Die Bildung von H2S durch andere pathogene
Bakterien. Sämtliche den Verff. zurVerfügung stehen-
den pathogenen Artrn (37) wiesen unter geeigneten
Versuchsbedingungen H2S-Bildung auf. Die verschieden-
artigsten Nährböden wurden bei diesen Untersuchungen benutzt. Die
Menge des gebildeten H,S ist abhängig von der betr. Bakterienart
und von der Beschaffenheit des Nährsubstrates; Kulturen derselben
Art entwickeln auf verschiedenen Nährböden oft sehr verschiedene
Mengen von H2S. In der H2S-Bildung auf festen Nährböden sehen
die Verff. die Ursache der von Spina als „Feruwirkung“ der Bak-
Schwefelwasserstoffbildung der Bakterien.
907
terien bezeichneten ReduktioDserscheinungen : Entfärbung von festen,
mit Lakmus oder indigblauschwefelsaurem Natron versetzten Nähr-
böden in weiterer Entfernung von den Bakterienkolonieen.
Auf die Einzelresultate sämtlicher in diesem Abschnitte erwähnten
Versuche hier einzugehen, würde zu weit führen. Besondere Berück-
sichtigung erfahren die Tuberkelbacillen und das maligne Oedem. In
der blutig gefärbten Flüssigkeit aus dem Unterzell-
hautgewebe eines an malignem Oedem verstorbenen
Meerschweinchens konnte H,S spektroskopisch nach-
gewiesen werden.
Schließlich haben die Verff. auch zahlreiche Saprophyten auf
die Fähigkeit, H2S zu bilden, geprüft und festgestellt, „daß es nur
darauf ankam, für die betreffende Bakterienart einen Nährboden zu
finden, der ihr Wachstum gut unterhielt und dabei gleichzeitig einen
hinreichenden Gehalt an Stoffen mit „locker gebundenem“
Schwefel, z. B. Pepton, Schwefelpulver u. s. w. aufwies, um eine
reichliche H2S-Bildung zu erzielen.“
Die Fähigkeit, H2S zu erzeugen, ist also wahr-
scheinlich sämtlichen Bakterien eigen.
8) Ueber die Ursachen derHaSBildung durch Bak-
terien. Die Verff. begründen in ausführlicher Weise ihre Annahme,
daß der durch die Lebenst hätigkeit der Mikroorga-
nismen gebildete Wasserstoff in statu nascendi als
gemeinsame Ursache sowohl für die von den Bakterien
ausgeführten Reduktionen, als auch für die Bildung
von Schwefelwasserstoff anzusprechen sei. Als Aus-
gangsraaterial für die H2S-Bildung können neben Eiweiß und Peptön
(Witte) auch unterschwefligsaures Natron und Schwefelpulver dienen,
nicht dagegen Sulfate oder Sulfite: also nur schwefelhaltige Körper,
in welchen der Schwefel in lockerer Bindung auftritt.
Die bei der Abgabe des Schwefels sich vollziehenden chemischen
Prozesse werden eingehend erörtert und die Wahrscheinlichkeit der
obigen Erklärung durch eine Reihe zweckentsprechender praktischer
Versuche belegt. So stellten die Verff. u. a. fest, daß Eiweiß
und besonders Pepton bei gewöhnlicher Temperatur in
Gegenwart von nascierendem Was serstoffe aus saurer,
alkalischer und neutraler Quelle einen Teil ihres
Schwefels abgeben und daß dieser unter geeigneten
Bedingungen alsH2S entweicht. Hinsichtlich des weiteren
Inhaltes der Arbeit muß auf das Original verwiesen werden.
Mit dem gleichen Rechte wie die anderen in Reinkulturen von
Mikroorganismen aufgefundenen Gifte darf der Schwefelwasser-
stoff als Bakteriengift angesprochen werden und es mußte von
vornherein auffallen, daß gerade die Rotlaufbakterien , in deren
Kulturen andere Gifte bisher nicht mit Sicherheit nachgewiesen sind,
zu denjenigen pathogenen Bakterien gehören, die besonders reich-
lich H2S erzeugen. So konnten die bei der Bearbeitung des Rot-
laufmaterials erhaltenen positiven Befunde den Verff. die Erwägung
nahelegen, „daß dies giftige Gas eine nicht zu unterschätzende Rolle
bei der Rotlaufkrankheit spielt, zumal die an den Rotlauftieren im
908
Schwefelwasserstoffbilduug der Bakterien.
Leben und nach dem Tode beobachteten Erscheinungen eine gewisse
Aehnlichkeit mit dem Befunde bei Schwefelwasserstoffvergiftungen
zeigen“.
Obwohl diese Vermutungen auf Grund der bei anderen patho-
genen Bakterien erhaltenen positiven Resultate eine allgemeine Giltig-
keit beanspruchen, liegt es den Verff. durchaus fern, dem H,S bei
allen Bakterienkrankheiten eine hervorragende Bedeutuug zuzu-
sprechen. Busse (Berlin).
Petri, ß. J. und Maafsen, A., Weitere Beiträge zurSchwefel-
w asser Stoff b ildung aerober Bakterien und kurze
Angaben über Merkaptanbildung derselben. (Arb. a.
d. Kaiserl. Gesundheitsamte. Bd. IX. 1893. p. 490 — 506.)
Die in der ersten, die H2S-Bildung der Bakterien behandelnden
Arbeit der Verff. mitgeteilten Resultate werden durch weitere Unter-
suchungen bekräftigt und ergänzt und zugleich die inzwischen von
anderer Seite über denselben Gegenstand erfolgten Mitteilungen
kritisch beleuchtet.
Zunächst gelang es den Verff, nachzuweisen, daß mehrere der von
anderen Autoren als „Nichtschwefelwasserstoffbildner“ bezeichneten
Arten (Milzbrand, Tetragenus, Diphtherie, Heubacillus,
Wurzelbacillus und Kartoffelbacillus) thatsächlich H2S
produzieren, womit die früher ausgesprochene Ansicht der Verff., daß
eine Unterscheidung der Bakterien in H2S-bildende und -nichtbildende
nur dann Berechtigung hat, wenn sie ausdrücklich für das Wachstum
auf einem bestimmten Nährboden aufgestellt wird, eine neue Stütze
erhält.
Eingehend erörtert wird ferner der günstige oder ungünstige
Einfluß verschiedener Agentien auf die H2S-Bildung in Reinkulturen
aller Art. Durch im Nährsubstrate vorhandene oder sich während
des Bakterienlebens bildende Stoffe können die Zersetzungen der als
H2S-Quelle dienenden S-haltigen Körper verändert, außerdem kann
die H2S-Bildung durch gleichzeitig sich abspielende andere Prozesse
verdeckt, bezw. durch H-absorbierende Reduktionen unterdrückt
werden, so z. B. durch reichliche Bildung von Ammoniak. Bei
allen Bakterien wird die H2S-Produktion, selbst bei Gegenwart von
freiem Schwefel, durch Salp ete r zusatz vermindert; der Salpeter
wird dabei mehr oder weniger zu Nitrit bezw. Ammoniak reduziert.
Besondere Berücksichtigung erfährt ferner die Eikultur; die
Verff. konnten feststellen, daß im Hühnerei der Wurzelbacillus
und der Koch’sche Vibrio reichlich H2S bilden, weit weniger da-
gegen der Proteus, welcher in Peptonbouillon als hervorragendster
H2S-Bildner wächst. Auch auf steril gewonnenem Eiweiß und Eigelb
wird von Proteus und Wurzelbacillus H2S erzeugt.
Die mit 16 pathogenen und nichtpathogenen Arten angestellten Ver-
suche über die H2S-Bildung auf flüssigem und erstarrtem
Blutserum lieferten das interessante Ergebnis, daß auf f es t e m Serum
fast ausschließlich nur dann eine Reaktion eintrat, wenn eine starke
Verflüssigung des Nährbodens stattfand. Wahrscheinlich bildet sich
H2S nur aus den verflüssigten, peptonisierten Teilen des
Cellulose in Bakterien etc.
909
Serums. Der begünstigende Einfluß des Peptons war schon früher
hervorgehoben worden.
Weit verbreitet scheint neben der H2S-Bildung die Merkaptan-
produktion der Bakterien zu sein. Auffallend stark tritt diese in
Lösungen mit 10-proz. Pepton in Ei- und Serumkulturen bei einer
ganzen Reihe von Bakterien auf und kann durch die von Denigäs
gefundene Reaktion nachgewiesen werden. Auch durch nascierenden
Wasserstoff wird aus WTitte’schem Pepton, wie die Verff. fanden,
neben H2S Merkaptan gebildet. Der Nachweis der Merkaptanbildung
ist deshalb von besonderem Interesse, weil dem Merkaptan giftige
Eigenschaften zukommen. Wie aus diesbezüglichen, an Kaninchen
ausgeführten Versuchen der Verff. hervorgeht, ist die Giftwirkung
des unverdünnten Aethylmerkaptans eine sehr starke, während ver-
dünnte wässerige Lösungen dieses Körpers geringere Giftigkeit zeigen.
Eingehend wird schließlich noch einmal die Theorie d e r H 2 S -
Bildung durch Bakterien behandelt. Nur einige wichtige Punkte
seien aus diesem Abschnitte hervorgehoben.
Im Gegensätze zu der von anderer Seite vertretenen Ansicht,
daß die H2S-Bildung kein sekundärer, durch nascierenden Wasserstoff
erregter Vorgang sei, sondern H 2 S unmittelbar aus Sulfaten und
organischen S-Verbindungen durch die Thätigkeit der Bakterien ge-
bildet werde, halten die Verff. an ihrer früher gegebenen Erklärung
dieser Reaktion fest, ohne damit die Möglichkeit zu leugnen, daß
nur ein Teil des gebildeten H2S direktes Reduktionsprodukt und ein
anderer Teil Spaltungsprodukt sei, also beide Prozesse nebeneinander
herlaufen. Immerhin geht aus den bisher ausgeführten zahlreichen
Versuchen der Verff. hervor, daß nur solche S-Verbindungen , die
ihren Schwefel ganz oder zum Teil an nascierenden Wasserstoff ab-
geben, auch mit Bakterien H2S liefern, während einige daraufhin ge-
prüfte Verbindungen, welche den Schwefel durch Spaltung, nicht aber
durch Reduktion verlieren, auch in den Bakterienkulturen keinen H2S
gaben.
Die Verff. sehen die H2S-Bildung keineswegs als einen lediglich
bei O-Abschluß eintretenden Reduktionsvorgang an. Der Beweis
dafür, daß auch die aeroben Bakterien in kräftig durchlüfteten Kul-
turen nascierenden Wasserstoff bilden, wird einwandfrei erbracht, in-
dem die Verff. feststellten, daß z. B. der Wurzelbacillus in
peptonfreier Nährbouillon nach Zusatz von Schwefelpulver und bei
starker Durchlüftung reichlich H2S produziert; bei Abwesenheit von
S bleibt die Reaktion aus. Zum Nachweise des nascierenden Wasser-
stoffes und also der Reduktionsfähigkeit der Bakterien kann demnach
die Kultur in Schwefelbouillon dienen.
Der Arbeit sind zahlreiche Lichtdruckbilder der zum Nachweise
des H2S benutzten Bleipapierstreifen als Beweismaterial beigegeben.
Busse (Berlin).
Dreyfuss, J., Ueber das Vorkommen von Cellulose in
Bacillen, Schimmel- und anderen Pilzen. (Zeitschrift
f. pbysiolog. Chemie. Bd. XVIII. 1893. p. 358 ff.)
910
Cholera.
Während A. Brown nachgewiesen hat, daß Bakterien (Bact.
xylinum) selbständig Cellulose zu bilden vermögen, war die Frage,
ob die Zellwände der höheren Pilze aus „gewöhnlicher“ oder Pilz-
cellulose bestehen, bisher noch nicht zweifellos entschieden worden.
Verf. hat diesen Gegenstand an sechs verschiedenen Objekten einer
eingehenden Nachprüfung unterzogen und gezeigt, daß sowohl
höhere, wie Spaltpilze „echte“ Cellulose (im Sinne
E. Schulze’s) enthalten. Verf. operierte mit einer Polyporus-
art, Agaricus campestris, stark verkästen tuberkulösen Lymph-
drüsen, Bac. subtilis, Eiterbacillen aus pyelonephritischem Urin
und Aspergillus glaucus. Die in tuberkulösen Geweben vor-
kommende Cellulose führt Verf. auf die darin enthaltenen Bakterien
zurück; in der Membran der Heu- und Eiterbacillen, konnte echte
Cellulose, wenn auch nur in Spuren, mit Sicherheit nachgewiesen
werden. Von einer Wiedergabe des vom Verf. für den Cellulose-
nachweis angewandten Verfahrens und der sonstigen technischen
Angaben glaubt Ref. absehen zu können; es sei nur erwähnt, daß
sämtliche Objekte bei der Vorbehandlung nacheinander mit Alkohol,
Aether, 2-proz. Salzsäure und 2-proz. Natronlauge extrahiert
wurden.
Nach jeder Extraktion prüfte Verf. die Bakterien auf ihre Färb-
barkeit, um festzustellen, welches der genannten Agentien den
Bakterienkörper für Aniliufarbstoffe unempfänglich macht. (Statt der
tuberkulösen Lymphdrüsen wurden Tuberkelkelbacillen aus der Wand
von Kavernen einer tuberkulösen Lunge und aus Reinkultur ver-
wendet.)
Da sämtliche Objekte durch die Behandlung mit Alkohol,
Aether und Salzsäure in ihrer Färbbarkeit nicht beeinflußt wurden,
nach Einwirkung der Natronlauge dagegen nur noch an vereinzelten
Stellen färbbar waren, folgert Verf., daß nicht die Eiweißkörper (im
engeren Sinne), sondern die Nudel ne den Farbstoff binden. Denn
diese sind im Alkohol, Aether und verdünnten Mineralsäuren unlös-
lich und in Natronlauge löslich, während die Eiweißkörper mit
Säuren als Acidalbumine in Lösung gehen. Busse (Berlin).
Pettenkofer, M. y., Choleraexplos ionen und Trink wasser.
(Vortrag gehalten im ärztl. Verein München 14. März 1894. —
Münchener medizinische Wochenschrift. 1894. No. 12 und 13.)
Verf. sucht den Nachweis zu erbringen, daß das explosionsartige
Auftreten der Cholera nicht vom Wasser abhängt und dass auch
mit dem Auffinden der Cholerabacillen im Wasser noch nicht der
Ausbruch einer Choleraexplosion erklärt werden kann. Er führt als
epidemiologische Thatsachen an, daß auch Choleraexplosionen ohne
Wasservermittlung stattfinden können und verweist uns auf diejenigen
in der Gefangenen an stalt zu Laufen 1873 und die von München
1854 und 1873.
Die Laufener Epidemie wird mit der von Nietleben verglichen.
Verf. führt Beweise dafür herbei, daß die Laufener Epidemie nicht
durch das Trinkwasser herbeigeführt wurde, daß sie ohne Anwendung
all der Vorbeugungsmaßnahmen in Nietleben genau in der nämlichen
Cholera.
911
Weise ausbrach, auf dem gleichen Höhepunkte stand und nach kaum
2 Wochen abgelaufen war. Ebensowenig wie in Laufen konnte man
1854 und 1873 in Müuchen das Trinkwasser für die Explosion ver-
antwortlich machen. Auch auf die 12 Cholerajahre von 1848 — 1859
in Preußen weist Verf. wieder hin und erläuterte seinen Vortrag noch
durch diesbezügliche Diagramme.
Die Gegenwart des Cholerabacillus allein genügte nicht,
um die Cholera hervorzurufen, es muß noch eine zeitliche und ört-
liche Disposition vorhanden sein. Daß der Boden etwas mit der
Cholera zu thun hat, dafür spricht auch der Erfolg bei den Boden-
verbesserungen. Hierfür beweisend ist auch die Typhuserkrankung
in München vor und nach 1881. Wenn die Kontagionisten sich in
Hamburg und Nietleben eines großen Erfolges rühmen, so glaubt
Verf. auf Grund der Erfahrungen früherer Zeiten diesen Bemühungen
nicht allzuviel trauen zu dürfen. England, welches seitdem so unend-
lich viel für die Assanierung seines Landes gethan hat, ist fast völlig
frei geblieben trotz des riesigen Verkehrs mit allen Ländern.
Zum Schlüsse wendet sich Verf. gegen die Ansicht Vieler, daß er
ein Gegner der Bakteriologen sei, er ist dieses nicht, sondern hofft
nur von der Bakteriologie eine Förderung der Infektionskrankheiten,
doch warnt er vor voreiligen bakteriologischen Schlüssen und will,
daß die Bakteriologen nach dem unbekannten y forschen, welches
nicht im Wasser zu suchen ist. Verf. giebt den Zusammenhang
zwischen Cholera und C h o 1 e r a b a c i 1 1 u s zu , er erkennt sogar
das Vorhandensein der Verbreitung des Cholerakeims durch den
menschlichen Verkehr an, nur der Zusammenhang mit den örtlichen
und zeitlichen Verhältnissen ist unerklärt und diese letzteren That-
sachen nicht anerkannt zu haben ist gerade der Vorwurf, den er
den Kontagionisten machen muß. 0. Voges (Danzig).
Jlordtmann, Die Cholera in der Türkei und Konstanti-
nopel im Jahre 1893. (Hygienische Rundschau. 1894. No. 7 u. 8.)
Verf. hatte als Mitglied des Conseil sanitaire in Konstantinopel
Gelegenheit die dortigen Verhältnisse eingehend studieren zu können.
Er giebt zunächst kurze Daten über die 5 früheren Choleraepidemieen
der türkischen Hauptstadt, um dann eingehend die Verhältnisse der
Epidemie von 1893 darzustellen. Verf. schließt sich der Annahme
an, daß diese Epidemie von Persien ausgehe. Es ist nicht unwahr-
scheinlich, daß auch frühere Epidemieen von hier aus ihre Weiterver-
breitung antraten, und befürwortet M. daher die Errichtung eines
internationalen Gesundheitsrates in Teheran, woselbst die europäische
Hilfe jetzt, nachdem die Cholera in der heftigsten Weise gewütet,
mit offenen Armen empfangen würde.
In Jemen wütete April 1892 die Cholera und raffte auch einen
großen Teil der zur Bekämpfung aufständischer Bewegungen ausge-
saudten Truppen hin, auch die den heimlichen Sklavenhandel dienen-
den Häfen von Loheia und Djah verbreiteten die Cholera in bisher
völlig unbeschränktem Maße.
Am 17. Mai telegraphierte der Stadthalter von Jemen, daß die
Provinz seit 40 Tagen cholerafrei sei, nichtsdestoweniger ließ sich
912
Cholera.
nachweisen, daß noch Cholera dort herrschte. Die verschiedenen
Karawanen verloren etwa 30400 Pilger, nach der Schätzung des Dr.
Kassim Izzeddin, an Cholera, eine Zahl, die wohl noch viel zu
niedrig, andere schätzen sie auf 50000, ein Beweis, wie verhängnis-
voll es ist, wenn die Cholera in die Sommermonate fällt, während
die Winterepidemieen nie so umfangreich waren. Da jeder das Be-
streben hatte, möglichst schnell zu entkommen, so wTar der Andrang
zu den Schiffen ein ungewöhnlich starker, wodurch die Zahl der Er-
krankungen ebenfalls vermehrt wurde. Wenige Tage nach der Aus-
schiffung in Tor oder Kamaran, wo die Pilger in hygienisch günstigere
Bedingungen versetzt wurden, genügten, um die Cholera erlöschen
zu lassen. Sowohl in Tor wie überall sonst, wo die Pilgerzüge ver-
kehrten, zeigte sich, daß infolge des großen Andranges der Pilger
das ohnehin mit der Praxis einer zielbewußten Desinfektion unge-
nügend vertraute Personal seiner Aufgabe nicht gewachsen sein
konnte. In Smyrna konnte die Epidemie ausbrechen, da durch die
interessierten Kreise die ersten Falle verheimlicht, sowie Kleidungs-
stücke von an Cholera Verstorbenen unbemerkt eingeführt wurden.
Große Gefahr erwuchs der türkischen Hauptstadt von seiten des
Schwarzen Meeres, wo die Cholera in den rumänischen Häfen mit
großer Heftigkeit ausbrach. Die ersten gemeldeten Fälle von Cholera
traten im August auf und zwar im goldenen Horn unter der mari-
timen Bevölkerung. Diese Fälle blieben vereinzelte, unaufgeklärt
blieben die Massenerkrankungen im türkischen Viertel Turschudjn,
vielleicht hatten Pilger ohne selbst zu erkranken, die Cholerakeime
mitgebracht. Mehrfach ließ sich konstatieren, daß kleinere, lokal
bleibende Ausbrüche der Cholera mit der Rückkehr der Mekkapilger
zusammenhingen. Kleidungsstücke Verstorbener, heilige Erde, Kräuter,
Lappen müssen da angeschuldigt werden. Daß gerade bei Geistes-
krankheiten die Seuche mehrfach zuerst ausbrach, läßt sich am besten
dadurch erklären, daß sie vorzugsweise als geeignetes Objekt für
Wunderkuren mit Mekkareliquien angesehen werden. Für die Ver-
breitung der Seuche in die Provinzen war die Selimiekaserne ein
wichtiger Herd. Die meisten Erkrankungen traten in Scutari auf,
während der verrufenste Winkel Kassim Pascha, welcher früher den
schlimmsten Herd gebildet, diesmal fast ganz verschont blieb.
Verf. beleuchtet dann die Maßregeln, welche die Pforte zur Ver-
hütung der Weiterverbreitung der Seuche ergriff und weist deren
Unvernunft an der Hand einiger Beispiele nach.
Weiter wird dann die Frequenz der Fälle und ihre Verteilung
auf die verschiedenen Stadtgebiete sowie auf die umliegenden Dörfer
besprochen und die Zahlen der Erkrankungen und Todesfälle mitge-
teilt. Die Flotte blieb diesmal dank der energisch durchgeführten
hygienischen Maßnahmen wesentlich gesund. Auch die Garnisonen
wurden nicht sehr stark betroffen und war die Mortalität nur gering,
mit Ausnahme der erwähnten Selimiekaserne, wo erst die Evakuation
der Weiterbreitung ein Ziel setzte.
Durch letzteren Schritt kam es jedoch zum Ausbruche der Cholera
in Tripolis, Lude Burgas, Demotice und Salonik. Durch Flüchtlinge
aus der Hauptstadt wurden sporatische Fälle Dach Adrianopel, Brussa
Cholera.
913
and Gallipoli gebracht, ohne jedoch — infolge der vorgerückten Jahres-
zeit — zur Bildung neuer Herde Anlaß zu geben. Wie in den
früheren Epidemieen bildeten sich die Herde in den tief gelegenen
Hafenquartieren, welche mit den Thalsenkungen zwischen den Hügeln
zusammenfallen und auf Alluviumboden stehen. Die hochgelegenen
Viertel blieben durchweg verschont. Die Herde entwickelten sich
nicht gleichzeitig, sondern in zeitlicher Aufeinanderfolge, um nach
14-tägiger Dauer wieder zu erlöschen. Wie immer herrschte die
Cholera nur in den unteren Schichten der Bevölkerung; besondere
Empfänglichkeit zeigte sich bei den mit der Straßenreinigung be-
schäftigten Arbeitern und dem Maschinenpersonale auf den Schiöen.
Ein Einfluß des Trinkwassers konnte nicht beobachtet werden. Eine
vergleichende üebersicht der 6 Epidemieen läßt den Verf. schließen,
daß für die Bildung von Infektionsherden vorzugsweise die Boden-
beschaffenheit der Viertel maßgebend ist, daß Trinkwasser, Unsauber-
keit und Menschenanhäufung, mangelhafte Kanalisation etc. nur
sekundäre Faktoren bilden. Er erinnert daran, daß in der Stadt
Djaddah, welche auf einem von meterhohen Fäkalmassen gebildeten
Boden steht, die Cholera noch nie einen Choleraherd gebildet hat.
Zur wirksamen Bekämpfung ist aber gerade im Orient die Berück-
sichtigung der sekundären Faktoren unerläßlich
In der Stadt Eshischehr zeigte sich die Cholera Ende September
zur Zeit der Herbstmesse; durch eine Therme, in welcher die weib-
liche Bevölkerung badete, fand eine Weiterverbreitung statt, täglich
fand man Leute tot im Bade.
Verf. bespricht am Schlüsse dann noch die von der Türkei gegen
die Einschleppung der Seuche gerichteten Maßregeln. Er verwirft
das alte Quarantänesystem, welches noch immer in der Türkei im Ge-
brauche ist, und kommt zu den Schlüsse, daß die Verhältnisse im Oriente
nicht eher besser werden dürften, bevor nicht die moderne Seuchen-
prophylaxe eingeführt werde. Zu letzterem Schritt fehlt aber bislang
noch jede Aussicht. O. Voges (Danzig).
Sluyts, Cli., fitude sur les propriet^s du poison du Cho-
lera asiatique. (La Cellule. X. 1893. lr fase. p. 187.)
Aus den im pathologisch-anatomischen Institute des Prof. Denys
zu Löwen ausgeführten Untersuchungen des Verf.’s geht hervor, daß
man nicht erst spezieller Nährböden bedarf, um das Choleragift zu
gewinnen. Es wird in reichlichen Mengen sowohl auf der Kartoffel,
als auch in gewöhnlicher, in mit Gelatine versetzter und in der
Gamaleia’schen Kalbsfüssebouillon produziert. Kaninchen und
Meerschweinchen sind für die Giftversuche wenig geeignet. Am
Hunde läßt sich jedoch feststellen, daß das Choleragift — entgegen
Gamale'ia — der längeren (l1/2-stündigen) Einwirkung einer Tem-
peratur von 120° C sehr gut widersteht. Das Gift wird weder durch
die Einwirkung des Sonnenlichtes (24-stündige Insolation einer milli-
meterhohen Flüssigkeitsscbicht), noch mittels Durchleiten (von 16-
stündiger Dauer) eines Luftstromes abgeschwächt. Die Pepsin- und
die Pancreasverdauung verändern es nicht. Es gehört zu den Ei-
weißstoöen mit kompliziertem Aufbau; dessen Natur läßt sich nicht
914
Cholera.
näher feststellen. Nichts berechtigt dazu, mit Gamalei a anzu-
nehmen, daß das Choleragift ein Nucleoalbumin ist, welches sich in
ein auf den Darm wirkungsloses Nuclein umbildet; im Gegenteil
sprechen mehrere Thatsachen gegen diese Ansicht. Das Gift des
B. coli und jenes der Cholera üben dieselbe pathogene Wir-
kung auf den Menschen und auf die Versuchstiere aus. In Bezug
auf ihre chemischen Eigenschaften zeigen sie die größte Verwandt-
schaft. Zweifellos spielt das Gift des B. coli eine wesentliche Rolle
bei der asiatischen Cholera, sei es, daß es seine Wirkung mit jener
des Choleravibrio verbindet oder nach dem Seltenerwerden oder
Verschwinden der Kommabacillen allein fortwirkt. Kral (Prag).
Denys, J. et Sluyts, Ck., Du mecanisme des symptömes
gastro-intestinaux dans le Cholera asiatique. (La
Cellule. X. 1893. lr fase. p. 67.)
In einer vorangehenden Mitteilung hatte einer der Verff. (Denys)
in Gemeinschaft mit Van den Bergh1) nachge wiesen , daß das
Toxin des B. coli commune ‘beim Hunde, wenn es in die Gewebe
oder den Kreislauf eingeführt wird, einen überaus heftigen cholera-
artigen Zustand hervorbringt, unter intensiver Kongestion des ganzen
Verdauungstractus mit interstitiellen Hämorrhagieen der Mucosa und
Epithelabstoßung. Hingegen bleibt das Toxin, wenn es in den Magen
oder den Darm gebracht wird, wirkungslos und selbst die mehr-
stündige Einwirkung des Giftes auf die Schleimhaut einer ab-
gebundenen Darmschlinge verursacht auf jener keine Veränderungen.
Das indifferente Verhalten des Giftes im Magendarmkanale kann nicht
auf eine Neutralisation der toxischen Produkte durch die Leber zu-
rückgeführt werden. Man kann vielmehr annehmen, daß das Darm-
epithel das Eindringen des Giftes in den Organismus verhindert. Es
wäre demnach die Cholera nostras nicht als einfache intestinale
Resorption zu betrachten ; man müsse zwei aufeinander folgende
Phasen ihrer Entwickelung annehmen. Während der ersten gelangt
eine gewisse Menge des Toxins unter noch unbekannten Bedingungen
in das Blut und die zweite beginnt mit der durch die erste bedingten
Abstoßung der Epithelzellen , wodurch dem ohnehin schon im nor-
malen Zustande in großen Mengen im Darmkanale vorhandenen Gifte
die weitesten Eingangspforten geschaffen werden.
Die in der vorliegenden Abhandlung geschilderten Versuche mit
bei 58— 60 °C abgetöteten Bouillonkulturen (Fleischextrakt-Pepton-
Koclisalz-Bouillon + 2,5 Proz. Gelatine) des Choleravibrio an
etwa 40 zumeist jungen Hunden gaben den obigen analoge Resultate.
Intrapleurale oder intraperitoneale Injektionen führen je nach der
applizierten Dosis zu leichten bis zu den schwersten Intoxikations-
erscheinungen. Selbst mit schwachen Dosen (5 ccm) wird manchmal
der Tod mit den charakteristischen Darmläsionen herbeigeführt, wo-
hingegen die zwanzigfache Menge des Giftes, einfach auf die Mucosa
des Digestionstraktus deponiert, nicht einmal die geringste Gesund-
heitsstörung zu erzeugen imstande war. Die Schleimhaut einer ab-
1) Cf. Ref. in diesem Centralbl. XIV. 1893. p. 285.
Cholera.
915
gebundenen Darmschlinge hatte nach sechsstündigem Kontakte mit
einer sehr giftigen abgetöteten Cholerabouillonkultur ein vollkommen
normales Aussehen bewahrt. Die Versuche mit Injektionen in die
Milz zeigten, daß sich die Unschädlichkeit grosser Dosen des in den
Verdauungstraktus eingeführten Giftes aus der Retention des Cholera-
giftes durch die Leber nicht erklären läßt.
Eine sachliche, auf Nachprüfung basierte Kritik der Emmerich
und T s u b o i ’schen Nitritintoxikationstheorie schließt die lesenswerte
Arbeit. Kral (Prag).
Blachstein, A., Ueber die Virulenz des Kommabacillus
in ihrer Beziehung zum Nährboden. (Berliner klinische
Wochenschrift. 1894. No. 17.)
Die in der Bakteriologie vielfach benutzte Peptonbouillon ist
ein durchaus konventioneller Nährboden, ohne zugleich auch in ver-
schiedenen Fällen ein gleichmäßiger zu sein. Dieselbe kann 1) Körper
enthalten, welche dem Wachstume der Bakterien förderlich sind, ohne
einen Einfluß auf deren Virulenz zu besitzen; 2) wichtige Körper
entbehren, deren Anwesenheit die Virulenz im positiven Sinn beein-
flussen würde, die aber nicht notwendigerweise für das Wachstum
der Bakterien von Belang sind und 3) Körper enthalten, die für
Wachstum und Virulenz gleich überflüssig sind. Einen bestimmt
charakterisierten Nährboden aufzubauen, ist das Ziel des Verf. ’s, der
in dieser Hinsicht besonderen Wert auf die Salze legt. Als Grund-
lage der Nährböden verwendet Blachstein eine 2 proz. Pepton-
lösung (Peptonum siccum Witte). Zunächst wurde untersucht, in-
wiefern die Salze (Natriumphosphat, Kochsalz, Magnesiumsulfat und
Salpeter) auf das Wachstum der Cholerabacillen von Einfluß sind.
In einer mit 1/2 Proz. Natriumphosphat versetzten Peptonlösung
wachsen die Kommabacillen ebenso schnell als in Peptonbouillon.
Die Häutchenbildung tritt hier sicher und schnell auf. Langsameres
Wachstum geht vor sich, wenn der Peptonlösung zugesetzt wurden
I Proz. Magnesiumsulfat oder Vs — 3 Proz. Kochsalz, während
spärlichstes Wachstum die Salpeterlösung zuließ, in welcher auch
bei Konzentration von 1 — 3 Proz. niemals Häutchenbildung be-
obachtet wurde. Keine dieser Kulturen zeigte vom Unterhautzell-
gewebe aus irgend einen Einfluß auf Mäuse oder Meerscheinchen,
gleichgiltig, ob mit 2- oder 20-tägigen Kulturen operiert wurde. Ganz
andere Resultate ergeben sich, wenn man die Cholerakultur mit
Salpeter und einem der genannten Salze in Berührung bringt. Die
ersten positiven Resultate erhielt Verf. mit einer frischen Cholera-
kultur, die auf folgenden Nährböden gehalten wurde: Nähr- Agar
20 Tage lang, Peptonlösung + 1 Proz. Salpeter 6 Tage, Pepton-Agar
+ l/2 Proz. Natriumphosphat 1 Tag, Peptonlösung V2 Proz. Natrium-
phosphat 1 Tag. Derart behandelte Kulturen töteten Mäuse und
Meerschweinchen in 1 — 2 Tagen bei subkutaner Injektion von 0,3 ccm
bezw. 2,0 ccm. Beläßt man in der Versuchsreihe die Kultur nicht
wie im vorstehenden Falle 1 Tag auf der Peptonphosphatlösung,
sondern z. B. 6 Tage lang, so verliert sie ihre Virulenz. Die vor-
beschriebenen Versuche wiederholte Verf. mit einer 2 Jahre alten
916
Cholera.
Cholerakultur, die volle W'achstumsenergie zeigte, ohne aber Tiere
mit derselben infizieren zu können. Um die Virulenz der Kultur
wieder herzustellen, genügt der Zusatz eines Eisensalzes zu dem
Phosphatnährboden. Es sei hier eingefügt, daß das Natriumphosphat
in der Peptoulösung einen Niederschlag von Dicalciumphosphat er-
zeugt, den man aber durch Zusatz einer geringen Menge einer
koncentrierten Lösung von Ammoniumcitrat zum Verschwinden bringen
kann. Giebt man in 100 ccm einer danach bereiteten Peptonphosphat-
lösung 1 ccm einer kaltgesättigten Lösung von schwefelsaurem
Eisenoxydulammoniak , so bleibt erstere vollständig klar. Stellte
Verf. nun mit der alten, nicht mehr virulenten Cholerakultur folgende
Kulturreihe an: 1/2 Proz. Peptonphospbatlösung 2 Tage, 3 Proz.
Peptonnitratlösung 9 Tage und 1/2 Proz. Peptonphosphatlösung mit
Zusatz von Eisensalz, so starben die mit derselben subkutan geimpften
Mäuse innerhalb von 24 Stunden. In den Leichen wurden die
Kommabacillen bei allen 20 angestellten Versuchen durch die Kultur
nachgewiesen. Die neu erworbene Virulenz der Kulturen hält sich
nur einige Tage lang. Nimmt man die Virulenz der Ausgangskultur
mit 0 an, so beträgt die erzielte Virulenz, nach Bering’schem
Maße gemessen, für Mäuse etwa 100, für Meerschweinchen etwa 150.
An Stelle des anorganischen Eisensalzes substituiertes Hämoglobin
ist nicht imstande, die verlorene Virulenz der Ausgangskultur
zurückzurufen. Verf. trennt im Anschlüsse an seine Versuche 3 Arten
von Virulenz scharf von einauder: 1) die indifferente Virulenz.
Der K om mabacillus verhält sich in seinem Nährboden dem Tiere
gegenüber wie ein harmloser Saprophyt. So z. B. der Komma-
bacillus in der Peptonbouillon. 2) Die latente Virulenz. Der
Kommabacillus ist in seinem Nährboden dem Tiere gegenüber
vom ünterbautzellgewebe aus nicht virulent; er hat aber die sehr
wichtige Fähigkeit erlangt, virulent zu werden. Der Komma-
bacillus ist in seinem Nährboden zu einer echten Infektions-
quelle geworden. So der Kommabacillus in Nitrat-Pepton wasser.
3) Die freie oder aktive Virulenz. Der Kommabacillus ist
in seinem Nährboden als ein infektiöses Agens zu betrachten
und verhält sich als solches dem Tiere gegenüber vom Unterhaut-
zellgewebe aus wie ein pathogener Organismus. So verhält sich
die junge Phosphat- resp. Phosphat-Eisenkultur, die mit Komma-
bacillen hergestellt worden ist, die aus einer Nitratkultur kommen.
Hiermit ist der Kreislauf der Virulenz abgeschlossen, denn die aktive
Virulenz fällt von selbst in die indifferente Virulenz zurück. Den
Ort der latenten Virulenz sucht der Verf. außerhalb des Körpers;
der Uebergang zur aktiven Virulenz wird wohl im Darmkanale selbst
geschehen. Diese Vermutung hat ein von Metschnikoff am
Menschen angestellter Versuch geweckt. Ein 19-jähriger Mann er-
hielt in nüchternen Magen 50 ccm einer 2-proz. Sodalösung und
hierauf 1/3 des Inhalts einer 20-stündigen Cholerakultur, die auf
Agar gezüchtet war und für Tiere, selbst in großen Mengen, nicht
pathogen erschien. Die Versuchsperson erkrankte an typischer Cholera
und entleerte virulente Cholerabacillen, die am 2. und 5. Kraukheits-
tage aus den Entleerungen gewonnen wurden. Am 17. Tage hatten
Rotz.
917
diese ihre Virulenz wieder verloren. Die Virulenz des Komma-
bacillus ist also nach Verf. lediglich eine Funktion des Nährbodens.
Gerl ach (Wiesbaden).
Seiuiner, E., U eber gutartige h eilbare F ormen des Rotzes.
(Deutsche Ztschr. f. Tiermedizin Bd. XX. No. 1.)
Verf. konstatiert zunächst an der Hand der bisher in der Fach-
litteratur mitgeteilten Fälle vou Heilungen der Rotzkrankheit, daß
dieselben ausschließlich in südlichen Ländern beobachtet worden sind,
während der Rotz, in welcher Form er auch auftreten möge, in Mittel-
und Nordeuropa im großen Ganzen als unheilbar betrachtet wird.
Dieselbe Beobachtung machte Verf. in Rußland. Auch hier erwies
sich der Rotz in den südlichen Gegenden, wo er sehr verbreitet ist,
als eine Krankheit relativ unschuldigen Charakters, bei der die spontane
Heilung durchaus nicht zu den Seltenheiten gehört, während er im
Norden den bekannten bösartigen Charakter nicht verleugnet.
S. führt aus, wie er zunächst auf experimentellem Wege die
Ueberzeugung von der Heilbarkeit mancher Rotzfälle erlangt hat, um
darauf seine Beobachtungen gelegentlich der in Rußland ausgeführten
Malle'inimpfungeu zu schildern und die sich daraus ergebenden Schlüsse
in Bezug auf die spontane sowie die experimentelle Heilbarkeit des
Rotzes eingehend zu erörtern.
Er äußert sich in seinen sehr interessanten Schilderungen etwa
wie folgt: Nachdem die Versuche, einige Fälle chronischen Rotzes
bei russischen Kavalleristen durch Anwendung grauer Quecksilber-
salbe und Jodpräparate zu heilen, von Erfolg gekrönt worden waren,
gelang es später Helm an, ein rotziges Pferd durch wiederholte
Malleininjektionen zu heilen und gegen wiederholte Impfungen mit
virulentem rotzigem Materiale vollkommen immun gegen Rotz zu machen.
Dasselbe — augenblicklich im Kais. Institute für Experimentalmedizin
zu Petersburg zu verschiedenen Experimenten aufgestellt — giebt
auf Malleininjektionen keine Reaktion mehr. Auf subkutane Einver-
leibung größerer Mengen virulenter Rotzbacillen entsteht ein gut-
artiger Absceß und alsbald tritt auf Malleininjektion Reaktion ein,
die indes sofort nach Entleerung des Eiters aulhört. Mit Blutserum
dieses rotzimmunen Pferdes konnte Verf. bei Katzen und Meer-
schweinchen die Disposition für RotzerkrankuDgen verringern, ebenso
die Virulenz und Keimfähigkeit virulenter Rotzbacillen abschwächen;
bei ausgebrochenem Rotze dagegen gelang ihm eine Heilung niemals.
Ebenso negativ fielen die Versuche mit Rinderblutserum aus. Wohl
gelang es indes damit, bei einem lungenrotzigen Pferde Besserung zu
erzielen (während nach jeder Malle'fninjektion wieder Verschlimmerung
eintrat); und bei einem andern mit Rinderblutserum behandelten
rotzigen Pferde wurden nach der Tötung sämtliche Rotzprozesse
in der Rückbildung begriffen gefunden. Verf. hält demnach die
Möglichkeit der Heilung frischer Rotzprozesse durch Rinderblutserum
nicht für ausgeschlossen. Die interessantesten Beobachtungen ergeben
sich jedoch in Bezug auf die Heilbarkeit gewisser Rotzerkrankungen
bei den vor einer Kommission, der auch der Verf. angehörte, an 700
Pferden einer verseuchten Reserve-Kavallerie-Brigade im Gouvernement
58
XV. Bd.
918
Rotz.
Charkow ausgeführten Malleinimpfungen. Im Laufe des vorigen
Jahres waren in dieser Brigade bereits 52 Pferde wegen hochgradiger
Rotzerkrankung getötet worden. [Jeber diese Impfungen teilt Ycrf.
folgendes mit: Zur Impfung wurde Bouillon- M allein benutzt,
das unter Leitung des Verf.’s von seinem Gehilfen Ivresling im
Kais. Institute für Experimentalmedizin hergestellt wird. Die frühere
Herstellung aus Kartotfelkulturen ist vollständig verlassen worden.
Der Gang der Herstellung ist jetzt folgender : Die Bouillon-Rotz-
kultur wird nach 14-tägigem Stehen bei 35—37° sterilisiert, nach dem
Filtrieren abermals sterilisiert und von neuem mit virulenten Rotz-
bacillen besäet; diese Operation wird nach 14 Tagen nochmals und
nach weiteren 14 Tagen zum zweitenmal wiederholt und dann ent-
giltig filtriert und sterilisiert. 1,0 ccm dieser Flüssigkeit ruft bei
rotzigen Pferden eine ausgesprochene, bei nicht rotzigen keine Reaktion
hervor 1).
Von den 700 Pferden der Brigade wurden 658 mit Mallein be-
handelt; davon zeigten 230 eine ausgesprochene Reaktion von 2 — 3° C
und darüber und großer Geschwulst an der Impfstelle, 138 eine
schwache Reaktion (1 — 2° C) und unbedeutende Geschwulst und 290
keine Reaktion. Der größte Teil der stark reagierenden Pferde war
gut genährt und scheinbar ganz gesund. 21 Stück mit starker Reaktion
und 1 ohne Reaktion wurden getötet ; dies war frei von Rotz ; bei
den andern fanden sich ausnahmslos unbedeutende Rotzprozesse, die
meist in kleinen, teils verkästen, teils frischen Rotzknötchen in den
Lungen und den vergrößerten regionären Drüsen und nur bei wenigen
in einigen Knötchen, Geschwürchen und Narben in der Nasenhöhle
bestanden. Verf. betont, daß trotz aller charakteristischen Merkmale
der Rotzknötchen Färbungen sowohl wie erfolgreiche Uebertragungen
auf Impftiere und Kartoffeln nicht geglückt seien, daß es sich aber
trotzdem um wirklichen Rotz gehandelt habe.
Weitere zwei von den 230 Pferden mit starker Reaktion erkrankten
nach 3 Wochen offenkundig an Rotz und wurden getötet. Die
anderen blieben alle anscheinend gesund. Bei 5 von denselben
wurden in Zwischenräumen von 3 — 10 Tagen Injektionen von 0,5 bis
1,0 ccm Mallein wiederholt, worauf jedesmal Reaktion eintrat. Aber
abgesehen davon, daß Dosen von 0,5 und 1 cmm ganz gleiche
Reaktion hervorriefen, wurde konstatiert, daß die Reaktion allmählich
immer schwächer wurde. Ganz besonders aber hebt Verf. hervor,
daß unter den 290 Pferden ohne Reaktion sich 12 Pferde befanden,
die offenkundige Merkmale bereits abgelaufener Rotzprozesse auf-
wiesen, und deren mehrere in der That noch vor einiger Zeit in der
Brigade Rotzwurmerscheinungen gezeigt hatten.
Verf. schließt hieraus, daß hier offenbar 12 Fälle spontan ge-
heilten und 230 Fälle leichten, chronischen, gutartigen, heilbaren
Rotzes vorliegen, einer Rotzforra, die im Süden Rußlands in außer-
1) Auf diese Weise habe ich im März v. J. bereits ein festes Mallein hergestellt.
Es hat indes in der Impfpraxis keine Vorzüge erkennen lassen. Im Gegentsil zeigte
Mallein, das aus kaum 20 Tage bebrüteten Bouillonkulturen hergestellt war, erst neuer-
dings bei einer Anzahl durch Herrn Landestierarzt Rudovsky in Brünn ausgeführten
Impfungen mit intensiven Reaktionen von 3° C und darüber. (Ref.)
Rotz.
919
ordentlicher Verbreitung vorkommt und die in Rußland als süd-
licher Rotz bezeichnet wird und mit jenem von den französischen
und italienischen Autoren als heilbaren bezeichneten als ähnlich oder
identisch bezeichnet werden muß. Die Ursache der großen Verbrei-
tung des Rotzes im Süden und Osten Rußlands sieht Verf. in den
wilden und halbwilden Gestüten, den Brutstätten der Seuche und
in der besonderen Geschäftshandhabung der großen Pferdehändler
und der Remonteure. Trotz dieser großen Verbreitung kommen
Rotzinfektionen bei Menschen äußerst selten vor. Dagegen ist die
Infektiosität anderen Pferden gegenüber sehr groß. Doch können
die infizierten Pferde lange funktionieren, ja vollständig genesen,
ohne für den Menschen sonderlich gefährlich zu werden. Verf. ist
der Ansicht, daß bei dem südlichen Rotze ein analoges Verhältnis
vorliege, wie bei der Rinderpest, daß es sich entweder um ein wirk-
lich abgeschwächtes Kontagium oder um eine angeerbte geringere
Disposition oder größere Widerstandsfähigkeit einiger süd- und ost-
russischer Pferderassen gegen Rotz handle, daß indes, wenn diese
rotzigen Pferde aus dem Süden, wo sie in dem milden Klima im
Freien und im Winter in leichten luftigen Stallungen gehalten werden,
in die ungünstigen klimatischen Verhältnisse des Nordens kommen,
die gutartige Form höchstwahrscheinlich einen exquisit bösartigen
Charakter annehmen und alle Gefahren des Rotzes mit sich bringen
könne. (Trotzdem sollen auf die Entscheidung einer Kommission
sämmtliche oben erwähnten, zum großen Teil offenbar rotzigen Pferde
der Brigade zum Herbste unter die verschiedenen Kavallerieregimenter
zur weiteren Beobachtung verteilt werden.) (1 d. Ref.)
Den Wert der Malleinimpfung schließlich hält Verf. für über
jeden Zweifel erhaben. Das Mallein deute auf die geringsten Spuren
akuten oder gutartigen Rotzes hin. Eine starke Reaktion lasse, auch
falls die Obduktion die Abwesenheit jeglicher rotzigen Veränderungen
darthue, viel eher den Schluß zu, daß in dem betreffenden Organis-
mus thatsächlich bereits Rotzbacillen vorhanden wären, mit anderen
Worten, die Rotzkrankheit im Inkubationsstadium sich befände, als
das Gegenteil. In der That haben Zalainiche und Montanö
in solchen Fällen ohne irgendwelche erkennbare Veränderungen Rotz-
bacillen im interstitiellen Gewebe der Lungen nachweisen können.
Andererseits, hebt Verf. hervor, lassen die Uebertragungsversuche
auf kleine Tiere beim chronischen Rotze oft im Stiche, so daß nur
die An wendung desMalleins als sicheres diagnostisches
Hilfsmittel übrig bleibt.
Verf. kommt auf Grund dieser Beobachtungen zu dem Schlüsse,
daß eine spontane sowohl als auch eine künstliche
Heilung des gutartigen Rotzes möglich ist und daß
ein inBehandlung stehendes rotziges Pferd als geheilt
betrachtet werden kann, sobald die Reaktion gegen
Mallein aufhört.
Verf., offenbar ein warmer Verehrer des Malleins, dessen Wirk-
samkeit er über allen Zweifel erhaben sieht, ist der Ueberzeugung,
daß eine ausgesprochene Reaktion (über 2 0 C und große Geschwulst
an der Impfstelle) unter allen Umständen für Rotz spricht, unbe-
58*
920
Rotz.
schadet eines negativen Obduktionsergebnisses, in welchem Falle er an-
nimmt, daß bereits eine Einwanderung von Rotzbacillen stattgefunden
habe, die Krankheit sich indes noch im Inkubationsstadium befinde.
Obgleich sich dieser Schluß aus den vorliegenden Mitteilungen , in
denen nur von ca. 21 obduzierten Pferden die Rede ist, kaum ergeben
dürfte, so ist andererseits doch anzunehmen, daß der Verf. auf Grund
eines sehr reichhaltigen Materials zu dieser Ueberzeuguug gelangt
ist, da die Tierärzte fast ganz Rußlands das Semmer’sche Mallein
im Bedarfsfälle zu benutzen pflegen. Leider muß ich gestehen, daß
ich auf Grund eines mir z. Zt. vorliegenden Materials von ca. 700
Impfungen mit meinem Trockenmallei'n in Oesterreich mit ca. 200 Sek-
tionen zu der Ueberzeugung gelangt bin, daß schwerlich alle Fälle
so zu erklären sein dürften. Vielmehr ist es zweifellos, daß einmal
gewisse andere Krankheiten, z.B. Lungenentzündung, Lungenemphysem
u. a. zuweilen mit mehr oder weniger charakteristischer Reaktion auf
Mallei'niujektion antworten, und ferner, daß auch, wenn auch nur
selten, ganz gesunde Pferde zuweilen reagieren können1). Es sind
da eben individuelle Einflüsse maßgebend, die auch, wenn das Maliern
ein weniger kompliziert zusammengesetzter Körper wäre, wie er es
zur Zeit noch ist, wohl ebensowenig aufhören werden, eine Rolle zu
spielen, wie bei vielen Arzneimitteln mit bestbekannter chemischer
Konstitution.
Es genügt auch vollkommen, wenn einwandsfrei nachgewiesen
ist, daß
1) wirklich rotzkranke Pferde stets auf Mallei'n reagieren —
und ein gegenteiliger Fall ist bis jetzt thatsächlich noch nicht vor-
gekommen. Dies ist der wesentlichste Punkt.
2) Daß rotzfreie Pferde in der Regel nicht reagieren.
Sind dann wirklich einmal ein paar Pferde zuviel getötet, so ist
das eine Bagatelle im Vergleiche zu dem großen Verluste an National-
vermögen, der mit der bisher geübten Tötung der ganzen verdächtigen
Bestände oder mit einer 6-monatlichen Sperre verbunden ist.
Schließlich kann ich noch mitteilen, daß es Herrn Prof. Schin-
de lka in Wien gelungen ist, auf Grund eines Materials von ca. 500
Impfungen die bisher lediglich nach dem Temperaturgrade erfolgte
Beurteilung der Reaktionen durch Ermittelung eines bestimmten R e-
aktionstypus wesentlich sicherer zu machen — wie ich in Heft 4
der Dtschen Ztschr. für Tiermedizin ausführlich mitgeteilt habe — ,
so daß in Zukunft noch manchem armen Rößlein, das das individuelle
Malheur hatte, zu reagieren, das Leben ohne Gefahr wird erhalten
bleiben können.
Erwähnenswert ist noch, daß Verf. das Auftreten einer großen
Impfgeschwulst mit zu den charakteristischen Reaktionserscheinungen
zählt, ein Schluß, zu dem die Versuche mit meinem Mallein in Oester-
reich sowohl, wie auch mit Preuße’schem und Johne’schem Mallein
in Deutschland bisher nicht berechtigen dürften.
1) cf. Foth, Ueber die praktische Bedeutung des trockenen Malleins (Malleinum
siccum). (Dtsche Ztschr. f. Tiermedizin u. vergl. Pathologie. Bd. XX. No. 4.)
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
921
Zum Schlüsse sei noch auf die im Interesse der richtigen Be-
urteilung des diagnostischen Wertes der Malleinimpfungen bedauer-
liche Lücke hingewiesen , daß von den in der Abhandlung ange-
führten 138 Pferden mit schwacher Reaktion (1 — 2°C) kein einziges
obduziert worden ist.
Das hätte einen schönen Beitrag zur Malleinfrage gegeben.
F o t h (Königsberg i. Pr.).
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Körber, B., Studien über die Verteilung der Bakterien-
kolonieen in Esmarch’schen Rollröhrchen. [Aus dem
hygienischen Institute der Universität Dorpat.] (Ztschr. f. Hygiene.
Bd. XVI. p. 513.)
Die Resultate der ungemein fleißigen Arbeit, bezüglich deren
Details auf das Original verwiesen werden muß, lassen sich nach
Verf. in folgende Sätze zusammenfassen:
1) Die Verteilung der Keime in Erde und auch in gut ge-
schütteltem WTasser ist eine gleichmäßige, sofern Abweichungen bis
zu 3 Proz. bei einer quantitativen Bestimmung zugelassen werden,
denn nach den Lehren der Wahrscheinlichkeitsrechnung ist dieser
Betrag von 3 Proz. Abweichung gerade von der Größe, wie er bei
einer völlig zufälligen Verteilung zu erwarten ist.
2) Das Centrifugieren mittelst des vom Verf. konstruierten
Apparates bedingt eine gleichmäßigere Verteilung der Gelatine im
Röhrchen, als dieses beim Rotieren mit der Hand erreicht werden
kann, auch wird der unvermeidliche Fehler in der Verteilung der
Gelatine bei nicht vollkommen horizontaler Lagerung der Röhrchen
besser ausgeglichen.
3) Differenzen in den Mittelzahlen von mehr als ±_ 4 Proz., die
aus Gläschen berechnet waren, welche mit den Fingern rotiert waren,
können durch Eigentümlichkeiten des Versuchsglases oder fehlerhafte
Lagerung während des Rotierens bloß vorgetäuscht werden, indem
die Quadrate zum Auszählen nicht an der richtigen Stelle gewählt
wurden oder zu wenig Quadrate berücksichtigt wurden. Ein abermaliges
Durchzählen an einer anderen Stelle des Gläschens oder die Berück-
sichtigung einer größeren Zahl von Quadraten würde die scheinbare
Abweichung aufdecken.
4) Bei centrifugierten Röhrchen genügt ein Auszählen von
10 Proz. aller im Röhrchen vorhandenen Quadrate zur Ermittelung
des richtigen Mittels. Diese Quadrate müssen jedoch an der richtigen
Stelle ausgewählt sein.
5) Beim Centrifugieren der gewöhnlich im Handel vorkommenden
Reagenzgläser werden die Quadrate zum Auszählen beim Uebergange
des mittleren Teiles in die beiden Endteile liegen und werden die
922
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
aus solchen Gläschen berechneten Totalsummen um so besser über-
einstimmen, je regelmäßiger die Gestalt der Gläschen ist.
6) Der Hauptfehler der käuflichen Reagenzgläser besteht darin,
daß sich
a) ihr innerer Durchmesser im Verlaufe des Röhrchens ändert;
b) daß der Querschnitt keinen Kreis, sondern ein Oval darstellt;
c) daß alle Röhrchen eine Drehung um ihre Längsachse besitzen.
Alle 3 Fehler werden wahrscheinlich während des Zuschmelzens
der Kuppe zustande gebracht.
8) Bei Röhrchen mit sich gleichbleibendem inneren Durchmesser,
kreisförmigem Querschnitte, flachem Boden und steil verengtem Halse
müßte die Verteilung der Gelatine nach dem Centrifugieren eine
völlig gleichmäßige in allen Teilen des Röhrchens sein und könnte
das Auszählen von Quadraten an jeder beliebigen Stelle des Röhr-
chens erfolgen und müßte eine geringere Zahl von Quadraten zur
Berechnung des Mittels genügen. Gerl ach (Wiesbaden).
Maassen, A., Beiträge zur Differenzierung einiger dem
Vibrio der asiatischen Cholera verwandter Vibrionen
und kurze Angaben über eiweißfreie Nährböden von
allgemeiner Anwendbarkeit. (Arbeiten a. d. Kaiserl. Ge-
sundheitsamte. Bd. IX. 1894. p. 401 — 404.)
Zur Untersuchung gelangten 14 größtenteils aus Hamburg stam-
mende choleraähnliche Vibrionen, welche sich im Wachstume auf ge-
wöhnlicher Gelatine nur unwesentlich vom Koch’ sehen Vibrio
unterscheiden und von denen nur 8 das charakteristische Leuchten
zeigten. Dagegen fand Verf., daß sämtliche in Frage kommenden
Vibrionen die Fähigkeit besaßen, auf geeigneten zuckerhal-
tigen Nährböden innerhalb kurzer Zeit starke, meist fal-
tige Häute zu bilden. Diese Eigenschaft wird bedingt durch die
Zusammensetzung des Nährbodens, dessen Alkali- und Kochsalzge-
halt und auch durch die Temperatur. Besonders üppig gestaltet sich
die Hautbildung in Nährbouillon mit reichlichem Eiweiß-(Serum-)Ge-
balte, welche neben Zusätzen, wie Glycerin, Rohrzucker, Milchzucker,
noch 5 — 10 Proz. Serum enthielt. Auf solcher Bouillon — deren
Herstellung und Eigenschaften genau beschrieben werden — tritt die
Hautbildung bei geeignetem Alkaligehalte und bei einer Temperatur
von 37,5° meist schon nach einem Tage auf, wobei der Nähr-
boden allmählich schwach sauer wird. Nach 10 — 14 Tagen,
höchstens 3 Wochen ist diese saure Reaktion in eine stark alka-
lische umgeschlagen, die vorher milchige Flüssigkeit hellt sich auf
und es wird reichlich Indol gebildet. „Bei Cholerabakterien
konnte bis jetzt auf Zuckernährböden eine Indolbil-
dung und nachheri g es Wiedereintreten deralkalischen
Reaktion nicht beobachtet werden.“
Aehnlich unterschieden sich die untersuchten Vibrionen vom
Koch' sehen Vibrio im Wachstume auf vollkommen eiweiß-
und pepton freien Nährböden. Bei der Herstellung dieser
Lösungen ging Verf. von einer „Normalnährsalzlösung“ aus,
Schutzimpfung, kiinstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 923
welche in ihren einzelnen Bestandteilen nach bestimmten Regeln ver-
ändert werden kann.
Die Zusammensetzung der „Nor mall ösung“ ist folgende: 7 g
Aepfelsäure werden in etwa 100 ccm H20 gelöst und mit reinem
KOH neutralisiert. Die Lösung wird mit destilliertem H20 auf 1 1
verdünnt und ihr 10 g fein gepulvertes Asparagin, 0,4 g Magnesium-
sulfat, 2,0 g sekund. Natriumphosphat und 2,5 g krystall. reine Soda
zugesetzt. Nach vollkommener Lösung dieser Salze wird noch 0,01 g
trockenes Calciumchlorid zugefügt.
In dieser Normallösung kann die Aepfelsäure durch (Vio äquiva-
lente Mengen) andere als Nährstoffe verwendbare organische Säuren,
das Kali durch Natron, das Asparagin durch das Ainmoniaksalz einer
anorganischen oder organischen Säure, durch verschiedene stickstoff-
haltige organische Körper: Amide, Amidosäuren, Harnstoff, Kreatin
ersetzt werden; der Sodazusatz kann verändert, die Wassermenge
vermehrt werden.
Zu der eigentlichen Nährlösung gelangt man, wenn man der
Normallösung gewisse assimilierbare Kohlenstoffverbiiulungen, z. B.
Mannit oder andere Zuckerarten, Aethylenglykol, Glycerin oder Dextrin
zusetzt. Hierdurch ist die Methode zur Bereitung einer unbeschränkten
Anzahl rationell konstituierter, eiweißfreier Nährböden gegeben.
In derartigen Nährlösungen mit wechselndem Gehalte an Rohr-
zucker, Milchzucker, Maltose, Galaktose, Traubenzucker oder Dextrin
zeigten die hautbildenden Vibrionen üppige Entwickelung und starke
Hautbildung innerhalb 24 Stunden. Die Häute bekamen nach
einigen Tagen ein dickfaltiges Aussehen, die anfangs wasserhelle
Flüssigkeit färbte sich gelb bis gelbbraun, die Reaktion verän-
derte sich genau wie in der Zucker- Serumbouillon. Auf Zusatz
von Pepton konnte nach Wiedereintritt der alkalischen Reaktion auch
Indolbildung beobachtet werden.
Die 1 euchtfähi gen Vibrionen zeigten in den eiweiß-
freien Nährlösungen nach 18 Stunden sehr starkes
Leuchten. Busse (Berlin).
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
Vielguth, Ferd., Vorschlag zur Choleradesinfektion.
(Wiener medizinisch - chirurgisches Centralblatt. Jahrg. XXVIII.
No. 32.)
Die Arbeit enthält Betrachtungen über die Wirkungsweise der
Cholerabacillen und Vorschläge zur Choleratherapie. In Anlehnung
an Hueppe’s „hervorragende“ Forschungen, glaubt der Verf.
in einer früheren Arbeit den Beweis geführt zu haben, daß die
Choleragifte in Nitriten, Isobutylcyanid, Propylcyanid etc. bestehen
(Ozonisierung des Ammoniaks zu salpetriger Säure). Verf. unter-
924 Schutzimpfung', künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
suchte uun in alkalischer und saurer Unterlage das Verhalten der
Nitrile zu einer Reihe von anderen chemischen Verbindungen. Es
erwiesen sich ihm nach vielen Hin- und Herversuchen das Natrium
dithiosalicylicum II und das Jodäthyl am tauglichsten. Das erstge-
nannte Mittel wird der Flüssigkeit zugesetzt, die entweder intravenös
oder subkutan dem Körper eiuverleibt werden soll. Ist dies ge-
schehen, so wird gleich darauf eine subkutane Einspritzung von Jod-
äthyl camphor. gemacht. Zur Vernichtung der Cholerabacillen wird
gleichzeitig Bismuth. tribrom phenolic. und als Antidiarrhoicum Der-
matol angewendet. Gegen das Erbrechen wird Cocain per os
gegegeben. Ferner empfiehlt der Verf. die Tanninenteroklyse.
Zur Entfernung gewisser Ammoniakverbindungen des Darmes soll
frisch hergestelltes Magnes. phosphoric. solubilis dienen, zur Ver-
nichtung der Fäulnisbakterien des Darmes wird noch Benzonaphthol
zugesetzt. Zur Zersetzung der Nitrite wird Glycocoll-Natron-Tartrat
empfohlen. Schließlich bespricht Verf. noch die klinischen Eigen-
schaften der von ihm empfohlenen Mittel. Der Verf. hat über die
Brauchbarkeit dieser Mittel bei der Cholera keine Erfahrungen, er
empfiehlt sie nur auf Grund von chemischen Erwägungen. Seine
Therapie ist ein Mädchen für Alles. Er batte bei den bisherigen
Angaben die Cholerabacillen als Oxydationsmikrobien hiugestellt.
Sollten sie sich doch als Reduktionsmikrobien bewähren, so tritt
statt der Anwendung von subkutanen Injektionen mit Jodäthyl-
camphor., die von Magnes. phosphor. solub. pulver. per os ein.
Knüppel (Berlin).
Huberwalcl, Zur Behandlung der Cholera. (Jahrbuch für
Kinderheilkunde. Bd. XXXV. H. 3. p. 245 — 250.)
Verf. briugt seine bereits 1874 empfohlene Chininbehandlung bei
Cholera und choleraähnlicher Diarrhöe wieder in empfehlende Er-
innerung. Für die leichteren Fälle giebt er 0,1 pro dosi zweistündlich
und 0,8 pro die. Bei schweren Fällen, die durch Erbrechen kom-
pliziert sind oder wo die Resorption verhindert ist, rät er neuerdiDgs
zur Anwendung von Chinin muriat. carbamidat., von diesem wird
0,8— 1,0 in 1 ccm Wasser gelöst, subkutan injiziert. Es macht keine
lokalen Reaktionen und ist daher anderen Cbininverbindungen vor-
zuziehen. Hauser hatte bei der Chininbehandlung nur 40 Proz.
Mortalität, trotzdem er nur schwere Fälle behandelte. Die Statistik
des Verf.’s ist noch günstiger. Neben dem Chinin soll nichts Anderes
gegeben werden, da durch viele andere Medikamente die Wirkung
des ersteren beeinträchtigt wird. O. Voges (Danzig).
Ehrlich, Kossel und Wassermann. Ueber Gewinnung und
Verwendung des Diphtherieheilserums. [Aus dem In-
stitute für Infektionskrankheiten zu Berlin.] (Dtsch. med. Wochen-
schrift. 1894. No. 16.)
In ihren im Einverständnis mit Behring unternommenen Ver-
suchen bedienten sich die Verff. zur Serumgewinnung neben einer
Kuh hauptsächlich der Ziegen, welche sie als sehr empfänglich für
Diphtheriegift und besonders widerstandsfähig gegen die zur Immuni-
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 925
sieruiig notwendigen Eingriffe erkannt hatten. Außer dem Serum
wurde auch die Milch der immunisierten Tiere für heilkräftte be-
funden.
Die Immunisierungsmethode bestand in der Einverleibung all-
mählich steigender Mengen von anfangs abgetöteten, später virulenten
Diphtheriekulturen. Die Wirksamkeit des Serums wurde geprüft,
indem eine bestimmte Menge desselben (0,4 — 0,2 g und weniger) mit
0,8 ccm eines aus älteren Diphtheriebacillenkulturen durch Zusatz
von 1/2 Proz. Phenol gewonnenen Giftes, dessen tödliche Minimaldosis
0,3 : 1000 g Tiergewicht betrug, gemischt und nach entsprechenden
Zusatz von physiologischer Kochsalzlösung im Volumen von 4 ccm
Meerschweinchen subkutan injiziert wurde. Aus der bis zum 2. Tage
bei den Tieren eingetretenen bezw. ausgebliebenen Wirkung ließ sich
beurteilen, ob und bis zu welchem Grade eine Giftzerstörung statt-
gefunden hatte.
Nach Behring wurde ein Serum, von dem 0,1 ccm die erwähnte
Giftdosis von 0,8 ccm vollständig zu neutralisieren vermochte, als
einfach Normalantitoxin bezeichnet. Es gelang den Verff, Serum zu
gewinnen, das eine Wirkungskraft von 60 Immunisierungseinheiten
(I. E.) besaß.
Mit den besten Serumsorten wurde im Elisabeth-Krankenhause,
Lazarus-Krankenhause, den städtischen Krankenhäusern Friedrichs-
hain, Moabit und Urban und im Institute für Infektionskrankheiten
Heilversuche an Kindern unternommen, und zwar wurden ohne Aus-
wahl alle zur Aufnahme gekommenen Kinder der spezifischen Be-
handlung unterworfen. Von 220 (davon 67 tracheotomierten) Kindern
wurden 75,4 (55,1) Proz. geheilt, während 23,6 (44,9) Proz. starben.
Von 6 am ersten Krankheitstage in Behandlung gekommenen Kindern
wurden 100 Proz., von 66 (9) des 2. Tages 97 (77,7) Proz., von 29
(8) des 3. Tages 86 (87,5) Proz., von 39 (14) des 4. Tages 77 (71,4)
Proz. und von 23 (10) Proz. des 5. Tages 56,5 (40) Proz. geheilt.
Während den Verff. von 72 in den beiden ersten Tagen zur Behand-
lung gelangten Kindern nur zwei starben, betrug nach einer älteren,
gleichfalls auf 72 Fälle ausgedehnten entsprechenden Statistik ohne
Serumbehandlung die Mortalität 34,7 Proz.
Von den in der Behandlung verstorbenen 52 (30) Kindern waren
erlegen: der Sepsis 12 (4), der Pneumonie 30 (23), Nachkrankheiten,
wie Nephritis und Herzschwäche 8 (2) und der Miliartuberkulose
2 (1). Der Tod erfolgte in 6 Fällen noch am Tage der Einlieferung,
in 12 am ersten, in 8 am zweiten Tage darauf. Der ungünstige
Ausgang wäre nach Ansicht der Verff. in einigen der übrigen 26
Fälle vielleicht abzuwenden gewesen, wenn nicht mit dem Serum in
Ermangelung größerer Vorräte hätte sehr sparsam umgegangen werden
müssen. In vielen Fällen hatte nur eine einmalige Dosis Heilserum
von 160 — 200 I. E. verabreicht werden können.
Schädliche Wirkungen traten nach den Injektionen niemals hervor.
Andererseits wurde auch eine Beeinflussung der Körpertemperatur
und des Pulses nur bei stärkeren Gaben (bis zu 4 Injektionen von je
160 — 200 I. E. am ersten Tage) beobachtet.
926 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
In 30 (16) Fällen, welche im Elisabethhospital und im Institute
für Infektionskrankheiten mit wiederholten Injektionen behandelt
wurden, erfolgte nur 4 (4)mal der Tod. In 3 dieser letal verlaufenden
Fälle ergab die Sektion ausgedehnte Verstopfung der tiefen Bronchien,
im 4. Falle Streptokokken-Pneumonieen und Streptokokken-Sepsis.
Die Verff. gelangen zu folgenden Schlußsätzen:
„1) Das Schicksal der zu behandelnden Kinder wird entschieden
durch das Vorgehen in den ersten 3 Tagen der Krankheit. Daher
ist das Serum sobald als möglich nach dem Beginne der Krankheit
zu injizieren.
2) Da ein Ueberschuß von Antitoxin im Körper der kranken
Kinder erzielt werden soll, so muß nach unseren Erfahrungen die An-
fangsdosis betragen bei leichten Fällen mindestens 200 I. E., bei
schweren Fällen und bei allen Trachetomierten 400 I. E.
3) Die Behandlung mit Serum ist noch an demselben oder am
nächsten Tage fortzusetzen, entsprechend dem Verlaufe des Fiebers,
Pulses und der lokalen Erscheinungen. Die Gesamtmengen können
je nach der Schwere des Falles 500 — 1000 — 1500 I. E. betragen.“
K übler (Berlin).
Behring, Zur Diphtherieheilungsfrage. Aronson, Zur
Diphtherieheilungsfrage. Entgegnung auf den Ar-
tikel des Herrn Prof. Behring. Behring, Bemerkung
zu vorstehender Entgegnung. (Deutsche med. Wochenschr.
1894. No. 15 und 17.)
Unter Leitung Aronson’s wird, angeblich nach der von
Behring gegebenen Vorschrift, in der chemischen Fabrik Schering
ein Präparat hergestellt, welches unter der Bezeichnung „Diphtherie-
antitoxin“ durch ein verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften
eingelegtes Cirkular den Aerzten zur Einführung in der Praxis em-
pfohlen wurde. Behring hat hiergegen Verwahrung eingelegt,
indem er bekannt gab, daß die Wirksamkeit des käuflichen Präparats
um ein Mehrfaches hinter der Angabe der Fabrik zurückbleibt und
diese Aussage auch der Entgegnung A ro nson ’s gegenüber aufrecht
erhalten hat. Behring erklärte es für verfrüht, daß das Diphtherie-
heilmittel der Oeffentlichkeit übergeben wird, ehe alles gethau ist,
was nach menschlichem Wissen einen Mißerfolg unmöglich macht;
er bestreitet es entschieden, eine Antitoxinlösuug von der Konzen-
tration des käuflichen Präparates für therapeutische Zwecke als aus-
reichend erklärt zu haben. K üb ler (Berlin).
Aronson, H., Weitere Untersuchungen über Diphtherie
und das Diphtherie-Antitoxin. I. Ueber die Art und
Weise der Antitoxinwirkung. (Berl. klin. Wochenschrift.
1894. No. 15.)
Verf. hat früher dargelegt, daß, im Gegensätze zu Buchner’s
Anschauung, die durch Antitoxinzufuhr erzielte Immunisierung wesent-
lich verschieden ist von der direkten, durch abgeschwächte Bakterien-
kulturen resp. Gifte erreichbaren, und zwar in folgenden wichtigen
Punkten : 1) die durch Autitoxininjektion verursachte Immunität tritt
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmuog etc. 927
momentan ein ; 2) durch genügende Steigerung der Antitoxinmenge
kann ein Schutz gegen eine beliebig starke Infektion erzielt werden;
3) die Immunisierung ist von keiner Krankheitserscheinung, von
keiner Reaktion begleitet; 4) die Dauer der erzielten Immunität ist
eine relativ kurze.
Die Versuche, welche eine direkte Giftzerstörung durch Diph-
therieantitoxin erweisen sollen, sind folgende:
Meerschweinchen, 383 g Gewicht.
21.1.94. 0,000025 g Diphth.-
Antitoxin in 1 ccm H,0 gelöst,
an der linken Bauchseite in-
jiziert.
28. I. 94. 0,7 ccm Diph-
theriegift an der rechten
Bauchseite subkutan.
30. I. 94. Krank , starke
Schwellung an der Gift-
injektionsstelle.
31. I. 94. Tod nach 72 Stun-
den.
Meerschweinchen, 367 g Gewicht.
27.1.94. 0,000025 g Diphth.-
Antitoxin in 1 ccm H20 gelöst,
mit 0,7 ccm Diphtheriegift ge-
mischt. Mischung subkutan
an der rechten Bauchseite in-
jiziert.
29. 1. 94. Völlig munter.
31. I. 94. Keine Infiltration
an der Injektionsstelle.
10. II 94. Völlig gesund,
Haut überall glatt.
Meerschweinchen, 358 g Gewicht.
27.1.94. 0,000025 g Diphth.-
Antitoxin in 1 ccm H20 gelöst,
an der linken Bauchseite sub-
kutan injiziert.
28. I. 94. 0,7 ccm Diph- 30. I. 94. Sitzt mit gesträub-
theriegift an genau der- ten Haaren im Käfig,
selben Stelle injiziert, 31. I. 94. Tod nach 68 Stun-
an der gestern das den.
Antitoxin eingespritzt
wurde.
Meerschweinchen, 377 g Gewicht.
Kontrolltier.
28. I. 94. Nachmittags 30. I. 94. Früh tot aufge-
0,7 ccm Diphtheriegift funden, noch warm. Tod
subkutan. nach ca. 38 Stunden.
Ueber die Darstellung des zu diesen Versuchen benutzten Anti-
toxins soll später Mitteilung gemacht werden; das Diphtheriegift ist
durch Filtration einer mäßig giftigen, 21/2 Monat alten Diphtherie-
bouillonkultur gewonnen und durch Zusatz von 0,3 Proz. Trikresol
konserviert.
Aus der Tabelle geht hervor, daß jede Spur einer Vergiftung
fehlt, wenn, wie bei dem zweiten Falle, die Substanzen vor der In-
jektion gemischt werden. Wird jedoch dieselbe Giftmenge 24 Stunden
später als das Antitoxin injiziert, so ist zwar eine Verlängerung des
Lebens zu konstatieren, aber keine völlige Schutzwirkung. Um das
Leben zu erhalten, muß bei gesonderter Injektion des Giftes die
doppelte bis dreifache Antitoxinmenge beigebracht werden. Giebt
man gar eine vierfache Menge des Antitoxins, so gelingt es auch,
jede lokale Reaktion zu verhüten. Das Diphtherieantitoxin zerstört
also nach Verf. das Gift und führt seinen Namen mit vollem Rechte.
Ger lach (Wiesbaden).
928
Neue Litteratur.
Neue Litteratur
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Inhalt.
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therie und das Diphtherie - Antitoxin,
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toxinwirkung, p. 926.
Behring , Zur Diphtherieheilungsfrage,
p. 926.
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Entgegnung, p. 926.
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therieheilserums, p. 924.
Huberwald, Zur Behandlung der Cholera,
p. 924.
Vielguth, Ferd., Vorschlag zur Cholera-
desinfektion, p. 923.
Neue Litteratur, p. 928.
j'rommannsche Buclidruckerei (Hermann J^olile) in Jena.
pp
Bakteriologie und Parasitenkunde.
In Verbindung mit
Geh. Hofr. Prof. Er. Leactart m Professor Br. Loeffler
ln Leipzig ln Greifswald
herausgegeben von
Dr. O. Uhlworm in Cassel.
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
XV. Band. Jena, den 16. Juni 1894. -o- No. 24.
Preis für den. Band (26 Nummern) 14 Mark.
Jährlich erscheinen zwei Bände.
~~A Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. ;jf~-
Die Redaktion des „ Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
kunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Eorrekturabzüge direkt an
den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena , gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage , später
eingehende Wünsche beirücksichtigen zu können.
Original- Mittheilungen.
Ueber die desinfizierende Wirkung des Gnajakols.
[Aus dem hygienischen Institute der Universität zu Greifswald.]
Von
Dr. J. Knprianow.
Das Guajakol wird erst seit wenigen Jahren in der medizinischen
Praxis angewendet, und zwar fast ausschließlich bei Tuberkulose.
Nach dieser Richtung hin sind ziemlich umfangreiche Beobachtungen
zu verzeichnen. Der rein desinfizierenden Wirkung des Guajakols
hat man bisher sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Nachdem es
aber in letzter Zeit gelungen, diesen Körper chemisch rein darzustellen,
hat man sich der Hoffnung hingegeben, das Guajakol an Stelle des
Phenols, des Kresols, des Kreosots u. a. zu dieser Gruppe gehörender
XV. Bd. 59
934
J. Kuprianow,
Verbindungen, als Desinfiziens verwenden zu können, weil nämlich
das Guajakol den großen Vorzug hat, daß es nicht wie jene reizend
und giftig wirkt.
Das Guajakol wurde schon im Jahre 1843 von Deville aus
Guajakharz und von Gorup-Besanez1) aus Kreosot isoliert, jedoch
nicht in reinem Zustande gewonnen. Erst nachdem man mit guajakol-
haltigen Präparaten — Extractum ligni Guajaci, Tinctura Guajaci
u. a. — bei therapeutischen Versuchen gewisse Heilerfolge nament-
lich gegenüber der Tuberkulose erzielt oder besser erzielt zu haben
geglaubt hatte, wandte man das Interesse dem Guajakol selbst zu,
welches man für den wirksamen Körper in jenen Präparaten hielt.
Erst in neuester Zeit ist es nun gelungen, statt des unreinen Guajakols
einen chemischreinen krystallisierbaren Körper zu isolieren, welcher
zu den therapeutischen Versuchen Verwendung fand.
Diese Versuche basierten auf der Annahme, daß dem Guajakol
ein spezifischer Einfluß auf Mikroorganismen zukäme und ganz be-
sonders auf die Erreger der Tuberkulose. Auffallenderweise sind
wissenschaftliche Versuche über diese supponierte Wirkung des Guaja-
kols, über seine entwickelungshemmenden und desinfizierenden Wir-
kungen gegenüber Mikroorganismen nur in sehr beschränkter Zahl
in der Litteratur verzeichnet.
In dieser Richtung hat zuerst Mar fori2) einige Thatsachen
angeführt. Bei seinen Forschungen über die chemischen und phy-
siologischen Eigenschaften des Guajakols fand er, daß die Fäulnis
von Harn und Blut durch Zusätze von 5—6 pro Mille Guajakol stark
verlangsamt wurde. Auf die Eiweißverdauung wirkte es erst in sehr
großen Mengen ein, indem es bei 3—5 Proz. dieselbe störte und
bei 10 Proz. ganz aufhob. Regenwürmer wurden in 1-proz. Lösungen
in 20 Minuten, in 0,2-proz. Lösungen in 1 Stunde und in 0,1-0,02-
proz. in 24 Stunden getötet. In einer anderen Arbeit: „Süll1 azione
disinfettante e antisettica del guajacolo“3) legt Marfori die Resultate
von Versuchen über die Wirkung des Guajakols auf Schizomyceten
nieder.
Nach diesen Versuchen werden Milzbrandsporen schon von 2-proz.
Lösungen in 24 Stunden getötet (von einer 5-proz. Phenol- und
3 Proz. Kreolinlösung in derselben Zeit). Am intensivsten wirkte es
auf Bacillus pyogenes foetidusein, dessen Entwickelungschon
durch Lösungen von 1 : 5000 herabgesetzt und von 1 : 1000 völlig
aufgehoben wurde. Solutionen von 4—5 Proz. töteten denselben schon
in 20 — 30 Minuten. Auch die Entwickelung von Tuberkelbacillen im
KanincheDkörper wurde durch vorherige Guajakolbehandlung der
Kulturen gehemmt.
Auf dem zehnten internationalen Kongresse in Berlin hat Pe-
tr esc u4) über Versuche berichtet, die er mit balsamischen Anti-
septicis, darunter mit Guajakol, angestellt hat.
1) Historisches und Kritisches über Guajakolbehandlung der Tuberkulose von Dr
Fr. Rubinstein in Berlin. (Der ärztliche Praktiker. 1893. No. 51, 52.)
2) Ricerche chimique et fisiologiche sul guajacolo. (Ann. di cbimica. 1890.)
3) Ann. di chimica. 1891. Jan.
4) Bd. II der Verhandlungen des Kongresses. Berlin bei Hirschwald. Pharmokologie.
Ueber die desinfizierende Wirkung des Guajakols.
935
In Reagenzgläsern mit 10 ccm sterilisierter Bouillon, welcher
50 cg Guajakol zugesetzt war, trübte sich die Bouillon nach vier
Tagen und enthielt Mikrokokken. Zwei Kaninchen wurden mit
Tuberkelbacillenkulturen geimpft, die vorher mit Guajakol behan-
1 delt worden waren. Die Kaninchen erkrankten nicht, wohl aber
die Kontrolltiere an Tuberkulose der inneren Organe. Ferner wurden
virulente Tuberkelbacillen in sterilisierte Bouillon überimpft und
auf 10 ccm 4,1 g Guajakol zugesetzt. Die Reagenzröhrchen wurden
34 Tage bei 37 Grad gehalten. Die Bacillen entwickelten sich in
i den Guajakolröhrchen nicht.
Außerdem berichtet Petrescu noch über zwei Reihen von
Versuchen. Er besäte Röhrchen mit je 10 ccm sterilisierter Bouillon
und mit Tuberkelkulturen und versetzte einen Teil dieser Röhrchen
> sofort mit Antisepticis, u. a. mit Guajakol in der Dosis von 6,20 g (!),
einen anderen Teil derselben hielt er zunächst 8 Tage bei 37° und
gab dann erst einen Zusatz der Antiseptika. Nach 20 Tagen fand
er in sämtlichen Eprouvetten Tuberkulbacillen bei der mikro-
skopischen Untersuchung. Ob dieselben gewachsen waren,
ob sie lebend oder tot waren, darüber findet sich in dem Kongreß-
berichte keine Mitteilung. Den Angaben von Petrescu kann daher
eine besondere Bedeutung nicht beigemessen werden.
Andere unmittelbare Beobachtungen in Bezug auf die des-
infizierenden Eigenschaften des Guajakols sind in der Litteratur nicht
vorhanden. Dagegen aber finden sich doch einige indirekte Anzeichen
für diese Wirkung des Guajakols und für die Möglichkeit der An-
wendung desselben als Antiseptikum. Sahli, welcher mit Benzoyl-
Guajakol oder Benzosol Untersuchungen angestellt hat, empfiehlt auf
Grund der antituberkulösen Wirkung, die Verwendung des pulver-
förmigen Benzosols auf Wunden und Geschwüre und auch als Darm-
antiseptikum einer Prüfung zu unterziehen.
Alle diese Versuche sind mit dem sogenannten reinen Guajakol
der Pharmakopoe angestellt, das aber weit davon entfernt ist, rein
zu sein. Erst im vorigen Jahre hat Prof. H. Griesbach1) zuerst
das chemich reine Guajakol, das von der Fabrik für chemische
Produkte in Tann und Mülhausen i. E. dargestellt wird, folgender-
maßen beschrieben:
„Chemisch ist Guajakol der reine Monomethyläther des Brenz-
katechins:
n jj /OCH3
Die Eigenschaften sind in Kürze folgende: Wasserhelle, farblose,
am Lichte sich blaß rosa färbende, große rhombische Krystalle, von
angenehmem Gerüche und süßlichem, nicht so brennendem Geschmacke,
wie ihn Kreosot und gewöhnliches Guajakol bewirken. Das spezifische
Gewicht beträgt 1,145 bei 17,5° C, während das Guajakol der Phar-
mokopöe das spezifische Gewicht 1,117 hat. Der Schmelzpunkt liegt
bei circa 35°, der Erstarrungspunkt bei 28,5° C. Taucht man in
1) Ueber chemischreines Guajakol und seine Verwendung bei Tuberkulose. (Deutsch,
med. Wochenschr. 1893. No. 37.)
59*
936
J. Kuprianow,
das geschmolzene Guajakol ein Thermometer und stellt das Gefäß
in Eis, so bleibt das Guajakol zunächst flüssig. Beim Hinzufügen
eines kleinen Splitters festen Guajakols krystallisiert das Ganze aus
bekannten Gründen und das Thermometer steigt auf 28,5° C. Der
Siedepunkt ist 202,4° bei 738 mm Druck. Das Präparat ist stark
lichtbrechend, seine Löslichkeit im Wasser 1 : 50. In Alkohol ist
es sehr ergiebig löslich. Das reine Präparat unterscheidet sich von
solchem, welches Kresole etc. und wenn auch nur in Spuren enthält,
dadurch, daß es mit konzentrierter Schwefelsäure ungefärbt bleibt.
Während unreines Guajakol damit verschieden nuancierte, bald
gelblichgrüne, bald rote Farbentöne annimmt.“ Mit diesem Guajakol
hat H. Griesbach einige Tierversuche gemacht und darüber folgendes
mitgeteilt :
„Die Hunde erhielten während 14 Tagen von 6 — 10 g pro die
innerlich und in allen Fällen konnte durchaus keine Beeinträchtigung
des Wohlbefindens der Hunde bemerkt werden. Daraus ergiebt sich,
daß das chemisch reine Guajakol in der genannten Quantität für den
Organismus kein Gift ist und daß eine Reizwirkung auf die Schleim-
haut des Verdauungskanales entweder nicht vorhanden ist oder doch
keine üblen Folgen nach sich zieht.“
In der letzten Zeit hat auch eine andere Fabrik, die von
Dr. F. Heyden Nachfolger in Radebeul bei Dresden, ein chemisch
reines Präparat des Guajakols dargestellt. Mit diesem Präparate
habe ich auf Anregung des Herrn Prof. Loeffler einige Versuche
über die bisher noch mangelhaft studierte desinfizierende Kraft des
Guajakols angestellt.
Das Präparat der genannten Firma hat fast dieselben physi-
kalischen Eigenschaften, wie das soeben von Prof. Griesbach be-
schriebene, aber chemisch scheint es Spuren von Nebensubstanzen
zu besitzen, weil die Reaktion mit konzentrierter Schwefelsäure unten
schwach grüne und oben schwach rote Färbung ergiebt, was nach
Griesbach auf nicht vollkommene Reinheit des Präparates hin-
weist. Das spezifische Gewicht des Präparates beträgt bei 17,5° C
1,1337, der Schmelzpunkt liegt bei ungefähr 80° C, der Erstarrungs-
punkt bei ca. 26,5° und der Siedepunkt bei 200° C. In dieser Be-
ziehung unterscheidet es sich also etwas von dem von Prof. Gries-
bach beschriebenen. Das Präparat krystallisiert sonst ebenfalls in
großen, farblosen, durchsichtigen Krystallen, die am Lichte schwach
rote Färbung zeigen. Es hat einen ziemlich starken, nicht un-
angenehmen Geruch und einen süßlichen, schwach brennenden Ge-
schmack. Seine Löslichkeit in Wasser ist 1 : 50, in Alkohol löst es
sich sehr leicht. Wenn man das geschmolzene Guajakol rasch in Eis
stellt, so kann man es im flüssigen Zustande bei viel niedrigerer
Temperatur, als seinem Erstarrungspunkte entspricht, ziemlich lange
Zeit aufbewahren; das Hinzufügen einiger Krystalle des Guajakols
bringt jedoch die ganze Masse zum Krystallisieren , wobei die
Temperatur bis auf 26,5° C steigt. Die Krystallisation tritt auch
ein, wenn man rasch abgekühltes flüssiges Guajakol allmählich bis
26,5° C erwärmt oder geschmolzenes bis 26,5° C abkühlt.
Ueber die desinfizierende Wirkung des Guajakols.
937
Zu meinen Versuchen habe ich folgende Mikroorganismen ge-
nommen : Staphylococcus pyogenes aureus, Bacillus
pyocyaneus, B acillus typhi abdominalis, Vibrio Cho-
lera e asiaticae und Tuberkelbacillus, außerdem den Pilz
des Mäusefavus und die Krätzmilbe. Die ersten beiden
Organismen habe ich gewählt, weil sie als Typen der Eiterungs-
erreger ein besonderes Interesse für die Desinfektion bei chirurgischen
Operationen darbieten. Favus und Krätze repräsentieren Haut-
krankheiten, bei welchen ev. die äußerliche Anwendung der Mittel in
Frage kommen kann.
Die Erreger des Typhus und der Cholera sind Bakterien, welche
im Darme vegetieren. Eine Prüfung der Wirksamkeit des Guajakols
auf diese Bakterien ist von besonderer Bedeutung deshalb, weil das
Fehlen ätzender und giftiger Eigenschaften die innerliche Darreichung
des Guajakols gegen dieselben als möglich erscheinen läßt. Eine
Prüfung der Einwirkung des Guajakols auf Tuberkelbacillen hat ein
gewisses Interesse, weil dasselbe in neuerer Zeit so vielfach gegen
Tuberkulose in der verschiedensten Form in Anwendung gezogen
worden ist. Als Vergleichspräparate für die Wirkungskraft des
Guajakols habe ich Karbolsäure und Kresol genommen, bei den
Tuberkelbacillen aber Kreosot, weil dieses bis jetzt hauptsächlich zur
Behandlung von Tuberkulose angewendet worden ist.
Die Versuchsanordnung war die gleiche, welche Prof. Loeffler1)
bei seinen Untersuchungen über die Einwirkung von verschiedenen
Chemikalienauf Diphtheriebacillen gewählt hat. Zunächst wurden Aus-
saaten der Bakterien auf die schräge Oberfläche von Bouillonpeptonagar
in Reagenzgläschen gemacht und diese mit bestimmten Lösungen der
desinfizierenden Mittel übergossen. Nach einer gewissen Zeit wurde
die Lösung abgegossen und die Reagenzgläschen einige Minuten
umgekehrt hingestellt, um das desinfizierende Mittel vollständig ab-
fließen zu lassen. Alsdann wurden die Reagenzgläschen einige Tage
in den Brütschrank gestellt und das Wachstum der Bakterien be-
obachtet. Diese Versuche wurden in der Weise wiederholt, daß dabei
die Zeit, in der das desinfizierende Mittel sich auf den Bakterien
befand, so lange gesteigert wurde, bis kein Wachstum auf den Agar-
flächen mehr erkennbar war.
In der zweiten Reihe der Versuche wurde die ein- bis zwei-
tägige, kräftig entwickelte Kultur der Bakterien auf Agar in gleicher
Weise eine bestimmte Zeit mit dem desinfizierenden Mittel über-
gossen. Nach Ausgießung des letzteren wurde je eine Oese der
Kultur mit der Platinnadel entnommen und auf Agar-Agar bezw. in
Peptonbouillon ausgesät, und zwar wurde für die Bouillonaussaat
die Probe von der dünneren oberen, für die Agar-Agaraussaat von
der unteren dickeren Schicht der Kultur genommen.
In einer dritten Reihe von Versuchen habe ich je 10 ccm ste-
rilisierter Bouillon in Reagenzgläschen mit den verschiedenen Bak-
1) Loeffler, Zur Therapie der Diphtherie. (Dtsche med. Wochenschrift. 1891.
No. 10.)
938
J. Kuprianow,
terien besät und unmittelbar darauf eine bestimmte Menge der
desinfizierenden Lösung zugesetzt. Die Reagenzgläschen wurden
einige Tage in den Brutschrank gestellt und es wurde beobachtet,
bei welcher Quantität des desinfizierenden Mittels die Entwickelung
der Bakterien aufhörte.
Bei allen diesen Versuchen wurden schwache und starke Lösungen
des desinfizierenden Mittels angewendet. Da aber Guajakol nur im
Verhältnis von 1 : 50 in Wasser löslich ist, so habe ich die stärkeren
Lösungen mit Aikoholzusatz gemacht; die Wirkung dieser wässerig-
alkoholischen Lösungen habe ich mit gleichprozentigen Lösungen von
Alkohol in Wasser ohne Zusatz eines Desiuficiens verglichen.
Einige Versuche habe ich außerdem noch aus einem später zu
erörternden Grunde außer mit Agar und Bouillon auch mit Blutserum
als Nährsubstrat gemacht.
Die Wirkung der desinfizierenden Mittel auf Krätze wurde unter
dem Mikroskope und durch Beobachtungen bei der Behandlung
kranker Tiere festgestellt.
Die Resultate meiner Untersuchungen habe ich in Tabellen zu-
sammengestellt, um einen raschen Ueberblick zu ermöglichen. In
denselben ist starkes Wachstum mit einem +, schwaches mit einem
— und kein Wachstum mit 0 bezeichnet.
Die ersten Versuche habe ich mit Staphylococcus pyo-
genes aureus und Bacillus pyocyaneus gemacht und werde
ich darüber auch an erster Stelle berichten.
Tabelle I.
Aus dieser Tabelle kann man sehen, daß die Wirkungskraft des
Guajakols viel geringer ist, als die der Karbolsäure und des Kresols.
1-proz. Lösung Guajakol tötet Staph. aur. nach 31/, St., Pyoc. nach 45 Min.
1- ,, ,, Karbolsäure ,, ,, ,, ,, 4 Min., ,, ,, 1 ,,
i» »» Kresol ,, ,, „ ,, 5 ,, ,, ,, 1 »
Aus diesen Zahlen erhellt zugleich, daß die Widerstandsfähigkeit
des Staphylococcus aureus viel größer ist, als die des Pyo-
cyaueus. Außerdem erkennt man, daß die Wirkung der Karbol-
säure und die des Kresols nahezu gleich sind, nur bei Staphylo-
coccus aureus besteht ein Unterschied von 1 Minute. Dieser
Unterschied ist aber ein sehr geringer.
Ueber die desinfizierende Wirkung des Guajakols.
939
Tabelle II.
Menge der Mittel, welche zur Aufhebung der Entwickelung der
Bakterien in Bouillon nötig ist.
Berechnet man nach der vorstehenden Tabelle die Menge des
Desinficiens, welche nötig ist zur Aufhebung der Entwickelung, so
findet man
für Staphylococcus aureus von Guajakol 1 : 143, für Pyocyaneus 1 : 500
,1 „ ,, ,, Karbolsäure 1 : 250, ,, ,, 1 : 2000
>, „ „ „ Kresol 1 : 250, „ „ 1 : 2000
Diese Zahlen bestätigen das oben gewonnene Resultat, daß näm-
lich erstens die Wirkungskraft des Guajakols viel (2- bezw. 4mal)
schwächer ist, als die der Karbolsäure und des Kresols, daß zweitens
die Wirkungen des Kresols und der Karbolsäure ganz gleich sind
und daß drittens die Widerstandsfähigkeit des Staphylococcus
aureus viel größer ist, als die des Pyocyaneus.
Tabelle III.
Bei Vergleichung der mit 2-proz. Lösung gewonnenen Resultate mit
denen der 1-proz. Lösung erweist sich die 2-proz. ungefähr doppelt
so stark als die 1-proz., doch stimmt dies nicht genau. Die 2-proz.
Guajakollösung wirkt etwas mehr als doppelt so stark wie die 1-proz.,
während hingegen die 2-proz. Lösung der Karbolsäure und des
Kresols etwas weniger als doppelt so stark wirkt.
1-proz, Lösung Guajakol
v
n
11
ii
ii
ii
Karbolsäure
tötet Staphyl.
ii ii
ii ii
ii n
ii ii
ii ii
aur. nach 3x/2 St., Pyocyaneus nach 45 Min.
i1/,
4 Min.,
3 „
3 )>
3 „
20
1 ii
45 Sek.
1 Min.
45 Sek.
Kresol
940
J. Kupriaaow,
Bei seinen Versuchen über die Wirkung der Karbolsäure auf
Staphylococus aureus hat auch Dr. John E. Weeks in New-
York x) gefunden, daß Karbolsäurelösung 1:60 Staphylococcus
aureus in 4 Minuten tötet; er ist also zu fast denselben Resultaten
gekommen, wie ich.
Tabelle IV.
Wirkung 2-proz. wässeriger Lösung auf Kulturen von Staphylo-
coccus aureus und Pyocyaneus.
Mittel
Bakterien
Aussaat
auf
d
IS
d
i
d
i
d
s
sj
d
s
55
«
&
55
«
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CO
ca
ca
CO
CO
Guajakol |
Staph. aur. 1
Pyocyaneus •;
Agar
Bouillon
Agar
Bouillon
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
0
0
+
+
+
+
+
+
-1-
0
0
Karbolsäure j
Staph. aur. 1
Pyocyaneus |
Agar
Bouillon
Agar
Bouillon
+
+
+
+
+
+
+
+
+
0
+
+
0
—
0
0
Kresol j
Staph. aur. j
Agar
Bouillon
+
+
+
+
+
+
+
+
+
0
0
Pyocyaneus |
Agar
Bouillon
+
+
—
0
0
Hier sehen wir, daß die Wirkung der Mittel auf Kulturen viel
schwächer ist, als auf Aussaaten derselben Bakterien, nämlich:
2-proz. wäss. Lösung Guajakol tötet Aussaat von Staph. nach 1 1L St., Pyoc. nach 20 Min.
2- „
fy
yy
yy
yy
Kulturen
yy
yy
yy
31/» i» >*
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1 St.
2- „
yy
yy
Karbolsäure
yy
Aussaat
yy
yy
yy
3 Min., ,,
yy
45 Sek.
2- „
yy
yy
yy
yy
Kulturen
yy
yy
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45 „ „
yy
18 Min.
2- fJ
yy
yy
Kresol
yy
Aussaat
yy
yy
yy
3 1» )!
yy
45 Sek.
2- „
yy
yy
yy
yy
Kulturen
yy
yy
yy
45 ,, ,,
yy
15 Min.
Da die Wirkungszeit der desinfizierenden Mittel bei Abimpfungen
von den behandelten Kulturen in Agar-Agar einerseits und andererseits
in Bouillon annähernd gleich gewesen ist, habe ich der Einfachheit
halber aus den Zahlen, die diese Wirkungszeit angeben, die Durch-
schnittszahl gezogen.
Die Versuche über die Wirkung 1-proz. wässeriger Lösung auf
Kulturen habe ich nicht ausführlich gemacht, weil sich bei einigen
Probeversuchen diese Lösung zu schwach für Kulturen erwiesen hat.
Die ferneren Versuche wurden mit stärkeren Lösungen gemacht.
Ich beabsichtigte zuerst eine 5-proz. alkoholische Lösung mit 20-proz.
Alkohol herzustellen, da sich aber das Guajakol in diesem Verhältnis
nicht klar löste, so mußte ich, um eine vollständige Lösung zu
erzielen, Alkohol bis zu einem Drittel der ganzen Flüssigkeit hinzu-
setzen.
Auf diese Weise bestand die Lösung, die ich erhalten habe, aus
80 Teilen Wasser, 40 Teilen absoluten Alkohols und 5 g Guajakol,
enthielt also 4,166 Proz. Guajakol und 33,33 Proz. Alkohol. Um die
1) Archiv für Augenheilkunde. Bd. XIX. 1888. Heft 1. p. 107.
Ueber die desinfizierende Wirkung des Guajakols.
941
gleichen Verhältnisse bei Karbolsäure und Kresol zu haben, habe ich
die starken Lösungen dieser Mittel auf gleiche Weise hergestellt.
Da sich aber auf Grund von praktischen Versuchen mit diesen
starken Lösungen von Karbolsäure und Kresol stark reizende Wir-
kungen herausstellten, habe ich die Versuche auch mit 2-proz alko-
holischer Lösung gemacht, welche 33,33 Proz. absoluten Alkohols
enthielt.
Tabelle V.
Wirkung 2-proz. alkoholischer Lösungen auf Aussaat von
Staphylo coccus und Pyocyaneus.
Mittel
Bakterien
CJ
72
O
10 Sek.
ZT.
iß
72
O
CO
1 Min.
2 Min.
CO
o
10 Min.
20 Min.
o
CO
1 St.
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Staph. aur.
+
+
4-
4-
+
+
+
+
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0
Pyocyaneus
+
+
4-
4-
+
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Karbolsäure
Staph. aur.
+
4-
+
4-
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.
Pyocyaneus
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+
+
0
Staph. aur.
r
+
+
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—
0
Pyocyaneus
+
+
+
0
Auf Kulturen derselben Bakterien.
Mittel
Bakterien
Aussaat
auf
Min.
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Agar
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Staph. aur. <
Agar
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Karbolsäure ■/
Bouillon
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Pyocyaneus <
Agar
Bouillon
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+
4-
+
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Kresol |
Staph. aur. <j
Agar
Bouillon
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4-
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+
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4-
4-
4-
4-
+
+
0
0
Pyocyaneus <j
Agar
Bouillon
+
+
+
+
4-
+
+
-t-
0
0
Bei Vergleichung der Wirkung der 2-proz. alkoholischen Lösungen
mit der der 2-proz. wässerigen erkennt man die viel stärkere Wir-
kung der alkoholischen, wie folgende Zahlen deutlich zeigen.
2-proz. wässer. Lösung Guajak. tötet Aussaat von Staph. nach l1/t St., Pyoc. nach 20 Min
2- „
alkohol.
11
H
11
11
ii
11
30 Min.,
n
ii
5
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2- „
wässer.
11
Karbols.
11
11
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ii
11
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45 Sek.
2- „
alkohol.
11
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ii
11
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2- „
wässer.
11
Kresol
11
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ii
ii
11
3 „
ii
ii
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2- „
alkohol.
11
ii
11
11
ii
ii
11
2 „
ii
ii
30
11
2- „
wässer.
JJ
Guajak.
11
Kulturen
V
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31/* St,
ii
ii
1 St.
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alkohol.
11
ii
11
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ii
19
11
2 „
ii
ii
45 Min.
2- „
wässer.
11
Karbols.
11
ii
ii
11
11
45 Min,
ii
ii
18
11
2-
alkohol.
11
11
11
ii
ii
11
30 „
ii
ii
6
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2- „
wässer.
11
Kresol
11
ii
ii
11
11
45 ,,
ii
' ii
15
11
2- „
alkohol.
11
11
„
ii
11
11
25 „
ii
ii
5
11
942
J. Kuprianow,
Demnach ist der Alkoholzusatz von großer Wichtigkeit für die
Erhöhung der Wirkung der gelösten Desinficientien. Schon der
Alkohol allein hat, wie die nachfolgende Tabelle VI ergiebt, nicht
unbeträchtliche Wirkung.
Tabelle VI.
Wirkung 33-proz. alkoholischer Lösung auf Aussaat und Kulturen
von Stsphylococcus und Pyocyaneus.
I Bacterium 1
Wirkung auf
Aussaat und Kultur
1 Min.
2 Min.
3 Min.
4 Min.
5 Min. |
15 Min.
30 Min.
1 St.
2 St.
3 St.
12 St.
24 St.
2 Tage 1
4 Tage ||
7 Tago ||
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Agar
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Aus
von
turei
Bouillon
+
+
+
4-
+
+
+
+
4
0
Eine 33, 33-proz. alkoholische Lösung tötet Aussaaten von Sta-
phylococcus aureus nach 1 Stunde und von Pyocyaneus nach
5 Minuten, und sogar Kulturen von Pyocyaneus nach 4 1/g Stunden,
die Kulturen von Staphylococcus ist sie aber selbst nach einer
Woche zu vernichten nicht imstande. Absoluter Alkohol aber tötet
schon nach 4 Stunden auch die Kulturen von Staphylococcus
vollständig ab. (s. Tabelle VII. p. 943.)
Bei allen bisher mitgeteilten Versuchen haben wir gesehen, daß
Guajakol schwächer wirkt, als Karbolsäure und Kresol. Bei der
Betrachtung der Versuche mit 4-proz. Lösung finden wir nun das
merkwürdige Ergebnis, daß Guajakol auf Aussaat von Pyocyaneus
ebenso stark wirkt, wie Karbolsäure und Kresol, daß nämlich eine
4-proz. alkoholische Lösung aller dieser Mittel Aussaaten von Pyo-
cyaneus nach 5 Sekunden abtötet. Die Erklärung hierfür ist zu
suchen in der sehr geringen Widerstandsfähigkeit der Aussaaten von
Pyocyaneus, die so gering ist, daß ein im Verhältnis zur Karbol-
säure und zum Kresol schwaches Mittel, wie das Guajakol, fast
momentan dieselbe zu töten vermag. Unzweifelhaft wirken auch in
diesem Falle Karbolsäure und Kresol viel stärker als das Guajakol,
vielleicht töten diese schon in 1 Sekunde oder gar in einem Bruch-
theil einer Sekunde die Aussaaten ab. Allein noch kürzere Zeiträume
wie 5 Sek. lassen sich bei derartigen Versuchen kaum mit Sicher-
heit beurteilen, da das Ein- und Ausgießen der Flüssigkeit in die
Reagenzröhrchen nicht wohl in kürzerer Zeit als in 5 Sekunden zu
bewerkstelligen ist. Bei den Aussaaten dagegen von Staphylo-
coccus tritt der Unterschied wieder deutlich hervor.
4-proz. alkohl. Guajakol tötet Aussaat von Staphylococcus in 5 Min.
4-proz. „ Karbolsäure „ „ „ ,, ,, 30 Sek.
4-proz. „ Kresol „ „ „ „ „ 45 „
Tabelle VII.
Wirkung 4-proz. alkoholischer Lösungen auf Staphylococcus aureus und Pyoeyaneus.
Ueber die desinfizierende Wirkung des Guajakols. 943
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Aussaat
von
Kulturen
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Bouillon
Agar
Bouillon
Agar
Bouillon
Agar
Bouillon
Agar
Bouillon
Agar
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Bakterien
Staphyloc.
aureus
Pyoeyaneus
Staphyloc.
aureus
Pyoeyaneus
Staphyloc.
aureus
Pyoeyaneus
ia»!K
lorpsfenf) aint3S[oq.rey[ josojjj
944
J. Kuprianow,
Bei der Wirkung der Mittel auf entwickelte Kulturen von Pyo-
cyaneus kann man nicht dieselbe Gleichmäßigkeit der Wirkungs-
kraft aller Mittel bemerken, wie bei der Einwirkung auf die Aussaat;
wir sehen im Gegenteil bei der Wirkung der Lösungen auf die Kulturen
die Unterschiede der Wirkungskraft der 3 Substanzen deutlich her-
vortreten.
4-proz. alkohol. Guajakol tötet Kulturen von Pyocyaneus nach 7*^ Min.
4-proz. „ Karbolsäure „ ,, „ „ „ 37 Sek.
4-proz. „ Kresol „ „ „ „ „ 37 „
Interessant sind die nicht unerheblichen Unterschiede in der
Zeitdauer der Einwirkung bis zur Abtötung auf Aussaaten und
Kulturen.
4-proz. alkohol.
Lös.
Guajakol tötet
Aussaat Staph.
nach
5 Min.,
Pyoc. nach 5
Sek.
4-
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Kulturen „
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Min.
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Karbolsäure ,,
Aussaat ,,
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Sek.
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45 Sek.
ii ii 3
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1» V
Kulturen ,,
ii
3 Min.
i, „ 37
11
Wenn mau die Mengen der reinen Substanz berechnet, welche
in alkoholischer Lösung die Entwickelung in Bouillon hemmt, so findet
man, daß dieselbe ebenfalls geringer sind, als bei Anwendung rein
wässeriger Lösungen.
Bei Zusatz von 1 Proz. wässeriger Lösung wurde gebraucht
von Guajakol für Stapbylococcus 1 : 143, für Pyocyaneus 1 : 250
„ Karbols. „ „ 1 : 250, „ „ 1 : 2000
,, Kresol „ „ 1 : 250, „ „ 1 : 2000
bei Zusatz von 4-proz. alkoholischer Lösung
Von Guajakol für Staphylococcus 1 : 343, für Pyocyaneus 1 : 600
,, Karbols. „ „ 1 : 1200, „ „ 1 : 2400
„ Kresol „ „ 1 : 1200, „ „ 1 : 2400
Ich komme nun zu den Versuchen mit Typhusbacillen und
Cholerabakterien. Diese habe ich nur mit 2-proz. wässeriger und
alkoholischer Lösung gemacht, weil dies zur Bestimmung der Wir-
kungskraft der Mittel auf diese Bakterien genügt, (s. Tab. VIII. p. 945.)
Bei der Vergleichung dieser beiden Bakterien erweist sich der
Typhusbacillus viel widerstandsfähiger als der Cholerabacil-
lus, beide aber sind schwächer als Staphylococcus aureus
und mit einigen Ausnahmen meist stärker als Pyocyaneus.
2-proz. wässerige Lösung von Guajakol tötet Aussaat Staphylococcus nach lJ/a St.,
Typhus nach 45 Min., Cholera nach 30 Min., Pyocyaneus nach 20 Min.
2-proz. wässerige Lösung von Guajakol tötet Kultur Staphylococcus nach 3'/g St.,
Typhus nach 2 St., Cholera nach 11/J St., Pyocyaneus nach 1 St.
2-proz. wässerige Lösung von Karbolsäure tötet Aussaat Staphylococcus nach 3 Min.,
Typhus nach 3 Min., Cholera nach 2 Min., Pyocyaneus nach 45 Sek.
2-proz. wässerige Lösung von Karbolsäure tötet Kultur Staphylococcus nach 45 Min.,
Typhus nach 30 Min., Cholera nach 15 Min., Pyocyaneus nach 18 Miu.
2-proz. wässerige Lösung des Kresols tötet Aussaat Staphylococcus nach 3 Min.,
Typhus nach 3 Min., Cholera nach 2 Min., Pyocyaneus nach 45 Sek.
2-proz. wässerige Lösung des Kresols tötet Kultur Stapbylococcus nach 45 Min.,
Typhus nach 30 Min., Cholera nach 12 ’/2 Min., Pyocyaneus nach 15 Min.
2-proz. alkoholische Lösung des Guajakols tötet Aussaat Staphylococcus nach 30 Min.,
Typhus nach 20 Min., Cholera nach 10 Min., Pyocyaneus nach 5 Min.
2-proz. alkoholische Lösung tötet Kultur Staphylococcus nach 2 St., Typhus nach
1 St., Cholera nach 30 Min., Pyocyaneus nach 45 Min.
Tabelle VIII.
Wirkung desinfizierender Mittel auf Typhusbacillus und Vibrio Cholera asiatica.
Ueber die desinfizierende Wirkung des Guajakols.
945
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946 J- Kuprianow, Ueber die desinfizierende Wirkung des Guajakols.
2-proz. alkoholische Lösung von Karbolsäure tötet Aussaat Staphylococcus nach 2 Min.,
Typhus nach l'/2 Min., Cholera nach 1 Min., Pyocyaneus nach 30 Sek.
2-proz. alkoholische Lösung von Karbolsäure tötet Kultur Staphylococcus nach 30 Min.,
Typhus nach 20 Min., Cholera nach 10 Min., Pyocyaneus nach 6 Min.
2-proz. alkoholische Lösung des Kresols tötet Aussaat Staphylococcus nach 2 Min.,
Typhus nach 2 Min., Cholera nach 1 Min., Pyocyaneus nach 30 Sek.
2-proz alkoholische Lösung des Kresols tötet Kultur Staphylococcus nach 25 Min.,
Typhus nach 20 Min., Cholera nach 10 Min., Pyocyaneus nach 5 Min.
Diese Zahlen zeigen zugleich, daß die alkoholischen Lösungen
auch auf diese Bakterien viel stärker wirken als wässerige. Die
Menge der Mittel in alkoholischer und in wässeriger Lösung, welche
zur Aufhebung der Entwickelung der Bakterien nötig ist, ersieht
man aus folgendem:
Guajakol in wässeriger Lösung für Typh. 1 : 250, für Chol. 1 : 500
,, alkoholischer ,,
>1
•i 1 = 625, „
„ 1:833
Karbolsäure
„ wässeriger „
1»
„ 1 : 1000, „
„ 1:1250
ti
,, alkoholischer ,,
»J
„ 1 : 1250, „
„ 1 : 2500
Kresol
,, wässeriger ,,
„ 1 : 1000, „
„ 1 : 1250
,. alkoholischer ,,
>•
.. 1=1250, „
„ 1 : 2500
Die Versuche mit Favus wurden mit 2-proz. alkoholischer und
4-proz. alkoholischer Lösung angestellt.
Tabelle IX.
Diese Tabelle zeigt uns, daß die Widerstandsfähigkeit der Aus-
saat des Favuspilzes noch schwächer ist, als die von Pyo-
cyaneus, denn eine 2-proz. alkoholische Lösung von Guajakol tötet
die Aussaat schon nach 20 Sekunden und Guajakol in 4-proz. alko-
holischer Lösung, sowie die anderen Mittel in 2-proz. ebenso wie in
4-proz., sogar schon nach 5 Sekunden. ischiuß folgt.)
Heinrich Walliczek, Zur Technik bei Desinfektionsversuchen.
Zur Technik bei Desinfektionsversuchen,
Von
Dr. Heinrich Walliczek,
Magister der Pharmacie,
in
Wien.
Als Substrat zum Fixieren des Bakterienmaterials für Des-
infektionsversuche wurden früher bekanntlich Seidenfäden verwendet.
Die Seide hält jedoch die betreffenden Desinfektionsmittel so fest,
daß einfaches Auswaschen oft nicht genügt, um sicher zu sein, daß
das Desinfektionsmittel beseitigt ist. Ein bakteriologisch unwirksames
Mittel, welches das betreffende Desinfektionsmittel in eine bakterio-
logisch gleichfalls indifferente Verbindung überführt, ist nicht immer
bekannt.
Es wurde aus diesen Gründen später zu mikroskopischen Deck-
gläschen gegriffen, um darauf die Versuchsbakterien gleichmäßig zu
verteilen. Die Deckgläschen haben den Nachteil des festen Zurück-
haltens des Desinficiens zwar nicht, doch abgesehen vom Kosten-
standpunkte haben sie den Nachteil, daß sie bei irgend einer zufälligen
Verunreinigung (mit Fettspuren etc.) mit ganz ungleichmäßigen
Mengen von Bakterienmaterial behaftet werden und daß diese Bak-
terien bei der weiteren Behandlung auch viel leichter und ungleich-
mäßiger abgespült werden.
Spirig hat später gleichgroße Stückchen Filtrierpapier zu glei-
chem Zwecke verwendet und einen guten Erfolg damit erzielt.
Leider hat das Filtrierpapier fast denselben Nachteil wie Seiden-
fäden, nämlich den des hartnäckigen Festhaltens des Desinfektions-
mittels, wie ich bei den eben besprochenen Versuchen mit Tannin
genau ersah.
Die Filtrierpapierstückchen in den Kontrollröhrchen , welche
also mit Tannin nicht behandelt waren, bfieben rein weiß. Die mit
Tannin behandelten Papierstückchen wurden aus der Tanninlösung
in steriles Wasser übertragen und dort fünf Minuten belassen. Sie
erschienen dann gleichfalls weiß; doch einige Stunden, nachdem sie
in die Gelatine eingebracht waren, zeigten sie eine mehr oder minder
gelbe bis braune Färbung, herrührend von der Fällung des noch
zurückgehaltenen Tannins durch die Gelatine. In diesem Falle
war der gebildete unlösliche Gerbsäureleim jedenfalls bakteriologisch
indifferent. Ich führe diese Ercheinung nur an, um zu zeigen, daß
das Filtrierpapier ebenfalls die Nachteile des festen Zurückhaltens
der imbibierten Lösung besitzt, ähnlich wie die Seide, wenn auch
vielleicht nicht in so hohem Grade. Ein Substrat zum gleichmäßigen
Verteilen der Bakterien müßte nach meiner Meinung ein Gewebe
aus Glaswolle sein. Dies hätte den Vorteil der Deckgläschen,
sich leicht vom Desinfektionsmittel abwaschen zu lassen, und den
Vorteil der Seidenfäden oder des Filtrierpapiers, dem Bakterien-
materiale eine geeignete Oberfläche zu bieten, auf welcher eine gleich-
948
Heinrich Walliczek,
mäßige und fester anhaftende Infizierung, auch ohne Antrocknung,
zu bewerkstelligen wäre; die Nachteile aller anderen angeführten
Substrate waren bei einem Glaswollgewebe ausgeschlossen.
Solange ein derartiges Glaswollgewebe für diese Zwecke in der
bakteriologischen Technik nicht eingeführt ist, halte ich folgende
Regeln für empfehlenswert:
I. Sind die Bakterien gegen Eintrocknung resistent
und
a) ist kein indifferentes Mittel bekannt, welches die Wirkung
des Desinficiens paralysiert, so sind Deckgläschen zum Verteilen
der Bakterien zu verwenden und die Bakterien auf die Deckgläschen
anzutrocknen.
b) Ist ein indifferentes Mittel bekannt, welches die Wirkung des
Desinficiens aufhebt, so ist es vorteilhaft, Filtrierpapier an-
zuwenden, ohne die Bakterien durch Antrocknen fixieren zu müssen.
Werden Deckgläschen verwendet, so soll vorheriges Antrock-
nen des Bakterien materials stattfinden, um ein ungleich-
mäßiges Abspülen zu verhindern.
II. Sind die Bakterien gegen Eintrocknung nicht
resistent und
c) ist kein indifferentes Mittel im obigen Sinne bekannt, so
wären Deckgläschen zu verwenden unter Vermeidung des An-
trocknens, allerdings auf die Gefahr hin, eine nicht immer gleich-
mäßige Verteilung zu erzielen.
d) Ist ein Paralysationsmittel im obigen Sinne bekannt, so wäre
Filtrierpapier unter Vermeidung von Antrocknen zu wählen.
Eine öfters vorkommende Erscheinung bei Desinfektionsversuchen
ist die, daß nach der Keimung der Bakterien sich einzelne Deck-
gläschen oder Filtrierpapierstückchen finden, welche stellenweise mit
dicht gedrängten Kolonieen besät sind. Es trifft dies nur in jenen
Fällen ein, in welchen die Bakterien durch Antrocknen auf die
Deckgläschen oder das Filtrierpapier fixiert wurden. In den von
mir beobachteten Fällen wurden die infizierten und getrockneten
Objekte in die verflüssigte Gelatine verbracht, welche sich in einem
Glasröhrchen befand , und das Röhrchen wurde behufs Verteilung
der Bakterien 30-mal auf und ab bewegt. Es fanden sich trotzdem
Röhrchen, welche den eben erwähnten Mißstand zeigten, daß die
Bakterien sich nicht gleichmäßig verteilt hatten, sondern lokal an-
gehäuft blieben. Eine solche ungleichmäßige Verteilung erschwert
oder vereitelt geradezu ein richtiges Abzählen der Kolonieen.
Um diese ungleichmäßige Verteilung auszuschließen, versuchte
ich, Gelatineblättchen an Stelle der Deckgläschen und Filtrierpapier-
stückchen als Substrat zum Fixieren der Bakterien. Ich schlug zu
diesem Zwecke mittels Locheisen gleichgroße Stückchen aus Blatt-
gelatine, und zwar verwendete ich hierzu die rosa gefärbte Speise-
gelatine, weil diese Blättchen sich ihrer Färbung wegen besser über-
sehen lassen.
Meine Voraussetzung war die, daß die erweichten Gelatine-
blättchen sich iu dem lauwarmen, verflüssigten Gelatinenährboden
t)ie Resistenz des B&cteriam coli commune gegen Eintrocknung.
949
lösen würden und dadurch eine gleichmäßige Verteilung der an-
haftenden Bakterien zustande käme.
Die Gelatinestückchen lösen sich jedoch erst, wenn sie eine
bestimmte längere Zeit erweicht werden. Bei Desinfektionsversuchen,
wo eine Eiuwirkungszeit von nur einer oder wenigen Minuten kon-
trolliert wird, trifft dies nicht zu, und hat das Verwenden von
Gelatinestückchen keine Vorteile. Bei einer Einwirkung des Des-
infektionsmittels durch eine halbe bis mehrere Stunden ist die Gelatine
so erweicht, daß sie sich dann sehr rasch in dem erwärmten Nähr-
boden löst; für diese Fälle wäre demnach das Verwenden von Gelatine-
stückchen als Substrat zum Verteilen von Bakterien vorteilhaft,
vorausgesetzt, daß sich die Gelatine mit dem Desinfektionsmittel
überhaupt verträgt.
Trockene Gelatine läßt sich bei 160° ebensogut trocken steri-
lisieren, wie Filtrierpapier oder Deckgläschen.
Baden, 5. Mai 1894.
Die Resistenz des Bacterium coli commune gegen
Eintrocknung.
Von
Dr. Heinrich Walliczek,
Magister der Pharmacie,
in
Wien.
Gelegentlich der Desinfektionsversuche mit Tannin, welche ich
früher mitgeteilt habe, machte ich die Bemerkung, daß alle infizierten
Röhrchen mit Gelatine steril blieben, wenn ich das Bakterienmaterial
durch Antrocknen auf Filtrierpapier unter der Luftstrahlpumpe fixierte.
Selbst die zur Kontrolle angelegten und deshalb mit Tannin nicht
behandelten Papierstückchen erzeugten keine Infektion.
Ich mußte deshalb annehmen, daß die Bakterien durch diese
Trocknungsart unter der Luftstrahlpumpe, also im Vakuum, getötet
werden. Das Fixieren der Bakterien auf das Substrat, nämlich
Seidenfäden, Deckgläschen oder Papierstücken, wird aber gewöhnlich
durch Eintrocknen vorgenommen, um auszuschließen, daß die am
Substrate verteilten Bakterien durch ein zufällig stärkeres Schwenken
in der Desinfektionslösung oder im sterilen Waschwasser ungleich
abgespült werden.
Ueber die Resistenz des Bacterium coli commune gegen
Eintrocknung fand ich keine Litteraturangaben.
Ich versuchte nun die Eintrocknung auf verschiedene Arten zu
bewirken, um zu sehen, unter welchen Umständen das Bact. coli
commune am längsten lebensfähig bleibt.
Hier die Versuchsreihen:
XV. Bd.
60
950 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
I. Zur Kontrolle wurden die aus der Bakterienaufschwemmung
genommenen Filtrierpapierstückchen auf 5 Minuten in steriles Wasser
verbracht und dann in die, in Röhrchen befindliche, flüssig gemachte
Gelatine gesät: Es wuchsen viele Tausende Kolonieen.
II. Die infizierten Papierstückchen wurden unter der Wasser-
strahlluftpumpe, also im Vakuum, getrocknet, was eine Zeit von 30
Minuten beanspruchte. Sodann kamen sie auf 5 Minuten in steriles
Wasser und nachher in die Gelatine, wie bei Versuch I. Es wuchsen
in den einzelnen Röhrchen 6, 11, 17 und 58 Kolonieen.
III. Die Papierstückchen wurden unter der Wasserstrahlluftpumpe
getrocknet, jedoch bei offenem Hahne der Glasglocke, so daß immer
neue Luft aspiriert wurde. Sie waren in 45 Minuten trocken. Die
weitere Behandlung war wie bei Versuch II. Es wuchsen: 0, 28,
45, 78 und über 1000 Kolonieen.
IV. Die Filtrierpapierstückchen wurden in steriler Schale ge-
trocknet. Nach 18 Stunden (über Nacht) war alles trocken. Es
wuchsen 0, 0, 0, 0, 0, 0 Kolonieen.
V. Die inficierten Papierstückchen wurden im Exsiccator über
Schwefelsäure getrocknet. Nach 17 Stunden (über Nacht) war alles
getrocknet. Es wuchsen: 0, 0, 1, 10 und 25 Kolonieen.
Es ergiebt sich aus diesen Versuchsreihen, daß Bacterium
coli commune durch Eintrocknen, in welcher Form dies auch sein
mag, getötet wird. Je länger der Trocknungsprozeß andauert, desto
sicherer erfolgt die Abtötung.
Wien, 5. Mai 1894.
Bakteriologische und parasitologische Kongresse.
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen
Kongresse in Rom.
Referent: Dr. G. Sanarelli, Privatdozent in Rom.
(Fortsetzuog.)
Pernice, B. und Scagliosi, G. (Palermo), Beitrag zur Kenntnis
der Pathogenie der Nieren veränderunge n bei der
asiatischen Cholera.
Die mitgeteilten Beobachtungen sind während und nach der
letzten Choleraepidemie im Jahre 1893 in Palermo gemacht worden.
Aus ihnen geht hervor, daß bei den Menschen in dem akuten Zu-
stande der asiatischen Cholera die Nieren von einer mehr oder
weniger verbreiteten und schweren Nephritis befallen sind. In den
durch die Infektion von Choleravibrionen gestorbenen Meerschweinchen
findet man die Nieren ebenfalls an Knäuelnephritis krank, wie man
es in allen Fällen allgemeiner Experimentalinfektion infolge der Ent-
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 951
fernung der Bacillen aus dem Organismus beobachtet. Die gleichen
Veränderungen werden in den Nieren von Meerschweinchen, welche
mit dem Filtrat einer Kultur des Kommabacillus oder des Darm-
inhalts eines cholerakranken Meerschweinchens geimpft wurden, be-
obachtet; Veränderungen, welche denen der Nieren eines Cholerakranken
gleichen. Unter gleichen Umständen verursacht das Filtrat des
Darminhalts eine schwerere Knäuelnephritis, als sie durch das Blut
oder eine Kultur selbst hervorgebracht wird, was zu dem Glauben
veranlaßt, daß die Vibrionen in dem Darme besonders günstige
Umstände vorfinden, um die Produkte ihres Stoffwechsels in größerer
Menge und giftigerer Intensität bilden zu können. Die experimen-
tellen Beobachtungen bestätigen also die Ansicht, daß die Knäuel-
nephritis bei Cholera einen toxischen Ursprung hat und durch die
Absonderung der in den Blutkreislauf gelangten Gifte verursacht
wird.
Sirena, S. und Scagliosi, G. (Palermo), Aehnlichkeiten und
Verschiedenheiten der in den verschiedenen Teilen
Italiens während der letzten Choleraepidemie iso-
lierten Vibrionen.
Verff. haben die morphologischen und biologischen Verschieden-
heiten studiert, welche der von ihnen während der letzten Cholera-
epidemie in Palermo (1893) isolierte Bacillus gegenüber dem von
Neapel und Rom und jenem von Kalkutta aufwies.
Sie sind zu folgenden Schlüssen gelangt:
1) Der Koch’ sehe Kommabacillus wurde von ihnen stets in den
Abfällen der Cholerakranken in dem akuten Zustande gefunden,
aber selten in dem Darminhalte der Verstorbenen.
2) Alle vier oben erwähnten Vibrionen bilden in Bouillonkulturen
ein mehr oder weniger dickes Häutchen, welches bei dem von
Palermo erst nach zwei Monaten zum Vorschein gekommen ist.
3) In Gelatine entwickelt sich zuerst bei gewöhnlicher Temperatur
der Bacillus von Palermo rascher und stärker, dann jener von
Neapel, Rom und zuletzt der von Kalkutta.
4) Auf Kartoffeln bei Brüttemperatur bilden die Vibrionen von
Kalkutta eine ziemlich mächtige, gelbbraune Schicht, die von
Rom eine dünnere und dunkelgelbe, jene von Neapel und Palermo
eine von Kartoffelfarbe kaum zu unterscheidende Schicht.
5) Die stark alkalische sterilisierte Milch wird durch alle vier
Vibrionen in verschiedenen Zeiten zum Gerinnen gebracht.
6) Die Indolreaktion wird rascher erhalten mit den Kulturen der
Vibrionen von Rom und Neapel, etwas später mit jener von
Palermo und endlich nur angedeutet mit jener von Kalkutta.
7) Auf sauren Kartoffeln und manchmal auch in Bouillon nehmen die
Bacillen degenerative Formen an, welche sich gewöhnlich am
dritten Tage nach der Entwickelung einstellen.
8) Die Vibrionen von Palermo, Neapel und Rom sind sehr virulent,
sie töteten die Tiere durchschnittlich nach 12 Stunden, die von
Kalkutta weniger, die Tiere starben erst nach 15—20 Stunden.
60*
952 Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom.
Sirena, S. und Scagliosi, Gr. (Palermo), Lebensdauer des Milz-
brandbacillus im Boden, im Trink- und Meerwasser
und in den Abfall wässern.
Verff. haben ihre Versuche mit dem oben genannten Materiale
in sterilisiertem und unsterilisiertem Zustande bei Ruhe und Schüt-
teln gemacht. Mit der Erde haben sie zwei Versuchsreihen ange-
stellt, in einer haben sie in Glaskolben gestellte sterilisierte Erde,
in der anderen Gartenerde angewandt. Die in dem Kolben befind-
liche Erde war trocken oder kaum feucht oder ganz naß. Verff.
kommen zu den Schlußfolgerungen, daß die Milzbrandsporen (die
Bacillen sterben nach einer gewissen Zeit) lebten und ihre Virulenz
behielten in sterilisiertem und geschütteltem destilliertem Wasser bis
zu 20 Monaten und 16 Tagen; in der feuchten oder ganz trockenen
oder mit Wasser bedeckten Erde bis zu 2 Jahren 9 Monaten und
einigen Tagen ; in Meerwasser 1 Jahr 7 Monate und einige Tage ; in
geschütteltem Trinkwasser 17 Monate, in sterilisiertem Meerwasser
ebenfalls 17 Monate. In den letzten drei Fällen war das Virus noch
aktiv. Endlich lebten noch die Bacillen in den Abfallwässern nach
15 Monaten und 25 Tagen und in einer verfaulten Milz, welche in
eine Blechbüchse gestellt war, mehr als 2 Jahre.
Nach der Lebensdauer der nachher inokulierten Versuchstiere
(Meerschweinchen und Kaninchen) zu schließen, scheint den Verff.,
daß das Medium, in welchem der Milzbrandbacillus gelebt
hatte, einen Einfluß auf seine Virulenz ausübt, sie haben beobachtet,
daß in solchen von Mikroorganismen befreiten Medien die Virulenz
immer am stärksten war.
Babes, V. (Bukarest), Ueber Enterohepatitis suppurata
endemica.
Rumänien gehört einer pathologischen Zone an, welche besonders
das Littoral des Mittelmeeres und des Schwarzen Meeres begreift.
Gewisse Krankheiten, welche im westlichen Europa selten sind, er-
strecken sich noch über Rumänien, namentlich bis zu den Karpathen.
Hierher gehören unter anderem biliöse maligne Fieber, die Pellagra,
die Lepra und namentlich die sogenannte tropische Dysenterie mit
Leberneurose und -Abscess. Die letztere kann Babes nach reich-
lichen Erfahrungen nicht als wirkliche Dysenterie betrachten, indem
die Darmentzündung nicht als diffuse oberflächliche Rektose besonders
des unteren Dickdarmteiles beginnt, sondern als ein tiefes entzünd-
liches Oedem mit Geschwüren auf der verhältnismäßig intakten
Schleimhaut, besonders des Beginnes des aufsteigenden Dickdarmes.
Hier findet sich gewöhnlich ein den ersten Querfalten entsprechendes,
ringförmig den Darm umgreifendes Geschwür mit hyperämischen oder
hämorrhagischen Rändern und pulpöser, eiterig infiltrierter oder gan-
gränöser Basis. Oft perforieren die Geschwüre und findet sich pheg-
monöse Infiltration des benachbarten retroperitonealen Gewebes. Ganz
selten gesellt sich zu dieser Form wahre Dysenterie. Diese Enteritis
ist es, welche sich regelmäßig mit Leberabscessen kompliziert. Letz-
tere unterscheiden sich von allen anderen Formen der Leberabscesse,
indem es sich in der Regel um einen oder wenige große Herde
Mitteilungen aus dem XI. internationalen medizinischen Kongresse in Rom. 953
mäßiger umschriebener Nekrose handelt, welche im Centrum zu er-
weichen und zu vereitern beginnen. Erst später findet sich ein
wahrer Absceß mit mehr oder minder scharfer Begrenzung. Dies
ist nach den Beschreibungen von Koch, W. Kruse etc. die typische
Form auch der ägyptischen „Dysenterie“. Außerdem kommen allerdings
in den Tropen noch Fälle wirklicher Dysenterie vor.
Bei unserer nekrotisch-eiterigen Enteritis findet man häufig im
Stuhle Amöben, welche jenen von Lösch, Kartulis, Kruse u. A.
beschriebenen entsprechen und manchmal selbst in großer Menge.
Bei der Sektion und der histologischen Untersuchung hingegen finden
sich solche nur ausnahmsweise im Niveau der Geschwüre. Nament-
lich ist deren häufiges Fehlen im histologischen Präparate auffallend.
Im Eiter der Leberabscesse wurden Amöben ebenfalls nur selten
konstatiert, und auch die histologische Untersuchung von Schnitt-
präparaten aus der Leber erwies nur in 3 unter 20 Fällen deren An-
wesenheit, während in etwa 10 Fällen Bakterien, Eiterkokken, sapro-
gene, dem Typhusbacillus ähnliche Formen und Protei in
solcher Menge und Anordnung in den Geschwüren und Abscessen ge-
funden wurden, daß denselben eine wesentliche Rolle bei der Eiterung
zugesprochen werden muß. Außerdem wurden große Massen eines
nicht züchtbaren Bacillus, dem Rotzbacillus ähnlich, in einer
Anzahl von Fällen in der Tiefe des Gewebes der Geschwürs- und
Absceßwand nachgewiesen. Babes hält infolge dieser Untersuchungen
eine wesentliche Rolle der Amöben in der Mehrzahl seiner Fälle als
nicht nachgewiesen. Wenn in tropischen Ländern die Amöben in
derselben Krankheit häufiger sind, so spricht dies für einen nicht
wesentlichen Zusammenhang der Krankheit mit derselben. Jedenfalls
müssen weitere Untersuchungen abgewartet werden.
Babes, V. (Bukarest), Ueber einen bei Skorbut gefundenen
Bacillus.
In einer Skorbutepidemie bei einem Reiterregimente konnte Verf.
in jedem Falle aus dem nekrotischen Rande der Alveolenschleimhaut
eigentümliche feine, gekrümmte und zugespitzte Bacillen (den Tuberkel-
bacillen ähnlich, nach Gram nicht färbbar) nach weisen. Namentlich
an exstirpierten Schleimhautstückchen wurde das Eindringen der Ba-
cillen in großen kompakten Massen in die Tiefe der Schleimhaut,
sowie eiue eigentümliche Nekrobiose des umgebenden Gewebes mit
Entartung der Gefäßwände und Proliferation der Endothelien noch
in beträchtlicher Entfernung von den Bacillenmassen nachgewiesen.
Neben den Bacillen, aber bloß oberflächlich, finden sich noch Strepto-
kokken. Die zerkleinerten und gewaschenen Gewebsstücke geben, auf
Agar-Agar zerrieben, bei Körpertemperatur charakteristische Kulturen
in Form kleiner, gelblicher, durchscheinender, erhabener, mit kleinsten
Körnchen bedeckter Kolonieen. Anfangs wurden dieselben schwer
und nur zugleich mit Streptokokkenkolonieen gewonnen. Sowohl Ge-
websstückchen als Kulturen wurden verschiedenen Tieren unter die
Haut oder in die Blutbahn geimpft und erzeugen dieselben anfangs
oft bei Kaninchen Hämorrhagieen und den Tod der Tiere, wobei am
Rande mancher hämorrhagischen Herde die beschriebenen Bacillen
954
Allgemeines über Infektionskrankheiten.
angetroffen wurden. Auch die filtrierte Kultur erzeugt manchmal
Hämorrhagieen. Besonders durch Hunger oder Krankheiten herab-
gekommene Tiere reagieren deutlich auf die Infektion. Die älteren
Kulturen verlieren allmählich ihre pathogene Wirksamkeit. Es ist
unzweifelhaft, daß die beschriebenen Bacillen die Mundschleimhaut-
affektion bei Skorbut in allen 6 untersuchten Fällen erzeugt hatten
und daß dieselben in frischem Zustande bei Tieren Hämorrhagieen
erzeugen können.
Referate.
Weyl, Handbuch der Hygiene. Jena (Gustav Fischer) 1893.
[Fortsetzung des Referats auf S. 310.]
4. Lieferung: von Fodor, Hygiene des Bodens. Mit be-
sonderer Rücksicht auf Epidemiologie undBauwesen.
(246 Seiten. Preis einzeln 4,50 M., bei Abnahme des ganzen Hand-
buches 3,60 M.)
Die hygienische Bedeutung des Bodens ist in den letzten Jahr-
zehnten Gegenstand so zahlreicher Erörterungen gewesen, daß gegen-
wärtig eine auch nur oberflächliche Uebersicht über die entstandene
Litteratur nicht ohne ein besonderes Studium erlangt werden kann. Es
wird daher Vielen willkommen sein, wenn neuerdings von berufener
Seite versucht worden ist, den zeitigen Stand der Frage zu fixieren
und die gewonnenen Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung
möglichst übersichtlich zusammenzustellen, umsomehr, als v. Fodor
der übernommenen Aufgabe durchaus gerecht geworden ist. Ein
ausführlicher Bericht über die treffliche Abhandlung verbietet sich
an dieser Stelle mit Rücksicht auf die Reichhaltigkeit des darin ge-
botenen Inhalts, doch mag es gestattet sein, die vom Verf. gewählte
Einteilung seines Stoffes und die von ihm in einigen epidemiologischen
Fragen vertretenen Anschauungen in der Kürze wiederzugeben.
Nach einer geschichtlich-litterarischen Einleitung beschäftigt sich
v. Fodor im ersten Kapitel mit der Struktur des Bodens. Es
werden im Besonderen die einzelnen Bodenarten klassifiziert; ihre
Verteilung in verschiedenen großen Städten, Budapest, London, Lyon,
Wien, München, Berlin, Paris, bildet den Inhalt eines eigenen Ab-
schnitts. Das zweite Kapitel ist den Temperaturverhält-
nissen des Bodens gewidmet. Der Einfluß der Sonnenwärme
auf die verschiedenen Erdschichten, die Wärmeschwankungen im
Boden gleichfalls mit Berücksichtigung verschiedener Schichten bildet
den Gegenstand ausführlicher Darstellungen, aus denen sich u. a. er-
giebt, daß die Temperatur in einer Tiefe von 4 m und mehr Bak-
terienarten von bescheidenen Wärmeansprüchen das ganze Jahr ein
mäßiges W'achstum gestattet, ein solches hingegen anderen Arten,
welche höhere Temperaturen beanspruchen, wie z. B. den Anthrax-
bacillen, unmöglich macht. Der Besprechung der Wirkung der
Allgemeines über Infektionskrankheiten.
955
Sonnenwärme schließt sich die Schilderung des Einflusses der inneren
Erdwärme und der wärmeerzeugenden physiologisch-chemischen Pro-
zesse im Boden an. Das dritte Kapitel handelt von Bodenfeuch-
tigkeit und Grundwasser, als deren wesentlichste Ursache
die atmosphärischen Niederschläge bezeichnet werden. Von den Eigen-
schaften des Bodens, welche auf das Maß und die Dauer seiner
Durchfeuchtung von Einfluß sind, werden Durchlässigkeit, wasser-
bindende Kraft, Wasserfassungsvermögen, Kapillarität, Absorptions-
und Kondensationsvermögen für Wasserdampf nacheinander eingehend
gewürdigt. Die Austrocknung des Bodens durch Verdunstung schließt
sich an. Das Grundwasser wird unter Benutzung eines Citats aus
v. Pettenkofer’s Hauptbericht über die Choleraepidemieen des
Jahres 1854 definiert. Sein Ursprung wird im Regen wasser und im
versickerten Oberflächen wasser gefunden ; daneben wird auch die Er-
gänzung des Grundwassers in tiefer gelegenen Becken und Mulden
durch Abfluß von höheren, abwärts geneigten Gebieten (Drainage-
wasser) erwähnt. Weitere Abschnitte beschäftigen sich mit den ver-
schiedenen Eigenschaften des oberflächlichen und tiefen Grundwassers,
dem Wasserreichtum, den Bewegungen (Strömungen, Schwankungen)
des Grundwassers, den Ursachen und den zeitlichen Verhältnissen
dieser Schwankungen. Zahlreiche skizzierte Abbildungen erleichtern
hier in willkommener Weise das Verständnis des Textes. Die letzten
Abschnitte des Kapitels handeln von der Befeuchtung des Bodens
durch Ueberschwemmungen, Quellen und Gewerbebetriebe, sowie von
den örtlichen und zeitlichen Schwankungen der Bodenfeuchtigkeit.
Verf. gelangt dabei zu dem Ergebnisse, daß die Schwankungen des
Grundwassers nur in den Fällen, wo der Spiegel desselben durch
die örtlichen Regengüsse thatsächlich beeinflußt wird, als Ausdruck
der Veränderungen in der Feuchtigkeit der darüber gelegenen Boden-
schichten ausgesprochen werden können, daß aber auch in solchen
Fällen zur Zeit der Sommer- und Herbstregen, welche bei der
vorausgegangenen Austrocknung des Bodens oft gar nicht bis zum
Grundwasserspiegel Vordringen , auch bei verhältnismäßig tiefem
Grundwasserstande eine große Feuchtigkeit in den oberen Boden-
schichten vorhanden sein kann.
Das vierte Kapitel trägt die Ueberschrift „die Grundluft“.
In seinen einzelnen Abschnitten wird der Luftgehalt des Bodens, die
Permeabilität des Bodens für Luft, die Zusammensetzung der Grund-
luft mit ihren zeitlichen und örtlichen Schwankungen und schließlich
die Bewegung derselben besprochen. Das fünfte, gleichfalls in eine
Anzahl von Unterabschnitten geteilte Kapitel handelt von den orga-
nischen Substanzen, das sechste von den Bakterien im
Boden. Hier ist ein Abschnitt der Rolle der Bakterien, ein
weiterer deren Lebensprozesse im Boden gewidmet. Alsdann werden
die pathogenen Bakterien, welche im Boden Vorkommen oder ver-
mutet werden können, besprochen. Erwiesen ist nur das Vorhanden-
sein der Bacillen des Milzbrands, des malignen Oedems und des
Tetanus im Boden. Typhusbacillen können sich dort nach den Er-
gebnissen von Versuchen längere Zeit lebensfähig halten. Wenn ihnen
im Boden eine Rolle zukommt, so werden sie diese in den oberfläch-
956
Allgemeines über Infektionskrankheiten.
liehen Schichten, deren Sauerstoffmangel, Feuchtigkeitsgrad und
Wärme ihnen günstig sein kann, am meisten zur Geltung bringen
können. Cholerabacillen kommen unterhalb der Bodenoberfläche nicht
wohl fort, dagegen ist ihre Vermehrung auf derselben nicht ausge-
schlossen. Bei Besprechung der Wege für eine Auswanderung der
Bakterien aus dem Boden stellt der Verf. die Möglichkeit der Be-
förderung mit der aufsteigenden Grundluft nicht in Abrede. Als
wichtig wird das Aufgraben und das Aufwühlen des Bodens be-
zeichnet. Hinsichtlich des Verhältnisses der Bodenbakterien zum
Grundwasser und der Frage des Eindringens derselben in mensch-
liche Wohnungen wird ein abschließendes Urteil zurückgehalten. In
ähnlich vorsichtiger Weise bespricht der Verf. die Möglichkeiten des
Vorkommens anderweitiger Infektionsstoffe (Ptomaine, flüssige toxische
Substanzen, andere niedere Organismen) im Boden.
Die Einwirkung der Bodenverhältnisse auf die
öffentliche Gesundheit bildet den Inhalt des siebenten Ka-
pitels. Im ersten Teil desselben, welcher die Beziehungen des Bodens
zu epidemischen und endemischen Krankheiten umfaßt, werden zu-
nächst im allgemeinen die Begriffe der örtlichen und zeitlichen Dis-
position, der kontagiösen und miasmatischen Krankheiten u. a. er-
läutert. Alsdann folgt eine ausführliche Besprechung der Beziehungen
zwischen Boden und Malariafieber. „Man ist berechtigt“, so sagt
der Verf. am Schlüsse dieses Abschnitts, „zu konstatieren, daß die
Malariafieber Krankheiten sind, deren Infektionserreger nicht durch
den Menschen erzeugt und verbreitet werden, sondern an gewissen
Orten und zu bestimmten Zeiten außerhalb des menschlichen Körpers,
namentlich vorwiegend, wenn nicht ausschließlich im Boden ent-
stehen.“ Indessen bedarf es, „um das Verhältnis von Boden und
Malaria zueinander in Zukunft gründlicher zu studieren und begreifen
zu können, weiterer genauerer und eingehenderer Bodenunter-
suchungen.“ Weniger bestimmt äußert sich der Verf. im nächstfol-
genden Abschnitt über die Beziehungen zwischen Gelbfieber und
Boden. Er stellt fest, daß das Gelbfieber eine verschleppbare mias-
matische Krankheit ist, hält aber vor Bekanntwerden des Miasmas
ein direktes Studium des Zusammenhangs der von demselben erzeugten
Krankheit mit dem Boden nicht für thunlich.
Mit großer Sorgfalt hat der Verf. die Frage erwogen, ob die
Cholera zu den Bodenkrankheiten zu zählen ist. In dem mehr als
20 Seiten umfassenden Abschnitt wird die örtliche Verbreitung dieser
Seuche geschildert, demnächst festzustellen gesucht, welche Boden-
verhältnisse ihr günstig sind, der zeitlichen Schwankungen der Cho-
leramorbidität gedacht und der Möglichkeit einer Beeinflussung der
individuellen Disposition zur Erkrankung durch den Boden Erwäh-
nung gethan. Der Verf. ist sichtlich bemüht, v. Pettenkofer
in seinen Beobachtungen und Folgerungen nachzugehen; seine Dar-
stellung verrät eine gründliche Kenntnis der Schriften jenes Alt-
meisters der Hygiene und dennoch vermag er ihm nicht zuzustimmen.
Er erachtet eine Beteiligung des Bodens an der Verbreitung der
Cholera für wesentlich insoweit Verunreinigungen auf dessen Ober-
fläche zur Verschleppung und im Zusammenwirken mit Feuchtigkeit
Tuberkulose.
957
auch zum Gedeihen der Keime beitragen können, keineswegs aber
für ausschlaggebend und noch weniger für ausschließlich und
spezifisch.
In entsprechender Weise äußert sich v. Fodor hinsichtlich des
Zusammenhangs zwischen Typhus und Boden. Er bestreitet hier
die von Pettenkofer behauptete Regelmäßigkeit des umgekehrten
Verhaltens zwischen Typhusmorbidität und Grundwasserschwankungen
auf Grund von in Budapest angestellten Beobachtungen und glaubt,
daß der Boden wohl einen Anteil an der Förderung des Typhus be-
sitzen mag, daß indessen andere Einflüsse (Wasserleitung, Reinlichkeit
in Wohnungen, Abtritten, Sielen, auf dem Boden) bei der Verbreitung
der Krankheit eine wichtigere Rolle spielen.
In 3 weiteren Abschnitten werden die Beziehungen besprochen,
welche zwischen Durchfall (Sommerdiarrhoe, Cholera infantum),
bezw. Diphth erie, bezw. Tuberkulose und dem Boden gefunden
worden sind.
Das achte Kapitel handelt von der Verseuchung und Assa-
nierung des Bodens. Seine Einzelabschnitte schildern 1) die
Insalubrität des Bodens infolge von Wasser und Feuchtigkeit; 2)
die Assanierung des feuchten Bodens (Gräben, Drainage, Schwind-
brunnen, Bewirtschaftung u. s. w.); 3) die Assanierung dps durch
Abfallstoffe verunreinigten Bodens (Ausgraben mit Abfuhr, Desinfek-
tion, Ventilation); 4) die Erfolge der Bodenreinigungsmaßnahmen,
die Asepsie des Bodens.
Im neunten Kapitel endlich sind die Methoden der hygie-
nischen Bodenuntersuchung besprochen.
K übler (Berlin).
Bruice, P. J. de, Ueber einen Fall von akuter Miliar-
tuberkulose mit dem ausgeprägten Bilde des Ab-
dominaltyphus. (Berliner klin. Wochenschrift. 1894. No. 13.)
Ein 18-jähriges Mädchen erkrankte plötzlich mit Fieber, Milz-
schwellung, Roseolen und dünnflüssigem Stuhl, so daß die Diagnose
auf Abdominaltyphus gestellt wurde. Die Fieberkurve entsprach ganz
der des Typhus. Erst nachdem das Fieber abfiel, traten Zahnfleisch-
blutungen und Ekchymosen auf. Husten und Auswurf fehlten. Die
Augenspiegeluntersuchung ergab Choriodealtuberkel. Bald darauf
entstand in der Leistenbeuge ein Absceß und trat nun auch Auswurf
auf. Sowohl im Absceßeiter wie im Sputum konnten nun bakterio-
logisch Tuberkelbacillen nachgewiesen werden. Der Fall endete letal.
Die Obduktion wurde nicht gestattet, so daß es immerhin in dubio
bleiben mußte, ob nicht wirklich Typhus abdominalis vorherging und
sich daran eine Miliartuberkulose anschloß. O. Voges (Danzig).
Bahes, V., Sur les associations bact^riennes des bacilles
de la tuberculose avec des microbes h^morrhagiques.
(La Roumanie m6dicale. Fre Ann6e. 1893. No. 7 p. 193.)
Im Anschluß an seine Mitteilungen auf den Tuberkulosekongressen
von 1889 und 1893 über gewisse hämorrhagische Formen der Tuber-
kulose, welche er auf bakterielle Associationen zurückführt und
958
Tuberkulose.
von hämorrhagischen Zufällen, welche allein durch die destruktive
Thätigkeit der Tuberkelbacillen selbst verursacht werden, scharf ge-
trennt wissen will, veröffentlicht Babes drei weitere in dies Gebiet
einschlägige Fälle.
Bei der hämorrhagischen Form der Tuberkulose müsse man
streng auseinander halten 1) Hämorrhagieen als mechanische Effekte
der Tuberkulose an sich, wie z. B. in Kavernen, wo es sich um
Arrosion und Dilatation von Arterien handelt, welche sich in tuber-
kulösen Herden finden, oder um Hämorrhagieen infolge mehr oder
weniger entfernter mechanischer Störungen oder Reizungen, 2) Hä-
morrhagieen, welche als Ausgangspunkt einen tuberkulösen in putridem
Zerfall begriffenen Herd haben und welche jeden neuen tuber-
kulösen Herd begleiten, mit dem die Hämorrhagieen mehr oder
weniger verknüpft sind. 3) Fälle, in denen eine mehr diffuse
Zerstörung vorzüglich der Schleimhäute durch eine Tuberkeleruption,
als Eingangspforte einer „hämorrhagischen Infektion“ dient, welche
oft zum Tode durch eine hämorrhagische Infektion mit Purpura
führt.
Von den mitgeteilten 3 Fällen betrifft der erste einen 65-jährigen
Mann, bei dem die klinische Diagnose auf Purpura haemorrhagica
gestellt wurde. Die pathologisch-anatomische Diagnose lautete:
Peribronchitis tuberculosa subacuta mit kleinen Kavernen; eitrige
Einschmelzung des konfluierenden Tuberkel, Atelektasen mit De-
squamativpneumonie der Unterlappen beider Lungen. Entzündliches
Oedem des Mediastinum. Follikulärtuberkel mit beginnender Ulceration
im Darm. Beginnende Tuberkelbildung in den Follikeln des Dünn-
darms. Nephritis parenchymatosa subacuta. Pleuritis serofibrinosa
haemorrhagica sinistra. Hämorrhagieen in den Lungen Purpura.
Bei der bakteriologischen Analyse des Falles fand sich überall in
den Organen ein ziemlich großer Streptococcus, welcher sich schwierig
in der Tiefe der Gelatine entwickelte und bei subkutaner Impfung
ein Kaninchen in 4 Tagen unter den Erscheinungen der Allgemein-
infektion tötete. Babes spricht denselben als Erreger der hämor-
rhagischen Allgemeininfektion an. Er weist darauf hin, daß derselbe
in Reinkultur fast in allen affizierten Organen vorhanden war, nament-
lich auch in den Bronchen, welche er als den wahrscheinlichen
Ausgangspunkt für die septische und hämorrhagische Sekundär-
infektion ansieht. In den Lungenabscessen fand sich übrigens außerdem
noch ein mehr an den Pneumococcus erinnernder Mikrobion.
Im zweiten Falle, welcher ein Mädchen von 10 Jahren betraf,
ergab die Autopsie: Tuberculosis caseosa chronica mit eitriger Ein-
schmelzung der bronchialen und mediastinalen Lymphdrüsen. Tu-
berculosis miliaris und submiliaris von Lungen, Leber, Milz und
Venen; lobuläre Desquamativpneumonie des linken Unterlappens.
Hämorrhagische tuberkulöse Induration und Infiltration der rechten
Lunge mit Bronchitis purulenta. Purpura haemorrhagica. Hämor-
rhagieen in den Meningen; Meningo encephalitis incipiens auf der
Unterseite des Lobus centralis und der hinteren Partieen der Stirn-
windungen. Aus den vereiterten Mediastinaldrüsen und aus den
Meningealhämorrhagieen wurden 2 verschiedene Bacillenarten isoliert,
Tuberkulose.
959
während Kulturen aus allen übrigen Organteilen steril blieben.
Babes nimmt an, daß sich bei diesem Fall im Anschluß an die
tuberkulöse Zerstörung der mediastinalen Lymphdrüsen, welche
wahrscheinlich in Beziehung steht zu überstandenen Morbillen, eine
wahre Purpura mit Hämorrhagieen in den Meningen unter der Form
einer Meningo-encephalitis haemorrhagica entwickelte. Den gefundenen
Bacillenarten legt er selbst, namentlich wegen Fehlens von Tierversuchen
und da in den meisten Organen keine Bakterien gefunden wurden
keine große Wichtigkeit bei. Sie standen wahrscheinlich in Beziehung
zu den akuteren Eiterungsprozessen der Regionen, in denen sie gefunden
wurden. Die Hämorrhagieen seien anzusehen entweder als Effekt
löslicher Substanzen oder chemischer Produkte der Tuberkelbacillen
oder anderer an irgend einer Stelle des Organismus lokalisierter
Mikrobien oder vielleicht als Effekt der Läsionen des Centralnerven-
systems.
Bei der dritten Beobachtung, bei welcher die klinische Diagnose
auf Lungentuberkulose lautete, fand sich bei der Sektion Tuberculosis
granulosa der Lymphdrüsen des Halses, des Mediastinum und des
Mesenterium; hämorrhagische, verkäsende Tuberkulose der centralen
Partieen der Lunge und gangränöse Kaverne der rechten Lungen-
spitze; Gangrän der rechten Tonsille, der Bronchien, der Trachea
des Larynx und Pharynx mit einigen oberflächlichen Ulcerationen.
Tuberkulöse zum Teil hämorrhagische und gangränöse Ulcera des
Darms mit Perforation und Verlöthung der Darmschlingen ; beginnende
Peritonitis universalis; einige kleine Tuberkel in den Nieren. Dis-
seminierte Hämorrhagieen auf der Oberfläche des Peritoneum und
in den Mesenterialdrüsen. Nach dem Ausfall der nicht ganz klar
gegebenen bakteriologischen Analyse faßt Babes den Fall auf
als Repräsentanten einer großen Gruppe von Fällen, bei denen die
Tuberkulose hämorrhagisch wird durch das Zwischenglied einer
Gangrän. Er hält es für wahrscheinlich, daß sich die Mikrobien,
welche diese Gangrän bedingten im Innern einer Kaverne entwickelten
und dann die schon von Tuberkulose infizierte Schleimhaut und Lymph-
drüsen des Respirationstrakts durchsetzten. (Als Eingangspforte wäre
vielleicht, wie auch Babes weiterhin ausführt, die rechte Tonsille
zu betrachten. Ref.) Er sieht es für unzweifelhaft an , daß die
hämorrhagische Infektion dieselben Wege gegangen ist. Es fanden
sich in den gangränösen Ulcerationen Bacillen, welche Diphtherie-
bacillen ähnelten und andere Bacillen, welche an Typhusbacillen er-
innerten, ferner eine besondere Art feiner Bacillen und endlich
Strepto- und Staphylokokken. Die Wirksamkeit dieser Mikrobien
stellt Babes sich folgendermaßen vor: Die Diphtheriebacillen ähn-
lichen Bacillen, welche auch bei Tieren Pseudomembranen erzeugen,
hatten wahrscheinlich beim Menchen die gleiche Wirkung, indem sie
gleichzeitig gewisse besondere Toxine bildeten. Der saprogene typhus-
bacillenähnliche B aci 1 lus wäre das saprogene Element der Gangrän
und die wahrscheinliche Ursache der Hämorrhagie, weil er in allen
hämorrhagischen Partieen nachweisbar war. Die anderen gefundenen
Mikrobien, Streptokokken oder Staphylokokken allein für sich oder
associiert können eine Art Pseudotuberkulose bei der Maus hervor-
960
Tuberkulose.
rufen. Der Tuberkelbacillus wurde neben den genannten Mikro-
bien nachgewiesen. Babes macht noch besonders auf den Befund
des erwähnten Pseudodiphtheriebacillus aufmerksam, welcher
selten bei gangränösen Komplikationen der Tuberkulose fehle. Be-
merkenswert sei in diesem Falle noch die Pathogenität dieses Pseudo-
diphtheriebacillus und die begrenzte Ausbreitung der Eiter-
und Septikämiemikrobien. Man müßte annehmen, daß für gewöhnlich
wenig virulente Mikrobien in den putriden Produkten der Tonsillen-
krypten pathogene Eigenschaften erlangt und dadurch eine aus-
gebreitete Gangrän und verbreitete Hämorrhagieen zu erzeugen im-
stande waren, während die gemeinen Eiter- und Septikämiebakterien,
welche in ihrem Gefolge in den Organismus eindrangen, nur eine
sekundäre und begrenzte Rolle spielten.
Czaplewski (Königsberg i. Pr.).
Adenot, De l’origine osseuse de certaines ulc6rations
tub er culeuses en apparence excl usivem ent cu-
tan^es. (Fr^quence et obscurit6 de cette origine
dans les affections lupoides des extr6mit6s des
membres.) (Revue de Chirurgie. XIII. 1893. No. 10.)
Verf. macht auf eine bisher kaum beobachtete Art von Haut-
tuberkulose aufmerksam, deren Entstehung von einem Knochenherde
herrührt und die nichts gemein hat mit den anderen Formen der
Tuberkulose, wie sie als Lupus oder fortgeleitet auf die Haut von
anderen Organen vorkoramt.
Diese Art von Hauttuberkulose hat meist eine höckerige, pa-
pillomatöse, weiche, mehr oder weniger elastische, leicht blutende,
rötliche Oberfläche; die Affektion hat Aehnlichkeit mit gewissen Epi-
theliomen und sarkomatösen Wucherungen der Haut, so daß bei Ver-
kennung des tuberkulösen Knochenursprunges leicht ein maligner
Hauttumor angenommen wird. Klinisch sind zwei Formen dieser T.
zu unterscheiden :
1) Lupoide Ulcerationen in direkter Verbindung mit dem dar-
unter liegenden Knochenherde — die zahlreicheren Fälle, welche so
lange recidivieren , bis der oft schwer zu entdeckende Knochenherd
gefunden ist.
2) Lupoide Ulcerationen ohne direkte Verbindung mit dem
Knochenherde — eine geringere Zahl von Fällen, welche klinisch
deshalb weniger Interesse beanspruchen, als hier der Knochenherd
spontan ausgeheilt ist.
Diese Art tuberkulöser Geschwüre befinden sich meist an den
Extremitäten, und zwar mit Vorliebe an Hand und Fuß.
Die Diagnose dieser Ulcerationen ist oft außerordentlich schwer,
da die Fistelgänge unregelmäßig, gewunden und unerwartet lang sein
können. Stets ist auch die Anamnese zu berücksichtigen, welche
auf den Sitz der Knochenherde hinweisen kann.
Heilung dieser Geschwüre läßt sich natürlich nur durch gleich-
zeitige Behandlung der primären Herde erzielen.
Kurt Müller (Halle).
Tuberkulose. — Malaria.
961
Frankenberger, A., Beitrag zur Kasuistik uud Aetiologie
der primären Genitaltuberkulose des Weibes. (Mün-
chener med. Wochenschr. 1893. No. 17.)
Verf. bereichert die Litteratur der primären Genitaltuberkulose
des Weibes durch einen Fall. Die betreffende 26-jährige Patientin
kam unter Erscheinungen, aus denen man nicht wußte, leidet sie au
schwerem Typhus, Miliartuberkulose oder urämischer Nephritis, ins
Spital zu Nürnberg. 7 Wochen vor der Aufnahme war sie zum
zweitenmal entbunden, Wochenbett normal; später gearbeitet; seit
drei Wochen wieder elend. Sie hatte bei der Aufnahme sehr konti-
nuierliches Fieber, starken eiweißreichen Urin. Der Uterus ist kaum
vergrößert, zu seinen beiden Seiten diffuse, auf Berührung sehr schmerz-
hafte Resistenzen; im Douglas ein wallnußgroßer, harter, schmerz-
hafter Tumor. 14 Tage später geht die Patientin, ohne daß intra
vitam eine genaue Diagnose gestellt werden konnte, unter völliger
Benommenheit zu Grunde. Auf den Lungen LHO war der Schall
etwas verkürzt, schwaches Vesikuläratmen, kein Geräusch. RVO in
der Fossa infraclavicularis etwas feines Rasseln. Das Resultat der
Sektion und mikroskopischen Untersuchung war: Miliartuberkulose
der Lungen, Milz und Nieren. Bei letzteren auch längere inter-
stitielle Entzündung. Der Uterus war durchsetzt mit zahlreichen
Tuberkeln, mit Riesenzellen und Bacillen. In der nächsten Umgebung
des Endometriums und statt desselben fanden sich körnige Detritus-
massen. Ebenso fanden sich an der Wand der Tube Spuren einer
Tuberkulose älteren Datums. Verf. kommt daher zu dem Schlüsse,
daß es sich um eine Miliartuberkulose handelt, die von einer schon
älteren tuberkulösen Erkrankung der Genitalien ihren Ausgang ge-
nommen. Die Lymphdrüsen sind nicht genauer untersucht worden.
Verf. behandelt dann weiter die Frage nach der Infektion. Da das
Peritoneum von tuberkulösen Veränderungen älteren Datums frei ist,
so kann die Infektion nicht von dort aus, sondern von außen her
direkt in den Geschlechtsapparat hineingelangt sein. Des weiteren
führt Verf. aus, daß die Möglichkeit einer Infektion durch Coitus
mit dem tuberkulösen Manne nicht von der Hand zu weisen ist.
Knüppel (Berlin).
Titoff, Ueber die Malariaparasiten der sog. halbmond-
förmigen Varietät. (Sammlung medizinischer Arbeiten der
Kaukasischen medizinischen Gesellschaft. 1893. No. 54.)
Ein beträchtlicher Teil der P.’schen Arbeit ist einer Polemik
gegen den Referenten gewidmet und bietet demnach kein wissen-
schaftliches Interesse. Der Autor, welcher seine Beobachtungen in
der Stadt Petrovsk (am Kaspischen Meere) angestellt hatte, gelangt
zu folgenden Schlußsätzen: 1) Die Halbmonde bilden keine besondere
Art von Malariaparasiten, 2) das Vorhandensein von zwei Ent-
wickelungscyklen bei den Parasiten der halbmondförmigen Varietät,
wie es von Canal is beschrieben wurde, ist zweifelhaft, 3) eine
Sporulation läßt sich für einige erwachsene Halbmonde bis auf
weiteres noch nicht in Abrede stellen, 4) geißeltragende Formen
existieren wahrscheinlich auch in den Blutgefäßen, 5) abgesehen von
962
Malaria. — Krebs.
großen geißeltragenden Körpern kommen im Blute auch kleinere vor
(bis 1li und 1/5 des Durchmessers eines roten Blutkörperchens).
Sacharoff (Tiflis).
Saeliaroff, Zur Biologie derMalariaparasiten. (Protokolle
der Kaukasischen medizinischen Gesellschaft. 1893/94. No. 7.)
, Ueber die Struktur des Kernes bei den halb-
mondförmigen Malariaparasiten des Menschen.
(Ibidem. No. 12.)
S. färbte das Blut von noch nicht befiederten Raben, welche in
Malariagegenden aus ihren Nestern herausgeholt waren, mit dem
Gemisch von Eosin und Methylenblau nach R o m an o w s k i und
erhielt hierbei eine deutliche Kernfärbuug der Plasmodien. Der
Kern erwies sich nun aus Fibrillen zusammengesetzt, die nicht selten
karyokinetische Figuren darboten. Die geißelführenden Körper
stellten bei dieser Färbung nichts anderes vor, als Parasiten, deren
Kern in einzelne aus dem Protoplasma heraustretende Chromatin-
fäden zerfallen ist. S. nimmt daher an, daß die Bildung der geißel-
führenden Körper auf einem durch den Einfluß der Abkühlung ge-
störten karyokinetischen Teilungsprozesse beruht.
Wurden nach derselben Methode Blutpräparate von malaria-
kranken Menschen, bei welchen reichlich Halbmonde zu finden waren,
gefärbt, so erhielt S. die nämlichen Resultate, als er den Kranken
das Blut mittelst Blutegel entnahm und erst x/4 Stunde nach der
Entnahme antrocknen ließ, was eben notwendig ist, damit der Bil-
dungsprozeß der geißelführenden Körper ausgelöst werde.
M. Rechtsamer (Tiflis).
Adamkiewicz , Zur Krebsparasitenfrage. (Deutsche med.
Wocbenschr. 1894. No. 18.)
Verf. wendet sich gegen die ihn betreffenden Ausführungen in
der vorstehend referierten Arbeit von Ribbert. Er nimmt hinsicht-
lich der Auffassung, daß die Krebszelle selbst ein Parasit sei, die
Priorität L. Pfeiffer gegenüber für sich in Anspruch, besteht dar-
auf, nachgewiesen zu haben, daß die Krebszellen abweichend von
Epithelzellen wandern, Sporen bilden, Gift produzieren und durch
Cancro'in getötet werden, und verwahrt sich dagegen, daß er in seinen
Versuchen mit Carcinomgewebe Sepsiserreger auf die Tiere über-
tragen habe. Er habe nur reines, kokkenfreies Krebsgewebe benutzt.
Die übrigen Ausführungen des Verf.’s bestehen im wesentlichen in
Bemerkungen persönlicher Art, welche teils gegen Ribbert, teils
gegen Geißler und Klopfstein gerichtet sind.
Kübler (Berlin).
Ribbert, Die neueren Untersuchungen über Krebspara-
siten. (Dtsch. med. Wochenschr. 1894. No. 15.)
Anknüpfend an eine frühere Veröffentlichung über die Frage der
parasitären Natur des Krebses1), unterzieht Verf. die seither er-
1) Vgl. Referat in dieser Zeitschrift. Bd. X. p. 287,
Krebs.
963
schienenen Arbeiten über den gleichen Gegenstand einer kritischen
Besprechung. Man hat, wie er ausführt, „in ermüdender Gleich-
förmigkeit immer wieder dieselben Dinge besprochen und abgebildet“
und nur durch das Bemühen , mittels anderer Färbungsmethoden
spezifische Eigenschaften der vermeintlichen Parasiten nachzuweisen,
etwas Abwechslung in die Forschung gebracht“. Verf. selbst rät in-
dessen bei der Untersuchung, mehr als es bisher geschehen, das
frische Material zu verwenden; der in Wasser verteilte frische Zell-
brei an der Schnittfläche eines Carcinoms liefere gute Bilder, auch
'/ 2 — 1 Proz. Osmiumsäure können bei der Präparation frischen Ma-
terials mit Vorteil verwendet werden, ferner sei das Einlegen in
Glycerin, welches weniger aufhellt und daher vieles deutlicher her-
vortreten läßt, ratsam.
In ihrer Form zeigen die angeblichen Parasiten wirklichen Coc-
cidien , wie z. B. den in der Kaninchenleber vorkommenden von
R. Pfeiffer genau untersuchten Mikroorganismen gegenüber ein
recht abweichendes Verhalten. Die Kaninchencoccidien bilden, wenn
sie sich zum Zwecke der Vermehrung in einer doppeltkonturierten
Membran eingekapselt haben, regelmäßig gleich zahlreiche, nämlich
4 ovale Körper ; in diesen Psorospermien entstehen stets gleichmäßig
geformte, sichelförmige Gebilde, aus denen nach dem Freiwerden
wieder Coccidien heranwachsen. An den Krebseinschlüssen ist ein
ähnlich regelmäßiger Entwickelungsgang nicht nachgewiesen worden,
und es ist besonders auffallend , daß die Angaben der einzelnen
Forscher unter einander sehr verschieden sind.
Korotneff hat in schematischen Abbildungen Körper darge-
stellt, welche, zwischen den Epithelzellen liegend, sich von
diesen durch intensivere Kernfärbung, dunkleres Protoplasma und zum
Teil auch durch amöboide Fortsätze unterscheiden. Mit Steinhaus
sieht der Verf. solche Elemente lediglich als degenerierte Epithel-
zellen an, wie sie besonders in Hautcarcinomeu reichlich angetroffen
werden.
Von vielen Untersuchern, nämlich außer dem bereits erwähnten, Ko-
rotneff, von Wickham, Borrel, Ruffer und Plimmer, Ruffer
und Walker, Cattle und Miller sind innerhalb der Epi-
thelzellen gelegene, meist von dem Zellprotoplasma durch einen
Zwischenraum getrennte, also in Vakuolen eingeschlossene Gebilde be-
schrieben worden. An den Vakuolen wurde einige Male eine Be-
grenzung durch doppelt konturierte Membranen wahrgenommen, die
intravakuolären Körper aber sahen höchst verschieden aus, bald er-
schienen sie als homogene, glänzende Kugeln, bald als punktförmige
Körper, bald als rundliche, protoplasmatische, körnige, oft unregel-
mäßig zackig begrenzte, peripher gleichsam aufgelöste Massen, bald
als „froschlarvenähnliche Körper“ (Sawtschenko). Der Verf. be-
greift, daß jenen Gebilden bei ihrem auf den ersten Blick fremdartigen
Aussehen von so vielen Beobachtern die Bedeutung von Parasiten
beigelegt wurde, er hat indessen in jedem Carcinom zwischen den
solche Körper enthaltenden Zellen und den wohl erhaltenen Epithel-
zellen so mannigfache Uebergänge gefunden, daß er in jenen nur
die durch Degenerationsvorgänge, sei es am Protoplasma, sei es am
964
Rotz.
Kern bedingten Formen anerkennen kann. In dieser Auffassung be-
irrt ihn auch das Verhalten der Zelleinschlüsse bei der Färbung und
die Vakuoleubildung nicht. Degenerierende Zellen und Kerne färben
sich naturgemäß anders als frische Zellen ; die Vakuolen sind 'oft
färbbar (F o ä), also nur durch homogene Substanz vorgetäuscht, und
bilden sich andererseits um die verschiedensten in das Protoplasma
eingelagerten Körper, z. B. in Riesenzellen um eingedrungene Leuko-
cyten. Die letzteren wandern, wie der Verf. und Claessen nach-
gewiesen haben, thatsächlich in den Zellleib ein, quellen vakuolär auf
und täuschen dadurch Parasitismus vor. Verwechslungen werden
ferner leicht durch die zum Teil klumpig angehäuften Chromatin-
körner entarteter Kerne oder größere, vom Hauptkern abgesprengte
Bruchstücke desselben erzeugt.
Vielfach hat man in einer gemeinsamen Zelle eine
größere Anzahl von Einschlüssen gefunden und dann von
Teilungsvorgängen im Parasiten (Ruffer, Plimmer, Sawtschenko)
oder von Sporocysten (N e p v e u) gesprochen. Der letzteren Auf-
fassung steht aber vor allem die oft höchst verschiedene Größe und
Gestalt der in der gleichen Zelle befindlichen Gebilde entgegen. Die
veröffentlichten Darstellungen oder Abbildungen stellen ferner nur die
auffälligsten Formen dar, die weniger klaren Bilder werden nicht
immer wiedergegeben. Verf. glaubt daher, daß solche multiplen Zell-
einschlüsse entweder durch gleichzeitiges Auftreten vieler Degene-
rationsvorgänge in einer Zelle entstehen oder der Ausdruck multipler
vakuolärer Protoplasmaquellungen sind oder auch Kernentartungen
ihre Entwickelung verdanken.
Die von Podwyssozki und Sawtschenko1) beschrie-
benen, als Sporozoen bezeichneten Körperchen haben stets verschie-
dene Größe; die in ihrem Innern befindlichen sichelförmigen „Em-
bryonen“ decken sich weder nach Form noch nach Größe und Zahl.
Mit Cornil hält sie der Verf. für nichts anderes als modifizierte
Kerne in Gruppen angeordneter Leukocyten.
Wenn man versucht hat, die verschiedenen vermeintlich parasitären
Formen zu einer Entwickelungsreihe zusammenzustelleu , so
muß solches Beginnen als rein willkürlich bezeichnet werden, da der
Entwickelungsvorgang selbst niemals verfolgt worden ist. Auch der
von Korotneff dargestellte Rhopalocephalus, welcher bald als
Amöbe, bald als Coccidie auftreten soll, ist „zweifellos nichts anderes,
als eine homogene degenerierte Epithelzelle“.
Hinsichtlich der den fraglichen Gebilden zugescbriebenen ätio-
logischen Bedeutung muß es auffallend erscheinen, daß „wir Aehn-
liches als Parasitenwirkung nicht kennen und bei den Coccidieu-
wucherungen in der Kaninchenleber gerade im Gegenteil keinen Krebs
entstehen sehen“. Auch hat man gar nicht einmal darüber nach-
gedacht, warum die Krebsmetastasen im Gegensätze zu anderen
infektiösen Metastasen nicht aus dem Organgewebe, sondern aus
Wucherungen verschleppter Epithelzellen sich bilden. Endlich hat
der Verf. auch in zweifellos nicht carcinomatösen Epithelwucherungen
1) Diese Zeitschrift Bd. XI. p. 493, 532, 559.
Madurakrankheit.
965
viele der erwähnten Gebilde, in einer Hautelephantiasis, z. B. einen
wohl ausgebildeten Rhopalocephalus gefunden.
Von L. Pfeiffer1) und von Adamkiewicz ist in der Krebs-
zelle selbst der Parasit erblickt worden. Letzterer habe diese Hypo-
these durch den vermeintlich erbrachten Nachweis einer Giftbildung
in Carcinomen zu begründen geglaubt, sie histologisch aber nicht
gestützt. Die Giftwirkung sei aber nach Geißler und Klopf-
st ein nur durch die nach Uebertraguug von Carcinomgewebe bei
den Tieren entstandene Sepsis vorgetäuscht worden.
Verf. gelangt zu dem Schlüsse, daß den bisher als Krebsparasiten
beschriebenen Gebilden „alles Typische fehlt, und daß sie sehr wohl
aus Zell- und Kerndegenerationen erklärt werden können , hält es
jedoch andererseits auch noch nicht für feststehend, dass „bei der
Entstehung des Krebses Parasiten überhaupt keine Rolle spielen“.
Anhangsweise werden noch zwei neu erschienene Arbeiten von
Jackson Clarke, welcher „Sporozoeu in Carcinomen und Sar-
komen als Ursache dieser Geschwülste nachgewiesen zu haben glaubt,
und von Keser erwähnt, welcher diese Gebilde für Degenerations-
produkte epithelialer Zellen erklärt und dabei die Zustimmung des
Verf.’s findet. K übler (Berlin).
Vincent, Etüde sur le parasite du „pied de Ma dura“.
(Annales de 1’ Institut Pasteur. 1894. No. 3.)
Unter „pied de Madura“ versteht man eine Erkrankung, welche
mit schmerzloser, diffuser Schwellung der Haut au den Füßen be-
ginnt, und welche ausnahmslos auf der Sohle oder dem Rücken des
Fußes Platz greift. Nach einiger Zeit treten an diesen erkrankten
Stellen kleine abgegrenzte Geschwülste auf, welche die Größe einer
Haselnuß erreichen, die zuerst hart sind, sich später aber erweichen
und, in diesem Zustande beharrend, die schmerzhafte Form der Affektion
darstellen, in anderen Fällen aber spontan aufbrechen und einen
Eiter produzieren , welcher kleine graue, gelbliche oder schwarze
Körnchen enthält. Der Fuß nimmt an Größe zu und bedeckt sich
mit Beulen, die sich nach und nach öffnen und zahlreiche eiternde
Fisteln entstehen lassen. Die Krankheit ist seit etwa 20 Jahren be-
kannt, kommt aber nicht nur in Indien (Madura, Dehli, Bombay,
Baratpur etc.) vor, vielmehr sind auch in Italien , in Algier und iu
Amerika Fälle derselben beschrieben. Die bakteriologische Unter-
suchung des vorliegenden, bei einem Marokkaner beobachteten Falles
ließ sowohl in den Geweben wie auch in den Körnchen des Eiters
denselben Mikroben erkennen. Die beschriebenen Körnchen im Eiter,
etwa von dem Umfange von Grießmehlkörnchen, erinnern an den Be-
fund bei Aktinomykose. Sie bestehen aus einem sehr dichten feinen
Mycel, welches sich mit Loeffler’scher Lösung oder Fuchsin färbt
und echte Verästelung zeigt. Dasselbe gehört demnach der Gattung
Streptothrix an und wird vom Verf. Streptothrix madurae
genannt. Die Aestchen sind schlank und etwa 1 bis 1,5 fx dick; sie
1) Diese Zeischrift. Bd. XIV. p. 118.
XV. Bd.
61
966
Madurakrankheit.
unterscheiden sich von Actinomyces durch das Fehlen der Keulen
und kolbigen Anschwellungen. Das Protoplasma des Mycels erscheint
manchmal unterbrochen, so daß im nach Gram gefärbten Präparate
ungefärbte Stellen auftreten können, welche das Vorhandensein von
Artbrosporen vortäuschen können. Das zur Herstellung von Kulturen
verwendete Material wurde mit den entsprechenden Kautelen ent-
nommen. In Bouillon zeigte sich nur sehr wenig Wachstum, dagegen
eignen sich Infuse, mit Heu oder Stroh hergestellt (nicht neutra-
lisiert, also von saurer Reaktion!), sehr gut als Nährboden. Das
Gleiche gilt für Fleischbrühe, in welcher Rüben oder Kartoffeln
(20 g auf 1 Liter Wasser) abgekocht wurden, nach vorhergegangener
Filtration und Sterilisierung. Das Temperaturoptimum liegt bei
37° C, über 40° C sistiert das Wachstum. In den Kulturen er-
scheinen vom 4. bis 5. Tage ab kleine graue Flöckchen von runder
oder platter . Form , die sich an den Wänden und am Boden des
Kolbens festsetzen und nach 20 — 30 Tagen den Umfang einer
kleinen Erbse angenommen haben. Manche der Flöckchen zeigen
eine braune Färbung im Centrum, andere, die der Oberfläche der
Nährflüssigkeit nahe liegen, färben sich nach 1 — 2 Monaten rosa oder
rot. Die Nährflüssigkeit wird niemals getrübt, da die meisten Flöck-
chen am Boden liegen und dort eine Decke , die nicht über
1/2 — 1 cm dick wird, bilden. Die Nährflüssigkeit, vorher sauer,
nimmt mit der Zeit alkalische Reaktion an und färbt sich schwach
blau. Auf ihrer Oberfläche tritt sehr häufig eine zarte, aus Sporen
bestehende Haut auf. In gewöhnlicher Gelatine zeigt die Strepto-
thrix madurae längs des Impfstiches und an der Oberfläche nur
schwaches Wachstum von weiß gefärbten Kolonieen. Als besten
festen Nährboden empfiehlt Verf. 100 ccm einer Abkochung von Heu
oder Kartoffel mit Zusatz von 9 g Gelatine, 4 g Glycerin und 4 g
Glykose. Derselbe wird in gewöhnlicher Weise neutralisiert und
sterilisiert. Nährgelatine wird durch die besprochene Streptothrix
nicht verflüssigt. Haben sich auf dem festen Nährboden sehr viele
Kolonieen entwickelt, so bleiben diese klein, während solche, wenn
in geringer Anzahl vorhanden, die Größe einer Erbse fast erreichen.
Sie haben dann Aehnlicbkeit mit einer Impfpustel, sind in der Mitte
eingedrückt, von weißer Farbe, während die Randpartieen rote Fär-
bung annehmen. Die Kolonieen sind von hornartiger Konsistenz und
haften sehr fest am Nährboden. Die Streptothrix madurae
wächst ziemlich gut in Milch, ohne diese gerinnen zu machen, jedoch
sie langsam peptonisierend. Auf Eiern und in Serum gedeiht der
Parasit nicht. Auf Kartoffeln sieht man vom 5. Tage ab (bei 37° C)
kleine ungefärbte oder weißliche Prominenzen, die sich nach etwa
einem Monate lebhaft rot färben. Dies tritt besonders lebhaft hervor,
wenn die Kartoffel stärker sauer reagiert, während bei manchen
Kartoffeln die Färbung ganz ausbleibt. Manche Kolonieen sind mit
einem feinen Staube überdeckt, der aus Sporen besteht. Die Strepto-
thrix madurae ist obligat aerob.
In den Tumoren, welche eitrigen Zerfall zeigten, wurden außer
dem beschriebenen Parasiten der Staphylococcus pyogenes
Madurakrankheit. — Tierische Parasiten.
967
albus und aureus gefunden. — Zum Studium der Verästelung
eignet sich am besten der hängende Tropfen. Gegen Eintrocknen
sind die Kulturen sehr widerstandsfähig, noch nach 21 Monaten
zeigten dieselben Entwickelungsfäbigkeit. Die Sporenbildung ge-
schieht wie bei den übrigen Arten von Streptothrix, am besten
da, wo das Mycel mit Luft in Berührung ist, sowohl in flüssigen
Nährböden, als auch auf der Kartoffel. Die Sporen sind ca. 1,5 /n
breit und ca. 2 /n lang; sie färben sich mit Anilinfarben und nach
der Methode von Gram sehr gut. Ihre Widerstandsfähigkeit gegen
Hitze ist nicht sehr groß, sie werden bei 85° C in 3 Minuten, bei
75° C in 5 Minuten abgetötet. Die nicht Sporen tragende Kultur
stirbt bei 60° C in 3—5 Minuten ab.
Für Tiere (Kaninchen, Meerschweinchen, Mäuse, Katzen) ist
die Streptothrix madurae nicht pathogen. — In Schnittprä-
paraten von den Knötchen erkennt man das erkrankte Gewebe bei
schwacher Vergrößerung daran, daß es die Farbe weniger stark an-
genommen hat nnd in dessen Mitte das Mycel, gut gefärbt, liegt.
Die Knötchen selbst lassen sich mit echten Tuberkeln vergleichen ;
Riesenzellen sind sehr selten. — Die Anschauung englischer Forscher,
daß es sich bei der Affektion um Aktinomykose handelt, wird von
Vincent durch unter genau denselben Bedingungen angelegte und
gehaltene Parallelkulturen widerlegt. Gerl ach (Wiesbaden).
Kanthack, Madura Disease (Mycetoma) and Actyno-
mycosis. (Journal of Pathology and Bacteriology. 1892. Oktober.)
Die Madurakrankheit befällt hauptsächlich Hände und Füße der
Patienten. Dieselben sind stark geschwollen, auf ihnen bemerkt man
zahlreiche Fistelöffnungen, aus' welchen entweder gelbe, Fischrogen
ähnliche, oder schwarze, schuppenartige Körnchen entleert werden.
Carter hat schon 1886 den Gedanken ausgesprochen, daß die Pilze,
welche er in den gelben und schwarzen Körnchen gefunden hatte,
Beziehungen zum Actinomyces hätten. Die Untersuchungen von
Kanthack bestätigen diese Ansicht. Die gelben Körner enthalten
sicher Actinomyceselemente, die schwarzen sind wahrscheinlich
dieselben Pilze, aber in einem Degenerationszustande. Gelegentlich
wurden Degenerationsformen in den gelben Körnern gefunden, welche
den schwarzen ähnelten, also wahrscheinlich den Uebergang anbahnten.
Abel (Greifswald).
r. Linstow, Helmiuthologische Studien. (Jen. Zeitschr. f.
Naturw. Bd. XXVIII. N. F. XXI. 1893. p. 328—352. Mit 2 Taf.)
Zuerst schildert der Verf. den Bau der sogenannten Tetra -
cotyle typ i ca, einer Larve von Holostomiden, und zwar in
mehreren Entwickelungsstadien; das jüngste, die „bewegliche Form“,
scheint uns ein sehr interessanter Fund zu sein, auch wenn
es nicht allgemeine Regel sein sollte, daß die Miracidien der Holo-
stomiden ihre ersten Entwickelungsphasen wie in diesem Falle als
Ektoparasiten durchmachen und erst als Tetracotyle in den
Zwischenträger eindringen, um schließlich in diesem sich einzukapseln.
61*
968
Tierische Parasiten.
Der Autor fand die bewegliche Form auf dem Körper vou Süßwasser-
hirudineen, niemals im Körper, ist aber der Meinung, daß alle auf
Hirudineen lebenden Exemplare dem Untergange geweiht seien. Mit
dieser Annahme kann ich mich nicht befreunden, denn in hiesigen
Nephelis findet man in manchen Jahren Dutzende von eiDgekapselten
Tetracotylen, deren Zugehörigkeit zu der Tetracotyle typica
freilich dahingestellt sein mag, wie ich denn überhaupt glauben muß,
daß unter diesem Namen spezifisch verschiedene Formen gehen. Jeden-
falls kommen Tetracotylen im Innern des Körpers von Nephelis vor,
wie dies schon Schomburg (Froriep’s Neue Notizen. XXX. No. 9.
1844. p. 136) wußte; es besteht kein Grund zu der Annahme, daß
dieselben, in geeignete Tiere eingeführt, nicht geschlechtsreif werden
sollten.
Von inneren Organen sah v. Lin stow in dem jüngsten Stadium
nur einen dunkleren Körper von Stimmgabelform, der an dem spitzen
Pole der Larve ausmündete : unmöglich wäre es nun nicht, daß dieser
Körper, wie der Autor annimmt, ein Exkretionsorgan ist — nach
Allem aber, was wir über so jugendliche Stadien von Trematoden
wissen, ist mir dies nicht wahrscheinlich, ich möchte hierin eher den
Darm der Larve sehen, diese dann also umgekehrt orientieren. Auch
mit der „Urniere“ der späteren Stadien verhält sich die Sache anders;
was der Autor mit „Urniere“ bezeichnet, ist ein großer, hinter dem
Bauchsaugnapf gelegener, zweilappiger Körper, den ich für die An-
lage des Haftapparates halte, während die Exkretionsblase erst hinter
diesem liegt, oft jedoch von demselben mehr oder weniger verdeckt
wird.
Des weiteren folgen Beschreibungen von neuen Arten oder Notizen
zu bereits bekannten: so wird Distornum endolobum der
Frösche encystiert auch in der Larve von Anabolia nervosa,
Ephemer» vulgata und Chloeon di pt er um gefunden, Di-
stomum echinatum encystiert in Bythinia ventricosa,
Physa fontinalis, Valvata macrostoma und Limnaeus
palustris; von neuen Arten werden beschrieben: Distornum
(Echinost.) pungens — Darm von Podicepsminor, Dist.
macrolaimus — Darm von Vesp e r ug o pipistrellus, Taenia
spinosissima — Darm von Turdus merula, Filaria
ochracea — Magen von Thymallus vulgaris, und Filaria
pulicis, eine Larve in Gammarus pulex. Beschrieben werden
ferner noch der bisher nur zweimal beobachtete Echinorhynchus
clavula Duj. aus Thymallus vulgaris und Spiropterus
crassicauda Crepl. zwischen den Magenhäuten von Colymbus
arcticus. M. Braun (Königsberg i. Pr.).
Untersueliungsmethodeu, Instrumente etc.
969
Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Ermengem, E. raii, Nouvelle m6thode de coloration des
cils des b acte ries. [Travaux du Laboratoire d’ Hygiene et
de Bact6riologie de 1’ Universit6 de Gand. Tome I. Fascicule 3.)
(CommuDication iaite ä la Sociötö de Mddecine de Gand, le 2. mai
1893.)
van Er men gern bestätigt, daß gewissenhafte Arbeiter mit der
Loeffl er’schen Geißelfärbungsmethode sehr zufriedenstellende Re-
sultate erhalten ; er hebt demgegenüber aber hervor, daß es oft vielen
Probierens bedarf, namentlich wenn mau die Geißeln von Mikro-
organismen färben will, von denen man den Aciditätsgrad der Beize,
welchen sie zu einer guten Färbung verlangen, nicht kennt. Eine
sichere, dabei leicht ausführbare und schnelle Geißelfärbungsmethode,
die zudem für die Mehrzahl aller Bakterienarten ohne weiteres an-
wendbar wäre, sei also noch ein Desiderat der bakteriologischen
Technik. Er beschreibt nun im Folgenden eine neue, im wesentlichen
auf photographischen Prinzipien beruhende, ziemlich einfache Geißel-
färbungsmethode, welche im wesentlichen allen diesen Forderungen
entspricht.
Hauptbedingung sind reine Deckgläschen, da die geringsten Spuren
fettiger Substanzen oder organische Verunreinigungen Schleierbildungen
verursachen und das Präparat verderben. Er kocht die Deckgläschen
zur Reinigung in einer Mischung von Kali bichromic. und Acid. sul-
furic. conc. ää 60,0 g, Wasser 1000,0 g, spült mehrere Male mit
Wasser, dann mit Alcohol absol. und läßt sie, ohne abzuwischen, in
aufrechter Stellung unter einer Glocke trocknen. Zweitens verwendet
er junge (10 — 18-stündige) Agarkulturen und verdünnt die Suspension
sehr stark, um isolierte Bakterien und wenig Niederschläge
zu erhalten.
Das lufttrockene Präparat wird dreimal zwischen den Fingern
durch die Flamme gezogen. Als „Bain fixateur“ dient ihm eine dunkel-
schwarz-blaue Beize von Acid. osmic. (2-proz. Lösung) 1 Teil, Tannin,
(10 — 25-proz. Lösung1) 2 Theile. Ein Tropfen dieser Mischung wird
auf das Präparat gebracht und muß darauf in der Kälte eine halbe
Stunde, bei 50 — 60° 5 Minuten lang wirken. Die so behandelten
Deckgläschen werden sehr sorgfältig mit Wasser und Alkohol ge-
spült, dann einige Sekunden in ein „Bain sensibilisateur“, eine 0,5 —
0,25-prozentige Silbernitratlösung, getaucht. Darauf kommt das Prä-
parat ohne Abspülen in das „Bain r6ducteur et renforqateur“ aus
Acid. gallic. 5,0 g; Tannin 3,0 g; Kal. acet. fus. 10,0 g; Aqu. dest.
350,0 g. Nach einigen Augenblicken bringt man die Präparate unter
fortwährendem Bewegen des Bades in die schwache 0,5— 0, 25-proz.
Siiberlösung zurück, bis sich dieses Silberbad zu schwärzen beginnt.
Abspülen in viel Wasser, Abtrocknen zwischen Fließpapier und Mon-
tieren in Balsam.
1) Diese Tanninlösung kann 4 — 5 Tropfen Eisessig pro 100 ccm erhalten.
970 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Die Bakterien erscheinen, nach der oben beschriebenen Methode
behandelt, dunkelbraun, die Geißeln dunkelschwarz, wohlerhalten und
scharf. In wohlgelungenen Präparaten zeigt die Mehrzahl der Indi-
viduen die Geißeln, frei von Niederschlägen und Schleierbildung. Die
Färbung kann durch ein Goldbad oder Verstärkungen mit Queck-
silber, Uran etc. beliebig modifiziert werden.
Mit dieser einzigen Methode, ohne irgend welche Säure- etc.
Zusätze, gelang ohne weiteres die Färbung von B. typhi, B. coli
c o m m u n e (10 Varietäten), B. fluor. liquefac., B. der blauen
Milch, Proteus mirabilis und Zenkeri, B. p se udotube r cu-
losis, B. enteritidis, B. subtilis (verschiedene Varietäten), V.
cholerae asiaticae, Finkler-Prior, Deneke, Spirill.
concentricum (Colfontaine) spec. nov., undula, serpens,
Micro c. agilis, B. prodigiosus.
Die Methode bietet in der That Ausgezeichnetes, nur scheint
eben auch zu ihr Uebung zu gehören. Mit ihr ist für dies Gebiet
ein ganz neuer Weg eröffnet worden. Vielleicht läßt sich die
Methode noch mehr vereinfachen.
Czaplewski (Königsberg i. Pr.).
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
Borrel, Tuberculose experimentale du rein. [Travail du
laboratoire de M. Metschnikoff ä l’Institut Pasteur.] (Ann.
de l’Institut Pasteur. 1894. No. 2.)
Nach Injektion von Tuberkelbacillen in die Ohrvene lassen sich
an dem tuberkulösen Prozesse der Lunge zwei wohl verschiedene
Stadien feststellen. Unmittelbar nach der Impfung liegen die Bacillen
in mehrkernige Leukocyten eingeschlossen und in den Lungen-
kapillaren. In einer zweiten Periode aber, anschließend an den Ver-
käsungsprozeß der primären Tuberkel, wird das Lymphgefäßsystem
ergriffen. Diese zweite Periode, welche beim Kaninchen etwa gegen
den 20. Tag beginnt, zeigt sich histologisch durch das Auftreten
einer Masse von jungen Tuberkeln in den Lymphwegen. In regel-
mäßigen Intervallen vorgenommene Sektionen der geimpften Tiere
zeigen schon vom 5. Tage ab in den Lungen mikroskopisch sichtbare
Veränderungen, während die Leber und die Nieren noch ganz frei
zu sein scheinen oder doch nur spärlich Knötchen zeigen. Die
Lunge dient hier als Filter und hält die meisten Bacillen zurück.
Durch Injektion in die Ohrvene ist man niemals sicher, eine In-
fektion der Nieren zu erreichen oder vielmehr so früh die wenigen
Bacillen aufzufinden, welche die Lunge passiert haben. Erst gegen
den 20. Tag nach der Injektion in die Ohrvene tritt in der Niere
Schutzimpfung, künstl. Infektionskraukheiten, Entwickelung^hemmuug etc. 971
eine Eruption von Tuberkeln auf ; diese entsprechen aber, wie die
histologische Untersuchung zeigt, durchaus nicht der primären In-
fektion, sie sind vielmehr den in dem Lymphgefäßsysteme der Lunge
vorhandenen sekundären Bildungen ähnlich. Um also die primäre
Bildung von Tuberkeln in der Niere zu studieren, muß man zu
einer Methode der Impfung greifen, welche das durch die Lunge
gebildete Filter umgeht. Verf. führt zu diesem Zweck eine Kanüle
durch die Carotis bis in den Aortabogen und injizirt nun, indem er
die andere Carotis komprimiert. Auf diese Weise erhielt jedes
Kaninchen 2 Kubikcentimeter einer fein zerriebenen Aufschwemmung
von Tuberkelbacillen. Auch bei Anwendung dieser Methode muß
man oft viele Schnitte machen, um die Bacillen in der Niere anzu-
treffen. Durch den Vergleich der auf arteriellem und der auf
venösem Wege hergestellten Infektion gelingt es aber nach Borrel
sehr gut, zwei verschiedene Arten der Tuberkulose zu konstatieren,
und zwar 1) die primitive Tuberkulose, welche hauptsächlich in den
Glomerulis oder der Kortikalsubstanz ihren Sitz hat, und 2) die
disseminierte, perivaskuläre Form, welche über die ganze Niere aus-
gebreitet ist. — Die histologischen Untersuchungen des Verf’s., welche
durch sehr schöne Zeichnungen illustriert sind, gipfeln in einer Be-
stätigung der Anschauungen Metschn ikoff’s über die Entstehung
der tuberkulösen Bildungen.
Gerl ach (Wiesbaden).
Schmans und Uschinsky, Ueber den Verlauf der Impf-
tuberkulose bei Einwirkung von A 1 ka 1 i a 1 b u m i n a t.
(V ircho w’s Archiv f. path. Anatomie. Bd. CXXXVI. 1894. Heft 2.)
Angeregt durch die Untersuchungen Prof. Büchner ’s über die
neuen Gesichtspunkte in der Immunitätsfrage, welche die Ein-
wirkung von Alkalialbuminat und Alkaliproteinen auf mit luberkulose
infizierte Tiere zum Gegenstände hatten und wobei eine starke
chronische Leukocytose, sowie eine eigentümliche, in Erweichungs-
prozessen bestehende Umwandelung der tuberkulösen Herde gefunden
wurde, unternahmen es die Verff., die histologisch-pathologisch-ana-
tomischen Vorgänge genauer zu studieren. Als infektiöses Material
wurde eine Emulsion von Perlknoten benutzt, von welcher Meer-
schweinchen circa 1/2 ccm, Kaninchen ein paar ccm in die Muskulatur
des Oberschenkels injiziert erhielten. Nach 8—14 Tagen wurde mit
der Injektion von Thymusextrakt in der von Büchner (Die neuen
Gesichtspunkte der Immunitätsfrage. Berlin 1893. p. 19) angegebenen
Weise begonnen und dieselbe jeden zweiten Tag wiederholt.
Die Untersuchungen der Verff. sind nicht allein von patho-
logischem, sondern auch von nicht geringem bakteriologisch-histo-
logischem Interesse. Dieselben sind zwar noch nicht abgeschlossen,
doch könnten jetzt schon folgende Schlußsätze als die Resultate der
Studien formuliert werden :
1) Die Erweichung der tuberkulösen Herde beruht zum Teil auf
zelliger Wucherung der präexistierenden Tuberkelzellen, die dabei
KernfragmentieruDgen aufweisen.
972 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
2) Ein anderer Teil der im Erweichungsherde enthaltenen Zellen
entspricht ausgewanderten Leukocyten.
3) Das Verschwinden der Grundsubstanz, soweit dieselbe dem
von Zellenausläufern gebildeten Reticulum entspricht, beruht darauf,
daß jene Ausläufer bei der Zellteilung verloren gehen, indem die
Zellen sich trennen und ihre Abkömmlinge eine rundliche Form an*
nehmen. In diesem Sinne könnte man von einer zelligen Lösung der
Grundsubstanz, von einer „zelligen Erweichung“ sprechen.
4) Die zellige Erweichung geht neben der hyalinen Umwandelung
der tuberkulösen Massen einher, indem ihr nur die von ersterer frei
gebliebenen centralen Teile auheimfallen, bezw. da, wo Neigung zu
derselben besteht, eine hyaline Umwandlung nicht stattfindet.
5) Hyalin umgewandelte wie zellig erweichte Stellen können
nachträglich einer käsigen Nekrose verfallen.
6) Die Erweichung der tuberkulösen Herde ist analog einer
echten Eiterung. M a a ß (Freiburg i. B.).
Winkler, Die antituberkulöse Wirkung des Guajakol-
Jodoforms. (Deutsche med. Wochenschr. 1893. No. 32.)
Im Jahre 1891 empfahl Picot zur Behandlung der Tuberkulose
subkutane Einspritzungen eines Gemisches, welches im ccm neben
Olivenöl und Vaseline 0,005 cg Guajakol und 0,01 cg Jodoform ent-
hielt. Die Wirksamkeit des Verfahrens wurde von Grasset in
Zweifel gezogen; dagegen riet auch Pignol zu Injektionen einer
Mischung von 14 Teilen Eukalyptol, 1 Jodoform, 5 Kreosot auf 100
sterilisierten Olivenöls oder Mandelöls in die Gegend des Sulcus re-
trotrochantericus; die Tagesgabe sollte 10 ccm betragen. Auch
Peter hat nach Injektionen von jedesmal 50 g einer Lösung von
10 Teilen Guajakol und 1 Teil Jodoform in 100 Teilen Mandelöl
bei Tuberkulose seinem Berichte nach günstige Erfolge gesehen.
Verf. prüfte das Guajakol-Jodoform experimentell auf seine Wir-
kung den Tuberkelbacillen gegenüber. Er benutzte dabei ein anderes
öliges Lösungsmittel nicht, da das Jodoform sich unter Verschwinden
des charakteristischen Geruches in Guajakol allein leicht und voll-
kommen löst.
Er ließ in einem Kulturgläschen über Glycerinagar, welcher mit
reichlichem Materiale aus einer Tuberkelbacillenreinkultur geimpft
worden war, die Dämpfe der Mischung streichen, indem er diese in
ein am Boden des Gefäßes angebrachtes kleines Reservoir füllte.
8 Tage später an Meerschweinchen vorgenommene Impfungen zeigten,
daß die Originalkultur stark virulent, die den Dämpfen ausgesetzte
Kultur aber unwirksam war. Auf Glycerinagar, welches mit Material
aus der letzteren geimpft wurde, fand eine neue Kulturentwickelung
nicht statt. Injektionen mit einer aus Tuberkelbacillen und Guajakol-
Jodoform unter Verreiben hergestellten Mischung blieben ebenfalls
erfolglos. Auf einem vor dem Erstarren mit Guajakol-Jodoform ge-
mischten oder nach dem Erstarren damit übergossenen Glycerin-
agarmischboden gediehen Tuberkelbacillen nicht.
Weniger günstig fielen Heilversuche an Tieren aus. Wurden die
Versuchstiere mit Tuberkelbacillen infiziert und gleichzeitig mit
Schutzimpfung, künstl. IniektionskrankheiteD, Entwickelungshemmuug etc. 973
Guajakol- Jodoform behandelt, so kam die Tuberkulose dennoch zur
Entwickelung. Das Blutserum von Kaninchen , denen 1 Stunde vor
der Entnahme Guajakol-Jodoform unter die Haut gespritzt war, er-
wies sich bei der Üebertragung von Tuberkelbacillen nicht entwicke-
lungshemmend.
Diese negativen Versuchsergebnisse entmutigten den Verf. jedoch
nicht, die Wirkung der Mischung bei örtlicher Tuberkulose zu prüfen,
da er hier mit Rücksicht auf die Versuche mit Kulturen bessere Er-
folge erwarten zu dürfen hoffte. In der That nahmen bei Gelenk-
tuberkulose die Schwellungen nach von Mosetig-Moorhof aus-
geführten Injektionen schnell ab. Die Sektion eines Patienten, der
eine Stunde nach der Einspritzung verstarb , zeigte die „eminent
austrockneude Wirkung des Guajakol -Jodoforms auf das fungös er-
weichte Knochengewebe“. Zu den stets schmerzlos sich vollziehenden
Injektionen waren je 20 g einer Mischung von Guajakol-Jodoform 5 : 1
verwendet worden. Kübler (Berlin).
Kiseliensky, Experimentelle Untersuchungen über den
Einfluß der Laparotomie auf die Bauchfelltuber-
kulose der Tiere. (Centralbl. für allg. Pathol. u. pathol. Anat.
1893. Nov. p. 865.)
K. suchte die Frage nach dem Einflüsse der Laparotomie auf
die Bauchfelltuberkulose an Meerschweinchen und Kaninchen zu lösen ;
die Infektion erfolgte durch Reinkultur oder durch Sputum. Die
operierten Tiere lebten meist länger als die Kontrolliere: 4—5 Monate
statt 1 — 3 Monate nach der Infektion. 3—6 Tage nach der Lapa-
rotomie sah K. mäßige Rundzelleninfiltration in der Umgebung der
Tuberkel; ferner fanden sich verhältnismäßig viele Bacillen innerhalb
von Zellen. 10—60 Tage nach der Laparotomie hatte sich junges
Bindegewebe in den Tuberkeln entwickelt, welches später an Menge
noch zunahm. In den späteren Stadien fanden sich meist die Knöt-
chen umgeben von einem Bindegewebswall. K. weist nach diesen
Befunden den „Reaktionsprocessen“ [Rundzelleninfiltration, Phagocytose,
aktive Bindegewebsentwickelung] eine Hauptrolle bei der Heilwirkung
der Laparotomie zu [ebenso wie Zweifel, Bumm u. A.]. Die Bedeutung
der antiseptischen Mittel, der Entfernung des Exsudates etc. schlägt
er sehr gering an. W. Peters en (Zürich).
Baas, Experimentell-anatomische Untersuchungen über
den Einfluss des Tuberkulocidins und Tuberkulins
auf die Impftuberkulose des Kaninchenauges. (Habili-
tationsschrift.) Leipzig 1893.
Hat das Tuberkulocidin oder das Tuberkulin heilende Eigen-
schaften auf die Impftuberkulose des Auges, welche durch mikro-
skopisch als rein erkannte, aus dem hygienischen Institute zu Freiburg
stammende Tuberkelbacillenkulturen erzeugt war? Verf. infizirte
meist nur ein Auge jedes Versuchstieres, indem er, nach gründ-
licher Desinfektion der Umgebung desselben, sowie des Konjunktival-
sackes, unterhalb des Ciliarrandes von oben her mit der Lanzette
974 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
einstach und Teile der Kultur in die vordere Kammer brachte.
Hierauf mehrmaliges Abspülen der Lider mit Sublimatlösung und
Vernähen der Lider. Wurde die Naht nach einem Tage geöffnet, so
zeigte sich die Cornealwunde verklebt und niemals kam es zu einer
eitrigen Infektion derselben. Nach etwa 10 Tagen waren kleine
Tuberkel der Iris erkennbar und nun wurden kleine bis mittlere
Dosen des Koch’schen bezw. Klebs’schen Mittels bei langsamem
Ansteigen der Dosis injiziert, und zwar nach folgenden 3 Versuchs-
reihen: 1) 6 Milligramm bis 5 Centigramm aufsteigend in 6 Dosen,
zusammen 0,5 Gramm ; 2) 5 Milligramm bis 1 Decigramm aufsteigend
in 16 Injektionen, zusammen 1,055 Gramm; 3) Injektionen von je
1 Decigramm und 7 Injektionen von je 2 Decigramm, aufsteigend in
10 Injektionen, zusammen 1,7 Gramm. Nach Abschluß der Ver-
suchsreihen wurde der Bulbus unter Zuhilfenahme der Cocain-An-
ästhesie enukleiert. Sämtliche Tiere lebten bei Abschluß der Arbeit
noch. Die mikroskopische Untersuchung des gehärteten Bulbus
zeigte in allen Fällen, daß Conjunctiva, Cornea, Iris und Ciliar-
körper entzündlich infiltriert und von Tuberkelknötchen durchsetzt
waren, während Sklera, Glaskörper, Choreoidea und Retina davon
frei blieben. In dem Inhalte der vorderen Kammer zeigten sich fast
stets Tuberkelbacillen, in der Cornea konnten dieselben einige Mal
nachgewiesen werden, während sie in den anderen Geweben nicht
zu finden waren. Verf. kommt zu folgenden Schlüssen:
1) Das Tuberkulocidin vermag ebensowenig wie das Tuberkulin
die einmal ausgebrochene Impftuberkulose des Kaninchenauges auf-
zuhalten, geschweige denn zu heilen.
2) Ein wesentlicher Unterschied in dem Verlaufe des tuber-
kulösen Prozesses bezüglich langsameren oder rascheren Fortschreitens
der Zerstörung bei Tuberkulin- oder Tuberkulocidin an Wendung be-
steht nicht.
3) Die Zahl der Tuberkelbacillen scheint bei den behandelten
Tieren größer gewesen zu sein, als bei den Kontrolltieren.
4) Eine besondere, auf Zugrundegehen der Bacillen hindeutende
Erscheinung im Aussehen derselben konnte bei den mit Tuber-
kulocidin behandelten Tieren nicht nachgewiesen werden.
Ger lach (Wiesbaden).
Binz, Ueber den Vorgang der Heilung des Malaria-
fiebers durch Chinin. (Deutsche med. Wochenschr. 1894.
No. 6.)
Abdruck eines in der medizinischen Abteilung der Niederrhein.
Gesellsch. f. Natur- und Heilkunde in Bonn gehaltenen Vortrages, in
welchem Binz den Nachweis führt, daß durch die Ergebnisse der
Arbeiten Mannaberg’s (vergl. diese Zeitschr. Band XIV. p. 18)
der früher von ihm selbst aufgestellte Satz, nach welchem das Chinin
das Malariafieber durch direktes Einwirken auf dessen Ursache heilt,
bestätigt wird. K üb ler (Berlin).
Schutzimpfung, kiinstl. Infektionskrankheiten etc. — Neue Litteratur. 975
Kesem-Beck, Ueber die Behandlung der Malaria mit
Methylenblau und über dessen lokale Anwendung
bei der Diphtherie. (Wratsch. 1893. No. 23, 24, 25,26 und 27.)
Auf Grund der Anwendung von Methylenblau bei der Behandlung
von 30 Malariafällen, in welchen aber die Diagnose ohne mikro-
skopische Blutuntersuchungen gestellt wurde, gelangt K. zu folgenden
Schlüssen: Das Methylenblau ist entschieden ein gutes Mittel gegen
Malaria, besonders in den Fällen, in welchen Chinin nicht vertragen
wird oder wirkungslos bleibt. K. empfiehlt nicht mehr als 0,5 g
pro die (für Erwachsene, für Kinder von 4 bis 8 Jahren 0,25 bis
0.4 g) zu geben und diese Quantität in mehreren Dosen zu verteilen.
Uebelkeit und Dysurie sind bei solcher Anwendungsweise sehr un-
bedeutend.
Indem K. in 14 Fällen von diphtheritischen Rachen affektionen
Pinselungen mit wässeriger Methylenblaulösung (1:10) mittels Watte-
bäuschchen bis 3mal täglich in Anwendung zog, beobachtete er bei
allen seinen Patienten einen günstigen Verlauf der Krankheit, die
auch in Genesung überging. Daher verdient nach K. das Methylen-
blau den Vorzug vor auderen Mitteln und noch deshalb, weil es
auch die Gewebe nicht im mindesten reizt. Sacharoff (Tiflis).
Neue Litteratur
zusammengestellt von
De. Akthub Wübzbubg,
Bibliothekar im Kaiserlichen Gesundheitsamte in Berlin.
Allgemeines über Bakterien und Parasiten.
Ball, M. V., Essentials of bacteriology. 2. ed. Illustr. 8°. London (Hirschfeld) 1894.
4 sh.
Fraenkel, C. u. Pfeiffer, E., Mikrophotographischer Atlas der Bakterienkunde. 2. Aufl.
9. u. 10. Lfg. gr. 8°. 10 Lichtdr.-Taf. m. 10 Bl. Erklärgn. Berlin (August Hirsch-
wald) 1894. ä 4 M.
Heim, L., Lehrbuch der bakteriologischen Untersuchung und Diagnostik. Eine An-
leitung zur Ausführung bakteriologischer Arbeiten und zur Einrichtung bakteriologischer
Arbeitsstätten mit zahlreichen, vielfach nach Original-Photogrammen hergestellten
Abbildungen u. 8 Tafeln in Lichtdr., enth. 50 Photogramme von Mikroorganismen.
(Bibliothek des Arztes.) gr. 8°. XIX, 528 p. m. 8 Bl. Erklärgn. Stuttgart (Enke)
1894. 16 M-
Morphologie und Syttematdc.
Ager , L. C. , A peculiar chromatogenic bacillus. (New York med. Journ. 1894.
P- 265.)
Bay, J. Ch., The spore-forming species of tke genus Saccharomyces. (Amer. naturalist.
1893. Aug. p. 685 — 696.)
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trentino di scienze nat. in Pavia. 1894. Ser. 2. Vol. I. fase. 2.)
976
Neue Litteratur.
Biologie.
(Gärung, Fäulnis, Stoffwechselprodukte usw.)
Boyce, R. and Evans, A. E.t The action of gravity upon bacterium Zopfii. (Proceed.
of the Royal soc. of London. 1893/94. p. 300 — 312.)
Beziehungen der Bakterien und Parasiten zur unbelebten Natur.
Luft, Wasser, Boden.
Fischer, B., Die Bakterien des Meeres nach den Untersuchungen der Plankton-Expedi-
tion unter gleichzeitiger Berücksichtigung einiger älterer und neuerer Untersuchungen.
83 p. m. 3 Fig. u. 1 Karte. Kiel (Lipsius & Tischer) 1894.
Subskr.-Pr. 5,40 M. ;'Einzelpr.[_6 M.
Beziehungen der Bakterien und Parasiten zur belebten Natur.
Krankheitserregende Bakterien und Parasiten bei Menschen.
A. Infektiöse Aügemeinkrankheiten.
Behring, Bekämpfung der Infektionskrankheiten. Infektion und Desinfektion. Versuch
einer systematischen Darstellung der Lehre von den Infektionsstoffen und Desinfek-
tionsmitteln. gr. 8°. XII, 251 p. Leipzig (Georg Thieme) 1894. 6 M.
Janke, H., Embryologie und Infektions-Krankheits-Uebertragung, sowie die Blutserum-
Therapie. gr. 8°. III, 104 p. Neuwied (Heuser) 1894. 2,50 M.
Klemperer, F. u. Levy, E., Grundriß der klinischen Bakteriologie für Aerzte und Stu-
dierende. gr. 8°. VIII, 340 p. Berlin (Hirschwald) 1894. 8 M.
Mecklenburg- Schwerin. Maßregeln zur Bekämpfung ansteckender Krankheiten betr.
Vom 11. September 1893. (Veröffentl. d. kaiserl. Gesundheits-A. 1894. No. 17.
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Malariakrankheiten.
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Von E. Feer. I. Bakteriologische Untersuchungen Uber Diphtherie. II. Die Ver-
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und ihre Wundkomplikationen, von 1873 — 1892; Folgezustände der Tracheotomierten
im späteren Leben, gr. 8®. 191 p. Basel (Carl Sallmann) 1894. 4 M.
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(Hoepli) 1894. 1.50 1.
Aktinomykose.
Guermonprez et Becue, Actinomycose. 16°. Paris (Rueff & Cie.) 1894. 3,50 fr.
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Galtier, V., De la pneumo-enterite septique ou pleuropneumonie septique. Avec 6 fie
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Fröhner, Eiterige Follikulärentzündung der Lippen mit eiteriger Lymphangitis und
Lymphadewitis — eine drusenartige Infektionskrankheit heim Hund. (Mtsh. f. prakt.
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Krankheitserregende Bakterien und Parasiten hei Pflanzen.
Frank, A. B., Die Krankheiten der Pflanzen. Ein Handbuch für Land- und Forstwirte,
Gärtner, Gartenfreunde, Obstbauer und Botaniker. 2. Aufl. Mit vielen in den Text
gedr. Holzschn. (In 10 Lfgn.) 1. Lfg. gr. 8°. 96 p. Breslau (Eduard Trewendt)
1894. 1,80 M.
Küstenmacher, M., Beiträge zur Kenntnis der Gallenbildungen mit Berücksichtigung des
Gerbstoffes. (Jahrb. f. wissenschaftl. Botanik. 1894. Bd. XXVI. No. 1. p. 82 — 1 85.)
Schrenk, H., Parasitism of Epiphegus virginiana, broom rape, cancer root. (Sep.-Abdr.
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Berücksichtigung der Arbeiten über das Koch’sche
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Acosta, E. et Davalos, J. N., Consideraciones sobre el muermo ; experiencias realizadas
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Behring u. Ehrlich, Zur Diphtherieimmunisierungs- und Heilungsfrage. (Dtsche med.
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Inhalt.
Inhalt.
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Walliczek, Heinrich, Zur Technik bei
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Bakteriologische und parasitologische
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Sanarelli, G., Mitteilungen aus dem XI.
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Pernice, B. u. Scagliosi, G., Beitrag zur
Kenntnis der Pathogenie der Nieren-
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Sirena, S. u. Scagliosi, G., Aehnlich-
keiten und Verschiedenheiten der in
den verschiedenen Teilen Italiens wäh-
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Ribbert, Die neueren Untersuchungen über
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Alkalialbuminat, p. 971.
Winkler, Die antituberkulöse Wirkung des
Guajakol-Jodoforms, p. 972.
Neue Litteratur, p. 975.
Prommaunsche Buchdruckerei (Hermann Bohle) in Jena,
1894.
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Das Laboratorium besitzt eine zahlreiche Sammlung von Kultur-
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Lehrbücher: Alfred Jörgensen’ s „Die Mikroorganismen der
Gärungsindustrie“, 3. Ausg., 1892 (P. Parey, Berlin).
E. Clir. Hansen’ s „Untersuchungen aus der Praxis der Gärungs-
industrie (Beiträge zur Lebensgeschichte der Mikroorganismen)“,
Heft I— H, 1890 — 92 (R. Oldenbourg, München).
Weitere Auskunft erteilt der Direktor.
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Preis für den Band (26 Nnmmern) 14 Mark.
Jährlich erscheinen zwei Bände.
— Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Die Redaktion des „ Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
kunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um, IÄefei'ung von besonderen Abdrucken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an
den Verleger , Herrn Gustav Fischer in Jena , gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage , später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Original -Mittheilungen.
Ueber die desinfizierende Wirkung des Guajakols.
[Aus dem hygienischen Institute der Universität zu Greifswald.]
Von
Dr. J. Knprianow.
(Schluß.)
Auffallend ist der große Unterschied der Wirkungszeit von
Guajakol auf Aussaat und auf entwickelte Kulturen.
2-proz. Lösung des Guajakols tötet Aussaat nach 20 Sek., Kult, nach 1 Stunde
4-proz. „ „ „ >, „ » 5 „ n » 20 Min.
Die Wirkung der 2-proz. Guajakollösung auf Kulturen ist nach
der Zeit berechnet, demnach 180mal geringer als auf Aussaat und
die der 4-proz. sogar 240mal. Bei Karbolsäure und Kresol ist der
Unterschied nicht so bedeutend.
XV. Bd.
62
982
J. Kuprianow,
2-proz. Lös. Karbols, tötet Aussaat in 5 Sek., Kult, in 3 Min., d. b. in 36mal kürzerer Zeit
»» *> i» »> 5 „ „ }, 1 ,, ,, ,, 12 „ „ ,,
»* Kresol ,, „ ,, 5 )f ,, ,, 5 ,, ,, ,, 60 ,, ,, ,,
»i »» >» j* >» »» 5 ,, „ ,, 45 Sek., ,, ,, 9 ,, ,, ,,
Zum Schluß stelle ich sämtliche erhaltene Versuchsergebnisse
zur vergleichenden Uebersicht nochmals in einer Tabelle zusammen,
(s. Tabelle X. p. 983.)
Ein Blick auf diese Tabelle lehrt, daß mit der Zunahme des
Prozentgehaltes der Lösungen an chemischer Substanz und an Al-
kohol die Wirkungskraft der Lösung steigt, aber nicht in gerader
Proportion, sondern in einem viel größeren Verhältnis, so werden
z. B. Aussaaten des Staphylococcus aureus abgetötet:
durch 1-proz. wässerige Lösung nach 3*/s Stdn.
11 ,, ,, ,, ,, 1 V2 1»
„ 2- „ alkoholische „ „ 30 Min.
i* *’ i» ii ii ii 5 ,,
d. b. „ 2- ,, wässerige „ 2i/smal schneller
„ 2- „ alkoholische „ 7mal „
ii 4 “ ii ii ,1 42mal ,,
als durch die 1-proz. wässerige Lösung.
Richtet man nun seine Aufmerksamkeit auf das quantitative
Verhältnis zwischen der Wirkungskraft des Guajakols und der
anderen Mittel, so sieht man, daß dasselbe nicht ein konstantes ist,
sondern innerhalb weiter Grenzen schwankt. Es hängt dies ab von
der Stärke der Lösung und der Widerstandsfähigkeit der Bakterien-
art. Wenn wir dieses Verhältnis in Zahlen ausdrücken wollen, so
erhalten wir folgendes Bild: Es wirkt Karbolsäure stärker als
Guajakol
in 1-proz. Lös. auf Aussaaten von Staph. 521/gtnal, Pyocyaneus 4ömal,
in 2 proz Lös. auf Aussaaten von Staph. 30mal, Pyocyaneus 26*/amal, Typhus lömal,
Cholera lömal,
in 2-proz. alk. Lös. auf Aussaaten von Staph. lömal, Pyocyan. 6mal, Typhus 13*/Smal,
Cholera lOmal, Favus 4mal,
in 4-proz. alk Lös. auf Aussaaten von Staph. 62/smal, Pyocyan. lmal, Favus lmal,
in 2-proz. wäss. Lös. auf Kulturen von Staph. 4*/amal, Pyocyaneus 3‘/3mal, Typhus 4mal,
Cholera 6mal,
in 2-proz alk. Lös. auf Kulturen von Staph. 4mal, Pyocyaneus 9mal, Typhus 3mal,
Cholera 3mal, Favus 20mal,
in 4-proz. alk. Lös. auf Kulturen von Staph. 8mal, Pyocyaneus 12I/6mal, Favus 26*/smal.
Diese Zahlen lassen uns erkennen, daß, je stärker die Lösung
und die Widerstandsfähigkeit der Bakerien ist, um so geringer der
Unterschied wird zwischen Guajakol und den anderen Mitteln und
daß die Unterschiede größer sind gegenüber den Aussaaten, geringer
aber erscheinen gegenüber den Kulturen. Besonders deutlich wird
dies Verhalten, wenn man aus den vorstehenden Zahlen einen Durch-
schnitt berechnet. Es ergiebt sich dann, daß die Karbolsäure stärker
wirkt als Guajakol.
Auf Aussaat von Staphylococcus aureus 26mal, Pyocyaneus ^‘/„mal, Typhus 14mal,
Cholera asiaticae 1 2*/smal, Favus 21/Jmal.
Auf Kultur aber nur von Staphylococcus aureus 6mal, Pyocyaneus lOmal,
Typhus 3*/smal, Cholera asiaticae 4i/2mal, Favus 23mal.
Daß bei Typhusbacillus und V. cholera asiaticae,
obwohl sie widerstandsfähiger als Pyocyaneus sind, doch der
Unterschied zwischen Guajakol und Karbolsäure viel kleiner ist als
Tabelle X.
Zusammenstellung aller Versuche.
Ueber die desinfizierende Wirkung des Guajakols.
983
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20 Min.
3 Min.
1 Min.
5 Min.
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20 Sek.
5 Sek.
5 Sek.
5 Sek.
5 Sek.
5 Sek.
Vibrio Cholera
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1 ccm
0,6 ccm
0,4 ccm
0,2 ccm
0,4 ccm
0,2 ccm
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30 Min.
10 Min.
2 Min.
1 Min.
2 Min.
1 Min.
Typhusbacillus
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2 ccm
0,8 ccm
0,5 ccm
0,4 ccm
0,5 ccm
0,4 ccm
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2 St.
1 St.
30 Min.
20 Min.
30 Min.
20 Min.
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45 Min.
20 Min.
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45 Min.
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5 Sek.
1 Min.
45 Sek.
30 Sek.
5 Sek.
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30 Min.
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4 Min.
3 Min.
2 Min.
30 Sek.
5 Min.
3 Min.
2 Min.
45 Sek.
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62*
984
J. Eaprianow,
bei Pyocyaneus, erklärt sich daraus, daß mit diesen beiden Bak-
terien keine Versuche mit den ganz schwachen und ganz starken
Lösungen gemacht sind. Die Erscheinung, daß der Unterschied in
der Wirkung von Guajakol und Karbolsäure auf Aussaten von Favus
viel kleiner ist als in der Wirkung auf Kulturen dieses Pilzes, wird
man aber so deuten müssen, daß die Karbolsäure eigentlich nach
theoretischer Berechnung auf Aussaat von Favus viel schneller hätte
wirken müssen, als wir es bei unseren Versuchen gefunden haben;
wäre man imstande, die Sekundenteile zu bestimmen, in denen wahr-
scheinlich Karbolsäure die Aussaat von Favus tötet, so würde dieses
Verhältnis sich vermutlich umgestaltet haben. Eine Vergleichung von
Guajakol mit Kresol erscheint überflüssig, weil Karbolsäure und Kresol
wie wir schon gesehen haben, nahezu gleiche Wirkung haben, was
übrigens bereits früher auch von Behring festgestellt ist1).
Um den praktischen Verhältnissen, wie sie sich bei Operationen
finden, mit meinen Versuchen näher zu kommen, habe ich uun noch
Versuche mit Stap hy lococcus aureus und Pyocyaneus auf
flüssigem und erstarrtem Blutserum als Nährsubstanz angestellt, weil
das Blutserum wesentlich anders zusammengesetzt ist, als die ge-
brauchten Agarnährböden und weil dasselbe mehr den natürlichen
Körpersäften entspricht. Diese Versuche wurden mit 4-proz. alko-
holischer Lösung gemacht (s. Tabelle XI. p. 985).
Bei Vergleichung der Resultate dieser Tabelle mit der ent-
sprechenden der früheren Versuche erkennt man keinen oder nur
ganz geringe Unterschiede zwischen der Widerstandsfähigkeit der
Bakterien, welche auf gewöhnlichem Nährsubstrate und welche auf
Blutserum ausgesät sind. Man kann im Gegenteil in einigen Fällen
sehen, daß das Blutserum für die desinfizierende Wirkung der Mittel
günstiger ist.
Folgende Zahlen fassen diese Resultate zusammen.
4-proz. alkoholische Lösung tötet auf erstarrtem Blutserum
von Guajakol Staph. -Aussaat nach 3 Min., Kult, nach 9*/s Min.
„ Pyoc-
u ft
5 Sek., ,,
ff
6
Karbolsäure Staph. -
tt ft
30 „
ff
3
„ Pyoc.-
>» tt
3 ,i i»
ft
30 Sek.
Kresol Staph.-
ff ff
1 Min., „
ff
4 Min.
„ Pyoc.- „ „
Auf gewöhnlichem Nähragar:
5 Sek., „
ff
47 Sek.
von Guajakol Staph. -Aussaat nach
5 Min., Kult.
nach
20 Min.
„ Pyoc.-
ff ff
5 Sek , ,.
„
7 * /2 Min.
Karbolsäure Staph.-
ff ff
30 ,, ,,
21/, „
„ Pyoc.-
ff ff
3 t> i>
»»
37 Sek.
Kresol Stapb.-
ff ff
45 ,, )i
ft
3 Min.
„ Pyoc.-
ff ff
5 ,, i,
ft
37 Sek.
Die Menge der desinfizierenden Mittel, welche Aufhebung der
Entwickelung der Bakterien im flüssigen Blutserum bewirkt, ist auch
fast gleich der für Bouillon benötigten.
Bei den Versuchen mit Tuberkelbacillen habe ich nur die 4-proz.
1) Behring, Ueber Desinfektion u s. w. (Zeitschr. f Hygiene. 1891. IX. 3.
p. 395.)
Ueber die desinfizierende Wirkung des Guajakols.
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Bakterien
Staphyloc.
aureus
Pyocyaneus
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Pyocyaneus
Staphyloc.
aureus
Pyocyaneus
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986
J. Kuprianow,
alkoholischen Lösungen angewandt und diese verglichen mit der
Wirkung einer 4-proz. alkoholischen Kreosotlösung.
Von einer gut entwickelten Kultur wurden etwa stecknadelkopf-
große Partikel entnommen und auf mehrere Stellen der Glycerinagar-
flächen übertragen. Von einem Verreiben der Partikel mit phy-
siologischer Kochsalzlösung, so daß isolierte Bacillen etwa gewonnen
wären, habe ich Abstand genommen, da sehr häufig isolierte Tuberkel-
bacillen schon an und für sich ohne jede Behandlung nicht weiter-
wachsen auf frischen Glycerinagarflächen.
In die besäten Röhrchen habe ich die Lösungen eingegossen.
Die Zeit der Einwirkung der Desinficientien variierte von 15 Sek. bis
2 Stunden. Eine Anzahl der besäten Röhrchen wurde nicht behandelt
und diente zur Kontrolle.
Nach Abgießen und vollkommenem Ablaufen der Lösungen wurden
die Röhrchen im Thermostaten bei 37° gehalten und 1V2 Monaten
beobachtet.
Das Ergebnis war nun folgendes: Sämtliche Kontrollröhrchen
zeigten kräftiges Wachstum, sämtliche behandelte Röhrchen waren
steril geblieben. Die auf der Oberfläche der Agarflächen haftenden
Kulturpartikelchen hatten sich nicht im geringsten vergrößert und
waren etwas dunkler im Farbenton geworden.
Demnach zeigen die Tuberkelbacillen selbst in dickeren den Kul-
turen der übrigen Bakterien an Dicke gleichen Massen eine außer-
ordentlich hohe Empfindlichkeit gegenüber den starken alkoholischen
Lösungen des Guajakols und Kreosots. Py oc y an eus- Kulturen
wurden durch die gleiche Lösung erst in Minuten, Staphylo-
c o c c u s - und Favus- Kulturen sogar erst in 20 Minuten abgetötet.
Leider gestattete es meine Zeit nicht, diesen Versuch zu wieder-
holen und die gleichen Versuche mit schwächeren Lösungen anzu-
stellen, da jeder Versuch immer einen Zeitraum von mehreren Monaten
in Anspruch nimmt.
Sollte sich durch weitere Versuche die hohe Empfindlichheit der
Tuberkelbacillen gegenüber den alkoholischen Guajakollösungen be-
stätigen, so würde man, bei der vollkommenen Ungiftigkeit dieser
Lösungen, in denselben ein wertvolles Mittel besitzen, um lokale
tuberkulöse Prozesse, namentlich tuberkulöse Eiterungen damit zu
behandeln.
Die Versuche mit Krätze wurden in der Art ausgeführt, daß
ein kleines Stück einer von kranken Meerschweinchen entnommenen
Kruste auf den Objektträger gelegt, mit Nadeln zerzupft und mit
schwacher Vergrößerung unter dem Mikroskope beobachtet wurde.
Waren die Krätzmilben aufgefunden, so wurden einige Tropfen der
Versuchsmittel darauf gegossen und nun die Bewegungen der Milben
beobachtet. Das Aufhören der Bewegungen wurde als Eintritt des
Todes gedeutet.
Gegen alle angewendeten Mittel hatte die Krätze eine sehr geringe
Widerstandsfähigkeit, denn schon eine 1-proz. und sogar 0,5-proz.
Lösungen vernichteten die Bewegungen der Krätzmilben fast momentan.
Dieselbe Wirkung hatte auch absoluter Alkohol, während eine 33-proz.
Lösung von Alkohol erst nach einer halben Stunde dasselbe Resultat
Ueber die desinfizierende Wirkung des Guajakols.
987
lieferten. Danach konnte man aunehmen, daß alle diese Mittel sehr
brauchbar zur Heilung von Krätze sein würden. Infolgedessen habe
ich Heilungsversuche an Tieren, welche an Krätze litten, gemacht,
und zwar mit einer 4-proz. alkoholischen Lösung der Mittel. Mit
einem Wattebausch, welcher mit dieser Lösung getränkt war, wurden
die kranken Stellen stark gerieben. Die Resultate blieben weit hinter
dem, was man erwarten konnte, zurück. Das Guajakol wirkte nicht
so stark, daß sich die Krusten ablösten. Karbolsäure und Kresol
wirkten zwar viel energischer, übten aber eine sehr starke Reizung
auf die Haut aus, das Kresol zeigte sich so giftig, daß alle mit dem-
selben behandelten Tiere nach einigen Stunden zu Grunde gingen.
Eine so starke Giftigkeit schließt natürlich die Möglichkeit eines Ge-
brauchs von Kresol vollkommen aus. Die giftige Eigenschaft dieses
Mittels für die Behandlung ist übrigens bereits auch von anderen
Forschern konstatiert worden. So fand Werner Meili1), daß bei
Vergleichung der Kresole mit Karbolsäure das Ortho- und Parakresol
viel giftiger und nur das Metakresol etwas weniger giftig war als Kar-
bolsäure. Bei meinen Versuchen habe ich das Kresolum purum lique-
factum Noerdlinger verwendet, welches vielleicht alle drei Kresole
enthält.
Zum Schlüsse habe ich noch Versuche über Desinfektion der
Hände gemacht, wobei so vorgegangen wurde, wie man gewöhnlich vor
Operationen verfährt. Zuerst wurden die Hände tüchtig mit warmem
Wasser und Seife gewaschen und gebürstet, der Schmutz unter den
Nägeln sorgfältig entfernt und dann die Hände mit absolutem Al-
kohol und Aether abgespült. Dann wurde noch einmal das unter
den Nägeln gebliebene Material mit sterilisiertem Messer abgekratzt
und etwas davon auf Agar in Reageuzgläschen ausgesät. Diese
Aussaat diente zur Kontrolle. Danach wurden die Hände eine be-
stimmte Zeit in die Lösung des desinfizierenden Mittels gehalten,
nachher wurden sie mit sterilisiertem Wasser abgespült, um von der
Oberfläche der Hände das desinfizierende Mittel möglichst zu ent-
fernen und nun erst mit einem sterilisierten Messer von dem unter
den Nägeln gebliebenen Materiale ausgekratzt und auf Agar gesät.
Die zweite Reihe derartiger Versuche bestand darin, daß die
Hände nach Abwaschung mit Wasser und Seife und noch Abspülung
mit Alkohol und Aether mit einer Suspension von Staphylo-
coccus aureus in Wasser begossen und nunmehr eine bestimmte
Zeit wieder in die Lösung des desinfizierenden Mittels gehalten
wurden. Nachdem sie dann ebenso, wie eben beschrieben, mit
sterilisiertem Wasser abgespült waren, wurde von dem unter dem
Nagel entnommenen Materiale auf Agar ausgesät. Zu diesen Unter-
suchungen wurden 2-proz. und 4-proz. alkoholische Lösungen ver-
wendet. Bei der 2-proz. wurden die Hände 5 und 10 Minuten, bei
der 4-proz. 3 und 5 Minuten in das desinfizierende Mittel gehalten.
Die Versuche habe ich zweimal wiederholt, jedesmal mit nahezu dem
gleichen Resultate.
1) Dissertat. Bern. 1891.
988
J. Kuprianow,
Tabelle XII.
Desinfektion der Hände.
Stärke
Ohne Staphylococcus
aureus
Mit Staphylococcus aureus
Mittel
Lösung
3 Min.
5 Min.
10 Min.
3 Min.
5 Min.
10 Mii
j
2-proz. al-
koholische
+
+
+
+
+
+
+
Guajakol ^
4-proz. al-
1
koholische
+
+
+
+
+
+
+
+
Karbol-
2-proz. al-
Wenige
Einzelne
Einzelne
Wenige
Einzelne
koholische
Kolon.
Kolon.
0
Kolon
+
Kolon.
Kolon.
säure <
4-proz. al-
Wenige
Eine
Einzelne
1
koholische
Kolon.
0
Kolouie
0
Kolon.
0
0
0
1
2-proz. al-
Wenige
Einzelne
koholische
Kolon.
0
0
0
Kolon.
0
0
Kresol .
4-proz. al-
Wenige
Einzelne
1
koholische
Kolon
0
0
0
Kolon.
0
0
0
Auch bei diesen Versuchen hat, wie zu erwarten war, das Gua-
jakol wieder sehr schwach gewirkt, weder die 2-proz. noch auch die
4-proz. Lösung ist imstande, bei 5 und 10 Minuten langer Einwir-
kung den Staphylococcus aureus ebensowenig wie andere,
saprophyte, Bakterien abzutöten. In allen Versuchsröhrchen zeigte
sich reichliches Wachstum verschiedener Bakterien. Karbolsäure und
Kresol wirkten dagegen viel stärker; so ließ z. B. die 2-proz. Lösung
von Karbolsäure in der ersten Versuchsreihe schon nach 5 Minuten
in einem Falle wenige, in einem anderen nur einzelne Kolonieen zur
Entwickelung kommen und nach 10 Minuten aus einer Probe ein-
zelne Kolonieen, aus einer anderen gar keine Kolonie erwachsen. Bei
Anwendung 4-proz. Lösung wuchsen nach 3 Minuten in einem Falle
vereinzelte Kolonieen, das aus einer anderen Schmutzprobe besäte
Agar blieb steril, nach 5 Minuten dauernder Anwendung kam nur
in einem Falle eine Kolonie zur Entwickelung, die Aussaat einer
anderen Probe blieb steril. Kresol wirkte fast ganz gleich wie Karbol-
säure.
Ebenso wirkten die Karbolsäure und Kresol auch in der zweiten
Versuchsreihe bei Infektion der Hände mit Staphylococcus
aureus.
Wenn wir die Resultate der Desinfektion der Hände in der
zweiten Reihe der Versuche mit den aus den früheren Versuchen
mit Reinkulturen des Staphylococcus aureus erhaltenen Resul-
taten vergleichen, so finden wir, daß die Desinfektion der Hände
erreicht wurde nach einem Zeiträume, welcher länger war, als der zum
Abtöten der Aussaaten notwendige und welcher gleich oder nur
um ein Kleines geringer war, als der zum Abtöten der Kulturen
des Staphylococcus aureus gefundene.
Zum Schlüsse möchte ich die Ergebnisse meiner Untersuchungen
in folgenden Sätzen zusammenfassen:
Ueber die desinfizierende Wirkung des Guajakols.
989
1) Guajakol wirkt als desinfizierendes Mittel schwächer als
Karbolsäure und Kresol. Wegen seiner schwachen Wirkung ist es
als äußerliches Desinficiens nicht brauchbar.
2) Der Unterschied zwischen der Wirkung des Guajakols und
der anderen beiden Mittel wächst mit der Abnahme der Stärke der
Lösung und verkleinert sich mit der Zunahme derselben.
3) Die Wirksamkeit der Mittel steigt nicht im gleichen Verhält-
nisse mit der Stärke der Lösungen, sondern in einem größeren.
4) Alkoholzusätze (33-proz.) erhöhen die Wirkungskraft der
Mittel ganz erheblich.
5) Karbolsäure und Kresol haben nahezu gleiche Wirkung.
6) Die Aussaaten der Bakterien werden in kürzerer Zeit und
durch schwächere Lösungen der Mittel abgetötet als die Kulturen.
7) Auf Tuberkelbacillen wirken Guajakol und Kreosot sehr stark
ein, doch müssen noch weitere Versuche mit Tuberkelbacillen ange-
stellt werden, weil die von mir angestellten nicht genügen zur ge-
nauen Feststellung der Wirkungskraft des Guajakols auf diese Bak-
terien.
8) Guajakol tötet Krätzmilben bei direkter Einwirkung fast
momentan. Bei der Behandlung mit Krätze behafteter Tiere erweist
sich seine Wirkung gleichwohl als eine sehr schwache.
9) Das chemisch reine Guajakol besitzt am wenigsten reizende
Eigenschaften, viel stärkere dagegen haben Karbolsäure und besonders
Kresol. Letzteres wirkt bei äußerlicher Anwendung infolge schneller
Resorption giftig und ist deswegen selbst äußerlich höchstens in
schwachen Lösungen verwendbar.
10) Das Fehlen der giftigen und ätzenden Eigenschaften, welche
die anderen Mittel haben, gestattet die innere Anwendung des
chemisch reinen Guajakols. Da dasselbe schon im Verhältnis
von 1 :500 die Ent Wickelung der Cholerabakterien voll-
ständig zu verhindern vermag, so wäre eine innerliche
Darreichung dieses Präparats bei der Cholera wohl
zu vers uchen.
Zum Schlüsse ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Prof.
Dr.Loeffler für die gütige Ueberweisung des Themas und die liebens-
würdige Unterstützung bei der Bearbeitung desselben hier noch ein-
mal meinen herzlichen Dank auszusprechen.
Greifswald, im Mai 1894.
990
G. M. Carasso,
Neue Methode der Behandlung der Lungentuberkulose').
Von
Dr. Gr. M. Carasso,
Oberstabsarzt und Direktor des Militärlazaretts
in
Genua.
Teil I. Uebersiclit der Erfolge der bisher üblichen Mittel in
der Behandlung der Lungentuberkulose.
Seitdem man durch die Entdeckung Koch’s den Erreger der
Tuberkulose kennt, ist die Therapie der Lungentuberkulose in eine
neue Phase eingetreten. Die Ziele, welche man jetzt zu erreichen
sucht, sind: Die Bacillen zu vernichten, wenigstens ihre toxischen
Wirkungen zu neutralisieren und den Organismus widerstandsfähig
gegen ihre Entwickelung zu machen. Trotz aller Bemühungen ist
man von diesen Zielen noch weit entfernt. Mittels der Antiseptika,
welche man zur Erreichung der beiden ersten Gesichtspunkte in An-
wendung gezogen hat, ist man nicht imstande gewesen, auf die
Bacillen im Körper einen wesentlichen Effekt auszuüben. Man kann
bisher nur die Infektionsquellen, wie sie sich in den tuberkulösen Sputis,
in Milch und Fleisch tuberkulöser Kühe darbieten, ungefährlich
machen. Auch das dritte Ziel, den Organismus immun gegen den
Tuberkelbacillus zu machen, hat man noch nicht mit Sicherheit
zu erreichen gewußt.
Bei einem sorgfältigen Studium der Litteratur über die am
meisten empfohlenen Mittel zur Behandlung der Lungentuberkulose
kommen wir zu folgenden Schlüssen über die Bedeutung und Wirk-
samkeit des Tuberkulins:
1) Obgleich, wie aus den Zusammenstellungen von Guttstadt
hervorgeht, große Uneinigkeit zwischen den Autoren betreffs der
diagnostischen Bedeutung des Koch’schen Tuberkulins für die
Tuberkulose innerer Organe besteht, so ist es doch sicher, daß ihr
eine solche zukommt und daß die sicher vorhandenen Ausnahmen
nur einen verhältnismäßig kleinen Bruchteil aller Falle darstellen.
2) Zufolge Koch wirkt seine Lymphe nicht auf die Bacillen,
sondern auf die tuberkulös erkrankten Gewebe. Diesen wichtigen
Punkt übergehen die meisten Autoren mit Stillschweigen. Schäfer
behauptet, die Bacillen verschwinden, de Renzi aber hat ihre Zahl
in einem Falle während der Behandlung wachsen gesehen. Klebs
behauptet eine direkte Wirkung des Tuberkulocidins auf die Bacillen,
aber es fehlt noch die Bestätigung seiner Angaben seitens der
Kliniker. Auf jeden Fall darf man schließen, daß die Koch’sche
Lymphe auf die Bacillen keine direkte, von allen Klinikern sicher
konstatierte Wirkung besitzt. Die pathologisch-anatomischen Unter-
suchungen Virchow’s stellten ebenfalls fest, daß eine solche Wir-
kung fehlt.
1) Vergl. die vorläufige Mitteilung in dieser Zeitschr. Bd. XIV. p. 719.
Neue Methode der Behandlung der Lungentuberkulose.
991
3) Nach Koch kann man beginnende Lungentuberkulose und
auch fortgeschrittene, wenn nur wenige und kleine Kavernen vor-
handen sind, mit seinem Mittel heilen. Lister, Fraenkel,
Singlair Cogh i 11 und Ehrl ich erachten das Tuberkulin für das
beste Mittel gegen die Tuberkulose. Aber Guttmann erzielte nur
Besserungen, Leyden Heilungen nur bei beginnender Phthise und
dieselben Resultate bekam man in Krankenhäusern in Rom und
Monaco. Renvers und de Renz i vermochten überhaupt keinen
günstigen Effekt vom Tuberkulin zu sehen, Langermann hält das
Tuberkulocidin für unschädllich,aber auch für unwirksam. Kinnicutt
ist geneigt, zu glauben, daß der durch das Tuberkulin angeregte
Prozeß nichts ist, als eine Erhöhung der Zellthätigkeit. Virchow
stellte anatomisch fest, daß die Tuberkel nicht verändert werden,
sondern daß das Tuberkulin auf das entzündete Gewebe wirkt,
welches die tuberkulösen Herde umgiebt.
Was das Verhältnis der geheilten Fälle zu den behandelten an-
geht, so ist die Statistik von Guttstadt nicht sehr verführerisch.
Von 932 Behandelten wurden nur 10 geheilt, von denen 9 an be-
ginnender, 1 an mäßig vorgeschrittener Tuberkulose litt; es war
keiner mit Lungentuberkulose mit Kavernen darunter. Keine Bes-
serung wurde bei 533 erzielt.
Weniger entmutigend ist die Statistik von Vogl, doch ist zu
bemerken, daß gute Resultate nur bei beginnender Tuberkulose er-
zielt wurden, wobei übrigens nur von ziemlich völlig Geheilten die
Rede ist, während von 9 Kranken mit vorgeschrittener Tuberkulose
5 starben und 4 nicht geheilt wurden. Noch günstiger ist die
Statistik von Schöfer, weil daraus hervorgeht, daß die wesentlich
gebesserten Patienten nach Jahren keine Krankheitssymptome mehr
zeigten und im Auswurfe keine Bacillen hatten. Befriedigend sind
ferner die Resultate von Potschkowski, da von 14 Behandelten
4 geheilt und 7 gebessert wurden. Die Zahl der von den letzten 3
Beobachtern Behandelten beträgt 130, ihren Resultaten kann also
im Verhältnis zu der Zusammenstellung von Guttstadt nur eine
verhältnismäßig geringe Bedeutung zuerkannt werden. Sehr er-
mutigend klingen die Angaben von Klebs über die Wirkung seines
Tuberkulocidins.
Aus dem Angegebenen kann man schließen, daß man mit der
Behandlung nach Koch Heilungen bei beginnender Lungentuberkulose,
wenn auch in sehr beschränkter Zahl, erreichen kann. Dieselbe
übt aber ganz geringe Wirkung bei vorgeschrittener, keine bei aus-
gebildeter Lungentuberkulose aus.
4) Die Anwendung der Koch’schen Methode bei der Lungen-
tuberkulose scheint zu einem schlechten Resultate in manchen Fällen
dadurch führen zu können, daß sie das eingekapselte tuberkulöse
Gewebe in Freiheit setzt und damit wieder schädlich macht. Es
entwickeln sich infolge davon metastatische Tuberkel aus dem ver-
kästen pneumonischen Herde von dem resorbierten Materiale aus
(Virchow). So kann man auch die Fälle erklären, in welchen der
Zustand des Kranken, anstatt sich zu bessern, sich während der Kur
verschlechtert.
992
G. M. C a r a s s o
Die Schlüsse, welche man aus den Angaben der Kliniker über
die Wirksamkeit des Kreosots bei der Lungentuberkulose ziehen kann,
sind folgende:
1) Das Kreosot hat keine sicher konstatierte baktericide Wir-
kung auf die Tuberkelbacillen. Nur Ludwig Frey giebt an, bei
Anwendung desselben eine Verminderung der Bacillen und schließlich
ein völliges Verschwinden beobachtet zu haben. Die Ansicht von
Sommerbrodt und Warner, daß das Kreosot eine spezifische
Wirkung auf den tuberkulösen Prozeß hat, wird von anderen Autoren
nicht geteilt, Graham, Kinnicutt und Albu leugnen sie aus-
drücklich. Der Einfluß des Kreosots wird von Graham dadurch
erklärt, daß es die Ernährung verbessert, von Kinnicutt damit,
daß es die katarrhalischen Prozesse günstig beeinflußt. Nach Albu
soll es eine Wirkung analog den hygienisch-diätetischen Vorschriften
ausüben; ähnlich spricht sich Beverley aus, nach welchem das
Kreosot auf die Ernährung und die Allgemeinsymptome wirkt,
Fürbringer und Peter, welcher ihm nur Einfluß auf den Husten,
die Expektoration und den Allgemeinzustand zuerkennt.
2) Trotzdem von den meisten Autoren dem Kreosot keine Wir-
kung auf die Bacillen und die erkrankten Gewebe zugeschrieben
wird, empfehlen sie doch seine Anwendung. Flint hat gute Resultate
bei beginnender Tuberkulose, weniger gute bei vorgeschrittener und sehr
wenig gute, wenn große Kavernen vorhanden waren, erhalten. Beverley
sah gute Wirkung, aber von 93 Fällen beginnender Schwindsucht
verloren nur 2 alle Krankheitssymptome. Besser sind die Resultate
von Sommerbrodt, nach welchen Besserung nicht nur in 9 Fällen
beginnender Phthise, sondern auch in 3 schweren Fällen erzielt
wurde. Sehr gut ist die Statistik von Graham: Ein großer Pro-
zentsatz beginnender Phthise geheilt, ein kleinerer dauernd gebessert
und ein geringer ohne Besserung. Aehnlich sprechen sich Ludwig
Frey und Blanchard aus. Die guten Resultate von Warner
sind vielleicht mit durch die Anwendung antiseptischer Inhalationen
bedingt. Andere Autoren sahen keine oder sehr geringe Wirkung
vom Kreosot.
Das Kreosot kann also nach Allem bei beginnender Phthise
durch seine indirekte Wirkung günstige Resultate vermitteln.
3) Mit Vorsicht angewendet ist es unschädlich ; in großen Dosen
führt es Störungen, besonders von seiten des Verdauungstraktus,
herbei.
Die Abkömmlinge des Kreosots (Guajakol, Beuzoyguajakol etc.),
welche bei der Behandlung der Tuberkulose verwendet worden sind,
haben :
1) spezifische Wirkung weder auf die Bacillen noch auf die
tuberkulösen Gewebe.
2) Sie haben gute Resultate wie das Kreosot infolge günstigen
Einflusses auf Verdauung, Ernährung, Allgemeinbefinden und sekun-
däre Lokalsymptome gegeben. Das Guajakol wirkt von der Haut
aus außerdem als gutes Temperatur herabsetzendes Mittel.
3) Sie haben vor dem Kreosot den Vorteil, ohne störende Er-
scheinungen angewendet werden zu können.
Neue Methode der Behandlung der Lungentuberkulose.
993
Außer einer großen Zahl von anderen Mitteln, welche keinen
direkten Einfluß auf Bacillen und tuberkulöses Gewebe haben und
nur gelegentlich in beginnenden Fällen Besserungen ergeben haben,
sind noch die Behandlung mit Toxinen, Blutserum und Ueberpflan-
zungen von Thyreoideastücken zu erwähnen. Es ist noch nicht ge-
lungen, dadurch Menschen immun zu machen, ebensowenig wie die
Heilwirkung dieser Methoden trotz einiger guter Resultate bei
wenig vorgeschrittener Phthise erwiesen ist. Die Typhotoxine
können gefährlich wirken, Seruminjektionen erfordern viel Geduld
von seiten der Kranken , Ueberpflanzungen von Thyreoideastücken
sind beim Menschen noch nicht versucht, doch erscheint ihre An-
wendung schwierig und nicht unbedenklich.
Bei den bisher versuchten Inhalationskuren hat sich noch
keine direkte Einwirkung auf die Bacillen oder die tuberkulösen
Gewebe erweisen lassen. Näheres darüber siehe im zweiten Teile.
Im ganzen kann man sagen, daß bisher noch keine Methode
gefunden ist, welche die Tuberkelbacillen sicher und in jedem Falle
vernichtet, daß keine Methode dauernde Heilungen gegeben hat, wenn
der Prozeß nicht in latentem Stadium oder im Beginne war und daß
bisher noch keine Methode existiert, welche den Organismus refraktär
gegen tuberkulöse Infektion zu machen gestattet.
Teil II. Die neue Behandlungsweise.
Bedeutung der Inhalationen, besonders von
Essenzen.
Nach unserer Ansicht stellen Inhalationen das am direktesten
angreifende Mittel dar, wenn man die Tuberkelbacillen in der Lunge
abtöten will. Die Behandlung mit Inhalationen hat aber, wie Siemon
sehr richtig bemerkt, nicht in dem Maße, wie sie es verdient, An-
wendung gefunden, weil sie wegen der Unvollkommenheit der vorge-
schlagenen Methoden und Apparate schwer durchzuführen ist.
Zu Inhalationen kann man flüssige und feste Medikamente in
feinster Verteilung benutzen. Krankhafte Zustände des Pharynx,
des Kehlkopfes und der großen Bronchien bessern sich bedeutend
unter solcher Behandlung. Einzelne antiseptische Substanzen, welche
in pathologischen Zuständen der oberen Luftwege gute Dienste
leisten, wie z. B. die Karbolsäure, können in der Lungentherapie
wegen der lokalen Reizung, welche sie hervorrufen, nicht Verwendung
finden. Dem Kreosot kommt eine beträchtliche austrocknende und
sekretionsvermindernde Wirkung bei katarrhalischen Prozessen zu.
Inhalationen können ferner mit Gasen ausgeführt werden ; wegen
ihrer physikalischen Eigenschaften sind diese am geeignetsten für
den Zweck.
Bei der Behandlung der Lungentuberkulose hat man Einatmungen
von stickstoffreicher, sauerstoffarmer Luft versucht. Dieselben sollen
eine reizmildernde Wirkung bei irritativen Zuständen der Respira-
tionswege haben und sind von Nutzen bei auszehrenden Krankheiten,
weil die erhöhte Stickstoffzufuhr die Lebhaftigkeit des Stoffwechsels
herabsetzt. Einatmungen von Fluorwasserstoffsäure , Chlor und
994
G. M. C a r a s s o
schwefeliger Säure haben wegen der Schwierigkeit ihrer Ausführung
wenig Verbreitung gefunden. Inhalationen von kalter und heißer
Luft haben sich als nutzlos erwiesen. Inhalationen von Dampf oder
heißem Wasser reizen und erhöhen die Blutcirkulation in den Lungen
und verbessern dadurch die Ernährungsverhältnisse des Parenchyms.
Gut zu Inhalationen zu verwenden sind bei niederer Temperatur
flüchtige Substanzen, wie Alkohol und Chloroform, welche eine
vasodilatatorische Wirkung besitzen und den Hustenreiz mildern
(P a s s e r i n i ’s Chlorphenol).
Am besten aber eignen sich die ätherischen Oele. Ein Teil
derselben ist frei von Sauerstoff, wie z. B. diejenigen aus Kiefer,
Tanne, Wacholder, ferner Copaiva-, Cubeben-, Terpentinöl und die
Oele aus den Früchten und Blättern verschiedener Cedernarten. Zu
den sauerstoffhaltigen gehören die Oele aus Eukalyptus, Pfeffermünze,
Zimmt, Nelke, Thymian.
Antiseptische Wirkung der Essenzen.
Die ätherischen Oele oder deren Essenzen besitzen ein deut-
liches antiseptisches Wirkungsvermögen. Chamberland1) studierte
dasselbe gegenüber dem Milzbrandbacillus und einem stark
bacillenhaltigen Matexüale, der Gartenerde. Von 115 untersuchten
Essenzen übten nur 14 keine entwickelungshemmende Wirkung auf
den Milzbrandbacillus aus. Vollständig zu vernichten ver-
mochten ihn hingegen nur 8 (nach Verdunstung der Essenzen fand
keine Entwickelung im Nährboden mehr statt). In Lösungen von
1: 13200 bis 1:24200 töteten sieben Essenzen den Milzbrand-
bacillus ab, sie bewiesen damit eine antiseptische Kraft, welche
der des Kupfersulfates sehr ähnlich ist. Bei den Versuchen mit
Gartenerde zeigte sich eine deutliche antiseptische Wirkung der
Essenzen; dieselben erwiesen sich in frischem Zustande wesentlich
wirksamer, als wenn sie mit der Luft in Berührung gewesen und
von dieser oxydiert worden waren.
Champonniere2) konnte bestätigen, daß die ätherischen
Oele sowohl bei direkter Berührung als auch mittels ihrer Dämpfe
eine mikrobicide Wirkung äußern, welche z. B. beim Zimmtöl nicht
viel geringer ist, als diejenige des Sublimates. Da er selbst bei der
Behandlung putrider Prozesse sehr gute Resultate mit ihrer Anwen-
dung bekommen hatte, so glaubt er, daß sie in vielen Fällen das
Jodoform ersetzen und nützliche Dienste in der chirurgischen Praxis
leisten können.
Aus den Arbeiten von Koch geht hervor, daß Mentha piperita-
Essenz im Verhältnis von 10 : 300 die Entwickelung der Milzbrand-
sporen verhindert und daß ihr Dampf schnell nicht nur die Milz-
brandbacillen, sondern auch die Sporen vernichtet.
1) Journal des connaiss. med. 1887. 3 Mai.
2) Bulletin de Therapie. 1893. No. 20.
Neue Methode der Behandlung der Lungentuberkulose.
995
Ihre Anwendung bei der Behandlung von Lungen-
affektionen.
Leonard Braddon1) hat die Resultate einiger Experimente
über die "Wirkung der Mentha piperita-Essenz bei Inhalationen auf
die Lungentuberkulose veröffentlicht und versichert Besserungen er-
zielt zu haben und auch einen Fall von Heilung mit Verschwinden
der Bacillen aus dem Sputum und jedes physikalischen Zeichens
der Lungenaffektion. Auch ein Kranker mit Diphtherie wurde mit
Menthainhalationen geheilt.
Neuerdings hat Kersch berichtet, er habe gute Resultate bei
der Behandlung der Schwindsucht mit ätherischen Oelen gehabt.
Jeder seiner Kranken trägt auf dem Leibe ein Säckchen mit Watte,
auf welche Fichten- und Wacholderöl gegossen ist, so daß der
Patient beständig mit diesen Substanzen imprägnierte Luft einatmen
muß. In dieser Weise verwendet der Verf. das Eukalyptusöl und
Thymol mit Eukalyptus seit 5 Jahren. Die Wirkungen dieses Ver-
fahrens sind günstige, der gelbe käsige Auswurf wird weiß und
schaumig, der Husten hört auf, die Bacillen im Sputum nehmen an
Zahl ab oder verschwinden.
Erklärung der Wahl der Men t ha-Es se n z.
Durch die Bekanntschaft mit den erwähnten Thatsachen, d. h.
dem Umstande, daß es praktisch ist, bei der Behandlung der Lungen-
tuberkulose Inhalationen zu verwenden, und zwar mit ätherischen
Oelen, der Thatsache der antiseptischen Wirksamkeit derselben und
den ermutigenden Versuchen von Braddon mit der Essenz Mentha
piperita, ließen wir uns Ende 1888 bestimmen, Inhalationen von
Mentha piperita bei der Behandlung der Lungenschwindsucht anzu-
wenden, um die erste Indikation der Therapie derselben zu erfüllen,
nämlich die Bacillen abzutöten.
Der gasförmige Zustand, in welchem sich die Mentha piperita
bei der Inhalation befindet, muß ihre vollkommene Mischung mit
dem Inhalt der Bronchien und der Lungenalveolen erleichtern und
ihre Resorption von seiten einer so weiten Eingangspforte, wie es
die Lunge ist, zu einer sehr schnellen gestalten, zumal bei derselben
kein Hindernis weiter zu überwinden ist. Die von den Lungen und
den Lungenvenen aufgenommene Mentha verbreitet sich mit dem
Blute durch den Kreislauf und kann an allen Punkten des Körpers
ihre mächtige antiseptische Kraft entfalten. Ihre besondere Wir-
kung auf die Lungen indessen erklärt sich daraus, daß sie durch
diese besonders leicht wieder mit der Expiration eliminiert werden
kann2). Außerdem kann die Temperaturherabsetzung, welche Binz
bei ihrem Gebrauche bei Kranken und Gesunden hat eintreten sehen,
gegen das hektische Fieber sich nützlich erweisen. Die Herabsetzung
der Reflexakte, welche Binz beobachtet hat, kann den Husten und
die sich daraus ergebenden Unbequemlichkeiten mildern.
1) The Lancet. 1888. März.
2) Vedi Coletti, La cura dei veneficii secondo la scuole tossicologica italiana.
996
G. M. Carasso,
Erklärung der Verwendung des Kreosots.
Die gute Wirkung des Kreosots bei der Tuberkulose besteht
darin, daß es in den meisten Fällen den Appetit anregt und Gärungs-
prozesse im Darme verhindert. Infolge davon wird der Ernährungs-
zustand durch seinen Gebrauch gehoben, wodurch die Resorption der
sekundären entzündlichen Ausscheidungen in der tuberkulösen Lunge
gefördert wird. Diese Ausscheidungen werden außerdem durch das
Kreosot desinfiziert und ihre Bildung durch den auf die Zellen ge-
setzten Reiz beschränkt. Bei dieser Auffassung haben wir es für
angezeigt gehalten, mit den Menthaeinatmungen die innerliche Dar-
reichung von Kreosot zu vereinigen, um der zweiten Indikation bei
der Therapie der Lungentuberkulose zu genügen, d. h. die toxische
Wirkung der Bacillen und ihre lokalen Wirkungen wett zu machen.
Auffassung der Anwendung reichlicher Ernährung.
Mit der Darreichung des Kreosots trägt man mit bei zur
Erreichung der dritten Indikation, d. h. den Körper zu kräftigen
gegen die Entwickelung der Krankheit, da ja das Kreosot die All-
gemeinernährung günstig beeinfiußt. Dieses Ziel erreicht man in-
dessen besonders mit den einfachem Mitteln, wie sie eine reichliche,
kräftige und leicht verdauliche Kost liefert und mit der Beobachtung
aller der hygienischen Regeln, welche sich aus den modernen Kennt-
nissen über die Lungentuberkulose ergeben.
Beschreibung der angewendeten Methode.
1) Der Kranke wird fortwährenden Einatmungen von Mentha
piperita- Essenz unterworfen.
Der höchst einfache Inhalationsapparat wird aus einem Stück-
chen Leinwand von viereckiger Form hergestellt, welches 10 cm
Seitenlänge besitzt und so zusammengelegt ist, daß es ein kleines
Kissen von 5 cm Länge und 2 cm Breite bildet. Zwei Bänder
werden an den Enden des Kissens befestigt und am Hinterkopfe zu-
sammengebunden, so daß sie den Inhalationsapparat unter den Nasen-
löchern festhalten. Die beiden Bänder köunen auch um die Ohr-
muschel geschlungen werden, zu welchem Zwecke man sie durch
elastische Metallhalter, ähnlich wie sie die Brillen haben, ersetzen
kann. Das Kissen muß, abgesehen von gelegentlichem Wechsel, be-
ständig, Tag und Nacht getragen werden, ausgenommen während
der Mahlzeiten. Wenn die Krankheit noch nicht so weit vorge-
schritten ist, daß sie dem Kranken noch gestattet, seiner Beschäftigung
außerhalb des Hauses nachzugehen, so empfiehlt es sich, einen Apparat,
welcher aus einem Stückchen Gänsefederkiele besteht, worin etwas
hydrophile, mit Mentha getränkte Watte steckt, wie eine Cigarette
oder einen Zahnstocher zwischen den Lippen zu tragen.
Das Kissen wird mit 5 — 6 Tropfen Menthaessenz 4 — 5mal im
Laufe des Tages befeuchtet; um Reizung zu vermeiden, salben sich
empfindliche Personen in den ersten Tagen des Gebrauches die Nasen-
gegend mit Vaseline ein. Man fordert darauf den Patienten auf,
8 — 10 tiefe Inspirationen bei geschlossenem Munde zu machen und
nach jeder so lange wie möglich die Luft anzuhalten, damit die
Neue Methode der Behandlung der Lungentuberkulose.
997
mit dem flüchtigen Oele imprägnierte Luft so lange wie möglich mit
der Schleimhaut der Bronchien und den Alveolen, mit dem Inhalte
der Alveolen und Kavernen in Berührung bleibt. Dann gönnt man
dem Kranken 10 — 15 Minuten Ruhe, während welcher er normal,
immer durch das Kissen, atmet. Dann wiederholt er die tiefen
Inspirationen, ruht dann wieder u. s. w. Muß man fürchten, daß
während des Schlafes sich das Kissen verschiebt, so befeuchtet man
das Kopfkissen mit 15 — 20 Tropfen Menthaessenz.
2) Der Kranke nimmt innerlich eine alkoholische Kreosotlösung nach
folgendem Rezept Creosot. pur. e fago 8,0
Alkohol rectif. 550,0
Glycerin, pur. 250,0
Chloroform 20,0
Essentiae menthae 8,0
Von dieser Mischung, welche jedesmal gut umzuschütteln ist,
giebt man alle drei Stunden am Tage einen Eßlöffel voll in V2 Glase
Wasser. Bisweilen scheint für manche Individuen die Mischung zu
konzentriert, dann kann man sie mit einem Glase Zuckerwasser ver-
dünnen und allmählich statt auf einen Zug trinken lassen. Bei be-
sonderer Intoleranz ist es geraten, in den ersten Tagen der Kur nur
1 — 2 Löffel der Lösung zu geben und allmählich auf 4 Löffel zu
steigen ; bisweilen muß man auf die Derivate des Kreosots zurück-
greifen, welche den Vorteil bieten, daß sie selbst in großer Dosis
ohne besondere Beschwerden vertragen werden.
3) Der Kranke wird einer reichlichen und kräftigenden Er-
nährung, einer wahren Hyperalimentation unterworfen.
Er erhält reichlich Milch, je nachdem, was er vertragen kann,
wenn möglich 2 — 3 Liter pro Tag, und zwar sterilisiert oder wenig-
stens lange gekocht. Man verordnet Fleisch, dessen Zubereitung
man nach dem speziellen Geschmacke verändert, damit es den Appetit
reizt, doch vermeidet man gewisse gewürzte Speisen von keinem
oder geringem Nährwerte. Erlaubt sind ferner starke Weine, von
welchen wir den Marsala in einer Tagesdose von 4 — 500 g vorziehen.
Bei der Behandlung werden alle hygienischen Regeln befolgt,
welche empfohlen und bewährt sind, hinsichtlich der Wohnung, der
Beschäftigung und in anderer Beziehung, wie sie die Kenntnis von
der Infektiosität der Krankheit nötig gemacht hat. Vor allen Dingen
ist für eine sorgfältige Unschädlichmachung des Auswurfs zu sorgen,
damit der Kranke nicht, nach dessen Austrocknung, der Gefahr einer
fortwährenden oder gelegentlichen Einatmung von Bacillßn oder
Bacillensporen und damit einer neuen Infektion ausgesetzt ist.
Kasuistik.
Bemerkungen über die Zusammenstellungen der
klinischen Fälle.
In den Versuchen, über welche berichtet werden soll, wurde die
Kur in keinem Falle begonnen, ehe die Koch’ sehen Bacillen im
Auswurfe nachgewiesen worden waren. Bei vielen Kranken, bei welchen
das Ergebnis der physikalischen Untersuchung des Thorax und der
XV. Bd. 63
998 6- M. Carasso, Neue Methode zur Behandlung der Lungentuberkulose.
Allocrueiuzustaud des Iudividuums genügenden Anhalt zur Stellung
der Diagnose auf Lungentuberkulose, besonders Spitzentuberkulose
gaben, wurde die vorerwähnte Behandlungsmethode nicht angewendet,
wenn das Mikroskop nicht Tuberkelbacillen im Sputum aut'findeu
ließ, auch wenn in demselben elastische Fasern, ein sicheres Zeichen
eines destruktiven Prozesses , sich zeigten und wenn die hereditäre
Disposition für tuberkulöse Erkrankungen konstatiert war.
In dieser Beziehung ist die Thatsache wichtig, daß diese Kranken
einer einfachen diätetischen und hygienischen Behandlung unterzogen,
vollständig von jeder subjektiven Beschwerde und jedem objektiv
nachweisbaren Krankheitssymptom befreit wurden. Es ist nicht un-
wahrscheinlich, daß man einige der vielen vorgeblichen Heilungen
von Lungenschwindsucht dieser Kategorie zurechnen muß.
Ausgenommen in den ersten Fällen, welche nicht genau ge-
rechnet werden können , wurden von jedem Kranken an dem Tage,
an welchem die Kur begann, der physikalische Befund, die Menge
und Beschaffenheit des Auswurfs, die Temperatur und das Körper-
gewicht aufgezeichnet.
Alle acht Tage wurden die erwähnten Krankheitssymptome im
Journale sorgfältig registriert und die Untersuchung des Sputums
wiederholt. Enthielt dieses keine Bacillen mehr, so wurde die mikro-
skopische Untersuchung wenigstens die drei folgenden Tage, an
mehreren Präparaten pro Tag, wiederholt, um sich von ihrem wirk-
lichen Verschwinden zu versichern. In der Folgezeit wurde die
Sputumuntersuchung meistens noch alle acht Tage wiederholt.
Wenn nicht besondere Umstände es unmöglich machten, wurde
die Kur nicht sofort nach Feststellung des Verschwindens der
Bacillen im Sputum beendet, sie wurde vielmehr nicht nur bis zur
völligen Wiederherstellung des vesikulären Atmens in jeder Lungen-
partie, sondern mindestens noch durch einen Monat länger fort-
gesetzt. Wir möchten die Aufmerksamkeit der Kollegen auf diese
Bemerkung von fundamentaler Wichtigkeit lenken.
Es ist empfehlenswert, daß die erkrankten Individuen in einem
besonderen Raume sich aufhalten und daß die größte Sorgfalt auf
die Sterilisation und Vernichtung der Sputa verwendet wird. Wenn
aber sicher konstatiert ist, daß die Patienten keine Bacillen mehr
im Sputum enthalten, so werden sie in andere Säle verlegt, in
welchen sich kein Gegenstand befindet, welcher irgendwie infiziert
sein könnte. Von der Wichtigkeit dieser letzten Bemerkung sind wir
nicht allein durch theoretische Erwägungen, sondern auch durch eine
weiter unten anzuiührende Beobachtung (Fall II) überzeugt worden.
Nur die größte persönliche Wachsamkeit kann die Sicherheit
geben, daß die vorgeschriebene Kur skrupulös im Krankenhause inne
gehalten wird, besonders was die fortwährende Menthainhalation an-
belangt. Es giebt viele Ausflüchte, zu denen thörichte Kranke
greifen, um von dem Inhalationsapparate, der doch so wenig Unbe-
quemlichkeiten macht, befreit zu werden und so kann der Verlauf
der Kur ungünstig beeinflußt werden ohne eine sorgfältige Ueber-
wachung, welche wir empfehlen, um gute Resultate garantieren zu
können. (Schluß folgt.)
Influenza.
999
Referate.
Griffiths, A.-B. et Ladell, B. S., Sur une ptomai'ne extraite
de l’urine dans la grippe. (Comptes rendus des söances de
l’Acadömie des Sciences de Paris. Tome CXVII. No. 22. p. 744.)
Die Methode, nach welcher das Ptomain ausgezogen wurde,
war folgende:
Eine beträchtliche Quantität Harn wurde durch Hinzufügung einer
geringen Menge von kohlensaurem Natron alkalisch gemacht und
hierauf mit der Hälfte ihres Volumens Schwefeläther behandelt.
Nach Bildung eines Niederschlags und Filtration wurde der Schwefel-
äther mit einer Lösung von Weinsteinsäure, die sich mit den Pto-
mainen zu löslichen Tartraten verbindet, weiter behandelt. Die infolge
des kohlensauren Natrons noch alkalische Flüssigkeit behandelt man
hierauf mit der Hälfte ihres Volumens Schwefeläther und läßt sie
verdunsten. Als Rückstand erhält man die Ptomai'ne.
Das Ptomain, welches man aus dem während der Grippe (In-
fluenza) abgesonderten Urin erhält, ist eine weiße Substanz, in pris-
matischen Nadeln krystallisierend, lösbar im Wasser, mit schwach
alkalischer Reaktion. Es bildet in krystallicrter Form ein Chlor-
hydrat, ein Chloroplatinat und eine Chlorgoldverbindung. Mit Phos-
phorwolframsäure giebt es einen bräunlichen, mit Phosphormolybdän-
säure einen gelblichen, mit Pikrinsäure einen gelben, mit Tanninsäure
einen roten und mit Quecksilberchlorid einen weißen Niederschlag.
Das Neßler’sche Reagens ruft einen braunen, Zinkchlorür jedoch
überhaupt keinen Niederschlag hervor.
Die Analysen der Base ergaben für die Zusammensetzung der-
selben die Formel C9H9Az04.
Das Ptomain ist giftig, es ruft starkes Fieber hervor und wirkt
tödlich innerhalb 8 Stunden. Im normalen Harne findet es sich nicht
und ist also anzunehmen, daß es ein Produkt des Stoffwechsels wäh-
rend der Krankheit ist.
Die Verff. haben nicht untersucht, ob der Bacillus von
Pfeiffer, Kitasato und Canon dasselbe Ptomain erzeugt, wenn
er in eine Nährlösung von Agar-Agar mit Hinzufügung von Glycerin
gebracht wird. Das von Griffiths aus dem Urine Pneumonie-
leidender dargestellte und beschriebene Ptomain ist nach Angabe
der Verff. von dem oben beschriebenen total verschieden.
Eber dt (Berlin).
63*
1000 Schutzimpfung, küustl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten, Entwick-
lungshemmung und Vernichtung der Bakterien etc.
Gärtner, A., Verhütung der Uebertragung und Verbrei-
tung ansteckender Krankheiten. (Erster Abschnitt in
dem „Handbuch der speziellen Therapie innerer Krankheiten“ von
Penzoldt und Stintzing.) 8°. Jena (G. Fischer) 1894.
Gärtner giebt nach einer Einleitung, welche sich über die
Ansteckung des Individuums sowie das Entstehen und Verschwinden
der Epidemieen ergeht, einen Ueberblick über die Schutzmaßregeln
gegen Ansteckung. Dieselben werden eingeteilt in Maßnahmen 1) in
seuchefreien Zeiten, 2) beim Herannahen der Seuchen, 3) während
des Bestehens der Epidemieen. Als Maßnahmen in seuchefreien
Zeiten werden genannt: Die Reinlichkeitsbestrebungen, die Ueber-
wachung des Nahrungsmittelverkehrs, die Sorge für gute Wohnungen,
Errichtung von Leichenhäusern. Von den Maßnahmen beim Heran-
nahen der Seuchen werden unterschieden die von seiten des Staates,
die von seiten der lokalen Verwaltungen und die seitens der Familien
und der Einzelnen, sowie seitens des Arztes. Die Aufgabe des
Staates beim Herannahen ansteckender Krankheiten ist eine ver-
schiedene, je nachdem dieselben im Lande selbst auftreten oder vom
Auslande einzudringen drohen. Zu letzteren gehören Pocken, Fleck-
typhus, Rückfallfieber, Gelbfieber, Pest und Cholera. Die erste Maß-
nahme der Regierung besteht ihnen gegenüber in der Mitteilung an
die Behörden der Grenzbezirke über den Stand der Seuchen jenseits
der Grenze; darauf sind Bestimmungen zu erlassen (oder an sie zu
erinnern) über den Verkehr über die Grenze von Personen und Waren.
Es wird hier an die Bestimmung des Reichskanzlers vom 27. Juli
1893 erinnert, nach welcher sich aus verseuchten Orten ankommende
Fremde binnen der nächsten 24 Stunden bei der Behörde zu melden
haben, welche bis zum Ende der Inkubationszeit, ohne sie zu be-
lästigen, überwachen läßt. Bezüglich der Waren gilt nach dem
Dresdener internationalen Choleraregulativ das Prinzip, deren Einfuhr
möglichst nicht zu beschränken, aber die Ausfuhr von wirklich ver-
dächtigen Gegenständen aus infizierten Orten zu verhindern. Bezüglich
der Verhütung der Ausbreitung ansteckender Krankheiten durch die
Schulen wird auf die mustergiltige preußische Anordnung vom 14. Juli
1884 hingewiesen. Wiederzulassuug zur Schule soll erfolgen dürfen,
wenn bei Scharlach und Pocken 6 Wochen, bei Masern und Röteln
4 Wochen, bei Diphtherie gleichfalls 4 Wochen nach Beginn der
Genesung verstrichen sind, während Keuchhusten nicht mehr an-
steckend ist, wenn der Krampfhusten verschwunden ist. Mit Recht
wird die Forderung aufgesteilt, Schulärzte zu schaffen. Bei dem
Herrschen ansteckender einheimischer Krankheiten ist von großem
Werte die Meldepflicht der Aerzte, Bildung von Sanitätskommissionen,
Herstellung genügender Räume in Krankenhäusern, Veröffentlichung
des Standes der Seuche, Isolierung der Kranken und gründliche,
kostenfreie Desinfektion. Der letztem ist der letzte Abschnitt des
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 1001
Buches gewidmet, welche fast die Hälfte des dem Verf. zugemessenen
Raumes einnimmt. Dieser Abschnitt zerfällt in 3 Abteilungen,
welche die chemischen und die mechanischen Desinfektionsmittel,
sowie die Desinfektion der einzelnen Gegenstände behandeln.
Die Gärtne r’sche Abhandluug bildet einen würdigen Anfang
des auf 6 Bände berechneten Handbuches. Schill (Dresden).
Klebs, Zur Beurteilung therapeutischer Maßnahmen.
Ein Beitrag zur Antidiphtherinbehandlung. (Dtsch.
med. Wochenschr. 1894. No. 18.)
Der Aufsatz ist eine Erwiderung auf die Veröffentlichung von
Vulpius, Kritische Bemerkungen und praktische Erfahrungen über
das Antidiphtherin Klebs, über welche Ref. in dieser Zeitschrift
berichtet hat. Klebs spricht der Statistik von Vulpius eine
Beweiskraft ab. Einerseits sei die Zahl von 19 Diphtheriefällen
nicht groß genug, um danach den Wert eines Heilverfahrens zu be-
urteilen. Dann habe es sich in den Fällen von Vulpius durchweg
um besonders schwere und vorgeschrittene Erkrankungen gehandelt;
es ergebe sich das schon daraus, daß dieselben sämtlich auf der
chirurgischen Klinik behandelt worden seien , welcher in der Regel
doch nur solche Kranke zugewiesen würden, die der Tracheotomie
bedürften. Diese Operation sei denn in der That bei 16 der Kranken
notwendig gewesen. Von den übrigen 3 Fällen sei 2mal der Er-
folg eklalant eingetreten, obwohl bereits ernste Symptome, wie „leichter
Stridor“, „ganz geringe Einziehung der Interkostalräume“, nach den
Angaben von Vulpius vorhanden gewesen seien. Der dritte Fall,
welcher eine bei der Pflege erkrankte Krankenwärterin betraf, sei
dank der Energie der Patientin und des Arztes als ein Muster erfolg-
reicher Behandlung mit Antidiphtherin zu bezeichnen. Am 3. Tage
sei Entfieberung, am 4. Genesung erfolgt.
Wenn von den 16 Tracheotomierten 9 (einer davon an einer Nach-
blutung aus der Trachea), d. i. 56,3 Proz., gestorben seien, so sei
dies Ergebnis immer noch günstiger, als das Resultat einer auf 372
in Zürich tracheotomierte Fälle gegründeten Statistik von Neuko ra m,
welche 62 Proz. Mortalität ergebe. In der Züricher chirurgischen
Klinik seien von den der Tracheotomie unterworfenen Diphtheriekranken
1881/82 60,3, 1882/83 60,7, 1883/84 58,1 Proz. gestorben.
Klebs giebt indessen zu, daß das Ergebnis von Vulpius,
wenngleich immerhin besser als in der Statistik Neukomm’s, den-
noch auch seinen Erwartungen nicht entsprechend sei. Nur macht
er dafür nicht eine Unwirksamkeit des Antidiphtherins, sondern die
ungenügende Anwendung des Mittels verantwortlich. Einen Fehler
habe Vulpius damit begangen, daß er sich eines Haarpinsels be-
diente, welcher bei der geringen Kapillarität der Zwischenräume
zwischen seinen Haaren die anhaftende Flüssigkeit bei jedem An-
stoßen gegen Lippen, Mund oder Rachenwand von sich giebt und
daher nicht in ausreichender Menge bis an die diphtherischen Stellen
trägt. In Erkenntnis dieser Mängel des Haarpinsels habe Klebs
den an der Sonde gedrehten Wattebausch empfohlen, welcher dank
1002 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
seiner festen, filzigen Beschaffenheit die Heilflüssigkeit länger fest-
hält. V ulpius habe diesen bedeutsamen Umstand außer acht ge-
lassen. Ferner sei in Heidelberg viel zu wenig von dem Anti-
diphtherin Gebrauch gemacht worden. Iu Erwägung des außer-
ordentlich kräftigen und raschen Wachstums der Diphtheriebacillen
in ihren Kulturen in vitro habe K 1 e b s gefordert, daß die Einträufelungen
mehrmals täglich zu geschehen haben; Vulpius habe jedoch ge-
wöhnlich nur einmal, selten zweimal am Tage eingeträufelt.
Schließlich wendet sich Klebs gegen den Einwand von Vul-
pius, daß die etwaigen günstigen Wirkungen des Antidiphtherins
durch dessen Zusatz von 0,2 Proz. Orthokresol hervorgebracht sein
könnten. In einem Nährboden von 20 ccm Glycerinagar und 1 ccm
Antidiphtherin doppelter Konzentration ohne Orthokresol fand nach
seinen Versuchen ein WTachstum von Diphtheriebacillen nicht statt,
während Kolon- und Kommabacillen darauf trefflich gediehen.
Kübler (Berlin).
Finkelnburg, Der Entwickelungsgang und der heutige
Stand der internationalen Gesundheitspflege.
(Deutsche Vierteljahrsschrift f. offen tl. Gesundheitspflege. Bd. XXV.
1893. Heft 3. p. 457 ff.)
Verf. giebt uns in einer historischen Darstellung eine Uebersicht
über die Entwickelung und über den Stand der internationalen Ge-
sundheitspflege bis zur Venediger Konferenz. Speziell geht er natur-
gemäß auf die Bestrebungen der Völker zur Abwehr der Cholera
ein, und zwar im besonderen auf die sanitären Vorkehrungen, welche
in Arabien, Suezkanal und Aegypten getroffen sind. Er beginnt mit dem
Jahre 1840 die Thätigkeit des internationalen Gesundheitsdienstes
im türkischen Reiche zu schildern, bespricht die Sanitätskonvention
zur Abwehr der Pest, der Cholera und des Gelbfiebers im Jahre
1851, den Zusammentritt der internationalen Sanitätskonferenz zu
Konstantinopel 1865 und die zu Wien 1874. In einer beigefügten
Karte können wir uns orientieren über die verschiedenen Stationen,
deren hygienische Zustände Gegenstand der Konferenzen waren.
Ferner wird berichtet über die Thätigkeit des „ägyptischen Seen und-
Quarantänegesundheitsrats“, dann über das Ergebnis der internatio-
nalen Sanitätskonferenz in Rom 1885. Endlich wird berichtet über
die Konferenz in Venedig 1892. Mit dieser schließt der Bericht;
in einem kurzen Nachtrage wird noch in Kürze der Dresdener Konferenz
Erwähnung gethan. Die auf den verschiedenen Konferenzen gefaßten
Beschlüsse, die von den einzelnen Behörden getroffenen Maßnahmen
sowie auch die Zustände im Orient werden eingehend geschildert.
Es würde aber den Rahmen eines Referats weit überschreiten,
wollten wir eingehend über alles berichten.
Daß jedoch trotz aller Verordnungen noch vieles zu wünschen
übrig bleibt, darüber hat uns erst neulich Karlin ski in seinem Auf-
sätze „Unter der gelben Flagge“ (Hygienische Rundschau. 1894) Auf-
klärung gegeben. Wir wollen hoffen , daß es gelingen möge, auch
diese Uebelstände zu beseitigen. O. Voges (Dan/.ig).
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungsheminung etc. 1003
Hobreclit, J. , Sanitäre Untersuchungen in Aegypten.
(Deutsche Yierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege.
Bd. XXV. Heft 3. p. 397 ff.)
Verf. bespricht in seinem Aufsatze die Möglichkeit einer Assani-
rung der Stadt Kairo. Die Stadt hatte eine Aufforderung zur Ein-
reichung von Projekten in bezeichneter Richtung erlassen und die
Begutachtung derselben einer aus den drei Ingenieuren Law, Eng-
land, Guörard, Frankreich und, Verf. Berlin übertragen. Den Bericht
dieser internationalen Kommission teilt Verf. in seinem Aufsatze mit.
Wir werden bekannt gemacht mit den Boden-, Regen- und Grund-
wasserverhältnissen, dem Straßen- und Wohnungsbau, der Wasser-
leitung, der Anlage von Aborten und der Beseitigung der Fäkalien
und des Unrats. Im Jahre 1882 betrug die Mortalität 46,1 °/00, nur
Madras übertrifft mit 48°/00 noch diese hohe Mortalität, während
z. B. London 17,4 und Berlin 23,7 °/00 aufwiesen. Die Kommission
einigte sich nach folgenden Ratschlägen :
1) Die öffentlichen Bedürfnisanstalten sollten, namentlich solange
die Wohnungsverhältnisse nicht umgestaltet sind, thunlichst vermehrt
werden.
2) Die Einrichtungen für Bäder und Waschungen in den Moscheen
sollten, so wie es in der Moschee Saidna-el-Hussein bereits geschehen,
gebessert werden.
3) Die Sebiles (Saugeröhren für Trinkwässer) sollten abgeändert
und verbessert werden.
4) Die Straßen in dem Stadtgebiete der Araber sollten wieder
auf ihre normale Höhe abgegraben werden ; sie sollten gepflastert
oder chaussiert werden , damit die Kanalisation ausgeführt werden
könne.
5) In diesen Quartieren sollten auch einige große Straßendurch-
brüche zur besseren Cirkulation und Lufterneuerung gemacht werden.
Verf. konstatiert, daß nach Verlauf eines Jahres die Mittel für
den Bau der Kanalisation zur Disposition gestellt sind und daß mit
Aufstellung der Spezialprojekte rüstig vorangegangen wird.
0. Voges (Danzig).
Lcwaseliow, Die bakteriologischen Behandlungsmethoden
der Infektionskrankheiten beim Menschen im all-
gemeinen und die Serumbehandlung des Flecktyphus
im besonderen. (Wratsch. 1893. No. 35, 36, 37 und 38.)
Nach einer Darlegung der Geschichte und des gegenwärtigen
Standes der Lehre von der Serotherapie bei Infektionskrankheiten
beschreibt L. seine eigenen Beobachtungen über diese Behandlungs-
methode beim Flecktyphus. Im ganzen kam letztere in Anwendung
bei 32 Fällen, in welchen aber statt Blutserum defibriniertes Blut
benutzt wurde. Man entnahm das Blut von Kranken, welche ebeu
erst den Flecktyphus durchgemacht hatten, sowie 7 bis 18 läge
nach der Genesung, und führte dasselbe den Patienten in verschiedenen
Mengen (von 15 bis 90 ccm) mehrmals im Verlaufe der Krankheit
(1- bis 5mal) in die Venen ein. Die Resultate faßt L. selbst in
folgender Weise zusammen: „Das Blut und das Blutserum von
1004 Schutzimpfung, kÜDstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Menschen, welche den Flecktyphus durchgemacht haben, besitzen
nicht die Fähigkeit, irgend einen merklichen Einfluß auf die Ent-
wickelung schwerer Formen dieser Krankheit und auf die Intensität
der Symptome auszuüben. Was man höchstens auf die Behandlung
zurückführen darf, ist das Vermögen zuweilen, ganz am Schlüsse
der Erkrankung ein Heruntergehen der Temperatur hervorzurufen.
Die Dauer der Krankheit wird nicht bloß bei solcher Behandlung
nicht verkürzt, sondern sie scheint vielmehr sich verlängern zu können.“
Sacharoff (Tiflis).
Mefsner, Experimentelle Studien über die Wundbe-
handlung bei infizierten Wunden. [Nach einem Vortrage
gehalten am II. Sitzungstage des 23. Kongresses der deutschen
Gesellschaft für Chirurgie zu Berlin.] (Münchener med. Wochen-
schrift 1894. No. 19.)
Verf. machte zur Beantwortung der Frage, ob für infizierte
Wunden eine aseptische Behandlung genüge oder ob in solchen
Fällen zur antiseptischen Wundbehandlung zurückgegrilfen werden
müsse, eine Reihe von Untersuchungen. Zunächst wollte er feststellen,
ob es mit Hilfe der 3-proz. Karbolsäure möglich sei, infizierte
Wunden zu desinfizieren und Eiterungsprocesse, die, wenn sie nicht
antiseptisch behandelt werden , einen progredienten phlegmonösen
Charakter annehmen, zu coupieren oder in ihrem Verlaufe zu mildern.
Ferner wollte M. die Richtigkeit der Behauptung der Aseptiker
prüfen, daß die 3-proz. Karbolsäure die Lebenskraft des Gewebes im
Kampfe mit den Mikroorganismen herabsetze und das Gewebe zur
Eiterung disponiere.
Zu den Versuchen wurden im ganzen 23 Kaninchen benutzt, und
zwar in der Weise, daß immer je zwei Tiere von einem Wurfe
gewählt wurden, welche an Farbe, Größe und Gewicht ganz oder
annähernd gleich waren. An einem Vorderbeine am Oberschenkel
wurde eine 2 cm lange Wunde angelegt, welche durch Haut,
Fascien und Muskulatur ging. Diese Wunde wurde mit frischem
virulentem, menschlichen Eiter oder einer bei 37° gezüchteten, 2 Tage
alten Eiterbouillonkultur infiziert und dann nach einer gewissen An-
zahl von Stunden (von 4 — 18 Stunden) bei dem einen Tiere aseptisch
behandelt, d. h. mit 3l4-proz. sterilisierter Kochsalzlösung ausgewaschen,
während bei dem anderen Tiere die Wunde mit 3-proz. Lysol- und
Karbolsäurelösung desinfiziert wurde. Hierauf wurde die Wunde
aseptisch oder mit einem feuchten Karbolumschlage verbunden.
Es zeigte sich hierbei, daß von denjenigen Kaninchen, welche
aseptisch behandelt worden waren, alle mit Ausnahme eines einzigen
an progredienten phlegmonösen Eiterungen innerhalb 8-14 Tagen
zu Grunde gingen, während diejenigen, welche antiseptisch behandelt
worden waren, alle mit Ausnahme eines einzigen am Leben blieben.
Selbst noch 18 Stunden nach der Infektion gelang es, mit Eiterkokken
infizierte Wunden mittels 3-proz. Karbolsäure- und Lysollösung zu
desinfizieren und Eiterungsprozesse, welche Neigung hatten, einen
progredienten Charakter anzunehmen und den Tod des Versuchstieres
herbeizuführen, mit Erfolg zu bekämpfen. Außerdem zeigte sich bei
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwicklungshemmung etc. 1005
den Versuchen, daß die 3-proz. Karbolsäure keineswegs das tierische
Gewebe zur Eiterung prädisponierte, daß inj Gegenteil die Behand-
lung des Gewebes mit Karbolsäure innerhalb vernünftiger Grenzen
demselben einen gewissen Schutz gegen das Fortschreiten eiteriger
Prozesse verlieh. Dieudonnö (Berlin).
Denys, J. et Hayet, J., Sur la part des leucocytes dans
le pouvoir bactöricide du sang de chien. (La Cellule.
X. 1893. Ir fase. p. 7.)
Die Beobachtung bei einem gelegentlichen Versuche über das
mikrobicide Vermögen des Hundeblutes und -serums, daß das letztere
in wesentlich geringerem Maße bakterientötend wirkt, als das Blut, ver-
anlaßte die Vertf. zu systematischen Untersuchungen über die Frage,
welchen Elementen des Hundeblutes mikrobicide Eigenschaften zuzu-
schreiben sind. Verff. prüften das Hundeblut, das mittels Filtrieren
durch Papierfilter — die Einzelheiten der Versuchsanordnungen
mögen im Original eingesehen werden — von den aktiven Leuko-
cyten befreite Hundeblut, Serum mit und ohne hinzugefügten Leuko-
cyten (experimentell erzeugtes Pleuraexsudat vom Hunde), filtriertes
Blut mit Zusatz von centrifugiertem Exsudate u. s. w. in üblicher
Weise durch Aussaat verschiedener Mikroorganismen (B. coli
commune, Heubacillussporen, Staphylococc. pyog.) und
das in bestimmten Intervallen folgende Plattenverfahren bei gleich-
zeitiger mikroskopischer Untersuchung der Flüssigkeiten. Aus den
Versuchsergebnissen ziehen Vertf. die folgenden Schlüsse.
Das Hundeblut verliert durch das Filtrieren fast vollständig
sein baktericides Vermögen. Da das Filter die Leukocyten zurück-
hält, hingegen die übrigen Elemente des Blutes durchgehen läßt, muß
angenommen werden, daß beim Hunde der hauptsächlichste Teil
dieses Vermögens den weißen Blutkörperchen zukommt. Die energische
Vernichtung der Mikroorganismen im Blute wird durch die Leuko-
cyten selbst und nicht durch ihre unter der Einwirkung von Bakterien
im Serum secernierten Produkte bewerkstelligt. Das filtrierte Blut
erhält sein bakterientötendes Vermögen zurück, wenn demselben
lebende Eiterzellen beigefügt werden. Die mikroskopische Unter-
suchung gestattet, alle Phasen der Phagocytose zu verfolgen. Ein
gewisser und zwar der kleinste Teil des baktericiden Vermögens
des Hundeblutes gehört dem Serum au. Das filtrierte Blut und das
Serum vom Menschen wirken nahezu ebenso keimtötend auf das B.
coli, wie das nicht filtrierte Blut. Das Blut von der Taube und
vom Huhne verhalten sich analog dem menschlichen Blute. Der
Vernichtung des B. coli im Serum geht ein Proliferationsstadium
voran. Die Stäbchen weisen beim Absterben deutliche Degenerations-
erscheinungen auf. Das baktericide Vermögen des Serums läßt sich
nicht aus dem Vorhandensein von Kohlensäure erklären.
Weder die Theorie der Phagocytose, noch jene der
1006 Schutzimpfang, kiinstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
nach der Natur der Mikroorganismen in variabler
Weise, um die höheren Organismen gegen die Invasion
der Bakterien zu schützen. Kral (Prag).
Havet, J., Du rapport entre le pouvoir bact6ricide du
sang de chien et sa richesse en leucocytes. (La Cellule.
X. 1893. fase. Ir p. 221.)
Verf. hatte mit Denys schon früher1) festzustellen versucht,
daß der Hauptanteil am bakterientötenden Vermögen des Hundeblutes
den Leukocyten zukommt. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit
den Beziehungen zwischen dem Reichtume des Blutes an Leukocyten
und dessen baktericiden Vermögen. Deren Untersuchungsresultate
führen zu den Schlüssen, daß beim Hunde das teilweise oder gänz-
liche Verschwinden der weißen Blutkörperchen, welches einer Injektion
von Bakterienprodukten in das Blut nachfolgt, auch das teilweise
oder gänzliche Verschwinden des bakterientötenden Vermögens herbei-
führt. Das Wiederauftreten dieses Vermögens geht Hand in Hand
einher mit der Rückkehr der Leukocyten in das Blut. Bei den
Infektionen mittels Injektion von lebenden Kulturen in das Gewebe
wird das Stadium der Hypoleukocytose von einer Verminderung, das
Stadium der Hyperleukocytose von einer Erhöhung des mikrobiciden
Vermögens begleitet. Diese Erhöhung ist der vermehrten Anzahl
der Leukocyten zuzuschreiben, aber keinesfalls einer neu erworbenen
Eigenschaft des Serums. Indessen läßt sich eine absolut feste und
konstante Beziehung zwischen der Energie des baktericiden Ver-
mögens uud dem Leukocytenreichtume nicht feststellen , da die
Leukocyten durch eine vorangegangene phagocytäre Leistung oder
durch das von den Bakterien secernierte Gift abgeschwächt sein
können. Die Leukocyten können von zwei Mikroorganismenarten, mit
welchen sie in Kontakt gesetzt werden, beide aber bloß eine Art
aufnehmen, je nach dem Medium, in welchem sie ihre Wirkung ent-
falten sollen. Kral (Prag).
Hildebrandt, H., Ueber Immunisierungsversuche mittels
pharmakologischer Agentien. (Münchener medizinische
Wochenschrift. 1894. No. 15.)
Verf., welcher in den letzten Jahren Untersuchungen über das
Verhalten von ungeformten hydrolitischen Fermenten (Emulsin,
Diastase) im Organismus angestellt hat, kommt in seinen vor-
läufigen Mitteilungen über die besagte Frage zu dem Resultate,
daß sich bei einem gewissen Grade von Fermentfestigkeit bei einigen
Tieren eine auffallend längere Dauer des Krankheitsprozesses
(Kanincheuseptikämie) bemerkbar macht, so daß der Tod von Tieren,
welche schließlich 0,1— 0,2 g des Fermentes erhielten, erst am über-
nächsten Tage oder noch später nach der Infektion eintrat, während
die Kontrolltiere 16 — 20 Stunden nach der Impfung starben. Einige
hochgradig immunisierte Tiere blieben trotz der nachfolgenden In-
fektion dauernd am Leben, wenn es auch bei diesen zu Panophthal-
1) Cf. das voranst. Ref. p.
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 1007
mitis und Schwund des Bulbus — der Infektionsstelle — kam. Eine
einmalige, an sich nicht akut tödliche Fermentdosis ist nicht imstande,
die Folgen der Infektion mit Kaninchenseptikämie abzuwenden; in
einigen Fällen schien sogar der Krankheitsprozeß nach vorherge-
gangener einmaliger Fermentinjektion einen rapideren Verlauf zu
nehmen. Das Blutserum der mit den genannten Fermenten immuni-
sierten Kaninchen tötet die Bacillen der Kaninchenseptikämie ab.
Es gelang Verf. auch, durch Serumübertragung von geschützten
Tieren — nach überstandener Infektion — auf normale, letztere bis
zu einem gewissen Grade vor den Folgen der später geschehenen
Infektion zu schützen. Das Serum fermentfester Tiere, welche keine
Infektion mit Kaninchenseptikämie überstanden haben, gewährt den
unbehandelten Tieren keinen Schutz gegen nachfolgende Infektion.
Gerlach (Wiesbaden).
Salvioli, J., Ueber die physiologische Wirkung der lös-
lichen Produkte einiger Bakterien und besonders
der pyogenen Staphylokokken. (Berliner klinische Wochen-
schrift. 1893. No. 13.)
Nachdem Verf. beobachtet hatte, daß die intrajugulare Injek-
tion von Pepton freier Bouillon oder Serum, aus dem die in der
Wärme gerinnbaren Eiweißstoffe entfernt waren, keinen Einfluß auf
den tierischen Organismus und speziell den des Hundes ausübte,
injizierte er in dieses flüssige Medium suspendierte Kulturen des
S tap hy lococcus pyogenes aureus, so daß die Dosis etwa
7—8 ccm pro Kilo Körpergewicht entsprach. Es trat ein bedeutendes
Sinken des Blutdruckes ein, die Atmung wird beschleunigt, die Tiere
siud aufgeregt, es erfolgt Abgang von Kot und Urin, sowie Erbrechen.
Das Blut verliert seine Koagulabilität und kann mehrere Stunden, ja
bis es gänzlich in Fäulnis übergegangen ist, vollkommen flüssig
bleiben. Abgetötete Kulturen sowie keimfreie Filtrate hatten die gleiche
Wirkung. Auch andere verflüssigende Bacillen, wie Proteus vul-
garis, Finkler- Prior, zeigten dieselben Wirkungen. Verf. nimmt
an, daß diese Erscheinungen durch Bakterienfermente erhalten werden
und konnte solche mittels Alkoholniederschlag aus den Filtraten ge-
winnen. Dieselben zeigten die nämlichen Wirkungen, wie die Bak-
terien. Kaninchen waren weniger empfindlich. Koagulabilität und
Sinken des Blutdrucks stehen nicht zu einander in einem Verhältnis.
Daß neben diesen Enzymen noch andere spezifische Giftstoffe
vorhanden sind, schließt Verf. nicht aus, glaubt jedoch, daß deren
Wirkungsweise häufig durch die Enzymreaktion verschleiert werden.
O. Voges (Danzig).
Pawlowsky et Maksutoff, S u r la phagocytose dansl’Actino-
mycose. (Annales de l’Institut Pasteur. 1893.)
Nach ihren Untersuchungen von tierischer und menschlicher
Aktinomykose fassen die Autoren die Vorgänge bei der Actino-
m y c e s infektion so auf, daß sich zunächst um den, gleichgiltig wie,
eingedrungenen Parasiten Phagocyten sammeln, welche sich aus
einkernigen Leukocyten und jungen Bindegewebszellen rekrutieren.
1008 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Dieselben verwandeln sich in große, kernhaltige, epitheloide Zellen
und nehmen einzelne stäbchenförmige Teile oder Mycelpartieen des
Actinomyces auf. Mit diesem Augenblicke beginnt der Kampf
zwischen Parasit und Zellen. Siegen diese, so vernichten sie den
Parasiten, behält jener die Oberhand, so entwickelt er sich weiter,
überschreitet die Grenzen der zu Grunde gehenden Zelle und zieht
durch seine chemotaktischen Eigenschaften neue Phagocyten her-
bei. Nun können auch diese wieder Elemente des Pilzes aufnehmen
und sich in die epitheloiden Zellen verwandeln, in welchen allein
der Parasit sich zu vermehren vermag. Oder aber, was häufiger ist
und woraus sich die geringe Ausdehnung, welche die Pilzinfektion
annimmt, erklärt, sie vermögen den Actinomyces aufzuhalten,
indem sie seine Kolbeu aufnehmen und in ähnliche hyaline Degene-
rationsprodukte verwandeln, wie man sie beim Rhinosklerom be-
obachtet. Die Weiterverbreitung der Aktiuomykose im Körper ge-
schieht nach den Verfl. ausschließlich durch Phagocyten, welche
entwickelungsfähige Teile der Pilzfilamente weiter verschleppen.
Abel (Greifswald).
Stern, R., Ueber die Wirkung des menschlichen Blut-
serums auf die experimentelle Typhusinfektion. [Aus
der medizin. Klinik in Breslau.] (Zeitschr. für Hygiene. XVI.
p. 458.)
Da bekanntlich das einmalige Ueberstehen des Abdominaltyphus
meist vor nochmaliger Erkrankung schützt, tritt Verf. der Frage
näher, ob das Blut natürlich immunisierter Menschen ähnliche
Veränderungen zeigt, wie sie bei der experimentell erzeugten
Immunität für eine Anzahl von Infektionen bekannt sind.
I. Versuche mit dem Serum von Menschen, die Ab-
dominaltyphus überstanden hatten, wurden an Mäusen und
Meerschweinchen angestellt. Die Mäuse von durchschnittlich 15 20 g
Körpergewicht erhielten Typhusbouillonkulturen, deren tödliche Dosis
bei 0,1 — 0,3 ccm lag; die Meerschweinchen von 300 — 500 g Körper-
gewicht erhielten Aufschw'emm ungen von Typhus-Agarkulturen, deren
tödliche Dosis bei 0,75 — 1,5 ccm lag, während die für Mäuse ver-
wandten Bouillonkulturen erst in Menge von mehreren Cubikcenti-
metern für Meerschweinchen tödlich wurden. Das menschliche Blut-
serum, welches von Personen, die sicher einen Abdominaltyphus über-
standen hatten, durch Aderlaß oder mittelst blutiger Schröpfköpfe
unter aseptischen Kauteleu entnommen war, wurde den Mäusen im
Gemisch mit der Kultur (Verhältnis 1 : 1 bis 10 : 1) intraperitoneal in-
jiziert, während die Injektion bei Meerschweinchen 16 — 24 Stunden
vor der Infektion in die Bauchhöhle geschah. Die Verschiedenheit
des Verfahrens mußte eingeschlageu werden, weil bei weißen Mäusen
diejenige Menge Serum, die, gleichzeitig mit einer sicher töd-
lichen Menge Typhusbouillon injiziert, zur Immunisierung hinreicht,
erheblich kleiner ist, als die Menge, welche zum Schutze des Tieres
notwendig ist, wenn dieselbe 16—24 Stunden vor der Infektion in-
jiziert wird. Bei Meerschweinchen zeigt sich das gerade umgekehrte
Verhalten. — Von 15 zur Untersuchung gezogenen Fällen zeigte sich,
Schutzimpfung, kiinstl. Infektionskrankheiten, Eutwickclungshemmung etc. 1009
daß iu 9 hallen das nach überstandenem Abdomiualtyphus geprüfte
Blutserum immunisierende Eigenschaften besaß. Zieht man die Zeit
der Krankheit bezw. nach Ablauf der Krankheit in Betracht, so er-
giebt sich folgendes Resultat:
untersucht positive Resultate
2—26 läge nach dem letzten Fiebertage 8 6
1—10 Jahre nach der Krankheit 5 3
üeber 10 Jahre nach der Krankheit 2 0
Die positiven Resultate werden also um so seltener, je weiter die
Krankheit zurückliegt, womit allerdings zunächst nur gesagt ist, daß
die verwandte Serummenge zum Schutze der Versuchstiere nicht ge-
nügte, während eine größere Menge des Serums vielleicht Erfolg ge-
habt hätte. Die zur Verwendung gelangenden Serummengen erhalten
ihre Grenze aber dadurch, daß bei Mäusen 2-3 ccm, bei Meer-
schweinchen 7,5—10 ccm, bei intraperitouealer Injektion sicher toxisch,
häufig tödlich wirken. — Ein bestimmtes gesetzmäßiges Verhalten
zwischen der Schwere der Erkrankung und dem Immunisierungswerte
des Blutserums ließ sich nicht feststellen.
II. Versuche mit dem Serum von Menschen, die au
Abdominaltyphus gestorben waren. Der Tod war in
den beiden untersuchten Fällen am Ende der 4. Krankheits-
woche eingetreten ; das Blut war' 1 bezw. 7 Stunden post mortem
aus einigen Hautvenen entnommen. Die kleinste für Meerschweinchen
wirksame Serummenge lag im ersten Falle zwischen 0,2 und 0,05 ccm;
im zweiten Falle waren 0,1 ccm imstande, zu schützen, während
0,025 ccm das Tier doppelt so lange am Leben ließ, als das Kontroll-
tier. Aus den Versuchen geht hervor, daß das Blutserum von an
Abdominaltyphus gestorbenen Menschen in kleineren Dosen schützend
wirkte, als dasjenige der Typhusrekonvalescenten.
III. Versuche mit dem Serum von Menschen, die
nicht an Abdominaltyphus erkrankt waren. Außer dem
Blute von Patienten der Klinik wurde zumeist Blut verwendet, welches
bei der Entbindung unter aseptischen Kautelen aus der Nabelschnur
aufgefangen wurde. Die Versuchsanordnung entsprach genau der in
den früheren Abschnitten eingehaltenen und mitgeteilten ; als Ver-
suchstiere dienten weiße Mäuse. Das Resultat aus 13 verschiedenen
Versuchen läßt sich dahin zusamraenfassen, daß auch das Blutserum
von Menschen, welche, soweit dies festzustellen war, niemals an Ab-
dominaltyphus erkrankt waren, öfters eine schützende Wirkung gegen
die experimentelle Typhusinfektion zeigte, die jedoch nicht so häufig
und erst bei größeren Serummengen eintritt, als bei den Versuchen
mit Serum von Typhusrekonvalescenten.
IV. Wie kommt die schützende Wirkung des Serums
zustande? Daß das menschliche Blutserum beim Tierexperimente
die schützende Wirkung vermöge seiner bakterientötenden Kraft aus-
übt, ist nach Verf. nicht der Fall; an bakterientötender Kraft ist
das Serum von Typhusrekonvalescenten vielmehr schwächer, als das-
jenige anderer Personen. Das schützende Serum hat aber auch keine
die Virulenz der Bacillen abschwächende Wirkung, vielmehr ist die
Virulenz von Typhuskulturen, die im schützenden Serum angelegt
1010 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
waren, ebenso groß, wie die derjenigen Kulturen, welche in unwirk-
samem Serum hergestellt wurden. Bei der Prüfung, ob wirksames
Serum die Versuchstiere auch gegen die vom Typhusbacillus pro-
duzierten Gifte zu schützen vermag, ergab sich unter 6 Fällen viermal
ein positives Resultat; in den 2 negativen Fällen wäre vielleicht mit
größeren Serummengen ein günstiges Resultat erzielt worden. Es
wird hier vom Verf. aber auch darauf aufmerksam gemacht, daß bei
der Herstellung keimfreier Giftlösungen, bei welchen man die Bakterien
durch Filtration entfernt oder durch Hitze oder durch Antiseptika
abtötet, wohl stets eine Aenderung der in der lebenden Kultur vor-
handenen Gifte stattfindet. Ein Serum, welches im Tierexperimente
immunisierende Wirkung zeigt, gegenüber sterilen Giftlösungen aber
unwirksam ist, kann trotzdem gegenüber den in der lebenden Kultur
enthaltenen Giften eine gewisse Wirksamkeit besitzen. — Wenn nun
die schützende Kraft des Serums nicht auf seiner direkten Einwirkung
auf die Bakterien beruht, wenn auch eine antitoxische Wirkung des
Serums fehlt, was allerdings nur für einige der untersuchten Fälle
und bei der gewählten Versuchsanordnung festgestellt ist, so bleibt
nur die Möglichkeit, daß das Serum auf den zu schützenden
Organismus selbst ein wirkt, ihn befähigt, die einge-
führten Bakterien unschädlich zu machen.
Gerl ach (Wiesbaden).
Issaeff und Iyanoff, Untersuchungen über die Immunisie-
rung der Meerschweinchen gegen den Vibrio Ivanoff.
[Aus dem Institute für Infektionskrankheiten zu Berlin.] (Ztschr.
f. Hygiene. XVII. p. 117.)
Der von Ivanoff entdeckte choleraähnliche Vibrio unter-
scheidet sich im mikroskopischen Bilde vom Koch’schen Komma-
bacillus durch die Neigung, längere, feine, spiralige Fäden zu
bilden, zeigt im übrigen aber viele Aehnlichkeiten mit diesem. Er
ruft bei Meerschweinchen, intraperitoneal beigebracht, eine tödliche
Erkrankung hervor, welche derjenigen nach Injektion von Cholera-
bacillen sehr ähnlich ist. Bei subkutanen Injektionen tritt nur ein
lokaler Prozeß auf, wenn die Dosen klein sind, während sehr große
Dosen auch auf diesem Wege zu einer tödlichen Allgemeininfektion
führen. Die Einverleibung großer Dosen per os, nach der Koch-
schen Methode, bewirkt einen Abfall der Körpertemperatur bis auf
35° oder 36° C, ohne aber die Tiere zu töten. Alle anderen Ver-
suchstiere sind unempfindlich gegen den Vibrio Ivanoff. Am
meisten virulent für Meerschweinchen sind Agarkulturen, die etwa
20 Stunden bei 37 0 C gewachsen sind; der Krankheitsverlauf nach
iutraperitonealer Injektion ist ein sehr akuter. Schon in den ersten
3 Stunden nach der Infektion kleiner Dosen steigt die Temperatur
auf 40° C, um dann wieder auf 29 — 30° C abzufallen, welches
Minimum etwa in der 17. — 18. Stunde erreicht wird. Größere Dosen
als 1 Platinöse voll (== etwa 2 mg der Kultur) bewirkt den Tod
nach 8 — 9 Stunden. Die Vibrionen finden sich in dem durchsichtigen
intraperitonealen Exsudate, im Blute und in allen Organen. Der
Krankheitsverlauf entspricht also genau den Beschreibungen, welche
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 1011
R. Pfeiffer von der Wirkung intraperitonealer Cholerainjektionen
beim Meerschweinchen giebt.
Zur Immunisierung der Meerschweinchen gegen den Vibrio
Ivanoff genügt eine einmalige intraperitoneale Einspritzung des
Virus in der Menge von V 100— Vbo .Oese. Den besten Erfolg erzielt
mau durch Injektion von 2 ccm reiner Bouillon in das Peritoneum
und durch 24 Stunden darauf folgende Injektion von 1/2 Oese der
Vibrionenkultur. Der höchste Iramunitätsgrad tritt nach 8—10 Virus-
einspritzungen ein, die am besten in 4— 5-tägigen Intervallen gemacht
werden. Solche Meerschweinchen vertragen 24 Stunden nach der
letzten Injektion sehr große Virusdosen, welche die maximale, für
gesunde Meerschweinchen uoch tödliche Dosis 65 — 70mal übersteigen.
10 — 15 Tage nach der letzten Schutzimpfung sinkt der Resistenzgrad
auf etwa die Hälfte herab. Die gegen Ivanoff’s Vibrio immuni-
sierten Meerschweinchen sind auch immun gegen Cholera.
Zum Studium der baktericiden Eigenschaften des Blutes im-
munisierter Meerschweinchen wurde das Serum in Quantitäten von
5—6 ccm von den Formelementen befreit und mit dem Vibrio
besät. — Zu dem Blutserum eines hochimmunisierten Meerschwein-
chens wurde soviel Kultur des Vibrio gebracht, daß 1 Tropfen
derselben, unmittelbar nach dessen Impfung auf Gelatine gebracht,
950 Kolonieen gab. Nach 1 Stunde augestellte Proben ergaben keine
Kolonieen mehr auf Gelatine; auf nach 24 Stunden gegossenen
Platten gingen 115 Kolonieen auf. Die 24-stündigen Kulturen im
Blutserum der durch einmalige Schutzimpfung immunisierten Meer-
schweinchen zeigen, verglichen mit den im Blutserum normaler Meer-
schweinchen gewachsenen Vibrionenkulturen, fast den gleichen Viru-
lenzgrad. Injiziert man die im Blutserum hochimmunisierter Tiere
gewachsenen Kulturen Meerschweinchen in die Bauchhöhle, so erzeugen
dieselben keine Krankheitserscheinungen.
Zur Herstellung von Toxinen dienten 18— 20 -ständige Agar-
kulturen, welche durch 1 — 2-stündige Einwirkung von Chloroform-
dämpfen abgetötet waren. Gegen diese Toxine sind die immuni-
sierten Meerschweinchen nicht resistenter, als die nicht immunisierteu
Tiere. Das Blut der vaccinierten Meerschweinchen besitzt also keine
antitoxischen Eigenschaften gegen das Körpertoxin des Vibrio
Ivanoff.
Das Blutserum sorgfältig immunisierter Meerschweinchen erwies
sich in hohem Maße aktiv. Seine Immunisierungswirkung ist so
stark, daß die Tiere, welche mit 1 ccm Blutserums intraperitoneal
vorbehandelt waren, nach 24 Stunden Virusdosen von 2 1 /2 Oesen
pro 100 g Körpergewicht vertrugen. Das hochimmune Blutserum
hat auch heilende Eigenschaften. Meerschweinchen, welche mit
l/3 Oese Agarkultur infiziert waren, blieben am Leben, wenn sie
1 — 1 1/2 Stunden nach der Infektion eine intraperitoneale Einspritzung
von IV*— 2 ccm Blutserum erhielten. Solche Heilungen werden nur
erzielt, wenn die Virusdosis nicht über */3 Oese hinausgeht und
wenn im Augenblicke der Blutseruminjektion die Körpertemperatur
nicht unter 37,6° C herabgesunken ist.
1012 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Der Vibrio Ivanoff ist jedenfalls als ein sehr naher Ver-
wandter des Koch’schen Kommabacillus zu betrachten, wenn
er nicht gar identisch mit demselben ist. Ger lach (Wiesbaden).
Emmerich, R., Ueber die Infektion, Immunisierung und
Heilung bei krupöser Pneumonie. (Zeitschr. f. Hygiene
und Infektionskrankheiten. XVII. p. 167.)
Verf. hat schon früher mitgeteilt, daß Pneumokokken in Bouillon
viele Monate hiudurch entwickelungsfähig und virulent bleiben, wenu
man zur Uebertragung in neue Bouillon nicht nur 1 Oese voll Kultur,
sondern den gesamten Bodensatz verwendet und diesen in */2 bis
1 Liter Bouillon einige Tage im Thermostaten hält, dann bei ge-
wöhnlicher Temperatur im Dunkeln aufbewahrt. Aus dieser Thatsache
geht hervor, daß die Pneumokokken Sporen bilden , wenn auch auf
eine große Anzahl, vielleicht auf einige Hunderttausend, vegetative
Spaltpilzzellen nur eine Spore kommt. Foä glaubt, daß zwei
Rassenvarietäteu des Pneumococcus lauceolatus bestehen.
Nach Emmerich sind die Varietäten viel zahlreicher; so hat in
seinem Laboratorium Fa w i t z ky einen Pneumococcus gefunden,
welcher große Mengen eines blut- oder ziegelroten Farbstoffes pro-
duziert, der an der Bakterienzelle selbst haftet. Wenn Foä (Ztschr.
f. Hyg. XV. p. 369 ff.) angiebt, daß Tiere, welche nach der Methode
von Klemperer vorbehandelt sind, nur eine Immunität von sehr
kurzer Dauer aufweisen, so fügt Emme rieh diesem bei, daß solche
Tiere schon nach intravenöser Injektion von 4 ccm vollvirulenter
Kultur zu Grunde gehen. Für ganz ungeeignet hält Verf. auch die
Immunisieningsmethode, welche in der Injektion von durch Bakterien -
filter filtriertem Blute eines der Pneumokokkeninfektion erlegenen
Kaninchens besteht. — Kaninchen, welche durch mehrfache intravenöse
Injektion virulenter Kulturen derart immunisiert sind, daß sie eine
intravenöse oder intraperitoneale Injektion von 20 ccm virulenter
Bouillonkultur gut vertragen, können doch zu Grunde gehen, wenB
man 3 — 4 Tage nach der letzten Schutzimpfung 25 — 30 ccm viru-
lenter Kultur in die Vene injiziert. Auch das von Bakterien befreite
Blut dieser hochimmunen aber trotzdem zu Grunde gegangenen Tiere
ist zu Schutzimpfungen oder zu Heilzwecken unbrauchbar, während
das Blutserum von Tieren, welche 20 ccm der virulenten Pneumo-
kokkenkultur gut vertragen hatten und welche einige Tage nach
dieser Injektion getötet wurden, heilkräftig war. — Bei allen ein-
schlägigen Fragen sollte nicht vergessen werden, daß es sehr ver-
schiedene Immunitätsgrade giebt und daß man zur Erzielung der
sichersten Resultate das Blutserum komplett immunisierter Tiere
verwenden muß. Unter ko m pl ett immunisierten Tieren ver-
steht man solche, welche die Infektion mit möglichst großen Mengen
der betreffenden pathogenen Bakterienart vertragen, ohne daran zu
Grunde zu gehen. In einzelnen Fällen, wie z. B. bei der Pneumonie
ist dieser Begriff aber soweit zu ziehen, daß man als komplett im-
munisiert die Kaninchen betrachtet, welche bei. 2 kg Körpergewicht
25 — 30 ccm vollvirulenter Bouillonkultur, intravenös injiziert, gut er-
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 1013
tragen und namentlich nach dieser Injektion keine länger als 48
Stunden dauernde Temperatursteigerung zeigen.
Emmerich verwendet zur Immunisierung hochgradig verdünnte,
virulente Kulturen, d. h. solche, welche direkt aus pneumonischem
Sputum oder Lungen erhalten sind, ohne eine künstliche Abschwächung
(durch Erhitzen u. s. w.) erlitten zu haben und welche so hoch-
gradig virulent sind, daß die intravenöse Injektion von 3 ccm einer
25 — 10 000 fach verdünnten Bouillonkultur die Versuchstiere schwer
krank macht. Haben die Versuchstiere durch mehrfache Schutz-
impfungen einen ziemlich hohen Immunitätsgrad erreicht, dann muß
die Immunisierung gesteigert werden durch Kulturen höchster Viru-
lenz, von welchen eine Bakterienzelle beim nicht immunisierten Tiere
eine tödliche Infektion veranlaßt. Mit solchen Kulturen ist schließ-
lich der Immunitätsgrad des Tieres festzustellen.
Gleichwie beim Schweinerotlauf beruht der Immunisierungs-
und Heilungsvorgang bei der Pneumonie auf der Vernichtung der
Spaltpilze durch einen Eiweißkörper (Iiumuntoxinprotei'n), nur mit
dem Unterschiede, daß die vollständige Vernichtung der Pneumo-
kokken im immunisierten Kaninchenkörper erst im Verlaufe einiger
Tage, also langsamer als beim Rotlaufe erfolgt. Nach den mitge-
teilten Versuchen giebt das Aufhören des Fiebers den Zeitpunkt an,
in welchem die Vernichtung der Pneumokokken zustande ge-
bracht ist.
Das Serum immunisierter Kaninchen enthält eine antibakterielle
Substanz, welche wahrscheinlich eine Verbindung von Globulin mit
einem in der Bakterienzelle enthaltenen oder von dieser ausge-
schiedenen Bakteriengifte eiweißartiger Natur darstellt. Diese hoch-
molekulare Eiweißverbindung dringt in die Körperzellen nur sehr
langsam ein, was daraus hervorgeht, daß sie nur sehr langsam,
im Verlaufe vieler Monate, aus dem Körper verschwindet. Dagegen
dringt dieselbe schneller in die Bakterienzelleu ein, woselbst sie in
Toxin und Immunprotein gespalten wird, welche beide Körper den
Tod der Bakterienzelle bewirken.
Wenn man dem hochimmunisierten Kaninchen neuerdings große
Mengen (30 ccm) Pneumokokkenbouillon injiziert, so zersetzen die
Kokken das im Tierkörper enthaltene Immuntoxinprotein in Toxin
und Immunprotein. Das letztere vereinigt sich mit dem bei der
letzten Bakterieninjektion eingeführten Bakteriotoxin und erzeugt
somit wieder hohe Immunität. Wenn die letzte Pneumokokken-
injektion sehr reichlich war, so kann sich zu einem bestimmten Zeit-
punkte (bei Pneumonie 12 — 18 Stunden nach der Injektion) alles
Immuntoxinprotein in den Bakterienzellen befinden. Eine zu dieser
Zeit nochmals vorgenommene Injektion von 20 oder auch nur 10 ccm
Bouillonkultur kann das hochimmunisierte Tier nun trotzdem töten,
weil nämlich kein freies Immuntoxinprotein im Augenblicke vorhanden
ist, um die Pneumokokken abzutöten. Gerlach (Wiesbaden).
Bonaduce, Salvatore, Betrachtungen über und Versuche
mit einer neuen Behandlung der Syphilis. (Monats-
hefte für praktische Dermatologie. Bd. XVII. 1893. No. 3.)
XV. Bd. 64
1014 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Verf. glaubt ein neues Heilverfahren bei Syphilis empfehlen zu
können. Den Weg, auf welchem er dazu gekommen, giebt er folgen-
dermaßen an. Im lebenden Organismus produziert während der In-
fektionsperiode ein großer Teil der pathogenen Mikroorganismen
außer den betreffenden Giften auch noch einige lösliche Stoffe, welche
imstande sind, Immunität zu verleihen. Dieselben kreisen im Blute
und werden, wie es scheint, zum Teil mit dem Harne ausgeschieden.
So gelang es, Kaninchen immun zu machen gegen den Bacillus
pyocyaneus, dadurch, daß man sie mit dem sterilen Harne anderer
Kaninchen impfte, welche vorher mit dem B. p. geimpft waren
(Bouchard). Diese Impfstoffe können durch den uteroplacentaren
Kreislauf von dem mütterlichen Organismus auf den Fötus über-
gehen, andererseits, wenn nur der Fötus durch das väterliche Sperma
infiziert wurde, kann dieser oder die Mutter Immunität erlangen.
So ist die Placenta wie die Niere als eine Art Filter anzusehen.
Die Impfung der Neugeborenen ist ohne Erfolg, wenn die Mutter in
der Schwangerschaft mit Erfolg geimpft war (Jenner). Ein ge-
sundes Kind läuft keine Gefahr, von seiner syphilitischen Mutter
durch Säugen oder durch Küssen angesteckt zu werden (Profeta).
Umgekehrt überträgt ein kongenital syphilitisches Kind die Krank-
heit nicht auf die Mutter (Co lies). Der mutmaßliche Erreger der
Syphilis muß nun außer dem Syphilisgifte auch ein Antisyphilisgift
erzeugen , d. h. Substanzen , welche für sich allein imstande sind,
Immunität gegen diese Krankheit zu verleihen. Eben diese Sub-
stanzen bedingen im erwachsenen Organismus die erworbene Immuni-
tät. Dies führt zu dem Schlüsse, daß sich in dem Kreisläufe von
Individuen, die der Syphilis zum Opfer gefallen sind, in einem be-
stimmten Zeitpunkte der Krankheit jene Elemente finden müssen,
durch deren Imprägnation der Organismus immun wird; schwierig
ist nur, diesen Zeitpunkt zu bestimmen.
Es unterliegt nun nach dem Verf. keinem Zweifel, daß in dem
Blute syphilitisch geborener Kinder, resp. in der Placenta sich nicht
allein die giftigen Toxiue vorfinden, sondern zugleich auch die nutz-
bringenden Substanzen (Impfstoffe), was bei dem Kinde um so wahr-
scheinlicher sei, da während des uterinen Lebens die Nieren nicht
funktionieren und die löslichen Produkte der Bacillen nicht aus-
scheiden können. Durch die Hitze können die schädlichen Substanzen
zerstört werden.
Von diesen Gedanken ausgehend, entnahm Verf. 3 Kindern mit
hereditärer Syphilis Blut vermittelst Aderlaß. Das sterilisierte und
verdünnte Serum wurde einem Krankeu injiziert (12 Injektionen
innerhalb 24 Tagen), welcher eiu charakteristisches Geschwür im
Sulcus coronarius sowie Lymphdrüsenschwellungen seit 14 Tagen
hatte. In 35 Tagen war das Geschwür verheilt, die Drüsen merk-
lich zurückgegangen.
Dieser eine Fall scheint Ref. absolut nichts Beweisendes zu
haben, denn abgesehen davon, daß es noch fraglich erscheint, ob der
Patient wirklich Syphilis gehabt, ist es sehr wohl möglich, daß in
35 Tagen ein Ulcus, auch ohne Behandlung heilt und Drüsen-
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 1015
Schwellungen sehen wir täglich spontan zurückgehen. Wenn Verf.
annimmt, daß die die Immunität bedingenden „löslichen Stoffe“, die
von dem Infektionsstoffe neben den Giften produziert werden sollen,
wirklich von den Infektionserregern produziert werden, so ist diese
Annahme doch sehr gewagt, denn Fränkel und Sobernheim
haben erst jüngst für die Cholera nachgewiesen , daß die Antitoxine
ein Eigenprodukt des infizierten Individuums uud nicht ein Produkt
der Bakterien, wie Büchner annimmt, sind, so daß die entgegen-
gesetzte Annahme für den Syphilisvirus noch sehr angefochten werden
kann. 0. Yoges (Danzig).
Griuidolm, Z u r Frage der Schutzpockenimpfung. (Jahrbuch
für Kinderheilkunde und physische Erziehung. Band XXXVII
Heft 3.-4.)
Die Experimente des Verf.’s sollen dazu dienen, weitere Schritte
zu thun in der Erforschung der parasitären Pockenerreger und eine
Vaccinationsmethode zu finden, die gegenüber der bestehenden ge-
ringere Gefahren bietet. Er stützt sich bei seinen Versuchen auf
die Methode Behrings mit immunisiertem Blutserum und injizierte
das desinfizierte Blut geimpfter Kälber in gesunde Tiere.
Die in der Petersburger Impfanstalt vorgenommenen Beobach-
tungen ergaben zwar durchweg positive Resultate; dieselben sind
aber vorläufig noch viel zu gering und unvollkommen, um zu irgend
einem Schlüsse zu berechtigen. Vielleicht dient aber diese Mitteilung
dazu, weiter für die Frage zu interessieren und durch zahlreichere
Versuche dieselbe der Entscheidung näher zu bringen.
Maaß (Freiburg i. B.).
Pa'wlowsky, Ueber die Behandlung des Rhinoskleroms
mit Rhinosklerin. (Deutsch, med. Wochenschr. 1894. No. 13
und 14.)
Auf p. 742 des IX. Bandes dieser Zeitschrift war ein Vortrag
des Verf. referiert worden, in welchem ausgeführt war, daß das
Rhinosklerom eine von der Nase ausgehende, durch die Fritsc fa-
schen Bacillen verursachte bösartige Geschwulst ist. Bisher sind alle
bekannten Fälle der Krankheit tödlich verlaufen.
Verf. hat nun versucht, die Toxine der Fr itsch’ sehen Kapsel -
bacilllen zur Heilung der Krankheit zu verwenden. Er überzeugte
sich, daß Nährböden (Agar-Agar und Bouillon) nach Entfernung der
darauf gewachsenen Rhinosklerombacillenkulturen und Sterilisierung
für eine erneute Impfung ein fruchtbares Feld nicht mehr darbieten.
Sterilisierte und eingedickte Aufschwemmungen von Agarkulturen,
zu 1 — 10 ccm Kaninchen subkutan injiziert, wurden von den Tieren
ohne sichtbare örtliche oder allgemeine Erscheinungen vertragen.
Ebenso unschädlich erwies sich die intraperitoneale Einspritzung von
2,0 Wasserglycerinextrakt und die subkutane Injektion von 10 ccm
eines spirituös-ätherischen Extrakts von durch Eindampfen des Agars
eingedickten Kulturen.
Zu Heilversuchen bei Menschen behandelte der Verf. je 200 ccm
Fleischpeptonbouillonkultur der Bacillen im Alter von 14 Tagen in
63*
1016 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
folgender Weise. Das bacillenfreie Filtrat der einen Hälfte der
Kultur wurde kalt über dem Exsiccator eingedickt; von der anderen
Hälfte wurde nach Zusatz von 25 abgeschabten Agarkulturen der gleichen
Bacillen und darauf vollzogener Sterilisierung wieder ein Halbteil
eingedampft, 24 Stunden mit 50-proz. Glycerin behandelt und filtriert,
der andere Halbteil bis auf ein Drittel eingedampft, mit heißem
Alkohol behandelt und gleichfalls filtriert. Das Filtrat wurde bis zur
Syrupkonsistenz eingedampft und demnächst in sterilisiertem Wasser
gelöst. Die aus beiden Halbteilen dann gemischte und filtrierte
Flüssigkeit bildete einen wässerigen Glycerinalkoholauszug der Rhino-
sklerom bacillentoxine.
Mit der so dargestellten Flüssigkeit wurde eine Patientin durch In-
jektionen in steigender Dosis von 0,002 —0,3 ähnlich wie bei der Tuberku-
lintherapie längere Zeit behandelt. Als dann jedoch spätere Versuche
ergaben, daß die wirksamen Substanzen hauptsächlich in den wässerigen
Glycerinextrakten enthalten und demnach mit den Leibern der Ba-
cillen verbunden waren, wurde zu den Einspritzungen eine Mischung
aus eingedickten kalten Filtraten und wässerigem Glycerinextrakt
der Bacillen des „Rhinosklerins“ in Dosen bis zu 3,5 g verwendet.
Als Resultat der Behandlung in 2 Fällen, deren ausführliche Kranken-
geschichten im Originale nachzusehen sind, bezeichnet der Verf. im
wesentlichen :
Bei der ersten Kranken : Verschwinden, vielleicht auch nur zeit-
weiser Stillstand in der Entwickelung der diffusen Rhinoskleromin-
filtrate in den Nasenflügeln und der Nasenscheidewand und Ersatz
derselben durch frische Narben. Verkleinerung der Nase. Ein Knoten
auf der Oberlippe unverändert. Keine Verbreitung des Prozesses in
der Behandlungszeit.
Bei der anderen Kranken (der die allmählich erweichten Ge-
schwulstteile in der Nase operativ entfernt worden waren): Keine
Recidive in der Nase. Erweichung, Lockerung und leichte Ver-
größerung eines Knotens auf der Lippe. Keine Verbreitung des
Prozesses.
Die Wirkung des Rhinoskleroms war bei den Kranken der des
Tuberkulins bei Tuberkulösen ähnlich und bestand in Symptomen
allgemeiner Art, wie Fieber, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, Schüttel-
frost, sowie lokaler Natur, nämlich Schmerzhaftigkeit, Rötung, Se-
kretion und Borkenbildung in der Geschwulst. K ü b 1 e r (Berlin).
Christmas, Sur la valeur antiseptique de l’ozone. (An-
nales de l’Institut Pasteur. 1893. Nov. p. 776.)
Genauere Untersuchungen über die antiseptische Kraft des Ozons,
welche vor allem in früherer Zeit sehr hoch angeschlagen wurde,
lagen bisher nicht vor. Sonntag beschränkte sich auf die Fest-
stellung der abtötenden Kraft gegenüber Milzbrandsporen; er fand,
daß bei 3 mg Ozon : 1 1 Luft die Sporen vollkommen ungeschädigt
bleiben, daß sie bei 14 g : 1 1 Luft erst nach 24 Stunden abgetötet
werden. Die von Chr. gefundenen Werte sind folgende: 1,5 — 2 mg
Ozon : 1 1 Luft genügt, um die Entwickelung von sporenfreien Milz-
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 1017
brandbacillen, sowie von Typhus-, Diphtheriebacillen und Asper-
gillus niger zu hindern. In 48 Stunden wurden ausgebildete
Kulturen stark geschädigt, in 96 Stunden abgetötet. Sporen von
Bac. subtilis wurden von der gleichen Luft in 8 — 10 Tagen ab-
getötet. Eine Luft, welche 0,5 mg Ozon : 1 1 Luft enthielt und nur
schwer zu atmen war, zeigte sich ohne jede Wirkung; Früchte,
Fleisch u. s. w. faulten in ihr ebenso schnell wie in gewöhnlicher
Luft; das Ozon verliert also jede antiseptische Einwirkung, sobald es
auf 0,05 Proz. heruntergeht. Seine praktische Anwendung zur Des-
infektion von Wohnungen, Krankenzimmern u. s. w, erscheint daher
ausgeschlossen, da erstens größere Mengen herzustellen sehr schwierig
wäre und zweitens die Luft irrespirabel werden würde.
W. Petersen (Zürich).
Bazy, De l’absorption par les voies urinaires. (Comptes
rendus des sdances de l’Academie des Sciences de Paris. Tome
CXVII. No. 22. p. 739—741.)
Die Harnblase galt bisher als das einzige mit einem Epithel
versehene Organ, das nicht der Absorption fähig war, und man nahm
an, daß sie diese Fähigkeit erst dann erhalte, nachdem sie ihres
Epithels verlustig gegangen. Klinische Beobachtungen brachten dem
Verf. jedoch die gegenteilige UeberzeuguDg bei, und es gelang dem-
selben auch, für seine entgegengesetzte Annahme den experimentellen
Nachweis zu erbringen, indem er durch Injektionen eines Giftes in
die gesuude Harnblase das Tier ebenso gut töten konnte, als durch
solche unter die Haut oder in das Rectum.
Bei den Injektionen ließ Verf. ganz besondere Vorsicht obwalten
und injizierte überhaupt nicht mehr als 2 ccm. Er verwandte bei
seinen Untersuchungen sowohl chemische als auch Bakteriengifte, im
letzteren Falle injizierte er neben den reinen Giften auch Mikroben-
kulturen.
Von chemischen Giften führten Injektionen von Cocain in 1/1 2,
Strychnin in 1/30 und Cyanwasserstoffsäure in */i oo Verdünnung den
Tod der Versuchstiere im Zeiträume von wenigen Minuten herbei.
Belladonna, Curare, Pilocarpin äußern ihre Wirkung viel langsamer,
wie es scheint erst dann, wenn sie im Verlaufe der Ernährung in die
Zellen gelangen.
Die Injektion von Bakteriengiften ruft nicht minder bemerkens-
werte Erscheinungen hervor. So erhielten 6 Kaninchen Injektionen
von Pneumococcus; fünf davon starben schon nach Verlauf von
wenigen Tagen unter den Erscheinungen urinärer Infektion. Von vier
Kaninchen, denen eine Kultur des Py ocy an bacillus injiziert
worden war, erlagen zwei nach 7 resp. 14 Tagen.
Die Harnröhrenabsorption erschien dem Verf. intensiver, als die
der Harnleiter. In allen Fällen jedoch war der Tod ein plötzlicher.
Verf. weist auf die Wichtigkeit hin, welche die in Rede stehenden
Beobachtungen für die Pathogenie der urinären Infektionen haben.
Eber dt (Berlin).
1018 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Kossel, H., Ueber die Einwirkung derNucle 'insäure auf
Bakterien. (Sitzungsberichte der physiologischen Gesellschaft zu
Berlin, Sitzung vom 8. Dez. 1893.)
H. Kossel stellte sich die Aufgabe, im Anschluß an die Unter-
suchungen von A. Kossel über die Chemie der Zelle, die einzelnen
Bestandteile der Zelle auf ihr Verhalten gegenüber Mikroorganismen
zu prüfen. Die vorliegenden Versuche wurden angestellt mit Nuclein-
säure aus den Lymphzellen des Kalbes, welche A. Kossel aus der
Thymusdrüse dargestellt hatte. Diese Substanz, welche in den
Lymphzellen in besonders lockerer Bindung vorkommt, erwies sich
als stark baktericid.
Eine 1j 2-proz. Lösung tötet Choleravibrionen in 3—5 Minuten,
Typhusbacillen in 1 — l1^ Stunden, Streptokokken in ca. 2 Stunden,
Staphylokokken nach 6 Stunden, Milzbrandsporen dagegen auch nach
24 Stunden nicht.
Als Ursache der baktericiden Wirkung spricht K. die Fähigkeit
der Säure, Eiweiß zu fällen, an. Andere eiweißfällende Substanzen,
wie z. B. Tannin, wirkten weit weniger energisch, ebenso die Lösungen
anderer Säuren.
K. meint, daß diese Versuche zur Erklärung der Vorgänge bei
der Abtötung von Bakterien in Zellen herangezogen werden können.
Autoreferat.
Klein, Ueber das System Hermite. (Hygienische Rund-
schau. 1894. No. 8.)
Da das elektrolytische Verfahren von Hermite zum Behufe der
Sterilisation von Sewage und ähnlichen Abfällen in England und
Frankreich großes Aufsehen erregte, ging Verf. an die Untersuchung.
Durch spezielle elektrolytische Behandlung des Seewassers wird dieses
nicht nur selbst sterilisiert, sondern die so behandelte Flüssigkeit soll
auch desinfizierende Wirkung haben. Das Magnesiumchlorid wird
zersetzt, während das Kochsalz nur als Leiter wirkt, das desinfizierende
Prinzip der elektrolysierten Flüssigkeit (Hermitelösung) ist eine
oxydierte Verbindung des Chlors. Fäkalien sollen augenblicklich
sterilisiert werden, wenn sie mit der elektrolysierten Flüssigkeit ver-
mischt werden. In den Bereich seiner Untersuchungen zog K. so-
wohl Seewasser in natürlichem Zustande, nahe dem Ufer entnommen,
sodann nachdem dieses nach dem System Hermite behandelt, und
endlich Fäkalienabfluß, der mit elektrolysierten Hermitelösung ver-
mischt war. Während in 1 ccm des natürlichen Seewassers unge-
zählte Mengen Bakterien vorhanden waren , war das durch Elektro-
lyse behandelte Wasser völlig keimfrei, auch wenn Verf. den Berke-
feldfilterrückstand von 100 ccm zur Aussaat verwandte. Durch Be-
handlung mit Hermitelösung wurden in Sewage die Bakterienmenge
zwar vermindert, aber dennoch kounten in den aufgegangenen Kulturen
Bacillus coli, subtilis, ulna, mesentericus, Proteus
vulgaris und mehrere Kokkenarten gefunden werden. In einer
gleichen Mischung von Hermitelösung mit Bouillonkultur von Bacillus
coli, typhosus und Cholera, war nach 20 Minuten keine
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 1019
Sterilisierung der Mikroben erfolgt, ja selbst nach 24 Stunden sind
Bacillus coli und Choleravibrio noch wachstumsfähig. Ob
daher für die Desinfektionspraxis die Hermitelösung brauchbar ist,
erscheint nach dem Ergebnis dieser Versuche mehr als unwahr-
scheinlich. 0. Voges (Danzig).
Ward, Marshall, Further experiments on the actionof
light on „Bacillus anthracis“. (Communic. made to the
Royal Society. 1893. Februar.)
VV ard setzte seine Versuche über den Einfluß des Lichtes auf
den Bacillus anthracis und seineSporen, über welche in dieser
Zeitschrift Bd. XIII. p. 568 bereits berichtet wurde, fort. Er
exponierte besäte Schälchen der Sonne, indem er vor dieselben ge-
färbte Glasplatten brachte und fand, daß die baktericide Kraft der
Sonnenstrahlen ausgesprochen sich geltend machte, wenn die blauen
und violetten Strahlen allein das Glas passierten, dagegen nicht zu
bemerken war, wenn rote, orange und gelbe Strahlen allein einwirkten.
Zu demselben Resultate, daß nur die blauen und violetten Strahlen
die Bakterien und ihre Sporen zu beeinflussen vermögen, kam er,
wenn er das Licht durch Cuvetten mit Chemikalienlösungen, z. B. von
Kupferoxydammoniak oder Kaliumbichromat fallen ließ. Um zu be-
weisen, daß wirkliche Abtötung der Sporen stattfinde und nicht nur
Veränderungen der sie enthaltenden Substrate ihre Entwickelung
verhinderten, hatte Ward früher Aussaaten vom belichteten Materiale
in neue Nährböden vorgenommen und dann kein Wachstum bekommen.
Zum weiteren Beweise setzte er nun weiterhin bei 70 0 an Petri-
sche Schälchen getrocknete Sporen und andererseits unbesäte Agar-
platten dem Sonnenlichte aus, übergoß dann erstere mit Nährboden
und besäte das Agar mit Sporen. Infolge nicht besonders gut ge-
wählter Versuchsanordnung erhielt er wechselnde Resultate, nach Ver-
suchen mit anderem Arrangement, deren Einzelheiten noch nicht mit-
geteilt werden, scheinen aber thatsächlich nur die Organismen ge-
tötet, die Nährböden nicht beeinflußt zu werden.
Ward dehnte dann seine Untersuchungen auch auf den Einfluß
des Lichtes auf die Sporen der Schimmelpilze aus. Er erhielt in
einer allerdings noch kleinen Zahl von Versuchen das eigentümliche
Resultat, daß die gefärbten Sporen sich widerstandsfähig zeigten,
ungefärbte Sporen nicht.
Ward ist der Ansicht, daß die Sporen eine fettige Substanz
enthalten, welche durch den Einfluß der blauvioletten Lichtstrahlen
oxydiert wird und glaubt, gestützt auf die in der Litteratur aufzu-
findenden Beobachtungen und die mit den Schimmelpilzsporen ge-
machten Erfahrungen, die Hypothese aufstellen zu können, daß keine
Pflanze ein Fettreservoir der Gefahr einer längeren Insolation ohne
einen Schutz von Farbstoffen aussetzt, welche die blauvioletten Licht-
strahlen abhalten sollen. Eine Uebersicht über die Farbe von Pilz-
sporen und Pollen im Vergleich mit dem mehr oder weniger ge-
schützten Standorte der Pflanzen scheint diese Hypothese im ganzen
zu bestätigen.
1020 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
Von den Schlüssen auf praktische Verhältnisse, welche der Verf.
aus seinen Beobachtungen zieht, sei erwähnt, daß er Belichtung
durch die Sonne und Seltenheit oder Häufigkeit von Bakterienkrank-
heiten der Pflanzen in Beziehung bringen und daß er auch dem
Chlorophyll schützende Kraft gegen die genannten Strahlen des
Sonnenlichtes zuschreiben will. Abel (Greifswald).
Scliickhardt, Hermann. Ueber die Einwirkung des Sonnen-
lichtes auf den menschlichen Organismus und auf
Mikroorganismen und die hygienische Bedeutung
desselben. (Fried reich’s Blätter für gerichtliche Medizin
und Sanitätspolizei. Jahrgang 44. 1893. p. 350 — 392, 400 — 438.)
Beschränken wir uns hier auf den Teil, welcher die Mikro-
organismen betrifft, so erschien erst 1877 die erste Arbeit über diesen
Gegenstand, welche hauptsächlich von Untersuchungen berichtete,
bei denen zufällig in die Kulturflüssigkeit hineingekommene Keime
auf neutralisierte Pasteur’sche Lösung, frischen Urin, Heuinfus,
Runkelrübenaufguß weiter beobachtet wurden. Erst später ging
man in direkte Versuche über und benutzte z. B. Bacillus termo
in Cohn’ scher Flüssigkeit, dann werden Kokken und andere Bacillen
herangezogen, der Anthraxbacillus und seine Sporen studiert
u. s. w. Jetzt liegen Arbeiten vor von Janowski über die Wir-
kung des Sonnenlichtes auf Typhusbacillen, von Pansini auf
Bacillus prodigiosus,violaceus,pyocyaneus,anthracis,
cholerae, muri septicus und S taphy lococcus aureus
albus; Geisler beschäftigt sich speziell mit den Typhusbacillen,
Büchner berichtet in diesem Centralblatte XI. 1891 und XII. 1893
selbst über seine Beobachtungen u. s. w.
Schickhardt glaubt trotz der Widersprüche einzelner Autoren
folgende Schlüsse ziehen zu dürfen:
1) Das Sonnenlicht übt auf die meisten Mikroorganismen einen
ungünstigen Einfluß aus im Sinne einer Hemmung ihrer Entwicke-
lung, bez. einer völligen Vernichtung.
2) Die zur Vernichtung nötige Dauer der Einwirkung ist ver-
schieden je nach der Natur einzelner Bakterien und ihres Nähr-
bodens und ist abhängig von der Intensität der Lichtstrahlen und
der Dauer ihrer Einwirkung.
3) Das eigentlich wirksame Agens scheint in den sogenannten
chemischen Strahlen (violette und ultraviolette) zu liegen.
4) Neben der direkt bakterienfeindlichen Wirkung des Lichtes
findet auch eine Beeinflussung des Nährbodens statt; wenigstens ist
das für auf Gelatine wachsende Typhusbacillen nachgewiesen.
5) Auf Schimmelpilze scheint das Sonnenlicht ohne Einfluß zu sein.
6) Aus der bakterienfeindlichen Wirkung des Sonnenlichtes
lassen sich interessante Beziehungen zum praktischen Leben ableiten
(Selbstreinigung der Flüsse, Assanierung von Wohnungen, Un-
schädlichmachen der mit Anthrax infizierten Weideflächen u. s. w.).
E. Roth (Halle a./S.).
Schutzimpfung, küustl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 1021
G ruber, Gutachten des k. k. obersten Sanitätsrates
über neuere Desinfektionsmittel. (Das Österreich. San.-
Wesen. 1893. No. 32, 33 u. 34.)
Das Gutachten bezieht sich 1) auf das Wollmar’ sehe Des-
infektionsmittel, 2) auf das Sanatol, 3) auf das Rein- und Roh-
solutol.
1) Das Wollmar’ sehe Desinfektionsmittel kommt teils
als Streupulver, teils als Flüssigkeit in den Handel. Zu seiner Dar-
stellung wird ein bestimmtes eisenhaltiges Mineral mit Salzsäure und
Sägemehl zu großen Haufen gemischt. Unter Erwärmung bis auf
100° C vollzieht sich ein chemischer Prozeß in dem Gemenge. Es
sickert daraus die schwarzbraune, sauer reagierende Desinfektions-
flüssigkeit aus, in welcher Herr Teich unter Grube r’s Leitung
33,09 Proz. wasserfreies Eisenchlorid , 1,63 Proz. Eisenchlorür,
11,77 Proz. Gesamteisen und 34,53 Proz. Gesamtchlor nachge-
wiesen hat. Den Rückstand bildet das schwarzbraune, gleichfalls
sauer reagierende und etwas säuerlich riechende Desinfektionspulver,
in welchem der gleiche Untersucher 40,02 Proz. Wasser, 11,44 Proz.
Sägemehl, 9,99—10,91 Proz. Gesamtchlor, 8,67—15,07 Proz. Gesamt-
eisen, 4,60 Proz. wasserlösliches Eisen, 13,55 Proz. Eisenchlorid,
3,54 Proz. Eisenchlorür, 9,48 Proz. in Wasser unlösliches nur in
Salzsäure lösliches Eisen, 2,75 Proz. Eisenoxydhydrat, 12,92 Proz.
Eisenoxydulhydrat fand. Uebrigens war die prozentische Zusammen-
setzung bei den verschiedenen untersuchten Proben beider Präparate
nicht gleich; auch sind in anderweitigen hygienischen Instituten
quantitativ abweichende Analysen erhalten worden.
Zur Anwendung in weiteren Kreisen eignet sich die Flüssigkeit
der ihr anhaftenden Aetzwirkung wegen nicht. Der abfiltrierte
wässerige Auszug des Streupulvers (40 g auf 1 1 Wasser) tötete bei
Vermischung mit gleichen Mengen filtrierter Aufschwemmungen von
Bakterienkulturen auf Agar (also als 2 -proz. Extrakt) Cholera-
vibrionen bezw. Typhusbakterien (24-stünd. Kultur) in 1 — 3 bezw.
10 — 15 Minuten, Typhusbakterien in 4-tägiger Kultur in höchstens
10, Bacterium coli commune in 24-stünd. Kultur in 30—60 Mi-
nuten. Das Extrakt stellte im wesentlichen eine Lösung von Eisen-
chlorür und Eisenchlorid dar und übertraf in der geschilderten Art
der Anwendung eine 5-proz. Eisenvitriollösung in der Desinfektions-
wirkung.
Versuche über die Fähigkeit des W ol 1 mar’ sehen Pulvers zur
Geruchstilgung ergaben, daß ein Zusatz von 3 Proz. desselben
in Gemischen von Faeces und Harn die Fäulnis und Gestanksent-
wickelung noch nicht völlig hemmte. Auch durch Zusatz von 4 Proz.
wurde die Zersetzung nur vorübergehend , etwa 3 Tage, zurückge-
halten , doch ließen es die Versuche glaublich erscheinen , daß bei
niedriger Temperatur, gute Mischung des Desinfektionsmittels mit
den faulenden Massen vorausgesetzt, günstigere Ergebnisse erzielt
werden können.
Der Versuch, Cholera- oder Typhusbakterien in Gemischen mit
Faeces der Wirkung des Mittels auszusetzen, schien dein Verf. unvor-
1022 Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc.
teilhaft, weil jene Bakterien in solchen Gemischen auch sonst häufig
schnell zu Grunde gehen. Er wählte daher zum Versuche das Bac-
terium coli commune. Völlige Desinfektion wurde in bezüg-
lichen Gemischen selbst bei Zusatz des Pulvers bis zu 10 Proz. nicht
erreicht, bei Zusatz bis zu 5 Proz. verminderte sich die Zahl der
Bakterien in den Fäkalien innerhalb 52 Stunden auf etwa 1 Viertel
(von 38,6 Millionen Keimen im ccm auf 10,66 Millionen). Dagegen
fand sich im 10-proz. Gemische das Bact. coli schon nach 4 Stunden
nicht mehr vor; es ist daher anzunehmen, daß die weniger wider-
standsfähigen Cholera- und Typhusbakterien bei Verwendung des
Mittels in gleichem Mengenverhältnisse und bei gutem Umrühren
binnen weniger Stunden zuverlässig vernichtet werden können.
Das Sanatol stellt eine schwärzlichbraune, ziemlich dünne
Flüssigkeit von Teergeruch und saurer Reaktion dar, welche sich
unter Entstehung einer milchigen Trübung und späterer Abscheidung
harziger Flöckchen in Wasser löst. Eine von Herrn Teich unter-
suchte Probe enthielt nur geringe Verunreinigungen durch nicht
flüchtige Mineralstolfe, färbte sich bei Zusatz von Eisenchlorid intensiv
violett und enthielt 12,78 Proz. freie Säure. Der Gehalt an freier
und gebundener Schwefelsäure betrug 9,21 Proz. Durch ein im
Originale nachzulesendes Verfahren wurden aus 50 ccm des Präparates
2 ccm eines grünlich-braunen, stark nach Pyridin riechenden Oels
gewonnen. Weiterhin wurde in dem Präparate ein Gehalt von
27 — 29 Proz. Phenolsulfosäure n ach gewiesen , deren Desinfektions-
wirkung auch schon früher in dem Präparat Aseptol verwertet worden
ist. Die Wirkung des Sanatols war recht kräftig. In Wasserauf-
schwemmung wurden durch 1-proz. Lösung Choleravibrionen in 1/2,
Bact. coli commune in 1, Micrococcus pyogenes aureus
in 2 Minuten getötet; Milzbrandsporen konnten dagegen auch durch
20-proz. Lösung erst nach 6 Tagen vernichtet werden. „Seiner
äußeren Eigenschaften und seines Gehalts an freien Säuren wegen
könnte das Sanatol selbstverständlich nur zur groben Desinfektion
benutzt werden.“
Die Solutole sind schwarzbraune, alkalisch reagierende, in
konzentriertem Zustande ätzende, wasserlösliche Flüssigkeiten. Je
100 ccm enthalten 60,4 g Kresol und zwar x/4 davon frei, 3/4 an
Natrium gebunden. Das Rohsolutol enthält Verunreinigungen durch
Kohlenwasserstoffe , Pyridin und Naphthalin, von denen das Rein-
solutol ziemlich frei ist; jenes giebt mit Wasser eine milchige Flüssig-
keit von starkem Teergeruche; klar ist auch die Lösung des Rein-
solutols nicht. Beide Präparate sind für grobe Desinfektion (Fuß-
boden, Ställe, Aborte) bestimmt und dementsprechend wohlfeil.
Die Desinfektionswirkung der Solutole wurde durch Heid er
geprüft. Es bestätigte sich dabei, daß beide Präparate eine nicht
unerhebliche Wirksamkeit besitzen, doch konnten ihnen gleich gün-
stige Erfolge, wie von anderer Seite festgestellt wurden, nicht zuge-
sprochen werden. Choleravibrionen wurden durch beide Präparate in
1-proz. Lösung binnen 2 Minuten getötet.
Bei Anwendung einer 0,83-proz. Lösung von Rohsolutol (Rein-
solutol) wurden Bact. coli commune in 5 (30), Typhusbakterien
Schutzimpfung, künstl. Infektionskrankheiten, Entwickelungshemmung etc. 1023
in 3—5 (10—15) Minuten, Micrococcus pyogenes aureus in
1 1 /s — 3 (5 — 6) Stunden getötet. In weiteren Versuchen zeigte sich,
daß die scheinbar stärkere Wirksamkeit des Rohsolutols zum Teil
durch ölige und harzige Niederschläge der Lösung, in welche die
Mikroorganismen eingehüllt wurden, vorgetäuscht war; denn die
filtrierten Lösungen desinfizierten weit schwächer, als die nicht-
filtrierten. Durchgängig erwies sich freies Kresol dem Reinsolutol
überlegen, freie Natronlauge gleich wirksam wie jenes. Milzbrand-
sporen gegenüber hatte Reinsolutol einen Desinfektionserfolg so gut
wie gar nicht, Rohsolutol erst bei Anwendung einer 10 — 16,6-proz.
Lösung und einer Wirkungsdauer von 10—3 Tagen. Bei erhöhter
Temperatur desinfizierteu beide Präparate energischer.
Die Solutole sind nach den Folgerungen des Gutachtens weniger
hoch zu schätzen, als Kresolseifenlösungen oder Kalkmilch.
Kü bl er (Berlin).
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Da nach der Arbeit von R. Koch „Ueber Desinfektion“ Des-
infektionsmittel, in Alkohol oder Oel gelöst, keinerlei desinfizierende
Eigenschaften besitzen und Wolffhügel dasselbe von in Oel ge-
löster Karbolsäure feststellte, suchte Verf. zu bestimmen, welchen
Wassergehalt Desinfektionsmittel in Lösungen in Alkohol, Glycerin
und Oel besitzen müssen , um bakterientötend zu wirken. Bei
diesen Versuchen prüfte Verf. die Einwirkung von Sublimat-,
Karbolsäure- und Lysollösungen auf Milzbrandsporen. Er fand nun,
daß selbst 4°/00 Sublimat- und 10% Karbolsäurelösungen in wasser-
freiem Alkohol die bakterientötende Kraft vollkommen verlieren, daß
aber ein Zusatz von 2 °/0 Wasser zu einer alkoholischen 1%0 Sublimat-
lösung und ein Zusatz von 70% Wasser zu einer alkoholischen
10% Karbolsäurelösung genügt, um Milzbrandsporen in 24 resp.
48 Stunden zu vernichten. Eine 2%0 Sublimatlösung und eine
10% Karbolsäurelösung in Glycerin, welche ohne Wasserzusatz Milz-
brandsporen nicht abzutöten vermögen, wirken bei Zusatz von 40
resp. 80% Wasser sicher abtötend bei einer Einwirkung von 24
resp. 48 Stunden. Karbolsäure- und Lysollösungen in Olivenöl be-
sitzen keine bakterientötende Kraft. Lösen er (Berlin).
Colasanti, GL, L’azione battericida dell’ euforina. (La
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Das Eupborin (Phenylurethan — Ref.) übt nach den auf eine
große Reihe von Mikroorganismen ausgedehnten Untersuchungen C.’s
eine milde, desinfizierende Wirkung nur auf die vegetativen Formen
aus. Auf Milzbrandsporen |übt eine 1-proz. Lösung dieses Mittels
keinerlei Wirkung aus. Kamen (Czernowitz).
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physiologischer Laboatroim sowie KrafaMoser.
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Museen, anatomische Institute und Sammlungen.
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bei Krankheiten der Haut, der Vordauungs-
und Circulations-Organe, bei Hals- und Nasen-
Leiden, sowie bei entzündlichen und rheu-
matischen Affectionen aller Art, theils in Folge seiner durch ex-
perimentelle und klinische Beobachtungen erwiesenen reducirciiden,
sedativen und antiparasitären Eigenschaften, andemtheils durch seine
die Resorption befördernden und den Stoffwechsel steigernden Wir-
kungen.
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Bakteriologie und Parasitenkunde.
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Geh, Hofl*. Prof. Dr. Lenckart m Professor Dr. Loeffler
ln Leipzig ln Greifswald
herausgegeben von
Dr. O. TThlworm in Cassel.
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
XY. Band. -o- Jena, den 30. Juni 1894. No. 26.
Preis für den Band (26 Nummern) 14 Mark.
Jährlich erscheinen zwei Bände.
— Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten, f«—
Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasiten-
kunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige
Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Auf-
sätze entweder bei der Einsendung der Abhandlungen an die
Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spä-
testens nach Empfang der ersten Korrekturabziige direkt an
den Verleger , Herrn Gustav Fischer in Jena , gelangen zu
lassen. Die Verlagshandlung ist leider nicht in der Lage , später
eingehende Wünsche berücksichtigen zu können.
Systematisches Inhaltsverzeichniss.
L Original-Mittheilungen.
Abel, Ueber das Vorkommen feiner Spi-
rillen in Dejektionen. 213
Aleisi, Ueber Fäulnisgase als prädisponie-
rende Ursache der Tetanusinfektion. 228
Ar ent, Eine Methode zur Plattenkultur der
Anaeroben. 15
Askanaxy, Zur Lehre von der Trichino-
sis. 225
Aufrecht , Ueber den Befund feiner Spi-
rillen in den Dejektionen einer unter
Cholerasymptomen gestorbenen Frau. 405
Bentheim, Ueber Invasion von Hautkokken
bei Ekzem. 141
Beyerinck, Notiz über den Nachweis von Pro-
tozoen und Spirillen in Trinkwasser. 10
— , Ueber die Natur der Fäden der Papi-
jionaceenknöllchen. 728
— ., Ueber Thermotaxis bei Bacterium
Zopfii. 799
Bochicchio, Ueber einen Milchzucker ver-
gährenden und Käseblähungen hervor-
rufeuden neuen Hefepilz. 546
Braun, Helminthologische Notizen. 409. 680
— , Ueber ein für den Menschen neues
Distomum der Leber. 602
Carasso, Neue Methode der Behandlung der
Lungentuberkulose. 990
XV. Bd.
65
1030
Register.
Celli u. Fiocca , Beiträge zur Amöben-
forschung. 470
— u. Santori , Ueber eine transitorische
Varietät vom Choleravibrio. 789
Cholodkowsky, Ueber eine neue Species von
Taenia. 552
bmochowsky u. Janoicsky , Beitrag zur
Lehre von den pyogenen Eigenschaften
des Typhusbacillus. 216
— Beitrag zur Lehre über die pathogenen
Eigenschaften des Friedländer’schen
Pneumococcus. 581
Escherich , Notiz zu dem Vorkommen
feiner Spirillen in diarrhöischen Dejek-
tionen. 408
Fermi u. Mcmtesano , Ueber die Dekom-
position des Amygdalins durch Mikro-
organismen. 722
— u. Pemossi, Ueber die Enzyme. 229
— — , Ueber das Tetanusgift. 303
Frankland , Die Bakteriologie in eini-
gen ihrer Beziehungen zur chemischen
Wissenschaft. 101
v. Freudenreich , Ueber eine Verbesserung
des Plattenverfahrens. 643
Gärtner, Ein neuer gasbildender Bacillus. 1
Gottstein, Eine historische Bemerkung zu
dem Aufsatze von Fermi und Monte-
sano ,, Ueber die Dekomposition des Amyg-
dalins durch Mikroorganismen“. 896
Gruber, Antwort an Herrn Dr. Martin
Kirchner in Sachen der Prüfung von
Wasserfiltern. 165
de Haan u. Huysse, Die Koagulation der
Milch durch Cbolerabakterien. 268
Ilkewitsch, Eine neue Methode zur Ent-
deckung von Tuberkelbacillen iin Spu-
tum Schwindsüchtiger. 162
— , Ueber die Kerne der Milzbrand-
sporen. 261
Kahane, Ueber das Vorkommen lebender
Parasiten im Blute und in Geschwulst-
zellen bei Carcinomatösen. 413
— , Weitere Mitteilungen über das Vor-
kommen lebender Parasiten im Blute
und in den Geschwulstzellen bei Car-
cinomatösen. 629
Eerez, Ueber den Einfluß des Tabaks auf
den Tuberkelbacillus. 37
Klein, Ueber den von Gärtner beschriebe-
nen neuen gasbildenden Bacillus. 276
— , Ein weiterer Beitrag zur Kenntnis der
intracellulären Bakteriengifte. 598
v. Klecki , Ueber einige aus ranzi-
ger Butter kultivierte Mikroorganis-
men. 354
Krückmann, Eine Methode zur Herstellung
bakteriologischer Museen und Konser-
vierung von Bakterien. 851
Kruse, Eine allgemein anwendbare Ver-
besserung des Plattenverfahrens. 419
Kuprianow, Zur Methodik der keimfreien
Gewinnung des Blutserums. 458
— , Ueber die desinfizierende Wirkung des
Guajakols. 933. 981
Kurloff, Zur Lehre von den Carciuom-
parasiten. 341
Kutscher, Ein Beitrag zur Kenntnis der
den Choleravibriouen ähnlichen Wasser-
bakterien. 44
Laser, Ueber die praktische Verwertbarkeit
des Bacillus der Mäuseseuche-Laser. 33
Lehmann, Ueber die Sauerteiggärung und
die Beziehungen des Bacillus levans
zum Bacillus coli communis. 350
v. Linstow, Heterakis Sonsiuoi. 733
Lönnberg, Ueber eine neue Tetrabothrium-
species und die Verwandtschal tsverhält-
nisse der Ichthyotänien. 801
Lorenz , Schutzimpfungsversuche gegen
Schweinerotlauf mit Anwendung eines
aus Blutserum immunisierter Tiere her-
gestellten Impfpräparates. 278
Lunkewicz, Beitrag zur bakteriologischen
Technik. 42
— , Beitrag zur Biologie des Bacillus typhi
murium (Loeffler) und seine Virulenz
gegen die Feld- und Hausmäuse. 845
Lustig u. De Giaxa, Ueber das Vorkommen
von feinen Spirillen in den Ausleerungen
von Cholerakranken. 721
Marchand, Ueber das Vorkommen von
Trichomonas im Harne eines Mannes,
nebst Bemerkungen über Trichomonas
vaginalis. 709
Marek, Kleine Mitteilungen zur bakterio-
logischen Technik. 112
Marpmann, Mitteilungen aus Marpmann’s
hygien. Laboratorium. 634
Miller, Einige kurze Notizen in Bezug auf
bakteriologische Untersucbungsmethoden.
894
Mühlmann, Zur Mischinfektionsfrage. 885
Müller, Der jetzige Stand der Eiterungs-
frage von bakteriologischem Standpunkte
aus. 735. 804
Nicolaier, Bemerkung zu der Arbeit von
Prof. F. G. Novy „Die Kultur anaerober
Bakterien“. 227
Oker-Blom, Beitrag zur Kenntnis des Ein-
dringens des Bacterium coli commuue
in die Darmwand in pathologischen Zu-
ständen. 588
Perroncito , Ueber die Entwickelung der
Taenia mediocanellata 800
Rechtsamer, Ueber die feinen Spirillen in
Dejektionen Cholerakranker. 795
Reichenbach, Ueber eineu neuen Brütofen
für beliebiges Heizmaterial. 847
Remesoff u .Fedoroff, Zwei Fälle von Tetanus
traumaticus behandelt und der eine von
ihnen geheilt durch das Blutserum immun
gemachter Tiere (Hunde). 115
Register.
1031
Sabolotny , Infektions- und Immunisierungs-
versuehe am Ziesel (Spermophilus gutta-
tus) gegen den Cholera vibrio. 150
Sacharoff, Ueber den Einfluß der Kalte
auf die Lebensfähigkeit der Malaria-
parasiten. 158
Schewiakoff ', Ein abnorm gebauter weib-
licher Genitalapparat von Ascaris lum-
bricoides L. 473
Schnitzler , Ueber den Befund virulenter
Staphylokokken in einem seit 35 Jahren
geschlossenen osteomyelitischen Herde.
270
Steinmetz , Kurze Mitteilungen über einige
Versuche zur Frage der fäulniswidrigen
Eigenschaften der Kohlensäure. 677
Stiles, Bemerkungen über Parasiten. —
Ueber die Erhaltung von Typen. 477
Tictin, Zur Frage über die Bedeutung der
Milz bei Febris recurrens. 840
Timpe, Erklärung zur Frage der Gelatine-
bereitung. 364
— , Zur Frage der Gelatinebereitung. 644
Ußelmann, Versuche über die Widerstands-
fähigkeit der Typhusbacillen gegen
Trocknung und über die Möglichkeit
ihrer Verschleppung durch die Luft.
133
Voges, Ueber die Verwendung des Uschins-
ky’schen Nährbodens zur Choleradia-
gnose. 453
Waldvogel, Ueber das Wachstum des Strepto-
coccus longus in Bouillon. 837
Walliczek, Die baktericiden Eigenschaften
der Gerbsäure (Tannin der Apotheken.)
891
— , Zur Technik bei Desinfektionsversuchen.
947
— , Die Resistenz des Bacterium coli com-
mune gegen Eintrocknung. 949
Ward , Ueber das Vorkommen von
Distoma Westermanni in den Vereinigten
Staaten. 362
Wehmer, Ueber die Beziehungen der Bak-
teriologie zur allgemeinen Mykologie
und Physiologie. 533
Weigmann u. Zim, Ueber das Verhalten
der Cholerabakterien in Milch und Mol-
kereiprodukten. 286
— , Ueber „seifige“ Milch. 463
Woljfhügel , Zur Frage der Gelatineberei-
tung. 167. 421
Zctlnow, Reinigung verschmutzter Objekt-
träger und Deckgläser. 555
— , Ein Apparat zur Kultur anaerober
Bacillen. 638
II. Zusammenfassende Uebersichten.
Müller, Der jetzige Stand der Eiterungsfrage von bakteriologischem Standpunkte aus.
( Orig .) 735. 804
III. Original-Referate aus bakteriologischen Instituten etc.
Alessi, Ueber Fäulnisgase als prädispo-
nierende Ursache zur Typhusinfektion.
228
Baumgarten, Arbeiten auf dem Gebiete der
pathologischen Anatomie und Bakterio-
logie aus dem pathologisch-anatomischen
Institute zu Tübingen. 367
Fermi u. Pemossi, Ueber die Enzyme.
Vergleichende Studien. 229
Fermi u. Pemossi, Ueber das Tetanusgift.
303
Fischer, Die Bakterien des Meeres nach
den Untersuchungen der Planktonexpe-
dition unter gleichzeitiger Berücksichti-
gung einiger älterer und neuerer Unter-
suchungen. 657
Kutscher, Ein Beitrag zur Kenntnis der
den Choleravibrionen ähnlichen Wasser-
bakterien. 44
IV. Pflanzliche Mikroorganismen.
Allgemeines über Bakterien und
andere pflanzliche Mikro-
organismen.
Frankland, Die Bakteriologie in einigen
ihrer Beziehungen zur chemischen
Wissenschaft. 101
Kirchner, Grundriß der Militärgesundheits-
pflege. Lief. 2 — 8. 17
Rappin, Sur les microorganismes des voies
digestives. 429
Russell, Bacteria in their relation to vege-
table tissue. 169
Schrank, Anleitung zur Ausführung bak-
teriologischer Untersuchungen. 197
Sclav o, Di un rapido processo per le colo-
razione delle ciglie di alcuni microorga-
nismi. 507
65
1032
Register.
Wehmer, Ueber die Beziehungen der Bak-
teriologie zur allgemeinen Mykologie und
Physiologie. (Orig.) 633
Zinru> , Contributo allo Studio dei processi
biochimici dei batteri con speciale rigu-
ardo alla diagnosi differenziale fra varii
microorganismi simiglianti. 428
Schriften zur Systematik und
Biologie der Bakterien und anderer
pflanzlicher Mikroorganismen.
Abel, Ueber das Vorkommen feiner Spi-
rillen in Dejektionen. (Orig.) 213
Agro, Dei rapporti patogeni fra il Bacillo
dei Tifo e il Bacterium coli commune.
745
Almquist, Zur Biologie der Typhusbakterie
und der Escherich’schen Bakterie. 63
Arloing und Chantre , Ueber chirurgische
Eiterinfektion und über die morphologi-
schen und pathologischen Veränderungen
ihres Erregers. 901
Aufrecht, Ueber den Befund feiner Spirillen
in den Dejektionen einer unter Cholera-
symptomen gestorbenen Frau. (Orig.)
405
Babe t , Ueber einen die Gingivitis und
Hämorrbagieen verursachenden Bacillus
bei Skorbut. 72
Beck, Der Bacillus der Brustseuche beim
Kaninchen. 246
Bernabeo, L’autodifesa dell’ organismo
contro i germi infettivi in rapporto colle
suppurazioni. 614
Bernheim , Ueber Invasion von Hautkokken
bei Ekzem. 141
Beyerinck, Notiz über den Nachweis von
Protozoen und Spirillen in Trinkwasser.
(Orig.) 10
— , Ueber die Butylalkoholgärung und
das Butylferment. 171
— , Ueber die Natur der Fäden der Papi-
lionaceenknöllchen. (Orig.) 728
— , Ueber Tbermotaxis bei Bacterium Zopfii.
(Orig.) 799
Biro, Untersuchungen über den Favuspilz.
69
Blachstein, Contribution ä l’6tude micro-
bique de l’eau. 235
— , Ueber die Virulenz des Kommabacillus
in ihrer Beziehung zum Nährboden. 915
Bochicchio, Ueber einen Milchzucker ver-
gärenden und Käseblähungen hervorrufen-
den neuen Hefepilz. (Orig.) 546
Bonhoff, Ueber zwei neue in Wasser ge-
fundene Kommabacillenarten. 562
Bordoni- Uffreduzzi, Ein Fall von fuchsin-
ähnlicher Bakterienfärbung des Fleisches.
666
— und Abba, Ueber eine aus dem Men-
schen isolierte Varietät des Cholera-
bacillus und über die bakteriologische
Diagnose der Cholera. 863
Bouchard und Charrin, Ueber die Gründe
der Unschädlichkeit einiger Parasiten.
652
Boyce and Evans, Upon the action of gra-
vity on Bacterium Zopfii. 568
Brick , Ueber Nectria cinnabarina (Tode)
Fr. 774
Bruce, On the etiology of Malta fever.
382
Büchner, Ueber den Einfluß des Lichtes
auf Bakterien und über die Selbstreini-
gung der Flüsse. 515
ßurri, Ueber einige zum Zwecke der Art-
charakterisierung anzuwendende bakterio-
logische Untersuchungsmethoden nebst
Beschreibung von zwei neuen, aus Rhein-
wasser isolierten Bakterien. 88
Cacace, Dell’ azione dei prodotti di ricam-
bio dei bacterium coli commune sullo
sviluppo dei bacillo dei colera e di
quello dei bacillo dei colera sullo svi-
luppo dei bacterium coli. 242
Cavara, Ueber einige parasitische Pilze auf
dem Getreide. 329
Celli und Santori, Ueber eine transitorische
Varietät vom Choleravibrio. (Orig.) 789
Cesaris-Demd und Orlandi, Sulla equiva-
lenza biologica dei prodotti dei ,,B coli“
e dei „B. tiphi“. 62
Charrin, Einfluß der Atmosphärilien auf
die Mikroorganismen. 859
— et Teissier, Modification de la pression
arterielle sous l’influence des toxines
pyocyaniques. 608
Cohn, Ueber thermogene Bakterien. 424
Dietel, Descriptions of new species of Ure-
dineae and Ustilagiueae, witb remarks
on some otber species. 88
Dixon , Involution form of the Tubercle
Bacillus and the effect of subcutaneous
injections of organic substances on in-
flammations. 492
Dmochowski, Beitrag zur Lehre über die
pathogenen Eigenschaften des Fried-
länder’schen Pneumococcus. 581
Dömberger, Ueber das Vorkommen der
Streptokokken in der normalen und
kranken Mundhöhle des Kindes. 764
Donath, Ueber fiebererregende Bakterien-
produkte. 898
Dreyfufs, Ueber das Vorkommen von Cellu-
lose in Bacillen, Schimmel- und anderen
Pilzen. 909
Emst, The Bacillus pyocyaneus pericarditis.
608
Escherich, Notiz zu dem Vorkommen feiner
Spirillen in diarrhöischen Dejektionen.
(Orig.) 408
v. Esmarch , Ueber Sonnendesinfektion
510
Register.
1033
Fermi u. Pernossi , Ueber die Enzyme.
Vergleichende Studien. (Orig.) 229
— — , üeber das Tetanusgiftt. (Orig ) 303
— u. Montesano , Ueber die Dekomposition
des Amygdalins durch Mikroorganismen.
(Orig.) 722
Fischer, Die Bakterien des Meeres nach
den Untersuchungen der Planktouexpe-
dition unter gleichzeitiger Berücksichti-
gung einiger älterer und neuerer Unter-
suchungen. (Orig.) 657
Frank , Ueber ein parasitisches Clado-
sporium auf Gurken. 440
— Ueber die Befallung des Getreides durch
Cladosporium und Phoma. 440
Frankland, Die Bakteriologie in einigen
ihrer Beziehungen zur chemischen
Wissenschaft. 101
Fremlin , Vergleichende Studien an Bact.
coli commune verschiedener Provenienz.
693
Friedrich, Vergleichende Untersuchungen
über den Vibrio cholerae asiaticae mit
besonderer Berücksichtigung der diagno-
stischen Merkmale desselben. 434
Gärtner, Ein neuer gasbildender Bacillus.
(Orig.) 1
— , Identischer Bakterienbefund bei zwei
Melaenafällen Neugeborener. 865
Gamaleia, Ueber das Leben der Cholera-
bacillen im Wasser, unter dem Einflüsse
des Eintrocknens und der Feuchtigkeit.
240
Gasperini, Versuche über das Genus ,,Acti-
nomyces“. 684
Germano und Maurea, Vergleichende Unter-
suchungen über den Typhusbacillus und
ähnliche Bakterien. 60
de Giaxa e Lenti, Studi sulla virulenza,
sul contenuto d’ azota e sul reciproco
potere immunizzante del baciilo del
colera a seconda della varia provenienza.
617
Griffilths et Ladell , Sur une ptomaine
extraite de l’urine dans la grippe. 999
Hartig, Eine krebsartige Rindenkrankheit
der Eiche , erzeugt durch Aglaospora
Talola 700
Heim, Ueber Streptococcus longus pyo-
thoracus. 897
Heyse, Ueber Pneumaturie, hervorgerufen
durch Bacterium lactis aerogenes , und
über pathologische Gasbildung im tie-
rischen Organismus. 322
Huber, Ueber den Influenzabacillus. 439
Ilkewicz, Ueber die Kerne der Milzbrand-
sporen. (Orig.) 261
Inghüleri, Ueber das Verhalten einiger Mikro-
organismen in Bouillonkulturen, welche
die Bujwid’sche Reaktion geben. 688
— e Rolando . Beitrag zur Kenntnis der
Choleraspirillen. 819
Inghüleri e Rolando, Ueber das Verhalten
des Milzbrandbacillus in unsterilisierter
Milch. 820
, Ueber das verschiedene Verhalten des
B. coli und des Typhusbacillus in am-
ygdalinhaltiger Bouillon. 821
Issaeff und Ivanoff, Untersuchungen über
die Immunisierung der Meerschweinchen
gegen den Vibrio Ivanoff. 1010
Iwänoß', Ueber eine neue choleraähnliche
Vibrionenart. 433
Jaeger , Die Aetiologie des infektiösen fieber-
haften Ikterus (Weil’sche Krankheit).
Ein Beitrag zur Kenntnis septischer Er-
krankungen und der Pathogenität der
Proteusarten. 74
Jakowski, Beiträge zur Lehre von den
Bakterien des blauen Eiters (Bacillus
pyocyaneus). 431
Je/sner, Favusstudien. II. 71
Karlinski, Kleine Beiträge zur Aetiologie
der Cholera. 751
Kiefsling, Das Bacterium coli commune.
559
v. Klecki, Ueber einige aus ranziger Butter
kultivierte Mikroorganismen. ( Orig .) 354
Klein , Ueber den von Gärtner beschriebenen
neuen gasbildenden Bacillus. (Orig.)
276
— , Ein weiterer Beitrag zur Kenntnis der
intracellulären Bakteriengifte. 598
— , Beobachtungen über die Cholera in
England. 756
Kohn , Ein Fall von Pneumonomycosis
aspergillina. 565
Koplik , Urogenital Blennorrhoea in child-
ren. 184
Krannhals , Ueber Pyocyaneusinfektionen.
431
Krilckmann, Eine Methode zur Herstellung
bakteriologischer Museen und Konser-
vierung von Bakterien. (Orig.) 851
Kuprianow, Beiträge zur Biologie der Vi-
brionen. 489
Kurth, Bakteriologische Untersuchungen hei
Maul- und Klauenseuche. 123
Kutscher , Ein Beitrag zur Kenntnis der
den Choleravibrionen ähnlichen Wasser-
bakterien. 44
Lehmann, Ueber die Sauerteiggärung und
die Beziehungen des Bacillus levans zum
Bacillus coli communis. (Orig.) 350
bunkevyitsch, Beitrag zur Biologie des Ba-
cillus typhi murium (Loeflfler) und seine
Virulenz gegen die Feld- und Haus-
mäuse. (Orig.) 845
Lustig und De Giaxa, Ueber das Vor-
kommen von feinen Spirillen in den
Ausleerungen von Cholerakranken. (Orig.)
721
Maaf/en , Beiträge zur Differenzierung eini-
ger dem Vibrio der asiatischen Cholera ver-
10B4
Register.
wandter Vibrionen und kurze Angaben
über eiweißfreie Nährböden von allge-
meiner Anwendbarkeit. 922
Marchand , Ueber einen noch nicht näher
bekannten Kapselbacillus. 428
Marianeüi , Sul Trichophyton tonsurans.
867
Marot, Sur un Streptocoque. 317
Marpmann , Mitteilungen aus Mnrpmann’s
hygien. Laboratorium. [Orig.) 634
Martin. Goulstonian lectures on the Che-
mical pathology of diphtheria, compared
with that of anthrax, infective endocar-
ditis and tetanus. 757
Mer , Recherches sur la maladie des bran-
ches de Sapin , causee par le Phoma
abietina R. Hartig (Fusicoccum abietinum
Prill. et Delacr.). 829
Moreau , Coutributiou ä l’etude de l’ctio-
logie de la fievre typhoide et de la
vitalite dans le sol du bacille d’Eberth
690
Mühsam u. Schimmelbusch, Ueber die Farben-
produktion des Bacillus pyocyaneus bei
der Symbiose mit anderen Mikroorga-
nismen. 430
Müller, Ueber akute Osteomyelitis. 78
— , Zur Kenntnis des Runzelschorfes und
der ihm ähnlichen Pilze. 828
Neebe und Unna , Kritische Bemerkungen
zum Pleochroismus der Achoriouarten.
68
Neifser, Untersuchungen über den Typhus-
bacillus und das Bacterium coli com-
mune. 695
Oker-Blom, Beitrag zur Kenntnis des Ein-
dringens des Bacterium coli commune in
die Darmwand in pathologischen Zu-
ständen. 588
Pasquale , Vergleichende Untersuchungen
über Streptokokken. 761
Petri und Maa/sen, Beiträge zur Biologie
der krankheitserregenden Bakterien, ins-
besondere über die Bildung von Schwefel-
wasserstoff durch dieselben unter vernehm-
licher Berücksichtigung des Schweinerot-
laufs. 905
— , Weitere Beiträge zur Schwefelwasser-
stoffbildung aerober Bakterien und kurze
Angaben über Merkaptanbildung dersel-
ben. 908
Rappin, Sur les microorganismes des voies
digestives. 429
Rechtsamer, Ueber die feinen Spirillen in
Dejektionen Cholerakranker. {Orig.) 795
Renault, Du Bacterium coli commune dans
l’infection urinaire 696
Russell, Bacteria in their relation to vege-
table tissue. 169
— , The bacterial flora of the Atlantic
Ocean in the vicinity of Woods Holl,
Mass. 558
Russell, Bacterial investigation of the sea
and its flor. 823
Sabouraud, Sur une mycose innomin^e de
l’homme. La teigne tondante speciale
de Gruby, Microsporon Audouini. 868
Sadebeck, Die parasitischen Exoasceen. 503
Salus, Ueber das Verhalten der Cholera-
vibrionen im Taubenkörper und ihre
Beziehungen zum Vibrio Metschnikovi.
446
Salvioli, Ueber die physiologische Wirkung
der löslichen Produkte einiger Bakterien
und besonders der pyogenen Staphylo-
kokken 1007
Sanarelli, Les vibrions des eaux et 1’ etio-
logie du choldra. 240
Sanfelice , Untersuchungen über auaerobe
Mikroorganismen. 488
Savor , Zur Aetiologie der akuten Pyelo-
nephritis. 824
Schäfer, Die Typhusepidemie des Jahres
1891 im Kreise Niederbarnim. 691
Schickhardt, Ueber die Einwirkung des
Sonnenlichtes auf den menschlichen
Organismus und auf Mikroorganismen
und die hygienische Bedeutung desselben.
1020
Schild, Eine Typhusepidemie mit nach-
weisbarer Entstehnngsursache und die
Diagnose des Typhusbacillus 692
Schimmelbusch, Ueber grünen Eiter und die
pathogene Bedeutung des Bacillus pyo-
cyaneus. 315
Schmidt, Ueber die Benutzung verschiedener
Sputa als Nährböden und das Wachstum
der Pneumokokken auf denselben. 90
— u. Aschoff, Die Pyelonephritis in ana-
tomischer und bakteriologischer Bezieh-
ung und die ursächliche Bedeutung des
Bacterium coli commune für die Er-
krankung der Harnorgane. 697
Seemann- Varel , Ueber den Einfluß des Ge-
witterregens auf die Anzahl der Keime
in abgeschlossenen Gewässern 52
Sirena und Scagliosi, Aehnlichkeiten und
Verschiedenheiten der in den verschie-
denen Teilen Italiens während der letz-
ten Choleraepidemie isolierten Vibrionen.
951
— — , Lebensdauer des Milzbrandbacillus
im Boden, im Trink- und Meerwasser
und in den Abfallwässern. 952
Sittmann und Bamow, Ueber einen Befund
von Bacterium coli im lebenden Blute. 694
Spronck, Over cholera-bacillen, onlangs io
Nederland uit rivier-, vaart-, gracht- en
slootwater gekweekt. 55
Stutzer und Burri, Untersuchungen über die
Bakterien der Cholera asiatica. 53
Temi, La diagnosi differenziale del bacillo
del tifo 249
Register.
1035
Temi, Le fermentazioni dei tnicrococchi pio-
geni. 606
Thaxter, New species of Laboulbeuiaceac
from various localities. 569
Timpe, Ueber die Beziehungen der Phos-
phate und des Kaseins zur Milchsäure-
gärung. 425
Trambusti, Ueber die physiologische Wir-
kung der Stoffwechselprodukte des Hy-
drophilus fuscus. 607
Uffelmann , Versuche über die Widerstands-
fähigkeit der Typhusbacillen gegen Trock-
nung und über die Möglichkeit ihrer
Verschleppung durch die Luft (Orig.) 133
Unna, Natürliche Reinkulturen der Ober-
bautpilze. 701
Vincent, Resultats experimentaux de l’as-
sociation du streptocoque et du bacille
typhique. 64
— , Etüde sur le parasite du „pied de
Madura“. 965
Waldvogel, Ueber das Wachstum des Strepto-
coccus longus in Bouillon. (Orig.) 837
Walliczek, Die Resistenz des Baeterium
coli commune gegen Eintrocknung (Orig.)
949
Ward, Further experiments on the action
of light on ,, Bacillus anthracis“. 1019
Wassermann, Ueber differentielle Diagnostik
von entzündlichen Lungenaffektionen.
177
Wehmer, Ueber Citronensäuregärung. 426
— , Beiträge zur Kenntnis einheimischer
Pilze. 1. Zwei neue Schimmelpilze als
Erreger einer Citronensäuregärung. 427
— , Ueber die Beziehungen der Bakterio-
logie zur allgemeinen Mykologie und
Physiologie (Orig) 533
Weigmann u. Zirn. Ueber „seifige*“ Milch.
(Orig.) 463
Wolffhügel. Zur Frage der Gelatineberei-
tung. (Orig.) 167
Zenthöfer, Ueber das Verhalten der Cholera-
kulturen in Hühnereiern. 752
Zeitnöte, Ein Apparat zur Kultur anaerober
Bacillen. (Orig ) 638
Zimmermann. Die Bakterien unserer Trink-
und Nutzwässer, insbesondere der Chem-
nitzer Wasserleitung. II. 47
Zinno , Contributo allo Studio dei processi
biochimici dei batteri con speciale riguardo
alla diagnosi differenziale fra varii micro-
organismi simiglianti. 428
Zopf, Zur Kenntnis der Färbungsursachen
niederer Organismen (Vierte Mitteilung).
Basidiom ycetenfärbungen. 875
Fäulnis.
Alesti, Ueber Fäulnisgase als prädisponie-
rende Ursache zur Typhusinfektion.
(Orig ) 228
Steinmetz, Kurze Mitteilungen über einige
Versuche zur Frage der fäulniswidrigen
Eigenschaften der Kohlensäure. (Orig.)
677
Gärung.
Beijerinck, Ueber die Butylalkoholgärung
und das Butylferment. 171
Bochicchio, Ueber einen Milchzucker ver-
gäreuden und Käseblähungen hervor-
rufenden neuen Hefepilz. (Orig.) 546
Cohn, Ueber therinogene Bakterien. 424
Fermi u. Montesano, Ueber die Dekompo-
sition des Amygdalins durch Mikro-
orgauismen. (Orig.) 722
Frankland, Die Bakteriologie in einigeu
ihrer Beziehungen zur chemischen Wis-
senschaft. ioi
Gärtner, Ein neuer gasbildender Bacillus.
(Orig.) i
Gottstein, Eine historische Bemerkung zu
dem Aufsatze von Fermi und Monte-
sano „Ueber die Dekomposition des
Amygdalins durch Mikroorganismen“.
(Orig.) 896
Greg, Fermentation in rum distilleries. 46
de Haan u. Huysse, Die Koagulation der
Milch durch Cholerabakterien (Orig.)
268
v. Klecki, Ueber einige aus ranziger Butter
kultivierte Mikroorgauismen. (Orig.)
354
Kuprianow, Beiträge zur Biologie der Vi-
brionen. 489
Lehmann, Ueber die Sauerteiggäruug und
die Beziehungen des Bacillus levans zum
Bacillus coli communis. (Orig.) 350
— , Qualitative und quantitative Unter-
suchungen über den Säuregehalt des
Brotes. 556
Schardinger, Ueber das Vorkommen Gärung
erregender Spaltpilze im Trinkwasser
und ihre Bedeutung für die hygienische
Beurteilung desselben. 48
Sigismund, Untersuchungen über die Ran-
cidität der Butter unter Berücksichtigung
der Marktverhältnisse in Halle a. S. 379.
Temi, La diagnosi differenziale dei bacillo
dei tifo. 249
— , Le fermentazioni dei micrococchi pio-
geni. 608
Timpe, Ueber die Beziehungen der Phos-
phate und des Kaseins zur Milchsäure-
gärung. 425
Wehmer, Ueber Citronensäuregärung. 426
— , Beiträge zur Kenntnis einheimischer
Pilze- I. Zwei neue Schimmelpilze als
Erreger einer Citronensäuregärung. 427
— , Ueber die Beziehungen der Bakterio-
loge zur allgemeinen Mykologie und
Physiologie. (Orig.) 533
1036
Register.
PhoBphorescenz.
Kutscher, Ein Beitrag zur Kenntnis der
den Choleravibrionen ähnlichen Wasser-
bakterien. 44
Selbsterhitzung.
Cohn , Ueber thermogene Bakterien 424
Luft.
Chatin, Contribution ä la recherche des
streptocoques dans l’air atmosph£rique.
764
Kirchner, Grundriß der Militärgesundheits-
pflege. Lief. 2 — 8. 17
Tassinari, Ricerche sull’ aria di una fabrica
di tessuti rispetto al contenuto in micro-
organismi ed osservazioni sul numero
loro in rapporto alle condizioni dell’ aria
ambiente con speciale riguardo al bacillo
della tuberculosi. 492
üffelmann. Versuche über die Widerstands-
fähigkeit der Typhusbacillen gegen Trock-
nung und über die Möglichkeit ihrer
Verschleppung durch die Luft. (Orig.)
133
Boden.
Almquist, Zur Biologie der Typhusbakterie
und der Escherich’schen Bakterie. 63
Kirchner, Grundriß der Militärgesundheits-
pflege. Lief. 2 — 8. 17
Moreau, Contribution ä l’etude de l’Ätio-
logie de la fifevre typhoide et de la
vitalite dans le sol du bacille d’Eberth.
690
Sirena und Scagliosi , Lebensdauer des
Milzbrandbacillus im Boden, im Trink-
und Meerwasser und in den Abfall-
wässern. 952
üffelmann, Versuche über die Widerstands-
fähigkeit der Typhusbacillen gegen Trock-
nung und über die Möglichkeit ihrer
Verschleppung durch die Luft. (Orig.)
133
Wcyl, Handbuch der Hygiene. 4. Liefe-
rung : v. Fodor, Hygiene des Bodens.
Mit besonderer Rücksicht auf Epide-
miologie und Bauwesen. 954
Wasser.
BeyerincJc, Notiz über den Nachweis von
Protozoen und Spirillen in Trinkwasser.
( Orig.) 1 0
Blachstein, Contribution ä l’etude microbi-
que de l’eau 235
Bogdan , Versuche über die Leistungs-
fähigkeit der Freiherr von Kuhn’schen
Asbestfilter 878
Bonhoß, Ueber zwei neue in Wasser ge-
fundene Kommabacillenarten. 562
Büchner, Ueber den Einfluß des Lichtes
auf Bakterien und über die Selbstreini-
gung der Flüsse 515
Burri, Ueber einige zum Zwecke der Art-
charakterisierung anzuwendende bakte-
riologische Untersuchungsmethoden nebst
Beschreibung von zwei neuen, aus Rhein-
wasser isolierten Bakterien. 88
Chantemesse, L’4pid4mie cholerique de Con-
stantinople. 753
Choleraepidemie, Die, in der Türkei und
speziell in Konstantinopel. 752
Drotsbach, Methode der bakteriologischen
Wasseruntersuchung. 775
Edel, Untersuchungen über den Bakterien-
gehalt des Badewassers. 235
Eischer, Die Bakterien des Meeres nach
den Untersuchungen der Planktonexpedi-
tion unter gleichzeitiger Berücksichtigung
einiger älterer und neuerer Untersuchun-
gen. (Orig.) 657
ßamaleia , Ueber das Leben der Cholera-
bacillen im Wasser, unter dem Einflüsse
des Eintrocknens und der Feuchtigkeit.
240
Qruber , Antwort an Herrn Dr. Martin
Kirchner in Sachen der Prüfung von
Wasserfiltern. (Orig.) 165
Heerwagen, Die Cholera in Riga 1892.
59. 127
Heider, Untersuchungen über die Verun-
reinigung der Donau durch die Abwässer
der Stadt Wien. 20
Iwanoff, Versuche über die Desinfektion
der städtischen Abwässer mit Schwefel-
säure. 94
Jaeger, Die Aetiologie des infektiösen fieber-
haften Ikterus (Weil’sche Krankheit).
Ein Beitrag zur Kenntnis septischer Er-
krankungen und der Pathogenität der
Proteusarten. 74
Karlinski, Unter der gelben Flagge. Er-
innerungen und Eindrücke von meiner
Reise nach Arabien und Kleinasien. 436
Kirchner, Grundriß der Militärgesundheits-
pflege. Lief. 2 — 8. 17
Kielt, Die Frage der Flußwasserreinigung.
51
Kutscher, Ein Beitrag zur Kenntnis der
den Choleravibrionen ähnlichen Wasser-
bakterien. 44
Lacour-Eymard, Experiences sur le filtre
Chamberland, Systeme Pasteur ä netto-
yeur m^canique O. Andre 621
Lindner, Beitrag zur Kenntnis parasitischer
Vorticellen. 84
Loetcy, Die Typhusepidemie in Fünfkirchen,
verursacht durch Infektion der Wasser-
leitung. 236
Register.
1037
Mally, Combination hot filter and steam
sterilizer ; a handy incubating cage.
877
Moreau, Contribution ä l'etude de l’6tio-
logie de la fifevre typhoide et de la vi-
talite daos le sol du bacille d’Eberth.
690
v. PettenJcofer, Maßregeln gegen die Cholera
hier , die sanitären Verhältnisse der
Irrenanstalten, Siechenhäuser, Arbeits-
häuser, Gefangen- und Strafanstalten.
776
— , Choleraexplosionen und Trinkwasser.
910
Piefke, Ueber die Betriebsführung von
Sandfiltern auf Grundlage der zur Zeit
gütigen sanitätspolizeilichen Vorschriften.
878
Pinna, üeher die Wirkung des Meerwas-
sers auf die Virulenz der Milzbrand-
bacillen. 816
Pouiklo, Ueber eine die Nachweisung von
Choleravibrionen im Wasser erleichternde
Untersuchungsmethode. 27
Radiguet, Contribution ä l’etude de l’origine
hydrique de la fievre typhoide. Fifevre
typhoide et eau de Seine dans les pri-
sons de Paris. 691
Renault, Du Bacterium coli commune dans
l’infection urinaire. 696
Renvers , Die Choleraerkrankungen im
städtischen Krankenhause Moabit. 434
Rutseil, The hacterial flora of the Atlantic
Ocean in the vicinity of Woods Holl,
Mass. 558
— , Bacterial investigation of the sea and
its flor. 823
Sanarelli, Les vibrions des eaux et l'etio-
logie du cholera. 240
Schäfer , Die Typhusepidemie des Jahres
1891 im Kreise Niederbarnim 691
Schardinger, Ueber das Vorkommen Gärung
erregender Spaltpilze im Trinkwasser
und ihre Bedeutung tür die hygienische
Beurteilung derselben. 48
Schild, Eine Typhusepidemie mit nach-
weisbarer Entstehungsursache und die
Diagnose des Typhusbacillus. 692
Sclavo , Di un nuovo apparechio per la
pressa dell’ acqua a profondith. 507
Seemann- Varel , Ueber den Einfluß des
Gewitterregens auf die Anzahl der Keime
in abgeschlossenen Gewässern. 52
Sirena und Scagliosi , Lebensdauer des
Milzbrandbacillus im Boden, im Trink-
und RIeerwasser und in den Abfall-
wässern. 952
Spronck , Over cholera-bacillen , onlangs
in Nederland uit rivier-, vaart-, gracht-
en slootwater gekweekt. 55
Steuemagel, Untersuchungen über die Ver-
unreinigung des Rheins durch die Kölner
Kanalwässer , sowie die Selbstreinigung
desselben. 49
Traube, Einfaches Verfahren, Wasser in
großen Mengen keimfrei zu machen.
879
Zimmermann , Die Bakterien unserer Trink-
und Nutzwässer, insbesondere der Chem-
nitzer Wasserleitung. II. 47
Nahrungsmittel.
Abbot, The results of inoculations of milk
cows with cultures of the Bacillus diph-
theriae. 780
Bochicchio, Ueber einen Milchzucker ver-
gärenden und Käseblähungen hervor-
rufenden neuen Hefepilz. (Orig.) 546
Bordoni- Ufreduzzi, Ein Fall von fuchsin-
ähnlicher Bakterienfärbung des Fleisches.
666
Carstens, Ueber Fehlerquellen bei der Er-
nährung der Säuglinge mit sterilisierter
Milch. 526
v. Freudenreich, Die Bakteriologie in der
Milchwirtschaft. 745
Oemhardt, Quantitative Spaltpilzunter-
suchungen der Milch. 313
Greg, Fermentation in rum distilleries.
46
Haan und Huysse, Die Koagulation der
Milch durch Cholerabakterien. (Orig.)
268
Hesse , Ueber die Beziehungen zwischen
Kuhmilch und dem Cholerabacillus. 858
Inghilleri, Ueber das Verhalten des Milz-
brandbacillus in unsterilisierter Milch.
820
Kerez, Ueber den Einfluß des Tabaks auf
den Tuberkelbacillus. (Orig.) 37
v. Klecki, Ueber einige aus ranziger Butter
kultivierte Mikroorganismen. (Orig) 353
Knochenstiema, Ueber den Keimgebalt der
Dorpater Marktmilch nebst einigen bakte-
riologischen Untersuchungen von Frauen-
milch. 313
Kramsztyk, Sterilisation oder Pasteurisation.
880
Lehmann, Ueber die Sauerteiggärung und
die Beziehungen des Bacillus levans zum
Bacillus coli communis. (Orig.) 350
— , Qualitative und quantitative Unter-
suchungen über den Säuregehalt des
Brotes. 556
Hontefusco, 11 latte in Napoli. 235
Palleske, Ueber den Keimgehalt der Milch
gesunder Wöchnerinnen. 120
1038
Register.
Schmidt , Milch, die Quelle einer Typhus-
epidemie. 63
Schneidemühl , Ueber die wissenschaftlichen
Grundsätze und die praktische Regelung
der Fleischbeschau. 396
Schroeder , Die Fleisch- und Wurstvergif-
tung in U. und Umgegend des Kreises
Weißenfels im Jahre 1892. 314
Sigismund , Untersuchungen über die Ran-
cidität der Butter unter Berücksichtigung
der Marktverhältnisse in Halle a. S.
379
Solbrig, Ueber die Prophylaxis der Diph-
theritis vom sanitätspolizeilichen Stand-
punkte. 571
Timpe, Ueber die Beziehungen der Phos-
phate und des Kaseins zur Milchsäure-
gärung. 425
Weigmann, Ueber „seifige Milch. (Orig.) 463
Weigmann, Die Methoden der Milchkonser-
vierung, speziell das Pasteurisieren und
Sterilisieren der Milch. 509
— und Zim, Ueber das Verhalten der
Cholerabakterien in Milch und Molkerei-
produkten. (Orig.) 286
Wemicke, Ueber das Verhalten der Komma-
bacillen auf Tabaksblättern. 898
Zenthöfer, Ueber das Verhalten der Cholera-
kulturen in Hühnereiern. 752
Gebrauchsgegenstände.
XJffelmann, Versuche über die Widerstands-
fähigkeit der Typhusbacillen gegen Trock-
nung und über die Möglichkeit ihrer
Verschleppung durch die Luft. (Orig.)
133
Pfuhl , Ueber die Infektion der Schußwun-
den durch mitgerissene Kleiderfetzen. 176
V. Tierische Parasiten.
Adamkiewicz, Zur Reaktion der Carcinome.
771
— , Zur Krebsparasitenfrage. 962
Amann, Notiz über einen Plasmodien-Be-
fund in einem atypischen Falle von
Malaria. 384
D' Arcy Power , Some eflfects of chronic
irritation upon living tissues, being first
steps in a rational study of cancer. 771
Ashmead , Monographie der nordamerika-
nischen Proctotrypiden. 613
Askanazy, Zur Lehre von der Trichinosis.
(Orig.) 225
Babes et Gheorghiu, Etüde sur les diffe-
rentes formes du parasite de la Malaria
en rapport avec les differentes mani-
festations cliniques de la maladie et sur
les modifications des elements figures du
sang dans cette maladie. 81
Banti, Sui parassiti del carcinoma. 381
Beyerinek, Notiz über den Nachweis von
Protozoen und Spirillen in Trinkwasser.
(Orig) 10
Billings , Southern Cattle Plague (Texas
fever). 700
Binz, Ueber den Vorgang der Heilung des
Malariafiebers durch Chinin. 974
Bouzian , Recherches sur l’hematozoaire du
paludisme faites ä l'höpital civil de
Mustapha-Alger. 384
Braun, Helminthologische Notizen. (Orig.)
409. 680
— , Ueber ein für den Menschen neues
Distomum der Leber. 602
Brock, Anatomy and physiology of the
Bilharzia comm. 774
Büchner, Ueber Choleratheorieen und die
Notwendigkeit weiterer Choleraforschun-
gen. 750
Burdin, Phthiriase des paupieres. 827
Cattle und Mülar, On certain Gregarinidae
and the possible connexion of allied
forms with tissue-changes (cancer) in
man. 329
Celli u. Fiocca, Beiträge zur Amöbenfrage.
(Orig ) 470
Chiari. Ueber einen in Prag sezierten Fall
von Ankylostomiasis bei einem Kruneger.
327
Cholodkowsky , Ueber eine neue Species von
Taenia. (Orig.) 552
Claus, Eingeweidewürmer des Menschen.
394
Cucco, Ueber die Wirkung des Phenocollum
hydrochloricum bei Malaria. 399
Danilewsky , Ueber die Hämatozoen bei
Tieren , welche analog den Malaria-
Hämatozoen beim Menschen sind. 480
Delepine and Cooper, A few facts concern-
ing Psorospermosis or Gregarinosis. 123
Diamare , Le funzioni dell’ ovario nella
Davainea tetragona Mol. 393
Felsenthal und Stamm, Die Veränderungen
in Leber und Darm bei der Coccidien-
kraukheit der Kaninchen. 82
Foä , Ueber die Aetiologie des Krebses.
816
Friedeberg, Ein Fall von Rückenmarks-
kompression durch Echinokokken im
Wirbelkanale. 825
Register.
1039
Giarrl, Grave infezione da ascaridi in
bambina geofaga. 388
Gibbes, On the parasitic nature of Cancer.
770
Geelvink , Ein Fall von Echinococcus hypo-
phrenicus. 392
Glogner , Die Stellung der Beri-Beri unter
den Infektionskraukheiten. 192
Golgi, Sülle febbri malariche estivo-autun-
nali di Roma. 384
Goltz, Ueber Schwarzfärbung des Rostel-
lum und Fehlen des Hakenkranzes bei
Cysticercus cellulosae. 392
Gurley, Ou the Classification of the Myxo-
sporidia, a group of protozoan parasites
infesting fishes. 86
Heisig, Beitrag zur Statistik menschlicher
Entozoen. 326
Uoullier, Contribution ä l’etude de la filariose
et en particulier de l’hemato-chylurie
endemique des pays cbauds, une de ses
principales mauifestations. 825
Jägerskiöld , Bidrag tili kännedomen om
Nematoderna. 125
Janson, Die Krankheiten der Haustiere in
Japan. 394
Kahane, Ueber das Vorkommen lebender
Parasiten im Blute und in Geschwulst-
zellen bei Carcinomatösen. (Orig.) 413
— , Weitere Mitteilungen über das Vor-
kommen lebender Parasiten im Blute
und in den Geschwulstzellen bei Carci-
nomatösen. (Orig.) 629
Resem-Beck, Ueber die Behandlung der
Malaria mit Methylenblau und über dessen
lokale Anwendung bei der Diphtherie.
975
Küchel, Eine Drillingsmißbildung der Taenia
saginata. 393
Kurloff, Zur Lehre von den Carcinom-
parasiten. (Orig.) 341
Labbi, Sur les Coccidies des oiseaux. 773.
— , Dimorphisme dans le developpement
des h^mosporidies. 773
— , Coccidium Delagei, coccidie nouvelle
parasite des tortues d’eau douce. 827
Laveran, Etiologie de la dysenterie. 26
Leuckart, Die Parasiten des Menschen und
die von ihnen herrührenden Krankheiten.
247
Lindner, Beitrag zur Kenntnis parasitischer
Vorticellen. 84
v. Linstow, Zur Anatomie und Entwicke-
lungsgeschichte der Tänien. 612
— , Heterakis Sonsinoi. (Orig.) 733
— , Zur Anatomie und Entwickelungsge-
schichte der Tänien. 772
— , Helminthologische Studien. 967
Lönnberg, Ueber eine neue Tetrabothrium-
species und die Verwandtschaftsverhält-
nisse der Ichthyotänien. (Orig.) 801
Lnicas , Des manifestations pathologiques
dues ä la pr£sence de la Filaria sanguinis
hominis dans l’organisme humain. 826
de Magalhaes, Notes d’helminthologie br6-
silienne. II. 700
Marchand, Ueber das Vorkommen von
Trichomonas im Harne eines Mannes,
nebst Bemerkungen über Trichomonas
vaginalis. (Orig.) 709
Miller, Ueber die Krebsparasiten bei Carci-
noma Uteri. 487
MorUicelli, Studii sui Trematodi endo-
parassiti ; primo contributo di osserva-
zioni sui Distomidi. 872
Müller, Zur Kasuistik und Symptomato-
logie der Muskelechinokokken. 389
Neumann, Sur un Echinocoque du Chat. 392
Nöggerath, Beiträge zur Struktur und Ent-
wickelung des Carcinoms. 244
Perles, Beobachtungen über perniciöse Anä-
mie. 23
Perroncito , Ueber die Entwickelung der
Taenia mediocanellata. (Orig.) 800
Podxcyssozky, Entwickelungsgeschichte des
Coccidium oviforme im Zusammenhänge
mit der Lehre von den Krebsparasiten.
481
Quincke u. Roos, Amöben-Enteritis. 26
Railliet, Traite de Zoologie m^dicale et
agricole. 871
Reinbach, Ueber das Verhalten der Leuko-
cyten bei malignen Tumoren. 243
Ribbert, Die neueren Untersuchungen über
Krebsparasiten. 962
Roos, Ueber Iufusoriendiarrhöe. 610
Rosin, Einfluß von Chinin und Methylen-
blau auf lebende Malariaplasmodien.
207
Rossi, I corpuscoli-fucsina di W. Rüssel.
771
Sacharoff, Ueber den Einfluß der Kälte
auf die Lebensfähigkeit der Malaria-
parasiten. (Orig.) 158
— , Zur Biologie des Malariaparasiten. 962
— , Ueber die Struktur des Kernes bei
den halbmondförmigen Malariaparasiten
des Menschen. 962
Sajö, Das Getreidehähnchen (Leina meln-
nopus L.). 126
Saictschenko, Weitere Untersuchungen über
die Krebsparasiten (zur Entwickelungs-
geschichte derselben). 485
Schewiakoß, Ein abnorm gebauter weiblicher
Genitalapparat von Ascaris lumbricoides
L. (Ore'p.) 473
Schmidt, Ueber Echinococcus im weiblichen
Becken. Im Anschlüsse an einen in der
1040
Register.
hiesigen gynäkologischen Klinik beob-
achteten Fall. 328
Schwarz, Zur Unterscheidung des Cysti-
cercus cellulosae von dem Cysticercus
tenuicollis. 388
Smith, Preliminary notes on a Sporozoon
in the intestinal vills of cattle. 388
Snow, The so-called „parasitic protozoa*1
of mammary carcinoma. 243
Steven and Brown, On the so-called para-
sitic Protozoa of Cancer. 382
Stiles, Bemerkungen über Parasiten. —
Ueber die Erhaltung von Typen. (Orig.)
477
— , On the presence of Sarcosporidia in
birds. 611
— , Notes on parasites. 18
Storch , Echinococcusblase in der Herz-
kammerscheidewand. 389
Titoff, Ueber die Malariaparasiten der sog.
halbmondförmigen Varietät. 961
v. Tubeuf \ Mitteilungen über einige Pflanzen-
krankheiten. 195
— , Empusa Aulicae Reich, und die durch
diesen Pilz verursachte Krankheit der
Kieferneulenraupe. 248
Unna , Zur Kenntnis der hyalinen Degene-
ration der Carcinomepithelien. 246
Vayssüre, Etüde su le Temnocephala , pa-
rasite de l’Astacoides madagascariensis.
389
Ward, Ueber das Vorkommen von Distoma
Westermanni in den Vereinigten Staaten.
(Orig.) 362
v. Wasieleicski, Herpes zoster und dessen
Einreihung unter die Infektionskrank-
h eiten. 79
Wesener, Unsere gegenwärtigen Kenntnisse
über Dysenterie in anatomischer und
ätiologischer Hinsicht. 25
Willach, Eine durch Infusorien verursachte
Taubenepizootie. 83
— , Monostoma hepaticum suis. 874
VI. Bakterien und andere Parasiten als Krankheitserreger
bei Menschen und Thieren.
a. Infektiöse Krankheiten im Allgemeinen.
Bazy, De l’absorption par les voies uri-
naires. 1017
Bemabeo , L'autodifesa dell’ organismo
contro i germi infettivi in rapporto colle
suppurazioni. 614
Bonaduce, Ueber Beziehungen des Blut-
serums von Tieren zur natürlichen Im-
munität. 441
Boretius, Die Beseitigung der Ansteckungs-
stoffe, insbesondere der flüssigen, bei
Infektionskrankheiten. 333
Bomträger, Desinfektion oder Verhütung
und Vertreibung ansteckender Krank-
heiten. 252
Bouchard und Charrin, Ueber die Gründe
der Unschädlichkeit einiger Parasiten.
652
Cazeneuve und Rollet, Zur l’action micro-
bicide du Gallanol. 574
Centanni, Die specifische Immunisation der
Elemente der Gewebe 202
Corzolino. La microcidina ed il cloruro
di sodia per i processi microbici mas-
sime piogeni dell’ orecchio, del naso e
della gola. 441
Denys, Widerstandsfähigkeit des Organis-
mus gegen die Mikroben. 817
— et JJavet, Sur la part des leucocytes
dans le pouvoir bactericide du sang de
chien. 1005
Donath, Ueber fiebererregende Stoffe. 857
— , Ueber fiebererregende Bakterienpro-
dukte. 898
o. Esmarch, Ueber Sonnendesinfektion.
510
Finkelnburg, Geschichtliche Entwickelung
und Organisation der öffentlichen Ge-
sundheitspflege in den Kulturstaaten.
311
— , Der Entwickelungsgang und der heu-
tige Stand der internationalen Gesund-
heitspflege. 1002
Gärtner, Verhütung der Uebertragung und
Verbreitung ansteckender Krankheiten.
1000
Gatti, Süll’ aumento del potere microbicida
del sangue durante la infezione. 441
Gley und Charrin, Die Wirkung der Bak-
teriengifte auf die vasomotorischen Or-
gane und diejenigen des Blutkreislaufs.
688
Havet, Du rapport entre le pouvoir bac-
tericide du sang de chien et sa richesse
en leucocytes. 1006
Hüdebrandt , Ueber Immunisierungsver-
suche mittels pharmakologischer Agen-
den. 1006
Hobrecht, Sanitäre Untersuchungen in Ae-
gypten. 1003
Register.
1041
Jatoein , Zur Frage von den Toxinen des
tierischen Harns bei akuten Infektions-
krankheiten. 175
Kirchner, Grundriß der Militärgesundheits-
pflege. Lief. 2 — 8. 17
Klebs , Zur Beurteilung therapeutischer
Maßnahmen. Ein Beitrag zur Antidiphthe-
rinbehandlung. 1001
Kossel, Ueber die Einwirkung der Nucle'in-
säure auf Bakterien. 1018
Kruse , Bemerkungen über Infektion, Im-
munität und Heilung. 199
Kühler, Die Gesetzgebung zur Bekämpfung
gemeingefährlicher Krankheiten in eini-
gen Staaten des Auslandes. 254
Lenti, Dell’ influenza dell’ alcoole, della
glicerina e dell’ olio d’oliva sull azione
dei disinfettanti. 1023
Letnaschow, Die bakteriologischen Behand-
lungsmethoden der Infektionskrankheiten
beim Menschen im allgemeinen und die
Serumbehandlung des Flecktyphus im
besonderen. 1003
Maiselis, Ueber die erworbene Immunität
nach menschlichen Infektionskrankheiten.
256
Me/sner, Experimentelle Studien über die
Wundbehandlung bei infizierten Wunden.
1004
Mühlmann, Zur Mischinfektionsfrage. ( Orig .)
885
Pernice and Pollaci, Ueber den Einfluß
der Absonderungen im Verlaufe der In-
fektionskrankheiten. 860
Petri und Maafsen, Beiträge zur Biologie
der krankheitserregenden Bakterien, ins-
besondere über die Bildung von Schwe-
felwasserstoff durch dieselben unter
vornehmlicher Berücksichtigung des
Schweinerotlaufs. 905
Petri und Maafsen, Weitere Beiträge zur
Schwefelwasserstofifbildung aerober Bak-
terien und kurze Angaben überMerkaptan-
bildung derselben. 908
Biclcards, Presidential address on infec-
tious diseases with especial reference to
their treatment by vaccine. 208
Bighi, L’immunitä nei suoi rapporti con
la funzione della milza. 336
Schickhardt, Ueber die Einwirkung des
Sonnenlichtes auf den menschlichen
Organismus und auf Mikroorganismen
und die hygienische Bedeutung desselben.
1020
Sclavo, Della conservazione dei virus in
glicerina. 507
Stern, Ueber einige Beziehungen zwischen
menschlichem Blutserum und pathogenen
Bakterien. 335
Vaughan, The principles of immunity and
eure in the infectious diseases. 518
— and Mc. Clintock, The nature of the
germicidal constituents of blood serum.
520
Verpflichtung zur Anzeige von anstecken-
den Krankheiten in Frankreich. 208
Weyl, Handbuch der Hygiene. 310. 954
b. Einzelne durch Bakterien und andere Parasiten hervorgerufene
Krankheiten.
Aktinomykose.
Gasperini, Versuche über das Genus „Acti-
nomyces“. 864
Kanthack, Madura Disease (Mycetoma) and
Actinomycosis. 967
Netter, De l’actinomycose pulmonaire. 566
Ostertag, Zur Jodtherapie der Aktinomy-
kose. 574
Pawlowsky et Maksutoff, Sur la phago-
cytose dans l’Actinomycose. 1007
Bedtenbacher, Ein Fall von Actinomycosis
abdominalis. 567
Perniciöse ADämie.
Fischei und Adler, Zur Kenntnis der per-
nieiösen Anämie. 24
Perles, Beobachtungen über perniciöse
Anämie. 93
Angina.
Dornberger, Ueber das Vorkommen der
Streptokokken in der normalen und
kranken Mundhöhle des Kindes. 764
Sedzcak , Ein Fall der sogenannten An-
gina ulcerosa benigna (Heryng). 565
Arthritis.
Bordoni- Uffreduzzi, Ueber die Lokalisation
des Gonococcus im Innern des Organis-
mus (durch den Gonococcus hervorge-
rufene Pleuritis und Arthritis). 742
Baelz’sche Krankheit.
Broes van Dort, Ein Fall von Baelz’scher
Krankheit. 769
1042
Register.
Bartholinitis.
Basse, Der Gonococcns Neißer, sein Vor-
kommen bei Urethritis und Bartholinitis.
188
Beri-Beri.
Glogner, Die Stellung der Beri-Beri unter
den Infektionskrankheiten. 192
Blennorrhoe.
Koplüc , Urogenital Blennorrhoea 'in child-
ren. 184
Brustseuche der Kaninchen.
Beck, Der Bacillus der Brutsseuche beim
Kaninchen. 246
Carcinom.
Adamkiewicz, Zur Reaktion der Carcinome.
771
— , Zur Krebsparasitenfrage. 962
D? Ar cy Power, Some effects of chronic
irritation upon living tissues, being first
steps in a rational study of cancer.
771
Banti, Sui parassiti del carcinoma. 381
Baumgarten, Ueber eiu Kehlkopfcarcinom
kombiniert mit den histologischen Er-
scheinungen der Tuberkulose. 37 7
Cattle und Miliar, On certain Gregarinidae
and the possible connexion of allied
forms with tissue-changes (cancer) in
man. 329
Crone, Ein Beitrag zur Lehre vom Lupus-
Carcinom (Tuberculo-Carcinom). 377
Foh, Ueber die Aetiologie des Krebses.
816
Oibbes, On the parasitic nature of Cancer.
770
Kahane, Ueber das Vorkommen lebender
Parasiten im Blute und in Geschwulst-
zellen bei Carcinomatösen. {Orig.) 413
— , Weitere Mitteilungen über das Vor-
kommen lebender Parasiten im Blute
und in den Geschwulstzellen bei Carci-
nomatösen. ( Orig .) 629
Kurloff, Zur Lehre von den Carcinom-
parasiten. {Orig.) 341
Miller, Ueber die Krebsparasiten bei Car-
cinoma Uteri. 487
Nöggerath, Beiträge zur Struktur und Ent-
wickelung des Carcinoms. 244
Podwyssozky, Entwicklungsgeschichte des
Coccidium oviforme im Zusammenhänge
mit der Lehre von den Krebsparasiten.
481
Reinbach , Verhalten der Leukocyten bei
malignen Tumoren. 243
Ribbert, Die neueren Untersuchungen über
Krebsparasiten. 962
Rossi, I corpuscoli fucsina di W. Rüssel.
771
Sawtschenko, Weitere Untersuchungen über
die Krebsparasiten (zur Entwickelungs-
geschichte derselben). 485
Snow, The so-called „parasitic protozoa11
of mammary carcinoma. 243
Steven and Brown, On the so-called para-
sitic Protozoa of Cancer. 382
Strauer, Systematische Blutuntersuchungen
bei Schwindsüchtigen und Krebskranken.
772
Unna, Zur Kenntnis der hyalinen Degene-
ration der Carcinomepithelien. 246
Cholera.
Abel, Ueber das Vorkommen feiner Spi-
rillen in Dejektionen. {Orig.) 213
Aufrecht, Ueber den Befund feiner Spirillen
in den Dejektionen einer unter Cholera-
symptomen gestorbenen Frau. {Orig.)
405
Blachstein, Ueber die Virulenz des Komma-
bacillus in ihrer Beziehung zum Nähr-
boden. 915
Bordoni-Uffreduzzi und Abba, Ueber eine
aus dem Menschen isolierte Varietät des
Cholerabacillus und über die bakterio-
logische Diagnose der Cholera. 863
Brouardel, La defense contre le chol6ra :
valeur comparee du Systeme quarante-
naire aucien et du Systeme adopt6 ä la
Conference de Dresde pour la defense
des divers pays contre le chol6ra. 95
Büchner, Ueber Choleratheorieen und die
Notwendigkeit weiterer Choleraforschun-
gen. 750
Cacace, Dell’ azione dei prodotti di ricam-
bio del bacterium coli commune sullo
sviluppo del bacillo del colera e di
quello del bacillo del colera sullo svi-
luppo del bacterium coli. 242
Celli und Santori, Ueber eine transitorische
Varietät vom Choleravibrio. {Orig.) 789
Chantemesse, L’epidemie cholerique de Con-
stantinople. 753
Choleraepidemie , Die, in der Türkei und
speziell in Konstantiopel. 752
Denys, Diagnose der asiatischen Cholera
vermittelst des Mikroskops. 818
— et Sluyts , Du mecanisme des sym-
ptomes gastro-intestinaux dans le Cholera
asiatique. 914
Elsner, Zur Plattendiagnose des Cholera-
bacillus. 877
Register.
1043
Escherich, Notiz zu dem Vorkommen
feiner Spirillen in diarrhöischen Dejek-
tionen. (Orig.) 408
Fedoroff, Zur Blutserumtberapie der Cho-
lera asiatica. 572
Friedrich , Vergleichende Untersuchungen
über den Vibrio cholerae asiaticae mit
besonderer Berücksichtigung der dia-
gnostischen Merkmale desselben. 434
Fraenkel und Sobemheim , Versuche über
das Zustandekommen der künstlichen
Immunität. 511
Freymuth und Lickfett , Nochmals zur Dia-
gnose der Cholera mittelst Agrarplatten.
250
Gamaleia, Ueber das Leben der Cholera-
bacillen im Wasser, unter dem Einflüsse
des Eintrocknens und der Feuchtigkeit.
240
de Oiaxa e Lenti, Studi sulla virulenza,
sul contenuto d’azota e sul reciproco
potere immunizzante del bacillo del
colera a seconda della varia provenienza.
617
de Haan und Huysse, Die Koagulation der
Milch durch Cholerabakterien. (Orig.)
268
Heerwagen, Die Cholera in Riga 1892.
59. 127
Hesse , Ueber die Beziehungen zwischen
Kuhmilch und dem Cholerabacillus. 858
Hubencald, Zur Behandlung der Cholera.
924
Inghüleri , Ueber das Verhalten einiger Mikro-
organismen in Bouillonkulturen, welche
die Bujwid’sche Reaktion geben. 688
— , e Bolando, Beitrag zur Kenntnis der
Choleraspirillen. 819
lssaeff, Untersuchungen über die künstliche
Immunität gegen Cholera. 777
Iwanoff, Ueber eine neue choleraähnliche
Vibrionenart. 433
Jawein, Zur Frage von den Toxinen des
tierischen Harns bei akuten Infektions-
krankheiten. 175
Jolles, Ueber die Desinfektionsfähigkeit von
Seifenlösungen gegen Cholerakeime. 448
Karlinski, Unter der gelben Flagge. Er-
innerungen nnd Eindrücke von meiner
Reise nach Arabien und Kleinasien.
436
— , Kleine Beiträge zur Aetiologie der
Cholera. 751
Klein , Ein weiterer Beitrag zur Kenntnis
der intracellulären Bakteriengifte. 598
— . Beobachtungen über die Cholera in
England. 756
Klippstein, Ueber das Verhaltender Cholera-
und Typhusbakterien im Torfmull mit
Säurezusätzen. 445
Kölle, Beiträge zu den experimentellen
Cholerastudien an Meerschweinchen. 749
Kupiianow, Beiträge zur Biologie der Vi-
brionen. 489
— , Ueber die desinfizierende Wirkung des
Guajakols. (Orig.) 933. 981
Lustig und De Oiaxa , Ueber das Vor-
kommen von feinen Spirillen in den
Ausleerungen von Cholerakranken. 721
Haafsen, Zur bakteriologischen Diagnose
der asiatischen Cholera. Ein neues An-
reicherungsverfahren für Spirillen und
Vibrionen. 251
— , Beiträge zur Differenzierung einiger
dem Vibrio der asiatischen Cholera ver-
wandter Vibrionen und kurze Angaben
über eiweißfreie Nährböden von allge-
meiner Anwendbarkeit. 922
Hontefusco, Azione delle basse temperature
sulla virulenza degli spirilli del colera.
254
Hordtmann, Die Cholera in der Türkei
und Konstantinopel im Jahre 1893. 911
Nanu, Notes sur le cholera de 1892 ob-
servö ä l’hopita! Necker. 437
Palmirski, Notatki z. epidemii cholery w
Odessie i okolicach. (Beobachtungen
ans der Choleraepidemie in Odessa und
Umgebungen.) 19
Pemice und Scagliosi, Beitrag zur Kennt-
nis der Pathogenie der Nierenverände-
rungen bei der asiatischen Cholera. 950
v. Pettenkofer, Maßregeln gegen die Cholera
hier, die sanitären Verhältnisse der
Irrenanstalten, Siechenhäuser, Arbeits-
häuser , Gefangen- und Strafanstalten.
776
— , Choleraexplosionen und Trinkwasser.
910
Pfeifer, Studien zur Choleraätiologie. 748
— und lssaeff, Ueber die Spezifität der
Choleraimmunisierung 778
Pouiklo, Ueber eine die Nachweisung von
Choleravibrionen im Wasser erleichternde
Untersuchungsmethode. 27
Prozorotnski, Ueber die Wirkung von Kaffee
und von einigen Kaffeesurrogaten auf
pathogene Mikroorganismen. 398
Rechtsamer , Ueber die feinen Spirillen in
Dejektionen Cholerakranker. (Orig.) 795
Renvers , Die Choleraerkrankungen im
städtischen Krankenhause Moabit. 434
Righi, L’immunitä nei suoi rapporti con la
funzione della milza. 336
Sabolotny, Infektions- und Immunisierungs-
versuche am Ziesel (Spermophilus gutta-
tus) gegen den Choleravibrio. (Orig.)
150
Salus, Ueber das Verhalten der Cholera-
vibrionen im Taubenkörper und ihre
Beziehungen zum Vibrio Metschnikovi.
446
SanareUi, Les vibrions des eaux et l'etio-
logie du cholera. 240
1044
Register.
Sawtschenko und Sobolotny, Versuch einer
Immunisation des Menschen gegen Cholera.
28
Sirena und Scagliosi, Aehnlichkeiten und
Verschiedenheiten der in den verschie-
denen Teilen Italiens während der letz-
ten Choleraepidemie isolierten Vibrionen.
951
Sluyts, Etüde sur les proprietes du poison
du Cholera asiatique. 913
Sormani , Ueber die den Cholerabacillus
neutralisierenden Mittel. 861
Sobemheim, Experimentelle Untersuchungen
über Choleragift uud Choleraschutz. 780
Spronck , Over cholera-bacillen , onlangs
in Nederland uit rivier-, vaart-, gracht-
en slootwater gekweekt. 55
Stutzer und Burri, Untersuchungen über
die Bakterien der Cholera asiatica. 53
Thomas , Ueber die Erzeugung der Cholera
von der Blutbahn aus und die prädis-
ponierende Rolle des Alkohols. 55
Tsuboi , Die Cholera asiatica als eine Nitrit-
vergiftung 649
Turrö Reacciön del indol en las deyeccio-
nes colericas. 877
Di Vestea, Einiges über die neuen An-
sichten von Emmerich und Tsuboi, die
Pathogenesis der Cholera betreffend.
687
Vidguth , Vorschlag zur Choleradesinfektion.
923
Vülard, De quelques mesures prophylac-
tiques prises pendant l’epidemie de
cholera de 1892. 448
Voges, Ueber die Verwendung des Uschinsky-
schen Nährbodens zur Choleradiagnose.
(Orig ) 453
Weigmann und Zim, Ueber das Verhalten
der Cbolerabakterien in Milch- und
Molkereiprodukten (Orig.) 286
Wtmicke , Ueber das Verhalten der Komma-
bacillen auf Tabaksblättern. 898
v. Witkowski , Ueber Cholerabehandlung.
254
WoBcowitsch , Ueber den therapeutischen
Wert des Salols bei der Choleradiarrhöe.
573
Zabolotny, Zur Frage der raschen Bak-
teriendiagnose der Cholera. 250
Zenthöfer , Ueber das Verhalten der
Cholerakulturen in Hühnereiern. 752
CoccidieDkrankheit.
Felsenthal und Stamm, Die Veränderungen
in Leber und Darm bei der Coccidien-
krankheit der Kaninchen. 82
Cystitie.
Bary, Des cystites par infection descen-
dante. 568
Casper, Ueber Cystitis colli gonorrhoica.
432
Escherieh, Das Bacterium coli als Cystitis-
erreger. 901
Reymond, Cystites chez les malades non
sondds. 121
Dermatitis.
Russell, The bacteriology of epidemic ex-
foliative dermatltis. 324
Diarrhöe.
Boos, Ueber Infusoriendiarrhöe. 610
Diphtherie.
Abbott, The result« of inoculations of milk
cows with cultures of the Bacillus diphthe-
riae. 780
Aronson, Zur Diphtberieheilungsfrage. Ent-
gegnung auf den Artikel des Herrn Prof.
Behring. 926
— , Weitere Untersuchungen über Diph-
therie und das Diphtherie - Antitoxin,
I. Ueber die Art und Weise der Anti-
toxinwirkung. 926
Barbier, Sur une forme de septicdmie dans
la diphtherie et en particulier dans le
croup. 129
Behring, Zur Diphtheriebeilungsfrage. 926
— , Bemerkung zu vorstehender Entgeg-
nung. 926
Bergmann, Ein neuer Vorschlag zur Pro-
phylaxe gegen Diphtherie. 781
Booker , As to the aetiology of primary
pseudomembranous inflammation of the
larynx and trachea etc. 756
Brunner, Eine weitere Beobachtung von
Wunddiphtherie. 760
Councilman, The pathology and diagnosis
of Diphtheria. 760
Ehrlich, Rossel und Wassermann, Ueber
Gewinnung und Verwendung des Diph-
theriebeilserums. 924
Eigenbrodt , Ueber den Einfluß der Familien-
disposition auf die Verbreitung der Diph-
therie. 759
Elschnig, Ein Fall von Diphtherie der
Bindehaut. 565
Escherich, Zur Pathogenese der Diphtherie.
900
v. Esmarch , Ueber Sonnendesinfektion.
510
Kesem-Beck , Ueber die Behandlung der
Malaria mit Methylenblau und über dessen
lokale Anwendung bei der Diphtherie.
975
Klebs , Zur Beurteilung therapeutischer
Maßnahmen. Ein Beitrag zur Antidiphthe-
rinbehandlung. 1001
Register.
1045
Klein, Ein weiterer Betrag zur Kenntnis
der intracellulären Bakteriengifte. 598
Laser, Ueber den Einfluß der Citronensäure
auf den Diphtheriebacillus. 524
Martin , Goulstonian lectures on the Chemi-
cal pathology of diphtheria, compared
with that of anthrax , infective endocar-
ditis and tetanus. 757
Mya, Ueber die Pathologie der Diphtherie-
infektion. 682
S ’olbrig, Ueber die Prophylaxis der Diph-
theritis vom sanitätspolizeilichen Stand-
punkte. 571
Sormani, Ueber die den Diphtheriebacillus
neutralisierenden Mittel. 862
Vvipius, Kritische Bemerkungen und prak-
tische Erfahrungen über das Antidiph-
therin Klebs. 781
Wemicke, Beitrag zur Kenntnis des Loeffler-
schen Dipbtheriebacillus und zur Blut-
serumtherapie bei Diphtherie. 898
Williams, Diphtheria and other membranous
affections of the throat. 613
Dochmienkrankheit.
v. Ratz, Ueber die Dochmienkrankheit der
Hunde. 387
Dysenterie.
Laveran, Etiologie de la dysenterie. 26
Quincke u. Roos, Amöben-Enteritis. 26
Weiener, Unsere gegenwärtigen Kenntnisse
über Dysenterie in anatomischer und
ätiologischer Hinsicht. 25
Eiterung.
Arloing und Chantre, Ueber chirurgische
Eiterinfektion und über die morphologi-
schen und pathologischen Veränderungen
ihres Erregers. 901
Arribat, Des associations microbiennes de
la tuberculose. 491
Bary , Des cystites par infection descen-
dante. 568
Bernabeo, L’autodifesa dell’ organismo contro
i germi infettivi in rapporto colle suppu-
razioni. 614
Brots van Dort, Ein Fall von Baelz’scher
Krankheit. 769
Canon, Bakteriologische Blutuntersuchungen
bei Sepsis. 19
Cazeneuve, Rollet et Nicolas , Sur l’action
microbicide du Gallanol. 574
Charrin et Teissier, Modification de la pres-
sion arterielle sous l’iufluence des toxines
pyocyaniques. 608
XV. Bd.
Dihu, Etüde sur le röle du bacille d’Eberth
dans les complications de la fifevre
typhoide. 689
Dmochcncski, Beitrag zur Lehre über die
pathogenen Eigenschaften des Friedlän-
der’schen Pneumococcus. 581
— und Janowski, Beitrag zur Lehre von
den pyogenen Eigenschaften des Ty-
phusbacillus. {Orig.) 216
Donath, Ueber fiebererregende Stoffe. 857
— , Ueber fiebererregeode Bakterienpro-
dukte. 898
Emst, The Bacillus pyocyaneus pericar-
ditis. 608
Fischt, Ueber septische Infektion des Säug-
lings mit gastrointestinalen resp. pul-
monalen Symptomen. 765
Oley und Chanin , Die Wirkung der Bak-
teriengifte auf die vasomotorischen Organe
und diejenigen des Blutkreislaufs. 688
Oruber, Ueber die Löslichkeit der Kresole
in Wasser und über die Verwendung
ihrer wässerigen Lösungen zur Desin-
fektion. 525
Harold, The Bacillus pyocyaneus pericar-
ditidis. 559
Heim, Ueber Streptococcus longus pyo-
thoracus. 897
Jakowski, Beiträge zur Lehre von den
Bakterien des blauen Eiters (Bacillus
pyocyaneus). 431
Krannhals , Ueber Pyocyaneusinfektionen.
431
Kuprianow, Ueber die desinfizierende Wir-
kung des Guajakols. (Orig.) 933. 981
Leloir, Lupus et anthrax. Revue des cours
et des cliniques. 499
Marot, Sur un Streptocoque. 317
Mefsner, Experimentelle Studien über die
Wundbehandlung bei infizierten Wunden.
1004
Mühsam u. Schimmelbusch, Ueber die Far-
benproduktion des Bacillus pyocyaneus
bei der Symbiose mit anderen Mikro-
organismen. 430
Müller, Ueber akute Osteomyelitis. 78
— , Der jetzige Stand der Eiterungsfrage
von bakteriologischem Standpunkte aus.
(Orig.) 735. 804
Nannotti, Ueber die Wirkung der sterili-
sierten Eitersubstanzen bei Impfungen.
649
Pemice und Scagliosi, Experimentelle Ne-
phritis bakterischen Ursprungs. 904
Pfuhl, Zur Wirkung des Saprols. 208
Posner u. Lewin, Farbenanalytische Unter-
suchungen über gonorrhoischen Eiter 432
Quincke und Stühlen, Zur Pathologie des
Abdominaltyphus. 689
Roger, Die Leber in den Infektionskrank-
heiten. 651
66
1040
Register.
Salvioli, Ueber die physiologische Wirkung
der löslichen Produkte einiger Bakterien
und besonders der pyogenen Staphylo-
kokken. 1007
Schimmelbusch, Ueber grünen Eiter und die
pathogene Bedeutung des Bacillus pyocya-
neus. 315
Schmidt und Aschoff , Die Pyelonephritis
in anatomischer und bakteriologischer
Beziehung und die ursächliche Bedeu-
tung des Bacterium coli commune für
die Erkrankung der Harnorgane. 697
Schnitzler , Ueber den Befund virulenter
Staphylokokken in einem seit 35 Jahren
geschlossenen osteomyelitischen Herde.
(Orig.) 270
— , Chirurgisch-bakteriologische Mitteilun-
gen. 667
Schrank , Zwei Fälle von Periostitis albu-
minosa“ (Ollier). 696
Scdzcak, Ein Fall der sogenannten Angina
ulcerosa benigna (Heryng). 565
Singer, Beitrag zur Lehre von der Strepto-
kokken-Infektion. 320
Ttrni, Le fermentazioni dei micrococchi
piogeni. 608
Vincent , Resultats exp^rimentaux de l’asso-
ciation du streptocoque et du bacille
typhique. 64
Ekzem.
Bemheim, Ueber Invasion von Hautkokken
bei Ekzem. (Orig.) 141
Endocarditis.
Martin, Goulstonian lectures on the Chemi-
cal pathology of diphtheria, compared
with that of anthrax, infective endocar-
ditis and tetanus. 757
Enterohepatitis.
Babes , Ueber Enterohepatitis suppurata
endemica. 952
Erysipel.
Hallopeau, Des treves dans les manifesta-
tions cutanees de la tuberculose. 494
Marot, Sur un Streptocoque. 317
Radcltffe, Ichtyol as a remedy for facial
erysipelas. 575
Stern, Ueber einige Beziehungen zwischen
menschlichem Blutserum und pathogenen
Bakterien. 335
Erythema vaecinosum.
Epstein, Beiträge zu den Impfkrankheiten.
22
F avus.
Biro, Untersuchungen über den Favuspilz.
69
Delassus , De Ja teigne faveuse dans le
d£partement de l’Herauld et ä la clini-
que des enfants ä l’hopital general de
Montpellier. 870
Jefsner, Favusstudien. H. 71
Neebt und Unna, Kritische Bemerkungen
zum Pleochroismus der Achorionarten..
68
Febris recurrens.
Tictin, Zur Frage über die Bedeutung der
Milz bei Febris recurrens. (Orig.) 840
Gingivitis.
Babes, Ueber einen die Gingivitis und
Hämorrhagieen verursachenden Bacillus
bei Skorbut. 72
Gonorrhöe.
Bordoni-Uffreduzzi, Ueber die Lokalisation
des Gonococcus im Innern des Organis-
mus (durch den Gonococcus hervorge-
rufene Pleuritis und Arthritis). 742
Casper, Ueber Cystitis colli gonorrhoica,
432
Councüman, Gonorrhoeal myocarditis. 186
Bock , Gonorrhea of the rectum. 190
Hasse, Der Gonococcus Neißer, sein Vor-
kommen bei Urethritis und Bartholinitis.
188
Janet , Traitement abortif de la bleunor-
rhagie par le permanganate de potasse,
mode d’action de ce produit. 200
KoUmann, Zur Diagnostik und Therapie
der männlichen Gonorrhöe. 183
Koplik , Urogenital Blennorrhoea in child-
ren. 184
Lanz, Ein neues Verfahren der Gonokokken-
färbung. 776
Löwenhardt, Wann dürfen Gonorrhöiker
heiraten. 189
Posner u. Lewin, Farbenanalytische Unter-
suchungen über gonorrhoischen Eiter.
432
v. Sehlen, Zur Diagnostik und Therapie
der Prostatitis chronica. 325
Register.
1047
Veit, Frische Gonorrhöe bei Frauen. 609
Weinrich, Die bakteriologischen Unter-
suchnngsmethoden bei chronischer Go-
norrhöe des Mannes. 198
Gruby’sohe Krankheit.
Sabouraud, Sur une mycose innominee
de l’homme. La teigne tondante speciale
de Gruby, Microsporon Audouini. 868
Hämorrhagie.
Babel , Ueber einen die Gingivitis und
Hämorrhagieen verursachenden Bacillus
bei Skorbut. 72
— , Sur les associations bacteriennes des
bacilles de la tuberculose avec des mi-
crobes hdmorrhagiques. 957
— et Kalindero , Lesions tuberculeuses
comme porte d’entree de lafifevre typhoide,
l’entdro-h6patite suppuree et l’infection
bdmorrhagique. 65
Epstein, Beiträge zu den Impfkrankheiten.
22
Herpes.
Althausen, Ueber Verbreitung und Behand-
lung des Herpes tonsurans. 81
MavianeUi, Sul Trichophyton tonsurans.
867
von Wasieletcski, Herpes zoster und dessen
Einreihung unter die Infektionskrank-
heiten. 79
Hogcholera.
Jatcein, Zur Frage von den Toxinen des
tierischen Harns bei akuten Infektions-
krankheiten. 175
Hühnercholera.
Klein, Ein weiterer Beitrag zur Kenntnis
der intracellulären Bakteriengifte. 598
ßchönwerth, Abhängigkeit der erfolgreichen
Infektion mit Hühnercholera von der
Anzahl der dem Tiere einverleibten Ba-
cillen , sowohl bei intramuskulärer In-
jektion, als bei Fütterung. 503
Hühnertuberkulose.
Kruse, Ueber das Vorkommen der sogen.
Hühnertuberkulose beim Menschen und
bei Säugetieren. 501
Hydrops.
Hamburger, Hydrops von bakteriellem Ur-
sprung. 193
Ikterus.
Jaeger, Die Aetiologie des infektiösen fieber-
haften Ikterus (Weil’sche Krankheit).
Ein Beitrag zur Kenntnis septischer Er-
krankungen und der Pathogenität der
Proteusarten. 74
Influenza.
Bruschettini, L’immunitä sperimentale nell'
infiuenza. 448
Griffiths et LadeU , Sur une ptomaine
extraite de l’urine dans la grippe. 999
Huber, Ueber den Influenzabacillus. 439
Harpmann, Mitteilungen aus Marpmann’s
hygien. Laboratorium. (Orig.) 634
Wassermann, Ueber differentielle Diagno-
stik von entzündlichen Lungenaffektionen.
177
Kahlköpfigkeit.
Glaenz, Ueber die Kahlköpfigkeit mit be-
sonderer Berücksichtigung der frühzei-
zigen, idiopathischen Form. 324
Krupp.
Barbier , Sur une forme de septicemie
dans la dipbth6rie et en particulier dans
le croup. 129
Booker, As to tbe aetiology of primary
pseudomembranous inflammation of the
larynx and trachea etc. 756
Leberentzündung.
Scagliosi, Ueber die mikrobischen Leber-
entzündungen. 861
Lepra.
Armauer Hansen , On the report of the
Leprosy-Commission in India 1830 —
1831 ; a criticism. 698
v. Düring, Lepra und Syringomyelie. 824
FisichtUa , Sulla tossicitä dell’ urina dei
lebbrosi. 667
Goldschmidt, Die Behandlung und Heilung
der Lepra tuberosa mit Europhen. 574
Joelsohn, Ueber die Erkrankung des Gefäß-
systems bei der Lepra. 193
Pindikowski, Ueber eine in Deutschland
bestehende Lepraendemie. 72
Leukämie.
Grösst, Su di un caso raro die pseudo-
leucemia acuta. 182
Koväcs, Zur Frage der Beeinflussung des
leukämischen Krankheitsbildes durch kom-
plizierende Infektionskrankheiten. 181
66*
1048
Register.
Traversa, Un caso acutissimo di pseudo-
leucemia linfatica. 182
Lupus.
Leloir, Lupus et anthrax. Revue des cours
et des cliniques. 499
Schütz , Zur Behandlung des Lupus vulga-
ris. 522
Secchi, Di un caso di lupus eritematoso
guarito con le injezioni ipodermiche di
tubercolina Koch. 522
Madurafufs.
Kanthack , Madura Disease (Mycetoma) and
Actinomycosis. 967
Vincent , Etüde sur le parasite du ,,pied
de Madura“. 965
Mäuseseuche.
Lunkeicitsch, Beitrag zur Biologie des Ba-
cillus typhi murium (Loeffler) und seine
Virulenz gegen die Feld- und Hausmäuse.
{Orig.) 845
Later , Ueber die praktische Verwertbar-
keit des Bacillus der Mäuseseuche-Laser.
{Orig.) 33
Malaria.
Amann , Notiz über einen Plasmodien-Befund
in einem atypischen Falle von Malaria.
384
Bähet et Gheorghiu, Etüde sur les diffe-
rentes formes du parasite de la Malaria
en rapport avec les differentes mani-
festations cliniques de la maladie et sur
les modifications des elements figures du
sang dans cette maladie. 81
Binz , Ueber den Vorgang der Heilung des
Malariafiebers durch Chinin. 974
Bouzian, Recherches sur l’hematozoaire du
paludisme faites ä l’höpital civil de Mu-
stapha-Alger. 384
Bruch , De la fifevre typhoide chez les Arabes
en Algdrie. 693
Cucco, Ueber die Wirkung des Phenocollum
hydrochloricum bei Malaria. 399
Danilewski , Ueber die Hämatozoen bei
Tieren , welche analog den Malaria-Hä-
matozoen beim Menschen sind. 480
Golgi, Sülle febbri malariche estivoautun-
nali di Roma. 384
Inghilleri, Ueber eine neue rasche Doppel-
färbungsmethode bei den bakteriologi-
schen Untersuchungen des Blutes und
der anderen Gewebe. 820
Kesem-Beck , Ueber die Behandlung der
Malaria mit Methylenblau und Uber dessen
lokale Anwendung bei der Diphtherie.
975
Rosin, Einfluß von Chinin und Methylen-
blau auf lebende Malariaplasmodien.
207
Sacharoff , Ueber den Einfluß der Kälte
auf die Lebensfähigkeit der Malaria-
parasiten. {Orig.) 168
— , Zur Biologie der Malariaparasiten.
962
— , Ueber die Struktur des Kernes bei den
halbmondförmigen Malariaparasiten des
Menschen. 962
Titoff, Ueber die Malariaparasiten der sog.
halbmondförmigen Varietät. 961
Maltafieber.
Bruce , On the etiology of Malta fever.
382
Maul- und Klauenseuche.
Kurth , Bakteriologische Untersuchungen
bei Maul- und Klauenseuche. 123
Melaena.
Gärtner , Identischer Bakterienbefund bei
zwei Melaenafällen Neugeborener. 865
Meningitis.
Beck, Ueber eine durch Streptokokken her-
vorgerufene Meningitis. 317
Dmochotcski, Beitrag zur Lehre über die
pathogenen Eigenschaften des Fried-
länder’schen Pneumococcus. 581
Quincke und Stühlen , Zur Pathologie des
Abdominaltyphus. 689
Milzbrand.
Bonaduce, Ueber Beziehungen des Blut-
serums von Tieren zur natürlichen Im-
munität. 441
Bordoni-Uffreduzzi, Ueber den Wert eini-
ger für die Desinfektion geschlossener
Räume vorgeschlagenen gasförmigen Des-
infektionsmittel. 862
Büchner, Ueber den Einfluß der Neutral-
salze auf Serumalexine, Enzyme, Tox-
albumine, Blutkörperchen und Milzbrand-
sporen. 514
Cazeneuve , Rollet et Nicolas, Sur l’action
microbicide du Gallonol. 574
Donath, Ueber fiebererregende Stoffe. 857
— , Ueber fiebererregende Bakterienpro-
dukte. 898
Register.
1049
Frankland, Die Bakteriologie in einigen
ihrer Beziehungen zur chemischen Wis-
senschaft. (Orig.) 101
Qatti , Süll’ aumento del potere microbicida
del sangue durante la infezione. 441
IPcetcicz, Deber die Kerne der Milzbrand-
sporen. (Orig.) 261
InghMeri, Ueber das Verhalten des Milz-
brandbacillns in unsterilisierter Milch.
820
Klein, Ein weiterer Beitrag zur Kenntnis
der intracellulären Bakteriengifte. 598
Lazarus und Weyl, Weitere Beiträge zur
Theorie der Immunität gegen Milzbrand.
204
Leloir, Lupus et anthrax. Revue des cours
et des cliniqües. 499
Martin, Goulstonian lectures on the Chemi-
cal pathology of dipbtberia , compared
with that of anthrax , infective endocar-
ditis and tetanus. 757
Mühlmann, Zur Mischinfektionsfrage. (Orig.)
885
Pane, Ripristinamento della virulenza del
diplobacillo pneumoniae mediante il virus
carbonchioso. 781
Pernice and Pollaci, Ueber den Einfluß der
Absonderungen im Verlaufe der Infek-
tionskrankheiten. 860
— und Scagliosi, Experimentelle Nephritis
bakterischen Ursprungs. 904
Pfuhl, Zur Wirkung des Saprols. 208
Pinna , Ueber die Wirkung des Meerwassers
auf die Virulenz der Miizbrandbacillen.
816
Prozorotcski , Ueber die Wirkung von
Kaffee und von einigen Kaffeesurrogaten
auf pathogene Mikroorganismen. 398
Roger, Die Leber in den Infektionskrank-
heiten. 651
— , Sur les variations de la glycog^nie
dans l’infection charbonneuse. 668
Sirena und Scagliosi, Lebensdauer des
Milzbrandbacillus im Boden, im Trink-
und Meerwasser und in den Abfall-
wässern. 952
Temi, Das Serum der kaltblütigen Tiere
bei der Milzbrandinfektion. 863
Vaughan and Mc Clintock , The nature of the
germicidal constituents of blood serum.
520
Ward, Further experiments on the action
of light on „Bacillus anthracis“. 1019
Werigo, Developpement du charbon chez
le lapin. D’aprfes les tableaux micro-
scopiques du foie et de la rate. 766
Myocarditis.
Councilman, Gonorrhoeal myocarditis. 186
Nephritis.
Pernice und Scagliosi, Experimentelle Ne-
phritis bakterischen Ursprungs. 904
Otitis.
Dmochowski, Beitrag zur Lehre über die
pathogenen Eigenschaften des Fried-
länder’schen Pneumococcus. 581
Malignes Oedem.
Sanfelice, Untersuchungen über anaerobe
Mikroorganismen. 488
Osteomyelitis.
Marpmann, Mitteilungen aus Marpmann’s
hygien. Laboratorium. (Orig.) 634
Müller, Ueber akute Osteomyelitis. 78
— , Der jetzige Stand der Eiterungsfrage
von bakteriologischem Standpunkte aus.
(Orig.) 735. 804
Schnitzler , Ueber den Befund virulenter
Staphylokokken in einem seit 35 Jahren
geschlossenen osteomyelitischen Herde.
(Orig.) 270
Panophthalmitis.
Randolph, A case of Panophthalmitis, caused
by the Bacillus coli communis. 769
Paralysis ascendens acuta.
Albu, Zur Aetiologie der Paralysis ascen-
dens acuta , nebst Bemerkungen zur
Theorie der infektiösen Erkrankungen
des Centralnervensystems. 321
Pellagra.
Mircoli , Sülle alterazione spinali ed etio-
logia della Pellagra. 824
Periearditis.
Emst , The Bacillus pyocyaneus periearditis.
608
Harold, The Bacillus pyocyaneus pericar-
ditidis. 559
Oddo, Pericardite complication de colique
hepatique. 429
Peritonitis.
Adossides, Ueber den heutigen Stand der
Therapie der Peritonitis tuberculosa.
523
1050
Register.
Nannotti und Baciocchi, üeber den Mechanis-
mus und über den Genesungsprozeä der
tuberkulösen Peritonitis durch die Lapa-
rotomie. 65U
Schnitzler, Chirurgisch-bakteriologische Mit-
teilungen. 667
Periostitis.
Schrank , Zwei Fälle von ,, Periostitis albu*
minosa“ (Ollier). 696
Schreier , Zur Aetiologie und Pathogenese
der Periostitis dentalis. 440
Pleuritis.
Bordoni-Üffreduzzi, Ueber die Lokalisation
des Gonococcus im Innern des Organis-
mus (durch den Gonococcus hervorge-
rufene Pleuritis und Arthritis). 742
Prudden. A study on the aetiology of
exsudative Pleuritis. 502
Schlenker , Beiträge zur Lehre von der
menschlichen Tuberkulose. Ueber Tu-
berkulose als Ursache pleuritischer Ad-
häsionen. 493
Pneumaturie.
Heyse, Ueber Pneumaturie , hervorgerufen
durch Bacterium lactis aerogenes , und
über pathologische Gasbildung im tie-
rischen Organismus. 322
Pneumonie.
Arribat, Des associations microbiennes de
la tuberculose. 491
Bazy, De l’absorptiou par les voies uri-
naires. 1017
Bunzl-Federn, Ueber einen für Tiere patho-
genen Mikroorganismus aus dem Sputum.
609
Capobianco, La pneumonite da tiroidectomia
e quella da recisione del vago nei conigli.
179
Dmochotcski , Beitrag zur Lehre über die
pathogenen Eigenschaften des Friedlän-
der’scben Pneumococcus. (Orig.) 581
Emmerich, Ueber die Infektion , Immuni-
sierung und Heilung bei krupöser Pneu-
monie. 1012
Foä , Sur l’infection par le Diplococcus
lanceolatus. 206
Gatti, Süll’ aumento del potere microbicida
del sangue durante la infezione. 441
Marchand, Ueber einen noch nicht näher
bekannten Kapselbacillus. 428
Mühlmann, Zur Mischinfektionsfrage. (Orig )
885
Ortner, Die Lungentuberkulose als Misch-
infektion. 490
Pane , Ripristinamento della virulenza del
diplobacillo pneumoniae mediante il virus
carbonchioso. 781
Pansini, Weitere Untersuchungen über das
Verhalten des Serums gegenüber den
Mikroorganismen, insbesondere über seine
Heilkraft bei der Pneumokokkeninfektion.
204
Schmidt, Ueber die Benutzung verschiedener
Sputa als Nährboden und das Wachs-
tum der Pneumokokken auf denselben.
90
Wassermann, Ueber differentielle Diagno-
stik von entzündlichen Lungenaffektionen.
177
Pneumonomycosis.
Kohn, Ein Fall von Pneumonomycosis
aspergillina. 565
Pocken.
Bemheim, Cow-Pox und Tuberkulose. 653
Buttenack, Ueber Vaccine. 91
Cramer and Boyce, The nature of vaccine
immunity. 94
Gundolin , Zur Frage der Schutzpocken-
impfung. 1015
Leoni, Ueber die Faktoren der spezifischen
und pathogenen Aktivität der Pocken-
lymphe. 815
Oettinger, De la specifite de la varicelle.
866
Porter, Notes and queries on small-pox.
22
Richards, Presidential address on infectious
diseases with especial reference to their
treatment by vaccine. 208
Sdavo, Della conservazione dei virus in
glicerina. 507
Sobotka, Zur Kenntnis des Vaccinepro-
zesses. 93
Prostatitis.
v. Sehlen, Zur Diagnostik und Therapie
der Prostatitis chronica. 325
Pseudoleukämie.
Grossi, Su di un caso raro di pseudoleucemia
acuta. 182
Traversa, Un caso acutissimo di pseudo-
leucemia linfatica. 182
Pseudotuberkulose.
Plancard , Des pseudotuberculoses micro-
biennes. 501
Register.
1051
Psorospermose.
Delipint and Cooptry A few' facts concer-
niug psorospermosis or gregarinosis.
123
Puerperalfieber.
Burekhardt, Ueber den Einfluß der Scheiden-
bakterien auf den Verlauf des Wochen-
bettes. 379
Pyelitis.
Baduel , Nota clinica e batteriologica sopra
un caso di Pielite bilaterale suppurativa.
824
Pyelonephritis.
Savor, Zur Aetiologie der akuten Pyelo-
nephritis. 824
Schmidt und Aschof , Die Pyelonephritis
in anatomischer und bakteriologischer
Beziehung und die ursächliche Bedeu-
tung des Bacterium coli commune für
die Erkrankung der Harnorgane. 697
Pyonephrose.
Schnitzler, Chirurgisch-bakteriologische Mit-
teilungen. 667
Babies.
Bujuhd, üeber die antirabische Behand-
lung nach der Pasteur’schen Methode
und die Veränderungen der Nervenzellen
bei der Tollwut. 863
Sclavo, Deila conservazione dei virus in
glicerina. 507
Tizzoni und Centanni, Serum gegen Rabies,
von hoher, immunisierender Kraft, auf
den Menschen anwendbar. 830
Tedetchi , Untersuchungen über die Wir-
kung der Einimpfung des Rotzes auf
die Nervencentren. 242
Bhinosklerom.
Patclowsky , Ueber die Behandlung des
Rhinoskleroms mit Rhinosklerin. 1015
Schweinerotlauf.
Donath , Ueber fiebererregende Bakterien-
produkte. 898
Lorenz , Schutzimpfungsversuche gegen
Schweinerotlauf mit Anwendung eines
aus Blutserum immunisierter Tiere her-
gestellten Impfpräparates. (Orig.) 278
Petri und Maaften, Beiträge zur Biologie
der krankheitserregenden Bakterien, ins-
besondere über die Bildung von Schwefel-
wasserstoff durch dieselben unter vernehm-
licher Berücksichtigung des Schweinerot-
laufs. 905
Schneidemühl, Ueber die wissenschaftlichen
Grundsätze und die praktische Regelung
der Fleischbeschau. 396
Septikämie.
Barbier, Sur une forme de septic^mie dans
le croup. 129
Bunzl-Fedem, Ueber einen für Tiere patho-
genen Mikroorganismus aus dem Sputum.
609
Palleike, Ueber den Keimgehalt der Milch
gesunder Wöchnerinnen. 120
Canon, Bakteriologische Blutuntersuchungen
bei Sepsis. 19
Fischl, Ueber septische Infektion des Säug-
lings mit gastrointestinalen resp. pulmo-
nalen Symptomen. 765
Bauschbrand.
Banfeliee, Untersuchungen über anaerobe
Mikroorganismen. 488
Botz.
Bonome , Neue Beobachtungen über die
diagnostische und Heilwirksamkeit des
Malleins gegen Rotz bei den Menschen
und den Tieren. 686
Ddvalos, El muermo en la Habana. 870
Semmer, Ueber gutartige heilbare Formen
des Rotzes. 917
Sittmann , Ein Fall akuter Rotzinfektion
beim Menschen. 699
Septico-Pyämie.
Arloing et Chantre Etüde sur l’origine
microbienne de l’infection purulente chi-
rurgicale. 315
Siebourg , Zur Casuistik der krypte gene-
tischen Septicopyämie. 316
8korbut.
Babes, Ueber einen die Gingivitis und
Hämorrhagieen verursachenden Bacillus
bei Skorbut. 72
— , Ueber einen bei Skorbut gefundenen
Bacillus. 953
Bomträger, Skorbut auf Schiffen. 323
1052
Register.
Stomatitis.
Foote , Report of a case of gangrenous
Stomatitis, with a bacteriological exami-
nation. 122
Strumitis.
Schnitzler , Chirurgisch-bakteriologische Mit-
teilungen. 667
Syphilis.
Binz, Die Einschleppung der Syphilis in
Europa, 190
Bonaduce, Betrachtungen über und Ver-
suche mit einer neuen Behandlung der
Syphilis. 1013
Gold, Sechs Fälle von extragenitaler Syphilis-
infektion. 191
Kollmann, Ueber Lammbluttransfusion bei
Syphilis. 208
Mauriac, Ce que devraient etre le traite-
ment specifique et la prophylaxie de la
Syphilis. 201
Schirren, Ceber Lungensyphilis. 867
Wolff, Die Syphilis unter den Urvölkern
Amerikas mit besonderer Bezugnahme
auf ihr Bestehen daselbst vor der Ent-
deckung Amerikas durch Columbus. 866
Syringomyelie.
v. Düring, Lepra und Syringomyelie. 824
Taubenseuche.
Willach, Eine durch Infusorien verursachte
Taubenepizootie. 83
Tetanus.
Brieger u. Cohn, Beiträge zur Konzentrierung
der gegen Wundstarrkrampf schützenden
Substanz aus der Milch. 442
Brunner, Die bisherigen Resultate experi-
menteller Untersuchungen über die Art
der Wirkung des Tetanusgiftes auf das
Nervensystem. 438
Büchner, Beruht die Wirkung des Behring-
schen Heilserums auf Giftzerstörung?
517
Buschke, Ueber die Immunisierung eines
Menschen gegen Tetanus. 255
Fermi und Pemossi, Ueber das Tetanusgift.
(Orig.) 303
v. Hehler, Mitteilung über zwei Tetanus-
fälle nebst Demonstrationen. 181
Kartuli» , Untersuchungen über das Ver-
halten des Tetanusgiftes im Körper. 180
Martin, Goulstonian lectures on the Chemical
pathology of diphtheria, compared with
that of anthrax, infective endocarditis
and tetanus. 757
Rtmetoff und Fedoroff, Zwei Fälle von
Tetanus traumaticus behandelt und der
eine von ihnen geheilt durch das Blut-
serum immun gemachter Tiere (Hunde).
115
Righi, L’immunitk nei suoi rapporti con la
funzione deila milza. 336
Roncali, Contributo allo Studio dell’ infe-
zione tetanica sperimentale negli animali.
439
Rummo, Sulla immunitä alle infezioni per
assuefacione farmacologica. (Mitrida-
tismo.) Stricnina e tetano. 513
San/elice, Untersuchungen über anaerobe
Mikroorganismen. 488
Tizzoni e Cattani, Sulla importanza deila
milza nell’ immunizzazione sperimentale
del coniglio contro il tetano. 236
— — , Ulteriori ricerche sperimentali sulla
immunitä contro il tetano. 669
Vulpius, Ueber einen Fall von Wundstarr-
krampf mit Tierversuchen. 180
Wemiclce, Ueber Behring’s Blutserumthera-
pie bei Tetanus. 898
Wladimir off Ueber die antitoxinerzeugende
und immunisierende Wirkung des Teta-
nusgiftes bei Tieren. 444
Texasfieber.
Billings , Southern Cattle Plague (Texas
fever). 700
Trachom.
Truc, Contagion du trachome (ophthalmie
granulöse) 380
Trichinose.
Aslcanazy , Zur Lehre von der Trichinosis.
(Orig.) 225
Tuberculose.
Adenot, De l’origine osseuse de certaines
ulcerations tuberculeuses en apparence
exclusivement cutan4es. (Frequence et
obscuritd de cette origine dans les
affections lupoides des extr6mit6s des
membres.) 960
Adossides, Ueber den heutigen Stand der
Therapie der Peritonitis tuberculosn.
523
Arribat, Des associations microbiennes de
la tuberculose. 491
Baas, Experimentell-anatomische Unter-
suchungen über den Einfluß des Tuber-
kulocidins und Tuberkulins auf die Impf-
tuberkulose des Kaninchenauges. 973
Register.
1053
Babes et Kalindero , Lesions tuberculeuses
comme porte d’entree de ln fievre typhoide,
l’entero-h£patite suppuree et l’infection
hemorrhagique. $5
— , Sur les associations bacteriennes des
bacilles de la tuberculose avec des mi-
erobes hemorrhagiques. 957
Bärlund , 2 fall af medfödd tuberkulös.
[Zwei Fälle von angeborener Tuberku-
lose], 498
Baumgarten, Ueber recidivierende Tuber-
kulose nach Behandlung mittelst Tuber-
kulins. 373
— , Ueber ein Kehlkopfcarcinom kombi-
niert mit den histologischen Erschei-
nungen der Tuberkulose. 377
Bentheim, Cow-Pox und Tuberkulose. 653
— , Die Behandlung der Tuberkulose mit
immunisiertem Serum. 654
— , Vorgängige Diagnose der Tuberkulose.
655
— , Erblichkeit und Ansteckung der Tuber-
kulose. 656
Boüinger, Ueber die Infektiosität des Blutes
tuberkulöser Rinder. 499
— , Ueber die Identität der Perlsucht der
Rinder mit der menschlichen Tuberkulose.
500
Borrel, Tuberculose experimentale du rein.
970
de Bruice, Ueber einen Fall von akuter
Miliartuberkulose mit dem ausgeprägten
Bilde des Abdominaltyphus. 957
Carasso, Neue Methode der Behandlung der
Lungentuberkulose. (Orig.) 990
Crone, Ein Beitrag zur Lehre vom Lupus-
carcinom (Tuberculo-Carcinom). 377
Czaplewski u. Roloff, Ueber den Heilwert
des Tuberkulins nach Experimenten an
tuberkulös infizierten Meerschweinchen
367
Dixon , Involution form of the tubercle
Bacillus and the effect of subcutaneous
iDjections of organic substances on in-
flammations 492
Ducamp, Les tuberculoses atypiques. 497
Frankenberger , Beitrag zur Kasuistik und
Aetiologie der primären Genitaltuber-
kulose des Weibes. 961
Gibney, Final results in tubercular ostitis
of the knee in cbildren — commonly
known as ,, white swelling'1. 496
Gockel, Zur Aetiologie des Leichentuberkels.
500
de Grazia e Cassaretti, I derivati del creosoto
nella cura della tisi polmonare. (Ben-
zoilguaiacolo , carbonato di guaiacolo,
acido guaiacol-carbonico, carbonato di
creosoto.) 522
Hallopeau, Des treves dans les manifesta-
tions cutanees de la tuberculose. 494
Haupt, Die möglichen und erlaubten Gren-
zen einer Prophylaxe der Tuberkulose
vom Standpunkte der praktischen ärzt-
lichen Erfahrung. 858
llkewitsch, Eine neue Methode zur Ent-
deckung von Tuberkelbacillen im Spu-
tum Schwindsüchtiger. (Orig.) 162
Kerez, Ueber den Einfluß des Tabaks auf
den Tuberkelbacillus. (Orig.) 37
Küchensky, Experimentelle Untersuchungen
über den Einfluß der Laparotomie auf
die Bauchfelltuberkulose der Tiere. 973
Kotlar, Ueber Herzthrombentuberkulose.
498
Kruse, Ueber das Vorkommen der sogen.
Hühnertuberkulose beim Menschen und
bei Säugetieren. 501
Kuprianow, Ueber die desinfizierende Wir-
kung des Guajakols. (Orig.) 933. 981
Malevot, De la tuberculose de la verge.
495
Nannotti und Baciocchi, Ueber den Mecha-
nismus und über den Genesungsprozeß
der tuberkulösen Peritonitis durch die
Laparotomie. 650
Ortner, Die Lungentuberkulose als Misch-
infektion. 490
Plancard, Des pseudotuberculoses micro-
biennes. 501
Richter, Ueber neuere Behandlungsmethoden
der Tuberkulose vom pathologisch-ana-
tomischen Standpunkte. 521
Schlenker , Beiträge zur Lehre von der
menschlichen Tuberkulose. Ueber Tu-
berkulose als Ursache pleuritischer Ad-
häsionen. 493
— , Beiträge zur Lehre von der mensch-
lichen Tuberkulose. Ueber die Häufigkeit
tuberkulöser Veränderungen in mensch-
lichen Leichen. 493
Schmaus und Utchinsky, Ueber den Verlauf
der Impftuberkulose bei Einwirkung von
Alkalialbuminat. 971
Schneidemühl, Ueber die wissenschaftlichen
Grundsätze und die praktische Regelung
der Fleischbeschau 396
Schütz, Zur Behandlung des Lupus vulgaris.
522
Secchi, Di un caso di lupus eritematoso
guarito con le injezioni ipodermiche di
tubercolina Koch. 522
Spina, Einige Versuche über die Wirkung
von intraparenchymatösen Injektionen
von Giften in die verkästen Knoten bei
der Impftuberkulose der Meerschwein-
chen. 702
Strauer , Systematische Blutuntersuchungen
bei Schwindsüchtigen und Krebskranken.
772
Tassinari, Ricerche sull’ aria di una fabrica
di tessuti rispetto al contenuto in micro-
organismi ed osservazioni sul numero
1054
Register.
loro in rapporto alle condizioni dell’ aria
ambiente con speciale riguardo al bacillo
della tuberculosi. 492
Winkler, Die antituberkulöse Wirkung des
Guajakol-Jodoforms. 972
Zappert , Ueber das Vorkommen der eosi-
nophilen Zellen im menschlichen Blute.
334
Typhus.
Agro, Dei rapporti patogeni fra il Bacillo
del Tifo e il Bacterium coli commune.
745
Alessi, Ueber Fäuluisgase als prädisponie-
rende Ursache zur Typhusinfektion.
(Orig.) 228
Almquist, Zur Biologie der Typhusbakterie
und der Escherich’schen Bakterie. 63
Babes et Ealindero, L6sions tuberculeuses
comme porte d'entr6e de la fievre typhoide,
l’entero-b6patite suppuröe et l’infection
hemorrhagique. 65
Bruch , De la fievre typhoide chez les Arabes
en Algerie. 693
de Bruice, Ueber einen Fall von akuter
Miliartuberkulose mit dem ausgeprägten
Bilde des Abdominaltyphus. 957
Cazeneuvt , Rollet et Nicolas, Sur l’action
microbicide du Gallanol. 574
Cesarit-Demel und Orlandi , Sulla equiva-
lenza biologica dei prodotti del „B. coli“
e del „B. tiphi“. 62
Chiari, Ueber das Vorkommen von Typhus-
bacillen in der Gallenblase bei Typhus
abdominalis. 648
Dihu, Etüde sur le röle du bacille d’Eberth
dans les complications de la fievre
typhoide. 689
Dmochowski u. Janowski, Beitrag zur Lehre
von den pyogenen Eigenschaften des
Typhusbacillus. (Orig.) 216
Fremlin, Vergleichende Studien an Bact.
coli commune verschiedener Provenienz.
693
Germano und Maurea, Vergleichende Unter-
suchungen über den Typhusbacillus und
ähnliche Bakterien. 60
InghxUeri, Ueber das Verhalten einiger
Mikroorganismen in Bouillonkulturen,
welche die Bujwid’sche Reaktion geben.
688
— , Ueber das verschiedene Verhalten des
B. coli und des Typbusbacillus in amyg-
dalinhaltiger Bouillon. 821
Kiefsling, Das Bacterium coli commune.
559
Klemm , Die Knochenerkrankungen im
Typhus. 237
Khpsttin , Ueber das Verhalten der Cholera-
und Typhusbakterien im Torfmull mit
Säurezuaätzen. 445
Lewaschow, Die bakteriologischen Behand-
lungsmethoden der Infektionskrankheiten
beim Menschen im allgemeinen und die
Serumbehandlung des Flecktyphus im
besonderen. 1003
Loewy, Die Typhusepidemie in Fünfkirchen,
verursacht durch Infektion der Wasser-
leitung. 236
Moreau, Contribution ä l’etude de l’6tio-
logie de la fifevre typhoide et de la vitalite
dans le sol du bacille d’Eberth. 690
Nei/ser, Untersuchungen über den Typhus-
bacillus und das Bacterium coli com-
mune. 695
v. Pettenkofer, Maßregeln gegen die Cholera
hier, die sanitären Verhältnisse der
Irrenanstalten, Siechenhäuser, Arbeits-
häuser, Gefangen- und Strafanstalten. 776
Prozorowski, Ueber die Wirkung von Kaffee
und von einigen Kafifeesurrogaten auf
pathogene Mikroorganismen. 398
Quincke und Stühlen , Zur Pathologie des
Abdominaltyphus. 689
Radiguet, Contribution ä l’6tude de l’origine
hydrique de la fiövre typhoide. Fifevre
typhoide et eau de Seine dans les prisons
de Paris. 691
Righi, L'immunitä nei suoi rapporti con la
funzione della milza. 336
Schäfer , Die Typhusepidemie des Jahres
1891 im Kreise Niederbarnim. 691
Schardinger, Ueber das Vorkommen Gärung
erregender Spaltpilze im Trinkwasser
und ihre Bedeutung für die hygienische
Beurteilung derselben. 48
Schild, Eine Typhusepidemie mit nach-
weisbarer Entstehungsursache und die
Diagnose des Typhusbacillus. 692
Schmidt, Milch, die Quelle einer Typhus-
epidemie. 63
Scholl, Bakteriologische und chemische
Studien über das Hühnereiweiß. 511
Stern, Ueber einige Beziehungen zwischen
menschlichem Blutserum und pathogenen
Bakterien. 335
— , Ueber die Wirkung des menschlichen
Blutserums auf die experimentelle Ty-
phusinfektion. 1008
Temi, La diagnosi differenziale del bacillo
del tifo. 249
ü\ felmann, Versuche über die Widerstands-
fähigkeit der Typhusbacillen gegen Trock-
nung und über die Möglichkeit ihrer
Verschleppung durch die Luft. (Orig.)
133
Vincent, Resultats exp^rimentaux de l’asso-
ciation du streptocoque et du bacille
typhique 64
Zinno, Contributo allo Studio dei processi
biochimici dei batteri con speciale riguardo
alle diagnosi differenziale fra varii mi-
croorganismi simiglianti. 428
Register.
1055
Urethritis.
Haue, Der Gonococcas Neißer, sein Vor-
kommen bei Urethritis und Bartholinitis.
188
Varicellen.
Oettinger, De la specifite de la varicelle.
866
Weil’sche Krankheit.
Jaeger, Die Aetiologie des infektiösen fieber-
haften Ikterus (Weil’sche Krankheit).
Ein Beitrag zur Kenntnis septischer
Erkrankungen und der Pathogenität der
Proteusarten. 74
W undinfektion.
Pfuhl, Ueber die Infektion der Schußwunden
durch mitgerissene Kleiderfetsen. 176
c. Durch Bakterien und andere Parasiten hervorgerufene
Krankheiten einzelner Organe etc.
Augen.
Fisching, Ein Fall von Diphtherie der
Bindehaut. 565
Franke, Untersuchungen über die Desin-
fektion des Bindehautsackes nebst Be-
merkungen zur Bakteriologie desselben.
128
Levingon , Etüde clinique, bacteriologique
et critique sur les maladies des voies
lacrymales produisant le larmoiement
770
Marttun, Experimentelle Untersuchungen
über Antisepsis hei Augenoperationen
und die Bakteriologie des Konjunktival-
sackes 127
Randolph, A case of Panophthalmitis, cau-
sed by the Bacillus coli communis. 769
Truc, Contagion du trachome (ophthalmie
granuleuse). 380
Bauch.
Redtenbacher, Ein Fall von Actinomycosis
abdominalis. 567
Becken.
Schmidt, Ueber Echinococcus im weiblichen
Becken. Im Anschlüsse an einen in der
hiesigen gynäkologischen Klinik beob-
achteten Fall. 328
Blut.
Canon , Bakteriologische Blutuntersuchungen
bei Sepsis. 19
Koväcs, Zur Frage der Beeinflussung des
leukämiscbenKrankbeitsbildes durch kom-
plizierende Infektionskrankheiten. 181
Perles, Beobachtungen über perniciöse Anä-
mie. 23
Straiur, Systematische Blutuntersuchungen
bei Schwindsüchtigen und Krebskranken.
7T2
Darm.
Dtnys et Sluyts , Du m4canisme des sym-
ptömes gastro-intestinaux dans le Cholera
asiatique. 914
Felsenthal und Stamm, Die Veränderungen
in Leber und Darm bei der Coccidien-
krankbeit der Kaninchen. 82
Eiefslmg , Das Bacterium coli commune.
559
Oker-Blom, Beitrag zur Kenntnis des Ein-
dringens des Bacterium coli commune
in die Darmwand in pathologischen Zu-
ständen. 588
Sluyts, Etüde sur les proprieies du poison
du Cholöra asiatique. 913
Galle.
Chiari , Ueber das Vorkommen von Typhus-
bacillen in der Gallenblase bei Typhus
abdominalis. 648
Oddo, Pericardite complication de colique
bepatique. 429
Geschlechtsorgane.
Burckhardt, Ueber den Einfluß der Scheideu-
bakterien auf den Verlauf des Wochen-
bettes. 379
Frankenberger, Beitrag zur Kasuistik und
Aetiologie der primären Genitaltuber-
kulose des Weibes. 961
Henke, Ueber die Desinfektion infizierter
Hände und die Notwendigkeit der geburts-
hilflichen Abstinenz. 374
Koümann, Zur Diagnostik und Therapie
der männlichen Gonorrhöe. 183
Koplik, Urogenital Blennorrhoea in child-
ren. 184
MaUcot, De la tuberculose de la verge. 495
Beymond, Cystites chez les malades non
sondes. 121
Schmidt und Aschoß , Die Pyelonephritis
in anatomischer und bakteriologischer
1056
Register.
Beziehung und die ursächliche Bedeu-
tung des Bacterium coli commune für
die Erkrankung der Harnorgane. 697
Harn.
Bazy, De l’absorption par les voies uri-
naires. 1017
Fisichella , Sulla tossicitä dell’ urina dei
lebbrosi. 567
Jawein, Zur Frage von den Toxinen des
tierischen Harns bei akuten Infektions-
krankheiten. 175
Kartulis, Untersuchungen über das Ver-
halten des Tetanusgiftes im Körper.
180
Marchand, Ueber das Vorkommen von
Trichomonas im Harne eines Mannes,
nebst Bemerkungen über Trichomonas
vaginalis. (Orig.) 709
Marpmann , Mitteilungen aus Marpmann’s
hygien. Laboratorium. (Orig.) 634
Renault, Du bacterium coli commune dans
l’infection urinaire. 696
Haut.
Althausen, Ueber Verbreitung und Behand-
lung des Herpes tonsurans. 81
Bemheim, Ueber Invasion von Hautkokken
bei Ekzem. (Orig.) 141
Biro, Untersuchungen über den Favuspilz.
69
Delassus , De la teigne faveuse dans le
departement de l’Herault et ä la clinique
des enfans ä l’hopital general de Mont-
pellier. 870
Hallopeau, Des treves dans les manifesta-
tions cutanees de la tuberculose. 494
Jefsner, Favusstudien. II. 71
Marianelli, Sul Trichophyton tonsurans.
857
Neebe und Unna , Kritische Bemerkungen
zum Pleochroismus der Achorionarten.
68
Russell, Tbe bacteriology of epidemic ex-
foliativa dermatitis. 324
Sabouraud, Sur une mycose innominee de
l’homme. La teigne tondante spüciale
de Gruby, Microsporon Audouini. 868
Unna, Natürliche Reinkulturen der Ober-
hautpilze. 701
von Wasielewski, Herpes zoster und dessen
Einreihung unter die Infektionskrank-
heiten. 79
Herz.
Kotlar, Ueber Herzthrombentuberkulose.
498
Roger, Ueber die Wirkung der Bakterien-
gifte aufs Herz. 651
Knie.
Oibney , Final results in tubercular ostitis
of the knee in children — commonly
known as „white swelling“. 496
Oockel, Zur Aetiologie des Leichentuberkels.
500
Knochen.
Adenot, De l’origine osseuse de certaines
ulcerations tuberculeuses en apparence
exclusivement cutanöes. (Fr6quence et
obscurite de cette orgine dans les
affections lupoides des extr4mit4s des
membres.) 960
Klemm, Die Kuochenerkrankungen im Ty-
phus. 237
Müller, Ueber akute Osteomyelitis. 78
Quincke und Stühlen, Zur Pathologie des
Abdominaltyphus. 689
Schnitzler , Ueber den Befund virulenter
Staphylokokken in einem seit 35 Jahren
geschlossenen osteomyelitischen Herde.
(Orig.) 270
Schrank, Zwei Fälle von „Periostitis albu-
minosa“ (Ollier). 696
Leber.
Babes , Ueber Enterohepatitis suppurata
endemica. 952
— et Kalindero , Lesions tuberculeuses
comme porte d’entrde de la fifevre typhoide,
l’entero-hepatite suppur6e et l’infection
bemorrhagique. 65
Braun, Ueber ein für den Menschen neues
Distomum der Leber. 602
Felsenthal und Stamm, Die Veränderungen
in Leber und Darm bei der Coccidien-
krankheit der Kaninchen. 82
Scagliosi, Ueber die mikrobischen Leber-
entzündungen. 861
Lunge.
Kohn, Ein Fall von Pneumonomycosis
aspergillina. 565
Netter , De l’actinomycose pulmonaire. 566
Ortner, Die Lungentuberkulose als Misch-
infektion. 490
Schirren, Ueber Lungensyphilis. 867
Wassermann, Ueber differentielle Diagno-
stik von entzündlichen Lungenaffektionen.
177
Milz.
Righi, L’immunitä nei suoi rapporti con
la funzione della milza. 336
Tizzoni e C'attani, Sulla importanza della
milza nell’ immunizzazione sperimentale
del coniglio contro il tetano. 236
Register.
1057
Mund.
Broes van Dort, Ein Fall von Baelz'scher
Krankheit. 769
Dornberger, Ueber das Vorkommen der
Streptokokken in der normalen und
kranken Mundhöhle des Kindes. 764
Rappin, Sur les microorganismes des voies
digestives. 429
Nase.
Corzolino, La microcidina et il cloruro di
sodia per i proeessi microbici massime
piogeni dell’ orecchio, del naso e della
gola. 441
Nerven.
Brunner, Die bisherigen Resultate experi-
menteller Untersuchungen über die Art
der Wirkung des Tetanusgiftes auf das
Nervensystem. 438
Bujwid , Ueber die antirabische Behand-
lung nach der Pasteur’schen Methode
und die Veränderungen der Nervenzellen
bei der Tollwut. 863
Tedeschi, Untersuchungen über die Wir-
kung der Einimpfuug des Rotzes auf
die Nervencentra. 242
Nieren.
Borrel, Tuberculose experimentale du rein.
970
Pernice und Scagliosi, Beitrag zur Kennt-
nis der Pathogenie der Nierenver-
änderungen bei der asiatischen Cholera.
950
Ohren.
Corzolino, La microcidina ed il cloruro di
sodia per i proeessi microbici massime
piogeni dell’ orecchio, del naso e della
gola. 441
Rectum.
Dock, Gonorrhea of the rectum. 190
Zähne.
Schreier, Zur Aetiologie und Pathogenese
der Periostitis dentalis. 440
VII. Durch, pflanzliche und tierische Parasiten verursachte
Krankheiten der Tiere.
Abbot, The results of inoculations of milk
cows with cultures of the bacillus diph-
theriae. 780
Baas, Experimentell-anatomische Unter-
suchungen über den Einfluß des Tuber-
kulocidins und Tuberkulins auf die Impf-
tuberkulose des Kauinchenauges. 973
Bärlund, 2 fall af medfödd tuberkulös.
[Zwei Fälle von angeborener Tuberkulose],
498
Baumgarten, Ueber recidivierende Tuber-
kulose nach Behandlung mittelst Tuber-
kulins. 373
Beck , Der Bacillus der Brustseuche beim
Kaninchen. 246
Bernheim, Cow-Pox und Tuberkulose. 653
Billings , Southern Cattle Plague (Texas
fever). 700
— , The Com Fodder Disease in Cattle
and other Farm Animais etc. 700
Bollinger, Ueber die Infektiosität des Blutes
tuberkulöser Rinder. 499
— , Ueber die Identität der Perlsucht der
Rinder mit der menschlichen Tuberku-
lose. 500
Bonome , Neue Beobachtungen über die
diagnostische und Heilwirksamkeit des
Mallei'ns gegen Rotz bei den Menschen
und den Tieren. 686
Braun, Helminthologische Notizen. (Orig.)
409. 680
Brieger und Cohn, Beiträge zur Konzen-
trierung der gegen Wundstarrkrampf
schützenden Substanz aus der Milch.
442
Brunner, Die bisherigen Resultate experi-
menteller Untersuchungen über die Art
der Wirkung des Tetanusgiftes auf das
Nervensystem. 438
Bunzl-Fedem , Ueber einen für Tiere pa-
thogenen Mikroorganismus aus dem
Sputum. 609
Capobianco, La pneumonite da tiroidecto-
mia e quella da recisione del vago nei
conigli. 179
Cholodkowsky, Ueber eine neue Species von
Taenia. (Orig.) 552
Czaplewski und Rolojf, Ueber den Heilwert
des Tuberkulins nach Experimenten an
tuberkulös infizierten Meerschweinchen.
367
Danilewsky, Ueber die Hämatozoen bei
Tieren, welche analog den Malariahäma-
tozoen beim Menschen sind. 480
Dmochowski und Janowski, Beitrag zur
Lehre von den pyogenen Eigenschaften
des Typhusbacillus. (Orig) 216
Donath , Ueber fiebererregende Stoffe. 857
1058
Register.
Felsenthal und Stamm , Die Veränderungen
in Leber und Darm bei der Coccidien-
krankbeit der Kaninchen. 82
Gasperini, Versuche über das Genus ,,Ac-
tinomyces“. 684
Goltz, Ueber Schwarzfärbung des Rostel-
lum und Fehlen des Hakenkranzes bei
Cysticercus cellulosae. 392
Gurley, On the Classification of the Myxo-
sporidia, a group of protozoan parasites
infesting fishes. 86
Issaeff, Untersuchungen über die künstliche
Immunität gegen Cholera. 777
— und Ivanof, Untersuchungen über die
Immunisierung der Meerschweinchen ge-
gen den Vibrio Ivanoff. 1010
Jaeger , Die Aetiologie des infektiösen
fieberhaften Ikterus (Weil’sche Krank-
heit). Ein Beitrag zur Kenntnis septi-
scher Erkrankungen und der Pathogeni-
tät der Proteusarten. 74
Jägerskiöld, Bidrag tili kännedomen om
Nematoderna. 125
Janson. Die Krankheiten der Haustiere in
Japan. 394
Kischensky, Experimentelle Untersuchungen
über den Einfluß der Laparotomie auf
die Bauchfelltuberkulose der Tiere. 973
Kupriancnc , Ueber die desinfizierende Wir-
kung des Guajakols. (Orig.) 933. 981
Kurth , Bakteriologische Untersuchungen
bei Maul- und Klauenseuche. 123
Labbi, Sur les Coccidies des oiseaux. 773
— , Dimorphisme dans le depeloppement
des hemosporidies. 773
— , Coccidium Delagei , coccidie nouvelle
parasite des tortues d’eau douce. 827
Laser , Ueber die praktische Verwertbarkeit
des Bacillus der Mäuseseuche-Laser.
(Orig.) 33
Lazarus und Weyl , Weitere Beiträge zur
Theorie der Immunität gegen Milzbrand.
204
v. Linstow, Zur Anatomie and Entwicke-
lungsgeschichte der Tänien. 612. 772
— , Heterakis Sonsinoi. (Orig.) 733
— , Helminthologische Studien. 967
Lönnberg, Ueber eine neue Tetrabothrium-
species und die Verwandtschaftsverhält-
nisse der Ichthyotänien. (Ori<7.) 801
Lorenz , Schutzimpfungsversuche gegen
Schweinerotlauf mit Anwendung eines
aus Blutserum immunisierter Tiere her-
gestellten Impfpräparates. (Orig.) 278
Lunkewitsch, Beitrag zur Biologie des Ba-
cillus typhi murium (Loeffler) und seine
Virulenz gegen die Feld- und Haus-
mäuse (Orig.) 845
de Magalhaes, Notes d’helminthologie br6-
silienne. II. 700
MontieeUi, Studii sui Trematodi endoparas-
siti ; primo contributo di osservazioni
sui Distomidi. 872
Neumann, Sur un Ecbinocoque du Chat.
392
Pfeifer und Istaef, Ueber die Spezifität
der Choleraimmunisierung. 778
Raüliet, Traite de Zoologie mödicale et
agricole. 871
v. Rdtz, Ueber die Dochmienkrankheit der
Hunde. 387
Remesof und Fedoroß , Zwei Fälle von
Tetanus traumaticus behandelt und der
eine von ihnen geheilt durch das Blut-
serum immun gemachter Tiere (Hunde).
115
Roncali, Contributo allo Studio dell’ infe-
zione tetanica sperimentale negli animali.
439
Sabolotny, Infektions- und Immunisierungs-
versuche am Ziesel (Spermophilus gutta-
tus) gegen den Choleravibrio. (Orig.)
150
Sacharoß, Ueber den Einfluß der Kälte
auf die Lebensfähigkeit der Malaria-
parasiten. (Orig) 158
Schönwerth, Abhängigkeit der erfolgreichen
Infektion mit Hühnercholera von der
Anzahl der dem Tiere einverleibten Ba-
cillen , sowohl bei intramuskulärer In-
jektion, als bei Fütterung. 503
Semmer, Ueber gutartige heilbare Formen
des Rotzes. 917
Smith, Preliminary notes on a Sporozoon
in tbe intestinal vills of cattle. 388
Sobemheim, Experimentelle Untersuchungen
über Choleragift und Choleraschutz.
780
Spina, Einige Versuche über die Wirkung
von intraparenchymatösen Injektionen
von Giften in die verkästen Knoten bei
der Impftuberkulose der Meerschweinchen.
702
Stiles, Notes on parasites. — 18: On the
presence of Sarcosporidia in birds. 611
Temi, Das Serum der kaltblütigen Tiere
bei der Milzbrandinfektion. 863
Thaxter, New species of Laboulbeniaceae
from various localities. 569
Tictin, Zur Frage über die Bedeutung der
Milz bei Febris recurrens. (Orig.) 840
Tizzoni e Cattani, Sulla importanza della
milza nell’ immunizzazione sperimentale
del coniglio contro il tetano. 236
— — , Ulteriori ricerche sperimentali sulla
immunitä contro il tetano. 669
Trambutti, Ueber die physiologische Wir-
kung der Stoflwechselprodukte des Hydro-
philus fuscus. 607
Register.
1059
Vayssilre, Etüde sur le Temnocephala,
parasite de l’Astacoides madagascarien-
sis. 389
Tulpius, Ueber einen Fall von Wundstarr-
krampf mit Tierversuchen. 180
Ward, Ueber das Vorkommen von Distoma
Westermanni in den Vereinigten Staaten.
{Orig.) 362
VIII. Durch pflanzliche und
Krankheiten
Beyerinck, Ueber die Natur der Fäden der
Papilionaceenknöllchen. (Orig.) 728
Brich , Ueber Nectria cinnabarina (Tode) Fr.
774
Cavara, Ueber einige parasitische Pilze
auf dem Getreide. 329
Dietel, Descriptions of new species of
Uredineae and Ustilagineae, with remarks
on some otber species. 88
Frank, Ueber ein parasitisches Clado-
sporium auf Gurken. 440
— , Ueber die Befallung des Getreides
durch Cladosporium und Phoma 440
Hurtig, Eine krebsartige Rindenkrankheit
der Eiche , erzeugt durch Aglaospora
Talola. 700
Kirchner, Ueber die Behandlung des Saat-
getreides mit warmem Wasser als Mittel
gegen den Flug- und Steinbrand. 622
Lindau, Der Epheukrebs. 506
Mer, Recherches sur la maladie des bran-
ches de Sapin , causee par le Phoma
Werigo, Developpemeut du charbon chez
le lapin. Däprfes les tableaux micro-
scopiques du foie et de la rate. 766
Willach, Eine durch Infusorien verursachte
Taubenepizootie. 83
— , Monostoma hepaticum suis. 874
Wladimiroff, Ueber die antitoxinerzeugende
und immunisierende Wirkung des Teta-
nusgiftes bei Tieren. 444
tierische Parasiten verursachte
der Pflanzen.
abietina R. Hartig (Fusicoccum abietinum
Prill. et Delacr.) 829
Müller, Zur Kenntnis des Runzelschorfes
und der ihm ähnlichen Pilze. 828
Russell, Bacteria in their relation to vege-
table tissue. 169
Sadebeck, Die parasitischen Exoasceen. 503
Sajö, Das Getreidehähnchen (Lema mela-
uopus L.) 126
Sorauer , Einige Beobachtungen bei der
Anwendung von Kupfermitteln gegen
die Kartoffelkrankheit. 57ff
— , Populäre Anleitung für den Landwirt
zur Unterscheidung der im Getreide
vorkommenden Stein- und Staubbrand-
arten. 774
v. Tubeuf, Mitteilungen über einige Pflan-
zenkrankheiten. 195
— , Empusa Aulicae Reich, und die durch
diesen Pilz verursachte Krankheit der
Kieferneulenraupe. 248
— , Hexenbtsen der Lärche. 701
IX. Untersuchungsmethoden, Instrumente etc.
Agosta y Grande Rossi, Tdcnica bacterio-
lögica. 876
Aren 8, Eine Methode zur Plattenkultur der
Anaeroben. (Orig.) 15
Bark, Aural catheter steam sterilizer. 256
Beyerinck, Notiz über den Nachweis von
Protozoen und Spirillen in Trinkwasser.
(Orig.) 10
— , Ueber die Natur der Fäden der Papi-
lionaceenknöllchen. (Orig.) 728
— , Ueber Thermotaxis bei Bacterium
Zopfii. (Orig.) 799
Biro, Untersuchungen über den Favuspilz.
69
Blachstein, Ueber die Virulenz des Komma-
bacillus in ihrer Beziehung zum Nähr-
boden. 915
Bogdan, Versuche über die Leistungsfähig-
keit der Freiherr von Kuhn’scben Abest-
filter. 878
Bordoni- Uffreduzzi, Ein Fall von fuchsin-
ähnlicher Bakterienfärbung des Fleisches.
666-
Bordoni- Uffreduzzi und Abba, Ueber eine
aus dem Menschen isolierte Varietät des
Cholerabacillus und über die bakterio-
logische Diagnose der Cholera. 863
Boyce and Evans, Upon the action of
gravity on Bacterium Zopfii. 568
Brieger und Cohn, Beiträge zur Konzen-
trierung der gegen Wundstarrkrampf
schützenden Substanz aus der Milch.
442
Bruschettini, L’immunitä sperimentale nell’
influenza. 445
1060
Register.
Burri, Ueber einige zum Zwecke der Art-
charakterisieruDg anzuwendende bakte-
riologische Untersnchungsmetboden nebst
Beschreibung von zwei neuen , aus
Rheinwasser isolierten Bakterien. 88
Carasso , Neue Methode der Behandlung der
Lungentuberkulose. (Orig.) 990
Chatin , Contribution k la recherche des
streptocoques dans l’air atmospherique.
764
Councilman, The pathology and diagnosis
of Diphtberia 760
Denyt , Diagnose der asiatischen Cholera
vermittelst des Mikroskops. 818
Dräer , Ueber den Wert des Duncker’sehen
Dampffeuchtigkeitsmessers. 508
Dreyfufs, Ueber das Vorkommen von Cellu-
lose in Bacillen. Schimmel- und anderen
Pilzen. 909
Drofsbach, Methode der bakteriologischen
Wasseruntersuchung. 775
Ehrlich , Rossel und W assermann , Ueber
Gewinnung und Verwendung des Diph-
therieheilserums. 924
Elsner, Zur Plattendiagnose des Cholera-
bacillus. 877
van Ermengem. Nouvelle methode de colo-
ration des cils des bacteries. 969
Eermi und Montesano , Ueber die De-
komposition des Amygdalins durch Mi-
kroorganismen. (Orig.) 722
v. Freudenreich , Ueber eine Verbesserung
des Plattenverfahrens. (Orig.) 643
Freymutk und Lickfett , Nochmals zur
Diagnose der Cholera mittelst Agarplatten.
250
Friedrich , Vergleichende Untersuchungen
über den Vibrio cholerae asiaticae mit
besonderer Berücksichtigung der dia-
gnostischen Merkmale desselben 434
Gärtner, Ein neuer gasbildender Bacillus.
(Orig.) 1
Gibbes, On the parasitic nature of Cancer.
770
Gruber , Antwort an Herrn Dr. Martin
Kirchner in Sachen der Prüfung von
Wasserfiltern. (Orig.) 165
de Haan und Hvysse, Die Koagulation der
Milch durch Cholerabakterien. (Orig.)
268
Huber, Ueber den Influenzabacillus. 439
Ilkeicitsch, Eine neue Methode zur Ent-
deckung von Tuberkelbacillen im Spu-
tum Schwindsüchtiger. (Orig.) 162
— , Ueber die Kerne der Milzbrand-
sporen. (Orig.) 261
Inghilleri, Ueber eine neue rasche Doppel-
farbungsmethode bei den bakteriologi-
schen Untersuchungen des Blutes und
der anderen Gewebe. 820
Kahane, Ueber das Vorkommen lebender
Parasiten im Blute und in Geschwulst-
zellen bei Carcinomatösen. (Orig.) 413
Kiefsling, Das Bacterium coli commune.
559
Korber, Studien über die Verteilung der
Bakterienkolonieen in Esmarch’schen
Rollröhrchen. 921
Krückmann, Eine Methode zur Herstellung
bakteriologischer Museen und Konser-
vierung von Bakterien. (Orig) 851
Kruse, Eine allgemein anwendbare Verbesse-
rung des Plattenverfahrens. (Orig.) 419
Kuprianorc, Zur Methodik der keimfreien
Gewinnung des Blutserums. (Orig.) 458
Kurloff, Zur Lehre von den Carcinompara-
siten. (Orig.) 341
Lacour-Eymard, Experiences sur le filtre
Chamberland, Systeme Pasteur k netto-
veur mecanique O. Andre. 621
Lafar, Eine neue Zählvorrichtung für
Plattenkulturen in Petrischalen. 331
Lanz, Ein neues Verfahren der Gonokokken-
färbung. 776
Lunkeicicz, Beitrag zur bakteriologischen
Technik. (Orig.) 42
Maafsen, Zur bakteriologischen Diagnose
des asiatischen Cholera. Ein neues An-
reicherungsverfahren für Spirillen und
Vibrionen. 251
— , Beiträge zur Differenzierung einiger
dem Vibrio der asiatischen Cholera ver-
wandter Vibrionen und kurze Angaben
über eiweißfreie Nährböden von allge-
meiner Anwendbarkeit. 922
Mally, Combination hot filter and steam
sterilizer; a handy incubating cage. 877
Marek. Kleine Mitteilungen zur bakterio-
logischen Technik. 112
Marpmann. Mitteilungen aus Marpmann’s
hygien. Laboratorium. (Orig.) 634
Mie, Eine Modifikation des WolfFhügel’scben
Kolonieen-Zählapparates. 876
Miller, Einige kurze Notizen in Bezug auf
bakteriologische Untersuchungsmethoden.
(Orig) 894
Kicolaier, Bemerkung zu der Arbeit von
Prof F. G. Novy ,,Die Kultur anaerober
Bakterien“. (Ort<7.) 227
Panmcitz, Der Desinfektionsapparat als
Haushaltungsgegenstand. 620
Pasquale, Vergleichende Untersuchungen
über Streptokokken. 761
Petri und Maafsen, Beiträge zur Biologie
der krankheitserregenden Bakterien, ins-
besondere über die Bildung von Schwefel-
wasserstoff durch dieselben unter vernehm-
licher Berücksichtigung des Schweinerot-
laufs. 905
Register.
1061
Piefke , Ueber die Betriebsführung von
Sandfiltern auf Grundlage der zur Zeit
gütigen sanitätspolizeiliehen Vorschriften.
878
Posner u. Lewin , Farbenanalytische Unter-
suchungen über gonorrhoischen Eiter. 432
Pouiklo, Ueber eine die Nachweisung von
Choleravibrionen im Wasser erleichternde
Untersuchungsmethode. 27
Reichenbach , Ueber einen neuen Brütofen
für beliebiges Heizmaterial. (Orig.) 847
Sabouraud, Sur une mycose innominee de
l’bomme. La teigne tondante speciale
de Gruby, Microsporon Audouini. 868
San/elice , Untersuchungen über auaerobe
Mikroorganismen. 488
Sawtschenko, Weitere Untersuchungen über
die Erebsparasiten (zur Entwickelungs-
geschichte derselben). 485
Schild, Eine Typhusepidemie mit nachweis-
barer Entstehungsursaehe und die Dia-
gnose des Typhusbacillus. 692
Schmidt, Ueber die Benutzung verschiedener
Sputa als Nährböden und das Wachs-
tum der Pneumokokken auf denselben. 90
Schrank, Anleitung zur Ausführung bak-
teriologischer Untersuchungen. 197
Sclavo, Deila conservazione dei virus in
glicerina. 507
— , Die un nuovo apparechio per la presa
dell’ acqua a profonditä. 507
— , Di un rapido processo per le colo-
razione della ciglia di alcuni microorga-
nismi. 507
Stutzer und Burri, Untersuchungen über
die Bakterien der Cholera asiatiea. 53
Terni, La diagnosi differenziale del bacillo
del tifo. 249
Timpe, Erklärung zur Frage der Gelatine-
bereitung. (Orig.) 364. 644
Trambusti, Ueber die physiologische Wir-
kung der Stoffwechselprodukte des Hydro-
philus fuscus. 607
Traube, Einfaches Verfahren, Wasser in
großen Mengen keimfrei zu machen.
879
Turrö, Reacciön del indol en las deyeccio-
nes colericas. 877
Uffelmann, Versuche über die Widerstands-
fähigkeit der Typhusbacillen gegen Trock-
nung und über die Möglichkeit ihrer
Verschleppung durch die Luft. (Orig.)
133
Unna, Natürliche Reinkulturen der Ober-
hautpilze. 701
Vincent, Etüde sur le parasite du ,,pied
de Madura“. 965
Voges, Ueber die Verwendung des Uschinsky-
schen Nährbodens zur Cboleradiagnose.
(Orig.) 453
11 alliczek, Zur Technik bei Desinfektions-
versuchen. (Orig.) 947
Weigmann, Die Methoden der Milchkon-
servierung, speziell das Pasteurisieren
und Sterilisieren der Milch. 509
— und Zirn , Ueber das Verhalten der
Cholerabakterien in Milch und Molke-
reiprodukten. (Orig.) 286
Weinrich, Die bakteriologischen Unter-
suchungsmethoden bei chronischer Go-
norrhöe des Mannes. 198
Wolffhügel, Zur Frage der Gelatinebereitung.
(Orig.) 167. 421
Zabolotng, Zur Frage der raschen Bakte-
riendiagnose der Cholera. 250
Zettnoio, Reinigung verschmutzter Objekt-
träger. (Orig.) 555
— , Ein Apparat zur Kultur anaerober
Bacillen. (Orig.) 638
Zinno, Contributo allo Studio dei processi
biochimici dei batteri con speciale riguardo
alla diagnosi differenziale fra varii micro-
organismi simiglianti. 428
Zopf, Zur Kenntnis der Färbungsursachen
niederer Organismen. (Vierte Mitteilung.)
Basidiomycetenfärbungen. 875
X. Schutzimpfung, künstliche Infektionskrankheiten,
Entwickelungshemmung und Vernichtung der Bakterien und
anderer Parasiten.
Abbott, The results of inoculations of milk
cows with cultures of the Bacillus diph-
theriae. 780
A coeta y Grande Rossi, Tecnic bacteriolögica.
876
Adamkiewicz, Zur Reaktion der Carcinome.
771
Adostides, Ueber den heutigen Stand der
Therapie der Peritonitis tuberculosa.
523
Agro, Dei rapporti patogeni fra il Bacillo
del Tifo e il Bacterium coli commune.
745
Aronaon, Zur Diphtherieheilungsfrage. Ent-
gegnung auf den Artikel des Herrn Prof.
Behring. 926
— , Weitere Untersuchungen über Diph-
therie und das Diphtherie - Antitoxin,
I. Ueber die Art und Weise der Anti-
toxinwirkung. 926
XV. Bd.
67
1062
Register.
Baas , Experimentell-anatomische Unter-
suchungen über den Einfluß des Tuber-
kulocidins und Tuberkulins auf die Impf-
tuberkulose des Kaninchenauges. 973
Barle , Aural catheter steam sterilizer. 256
Baumgarten, Ueber recidivierende Tuber-
kulose nach Behandlung mittelst Tuber-
kulins. 373
Bazy, De l’absorption par les voies uri-
naires. 1017
Behring, Zur Diphtherieheilungsfrage. 926
— , Bemerkung zu vorstehender Entgeg-
nung. 926
Bergmann, Ein neuer Vorschlag zur Pro-
phylaxe gegen Diphtherie. 781
Bemabeo , L’autodifesa dell’ organismo
contro i germi infettivi in rapporto colle
suppurazioni. 614
Bemheim, Die Behandlung der Tuberkulose
mit immunisiertem Serum. 654
Binz, Ueber den Vorgang der Heilung des
Malariafiebers durch Chinin. 974
Biro, Untersuchungen über den Favuspilz.
69
Bogdan, Versuche über die Leistungsfähig-
keit der Freiherr von Kuhn’scheu Asbest-
filter. 878
Bonaduce, Ueber Beziehungen des Blut-
serums von Tieren zur natürlichen Im-
munität. 441
— , Betrachtungen über und Versuche mit
einer neuen Behandlung der Syphilis.
1013
Bonome , Neue Beobachtungen über die
diagnostische und Heilwirksamkeit des
Malleins gegen Rotz bei den Menschen
und den Tieren. 686
Bordom-Üfreduzzi, Ueber den Wert einiger
für die Desinfektion geschlossener Räume
vorgeschlagenen gasförmigen Desinfek-
tionsmittel. 862
Boretius, Die Beseitigung der Ansteckungs-
stoffe , insbesondere der flüssigen , bei
Infektionskrankheiten. 333
Bornträger, Desinfektion oder Verhütung
und Vertreibung ansteckender Krank-
heiten. 252
Briegero. Cohn, Beiträge zur Konzentrierung
der gegen Wundstarrkrampf schützenden
Substanz aus der Milch. 442
Brouardel, La defense contre le cholera:
valeur comparee du Systeme quarante-
naire ancien et du systfeme adopte ä la
Conference de Dresde pour la defense
des divers pays contre le cholera 95
Brunner, Die bisherigen Resultate experi-
menteller Untersuchungen über die Art
der Wirkung des Tetanusgiftes auf das
Nervensystem. 438
Büchner, Ueber den Einfluß der Neutral-
salze auf Serumalexine, Enzyme, Tox-
albumine, Blutkörperchen und Milzbrand-
sporen. 514
— , Ueber den Einfluß des Lichtes auf
Bakterien und Uber die Selbstreinigung
der Flüsse. 515
— , Beruht die Wirkung des Behring’schen
Heilserums auf Giftzerstörung? 517
Bujwid, Ueber die antirabische Behandlung
nach der Pasteur’schen Methode und die
Veränderungen der Nervenzellen bei der
Tollwut. 863
Bruschettini, L’immunitä sperimentale nell’
infiuenza. 445
Buschke, Ueber die Immunisierung eines
Menschen gegen Tetanus. 255
Buttersack, Ueber Vaccine. 91
Carasso, Neue Methode der Behandlung der
Lungentuberkulose. ( Orig .) 990
Carstens, Ueber Fehlerquellen bei der Er-
nährung der Säuglinge mit sterilisierter
Milch. 526
Cazeneuve, Rollet et Nicolas, Sur l’action
microbicide du Gallanol. 574
Centanni, Die spezifische Immunisation der
Elemente der Gewebe. 202
Cesaris-Demel und Orlandi, Sulla equiva-
lenza biologica dei prodotti del ,,B. coli“ e
del ,,B. typhi“. 62
Chantemesse, L’epidemie cholerique de Con-
stantinople. 753
Charrin, Einfluß der Atmosphärilien auf
die Mikroorganismen. 859
Christmas, Sur la valeur antiseptique de
l’ozone. 1016
Colasanti, Die bakterientötende Wirkung
des Euforins. 822
— , L’azione battericida dell’ euforina. 1023
Corzolino, La microcidina ed il cloruro di
sodia per i processi microbici massime
piogeni dell’ orecchio, del naso e della
gola. 441
Cramer and Boyce, The nature of vaccine
immunity. 94
Cucco, Ueber die Wirkung des Phenocollum
hydrochloricum bei Malaria. 399
Czaplewski u. Roloff, Ueber den Heilwert
des Tuberkulins nach Experimenten an
tuberkulös infizierten Meerschweinchen.
367
Denys, Widerstandsfähigkeit des Organis-
mus gegen die Mikroben. 817
— et Havet, Sur la part des leucocytes
daus le pouvoir bactericide du sang de
chien. 1005
Bixon , Involution form of the tubercle
Bacillus and the effect of subcutaneous
injections of organic substances on in-
flammations. 492
Register.
1063
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for tbe tubercle Bacillus. 521
Dmochowski u. Janowski, Beitrag zur Lehre
von den pyogenen Eigenschaften des
Typhusbacillus. (Orig.) 216
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produkte. 898
Ehrlich, Kossel und Wassermann, Ueber
Gewinnung und Verwendung des Diph-
therieheilserums. 924
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sierung und Heilung bei krupöser Pneu-
monie. 1012
Epstein , Beiträge zu den Impfkrankheiten.
22
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ledoroff, Zur Blutserumtherapie der Cho-
lera asiatica. 572
Eermi , Claudi und Pemossi, Ueber das
Tetanusgift. (Orig.) 303
Einlcelnburg , Geschichtliche Entwickelung
und Organisation der öffentlichen Gesund-
heitspflege in den Kulturstaaten. 311
— , Der Entwickelungsgang und der heu-
tige Stand der internationalen Gesund-
heitspflege. 1002
Foa, Sur l’infection par le Diplococcus
lanceolatus. 206
Fraenkel und Sobemheim , Versuche über das
Zustandekommen der künstlichen Immu-
nität. 511
Franke, Untersuchungen über die Des-
infektion des Bindehautsackes nebst Be-
merkungen zur Bakteriologie desselben.
128
Frankland, Die Bakteriologie in einigen
ihrer Beziehungen zur chemischen Wis-
senschaft. 101
Gärtner, Verhütung der Uebertragung und
Verbreitung ansteckender Krankheiten.
1000
Gamaleia, Ueber das Leben der Cholera-
bacillen im Wasser, unter dem Einflüsse
des Eintrocknens und der Feuchtigkeit.
240
Gatti, Süll’ aumento del potere raicro-
bicida del sangue durante la infezione.
441
Germano e Colucci. Süll’ azione della cura
Pasteur negli epilettici. 831
de Giaxa e Lenti , Studi sulla virulenza,
sul contenuto d’azota e sul reciproco
potere immunizzante del bacillo del colera
a seconda della varia provenienza. 617
Gdmey , Final results in tubercular ostitis
of the knee in children — commonly
as „white swelling“. 496
Goldschmidt, Die Behandlung und Heilung
der Lepra tuberosa mit Europhen. 574
de Grazia e CasareUi, I derivati del creosoto
nella cura della tisi polmonare. (Benzoil-
guaiacolo, carbonato di guaiacolo, acido
guaiacol-carbonico, carbonato di creosoto.
522
Grober , Antwort an Herrn Dr. Martin
Kirchner in Sachen der Prüfung von
Wasserfiltern. (Orig) 165
— , Ueber die Löslichkeit der Kresole in
Wasser und über die Verwendung ihrer
wässerigen Lösungen zur Desinfektion
525
— , Gutachten des k. k. obersten Sanitäts-
rates über neuere Desinfektionsmittel. 1021
Gundolin, Zur Frage der Schutzpocken-
impfung. 1015
Hallopeau, Des treves dans les manifesta-
tions cutan^es de la tuberculose. 494
Haupt , Die möglichen und erlaubten Gren-
zen einer Prophylaxe der Tuberkulose
vom Standpunkte der praktischen ärzt-
lichen Erfahrung. 858
Havet, Du rapport entre le pouvoir bac-
tericide du sang de chien et sa richesse
en leucocytes. 1006
Heerwagen. Die Cholera in Riga 1892. 127
Henke, Ueber die Desinfektion infizierter
Hände und die Notwendigkeit der geburts-
hilflichen Abstinenz. 374
Hildebrandt , Ueber Immunisierungsver-
suche mittels pharmakologischer Agen-
tien. 1006
Hobrecht, Sanitäre Untersuchungen in Ae-
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Hubencald, Zur Behandlung der Cholera.
924
Inghilleri, Ueber das Verhalten des Milz-
brandbacillus in unsterilisierter Milch.
820
— e Rolando, Beitrag zur Kenntnis der
Choleraspirillen. 819
— , Ueber das verschiedene Verhal-
ten des B. coli und des Typhusbacillus
in amygdalinhaltiger Bouillon. 821
Issaeff, Untersuchungen über die künst-
liche Immunität gegen Cholera. 777
— und Ivanoff, Untersuchungen über die
Immunisierung der Meerschweinchen ge-
gen den Vibrio Ivanoff. 1010
Iwanoff, Versuche über die Desinfektion
der städtischen Abwässer mit Schwefel-
säure. 94
Janet , Traitemeut abortif de la blennor-
rhagie par le permanganate de potasse,
mode d’aetion de ce produit. 200
Jawem, Zur Frage von den Toxinen des
tierischen Harns bei akuten Infektions-
krankheiten. 175
Jtfsner , Favusstudien. II. 71
67*
1064
Register.
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von Seifenlösungen gegen Cholerakeime.
448
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der Cholera. 751
Kerez, Ueber den Einfluß des Tabaks auf
den ruberkelbacillus. ( Orig .) 37
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Malaria mit Methylenblau und über dessen
lokale Anwendung bei der Diphtherie.
975
Kirchner, Grundriß der Militärgesundheits-
pflege. Lief. 2 — 8. 17
— , Ueber die Behandlung des Saatge-
treides mit warmem Wasser als Mittel
gegen den Flug- und Steinbrand. 622
Kischenslcy , Experimentelle Untersuchungen
über den Einfluß der Laparotomie auf
die Bauchfelltuberkulose der Tiere. 973
Klebt , Zur Beurteilung therapeutischer
Maßnahmen. Ein Beitrag zur Antidiphthe-
rinbehandlung. 1001
Klein , Ueber das System Hermite. 1018
Kotsei, Ueber die Einwirkung der Nuclei'n-
säure auf Bakterien. 1018
Klett , Die Frage der Flußwasserreinigung
51
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und Typhusbakterien im Torfmull mit
Säurezusätzen. 445
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der männlichen Gonorrhöe. 183
— , Ueber Lammbluttransfusion bei Syphilis.
208
Kocäct, Zur Erage der Beeinflussung des
leukämischen Krankheitsbildes durch
komplizierende Infektionskrankheiten.
181
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880
Krückmann, Eine Methode zur Herstellung
bakteriologischer Museen und Konser-
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keit des Bacillus der Mäuseseuche-Laser.
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auf den Diphtheriebacillus. 524
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Theorie der Immunität gegen Milzbrand.
204
Lenti, Dell’ influenza delT alcoolo, della
glicerina e dell’ olio d’oliva sull’ azione
dei disinfettanti. 1023
Leoni, Ueber die Faktoren der spezifischen
und pathogenen Aktivität der Pocken-
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Leicaschow, Die bakteriologischen Behand-
lungsmethoden der Infektionskrankheiten
beim Menschen im allgemeinen und die
Serumbehandlung des Flecktyphus im
besonderen. 1003
Lorenz , Schutzimpfungsversuche gegen
Schweinerotlauf mit Anwendung eines
aus Blutserum immunisierter Tiere her-
gestellten Impfpräparates. (Orig.) 278
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cillus typhi murium (Loeffler) und seine
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nach menschlichen Infektionskrankheiten.
256
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über Antisepsis bei Augenoperationen
und die Bakteriologie des Konjunktival-
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Wundbehandlung bei infizierten Wunden.
1004
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254
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Nannotti, Ueber die Wirkung der sterili-
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bacillus und das Bacterium coli commune.
695
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diplobacillo pneumoniae mediante il vi-
rus carbonchioso. 781
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Haushaltungsgegenstand. 620
Register.
1065
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Verhalten des Serums gegenüber den
Mikroorganismen, insbesondere über seine
Heilkraft bei der Pneumokokkeninfektion.
204
Pasquale, Vergleichende Untersuchungen
über Streptokokken. 761
Pawlowsky et Maksutoff, Sur la phago-
cytose dans l'Actinomycose. 1007
— , Ueber die Behandlung des Rhino-
skleroms mit Rhinosklerin. 1015
Peinice and Pollaci , Ueber den Einfluß
der Absonderungen im Verlaufe der In-
fektionskrankheiten. 860
Pettenkofer, Maßregeln gegen die Cholera
hier, die sanitären Verhältnisse der
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häuser, Gelängen- und Strafanstalten.
776
Pfeifer , Studien zur Choleraätiologie. 748
— und Pssaef, Ueber die Spezifität der
Choleraimmunisierung. 778
Pfuhl, Zur Wirkung des Saprols. 208
Piefke , Ueber die Betriebsführung von Sand-
filtern auf Grundlage der zur Zeit gü-
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878
Pinna, Ueber die Wirkung des Meerwassers
auf die Virulenz der Milzbrandbacillen.
816
Porter, Notes and queries on small-pox.
22
Prozorowski, Ueber die Wirkung von Kaffee
und von einigen Kaffeesurrogaten auf
pathogene Mikroorganismen. 398
Radclife, Ichtyol as a remedy for facial
erysipelas. 575
Reinbach, Ueber das Verhalten der Leuko-
cyten bei malignen Tumoren. 243
Remesoff und Fedorof , Zwei Fälle von
Tetauus traumaticus behandelt und der
eine von ihnen geheilt durch das Blut-
serum immun gemachter Tiere (Hunde).
115
Richter, Ueber neue Behandlungsmethoden
der Tuberkulose vom pathologisch-ana-
tomischen Standpunkte. 521
Richards, Presidential address on infectious
diseases with especial reference to their
treatment by vaccine. 208
Righi, L’immunitä nei suoi rapporti con la
funzione della milza. 336
Roger, Die Leber in den Infektionskrank-
heiten. 651
— , Ueber die Wirkung der Bakteriengifte
aufs Herz. 651
Rosin, Einfluß von Chinin und Methylen-
blau auf lebende Malariaplasmodien.
207
Rummo, Sulla immunitä alle infezioni per
assuefazione farmacologica (Mitridatis-
mo.) Stricnina e tetano. 513
Sabolotny, Infektions- und Immunisierungs-
versuche am Ziesel (Spermophilus gutta-
tus) gegen den Choleravibrio. (Orig.)
150
Salut, Ueber das Verhalten der Cholera-
vibrionen im Taubeukörper und ihre
Beziehungen zum Vibrio Metschnikovi.
446
Salvioli, Ueber die physiologische Wirkung
der löslichen Produkte einiger Bakterien
und besonders der pyogenen Staphylo-
kokken 1007
Sawtschenko u. Sabolotny, Versuch einer Im-
munisation des Menschen gegen Cholera.
28
Schickhardt, Ueber die Einwirkung des
Sonnenlichtes auf den menschlichen
Organismus und auf Mikroorganismen
und die hygienische Bedeutung desselben.
1020
Schmaus und Uschinsky, Ueber den Verlauf
der Impftuberkulose bei Einwirkung von
Alkalialbuminat. 971
Schneidemühl, Ueber die wissenschaftlichen
Grundsätze und die praktische Regelung
der Fleischbeschau. 396
Scholl, Bakteriologische und chemische
Studien über das Hühnereiweiß. 511
Schönwerth, Abhängigkeit der erfolgreichen
Infektion mit Hühnercholera von der
Anzahl der dem Tiere einverleibten Ba-
cillen , sowohl bei intramuskulärer In-
jektion, als bei Fütterung. 503
Schütz, Zur Behandlung des Lupus vulga-
ris. 522
Sclavo, Deila conservazione dei virus in
glicerina. 507
Secchi, Di un caso di lupus eritematoso
guarito con le injezioni ipodermiche di
tubercolina Koch. 522
Semmer, Ueber gutartige heilbare Formen
des Rotzes. 917
Sobernheim, Experimentelle Untersuchungen
über Choleragift und Choleraschutz.
780
Sobotka , Zur Kenntnis des Vaccinepro-
zesses. 93
Solbrig, Ueber die Prophylaxis der Diph-
theritis vom sanitätspolizeilichen Stand-
punkte. 571
Sorauer, Einige Beobachtungen bei der
Anwendung von Kupfermitteln gegen die
KartofFelkrankheit. 570
Sormani, Ueber die den Cholerabacillus
neutralisierenden Mittel. 861
— Ueber die den Diphtheriebacillus neu-
tralisierenden Mittel. 862
Spina, Einige Versuche über die Wirkung
von intraparenchymatösen Injektionen
von Giften in die verkästen Knoten bei
der Impftuberkulose der Meerschwein-
chen. 702
1066
Register.
Steinmetz , Kurze Mitteilungen über einige
Versuche zur Frage der faulniswidrigen
Eigenschaften der Kohlensäure. ( Orig )
677
Stern, Ueber einige Beziehungen zwischen
menschlichem Blutserum und pathogenen
Bakterien. 335
— , Ueber die Wirkung des menschlichen
Blutserums auf die experimentelle Typhus-
infektion. 1008
Steuernagel, Untersuchungen über die Ver-
unreinigung des Rheins durch die Kölner
Kanalwässer, sowie die Selbstreinigung
desselben. 49
Stutzer und Burri , Untersuchungen über
die Bakterien der Cholera asiatica. 53
Temi, Das Serum der kaltblütigen Tiere
bei der Milzbrandinfektion. 863
Tictin, Zur Frage über die Bedeutung der
Milz bei Febris recurrens. [Orig.) 840
Tizzoni e Cattani, Sulla importanza della
milza nell’ immunizzazione sperimentale
del coniglio contro il tetano. 236
— — , Ulteriori ricerche sperimentali sulla
immunitä contro il tetano. 669
— und Centanni , Serum gegen Rabies, von
hoher, immunisierender Kraft , auf den
Menschen anwendbar. 830
Traube, Einfaches Verfahren , Wasser in
großen Mengen keimfrei zu machen.
879
Truc , Contagion du trachome (ophthalmie
granuleuse). 380
Ufelmann, Versuche über die Widerstands-
fähigkeit der Typhusbacillen gegen Trock-
nung und über die Möglichkeit ihrer
Verschleppung durch die Luft. (Orig.)
133
Vaughan, The principles of immunity and
eure in the infectious diseases. 518
— and Clintock, The nature of the ger-
micidal constituents of blood serum.
520
Veit, Frische Gonorrhöe bei Frauen. 609
Verpflichtung zur Anzeige von anstecken-
den Krankheiten in Frankreich. 208
Vielguth, Vorschlag zur Choleradesinfek-
tion. 923
Villard, De quelques mesures prophylacti-
ques prises pendant l’epidemie de cholera
de 1892. 448
Vulpius, Kritische Bemerkungen und prak-
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der Gerbsäure. (Tannin der Apotheken.)
(Orig.) 891
— , Zur Technik bei Desinfektionsversuchen.
(Orig.) 947
— , Die Resistenz des Bacterium coli com-
mune gegen Eintrocknung. (Orig.) 949
Ward , Further experiments on the action
of light on „Bacillus antbracis“. 1019
Weigmann und Zim, Ueber „seifige“ Milch.
(Orig.) 463
— , Die Methoden der Milchkonservierung,
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Tetanus. 898
— , Beitrag zur Kenntnis des Loeffler’schen
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Winkler, Die antituberkulöse Wirkung des
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v. Witkoicski, Ueber Cholerabehandlung. 254
Wladimiroff, Ueber die antitoxinerzeugende
und immunisierende Wirkung des Teta-
nusgiftes bei Tieren. 444
Wolkowitsch , Ueber den therapeutischen
Wert des Salols bei der Choleradiarrhöe.
573
Zappert, Ueber das Vorkommen der eosi-
nophilen Zellen im menschlichen Blute.
334
XI. Bakteriologische und parasitologische Kongresse.
Podicyssozky , Parasitologisches und Bak-
teriologisches vom V. Pirogow’schen
Kongresse der russischen Aerzte zu St.
Petersburg, 27. Dezember 1893 bis
3. Januar 1894. (Orig.) 480
Sanarelli, Mitteilungen aus dem XI. inter-
nationalen medizinischen Kongresse in
Rom. (Orig.) 648. 682. 742. 815. 857.
897. 950
Corrigendum 336. 575. 623.
Autorenverzeiclinis.
1067
XII. Sammlungen.
Stiles, Bemerkungen über Parasiten. — Ueber die Erhaltung von Typen. (Orig.) 477
XIII. Neue Litteratur.
29. 95. 129. 209. 257. 337. 400. 449. 528. 576. 624. 672. 704. 783. 832. 880. 928.
975. 1024.
XIV. Autorenverzeiehnis.
Abba 863
Abbott, A. C. 780
Abel, Rudolf 213
Acosta 876
Adamkiewicz 771. 962
Adenot 960
Adler 24
Adossides, Alex 523
Agro, Eug. 745
Albu, A. 321
Alessi, Giuseppe 228
Almquist, E. 63
Althausen, Matthias Joseph 81
Amann 384
D’Arcy Power 771
Arens 15
Arloing 315. 901
Armauer Hansen 698
Aronson 926
Arribat, Manius 491
Aschoff, Ludwig 697
Ashmead, W. H. 613
Askanazy, M. 225
Aufrecht 405
Baas 973
Babes, V. 65. 72. 81. 952. 953. 957
Baciocchi 650
Baduel, C. 824
Bärlund, A. 498
Banti, G. 381
Bahr, Hans 391
Barbier 129
Bark, J. 256
Barnow 694
Bary 568
Baumgarten, P. 367. 373. 377
Bazy 1017
Beck, M. 246. 317
Behring 926
Bergmann, J. 781
Bernabeo, Gaetano 614
Bernheim, Jakob 141
Bernheim, S. 653. 654. 655. 656
Beyerinck, M. W. 10. 171. 728. 799.
Billings, Frank S. 700
Binz 190. 974
Biro 69
Blachstein 235. 915
Bochicchio, Nicola 646
Bogdan 878
Bollinger, O. 499. 500
Bonaduce 441. 1013
Bonhoff 562
Bonome, A. 686
Booker, W. D. 756
Bordoni-Uftreduzzi, 666. 742 862. 863
Boretius 333
Bornträger 252. 323
Borrel 970
Bouchard 652
Bouzian, Abdel Kader Onlit 384
Boyce 94. 568
Braun, M. 409. 602. 680
Brick, C. 774
Brieger, L. 442
Brock, Sandison 774
Brofis van Dort 769
Brouardel 95
Brown, J. 382
Bruce 382
Bruch, Alfred 693
Bruice, P. J. de 957
Brunner 760
Brunner, C. 438
Bruschettini, A. 445
Büchner, H. 514. 515, 517. 750
Bujwid, O. 863
Bunzl-Federn 609
Burckhardt, Louis 379
Burdin, Lucien 827
Burri, R. 53. 88
Buschke 255
Buttersack 91
Cacace, E. 242
Canon 19
Capobianco, F. 179
Carasso, G. M. 990
Carstens, Andr. 526
Casaretti, V. 522
Casper 432
Cattani, G. 236. 669
Cattle 329
Cavara, F. 329
Cazeneuve, P. 574
1068
Autorenverzeichnis.
Celli, A. 470. 789
Centanni 202. 830
Cesaris-Demel 62
Chantemesse 753
Chantre 315. 901
Charrin, 608. 652. 688. 859
Chatin, Paul 764
Chiari, H. 327. 648
Choleraepidemie 752
Cholodkowsky, N. 552
Christmas 1016
Claus, C. 394
Mc. Clintock, C. T. 520
Cohn, F. 424
Cohn, G. 442
Colasanti, G. 822. 1023
Colucci, C. 831
Cooper 123
Corzolino, V. 441
Councilman, W. 186. 760
Cramer 94
Crone, W. 377
Cucco, Giovanni 399
Czaplewski, E. 367
Danilowsky, W. 480
Dävalos, J. N. 870
Dühu, Paul 689
Delassus, P. 870
D6lüpine 123
Denys, J. 817. 818. 914. 1005
Diamare, V. 393
Dietel, P. 88
Dixon 492. 521
Dmochowski, Z. 216. 581
Dock, 190
Donath, J. 857. 898
Dörnberger 764
Dräer, Arthur 508
Dreyfufs, J. 909
Drossbach, G. P. 775
Ducamp 497
v. Düring 824
Edel 235
Ehrlich 924
Eigenbrodt 759
Elschnig 565
Elsner 877
Emmerich, R. 1012
Epstein, E. 22
Ermengem, E. van 969
Ernst, H. C. 608
Escherich, E. 408. 900. 901
v. Esmarch, E. 510
Evans 568
Fedoroff, 115. 572
Felsenthal 82
Fermi, Claudio 229. 303. 722
Finkelnburg 311. 1002
Fiocca, R. 470
Fischei 24
Fischer, Bernhard 657
Fischl, R. 765
Fisichella, V. 567
Foä, P. 206. 816
v. Fodor 954
Foote, Charles J. 122
Fraenkel, C. 511
Frank, B. 440.
Franke, E. 128
Frankenberger, A. 961
Frankland, Percy 101
Fremlin 693
Freudenreich, Ed. v. 643. 745
Freymuth 250
Friedeberg 825
Friedrich 434
Gärtner 865
Gärtner, A. 1000
Gärtner, F. 1
Gamaleia 240
Gasperini, G. 684
Gatti, G. 441
Geelvink, Conrad Wilhelm 392
Germano, E. 60. 831
Gernhardt, Eugen 313
Gheorghiu, D. 81
Giarre, C. 388
Giaxa, V. de 617. 721
Gibbes, H. 770
Gibney, P. 496
Glaenz, Emil 324
Gley 688
Glogner, M. 192
Gockel, Mathieu 500
Gold, L. 191
Goldschmidt, J. 574
Golgi, C. 384
Goltz 392
Gottstein, A. 896
Grande Rossi 876
Grazia, F. de 522
Greg, Percival H. 46
Griffiths, A.-B. 999
Grossi, C. 182
Gruber, Max 165. 525. 1021
Gurley, R. R. 86
Gundolin 1015
Haan, J. de 268
Hallopeau 494
Hamburger 193
Harold, C. Ernst 559
Hartig, R. 700
Hasse, Carl 188
Haupt, A. 858
Havet, J. 1005. 1006
Heerwagen 59. 127
Heider, A. 20
Heim 897
Heisig, Oswald 326
Henke, F. 374
Hesse, W. 858
Autorenverzeichnis,
1069
Heyse 322
Hibler, E. von 181
Hildebrandt, H. 1006
Hobrecht, J. 1003
Houllier, G. 825
Huber 439
Huberwald 924
Huysse, A. C. 268
Hkewicz, W. 261
Hkewitsch, K. 162
Inghilleri 688. 819. 820. 821
Issaeff 777 778. 1010
Ivanoff 1010
Iwanoff 94
Iwänof£ M. 433
Jaeger, H. 74
Jägerskiöld, L. A. 125
Jakowski, M. 431
Janet 200
Janowski, W. 216
Janson 394
Jaweln 175
Jessner 71
Joelsohn, B. 193
Jolles, Maximilian 448
Kahane, Max 413 629
Kalindero, N. 65
Kanthack 967
Karlinski 436. 751
Kartulis, Stamatios 180 *
Kerez, H. 371
Kesem Beck 975
Kiefsling 559
Kirchner, Martin 17
Kirchner, O. 622
Kischensky 973
Klebs 1001
Klecki, Valerian v. 354
Klein, C. 1018
Klein, E. 276. 598. 756
Klemm 237
Klett, Adolf 51
Klipstein, E. 445
Knochenstierna, Hugo 313
Körber, B. 921
Kohn 565
Kolle 749
Kollmann 183. 208
Koplik 184
Kossel 924
Kossel, H. 1018
Kotlar 498
Koväcs 181
Kramsztyk, J. 880
Krannhals 431
Krückmann, E. 851
Kruse, W. 199. 419. 501
Kübler 254
Küchel, B. 393
Kuprianow, J™458. 489. 933. 981
Kurlofi; M. 341
Kurth, H. 123
Kutscher 44
Labbö, A. 773. 827
Lacour-Eymard, M. 621
Ladell, R. S. 999
Lafar, Franz 331
Lanz 776
Laser, Hugo 33. 524
Laveran 26
Lazarus, A. 204
Lehmann, K. B. 350. 656
Leloir 499
Lenti, P. 617. 1023
Leoni, O. 815
Leuckart, Rudolf, 247
Levin?on, J. 770
Lewaschow 1003
Lewin 432
Lickfett 250
Lindau, G. 506
Lindner 84
v. Linstow 612. 733. 772. 967
Lönnberg, Einar 801
Löwenhardt 189
Loewy 236
Lorenz 278
Lucas, Jean Alexis Marie 826
Lunkewicz, M. 42. 845
Lustig, A. 721
Maafsen, A. 251. 906 908. 922
Hagalhäes, P. S. de 700
Maiselis, Issai 256
Maksutoff 1007
Mal^vot 495
Mally, F. W. 877
Marchand 428
Marchand, F. 709
Marek, J. 112
Marianelli, A. 867
Marot, Felix 317
Marpmann 634
Marthen 127
Martin 757
Maurea 60
Mauriac 201
Mer, E. 829
Meißner 1004
Mie, G. 876
Miliar 329
Miller 894
Miller, W. 487
Mircoh 824
Montefusco 235. 254
Montesano, Giuseppe 722
Moreau, Auguste Charles Joseph 690
Monticelli, Fr. Sav. 872
Mordtmann 911
Mühlmann, M. 885
Mühsam, R. 430
Müller, Julius 828
1070
Antorenverzeichnis.
Müller, Kurt 78. 735. 804
Müller, Martin 389
Munk 311
Mya, G. 682
Nanu, Jean Georges 437
Nannotti, A. 649. 650
Neebe, C. H. 68
Neifser 695
Netter 566
Neumann, G. 392
Nicolaier 227
Nicolas, C. 574
Nöggerath 244
Oddo 429
Oettinger 866
Oker-Blom, Max 588
Orlandi 62
Ortner, N. 490
Ostertag 574
Pagano 702
Palleske, A. 120
Palmirski, W. 19
Pane, N. 781
Pannwitz 620
Pansini, Sergio 204
Pasquale, Alessandro 761
Pawlowsky 1007. 1015
Perles, Max 23
Pernice, B. 860. 904. 950
Pernossi, Leone 229. 303
Perroncito, E. 800
Pettenkofer, M. v. 776. 910
Petri, R. J. 905. 908
Pfeiffer, R. 748. 778
Pfuhl 176
Pfuhl, A. 208
Piefke, C. 878
Pindikowski 72
Pinna, G. 816
Plancard, Antonin 501
Podwyssozky 480. 481
Pollaci, G. 860
Porter 22
Posner 432
Pouiklo, S. 27
Prozorowski 398
Prudden, Mitchell 502
Quincke, H. 26. 689
Radcliffe 575
Radiguet, Henry Edouard Michel 691
Railliet, A. 871
Randolph, R. L. 769
Rappin 429
Ratz, St v. 387
Rochtsamer, M. 795
Redtenbacher, Leo 567
Reichenbach, Hans 847
Reinbach, G. 243
Remesoff TL 115
Renault, Jules 696
Renvers 434
Reymond 121
Ribbert 962
Richter, P. 521
Richards 208
Righi, J. 336
Roger, S. 651. 668
Roloff, F 367
Roncali, D. B. 439
Roos 26. 610
Rosin 207. 208
Rossi, E. 771
Rummo, G. 513
Russell, H. L. 169. 324. 558. 823
Sabolotny. D. 150
Sabouraud 868
Sacharoff N. 158. 962
Sadebeck, R. 503
Sajd, K. 126
Salus, H. 446
Salvioli, J. 1007
Sanarelli , G. 240. 648. 682. 742. 815.
857. 897. 950
Sanfelice 488
Santori, S. 789
Savor, Rudolf 824
Sawtschenko, J. 28. 485
Scagliosi, G. 861. 904. 950. 951. 952
Schäfer 691
Schardinger 48
Schewiakoff, W. 473
Schickhardt, Hermann 1020
Schild 692
Schimmelbusch 315. 430
Schirren 867
Schlenker 493
Schmaus 971
Schmidt, A. 90
Schmidt, Ferdinand 328
Schmidt, MartiD 697
Schmidt, Paul 63
Schneidemühl 396
Schnitzler, Julius 270. 66
Schönwerth 503
Scholl, H 511
Schrank 197
Schrank, W. 696
Schreier, E. 440
Schroeder 314
Schütz 522
Schwarz 388
Sclavo 507
Secchi, T. 522
Sedzcak, J 565
Seemann-Varel 52
v. Sehlen 325
Semmer, E. 917
Siebourg, Leonh. 316
Sigismund, Olaf 379
Singer, Karl 320
Autoren Verzeichnis.
1071
Sirena, S. 951. 952
Sittmann, G. 694. 699
Sluyts, Ch. 913. 914
Smith, Th. 388
Snow 243
Sobemheim 511. 780
Sobolotny, D. 28
Sobotka, J. 93
Solbrig 571
Sormani, G. 861. 862
Sorauer, P. 570. 774
Spina 702
Spronck, C. H. H. 55
Stamm 82
Steinmetz, C. 677
Stern 335
Stern, R. 1008
Steuernagel 49
Steven, J. 382
Stiles, C. W. 477. 611
Storch, A. 389
Strauer 772
Stutzer, A. 53
Stühlen 689
Tassinari 492
Tedeschi, A. 242
Teissier 608
Terni, C. 249. 608. 863
Thaxter, Roland 569
Thomas 55
Tictin, J. 840
Timpe, H. 364. 425. 644
Titoff 961
Tizzoni, G. 236. 669. 830
Trambusti, A. 607
Traube, Moritz 879
Traversa, F. 182
Truc 380
Tsuhoi, Jiro 649
Tubeuf, C. v. 195. 248. 701
Turrö, R. 877
Uffelmann, J. 133
Unna, P. G. 68. 246. 701
Uschinsky 971
Vaughan, V. G. 518. 520
Vayssiöre, A. 389
Veit 609
Di Yestea, A. 687
Vielguth, Ferd. 923
Villard, Fernand 448
Vincent 965
Vincent, H. 64
Voges, O. 453
Vulpius 180. 781
Waldvogel, R. 837
Walliczek, Heinrich 891. 947. 949
Ward, Henry B. 362
Ward, Marshall 1019
Wasielewski, von 79
Wassermann 177. 924
Webmer, C. 312. 426, 427. 533
Weigmann, H. 286. 463. 509
Weinrich, Max 198
Werigo. M. 766
Wernich 312
Wernicke 898
Wesener 25
Winkler 972
Weyl, Th. 204. 310. 954
Willach, P. 84. 874
Williams, F. H. 613
Witkowski, Stanislaus von 254
Wladimiroff 444
Wolff 866
Wolffhügel, G. 167. 421
Wolko witsch 573
Zabolotny 250
Zappert, J. 334
Zenthöfer 752
Zettnow 555. 638
Zimmermann, O. E. R. 47
Zinno, A. 428
Zirn, Gg. 286. 463
Zopf, W. 875
Fn-mmanusche buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena.
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