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Full text of "Centralblatt Für Bakteriologie, Parasitenkunde Und Infektionskrankheiten. 1. Abt. ORIGINALE. Band 88.1922"

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CENTRALBLATT 

ffir 

Bakteriologie, Parasitenkunde 
und Infektionskrankheiten 


In Verbindung mit 

Prof. Dr. R. Abel, Prof. Dr. R. Pfeiffer 

Oeh. Obermed.-Rat in Jena Oeh. Med.-Rat in Breslau 

Prof. Dr. M. Braun, Prof. Dr. E. Gildemeister, 

Oeh. Reg.-Rat in Konigsberg Ober-Reg.-Rat, Berlin-Lichterfelde-W. 

herausgegeben von 

Prof. Dr. O. Uhlworm und President Dr. A. Weber 


Oeh. Reg.-Rat in Bamberg 


in Dresden 


Brste Abteilung. 88. Band 

Medizinisch-hygienische Bakteriologie 
und tierische Parasitenkunde 

Originate 


Mit 63 Abbildungen im Text und 5 Tafeln 



Jena 

Verlag von Gustav Fischer 
1922 


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Centralbl. f. Bald etc. I. Abt Originale. Bd. 88. Heft 1. 


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Ausgegeben am 14. MStrz 1922. 




Nachdruck verboten. 


Ueber die Benennimg des Bacillus crassus Lipschiitz. 
seine Stellung im System und Allgemeines liber Nomen- 

klatur und System atik. 


Von Dr. Emil LSwi, Wien. 


Als Erreger des wohlumgrenzten Krankheitsbildes des Ulcus vulvae 
acutum fand B. Lipschiitz 1912 einen anscheinend noch nicht be- 
schriebenen Organismus (2), fiir den er 1913 vorl&ufig den Namen Bacillus 
c r a s s u s n. sp. vorschlug (3) (S. 65 u.). Mit diesem stimmt morphologisch 
und tinktoriell der von A. Doderlein 1892 beschriebene (1) „Scheiden- 
bazillus* iiberein, worauf zuerst G. Scherber (5) aufmerksam inachte 
(1918), und dessen Identity mit ersterem er auch durch das Kultur- 
verfahren nachwies. Doderlein hatte es aber unterlassen, seinem 
Bazillus einen nach den Regeln der binSren Nomenklatur gebildeten 
Namen zu geben; auch von anderer Seite war dies bis zur Veroffent- 
lichung des Lipschii tzschen Namens anscheinend nicht geschehen ; 
blo B als„DoderleinsScheidenbazillus* bezeichnet, kommt 
er noch 1913 in dem speziellen Abschnitte iiber die normale Mikroben- 
flora der Vagina im Kolle-Wassermannschen Handbuche (4) (S. 460, 
461) vor. Es hatte sonach fflr den -Scheidenbazillus* vorlaufig der 
Name B. crassus in Kraft zu treten. Nachdem durch die von B. Lip- 
schfitz, G. Scherber und mir ausgefiihrten Untersuchungen die 
wichtigsten Merkmale des Organismus festgestellt worden waren, konnte 
ihm seine Stelle im System angewiesen und notigenfalls der vorl&ufige 
Gattungsname durch einen bleibenden ersetzt werden; diese Frage habe 
ich 1919 erortert (6, Abschn. 5). Sie war aber damals, ebenso wie sie 
es auch heute noch ist, nicht ganz spruchreif, und zwar aus folgenden 
Grunden: Die Zeit der (die urspriinglichen „kiinstlichen* Svsteme ab- 
losenden) „natfirlichen* Systeme, die in der Botanik und Zoologie be- 
reits voruber ist, hat sich niimlich in der Bakteriologie noch crhalten 
und beginnt auf diesem Teilgebiete erst jetzt, also bedeutend spater als 
in der Gesamtbotanik und der Zoologie, in die des phylogenetischen 
Systems iiberzugehen. Es erschien deshalb zwecklos, den Bacillus 
crassus in eines der bisherigen Systeme einzuordnen und ihm einen 
.bleibenden* Namen zu geben, der mit der bevorstehenden Einftihrung 
des phylogenetischen Systems wieder aufgegeben werden intiBte. Ich 
begnOgte mich deshalb mit der Feststellung, daB sein Gattungsname 
-Bacillus* spater auf jeden Fall durch einen anderen werde ersetzt 
werden miissen, da das System der Zukunft die bisherigen Gattungen 
Bacillus und Bacterium — hierbei wies ich auch darauf hin, daB 
jeder dieser beiden Namen in zwei verschiedenen Bedeutungen gebrauch- 
lich ist — in eine groBere Anzahl neuabgegrenzter Gattungen auflosen 
wird. Ich erwahnte, daB bereits Benennungsvorschliige filr letztere 
erstattet worden seien, und zwar von Or la Jensen (13), daB aber der 

Erst* Abt. Ori e . Bd. 88. Heft 1. 1 


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Centralbl. f. Bakt. et . I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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B. crass us in keine dieser Gattungen zu gehoren scheine, weshalb 
„fiir ihn eine eigene aufzustellen sein“ wird, „welche ich Plo- 
camobacterium (nlovMiiog — Haarttechte, auch = Locke) nennen 
mochte". — Auf diese hier nur ganz kurz beriihrten Punkte komme ich 
unten zwecks genauerer Besprechung noch einnial zuruck. 

Auf eine von mir iibersehene Literaturstelle, die vielleicht geeignet 
ware, den Artnamen des vorlaufigen Lip sc h ii tz schen Vorschlages 
infolge der Prioritat eines anderen auBer Kraft zu setzen, macht 
L. Heim 1921 aufmerksam (10): W. Kruse (7) (Bd. 2, S. 358) fuhrt 
namlich schon 1896 den Doderleinschen Scheidenbazillus unter 
deni Namen Bacillus vaginae an. In der Tat handelt es sich hier 
aber bloB urn eine Titelflberschrift, der zum Verstandnis auch die Be- 
zeichnung Dbderleins Scheidenbazillus nachfolgt. Der Name, der 
iibrigens bloB eine Uebersetzung von Scheidenbazillus ist, wurde vom 
Autor offenkundig bloB der Gleichformigkeit halber, weil auch die anderen 
Titel lateinisch sind, angewendet. Urn als regelrecht publiziert zu gelten. 
hatte er erst in einer weit verbreiteten Fachzeitschrift oder in einem 
unentbehrlichen Lehrbuch in aller Form als neue Bezeichnung 
allgemein bekannt gemacht werden miissen, urn aus dieser 
Quelle erst in die Handbucher einzugehen. Allgemein bekannt ge- 
worden ist er aber gar nicht, er fehlt ja auch, wie bereits erwahnt, im 
Kolle-Wassermann schen Handbuch von 1913. Auch die umfang- 
reiche, von L. Heim (1. c.) herangezogene, 1919 erschienene Arbeit von 
W. Wegelius(8), die sich einer ahnlichen Bezeichnung — Bacillus 
vaginalis — bedient, verwendet diese nicht als Artname, denu in 
derselben Spalte der Tabelle fuhrt der Autor auch Gonokokken, Soor. 
Haufenkokken an, nicht Micrococcus gonorrhoeae, Oidium 
albicans, Micrococcus pyogenes. Bemerken mochte ich ferner. 
daB der von einem zuf&lligen Fundorte — wenngleich der Organismus 
zu dessen charakteristischer Flora gehort — hergeleitete Name weniger 
zweckmaBig ist als der ein leicht erkennbares morphologisches Merkmal 
angebende. Aus diesen beiden Griinden muB die Entsclieidung gegen 
„vaginae" und fur „crassus“ ausfallen, welch letztere Bezeichnung 
auBerdem durch eine Reihe von Arbeiten bereits bekannt geworden ist. 

Die Zweifel, die sich in diesem Falle iiber die Deutung der Prioritatsregel erheben 
konnten, legen es nahe, eine scharfere Fassung und mehr ins einzelne gehende Dar- 
stellung derselben anzustreben. Es wiire feslzusetzen, in weleher Weise die Publikatiou 
eines neuen Narnens zu erfolgen habe, um als ordnungsgemaB zu gelten. Es waren 
ferner allfallige Ausnahmen von dieser Regel anzugeben : Nicht anwendbar sollte sie vor 
allem sein, wenn 2 ursprungiich fiir verschieden angesehene Organismen spiiter sich als 
identisch erweisen — das ist etwas ganz anderes als die neuerliche BenennuDg eines 
bereits beschriebenen Organismus infolge eines Versehens des 2. Autors — falls die 
Annahme des 1. Namens auch fiir die als 2. entdeckte Erscheinungsform des Organis¬ 
mus widersinnig ware. Das haben wir eben bei der als unpassend empfundenen Be¬ 
zeichnung des Orassus als Bacillus vaginae gesehen. Ebenso ware es vielleicht 
auch, wenn die durch ihre Kapselbildung ausgezeichneten Bakterien Rhinosklerombazill, 
Abels Ozaenabazdl, aber auch Escherichs Darm-Milchsaurebazill (Bacterium 
lactis aerogenes). deren nahe Verwaudtschaft mit Friedlauders Pneumomebazill 
Eehmann und Neumann hervorheben und die sie alle als Varietaten derselben Art 
betrachten, den altesten Namen, Bacterium pneumoniae, erhielten. — Ferner 
miiBte ein Artname in irgend einer Weise abgeandert werden, wenn die Versetzung 
des Organismus in eine andere Gattung notwendig wird, in der dieser Artname bereits 
vorkommt. 

Nun mochte ich den oben, bzw. in meiner Arbeit von 1919, kurz 
angedeuteten Gedankengang, daB die beiden groBen Gattungen Bac¬ 
terium und Bacillus in mehrere werden aufgelost werden miissen. 



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Lowi, Bacillus crassus Lipschiitz, seine Steliung im System usw. 


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weiter ausfflhren. Vorher aber wollen wir noch die beiden verschiedenen 
Bedeutungen betrachten, in denen diese beiden Termini gegenwSrtig ge- 
braucht werden: F. Hueppe(ll) zahlt jene stabchenformigen Schizo- 
myzeten, bei denen keine Sporenbildung vorkommt, zur Gattung Bac¬ 
terium, die Sporenbildner zur Gattung Bacillus; dieser Definition 
folgen auch Lehmann und Neumann in ihrem Atlas und GrundriB. 
(Wir verwenden „Spore“ hier und im folgenden immer im Sinne von 
„Endospore“ der alteren Autoren, wahrend wir die fruher als „Arthro- 
sporen" bezeichneten Gebilde, denen ohnehin keine besondere Bedeutung 
zukommt, uberhaupt unberiicksichtigt lassen). W. Migula aber nimmt 
die BegeiBelung als Einteilungsgrund (12): unbegeiBelte nenut er 
Bacterium, peritrich begeiBelte Bacillus, polar begeiBelte Pseudo¬ 
monas; Sporenbildung kommt in alien 3 Gruppen, besonders in den 
beiden ersten vor. Gegen diese Einteilung lassen sich vom phylo- 
genetischen Standpunkte aus Einwendungen erheben: Die Sporenbildner 
zeigen auch durch ihre flbrigen Merkmale, daB sie miteinander enge 
verwandt sind, also im Systeme zusammengefaBt werden miissen; da- 
gegen ist die Geifiellosigkeit ein Merkmal, das bei mancher Form 
vorkommt, die sich durch die ubrigen Merkmale als nahe Verwandte 
begeifielter Formen erweist. Es gehort zum- Wesen der phylo- 
genetischen Arbeitsmethode, das e i n z e 1 n e Merkmal nicht zu iiber- 
schatzen, sondern es im Zusammenhang mit den anderen zu be¬ 
trachten und insbesondere bei moglicherweise verwandten Formen nach 
graduellen Unterschieden zu forschen, aus denen eine gewisse Ent- 
wicklungsrichtung ersichtlich ist. Es ist deshalb unrichtig, wegen 
des Fehlens eines einzelnen Merkmales einen Organismus aus der Gruppe, 
der er seinen sonstigen Merkmalen nach angehort, zu entfernen; es ist 
vielmehr danach zu streben, die Bedingungen, unter denen dieser Ver- 
lnst zustande kam und die ihn verst tin dlich machen, kennen zu 
lernen. Deshalb ist W. Kruses (7) (Bd. 1. S. 489; Bd. 2. S. 81) An- 
sicht, die Hueppesche Gattung Bacillus sei keine naturliche, weil sie 
auch sporenlose Formen enthalte, nach dem heutigen Stande 
unseres Wissens nicht haltbar, denn die ubrigen Eigenschaften zeigen die 
ZusammengehQrigkeit der zu dieser Gruppe geziihlten Organismen, und 
der Verlust der Sporenbildung pfiegt biologisch erklkrbar zu sein, n&m- 
lich durch viele Generationen lang wahrendes Leben unter so gunstigen 
Verhaltnissen, daB die Sporenbildung uberfliissig wurde (Bildung asporo- 
gener Rassen). Anderseits wOrde die — allerdings nicht zu erwartende 
und hier nur, uni ein Beispiel zu geben, als mbglich angenommene — 
Beobachtung von Sporenbildung bei einer Art der Hueppeschen 
Gattung Bacterium durchaus nicht Veranlassung sein, sie deshalb 
in die Gattung Bacillus zu versetzen, sondern man milBte sie als 
Endglied einer zur Sporenbildung strebenden Entwicklungsreihe, alien- 
falls unter eigenem Gattungsnamen, der Formenreihe, der sie bisher zu- 
gezahlt wurde, anschlieBen. 

Die beiden Gruppen Bacterium und Bacillus im Sinne Hueppes 
entsprechen natiirlichen Verhaltnissen; als Gattungen aber werden 
sie im pbvlogenetischen Systeme nicht bestehen bleiben kbnnen, und 
zwar wegen der verschiedenen Entwicklungsreihen, die sich in 
jeder von ihnen unterscheiden lassen (nicht etwa wegen der groBen 
Anzahl von Arten, die sie enthalten) und die die Grundlage zur 
Aufstellung der neuen Gattungen bilden werden; den ersten Versuch 
einer solchen Aufstellung hat Orla Jensen (13) in seinem sehr be- 

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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origiuale. Bd. 88. Heft 1. 


achtenswerten Entwurf eines auf strong phylogenetischen Grundsatzeu 
aufgebauten neuen System unternoimnen und ftir die einzelnen neu ab- 
gegrenzten Gattungen sehr zweckentsprechende Namen vorgeschlagen. 
Indent er sich im allgemeineu an Hueppes Definition der beiden Gat¬ 
tungen anschlieBt, bildet er die durch die Auflosung derselben in mehrere 
notwendig gewordenen neuen Gattungsnamen in der Weise, daB er den 
bisherigen Namen als Grundwort init einem ein wichtiges Merkmal der 
neu aufgestellten Gattung bezeichnenden Bestimmungswort zusammen- 
setzt; auf diese Weise ergeben sich Wortbildungen, wie z. B. Denitro- 
bacterium, Liquidobacterium oder Urobacillus, Butyri- 
bacillus u. dgl.; nur in einem Punkte weicht er von der Hueppe- 
schen Definition ab; er scheidet, ahnlich wie es Migula getan'hat, aber 
aus phylogenetischen (nicht etwa blofi morphologischen), hier nicht 
zu erorternden Grfinden, die polar begeiBelten Stabchen aus der Gruppe 
Bacterium aus, und bildet ihre Gattungsnamen durch Zusammen- 
setzung mit -monas. Indem ich mich diesem System, dem ohne Zweifel 
die Zukunft gehort, anschloB, schlug ich fur den Lipschtitz-Doder- 
leinschen Bazillus, fur den als Trivialnameu die Bezeichnungen Scheiden- 
bazillus oder Bacillus crassus oder Crassus weiter im Gebrauch 
bleiben mogen, einen den Or la Jensen schen Grundsatzen entsprechenden 
Gattungsnamen vor. 

Durch die Verwendung von -bacterium als Grundwort des neuen Gattungs- 
nainena gab ich gleichzeitig zu erkennen, daB der Organismus in dem gegenwiirtig am 
meisten verbreiteten natiirlichen System von Lehmann und Neumann die Be- 
zeichnuiig Bacterium crassum (Lipschiitz) Lowi fiihren miiBte; aber auch in 
Migulas System miiBte er als Bacterium crassum eingeordnet werden, nicht 
als Bacillus crassus. Ich vermied es indessen, wie schon obeu erwahnt, geflissent- 
lich. diesen Namen auch nur zu nennen, weil ich die allgemeine Annahme des phylo- 

f enetischen Systems fiir unnuttelbar bevorstehend halte. Ob der vorgeschlagene Name 
locamobaeterium tatsachlich in das neue System eingehen wird, oder ob ich 
selbst, veranlaBt durch meine seit seiner Veroffentlichung neu gewonnenen Erkenntnisse, 
ihn aus gewi6sen Griinden in Galactobacterium werde abandern miissen, oder ob 
vielleicht der Crassus in die Orla Jensensche Gattung Caseobacterium wird 
eingereiht werden miissen, ist nebensachlich, zumal es sich bisher blofi um einen Be- 
ueunungs vo r schl ag handelt, wie ja auch Orla Jensens Namen vorlaufig noch 
Vorschlage sind; hauptsachlich war es mir darum zu tun (0), den Organismus in 
die Gattung Bacterium oder eine der neu aufzustellenden Teilgattungen derselben 
(ohne Riicksicht <larauf, wie sie heifien wird) zn versetzen. L. Heim ist deshalb in 
einem Irrtum befangen, wenn er sich fiber meine Arbeit von 1919 (6) auBert (10, il): 
„Vollends grundlos ist die Absicht von E. Lowi, eine eigene Gattung aufzustellen, 
die Ploeamobacterium genannt werden soll“. Wenn er aber forttahrt: „Niemand 
ist es cingefallen, den Milzbrandbazillus, der noch viel groBere Locken bildet, deshalb 
an* der Gattung der Bazillen herauszunehmen“, so hat er hierbei iibersehen, daB ich 
selbst die Bilduug von Locken beim Milzbrandbazillus und noch einigen von mir mit 
Namen angefiihrten Arten der Gattung Bacillus in meiner Arbeit (IV. Absehu., 
Abs. uaeh Punkt 5) ausdriicklich erwabnte, al»er den Crassus nicht deshalb aus der 
Gattung Bacillus hcrausnahm, sondern weil er nach k.iner der gebrauchlichen 
Definitionen in diese gehort. 

Hier mogen nun, indem ich der Publikation meiner weiteren Unter- 
suchungen zur Wahrung der Prioritfit etwas vorgreife, noch einige vor- 
Itiufige Bemerkungen fiber die mutrnaBlich niichsten Verwandten des 
Crassus Platz linden. Seine Kulturen bilden viel Saure, und zwar 
handelt es sich, wie G. Scherber (5) mitteilt, nach E. Freunds 
Untersuchungen um Milchsaure; auch beim Schenlenbazillus wurde schon 
von Doderlein die Fahigkeit, reichlich Milchsaure zu erzeugen, her- 
vorgehoben, und diese Uebereinstimmung ffihrte Scherber darauf, die 
Identitat der beiden Organismen nachzuweisen. Dieses eine Merkmal 
ist so charakteristisch, daB es nahe liegt, die niichsten Verwandten des 


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Lowi, Bacillus crassus Lipschiitz, seine Stellung im System usw. 


O 


Crassus unter den Milchsaurebakterien zu suchen. Diese sind aber 
eine biologische Gruppe, d. h. sie umfaBt mehrere Untergruppen, 
die nur durch ein hervorragendes biologisches Merkmal zusammen- 
gehalten werden, die aber nicht notwendigerweise in phylogenetisch 
nahen Beziehungen zueinander stehen mfissen. Es gehoren hierher die 
kulturell ganz mit Bact. coli iibereinstimmenden Darm-Milchsaure- 
bakterien vorn Typus des Bacterium aerogenes (Escherich) Lehm. 
et Neum„ ferner die Milchsaure-Streptokokken und gewisse Mikrokokken, 
und endlich eine Anzakl miteinander nahe verwandter Stiibchen, die be- 
sonders haufig in fermentierter Milch, wie Yoghurt, sowie in manchen 
Kiisen sich linden und als Formen einer einzigen Art, des Bacterium 
casei, aufgefaBt zu werden pflegen. Diesem ahnlich — vielleicht auch 
nar eine VarietSt — ist der Kultur-Milchsaurebazillus, Bacterium Del- 
briicki (Leichmann) Lehm. et Neum., der in der Brennerei (bei der 
Sauerung des Hefegutes) und in anderen Gewerben eine Rolle spielt. 
Diese beiden sind als die nachsten Verwandten des Crassns zu betrach- 
ten : Man findet unter ihnen die Neigung, zu langen FSden auszuwachsen, 
sowie die Bevorzugung anaerober Verhaltnisse; auch Kolonien mit Haar- 
skulptur kommen bei ihnen vor. Ferner mochte ich nicht unerwiihnt 
lassen, daB die manchmal sich einstellenden Wachstumsanomalien, die 
Lipschiitz (9) beschrieb und als teratologische deutet, auch beim 
Kulturmilchs&urebazillus durch gewisse Kulturbedingungen erzielt werden 
k&nnen. Als unterscheidendes Merkmal mochte ich hervorheben, daB 
Bacterium casei ohne Zucker nicht gedeiht, wahrend der Crassus 
aaf eiweiBhaltigen Nahrboden auch ohne Zuckerzusatz wachst. 
Mit der Feststellung weiterer Uebereinstimmungen und Abweichungen 
beschaftigt, wird es nun tneine, der Erg&nzung und Nachprufung durch 
kunftige Untersuchungen anderer Autoren harrende Aufgabe sein, die 
einzelnen Merkmale nach phylogenetischen Grundsatzen zu beurteileu, 
und erst dann wird sich entscheiden lassen, ob der Bacillus crassus 
mit einer der bekannten Milchsaurebakterien-Arten in dieselbe Gattung 
— etwa im Umfange der Or la Jensenschen Gattung Caseobac- 
teriurn — versetzt werden darf, oder ob fiir ihn die Aufstellung einer 
eigenen Gattung gerechtfertigt ist. 


Iaiteratur. 

1) Doderlein, A., Das Scheidensekret und seine Bedeutung fiir das Puerperal- 
fieber. Leipzig 1892. — 2) Lipschiitz, B., Ueber eine eigenartige Gtschwursform des 
weiblichen Genitales (Ulcus vulvae acutum). (Arch. f. Derm. u. Syph. Bd. 114. 1912. 
H. 1.) — 3) Ders., Bakteriologischer GrundriB der Geschlechtskrankheiten. Leipzig 1913. 
— 4) Ders , Handbuch der pathogenen Mikroorgauismen, herausgegeben von Kolle u. 
Wassermann. 2. Aufl. Bd. 6. 1913. — 5) Scherber, G., Ueber die Beziehungen 
der in den pseudotb. Geschwiiren sive Ulc. vulvae ae. sich findenden Bazillen zu den 
Scheidenbazillen Doderleins. (Wien. klin. Wochenschr. 1918. 8. 1005.) — G) Lowi, 
Emi 1, Ueber den Bac. crassus Lipschiitz. (Ebenda. 1920. S. 730.) — 7) Ders., Die 
Mikroorganiemen, herausgegebeu von Fliigge. 3. Aufl. Leipzig 1896. — 8) Wege- 
lius, W., Bakteriologische Untersuchungen der weiblichen Gemtalsekrete etc. (Arch, 
f. Gynak. Bd. 88. 1909. S. 249—390.) — 9) Lipschiitz, B., Zur Kenntnis des Bac. 
crassus. (Med. Klin. 1921. S. 267.) — 10) Heim, L., Bemerkungen zur Abh. von 
B. Lipschiitz iiber den Diiderlei nschen Scheidenbazillus. (Med. Klin. 1921. 
8. 613.) — 11) Hueppe, F., Die Formen der Bakterien etc. Jena 1886. — 12) Mi¬ 
kola, W., System der Bakterien. Jena 1897—1900. — 13) Orla Jensen, Die Haupt- 
inien des natiirlichen Bakteriensystems etc. (Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 22. 1909.) 


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6 Uentralbl. f. Baku etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


Nachdruck verboten. 

Ein Fall von Aetinomyces-Varietat. 

[Aus dem Hygienischen iDstitut der Akademie fiir praktische Medizin 
DUsseldorf (Direktor: Prof. Dr. Burgers).] 

Vou Dr. W. Bachmann, I. Assistent des Instituts. 

Mit 1 Abbildung im Text. 

Am 16. Marz 1921 wurde dem Hygienischeu Institut von der 
Chirurgischeu Klinik der Akademie fur praktische Medizin eine Eiter- 
probe zur Untersuchung zugeschickt, die von einem Patienten mit chro- 
nisch verlaufender Eiterung der rechten Wange stammte. Die klinische 
Diagnose lautete nach dem typisch erscheinenden Krankheitsbilde „Ak- 
tinomykose u . Die Untersuchung des iibersandten Materials ergab nun 
im direkten Ausstrich sowohl wie bei der kulturellen Zuchtung des 
Erregers Abweichungen von dem gewbhnlichen Bilde, so daB die Mit- 
teilung des Gefundenen nicht iiberfliissig ersclieint. 

Die mikroskopische Betrachtung des iiberschickten, diinnfHissigen 
Eiters zeigte an vielen Stellen submiliare, gelblichweiBe Kornchen, deren 
mikroskopische Untersuchung jedoch nicht die bei Strahlenpilzerkrankung 
typischen Drusen, sondern folgenden Befund ergab: Neben zahlreichen 
Leukozyten und vereinzelten Plattenepithelien fanden sicli Spirochaten 
vom Typus Refringens und fusiforine Stabchen, ein Bild, wie es bei 
der Angina PI aut-Vincent zu beobachten ist. Daneben fielen be- 
sonders auf grampositive Stabchen und Kokkobazillenformen, die h&ufig 
in dichtem Gewirr zusammenlagen und vereinzelt in Gr5Be und Form 
mit Pseudodiphtheriebazillen Aehnlichkeit aufwiesen. Auch langere 
grampositive Faden mit nicht sicher festzustellender Verzweigung fanden 
sich neben langen, zum Teil gewundenen Ketten, die aus gleich groBen, 
kurzen, grampositiven Stabchen sich zusammensetzten und die vereinzelt 
eine Verzweigung aufwiesen. also Formen, die man auch jetzt noch als 
Streptothrix bezeichnet tindet. 

Zur Kultur wurden gewohnliche Agarplatten, Blut-, Aszites- und 
5-proz. Maltoseagarplatten mit dem Ausgangsmaterial in Verdflnnungen 
bestrichen, ebenso wurde Bouillon und sterile Kartoffel beimpft und eine 
Schuttelkultur mit Traubenzuckeragar zur anaeroben Zuchtung beschickt. 
Alle Kulturen wurden doppelt angesetzt und bei Zimmertemperatur und 
37° C beobachtet. Nach 24 Std. waren auf den Aerobenplatten und in 
der Fleischbriihe Pneumokokken, Streptokokken, Bakterien aus der 
A erogenes-Gruppe und Proteus vulgaris gewachsen; aus der 
Schuttelkultur wurde lediglich Aerogenes isoliert. Erst am 3. Tage 
zeigten sich auf einer Maltoseplatte neben den beschriebenen Bakterien 
vereinzelte, dem Nahrboden ziemlich fest anhaftende, gelblichbraune Ko- 
lonien von der GroBe einer Streptokokkenkolonie. die nach weiteren 
3—4 Tagen sich vergroBerten und eine deutlich abgesetzte Randzone 
zeigten, die wiederum Faltungen aufwies, so daB eine Art Rosettenform 
sich herausbildete. Leider gelang die Ueberziichtung dieser Kolonien, 
die aus kurzen, grampositiven Stabchen, ahnlich der Pseudodiphtherie, 
bestanden, trotz aufgewendeter Miihe nicht, so daB ihre Bestimmung 



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Bachmann, Ein Fall von Actinomyces-Varietat. 


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aufgegeben werden muBte. Dafiir ergaben die Kartoffelkulturen ein 
besseres Resultat. Am 3. Tage der Ziichtung traten namlich auf den 
Kartoffelscheiben kleine, weiBe, knopfformige Kolonien von etwa 2 mm 
Durchmesser auf, deren mikroskopische Untersuchung grampositive, zum 
Teil spiralig gewundene Faden zeigte, wie sie dem beigegebenen Photo- 
gramm entsprechen. Die Uebertragung dieser Kolonien auf 5-proz. 
Maltoseagar zeigte nun wieder das oben beschriebene Bild: Nach 24 Std. 
kein Wachstum. Nach 2—3 Tagen kleine, runde, den Nahrboden ziem- 
lich fest anhaftende Kolonien, die sich nach weiteren 2 — 3 Tagen bis 
zu einem Durchmesser von 2—3 mm vergroBerten und eine abgesetzte 
Randzone zeigten, die nach einigen Tagen eine Faltung bekam, so daB 
die beschriebene Rosettenform wieder entstand. Mikroskopisch waren 



Fig. 1. 


dieselben grainpositiven Faden zu sehen, wie in der Kartoffelkultur. 
Doch schon bei der nachsten Uebertragung auf 5-proz. Maltoseagar ging 
diese originelle Form verloren und es waren nur noch grampositive 
StSbchen von der Form der Pseudodiphtherie zu beobachten, vereinzelte, 
etwas langere Faden, Kokkenbazillenformen in Ketten und Haufchen 
zusammenliegend. Auf den ersten Blick konnte man denken, daB es 
sich nicht um eine Reinkultur handelte. Davon konnte aber keine Rede 
sein, da die Ueberimpfungen von den Platten stets von gut isolierten 
Einzelkolonien stammten. Aber auch folgende Beobachtung zeigte. 
daB ich eine Reinkultur in Handen hatte: Impfte ich namlich von der 
zuletzt beschriebenen Maltoseagarkultur wieder auf sterile Kartoffel, so 
traten von Neuem die gewundenen, zum Teil spiraligen, grainpositiven 
Faden auf, wie sie das beigegebene Photogramm zeigt. Impfte ich nun 
von der Kartoffelkultur wieder auf 5-proz. Maltoseagar, so wurden die 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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gewundenen Faden wiederum vermiBt und vorwiegend nur grampositive, 
kurze Stabchen vom Aussehen der Pseudodiphtherie festgestellt. Die 
Durchsicht der einschlagigen mediziDischen Literatur gab mir iiber diesen 
Formwechsel keinen geniigenden AufschluB, wahrend ich durch die von 
Lieske letzthin veroffentlichte Monographie iiber die Morphologie und 
Biologie der Strahlenpilze auf den richtigen Weg gewiesen wurde. Es 
handelte sich bei diesen spiralig gewundenen Faden urn Lufthyphen, die 
bei jungen Kulturen durchweg nach Gram gefarbt erschieuen, wahrend 
bei aiteren Kulturen die Farbung des Fadens LOcken zeigte, was so zu 
deuten war, daB nur die in den Lufthyphen enthaltenen zylindrischen 
Sporen die Farbe annahmen, wahrend die ungefarbten Stellen des Fadens 
Liicken darstellten, in denen sich das Protoplasma zuriickgezogen hatte. 
Der Zerfall dieser Faden fiihrte nun dazu, daB in den Plattenkulturen 
vorwiegend die Pseudodiphtherie-ahnlichen Stabchen erschienen, die als 
zylindrische Sporen aufzufassen waren. In Kulturen auf dem Deck- 
giaschen konnte der Zerfall dieser Faden, die von einer Kartoff'elkultur 
entnommen waren, in einigen Fallen auch direkt unter dem Mikroskop 
beobachtet werden, wahrend es mir nicht gelang, das Auswachsen dieser 
Sporen zu Faden unmittelbar unter dem Mikroskop zu verfolgen. In 
den von verschiedenen Kulturen staramenden Praparaten waren nun 
aber stets neben den zylindrischen Sporen auch kurze, ziemlich dicke, 
zuweilen gebogene und eine Auftreibung zeigende, grampositive Faden 
zu sehen, die wohl aus den Sporen ausgewachsen sein diirften. In einem 
aus einer Reinkultur in steriler Milch stammenden Gram-Praparat 
konnte ich nun neben den zylindrischen Sporen auch typische lange 
Actinomyces-Faden mit echter Verzweigung feststellen, wodurch der 
Beweis erbracht war, daB der vorliegende atypische Stamm als Actino¬ 
myces-Kultur zu bezeichnen war. 

Die nahere Untersuchung der biologischen Eigenschafteu unseres 
Stammes ergab nun folgendes Resultat: Alle Versuche, den Stamm bei 
Zimmertemperatur fortzuziichteu, wareu ergebnislos. Das Temperatur- 
optimum lag bei 37°, wahrend Temperaturen iiber 42° nicht mehr ver- 
tragen wurden. Auf gewohnlichem Agar konnte ich kein Wachstum 
erzielen, ebenso nicht auf Blut- und Aszitesagar, wahrend unser Stamm 
auf Agar, dem Glyzerin, Maltose, Saccharose Oder Mannit zugesetzt war, 
ausgezeichnet wuchs. Auf erstarrtem Rinderserum erfolgte nur ganz 
zartes Wachstum, keine Peptonisierung, geimpfte Bouillon blieb klar. 
Lackmusmolke wurde nicht verandert. Traubenzucker wurde im Garungs- 
rohrchen nicht vergoren; dagegen fand eine Zerlegung von Maltose und 
Laktose statt, was sich auf den entsprechenden Lackmusnahrbbden nach 
1—2 Tagen durch Rotung des Nahrbodens kundgab. Milch wurde nach 
14 Tagen peptonisiert. Anaerob wuchs der Stamm in typischer Weise 
im Traubenzuckeragarstich, entlang dem Stich kleine Haufchen bildend. 
Im Gelatinestich entstand nur ein ganz zarter, schleierartiger Wachs- 
tumsstreifen, offenbar aus dem Grunde, daB das Temperaturoptimum 
nicht erreicht war. Auf anaerob gehaltenen Strich- und GuBplatten er¬ 
folgte kein Wachstum. Ich mochte den Stamm mithin als fakultativen 
Anaerobier bezeichnen. 

Alle Versuche, Meerschweinchen und Kaninchen mit unserem Stamm 
zur Erkrankung zu bringen, schlugen fehl. Weder die Beimpfung ero- 
dierter Stellen an der Lippen- und Waugenschleimhaut der Tiere fiihrte 
zu einem positiven Ergebnis, noch die Versuche, mit infizierten Stroh- 
und Holzsplittern subkutan eine Eiterung zu erzeugen. 


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Freund, Eine durch ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis. 9 


Um nun den Beweis zu fiihren, daB der von dem Ausgangsmaterial 
herausgezuchtete Stamm tatsachlich das klinische Bild der Aktinomykose 
erzeugt hatte, wurden mit dem Serum des Pat. und einem aus der 
Reinkultur des Stammes hergestellten Extrakt in ublicher Weise Kom- 
plementbindungsversuche angestellt. Eine Verankerung des Komple- 
ments konnte nicht festgestellt werden, ebenso verliefen wegen Spon- 
tanagglutination des Stammes alle unternommenen Agglutinationsversuche 
ergebnislos. so daB ich die Frage, ob in diesem Falle unser Stamm tat- 
sSchlich der Krankheitserreger war, nicht zu entscheiden vermochte. 


Naehdruck verboten. 

Ueher eine durch ein anaerobes Bakterium hervorgerufene 

Meningitis. 

Ein Beitrag zur Bakteriologie der pathogenen Anaerobier. 

[Aus dem Pathologisch-Anatomischen und Bakteriologischen Institute 
des Jubilaums-Spitals der Stadt Wien (Vorstand: Prof. Dr. 

Rudolf Maresch).] 

Von Dr. Ferdinand Freund. 

Mit 1 Tafel. 

So reich die Zahl der aeroben Mikroorganismen ist, die als atio- 
logische Faktoren einer akuten Meningitis oder sonstigen entztindlichen 
Affektionen des Gehirns bekannt und beschrieben sind, so gering ist die 
Zahl der bisher bekannt gewordenen, durch anaerobe Bakterien be- 
dingten akut-entziindlichen VerSnderungen der Meningen. 

Ueberblicken wir die Literatur, die sich mit der Frage der anaeroben 
Meningitis beschaftigt, so finden wir nur sparliche Nachrichten. 

Als Erster hat Edouard Rist 1898 iiber anaerobe meningeale Infeklion, iu 
diesem Falle otitischen Ursprunges, berichtet. Eine Isolierung der anaeroben Keirae 
'and nicht statt. Ihm folgten 1899 Hitschmann und Lindenthal, die aus einer, 
im AnschluB an Trauma mit Zertrummerung einer Kleinhirnhemisphare entstandenen 
Meningitis den We 1 ch-Fran k elschen Bazillus isolierten. Im selben Jahre publi- 
zierte Howard als Erreger einer akuten Zerebrospinalmeningitis den gleichen Bazillus. 
1906 erschienen die Arbeiten von Ghon, Mucha und Muller, die in klassmcher 
Weise 4 Falle anaerober Meningitis, samtlich otogen, schildern. Eine bereits 15)06 be- 
obachtete, durch fusiforme Bazillen hervorgerufene otitische Meningitis beschrieb Ma- 
resch in seinem Aufsatze iiber die durch fusiforme Bazillen bedingten py ami schen 
Prozesse. Den Streptococcus putridus fand Schottm oiler 1910 als Erreger 
einer otogenen Meningitis. SchlieBlich haben Ghon und Roman 1915 noch einen 
Fall von durch Gaebrandbazillen hervorgerufener Meningitis nach SchuBverletzung des 
Schadels kurz erwahnt ')• 

Zwar nicht mit Meningitis, wohl aber mit durch anaerobe Keime bedingten Hirn- 
abszessen beschiiftigen sich die Arbeiten von Heyde(1908), Ghon und Mucha (1909), 
Klinger (1912), v. Hibler (1913), Friihwald (1913) und Coronini und Priesel 
a920). 

1) In allerjungster Zeit erschien die Arbeit von Bingold, in welcher 3 Falle von 
meningitischer Komplikation bei vom Genitale ausgehender Sepsis Erwahnung finden. 
Sie wurden durch anaerobe Streptokokken (Streptoc. putridus) hervorgerufen 
Virch. Arch. Bd. 234. 1921. S. 341). 


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10 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1. 


Als besonders wertvoll erscheinen hierbei einige Falle vonGhon und seinen Mit- 
arbeitem, sowie die Falle von Hitschmann und Lindenthal, Howard undMa- 
resch, weil sie als alleinige Erreger von akuten Meningitiden anaerobe Mikroorganismen 
aufweisen; damit ist dem Einwand, es habe sich etwa blofi um sekundares Auftreten 
palhogenetiseh wenig bedeutungsvoller Keime gehandelt, jeder Boden entzogen. 

Diesen Fallen reiht sich als neuer eine akute Meningitis an, die 
vor kurzem im pathologisch-anatomischen Institute des Jubil&ums-Spitals 
in Wien zur Beobachtung kam. 

Aus der Krankengeschichte der otolaiyngologischen Abteilung 
(Primarius Prof. Dr. Otto Mayer) seien in Kiirze folgende Punkte 
hervorgehoben: 

Es handelte sich um ein 18 Jahre altes Madchen, das an einer chronischen eitrigen 
Otitis des linken Ohres litt. Im linken auOeren Gehorgan^e fand sich am Tage der 
Aufnahme reichlich fodder, zaher, gelblich-griiner Eiter; im Trommelfelle, das getriibt 
und teilweise mit Schuppen bedeekt war, eine linsengrofie Perforadonsliicke. Die Pauken- 
hohlensehleimhaut war gerotet. Es war spontaner rotatorischer Nystagmus nach beideu 
Seiten vorhanden, das linke Labvrinth kalorisch nicht erregbar. 

Es wurden, da Pat. und litre Angehorigen jetzt und auch spater jeden Eingriff 
ablehnten, Spfilungen mit Wasserstoffsuperoxyd gemacht. 7 Tage nach ihrem Eintritte 
in das Spital traten Kopfschmerz und Fieber bis 40,6° auf. Noch am selben Tage 
kam es zur Lahmung des linken N. facialis; nach weiteren 4 Tagen hatte sich Nacken- 
steifigkeit entwickelt, das Kernigsche Symptom war beiderseits posidv, der linke N. 
abducens wurde paretisch. 8 Tage nach dem Auftreten der meningealen Symptome 
erfolgte unter zunehmender Benommenheit der Exitus. 

Von einem operativen Eingriffe war, wie erwahnt, auf Wunsch der Eltern Ab- 
stand genommen worden. Auch war wegen der stark hervortretenden basalen Symptome 
und einer auf Tuberkulose hinweisenden Anamnese die Moglichkeit einer tuberkuloser. 
Meningitis in Frage gezogen worden. 

Die Autopsie fand 12 Std. nach Eintritt des Todes statt. Die Ob- 
duktion (Obduzent Dr. Priesel) ergab folgenden Befund: 

Die Dura mater gespannt, ihre Innenflache glatt, frei von Auflagerungen. Die 
weichen Hirnhaute iiber der Konvexitat zart, die GefaBe stark blutgefullt, die Sub- 
arachnoidalraume hier nur leicht erweitert, enthalten kaum merklich getriibte Fliissig- 
keit. Die Gehirnwindungen abgeplattet. Nach Herausnahme des Gehirnes findet sich 
an der Basis, namentlich fiber den nach hinten zu gelegenen Anteilen, um die Briicke 
und den Hirnstamm zwischen den weichen Himhauten reichlich stark trfibes, hellgelb- 
liches Exsudat, anscheinend auf der linken Seite, dort auch fiber der basalen Flache 
des Temporalhirns, in grofierer Menge wie rechts. Die nur weDig erweiterten Seiten - 
kammem und die ubrigen Hirnventrikel von klarer Flussigkeit erffillt, nur an den 
tiefsten Punkten eitriger Bodensatz. Die Hirnsubstanz blutreich, feucht. Die Blut- 
leiter der harten Hirnhaut enthalten auch an der Basis dunkelfltissiges und geronnenes 
Blut. Die Mittelohrraume auf der rechten Seite frei, links von gelblich-seroser, 
eitrig getrfibter Flfissigkeit erffillt; hier auch der Knochen vom Eiter durchsetzt, durch 
die Dura mater lateral vom Porus acust. int. in einem gut linsengrofien Bezirke an der 
hinteren Pyramidenflache leicht gelblich durchschimmernd. 

Der fibrige Sektionsbefund bot auSer Lungenodem, frischer pneumonischer An- 
schoppung in Deiden Lungenunterlappen, namentlich im rechten, pleuralen Anwach- 
sungen auf der linken Seite und scnwerer parenchymatbs - fettiger Degeneration der 
Organe keine Besonderheiten. (Tuberkulose Veranderungen, insbesondere rrische, wurden 
an den Lungen nicht gefunden; Peribronchialdrfisen frei; kein Milztumor.) 

Zur bakteriologischen Untersuchung gelangte das unter sterilen Kautelen entnom- 
mene Exsudat aus den tiefsten Stellen der Seitenventrikel. Es stellte eine dfinnflfissige, 

f elblich-eitrige Flussigkeit dar, in welcher makroskopisch Flockchen suspendiert zu er- 
ennen waren und welche sich bei ruhigem Stehen bald in 2 Schichten sonderte, eine 
obere serumahnliche, gelbliche mit einem Stich ins Grune, und in eine untere getriibte. 
n welcher die geformten Bestandteile enthalten waren. 


Bakterioskopiscker Befund. 

Neben zura Teil gut erhaltenen polynuklearen Leukozyten und De¬ 
tritus fanden sich reichlich in Ketten angeordnete, zarte, kurze Stabchen. 



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Freund, Eine durch ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis. U 


welche gramnegativ waren und die Gegenfarbe (verdfinntes Karbol- 
fnchsin) nur schwach angenommen hatten. Die Farbung des Bakterien- 
korpers war dabei eiDe diffuse. Gegen das Ende erschienen die Stab- 
chen leicht verjiingt, die Enden selbst waren abgerundet. 

Die Lange der Bakterien betrug im Durchschnitt 0,8—1,0 //, die 
Breite war ungefahr 1 / 8 — l U der Lange. Nur wenige Exemplare er- 
reichten eine Lange von 1,6 //, bloC einzelne eine solche von 3 //. Haufig 
fanden sich jedoch ganz kurze Individuen von ca. 0,5 // Lange. Dem- 
nach sahen diese Streptobazillen Influenza-ahnlich aus; blofi die strong 
eingehaltene Formierung zu Ketten, die in dieser RegelmkBigkeit bei 
den Influenzabazillen nicht beobachtet wird, gab eine Unterscheidung. 
Allerdings fanden sich auch einzelnliegende Exemplare, die im allge- 
meinen etwas plumper waren und etwas intensiver gefarbt erschienen, 
doch nur sparlich, und war das mikroskopische Bild von den Ketten- 
formationen beherrscht. Kapseln oder Andeutungen von Kapseln waren 
nicht wakrzunehmen. Morphologisch anders geartete oder farberische 
Unterschiede aufweisende Mikroorganismen waren in den AusstrichprS- 
paraten nicht zu sehen. Im hangenden Tropfen in Kochsalzverdunnung 
war wohl molekulares Zittern, aber keine Eigenbewegung zu beob- 
achten. 

Im 11 Tage lang bei Zimmertemperatur gehaltenen Eiter im allgemeinen dasselbe 
Bild. Doch waren die Ketten kiirzer (8 Individuen, w&hrend sich am 1. Tage bis zu 
20 fanden), dabei in den Ketten oft deutliche Formierung der Glieder zu Diplo- 
bazillen. Ferner fanden sich auch die Bakterien zu kleinen Haufchen aggregiert. Von 
den Leukozyten war nur noch ein korniger Detritus vorhanden. — Polfarbung war 
weder am 1. noch am 11. Tage wahrzunehmen; doch fanden sich in dem 11 Tage 
alten Eiter neben gut gefarbten auch recht blasse Exemplare. 

In Giemsa-(Griibler)-Farbung erschienen die Mikroben in einem blafiblauen 
Farbentone. Irgendwelche different gefarbte Teile waren im Bakterienprotoplasma 
nicht wahrnehmbar. — Der 11 Tage lang aufbewahrte Eiter zeigte, nach Giemsa ge¬ 
farbt, wieder die Variabilitat der Farbungsintensitat von Zelie zu Zelle. 

Polvchromes Methylenblau mit nachfolgender Tanninbeize gab etwas deut- 
lichere Bakterienbilder als die Giemsa-Tinktion, doch waren auch mit dieser Methode 
durch distinkte Farbung erkennbare Strukturverhaltnisse im Bakterienlcibe nicht zu 
erkennen. 

K a 11 u r e n des Exsudates wurden angelegt: 

Aerob: 1) in Peptonbouillon, 2) auf Fleischbriihepeptonagarplatten, 3) auf Serum- 
agarplatten und 4) auf Blutagarplatten. 

Anaerob: Schiittelkultur uach Liborius-Veillon in hochgeschichtetem, '/.-proz. 
Tranbenzuckeragar mit Zusatz von l L Volumen eiweiBreicher, steriler Hydrokelen- 
flumigkeit (wird von nun an kurz als Serumzuckeragar bezeichuet werden). 

Die aerob angelegten Kulturen blieben 3 Tage in Beobachtung und zeigten — 
auch bei mikroskopischer Kontrolle — trotz reicher Beschickung kein Wachstum. Aus- 
-aaten, die nach 24 Std. von der Bouillon auf Agar-, Serumagar- und Blutplatten vor- 
genommen wurden, blieben erfolglos. 

Im hochgeschichteten Berumzuckeragar trat nach 3 Tagen Wachstum in der Tiefe 
auf in Form kleinster, stecknadelspitzgroBer Piinktchen, die zur ziemlich gleichen Zeit 
and in grofler Zahl aufschossen. Die Kolonien vergroBerten sich in den folgenden 
Tagen etwas, doch die infolge des reichlichen Wacnstums auftretende Triibung des 
Nihrbodena verhinderte eine weitere Beobachtung der Einzelkolonien. Bald traten auch 
<iasblasen auf. 

Nach Gram gefarbte Objekttragerausstriche aus dieser Kultur ergaben negative 
Htibchen und mehr kokkenahnliche iormen, die im Aussehen den im Exsudate ge- 
fundenen glichen, mit der Ausnahme, daB einzelne von ihnen ausgesprochene Polfarbung 
zeigten. 


Morphologic des kultivicrten Bakterlums. 

Als Normalform erscheint ein Kurzslabchen, gegen das Ende sich 
verjfingend nnd an den Enden abgerundet, von 0,6—1,0// durchschnitt- 


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Centralb]. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


licher Lange. Diese liegen oft in den tiiissigen Kulturmedien in kleinen 
Haufchen, die im hangenden Tropfen grofie Aehnlichkeit mit agglu- 
tinierten Typhusbakterien aufweisen, erscheinen auch einzeln, mit be- 
sonderer Vorliebe als Diplobazillen und schlieBlich in kurzen Ketten. 
Doch fanden sich in den ersten Passagen auch etwas langere Ketten. 
(Regelmafiig lange Ketten erhielt man, wie spater noch besprochen 
werden soil, in den Kulturen, die aus Organen infizierter Tiere angelegt 
worden waren.) 

Daneben wurden auch, und zwar mitunter in groBer Menge, ganz 
kurze kokkenahnliche, runde Oder ovoide Formen angetroffen, bis zu 
0,3 /< Durchmesser hinunter. Spater fanden sich auch langere und 
etwas plumpere Stabchen. 

Ferner zeigten sich schon in den erstangelegten Kulturen lange 
Faden, die teils gegliedert, teils ungegliedert auftraten, leicht gebogen 
oder auch starker gewunden waren und, von schwankender Breite, mit¬ 
unter zu betrachtlicher Lange heranwuchsen. Die Faden waren dabei 
oft durch in Ketten angeordnete Individuen unterbrochen, oder liefen 
in kettenformig hintereinander gereihte Einzelzellen aus, auch auf diese 
Weise den Streptobazillencharakter des Bakteriums dokumentierend. 
Besonders diinne und in sich verschlungene Faden fanden sich in den 
Kulturen in erstarrter Hydrokelenflussigkeit. Die Faden wurden sowohl 
in fliissigen und festen Nahrboden, als auch in Oberflachenkulturen auf- 
gefunden; mit besonderer Vorliebe aber schienen sie sich in wenig zu- 
sagenden Kultursubstraten zu entwickeln, wo es zu einer verlangsamten 
und nicht so kraftigen Entwicklung des Mikroorganismus kam. 

Die im Vergleiche zum Exsudatausstriche hervortretende Polymorphie 
wurde noch verstarkt durch Formen, die vorziiglich in zuckerbaltigen 
Nahrboden und insbesondere dann auftraten, wenn es durch rasch auf- 
einanderfolgende Ueberimpfungen in Serumzuckerbouillon-Passagen zu 
einer gesteigerten Raschheit der Entwicklung und zur lebhaften AeuBe- 
rung des Stoffwechsels des Bakteriums kam. Diese Formen sahen wie 
der Lange und Breite nach geblaht aus, waren oft nach der einen Seite 
ganz leicht gekrflmmt, dabei aber auch als Kokkenahnliche und als 
Stabchen auftretend. Im allgemeinen farbten sie sich blasser mit ver- 
diinntem Karbolfuchsin, mit tiefroter Tinktion der Enden, so dafi pol- 
gefarbte Gebilde von variabler GroBe resultierten, die in der Mitte ein 
groBeres, ungefarbtes Korn zu enthalten schienen. Dadurch wurden die 
Bakterien den Stabchen aus der Gruppe der hamorrhagischen Septik- 
Smie morphologisch recht ahnlich. Im uugefarbten Zustande erschienen 
die ,Polkorner* dunkler und bei holier Einstellung starker glanzend als 
das Zentrum. 

Im Hinblick auf diese polgefarbten Blahformen lassen sich die meist 
blafigefarbten und etwas verbreiterten, gegliederten Faden sehr gut aus 
der Zusammensetzung mehrerer polgefarbter Stabchen erklaren, d. h. es 
kam bei diesen Fallen wohl zum Beginn der Querteilung der Bakterien- 
zelle, doch bewahrten die Tochterzellen ihren Zusammenhang an je 
1 polgefarbten Ende. 

Die Polfarbung trat ubrigens nicht immer an beiden Enden hervor; 
es gab auch Formen, die bloB an 1 Ende ein dunkelrotes Piinktchen 
trugen, und schliefilich auch andere, die ein solches in ihrer Leibesmitte 
aufwiesen. — Farbte man die Bakterien im hangenden Tropfen vital mit 
Neutralrot, so traten die Pole des Stabchens und die Kornchen der ge¬ 
gliederten Faden, die als Septen imponierten, als allein gefarbt distinkt 


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Freund, Eine dureh ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis. 13 


von dem ungefarbt bleibenden ubrigen Protoplasmaanteile hervor. Diese 
polgef&rbten Formen fanden sich nicht bloB in zuckerhaltiger Bouillon, 
sondern auch in Serumbouillon und in der Tiefe und auf der Oberflache 
von festen Nahrboden; sehr sparlich waren sie aber in serum- und 
zuckerfreien Substraten. Die Art der Fixation der Ausstriche war fiir 
das zahlreichere oder spSrlichere Auftreten von Blahformen nicht von 
Belang. Ein technisches Moment kam aber in Betracht: Die Fiirbungs- 
art. In Kulturausstrichen, die mit 10-fach verdiinntem Karbolfuchsin 
als Nachfarbung zur Gramschen Methode behandelt worden waren, 
vermiBte ich mitunter die Polfarbung, die jedoch bei kurzer Einwirkung 
konzentrierten Karbolfuchsins oft deutlich in Erscheinung trat. 

Zu einer progredienten Abnahme der Blahformen kam es in sonst 
reichlich diese Formen hervorrufenden Nahrmedien dann, wenn in groBeren 
Zwischenraumen iiberimpft wurde und die Entwicklung in den neu- 
beimpften Rohrchen eine verlangsamte war. Es erschienen dann meist 
kleine, diffus gefiirbte Bakterien. Auch in alteren Serumzuckerbouillon- 
Kulturen waren sie meist recht sparlich zu finden. 

Ich stelle mir vor, daB bei diesem Spaltpilze eine gewisse Varia¬ 
bility auch im biologischen Verhalten besteht, insofern, als etliche be- 
sonders nahrungsavid sind, sich mit N&hrstoffen beladen und dadurch 
gebiahte Form mit Polfarbung bekommen, also das schlecht gefiirbte 
Mittelstuck gleichsam als eine Nahrungsvakuole aufzufassen wiire. Diese 
Formen waren durch ihre Stoffwechselprodukte gleichzeitig die Haupt- 
trager der Fermentationen und GSrungen, die diese Mikroben bewirken. 
Man kbnnte sie demnach als Mastformen und nicht als Degenerations- 
erscheinungen auffassen. Sind nun die ihnen am meisten zusagenden 
Nahrstoffe erschbpft oder bringt man die Bakterien direkt in ein ihnen 
wenig zusagendes Kulturmittel, so iiberwiegen die kleineren, diffus ge- 
farbten, zu Kettenbildung und Diploformierung neigenden Stabchen als 
die resistenteren und mit groBerer Fortpflanzungsenergie begabten. Man 
konnte diese daher als Wuchs- oder als Hungerformen bezeichnen. 

Trotz des Auftretens zahlreicher Blahformen konnte an Praparaten, 
die teils nativ, teils fixiert mit Jodjodkaliumlosung oder auch mit Jod- 
tinktur bis zu 24 Std. lang behandelt worden waren, keine Granu- 
loseinfiltration, kenntlich an dem Auftreten blau- oder rot- 
violetter Einlagerungen, beobachtet werden, obwohl die verschiedensten 
Kulturen daraufhin untersucht wurden. Handelt es sich also bei den 
Blah- oder Mastformen um Einlagerung eines Kohlenhydrates, so muB 
es eine Art sein, die mit Jod keine Farbenreaktion nach Art des 
Glykogens oder des Dextrins gibt. 

Nur einmal beobachtete ich ein von dem bislier beschriebeneu ab- 
weichendes morphologisches Verhalten, als ich mimlich, nach mehreren 
vergeblichen Versuchen, den Mikroorganismus neuerlich in gewohnlicher 
anaerober Peptonfleischbriihe zum Wachstum bringen wollte. Es fanden 
sich neben den kleinen Formen auch zahlreiche diinne und dickere 
Faden. von welchen die letzteren blasser gefiirbt erschienen. Die Fiideu 
waren teils homogen gef&rbt, teils wechselten in ihnen intensiver und 
.'Chwacher gefarbte Stellen ab, wodurch ein septiertes Aussehen hervor- 
gerufen wurde. Dabei iibertrafen die blasser gefiirbten Anteile an 
Langenausdehnung die dunkler gefarbten. Die Fiiden waren manchmal 
zu dichten Zopfen verfilzt, meist mehrfach Hacher oder auch starker 
gekruinmt, erstreckten sich oft iiber ein ganzes Gesichtsfeld und lieBen 
mitunter die Zusammensetzung aus kleineren Individuen erkennen. Sehr 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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augenfallig und ganz abweichend von den fruheren Bildern aber war 
folgender Befund: Man konnte in dieser Bouillon auch Formen beob- 
achten, welche einer besonders starken Blahung und Defonnierung des 
Bakterienleibes ihre Entstehung verdankten, indem sich n&mlich Formen 
fanden, die an einem Ende birnformig aufgequollen, spermatozoenahnlich 
oder trommelschlagelartig verbreitert waren, auch solche, die in ihrer 
Mitte eine den Bakterienfaden um ca. das 3-fache an Dicke iibertreifende, 
spindelige Anschwellung besaBen, und schlieBlich auch zu birnformigen, 
groBen, ovalen oder rundlichen Gebilden umgestaltete, einzelliegende 
Stabchen von ca. 6,5 Lange und 4,8—5,0 // Breite (geschatzt mit dem 
Zeissschen Okularmikrometer). Im ungefarbten Praparate war nicht 
auffallig mehr von diesen bizarren Schwellungsformen zu sehen. 

Schon bei der nachsten Uebertragung in Bouillon waren diese be¬ 
sonders langen und gequollenen F&den bis auf schattenartige Gebilde 
verschwunden; an ihrer Stelle waren die in wenig zusagenden Nahr- 
boden auftretenden kleinen, ovoiden Stabchen nebst sp&rlichen und 
diinnen Faden auffindbar, die beide diffus und ziemlich kraftig Karbol- 
fuchsinfarbung annahmen. Bei Uebertragung in Serumzuckerbouillon 
erschienen nur die kleinen, teilweise polgefarbten Individuen, und auch 
solche, die ein starker gef&rbtes Korn in ihrer Leibesmitte aufwiesen. 
— Diese stark geschwellten und zu langen gebiahten Faden anwachsenden 
Formen miissen daher als Degenerationserscheinungen bei Ueber- 
tragungen in ungewohnte, an Nahrstoffen arme Medien betrachtet, 
werden. Ein Analogon waren die auf Salzagar auftretenden Bl&hformen 
des Pestbazillus. 

Die Far bung gelang am beaten mit verdiinntem Karbolfuchsin. Auch Karbol- 
gentianaviolett lieferte gute Bilder. Loefflers Methylenblau oder Karbolmethylenblau 

g ib wenig gute Resultate. Dem Gramachen Verfahren gegeniiber erwiesen sich die 
akterien ala ausnahmslos negativ, und zwar sowohl in der Kultur als auch im Tier- 
korper. Die Entfarbung erfolgt sehr rasch. 

Sporen wurden nie gefunden trotz zahlreicher darauf gerichteter Farbungen nach 
der Loefflerschen Methode. Die Bakterien zeigten keine Eigenbewegung. 

Kulturelles Verhalten des Bakteriums. 

Das Bakterium wachst nur unter anaeroben Bedingungen. Es ging 
in den tieferen Teilen der in holier Schicht nach Liborius und Veil- 
lon gefiillten Rohrchen anfangs nur in Agar an, dem natives EiweiB 
in Form steriler, eiweiBreicher Hydrokelenfliissigkeit zugesetzt war. 

Es bildeten sich darin bei der 1. Kultivierung nach 3 Tagen mit 
dem unbewaffneten Auge erkennbare Kolonien. Spaterhin erfolgte das 
Wachstum schneller, so daB schon nach 24 Std. Kolonien erkennbar 
waren, die im Laufe einiger Tage zu liber 1 mm groBen, scharf be- 
grenzten, linsenformigen Kolonien auswuchsen, die, soweit die leicht 
gelbliche Farbung des Nahrbodens eine Beurteilung zulieB, weiBlich- 
gelb gefiirbt waren. Die Kolonien zeigten also den Typus, den v. Hib- 
ler als den ,geschlossenen‘ bezeichnete. Nur selten, und zwar dort, 
wo mehrere nahestehende Kolonien zusammenflossen, wurde die Linsen- 
gestalt aufgegeben. Erfolgte sehr dichte Einsaat, so trat diffuse Triibung 
des Nahrbodens auf. 

Bald nach dem Auftreten der Kolonien zeigten sich in den Rohrchen 
Gasblasen. Die Gasbildung war mitunter eine derart Starke, daB es 
zur Zersprengung der Agarsaule und zum Auseinanderschieben der ge- 
sprengten Stficke kam. Die Gasentwicklung war besonders kraftig in 
Serumzuckeragar, fehlte aber auch in Serumagar nicht. 



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Freund, Eine durch ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis. 15 


Ueberimpfte man aus serumhaltigem Agar in gewohnlichen Fleisch- 
bruhepepton-Agar, so fand zwar in diesen Rohrchen ziemlich gutes 
Wachstum statt (auch Gas wurde, wenn auch spariich, gebildet, fehlte 
aber manchmal auch gSnzlich); eine weitere Kultivierung von diesen 
Agarrbhrchen wieder in Agar mifilang aber anfangs, so daB wohl die 
geringe Serummenge, die bei der Ueberimpfung mittels der Pasteur- 
schen Pipette vom serumhaltigen Nahrboden in den serumfreien mit- 
ubertragen wurde, die Vorbedingung zum Anwachsen in primar serum- 
freiem Agar war. 

Erst spater, nach bfteren Passagen in Serumzuckerbouillon, gelang 
es, in serumfreier Bouillon oder Zuckerbouillon geziichtete Kulturen mit 
Erfolg in gewdhnlichen Agar zu iibertragen. Doch war das Wachstum 
ein schwachliches und die Kolonien blieben klein. 

Oberfl&chenkolonien wurden nach der Methode von Lentz 
iSauerstoffabsorption durch mit Pyrogallussaure getrankte FlieBpapier- 
scheiben, AbschluB der Luft mittels Plastilin) auf Sernmzuckeragar leicht 
erzielt. Es kamen nach ca. 48 Std. kleinste, tautropfenahnliche Kolo¬ 
nien zum Vorschein, die sich in der Folge bis zu 3—4 mm Durchm. 
vergroBerten, doch blieb die GrbBe vieler Kolonien, besonders dort, wo 
dichtere Aussaat stattgehabt hatte, bei StecknadelspitzgrbBe stehen. 

Die Kolonien waren kreisrund, etwas opak, im durchfallenden Lichte 
leicht milchig getrObt (altere Kulturen gelblich), im auffallenden Lichte 
gelblich-weiU, erhaben, gianzend, von salbenartiger Konsistenz, doch 
lieBen sich manche Kolonien als ganze mit der Oese auf der Oberflache 
des Agsrs verschieben. Die Neigung zur Konfluenz war, selbst bei 
dichter Aussaat, eine geringe; auch auf 10 Tage alten Platten wurde 
sie kaum bemerkt. In den makroskopisch konfluierenden Stellen sail 
man mikroskopisch noch deutlich die Zusammensetzung aus einzelnen 
Kolonien. 

Bei 60-facher VergrQBerung ergaben sich folgende Bilder: Die Kolo¬ 
nien sind gelb-braun, nnd zwar im Zentrum dunkler als in der Peri¬ 
pherie, von rundlicher Gestalt; der Rand erscheint etwas vorgeschoben, 
ist glatt, nur an manchen Stellen ganz flach gezahnt. Die Kolonien 
sind zart granuliert, fein radiar gestreift. Bei manchen aiteren Kolo¬ 
nien (5 Tage alten) sieht man eine, bei hoher Einstellung gianzende, 
anscheinend homogene, gelbliche, runde, ca. VlO Durchm. der Kolonie 
haltende Stelle, welche als Zentrum der radiaren Streifen imponiert und 
oft kranzartig von ebensolchen, nur kleineren Flecken umgeben ist. In 
10 Tage alten Kulturen reprasentieren sich die gelbbraunen Kolonien 
als erftillt mit nach der Peripherie an GroBe abnehmenden, leicht wellig 
begrenzten, homogenen Schollen und Scheiben. Da sich in solchen 
Kolonien neben gut erhaltenen Stabchen auch kornig-wolkiger Detritus 
in groBerer Menge fand, sind diese Schollen wohl als regressive Meta- 
morphosen und Zerfallserscheinungen zu deuten. 

Bouillon. Ebenso wie in Agar, miBlangen in den ersten Passagen 
die Y r ersuche, den Mikroorganismus in serumfreier Bouillon oder Zucker- 
booillon zum Wachstum zu bringen. Erst nach 10 Serumzuckerbouillon- 
Passagen glflckte es, ihn von Bouillon zu Bouillon durch 5 Generationen 
fortzuzilchten. Doch lieBen die Kulturen ein immer mehr sich ver- 
spatendes Wachstum erkennen; in der 5. Bouillon-Passage begann es 
erst nach 5 Tagen. Dabei traten auch die beschriebenen MiBbildungs- 
formen auf. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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In Serumzuckerbouillon ging der Mikroorganisraus schnell an und 
zeigte folgende Entwicklung: Nach 10—20 Std. erfolgte zunachst eine 
Triibung des gesamten Nahrmediums, der bald Gasentwicklung folgte. 
welche initunter so sturmisch war, daB die Bouillon einem perlenden 
Sodawasser glich. Bald konnte man auch Flockchen, die teils am Boden 
des Reagenzglases lagen, teils an den Wanden hafteten, bemerken, welch 
letztere sick allmahlich senkten. Nach 48—60 Std. horte die Gasent¬ 
wicklung auf und es begann eine rasche Klarung der Bouillon, welche 
nach kurzer Zeit eine vollstandige war. Am Boden lag dann, die Kuppe 
ca. Vi cm hoch bedeckend, ein weiBer, pulverig-tlockiger Bodensatz, der 
anfangs leicht, in alteren Kulturen aber nur schwer aufzuschiitteln war. 
Die Gasentwicklung entsprach, dem Volumen nach geschatzt, oft einem s /' 1 
der Hohe der beimpften Flussigkeit. Uebertrug man Serumzuckerbouillon- 
Kulturen mittels der Pipette in etwas reichlicher Menge in Bouillon oder 
Zuckerbouillon, so trat Triibung nur ganz vortibergehend auf, Oder iiber- 
haupt nicht. In Bouillon konnte lmal, bei den 1. Ueberimpfungen you 
Serumzuckerbouillou aus, ein Bodensatz beobachtet werden, welcher 
durch seine geballten Wattekiigelchen ahnliche Beschaffenheit lebhaft an 
die Serumbouillonkulturen der fusiformen Bakterien erinnerte. Ueber¬ 
trug man von Bouillon in Bouillon — wobei es erst, wie erwahnt, nach 
mehreren Serumzuckerbouillon-Passagen gelang, Wachstum zu erzielen 
so trat mitunter schwache Gasbildung, uie aber Triibung auf. Die Bak¬ 
terien entwickelten sich als Belag auf dem Boden der Eprouvette, dock 
war die Struktur des Bodensatzes meist eine mehr fadige oder feinsten, 
flottierenden Watteflockchen ahnliche, welcher Bodensatz — dem schnellen 
Zerfall der Mikroben in gewohnlicher Bouillon entsprechend — sich 
bald zu einer der Harnnubecula ahnlichen Formation umgestaltete. 

Nicht unerwaknt moge dabei die Technik der anaeroben Kultivierung 
in fliissigen Niihrboden bleiben, welche wir nach dem Vorbilde B. Runeberg.s 
anwandten. Paraffin- oder Olivenol als Ueberschichtungmittel der Bouillonrohrchen 
garantiert nur einen voriibergehenden Schutz vor dem Eindringen atmospharischer Luft 
in die Fliissigkeit, welche aurch ‘/j-stiind. Kochen im JDampftopfe von adsorbierten 
Gaeen befreit wurde. Rune berg hat nun, das W eichselba u msche Gefrierver- 
fahren verbessernd, folgende Methode angegeben: Nach l / t -atuud. Auskochen kommen 
die Rohrchen sofort in Eiswasser, werden nach der Abkiihlung schnell beimpft und 
mit sterilem, geschmolzenem Paraffin vom Schmelzpunkt ca. 40° in 1 /, cm hoher Schicht 
iiberschichtet. Nach dem Erstarren des Paraffins dient dieses nun sozusagen als 
Schwimmer fiir eine dariiber geschichtete, ca. 2 cm hohe Menge von Agar, welcher als 
eigentlich gasundurchliissiges Medium zu betrachten ist. Dariiber schichteten wir nun, 
uni ein Eintrocknen des von der Paraffinscheibe getragenen Agarpfropfens zu ver- 
meiden, nach dem Erstarren des Agars in Eiswasser, eine 2. Lage von geschmolzenem 
Paraffin von 1—2 mm Dicke. Diese Methode ist bei einiger Uebung leicht anwendbar 
und ergab uns ausgezeichnete Resultate. Als ein besonderer Vorteil derselben erscheint 
der Umstand, daS Objekttragsrausstriche nicht durch das sonst beinahe unvermeidlich 
mit dem Kulturmaterial darauf gebrachte fliissige Paraffin veruoreimgt werden. 

In Tarozzi-Bouillon konnte auch ohne Ueberschichtung Wachs¬ 
tum am Grunde des Rohrchens erzielt werden. In Peptonwasser 
konnte auch bei 1-monat. Beobachtung ein Wachstum nicht wahrgenomraen 
werden. In fester Gelatine (also bei hochstens 22° gehalten) wuchs 
der Mikroorganismus nicht. In bei Brutofentemperatur gehal¬ 
ten er, mit Agar iiberschichteter Gelatine erfolgte bei Einimpfung 
aus Serumzuckerbouillon nach einigen Tagen Wachstum als Bodensatz. 
Brachte man solche Rohrchen in kaltes Wasser, so erfolgte promptes 
Erstarren in Gelatine. Peptonisierendes Ferment wird also nicht ge- 
bildet. In erstarrte Hydrokelenflussigkeit gestochen, erfolgte 
Wachstum und Gasbildung, niemals aber Verfliissigung. 



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Freund, Eine durch ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis. |7 


Hirnnahrboden nach Hi bier, mit Agar iiberschichtet, wurden 
□ach einigen Tagen in den unter dein Agar gelegenen Teilen geschwSrzt. 
V T oraus ging sparliche Gasbildung. Die Reaktion des HirnnShrbodens 
blieb dabei eine saure. Dieser Befund steht im Gegensatze zu den 
Angaben v. Hi biers, dafi Hirnnahrboden schwSrzende Anaerobier 
stets geronnenes Serum verflussigen. Doch gibt Hibler in seiner 1913 
erschienenen Arbeit selbst eine Ausnahme von diesem Gesetze an. 

In Milch erfolgte kein Wachstum. Mit einem geringen Serum- 
zusatze versehene Milch jedoch wurde nach Gasbildung in 3 Tagen 
koaguliert. Eine Peptonisierung des Gerinnsels fand nicht statt. 

Lackmusmaltose-, Mannit- und Saccharosebouillonen 
wurden von Serumzuckerbouillon-Kulturen beschickt. Die Nahrmedien 
wurden gerotet, es kam zur Gasbildung und schlieBlich zur volligen Ent- 
f&rbung. Diese EntfSrbung, die durch l&ngeres Auskochen unserer 
Lackmusbouillonen allein nicht hervorzurufen war, muB durch Reduktion 
des Lackmusfarbstoffes zu einem farblosen Chromogen bedingt sein. 
Denn wurden die RShrchen wieder der Luft ausgesetzt, so kehrte nach 
1 Tage die rote Farbe wieder; wahrscheinlich also eine Oxydation des 
Chromogens zum gef&rbten Korper. Das Wachstum erfolgte in diesen 
Lackmuszuckerbouillonen langsam und dauerte 5 Tage bis zur makro- 
skopisch kenntlichen Entwicklung. Die als Bodensatz bei vollkommen 
klar bleibender Fliissigkeit gedeihenden Bakterien bildeten — abweichend 
von dem pulverig-flockigen Sedimente in zusagender Bouillon — einen 
fadigen, an flotti^rende Wasseralgen erinnernden Bodensatz. Neutral- 
rot-Zuckeragar (5 Tr. einer konzentr. Losung auf 12 ccm Agar) 
wurde zersprengt und teilweise entfarbt; die entfarbten Partien fluore- 
szierten grunlich. 

Alle Kulturen rochen ekelerregend ranzig-fotid, mitunter an den 
Geruch faulenden Eases gemahnend. BloB bei den Kulturen in erstarrter 
Hydrokelenflflssigkeit konnte ich diesen Geruch nicht wahrnehmen. Die 
ursprunglich leicht alkalische Reaktion der Bouillonen schlug nach dem 
2., spStestens aber am 3. Tage in saure urn. Bei Zim mertempe¬ 
ra tur erfolgte weder in Gelatine, noch in Serumzuckerbouillon oder SZ- 
Agar Wachstum. 

Die Resistenz der Bakterien gegen Erhitzen ist gering. 
Wurden in Eiswasser gekiihlte Bouilloukulturen 2‘/ 2 Min. lang im Dampf- 
topfe erhitzt, gleich darauf in Eiswasser abgekiihlt, mit Serum versetzt 
und rasch mit Paraftinagar verschlossen, so lieBen sie bei 14-tfig. Be- 
obachtung kein Wachstum erkennen. 

Dagegen ist die Lebensfahigkeit der Kulturen eine betrachtliche. 
Die Ueberimpfung aus einer 5 Tage bei 37° und dann 30 Tage bei 
Zimmertemperatur im Dunkeln gehaltenen Agarkultur, sowie die einer 
26 Tage im Brutschrank verbliebenen Agarkultur lieB krllftiges Wachs¬ 
tum mit Gasbildung in Serumzuckerbouillon bereits nach 24, resp. 40 Std. 
erkennen. 

Das Bakterium wurde in Serumzuckerbouillon in 20 Passagen weiter- 
gezQchtet, ohne hierbei in seinen Eigenschaften auffUllige Aenderungen 
zu erfahren. 

Chemische Leistungen. 

Die besonders in kohlehydrathaltigen Niihrboden auftretende, leb- 
hafte Gasbildung wurde schon besprochen, ebenso die F&higkeit, Serum- 

Enu Abt. Ong. Bd. 88. Heft 1. 2 


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ICentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


milch zur Koagulation zu bringen, Hirnbrei zu schwflrzen, Sauren zu 
bilden und stinkende Zersetzungsprodukte zu liefern. 

Von chemisch nachgewiesenen Korpern wurden gebildet: Schwefel- 
wasserstoff (nachgewiesen mittels Bleiazetatstreifen sowohl im De- 
stillate als auch wahrend des Kultivierens); Indol in reichlicher Menge 
auch. schon in jungen Traubenzuckerbouillonen (nachgewiesen mittels 
der Nitritreaktion von Bayer-Salkowski, der Oxals&urestreifen nach 
Morelii und der Ehrlichschen Indolreaktion); Aethylalkohol 
(durch Ueberfflhren des Destillates mitJod und Kalilauge in Jodoform); 
Buttersaure in betrachtlicher Menge. Die Buttersflure wurde im 
Destillat durch Ueberfflhrung in ihren Aethylester mittels Schwefelsaure 
und Aethylalkohol und mikrochemisch durch die sich bildenden mono- 
klinen Nadeln bei Ueberfflhrung in ihr Kupfersalz und Auskristallisieren 
durch Zusatz von Alkohol nachgewiesen. Spuren von Milchsaure 
konnte ich im abgedampften Aetherauszug mit Eisenchloridlosung oder 
mittels des Uffelmann schen Reagens nicht mit Sicherheit nachweisen. 
Essigsaure und Azeton fehlten immer. 

Tierpathogencs Verlialten. 

Um am nur teuer und schwer zu beschalfenden Tiermaterial zu 
sparen, muBten die Tierversuche auf das unumgflnglich notwendige MaB 
beschrflnkt werden: 

TV. 1. Ein Meerechweinchen von 280 g erhielt 1 ccm Bodensatz einer 3 Tage 
alten Bouillonkultur 2. Kulturpassage subkutan unter die Haut des Bauches. Am 
nachsten Tage entwickelte sich ein derbes Infiltrat, das in den 'folgenden Tagen an 
Lange und Breite zunahm. Am 6. Tage nach der Infektion hatte sich ein iiber nufl- 
grofier, fluktuierender Abszeli gebildet. Der Abszefi wurde nach entsprechender Des- 
infektion der ihn bedeckenden Haut punktiert und 1 ccm gelblichen, flockigen Eiters 
von nicht fotidem Geruch aspiriert. Der Eiter gerann scbnefi unter Fibrinausscheidung. 
Im Ausstriche des Eiters fanden sich kleine, dem beschriebenen Mikroorganismus ent- 
sprechende, oft als Diplobazillen gruppierte Stabchen, moist extrazellular gelagert. Auch 
geblahte Formen mit deutlicher Polfarbung waren zu sehen. Die aus diesem Eiter an- 
gelegten aeroben Kulturen blieben steril. Anaerobe Kulturen ergaben den Bazillus in 
Keinkultur. — 8 Tage post infectionem halte sich der Abszefi zu einem Geschwiir um- 

f ebildet, das 14 Tage p. inf. deutliche Heilungstendenz zeigte. 24 Tage nach erfolgter 
nfektion war das Ulcus vernarbt. Eine Gewichtsabnahme des Tieres war in der Zeit 
seiner Erkrankung nicht zu konstatieren. 

TV. 2. Von der gleichen Kultur wurden 2 ccm einem Meerschweinchen von 320 g 
intraperitoneal einverleibt. Das Tier zeigte keinerlei Krankheitssymptome. 

Da angenommen werden konnte, dafi durch die Tierpassage vielleicht eine Patho- 
genitatssteigerung des Virus fur Meerschweinchen eingetreten sei, wurden in 

TV. 3. 2 ccm der aus dem Abszefieiter von TV. 1 gewonnenen 24-stiind. Serurn- 
zuckerbouillon eiuem Meerschweinchen (370 g schwer) zur Halfte subkutan, zur Halfte 
intramuskular in der rechten Lendengegend injiziert. Das Tier starb nach 4 Tagen. 
V 4 Std. post mortem wurde es seziert. Zuerst wurde, nach starker Erhitzung der 
rasierten Haut mittels des Bu nsen-Brenners, vom oberen Thorax her das Herz frei- 
gelegt und Herzblut. zur anaeroben und aeroben Kultur entnommen. — Es fand sich 
ein sulziges Oedem der Bauchhaut. Von der Injektionsstelle reichte bis an die vordere 
Bauchwand eine dais subkutane Gewebe mit gelblichem Eiter erfiillende Phlegmone. Im 
Eiter waren keine Gasblaschen wahrzunehmen. Die Phlegmone ging retroperitoneal im, 
intermuskularen Bindegewebe, und zwar am lateralen Rande des rechten Muse, psoas 
bis an die Linea terminalis des Beckens. Die Peritonealhohle war mit leicht getriibter 
Flussigkeit erfullt. Fibrin fand sich als flacher Belag herdformig am parietalen Peri¬ 
toneum, reichlicher zwischen linkem Leberlappen und Vorderflache des Magens, da- 
selbst leicht losbare Adhasionen bildend. Nahe der unteren Kante des linken Leber- 
lappens an der Vorderflache der Leber ein intrahepatal gelegener stecknadelkopfgrofier, 
scharf begrenzter, gelber Herd, dariiber lokal Fibrin. 

Im Ausstrich aus der Phlegmone fanden sich die beschriebenen Kurzstabchen, oft 
kurze Ketten bildend. Der grofite Teil lag extrazellular, doch sah man auch von Leuko- 
zyten phagozvtierte Bakterien. Im retroperitonealen Exsudate vorwiegend polgefarbte 


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Freund, Eine dureh ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis. 19 

cstrazellular gelegene Formen. Die Kulturen ergaben neben deni anaeroben Mikro- 
organismus aerobe, Ooli-ahnliche, auf Endo rot wachsende Stabchen Aus deni 
Herzblut dagegen ging der Anaerobe rein an, deutliche Ketten bildend. — Die histo- 
logieche Untersuchung ergab eine im subkutanen und intemiuskularen Bindegewebe 
gelegene Phlegmone mit wachsig-scholliger Degeneration der Muskulatur und deutlich 
hervortretendem Kernzerfall der polynuklearen Leukozyten. Das Knotchen in der 
Leber erwies sich als AbszeB; in dessen Umgebung Nekrosen und starkes Oedeni des 
Lebergewebes. Bei Bakterienfarbung sowohl in der Phlegmone als auch im LeberabszeB 
ungeheure Mengen kleiner Bakterien in wolkigen Haufen. 

Die — bei sonstiger Unwirksamkeit der Injektion in die Bauchhohle — in diesem 
Falle vorhanden geweaene sero-fibrinose Peritonitis legt den Verdacht nahe, aafi hier 
nicht nur der anaerobe Keim seine pathogene Wirkuug entfaltete, sondern auch eine 
Infektion mit dem Coli-ahnlichen Stabchen atiologisch zumindest mitangeschuldigt 
werden muB, um so inehr als 

TV. 4. ein mit derselben Kultur (14-stiind. Serumzuckerbouillon aus AbszeBeiter 
ron TV. 1) infra peritoneal geimpftes Meerschweinchen keiuerlei Erkrankungssym- 
ptonae bot. 

Immerhin muB dem Befunde der Reinzfichtung des Anaeroben aus dem Herzblut 
d«* Tieres Nr. 3 insofern Beachtung geschenkt werden, als hierdurch die Moglichkeit 
der Invasion des Mikroben in die Blutbahn vom subkutanen Gewebe und von der 
Muskulatur aus gegeben erscheint. 

TV. 5. Mit 1 ccm Bodensatz aus dem Herzblut des TV. 3. gewonnener Bouillon- 
kaltur wurde ein 5. Meerschweinchen von 450 g intramuskular in der rechten Glutaal- 
eegend infiziert. An der Injektionsstelle entwickelte sich in 2 Tagen ein derbes Infiltrat, 
das die ganze Streck- und Lateralseite des Oberschenkels einnahm und im Verlaufe 
von weiteren 2 Tagen auch zu einer derben Schwellung in der Inguinalgegend tiihrte. 
Das Tier schrie bei Beriihrung des Infiltrates und saB mit struppigem, gestraubtem 
Fell im Kafig. Nach 8 Tagen zeigte die Haut fiber dem rechten Oberschenkel ausge- 
dehnten Haarausfall und war dabei borkig-rissig und mit kleinen Exkoriationen be- 
deckt. Die Stelle des Infiltrates zeigte nun deutliche Fluktuation, jedoch kein Gas- 
knistern. Am 11. Tage kam es zum Durchbruch des Eiters zuerst auf der Kuppe der 
Schwellung in der Inguinalgegend. Die Schwellung bildete sich hierauf langsam zu- 
riick. Das Tier hatte aber nach 26 Tagen 130 g an Korpergewicht verloren. 

TV. 6. Schliefllich wurde einem groBen, grauen HaBen ‘/* ccm Bodensatz 48 Std. 
alter Serumzuckerbouillon in 6. Kulturpassage in die Randvene des Ohres injiziert. 
Bereits am folgenden Tage machte das Tier einen schwerkranken Eindruck, zeigte hef- 
tige Dyspnoe und lag apathisch im Kafig. Es magerte zusehens ab. An der Injek- 
tionastelle des Ohres entwickelte sich ein haselnuBgroBer AbszeB, mit dicklichem, gelbem 
Eiter gefullt, der in wenig reichlicher Menge den Erreger enthielt. Spater konnte das 
Tier die Hinterbeine nur noch in den Huftgelenken bewegen und lag meist mit auf- 
gestfitzten Vorderbeiuen auf der linken Seite des Hinterleibes auf. Am 12. Tage war 
auch die vordere linke Extremitat ataktisch, am folgenden Tage war sie gelahmt. Am 
14. Tage wurde das Tier, das einen schwer marantischen Anbliek bot, mit Chloroform 
getotet. 

Es fanden sich multiple, in der Muskulatur und im subkutanen Gewebe gelegene, 
bis haselnuBgroBe Abszesse in der Occipitalgegend und submental, hier scheinbar von 
vereiterten Lymphdrusen ausgehend. Darin aicklicher, nicht ffitider Eiter. In der 
Leber multiple bis hanfkorngrofle, gelbliche Abszesse, die sich derb anftiblten. Die 
linke Vena jugularis war in ihrem schadelwarts gelegenem Anteile von einem gelb- 
lichen, eitrigen Thrombus obturiert. An der Hinterhauptsschuppe reichte der Eiter 
eines Abszesses dureh den Knochen hindurch bis an die Dura mater in der Gegend 
der linken Kleinhirnhemisphare. 

Bakterioskopisch fand sich im Eiter der intramuskularen und der Leberabszesse 
der Erreger und wurde unter anaeroben Bedingungen als das einzige Bakterium aus 
Leber und Milz gezfichtet. Aerob angelegte Kulturen blieben samtlich steril. Auch 
.n diesem Falle gelang aus dem Herzblute die Kultur des Erregers. 

Fassen wir die Ergebnisse der Tierversuche kurz zusammen. so er- 
gibt sich, daii der Mikroorganismus befahigt ist, bei Meerschwein¬ 
chen vom Unterhautzellgewebe aus, sowie auch intrainuskul&r injiziert, 
nicht-fotide Abszesse zu erzeugen und, von diesen Depots aus, unter 
begflnstigenden UmstSnden (Sekundarinfektion) auch in die Blutbahn 
einzudringen. Bei Kaninchen, als den fiir anaerobe Infektionen 
empfSnglichsten Tieren, gelingt es, dureh intravenose Einverleibung ein 


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20 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 

septiko-pyamisches Krankheitsbild mit multipier Abszedierung hervor- 
zurufen. 

Intraperitoneal erfolgte Meerschweincheninfektionen ergaben keine 
merkliche Erkrankung der Versuchstiere, ein Verhalten, das sich ubrigens 
auch bei anderen, sonst tierpathogenen anaeroben Keimen besckrieben 
findet. 

Was nun die Stellnng des Bakteriums zu verwaudten Arten an- 
langt, so wird ein Vergleich durch die manchmal mangelbafte Beschrei- 
bung der bereits gefundenen, ahnlichen Anaerobier erschwert. Es wurden 
daher nur jene Arbeiten der mir zuganglichen Literatur zum Vergleiche 
herangezogen, die eine nahere Beschreibung des gefundenen Bakteriums, 
insbesonders auch in kultureller Hinsicht, enthielten. 

Der von Ghon, Mucha und Muller als Fall 1 bei anaeroben 
Meningitiden beschriebene Mikroorganismus ahnelt dem unsrigen durch 
seine an Influenzabazillen erinnernde Form im Ausstriche des Meningeal- 
exsudates, sein ablehnendes Verhalten gegeniiber der Gramschen FSr- 
bung, durch seine Polfarbbarkeit und durch die in der Form hervor- 
tretende Variabilitat, welche auch zur Fadenbildung fiihrte, sowie durch 
seine Unbeweglichkeit. Er glich ihm ferner kulturell in seinem Ver- 
mogen, Milch, wenn auch erst nach mehreren Wochen, zur Gerinnung 
zu bringen, dabei aber geronnenes Serum und Gelatine nicht zu ver- 
fliissigen. — Er unterschied sich von ihm aber wesentlich durch das 
Fehlen der Gasbildung, durch die, wenn iiberhaupt vorhandene, dann 
nur sehr schwache Indolbildung, ferner dadurch, daB seine Bouillonkul- 
turen niemals vollstandig klar wurden, durch die nur schwer erhaltbaren 
Oberfliichenkolonien, die einem zarten Rasen oder einem schleierartigen 
Belage glichen, und seine geringe Tierpathogenitat. 

Fall 2 derselben Autoren weicht schon in der Form der im Ex- 
sudatausstriche gesehenen Bakterien betrSchtlich ab, indem sie als viel 
groBer wie Influenzabazillen, mehr den Typhus'bazillen ahnlich beschrieben 
werden. Die Farbbarkeit nach Gram war eine schwankende; der Mikro¬ 
organismus war beweglich, wuchs auch bei Zimmertemperatur. produ- 
zierte in erstarrter Hydrokelenfliissigkeit Gas, schwarzte und verttiissigte 
das Serum, brachte Milch nicht zur Koagulation und vertiiissigte Gela¬ 
tine nach langerer Zeit; der Rand seiner Oberfliichenkolonien war auf- 
gefasert, die Tiefenkolonien klein und maulbeerartig. — Er glich dem 
hier beschriebenen Bakterium durch Gasbildung, die Schwarzung des 
Hirnniihrbodens, durch die Klarung der Bouillon nach einigen Tageu und 
durch Indolbildung; ferner dadurch, daB mitunter bei den auch zu langen 
Fiiden auswachsenden und besonders auf zuckerhaltigem NShrbodeu 
bipolar gefarbten Stiibchen keulen- und tonnenformige Anschwellungeu 
gefunden wurden. 

Im Fall 3 wurde ein schlanker, vibrionenartiger, leicht gekrilmmter, 
an den Enden spitzer, beweglicher Mikroorganismus nebst positiven 
Kokken gefuuden. Der Formenreichtum war kein groBer, doch wurden 
auch an Kokken erinnernde und (in iilteren Kulturen) gebliihte Indi- 
viduen angetroffen. Er war gramnegativ, wuchs in der Tiefe der Kul¬ 
turen in rundlichen oder wetzsteinformigen Kolonien mit grauem, neb- 
ligem Hofe und bildete auf der Oberflache fester Niihrbbden nur zarte 
Kolonien; er produzierte in erstarrtem Serum kein Gas und brachte es. 
ebenso wie Gelatine, nicht zur Verfliissigung. Die Milch wurde meist 
1 koaguliert und es trat Peptonisierung des Gerinnsels ein. Die in 
Bouillon auftretende Triibung blieb bestehen, Gas wurde nur sparlich 


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Freund, Eine durch ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis. 21 

gebildet. Wachstum fand auch bei Zimmertemperatur statt. Indol- 
bildung fehlte. Der Stamm war nicht tierpathogen. 

Der Erreger des Falles 4 glich im allgemeinen dem bei Fall 1 be- 
schriebenen. 

v. Hi bier hat in einem Falle von HirnabszeB neben grampositiven 
Streptokokken ein anaerobes Stabchen gefunden, das neben kokkenartig 
kurzen auch. Ianggestreckte Formen und in Kulturen Blahformen mit 
Granuloseeinlagerung aufwies. Es verhielt sich der Graraschen Fkr- 
bung gegentiber amphibol und es konnten Sporen und Sporenanlagen 
nachgewiesen werden. Es glich unserem Mikroorganismus kulturell nur 
durch seine ,geschlossenen‘ Tiefenkolonien, durch seine Fahigkeit, Ge- 
hirnbrei zu schwarzen und Milch zur Gerinnung zu bringen, sowie Gas 
und Indol zu bilden. — Doch war es beweglich, wuchs auch bei Zimmer¬ 
temperatur und brachte Gelatine zur Verfliissigung. Mausen injiziert, 
rief es Kr&mpfe hervor und totete mitunter dieTiere; bei Meerschwein- 
chen entwickelten sich bei subkutaner Einimpfung gashaltige Infiltrate, 
die sich mancbmal zu Abszessen umgestalteten. 

Russ beschrieb ein bipolar gefarbtes, influenzabazillenShnliches, 
gramnegatives, unbewegliclies Stabchen, das im Eiter eines periproktalen 
Abszesses neben grampositiven Streptokokken vorkam. Es bildete in 
alteren Kulturen mitunter ungegliederte Faden und wuchs nur unter 
anaeroben Bedingungen in traubenzuckerhaltigen Kultursubstraten; in 
Serumagar, Milch und Gelatine (letztere bei Zimmertemperatur gehalten) 
fand kein Wachstum statt. Die Oberflachenkolonien auf Traubenzucker- 
agar waren kreisrund, scharf begrenzt und fein granuliert; es bestand 
keine Neigung zur Konfluenz. Da es, Mausen injiziert, keinerlei Krank- 
heitssymptome hervorrief, hielt Russ es ftir einen Saprophyten. 

Der gramnegative Bacillus fragilis von Veil Ion und 
Zuber ist ein Stabchen, etwas kleiner als der Diphtheriebazillus, ent- 
weder isoliert liegend, oder auch als Diplobazillus auftretend; Ketten 
bildet er nicht. In Kulturen finden sich auch recht lange Formen. Er 
wachst bei Zimmertemperatur, auch auf Gelatine (ohne sie zu verfiussigen) 
nnd bildet Gas, doch nie in solcher Menge, urn die Agarsaule zu zer- 
sprengen. Die Kulturen sterben schon nach 7—8 Tagen ab, von welchem 
Verhalten der Bazillus auch seinen Namen bekam. — Bei Meerschwein- 
chen und Kaninchen, subkutan eingebracht, rief er Abszesse und Phleg- 
monen, intravenos Kaninchen injiziert, eine zum Tode fiihrende Kachexie 
hervor. 

Ein in einem jauchigen Pleuraexsudate von Niosi entdecktes, 
streptobazillenartiges Kokkobakterium war im Ausstriche des Eiters aus 
der Pleura zwar grampositiv, in den Kulturen der Gramschen F&rbung 
nach schwankend. Von Blahformen Oder Granulosebildung berichtet 
Niosi nichts. Es bildete in den Kulturen zwar Gas und brachte Milch 
ohne Peptonisation des Gerinnsels zur Koagulation, wuchs hingegen 
auch bei Zimmertemperatur (nicht in Gelatine), triibte die Zucker- 
bouillon gleichmaflig mit sp&rlichem Niederschlage, in einfacher Bouillon 
nie anwachsend. An der Oberflache von festen N&hrboden gedieh es nur 
kQramerlich (nach 5 Tagen mit freiem Auge erkennbare, stachelige Ko- 
lonien). Subkutane Infektionen blieben bei Meerschweiuchen und Ka¬ 
ninchen erfolglos, intrapleural und bei einem Versuche auch intraperi- 
toneal erwies es sich als pathogen. 

Das Coccobacterium mucosum anaerobicum, von Klinger 
in einem Hirnabszesse nach Bronchieektasien und Empyem neben fusi- 


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CentralbL f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 8«. Heft 1. 


formen Bakterien gefunden, war gramnegativ uud unbeweglich, ira Eiter 
von einer Schleimhiille urageben und bildete auf Zuckeragar typische 
Blahformen. Doch war Granuloseeinlagerung mit der Jodreaktion nach- 
weisbar. Im Eiter war Anordnung zu Ketten angedeutet. Es wuchs 
nur bei Brutofenteniperatur unter Gasbildung als linsenformige Tiefen- 
kolonie, verfliissigte erstarrtes Rinderseruin nicht und brachte Milch zur 
Koagulation. — Zum Unterschiede von dem Bakterium dieser Arbeit 
brachte es das Milchgerinnsel nach 4—9 Tagen zur Auflosung, ver- 
fliissigte Serumgelatine (Serumzusatz war zu seinem Gedeihen in alien 
Kulturen unbedingt erforderlich), bildete in Bouillon zunachst Boden- 
satz und dann Triibung; war in Oberflachenkultur nicht zu ziichten und 
seine Kulturen waren ausgesprochen fadenziehend. Meerschweinchen, 
Kaninchen und Mause gingen nach subkutaner Infektion an ausgedehnten 
Phlegmonen zugrunde. Intraperitoneale oder intravenose Injektion war 
wirkungslos. 

Schon groBere Verwandtschaft in Morphologie und kulturellem Ver- 
halten als die bisher verglichenen Arten weist der Bacillus thetoides 
von Rist und Guillemot auf, der nach der Beschreibung Rune- 
bergs ein polymorphes, oft polgefdrbtes Stabchen ist, das auch lange 
und verzweigte Faden bildet. Es ist gramnegativ und unbeweglich, 
wachst in Tiefenkolonien als gelbliche, bikonvexe Linse und bringt Milch 
zur Koagulation ohne Peptonisierung des Koagulums. — Es wSchst 
jedoch schon bei Zimmertemperatur rasch (auch in serumfreien Nahr- 
boden); seine blauweiBen, runden Oberflachenkolonien verraten eine leb- 
hafte Tendenz zu konfluieren; die Fahigkeit, Gelatine zu verfliissigen, 
ist eine schwankende; Bouillonkulturen klaren sich nicht. Es ist fiir 
Meerschweinchen pathogen. 

Noch nahere Beziehungen weist ein von Courmont und Cade 
beschriebenes, im Eiterausstriche pestbazillenShnliches Stabchen auf, das 
sie als einzigen Erreger bei einem Falle von Septikopyamie bei eineni 
jungen Manne fanden. Es lag im Eiter einer supraklavikuldren Lymph- 
drtise einzeln Oder als Diplobazillus, in Palisadenform, in kleinen 
Haufchen oder auch in kurzen 3er-Ketten, zeigte die 2 Enden starker 
gefarbt als den zentralen Rest und entfarbte sich nach Gram. Gut 
stimmt auch sein Verhalten in Bouillon mit dem von uns beschriebenen 
Stamme iiberein, indem es sie nur teilweise oder gar nicht triibte, darin 
Ketten und Haufchen und einmal auch die beschriebenen Degene¬ 
rations- und Schwellungsformen bildete. Die Autoren schreiben hieriiber: 
„Le microscope montre le ddveloppement du bacille en longues chainettes 
agglutindes et formant des flocons ou en trfes longs filaments. — Dans 
une culture laissde pendant un mois k l’air apr&s son ddveloppement 
dans le vide, nous avons constatd des formes renfldes, volumineuses, 
arrondies ou ovoides, situees au bout ou sur le corps de bacilles al¬ 
longes.“ — In Milch fand kein Wachstum statt. Kulturen waren noch 
nach 30 Tagen iiberimpfbar. — Das tierpathogene Verhalten stimmt mit 
dem von uns gefundenen vollig iiberein: Bei Meerschweinchen nach sub¬ 
kutaner Injektion Abszedierung, bei Kaninchen nach intravenoser Ap- 
plikation Leberabszesse. — Er unterscheidet sich von unserem Stamme 
jedoch durch die durchaus fehlende Gasbildung, die Formen der Ober¬ 
flachenkolonien auf Agar, die den zarten Pneumokokkenkulturen glichen. 
Doch ist es immerhin moglich, daB die verschiedenen Kultursubstrate 
(in unserem Falle Ser.-Zuck.-Agar, bei Courmont- und Cade-Agar) 
das differente Verhalten der Oberflachenkolonien bewirken. Ferner kam 


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Freund, Eine durch ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis. 23 


der Baziilus C.’s und C.’s raitunter auch in bei 20° gehaltener Gelatine 
zur Entwicklung. 

Die weitestgehende Verwandtschaft zeigt ein von Kisskalt ira Eiter 
eines nach der Vagina durchgebrochenen Abszesses nachgewiesener 
Streptobazillus, der gleichfalls einmal (in 1. Generation in Zucker- 
bouillon wachsend) ausgesprochene Fadenbildung mit starker Quellung 
der Enden oder kugeliger Auftreibung in der Mitte aufwies. Hervor- 
zuheben ist dabei, daft Kisskalt von einer Polfarbbarkeit des Bak- 
teriuras nichts berichtet. Es unterscheidet sich kulturell vom be- 
schriebenen Bakterium bloft durch die gleichmafiige Trubung der Bouillon, 
in welcher es auch bei den ersten Ziichtungen ohne Serumzusatz 
wuchs, und durch, wenn auch geringes, Wachstum in Peptonwasser, 
biologisch durch fehlende Schwefelwasserstoffbildung und, was sein 
tierpathogenes Verhalten betrifft, durch die absolute Un- 
empfanglichkeit von Meerschweinchen, bei Kaninchenversuchen durch 
die fehlende Pathogenit&t bei intravenoser Einverleibung, sowie durch 
die Bildung von Gas innerhalb der Infiltrate, welche durch subkutane 
Injektion bei Kaninchen erzeugt werden konnten. 

Kisskalt identifiziert sein St&bchen mit dem kulturell sehr Shn- 
lichen Bacillus funduliformis Halles, der aber nach der Be- 
schreibung Rists die seinem Namen entsprechenden vielformig ge- 
stalteten, farbbaren Anschwellungen und Fadenbildungen in Kulturen 
mit groftter Regelmaftigkeit bildet, so daft diese, wie Rist sagt, kaum 
als Involutionsformen bezeichnet werden kdnnen. 

Aehnlich gestaltete Schwellungsformen — meist verbunden mit 
Granuloseinfiltration — wurde in manchen NShrsubstraten von v. Hibler 
bei verschiedenen Anaerobiern und auch von Ghon und seinen Mit- 
arbeitern bei Fall 2 beschrieben, so daft sowohl das St&bchen Kiss- 
kalts als auch das in dieser Arbeit beschriebene Bakterium wohl nahe 
verwandt, nicht aber identisch mit dem Bacillus funduliformis ist. 

Die Photographien und Mikrophotogramme wurden von Herrn Adj. 
Dr. Pries el angefertigt, wofiir ich ihm auch an dieser Stelle meinen 
besten Dank sage. 


Liter atm. 

1) Bohme, A., Zur Anwendung der Ehrlichschen Indolreaktion fiir bakterio- 
logische Zwecke. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 40. S. 129.) — 2) Coronini, C., 
u. Priesel, A., Zur Kenntnis der Bacillus f usi f orm is - Pyamicn. (Frankfurt. 
Zeitechr. f. Pathol. Bd. 23. 1920. H. 2. Sond.-Abdr.) — 3) Courmont. P., et Cade, 
Bur une septico-pyohdmie de l’homme simulant la peste et caus6e par un strepto-bacille 
anaerobic. (Arch, de m&l. exp6rim. et d’anat. path. T. 12. 1900. p.393.) — 4) Friih- 
wald, V., Bacillus fusiformis als Erreger von Meningitis und HirnabszeB. 
(Monatsschr. f. Ohrenheilk. Jg. 47. 1913. S. 1021.) — 5) Ghon, Mucha u. Muller, 
Zur Aetiologie der akuten Meningitis. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 41. S. 1, 
145. 305, 401, 504, 606, 589.1 — 6) Ghon, A., u. Mucha, V., Zur Aetiologie der 
pyamischeu Prozesse. (Ibid. Bd. 49. 8. 493.) — Ghon, A., u. Roman, B., Zur 
hJiuik, Genese und Aetiologie der eitrigen Meningitis im Kriege. (Med. Klin. 1915. 
Nr. 40. Bond.-Abdr.) — 8) Heyde, M., Zur Kenntnis der Gasgangran und uber einen 
Fall von HirnabszeB, ausschlieBlich bedingt durch anaerobe Baktenen. (Bruns’ Beitr. 
z. klin. Chir. Bd. 61. 1909. 8. 50.) — 9) Ders., Zur bakteriellen Aetiologie und 
Klinik des Hirnabszesses. Dtsch. med. Wochenschr. Jg. 34. 1908. 8. 2214. — 10) v. Hib¬ 
ler. E., Untersuchungen iiber die pathogenen Anaeroben. Jena (Fischer) 1908. — 
11) Ders., Zur Kenntnis der pathogenen Anaeroben. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. 
Bd. 68. 8. 257.) — 12) Kisskalt, Zur pathogenetischen Bedeutung des Bac. fun- 
dnliformis. (Dtsch. med. Wochenschr. Jg. 31. 1905. 8. 1270.) — 13) Klinger, R. 
Ceber einen neuen pathog. Anaeroben aus menschlichem Eiter. (Centralbl. f. Bakt 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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Abt. I. Orig. Bd. 62. S. 186.) — 14) Liborius, Beitriige zur Kenntnis des Sauerstoff- 
bedfirfnisses der Bakterien. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 1. 1886.). — 15) Maresch, R., 
Zur Kenntnis der durch fusiforme Bazillen bedingten pyamischen Prozesse. (Centralbl. 
f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 77. S. 130.) — 16) Morel!i, G., Ueber ein neues Verfahren 
zum Nacliweis von Indol auf Nahrsubstraten. (Ibid. Bd. 50. S. 413.) — 17) N iosi, F., 
Untersueliung eines streng anaeroben Bazillus. (Ibid. Bd. 58. S. 103.) — 18) Rist, E., 
Neue Methoden und neue Ergebnisse im Gebiete der bakt. Untersuchungen gangranoser 
und fotider Eiterungen. (Ibid. Abt. I. Bd. 30. S. 287.) — 19) Runeberg, B., Studien 
viber die bei peritonealen lnfektionen vorkommenden sauerstofftoleranten, sowie obligat 
anaeroben Bakterien. (Arb. a. d. Pathol. Inst. Helsingfors. Bd. 2. 1908. S. 271.) — 
20) Russ, V. K., Ueber ein influenzabazillenahnliches anaerobes Stabchen. (Centralbl. 
f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 39. S. 357.) — 21) Schottmfiller, H., Zur Bedeutung 
einiger Anaeroben in der Pathologie. (Mitteil. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir. Bd. 21. 
S. 450.) — 22) Tarozzi, G., Ueber ein leicht in aerober VVeise ausfiihrbares Kultur- 
mittel von einigen bis jetzt fur strenge Anaeroben gehaltene Keime. (Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Orig. Bd. 38. S. 619.) — 23) Veillon et Zuber, Recherches sur quelques 
microbes strictement ana^robies et leur role en pathologie. (Arch, de rited. expdr. et 
d’anat. path. T. 10. 1898. p. 517.) - 24) Wrzosek, A., Beobachtungen fiber die Be- 

dingungen des Wachstums der obligaten Anaeroben in aerober Weise. (Centralbl. f. 
Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 43. S. 17.) 


Tafelerkl&rung. 

Fig. 1. 60 Std. alte Serumzuckerbouillon-Kultur. 

Fig. 2. Fiidiger Bodensatz in Lackmus-Maltosebouillonkultur. 

Fig. 3. Bouillonkultur von Kaninchenherzblut des Tiervers. Nr. 6. — Wachstum 
fand bloS in dem zentral gelegenen, von Fibrin begrenzten Zylinder statt. 

Fig. 4. Oberflacheukolonien von 4 Tage alter Kultur auf Serumzuckeragar 
(natfirl. Grofie). 

Fig. 5. Oberflachenkolonie von 10 Tage alter Kultur auf Serumzuckeragar. 
(Lupen vergrofieru n g). 

Fig. 6. Teil emer 2 Tage alten Oberflachenkolonie auf Serumzuckeragar. (Starkere 
Vergrofierung, Einstellung auf den leicht gewellten Rand). 

Fig. 7. Teil einer 2 Tage alten Kolonie auf Serumzuckeragarplatte. (Starkere 
VergroBerung, Einstellung auf das Zentrum der Kolonie). 

Fig. 8. 10 Tage alte Oberflachenkolonie auf Serumzuckeragar. Die Kolonie ist 

▼on homogenen Schollen und Scheiben erfullt. (Schwache Vergr.) 

Fig. 9. Ausstrich aus dem Exsudat im Seitenventrikel. Farbung mit verdfinntem 
Karbolfuchsin. (Immersion.) 

Fig. 10. Ausstrich von Oberflachenkultur auf Serumzuckeragar. Stabchen mit 
dunkler gefarbten Kornchen an den Enden oder in der Mute, kurze gegliederte Faden 
und kokkenahnliche Formen. Karbolfuchsin. (Immersion.) 

Fig. 11. Faden mit einer groBeren und mehreren kleineren Anschwellungen aus 
Bouillonkultur. Karbolfuchsin. (Immersion.) 


Nachdruck verboten. 

Ueber eine durch die Stabchen aus der Gartner-Gruppe 
hervorgerufene Meerschweinchenepidemie, mit besonderer 
Beriicksichtigung der Morphologie und Biologie dieser 

Stabchen. 

Von Dr. Allred Trawiriski. 

1917 brach im Serotherapeutischen Institut des Herrn Hofrats Prof. 
R. Paltauf in Wien eine Meerschweinchenepidemie aus, welcher eine 
grodere Anzahl gesunder Versuchstiere erlag. Die naturlich infizierten 
Tiere erkrankten stets unter fieberhaften Erscheinungen, Appetitlosig- 
keit, Mattigkeit, Diinndarmkatarrh, allgemeiner Schwache und gingen 



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Centralblati fiir Bakteriologie Abt. I. Orig. Bd. 88. 

Freund , Fine (lurch ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis. 



Verlag von Gustav Fischer in Jena. 


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Tra w i 11 ski, Eine aus d. Gartner -Gruppe hervorgeruf. Meersch weinchenepid. 25 


naeh einigen Tagen zugrunde. Bei der Autopsie gestorbener Tiere konnte 
in Qberwiegender Mehrheit der Falle akuter Milztumor, Diinndarmkatarrh, 
Lungenodem und fibrbse Peritonitis, bei mannlichen Individuen auch 
Hodenschwellnng, festgestelit werden. Der Assistent des Institutes, 
Dr. Silberstein, schickte rair mehrere von den inneren Organen der 
gestorbenen Tiere isolierten Stamme zur bakteriologischen Differenzierung 
nnd Bestimmung der Spezies. 

Vor kurzem hatte ich personlich Gelegenheit, eine Meerschweinchen- 
epidemie, die unter denselben Krankheitserscheinungen verlief, zu be- 
obachten. Ich isolierte von den inneren Organen sezierter Tiere eine 
Reibe von St&mmen, die mit den oben erw&hnten Wiener Stammen voll- 
kommen ubereinstimmten. 

In beiden Fallen handelte es sicli um eine recht bosartig verlaufende 
Epidemie, die durch pathogeue Keime der Gartner-Gruppe hervor- 
gerufen wurde. Die isolierten Stamme zeigten dieselben allgemein- 
morphologischen, kulturellen und biologischen Eigenschaften wie Stamme 
der engen Paratyphus B- und Gartner-Gruppe, konnten in Betracht 
ihrer serologischen Merkmale (Agglutination) der Gartner-Gruppe ein- 
gereiht werden, lieBen sich aber vom B. enteritidis Gartner besonders 
dnrch differente speziell-morphologische Merkmale, und zwar durch das 
abweichende Bild des Wachstums der Kolonien auf festem Nahrboden 
(Kolonietypus) wie auch gewissermaBen durch das Tierexperiment scharf 
trennen. Die Tatsache der Moglichkeit der Differenzierung so nahe ver- 
wandter Bakterienspezies auf Grund spezieller morphologischer Eigen- 
tGmlichkeiten (Kolonietypus), auf die ich bei der Bestimmung und 
Differenzierung verschiedener besonders nahe verwandter Bakterienarten’) 
einen groBen Wert lege, veranlaBt mich, eine genaue Beschreibung der 
isolierten 22 verarbeiteten Stamme im Nachfolgenden zu geben: 

1. Morphologisches Verhalten. 

Es handelt sich um recht gut bewegliche, mit zahlreichen GeiBeln 
in peritricher Anordnung versehene, gramnegative Stabchen, deren Ge¬ 
stalt derjenigen der pathogenen Keime der Typhus-Coli-Gruppe gleicht. 

2. Kulturellc Merkmale. 

Auf den ublichen festen und fliissigen Nahrboden, wie Schragagar, 
Lackmusdulcitagar nach Springer, Neutralrotagar nach Oldekop, 
Gelatinestich, Nahrbouillon, Peptonwasser, Lackmusmolke, Milch, Lackmus- 
Nutrose-TraubenzuckerlSsung (Barsiekow I), Lackmus-Nutrose-Milch- 
zuckerlosung (Barsiekow II), Malachitgrun-Milchzucker-Traubenzucker- 
lflsung (Lbffler) zeigten samtliche isolierten Stamme ein vollig ilber- 
einstimmendes Wachstum untereinander und mit den Stammen der 
engen Paratyphus B-Gruppe und dem B. enteritidis Gartner. Sie 
erwiesen sich auch, geziichtet in Peptonwasser (W itte) und Tryptophan- 
losung (zubereitet nach Zipfel) als keine Indolbildner. 

3. Biologisehes Verhalten. 

Samtliche Stamme wurden auf ihr ZerlegungsvermOgen gegenQber 
11> verschiedenen Arten von Kohlehydraten (Mono-, Di-, Tri- und Poly- 

1; Trawiiiski, Ueber daa Vorkorumen von Bakterien der Typhus-C ol i - Gruppe 
im Darininhalt gesunder Bchweine, zugleich ein Beitrag zur Differenzierung der Bakte¬ 
rien der engen Paratyphus B-Gruppe. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 83. 1916.) 


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ft 


26 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 

saccharide, sowie 3- und 4-wertige Alkohole) in Stich- und Platten- 
kulturen geprfift, wobei Dextrose, Lavulose, Galaktose, Mannose, Mal¬ 
tose, Xylose, Arabinose, Rharanose, Dulcit, Mannit und Sorbit unter 
starker Gas- und Saurebildung vergoren wurde, Saccharose, Laktose, Raffi- 
nose, Dextrin, Inulin, StSrke, Glyzerin und Erythrit unvergoren blieb. 

4. Agglutinatorisckes Verhalten. 

Um die Zugehdrigkeit der isolierten StSmme naher zu bestimmen. 
unterzogen wir sie der agglutinatorischen Priifung, wobei 3 verschiedene 
Kaninchenimmunsera verwendet wurden, und zwar: Paratyphus B-Immun- 
serum (Titer 1:10000), Gartner-Immunserum (Titer 1:20000) und 
ein mit isoliertem Meerschweinchenstamm Nr. 8 hergestelltes Immun- 
seruni (Titer 1:12000). 

Dem agglutinatorischen Verhalteu nach zeigen samtliche isolierten 
Stamme eine so groBe Verwandtschaft mit dem B. enteritidis Gartner, 
daB sie von demselben agglutinatorisch nicht zu trennen sind. 

5. Das Tlercxperlinent. 

Insgesamt wurden 8 Meerschweinchen mit je einem isolierten Stamm 
geimpft. Die Impfung wurde intraperitoneal mit 0,5 ccm einer 24 Std. 
alten Bouillonkultur mit folgendem Resultat vorgenommen: 

Weibliches Meerschweinchen Nr. 1. Geimpft am 25. Dez., gestorb. 29. Dez. 
Sektionsbefund: Peritonitis fibrino-serosa. Enteritis haemorrhagica. Cystitis. Peri¬ 
carditis fibrino-serosa adhaerens. Oedema pulmonum. Degeneratio parenchymatosa 
cordis, hepatis renumque. Milz nicht vergroBert. 

Von Herzblut, Milz, Gallenbiaseninhalt, Peritonealflussigkeit und Herzbeutelfibrin 
wurden die geimpften spezifischen Keime in Reinkultur, vom Diinndarminhalt fast in 
Reinkultur geziichtet. 

M an nliches Meerschweinchen Nr. 2. Geimpft am 25. Dez., gestorb. 30. Dez. 
Sektionsbefund: Peritonitis fibrosa mit geringer Menge Peritonealflussigkeit. Leichte 
Verklebung der Gedarme durch Fibrin. Fibrose Verwachsung der Milz mit dem Magen. 
Iiecht starkp Hodenschweliung. Enteritis haemorrhagica. Oedema pulmonum. De¬ 
generatio parenchymatosa cordis, haepatis renumque. Tumor lienis acutus. 

Von Herzblut, Harnblasenfliissigkeit, Fibrinbelag der Milz, Gallenbiaseninhalt und 
Milz wurden die geimpften spezifischen Keime in Reinkultur, vom Diinndarminhalt 
fast in Reinkultur geziichtet. 

Mannliches Meerschweinchen Nr. 3. Geimpft am 4. Jan., gestorb. 14. Jan. 
Sektionsbefund: Peritonitis fibrino-serosa. Oedema pulmonum. Degeneratio paren¬ 
chymatosa cordis, hepatis renumque. Enteritis haemorrhagica. Conjunctivitis puru- 
lenta. Tumor lienis acutus. MaBige Hodenschweliung. 

Bakteriologischer Befund wie beim Meerschweinchen Nr. 2. 

Mannliches Meerschweinchen Nr. 4. Geimpft am 5. Jan., gestorb. 10.’Jan. 
Sektionsbefund wie beim Meerschweinchen Nr. 1. 

Weibliches Meerschweinchen Nr. 5. Geimpft am 5. Jan., gestorb. 8. Jan. 
Sektionsbefund: Peritonitis fibrino-serosa adhaerens. Oedema pulmonum. Enteritis 
haemorrhagica. Degeneratio parenchymatosa cordis et hepatis. Hyperaemia renum 
passiva. Milz nicht vergroBert. 

Von Fibrinbelag, Peritonealflussigkeit, Gallenbiaseninhalt, Herzblut, Milz und 
Diinndarminhalt. wurden die geimpften spezifischen Keime in Reinkultur geziichet. 

Mannliches Meerschweinchen Nr. 6. Geimpft am 10. Juli, gestorb. 16. Juli. 
Sektionsbefund: Peritonitis fibrosa mit geringer Menge Peritonealflussigkeit und leichter 
Verklebung der Gedarme. Starker Fibrinbelag an den unteren Partien der Leber, des 
Magens wie auch teilweise der Milz. Oedema pulmonum. Enteritis haemorrhagica. 
Hyperaemia hepatis et renum. Tumor lienis acutus. MaBige Hodenschweliung. 

Von Fibrinbelag, Peritonealflussigkeit, Herzblut, Harnblaseninhalt und Milz 
wurden die geimpften spezifischen Keime in Reinkultur, von Diinndarminhalt nur ver- 
einzelt geziichtet. 

Mannliches Meerschweinchen Nr. 7. Geimpft am 11. Juli, gestorb. 16. Juli. 
Sektionsbefund: Peritonitis fibrino-serosa. Fibrinbelag w r ie beim Meerschweinchen Nr. (5, 


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Trawiriski, Eine aus d. Gartner-Gruppe hervorgeruf. Meerschweinchenepid. 27 


edoch in genngerer Menge. Oedema pulmonum. Enteritis haemorrhagica. Cystitis. 
Degeneratio adiposa hepatis. Meteorismus ventriculi. Degeneratio parenchymatosa 
jortlis. Tumor lienis. Mafiige Hodenschwellung. 

Von Fibrinbelag, Peritoneal- und Harnblasenfliissigkeit, Herzblut, Gallenblasen- 
inhalt und Milz wurden die geimpften spezifiscben Keime in Reinknltur geziichtet. 

Mannliches Meerschweinchen Nr. 8. Geimpft am 15. Juli, gestorb. 17. Juli. 
Sebuonsbefund wie beim Meerschweinchen Nr. 1. 

Aufierdem noch recht starke Hodenschwellung. 

Wie aus den Sektionsbefunden zu ersehen ist, weichen die anatoinisch- 
jiathologischen Veranderungen der inneren Organe kiinstlich mit unseren 
Stammen infizierter Meerschweinchen deutlich von den bekannten durch 
B. enteritidis G&rtner hervorgerufenen Krankheitsveranderungen 
natflrlich und kiinstlich iniizierter Tiere wesentlich ab. 

6. Der Kolonietypas 1 ). 

Samtliche Stamme bilden einen einheitlichen Kolonietypus, desseu 
Beschreibung hier folgt: 

1. Beobachtungstag (d. h. nach lb-std. Bebriitung der geimpften Platte bei 
37 ‘ C und 5-std. Belassen bei Zimmertemp.): Die Kolonie besitzt cue Form einer recht 
flachen Kuppe (Grundkuppe) mit einer aufgesetzten Kuppe. Ein Randsaum ist nicht 
vorhanden. Die aufgesetzte Kuppe ist von der Grundkuppe durch einen seichten, ring- 
fcirmig verlaufenden Graben getrennt. Die matte Oberflache der Grundkuppe geht afi- 
mahlich in die recht glatte und grauweiBlich glanzende der aufgesetzten Kuppe fiber. 
Die Kolonie ist im allgemeinen ziemlich opak und die Verdichtung derselben nimmt 
gegen das Zentrum zu. Sehr feine Granula lagern sich an der Peripherie zu recht 
di- hten Maschen an, die kaum wahrnehmbar sind. Dieser peripheren Schicht schliefit 
-ich die zentrale Schicht an, deren Granula noch dichter nebeneinander steheu, so dafi 
die zentrale Schicht eine fast homogene, gelblich gefiirbte Masse darstellt. Es la6t sich 
aiich ein mafiiges Irisieren der Granula wahrnehmen. 

2 . Beobachtungstag (d. h. nach weiterem 16-std. Belassen der Platte bei 
Zimmertemp.): Die Form der Kolonie ist im wesentlichen unverandert geblieben. Die 
aufgesetzte Kuppe ist etwas flacher und der ringformig verlaufende Graben deutlicher 
ausgepragt. Die Oberflachenbeschaffenheit ist unverandert geblieben; die Kolonie ist 

ipaber afs am Vortag. Die Granulierung der peripheren Anteile ist noch dichter ge- 
worden. 

3. Beobachtungstag (d. h. nach weiterem 24-std. Belassen der Platte bei 
Zimmertemp.): Die aufgesetzte Kuppe ist noch flacher. Der ringformige Graben ist 
fa-t vSllig verschwunden, so dafi an seiner Stelle nur eine Rauhigkeit vorhanden ist, 
die jetzt die beiden Kolonieanleile (Grundkuppe und aufgesetzte Kuppe) voneinander 
irennt. Die Oberflache der Grundkuppe ist matt, die der aufgesetzten Kuppe glatt 
and glanzend, wie am Vortag. Die Kolonie ist vbllig undurchsichtig. Im schrag ein- 
fallenden Lichte ist die Grundkuppe bliiulich, die aufgesetzte Kuppe grauweiS verfiirbt. 
Die Art der Granulierung liifit sich nicht mehr erkennen; im durchfallenden Licht ist 
nur eine periphere, blaulich und zentrale, gelblich verfarbtc Schicht wahrnehmbar. 

5. Beobachtungstag (d. h. nach weiterem 48-std. Belassen der Platte bei 
Zimmertemp.): Die oberen Randpartien der Grundkuppe sind ein wenig gefurcht. Die 
Hnzelnen Furchen greifen fast bis zur Halfte der Hohe der aufgesetzten, recht flachen 
Kuppe uber. Die am 3. Beobachtungstag erwahnte Rauhigkeit ist deutlicher ausgepragt, 
nna zwar lochartig ausgestanzt und stark runzelig, was schon mit unbewaffnetem Auge 
re^ ht gut erkennbar ist. Vereinzeltc Einschnitte (Runzeln) verlaufen in radiarer Rich- 
tung und iibergehen teilweise auch auf die unteren (peripheren) Randpartien der auf¬ 
gesetzten Kuppe. Die Oberflache der Grundkuppe ist saftig glanzend, die der aufge¬ 
setzten Kuppe besitzt in den unteren Partien eine rauhe und runzelige Bcschaffenheit 
;n den oberen Partien eine matte. Die Durchsichtigkeit und Granulierung sind un- 
v<-randert geblieben. Die der Grundkuppe der Kolonie entsprechenden Partien sind 

1) Ueber die VVichtigkeit des Kolonietypus fur die morphologische Differenzierung 
einzelner Bakterienspczies haben wir in einer mit Felsenreicn publizierten Arbeit 
i Ueber die Bedeutung des Kolonietypus fiir die Bestimmung und Differenzierung der 
Fiakterienarten der Coli-Typhus-Gruppe. Wien u. Leipzig |Alfr. Holder. 19161) niiher 
r^richtet und auf die genaue Technik der Beobachtung hingewiesen. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1. 


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leicht blaulich verfarbt, die rauhen und runzeiigen Antcile der Kolonie intensiv blaulieh 
verfiirbt und die oberen Teile der aufgesetzten Kuppe Bind grauweiS mit blaulichem 
Stich. Die Konzentration des Farbstoffes ist also iD den raittleren Partien der Kolonie 
am starksten. In den folgenden Tagen wird die aufgesetzte Kuppe noch flacher, 
so da8 sie bei 8—10 Tage aiten Kolonien nur ala eine geringe kuppenartige Erhebung 
der oberen Grundkuppenflache erscheint. Die erwahnte Rauhigkeit greift auch auf die 
oberen (zeutralen) Anteile der kuppenartigen Erhebung liber. Die Konzentration des 
Farbstoffes nimmt zu, so da8 die Kolonien eine schon makroskopisch recht deutlich 
sichtbare dunkelblaue Farbe annehmen und vollig undurchsichtig werden. 


SchluBfolger ungen. 

Von den inneren Organen der wShrend einer Epidemie gestorbenen 
Meerschweinchen wurden StSmme geziichtet, die in allgemein-morpho- 
logischer, kultureller und biologischer Hinsicht den Stammen der engeren 
Paratyphus B-Gruppe und deni B. enteritidis G&rtner vOllig gleichen. 

Die sehr nahe Verwandtschaft der isolierten Stamnie mit dem B. 
enteritidis Gartner lieB sich auch auf Grund des agglutinatorischen 
Verhaltens feststellen. 

Die isolierten St&mme bilden einen einheitlichen Kolonietypus und 
lassen sich von B. enteritidis Gartner 1 ) auf Grund desselben wie 
auch durch das Tierexperiment genau unterscheiden. 


~Nachd.ru.ck verboten 

Experimentelle Versuche bei Goldfischen (Carassius 
auratus) mit saurefesten Bazillen. 

[Hygienisch-parasitologisches Institut der Universitat Lausanne 
(Prof. B. Galli-Valerio).] 

Von Dr. med. Sliin Mali 1 (Tokio). 

Bisher sind unsere Kenntnisse ilber das Verhalten der Fische 
gegeniiber den saurefesten Bazillen noch gering, weshalb ich mich ent- 
schloB, durch geeignete Versuche zur Aufklarung des noch so dunkleu 
Gebietes nach Moglichkeit beizutragen. Zu diesein Zwecke wurden zahl- 
reiche Experimente an Carassius auratus mit Fischtuberkelbazilleu, 
saurefesten Bazillen aus der Wasserleitung und Leprabazillen angestellt, 
woriiber spater in einer besonderen Monographie ausfuhrlich berichtet 
werden soli. Aus Riicksicht auf den Raum miissen wir uns leider be- 
gniigen, an dieser Stelle nur die Ergebnisse unserer nach vielen Hun- 
derten zahlenden Versuche kurz anzufiihren und beziiglich der Einzel- 
heiten auf die demnachst erscheinende ausfiihrliche Arbeit zu verweisen. 

Eioleitend sei nur noch hervorgehoben, dab in bezug auf Fischtuberkulose das 
Mycobacterium tuberculosis piscium (Koch) L. u. N. bei einer spontaneu 
Tuberkulose der Fische zum 1. Male von Bataillon, Dubard und Terre beobachtet 
worden ist. Diese Autoren isolierten aus einer abdominalen Tuberkulose eiues Karpfens 
einen Bazillus, den sie als den Bazillus der Fischtuberkulose ansprachen und benannten. 
Derselbe war saurefest und entwickelte sich auf gewohnlichem Nahrboden bei Tempe- 

1) Siehe Felsenreich u. Trawinski (zit. Arbeit). 



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Maie, Experimentelle Versuche bei Goldfischen usw. 


29 


raturen von 12°—30° C (Krill, Dubard). Erwahnt seien auch Beteghs Bei- 
trage zur Tuberkulose der Meerfische. — Eine spontane Tuberkulose der Keptilien 
vanle von Friedmann nnd eine eolche der Frdsche von Kiister zum 1. Male be- 
obachtet. AuBerdem ist noch Bertarelli zu nenneu, der bei Goldfischen Versuche 
wit Tuberknlose von Menschen, Hutiden und Vogeln anstellte, ohne aber pathologische 
Veranderungen zu beobachten. 

Die ersten Versuche an Froschen wurden vou Bataillon, Terre und Dubard 
angestellt; sie impften die Frosche mit Tuberkulosebazillen von Saugelieren und wollen 
nicht nur eine Froschtuberkulose hervorgerufen, soudern auch auf diesem Wege einen 
Hazillua mit modifizierter pathogener \Viirksamkeit entdeckt haben, der sich auch bei 
niedrigcn Temperaturen zu entwickeln vermag. 

Diese Resultate wurden indessen von anderen Autoren (Auchd, Hobbe, Lu- 
barseh, Sion und Herr bestritten. Mehrere Forscher, wie Herr, Sion, Morez, 
Cornet, Meyer, Hormann, Morgenroth sind der Ansicht, dafi die Saugetier- 
tuherkulosebazillenfur die Kaltbliiter nicht pathogen sind. Weber und Taute batten in 
Organen von gesunden Froschen siiurefeste Bazillen nacbgewiesen und aus denselben 
ivolierte Bazillen waren fiir die Frosche nicht pathogen. Auch auSerhalb des Korpers 
der Tiere hatte spater Taute saurefeste Keime, so z. B. lm fcchleim und im iibngen 
<ich auf dem Boden von Aquarien befindlichem Material nachgewieeen. Die beiaen 
ietztgenannten Forscher nahinen an, dab die als Bazillen der Tuberkulose der Kalt- 
bluter beschriebenen Keime nichts anderes als Formen dieser siiurefesten Bazillen seien, 
welche ausnahmsweise auch im Organismus der Kaltbliiter sich stark entwickeln und 
lAsionen hervorrufen konnen. Es ist mehr als zweifelhaft, daS dieselben tuberkuloser 
Katur sind. Auch Herzog stellte diesbeziigliche Versuche an. Naeh ihm bleibt die 
i?augetiertuberkulo8e beim Frosch nicht lokal, sonderu verallgemeinert sich und setzt 
irleichwertige Liisionen, ahnlich wie die Fischtuberkulose. Sie scheint durch den Aufent- 
htlt im Kaltbliiter fiir der Warmbliiter avirulent zu werden. 

Ledoux-Lebard fand, dafl Bazillen der Fischtuberkulose beim Frosch noch 
mannigfaltigere Veranderungen hervorrufen als der TB. bei den Saugetieren. Viele 
Forscher experimentierten mit Fischtuberkulose beim Frosch. 

Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, mit Fischtuberkulose Versuche 
beim Fische anzustellen. 


1. Fisehtuberkelbazill us (Mycobacterium tuberculosis 

pi sc iu in) (Koch) L. u. N. 

Wir haben uns daher vorgenoinmen, zu erforschen: 

1) Ob und welche pathologische Veranderungen sich 
bei den Goldfischen mit FTB. erzeugen lassen, 

2) Ob und in welchen Organen sich die Liisionen er¬ 
zeugen lassen. 

Fur die Experimente wurde das Wasser des Aquariums tfiglich er- 
neuert und auf Zimmertemperatur gehalten. Als Nahrung diente t&g- 
liche Verabreichung von Brot hnd Reis. Die Versuche wurden nach 
folgender Methode angestellt. Je 1 Mohrriiben-Glyzerinkultur oder Fisch- 
agarkultur wird in sterilisiertes Wasser aufgenommen, im Porzellan- 
morser fein zerrieben, durch weiteren Zusatz von sterilisiertem Wasser 
bis zu etwa 5 ccin verdiinnt und dem Fische 0,5—1,0 ccm dieser Emul¬ 
sion in verschiedene Organe eingespritzt oder per os gegeben. Nachdem 
das Tier eingegangen oder getotet ist, wurden von den verschiedenen 
Organen Ausstrichpraparate angefertigt. Das Material wurde immer zum 
1. Male aus dem Geliirn und schlieBlich aus der Injektionsstelle ge- 
nommen. Die Instrumente wurden vor jeder Untersuchuog griindlich 
desinfiziert. — Zur Tuberkelbazillenfarbung der Ausstrichpraparate ver- 
wendeten wir die Zieh 1 - N eel se n sche Methode, zur Farbung der 
Schnittpraparate die Fr ae n kel-Gah b e t sche Methode. 

Bezuglich der Kultur und Morphologic der angewen- 
deten Fischtuberkelbazillen verweisen wir auf die ausfQhrlichen 


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BO 


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\ 

Angaben in der spater erscheiuenden Monographie und begniigen uns. 
hier folgendes Ergebnis anzufuhren: 

1) Der Fischtuberkelbazillus entwickelt sich schnell auf gewohn- 
lichera N&hrboden bei Zimmertemperaturen, besonders auf Mohrriibeu- 
Glyzerin und Fischagar. 2) Beziiglich der Morphologie der Fisch : 
tuberkelbazillen zeigten sich bei den frischen Kulturen menschlicher 
Tuberkelbazillen ganz ahnliche Gebilde. 3) Bei alten Kulturen zeigten 
sich verschiedene Formen: Fadenfornien, Kommaformen, verzweigte 
Bazillen, ahnlich dem Buchstaben Y und streptokokkenartige Formen 
infolge der Verl&ngerung und Granulation der Bazillen. 4) Die S&ure- 
festigkeit der Bazillen bei alten Kulturen, welche vor 2—5 Jahren ge- 
zflchtet wurden, war ebenso stark wie bei frischen Kulturen, trotz ein- 
getrocknetem Nahrboden. 

Es sei noch bemerkt, daB wir einigen Fischen und Muscheln 
(A nod on ta an a tin a L.) Injektionen mit alten Kulturen von FTB. 
gemacht haben. Das Ergebnis dieser Einspritzungen wird weiter unteu 
angefflhrt werden. 


Experimentelle Versuche. 

A. Infektion per os. 

Es wurde 5 Goldfischen (Fall 24, 25, 26. 26, 27, 28) eine Emulsion 
von Fischkultur auf Fischagar, welche vor 3 Wochen geziichtet worden 
war, per os gegeben. Bei einem Strichpraparat zeigten sich Kolben- 
formen, Kommaformen, geknickte und einige lange Formen. 

SpSter wurde den Goldfischen eine Emulsion von Fischtuberkel- 
bazillen auf Fischagar, welche vor 2 Monaten geziichtet worden waren. 
per os beigebracht. Bei einem Strichpraparat von der Emulsion zeigten 
sich viele Kolbenformen, Kommaformen und im allgemeinen dicke und 
kurze Formen (Fall 34, 35. 36, 37, 38). 

Ergebnis. I. Bei tier Inokulation der FTB. per os ging eine groBe Menge von 
FTB. innerhalb 24 Std. in den Darm; sie miissen jedoch sofort vom Darm aus- 
geschieden worden sein, weil in 5—41 Tagen nach der Inokulation bei gestorbenen oder 
getoteten Goldfischen die saurefesten Bazillen nicht nnchweisbar waren. 

II. Bei einem Goldfisch, dem die FTB. vor 24 Std. per os gegeben worden waren, 
zeigten sich bei einem Strichpraparat von der Mundschleimhaut znhlreiche siiurefeste 
Bazillen, wogegen im Strichpraparat der Mundschleimhaut eines Goldfisches, welchcm 
die FTB. von 5 Tagen per os gegeben worden, etwas Phagozytose und einige gut 
konservierte siiurefeste Bazillen sich zeigten. Die phagozytierten Bazillen waren schon 
granuliert. Ein Strichpraparat von der Mundschleimhaut des Goldfisches, welchem die 
FTB. vorher 30 Tage per os beigebracht waren, zeigte starke Phagozytose. Die phago¬ 
zytierten Bazillen waren granuliert. 

III. Bei der Inokulation der FTB. per os gingen die Bazillen nicht in andere 
parenchymatose Orgaue. 

B. Inokulation in den Kiemen. C. Inokulation ins Auge. 

Ergebnis B und C. B. Durch die Inokulation von FTB. in die Kiemen ist 

schwierig, Lasionen zu erzeugen (Fall 45). C. Bei der Inokulation ins Auge bleiben 
die FTB. nicht nur in der Vorkammer, sondern verbreiten sich in den verschiedenen 
Organen, z. B. im Gehirn, Peritoneum, Leber, Milz, Niere und Genitalorgan. 1) Die 
FTB. entwickeln sich sehr gut im Auge ohue Phagozytose oder Bakteriolyse (Fall 16, 17). 
2) Die FTB. gehen in viel groBeren Mengen in die Nieren als in die anderen Organe, 
und hier entwickeln sie sich sehr gut. 

D. Intramuskulare Inokulation. 

Befund der Emulsion von FTB.-Kultur auf Mohrriiben-Glyzerin 
(geziichtet am 1. Jan. 1921): viele Kolben-, Komma-, geknickte und 
einige lange Formen. 



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31 


Ergebnis D. 1) Bei der intramuskularen Inokulation mit der Emulsionskultur 
bieiben die FTB. nicht nur lokal, sondern verbreiten sich in verschiedenen Organen, 
l B. in Gehirn, Leber, Miiz, Nieren, Genitalorganen und im Peritoneum (Versuch 6, 

7, 9, 42, 18, 19, 43, 44, 2, 1). 

2) In den meisten Fallen gehen die FTB. in das Gehirn und entwickeln sich hier 
sehr langsam, so z. B. bei Versuch 1. Der Goldfisch war 122 Tage nach der Inoku¬ 
lation geatorben; es zeigten sich im Gehirnausstrichpraparat einige lange Formen und 
zut konservierte saurefeste Bazillen. 

3) In fast alien Fallen gehen die FTB. in grofien Mecgen in die Nieren und ent¬ 
wickeln sich hier so gut, dad wir haufig zahlreiche lange und Fadenformen darin be¬ 
obachtet haben (Fall 8, 9, 42, 18, 19, 43, 2, 1). Die FTB. vermehren sich urn so zahl- 
racher in den Nieren, je langer der Zeitraum nach der Inokulation wahrte. Dagegen 
4nd die FTB. in der Leber oder Milz aueh nach einem langeren Zeitraum nach der 
Inokulation nicht nachweisbar (Fall 18, 19, 43, 44, 1). 

4j An der Injektionsstelle kann man einen tuberkulosen Herd erzeugen, wie bei 
Fall 1. Hier bildete sich ein mittelfingerspitzer groBer Tumor an der Injektionsstelle 
(Behind des Tumors in der spiiter erscheinenden Arbeit angegeben). — In tuberkulosen 
Herden waren kerne Riesenzellen, aber an einigen Stellen kleine Verkasungen und 
rtarke Infiltration von Bundzellen und lepraartigen Rundzellen. In bezug auf diese 
ieprazellenartigen Rundzellen kbnnen wir noch nicht feststellen, ob diese charakte- 
ristischen Zelien bei Fischtuberkulose vorkommen, wie die Pigmentzellen bei Frosch- 
taberkulose. Diese .Zellen sind insofern von groBem Interesse fiir uns, als Galli- 
Valerio 1 ) ihnen sehr iihnliche Gebilde bei Vogeltuberkulose beobachtet hat. 

5) Bei der intramuskularen luokulation mit der Emulsion von Nieren der in- 
rizierten Goldfische waren die FTB. 58 Tage nachher nur an der Injektionsstelle und 
id den Nieren nachweisbar (Fall 18, 19). 

6) Bei Fall 29, 30, 33, 31, 32 konnteu wir die FTB. nur an der Injektionsstelle 
aachweisen, wegen der Mischinfektion. 

7) Phagozytose gegen FTB. war bei den Goldfischen in den verschiedenen Zeiten 
each der Inokulation so selten, daB wir von 18 Fallen nur einige Phagozytosen an der 
Injektionsstelle bei Fall 42 und 18 und in der Leber (Fall 2) beobachtet haben. 

E. I ntraperitoneale Inokulation. 

Ergebnis. 1) Bei der intraperitonealeu Inokulation mit der Emulsion bieiben 
die FTB. nicht nur im Peritoneum, sondern verbreiten sich in verschiedenen Organen, 
z. B. Gehirn, Leber, Milz, Niere und Genitalorgane (Fall 14, 4, 3). 

2) Ein Teil der injizierten FIB. bleibt in dem Peritoneum und entwickelt sich 
*ehr gut, so z. B. im Fall 22. Der Goldfisch war 51 Tage nach der Inokulation mit 
der Emulsion FTB. gestorben. Vor der Inokulation zeigt die Emulsion viele kurze 
UDti dicke Formen, viele Komma- und einige Kolbenformen; dagegen zeigte ein istrich- 
praparat vom Peritoneum nach dem Tode des Goldfisches viele gut konservierte lange 
nna Fadenformen. 

3) In den meisten Fallen finden sich die FTB. in groBen Mengen in Leber, Milz 
nod Niere, worin sie sich gut entwickeln wie bei intramuskuliirer luokulation (Fall 14, 
15, 4, 3, 21, 22). Aber bei Intraperitonealinokulation beobachtet man noch groBere 
Mengen und noch deutlicherc Entwickelungen von FTB. in Leber, Milz und besonders 
in den Nieren. 

4i In den 3 Fallen bei der Inokulation mit Kulturemulsiou konnten wir die FTB. 
in dem Gehirn nachweisen (Fall 14, 4, 3). 

5) Phagozytose gegen FTB. beobaehteten wir nur ausnahmsweise im Peritoneum, 
in der Leber und Milz, trotzdem zahllose FTB. extrazellular waren (Fall 11, 14, 4, 3, 21). 

6) Bei Inokulation mit der Emulsion von Nieren der infizierten Goldfische waren 
die gut konservierten FTB. 123 Tage nach der Inokulation in Leber, Milz, Niere und 
Peritoneum nachweisbar (Fall 40, 41). 

7) Durch intraperitoneale Inokulation mit der Emulsion von Kultur oder infizierten 
Nieren konnten wir keine raikroskopischen Veriinderuugen in verschiedenen Organen 
erlangen. 

F. Serienversuche. 

Die uns gestellte Aufgabe lautet: 

1) Welche morphologischen Veranderungen erzeugen die FTB. im 
Peritoneum des Goldfisches in bestimmten Zwischenraumen nach der 
Inokulation? 

1) Ueber einen Fall von Tuberkulose des Lammergeiers. (Schweiz. Arch. f. Tier- 
heilk. 1921. H. 6.) . 


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32 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 

2) Wie lange Zeit benotigen die FTB. uach der Inokulation, um 
sich in den verschiedenen Organen zu verbreiten? 

Zu diesem Zwecke haben wir zunachst die Kulturemulsion pra- 
pariert, davon 23 Goldfischen je 0,5 ccm von dieser Emulsion intra- 
peritoneal eingespritzt. In Zwischenraumen von 24 Std. wurde je 1 Gold- 
fisch getotet und die Strichpraparate von den verschiedenen Organen 
untersucht. 

Ergebnis dieser Untersuchungen. 

1) Die FIB. im Peritoneum zeigten folgenden Befund in bestinimten Zwischeu- 
ruumen nach der Injektion: Nach 24 Std. trat eine leichte Phagozytose auf und am 
4. Tage beobachtete man deutliche Entwicklungen der FTB., d. h. bei Fall 54 zeigten 
sich im Peritoneum-Strichpraparat viele langere Formen, einige Faden- und einige 
granulierte Formen. Am 7. Tage wurden viele Faden- und einige Kolbenformen be- 
obachtet und am 8. Tage aufierdem viele Fadenformen und leichte Phagozytose sowie 
einige leprazellenartige Phagozyten. Am 15. Tage zeigte sich verhaltnismaliig starke 
Phagozytose. Danach wurden die granulierten Formen nach und nach weniger, da- 
gegen verraehrten sich die langeren und die Fadenformen. 

2) In der Leber beobachtete man am 5. Tage mehrere langere und Fadenformeu 
und am 6. Tage verhaltnismabig viele Phagozytosen, am 9. Tage starke Phagozytose, 
besonders einige leprazellenartige Phagozyten. Bis zum 21. Tage waren in alien Leber- 
ausstrichprapnraten keine granulierten Formen naehweisbar. 

3) In der Milz wurden am 5. Tage viele langere und einige Fadenformen, und 
am 6. Tage einige Phagozytosen beobachtet. Bis zum 8. Tage waren in alien Milzaus- 
strichpraparaten keine granulierten Formen naehweisbar, aber vom 9.—21. Tage be- 
rnerkte man stets in der Milz einige granulierte Formen. 

4) In den Nieren beobachtete man vom 2.—6. Tage nur einige kurze Formen, 
aber seit dem 7. Tage traten die FTB. nach und nach in groSerer Menge auf. Am 
15. Tage bemerkte man viele Haufen von laugen und Fadenformen. 

5) Im Gehirn beobachtete man schon am 3. Tage einen Haufen und zerstreut 
einige kurze Formen. Im Gehirn waren keine Anzeichen von Entwicklung der FTB. 
bis zum 20. Tage, hingegen bemerkte man einige granulierte Formen am 18. Tage. 

7) Aus diesen Versuchen ist zu ereehen, dab die FTB. sich einige Tage nach der 
Intraperitonealinokulation im Gehirn, in der Leber, der Milz und in den Nieren ver- 
breiten und sich 5—7 Tage nachher gut entwickeln, besonders im Peritoneum, in der 
Leber, der Milz und den Nieren. 

7) Phagozytose gegen FTB. beobachtete man verhaltnismabig viel 9—15 Tage 
nach der Inokulation in der Lebdr, im Peritoneum und einige in der Milz. 

G. Tierversuche in it der alten Kultur. 

Eine alte Kultur auf Mohrriibenglyzerin, welche 3 Jahre (1917) alt 
war, zeigte die Nahrbodenobeiflache von einem diinnen Bazillenrasen 
iiberzogen mit etwas wasserigem, grauweiBlichem Belag. 

Ain 25. Febr. haben wir die Emulsion dieser Kultur prapariert und 
3 kleinen Fischen (Phoxinus laevis) je 0,2 ccm von dieser Emul¬ 
sion intraperitoneal eingespritzt. Ein Strichpraparat zeigte viele ganz 
granulierte, kokkenartige Formen, einige Kolben und einige Faden¬ 
formen. s 

Am 2. Miirz praparierten wir die Emulsion von derselben Kultur 
und spritzten 4 Muscheln (Anodonta anatina) je 0,2 ccm dieser Emul¬ 
sion ein. Ein Ausstrichpraparat zeigte viele granulierte, kokkenartige, 
einige Kolben- und einige lange Formen. 

Ergebnis. 1) Bei Fall III (Phoxinus laevisl waren in einem Peritoneum- 
ausstrichpriiparat 86 Tage nach der Inokulation einige granulierte FTB. und einige 
gut konservierte Formen naehweisbar. In dem Nierenstrichpiaparat waren auch einige 
Haufen ungranulierter, langer Formen. 

2) Bei Fall VII (A n od o n t a an ati n a) waren in einem Strichpraparat 130 Tage 
nach der Inokulation vom Fube einige Haufen von granulierten FTB. und einige zer- 
streute, gut konservierte lange Formen. 


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Maie. Experimentelle Vereuche bei Goldfischen usw. 


33 


Zusammenfassung. 

1) Der Fischtuberkelbazillus entwickelte sich schnell auf gewdhn- 
lichem Nahrboden bei Zimmertemperatur, besonders auf Mohrriiben- 
glyzerin und Fischagar. Bezflglich der Morphologie der Fischtuberkel- 
bazillen beobachtete man bei den frischen Kulturen der menschlichen 
Tnberkelbazillen ganz ahnliche Gebilde, bei alten Kulturen verschie- 
dene Formen, Faden- Kommaformen, verzweigte Bazillen, ahnlich dem 
Buchstaben Y, und streptokokkenartige Formen wie im allgemeinen bei 
alten Tuberkelbazillenkulturen. 

2) Bei der Inokulation der FTB. per os geht eine groBe Menge 
von FTB innerhalb 24 Std. in den Darm; sie werden sofort von dem 
Darm ausgeschieden und die FTB. verbreiten sich nicht in andere 
parenchymatbse Organe, doch bleibt ein Teil in der Mundschleimhaut, 
und nach ca. 30 Tagen waren fast alle zerstort. 

3) Durch die Inokulation von FTB. in die Kiemen werden nur 
schwierig Lasionen erzeugt (Versuch B). 

4) Bei der Inokulation ins Auge, intramuskular und intraperitoneal, 
bleiben die FTB. nicht lokal, sondern verbreiten sich schnell in den 
verscbiedenen Organen, z. B. im Gehirn, Peritoneum, in der Leber, Milz, 
Nieren, Genitalorganen (Versuch C, D, E, F). 

5) In den meisten Fallen gehen die FTB. bei Inokulation ins Auge, 
intramuskular oder intraperitoneal, in das Gehirn und entwickeln sich 
hier viel langsamer als in anderen Organen. Die FTB. gehen sehr 
schnell in das Gehirn, und z. B. bei Intraperitonealinokulation sind schon 
einige 3 Tage spater im Gehirn nachweisbar (Versuch G). 

6) Durch die intramuskulare Inokulation kann man einen tuber- 
kulbsen Herd an der Injektionsstelle und in der Niere viel leichter er- 
zengen als in anderen Organen (Versuch D). 

7) Die Nieren bei Goldfischen sind die Pradilektionsstellen fiir FTB., 
«ie die Lungen bei den Menschen, weil die FTB. in fast alien Fallen 
in viel grbBeren Mengen in die Niere als in andere Organe gehen uud 
sich hier gut entwickeln (Versuch C, D, E, F). 

Dagegen ist es viel schwieriger in Leber, Milz uud Peritoneum 
Usionen zu erzeugen als in den Nieren (Versuch D). 

8) 5 Tage nach der Intraperitonealinjektion zeigte sich deutliche 
Kntwicklung der FTB. in Leber, Milz und Peritoneum, so z. B. viele 
langere und Fadenformen, d. h. die FTB. entwickeln sich viel schneller 
in den obengenannten Organen als ini Nahrboden (Versuch F). 

9) Phagozytose gegen FTB. zeigte sich in verschiedenen Organen 
von Goldfischen sehr wenig, nur ausnahmsweise in Leber, Milz und 
Peritoneum, trotzdem zahllose FTB. extrazellular sind. 

10) 6—15 Tage nach der Intraperitonealinokulation ist verhaltnismaBig 
starke Phagozytose in Leber, Milz und Peritoneum zu sehen; besondera 

2nt« Abt. Orig. Bd. 88. Heft 1. 3 


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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Origin ale. Bd. 88. Heft 1. 


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in der Leber und im Peritonenm treten zuweilen zellenartige Phago- 
zyten auf (Versuch F). 

11) In tuberkulSsen Herden fanden sich keine Riesenzellen, aber 
an einigen Stellen kleine Verkasungen und starke Infiltration von Rund- 
zellen und leprazellenartige Phagozyten (Versuch D). 

Die FTB. besitzen sehr starke Resistenz auf dem NShrboden und 
man kann noch mit der Emulsion von alter Kultur Phoxinus laevis 
oder Anodonta anatina L. inokulieren (Versuch G). 

II. Sfinrefeste Bazillen aus der Wasserleitung (Mycobac¬ 
terium aquae B. Galli-Valerio). 

Die saurefesten Bazillen sind in der Natur sehr verbreitet und 
finden sich nicht nur in Gr&sern und im Kuhdiinger, sondern auch auf 
dem Timotheesamen und Getreidekornern sowie in Wasserleitungen. 

Taute und Weber hatten in Organen von gesunden Frbschen etc. 
skurefeste Bazillen beobachtet (siehe Einleitung) und waren der Meinung. 
dafi die als Bazillen der Kaltbliitertuberkulose beschriebenen Keime 
nichts anderes als Formen dieser saurefesten Bazillen seien. 

Wir haben uns nun die Aufgabe gestellt, mit den saurefesten Ba¬ 
zillen aus der Wasserleitung von Lausanne (Mycobacterium aquae) 
bei Goldfischen Versuche anzustellen*). Ueber die Kultur und Morpho- 
logie dieser Bazillen sollen hier nur folgende kurze Angaben gemacht 
werden: 

Mycobacterium aquae entwickelt sich auf gewohnlichein Nahr- 
boden bei Zimmertemperatur schnell, besonders auf erstarrtem Eieragar; 
z. B. bilden sich schon nach 3 Tagen auf erstarrtem Eieragar unregel- 
maBige, konfluierende, etwas feuchte, weiBlich-gelbliche, fettig glanzende 
Warzchen, welche 7 Tage nach der Aussaat die Nahrbodenoberflache 
mit einem dichten Bazillenrasen uberziehen. Was die Morphologie der 
saurefesten Bazillen, aus der Wasserleitung betrifft, so sind diese den 
menschlichen TB. ganz ahnlich. Z. B. befanden sich bei den frischen 
Kulturen langere und kurzere Stabchen von ganz verschiedener Lange 
und auch Kolben- und Kommaformen. Dieses Bakterium ist saurefest 
und farbbar mit Methylenblau, mit gewobnlichem Fuchsin nach Gram 
und genau wie echte TB. 

Wir haben untersucht, ob und welche Veranderungen die Sf. B. 
in den verschiedenen Organen bei den Goldfischen nach der Inokulation 
erzeugen. — Die Untersuchungsweise und Behandlung der Goldfische 
war die gleiche wie bei den experimentellen Versuchen von Fischtuber- 
kulose. 

Experimentelle Versuche. A. Inokulation ins Auge 
(2 Faile, Fall 5, 6). B. Intraperitonealinokulation (6 Falle). 

C. Intramuskuiare Inokulation (Fall 13, 9, 10, 12, 17. 

18, 7). 

A. Inokulation inB Auge: 

Ergebnis: 1) Die Sf. B., welche vor 5 Tagen in die Vorkammer des linken 
Auges eingespritzt worden waren, zeigten so starke extrazellulare Bakteriolyse, dafi man 
fast keine gut konservierten Sf. B. in Ausstrichpr&paraten vor der Vorkammer des linken 

1) Herrn Dr. Born and danke ich fur freundliche Ueberlassung der Kulturen. 



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Maie, Experimentelle Versuche bei Goldfischen usw. 


35 


A ogee beobachten konnte. — In diesem Falle fanden sich einige granulierte und einige 
pit konservierte, kurze Formen in der \lilz und in der Niere (Fall 5). 

2) Die Sf. B., welche 8 Tage vorher in die Vorkammer den linken Alices einge- 

S 'tzt worden waren, zeigten so starke extrazellulare Bakteriolyse wie Fall 5. in 
em Falle befanden sich im Nierenstrichpraparat einige gut erhaltene und einige 
granulierte Formen von Sf. B. 

3) Daraus ist ereichtlich, dafl die Sf. B. in der Vorkammer des Auges dee Goldfischee 
-ofort eine extrazellulare Bakteriolyse erzeugen und ein Teil derselben sich in anderen 
Organen verbreitet, so z. B. in Milz und Nieren. 

B. I n traperi toneal i nokula tion (Fall 1, 2, 12, 13, 14, 15). 

Ergebnis: 1) Bei der lutraperitonealinokulation bleiben die Sf. B. nicht nur 
lokal, sondern verbreiten sich in die verschiedensten Organe, z. B. Gehirn, Peritoneum, 
Uber, Milz und Nieren (Fall 1). 

2) Die Sf. B. zeigten in den verschiedenen Organen der Goldfische so starke extra¬ 
zellulare Bakteriolyse. dad man 7 Tage nach der Inokulation einige gut erhaltene Sf. B. 
in den Strichpraparaten von verschiedenen Organen antreffen konnte. 

3) Einige Sf. B. bleiben sehr lange Zeit in verschiedenen Organen, in denen sie 
■ich entwickeln, besonders im Peritoneum, Nieren und in der Milz, so z. B. bei Fall 12. 

Der Goldfinch, welchem 120 Tage vorher die Sf. B. eingespritzt worden waren, 
leigte einige kolbig angeschwollene Fadenformen in der Milz, einige gut erhaltene 
tiirzere Formen in den Nieren und einige Kolbenformen im Peritoneum (Fall 12). 

Bei Fall 15, dem Goldfische, welchem vor 126 Tagen die Sf. B. eingespritzt 
worden waren, zeigten sich in einem Peritoneumstrichpraparat einige Haufen von un- 
moulierten Sf. B. und einige kolbig angeschwollene Fadenformen wie Aktinomyzeten. 

4) Durch Intraperitonealinokulation von Sf. B. konnten wir keine makroskopischen 
Veranderungen in den verschiedenen Organen erzeugen. 

5) Phagozytose gegen Sf. B. haben wir ausnahmsweise in Peritoneum, Leber und 
Milz gesehen (7 und 9 Tage Inokulation, Fall 1 und 2). 

C. Intramuskulare Inokulation (Fall 3, 4, 7, 8, 9, 10,12,13, 16, 17, 18). 
Ergebnis: 1) Bei subkutaner Inokulation blieben die Sf.B. nicht nur lokal, son- 
dtrn verbreiten sich in verschiedene Organe, z. B. in das Gehirn, Leber, Peritoneum, 
Niere und Milz (Fall 3, 4, 8, 9, 10). 

2) Die Sf. B. erzeugen bei subkutaner Injektion in Leber, Milz und Niere 2 Tage 
nach der Inokulation stark extrazellulare Bakteriolyse (Fall 9). 

3) Nur einige S.f.B. wurden an der Inokulationsstelle beobachtet, welche bis 
*4 Tage nach der Inokulation keine Veranderungen zeigte. 

4) Bei subkutaner Injektion fanden sich in fast alien Fallen die Sf. B. in den 
Nieren, besonders bei Fall 16 und 18 zeigten die Goldfische, welche 43 und 44 Tage 
each der Inokulation getotet wurden, in den Nierenausstrichpraparaten einige granu- 
herte, kettenformige Fadenformen. 

5) Durch subkutane Inokulation konnten wir keine makroskopischen Verande¬ 
rungen in verschiedenen Organen erzeugen. 

6) Phagozytose gegen Sf. B. fand sich nur ausnahmsweise (Fall 17). 


Zusammenfassung. 

1) Durch Inokulation von Sf. B. kann man nicht im Auge selbst 
die LAsionen erzeugen, doch sei bemerkt, daB eine Menge von injizierten 
Sf.B. sich in anderen Organen verbreitet (Versuch 4). 2) Bei intra- 
peritonealer und subkutaner Inokulation bleiben die Sf. B. nicht nur 
lokal, sondern verbreiten sich in den verschiedenen Organen (Versuch 
B o. C). 3) Die Sf. B. in verschiedenen Organen der Goldfische zeigen 
to starke extrazellulare Bakteriolyse, daB man 7 Tage nach der Inoku¬ 
lation nur ausnahmsweise einige gut konservierte Sf. B. in den Strichpra¬ 
paraten von verschiedenen Organen nachweisen konnte (Fall 1). 4) In den 
meisten Fallen beobachtet man Sf. B. in Nieren und Milz (Fall 1, 2, 12, 
13, 3, 4, 9, 10, 16, 18). 5) In 3 Fallen konnten einige granulierte 
Formen nachgewiesen werden. 6) Bis zum 10. Tage nach der Inoku- 

3* 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1. 


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lation gestorbene Goldfische zeigteu zahlreiche granulierte Sf. B. in der 
Leber; sonstige F&lle von Sf. B. waren darin nicht nachzuweisen. 
7) Ausnahmsweise zeigten Sf. B., die in der Milz und Niere geblieben 
waren, 120 und 126 Tage nach der Inokulation einige kolbig an- 
geschwollene Fadenformen, wie Aktinomyceten. 8) Durch verschiedene 
Inokulationen konnten keine makroskopischen Verknderungen in Organen 
und an der Injektionsstelle erzeugt werden. 9) Es ist von Interesse, 
daB die Sf. B. in den Organen des Goldfisches eine starke extrazellulare 
Bakteriolyse bewirken, dagegen die FTB. solche sehr wenig erzeugen. 

III. Leprabazillns. 

Mycobacterium leprae (Hansen) L. u. N. 

Hutchinson behauptete, daB die mensckliche Leprainfektion durch 
FischgenuB zustande kommt. Couret und Maurice haben bei Gold- 
fischeu etc. mit Leprabazillenkulturen experimentiert und gefunden, daB 
die Leprabazillen sich bei den niedrigen Temperaturen, wie sie der 
Organismus der Fische in den nordlichen Meeren aufweist, entwickeln. 
Auch Duval hatte gesehen, daB der Leprabazillus sich in Kultur noch bei 
10° reichlich vermehrt. 

Die eben genannten Forscher batten von Leprosen bei Kaltbliitern 
Yersuche angestellt. Wir selber haben bei Goldfischen mit Leprabazillen 
experimentiert, welche wir direkt aus Lepromen entnahmen. — Die An- 
ordnung der Experimente und Behandlung der Goldfische ist die gleiche 
wie zuvor. 

Das Material (Nasensekret und Leprom) wurde von einer Lepra- 
patientin genommen. 

Patientin: Marie (20 J.). Diagnose: Lepra tubero-nervorum. 

Symptome: Im Gesicht zahlreiche knotenformige Infiltrate an der Stirn undAugen- 
brauengegend und hochgradige Verdickung der Wangen, Lippen, Nase und Oberlappchen 
(Korneatriibung). Storung der Sensibihtat der Extremitaten. Spindelformige Ver¬ 
dickung des Nerv. auricul. post, und des Nerv. ulnaris. In den Strichpraparaten vom 
Nasensekret zeigten sich einige Haufen von Leprabazillen und viele Blastomyceten. 

A. Inokulation im Gehirn. 

Ergebnis: 1) Bei der Inokulation von Leprabazillen im Gehirn zeigten sich 
3 Tage nachher in den Gehirnstrichpraparaten zahlreiche gut erhaltene Leprabazillen 
wie bei Emulsion; in den andereu Organen waren keine Sf.B. nachweisbar (Fall 8). 

2) Ein Goldfisch, dem die Leprabazillen vor 131 Tagen ins Gehirn inokuliert 
worden waren, zeigte in Gehirnstrichpraparaten zahlreiche ungranulierte Leprabazillen 
wie bei Emulsion, ohne Phagozytose und in Nierenpriiparatan einige Haufen und einige 
liingere Formen (Fall 9). 

3) Bei 2 Golffischen, welchen die Emulsion vom infizierten Gehirn eingespritzt 
worden war, waren nachher keine S.f B. in Strichraparaten verschiedener Organe nach¬ 
weisbar (Fall 18 u. 19). 

B. Inokulation ins Auge. 

Ergebnis: 1) Bei einem Goldfisch, dem die Emulsion vom Nasensekret ins 
Auge eingespritzt worden war. waren 1 Tag spater in den Strichpraparaten von dem- 
selben Auge keine Sf.B. nachweisbar (Fall 1). 

2) 168 Tage nach der Inokulation von Lepraemulsion ins Auge waren in den Strich¬ 
praparaten von demselben Auge und in verschiedenen Organen keine Sf. B. nachweisbar 
(Fall 13). 

C. I ntraperitonealinokulation. 

Ergebnis: 1) Durch Intraperitonealinokulation bleiben die Leprabazillen nicht 
nur lokal, sondern verbreiten sich in verschiedene Organe, z. B. Gehirn, Leber, Milz 
und Nieren (Fall 4, 10). 



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Maie, Ex peri men telle Versuche bei Goldfischen usw. 


37 


2) In 52—99 Tagen nach der Inokulation waren zahlreiche, gut konservierte Lepra¬ 
bazillen in Leber, Milz, Niere und in Peritoneumstriehpraparaten nachweisbar. Be¬ 
wilders bei einem Goldfisch fand sich 52 Tage nach der Inokulation einen Haufen im 
Gehirn (Fall 4, 5, 7, 10). 

3) Nach Intraperitonealinokulation vou Emulsion des Nasensekrets oder infizierter 
Organe (Peritoneum und Gehim) konnten wir Leprabazillen in verschiedenen Organen 
linden (FaU 3, 11, 21, 22). 

Intramuskulare Inokulation. 

Ergebnis: 1) Ein Goldfisch, dem die Emulsion von Leprom vor 99 Tagen sub- 
kutan eingespritzt worden war, zeigte viele Fadenformen (bogenformig, angelhaken- 
formig, stabehenformig etc.) im Gehim und zahlreiche Haufen in der Niere und In- 
jektionsstelle (Fall 5). 

2) Bei subkutaner Inokulation von Emulsion des alten Leproms (vor 100 Tagen 
war Leprom von Pat. genommen) waren Leprabazillen nur bei 1 Fall in Niere und 
Injektionsstrichpraparaten nachweisbar (Fall 13). 


Zusammenfassung. 

1) Die Leprabazillen entwickeln und vermehren sich im Gehim des 
Goldfisches (Fall 5). 2) Durch intraperitoneale oder subkutane Inoku¬ 
lation gehen die Leprazellen schnell in Gehim, Leber, Milz und Nieren. 
3) Die Leprabazillen in Niere, Milz, Genitalorganen zeigten 3 oder 
4 Monate nach der Inokulation keine Vermehrung, keine Zerstorung 
oder Entwicklung. 4) Bei intraokularer Inokulation von Leprabazillen 
in die Vorkammer konnten wir 107 Tage nachher keine Leprabazillen 
im Auge und in verschiedenen Organen nachweiseu (Versuch C, D). 
5) In alien Fallen von Intraperitoneal-, Intracerebral- IntramuskulSrinoku- 
lation der Leprabazillen konnten wir zahlreiche Leprabazillen in den Nieren 
nachweisen (4, 6, 7, 10, 5, 9). 6) Werden die Leprabazillen etwa 4 Mon. 
bei Zimmertemperatur in physiol. Kochsalzlosung bewahrt, so konser- 
servieren dieselben sich ganz gut, aber sie verbreiten sich nicht so in 
verschiedene Organe durch Inokulation bei Goldfischen wie rait frischem 
Material; sie verschwinden schnell (Fall 12, 13, 14, 15). 7) Phagozytose 
gegen Leprabazillen haben wir in den Goldfischen nur in 1 Falle im 
Gehim gesehen (Fall 8). 8) Durch Inokulation der Emulsion von Nasen- 
sekret oder infizierter Organe konnten wir deutliche Verbreituug der 
Bazillen nicht sehen (Fall 18, 19, 2, 11, 21, 22). 

IV. Kontrolle. 

Wir hatten 111 Goldfische behandelt und von denselben 1800 Aus- 
>trichpraparate angefertigt und untersucht. Aus diesen Untersuchungen 
ist ersichtlich, daB die Sf. B. in verschiedenen parenchymatosen Organen 
der gesunden Goldfische nicht vorkommen. Es sollten nochmals dariiber 
Versuche angestellt werden nach folgender Methode: Je 1 gesunder 
Goldfisch wurde getotet, durch die Ausstrichpraparate von verschiedenen 
Organen sofort prapariert und nach Ziehl-Neelsenscher FSrbungs- 
methode gefarbt und untersucht. 

Zusammenfassung. 1) Aus bisherigen zahlreichen Untersuchungen 
und diesen Beobachtungen an gesunden Goldfischen ist ersichtlich, dafi 
die Sf. B. in verschiedenen Organen (mit Ausnahme vom Darm) bei ge- 
^nnden Goldfischen nicht vorkommen. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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2) Im Darminhalt befanden sich viele st&bchenformige Bazillen und 
einige T.B.-ahnliche Sf. B. Oder s&urefeste Stabchen. 


Es sollte weiter untersucht werden, ob und welche Pathogenitat 
die st&bchenformigen Bazillen und s&urefesten Keime im Darm des 
Goldfisches gegen andere Goldfische haben. 

Das Ergebnis der diesbezflglichen Versuche ist folgendes: 

1) Die s&urefesten Keime im Darm scheinen nicht pathogen fflr 
den Goldfisch zu sein. 

2) Im Darm des Goldfisches sind im allgeineinen viele Bacterium 
fluorescens. 

3) Bacterium fluorescens, welches vom Darm des Goldfisches 
stammt, ist sehr pathogen fQr den Goldfisch. 

Ffir die Anregung zu vorstehender Arbeit und die gfltige Unter- 
stiitzung bei ihrer Ausfiihrung erlaube ich mir, Herrn Prof. Dr. Galli- 
Valerio meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. 

Iiiteratur. 

1) Auch6 et Hobbs, De la tuberculose chez la grenouille. (Arch, de med. 
exper. 1900. p. 419.) — 2) Bertarelli, Einige Untersuchungen iiber die Tuberkulose 
der Reptilien. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 38. H. 4.) — 3) Dere. u. Bochia, 
Neue Untersuchungen iiber die Tuberkulose der Kaltbliiter. (Ebenda. Abt. I. Orig. 
Bd. 54. 8. 385.) — 4) Betegh, Beitrage zur Tuberkulose der Meerfische. (Ebenda. 
Abt. I. Orig. Bd. 53. 8. 377.) — 5) Ders., Weitere Beitrage zur experim. Tuberkulose 
der Meerfische, nebst Studien iiber die Transmutationsfrage der Warmbliitertuberkel- 
bazillen. (Ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 54. S. 211.) — 6) Dubard, Transformations de 
la tuberculose humaine par le passage sur l’animal & sang froid. (Bull. acad. de 
m6d. 1897. p. 580, 792.) — 7) Ders., Des modifications de la tuberculose et son adap¬ 
tation & la sbve animale. IV. Congrfes pr. l’6tude de la tuberc. 1898. p. 711.) — 8) Frey- 
muth, Ueber das Verhalten des Grasbazillus. II. (Moeller) im Kaltbliiterorganismus. 
(Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 29. 8. 530.) — 9) Friedmann, F. F., Der Schild- 
driisentuberkelbazillus, seine Ziichtung, Biologie und Pathogenitat. (Dtsch. med. Wochen- 
schrift. 1903.) — 10) Ders., Spontane Lungentuberkulose mit groSen Kavernen bei 
einer Wasserschildkrote. (Ebenda. 1903. Nr. 2.) — 11) Gottstein, Das Verhalten 
der Tuberkelbazillen im Kaltbliiterorganismus. (Hyg. Rundsch. 1905. 8. 281.) — 
12) Herr, Ein Beitrag zur Verbreitung der saurefesten Bazillen. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 38. 
8. 201.) — 13) Ders., Ein Beitrag zum Verhalten der Tuberkelbazillen bei Ueberimpfung 
auf Blindschleichen. (Ebenda. 8. 198.) — 14) Herzog, H., Die Abschwachung der 
Saugetiertuberkelbazillen im Kaltbliiterorganismus. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 34. 
8. 535 u. 675.) — 15) Ders., Zur Tuberkulose im Kaltbliiterorganismus. (Ebenda. 
Bd. 31. 1902. S. 78.) — 16) Hormann u. Morgenroth, Ueber Fiitterung von 
Fischen mit tuberkelbazillenhaltiger Nahruug. (Hyg. Rundsch. 1899. S. 857.) — 17) 
K uster, B., Ueber Kaltbliitertuberkulose. (Munchen. med. Wochenschr. 1905. Nr. 2.) 

— 18* Ledoux - Lebard, Le bacille pisciaire et la tuberculose de la grenouille. 
(Ann. de l’Inst. Pasteur. 1900. p. 535.) — 19) Lubarsch, Ueber das Verhalten 
der Tuberkelpilze im Froschkorper. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 28. Nr. 14/15.) 

— 20) Moriya, Impftuberkulose bei Kaltbliitern. (Ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 45. 
8. 294.) — 21) Morey, Tuberculose exp^rimentale quelques poissons et de la gre¬ 
nouille. fThbse.] Lyon 1900. — 22) Rabinowitsch, Welche Beziehungen bestehen 
zwischen den Erregern der Saugetiertuberkulose, speziell der Menschen-, Rinder- und 
Affentuberkulose und denen der Gefliigel- und Kaltbliitertuberkulose. (Centralbl. f. 
Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 37. S. 705.) — 23) Sion, Der Einflud des Organismus kalt- 
bliitiger Tiere auf den Bazillus der Menschentuberkulose. (Ebenda. Abt. I. Bd. 27. 
8. 710.) — 24) Steripulo, Ueber die Beziehungen der Tuberkelbazillen der Warm- 
und Kaltbliiter zueinander sowie iiber die gegenseitigen Beziehungen dieser und einiger 
anderer saurefester Bazillen. (Ebenda. Abt. I. Ref. Bd. 33. 1903.) — 25) Weber u. 
Taute, Ueber Kaltbliitertuberkulose. (Tuberk.-Arb. a. d. Kaiserl Gesundheitsamt. 1905. 
H. 3.) — 26) Sargo u. Suess, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 43 1906. H. 4 
(Referat). — 27) Couret et Maurice, Journ. of experim. Med. Vol. 13. 1911. p.546. 

Lausanne 1921. 



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Gerlach, Uebertragung d. Immunitat eines Gefliigelcholeraserumpferdes usw. 39 


Nachdruek verboten. 

Uebertragung der Immunitat eines Gefliigelcholeraserum- 
pferdes auf das Fohlen 1 ). 

|Aus der Staatl. Tierimpfstoffgewinnungsanstalt in MOdling bei Wien.] 
Von Privatdozent Dr. F. Gerlach, Vorstand des Institutes. 

Die intereesante und bedeutungsvolle Frage der ImmunitatsvererbuDg iet acbon 
wiederholt tod den verschiedensten Gesichtspunkten aus abgehandelt worden, so dafi 
di«ses Problem heute als gelost gelten kaun. 

Vor allem iet ee den gemalen und grundlegenden Vereuchen Ehrlichs zuzu- 
•chreiben, dafi die Vorgange, die bei den Nachkommen immuner Eltern das Vorhanden- 
-tin einer Immunitat bedingen, aufgeklart worden sind. Im Laufe der Jahre konnten 
ann diese Kenntnisee durcE die Arbeiten vieler und namhafter Forecher beetatigt und 
vertieft werden. 

Danach kann von einer „Vererbung“ der Immunitat im wahren Sinne dee Wortee 
nicht die Rede sein. Vielmehr handelt es sich in jenen Fallen, in denen immune 
Mutter immune Nachkommen zur Welt bringen, entweder um eine passive Immuni- 
-ierung dee Fotus, also um eine blofle Uebernahme der von der Mutter gebildeten 
Antikbrper durch das Junge, Oder um eine aktive Immunisierung der sich entwickeln- 
deu Frucht, wenn das immunisierende Agens auf dem Plazentarwege auf den Fotus 
ubergeht. 

Das Auftreten einer beim Muttertier vorhaudenen Immunitat bei Neugeborenen, 
die haufig heute noch talschlich als „vererbte Immunitat" angesprochen wird, ist nicht 
sur oftmala als Ergebnis von Experimenten bei verschiedenen kleinen Laboratoriumstieren, 
-ondern wiederholt auch bei unseren Haustieren beobachtet worden. So ermittelte 
Konradi in letzter Zeit die Moglichkeit einer „Vererbung der Lyssaimmunitat" beim 
flunde, nachdem Hogyes schon 1889 in den Annales del’Institut Pasteur iiber dies- 
tezugliche Versuche berichtet hatte. Diese Autoren gingen so weit, dafi sie vermeinten, 
die Hundswut durch Aufzucht lyssaimmuner Uunde, die ihre Immunitat durch Paarung 
iyseaimmuner Eltern „ererben“ sollten, aus der Welt zu schaffen, eine Idee, die sicn 
Dekanntlich als undurchfiihrbar erwieseu hat. 

Kleine und Mb 11 era fanden bei neugeborenen Hunden eine kurzdauernde Im¬ 
munitat gegeu Hundepiroplasmose, bedingt durch eine Uebernahme der schutzenden 
Immunkbrper aus dem miitterlichen Organismus. Ich erwahne diesen Befund deahalb 
beeonders, weil daraus hervorgeht, dafi auch eine gegen Protozoen gerichtete Immunitat 
rou der Mutter auf die Nachkommen iibergehen kaun. 

Prettner machte gelegentlich der Immunisierung von Kiihen zwecks Herstel- 
lung von Schweinerotlaufserum die Erfahrung, dafi die Kalber von Serumkiihen vor 
der Geburt aktiv immunisiert werden, dadurch dafi die Schweinerotlaufbazillen durch 
die Plazenta auf den Fotus iibergehen. 

Aus einer ganzen Reihe von Arbeiten geht ferner hervor, dafi iiberdies auch durch 
die antikorperhaltige Milch eine Uebertragung von Schutzstoffen aus dem immunen 
miitterlichen Organismus auf die saugonden Jungen vermittelt wird. Durch die Assi¬ 
milation von Antikorpern der Milch kann, wie sich gezeigt hat, die Immunitat des 
danglings vermehrt, bzw. ihre Dauer verlangert werden. 

Es erscheint daher begreiflich, dafi auf Grund dieser und vieler anderer Beob- 
htungen iiber die bei den Nachkommen immuner Muttertiere vorhandcne Immunitat 
m der Folge die Frage aufgeworfen wurde, ob es nicht moglich ware, zwecks Be- 
tampfung von Infektionskrankheiten die spezifischen Schutzstoffe schon wahrend des 
Fdtallebens zum Entstehen zu bringen, um das Neugeborene schon immun zur Welt 
tom men zu lassen. 

Die planmafiige Immunisierung triichtiger Muttertiere ist mit erheblichen Schwierig- 
teiten verbunden, da die Impfung derselben mit virulenten Krankheitserregern schwere 
tresundheitsstorungen, haufig Abortus, ja mitunter den Tod zur Folge hat. Von der 

1) Vortrag, gehalten in der Gesellschaft der Tierarzte in Wien am 9. Jan. 1922' 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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Erfahrung ausgehend, dafi man nicht nur mit lebenden uud abgetoteten Bakterien, 
.sondern auch mit deren Extrakten immunisieren kann, hat man deshalb in der Praxis 
fiir diese Zwecke auf die Anwendung von Bakterienextrakten gegriffen, von denen be- 
aondere die sogenannten Mutterimptstoffe aus dem Pharmazeutischen Institut L. W. 
Gans in Frankfurt a. M., die Schutzlymphe von Dr. Schrei ber - Landsberg und der 
KierBteinsche Bazillenextrakt aus dem Zentralinstitute fiir Tierzucht in Berlin prak- 
tisch zur Verwendung gekommen sind. 

Die Wirkung dieser Art von Impfatoffen, die hauptsachlich zur Bekampfung der 
Kalberruhr und der Schweineaeuche bestimmt waren, stellte man aich so vor, dali im 
Korper dea trachtigen Muttertierea Schutzstoffe gegen die betreffende Krankheit im 
Ueberachuaae gebilaet werden, die in das Blut dea Jungen iibergehen, mit denen daa- 
aelbe dann gegen diese Krankheit geschiitzt geboren wird. Diese angeborene Immu- 
nitat soil noch eine Vermehrung erfahren durch die mit der Milch von dem saugenden 
Jungen aus dem mutterlichen Organiamus aufgenommenen Antikorper. 

Mit diesen Mutterimpfstoffen aind praktiach recht zweifelhafte Erfolge erzielt 
worden und die Versuchaergebniaae von Schmitt (Ziillchow) bedeuten eine geradezu 
vernichtende Kritik fiber den Wert aolcher Mutterimpfungen. 

Sie aind aber gleichzeitig ein Beweis fiir die Kichtigkeit seiner Meinung, dali 
namlich „die Frage, ob eine Uebertragung kiinstlicher Antikorper aus dem mutterlichen 
in das fotale Blut vorkommt, bejaht werden mufi, eine aolche Uebertragung kiinstlicher 
Antikorper jedoch nicht zu den physiologischen Leistungen der Plazenta zu rechnen 
iat" und wonach ferner „eine Uebertragung aktiver oder paseiver Immunitat durch 
Saugung zwischen artgleichen Individuen in den ersten Lebenstagen vorkommen kann, 
dieses Vorkommnis jedoch keinesfalls ein geaetzmaQigea, anscheinend auch kein hiiu- 
figea iat.“ 

Schliefilich soil noch darauf hingewieaen werden, dali man auch bei der Behaud- 
lung der Fohlenlahme mit dem Blute der Mutterstute in gewisaem Sinne mit dem 
Vorhandensein einer aus dem Mutterleibe auf das Fohlen iibergegangenen Immunitat 
rechnet. Die Infektion, an welcher Eitererreger, Coli- und Paratyphusbakterien be- 
teiligt aind, soil schon im Mutterleibe erfolgen und durch eine Endometritis der Mutter - 
atute bedingt sein, wahrend die Anateckung nach der Geburt, fiir welche vor allem 
die Nabelinfektionen verantwortlich gemacht werden, eine Ausnahme bilden solleu. 

Den Vorschlagen Sohnles undForsaells, lahmekranke Fohlen mit dem Serum 
dee mutterlichen Blutes zu behandeln, liegt die Annahme zugrunde, dafi die Krankheit 
bei den Fohlen flann in Eracheinung tritt, wenn die aus dem Mutterleibe bei der Ge¬ 
burt mitgebrachten Schutzstoffe im Kampfe mit den Krankheitserregern aufgebraucht 
aind. Wenn daher bei dem Fohlen kiinstlich noch weiter grofiere Mengeu dieser Anti¬ 
korper der Mutterstute hinzugefiigt werden, ist ein ausreichender Schutz vor dem Aus- 
bruche der Liihme, bei bereita vorliegender Erkrankung aber Heilung zu gewartigen. 
Diese Annahme scheint nicht ganz ungerechtfertigt zu sein, da, soviel bekannt ist, 
in Bestanden, in denen friiher die Fohlenlahme gehauft aul'getreten ist, diese Krank¬ 
heit nicht mehr zu beobachten ist, seitdem dort konsequent alle neugeborenen Fohlen 
unmittelbar nach der Geburt, ehe ea noch zum Auabruche der Lahme gekommen ist, 
mit dem Blute der Mutter einer Sohutzimpfung unterzogen werden. 

Nach diesen mir als Einleitung dienenden Ausfuhrungen, die in 
groben Umrissen so ziemlich alles das enthalten diirften, was bislier 
fiber die Uebertragung einer Immunitat auf die Nachkommen bei un- 
seren Haustieren bekannt geworden ist, mochte ich als Beitrag zu 
diesem Kapitel einen Fall von Uebertragung der Immunitat eines Ge- 
flfigelcholeraserumpferdes auf das Fohlen besprechen, der in der staat- 
lichen Tierimpfstoffgewinnungsanstalt in Modling zur Beobachtung ge¬ 
kommen ist. 

Im Frfihjahr 1921 hatte ein Pferdehtindler dem Institute eine 9- 
jahrige Stute verkauft, die zweeks Gewinnung von Gefltigelcholeraserum 
allwochentlich mit steigenden Men gen hochvirulenter Bouillonkulturen 
des Geflfigelcholerabazillus immunisiert wurde. Bei der Auswertung an 
Tauben war das Serum dieser Stute bereits hochwertig befunden worden, 
als sie am 19. Aug. 1921 zu unserer Ueberraschung ein Fohlen zur 
Welt brachte, nachdem deren Triichtigkeit unserer Aufmerksamkeit voll- 
kommen entgangen war. 

Die gewifi nicht haufige Gelegenheit zu derartigen Versuchen be- 


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Gerlach, Uebertragung d. Immunitat einea Gefliigelcholeraserumpferdes usw. 41 

nutzte ich, uin das Fohlenserum auf das Vorhandensein spezifischer 
Antikorper zu priifen. Zu diesera Zwecke wurde bei dem neugeborenen 
Fohlen ein regelrechter AderlaC aus der HalsveDe vorgenommen, der 
obne Schaden vertragen wurde. Das zur Abscheidung gekommene 
Seruin des Fohlens wurde dann bei Tauben gegeniiber einer 24 Std. 
spater erfolgenden Infektion mit je 0,001 ccm eines hochvirulenten, 
frisch passierten Gefliigelcholerastammes ausgewerlet, wiihrend gleich- 
zeitig unter denselben Bedingungen die vergleichende Auswertung des 
Serums der Mutterstute erfolgte. 

Das Ergebnis dieser Versuche ist aus den beiden nachstehenden 
Tabellen zu entnehmen. 


Fohlenserum, intramuskular am 6. Sept. 1921. Kultur: Gefliigelcholera Nr. 65, 
48-stund., 0,001 ccm subkutan am 7. Sept. 1921. 


Serumdosis in Kubik- 
zentimetern 

Kon- 

trollen 

1,0 2,0 

3,0 

Zahl der 
Beobach t u n gs tage 

Datum 

1 

T53 T 97 

T 161 

T78 T38 

T 160 T 165 

T 76 

1 

2 

8. Sept. 

9. „ 

10 

+ + 


— ! — 

— 

— 

— Gefliigelcholera 

4 

5 

6 

11. - 
12. . 

13. „ 

* 

+ 




— Gefliigelcholera 

7 

8 

14. „ 

15. „ 


• 

+ — 

. : — 

— 

— 

IJ 


Serum der Mutterstute (Gefliigelcholerapferd „Maus“), intramuskular am 

6. Sept. 1921. Kultur: Gefliigelcholera Nr. 65, 48-stiind., 0,001 ccm subkutan am 

7. Sept. 19G._ 


Serumdosis in Kubik- 
zentimetern 

Kon- 

trollen 

1,0 

2,0 

3,0 

Befund 

Zahl der 
Beobachtungstage 

Datum 

T 17 

T 29 

T 12 

T 90 

T 64 

T 113 

T 145 T 31 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

8. Sept. 

9. „ 
in 

+ 

+ 

— 


— 

— 

— 

— 

Gefliigelcholera 

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lv. r 

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Gefliigelcholera 


Unmittelbar nach der Geburt hat das Fohlen demnach ein hoch- 
aertiges Gefliigelcholeraserura geliefert, das im Tierversuch gegeniiber 
einer kiinstlichen Infektion mit Gefiiigelcholera die gleiche Wirksamkeit 
entfaltete, wie das Gefliigelcholeraimmunserum der Mutterstute. 

Es miissen daher in unserem Falle die durch aktive Immunisierung 
im Blute des triichtigen Muttertieres entstandenen Antikorper gegen 
Oeflugelcholera auf dem Plazentarwege auf den F’otus iibergegangen sein. 

Aus einer groBen Zahl von Untersuchungen, deren Grundlage die 
Ehrlichschen ,Ammen- oder Vertauschungsversuche“ bilden, geht 
hervor, daB die auf die Nachkommen immuner Mutter iibertragene Im¬ 
munitat einige Wochen hindurch, ja sogar wiihrend 2—3 Mon., bestehen 


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Centralbl. f. Hakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1. 


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bleiben kann, sofern den saugenden Jungen antikorperhaltige Milch ver- 
abreicht wird, wenn also dein jugendlichen Organismus weiterhin noch 
auf dem Wege des Verdauungttraktes Antikorper des miitterlichen Or¬ 
ganismus zugefiibrt werden. 

Uni in der Folge 'fiber den jeweiligen Immunitatsgrad und fiber 
die Dauer des Bestehenbleibens der Immunitat bei unserem Fohlen 
einen Ueberblick zu bekommen, wurde von Zeit zu Zeit das bei wieder- 
holten Aderlfissen gewonnene Fohlenserum unter Beibehaltung der ge- 
legentlich der 1. Auswertung beobachteten Versuchsanordnung neuerlich 
an Tauben ausgewertet. 

Schon nach 4 Wochen war die Scliutzwirkung des Fohlenserum^ 
bedeutend vermindert, da, wie aus der folgenden Tabelle ersichtlich ist. 
samtliche Versuchstauben, allerdings ini Vergleiche zu den Kontrollen 
unter Verzogerung des letalen Endes, innerhalb von 4 Tagen der nach- 
trfiglichen Infektion mit Geflfigelcholerabazillen erlegen sind. 


Fohlenserum vom 17. Sept. 1921, intramuskular am 20. Sept. 1921. Kultur: 
Geflugelcholera Nr. 65, 48 stiind., 0,001 ccm subkutan am 21. Sept. 1921. 


Serumdosis in Kubik- 
zentimetern 

Kon¬ 

trollen 

1,0 

2,0 

3,0 

Befund 

Zahl der n , 

Beobachtungstage 

1 

T 65 T 166 

T 148 

T 66 

T 8 

T 109 

1 

T73T 115 

1 

1 122. Sept. 

2 123. „ 

3 124. „ 

4 25. „ 

+ 

+ 

+ 

+ 111 

+ 

111 + 

+ 

111 + 

1 Gefliigel- 
| cholera 


7 Wochen nach der Geburt konnte eine Schutzwirkung des Fohlen- 
serums bei der Gefltigelcholerainfektion fiberhaupt niclit niehr ermittelt 
werden, da die Kontrolltauben und die mit dem Fohlenserum geimpften 
Tauben gleichzeitig auf die subkutane Infektion an Gefliigelcholera zu- 
grunde gegangen sind.J 


Fohlenserum vom 10. Okt. 1921, intramuskular am 21. Okt. 1921. Kultur: 
Geflugelcholera Nr. 65, 48-stund., 0,001 ccm subkutan am 22. Okt. 1921. 


Serumdosis in Kubik- 
zentimetern 

Kon¬ 

trollen 

1,0 

2,0 

3,0 

Befund 

Zahl der noflim 

Beobachtungstage 

T 39 

T 124 

T 103 

T 97 

T 38 

T 97 

H 

01 

-0 

T 148 

1 I 23. Okt. 

2 24. „ 

+ 

’ 

+ 

+ 

+ 

-i- 

+ 

+ 

' 

+ 

| Gefl iigel- 
/ cholera 


Es hat somit die von der Mutterstute wahrend des intrauterineu 
Lebens auf den Ffitus fibergegangene Immunitat gegen Gefliigelcholera 
nach der Geburt bei dem Fohlen nur wenige Wochen angehalten. Diese 
Immunitat hat infolge der raschen Ausscheidung der Antikorper aus 
dem jugendlichen Organismus den Charakter einer passiven Immunitat 
aufgewiesen, die auch dadurch uicht verlangert worden ist, daB die Milch 
der nach dem Abfohlen auch weiterhin allwochentlich mit Bakterieu- 
kulturen immunisierten Mutterstute von dem saugenden Jungen aufge- 
nommen worden ist. 



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Lu bin ski, Die Sterilitat des zur Pasteurschen Schutzimpfung usw. 


43 


Nachdruck verboten. 

Die Sterilitat des zur Pasteurschen Schutzimpfung 
verwendeten Kaninchenriiekenmarkes. 

|Aus tier Wutschutzabteilung des Hygienischen Instituts der Universitfit 
Breslau (Direktor: Geheimrat Prof. Dr. R. Pfeiffer).] 

Von Dr. Herbert Lubinski, Leiter der Abteilung. 

Die systematische Durchfiikrung der Pasteurschen Schutzimpfung 
bat die Lyssa humana zu einer in Deutschland sehr seltenen Erkrankung 
gemacht, obgleich die Zahl der durch tollwutverdachtige Tiere verletzten 
Personen seit Kriegsende in standigor Zunahme begriffen ist. Es ist 
statistisch nachgewiesen, daB die Morbiditat und damit auch die Morta¬ 
lity an Lyssa von 15 bis 20 Proz. der von tollen Tieren verletzten 
and nicht behandelten Personen auf V 2 bis 1 Proz. der behandelten 
zurfickgegangen ist. Dieser Erfolg der Impfung wird auch dadurch 
nicht sonderlich beeintrachtigt, daB im Verlaufe der Impfbehandlung 
gelegentlich Storungen beobachtet worden sind, von denen ein Toil mit 
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf die Wirkung des ein- • 
verleibten Virus fixe zurfickzuffihren ist. Trotz der Seltenheit des Vor- 
kommens dieser Impfschadigungen, die zum groBten Teil gutartig ver- 
laufen, ist es aber naturlich von groBter Wichtigkeit, genau fiber die 
Umstande orientiert zu sein, unter denen es zu diesen unerfreulichen 
F.rscheinungen kommt. Sicheres fiber die Ursachen weiB man bisher 
noch nicht: als fordernde Faktoren galten ganz allgemein starke Schfidi- 
gungen des Organismus nervfiser Oder korperlicher Art. 

0. Kfihne 1 ) ist nun auf Grund der von ihm vorgenommenen 
Untersnchungen zu der Annahme gekommen, daB Begleitbakterien ver- 
schiedener Art, die er aus dem gebrauchsfertigen Impfstoff heraus- 
gezfichtet hat und die bei der Einspritzung der Markemulsion in den 
Organismus des Impflings gelangen, unter Umstfinden das Passagevirus 
beeinflussen, „aggressiv machen u Oder die Widerstandsffihigkeit des 
Patienten derart herabsetzen konnen, daB eine Erkrankung des Nerven- 
systems die Folge ist. 

Die Untersuchungen Kfihnes, die in der Berliner Wutschutz¬ 
abteilung stattgefunden haben, erstrecken sich auf frisch entnommenes, 
auf getrocknetes und auf glyzerinisiertes Mark und wurden in der Weise 
vorgenommen, daB 1—2 Tropfen der in der Ubliehen Weise hergestellten 
Emulsion auf Agar-, Ascites- und Drigalski-Platten sowie in Bouillon 
einer Prfifung auf Sterilitat unterzogen wurden. Dabei zeigte es sich, 
daB die genannten 3 Markarten in einem hohen Prozentsatz — 83,3 Proz. 
beim frischen Mark, 80 Proz. beim getrockneten, 68,7 Proz. beiin glyze- 
rinisierten — sehr stark mit Mischbakterien verunreinigt waren. Es 
fanden sich Kokken und Stabchen verschiedener Art, Sarcine, Coli 
and Sporenbildner. Auch Streptokokken wurden vereinzelt beobachtet, 

1) Zeitechr. f. Hyg. 1621. 91/3. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. S8. Heft 1. 


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die im Tierversuch apathogen waren, die aber leider nicht weiter dif- 
ferenziert worden sind. Es fehlen auch Angaben dariiber, ob die ge- 
nannten Bakterien im Gemisch oder jede Art- einzeln in den verschie- 
denen Marken gefunden wurden. 

Die Anwesenheit dieser Mischbakterien fiihrt Iviihne 1) auf eine 
akzidentelle Infektion der Kaninchen nach ihrer Impfung mit Virus fixe 
zuriick, eine Moglichkeit, die, wie er selbst zngibt, als groBe Seltenheit 
anzusehen ist. In der Hauptsache kommt seiner Meinung nach als 
Quelle der Verunreiniguug die Ueberschwemmung des Organismus mit 
Bakterien des Verdauungskauales wahrend der Agonie in Frage. Leider 
hat es K. unterlassen, das Blut seiner Versuchstiere, das ja wohl als 
Verbreiter der Keime anzusehen ist, einer Priifung auf Bakteriengehalt 
zu unterziehen. Auch eine Priifung auf Anaerobier vermissen wir. 

Die von Kfihne erhobeuen Befunde und die daraus von ihm ge- 
zogenen Schliisse sind geeignet, den Wert der Impfung, wie sie zurzeit 
gehandhabt wird, herabzusetzen und eine sehr ernste Beunruhigung 
hervorzurufen. Es wurde daher eine Nachpriifung dieser Ergebnisse 
auf der hiesigen Abteilung vorgenomrnen. 

Fiir eine Verunreinigung des Wutimpfstoffes, wie sie von K. ge¬ 
funden wurde, bestehen folgende Moglichkeiten: 

1) Die Bakterien, vornehmlich die des Verdauungskauales, dringen 
noch zu Lebzeiten des Tieres auf dem Wege der Blutbahn in das Mark. 

2) Das Mark wird bei der Entnahme durch die auBen am Korper 
des Tieres und die in der Umgebung befindlichen Keime verunreinigt. 

3) Ist eine Verunreinigung moglich bei der Verreibung der Mark- 
stiicke, die in einem oben offenen GefaBe manuell mittels eines dicken 
Glasstabes erfolgt. 

Entsprechend diesen 3 Moglichkeiten, muBte sicli die Untersuchung 
erstrecken auf das Kaninchenblut, das frisch entnommene Mark und 
die gebrauchsfertige Emulsion. 

Die 1. bier angestellte Versuchsreihe umfaBte 30 Blut- und ebenso 
viele Markproben. Das Untersuchuugsmaterial wurde in folgender Weise 
gewonnen: 

Die Kaninchen wurden, nachdem sie das Bild eines schweren Krank- 
heitszustandes boten, kurz vor oder im Beginn der Agonie unter alien 
aseptischen VorsichtsmaBnahmen aus der A. carotis ext. entblutet und 
2 ccrn des so gewonnenen Blutes zu Agarplatten verarbeitet. 

Unmittelbar nach der Totung wurden die Tiere abgehautet, der 
Korper mit Lj'soform abgewaschen und nach Abtrennung des Kopfes 
der Halsstumpf mit der Flamme abgesengt, utn die an der Durchtren- 
nungsstelle sitzenden Bakterien zu vernichten, die durch das Zusammen- 
pressen der Scherenschneiden von der Korperfl&che auf das Riickenmark 
iibertrageu werden konnten. 

Von dem nach der Oshid aschen Methode gewonnenen Mark wurde 
je ein 1 cm langes Stuck auf eine 2 l / 2 -proz. Agarplatte, auf Loeff ler sches 
Serum sowie in Nahrbouillon und zur Priifung auf Anaerobier in hoch- 
geschichteten Agar gebracht. Das auf die erstgenannten beiden Niihr- 
bbden gebrachte Mark wird mit einem D r i g a 1 s k i - Spatel iiber die 
ganze Platte ausgestrichen. Auf die Verwendung des Drigalski- 
Nahrbodens wurde verzichtet, da dessen elektive Wirkung ja gewisser- 
maBen nur negativ ist, indent das Wachstum gewisser Bakterienarten 
zugunsten anderer gehemmt wird. Es ist auch in den Tabellen Kiihnes 



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Lubinski, Die Sterilitat des zur Pasteuracheu Schutzimpfmig usw. 45 


kein Fall zu finden, in dem ausschlieBlich auf der Drigalski-Platte 
Wachstum zu verzeichnen ware. 

Die Beobachtung der Plattenkulturen dauerte 3, die der Bouillon- 
und Anaerobenrohrchen 7 Tage, wahrend deren sie im Brutschrank ge- 
halten wurden. 

Das von uns erzielte Ergebnis entspricht nicht den Beobachtungen 
Kflhnes 1 ). Im Blut konnten kein einziges Mai irgendwelche Bakterien 
nachgewiesen werden. Auch die Anaerobierrohrchen sind immer steril 
geblieben, was bei dem Vorhandensein von Darmbakterien (Coli!) nicht 
der Fall ware. Dagegen fanden sich zuweilen (6mal bei 30 Untersuch- 
ungen, d. h. bei 20 Proz. gegeniiber 83,3 Proz. bei Kiihne) Bakterien 
harmloser Art in geringer Zahl (3—20 Keime) — niemals Coli oder 
Streptokokken — auf den Agar- und Serumplatten sowie in der Bouillon. 
Diese Tatsache ist nun absolut nicht verwunderlich; denn daB bei der 
Entnahme des Markes und dem Abschneiden der Sterilisationsproben 
sowie ihrer Verarbeitung harmlose Luftkeime aus der Umgebung auf die 
AuBenfiache des Markes gelangen kfinnen, liegt im Bereich der Moglich- 
keit und ist nicht immer zu vermeiden. Die Zahl der Keime ist aber 
bei unseren Untersuchungen niemals fiber eine im Verhaltnis zur GrfiBe 
des gepriiften Materials verschwindend geringe Mengen hiuau,sgegangen. 
Erne Ausnahme (40 Keime) ist mit groBter Wahrscheinlichkeit auf eine 
schon auf der Platte befindliche und beim Ausstreichen (ibersehene 
Kolonie zuriickzufiihren und daher als Versuchsfehler anzusehen. 

Da auf der hiesigen Abteilung nur nach der C aim etteschen Vor- 
schrift glyzerinisiertes Mark zur Bereitung des Impfstoffes verwendet 
wird, verzichteten wir in Anbetracht des Ergebnisses der 1. Versuchsreihe 
auf eine Priifung des Markes nach der 1—3-tag. Trocknung und gingen 
gleich dazu iiber, das nach der Trocknung 3 — 10 l’age in Glyzerin auf- 
bewahrte Mark auf seinen Gehalt an Mischbakterien zu untersuchen. Wir 
benutzten dazu die gebrauchsfertige Emulsion, von der mehrere Oesen 
auf dieselben N&hrboden gebracht wurden, die bei der 1. Versuchsreihe 
verwendet worden waren. Auch hier war das Ergebnis vollig negativ. 
Vereinzelt vorkominende Luftkeime sind auf die nicht zu vermeidende 
Moglichkeit einer Verunreinigung wahrend der Herstellung der Emulsion 
zurflckzufflhren, die, wie schon gesagt, in cinem oben offenen Glase 
stat findet. Durch diese Versuchsreihe ist auch bewiesen, daB das 
Glyzerin als Sterilisator flir schwach verunreinigte Marke wirkt. Denn 
auch die bei der 1. Priifung als nicht steril befundenen frischen Marke- 
zeigten sich uns nach der Glyzerinisierung als rein. 

Durch diese beiden Untersuchungsreihen ist demnach bewiesen, 
daB auf der hiesigen Wutschutzabteilung sowohl das frisch entnommene, 
wie auch das in Glyzerin aufbewahrte Mark keinen fiber das durch 
technische Fehlerquelleu bedingte MaB hinausgehenden Gehalt an Bak¬ 
terien besitzt. Damit fallen auch die SchluBfolgerungcn Kflhnes, nach 
denen die Mischbakterien das auslosende Moment der Impflyssa abgeben 
kflnnen. 

Als eine weitere Folge der von ihm gefundenen Begleitbakterien 
sieht Kiihne auch die in vielen Fallen wfihrend der 2. Woche der Be- 
handlung an der Stelle des Impfdepots sich bildenden RStungen und 
Infiltrate an, die bisher ffir allergischen Ursprunges gehalten wurden. 
Wenn K. der Ansicht ist, daB es sich uni eine durch die miteinverleibten 

1) Eine Verfiffentlichung der Tabellen nniB infolge der hohon l)riickko>*teii unter- 
bleiben. 


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Centralbl. f. Kakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1. 


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Bakterien hervorgerafene Entziindung handelt, so rnufi es als sehr raerk- 
wiirdig bezeichnet werden, daB diese Wirkung verschiedenster Bak- 
terienarten regelmaBig zwischen dem 9. und 12. Behandlungstage auf- 
tritt. Ich inochte hierzu eine Beobachtung mitteilen, die von Herrn 
Prof. Prausnitz wahrend seiner Tatigkeit auf der Abteilung gernacht 
worden ist: Ein Patient, der in der 2. Behandlungswoche eine starke 
allergische Reaktion an der Iinpfstelle hatte und die Behandlung danach 
einige Zeit unterbrechen mufite, bekam sofort nach Wiederaufnahme der 
Impfung, bereits nach der 1. Spritze, aberraals eine deutliche Reaktion 
(be-schleunigte Reaktion nach Pirquet). Solite aber Kfihne der Ansicht 
sein, dafi die Erscheinungen auf den EiweiBgehalt der einverleibten Bak¬ 
terien zurtickzufiihren seien, so ist dieser im Verhaltnis zu der ein- 
gespritzten Menge KanincheneiweiBes so gering. daB diese Erklarung als 
sehr gesucht erscheint. Wenn ferner die Reaktionserscheinungen wirk- 
lich auf die Begleitbakterien zuriickzufiihren waren, so diirften sie bei 
eineni Impfstolf, der, wie die hiesigen Untersuchungen ergeben haben, 
steril ist, nicht vorkommen. Sie werden aber iiberall beobachtet und 
sind daher wohl allergischen Ursprunges. 

Des weiteren glaubt Kiihne, auch die zuweilen vorkommenden 
AbszeBbildungen auf die Begleitbakterien zuriickfuhren zu konnen. Er 
widerspricht sich aber sofort selbst, indent er darauf hinweist, daB seit- 
dem jeder Patient in Berlin mit einer frisch sterilisierten Kanule 
geirapft wird, derartige Abszesse zu den allergroBten Seltenheiten ge- 
hdren. Ich glaube, auch die aufs allersorgf&ltigste sterilisierte Handle 
kann Abszesse, die durch Unsterilitat des Impfstoffes bedingt sind, 
nicht verhindern. 

Um fur die auffallenden Befunde K.s eine Erklarung zu finden, 
haben wir noch einige weitere Versuche angestellt. Mehrere mit Virus 
fixe infizierte Tiere wurden nicht, wie sonst ublich, im Beginn der 
Agonie entblutet, sondern ihr Tod abgewartet und die Entnahme des 
Markes erst verschieden lange Zeit nach dem Exitus vorgenommen. Dabei 
zeigte sich allerdings, daB mit der GroBe des Zeitraumes, der zwischen 
Tod und Entnahme verflossen ist, auch der Gehalt an fremden Keimen 
zunehmen kann. Es wurde h&ufig Staphylococcus albus und au¬ 
reus sowie Coli in groBer Menge aus dem Mark herausgeziichtet. 

SchlieBlich mochte ich noch auf eine auffftllige Tatsache hinweisen, 
die aus den Kiihneschen Protokollen I und III hervorzugehen scheint. 
Die Untersuchungen haben namlich an einzelnen Tagen — Proto- 
koll I: 12., 15., 21. Juni; Protokoll III: 5., 7., 19., 22., 28. Nov. — fur 
die verschieden lange getrockneten Marke vollige Sterilitat ergeben. 
Nun ist aber doch wohl, um ein Beispiel anzufuhren, das am 12. Juni 
2 Tage lang getrocknete Mark am 11. Juni als l-t&giges Mark gepriift 
worden. Wahrend es am letzteren Tage nach dem Protokoll unsteril 
war, ist es am darauf folgenden Tage als keimfrei befunden worden. 
Diese Tatsache steht aber mit der von Kiihne selbst wie auch von 
anderen gemachten Beobachtung im Widerspruch, daB verunreinigtes 
Mark durch den ProzeB der Trocknung nicht steril wird. Sollten da 
nicht gewisse Versuchsfehler — mangelhafte Sterilitat des Instrumen- 
tariums, besonders starke Luftbewegungen im Arbeitsraume wahrend 
der Verarbeitung u. a. — als Erklarung fur die Befunde dienen konnen V 

Im Verlaufe seiner Arbeit &uBert sich K. auch iiber die von ihm 
mit der Aufbewahrung des Markes in Glyzerin gemachten Erfahrungen. 
Er hat bei seinen Versuchen gefunden, daB das glyzerinisierte Mark 



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Lubinski, Die Sterilitat des zur Paeteursclien Sehutzimpfung usw. 47 

zwar einen geringeren Keimgehalt aufweise, daB aber eine Keimfreiheit 
(lurch diese Art der Aufbewahrung nicht zu erzielen sei. Bei schwacher 
Verunreinigung des Markes ist eine Abtotung der Begleitbakterien wold 
zu erzielen. Anders allerdings verhalt es sich bei starkem Gehalt an 
Mischbakterien. Wir haben ein Mark nach der Entnahme kiinstlich mit 
Staphylo- und Streptokokken sowie mit Coli infiziert, indem wir es fflr 
mehrere Stunden in eine dichte Aufschwemmung der genannten Bak- 
terien legten. Da versagte das Glyzerin. Trotz 14-tag. Einwirkung war 
kaum eine AbschwSchung der Keimzahl zu bernerken. Ein derartig ver- 
unreinigtes Mark kommt aber nach unseren Beobachtungen in der Praxis 
kaum vor und wurde natfirlich von der Benutzung ausgeschlossen werden. 

Endlich ware noch zu der von Ktlhne ausgesprochenen Befurchtung 
einer Abschwachung bzw. Abtotung der Wuterreger durch das Glyzerini- 
sierungsverfahren Stellung zu nehmen. Nach unseren jahrelangen Er- 
fahrungen kann dies im Laufe der Verwendungszeit des Markes von 
hocbstens 14 Tagen kaum der Fall sein, da die Erfolge unserer Be- 
handlungsmethode der in Berlin und anderen Orten fiblichen, wo nur 
frisch getrocknetes Mark verwendet wird, in keiner Weise nachstehen. 

Es haben sich also bei den von Ktihne und mir angestellten Unter- 
suchungen fiber die Sterilitat des Wutimpfstoffes gegensfitzliche Resultate 
ergeben. Dieser Widerspruch ist vielleicht z. T. mit Versuchsfehlern 
zu erklaren, auf die bereits oben hingewiesen ist. In der Hauptsache 
aber beruhen die Unterschiede wohl darauf, daB bei den Untersuchungen 
Kuhnes die Versuchstiere spater, als es hier fiblich, getfitet worden 
sind. ja daB man sogar .ihren Tod abgewartet hat. 

Zusammenfassung. 

1) Die in Breslau angestellten Untersuchungen fiber den Bakterien- 
gehalt des Rfickenmarkes der zur Pasteurschen Schutzimpfung be- 
nutzten Kaninchen haben, Jim Gegensatz zu den von 0. Kfihne er- 
hobenen Befunden, ergeben, daB das frische und auch das getrocknete 
Mark bei rechtzeitiger Tfitung der Tiere im allgemeinen steril ist. 20 Proz. 
der hier untersuchten frischen Marke waren unsteril gegen 83,3 Proz. 
bei Kfihne. 

2) Eine Verunreinigung des Markes wahrend seiner Verarbeitung 
st infolge der Unvollkommenheit der technischen Hilfsmittel zwar m6g- 
lich und nicht mit Sicherheit zu vermeiden. Diese MSglichkeit halt sich 
aber in engen Grenzen. 

3) Ein durch solche technische Hilfsmittel bedingter, geringer Keim- 
cehalt des Markes wird durch Aufbewahrung in Glyzerin beseitigt. 

4) Damit sind die SchluBfolgerungen Kiihnes, daB die an der 
Stelle des Impfdepots sich bildenden Rotungen und Infiltrate als Folge 
der „Mischbakterien u anzusehen sind, ebenso hinfSllig wie die Annahme. 
daB diese Keime das Passagevirus aggressiv machen kfinnen. 

5) Die Gefahr einer haufigen bakteriellen Verunreinigung des Impf- 
stoffes, wie sie von Kfihne angegeben worden ist, liegt demnach bei 
sorgfS.ltiger Technik nicht vor. 


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48 


Centralbl f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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Machdruck verboten 

Kasuistische Mitteilungen iiber ein anscheinendes Versagen 
der Bayer 205-Behandlung bei an’ natiirlicber Beschal- 
seucbe leidenden Pferden. 

[Aus der Bakteriologischen Abteilung der Tierseuchenstelle der Thiiringi- 
schen Landesanstalt fur Viehversicherung (Leiter: Prof. Dr. med. vet. 
VV. Pfeiler) Veterinkranstalt Jena (Direktor: Geheimrat Professor 

Dr. Hobstetter).] 

Von Prof. Dr. W. Pfeiler. 

Im Jahre 1920 sind praktische Versuche zur Behandlung bzw. Pro- 
phylaxe der Beschalseuche mit Bayer 205 von mir aufgenommen uud ihre 
Ergebnisse im 5.-8. und 11.—12. Heft der Mitteilungen der Tierseuchen¬ 
stelle der Oetfentlichkeit iibergeben worden (1—3). In einem Vortrage 
auf der Tagung des Deutschen Veterinarrats in Weimar im April 1921 
sind ausfiihrliche Augaben iiber die Behandlungsmethoden (4) erfolgt. 
Die Ergebnisse dieser umfangreicken, insbesondere auch an kleinen 
Versuchstieren ausgefiihrten, sowie der experimentellen Arbeiten an 
versuchsweise inlizierten Pferden und einem Esel konnten aus Mangel 
an Zeit bislang nicht veroffentlicht werden. Mit Riicksicht hierauf soil 
im folgenden ein kurzer AbriB iiber anscheinende „Versager“ der Bayer 
205-Behandlung gegeben werden, der bei dem groBen Interesse, das "die 
Versuche an natiirlich beschalseuchekranken Pferden mit Riicksicht auf 
die Behandlung der menschlichen Schlafkrankheit, ferner der Nagana 
und Surra mit dem gleichen Praparat beanspruchen konnen, als Beitrag 
auch zur Beurteilung dieser in der Entwicklung begriffenen Fragen will- 
kommen sein diirfte. Bekauntlich sind entsprechende Versuche iu- 
zwischen in den Tropen durch Geheimrat Kleiue und Oberstabsarzt 
Fischer aufgenommen worden, denen die Ergebnisse meiner Versuche 
und Beobachtungen bei der Behandlung der Beschalseuche anlaBlich 
eines vor der Ausreise nach Afrika erfolgten Informationsbesuches in 
alien Einzelheiten mitgeteilt worden sind. 

Miessner und Berge (5) haben nach dem Erscheinen meiner 
ersten Arbeiten Versuche an 5 kiinstlich infizierteu und einem natiirlich 
kranken Pferde aufgenommen, die die Ergebnisse meiner Arbeiten be- 
statigen. Auch sie heben die hervorragende Bedeutung von Bayer 205 
fiir die Behandlung der Beschalseuche hervor. 

Die Zahl der natiirlich beschalseuchekranken, im Beuehmen mit der 
Tierseuchenstelle von praktischen Tierarzten mit Bayer 205 behau- 
delten Pferde, iiber die Berichtsergebnisse *) vorliegen, betragt 116. In 
einer weiteren Anzahl von Fallen waren Berichtsergebnisse iiberbaupt 
nicht zu erzielen, bzw. die betreffenden Angaben erschienen zweifelhaft. 
Auch fiir die erwahnten 116, bzw. die hierunter direkt aufgefiihrten 
Falle muB, wenigstens teilweise, die Einschrankung gemacht werden, 
daB eine absolute Zuverlassigkeit aus dem erwahnten Grunde nicht ge- 
wahrleistet werden kann. 

1) Die Daratellung foigt von hier an Berichten an das Thiiringische VVirtschafts- 
ministerium voni 23. Juni, 15. Okt. und 19. Nov. 1921. 



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Pfeiler, Ueber ein anscheinendes Versagen der Bayer 205-Behandlung usw. 49 


Die Einteilung folgt einer Fragestellung, die ffir die Berichterstat- 
tung vorgesehen war. 

1. FSllc, in denen sieh das Mittel von vornherein als unwirksam 

erweist. 

Derartige F&lle, wo also eine Beeindussung des Krankheitsprozesses 
uberhaupt nicht zu erkenneu war, sind nicht beobachtet worden, 
wenn man nicht die Falle einer gewissen oder absoluten Bayer 
205-Festigkeit hierher rechnen will. 

Id einem dieser Falle (brail 11 e Stute, Besitzer Sch. in S.) hat eine an- 
§cheinende B Bayer205-Festigkeit“ vorgelegen *). Der Zustand des Pat. hat sieh 
nach Aufnahme der Bayer 205-Behandlung bedeutend gebessert, das Gewicht sieh 
zehoben, doch traten dauernd neue Ringflecke auf; anderseits schwand die 
Lahraung der HintergliedmaBen naeh der Bayer 205-Behandlung (im gauzen 17 g). 

Mit Kucksicht auf die Ringfleckrezidive wurde bei dem Pferde Atoxyl- und Tar¬ 
tarus stibiatus-Behandlung, der es sehon einmal vor Aufnahme der Bayer 205-Kur unter 
Entstehung immer neuer Rezidive uuterworfen gewesen war, eingeleitet. 

Ea erschien nun fiir einige Zeit frei von Krankheitserscheinungen, mufite aber, 
da es unter schweren Tobsuchtserscheinungen erkrankte, erschossen werden. 

Naeh Ansicht des behandeluden Tierarztes ist es mfiglicherweise an Bornascher 
Krankheit zugrunde gegangen. In den zur Untersuehung eingesandten Teilen des Ge- 
iiirns war — im Subarachnoidealraum; es bestand Piaodem — naeh langem Suchen 
tin Trypanosoma farberisch naehzuweisen, dagegen nicht die sog. Erreger der 
Bornaschen Krankheit, bzw. die fiir sie als charakteristisch geltenden Zelleinsehliisse. 
Banach ist das Pferd an Beschiilseuche zugrunde gegangen. Bei dem Pferde bestand 
weiterhin eine gelbe Leberatrophie, die von Einfiufi auf die intra vitam beobaehteten 
zerebralen Erscheinungeu gewesen sein mag. 

Bemerkt muB zu diesem Falle werden, dad das Pferd im April gedeckt und erst 
am 20. Okt. mit vorgeschrittenen Lahmungserscheinungeu der Bayer 205-Behandlung 
zugefiihrt worden ist. 

Bei dem Pferde war im ubrigen wahrend der Dauer der Erkrankung stets ein 
negativer bzw. nur zweifelhafter, also niemals ein deutlich positiver Blutbefund erhoben 
worden. 


2. Falle, in denen die Wirkung von Bayer 205 nur ungeniigend ist 
und die trotz geuiigend langer Behandlung nicht zur Heiiung 

kommen. 

Ein 10 Jahre alter, abgemagerter Fuchshengst (Besitzer F. zu A.) wurde 
-Mitte April der Bayer 205-Behandlung zugefiihrt. Moglicherweise hat bei diesem Tiere 
auch von vornherein eine Bayer 205-Festigkeit vorgelegen, bzw. ist es im Laufe der 
Anfangsbehandlung mit kleinen Dosen erst Bayer 205-fest geworden. 

Der Hengst hatte bei Aufnahme der Behandlung eine schwere, beiderseitige FacialiR- 
lihmuDg an Ober- und Unterlippe, die auch auf die Nasenmuskulatur (inspiratorische 
Dyspnoe) fibergriff. Der Speichel lief ihm beun Fressen aus dem Maul oder hing in 
langen Strahneu zum Maul heraus. Futter konnte das Pferd nur in fliissig-festem 
Zu.-tande (8chlapp) aufnehmen. Es litt auBerdem an Phimose. Die Hodeu waren 
beiderseits stark geschwollen, links starker als rechts, ebenso die Nebenhoden. Ein 
Aufziehen der Hoden war anfangs nicht zu beobachten. 

Mit Riicksicht auf den heruntergekommenen Zustand des Hengstes und bei 
anderen Tiereu gemachte ErfahruDgen erhielt das Pferd zuniichst nur je 1 g Beyer 205 
an verschiedeoen Tagen. Da das Gewicht weiter abnahm — es fiel von 888 auf 802 Pfd. 
— wurden im Mai mehrfach Gaben von 2 g Bayer 205 gegeben. Am 19. Mai wurde 
Fieber beobachtet. Das Pferd erhielt einige Tage spiiter 1 und 1,5 g Tartarus stibiatus 
intraveuos, sowie ofter 5 g Atoxyl subkutan. 

1) Die Krankengeschichte dieses Pferdes ist ausfiihrlich in der Dtsch. tierarztl. 
Wochenschr. H. 173 ff. veroflentlicht (6). 

Der Ausdruck ,an scheinende“ Bayer 205 -Festigkeit ist deshalb ge- 
wahlt, weil wir fiber die Frage heute noch nicht geniigend unterrichtet sind. 

Krue Abt. Orig. Bd. Sfe. Heft 1. ,4 


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Ceutralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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Am 27. Mai wurde erstraalig cine Hydrocele am linken Hoden festgestellt; die 
Schwellung des rechten Hodens lieB zur gfeichen Zeit scheinbar etwas nach. 

Ende Mai wurde Behandlung der gelahmten Unterlippe durch Elektrizitat vor- 
gesehen. Der Strom war so schwach, daS der das Tier haltende Diener ihn beim Pro- 
bieren gerade als leichten Reiz empfand. Der Pat. widersetzte sich der Behandlung 
trotz seiner sonstigen Gutmiitigkeit stark; sie inuBte im Notstand fortge»etzt, aber als- 
bald abgebrochen werden, da der Henget infolge seiner Erregung und der Lahmung 
der Nasenmuskulatur heftige Dyspnoe zeigte. Beim Herausfiihren aus dem Notstand 
knickte der Pat. hinten rechts im Eesselgelenk bei jedem Sehritt dorsal nm. Im Freien 
zeigte sich starker SchweiBausbruch, Muskelzittern, spater im Stall groBte Erregung, 
Steigen, BeiBen in die Krippe, Schlagen. 

Zur Beruhigung wurde dem unoandigen Tiere Morphium gegeben und ein AderlaB 
vorgenommen. Der Pat. zeigte einige Zeit danach Kolikerscheinungeu. Rektale Uuter- 
suchungergab Blasenkolik, die durch Behandlung behoben wurde. Die Unruheerscheinungen 
wiederholten sich im Laufe der Nacht inehrfach, doch war das Befinden im Laufe des 
nachsten Tages befriedigend. Es zeigte sich jedoch eine Lahmung des rechten Hinter- 
schenkels sowie Liihmung der Seitwartszieher des Schweife6 rechterseits. Die Lahmungen 
besserten sich allmiihlicn. In der nachsten Zeit fiel noch eine starke Ueberempfind- 
lichkeit der Lippen auf. Am 2. Juui zeigte sich an der Brustwand rechterseits ein 
ringahnlicher Fleck, der jiunktiert wurde. Trypanosomcn waren in ihm nicht nach- 
zuweisen. 

Inzwischen eiugeleitete Strychniubehandlung fiihrte zu einer leichten Besserung 
der Lippenlahmung. Die Hoden wurdeu in dieser Zeit ofter aufgezogen. 

Beim Probiercn an Stuten zeigte das Pferd in dieser Zeit Hengstmauiereu. Der 
Penis kam in Erektion. Der Heugst deckte aber nicht ab. Am 13. Juni ejakulierte 
er beim Decken einer Versuchsstute. Letztere erkrankte in der Folge an Beschalseuche. 

Somit war durch die liingere Zeit fortgesetzte Verabreichung groBer Gaben von 
Bayer 205 eine Befreiung des Hengstes von Trypanosomeu nicht erfolgt. 

Der Hengst wurde lokal weitei mit Strychnin behandelt, erhielt auBerdem Tar¬ 
tarus stibiatus, Atoxyl und Elektroferrol. Er nahm in der Folge sichtlich besser das 
Futter auf. So war er imstande, Kornerfutter restlos aus der Krippe zu fressen. Indes 
war die Lippenlahmung nur gebessert, nicht behoben. 

Mit Riicksicht auf das bisherige, nicht zufriedenstellende Behandlungsergebnis mit 
kleinen Gaben Bayer 205 wurden dem Hengst Ende Juni an 3 aufeinanderfolgenden 
Tageu je 4 g Bayer 205 infundiert, am nachsten Tage noch einmal 2 g. Vor der 3. In¬ 
fusion zeigte sich eine starke Hodenschwellung, 1 Tag nach der 4. Spritzung eine be- 
ginnende Pododermatitis, die der Hengst verhaltuismaBig leicht iiberwand. Als Folge 
stellte sich Ringbildung an den Hufen ein. Das Gewicht des Hengstes ging wahrend 
dieser lokalen Erkrankung auf 800 Pfd. zuriick. 

In der Folge wurden mehrfach noch Atoxyl und Tartarus stibiatus gegeben. 
Die Hodenschwellung nahm meistens nach den intravenosen Spritzungen stark zu. 
Namentlich der linke Ncbeuhoden war stark geschwollen, auch zeitweise das Rutenstiick 
der Harnrohre. Ueberkoten, Nachschleifcn acs rechten Hinterechenkels und Atemnot 
bei Bewegung kennzeichneten u. a. diese Phase der Erkrankung. 

Ende Juni wurde zur Beseitiguug der Lippeuliihmung versuchweise mit Vakzi- 
neurine behandelt. Das Pferd nahm verhaltnismaBig gut, aber doch, durch die Facialis- 
lahmung behindert, relativ langsam sein Futter auf. Nach der Vakzineurinebehandlung 
setzte cine gute liurchblutung der Ober- und Unterlippe, die sonst kalt und blaB 
herabhingen, ein. Die Schwellung der Hoden und Nebenhoden ging zuweilen ganz 
zuriick, um nach neuen Injektionen trypanozider Priiparate immer wieder stark in Er- 
scheinung zu treten. Es hatte nicht selten auch den Anschein, als ob die Schwellung 
bei kiihlem Wetter wesentlich geringer ware als bei heiBcm. Auch erschienen die Hoden 
morgens meistens weniger geschwollen als im Laufe des Tages, besonders wenn das 
Wetter warm war. 

Das Krankheitsbild blieb ein wechselndes. Die Lippenlahmung besserte sich unter 
dem EinfluB der Behandlung zweifellos weiter, das Pferd fraB gut und reichlich, trotz- 
dem magerte der Pat. ab. Er erhielt Neosalvarsan. Die Lippen wurden, wie schon 
friiher, massiert. 

Mit Riicksicht auf die zuuehmenden Liihmungserscheinuugen am rechten Hinter- 
schenkel wurde hier gleichfalls eine lokale Vakzineurine- und Arsenohygrolbehandlung 
eingeleitet. Gelegentliche Hodenschwellungcn. Das Gewicht, das fast nur noch 8 Ztr. 
betrug, nahm wieder zu. 

Ausgangs Oktober trat eine Infektion mit Gasphlegmoneerregern ein, an deren 
Folgen der Hengst bei gleichzeitig einsetzender starker Herzscliwiiehe zugrunde ging. 

Fiir den letztbeschriebenen Fall ist sicher, daB eine Heilung nicht ein- 
getreten ist. Eine andere Frage ist die, ob das Pferd nicht, wenn es friiher und 


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Pfeiler, Ueber ein anscheinendes Vereagen der Bayer 205-Behandlung usw. 51 


von corn herein groBe Gaben von Bayer 205 erhalten hatte, auders hatte beeinfluBt wer- 
den kdnnen. 


3. Falle, in denen das Mittcl heftigc Rcaktionen liervorruft, die 
seine wciterc Anwendung, also eine ausreiohende Behandlung, aus- 

schliefien. 

Derartige Falle sind nicht beobachtet worden. YVohl muBte in einigen Fallen die 
Behandlung voriibergehend eingestellt werden. Doch war ihre Wiederaufnahme in alien 
Fallen mfiglich. Zu den schwersten Fallen dieser Art zahlt die Schimmelstute des 
Besitzers G. II- in B., die im Herbst und Winter 1920, abgemagert und mit vor- 
zeschrittenen spinalen Lahmungen behaftet, bchaudelt worden ist; sie bat in diesem 
Sommer u. a. die schwere Arbeit im Garbenbinder im Wetteifer mit gesunden Pferden 
verrichtet. Sie soil zweimal danach Lahmungeanfalle gehabt haben, die aber ohne 
Baver 205-Behandlung voriibergegangen sind und die Weiterarbeit des Pferdes nicht 
bchindert haben. 

Das Blutbild dieses Pferdes ist ungefiihr zur gleichen Zeit wieder positiv geworden. 
Ber Fall kann mit einein gcwissen Becht als auch zu 4 gehorig bezeichnet werden, 
wenn man das Verhalten des Blutbildes hierfiir zugrunde legen will. Im iibrigen hatte 
die Stute auch im Februar 1921 eine Facialislamung gezeigt, die sich bei Behandlung 
bald besserte. 

Die „Lahmungen“ im Sommer 1921 als Rezidiv aufzufassen, diirfte nicht an- 
gezeigt sein; das Pferd hatte bei Aufnahme der Bayer 205-Behandlung bereits schwere 
Lahmungserscheinungen, die sich aber besserten, so daB nur noch ataklische Be- 
wegungen zu sehen waren, deren ganzliches Versehwinden zu gewissen Zeiten der Be- 
sitzer versichert. Infolge dieser Schwiiche bzw. teilweisen Degeneration der motorischen 
Nerven der Hinterhaml dfirfte das Pferd bei der Ueberanstrengung im Sommer 1921 
die vorubergehenden Lahmungserscheinungen gezeigt haben. Im iibrigen ist sein Er- 
niihrungs- und sonstiger Zustand ein gliinzender. 


4. Falle, in denen die Heilung nur eine scheinbare ist und nacii 
kiirzcrer oder IBngercr Zeit Ilezidivc auftreten. 

Hier konnen vielleicht die folgenden Falle, die allerdings nicht 
genflgend lange durchbehandelt waren, aufgeflihrt werden. Die 
bei ihnen gemachten Erfahrungen decken sich nicht in vollem Uinfange 
mit dein in der Ueberschrift angedeuteten Sinne. 

Eine leichte braune Stute (Besitzer B. in A.) hatte nach Atoxylbehandlung 
wieder Ringflecke gezeigt. Die Stute erhielt im November — Infektion lag bis in den 
Juni oder Juli zuriick — 2mal 4 g Bayer 205. Sie war nach der ersten Infusion fiber 
und fiber mit grofien Quaddeln bedeckt, die nach 24 Std. verschwunden waren. Die 
bisherigen KrankheitserBcheinungen, wie schleimiger NasenausfluB, Sehwellung der Kehl- 
eangslymphknotcn, Sehwellung und ikterische Verfiirbung der Scheidenschleimhaut, 
sowie schleimig-eitriger ScheidenausfluB blieben bestehen. Am Tage nach der zweiten 
Infusion trat neben der Schwanzwurzel eine handtellergrofie Quaddel auf, welche am 
nachsten Tage wieder verschwunden war. Das Pferd blieb mager, der NasenausfluB 
liefl aber nach, das vorher trage Temperament wurde lebhafter. Die Quaddel machte 
sich nach der nachsten Infusion, 8 Tage spater, noch cinmal, uber gauz schwach, be- 
merkbar. Offenbar handelte es sich um eine Hcrdreaktion am Sitze einer friiheren 
Quaddel. Die Scheidenschleimhaut nahm im Laufe der w'eitcren Behandlung normalc 
Parbe an. 

Das Pferd bekam noch 2mal Bayer 205. Am Tage nach der letzten Infusion 
4. Dez.) trat ein fiber den ganzen Korper verstreutes „grindartiges Ekzcm“ auf, dessen 
Residuen noch langere Zeit ffihlbar blieben. Weitere Nachrichten fiber das Pferd 
blieben zunachst aus. 

Im Marz 1921 wurde mitgeteilt, daB das Pferd hinten rechts Lahmungserscheinungen. 
aueh erneut ScheidenausfluB zeigte. Der Bericht wurde spater dahin erganzt, dal? das 
Pferd anfangs Ueberkoten, weiterhin Kreuzschwache und Senkung des Kreuzes gezeigt 
habe. Dem Pferde wurde durch den behandelnden Ticrarzt Kalium tnrtaricum in- 
fundiert, sowie Atoxyl und spiiter 3mal 4 g Bayer 205 gegeben. Die „Lahmung u griff 
auch auf das andere Hinteroein fiber. Der Besitzer hat das Pferd schlachten lasseu. 

Auch in diesem Falle war eine Unterbrechung der Behandlung mit 
Bayer 205 eingetreten, obwohl das Pferd nach jeder Infusion noch Krank- 

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Centralbl. t. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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heitserscheinungen gezeigt hatte. Das Verhalten des Patienten laflt dar- 
auf schlieCen, daB es sich bei ihm wie in den weiter vorn geschilderten 
Fallen um ein Tier gehandelt hat, dessen Trypanosomen eine gewisse 
Bayer 205-Festigkeit gezeigt haben. Das Blutbild war, was fiir diesen 
Fall besonders hervorgehoben sei, zur Zeit der Einstellung des ersten 
Behandlungsturnus noch nicht negativ. 

Bei deni Pferde des Z. in Sch., einer 11-jahr. braunen Stute, waren Krankheits- 
erscheinungen in Form von Mattigkeit, geringem Appetit, Kreuzsehwache, einseitigeni 
NasenausfluS, Schwellung der Kehlgangslymphknoten, Schwellung und ikterischer 
Verfarbung der Scheidenschleimhaut vorhanden. Das Pferd soil Mitte Mai gedeckt 
worden sein, die ersten Krankheitserscheinungen haben sich angeblich etwa 4 Wochen 
spater bemerkbar gemacht. 

Die erste Behandlung mit Bayer 205 hat am 30. Dez. stattgefunden, dann hat 
das Tier noch 3mal je 3 g Bayer 205 erhalten. Am 7. Jan. soli der Zustand des Pferdes 
ein besserer gewesen 6ein, es hat nicht mehr so viel gelegen, auch ruhiger gestanden, 
wahrend es vorher fortwahrend mit den Hinterbeinen geschildert hat und iiberhaupt 
nicht gut stehen konnte. Auch der Appetit soli sich gebessert habeu. Am 11. Jan. 
wurde mitgeteilt, dab das Pferd sehr abgezehrt sei; der behandelnde Tierarzt verord- 
nete Liquor kalii arsenicosi. Der Besitzer soli das Pferd auch in der Zeit der Behand¬ 
lung entgegen der tierarztliehen Beratung sehr stark zur Arbeit herangezogen haben. 

Weitere Nachrichten iiber das Pferd sind dann erst im Marz eingegangen. Da- 
nach soil es Lahmungserscheinungen gehabt haben; der Besitzer habe eine weitere Be¬ 
handlung nicht gewiinscht. Wann das Pferd verendet ist, ist nicht bekannt geworden, 
angeblich ist es an Beschiilseuche gestorben. 

6-jahr. braune Stute des K. B. in Kl.-Br., gedeckt im April 1020 vom Hengt B. 
in B., im Mai 1020 erkrankt unter ScheidenausfluB und Schwellung sowie Ringflecken. 
Zunacht Behandlung mit Atosyl und Tartarus stibiatus. Gegen den 10. Okt. stellt sich 
eine Facialislahmung ein. Die Unterlippe ist nach links unten verzogen, das linke Ohr 
hangt nach unten. Das linke Auge ist halb geschlosscu; die Kehlgangslymphdriisen 
sind walnuOgroO. In der Schamspalte findet sich ein strichformiger Krotenfleck. Das 
Pferd macht einen sehr schlappen und schlafrigen Eindruck. 

Das Tier erhiilt 5 g Bayer 205. Am 9. Nov. meldet der Besitzer, daS sich die 
Liihmung etwas gebessert habe, der Zustand sei zufriedenstellend, das Pferd huste zwar 
und habe noch Driisenschwellung, doch sei es im ganzen munterer. 

Am 19. Nov. wird das Augenlid geoffnet getragen, die Unterlippe ist nicht mehr 
so stark seitlich verzogen wie vordem, auch erscheint das Ohr hoher gestellt. Die 
Schwellung der Kehlgangslymphknoten ist etwas zuruckgegangen. 

Das Tier erhiilt im Laufe der nachsten 6 Wochen noch 1-1 g Nagauol. Die Krauk- 
heitserscheinungen bessern sich zweifellos. Am 12. Jan. 1921 zeigt das Pferd lebhaftes 
Wesen, der rechte Kehlgangslymphknoten ist etwa haselnuflgrofi, der linke nur ver- 
waschen fiihlbar; die Facialisliihmung ist erheblich gebessert, nur das linke Ohr hangt 
noch etwas herab. wird aber lebhaft bewegt. 

Am 2. Febr. wird bei der Untersuchung folgender Befund erhoben: Kehlgang 
normal, Scheide und Lidbindehaute desgleichen. Unterlippe nach Aussage des Besitzers 
wie vor der Erkrankung, die ,,Stute habe die Lippe stets etwas gehangt“. Das Ohren- 
spiel ist lebhaft. Das linke Ohr wird noch ein wenig niedriger getragen als das rechte. 
Der Niihrzustand ist gut, die Stute arbeitet wie friiher. Am 12. Marz und 29. April 
sind keine Kraukheitserscheinungen mehr festzustellen, das linke Ohr wird vollstandig 
nach oben bewegt. 

Das Pferd wird dann trotz Aufforderung nicht mehr vorgestellt. Es soli im Juni 
au Beschiilseuche verendet sein ‘j. 


In einem weiteren Falle, braune Stute des R. in B., ist die Behandlung 
gleichfalls offenbar nicht gentigend lange durchgefiihrt worden. Die Stute infizierte 
sich am 8. April 20. Im Juli 1920 waren Talerflecke zu beobachten. Behandelt wurde 
die Stute zuerst vom Tierarzt Dr. E. in R. mit einem unbekannten Mittel. In der 


1) Nach einer im November 1921 erfolgten Mitteilung des mitbehandelndeu Tier- 
arztes Veterinarrates W. in W. ist die Stute an „Darmverlagerung“ verendet. Symptome 
der Beschalseuehe seien nicht mehr vorhanden gewesen. Das Pferd habe seine Arbeit bis 
zu seinem ziemlich plotzlichen Verenden gut verrichtet. Das Pferd ist mi thin nicht an 
Beschalseuehe verendet. 



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Pfeiler, Ueber ein anscheinendes Versagen der Bayer 205-Behandluug usw. 53 


Folge soil sie vom Veterinarrat Dr. E. in W. mit Bayer 205 behandelt worden sein; 
nahere Angaben fehlen auch hier. Am 30. Miirz 192L wurden ataktische Bewegungen 
der Nachhand, auf dem linken Auge eine Conjunctivitis catarrhalis und eine Keratitis 
parenchymatosa, „lange vor dem 7. Mai 1921“ auch fine Faciaiislahmung festgestellt. 
Am 7., 14. und 22. Mai 1921 erhielt sie vom Veterinarrat O. zu St. je 4 g Bayer 205 
endovenos. 1 

Die Blutuntersuchung hatte am 1. Nov. 1920 und am 30. Miirz 1921 ein negatives 
Ergebnis; am 12. Mai 1921 ergab sie 0,2 -f, am 21. Mai 0,2 ++. Die Faciaiislahmung 
schicn an diesem Tage etwas geringer als vorher; dcr Nahrzustand war sehr gut. 

Obwohl die Faciaiislahmung tortbestand, und die Blutuntersuchung eine sliirkere 
Hemmung der Hamolyse ergab als vorher, wurde am 21. Alai die Behandlung mit 205 
au> unbekannten Griindeu abgebrochen. Anfang Juni soli die Stute zum Festliegen 
gekommen sein, konnte den Kopf nicht mehr heben und nahm weder Futter noch 
Wasser mehr auf. Der Besitzer liefi sie deshalb notschlachten. 

Da nahere Angaben iiber den Krankheitsverlauf seit dem 21. Mai 1921 fehlen, ist 
Dicht zu beurteilen, ob das Festliegen auf die Beschalseuche zu beziehen ist oder nicht. 
In jedem Falle ist es unzulassig, hier „von einem Rezidiv trotz Behandlung mit Bayer 
205 zu sprechcn. Ein solches lage vielleicht dann vor, wenn die Behandlung bis zum 
Negativwerden der Komplementablenkungsrcaktion und zum Schwinden aller klinischen 
Erscheinungen fortgesetzt worden ware. 

Unter den obwaltenden Umstanden liiSt sich, falls das Festliegen auf die Beschal- 
senche zu beziehen ist, lediglich feststellen, dali eine erst etwa 12 Mon. nach der An- 
steckung und 9 Mon. nach dem Einsetzen des zweiten Krankheitsstadiums eingeleitete, 
aber vorzeitig abgebrochene Behandlung mit Bayer 205 nur geringen und voriibergehen- 
den Einflufi auf den weiteren Verlauf der Infektion hatte. 


Aus den vorstehenden Ausfiihrungen ergibt sich, dafi in einer 
Anzahl von Fallen vielleicht ein Versagen der Wirkung 
von Bayer 205 zu verzeichnen ist. Es darf dazu bemerkt werden, daB 
'2 der in diesem Bericht erwahnten Falle aus dem Praxisbereich ein und 
desselben Tierarztes stammen, der die Pferdebesitzer mehrfach darauf 
hingewiesen hat, ihre Pferde trotz der anscheinenden Besse- 
rung weiterbehandeln bzw. der Blutuntersuchung zu- 
fflhren zu lassen. Die Besitzer haben dem jedoch nicht 
iramer Folge geleistet 1 ). Die Behandlungsplane der An- 
stalt sind jedenfalls nicht in vollem Umfange und, wie fur einzelne 
FSlle schon erwahnt worden ist, in den meisten Fallen erst in einem 
spaten Stadium der Krankheit zur Durchfiihrung gekommen. 

Angesichts dieses Umstandes sind die bisherigen Ergebnisse der 
Behandlung der ubrigen Spatfaile der Beschalseuche als 
besonders befriedigend zu betrachten. 

Xiiteratnr. 

1) Pfeiler, Ueber bisher bei der Behandlung der Beschalseuche mit,,Bayer 205“ 
zemaehte Erfahrungen. (Mitt. d. Tierseuchenst. d. Thiir. Landesanst. f. Viehversich. 
Jena. Jahrg. 1. 11120/21. Nr. 5 8.) — 2) Fiihrer u. Pfeiler, Versuche zur Bchand- 
Incg der Beschalseuche mit Naganol in der Praxis. (F.benda. Jahrg. 1. 1920/21. Nr. 11 
a. 12. u. ff.) — 3) Pfeiler, Propbylaxe del Beschalseuche. (Ebenda. Jahrg. 1.1920 21. 
Nr. 8.) — 4) Ders., Vortrag, gehalten auf dcr Tagung des Deutschen Veterinarrates 
in Weimar ira April 1921. — 5) Miessner u. Berge, Chemotherapeutische Versuche 
mit „Bayer 205“ bei Beschalseuche. (Dtsch. TierarztI. Wochenscbr. 1921. Nr. 11.) — 
8) Walther u. Pfeiler, Ein Fall einer gewissen „205“-Festigkeit bei einem beschal- 
teuchekranken Pferde. (Ebenda. 1921. Nr. 14.) 

1) Nach Niederschrift dieses Berichtes ist noch ein 3. Fall (Facialisliihmnng) aus 
4em gleichen Praxisbereiche zur Meldung gekommen, der wieder in Behandlung ge¬ 
kommen ist. 


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Nachdruck verboten. 

Giardien (Lamblien) in Vogeln. 

Von Dr. A. Kotlftn, TierSi-ztliche Hochschule, Budapest. 

Mit 2 Abbildungen im Text. 

Unter den Darmflagellaten des Menschen und der Tiere erwecken 
die Vertreter der Gattung Giardia Kiinstler (Lamblia Blanch.) aus 
zweifachem Grunde ganz besonderes Interesse: einmal wegen ihrer bis¬ 
lang noch nicht einwandfrei festgestellten Pathogenitat und zweitens 
wegen der von manchen Forschern noch bezweifelten oder nicht aner- 
kannten Artselbstiindigkeit der bisher unterschiedenen Formen. Fiir die 
Pathogenitat dieser Flagellaten sprechen nicht nur die haufigen Angaben 
iiber Enteritiden mit Giardien- (Lamblien)-Befund beim Menschen — 
man begegnet ja in der Literatur der Bezeichnung „Lamblienruhr. 
Lambliendiarrhoe 41 immer ofter — sondern auch die mehr oder weniger 
ahnlichen Befunde bei Tieren, und zwar am haufigsten bei Muriden, die 
mit Giardia muris und G. microti infiziert sind (Galli-Valerio 
1913, Kofoid 1915/16). 

Wie bekannt, kommen Giardien auBer bei den soeben angefiihrten 
Wirten noch in einer Anzahl von Kalt- und Warmbliitlern, aber be- 
sonders haufig bei Kaninchen vor. Schon Bensen (1908) hatte gewisse 
morphologische Unterschiede bei den aus dem Menschen, den Muriden 
und dem Kaninchen bekannten Giardien wahrgenommen und auf Grund 
dieser 3 distinkte Arten aufgestellt, zu welchen dann als 4. Art die von 
Kiinstler (1882) aus Kaulquappen beschriebene, nur in der SuBeren 
Korperform etwas mehr abweichende Giardia agilis gestellt wurde 
(Alexejeff, 1914). 

Aus Vogeln waren bis zur Auffindung von G. sanguinis durch 
Gonder(1911) aus dem Herzblute eines siidafrikanischen Falken (Ela- 
nus coeruleus) keine Giardien bekannt; wenigstens finde ich in der 
mir zuganglichen Literatur keine Angaben hieriiber. Mit Riicksicht auf 
die bislang unentschiedene Frage der Pathogenitat dieser Flagellaten, 
diirfte es sich der Miihe lohnen, den Giardienbefunden im Verdauungs- 
traktus der Vogel erhohte Aufmerksamkeit zu widmen, da die Vogel, 
und zwar sowohl die domestizierten, als auch die in Gefangeuschaft 
(Zoologische Garten) lebenden wilden Arten, mit Darmprotozoen schein- 
bar hiiufiger infiziert sind, als es bisher bekannt war, und weil sie fur 
die Untersuchungen aller Art gute Objekte bilden. 

Da ich nun iiber 2 Giardienbefunde bei Vogeln berichlen kann, 
mochte ich dies schon aus dem Grunde nicht versaumen, da in beiden 
Fallen im Darmtraktus nicht geringe pathologische Veranderungen eruiert 
werden konnten. 

Der 1. Befund datiert von 1912. Mein Freund, Dr. E. Schwann er, 
damaliger Assistent im pathologisch-anatomischen Institut der Tier&rzt- 
lichen Hochschule zu Budapest, hatte gelegentlich der Sektion eines, 
aus dem Budapester Zoologischen Garten zugesendeten Wiirgers (La- 
nius collurio), Abmagerung und Darmkatarrh mit rotlicher Ver- 
fiirbung des Darminhaltes konstatiert. Die mikroskopische Untersuchung 



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Kotlan, Giardien (.Lambliefl) in Vogeln. 


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des Darminhaltes hatte nebst reichlichen Epithel- und roten Blutzellen 
die Anwesenheit von zahlreichen Giardien festgestellt. Leider wurde 
der ganze Befund weder histologisch noch zoologisch eingehender be- 
arbeitet. Es war jedoch der Gedanke naheliegend, dalS Giardia-In- 
fektion, Darmkatarrh und Abmagerung mit dem Verenden des Tieres in 
kansalem Zusammenhange stehen. 

Aus den mir freundlichst iiberlassenen Notizen, Skizzen und schon 
etwas verblaBten PrSparaten Dr. Schwanners kann ich entnehmen, 
daB die Flagellaten eine L&nge von 11—16 n und eine Breite von 9 
bis 10 ii in der Hohe der Kerne besaBen, die Korperform also eine 
ziemlich gedrungene war. Die Parabasalkorper liegen dorsal, hinter den 
Kernen, zuraeist quergelagertftinider^Medianlinie; ihre Gestalt ist kurz, 
kommaformig (Fig. 1). ’ 




Fig. 1. Giardia sp. aus La- 
nius coellurio. Vergr. 2CC0X- 



Fig. 2. Giardia sp. aus 
Recur virostra avosetta. 

Vergr. 2000 X- 


Der 2. Giardia-Befund stammt aus einem Wasservogel (Recur- 
virostra avosetta), dessen Kadaver ebenfalls aus dem hiesigen Zoo- 
logischen Garten im Laufe dieses Jahres zwecks Obduktion eingesandt 
wurde. 

Der Sektionsbefund ist kurz folgender: 


I)as Gefieder des ziemlich abgemagerten Vogels ist an der Analgegend mit ein- 
jretrockneten, gelbiich-weifien Fakalien beschmntzt. Die serosen Haute der Bauch und 
ftrusthohle, sowie der Parenohymorgane sind glatt, glanzend, jene des Darmtraktus, be- 
tondera in den vorderen Abschnitten, kapillarisch injiziert. Vordere Teile des Ver- 
dauungskanals weisen keine V 7 eranderungen auf. Das Lumen des Duodenums, dessen 
WgDdung stellenweise gelblich-blutig-seros infiltriert und etwas erweitert erscheint, ist 
®it gelblich-grauem, etwas eehleimigem und besonders in der vorderen Halfte des 
Dunndarnn* mit rdtlichen Flocken vermengtem Darminhalt gefiillt. Die l^chleimhaut 
ist auffallend rotlich verfariit, gelockert und etwas geschwollen. Hintere Partien weisen 
thaliche Veriinderunuen, jedoch in viel mafligerem Grade, auf. lm Darmiohalt und 
tn der Schleirahautoberflache sind besonders im Anfangsteile des Duodenums Giardien 
® proBer Anzahl (je nach der Verdunnung des Darminhalts 50—100 pro Gesichtsfeld) 
ntchzuweisen. In den hinteren Darmabschnitten sind die Flagellaten ebenfalls, jedoch 
nur in geringerer Mcnge, anwesend, aufierdem kdnnen hier auch Zystenstadien ange- 
troffen werden. Parenchymorgane, Lunge und Herz sind von normaler Beschaffenheit. 
Bas Blutbild ist nicht verandert, das Blut enthalt keine Bakterien. 

Diagnose: Abmagerung, hamorrhagischer Darmkatarrh mit reichlichem Giard i a- 
Befund. 


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Die Mehrzahl der Flagellaten fiihrt nur noch ganz schwache Fort- 
bewegungen aus (seit dem Verenden des Tieres sind mehr als 24 Std. 
verstrichen); Geifielbewegungen sind dagegen bei den meisten noch 
wahrnehmbar. Im ungefarbten Zustande besitzt der Flagellat eine ziem- 
lich abgerundete Gestalt, mit einem kurzen, gewohnlich dorsalwarts ge- 
bogenen, hinteren Fortsatz; die Dorsalflache ist demgemaB ziemlich vor- 
gewolbt. Der LSngsdurchmesser betragt 10—14 /n, der Breitedurchmesser 
aber nicht viel weniger, d. h. 9—10 /<. Das Zystostoin niinmt sowohl 
in ungefarbten als auch in gefarbten Parasiten mehr als die Halfte der 
Bauchflache ein. Der Abstand zwischen Korperrand und Peristomalrand 
ist ziemlich weit, wenn auch nicht in dem Malle wie bei G. sanguinis. 
Die (ibrigen morphologischen Eigenschaften des Flagellaten weichen im 
Allgemeinen vom Typus nicht ab. Erwahnt sei aber noch die Gestalt 
der Parabasalkorper. Diese liegen in querer Richtung ungefahr in der 
Hohe des hinteren Zytostomalrandes der dorsalen Fl&che des Axostyls 
an. Sie bestehen zumeist aus 2 gut separierten, kommaformigen, kurzen 
Stabchen (Fig. 2). 

Wenn wir die in beiden Vogeln gefundenen Giardien vergleichen, 
so finden wir sie in ihrer GroBe, Form und morphologischen Einzelheiten 
miteinander gut iibereinstimmend, welcher Umstand eventuell ftir eine 
Artspezifitat dieser Flagellaten gegenuber den aus anderen Tieren be- 
kannten Giardia-Arten sprechen diirfte. Ein endgiiltiges Urteil hier- 
iiber auszusprechen, halte ich so lange verfriiht, bis ich in der Lage 
sein werde, weiteres Vergleichsmaterial aus Vogeln zu untersuchen. 
Nach Kofoid und Christiansen (1915) ist es moglich, unter den 
bisher bekannt gewordenen Giardien. auf Grund der Korperform und 
-GroBe, relative GroBe, Gestalt und Lagerung des Zytostoms sowie der 
Parabasalkorper, farberischen Verhaltens und Verhaltnis zu den Wirten 
6 Arten zu unterscheiden. Von diesen n&hert sich unser Parasit am 
meisten der aus M us, Epimys und Arvicola(?) bekannten Giardia 
m u r is (Grassi). 

Betrachtet man nun beide Giardienbefunde vom pathologischen 
Standpunkte aus, so ist es sehr wahrscheinlich, daB der in beiden Vogeln 
konstatierte Darmkatarrh durch die anwesenden Flagellaten verursacht 
oder zumindest zu dem Grade erhoht wurde, welcher erfahrungsgemafi 
den letalen Ausgang herbeizufiihren pflegt. Dies ist urn so mehr mit 
Recht anzunehmen, da die in Gefaugenschaft gehaltenen, also der natiir- 
lichen Ern&hrungsmoglichkeiten beraubten Tiere fur ahnliche Einflusse 
im gesteigerten MaBe emiitindlich werden. Enteritiden konnen bei in 
Zoologischen Garten verendeten Tieren (besonders Vogeln) sehr oft fest- 
gestellt werden. Sieht man von den spezifischen Infektionskrankheiten 
(GeHiigelcholera, durch Rotlaufl)azillen verursachte Erkrankung, Di- 
phtherie etc.), die mit einer Enteritis verbunden sind, ab, so wird man 
in der iiberwiegenden Zahl der iibrigen Falle Darui])rotozoen als Ur- 
heher dieser pathologischen Prozesse feststellen konnen. Ueber die 
Hiiufigkeit der verschiedenen Protozoenformen, die ich gelegentlich der 
Obduk'ion der im Budapester Zoologischen Garten verendeten Vogel 
vorgefunden habe, niochte ich in einer nachsten Arbeit berichten; hier 
sei nur so viel bemerkt, daB die so hiiufig vorhandenen Kokzidien, deren 
PathogenitSt zweifellos ist, den Boden fur die Ansiedlung und rapide 
Vermehrung anderer Protozoen, namentlich aber Flagellaten, giinstig 
vorbereiten. Es diirfte hier also ein ahnliches Verhaltnis zutage treten, 
wie wir ein solches bei der Flagellatendysenterie des Menschen zwischen 


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Kotldn, Giardien (Lamblien) in Vogeln. 


57 


vorhandenen oder pr&existierten Dysenterieamoben und Flagellaten 
(Giardia, Chilomastix, Trichomonas etc.) bereits keunen. Es 
ist aber die Moglichkeit nicht leicht von der Hand zu weisen, daB Giardien 
anch selbstandig eine pathologische Wirkung ausiiben konnen. Diese 
MSglichkeit wird, wie hierauf auch Hartmann und Schilling (1917) 
verweisen, ganz besonders durch die morphologische Beschaffenheit, wo- 
nach sie mit ihrem geraumigen Zytostom (Sauggrube nach Doflein) 
den Epithelzellen anhaften, bestarkt. Ich kann auch den Angaben 
Doflein s (Lehrb. d. Protozoenkunde, S. 633) nicht beistimmen, wenig- 
stens nicht im kategorischen Sinne des Satzes, wenn er sagt.: „Obgleich 
auf groBe Strecken fast jede Zelle des Darmepithels einen solchen Gast 
igemeint ist ,, Lamblia in test inalis“) besitzen kann, uben die 
Lamblien dennoch meist keinen auffallend schadlichen EinfluB auf ihren 
Wirt aus. Der von ihnen bewohnte Darm sieht vollkommen normal 
aus.“ Der letzte Satz diirfte flir mit Giardia haufiger infizierte Tiere, 
nicht stimmen. Kofoid (1915 — 1916) findet bei Mausen, die mit Gi¬ 
ardia muris starker infiziert sind, „a characteristic yellowish trans¬ 
lucent color of the intestine . .und ahnliche Verfarbung sowie sul- 
zige Infiltration der Darmschleimhaut kann man sehr oft auch bei Ka- 
ninchen beobachten. 

Es scheint, als ob die lokalen Veranderungen teils von der Menge 
der Parasiten, teils aber von der Dauer ihres Anhaftens auf der Schleim- 
haut abhdngig wSren. In vielen Fallen spielt aber wahrscheinlich eine 
primare Schadigung der Schleimhaut durch anderweitige Einfliisse (Bak- 
terien, Kokzidien, Amdben) eine bedeutende Rolle. 

N a c h t r a g. 

Nach Einsendung des Manuskriptes an die Redaktion kam ich in 
den Besitz der Arbeit von F. Reuling und E. Rodenwaldt: „Gi- 
ardia-Lamblia?“ (Arch. f. Protistenk. Bd. 42. 1921). Aus dieser 
Arbeit entnehme ich, daB Lamblien (L. ardeae) aus Vogeln uniangst 
von Noe Her beschriebeu wurden. Leider steht rair die Arbeit Noel- 
lers zurzeit noch nicht zur Verfiigung, und es ist mir aus diesem Grunde 
nnmoglich, zu entscheiden, ob die von mir beschriebenen Vogel-Lamblien 
mit der Noellerschen Art identisch sind. 


Literator. 

Alexejeff, Notes protistologiques. (Zool. Anz. Bd. 44. 1914. S. 193.) — Ben- 
*en, Bau und Arten der Gattung Lamblia. (Zeitacbr. f. Hvg. Bd. 61. 1908.) — 
Galli-Valerio, Notes de parasitologie etc. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Grig. Bd. 69. 
1913. S. 496.) — Gonder, Lamblia sanguinis n. sp. (Arch. f. Protistenk. Bd. 21. 
S. 209.) — Hartmann-Schil ling. Die pathogenen Protozoen. Berlin 1917. — 
Kofoid, The biological and medial significance of the intestinal flagellates. (2. Pan 
Americ. Scientif. Congr. 1915—1916.) — Kofoid and Christiansen, On the life- 
history of Giardia. (Proc. Nat. Acad, of Sc. Vol. 1. 1915. p. 547.) — Kiinstler, 
cinq protozoaires nouveaux. (Compt. rend. Acad. Sc. Paris. T. 95. 1882. p. 347.) 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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Naohdruck verboten. 

Ueber Bail, Lebensweise und systematische Stelliing 
von Selenomonas palpitans (Simons). 

[Aus dem Zoologischen Privatlaboratorium von Dr. Hellmuth Simons 

Dusseldorf.] 

Von Dr. med. dent. Erwin Boskamp, Dusseldorf. 

Mit 1 Tafel und 3 Abbildungen im text. 

Bei einer Patientin mit stenosierendem Cardiakarzinom fand Lowen- 
thal im zahtlflssigen Speichel neben Spirochaten auch Spirillum 
sputigenum (Miller), welches flir gewohnlich im Zahnschleim lebt. 
Diese Spezies ist dadurch gekennzeichnet, daB sie an der konkaven 
Seite ihres balbmondfdrmigen Kdrpers eine GeiBel besitzt. In Aus- 
strichen aus einem RachenabszeB fand R. Muller Mikroorganismen, die 
Swellengrebel als Bacterium binucleatum beschrieben hat 
und die mit Spirillum sputigenum sicher nicht verwandt sind. 
Herr Prof. R. Mtiller hatte die Liebenswiirdigkeit, mir im Hygienischen 
Institut in Coin ein G r a m - Praparat dieses Falles zu demonstrieren. 
In diesem Praparat war ganz tiberwiegend das sogenannte „Bacterium 
binucleatum 41 vorhanden, und zwar sah man in dem halbmondformig 
gebogenen KQrper 1—2 KSrnchen, die sich f&rberisch wie Chromatin 
verhielten; von einer BegeiBelung war in diesem Gram-Praparat nichts 
zu beraerken. 

Da ich nun die giinstige Gelegenheit hatte, einen dem Spirillum 
sputigenum verwandten, ahnlichen Organismus zu studieren, mbchte 
ich hier meine Ergebnisse mitteilen und dabei auch Literaturangaben 
iiber Spirillum sputigenum zum Vergleiche heranziehen. Der mir 
vorliegende Organismus ist die von Simons im Blinddarmkot des Meer- 
schweinchens entdeckte Selenomonas-Spezies. Unter dem Namen 
Selenomonas beschrieb v. Prowazek Organismen aus Giraffen, 
Schirrantilopen und Gazellen in Westafrika. Die Anregung, die Seleno- 
monaden des Meerschweinchens genauer zu studieren, verdanke ich 
Herrn Dr. H. Simons 1 ) aus Diisseldorf. 

Material und Technik. 

Es wurden nur Meerschweinchen untersucht, da bei mehrfachen 
Untersuchungen des Blinddarmkotes von Kaninchen, Rindern, Schweinen 
und Schafen gar keine Selenomonaden gefunden wurden. 

Mehrere junge und erwachsene Meerschweinchen wurden getotet, der gauze Darm- 
traktus freigelegt und von den verschiedenaten Dannabschnitten Kot entnommen. Fur 
die Lebenduntersuchung- und Ausstrichprap irate kam nur der Blinddarm in Betracht, 
weil in den iibrigen Darmteilen entwcder gar keine oder nur weuige Selenomonaden vor¬ 
handen waren. 


1) Fur die Ueberlasaung des Themas, sein reges Interease am Fortgang der Arbeit 
und seine Einfiihrung in die Literatur und mikroskopische Technik dieses Gebietes 
mochte ich ihm hiermit meinen besten Dank aussprechen. 

Fur die feinere zeichuerische Ausfiihrung meiner Abbildungen sage ich meineni 
Freund, Herrn cand. arch. Carl Ackermann (Dusseldorf) meinen herzlichsten Dank. 



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Boskamp, Bau, Lebensweise u. syst. Stellung von Selen. palpi tan a. 59 


Zur Lebenduntersuchung wurde der Blinddarm ieicht eingeechnitten and eine 
Platinose voll Kot mit Ringer-Losung, der 0,1 Proz. Traubenzucker zugesetzt worden 
war, verdunnt and bei Oelimmersion untersucht. Fiir die morphologischen Studien 
wurden moglichst diinne Deckglasausstiicbe feucht bei Zimmertemperatur 12—24 Sid. 
fiiiert. 

Folgende Farbungamethoden kameo in Anwendung: Borax-Methylenblau nach 
Manson, Delafields Hamatoxvlin, Hamalaun, Bobmers Alaunhamatoxylin, die 
feachtj G i e m a - Methode (Azeton Xylolreibe), Heidenbaina Eisenhamatoxylin, mit 
Lichtgriin, Fucbsin, Eosin und Bordeaux R als Kontrastfarbung und die Gramscbe 
Methode. 

Zur Darstellung der GeiBeln leiatete mir die Loeff lerache Methode gute Dienate; 
ab Farbemittei verwandte ich Anilinfuchsinwasaer mit Zusatz von 1 Tropfen 0,1-proz. 
Kxlilauge. Weitaus die beaten Reaultate erhielt ich aber mit der Zettnowacben 
1 'riginalmethode bei mafiiger Erhitzung sehr diinner Auastriche. Samtliche Praparate 
warden in Paraffinam liquidam eingebettet. 

Von alien Farbungen bewahrte sich am beaten fiir daa Studium der GeiBelinsertion 
io erster Linie die trockene Giemaa-Farbung (nach Vorfarbung mit May-Griin- 
waldacher Losung) sowie die Loefflersche Methode; daneben leisteten aucb Dela¬ 
fields und fiohmers Alaunhamatoxylin gute Dienate. Die feucbte Giemsa-Methode 
etellte aelbat bei kaum differenzierten, tagelang gefarbten Praparaten die GeiBeln nur 
-ehr schlecht oder meist gar nicht dar. Dagegen bewahrte sie sich auagezeichnet fur 
die feineren Verhaltniaae dee Zellkbrpera, insbesondere bei der Teilung. Die anderen 
Kernfarbungamethoden dienten lediglich zur Kontrolle. Karmingemische ergaben 
*ehr schlechte Reaultate. 

Ala geeigneter Fixierer erwies sich lediglich der Schaudinnsche Sublimatalkohol. 
Flemmingsche Losung und die nach Jo 11 os mit Safranin-Lichtgrun gefarbten Pra¬ 
parate ergaben hier keine befriedigenden Bilder; beaonders die GeiBeln wurden achlecht 
dirgestellt. 


I. Morphologie. 

a) Gestalt und Plasmaleib. 

Selenoinonas palpitans besitzt einen sehr flachschraubig ge- 
wondenen, wurstfdrmigen Korper. VernachlSssigt man die leichte Krum- 
mung und denkt sich den Korper in eine Ebene projiziert, so ergeben 
sich bei den verschiedenen Entwicklungsstadien nachfolgende L&ngen- 
nnd BreitenmaBe: Die L&nge ist von Pol zu Pol gemessen. Die Breiten- 
maBe beziehen sich auf die Korpermitte, wo die grbBte Dicke erreicht 
wird. Skmtliche Messungen wurden an G i e m s a - Prfiparaten gemacht, 
und zwar wurden die mit dem Leitzschen groBen Zeichenprojektions- 
apparat bei bestimmter Vergrofierung (2180 -fach) entworfenen Bilder 
mit Millimeterlineal genau vermessen und daraus die wahre GroBe be- 
rechnet. 

Die vegetativen Stadien von Selenomonas besitzen je nach dem 
Alter eine L&nge von ca. 6,8—9,1 jj. und eine Breite (groBte Dicke) 
von 1,8—2,3 [t. 

Der Plasmaleib zeigt in vivo in der Mitte der konkaven Seite 
cine st&rker lichtbrechende, halbkreisformige oder ovoide Stelle. Das 
Qbrige Plasma sieht normalerweise im Hellfeld wie bei sehr vielen Spalt- 
pilzen vbllig homogen aus. Bei Dunkelfeldbeleuchtung mit Paraboioid- 
kondensor sieht der gesamte Plasmaleib optisch leer aus. — Bei Zusatz 
von konzentrierter Lugol-Losung f&rbt sich das gesamte Protoplasma 
ijelbbraun, mit Ausnahme der oben beschriebenen, starker lichtbrechenden 
Stelle, welche hell und ungefarbt bleibt. Der Plasmaleib scheint dem- 
nach sehr reich an Glykogen oder ihm nahestehenden Substanzen zu 
sein. Chlorzinkjodlosung wirkt ahnlich, nur f&rbt sich das jodophile 
Plasma tiefer braun als mit Lugolscher Lbsung. 

Den Bau des Plasmas im Giemsa-PrSparat schildert v. Pro- 
wazek bei den afrikanischen Selenomonaden folgendermaBen: „Iu 


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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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dem blauvioletten Plasma waren Alveolen, sowie stellenweise eine Art von 
Spiralstruktur nachweisbar. u Ich bin hier anderer Ansickt. Wohl sieht 
man an trocken angefertigten G i e m s a - Praparaten und feucht be- 
handelten E.H.-PrSparaten eine alveolare Struktur. Die Alveolen sind 
aber oft so auffallend hell und breit, daB dies wohl nur auf die Luft- 
trocknung des Praparates zuriickzufiihren ist. Jeder, der bfter mit 
Giem s a - Trockenpraparaten gearbeitet hat, weiB ja, wie iiberaus kritisch 
man den Ausfall solcher F&rbungen zu beurteilen hat. Wenn man nun 
in dauernd auf nassem Wege behandelten E.H.-Praparaten ebenfalls 
einen alveolaren Bau Oder eine spiralige Struktur sieht, so beweist dies 
an sich fiber die wahre Natur des Zellplasmas nocli gar nichts. Swellen- 
g rebel u. a. wollen ahnliche Strukturen bei Spirillen etc. nachgewiesen 
haben: aber A. Meyer konnte zeigen, daB in solchen Fallen entweder 
das Plasma durch alternierende Fetttropfen zusammengedriickt war, 
oder es sich um starker gefarbt gebliebene Zytoplasmamassen handelte. 
Der letztere Fall trifft auch bei mir zu; denn man hat es ganz in der 
Hand, bei E.H.-F&rbung durch verschieden starke Differenzierung eine 
mehr oder minder alveolare Struktur oder vOlliges Fehlen derselben 
hervorzurufen. 

Im Nativpr&parat zeigt Methylenblau (1 ccm konzentr. Losung 4 - 
10 ccm H 2 0) erst beira Absterben eine diffuskornige Farbung des 
Plasmas, wobei aber wiederum die lichtbrechende Stelle hell ausgespart 
bleibt. Neutralrot farbt nach 1-stiiud. Einwirkung in verdiinnten Losungen 
weder die lebenden noch abgestorbenen Selenomonaden. 

Bei Zusatz von Ringer-Losung zu lebendem Kot sowie in *Aus- 
strichen finden sich manchmal Individuen, die an einem, seltener auch an 
beiden Polen, einen starker lichtbrechenden Fleck aufweisen. Dieser 
Fleck diirfte wohl sicher keine Vakuole sein, sondern lediglich das 
Produkt einer Preparationsplasmolyse. Dafiir spricht das verhalt- 
nismaBig seltene Auftreten dieser Erscheinung sowie der Umstand, daB 
durch Zusatz hypertonischer Salzlosungen, z. B. 5-proz. Kochsalzlfjsung, 
sich dieser helle Fleck bedeutend vergroBert. Um eine Praparations- 
plasmolyse diirfte es sich wohl auch bei v. Pro wazeks Fig. 10 handeln, 
wo er an einem Pol der Selenomonade eine helle Stelle eingezeichuet 
hat. Der Plasmaleib ist nach Gram nicht jodfest. 

b) Kern. 

Wir kommen nun zu dem schon ofter erwahnten, starker licht¬ 
brechenden Fleck an der Konkavseite, den ich fur einen sicheren 
Kern halte. Man muB bekanntlich bei den Bakterien und verwandten 
Organismen sehr kritisch zu Werke gehen, um einen bestiminten Teil 
des Zellinhalts als Kern anzusprechen. Wenn ich es daher wage, hier 
einen echten Kern anzunehmen, so waren dabei folgende 6 Tatsachen 
fiir mich maBgebend: 

1) Das optische Verhalten, d. h. starkere Lichtbrechung als das 
iibrige Plasma, 2) die relative GroBe und konstante Lage und Form, 
3) das Verhalten zu Kernfarbstoffen, 4) das Verhalten zu vital an- 
gewandtera Methylenblau und Jodlosungen, 5) der negative Ausfall farbe- 
rischer Reaktionen auf Fett und Volutin, 6) das Verhalten bei der 
Teilung. 

Jede dieser Tatsachen allein beweist noch nichts, in der an- 
gewandten Reihenfolge aber bietet jeder Punkt eine immer groBere Ge- 
wiBheit, daB es sich tatsachlich um einen Kern handelt. Koinbiniert 



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Boskamp, Bau, Lebensweise u. syst. Stellung von Selen. palpitant. 61 


man samtliche 6 Tatsachen, so bleibt wohl nach unseren heutigen Er- 
fahrungen nur die Diagnose „Kern u iibrig. 

ad 1) Starkere Lichtbrechung als das Plasma, die fast stets zu be- 
obachten ist, wiirde allein noch keinen Beweis fur einen Kern sein. 

ad 2) YVenn wir aber weiter vernehmen, daB eine relative GroBe 
des Gebildes im Vergleich zu sonst moglichen Einschlussen und eine 
konstante Lage und Form nachweisbar ist, so wird die Kernnatur sckou 
sicherer begriindet. Der lichtbrechende Fleck ist namlich in vivo immer 
ungefahr Vs so lang und Vs bis V 3 so breit als der Korper der Sele- 
nonionade. Bei jungen Individuen betragen seine Masse ca. 9 /.i Lange 
und 3 iu Breite. Ein derartig groBes Gebilde kann wohl sicher nicht 
mehr Kornchen genannt und folglich auch nicht so aufgefaBt werden. 
Der lichtbrechende Fleck liegt stets auf der Konkavseite des Korpers, 
dessen Peripherie mit einer Flache beriihrend. 

ad 3) Bei Anwendung von Kernfarbstoffen zeigt sich, daB man 
offenbar dasselbe Gebilde gefarbt hat, welches dem lichtbrechenden Fleck 
entspricht; denn GroBe, Form und Lage ist genau die gleiche wie im 
Leben. 

Feuchte G i e m s a- Farbung ergibt folgenden Befund: Bei der 
1. Stufe der Differenzierung im Azetonxylolgemisch ist der ganze Sele- 
noraonadenkorper tief violett gefarbt; irgendwelche Strukturen sind, ab- 
gesehen von einigen wenig helleren Partien, nicht erkennhar. Differen- 
ziert man weiter, so grenzt sich der Kern als tiefrote Masse scharf von 
dem tiefblauen Zytoplasma ab. In der 3. Stufe der Differenzierung finden 
wir den Kern leuchtend rot und das Plasma hellblau Oder blaBrotlich- 
blau. Beim 4. Stadium der Diiferenzierung endlich handelt es sich nur 
noch um einen reinen Methylenblaueffekt, wobei aber der Kern nicht 
mehr zu erkennen ist. Aehnlich verhalten sich trocken gefarbte Giemsa- 
Ausstriche, wenn man in destill. Wasser verschieden lang differenziert. 

In den Praparaten von Haberer, die v. Prowazek vorgelegen 
haben. war offenbar infolge ungleichraaBigen Ausstreichens nur der 1. 
uod 4. Difforenzierungsgrad vorhanden, so daB er den Kern nicht finden 
konnte. 

Nun braucht ja das, was sich nach Giemsa bei bestimmter Differen¬ 
zierung rot fSrbt, noch nicht unbedingt „Chromatin“ zu sein. Fflr die 
chromatische Natur spricht aber, daB sich dasselbe Gebilde bei richtiger 
Differenzierung mit der E.H.-Farbung, mit Del a fields und Bohmers 
HSmatoxylin, Safranin und Methylenblau scharf darstellen laBt. 

Irgendwelche feineren Strukturen habe ich an dem Kern nie wahr- 
nehmen k5nnen; er fSrbte sich mit alien Kernfarbstoffen stets homogen. 

ad 4) Bei vitaler Methylenblaufarbung tritt erst nach dem „Krank- 
werden“ der Zelle eine diffus-komige I'arbung im Plasma auf. wobei 
die lichtbrechende Stelle deutlich ausgespart bleibt. Macht der Absterbe- 
prozeB weitere Fortschritte oder erhitzt man, so tritt auch schlieBlich 
dort eine Farbung ein. 

VerdUnnte Lugol-L6sung farbt das Protoplasma gelbbraun, mit Aus- 
uahme der lichtbrechenden Stelle. 

ad 5) Fettreaktion mit Osmiumtetroxyd und einem typischen Fett- 
farbstoff (Scharlach R) fielen negativ aus. 

Das gleiche gilt von der A. Meyerschen Volutinreaktion (Methylen¬ 
blau und Nachbehandlung mit 1-proz. Schwefelsaure). Mit Methylenblau 
firbt sich bei Ausstrichen, die nach Meyers Vorschrift 3mal (lurch die 
Flamme gezogen wurden, nur die chromatische Stelle an der Konkav- 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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seite deutlich, wfihrend das iibrige Plasma einen hellblaulichen Ton an- 
nimmt. Setzt man jetzt Schwefelsaure zu, so entfarbt sich der ganze 
Zellinhalt einschlieBlich der chromatischen Stelle vollig. 
Als Kontrolle fflr die richtig ausgefiihrte Reaktion diente mir ihr posi- 
tiver Ausfall an manchen anderen Bakterien desselben Ausstrichs. 

ad 6) Bei Selenomonaden, die sich teilen, findet man im Leben ofter 
die lichtbrechende Stelle deutlich verdoppelt; das gleiche ist auch in 
gefarbten Praparaten der Fall. Auf die feineren Vorgange des Kernes 
bei der Teilung komme ich spfiter noch zuriick. 

Zum Schlusse dieses Kapitels sei bemerkt, daB Yamamoto bei 
Spirillum sputigenum durch ein Versilberungsverfahren wohl den- 
selben Zellbestandteil dargestellt hat, den ich als Kern bezeichnet habe. 
Er nennt dieses Gebilde ein „dunkles Korn, von dem die GeiBeln aus- 
gehen u , und faBt es als einen „proximalen Blepharoplast“ (?) auf (vgl. 
seine Textfig. 8, S. 40, und seine Tafelfig. 2). 

c) Mem bran. 

Das Protoplasma von Selenomonas ist von einer deutlichen 
Membran umscheidet, die man durch Plasmolyse in 5 proz. Kochsalz- 
losung oder Chlorzinkjodlosung leicht nachweisen kann. Ab und zu 
finden sich plasmolysierte Membranen auch in Ausstrichen als Kunst- 
produkt. Die Membran ffirbt sich, wie schon v. Prowazek nachwies, 
bei geeigneter Differenzierung nach Giemsa tief dunkelrot; sie ist 
anscheinend ziemlich diinn, falls nicht nachtragliche Quellung durch 
die technische Behandlung eingetreten ist. Wahrend des Lebens kann 
man die Membran nur undeutlich sehen. Eine Schleimschicht konnte 
bei Untersuchung in Tuschesuspension nicht festgestellt werden. 

d) GeiBeln. 

Als Fortbewegungsorgane dienen GeiBeln, die schon im Leben mfihe- 
los sichtbar sind und durch ihre auBerordentliche Lange und Dicke auf- 
fallen. Sie sind in der Regel 1—17 2 mal langer als der Kfirper: in 
fixierten Prfiparaten findet man nur selten Individuen (Fig. 1, 2, 3), die 
eine genauere Messung der GeiBeMnge gestatten, da sie meistens ge- 
kriimmt sind. Besonders haufig sieht man die GeiBeln um den Korper 
geschlungen bzw. fiber den Korper hinfibergelagert (Fig. 8). Diese Lage 
ist aber sicher kein durch die Fixierung hervorgerufenes Kunstprodukt, 
sondern man kann im Nativprfiparat sehr oft solche Lage der GeiBeln 
bemerken, wenn die Selenomonaden in Ruhe sind. 

Stadien, wie in Fig. 8, sind wohl geeignet, Zweifel zu beheben, die 
Mfihlens bezfiglich des Ursprungs der GeiBeln von Spirillum 
sputigenum auftauchten. Er schreibt darfiber: „Bei den Spirillen 
mit mehreren GeiBeln scheint es nun nicht ganz sicher, ob diese ihren 
Ursprung nur an einer (der konkaven) Seite des Mikroorganismus haben 
und im geffirbten Prfiparat nur hinfibergelagert sind oder ob sie an 
beiden Seiten eventuell an verschiedenen Stellen ihren Ursprung nehmen.'* 
Allem Anschein nach hatte er hier die eben bei Selenomonas be- 
schriebene, in den Bewegungspausen oft zu beobachtende „Ruhehaltung“ 
fixiert. 

Ueber die GeiBeln der Selenomonaden sagt v. Prowazek: „Bei 
unseren Formen entsprang aus der inneren Konkavitat des Korpers 
eine aus verklebten GeiBelfaden bestehende Wimperflamme, die sich 
im Gegensatz zu dem fibrigen Korper wie die auBere Membran nach 



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Boskamp, Bau, Lebenaweise u. syst. StelluDg von Selen. palpitans. 63 


Giemsa rot ffirbte." Diese kann ich auch bei Selen omonas pal¬ 
pitans bestatigen. Besonders die Bezeichnung „Wimperflamme“ charak- 
terisiert das morphologische Bild der GeiBel vorziiglich. Die Wimper- 
damme kommt n&mlich dadurch zustande, daB sich eine Anzabl ver- 
schieden langer, feinster Fibrillen zu einera Biischel vereinigen, das sich 
von seiner Ursprungsbasis nach der Spitze zu verjiingt (vgl. v. Pro- 
wazeks Fig. 9 und meine Figuren). Solche dunnere Geifielfaden, wie 
er sie in den Figuren 10, 11 und 12 abbildet, habe ich in trockenen 
Giemsa- und Loeffler-Praparaten ebenfalls beobachtet. Auf ihre Ent- 
stehung werde ich gleich zuruckkommen. In vivo konnte ich derart 
feine GeiBeln nie beobachten, vielmehr war stets ein mehr Oder minder 
stark verbreitertes Biischel deutlich erkennbar, dessen Basis genau in 
der Mitte der Konkavitat entsprang. Die Lage des GeiBelbtischels ist 
demnach als mediolateral zu bezeichnen. 

Aehnliche Verhaitnisse beschreibt Loewenthal bei den GeiBeln 
von Spirillum sputigenum: „ Die GeiBel, haufig an der Basis dicker 
als am Ende, manchmal anderthalbmal so lang wie der Korper, geht 
regelmaBig etwa von der Mitte der Konkavseite des in der Ruhelage 
halbmondfbrmig gebogenen Korpers aus. Ich habe nie mehr als eine 
GeiBel gesehen!“ Leider fehlt die Angabe, mit welcher Farbungsmethode 
Loewenthal gearbeitet hat. Mir erscheint aber seine Angabe, daB 
bei Spirillum sputigenum nur eine fadenformige GeiBel vor- 
kame, nicht sicher begrflndet, denn auch bei S a f r a n i n - Lichtgrfln- 
fiirbung und Heidenhain-F&rbungen sah ich nur einen bzw. zwei 
Geifielfaden, wahrend die Wimperflammenstruktur erst durch die Loeff- 
lersche, Zettnowsche trockene Giemsa und Bdhmersche H&ma- 
toiylinfSrbung deutlich hervortrat. Die MiBerfolge bei den anderen FS.r- 
bungsmethoden beruhen wohl darauf, daB die Fibrillen sich gar nicht 
oder nur ungeniigend tingieren. Raumlich betrachtet, besitzt das GeiBel- 
bnschel etwa die Form eines Schiffswimpels. Je nach dem Winkel, 
anter dem man nun auf die schmale Kante (Fig. 19—22) oder die 
Fllche (Fig. 14—16) des Wimpels sieht, ergeben sich verschiedene Bilder 
des Bfischels. Man versteht so auch, daB nur bei reinen oder fast 
reinen Fiachenansichten die Fibrillenstruktur ganz deutlich zutage treten 
kann. Durch sorgfaitige Lebendbeobachtung und Vergleiche mit Zett- 
now-Praparaten bin ich zu der Ueberzeugung gekommen, daB die 
Fliche des Wimpels ungefahr senkrecht zur Kdrperlangsachse steht. 

Durch Eisenhamatoxylin, noch 6fter durch Delafields und B6h- 
mers Hamatoxylin, kann man die GeiBelbtischel nicht selten stark diver¬ 
gent aufgespalten darstellen. Diese AuffaseruDg laBt sich aber im 
Leben niemals bemerken; auch hier liegt wohl ein Kunstprodukt vor, 
in dem durch irgendeines der bei der Herstellung solcher Praparate 
oblichen Reagenzien die Substanz, welche die einzelnen Fibrillenbtindel 
verkittet, herausgeldst wird. 

Bei Spirillum sputigenum gibt es offenbar ahnliche „Auffase- 
rungsartefakte“. Das wiirde um so verstandlicher sein, da hier die 
GeiBeln nach Loeffler oder Zettnow dargestellt worden sind, Me- 
thoden, bei denen eine starke Erhitzung des Praparates stattfindet, also 
auch die M6glichkeit der Entstehung von Kunstprodukten besonders 
grofi ist. So bildet Fischer auf Taf. Ill, Fig. 15a „zwei typische 
Individuen (aus Zahnschleimpraparat) ohne Teilung, mit einem lateralen 
Geifielbflschel“ ab. Das Bflschel ist hier von der Basis an stark diver¬ 
gent aufgefasert. Teilweise natdrliche GeiBelbilder neben Kunstprodukten 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1. 


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hat wohl Mfihlens gesehen. „Bei GeiBelfarbung nach Loeffler und 
nach Zettnow erkennt man an den Spirillen (Sp. sputigenum) 1, 
2 oder 3 GeiBeln. Die meisten haben anscheiuend eine einzige dicke 
GeiBel (GeiBelzopfV) an der konkaven Seite; manche zeigen daneben 
oder scheinbar gegeniiberliegend eine zweite feinere GeiBel, manche 
Spirillen haben 3 feinere GeiBeln. „Es konnte nun immerhin rnoglich 
sein, daB bei Spirillum der GeiBelzopf der Artefakt und das diver- 
gente Biischel der normale Zustand des GeiBelapparates ware, wobei 
man dann annehmen kann, daB die einzelnen Faden sich zu zopfartigen 
Bildungen verflechten, wie das Fischer u. a. bei verschiedenen Bak- 
terien gezeigt haben. Eine sichere Entscheidung dieser Frage wird man 
nur durch Lebendbeobachtung und genaue Zytologie von Spirillum 
sputigenum Ireffen konnen. 

Bei Selenomonas palpitans dagegen ist es nach der leicht 
durchfuhrbaren Untersuchung der Geifiel in vivo durchaus sicher, daB 
die Zopf- oder besser gesagt, die Wimperflammenstruktur der Normal- 
zustand, jegliche Art von Auffaserung aber ein Kunstprodukt ist. Auch 
meine Zettnow-Priiparate (Fig. 13—17) sprechen sicher fur diese Auf- 
fassung. 

Durch rein zufallige Verlagerungen eines oder beider GeiBel- 
biischel infolge des Ausstreichens kann man, allerdings nur bei ober- 
flachlicher Betrachtung, zu ganz irrigen Vorstellungen iiber die Insertion 
des bzw. der Biischel gefiihrt werden. Bei Fig. 17 z. B. wird der proxi- 
male Teil des Biischels durch den Korper genau iiberlagert, wobei 
gleichzeitig eine starkc artefizielle Auffaserung des distalen Teiles statt- 
gefunden hat; auf den ersten Blick wiirde man hier sicher ein polar- 
lophotriches Biischel vermuten konnen. Aehnlich liegt der Fall auch 
bei Fig. 22, nur daB hier das Biischel nicht aufgefasert ist. Von be- 
sonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang Formen wie Fig. 21, 
denen man besonders in Zettnow-Pr&paraten nicht selten begegnet. 
Das Biischel inseriert hier scheinbar nicht mediolateral, sondern polar 
verschoben. Ilier ist eben nur eine kiirzere proximate Strecke nahe der 
Basis vom Korper iiberdeckt bzw. liegt auf ihm und kann wegen der 
intensiven Silberschwarzung des Korpers optisch nicht differenziert 
werden. Diese scheinbar polar verschobene Insertion scheint mir des- 
halb so bemerkenswert, weil Fischer bei Spirillum sputigenum 
in seiner Fig. 15 Formen mit polar verschobenem Biischel neben solchen 
mit mediolateraler Insertion abbildet. Dies scheint mir neben anderen 
ein Hinweis auf die Verwandtschaft beider Formen zu sein. 

An gefiirbten Praparaten sieht es so aus, als ob die GeiBeln direkt 
von der Peripherie der konkaven Korperfliiche entsprangen. Bei Dunkel- 
feldbeleuchtung jedoch gewinnt man den Eindruck, daB die GeiBeln aus 
dem Zytoplasma austreten. Letztere Beobachtung wird durch Unter- 
suchungen von Ellis bestatigt, der an groBen Bakterien nachwies, daB 
die GeiBeln Fortsatze des lebenden Zytoplasmas sind, die durch enge 
Poren in der Zellwand nach auBen treten. 

In keinem Falle habe ich weder mit Eisenhamatoxylin noch mit der 
G ie m sa - Fiirbung irgendwelche als Basalkorner oder Blepharoplasteu 
anzusprechende Gebilde nachweisen konnen. Bei Spirillum sputi¬ 
genum will Yamamoto, bei Spirillum volutans Fuhrmann 
Basalkorner nachgewiesen haben; auch Reichert halt Blepharoplasten 
bzw. Basalkorper bei Bakterien fur rnoglich. Meyer hat aber spater 
alle diese Angaben in seiner Kritik iiberzeugend widerlegt. 



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B oak amp, Bau, Lebensweise u. syst. Stellung von Selen. pal pi tans. 65 


II. TcilungsvorgSnge. 

Als erstes Anzeichen beginnender TeiJung stellt sich der ovoide 
Ruhekern unter gleichzeitiger Langsstreckung bisquitformig ein. Dann 
schniiren sich die beiden Tochterkerne ab. Die Art der Kernteilung, 
ob mitotisch oder amitotisch, konnte ich mit den angewandten feinsten 
Farbemethoden nicht sicher ermitteln, weil die Verhaltnisse wegen der 
Kleinheit des Kernes sehr ungQnstig liegen. Die jungen Tochterkerne 
runden sich dann allmahlich wieder zu einem ovoiden fast kugeligen 
Ruhekern ab. Die Ruhekerne bleiben auch nach volliger Durchschniirung 
des Zytoplasraas noch eine Zeitlang gegen die Teiluugsebene hin ver- 
schoben (Fig. 11). 

Als zweites Stadium beobachtet man ein Breiterwerden der Basis 
der GeiCelbiischel, welches sich dann spater in zwei Tochterbiischel auf- 
spaltet. Die Tochterbuschel behalten ebenso wie der Kern noch einige 
Zeit ihre Verschiebung gegen die Teilungsebene bei, um erst spater 
zusammen mit dem Kern in die Mitte zu wandern. 

Ganz zuletzt erst tritt die Plasmateilung ein, indem sich in der 
Mitte der konvexen Kdrperseite eine Eindellung der Membran und des 
Plasma bildet (Fig. 9). Diese Eindellung riickt dann gegen die konkave 
Korperseite hin vor, wobei gleichzeitig eine feine Membran die Tochter- 
zellen auseinander trennt (Fig. 10 u. 11). Das durch die Teilung neu 
entstandene Korperende bleibt auch nach volliger Ablfennung vom 
Tochtertier noch einige Zeitlang abgeplattet, spitzt sich dann aber spater 
in gleicher Weise, wie das andere Ende leicht zu. 

III. Enzystierung. 

In seinen Fig. 13 — 17 bildet v. Prowazek Formen von Sele- 
nomonas ab, die er fiir Enzystierungsstadien halt. Es handelt sich 
um Formen mit stark verdickter, nach Giemsa tiefrot darstellbarer 
Membran mit mehr oder weniger stark eingezogenen, ringfbrmig aufge- 
rollten GeiBeln. Solche Stadien, wie seine Fig. 13, 14, 15 und 17, habe 
:ch, wenn auch recht selten, in meinen G iem sa-Praparaten ebenfalls 
gesehen, w&hrend ich ein solch merkwiirdiges Stadium wie Fig 16 nie 
zu Gesicht bekam. Mir scheint v. Prowazeks Annahme, daS es sich 
hier um zystische Veriinderungen an der Membran handelt, wenig wahr- 
scheinlich zu sein. Wenn wirklich eine sichere Enzystierung vorlage, 
mflBte man doch annehmen, daB diese Stadien im Dickdarm gegen das 
Rektum hin zunehmen, weil ja hier die Existenzbedingungen durch die 
rasch zunehmende Eindickung des Kotes fiir die Selenomonaden immer 
ungQnstiger werden. Daraufhin angestellte Untcrsuchungen von Dick- 
darmkot aus verschiedenen Abschnitten konnten dies nicht beweisen, da 
keineswegs eine prozentuale Zunahme solcher Stadien stattfand. In 
tneinen Giemsa-PrSparaten zeigte die tiefrote Membran der „Zysten- 
furmen’ 1 immer etwas unscharfe Konturen und sah schleimig-verquollen 
aus. Ich neige daher der Ansicht zu, dali es sich hier um abgestorbene 
Individuen handelt, zumal da man im Nativpraparat oft absterbende 
Formen mit kbrnigem Protoplasma und schwach beweglichen GeiBeln 
antriflt, die ebenfalls unscharf verquollene Konturen besitzen und wohl 
mit den Formen des Giemsa-Priiparates identisch sind. 

Das Aussehen der GeiBeln spricht auch nicht unbedingt fiir eine 
Enzystierung. Fischer faBt namlich bei Spirillum sputigenum 
die Ringbildung und Einrollung der Geillel als Kunstprodukt auf, indem 

E«* Abt. Orif. HJ. 13. Iloft 1. 5 


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Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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er schreibt: „Das Spirillum sputigenum mit seinem lateralen 
GeiBelbiischel liefert recht merkwiirdige Bilder, wenn die GeiBeln zu 
einem Schopf sich zusaminengedreht liaben und nur ihre freien Endeu 
einrollen konnen; einer anscheinend besonders dicken GeiBel sitzen die 
kleinen Ringe auf“ (vgl. dazu seine Taf. Ill, Fig. 15d). 

Ganz ahnliche Verhaltnisse liegen auch wohl bei Selen onion as 
palpi tans vor. DaB es sich bei Formen. wie nieiner Fig. 12, die 
genau v. Prowazeks Fig. 17 entspricht, um Kunstprodukte liandelt, 
geht aus Zettnowscken GeiBelpraparaten hervor. Zur eindeutigeu 
Losung dieser Frage eignen sich besonders solche Pr&parate, die niclit 
so stark erhitzt wurden und, wo sich infolgedessen auch weniger Silber 
abgeschieden hat, so daB die GeiBeln gelbbraun statt schwarz erscheinen. 
Bei den Zettnow-Praparaten, denen die Fig. 13, 14 und 15 ent- 
stammen, sieht man das GeiBelbiischel mit ganz unverkennbar fibrill&rer 
Struktur eingerollt, und man wird wohl ohne weiteres zugeben intisseu. 
daB diese Einrollung rein kiinstlich infolge des Ausstreichens oder 
der Abtotungskontraktion durch das fixierende Osmiumtetroxyd geschehen 
ist. In diesem Eindruck wird man noch bestfirkt durch die feinsten 
Fibrillen, die sich von der Peripherie der Biischelhauptmasse nach deu 
verschiedensten Richtungen hin ausdehnen. Die eben genaunten drei 
Figuren stellen somit erst die wahre Struktur der GeiBeln der Stadien 
von Fig. 12 bzw. v. Prowazeks Fig. 17 dar. Die Giemsa-Farbung 
vermag hier eben keine feineren Strukturen mehr aufzudecken und zeigt 
das GeiBelbiischel eigentiimlich dicht und verquollen. Diesem Umstande 
ist es wohl auch zuzuschreiben, daB sich die Korpermembran in v. Pro¬ 
wazeks und meinen G i e m s a - Praparaten scheinbar auf das aufge- 
rollte Biischel fortsetzt, denn bei Zettnowscher FSrbung selien wir 
keine Spur einer Membran, sondern im Gegenteil die schon eben er- 
wiihnte Ausstrahlung feinster Fibrillenziige. 

In seinen Fig. 13 und 14 vermutet v. Prowazek, daB es sich um 
Teilung enzystierter Formen handele. Ich kann diese Vermutuug keines- 
wegs teilen; besonders seine Fig. 13 ist eine mit Sicherheit beschadigte 
oder bereits abgestorbene Teilungsform. Da es sich bei den Seleno- 
monaden zweifellos um bakterienahnliche Wesen handelt, scheint niir 
die Annahme, daB hier eine Teilung w&hrend der Enzystierung vor- 
kommen soil, sehr gewagt, ganz besonders, da solche Vorgange bei 
Bakterien bisher ganzlich unbekannt sind. 

IV. Biologie. 

Selenomonas palpitans ist ein Mikroorganismus, der haujit- 
sachlich den Blinddarm des Meerschweinchens bewohnt. Dort ist er 
neben verschiedenen Protozoen (Chilomonas-, Trichomonas-, 
Lamblia- und Hexamitus-Arten), Spirillen, Spiroch&ten, verschie¬ 
denen Bakterien und der Oscillaria caviae 1 ) ein sehr typischer Ver- 
treter der Fauna und Flora der ZellulosegSrungsmikroorganismen. Ob 
die Selenomonaden aktiv an der Garung teilnehmen, oder nur infolge 
der GSrung als Kommensalen leben, habe ich nicht weiter untersucht. 

Die Selenomonaden vermehren sich haupts&chlich im Blinddarm. 
wo sie auch am zahlreichsten zu linden sind. Im Magen und Diinn- 
darm wurden trotz eifrigsten Suchens keine Selenomonaden oder irgend- 
welche Entwicklungsstadien derselben festgestellt. Im Dickdarm waren 

1) Gleich Oscillospira Guillermondi (C’hatt. et P^rard). 



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Bosk amp, Bau, Lebensweise u. syst. Stellung von Selen. palpi tans. B7 


sie bis zu der Stelle nachweisbar, wo sich die ersten Kotballen formten; 
sie traten mit fortschreitender Entfernung vom Blinddarm immer spar- 
licher auf, urn mit deni ersten Kotballen ganzlich zu verschwinden. 
Auch hier konnten keinerlei Enzystierungsstadien bemerkt werden In 
der Mundhohle wurden ebenfalls keine Selenomonaden gefunden. 

Sehr merkwiirdig und abwechslungsreich ist die Bewegungsweise 
dieses Mikroorganismus. Man kann bei jungen Individuen und solchen. 




Fig. A. 


die schon 2 GeiBelbtischel besitzen, deren Plasmateilung aber noch 
nicht durchgefuhrt ist (Fig. 5, 6, 7 und 9), deutlich 4 Bewegungstypen 
unterscheiden, namlich eine vorwfirtsbohrend-zitternde (2 Arten), eine 
sich fiberschlagende und eine stehend-zuckende Bewegung. Bei der 
1. Bewegungsform schleift das bzw. die GeiCelbuschel*) nach. In Fig. 19 
erhielt ich glficklicherweise ein solches Bewegungsstadium fixiert, wie 
es genau der Lebendbeobachtung entspricht. Die Schwingungen der 
GeiBel wirken hier also wie 
eine Schiffsschraube. Infolge 
gewisser Asymmetrien des lj ■ 

Korpers — in unserem Falle 
durch den fiachschraubigen 
Bau, — kommt es auch hier, 
wie bei den meisten stfibchen- 
iormigen Spaltpilzen, Flagel- 
laten und Infusorien zu der so- 
nenannten Trichterbewegung, 
d. h. die Langsachse der Zelle Fig. B. Fig. C. 

beschreibt den Mantel eines 

Doppelkegels (Textfig. B). Bei Selenomouas erfolgt diese Trichter¬ 
bewegung oft so ungeheuer schnell, dall man die Korperform nicht mehr 
zn erkennen vermag. Die Rotation erfolgt fiber L x nach L 2 im Sinne 
des Uhrzeigers, wenn man von dem Ende aus betrachtet, wo die GeiBel 
nachschleift. 

Den 2. Bewegungstypus sehen wir in Textfig. C veranschaulicht. 
Die GeiBeln schwingen peitschenartig um beide Pole herum und erteilen 

1) Bei den meisten begeifielten Individuen, insbesondere bei den echten Flagel- 
!aten, geht ja die GeiBel der Bewegung voran (Propellerschraubenbewegung). 

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Oentralbl. f, Bakt. etc. 1. Abt. OriginaJe. Bd. 88. Heft 1. 


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dem Korper, wenn die Bewegung in der Pfeilrichtung erfolgt, eine Art 
Trichterbewegung itn Sinne des Uhrzeigers. 

Die 3. Bewegungsform ist dadurch gekenuzeichnet, dafi die Seleno- 
monaden sich urn ilire Langsachse iiberschlagen. Diesen Fall stellt die 
Textfig. A dar; die Bewegung erfolgt beim Langsiiberschlagen ziemlich 
in einer Ebene und es werden sehr haufig elliptische Oder komplizierte, 
spiralige Bahnen auf diese VVeise durchlaufen. Das Ueberschlagen er¬ 
folgt meist ruckartig zuckend; die starke Unruhe in der Bewegung 
verstarkt sich noch dadurch, daB die Selenonionade sich sowohl im Sinne 
als auch entgegen dem Uhrzeiger uberschlhgt, wobei dieser Richtungs- 
w'echsel urplotzlich erfolgt. Iulolgedessen entsteht eine iiberaus charak- 
teristische unruhige, hin und herzuckende Bewegung, die den Spezies- 
namen „palpitans a gerechtfertigt erscheiuen laBt. 

Bei der 4. Bewegungsart, der stehend-zitternden Bewegung, stellt 
sich Selenomonas mit der Liingsachse in die Tubusachse ein. Es 
erfolgt eine schnelle Rotation urn die Achse, wobei das Individuum unter 
eigentiimlichem Zittern im Gesichtsfeld auf- und niedertaucht. Beob- 
achtet man ein und dasselbe Individuum 13ngere Zeit, so sielit man. 
daB nach einiger Zeit ein verschieden langes Intervall einsetzt, wo es 
sich in absoluter Ruhebefindet. Dann aber beginnt es urplotzlich 
eine der geschilderten Bewegungsarten, die haufig initeinander ab- 
wechseln und ineinander iibergehen. 

Eine Flexibilit&t des Korpers babe ich niemals bemerkt; wohl 
aber tiiuscht er beim ersten Eindruck durclt die ungeheuer rasche 
Zitterbewegung eine Flexibilitat vor, und man darf wohl annehmen, dali 
sich auch Loewenthal auf diese Weise bei Spiri 11 um sputigenuni 
tauschen lieli. 

Hier liegen offenbar ahnliche Bewegungsarteu wie bei Seleno¬ 
monas palpitans vor. Miihlens bezeichnet die Bewegungen „ziem- 
lich lebhaft, wackelnd, torkelnd oder schwirrend a , Miller nennt sie 
„bohrerahnlich“. Die eigentumlich zuckende Bewegung von Seleno¬ 
monas palpitans scheint jedoch hier zu fehlen. 

Wenn die Selenomonaden in iliren Bewegungen matter werden, was 
z. B. nach mehrstiindigem Aufenthalt in Rin ger-Losung der Fall ist, 
kaun man zwei Bewegungsarten der Geillelbuschel erkennen. In beiden 
Fallen liegt der Korper vollstaudig ruhig, aber das Geillelbuschel wird 
entweder ruderartig auf und ab bewegt, oder aber in Ric.htuug auf den 
Korper ein- und winder abgerollt. Sind bei einem Individuum infolge 
Teilung bereits zwei Geillelbuschel gebildet. das Plasma aber noch nicht 
durchgeteilt, so erfolgen die eben geschilderten Bewegungen synchron. 

Bei vollig durchgeteilten Iudividuen (Fig. 10, 11) schlagen die GeiBeln 
nicht mehr synchron, sondern meist iibt die eine oder andere ein star- 
keres Drehmoment aus; infolgedessen entsteht hier eine Bewegung in 
unregelmaBigen Zickzacklinien. 

Es scheint, daB Selenomonas nicht so streng an die Tempe- 
ratur des Warmbliiters gebunden ist, wie z. B. die Infusorieu des Wieder- 
kauermagens, denn man kann 3—4 Tage nach dem Tode des Meer- 
scliweinchens an friscli geoflheten Stellen des Blinddarms noch maBig 
bis lebhaft bewegliche Individuen, ja sogar Teilungsformen nachweisen. 
Untersucht man Schnittstellen, wo bereits langere Zeit hervorgequollener 
Kot mit der Luft in Beriihrung gekommen ist, so findet man fast alle 


1) Die typische Ruhehaltung haben wir sckon weiter obeu in Fig. 8 geschildert. 



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Boskamp, Bau, Lebensweise u. syst. Stellung von Selen. pal pi tans. 69 

Selenomonaden abgestorben. Hieraus kann man schliefien, daB Selen o- 
raonas gegen Sauerstoftzutritt sehr empfindlich, d. h. also vermutlich 
ein obligater Anaerobier ist. 

Die Lange und relative Machtigkeit der GeiBelbiischel werden ver- 
stSndlich, weun man bedenkt, daB sich Selenomonas durch den 
ziemlich dickflussigen Blinddarmkot hindurchwinden muB. 

Zum SchluB dieses Kapitels muB ich noch kurz auf die Praparate 
v. Prowazeks eingehen. Er gibt an, daB „die Ausstriche von Ga- 
zellen, Schirrantilopen und Giraffen zwar Blutkorperchen, daneben jedoch 
zahlreiche Darmorganismen, wie Flagellaten, Hefen, 2 Arten von Borellien 
and Darmbakterien enthielten; offenbar gelangten diese durch eine SchuB- 
verletzung ins Blut“. Die Annahme v. Prowazeks, daB die Seleno- 
monaden keine Blutparasiten sind, ist durchaus ricktig, denn ich konnte, 
ebenso wie andere Autoren, niemals Selenomonaden im Blute finden. Als 
experimentum crucis raischte ich Blinddarmkot und Blut eines Meer- 
schweinckens, wobei die Selenomonaden nach kurzer Zeit unter heftigen 
Bewegungen abstarben. 

V. Systematik und Bezieliung zu Spirillum sputigenum. 
Bacterium binuclcatum, Spirosoma linguale und An- 

cy romonas. 

In welche Gruppe von Mikroorganismen wir die Selenomouaden 
stellen sollen, ist voriaufig schwer zu entscheiden, da wir erst noch ver- 
schiedene iihnliche Vertreter linden und studieren muBten. So viel er- 
scheint mir aber sicker, daB es sich nur um Verwandtschaft mit Proto- 
zoen oder Bakterien handeln kann. 

Will man Selenomonas zu den Protozoen stellen, so kommen 
selbstverst&ndlich nur die Flagellaten in Frage. Die Querteilung ware 
kein unuberwindliches Hindernis, da sie ja dort auch vorkoinmt (z. B. 
beiOxyrrhis marina). Weit bedenklicher fiir die Protozoennatur von 
Selenomonas scheint mir aber die Plasmolysierbarkeit infolge Be- 
stehens einer bakterienahnlichen Membran und der Bau des Bewegungs- 
organells zu sein. Unter den Flagellaten linden sich bei den Ilyper- 
raastigina in den Familien der Lophomonadidae und Joeniidae 
wohl Forinen mit sehr kompliziertem GeiBelapparat, der aus Biiudeln 
von feinen Achsentibrillen besteht. Es ist aber ganz unmoglich, das 
GeiBelbiischel von Selenomonas von dem der Hypermastiginen abzu- 
leiten, weil ja der Hypermastiginenkbrper viel komplizierter gebaut ist, 
ganz abgesehen davon, daB Selenomonas keinen Parabasalapparat 
nesitzt und die GeiBelbiischel der Hypermastiginen in Richtung der 
Korperlangsachse (polar) inserieren. Es gibt ja zwar unter den Flagel- 
laten seltene Ausnahmen, wo die GeiBeln wie bei Selenomonas me- 
•liolateral inserieren, so z. B. unter den Cryptomouadinen P r o t och rysis 
phaephycearuni und Nephroselmis olivacea. Trotzdem diese 
in ihren KOrperumrissen sogar Selenomonaden ahneln, schlieBt ihre viel 
kompliziertere innere Organisation jede Verwandtschaft mit Seleno- 
tnonas unhedingt aus. 

Aus alien diesen Griinden verbietet sich m. E. der AnschluB 
von Selenomonas an Flagellaten. Dagegen finden wir im System 
der Bakterien wohl unter der Familie der Spirillaceae einen besseren 
Platz fiir Selenomonas. 

Fflr Beziehungen zu den Spirillaceen sprechen: 1) der schraubig 


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70 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1. 

gewundene Korper, 2) daB eine deutliche Membran vorhanden, 3) dad 
der Korper des Organismus nicht flexibel 1 ), sondern vollig starr ist, 
und 4) das Fehlen von Sporen. Innerhalb des Systems der Spirillaceen 
durfte dieser Organismus nicht zur Gattung Spirillum gezogen werden, 
da ja diese Formen p o 1 a r - lophotrich begeiBelt sind ; infolgedessen war 
v. Prowazek auch berechtigt, fur den vorliegenden Organismus eine 
neue Gattung Selenomonas aufzustellen, weil er mediolateral-lopho- 
trich begeiBelt ist. Hierher gehort wahrscheinlich auch das Miller sche 
Spirillum sputigenum, das ebenfalls wie Selenomonas nur an 
der Konkavitat lophotriche (mediolateral ?) GeiCeln besitzt. Die nahe 
Verwandtschaft, vielleicht sogar Zugehorigkeit des Spirillum sputi¬ 
genum zur Gattung Selenomonas geht vor allem aus dem schraubig 
gewundenen Bau sowie den iibereinstimmenden Langenverhaltnissen 
zwischen GeiBeln und Korper hervor. Loewenthal gibt namlich an, 
daB die GeiBeln 1—1 V 2 mal so lang wie der Korper sind; dasselbe haben 
wir ja oben auch fur Selenomonas nachgewiesen. Ferner sind bei 
Selenomonas palpitans sowohl wie beiSpirillum sputigenum 
die GeiBeln an der Basis dicker als am Ende. 

Auch die Beschreibungen des Spirillum sputigenum von 
Miller, Fischer, Miihlens und vor allem Yamamoto, der ein 
wohl dem Kern von Selenomonas entsprechendes Gebilde auffand 
(s. o.), sprechen sehr zugunsten einer iiberaus nahen Verwandtschaft 
der beiden Organismen. Wir konnen jedenfalls sagen, daB die Bezeich- 
nung Spirillum sputigenum durchaus falsch ist, da dieser Or¬ 
ganismus unter anderein nicht fiir die Gattung Spirillum typische 
polar-lophotriche BegeiBelung aufweist, sondern in Uebereinstimmung 
aller Autoren eine lateral-lophotriche; jedoch miissen erst zytologische 
Untersuchungen lehren, ob wir hier tatsSchlich von einer Selenomonas 
sputigena = Spirillum sputigenum sprechen diirfen. 

Wenn wir also Selenomonas in die Familie der Spirillaceen ein - 
reihen wollen, miissen wir die von Miehe aufgestellte Familiendiagnose 
dahin erweitem, daB auBer der bisher allein bekannten polar-lophotrichen 
BegeiBelung (Vibrio und Spirillum) auch eine lateral-lophotriche 
(Selenomonas) vorkommt. 

Zum Schlusse mochte ich noch kurz einige andere Mikroorganismen 
erwahnen, die vielleicht init Selenomonas in naherer Beziehung stehen, 
und solche, die bei oberflachlicher Betrachtung mit Selenomonas 
palpitans oder Spirillum sputigenum verwechselt werden konnen. 

Im Blut der Zwergantilope, Cephalophus Maxwelli, fand 
Kerandel gelegentlich seiner Studien iiber Blutfilarien einen Organis¬ 
mus, liber den er folgendes bemerkt: „Le sang de la merne antilope 
renfermait des formes, qui nous ont beaucoup intrigues. En realite, il 
s’agissait d’un parasite de la panse des Ruminants, classe par Certes 
dans le genre Ancyromonas; par sa forme et surtout par ses cils 
volumineux ins6r6s au milieu de la concavity du corps, il rappelle de 
prbs le spirillum sputigenum. 11 Der Kerandelsche Mikroorga- 
nismus ist sicher kein Blutparasit, sondern geriet, wie der Autor weiter 
erwahnt, rein ktinstlich bei der Sektion des Magens mit Blut in Be- 
riihrung. Allem Anschein nach haben wir es hier mit einem nahen 
Verwandten von Selenomonas, vielleicht einer neuen Spezies zu tun. 

1) De Bary und Meyers Schuler Ellis wollen aktive Kriimmuugen tier Spi- 
rillen beobaehtet haben; Meyer hiilt diese jedoch nicht fiir erwiesen. Auf dem gleichen 
Standpunkt steht auch Gonder. 



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Boskamp, Bau, Lebensweise u. syst. Stellung von Selen. palpitans. 71 


Ob die von Certes aufgestellte Gattung Ancyromonas etwa mit 
Selenomonas identisch ist, konnte ich nicht entscheiden, da ich die 
yetreffende Literaturatelle nicht zu finden vermochte. 

Das von S w ellengrebel beschriebene Bacterium binuclea- 
tura hat mit Selenomonas palpitans nur durch seine gebogene 
Korperform eine gewisse Aehnlichkeit. Dieser Organismus ist, wie 
Swellengrebel mit Recht hervorhebt, keine Spirillacee, da ihm die 
Eigenbewegung abgeht. Dasselbe gilt von dem Bergstrandschen 
Spirosoma linguale = Vibrio lingualis (??), das er „als starre 
Spirillacee ohne Bewegungsorgane" beschreibt. Die Bezeichnung Spiro¬ 
soma fur einen V i b r i o - dhnlichen Organismus ist durchaus falsch, ganz 
abgesehen davon, daB samtliche Spirillaceen beweglich sind und ein 
Vibrio keine ^starre" Spirillacee sein kann. 

Zusammenfassung. 

1) Selenomonas palpitans ist ein typischer Bewohner im 
Blinddarm des Meerschweinchens. Im oberen Dickdarm bis zur Grenze 
tier ersten Kotballen nimmt er an Zahl stark ab; an anderen Stelleu 
ties Darmtraktus, inkl. Mundhohle und Magen, wurde er nicht gefunden. 

2) Die Spezies besitzt einen echten Kern, eine deutliche Membran 
und ein GeiBelbiischel. Diese besteht aus verschieden langen, mitein- 
ander verklebten Fibrillenbtindeln, wodurch eine Wimpertiammenstruktur 
entsteht. Das geiBelartige Organell ist im Hellfeld leicht festzustellen. 
seine eigentliche Struktur aber ergibt sich erst durch Fdrbung fixierter 
Pr&parate. 

3) Selenomonas palpitans vermehrt sich durch Querteilung. 
Der Kernteilungsmodus — ob mitotisch oder amitotisch — konnte wegen 
der minutiosen Verh&ltnisse nicht sicher festgestellt werden, ist aber 
wahrscheinlich sehr primitiv. Das GeiBelbiischel bildet wohl zuerst neue 
FibrillenbQndel durch Auswachsen aus dem Zytoplasma, dann spaltet 
sich das auf diese Weise verdickte Bflschel mitten durch. Tochterkern 
und GeiBelbiischel sind bei eben durchgeteilten Individuen gegen die 
Teilungsebene hin verschoben und rucken erst sp&ter in die Mitte. 

4) Die Angaben von Loewenthal, Miller, Fischer, Miihlens 
und besonders Yamamoto machen es sehr wahrscheinlich, daB Spi¬ 
rillum sputigenum (Miller) der Gattung Selenomonas sehr nahe 
steht, vielleicht sogar eine Spezies dieser Gattung ist. Die Bezeichnung 
Spirillum fiir den Millerschen Organismus ist sicher falsch; jedoch 
sind erst neue zytologische Untersuchungen notwendig, uni zu entscheiden, 
ob wir tatsdchlich von einem Selenomonas sputigena (Spiril¬ 
lum sputigenum) sprechen diirfen, oder ob hier wiederum eine neue 
battung vorliegt. 

Nachtrag bei der Korrektur. 

Auf seine Mitteilung „Ueber Selenomonas palpitans n. sp.“ 
crhielt Dr. Simons inzwischen von Dr. A. M. da Cun ha eine vor- 
lautige Mitteilung iiber neue Selenomonaden der Nagetiere (portugiesisch) 


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72 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1. 


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Die Mitteilung erschien 1915 im Brasil medico als Veroffentlichung des 
Istituto Oswaldo Cruz. Diese Arbeit ist durch die Ivriegsverhaltnisse in 
Deutschland wohl bisher niclit referiert worden, deun ich konnte sie in 
unseren maBgebenden Fachblattern nicht finden. Die Prioritat der Ent- 
deckung der Meerschweinchenselenomonaden fallt demuach da Cun ha 
zu. Er hat jedoch die Spezies nicht benannt, daher befiinvorte ich die 
Beibehaltung des Speziesnamens „palpitans u , weil meine Arbeit wohl 
die erste eingehendere Veroffentlichung iiber die Selenomonaden des 
Meerschweinchens ist. Wie ich aus der Originalarbeit ersehe, hat d a 
Cunha nur kurz iiber das Vorkoraraen der Selenomonaden, dereu 
Korperform, BegeiKelung und Teilung berichtet. Die Langen- und 
BreitenmaBe stimmen mit den meinigen hinreichend iiberein. AuBer- 
dem fand der Autor noch unbegeiBelte ovale Gebilde, die er dem Eut- 
wicklungszyklus von Selenomonas einreiht, welche aber sehr wahr- 
scheinlich die von mir oben beschriebenen, abgestorbenen Formen siud. 


Literatnr. 

Benecke, W., Ban und Leben der Bakterien. Leipzig (B. G. Teubner) 1912. — 
Bergstrand, H., Ueber sogenannte Corynebakterien und ihre Verwandten. (Act. med. 
Scaudinav. Vol. 53. 1920.) — Ellis, Beitriige zur Kenntnis der Coccaceen und Spiril- 
laceen. (Centralbl. f Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 33. 1902.) — Fischer, A., Untersuchungen 
iiber Bakterien. (Pringsheims Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. 27. 1895.) — Fuhrmann , F., 
Die GeiGeln von Spirillum volutans. (Ebenda. Abt. II. Bd. 25. S. 129.) — Gonder, R., 
Spirochaeta (Spironemacea. (Handw. d. Naturwiss. Bd.9. 1913.) — Kerandel, J.. 
Sur quelques htiraatozaires observes au Congo (Haute Sanghn-Logone). (Bull. Soc. de 
Path. exot. T. 2. 1902. p.206.) — Loewenthal, W., Zur Kenntnis der Mundspirochaten. 
(Med. Klin. 1906. Nr. 11.)— Meyer, A., Ueber das Aussehen der Bakterien im Ullra- 
mikroskop. (Arch. f. Protistenk. Bd. 24. 1911. S. 76.) — Dors., Die Zelle der Bakterien. 
Jena (G. Fischer) 1912. — Miehe, H., Bakterien (Morphologie). (Hdwortb. d. Naturw. 
Bd. 1.) — Miller, Die Mikroorganismen der Mundhohle. Leipzig 1892; Dtsch. med. 
Wochenschr. 1906. Nr. 9. — M tin lens, Ueber Ziichlung von ariaeroben Mikroorga¬ 
nismen der Mundhohle (u. a. Spirillum sputigenum). (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Grig. Bd. 48. 1908.) — Muller, R., Zur Stellung der Krankheitserreger im Naiur- 
system. (Munch, med. Wochenschr. 1911. Nr. 42.) — v. Prowazek, S., Zur Para- 
sitologie von Westafrika. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 70. 1913.) — Reichert, 
Sichtbarmachung der GeiBeln und Geifielbetvegung der Bakterien. (Centralbl. f. Bakt. 
Abe. 1. Orig. Ba. 51. 1909. S. 14.) — Schaudinn, F., Beitriige zur Kenntnis der 
Bakterien und verwandten Organismen. II. Bacillus sporonema n. sp. (Arch. f. 
Protistenk. Bd. 2. 1903. S. 421.) — Simons, H., Eine saprophytische Oscillarie im 
Darm des Meerschweinchens. (Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 50. 1920.) — Ders., 
Ueber Selenomonas palpitans u. sp. (Ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 87. H. 1.) — 
S wel lengrebel, N. H.. Untersuchungen iiber die Cytologie eiuiger Fadenbakterien. 
(Arch. f. Hyg. Bd. 70. S. 380). — Ders., Zur Kenntnis der Cytologie von Bacillus 
maximus buccalis. (Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 16] 1906.) — Ders., Zur 
Kenntnis der Cytologie der Bakterien. (Ebenda. Abt. II. Bd. 30. 1907. S. 193.) — 
Ders., Sur la cytologie compare des Spirochaetes et des Spirilles. (Ann. de l’lnst. 
Pasteur. T. 21. 1907.) — Ders., Neuere Untersuchungen iiber die vergleiehende Cyto¬ 
logie der Spirillen und Spiroehaten. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 49. 1909.) 
— Yamamoto, Ueber den Lokomotionsapparat der Protistenzellen. i Ebenda. Bd. 53. 
1910. S. 38.) 


Erkl&rung der Tafelabbildungen. 

Samtliche Figuren wurden mit apochrom. Oelimmersion 2 m/m und Komp.-Okul. 12 
durch den Zeichenprojektionsapparat von Leitz entworfen. Die VergrolSerung 1st 
1458-fach. Die Fixierung geschah, wo nicht anders bemerkt, in Sublimatalkohol nach 
Schaudinn. 

Fig. 1. Vegetatives Stadium mit gerade beginnender Eindellung des Kerns und 
einem Geifielbiischel. — Bohmers Alaunhiimatoxylin-Eosin. 

Fig. 2. Vegetatives Stadium mit Ruhekern und sehr langern GeiBelbiischel. — 
Delafields Hematoxylin. 



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Klarenbeek, Die Kaninchentreponemose. 


73 


Fig. 3. Vegetatives Stadium mit Ruhekern und einem GeiBelbuschel. An einem 
Pol Preparation spl as molyse. — Technik wie Fig. 2. 

Fig. 4. Vegetatives jiingeres Stadium mit Ruhekern und einem GeiBelbuschel. 
Deutliche Wimperflammenstruktur! — Lufttrocken. Panoptische Blutfarbungsmethode 
::ach Pappenheim. 

Fig. 5. Erwachsene Form in Teilung, Kern zylindrisch, gestreckt. 2 GeiBel¬ 
buschel, die mit dem untereu Ende verklebt sind. — Technik wie Fig. 4. 

Fig. 6. Teilungsforra mit 2 GeiBelbiischeln, eines davon aufgespalten (Kunst- 
produkt). — Loofflerschc GeiBelfarbung. 

Fig. 7. Teilungsform mit 2 GeiBelbiischeln und isolierten Tochterkernen. — 
Panoptische Blutfarbungsmethode nach Pappenheim. 

Fig. 8. Vegetative Form mit groBem ovoiden Ruhekern. Das GeiBelbuschel in 
typiicher Ruhehaltung. — Technik wie Fig. 7. 

Fig. 9. Teilungsform mit langgestrecktem, zylindrischem Kern und 2 Geiflel- 
ouscheln. — Technik wie Fig. 7. 

Fig. 10. Teilungsform. Plasma vollig durchgeteilt. — Loeftlersche GeiBel- 
'irbung. 

Fig. 11. Teilungsform. Eben vollendete Teilung des Plasmas. Kerne noch polar 
■erschoben. — Technik wie Fig. 7. 

Fig. 12. Enzystierungsform ? mit Einrollung der GeiBeln. — Technik wie Fig. 7. 

Figg. 13—22 stamnieu samtlich aus Zettnowschen GeiBelpraparaten. 

Fig. 13, 14 u. 15. Erwachsene und fast erwachsene Individuen mit aufgerolltem 
OeiBelbuschel (Kunstproduktl) 

Fig. lb. Erwachsenes Individuum mit bereits verdoppeltem GeiBelbuschel von 
ansgepragter fibrillarer Struktur. Biischel in totaler Fliichenansicht. 

Fig. 17. Scheinbar polar-lophotnches Individuum. sonst wie Fig. 16. 

Fig. 18. Erwachsene Form mit 2 GeiBelbiischeln. Biischel in halb schrager 
Kantenansicht. — Wie Fig. 16. 

Fig. 19. Fast vollige FJacbenansicht des Biischels. Biischel „nachschleifend“, 

Fig. 20. Fast erwachsene Form. Biischel in reiner Kantenansicht. 

Fig. 21. Jungee Individuum mit scheinbar nielit genau median inserierendem 
Biischel. 

Fig. 22. fndividuum wie Fig. 21 mit scheinbar polarer Insertion der GeiBel. 


Nachdruck verboten. 

Die Kaninchentreponemose. 

3. MitteiJung. 

Aus der Klinik fOr kleine Haustiere (Prof. Dr. H. Jakob) und dem 
Institut fGr parasitSre und Infektionskrankheiten (Prof. Dr. L. de Blieck) 
der Tierarztlichen Hochschule zu Utrecht-Holland.] 

Dr. A. Klarenbeek, Konservator. 

Lersey und Kuczynsky (1) sind der Ansicht, daB die Veriinde- 
rungen an den Genitalien die Kopulation in der Weise beeinfiussen, daB 
eine schwere Beeintriichtigung der GroBzucht nielit ausbleiben kann. In 
dieser Richtung konnte folgendes von inir festgestellt werden: 

Hammier 348, mit sehr entziindeter und chronisch infiziertcr Perinealregion, wurde 
nit 3 weibliehen Kaninchnn 314, 326 und S im Oktober 1920 in einem Kafige zusam- 
uiengebracht. Kaninchen 314 warf im Januar 1921 7 Jungc; 3 starben schon einige 
Tage nach der Geburt ohne bekannte Ursache; 2 wurden ex peri men tell infiziert in 
Riicken- und Augenbogengegcnd (3 1 /, Mon. alt); die 2 letzten weibliehen Kaninchen, 
welche im 8talle mit den infizierten Ticreii zusammen blieben, wurden in einem Alter 
’on tj Mon. sjxmtan in der Perinealgcgend infiziert. Alle Tiere gerliehcn normal. 

Kaninchen 326 warf 6 gesunde Junge im Juni 1921. 2 dicser Tiere, die alle mit 
den F.ltern zuaammenblieben, wurden im Alter von 6—8 Wochen spontan in der Peri- 
n< l alregion infiziert. Wachstum der Tiere normal. Kaninchen S warf im April 1921 


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74 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 

4 gesunde Junge; eines dieser Tiere hatte eine nicht spezifische Keratitis. Alle Tiere 
gediehen normal. 

Aus diesen Experimenten folgt, daft Kaninchen, mit Treponema 
cuniculi (Trep. pallidum var. cuniculi) infiziert, nicht steril 
zn sein brauchen und auch bei der Kohabitatiou keine ernsten Nacli- 
teile zu zeigen brauchen. Die Kinder infizierter Eltern brauchen nicht 
immun zu sein und konnen spontan Oder experimentell infiziert werden. 
Eine spontane Infektion konnte schon in einem Alter von l 1 /,—2 Mon. 
nachgewiesen werden; ohne Kohabitation ist also die Infektion 
eines gesunden Kanincheus sehr gut moglich. 

Gesunde Tiere, welche einige Zeit mit infizierten Tieren zusammen 
waren, werden nicht imnier infiziert; oft ist jedoch eine Infektion der 
Perinealgegend bei den Tieren und durch Tiere desselben Geschlechts. 
welche lange beisammen in denselben Rfiumen gehalten werden, zu kon- 
statieren. 

Die Moglichkeit der Superinfektion wurde schon in der 2. Publi- 
kation gemeldet (2). Es konnte z. B. bei einer bestehenden perinealen 
Entziindung eine ulzerative Veranderung der Augenbogen und eine spe- 
zifische konjunktivale Entziindung erzeugt werden. Ebenfalls wurde oft 
spontane oder experimentelle Reinfektion bei einem spontan geheilten 
Tiere (Spirochatennachweis wahrend langer Zeit negativ) nachgewiesen. 
wie dies auch von anderen beobachtet wurde. Rezidive nach intramus- 
kularer Impfung von 300 mg Neosal var san konnten lmal beobachtet 
werden; 8 Wochen nach der Injektion entstand wieder eine Entziindung 
der Perinealregion. Trophoneurotische StSrungen der Haut nach Neo- 
salvarsaninjektion wurden 2mal konstatiert. Obwohl nach der Ein- 
spritzung keine Reaktion zu beobachten war, trat bei einem Kaninchen 
vollkommener Haarausfall an der Tarsalfl&che des infizierten Tieres bis 
zu den Krallen auf. Bei dem anderen Kaninchen entstand ungeffihr 
4 Wochen nach der Einspritzung ebenfalls starke Infiltration und Haar¬ 
ausfall in der Tarsalregion. 

Kolle, Ruppert und Mob us (3) haben eine interessante Studie 
gemacht fiber das Verhalten von Spirochaeta cuniculi und Spiro- 
chaeta pallida beim Kaninchen. Sie teilen folgende SchluBfolge- 
rungen mit: 

„Die kreuzweise ausgefuhrten Impfungen von Material, dan Treponema palli¬ 
dum von dem Truffistamm des Speyer-Hauses, bzw. solchem, das Treponema 
cuniculi von spontan oder experimentell mit der spontanen Kaninchenlues infizierten 
Tiere enthielt, bei Kaninchen, die mit den betreffenden Stammen infiziert waren, ergab. 
dafi die mit menschlicher Syphilis infizierten Tiere mit Treponema cuniculi, 
die mit Treponema cuniculi infizierten mit Treponema pallidum unter Her- 
vorrufung von den fur jede Treponemenart charakteristischen Primaraffekten in 80 bis 
85 Proz. infiziert werden konnten.“ 

Sie meinen, die Artverschiedenheit beider Spirochfiten dadurch sicher 
doch bewiesen zu haben. — Ich achte es doch nicht ffir fiberflfissig, die 

1. Versuchsreihe (Nachimpfung eines Kaninchens, das mit Syphilisstamm 
des Speyer-Hauses unter die Skrotalhaut infiziert war, mit dem gleicheu 
Kaninchenpassagevirus) nochmals zu wiederholen und dann ffir die 

2. Impfung Virus eines anderen nicht verwandten Stammes wie bei der 
1. Impfung zu verwenden. Wenn auch dann die Reinfektion nicht ge- 
lingt, dann kann man die Resultate noch mehr wie jetzt als einen sehr 
wertvollen Beitrag zur Identifizierung des Trepon. cuniculi be- 
trachten. Die Identitatsfrage ist aber damit noch nicht gelost, denn 
bekanntlich gibt es zwischen den Stfimmen von Treponema palli- 



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Klarenbeek, Die Kaninchentreponemose. 


75 


Bum mehr oder weniger charakteristische Unterschiede. Man denke 
z. B. an die Spontanfibertragung des Treponema pallidum mit dem 
Koitus (Kolle und Ritz, 4); die experimentellen Untersuchungen von 
Levaditi. Marie und Banu (5) mit Virus nerveux. Es diirfte dem- 
aach doch schwer zu beweisen sein, daB Treponema cuniculi, 
welches doch morphologisch und experimented viel Aehnlichkeit mit 
Treponema pallidum besitzt, nicht ebenfalls eine Varietat des Trepo- 
nema pallidum ist, welche sich dem Kaninchenorganismus angepaBt 
hat. Eine solche Identitat wird z. B. von Lersey, Dorquet und Kuc- 
zynsky (6) angenommen. 

Sehr interessant wird die Identitfitsfrage, wenn man experimentellen 
Impfungen beim Kaninchen und Affen mit Virus nerveux (Levaditi- 
Marie-Banu) mit demjenigen mit Treponema cuniculi (2 und 3) 
vergleicht. Die Unterschiede, welche man bei den Experimenten mit 
Treponema cuniculi im Vergleich zu denjenigen von Treponema 
pallidum erhalt, sind genau dieselben wie die mit „Virus neurotrope u . 
Es gelang Levaditi die Uebertragung des Virus durch den Koitus 
in 20—30 Tagen; es entstehen stets papulosquammose Lfisionen der 
Perinealregion. Nach Inokulation in die Hoden und intraskrotal 
treten niemals typische Primaraffekte, sondern nur oberflachliche Haut- 
erosionen, genau wie bei Treponema cuniculi, auf. Das Trepo¬ 
nema pallidum (Virus nerveux) besitzt eine spezifische Affinitat zur 
Epidermis. Die Inkubationsdauer ist ebenfalls lang; die Entzfindungen 
heilen schwer. Die niederen Affen konnen nicht infiziert werden; auch 
fur Menschen ist das Virus ungefahrlich. Es besteht feruer keine Im- 
munitat bei „Impfung iibers Kreuz“ mit Truffi-Stammen. 

Alle diese Eigenschaften hat auch das Virus der Kaninchenspiro- 
chatose. (Die Ungefahrlichkeit dieses Virus fiir Menschen haben Leva¬ 
diti und Nicolai (7) an sich selbst demonstriert.) Meiner Ansicht 
nach besteht demnach eine auffallende Gleichheit zwischen 
dem Virus nerveux und dem Treponema cuniculi. Jahnel 
hatte ebenfalls schon auf diese Tatsache hingewiesen (8). Seine aus- 
fuhrlichen Bemerkungen, welche publiziert wurden, nachdem diese Ar¬ 
beit eingegangen war (9), konnten an dieser Stelle nicht mehr berfick- 
sichtigt werden. 

Kann man demnach heute annehmen, daB das Treponema cuni¬ 
culi und Treponema pallidum der Haut des Menschen mehr oder 
weniger deutliche, ziemlich konstante Unterschiede im Tierexperiment 
geben, so bleibt noch die Frage unbeantwortet, ob das „Virus nerveux 14 
eine Sypbilisspirochate mit etwas modifizierten Eigenschaften ist, oder 
eine nur beim Kaninchen vorkommende Spirochete und dann identisch 
mitSpirochaeta cuniculi, welche zufalligerweise bei den Versuchen 
tod Levaditi mit dem „Virus nerveux a des Menschen das Versuchs- 
tier infiziert hat. Auch besteht noch die geringe Moglichkeit, daB die 
beiden Spirochfiten nicht vollkommen identisch sind, sondern nur sehr 
groBe Aehnlichkeit besitzen. 

Zur Klarung dieser Frage sind neue Versuche mit neuem Material von 
Paralytikern notig und mit Tieren, die einige Monate lang in Quaran¬ 
tine gehalten sind. Ebenfalls kann ein Vergleich der Impfung fibers 
Kreuz von Virus neurotrope — Virus dermotrope einerseits und Virus 
cuniculi — Virus dermotrope andererseits, ffir die Ditferenzierung 
wichtig sein, wie auch von Jahnel schon bemerkt wurde. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1. 


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Literatur. 

1) Lore ey u. Kuczynsky, Berlin, kliu. Wochenschr. 1921. Nr. 25. — 2) K 1 aren* 
beek, Centralbl. f. Bakt.Abt. I. Orig. Bd. 87. 1921. Heft 3; Tijdschr. v. Diergeneesk. 
Dl. 48. 1921. Nr. 21.) — 3) Kolle, Kuppert u. Mobus, Arch. f. Dermat. u. Syph. 
Bd. 135. 1921. — 4) Kolle u. Ritz, Derm. Zeitschr. Bd. 27. 1919. — 5) Levaditi, 
Compt. rend, dee S6anc. de l’Acad. d. Sc. T. 157. 1913; Levaditi, Marie, Compt. 
rend. d. S. de l'Acad. d. Sc. T. 158. 1914; Levaditi, Marie, Banu, Compt. rend, 
d. S. de l’Acad. d. Sc. 1920. No. 17. — 6) Lersey, Dorquet, Kuczynsky, Berlin, 
klin. Wochenschr. 1921. No. 21. — 7) Levaditi, Mario, Nicolai, Compt. rend, 
d. S. de l’Acad. d. Sc. T. 172. 1921. — 8) Jahnel, Arch. f. Dermat. u. Syph. Bd. 135. 
1921. S. 232. — 9) Jahnel, Zeitschr. f. Neurol, u. Psychiatric Bd. 73- Heft 1/3. 


Naohdruc/t verboten. 

Ueber die Verwendung von Salzen und Zucker zur Her- 
stellung von Typhustrockenvakzin. 

[Aus der Abteilung fiir Erforschung der Infektionskrankheiten des Chosen- 
Gouvernement-General-Hospital iu Keijo.) 

Von Dr. S. Chiba. 

Schon Jenner, der Erfinder der Impfung mit humanisierter Lymphe, benutzte 
zur Konservierung seines Impfmateriales die Trocknuug, indcm er Woil- und Seiden- 
faden durch die erotfneten Impfpocken zog. Pasteur erweiterto uusere Erfahrungen 
iiber diese Konservierung auf das Lyssavirus. Darauf machte Loeffler 1904 Unter- 
suchungen uber getrocknete Bakterien, die er bis zur AbtStung erhitzte. Er stellte 
dabei fest, dafi auch trockene, abgetotete Bakterien fahig waren, Autikorper zu erzeugen. 
Diese Versuche wurden von Friedberger und Moreschi fortgesetzt und fiihrten 
zur Verwendung von Typhusantigen zur Irnmunisierung des Menschen. 1909 stellte 
dann Loe f f 1 er fest, daB alio Jmraunsera vorziiglich konserviert wurden, wenn man sie 
in Wiirfelzucker trocknete. Sie waren darauf 1 Jahr lang gut loslich und wirksatn. 
Liidke machte dann Versuche mit Choleravibrionen und Typhusbakterien, die er 
1 Std. lang auf 55° C erhitzte, mit einigen Kubikzentiruetern physiol. Kochsalzlosung 
dickfliissitr abschwemmte und darauf im Vakuum trocknete. Ihm selbst war schon die 
schwere Verreibung des Antigens in der physiol. Kochsalzlosung aufgefallen. 

Die Vakzine, die ich nach seiner und Loefflers Methode her- 
stellte, zeigte sich als Suspension dein blolien Auge zwar als hornogene 
Fliissigkeit, aber bei raikroskopischer Uiitersuchung waren zahlreicbe 
Anhaufungen von Bakterien siehtbar Deshalb machte ich Versuche, 
diese schlechte Suspeusionsfahigkeit zu vermeiden. Ich benutzte dazu 
Zucker- und Salzlosungen, urn eine bessere Suspendierbarkeit der ge- 
trockneten Vakzine zu bekommen. Bekanntlich setzen starke alkalische 
und saure Losungen die antigeue Wirkung von Vakziuen herab. Von 
den neutralen Salzen, die ich zu tneineni Versuch verwaudte, schied ich 
zunachst die schadlich wirkenden aus. Ich verwaudte iinmer lproz. 
Losungen fiir Typhusbakterien, die ich 1 Tag lang auf 55° C erhitzte. 
Die geringe Abweichung in der antigenen Wirkung der Vakzine, die 
ich darauf an Kaninchen ausprobierte, war daher iinmer auf die Salze 
bzw. Zucker zuriickzufiihren, da ich unter denselben iibrigen Bedingungen 
(55° C 1 Tag lang im Trockenschrank) schon mit physiol. Kochsalz 
losung die antigenen Eigenschaften festgeskdlt hatte. Alle in folgendem 
aufgefiihrten Salze und Zucker verursachten keine bedeutende Schadi- 
gung der antigenen Eigenschaft der Typhusbakterien. Mit diesen Salz- 
und Zuckerlosungen, wenn sie nicht 1 linger als 1 Tag lang auf 55° C 
erhitzt waren, erhielt ich eine ungefii.hr gleiche antigene Wirkung wie 



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Chiba, Salze und Zucker zur Herstellung von Typhustrockeuvakzin. 77 


mit der 1-proz. Kochsalzlosung. Die angewandten Salze und Zucker 
waren auch s&mtlich zu Aufschwemmungen wegen ihrer guten L8slich- 
keit geeignet. 

Zur Konservierung der Antigene wandte ich folgende Technik an: 
Ich mischte 1 ccm 10-proz. Losung mit 0,1 g Typhusbakterien aus einer 
l-t5gigen Kultur mit schwach alkalischera, festem Nahrboden und stellte 
sie nach kurzem heftigen SchQtteln, das der Aufschwemmung ein kol- 
loidahnliches Aussehen gab, 2 Std. in einen auf 55° C gehaltenen Trocken- 
schrank. Darauf brachte ich das Antigen auf flachen Schalen 1 Tag 
lang in einen Exsikkator, in dem sich wasserentziehende Mittel, wie 
CaCL Oder konz. S0 4 H 2 , befanden. Mit diesen mit verschiedenen Salzeu 
and Zuckern vorbehandelten Trockenvakzinen erhielt ich folgende Re- 
sultate: 

1) Kochsalz-Trockenvakzin: DasKochsalz kristallisierte beimTrocknen 
im Exsikkator aus. Es war daher keine griindliche Durchmischung zu 
erzielen. Deshalb schied es zur Verwendung als Trockenvakzin aus. 

2) Kalziumhypophosphit-Trockenvakzin: Dieses Salz zeigte nach der 
Erhitzung im Trockenschrank zahlreiche Zusammenballungen der Bak- 
terien. Auch das Trockenpulver enthielt in gleichen Teilen sehr ver- 
schiedene Mengen Bakterien. Es erwies sich daher als unbrauchbar. 

3) Milchsaures Kalzium-Trockenvakzin: Hier zeigte sich nach dem 
Erhitzen zwar eine kolloidahnliche Fliissigkeit. Die nach der Trock- 
nung entstandene leicht flockige Masse machte es aber zur praktischen 
Anwendung unbrauchbar. Aenderte man jedoch das Mengenverhaltnis, 
so daB z. B. nur '/ 3 der Losung auf dieselbe Bakterienmasse kam, so 
ergab sich ein hellgelbes Pulver von guter Konsistenz, das gut ver- 
wendbar war. 

4) Chlorkalzium-Trockenvakzin: Dieses Salz ergab eine kolloidahn¬ 
liche L5sung bei Bakterienmischung und nach dem Trocknen ein weiBes 
Pulver, welches aber so hygroskopisch war, daB es schon nach kurzer 
Zeit beim Stehen in offener Luft seinen Aggregatzustand iinderte und 
allmAhlich flflssig wurde. Ich nahm daher, wie beim milchsauren Kal- 
ziura, nur V 8 des Salzes und erhielt damit ein leicht gelbliches Pulver, 
ilas zwar uoch etwas hygroskopisch war, aber lkngst nicht mehr in dem 
MaBe wie vorher. Ich fiillte das schnell gewogene Pulver in braune, 
sterile Ampullen und stellte diese 5 Tage in den Exsikkator. Jetzt 
wurde zugeschmolzen. Um bei dieser Behandlung etwa hinzugetretene 
Saprophyten zu t6ten, erhitzte ich nochmals 2 Std. auf 120° C mit 
trockener Hitze. 

Zum Gebrauch bei Menschen stellte ich dann immer Vakzinen mit 
physiol. Kochsalzlosung her, die 0,2 Prom. Trockenpulver enthielten, und 
zwar injizierte ich zuerst 0,1 mg Pulver in 0,5 ccm steriler pbysol. Koch¬ 
salzlosung subkutan und nach 5—7 Tagen die doppelte Dosis. Dabei 
zeigten sich keine unangenehmen Nebenwirkungen von Bedeutung. Vor¬ 
her stellte ich naturlich Versuche an Tieren an. Das Pulver luelt sich 
im Brutofen bei 37° C bisher 2 Jahre lang, ohne an seiner antigenen 
Wirkung etwas einzubiifien. Ich glaubte daher, mit physiol Kochsalz¬ 
losung jede Konzentration herstellen zu konnen. Es wflrde sich auch 
empfehlen, die physiol. Kochsalzlosung auf 60° C zu erwiirmen, um 
^chneller eine Suspension zu bekommen. Das nicht gleich verwendete 
'’akzin ist darauf noch monatelang bei Zusatz von Konservierungs- 
niitteln. wie Karbol, Formalin etc. brauchbar. Zur besseren Berechnung 
der Dosen verwandte ich praktisch das Verhaltnis der Bakterien zur 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. S8. Heft 1. 


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Salzlosung so, daB auf 1,0 g Bakterien 0,3 g Kalziumchlorat entfielen. 
Fur das daraus entsteheude Vakzinpulver ergab sich keine wesentlich 
andere Eigenschaft. 

5) Natriumbikarbonat-Trockenvakzin: Ini Trockenschrank entstand 
bei diesem Salze eine dickschleimig-kolloidale Masse, welche ira Ex- 
sikkator zu einer kornigen, brauulichen Masse zusammenschrumpfte. 
Die Suspension dieser Masse gelang sehr schwer, so daB ich ihre Ver- 
wendung nicht fiir vorteilhaft hielt. 

6) Natriumkarbonat-Trockenvakzin: Dieses Trockenpulver wurde im 
Exsikkator groBflockig und war uberhaupt nicht suspensionsfahig. 

7) Natriumzitrat-Trockenvakzin: Im Trockenschrank wurde diese 
Mischung eine homogene, kolloidale Fliissigkeit. Die im Exsikkator 
erhaltene Substanz war von blaB-gelblicher Farbe und lag in diinnen 
Bl&ttchen auf der Glasschale. Eine Suspension lieB sich damit sehr 
leicht herstellen. Wegen der guten Lbslichkeit dieses Salzes versuchte 
ich es, ein Trockenvakzin mit der halben Menge des Salzes zu benutzen. 
Im Trockenschrank war diese Mischung ebenfalls von homogener, kol- 
loidaler Beschaffenheit. Auch das hieraus sich ergebende Trockenvakzin 
war sehr gut suspendierbar, die Farbe der Trockensubstanz mehr weiB- 
lich. Ich fiillte das Pulver nach Wiigung in Ampullen, stellte diese 
einige Tage in einen Exsikkator und schmolz darauf zu. Dann brachte 
ich zur Sterilisation das Vakzinpulver 2 Std. in einen Trockenschrank 
von 120° C, wobei es keine Veranderung erfuhr. Bei der Aufschwem- 
mung in physiol. Kochsalzlosung war auch unter dem Mikroskop keine 
Verklumpung der Bakterien festzustellen. Es handelte sich als urn eine 
vorziigliche Bakterienemulsion. Zur Erprobung der immunisierenden 
Eigenschaft dieses Pulvers injizierte ich 0,2 mg 10 gesunden Kaninchen 
subkutan. Nach 7 Tagen zeigten die Blutsera Agglutinationstiter von 
V 32 oo—Vf»4oo- Die bakteriziden Titer, die ich nach Pfeiffers Methode 
feststellte, schwankten zwischen Vioo und Vsoo- Prophylaktisch wandte 
ich dieses Vakzin bei ungefahr 50 Menschen an, und zwar injizierte ich 
hier auch zuerst 0,1 mg Pulver in 0,5 ccm steriler physiol. Kochsalz- 
losung subkutan und nach 5—7 Tagen die doppelte Dosis. Die Neben- 
wirkungen, die sich darauf zeigten, waren sehr gering und noch weniger 
auffallend, als bei dem nach Pfeiffer-Kolle auf 60° C l 1 /® Std. lang 
behandelten Vakzin. Bei der Aufbewahrung im Brutofen bei 37 °C be- 
hielt das Pulver seine iminunisierende Eigenschaft iiber 2 Jahre. Aus 
diesem Grunde ist die Bereitstellung dieses Vakzins vorteilhaft fiir alle 
die Falle, bei denen in kurzer Zeit viele Impfungen vorgenommen 
werden miissen, wie z. B. beim plotzlichen Ausbruch von Epidemien 
oder bei einer Mobilmachung. Dieses Vakzin unterscheidet sich zu 
seinem Vorteil von bisher hergestellten, auBerdem dadurch, daB es 
besser suspendierbar ist und wegen der geringen Menge, die zur Im- 
munisierung notig ist, wenig Raum zur Aufbewahrung beansprucht. 
AuBerdem ist es nicht so kostspielig, da es viel langer als fliissige Vak- 
zine seine iminunisierende Eigenschaft beh&lt und nicht, wie diese, alle 
0 Monate erneuert zu werden braucht. Da es gut transportabel und 
leicht aufzubewahren ist, eignet es sich auch fur den Gebrauch des 
praktischen Arztes. 

8) Zucker-Trockenvakzine: Ich benutzte zur Herstellung Trauben-. 
Rohr- und Milchzucker. Zuniichst entstand bei alien 3 Losungen nach 
Entnahme aus dem Exsikkator eine gelbweiBliche Masse, die sehr leicht 
loslich war. Alle zeigten jedoch bei der 2-stiind. Sterilisation im Trocken- 



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Chiba, Verwendung der trockenen Hitze bei der Herstellung von Vakzinen. 79 


sehrank von 120° C eine schwfirzlich-braune Farbe, da sich Karamel 
gebildet hatte. Diese Massen waren natiirlich deswegen nicht zu ver- 
wenden, denn der verbrannte Zucker ist absolut unloslich. 

Ich stellte noch weitere Versuche fiber die Agglutinabilitfit der Vak- 
zinpulver an. Alle bisher beschriebenen Pulver besaBen geringe ag- 
glutinable Eigenschaft. Ich wfihlte nun deshalb ein anderes Verhfiltnis 
ffir die Herstellung von Zucker-Trockenvakzin. indem ich 1,0 g Bakterieu 
uiit 3 ccm einer 10-proz. Zuckerlosung mischte. Darauf lieB ich diese 
Anfschwemmung einige Tage lang bei Zimmertemperatur stehen, nach- 
dem ich einige Tropfen Formalin zugeffigt hatte. Bei der folgenden 
Trocknung im Exsikkator e.rhielt ich tiefgelbe Blfittchen, 0,1 g davon 
besaB sogar bei einer Vermischung mit 200 ccm physiol. Kochsalzlosung 
fast dieselbe Agglutinabilitfit, wie frische Bakteriensuspensionen sie 
zeigen. Das Pulver eignet sich daher vorztiglich zu diagnostischen 
Zwecken. Seine Haltbarkeit und bequeme Handhabung macht es auch 
ffir den praktischen Arzt brauchbar. 

Dieselbe Methode wandte ich auch bei Choleravibrionen und Dys- 
enteriebakterien (Shiga-Kruse) mit fast gleichem Resultate an. 

SchluBbemerkung. 

1) Von alien hier geschilderten Typhus-Trockenvakzinen zeigten 
Chlorkalzium- und Natriumzitratvakzin die beste Konservierungsffihig- 
keit, denn ihre antigene Eigenschaft nahm fiber 2 Jahre lang nicht ab. 
— 2) Zu diagnostischen Zwecken eignet sich allein das ohne Hitze her- 
gestellte Zucker-Trockenbakterienpulver (Traubenzucker). — 3) Die hier 
geschilderte Herstellung von Typhus-Trockenvakzin ist mit demselben 
Erfolge auch ffir andere Bakterien verwendbar. 

Liter aturverzeichnis. 

1) Loeffler, Ueber ein neuea Verfahren zur Gewinnung von Antikbrpern. (DUch. 
med. Wochenechr. 1904. S. 1913.) — 2) Friedberger und Moreechi, Beitrag zur 
aktiven Immunisierung dee Menschen gegen Typhus. (Dtsch. med. Wochenschr. 1906. 
S. 1986.) — 3) Liidke, Ueber die Schutzimpfung bei Kriegsseuchen. (Med. Klinik. 
1914. 8. 1611. 


Nachdruck verboten. 

Die Verwendung der trockenen Hitze bei der Herstellung 
von Vakzinen (Typhus-, Dysenteriebakterien und Cholera¬ 
vibrionen). 

[Aus der Abteilung fur Erforschung der Infektionskrankheiten des 
Chosen-Gouvernement-General-IIospitals in Keijo.] 

Von Dr. S. Chiba. 

1. Vorbemerkung. 

Die Methode der aktiven Immunisierung hat in der letzteu Zeit 
-.ehr mannigfache Variationen angenommen. Besonders erstreckten sich 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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die vielen Versuche zur neuen Darstellung von Antigen auf die Be- 
handluug der verschiedensten Impfmaterialien. Dabei wurden besonders 
viele Impfstoffe als verwendbar gefunden, welclie aus Krankheitserregeru 
ihren Ursprung haben und beim Menschen angewandt werden konnen. 
also fur seine Schutzimpfung von Wichtigkeit sind. 

Zuerst hatte Ferran (1884) mit Cholerabouillonkultur eine aktive Innuuuitat an 
Menschen erzeugt; dann hatte der Versuch Haffkines (1895) einen groSen Erfoig 
erlangt, der eine kiinstlich abgeschwachte Reinkultur (weak virus) subkutan verabreichte, 
und, nachdein er die Virulenz der Choleravibrionen durch die Tierpassage erhoht hatte. 
durch Injektion dieser hochvirulenten, lebenden Vibrionen (Virus fixe) beim Menschen 
eine bestimmte Schutzkraft erzeugte. Wahrend viele Autoren die Immunitat von Tieren 
und Menschen auf verschiedene Weise durch lebende Bakterien erforschten, hatte Kolle 
mit abgetoteten Choleravibrionen die gleiche Immunitat beim Menschen erzielt. Auch 
impfte Wright nach dem Vorschlage Haffkines Menschen gegen Typhus mit ab- 
toteten Typhusbakterien. Dadurch gewann er auch eine bestimmte Schutzkraft gegen 
Neuinfektion. Inzwischen hatte Pfeiffer und Kolle ihre ausgedehnten systemati- 
schen Untersuchungen fiber Typhusschutzimpfungen am Menschen gemacht. Dabei 
hatten sie ihren Impfstoff in der Weise behandelt, dafi die Typhusbakterien in der 
Aufschwemmung einer physiol. Kochsalzlosung fiir mehrere Stunden einer Temperatur 
von 56° C ausgesetzt wurden, um sie abzutoten. Zu erwiihnen ware noch der bak- 
terienfreie Impfstoff nach Neisser und Shiga. Diese toteten Bakterien in physiol. 
Kochsalzlosung durch Erhitzen auf 60° C und brachten sie nachher zur Autolyse be: 
der Bewahrung im Brutofen. Danach filtrierten Bie mit Hilfe der Reichel-Kerze. 
Dieses Filtrat war nach ihrer Angabe auch zur Schutzimpfung brauchbar. Ferner 
werden die verschiedenen Extrakte von Bakterien, die sogenannten sensibilisierten Vak- 
zine, die Oelseifenvakzine, die Jodvakzine, das eiweififreieTyphusvakzin nach W. Forne t, 
das aus getrockneten Bakterien hergestellte Vakzinpulver und aus dem Extrakte der 
Bakterien durch Trocknen gewonnene Vakzinpulver etc. zur aktiven Imraunisierung 
gebraucht. 

Weun man bei der Schutzimpfung ein Impfmaterial austvahlen will, 
so muB man immer auf die folgenden 3 Punkte Riicksicht nehmen: 

1) Keine Vermehrung ties Impfvirus in dem Korper des Geimpfteu 
nach der Einverleibung des Impfstoffes, 2) moglichst geringe Neben- 
wirkung, 3) eine bestimmte Schutzkraft nach Verabreichung. 

Diese 3 Hauptbedingungen sind fiir die Prophylaxis dringend uotig. 
wir miissen sie daher bei der Schutzimpfung gegen Infektionskrankheiten 
beim Menschen beriicksichtigen. DemgemBB soli man ein lebendes Impf¬ 
material, wenn es auch avirulent ist, vermeiden, damit man keine Ver¬ 
mehrung des Virus im geimpften Korper hervorbringt. Wenn man 
einen Impfstoff, welcher bei der Einverleibung keine Nebenwirkung zur 
Folge hat und dabei dem Organismus eine sichere Schutzkraft verleiht, 
bekommen kann, dann ist dieser Impfstoff sehr gut brauchbar. Leider 
gibt es einen solchen bis heute nicht. Man soli also ruhig die geringe 
Nebenwirkung dulden, wenn eine sichere Schutzkraft dabei erzielt wird. 

Selbstverstandlich ist auch darauf Acht zu geben, ob ein Impfstoff' 
einfach hergestellt werden kann, oder ob es sehr kostspielig und um- 
standlich ist, ihn zu verfertigen. Die Herstelluug eines Impfstoffes aus 
durch die Hitze abgetbteten Bakterien ist verhaltuismaBig einfach und 
billig moglich. Man muB zwar bei Abtotung der Bakterien durch Hitze 
immer die verschiedenen Suspensionsfliissigkeiten beriicksichtigen, was 
aber keine besonderen Schwierigkeiten bietet. Die Abnahme'der Viru¬ 
lenz bei gleicher Hitzewirkung ist namlich in den verschiedenen Sus- 
pensionsmedien nicht die gleiche. Ich unternahm folgende Versuche mit 
Bakterien in physiol. Kochsalzlosung, und zwar, inwieweit sie durch 
Hitze abgetbtet bzw. entwicklungsunfahig gemacht wurden. 


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Chiba, Verwenduug <ler trockenen Hitze bei der Herstellung von Vakzinen. 81 


II. Die Wirknng der Hitze auf die Entwieklangsfdhigkeit der 

Bakterien. 

Ich iuachte Versuche au Typhus- und Dysenteriebakterien (Shiga 
und Kruse) UDd Choleravibrionen, welche schon fiber 1 Jahr lang in 
meinem Laboratorium gezfichtet waren. Folgende Tabelle gibt Auskunft 
daruber, in welchem Zeitpunkte und bei welcher Teraperatur die Ent- 
wicklungsfahigkeit eintrat. Ich verwandte bei Typhus- und Dysenterie- 
kulturen 3-proz. Agarnahrbfiden von schwacher Alkalitfit (1 Vol.-Proz. 
einer 10-proz, Sodalosung) und bei der Cholerakultur einen solchen von 
etwas st&rkerer Alkalitfit (3 Vol.-Proz. einer 10-proz. Sodalosung). Die 
l-t&g. Kulturen dieser 3 Arten Bakterien von je 10 Oesen in je 5 ccm 
steriler physiol. Kochsalzlosung wurden gleichm&Big aufgeschwemmt, 
gleichzeitig in sterile Reagenzglaser mit Wattetampon eingegossen, mit 
Gummimembran luftdicht verschlossen und die Reagenzglfiser dann in 
ein theriuostabiles Wasserbad bis zu 2 /s eingetaucht. Zu bestimmten 
Zeiten wnrde aus jedera Reagenzglase 1 Oese der Bakterienaufschwem- 
raung herausgeholt. Die Lebensfahigkeit der so behandelten Bakterien 
wnrde darauf an neuen geeigneten Kulturen ersichtlich geraacht. 

Tabelle 1. 

Wirkung der Hitze eines Wasserbades auf die En t w ickl u n gs f ahig - 

keit der Bakterien. 


Temperatur i Zeitdauer 

Typhus- 

bakterien 

Dysenterie¬ 

bakterien 

Cholera¬ 

vibrionen 

45* C 7 Stunden 

+ 1 ) 

+ 

+ 

12 „ 

+ 

+ 

- J ) 

1 Tag 

+ 

+ 


2 Tage 

+ 

+ 

— 

2V, „ 

+ 

+ 


3 „ 

+ 

— 


4 ,) 

+ 

— 

— 

50° C | 1 Stunde 

+ 

+ 

+ 

2 Stunden 

+ 

+ 

+ 

3 „ 

+ 

+ 

— 

4 •> 

— 

— 

— 

55° C 1 Stunde 

+ 

+ 

— 

17, 

+ 

+ 

— 

2 „ 

— 

— 

— 

60° C 30 Minuten 

+ 

+ 

+ 

1 Stunde 

+ 


— 

i 17, „ 

— 

— 

— 


Aus obiger Tabelle ersieht man, daB die Bakterien bei 45° C zu 
lange lebenstahig bleiben, urn als Impfmaterial Verwendung finden zu 
konnen. Es ist daher bei der Impfstoffherstellung vorteilhaft, fiber 50° C 
zu erhitzen. UeberlSBt man die Bakterien zu lange dieser hohen Tem- 
peratur, oder erhitzt man auch nur kurze Zeit etwas stfirker, so zeigen 
die Impfstoffe als Antigene viele Nachteile, wie schon von vielen For- 
scbern konstatiert worden ist. Setzt man die Bakterien einer hohen 
Temperatur lfingere Zeit aus, so werden die Impfstoffe ihrer antigenen 
Beschaffenheit vollkommen beraubt. In dieser Hinsicht hielt ich es am 
besten. bei der Herstellung der Vakzine durch Abtfitung von Hitze 

1) + lebensfiihig. 2 ) — abgetdtet. 

Krtte Abt Orig. Bd. 8H Heft 1. 6 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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zwischen 50—60° zu bleibeu. Ich versuchte dalier, mit den mittleren 
Graden (55° C) durch trockene Hitze eine Wirkung auf die Bakterien 
auszufiben. Sie wurden alsdann auf ihre antigene Eigenschaft gepriift. 
Dazu stellte ich eine in oben beschriebener Weise hergestellte Bakterien- 
suspension in einen Trockenschrank von 55° C. Gleichzeitig stellte ich 
dieselben Versuche mit Bakterien an, die ich auch einer 1-tag. Kultur 
entnommen hatte, die ich aber in einem Wageflaschchen in den Trocken¬ 
schrank brachte. AuBerdem stellte ich noch eine ganze 1-tag. Kultur 
als solche in den Schrank. Zur genauen Einhaltung der Temperatur 
desTrockenschrankes benutzte ich den Lautenschlager schen Thermo¬ 
regulator und wandte als regulierendes Mittel jedoch nicht reineu Aether, 
sondern, wegen der hohen Temperatur von 55 °C, die fiber dem Siede- 
punkte des Aethers liegt, ein Gemisch aus 2 Teilen flfissigen Oeles und 
1 Teil Aether an. Nach den angegebenen Zeiten wurden die Bakterien 
aus den GefaBen herausgenommen und ihre Entwicklungsfahigkeit ge- 
prtift. Dabei ergab sich folgendes Resultat: 


Tabelle 2. 


Entwicklungsfahigkeit im Trockenschrank von 55° C. 


Arten der 

Bakterien befinden sich 

1 _ 

Wirkung nach dem Verlauf von titunden 

Bakterien 

I 

1,5 | 2 | 

3 

4 ! 

L i 

5 

I 6 

7 

8 

! ^ 

| 

In der Kochsalzlosung 



1 








lyphus- 1 

aufgeschwemrat 

Im Wageflaschchen 

+ ') 

+ 

+ 

+ 

- ,j ) 

- i 

— 

_ 

— 

— 

bakterien 1 

4- 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

— 

- ' 

— 

— 

1 

( 

|lm festen Nahrboden 

In der Kochsalzlosung 

+ 

+ 

+ 

+ 


+ 

+ 


+ 


Dvsenterie-1 

aufgeschwemmt 

+ 

+ 

+ ' 

+ 


_ 

— 

— 

— 

— 

bakterien | 

Im Wageflaschchen 


+ 

+ 

+ 

— 


— 

— 1 

— 

— 

l 

f 

Im festen Niihrboden 

In der Kochsalzlosung 

+ 

+ 

+ 


+ 

+ 




_ 

Cholera- 1 
vibrionen | 

aufgeschwemmt 
'Im Wageflaschchen 

+ 

+ 

+ 

— 

_ 

z 

z 

1 

i i 


— 

i 

Im festen Nahrboden 

+ 

- + 

— i 

— 

— 

1 — 



— 

— 


Die bisher bei 55° C unternomraenen Versuche ergeben in kurzer 
Zusammenfassung folgende Resultate: 


Tabelle 8. 


Arten der Bak¬ 
terien 

Erhitzungsweise 

Typhusbakterien j 

Kochsalzlosung im Wasserbade 
Kochsalzlosung im Trockenschrank 
Wageflaschchen im Trockenschrank 
Fester Nahrboden im Trockenschrank 

| 

Dysenteriebakterien | 

Kochsalzlosung im Wasserbade 
Kochsalzlosuug im Trockenschrank 
Wageflaschchen im Trockenschrank 
Fester Nahrboden im Trockenschrank 

Choleravibrioneu j | 

Kochsalzlosung im Wasserbade 
Kochsalzlosung im Trockenschrank 
Wageflaschchen im Trockenschrank 
Fester Nahrboden im Trockenschrank 

1) + lebensfiihig. 

2) — abgctotet. 


Zeitdauer der 
Abtotung 

2 Stunden 



1 Stunde 

2 Stunden 




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Chiba, Verweudung der trockenen Hitze bei der Herstellung von Vakzinen. 83 

Aus der Tabelle ergeben sich wesentliche Unterschiede in bezug 
auf die Zeit, die erforderlich ist, um die Totung der Bakterien zu er- 
zielen, je nachdem man im Trockenschrank oder ira Wasserbade erhitzt. 
Die Erhitzung im Trockenschrank bedarf der doppelten Zeit bis zur 
TStung. Namentlich die Typhusbakterien im festen Nahrboden bedurfen 
zu ihrer Abtbtung die trockene Hitze viel lSngere Zeit als die in physiol. 
Kochsalzldsung bei Wasserbaderhitzung. Bei den Dysenteriebakterien 
und Choleravibrionen tindet man die gleichen Verhaltnisse; es wirkt 
also bei der Abtotung im Trockenschrank die Hitze milder und lang- 
samer auf die Bakterien ein als im Wasserbade. Es ist allbekannt und 
wird von den meisten Forschern bestatigt, daB man im allgemeinen das 
Verfahren wahlt, das in relativ kurzer Zeit bei niedriger Temperatur 
gerade noch die Abtotung herbeifuhrt. Dieses geschieht mit RUcksicht 
auf die Entwertung des Antigens durch Erhitzen, die um so starker 
sein muB, je hdher die Temperatur ist und je langer sie einwirkt. 
Ferner ist im allgemeinen anerkannt, daB die kurzdauernde Anwendung 
relativ holier Temperatur gewohnlich das Antigen starker zerstort als 
die langere Einwirkung der niederen Abtotungstemperatur, daB aber die 
zu langdauernde Anwendung sogar bei relativ niedriger Temperatur 
auch das Antigen schadigt. Daher muB man einen Mittelweg nehmen: 
Ich erweiterte jetzt meine Untersuchungen bei den verschiedenen, durch 
trockene Hitze abgetoteten Bakterien, insbesondere in bezug auf ihre 
toxischen und antigenen (agglutinogenen) Eigenschaften. 

III. Agglutinogcne Eigenschaft der Typhusbakterien nach Erhitzen 
bei verschiedener Temperatur und Zeitdauer. 

Friedberger und Moreschi stellten fest, daB bei wenig wirk- 
samem Antigen allgemein die Antikorperbildung proportional der Menge 
des injizierten Impfstoffes ist. Benutzt man aber wirksame Antigene, 
so wird diese Abhangigkeit von der Impfstoffmenge aufgehoben und 
kleine Dosen bewirken auch recht hohe Antikbrperproduktion. Dieses 
gilt aber nur fur die intravendse Injektion. Da bei der Massenimpfung 
am Menschen diese zu umstandlich und nicht ungefahrlich ist, benutzte 
ich bei meinen folgenden Versuchen immer eine einmalige subkutane 
Injektion, und zwar von 2 mg Bakterien. Auf folgender Tabelle ist 
ersichtlich gemacht, welchen Einflufi Temperatur und Zeit auf die ag- 
glutinogene Eigenschaft der Typhusbakterien haben. Der Versuch 
besteht daraus, daB Typhusbakterien aus 1-tBgiger Kultur vom festen 
Nahrboden abgenommen, in physiologischer Kochsalzlosung gleichmBBig 
aufgeschwemmt und dann in ein Wasserbad getaucht wurdeu. Die 
Bakterien wurden dabei genau abgewogen, so daB sie 2 Proz. der Auf- 
schwemmung ausmachten. Nach dem Verlaufe der angegebenen Zeiten 
wurden die Aufschwemmungen, die je 2 mg Bakterien enthielten, als 
Antigen einem Paar gesunder Kaninchen von mittelm&Bigem Kdrper- 
gewichte subkutan eingeimpft. Vorher wurden die Kaninchen, die bei 
25-facher Verdiinnung ihres Blutserums noch eine gewisse Agglutina- 
tionsfahigkeit zeigten, ausgeschlossen. 1 Woche nach der Injektion 
wurde das Blut abgenommen und sein Agglutinationstiter gemessen. 
Bei der Untersuchung der Agglutination brauchte ich denselben Bak- 
terienstamm, welchen ich bei der Antigenherstellung verwendet hatte. 
Dabei habe ich immer aus 1-tSgigen Kulturen frische, lebende Bakterien- 
suspensionen mit physiol. Koehsalzlosung hergestellt und verwendet. 

6 ’ 


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84 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft ]. 


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Die Bakterien, die sich 0,2-proz. in physiol. Kochsalzlosung befanden. 
wurden mit dem durch physiol. Kochsalzlosung verdiinnten Serum ver- 
mischt und nach 2 Std. langer Wirkung im Brutofen wurde der Ag- 
glutinationstiter bestimmt. 


Tabelle 4. 

Wirkung der Wasserbadhitze auf die agglutinogene Eigenschaft 

der Typhuebakterien. 


Nummer 
der Ka- 

Erhitztes 
Antigen auf 

Serum verdiinnung 

ninchen 

V,6 

*/»<• 1 

V 100 

7mo 1 

'/too 

'/sop . 

Vi*o» ! 

/n?P0 

v 

1 I 

60° C 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + 

++ 

++ 

++ 

+ 

_ 

2 

l 1 /, Std. lang 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+++ 

++ 

++ 

+ 

1 — 

— 

3 

60° C 

+ + 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

— 


— 

4 

1 Tag lang : 

'+ + + 

+ + 

+ 

+ , 

+ 

+ I 

— 

— 

— 

5 

60° C 

+ + 

4" + 

+ 

1 + : 

— 



_ 

— 

6 

3 Tage lang 

+ + + 

+ + 

_J_ 

+ 

+ 

— 


1 ~ 


7 

60° C 

+ + 

+ 

+ 

+ 

— 

— 


1 

— 

8 

7 Tage lang 

+ 

+ 

+ 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

9 

70° C 

+ + + 

+ + 

+ + 

+ 

+ 

+ 

— 


— 

10 

1 Tag lang 

+ + + 

+ + 

+ 

4 - 

+ 

— 

— 

— 

— 

11 

80° C 

+ + + 

+ + ! 

4" + 

+ 

+ 

— 

— 

— 

— 

12 

6 Std. lang 

+ + 

+ + 

+ 

+ 

+ 

+ 

— 

— 

— 

13 

100° C 

+ + + 

+ + 

+ + 

+ 

+ 


+ 

_ 

I - 

14 

30 Min. lang 

+ + + 

+ + + 

l ^ 

++ 

+ 

+ 

— 

— 

— 

15 

100 ° c 


“f- 4* 

+ 

+ 


i — 

— 

— 

— 

16 

1 Std. lang 

+ + 

+ 

+ 

+ 

+ 

1 _ 

— 

— 

— 

17 

100° C 

+ 

_ 

— 

_ 

— 

— 

— 

— 

— 

18 

1 3 Std. lang 

— 

— 

— 

! - 

— 

— 

— 

| — 

— 


Zeichenerlauterung: + + + Komplette Agglutination; Suspensionsfliissigkeit ganz 
klar. ++ Mafiige Agglutination; iiberwiegender Teil der Bakterien in Flockenbildung, 
SuBpensionsfliiseigkeit nicht ganz klar. + Schwache Agglutination; teilweise Bakterien 
richer agglutiniert, aber Suspension^!iissigkeit auch noch getriibt. 

Natiirlich zeigten die zur Kontrolle in Kochsalzlosung suspendierten 
Bakterien keine Agglutinationsphanomene. Aus dieser Tabelle wird es 
einerseits klar, daB das IV 2 Std. lang auf 60° C erhitzte Typhusantigen 
die starkste agglutinogene Eigenschaft besitzt und bei noch liingerem 
Erhitzen mit gleicher Temperatur allmahlich seine agglutinogene Eigen¬ 
schaft verliert. Aber selbst noch nach 7 Tagen waren bei dieser Tem- 
peratur die Agglutinogene festzustellen. Selbst beim Erhitzen auf 100° C 
erhalt man noch nach 30 Min. eine ziemlich gute agglutinogene Be- 
schaffenheit, die jedoch nach 3-stfind. Kochen fast vollstandig ver- 
schwunden ist. 

IV. Antigene Eigenschaft und ToxizitUt der Typhusbakterien, 
welehe durch trockene Hitze abgetdtet werden. 

Im obigen Versuche stellte ich fest, daB das Typhusantigen, welches 
I 1 /* Std. lang einer Temperatur von 60° C im Wasserbad ausgesetzt wurde. 
die beste agglutinogene Eigenschaft besitzt. Dieses Antigen verglich 
ich mit einem anderen, welches durch trockene Hitze von 55° C be- 
handelt wurde, in bezug auf Toxizitat und antigene Eigenschaft. Wie bei 



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Chiba, Verwendung der trockenen Hitze bei der Herstellung von Vakzinen. $5 


der unter II besprochenen Methode, wurde einerseits die Typhuskultur 
selbst, andererseits eine aus dieser Kultur abgenommene Bakterienmasse 
tin ein Wageflaschchen eingelegt) im Trockenschrank von 55° C ver- 
wahrt. Nach Verlauf einer auf der Tabelle sichtbaren Zeitdauer wurden 
je 2 mg Bakterien einem Paar gesunder Kaninchen wie bei obigem 
Versuche subkutan eingeimpft. 7 Tage nach der Injektion zeigten die 
Blutsera folgende Agglutinationstiter: 


Tabelle 5. 

Wirkung der trockenen Hitze von 55° C auf die agglutinogene 
Eigenschaft der Ty phusbakterien. 


Nummer 
■ler Ka- 

Erbitztes 
Antigen auf 




Serum verdiinnung 




ninchen 

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Zeichenerklarung wie bei Tabelle 4. 


Wenn man dieses Resultat mit dem in Tab. 4 ersichtlichen ver- 
gleicht, so wird man leicht erkennen, daft die agglutinogene Eigenschaft 
des Antigens vom Kaninchen Nr. 1 u. 2 in Tab. 4 fast dieselbe ist, 
welche das im Trockenschrank von 55° C 1 Tag lang aufbewahrte An¬ 
tigen besitzt. Natiirlich hat das im Trockenschrank 3 Tage lang be- 
wahrte Antigen eine schwachere agglutinogene Eigenschaft als das nur 
24 Std. im Trockenschrank befindliche. Ich probierte noch die passive 
Schutzkraft der Blutsera, welche die Kaninchen Nr. 1, 2, 3, 4 auf dieser 
Tab. und Nr. 1, 2 auf Tab. 4 lieferten. Dabei ging ich nach der Pfeiffer- 
schen Methode vor und injizierte Meerschweinchen von 250 g KSrper- 
gewicht mit diesen Kaninchenseren das 5-fache der Dosis let. min. Hier 
fand ich bei alien 6 Kaninchen in bezug auf ihren bakteriziden Titer 
keinen Unterschied. Ich verglich darauf noch wochentlich lmal in den 
folgenden 3 Mon. die Agglutinationstiter der Blutsera von den zur Er- 
probung der antigenen Eigenschaft gebrauchten Kaninchen. Es fanden 
sich aber keine Unterschiede gegeniiber den bisher festgestellten Tatsachen. 
Des weiteren machte ich Versuche in bezug auf die toxische Wirkung 
von Typhusbakterien, die ich 1 Tag lang trockener Hitze (55° C) aus- 
gesetzt hatte. Ich verglich die erhalteneToxizitat mit denjenigen Bakterien, 
die in physiol. Kochsalzldsung bei 60° C im Wasserbad 1,5 Std. lang 
gestanden hatten. Die auf diese 2 Arten erhaltenen Impfmaterialien 
iinpfte ich jungen Kaninchen von 800 g Korpergew. subkutan ein, fand 
aber keine kuBerlichen Unterschiede, denn alle blieben ganz gesund. 
Dann injizierte ich neuen jungen Kaninchen je 20 mg abgetoteter Bak¬ 
terien intraperitoneal, konnte aber auch hier keinen Unterschied der 
Wirkung der Impfmaterialien nachweisen. W’eiter injizierte ich die auf 
obige Weise behandelten Bakterien jungen Meerschweinchen von 150 g 
KSrpergew. subkutan Oder intraperitoneal, ohne einen Unterschied ihrer 
ToxizitSt zu finden. Gibt man aber jungen Kaninchen und Meerschweinchen 


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$6 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 

intravenos relativ groBe Dosen abgetoteter Bakterien, so kann man eiue 
etwas geringere toxische Wirkung der Bakterien erkennen, welche durch 
die trockene Hitze behandelt wurden. Dieser geringe Unterscbied ist 
jedoch kaum beweisend, da Faktoren wie Disposition usw. das Resultat 
beeintiussen. Zieinlich gut aber zeigten Mduse diesen Unterschied. Die 
Dosis let. min. des zu obigen Versuchen verwandten Bakterienstammes 
betrug 0,4 mg fur Meerschweinchen von 250 g Korpergewicht und 
0,05 mg fur eine 12 g schwere Maus. In der folgenden Tabelle, die die 
Verhaltnisse der Toxizitat der aufgefiihrten Impfmaterialien deutlich macht. 
sind Miiuse von einem Korpergew. von 10—12 g verwandt. Die in der 
Tabelle sichtbaren Dosen waren immer in einer 0,4 ccm betragenden 
physiol. Kochsalzlosung enthalten und wurden intraperitoneal injiziert. 
Diese toxische Wirkung beobachtete ich 4 Tage lang mit folgendein 
Resultat: 


Tabelle 6. 

Toxische Wirkung der Vakzine auf Mause. 


Typhusbakterien, 


welche in physio- 
logischer Kochsalz- ! 
losung im Wasser- 1 
bad von 60 0 C 
1 ‘/ 3 Std. lang be¬ 
wahrt wurden 


welche im Wage- 
flaschchen im 
Trockenschrank 
von 55® C 1 Tag' 
lang bewahrt wur- 
wurden 


welche im festen 
Nahrboden im j 
Trockenschrank | 
von 55° C 1 Tag 
lang bewahrt wur¬ 
den 


Dosis 

Korpergewicht 
der Mause 

Zustand nach 

1 Tag 

2 Tagen 

3 Tagen 

4 Tagen 

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Hieraus ist ersichtlich, daB die Typhusbakterien, welche bei 55° C 
1 Tag lang im Trockenschrank aufbewahrt wurden, gegen Mause halb 
so giftig sind, wie die Typhusbakterien, welche in physiol. Kochsalz¬ 
losung I 1 /* Std. lang im Wasserbade bei 60° C blieben. Wenn man 
das jetzt gefundene Resultat mit dem zusammenfaBt, daB die antigenen 
Wirkungen der Typhusbakterien (im obigen Versucbe) zeigt, so kommt 
man zu dem Schlusse, daB die Typhusbakterien, die in festen Nahrboden 
oder im Wageflaschchen durch 1-tagige Aufbewahrung bei 55° C im 
Trockenschrank behandelt wurden, zwar dieselbe agglutinogene und 


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Chiba, Verwendung der trockeneu Hitze bei der Herstellung von Vakzinen. 87 

bakteriolysinogene Eigenschaft, aber nicht so grofie Giftigkeit gegen 
Mause besitzen, wie die Typhusbakterien, die in physiol. Kochsalzlosung 
im Wasserbad von 60° C IV 2 Std. lang aufbewahrt worden sind. Das 
Ergebnis ist also bis auf den Unterschied in der toxischen Wirkung 
analog dem, das ich bei dem Versuche in bezug auf die antigene Eigen¬ 
schaft bei den Kaninchen, welche ich lmal subkutan iinpfte (Tab. 4 u. 5), 
erhalten babe. 

Ich achtete auch auf etwaige lokale Entzundungsprozesse. Dabei 
injizierte ich 0,2 ccm Bakterienaufschwemmung aus physiol. Kochsalz¬ 
losung (Bakteriengehalt 1,0 mg) jungen Kaninchen intrakutan, nachdem 
ihre Bauchhaut vorher gut depiliert worden war. Bei den durch trockene 
Hitze behandelten Typhusbakterien war die entzflndliche Rotung und 
Schwellnng nicht so ausgepragt wie bei den im Wasserbad behandelten. 
Am nachsten Morgen konnte ich bei beiden eine kleine Rotung und 
Anschwellung von der GroBe eines Kreises mit ca. 2 cm Durchm. kon- 
statieren, welche nach 2 Tagen wieder verschwanden. Ich glaube also, 
daB auch die nach meiner Methode im Trockenschranke 1 Tag lang er- 
hitzten Typhusbakterien keinen starken lokalen Reiz besonders ver- 
ursachen. 

Weiter stellte ich vergleichende Versuche an zwischen agglutino- 
genen Eigenschaften 2er Antigene, die ich 6 Mon. im Eisschrank mit 
Zasatz von 0,5 Proz. Phenol aufbewahrt hatte. Hier ergaben sich keine 
Unterschiede, die durch die vorangegangene verschiedene Behandlung 
im Trockenschrank oder Wasserbad moglich gewesen waren. 

V. Prophylaktische Anwendung. 

Es gelang nun, nachzuweisen, daB die durch trockene Hitze 1 Tag 
lang behandelten Typhusbakterien zur prophylaktischen Behandlung des 
Menschen verwendbar sind. Ich injizierte mir dabei selbst dieses Typhus- 
vakzin. Die Herstellung des Impfmaterials erfolgte in der Weise, daB 
ich die Typhusbakterien, welche auf die friiher beschriebene Weise im 
Trockenschrank erhitzt waren, in steriler physiol. Kochsalzlosung auf- 
schwemmte und zur Konservierung 0,5-proz. Karbol hinzufilgte. Die 
Vakzine hielt ich 1-promillig, ,daB also 1 mg Bakterien sich immer in 
1 ccm Aufschwemmung befand. Das Vakzin rflhrte von demselbeu 
Bakterienstamme her, von welchem das Material gewonnen wurde, das 
zur Prflfung der toxischen Wirkung (den Mausen und Kaninchen) diente. 

Bei der Massenherstellung der Vakzine ist es nach meinen Er- 
fahrungen vorteilhaft, Trockenschrank und WSgeflischchen zu benutzen, 
and zwar aus folgenden Griinden: 

1) Die Wageflaschchen erfordern weniger Platz als feste Nahrbdden, 
so daB man mit kleineren Trockenschr&nken auskommt. 

2) Erhitzung im Wasserbad bringt insofern groBe Schwierigkeiten 
mit sich, als man das GefaB zuschmelzen muB, um iiberall gleich hohe 
Temperaturen zu erlangen. Beim Trockenschrank laBt sich dies sehr 
leicht bewerkstelligen. 

3) Die im Trockenschrank gewesenen Bakterien sind leichter suspen- 
sierbar als frische Bakterienmasse. Letztere muB man erst langere Zeit 
schOtteln, um eine gute Suspension herzustellen. 

Bei Benutzung der Wageflaschchen, die natflrlich steril sein mtissen, 
ist es vorteilhaft, solche mit einem Volumen von ca. 30 ccm zu ver- 
wenden und ungefahr mit 20—25 g Bakterienmasse zu fallen. Zu 


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Ceutralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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empfehlen ist aufierdem, die Masse mit 4—5 ccm steriler physiol. Koch- 
salzlosung zu iibergieCen. Dadurch verhindert man eine vorzeitige Aus- 
trocknung der am oberen Rande des GefaBes befindlichen Bakterien und 
erhalt ein Material, das gleichm&Big in seiner Wirkung ist. Nach 24 Std. 
wird der Bakterienmasse eine sterile physiol. Kochsalzlosung, die das 
lOfache betrfigt, zugefugt und darauf mit steriler Gaze filtriert. Die 
so erhaltene Vakzine kann man dann zu jeder gewiinschten Konzentration 
verdflnnen. 

Ich begann an mir mit einer subkulanen Injektion von '/ s ccm eines 1-prom. 
Vakzins und stellte nach 1 Woche einen Agglutinationstiter von 1:80 und einen bak 
teriziden Titer von 1:50 feet. Die nach der Injektion auftretenden Nebenwirkungen 
waren nicht bedeutend. Es traten leichte lokale Schmerzen bei der Bewegung des T>e- 
treffenden Armes und eine geringe itotung. aber keine Anschwellung an der Impfstelle 
auf. Die regioniiren Lymphdriisen waren weder schmerzhaft. noch geschwollen. Die 
Temperatur stieg nach 8 Std. bis auf 37,2 0 C. war aber nach weiteren 6 Std. wieder 
auf die norraaleHohe von 36,5 °C gesunken. Wahreud der Zeit, in der die Temperatur 
erhoht war, bestanden auBer geringem Druckgefiihl in der Schlafengegend keine lastigen 
Beschwerden wie Mattigkeit Oder Frost. 7 Tage darauf machte ich eine doppelt so 
groBe Injektion. Hierbei fiihlte ich mich ungefahr 10 Std. matt, die lokale Schmerz- 
haftigkeit hielt 24 Std. an, aber im ubrigen bestanden auch hier keine lastigen Neben- 
wirkungen. Nach 7 Tagen war der Agglutinationstiter meines Blutserums auf 1 :800, 
der bakterizide Titer auf 1: 100 gestiegen. Die guten Resultate, die ich bei mir ge- 
wonneu hatte, ermutigten mich, bei 10 Frauen dieselben Versuche anzustellen. Es 
zeigten sich dabei nach 2 Std. bei 7 Geimpften Korpertemperaturen zwischen 37 und 
38 u C. Die Nebenwirkungen bei den 1. und 2. Injektionen zeigten keine bedeutenden 
Unterschiede, die erhohten Temperaturen hielten zwischen 10 und 24 Std. an, dauerten 
aber bei keiner langere Zeit. 2 Frauen zeigten sogar iiberhaupt keine Temperatur- 
erhohung. Nur 1 ging bis auf 38,5° C hinauf, was aber darauf zuriickzufiihren war. 
dafi sie gerade menstruierte. Bei der 2. Injektion von 1 ccm hatte diese Frau auch 
wieder 38,4 0 C Kdrpertemperatur, was diesmal daran lag, daB sie nach der Injektion 
sich korperlich sehr angestrengt hatte. 

Ueber heftige Kopfschmerzen wurde von keiner Geimpften geklagt. Sie gaben 
nur ein Druckgefiihl in der Schlafengegend an, das aber nur kurze Ziit bestand. Es 
trat auch keine Mattigkeit von Bedeutung auf, welche die Arbeitsfahigkeit der Frauen 
gestort hiitte. 

Auch Appetitverminderung und Erbrechen zeigten sich nicht. Nur 2 Frauen 
klagten einmai liber Nausea. Diese beiden gaben aber schon friiher Anzeigen erhohter 
Empfindlichkeit. 

Alle klagten iiber geringe Schmerzen an der Impfstelle besonders bei Bewegungen 
der Glieder der geimpften Seite. Die Schmerzen warden nach 24 Std. allmahlich ge- 
ringer und waren binnen 2 Tagen bei alien verschwunden. Ebenso geschah es mit der 
leichten Rotung an der Impfstelle. 

Ueber Anschwellung Oder Druckschmerzhaftigkeit der regioniiren Lymphdriisen 
wurden koine Klagen gefiihrt. 

Die agglutinierende und bakterizide Wirkung der Blutsera, die ich 1 Woche nach 
der 2. Injektion (Impfung) ent.nahm. war folgende: 

Der Agglutinationstiter schwankte zwischeu 1 : 400 und 1 :3200. Am haufigsten 
betrug er 1:800—1:1600. Der bakterizide Titer bewegte sich zwischen 1 :50 und 
1 :1000. Hier waren die moisten Titer von der Starke 1:100-1 :500. 

Im Laufe der naehsten 2 Jahre impfle ich ungcfiihr 500 Personen. Von diesen 
Personen erkrankte 1 Frau an Typhus, die lmal geimpft worden war, l /? Jahr nach 
der Injektion. Der Verlauf dieser Krankheit war aber sehr leicht. Die Patientin hatte 
nur 14 Tage lang Fieber, dabei niemals iiber 38,5° C. Im An>-chluS daran bekam die 
Pat. cine Cystitis mit 14tiigigem remittierendem Fieber. 6 Wochen nach der Typhus- 
erkrankung wurde sie geheilt entlassen. Die prophylaktische Wirkung ist daraus an- 
zunehmen, daB von den 50000 Personen der Stadt jiihrlich durchschnittlich 100 an 
Typhus erkrankten. Zur absoluten Sicherstellung der Wirkung des Impfmaterials sind 
natiirlich noch Impfungen in weit groBerem Umfange notig. 

VI. CholeraTakzin. 

Ein analoger Versuch zur Herstellung eines Choleravakzins zeigte 
den Vorteil einer Trockenerhitzung im Wagetiaschchen vor der Erhitzung 



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Chiba, Verwendung der trockenen Hitze bei der Herstellung von Vakzinen. yy 


des festen Nahrbodens. Dieser war uach 8-stiindig. Stehen im Trocken- 
schrank so ausgetrocknet, daB wegen zahlreicher Verklumpungen sich 
eine Suspension nur BuBerst scliwer herstellen lieB. Ich verglich darauf 
die Wirkung des mit dein Wiigeflaschchen in den Trockenschrank (55° C 
1 Tag lang) gestellten Vakzins mit dem im Wasserbad (60° C l 1 /* Std.) 
erhitzten und erbielt dabei folgendes Resultat: 

Es ergaben sich keine Unterschiede in der toxischen Wirkung der 
beiden Impfmaterialien. Sie zeigten sich an Kaninchen, Meerscbweinchen 
wie Mausen immer ungiftig. Die Dosis letalis min. des Choleravibrionen- 
stammes, den ich zu vorigem Versuch gebraucbt hatte, betrug beim Meer- 
schweinchen von 200 g Korpergewicht intraperitoneal 0,2 mg. In der 
agglutinogenen Wirkung zeigte sich aucb bier kein bedeutender Unter- 
schied bei beiden Antigenen, genau wie bei den Typhusvakzinen. Die 
unterscbiedliche Herstellungsweise der beiden Vakzine kam in keiner 
ihrer antigenen Wirkungen zuin Ausdruck. Einmalige subkutane In- 
jektion von 2 mg beider Antigene erzeugte bei Kaninchen von mittlerem 
Korpergewicht Sera mit einem Agglutinationstiter von 1:800—1:1600. 
Die passive Schutzkraft dieser Kaninchensera war aucb gleicli. Ich be- 
nutzte dazu Meerschweinchen von 150 g Korpergewicht. Die Kaninchen¬ 
sera zeigten hier bakterizide Titer von 1 :100. 

Bei der Massenherstellung des Choleravakzins gelangte ich zu dem 
Ergebnis, dad auch hier, wie beim Typhusvakzin, die Erhitzung im Wage- 
llaschchen und Trockenschrank aus den angefiihrten Griinden am guustigsten 
ist. Ich benutzte hier 1-tagige Kulturen auf festen Nahrboden von 3-proz. 
Alkalitat einer 10 proz. Sodalosung. Das Choleravakzin stellte ich so 
her, daB 1,5 mg Vibrionen auf 1 ccm entfielen. Zur Konservierung 
fugte ich auch 0,5 Proz. Phenol hinzu. 

Fur die prophylaktische Anwendung beim Menschen wurden zuerst 
1 ccm, uach 5—7 Tagen 2 ccm injiziert. Von Ernie Juli bis zum Oktober 
1019 wurden 350000 Personen mit diesem Vakzin bei einer grofien 
Choleraepidemie in Korea geimpft. Bei der nkchstjahrigen Epidemie 
(vom Juli bis November 1920) stieg die Zalil der Geimpften auf 1500000. 
Ueber die Erfolge und Nebenwirkungen an samtlichen Geimpften konnte 
natQrlich kein zusammenfassendes Resultat aufgestellt werden. Ich hfirte 
bis jetzt noch niemals von einer bedeutenden Nebenwirkung. Nach 
meinen Beobachtungen stellten sich immer nur geringfiigige Erscheinuugen 
ein. wie leichte Rotung an der Impfstelle, lokale Schmerzhaftigkeit, manch- 
mal geringe Temperatursteigerungen und geringes Druckgeftihl im Schadel. 

Ein Anhaltspunkt fiir die prophylaktische Wirkung dieser Schutz- 
impfung ergibt sich aus den Erfahrungen, die ich in Tinnanpo, einer 
Stadt von 30000 Einwohnern, machte. Hier befindet sich eine Eisen- 
fabrik, die 10000 Arbeiter beschaftigt. Im August 1919 drohte in der 
Stadt eine Choleraepidemie aulzutreten. Von den Bewohnern. die mit 
einem Vakzin nicht geimptt waren. erkrankten iiber 300 an Cholera, 
von den Fabrikarbeitern, die obiges Vakzin erhielten. aber keiner. Aller- 
dings ist das Resultat meiner Impfung nicht absolut sicher, weil die 
Fabrik, in der ich meirie Impfungen vornahm, noch auBerdem (lurch 
Qbliche prophylaktische MaBnahmen gleichzeitig geschiitzt war. 

VII. Dysentcricvakzln. 

DieselbeMethode wandte ich auch bei der Herstellung des Dysenterie- 
vakzins an. Die Dosis letalis min. bei Kaninchen von 2000 g Korper¬ 
gewicht betrug 0,04 mg intravenos. Wie beim Typhusvakzin, versuchte 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1. 


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ich, nach der 1. subkutaneu Injektion die agglutinogene und toxische 
Wirkung festzustellen. Ich brauchte zn diesem Versuche nur kraftige 
und gesunde Kaninchen und schlofi auch die trachtigen Tiere aus. 


Tabelle 7. 

Vergleiehende Tabelle iiber die Wirkung der Dysenterievakzine 
nach feuchter und trockener Hitzebehandlung. 


Nummer der 
Kaninchen 

1 

2 

3 

4 5 

6 

7 

8 

9 

10 

Korpergewicht 
der Kaninchen 

2150 

2070 

1080 

1900 

1810 

2200 

2100 

2000 

1870 

1800 

Antigen 

Ira Wasserbad behandelte 
Dysenteriebakterien 

Im Trockenschrank behandelte 
Dysenteriebakterien 

Injektionsdosis 

(subkutan) 

1 mg 1 mg 

1 

0,4 mg 0,4 mg 

0,4 mg 

2 mg 2 mg 

1 mg 

1 mg 

1 mg 

Folge nach der 
Injektion 

tot am nach- 
sten Tage 

lebt 

lebt 

lebt 

tot am nach- lebt 
sten Tage ! 

lebt 

lebt 


Keines der iiberlebenden Tiere zeigte nach 7 Tagen der Injektion 
eine Agglutination 

Injektionsdosis in¬ 
travenos am 10. 
Tage nach der 
1. Injektion 



0,1 mg 0,1 mg 

0,2 mg 



0,5 mg 

0,5 rag 

1,0 mg 

Folge der intra- 
venosen Injekt. 



ge- 

sund 

ge - 

sunci 

tot am 
niichst. 
Tage 



ge- 

sund 

ge- 

sund 

tot am 
nachst. 
Tage 

Agglutinations- 
titer der Blutsera 
der iiberlebenden 
Kaninchen am 7. 
Tage nach der 
2. Injektion 



7,.- 

7*6 + 

760 - 




7,6 

+++ 
760 
+ + 
7l00 + 

7,00 + 

1 /<00 

7*6 

+++ 

l /so 
++ 

7100 + 
/, 00 



Zeichenerklarung wie bei Tabelle 4. 


Bei dent im Wasserbad hergestellten Vakzin konnte ich bis zum 
7. Tage nach der 1. Injektion keine agglutinogene Wirkung feststellen. 
Dasselbe war bei dem im Trockenschrank hergestellten Vakzin der Fall. 
Kaninchen No. 1 und 2, die 1 mg des im Wasserbad behandelten Vak- 
zins injiziert erhielten, starben nach 1 Tage; von der Dosis 0,4 mg ab 
blieben sie am Leben. Demgegeniiber tritt die unterschiedliche toxische 
Wirkung des Trockenschrankvakzins hervor. Die Kaninchen, welche 
hiervon 1 mg injiziert erhielten, lebten weiter. Der Tod trat bei diesem 
Vakzin erst nach einer Dosis von 2 mg ein. Ich injizierte nach 10 Tagen 
den lebend gebliebenen Kaninchen intravenos lebende Bakterien in der 
Menge von 1,0 und 0,1 mg. Bei den mit Wasserbadvakzin vorbehandelten 
Kaninchen trat der Tod schon nach einer Dosis von 0,2 mg ein. Lebens- 
fahig blieben sie erst bei einer Injektion von 0,1 mg Bakterien. Die 
Immunitat war also hier um das 2-fache gestiegen. Die mit dem Trocken- 
schrankvakzin vorbehandelten Kaninchen zeigten eine viel hohere Immu¬ 
nitat gegen lebende Bakterien, indent sie bei der Dosis von 0,5 mg 
leben blieben, also mindestens das 12-fache der Dosis letalis min. er- 



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Ch ba, Verwendung der trockenen Hitze bei der Herstellung von Vakzinen. 91 

trugen. Der Tod trat hier erst bei einer Injektion von 1 mg ein. DaB 
die mit dem Trockenschrankvakzin geimpften Kaninchen eine groBere 
Menge lebender Bakterien, in die Vene injiziert, ertrugen, erklart sicli 
daraus, daB dieses Vakzin nicht so groBe toxische Wirkung wie das 
Wasserbadvakzin besaB. Deshalb konnte auch bei der 1. Injektion eine 
groBere Dosis von Trockenschrankvakzin verabfolgt werden. 7 Tage 
nach der Injektion der lebenden Dysenteriebakterien nalun ich bei den 
noch Qberlebenden Kaninchen Blut ab. Von den beiden mit Wasser¬ 
badvakzin geimpften Kaninchen zeigte das Serum des einen uberhaupt 
keinen Agglutinationstiter, das andere einen von der GroBe 1 :25. Die 
beiden Kaninchen mit dem Trockenschrankvakzin dagegen zeigten Agglu¬ 
tinationstiter von 1:100 und 1: 200. Die Herstellung des Dysenterie- 
vakzins erfolgte nach derselben Methode wie beim Typhusvakzin. Zur 
Feststellung der Agglutination bei den mit Dysenterievakzin geimpften 
Kaninchen stellte ich jedoch die Sera 1 Tag lang in den Brutofen. 
wahrend sie beim Typhusversuch nur 2 Std. dort aufgestellt wurden. 

Die im Trockenschrank behandelten Dysenteriebakterien eignen sich 
vorzuglich zur Herstellung eines diagnostischen Serums. Der Tierver- 
lust %ist hierbei sehr gering und auBerdem ist das Serum schon nach 
2—3 Wochen fertiggestellt. Bei der Herstellung des diagnostischen 
Serums zeigte sich wieder der Vorteil der Trockenschrankbakterien vor 
den im Wasserbade behandelten. Bei ersteren waren nach der Injektion 
des Vakzins nur 2 Impfungen mit lebenden Bakterien in den Dosen 
0,5 und 1,0 mg notwendig. Dem Wasserbadvakzin dagegen muBten 4 
bis 6 Impfungen mit lebenden Bakterien folgen, da nicht so groBe 
Dosen gegeben werden konnten. Dies hatte neben dem Verlust an 
Zeit noch den Nachteil, daB dabei viele Tiere starben. Das hier be- 
scbriebene diagnostische Serum kann auch vollkommen das nach der 
Simultanmethode hergestellte vertreten. Besonders empfiehlt sich eine 
Anwendung dann, wenn daS bei der Simultanimpfung erforderliche Im- 
mnnserum nicht erh&ltlich ist. 

Anhang: Dieselbe Methode verwandte ich auch zur Herstellung von 
Coli- und Gonokokkenvakzinen. Dabei benutzte ich die Bakterien aus 
den Patienten selbst. Die Anwendung geschah zu therapeutischen 
Zwecken. Es zeigten sich dabei wenig Nebenwirkungen und der Erfolg 
war immer derart, daB ich glaube, daB die hier geschilderte Behandlung 
der Bakterien sich auch zur Herstellung therapeutischer Vakzine gut 
eignet. Besonders bei subakuter und chronischer Cystitis und Adnex- 
erkrankungen waren auf diese Weise gute Erfolge mit den Autovak- 
zinen zu erreicben. Nach meiner Meinung ist die geschilderte Technik 
fhr alle durch Hitze abgetbteten Bakterien zu therapeutischen wie auch 
prophylaktischen Zwecken verwendbar. 

Zusammenfassung. 

1) Allgemein gelangte ich durch diese Versuche zu dem Ergebnis, 
daB 24-stflnd. Hitze im Trockenschrank von 55° C bei der Herstellung 
der Antigene vor der D/z-sttind. Erhitzung im Wasserbade von 60° C 
den Vorzug hat. Zwar ergaben sich bei den beiden Typhusantigenen 
keine Unterschiede in bezug auf ihre agglutinogene und bakteriolysogene 
Wirkung, auch ihre Schutzkraft und Haltbarkeit war im wesentlichen 
dieselbe. Doch wegeu der geringen toxischen Wirkung ist das mit 
trockener Hitze hergestellte Vakzin aus Grtinden der Sicherheit vorzu- 


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ziehen, denn besonders die Versuche an den Miiusen stellten klar, daB 
das Trockenschrankvakzin geringe toxische Wirkung hatte. 

2) Choleravakzine zeigten in keiner Beziehung Unterschiede. Da 
sicli jedoch bei der zahlreichen Verwendung des Trockenschrankvakzins 
keine Naehteile gezeigt haben, halte ich meine Methode fur vorteilhaft. 

3) Fur die Dysenteriebakterien ergab sich bei der trockenen TIitze 
noch der Vorteil, daft man bei den Kanincheu mit Trockenschrankvakzin 
schneller eine hohere Immunitat erzeugen konnte. Aus denselben Griin- 
den ist auch bei Herstellung von diagnostischen Dysenterieseren der 
trockenen Hitze der Vorzug zu geben. 

4) Im iibrigen spricht auch die bequemere Herstellung fiir die An- 
wendung der trockenen Hitze. Meine weitereu Versuche mit Coli- und 
Gonokokkenvakzin lassen mich annehmen, daB die trockene Hitze auch fiir 
die Herstellung von Vakzinen aus anderen Bakterien verwendbar ist. 

Liter aturverzeichnung-. 

1) Pultauf, Die Agglutination. (Handb. d. pathog. Mikroorgantem. v. W. Kol le 
und A. v. Wassermann. 2. Aufl. Bd. 2, 1.) — 2) Ficker, Methoden der aktiven 
Linmuuisierung einschliefilich Herstellung von Antigen. (Ebenda.) — 3) Ders., Me¬ 
thoden der Antikorperdarstellung. (Ebenda.) — 4) Fornet, Immunitat bei Typhus. 

S Ebenda. Bd. 3.) — 5) Hetsch, Choleraimmuniiiu. (Ebenda. Bd. 4.) — 6) Kolle u. 

etsch, Die experimcntello Bakteriologie und die Infektionskrankheiten. 4. Aufl. - 
7) Mohr u. Stiihlin, Handb. d. inncren Med. Bd. 1. — 8) Jochtnann, Lehrb. d. 
Infektionskrankh. — 9) Kraus u. Levaditi, Handb. d. Technik u. Methodik d. Ini- 
munitatsforsch. u. experim. Therapie. — 10) Schiirmann, Methoden der Immuni- 
sierung. (Handb. d. biolog. Arbeitstnethod. von E. Abderhalden. T. 1. H. 1.) — 
111 Ferran, Sur la prophylaxie du cholera au moyen d’mjections hypodermiques de 
cultures pures du bacille-virgile. (Compt. rend, de l’aead. d. sc. Paris 1884.) — 12) 
Behring, Ueber die linmuuisierung und Heilung von Versuchstieren beini Tetanus. 
(Zeitschr. f. Hyg. Bd. 12. 1892.) — 13) Lorenz, Ein Schutzimpfungsverfahren gegen 
Schweinerotlauf. (Centralbl. f. Bakt. Orig. Bd. 13. 1893.) — 14) Haffkine, \ acei- 
nations against cholera. Brit. med. Journ. 1895.) — 15) Kolle, Zur aktiven Immu- 
nisierung des Menschen gegen Cholera. (Centralbl. f. Bakt. Orig. Bd. 19. 1896.) — 
16) Ders., Die aktivc Immunisieruug des Menschen gegen Cholera nach Haffkines 
Verfahren in Indien. (Ebenda.) — 17) Pfeiffer u. Kolle, Weitere Untersuchung 
fiber die spezifische Immunitatsreaktion der Choleravibrionen. (Ebenda. Bd. 20. 1S96.) 
— 18) Dies., Ueber die spezifische Immunitatsreaktion der Typhusbazillen. (Zeitschr. 
f. Hyg. Bd. 21. 1896.) — 19) Wright u. Semple, Remarks on vnccination agaiti't 
typhoid fever. (Brit. med. Journ. 1897.) — 20) Pfeiffer u. Kolle, Ex peri men telle 
Untersuchung zur Frage der Schutzimpfung des Menschen gegeu Typhus abdominal).'. 
(Dtsch. med. Wochenschr. 1897.) — 21) Beared ka, De ^immunisation active contre 
la peste, le cholera et l'infection typhique. (Ann. de 1’inst. Pasteur. 1902.) — 22) 
Neisser u. Shiga, Ueber freie Rezeptoren von Typhus- und Diphtberiebazillen. 
(Dtsch. med. Wochenschr. 1903.) — 23) Wassermann. Experiment. Beitrage zur 
Frage der aktiven linmuuisierung des Menschen. (Festschr. z. 60. Geburtstage von 
Rod. Koch. Jena 1903.) — 24) Friedberger u. Moreschi, Vergleich. Untersuchung 
iiber die aktive Immunisierung von Kaninchen gegen Cholera und Typhus. (Centralbl. 
f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 39. 1905.) — 25) Dies., Beitrag zur aktiven Immunisierung 
des Menschen gegen Typhus. (Dtsch. med. Wochenschr. 1906.) — 26) Buxton aua 
Torrey, Stable and detachable agglutinogen of typhoid bacilli. (Journ. of med. Res. 
Vol. 14. 1906.) — 27) Noguchi, Ueber die Eimvirkung von Seifen auf die Lebens- 
fiihigkeit und immunisierende Eigenschaft des Tuberkelbazillus. (Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Orig. Bd. 52. 1909.) — 28) Zeuner, Spezifische Behandlung bei experimen- 
teller Tuberkulose. (Ebenda. Abt. 1. Orig. Bd. 50. 1909.) — 29) Marxer, Experimen- 
telle Tuberkulosestudien. II. Mitt. Vergleichende Immuni*ierungsversuche am Meer- 
sehweinchen. (Zeitschr. f. Jmnninitatsforscb. Orig. Bd. 10. 1911.) —30) Ders., Ex- 
perimentelle Tuberkulosestudien. III. Mitt. Vergleich. immunisierungsversuche an 
Ziegen. (Ebenda. Bd. 11. 1911.) — 31) Reitter u. Silberstein, Vergleich. Unter- 
suchungen iiber die Antikorperproduktion durch verschiedenartig dargestellte AntigeneJ 



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Vicrling, Lackmusmolke aus Magermilchpulver. 


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(Zeitschr. f. Immunitatsforsch. Orig. Bd. 23. 1914.) — 32) Waasermann u. Sommer- 
feld, Experiment. Untersuchungen liber die Wirksamkeit der Typhus- und Cholera- 
achutzimpfung. (Med. Klin. 1915.) — 33) Johan, Typhusvakzine mit milderer Re¬ 
action. (Dtsch. mcd. Wochenachr. 1915.) — 34) Fejes, Die praktische Bedeutung der 
Typhus- und Choleraschutzimpfung. (Ebenda. 1916.) — 35) Patzschke, Walter, 
L eber die Wideistandsfahigkeit von Bakterien gegeniiber hohen Tempcraturen und das 
Lobecksche Biorisierverfahren. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 81. 1916.) — 36) Gaehtgens 
u. Becker, Beitrage zur Schutzimpfung gegen Typhus und Cholera. (Centrafbl. f. 
Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 66. 1917.) — 37) Htassano, Die Bestimmung der Abtotuugs- 
temperatur von Bakterien in groSeren Fliissigkeitsmengen gibt wegen der ungleich- 
tuiBigen Erwarmung der Flussigkeit ungenaue Resultate. (Ebemla. Abt. I. Ref. Bd. 67. 
1S18.) — 39) Vincent, Resultats de la vaccination antityphoidique aux armces pen¬ 
dant la guerre. (Ebenda. Abt. I. Ref. Bd. 69. 1918.) — 39) Mollers, Die keimfreie 
H ers tel lung und Aufbewahrung von Impfstoffen, besonders von Blutimpfstoffen. (Ebenda. 
Abt. I. Orig. Bd. 82. 1918.) — 40) Friedberger, Zur Fragc der Typhus- und Cho- 
leraachutzimpfung. I. Mitt. (Zeitschr. f. Immunitatsforsch. Orig. Bd. 28. 1919.) — 
41) Marbais, Vaccinotherapie sp6cifique dans la dysent^rie bacillaire. (Centralbl. f. 
Bakt. Abt. I. Rtf. Bd. 70. 1919.) — 42) Ciildemeister u. Gunther, Ueber die 
Am-salzbarkeit von Bakterien durch Magnesiumsulfat. (Ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 83. 
1919.) — 43) Della Vida, Levi, M., Mezzi fisici e chimici da prsceglirsi nella pre- 
parazione dei vaccini batterici. (Ebenda. Abt. I. Ref. Bd. 71. 1920.) — 44) Siera- 
towski, St an is law, Ueber die Einwirkung verschiedener Methoden der Impfstoff- 
bereitung auf den Agglutinationstiter der gegen Cholera und Typhus Schutzgeimpften. 
i Ebenda. Orig. Bd. 84. 1920.) 


Nachdruck verboten. 

Lackmusmolke aus Magermilchpulver. 

(Aus dem Stiidt. Hygieu. Universitatsinstitut Frankfurt a. M. (Direktor: 

Geh. Medizinalrat Prof. Dr. M. Neisser).] 

Von K. Vlerling. 

Die Selbstherstellung der Lackmusmolke nach Petruschky ist mit 
groBen Schwierigkeiten verkniipft. Man findet daher fast iiberall in der 
Literatur den Hinweis auf die Firma Kahlbaura. Ihr Praparat ent- 
sjiracb, abgesehen von dem hohen Preise, nicht immer unseren An- 
spruchen: 1) Rotung und kautn sichtbare Trubung von Typhus- und 
Paratyphus A-Bazillen innerhalb 24 Std., 2) Rotung und Trubung von 
Paratyphus B in 24 und Umschlag in blau nach 48—72 Std., 3) Rotung 
und schwache Trubung der Colitis-Gruppe Braun in 24 Std. und 
allniahlicher Umschlag in blau nach 2—-4 Tagen. 

1912 gab Seitz einen Ersatz der Lackmusmolke an, der leider nur 
fur wissenschaftliche Zwecke brauchbar ist. Fur die medizinischen 
Untersuchungen erfolgen die Farbenumschlage zu laugsam. Auf An- 
regung von Herrn Gelleimrat Neisser wurde daher versucht, aus 
Magermilchjiulver'), hergestellt nach dem K r a u s e - Verfahren, Lack- 
Diusmolke zu rnachen. 

Milchpulver ist lange Zeit haltbar und verhiiltnismaBig gleichmaBig 
in seiner Zusaipmensetzung. Geringe Schwankungen erklaren sich durch 
Verwendung verschieden alten Rohmaterials. Sie sind bei der Herstel- 
lung der Molke, wie wir noch sehen werdeu, zu berucksichtigen. Der 
Preis des Magermilchpulvers betriigt zurzeit M. 40,— fur das Kilogramm. 

1) Magcrmilch wird im Vakuum auf l / 4 ihres Volums eingedampft, sodann durch 
►ehnell sich drehende Scheiben in feinste Teilchen zerstaubt, die durch einen heifien 
Luftstrom augenblicklich getrocknet werdcn. Hersteller: Rohstofftrockuungsgesellschaft 
Frankfurt a. M., Marienstr. 7. 


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Da sich hieraus ungef&hr 20 1 Lackmusmolke herstellen lassen, ist die 
Selbstherstellung derselben fur die Laboratorien lohnend. Die oben 
aufgestellten Bedingungen werden, wie sich aus der Beobachtungszeit 
von mehreren Monaten ergab, erfiillt. 

Herstellung der Lackmusmolke. 

30 g Magerinilchpulver werden in 200 ccm destillierten VVassers 
unter Erwarmen auf dem VVasserbade gelost. Zur Ausfallung des Ka- 
seins setzt man 4 ccm 18-proz. Chlorkalziumlosung zu uud erhitzt 
40 Min. im Dampftopfe. Zur Entfernung des iiberschussigen Chlor- 
kalziums gibt man 2 ccm n-Sodalosung zu und erhitzt nochmals 25 Min. 
Das Kasein hat sich von der in den meisten Fallen klaren Molke ge- 
trennt. Filtration durch Faltenfilter, leichtes Auspressen des Kasein - 
klumpens mittels Tuches. Zu starkes Driicken erzeugt Triibungen. Ist 
die Molke nicht klar geworden, so wird sie durch eine mit aufgeweichten 
Filterpapierschnitzeln beschickte Nutsche mehrmals filtriert 1 ). Durch 
Zusatz von 150 ccm dest. Wassers und 150 ccm physiol. Kochsalzlosung 
ftillt man auf 500 ccm auf und setzt 0,02—0,03 g Pepton Witte zu. Zweck 
des Peptonzusatzes ist Beschleunigung des Farbenumschlags. (Entstehung 
alkalisch reagierender Stoffwechselprodukte.) Nach 30-min. Sterilisieren 2 ) 
gibt man 20—30 ccm sterile Lackmustinktur Kahlbaum mit steriler 
Pipette zu. Einstellung des Farbtons mit n/ 10 Soda oder Milchsaure. 
Da bei dem nachfolgenden kurzen Sterilisieren der Farbton sich etwas 
gegen blau verSndert, stellt man die Molke etwas roter ein. Je 5 ccm 
ftillt man steril in sterile Reagenzglaser ein und sterilisiert 5 Min. nach. 
Die Reagenzglaser, die, wenn moglich, aus Jenaer Glas bestehen oder 
l&ngere Zeit in Gebrauch gewesen sein miissen, werden folgendermafien 
vorbereitet: In jedes Glas kommen ungefahr 10 mg kohlensauren Kalkes. 
1 Std. Sterilisieren im Trockenschrank (120—140°). Eine Temperatur 
von 180°, wie sie in manchen Laboratorien zum Sterilisieren von Glas 
angewandt wird, ist unstatthaft. Praktisch geht erst bei 800° die Spal- 
tung von CaCO s in CaO und C0 2 vor sich, jedoch geniigen auch die 
bei niederer Temperatur entstehenden Spuren von CaO, um ein Blau- 
werden der Molke zu veranlassen. Durch den Kalkzusatz soli iiber- 
schiissige Saure neutralisiert werden. Der Milchzucker des verwendeten 
Pulvers ist mehr oder weniger in Galaktose uud Glukose gespalten. 
Diese beiden Monosen sind die Hauptquellen der Saurebildung. Ist 
viel Milchzucker gespalten, so wird auch viel Saure gebildet und das 
aus Pepton und zitronensauren Salzen gebildete Alkali geniigt nicht zur 
Neutralisation derselben. Ein Farbenumschlag wird also nicht oder nur 
sehr spat eintreten. Der vorhandene kohlensaure Kalk stumpft den 
Saureiiberschufi ab und ermoglicht so einen rechtzeitigen Umschlag. 
Die Rotung der Molke wird nicht beeintrachtigt. In manchen Fallen 
wurde auch ohne Kalkzusatz rechtzeitiger Umschlag erzielt. 

Literatnr. 

1) Petruschky, Bakteriochemische Untersuchungen. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Bd. 6. 1889. S. 625, 657.) — 2) Seitz, Die Lackmusmolke als differentialdiagnostisches 
Hilfsmittel. (Zeitschr. f. Hvg. Bd. 71. 1912. S. 405.) 

1) Blank ist die Molke dadurch nicht zu bekommen. Um dies zu erreichen, stellt 
man sie fur 3—5 Tage in den Eisschrank. Von dem sich bildenden festen Bodensatz 
wird sie in steriles GefaB gegossen und weiter verarbeitet. 

2) Haufig trfibt sich dabei die Fliissigkeit. Man stellt sie dann fiber Nacht in 
den Eisschrank. Filtrieren ist unstatthaft. 



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Zorn, Die quantitative Ueberlegenheit der Leuchtbildmethode. 


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Nachdruck verbotcn 

Die quantitative Ueberlegenheit der Leuchtbildmethode 
nach Hoffmann gegentiber der Hellfeldbetrachtung von 

Tbc.-Bazillen. 

[Aus dem Hygiene-Institut der Universitat Greifswald (Direktor: Prof. 

Dr. E. Fried berger).J 

Von Dr. Werner Zorn. 

Bis jetzt besitzen wir kaum eine Methode der farberischen Dar- 
stellnng von Bakterien, die zur Auffindung sparlicher Bazillen geeigneter 
wire als die Ehrlich-Ziehl-Neelsensche Methode 1 ) des Nach- 
weises der Tuberkelbazillen im Sputum. Erscheint doch hier der Bazillus 
in ausgesprochener Kontrastf&rbung zu dem iibrigen Substrat. Gleich- 
wohl bedingt das vereinzelte Vorkommen und die teilweise schwache Farb- 
stoffaufnahme der saurefesten Bazillen sowie ihre Feiuheit, daB sp&rliche 
Individuen leicht iibersehen werden. So hat es nicht an Methoden gefehlt, 
rein farberisch schon die Tuberkelbazillen noch deutlicher zur Darstellung 
zu bringen, um auch einzelne Individuen im mikroskopischen Praparat 
schnell und sicher aufzufinden. Es seien nur die Verfahreu von Gasis- 
Telemann, Kronberger, Unna Pappenheim, Czaplewski, 
Kueppe, Gab bet, Kiihne, Herman, Frei, Konrich erwahnt. 

Auch die Heranziehung zahlreicher Hilfsverfahren zur Anreicherung, 
wie die Sedimentierungsverfahren, vor allem das Antiformifiverfahren 
von Uhlenhuth, zeigt die Schwierigkeiten, die hier bestehen. So muB 
man in mikroskopisch negativen, aber klinisch verdachtigen Fallen immer 
wieder auf den Tierversuch zurtickgreifen, der die, freilich sichere, Ent- 
scheidung erst sp&t liefert und auBerdem heute wegen des Preises und 
der Notwendigkeit einer unter Umsttinden langen Haltung des Versuchs- 
tieres sich teuer stellt. Es muBte deshalb jede neue Methode zur Erleich- 
terung des mikroskopischen Tuberkelbazillenuachweises willkommen sein. 

Das Leuchtbildverfahren von Hoffmann 2 ), das zu diesem Zweck 
empfohlen wurde, hat auBerdem den Vorteil, daB es an demselben PrS- 
parat auch die Aufsuchung der Tuberkelbazillen gefarbt, sei es vorher 
oder nachher, rait der tiblichen Kontrastfiirbung ermoglicht. 

Schon Hoffmann, Reining 3 ), Silberstein*), Oelze 5 ), Ficker' ; ) 
u. a. haben dies Verfahren empfohlen. Bei Silberstein als erstem 
lindet sich eine kurze Angabe Uber die quantitative Ueberlegenheit der 
Leuchtmittelmethode gegentiber dem Hellfeld bei der Betrachtung von 
Tuberkelbazillen. Auf 122 Bazillen im Dunkelfeld fand er 39 im Hell¬ 
feld, das ist ein Verhaltnis von 3:1. Da diese Zahlen recht klein sind, 

1) Die von Konrich scheint ihr ebenbiirtig zu sein (siehe Kornblum, Ver- 
gjeichende Untersuchungen der Farbemethoden zuni Nachweis von Tuberkelbazillen). 
(Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. 1921. H. 1.) 

2) Hoffmann, Dtsch. med. Wochenschr. 1921. Nr. 3; Berlin, klin. Wochenschr. 

1921. Nr. 4. 3) Keining, Miinchen. med. Wochenschr. 1921. Nr. 5 u. 15. 

4) Silberstein, Dtsch. med. Wochenschr. 1921. Nr. 27. 

5) Oelze, Munchen. med. Wochenschr. 1921. Nr. 5. 

6) Ficker, Dtsch. med. Wochenschr. 1921. Nr. 11. 


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Uentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1. 


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war es erwiinscht, in groBerem Urafange moglichst genaue quantitative, 
vergleichende Untersuchungen anzustellen. 

Zu diesem Zwecke benutzte ich etwa 50 nach Ziehl-Neelsen 
gefarbte Sputumausstriche folgendermaBen: In jedein Praparat wurden 
durchschnittlich 3—4 Stellen gesucht, die in jedem Gesichtsfeld etwa 
5—10 Tuberkelbazillen zeigten. Dann wurde der Objekttr&ger mit 
2 Klaimnern auf dem Objekttisch befestigt und dieser unter standigem 
Hineinsehen ins Mikroskop in eiuer bestimmten Zeit (10 Min.) um 360 
Grad gedreht, wodurch ein ringformiges Gesichtsfeld abgesucht wurde. 
Jedes dieser Felder wurde vergleichend einmal im Ilellfeld, einmal im 
Duukelfeld beobachtet. Um fiir beide Untersuchungsarten genau gleicbe 
Bedingungen zu haben, wurde das 1. Gesichtsfeld im Hell-, dann im 
Dunkelfeld, das 2. umgekehrt im Dunkel-, dann Hellfeld untersucht. 

Benutzt wurde der L e i t zsche Dunkelteldkondensor mit Trichterblende, 
der durch Herunterschrauben ein gutes Ilellfeld ergibt, das allerdings, wie 
schon Reining betont, als nicht dem gewohnlichen Hellfeld ganz gleich- 
wertig anzusehen ist. Als Objektiv diente die Zeisssche Oelimmers. l /i 2 
N.Ap. 1,30, als Okul. Zeiss-Okul. Nr. 2 und mitunter .Kompensations- 
okulare. Das Licht wurde von einer Leitzschen Liliputlampe gespeudet und 
die Beleuchtungsstarke durch eine halbgeolte Glasscheibe reguliert, auf 
deren gute Dienste bereits ebenfalls Reining aufmerksam gemacht hat. 

Bei Durchuntersuchung gleich groBer Flachen, wie sie meine Ver- 
suchsanordnung gew&hrleistete, wurden 1495 Tuberkelbazillen im Hell¬ 
feld und 3301 im Dunkelfeld gezahlt, das bedeutet eine Ueberlegenheit 
des Dunkelfeldes von 2,2:1. Bei Silberstein war das Verh&ltnis 
3:1. Meine Werte diirften aber wohl wegen der unvveit grofieren Zahl 
tier durchgez&hlten Bazillen die richtigeren sein. 

Die Leuchtbildmethode erwies sich also mehr als doppelt iiberlegen. 
Das bestatigen auch meine sonstigen Erfahrungen bei der Untersuchung 
der Tbc.-Sputa im hiesigen Untersucliungsamt, wo die vergleichende 
Untersuchung seit mehreren Monaten eingefiihrt ist. Wiederholt gelang 
es mir, Tbc.-Bazillen im Dunkelfeld nachzuweisen, wo die Betrachtung 
im Hellfeld negativ verlaufeu war. 


Inhalt 


Bachmann, W., Ein Fall von Actino- 
my ces-Vnrietat. Mitl Abb. im Text, S.6. 

Boskamp, Erwin, Uebcr Bau, Lebens- 
wcise und systematische Steilung von 
Selenomonas palpitans (Simons). 
Mit 1 Tafel und 3 Abbild. im Text, S. 58. 

Chiba, S., Ueber die Verweudung von 
kaizen und Zucker zur Herstellung von 
Typhuatrockenvakzin, S. 76. 

-, Die Verwendung der trockenen Hitze 

bei der Herstellung von Vakzinen (Ty¬ 
phus-, Dysenteriebakterien und Cholera- 
vibrionen), S. 79 

Ereund, Ferdinand, Ueber eine durch ein 
anaerobes Bakterium hervorgerufene Me¬ 
ningitis. Ein Beitrag zur Bakteriologie 
der pathog. Anadrobier. Mit 1 Tafel, S. 9. 

Gerlach, F., Uebertragung der Immunitat 
eines Gefliigeleholeraserumpferdes auf das 
Fohlen, 8. 39. 

Xlarenbeek, A., Die Kaninchentrepone- 
rnose. 3. Mitteilung, S. 73. 

Xotlan, A., Giardien (Lamblien) in Vogeln. 
Mit 2 Abbild. im Text, S. 54. 


Ldwi, Emil, Ueber die Benonnungdes Bac. 
crassus Lipsch., seine Stellg. im Syst., 
u. Allgem. ub.Nomenkl. u. Systematik,S. 1. 

Enbinski, Herbert, Die Sterilitat des zur 
Pasteurschen Schutzimpfung verwen- 
deten Kaninchenriickenmarkes, S. 43. 

Maie, Shin, Experimentelle Versuche bei 
Goldfischen (Caras si us a u rat us) mit 
sSurefeaten Bazillen, S. 28. 

Pfeiler, W„ K asuistischc Mitteilungeu iiber 
ein anscheinendes Versagen der Bayer 
205-Behandlung bei an natiirlicher Be- 
sehiils^euche leidenden Pferden, S. 48. 

Trawinski, Alfred, Ueb«-r eine durch die 
Stabchen aus der Gartner-Gruppe her¬ 
vorgerufene Meerschweinchenepidemie, 
mit besonderer Beriicksichtigungder Mor- 
phologieu. Biologie dieser Stabchen. S. 24. 

Vierling - , K., Lackmusmolke aus Mager- 
milchpulvcr, S. 93. 

Zorn, Werner, Diequantitative Ueberlegen¬ 
heit der Leuchtbildmethode nach Hoff¬ 
mann, gegeniiber der Hellfeldbetrach- 
tung von Tbc.-Bazillen, S. 95. 


Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. 


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Centralbl. f. Bakt etc. I. AbL Originate. Bd. 88. Heft 2. 

Ansgegeben am 13. April 1922. 


Nachdruck verboton. 

Ueber die Wendigkeit der Kolonieauslaufer des Bacillus 

mycoides. 

(„lsomerie“ bei Bakterien.) 

[Aus dem St&dt. Hygienischen Universit&tsinstitut in Frankfurt a. M. 

(Direktor: Geheimrat Prof. Dr. M. Neifier).] 

Von Dr. med. Alfons Gersbach, Assistent am Institut. 

Zu den charakteristischsten Kolonienformen von Bakterien gehOrt 
wohl die des Bacillus mycoides (Fltlgge), der nach der Beobach- 
tung von M. Neifier ein Wachstum in stets einseitswendigen Spiralen 
aufweist. 

E. Pringsheim, der friihere Mitarbeiter Neifiers, hat eine 
Reihe von Versuchen zur Deutung dieses Phanomens angestellt und 
hat darliber in einer Mitteilung berichtet 1 ). Wir haben die Prings- 
heimschen Versuche noch einmal aufgegriffen und nach mancher Seite 
hin erganzt; aber auch heute fehlt uns eine befriedigende Erkl&rung 
ftir die geschilderte Erscheinung. 

Seiner Gestalt nach ist der Bacillus mycoides oder Wurzel- 
bazillus ein grampositives, plumpes Stabchen, das die Eigenschaft hat, 
in langen Ketten sich anzuordnen. Er bildet Sporen. Man kann ihn aus 
jeder Gartenerdeprobe ztichten, auch gelingt es leicht, ihn aus der Luft 
auf offenstehenden Agarplatten aufzufangen. Auf einer Agarplatte, in 
deren Mitte man mit einer Nadelspitze punktffirmig etwas Kultur auf- 
impft, kann man schon nach 2 Tagen eine kleine Kolonie sehen mit 
feiuen Aestchen, die alle nach links gerichtet sind. Im Laufe der 
nachsten Tage wllchst die Kolonie zu einer stattlichen Grfifie aus und 
bedeckt zuletzt die ganze Agarplatte. Die Linksdrehung, die bei jungen 
Kulturen wohl schon sichtbar, aber noch nicht sehr scharf ausgepragt 
ist, wird beim Weiterwachsen immer deutlicher. Die Temperatur hat 
einen sicheren Einflufi auf die Bildung der Kolonien. Am besten ent- 
wickeln sie sich bei Zimmertemperatur, schlechter bei 37 °. 

Welches sind die Krafte, die den Kolonienverastelungen stets die- 
selbe einheitliche Richtung geben? Es lag nahe, Spannungen innerhalb 
der Agarplatte daftir verantwortlich zu machen. Man kann sich gut 
vorstellen, dafi durch das gleichmafiige Schwenken beim Plattengiefien 
Spannungen im Agar entstehen, die in dieser Schwenkungsrichtung 
verlaufen. und die die feiuen Aestchen der Kolonien bei ihrem Wachstum 
gewissermafien stets in dasselbe spiralig verlaufende Geleise hinein- 
zwingen. Dieser Annahme suchten wir zu begegnen, indem wir 2 Agar¬ 
platten direkt hintereinander gossen und versuchten, durch gleichzeitigcs 
Schwenken mit der linken und der rechten Hand bis zum Erstarren 
des Agars — wenn iiberhaupt spiralige Spannungen zurUckbleiben — 
■hnen 2 verschieden gerichtete Spannungsspiralen einzupragen. Eine 

1) Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 48. 1918. 

Km* Abt. Orig. Bd. 88. Heft 2. 7 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 2. 


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Beinipfung der Platten ergab aber dasselbe deutliche Linkswachstum 
sowohl auf der mit der recbten wie auf der mit der linken Hand ge.- 
schwenkten Platte. Das sprach gegen die Annahme, dafl Spanmmgen 
im Agar die Ursache des Wachstums sein konnen. Ein anderer Ver- 
such scliien uns dieses Ergebnis noch sicherer zu gestalten. Wir gossen 
Agar bis zum Rand in eine kleine Petri -Schale, in ein sogenanntcs 
Kartoffelschalchen, und gaben der Schale bis zum Erstarren des Agars 
ausgesprochene Linksschwenkungen. Dann stellten wir die kleine Agar- 
plattc in eine groBere Petri-Schale und filllten den noch freibleiben 
den Teil derselben, der einen Ring urn die kleine Schale bildete, eben 
falls mit Agar bis zum Rande und gaben dann der groBen Schale 
mitsamt der in ihr stchenden kleinen Scliale eine ausgesprochene Rechts- 
drehung bis zum Erstarren des Agars. Wtirden Spannungen im Agar 
das merkwiirdige Wachstum des Mycoides veranlassen, dann hatte 
er vom Zentrum der kleinen Schale aus, in das wir ihn punktformig 
aufimpften, zuerst in Linksspiralen wachsen miissen, dann aber von 
dein Augcnblick an, wo seine Faden den auBeren, konzentrischen Teil 
der Agarplatte erreichten, sich nacli rechts wenden miissen. Dies tat 
er aber nicht, sondern wuchs im zentralen wie im peripheren Teil der 
Platte in eindeutigen Linksspiralen. Vollstandig haben wir etwaige 
Spannungen im Agar als Ursache ftlr die Wachstumsform ausgeschaltet 
durch folgenden Versuch: Wir gossen in iiblicher Weise eine Agar¬ 
platte, verfliissigten sic im Dampftopf wieder, nahmen sie dann 
vorsichtig heraus, und lieBen sie wieder erstarren. Durch diese Ver- 
suchsanordnung muBten etwa vorhandene Agarspannungen sicher be- 
seiligt werden. Die nachfolgende Beimpfung auf diese, jeder Span- 
nuug bare Platte ergab jedoch wieder deutliche Linksdrehung. Nun 
such ten wir noch auf verschiedenste Weise eine Abweichung des ur- 
sprtinglich beobachtetcn Verhaltens zu erzwingen. Wir impften, wie 
Pringsheim es schon tat, mit der rechten und mit der linken Hand 
sowohl senkrecht von oben, als aucli schrag. Aber auch dann wurde 
stets das frtiher beobachtete Verhalten konstatiert. Auch war es gleicli- 
gtiltig, ob wir den Impfstrich gerade oder nach rechts oder nach links 
gekrummt auszogen. 

Wir hatten bisher das Wachstum der Kolonien nur auf gewohn- 
licliem Agar beobachtet. Wir wandten uns nun der Frage zu, ob 
eine Ver&nderung in der Zusammensetzung des Nahrbodens einen Ein- 
fluB auf die Erscheinung haben konne. Auf Traubenzucker- und 
Milchzuckeragarplatten beobachteten wir das gleiche Verhalten wie auf 
Agar. Auf En do - Agarplatten ging das Wachstum zwar etwas lang 
samer vor sich, aber die Linksdrehung war auch hier deutlich wahr- 
nehnibar. Ungeeignet erwiesen sich Loeffler-Serumplatten. Die 
stark verdauenden Eigenschaften des Bakteriums machten ein Beob- 
acliten der Kolonien mehrere Tage hindurch unmoglich. Es lag natiirlicb 
nahe, zu priifen, ob wir bei dem Bacillus mycoides ahnliche Be- 
obachtungen machen konnen, wie beim Proteus-Bazillus, d. h. wenn 
wir das Bakterium auf einen Karbolsiiure enthaltenden Nahrboden 
setzen. Bei den Protens-Bazillen sieht man, nach den Versuclien von 
H. Braun und Salomon 1 ), daB bei Anwesenlieit von 1-Prom. Kar 
bolsaure im Agar das Schwarmen, also das Ausscndcn von kleinen 
Fhden, aufhbrt. Genau das gleiche sahen wir aucli beim Mycoides. 


1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 82. 1919. 



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Gersbach. Die Wendigkeit der Kolonieauslaufer des Bac. mycoides. 99 

Alierdings vertrug er eine Karbolsauremenge von 1 Prom, noch sehr 
gut. Auf diesem Nahrboden sehen wir noch besonders schones Wachs- 
tum in JLinksspiralen, dagegen wurde bei 17 2 -prom. Karbolagar das 
Wachstum schon deutlich gehemmt, und auf 2-prom. Karbolagar fand 
flberhaupt keine Bildung von Zweigen und Aestchen mehr statt, von 
Linksdrehung natUrlich ganz zu schweigen. Alle diese Untersuchungen 
brachten uns einer Aufklarung des inerkwUrdigen Waclistums enter 
gfinstigen Bedingungen nicht naher, wenn sie auch zu beweisen schienen, 
dafi es keine innerhalb der Agarschale gelegenen Krafte sind, die 
den Drebungssinn des Bakteriums beeinflussen. 

Um zu priifen, wie weit Krafte von auBen, z. B. die Schwer- 
kraft, in Frage kommen, haben wir nach der Pringsheimschen Anord- 
nung unsere beimpften Platten sowohl mit Deckel nach oben wie nach 
unteu oder auch mit senkrechter Agarflache aufgestellt. Aber auch 
diese Versuche konnten nicht hindern, dafi die Aeste der Kolonie ihr 
Linkswachstum bcibehielten. Die Frage, wie die linksspiralige Kolonie 
weiterwachsen wird, wenn man auf einer neuen Agarplatte ein ge- 
treues Spiegelbild von ihr sich herstellt* verlockte zu einem neuen 
Versuch. Wir klatschten eine etwa 3-tagige Kolonie mit deutlich 
ausgesprochenen Linksspiralen auf einer neuen Agarplatte ab, und er- 
bielten nach 2 Tagen eine Kolonie mit deutlichen Rechtsdren ungen, 
genau von der GroBe der abgeklatschten Kolonie. Beim Weiterwachsen 
un Laufe der nachsten Tage behielten die nun zum 1. Mai rechts- 
gerichteten Spiralen ihre Richtung nicht bei, sondern bogen alle wieder, 
wie von einer magischen Kraft gezogen, nach links ab. Also nichts 
vermochte, das Bakterium von dem von ihm nun einmal als richtig 
erkannten linksgerichteten Wege auf Abwege nach rechts zu verfilhren. 

Alle diese Ergebnisse sprechen filr die Annahme, daB im Bakterium 
selbs: liegende EinflUsse die genannten Erscheinungen bedingen. Ver¬ 
suche, mittels der sogenannten intravitalen F&rbung einen feineren Bau 
des Zelleibcs, vielleicht einen spiralig angeordneten Achsenfaden zu er- 
kennen, fuhrten zu keinem Resultat. Jedoch sahen wir bei dieser Fiirbe- 
methodo sehr schbn, wie die Verastelungen und die Verzweigungen der 
Kolonien zustande kommen. Zur Farbung bedienten wir uns einer 
Mctliylenblaulosung 1:1000. Wir sahen ganze Verb&nde von Ketten, 
die aus dicht hintereinander gelagerten Stabchen bestanden. In gewissen 
Abstanden sah man, daB sich ein Stabchen in seiner Reihe quer gelegt 
hatte, das dann Ausgangspunkt eines neuen Zweiges wurde. Diese 
Zweige verlassen die Hauptkette aber stets in derselben Richtung. 
Einen feineren Bau des Zelleibes selbst haben wir allerdings mit dieser 
Methodc nicht erkennen konnen. 

Es bleibt nur noch fibrin;, wie Pringsheim es schon ausgesprochen 
bat, an spiralig verlaufende Nahrstoffstrbmungen innerhalb 
des Bakterienleibes zu denken. 

Es liegt natUrlich auBerordentlich nahe, an ahnliche merkwUrdige 
Erscheinungen in der Pflanzenphysiologie, an den Tropismus gewisser 
Schlingpflanzen, zu denken, unter denen es links- und rechtswendige gibt. 
N'euerdings machte Boas 1 ) darauf aufmerksam, daB auch verschiedene 
Pilzkulturen ganz ahnliche Erscheinungen spiraligen Wachstums auf- 
weisen wie der Bacillus mycoides. So teilt er es fUr Oidium 
lactis, Penicillum brevicaule und Rhizopus nigricans mit. 

1) Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 49. 1919. 

7* 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


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Wir haben uns von tier Richtigkeit dieser Mitteilung fiberzeugen konnen, 
wenigstens was das Oidiumlactis angeht. Interessant war vor allem 
hierbei. dab die Spiralen der Oidium lactis-Kultur nicht wie beim 
Bacillus mycoides nach links, sondern nach rechts gerichtet sind, 
welcher Unterschied Boas entgangen war. 

E. Pringsheim, der seinerzeit seine Versuche in einern bakterio- 
logischen Laboratorium in Virton geraacht hat, warf die Frage auf, 
ob das Drehvernibgen alien Mycoides-Stammen oder uur einer be- 
stimmten in der Verdungegend heiinischen Rasse eigen ist. Unsere 
anfanglichen Versuche schienen dafiir zu sprechen, dab tatsachlich alien 
Mycoides-Stammen die geschilderte Eigenschaft, in Linksspiralen zu 
wachsen, zukommt. Denn shmtliche Stamme unserer Sammlung mit 
teils unbekannter Herkunft, ferner alle aus der Gartenerde unseres 
Institutes und aus Erdproben aus der n&heren und weiteren Umgebung 
Frankfurts ereztichteten Stamme zeigten dasselbe Phhnomen der Liuks- 
drehung. Lange nachdem die eben geschilderten Versuche abgeschlossen 
waren, fand ich jedoch eines Tages auf einer verunreinigten Blutagar- 
platte, die mehrere Tage im Laboratorium gestanden hatte, eine 
Kolonie, bei der samtliche Spiralen nach rechts gerichtet waren. 
Ich iiberzeugte mich, dab es sick bei dieser Kolonie um den 
Bacillus mycoides handelte. Morphologisch unterschied er sich in 
keiner Weise von den nach links wachsenden Stammen, kulturell nur in- 
soweit, als seine Kolonien stets etwas schneller und uppiger sich ent- 
falteten als die der Ubrigen Stamme. A.uch gedieh er bei Brutschrank- 
temperatur besser, als es die Linksstamme taten. Sporenresistenzver- 
suche mit stromendem Dampf im Ohlmtillerschen Apparat ergaben 
fflr beide Mycoides-Arten dasselbe Resultat. Ihre Sporen erwiesen 
sich als sehr wcnig resistent und wurden immer sowohl an Lappchen 
wie an Seidenfaden nach 1 Min. abgetotet. 

In gleicher Weise, wie wir es frtlher mit den linkswachsendem 
Stammen getan hatten, suchten wir nun auch den Rechtsstamm in seinem 
Wachstum zu beeinflussen. Dies gelang uns aber nicht. Er zeigte auf 
alien Nahrboden und unter alien Wachstumsbedingungen, im Gegensatz 
zu alien bisher gefundenen Stammen, stets nach rechts gerichtete Spi¬ 
ralen. Am deutlichsten kam der Unterschied zwischen beiden Stammen 
zuin Ausdruck, wenn man sie beide getrennt voneinander auf cine Agar- 
platte impfte. Der Linksstamm zeigte deutlich Linkswachstum und 
der Rechtsstamm sein charakteristisches Rechtswachstum. Neue Ziich- 
tungsversuche aus Erdproben verschiedenster Art stellten immer wieder 
in Linksspiralen wachsende Mycoides-Stamme fest. Ein in Rechts- 
spiralen wachsender Stamm wurde nicht mehr wiedergefunden. 

Auf Grund dessen mubten wir annehmen, dab es sich in dem neu 
gefundenen Stamme um ein seltenes Exemplar handelt, das seinem kul- 
turellen Verhalten nach zwar vollkommen den ubrigen Mycoides- 
St&mmen entspricht, und dessen Bausteine vollkommen mit denen der 
ubrigen Stamme ubercinstimmt. Nur scheint die Art, wie diese Bau¬ 
steine gelagert sind, im vorliegenden Falle eine ganz andere zu sein, 
so dab wir es also hier mit einem bisher noch nicht bekannten Falle 
eines „Situs inversus 1 ' bei Bakterien zu tun haben. 

Unsere Annahme sttitzte sich bisher nur auf das, was morpho- 
logische und kulturelle Untersuchungen ergeben hatten. Es blieb immer 
noch die Moglichkeit iibrig, dab im serologischen Verhalten der 
Stamme Unterschiede feststellbar sind. Um dies klarzustellen, inachten 



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Gersbach, Die Wendigkeit der Kolonieauslaufer des Bac. mycoides. 1Q1 


wir Immuiiisieruiigsversuche, obwolil wir uns der Schwierigkeiten, die 
sich dabei ergeben wiirden, im voraus bewuBt waren. 

Wir immunisierten ein Kaninchen in tvpischer Weise, indem wir ihm in 8-tag. 
iDtervalien 0,5 und 1,0 ccm einer mit Aether abgeloteten Schragagarkultur des Rechts- 
stanimes zunachst subkutan, dann intravenbs einepritzten. Dann njachten wir Airglu- 
tiaationsversuche, um festzustellen, ob das so gewonnene Immunserum den homologen 
— also den Rechtsstamm — in derselben Weise beeinfluSt, wie den heterologen, also 
den Link»8tanim, oder aber, ob Unterschiede in der Art des Agglutinationsvermogens 
sich zrigen wurden. Die Versuche wurdeu nach der sogenannten Kolleschen Methode 
nut lebenden Baklerien ausgefiihrt. 

Ehe ieh das Ergebnis dieser Untersuchungen mitteilen kann, muB ich noch die 
Schwierigkeiten erwahnen, die sich bei den Agglutinationsversuchen in den Weg 
stellten. Das trockene und zahe Wachstum der Mycoides-Kultur auf samtlichen 
Nahrboden war denkbar ungeeignet zur Herstellung einer homogenen Aufschwemmung 
zwecks Anstellung der Agglutination. Wir halfcn uns, indem wir die in physiol. 
Koch-<alzl6aung mit steriler Nadel ahgel&sten, 1-tag. Agarkulturen zunftchst in einem 
stenlen Glasmorser mit einem feinen Pislill zerrieben. Dann wurde die Aufschwem- 
mnDg 2 Std. in ein WaBserbad von 50° gebracht. wobei sich die noth vorhandenen 
rroben Partikelchen zu Boden senkten. Die iiberstehende Fliissigkeit, die jetzt ein 
Qomugen getriibtes Aussehen hatle, wurde schnell abgegossen. VVenn sich bei Lupen- 
belrachtung noch feinste Flockchen zeigten, wurde noch durch eine ganz diinne Schicht 
emfetteter, sterilisierter Watte filtriert. Auf dicse, allerdings umstandliche Weise er- 
hielten wir aber doch stets eine brauchbare Aufschwemmung. Neue Schwierigkeiten 
ent.-tanden, als sich zeigte, daS beide Stuumie zur Spontanagglutination neigten, die 
sich auch durch Zusetzen von einer Oese ‘/so n-NaOH in jeaes Kohrchen nicht be- 
aaflussen lieB. 

Die Ergebnisse waren infolgedessen so, daS sich in der Kochsalzkontrolle stets 
SDontanagglutination in Gestalt feinster, mit der Lupe sichtbarer Flockchen zeigte, 
aber die Agglutination in den Serurardhrchen unterschied sich in ganz charakteristi- 
scher Weise von der in der Kontrolle. In den Serumrohrchen trat deutlich die Agglu- 
ttainwirkung in Gestalt stiirkster Zusammenstellung der Bakterien zutage, wie aus fol- 
gendem Versuchsprotokolle hervorgeht: 


Tabelle I. 

Aggl u t i n ationsversuch des Rechtsstammimmunserums mit Rechts- 

staram und Linksstamm. 



Serumver- 

dunnungen 

Ergebnis nach 24 Std.: 


Rechtsstamm: 

Linksstamm : 

l 

1:40 

Ganz dicke Flocken, die schwer 
zu zerschiitteln sind 

i Ganz dicke Flocken, die schwer 
zu zerschiitteln sind 

2 

1:80 

dgl. 

dgl- 

3 

1: 160 

" 


4 

1:320 


n 

5 

1 :b40 

Grobe, leicht zu zerschiittelnde 
Flocken 

Grobe, leicht zu zerschiittelnde 
Flocken 

6 

1:1280 

Ganz feine, leicht zu zerschiit- 
telnde Fldckchen 

Ganz feine, leicht zu zerschiit- 
telnde Flockchen 

7 

K. 

dgl. 

dgl. 


Da e« bei diesen Versuchen ja nicht darauf ankam, genaue quantitative Feststel- 
longen des Antiborpergehaltes im Immunserum zu machen, sondern vielmehr, ob ein 
Unterschieri in der Beeinflussung beider tetamme durch das Serum sichtbar ist, batten 
•lie raitgeteiltcn Ergebnisse schon geuugt, Denn sie zeigten trotz der Spontanagglu¬ 
tination deutlich, dafi keinerlei Unterschiede vorhanden Bind. Aber wir suchten noch 
»uf andere Weise das Gefuniene zu bekriiftigen. Wir versuchten, den Eintritt der 
Agglutination sowohl in den Serurardhrchen, als auch in der Koutrolle festzustellen, 
indem wir in regelmafligen Zeitabstanden die Rohrchen mit der Lupe und dem Mikro- 
-kop untersuchten. Wir fanden, dad die Agglutination in den ersten Serumrohrchen 
zeitlich viel frilher auftritt als die Spontagagglutination in der Kochsalzkontrolle. 


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102 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 83. Heft 2. 


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In folgendem noch angestellten Verauche kamen wir zu dem gleichen Resultat 
wie bei der Reihenagglutination. Je 1 ccm Rechtaataramimmunscrum uud je 1 ccm 
Normalserum desaelben Kaninchena wurden mit je 3 Tropfen einer AufachwemmuDg 
vom Rechta- und Linkastamrae veraetzt und 2 ijtd. ira Bruk-chrank bei 37 0 aensibiliaiert. 
Jetzt wurde scharf zentrifugiert und 2mal mit phyaiol. Kochaal/.loaung gewascheu. 
Aladann wurde der Bodenaatz in 5 ccm Aqu. de.-t. auspendiert und mit 1-proz. NaCI- 
Loaung veraetzt, d. i. 4 Tropfen einer 25-proz. NaCl-Loaung in jcderu Rohrchen. Die 
ao vorbereiteten Rohrchen kamen nun in den Brutachrank von 37° und wurden nach 
2 Std. unteraucht. 

Das Ergebnis war folgendes: 


Tabelle II. 


Rechtaatammimmunaerum + Rechts- 
atamm 


Dicke zuaammenhangende Flocken, dieschwer 
zu zerachiitteln aind 


Rechtaatammimmunaerum -f Linka- 
stamm 

Normalaerum + Rechtaatamm 
„ + Linkaatamm 


dgl. 

Zahlreiche feine, leicht zu zerschuttelnde 
Flockchen 

dgl. 


Die Agglutinationsversuche hatten also trotz der nicht zu leugnen- 
den Mangel festgestellt, daB beide Mycoides-Stamme auch in ihrem 
Agglutinogengehalt durchaus miteinander tibereinstimmen. 

Kurz erwahnen mochte ich nocli, daB wir auch andere serologische 
Untersuchungsraethoden heranzogen, urn vielleicht mit deren Hilfe eino 
Avtverschiedenheit aufzudecken. Es ist bekannt, daB Prazipitations- 
versuche mit Bakterien wegen der Herstellung gleicher Extrakte groBe 
Schwierigkeiten bereiten. Die Beschaffenheit der Mycoides-Kulturen 
erschwerte das Herstellen von Aufschwemmungen mit absolut gleichen 
Bakterienmengen in ganz besonderem MaBe. Aus diesem Grunde moch- 
ten wir den angestellten Prazipitationsversuchen, obwohl auch sie i'iir 
Gleichheit beider Stamme im Prazipitinogengehalt zu sprechen schienen, 
keine besondere Bedeutung beimessen. Letzten Endes machten wir der 
Voilstandigkeit ha'.ber auch Komplementbindungsversuche. Sie lieferten 
jedoch kein brauchbares Ergebnis, da die komplementbindenden Pahig- 
keiten des zur VerfUgung stehenden Immunserums zu gering waren. 

Die vorstehenden Versuche lassen folgende Folgerungen zu: 

1) In Bestatigung und Erweiterung der Versuche von E. P rings- 
heim wurde eine grdBere Anzahl von Mycoides-Stammen geziichtet, 
welche die von M. NeiBer beobachtete Linkswendigkeit der Kolonie- 
auslaufer zeigten. 

2) Es kann als erwiesen gelten, daB auBere Einfliisse ohne Be¬ 
deutung auf diese Erscheinung sind. Es muB deshalb angenommen 
werdcn, daB bestimmte Anordnungen im Bakterium vorhanden sind, 
deren Lage zur Agaroberflache die Wachstumsrichtung der Kolonieaus- 
laufer bestimmt. 

3) Es wird ein ganz seltener My co ides-Stamm beschrieben, 
welcher morphologisch, kulturell und serologisch von den anderen Stiim- 
men nicht zu unterschciden ist, im Gegensatz zu diesen aber konstant 
entgegengesetzte Wendigkeit seiner Ivolonieauslauler zeigt. Es muB des¬ 
halb angenommen werden, daB dieser Stamm dieselben „Bausteine“ wie 
die gewbhnlichen Mycoides-Stamme besitzt, aber in Spiegelbildan- 


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Sal us, Zur Phenol- und Indolbildung durch Bakterien usw. 


103 


ordnung (Situs inversus, Bakterien-„Isomerie“). Auch dieser Befund 
bcweist, daB das beschriebene Koloniephanomen nur mit der Annaiime 
eines komplizierten Bakterienbaues zu erklaren ist. 

4) Besondere Versuche haben die Konstanz der angeborenen Wen- 
diukeit erwiesen. 

5) Die von Boas zuerst beschriebene Wendigkeit der Kolonien 
vonOidium lactisusw. wirdbestatigt, nur wird im Gegensatz zu Boas 
mitgeteilt, daB diese Wendigkeit die entgegengesetzte derjenigen des 
gewohnlichen Mycoides-Stammes ist. 


Nachdruck verboten. 

Zur Phenol- und Indolbildung durch Bakterien und zum 
Nachweis dieser Korper in Kulturen. 

[Aus dem Hygienischen Institut der deutschen Universitht in Prag.] 
Von Prof. Dr. Gottlieb Salus. 

Wahrend friiher das typische Bact. coli als haufiger Phenol- 
biidner im menschlichen Darm gait, hat 1911 M. Rhein wiederholt 
ausStuhlen einColi-Bakterium geziichtet, das intensivPhenol, aber kein 
Lndol bildet und auf D rigalski-Agar mit viel blaulicherer TSnung 
wiichst, als das gewbhnliche Bact. coli. Diese Coli-Basse, die also 
einerseits ein Coli anindologenes ist, andererseits nach seinem Ver- 
baltcn zum Milchzucker den Paracoli-Stamraen nahesteht, halt M. 
Rhein fUr den obligaten Phenolbildner des menschlichen Darmes. Auch 
sonst sind Paracoli-Bazillen als Phenolerzeuger beschrieben, so von 
Dobrowolski. Es fragt sich also, ob etwa zwischen lndol- und 
i’henolbildung eine Gegensatzlichkeit bestehe, ferner ob die Paracoli- 
Slamnie diesbeztlglich gegentiber anderen C o 1 i - Bakterien den Vorrang 
haben. Man kbnnte sich vorstellen, daB der EiweiBabbau bei verschie- 
denen Bakterien entweder liber das Tryptophan oder Uber Tyrosin gehe 
und daB in Nahrsubstraten, die beide Korper enthalten, die einzelnen 
Rakterienstiimme verschieden wahlen. Die Frage der Phenolbildung 
durch Bakterien ist auch heute nicht gekl&rt. So wird diese Fahigkeit 
obligaten Anaerobiern vollig abgesprochen, wahrend wir ein obligat 
anaerobes Bakterium aus Fleischfaulnis ziichteten, das Phenol erzeugte. 
Lehmann und Neumann fanden in 5-tagigen Kulturen von B. coli 
und B. vulgare nur Spuren von Phenol. 

Besonderes Interesse erweekten die erwahnten Stamme des B. coli 
phcnologenes von Rhein, der dieselben auch aus Paraoxybenzob- 
sSure lndol bilden sah, so daB es wahrscheinlich wird, daB die Phenolab- 
jpaltung aus Tyrosin tlbcr I^araoxybenzobsaure erfolgt. Der von uns 
aus dem Krdlschen Museum bezogene Phenologenes-Stamm v/uchs 
•auf I) rigalski -Agar dcutlich, aber viel matter rot als die gewohnlichen 
L'oli - Bakterien. Er bildete auch in fttr Indolbildung optimalen Nahr- 
hoden kein lndol, und auch die Salkowskische Reaktion war, ent- 
?egen der Angabe von Frieber, stets negativ. 


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104 


CentralbL f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


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Aus dem Gesagten ergab sich von selbst die Notwendigkeit, auch die 
Indolbildung in den Bereich unserer Versuche aufzunehmen, und wir 
beniitzten die Gelegenheit, festzustellen, wie sich die Weil-Felixschen 
X-Stamme diesbeziigach gegenuber den anderen Pr oteus-St&mmen ver- 
haJten. Namentlich aber wurde versucht, die nach den heutigeu Erfah- 
rungen notwendige Methodik des Phenol- und Indolnachweises festzu 
legen, die besonders beziiglich des letzteren — soweit sie sich auf Bak- 
terienkulturen und nicht auf die reinen Kbrper bezieht — einer Rege- 
lung bedarf. 

Die Resultate der bakteriologischen Untersuchung kbunen in aller 
Kiirze mitgeteilt werden. Wir priiften 12 St&mme des B. coli com¬ 
mune, das B. coli phenologenes Rhein, das B. coli anindoiicum 
Kaiser, 2 aus Stilhlen geztlchtete Paracoli-Stamme (auf Drigalski 
blaulichweiB wachsende Coli-Stainme), ferner die Paracoli: Viial 
•Nobecourt, Allen-Eurten, Allen-Samuels, Kuhn-Jaiser, 
Fohmann-Jaiser des Kr&lschen Museum auf Phenolbildung. Unsere 
12 Coli-Stamme enstammten gesundem und z. T. krankem Darm; unter 
ihnen fanden wir mit der spater zu erorternden Methodik 3 Phenolbild- 
ner, die Stamme Gh., Ka6er und Stadler. Mit dem Stainme Rhein 
verglichen war die Intensitat der Phenolproduktion, soweit qualitative 
ReaJctionen ein Urtcil gestatten, zum mindesten nicht geringer als die 
des Stammes Rhein; doch ist es moglich, dab dieser Stamm durch 
Fortztichtung auf tyrosinfreien Nahrboden an Phenolbildungsvermogea 
EinbuBe erlitten hatte. 

Der Stamm paracoli Vidal-Nobecourt ist schon von Gybrgy 
als paratyphi B. identifiziert worden, bestatigend wurde in unserem 
Institut von Herrn Dr. Ftirth festgestellt, daB der Rezeptorenapparat 
dieses Stammes mit dem des regularen B. paratyphi B. voll tlbcrein- 
stimmt. Er bildete weder Indol noch Phenol. Von den genannten 
Paracoli-Kulturen konnte nur von Fohmann-Jaiser, der ein Iu- 
dolbakterium ist, spurenweise Phenolbildung festgestellt werden. Das 
B. anindol. Kaiser zeigt weder Indol- noch Phenolproduktion. 

Es geht also aus diesen Versuchen hervor, daB ein betrachtlicher 
Teil der gewohnlichen Coli-Stamme geeignet ist, gleichzeitig Indol 
zu erzeugen. Gerade die 3 phenolbildenden Coli-Stamme waren sehr 
kraftige Indolbildner. Die Abspaltung von Phenol im Darm ist so- 
nacli schwerlich die Domane besonders charakterisierter, indolnegativer 
Coli-Rassen. Die Paracoli-Stamme standen in bezug auf die Zahl 
der phenolbildenden den regularen Col i-Bazillen nach; es war auch auf- 
fallend, daB sich darunter so wenig Indolbildner fanden (1:3). Aller- 
dings ist die Zahl der untersuchten Paracoli-Stamme eine zu kleine, 
aber mit aller Sicherheit darf man folgern, daB eine Gegensatzlichkeit 
zwischen indol- und phcnolabspaltender Fahigkeit nicht bestehen kann. 
— Zum Nachweis des Phenols empfiehlt M. Rhein als einfachste Probe 
ftir seinen eiweiBfreien Nahrboden die Reaktion von Marquis, die man 
auch direkt mit den Kulturen ohne Destination anstellen kann. Die zu 
priifende Fliissigke.it wird mit einigen Tropfen lOproz. Formaldehyd- 
ldsung versetzt und dann liber konzentrierte Schwefelsaure geschichtet. 
Bei Anwesenhcit von Phenol entsteht ein violettroter Ring, dariiber eine 
weiBliche TrUbung. Diese Farbenreaktion ist zweifellos recht bequem 
und wir bentitzen sie zur Orientierung dariiber, welche Kul¬ 
turen man wegen des negativen Ausfalls derselben aus- 
schalten konne. Sonst haben wir einige Bedenken. Vorerst ist es 



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Sal us. Zur Phenol- und Indolbildung durch Bakterien usw. 


105 


lifter schwer, bei schwadieren Reaktionen zwischen positiv und negativ 
zu entscheiden, besonders wenn der Ring unter der Triibung cher rosarot 
als violett erscheint. Sodann sahen wir bei kraftiger Indolbildung 
rotlichc, selbst deutlich violette Ringe mitunter in pkenolfreien Destil- 
laten auftreten. Tatsachlich ist auch von K. Konfco eine Formaldehyd- 
Srhwcfelsaurereaktion mit violettem Farbenton (wenn auch nicht als 
Schichtprobe) fur den Indol-Nachweis in phenolfreien Fliissigkeiten 
angegeben. 1st die Probe sonach fur Kulturen des Stammes Rhein, 
der kein Indol bildet, gut brauchbar, so kann sie dort, wo es sich um 
Indolbildner (B. coli, Proteus-Arten) handelt, nicht als allein maB- 
gebend angenommen werden. Es ist also gut, wieder zura Destillat zu 
greifen ;• die Bromwasserprobe und das Erhitzen mit Mil Ions Reagens 
sind da besonders geeignete Phenolreaktion. Vor der Destination mit 
Salzsaurc anzusiiuern, wie Levan dowsky empfiehlt, ist iiberfliissig. 

Als Nabrboden ftlr Phenolbakterien versuchten wir zuniichst den von 
Rhein nach Analogie der Zipfelschen Tryptophanlbsung hergestellten, 
eiweiDfreien Tyrosinnahrboden 1 ). Dieser bot zwar ein m&Big gutes Sub- 
strat ftlr den Phenologenes und einzelne Coii-Stamme, andere 
Keirnc wuchsen jedoch nur sehr dtirftig oder gar nicht. Wir verwendeten 
daher wciterhin mit Erfolg die Hottingersche Verdauungsbriihe, die 
nur aus auBeren Grtlnden mit Trypsin (statt mit Pankreatin) hergestellt 
ward. Der Nahrboden brachte samtliche damit gepriiften Bakterien, auch 
anspruchsvollere, zu iippigem Wachstum, ist auch, da man ihn be- 
trachtlich verdiinnen kann, sparsara und daher uberhaupt als fltlssiger 
Bakteriennahrboden empfehlenswert. Er gab starke Tyrosinreaktionen. 
Zusatz von Tyrosin erwies sich als unnotig. Das Substrat ist gleich- 
zeitig vorziiglich fUr Indolbildung geeignet, Peptonzusatz crtibrigt sich; 
die zahlreichen farbenprachtigen Indolreaktionen treten in auffallender 
Intensitat auf. 

Indessen wird man sich heute nicht mehr mit der An- 
stellung der Indolreaktionen in den KulturrOhrchen be- 
gnflgen diirfen, vielinehr auch hier das Destillat heranziehen 
mOssen. Bekanntlich hat Steensma bei einem Proteus-Stamm van 
Loghems, der in der nativen Kultur Indolreaktionen gab, nachge- 
wicsen, daB sich im Destillat das bei 100° C mit Wasserdhmpfen fitich- 
hge Indol nicht vorfand; es handelte sich also um einen andercn KOr- 
per, der mit Wasserdampfen nicht fltlchtig ist; er ist im ltilckstand 
nachweisbar, gibt nach Steensma die Ehrlichsche Reaktion nicht, 
wahrend Lbs berg auch diese im Riickstand findet. Van Log hem 
bat fur diesen Kbrper den nichts prajudizierenden Namen „Pseudo- 
indol“ gew&hlt, er und seine Mitarbeiter fanden zahlreiche solche 
anindolische Sthmme, besonders bei Sauglingen, vor. — Wo positive 
Salkowski- und negative Ehrlichsche Reaktion vorliegt, diirfte 
es sich zuineist um Skatolkarbonshure (Indolessigsaure) handeln, doch 
ist eine Mehrheit solcher Kbrper nicht ausgeschlossen. 

Soeben wurde von Frieber darauf hingewiesen, daB die Reaktion 
ron Salkowski (Nitrit-Schwefelsaurereaktion), welche neben der Ehr- 
lichschen bisher die gebrduchlichste ist, unzuverlassig sei, da unter 
den verschiedenen Bakterien die Bildung von Indolessigsdure weit 
verbreitet sei, die ebenfalls die Salkowskische Reaktion gibt. Frie- 

1) Fur die Ueberlaseunp reinen, optineh-aktiven Tyrosins bin ich dem Vori»tande 
an«ere« medizinmch-chemiBchen Instituts, Herrn Prof. Zeynek, Behr zu Danke ver- 
pflichtet. 


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106 


Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


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ber iiat init Kulturen gearbeitet, im Destillat dagegen, in welches 
die Indolessigsaure nicht iibergeht, bleibt die Reaktion auch 
weiter zu Recht bestehen. 

Von den zahlreichen Indolreaktionen erwiesen sich uns ftir 
bakteriologische Zwccke besonders brauchbar: 1) die Baeyer- 
Salkowski-Reaktion, 2) die Ehrlichsche Reaktion, die wir 
in einfachster Weise durch tropfenweisen Znsatz des Ehrlich - 
schen Urobilinogenreagens anstellen (p-dimethylaniidobenzaldehyd 2 Salz 
saure 30 ad 100 dest. Wasser). (Urobilinogen kommt nicht in Erage 
und gibt iibrigens mit dera Reagens einen ganz anderen Earbenton als 
den purpurroten des Indol), 3) die Nitroprussidnatriumreaktion: Zusatz 
einiger Tropfen Nitroprussidnatriumlosung, alkalisch machen mitf Natron- 
lauge, worauf dunkelviolette Farbung auftritt, die beim Ansauern mil. 
Essigsaure in Azurblau umschlagt. Weniger gut war hier die Eorm- 
aldehydferrichlorid-Salzsaurereaktion anwendbar. Diese 3 Reaktionen 
waren stets qualitativ iibereinstimmend, wenn auch die Intensitat der 
einzelnen wechselte. Die ersten ccm des Destillats sind ftir Indolproben 
besonders geeignet, je 1—2 ccm davon geniigen ftir die einzelne Reaktion. 

Mittels dieser Methodik wurdcn die samtlichen frtlher erwahnten 
Coli- und Paracoli-Stamme untersucht. SchlieBlich prtiften wir 
die Proteus X-Stamme von Weil u. Eelix; van Loghern weist 
auf eine serologische Verwandtschaft dieser Stamme mit seinen 
anindolischen (pseudoindolbildenden) Stammen hin, es war also nalie- 
liegend, die Pseudoindolbiidung auch bei den X-Stammen zu vermuten. 
Im ganzen wurdcn 9 Stamme verschiedener Provenienz untersucht, die 
Herr Prof. Weil zur Verftigung stellte (X 2 , X 19 , HX 2 , IIX 19 , OX 2 , 
OX 19 , X 19 -287 Dienes, X 19 Smyrna ZeiB, X 19 L-180). Nach 4-ta.gi- 
ger Bebrtitung in Hottingerbriihe und Priifung des Destillats erwiesen 
sich samtliche Stamme als kraftige Indolbildner, so daB also in dieser 
Hinsicht. keine Verwandtschaft mit den van Loghern-Stammen besteht. 


Z u s a m menfassu n g. 

1) Unter den gcwdhnlichenColi-Stammen des menschlichen Darmes 
Eindet sich eine betrachtliche Zahl von Phenolbildnern, die gleichzeitig 
kraftig Indol erzeugen. Die phenolbildende Fahigkeit ist nicht auf be- 
sonders charakterisierte Coli-Rassen beschrankt. 

2) Die Marquissche Phenolreaktion hat ftir Kulturen nur be- 
dingten, orientierenden Wert; das Phenol ist stets im Destillat mit den 
bekannten Reaktionen nachzuweisen. 

3) Auch der Indolnachweis ist stets im Destillat zu ftihren. Als 
Reaktionen empfehlen sich neben der — hier einwandfreien — Sal- 
k o w s k i - Reaktion die Ehrlichsche (am einfachsten mit seinem Uro¬ 
bilinogenreagens anzustellende) und die Nitroprussidnatriumprobe. 

4) Ftir beide Zwecke ist die Hottingersche Verdauungsbruhe ein 
guter Nahrbodcn. Eiw r eiBfrcie Nahrlosungen sind nur fur einzelne 
Bakterien brauchbar. 

5) Die Weil-Felix schen Proteus X-Stamme unterscheiden sich 
als kraftige Indolbildner insgesamt von den van Log hem-Stammen. 



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Hage, Vorkommen autochthoner Amobenruhr in Deutschland. 


107 


Iiiteratnr. 

1) Dobrowolski, Ref. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 48. S. 660. — 2) Frieber, 
Ebenda. Abt I. Orig. Bd. 87. S. 254. — 3) Gyorgy, P., Ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 84. 
S. 321. — 4) Konto, Hoppe-Sey lers Zeit-<chr. Bd. 48. 1908. S. 185. — 5) Leh- 
mann-Neumann, Atlas und GrundriS der Bakteriologie. 5. Aufl. 1912. — 6) van 
Loghem, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 82. 1919. S. 449. — 7) Losberg. 
Ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 87. H. 3. — 8) Meyer-Jacobsons Handb. d. organ. 
Chem. — 9) Rhein, M., Biochem. Zeitschr. Bd. 84. 1917. S. 246.— 10) Sal kowski, 
Hoppe-Sey lers Zeitschr. Bd. 8. 1884. S. 446. — 11) Salus, G., Arch. f. Hyg. 
Bd. 51. S. 97. — 12) Steensma, Centralbl. f. Bakt. Bd. 41. 1906. S. 295. 


Nachdruch verboten. 

Zur Frage des Vorkommens autochthoner Amobenruhr in 
Deutschland (nach Stuhluntersuchungen in Thiiringen). 

|Aus der Baktenologischen Untersuchungsanstalt fiir die Typhus- 
bekampfung in Mitteldeutschland beim Hygienischen Institut der Uni- 

versitat Jena.] 

Von Dr. Hage, Leiter der Anstalt. 

Durch verschiedene, wabrend des Krieges erschienene Arbeiten englischer Autoren 
(Mackinnon, Mathews, Yorke, Bayliss) ist festgestellt, dafl Amobenruhr au¬ 
tochthon in England vorkommt. Nicht nur bei Erwachsenen, die England nie verlassen 
hatten, sondern auch bei Kindern unter 12 Jahren wurden Ruhramoben festgestellt 
biese Angaben muBten uberraschen und konnen ihre Erklarung nur darin finden, daB 
immerfort von aus tropischen Gegenden Zuriickkehrenden, deren Zahl fiir England 
dcher eine verhaltnismaBig grofie ist. Ruhramoben in ihren Dauerformen eingeschleppt 
werden und so allmahlich zu einer Infektion der Einheimischen geffihrt haben. Auch 
fur Frankreich liegen neuere Beobachtungen fiber autochthone Amobenruhr vor(Lan- 
douzy und Debr6, Labb6). In Deutschland hat nur Fischer sich der Mfihe 
□Dterzogen, in der Medizinischen Klinik in Gottingen Stfihle von 120 Pat. auf Prolo- 
toen zu untersucben und kommt zu folgenden Feetstellungen: Infektion mit Ruhr¬ 
amoben 2mal, Infektion mit Entamoeba coli llmal, mit Amoben, deren Spezies 
nicht sicher zu beetimmen ist, 2mal, ferner Flngellaten 9mal (hierbei 2mal gleichzeitig 
Amoben). Weiter haben Jung und Sell in Mfinchen an aus Ober-, JNiederbayern 
und Schwaben stammenden Stuhien von insgesamt 219 Personen Untersuchungen auf 
Darmparasiten angestellt. Sie hatten ein ganz ahnliches Material zur Verffigung wie 
dasjenige, fiber das hier berichtet werden soil. Von ihren Ergebniesen interessieren an 
dieser Stelle aber nur die von ihnen erhobenen protozoischen Befunde. Sie fanden 
unter 219 Personen Protozoenzysten bei 96 mannlicncn Erwachsenen 20ma), bei 98 weib- 
lichen l.'imal, bei 25 Kindern 3mal, und zwar nur Coli- und Lamblienzysteu, Ruhr¬ 
amoben- und Jodzysten gar nicht, ebensowenig Trichomonas-Zysten. Es ist aber 
nicht anzunehmen, daB beide letztere Arten von Protozoen in Bayern nicht vorkommen 
sollten; sie sind wohl nur der Aufmerksamkeit der llntersucher entgangen. Die in 
Hamburg von Ndller vorgenommenen Untersuchungen sind ,,an einer nicht allzu 
hohen Zahl von Patienten“ angestellt und haben vor allera die w. nig bekannten Darm- 
protozoen zum Gegenstand der Untersuchung gehabt. NOiler hatte den Vorteil, ganz 
rruches Stuhlmaterial zur Verffigung zu haben und seine Untersuchungen beiiebig oft 
wiederholen zu kfinnen. Er hat deshalb auch hochst bemerkenswerte Ergebnisse erzielt, 
*ne sie in einer baktenologischen Untersuchungsanstalt an den immer schon etwas 
ilteren Stuhlproben nicht zu erwarten sind. An Marineangehorigen babe ich # 1918 und 
1919 Stuhluntersuchungen bei 96 Personen angpstellt, die folgendes Ergebnis batten 1 ): 
Bei Kachuntersuchungen in Fallen frfiherer Erkrankungen konnte in dor Mehrzahl 
noch eine weiter bestehende Infektion mit Ruhramoben nachgewiesen werden. Frfihere 
jRuhr'falle erwiesen sich in einem Teil der Falle als durch Amoben hervorgerufene 

1) Die ausffihrliche Arbeit wird in den „Mi)itararztl. Kriegserfahrungen" dem- 
nachst erscbeinen. 


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108 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88 . Heft 2 . 


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Ruhr durch noch bestehende Infektion mit Ruhramoben. Es muS an die Moglichkeit 
von Kontaktinfektionen mit AmoUenruhr auch in nicht tropischen Landern gedacht 
werden, besonders wenn baufige Riickfalle vorkoramen (2 Falle Frankreich, 1 Belgien). 
Kontaktinfektionen bei der deutschen Marine innerhalb der Heimat Bind bisher nicht 
beobachtet. 

Um vor allein zu der Frage, ob wirklich in nennenswerter Weise, 
namlich wie in England, autochthone Ambbenruhr auch in Deutschland 
vorkommt, einen Beitrag zu liefern, habe ich die Sttihle von 400 Per- 
sonen in Thiiringen untersucht. Es sind aus alien .Gegenden Thtiringens 
Stuhlproben zur Untersuchung gekommen. Ein Teil der Stiihle war 
zur Untersuchung auf Typhus, Paratyphus und Ruhr eingeschickt, 
in 1 Falle auch auf Amobenruhr. Weiter ist eine groBere Zahl von 
Gesunden, d. h. nicht Darmkranken, untersucht, deren Stiihle als Um- 
gebungs-Untersuchungsmatcrial zur Einsendung gelangten. Die Unter- 
sucliungen wurden in der Weise ausgefiihrt, daB zunachst das frische 
Piaparat, dann das mit L u g o l scher Losung versetzte, frische Pra- 
parat durchgemustert wurde. Weiter wurden nach Riegel gefarbte 
Praparate angelegt, und bei positiven protozoischen Bei'unden auch 
nach Heidenhain gefarbt. Die ttberwiegende Mehrzahl der Stiihle 
gelangte des ofteren zur Untersuchung, wodurch natiirlich die Zahl 
der positiven Ergebnisse stieg. Ein solch groBer Unterschied, wie ihn 
Mackinnon bei den Ruhramoben angibt, indem er bei Q-maliger 
Untersuchung innerhalb 1 Woche etwa 3-mal mehr positive Ergeb 
nisse hatte als bei 1-maliger Untersuchung, konnte aber nicht festge- 
stellt werden. Waren Protozoen in den Stiihlen vorhanden, wurden sie 
auch mit groBer RegelmaBigkeit gefunden, wie das speziell fur Ruhr- 
ambbeu auch an anderer Stelle von mir festgestellt wurde. Der Wert 
der mehrmaligen Untersuchung soli damit natiirlich nicht abgestritten 
werden. Neben den Untersuchungen auf Protozoen wurde Gelegenheit 
genommen, auch die vorkommenden Wurmeier festzustellen, ohne daB 
aber besondere Anreicherungsverfahren angewendet wurden. Es ist 
deshalb aus den festgestellten Zahlen auch nur ein allgemeiner Ueber- 
blick tiber die augenblicklich herrschende „Verwurmung“ in Thiiringen 
zu gcwinnen. 

Die Ergebnisse der Untersuchungen sind in verschiedenen Tabellen 
zusammengestellt: 


Tabelle I. 



Zahl der 
untersuchten 
Personen 

Mit Protozoen in¬ 
fiziert 

Mit Wiirmern in¬ 
fiziert 

rf Kinder 

34 

4 

11,8 Proz. 

2 

6 Proz. 

9 

40 

4 

10 

3 

7 

(5 Erwachsene 

160 

63 

39.4 „ 

8 

l 5 „ 

V »> 

166 

64 

■39 „ ! 

16 

1 9.7 „ 

Summa: 

400 

135 

33,8 „ 

29 

7,3 „ 


.Aus Tab. 1 geht liervor, daB die thiiringische Bevolkerung mit 
Protozoen ziemlich stark infiziert ist (33,8 Proz.). Die hauptsachlich- 
sten Parasitentrager sind die Erwachsenen. Kinder sind viel weniger 
Infiziert 1 )- Das Geschlecht spielt keine Rolle, Manner und Frauen 

1) Die hier gewonnenen Zahlen lassen sich mit denen von Jung und Snell 
nicht ohne weitere* vergleichen, da diese ihre Prozentzahlen auf die Untersuchungen 
und nicht auf die Personen beziehen. 



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Hage, Vorkommen autochthoner Amobenruhr in Deutschland. 


109 


sind ziemlich gleichmaBig infiziert. Die Infektion mit Wiirmem ist 
nicht erheblich. 


Tabele II. 


Protozoen 



kamen vor als Zysten 

von Anroben: 

als Flagellaten- 
zysten 

Beide Arten 
gemeinsam 


Ruhr- 

amoben 

Coli- 

Amoben 

Jod¬ 

amoben 

Limax- 

amoben 

tTrichon. 

] i n test. 

Lamblia 
i n t e s t. 


(J Kinder 34 

— 

— 

3 

8,8% 

— 

— 

— 

— 



1 

2,9 Vo 


Q Kinder 40 

— 

— 

4 

10 „ 

— 

— 

— 

— 






J Erwach¬ 
sene 160 

2 

1.3 % 

55 

34,4 „ 

10 

6,3 % 

_ 

_ 

4 

2,5 V° 

7 

4,4 „ 

7 X| in den 
[ versch. 
Komb. 

9 Erwach¬ 
sene 166 

3 

0,6 „ 

62 

37,3 „ 

8 

5,0 „ 

i 

0,6 % 

1 5 

3 „ 

o 

3,6 „ 

Somma: 400 

1 

0,8 % 

124|31 % 

18 

4,5 % 

1 

0,3 Vo 9 

2,3 V° 

14 

3,5 Vo 



In Tab. II sind die verschiedenen Protozoen zusammengestellt, 
in ikrem Vorkommen bei Kindern und Erwachsenen. Es zeigt sicli 
hier, daB Kinder mit Flagellaten selten infiziert sind und in jttngeren 
Jahren auch nicht mit Amoben. Als einzige Elagellatenart fanden sich 
Lamblien bei Kindern, und zwar bei einera 3-jahrigen typhuskranken 
Knaben; in den Sttiklen aus der Umgebung des Kranken sowie in 
denen von Bewohnern desselben Ortes wurden sie nicht gefundem. 
Coli-Zysten wurden nur bei Kindern tiber 9 Jahren festgestellt. In 
erheblich hoherem Prozentsatz waren Erwachsene mit Flagellaten in¬ 
fiziert, wie dies auch Nbller fur Hamburg festgestellt hat, desgleichen 
mit Amoben, besonders der Entamoeba coli. Diese Amobe ist in 
wediselnder Haufigkeit an verschiedenen Orten Deutschlands zur Fest- 
stdlung gelangt: 


In OstpreuSen bei 50 Proz. der Untcrsuchten (Gesunden) Schaudinn 
„ Berlin „ 30 

«« i« it 2 


Wurzburg 

Miinchen 

Gottingen 


50 

0 


Hartmann 

Schuberg 

May.') 

Fischer 


Hamburg „kam Entamoeba coli hiiufig zur Beob- 

achtung“ N oiler 

Miinchen (fiir Ober-, Niederbayern und Schwaben) fanden Jung und Sell 
(it) mal in 330 Untersuchungen bei 219 Personen die Zysten der Coli- 
Amobe. 


Ueber das Vorkommen von Jodamoben liegen flir Deutschland noch 
Qberhaupt keine systematischen Feststellungen vor. Fischer hat sie 
in Gbttingen, Nbller in Hamburg gefunden. In Thtlringen ist ihre Ver- 
breitung nicht sehr groB (4,2 Proz.); sie fanden sich bei Gesunden in 
Staat und Land und ebenso bei Gcisteskranken. 


1) Die Zusaramenstellung der erstcn 5 Kategorien aus Doflein, Lehrb. d. Proto- 
zoenkunde. 4. Aufl. S. 660. ■ 


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HO Oentralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


Tabelle III. 


Wurmeier wurden gefunden : 



Ascaris 

lurubr. 

T r i c h o c. 
dispar 

0 xy u ris 
verm ic. 

Taenia 

solium 

2 Arten gemein- 
sam 

<5 Kinder 34 

2 

5,8 % 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


9 „ 40 

3 

7,5 „ 

— 


— 

— 

— 

— 


cJ Erwachsene 160 

6 

3,8 „ 

5 

4J % 

i 

0,6 •/, 

— 

— 

3X ^ Ascaris u. 

9 „ 166 

8, 

3,8 „ i 

i 7 

4,2 „ 

3 

1,8 „ 

1 

0,6 •/, 

3X /Trichoceph. 

Suimna: 400 j 

19 | 

4,8 •/. 

12 

3 % 

4 

1 % 

1 

0,3 •/„ 


Iii Tab. Ill sind die einzelnen Wurmarten festgestellt iu ihrer 
Verteilung auf Alter und Geschlecht der Befallenen. Berndt hat 
1919 in Jena bei einein ahnlichen Material bei 400 Stiihlen mit An- 
reicherune folgende Zahlen gefunden: 

Taenia solium lmal = 0,25 Proz. 

„ saginata 4 „ = 1 „ 

Ascaris lumbricoides 16 „ = 4 „ 

Trichocephalus dispar 126 „ =31,5 „ 

Oxyuris vermicularis 4 „ = 1 „ 

Die Zahlen sind ungefahr die gleichen wie die von mir gefundeuen. 
Nur weicht der Befund von Trichocephalen erheblich ab (3 Proz. gegen 
31,5 Proz. bei Berndt). Berndt gibt zwar an, dafi gerade fiir das 
Auffindcn der Eier von Trichocephalus dispar ein Anreicherungs- 
veifahren notwendig sei, und hat mit Anreicherung etwa 1 / 3 mehr posi¬ 
tive Ergebnisse erzielt, als ohne ein solches. Docli ist der Unterschied 
in den Befunden zu groB, als daB er allein auf das Konto der An¬ 
reicherung gesetzt werden konntc. Es inufi also angenommen werden, 
daB in Thtiringen die Infektion mit Trichocephalus dispar stark 
zuriickgegangen ist oder Zufalligkeiten des Materials vorgelegen haben. 
Audi von einer „erschreckend zunehmenden Haufigkeit der Ascari¬ 
diasis seit dem Kriege“, von der Mil Big aus Darmstadt zu berichten 
weifi, kann fiir Thtiringen nicht. die Bede sein. Der Befund voti 
Oxyuris-Eiern in den Stuhlproben gibt natiirlich bei der Gewohuheit 
der Oxyuren, ihre Eier nicht im Darmkanal ihrer Wirte abzulegen, 
iibeihaupt keinen Anhalt iiber die Haufigkeit ihres Vorkommens. 


Tabelle IV. 

Stadt- und Lan d be v 61 ker u n g. Hei 1 a n s ta 1 ten. 








Protozoen: 





Wurmeier 





Amoben: 




Flagellaten: 




Ruhr- 

amoben 

Coli- 

Amoben 

Jod- 

amoben 

Limax- 

ambben 

Trichoc, 
i n t e s t. 

Lamb 1, 
i n t e s t. 



Btadtkinder 25 


— 

1 

4 7. 

— 

_ 

— 

— 

— 


1 

4 %! 


— 

Landkinder 49 

— 

— 

6 

12,2 „ 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

6 

10,2 »/. 

Erwachsene aus 
Stadten 90 

1 

1,1 % 

34 

137,7 „ 

2 

2 2 °/ 
^1“ / 0 



4 

4,4 % 

2 

2,2 J 

! 7 

7,7 „ 

Erwachsene 
vom Landel49 

1 

0,7 „ 

47 

31,5 „ 

7 

4,7 „ 



5 

3,4 „ 

4 

2,7 J 

14 

9,4 „ 

Insassen aus 
Hcilanstalten 
87 

1 

1,1 „ 

43 

49,4 „ 

8 

9,2 „ 

! 1 

' 1,2 7 0 

1 

1 1,2 „ 

4 

,4,6 „ 

I 10 ! 

11,5 „ 


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Hage, Vorkommen autochthoner Amobenruhr in Deutschland. 


Ill 


In Tab. IV ist der Versuch gemacht, zwischen landlicher und stadti- 
scher Bevblkerung in ihrer Beteiligung an Infektionen mit Protozoen 
und WUrmern zu unterscheiden: Das Geschleclit ist hier und in den 
nachsten Tabellen nicht beilicksichtigt, da eine ziemlich gleiche verhalt- 
nismabige Verteilung bei den Geschlechtern aus Tab. I—III hervor- 
geht. Die Unterschiede zwischen Stadt und Land sind nicht erheblich, 
was sich daraus erklart, dab in ThUringen bei der meist geringen 
Grdbe der Stadte nicht wie zwischen Grobstadt und Dorf unter- 
schieden werden kann. Deutlicher ist die hohere Beteiligung der In- 
sassen von Heilanstalten. Zwar ist der Unterschied z. B. in dem Vor¬ 
kommen von Entamoeba coli (28 Proz. allgemein, gegen 19,4 Proz. 
von Geisteskranken) nicht so grob, wie Fischer bei seinem Materiale 
gefunden hat (9 Proz. allgemein, gegen 44 Proz. der Geisteskranken), 
die Zahlen fUr das Vorkommen dieser Amtjben bei Geisteskranken sind 
aber an dem hiesigen und dem Gdttinger Materiale ziemlich gleich. 
Jedenfalls ist bei Geisteskranken stets mit einer starkeren Infektion 
mit Protozoen (und auch mit WUrmern) zu rechnen. 


Tabelle V. 
Einzelues Dorf. 





• 

Protozoen : 


Wurmeier 




Ambben : 


Flngellaten 

*| 

Ruhr- 

, Coli- 

Jod- 

Limax- 

Trichoc. 

La m b 1. 


amoben 

1 Amoben 

amoben 

amoben 

i n t e s t. 

i n t e s t. 

Kinder 32 



6 18,7 %i 

_ _1 

_i _ i 

_ _ 

I 

-I - 4 12 5% 

Erwachsene 44 

-1 


12(27,3 „ 

— | - 

— - 


- (» 13,6 „ 


Interessanter gestalten sich die Untersuchungen, wenn man den 
Kreis der Untersuchten weiter einengt. Tab. V gibt einen Ueberblick, 
wie sich die Darmparasiten bei den Bewohnern eines einzelnen Dorfes 
verhalten. Die Zahl der untersuchten Personen von 76 (auf ctwa 
2000 Einwohner) labt schon einen gcwissen allgemeinen Schlub zu. 
Es ist weniger das zahlcnm&bige Vorkommen von Protozoen, das von 
dem allgemeinen Durchschnitt, wenigstens filr Erwachsene, kaum ab- 
weicht, als das Fehlen bestimmtcr Protozoen, das bcachtenswert ist. In 
keinem der untersuchten Sttlhle ist die in ThUringen sonst doch h'iufiger 
angetroffene Jodambbe zu finden und in keinem ein Flagellat. Dab die 
Bevblkerung dieses Ortes sich durch besondere Reinlichkeit auszcichne, 
ist nicht beobachtet, im Gegenteil sind die Wohnverhaltnisse ziemlich 
schlecht, und die Sauberkeit liibt zu wUnschen Ubrig; cine Typhus- 
epidemie (auch eine „Schmutzkrankhcit“) breitete sich durch Ivontakt 
im Ort sehr umfangreich aus. Es mub also der Schlub gezogen werden, 
dab JodamOben und Flagellaten unter den Bewohnern dieses Ortes 
nicht oder ganz selten vorkommen. Warum das der Fall ist, ist nicht 
"line weiteres klar. Weitere Untersuch ungen Uber solch brtlich be- 
schriinktes Vorkommen oder Nichtvorkommen von Protozoen wiiren er- 
wiinscht. Die Protozoen haben ja auch fUr den Mediziner nicht lunger 
mehr nur ein theoretisches Interesse; das gilt nicht nur fur Amiiben, 
^ondern auch fUr Flagellaten. Gibt es doch sehr hartnackige Diarrhoen, 
besonders bei Kindern, bei dencn lediglich massenhaft Lamblicn ge- 
fnnden werden kbnnen. 


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112 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


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Ein besonders lehrreiches Beispiel tiber ortlich gehauftes Vorkommeu 
von Darmparasiten gibt die riachste Tabelle: 


Tabelle VI. 

Einzelnes, von mehreren Familien bewohntes Fabrikgrundstiick. 




Protozoen: 

Wurmeier 



Ambben: 

Flagellaten 





Ruhr¬ 

amoben 

Col i- 
Amoben 

Jod- 

amoben 

Limax- 

amoben 

Trichoc, 
i n tes t. 

Lam bl. 
i n t e 81. 



Familie H. 

4 

— 

— 

4 

100 % 

— 

— 



— 

25 % 


_ 

— 

— 

„ M. 

4 

— 


1 

25 „ 

1 

25 % 

— 

— 

1 

25 „ 

— 

- 

— 

— 

„ W. 

4 

— 


2 

50 „ 

2 

50 „ 


— 

1 

50 „ 

2 

50 % 


— 

„ Sch. 

2 

— 

— 

1 

50 „ 

2 

50 „ 

— 

— 

1 

— 

— 

— 


— 

>. Ct. 

2 

— 


1 

50 „ 

— 

. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

„ Kr. 

2 


— 

10 

50 „ 

1 

50 % 

— 

— 

— 

16,6% 

1 

50 % 

1 

50 % 















|Oxyuren 

Summa: 16 Fa¬ 
milien, 18 Per¬ 
sonen 



10 

5,5% 

6 

33.3% 



3 

16,6% 

3 

16,6% 

1 

5,5 % 


Es handelt sich um ein von mehreren Arbeiterfamilien bewohntes 
Fabrikgrundstiick, das ziemlich abseits liegt. Die Sttihle stamraten 
von gesunden Personen, bei denen eine Umgebungsuntersuchung auf 
Typhusbazillentragerschaft angestellt wurde. Bei dieser eng zusammen- 
wohnenden Gruppe von Menschen ist ein gehauftes Auftreten der ver- 
schiedenen Arten von Protozoen zn finden, das vveit tiber dem allg^e- 
meinen Durchschnitt in Thtiringen steht und sicher nichfc zufallig sein 
kann, da z. B. gerade Jodamoben, die sonst in Thtiringen nicht gehauft 
angetroffen werden, hier in 4 von den 6 Familien und in 2 Familien 
bei mehreren Mitgliedern derselbcn Familie gefunden werden. 

Die wichtigste Frage, die tiberhaupt zur Veranstaltung der Unter- 
suchung Veranlassung gab, war, festzustellen, ob echte Ruhraraoben 
bei Gesunden oder Darmkranken gefunden werden konnten. Fischer 
cihebt die Forderung, solclie Untersuchungen an Gesunden anzustellen. 
Insofern war das hiesige Material ganz gut geeignet, indem neben den 
Sltihlen von Krankcn cine groBe Zahl Sttihle von Gesunden, jedenfalls 
nicht Darmkranken, bei den Umgebungsuntersuchungen zur Durchsicht 
kamcn. Es sind bei Kindern tiberhaupt nicht und bei Erwachsenen 
nur in 3 Fallen Ruhramoben, und zwar als Dauerformen, gefunden. 
Eingcschickt wurde Stulil nur in einem Falle zur Untersuchung auf 
Amobenruhr. Es wurden in diesem Falle keine Zysten gefunden und 
auch in dem frischen, mit Blut und Schleim vermischten Stuhl keine 
vegetativen Formen nachgewiesen. In den positiven Fallen handelte es 
sich 1-mal um einen Typhusbazillcntrager, bei dem die Sttihle daraufhin 
untersucht werden sollten, ob nacli Entfernung der Gallenblase noch 
Typhusbazillen im Stulil vorlianden seien. Der Betreffende hatte, wie 
sich nacbtraglich herausstellte, lange Jahre im Auslande (Stidamerika) 
gclebt, also dort seine Infektion erworben. Die Sttihle waren geformt 
und frei von Schleim und Blut. Der 2. Fall kam zur Untersuchung 
als moglicher Bazillentriiger nach einem vor 7 Jahren tiberstandenen 



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Konrddi, Die Virulenz der Cerebrospinalfldasigkeit bei der menachl. Wut. H3 


Typhus. Eine Anfrage, nachdem Ruhramobenzysten festgestellt worden 
waren, ergab, dab er langere Zeit wahrend des Krieges in Mazedonien 
gcwesen war. In Mazedonien komrnt Amobenruhr vor. Eine ltuhr 
hatte er zwar dort nicht iiberstanden, sich aber, wie es haufig vorkommt, 
ohne klinische Erscheinungen mit RuhramOben infiziert. Darmerschei- 
nungen irgendwelcher Art bestanden bei ibm nicht; der Stulil war regel- 
recht. Der 3. Fall betraf eine geisteskranke Frau. Der Stuhl kain zur 
Feststellung eventuell vorhandener Typhusbazillen zur Qntersuchung. 
Die Frau hatte vor 28 Jahren in RuBland gelebt, ihre Infektion ist sicher 
dort erfolgt, da es in RuBland autochthone Amobenruhr gibt. Auch die 
Stfihle dieser Person waren regelrecht. Im Fall 1 und 3 bestand gleich- 
zeitig eine Infektion mit Entamoeba coli, im Fall 2 und 3 eine 
solche mit Trichomonas intestinalis. 

Alle 3 Falle des Vorkommens von Ruhramobenzysten lassen sich 
zwanglos durch eine Infektion aufierhalb Deutschlands erklaren. Es 
bleibt also kein Fall von autotochthoner Amobenruhr Ubrig bei den von 
mir untersuchten Personen. Damit soli nun keineswegs das Vorkommen 
von autochthoner Amobenruhr in Deutschland geleugnet werden, nur ist 
es notwendig, in jedem Falle von positivem Befunde von Ruhramdben 
eine genaue Anamnese aufzunehmen, um eine aufierhalb Deutschlands 
mbglicherweise erfolgte Infektion auszuschlieBen. Bisher hat nur 
Fischer in 1 Falle autochthone Amobenruhr fur Deutschland annehmen 
zu mtissen geglaubt. Seine Befunde sind vereinzelt geblieben. Weitere 
Bezirke von Deutschland miissen deshalb systematisch durchuntersucht 
werden, um festzustellen, ob die zahlreich von den verschiedenen Ivriegs- 
schauplatzen und aus dem Auslande zuilickgekehrten Zystentrager nicht 
dock Infektionen in Deutschland hervorrufen. 

Liter&tur. 

Mackinnon, Matthews, Yorke, Bay lies, Ref. Arch. f. Schiffs- u. Tropen- 
hygiene. Bd. 24. 1920. — Landouzy u. Debrd, Ref. ebenda. Bd. 18. 1914. — Labbd, 
zit bei Fischer. — Fischer, Berlin, klin. Wochenschr. 1920. Nr. 1. — Jung und 
Sell, Miinchen. rned. Wochenschr. 1921. Nr. 17. — Noller, Arch. f. Schiffs- und 
TropeDhyg. Bd. 24. Ifi20 — Berndt, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 83. 1919. 
H. 7. — Miiesig, Munchen. med. Wochenschr. 1921. Nr. 43. 


Naehdruch v«rbot*n. 

Die Virulenz der Cerebrospinalfliissigkeit bei der mensch- 

licben Wut. 

[Mitteilung aus der antirabischen Sektion des Pasteur-Institutes in 
Klausenburg (Cluj, Rum&nien) (Direktor: Prof. Dr. C. Levaditi).] 

Von Dozenten Dr. Daniel Konriuli, Leiter der Abteilung. 

In unserer Abteilung ereignete sich der folgende Fall: 

Das 3'/,-jahr. Madchen E. V. wurde am 1. Okt. 1921 durch einen Hund. dossen 
Toll wut durch den Tierarzt konslaliert wurde, an der liukcn Regio infraorpilalis ge- 
bieaen. Ea erlitt 2 tiefe, stark blutcnde Bifiwunden. Der Hund hatte noch 4 andere 
PeTsonen gebissen, von denen eine an Lyssa zugrunde ging. Eine Schutzimpfung wurde 
bei den letztgenannten nicht unternommen, da dienelben die Si'ktion nicht besuchtcn. 
Daa Madchen wurde erst am 4. Okt. eingebracht, wo die Schutzimpfung sofort be- 
Knte Abt. Orig. Bd. 88. Heft 2. 8 


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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 2. 


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f onnen wurde, aber am 15. Okt., also nach einer Inkubation yon 14 Tagen, er- 
rankte es schon wahrend der Behandlung. Die Symptome waren: Fieber (38,6 bis 
40,7° C), Atemnot, Trismus, aber keine Wasserscheu. Die Nackengegend war schon 
am 1. Tage sehr empfindlich, am 2. schmerzhatt, vom 3. Tage an hatte es Opisthotonus, 
der am 5. Tage semen hochsten Grad erreichte und Atemkrampfe verursachte. Auf 
Anblasen zeigte es eine sehr groBe reflektorische Ueberempfindlichkeit mit Atemkrampfen, 
aber ohne 8chlundkraropfe. Obwohl diese Symptome sehr charakteristisch sind, konnte 
man nach der Meinung eines anderen Fachmannes des Trismus und Opisthotonus wegen 
auch an Tetanus, ja sogar an Meningitis denken. Es wurde daher am 4. Krankheits- 
tage eine Lumbalpunktion unternommen; wir erhielten aber kaum einige Kubikzenti- 
meter Fliissigkeit, die ganz klar war. 24 Std. spater trat der Tod unter Lahmungs- 
erscheinungen und Asphyxie ein. Die Eltern verweigeiten die Sektion. 

Mit der Cerebrospinalflflssigkeit wurden aber ein Meerschweinchen 
und ein KaDinchen subdural, ein anderes Kaninchen intraokular infiziert, 
obwohl wir keine Hoffnung hatten, einen positiven Erfolg zu bekommen, 
da in der diesbezfiglichen Literatur die Ansichten sehr auseinander- 
gehen, ja sogar fast allgemein angenommen wird, daB die Cerebrospi- 
nalflfissigkeit kein Lyssavirus enthalt. Das Resultat dieser Untersuchung 
hat die Frage aufgeklSrt. Das Meerschweinchen namlich, welches am 
18. Okt. infiziert wurde, erlag am 19. Nov., also am 31. Tage, der Wut, 
gleichfalls erkrankten beide Kaninchen am 9. Dez., also 52 Tage nach 
der Infektion, zu gleicher Zeit an der Wut und gingen nach einer 
Krankheitsdauer von 48 Std. daran zugrunde. Aus dem am 19. Nov. 
an Lyssa gestorbenen Meerschweinchen wurden 2 Kaninchen subdural 
infiziert, von denen eines am 1. Jan. 1922, also nach 42 Tagen, an der 
Tolhvut zugrunde ging. Das zweite Kaninchen erlag an der Wut am 
21. Febr., d. h. nach 93 Tagen. 

Dieses Experiment best&tigte in 1. Reihe die Diagnose, daB Lyssa 
die Todesursache des M&dchens war, und zwar die sogenannte para- 
lytische oder stille Wut, die beim Menschen sich seltener entwickelt und 
besonders nach schweren Verletzungen und nach groBeren Virusquanti- 
t&ten. Deshalb war die Inkubation so kurz: 14 Tage. Derart kurze 
Inkubationen kommen selten vor. So berichtet Kozewaloff aus dem 
Charkower Institute bei einem 3-jfihr. Mfidchen, das von einem Wolfe 
am Kopf und Gesicht stark verletzt worden war, fiber eine Inkubation 
von 12 Tagen. Hogyes beobachtete unter den seit 1886 gesammelten 
Lyssafallen lmal eine solche von 13, Pasteur 1 mal eine von 14, 
Babes nach Wolfverletzungen in 11 Fallen eine Inkubation von 15 Tagen. 
In unserem Institute ereigneten sich bis jetzt noch 3 FSlle von einer 
derart kurzen Inkubation, und zwar bei einem 24 Jahre alten Burschen 
nach Augenlidverletzung eine 13-, bei einem 56 Jahre alten Menschen 
nach Handverletzung und bei einem 8-jahr. Mfidchen nach Gesichts- und 
Kopfverletzung eine je 14-tfigige Inkubation. Diese Ffille konnen nicht 
gerettet werden, wie dies auch Babes in seiner berfihmten Monographic 
hervorhebt. 

Diese Beobachtung bestfitigte aber noch eine andere, vielbestrittene 
Frage, namlich das Vorkommen des Lyssavirus in der Cerebro- 
spinalflfissigkeit, worfiber die Ansichten sehr auseinandergehen. 
Nach Pasteur erweist sich diese Fliissigkeit zuweilen als nicht an- 
steckend, ein anderesmal wieder als ansteckend. 

YVyssokowicz untersuchte dies bei 2 Menschen und 3 Hunden mit negativem 
Erfolge, obwohl bei Beinem 2. Falle ein mit 0,3 ccm Flussigkeit der Seitengehirnven- 
trikel inokuliertes Kaninchen am 30. Tage erkrankte und am 32. zugrunde ging. Vom 
Riickenmark des letzteren Kaninchens wurde ein anderea angesteckt, welche am 15 Tage 
erkrankte und am 17. einging, also zu gleicher Zeit, w’ie das mit der Riickenmarks- 



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Weise, Bioskopische Methoden im Reagenzglase usw. 


115 


emulsion des an Wut gestorbenen Menschen geimpfte Kontrollkaninchen. Obzwar dies 
ein positiver Fall ist, wird er sowohl vom Autor selbst, ala auch von alien anderen spa- 
teren Forschei'n einfach iibersehen. Nach Techerewkow befindet sich das Lyssagift 
zuweilen in der Ventrikelfliissigkeit des Gehiros, die Cerebrospinalfliissigkeit ist aber 
frei. Nach Lesieur fielen die Impfversuche, welche mit dera Exsudat von 3 Menachen 
ausgefiihrt wurden, negativ aus. Auch die 2 Falle von Marie und 1 Fall von Poor 
gaben ein negatives Resultat. Claudio Fermi wollte diese Frace entscheiden und 
kommt aus seinen an 21 Kaninchen, 13 Hunden, 13 Ratten und 4 Miiusen angestellten 
Ver-uchen zu dem Schlusse, dafi diese Fliissigkeit nicht infektios ist. wenn sie mit aller 
Vorsicht entnommen wird und nicht Nervensubstanz mit sich wegfiihrt. Franya be- 
hauptet die Virulenz dieser Fliissigkeit, gestiitzt auf einen positiven Fall, und schlagt 
eine solche Untersuchung zu diagnostischen Zwecken bei der menschlichen loll wut vor. 
Dieser Fall gab Repet to Gelegenheit, diesbeziiglich neue Forschungen anzustellen, 
obwohl er uberzeugt war, daS niemand dem einzigen von Fran 5 a erzielten positiven 
Falle irgendwelchen Wert zuschreiben und noch weniger seinen SchluBfolgerungen bei- 
treten konne.“ Aus seinen mit der Cerebrospinalfliissigkeit von 10 Hunden und 2 Men- 
-chen angestellten VerBUchen ergab sich, dafl „gewohnlich die Cerebrospinalfliissigkeit 
wutkranker Tiere nicht virulent ist“, worauf Franya neue Untersuchungen anstellte 
und nachwies, dafi durch Verimpfung des Liquors von wutkranken Personen auf Ka¬ 
ninchen die gleiche Erkrankung erzielt werden kann, wie durch Verimpfung von Bul¬ 
bas- und Gehimmaterial. Die ersten Krankheitserscheinungen traten nach Franya 
fast zu gleicher Zeit auf. 

Hijgyes schreibt in seiner beriihmten Monographic diesbeziiglich folgendes: „Der 
Liquor cerebrospinalis enthalt in den meisten Fallen Lyssavirus. 1 - Babes erwahnt in 
*einem groBen Werke, daB er in 1 Falle von 4 diese Fliissigkeit virulent fand; in 
2 Fallen war die ex vivo entnommene nicht virulent. Die neueste Monographte von 
Josef Koch schreibt diesbeziiglich folgendes: „Nach den vorliegenden Mitteilungen 
fehlt demnach das Lyssavirus in der Spinalflussigkeit, doch scheinen Ausnahmen vor- 
zukommen.“ 

Aus Obigem folgt, daB diese Frage noch immer nicht aufgeklart 
ist. weshalb wir es fQr notwendig hielten, unseren einzigen Fall zu 
publizieren, ja sogar neuere Untersuchungen anzustellen, da die Er- 
orterung dieser Frage nicht nur wissenschaftlich, sondern auch praktisch 
sehr wichtig ist. Ueber diese Untersuchungen wird Herr Assistent 
Lupan referieren. 


Liter atur 

Babes , Trait4 de la rage. 1912. — Fermi, Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 44. 

— Franya, ebenda. Abt. I. Ref. Bd. 46. — Hogyes, Lyssa. — Koch, Kolie-Was¬ 
her man ns Hdb. 2. Aufl. 8 . - Kozewaloff, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 57. 

— Lesieur, Compt. rend, de la Soc. de Biol. T. 57. — Marie, L’4tude expdrim. 
de la rage. — Pasteur, Zitiert in alien Monographien. — Poor, ebenfalls. — Re- 
petto. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 49. — Techerewkow, ebenda. Abt. I. 
Ref. Bd. 34. — Wyssokowicz, ebenda. Bd. 10. 


Nach drunk verboien. 

Bioskopische Methoden im Reagenzglase fur den Nachweis 
der Lebensfahigkeit eines Gewebes, insbesondere der Mause- 
tumoren und ihre Verwendung fur die Analyse der 

Strahlenwirkung. 

[Aus der Chirurgischen Universitatsklinik zu Jena 
(Direktor: Prof. Dr. Guleke).] 

Von Kurt Weise. 

Zur Lbsung wichtiger Fragen bediirfen wir in der experimentellen 
Chirurgie einer zuverlassigen bioskopischen Methode, mit deren Hilfe 

8 * 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


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man in der Lage ist, in einfacher, leicht ausfiihrbarer Weise den Nach¬ 
weis der Lebensfahigkeit eines Gewebes im Reagenzglas* zu fiihren. 
Das gilt vor allem fiir Fragen der Transplantations-, Geschwulst- und 
W unddesinfektionsforschung. 

Meine Untersuchungen erstreckten sich auf den Nachweis der Lebens¬ 
fahigkeit von Gesehwulstzellen im Reagenzglase. Unter ihnen eignen 
sich zu langeren Versuchsreiben vor allem Mausetumoren, die bei Weiter- 
impfung auf gesunde Mause regelmaBig eine nene Geschwulst entstehen 
lassen. Unter Benutzung einer einwandfreien bioskopischen Reaktion 
w§re es dann moglich, den Tierversuch zur Ermittlung der Strahlen- 
wirkung auf diese Tumoren heranzuziehen. 

Einerseits kbunte man die Frage entscheiden, ob die einer Be- 
strahlung unterworfenen Tumorzellen, wenn sie bei Weiterimpfung keine 
Geschwulst mehr entstehen lassen, iiberhaupt noch am Leben sind, oder 
ob nur ihre Fortpflanzungsfahigkeit vernichtet ist, wahrend ihre Vitalitat 
bestehen bleibt. Andererseits lieBe sich auch durch entsprechende Ver- 
suchsreihen feststellen, welche Bestrahlungsdosis imstande ist, die ein- 
zelnen Gesehwulstzellen ihrer Lebensfahigkeit zu berauben. 

Bisher ist fiir den Nachweis der Lebensfahigkeit eines Gewebes eine 
derartige Reaktion in eindeutiger Weise nicht bekannt; dagegen sind 
bioskopische Methoden fur den Nachweis lebender Leukozyten und fiir 
das Vorhandensein lebender Bakterien angewandt worden, fiir erstere 
das Methylenblauverfahren von Neisser, fiir letztere die Methode von 
Gosio mit Kalium tellurosum als Indikator. Die bioskopische Methylen- 
blaureaktion Neissers benutzte spater A. v. Wassermann, um fest- 
zustellen, in welcher Weise die Mesothoriumbestrahlung auf M&use- 
karzinom in vitro wirkt. 

Die Zuverlassigkeit dieser Methode fiir Tumorgewebe muB aber insofern von vorn- 
herein fraglich erscheinen, als wir in VVrzoseks Arbeit: ,,Beo bach t ungen iiber die 
Bedingungen des Wacbstums der obligatorischen Anaeroben in aerober \Veise“(l) fest- 
gestellt finden, dafi getrocknete Tier und Pflanzengewebe die Eigenschaft haben, Sauer- 
stoff zu binden und durch diesen Reaktionsvorgang die Farblosung zu entfarben. Auch 
Neisser und Wechsberg erwahnen schou in ihrer Arbeit: ,,Eine neue einfache 
Methode zur Beobachtung von Schadigungen lebender Zellen und Organismen“ (2), 
daB gewisse Zellen an sich reduzierend wirkende Stoffe enthalten konnen, gleichgiiltig, 
ob die Zellen lebend oder tot sind. 

Ich suchte nun zunachst das Verhalten von Geschwulstgewebe tumor- 
kranker Mause in Neissers Methylenblaulosung festzustellen. 

Die einzig genaue Angabe iiber die Intensilat der anzuwendenden Farblosung ist 
von Wrzosek gemacht, der von einer 0,01-proz. wiisserigen Methylenblaulosung 
1 Tropfen auf 10 ccra physiol. NaCl-Losung zusetzte. In dieser Verdiinnung erwies 
sich nur der Farbenton im Reagenzglase zu hell, ura iiberhaupt eiuen sichtbaren Farben- 
umschlag wahrnehmen zu konnen. Um eine geeignete Farblosung herauszufindeu, ging 
ich folgendermaBen vor: Ich stellte inir zunachst eine Losung her. bei der 1 Tropfen 
einer 1-proz. wiisserigen Methylenblaulosung — Metbylenblau von Griibler — auf 
100 ccm physiol. NaCI Losung zugesetzt wurde. Mit dieser Losung beschickte ich 
eine Reihe Iieagenzrbhrchen in einer Menge von 5 ccm. Jedem Reagenzglase wurden 
Gewebsstiicke von der GroBe einer Mausnierc (0,2 g Gewicht) zugesetzt. Um vergleiehs- 
weise f&stzustellen, ob und inwieweit sich Unterschiede in der Reduktionsfahigkeit von 
lebendem und totem Gewebe zeigten, wurde ein Teil der gleichen Gewebsarten 5 Min. 
lang gekocht, also sichcr abgetotet, und dann erst der Farblosung zugesetzt. Die Re- 
agenzrohrehen verblieben bei 37° im Brutschrank. Bei alien Versuchen wurde keiru- 
freies Arbeiten streng beobaebtet, da ja die Bakterienwirkung allein geniigt hiitte, eine 
Aufhellung der Methylcnblaukochsalzlosung herbeizufiihren. Nur wenn die zur Kou- 
trolle nach 24 Std. vorgenonmienen Ausstriche auf Agar keimfrei blieben, wurden die 
Versuche verwertet. Als Gewebsarten gelanuten beim ersten Versuche Leber, Niere, 
Muskel sowie 3 Tumoren der gleichen Art (Miiusetumor vom Bau des Karzinosarkoms) 
zur Anwendung. AuBerdem wurde in eiuer Versuchsreihe, entsprechend der Angabe 



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Weise, Bioskopische Methoden im Reagenzglase usw. 


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Neissers, die Flussigkeit zum LuftabschluB mit Paraffinum liquidum iiberschichtet; 
in der 2., in gleicher VVeise vorgenommenen Anordnung blieben die Reagenzrohrchen 
nur mit einem Wattestopten verschlossen. 

Es stellte sich heraus, daB der LuftabschluB mit HQssigem Paraffin 
auf die Entffirbung keinen EinfluB ausubte. Besonders wichtig war aber 
die Tatsache, daB das gekochte Gewebe die gleichen reduzierenden Eigen- 
scbaften besaB wie das lebende. Die Zeitdauer bis zur eintretenden 
Farbenabblassung war aber eine sehr lange, namlich 4(3 Std. Weitere Ver- 
suche zeigten, daB eine Losung, bei der OTropfen eiuer 0,1-proz. wasserigen 
Methylenblaulosung auf 100 ccm physiol. NaCl-L6sung zugesetzt waren, 
die gQnstigsten Resultate gab, und zwar bei einer Fiiissigkeitsmenge 
von je 1 und 2 ccm im Reagenzrohrchen unter Zusatz von je 0,2 g 
Tumorgewebe. Dabei stellte sich immer wieder heraus, daB die biosko¬ 
pische Methode Neissers mit Methylenblau als Indikator zum Nach- 
weis der Lebensfahigkeit von Geschwulstgewebe nicht anwendbar ist, 
da sowohl lebende wie abgestorbene, d. h. durch Kochen abgetotete, 
Tnmorzellen die F&higkeit besitzen, die MethylenblaulSsung zu entfdrben, 
und zwar schon nach 2—4-stiind. Verbleiben im Brutschrank x ). 

Ich ging nunmehr dazu iiber, die Beobachtung Gosios (3), daB 
aus einer wasserklaren Losung von Kalium tellurosum (K 2 Te0 8 4-K0H) 
bei Gegenwart lebender Bakterien metallisches Tellur als schwarzer 
Siederschlag ausgefdllt wird, fiir die Frage des bioskopischen Nachweises 
der Lebensfahigkeit eines Gewebes zu untersuchen. Der Reduktions- 
vorgang ist nach Gosio derart, daB das metallische Tellur an den 
Bakterienkorper gebunden bleibt: „Die Bakterien werden gleichsam zu 
einer Niederlage der Reduktionsprodukte und dadurch reich pigmentiert. u 
Molgedessen sinken sie zu Boden und bilden so einen schwarzen Nieder- 
schlag. 

Die Reduktionsfahigkeit der Tellurite benutzte Gosio, um die Anwesenheit 
lebender Mikroorganismen in Serumampullen als Verunreinigungsprodukt leicht mnkro- 
■kopisch festetellen zu konnen und deren Unbrauchbarkcit zu Injektionen kennllich zu 
machen, da auch ein Zusatz von antiseptischen Losungen die Lebensfahigkeit und das 
Wachslum von Bakterien nicht unbedingt ausschliefit. Auch Gloger (4) wandte das 
Kalium tellurosum als Indikator des Bakterienlebens an; nach ihm findet jedoch „die 
Bildung einer dunklen Verfarbung und eines Niederschlages in Nahrboden und Klussig- 
keiten unter dem EinfluB des Kalium tellurosum nur unter Teilnahme solcher Bakterien 
*utt, welche aus den organischen Verbindungen des Nahrbodens Schwefelwasserstoff 
absondern“. Er halt desholb das Reduktionsprodukt nicht fiir metallisches Tellur, wie 
Gosio, sondern fiir Tellursulfid. Chemische Analysen liegen jedoch bUher nicht vor. 
Gloger fand ferner ein Versagen der Meihode von Gosio bei Anwesenheit von Keimen 
im Latenzstadiura. Da auBerdera die Serumampullen bis zum Gebrauch im allgemeinen 
kiiht aulbewahrt werden und somit eine Entwicklung zufiillig hmeingelangter Mikro- 
organismen erschwert wird, so schrankt sich nach Glogers Anstcnt weiterhin die 
Hrauchbarkeit der iNlelhode ein. Er halt das Kalium tellurosum deshalb als Indikator 
nicht fur so sicher, als daB er Phenol oder ein anderes Antiseptikum in den Vakzinen 
ersptzen konnte, und bezeichnet es als einen von den vielen Indikatoren in der Bak- 
teriologie. 

Das Verhalten einer Kalium tellurosum-Losung lebendem Gewebe 
gegenflber wurde bisher nicht gepriift. Es gait zunachst zu bestimmen, 
in welcher Konzentration und bei welcher Fliissigkeitsmenge im Reagenz- 
glas das Kalium tellurosum anzuwenden ist. Fiir diese Versuche wurde 
je ein 0,2 g groBes Stiickchen lebenden Tumorgewebes jedem Reagcnz- 
glase zugesetzt. Die giinstigsten Resultate gab eine physiol. NaCl- 

1) Anfiibrung samtlicher Protokolle war der Red. wegen der hohen Druckkosten 
nicht moglich; ausfiihrliche Arbeit siehe: Weise, J., Diss. Jena 1921. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 2. 


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Losung mit einem Telluritgehalt von 1:10000 — Kalium tellurosuin 
von Merck — bei einer Fliissigkeitsmenge von 5 ccm im Reagenz- 
rohrchen. Unter diesen Bedinguugen zeigte sich namlich schon nach 
1-stiiud. Verbleiben im Brutschrank ein beginnender schw&rzlicher Ueber- 
zug an einzelnen Stellen des Gewebsstiickchens, der nach 4 Std. deutlich 
ausgesprochen ist. Nach 20 Std. trat SchwarzfSrbung des Gewebsstiickes 
ein. Da in diesen Versuchen nur lebende Gewebe verwendet wurden, 
so blieb weiterhin zu bestinimen, ob auch in den abgestorbenen Geweben 
ein schwarzlicher Niederschlag auftritt. Zu diesem Zwecke lieB ich von 
einem Tumor die eine Halite unverandert, die andere totete ich durch 
5 Min. langes Kochen in physiol. NaCl-Losung ab. 

Bei diesem Versuch verhielt sich totes Gewebe in der Tellurlosung 
ganz anders als lebendes; es blieb unverandert, wahrend der lebende 
Zellkomplex bereits nach 1 Std. eine schwarzliche Verfarbung an ein¬ 
zelnen Stellen des Gewebsstiickes erkennen lieB, die sich nach 24 Std. 
zur vollkommenen Schwarzfarbung vervollstandigte. 

Da bei alien bisher vorgenommenen Versuchsreihen frisches, in 
keiner Weise verandertes Geschwulstgewebe von tumorkranken Mausen 
verwandt vorden war, lag es in Anbetracht von v. Wassermanns 
Angaben nahe, das Verhalten bestrahlten Tumorgewebes gegeniiber 
der Methylenblau- und Tellurlosung zu priifen. 

Von einer Maus mit einem reichlich kirschgroBen Karzinosarkom, 
das in vivo einer 12 l / 2 -stund. Fernbestrahlung mit Ron tgen - Strahlen 
nach Seitz und VVintz unterzogen war (5), wurden unmittelbar nach 
beendeter Bestrahlung 3 Gewebsstiickchen der Geschwulst von je 0,2 g 
fur den Versuch VII benutzt. 

Protokoll VII. 

Tumor einer 12*/ 9 -stund. Bestrahlung unterzogen; je ein 0,2 g groBes Stiickchen 
jedem Reagenzglas zugesetzt. Reagenzrobrchtn mit je 1 und 2 ccm Fliissigkeit be- 
schickt (6 Tropfen 0,1-proz., wasserige Melhylenblaulosung auf 100 ccm physiol. NaCl- 
Losung). 



(Lebendes bestrahltes Tumorgewebe 

Gekochtes bestrahltes Tumorgewebe 

1 

Beobachtungszeit der B 
2 | 4 6 8 

ieduktion nach Stunden 

1 | 2 | 4 | 6 | 8 

im Rengenz- 
rohrchen je 1 ccm 

2 ccm Fliissigkeit 
Zeichenerkla 

+ 

rung: ■ 
+ + 

+ ! ++ 

— + 

+ schwache E 
+ vollige 

+ + + 

+ 

Intfarbi 

»» 

+ + + , 
+ + 
>ng, + 

Versuch wegen Gewebsmangels 
nicht angesetzt 

— 1 — I + | + ( + + 

+ fast vollige Entfiirbung, 

— keine „ 


Der Ausfall des Versuches zeigt, daB auch das bestrahlte und zur 
sicheren Abtotung gekochte Tumorgewebe gegenuber der Methylenblau- 
losung gleiche reduzierende Eigenschaften besitzt wie das bestrahlte, 
nicht gekochte. Man kann daher unter Benutzung der Neisserschen 
Methode nicht entscheiden, in welcher Weise die Bestrahlung auf die 
Tumorzellen wirkt. Und so muBte die Beweiskraft der v. Wasser- 
mannschen Versuche nach den vorangehenden Ergebnissen von vorn- 
herein in Zweifel gezogen werden. 

A. v. Wassermann benutzte das Neissersche Verfahren in 
seiner Arbeit fiber die Analyse der Wirkung radioaktiver Substanzen 



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Weise, Bioskopische Methoden im Reagenzglase usw. 


119 


auf Mausekrebs (6) und stellte fest, daB „die radioaktiven Strahlen direkt 
auf die Karzinomzellen wirken, daB die WirkuDg aber nicht darin be- 
steht, dad sie die Karzinomzellen abtoten, sondern daB nur derjenige 
Apparat der Karzinomzellen getroffen wird, der die Vermehrung, die 
Proliferation und Teilung besorgt. u 

Bei seiner Versuchsanordnung der BestrahlungstechDik, die an sich nicht ein- 
wandfrei ist, worauf schon Key sser hingewiesen hat, ging v. Wassermann so vor, 
daB er Karzinomstiickchen von verschiedener GroBe (GroBe I = •, 11=0 und III = □ 
— verschieden lange mit einem Mesothoriumpraparat von 55 mg Mesothoriummenge in 
vitro be-«trahlte. Das Mesothorium war in einem Kohrchen von Silberblech ein- 
geschlossen, das seinerseits wiederum in einer zylindrischen, 1 mm starken Kapse) von 
verDickeltem Messing steckte. Der Mesolhoriumzylinder wurde an einem Faden be- 
festigt, in das mit Karzinomstuckchen beschickte Keagenzglas gegeben. Das Ergebnis 
war, daB bei GroBe 1 und II nach 3-stiind. Bestrablung die Karzinomstuckchen sich 
nicht niehr fahig erwiesen, bei Verimpfung ein neues Karzinom zu erzeugen. Bei 
GroBe III land v. Wassermann, daB sich bei Wiederimpfung auf gesunde Mause 
Dene Tumoren entwickelten. Um schlieBlich die Wirkung der radioaktiven btrahlen zu 
erforschen, bediente er sich des bioskopischen Verfahrens nach Neisser mit Metbylen- 
blau. Genauere Angaben iiber Herslellung der Methylenblaulosung sowie die jedem 
Reagenzrohrchen zugesetzte Menge des Gewebsmaterials finden sicli in v. Wasser- 
manns Arbeit nicht. v. Wassermann bestrahlte Karzinomstuckchen 3 bzw 3 1 /, Std. 
mit Mesothorium im Rpagenzglase, verimpfte dann einige Stiickchen auf Mause, gleich- 
zeitig aber kamen Probeu dieser gleichen Karzinomstuckchen in physiol. NaCl-Losung, 
die durch Zusatz 1 1 ropfens wasseriger Methylenblaulosung blau gefarbt war. Bereits 
nach einigen btunden, besonder6 aber auch am nachslen Tage, zeigte sich eine deut- 
liche Abblassung des Methylenblaus. Die Kontrollrohrcben mit abgetoteten Karzinom¬ 
stiickchen blieben unverandert. Aus der eingetrelenen Entfarbung zieht v. Wasser- 
manu den Schlufi, dafi die bestrahlten Zellen noch am Lebeu waren. Da aber die 
an&logen lebenden Karzinomstuckchen bei Verimpfung auf gesunde Mause keine Tumor- 
bildung niehr veranlaiiten, folgerte er, daB die radioaktiven Substanzen den Fortbildungs- 
apparat, nicht aber den Ernahrungsapparat schiidigen. 

Ich suchte nun, einen den v. Wassermannschen Versuchen &hn- 
lichen Vorgang herzustellen, und zwar zunachst mit unbestrahltem Ge- 
webe, um zu sehen, ob so kleine Tumorstiickchen iiberhaupt reduktions- 
fahig sind. Dabei erwiesen sich die • und O groBen Zellkomplexe flir 
sich allein im Reagenzglas lebend und durch Kochen abgetotet als re- 
duktionsunfahig, die groBen □ groBen verursachten dagegen nach 8 Std. eine 
beginDende Entfarbung der Meihylenblaukochsalzldsung, die im Verlaufe 
von 24 Std. deutlicher wurde, jedoch nur gegentiber einer Farbtitissig- 
keitsmenge von 1 ccm im Reagenzglas; ob das Gewebe lebend oder 
abgetotet war, blieb gleichgtiltig. 

Fur den nkchsten Versuch mit bestrahltem Gewebe nahm ich die 
Einwirkung der Radiumstrahlen in der gleichen, nicht einwandfreien 
Methode v. Wassermanns vor. Ich setzte einem mit Ringerscher 
Losung beschickten Reagenzrbhrchen von 0,5 cm Durchm. einige D-groBe 
Tuiuorstfickchen zu und gab in dieses einen, an einem Faden befestigten 
Mesothoriumzylinder mit einer Mesothoriummenge von 50 mg herein. 
Nach dreistiindiger Bestrahlungsdauer bei KorperwSrme gelangte die 
Meihylenblaumethode zur Anwendung. Ein Teil der Gewebstiickchen 
wurde wiederum durch Kochen abgetotet. 

Als Kontrolle wurde auch gekochtes, nicht bestrahltes Gewebe in 
gleicher Weise angesetzt. Ich beschickte die Reagenzrohrchen mit je 1 
und 2 ccm Methylenblaukochsalzlosung (6 Tr. 0,1-proz. w&Br. Methlylen- 
blaulos. auf 100 ccm physiol. NaCl-Los.) und iiberschichtete die FlQssig- 
keit nach Zusatz je eines Tumorstiickchens von D-GroBe mit Paraffin, 
liquid. 

Nach 24-8tflndigem Verbleiben im Brutschrank zeigt sich wiederum 


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120 


Ccntralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


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ein gleiches Verhalten der lebenden wie abgetoteten bestrahlten Gewebs- 
zellen. Beide entiSiben die Methylenblaukochsalzlosung in derselben 
Weise; auch den zur Kontrolle mit gekochten, nicht bestrahlten Tumor- 
stiickchen beschickten Reagenzrohrchen gegeniiber fiudet sich kein 
nennenswerter Unterschied in der Entfarbung der Methylenblaulosung. 
Man kann daher nicht nachweisen, ob das als lebend bezeichnete be- 
strahlte Gewebe wirklich noch Lebensfahigkeit hatte. Es blieb jedoch 
noch die Moglichkeit, daB die Bestrahlangsdauer eine zu kurze gewesen 
war. Ich bestrahlte daher gleich groBe Geschwulststuckchen 23 Stunden 
hindurch mit dem gleichem Mesothoriumpraparat im Reagenzglase bei 
Korperw&rme und benutzte sie zu einem weiteren, dem vorigen ent- 
sprechenden Versuche, fand jedoch gleiche Resultate. 

Es gait nunmehr, festzustellen, wie sich bestrahltes Tumorgewebe 
der Tellurldsung gegeniiber verhielt. In den ersten Versuchen dieser 
Art wurde zum Vergleiche lebendes, abgetotetes und bestrahltes Gewebe 
der Tellurkochsalzlosung — Kalium tellurosum 1:10000 in physiol. 
NaCI-Losung — zugesetzt. Die R 6 n t g e n - Bestrahlung des Mausetumors 
war in vivo nach der von Keysser angegebenen Methode (5) ausgefiihrt. 


Protokoll XI. 


Reagenzrohrchen mit je 5 ccm Kalium tellurosom 1:10000 in physiol. NaCl- 
Losung beschickt und je 1 Gewebsstiickchen von 0,2 g Gewicht zugesetzt. 


Lebendes Tumorgewebe 


Gekochtes Tumorgewebe 


Bestrahltes Tumorgewebe, 
lebend 


Beobachtungsdauer nach Stunden: 


2 

, 4 

6 

20 

2 

4 

6 

20 

2 

4 

6 

20 

+ 

+ 

+ + 

+ + + 

_ 

_ 

_ 


+ 

+ 

+ + 

+ + 

+ 

+ 

+ 4- 

+ + + 

— 

r— 

— 

— 

+ 

+ 

+ + 

+ + 

+ 

+ 

+ + 

+ + + 

— 

— 

— 

— 

+ 

+ 

+ + 

+ + 


Zeichener k laru n g: + beginnender schwiirzlicher Ueberzug an einzelnen 
Stellen des Gewebsatiickes; ++ tiefschwarzer Ueberzug in weiter auagedehntem Malle; 
+ + + vollkommene Schwarzfarbung; — keine Reduktion. 


Auf dem lebenden Gewebe lieB sich also schon nach 2 Std. ein be¬ 
ginnender schw&rzlicher Ueberzug als Reduktionsvorgang nachweisen, 
der sich in Farbenton und Ausdehnung in der angegebenen Weise ver- 
starkte. Bei dem einem bestrahlten Tumor entnommenen Gewebsstiickcben 
lieB sich ebenfalls nach 2 Std. ein schwarzlicher Niederschlag erkennen, 
jedoch wurden im Reduktionsgrade nach 20 Std. Differenzen dem gewohn- 
lichen lebenden Tumorgewebe gegeniiber ersichtlich. Das gekochte Ge¬ 
webe blieb dagegen vollig unverandert. 

Fur den nachsten Versuch wahlte ich die bereits beschriebene Ver- 
suchsanordnung v. Wassermanns unter Anwendung des Kalium tellu¬ 
rosum als Indikator. 

Das Ergebnis war, daB die D-groBen, 3 Std. mit Mesothorium in 
vitro bestrahlten Ca-Stuckchen unverandert blieben, also keine Reduktions- 
fahigkeit mehr besaBen, wahrend die lebenden, nicht bestrahlten Zell- 
komplexe in den Kontrollrohrchen einen schwarzen Niederschlag auf- 
wiesen. Man kann danach, im Gegensatz zu v. Wassermann, an- 
nehmen, daB die Sekundarstrahlung so intensiv war, daB sie die Zellen 
restlos abtotete. Gamma-Strahlen konnten in der Zeit und in der 
Versuchsanordnung nicht zur Wirkung gelangen. Ein in gleicher Weise 


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Weise, Bioskopisehe Methoden im Reagenzglase usw. 


121 


angesetzter Versuch, bei dem die Geschwulststuckcheu einer 23-stiindig. 
Bestrahlung ausgesetzt wurden, liefi ebenfalls weder bei den lebenden, 
noch bei den abgetoteten, bestrahlten Zellkomplexen eine Niederschlags- 
bildung erkennen. 

Fur alle weitereu Versuche verwandte ich Gewebe von Tumoren, 
die in vivo einer intensiven Ront gen -Bestrahlung unterzogen waren. 

Von einem 10 Tage alten Mausetumor zerschnitt ich sofort nach 
10-std. Fernbestrahlung ein 0,2 g schweres Stiick in □-groBe Stuckchen 
und setzte sie einem mit 5 ccm der bekannten Kalium tellurosum-NaCl- 
LSsung beschickten Reagenzglase zu. Fur den Vergleichsversuch mit 
totem Gewebe standen nur einige ebenso groBe Ca-Stiickchen zur Ver- 
fOgung, die durch Kochen abgetotet waren, im Gesamtgewicht von 0,1 g. 
Bei den lebenden Zellen lieB sich trotz der Bestrahlung nach einigen 
Stunden eine schwarzliche Verfarbung nachweisen, die jedoch bei ein- 
zelnen Stuckchen ausblieb, so daB man anzunehmen berechtigt ist, daB 
diese durch die Bestrahlung so getroffen waren, daB sie aus der Lbsung 
metallisches Tellur nicht mehr zur Ausscheidung bringen konnten, also 
ihre Lebensfahigkeit verloren hatten. 

Da nach den entsprechenden Versuchen von Keysser bei Weiter- 
irapfung. desselben Tumormaterials auf gesunde Mkuse neue Karzino- 
sarkome sich entwickelten, so geht daraus hervor, daB trotz so intensiver 
Bestrahlung weder die Lebens- noch die Fortpflanzungsfahigkeit der 
tieferen Zellschichten vernichtet war, wenigstens nicht unmittelbar nach 
der Bestrahlung. Dies bestatigt auch der letzte Versuch mit Gewebs- 
material aus einem reichlich kirschgroBen Mausetumor, der einer 12V 2 -std. 
Fernbestrahlung in vivo ausgesetzt war. Die lebenden, bestrahlten Zellen 
vermochten nach kurzer Zeit Tellur als schwarzen Niederschlag zu bindeu. 
waren also noch am Leben, wahrend die durch Kochen abgetbteten Ge- 
webstflckchen unveriindert blieben. 

Protokoll XV. 

Turaorgewebe einer 12‘/ s -stund. Fernbestrahlung in vivo unterzogen. Von deiu 
Tumor wurde je 1 Stuckchen von 0 2 g Gewicht in ein Reagenzglaa gebracht, das mit 
5 ccm Kalium telluroaum 1:10000 in physiol. NaCl Losung beschickt war. 

Lebendes bestrahltes Tumorgewebe ' Dasselbe gekocht 


Beobachtungsdaner der Heduktion nach Stunden: 


1 2 

1 

4 

6 

8 

1 I 2 j 4 6 j 8 

+ | + | 

+ + 

+ + 


— ! — | — l — ! - 

+ 1 + 

+ + 

+ + 

+ + 

nicht angesetzt 


Zusammenfassung. 

1) Die bioskopisehe Methylenblaureaktion, die Neisser zur Fest- 
stellung der Lebensfahigkeit von Leukozyten angegeben hat, eignet sich 
nicht zum Nachweis der Lebensfahigkeit von Gewebe, insbesondere von 
Geschwulstgewebe. Denn die Methylenblaukoehsalzlosung wird durch 
lebendes wie gekochtes, also abgestorbenes Gewebe, in gleicher Weise 
entfarbt. 

2) Kalium tellurosum 1:10000 in physiol. NaCl-Losung ist ein zti- 
verlassiger Indikator zum Nachweis der Lebensfahigkeit von Tumor¬ 
gewebe. Denn in der wasserklaren Lbsung bildet sich nur bei lebenden 


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122 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


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Gewebsstiickchen ein schwarzer Niederschlag von metallischem Tellur. 
Abgestorbene Zeilen weisen keine Veranderungen auf. 

Eine Erklarung der Strahlenwirkung, wie sie v. Wassermann 
gegeben hat, namlich, daB die radioaktiven Substanzen bei der Krebs- 
zelle nur auf den Fortpflanzungs-, nicht aber auf den Ernahrungsapparat 
wirken, ist nach den Versuchsergebnissen als unhaltbar zu bezeichnen. 

Iiiteratnx. 

1) WrzoBek, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 43. 1907. S. 17. u. Bd. 44. 
8.607. — 2) Neisser u. Wechsberg, Miinchen. tned. Wochenschr. 1900. Nr. 37. — 
3) Gosio, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51. 1905. S. 65. — 4) Gloger, Centralbl. f. Bakt. 
Abt. 1. Orig. Bd. 40. 1906 8.584. — 5) Keysser, Miinchen. nied. Wochenschr. 1921. 
H. 1. — 6) A. v. Wassermann, Dtsch. med. Wochenschr. 1914. S. 524. 


Nachdruek vefboten. 

Ueber die Magendarmflora der flaustaube. 

[Tierphysiologisches Institut der Landwirtschaftlichen Hochschule 

zu Berlin.] 

Von Arthur Schcuncrt und Martin Schieblich. 

Bei vergleichend-physiologischen Studien fiber die Verdauung ist es 
unerlaBlich, den bakteriellen Vorgangen eine sorgfaltige Beachtung zu 
schenken, uDd somit notwendig, die Bakterienflora der einzelnen Magen- 
darmabschnitte kenuen zu lernen. Wahrend namlich bei Mensch und 
Hund bakterielle Vorg&nge erst im Dickdarm eine groBere Rolle spielen, 
sind solche bei alien herbivoren oder auch omnivoren Tieren, die rohe 
Nahrung zu sich nehmen, in alien Magendarinabschnitten recht betracht- 
lich. Schon im Magen treffen wir neben Kohlehydratgarung auch auf 
EiweiBfaulnis, deren beider Uinfang bis zu einem gewissen Grade von 
dem anatomischen Bau des Magens abhangt. Das Vorhandensein mehr 
Oder weniger groBer Magenabteilungen, welche keine salzsaurehaltigen 
Magensaft produzierende Schleimhaut besitzen, wie sie in Gestalt der 
Vormagen der Wiederkauer und des Hamsters ihre deutlichste Aus- 
pragung erfahren, gestattet uinfangreiche bakterielle Vorgange und weiter- 
hin bieten die auBerst geraumigen und kotnpliziert gebauten Endd&rme, 
in denen die noch nicht vollig verdauten Nahrungsreste lange verweilen, 
vorziigliche Vegetationsbedingungen fiir bakterielles Leben. Es sei weiter 
darauf hingewiesen, daB die Verdauung der Zellulose beim Wirbeltier 
lediglich ein Garungsvorgang ist. 

Diese Ueberlegungen waren es, die den ersten von uns veranlaBten, 
eine Iieihe von Untersuchungen iiber die normale Magendarmflora einiger 
Tiere vornehmen zu lassen. Diese erstreckten sich bisher auf Hamster, 
Wiederkauer und Pferd 1 ). 

1) Hopffe, A., Ueber das Vorkommen anaerober Faulniserreger im Magen, be- 
sonders im Pansen der Wiederkauer. (Bpr. ub. d. Veterinarw. i. Kgr. Sachsen, Jhrg. 
1909 S. 95) — Dies., Ueber die Bakterienflora ira Verdauungsschlauche von Cricetua 
frumentarius etc. (Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. f> 8 . 1911. 8 . 289.) — Dies., 
Beitrag zur Kenntnis der normalen Magendarmflora des Pferdes etc. (Zeitschr. f. In- 
fektionskrankheiten usw. d. Haustier 9 . Bd. 14. 1913. 8 . 307.) 



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/ 


Scheunert u. Schieblich, Die Magendarmflora der Haustaube. 123 


Besonderes Interesse beansprucht in diesem Rahraen die Darmflora 
der Vogel, fiber die wir nur wenig unterrichtet sind. Diese Tiere be- 
sitzen einen relativ kurzen Magendarmkanal, die Nahrung passiert den- 
selben ebenfalls relativ rasch und der mfichtige Muskelmagen bei den 
Granivoren unter ihnen, sowie die oft vorhandene Ausbildung langer, 
oft paariger Blinddfirme weisen auf einen abweichenden Verlauf der 
Verdauungsvorgange hin. Dazu kommt, daB vora Huhn bekannt ist, 
daB es keine Zellulose verdaut 1 2 3 * ) und ferner wissen wir, daB bei den 
Vfigeln der EiweiBstoffwechsel in anderen Bahnen als bei den Saugern 
verlauft. 

Wir unternahmen es deshalb, die obengenannten Studien auf die 
Vfigel auszudehnen und wahlten zunachst die Haustaube als Vertreter 
der Granivoren. Auf dieses Tier wurden wir noch durch andere uns 
beschaftigende Untersuchungen fiber die Vitaminfrage, bei denen wir 
der Darmflora aus Versuchsgrfinden besondere Beobachtung schenken 
maSten, hingewiesen. 

Bezfiglich der Haustaube stieflen wir in der Literatur nur auf eine Angabe von 
Kern’\ der unter zahlreichen Vogelarten auch eine Haustaube untersuchte, sich aber 
nur auf Magcn und Afterdarm dabei beschrankte. Im Magen der Taube fand er eine 
#ehr reichliche Flora, der Bac. subtilis, Bac. lacca, Bac. lentiformie, Bac. 

£ racilis,Bact. tenax,Bact. articul., Bact. gigant., Micrococcus pannosu8, 
L nitidus, M. ovalis, Sarcina radiata, B. lutea, 8. Bcbrbteri angeborten. 
Acs dem barm isolierte er Bact. gigant., Micr. annulatus, M. carnicolor, 
Bare, radiata und S. lutea. Auftalligerweise feblte Bact. coli. Dies ist utn so 
bemerkenswerter, als Bact. coli bei anderen Vogeln gefunden wurde und von Kern 
als fur die Vogel obligat bezeichnet wird. Fiir die Beurteilung der inie-tinalen Flora 
<to Vogel sind ferner die Angaben interessant, daB bei KSrnerfressern auffallig viel 
Mikrokukken, Hefe und Schimmelpilze gefunden wurden, und dafl die Bakterienflora 
eine weitgebende Abbangigkeit von der Nahrung aufwies. 

Aus diesen etwas spSrlichen Angaben ergibt sich ftir unsere Frage 
der Hinweis, daB die Taube vielleicht bezfiglich des Bact. coli eine 
Sonderstellung einnehmen kfinnte. Untersuchungen fiber obligate An- 
aerobier fehlen ganz. Diese sind aber gerade ffir die Fragen der ver- 
gleichenden Physiologie von groBer Wichtigkeit. Auffallend ist auch, 
daB die im Darmkanal weit verbreiteten Milchsaurebildner von Kern 
nicht mit aufgeffihrt worden sind, vielleicht also fehlen konnten. In 
diesem Zusammenhange erscheinen noch einige Angaben fiber die Darm- 
bakterien des Haushuhnes von Rahner 8 ) von Wichtigkeit: 

R. fand als einziges obligates Bakterium das Bact. coli. Dieses uahm im Ver- 
daoungstraktus nacb der Kloake stetig zu und war besonders reichlich in den Blind- 
racken vorbanden, wo alle anderen Bakterien ihm gegenuber fast ganz zuriicktreten. 
Im Magen fand sicb Bact coli noch nicht. Dort waren reichliche grampodnve 
Kokken, Bac. megatherium und grampositive Stabchen zu finden. Vom oberen 
Diinndarm an zeigte sich eine Veranderung der Bakterien flora durch Eintreten des 
Bact coli, neben dem noch gelegentlich Oidium lactis, Bac. megatherium 
nod andere fakultative Keime gefunden wurden. 

Unsere Untersuchungen hatten danach zunfichst die Aufgabe, die 
Ergebnisse K ern s an mehreren Tieren zu kontrollieren und weiter sie 
bezfiglich der obligaten Anaerobier sowie unter Eiubeziehung der In- 
balte der noch nicht untersuchten Abschnitte des Verdauungstraktus der 
Taube zu erg&nzen. 

1) Weiser u. Zeitachek, Pfliig. Arch. Bd. 93. 1902. S. 125. 

2) Kern, Beitrag zur Kenntnis acr im Darm und Magen der Vogel vorkommen- 
'i«» Bakterien. (Arb. a. d. Bakt. Inst. d. Teehn. Hochsch. Karlsruhe. Bd. 1. I8:i7.) 

3) Rahner, Bakt. Mitt fiber die Darmbakterien der Hfihner. (Centralbl. f. Bakt. 

Abt. I. Bd. 30. 1901.) 


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124 


Centralbl. f. Batt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 2. 


Die Ergebnisse der Untersuchungen, bei denen wir uns der iiblichen 
Methoden bedienten, sind in den folgenden Tabellen niedergelegt. Die 
Reihenfolge der Bakterien entspricht den quantitativen Verhaitnissen. 

Taube I. Dae Tier wurde bis zuletzt im offenen Schlage bei Maisfiitterung ge- 
halten. Die Totung erfolgte am 30. Sept. 1920. Die sterile Entuahme des Inhaltes 
der einzelnen Magendarmabschnitte echloil sich an. 

Driiaenmagen. 

Reaktion: 
schwach aauer 

Streptococc.acidi 
lactici Groten- 
feldt 1 ) 

Bac. mesenteri - 
cus (Fliigge) 

Lehmann und 
Neumann 
Bact. septicae¬ 
mias haemor- 
rhagicae H iippe 
Micrococcus pyo¬ 
genes a aureus 
(Rosenbach) 

Lehmann und 
Neumann 
Bac. vulgatus 
(Fliigge) Migula 
Bact herbicola 
aureum Burri u. 

Diiggeli 
Actinomyces 
ehromogenes 
Gasparini d al- 
bus L. u. N. 

Schimmelpilze 
(Aspergillus) 

Eine Untersuchung auf anaerobe Keime wurde bei dieser Taube 
nicbt vorgenomnien. Das Auitreten des Bacterium septicaem iae 
haemorrhagicae im normalen Taubeukot wurde bereits von Gama- 
leia festgestellt. Moglicherweise bat das Tier den Iveim beim Trinken 
von Wasser aus der nahe dem Institut voriiberfliefienden Panke auf- 
genommen, in dem von Gaffky der Organismus ebenfalls nachgewiesen 
wurde 2 ). 

Die Untersuchung auf Anaerobier ergab das vdllige Feblen von 
EiweiBfaulniserregern sowie Buttersaurebildnern. Es wurden lediglich 
ein Milch bei schwach saurer Reaktion koagulierender Vertreter der 
„Lang< n Milchsaurebakterien* in alien Abschnitten des Verdauungstraktus 
mit Ausnahme des Duodenums und einmal (kaudaler Dunndarmabschnitt) 
Bacillus acidophilus Finkelstein isoliert. 

Um nun gleichzeitig festzustellen, ob eine andere Umgebung der 
Tiere, ein anderes Klima oder, um mit dem Ziichter zu sprechen, eine 

1) Der vollstandige Name jedes Bakteriums ist nur bei der erstmaligen Anliih- 
rung genannt. 

2) Lehmann u. Neumann, Atlas und Grundrifl der Bakteriologie etc. Teil 2. 
Miinchen 1920. S. 279. 


_ o„ Mittlerer Diinn- Kaud. Diinn- n . , , 

Muskelmagen. i ktion . 8c h w J ch darmabschnitt. darmabschnitt. aktl0n d “ J hw 

Reaktion: sauer ...• . Reaktion: schw. Reaktion: schw. , 

alkalisch alkali8ch alkali8ch alkahsch 


Micrococcus pyo¬ 
genes y albus 
(Rosenbach) L. 
u. N, 

Streptococcus 
aciai lactici 
Bac. ruminatus 
A. Meyer und 
Gottheil 
Bac. meseuteri- 
cus 

Actinomyces. 
Bact. herbicola 
aureum 
Schimmelpilze 
(Fenicillium, 
Aspergillus) 


Streptococcus 
acidi lactici 
Bac mycoides 
Fliigge 

Bac. mesenteri- 
cus 

Bac. vulgatus 
Bac. megathe¬ 
rium de Bary 
Bac. ruminatus 
Bac. graveolens 
A. Meyer und 
Gottheil 
Actinomyces. 
Schimmelpilze 
(Penicilhum 
Mucor) 

Hefe 


Bac. mesenteri- Bac. mesenteri- Streptococcu 


cus 

Streptococcus 
acidi lactici 
Bac. vulgatus 
Bac. megathe¬ 
rium 

Bac. mycoides. 
Actinomyces. 
Schimmelpilze 
(Penicillium, 
Aspergillus, 
Mucor) 

Hefe 


cus 

I Bact. septicae- 
miae haemor- 
j rhagicae 
' Bac. mycoides 
Bac. megathe¬ 
rium 

Streptococcus 
acidi lactici 
Bac. vulgatus 
Actinomyces 
'Schimmelpilze 
| (Mucor, Asper 


ptreptococcu 
aciai lactici 
IBact. septic) 
miae haemi 
rhagicae 
Bac. vulgatu 
Bac. mesenti 
cus 

Bac. mycoid( 
Bac. ruminal 
Micrococcus 
seus (Bunin 
L. u. N. 
Schimmelpils 
(Aspergillu- 
Mucor) 

Hefe 



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Scheunert u. Schieblich. Die Magendarmflora der Haustaube. 125 


Taabe II. Das Tier wurde zwecks moelichster Ausschaltung derartiger zufal- 
liger Keime vor der Totung ca. 14 lage bei Maistiitterung im geschlo6senen Sehlage 
gehalten. Die sterile Entnahme der Inhalte erfolgte am 3. Nov. 1920 nach der Totung. 


'risenmengen. 
eahion: saner 


Muskelmagen. 
Reaktion: kraftig 


uauer 


Duodenum. Re- 
aktion: schwacb 
sauer 


laocoocus pyo- 
jenei y albus 
it. mesenteri- 

it_ mycoides 
tnptococcos 
icidi lactici 
iciaium puti- 
iara Fliigge 
ctmomyces 
dcrococcus con¬ 
st) tncua Zim- 
r.ermann 
•imnaielpilze 
Aspergill us.Pe- 
Hfiilinm) 


Bac. vulgatus 
Bac. mycoides 
Bac. mesenteri- 
cus 

Streptococcus 
aciai lactici 
Micrococcus pyo¬ 
genes y albus 
Actinomyces 
Micrococcus ro- 
settaceus Zim¬ 
merman n 
Bac. anthracoi- 
des Hiippe 
Wood 

Schimmelpilze 

(Penicillium, 

Aspergillus) 


u. 


Mittlerer Diinn- 
darmabschnitt. 
Reaktion: schw. 
alkalisch 


Bac. vulgatus 
Streptococcus 
acidi lactici 
Actinomyces 
Micrococcuscan- 
dicans Fliigge 
Schimmelpilze 
(Mucor, Peni¬ 
cillium, Asper¬ 
gillus) 


Bacillus butyri- 
cus Hiippe 
Micrococcus can- 
dicans 

Streptococcus 
acidi lactici 
Micrococcus lu- 
teus L. et N. 
Bacillus fusifor- 
mis A. Meyer] 
et Gottheil 
Actinomyces( wie 
bisher) 

Bac. vulgatus 
Bac. mycoides 
Bac. mesenteri 
cus 

Micrococcus sul- 
fureus Ztmmer- 
raann 

Ein Streptococ¬ 
cus ruuco-us 
Actinomyces 
chromogenes 
Ga u perini 
Schimmelpilze 
(Penicillium, 
Mucor) 

Taube III. Getotet am 17. Dez. 1920. 


Kaud. Diinn- 
darmabschnitt. 
Reaktion: al¬ 
kalisch 


Dickdarm. Re¬ 
aktion: alkalisch 


Actinomyces 
chromogenes 
Gasp, ft albus 
L. et N. 
Micrococcus can- 
dicans 

Micrococcus lu- 
teus 

Streptococcus 
acidi lactici 
Bac. vulgatus 
Bac. mycoides 
farcin a lutea 
FI iiggeem. Leh¬ 
mann el Stuben- 
rath 

Schimmelpilze 

(Penicillium, 

Mucor) 


Actinomyces 
chromogene6 
Gasp, ft albus L. 
u. N. 

Streptococcus 
aciai lactici 

Micrococcus lo- 
teus 

Bac. mesenteri- 
cus 

Actinomyces 

chromogenes 

Gasperiui 

Schimmelpilze 
(Penicillium, 
Mucor) 


Drnsenmagen. 
eakt.: schwach 


sauer 


Muskelmagen 
Reaktion: sauer 


I 


Duodenum. Re¬ 
aktion: neutral 


kill us mycot¬ 
ic* 

r. carotarum 

Koch 

ir. vulgatus 
u. graveolens 
trteriam coll 
F.-fherich) L. 
a N. 

callus cereus 
Frinkland 
•c. mesenteri- 
:o» 

tcrococcus lu- 
leus 

tier. aurantia- 
eos Cohn 
•rcina alba 
?iminermann 
treptocnccus 
•ciili lactici 
bn lias casei 
Adametz 
ninomyces 


Bac. mycoides 
Bac. carotarum 
Bac. vulgatus 
Bac. casei 
Bac. subtilis 
Cohn 

Bac. mesenteri- 
cus ruber 
Globig 

Micrococcus lu- 
teus 

Micr. bicolor 
Zimmermann 
Micr. albus Mat- 
zuschita 
Bacterium coli 
Bact. latericium 1 
(Adametz)L. et 


Micrococcus 
acidi lactis 
KrQger 
Bac. subtilis 
Bact. latericium 
Bac. mycoides 
Bac. tumescens 
Zopf 

Bacterium Zopfii 
Kutth 

Bacillus subeer- 
ratus Kern 
Micrococcus can- 
dicans 

Sarcina lutea 
Bact. coli 
Bac. vulgatus 
Actinomyces 


I 


Mittlerer Diinn- 
darmabschnitt. 
Reaktion: neu¬ 
tral 

Bac. mycoides 
Bact. latericium 
Bac. subtilis 
Bac. carotarum 
Bac. squamosus 
Pansini 
Bac. subserratus 
Bac. casei 
Micrococcus au- 
rantiacus 
Micrococcus bi¬ 
color 


Kaud. Diinn- 
darmabschnitt. 
Reaktion: neu¬ 
tral 


Dickdarm. Re¬ 
aktion: neutral 


Bac. subserratus 
Bac. carotarum 
Bact. latericium 
Bac. mycoides 
Bac. Iloccosus 
Kern 

Bac. graveolens 
Bac. casei 
Streptococcus 
aciai lactici 
Micrococcus lu- 
teus 

Micrococcus cau- 
dicans 

Bac. mesenteri- 
cus ruber 
Bac. megathe¬ 
rium 

Bac. Ellen- 
bachensisStutz. 
Bac. vulgatus 


Bac. mycoides 
Ein Paracoli- 
stamm 

Bac. butyricus 
Bac. squamosus 
Bac. casei 
Bac. mesenteri- 
cus ruber 
Micrococcus bi- 
color 

Bact. lactis aero- 
genes Escherich 


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126 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 

andere Scholle einen wesentlichen EinfluB auf die Bakterienflora aus- 
uben, wurden 2 Tauben (Tab. Ill u. IV) in Dresden mit demselben 
Mais wie I u. II gefiittert und unter denselben Bedingungen wie Taube II 
gehalten und dort in gleicher Weise untersucht'). 

Die Untersuchung auf Anaerobier zeitigte den von Taube II durch- 
aus Shnliche Ergebnisse. EiweiBf&ulniserreger und Buttersaurebildner 
fehlten vollig. Die beiden Magen ausgenommen fand sich im ganzen 
Verdauungsschlauch ein Milch bei schwach saurer Reaktion koagulieren- 
des „Langes MilchsSurestabchen“. 


Taube IV. Getotet am ]8. Jan. 1921. 


Driisenmagen. 
Reakt.: schwach 
sauer 


I 


Muskelmagen. 
Reaktion: stark 
sauer 


Duodenum. Re¬ 
aktion : sauer 


Mittlerer Dtinn- 
darmabschnilt. 
Reaktion: neu¬ 
tral 


Bac. carotaium 
Bac. cereus 
Bac. megathe¬ 
rium simulaus 
Matzuschita 
Bac. casei 
Bacterium acidi 
lactici Hiippe 
Bact. lactm aero- 
genes 

Bac. Ellen- 
bachensis 
Bac. mycoides 
Bac. subtilis 
Ein Paracoli- 
Stamm 
Bac. vulgatus 
Micrococcus au- 
ranliacus 
Bac. polymyxa 
Prazmowsky 


Mac. mycoides 
Micrococcus lu- 
teus 

Bac. cereus 
Bac. lutulentus 
Kern 

Streptococcus 
acidi lactici 
Bac. vulgatus 
Sarcinen 


Bac. tenax. Kern 
Bac. subtilis 
Bac. mycoides 
Bac. floccosus 
Bac. subserratus 
Micrococcus can- 
dicans 

Sarciuamirabilis 

Kern 

Bac. me6enteri- 
cus 


Bac. megathe¬ 
rium simulans 
Bac. mesenteri- 
cus 

Bac. squamosus 
Bac. mycoides 
Bac. lutulentus 
Micrococcus lu¬ 
te us 


Kaud. Diinn- 
darmabschnitt. 
Reaktion: neu¬ 
tral 


Bac. vulgatus 
Bac. mycoides 
roseus Scholl 
Bacterium lute- 
urn List. 

Ein deni Bacillus 
lacca Kern nahe 
stehender Orga- 
nismus 

Bac. megathe¬ 
rium 

Bac. mesenteri- 
cus ruber 
Bac. mycoides 
Bac. squamosus 
Bact. putidum 


Dickdarm. Re^ 
aktion: neutral 


Bact. coli 
Bac, subtilis 
Bact. acidi lactici 
Bac, mycoides 
Bac. squamosun 
Bac. vulgatus 
Streptococcus 
acidi lactici ^ 
Micrococcus Iu- 
teus 

Bac. floccosus 

Actinomyces 

Hefe 


Die Ergebnisse der Untersuchungen auf Anaerober sind dieselben 
wie bei Taube III. Das „Lange Milchsaurestabchen 11 fand sich diesmal 
nur iin Driisenmagen und im Duodenum. 


SchluBbetrachtung. 

Vergleichen wir die Bakterienflora des Verdauungstraktus der Taube 
mit der des Mensehen und der Hauss&ugetiere, so finden sich ganz 
wesentliche Unterschiede. 

Beziiglich der aero ben Darmbakterien fSllt sofort auf, daB 
das bei Mensch und Haussiiugetieren obligate, in einigen Abschnitten 
des Verdauungsschlauches bei weitem dominierende Bact. coli bei 
den Tauben entweder vollig fehlt oder zumindest eine 
ziemlich untergeordneteRolle spielt, also nicht als obli- 
gat zu bezeichnen ist. Der gleiche, von Kern an einer Taube 

1) Herrn Geheimen Rat Prof. Dr. Ellenberger und meiner ehemaligen Assistentin, 
Schwester A. Hopffe, dauke ich fiir die dabei gewahrte Unterstiitzung. 


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Scheunert u. Schieblich, Die Magendarmflora der Haustaube. 127 

erhobene Befund war also kein Zufall, sondern ist nunmehr als die 
Regel sichergestellt. Anders verhait es sich mit den Milchsaurebak- 
terien. Wenn auch Bact. acidi lactici und Bact. lactis aero- 
genes stark zuriicktreten, so ist der Streptococcus acidi lactici, 
im ganzen Verdauungstraktus oft mit an erster Stelle gefunden worden; 
wir mochten ihn deshalb als obligat bezeichnen. Die Hauptmasse 
der Bakterienflora macht jedoch eine bunte, mit der Nahrung, Wasser 
und Steinchen aufgenommene, fakultative Flora aus, unter welcher Erde 
und Pflanzen bewohnende Bazillen, Mikrokokken und Aktinomyzeten 
eine vorherrschende Stellung einnehmen. Von hoher stehenden pflanz- 
lichen Organismen wurden Hefen und verschiedene Schimmelarten ofter 
gefunden. Diesbezilglich werden also die oben zitierten Angaben von 
Kern voll bestatigt. 

Die Betrachtung der anaeroben Darmbakterien zeigt den 
Unterschied zwischen den Tauben einerseits und Mensch und HaussSuge- 
tieren andererseits noch in bei weitera sch&rferen Licbte, insofern als die 
bei diesen obligaten Eiweifif&ulniserreger und Butters&urebildner bei der 
Taube vSllig fehlen. Eine typische EiweiBfSulnis erscheint dem- 
nach im Verdauungstraktus der Taube so gut wie ausge- 
schlossen, zumal auch aerobe EiweiBfaulniserreger mit einer einzigen 
Ausnahme (Bact. Zopfii, Taube III, Duodenum) niemals isoliert wer¬ 
den konnten. Dies scheint insbesondere auch deshalb bemerkenswert, 
weil vom mittleren DQnndarmabschnitt ab die Reaktion des Darminhaltes 
alkalisch oder neutral, also fiir die Entwicklung der Faulniserreger 
gilnstig gefunden wurde. Die Untersuchung auf Anaerobier ergab aber 
stets in den meisten Abschnitten des Verdauungskanales die Anwesen- 
heit eines Vertreters der „Langen Milchsaurebakterien tt , der 
Milch bei schwach saurer Reaktion koagulierte, und den wir als fiir die 
Taube obligat bezeichnen mochten. 

Eine bemerkenswerte Besonderheit der Darmflora der Haustaube 
ist ferner darin zu erblicken, daB ein grunds&tzlicher oder wenigstens 
auffalliger Unterschied zwischen der Flora der einzelnen Abschnitte des 
Verdauungsschlauches nicht gefunden wurde. 

GroBere Unterschiede zwischen der Darmflora von in offenem und 
geschlossenem Schlage gehaltenen und in verschiedenen Gegenden unter- 
suchten Tauben waren nicht zu verzeichnen; nur die fakultative aerobe 
Flora wich bei den Dresdener Tauben von der der Berliner etwas ab, 
auch schien bei ersteren die aerobe Milchsaureflora etwas zuruckzu- 
treten. 


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128 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


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i Nachdruck verboten. 

Beitrage zur Kenntnis der Stechmuckenparasiten 

[Aus dera Forschungsinstitut fiir angewandte Zoologie, Miinchen.] 
Von Dr. Fritz Eckstein. 

Mit 1 Tafel und 4 Abbildungen im Text. 

Schon mehrfach hatte ich Gelegenheit, bei meinen Untersuchungen 
an Stechmucken mit Parasiten befallene Larven zu beobachteu. Im 
folgcnden m&chte ich ganz kurz iiber einiges Bemerkenswerte dartiber 
berichten, soweit ich nicht schon frillier darhber gesprochen habe. 

Zum Teil liegen die Beobachtungen inehrere Jahre zurlick; damn 
handelt es sich urn einzelne kleinere Befunde, die ich eigentlich weiter 
verfolgen wollte, an deren Weiterbearbcitung ich aber durch die poli- 
tischen Verhaltnisse verhindert wurde; dies gilt fUr die beiden zunachst 
behandelten Parasiten, die ich in der Nahe von StraBburg i. E. land. 

Zunachst beobachtete ich in den Larven von Anopheles ma- 
culipeunis eingekapselte Cerkarien eines D is to mum (1916). Leider 
war es mir damals wegen Mangel an Zeit nicht moglich, mich eingehen- 
der mit dem Fund zu beschaftigen, Ztichtungsversuche usw. anzustellen. 
Aus den Notizen und Zeichnungen, die ich noch besitze, geht folgendes 
hervor: 

Unter einer groBeren Zahl von Larven von Anopheles maculi- 
pennis, die ziemlich erwachsen waren, fanden sich in einigen auf den 
Seiten des Thorax in der Nahe der Insertionsstelle der langen Seiten- 
borsten kleinere Zysten, in denen sich lebhaft je 1 Cerkarie bewegte, 
Praparierte man diese Zysten heraus und offnete sie, so entschlttpfte 
ilinen ein Distomum, der sich sofort lebhaft im Wasser bewegte* 
Der Bauchsaugnapf befiudet sich kurz hinter der Mitte und ist etwa 
von gleicher GrdBe wie der am Vorderrande befindliche Mundsaugnapf. 
Die Gabelung des Darms licgt nur ziemlich kurz vor dem Bauchsaug¬ 
napf. In jeder befallenen Anophele s-Larve befanden sich 3—6 
Wurmer. Ob es sich bei diesem Distomum um dieselbe Art ge- 
handelt hat, die Huge beschrieb, vermag ich nicht anzugeben, doch 
schien mir die Mitteilung hauptsachlich wegen der Mitteilung des 
Fundortes von einigem Interesse. 

In demselben Jahr fand ich, ebenso wie in den folgenden, 1917 und 
1918, in einer kleinen Brutstelle in der Nahe von StraBburg einen Para¬ 
siten, dessen Deutung auf einige erhebliche Schwierigkeiten stoBt, um- 
somehr, als es sich bei jedem Funde in dera kleinen Tumpel stets nur 
um ein paar infizierte Muckenlarven handelte, wahrend die anderen zahl- 
losen Larven alle gesund zu sein schienen. Die beiden Muckenbrut- 
stellen, in denen die infizierten Larven waren, liegen etwa bO m aus- 
einandcr: wahrend in der dortigen Gcgend in der ndchsten Umgebung 
der beiden Tbrnpel sich eine groBe Zahl weiterer vorfindet, sind die 
infizierten Larven nur in diesen beiden — und zwar regelmaBig — 
anzutreffen. 

Die infizierten Larven von Aedes cinereus und Culicada 
vexans fallen schon bei sorgfaltigerer Beobachtung der Wasserober- 



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Eckstein, Beitrage zur Xenntnis der Stechmiickenparasiten. 


129 


flache der genanuten Brutstellen durch ihre eigentdmliche gelblichrote 
Verfarbung sowie ihre auBerst langsamen Bevvegungen auf. Untersucht 
mau eine solche Larve dann genauer, zur vorlaufigen Feststellung genugt 
eine starkere Tascheulupe, so ergibt sich folgendes Uberraschende Bild: 

Die einzelnen Korpersegmente erscheinen stark gewolbt and ausein- 
andergezerrt und vollkommen von kleinen, braunroten, ovalen Korper- 
cbeu erftillt, deren GrbBe etwa 0,1 mm betragt. Unter dem Mikroskop 
zeigt sich, daB alle Teile der Larven mit diesen Gebilden geradezu 
vollgestopft sind; nicht nur der Darm, soweit man davon noch reden 
kann, sondern auch die Leibeshohle, ja sogar der Kopf sind angefiillt 
mit diesen Organismen; in mehr oder weniger groBer Zahl finden sie 
sich sogar in dem Atemrohr (vgl. Abb. 2). Erstaunlich ist mir, wie 
die Schnakenlarven bei einem derartig ttberraschend starken Befall mit 
verhaltnismaBig groBen Parasiten — ich zahlte in 1 Fall 952 „Zysten“ 
— sich noch so lange am Leben erhalten kounten; allerdings kamen auch 
die Larven, soweit ich an den wenigen gefundenen Exemplaren beob' 
achten konnte, nicht zur Verpuppung, sondern gingen vorher — sie be- 
fanden sich alle im letzten Larvenstadium — zugrunde; dies erscheint 
bei diesem Massenbefall auch durchaus das Nauirliche, da schon rein 
mechanisch eine Umbildung ausgeschlossen erscheint. 

Die ovalen Gebilde sind flachgedrilckt eifbrmig, in der GrbBe etwas 
schwankend. Meist sind sie etwa 0,1 mm lang, 0,06 mm breit. Um- 
schlossen werden sie von einer ziemlich festen, etwa 0,03 mm dicken 
Htllle, die allseitig gleich dick ist und eine feine, quere, d. h. senk- 
recht zur Oberflache gerichtete Streifung erkennen laBt. In vielen 
Fallen laBt sich an den einzelnen Organismen eine mehr oder weniger 
starke Biegung oder Wolbung in der Langsrichtung erkennen, was ihnen 
ein kahnformiges Aussehen verleiht und an Pseudonavicellen crinnert. 

Ini Innern befindet sich meist ein mehr oder weniger groBer 
Korper, der in nur ganz wenigen Fallen das Lumen auszufiillen scheint, 
wahrend er meist nur etwa V 3 des Raumes einnimmt. 

Mit der Frage nach der Art des Parasiten steht im engsten Zu- 
sammenhang die Frage nach der Art und Weise der Infektion mit den 
vielen hundert Organismen, die bei dem Fehlen jeglichen weiteren Be- 
obachtungsmaterials leider nicht so ohne weiteres mit Sicherheit fest- 
zustellen ist. 

Allem Anschein nach kann es sich nur um Vermehrung des Tieres 
innerhalb des Wirtes handeln, denn ein Eindringen von parasitaren 
Organismen in solchen Mengen ist wohl von vornherein von der Hand 
zu weisen. Dadurch wird eine Gruppe von parasitar lebenden Formen 
vor den anderen ausgeschieden; es kommen also wohl nur Warmer 
und Protozoen, und unter diesen wahrscheinlich wieder nur die Sporo- 
zoen, vielleicht auch Infusorien, in Frage; wahrscheinlich handelt es sich 
auch bei dem vorliegenden Organismus um Gregarinen. Allerdings 
weisen die „Zysten“ auch eine groBe Aehnlichkeit mit Wurmeiern 
auf; solltc es sich um solche handeln, so ware vielleicht an einen 
Verwandten der Mermiliden zu denken. Wahrscheinlich handelt es sich 
aber um eine Gregarine, vielleicht um eine ahnliche Form, wie sie 
Gtinthcr als Ficalbia Dofleini beschrieben hat. Mit Sicherheit 
werden aber nur weitere Untersuchungen zur genauen Identifizierung 
ftihren kflnnen; immerhin erschien der Befund einer derartig starken 
Infektion, die zudem noch zum Tode des infizierten Organismus ftthrt, 
der Beachtung wert (vgl. Tafel Fig. 1 u. 2). 

Rr«tc Abt. Ori e . Bd. SS. Heft 2. 9 


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130 


Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


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1m Laufe ties letzten Sommers (1920) fand ich nun noch infizierte 
Stechmuckenlarven, und zwar Larven von Culex pipiens, die ver- 
schiedene Wiirmer als Parasiten beherbergten. In 2 Fallen land icli im 
Abdomen der Larven Nematoden, die jedoch wegen Mangels der Aus- 
bildung ihrer Geschlechtsorgane nicht bestimmt werden konnten; ob es 
sick dabei um den von Stiles bei Leipzig in Cul. nemorosus ge- 
fundenen Agamostomum culicis handelt, den auch Leuckart. 
sclion beobachtet hatte, ist daher unsicher; wesentlich scheint die Beob- 
achtung von Stiles, daB die infizierten Tiere sichtlich unter der Para- 
siteninfektion lei den; Leuckart glaubte sogar, einen Zusammenhang 
zwischen dem geringeren Auftreten der Stechmucken und groBerer 
Infektion des Wirtes feststellen zu konnen. Die wenigen infizierten 
Exemplare, die ich fand, lieBen eine merkliche Schadigung durch die 
Infektion nicht erkcnnen. Sie befandan sich im Abdomen der Larven; 
gleichzeitig untersuchte Puppen und Imagines von der dortigen Brut- 
stelle lieBen keine Infektion mit dem Nematoden erkennen. Allem An- 
schein nach war derselbe auch nur in ganz wenigen Exemplaren vor- 
handen. Gleichzeitig in demselben Tiimpel lebende Larven von An. 
maculipennis und bifurcatus sowie von Culex territans waren, 
soweit ich beobachten konute, nicht mit dem Nematoden infiziert. 

Dagegen waren letztere, ebenso wie die Larven von Culex 
pipiens, haufiger infiziert mit einem Trematoden. 

Es handelte sich um eine kleine Brutstelle am Bande des Mur- 
nauer Mooses, einem kleinen, etwa 1 qm groBen, bis ca. 30 cm tiefen 
Quellsumpf, dessen Boden sich aus vermodertem Eichen- und Buchen- 
laub mit vereinzelten Fichtenresten zusammensetzt. In diesem Tdmpel 
selber findet keine Vertorfung statt, im Gegensatz zu den zahlreichen 
auderen kleinen Tumpeln der weiteren Umgebung, in denen keine 
Miickenlarven sich aufhielten. In der naheren Umgebung ist kein 
dcrartiger Tiimpel mehr vorhanden. Die Umgebung des Tumpels bil- 
den Viehweiden und zweifellos ist auch das Wasser bis zu einem ge- 
wissen, jedoch geringen Grade durch Jauche verunreinigt. 

Wie auch in den Larven von Anopheles maculipennis sind 
die eingekapselten Trematoden in den Larven von Culex pipiens im 
allgemeinen nur in geringer Zahl vorhanden. Meist finden sich in 
einer Larve 4—7 Wiirmer. Gewdhnlich sind der Thorax, und die 
vorderen Abdominalsegmente frei von Parasiten, die sich meist vom 
4.—5. Hinterleibssegment an in den infizierten Larven befinden. Sie 
liegen in das Gewebe eingebettet, von oben gesehen, meist am Sciten- 
rand der Larven. Die Wurmzyste ist hell, klar und iurchsichtig, 
ebenso wie der in derselben liegende Wurm. Meist kann man an 
diesem eine mehr oder weniger lebhafte Bewegung innerhalb der Zyste 
wahrnehmen, in der er gewohnlich kreisformig zusammengerollt liegt. 
Mund- und Bauchsaugnapf sind deutlich zu sehen, meist der auch etwas 
dunkler gefarbte, gabelig geteilte Darm, dessen Gabelung etwas vor 
der Mitte des Tieres sich befindet. Der Mundsaugnapf liegt an der 
Stello einer leichten Einbuchtung des vorderen Endes. Die Wurmzyste 
hat eine GroBe von ca. 0,15 mm. Wird der Wurm aus der Larve 
herausprapariert, was sehr einfach durch Anstechen derselben mit einer 
Nadel auszufuhren ist, und sticht man auch noch die Zyste an, um 
den Trematoden frei zu bekommen, so beginnt sich derselbe sofort 
auBerst lebhaft zu bewegen, durch Kontraktionen des Korpers in der 
Langsrichtung, durch die er sich bald auf et.wa das 3 facile seiner 



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Fig. 1. Fig. 2 b. * 

Fig. 1. Culex pipiens, Larve mit Trematoden infiziert. 

Fig. 2a und b. Junge Dislomen aus der Lunge von Bombinator igneus. 

Fig. 3. Erwachsenea Distomum el I i p t icu m (variega turn 1) aus Bom bi - 
nator igneus. 

Fig. 4. Eier von Distomum ellipticum (variegatum). 

So viel fiber den enzystierten Wurm (vgl. Tafelfig. 3 und Text- 
figur 1—4. 

Natflrlich rauBte es von Intcresse sein, nach MOglichkeit die weite- 
ren Schicksale des Wurmes zu verfolgen, radglichst die Entwickelungs- 

9* 


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132 


Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


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reihe resp. den Generations- und Wirtswechsel festzustellen. Da war 
es die nachste Aufgabe, festzustellen, in welchem Entwickelungsstadium 
der Stechraiicke der enzystierte Wurm zu finden sei. 

Es zeigte sick bald, dak auch Puppen und die Miicken selhst 
infiziert waren, und dak so die Infektion von den ersten Larvenstadien 
der Schnaken an gleickmakig auf alle Entwickelungsstande sich er- 
streckte. Zur Weiterentwickelung mukten daher die Wlirmer wohl in 
ein Tier kommen, das auck Steckmtickenimagines aufniramt. 

In der Literatur findet sick nun die Angabe (Huge 1903, Ales- 
sandrini 1909), dak eingekapselte Schnaken-Cerkarien — solange 
sie sick in der Larve befinden, wahrscheinlick von Fiscken —, wenn 
sie in Imagines sick aufkalten, wakrsckeinlick von Fledermausen auf- 
genommen werden. Fiscke waren okne weiteres auszuscklieken, denn 
erstens gingen die Trematoden ja in die Imagines fiber, dann aber 
sind in dem kleinen Quellsumpf keine vorhanden. Es gait daher, nach 
Moglickkeit die Uebertragung auf Fledermause festzustellen. All ein auch 
damil kam ich nicht zum Ziel, denn trotz sorgfaltigster Beobacktung 
an mekreren Abenden waren in der ganzen Umgebung der Brutstelle 
keine solchen zu beobachten. Fledermause scliienen mir daher auch 
kaum in Frage zu kommen. Dagegen brachte mich folgende Beob- 
achtung vielleicht einen Schritt weiter: Ich sail, wie eben ausgeschlilpfte 
Stechmtlckcn, cfcf und 99. wahrend sie nock von Graskalm zu Gras- 
halm flogen, von Unken (Bombinator igneus) gefangen wurden, 
deren es an dem Tttmpel eine Anzahl gab, die einzigen Vertreter der 
Amphibien an dieser Stelle. Die innere Untersuckung von 5 dieser 
Unken (7 waren im ganzen vorhanden) zeigte, dak dieselben ausnahmslos 
von Trematoden infiziert waren, die sich meist in Mehrzahl in ver- 
sckiedener Groke in deren Lungen vorfanden; andere Organe, wie die 
Harnblase usw., waren nicht befallen. In den infizierten Lungen war 
gewoknlich eine Anzahl kleiner und kleinster Stadien, meist jedoch nur 
1 erwachsener Wurm, vorhanden, dessen Bestimmung zunachst einige 
Schwierigkeiten machte. Bei den kleineren Individuen waren namlich 
ausnahmslos 2 Saugnapfe vorhanden, wkhrend bei den erwachsenen 
zunachst nur 1, der Mundsaugnapf, zu sehen war. Vielleicht handelt 
es sich bei diesen Trematoden urn dieselbe Form, die im Jugendstadiuin 
in den Stechmiicken vorkommt; dies lakt sich selbstverstandlich mit 
Sicherheit nur nach experimentell durchgefuhrter Infektion der Miicken- 
larven oder der Unken nachweisen. Eine solctie Untersuchung hatte 
ich zur Bestatigung meiner damaligen Annahme in diesem Sommer 
durchfiihren wollen; leider wurde dies jedoch dadurch zur Unmbglich- 
keit, dak die kleine Schnakenbrutstelle, um die es sich liandelte, zu- 
geschiittet wurde. So bin ich gezwungen, ohne eine sichere Grundlage 
fur die Annahme ^u haben, dak es sich bei den einzelnen Entwickelungs- 
stadien der Trematoden um dieselbe Art handelt, den von mir in der 
Unke gefundenen Trematoden kurz z.u beschreiben, was um so eher 
berechtigt zu sein scheint, als die Funde von Trematoden in Bom¬ 
binator ziemlich vereinzelt sind, und die von mir gefundenen Exem- 
plare in manchen Punkten von den bekannten Formen abzuweic.hen 
scheinen. 



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Eckstein, Beitrage zur Kenntnis der Stechmiickenparasiten. 


133 


Anhang: Zur Kenntnis von Pneumonoeces variegatus Rud. 

(Monostomum ellipticum Rud.). 

Es gibt iiber die in der Unke vorkommenden Trematoden schon 
eine ganze Reihe von Angaben, die jedoch, was die neuere Zeit angeht, 
zum Teil recht weit auseinandergehen. 

Die 1. Angabe findet sich bei Zeder (a. d.), dessen kurze Beachreibung wenig 
Charakteristisches erkennen laSt, zuraal sie erst nach der Erinnerung erfolgte. Er hat 
dort ein Monostomum ellipticum beschrieben; ihm folgen dann die ebenfalls 
kurzen Angabeu von Rudolphi, der eine genauere Beachreibung gab. Bei den zu- 
nachst folgenden Beobachtungen handelte es sich zunachst darum, festzustellen, ob 
wirklich nur ein einziger fciaugnapf vorhanden sei, wie es die ersten Beobachter ange- 
geben haben, Oder ob es sich nicht um zwei handelte; Dujardin (1845) erbannte 
schlieftlich, dafi ,,Monostomum ellipticum" ein in Bombinator igneus nach 
allem sehr selten gefundener Parasit, derselbe sei wie Distomum variegatum, den 
man in Frdschen in der Lunge ziemlich haufig findet; doch erwahnt auch Dujardin 
die schwere Auffindbarkeit dee Bauchsaugnaples, der fast vollstiindig unsichtbar wird 
durch die dichte, hinter ihm gelegene Uterusschlinge, und nur am lebenden Exemplar 
leichter zu sehen ist. Als GroSe der Eier gibt Dujardin eine Lange von 0,033, eine 
Breite von 0,019 mm an. 

Bei Linstow findet sich Distomum variegatum nur kurz erwahnt. Loos 
hat die Art eingehend beschrieben, auch sehr gute Abbildungen gegeben. VVundsch 
endlich schildert eingehend einen nahen Verwandten. Pneumonoeces aspcr, und 
kommt speziell auf dessen Unterschiedc zwischen diesem und den iibrigen Arten der 
Gattung Pneumonoeces zu sprechen, die zum Teil sehr gering und oft nur am 
lebenden Exemplar mit Leichtigkeit zu erkennen sind, da die ein Unterscheidungs- 
merkmal bildende Kutikula sehr leicht verganglich ist. Verhaltnismadig leicht geht 
die Bestimmung noch durch Untersuchung der Eier, deren Grofie bei den einzelnen 
Arten ziemlich verschieden ist. 

Schwierigkeiten machte jedoch alien Untersuchern die Feststellung, 
ob es sich beim Pneumonoeces variegatus, der in Rana ziem- 
lich allgemein verbreitet zu sein scheint, auch um das seinerzeit be- 
schriebene Monostomum resp. Distomum variegatum handelt, 
das bisher nur in ganz wenigen Exeinplaren in Bombinator gefunden 
wurde. Allem Anschein nach handelt es sich bei letzterem doch um ein 
immerhin ziemlich seltenes Auftreten, das darauf schlieBen laBt, daB 
auch die Uebertragung nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen er- 
folgen kann. Mit anderen Worten, die Biologie des Distomum aus 
deni Bombinator scheint notwendig eine andere sein zu miissen, 
als die des im Frosch so haufigen variegatum, und dieser Ge- 
danke hinwiederum laBt. doch Zweifel an der Annahme aufkommen, 
ob es sich bei den beiden nicht tatsachlich um dieselbe Art handelt, 
denn der Zvvischenwirt des Distomum variegatum muB in den 
betreffenden TUmpeln, aus denen die infizierten Frosche stammen. doch 
reclit h&ufig sein, wenn ein so hoher Prozentsatz von infizierten Tieren 
herauskommen soli. 

Es sei in folgcndem nur eine kurze Beschreibung des von mir 
in Bombinator gefundenen Distomum beigefiigt. 

Die Lknge der wenigen ausgewachscnen Exemplare betrug etwa 
7—9 mm. Die Tiere sind langgestreckt, elliptisch, und zwar in der 
Weise, daB der vordere Teil des Korpers sich ziemlich zuspitzt und 
von der hinteren Halfte etwas abgcsetzt erscheint, wahrcnd das Ilinter- 
ende mehr abgcrundet ist. Die Haut der frischcn Exemplare tragt 
keincrlei Dornen und ist glatt, sehr verganglich. Der Mundsaugnapf 
sitzt am Vorderende und ist ziemlich groB, der Bauchsaugnapf ist nur 
sehr schwer zu sehen; er liegt kurz vor der Mitte des Tieres und ist 
durch die durchscheinenden Schlingen des Uterus fast ganz verdeckt. 


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134 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 

Der Uterus selbst ist ziemlich langgestreckt; auffallige Schlingenan- 
haufungen finden sich nur in der Nahe des Bauchsaugnapfes und kurz 
vor dem hinteren Ende. Er hat einen aufsteigenden und einen ab- 
steigenden Schenkel, die zwischen den etwa in der Holie des hinteren 
Drittels liegenden groBen Hoden hindurchgehen. AuBerdem gehen 2 
lange Schlingen auf beiden Seiten nach vorne, auf der einen Seite an- 
scheinend ctwas mehr als auf der anderen; sie wenden sich. nach Durch- 
laufen der hinteren 2 Drittel wieder zuriick. 

Die Dotterstocke sind am lebenden Tier zunkchst ziemlich schwer 
sichtbar, treten aber wahrend des Absterbens deutlicher hervor. Sie 
liegen in der Hauptsache zu beiden Seiten des Korpers, gehen jederseits 
fast bis zur Ivdrpermitte und liegen in kleinere Rosetten bildenden 
Gruppeu beisaminen. Die Hoden sind ziemlich groB, rundlich, ihre 
Rander sind stark lappenfbrmig ausgebuchtet; der AusfUhrungsgang ist 
sehr lang und schlauchformig, ich konnte ihn bis etwa in die Hiihe 
des vorderen Viertels verfolgen. Das Receptaculum seminis liegt 
vor dem Hoden und ist sehr groB, unregelmaBig rundlich. Das Ovarium 
ist viel kleiner; es liegt etwas hinter dem Bauchsaugnapf. Die Eier 
sind dunkelbraun, rundlich oval, im Durchschnitt 0,024 mm zu 0,016 mm. 

Ltihe beschreibt Pneumonoeces variegatus folgendermaBen: 

„7—18 mm lang. Der verjiingte Vorderkorper steta deutlich von dem breiteren 
Hinterkorper abgesetzt. Haut 0,04—0,05 mra dick, glatt. Keimsack in der Langs- 
richtung aea Tieres stark gestreckt und meist unregelmafiig wellig konturiert. Hoden 
langlich oval, haufig mit Einkerbungen der Seitenrander. Ovarium langgestreckt, 
schlauchformig, aber immerhin lange nicht bis an den Bauchsaugnapf heranreiehend. 
Dotterstocke von der Hohe der Darmgabelung bis fast zurn Hinterende reichend, meist 
jederseits 10—12 Grnppen von je 6—7 Follikeln. Auf- und absteigender Schenkel des 
Uterus wenig gewunden, die riicklaufigen Uterusschlingen an den Seitenrandern bis 
zum Keimsack reichend, diesen aber nach vorne nicht iiberragend. Eier dunkelbraun, 
0,025—0,032 (meist 0,029): 0,0126—0,0189 (meist 0,0156) mm. 

Von Pneumonoeces variegatus wflrde sich demnach die von 
mir gefundene Art unterscheiden 1) durch die GroBe und Form djer 
Eier: 0,024:0,016 gegen 0,029:0,16 bei variegatus, 2) dadurch, 
daB die Dotterstocke nur bis etwa in die Gegend der seitlichen Uterus- 
schenkel reichen, und 3) dadurch, daB letztere beiderseits tiber das 
Ovarium hinausreichen. 

Abgesehen von der Bestachelung der Haut bei similis und asper, 
die am praparierten Wurm nicht mehr sichtbar ist, unterscheidet sich 
die beschriebene Art von beiden durch die GroBe der Eier, von similis 
auBerdem noch durch die Lange der Dotterstocke und Uterusschenkel. 

Auch nach den Angaben von Dujardin (0,033:0,019 mm) ist 
Form und GroBe der Eier des von mir beobachteten Trematoden von 
der des von ihm untersuchtcn verschieden. 

Aus alledem ergibt sich die Wahrscheinlichkeit, daB Pneumo¬ 
noeces variegatus schlieBlich doch von dem zuerst gefundenen 
Monostomum ellipticum verschieden ist, und daB die zuerst ge- 
fundene Art eben doch auBerordentlich seiten ist. 

Dazu treten aber noch biologische Verschiedenheiten, die wohl in 
der Beurteilung dieser Frage von grofiter Bedeutung zu sein scheinen. 
Auf der einen Seite die groBe Haufigkeit des Pneumonoeces varie¬ 
gatus im Froscli, auf der anderen die Seltenheit der Unkenparasiten. 
Bei einem parasitarcn, auf Wirtswechsel angewiesenen Tier muB, wie 
der Endwirt so auch der Zwischenwirt, wenn es haufig sein soil, 
stets in grofier Zalil vorhanden sein, und die biologischen Bedingungen 



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Aoki u. Honda, Immunisator. Spezifitat des Magensaftes d. Seidenraupen. 135 

zurn Fortkommen der verschiedenen Entwickelungsstiinde mtlssen gleich- 
mafiig haufig gegeben sein. 

Sollten nun, was ich immerhin fiir iubglich halten mbchte, die 
Stechmiickenarten Cul. pipiens und territans die Zwischenwirte 
der von mir beobachteten Trematoden sein, so ware eine weitere StUtze 
ftir die. Annahme gewonnen, daC Pneuraonoeces variegatus nicht 
mit Montostomum ellipticum resp. Distomum variegatum, 
ftir das ich den von mir bei Murnau gefundenen Trematoden halten 
mcchte, tibereinstimmt; das ganz besonders auch deshalb, weil Trema¬ 
toden in Stechmucken doch nur ziemlich selten vorzukommen scheinen. 

Wie schon oben wiederholt gesagt, ist der Zusammenhang zwischen 
dem Miicken- und dem Unkenparasiten nicht sicher, vielleicht nur ein 
rein zufalliger; vielleicht wird es moglich sein, doch noch weiteres 
Material zu finden und schliefilich durch experimentelle Infektion die 
Verhaltnisse zu klaren. 

Tafelerkl&rnng. 

Fig. 1. Mikrophotographie der letzten Segraente einer rait Sporozoen (Infusorien?) 
infizierten Larve von Aedes vex ans (Fritz Skell phot.) 

Fig. 2. Mikrophotographie einzelner Parasilen (F'ritz Skell phot.). 

Fig. 3. Mikrophotographie aus der Lunge von Bom bi nator igneus mit jungem 
Distomum variegatum (ellipticum?) F. Eckstein phot.). 


Nachdruek verboten. 

Geber die immunisatorische Spezifitat des Magensaftes der 
Seidenraupen und ihre Beziefiung zu den anderen 

Geweben. 

[Aus dem Forschungsinstitut fQr Seidenzucht, Nakano bei Tokyo 
(Direktor: Prof. Dr. T. Kagayama, bakteriologische Abteilung, Leiter 

Prof. Dr. K. Aoki).] 

Von Dr. K. Aoki und Dr. M. Honda. 

Brezina hat als erster den Hundekot durch die 4nwendung der Priizipitations- 
reaktion von den anderen unterscheiden konnen. Fiirstenberg und Wilenko waren 
imstande, nachzuweisen, da(J die Kntprazipitation sowohl l>ei dem Mensohenkote als 
auch bei anderen Fazes ebenso spezifisch eintrat, wie beira Hundekote. Daraufhin stu- 
dierte Wilenko die Frage, woher diese Spezifitat des Kotes komme. Zu diesem 
Zwecke nahra er den Inhalt aus den verschiedenen Darmpartien von Menschenleichen 
und stellte wasserige Extrakte her, mit welchen Immunsera von Kaninchen gewonnen 
warden. Diese Antisera priizipitierten sehr stark in den entsprechenden Fxtraklen, in 
anderen Extrakten aber im gerinirerem Grade. So reagierte z. B. der Extrakt des Diinn- 
darminhaltes in dem entsprechenden Immunserum starker, als im lmmunserum des 
Kotextraktes. Ebenso prazipitierte der Kotextrakt in dem ihra entsprechenden Immun¬ 
serum starker, als im Immunserum der Diinndarmexlrakte. Auf diesen Befunden 
fufiend, meinte er, daU die als Antigen wirkende Substanz des Kotes aus dem Darnt- 
inbalt entstanden und im Laufe des Darmweges durch verschiedene Becinflussung so 
verandert worden sei, daS er cine andere Zustandsspozifitat erlangte, wie Obermever 
und Pick auseinandergesetzt habpn. Brezina und Rundi wollten aber die fler- 
kunft dieser als Antigen wirkenden Substanz im Kote noch genauer feststellen. Zu 
diesem Zwecke batten sie einerseits dns Magen- und Darmsekret und die Ualle, anderer- 
seits !*chleimhaiite vom Magen, und von verschiedenen Darmpartien bei Hunden, ge¬ 
wonnen. Mit diesen Substanzen wurden Immunsera hergestellt und mit den erhal- 


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136 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


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teneD Antiseria die Prazipitationsreaktion gegenseilig vergleichend ausgefiibrt, und zwar 
einerseits mit dem Kotexlrakt, andererseits mit dem Blutserum. Es stellte sich dabei 
heraua, dafi die einzelnen Antigene doch in den ibnen entsprechenden Immunseris am 
starksten reagierten, obwohl sie gegenaeitig verwandtschaftliche Beziebung gezeigt hatten. 
Aua dieaen Befunden konnte man schliefien, daS die ala Antigen wirkende Subatanz dea 
Kotes in erater Linie vou den Sehleimhauten dea Magens und der Diirme abatammt 
und wahrend des Tranaportee durch den Magen- und Darmtraktus so verandert wird, 
daB aie eine andere Zuatandaapezifiiat erlangt. Dabei wurde bemerkt, dafl der Magen- 
und Darmaaft mit dem Blutaerum nabe verwandtacbaftlicbe Beziebung baben. 

Auch wir haben GelegeDheit gehabt, dieselbe Erscheinung bei Seiden- 
raupen zu priifen. Das Gewinnungsverfahren des Magensaftes war fol- 
geDdes: Wenn man die Seidenraupen Chloroformdampfen aussetzt, so 
erbrechen sie den Magensaft andauernd, wie Hiratsuka zuerst er- 
fahren hatte. Diesen Magensaft kann man in irgendeinem GefaB auf- 
fangen und auf diese Weise so viel Magensaft von den Seidenraupen ge- 
winnen, wie man will. So gewonnener Magensaft ist klar und dickfltissig. 
Er sieht anfangs gelbbraunlich, spSter dunkelbr&unlich bis schw&rzlich 
aus und zeigt schwach alkalische Reaktion. Im Eisschrank l&Bt er sich 
lange Zeit wirksam aufbewahren. Mit diesem Magensaft wurden Kanin- 
chen in steigenden Dosen vorbehandelt. Die Tiere vertrugen diese Ein- 
spritzung sehr gut, so daB man ohne Verlust von Tieren die Immunsera 
ganz leicht darstellen konnte. Diese Antisera zeigten im Magensaft 
nicht nur die Pr&zipitation, sondern auch die Komplementbindungsreaktion 
sehr deutlich, wie man aus Tab. I ersieht. Auf die gleiche Weise zeigten 


Tnbelle I. (Prazipitation.) 


Name der 
Immunsera 

Magensaftimmunserum 

Normales Kanin- 
cbenserum 

Seiden¬ 
raupen- 
blutserum 
— Immun- 
| serum 

Nr. 333 

Nr. 334 

Nr. 335 

Nr. 40b 

Nr. 1 

Nr. 2 

Nr. 3 

Name der 
Antigene 









Magensaft d. 



1 

j 


1 

1 

r~ 

Seidenraup. 

1:200 ± 

1 : 200 ± 

1 : 200 ± 1 

1 : 200 ± 

t:4± 

T:4±|l:4± 

1:4± 

Blutserum a. 







1 


Seidenraup. 

1:10 — 

1 :10 — 

1 

O 

f—t 

»—H 

1 : 10—1 

1 : 10 - 

1 : 10 - 

11 : 10 — 

1 : 200 C* 


Komplementbindungsreaktion 


Magensaft d. 
Seuienraup. 

0,01 ccm + 

0,01 ccm -f 

0,01 ccm -f 

0,01 + 1 0,5 - 0,5 — 

0,5 — 

Blutserum d. 
Seidenraup. 

0,5 — 

0,5 — 

0 ^- j 

0,5- 1 0,5 — 0,5 — 

0,5 — 


0,5 — 
0,005 + 


dieselben Sera die Immunreaktion im Kotextrakt, aber in geringerem 
Grade. Umgekehrt reagierte der Kotextrakt im Immunserum des Kot- 
extraktes starker als im Magensaftimmunserum (Tab. II). Auf diese 
Weise konnten wir den Befund von Wilenko und Brezina und 
Rundi bei den Seidenraupen vollkommen best&tigen. Dabei wurde, 
entgegengesetzt dem Befund von Brezina und Rundi, festge- 
stellt, daB der Magensaft bei den Seidenraupen zu dem Blute keine 
immunisatorische Beziebung hat (Tab. I). Ferner wollten wir die als 
Antigen wirkende Substanz des Magensaftes noch naher bestimmen. 
Zuerst wurde der Magensaft bei verschiedenen Graden im Wasserbade 
erhitzt und mit dem so behandelten Magensaft die Prazipitationsreaktion 



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Aoki u. Honda, Immunisator. Spezifitat dee Magensaftee d. Seidenraupen. 137 


Tabelle II. (Praz ipi tation.) 


Name der Immun- 

Magensaftimmun- 

Ko textra k ti m m un - 

Normales Kaninchen- 

sera 

serum 

serum 

serum 

Name der Antigene 



Magensaft 

1:150 + 

! 1: 50 ± 

1:4± 

Kotextrakt 

1:50 

1 :20 

1:4 — 


EiweiBgehalt der (Kochprobe) 

Antigene 

Magensaft 1:15 

Kotextrakt j 1:5 

im Immunserum ausgefiihrt. Es ergab sich, dafi der Magensaft dabei 
mit der Zunahme des Hitzegrades allmahlich seine prazipitierende Eigen- 
schaft verlor. Falls er dabei 30 Min. lang auf 100° erhitzt wurde, 
konnte er nicht mehr als prazipitierendes Antigen wirken (Tab. III). 


Tabelle III. 


Name der 

Imm unsera 

Magensaft¬ 

immunserum; 

Magensaftimmunserum 

normales Ka- 
ninchenser. 

(unerhitzt) 

56 0 C 30' 

70° C 30' 

80 0 C 30' 

100 0 C 30' 

Name der Antigene 

_ 






Magensaft: 

unerhitzter 

1:200 ± 

1: 100 + 

[ 

1 : 50 

o 

1:10 — 

1 

1:4 

bis 56® C 30' erhitzt 

1:100 

1: 100 ± 

. 



1:4 

70® „ 30' „ 

1:50 

. 

1 :20 


. 

1:4 

„ 80® „ 30' „ 

i 1:20 ± 


_ 

1 :*20 

. 

1 : 4 

„100® 30' „ 

1:10 — 


1 • 


1 1:10 — 

1:4 

f 


Ebenso konnte man mit dem erhitzten Magensaft nicht ein so pr&- 
zipitierendes Immunserum herstellen, wie mit dem nicht erhitzten. Wenn 
man besonders den Magensaft 30 Min. auf 100° erhitzt, so ist man 
niemals imstande, solches Serum herzustellen, welches entweder im nicht 
erhitzten oder erhitzten Magensaft prSzipitieren kdnnte (Tab. III). Hier 
sei noch bemerkt, daB der Magensaft, der bei 100° 30 Min. erhitzt war, 
doch im Immunserum in so geringem Grade prfizipitierte, wie dies mit 
dem Normalserum der Fall war (Tab. IV). Auf gleiche Weise konnten 


Tabelle IV. 


Name der Sera 

Magensaft- ’ 
immunserum, 

Normales Kaninchenserum 


Nr. 438 

Nr. 439 

Nr. 440 

Nr. 441 

Name der Antigene 




Magensaft: unerhitzter 

1:100 1 

1:4 

1 :4 

1:4 

1:4 

bei 100® C 2 Std. erhitzt 

1:4 

1:4 

1:4 

1:4 

1:4 

100® C3 „ 

1:4 

1:4 

1:4 

1:4 

1:4 

.. 10U® O 5 „ 

| 1:4 

1:4 

1 :4 

1:4 

1:4 


wir die hitzebestandige, prazipitierende Eigenschaft des Magensaftes im 
normalen Seidenraupenserum feststellen. In diesem Falle war die Re¬ 
action so stark eingetreten, wie im Magensaftimmunserum, welches von 
Kaninchen gewonnen worden war. Deshalb ist es leicht mbglich, anzu- 


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138 Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Originate. Bd. 88. Heft 2. 

nehmen, daB diese stark eingetretene prazipitierende Eigenschaft des 
Magensaftes im Normalserum der Seidenraupen darauf beruht, daB die 
Innnunpr&zipitine gegen den Magensaft im Serum der Seidenraupen 
normalerweise vorhanden waren. Diese Annahme konnte man aber 
deshalb nicht mehr aufrecht erhalten, weil die im Immunserum prazipi¬ 
tierende Substanz des Magensaftes nicht hitzebestandig, dagegen die im 
Seidenraupenserum prazipitierende Substanz des Magensaftes hitzebe¬ 
standig war (Tab. V). Dazu scheint uns, daB diese hitzebestandige 
Substanz des Magensaftes bei Kaninchen nicht als Prazipitinogen wirke. 


Tabelle V. 


Name der Immun- 

Seidenranpenserum 

6 

*53 J 
* £ E 

. £ 
c a 

a> b. 

S 

A 2 

G <U 

JZ Cfi 

Ziegen- 

nomialserum 

, • a 
c — 

<i> 3 

OL Tj O 

c — * 

eera 

Nr. 1 

Nr. 2 

Nr. 3 

. 

Nr. 4 

o £ »_ 
OB C 

£ e x 

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.5 5 

§ E 

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a 

s 03 

X £ 

tm 

c 

G 

».:o 

u. a s 

« a a 

«5« c 

Name der Antigene 










Magensaft: 

1) unerhitzter 

l : 100 + 

1 : 100 

1:100 

1 : 100 

1: 1 

1:4 

1:4 

1:8 

1:100 

2)bis5 °C30'erhitzt 

1 : 100 

1 : 100 

1 : 100 

l : 100 

1 : 1 

1:4 

1:4 

1:8 

1.: bO 

3) „ 70° 030' „ 

! : 100 

1 : 100 

I : 100 

1 : 100 

1 : 1 

1:4 

1 : 4 

1 : 8 

1:20 

4) „ 80 0 C 30' „ 

1 : 100 

1: 1(0 

1 :100 

l: 100 

1 : 1 

1:4 

1 :4 

1:8 

1 :10 

5) ,,100°C30' „ 

1 :100 

1:100 

1: 100 

1 :100 

1:1 

1:4 

1:4 

1:8 

1:4 


Ferner wurde gepruft, ob das Prazipitinogen durch die Wirkung 
des Alkohols leicht beeintrachtigt wird. Wenn man dem Magensafte 
absoluten Alkohol im Verhaitnis von 1:3 hinzufiigte, so trat ein sehr 
starker braunlichroter Niederschlag auf. 

Dieser Niederschlag war im Wasser leicht loslich und die Ldsung 
war ganz klar und sah aus wie der Magensaft selbst. Sie zeigte als 
Prazipitinogen und prazipitierende Substanz dieselbe Eigenschaft wie der 
Magensaft. Aufierdem war die Losung imstande, die proteolytische 
Wirkung ebenso deutlich zu entfalten wie der Magensaft selbst. Den 
Niederschlag kann man lange Zeit in Alkohol aufbewahren, ohne die 
prazipitierende Eigenschaft desselben zu beeintrachtigen. Wir konnten 
ihn namlich 120 Tage lang in Alkohol noch gut wirksam aufbewahren. 
Nacli diesen Ergebnissen waren wir anzunehmen geneigt, daB die im 
Magensaft als Antigen wirkende Substanz fermentativer Natur sei. Aber 
wir wollten doch nicht so weit gehen, zu sehlieBen, daB dieses Pra¬ 
zipitinogen mit dem Verdauungsferment des Magensaftes ganz identisch 
sei, denn wir konnten bei Kaninchen leicht Immunserum herstellen, 
welches die prazipitierende und komplementbindende Eigenschaft deut¬ 
lich zeigte, dagegen ein antifermentativ wirkendes Serum nicht leicht. 

Ferner beabsichtigten wir, eine verwandtschaftliche Beziehung 
zwischen dem Magensaft und den anderen Geweben, namlich dem Magen- 
und Chitingewebe, genau festzustellen. Wir nahmen die Magen- und 
Chitinepithelialgewebe von Seidenraupen sorgfaltig heraus und wuschen 
sie, bis sie ganz blutfrei waren; damit konnte man einerseits die ihnen 
entsprechenden Gewebsextrakte und andererseits die entsprechenden 
Antisera herstellen. Auf diese Weise bekamen wir 4 Arten Antigene 
und die ihnen entsprechenden Antisera. Mit diesem Material wurde die 
Prazipitationsreaktion kreuzweise gepruft. Es ergab sicli, daB der Magen- 



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Aoki u. Honda, Imraunieator. Spezifitat des Magensaftes d. Seidenraupen. 139 


saft in seinem Antiserum am starksten, im Immunserum des Magen- 
extraktes stark, aber im Blutimmunserum ebenso stark wie im Normal- 
serum des Kaninchens und im Immunserum der Chitinepithelialgewebe 
gar nicht reagierte. In gleicher Weise zeigte der Magenepithelextrakt 
in ihm entsprechenden Antiserum die starkste, im Magensaftimmunserura 
eine sehr starke und in den anderen 2 Antisera eine nocli scliwachere 
Reaktion. Der Magensaft im Chitinepithelialimmunserum reagierte gar 
nicht und der Extrakt des Chitinepithelialgewebes zeigte keine positive 
Reaktion im Magensaftimmunserum. Ferner prSzipitierte er im homo- 
logen Autiserum fast ebenso stark wie im Immunserum der Magen- 
epithelialgewebe und Blutimmunserum. Das Blut reagierte im homo- 
logen Antiserum auBerst stark, in den anderen 2 Antiseris, namlich der 
beiden Epithelgewebe, in noch sehwacherem Grade und zeigte im Magen¬ 
saftimmunserum keine positive Reaktion (Tab. VI). 


Tabelle VI. 


Name der Immun- 
sera 

Magen saft- 
immunserum 

Magenwand- 

immunserum 

Chitin- 
epithelim- 
m unserum 

Blutserura- 

immunserum 

Normales 

Kauinchen- 

serum 

Name der Antigene 






Magensaft 

1:200 ± 

1:100 ± 

1:1 — 

1:4± 

1:4 dk 

Magen wandextrakt 

1:20 

1 : 50 

1:20 ± 

1:50 ± 

1:1 — 

Chili nepithelexlrak t 

1:1 — 

1 :20 ± 

1:20 

1:10 

1:1 — 

Blut 

1:1 — 

1 :200± 

1:20 

1: 5000 ± 

1:1 — 


EiweiBgehalt der (Kochprobe) 
Antigene 


Magensaft 

Magen wnndextrakt 

Chitinepilhelextrakt 


Blut 


1 :10± 
1:20 
1:10 

1:1000 ± 


Nach diesen Ergebnissen ist wohl der SchluB gerechtfertigt, daB 
der Magensaft nur mit dem Magengewebe gewisse verwandtschaftliche 
Beziehung hat und die tibrigen 3 Gewebe gegenseitig verwandt sind. 
Diese 3 Gewebe sind aber insofern ganz verschieden, als das Magen¬ 
gewebe allein mit dem Magensafte sehr nahe verwandt ist. Chitin- 
epithel und Blut verhielten sich aber gegenseitig nicht gleich. Das 
Chitingewebe und das Magengewebe zeigten sich sehr nahe verwandt 
Aber sie sind insofern ganz verschieden, als das Epithelgewebe der 
Magenwand mit dem Magensafte nahe Beziehung hat. Dieses gegen- 
seitige Verhaltnis der 4 Gewebe kbnnte dadurch zustande gekommen 
sein. daB die 3 Gewebe, namlich das Magen-, Chilin- und Blutgewebe, 
anatomisch gegenseitig direkt im Zusammenhang stehen, wfthrend der 
Magensaft nur mit dem Magengewebe in Beziehung steht. Hier sei 
noch darauf aufmerksam gemacht, daB die Organspezifitat bei den In- 
sekten, obwohl sie ganz einfach gebaut sind, doch sehr deutlich ausge- 
pr3gt zu sein scheint, denn wir konnten auBerdem eine strenge Organ¬ 
spezifitat bei den Seidendrusen nachweisen. 


Zusammenfassung. 

1) Der Magensaft 'der Seidenraupen wirkt bei Kaninchen als An 
tigen. — 2) Das Magensaftantiserum zeigt sowohl die Prazipitations 


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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


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reaktion als auch die Komplementbindungsreaktion im Magensaft sehr 
deutlich. — 3) Das Magensaftimmunserum wirkt ganz spezifisch; es ent- 
faltet namlich die Immunreaktion am st&rksten im Magensafte, im 
schw&cheren Grade im Kotextrakte, dagegen im Blute der Seidenraupen 
gar nicht. — 4) Die als Antigen wirkende Substanz des Magensaftes 
zeigte sich hitzeunbestandig. Wenn man den Magensaft auf mehr als 
70° C erwarmt, so verliert er seinen Antigencharakter. — 5) Diese 
Substanz ist in Alkohol leicht fallbar und im Wasser leicht loslich. 
Den Alkoholniederschlag kann man lange Zeit in Alkohol aufbewahren, 
ohne die Eigenschaft des Antigens zu beeintrachtigen. — 6) Die ver- 
wandtschaftliche Beziehung des Magensaftes der Seidenraupen zu den 
anderen Geweben zeigte sich in folgendem: A. Der Magensaft steht nur 
zum Magengewebe in Beziehung. B. Das Magengewebe steht einerseits 
zu dem Magensaft, andererseits zum Blute und zum Chitinepithel in 
Beziehung. C. Das Blut hat nur Beziehung zum Magen- und Chitin- 
epithelgewebe, aber nicht zum Magensaft. D. Das Chitinepithelgewebe 
hat gleichfalls Beziehung zum Blute und Magenepithelgewebe, aber nicht 
zum Magensafte. — 7) Die OrganspezifitSt scheint bei Seidenraupen, 
obwohl sie so einfach gebaut sind, doch sehr deutlich ausgepr&gt zu 
sein, denn wir waren ferner imstande, eine strenge Organspezifit&t bei 
den Seidendrtisen nachzuweisen. 


Literatnr. 

Brezina, Wien. klin. Wochenschr. 1907. — Fiirstenberg, Berlin, klin. 
Wochenschr. 1908. — Wilenko, Wien. klin. Wochenschr. 1903.— Ders., Zeitschr. f. 
Immunitatsforsch. Bd. 1. 1909. — Brezina u. Rundi, Wien. klin. Wochenschr. 1908. 
Dies., Zeitschr. f. Immunitatsforsch. Bd. 3. 19u9. — Obermeyer u. Pick, Wien, 
klin. Wochenschr. 1903 u. 1906. - Aoki, K., Mitteil. d. med. Fakultat der Kaiserl. 
Universitat zn Tokyo. Bd. 14. 1915. 


Nachdruek verboton. 

Ueber die hamolytische Wirkung des Magensaftes der 

Seidenraupen. 

[Aus dem Forschungsinstitut fiir Seidenzucht, Nakano bei Tokyo 
(Direktor: Prof. Dr. T. Kagayama. Bakteriologische Abteilung, 
Leiter: Prof. Dr. K. Aoki).] 

Von Dr. K. Aoki und Dr. M. Honda. 

Die zuerst von Kyes entdeckte Erscheinung, daS verschiedene Schlangengifte und 
Skorpiongift, gemischt mit Lezithin, auf verschiedene Blutzellen hamolytisch wirken, 
wurde von Morgenroth und Carpi bei dem Bienengift nachgewiesen. Kyes und 
Sachs waren der Meinung, daO das tierische Gift durch die Beeinllussung des Lezithins 
so aktiviert werde, da6 es die Blutzellen auflosen kdnne, wie auch der hamolytische 
Ambozeptor durch die Wirkung des Komplementes aktiviert wird. Die dabei entstan- 
dene Kubstanz wurde Lezithid genannt. Aber auch eine andere, dem entgegengesetzte 
Auffassung wurde geauSert: Das Kobragift werde namlich nicht durch die Lezithin- 



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Aoki u. Honda, Hftmolytische Wirkung des Magensaftes d. Beidenraupen. 141 


wirkung aktiviert, sondern im Gegenteil werde das Lezitbin durch die fermentative 
Wirkung des Schlangengiftes in verschiedene Substanzen gespaltet, welche dabei eine 
hamolytische Wirkung auf die Blutzellen austiben konncn. Um diese Anschauung zu 
bestatigen, wurden verschiedene Versuche ausgeftihrt und dabei interessante Tatsaehen 
festgestellt. So wurde von Neuberg und Reicher, sowie von Neuberg und 
Rosenberg nachgewiesen, daB im Kobragift Lipase vorhanden ist, welche aus dem 
Lezilhin Fettsaure abspaltet und hamolytisch wirkt. Durch die Glementaranalyse 
des Kyesschen gercinigten, biuretfreien Kobralezithides kamen Willstadter und 
Liideckc zu dem Resultate, daB das Lezithid nichts anderes als anscheinend von 
Kobragift freies Monostearinlezithin ist. Das bereits gebildete Monostearinlezithin stellte 
sich als ein stabiler Korper dar. Als eine diese Auffassung stiitzende Tatsache wurde 
ferner von Friedemann, Wohlgemut sowie Neuberg und Rosenberg ganz 
nnabbangig gefunden. daB, wenn mit Lezithin gemischt, die hamolytisch wirkende 
Eigenschaft auch in dera das Fett spaltenden Pankreassaft vorhanden ist. 

Diesem Befunde schlieBen sich unsere Ergebnisse an, nach welchen 
der Magensaft der Seidenraupen mit dem Lezithin zusammen auch hamo¬ 
lytisch wirkt. 

Zu der 5-proz. Ziegenblutzellenaufschwemmung wurde 1-proz. Le- 
zithinlosung in Methylalkohol hinzugefiigt und einer bestiinmten Menge 
dieser Mischung der Magensaft, welcher nach der schon in einer an- 
deren Mitteilung gegebenen Methode dargestellt worden war, in ver- 
schiedenen Mengen hinzugefiigt. Als Kontrolle wurden ganz gleiche 
Proben, einerseits ohne Lezithin, andererseits ohne Magensaft angestellt. 
Sfimtliche Proben wurden im Briitschrank bei 37° stehen gelassen und 
zu verschiedenen Zeiten herausgenommen und beobachtet. Es ergab 
sich, daB die HSmolyse in den Rohrchen, welche Lezithin und Magensaft 
enthielten, deutlich eintrat, wogegen die anderen Proben, welche ent- 
weder nur Lezithin allein, Oder Magensaft allein enthielten, keine blut- 
lbsende Erscheinung zeigten (Tab. I). In den nachsten Versuchen wurde 


Tabelle I. 



Verfahren 

| Resultat bei 37° C 

Magensaft 

Kochsalz 
(0,85 Proz.) 

Ziegenblut 
ohne Lezi¬ 
thin 

Ziegen¬ 
blut mit 
Lezithin 

30 Min. 

.2 \-6 
s |« 

5 k 3 

OD CD ® 

« i 1S 

Probe Nr. 1 

Ofi 

ccm 

0,5 ccm 

1,0 ccm 


_ 

_ _ 

-|-| + 


„ 2 

0,2 


0,8 „ 

1,0 „ 


— 

— 1 — 



„ 3 

0,1 


0,9 „ 

1,0 


— 


— 1 — 4- 


» 4 

0.05 

.. 

0,95 „ 

1,0 ., 


— 


— j — ± 


i, 5 

0,02 


0,98 „ 

1,0 „ 


— 

— — 

— - ± 

W 

b 

0,01 


0,99 „ 

1,0 „ 


— 



t* 

„ 7 

0,5 


0,5 ,, 


1,0 ccm 


■f* + 

+ + + 

It 

, 8 

0,2 

It 

0,8 „ 


1,0 „ 

+ 

+ + 

+ +1 + 

M 

„ 9 

0,1 


0,9 „ 


1,0 „ 

— 

+ + 

4“ + + 

11 

„ io 

0,05 

II 

0,95 „ 


1,0 ., 

— 


+ + + 


„ 11 

0,02 


0.98 „ 


1,0 „ 

— 

— — 

- - * 


„ 12 

0,01 


0,99 „ 


1,0 „ 


_|_ 

— — \± 

n 

., 13 

— 


1,0 „ 


1,0 „ 

— 

— 1 — 

— — ! — 


der Magensaft zuerst auf verschiedene Temperaturen erhitzt und dann 
zu der Lezithinblutzellenmischung hinzugefiigt. Diese Proben wurden 
gleichfalls im Briitschrank bei 37° stehen gelassen und nach verschie¬ 
denen Zeiten betrachtet. Es ergab sich, daB die Hiimolyse nicht mehr 
eintreten kann, falls der Magensaft vorher hoher als auf 56° erhitzt 
wurde. Die LabilitSt dieser mit dem Lezithin zusammen hamolytisch 
wirkenden Eigenschaft des Magensaftes stimmt mit der der proteolyti- 


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l ** — — 


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142 


Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


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schen Wirkung des Magensaftes ganz iiberein. Der Magensaft der Seiden- 
raupen zeigt namlich deutliche Proteolyse. Falls er aber bei 56° 
30 Min. lang erhitzt wurde, wurde diese fermentative Wirkung beein- 
tr&chtigt (Tab. II). 

Tabelle II. 



Verfahren 

Resultat 
bei 37° C 

Magensaft 

Kochsalz 
(0,85 Proz.) 

Blutzellen 

mit 

Lezithin 

30 Min. 

a 

s 

s 

X 

3 

cc 

1) bei 50° C 10 Min. erhitzt 

0,1 ccm 

0,90 ccin 

1,0 cem 

4 

+ 

• T 

4 

2) „ 50° C 30 

0,1 „ 

0,90 „ 

1,0 „ 

4 

+ 

+ 

4 

3) ., 50° C 60 „ „ 

0,1 „ 

0.90 „ 

1,0 „ 

4 

+ 

+ 

4- 

4) „ 56° C 5 „ 

o.i „ 

0,90 „ 

1.0 „ 

+ 

+ 

4 

+ 

5) „ 56° C 10 „ 

0,1 „ 

0.90 „ 

1.0 „ 

+ 

+ 

+ 

4- 

6) „ 56° C 30 „ „ 

0,1 „ 

0,90 „ 

1.0 „ 

— 

— 

— 

+ 

7) „ 60»C 5 „ 

0,1 „ 

0,90 „ 

1.0 „ 

+ 

+ 

4 

4- 

8) „ 00" C 10 „ 

0,1 „ 

0,90 „ 

1,0 „ 

— 

— 


4- 

9) „ 60° C 30 

o.i „ 

0.90 „ 

1.0 „ 

— 

— 

— 


10) „ 70° C 10 „ 

0,1 „ 

0,90 „ 

1,0 „ 

— 

— 

— 

— 


4 = Hamolyse positiv, — = Hamolyse negativ. 


Ferner wollten wir wissen, ob die in der Mischung von Lezithin 
und Magensaft entstandenen H3molysine thermostabil seien. Zu diesem 
Zwecke wurde die Magensaftlezithinmischung auf gleiche Weise wie oben 
hergestellt und bei 37 0 20 Std. lang stehen gelassen und dann die so 
behandelte Mischung von Magensaft und Lezithin auf verschiedene Grade 
erhitzt. Ihre hamolytische Eigenschaft blieb aber ganz unverandert, 
selbst wenn sie bei 100° 30 Min. lang erhitzt wurde (Tab. III). Nach 


Tabelle III. 



Verfahren 

Bei 37 0 C 18 Std. 
lang stehen gelassen, 
dann im Eisschranke 

Magen¬ 

saft 

Magensaft- 

antiserum 

Normales 

Kaninchcn- 

seruin 

Koch¬ 

salz 

(0,85%) 

Ge¬ 

latine 

(!■■>%) 

Resultat 

Probe Nr. 1 

0.2 

ccm 



0,8 ccm 

1,0 ccm 

nicht geronnen 

ff 

„ 2 

0 2 

V 

0,5 ccm 


0.3 „ 

1,0 „ 

geronnen 


„ 3 

0,2 


0,2 


0,6 „ 

1,0 „ 



„ 4 

0,2 


0,1 


0,7 , 

1,0 , 

n 


„ 5 

02 


0,05 „ 


0,75 „ 

1.0 „ 


ff 

„ 6 

0.2 


0,02 „ 


0,78 B 

1,0 , 

nicht geronnen 


„ 7 

0,2 


0,01 „ 


0,79 „ 

1,0 „ 


ff 

„ 8 

0,2 

ff 

0,005 „ 


0,795 „ 

1,0 y) 

ff ff 

ff 

„ 9 

0,2 

V 


0,5 ccm 

0,3 „ 

1,0 B 

geronnen 

ff 

„ io 

0,2 

ff 


0,2 „ 

0,6 „ 

1,0 , 

nicht geronnen 

if 

„ 11 

0,2 

V 


0.1 „ 

0,7 „ 

1,0 „ 

V ff 

ff 

„ 12 

0,2 

V 


0,05 „ 

0,75 B 

1,0 „ 

n V 

ff 

„ 13 

0,2 

If 


0,02 „ 

0,78 „ 

1,0 . 

If 7) 


diesen Ergebnissen scheinen unsere obigen Befunde mit den anderen 
ganz iibereinzustimmen, welche schon einerseits von Morgenroth und 
seinen Mitarbeitern, andererseits von Wohlgemut und Friede- 


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--1 











Klein u. Slesarewski, Agglutination bei Giirungen von Kohlehydraten. 143 


mann sowie Neuberg und Reicher nachgewiesen worden waren 
Das Kobragift verliert n&mlich leicht seine hfimolytische Eigenschaft, 
falls es vorher iiber 56° erhitzt wird. Wenn es aber erst mit Lezithin 
gemischt, gewisse Zeitlang zusammenwirkt und dann erhitzt wird, so 
bleibt diese hfimolytische Eigenschaft ganz unverfindert. Infolgedessen 
sind wir der Meinung, dafi die hfimolytische Wirkung des Magensaftes 
der Seidenraupen, mit Lezithin gemischt, auf der fermentativen Wirkung 
desselben beruhe. Wenn die fermentative Wirkung des Magensaftes 
durcli das antifermentative Serum aufgehoben wfirde, mfiBte daher die 
hfimolytische Wirkung des Magensaftes mit Lezithin dabei neutralisiert 
werden. Wie schon in der vorhergehenden Mitteilung angegeben ist, 
kann man Kaninchen mit Magensaft so immunisieren, daB deren Serum 
in dem Magensaft stark prfizipitieren kann. Dieses Antiserum wirkte 
auf die proteolytische Eigenschaft des Magensaftes deutlich neutrali- 
sierend. Ferner war es imstande, die das Lezithin aktivierende Kraft 
des Magensaftes starker unwirksam zu machen, als das Normalserum. 
Zum Schlusse konnten wir die obigen Resultate auch mit dem Alkohol- 
niederschlag des Magensaftes in gleicher Weise feststellen, welcher deut¬ 
lich proteolytisch wirkte. 


’ Zusammenfassung. 

1) Der Magensaft der Seidenraupen wirkt stark hfimolytisch, falls 
er mit Lezithin zusammen vorhanden ist. — 2) Wenn der Magensaft 
vorher fiber 56° erhitzt wird, so wirkt er nicht mehr hfimolytisch. — 
3) Die mit Lezithin zusammen hfimolytisch wirkende Substanz des Magen¬ 
saftes ist in Alkohol ffillbar und in Wasser lfislich wie die Verdauungs- 
fermente. — 4) Die bereits gebildete hfimolytisch wirkende Substanz 
zeigt sich thermostabil. Sie kann bei 100° 30 Min. lang erhitzt werden, 
ohne die blutlosende Eigenschaft einzubfifien. — 6) Die das Lezithin 
aktivierende Wirkung des Magensaftes kann durch das Antiserum des¬ 
selben neutralisiert werden, wie die Fermente des Magensaftes. 

Literatnr. 

Ryes, Berlin, klin. Wochenschr. 1902. — Kyes u. Sachs, Ebenda. 1903. — 
Dies., Biochem. Zeitschr. Bd. 4 u. 8. — Morgenroth u. Carpi, Berlin, klin. 
Wochenschr. 1906. — Wohlgemut, Biochem. Zeitschr. Bd. 4. — Friedemann, 
Dtsch. med. Wochenschr. 1907. — Neuberg u. Reicher, Biochem. Zeitschr. Bd. 4. 
— Neuberg u. Rosenberg, Berlin, klin. Wochenschr. 1907. 


Nachdruck verboten. 

Ueber Agglutination bei Garungen von Kohlehydraten 1 ). 

[Aus dem Bakteriologischen Institut in Kiew.| 

Von Dr. B. Klein und Dr. W. Slesarewski. 

Die Agglutination, welche sehr lange in der Bakteriologie als eine 
der Immunitatsreaktionen angesehen wurde, ist in der letzten Zeit, dank 

I) Unsere Versuche wurden vor 4 Jahren ausgcfiihrt und Ende 1918 das Manu- 
-kript nacb Berlin geechickt. Leidcr ist diese Semiring dort nicht angekommen; und 


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144 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


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den Arbeiten von Eisenberg und Volk und Michaelis der Gegen- 
stand physikalisch-cheraischer Untersuchungen gewesen, durch die Mi¬ 
chaelis die Bedeutung der Wasserstoffionenkonzentration fiir die Agglu¬ 
tination erwiesen hat. Wir wollen hier die Agglutination vom rein 
biologischen Gesichtspunkte aus betrachten und zeigen, daB verschiedene 
Bakterien, und zwar in erster Reihe die Col i-Typhusgruppe, in ihrem 
Ndhrboden chemisch agglutinierende Substanzen zu bilden inistande sind. 

Wenn wir einen N&hrboden nach Barsiekow-Hiss 2 ) nehmen 
und zu je 2 ccm desselben je 0,25 ccm Bakterienaufschwemmung hinzu- 
ftigen und in den Thermostaten stellen, so ist nach 24-stiind. Verweilen 
makro- und mikroskopisch eine deutliche Agglutination zu beobachteu, 
welche der spezifischen sehr ahnlich ist. 

Dieselbe Erscheinung kann man auch in demselben Nahrboden ohne 
Lackmus (nur mit Pepton und Glukose) beobachten. — Aus den vielen, 
von uns angestellten Versuchsreihen geben wir hier nur die beiden fol- 
genden Tabellen: 

Tabelle I. B. typhi. 


Kultur NN 

Pepton + Glukose 
+ Lackmus 

Pepton + Lackmus 

Pepton -f Glukose 

Pepton 

40 

+ + 



_ 

110 

+ + + 


+ 

— 

15 

+ + + 

— 

+ + + 

— 

70 

+ + + 

— 

4- 4- 

— 

109 

+ + + 

— 

+ 


29 

+ + + 


++ 

— 

36 

+ + 

— 

++ 

— 

104 

+ + + 

| I 

+++ 

— 


Tabelle 

II. B. coli communis. 


Kultur NN 

Pepton + Glukose 
+ Lackmus 

Pepton + Lackmus 

Pepton + Glukose 

Pepton 

1 

+ + 

_ 

± 

_ 

3 

+ + + 

— 

4- 4- 

— 

4 

+ ++ 

— 

+++ 

— 

5 

+ + + 

— 

++ 

— 

6 

+ + 

— 

+ 

— 

7 

+ 4- 

— 

++ 

— 

8 

+++ 

— 

+++ 

— 


Aus diesen Tabellen ist zu ersehen, daB B. typhi (8 Kulturen) 
und B. coli (7 Kulturen) nach 24-stiind. Verw'eilen in einer Lfisung 
von Pepton -f Glukose -f- Lackmus oder Pepton -f- Glukose sich gut 
agglutinieren konnen. Makroskopisch ist immer ein gut agglutinierter 
Bodensatz zu beobachten und mikroskopisch sind sehr viele agglutinierte 
HSufchen zu sehen. — Im ganzen haben wir rnehr als 40 Stamme von 
B. typhi, B. coli und B. paracoli, B. paratyphi B und B. en- 
teritidis Gartner untersucht und konnten immer die oben beschrie- 
bene Agglutination beobachten. 


erst in den letzten Woehen erhielten wir Nachricht dariiber, daB unsere Arbeit noch 
uicht erschienen sei. Wir teilen daher jetzt nur kurz die Resultate unserer Unter¬ 
suchungen mit. 

1) Aqua destill. 100,0; Pepton Witte 1,0; Kochsalz 0,6; Glukose 2,0; Lsckmus- 
tinktur 6,0. Die Bakterienaufschwemmung wird so hergestellt, daB eine 20-stund. 
Agarkultur mit 1 ccm physiol. Kochsalzlosung aufgeschwemmt wird. 



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Gersbach, Nachweis fakaler Waaserverunreinigung mittels der Indolprobe. 145 


Vermutlich kann diese Agglutination durch die bei der Zerlegung 
von Glukose gebildete Saure als eine Saureagglutination (nach Michaelis) 
erklart werden und vielleicht auch die so oft auf verschiedenen Nahr- 
boden vorkoramende „spontane“ Agglutination, als Resultat der Zer¬ 
legung von Kohlehydraten. 

Mit alien unseren St&minen erhielten wir folgende Resultate: Auf 
Pepton + Glukose + Lackmus war in 93 Versuchen 90mal die Agglu¬ 
tination positiv, auf Pepton -j- Glukose in 89 Versuchen 64mal. Hieraus 
ist ersichtlich, daB die Agglutination hSufiger auf Pepton -j- Glukose + 
Lackmus eintritt, als auf Pepton + Glukose, was besonders deutlich aus 
den Resultaten der Agglutination in der folgenden Tabelle klar wird: 



Zahl der 
Versuche 


Agglutination 



+ + + 

+ + 

+ 

± - 

Pepton + Glukose 






-f Lackmus 

93 

35 

38 

15 

2 3 

Pepton -|- Glukose 

89 

15 

18 

22 

9 25 


Aus unseren Untersuchungen lassen sich folgende SchluBfolgerungen 
ziehen: 

1) Die Agglutination kann unter natflrlichen Lebensbedingungen 
der Bakterien in geeigneten, Koblehydrate enthaltenden NShrboden 
(Pepton + Glukose) als Resultat der Zerlegung von Kohlehydraten regel- 
maBig beobachtet werden bei verschiedenen Vertretern der Typhus-Coli- 
Gruppe (B. typhi, B.coli commune, B. paratyphi B und B.en- 
teritidis). 

2) Die Agglutination tritt deutlicher zutage, wenn der N&hrboden 
auBer Pepton + Glukose noch 5—6-proz. LackmuslOsung enthalt. 


Nachdruek verbotm. 

Der Nachweis fakaler Wasserverunremigimg mittels der 

Indolprobe. 

[Aus dem Stadt. Hygienischen Universit&tsinstitut zu Frankfurt a. M. 

(Direktor: Geheimrat Prof. Dr. M. NeiBer).] 

Von Dr. Alfons Gersbach, Assistent des Instituts. 

Die, Bedeutung des Coli-Nachweises fflr manche Zwecke der 
Wasserbegutachtung steht heute auBer Zweifel. Als Methoden dienen 
im allgemeinen die Garungsprobe (Coli-Titer, ThermoDhilentiter) und 
die Bestiinmung der Coli-Keime mittels der Abblasmethode auf Endo- 
Agar. Ich habe bei dem Fortschritte unserer Kenntnisse Uber die Indol- 
bildung 1 ) 2 ) auf Veranlassung von Herrn Geheimrat NeiBer die In- 
dolbildung als Nachweisraethode fakaler Verunreinigung des Wassers 
geprUft. 

Unserea Wiasens hat sich bi-her nur Schard inger 3 ) mit dieser Frage beschaf- 
tigt. Er mischte 100 ccm des zu untereuehenden Wassers mit stcriler Losung von 1 g 

1) M. Neifler, Miinchen. med. Wochenschr. 1921. Nr. 43. 

2) W. Frieber, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. B<1. 87. 1921. 

3) Schard inger, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 16. 1894. 

Kr«te Abt. OHg. Bd. S8. Heft 2. 10 


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146 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


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Pepton (Witte) und 1 g NaCl in 10 Aqu. dest. und liefl das Gemisch 24 Std. laug 
bebriiten. Es gelang ihrn in der Tat, in einzelnen Fallen von bakteriologischer Flufi- 
und Quellwaaseruntersuchung durch die Indolreaktion die Anwesenheit von Coli-Ba- 
zillen zu ermitteln. Schardinger selbst niacht aber echon gewisse Einsehriinkungen 
fur die Anwendung dieser Reaktion, da er glaubt, daB fast jedes Wasser Keime enthalt, 
die die genannte Keaktion, wenn auch in tschwaehem MaBe, hervorrufen konnen. Be- 
merkt sei auch, daB der Autor eine durch HJSO, alleiu oder durch H a SO, und eine 
Kaliumnitritlo>ung (0,02: 1U0) hervorgerufene Rut- bis Roiblaufarbung positive Indol¬ 
reaktion nannte. Wenn wir in fol^endem statt von Coli-Titer von Indoltiter 
sprechen, so entspringt das unserer Erfahrung, derzufolge in praktischer Hiusicht ate 
Indolbildner im Wasser nur die Darmbakterien, also fast ausschlieBlich die Bakterien 
der Coli- und Paraco 1 i- Gruppe, in Betracht kotnmen. 

Unser Bestreben nniB sein, auch vereinzelte indolbildende Bakterien in geeig- 
neteu Medien anzurcichern. Vorbedmgung (itr die Herstellung einer solchen Niihrlosung 
ist, wie wir seit den Aroeiten von Hopkins und Cole, Berthelot und Zipfel 
wissen, daB Tryptophan in ihr enthallen ist. Im sogenannten Witte-Pepton ist nur 
wenig Tryptophan vorhandeu; iiber groBere Tryptophanraengen dagegen verfiigt man, 
wenn man das Pepton weiter eineiu tryptischen VerdauungsprozeB aussetzt. Dies haben 
uns die Pringsheiin-Frieberschen Versuche gelehrt. 

Die Herstellung der Nahrlosung ist aber noch an weitere Vor- 
aussetzungen gekndpft. In groBeren Betrieben, in denen Bescliaffungs- 
und Herstelluugsschwierigkeiten nickt bestehen, empfieh.lt es sich, die 
Friebersche l ) Trypsin-Bouillon zu beniitzen. Diese wird auf fol- 
gende Weise hergestellt: 1 Lit. gewohnliche Bouillon, die durch pep- 
tischc Verdauung von Fibrin gewonnene Peptonlosunjj und Wasser bzw. 
Plazentawasser enthalt, wird uach Zusatz von 0,2 g Trypsin - Gr lib ler, 
10 cent Chloroform und 10 corn Toluol 24 Std. im Brutschrank von 
37° angedaut (Nahrlosung I). 

Anders wird dagegen die Herstellung der Nahrlosung in kleine- 
ren Betrieben verlaufen milssen, in denen die Beschaffung von Fibrin 
und dessen Verdauung zu groBe Schvvierigkeiten bereiten wird. In 
diesen Fallen schlagen wir vor, folgendermaBen vorzugehen: 1 Lit. 
1-proz. Peptonlosung, die mit kauflichem Pepton Witte hergestellt 
ist, wird nacli Zusatz von 0,5 g NaCl 1 Std. gekocht und wieder auf 
40° abgckilhlt. Nach Ncutralisierung und leichter Alkalisierung mit 
Soda wird die Losung in einer Flasche mit gutsitzendem Cflasstopfen 
mit 0,2 g Trypsin -G i d bier, ferner mit einigeu Nahrsalzen (0,2 g 
Kaliumphosphat und 0,02 g Magnesiumsulfat) und mit 10 cent Chloro¬ 
form und 10 ccm Toluol versetzt. Auf Zusatz von Fleischextrakt wird 
im lnteresse der besseren Durchsichtigkeit der Nahrlosung verzichtet. 
Dieses Gemisch wird nun gut durchgeschiittelt und der Glasstopfen wird 
zwccks Druckausgleich zwischendurch geliiftet. Alsdann wird die 
Flasche mit Papier uberbunden und der Inhalt 24 Std. im Brutschrank 
von 37° der Verdauung uberlassen. Hierauf wird die Flasche wieder 
griindlich geschiittelt, worauf der Inhalt durch ein steriles feuchtes 
Filter filtriert und ' i / i Std. sterilisiert wird (Nahrlosung II). 

In den zahlreichcn mit Nahrlosung I und Nahrlosung II ausgefuhrten 
Vcrsuchen haben wir stets eine vollkoinmene Gleiclnveriigkeit. dieser bei- 
den Losungen gefunden. Zur Ausfuhrung der Indolreaktion geniigt ein 
Gesamtvolumen von 5 ccm. Zu 5 ccm Nahrlosung wird das zu unter- 
suchende Wasser in fallcndcn Mengen hinzugesetzt, und zwar so* daB 
im Eeagensglas I auBer deT Nahrlosung 1 ccm Wasser, im Eeagens- 
glas II 0,1 ccm, im Reagensglas III 0,01 ccm und im Reagensglas IV 
0,001 ccm Wasser sich befinden. Urn uns bei der Einfiillung dc.r 
kicinen Wassermengen in die Reagensglaschen und bei der Herstellung 

1) W. Frieber, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. 1921. 



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Gerabach, Nachweis fakaler Wasserverunreinigung mittela der Indolprobe. 147 


der notwendigen Verdiinnungen von der Anwendung der kostspieligen 
graduierten Glaspipetten ganz frei zu machen, nehmen wir die Ab- 
messung der Wasserquantitaten auf andere Weise vor. Zu der Nahr- 
losung in Rohrchen I u. II geben wir 20 bzw. 2 Tropfen (= 1 ccm 
bzw. 0,1 ccm) Wasser, was mit jeder sterilen, nicht graduierten Pipette 
oder aucli umnittelbar aus der Flasche erfolgen kann. Zu der Losung 
in Rbhrchen III geben wir den InJialt einer genauestens austarierten und 
gerade 0,01 ccm fassenden sogenannten Forsterschen Spirale l ), und 
in Rbhrchen IV impfen wir den Inhalt einer ebenfalls sorgfaltig ausge- 
prtilten Minimaldse, die 0,001 ccm fafit. 

Dieses Schema zur Ausfllhrung der Reaktion reicht nur aus fiir 
Untersuchungen von Leitungs- und Brunnenwasser. Fur andere Unter¬ 
suchungen, z. B. von FluBwasser, milssen weitere Verdiinnungen her- 
gestellt werden, die mit Ililfe der Forsterschen Spirale auch ohno 
jede Anwendung von Pipetten leicht ausgeftihrt werden kann. Bei 
Herstellung einer Verdiinnung 1:10000 z. B. impft man den Inhalt 
einer Spirale (0,01 ccm) in 1 ccm der entsprechenden Verdiinnungs- 
fliissigkeit; es resultiert daraus 1 ccm der Verdiinnung 1:100. Impft 
man nun aus dieser Verdiinnung mit einer Spirale ini glcichen Sinne 
weiter, so erhalt man 1 ccm der Verdiinnung 1:10000 usw. 

Die Indolreaktion wird ausgeftihrt mit dem von Frieber 2 ) modi- 
fizierten Ehrlich-Bohmeschen Indolreagens = 5 g p-Dimethylami- 
dobcnzaldehyd + 50 ccm Alkohol (9t>-proz.)-f50 ccm HC1 (1,19), und 
zwar nacli 24 Std. und nach 48 Std. Zu diesem Zwecke gieBt man 
nach 24 Std. etwa die Halfte der bebrilteten Probe steril ab und prtift 
auf Iudolbildung (4—6 Tropfen Reagens). Beim negativen Ausfall 
kommt der Rest noch eininal fiir 24 Std. in den Brutschrank. Die 
Reaktion muB an beiden Tagen ausgefiihrt werden, weil wir ge- 
funden haben, daB einerseits die Indolreaktion am ersten Tage fehlen, 
und erst am zweiten Tage auftreten kann, daB sie andererseits aber auch 
am ersten Tage positiv sein kann, with rend am zweiten Tage das 
Indol schon verschwunden ist, was offenbar auf der Tatigkeit anderer 
neben dem Bact. coli im Wasser sich befindenden Bakterien be- 
ruht. Fruhestens nach 3V2 Std. kann die Reaktion schon ein positives 
Resultat ergeben. 

Parallel mit dicsen Untersuchungen ging das Abblasverfahren auf 
Kudo -Platten als Vergleichsmethode. Aus den gleichen Wassermengen, 
mit denen die Indolreaktion angestellt wurde, wurde eine Coli-Keim- 
zahlung auf zwei Endoplatten vorgenommen. Die Platten wurden im 
Faust-Heimschen Apparat abgeblasen und zwei Tage lang bei 37° 
bebrtltet. Nach dieser Zeit wurde die Coli-Keimzahl durch direkte 
Ausziihlung bestimmt. 

Nattirlich bestcht die Frage, die sich schon Schardinger gestellt 
hat, auch heute noch mit Recht: Sind es denn immer Coli - Bazillen, 
die das durch die Reaktion nachgewiesene Indol gebildet haben? Thco- 
retisch ist es durchaus denkbar, daB es sich auch um andere indol- 
bildende Bakterien handeln kdnnte. Nun wissen wir aber, daB solche 
indolpositiven Colitis-, Proteus (X 2 und N,;,)-, Para- 
col i - Bazillen, ferner die Vertreter der Pasteur el la-Gruppe, wenn 
sie im Wasser vorgefunden wttrden, zuin mindesten das gleiche Symptom 

1) Holche 0.01 ccm fassenden Spiralen werden von unserem Inatitut zum Preiae 
von M. 10,— abpegeben. 

2) W. Frieber, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. 1921. 

10 * 


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148 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 

erhohter Infektionsgefahr darstellen wiirden, vvie die Anwesenheit von 
Coli-Bazillen. Was unsere Untersuchungen angeht, so haben vvir in 
alien Fallen positiver Indolreaktion durch fteinztichtung das Bact. coli 
als den Indolbildner nachgewiesen. Nun steht ja nach iibereinstimmen- 
den Versuchsergebnissen verschiedener Autoren fest, dab es Coli- 
Slamme gibt, die kein Indolbildungsvermogen besitzen. Es konnte da- 
her der Einwand gemaclit werden, dab bei Anwesenheit von nur indol - 
negativen ini Untersuchungswasser eiu Nachweis mittels des Indoltiters 
nicht moglich ist. Aber wir wissen auch, dab indolpositive und indol- 
ncgative Coli-Stamme in den Abgangen von Mensch und Vieh stets 
geraeinsam vorhanden sind, und dab die indolpositiven bei weitem iiber- 
wiegen, dab also in jedem Falle von Verunreinigung durch Coli-Bazil¬ 
len auch indolpositive durch die Anreicherung in der Nahrlbsung gefun- 
den werden miissen. Dieser Nachweis durch die Indolprobe wird durch 
die ebenfalls vorliandenen indolnegativen durchaus nicht gestbrt. Um 
etwa im Wasser bereits vorhandenes Indol auszuschlieben, haben wir 
in alien Fallen die Indolreaktion auch mit dem zu untersuchenden 
Wasser ohne Bebilitung ausgeffihrt. Dab der Zusatz der Nahrbouillon 
notig ist, zeigte die Untersuchung dieser Wasserprobe nach Bebriltung 
ohne Zusatz der Nahrbouillon. Das Resultat war in alien Fallen 
negativ. 

Es seien die Ergebnisse einiger charakteristischer Versuche mit- 
geteilt, die teils mit der Frieberschen Trypsin - Bouillon (Nahr- 
losung I), teils mit unserer N&hrlosung II angestellt worden sind. 
IJm es gleich vorweg zu sagen, irgendein nachteiliger Einflub war bei 
den Versuchen mit der aus Witte-Pepton hergestellten Nahrlosung 
nicht festzustellen. Das in der Nahe des Instituts entnommene Main- 
wasser erwies sich als sehr geeignet fur unsere ersten Versuche. 
Unsere Methode erwies sich hierbei als brauchbar und gab gleichzeitig 
einen interessanten Aufschlub fiber die hochgradige Verschmutzung des 
Mainwassers in diesem heiben Sommer. Am 19. Juli 1921 konnten 
wir z. B. in Viooooo ccm noch Coli-Indol nachweisen, am 28. Juli 1921 
gelang der Nachweis noch in Vioooooo ccm » d. h- aJso, dab an diesem 
Tago in Vioooooo ccra Mainwasser sich mindestens 1 Coli-Keim 
gefunden haben mub. Im Monat September hatte die Keimzahl schon be- 
deutend abgenommen. Am 7. Sept. 1921 wurde folgendes Protokoll 
notiert: 


Tabelle I. 

Mainwasseruntersuchunf. 


Rohrehen 

Wassermenge 

Iodoltiler 

Coli - Keime auf 

E d d o - Flatten 



1. Tag 

2. Tag 

Platte 1 

Platte 2 

1 

1 cem 

_ _ 

+ 


ca. 600 

ca. 400 

2 

1/ 

/10 

+ 


74 

44 

3 

>/ 

li oo v 

+ 


7 

6 

4 

1 1000 »» 

+ 


2 

0 

5 

J 10000 »» 

h 00000 M 

+ 


0 

0 

6 


— 

0 

0 


Dieser Versuch ergibt deutlich die Ueberlegenlieit unserer Indol- 
nachweismethode gegenliber der Plattenmethode. Wahrend mit dieser 
in Vioooo ccm Wasser keine Coli-Keime melir gefunden wurden, war 
die Indolreaktion bei derselben Wassermenge noch positiv. 



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Gersbach, Nachweis fakaler Wasserverunreinigung mittels der Indolprobe. 149 


Am 16. Sept. 1921 war die Indolreaktion nocli in Viooo ccm positiv, 
am 3. Nov. 1921 dagegen nur noch in Yioo ccm. 

Interessant waren auch die Untersuchungen, die ich mit meiuem 
Badewasser, stammend aus unserer colifreien Leitung, anstellte. Zur 
groBen Ueberraschung war die Indolreaktion fast taglich in 1 / 10 ccm 
Wasscr moglich. Zur Erlauterung moge folgendes Protokoll dienen. 

Tabelle 2. 


Badewasserun tersuchung. 


Rohrchen 

Wassermenge 

Indoltiter 

Coli- Keime auf 

E n d o - Platten 

1. Tag 2. Tag 

Platte 1 

Platte 2 

1 

1 ccm 

1 

+ 

2 

1 

2 

1/ 

lio »> 

+ 

0 

0 

3 

/ IOO » 

— 1 — 

0 

0 


Versuche, die mit YVasser aus dem hiesigen stadtischen Schwimm- 
bad angestellt wurden, fielen khnlich aus. Das Wasser wurde zunkchst 
nur an drei aufeinanderfolgenden Tagen untersuckt und wahrend dieser 
Tage nickt erneuert. Das Ergebnis war folgendes: 

Tabelle 3. 


Schwimmbadewasseruntersuchungen. 


1 

M an nernch wim in bad 

Frauenschwimmbad 

Indoltiter 

Besucherzahl 

Indoltiter 

Besucherzahl 

1. 

Tag 

7io ccm + 

351 

1 ccm + 

124 

2. 

»! 

/ ioo n 

300 

l /l0 » + 

117 

3. 

»> 

1 / IOO 

412 

/100 »> 1 

174 


Mit dem Wacksen der Besucherzahl nalim nattlrlich auch die Zaiil 
der ini Wasser zurtickbleibenden Coli-Keime zu, und der Coli-Nach- 
weis durck die Indolprobe wurde in immer geringeren Mengen moglich. 
Von Inleresse dilrfte auch das Ergebnis einer mehrere Wochen hin- 
durck taglich ausgefilhrten Untersuchung des Badewassers des hiesigen 
Schwimmbades sein. Wir entnahmen Wasserproben am Tage der Fttl- 
lung und an den nun folgenden Tagen der Wasserbenutzung. Das 
Kesultat war im allgemeinen folgendes: 

Am Tage der FUllung war das Wasser colifrei, d. h. ein Indol- 
nachweis gelang nicht. An den nun folgenden Tagen nahin die Coli- 
Zahl entsprechend der Besucherzahl zu und der Indolnachweis gelang 
mehr oder weniger schnell auch in geringeren Wasscrmengen. Am 
Tage hochgradiger Verschmutzung, an dem die Besucherzahl beson- 
ders hoch war, gelang der Indolnachweis in l / 100 ccm Wasser. In ge- 
riugeren Wasscrmengen konnten wir C o 1 i - Bazillen mit unserer Methode 
niemals nachweisen, selbst nicht bei sthrkstem Besuch durch Vereine. 

Nachdem wir so die Zuverlassigkeit unseres Indoltiters erkannt 
halten, gingen wir dazu iiber, Trinkwasser zu untersuchcu. Ver- 
schiedcne Proben von Leitungswasser, in Frankfurt und in der Um- 
gebung entnommen, ergaben negatives Resultat. Anders war aber das 
Untersuchungsergebnis von Kesselbrunnenwasser, das zum Teil in hiesi- 
sen Gkrtcn, zum Teil auf einem Dorfe in der Umgebung entnommen 
wurde. Von 8 Brunnen waren nur zwei einwandfrei, d. h. der Indol- 
titer war auch mit 1 ccm Wasser negativ. Eine Brunnenprobe ergab 


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150 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 83. Heft 2. 


in 1 ccm Wasser, eine zweite in 1 / 10 ccm, die iibrigen fUnf in x /ioo 
cent Wasser positive Indolreaktion. 

Wei ter beschaftigte uns auch die Frage, ob in den Fallen, in denen 
tin Indolnachweis nicht moglich ist, vielleicht die Phenolreaktion *■) 2 ) 
zuni diagnostischen Nachweis von Co 1 i im Wasser herangezogen wer- 
den kann. Wir wissen ja, daB es Coli-Stamme gibt, die zwar kein 
Indol, aber Phenol bilden. Wir haben demeiitsprechend reines Tyrosin, 
das zur Phenolbildung erforderlich ist, den zu bebriitenden Wasserproben 
zugesetzt und zwar wegen der schweren Loslichkeit und tier von uns 
als notwendig erkannten Menge als Emulsion in folgender Form: 

Tyrosin 0,05, 

Gi. arab. 5,0, 

Aq. dest. 20,0, 

davon 0,5 ccm auf 2 ccm des zu untersuchenden Wassers. Auf diese 
Weisc ist es uns allerdings gelungen, cinige Male im Mainwasser nach 
4—5 Tagen Phenol nachzuweisen, aber nur in Fallen, in denen auch 
die Indolreaktion positiv war. Eine praktische Bedeutung wird also 
der Phenolnachweis als Coli-Indikator nicht haben, schon der hohen 
Kosten wegen, die ein soldier Tyrosinverbrauch bedingen wtirde. 

Wir fassen noch einmal die Ergebnisse unserer Untersuchungen 
zusammen: 

Ein einfaches und billiees Verfahren des Nachweises fakaler 
Wasserverunreinigung besteht in der Bestimmung des „Indoltiters“. 

Das Prinzip dieser Bestimmung ist folgendes: Zu gleichen Quan- 
titaten einer tryptophanhaltigen Nahrlosung wird das zu untersuchende 
Wasser in fallenden Mengen zugesetzt. Nach 1- bzw. 2-tagiger Be- 
briitung bei 37 0 wird mit diesem Gemisch die Indolreaktion mit dem 
von Frieber modifizierten Ehrlich-Bollmeschen Reagenz ausge- 
fttlirt. 

Es werden 2 Herstellungsarten der genannten Nahrlosung ange- 
geben: Nahrlosung I wird fur groBere, Nahrlosung II filr kleinere 
bakteriologische Betriebe empfohlen. 

Bei der Einftillung der kleinen Wassermengen empfehlen wir statt 
des Gebrauchs teurer graduierter Glaspipetten die Anwendung einer 
0,01 ccm fassenden Spirale und einer 0,001 ccm fassenden Mini- 
malose. Mit diesen konnen auch beliebig starke Verdiinnungen ausge- 
ftlhrt werden. 

Praktisch konimt als Indolbildner im Wasser allein das Bact¬ 
ed i bzw. par a coli in Frage. 

Ein Nachweis des Bact. coli mittels der Phenolreaktion ist m&g 
lich, kommt aber praktisch wegen der Kostspieligkeit dieser Reaktion 
nicht in Frage. 

1) M. Neifier, Miinchen. med. Wochenschr. 1921. Nr. 43. 

2) W. Frieber, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. 1921. 


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Seiffert, Vergleichende Farbevereuche an lebenden und toten Bakterien. 151 


Naohd.rv.ck verboten. 

Vergleichende Farbeversuche an lebenden und toten 

Bakterien. 

[Aus der bakteriologischen Abteilungdes Reichsgesundheitsamtes (Direktor: 

Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Haendel).] 

Von Dr. W. Seiffert. 

Entersuchngen ilber die Eigenschaften der Proteinkorper, fiber die 
ich an anderer Stelle bericbtet habe (1), hatten die Mdglichkeit ergeben, 
einen Farbstoff wie Anilingentianaviolett durch Zusatz von Deutero- 
albumose, Kaseosan, Serum, Bouillon usw. dergestalt zu verandern, 
daC er nur noch in tote, aber nicht mehr in lebende Bakterien einzu- 
dringen vermochte. Die Technik war folgende gewesen: 4 ccm einer 
5proz. Deuteroalbumoselosung oder 50—lOOproz. desinfizientien- 
freien Kaseosans, das die Firma Hey den in entgegenkommender Weise 
zur Verftigung stellte, wurden mit 0,2 ccm stark konzentriertem Ani¬ 
lingentianaviolett 1 ) versetzt; in 1 ccm dieses proteinhaltigen Farb- 
stoffes wurde ein Tropfen Bakterienaufschwemmung, z. B. Paratyphus-B- 
Bazillen, hineinpipettiert; kurz darauf erfolgte die Beobachtung im hiln- 
genden Tropfen. Abgetotete Bakterien (z. B. durch Erhitzen auf 56 °J 
waren deutlich gef&rbt, lebende farblos. 

Die Erklarung ftir dieses Pk&noraen wurde in mechanischen Ad- 
sorptionsvorg&ngen gesucht, wie sie aus den Untersuchungen 
Becholds (2) tlber die Verteilung von Methylenblau zwischen Wasser 
und SerumeiweiD bekannt sind und wie sie auch eigene Versuche (1) 
ergeben hatten; die, Verbindung mit dem EiweiBmoleklil verwehrte offen- 
sichtlich dem Farbstoff den Durchtritt durch die Bakterienwandiuig; 
erst durch mortale Verandcrungen wurde die Fdrbung ermbglicht. 

Somit schien hier ein Weg gewiesen, tote und lebende Bakterien 
unter dem Mikroskop zu differenzieren. Auf Veranlassung von Herrn 
Professor Gildemeister habe ich die Versuche systematisch in der 
Richtung fortgesetzt, ob sich die beobachteten Differenzen zu einer 
praktisch brauchbaren Methodik ausarbeiten lielien. 

Differenzen in der Farbbarkeit lebender und toter Bakterien sind 
bereits des ofteren beobachtet worden [M e t s c h n i k o f f (3), N a k a - 
ni sch i (4), Platho und Guth (5), Ei sen berg (6)] ; auch derVersuch, 
diese Differenzen zu diagnostischen Zwecken zu verwerten, ist nicht neu, 
Proca (7) verwandte eine Methylenblau-Fuchsinfarbung, Nyfeldt (8) 
impragnierte mit Silbernitrat, auch die Uunasche Far bung der Lepra- 
bazillen mit Viktoriablau-Safranin (9) gehort hierher. Doch haben diese 
Angaben, soweit sie tiberhaupt allgemein in Betracht kommen, entwedex 
der Nachprtlfung nur mangelhaft standgehalten (Kayser 101. oder sie 

1) 1,8 ccm Anilin -f 12 ccm phy«. NaCI LftHung werden gesrhiittelt und filtricrt; 
zu 12 ccm des Filtrate werden 4 ccm kouz. alkoh. Gentianaviolett. hinzugetan. Die 
Mischnug wird geschiittelt und filtriert. 


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152 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 8S. Heft 2. 


waren zu umstandlich, um allerorts Eingang zu finden. Die Wiederauf- 
nahmc ahnlicher Versuche schien also gerechtfertigt. 

Zu unseren Untersuchungen warden folgende Bakterienarten heran- 
gezogen: B. paratyphi A uud B, B. enteritidis Gartner, 
B. suipestifer, B. faecalis alcaligenes, B. coli, B. dysen- 
teriae Shiga-Kruse, B. dysenteriae y, B. Flexner, B. typhi, V. 
cholerae, Vibrio Metschnikoff, Milzbrand, Staphylococcus au¬ 
reus, Streptococcus, B. subtilis und Diphtheriebazillen. Als Pro- 
teinkbrper fanden in phys. NaCl-Losung Deuteroalbumose, Kaseosan, 
Rinderserum, HtihnereiweiB und Ovoglobulin Verwendung. Der bevor- 
zugte Farbstoff war um seiner intensiven Farbekraft willen Anilin- 
gentianaviolett in der oben angegebenen Konzentration. (Eine grbBere 
Anzahl von Farbstoffen erwies sich von vornherein als ungeeignet, da sie 
den ProteinkOrper sofort zur Fallung brachten.) Als Kontrolle diente 
eine physiologische Kochsalzlbsung mit dem entsprechenden Farbstoff- 
zusatz. 


1 . 

Bereits die Vorversuche in dieser Kochsalzkontrolle zeitigten inso- 
fern interessante Ergebnisse, als auch in starken Farbstoffkonzentratio- 
nen, in denen sich die weitaus meisten (ursprtinglich) lebenden Bakterien 
im intensivsten Blau prasen tier ten, recht haufig eine ganze Anzahl 
Bazillen der Farbung sich vollkommen entzogen. Es waren ihrer um so 
mehr, je geringer die Farbstoffkonzentration war. Stellte man sich aus 
unserem Anilingentianaviolett in abgestuften Reihen mit phys. Koch¬ 
salzlbsung 0,4—10,0proz. Verdtinnungen her, so ergab die Beobach- 
tnng nach 24 Std. ftlr lebende Typhusbazillen folgendes Resultat: 

Die 0,4proz. Lbsung lieB nirgends eine einwandfreie Farbung 
erkennen. Bei 0,8proz. Farbstoffgehalt waren nur vereinzelte Bakterien 
intensiv gef&rbt, die groBe Mehrzahl nicht, dann nahm jedoch die Zahl 
der ungefkrbten (oder ganz schwach gefarbten, s. u.) standig ab, bis man 
in lOproz. Lbsungen nur noch nach reiflichem Suchen hie und da ein 
ungefarbtes Stabdien nachweisen konnte. Dem entsprach auch die 
Plattenkontrolle; je st&rker die Farbstoffkonzentration war, um so weni- 
ger Kolonien gingen bei der Ueberimpfung an. 

Es variierte also die Farbbarkeit der lebenden Bakterien innerhalb 
ein- und derselben Abschwemmung. Dieses Variieren stand in engem 
Zusammenhang mit der Konzentration des Farbstoffes; es war also eine 
Funktion, die von auBeren Einflilssen abhangig war. 

Die Versuche warden mit Methylenblau wiederholt und auf andere 
Bakterien (Paratyphus- und Coli-Bazillen, Staphylokokken) ausgedehnt. 
Die Resultate waren im Prinzip die gleichen. — 

Weiterhin fanden sich in den Farbeversuchen an lebenden Mikro- 
organismen (z. B. Typhusbazillen) oft genug noch nach 24 Std. Bak¬ 
terien, die zweifelsohne einen gewissen Farbenton aufwiesen, in der 
Farbungsintensitat jedoch dem Durchsclinitt augenscheinlich weit nach- 
standen; sie waren, im Gegensatz zu den intensiv gefarbten, gut be- 
weglich. Diese Bakterien hatten sich also fur den Farbstoff zwar durch- 
Ihssig gezeigt, aber nur bis zu einem bestimmten Grade und ohne ihre 
Lebensfahigkeit in erkennbarem MaBe einzubuBen. Aehnliche Befunde 
ergaben sich bei den spater zu schildernden Versuchen mit lOproz. 
Kongorot. So nalimen z. B. lebende Milzbrandbakterien gelegentlich 
binnen kurzer Zeit einen leichten Farbenton an, der sich selbst nach 


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Seiffert, Vergleichende Farbeversuche an lebenden und toten Bakterien. 153 


24 Std. kaum verstarkte und mit dera Eot der abgetbteten Bazillen 
aucli nicht im entferntesten konkurrieren konnte. Hierlier mag auoh die 
Unbewegliekkeit der Typhusbazillen in der gleichen Farbliisung zu 
reclrnen sein, die trotz ihrer Unbeweglichkeit stecs so gut wie ungefarbt 
blieben und, aus dem Kongorot auf Agar tiberimpft, sich stets in 
reichlichen Kolonien entwickelten; da die gute Beweglichkeit der Vibrio- 
nen in demselben Medium eine mechanische Behinderung auszuschlieBen 
schien, wird wohl auch hier der Gedanke an eine Farbstoffaufnahme 
in ganz geringen Mengen nahegelegt, wenn auch bei der Kleinheit der 
Gebilde die Reaktion der Zelle in Form der Immobilitat eher erkenn- 
bar wurde als das eingedrungene Kongorot. 

Der Eindruck, den man aus diesen Untersuchungen gewann, ging 
demnach dahin, daB ftir eine ganze Anzahl von Bakterien zwar a priori 
die Moglichkeit einer Farbstoffaufnahme gegeben war, dafi aber die 
Bakterien die Fahigkeit besaBen, sich auf die erste Reizwirk ing hin 
dem Eindringen weiteren Farbstoffes wenigstens in gewissen Grenzen 
zu verschlieBen. Ihr endgtiltiges Schicksal hing von ihrer Eesistenz 
gcgeniiber dem eingedrungenen Farbstoff ab. So ging z. B. bei den sehr 
einpfindlichen Vibrionen die leichte Anfarbung sehr schnell in einen 
intensiven Farbenton fiber, und die Ueberimpfung aus der Farblbsung 
fiel schon nach wenigen Minuten negativ aus (vgl. u.). Paratyphus- 
B-Bazillen dagegen zeigten gelegentlich noch nach 48sttiudigem Verwei- 
len in einer fiir Vibrionen durchaus brauchbaren Farblbsung nur ein 
ganz leichtes Blau und wareu dabei gut beweglich; auf der anderen 
Seite lieferte eine Ueberimpfung auf Agar aucli dort noch reichlich Kolo- 
nien, wo sich die Bazillen bereits in leuchtendem Blau darstellten. 

Beide Beobachtungen — das Schwanken der Farbbarkeit an sich 
je nacli der Konzentration des Farbstoffes in dem umspiilenden Medium 
einerscits, die Schwache der vitalen Anfarbung in einer ftir tote Bak¬ 
terien durchaus verwendbaren FarblOsung andererseits — lieBen sich 
zwar kaum mit der Lipoidtheorie, urn so besser aber mit der An- 
nahme einer Plasmagrenzschicht im Sinne Becholds (11) in Ein- 
klang bringen. DaB die Permeabilitat einer solchen Grenzschicht je nach 
dem Alter und dem Funktionszustande der Bakterien variieren kann, 
leuchtet ohne weiteres ein, so daB die Farbungsdifferenzen in ein und 
derseJben Kultur uns ohne Schwierigkeit verstandlich erscheinen. DaB 
eine kolloidale Grenzschicht sich auf Grund der Oberflachenspannungs- 
gcsetze auf die Konzentrationsbedingungen im uingebeuden Medium 
einstellt, ist auch nicht weiter verwunderlich. Und daB ein intrazellu- 
larer Reiz, wie ihn das Eindringen auch nur geringer Farbstoffmengen 
sicherlick darstellt, auch in der kolloidalen Struktur und damit in der 
Permeabilitat der Zelle seinen Ausdruck findet, ist eine Beobachtung, 
die sicli auf zahlreiche Analogien zu stiltzen vermag. 

Tote Bazillen (z. B. B. typhi) lieBen bereits in einer 2proz. 
AnilingentianaviolettlBsung anscheinend ausnahmslos Farbstoffkornchen 
erkennen, ahnlich wie sie Nakanischi (4) in seinen Farbeversuchen 
oder Reitz (12) bei ZUchtung auf Eosinagar beschreibt. Eine diagno- 
stischc Bedeutung kommt diesen Kbrnchen nicht zu; diese Feststellung, 
die bereits ZeiB und Eisenberg (6) auf die entgegengesetzten Be 
hauptungen von Reitz (12) hin ausdriicklich betonen, hat sich auch in 
unseren Versuchen bestatigt, die Kornclien werden bei samtlichcn Ver- 
tretern der Typhus-Coli-Gruppe gefunden, meist zu zweit an den Polen 
der Zelle, bisweilen auch in grdBerer Anzahl reihenformig geordnet. 


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154 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origiuale. Bd. 88. Heft 2. 


Ueberhaupt haben meinc Beobachtungen keinerlei Beleg dafiir gegeben, 
dab es sich bei diesen Kornchen um die Darstellung einer vitalen Struk- 
tur handelt; in denjenigen Bakterien, die trotz einer Farbstoffaufnahme 
ihre Beweglichkeit bewaiirt hatten, war der Farbstoff stets gleichmabig 
verteilt. Jedenfalls labt sich die Annahme, dab die Kbrnchenbildung auf 
eine krankhafte, wenn nicht mortale Storung in der Verteilung der 
intrabakteriellen Substanzen zurtickgeht, nicht ohne weiteres von der 
Hand weisen. 

Die beobachteten Differenzen zwischen grampositiven und graru- 
negativen Bakterien beschrankten sich auf die bekannten Unterschiede 
in der Intensitat, der Farbung und dem Perraeieren durch die Bakterien- 
grenzschicht. 


2 . 

Bei den Unterschieden, die sich bereits in der Kochsalzl&suug in 
dem Farbevermbgen lebender und toter Bakterien herausgestellt hatten, 
bot der Versuch, diese Differenzen bis zu einer diagnostisch brauchbaren 
Abstufung herauszuarbeiten, keine ungiinstigen Aussichten, und die An¬ 
nahme einer Zellgrenzschicht, mit anderen Worten der Permeabilitat als 
des ausschlaggebenden Faktors, lieb gerade den beschrittenen Weg, das 
Farbstoffmolekiil durch Adsorption zu vergrdbern 1 ), besonders erfolg- 
versprechend erscheinen. 

Wic bereits eingangs dargelegt, ging der Gedanke, welcher der 
Verwendung proteinhaltiger Farblosungen zugrunde lag, dahin, dem Farb¬ 
stoff durch die Kuppelung an den Proteinkorper den Eintritt in die 
lebende Zelle unmoglich zu machen; die Methode hatte also zur Voraus- 
setzung, dab die Bakterien in dem proteinhaltigen Farbstoff ihre Lebens- 
fahigkeit behielten. Nun war die Protemkbrperlbsung als solche, wie 
vorausgegangene Versuche gezeigt hatten, mit keiner nachweisbaren Schh- 
digung der Mikroorganismen verbunden, gaben vielmehr einen recht - 
guten Nahrboden ab, dagegen kainen dem verwendeten Farbstoff selbst, 
unserem Anilingentianaviolett, in hohem Mabe toxische Eigenschaften 
zu. Es schien uns jedoch die Hoffnung begrilndet, dem Farbstoff mit 
der Moglichkcit, in die lebende Zelle iiberhaupt einzudringen, auch die 
Gelegenheit zur Entfaltung seiner Toxizit&t zu nehmen. 

So wurde denn zunachst die Entwicklungsfahigkeit der Bakterien 
nach 24sttlnd. Aufenthalt in der proteinhaltigen Farblosung geprilft. 
Fiir eine grobe Anzahl fiel das Ergebnis auch erwartungsgemab aus. 
Wenn man sich eine Mischung von 10o/ 0 iger Deuteroalbumose und 
Anilingentianaviolett ini Verhaltnis 3:100 bis 5:100 herstellte, in diese 
Ldsung einen Tropfen aus einer Abschwemmung der Typhus-Coli-Gruppe 
hineinpipettierte und 24 Std. darauf einen Plattenausstrich anlegte, so 
wuchs hier Kolonie an Kolonie. Ganz anders verhielten sich jedoch Sta- 
phylokokken, Streptokokken und Vibrionen; sie ergaben unter denselben 
Bcdingungen stets negative Befunde. Dem entsprach denn auch die Be- 
obachtung im hangenden Tropfen: Wahrend sich Typhusbazillen u. dgl. 
inmitten der blauen Farblosung mit hell durchscheinendem Zelleib dar- 
boten, waren Vibrionen usw. durchweg gefarbt. 

Der Prote'inkbrper war also nicht imstande gewesen, iiberall eine 
praktisch schtitzende Wirkung auszutiben. Er machte sich der Koch- 


1) Ein Hinweis in der gleichen Richtung findet Bich in einer kiirzlich erschienenn 
Arbeit Schulemanns (13). 


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Seiffert, Vergleichende Farbeversuche an lebenden und toten Bakterien. 155 

^zkontrolle gegentiber nur durcli eine schwachere Intensitat der Far- 
bung geltend, doch war diese schwachere Intensitat in beiden Fallen 
vorhanden, bei Verwendung lebender Bakterien ebenso wie bei toten. 

Das Anilingentianaviolett war also unleugbar in die Vibrionen 
und Kokken eingedrungen. Dab sich der Gesamtkomplex-Prote'inkbrper- 
Farbstoff in die lebende Zelle Eingang verschafft hatte, war kauin denk- 
bar. Es kam wohl nur reiner, an kein Eiweib gekuppelter Farbstoff in 
Betracht. Mit anderen Worten: die Adsorption des Anilingentianavioletts 
durch die Prote'inkbrper konnte keine vollstandige gewesen sein. Es 
war auch nach den Untersuchungen Becholds (2) von vornhereiu mit 
der Anwesenheit derartigen freien Farbstoffs zu rechnen gewesen. 
Nur hatte man nach den gtinstigen Versuchen mit der Typhus-Coli- 
Gruppe erwarten dttrfen, dab seine Menge zu gering sei, um sich prak- 
tisch auszuwirken. Anscheinend reichten jedocli schon diese geringen 
Mengen hin, um besonders empfindliche Keime in der schwerstcn Weise 
zu schadigen. 

Daraufhin wurden denn Versuche ilber die bakterielle Empfind- 
lichkeit gegentiber Anilingentianaviolett angestellt, um Klarheit dariiber 
zu schaffen, ob sich unsere verschiedenen Befunde mit der Farb- 
stoffresistenz der einzelnen Bakterien deckten. In vier Reihen wurde 
das Anilingentianaviolett in verschiedenen Konzentrationen (1: iOO bis 
1:1600) mit phys. Kochsalzlbsung verdtinnt. Zwei Reihen wurden 
mit Stammen, die in der proteinhaltigen Farblosung nicht gefarbt und 
nicht sichtlich geschadigt, wurden, beschickt, und zwar mit Typhus- 
und Colibazillen, zwei Reihen mit Vertretern der gefarbten und ge- 
schadigten Gruppe, Vibrio Metschnikoff und Staphylokokken. Nach 
3 Std. wurde von jeder Konzentration aus ein Agarausstrich angelegt: 
Coli- und Typhusbazillen gingen bereits aus der Verdtinnung 1:100 reich 
lich an, Vibrionen und Kokken lieferten selbst aus der Verdtinnung 
1 800 nur sp&rliche Kolonien. 

Dieser Befund entsprach vollkommen unseren Resultaten mit dem 
Pioteinkbrper-Farbstoffgemisch. Es blieben eben diejenigen Bakterien, 
denen die eindringenden Spuren des freien Farbstoffs nichts anhaben 
konntcu, lebend und ftlr unser Auge ungefarbt, die anderen gingen 
mehr oder weniger schnell zugrunde und boten nun nattirlich gegen- 
ilber den von vornherein abgetoteten Zellen keine Unterschiede mehr dar. 

So wurden denn zahlreiche Versuche unternommen, durch quanti¬ 
tative Verschiebungen in dem Verlialtnis Proteinkbrper Farbstoff eine 
Lbsung zu erzielen, in welcher der Gehalt an freiem Vnilingentiana- 
violett auf ein Minimum reduziert wurde. Dabei war hinsichtlich der 
Menge des Farbstoffs an sich stets eine Grenze gegeben: tote Bak¬ 
terien mubten in der Lbsung stets deutlich farbbar sein. 

Der erwartete Erfolg blieb jedoch aus. Sobald man freilich die 
Beubachtungszeit verkurzte, waren die Resultate nicht ungtinstig; auch 
die empfindlichen Bakterien brauchten bei den geringen. in Frage 
kommenden freien Farbstoffmengen eine gewisse Zeit, um seiner Gift- 
wirkung zu erliegen, und blieben bis dahin so gut wie ungefarbt; tote 
Bakterien nahmcn dagegen schnell Farbstoff auf. Man konnte bei kurzer 
Beobaehtungsze.it sogar in der Konzentration des Farbstol'fes erheblich 
heraufgehen und so den schhrfsten Kontrast zwischen intensiver Far- 
bung und heller Durchsichtigkeit erreichen. Typhus-, Paratyphusbazillen 
u. dgl. waren auch noch nach 24 Std. meist optisch vbllig ungefaribt 
und vorztiglich beweglich. Es lieb sich aber keine Konzentration her- 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88 . Heft 2 . 


stellen, vvelche noch stark genug war, um tote Bakterien zu farbeu, 
und dabei z. B. den Vibrionen cine Lebensdauer tlber einige Minuten 
hinaus vergbnnte. 

Damit war jedoch die Zuverlassigkeit der Metliode auch dort er- 
schtittert, wo das Experiment ansclieinend gute Ergebnisse gezeitigt 
hatte. Sic baute sich nun eininai auf der unversehrten Lebensfahigke.it 
der Zelle auf. War aber derartig viel freier Farbstoff vorhanden, dafi 
bestimmte, wenn auch besonders empfindliche Bakterienarten regel- 
maBig in kurzer Zeit abgetotet. wurden, dann stieg auch bei der Typhus- 
Coli Gruppe bei jeder positiven Farbung, die man erhielt, sofort der 
Zweifel auf, ob es sich nicht auch hier um einen besonders empfind- 
lichen Stamm oder besonders empfindliche Individuen gehandelt liabe, die 
erst sekundar der Farbstoffwirkung erlegen waren. Es war nur mog- 
lich, die in der Losung nicht gefarbten Bakterien als lebend anzu- 
sprechen, vorausgesetzt, daB die Kontrolle alle abgetOteten Elemente 
deutlich gefarbt zcigte; fiber die gefarbten Zellen dagegen gab die 
Methode keinen einwandfreien AufschluB. 

Die Versuche wurden noch mit einigen anderen Farbstoffen fo-rt- 
gesctzt, und immer wieder ermutigte die auffallende Differenz zwischen 
toten und lebenden Bakterien zu neuen Modifikationen, bis schlieBlich 
wieder grofiere Reihen die alten Versager zutage treten lieBen. Die Far¬ 
bung mit proteinhaltigen Farblosungen blieb ein theoretisch auBerordent- 
lich interessantes Phanomen; zur praktischen Diagnose lieB sie sich 
nicht verwerten. 


3. 

So batten unsere Versuche mit proteinhaltigen Farblosungen zwar 
nicht zu jenem Ergebnis gefuhrt, um dessentwillen sie unternommen 
wordcn waren. Immerhin hatten sie jedoch so viel gezeigt, (laB der Ge- 
danke, tote und lebende Bakterien auf Grund ihrer verschiedenen Per- 
meabilitat im hangenden Tropfen farberisch zu differenziereu, eines 
weiteren Nachgehens wert war. 

'Das Verfahren der proteinhaltigen Farblosung war daran geschei- 
tert, daB die erstrebte VergroBerung des Farbstoffmolekiils nur zum Teil 
erreicht werden konnte; gewisse Farbstoffmcngen entzogen sich der 
Adsorption. Die gewtinschte Differenzierung konnte aber nur dann 
erzielt werden, wenn die GroBe der Farbstoffmolckiile durchweg das er- 
forderliche MaB betrug. 

Mit dem Verzicht auf proteinhaltige Faxbstoffe brauchten also 
die yersuche selbst keineswegs fallen gelassen zu werden. Bereits zu 
Beginn unserer Nachpilifungen waren orientierende Untersuchungen dar- 
ilber angestellt worden, ob nicht der komplizierte Adsorptionskomplex 
Proteinkorper—kleinmolekularer Farbstoff ebenso gut durch einen ein- 
fachen hochmolekularen Farbstoff ersetzt werden konnte. Der scharfe 
Kontrast, den die Proteinkorpermethode filr die Typhus-Coli-Gruppe er- 
zielte, hatte jedoch dem kombinierten Verfahren den Vorzug gegeben. 
Jetzt. wurde von neuem auf hochmolekulare Farbstoffe zuruckgegriffen. 

Am besten bewahrte sich bei folgendem Vorgehen lvongorot: Der 
Farbstoff wurde in phys. Kochsalzlosung bis zur Sattigung geldst, als- 
danu filtriert, mit phys. Kochsalzlosung im Vcrhaltnis 1 :10 verdfinni 
und sofort zur Farbung unserer Bakterien verwendet. Die Beobachtung 
erfolgte innerhalb der ersten St. (auf die Farbung der toten Zellen hin) 
im hangenden Tropfen und wurde nach 24 St. wiederholt fauf NichG 


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Seiffert, Vergleichende Farbeversuche an lebenden und toten Bakterien. 157 


farbuDg der lebenden Elemente 1 )]. — Ueberimpfungen ergaben noch 
nach 48 Std. stets reicliliche Kolonien sanitlicher verwendeter Bakterien. 

Stets wurden frische Farblosungen benutzt. Sie erwiesen sich 
praktisch als hinreichend gleichmaBig, wahrend sicli in alten Losungen 
die Unterschiede verwiscliten. Allerdings wurde stets nur ein und das- 
selbe Farbstoffpraparat 2 ) herangezogen. 

Der Lichtdurchtritt — als Lichtquelle diente die elektrische Lampe 
unseres Dunkelfeldes — wurde durcli die kolloide Bescliaffenheit des 
Kongorots in hohem MaBe behindert. Diese Beliinderung erlaubte eine 
Beobachtung nur am Rande des liangenden Tropfens und verlangte eine 
genaue Einstellung jedes einzelnen Bakteriums auf scliarf umrissene 
Kontur; man muBte, unter standigem Spielen an der Mikrometer- 
schraube, Stabchen ftir Stabchen einzeln fur sich in seiner eigenen 
Ebene fassen. Wurde diesen technischen Bedingungen sorgfaltig gentigt, 
so ergab sich bei alien toten Bakterien ein ziemlich kraftiger, braun- 
roter Farbenton, wahrend die lebenden gar nicht oder doch nur so 
schwach gef&rbt waren (s. o.), daB das geiibte Auge die Differenz 
ohne Schwierigkeit zu erkennen vermochte. 

Es sei aber ausdrticklich hervorgehoben, daB man an die Kongorot- 
Farbuug keinesfalls mit denselben Ansprtichen herantreten darf wie an 
unsere F&rbungen mit Anilingentianaviolett. Es eippfiehlt sich viel- 
mehr dringend, sich bei jeder praktischen Untersuchung an zwei Kon- 
trollen mit bestimmt lebenden und bestimmt toten Bakterien liber den 
latsachlichen Grad der gegebenen Farbunterschiede zu vergewissern. Fllr 
Kokken eignet sich die Methode bei der Kleinheit der Gebilde nicht. 

Ftir die Farbung abgetoteter Elemente war die Art und Weise, in 
der die AbtBtung erfolgt war, gleichgliltig. Ob man die Bakterien auf 
56°, 60° oder 70° erhitzt, ob die Erhitzung eine oder mehrere Stun den 
angehalten hatte, spielte keine Rolle. Auch durch Chemikalicn ab- 
getbtete Bakterien nahmen die Farbung an. 

Besondere Untersuchungen galten dem Verhalten spontan abge- 
storbener Bakterien. In jeder 24 Std.-Kultur fanden sich einige fhrb- 
bare Bazillcn, die von uns als abgestorbene Elemente aufgefaBt wurden, 
da ihre Zahl mit dem Alter der Kultur zunahm. Direkt beweisend 
fllr die MOglichkeit, mit dieser Methodik spontan zugrunde gegangene 
Mikroorganismen zu erkennen, schicnen uns jedoch die Nachpriifun<ren 
an einer interessanten Kolonievariante eincs Ruhr-Shiga-Sta:nmes 
zu sein, welche auf Agarplatten innerhalb einiger Tage kleine weiBliche 
KnCpfchen bildete; diese KnOpfchen zeichneten sich im Gegensatz zu 
der Ausgangsform, die nach 3—4 Tagen auf der Agarplatte abgestorben 
war, durch intensive Lebensfahigkeit aus und licBen sich noch nach 
Wochen weiterimpfen: Farbeversuche mit der (wie Abimpfungen er- 
geben batten) abgestorbenen Unterlage lieferten stets gcfarbte Bazillen; 
rieb man dagegen Particn mit Knopfclienbildung in die Farblosang ein, 
so lagen im hangenden Tropfen, entsprechend dem Gcmisch von Unter- 
lage und Knopfchen, gefarhte und ungcfarbte Stabchen in dichten Rcihen 
nebeneinander. 

DaB diese Methode selbstverstandlich nie eine Sterilitatsprobe dar- 
sielJen kann, liegt auf der Hand; schon die Notwendigkeit, jedes Stab¬ 
chen scharf fllr sich allein einzustellen, schlieBt, diese MOglichkeit prak- 

1) Vgl. die Negativdarstellung von Bakterien mit Kongorot nach H. Fischer (15). 

^ 2) Der Farbstoff stammte von der Firma Griibler und war im Jahre 1906 be- 
rogen worden. 


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Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origin air. Bd. 88. Heft 2. 


tisch aus. Das Verfahren wird wohl uur dort in Frage kommen, wo es 
sich uni die blofie Feststellung handelt, ob bestimmte Gebilde in einer 
Kultur lebenstiichtige Eleraenbe darstellen oder niciit, und es hat denn 
aucii bereits auf Veranlassung von Herrn Professor Gildemeister (14) 
in unserein liaboratorium zu derartigen Untersuchungen Verwendung 
gief'unden. 

Es gait zu unterscheiden, ob bestimmte in Vibrionenkulturen 
auftretende atypische Formen, die von Kuhn als a-, c- und d-Formen 
bezeichnet worden sind, als lcbende oder abgestorbcne Gebilde anzusehen 
waren. Unsere Versuchsanordnung war folgende: Wir setzten drei Rea- 
genztohrchen niit je 1 ccm frischer, lOproz. Kongorot-Losuug an. In 
Rohrchen I kam 1 Tropfen der in Frage stehenden Bouillon-Kultur; 
in Rohrchen II ein Tropfen einer Abschwemmung von einer 24sttindigen 
Vibrionen-Agarkultur; in Rohrchen III ein Tropfen derselben Vibrionen 
wie in II, jedoch nach vorhergegangener Abtotung bei 56°. rfobaid in 
Rohrchen HI alle Rakterien im hangenden Tropfen gefarbt waren (1. Be- 
obachtung), untersuchten wir Rohrchen I auf gleich gefarbte, also eben- 
falls tote Elemente. Nach 24 Std. (2. Beobaclitung) liberzeigten wir 
uns m Rohrchen II davon, ob auch nocli die lebendeu Vibrionen farblos 
waren, und prtLften sodann anhand dieser Kontrolle die fraglichen For¬ 
men in Rohrchen I auf Nichtfarbung, d. h. auf Lebenstilchtigkeit. — 
Die Beobachtung erfolgte stets bei intensiver kiinstlicher Beleuchtuug. 

Das Ergebnis deckte sich durchaus mit. den auderweitigen Resul- 
taten (s. Gildemeister 14). Die a-(am(jbenalinlichen)Fonuen und 
die d-(dcndritischen)Formen farbten sich durchgangig. Bei den c-Formen 
war eine einwandfreie Beurteilung wegen der Kleinheit der Gehilde 
niciit mciglich. Es handelt sich demnach bei den a- und d Formen 
uni tote Gebilde, und zwar um Absterbeformen. Das Verfahren hatte 
sich soinit auch als praktisch brauchbar erwiesen. 

Zusammenfassung. 

Farbeversuclie an lebenden Bakterien in mit physiol. NaCl-Losung 
verdtinntem Farbstoff fielen im Sinne einer kolloidalen Bakteriengreuz- 
schicht ,(B cell old) aus. 

Farbeversuclie in proteinhaltigen Farblosungen ergaben erhebliche 
Permeabilitatsuuterschiede zwischen lebenden und toten Bakterieu, doch 
lie-3 sich die Methode nicht praktisch ausbauen, da die Protein-Ivorper 
nur einen Toil des Farbstoffes absorbierten. 

Farbeversuclie in Kongorot zeigten die lebenden Bakterien un- 
gefarbt, die toten dagegen gefarbt. 

Ziiteratnr. 

1) Seiffert, Berlin, klin. Wochensehr. B. 873. —2) Becbold, Zeitschr. f. phye. 
Chein. LX. — 3) Metschnikoff, Lubarsch-Oi^tertag. 1896. — 4)Nakanischi, 
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 30. — 5) Plato u. Guth, Zeitachr. f. Hyg. 
Bd. 38. — 6) Eisenberg, Oentralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 71. — 7) Proca, 
Compt. rend. Soe. de Biol. 1909. — 8) Nyfeldt, Ref. in Schmidts Jahrb. 1918. — 
9) Unna, Med. Klin. 1909, 1911. — 10) Kayser, Oentralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. 
1912. — 11) Bechold, Die KoHoide in der Medizin u. Biologie. S. 262. — 12) Reitz, 
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 45. — 13) Schulemann, Zeitschr. f. angew. 
Chem. 1921. — 14) Gildemeister, Oentralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. 1921. 
S. 241. — 15) H. Fischer, Zeitschr. f. wise. Mikroskop. 1910, zit. nach Eisenberg. 


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Unna, Das Wesen der Giemsa-Ffirbung. 


159 


Nachdruck verboten. 

Das Wesen der Giemsa-Farbung 1 )* 

Von P. G. Unna, Hamburg. 

Die Gie m sa- FBrbung ist hervorgegangen aus der Rom an o w sky- 
Farbung. Der Petersburger Foracher Rom an owsky fand, daB ein 
Zusatz von Eosin zu gewisseu Methylenblaulosungen eine eigentiimliche 
uud spezifiscbe Rotfarbung der Kerne der Malariaparasiten bewirkte. 
Die Inkonstanz und schwierige Beherrschung dieser Methode brachte 
Nocht auf den Gedanken, zu dieser Mischung noch etwas vou meiner 
polychromen Methylenblaulosung hinzuzusetzen, in welchem 
ja eine rote Komponente schon seit langem eine Rolle spielte. Er 
fand in der Flucht der vielen sich ablosenden Romanowsky-Farbungen, 
urn die sich nach Romano w sky besonders Zieman n verdient machte, 
den ruhenden Pol in einem Zusatz von „Rot aus Methylenblau“, wie 
Nocht diesen Korper vorsichtig und sebr richtig vorlaufig nannte. 

Ich hatte nun bis dahin meine polychrome Methylenblaulosung 
keineswegs filr Protozoenkerne angewandt, sondern das „Rot aus Metbylen- 
blau u nur als beste spezifiscbe Ffirbung der Mastzellen angegeben. 
Die Anwendung derselben auf Protozoenkerne durch Nocht war neu. 
Es waren zunSchst 2 Hamburger Aerzte, Nocht und Reuter, die 
sich mit der ErforschuDg des Wesens dieser Rotfarbung nkher befaBten 
und dabei zu verschiedenen Resultaten gelangten. Ich kann dieselben 
um so eher flbergehen, als die Diskussion hierflber sehr bald von Ber¬ 
liner Forschern, den Farbungstheoretikern Pappenheim, Rosin und 
Leonor Michaelis, aufgenommen wurde, die den Faden viel weiter 
ausspannen. Nur in einem Punkte waren alle Forscher einig, daB dieses 
eigentiimliche, metachromatische Rot, welches die Mastzellen und Pro¬ 
tozoenkerne aus blauen Methylenblaulosungen aufnehmen, als ein und 
dasselbe Derivat des Methylenblaus angesehen werden mtisse. 

Michaelis konnte sich dabei bereits auf neuere Untersuchungen 
von Bernthsen, dem damaligen Direktor der Ludwigshafener Fabrik, 
stiitzen, welcher das Derivat als Methylenazur beschrieb und es ffir 
ein einfaches Oxydationsprodukt des Methylenblaus ansah. 

Damit war die Frage, wie es sich gehortc, in die Hand der Chemiker 
gelangt; sie war damit noch nicht entschieden. Denn Bernthsen er- 
wuchs ein Gegner in Prof. Kehrmann in Lausanne, welcher nach- 
wies, daB die Oxydation des Methylenblaus nicht, wie Bernthsen 
glaubte, zu einer Sauerstoffanlagerung an der Brticke des Methylenblau- 
molekOls fiihrt: 

N\ 

|\h,/-N(CU # ), 

-1\ 01 


1) Vortrag, gehalten bei der VViedcreroffnuDg des Hamburger Biologischen Ver- 
eing am 18. Nov. 1921. 


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160 


Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 8S. Heft 2. 


sondern zu einer Abspaltung von (CH,) Methylgruppen und dadurch zur 
Entstehung von Derivaten, welche sehr leicht, leichter als Methylenblau 
selbst, ihre Base abspalten. Diese Basen sind, wie Kehrmann gezeigt 
bat, als wasserhaltige Hydrate blau, als Anhydride rot. Die 
Eigenheit der Mastzellen einerseits, der Protozoenkerne andererseits be- 
steht also darin, daB sie viel AffinitSt zum roten Anhydrid der 
Farbbase haben. Dieses letztere, und zwar hauptsachlich das An¬ 
hydrid der Base des Dimethylthionins, ist also das Nocht- 
sche „Rot aus Methylenblau* 1 . Der so gewonnene Boden, welcher gleicher- 
maBen fur das metachromatische Rot der Mastzellen wie fur das Rot 
der Protozoenkerne Geltung hat, ist besonders deshalb als absolut sicher 
und definitiv anzusehen, weil auch Bernthsen neuerdings seine Sulfon- 
(= S0 2 )-Theorie aufgegeben und Kehrmann vollig recht gegeben hat 
und somit die erfahrensten beiden chemischen Sachverstandigen fiber 
diesen Punkt einig sind. 

Wir sind also jetzt imstande, das Rot, welches sich bei verschie- 
denen Methylenblaufiirbungen im Gewebe bildet, durch einfache Formeln 
aus dem Blau herzuleiten. Es wird manchem Leser vielleicht erwfinscht 
sein, bei dieser GelegeDheit nicht bloB den Abbau des Methylenblaus, 
welcher zu diesem Rot ffihrt, sondern auch den Aufbau dieser viel ge- 
brauchten Substanz dabei vor Augen zu haben. 


Ammoniak 

Diphenylamin 


Aufbau des Methylenblaus 
NH, 

C„H. 


Thiodiphenylarain (Thiazin) 


Base des Tb ion ins 
(Leukoverbindung) 


NH< 

\h l 

NH< >S 


NH 


/tJ B H S v NH, 
< >S 
XH./-NH, 


Base 


0„H, 


ie des Leukomethylenblaus kii / 0 *\*j 
(M ethylenweifi: \q g 


-N(CH,1, 

N(CH 3 )j 


(+ HC1, -f-H,) 




N(CH S ), 


Salz des Methylenblaus 

(Tetramethylthionin) , \c (i H 3 X_N(CH S ), 

--INa 


Das Methylenblau leitet sich vom Ammoniak (NH S ) ab, indem 
2 Benzolgruppen fflr 2 Wasserstoffatome eintreten. Diese Kette: Di¬ 
phenylamin schlieBt sich zu einem Ring; durch Eintritt eines Schwefel- 
atoms S entsteht das Thiodiphenylamin, welches unter dem Namen 
Thiazin den Kern (das Chromofor) aller Farben der Methylenblau- 
gruppe bildet. 

Ein Farbstoff wird aus diesem Kern aber erst durch Anhfingung 
von 2 ebenfalls aus Ammoniak bestehenden Seitenketten und es ent¬ 
steht so die Leukobase des Th ion ins, des einfachsten Farbstoffes der 
Methylenblaugruppe. Dieser ffihrt zum Methylenblau durch Ersatz der 
Wasserstoffatome in den Seitenketten durch Methylgruppen (CH S ). Aber 
wir sind dann noch nicht beim Methylenblau selbst angelangt, sondern 
erst bei seinem farblosen Reduktionsprodukt, dem Leukomethylenblau 


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Unna, Das Wesen der G i e m s a - Farbung. 


161 


oder MethylenweiB, welches neuerdings in dem „RongalitweiB“ eine 
bedeutende Rolle spielt, namlich beim Nachweis von Sauerstoff in den 
Geweben. Aber auch vom MethylenweiB haben wir bis jetzt nur die 
Base, und wir gelangen zum Salz des Methylenblaus erst durch Hinzu- 
fflgung von Salzsaure (HC1) und Oxydation des MethylenweiB. Diese 
geschieht nun nicht, wie man vermuten konnte, durch Hinzuftigung von 
Sauerstoff, sondern durch die gleichbedeutende Wegnahme von Wasser- 
stoff, wie denn im fertigen Methylenblau sich kein Atom 0 befindet. 
Bei diesem letzten Schritte geschehen gleichzeitig mit dem Molektil 
4 Veranderungen, wie das Formelbild zeigt. Die Hinzuftigung von HC1 
macht das Molektil zunaclist H reicher, aber durch die Fortnahme von 
2 H-Atomen, einem an dem Kopf der Brticke, einem anderen aus der 
HC1, ftihrt die Oxydation zu dem relativ H-armen Methylenblau. Gleich¬ 
zeitig schltigt die Farbe in Blau um und der dreiwertige Stickstotf der 
Seitenkette wird 5-wertig. 

Diese Umwandlung des MethylenweiB zum Methylenblau geschieht 
auBerst leicht, schon spontan an der Luft, wobei der 0 der Luft die 
dazu notige Wasserstoffentziehung bewirkt, ebenso wie die Oxydation 
beim RongalitweiB an Gewebsschnitten durch den lose gebundenen 
Sauerstoff der Sauerstofforte bewirkt wird. 


Abban des Methylenblaus. 

• ' /C 0 H sS -N(CH 3 ) t 

Salz des Methylenblaus (Tetra- 
methylthionin) j - 



N^C 8 H,^- N(CH ,) t 

Salz des Dimethylthionins i\qh/ NH 

I-l \ C1 


Basen des Dimethylthionins. 
/C e H s ^-N(CH t ), C.H S —N(CH.), 

N C 777 N< 

I x: s h,/_nh h _ 

* * i OH| 


XH, 


/ S 

' NH 


Blauos Hydrat der Base Rotes Anhydrid der Base = Thiazinrot 
wasserloslicn, atherunloshch, atherloslich, wasscrunloslich, farbt 

farbt Kerne Mastzellen, Schleim, Knorpel. 


Diese Tabelle erlautert die Abspaltung zweier Methyl(CH g )-Gruppen 
aus dem Methylenblau. Hierdurch bildet sich aus diesem Tetramethyl- 
thionin das Dimethylthionin, aus welchem bei der Behandlung 
mit Alkali (NaOH), Fortnahme des Cl-Atoms und Zutritt einer OH- 
Gruppe die wasserhaltige Base des Dimethylthionins entsteht. Diese ist 
blau geftirbt und verbindet sich im Gewebe mit den Kernen und 
Kernktirperchen. Sehr leicht, z. B. schon durch Erhitzung, gibt 
sie aber das Wasser ab und wandelt sich in das rote Anhydrid der 
Base um, welches in Wasser unloslich, aber in Aether loslich ist und 
Mastzellenktirner, Schleim und Knorpel rot ftirbt. 

Es ist daher die Zeit gekommen, wo wir den vorlautigen Nocht- 
schen Namen: „Rot aus Methylenblau“ durch einen chemisch genaueren 
und bleibenden ersetzen ktinnen, und ich habe ktirzlich vorgeschlagen. 
dieses basische, rote Anhydrid der Base des Dimethylthionins kurz 
Thiazinrot 1 ) zu nennen, da alle Farbstoffe der Thiazingruppe: 


1) Baudisch, O., u. Unna, P. G., Thiazinrot. (Dermat. Wochcnschr. Bd. 08. 
1919. 8. 49.) 

Erne Abt. Orig. Bd. 88. Heft 2. ] 1 


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162 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 2." 

Methylenblau, Toluidinblau, Thionin, Di- und Trimethylthionin, Methylen- 
violett und polychrome Methylenblaulosung unter dem Einflusse von 
Alkalien kirschrotgeffirbte Basenanhydride abspalten und 
die gleichen metachromatischen Rotfarbungen geben. 

Inzwischen war die Praxis der Thiazinrotfrage wieder nach 
Hamburg iibergesiedelt, indem es Giemsa gelang, jene zuverl&ssige, 
leicht zu handhabende Form der Romanowsky-Farbung herzustellen, 
die seinen Namen tragt. Wir haben jetzt also 2 zuverlassige, im Handel 
erhaltliche Farbmischuugen, welche beide spezifische Thiazinrot- 
farbungen geben, die polychrome Methylenblaulbsung, welche Mast- 
zellen rot farbt, und die Giem sa - Losung, welche das gleiche bei 
Protozoenkernen tut. 

Auf diesem Punkte angelangt, ergab sich ein neues Dilemma. Denn 
diese beiden Farblosungen konnen durchaus nicht fur einander eintreten. 
Die Giemsa-Losung farbt so wenig Mastzellen, wie die polychrome 
Methylenblaulosung Protozoenkerne. Diese auffallende Erscheinung wird 
noch dadurch verscharft, daB beim Amobenkerne der Beweis gefiihrt 
werden konnte, daB das im Kern sich farbende Substrat eine reine Ei- 
weiBbase, ein Protamin ist, wahrend wir schon lange wuBten, daB 
in den Mastzellenkorneru es ein stark saures EiweiB ist, daB sich mit 
Thiazinrot farbt. 

Alle diese befremdlichen Erscheinungen verschwinden aber, wenn 
man bedenkt, daB in der Giemsa-Losung noch ein zweiter Farbstoff 
enthalten ist, das Eos in. Und wir haben nun weiter zu fragen, welche 
merkwurdige Rolle das Eosin in der Giemsa-Farbung spielt. Kommt 
bei dem Zusatz dieses Eosins die saure, gelbrote Eosinfarbe als solche 
zur Geltung oder, wenn das nicht, dient sie vielleicht als saure Beize 
fur das kirschrote Thiazinrot, wie eine solche Funktion von anderen 
Farbstoffen schon langst bekannt ist, so von der Vorbehandlung mit 
einer Mischung von Orcein -j- Eosin -f- Wasserblau bei der Epithelfaser- 
farbung mit Safranin und nachfolgender Chrombeize. 

Die 1. Frage ist dadurch entschieden, daB das Eosin fur sich 
allein die Kernfarbung nicht gibt und auch nicht zusammen mit 
Methylenblau. Umfassende Versuche mit alien erdenklichen Modifi- 
kationen haben nur negative Ergebnisse gezeitigt. So gibt, um nur 
ein Beispiel zu nenneti, eine Vorfarbung mit Eosin und Nachfarbung 
mit Eosin -f- Methylenblau nach May-Grunwald, also eine Kom- 
bination, in welcher Eosin 2mal und gewohnliches Methylenblau vor- 
kommt, keine Kernfarbung der Protozoen. Benutzt man aber (nach 
Harris) als 2. Farbung die polychrome MethylenblaulSsung, in welcher 
das kirschrote Thiazinrot vorkommt, so gelingt die Kernfarbung der 
Trypanosomen jedesmal. Wir mQssen also schlieBen, daB das Rot der 
Kernfarbung, wie es ubrigens die bloBe Anschauung schon wahrschein- 
lich macht, nicht dem gelbroten Eosin zuzuschreiben ist, sondern dem 
Thiazinrot, daB aber auBer diesem bei der Protozoenfarbung Eosin 
gegenwartig sein muB. 

Die 2. Frage, ob das Eosin dabei nach Art einer Beize wirkt, laBt 
sich dadurch zur Entscheidung bringen, daB man das selir komplizierte 
Eosin in seine einzelnen, ungefarbten Bausteine zerlegt, diese einzeln 
statt des ganzen Eosinmolekiils in die Giemsa-Farbung einfiihrt und 
nun zusieht, ob eine Kernfarbung der Protozoen zustande kommt. Solche 
Versuche hat schon Nocht vor langer Zeit angestellt und hat gefunden, 
daB in der Tat ein Baustein, das Resorcin, das Eosin ersetzen kann. 


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Unna, Das Wesen der Giemsa - Farbung, 


163 


Diese Versuche habe ich fortgesetzt und kann das Resultat von Nocht 
durchaus best&tigen. 

Welches sind nun die Bausteine des Eosins V 


C.H 4 


Phtalsaure 
/COOlHi 

' l 


Njo!oh 

* 


HjO = 


Resorcin + Phtalsaureanhydrid + Resorcin 


C 0 H, 


/ 


OH 


N)h 


/C° x 

c ‘<co>° 

! 


Phtalsaureanhydrid + 2 X Resorcin 

<{OHj 

OH 


/CO 


C « H <c!ol> 0+ , 


o 6 h,ih 


C„H 


< 


OH 

OH 


2 H,0 = 


Fluorescein 

/ CO \ 

c e H 4 / yo 
x c 

C«H,OH yCjH.OH 
X 0 X 


-7- H, ; + Br 4 + K, = 


Eos in (eosinsaures Kali) 
/CO N 

c 0 h 4 / no 

c 

CgKEijOH^ 0 8 KBr,OH 
X 0 X 


Den Kern des Eosins bildet das Phtalsaureanhydrid, an das 2 Re- 
sorcinmolekflle unter Wasseraustritt gebunden werden. Wenn in dera 
so entstandenen Farbstoff Fluorescein statt 6 Wasserstoflfmolekulen noch 

2 Kalium- und 4 Broinatome eingefflhrt werden, so entsteht unser 
Eosin, ein eosinsaures Kalisalz. 

Es hat sich nun gezeigt, daB die Gruppe der Phtalsaureverbindungen 
ganzlich ungeeignet ist, in der Giemsa-Losung das Eosin zu ersetzen. 
Im Gegenteil, das Rot schwindet und das Blau dominiert. Aber alle 

3 anderen Komponenten: das Phenol (Resorcin), das Kalium und Brom 
wirken nach Art des Eosins und verstarken das Rot, obwohl sie selbst 
ungefarbt sind. Sehr gut und fast ebenso wie Eosin wirkt beispiels- 
weise die bekannte ungefarbte Verbindung Tribromphenolkalium. Beim 
Eosinzusatz kommt also die Far be des Eosins als solche nicht in 
Betracht, wohl aber der in ihm enthaltene alsRotbeize wirken de 
Korn pi ex: Resorcin -f~ Brom -j- Kalium. 

Damit ist nun auch erklSrt, wie es zugeht, daB dieselbe Thiazin- 
rotbase einmal in den Mastzelleu sich ohne weiteres mit der sauren 
Mastzellenkdrnung verbindet und dann wieder, in dem Amijbenkern, mit 
dem basischen Protamin nur unter Mithilfe der Eosinbeize. Es 

11 * 


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164 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


gelten eben die aus folgender Tabelle zu entnehmenden Beziehungen 
des Thiazinrots zura EiweiB: 

EiweiB verwandtsehaft des Thiazinrots. 

A. Einfache Flirbutig: 

M astz ell en kor n ung — Thiazinrot 
sauer basisch 

B. BelzenfUrbang: 

Protamin des Amobenkerns — Eosin — Thiazinrot 
basich 2-basisch, basisch 

sauer 

Obwohl das Thiazinrot also, wie wir nun wissen, das Anhydrid einer 
Farbbase ist, farbt es docli mit Hilfe der sauren Beize 
Eosin und sogar in hervorragendem Grade basische EiweiBe. 

Eine weitere Frage ist es schlieBlich, ob das Eosin, wenn es doch 
als Beize in den Komplex: Aindbeukern -f- Eosin + Thiazinrot mit 
eingeht, nicht auch an der FSrbung einen Anteil hat. Dieser ist in der 
Tat so gut wie sicher und insofern stimmeich Giemsa, welcher dieser 
Ansicht kurzlich Ausdruck verlieh ! ), vollig bei. Thiazinrot farbt den 
Protozoenkern, aber die notwendige Beize: Eosin niianziert die FSrbung 
und verstkrkt sie, wie denn ein Zusatz von Gelbrot stets ein Blaurot 
leuchtender macht. Allein, ohne Thiazinrot, farbt Eosin nur bestimmte 
basische EiweiBe, wie die eosinophilen Granula und die kflrzlich von 
mir beschriebenen Y-Zellen des Rattenmagens 1 2 ), aber nicht die Proto- 
zoenkerne. 


Nachdruck verboten. 

libber eine neue Methode der Blutzellen- und Blut- 

parasitenfarbung. 

[Aus der protozoologischen Abteilung des Instituts fur Infektionskrank- 
heiten „Elias Metschnikov“ in Moskau.] 

Vorlaufige Mitteilung. 

Von Dr. H. Epstein. 

Die metachromatischen Eigenschaften des Toluidinblau sind von 
jeher bekannt. Die mitzuteilende Arbeit verfolgt den Zweck, diese Eigen¬ 
schaften fur die Blutfarbung, resp. fur Blutparasitenfarbung zu ver- 
werten. 

Auf diese Moglichkeit haben bereits manche Autoren verwiesen. Es 
seien hier u. a. Michaelis (1902), Scott, Thompson, Hydrick 
(1911) und besonders Martinotti (1910) erwShnt. Letzterer bereitete 
polychromes Toluidinblau nach folgender Vorschrift: 

1) Diskussion ini Hamburger Biologischen Verein zuru Vortrag von Unna: Das 
Wesen der G i em sa - Farbung. 18. Nov. 1921. 

2) Unna u. Wissig, Neue Untersuehungen iiber den Bau der Magenschleim- 
haut. (Virch. Arch. Bd. 231. 1921. S. 519.) 


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Epstein, Xeue Methode der Blutzellen- und Blutparasitenfarbung. 165 


Tnluidinblau 1,0 
Lithium carb. 0,5 
Aqua dest. 75,0 
Glyzerin 20,0 
Alkohol 95° 5,0 

Diese Losung gibt nach der Beschreibung ihres Autors „una magni- 
fica metacromasia delle Mastzellen (rosso ponceau) e della mucina 
(rosso chiaro)**. Auch eignet sie sich zur Schnittfarbung, wobei es mit 
der GlyzerinSthermischung nach U n n a differenziert werden soil. Ein- 
zelheiten sind im Original nachzusehen. Es sei hier nur erwahnt, daB 
Martinotti sein „rosso dal bleu di toluidina“ mit Chloroform und 
Aether aus der Farblosung zu extrahieren vermochte. 

Bei meinen Versuchen, die Kernreste in den S&ugetiererythrozyten 
nach Kroneberger (1912) darzustellen (Loefflers Methylenblau- 
Pikrinsaure), kam ich zur Ueberzeugung, daB in dieser Richtung gute 
Resultate fur die H&matologie zu erzielen sind. Dabei hat sich erwiesen, 
daB aus der Gruppe der Thiazinfarben das Toluidinblau die besten Re¬ 
sultate ergibt. 

Anfangs verwendete ich eine l proz. wasserige Toluidinblaulbsung 
mit nachtr&glicher Pikrinsaurebehandlung. In mancher Hinsicht, z. B. 
fur rasche Malariadiagnose, steht diese einfache Methode der bekannten 
Bcrax-Methylenblauffirbung nach Man son recht nahe. Jedoch ist die 
Methode in ihrer einfachen Form ftir h&matologische Zwecke bei weitem 
noch unzulanglich. 

Behufs Steigerung der metachromatischen Eigenschaften fuhrte ich 
in die Toluidinblauldsung verschiedene Alkalien (KOH, NaOH, NA 2 C0 3 , 
LiC0 3 , Na 2 B 4 C 7 ) ein. Und in der Tat wurde dabei die Metachroinasie 
der Losung deutlich gesteigert. Die Leukozyten und Lymphozytenkerne 
farbten sich rotviolett und das Protoplasma blau, doch war darait noch 
wenig geholfen, denn die Erythrozyten iiberfsirbten sich zur gleichen 
Zeit so stark blauviolett, daB sie ganz undurchsichtig wurden, was die 
Plasmodienuntersuchung von vornherein unmOglich machte. AuBerdem 
wurden auch alle anderen Blutzellen wie von einem blaulichen Schleier 
umzogen. Die Granula farbten sich fast gar nicht. 

Eine gewisse Besserung der F&rbungsresultate konnte durch die 
10-fache Verdfinnung der Farblosung gewonnen werden, doch zeigte es 
sich, daB die Ueberfarbung in erster Linie nicht von der Konzentration 
der L6sung, sondern von ihrer Alkalinitat abhing. 

Zwar ist ein gewisser Grad der Alkalinitat fur die Bildung des 
metachromatischen „Rot aus Toluidinblau 1 * (vielleicht analog dem „Rot 
aus Mcthylenblau** = Methylenazur?) erforderlich, jedoch wird dabei die 
blaue Komponente der Farblosung von den Blutzellen viel zu stark ad- 
sorbiert, was eine unerwiinschte BlaufSrbung zur Folge hat. 

Und in der Tat hat es sich erwiesen, daB alles, was zur Vermin- 
derung des Alkalinitatsgrades der Farblosung fiihrt, auch eine Verbesse- 
rung der F&rbungsresultate mit sich bringt. So wird durch S&ttigung 
der Lithium carbonicum-Losung mit C0 2 die Ueberfiihrung des alkalischen 
kohlensauren Salzes zum neutralen doppeltkohlensauren Salze erzielt, 
woraus zugleich eine Besserung der F&rbung resultiert. 

Diese Methode ist aber praktisch unbrauchbar, weil das doppelt- 
kohlensaure Lithium im trockenen Zustande nicht existiert und auch in 
Losung leicht zersetzt wird. Auch die Neutralisierung der Lithium car- 
bonicum-L6sung mit schwachen Siiuren bringt eine augenscheinliche Ver- 


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166 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


besserung der Resultate, welche vor allem durch die AbschwSchung der 
Blauf&rbung sich erkennen lSBt. Andererseits iiberzeugte ich mich, daB 
auch das Ration die F&rbung, besonders jene der neutrophilen Granula, 
stark beeinfiuBt. 

Nach einer Reihe von Versucken bin ich zum Schlusse gekommeu, 
daB die besten und zuverlSssigsten Resultate durch Kombination von 
Toluidinblau init den orgauischen Salzen von Lithium erzielt werden, 
und zwar die besten init Lithium citricum. 

Zur Herstellung der Farblosung wird 1,0 g Lithium citricum in 
100,0 ccm Aq. dest. (neutral!) bei Zimmertemperatur geldst. In diese 
1-proz. Lithium citricum-Losung kotnmt 1,0 g Toluidinblau. Es entsteht 
dabei ein kolloidaler Niederschlag, welcher zum Teil an den Gefafi- 
wanden stark haftet. Bei mikroskopischer Untersuchung besteht dieser 
Niederschlag aus dunkelblauen Tropfen von verschiedener GroBe und 
Gestalt, manchmal mit zugespitzten Ausliiufern. 

Diese Losung wird durch einen feuchten Papierfilter filtriert und ist 
sofort gebrauchsfertig (Losung A). 

In dieser Farblosung werden die mit Methylalkohol fixierten Blut- 
resp. Exsudat- Oder Organausstriche geffrbt. Fur Objekttragerausstriche 
empfiehlt es sich, letztere in vertikaler Lage (am besten in flachen Ob- 
jekttragerbehaltern) zu f&rben. 

Deckglaser laBt man auf der Farblosung mit dem Ausstrich nach 
unten schwimmen. Die F&rbung tritt schon nach wenigen Minuten ein. 
Es ist aber empfehlenswert, fur jedes Objekt die Farbuugsdauer indi- 
viduell festzustellen. Fiir Saugetierblutausstriche geniigen 15—30 Min. 
zum Farben, fiir Amphibien- und Vogelblut 10—20 Min. 

Nach vollzogener Farbung werden die Ausstriche unter kr&ftigem 
Leitungswasserstrahl abgespiilt. Jetzt sind sie makroskopisch zart, 
durchsichtig und von graublaulicher Farbe. 

Es ist zu bemerken, daB, wenn auch ein Optimum der Farbungs- 
dauer existiert, doch selbst nach 24-stiind. FSrbung keine Ueberfarbung 
eintritt. Makroskopisch sowohl wie mikroskopisch bleiben die Ausstriche 
auch nach 24 Std. langer Farbung zart und durchsichtig. Nur im Falle 
fehlerhafter Zusammenstellung der P'arbe (V’erunreinigung des destill. 
Wassers Oder der Gerate mit Alkalien) wird der Ausstrich schon in den 
ersten Sekunden undurchsiohtig und tief-blau-violett gef8rbt, was die 
weitere Behandlung der Praparate (iberflussig macht. Nach Abspiilen 
im Leitungswasser kommt das Praparat fiir 1—3 Sek. in abgekiihlte, 
gesattigte, wiisserige Pikrinsaurelosung (Losung B), bis der Ausstrich 
leuchtend griin wird. Danach folgt grundliches Auswaschen unter 
starkem Wasserstrahl (einige Sekunden) und Abtrocknen mit FlieBpapier 
(nicht iiber der Flamme trocknen!). 

Die Resultate der Farbung sind folgende: Normozyten der S&uge- 
tiere: leuchtend griin, Normozyten der niederen Tiere leuchtend griin 
mit rot-violetten Kernen. 

Polychmmatophile Erythrozyten : verschiedene Abstufungen von blau- 
griin, Tiipfelung: dunkelblau, Nonnoblasten: blau-griin mit rotvioletten 
Kernen, polymorphkernige Leukozyten: Kerne: rotviolett, Protoplasma: 
zart blaulich-grau, neutro])hile Granula violett, basophile: blau-violett 
bis blau, eosinophile: leuchtend griin (also: pikrinophil). Die Dohle- 
schen Einschlusse: graublau. 

Lymphozyten, Monozyten, Lymphoidozyten, Myelozyten usw. weichen 
im allgemeinen nicht viel von den iiblichen Tonen der panoptischen 


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Epstein, Neue Methode der Blutzellen- und Blutparasitenfarbung. 167 


Farbung nach Pappenheim ab. Ihre Kerne farben sich dabei hellrot 
bis tiefrotviolett. Das Protoplasma der einkernigen Formen zeigt alle 
Uebergange zwischen den zarten hellblauen Tonen der Monozyten und 
der breitplasraatischen Lyrophozyten bis zu dem tiefblauen Protoplasma 
der Reizungsstellen. Die azurophilen Granula farben sich typisch rot 
(Pappenheim). Die BlutplSttchen farben sich graulich-hellblau mit 
rotvioletten Kornchen. 

Die Malariaplasmodien werden sehr scharf gefarbt, und zwar das 
Protoplasma blau, die Kerne leuclitend rot, besonders bei jungen Ring- 
formen und bei Schizozoiten. Nur die Gametenkerne farben sich ira 
Vergleich mit Giem sa-Praparaten blasser. Das Pigment wird sehr 
stark hervorgehoben! 

Was die Trypanosomen betrifft, so hatte ich bis jetzt nur die Gelegen- 
heit, das Trypan osom a rot at. aus dem Frosche zu untersuchen. Die 
Farbung fiel ebenso elektiv aus, wie in Kontrollpraparaten nach Giemsa. 

Die Rekurrensspirochaten farben sich hellrotviolett, viele Bakterien 
aber sehr elektiv metachromatisch. 

Es ist zu bemerken, dafi die Losung (A) sehr lange brauchbar ist, 
so daB man mit 30—35 ccm der Farblosung, welche einen hachen Ob- 
jektslasbehalter bis auf */ 4 ausfullte, mehrere Hunderte von Ausstrichen 
zu farben vermag. 

Die Pikrinsaurelosung (Losung B) muB dagegen ofters gewechselt 
werden, sobald ihre ursprungliche gelbe Farbe einen griinlichen Ton 
annimmt, was ungefahr nach der Difterenzierung von 15—20 Ausstrichen 
in einem GefaB mit 30—35 ccm der Pikrinsaureldsung geschieht. 

Ich bediene mich dieser Methode bei meiner taglichen Arbeit schon 
flber 6 Mon. unter haufiger Kontrolle mit Pappenheims panoptischer 
Farbung, und erlaube mir, sie den Fachgenossen als ein zuveriassiges 
Mittel fur die klinische Blutuntersuchung zu empfehlen. Dig Methode 
gibt reine, schone und scharfe Bilder (keine Niederschiage); sie weicht 
von den gewohnlichen Methylenblau-Eosinmethodeu nur durch die grune 
Farbung der Erythrozyten und eosinophilen Granula ab und ist unge- 
mein billig (kein Glyzerin und Alkohol); sie ist leicht herzustellen, stets 
gebrauchsfertig, rasch wirksam und, was ich besonders hervorheben 
mOchte, man ist bei dieser Farbung von jenen oft uuerwarteten Schwan- 
kungen der Resultate gesichert, welche den nicht so seltenen Nachteil 
der Giemsa-Farbung ausinachen. 

AuBer dem Lithium citricum kanu man die Farblosung auch mit 
1-proz. Lith. oxalicum oder Lith. tartaricum bereiten Bei letzterem 
werden die Erythrozyten am zartesten gefarbt, was von besonderem 
Vorteil bei der Farbung von Fisch-, Amphibien- und Sauropsidenblut 
ist. Ffirs letztere ist in manchen Fallen die Verdtinnung der Losung 
bis auf 1 :10 zu empfehlen, doch ist zu bemerken, daB von alien bisher 
erprobten Lithiumsalzen das zitronensaure Salz die besten Resultate 
gibt, was besonders scharf durch die rasche und intensive Farbung der 
neutrophilen Granula ins Auge failt. 

Es bleibt noch hinzuzufflgen, daB die Einschlils.se, die von Krone- 
berger mittels einer Methyleiiblau-Pikrinsauremethode in den Erythro¬ 
zyten dargestellt und als Erythrozytenreste gedeutet werden, bei unserer 
Methode fast niemals zum Vorschein kommen, was ftir die Reinheit der 
Bilder von groBetn Vorteil ist. 

Was die theoretischen Grundlagen des geschilderten Farbungspro- 
zesses betrifft, so ist ohne weiteres klar, daB er auf der Bildung einer 


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168 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 

stark metachromatischen Verbindung aus dem Toluidinblau beruht. Die 
eingehende Untersuchung der Bedingungen, unter welchen diese Ver¬ 
bindung entsteht, und zwar die Frage nach der Wirkung der OH-Ionen- 
Konzentration sowie nach dem EinfiuB des Rations, behalten wir uns fur 
eine ausfiihrlichere Arbeit vor. 

Es scheint uns aber auch schon vorderhand moglich, in diesem 
Vorgange einen hydrolytischen ProzeB im Sinne Hansens zu erblicken, 
welcher auf der Abspaltung einer rotgefarbten Base von dem blauen 
undissoziierten Farbmolekel beruht. 

Zur Bestatigung dieser Tatsache mogen folgende Versuche dienen: 
1) Das Umschutteln einer wasserigen Toluidinblaulosung mit Chloroform 
ergibt eine sehr schwache Rosafarbung des Chloroforms. 2) Derselbe 
Versuch mit einer Lithium citricum-Toluidinblaulosung ergibt eine inten¬ 
sive rotviolette Farbung des Chloroforms, welche — 3) bei Zusatz von 
95°Alkohol in geniigender Menge gleich verschwindet. 4) Die Reaktion 
ist aber reversibel, denn bei geniigendem Wasserzusatz kehrt die Rot- 
farbung des Chloroforms zurtick. 

Diese Versuche scheinen mir das Recht zu geben, die Vermutung 
auszusprechen, dafi in wasseriger alkalischer Losung ein Teil der Tolui- 
dinblaumolekel bereits dissoziiert ist. 

Chloroform, Aether usw. extrahieren aus der wasserigen Losung 
einen der dissoziierten Teile, und zwar ist es die rote Farbbase. Bei 
Herabsetzung des Dissoziationsgrades, z. B. durch Alkoholzusatz, schlagt 
die Reaktion uni. 

Von diesem Standpunkte wird es klar, warum unsere Praparate 
nach Alkoholbehandlung sowie nach Erwarmen alle roten Nuancen ver- 
lieren. Aehnliches beobachtete auch Hansen und wies auch darauf 
hin, daB ein metachromatisch gefarbtes und dann mittels Entwasserung 
(Alkohol, Hitze) zum Schwund der Metachromasis gebrachtes Praparat 
durch VVa'sser oder Wasserdampfe wieder metachromatisch gefarbt er- 
scheint. Dies kommt auch in unserem Falle vor. 


Idteratar. 

Ehrlich, Enzyklopadie. 1910. — Michaelis, Farbcheraie. 1902. u. Oppen- 
heimer, Handb. d. Biocheni. 1910. — Pappenheim, Farbcheruie. 1902. — Marti- 
notti. Zeitschr. f. wins. Mikrosk. 1910. — Hansen, ebenda. 1908. — Kroneberger, 
Folia haematolog. 1912. — Scott u. a., ebenda. 1911. 

Moskau, Juni 1921. 


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Vierling, Zum Ersatz der Lugolschen Losung bei der Gram-Farbung. Ig9 


Naohdruck verboten. 

Zum Ersatz der Lugolschen Losung bei der Gram- 

Farbung. 

[Aus dem Hygienischen Institut der Universit&t Frankfurt (Direktor: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. NeiBer).] 

Von Dr. K. Vierling. 

Versuche tiber die Aufnahme von Metallionen in die Bakterienzelle 
ergaben, daB mit Triphenylmethanfarbstoffen gefArbte grampositive Bak- 
terien, die mit starker Ferrichloridlosung behandelt wurden, durch 
Alkohol (90%) erst nach einiger Zeit entfarbt wurden, wahrend gram¬ 
negative ihren Farbstoff augenblicklich verloren. Eine auf diesem Prin- 
zip beruhende Methode des Ersatzes Lugolscher Lbsung durch Ferri- 
chlorid und NachfArbung mit Alizarinfarbstoffen (Beizenfarbung) erwies 
sich w r egen zu geringer Ersparnis gegentiber Lugolscher Losung ton 
keiDer praktischen Bedeutung. Es wurden dann mit UeberchlorsAure, 
PikrinsAure und Nitronaphtolen, von denen die beiden letzteren in der 
Farbenchemie zur AusfAllung und quantitativen Bestimmung gewisser 
Triphenylmethanfarbstoffe benutzt werden [Mbhlau-Bucherer (1) 
S. 359], Versuche angest.ellt. 

Schon Claudius (2) ersetzt Lugolsche Lbsung durch Pikrin¬ 
saure. Grampositive Bakterien werden bei der Entfarbung mit Chloro¬ 
form nicht entfarbt. Eine praktische Bedeutung hat seine Methode 
nicht, einmal wegen der Anwendung des unbequemen und teuren Chloro¬ 
forms, sodann w r egen Fehlens der Nachfarbung. Ferner hat Kron- 
berger (3) Pikrinsaure als Farbstoffixierungsmittel angewandt. 

Bei der Priifung oben erwahnter Fallungsmittel auf ihre Brauch- 
barkeit als Lugol-Ersatz erwies sich Ammonpikrat, hergestellt aus 
Pikrinsaure durch Neutralisation mit Ammoniak, wegen seiner Billig- 
keit am zweckmaBigsten. Mit wassriger Pikrinsaure wurden keine 
gutcn Ergebnisse erzielt, gAnzlich unbrauchbar erwies sich mit starken 
MineralsAuren angesAuerte Pikrinsaure. Anilinwasser-Methylviolett war 
durch wABrige Methylviolettlosung ersetzbar, die sclnvach sodaalkalisch 
gemachl wurde. Da sie bedeutend weniger haltbar ist, als die ungefahr 
alle 10 Tage zu erneuernde Anilinwasser-Methylviolettlbsung, wurde 
von ihrer Verwendung abgesehen. Unter der groBen Zalil der geprtlften 
Triphenylmethanfarbstoffe wAre Kristallviolett am geeignetsten gewesen, 
wenn nicht in Originalausstrichen dichte kristallinische Niederschlflge 
entstanden wAren. Das gleiche gilt filr Gentiana. Reines Methyl- 
violett B erzeugte FArbungen, die etwas rotstichig waren. Zusatz von 
Nacktblau verbesserte den Ton. Auf Grund langer Versucne ergab 
sich folgende FArbevorschrift l ): 

1. Zu 100 ccm Anilinwasser-Methylviolett (1 L. VVasser mit 30 ccm 
Anilin geschtlttelt und filtriert, zum Filtrat 100 ccm konz. alkoholische 

1) Die Farbstoffe konnen von G. Griibler & Ko., Leipzig, Liebigstr. lb, be- 
«)gen werden. 


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170 


Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


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Methylviolettlosung zugesetzt) gibt man 4 ccm lproz. waBrige Nacht- 
blaulosung. Farbedauer l / 2 Min. Abspiilen mit Wasser. 

2. Absclileudern des iiberschiissigen Wassers, AufgieBen von Ain- 
monpikrat (3 g Pikrinsaure; auch das techniscke Produkt ist brauch- 
bar) werden in 200 ccm Wesser gelost and 2,2 ccm lOproz. Ammoniak 
zugefiigt). Einwirkungsdauer 1 / 2 Min. Abtrocknen mit FlieBpapier 1 ). 

3. Entfarben mit Alkohol (90proz.) 2—10 Sck. Reinkulturpraparate 
entfarben sich selir rasch. Fur gute Praparate geniigt eine Ent- 
farbungsdauer von 3—4 Sek. 

4. Sofortiges Abtrocknen des Alkohols. Das mit Alkohol getrankte 
FlieBpapier muB sofort vom Praparat entfernt werden, weil es weit-er 
entfarbend wirkt. 

5. 15 Sek. Nachfarbung mit einem Gemisch von Rhodamin und 
Neutralrot (0,2 g Rhodamin 2 AS la Hochst und 0,2 g Neutralrot wer¬ 
den in 100 ccm Wasser gelost) oder mit 1:20 verdunntem Karbol- 
fuchsin. 

6. Sehr kurzes Abspiilen mit Wasser und sofortiges Abtrocknen 
zwischen FlieBpapier. 

Dcr Farbton der grampositiven Bakterien ist blauviolett, derjenige 
der gramnegativen rot. Wie bei Gr am-Praparaten sind auch hier nur 
dtlnne Ausstriche brauchbar. Ebenso dilrfen nur junge Kulturen (bis zu 
24 Std.) zur Verwendung kommen. Als Nachteil der Farbung ist zu er- 
wahnen, daB bei grampositiven Bakterien sich ofters scharf umgrenzte 
Stellen des Praparats entfarben. Auch bei der Gramschen Farbung 
wild dies ab und zu beobachtet. Ferner werden alte und daher in Auto- 
lyse begriffene Bakterien leichter entfarbt als bei Gram. Die Vorteile 
der Farbung liegen in ilirer groBen Billigkeit. AuBerdem wird dadurch 
das teure, vom Ausland eingefiihrte Jod fiir wichtigere Anwendungs- 
gebiete freigemacht. Bei einem Jahresbedarf von 150 L. Lugolscher 
LCsung, wie ihn das hiesige Institut hat, ist die Ersparnis recht be- 
trachtlich. Die Farbung laBt sich auch in Kursen zum Ueben der 
Gramschen Farbung benutzen, da, abgesehen von der Entfarbungszeit, 
weiteste Uebereinstimmung herrscht. Ferner bietet die Farbung bei 
Anwendung von Rhodamin und Neutralrot die Moglichkeit, gleichzeitig 
zu entfarben und nachzufarben. Die Farbstoffe der Nachprtifung werden 
dazu statt in Wasser in Alkohol (90 Proz.) gelost. Man laBt die 
Piaparate ungefahr 2 Sek. in der alkoholischen Farbldsung, spiilt kurz 
mit Wasser ab und trocknet zwischen FlieBpapier. Es wird empfohlen, 
diese Versuche erst nach volliger Beherrscliung oben angegebener Farbe- 
vorschrift anzustellen. 


Literatur. 

1) Mohlau-Bucherer, Farbenchemisches Praktikum. 1020. — 2) Claudius 
Methode de coloration etc. (Ann. Pasteur. 1807. Bd. 11. S. 332.) — 3) Kronberger. 
Zur Farbunpsanalytik und Biocheraie einiger wichtiger Bakterienarten. (Centralbl. f. 
Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 71. 1913. S. 240.) 


1) An Stelle des iiblichen FlieBpapiers wird ira hiesigen Institut seit langerer Zeit 
mit gutem Erfolge unbedrucktes Zeitungspapier benutzt. Es ist fast ebenso brauchbar 
wie Fliebpapier und kostet nur den zehnten Teil des letzteren. An der AuSenflache 
leicht beschadigtes Papier, das auf Rotationsmaschinen nicht mehr verwendbar ist, stellt 
sich noch billiger. 



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Hoefer, Verwendbark. phys. Method, z. Untersuch. d. Bakterienwachstums. 171 


Nachdruck verboten. 

Ueber die Verwendbarkeit physikalischer Methoden zur 
Untersuchung des Bakterienwachstums und der dabei 
auftretenden Yeranderungen in fliissigen Nahrboden. 

[Aus der III. Medizinischen Klinik der Universitat Berlin (Direktor: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Goldscheider).] 

Von Dr. P. A. Hoefer, Laboratoriumsvorsteher der Klinik. 

Der Zweck der folgenden kurzen Mitteilung ist es, auf einige physi- 
kalische Methoden hinzuweisen, die in der Bakteriologie noch nicht die 
Beachtung gefunden haben, die sie verdienen. litre Verwendungsmilg- 
lichkeit. erstreckt sich nicht nur auf die Untersuchung des Wachs- 
turns von Bakterien, auf den Nachweis, ob iiberhaupt ein Wachstuin 
stattfindet, sondern auch auf einige Stoffwechselfragen, den Abbau be- 
stimmter Substanzen in der NahrflUssigkeit und Absonderung von be- 
stimmten Stoffen, ebcnso auf schnelle NachprUfung der Konzentration 
von Kahr- und anderen Flilssigkeiten, die auf einen bestimmten Konzen- 
tralionsgrad eingestellt sein sollen, und die Entscheidung daritber, 
welcher von verschiedenen Nahrbdden das sclinellste und beste Wachs¬ 
tuin ergibt usw. 


I. Bestlmmuna: ron KonzcntratlonsHnderungen In dcr Kultur- 
fliisslgkeit in it deni Interferometer. 

Die enipfindlichste Methode zur Bestiinmung von Konzentrations- 
auderungen in Flilssigkeiten ist die Interferometrie 1 ). 

Das Lowesche Interferometer 2 ) (Zeili, Jena), von Hirsch in die 
Biologie eingefiihrt, gestattet es, minimale Unterschiede in der Konzen¬ 
tration von Losungen aus ihrem hieraus resultierenden Refraktionsunter- 
scbied im Vergleich zu einer Standardlosung exakt, schncll und bequem 
festzustellen. Sie konnen zahlenmhCig an einer Skala abgelesen warden. 

So gibt z. B. — bei Verwendung einer 1 cm-Goldkammcr — die 
Znuahme dcr Konzentration urn 0,1 p. M. NaCl eine Verschiebung urn 
etwa 15 Skalenteile, und entsprechend verhalt es siclt bei Zunahme der 
EiweiCkonzentration, wenn man Serumverddnnungen untersucht. 

Mittcls der Methode laBt sich aber nur ganz allgentein die Ver- 
inehrung bzw. Verminderung der Konzentration einer L&sung feststellen 
gegentiber einer bestimmten Standardlbsung (Aqua destillata), niclit 
aber spezicll die Vermehrung einer bestimmten Substanz, falls sie nicht 
allcin in der Ijbsung entlialten ist. 

1) Bez. Be«chreibuntr der Methode und des Apparate* und der Literatur vergleiche 
tueine Arbeit in Berlin. Itlin. Wochenschr. 1921. Nr. SO 

2) Oer Firma Zeili-Jena, die mir zur Beaibeitung dieser und anderer Fragen 
einen Apparat zur Verfiigung slellte, spreche ich auch an dieser Stelle meinen verbind- 
lieh-ten bank aus. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 


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Wenn sich also in einer Kultur eine Konzentrationszunahme zeigt, 
so bleibt, bei Anwendung dieser Methode allein, ungeklart, welche 
in ihr geloste Substanz sich vermehrt hat, und wenn von eiuem be- 
stimmten Zeitpunkte ab die Konzentration sinkt, so labt sich das nicht 
mit Sicherheit auf eine bestimmte Ursache zunickfilhren, etwa auf die 
Veidunstung gasforiniger Abbauprodukte usw., ohne Zuhilfenahnie ande- 
rer Methoden, und ohne dab die abgebaute Substanz bekannt ist. 

In letzterem Falle, wenn nur eine abbaubare Substanz im Nahr- 
medium enthalten ist (Zucker usw.), lassen sich aus ihrern langsatneren 
odcr schnelleren Abbau Schlusse auf die Lebenstatigkeit der betreffenden 
Bakterien ziehen. 

Aber auch schon die einfache Konstatierung einer nicht nailer be- 
stimmten Konzentrationsanderung ist, unter Voraussetzung der nOtigen 
Kontrollen, einen wichtigen Schluli zu, namlich, dab irgend etwas sich 
in der Kultur vermehrt hat, was fur die Beobachtung und Ziichtung 
ultravisibler Virusarten ein wertvoller Fingerzeig ist. 

In interessanten, von mir nicht beobachteten Grenzfallen konnten 
sich zufallig gerade die Abbau vorgange und die Vermehrung durch die 
bakterielle Lebenstatigkeit die Wage halten, so dab sich die Konzen¬ 
tration der Fliissigkeit nicht andern und die Methode hier versagen. 
wiirde. 

Es ist bei der Anstellung eines solchen Versuches natiirlicli darauf 
zu achten, dab Konzentrationsanderungen aus auberen Ursachen verrnie- 
den werden, etwa durch Verdunstung und hieraus folgender Eindickung 
der Fliissigkeit. Es wurden deshalb kleine graduierte Zylinder oder 
Kclbchen (auch verschliebbar mit eingeschliffenein Glasstopfen) be- 
nulzt, die bis zu einer bestimmten Marke beschickt. und, soweit aerob 
geziichtet wurde, taglich immer wieder bis zur gleichen Marke mit 
Aqua destillata aufgeftillt wurden, wozu nur einige Tropfchen erforder- 
lich sind. 

Ich gebe hier, wo es sich nur um die allgemeinen Kichtlinien han- 
delt, nur ein Beispiel: In eine Flacentabouillon wird Bact. coli 
(1 Tropfen von eintagiger Bouillonkultur) eingeimpft und nach gleich- 
mabiger Verteilung und Beschickung mehrerer Zylinder sofort der 
Interferometerwert (I.W.) bestimmt. der nur wenig ilber dem der uu- 
beimpftcn Fliissigkeit liegt. 

Gege.li Aqua bidestillata, in der 5 liiin-Goldkammer gemessen, er- 
gibt sich ein I.W. von 1305 Skalenteilen. Je 1 Tag spater gibt die 
Kulturfliissigkeit die. I.W.: 1327, 1370, 1335, 1325, 1321. Also zu- 
naclist ein Ansteigen, dann ein Abfallen der Konzentrationskurve. Die 
Kontrollen: Bouillon allein und Bouillon -j- abgetbtetem Virus sind un- 
verandert. 

Zur Untersuchung waren jedesmal vorher die Bakterien abzentri- 
fugiert worden, was immer gleicli stark und gleich lange erfolgen niub. 
Die suspendierten Bakterien andern in der llegel die I.W. nicht wesent- 
lich, stdren aber durch die Trubung die Ablesung. 

Wichtig erscheinen mir auch, wie schon erwahnt, die cntspreohen- 
den Untersuchungen an Kulturen invisibler Virusarten. Der Einwand, 
dab die Wirksamkeit solcher Kulturen nicht auf einer Vermehrung des 
betreffenden Virus berulie, sondern dab es sich nur um eine fort- 
schreitende Diluierung des auch in starkster Verdtinnting noch wirk- 
samen Virus handele, litbt sich widerlegen durch den Nachweis von Kon- 
zentrationsanderungen, die bei jeder Weiterimpfung auftreten. Beruht 



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Hoefer. Verwendbark. phys. Method, t. Untcrauch. d. Bakterienwaehstums. 173 


die in den Kulturen auftretende Triibung, z. B. bei Lungenseuche, nur 
auf einer spezifisch oder anderweitig bedingten AusfaLlung kolloider 
Teilchen, und hat sie mit der Vermehrung des Virus niclits zu tun, 
so kann nie eine Vermehrung der Konzentration, sondern immer nur 
einfc Verminderung der in Losung befindlichen Kolloide cintreten. In- 
dessen lafh es sich zurzeit noch gar nicht iibersehen, wie koinpliziert 
hier die Verhhltnisse liegen, und was fiir parallel gehende oder sich 
durchkreuzende Prozesse hierbei ablaufen! In einer wachsenden Kultur 
irat z. B. mit zunehmender Triibung eine standig zunehmende, aber ge- 
ringe Konzentrationsabnahme ein, die der Starke der Triibung nicht 
entsprach. Die Triibung ware also hier nicht als reine Kolloidaisfal- 
lung, sondern eher als Darstellung des Virus aufzufassen, die Konzen¬ 
trationsabnahme durch den Verbrauch des gelosten Kolloids zu erklhren, 
unter der Voraussetzung einer geringen Abgabe von Stoffwechselproduk- 
(en. Je weniger kompliziert die N&hrboden zusammengesetzt sind, 
desto grciJJer ist die Mbglichkeit, die Verbal tnisse zu beurteilen. 

Vielleicht stellt es sich bei weiterer Bearbeitung dieser Fragen 
heraus, daJ3 die verschiedenen Virusarten in bestimmten Losungen ein 
spezifisches Verhalten zeigen. Man liatte dann sozusagen cine be- 
sondere Gleichung fiir jede Unbekannte. 

Diese Untersuchungen miissen spaterer Arbeit vorbehalten bleiben. 
Und ebenso die entsprechenden Untersuchungen tiber das d’Herellesche 
Phhnomen, wo die Frage zu entscheiden ist, ob das Phanomen durch 
eine Fermentwirkung verursacht wird, oder durch ein invisibles Virus. 
Hier liegen die Verhaltnisse noch komplizierter, da sowohl eine anfiing- 
liche Vermehrung der Konzentration als auch eine nachfolgende Ver- 
minderung auf die fortschreitende Fermentwirkung bezogen werden 
kbnnen. 


II. Refraktomctrie. 

Auf diese Methode soil nicht naher eingegangen werden, da die 
Auwendungsmbglichkeit die gleiche ist wie oben. Das Pulfrichsche 
Eintauchrefraktometer, das an Genauigkeit und Empfindlichkeit nur 
dem Interferenzrefraktomcter nachsteht. erlaubt ebenfalls schnelles und 
bequemes Ablesen in Skalenteilen und die Verwendung geringer Fltlssig- 
keitsmengen (Tropfen!). Es dient unter anderem auch zur Bestimmung 
der Konzentration von Losungen. Es ist das Verdienst von E. Keili, 
daB es mbglich ist, die abgelesenen Skalenteile mit Hilfe einer Tabelle 
direkt in EiwoiBprozente umzurechnen! 


1IL Das TyndallphSnonicu (Tyndallmeter, Nephelometer). 

Sendet man einen Lichtstrahl durch eine kolloide Lbsung, so wird 
das Licht an den dispersen Teilchen reflektiert, diffus zerstreut und 
polarisiert. Es entsteht ein helleuchtender Streifen: das Tyndall- 
Phanomen. 

Der Tyndall-Streifen entsteht auch in Lbsungen, die scheinbar 
vcllig klar sind, (loch hangt seine Helligkeit in bestimmter Weise ab 
von dem Grade der Triibung. Das Phanomen bildet. auch die Grundlage 
der Ultramikroskopie. 

Trttbungen treten dann in einer Lbsung auf, wenn in ihr fcinste 
Teilchen zerstreut sind, die ein anderes Lichtbrcchungsvermbgen haben 


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als das Medium. Das Ultramikroskop erlaubt, disperse Teilchen nocli 
bis zu einer GrbJ3e von wenigen fifi nachzuweisen (Submikronein) 
uud in Kombination mit anderen Methoden sogar ibre Grofle zu bestim- 
men. Doch sind nicht alle kolloiden Losungen ultramikroskopisch auf- 
lbsbar und unterscheidbar, die sich untereinander durch ihren Triibungs- 
grad unterscheiden. Hier*gibudie Untersuchung mittels des T y n d a 11 - 
Plianomens ein gutes Hilfsmittel, welches erlaubt, aus dem Grade der 
Trtibung den Gehalt der FlUssigkeit an gelostem Kolloid zu erkennen, 
also auch seine Zunalime und Abnahme in Kulturflilssigkeiten usw. 

Diese Untersuchung ist mit dem Meckienburgschen Tyndall - 
meter (Schmidt u. Haensch, Berlin) selir einfach auszufiihren. Man 
bekommt auch hier an einer Skala ablesbare, untereinander direkt ver- 
gleichbare Zalilenwerte. Die zu untersuchenden Fliissigkeiten werden in 
kleine, sterilisierbare Glaskastchen gefiillt. 

Nach Mecklenburgs Untersuchungen (Koll. Zeitschr. 14, 15, 16) 
ist die Starke des Tyndall-Lichtes direkt proportional der Konzentra- 
tion und steht ebenso in bestiramter Beziehung zur TeilchengroBe, die sich 
berechnen laBt; er bestimmte z. B. den Durchmesser von Teilchen, die 
ultramikroskopisch nicht mehr darstellbar waren. 

Auch mit dieser Methode sind also noch interessante Aufschliisse 
iiber die oben besprochenen Fragen zu erhoffen, z. B. in Kombination mit 
der Konzentrationsbestimmung bei invisiblem Virus (vgl. oben).Ebenso 
lassen sich serologische Fragen mit ihr bearbeiten, wie z. B. Messung 
bzw. Untersuchung der Trilbungserscheinungen, die bei der Sachs- 
Georgischen Keaktion auftreten (Doldsche Triibungsreaktion). 

Ucber solche Untersuchungen, die schon seit langerer Zeit in Ge- 
meinschaft mit Herrn Prof. Mecklenburg ausgefilhrt wurden, wird 
spater ausftilirlich berichtet werden. 

Dal3 es sich bei den Reaktionen von Biokolloiden urn komplizierte 
Vorgange handelt, de.ren Bearbeitung und Beurteilung auf erheblich 
grofiere Sclnvierigkeiten stoBt, als die von gewohnlichen kolloiden Losun- 
gen, bedarf wohl keiner weiteren Erwahnung. 


Nachdruck verboten. 

Ueber eine neue Mcdifikaticn der Spirochatenlarbimgs- 

methode. 

Von Dr. V. Rene, St. Prosektor in Z&breh a./O. (M.-Ostrau). 

Vom Pathol.-Anatomischen Institut in Prag (Vorstand Prof. Hlava) 
auf die Tr i b on d eau sche Methode aufmerksam gemacht, babe ich 
diese, da zu ihr viel kurzere Zeit notig war als bei der protrahieiten 
Giemsa-Methode, urn vollkommene Bilder zu bekommen, erstere bei 
jeder Spirochatenfarburg mit der G i e m sa - Methode als KontrollfSrbung 
benutzt und nacbgepriilt und sie spater im Vergleich mit den sonst ge- 
brauchlichen Methoden als die bequemste, rascheste und dabei zuver- 
lassigste befunden. 



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Rene, Gine neue Modifikation der Spirochatenfarbungemetbode. 


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Die Tribondeau-Methode benutzte ich in folgender Zusammen- 
setzung: 

I. Rugesche Fliissigkeit: Essigsfiure 1 ccm, Formalin, 4 proz., 
20 ccm, Aq. destill. 100 ccm. — Fontanasche Fliissigkeit: Ac. tan- 
nicum 5,00 g, Aq. destill. 100 ccm. — III. Tr i b ond ea u sche Fliissig¬ 
keit: Arg. nitric. 5 g, Aq. destill. 100 ccm. 

Tropfenweiser Zusatz konzentr. Ammoniaklosung, bis sich die 
Fliissigkeit aufhellt. 

Als Chef des bakteriologischen Laboratoriums (Reservespital Nr. 2) 
in Pardubitz habe ich die Methode an dem reichen Materiale der venero- 
logischen Abteilung zur Zuiriedei.heit benutzt, wogegen das Dunkelleld- 
verfahren liir ein kleines Lahoratorium schwer anwendbar ist, ilberdies 
keine Dauerprfiparate gibt und liir ein Laboratorium, wobin viele 
Syphiliskranke zur Konstatierung der Spirochfiten in den Geschwfiren 
kommen, sehr unbequem ist. 

Neben den Vorziigen der Tribondeauschen Methode habe ich 
aber auch mit der Zeit manohes Nachteilige gefunden: 

1) Die Fontanasche Fliissigkeit zeigte in etwa 14 Tagen auf der 
Oberflache Wachstum verschiedener Pilzarten, 2) wurden durch starkes 
Erwarmen manchmal die Ausstriche beschiidigt, und 3) war die Methode 
fOr ein viel besuchtes Ambulatorium zu langweilig, weil ich jedesmal 
die verschimmelte Fliissigkeit filtrieren, Oder noch besser, eine frische 
Losung bereiten muBte. Ich versuchte deshalb eine Fliissigkeit mit 
einem Konservierungsmittel herzustellen, die ich wfihrend meines Aufent- 
haltes als Chef des amerikanischen Sanitatszuges fiir Infektionskranke 
und in meinem Ambulatorium nachpriifen konnte an dem reichen Material 
verschiedener Stadien der Syphilis. In manchen Gegenden des russischen 
Karpatenlandes herrscht namlich Jfiimlich eine Syphilisepidemie. 

Mit meiner Modifikation wurden in dem bakteriologischen Labora¬ 
torium in Mukacevo immer Syphilisspirochaten, Rekurrensspirillen und 
Plau t - V incen t sche mit meiner Modifikation gefarbt. Die Vorschrift 
fiir letztere ist folgende: 

I. Fliissigkeit: Tannin 5 g, Ac. acet. 2 ccm, Formalin, 4-proz., 5 ccm, 
Aq. destill. 40 ccm, Alkohol, 96-proz., 60 ccm. 

II. Fliissigkeit: Arg. nitricum 5 g, Aq. destill. 100 ccm, 

dazu kam Ammoniak, tropfenweise, bis die braunen Wolken verschwinden. 
'Man verfahrt dann in folgender Reihenfolge: 1) Herstellung dfinner Pra- 
parate, 2) Aufstriche lufttrocknen lassen, 3) Oojekttragerausstriche mit 
der I. Fliissigkeit fiberschichten. 

Nach kurzem vorsichtigem Erwarmen fiber der Flamme laBt man 
den in Brand kommenden Alkohol ausbrennen. Urn aber das Prfiparat 
nicht verbrennen zu lassen, rfihrt man es mit einem Drigalski-Stabchen 
mit der fiberschichteten Fliissigkeit urn. 

4) Spfilung im Wasserstroin, worin mehrere Tropfen Ammoniak 
diffundiert sind (10- 50 Troplen auf 1 1 Aq. destill.), 5) Ueberschichten 
mit der Fliissigkeit Nr. 2, 6; kurzes Erwarmen, 7) Spfilung im destill. 
Wasser, 8) Abtrocknen. 

Die Ffirbung dauert nur 1—l 1 /* Min. und liefert schfine Bilder. 
Die Spirochaten behalten fast immer ihre charakteristische Form und 
die differentialdiagnostischen Merkmale. Der Untergrund ist blaBgelblich 


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176 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2. 

und Niederschlagshaufen habe ich bei meiner Modifikation nicht be- 
obachtet. 


Zusammenfassung. 

Diese Modifikation der Spirochatenfarbungsmethode befriedigt haupt- 
s&chlich durch ihre Kiirze und die schfinen Bilder 1 ). 

1) Leider stand mir im Exil im KarpatenruBland keine Fachliteratur zur Ver- 
fiigung. 


Druckfeh I er bcricbtigun g. 

In dem Aufsatz Epstein ..Beitrage zur Kenntnis der Rickettsia Prowa- 
zeki“ dieser Zeitschrift Bd. 87. 8. 554 lies: 

Zeile 18 von unten statt Rickettsia „Strickeria“ 

ii 13 11 ip i> ii ii 


Berichtigung 

zu Lowi, E., Ueber die Benennung des Bac. crassus Lipschiitz etc. Bd. 88. 8. 1. 

Der durch ein Versehen in der ganzen Arbeit unrichtig wiedergegebene 
Name Orla Jensen ist iiberall im Texte sowie im Literaturverzeichnisse (13) durch 
Orla-Jensen zu ersetzen. 

Ferner ist Ders., im Literaturverzeichnis (4) und (7) zu streichen. 


Inhalt. 


Aoki, K., u. Honda, DC., Ueber die im- 
munisatorische Spezititat des Magen- 
saftes der Seidenraupen und ihre Be- 
ziehung zu den anderen Geweben, 8. 135. 

— — Ueber die hamolytisehe VVirkung 
des Magensaftes der Seidenraupen, 
8. 140. 

Eckstein, Frits, Beitrage zur Kenntnis 
der Stechmiickenparasiten. Mit 1 Tafel 
und 4 Abbildungen im Text, S. 128. 

Epstein, H., Ueber eine neue Methode der 
Blutzellen- und Blutparasitenfarbung. 
Vorlaufige Mitteilung, 8. 165. 

Gersbach, Alfons, Ueber die Wendigkeit 
der Kolonieauslaufer des Bacillus my- 
coides. („Isomerie“ bei Bakterien.), 
S. 99. 

— Der Nachweis fakaler Wasserverun- 
reinigung mittels der Indolprobe, S. 145. 

Hage, Zur Frage des Vorkoramens autoch- 
thoner Amobenruhr in Deutschland (nach 
Stuhluntersuchungen in Thuringen), 
S. 107. 

Hoefer, P. A., Ueber die Verwendbarkeit 
physikalischer Methoden zur Unter- 
suchung des Bakterieuwachstums und 


der dabei auftretenden Veranderungen 
in flussigen Nahrboden, S. 171. 

Klein, B., u. Slesarewski, W., Ueber 
Agglutination bei Garungen von Kohle- 
hydraten, 8. 143. 

Konr&di, Daniel, Die Virulenz der Ce¬ 
rebrospinal f I iissigkeit bei der mensch- 
lichen VVut, S. 113. 

Rene, V., Ueber eine neue Modifikation 
der Spirochatenfarbungsmethode, S. 174. 

Sains, Gottlieb, Zur Phenol- und Indol- 
bildung durch Bakterien und zum Nach¬ 
weis dieser K6rper in Kulturen, S. 103. 

Scheunert, Arthur, u. Schieblich, Mar¬ 
tin, Ueber die Magendarmflora der Haus- 
tnube, 8. 122. 

Seiffert, W., Vergleichende Farbeversuche 
an lebenden und toten Bakterien, S. 151. 

Unna, P. G., Das VVesen der Giemsa- 
Farbung, 8. K9. 

Vierling, K., Zum Ersatz der Lugolschen 
Losung bei der Gram Farbung, S. 169. 

Weise, Kurt, Bioskopische Methoden im 
Reagenzglase fiir den Nachweis der 
Lebensfiihigkeit eines Gewebes, insbe- 
sondere der Mausetumoren und ihre Ver- 
wendung fur die Analyse der Strahlen- 
wirkung, S. 115. 


Frommannsohe Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. 


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Gentralbl. f. BakL etc. I. AbL Originate. Bi 88. Heft 3. 

Ausgegeben am 22. Mai 1922. 


Naohdruck verboten. 

Die Saureagglutination der Weil-Felixschen X-Stamme. 

[Aus dem Pharmakologischen Institut der Reichsuniversit&t in Leiden.] 

Von Dr. Z. Bien. 

Die Saureagglutination (1) ist auch fiir die Weil-Felixschen X- 
Stamme anwendbar, da diese Bestandteile enthalten, die bei einem be- 
stimmten Aziditatsgrade ausflocken. Die folgenden Untersuchungen habe 
ich anfangs aus rein differentialdiagnostischen Griinden angestellt, um 
Proteus-ahnliche Bakterienstamme, welche kulturell den Weil- 
Felix schen Stammen verwandt waren, von diesen mittels einer einfachen 
Methode unterscheiden zu kbnnen. In dieser Beziehung hat sich die 
Saureagglutination auch hier sehr bewahrt, denn sie hat jede weitere 
Differenzierung auf serologischem Wege im Tierversuch flberflfissig ge- 
macht, indem sich bei der Saureagglutination zeigte, daB die untersuchten 
Stamme ein verschiedenes Agglutinationsoptimum haben. Aus diesen 
Versuchen ging hervor, daB die Weil-Felixschen X-Stamme ein ganz 
anderes Agglutinationsoptimum haben als mehrere andere, nicht von 
Fleckfieberkranken gezflchtete Proteus-Stamme. 

Bekanntlich haben Weil und Felix (2) zuerst aus Harn von Fleckfieberkranken 
die von ihoen als Proteus bezeichneten Stamme geziichtet. Sie agglutinieren spe- 
zifisch mit dem Serum von Fleckfieberkranken. Die Bezeichnung „X-Stamme“ wurde 
von Weil und Felix gewahlt, um damit vorliiufig nichts iiber die noch ungeklarte 
atiologische Bedeutung zu sagen. Nach der Reihenfolge, in der sie gefunden warden, 
wurden die Stamme als X,, X,, X, bis X l() bezeichuet. Die Stamme lassen sich be- 
zuglich ihrer Agglutinierbarkeit mit Fleckfieberaerum in 2 Gruppen teilen: Zur einen 
Gruppe, welche nur bis zu einer geringen Verdiinnung agglutimert wird, gehoren die 
zuerst gefundenen Stamme X, una X„ wahrend in die 2. Gruppe die hochagglutinie- 
rende X., bis X 19 gehoren. Demgegenuber werden aber alle X-Stamme von Kanin- 
chenimmunserum gleichmafiig agglutimert, gleichgiiltig, welcher Stamm als Antigen 
benutzt wurde. 

Durch neuere Arbeiten von Weil und Felix (3) wurde dann bekannt, daB in 
demselben X-Stamme regelmaSig 2 streng verschiedene Bakterienformen vorkommen. 
Aus jeder Kultur von X lassen sich Bakterien nachweisen, die wie Bac. proteus 
„hanchartig“ wachsen, und deshalb H-Formen genannt werden, und Bolche, die in iso- 
Lierten Kolonien ,ohne Hauch“ wachsen und aeshalb als O-Formen bczeichnet sind. 
Dabei ist zu bemerken, dafi in jeder X-Kultur sowohl die H- wie die O-Formen ent¬ 
halten sind und H allein nicht vorkommt, dagegen O allein wohl geziichtet werden 
kann. 

Weil, Felix und Sachs (4) ist es gelungen, die H- und O-Formen nicht nur 
kulturell, sondern auch serologisch zu trennen, und wir wissen heute bereits, dafi die 
Aebnlichkeit verschiedener Proteus-Stamme in der ihnen gemeiusamen H-Form, der 
Unterschied zwischen den einzelnen Stammen dagegen in der Verschiedenheit ihrer O- 
Form liegt. 

Ich habe mir nun die Aufgabe gestellt, zu untersuchen, wie sich 
bezflglich der Saureagglutination die verschiedenen X-St&mme, X„ X,, 
X, und X 19 verhalten, und habe speziell auch das Verhaltcn der H- und 
O-Formen geprflft. 

Methodisch hielt ich mich an die Angaben von L. Michaelis (5). 
Fine 24-stiind. Schr&gagarkultur spiilte ich mit einigen Tropfen dest. 

Knte Abt. Orig. Bd. 88 Heft 3. 12 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


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Bien, Die Saureagglutination der Weil-Felixschen X-Stamme. 


179 


Wassers ab, dann wurde noch mit 2 ccra dest. Wassers verdflnnt. Von 
dieser Aufschwemmung kamen in je ein serologisches Reagenzrohr je 
2 ccra. Dazu gab ich in jedes RShrchen 1 ccm einer in verschiedenen 
AziditStsgraden angefertigten Puflferlosung. Diese wurden nach den 
von Ron a (5) gegebenen Vorschriften hergestellt. Ich benutzte ver- 
schiedene Mischungen von n-WeinsSure mit n/2 weinsaurem Natron und 
in anderen Versuchsreihen 0,1 mol. sek. Natriumcitrat mit 0,1 n-Salz- 
saure. Die H - Ionenkonzentration der PufferlQsungen wurde immer 
elektrometrisch bestimmt. Der Zusatz der Bazillenemulsion Snderte die 
H-Konzentration nicht wesentlich. 

Das Resultat, die Ausflockung, wurde zuerst sofort nach Zugabe 
der Puflferlosung, dann nochmals nach 1 / i Std. und endlich nach 10- 
sttind. Stehen bei 37° im Thermostat abgelesen. In den Versuchs- 
tabellen J ) wird der Grad der Ausflockung mit verschiedenen -f-, die 
Natur (Grobflockigkeit) des Agglutinats mit X bezeichnet (s. Tabelle). 

Die Versuche ergaben, daB alle X-St8mme in ihrer H-Form in einer 
breiten Zone von Ph = 2 bis ph = 4 agglutinierbar sind, und zwar sind 
alle die verschiedenen X-Stamme gleichm&Big agglutinierbar. Das Agglu- 
tinationsoptimum liegt bei alien Stammen bei Ph = 3 (Rbhrchen V); 
ROhrchen IV und VI zeigen untereinander gleiche, gegeniiber V aber 
schwachere Agglutination. Sehr wichtig ist aber, daB man bei 
genauer Beobachtung bemerkt, daB auch bei optimaler 
Ausflockung, auch nach beendigter Agglutination, die 
obenstehende Fliissigkeit noch etwas triibe bleibt. Die 
O-Formen der verschiedenen X-Stamme, die untersucht wurden, namlich 
OX 2 und OX 19 lassen sich dagegen mit Saure flberhaupt nicht ausfallen 
innerhalb eines Bereiches von ph = 1 bis 13. 

Hieraus erklSrt sich auch die geringe Trubung, die bei Saureagglu¬ 
tination der X-Stamme bestehen bleibt. Hier bleiben die mit Saure 
inagglutinablen O-Formen in Emulsion, wahrend die H-Formen 
ausgefailt wurden. 

Nebenbei sei auch bemerkt, daB altere X-Stamme mit Saure lang- 
samer ausflocken als jiingere, was sich mit der Erfahrung deckt, daB in 
aiteren Kulturen die O-Form vorwiegt. 

Wie bereits einleitend bemerkt wurde, habe ich auch noch 10 andere 
Proteus-Stamme verschiedener Herkunft, jedoch nicht von Fleck- 
fieberkranken, untersucht, welche bei dera Agglutinationsoptimum der 
Fleckfieberstamme bei pn = 3 nicht optimal agglutinierten, also sich 
dentlich von den X-Stammen unterscheiden lieBen. 

Da der Ein wand mbglich ist, daB es sich bei diesen Versuchen nicht 
nur um die Wirkungen der aktuellen Aziditat, sondern um Salzwirkungen 
handeln kdnnte, so habe ich dieselben Versuche auch mit einer anderen 
PuflFerlSsung Natriumcitrat mit SalzsBure ausgeftihrt. Auch hier findet 
die Ausflockung in demselben Bereiche der H-Konzentration statt. Damit 
ist bewiesen, daB es sich tatsachlich um eine Wirkung der aktuellen 
Aziditat handelt. 

Ich habe bereits frflher (7) als Trennungsmittel der H- und O-Form 
Alkohol empfohlen. Durch 33-proz. Alkohol in 0,5-proz. karbolisierter 
physiol. Kochsalzlbsung werden, ahnlich wie bei den obigen Versuchen, 
die H-Formen ausgefailt, wahrend die O-Formen in Emulsion bleiben. 
Diese Emulsion wird dann von Fleckfieberkrankenserum ausgefailt. 


1) Die hier wegen Raummange! nicht vollig wiedergegcben werden konnen. 

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180 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 

Zusammenfassung. 

Die von Weil und Felix isolierten X-Stamme werden durch Saure 
ausgefallt zwischen Ph = 2 und ph = 4. Das Agglutinationsoptimum 
liegt bei p H = 3. Mehrere Proteus-Stamrae, die nicht von Fleckfieber- 
kranken stammten, zeigten bei pn = 3 kein Agglutinationsoptimum. 

Die H- und O-Formen der X-St&mme verhalten sich Saure gegen- 
iiber sehr verschieden, denn die O-Form ist durch Saure iiberhaupt nicht 
ausfallbar. 

Ebenso ist auch durch 33-proz. Alkohol nur die H-Form, dagegen 
nicht die O-Form fallbar. 

Die Sdureagglutination (sowie die Alkoholfallung) zeigt demnacb, 
dafi zwischen den Bestandteilen der 0- und H-Formen tiefgreifende 
Unterschiede bestehen. 


Iiiteratnr. 

1) Michaelis, L., Die Wasserstoffionenkonzentration. Berlin (J. Springer) 1914. 
— 2) Weil u. Felix, Wien. klin. Wochenschr. 1916. Nr. 2. — 3) Dies., Ebenda. 
1917. Nr. 48. — 4) Sachs, Dtsch. med. Wochenschr. 1917. Nr. 31. —5) Michaelis, 
L., Ebenda. 1911. Nr. 21. — Rona, Abderhaldens Handb. d. biochem. Arbeits- 
methoden. Bd. 5. S. 1095. — 7) Ders., Miinchen. med. Wochenschr. 1917. Nr. 43. 


Naohdruck verbot&n. 

Ueber experimentelle Maul- und Klauenseucbe. 

[Aus dem Institut fiir Infektionskrankheiten ^Robert Koch“ 
(Abteilungsleiter: Dr. Gins).] 

Von Dr. med. H. A. Gins und Dr. med. et med. vet. R. Weber, 

Kreisassistenzarzt, vormals Assistent am Institut. 

Die Uebertragung der Maul- und Klauenseuche auf das Meer- 
schweinchen, die W aid maun und Pape in Rierns und fast gleichzeitig 
und unabhangig von ilinen Hobmaier im Institut ..Robert Koch“ 
geiang, nachdem frtiher Hecker schon die abgelaufene Infektion bei 
diesen kleinen Versuchstieren gesehen-hatte, und Grotli in neuerer Zeit 
augenscheinlich spezifische Veranderungen durch intrakutane Impfung 
bei dieser Tierart erzielt hatte, gab naturgemaB fiir die Bearh.eitung 
dieser Seuche zalilreiche neue Anregungen. Allein die Tatsache, daB 
man mit einem auf das Meerschweinchen angepaBtcn Stamm von Maul- 
und Klauenseuchevirus grofiere Reilien von Versuchstieren im Labo- 
ratorium beobachten kann, ist als Fortschritt zu begriiBen, abgesehen 
da von, daB der Verlauf der Infektion am kleinen Laboratoriumstier in 
alien seinen Phasen genauer zu studieren ist, als am Schwein oder Rind. 

Wenn auch Waldmann und Pape nach etwa 60 Meerschwein- 
chenpassagen bei ihrem Virus keinerlei Virulenzanderung gegeniiber 
dem Schwein beobachtet hatten, so war nach Analogic mit andeu-em 
Virus, z. B. demjenigen der Vaccine, zu untersuchen, ob der dauerndc 
Durchgang durch dieselbe Tierart nicht doch allmahlich zu einer Ver- 


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Gins u. Weber, Ueber experimentelle Maul- und Klauenseuche. 


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anderung fiihren konnte. Die Angabe franzosischer Autoren, daB das 
vakzinierte Kalb gegen die Maul- und Klauenseuche immun werde, 
konnte unter einwandfreien Bedingungen noch einmal gepriift werden, 
nachdem sich gezeigt hatte, daB auch auf der Meerschweinchenhaut eine 
typiseke Vakzineinfektion erzielt werden kann. Das Verhalten des Virus 
im Blut und in inneren Organen konnte an den irainerhin noch wohl- 
feilen Meerschweinchen init zahlreichen Versuchen beobachtet werden, 
die auch frtiher schon zu erheblichen Unkosten und auch Tierverlusten 
gefuhrt haben warden. Erwahnen wir schlieBlich noch die Prufung auf 
immunitat der durchseuchten Meerschweinchen, dann sind die wesent- 
lichsten Themen genannt, deren Bearbeitung wir vorlaufig aufgenommen 
haben. Die uns zur Verftigung stehenden sehr beschrankten Geldmittel 
zwangen ohnedies zura Verzicht. auf ntianchen Versuch an groBen Tieren, 
von dem noch weitere Aufklarung erwartet werden konnte. 

I. Beziehungen der Vakzlne zur Maul- und Klauenseuche. 

Die bisherigen Versuche, durch Vakzineinfektion Immunitat gegen 
Maul- und Klauenseuche zu erzielen, sind fehlgeschlagen. Da es an 
genauen Angaben uber die Technik der Versuche fehlt, lag es nahe, die 
Versuche im Laboratorium nachzupriifen. Die Hautvakzine beim Meer¬ 
schweinchen hat bisher in der experimentellen Forschung keine Rolle 
gespielt, wahrscheinlich weil es nicht gelang, mit den tiblichen Glyzerin- 
lymphen Hautpusteln zu erzielen. 

Bei Verwendung frischen Vakzine-Rohstoffes gelang es uns da- 
gegen leicht, typische Vakzinepusteln zu erzeugen. 

Die Pusteln reifen bereits nach 3 Tagen, sind erheblich kleiner als 
beim Kalb, stehen aber bei der tiblichen impfmethode so dicht, daB sie 
teilweise konfluieren. 

Selbst die ausgedehntesten Vakzinepustelbildungen, hervorgerufen 
durcli ganz frischen, hochvirulenten Rohstoff, beim Meerschwein blie- 
ben ohne EinfluB auf die nachfolgende Infektion mit Maul- und Klauen¬ 
seuche. Andererseits verlief bei Vorbehandlung mit Maid- und Klauen¬ 
seuche die Vakzination fast ebenso wie bei unbehandelten Tieren. 

Immunisatorische Beziehungen bestehen also zwischen Maul- und 
Klauenseuche und Vakzine nicht. Auch die Vermutung des nur teil- 
weisen Uebergreifens der Cinen Immunitat in das Gebiet der anderen, 
wie sie von einigen Autoren angenommen wurde, findet keine experi- 
men telle Sttitze. 

II. Verhalten des Maul- und Klauenseuchevlrus bei Meer- 

sehweinchenpassagen. 

Die Beobachtungen von Waldmann und Pape iiber die Er- 
scheinungsformen der Maul- und Klauenseuche konnen wir im allgemei- 
nen bestatigen, so beztiglich der Impfstelle, des Impfmodus und der 
Spontancrscheinungen an VorderfuBen und Zunge. Dagegen ist es 
uns nicht gelungen, trotz der genauen Anwendung der Waldmann- 
schen Impftcchnik, so lange Passagereihen zu beobachten, wie es aus 
Riems und SchleiBheim berichtet wird. Unsere erste Passagereihe mit 
SchleiBheiiner Virus ging nach 44 Passagen ein, wobei wir von der 
6. Passage ab schon deutliche Abschwachung beobachten konnten, die 
(lurch Zurtlckgreifcn auf die bereits 5 Tage auf Eis konservierte 
3. Passage w ieder ausgeglichen werden konnte. Aehnliche Abschwachun- 


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gen traten nicht nur bei diesem Virus ein. Von der 36. Passage ab 
war die Abschwachung nicht ihehr auszugleichen, und das Vims ging 
tins allmahlich ein. 

Es war zuerst unklar, welche Einfliisse eine mabgebcnde Rolle 
spieiten. Da gerade in jener Zeit ein Wechsel in der Fattening- 
eintrat, der Uebergang von Grtinfutter zu Riiben, lag die Vermutung 
nahe, dies sei die Ursache. Docli entsprechende Fiitterungsversuche 
rechtfertigten diese Vermutung nicht. Dagegen stellte sich allmahlich 
heraus, dab bei kleinen Tieren die Impfblasen in der Regel verspatet 
kamcn und dab die Erscheinungen an der Impfstelle geringer, die. 
Spontancrscheinungen besonders an der Zunge starker auftraten. 

Im allgemeinen ging die Maul- und Klauenseuche bei kleinen Tieren 
schwacher an. Dies dilrfte die Ursache sein fiir die gelegentlichen Ab- 
schwacliungen und fiir das Eingehen des Virus, wie wir es erlebt haben. 
Seitdem nur grobe Tiere iiber 350 g zur Verwendung gelangen, scheint 
diese Storung beseitigt zu sein. Es wird weiterhin darauf zu achten 
sein, oh nicht das dauernde Durchfuhren des Virus durcli die gleiclie 
Tierart ein Abschwachen hervorruft, ahnlich deni, das bei dauernder 
Kalberpassage des Vakzinevirus eintritt. Als erstes Kriterium hierfiir 
betrachteten wir das verzbgerte Auftreten der Impfblasen. Wahrend 
ein gutes Virus an groben Tieren nach 24 Std. bereits gutgeftilltc 
Blasen an der Impfstelle ergab, sahen wir bei kleinen Tieren in der 
Regel nach 24 Std. nur Rotung und Schwellung der Impfstelle, nach 
48 Std. war die Blase erst ausgepriigt. Andererseits sahen wir keinen 
Unterschied zwischen eintagiger und zweitagiger Passage hinsichtlich 
der Virulenz des Blaseninhalts. 

Fiir die Beurteilung der Intensitat der Infektion spielen anschei- 
nend individuelle Unterschiede unter den Vcrsuchsticrcn eine Rolle. 
Mehrmals konnte festgestellt werden, dab von 2 Tieren, die in der- 
selben Art und Weise, mit demselben Virus und zu gleicher Zeit in- 
fiziert waren, das eine Tier nach 24 Std., das andere erst nach 48 Std. 
die vollentwickelten Blasen zeigte. 

Ein Unterschied zwdschcn dem Verhalten zwischen kleinen und 
groben Tieren besteht fernerhin darin, dab bei den kleinen Tieren die 
Impfaphthc zuriicktritt gegeniiber den schweren Allgemeinerscheinun- 
gen. Bei groben Tieren sahen wir fast nie so stark ausgcdehnte Zer- 
storungen der Zunge wie bei den kleinen Tieren. Auch die mit- 
unter beobachteten Todesfalle durcli hierdurch bedingte Unmoglichkeit 
der Nalmingsaufnalime betrafen immer nur kleine Tiere. 

Nach unseren Erfahrungen erscheint es sehr wohl moglich. durcli 
andauernde Passage nur in kleinen Tieren eine so weitgehende Ab¬ 
schwachung zu erzielen, dab eine Regeneration im Organismus des 
Meerschweinchen nicht mehr moglich ist. Andererseits aber dilrfte 
es gelingen, durcli Einschaltung kleinerer Tiere in die Passagereihen 
eine dauemde Modifizierung des Virus zu erzielen. 

III. Verhalten unseres Meerschweinvlrus zu andcrcn Tierarten. 

Zu der Annahme der soeben erwahnten Abschwachung des Virus 
wurden wir gefiihrt durcli das Ergebnis folgender Versuche: 

Schwein I. Infiziert. rait der 4. Meerschweinchenpassage eines aua Schleifiheiui 
bezogenen Virus, dessen Herkunft uiib weiter nicht bekannt ist. Nach 24 Std. Impf- 
aphlhen am Riissel, beginnende Blasen am Klaucnsaum. Nach weiteren 2 Tagen das 
ausgepragte Bild der Maul- und Klauenseuche. 



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Ziege I. Infiziert mit der 18. Passage desselben Virus. Nach 24 Std. kleine 
erbsengrofle geplatzte Blaseu an der Einstichstelle. Keine weiteren nachweisbaren 
Krankneitserscheinungen. Das Material, entnommen von der geplatzten Blase, beim 
Meerschwein von guter Virulenz befunden. 

Schwein II. Infiziert mit einem Virus, das 18 Meerschweinchenpassagen, 1 Ziegen- 
und 2 weitere Meerschweinchenpassagen durchlaufen hatte. Trotzdem die Erscheinungen 
am letzten Meerschweinchen typisch und von starker Intensitat waren, blieb das Schwein 
frei von alien Krankheitserscheinungen, wahrend beim zuletzt infizierten Meerschwein 
nach 24 Std. typische Blasen vorhanden waren. Nach 14 Tagen Nachinfektion mit 
hochvirulentem Meerschweinchenvirus aus SchleiBheim. Nach 2 Tagen keine Blasen, 
Allgemeinzuetand nicht verandert, dagegen das Blut infektios (Prufung am Meerschwein¬ 
chen). Nach weiteren 14 Tagen Infektion mit einem Material vom natiirlich infiziertem 
Ferkel: Das Tier zeigte keine Erscheinungen. 

Ziege II. Infiziert an 3 Stellen im Maul mit der 18. Meerschweinchenpassage. 
Das Tier blieb ohne jede Erscheinuug. 

Schwein III. Infiziert mit einem Virus, welches nach dem Durchgang durch 
Schwein II noch 3 Meerschweinchen passiert und sich bei diesen als vollvirulent er- 
wiesen hat Das Schwein blieb frei von alien Erscheinungen. Nach Infektion mit 
Manl- und Klauenseuche eines natiirlich infizierten Ferkels ergibt eine schwache Er- 
krankung an Maul- und Klauenseuche (lediglich 2-pfennigstiickgrofie Blasen an den 
Hinterpfoten). 

Schwein IV. Infiziert mit einer 18. Meerschweinchenpassage.. Keine Erschei¬ 
nungen, Blut nicht infektios. 

Kalb I. Infiziert mit dem gleichen Material. Nach 48 Std. im Maul 3 Ero- 
sionen, sonst keine Erscheinungen. 4 Tage nach der Infektion ist das Tier ganz normal. 

Die beiden letzten Tiere sind noch im Versuch und sollen so bald 
als moglich zur Feststellung ihrer etvvaigen I nun uni tat nachinfiziert 
werden. 

Wenn auch diese Versuche an Zalil noch zu gering sind, uni 
weitgehende Schliisse zu ziehen, so berechtgien sie (loch zu folgendcn 
Vermulungen: 

1) Das Maul- und K1 auenseuchenvirus kann durch 
Meerschweinchenpassagen seine Virulenz fur natiirlich 
infizierbare Tiere verlieren. 

2) Es kann sich im Blut natiirlich infizi erbarer Tiere 
vermehren und Immunitat gegen eine nachfolgende Maul- 
und Klauenseucheinfektion veranlassen. 

Wir halien es somit fiir moglich, durch Meerschweinchenpassagen 
unter bestimmten Bedingungen ein verandertes Maul- und Klauen- 
seuchevirus zu erzeugen, das zur Herbeifilhrung einer aktiven Immu¬ 
nitat der empfanglichen Tierarten verwertet werden kann nach Art 
der Vakzination gegen Variola. 

Entsprechende Versuche, die den Bedilrfnissen der Praxis an- 
gepaBt sind, sollen angestellt werden, sobald uns natiirliches Maul- 
und KJauenseuchevirus zur Verfilgung steht. 

Maul- und Klauenseuche — Immunitat bei Meer¬ 
schweinchen. 

Bei der groBen Zahl von Meerschweinchen, die sich bei den 
Passagen ansammelten, lag der Gedanke nahe, durch Nachinfektion zu 
prufen, ob auch diese Tiere, ebenso wie die groBen Tiere, eine vhllige 
Immunitat gegen das Virus der Maul- und Klauenseuche erwerben. 
Es warden zu diesem Zweck 5!) Tiere, die in den Versucben gestanden 
batten, einer Nachinfektion unterworfen mit einem Virus, dcssen hohe 
Virulenz fiir Meerschweinchen erwiesen war. Das Ergebnis dieses 
groBen Versuches ist als eindeutig zu bezeichnen. 49 Meerschweinchen, 
die eine Maul- und Klauenseuche infektion durchgemacht batten, blie- 


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ben frei von irgendwelchen Krankheitszeichen — sie waren vollig 
immun. 6 Tiere, welclie bei der ersten Infektion auBer gerdteten Impf- 
stellen keine Symptome hatten, bekamen bei der Nachinfektion typische 
Blasen an der Impfstelle und die Erscheinungen der Allgemeininfektion. 
Da diese Tiere friiher alle mit Virus infiziert waren, das allerdings 
stark abgeschwacht war, war es iramerhin zulassig, die Veranderungen 
an den Impfstellen mit Hobmaier als abortive Form der Maul- 
und Klauenseuche anzusehen. Durch die Nachinfektion konnte aber 
der Beweis gefiihrt werden, daB diese schwachste Infektion nicht zur 
Entwicklung einer aktiven Immunitat ausreicht. 

2 Meerschweinchen blieben bei der Erstimpfung und ebenso bei 
der Nachinfektion mit sehr virulenter Lymplie frei von Krankheits- 
erscheinungen. Da die Impftechnik einwandfrei war, rauB also ange- 
nommen werden, daB es bei Meerschweinchen, wenn aucli selten, eine 
nattirliche Resistenz gegen das Virus der Maul- und Klauenseuche gibt. 

Bei alien 49 immunen Tieren lag die Zeit zwischen der Erst- 
und der Nachinfektion zwischen 14 Tagen und 8 Wochen. Unterschiede 
hinsichtlich der Starke der Immunitat waren hier nicht zu beobachten. 
Nur bei einem Tier unter den nachinfizierten 59 Tieren fand sich 
keine Immunitat. Dieses Meerschweinchen hatte nach der ersten In¬ 
fektion nur sehr gering entwickelte Impfaphthen und keine weiteren 
Erscheinungen. Hier hat die Nachinfektion mit hochvirulenter Lymphe 
die Immunitat schon nach 4 Wochen durchbrochen. Es entstanden 
bei der Nachinfektion starkere Erscheinungen als bei der ersten. 

Eine weitere interessante Beobachtung betraf das einzige iiber- 
lebende Junge eines Meerschweinchens, welches etwa 3 Wochen nach 
der schweren Infektion des Muttertieres geboren war. Es wurde im 
Alter von etwa 4 Wochen mit hochvirulenter Meerschweinchenlymphe 
infiziert und blieb vollig gesund. Hier ist wohl mit grofier IWahr- 
scheinlichkeit eine ererbte Immunitat anzunehmcn. In dieser Annahme 
werden wir urn so melir bestilrkt, als unsere infizierten Tiere, soweit sie 
auf der Hohe der Infektion hochtrachtig waren, abortierten und das 
erwahnte Jungtier das einzige iiberlebende des ganzen Wurfes war. 
Die Maul- und Klauenseuche-Infektion hat augenscheinlich ein^ 
energische Wirkung auch auf den fbtalen Organismus. Es ist nicht 
ausgeschlossen, daB das immun befundene Jungtier wahrend seines 
ffitalen Lebens die Infektion durchgemacht hat, so daB also nicht so sehr 
eine ererbte als vielmehr eine intrauterin erworbene Immunitat in 
Frage kommt. 

Im allgemeinen haben wir eine recht kraftige Immunitat der durch- 
seuchten Tiere gefunden, kraftiger jedenfalls, als sie Titze bei einigen 
seiner Meerschweinchen fand. Er konnte 2 von 4 durchseuchten Tieren 
nach wenigen Wochen erfolgreich nachinfizieren. 

Verhalten des Virus im Blute und in inneren Organeu. 

Das bequeme Arbeiten mit Meerschweinchen im Laboratorium fiilirte 
uns dazu, das Kreisen des Virus im infizierten Organismus erneut zu 
prtifen. Seit den grundlegenden Untersuchungen von Loeffler und 
Prosch und Uhlenhuth schien die Frage nach der Richtung bin 
geklart, daB das Blut infizierter Tiere das Virus nur vortibergehend 
beherberge, und zwar auf der Hohe des Fiebers. v. Seigneux hat 
klirzlich iiber entsprechende Versuche bei Meerschweinchen berichtet. Er 
fand das Blut hochstens bis 54 Std. nach der Infektion virulent ; seine 



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Gins u. Weber, Ueber experimentelle Maul- und Klauenseuche. 


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Angaben dccken sich also im wesentlichen mit der bisherigen Annahme. 
Es ist wohl anzunehmen, dab die geltenden veterinarpolizeilichen Bestim- 
numgen auf Grund dieser Erfahrungen aufgebaut sind. Hiernach werden 
bei Tieren, die an Maul- und Klauenseuche erkrankt sind, bei der 
Fleischbeschau lediglich, die mit Aphthen behafteten Teile, Kopf mit 
Zunge und P’iLbe, nur nach vorheriger Sterilisation durcli Briihen in den 
freien Verkehr gegeben, with rend alles iibrige ohne weiteres dem freien 
Verkehr iiberwiesen wird. 

Wir haben bei einer Reihe von Meerschweinchen das Blut auf 
seinen Gehalt an Virus gepriift und gefunden, dab zu verschiedener 
Zeit nach der Infektion das Meerschweinchenblut infekti&s ist. Uni 
iiber die hier vorliegenden Verhiiltnisse ins Klare zu kommen, wurden 
einige Versuche folgendermaben angestellt: 

Von den mit Maul -und Klauenseuche infizierten Tieren wurde im 
Abstand von 24 Std. Blut aus der Ohrvene entnommen und sofort 
auf normale Tiere in der iiblichen Weise v^rimpft. Wir fanden so das 
Blut vom 1.—4. Tage infektios. 

Urn dies Ergebnis nachzuprtifen und um gleichzeitig festzustellen, 
wie lange (iberhaupt Virus im Blut nachweisbar sein kann, wurde in 
einem weiteren Versuch das Blut vom 1.—8. Tage einschlieblich nach 
der Infektion verimpft. Es ergab sich, dab vom 1.—7. Tage Virus 
im Blut vorhanden war und wahrscheinlich in recht. erheblichen Mengen, 
wie die starken Reaktionen der Testtiere beweisen. 

Ebenso gelang es auch, mit der Milz eines vor 5 Tagen geimpften 
Meerschweinchens eine ziemiich kraftige Infektion auszulosen. Es ist 
wohl anzunehmen, dab sich die Milz immer ahnlich wie das Blut ver- 
halten wird. 

Weitere Versuche beschiiftigen sich mit der Ausscheidung des 
Virus. So wurde der Speichel von einigen Tieren gepriift. Wir fanden 
den Speichel nur dann infektios, wenn auf der Zunge Blasen vorhan¬ 
den waren. Auch da, wo wir, ohne das Tier zu tbten, nur uneroffnebe- 
Blasen auf der Zunge sehen konnten, ist anzunehmen, dab irgend- 
welclic erOffnete Blasen vorhanden waren, denn die Verimpfung von 
Speichel von Tieren ohne Blasen der Maulh&hle blieb ergebnislos. 

Man kann hieraus schlieben, dab das Virus nicht etwa durch 
Driisensekretion ausgeschieden, sondern durch absondernde Krankheits- 
produkte dem Speichel mechanisch beigemengt w'ird. 

Die Infektiositat des Blutes licb vermuten, dab auch inakroskopisch 
sichtbare Veranderungen an den inneren Organen vorhanden seicn. 
Die Sektion einer Reihe von Meerschweinchen, dercn Impfung 2—4 
Tage zuriicklag, ergab ubcreinstimmend folgendes Bild: 

Milz regel miifiig vergroBert bis auf das Dreifache. 

Leber in der Regel maSig vergroBert und fettig degeneriert. 

Nebennieren vergroBert bis aufs Doppelte und fast immer hiimorrhagisch durch- 
trankt. 

Dieser Nebennierenbefund ist ahnlich dem beim diphtherievergifteten Meer¬ 
schweinchen. 

Ob auch bei Maul- und Klauenseuche eine besondere Giftwirkung eine Rolle spielt, 
konnen wir noch nicht entscheiden. 

Nach unseren Erfahrungen am Meerschweinchen erscheint es fiir die 
Praxis bedeutungsvoll und somit erfordcrlich, das Kreisen des Virus 
an nattirlich infizierten Tieren nachzuprufen. Sollten sich ahnlichc 
Verhiiltnisse herausstellen, so sind unscres Erachtens erhebliciic Ver- 
scliarfungen der Bestimmungen iiber die Fleischbeschau bei maul- 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


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und klauenseuchekranken Tieren notwendig, denn die bestehenden 
Bestimmungen wtirden die Verschleppung des Virus durch Blut und 
Milz, eventuell durch andere Organe keineswegs verhindern konnen. 

SchluBbemerkung. 

Nach den Erfahrungen von Waldmann und Pape, Hob- 
maier, Uhlenhuth, Ernst und unseren soeben mitgeteilten Ver- 
sucken besteht "kein Zweifel, daB von der Verwendung des Meer- 
scliweinchens in der experimentellen Maul- und Klauenseucheforschung 
Fortschritte nach verschiedenen Richtungen bin zu erwarten sind. Eine 
wichtige Frage bedarf noch der Losung, namlich die, ob das Virus der 
nattirlichen Maul- und Klauenseuche in alien Fallen auf das Meer- 
schwein tibertragbar ist. Waldmann und Pape sind dieser Ansicht. 
Uns scheinen dagegen die zahlreichen negativen Versuche von Loeff- 
ler und Frosch, Uhlenhuth und neuerdings Hobmaier dagegen 
zu sprechen, zumal es auch uns nicht gelang, ein nattirliches Virus, 
das am Schwein glatt anging, auf das Meerschwein zu iibertragen. 

Es erscheint daher doch die Vermutung gerechtfertigt, daB die 
Uebertragung auf das Meerschweinchen nur unter gewissen, noch nicht 
naher bekannten Bedingungen gelingt. Vielleicht liegen liier iihnliche 
Verhiiltnisse vor, wie bei dcm Variola-Virus, welches sich nur uanch- 
mal auf Kaninchen oder Kalb (lbertragen lafit, dann aber zu einer 
Modifikation fiihrt, die sich durch den Verlust wichtiger Eigenschaften 
voin Ausgangsmaterial unterscheidet. 

Zu dieser Ansicht berechtigt uns das Verhalten unseres Maul- 
und Klauenseuchevirus, welches die Virulenz ftir Schwein und Rind 
verloren, fiir das Meerschweinchen hingegen ungeschwacht crhalten hat. 

Anmerkung bei der Korrektur: In der Klin. Wocbenschr. 1922. Nr. 15. beriehten 
Uhlenhuth und Bieber iiber die Beziehungen zwischen der Vakzine- und Maul- 
und Klauenseucheimmunitat. Sie koinmen bei Meerschweinchen zu denselben Resul- 
taten wie wir. 


Literatrur. 

1) Waldmann u. Pape, Berlin, tierarztl. Wocbenschr. 1920. Nr. 44; 1921. Nr. 30. 
— 2) Homaier, M., Dtsch. med. Wochenschr 1921. Nr. 22. — 3) v. Seigneux, 
Berlin, tierarztl. Wochenschr. 1922. Nr. 2. — 4) Titze, ebenda. 1922. Nr. 4. 


Hachdruck verbolen. 

Untersuchungen iiber die Fliegenplage in Deutschland. 

Von Dr. Pliilulethcs Kuhn, 

o. Prof, der Hygiene, Dresden. 

Mit 1 Kurve im Text. 

Inhalt: Veranlassung zu den Untersuchungen. — Gang der Untersuchungen. — 
Gang der Temperatur. — Die Stubenfliegen nach den Raumgruppen. — Die Stallfliegen 
nach den Raumgruppen. — Vergleich der Mengen beider Ffiegcnarten. — Das Ueber- 
wintern der Fliegen. — Der Verlauf der Fliegenplagen. — Wie ist das verschiedene 
Einsetzen der Fliegenplagen zu erklaren? — Wie ist die friihzeitige Abnahme der 
Stubenfliegen zu erklaren? — Zusammenfassung. 



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URBANA-CHAMPAI6N 



Kuhn, Untersuchungen fiber die Fliegenplage in Deutschland. 


187 


Veranlassung zn den Untersuchungen. 

Je mehr ich mich (1, 2) mit der Frage beschaftigte, inwieweit 
unsere einheimischen Fliegen befahigt sind, Krankheiten zu tibertragen, 
desto st-Crender empfand ich, dab der Begriff der Fliegenplage im hygie- 
nischen Schrifttum meist ganz allgemein gefaBt isfc und eine Unter- 
scheidung der nichtstechenden von den stechenden Fliegen dabei unter- 
bleibt. 

Ich beschloB daher genauere Untersuchungen der Raume auf das 
Vorkommen der Hauptvextreter jeder Gattung, der Stubenfliege 
(Musca domestica L.) und der Stallflicge (Stomoxys calcitrans 
L.), deren Gesamtzahl hauptsachlich die sommerliche Fliegenplage 
bedingt. 


Gang der Untersuchungen. 

Dieses Vorhaben wurde mir ermoglicht, als ich Anfang Juni 1915 
die Stellung des hygienischen Beirates beira Generalkonmando des 
XV. A.K. und die Leitung der Bakteriologischen Anstalt fur ElsaB zu 
StraBburg erhielt. Als ich aus dem Felde hier eintraf, fand ich in 
Lahr eine ausgedehnte Ruhrepidemie bei der Truppe vor, welche mit 
groBer Wahrscheinlichkeit durch Fliegen unterhalten wurde. Infolge- 
dessen gebot sich eine planmaBige Rekampfung der Fliegenplage. Dank 
der Untersttltzung vieler Behorden, namentlich milit&rischer Kommando- 
stellen und zahlreicher Einzelpersonen, richtete ich eine groBe Anzahl 
von Bekampfungs- und Beobachtungsstellen im UnterelsaB, im OberelsaB 
und in Baden ein. In diesen wurden Leimstreifen, sogenannte Fliegen- 
fanger der Marke Aeroxon, regelmaBig aufgehangt, nachdem wir~ tins 
liberzeugt hatten, daB sich auch die Stallfliegen an ihnen in groBen 
Massen fingen. Die Aeroxonfanger sind mit einer Mischung aus Oel, 
Kolophonium und Japan-Vogelleim bestrichen. In den Untersuchungs- 
jahren muBten diese Rohstoffe, wie die Fabrik mitteilt, allerdings ge- 
streckt werden. Von den Inhabern oder den Verwaltern der Versuchs- 
raume wurden die Streifen alle Wochen durch Boten oder durch die 
Post in flachen Kasten mit Fachern und in anderen Behaltern an die 
Bakteriologische Anstalt zu StraBburg eingesandt, wo jeder einzelne 
durchmustert wurde, um die Zahl der Stubenfliegen und der Stall¬ 
fliegen auszuzahlen. Bei den Streifen, an denen die Fliegen dicht- 
gedrangt zu vielen Hunderten klebten, wurden Schatzungen von 10 
zu 10 Stuck vorgenommen, ftir deren Sicherheit die groBe Uebung der 
Zahler bilrgte. Die Beobachtung erstreckte sich auf die Zeit von 
Juli 1915 bis Mai 1917 einschlieBlich. In den ersten Bcobachtungs- 
monaten des Jahres 1915 besorgte die Laborantin Frl. Toni Schultze 
die Auszahlung sowic den Versand der Leimstreifen und die Riick- 
sendung der Behalter mit groBer Sorgfalt. Ihre Arbeit Ubernahm 
der zur Bakteriologischen Anstalt kommandierte Entomologe und Samm- 
ler Bo do von Bodemeyer, dem es gelang, die Beobachtungsstellen 
auBerordentlich zu vermehren und das Interesse an der Forschung 
Uberall wach zu halten. 

Das Auftreten der Fliegen ist von zalilreichen Uiustanden ab- 
hangig. Es kommt bei den Raumen nicht nur darauf an, welchen Lebe- 
wesen sie zum Aufenthalt dienen, sondern es spielt auch ihre Bauart, 
die Innentemperatur und der Zutritt der Winde eine Rolle. Bei Stal- 
len macht es ferner einen Unterschied, wie der Mist beschaffen ist, 


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URBANA-CHAMPAIGN 



188 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 

wie oft ausgeinistet wird und vvie die Dunggruben in der Niihe ange~ 
legt sind; sehr wichtig ist auch die Frage, welches Futter gereicht wird. 
Nicht unwichtig ist der Feuchtigkeitsgrad der Luft und raanches andere. 
Um diese Unterschiede moglichst ausgleichen zu konnen, wurde danach 
gctrachtet, recht. viele Beobachtungsraume zu gewinnen. 

In StraBburg wurden in 68 Wohnungen von Privaten l'olgende 
Raume beobachtet: 

56 Zimmer, 11 Kuchen, 4 Gastwirtsstuben, 1 BackerladeH, 1 Backofen, 1 Back- 
stube, 5 Aborte und Abortgruben. Ferner standen folgende Riiumlichkeiten von Be- 
horden, Truppenteilen, Lazaretten und Anstalten unter Aufsicht: 38 Aufenthalts-, Ar- 
beits- und Geschaftsraume, 39 Mannschaftsschlafraume, 7 Wohnungen von Familien, 
6 Kantinen, 7 Kuchen, 2 Latrinen, 11 Rinderstalle, 34 Pferdestalle. Die Gesamlzahl 
der beobachteten Raume ia StraBburg betrug 226. 

Aufierhalb StraBburgs waren die Beobachtungsstellen folgen- 
dermaBen verteilt: 

Im UnterelsaB: In Bischheim 3 Wohnungen, darin 3 Stuben, 1 Laden, 1 Back- 
stube, 3 Kuchen, 2 Aborte. 

In Schiltigheim 4 Wohnungen, darin 4 Stuben, 3 Aborte, 3 Kuchen. 

Im Truppenlager Oberhofen: 2 Mannschaftsschlafraume, 1 Desinfektionsanstalt, 
1 Klaranlage, 3 Kuchen, 1 Latrine, 3 Pferdestalle. 

In Schirrhein 7 Wohnungen, in ihnen 7 Stuben. 

In Offendorf 1 Wohnung, darin 1 Kuche, 1 Abort. 

In Rittershofen 1 Stube einer Wohnung. 

In Neuweiler in einer Wohlfahrtsanstalt 3 Aufenthaltsriiume, 6 Krankensale, 
3 Schulklassen, 1 Kiiche, 1 Flur, 1 Abort. 

In Ingweiler in einem Krankenhause 1 Schlafsaal, 1 Vorzimmer, 1 Waschraum, 

1 Kuche, 1 Abort. 

In Hoerdt von der Irrenanstalt: 10 Krankensale, 1 Wohnung, 8 Aufenthalts-, 
Arbeits- und Geschaftsraume, 7 Hpulzimmer, 3 Kuchen, 1 Biickerei, 1 Waschhaus, 

2 Flure, 1 Kuhstall, 1 Pferdestall, 1 Schweinestall. 

In Forstheim 7 Wohnungen, darin 7 Stuben und 3 Kuchen. 

In Niederbronn 2 Wohnungen 2 Stuben. 

In Reichstedt von einer Wonnung 1 Stube, 1 Kiiche und 1 Abort. 

In Schirmeck 1 Stube einer Wohnung. 

In Rosheim von 8 Anwesen 8 Zimmer, 7 Kuchen, 8 Kuhstalle, 1 Pferdestall, 
von einem Kloster 2 Wohnraume, 1 Kuche, 2 Kuhstalle, 1 Schweinestall, von einem 
Truppenteil 1 Aufenthaltsraum, 1 Schlafraum, vom Spital 5 Krankensale, 1 Kuche, 

2 Kuhstalle, 2 Schweinestalle. 

In Saasenheim das Anwesen des Biirgermeisters. 

AuBerdem wurden je 1 Stube in Buchsweiler, Gottesheim, Griesbach, Kutzenhausen, 
Monsweiler, Riedheim und Weislingen nur kurze Zeit, etwa einen Monat. lang, iiber- 
wacht. 

Im OberelsaB: In Colmar von Lazaretten 30 Krankensale, 6 Aufenthaltsraume, 

3 Kuchen, 1 Latrine. Von einer Korpsfeldschlachterei wurde 1 Raum kurze Zeit mit 
Streifen versehen. 

In Tiirkheim von 13 Wohnungen 12 Zimmer, 7 Aborte. 

In Reichenweier 16 Pferdestiille. 

In Baden: In Freiburg von 6 Anwesen 4 Zimmer, 2 Laden, 1 Gastwirtschafts- 
zimmer, 1 Backraum, 1 Werkstatt, 5 Kuchen, 1 Pferdestall, 2 Kuhstalle, 2 Schweine¬ 
stalle, 1 Kaninchenstall. 

In Lahr: Von Truppenteilen: 4 Aufenthalts-, Arbeits- und Geschaftsraume, 
14 Mannschaftsschlafsale, 2 Kuchen, 2 Kantinen, 3 Latrinen, 17 Pferdestalle (letztere 

4 Monate lang). 

Im ganzen wurden auBerhalb StraBburgs 30 6 Kaume beobachtet. 
Die Gesamtzahl aller mit Flicgenstreifen beschicktcn Raume be- 
trug 532. 

Ueber die monatliche Anzahl der Beobachtungsraume und der 
aufgehangten Streifen mogen folgende Angaben geniigen: 

Es wurden nicht alle Raume gleich vom Juli 1915 an 
beschickt, sondern die meisten traten spater in die Beob- 


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Kuhn, Untersuchungen iiber die Fliegenplnge in Deutschland. 


189 


achtung ein. Vom September 1915 erhebt sich die Gesamt- 
zaJil der Raume iiber 200, um im Marz 1916 iiber 300 und 
im Juni 1916 iiber 400 zu steigen. Im November 1916 fallt sie wieder 
etwas unter 400. Mit Ende 1916 wurde die Zahl der beobachteten 
Raumlichkeiten sehr herabgesetzt. Es blieben nur 66 Raume iibrig, 
die sowohl von Stubenfliegen wie von Stallfliegen stark besetzt und 
leicht unter Aufsicht zu halten waren. Icb beabsichtigte, diese das 
Jahr 1917 hindurch bis zum Friihjahr 1918 beobachten* zu lassen, und 
versprach mir hiervon noch reichen Gewinn. Leider wurden die Arbeiten, 
nachdem ich anfangs Juni 1917 als beratender Hygieniker zur Armee- 
Abt. A versetzt war und StraBburg verlassen hatte, abgebrochen. Trotz- 
dem also somit die Unterlagen nicht ganz einheitlich sind, glaube ich 
doch, daB die Zahlen von September 1915 bis Dezember 1916 groB 
genug sind, urn sich vergleichen zu lassen. Auch die aus 1917 konnen 
wegen der Einheitlichkeit ihrer Gewinnung wohl Verwertung finden. 

Im Juli 1915 wurden in StraBburg 56 Raume beobachtet und 
335 Streifen gehiingt. Im Dezember 1915 waren es 120 Raume und 
792 Streifen. Im Juni 1916 wurden die meisten Raume (203) mit 
2231 Streifen beschickt. Im Dezember 1916 waren es noch 139 
Riiume mit 1256 Streifen. Im Jahre 1917 wurden durchgehend nur 
20 Raume beobachtet; dabei schwankte die Zahl der Streifen meist 
iiber 200, nur im Mai 1917 sank sie mit 182 darunter. 

AuBerhalb StraBburgs wurden im Juli 1915 47 Raume mit 
40S Streifen beschickt. Schon im September waren es 162 Raume 
mit 1060 Streifen. Von Juni 1916 ab iibcrstieg die Zahl der 
Riiume die Zahl 200 und die Zahl der Fliegenstreifen tiberstieg in den 
Monaten bis November einschlieBlich 2000. Im Jahre 1917 wurden 
auBerhalb StraBburgs durchweg 46 Riiume beobachtet, die Zahl der 
Streifen iiberschritt stets 500. 

Die Zahlen der Fliegen fur die einzelnen Monate gibt Tab. I wieder. 

Die Zahl der Lei mstreifen entsprach in den einzelnen Monaten 
im groBen und ganzen der der Riiume. Jedoch wurden in den Sommer- 
monaten mehr Streifen aufgehangt als im Winter. Dabei ergab es sich, 
daB sic in manchen Stiilien in 1 Woche mehrfach erneuert warden, 
konnten, weil die Fliegen in riesigen Mengen auftraten. In solchen 
Stallungen klebten 1000—2000 an einem Streifen. Namentlich eine 


Tabelle I. 

Zahl der Fliegen 1915. 




Stuben¬ 

fliegen 

Stall- 

fliegcn 



Stuben¬ 

fliegen 

Stall¬ 

fliegen 

Juli 

StraBburg 

auBerhalb 

41 436 
116964 

3 289 
234 

Oktober 

StraBburg 

auBerhalb 

51857 

143172 

4 467 
6 265 


Sa. 

158 400 

3 523 


Sa. 

195029 

10 732 

A ague t 

StraBburg 

auBerhalb 

33 485 
121 833 

1069 

357 

November 

StraBburg 

auBerhalb 

19 430 
37 439 

826 
2 224 


Sa. 

155 318 

1426 


Sa. 

56 869 

3 050 

September 

Strafiburg 

auBerhalb 

47 939 
191 347 

3 957 
3183 

Dezember 

StraBburg 

auBerhalb 

22 842 
5182 

3 016 

163 


Sa. 

239 286 

7140 


Sa. 

28024 

3109 





Insgeeamt 


832 926 

29040 


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190 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 3. 

1916. 


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Stuben- 

fliegen 

Stall¬ 

fliegen 


Stuben- 

fliegen 

Stall¬ 

fliegen 

Januar 

Strafiburg 

aufierhalb 

24 753 
3 897 

640j 
170 1 

Juli 

Strafiburg 

aufierhalb 

287 884 
192 968 

5 724 
7 547 


Sa. 

28650 

810 


Sa. 

480 852 

13 271 

Februar 

Strafiburg 

aufierhalb 

85957 
3 771 

6116 

117 

August 

Strafiburg 

aufierhalb 

406 664 
269 024 

12 821 
21 137 


Sa. 

89 728 

6233 


Sa. 

675 688 

33 958 

Miirz 

Strafiburg 

aufierhalb 

101095 
4 498 

3 339! 

37 j 

September 

Strafiburg 

aufierhalb 

379 675 
208 102 

15 973 
46 660 


Sa. 

105 593 

3 376 


Sa. 

587 777 

62 633 

April 

Strafiburg 

aufierhalb 

91 418 
69 145 

2 969 
370 

Oktober 

Strafiburg 

aufierhalb 

201 330 
124 299 

13 453 
39 783 


iSa. 

160 563 

3339 


Sa 

325 629 

53 236 

Mai 

Strafiburg 

aufierhalb 

237 847 
160 683 

5 243 
2 388 

November 

Strafiburg 

aufierhalb 

93 740 
29 854 

7 851 

8 797 


Sa. 

398 530 

7 631 


Sa. 

123 594 

16 648 

Juni 

Strafiburg 

aufierhalb 

316060 
195 828 

5 006 
6832 

Dezember 

Strafiburg 

aufierhalb 

25 556 
12 724 

2 573 
4 472 


Sa. 

511888 

11838 

Insgesamt 

Sa. 

38 280j 7 044 

;3 526 772 j 220 017 


1917. 



Stuben- 

fliegen 

Stall¬ 

fliegen 

Stuben- 

fliegen 

Stall¬ 

fliegen 

Januar 

Strafiburg 

aufierhalb 

3383 

3116 

6b9 1 April 

3 389 

Strafiburg 

aufierhalb 

5 657 
367 

3 740 
538 


Sa. 

6469 

4 058 

Sa. 

6 024 

4 278 

Februar 

Strafiburg 

aufierhalb 

1697 

348 

I 793 ! Mai 

222 

Strafiburg 

aufierhalb 

5 814 

4 477 

997 

1428 


Sa. 

2 045 

1015 

Sa. 

j 10 291 

2 425 

Miirz 

Strafiburg 

aufierhalb 

4 383 
27 

1 Insgesamt 


29 269 

13 340 


Sa. 

4 410 

1 564 1 





Summa. 


Stubenfliegen Stallfliegen 
Juli—Dezember 1915 832 926 29 040 

1916 3 526 772 220 017 

Januar—Mai 1917 29 269 13 340 

4 388 967 262 397 


Rinderstallung in Saasenlieim (U.-E) und die Rinderstallungen in Ros- 
heim (U.-E.) zeigten hilufig bis zu 2000 Stallfliegen an einem Eliegen- 
fanger. 

Lctztere Eeststellungen konnen ja den Vcrdaclit nicht ganz be- 
seitigen, da6 die blutsaugenden Stallfliegen von den Leimstreifen viel- 



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Kuhn, Untersuchungen fiber die Fliegenplage in Deutschland. 


191 


leic.ht nicht in gleichem MaBe angelockt werden wie die Stubenfliegen. 
Aucb kann der Einwand erhoben werden, daB die cine Fliegenart lei ch ter 
an den Streifen haften bleibt, als die andere. Um diese Fragen zu 
kliiren, hatte es urafangreicher Versuche bedurft, die leider aus .iuBeren 
Griinden nicht vorgenomnien werden konntcn. 

lmmerhin ist es uns wohl erlaubt, nicht nur die Zahlcn der 
Siubenfliegen untereinander zu vergleichen, sondern auch die der Stall¬ 
fliegen, und ich glaube auch, daB wir mit einem gewissen Vorbehalt 
das Vorkomraen der eineu Art mit dem der andern in Vergleich setzen 
konnen. 

Die Ausbeute an Stomoxys spricht iibrigens fiir die Angaben von 
Wilhelmi (3), der mehrere Untersucher anfiihrt, nach denen die 
Stailfliege auch Wasser und andere FlUssigkeiten auBer Blut, fcrner 
Obstsafl und frischen Kuhdung zu sich nimmt. 

Es wurdcn in StraBburg insgesamt 25499 Streifen aufgehangt. und 
2468 928 Stubenfliegen, sowie 101422 Stallfliegen gefangen. AuBcr- 
lialb StraBburgs wurden 23 927 Streifen aufgehangt und 1890 730 
Stubenfliegen und 150 780 Stallfliegen gefangen. Die Gesamtzahl aller 
Fliegenfanger war 49426; an ihnen fingen sich 4359 658 Stubenfliegen 
und 382202 Stallfliegen. 

AuBer der Stubenfliege und der Stailfliege fingen rich alle mog- 
lichen stechenden und nicht stechenden Insekten. So fingen wir nament- 
lich haufigec Uberall Culiciden, ferner Bienen, Wespen, Ohrwttrmer, 
von Fliegen die Sarcophaga earn aria L., die gemeine Fleisch- 
f liege, und Horaalom yia canicular is L., die Hun dstagsf liege. 
Es ist moglich, daB letztere hie und da als Stubenfliege mitgezahlt ist. 
Jedoch wird dadurch keine Fehlerquelle bedingt, soweit die hygienischen 
Unterschiede zwischen Stallfliegenplage und Stubenfliegenplage dieser 
Arbeit in Betracht kommen. Auf Aborten waren die Streifen hiiufig 
iibersat mit Limosina limosa Fall. 

In den Wohnungen fand sich die Stailfliege regelmaBig, wenn sic 
unmittelbar mit Stallungen verbunden waren. Liegen Stallungen, Huf- 
beschlagplatze, Haltepliitze etwas entfernt, so beobachtet man von Juli 
bis Oktober, besonders im September und Oktober, vereinzelte Stticke 
in den Zimmern. Bis zu 200 m Entfcrnung von der Stallung wurden 
Stallfliegen in menschlichen Behausungen angetroffen. 

Gang der Temperatnr. 

Ueber die Temperatur des Jahres 1915 sagt der Bericht des Zen- 
tralbiiros ftlr Meteorologie und Hydrographie zu Karlsruhe folgendes: 

Das Jahr 1915 ist, als Gauzes genommen, etwas zu warm und im groBten Teile 
de- Landes zu nail gewesen. 7 Monate — Marz, April, Juni bis November — hatten 
zu niedrige, die anderen dagegen, besonders der Dezember, hatten so hohe Mittel- 
temperaturen, daB sich in den Jahresdurchschnitten ein UeberschuB von rund */ 4 ° er- 
geben konnte. in den beiden ersten Monaten ist starkerer Frost nicht aufgetreten, im 
November dagegen ist das Thermometer so tief gesunken, wie bisher noch nie in diesem 
Monat, und bald darauf ist im Dezember, der ganz ungewfihnlich warm ge- 
wesen ist, mehrmals die bis dahin als hochste Dezembertemperatur 
bekannte erheblich fibertroffen worden. Im Juni, der warmer als Juli und 
August gewesen ist, sind die hfichsten Thermometerstande des ganzen Jahres 
beobachtet worden. 

Das Jahr 1916 wird folgendermaBen gcschildert: 

Das Jahr 1916 ist, als Ganzes genommen, zu warm und zu reich an Nieder- 
schlagen gewesen. Nicht weniger als 8 Monate — Januar bis Mai und Oktoher-De- 
zember — hatten zu hohe, dagegen nur 4 — Juni-September — zu niedrige Wiirme- 


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192 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


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mittel, so daS sich in den Jahresmitteln ein Warmeiiberschufi von a l t —l 0 ergeben 
bonnte; auf den Hohen hat dieser nicht ganz 1 / i ° erreicht. Einem ungewohnlich 
warmen Januar, der die gleichen Temperaturmittel wi e der M arz hatte, 
steht ein ebenso kiihler Juni gegeniiber. Der Februar war der kalteete Monat. Ent- 
sprechend dem milden Charakter der kalteren Jahreszeit ist strengerer Frost nirgends 
aufgetreten, andererseits ist auch in dem kiihlen Sommer das Thermometer niemals 
hocn geetiegen. Der Gang der Temperatur des Jahres 1916 ist aus der Kurve zu er- 
sehen. 

Im Jahre 1917 herrschte Ende Januar und Anfang Februar starker Frost. 


Jan. 1 Febr. 1 M3rz 1 April | Mai 

Juni 

Juli 

Aug. 

Sept 

Okt. 

No*. 

Dez. 

Zahl der Stallfliegen in den 
Rinderstallen und der Stuben - 
fliegen in den Pferdestallen 
auBerhalb StraBburgs 1916. 




264 

A 

/ \ 






239 

/ N S 
/ ^ 

/ 

\ / 
20*-' 

/ \ 

\ 

> 

\ 

\ 









1 

Stubenfliegen_ 

Stallfliegen 


7 

7 

177/ 

1 

1 


17,5 

17.5 

r \ 

\ 

\ 175 
\ 




Temp 

eratur . 








1/ 14,4 
/' 

•7 

/ 

J 

.i4,7 



139,8l\ 

Jvi$\ 

\ 

V-J2.4 

VO 6 
IQ|\V\ 

25 


6,0.. 

78 

A 
/ \ 

••• 

.■'9,4 

/ 

/ 

/ 

1 





6 

1 

Vv 4 Q-, 


1,5/ 

3*2 

\ 

\ 

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0,2 _ 


—1 o' 


9 



VL3.> 

33% 

J--.3A 

^15.84 
13 | 


Kurve 1. 


Urn das Vorkommen der beidcn Fliegenarten nach den verschiede- 
nen Kaumgruppen und den Jahreszeiten verglcichen zu konnen, haben 
wir die Zahl der Fliegen in den Gruppen jeweils auf cinen Streifen be- 
rechnet (vgl. Tab. II—VII). Dabei muiJ beachtet werden, dab die Zu- 
nahme der Streifen in den Sommermonaten wahrscheinlich nicht gleichen 
Schritt mit der Vermehrung der Fliegen gehalten hat und infolgedessen 
die Somnierzahlen noch verhaltnismabig niedrig sind. 


Tabelle 


Zahl der Stubenfliegen (obere Reihen) und der 





1915 



| 


1916 



Gesamtzahl in 
alien Raumen 

121 

8,4 

70 

2,2 

75 

6,2 

73 

6,3 

30 

1,3 

28 

3,7 

29 

0,75 

79 

5,6 

58 

1,9 

21 

0,4 

114 

2,5 

I n Rinderstallen 

231 

43,65 

124 

21,77 

125 

108,97 

161 

138,43 

101 

25,90 

96,37 

63,28 

18 

47,5 

35 

207,45 

27 

85,0 

188 

75,25 

288 

95,25 

In Pferdestallen 

• 

• 


• 

82,02 

0,17 

53,44 

4,73 

58 

0,96 

54 

0,99 

71 

0,17 

57 

0,48 

156 

2,04 

In menschlichen 
Wohnungen 

92,68 

0,057 

64,39 

0,056 

72,9 

0,057 

69.0 

0,054 

6,06 

0,030 

17,93 

0,008 

9 

0,02 

39 

0,91 

15 

0,02 

28 

0,11 

71 

0,34 


Juli 

Aug. 

Sept. 

Okt. 

Nov. 

Dez. 

Jan. 

Febr. 

Marz 

April 

Mai 



Original from 

UNIVERSITY OF ILLINOIS AT 
URBANA-CHAMPAIGN 







Kuhn, Untersuchungen fiber die Fliegenplage in Deutschland. 


193 


Die Stubenfliegenmcngen nach den Ranmgrnppen. 

Die Stubenfliegen aus StraBburg und den ilbrigen Beobach- 
tungsstellen zusammen sind ebenso zahlreich in den Rinder- wie in 
den Pferdestallen. Sie machen in jeder dieser Raumgruppen das 
Doppelte als in den Wohnungen aus. Nehmen wir StraBburg allein, 
so sehen wir, daB die Zahl der Stubenfliegen in den Rinderstallungeai 
viel hoher ist, als in den Pferdestallungen. AuBerhalb StraBburgs ist 
dies Verhaltnis umgekehrt. Die absoluten Zahlen der Stubenfliegen sind 
in StraBburg uberall hoher als auBerhalb. Wahrend der warmen Monate 
1916 ist die Durchschnittszahl der Stubenfliegen aus StraBburg und 
den tibrigen Beobachtungsstellen zusammen genommen in Pferde- und 
Rinderstallungen etwa gleich hoch und liber doppelt so lioch, als die 
ZaRl in den Wohnungen. Ihre Zahl in den Schweinestall ungen, die 
nur auBerhalb StraBburgs beobachtet sind, ist sowohl im Jahresdurch- 
schnitt wie im Durchschnitt der warmen Monate etwa der der Woh¬ 
nungen gleich. 

Um nach den Griinden fiir diese Unterschiede zu forschen, miissen 
wir fragen, welche Einfltisse auf den Aufenthalt der Fliegen einwirken. 

Die Fliegen finden sich in den Raumen, in denan sie ihre Eier 
ablegen, ausschltipfen, ihr Nahrungsbediirfnis befriedigen, Schutz gegen 
die Unbilden der Witterung finden und von Mitbewerbern nicht be- 
drangt werden. Da sie in den Wohnungen weder Eier ablegen, noch in 
Mengen ausschltipfen, so diirfte das Ueberwiegen in den Rinder- und 
Pfeidestallen gegentiber den Wohnungen aufgeklart sein. Es bleibt 
jedoch zu erforschen, ob die Schweinestalle ebenso wie die Wohnungen 
nur zur Befriedigung des Nahrungsbediirfnisses und zum Schutz gegen 
Unbilden oder als Brutstatten dienen. Aus den Gesamtzahlen der 
Stubenfliegen in den Rinder- und Pferdestallen ist nichts Naheres mit 
Sicherheit zu schlieBen. Die Zahlen auBerhalb StraBburgs konnen so 
gedeutet werden, daB die Stubenfliege haupts&chlich an die Pferde¬ 
stallungen gebunden ist. Das wtirde zudenFeststellungenHewitts(1908) 
passen, der angibt, daB man die groBe Mehrzahl der Larven im Pferde- 
dung findet. Dei StraBburger Zahlen, die dem entgegenstehen, sind ver- 
mutlich darauf zurtickzuftihren, daB die Pferdestalle in StraBburg 
haufiger und grtindlicher ausgemistet wurden, und daB der Dung haufi- 
ger abgefahren wurde als auf dem Lande. Immerhin fordern die niedri- 
gen Zahlen in den StraBburger Pferdestallungen dazu auf, daB noch 

II. 

Stallfliegen (untere Reihen) in StraBburg i. E. 


1916 | 1917 


141 

132 

181 

107 

92 

46 

20 

13.6 

7,07 

14 

23 

31 

2,2 

o 6 

5,7 

7 

6,2 

3,8 

2 

2,69 

3,30 

4,77 

15,5 

5,4 

362 

347 

390 

342 

165 

126 

59 

15 

7,6 

14,8 

22 

23 

74,20 

108,35 

163,95 

188 

158,55 

81,00 

34,80 

12,1 

4,63 

6,07 

21,4 

7,8 

208 

214 

273 

239 

153 

79 

28 


. 




3,19 

4,19 

13,13 

15,93 

14,09 

10,29 

3,9 






97 

87 

131 

127 

59 

26 

10 

10 

5,2 

14,23 

25 

47 

0,55 

0,29 

0,62 

1,10 

0,80 

0,45 

3,59 

2,7 

0,57 

2,17 

3.8 

0,90 

Juni 

Juli 

! A.ug. i 

Sept. 

Okt. 

i Nov. 

Dez. 

Jan. 

Febr. 

1 Miirz 

April 

Mai 


Erste Abt. Orig. Btl. 88. Heft 3. 13 


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UNIVERSITY OF ILLINOIS AT 
URBANA-CHAMPAIGN 



194 


Centralbl f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


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Tabelle 


Zahl der Stuben fliegen (obere Keihen) nnd der 





1915 



1916 

Gesamtzahl in 












alien Raumen 

286 

186 

180 

105 

34 

28 

7,8 

5 

5,6 

39 

88 


0,57 

0,51 

2,9 

4,6 

2 

0,25 

0,33 

0,15 

0,04 

0,21 

1,31 

In Rinderstallen 



322 

132 

185 

79 

143 

43 

3,33 

19 

60 




59,15 

200,40 

74,0 

17,5 

15,5 

11,2 

1 

0,20 

4,6 

In Pferdestallen 

554 

372 

543 

135 

95 

16 

1,5 

78 

4,7 

18 

177 


1,23 

1,79 

13,11 

7,06 

6,05 

1,23 

0,72 

0,50 

0,01 

0,40 

1,97 

In Schweinestall. 



260 

145 

201 

69 

197 

22 

32 

2,7 

17 




42,66 

9,11 

4 

0,5 

1 

4 

0 

0 

0,5 

In menschlichen 












Wohnungen 

240 

148 

149 

90 

43 

7 

5,1 

5.0 

5,5 

63 

36 

0,48 

0,33 

1,28 

0,69 

0,55 

0,01 

0,03 

0,03 

0,04 

0,03 

0,03 


Juli 

Aug. 

Sept. 

Okt. 

Nov. 

Dez. 

| Jau. 

Febr. 

Marz 

April 

Mai 


Tabelle 

Zahl der Stubenfliegen (obere Reihen) und der 



1915 

1916 

Gesamtzahl in 
alien Raumen 

203,5 

4,48 

128 

1,35 

127,5 

4,55 

89 

5,45 

32 

1,65 

28 

1,97 

18,4 

0,54 

42 

2,87 

31,8 

0,97 

30 

0,30 

| 

101 1 
1,90 | 

In Rinderstallen 

• 

• 

223 

84,6 

146 

169,4 

143 

49,9 

87 

40,39 

80.5 

31.5 

39 

109,3 

30 

43 

103,5 

37,7 

174 

49,9 

In Pferdestallen 


• 

• 

• 

88 

3,11 

34 

2,98 

29,75 

0,84 

66 

0,74 

37,85 

0,09 

37,5 

0,44 

166,5 

2,00 

In Schweinestall. 

• 

• 

• 

• 


. 

• 

• 

• 

• 

• 

In menschlichen 
Wohnungen 

166 

0,26 

106 

0,19 

no 

0,66 

79 

0,37 

24 | 12 
0,29 0,009 

7,0 

0,025 

22 

0,47 

10,2 

0,03 

45,5 

0,07 

53,5 

0,18 


Juli 

Aug. 

Sept. 

Okt. 

Nov. 

Dez. 

Jan. 

Febr. 

Marz 

April 

Mai 


weitere Untersuchungen fiber das Vorkommen der Fliegen in 
den verschiedenen Bitumen vorgenommen werden; sie mfissen litre Er- 
ganzung durch genaue zahlenmaBige Feststellungen fiber die Menge der 
Larven und Puppen in und bei den Stallungen erhalten. 

Die Stalltliegcnmengcn nach den Raumgruppen. 

Bei den Stallfliegen zeigen die Jahresdurchschnittszahlen aus 
Strafiburg und den Ubrigen Beobachtungsstellen zusamraen 
cine starke Bevorzugung der Rinderstalle. Sie sind etwa neunmal so 
stark wie die Wohnungen befallen. Nach den Durchschnittszahlen 
der warmen Monate der gleichen Tabelle sind die Stechfliegen in den 
Rinderstallungen 7 inal so stark wie in den Pferdestallen und 70mal 
so stark wie in den Wohnungen vertreten. In StraBburg allein 
machen die Stallfliegen in den Pferdestallen nur etwa 1 / 20 und in den 
Wohnungen 1 / 23 der Menge in den Einderstallen aus. In den Sommer - 
monaten nehmen die Zahlen in den Pferdestallen und den Wohnun- 



Original from 

UNIVERSITY OF ILLINOIS AT 
URBANA-CHAMPAIGN 



Kuhn, Untersuchungen iiber die FliegeDplage in Deutschland. 


195 


III. 

Stallfliegen (untere Reihen) auBerhalb StraBburgs i.E. 


1916 

1917 

98 

97 

122 

101 

50 

24 

i 

7 

4,9 

0,59 

0,04 

0,5 

7,5 

3.4 

3,8 

9,5 

22,8 

16,15 

7,14 

2,78 

5,41 

0,37 

0,24 

0,75 

2,40 

83 

115 

118 

69 

29 

27 

8,4 

9,9 

0,65 

0,07 

1,22 

9,9 

10 

33,39 

66,46 

139,81 

106,25 

33,79 

15,84 1 

16,18 

0,89 

0,43 

2,11 

5,3 

239 

204 

264 

175 

101 

33 

13 

11 

1,1 

0 

0,55 

6 

4,5 

3,88 

13,29 

45,59 

38,53 

11,13 

3,20 

3,5 

0,96 

0,10 

0,86 

2,4 

103 

139 

77 

59 

32 

15 

4,8 

0,94 

0,42 

0,05 

2 

5 

12,9 

17,19 

20,38 

30,77 

13,47 

8,94 

2,97 

0,37 

0,10 

0,02 

1 

2,3 

73 

57 

151 

98 

48 

22 

7 

2,1 

0,48 

0,03 

0,18 

6,7 

1,9 

1 

0,88 

3,50 

3,85 

1,62 

1,13 

0,43 

0,32 

0,07 

0,13 

0,13 

0,9 

Jnni 

Juli 

! Aug. i 

Sept. 

Okt. | 

Nov. | 

Dez. 

Jan. | 

Febr. 

! Marz 

April 

Mai 


IV. 

Stallfliegen (untere Reihen) in StraBburg i.E. und auBerhalb. 





1916 






1917 



119,5 

114,5 

151,5 

134 

71 

35 

13,5 

7,4 

3,83 

7,02 

11,7 

19,2 

2,8 

3,2 

9,6 

14,9 

11,17 

5,47 

2,39 

4,6 4 

1,83 

2,5 

8,1 

3,9 

222,5 

231 

254 

205,5 

97 

76,5 

33,7 

12,45 

4,12 

7,4 

11,60 

16,4 

42,1 

70,8 

115,2 

163,9 

132,4 

57,3 

25,3 

14,14 

2,76 

3,25 

11,75 

6,5 

223,5 

209 

268,5 

207 

127 

56 

20.5 






3,84 

4,03 

13,21 

30,76 

26,31 

10,71 

3,56 


. 


. 


85 

72 

141 

112,5 

53,5 

24 

8,5 

6,05 

2,84 

7,1 

12,59 

26,8 

1,22 

0,58 

2,06 

2,47 

1,21 

0,79 

0,51 

1,51 

0,32 

1,15 

1,96 

0,93 

Juni 

Juli 

! Aug. 

| Sept. 

Okt. 

Nov. 

| Dez. 

| Jan. 

| Febr. 

| Marz 

| April 

| Mai 


gen verhaltnismaBig zu. AuBerhalb StraBburgs ist die Zahl der 
gefangenen Stomoxys im Jahresdurchschnitt in den Pferdestallen 
etwas weniger als x / 4 und in den Wohnungen etwas weniger als y 40 
der Zahl in den Rinderstallen. Ftir die warmen Monate handelt es sich 
fast uni y 3 bzw. 1 / 30 di^ser Zahl. 

In den Schweincstallen auBerhalb StraBburgs sind fast dieselben 
Mengen von Stallfliegen wie in den Pferdestallen gefangen. 

Das TJeberwiegen der Stallfliegen in den Rinders tall ungen ist sehr 
auffallcnd und wohl in erster Linie dadurch zu erklaren, daB sie ihre 
Eier hauptsachlich im Mist dieser Raume oder in den Dunghaufen 
neben den Station ablegen. Daftir sprechen Beobachtungen von W 1 1 - 
hclmi (1917). AuBerdem muB man daran dcnken, daB die Stomoxys 
ebenso wie Culex und Anopheles in 1. Linie ihr Nahrungsbedtirfnis 
an den Rindern stillt. Auch filr diese Frage sind genaue umfassende 
Untersudiungen notwendig. 

13* 


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URBANA-CHAMPAIGN 








196 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


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Tabelle V. 


Zahl der Stubenfliegen (obere Reihe) und der Stallfliegen (untere 
Reihe in Strafiburg i G. 191b. 



Mittel der 
warmen Mo- 
nate 

Jahresmittel 

| 

Mittel der 
warmen Mo- 
nate 

Jahresmittel 

Gesamtzahl in 

136 

90 

Pferdestalle 

207 

132,5 

alien Raumen 

4,3 

3,4 


8,76 

5,79 

Rinderstalle 

315,7 

195,5 

Menschliche 

95,3 

58,25 


131,3 

110 

Wohnungen 

0,61 

0,48 


TabeUe VI. 

Zahl der Stubenfliegen (obere Reihe) und der Stallfliegen (untere 
Reihe) aufierhalb StraSburgs 1916: 



Mittel der 
warmen Mo- 
nate 

Jahresmittel 


Mittel der 
warmen Mo- 
nate 

Jahresmittel 

Gesamtzahl in 

92,7 

53,7 

Schweinestalle 

71,1 

58,3 

alien Raumen 

5,7 

5,6 


15,87 

9,34 

Rinderstalle 

79,0 

62,3 

Menschliche 

77,2 

47,55 

1,12 

Pferdestalle 

60,1 

193,33 

17,96 

36,5 

109 

10,31 

Wohnungen 

2,0 


Tabelle VII. 

Zahl der Stubenfliegen (obere Reihe) und der Stallfliegen (untere 
Reihe) in StraSburg i. E. und auflerhalb 1916. 



Mittel der 
warmen Mo- 
nate 

Jahresmittel 


Mittel der 
warmen Mo- 
nate 

Jahresmittel 

Gesamtzahl in 

115,3 

72 

Pferdestalle 

200 

120,75 

alien Raumen 

4,4 

4,7 


13,36 

8,05 

Rinderstalle 

1,97 

128.90 

) Menschliche 

86,0 

52,9 


95,7 

73,25 

Wohnungen 

1,3 

0,80 


Yergleich der Mengen beider Fliegenarten. 

Wir betrachten jetzt das Verhaltnis der Zalil der Stubenfliegen 
zu der ihrer Genossen. Aus den S. 191 mitgeteilten Gesaratzahlen wissen 
wir bereits, dab erstere die letzteren uni das 7 fache an Zahl tiberwiegen. 
DioDurchschnittszahlen fur 1916 sowohlwie fur die Zeit von Juli 1915 bis 
Mai 1917 (Tab. VII) lehren zunachst, dab die Stallfliegen in den Wohnungen, 
den Pferde- und Schweinestallen gegeniiber den Stubenfliegen erheb- 
ilcli zuriicktreten. In den Rinderstallen riickt ihre Menge an die Zahl 
der nicht stechenden Art nailer heran. Auch die Durchschnittszalilen 
der Sommermonate 1916 zeigen das gleiche. Hier steht sogar die 
Zahl der Stallfliegen in den Rinderstallen der der Hausfliege ganz nahe. 

Weiter betrachten wir die monatlichen Unterschiede der Zahlen 
des Jahres 1916 bei beiden Fliegenarten. Die Tabellen geben uns 
folgendc Auskunft: 



Original from 

UNIVERSITY OF ILLINOIS AT 
URBANA-CHAMPAIGN 



Kuhn, Untersuchungen uber die Fliegenplnge in Deutschland. 


197 


Die Stubenfliegen tibertreffen die Stallfliegen an Zahl im Jahres- 
durchschnitt und im Durchschnitt der warmen Monate Mai—Oktober 
in alien Raumgruppen. Dieser Unterschied ist in den Wohnungen, den 
Pferde- und Schweinestallen erheblich. AuBerhalb StraBburgs ist die 
Zahl der Stubenfliegen in den Wohnungen, den Pferde- und Schweine¬ 
stallen, nicht nur im Jahresdurchschnitt, sondern auch in alien Monaten 
hbker als die der Stallfliegen. In den Rinderstallen iibertrifft die 
Zahl der Stallfliegen vom September bis Dezember 1916 die ihrer Ge- 
nossen. In StraBburg tritt die Stubenfliege in den Wohnungen und den 
Pferdestallen starker auf als die Stallfliege, in den Rinderstallen fiber - 
wiegt die Stallfliege wahrend der Monate Januar bis Marz 1916. 

Das Vorkommen der Stallfliegen ist wahrend des Marz und 
Aprils 1916 auBerhalb StraBburgs in alien Raumgruppen sehr sparlich. 
Im Marz und April 1916 wurden sie in Schweinestallen uberhaupt 
nicht gezahlt. Diese Feststellung entspricht der Beobachtung Wil- 
helmis, der sie in kalten Stallungen wahrend des Januars 
und Februars gar nicht mehr, soweit es sich um warmere oder geheizte 
handelte, nur ganz sparlich antraf. In StraBburg wurden die Stallfliegen 
ebenfalls in Wohnungen und Pferdestallen wahrend des Winters und 
Fruhjahrs 1916 sparlich gefangen, aber in den Rinderstallen das 
ganze Jahr hindurch in groBen Mengen. Wie wir oben bereits 
besprochen haben, zeitigten hier die Monate Januar bis Marz viel mehr 
Stallfliegen als Stubenfliegen. 

Die Menge der Stubenfliegen geht wahrend der kalten Monate 1916 
in keiner Raumgruppe so zuriick wie die der gemeinen Stechfliege. 
Sie hcrrscht das ganze Jahr hindurch uberall in anschnlichen Mengen. 
In StraBburg sind die Jahresdurchschnittszahlen sowohl wie die Durch- 
schnitstzahlen der Monate Mai bis Oktober geringer als die auBerhalb 
festgestellten. Das ist besonders bei den Rinderstallungen auffallig. 

Das Ueberwintern der Fllegcn. 

Wilhelmi niinmt mit Haecker (1916) an, daB die 
Stubenfliege hauptsachlich im flugfahigen Zustand, die Stallfliege da- 
gegen als Larvc oder Puppe Uberwintert. Wilhelmi vermutet, daB 
die Lebensdauer der Stallfliege Uberhaupt nur 3—4 Monate umfaBt, 
und daB nur solche Individuen Uberwintern, wclche erst im Spatherbst 
ausgeschlupft sind. Die Beobachtungen in den Rinderstallen zu StraB¬ 
burg, in denen die Stechfliege auch wahrend der Wintermonate sehr 
stark vertreten ist, scheinen cliesen SchluBfolgerungen zu widersprechen. 

Wir gcwinnen hierzu einen neuen Gesichtspunkt, wenn wir das An- 
steigen der Stallfliegen in StraBburg wiihrend des Februars in den 
Rinderstallen und in den Wohnungen, ferner das Ansteigen der Stuben¬ 
fliegen in StraBburg in den Pferdestallen und Wohnungen im Februar 
sowie auBerhalb StraBburgs in den Rinder- und Schweinestallungen 
im Januar, in den Pferdestallen im Februar beachten. Es folgt einem 
ungewohnlich starken Anstieg der Temperatur um die Jahreswende 
1915/16, wie er in den Karlsruher Wetterberichten oben geschildert ist. 

Ich halte es fUr inbglich, daB die starke Zunahme der gefangenen 
Fliegen weniger einer vermehrten Flieglust, als einer starken Verrach- 
rung der Fliegen beider Arten durch beschleunigte Entwicklung infolge 
der anormal hohen Temperatur entspringt. Wenn dieser SchluB zu- 
treffen sollte, dann brauchte man das haufige Vorkommen der Stuben¬ 
fliegen wahrend der kalten Monate nicht als Zeichen lingerer Lebens- 


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dauer aufzufassen, sondern es kbnnte durch das Heranwachsen neuer 
Fliegen erklart werden. 

Ftir diese Auffassung sprecheu auch die Fliegenzahlungen wahrend 
der Monate Januar bis Mai 1917. In den Strafiburger Rinderstallen 
z. B. stehen die Zahlen der Stechfliegen denen der Stubenfliegen nicht 
erheblich nach. Von beiden Arten finden sich soviel Stucke, daB jeder 
Streifen mit mehreren besetzt ist. Und auf dem Lande, wo es sich 
nur noch um Privatstallungen handclt, sind die Stubenfliegen gleich 
den Stallfliegen im Februar, Miirz und April nur noch ganz sparlich 
in alien Raumgruppen vorhanden. So wurde beispielsweise im Marz 
erst an jedem 14. Streifen eine Stubenfliege in den Rinderstallen ge- 
funden, wahrend bereits fast an jedem 2. Streifen eine Stechfliege 
klebte. Weiter fand sich in den PferdestAllen im Marz keine einzige 
Stubenfliege, wahrend doch an jedem 10. Streifen eine Stomoxys 
gefunden wurde. 

Will man dem obigen Gedankengang folgen, so kann man anneh- 
men, daB die Flugfahigen in den Stallungen Strafiburgs wahrend der 
Wintermonate 1917 zumeist frisch ausgeschlttpft sind, und braucht 
keinen Unterschied in den Bedingungen des Ausschltipfens anzunehmen. 

Diese Beobachtungen sprechen dafiir, daB es hauptsachlich wohl von 
ortlichen Temperaturverhaltnissen abhangt, ob die Fliegen, die Stuben¬ 
fliegen sowohl wie die Stallfliegen, wahrend des Winters im flug- 
fahigen Zustand auftreten. 

Die Betrachtungen iiber das Vorkommen der Stallfliegen in den 
kalten Monaten der drei Jalire sind auch far die Epidemiologie der 
Seuclien nicht gleichgaltig. Ich muB hier Wilhelmi widersprechen, 
der auf Grund seiner Ermittlungen die Stomoxys calcitrans als ein- 
zigen Erreger von perennierenden Seuchen von vornherein ausschalten 
will, ihr also eine Rolle nicht zutraut, wie sie z. B. Anopheles bei 
Malaria besitzt. Nach unsereii Zahlen kann sie diese Rolle wohl spielen. 

Der Verlauf der Fliegenplagen. 

Wir gehen jetzt dazu Uber, den Beginn und Verlauf der beiden 
Piagen nach den Monaten zu betrachten. Bei den Gesamtzahlen aller 
Fliegen aus alien Raumen Strafiburgs und aufierhalb fallt folgendes 
auf. Der April 1916 zeigt sowohl far die Stubenfliegen wie fUr die Stall¬ 
fliegen die niederste Zahl (30 und 0,30). Sprunghaft. setzt im Mai 
bei beiden Fliegenarten die Zunahme ein. Die Zahl der Stubenfliegen 
steigt auf 101, halt sich 3 Mon. lang etwa auf gleicher Hohe, um 
im August mit 151,5 den hochsten Stand zu erreichen. Die Zahl der 
Stallfliegen steigt im Mai auf 1,90, nimmt weiter zu bis 3,2 im Juli, 
um dann im August erneut emporzuschnellen, und zwar auf 9,6; mit 
14,9 wird der hochste Stand im September erreicht. Der Abfall der 
Zahlen in der kUhlen Jahreszeit ist wieder ganz verschieden. Die Stu¬ 
benfliegen fallen im September etwas ab ion 151,5 auf 134. Im 
Oktober ist die Zahl (71) bereits geringer als die im Mai. 

Im Dezember fallt die Zahl (13,5) unter die des April. Bei der 
Stallfliege hat der Oktober mit 11,17 eine hohere Zahl als der August. 
Der November zeigt eincn starken Abfall auf 5,47. Diese Zahl aber- 
trifft. aber sogar die des Juli noch erheblich und der Dezember steht 
mit 2,39 noch iiber dem Mai. 

In den Rinderstallen setzen die liohen Zahlen bei den Stubenfliegen 
im April ein; die Hochstzahl (254) weist wieder der August auf. 



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Kuhn, Untersuchungen iiber die Fliegenplage in Deutschland. 


199 


der September ergibt noch 4 / 5 der Zahl des August, der Oktober geht 
hinter den April zuriick, der Dezember erreicht etwa den Stand des 
Marz. Die Stallfliegen halten sich von Marz bis Juni etwa auf 
gleicher Hohe. Im Juli erfolgt eine deutliche Zunahme. Der Ilohe- 
punkt wird im September erreicht, der Oktober ist noch reicher an 
Stallfliegen als der August, der November steht noch iiber dem Juni. 

In den Pferdestallen verhalten sich die Zahlen etwa so, wie bei den 
oben besprochenen Gesamtzahlen. 

Im ganzen tritt also die Stubenfliegenplage von April, Mai bis 
zum September, Oktober auf und hat ihren Hohepunkt im August, wah- 
rend die Stallfliegenplage sich von Juni, Juli bis November, Dezember 
erstreckt und den Hohepunkt erst im September aufweist. 

Die Stubenfliegenplage setzt also eher ein und hbrt eher auf 
als die Stallfliegenplage. Diese Verschiedenheit des Verlaufs ist von 
grofier Bedeutung, z. B. fiir die Untersuchung, welche Krankheiten von 
den Stubenfliegen und welche von den Stallfliegen verbreitet werden. 
Ich hoffe, hierauf in einer besonderen Arbeit naher eingehen zu konnen. 

Wie ist das yerschledene Einsetzen beider Fllegenplagen 

zu erkl&ren? 

Die nachste Frage, welche sich uns aufdr&ngt, ist die nach einer 
Erklhrung filr das verschiedene Einsetzen beider Pliegenarten. Wenn 
wir von unbekannten inneren Ursachen absehen, wie sie die Fort- 
pflanzungszeit jeder Art und Gattung in der Tierwelt beeinflussen, so 
ist es wohl das einfachste, die Entwicklungsdauer heranzuziehen. Das 
Schrifttum enthalt folgende Angaben Uber sie: 

Hewitt (1908) gibt nach seinen und anderen Beobachtungen fiir die Hausfliege 
in England 8—10 Tage bei heifiem Wetter, fur gewohnlich 12—20 Tage an. Wil- 
helmi (1917) berichtet, daB die Oesamtdauer der Entwicklung zur Imago bei der Stall- 
fliege nach Newstead in England normalerweise 25—37 Tage, bei etwaa trockener 
Nahrung und bei Lichteinwirkung jedoch 42—78 Tage, nach Portschinsky in Stid- 
rnBland 36—38 Tage betragt. Nach Bishopp betragt sie in Amerika unter giinstigen 
Cmetinden 23—32 Tage. 

Wenn wir die Angaben von Hewitt und von Newstead fUu 
beide Fliegenarten gegeneinander halten, die wohl unter den gleichen 
Bedingungen in England gewonnen sind, so ersehen wir, daB die Stall- 
fliege mehr Zeit zur Entwicklung notig hat, als die Stubenfliege. Hier- 
bei ist die Annahme von Wichtigkeit, daB die Stallfliege etwa die 
gleiche geschlechtliche Rcifezeit durchzumachen hat, wie die Stuben¬ 
fliege. Hewitt berechnet diese Reifezeit bei der Hausfliege auf 
10—14 Tage, Wilhelmi gibt an, daB die Stallfliege nach Mitzmaln 
9 Tage zur Reife braucht. Mit dieser Feststellung ware ein spateres 
Einsetzen der Stallfliegenplage ohne weiteres crklart. 

Die Zuchtversuche, welche Bo do von Bodcmeyer zur KLarung 
der Frage Anfang 1916 in der Baktcriologischen Anstalt zu StraB- 
burg unternahm, batten bei den Stallfliegen abweichende Ergebnisse. 
Er w&hlte ein vollkommcn trockcnes, sauberes und sterilisiertes Ter¬ 
rarium, legte es 10 cm hoch mit frischem Dung aus, der unmittel- 
bar von Ktihen genommen war, bedecktc diesen mit einer Heuschicht. 
und setzte gesunde Meerschweinchen hinein, welche sowohl das Blut 
ftir die Stechfliegen liefern, als auch den Dung vor dem Eintrockncn 
srhutzen sollten. Die Temperatur wurde durch eine Gasflamme an 
der Unterseito des Terrariums dauernd auf 17—20 °C gehalten. Bei 
einem grbBeren Versuche betrug die Zeit von der Eiablage bis zum 


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Ausschltipfen der Stallfliegen 13, bei einem andercn 14 Tage. Bei 
starker Gewitterschwiile beobachtete v. Bodemeyer spater auch fruh- 
zeitige Stomoxys-Zuchten vom 11. Tage ab. Bei der Stubenfliege 
ergab ein einmaliger Versuch ebenfalls eine Entwicklung von 10—14 
Tagen. Nach diesen Ermittelungen koramt die Entwicklungsdauer beider 
Fliegenarten filr die Erklarung des spaten Einsetzens der Stallfliegenzeit 
nur dann in Betracht, wenn sich erweisen liebc, dab die Stallfliegen bei 
niedrigen Temperaturen langere Zeit brauchen als die Stubenfliegen. 

Ueber den Einflub der Temperaturgrade auf die Entwicklung fin- 
den wir im Schrifttum noch folgende Angaben: 

Nach Hewitt vollzieht sich die Entwicklung der Hausfliege in 8—9 Tagen bei 
einer Temperatur zwischen 22, 23 und 35° C. Bei 40° gehen die Larven zugrunde. 
Bei Temperaturen unter 22° dauert die Entwicklung langer. Genaue Versuche bei 
solchen Temperaturen werden jedoch von Hewitt nicht berichtet. Wilhelmi beob¬ 
achtete bei kiihler Temperatur eine Verzogerung der Entwicklung aller Stadien von 
Stomoxys; insbesondere gibt er an, daS er bei Temperaturen unter 16° kein Aus- 
schliipfen bemerkte. Bei Temperaturen unter 11, 12° C fliegen die Stallfliegen nach 
Wilhelmi draufien nicht mehr umher. 

Seine Beobachtungen machte er z. T. an der Nachkomraenschaft 
von Stallfliegen,-die von Ende September bis Mitte November in Ver- 
suchsglasern gehalten war. Diese Behiilter scheinen mir nicht geniigend 
gegen Austrocknung geschtitzt gewesen zu sein. Ferner beobachtete 
er Larven in einem Glasrohrchen. Es bedarf wohl keiner besonderen 
Ausftihrung, dab letztere fur solclie Untersuchungen ungeeignet sind. 

Die vorliegenden Beobachtungen geben mithin kein lticke-nloses 
Bild von dem Einflub der Temperatur auf die Entwicklungsdauer- 
Sowohl bei der Stubenfliege wie bei der Stallfliege fehlen genaue Ziich- 
tungsversuche bei niederen Temperaturen. Es bleibt jedoch auffallend, 
dab wir bei der Stallfliege den entwicklungshemmenden Einflub kiihler 
Temperaturen viel mehr betont findcn, als bei der Stubenfliege. Es ist 
mithin moglich, dab die Entwicklungsdauer der Stallfliege in 
den ktihleren Monaten April und Mai gegeniiber den heiben Monaten. 
des Jahres eine grobere Verzogerung erfahrt, als die der Stubenfliegen. 
Eine starke Widerstandsfaliigkeit der Stubenfliege wiirde es auch er- 
klhren, wenn die Stubenfliegen in den Wintermonaten zalilreicher vor- 
kiimen, als die Stallfliegen, sei es dab man annimmt, es handelt sich 
urn iiberwinternde Flugfahige, sei es dab man an die S. 197 erort-erte* 
Mdgliclikeit des fortwahrenden Ausschliipfens denkt. 

Als weitere Entwicklungseinfliisse gibt Hewitt bei der Stuben¬ 
fliege die Nahrung, die Feuchtigkeit und die Giirung des 
Mitt els an. 

Die Nahrung scheidet fur unsere Betrachtung hier wohl aus, weil 
sowohl Stubenfliegen wie Stallfliegen fur ihre Larven zu alien Jahres- 
zeiten Nahrung im Stall in genugender Menge vorfiiylen. 

Dagegen ist es moglich, dab die Feuchtigkeit des Mittels, die bei 
beiden Arten fur das Gedeihen der Larven notig ist, bei den Stallfliegen 
noch mehr ins Gewicht fallt als bei den Stubenfliegen. Sollte es der 
Fall sein, dann mtlbten genaue Beobachtungen angestellt werden, oh 
zur Friilijahrszeit durch die klimatischen Verhaltnisse an sich oder 
etwa durch die landwirtschaftliche Behandlung des Mistes die Bedingun- 
gen filr die Larven der Stallfliegen gegeniiber denen der Stubenfliegen 
verschlechtert werden. So viel kann man w T ohl ohne weiteres annehmen, 
dab das Ausmisten der Stalle und das Abfahren des Dunges auf 



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Kuhn, Untersuchungen fiber die Fiiegenplage in Deutschland. 


201 


die Felder im Friihjahr die Fliegen mit einer. lAngeren Entwicklungs- 
dauer empfindlicher trifft als die mit schnellerem Wachstum. 

Was den EinfluB der Garung anlangt, so stehen wir liier vor 
einer Frage, die noch nicht geklart zu sein scheint. 

Hewitt weist auf Carl de Geer hin, der dieses Umstandes zu- 
erst mit folgenden Worten Erwahnung tut: „Die Larven dieser Art 
leben im Mist, aber ausschlieBlich in solchem, der sehr heiB und feucht 
ist oder besser gesagt, der sich im Zustand volliger Garung befindet.“ 
Auch Newstead kommt zum jgleichen SchluB. Hewitt glaubt, daB 
die Garung den Maden die Nahrung bereitmacht. Versuchliche Unter- 
lagen hat er fur diese Ansicht nicht. Er nimmt an, daB die Schnellig- 
keit der Entwicklung in erster Linie von dem EinfluB der Garung 
abhangt. 

Diesen Angaben gegen fiber fallt auf, daB Hewitt an einer anderen 
Stelle eine Lufttemperatur von 40° fur larven totend erklart. Er meint, 
daB die Maden dabei geradezu gekocht wiirden. 

Im Gcgensatz zu den Behauptungen des Englanders scheinen weiter 
folgende Angaben Roubauds zu stehen, die ich einem Bericht von 
M. StrauB (1916) entnehme: 

Roubaud weist darauf hin, daB sich im Kubikzentimeter Stallmist in 24 Std. 
in der warmen Jahreszeit im Durchschnitt 10 000—20 000 Fliegen entwickeln, und daB 
der Mist eines Pferdes ausreicht, um von Juni bis September 160 000—200000 Fliegen 
zur Entwicklung zu verhelfen. Die Eiablagerung auf den Mist erfolgt nur so lange, 
bis die Garung und Zersetzung des Mistes beginnt. Auf dem garenden Mist werden 
keine Eier mehr gefunden, da die bei der Zersetzung entstehende Warmc ffir die aus 
dem Ei ausschlfipfenden Larven im Verein mit den Garungsgasen in sehr kurzer Zeit 
absolut tod 1 ich ist. Gegen die Gase geschfitzte Fliegen larven gehen bei 50° Gin 3 Min. 
zngrunde, ungeschutzte Larven bei 51° C in 5—7 Sek. und bei 60° C in 4—5 Sek. 
Da nun garender Mist bereits nach 3 Tagen im Zentrum eine Hitze von 70—90° C 
feststellen iaBt, suchen schon nach 24 Std. die ausgekrochenen Larven die Oberflache 
auf, von der aus sie sich verbreiten. Wird der garende Mist rasch durcheinander ge- 
rfittelt, so konnen 90 Proz. der Larven vernichtet werden. 

Die Praxis zeigte, daB eine bestimmte Menge garenden Mistes 
genfigte, um den. frischen Mist ausreichend zu erw&rmen. Da- 
von ausgehend, empfiehlt Roubaud als die einfachste Fliegen- 
bekampfung, den frischen Mist nicht, wie es bisher im Stalle allgemein 
iiblich war, auf der Oberflache des schon vorhandenen Dunghaufens aus- 
zubreiten, sondern in den gitrenden Dunghaufen zu versenken. Er kann 
auch mit einer 20 cm dicken Schicht garenden Mistes bedeckt werden. 

Diesen scheuen die Fliegen, weshalb es auch widersinnig sei, anti- 
septische und larventotende Substanzen auf den Mist zu geben (Borax, 
Kresol, Eisenvitriol), die die Garung behindern und die Eiablage be- 
fordern. Das Bedecken der Dunghaufen mit Erde vermindere die Ei¬ 
ablage in freier Luft, die stets geringer ist als die im Stalle. 

Mit diesen Angaben von Roubaud stehen die Beobachtungen 
Bo do von Bodemeyers in Einklang, die er gelcgentlich der oben er- 
wahnten Zuchtversuche machte. Er fand die Larven fast samtlich nahe 
der Glaswand des Terrariums, wahrend die Mitte des Mistbeetes 
leer war. 

Angesichts solcher Widersprflche ist es ausgeschlossen, die Trieb- 
kraft der Garung zur Erklarung der Unterschiede in der Entwicklung 
der beiden Fliegenarten heranzuziehen, ehe nicht vbllige versuchliche 
Klarheit fiber ihre Wirkungen geschaffen ist. 

Wi 1 he 1 mi erwahnt noch die Luftfeuchtigkeit und das Licht. 
Die Wirkung der ersteren ist nach den Beobachtungen B. v. Bode- 


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202 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 

meyers den Fliegen nicht forderlich. Letzterer hat z. B. in feuchten 
Treibhausern filr tropische Gewiichse nie eine Stubenfliege beobachtet, 
wahrend sie in gewohnlichen Treibhausern in Menge auftraten. Auch das 
Versclnvinden der Fliegen nach einem Gewitter, das gegen ihr leb- 
haftes Treiben vor dem Gewitter besonders auff&llt, fiihrt er auf die 
Luftfeuchtigkeit zuriick. Diese Beobachtungen beziehen sich aber wohl 
nur auf die Fliegen selbst; es fehlen genaue Untersuchungen, inwic- 
weit starke Luftfeuchtigkeit auf die Maden und Puppcn einwirkt. 
Ferner sind Untersuchungen bei jeder Fliegenart notig. Die relative 
Fenchtigkeit ist in den Wintermonaten sehr hoch, und cs ware denk- 
bar, daB gerade die Stomoxys in dieser Zeit besonders gehemmt 
wird. Das Licht ist nach Wilhelmi fur Stomoxys ungtinstig, da 
nach seinen Beobachtungen ihre Larven das Licht fliehen. Ob sich die 
Maden der Stubenfliege anders verhalten, ist mir nicht bekannt. Es 
werden auch in dieser Hins-icht sorgfaltige Untersuchungen anzu- 
stellen sein. 

Wie ist die frfihzeitlge Abnahine der Stubenfliegen zu erklftren ? 

Da die Stallfliegen spater als die Stubenfliegen zunehmen, so ist 
es nicht verwunderlich, daB die Stallfliegenplage im August zur Haupt- 
zeit der Stubenfliegen noch nicht voll entwickelt ist. Wohl aber ist 
es auffallend, daB die Stubenfliegen im September bereits abnehmen, 
zu einer Zeit, in der die Stallfliegen immer noch zunehmen. Die 
kiilileren Tage konnen kaum schuld sein, weil doch gerade die ge- 
meinen Stechfliegen viel empfindlicher zu sein scheinen als ihre Ge- 
nossen. Die Wirkung der Kalte auf die Stubenfliegen brauchen wir 
nicht eher in Rechnung zu setzen, als zu der Zeit, wahrend der sie bei 
der Stomoxys kraftig zu wirken beginnt. Das ist im November 
etwa. Als einzige greifbare Ursache des vorzeitigen Absterbens der 
Stubenfliege bietet sich uns die Empusa muscae. Bei der Stall- 
fliege ist bisher ein ahnlicher Feind in unseren Breiten nicht erwiesen, 
wie Wilhelmi angibt. Das Verschwinden der Stomoxys dagegen 
beruht auf dem EinfluB der Kalte, welche es ihnen verwehrt, ihre 
Nahrung zu suchen. 

Wenn wir zum SchluB unsere Beobachtungen noch einmal tiber- 
schauen, so werden wir finden, daB die Fliegenfangerei einige wichtige 
Ergebnisse gezeitigt, und vor allem eine Reihe von Gesichtspunkten 
eroffnet hat, die ftir die Bekampfung der Fliegenplage aussichtsreich 
sind, und nach denen weitcre Untersuchungen anzustellen sind. 

Zusammenfassung. 

1. Von Juni 1915 bis Mai 1917 einschlieBlich warden im ElsaB 
und in Baden insgesamt 532 Wohn- und Stallraume mit Fliegen- 
streifen der Marke Aeroxon beschickt, um die Fliegenplage zu be- 
kampfen und einen Ueberblick liber ihren Gang zu gewinnen. Durch 
diese groBe Zahl hoffte ich, bei den Raumen die Zufalligkeiten der 
Bauart, der Innentemperatur u. a. Einflilsse auszuschalten. An den 
Streifcn fingen sich nicht nur die Stubenfliegen, sondern auch die 
Stallfliegen. Von letzteren wurden wie von ersteren an manchen Streifen 


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Kuhn, Untersuchuugen iiber die Fliegenplage in Deutschland. 


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1 — 2000 SUick gezahlt. Die Gesamtzahl aller Streifen war 49426, an 
ihnen fingen sich 4359 658 Stubenfliegen und 282 202 Stallfliegen. 

2. Die Zahl der Stubenfliegen ist in den Wohnungen etwa so hoch 
wie in den Schweinestallungen. Es bleibt noch zu erforschen, ob die 
Schweinestalle ebenso wie die Wohnraume nur zum Schutz und zur 
Befriedigung des Nahrungsbediirfnisses oder auch zur Eiablage dienen. 
In den Rinderstallungen sowohl wie in den Pferdestallungen lierrscht die 
doppelte Anzahl der Stubenfliegen als in den Wohnungen, wenn man 
alle Stallungen zusammen betrachtet. In StraBburg allein ist ihre 
Zahl in den Rinderstallungen viel hoher als in den Pferdestallen. 
AuBerhalb StraBburgs ist dies Verhaltnis umgekehrt. Die Zahlen auBer- 
halb StraBburgs kbnnen so gedeutet werden, daB die Stubenfliege 
hauptsachlich an die Pferdestallungen gebunden ist. Das paBt zu den 
Feststellungen Hewitts, der angibt, daB man die groBe Mehrzahl 
der Larven im Pferdedung findet. Die niedrigen StraBburger Zahlen 
sind vermutlich darauf zuriickzufiihren, daB der Dung grtlndlicher 
beseitigt wurde als auf dem Lande. 

3. Die Stallfliegen bevorzugen die Rinderstalle. Dies erklart sich 
dadurch, daB sie nach Beobachtungen von Wilhelmi ihre Eier haupt¬ 
sachlich im Rinderdung ablegen und vielleicht ahnlich wie die blut- 
saugenden Culiciden ihr Nahrungsbediirfnis in 1. Linie an Rindern 
siillen. Hierilber sind noch genauere Untersuchungen anzustellen. 

4. Die Stallfliegen kommen in Wohnungen vor, die bis zu 200 m 
im Umkreis von Stallungen oder Verkehrsplatzen des Viehs liegen. 

5. Die Stubenfliegen (ibertreffen die Stallfliegen nach den Ergeb- 
nissen der Leimstreifen an Zahl fast durchgehends in alien Wohn- 
raumen und zwar zu jeder Jahreszeit. 

6. Die Angabe von Wilhelmi, daB die Stallfliegen wahrend 
der kalten Monatc stets bis auf wenige Stiicke zugrunde gehen und 
darum im Larven- und Puppenstadium (iberwintern miissen, wahrend 
die Stubenfliegen zahlreich am Lcben bleiben, muB einer genauen 
Nachprilfung unterzogen werden. Sowohl die wahrend des Winters 1916 in 
Strafiburg, als auch die wahrend des 1. Halbjahres 1917 in den 
Stiillen beobachteten Stallfliegenmengen sprechen gegen die uneinge- 
srhrSnktc Gtlltigkeit dieser Ansicht. 

Das Ansteigen der Fliegenmengen im Februar 1916 nach unge- 
wblinlich warmem Dezember und Januar spricht dafiir, daB Uber- 
winternde Fliegen, Stubenfliegen sowohl wie Stallfliegen, wahrend des 
Winters ausgeschliipft scin konnen. 

7. Die Stubenfliegenplage tritt von April, Mai bis September, 
Oktober auf und hat ihren Hohcpunkt im August, wahrend die Stall- 
fliegenplage sich von Juni, Juli bis November und Dezember erstreckt 
und den Hbhepunkt erst im September aufweist. Diese Verschiedenheit 


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Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


des Verlaufs ist z. B. fur die Untersuchungen tiber die Uebertragung 
von Krankheiten durch Fliegen wichtig. 

8. Ftir dies verschiedene Auftreten beider Fliegenarten ware, ab- 
gesehen von unbekannten inneren Ursachen, zunachst wohl die ver- 
schiedeno Entwicklungsdauer an sicli heranzuziehen, wenn die Angaben 
im Schrifttura namentlich der Englander zu Recht bestehen. Bo do 
von Bodomeyers Beobachtungen ergaben jedoch in meiner Anstalt, 
dab die Entwicklungsdauer beider Fliegen bei 17—20° C die gleiche ist. 

9. Niedrige Lufttemperatur scheint die Entwicklung der Stall- 
fliegen mehr zu hemraen als die der Stubenfliegen. Hieriiber sind noch 
eingehende Forschungen vonnoten. Inwieweit ferner die Luftfeuchtig- 
keit, das Licht, die Nahrung, die Feuchtigkeit und die Garung des 
Mistes von Einflub auf die Entwicklung der Fliegen und somit auf 
den unterschiedlichen Gang der beiden Plagen sind, bleibt ebenfalls noch 
genau festzustellen. 

10. Besonders wichtig scheint mir die Aufklarung der Wirkung 
der Garung zu sein, ilber die widersprechende Angaben im Schrift- 
tum vorliegen (Hewitt, Roubaud). 

11. Es ist auffallend, dab die Stubenfliegen bereits im September 
abnelimen, wahrend die manchem Anschein nach gegen Kalte empfind- 
licheren Stallfliegen zu dieser Zeit immer noch zunehmen. Man mub 
an die Tatigkeit der Empusamuscae denken, um das frtthe Abnelimen 
der Stubenfliegen zu erklaren. 

12. Eine Wiederholung der Fangversuche unter sorgfal tiger Be- 
obachtung aller Umweltseinfliisse erscheint apgezeigt. Bei den Raumen 
ist u. a. nicht nur Art und Zahl ihrer Insassen, sondern auch ihre 
Bauart, Innentemperatur und der Zutritt der Winde von Bedeutung. 

Ferner ist genau zu beachten, wie der Mist beschaffen ist, wie oft 
ausgemistet wird, w r ie die Dunggruben in der Nahe angelegt sind und 
behandelt werden; auch darauf kommt es an, welches Futter gereicht 
wird, und endlich ist der Feuchtigkeitsgehalt der Luft nicht zu vernach- 
lassigen. 


Schrifttum. 

1) S chub erg, A., u. Kuhn, Ph., Ueber die Uebertragung von Krankheiten 
durch einheimische stechende Insekten. Teil I, II. (Arb. a. d. Kais. Gesundheitsamte. 
Bd. 31. 1911. u. Bd. 40. 1912.) — 2) Uhlenhuth, P., u. Kuhn, Ph., Experimentelle 
Uebertragung der Weilschen Krankheit durch die Stallfliege (Stomoxyscalcitrans). 
(Zeitschr. f. Hyg. Bd. 84. 1917.) — 3) Wilhelmi, J., Die gemeine Stechfliege. Berlin 
(P. Parey) 1917. — 4) Hewitt, Musca domeetica. P. III. (Journ. of Micr. Sc. 
Vol. 52. 1908.) — 5) Roubaud, Journ. of the Royal medical corps 1916. Jan. Ref. 
von M. Straub. (Med. Klin. 1916.) 


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Martini, Die Eidonomie der Flohe usw. 


205 


Naohdruok verboten. 

Die Eidonomie 1 ) der Flohe, als Beweis fiir ihre stammes- 

geschichtliche Herkunft 

[Aus dem Institut fur Schiffs- und Tropenkrankheiten, Hamburg]. 

Von E. Martini. 

Mit 2 Abbildungen im Text. 

1) Die Unzulfinglichkeit der heutigen Insektensystematik wurde mir 
vor kurzem sehr nachdrficklich zu Gemiite geffihrt, als ich ffir einen 
bestimmten Zweck eine einheitliche Uebersicht fiber verschiedene Insekten- 
ordnungen brauchte. Ganz auffallig ist der Mangel jedes EbenmaBes. 
Einzelne kleine Gruppen einander nahestehender Formen werden in 
Unterordnungen und Familien zerlegt, wfihrend an anderen Stellen schon 
innerhalb einer Unterfamilie weit groBere Abweichungen vorkommen. 
Ganz besonders trifft ersteres auf das System der Flohe zu. 

Der Fachmann nimmt es, wie offen ausgesprochen ist, fibel, wenn 
man seine Unterordnungen usw. einfach um mehrere Stufen herunter- 
setzt, und doch fiberlegt er sich nicht, daB man nicht wohl die Flohe 
mit einem Gelenk in der Kopfkapsel und die ohne solches als ebenso 
verschieden ansehen kann, wie etwa die symphyten und apokriten 
Hymenopteren. Ueber den Wunsch des Spezialisten, daB sein System, 
sowie er es gegeben, zur Geltung kommen soli, muB der Allgemein- 
zoologe, soli nicht sein System wie eine Ansicht im Vexierspiegel an- 
muten, einfach zur Tagesordnung fibergehen, wenn der Spezialist den 
allgemeinen Ueberblick und das AugenmaB so sehr verliert, wie es heute 
nicht selten der Fall ist. 

Aber auch die Grundlagen des heutigen Flohsystems scheinen recht problematisch. 
Ou deman a hat sich zweifellos ein Verdienst dadurch erworben, dafi er auf das 
Vorkommen und die Verbreitung eines Caput fractum, d. h. einer Kopfkapsel mit 
einem Gelenk auf der Ruckseite in der Nahe des Fuhlergrundes, hingewiesen hat. 
Wenn er aber in diesem Gelenk einen Rest urspriinglicher metamerer Segmentierung 
des Insektenkopfes sieht, so fragt man ihn doch, von welchen Arthropoaen er denn 
die Fldhe ableiten will. Da bereits die ursprunglichsten Insekten eine einheitliche 
Kopfkapsel haben und Oudemans uns den Nachweis einer Flohlarve mit gegliedertem 
Kopfe schuldig geblieben ist, erscheint es ausgeschlossen, das Caput fractum als prim are 
Bildung anzusehen. Es hat sicher mit der urspriinglichen Segmentierung des Kopfes 
nichts zu tun. Was es aber bedeutet, wissen wir aus dieser Ueberlegung noch nicht, 
ebensowenig, ob die urspriinglichen Flohe ein Caput fractum oder Caput integrum 
hattcn. Wenn Rothschild t sagt, die Zahl der uns bekannten Flohe ist nocn zu 
klein, als daB man mit einiger Sicherheit die Taxonomie dieser Gruppe herausarbeiten 
konnte, so liegt doch wohl ein noch erheblicherer Grund fiir unsere Unsicherheit darin, 
dafi wir die Vorfahren der Flohe nicht kennen und daher nicht wissen, was ursprunglich 
ist und was abgeleitet. 


1) Unter Eidonomie verstehe ich denjenigen Zweig der Morphologie, den man 
wohl meist als aufiere Anatomie, gelegentlich auch schlechthin Morphologie, — in 
engerem Sinne — nennt. Ihm gegeniiber steht die Anatomie, „innere Anatomie*' bei 
m&nchen Autoren. 


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206 


Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Originate. Bd. 88. Heft 8. 


Es stehen sich in Ietzterer Hinsicht verschiedene Auffassungen gegenuber. Die 
meisten sehen wohl heute die Zweifliigler als die Ordnung an, aus welchem die Flohe 
hervorgingen. Dahin gehen auch die letzten AeuBerungen von H andlirseh in 
Schroders, „Handbuch der Entomologie“, sowie in seinera „Fo8silen-Insekten“. In 
beiden Schriften glaubt er, fur die Zweifliigler, und zwar deren primitiven Gruppen, 
als Aszendenten eintreten zu miissen, unter deutlichem Hinweis auf die Mycetophiliden 
und ihre Verwandten. Pack art kam eeinerzeit zu einem ahnlichen Ergebnis. Bei 
ihm findet man auch kurze Uebersichten fiber die alteren Meinungen. Die Pulici- 
phora-Frage hat eine Losung des Problems nicht gebracht, ebensowenig die Literatur 
fiber Platypsyllus und seine Bystematische Stellung. Anklange seines Baues an den 
der Flohe sind mehreren Forschern aufgetallen und hatten auch zu einer Einordnung 
bei ihnen gefuhrt. Nachdem aber die Kafernatur dieses interessanten Schmarotzers 
feststand, sieht man die Uebereinstimmungen mit Flohen wohl allgemein als Analogien 
an und ist auf einen genaueren Vergleich nicht zuTuckgekommen (vgl. Cholodkowsky). 

2) In dieser unbequemen Lage schien es mir, daG die Ermittlung 
der richtigen systematischen Stellung der Fl6he nicht zu schwer sein 
konne, um sie nebenher zu erledigen und eine richtige Stellung zu den 
bisherigen taxonomischen Versuchen zu gewinnen. Einige erleichternde 
Annahmen lassen sich mit groGer Bestimmtheit machen: 

a) Die Flohe stammen von Insekten ab, welche bereits holometabol 
waren, ehe sie Flohe wurden. Wir sehen nSmlich, daG bei ektopara- 
sitischen Insekten eine Neigung besteht, die Metamorphose zuriickzu- 
bilden. Nicht nur verlieren Lause und Wanzen die Flugel, so daG aus 
aus einer unvollkommenen Metamorphose eine direkte Entwicklung wird, 
infolge der Gleichheit der Lebensbedingungen fiir erwachsene und junge, 
sondern auch bei den holometabolen Zweifluglern sehen wir, daG bei 
hoch ausgebildetem Parasitismus der erwachsenen der Larvenzustand 
abgekiirzt wird. Die Enlwicklung wird bei Glossinen und den pupiparen 
Familien in den Uterus des Weibcbens verlegt und, wenn die Schaflaus 
ihre reifen Larven gebiert und im Felle des Schafes absetzt, wo dieselben 
keine aktiven Leistungen mehr vollbringen, verh&lt sich die morpho- 
logische Larve okologisch wie ein Ei, aus dem dann gleich die fertige 
Fliege hervorkommt. Der Vorteil der Unterdriickung des vielen Wechsel- 
fallen und weit miihsamerer Ernahrung ausgesetzten Larvenstadiums 
und die Aufbiirdung aller Lasten der Arterhaltung auf die wohlsituierte 
Imago ist ja leicht verstandlich. Unter diesen Umstanden ist es hdchst 
unwahrscheinlich, daG die Flohe als solche, d. h. bereits als Parasiten, 
die vollkommene Yerwandlung ausgebildet haben sollten. 

b) Die Flohe stammen nicht von einer besonderen, heute nicht 
mehr lebenden Ordnung, denn es ist hochst unwahrscheinlich, daG 
andernfalls sie der einzige uberlebende Zweig ihrer Ordnung sein sollten 
und nicht noch irgendwelche freilebende Verwandten iibrig geblieben 
sind. Ferner kann man die Entstehung der Flohe erst in einer Zeit 
annehmen, wo Fell Oder Gefieder haufig auf der Erde waren. Das 
diirfte aber erst vom Eude der Kreide an der Fall gewesen sein, denn 
selbst, wenn wir annehmen, daG die Multituberculata ein Haarkleid 
hatten, was an sich nicht gesagt ist, so ist deren Zahl doch in den 
friiheren geologischen Epochen eine nur maGige gewesen. Aber in 
dieser Zeit kennen wir die heute noch lebenden Ordnungen der Insekten. 
Von einer anderen, die geeigneter ware, Flohe aus sich hervorgehen 
zu lassen, ist im Malm z. B. keine Spur gefunden. Es erscheint daher 
wahrscheinlich, daG nicht irgendeine Ordnung ganz in die F15be auf- 
gegangen und die Flohe der Rest einer unbekannten, nach der Kreide- 
zeit ausgestorbenen Ordnung sind, sondern daG die Flohe aus einer der 
bekannten, in der Kreidezeit und auch heute noch existierenden, holo- 


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Martini, Die Eidonoinie der Flohe usw. 


207 


metabolen Insektenordnung hervorgegangen sind. Hieraus schon dfirfte 
sich die Unwahrscheinlichkeit der Pakartschen Anschauung ergeben. 
Im iibrigen rennt man mit dieser Ueberlegung bis zum gewissen Grade 
offene Tfiren ein, da weitaus die meisten Versuche, die Verwandtschafts- 
verhaltnisse der Flohe zu klfiren, die Notwendigkeit, dieselben von einer 
der jetzt lebenden Ordnungen abzuleiten, unbewiesen vorausgesetzthaben. 

c) Die Stellung der Flfihe innerhalb der Ordnung, aus der sie 
hervorgingen, muB sich viel genauer feststellen lassen, als die Mehrzahl 
der bisherigen Ueberlegungen fiber ihre Herkunft annimmt. Denn ira 
Malm waren bereits groBe Entwicklungslinien sowohl bei den Kafern 
als bei den Zweifluglern getrennt, und man wird eben aus einer dieser 
Reihen, z. B. bei den Dipteren etwa, Mycetophiloiden, Culicoiden (durch 
Psychoda schon vertreten), Polyneuren usw. die Flohe ableiten mflssen. 
Es mufi daher jeder Ableitungsversuch als unzulfinglich gelten, der nicht 
die Zugehorigkeit der Flohe zu einer solchen Formenreihe klar dartut, 
sondern sich mit Allgemeinheiten wie primitive Dipteren 4 * begnfigt. 
Bei der Zfihigkeit, mit der Insekten ihre Merkmale durch lange Epochen 
festgehalten haben, ist es hfichst unwahrscheinlich, das ein erst in der 
Kreidezeit oder Oligocaen Oder spater entstandener Zweig nicht noch 
eine Menge Merkmale seiner Stammgruppe zeigen sollte. Und in der 
Tat gibt es Zflge genug am Flohkorper, welche kaum mit dem Schmarotzen 
in enge Beziehung gebracht werden konnen, also eine Bestimmung der 
systematischen Stellung der Flfihe nach erlauben mfiBten. 

Aus dieser Ueberlegung ergab sich die oben ausgesprochene Ueber- 
zeugung, dafi die Familienreihe, zu der die Flohe gehfiren, rasch und 
unschwer ermittelt werden kfinne. 

3) Bei den Aufklarungsarbeiten hatte ich die Platypsyllitlen gleich 
aus meinen Ueberlegungen herausgelassen; lag es doch auf der Hand, 
daB es sich hier um eine Analogiebildung auf Grund fihnlicher Lebens- 
weise handelt, durch welche die Natur den Forscher so gern aufs Glatt- 
eis lockt. 

a) Gewichtige Grflnde, daB bei den Kfifern keine Cerci vor- 
kommen, welche die Flohe aber haben und welche ursprflngliche Merk¬ 
male sind, und die Eierstficke der Kafer telotroph, die der Flfihe aber 
viel ursprfinglicher, panoistisch sind, mithin die Flohe nicht von den 
Kafern abgeleitet werden konnen, bewahrte mich von vornherein davor, 
bei den Kafern weitere Umschau zu halten. 

a) Aber der Versuch mit den Zweifluglern machte auch sehr viel 
Schwierigkeiten. Vor allem zeigte sich bei einer vorlaufigen Uuter- 
suchung von Mycetophiliden und Sciariden, daB das mannliche und das 
weibliche Hinterende bei diesen Gruppen mit dem der Flohe vfillig in- 
kommensurabel ist, daB vor allem von der Sinnesplatte am IX. Tergit 
des Flohhinterleibes, das ich bei seiner Verwandtschalt wieder zu finden 
erwartete, nicht die Spur vorhanden ist. Ebsnsowenig finde ich ffir 
beide Familien einen Nachweis holoistischer Ovarien und muB dasselbe 
in den Reihen der Zweiflfigler fiberhaupt ffir hfichst unwahrscheinlich 
halten, da schon die Mecoptera und Planipennia hfiher ent- 
wickelte Eierstficke haben. Dazu sind die genannten Zweiflfigler-Fa- 
milien rficksichtlich ihrer Mundwerkzeuge abgeleitet, denn die groBe 
Uebereinstimmung der Mundwerkzeuge bei alien niederen, stechenden 
Dipteren flberzeugt, daB letztere monophyletisch sind. Wo die Stech- 
gewohnheit aufgegeben wird, schwinden Mandibeln und Maxillen. Stachen 
die ursprfinglichen Dipteren nicht, so hatten sie auch keine paarigen 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


MundgliedmaBen, und dann konnte sp&terer Uebergang zum Stechen 
diese auch nicht wieder erzeugen. Das beweisen uns die stechenden 
Cyclorrapha, und das miiBte beim Floh ebenso sein. 

Waren die genannten Fainilien auszuschlieBen, so auch der Culicoiden- 
zweig mit seinen aquatischen, opisto- oder apneustischen Larven von 
Ptychoptera bis Simulium. Auch hier zeigt das Hinterende der 
Imagines nicht die mindeste Aehnlichkeit mit dem der Fl6he. AuBerdem 
besteht ein groBer Unterschied zwischen den Mundwerkzeugen im langen 
Hypopharynx der Stechmiicken, der den Flohen fehlt. Auch alle anderen 
stechenden Dipteren besitzen denselben. Dafi die Flohe ihn verloren 
haben und zu dem viel schlechteren Verfahren der Speichelleitung 
zwischen den Mandibeln ubergegangen sein sollten, kann schlechterdings 
als ausgeschlossen gelten. Ueber die Eierstocke gilt dasselbe wie oben. 
Auch der Darm macht einige Schwierigkeit. Der Saugmagen miiBte den 
Flohen verloren gegaugen sein, obgleich die blutsaugenden Dipteren 
ihn sich bewahren; und eine Einrichtung, welche diese nie entwickelt 
haben, offenbar weil bei der Blutaufnahme uberfliissig, ein Kaumagen, 
ist bei den Flohen vorhanden. Er kann daher wohl nicht als Neu- 
erwerbung bei einem blutsaugenden Dipter, sondern bloB als Rest der 
Organisation ganz abweichend sich ernahrender Vorfahren gedeutet werden. 

Ich will nicht ermilden; ich biB auf Eisen, wo ich bei Dipteren ver- 
suchte, die NuB zu knacken. 

/?) Erst recht unmoglich erwies sich der Versuch, primitive Schmetter- 
linge, Trichopteren Oder andere Gruppen der friiheren Neuroptera 
heranzuziehen, bei denen meist ganz ahnliche Schwierigkeiten vorlagen. 
Auch die Hymenoptereu, die der letzte Ausweg zu sein schienen, waren 
bezflglich* der Apokriten dem Bau nach, beziiglich der Symphyten der 
Lebensweise nach offenbar ungeeignet. 

y) So blieben doch nur die Coleopteren. Nach der Literatur er- 
schien dieser Weg unmbglich; der iiber die anderen Ordnungen war 
tatsachlich unmoglich: Einen klaren Weg muBte es geben. Es blieb 
nichts iibrig, als mich in das mir zum Teil fremde Gebiet der Kafer zu 
vertiefen und nachzuweisen, daB die obengenannten Grunde nicht stich- 
halten, daB entweder die Flohe keine echten Cerci haben, oder daB 
es Coleopteren mit Cerci gibt; daB entweder panoistische Kafer vor- 
kommen, oder daB die Flohovarien nicht schlechthin als panoistisch auf- 
gefaBt werden konnen. 

b) Welche Familiengruppe der Kafer konnte nun in Frage kommen? 
DaB ich den Gedanken, mich von der Beinlosigkeit der Larven leiten zu 
lassen, rasch wieder aufgab, verdanke ich Reh, der mich nachdriicklich 
darauf hinwies, daB solche Umbildungen als Anpassungen an die Lebens¬ 
weise bei den Kafern zu leicht eintraten, als daB man damit irgendetwas 
anfangen konnte. 

So nahm ich Kuhnts Kafertabellen, nahm einen Floh, sah ihn als 
Kafer an und bestimmte seine Familie. Nicht ganz glatt naturlich 
ergab sich, daB er entweder ein Platypsyllide oder ein Staphylinide sei. 

Die Tatsache, daB die Kafer keinen Saugmagen, wohl aber einen 
Kaumagen, der den Ursprung fur den Kaumagen beim Floh bilden 
konnte, haben, daB der Brustkorb bei ihnen, itn Gegensatz zu den 
Zweifliiglern, gegliedert ist, daB viele Kafer Safte durch die Mandibeln 
in ihre Beute einflieBen lassen, auch Rinnen in den Mandibeln zum 
Saugen benutzen, daB ein langer Hypopharynx fehlt, lieBen die Ab- 
leitungsversuche von den Kafern doch ganz hoffnungsvoll erscheinen. 


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Martini, Die Eidonomie der Flohe ubw. 


209 


c) Da ich Platypsyllus nicht bekommen konnte, untersuchte ich 
zunachst Staphyliniden aus Kuhdung verschaffte ich rair eine Auzahl 
Stiicke, die zum Teil trocken aufbewahrt wurden, um die wichtigsten 
Gruppen kennen zu lerneD. Eine kleine, von M. Bernhauer be- 
stimmte Sammlung erleichterte mir spater die Arbeit und sicherte mich, 
daB ich im groBen und ganzen richtig bestimrat hatte. Manche 
trockenen Stficke wurden nachher mit Lauge behandelt und pr&pariert 
fflr dorsale, ventrale Oder seitliche Ansichten. 

a) DaB mir als erstes Objekt eine Oxytelus-Art in mehreren 
Stucken in die Hfinde fiel, war sehr gtinstig. Denn die echten Staphylinen 
werden schon durch ihre Pupae obtectae von der geraden Vorfahrenreihe 
der Flohe ausgeschlossen. Unter den niederen Staphyliniden schienen 
mir die Oxytelinae (im weiteren Sinne) besonders zur Ableitung der 
Flohe geeignet, Aleocharinen habe ich erst wenig zur Verffigung ge- 
habt. Unter den Flohen habe ich den Hundefloh gewfihlt, weil er mir 
am reichlichsten zur Verfugung stand. 

ft) Anderes Material wurde mit warmcm Alkohol von 70 Proz. 
konserviert und in Schnittserien in verschiedenen Richtungen zerlegt, 
doppelt geffirbt Oder nur einfach. 

Folgende Technik scheint mir fur viele Zwecke sehr brauchbar: 

Die Tiere werden durchschnitten und kommen aus dem Alkohol in ein Salzsaure- 
karmin, das ungefahr 70 Proz. Alkohol enthiilt. Darin bleiben sie 1 bis mehrere Tage, 
je nach der Schwierigkeit, die das Stuck der Durchtrankung mit der Farbe bietet, die 
durch das Chitin offenbar nicht hindurchgeht, sondern nur von den Schnittflachen aus 
eindringt. Dann wird mit Salzsiiurealkohol ausgewaschen, einige Stunden nach dem- 
selben Grundsatz, in 95-proz. Alkohol iiberfuhrt, dann in absoluten und entweder gleich 
durch Xylol in Paraffin oder in Alkoholather, Zelloidinlosungen von 2 und 3 Proz. 
und dann erst nach Hartung in Chloroform in Xylol und Paraffin. Es wird im all- 
gem einen dick geschnitten, 15, 20 oder 25 /u. Die Schnitte sind trotz der Dicke in-* 
folge der Durchsichtigkeit der Karminfarbungzum Studium der Anatomie sehr geeignet. 
Da man die Schnitte nur noch in Xylol von Paraffin befreien mu6, treten Abreifiungen 
oder Verschiebungen einzelner Teile oder lastige Mitfarbung des Zelloidins usw. nicht 
auf und die dicken Scheiben erlauben viel leichter, die Anatomie des Tieres zu iiber- 
sehen und ein rascheres Durcharbeiten derselben. Fur histologische Feinheiten miissen 
naturlich diinne Schnitte in anderer, entsprechender Weise gefertigt werden. 

4) Im folgenden sollen die Ergebnisse nur soweit mitgeteilt werden, 
als sie sich auf das Chitinskelett beziehen. Ich glaube, die Darstellung 
wird am fibersichtlichsten, wenn ich beim Hinterende der Tiere anfange. 
Ich schildere also zunachst, was wir zu sehen bekommen, wenn wir die 
Qnerschnittserien, von hinten beginnend, durchmustern. 

a) Der Hinterleib. 

a) In der Querschnittserie durch einen weiblichen Hundefloh er- 
scheinen zu hinterst 2 lfingliche Durchschnitte, die alsbald zwischen sich 
eine V-formig gebogene, ventrale Platte fassen; erstere sind der weit 
nach hinten reichende VIII. Tergit, letzteres ist der VIII. Sternit. Weiter 
nach vorn kommt fiber den Dorsalenden der Tergite jederseits ein 
kleiner, kreisffirmiger Querschnitt zu sehen, die Durchschnitte der Cerci. 
Schon wenige Schnitte weiter vereinigt sich der FuB beider zu einer 
unpaaren Rflckenplatte, die wir vorerst als Nr. 10 bezeichnen wollen. 
Meine Oxy telus-Serie 1 ) zeigt mir auf den letzten Querschnitten einen 
unteren Bogen, der wieder als Sternit zu bezeichnen ist, ebenfalls ganz 

1) Leider ist mir spater zweifelhaft geworden, ob es sich bei dieser als Oxytelus 
im folgenden angezogenen Schnittserie wirklich um ein Oxytelus handelte, da ich 
spater fand, daB unter deu Oxytelus aus Kuhfladen auch einzelne Stucke mit 5- 
gliedrigem FuB gewesen waren. 

KnU Abt. One. Bd. 88. Heft 3. 14 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


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dorsal 2 kreisformige Durchschnitte und ventral von diesen 2 langliche. 
Die kreisformigen dorsalen Durchschnitte werden auch alsbald liber die 
Mediane hinweg durch eine Platte vereinigt, welche wir als X. Tergiten 
ansprechen. Die anderen langlichen Schnitte gewinnen an Ausdehnung 
nach oben und unten. Ich hatte sie ursprtinglich mit dem VIII. Tergiten 
der Flohe gleichgesetzt, will sie aber vorsichtshalber vorlaufig y nennen. 
Einige Schnitte weiter nach vorn treten beim Floh auf einer nach hinten 
vorgedrilckten Falte betrachtlich unterhalb des X. Tergits 2 Chitinfl&chen 
auf, die in der Mitte einander sehr nahe kommen, ohne sich zu be- 
rflhren. Auf den folgenden Schnitten ziehen sie als durchschnittene 
Bander weiter nach der Seite und dem Riicken zu (Platte x). Bald 
nach ihnen erscheinen nahe unter dem X. Tergiten und unter der After- 
offnung eine Platte, der X. (?) Sternit. Ganz der gleiche X. Sternit in 
der gleichen Lage zu den bisher erwahnten Platten und dem After er- 




Fig. A und B. 

Schema der 3 letzten Hinterleibsringel von hinten gesehen. 


Fig. A eines weiblichen Oxyteline, Fig. B eines Hundeflohweibchens. 

A After, G Genitaldffnung, St letztes Stigma, VIIIT achter Tergit, VIIISt achter 
Sternit, IX T neunter Tergit, X T zehnter Tergit, X zehnter Sternit. 


scheint, nur ein wenig weiter vorn, verhaltnism&Big, bei 0xytelus und 
in denselben Schnitten der einheitliche Bogen des VIII. Tergits, der 
nun, vorn Sterniten an den Enden ein wenig umfaBt, mit diesen zu- 
sammen das ganze Bild urarahmt. 

Die Platte des X. Tergits geht nun beim Floh sehr schnell in die 
bekannte, spitz nach oben gebogene, fein behaarte, mit Sinneshaaren 
versehene Sinnesplatte iiber. Nur die Rander des Stiickes sind auf 
diesen Schnitten noch unverandert dickes gelbes Chitin. BeiOxytelus 
geht der X. Tergit in eine flache, in der Mitte eingesenkte, mit Sinnes¬ 
haaren reich besetzte Platte fiber, und auch hier zeigen wieder nur die 
Rander das unveranderte dunkelbraune Chitin. Die Platten „y“ haben 
beim Kurzfliigler inzwischen nach oben und unten machtig an Aus¬ 
dehnung gewonnen, In der Ventrallinie bertihren sie sich fast; gegen 
den Riicken hin ziehen sie sich an dem allmahlich sich verengenden 
X. Tergiten herauf und verschmelzen mit ihm ungelahr am.Hinterende 
der Sinnesplatte. Die Chitinstuckchen „x“ der Flohe, die sich ja auch 


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Martini, Die Eidonomie der Flohe usw. 


211 


fast ventral beriihren, ziehen sich ebenfalls an den Seiten des X. Tergits 
hinauf, aber bald ist von ihnen nur noch wenig wahrnehmbar, die gelbe 
Farbe hat aufgehort, nur noch eine kleine Falte bekleidet den Rand um 
die Sinnesplatte, eine Falte deren Spitze allerdings durch ihre rote 
Farbung mit Eosin zeigt, dafi sie harteres Cliitin ist, als die gewfjhn- 
liche intersegmentale Membran. Und diese Spur eines Sklerits laBt 
sich nun in der Tat weiter aufw&rts gegen den Riicken verfolgen, bis 
sie schlieBlich am Vorderrand der Sinnesplatte mit dem X. Tergiten 
verschmilzt. So rudimentSr diese Platte daher sein mag, so scheint mir 
doch kein Zweifel, dafi die Platte x der m&chtig entwickelten Platte y 
bei Oxytelus entspricht. 

Nach Verhoff ware sie dann als IX. Tergit zu deuten, der sehr 
weit nach den Seiten und nach unten hin entwickelt ist. Die Ueber- 
einstimmung zwischen dem X. Tergiten beider Formen wird durch diese 
Beziehung zum IX. Tergiten vollstandig. Zwischen den unteren Enden 
des IX. Tergits und des VIII. Sternits, den wir ja schon kennen lernten, 
dffnet sich in beiden Fallen der weibliche Geschlechtsapparat, wie ja 
nicht anders zu erwarten, wenn die bisherigen Deutungen richtig waren. 
Erst sehr weit vom, verhSltnismaBig, vereinigen sich die beiden BOgel 
des VIII. Tergits beim Floh, ja, sie vereinigen sich eigentlich iiber- 
haupt nicht, sondern sind mediodorsal durch ein schmales Gelenk ge- 
trennt. Auch sie schlieBen sich eng an die Sinnesplatte an, so daB mein 
Verdacht, sie und nicht die Stiicke x mflBten mit den Flatten y der 
O xy telus verglichen werden, durchaus verstandlich wird. Eines scheint 
mir aber die Sachlage sofort zu klaren, daB ist die Tatsache, daB diese 
Platte auf ihrer Hinterseite die letzte Atemoffnung des Flohes tragt und 
genau so der VIII. Tergit beim Oxytelus. Danach kann, glauhe ich, 
ein Zweifel an der Richtigkeit der hier gegebenen Uebereinstimmungen 
nicht mehr sein. 

Imraerhin hat man den Eindruck, daB der VIII. Tergit beim 
Floh die Aufgabe ubernommen hat, die bei Oxytelus dem IX. zu- 
kommt, die aber der stark riickgebildete IX. Tergit der FlOhe nicht 
mehr erffillt. 

ti) Auf das eben besprochene VIII. Segment folgen nun noch beim 
Floh nach vorn nach der gewohnlichen Zahlung 7 weitere Hinterleibs- 
ringel. Von diesen sind die hinteren 6 alle gleichartig gebaut. Aehnliche 
Verhaltnisse finden sich bei den Staphyliniden. Bemerkenswert ist aller¬ 
dings ein gewisser Unterschied insofern, als beim VII. und II. Hinter- 
leibsringel der Flohe das obere Ende der Bauchschienen die Riicken- 
schienen umfaBt, ein Verhalten, das mir sonst bei Insekten nicht 
erinnerlich ist. Ganz dasselbe Verhalten findet sich bei Staphyliniden 
angedeutet. Bei der Mehrzahl der Ringel III—VI (oder II—VI Oxytelus) 
wird die Seitengegend von 2 besonderen Platten eingenommen, die wohl 
vom Bauch und vom Brustschild abgegliedert sind. Sie fehlen im VIII. 
und sind unvollstandig im VII. Ringel, und bei beiden neigt die Bauch- 
schiene dazu, iiber die Riickenschiene zu greifen. Bei Quedius finde 
ich diese Neigung auch im II. Bauchringel, der bei dieser Form auch 
stark rQckgebildet ist und keine Zwischenplatten in den Seiten erkennen 
laBt. Oxytelus beweist hier eine gewisse Urspriinglichkeit insofern, 
als die nach unserer Zahlung II. Bauchschiene ziemlich vollstandig ent¬ 
wickelt, nur ein wenig schmfiler als die nach hinten folgende ist, 
wiihrend bei andern Staphyliniden, z. B. Staphylinus, sie einer 

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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 3. 


wesentlich groBeren Riickbildung verfallen ist. Die Riickenschiene dieses 
Ringels ist ebenfalls noch voll entwickelt. 

y) Abgesehen von dieser gemeinsaraen Merkwiirdigkeit, zeiclinen 
sich alle 6 Ringel auch noch dadurch aus, daB der Tergit vom Stigma 
durchbohrt wird, welches also nicht in der weichen Seitenhaut liegt. 
Das ist bekanntlich auch ebenso bei den gleichen Segmenten der Flohe, 
im Gegensatz zu niederen Dipteren. 

d) Das nach vorn folgende Segment wird von den meisten Autoren 
beim Floh schon zum Hinterleib gezhhlt. Lass rechnet es noch zur 
Brust. Dasselbe verhait sich in mehrerer Hinsicht besonders. Sofort 
fallt die ganz abweichende Beborstung des I. Abdominalsternits von 
den ubrigen Hinterleibsbauchschienen auf, was dafiir sprechen wiirde, 
daB derselbe entweder gar keine Hinterleibsschiene ist, oder in friiherer 
Zeit einmal unter ganz anderen Bedingungen von den anderen ab¬ 
weichende Determinanten (wenn man dies Wort mal in einem von 
Weismann abweichenden Sinne gebrauchen darf) erhalten hat als die 
folgenden. Eines ist zweifellos an diesem Stuck bemerkenswert, und so- 
viel ich sehe, in der Literatur noch nicht geniigend hervorgehoben, daB 
es es aus 2 vbllig getrennten, lateralen Platten besteht, mithin also auf 
der eigentlichen Bauchseite median ein I. Sternit fehlt. Man uberzeugt 
sich leicht davon, daB gelegentlich die sogenannten I. Sternite die Hinter- 
beine teilweise von auBen iiberlagern. Die zugehorige Riickenschiene ist be¬ 
kanntlich sehr viel kleiner als die anderen, und das Atemloch dieses Ringes 
offnet sich nicht im Tergit. Bei der Ableitung des Flohes von Tieren 
mit vollstSndiger I. Bauchschiene am Hinterleibe miiBte man daher diese 
Gegend zweifellos als Teil des Brustkorbes auffassen. Wir wissen aber, 
daB bei den K&fern in der Regel die I. Bauchschiene ganz oder bis auf 
kiimmerliche Reste verschwindet und auch die Riickenschiene infolge 
Ueberlagerung durch die Fliigeldecken klein ist. So liegen auch bei 
Oxytelus die VerhMltnisse. Ein Rudiment der I. Bauchschiene (ich 
folge hier Verhoffs Auffassung des Coleopterenabdomens), ist nun bei 
Oxytelus in der.Tat in der Nahe des Stigmas zu sehen, das zwar 
sehr groB, aber entsprechend den Verhaitnissen beim Floh, ein wenig 
hoher als die iibrige abdominale Stigmenreihe in einer weichen Haut 
gelegen ist. Die Riickenschiene ist wahrnehmbar, aber kleiner und viel 
schwacher chitinisiert als die ubrigen Riickenschienen. 

Von diesen Verhaitnissen kann man sich die der Flohe leicht ab- 
geleitet denken. Bei Riickbildung der Fliigeldecken muBte der I. Ab- 
dominaltergit wieder verstarkt werden, und bei dem Drangen durch 
die Haare des Wirtes diirfte eine vollstandige Panzerung der Seiten- 
gegend wieder notwendig werden. Die Platte, welche bei den Flohen 
diese Gegend deckt, mag wohl die wieder ausgedehnte paarige Platte 
sein, welche bei Oxytelus als Rest der I. Bauchschiene am Stigma 
vorhanden war. Es wiirde dann in der Tat die notige Abweichung in 
der Geschichte vorliegen, um uns den sehr verschiedenen Habitus dieser 
Schiene von den anderen Bauchschienen der Flbhe versthndlich zu machen. 
Andererseits konnte aber auch eine der zur Hinterbrust gehorigen Platten 
nach hinten ausgedehnt sein. Nur eine sorgf&ltige entwicklungsgeschicht- 
liche Untersuchung wird diesen Punkt kliiren kbnnen. 

e) Ein Merkmal, an das ich von Anfang an zur Aufklarung der 
Flohverwandtschaft dachte, war ihre merkwurdige stereotype Haarstellung. 
Die Flohe haben bekanntlich auf den Hinterleibsringeln sehr groBe 
und daneben sehr kleine, schwer sichtbare Borsten. Die groBen Haare 


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Martini, Die Eidonomie der Flohe usw. 


213 


bilden eine Reihe nicht weit vom Hinterrande der Riickenschienen und 
eine 2. unregelmSBigere Reihe annfihernd in der Mitte der Breite der 
Tergite. Die GroBborsten dieser Reihe sind kleiner als die der erst- 
genannten, auch kann die Reihe verdoppelt sein. Die kleinen Haare 
stehen nicht genau in den Reihen, aber ann&hernd alternierend mit den 
hinteren GroBborsten. 

Bei Oxytel us, wie iibrigens auch bei vielen anderen Staphyliniden, 
findet sich ebenfalls eine Grofiborstenreihe ungefahr dem Hinterrand der 
Tergite folgend, und weiter vom ein unregelmfifiiger Strich groBer Haare 
ungefShr quer fiber die Ringelmitte. Die kleinen Haare stehen unregel- 
mfiBiger. Es erscheint also die Behaarung der Staphyliniden schon in 
erheblicher Weise spezialisiert und es kann das Muster der Borsten bei 
Flohen geradezu als eine weitere Reduktion und Stereotypisierung der 
Staphylinidenbeborstung, als eine Weiterbildung genau in der schon bei 
diesen Tieren eingeschlagenen Richtung angesehen werden. 

Aehnlich wie bei Pygiopsylla mit noch zahlreichen GroBborsten, 
die ungefahr 3 Reihen auf den Tergiten bilden, mit stark entwickelter 
Beborstung der Sterniten und mit dem schwach beborstetem „I. Ab- 
dominalsternit“ mfiBte man sich die ursprflngliche Chaetotaxis der 
Flohe denken. 

b) DaB man am Brustkorb der Flohe ganz andere Verhaltnisse als die 
ihrer beschwingten Vorfahren erwarten muB, ist selbstverstandlich, fallt 
doch die Grundlage einer besonderen Entwicklung der hinteren Brust- 
segmente mit dem Verlust der Fliigel weg. Bei Kafern sind dazu noch 
die Hinterbrusttergite durch die Bedeckung mit den Flfigeln verhaltnis- 
mafiig weichhautig. Es ist daher kein Wunder, daB wir von der reichen 
Entfaltung des Hinterbrusttergiten von Oxytel us bei den Flohen nichts 
wiederfinden. 

a) Dagegen sind bei ihnen die Brustsegmente miteinander beweg- 
lich verbunden, wie bei Kafern, im Gegensatz zu Zweitifiglern, und es 
ist das 1. Brustsegment auBerlich enger an den Kopf als an die beiden 
hinteren Thorakalringe angeschlossen. Genau wie bei Oxytel us. 

Die Rfickenscbienen sind allerdings bei den Flfiheu sehr stark ver- 
kfirzt. 

Sehr einfach liegen die Verhaltnisse der Pleuren und Sterna bei 
den Flfihen. Von getrennten Epimeren und Episternen kann ich bei 
ihnen nichts mehr entdecken. Umgekehrt, es scheint, daB selbst die 
Gelenke zwischen Metatergum und Metasternum, sowie zwischen Hinter- 
brust und „I. Bauchschiene 11 im Begriff sind, zu verwachsen. Jedenfalls 
sind Hinterrficken und Hinterbrust so stark verfalzt, daB eine erhebliche 
Bewegung in ihrem Gelenk kaum noch moglich ist. Ganz so liegen die 
Verhaltnisse bei den Staphyliniden doch nicht. Allerdings finde ich an 
der Vorderbrust nur Rficken- und Bauchschiene (und an der Gelenkung 
von Vorderbrust und Kopf ein kleines Chitinstfibchen — Halssklerit? —, 
das in ahnlicher Weise auch beim Hundefloh ausgebildet ist). Einige 
in die Tiefe verlagerte Chitinstrukturen dtirften den Iluften, nicht Pleuren 
zuzurechnen sein. Aber auch an der Mittelbrust sind die in Gangl- 
bauers (1895) Figur gezeichneten und als Episternum und Epimer des 
Mesothorax bezeichneten Platten bei Oxytelus fest mit dem Meso- 
sterum verwachsen, als dessen Teile sie erscheinen (wie weiter dorsal 
gelegcne, die Oberflache des Korpers nur in geringer Ausdehnung er- 
reichende, starken Muskeln als Ansatz dienende Platten zu deuten sind, 
lasse ich offen, wie es mir an dieser Stelle Oberhaupt nicht daran liegt, 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 3. 


ein Studium der Morphologie der Staphylinidenbrust zu treiben). Am 
Metathorax allerdings liegt bei Oxytelus sehr deutlich neben dem 
Sternum eine lange, ziemlich breite Platte mit starker innerer Christa, 
die wohl dem Epimer in Ganglbauers Zeichnung entsprechen dfirfte, 
wfihrend sein Episternum bei Oxytelus wieder nur ein Teil vom Meta¬ 
sternum ist. 

Diese groCe Platte 1 ) muB bei den Flohen also entweder rfickgebildet 
Oder mit Sternit Oder Tergit verschmolzen sein. Bei der groBen Ab- 
weichung in der Muskelentwicklung erscheint es aber fraglich, ob man 
in der Crista das Metanotum beim Hundefloh, die ungefahr in derselben 
Richtung veriauft, wie die des „Epimers“ bei Oxytelus diese Bildung 
wiedererkennen kann. Wahrscheinlicher ist mir, dafi die Pieuralplatte 
mit dem Sternum verschmolzen ist und sich daraus die eigenartig ver- 
wickelte Bildung der seitlichen Teile der Hinterbrustschiene bei den 
FIShen erkiart. 

p) Die Hiiften sind ja bei vielen Staphyliniden bereits kegelfdrmig 
vorspringend und zum Teil stark in der Mittellinie gen§hert. Hier, 
wie bei den Haaren des Hinterleibes, haben die Flohe nur eine bei 
den Staphyliniden sich schon anbahnende Entwicklungsrichtung fortge- 
setzt. 

Auch sonst ist die Bildung der Beine recht ahnlich. 5-gliedrige 
Tarsen wiegen bei Staphyliniden vor und kommen auch bei den Oxy- 
telinae, besonders wenn man die Omaliini zu ihnen rechnet, zahl- 
reich vor. Sind auch die Trochanteren bei einigen Gruppen von Sta¬ 
phyliniden in einer den Flohen nicht zukommenden einseitigen Weise 
differenziert, so gibt es doch auch Formen, bei denen die Verl&ngerung 
der Schenkelringe auf der Streckseite nur in m&Bigera Grade entwickelt 
ist. Bemerkenswert ist die Bedornung der Schienen und FiiBe. Wieder 
hat man den Eindruck, daB die Bedornung der Flohe eine etwas ver- 
ringerte und mehr stereotype ist und sich deutlich als die abgeleitete 
der etwas allgemeineren Form bei den Staphyliniden gegenfiber verhfilt. 
Das auffallige Vorwiegen des letzten FuBgliedes bei den Flfihen fiber 
das 3. und 4., besonders an den vorderen Beinen, findet sich bei den 
Staphyliniden bis zur hfichsten Uebertreibung wieder. Damit hangt 
auch wohl der Schwund einzelner Fufiglieder bei vielen Staphyliniden 
zusammen. In dieser Eigenschaft sind es gerade Staphylininae, 
welche ursprfinglichere, dem Floh sehr nahe kommende Verhaltnisse 
bewahrt haben. Die Klauen haben bei den Flohen einen Zahn, bei den 
Kurzfltiglern habe ich einen solchen noch nicht beobachtet. Es wird 
wohl eine spatere Erwerbung der Flohe sein, vielleicht eine Anpassung 
an das Festhalten in Pelz und Gefieder. 


1) Das „ Epimer “ ist offenbar bei Oxytelus eine recht wichtige Bildung. Das 
zeigt schon seine GrftBe und die Verstarkungsleiste. Ferner gelenkt es hinten-unten 
mit der Hinterhufte und schickt vorn-oben einen Gelenkfortsatz zur FliigelwurzeL 
Dicht dahinter verbindet es sich durch eine Syndesmose, welche im vordersten Teile 
in eine Verwachsung uberzugehen scheint, mit einer Platte, welche ihrerseits engste Be- 
ziehungen (Verwachsung?) mit den hinteren Teilen des Metanotum zeigt. Uebrigens 
ist es wohl zweifellos dieselbe Platte, welche Euscher bei Dytiscus als Episternum 
auffaflt. Eine seinem Metepimer entsprechende Platte finde ich nicht sicher. Aus seiner 
Darstellung scheint hervorzugehen, daB auch beim Schwimmkafer Pleuren und Sterna 
sowohl bei Vorder- wie Mittelbrust in Wirklichkeit nur je eine Platte Bind, wahrend 
die Pleuren der Hinterbrust deutlich vom Sternum abgegliedert sind, ein Unterschied, 
der bei ihm im Texte kaum geniigend hervortritt. 


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215 


So stellen sich geradezu die Flohbeine als typische Staphyliniden- 
beine dar. 

y) VSllige Uebereinstimmung bietet auch die Lage der Stigmen. 
Vergleicht man die Hohenlage derselben bei Culiciden und verwandten 
Dipteren, so wird man sich sofort sagen, daB die Verlagerung an die 
Stelle, wo wir sie bei Flohen finden, recht unwahrscheinlich ist. Hier 
liegen die vordersten Stigmen zwischen Pro- und Mesosternum, die fol- 
genden zwischen Meso- und Metasternum. 

Genau an derselben Stelle hat sie Oxytelus, wenn man annimmt, 
daB sein „Metepimer tt im Flohsternum aufgegangen ist. In beiden 
Fallen haben wir eine wohlausgebildete Kapsel um das Stigma. Immer- 
hin sind in beiden FSllen die Stigmen nicht weit von den Ecken der 
Tergite entfernt. Nur das Mesonotum bleibt bei beiden Formen weit 
vom 2. Stigma ab. 

c) Der Kopf der Flohe als Bug im Haarmeer ist naturgemaB sehr 
erheblich umgestaltet. 

a) Die Fazettenaugen sind verloren und nur noch 2 Stirnaugen vor- 
handen. Solche sind eine seltene Erscheinung bei den K&fern, finden 
sich aber bei den den Oxytelini sehr nahestehenden Omaliini. 

/?) Die Fuhler der Flbhe sind kurz, bestehen aus 2 Schaftgliedern, 
einem schmaleren Stielglied der GeiBel und einer Anzahl breiter, dicht- 
gedrangter GeiBelglieder. Im ganzen ist der Ffihler meist 11-gliedrig. 
Genau dieselben Zahlen von Gliedern finden sich auch bei Staphyliniden. 
Die Besonderheit der beiden ersten Glieder, welche ja eine allgemeine 
Erscheinung der Insekten ist (die Insektenfuhler haben wohl nur 

3 Hauptabschnitt- und 2 aktive bewegliche Gelenke), tritt sehr deutlich 
hervor, aber auch eine Neigung der GeiBelglieder zur Verbreiterung 
besteht gelegentlich in den verschiedensten Gruppen der Kurzflugler. 
Wenn sie auch nie so weit geht, wie bei den Flbhen, so bemerkt man 
doch gelegentlich eine stielartige Ausbildung des 1. GeiBelgliedes, z. B. 
in der Abbildung des Fiihlers von Ityocara (Aleocharinae), Co- 
prophilus (Oxytelinae u. a.) bei Kuhnt. Die Einlenkung des 
FOhlers unter einer Verbreiterung des Stirnrandes bei Oxytelinae 
kann man durchaus als eine Anbahnung der Verhaltnisse beim Floh an- 
sehen, wo eine Verbreiterung des Stirnrandes die Fuhler groBenteils 
von vorn her deckt. 

y) Die Mundwerkzeuge bieten nicht nur im allgemeinen, sondern 
auch im einzelnen einer Ableitung der Fl8he von den Dipteren grfiBte 
Schwierigkeit, wShrend sie einer solchen von den Staphyliniden geradezu 
entgegenkommen. Zun&chst beschwert uns hier nicht die Frage, wo 
der lange Hypopharynx blieb; er fehlt den KSfern so gut wie den 
Flohen. Die Mandibeln sind, wo Saugen bei Kafern vorkommt, das 
Sauginstrument; sie werden es auch bei den Flohen sein. Die Ober- 
lippe ist allerdings bei den Flohen sehr stark entwickelt, im VerhSltnis 
zu Oxytelus. Die Maxillen, welche bei alien blutsaugenden Zwei- 
fiuglern starke Stilette sind, kraftiger als die Mandibeln, sind bei den 
Flohen kflrzere oder langere Pyramiden; ganz ahnlich, nur noch ein 
wenig vollstandiger, sind sie bei den Staphyliniden, wo sie auch noch 
bewegliche Laden tragen, welche bei den Flohen fehlen. Die Kiefer- 
taster der primitiven Dipteren sind 5-gliedrig, und wenn eine RQck- 
bildung eintritt, geht sie meist sofort weit. Die Taster der Flohe haben 

4 groBe Glieder und genau so die Mehrzahl der Staphyliniden. Be- 
sonders aber l&Bt sich die Unterlippe der Flohe in keiner Weise von 


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216 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 

der der Zweifliigler ableiten. Bei selir ursprunglichen Formen, Culi- 
ciden, glaubt man, an den Labellen manchraal 3 Glieder unterscheiden 
zu konnen. Mehr kommen sicher keinem Dipter zu. Bei ihrer Unter- 
lippe spielt der verwachsene Teil der 2. Maxillen die Hauptrolle, und 
niemals kommen wir uber im ganzen 4 Abschnitte der Unterlippen 
hinaus. Gerade umgekehrt tritt dieser verwachsene Teil an Lange bei 
den Flohen gegeniiber den langen 4-gliedrigen Tastern 'sehr zuruck, 
und genau so liegen die Verhaltnisse bei einer groGen Anzahl Stapky- 
liniden, und wenn auch die meisten derselben nur 3 dreigliedrige Lippen- 
taster haben, so kommen doch auch 4-gliedrige vor (Aleo char ini). 
Der nahe AnschluG des Kopfes an die Mittelbrust wurde schon erwahnt. 

d) Von Uebereinstimmungen und Gegensatzen laGt sich also fol- 
gendes sagen: 

Die Zahl und Entwicklung der Hinterleibsringel stimmt bei Oxy- 
telus und Ctenocephalus in alien wesentlichen Punkten ganz zu- 
sammen, sogar die Beborstung zeigt Annaherung. Das merkwiirdige 
Uebergreifen von Sterniten iiber die Tergite kommt beiden zu. Das 
Sinnesorgan des X. Segmentes ist bei beiden vorhanden. Cerci ahnliche 
Bildungen kommen in beiden Gruppeu vor. 

Die Beschildung der Brust laGt sich bei den Flohen gut von Ver- 
haltnissen bei Staphyliniden ableiten. Ebenso die Eingelenkung der 
Hiiften, der Bau und die Bedornung der Beine stimmen gut iiberein. 
Die Zahl der Stigmen ist in beiden Fallen 10. Von diesen offnen sich 
bei beiden Tieren die 7 hinteren in den Tergiten des Abdomens, das 
des I. Abdominalsegmentes etwas hoher in der Seitenmembran, wahrend 
die Bruststigmen zwischen den Brustschienen der Vorder- und Mittel- 
bzw. der Mittel- und Hinterbrust liegen. Stirnaugen, Fiihlerbau, Fiihler- 
grube und Mundwerkzeuge stimmen bei beiden Gruppen in ihren Grund- 
lagen iiberein. 

Unterschiede: 

a) Das Sinnesorgan des X. Ringels ist bei Oxytelus flach, beim 
Floh infolge der seitlichen Zusammendriickung zusammengekniffen. Das 
9. Segment ist beim Floh stark ruckgebildet. 

ft) Der VIII. Tergit des Flohes reicht weit ventral herab und ist 
dorsal in der Mitte durchbrochen, ein Gelenk bildend. In ersterer Hin- 
sicht hat dieser Tergit beim Floh funktionell offenbar die Rolle des IX. 
beim Oxytelus ubernommen. Er ist schon sehr verjiingt und wurde 
wohl dem Durchtritt der Eier Schwierigkeit machen, besonders bei der 
zusammengekniffenen Form des Tieres, wenn er nicht durch das Gelenk 
in der Riickenlinie starker Erweiterung fahig ware. Diese wiirde aber 
ausgeschlossen sein, wenn er vom Sternit umfaGt wiirde. Das umge- 
kehrte Verhaltnis ist also eine Anpassung wieder an die Eiablage bei 
einem zusammengedriickten Tier, also in letzter Linie wieder an die 
besondere Lebensweise. 

Die Atemlocher dieser Riickenschiene sind beim Floh an deren 
Hinterrand und weit gegen den Riicken hin verschoben im Vergleich zu 
den Oxytelinae. Sie haben anuahernd bereits diejenige Lage im 
VIII. Tergiten erreicht, in der sie wahrend des Saugens am weitesten 
vom Wirtskorper entfernt, also vor VerschluG durch SchweiG verhaltnis- 
maGig am sichersten sind. Sie sind daher wohl auch so groG und offen¬ 
bar im Begriff, die wichtigsten Stigmen des Tierkorpers zu werden, eine 
Wurde, welche sie bei den SandHohen ja bereits erreicht haben. 



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Martini, Die Eidonomie der Flohe usw. 


217 


y) Die fiir die meisten Staphyliniden so charakteristischen Platten 
in der Seitenmembran (Pleurite) fehlen bei den Flohen. Ob sie sekundar 
wieder verloren gingen, oder nie vorhanden gewesen sind, l&Bt sich nicht 
sagen. Beachtlich ist hier noch, daB den Oraaliinen diese Abgliede- 
rungen auf der ventralen Seite fehlen und dorsal nur unvollst&ndig 
durchgefflhrt sind. 

d) Der I. Abdominaltergit und -Sternit sind wieder starker ent- 
wickelt, wohl eine Anpassung an die zahlreichen mechanischen Insulte, 
denen der Flohkorper ausgesetzt ist, und den Wegfall des Schutzes 
dieser Gegend durch die Elytren. 

e) Die Flugel und Flugeldecken sind weggefallen. Die Beine sind 
Springbeine geworden. Es ist das wohl ein gewisser Ersatz fiir den 
Mangel an Flugfahigkeit. 

l) Die Fuhler sind vollst&ndig in den Fiihlergruben verborgen und 
sehr gekflrzt, zweifellos eine unmittelbare Anpassung an die Bewegungs- 
notwendigkeit im Pelz oder Gefieder; ahnliche Vorgange finden sich 
auch bei Lausen und Mallophagen. Die Fazettenaugen sind verschwun- 
den; ihre Ruckbildung ist eine bei stationaren Ektoparasiten allgemein 
verbreitete Erscheinung. 

Die Mundwerkzeuge sind von beiBenden zu stechenden umgebildet, 
also vor allem verlangert in Zusammenhang mit der Blutnahrung, dabei 
sind die Laden der 1. und 2. Maxillen als iiberfiussig verschwunden. 

rj) Zu den ursprunglichen Borsten sind Chitinzahne mit nach hinten 
gerichteter Spitze, die Ctenidien getreten, welche einen Vorteil im Haar- 
pelz bieten und sich bei verschiedenen anderen Schmarotzern: Wanzen, 
Platypsyllus, Dipteren unter gleichen Lebensbedingungen ausgebildet 
haben. 

Soweit also die Abweichungen nicht selbst unmittelbare Anpassungen 
an das blutsaugende, stationSre parasitische Leben bei Saugetieren und 
VSgeln sind, sind sie sekundar bedingt, durch die mit diesem Leben in 
Zusammenhang stehende Flugelrflckbildung und seitliche Zusammen- 
druckung der Formen. Kurz, wir konnen alle wesentlichen Abweichungen 
im Bau der Flohe von den Oxytelinae s. 1. in ihrem Bedingtsein durch 
die besondere Lebensweise der Flohe verstehen. 

5. Bisher war nur vom Weibchen die Rede, wie es ja der Titel der 
Arbeit erwarten lieB, aber auch nur von dessen SuBerer Morphologic 
(Eidonomie). Man kann wohl verlangen, daB auch iiber Anatomie, 
Mannchen und Larve noch einiges gesagt wird. 

a) Ich muB allerdings gestehen, daB der Vergleich der Weibchen 
ein so uberraschend klares Ergebnis gebracht hat, daB mich selbst groBe 
Abweichungen im inneren Bau nicht vom Festhalten an den SchluB 
zurflckbringen konnen, daB die Flohe ihren Ursprung aus der nSchsten 
Verwandtschaft der Staphyliniden genommen haben. 

b) Nach dem, was ich vom Miinnchen gesehen, will mir scheinen, 
daB seine Merkmale mindestens weit besser mit den mUnnlichen Ge- 
schlechtsorganen der Kafer, als mit denen der Dipteren zusammen- 
passen. Die Valven fehlen, welche nicht nur den Dipteren, sondern 
ihrer ganzen Verwandtschaft den „panorpaformen“ Insekten zukommen, 
und schon dies laBt es unmoglich erscheinen, daB ein Dipter, selbst ein 
so urspriinglich und wenig spezialisiertes Tier, daB es noch gar nicht 
mal ein Dipter war, in die Ahnenreihe des Flohes gehbren kann. Bei 
den Staphyliniden finde ich deutliche Valven ebensowenig. 


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c) Die Anatomie des Weibchens stimmt nun aber, das muB zu- 
gegeben werden, keineswegs so gut mit der von Oxytelus iiberein, 
wie es die kuBeren Teile tun. Ich glaube wohl, daB sich in den Ge- 
schlechts- und Nierenorganen die letzten Unterschiede beheben werden, 
daB das Nervensystem auch recht ahnlich genannt werden kann. Die 
Muskulatur muB natflrlich den verschiedenen Anspriichen der Bewegungs- 
arten und der Zusammendriickungen (rechts-links gegen dorsoventral) 
Rechnung tragen und daher erhebliche Verschiedenheit zeigen. 

GroBe Unterschiede bestehen aber bei alien Organen, welche rnit 
der Verdauung in Zusammenhang stehen, so daB man dieselben nicht 
ohne weiteres auf Bildungen bei den mir bekannten Staphyliniden be- 
ziehen kann. Aber hier ist ja wiederum ein groBer Unterschied der 
pbysiologischen Leistung gegeben, und zweifellos bewegen sich die Unter¬ 
schiede groBenteils in der Richtung, die uns auch sonst bei entsprechen- 
den Gegensatzen in der Ernahruug gelaufig sind. Ich will auf diese 
Dinge nicht naher eingehen, sie werden zurzeit in meinem Laboratorium 
bearbeitet. Jedenfalls sind auch hier die Schwierigkeiten einer Ver- 
bindung nach den Kafern hin viel geringer, als nach den Dipteren. 

d) Die Larven zu untersuchen, habe ich nicht vor. Ich begniige 
mich mit folgenden Bemerkungen. Die Lebensweise in engen Ritzen usw. 
hat der Larve die FiiBe gekostet, wie man das ja viel findet. Auch die 
sogenannten Cerci, wenn sie ihre Vorfahren schon gehabt haben sollten, 
wie sie den Staphyliniden und auch den Platypsyllus-Larven zu- 
kommen, diirften in Anpassung an die raschen Bewegungen im Sand 
oder Staub zuriickgebildet sein. Vielleicht haben sie immer gefehlt. Die 
Zahl der Segmente stimmt bei Floh- und Staphylinidenlarve iiberein. 
Die wesentliche Hilfe des umgebildeten letzten Segmentes bei der Be- 
wegung vollzieht sich bei Staphyliniden- und Flohlarve in ganz gleicher 
Weise. Kopfbau, auch was ich an den Fuhlern und Mundwerkzeugen 
gesehen habe, erscheint doch, wenigstens auBerlich, so ahnlich, daB ich 
eine Zuruckfiihrungsmdglichkeit der einen auf die anderen far wahr- 
scheinlich halte. Auffallend ist wieder die Chatotaxis, die bei den Floh- 
larven ja streng fixiert ist. Wie bei den Erwachsenen ist auch bei deu 
Larven der Staphyliniden die Stellung der GroBborsten recht ahnlich 
der der Fldhe, aber nicht ganz gleich, die Zahl noch eine groBere. 

Das gleiche gilt von den kleinen Haaren. Man hat aber beim Ver- 
gleich beider Larven den Eindruck, daB ein prinzipieller Unterschied 
nicht besteht; nur wenn man weiB, daB die Borsten der Flohe sterotyp 
sind, kommt man zu der Ueberzeugung, daB es sich nicht um Gleicheit. 
sondern bei den Flohen um eine ganz spezialisierte Gestaltung der bei 
Staphyliniden schon vorliegenden Verhaitnisse handelt. Leider habe ich 
nur wenig Staphylinidenlarven untersuchen konnen und nur Pulicinen- 
larven zum Vergleich gehabt; die von Staphylininen wichen von der 
Flohlarve starker ab als andere, deren Unterfamilienzugehorigkeit ich 
nicht weiB, die aber anscheinend niederen Gruppen angehoren. 

6. Wo leiten sich nun die Fldhe abV Manchmal schienen mir die 
Beziehungen zwischen Flohen und Oxytelinae so nahe, daB ich meinte. 
bei geniigender Kenntnis der letzteren werde man vielleicht noch die 
Gattungsgruppe finden, aus der sie hervorgegangen sind. Es gibt einige 
Dinge, die gegen eine Ableitung der Fldhe aus der Familie der Staphy¬ 
liniden, so wie sie heute ist, sprechen. Das sind vor allem die Abgliede- 
rungen am Rande der Abdominaltergite und -Sternite, vielleicht auch 
die Cerci der Larven. Die Pleuralplatten sind allerdings bei den Oma- 


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liini noch nicht Gberall vollig abgegliedert. Wurden wir die Flohe von 
Oxytelini ableiten, so fehlen uns die Augen, leiten wir sie von Oma- 
liini ab, so scheinen hier wieder die RGckbildungen des I. und II. Ab- 
dominalsternites starker. Aber rOcksichtlich der seitlichen ChitinpltLttchen 
steht nun Silpha offenbar giinstiger. Doch mGndet bei ihr die Mehr- 
zahl der Abdominalstigmen nicht auf dem Tergit. Andererseits fehlen 
den Silphenlarven, soviel mir bekannt, die Cerci. 

So wGrde, wenn sich nicht doch herausstellt, daB niedere Staphy- 
liniden selbst der Ursprung der Flohe gewesen sind, durch Nachweis 
von Formen unter ihnen, die keine abgegliederten Schildchen haben, oder 
der Notwendigkeit einer Rtickbildung derselben bei den Flohen, die Wahr- 
scheinlichkeit die sein, daB die Flohe von derjenigen Linie der Stapby- 
linoidea ihren Ausgang genommen haben, welche zwischen Silpha und 
den Staphyliniden verbindet. Wenn wir wissen, daB die Silphiden im 
Malm vorkommen, Staphylinoiden aber nicht beobachtet sind, so kann 
man wohl denken, daB die Entstehung der letzteren in die Kreidezeit 
oder das beginnende Kaenozoicum fiele. Dann miissen aber gerade in 
der Zeit, in der wir zuerst reichlichere Saugetiere treffen, diejenigen 
Formen existiert haben, die schon Staphyliniden, aber noch nicht ganz 
modern, den Ausgangspunkt ftir die Entstehung der FlGhe abgeben 
konnten. 

Die MQglichkeit, sich vorzustellen, daB Staphyliniden zum Blutsaugen 
und stationaren Ektoparasitismus Gbergehen konnten, liegt auf der 
Hand. Einmal haben Tiere, deren Larven in allem moglichen Detritus, 
wie Baummoder, aber auch im Kote leben, die beste Moglichkeit, in 
der N&he eines Wirtes aufzuwachsen. Was die Flohe als Ektoparasiten 
vor manchen anderen ausaeichnet, ist, daB sie bis auf wenige, offenbar 
neue Formen typische Nestparasiten sind, deren Brut im Lager oder 
Nest des Wirtes, z. B. menschlichen Zimmer, lebt und daB sie daher 
im allgemeinen Tieren nicht zukommen, die kein Heim haben. Diese 
Eigentumlichkeiten lassen sich gerade aus der koprophagen Lebensweise 
vieler Staphyliniden-Larven wohl erklaren. Dann haben wir auch Bei- 
spiele vom Parasitieren bei den Staphyliniden selbst im Felle von 
Saugetieren, der beste Beweis, daB bei ihnen ein Uebergang zum 
Schmarotzertum leicht moglich ist. Auch dflrften die schmarotzenden 
Familien der Platyp sy llidae und Leptinidae sich aus demselben 
Verwandtschaftskreis entwickelt haben. 

So ergibt sich, daB die Flohe ihren Ursprung in der Familienreihe 
der Staphylinoidea unter den Kafern haben, womit aber nicht sicher 
behauptet werden soil, daB sie aus den Staphyliniden selbst und viel- 
leicht gar aus deren Unterfamilie Oxytelinae s. 1. entsprungen sind. 

Semenov hat 1004 ,,Zur Frage der systematischen Steilung der Flohe“ in 
Revne Russe d’Entomol. T. IV, geschrieben und, da er Koleopterologe ist, liegt die 
Yermutuug nahe, daG er zu ahnlichen Anschauungen gekommen ist, wie die hier 
niedergelegten. Leider ist seine kurze Sehrift, da ganz russisch, fiir mich inhaltlich 
nicht zugaDglich. 

7) Was folgt aus dieser ErkenntnisV 

a) Sollen wir die Flohe nun deswegen in die Staphylinoidea 
einreihen ? 

«) Es l£Bt sich nicht verkennen, daB sie in ihrem Habitus und 
vielen Organisationseigentiimlichkeiten sich so sehr besondert haben, 
daB doch eine solche Sammelgruppe den Eindruck des inhomogenen 
machen wtirde. DaB die genaue Steilung dieser Tiere so lange streitig 


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220 Centralbl. f. Bakt etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 

bleiben konnte, beweist am besten, wie groB die Abweichungen von den 
typischen Kafern sind. Nimmt man flugellose Insekten mit saugenden 
Mundwerkzeugen in die Kafer auf, so wird man die Ordnung nur noch 
schwer definieren konnen. Weil ich es nun als einen Abweg ansehe, 
das System zu einem Ausdruck der Blutverwandtschaft machen zu wollen, 
und der Meinung bin, daB es stets ein Ausdruck der Formenverwandt- 
schaft gewesen ist und bleiben muB, scheinen mir die Besonderheiten 
der Flohe, wenn es selbst gelange, sie aus einer Kafertribus abzu- 
leiten, doch ihre Stellung als gesonderte Unterordnung rechtfertigen zu 
mtissen. 

p) Halte ich mithin die Wertigkeit der Flohe sozusagen nach auBen 
fur betrachtlich, so kann man im Inneren der Gruppe doch nur fest- 
stellen, daB die Einheitlichkeit eine ungeheure ist, eine viel groBere als 
etwa in der Unterfamilie der Oxytelinae. Es beweist daher einen 
Mangel an AugenmaB, wenn man die Flohe auf mehrere Unterordnungen, 
Sektionen usw. verteilen will. Man kann sie auf keine Weise zu mehr 
als zu einer Familie aufblasen, ja, schon die Verteilung auf mehrere 
Unterfamilien scheint Gleichartiges zu weit zu trennen. Immerhin mag 
man sagen, daB bei den Sarcopsyllen Anlaufe zu weiteren, von dem 
Haupttrupp rasch abfiihrenden phyletischen Bewegungen vorliegen, so 
daB man diese als eine Unterfamilie ansehen mag. Die iibrigen sind 
sicher nicht mehr als eine noch dazu sehr einheitliche Unterfamilie. 

Im ganzen wiirden wir uns also die systematische Stellung der 
Flohe so denken, daB sie eine Unterordnung der Kafer: Aphaniptera 
sind, die zwar aus den Staphylinoidea hervorging, aber wohl gut 
als gesonderte Unterordnung, ebenso wie die Stylo pi dae, am Schlusse 
der echten Kafer abgehandelt wird. Die Unterordnung Aphaniptera 
umfaBt nur die eine Familie Pulicidae. 

b) Ueber Einteilung der Puliciden maBe ich mir naturlich kein 
Urteil an, das kann nur der Fachmann haben. Eines aber wird ihm 
wichtig fur die Wertung der Merkmale sein. Der Punkt, von dem wir 
ausgingen, ist jetzt ganz klar. Ein Caput fractum ist nichts Urspriing- 
liches, es ist weiter nichts als das Extrem in der Anordnung von Fuhlern 
und Fuhlergruben. Die Fiihler linden in den Fuhlergruben dadurch Platz, 
daB ihr Ursprung gegen die Mittellinie oder, was dasselbe ist, gegen den 
Riicken hin verschoben wird und gleichzeitig die FiihlergeiBel verkiirzt 
wird. Wo dieselbe ziemlich lang blieb, muBte der VerschiebungsprozeB 
am weitesten gehen, und die Folge war, daB sich die Fuhlergruben von 
beiden Seiten in der Mittellinie bertihrten und ein Caput fractum er- 
zeugten. DaB die nebenbei gewonnene Elastizitat des Buges Vorteii 
bieten mag, laBt sich denken. 

Da aber die Verlagerung des Fiihlergrundes gegen den Rticken in 
der Richtung der Entwicklung des Flohtypus iiberhaupt liegt, ist zwar 
die wenigst entwickelte Fflhlergrube als monophyletisch primitiv auf- 
zufassen moglich, die hbchsten Grade werden aber vielleicht nicht in 
einer Reihe erreicht sein, sondern die Endstadien verschiedener paralleler 
Entwicklungsreihen bilden. Dazu werden Formen, die es gerade in 
Rticksicht auf die Ffihlerverkiirzung besonders weit gebracht haben, also 
in dieser Richtung hochspezialisiert sind, nicht zur Bildung eines Caput 
fractum neigen. Dieses gegenseitige Verhaltnis zweier Spezialisierungs- 
prozesse ist ein lehrreiches Beispiel fur zweifellos weit verbreitete Dinge, 
die aber nicht immer so einfach zu iibersehen sind. Von dem Ueber- 
wiegen des Einflusses eines Caput fractum auf die systematische Anord- 


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nung der Flohe muB sich der Systematiker also frei machen, wenn er 
natflrliche Verwandtschaftskreise zusammen haben will. Fiir den Nicht- 
Flohspezialisten bleibt jedoch vorerst nichts weiter iibrig, als die Ein- 
teilung von Oudemans als die iibersichtlichste zurzeit vorhandene zu 
verwenden, bis unter Beriicksichtigung der hier gewonnenen sicheren 
Grundlagen geprflft ist, ob sein System nicht jetzt in ein noch besseres 
weiter entwickelt werden kann. 

Die Wertung der einzelnen Gruppen muB aber stark herabgesetzt 
werden, damit das Flohsystem nicht zu sehr mit dem der ubrigen Insekten 
disharmoniert. 

c) Ein wichtiger Punkt aus der Lebensweise der Flohe erreicht hier 
nun wohl Klarung. Wie kommt der Pestbazillus aus dem Magen des 
Flohes in seinen Wirt? 

Bei Dipteren miifiten wir an eine aktive Wanderung glauben. Bei 
ihnen ist es ja nur der Inhalt des Kropfes, der erbrochen wird. Bei 
vielen Kafern dagegen kommt eine sogenannte extraintestinale Ver- 
dauung vor, bei der der Magensaft dem Beutetier eingespritzt und es 
vor den Mundwerkzeugen des Angreifers groBenteils verflussigt wird. 
Diese, bei niederen Kafern haufige Einrichtung, ist ermoglicht durch die 
Einrichtungen im hinteren Teile des Vorderdarmes, welche die groBeren 
Nahrungsteile im Magen zuriickhalten. Es liegt also nahe, daB die Flohe 
die alte Angewohnheit der Kafer beibehielten, Magensaft beim Stechen 
in die Wunde zu entleeren. DaB dann bei der Kleinheit der Blut- 
kdrperchen ein auBerordentlich enger Filterapparat notwendig war, wie 
er auch tatskchlich geschaffen ist, wird verstandlich. Ist auch die Frage, 
wie der Pestbazillus in die Wunde kommt, an sich eine solche der 
tatsachlichen Beobachtung, so befriedigt es doch, einen phylogenetischen 
Zusammenhang zu sehen, der den ganz verschiedenen Infektionsmoglich- 
keiten durch einen Floh und einen Zweifliigler zugrunde liegen kann. 


Literatnr. 

1) Euscher, Das Chitinskelett von Dytiscus marginalia. [Inaug.-Diss.l Marburg 
1910. — 2) Ganglbauer, Die Kafer von Mitteleuropa. Bd. 2. Wien 1895. 

3) Kuhnt, Illustr. Bestimmungstabellen der Kafer Deutschlands. Stuttgart 1912. — 

4) Landois, Anatomic deH Hundeflohs (Pulex canis Dugfcsl. I 860 . — 5) LasB,Bei- 
trage zur Kenntnis des histologisch-anatomischen Baues des weiblichen Hundeflohs 
(Pulex canis Dugfes s. Pulex serraticeps Taschenberg). (Zeitschr. f. Zool. Bd. 79. S. 73.) 
— 6 ) Oudemans, Neue Ansichten liber die Morphologic des Flohkopfes, sowie iiber 
die Ontogenie, Phylogenie und Systematik der Flohe. (Novit. Zool. 1909. No. 16. 
p. 133—158.) — 7) Rothschild, Zahlreiche Arbeiten in Novit. Zool. — 8 ) Verhoff, 
Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Koleopteren und iiber die phylo- 
genetische Bedeutung desselben. (Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 117. 1918. S. 130.) = 9) 
Cholodkowsky, Zur Beurteilung der systematischen Stellung der Puliciden. (Zool. 
Anz. Bd. 43. 1914. S. 555.) 


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222 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


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Naehdruek verboten. 

Ueber die Vucinfestigkeit der Staphylokokken nnd itire 
Beziehung zum Staphylolysin. 

[Aus dem Hygienischen iDStitut der Universitfit in Basel 
(Vorsteher: Prof. Dr. R. Doerr)J. 

Von Tomosuke fflayeda (aus Tokio). 

Die Mfiglichkeit einer Resistenzerbfihung von Bakterien gegenuber 
Desinfektionsmitteln durch wiederholte Zfichtung auf Nahrboden, denen 
die betreffenden Desinfektionsmittel in geringerer Menge zugesetzt werden, 
ist wohl bekannt. 

K osiakof f hat geseheu, daft Milzbrandbazillen und einige saprophytische Bak¬ 
terien, die in einer mit geringen Mengen von Desinfektionsmitteln versetzten Bouillon 
geziichtet wurden, gegen eine grofiere Menge des verwendeten Desinfektionemittela re- 
sistent waren, als vorher. Auf ahnliche Weise hat Trambusti eine Gewbhnung von 
Staphylokokken an Sublimat festgestellt, Morgenroth und Kaufmann haben nach- 
gewiesen, daft durch Optochineinspritzung in mit Pneumokokken infizierten Mausen 
schon in 8 Tagen und mit 4 Passagen eine Arzneifestigkeit der Pneumokokken gegen¬ 
uber Optoehin zu erzielen ist. Altmann und Rautn konBtatierten eine Gewohnung 
von Bakterien an Phenol, Masson eine solche an Sublimat, Kupfersulfat, Resorcin 
und Salizylsaure. Letzterem ist dabei aufgefallen, dad die so erworbene Resistenz ohne 
erkennbare Ursache nach einiger Zeit wieder verloren geht und in einzelnen Fallen 
sogar einer gewissen Ueberempfindlichkeit Platz macht. Bekannt ist der von Ehrlich 
erbrachte iS’achweis der kiinstlichen Arsenfestigkeit der Trypanosomen, die aus mit 
Atoxyl behandelten Tieren stammen. Auch bei den Ehrlichschen Versuchen wurde 
zuweilen ein plotzliches Nachlassen der Giftfestigkeit, ja sogar gelegentlich eine aus- 
gesprochene Ueberempfindlichkeit beobachtet. Marks berichtet, daS es ihm im Ver- 
laufe von 3 Jahren gelungen sei, einen Paratyphusstamm an das 8-fache der vorher 
keimtdtenden Dosis arseniger Saure zu gewohnen. Seiffert hat beobachtet, dafl 
Colistamme durch mehrmalige Zuchtung in Malachitgriinagar auch bei 10-fach hoherer 
Malachitkonzentration als urspriinglich gedeihen konnten. Ha end el und Baerthlein 
konstatierten bei Typhus- und Paratyphusstammen eine bedeutende Gewohnung an 
salzsaures Chinin. Shiga konnte Choleravibrionen gegen Farbstoffe (Methylenblau u. a. 
schnell und in hohem Grade festigen. Regen stein gelang es im Verlaufe von etwa 
2'L Monaten, Staphylokokken an Phenol zu gewohnen. Abbott konnte bei 2 Staphy- 
loKokkenstammen eine erhohte Widerstandsfahigkeit gegen Sublimat, Phenol und Natrium- 
karbonatlosungen dadurch erzielen, daft er die Einwirkungsdauer des Desinfiziens auf 
die Bakterien allmahlich verlangerte. 

Im Sinne dieser Versuche war es von Interesse, das Verhalten 
eines in der modernen Chirurgie viel gebrauchten, halbspezifischen Des- 
infektionsmittels, des Vucin (Isoctylhydrocuprein bihydrochloricum) zn 
studieren und zu untersuchen, ob Staphylokokken sich an Vucin 
gewbhnen, d. h. also mehr oder weniger vucinfest werden konnen, 
und wie sich solche etwa vucinfest gewordene Stamme 
den Ausgangsstammen gegenuber verhalten. 

Um die Widerstandsfahigkeit der Staphylokokken gegen Desinfektions¬ 
mittel zu priifen, haben Regenstein, Abbott u. a. die Mikroorga- 
nismen in mit einer kleinen Menge von Desinfektionsmitteln gemischter 
Bouillon kultiviert und im Laufe der Passagen die Konzentration der 
Desinfektionsmittel allm&hlich erhoht. Die Arbeiten der meisten Autoren 
fiber die Giftgewohnung von Bakterien sind nach diesem Prinzip aus- 
geffihrt. Es kann damit aber nur die das Bakterienwachstum hemmende 
Konzentration bestimmt werden. Zur Ermittlung der keimtotenden 
Konzentration mufite ein anderer Weg eingeschlagen werden. 



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224 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88 . Heft 3* 
Tabelle 1. 


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Widerstandsfahigkeit 
der Vucinstamme 
bei der 


1 . Passage 

3 . 

4 - 

5 - 


6 . 

7 . 

8 . 

9 . 

10 . 
11 . 
12 . 






Zahl der Vucinpassagen 
Experimentdauer (Tage) 
Grofite Widerstandsfahigkeit bei 
Vuciustammen 

GroSte Widerstandsfahigkeit bei 
Normalstammen 
Vergleichung beider Stamme 


1 

2 

3 

4 

5 

« 

7 

8 

9 

10 


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Q 

12 

5 

7 

9 

12 

8 

10 

6 

10 

8 

8,7 

54 

28 

42 

49 

51 

49 

48 

48 

44 

40 

45,3 

V, 

V, 

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'It 

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V. 

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7. 

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V. 

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Vb 

'It 

7,-bo 

2,5 

2,0 

1,5 

2,5 

10,0 

2,0 

6,0 

6,7 

3,0 

2,0 

2,52 


gewisse Grenze, die vielleicht nicht so weit von derjenigen der Tab. 1 
(1:300 Vucin) liegt, an Vucin zu gewohnen. Eine ahnliche Ansicht 
haben Shiga u. a. gekuBert. 

Die F&higkeit, sich an hbhere Vucinkonzentration zu gewbhnen, 
scheint je nach dem Staphylokokkenstamm ziemlich verschieden zu sein. 
So zeigte Stamm 6 trotz 8-maliger Vucinpassage keine Gewohnung daran; 
Stamm 1 gewohnte sich ebenfalls nur schwach daran. 

Aus der Tabelle geht ferner hervor, daB ab und zu die Widerstands¬ 
fahigkeit der Staphylokokken unerwartet abnimmt. Ein Stamm, der z. B. 
bei der vormaligen Passage eine Vucinkonzentration von 1:2000 ertrug, 
kann bei der folgenden nur die Konzentration von 1:3000 ertragen, ein 
Umstand, der es notig macht, daB man immer 3 verschiedene Vucin- 
mengen mit jeder Probe mischt. Stamm 9 ist hierfiir ein gutes Bei- 
spiel. Dieses Verhalten bei Staphylokokken entspricht ganz den Er- 
fahrungen bei anderen Mikroorganismen und Desinfizientien, die M a s s o n, 
Ehrlich, wie bereits erwahnt, mitgeteilt haben. Im ganzen wurden 
die 10 Staphylokokkentamme 5—12 (durchschnittlich 8,7) mal in 28—54 
(durchschnittlich 45,3) Tagen umgezuchtet. Dadurch konnte die maximale 
Widerstandsfahigkeit gegen Vucin von 1:10000-1:2000(durchschnitt- 
1 i c h 1 : 3800) auf 1:5000-1: 300 (durchschnittlich 1:1510) gebracht 
werden, d. h. die Stamme konnten durch diese Manipulation etwa 2,5- 
fach resistenter gegen Vucin gemacht werden. 

Ueber die durchschnittliche Widerstandsfahigkeit der Staphylokokken 
gegen Vucin liegen Angaben von Morgenroth vor, wonach Staphylo¬ 
kokken nach reichlicher Aussaat in Ascitesbouillon bei Korpertemperatur 
innerhalb 24 Std. durch eine mittlere Konzentration des Vucins von 
1: 80 000—1:40 000 vollig abgetotet werden. Mit dieser Angabe ver- 
glichen, ist die unter den hier gewahlten Versuchsbedingungen beob- 
achtete maximale Vucinkonzentration bedeutend starker. 

Es erhob sich nun die Frage, ob die in der erwahnten Weise er- 
haltene vermehrte Widerstandsfahigkeit der Staphylokokken streng spe- 
zifischer oder unspezifischer Natur ist. 



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Mayeda, Vucinfestigkeit d. Staphylokokk. u. ihre Beziehung z. Staphylolysin. 225 


Marks berichtet, daB der kiinstlich arsenfest gemachte Paratyphusstamm auch 
gegenuber Antimon eine erhShte Resistenz aufweist. Nach Regenstein erweist sich 
der an PheDol gewohnte Staphylokokkenstamm entsprechend resistenter als der Normal- 
stamm nur gegenuber den allernachsten Verwanatcn des Phenols, namlich Kresol, 
Zinc, sulphocarbolicum etc. Dagegen ist seine Resistenz gegenuber der des Normal- 
starames Dei den zweiwertigen Phenolen, Formaldehvd, Methyl-, Aethvlalkohol etc. gar 
nicht oder nur unwesentlich erhokt. Haendel und Baerthlein haben nachgewiesen, 
daB sich die gegen salzsaures Chinin erworbene Festigkeit von Typhus- und Paratvphus- 
stammen auch auf andere Chinapraparate in verschiedenem Grade erstreckt. Shiga 
sagt, daB sich die durch Behanalung mit einem gewissen Farbstoff — wie Methylen- 
blau — resistenter gewordenen Cholerastamme auch gegenuber anderen Farbstoffen 
mehr oder weniger resistent erweisen, wobei aber ein erheblicher Grad quantitativer 
Spezifitat besteht. 

Es wurde daher bei alien den oben erwahnten Stammen, die durch 
Vucinpassage resistenter als Normalstamme geworden waren, neben der 
Widerstandsfahigkeit gegen Vucin auch die Widerstandsfahigkeit gegen 
Sublimat in folgender Weise gepriift. Von alien Vucin- und Normal- 
stammen wurden 24-sttind. Bouillonkulturen gemacht und mit Sublimat 
im Verhaltnis von 1: 3000 gemischt. Nach Verlauf von 10 Min., 30 Min., 
1 Std. und 4 Std. wurde eine Agarkultur von jeder dieser Mischungen 
angelegt und beobachtet, ob etwaige Keime noch fortpflanzungsf&hig 
geblieben sind (Tab. 2). Wie schon von Kroenig und Paul ange- 
geben, wird die Sublimatwirkung durch Vorhandensein von Kochsalz 
vermindert, aber bis zur Sublimatkonzentration von 1 :1000 ist eine 
derartige Wirkung kaum nachweisbar. 


Tabelle 2 (Ablesung 3 Tage nach der Beimpfung). 
1. Normalstamme. 



1 

l 2 l 

I 3 " 

4 

5 

6 

7 

I 8 ’ 

9 

,10 

Dauer der 
Sublimat- ' 
einwirkung 

[ 10 Min. 

' 30 ,. 

1 1 Std. 

1 4 „ 

+ 

+ 

+ 

0 

+ 

+ 

+ 

0 

+ 

+ 

+ 

0 

0 

0 

0 

0 

+ 

+ 

0 

o 

+ 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

+ 

0 

0 

0 

0 

0 

0 


2. Vucin s tarn me. 



1 

2 

»u 

5 

6 

7 

8 9 

10 

Dauer der 
Sublimat- ' 
einwirkung 

1 10 Min. 
'30 „ 

1 1 Std. 

1 4 „ 

+ 

+ 

+ 

0 

+ 

+ 

+ 

0 

+ 

+ 

1 “t" 
o 

+ 

+ 

0 

0 

+ 

+ 

0 

0 

+ 

+ 

+ 

0 

+ 

+ 

+ 

0 

+ 

+ 

+ 

0 

+ 

+ 

+ 

o 

+ 

+ 

+ 

0 

Zahl der Vucinpassagenj 

11 

4 

5 

7 

10 

6 8 4 

8 6 


In Tab. 2 sieht man, daB sich die Normalstamme 4, 6, 7, 8, 9 und 
10 Sublimat gegeniiber weniger widerstandsfahig als die daraus herge- 
stellten Vucinstamme erwiesen. Dieser Gegensatz war besonders bei 
Nr. 7 und 8 deutlich ausgepragt, weil die beiden als Normalstamme 
urch die Sublimatkonzentration von 1:3000 schon in 10 Min. vollig 
bgetStet wurden, wahrend die entsprechenden Vucinstamme die Ein- 
wirkung bis zu 1 Std. gut ertrugen und erst nach 4 Std. steril waren. 
Bei diesen Stammen konnte man sagen, daB die durch Vucinpassage 
erhOhte Widerstandsfahigkeit nicht dem Vucin spezifisch, sondern viel- 
mehr allgemeiner Natur ist. Dagegen sieht man bei den Stammen 1, 
2, 3 und 5, daB die Normal- und Vucinstamme die gleiche Sublimat- 
widerstandsfahigkeit zeigen, obwohl ihre Vucinwiderstandsfahigkeit be¬ 
sonders bei Stamm 5 deutliche Unterschiede zeigt. Bei diesen Stammen 
mdBte man die Spezifitat der Vucinfestigkeit annehmen. 

Errte Abt. Orlg. Bd. 88. Heft 3. 15 


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226 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


Derselbe Versuch wurde nochmals wiederholt und zeitigte fast die 
gleichen Resultate. Folglich ist nicht mit Sicherheit zu bestim- 
men, ob die durch Vucinpassage erhohte Resistenz dem 
Vucin spezifisch ist oder nicht. Ich muB nur darauf aufmerk- 
sam raachen, daB gegen Sublimat viele Vucinstamme resi- 
stenter als Normalstamme, dagegen kein Normaistamm 
resistenter als ein Vucinstamra war. AehnlicheResultate 
erhielt ich auch mit Optochin. 

Das veranderte Verhalten mancher vucinfester Stamme gegenuber 
Sublimat und Optochin forderte dazu auf, zu prilfen, ob auch andere 
Eigenschaften der Staphylokokken durch das Vucinfestwerden eine Ver- 
Bnderung erfahren. DaB mit dem Arzneifestwerden tiefgreifende Verande- 
rungen einhergehen kbnnen, lehren manche Beobachtungen, am eklatan- 
testen vielleicht ein Befund von Altmann und Rauth, wonach ein an 
Phenol angepaBter Coli-Stamm nicht mehr durch ein Immunserum 
beeinfluBt wurde, welches auf den Ausgangsstamm spezifisch wirkte. 

Eine der markantesten funktionellen Eigenschaften der pyogenen 
Staphylokokken ist das Vermogen zu rascher Hfimolyse. Auf diese 
Eigeuschaft wurden die Untersuchungen zuerst ausgedehnt. 

Die pyogenen Staphylokokken bilden bekanntlich Gift — Staphylotoxin —, das 
hauptsachlich aus 2 Bestandteilen, namlich Staphylolysin und Leukozidin besteht. Das 
LeuKozidin wurde von van de Velde entdeckt und soli nach jenem Autor den sapro- 
phytischen Staphylokokken fehlen. Das Staphylolysin lost die Erythrozyten auf und 
wird als das wichtigste Merkmal der Pathogenitat der Staphylokokken angesehen. 
Nach NeiBer und Wechsberg gehort das Staphylolysin derselben Kategorie von 
Korpern an wie Tetanolysin und Diphtherietoxin, insofern als es kein Kom piemen t zur 
Hamolyse bendtrgt. Noguchi glaubt, daB alle Bakterien, die auf Grund der Agglu¬ 
tination als pathogen beooachtet werden, Hamolysin bilden, wiihrend die Bakterien, die 
auf Grund der Agglutination als saprophytisch angesehen werden, keine Hamolyse 
zeigen. Nach Geifie bildet die Mehrzahl der saprophytiBchen Traubenkokken auf 
Kaninchenblutagar gleichfalls Hamolysin. Diese Erscneinung tritt aber bei den apatho- 
gencn Stammen langsamer — oft erst nach 3 Tagen — ein und ist ungleich schwacher. 

Das Hamolysierungsvermogen der Staphylokokken ware am ein- 
fachsten mittels der Schottmiillerschen Blutagarplatte zu priifen. Die 
damit erhaltenen Resultate sind aber, je nach der Blutkonzentration, 
Agardicke etc., zu verschieden, um sichere quantitative Vergleiche zu 
ziehen. Oppenheimer hat eine 24-stiind. Agarkultur (in Kolleschen 
Schalen mit 10 ccm physiol. Kochsalzlosung aufgeschwemmt) nach 
kurzem Stehen bei Zimmertemperatur abzentrifugiert, die iiberstehende 
FlUssigkeit mit 10-proz. Karbolsaure (Karbol 10, Glyzerin 20, Aqua 
dest. 70) auf 0,5-proz. KarbolsBuregehalt gebracht und auf Hamolysin- 
gehalt mit Kaninchenerythrozyten untersucht. NeiBer und Wechs¬ 
berg haben auch bei der HSmolysinuntersuchung ebenfalls 0,5-proz. 
Karbolsaure fiir die Verhiitung des weiteren Bakterienwachstums ver- 
wandt. Ich wollte diese Versuche in derselben Weise anstellen, aber, 
weil die oben erwShnte Mischung, mit physiol. Kochsalzlosung auf 
KarboMuregehalt 0,5 Proz. verdiinnt, ziemlich deutliche Hamolyse her- 
vorrufen kann, habe ich iiberhaupt auf die Karbolsauremischung ver- 
zichtet. 

Das Kaninchenblut ist fur die hamolytische Untersuchung des Sta- 
phylolysins am empfindlichsten und folglich am geeignetsten. 

Nach NeiBer und Wechsberg sollten die Erythrozyten von ver- 
schiedenen Kaninchen den HBmolysinen gegenuber verschieden empfind- 
lich sein, ein Umstand, der sich nach Madsen dadurch erklaren laBt, 
daB der Gehalt an resistenteren und empfindlicheren Erythrozyten indi- 



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Mayeda, Vucinfestigkeit d. Staphvlokokk. u. ihre BeziehuDg z. Staphylolysin. 227 

viduell verschieden ist. Daher habe ich bei diesen Versuchen nur Ery- 
throzyten eines and desselben Kaninchens gebraucht. 

Die Versuche warden folgendermaBen gestaltet: 

Von den Vucin- und Normalstammen wurden 24-stund. SchrSgagar- 
kolturen in grSBeren Eprouvetten bereitet, die Rasen mit 13 ccra physiol. 
Kochsalzlosung aufgeschwemmt und stark abzentrifugiert. Die flber- 
stehende FlQssigkeit, die noch ziemlich viele Kokken enthielt und triib 
war, wurde in den Mengen von 2,0, 1,5, 1,0, 0,8, 0,5, 0,3, 0,2, 0,1 und 
0 ccm in Eprouvetten verteilt; deren ganze Menge wurde dann mit 
physiol. KochsalzlSsung auf 2 ccm gebracht. Nun erhielt jede Eprou- 
vette 0,4 ccm 5-proz. Aufschwemmung von gewaschenen Erythrozyten 
eines Kaninchens und wurde dann 1,5 Std. Tang in den Brutschrank 
gestellt. Nach weiterem mehrstundigen Stehen bei Zimmertemperatur 
wurde die eventuell aufgetretene Hamolyse untersucht. Die kleinsten 
Mengen von Kulturfliissigkeit, die eine sichtbare Hamolyse hervorriefen, 
waren folgende: 


Tabelle 3. 



1 1 


D 

d 


6 

D 

8 

9 

10 

1 

Normalstamme 

0,1 

0,5 

1,0 

0,3 

0,5 

1,5 

0,1 

0,3 

1,0 

1,5 

Durch- 

Vucinstamme 

1,0 

1,5 

1,0 

0,8 

2,0 

2,0 

i,5 

2,0 

2,0 

2,0 

schnitt 

Vergleich der hamolyti- 












schen Fahigkeiten 

10,0 

3,0 

1,0 

2,7 

4,0 

1,3 

15,0 

6,7 

2,0 

1,3 

4,7 

Zahl der Vucinpassagen 

11 

4 

5 

7 

1° i 

6 

8 

4 

8 

6 

6,9 


Diese Tabelle zeigt, daB die h&molytische Wirkung der 
VucinsUmme ausnahmslos schwacher, und zwar durch- 
schnittlich 4,7-fach so schwachist, wie die der Normal- 
stamme, wenn man die ersten Spuren von Hamolyse abliest. Bei 
den hoheren Konzentrationen, wobei noch starkere Hamolyse auftritt, 
bestehen ahnliche Verhaitnisse, die ich hier nicht erwahne. Die ver- 
minderte hamolytische Wirkung der Vucinstamme war gewohnlich schon 
nach einigen Vucinpassagen gleichzeitig mit der Steigerung der Vucin¬ 
festigkeit zu bemerken. 

Neben der unspezifischen Resistenz und dem Haemolysierungs- 
vennogen wurde auch noch das Gelatineverfliissigu n gsverinogen 
durch Vucin- und Normalstamme verglichen. Es wurden Stichkulturen 
in Gelatinerohrchen angelegt und nach 12 Tage langem Aufenthalt in 
einem dunklen Schrank die H6he der Verflflssigungsschicht abgelesen, 
ie in der folgenden Tabelle niedergelegt ist: 


Tabelle 4. 



1 1 

2 

3 

4 1 

5 | 6 

7 

8 

9 

i 10 


Normalstamme 

Vucinstamme 

Zahl der Vucinpassagen der 
Vucinstamme 

5,0 

2,0 

10 

3,8 

2,5 

3 

Kontrolle 

verloren 

5,0 

2,0 

6 

2,5 

2,0 

10 

1,0 

0,5 

6 

QO^CO 

of r-T l> 

3,0 

1,0 

4 


1,0 

0,3 

6 

Durch- 

schnitt 

Verglcich der Gelatine- 
verflQsaigung 

1,3 

2,5 | 


2,5 

1,3 

2,0 

2,2 

3,0 

11 

i,o 

>* 

3,3 

2,1 


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228 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


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Man sieht sehr deutlich, daB die Gelatineverfliissigung bei Normal- 
stammen viel starker als bei Vucinstammen ist, und zwar 1—3,3-fach, 
durchschnittlich 2,1-fach starker. Die Gelatineverflussigung war besonders 
schwach bei den Stammen 6 und 10. Es ist bemerkenswert, daB diese 
beiden Stamme, besonders der Stamm 6, ganz schwache Widerstands- 
fahigkeit gegen Vucin zeigte (vgl. Tab. 1). 

Abott fand, daB bei den gegen Desinfektionsmittel resistenter 
gewordenen Staphylokokkenstammen das Gelatineverflussigungsvermogen 
sich aufs 100-fache steigerte. Meine Versuche zeigten also das um- 
gekehrte Verhaitnis. Nach Geisse ist die Gelatineverflussigung bei 
alien Staphylokokkenstammen zu finden, geht aber viel langsamer bei 
apathogenen Stammen vor sich. 

Um die Dauer der Vucinfestigkeit zu ermitteln, wurde Stamm 1 
nach der 10. Passage auf Vucinnahrboden und Stamm 7 nach der 
4. Passage auf vucinfreiem, gewohnlichem Agar weitergeziichtet. Nach 
lOmaliger Ueberimpfung innerhalb von 10 Tagen war die Vucin¬ 
festigkeit noch nicht vermindert. Gleichwohl ist analog den Erfahrungen 
bei anderen Arzneifestigkeiten (siehe z. B. bei Re gen stein) anzu- 
nehmen, daB die erhohte Widerstandsfahigkeit der Staphylokokken gegen 
Vucin nur einen vorubergehenden Anpassungszustand darstellt. 

Zusammenfassung. 

1) Bei 10 pathogenen Staphylokokkenstammen konnte die maximale 
Widerstandsfahigkeit gegen Vucin, d. h. diejenige Vucinkonzentration, in 
welcher die Kokken nach 24-stund. Verweilen noch teilweise fortpflanzungs- 
fahig bleiben konnten, von 1:10 000— 1: 2000 (durch sch nittlich 
1:3800) durch 5—12- (durchschnittlich 8,7-)malige Vucinpassagen in 
28—54 (durchschnittlich 45,8) Tagen auf 1:5000 — 1 :300 (durch¬ 
schnittlich 1:1510) gebracht werden. 

2) Die Fahigkeit, sich an hohere Vucinkonzentration zu gewohnen, ist 
je nach dem Staphylokokkenstamm ziemlich verschieden. Auch bei einem 
und demselben Stamm kann die Widerstandsfahigkeit wahrend der Ver¬ 
suche ohne nachweisbare Ursache eine Abnahme zeigen. 

3) Die durch die Vucinpassage erhbhte Widerstandsfahigkeit der 
Staphylokokken scheint bei einigen Stammen spezifisch auf Vucin be- 
schrankt, bei den anderen aber vielmehr allgemeiner Natur zu sein. 

4) Die Vucinstamme zeigen schon nach einigen Vucinpassagen eine 
verminderte Staphyloly sin bildun g. Gegen Ende meiner Versuche 
war sie 1,0-10,0- (durchschnittlich 4,7-)fach vermindert im Vergleich 
mit den Normalstammen. 

5) Das Gelatineverflussigungsvermogen der Staphylokokken wird im 
allgemeinen durch Vucinpassage vermindert. 

6) Die durch die Vucinpassagen erhohte Widerstandsfahigkeit der 
Staphylokokken gegen Vucin ist nicht leicht durch taglich fortgesetzte 
Weiterzuchtung auf gewohnlichem Agar aufzuheben. 



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URBANA-CHAMPAIGN 



van Riemsclijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator usw. 229 


Iiiteratnrveraeiclmia. 

Abott, Journ. of. med. Res., Vol. 26. 1912. — Altmann u. Rauth, Zeitschr.f. 
Immunit.-forsch. Bd. 7. 1910. — Cromer u. Neumann, D. med. Woch. 1911. — 
Ehrlich, Berl. klin. Woch. 1907. — Geisse, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 79. 1913. — 
Haendel u. Biirthlein, Cbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. 57. Beih. 1913. — Kohne, 
Zeitschr. f. Immunit.-forsch. Bd. 20. 1914. — Kossiakoff, Ann. de l’lnst. Pasteur. 
T. I. 1887. — Marks, Zeitschr.f. Immunit.-forsch. Bd. 10. 1910. — Masson, C. r. 
Acad, science. T. 150. 1910. — Morgenroth u. Kaufmann, Zeitschr. f. Immunit.- 
forsch. Bd. 15. 1912. — Neisser u. Wechsberg, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 36. 1901. — 
Noguchi, Arch. f. kl. Chir. Bd. 96. 1911. — Oppenheimer, Col. f. Bakt. Abt. I. 
Orig. Bd. 59. 1911. — Regenstein, Ibid., Abt. I. Orig. Bd. 63. 1912. — Seiffert. 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 71. 1912. — Shiga, Zeitschr. f. Immunit.-forsch. Bd. 18. 1913, 
Trambusti, ref. Cbl. f. Bakt. Bd. 13. 1893. 


Haehdruck verboten. 

Ueber einen neuen, einfacben Sauerstoffindikator fur die 
Ziichtung von anaeroben Bakterien und die Kultur von 
Anaerobionten im allgemeinen’). 

[Aus dem Hygienisch-Bakteriologischen Laboratorium der Amsterdamer 
UniversitSt (Direktor: Prof. Dr. R. H. Saltet).] 

Von M. Tan Riemsdijk, Assistentin am Institut. 

Mit 10 Abbildungen im Text. 

Der von mir konstruierte, genau austitrierte und standarisierte Sauer¬ 
stoffindikator ist so empfindlich, daB mit ihm selbst minimale Spuren 
von O angezeigt werden. 

Die Kultur von Anaerobionten ist nicht einfach und die Methoden 
sind besonders komplizierte. In den Lehrbflchern findet man fast aus- 
schlieBlich Methoden, nach welchen entweder die Luft gfinzlich ausge- 
pampt, oder ein indifferentes Gas, N Oder H, durchgeffihrt wird. Alle 
diese Kulturmethoden haben den Nachteil, daB man damit nicht fest- 
stellen kann, ob und wann der O wirklich aus den NShrboden ver- 
schwunden und nicht wiihrend der Kultur wieder hineingekommen ist. 
Soweit mir bekannt, ist die Methode von Klein die einzige, bei der 
ein Manometer kontrolliert, ob kein Leek vorhanden ist; die wirkliche 
Abwesenheit von O in dem Apparat wird aber nirgends angegeben. 

Mein Ideal war immer, das sogenannte Stopfflaschensystem, die ur- 
sprilngliche Methode von Buchner (Pyrogallol -J- Kali), so umzu- 
arbeiten, daB sie in alien Fallen gebraucht werden kann, und zwar fiir 
Petri-Schalen, Kolben, Reagenzrfihren usw. 

Bemerkenswert ist, daB die Angaben fiber das Verhalten von Pyro- 
gallol-Kali besonders stark voneinander abweichen. Wfihrend einerseits 
festes, andererseits gelfistes Pyrogallol empfohlen wird, scheint es doch 

1) Nach einem Vortrage in der Versammlung dee Niederlandischen Vereins fur 
Mikrobiologie am 17. Dezember 1919. — Klein, Alex., Ein Apparat zur bequemen 
Herstellung von anaeroben Plattenkulturen. (Centralbl. f. Bakt Abt. I. Bd. 24. 1898. 
fcj. 967.) — Buchner, H., Eine neue Methode zur Kultur anaerober Mikroorganismen. 
(Ebenda. Bd. 4. 1888. 8. 149.) 


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URBANA-CHAMPAIGN 



230 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


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noch vollkommen unbekannt zu sein, ob und wann der 0 bei diesen 
Methoden verschwindet. Meist wird angenommen, daB dies nach 24 Std. 
der Fall ist; es wird aber kein physikalisch-chemischer Beweis erbracht, 
sondern nur die Tatsache, daB Anaerobionten sich nach dieser Zeit zu 
entwickeln anfangen. 

Liebig, der Vater dieser Metkode, gibt 3 Min. an fur die Ab¬ 
sorption des 0 aus 100 ccm Luft, wobei aber energisch geschuttelt 
werden muB. 24 Std. oder 3 Min. ist aber ein grofier Unterschied. 
Von Chemikern wurde mir denn auch ofters mitgeteilt, daB iiber die 
O-Resorptionsgeschwindigkeit verschiedener Pyrogallol-Kalimischungen 
so gut wie nichts bekannt ist. Nur ein empfindiicher Sauerstoffindikator, 
welcher mit abnehmender O-Menge die Farbe verliert, konnte hier 
Klarheit schaffen. Die vorhandenen O-Indikatoren farben sich wohl bei 
Vorhandensein von 0, entfSrben sich aber nicht, wenn 0 verschwindet 
[Reagens von Gunning] 1 ) == Ferrozyankalium + Ferrosulfat: grflne 
Farbung mit O; Pyrogallol -f- Kali = braune Farbung mit 0; Reagens 
von Schutzenberger 2 ) = Indigo Hydrosulfit gekocht, blaue Far¬ 
bung mit 0). 

Diese Reagentien mussen also abgesondert in das GefaB gebracht 
werden und nach Verlauf einiger Zeit, also ganz empirisch, zusammen 
geschuttelt werden. Bleibt die Substanz farblos, so ist kein 0, bei 
Farbung aber 0 — anwesend; 2 voneinander geschiedene Flussigkeiten in 
einem luftdicht geschlossenen GefaB mit Fliissigkeit, zusammen zu 
schutteln macht grofie technische Schwierigkeiten. 

Methylenblau empfindlich fur Sauerstoff. 

Zufailig wurde meine Aufmerksamkeit auf einen Farbstoff gelenkt, 
welcher fttr diesen Zweck ein besonders geeigneter, sehr empfindlicher 
O-Indikator ist. 

Ich versuchte, den Bac. Acnae aus Pustelinhalt auf spezifischem 
Sabouraud-Agar zu ziichten. Dieser Organismus ist ein schwacher 
Anaerobiont und braucht nur eine geringe Verminderung der O-Span- 
nung, um wachsen zu konnen. Mit diesem Organismus stellte ich nun 
Versuche mit dem Flaschensystem an, um zu erforschen, ob die „obli- 
gaten u Anaerobionten dazu brauchbar sind. Die Reagenzrohrchen wurden 
mit „Blauglasbleistift u beschrieben. Die Kultur gelang ausgezeichnet, 
und immer wieder salt ich die „blauen Buchstaben* auf den Rohrchen 
nach einigen Tagen verschwinden, beim Oeffnen der Flaschen aber 
wieder sichtbar werden, so daB in den meisten Fallen die Ziffern deut- 
lich lesbar waren. Hier hatt-e ich also, wenn auch in sehr rudimentdrer 
Form, den ersehnten gefarbten Indikator! 

Der Farbstoff des „Glasbleistiftes“ ist Methylenblau, gemischt mit 
irgendeiner fetten Substanz; moglicherweise daB diese Verbindung mit 
der O-Entziehuug, die Reduction von Blau hat veranlassen konnen. 

Ich befeuchtete nun Watte mit einigen Tropfen wasserigen Me- 
thylenblaus (bakteriologische Losung), brachte in die Stopfflasche Pyro¬ 
gallol, goB nachher KOH ein und schloB dann die Flasche sofort her- 
metisch, wonach nach mekreren Tagen die blauen Flecken sich langsam 
entfarbten und in etwa 2 Wochen ganz farblos wurden. 

1) Gunning, J. W., Ueber sauerstoffgasfreie Medien. (Journ. of prakt. Cheiu. 
Bd. 16. 1877.) 

2) Grata in a, VV. D., Onderzoek naar het gevoeligste reagens op zuurstef. Gro¬ 
ningen (P. van Zweden) 1876. 



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URBANA-CHAMPAI6N 



van Riemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator usw. 231 


Fraglich war es nun, ob eine Leukobase des Farbstoffes durch die 
Reduktion entstanden war, welche durch Oxydierung wieder entstehen 
konnte, Oder ob vielleicht unter EinfluB des Pyrogallol-KOH Oder der 
Watte Oder aber beider, die Farbstoffmolekule so sehr angegriffen waren, 
daB eine ganz andere Verbindung entstanden war. Dies konnte bald 
festgestellt werden, denn beim Oeffnen der Flasche traten die Farbstoff- 
flecke plotzlich in ihrer vollen Intensitat wieder auf, was bewies, daB 
Methylenblau O-empfindlich ist. 

Nun dr&ngte sich die Frage auf, ob es wirklich nicht 24 Std. aber 
Tage dauerte, ehe der 0 von der Pyrogallol-Kalimischung in vollkom- 
mener Ruhe absorbiert wird, oder ob dieser Indikator so aufierordentlich 
langsam wirkt, daB der 0 schon lange verschwunden ist, ehe er ihn an- 
zeigen kann, mit anderen Worten ob die Re- 
aktionsschnelligkeit dieses Indikators eine be- 
sonders langsarae ist. Es war daher wichtig, 
auf physikalischem Wege die Resorptionsge- 
schwindigkeit der verschiedenen Pyrogallol- 
Kalimischungen festzustellen. 

Zuerst versuchte ich dies mit Hinein- 
bringen eines kleinen Anaeroidbarometers in 
die Stopfenflasche, wobei ich die Menge von 
O s immer auf Vs des totalen Druckes be- 
rechnete. Durch Abziehen dieses Vs bekam 
ich dann den verlangten Druck. (Die Atmo¬ 
sphere besteht zwar aus 20,7 Proz. 0, also 
etwas mehr als Vs> aber dies konnte hier 
vernachl&ssigt werden, so daB die Berech- 
nungen viel einfacher wurden.) Diese kleinen 
Barometer erwiesen sich jedoch als vollkom- 
men unbrauchbar, da sie nicht empfindlich 
genug waren und ihren Angaben nicht ab- 
solut zu trauen war. Daher versuchte ich es 
mit einer gewohnlichen Barometerrohre in 
der Weise, daB eine Stopfenflasche damit durch 
einen nach rechts gebogenen Teil hermetisch 
verbunden wurde. Das Rohr wurde mit Queck- 
silber gefflllt und eine sehr genaue Millimeter- 
teilung hinten angebracht. In die Stopfenflasche 
von ungefahr 400 ccm Inhalt wurde eine Oeff- 
nung geschliffen, durch die eine Saugschlange 






Fig. 1. 


geschoben wurde, welche auch mit dem Barometerrohre in Verbindung 
stand. Schwer war es, eine hermetische Verbindung herzustellen, wegen des 
viel grSBeren Aufiendruckes der AtmosphSre, bis mir dies endlich durch 
Bestreichen der RSnder zwischen Kautschuk und Glas mit flussigem Kaut- 
schuk gelang, welche Losung zur Reparatur von Fahrradbandern benutzt 
wird, auBerordentlich schnell trocknet und vollkommen abschliefit. Aller- 
dings wurde durch das plStzliche SchlieBen der Flasche mit dem Stopfen 
die Luft in derselben so zusammengepreBt, daB das Quecksilber in dem 
Barometer rasch stieg. Ein kleines Loch, das durch den Stopfen ge- 
schlagen wurde, durch das das Pyrogallol + KOH gegossen werden 
konnte und das durch einen Kautschukkork sehr schnell verschlieBbar 
war, ohne daB eine Aenderung des Quecksilberniveaus herbeigeftihrt 
wdrde, half hier schnell ab. 


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232 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


Beziiglich der Pyrogallol- und Kalimenge, womit ich die Versuche 
begann, richtete ich mich ganz nach Liebigs Angaben 1 ): 

Liebigs / 1 Vol. Pyrogallol 22 Proz.| 1 ccm von dieser Losung absorbiert 
Mischung \ 5 „ KOH 60 „ / 12 ccm O, 

Bei diesem Verhaltnis wird kein CO gebildet. 


O-Resorptionsgeschwindigkeitverschiedener Pyrogallol- 
Kalimischungen, kontrolliertmit Quecksilberbarometer. 

Der Inhalt der Stopfenflasche betrug 445 ccm. Der durch diese 
spezielle Konstruktion entstandene schfidliche Raum A muB mitgerechnet 
werden, da hieraus auch der 0 absorbiert wird. 

Dieser betrug bei einem Quecksilberniveau von 75,8 = 11,22 ccm, so dafl auf l[Gas- 
volumen von: 445 

11,22 

456,22 = 457 ccm 

f erechnet werden muflte. Das vorhandene O betrug also 457 : 5 = 91,4 ccm. 1 ccm 
es Liebigscheni Gemischee war notig. um 12 ccm 0 zu absorbieren. Fur 91,4 ccm O 
braucht man also 91,4:12 = 7,7 ccm aer Mischung Pyrogallol + Kali 1:5. 

Die Menge Pyrogallol ist also gleich 7,7 :6 = 1,3 ccm Pyr. 22 Proz.\ Erst Pyr., nachhcr 
„ „ KOH „ „ 1,3><5 = 6,5 „ KOH60 „ jKOHdWgego.. 

Die versciliedenen Quecksiberniveaus (Tab. I) verursachen selbstverstandlich auch 
eine Veranderung im schadlichen Raum A. Die Unterschiede aber waren so gering 

( 76.3 = 11^85’ ^er S anze Inhalt der Flasche bedingungslos auf 457 ccm] be- 
rechnet werden konnte. 


Tabelle I. 

Kontrolle der O-Resorptionsgeschwindigkeit verschiedener Pyrogal- 
lol-Kalimischungen mit dem Quecksilberbarometer. 
Stopiflasche von 457 ccm Inhalt. 


Liebigs 

Mischung 

Minuten 

2.47 
2,55 

3- 
3,15 
3,30 

3.47 

4- 


A 

22 Proz. Pvrog. 
60 „ iTOlf 
Hg-Stand 
75,8 ccm ' 

73,5 


1,3 ccm 

6,5 „ 


72.5 

71.5 
70.8 
70,1 
69,7 


pro Stunde 
5,7 ccm 


60,64 


2x Liebigs 
Mischung 
Minuten 

4.50 
5,- 
5,15 
5,30 

5.50 


B 

22 Proz. 
60 „ 
Hg-Stand 
76,1 ccm 
71,9 „ 
70,0 B 
69,0 „ 
68,0 , 


Pvroi 


2,6 ccm 
13,0 ccm 


pro Stunde 
8,0 ccm 


60,88 


4x Liebigs 
Mischung 
Minuten 

10.45 
11,15 

11.45 
3- 


C 

Proz. 


22 
60 

Hg-Stand 
75,5 ccm 
67 
65,0 
62, 


Pvtoi 


5,2 

26,0 


ccm 


3,5 ccm. 
7,3 „ 1 
3,0 ,, | 
2,1 » > 


pro Stunde 
10,2 ccm 

60,04 


8 x Liebigs 
Mischung 
Minuten 

3.35 
4,- 

4.35 

5.35 


D 

22 Proz. Pyrog. 
60 „ KOH 

Hg-Stand 

75.9 ccm 

68,0 , 

64.9 . 

62,7 „ 


10,4 

52,0 


ccm 


pro Stunde 
11,0 ccm 


60,72 


11 x Liebigs Mischung 

Minuten 

10.40 
11,15 

11.40 
5- 


E 

! 2 

I 60 „ 

Hg-Stand 
76,3 ccm 
69,5 „ 
68 ^ „ 
62,8 „ 


_ rog. 
KOH 

} 


14,3 

71,5 


ccm 


pro Stunde 
8,1 ccm 


ticke). 


1) Treadwell, F. P., Analytische Chemie. 


61,04 

Bd. 1. Leipzig u. 


Wien (Franz Deu- 


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van Eiemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindicator usw. 233 


Der Rand des Stopsels wurde mit Vaselin eingefettet und der oberste 
Flaschenrand hermetisch durch eine Mischung von 90 g Wachs + 10 g 
Vaselin geschlossen. Der Barometerstand wurde dann genau abgelesen 
und Vs fur den 0 abgezogen, urn die Hohe der Quecksilbersaule zu 
berechnen. Durch das Loch B wurde schnell das Pyrogallol, darauf das 
KOH eingegossen, plotzlich geschlossen und schon nach ungef&hr 1 Min. 
fing die Quecksilbersaule zu sinken an. Meiner Ansicht nach mull nach 
1 Std. der 0 aus dem GefaC verschwunden sein. 

Bakterien, fur die 0 2 ein Gift ist, darin langer als 1 Std. verweilen 
zu lassen, da es urn eine „oberflachliche Kultur“ handelt, schien bedenk- 
lich, weil der kiinstliche N&hrboden schon hemraend wirkt und der erste 
Versuch zur Teilung unbedingt in einem giftfreien Milieu stattfinden mull. 
Tab. I gibt die Resultate der 1. Versuchsreihe an. Auf der horizontalen 
Linie steht immer die Ziffer des zu ereichenden Quecksilberniveaus. 

Weil Liebigs Mischung eine viel zu langsame Absorption gab 
5,7 statt 15 ccm pro Std., versuchte ich es mit 2—4—8—llmal dieser 
Mischung. Der groBte Unterschied zeigt sich zwischen 1 x und 4 x 
Liebigs Mischung, indem 11 x Liebigs Mischung wieder eine Riick- 
wirkung gibt, die verursacht werden kann durch: a = zu dicke Flfissig- 
keitsschicht, wodurch die Resorptionsoberschicht zu klein wird, b = zu 
groBe Alkaleszenz des Pyrogallols, denn Weyl 1 ) und Goth haben schon 
1881 festgestellt, daB ein zu holier Alkaligehalt die Resorptionsenergie 
vermindert. 

Obwohl Versuch D die hochsten Resorptionszahlen gibt, waren diese 
nach 1 Std. doch gar nicht genugend, weswegen ich auf anderem Wege 
die Absorptionsschnelligkeit zu vergroBern versuchte. Nach AbschluB 
der Versuche wurde die Fliissigkeit mittels einer Wasserstrahlluftpumpe 
vollkommen aus der Flasche herausgesogen. 

EinfluB der Reihenfolge, in der die Reagentien (Pyrog. 
und Kali) eingebracht werden, auf die O-Resorptions- 

geschwindigkeit. 

Bei den Versuchen auf Tab. I wurde 1) das Pyrogallol und dann 
das KOH eingegossen, wahrend auf Tab. II B-C-D es mit der um- 
gekehrten Reihe versucht wurde. Tab. II zeigt uns 2 Merkwflrdigkeiten: 

1) Der Kontrollversuch A, der zu vergleichen ist mit Tab. I, Ver¬ 
such D, gab einen viel niedrigeren Resorptionswert, namlich 9,9 pro Std., 
Versuch D jedoch 11 ccm pro Std. Bei Versuch A war die Flasche aber 
nicht leer, es standen darin Reagenzrohren in einem Behalter von Metall- 
gas, aus dem selbstverstandlich 0 viel schwerer zu absorbieren ist. 

2) Das Hineinbringen erst von KOH, nachher von Pyrog. hat eine 
bedeutende Beschleunigung der O-Resorption zur Folge. Erklfiren kann 
ich diesen groBen Unterschied chemisch oder physikalisch nicht; fest 
steht aber, daB die BraunfSrbung der Fliissigkeit hier viel langsamer vor 
sich geht; vielleicht ist eine innigere Mischung und dadurch eine groBere 
Absorptionsoberflache entstanden. In der Folge wurde daher erst KOH 
und dann Pyrogallol eingegossen. 


1) Weyl, Th., u. Goth, A., Ueber die Absorption von Sauers toff durch Pyro¬ 
gallol und Phlorogluzin in alkalischer Losung. (Her. d. Dtsch. Chem. Gesellsch. 1881. 
Januar— Juni). 


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234 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


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Tabelle II. 

EinfluB der ReihenfoTge deT Reagentien auf die O-Resorptions 

geschwindigkeit. 

Stopfflache 457 ccm Inhalt -f Reagenzrohren mit Wattepfropfen. 


8 xLiebigs Mischung 


A. 

22 Proz. Pyrog. 
60 Proz. KOH 


10,4 ccm 
52 ccm 


Minuten Hg-Stand 

10.20 75,81 

10,45 68,4 > pro Stunde 9,9 ccm 

11.20 65,9J 

2,30 63,1 

60,64 


8 xLiebigs Mischung 


B. 

60 Proz. KOH 
22 Proz. Pyrog. 


52 ccm 
10,4 ccm 


Minuten 

2.55 

3.30 

3.55 

5.30 


Hg Stand 
76,-1 

65,5 > pro Stunde 11,9 ccm 

64.1 J 

62.2 

60,8 


8 xLiebigs Mischung 


C. 

60 Proz. KOH 
22 Proz. Pyrog. 


52 ccm 
10,4 ccm 


Minuten Hg-Stand 

1150 64’l} P ro ^ tun ^ e ccm 

5^30 6L3 J 

59,56 


EinfluB der VergrOBerung der Fliissigkeitsoberflache 
auf die O-Resorptionsgeschwindigkeit. 

Da es mir schien, daB VergroBerung der Fliissigkeitsoberflache eine 
VergroBerung der Resorptionsenergie zur Folge hat, brachte ich die Pyrog. 
-f- Kalimeuge von Tab. II in 2 Portionen in die Flasche, und zwar die 
eine Halfte auf den Boden derselben, die andere Halfte oben in eine 
flache Schale. Nach 1 Std. betrug die Quecksilbersenkung 11,7 cm, 
also bestand kein nennenswerter Unterschied gegeniiber den Proben 
von Tab. II. 


EinfluB der Abnahme des KOH-Gehalts auf die 
Resorptionsgeschwindigkeit. 

Die Konzentration des Alkali erniedrigte ich von 60 Proz. auf 10 Proz.; 
aus Tab. Ill ist der auBerordentlich gflnstige EinfluB davon auf die 
O-Resorptionsgeschwindigkeit ersichtlich, denn im Durchschnitt wurden 
Werte von 13,3 ccm pro Std. gefunden. Jedoch wurde die vollstSndige 
O-Resorption nach Verlauf von 1 Std. nicht erreicht. 



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van Riemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator usw. 235 


Tabelle III. 


Einfluft 


Minuten 

11,05 

11,30 

12,05 

5,30 


der KOH-Abnahme auf die O-Resorptionsgesch windigkeit. 
Stopfflache 457 ccm Inhalt 
10 Proz. KOH 75 ccm 


22 Proz. Pyrog. 10,4 ccm 


Hg-Stand Minuten 

74,51 2,30 

63,5} pro Stunde 13,2 ccm 3,— 

61,3| 3,30 

61,8 4,- 

59,6 


B. 

Hg-Stand 


63,7} proStunde 13,4 ccm 
62,7) 

62,5 

60,8 


EinflufiderAbnahmedesFlGssigkeitsvolumenbeigleicher 
Konzentration und geringen Temperaturwechsels auf die 
0-Resorption sgesch win digkeit. 

In der Annahme, daB einer diinneren Flflssigkeitsschicht groBere 
Resorptionsenergie folgen wurde, verminderte ich die Menge der Flflssig- 
keit stark, sorgte aber nach Liebigs urspriinglicher Angabe fur ein 
UebermaB von KOH; auch wurde der EinfluB der Teraperatur auf den 
ResorptionsprozeB beachtet, alle vorhergehenden Versuche wurden bei 
Zimmertemperatur vorgenommen. Tab. IV zeigt, daB 

1) die Abnahme des Flussigkeitsvolums eine starke Erhohung der O-Resorption 
zur Folge hat. Die mittleren Werte betragen hier 14,46 ccm pro Sta., wahrend bis jetzt 
die hochsten 13,3 ccm pro Std. waren. Hierdurch war eine O-Resorption nach 1 Std. 
erreicht, welche als ziemlich vollkommen betrachtet werden kann. Wo nicht mehr mit 
der urspriinglichen Liebigschen Mischung gearbeitet wurde, wobei kein CO gebildet 
wird, mufi sicher auf eine Menge CO gerechnet werden. Nach den Untersuchungen von 
Cal vert-Cloez und Bouseingault kann dieser 2—4 Proz. des O-Volums betragen 1 ). 
Weiter wird die Spannung des Wasserdampfes auch ihren Einfluft auf das Quecksilber- 
niveau geltend machen. Dies laHt uns annehmen, daft nach 1 Std. der O aus dem 
Rezeptakulum verschwunden ist und 

2) daft geringfiigige Schwankungen der Zimmertemperatur keinen Einfluft auf die 
Resorptionsscnnelhgkeit haben. 

Tabelle IV. 

Einfluft der Abnahme des Flussigkeitsvolumen bei gleicher Konzen- 
tration und von kleinen Temperaturwechseln auf die O-Resorptions- 

geschwindi gkeit. 



Stopfflache 457 ccm Inhalt. 



10 Proz. KOH 

20 ccm 



22 Proz. Pyrog. 

6 ccm 



A. Temp. 15,5* C 


B. Temp. 17® C 

Minuten 

Hg-Stand 

Minuten 

Hg-Stand 

10,55 

762| 

2,25 

76,31 

10^5 

63,8} proStunde 14,5ccm 

3- 

62,9} proStunde 14,4ccm 

11,55 

61,7j 

3,25 

61,9j 


60,96 


61,04 


C. Temp. 15,5® C 


D. Temp. 17,5 ®C 

Minuten 

Hg-Stand 

Minuten 

Hg-Stand 

3 — 

76,—| 

10,35 

76,-1 

3^0 

62,5 } pro Stunde 14,9 ccm 

11,05 

62,7 } pro Stunde 14,4 ccm 

4,- 

61,1 j 

11,35 

61,6 ) 


60,8 


60,8 


E. Temp. 15,5° C 


F. Temp. 17,5 ® C 

Minuten 

Hg-Stand 

Minuten 

Hg-Stand 

10,15 

75,41 

2,55 

75,8 1 

10,45 

62,6} pro Stunde 14,2 ccm 

3,25 

61,8 > pro Stunde 14,45 ccm 

11,15 

61,2) 

3,55 

61,35j 


- 60,32 


60,64 


1) Calvert, T. und Cldez. S. und Boussingault, Ueber die Bildung von CO 
bei der Einwirkung v.Sauerstoff auf pyrogallussaureaKali. (Liebigs Annal. Bd.53.1864.) 


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236 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


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EinfluB der Verdoppelung des Fliissigkeitsvolums von 
Tabelle IV auf die O-Resorptionsgeschwindigkeit. 

Tab. V rait Werten von 14,4 ccm pro Std. zeigt, daB Verdoppelung 
der Pyrogallol-Kalimenge nicht beschleunigend auf die O-Resorption wirkt. 


Tabelle V. 


Einflufi der Verdoppelung des Fliissigkeitsvolums (Tabelle IV) auf 
dieO-Resorptionsgeschwindigkeit. 

Stopfflasche 457 ccm Inhalt 
10 Proz. KOH 40 ccm 


22 Proz. Pyrog. 12 ccm 


A. Temp. 16,5° C 

Minuten Hg-Stand Minuten 

10.40 76,6 ) 2,25 

11,10 63,05> pro Stunde 14,1 ccm 2,55 

11.40 62,5 J 3,25 

61,28 


B. Temp. 16° C 
Hg-Stand 
77,25) 

63,2 [ pro Stunde 14.6 ccm 
62,65J 

61,80 


Minuten 

10.15 
10,45 

11.15 


C. Temp. 16,5° C 
Hg-Stand 
77,1 | 

63,—} pro Stunde 14,4 ccm 
62,7 | 

61,68 


EinfluB der Verdoppelung der Fliissigkeitskonzen - 
tration vonTab.IV auf die O-Resorptionsgeschwindigkeit, 

Tab. VI rait mittleren Werten von 14,35 ccm pro Std. ergibt gar 
keinen Unterschied gegeniiber den vorhergehenden Versuchen. Aus spater 
anzugebenden Tatsachen ist jedoch an der Konzentration und dem Volum 
von Tab. VI ftir die weiteren Versuche festzuhalten. 


Tabelle VI. ‘ 

Einflufi der Verdoppelung der Fliissigkeitskonzentration (Tabelle IV) 
auf die O-Resorptionsgeschwindigkeit. 

Stopfflasche 457 ccm Inhalt 
20 Proz. KOH 20 ccm 
44 Proz. Pyrog. 6 ccm 

A. Temp. 16° C B. Temp. 16° C 

Minuten Hg-Stand Minuten Hg-Stand 

10.50 75,5) 4,30 75,5) 

11,20 61,9; pro Stunde 14,3 ccm 5,15 61,1 > pro Stunde 14,6 ccm 

11.50 61,2) 5,30 60,9) 

60,04 60,04 


Minuten 

10.35 
11,05 

11.35 


Alle vorhergehenden Versuche zeigen, daB in der ersten 1 / 2 Std. am 
raeisten O absorbiert wird und nachher die Absorption unendlich lang- 
samer vor sich geht. Versuche von den Tabellen IV—V und VI, welche 
am besten vergleichbar sind, geben eine mittlere O-Resorption nach der 
ersten 1 / a Std. von = 13,56 ccm, nach der zweiten 1 / 2 Std. von = 0,87 ccm; 
total nach 1 Std. von 14,43 ccm. 


C. Temp. 16° C 
Hg-Stand 
76,4 ) 

62,75) pro Stunde 14,45 ccm 
61,95 J 

61,12 



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van Riemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator usw. 237 


EinfluB stark erhohter Teraperatur auf die O-Resorptions- 

gesch windigkeit. 

Die vorhergehenden Versuche wurden bei einer Temp, von 15°— 
17 0 C unternommen. Weil die eigentliche Kultur der anaeroben Bakterien 
bei 37 0 C stattfinden mull, war es wiinschenswert, diese Resorptions- 
versuche auch bei hoherer Temp, vorzunehmen. DaB dies nicht gleich 
im Anfang geschehen ist, erklart sich durch die groBeren technischen 
Schwierigkeiten. Besonders schwer war es, den Apparat leckfrei zu er- 
halten, weil die Mischung fur den hermetischen VerschluB bei dieser Temp, 
weich wurde. Der starke, von aufien auf den Apparat ausgeubte Druck, 
war die Ursache, daB viele Versuche scheiterten. Indessen wird sich bald 
zeigen, daB die Versuche bei Zimmertemp. von viel groBerem Wert waren, 
als die bei erhohter Temp. Ungeachtet der groBen technischen Schwierig¬ 
keiten gelang es mir doch, 3 Versuche durchzufflhren. Es lag auf der 
Hand, daB die Resorption bei dieser Temp, beschleunigt wurde. 

Tab. VII bringt jedoch eine groBe Ueberraschung: Statt groBerer 
Indices sind diese hier niedriger, und zwar beinahe 2 ccm namlich 

Tabelle VII. 

EinfluB von stark erhbhter Temperatur auf die O-Res or ptions- 

geschwindigkeit. 

Stopfflasche 457 ccm Inhalt 
20 Proz. KOH 20 ccm 
44 Proz. Pyrog. 6 ccm. 

A. Temp. 35 0 C B. Temp. 36 0 C 

Minuten Hg-Stana Minuten Hg-Stand 

10.45 75,31 10,55 76,2 1 

11,16 64,2> pro Stunde 9,7 ccm 11,25 64,4 > pro Stunde 12,3 ccm 

11.45 65,6j 11,55 63,9 | 

2,— 63,45 

4,— 63.45 

_ 60,24 ___ 60,96 _ 

C. Temp. 30° C 
Minuten Hg-Stand 

3.30 76,5) 

4,— 64,8; pro Stunde 11,7 ccm 

4.30 64,8J 

61,15 nach Abkiihlung bis 18° C 
61,2 

12,3 ccm, statt 14,4 ccm. Dies ist jedoch nur scheinbar, denn nach 
V 2 Std. muB beinahe aller O verschwunden sein, weil das Quecksilber- 
niveau nach dieser Zeit sich fast nicht mehr senkt (Versuch B und C). 

Versuch A ist insofern merkwiirdig, als nach 1 I 2 Std. das Quecksilber- 
niveau niedriger ist als nach 1 Std. DaB dies nicht durch ein Leek 
verursacht wird, beweist die Tatsache daB 24 Std. spater bei Zimmertemp. 
das Barometer 56,4 zeigte, also noch niedriger stand, als das Hg-Niveau, 
welches ursprunglich erreicht werden sollte. 

Auch das StationSrbleiben im Versuch B beweist hinlanglich, daB 
kein Leek vorhanden war. 

Versuch C ergibt bei Abkiihlung bis 18° C einen Quecksilberstand, 
der vollkomraen mit dem zu erreichenden Niveau iibereinstimmt. 

DaB die totalen Werte niedriger sind, als bei dem Versuche bei 
Zimmertemp., wird meines Erachtens durch hinzukommende Spannungen 
verursacht, welche den Druck erhbhen, namlich 1) die erhohte H 2 0- 
Spannung, 2) die erhbhte CO-Spannung. SpStere Versuche mit dem 
Indikator best&tigen vollkommen, daB bei 37° C nach ungefa.hr 30 Min. 
aller 0 verschwunden ist. Die Versuche bei Zimmertemp. geben also 



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238 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


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ein viel konkreteres Bild der O-Resorptionsgeschwindigkeit, da die auf- 
tretenden Spannungen hier von geringerem EinfluB sind. 

Immer wurde das Pyrogallol in aufgelostem Zustande angewendet, da 
es im festen Zustande (gleiche Gewichtsquantitaten) einen viel niedrigeren 
Absorptionswert gibt. 

Erhbhung der Reaktionsgeschwindigkeit des Methylen- 
blaushinsichtlich des 0 durch Glukose und Alkali. 

Vorhin wurde bereits die Reaktionstragheit des Methylenblaus gegen 
0 gezeigt. Es wurde dieser Farbstoff verglichen mit dem, was in Wirk- 
lichkeit in der Stopfenflasche geschehen ist, wo der 0 nach V, Std. ver- 
schwunden; dieser Farbstoff war also (Tab. VII) nicht als O-Indikator 
anwendbar. Es rauBte daher nach einer Substanz gesucht werden, welche 
die Reaktionsgeschwindigkeit ansehnlich erhohte, m. a. W. das Entstehen 
der „Leukobase“ sehr beschleunigte, ohne dafi sich die Empfindlichkeit 
dera 0 gegenuber verminderte. Durch Pasteurs Arbeit liber die An- 
aerobiose angeregt, fand ich bald die gewiinschte Substanz; das Reagenz 
von Schiitzenberger, womit Pasteur die O-Freiheit der Butter- 
sBuregarungsfliissigkeit nachwies und das aus Indigo, von Hydrosulfit 
reduziert, besteht (Spuren 0 geben blaue Farbung), wurde, um das Indigo 
als Indikator verwenden zu konnen, eine reduzierende Substanz verwendet. 
Das Hydrosulfit stellte sich fur das Methylenblau als nicht passend her- 
aus; durch Kochen entstand erst die Leukobase, whhrend die Blauf&rbung 
bei vollem O-Zutritt nur sehr schwach und langsam verlief. Der Zweck 
war aber hier nicht, eine Leukobase zu bekommen, sondern ein lang- 
sames Verbleichen des Farbstoff'es, je nach der O-Abnahme. 

In Uebereinstimmung mit I. Lubsen wurde aus der Reihe der 
reduzierenden Substanzen die Glukose in alkalischer Umgebung fiir am 
meisten geeignet erachtet. 

Da die Reduktion eine energische sein sollte, wurde die Glukoselosung ziemlich 
konzentriert verwendet; die Reaktion sollte mit Lackmuepapier deutlich alkalisch uud 
die Farbe ein gutea Blau sein. Die Zusammensetzung der Fliissigkeit war vorlaufig 
folgende: 

auf 9 ccm 10 Proz. Glukose \ 

aus 1 ccm\ 3 Tropfen N NaOH I Indikator- 

Pipette ) 8 „ Methylenblau (Bakteriologische Losung 3 x ver- f fliigsiekeit 

diinnt) J 

Diese deutlich blau gefarbte Fliissigkeit wurde in einem offenen Reagenzrohr in 
die Stopfenflasche gestellt, das O-Resorbens von Tab. VI eingegossen und dann herme- 
tisch geschlossen. Nach 20 Min. war bei 37 “ C die Indikationsfliissigkeit vollkommen 
entfarbt. Auch das offen bei 37° C gestellte Kontrollrohr mit gleichem Indikator 
wurde reduziert, jedoch nur teilweise, denn es blieb an der Oberflache ein ungefahr 
1 / 3 cm breiter, stark blau gefarbter Ring iibrig. Tiefer als dieser Ring konnte der O 
otfenbar nicht durchdringen, um das von der Glukose reduzierte Methylenblau wieder zu 
oxydieren. Beim Heben des Flaschenstopfens trat fast unmittelbar die blaue Farbe 
an der Oberflache der Fliissigkeit zuriick; spater aber wurde die blaue Zone immer 
breiter und konnte durch Scniitteln durch die ganze Fliissigkeit hindurch gebracht 
werden. Bei Zimmertemperatur dauerte der Entfarbungsprozef 50 Min.; zufallig ersah 
ich spater, dafi Smith eine Reduktionsbeschleunigung von Methylenblau in steriler 
Peptonbouillon beobachtet hat, wenn ihr etwas Dextrose zugefiigt worden war. 

EinfluB der Alkalimenge auf die Reaktionsgeschwindig¬ 
keit des fliissigen Indikators. 

Bald stellte sich heraus, daB die Menge des Alkali entscheidend war 
ffir die Geschwindigkeit und Empfindlichkeit der Reaktion, wie die folgen- 
den Versuche ersehen lassen: 



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van Riemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator ubw. 239 


Erbohter Alkaligehalt. 

9 ccm 10 Proz. Glukose 
3 Tropfen 4 N NaOH 
8 „ Methylenblau, 3xverdunnt. 

Nach 10 Min. bei 37 0 C Entfarbung. 
Bei Oeffnen der Flasche Blaufarbung 
viel langsamer. O-Empfindlichkeit 
also zuriickgegangen. 


Erniedrigter Alkaligehalt. 

9 ccm 10 Proz. Glukose 
1 Tropfen N NaOH 
8 „ Methylenblau, 3x verdunnt. 

Nach 24. Std. bei 37 0 C Entfarbung. 
Bei Oeffnen der Flasche Blaufarbung 
sehr schjnell. 


Beide Versuche sind ganz wie die auf S. 238 angestellt worden. 


O - Resorption sge sch win digkeit vom halben Volum des 
O-Resorbens von Tab. VI durch fltissigen Indikator 

kontrolliert: 

Stopfenflasche 445 ccm Inhalt 
20 Proz. KOH 10 ccm 
44 Proz. Pyrog. 3 ccm. 

Nach 20 Min. bei 37'C Entfarbung der Indikatorfliissigkeit. Dieser Indikator 
bewiee also, da6 die */j Menge des O-Resorbens genugend war, und in der Folge wurde 
damit gerechnet; wir werden spater sehen, ob dies wirklich der Fall ist. 

Vergleichen wir jetzt die Resultate der Barometerversuche (Tab. VII) 

mit diesen Indikatorexperimenten, so sehen wir, daB nach 30 Min. bei 

37 0 C der O absorbiert ist (Barometer), was der Indikator schon nach 

20 Min. angibt. Hierbei muB noch die Zeit der Reaktionsempfindlich- 

keit abgezogen werden, namlich die Zeit, welche der Indikator braucht, um 

in vollkommen freier O-Umgebung zu entf&rben. Nach dem Indikator 

geschieht die O-Absorption also innerhalb 20 Min. also viel zu schnell. 

Bei dem Barometer scheint die Reaktionsempfindlichkeit des Hg keinen 

verzfigernden EinfluB zu haben, da schon 1 Min. nach Einbringen der 

O-Resorbantia das Quecksilberniveau sinkt. 

• 

Bestimmung der O-Empfindlichkeit des fliissigen 
Indikators auf physikalischem Wege. 

Die vorhergehenden Resultate gaben Veranlassung zur Frage, ob 
der Blissige Indikator wirklich empfindlich genug war, um Spuren von 
O anzuzeigen. Es wurde deswegen folgende Probe gemacht: Die Glu- 
koselosung wurde vorher 3 Min. in einem Kolben gekocht, um die Luft 
zu entfernen, dann plotzlich durch Kautschukkork geschlossen und unter 
dem Wasserstrahl abgekfihlt. 

In das Reagenzrohr wurden 3 Tropfen Methylenblau gebracht, dar- 
auf vorsichtig 9 ccm der ausgekochten Glukose gegossen (wobei so wenig 
wie moglich Luft einzubringen ist) und 3 Tropfen N-NaOH eingebracht, 
alles vorsichtig gemischt und das Reagenzglas in den sog. Trockenturm 
gestellt, in dem ein kleines Manometer angebracht war. Stfipsel und 
Hahn wurden hermetisch verschlossen. Der Trockenturm wurde an einer 
Oelluftpumpe befestigt (Vakuumkapazitat 1 mm) und 15 Min. lang 
gepumpt. Die Indikatorflfissigkeit war noch kaum geffirbt, nach 10 Min. 
bei Zimmertemperatur aber farblos. Der Apparat blieb bei Zimmer- 
temperatur fiber Nacht stehen. Am n&chsten Morgen zeigte das Mano¬ 
meter den gleichen Stand an, ein Beweis, daB kein Leek vorhanden war. 
Hierauf wurde der Trockenturm wieder mit der Pumpe verbunden und 
nochmals Vs Std. gepumpt, der Hahn geschlossen, der Turm von der 
Pumpe entfernt und dann wurden vorsichtig 2 Oder 3 mm Luft einge- 
lassen. Nach 2 oder 3 Min. entstand bei Zimmertemperatur gerade 


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240 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 

unter dem Meniscus ein griinlichblauer Ring, der bei 3 mm Luft sehr 
deutlich, bei 2 mm Luft sehr schwach war. Diese kleinen Ringe 
blieben bei Zimmertemperatur ungefahr 15 Min. bestehen, wonach sie 
durch die reduzierende Glukose verschwanden. 

Diese Versuclie wurden immer mit dem gleichen Resultat wieder- 
holt. Merkwiirdig war es, daB ungeachtet energischen Pumpens das 
Quecksilberniveau nie niedriger als 3—4 mm kam, 'was vielleicht der 
Spannung der HjO-Dampfe iiber einer 10-proz. Glukoselbsung zuzu- 
schreiben ist, da nach Landolts Tabellen die wahre H 2 0-Spannung 
bei dieser Temperatur eine viel hohere sein miiBte. 

Obwohl genaue Zahlen hier nicht gegeben werden konnen, glaube ich 
doch, daB bei dem Stationarbleiben des Manometers auf 3 mm kein O 
mehr in dem Turm vorhanden war. Dieser fltissige Indikator zeigte 
also, fur unsere Zwecke vollkommen geniigend, noch ungefahr 2 /s min 
O an, denn nach Kruse wachst der empfindlichste Anaerobiont (Bac. 
butyricus) noch gut bei ungefahr 1 mm 0. 

Erhohung der O-Empfindlichkeit des Indikators durch 
VergroBerung der Oberflache. 

Ungeachtet der erwahnten groBen Empfindlichkeit des Indikators fiel 
mir die folgende befremdende Tatsache auf: Gleichgiiltig, ob die Stopfen- 
flasche leer Oder gefiillt war und die Reagenzrbhren mit Watte ver- 
schlossen waren, war der fltissige Indikator bei 37 0 C immer nach 
20 Min. entfarbt, was physikalisch unmbglich war, da Wattepfropfen, welche 
auch stark Luft binden, nicht in der gleichen Zeit O-frei sein konnen, 
wie ein leeres Rezeptakulum, worin dieser Widerstand fehlt. 

Es muBte also die Fliissigkeitsoberflache im Reagenzrohr zu klein 
sein, wie sich auch herausstellte, denn schon bei sehr schragem Stande 
der Reagenzrohre in der Stopfenflasche zeigte sich ein sehr bemerkbarer 
Unterschied in der EntfSrbungsdauer, der noch groBer wurde (nach un¬ 
gefahr 40 Min.), wenn die Indikatorflussigkeit in platter Schale in der 
Flasche stand. Die Reagenzglasmethode war also falsch, da sie O-Frei- 
heit anzeigte, wo diese nicht bestand. Spuren von 0 konnte die Indi- 
katorflflssigkeit in dem Reagenzrohre aber nicht hinlanglich anzeigen. 

Der Hydrophilgaze-Sauerstoffindikator. 

Die Indikatoroberfi&che muBte also stark vergrofiert werden und 
sehr diinn sein, damit der 0 an alien Seiten soviel wie moglich Zutritt 
hatte. 1) wurde dies mit Streifen von Watte versucht, die in die 
Fliissigkeit getr&nkt und gegen die Wand des Reagenzrohres ausge- 
breitet wurden. Die Entfarbung dauerte viel langer, aber die stellen- 
weise Ungleichheit der Wattefasern ergab ungleichm&Bige Verteilung 
des Farbstoffes, also sehr unregelmaBige Entfarbung. Auch Filtrier- 
papier war nicht anzuwenden wegen des ungleichmaBigen Steigens der 
Indikatorflussigkeit; erst wurde die Glukoselosung aufgesogen, dann 
folgte der Farbstoff. Hier bestand also keine uniforme Konzentration 
des Indikatorfeldes. 

Die Hydrophilgaze vereinigte alles, was verlangt wurde, namlich gleich- 
maBige Aufschlurfung und moglichst groBe Oberflache infolge der groBen 
Porositat des Materials. Die Indikatorflussigkeit muBte verandert werden, 
weil die Farbe des Gases zu bleich war. 


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van Riemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Saueretoffindikator usw. 241 


Fiir das Eintropfen wurde daher auch eine andere, leichtere Me- 
thode gewahlt: 

3 ccm 10-proz. Glukose 
■ Tropfe. N. N.OH { *“ »»“»» 

[ Methylenblau Hochst 50 mg 
1 Tropfen Methylenblau -I Aqua dest. 30 ccm 

IT K von 50 ccm Inhalt. 


Ein Doppelstreifen Hydrophilgaze, der in dieser Fliissigkeit getrankt 
und gegen die Innenwand verbreitert war, entfarbte sich in der Stopfen- 
flasche bei 37 0 C nach 1 Std. (also 3mal langer, s. S. 238). Dieser 
Hydrophilgazeindikator zeigte einen deutlichen Unterschied in der Ent- 
farbungsdauer, je nachdem in die „Stopfenflasche“ 1 oder 4 Reagenz- 
rohren gestellt waren; mit 4 namlich ungefahr 15 Min. langer. Bei An- 
wendung einer groBen Stopfenflasche, worin P e t r i - Schalen (s. S. 251) 
mit verhaltnismaBig gleicher Menge Pyrogallol-Kali aufgestellt waren, 
betrug die Entf&rbungsdauer des Indicators mit 2 Schalen 
1 V 4 Std., mit 4 Schalen 1 1 / 2 Std. bei 37 0 C. 

Mit diesem Hydrophilgazeindikator wurde also eine Emp- 
findlichkeit erreicht, die ganz ubereinstimmte mit dem physi- 
kalischen Verlaufe der Versuche. Wurde der Stopsel ein wenig 
locker gemacht, so wurden die Gase bald blau. 

Um zu erklaren, warum die Trockenturmversuche eine 
so groBe Empfindlichkeit des flussigen Indikators zeigten, 
dieser Indikator jedoch viel weniger genau reagierte wie die 
Hydrophilgaze, glaube ich, 2 Ursachen annehmen zu miissen: 

1) In dem viel engeren Trockenturm haben die O-Spuren 
einen viel kiirzeren Weg zuriickzulegen und begegnen ge- V J 
ringerem Widerstande, ehe sie die Indikatoroberflache er- .—^ 

reichen, wie in der viel weiteren Stopfenflasche. 2) Da der Fi 8- 2 - 
Trockenturm fast luftleer ist, verbreiten sich Spuren der ein- 
gelassenen Luft unmittelbar durch das ganze Rezeptakulum und erreichen 
selbstverstSndlich die Indikatorflflssigkeit baldigst. 


Bestimmung der Reaktionsempfindlichkeit des Hydro- 
philgazeindikators und EinfluB der Temperatur darauf. 

Bei 37 0 C dauerte die Entf&rbung des Hydrophilgazeindikators 1 Std. 
nnd die Barometerversuche gaben ungefahr 30 Min. an (s. Tab. VII). 
Die Reaktionsdauer des Indikators wurde also um 30 Min. zu lang sein. 
Dies kSnnte zusammenhangen mit der Reaktionsempfindlichkeit dieses 
Indikators, namlich mit der Zeit, welche der Indikator braucht, um im 
vollen O-freien Raume zu entfarben. Um dies festzustellen, verfuhr ich 
folgendermaBen: In einem Reagenzrohre wurde zur V 2 H6he von Plastizin 
eine Art Behalter gemacht, woran sich 2 kleine, kurze ROhrchen an- 
lehnen kOnnen. Ueber diese wurde ein doppelter Streifen der Hydro¬ 
philgaze ausgebreitet und oben mit Plastizin befestigt. Unter die Rohr- 
chen wurde die Glukoselosung gebracht: 


3 ccm 10-proz. Glukose 
In Rohrchen 1 = 1 Tropfen Methylenblau 
„ „ 11 = 1 „ N. NaOH 


I Dieses Reagcnzrohr wurde voriichtig iu 
I die Stopfenflasche gebracht, daneben ein 
| Rcagenzrohr mit dem Hydrophilgasindi- 
J kator (Kontrolle). 


Das Kontrollrohr diente um genau beobachten zu konnen, wann der 
O aus der Stopfenflasche verschwunden war, nachdem mit der gewunschten 
Menge des O-Resorbens die Flasche bei 37° C hingestellt war. Nach 
E nu> Abt. Orig. Bd. 88. Heft 3. 16 


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242 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


1 Std. war die Kontrollgase entffirbt; sicherheitshalber blieb die Flasche 
dann noch 1 Std. bei 37 0 C stehen und wurde darauf bei Zimmertempe- 
ratur abgekiihlt. Der eigentliche Versuch konnte jetzt beginnen: durch 
Schfitteln fielen die beiden kleinen Rfihrchen in die Glukoselosung, dann 
wurden vorsichtig die Fliissigkeiten gemischt und durch Schraghalten 
der Flasche die Gase mit dieser Indikatorfliissigkeit gleichmaBig durch- 
feuchtet. Der geffirbte Hydrophilgazeindikator war jetzt in einera O-freien 
Raurae, so daB die Reaktion gleich anfangen konnte: 

Entfarbungsdauer Entfarbungsdauer Entfarbungsdauer Entfarbungsdauer 
in 0-freiem Raurae in O-freiem Raurae in O-freiem Raume in O-freiem fiaume 
bei 56° <J bei 37° C bei 24° C bei 15» 0 

15 Min. 20 Min. 2 Std. 4 Std. 

Von groBter Wichtigkeit ist es, dafi bei 37° C die Reaktionsempfind- 
lichkeit 20 Min. dauert, die also von der totalen Reaktionsdauer (60 Min. 
—20 Min. = 40 Min.) abgezogen werden miissen. Das stimmt voll- 
kommen iiberein mit den Barometerversuchen (Tab. VII). Obenstehende 
Zahlen geben den beschleunigten EinfluB der erhfihten Temperatur an. 
Werden die geffirbten Gase ein wenig fiber der Flarame erhitzt, so tritt 
beinahe augenblicklich die Leukobase auf, welche aber bei Abkiihlung 
beinahe ebenso schnell wieder blau wird. 

Ein gleiches Resultat wurde noch auf andere Weise erreicht: Ein 
Reagenzrohr mit dem Hydrophilgazeindikator wurde an beiden Enden 
ausgezogen, dann mittels eines Kipapparates H durchgeffihrt und nach 
einigen Minuten mit einer Flamme an dem anderen Ende kontrolliert, 
ob kein 0 mehr anwesend war. Beide Rohrenden wurden dann vor¬ 
sichtig in der Flamme zugeschmolzen. Bei 37 0 C war auch jetzt nach 
20 Min. der Indikator in diesem O-freien Milieu entfarbt. 


Genaue Angaben fiber die Reagentien zum Hydrophilgaze¬ 
indikator. 

Die Grundlage ffir das genaue Standarisieren dieses Indikators 
bildeten die Barometerversuche. Die Reaktionsdauer des Indikators 
sollte nicht unter, aber auch nicht viel fiber diesen Barometerversuchen 
und dabei maximal empfindlich sein ffir den 0. Meine zahlreichen dies- 
bezfiglichen Experimente erwiesen, daB das sehr genaue Verhalten der 
3 Reagentien zueinander allein Sicherheit gibt ffir einen konstanten und 
genauen Verlauf der Reaktion, weil kleine Fehler schon merkliche Unter- 
schiede geben konnen. 


Die Glukoselosung. 

Die 10-proz. Glukoselosung wird bereitet entweder aus Glukose pur. 
Oder Glukose Brut (10 g auf 100 Aqua dest.). Die Glukose darf nicht 
hoch erwfirmt werden, da sie sich sonst verfindert. Die Losung verdirbt 
schnell (Bakterienentwicklung) und wird unbrauchbar. Uni 
sie langere Zeit aufzubewahren, wird folgendermaBen ver- 
fahren: Durch leichtes Erhitzen wird die Glukose aufgelost, 
die Flfissigkeit filtriert und in ein steriles Pasteur- 
Kolbchen fibergegossen, darin kurze Zeit tfichtig gekocht, 
worauf das ausgezogene Ende des Stopfens mit Plastizin 
geschlossen wird. Man muB mit einer vollkommen klaren 
Flfissigkeit arbeiten, weil sonst die Reaktion unregelmaBig 
verlfiuft (keine Fasern, Flockchen usw.). Beim Gebrauch 
von Leitungswasser wird die Losung gelb; Aqua dest. 
Fig. 3. schadet viel weniger. 



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van Riemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator nsw. 243 


Einflufi erhohter und erniedrigter Glukosekonzentration 
auf die Reaktionsgeschwindigkeit des Hydrophilgaze- 

Indikators. 

Tab. VIII zeigt deutlich, wenn die Glukosekonzentration erhoht wird 
bei gleichem Alkali- und Farbstoffgehalt, dafi die Reaktionsgeschwindigkeit 
und O-Erapfindlichkeit des Indikators zuruckgehen. Wird die Glukose¬ 
konzentration -(- Kaligehalt erhoht, so wachst auch die Reaktions¬ 
geschwindigkeit, w&hrend die O-Empfindlichkeit sich vermindert. Es gibt 
also 10-proz. GlukoselOsung die konstantesten und empfindlichsten Resultate. 


Tabelie VIII. 

Einflufi erhohter und erniedrigter Glykosokonzentration auf die Reaktions 
gesch wind igkeit des H ydro philgaze-I nd ikator s. 

c, r„u„u ajk. _ II 20 Proz. KOH 10 ccm 

Stopfenflasche, Inhalt 445 ccm j 44 p roz p yrog 3 ccm 

2X so starke 
Konzen tration 


Ko 


Normale 
n zen tration 


2m 

3 ccm 10 Proz. 



Glykose 


§ =3 

1 Tropfen 

1 a £. 
■go . 


n. NaOH 

'■& © T* 

1 Tropfen 


3*5 

Methylenblau 

rH 


Bei Oeffnung der 
Flasche nach 24 Std. 
bald Blaufarbung. 


ccm 20 Proz. 

Glykose 

Tropfen 

n. NaOH 

Tropfen 

Methylenblau 


Bei Oeffnung der 
Flasche nach 24 Std. 
sehr verlangsamte 
Blaufarbung. 


2X so starke 
Konz. + Erhohung 
Alkali 


a 

§ B S 

;aj ^ lO 

■S° 

•*2 ^ 
w” 


3 ccm 20 Proz. 

Glykose 
2 Tropfen 
n. NaOH 
1 Tropfen 
Methylenblau 


Bei Oeffnung der 
Flasche nach 24 Std. 
sehr verlangsamte 
Blaufarbung. 


3 X so s ta r k e 
Konzentration 


2m 

Spg si 

E 

S 


a 
s 

•So 

iSo 

■s r- 
w” 


3 ccm 30 Proz. 

Glykose 
3 Tropfen 
n. NaOH 
I Tropfen 
Methylenblau 


Bei Oeffnung der 
Flasche nach 24 Std. 
sehr verlangsamte 
Blaufarbung. 


N. NaOH-LOsung: BeilSufig wurde auf S. 239 schon fur den fliissigen 
Indikator angegeben, dafi die Menge des Alkali entscheidend ist fUr die 
Erapfindlichkeit und Schnelligkeit der Reaktion, d. h. Reaktionsbeschleuni- 
gung bei Erhohung des Alkaligehaltes, jedoch Verrainderung der Erapfind¬ 
lichkeit, indem bei Abnahme der Alkalizit&t die Reaktion langsaraer wird. 


Einflufi erhohten und verminderten Alkaligehaltes auf die 
Reaktionsgeschwindigkeit des Hydrophilgaz e-Indikators. 


Tabelie IX. 


Einflufi vonerhbhten und erniedrigten Alkaligehalt auf dieRe- 
aktionsgesch windigk eit des Hydrophilgaze-Indikators. 


Stopfenflache Inhalt 445 ccm 


20 Proz. KOH 10 ccm 
44 Proz. Pyrog. 3 ccm 


A. 

Normaler Alkali¬ 
gehalt 


•s 

1»3 

:=o X 
c CO ^ 

w 

£ 


3 ccm 10 Proz. 
Glykose 

1 Tropfen n. NaOH 
1 Tropfen 
Methylenblau 


* B. 

Erhbhter Alkali - 
gehalt 


M 

o 
bfi el 

c a 
a 

5?a 

jn 


<D 


3 ccm 10 Proz. 
Glykose 

2 Tropfen n. NaOH 
1 Tropfen 
Methylenblau 


C. 

Erniedrigter Alkali¬ 
gehalt 


•Si 

its; 

a cS 

log 

taS o 

fl CO 
M X 


6 cem 10 Proz. 
Glykose 

1 Tropfen n.NaOH 

2 Tropfen 
Methylenblau 


Bei Oeffnung der Flasche 
nach 24 Std. bald Blau¬ 
farbung. 


Bei Oeffnung der Flasche 
nach 24 Std. verlangsamte 
Blaufarbung. 


Bei Oeffnung der Flasche 
nach 24 Std. Blaufarbung 
langsamer wie bei A. 

16* 


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244 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


Tab. IX zeigt gleiche Resultate fiir den Hydrophilgazeindikator, vvie 
sie der fliissige Indikator angab. Versuch A mit normalem Alkaligehalt 
gibt wieder die empfindlichsten Resultate, aber kleine Schwankungen des 
Kaligehaltes geben sofort Aenderung in der Reaktionsgeschwindigkeit. 
Das Tropfen aus dem T. K.-Tropfflaschchen (50 ccm Inhalt) geschah auch 
so genau wie moglich (erste Tropfen fortflieBen lassen). Man sorge dafiir, 
daB die Tropfkan&le bei dem Auskristallisieren des NaOH nicht verengt 
werden. Die TropfgroBe des T. K.-Flaschchens ist konstant. 12 Flaschchen 
von 50 ccm Inhalt, die von mir untersucht wurden, gaben alle 7 Tropfen 
pro Va ccm (beim genauen Tropfeln); Fl&schchen von 75 ccm Inhalt gaben 
6 Tropfen pro 72 ccm. Um das Zuriickgehen des NaOH-Titers zu um- 
gehen, wird das FlSschchen jedesmal gut geschlossen. 

In ccm umgerechnet, betr&gt der zu brauchende Alkaligehalt auf 
4,2 ccm 10 Proz. Glukose VlO ccm n. NaOH. 

MethylenfolauHJsung: Die Konzentration des Farbstoffes hat auch groBen 
EinfluB auf die Reaktionsgeschwindigkeit des Hydrophilgazeindikators. 
Die erst gebrauchte alkoholische MethylenblaulQsung war untauglich wegen 
des viel schnelleren Verdampfens (Konzentrationserhohung von Farbstoft), 
welche mich bei einer Reihe von Versuchen irre fiihrte. Ursache davon 
war die starke Verminderung der Schnelligkeit der Reaktion, so daB nun- 
mehr der mehr stationar bleibenden wasserigen Losung der Vorzug ge- 
geben wurde, wobei auch der mogliche EinfluB des Alkohols auf die 
Glukose umgangen wird. Die wasserige Methylenblaulosung (braun 
T. K.-Tropfenflaschchen von 50 ccm Inhalt) ist, gut geschlossen, lange 
haltbar. In ccm umgerechnet, nimmt man 4,2 ccm 10-proz. Glukose -f- 
Vio ccm Methylenblau. 

EinfluB verschiedener Pyrogallolkaligemische auf die 

Entfarbungsdauer des Hydrophilgaze-Indikators. 

Der fliissige Indikator ergab keinerlei Unterschiede bezuglich der 
Reaktionsdauer gegeniiber 7* Menge des O-Resorbens von Tab. VI, 
wohl aber der viel empfindlichere Hydrophilgazeindikator, wie Tab. X 
deutlich angibt (Versuch A und B). Versuch C und E gehen voll- 
kommen parallel auch A und D. Merkwurdig ist es, daB A und B nur 
einen Unterschied von 10 Min. ergeben, obgleich mit der doppelten 
Menge des O-Resorbens gearbeitet wurde. DaB hier auBer den chemischen 
noch andere Faktoren mitwirken, ist deutlich ersichtlich. Versuch B, bei 
welchem mit genau derselben Menge des O-Resorbens von Tab. VII ge¬ 
arbeitet wurde, stimmt genau mit den Barometerversuchen (Tab. VII) 
iiberein. Auch hier betrug die Dauer der O-Resorption 50—20 Min. 
(Reaktionsempfindlichkeit) = 30 Min. wirkliche Reaktionsgeschwindigkeit. 

Tabelle X 


EinfluB verschiedener Pyrogallol-Kaligemische auf die En tfarbungs- 
dauer des Hydrophilgaze-Indikators. 

Stopfenflasche Inhalt 445 ccm 


A. 

10 ccm KOH 20 Pioz. 

3 ccm Pyrog. 44 Proz. 
Entfarbung bei 37 0 C nach 

GO Min. 

B. 

20 ccm KOH 20 Proz. 

6 ccm Pyrog. 44 Proz. 
Entfarbung bei 37 0 C nach 

SO Min. 

C. 

5 ccm KOH 20 Proz. 
1,5 ccm Pyrog. 44 Proz. 
Entfarbung bei 37 0 C nach 

1 Std. 40 Min. 

D. 

20 ccm KOH 10 Proz. 

6 ccm Pyrog. 22 Proz. 
Entfarbung bei 37 0 C nach 

60 Min. 



E. 

10 ccm KOH 10 Proz. 

3 ccm Pyrog. 22 Proz. 
Entfarbung bei 37 0 C nach 

1 Std. 36 Min. 


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van Riemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator usw. 245 


Fur die Praxis wurde die Menge des O-Resorbens wie im Versuche A 
genommen, die vollkommen genfigend fur Kulturversuche ist, da der 
Unterschied von 10 Min. ohne Belang ist, wobei noch beriicksichtigt 
werden muB, daB das Pyrogallol, besonders beim Gebrauche von sehr 
groBen Stopfenflaschen, ziemlich teuer ist. 

Ein langerer Aufenthalt des Hydrophilgazeindikators in der Uragebung 
von Pyrogallol-Kali (z. B. 8 Tage) verraindert die O-Empfindlichkeit nicht; 
hdchstens wird die Gaze durch EinfluB des Alkalis auf die Glukose gelb, 
wodurch die dann zurtickkehrende Farbe nicht blau, sondern griinlick wird. 

EinfluB der Temperatur auf die O-Resorptionsgeschwindig- 
keit des Pyrogallol-Kaligemisches von Tab. X, Versuch A, 
durch den Hydrophilgazeindikator kontrolliert. 

Wahrend der EinfluB hoherer Temperaturen bei den Barometer - 
versuchen mit groBen technischen Schwierigkeiten verbunden ist, waren 
diese mit dem Hydrophilgazeindikator leicht auszufiihren, und zwar um so 
mehr, als Indikator und Barometer vollkommen parallel gingen. 

Totale Reaktionsdauer: 

Indikator entfarbt Indikator eDtfarbt Indikator entfarbt Indikator entfarbt 
bei 56° C nach bei 37° C nach bei 24° C nach bei 15° C nach 

35 Min. 60 Min. 2 Std. 40 Min. 5 Std. 45 Min. 

Obenstehende Zahlen geben die totale Reaktionsdauer des Indikators 
an. Die Zeit der resp. Reaktionsempfindlichkeit des Indikators fiberein- 
stimmend bei dieser Temperatur muB jetzt abgezogen werden, um die 
eigentliche Reaktionsdauer des Prozesses beobachten zu kfinnen (S. 242). 


56° C 

35 Min. 
15 Min. 

37 °C 

60 Min.— 
20 Min. 

24 °C 

2 Std. 40 Min. 
2 Std. 

1 

15® O 

5 Std. 45 Min. 
4 Std. 

Eigentliche 

Reaktionsdauer 

20 Min. 


40 Min. 


■ 1 

— 40 Min. 


1 Std. 45 Min. 


Die Temperaturerhohuug hat hier also auch einen sichtlich be- 
schleunigenden EinfluB. 


Entfarbungsdauer des Hydrophilgazeindikators in ge- 
schlossenen Reagenzrohren, Petrischalen und Rbhren 

von Wright-Burri. 

Einfiihrung des Glaswollpfropfens: 

Bis jetzt wurden immer die Gase in offenen Reagenzrohren in die 
Stopfenflasche gestellt. Beim Studium der Verhfiltnisse bei der eigent- 
lichen Kultur (geschlossene Gegenstande), kam ich auf den Gedanken, daB 
der Wattepfropf bei der O-Resorption aus dem Rohre Widerstand leisten 
konnte, deswegen der viel lockeren Glaswollenpfropfen auch in die Unter- 
suchung einbezogen wurde: 

Offenes Reagenzrohr Wattepfropfen-Reagenzrohr Glaswollepfropfen Reagenzrohr 

Entfarbung, indikator Entfarbung, Indikator Entfarbung, Indikator 

bei 37® C nach bei 37° C nach bei 37“ C nach 

1 Std. 1 Std. 15 Min. 1 Std. 

Da der Wattepfropf demnach zieralichen Widerstand leistet, verwandte 
ich weiterhin den viel lockeren Glaswollpfropfen. Die Versuche damit 
erwiesen, daB die Glaswolle den Bakterien genflgend widersteht (raehrere 
Tage). Soil der Nahrboden langere Zeit aufbewahrt werden, so empfiehlt 
es sich, fiber den Glaswollpfropfen einen gewohnlichen Wattepfropfen 
anzubringen, der wahrend der Kultur entfernt wird. Der Hydrophilgaze¬ 
indikator wird bei der Kultur in ein offenes Reagenzrohr gestellt, weil 
ein Leek so am schnellsten erkannt wird. 


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246 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


Zum Zwecke der schnelleren O-Resorption aus der Petri-Schale 
wurde zwischen Deckel und Schale ein blechernes H&kchen angebracht 
(s. S. 251) unter Wahrung der Sterilitat. IndikatorgSschen in derartige 
Petri-Scbalen ausgebreitet, und zwar 1 gegen die Wand der Flasche, eines 
in offenem Reagenzrohre, entf&rbten beinahe aller zu gleicher Zeit, so daB 
hier keine nachweisbare O-Retention stattfand. Beim Oeffnen der Flasche 
f&rbten sie sich auch ungefahr zu gleicher Zeit wieder blau. 

Auch in dem Wright-Burrischen Rohre wurde der Glaswollpfropf 
angebracht, urn die O-Resorption zu beschleunigen. Hier entf&rbte sich 
der Indikator nach 50 Min. bei 37 0 C, sodaB der 0 nach ungefahr 30 Min. 
verschwunden war (50 Min.—20 Min.) (s. Fig. 4). 

Chemismus des Hydrophilgazeindikators: Schon lange 
wird der sogen. Farbstoff Leukobase in der Bakteriologie verwendet. 
Bei der Endo-Platte wird das Fuchsin von Na^Os reduziert (Leukobase); 

durch eine Saure + Aldehyd 
kehrt die Farbe wieder zurfick. 
Methylenblau und noch andere 
basische Farbstoffe verursachen 
dieses auch mit Na^O^; an der 
Luft bleibt die Verbindung farb- 
los: Saure + Aldehyd lassen die 
Farbe wiederkomrnen. Es han- 
delt sich hier um ganz andere 
Leukobasen als die, welche das 
Methylenblau von alkal. Glukose 
reduziert. Erstere mbchte ich 
stabile (feste) Leukobasen nennen, 
letztere labile (lockere), m. a. W. 
Methylenblau + Na 2 SO s erwarmt 
= Leukobase, — bleibt an der 
Luft farblos. Methylenblau -f- 
Alkaliglukose erwarmt = Leuko¬ 
base, tritt beinahe plotzlich auf, 
beim Abkflhlen kehrt aber un- 
mittelbar die ursprtingliche Farbe 
zuruck. Dieser letztere ProzeB 
kann mit derselben Losung immer wiederholt werden, ohne daB die 
Intensitat der Farbe im geringsten vermindert wird. Die Reaktion ist 
vollkommen reversibel. Das Methylenblau-Molektil gibt jedesmal den O 
an die Glukose ab, welche wieder durch den 0 der Atmosphare supp¬ 
lied wird. Ist der 0 in der umgebenden Luft nicht mehr anwesend 
(Stopfenflasche), so bleibt die reduzierte Methylenblauverbindung be- 
stehen. 



Paraffin oder Wachs 

Kautschukkorke 

Wattepfropfen 

" 1 ccm Add. Pyrogall. 44 Proz. 

Pfropfen fetter Watte 
1 ccm KOH 20 Proz. 

Pfropfen entfetteter Watte 
Pfropfen fetter Watte 
Nach unten geschoben Glaswoll- 
pfropfen 

Sauerstoffindikator 


Fig. 4. 


C e H :1 -N (CH,), 

\ 

\ / 

C 9 H, ---N (CH 3 ),C1 

Methylenblau 


+ 3H,0 


CjH,—N (CH,), 


NG^ S 

\ / 

X C e H,-N (CH,), X 
Reduziertee Methylenblau 1 ). 


1) Formel entlehnt von L. Gates und P. 01 it sky. 


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van Riemedijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator uaw. 247 


Die Kultur der anaeroben Bakterien im Zusammenhang 
mit den vorhergehenden Versuchen. 

Sowohl die Barometerversuche als auch die mit dem Hydrophilgaze- 
indikator beweisen, daB ein Rezeptakulum unter der Bedingung, daB 
darin das genaue Verhaltnis Pyrogallolkali vorhanden ist, in weniger als 
1 Std. O-frei gemacht werden kann. Kulturversuche bestatigen diese 
Resultate vollkommen. 

Bac. butyricus, welcher hinsichtlich der O-Spannung die grSBten 
Anspriiche stellt, gab auf ausgekochtem 2-proz. Glukoseagar (schrag) 
in der Stopfenflasche nach 24 Std. deutliche oberflachliche Kolonien; 
Bac. tetani und Oedematis maligni schon nach 7 Std. Eine sehr 
breite Stopfenflasche, worin sich 40 yon diesen Kulturen befanden, war 
nach 1 Std. schon O-frei (s. Her in g-Flasche). 

Der fur oberflachliche Kulturen am meisten geeignete 
Nahrboden: Die Kultur von anaeroben Bakterien ist nicht schwer, 
sehr aber die Reinziichtung, und zwar weil das Erhalten oberflachlicher 
Kolonien gerade wegen der Fraktionen von giftigem 0 an der Ober- 
flache besonders schwierig ist. Das Vertreiben des 0 aus den oberen 
Schichten des festen Nahrbodens geht sehr langsam, weswegen immer 
1 — 2 Proz. Glukose in den Kulturboden gebracht werden soil, weil. da- 
durch die O-Reduktion von innen aus unterstutzt wird. Stets beobachtete 
ich das Wachstum der Anaerobionten ira Kondenswasser des Agars zu- 
erst (Triibung—Gasbildung) tief in den Nahrboden, sozusagen versteckt 
vor der Luft; danach erst entstanden die oberflachlichen Kolonien. Zur 
Untersuchung der 0 - Freiheit der Nahrbodenoberflache konnte das 
Hinzubringen einzelner Tropfen Methylenblau zu dem Kulturboden nie 
gute Resultate geben, weil die genaue Menge des Alkali unbekannt, die 
Konzentration der Glukose (2 Proz.) zu niedrig und die Reaktionsemp- 
findlichkeit dieses Indikators daher ganz unbekannt war. Es war also 
unmoglich, etwas Annaherndes zu sagen hinsichtlich der Zeit der eigent- 
lichen O-Freiheit. Trotzdem stellte ich Versuche an, weil sie von ver- 
gleichendem Wert werden konnten hinsichtlich anderer Kulturboden 
(s. Fig. 5). Der 2-proz. Glukoseagar wurde mit einem Tropfen Methylen¬ 
blau gekocht und schrfig zuin Gerinnen gebracht. In den oberen Schichten 
kehrte die blaue Farbe zurflck, in der Stopfenflasche verschwand sie aber 
nach 6—8 Std. Immer bekam ich mit Anaerobionten nach 24 Std. auf 
Agar oberflachliche Kolonien, die Kultur war aber zart, nie wie die von 
Typhus oder Coli. Ich sah mich daher nach einem andern Kulturboden 
um und wahlte den Nahrboden von Tarozzi (Leber-Leberbouillon) als 
Prinzip fflr einen neuen Nahrboden. Tierische Gewebe reduzieren nach 
dem Tode mehr Oder weniger stark; Leber und Gehirngewebe am stark- 
sten. Brachte ich wenige Tropfen Methylenblau in Tarozzi-Bouillon, 
so konnte ich unter keiner Bedingung die Leberstiickchen bleibend blau 
firben, da die Farbe sofort wieder verschwand. Da der Anaerobiont 
gerade in und zwischen den Leberstiickchen zu wachsen anfangt und 
Gas bildet, so enthait das I^ebergewebe selbst, nicht so sehr das Extrakt, 
die so energisch reduzierenden Fermente. 

Dieses Lebergewebe wurde verteilt bis zur Oberflache des Nahr¬ 
bodens, um die O-Resorption von innen aus so kraftig wie mfiglich 
zu machen. Die Resultate mit diesem Kulturboden waren iiberraschend, 
denn schon nach 6 Std. entstanden in der Stopfenflasche dicke, schlei- 
mige, oberflachliche Kolonien von Bac. butyricus und nach 24 Std. 


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248 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


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ein ganz dicker Belag. Weil der Boden ziemlich weich ist, findet hier 
durch die Gasbildung keine ZerreiBung statt, was von groBem Vor- 
teil ist. Wurde der Methylenblauversuch mit diesem Nahrboden wieder- 
holt, so verschwand schon nach 2 Std. der Farbstoff ganz aus der Ober- 
flache, also 3mal friiher als bei 2 Proz. Glukoseagar. Die geringe Alkali- 
tat und niedrige Glukosekonzentration, wodurch eine starke Reaktions- 
hemmung des Methylenblaus bewirkt wurde, lieBen vermuten, daB der 
0 schon merklich friiher verschwunden ist. 

Die Bereitungsweise des Leberagars erfolgt in der S. 249 angegebenen 
Weise. 

Das Lebergewebe wird spontan sauer. Die Kreide hat den Zweck, 
diese Saure zu binden. Ehe man zu ziichten anf&ngt, wird der Boden 
tiichtig ausgekocht und der ausgepreBte Brei wieder in die Oberfliiche ge- 
bracht, indem man die Rohrchen zwischen den gestreckten Fingern beider 
Hande vorsichtig rollt (in einem Tuch); dann laBt man plbtzlich unter 
Wasserstrahl schief gerinnen bei fortwahrendem Drehen, damit der Brei 
an der Oberflache bleibt. Filr Plattenkulturen wird der geschmolzene 
Agar in P e t r i - Schalen ausgegossen und unter fortwahrendem Mischen 
werden diese auf Eis Oder einer steinernen Unterlage zum Gerinnen 
gebracht. 


Utensilien. 

Rinderleber '/t Pfd. 

Pepton Witte 5 g 

NaCl 2,5 g 

Wasser 500 g 

Agar 10 g 

2-proz. Glukoseagar 500 g 

Carbon, calcicus {j std^ben.20® C 
NaOH »/„ N 

(Phenolph. 1 g 

Phenolphtalein ! 70-proz. Alkohol 

1100 g c 

Feinste Fleischmiihle 
Metallsieb (sehr fein). 


Bereitung. 

Rohe Rinderleber wird durch feinste 
Fleischmiihle gemahlen, worauf mit 500 g 
Wasser 1 / t Std. unter zeitweisem Umriihren 
gekocht und absetzen gelassen wird. Die 
Flussigkeit wird dann abgegossen und der 
Leberbrei durch Metallsieb so fein wie mog- 
lich zerrieben. Dieser Brei wird wieder der 
Flussigkeit zugefugt unter Beifugung von 
Pepton-NaCl und 10 g Agar, worauf 1 Std. 
bei 110° sterilisiert und mit 1 / l0 N.NaOH 
bis zum Phenolpthaleinpunkt alkalinisiert 
wird. Dann werden 10 g Glukose zuge- 
setzt und tiichtig umgeriihrt und dieselbe 
Menge geschmolzenen 2-proz. Glukoseagar, 
sterile Kreide in UebermaC hinzugefiigt 
(ungefahr 5 Loffel), in sterile Rohrchen 
abgelassen, 1 Std. sterilisiert bei 100° U 
schriig gerinnen lassen. 


Das O-resorbierende Vermogen verschiedener Kultur- 
boden: Weil Agaragar und Glukoseagar bei der O-Reduktion so groBen 
Unterschied zeigen, wollte ich dieses Vermogen auch bei anderen Kultur- 
boden priifen. Nur der untenstehende Methylenblauversuch ist von ver- 
gleichendem Wert. Die verschiedenen Kulturboden wurden in gleiche 
Reagenzrohrchen in gleiche Hohe gebracht (9 cm) und nach Schmelzen 
des Agars wurde eine gleiche Anzahl Tropfen von Methylenblau hinzu¬ 
gefiigt, gemischt, weiter die Kulturboden tiichtig ausgekocht und vertikal 
bei Zimmertemperatur zum Gerinnen gebracht. Durch die Abkfihlung 
trat der Farbstoff wieder in den Kulturboden auf. Untenstehendes 
Schema (Fig. 5) zeigt das O-Reduktionsvermogen eines jeden Bodens, 
wobei der Lebergewebeagar schon nach 20. Min. beinahe vollstandige 
O-Freiheit angab. 



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ran Riemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator usw. 249 


Schema. 


Nach 2 Stunden Nach 2 Stunden Nach 2 Stunden Nach 2 Stunden Nach 20 Min. 



Nach 24 Stunden Nach 24 Stunden Nach 24 Stunden Nach 24 Stunden Nach 24 Stunden 



Fig. 5. 


Methylenblau imNahrboden ist zumO-Nachweisnicht 
brauchbar: Spina 1 ) und Smith bewiesen schon, daB Gelatine und 
Bouillon die Eigenschaft haben, Methylenblau zu reduzieren. K a h b r e 1 
setzte daher bei Anaeroben den Gelatinenahrboden wenige Tropfen 
Methylenblau zu, um die O-Freiheit des Nahrbodens durch das Entfarben 
des Blaus festzustellen, was aber erst nach 24—36 Std. der Fall war *). 
Diese Methode ist selbstverstandlich nicht richtig, weil die genaue Reak- 
tionsempfindlichkeit des Methylenblaus ganz unbekannt ist durch die 
niedrige Alkaleszenz und die niedrige Glukosekonzentration. Diese 
Verhaitnisse babe ich in dem Hydrophilgasindikator mit 1 und 2 Proz. 
Glukose in der namlichen Stopfenflasche nachgeahmt: 

Entfarbun g [3 ccm 1 Proz. Glukose Entfarbung (3 ccm 2 Proz. Glukose 

bei 37 • C < Alkaligehalt Kulturboden bei37°C nach {Alkaligehalt Kulturboden 

nach 24 Std. [l Tropfen Methylenblau 9 8td.30Min. (1 Tropfen Methylenblau 

1) Spina, A. Bakteriolog. Versuche mit gefarbten Nahrungssubstanzen. (Centralbl. 
f. Bakt. Bd. 2. 1887). — Smith, Theobald, Reduktionserscheinungen bei Bakterien 
nnd ihre Beziehungen zur Bakterienzelle, nebst Bemerkungen iiber Reduktionserschei- 
nungen in steriler Bouillon. (Ebenda. Abt. 1. Bd. 19. 1896 u. Bd. 25. 1899.) 

2) Kabhrel, G. Zur Frage der Ziichtung anaerober Bakterien. (Centralbl. f. 
Bakt. Abt. I Bd. 25. 1899.) Gates and Olitsky, Factors influencing anaerobioses. 
(Jonrn. of Experim. Med. Vol. 33. 1921.) 



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250 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


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Die enorme Verzogerung der Reaktionsempfindlichkeit des Indikators 
ist daraus zu ersehen, daft das Barometer zeigte, daB schon nach 30 Min. 
der 0 verschwunden und auch aus der Agaroberflache der 0 ziemlich 
bald, aus der Leberoberflkche aber noch viel schneller absorbiert ist. 

Noch auf eine audere Ungenauigkeit sei bier hingewiesen, die zwar 
nicht so sehr bei Agar und Gelatine hervortritt, wohl aber bei dent 
Gewebenahrboden (Gehirn, Leber usw.). Hier greift das Gewebe das 
Methylenblau so sehr an, daB nach einigen Tagen die blaue Farbe nach 
der Reduktion nicht mehr oxydiert werden kann, wobei noch das farb- 
stoffreduzierende Vermogen der Bakterien selber zu berucksichtigen ist; 
alles Faktoren, wodurch die Ungenauigkeit sehr vergroBert wird. 

Das Methylenblau wirkt heramend auf das Wachstum der Bakterien; 
es empfiehlt sich denn auch, nie einen Farbstoff in einen N&hrboden zu 
bringen, wenn es nicht absolut notwendig ist. Anaeroben sind auBerst 
labil und reagieren auBerhalb ihres natiirlichen Standorts auf die gering- 
sten ungiinstigen Reize durch Einstellen ihres Wachstums. Der Hydro- 
philgasindikator vermeidet auf die einfachste Weise alle diese Mangel. 

Technische Winke fur den Gebrauch der Stopfenflasch e 
beim Ziichten von Anaiirobionten. 

Menge des Pyrogallolkali: 

Man nehme eine 44-proz. Pyrogallollosung (44 g auf 100 g Aqua dest. 
i) » v 20* v ROH- „ (20 „ „ 100 g „ n • 

Die Menge des Pyrogallolkalis, welche notig ist, um in der Stopfen- 
flasche den O frei zu machen, betragt fur einen Inhalt von 400 ccm = 
10 ccm KOH 20 Proz.; 3 ccm Pyr. 44 Proz. Das Pyrogallol halt sich 
in brauner, gut verschlossener Flasche ziemlich lange. Fur grofiere 
Stopfenflaschen ist der Inhalt genau zu bemessen und zu berechnen. 
Man nehme lieber etwas mehr als weniger. 

Art der Stopfenflasche fur die Rea ge nzrohre n: Die 
Reajgenzrohren mit Glaswollpfropfen werden in nicht zu groBe Stopfen¬ 
flaschen gebracht, weshalb niedrige und weite Modelle fur die schnelle 
O-Resorption den Vorzug verdienen. Immer ist ein offenes Reagenz- 
rohr mit dem Hydrophilgasindikator in die Flasche zu stellen (Fig. 6). 

Art der Stopfenflasche fur Petrischalen und -kolben: 
Die Petri-Schale wird (s. unten) ein wenig geoffnet, um die O-Resorption 
leichter zu machen, wobei darauf zu achten ist (Fig. 7 u. 8), daB die Stopfen¬ 
flaschen sehr weit und sehr niedrig sind mit sehr weitem Hals, damit die 
Petri-Schalen leicht hindurchgefuhrt werden konnen. Zu empfehleu sind 
fur diese Zwecke die sog. Haushaltsstopfenflaschen von der Firma H. Heye 
in Hamburg, die in jedem Haushaltsladen erh&ltlich sind. 

Die Petri-Schalen sind so in die Flasche zu stellen (Fig. 9), daB die 
Oberflache der Kultur von auBen gut sichtbar ist und das Wachstum beob- 
achtet werden kann. Weil der Leberagar undurchsichtig ist, sorge man 
dafiir, daB der Deckel der Flaschenwand zugekehrt ist (Fig. 10). Zu 
empfehlen sind Petri-Schalen von 7,5 cm Durchmesser. In weite 
Flaschen konnen naturlich auch leicht Kolbchen zur Kultur gestellt 
werden, die auch mit einem Glaswollstopfen zu verschlieBen sind. 

Hermetischer VerschluB der Stopfenflasche: Der Rand 
des Stopfens der Flasche wird mit etwas Vaselin bestrichen. Wenn die 

1) Was die genaue technische Ausfiihrung anhelangt, bo siehe: M. van Riemsdijk, 
Bacteriol. en serolog. Methoden eu Receptcn. Verlag IS wets und Zeitlinger. Amsterdam 
1921. Fig. 2—3—4—6—7—8—9—10 Stivuimen auch hieraus. 



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van Riemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator usw. 251 

Nahrboden beimpft und in die Stopfenflasche gebracht worden sind, wird 
zunSchst KOH eingegossen (durch Trichter mit langem Stiel), darauf 
das Pyrogallol, dann plotzlich die Flasche geschlossen. Der Oberrand 
des Stopfens wird so schnell als mSglich mit einem Gemische von 90 g 
Wachs und 10 g Vaselin eingerieben. 

Oeffnung der Stopfenflaschen: Das Wiedereroffnen der 
Stopfenflaschen macht einige technische Schwierigkeiten, besonders bei 
den groBeren 
Flaschen,woder 
starke Aufien- 
drnck das Ab- 
heben des Sto¬ 
pfens unmoglich 
macht. Es ist 
daher, wie folgt, 
zu verfahren: 
das Wachs-Va¬ 
selin wird mit 
scharfem Ge- 
genstande tief 
aus dem Rande 
entfernt und in 
den Rand wird 
vorsichtig ein 
bischen Terpen- 
tin oder Benzin 
gegossen, das 
so tief wie mog- 
lich in den Rand 
getrieben wird 
und das man 5 
bis 10 Min. ein- Fig. 10. 

wirken laBt, wo- 

ranf man versucht, den Stopfen nach und nach hin und her zu bewegen. 
Lost sich das Wachs durch deu Terpentin, so entstehen Kaniile, durch 
die die Luft eingesogen wird, so daB der Stopfen nun leicht abgenommen 
werden kann. Terpentin darf aber nicht in die Flasche kommen. 

SchluBfolgerungen. 

1) Durch physikalische Versuche wurde bewiesen, daB ein Luft- 
volumen von 400 ccm in Ruhe durch 10 ccm KOH 20 Proz., 3 ccm 
Pyrogallol 44 Proz. in 30—40 Min. O-frei gemacht werden kann (S. 239). 
— 2) Die Konzentrations- oder VolumenvergrSfierung dieser Mischung 
geht nicht parallel mit der nach Vorschrift erhohten 0-Resorption 
(S. 244). — 3) Wie Weil und Goth bewiesen haben, ist die Al- 
kalizitdt des Pyrogallols verantwortlich fur den Stand der O-Resorption 
(S. 233); entsprechender Alkaligehalt und eine moglichst groBe Resorp- 
tionsobertlache geben den grbfiten Resorptionsindex. — 4) In der ersten 
V 2 Std. findet die groBte O-Resorption statt (S. 236). — 5) Die O-Re- 
sorptionsgeschwindigkeit wird beeinfluBt durch die Reihenfolge, in der 
die Reagentien hinzugefugt werden (S. 234). — 6) ErhOhte Temperatur 



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252 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


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hat Erhohung der Geschwindigkeit der O-Resorption zur Folge (S. 237—245). 

— 7) Das Methylenblau ist empfindlich ffir O (S. 230). — 8) Die Re- 
aktionsgeschwindigkeit des Methylenblaus hinsichtlich des 0 wird durch 
Glukose + Kali erhoht (S. 238). — 9) Das Alkali ist entscheidend fur 
die Reaktionsgeschwindigkeit und die Empfindlichkeit des Methylenblaus 
(S. 238—243). — 10) % mm 0 werden von der Alkali-Glukose-Methylen- 
blaulSsung angezeigt (S. 239). —11) Die Alkali-Glukose-Methylenblaulosung 

m offenen Reagenzrohre ist eine sehr unempfindliche und unge- 
naue Methode, um 0 anzuzeigen (S. 240). — 12) Vergrofierung der In- 
dikatoroberflache hat starke Erhohung der Empfindlichkeit fiir 0 zur Folge 
(S. 241—244). — 13) Hydrophilgaze (doppelt, 19 Faden) in Indikator- 
flfissigkeit getaucht und gegen die Reagenzrohrenwand ausgebreitet, ist 
die empfindlichste Methode, um 0 anzuzeigen. — 14) Genaue Zusammen- 
stellung des Hydrophilgasindikators: 

3 ccm 10-proz. Glukose 

1 Tropfen N. NaOH (TK-Tropfflaschchen (braun) von 50 ccm Inhalt 

1 „ Methylenblau Methylenblau Hochst 50 g 

Aqua dest 30 g. 

In Kubikzentimeter umgerechuet = 4,2 ccm 10-proz. Glukose 

7„ ccm N. NaOH 
7,0 „ Methylenblau. 

15) Je uachdem der 0 verschwindet, bleicht die Farbe der Hydro- 
philgase bis zur vollkommenen Farblosigkeit. — 16) Die Reaktions- 
empfindlichkeit des Hydrophilgazeindikators betragt bei 37° C 20 Min. 
(S. 242). — 17) Erhbhung Oder Erniedrigung der Temperatur hat Er¬ 
hohung und Verminderung der Reaktionsempfindlichkeit zur Folge (S. 242). 

— 18) Durch die O-Entziehung wird das Methylenblau in eine „labile“ 
Leukobase verandert, welche durch den 0 oxydiert wird. Das Methylen¬ 
blau bleibt intakt, die Reaktion ist umkehrbar (S. 246). — 19) Methylen¬ 
blau in den NahrbOden eignet sich nicht, um 0 zu indizieren (S. 249). 

— 20) Der Wattepfropfen hemmt die O-Resorption, dagegen ist der Glas- 
wollpfropfen zu empfehlen (S. 245). — 21) Von den KulturbOden fur 
Anaerobionten hat der Lebergewebeagar das starkste O-reduzierende 
Vermogen (S. 249) und gibt die iippigsten Kulturen. — 22) Das Stopfen- 
flaschensystem bei der Ziichtung von Anaeroben von dem Hydrophilgas- 
indikator kontrolliert ist empfehlenswert. 


Nachdruek verboten. 

Verfahren zum Zahlen abgetoteter Bakterien in Auf- 

schwemmungen. 

Von Prof. C. Troester, Berlin-Lichterfelde. 

Den Gehalt von Baktcrienaufschwemmungen an toten Keimen be- 
urtcilt man in der Regel nacli dem Grad der Trubung oder nach der 
Menge des beim Zentrifugieren gewonnenen Bodensatzes, oder auch 
nach dem Gewicht des Trockenrtickstandes. Gelegentlich ist man aber 



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Troeater, Verfahren zum Zahlen abgetoteter Bakterien in Aufschwemmungen. 253 


docb genotigt, die Keime zu zahlen, so z. B. wenn es sich um die 
Bereitung einer Standardlosung liandelt. 

Man wird von solchen Zahlungen, namentlich bei sehr kleinen 
Bakterienformen, keine groBe Genauigkeit erwarten, wenn man erwagt, 
dab schon beim Zahlen von roten Blutkorperchen ein geiibter Be- 
obachter nrit einem mittleren Fehler von 7 Proz. rechnen muB (nach 
Prof. Btlrker, GieBen). 

Ftir die Zahlung von Bakterien sind mehrere Verfahren in An- 
wendung, die aber rait unverhaltnismaBig grofien Fehlerquellen be- 
haftet sind. Ich habe sie alle eingehend gepriift, bis auf das Ver¬ 
fahren von Hans Hecker, dessen Beschreibung mir nicht zugang- 
lich war. 

Sehr ungenau sind die Zahlverfahren, welche mit gefarbten Aus- 
stnchen eines Gemenges von Bakterien mit groBeren Zellen (Blutkiir 
perchen) arbeiten, auch die Georges Dreyersche Abiinderung der 
Meihode von Wright. 

Etwas zuverlassiger sind die Methoden, die eine Zahlkammer wie 
filr die Zahlung der Blutkorperchen benntzen, aber ihre Anwendung 
ftir Bakterien ist wegen der Kleinheit der Objekte mit bedeutenden 
Schwierigkeiten verbunden. Bei der Zahlung abgetoteter Bakterien ist 
unter den Fehlerquellen noch der Umstand zu erwahnen, daB ein groBer 
und starken Schwankungen unterworfener Anteil sich schlecht cder gar 
nicht farbt. 

Es lag daher nalie, von einer Farbung ganz abzusehen und die Be- 
obachtung im Dunkelfeld ftir die Zahlung heranzuziehen. Dazu rnuBte 
aber erst eine besondere Zahlkammer geschaffen werden, denn die 
Objekttrager der Blutzahlkammern sind viel zu dick. Ich wiihlte einen 
Objekttrager von 0,9 mm Sthrke und zunachst eine Kammertiefe von 
0,1 mm; es scheint aber vorteilhaft zu scin, wenn man die Kammer 
nur 0,05 mm tief macht. 

Die Kammer wird mit der Bakterienaufschwemmung beschickt und 
mit einem recht ebenen Deckglas von 0,2 mm Starke bedeckt. Bei dieser 
Deckglasdicke ist auch bei sehr genauer Prtifung keine Durchbiegung 
des Deckglases zu bemerken. 

Die IJntersuchung im Dunkelfeld (Spiegel-Kondensor und Fluorit- 
Oelimmersion 1 / 7 a von E. Leitz ergab, daB die Bakterien, auch 
kleinstc Kokken, sehr gut sichtbar und ziemlich gleichmabig verteilt 
waren. Ein Teil davon haftete an den Flachen der Kammer, der Best 
schwebte in der FHlssigkeit und zeigte Molekularbewegung, die aber beim 
Zahlen nicht storte, auch erzeugte das Heben und Senken der Oel- 
immersion keine Stromungen im Pr&parat. 

Bei Zahlungen dieser Art kann man eine Teilung auf dein Boden 
der Kammer nicht gebrauchen, sondcrn muB ein Netzmikroineter im 
Okular anbringen. Man kann hierzu das gewbhnliche Mikrometerokular 
nehmen, aber auch mit Vorteil die starkeren Kompensationsokulare, 
bei denen man das Mikrometer auf die Okularblende legt und mit dem 
Scliraubengewinde der Okularlinse scharf einstellt. 

Nattlrlich muB zuniichst das Netzmikromcter ftir jedes Objektiv 
erst ausgewertet werden, was mit Hilfe eines Objektmikrometers ge- 
schielit. Die erhaltene Zahl ist feststehend und gilt ftir alle Zahlungen 
mit derselben Linscnkombiuation und Tubuslitnge. 

Beim Zahlen verfilhrt man so, daB man z. B. zucrst auf die obersten 
Keime einstellt, den Tubus langsam senkt und dabei die Keime zhhlt, 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originals Bd. 88. Heft 3. 


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die nacheinander in einem Quadrat aufblitzen. 1st man auf dem Grunde 
der Kammer angelangt, so hebt man den Tubus und zahlt ein anderes 
Quadrat aus. So kann man ohne Verschiebung des Praparats cine ganze 
Anzahl von Quadraten erledigen, und es wird von dem gewfinschten 
Grad der Genauigkeit abhangen, wieviel Felder man der Zahlung unter- 
wirft. Die Herstellung des Praparats ist sehr einfach, und auch die 
Zahlung bietet keine nennenswerten Schwierigkeiten, da die Bakterien 
helleuchtend hervortreten und die Netzteilung im Okular gut sichtbar 
ist und stets scharf eingestellt bleibt. 

Die Berechnung gestaltet sich folgendermaSen: 

Lange einer Quadratseite = a mm 
Tiefe der Kammer = t „ 

Durchschnittliche Zahl der Keime in einem Quadrat = n, dann ist die Zahl N 
1000 n 

der Keime in 1 ccm = — =-r— 

a* t 

oder in einem Zahlenbeispiel 

a = 0,02 mm, t = 0,1 mm, n = 4, dann ist 

N “ sjfflsa ~ 100 

Bei einer Deckglasdicke von 0,2 mm und einer Kammertiefe von 
0,1 mm wird man darauf achten miissen, dab das zum Zahlen benutzte 
Objektiv einen ausreichenden freien Objektabstand besitzt. Sehr gut 
eignet sich dazu die schon erwahnte Fluorit-Oelimmersion 1 / 1 a von 
E. Leitz, aber auch gute Trockensysteme von etwa 3 mm Brenn- 
weite sind brauchbar. Eine gewisse, nicht zu geringe Vergroberung ist 
notig, nicht etwa wegen der Sichtbarmachung der Bakterien, denn 
tliese sieht man im Dunkelfeld auch mit sehr schwachen Vergroberun- 
gen, sondern um bei dichten Aufschwemmungen einen gentigenden Ab- 
stand zwischen den Keimen zu haben; man tut daher gut, mit starken 
Okularen zu arbeiten. 

Zur Beleuchtung ist jede zur Dunkelfelduntersuchung geeignete 
Lichtquelle brauchbar. Ich mochte diese Gelegenheit benutzen, um alien, 
die sich mit solchen Untersuchungen beschaftigen, die neue Lampe 
von Oberingenieur Falkenthal zu empfehlen (beschrieben in Bd. 87. H. 5 
vom 17. Dez. 21 dieser Zeitschrift). Als Lichtquelle dient hier eine 
mit Schwaclistrom betriebene Metallfadenlampe, welche bei geringem 
Stromverbrauch und einfachster Handhabung eine fur die feinsten 
Dunkelfelduntersuchungen ausreichende Helligkeit und auch fur Ar¬ 
beiten im Hellfeld ein schones ruhiges Licht liefert. Man hat schon 
mehrfach versucht, Schwachstromlampen ftir diesen Zweck zu benutzen, 
bisher aber ohne Erfoig. Die Falkenthalsche Lampe stellt eine ge- 
lungene Losung des Problems dar und bedeutet daher einen wirklichen 
Fortschritt. Beim Gebrauch dieser Lampe erzielt man die beste Wir- 
kung, wenn man eine geblte Mattscheibe direkt unter dem Kondensor 
anbringt. 

Schlieblich mochte ich die Aufmerksamkeit der Dunkelfeld- 
untersucher noch auf eine Tatsache lenken, die nahezu vbllig in Ver- 
gessenheit geraten zu sein scheint, namlich dab zur optischen Verbin- 
dung zwischen Priiparat und Kondensor gewohnliches Wasser 
vollstandig geniigt, und dab man das teure und das Mikroskop ver- 
schmierende Zedernbl hier entbehren kann. Nur wenn es sich um Er- 
reichung hochster Lichtstarke handelt, wie bei Momentaufnahmen sicb 
bewegender Organismen, mag man zum Oel greifen. 



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Bach. Bemerkungen zu dem Artikel „Univer8alpipette fiir serol. Arbeiten“. 255 


Nachdruok verbotm. 

Bemerkungen zu dem Artikel „TJniversalpipette fur serologische 
Arbeiten (speziell fiir Wa ssermann -Untersuchungen mit 1 / i Dosen)“ 
yon Dr. Georg Blnmenthal. 

Von Priy.-Doz. Dr. F. W. Baeh, 

Assiatent am Institut fiir Hygiene und Bakteriologie der Universitat Bonn (Direktor: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. R. O. Neumann). 

In Bd. 87. Heft 4. 1921 des Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. ist von 
Dr. G. Blumenthal als Neuheit eine Auslaufpipette von 2 ccm 
FassungsvermSgen mit Vioo ccm Teilung und durch schwarze F&rbung von 
der Feinteilung sich abhebende 1 / i ccm-Einteilung beschrieben worden. 
Hierzu mochte ich bemerken, daB eine ahnliche 2 ccm-Pipette mit V 4 - 
und Vioo'Einteilung im serologischen Laboratorium des Bonner Hygiene- 
Institutes schon seit ca. 7 Jahren von mir fur die stets mit 7* Dosen 
ausgefflhrte Wa ssermann sche Reaktion verwendet wird 1 )- Im Gegen- 
satz znr Blumenthalschen Pipette ist die von mir benutzte Pipette 
etwas ktirzer (Gesamtl&nge 3372 cm), da mir langere Pipetten auf die 
Dauer unbequem wurden, auch ist sie nicht bis zura Auslauf graduiert, 
sondern die Graduierung endet ca. 1—2 cm vor dem Ende. Ich halte es 
fflr zweckmaBiger, nicht Auslaufpipetten zu benutzen, da es sich doch 
immer einmal ereignet, daB die Spitze beschadigt wird und damit eine 
Auslaufpipette infolge Verlustes der Endgraduierung stark an Gebrauchs- 
wert verliert, Nicht-Auslaufpipetten sind aber auch beiSpitzenbesch&digung 
immer noch zu gebrauchen. Die Genauigkeit des Abmessens hSngt gewiB, 
wie Blumenthal sagt, von der Spitzenoffnung ab, aber doch zum groBten 
Teil von der Sicherheit der Bewegung des die Pipette verschlieBenden 
Fingers. Die Spitzen-Feinteilung der Blumenthalschen Auslaufpipette 
wird wohl auch praktisch fflr so geringe Mengen, wie z. B. 0,01 ccm, 
nicht verwendet werden, man wird fiir die Abmessung so kleiner Mengen 
doch stets ein h6her gelegenes Intervall nehmen. AuBerdem ist es in 
solchen Fallen unbedingt zweckmaBiger und sicherer, Spezialpipetten mit 
sehr feinem Lumen zu benutzen, bei denen die Intervallknge groB ist, 
so daB man sicher arbeiten kann. Speziell fiir die Wa ssermann-Reaktion 
kommt eine kleinere Menge wie 0,05 ccm auBerdem wohl kaum in Betracht. 

Ob die Ziffernbezeichnung von unten (d. h. Spitze) nach oben (Mund- 
stflek) lkuft oder umgekehrt, ist bis zu einem gewissen Grad Geschmack- 
sache. Die Blumenthalsche Bezifferung ist sicher fiir Abmessung 
kleiner Mengen von unten nach oben erfolgt, aber der im Pipettieren 
Geflbte wird sich doch kaum mehr an die absoluten Zahlen halten, sondern 
in jedem beliebigen Intervall abmessen. Aus diesem Grunde ist auch 
die Vioo ccm-Einteilung bei der von mir verwendeten Pipette durchgangig 

1) Angefertigt von der Firma C. Gerhardt, Bonn. Geaamtlange: 33'/, cm 
(Blnmenthal: 42 cm); Mundstiick bis Skala: ca. 10 cm (ca. 14 cm); Spitze bia Ende der 
Oraduiernng: ca. 2 cm; Lange der Skala: 21'/, cm (28); Lange von '/« b* 8 1 / i ccm: 
2’/ t cm (3*/ 4 —3 l / a ); Loch der Munddffnung: 4 mm (3—4); Loch der Spitze: 1'/, mm (1) 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


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angebracht, ein Vorteil insofern gegeniiber der Blumenthalschen 
Pipette, bei der die Vioo-Einteilung schon bei 0,5 ccm aufhort, da damit 
auch z. B. die fortlaufende Abmessung von 0,05 ccm fiber 2 ccm (also 
40mal) ermoglichtwird. SpeziellffirdenGebrauch zurWassermannschen 
Reaktion halte ich die Zahleneinteilung von oben nach unten ffir vorteil- 
hafter; denn hier spielt die Zahlenfolge insofern eine Rolle, als das 
Gedachtnis entsprechend dem tatsfichlich erfolgenden Flfissigkeitsverbrauch 
unterstfitzt wird (man also nicht umgekehrt zfihlen muB). 

Die Ffirbungder Graduierungist sicher ein Vorteil der Blumenthal- 
schen Pipette, nur verteuert sie das Instrument, weshalb auch Blumen- 
thal eine durchgehende Graduierung fortgelassen hat. Ebenso einfach 
ist es, sich selbst die Zahlen weiB oder schwarz zu farben. Ffir diesen 
Zweck eignet sich Kremser- oder ZinkweiB, bzw. KienruB in Wasser auf- 
geschwemmt, dem auf ca. 50 ccm 5—6 Tropfen (nicht mehr) kauflicher 
Wasserglaslosung zugesetzt werden. Mit diesem Gemisch reibt man die 
Pipetten ein, wischt den UeberschuB ab und laBt sie trocknen. Das Ver- 
fahren kann beliebig oft wiederholt werden. 

Zum Zusetzen des Hammelblut-Ambozeptorgemisches (= 2 mal 
1 l i Dosen = 0,5 ccm) benutze ich seit einiger Zeit keine Pipette mehr, 
sondern eine Bfirette von 25 ccm Fassungsvermogen, 50 cm Gesamtlange, 
37 x /2 cm Skalenlfinge, die 74 ccra-Einteilung besitzt und deren AusfluB 
zweimal rechtwinklig abgebogen ist 1 )- Die winkelige Biegung des Aus- 
laufes hat gegeniiber geraden Bfirettenauslaufen den Vorteil, daB man 
gezwungen ist, den Arm etwas hoch zu halten, so daB man die Rohrchen 
in den Gestellen fiberblicken kann und nicht anstoBt. Sobald man 
sich an diese Bfirette gewohnt hat, arbeitet es sich viel schneller als mit 
einer Pipette und auch ausreichend genau damit, da man den Rand des 
Fltissigkeitsspiegels scharf einstellen kann. Eine kleine Luftblase stort 
nicht, sondern erleichtert sogar die Ablesung. Zur Vermeidung groberen 
Schaumes empfiehlt sich Einffillen des Gemisches durch einen Trichter. 

1) C. Gerhardt, Bonn. 


Druckfeh I er berichti gun g. 

In der Arbeit J. L. Kritschewsky, „Ueber das Vorkommen von Protozoen in 
der Zerebrospinalflussigkeit von Fleckfieberkranken“ (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. 
Bd. 87. Heft 7/8.) ist zu lesen: 

S. 529, Tabelle, 2. Kolonne, 1. Zeile, statt: Reaktion „Zellenreaktion“, 

S. 529, letzte Zeile, statt: wurden die Protozoen entdeckt „wurden die Protozoen 
nicht entdeckt“, 

S. 531, letzte Zeile, statt: bakterielle Formen „bakterienahnliche Formen“. 


Inhalt. 


Bach, P. W., Bemerkungen zu dem Ar- 
tikel „Universalpipette fur serol. Arbeiten 
(speziell fiir Wasserraann-Untersuch- 
ungen mit 1 / i Dosen)“ von Dr. Georg 
Blumenthal, 8. 255. 

Bien, Z., Die Saureagglutination der Weil- 
Felixschen X-Stfimme, 8. 177. 

Ging, H. A., u. Weber, B,., Ueber experi- 
mentelle Maul- und Klauenseuche, S. 180. 

Kuhn, Philalethes, Untersuchungen fiber 
die Fliegenplage in Deutschland. Mit 
1 Kurve im Text, S. 186. 

Martini, E., Die Eidouomie der Flohe, als 


Beweis ffir ihre stammesgeschichtliche 
Herkunft. Mit 2 Abbild. im Text, S. 205. 
Mayeda, Tomosnke, Ueber die Vucin- 
festigkeit der Staphylokokken und ihre 
Beziehung zum Staphylolysin, S. 222. 
van Biemsdijk, M., Ueber einen neuen. 
einfachen 8auerstoffindikator ffir die 
Zfichtung von anaeroben Bakterien und 
die Kultur von Anaerobionten im allge- 
meinen. Mit 10 Abbild. im Text, S. 229. 
Troeater, C., Verfahren zum Zfihlen ab- 
getoteter Bakterien in Aufschwemmungen, 
S. 252. 


Frommannsclie Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. 



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Centralbl. f. Bakt etc. I. AbL Originate. Bit. 88. Heft 4. 

Ausgegeben am 12. Juni 1922. 


Naohdruck verboten. 

Aenderungen bei Bakterien, aufgefasst als adaptative und 
regressive Aenderungen wabrend der individuellen Existenz. 

[Aus der Abteilung fur Tropenhygiene des Kolonialinstituts Amsterdam.] 
Von Prof. Dr. J. J. van Loghem. 

Der Begriff „Individuum“ ist filr die Begriffe Erblichkeit und 
Variabilitat fundamental. Wenn man von „erblich“ spricht, so meint 
man damit die Aehnlichkeit zwischen Eltern und Nachkommling, wah- 
rend man mit „variabel“ den Unterschied zwischen diesen beiden be- 
zeichnet, dabei voraussetzend, daB elterlicher Organismus und Nach¬ 
kommling 2 verschiedene Individuen sind. 

Obwohl dieses ftir die Mehrzelligen meistens selbstverstandlich ist, 
verhalt es sich in der Bakteriologie nicht so einfach. Wohl ist es 
tiblich, die einzelnen Bakterien „Individuen“ zu nennen, aber der 
essentielle Unterschied gegeniiber den hbheren Formen ist damit nicht 
aufgehoben. 

Bei Mehrzelligen ist das Nachkommlings-Individuum ein anderes 
Wesen als das elterliche; bei den Einzelligen aber, welche sich aus- 
schlieBlich durch Teilung fortpflanzen, entsteht kein Nachkommling 
neben den Eltern, sondern es ist ein Teil der Eltern selbst, der als 
Nachkommling weiterlebt. Weismann hat dieses schon friiher scharf 
beleuchtet. 

Somatisch verschiedene Individuen, bei welchen man Aehnlichkeit 
(d. h. Erblichkeit) und den Unterschied (d. h. Variabilitat) untersuchen 
soil, sind also in der Bakterienwelt nicht vorhanden. Man kann sagen, 
daB der Bakterienklon durch eine Kontinuitiit des Individuellen ge- 
kennzeichnet ist, daB also im Klon sowohl das Erbliche wie auch das 
Individuelle eingeschlossen sind. 

Beobachtet man Aenderungen des Klons, so ist zweierlei mbglich: 
es sind entweder Aenderungen, welche vergleichbar sind mit den zu der 
Genetica gehorigen Variabilitatserscheinungen der hoheren Formen, oder 
solclie, welche vergleichbar sind mit Veriinderungen in der individuellen 
Existenz der hbheren Formen. Im letzteren Falle wtlrden die bakteriel- 
len Aenderungen also AcuBerungen einer individuellen Aenderungs- 
fahigkeit sein, d. h. physiologische oder pathologische Ereignisse, welche 
nicht zum Objekt der Genetica gehoren. 

Bis jetzt werden die Aenderungen der Bakterien allgemein void 
genctischen Standpunkt aus betrachtet; eine Betrachtungsweise, welche 
keinen grofien Erfolg gehabt hat. Sie hat nicht nur eine groBe terraino- 
logische Verwirrung angestiftet, sondern auch zu einer genetischen 
Sonderstellung der Bakterien gefilhrt. In seinem bekannten Ileferat 
„Ueber Mutation bei Bakterien und anderen Mikroorganismen“ schlieBt 
Fisenberg J ): „Eins geht aus vielen besprochenen Befunden zweifcllos 

1) Weichardts Ergebni8se. I. 1914. S. 316. 

Erne Abe. Orig. Bd. 88. Heft 4. 17 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


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hervor, das ist die Erblichkeit erworbener Eigenschaften bei 
Bakterien und anderen Mikroorganismen." 

Ich habe nun versucht, vom 2. Gesichtspunkte aus an die Frage 
der bakteriellen Aenderungen heranzutreten. Ich betrachte auf den fol- 
genden Seiten die Aenderungsfahigkeit als individuelle Eigenschaft, die 
Aenderung selbst als geanderte Individualist. Ferner wird die Mog- 
lichkeit, sie mit analogen Erscheinungen bei hoheren Formen zu ver- 
gleichen, untersucht. 

I. Die Aenderung erwelst sieh als irreparabeler Verlust einer 

Eigenschaft. 

Faile solcher Aenderungen sind schon ziemlich zahlreich und in 
sorgfaltiger Weise (Einzellkulturen) untersucht worden; die Asporo- 
genie von Saccharomy ces und B. anthracis, die Farblosigkeit von 
B. prodigiosum sind Aenderungen, welche durch Ziichtung unter 
ungtinstigen Bedingungen erhalten worden sind. Es hat sich dabei als 
mbglich herausgestellt, vollkoramen organisierte Klone derart zu andern, 
daB sie in defektem Zustande das Leben fortsetzen miissen. 

Andere Beispiele sind: Verlust gewisser fermentativer Eigenschaften 
des Coli-Bazillus nacli Ziichtung auf Malachitgrun-Nahrbbden; Verlust 
des kollolytischen Vermogens bei einem liber 16 Jahre im Laboratorium 
fortgeztichteten B. Proteus anindologenes usw. 

Wenn man diese und derartige Modifikationen genetisch betrachtet, 
so zeigt sich, daB die Umwandlung sich hier nicht auf den Phaeno- 
typus beschrankt hat. Auch wenn man die Klone unter die giinstig- 
sten Bedingungen bringt, so zeigen sich die Aenderungen als be- 
standig; d.h. dieBeschadigung hat die genotypischeAnlage getroffen; sie 
ist erblich. Von dem oben umschriebenen Gesichtspunkt aus, wobei 
das Augc auf die individuelle Ivontinuitat innerhalb des Klons g e - 
richtet. ist, stellen wir fest, daB der Klon offcnbar so geschadigt ist, 
daB er von jetzt an individuell ein gewisses Vermogen entbehren mufi. 

Die Asporogenic und andere Verlusterscheinungen stellen also keine 
als Mutationen zu deutenden erblichen Mutilationen dar, sondern sind 
vergleichbar mit dem Vorgang bei einer Maus, welche in der J ugend 
ihren Schwanz verloren hat und jetzt ihre ganze individuelle Existenz 
hindurch einen solchen entbehren muB. Den Verlust des Vermogens, 
die Gelatine zu verfliissigen, konnen wir vergleichen mit irgendeiner 
Atrophic, welche unter physiologischen oder pathologisclien Umstanden 
wahrend des Lcbens eines hoheren Organismus beobachtet werden kann. 

II. Die Aenderung offenbart sich als voriibergehender Verlust, 

AbschwSchung oder Verst&rkung einer Eigenschaft. 

Als klassisches Beispiel einer voriibexgehcnden Aenderung kann 
die Herabsetzung des Laktose umsetzenden Vermogens des Colibazillus 
dienen. Unter den gewohnlichen Laboratoriumsbedingungen ist dieses 
Vermogen gewbhnlich bald wiederhergestellt. 

Die gebrauchliche Deutung solcher laktose-negativen Stamme als lm- 
perfekte Stamme ist nicht richtig. Das vortibergehende Aufhoren der 
Laktaseproduktion ist eine deut-liche funktionelle Umwandlung, der 
Ausdruck einer Anpassung. Man vergleiche nur die Bedingungen, unter 
welchcn die laktose-negativen Klone besonders liaufig werden 1 ). 

1) Vor kurzera habe ich dieselben an der Hand eigener Erfahrung und der unter 
meiner Leitung verfaCten Arbeit Ter Poorten s beleuchtet. (Ned. Tijdschr. Geneesk. II. 
1921. S. 1966) und F. H. Ter Poorten, Over variabiliteit in de zoogenaamde typhus 
coli groep. [Inaug. Diss.] Amsterdam 1920. 



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van Loghem, Aenderungen bei Bakterien usw. 


259 


Isoliert man den Colibazillus aus pathologischen Produkten, oder ziich- 
tet man denselben langere Zeit in lebendigen Gewebsfltissigkeiten (Kol- 
lodiumsackchen im Kaninchen), so bekommt man oft Klone, welche 
nicht nur laktose-negativ sind, sondern deren physiologische Struktur 
(Rezcptorenapparat) deutlich „vereinseitigt" ist. Die laktose-schwachen 
Stamme meines B. pseudocholerae wurden von den betreffenden 
Seren gegenseitig agglutiniert, blieben aber unbeeinflnBt von anderen 
Coli-Seris 1 ). Im Kaninchen fortgeztichtete Klone, Abkommlinge von 
.,perfekten“ serologisch wenig scharf begrenzten Colistammen, verloren 
ihr laktose-spaltendes Vermogen and warden zu gleicher Zeit von 
Coli-Seris, die mit Stamraen hergestellt waxen, welche sich ebenfalls 
laktose-negativ verhielten, stark agglutiniert (Ter Poor ten). 

Auch die serologischen Schwankungen, die isochron mit Schwan- 
kungen des fcrmentativen Vermogens beim atoxischen Dyseriteriebazil- 
lns in meinem Laboratorium von Korthof 2 ) festgestellt worden sind, 
sprechen ftir die Auffassung, dab vortibergehende Minusanderungen in 
der Kegel zur Anpassung gehijren. 

Se-hlieBlich envahne ich die Mitteilung Wolffs 3 ), der nachwies, 
dab ein Staphylococcus bei Steigerung der Virulenz das kolloly- 
tische Vermogen verlieren kann. 

Zahlreich sind die Beispiele von voriibergehender Verstarkung ge- 
wisser Eigenschaften wie Erhohung der Virulenz, Gewbhnung an Gifte, 
Sanerstoffspannung, Ioucnkonzentration usw.; und es ist bekannt, daB 
die Verstarkung sich w&hrend einiger Zeit bestandig zeigen kann, und 
zwar auch, nachdem der Organismus unter die normalen Beding ingen 
zurtlckgekehrt ist. 

Durch die Genetica ist die Frage der Gewbhnung bei hbheren For- 
men als Bakterien genau studiert worden. Wiederholt hat sich ja der 
Gedanke, daB das individuelle Vermogen der Anpassung bei der Evo¬ 
lution der lebenden Natur cine Rolle spielen muB, in den Vordergrund 
gedrangt, aber ebenso oft hat die experiinentelle Priifung die Erblichkeit 
der in tier individuellen Existenz erworbenen Eigenschaften zurdek- 
weisen milssen. „Diese faktische personliche Biegsamkeit, diese oft 
augenfkllige selbstregulierendc individuelle Anpassung der Individuen 
wird immer und immer mit einer nur gedachten Biegsamkeit der 
genotypischen Anlage solcher Individuen verwechself' (Johannsen) 4 ) 

Macht man die bakteriellen Gewohnungserscheinungen zum Objekt 
der Erblidikeitslehre, so schlcicht sich der Gedanke an eine ,,biegsame 
genotypische Anlage“ wieder hinein. Ohne „Erblichkeit envorbener 
Eigensdiaften“, „vortibergehende erbliche Fixierung“, „Dauermodifika- 
tion“ sind sic gcnctisch nicht zu verstehen. 

Von dem anderen Standpunkt begegnen wir diesen Beschwerden 
nidit. Das adaptative Vermogen der Bakterien ist ftir uns eine Form 
der „persbnlichen Biegsamkeit", der „selbstregulierenden individuellen 
Anpassung". 

Die Umwandlung des Rezeptorenapparates des Colibazillus mit 
den isochronisclien Aenderungen seines fcrmentativen Vermogens steht 
ftir uns auf gleicher Linie wie die kbrperliehe Umgestaltung einer phago- 


1) Geneeskund. Tijdachr. voor Nederlandsch Indie 1909. 

2) G. Korthof, Proeven over de veranderlijkheid van atoxieche dysenterie- 
bacillen. [Inaug. Dise.J Ameterdam 1918. 

3) Biolog. Sect. Genootsch. nat. geneewk. heelk. Amsterdam 30. Nov. 1921. 

4) Elemente der exakten Erblichkeitslehre. 2. Aufl. 1913. 8. 429. 

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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 86. Heft 4. 


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zytierenden Amdbe oder einer sicli dem Lichte zuneigenden Pflanze. 
Beides sind UmwandJungen — die eine funktionell, die andere korper- 
lidi — zur Anpassung des Individuums an eine Aenderung in den 
Bedingungen der Au Ben welt, sie haben also mit Erblichkeit nichts 
anderes zu tun, als daB die Aenderungsfahigkeit erblich ist. Bleiben ge- 
wisse, bei der Adaptation der Bakterien von der Norm abgewichene 
AeuBerungen einige Zeit bestehen, so haben wir Erscheinungen vor uns, 
welche uns aus der physiologischen oder pathologischen Adaptation 
(Imraunitat) der hoheren Organismen wohlbekannt sind. Die nach 
Tierpassagen erhohte Virulenz eines Streptococcus ist direkt ver- 
gleichbar mit dem erhbhten Typhusagglutingehalte des Serums eines 
Menschen, der sicli vor kurzem von einer Typhuserkrankung erholt hat. 


III. Die Aenderung offenbart sich als „neue“ Eigenschaft. 

Ich schicke voraus, daB man sehr vorsichtig sein muB bei der An- 
nahme einer neuen Eigenschaft. Gewohnt man eine Bakterie an ein 
neues Milieu, und reagiert man jetzt mit biochemischen Reagentien 
auf Plus- oder Minusabweichungen, so untersucht man nur die AuBen- 
seite von wichtigen, inneren Aenderungen. Es ist denkbar, daB eine 
Funktion, welche unter gewohnlichen Bedingungen nicht ans Licht 
tritt, unter der Einwirkung abnormer Reize manifest wird. 

Aenderungen, wobei etwas Neues hervortritt, werden bei Bakterien 
dann und wann beobachtet. 

An erster Stelle erinnere ich an die klassischen Untersuchungen 
Beyerincks tiber B. prodigiosum. Von dieser Bakterie bekam 
Beyerinck 1 ) eine Mutante, welche die Eigenschaft besitzt, Schleim 
zu bilden; verglichen mit dem Mutterstamme, besitzt diese Mutante 
also etwas Neues 1 ). 

Weiter erwahne ich liier die Experiments Jordans 2 ) tiber eine 
saccharose-positive Mutante von B. coli und die Mitteilung von 
Baerthlein 3 ), der eine hamolytisclie Mutante aus einem nicht-hamo- 
lytischen Choleravibrio abgesondert hat. 

Aus eigener Erfahrung nenne ich einen indolbildenden Abkbmmling 
aus einem nicht-indolbildenden B. paratyphosum B. und einen 
Typhusstamm, welcher, im Gegensatz zu dem Mutterstamm, imstande 
war, Ammoniak als Stickstoffquclle zu benutzen 4 ). Bei alien diesen 
Untersuchungen ist Selektion ausgeschlossen. 

Fragen wir jetzt nach der Bedeutung dieser „neuen“ Eigenschaft. 
1st bei Typhus-, Prodigiosus-, Paratyphus-, Coli-, Cholera- 
bazillen wirklich Mutabilitat nachgewiesen, sind diese Bakterien in einer 
Periode der Bilduug neuer Arten, welche zu einer Umschaffung der 
Bakterienwelt ftihren soil? 

Mit Beyerincks Beispiel anfangend, bemerken wir, daB der Ent- 
decker selber die Schleimmutante nicht als etwas Progressives be- 
trachtet. „DaB wahrhaft neue Genen bei der Mutation jemals ge- 
bildet werden, ist nicht erwiesen.“ „Weun dieses der Fall zu sein 


1) Folia Microbiolog. I. 1912. S. 4. 

2) Zit. v. Cole und Wright, Journ. of infect, dis. Vol. 19. 1916. p. 219. 

3) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 81. 1918. S. 369. 

4) Aus deu in meinem Laboratorium ausgefiihrten Untersuchungen von Tan 
Pingle haben wir etwas Naheres kennen gelernt liber die Umstiinde, unter welchen 
ein ammoniaknegativer Klon sich in einen ammoniakpositiven umwandelt. (Proeven 
over de variabiliteit van Bacterium typhosum. [Inaug.-Diss.] Amsterdam 1921.) 


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van Loghem, Aenderungen bei Bakterien usw. 


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scheint, wie bci tier Mutante B. prodigiosus viscosus, welche sich 
von ihrer Stammform durch das neue Merkmal „Schleimbildung“ unter- 
scheidet, so ist es doch viel wahrscheinlicher, daB die Progene der 
Schleimbildung schon in der Stammform gegenwartig war nnd durch 
Atavismus erwecktwurde“ (Bey er i n ck, Folia microbiolog. Bd. 1. 1912. 
S. 95). 

Priifen wir die anderen Beispiele an Beyerineks Auffassung, so 
bekommen wir ein befriedigendes Resultat. Auch das saccharose-positive 
Vermbgen, das von Jordan bei B. coli festgestellt wurde, betrii'ft eine 
Eigenschaft, welche bei den mehr saprophytischen Verwandten des 
Colibazillus ofters vorkommt. Dasselbe gilt fur Baerthleins hamo- 
lytische Mutante des Choleravibrio und ftir meine eigenen Beobachtungen 
an Typhus- und Paratyphusbazillen. Das normale B. typhosum ist 
keine Animoniakbakterie, withrend die weniger parasitaren, mehr kom- 
mensalen Reprasentanten der Typhus-Coli-Gruppe konstant ammo- 
niumpositiv sind. In bezug auf die Indolbildung bei einem Para- 
tvphus B-Klon ist zu bemerken, daB wir dieser Eigenschaft regelmiiBig 
bcim Colibazillus, dem am mindestenparasitaren, also phylogcnctisch 
altesten Reprasentanten dieser Gruppe, begegnen. Sind solche Regres- 
sionen nur vom Standpunkte der Genentheorie zu erklaren — durch 
die Annahme von Progenen (Bey eri nek), oder konnen wir wieder 
rait der Auffassung auskommen, daB die ira Klon liegende Individualist 
einen EinfluB gewonnen hat, welcher zur Manifestierung vorelterliclier 
Eigenschaften fiihrt? Mit anderen Worten, gibt es bci mehrzelligen Indi- 
viduen analoge Erscheinungen von phylogenetischen Regressionen wah- 
rend der individuellen Existenz? 

In einer Abhandlung iiber die Bedeutung der endokrinen Organe 
hat Bo lk 1 ) das Vorkommen solcher Abweichungen wall rend des indi- 
viduellcn Lebens des Menschen scharf beleuchtet. Die Formunterschiede 
zwischen verwandten Spezies, sagt Bolk, konnen entweder dadurch zu- 
standekommen, daB etwas Existentes sich kraftiger entwickelt oder 
etwas Existentes in seiner Entwicklung gestort wild. Und er zeigt., daB 
die Entwicklung einiger spezifisch-menschlicher Eigenschaften das 
Resultat einer hemmenden Wirkung der endokrinen Organe ist. Bei 
Erkrankung oder abnormer Entwicklung dieser Organe fallt der hem- 
mende EinfluB fort, so daB die Aenderungen, w r elche dann ini Korper 
auftreten, einen pithekoiden Charakter haben. 

Die von Bolk eroffnete Aussicht ist nicht nur von groBem Werte 
ftir das Evolutionsproblem, sondern auch fiir die allgemeine Physio¬ 
logic. Die Arteigenschaften sind also der Ausdruck eines bestimmten 
Gleichgewichtcs physiologischer Wirkungen. Bei Storung dieses Gleich- 
gewichts haben Eigenschaften eines friiheren phylogenetischen Stadiums 
Gelegenheit, manifest zu werden. 

Wendet. man diese Auffassung bei unserer Frage an, so warden 
z. B. ira Typhus- und Paratyphusbazillus coliartige Eigenschaften 
im gehemraten Zustuiide vorhanden sein; Storung der normalen E'unktio- 
nen des Typhusbazillus wilrde die aus einem friiheren phylogenetischen 
Stadium staminenden Eigenschaften (Ammoniakpositivitat, Indolbildung) 
manifest machen konnen. 

In vorstchender Betrachtungsweise lialxm wir verschiedene bak- 
tnielle Aenderungen, welche vom genctischen Standpunkte atis als 


1) Kon. Akad. v. Wet. Versl. Wie. en Nat. Afd. Bd. 29. 1921. S. 1092. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


Mutation, Fluktuation, Dauermodifikation, Atavismus usw. aufgefaBt 
werden, auBerhalb des Gebietes der Erblichkeitslehre verlegt uud als 
„individuelle“ Umgestaltungen aufgefaBt, und zwar als Erscheinungen, 
welche zur Physiologie und Pathologie der Mikroorganismen gehoren. 

Terminologisch konnte man sie in folgender Weise unterscheiden : 
Adaptative Aenderungen = Ausdruck der individuellen Anpas- 
sungsfahigkeit des Klons innerhalb physiologischer Grenzen, Regres¬ 
sive Aenderungen = individuelle Reaktion des Klons auf Storung 
der normalen Funktion: a) Atrophie (Abschwachung bis Verlust der 
Funktion), b) Degeneration (krankhafte Aenderung der Funktion). 

Der Gegensatz, welcher sich auf genetischem Gebiet zwischen 
UnizelluLaren und Multizellularen entwickelt hat, scheint mir aufge- 
hoben und die Notwendigkeit, fur die Bakterien und andere Mikroorga¬ 
nismen cine Erblichkeit erworbener Eigenschaften anzunelimen, besteht 
m. E. nicht mehr. Ebenso wie bei den hoheren Organismen ist alles, 
was auf eine erbliche Fixierung der Modifikation („auf eine Biegsam- 
keit der genotypischen Anlage 1 2 ’) hinzuweisen schien, zur „personlichen 
Biegsamkeit“ zurtickgefilhrt worden. 

Dieses wtirde aber auch beitragen zur Erblichkeitslehre der Uni- 
zellaren selber; auch diese kann sich nur entwickeln und ein Teil 
der Genetica werden, wenn sie gesaubert ist von allem, was nicht zu 
ihrem Objekt gehort, aber systematisch damit verwechselt wird. 


Naohdruck verboten. 

Imm unisiemngs versuche gegen DiphtJierie beim Menschen 1 ). 

[Aus der Universitats-Kinderklinik zu Breslau. (Direktor: Professor 

Dr. S to It e).] 

Von Hans Opitz, Assistenten der Klinik. 

Nach den wenig erfolgreichen Versuchen, die Dzerjgowski und 
Petruschky zur Erzielung einer aktiven Iinmunisierung gegen Diph- 
therie beim Menschen unternommen hatten, zeigte uns Behring einen 
neueu wirksamen Weg. Seine Vakzine besteht bekanntlich aus eineni 
Toxin - Antitoxin gemisch mit einem ToxinuberschuB. Bemerkenswerter- 
weise gelang es jedoch mit einem abgeschw&chten Praparat (TA VII), 
das am Meerschweinchen keinerlei logische Wirkung mehr erkennen 
lieB, eine Steigerung des Antikorpertiters zu erzielen, die bis zum 
250facheu des Anfangswertes ging*). Dabei erhob sich die Frage nach 
dem immunisierenden Prinzip dieser Toxin-Antitoxingemische: Beruht 
es auf einem minimalen, im Tierversuch nicht mehr meBbaren Toxiu- 
iiberschuB oder wird durch eine Trennung der Verbindung Toxin-Anti¬ 
toxin in vivo Toxin frei, das dann als Antigen wirken kannV Zur Be- 

1) Die ausfiihrliche Mittleilung erfolgte im Jahrb. f. Kinderheilkd. Bd. 92; Bd. 96; 
Bd. 97, und in den Verhandl. d. Gee. f. Kinderheilkd. 1921. 

2) Bezuglich der Methodik «ei erwiihnt, dad, wenn nichts anderea vermerkt ist, 
gewohnlich 2mal je 0,1 ccm der Vakzine intrakutan in lOtiigigen Abstanden injiziert 
wurdeu. Die Impfgemische wurden zuvor 1 Std. bei 37° gehalten.' Die Antitoxin- 
beBtimmung erfolgte nach der Romerschen Intrakutanmethode vor der Impfung und 
nach 20 Tagen, vielfach auch spaterhin noch. 


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Opitz, Immunisierungsversuche gegen*Diphtherie beim Menschen. 


263 


antwortung dieser prinzipiell wichtigen, seinerzeit noch von Herrn 
Professor Bessau angeregten Fragen wurde eine Anzahl von Versuchen 
angestellt 

DaB reine Toxinverdiinnungen, deren Konzentrationen der indivi- 
duellen Empfindlichkeit angepaBt waren, eine ganz erhebliche Vermeh- 
rung des Antitoxingehaltes (bis zum 160-fachen der ursprflnglichen Menge) 
bewirken kflnnen, lieB sich an einer Versuchsreihe von 6 Kindern zeigen. 
Dabei wurde zunflchst nur ganz generell die Wirksamkeit verdunnter 
Diphtheriebouillon festgestellt, ohne Riicksicht auf die Dosierung. Letztere 
interessierte aber bei unserer Fragestellung besonders. Die nflchsten 
Untersucbungen gingen nach dieser Richtung. Wenn wirklich in dem 
von uns verwandten Impfgemisch eine Toxinmenge, deren Nachweis sich 
selbst an dem hochempfindlichen Meerschweinchen entzieht, einen im- 
munisatorischen Effekt habeu konnte, so miiBte ein Toxinquantum von 
einer Ln-Dosis erst recht wirksam sein. Tats&chlich war das nicht der 
Fall. Da die Dosis immunisatoria minima mithin gr&Ber sein muB, kann 
in einem neutral erscheinenden Toxin-Antitoxingemisch etwa vorhandenem 
freien Toxin keine Bedeutung zukommen. 

Damit ist freilich noch nicht bewiesen, daB gemaB der zweiten Hypo- 
these eine LSsung der Toxin-Antitoxinbindung im Kflrper stattfindeu 
mfisse. Eine immunisatorische Wirkung wird ja auch den in einer 
Diphtheriebouillon enthaltenen Toxoiden (Fraenkel, Ehrlich, Loe- 
wenstein) und Toxonen (Dreyer und Madsen) zugesprochen, und 
gerade der Umstaud, daB wir mit einem abgeschwflchten, also sicher 
toxoid- und toxonreichen Impfgemisch gearbeitet hatten, zwang uns, diese 
Faktoren besonders in Rechnung zu stellen. Unter Berflcksichtigung 
der von Ehrlich angegebenen Mengenverh&ltnisse konnten wir je- 
doch annehmen, daB durch 5-fache Ueberneutralisierung der Diphtherie¬ 
bouillon diese beiden KQrper ausgeschaltet seien. In diesem Sinne sprach 
anch der Tierversuch. Je 0,5 ccm dieses Gemisches zweien Meerschwein¬ 
chen subkutan, bzw. einem Kaninchen intravenos injiziert, lieB wflhrend 
der 12-wochigen Beobachtungszeit keine nachteiligen Folgen in Erschei- 
nung treten. Der immunisatorische Effekt bei den Versuchskindern war 
ausgezeichnet und machte in einem Falle mehr als das 500-fache des 
ursprflnglichen Titers aus. DaB von den 4 antitoxinfreien Kindern 2 keine 
Wirkung erkennen lieBen, braucht nicht gegen die Brauchbarkeit der 
Methode zu sprechen. Einmal ist nicht jedes Individuum zur Im- 
munisierung geeignet und dann gelingt es ja erheblich leichter, einen 
bereits bestehenden Titer in die Hohe zu treiben, als Qberhaupt erst 
Antikorper zu erzeugen. Vielleicht hatte sich bei einer spateren Unter- 
suchung, die aus auBeren Grflnden nicht erfolgen konnte, noch Anti¬ 
toxin nachweisen lassen. Erwflhnt sei auch, daB Park und Zing her 
rait der Behringschen Vakzine bei schutzstoffreien Individuen nur in 
25 Proz. Erfolg hatten. Der Ausfall dieser Versuche berechtigt wohl 
zu der Annahme, daB die Verbindung Toxin-Antitoxin in vivo nicht irre- 
versibel ist. Wir kommen also, von andern Gesichtspunkten ausgehend, 
beim Menschen zu denselben Resultaten wie Loewenstein und seine 
Mitarbeiter in ihrer Tierversuchen, ebenso sei an die aiteren Versuche 
mit fiberneutralisierten Toxin-Antitoxingemischen bei Pferden von Babes, 
Kretz, Me Clintock und N. S. Ferry u. a. erinnert. In einem 
Punkte weichen unsere Ergebnisse erheblich von den Loewenstein- 
schen ab. Dieser fand nainlich, daB bei Verwendung reiner Toxinlo- 
sungen die Hflhe der Immunitat bereits nach 18 Tagen erreicht ist, 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


wahrend bei iiberneutralisierten Praparaten ein immunisatorischer Effekt 
erst nach 40 Tagen beraerkbar wird, der sein Maximum mit 100—120 Tagen 
erreicht. Demgegentiber konnten wir beim Menschen nach 20 Tagen 
keinen Unterschied in dem Wirkungsgrade von reinen Toxinverdiin- 
nungen, ausgeglichenen und iiberneutralisierten Impfgemischen feststellen. 
Die erheblichste Titersteigerung wurde sogar gerade mit uberneutrali- 
sierter Vakzine erzielt. 

Die Ansicht, dad die Abs&ttigung des Toxins durch das Antitoxin 
in vitro keine untrennbare chemische Verbindung darstellt, hat auch 
v. Behring in seiner letzten groBeren Diphtheriearbeit 1 ) auf Grund der 
interessanten Tatsache ausgesprochen, daB die verschiedenen Tierarten 
und auch der Mensch auf meerschweinchenneutrale Toxin-Antitoxin- 
gemische keineswegs gleich reagieren. Ob die z. T. sehr betrachtlichen 
Reaktionen aber unbedingt als Toxinwirkungen gedeutet werden mussen r 
erscheint zweifelhaft. Besonders die bei Kindern im Alter von 4—10 Jahren 
nach subkutaner Injektion beobachteten „spezifischen“ Lokalreaktionen 
diirften eher als Ausdruck der Endotoxinkomponente der Bouillon auf- 
zufassen sein. 

Beziiglich der nSheren Erklarungsversuche dieses biologischen Vor- 
ganges sei auf die ausfiihrlichen Mitteilungen hingewiesen. Erwahnt sei 
nur, daB wir ein Freiwerden von Toxin durch allmahlichen Abbau des 
Antitoxinmolekiils, was Loewenstein im Hinblick auf den im Ver- 
gleich zu unterneutralisierten Impfstoffen verzogerten Eintritt der Im- 
munitat annimmt, unter Beriicksichtigung unserer bisherigen Kenntnisse 
von der Resistenz dieser beiden Faktoren und in Hinsicht auf den im- 
munisatorischen Effekt, der dem reiner Toxinverdiinnungen auch zeitlich 
mindestens gleichkam, nicht fur wahrscheinlich halten. Eher dflrfte es 
sich um eine wirkliche Sprengung der Verbindung handeln, wobei viel- 
leicht gunstigere Resorptionsverhaitnisse fiir das kleinere Toxinmolekul 
und eine groBere Aviditat desselben zu den Gewebsrezeptoren als zu 
den freien eine Rolle spielen. 

Nachdem der wichtige Nachweis erbracht war, daB man mit atoxischen 
Impfgemischen eine aktive Immunisierung herbeifuhren kann, erschien 
es aussichtsvoll, auf diesem Wege das Problem in Angriff zu nehmen, 
aktive und passive Immunisierung zu kombinieren. Zu diesem Zwecke 
wurden Impfversuche angestellt mit dem Praparat, das neben der als 
Antigen ausreichenden Menge Diphtherietoxins (0,05 ccm DG 7) die fur 
die passive Immunisierung notigen Antitoxineinheiten (ca 500 AE) ent- 
hielt. Mit Riicksicht auf die relativ groBe Fliissigkeitsmenge — es war 
nur 1000-faches Serum erhaitlich — erfolgten die Injektionen subkutan. 
Eine nennenswerte Wirkung war hiermit ebensowenig zu erzielen, wie 
mit getrennter Einverleibung von Antitoxin und Antigen (1 ccm 500-fachen 
Heilserums subkutan, unmittelbar danach 0,1 —0,2 ccm eines ausge¬ 
glichenen Toxin - Antitoxingemisches intrakutan). Die injizierten Anti¬ 
toxineinheiten wurden in den folgenden Wochen, abgesehen von einem 
Fall (8 Falle) restlos ausgeschieden bzw. abgebaut. 

Nicht viel anders waren die Immunisierungsergebnisse bei intra- 
kutaner Anwendung der hoch iiberneutralisierten Pr&parate (0,2—0,4 ccm 
von folgendem Gemisch: 0,1 ccm DG7-f-0,3 ccm 1000-faches Serum). 
Eine sichere Titersteigerung lieB sich nur in einem von 4 Fallen fest¬ 
stellen, und dieses Kind besaB zudem vor der Impfung bereits Schutzstoffe. 

1) Epidemiologie, Aetiologie und Beknmpfung der Diphtherie. S. 151. Berlin 
(Hirschwald) 1918. 


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Gins, Mikroskopische Befande bei experimenteller Maul- und Klauenseuche. 265 


Der Ausfall dieser Versuche mit hochiiberneutralisierten Impf- 
gemischen ist unerwartet; eine Erklflrung verraogen wir zunfichst nicht 
zu geben. Es scheint auf diesem Wege also beim Menschen nicht mog- 
lich zu sein, eine einigermaBen erfolgreiche Kombination von aktiver 
und passiver Imraunisierung zu erzielen: es bleibt somit zunflchst nur 
die Wahl zwischen der einen oder andern Methode. 

Fflr die aktive Immunisieruug diirfte die Impfung mit ausgegliclienen 
oder schwach ilberneutralisierten Toxin-Antitoxingemischen am meisten 
zu empfehlen sein. Das Verfahren ist wirksam, unschadlich, sehr wenig 
beschwerlich und einfach in der Anwendung. Die Haltbarkeit der Pra- 
parate ist vermutlich relativ unbegrenzt. Bousson und Loewen- 
stein fanden ein 6 Jahre lang kiihl verwahrtes, fiberneutralisiertes Impf- 
gemisch noch wirksam, und ich selbst hatte mit einer 4 Monate alten 
Vakzine gute Resultate. 

Die subkutane Applikation, die die etwas groBere Schmerzhaftigkeit 
und die zum Teil ziemlich erheblichen, durch den Endotoxingehalt der 
schwach verdOnnten Diphtheriebouillon bedingten Lokalreaktionen der 
intrakutanen Einspritzung vermeiden wiirde, schien nicht denselben im- 
munisatorischen EfFekt zu haben. Wenigstens lieB sich nur in 2 Fallen, 
die bereits Antitoxin besaBen, eine Titersteigerung erzielen, wahrend 
dies bei 2 schutzstoffreien Kindern nicht gelang. Und gerade diese 
Individuen kommen ja fur die Iramunisierung in erster Linie in Betracht. 
Es ist sehr leicht mflglich, daB in der kleinen Versuchsreihe der Zu- 
fall eine Rolle spielt, aber andererseits laBt der in 2 Fallen erhobene 
Befund eines gegenuber dem Blutserum etwas erhflhten Antitoxingehaltes 
in der durch Kantharidenpflaster gewonnenen Gewebsfliissigkeit die Ver- 
mutung zu, daB das Hautorgan doch nicht ganz bedeutungslos ist. Hier 
kann nur ein grbBeres Material die Entscheidung bringen. 

Aus den Versuchen geht in Bestatigung der Tierversuche hervor, 
daB es auch beim Menschen gelingt, mit atoxischen Toxin-Antitoxin¬ 
gemischen aktiv zu immunisieren und daB der wirksame Faktor nicht 
ein in der Vakzine vorhandener minimaler, am Meerschweinchen nicht 
meBbarer, ToxinflberschuB ist, sondern das durch Trennung der Ver- 
bindung Toxin-Antitoxin in vivo wieder freigewordene Toxin. Und zwar 
diirfte die Dnmunisierung mit schwach uberneutralisierten Toxin-Anti¬ 
toxingemischen die Methode der Wahl sein. Der Versuch, durch Ver- 
wendung hochflberneutralisierter Praparate passive und aktive Immuni- 
sierung zu kombinieren, schlug fehl. 


Nachdruck verboUtn. 

Mikroskopische Befunde bei experimenteller Maul- und 

Klauenseuche. 

[Aus dem Institut fflr Infektionskrankheiten ^Robert Koch“ in Berlin.] 
Von Dr. med. H. A. Gins, Abteilungsleiter im Institut ^Robert Koch“. 

Mit 1 Tafel und 2 Abbildungen. 

Bisher ist es noch nicht gelungen, das Virus der Maul- und Klauen¬ 
seuche mikroskopisch einwandfrei zu demonstrieren. Die von verschiedenen 
Autoren beschriebenen Gebilde, welche mit dem Virus identifiziert oder doch 


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266 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


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in eine gewisse Beziehung gebracht werden sollten, haben ihre atiologische 
Bedeutung nicht erweisen konnen. Entweder konnte nachgewiesen werden, 
daB unspezifische Gebilde vorlagen (Siegels Cytorr hyctes-Flagellat) 
Oder die Befunde wurden in der Folge nicht bestatigt (T e r n is Cytor- 
rhyctes Jenneri v. Betegh und Stauffacher). Ueber die Bedeutung 
der von Huntemflller beschriebenen Zelleinschlfisse hat sich der 
Autor selbst sehr zuriickhaltend gefluBert und es von weiteren Befunden 
abh&ngig geraacht, ihre wahre Natur zu erweisen. 

Die erwahnten Befunde, ebenso wie die zahlreichen anderen, die im 
einzelnen nicht aufgefiihrt werden brauchen, weil sie sicher keine Be¬ 
ziehung zum Virus der Maul- und Klauenseuche haben, sind an Organ- 
teilen, Aphthen Oder dgl. Veranderungen natiirlich oder kiinstlich infizierter 
groBer Tiere gemacht worden. Es war daher wiinschenswert, die beim 
Meerschweinchen auftretenden Veranderungen raikroskopisch zu studieren. 

Die Tatsache, daB das fragliche Virus durch Kieselgurfilter geht, 
ist an sich kein Grund dagegen, daB ini erkrankten Gewebe Verande¬ 
rungen vorgehen, die diagnostisch verwertbar sind. Der Vergleich mit 
den Erscheinungsformen des Variola-Vaccinevirus laBt sogar eine gewisse 
Wahrscheinlichkeit dafflr zu, daB ahnliche Verhaltnisse — „filtrierbares“ 
Virus von sehr kleiner Form im Blaseninhalt (Paschensche Elementar- 
korperchen) und nicht filtrierbares Virus von ganz anderer Form in der 
erkrankten Epithelzelle (Guarnierische Korperchen) — auch bei Maul- 
und Klauenseuche vorhanden sein konnten. 

Die Moglichkeit, am Meerschweinchen mit Maul- und Klauenseuche 
arbeiten zu konnen, ergab gute Vorbedingungen fflr das Studium der 
Zellveranderungen, besonders die so haufig spontan entstehenden Aphthen 
auf der Zunge waren fflr mikroskopische Beobachtung sehr geeignet. Es 
war leicht moglich, Aphthen verschiedenen Alters und verschiedener 
Intensity zu verarbeiten, um auf diese Weise einen Ueberblick flber 
den Verlauf dieser Lokalisationen des Maul- und Klauenseuchevirus zu 
gewinnen. 

Veranderungen fanden sich hauptsachlich im Bereich der erkrankten 
Gewebepartien an den Kernen der Epithelzellen und der Zellen des sub- 
epithelialen Bindegewebes, und zwar vorwiegend sieht man Aufsplitterung 
der Kerne unter erheblicher Vermehrung des Chromatins in den einzelnen 
Teilen. Naheren Einblick gewahren stark differenzierte G i e m s a - Schnitt- 
pr&parate. An dieser erkennt man, daB es sich nicht um pyknotischen 
Kernzerfall handelt, sondern um Einlagerung stark chromatinhaltiger 
Korperchen in die Kernsubstanz. Wird die Differenzierung so weit fort- 
gesetzt, daB das Kerngerfist entfarbt und die Nukleolen nur noch als 
blaBblaue Scheibchen erhalten sind, dann heben sich die Kerneinschlusse 
durch die intensive Farbung, die sie beibehalten haben, deutlich von den 
Nukleolen ab. So konnen auch die verschiedene GroBe der Kernein- 
schlflsse und ihre Beziehungen zu den Nukleolen besser beobachtet 
werden. Ist die Differenzierung gut gelungen — und es gibt da inannig- 
faclie Unterschiede unabhangig von dem Willen des die Prflparate Far- 
benden — so werden mehr oder weniger zahlreiche Nukleolen auffallen, 
die 1—3 rote Korperchen von leuchtend roter Farbe und sehr scharfer 
Kontur zu enthalten scheinen. Ob es sich um Einlagerung oder An- 
lagerung handelt, konnte ich zuerst nicht sicher entscheiden. Das genaue 
Studium im stereoskopischen Bild hat die Frage aber dahingehend ziem- 
lich eindeutig geklart, daB es sich meistens um Anlagerung an den 
Nukleolus handelt. Die GroBe dieser Korperchen schwankt stark. Die 



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Gins, Mikroskopische Befunde bei experimenteller Maul- und Klauenseuche. 267 

kleinsten sind gerade eben noch wahrnehmbar und die groBten haben 
etwa 1—l 1 /* ji Durchmesser. Die Form lSBt sich nur in jenen Zellen 
gut erkennen, in denen nur wenige solche Kbrpercben im Kern liegen. 
Sie treten im allgemeinen in kugeliger Oder langlich-runder Form auf, 
sind aber gelegentlich auch band- Oder keilformig. 

Sie f&rben sich nach Giemsa in der Regel leuchtend rot. In weniger 
stark differenzierten Partien ist jedoch die F&rbung oft so intensiv, daB 
es mir nicht gelungen ist, zu unterscheiden, ob ein ganz dunkles Rot 
oder Violett sichtbar ist. Erkennbar sind die Kbrperchen jedoch daran, 
daB sie ihr Chromatin intensiv gef&rbt erhalten, auch wenn Zellkern und 
Nukleolen schon weitgehend entf&rbt sind. Wie die Darstellung mit 
kauflichen Giems a-Losungen ausfallen wird, weiB ich nicht, da ich fiir 
meine Zwecke die Losung nach Giems as Vorschrift selbst herstelle. 

Mit einer solchen Giemsa-Losung gelingt die Darstellung gleich- 
MBig gut, und zwar bekam ich nach 3-stiind. Fdrbung in V 20 Losung gute 
Bilder und nach 24- 
stund. Farbung in x / 100 
Losung. Die Differen- 
zierung geschieht im- 
mer zuerst in der Ace- 
toureihe und dann in 
absolut wasserfreiem 
Alkohol, dem etwas 
konzentrierte alkoho- 
lische Eosinlosung zu- 
gesetztist. UnterUm- 
standen bekommt man 
eine sehr gute Diffe- 
renzierung durch 
mehtagiges Stehen- 
lassen in Xylol, wel¬ 
ches nur geringe Men- 
gen von Aceton ent- 
hait. Versuche, diese 
Kerneinschliisse mit 
M a n s 0 n schem Bo- 
raxmethylenblau darzustellen, haben weniger gute Resultate ergeben. Bei 
dieser F&rbung ist der Farbkontrast zwischen den Einschlflssen und den 
Nukleolen so gering, daB eine sichere Unterscheidung nicht mbglich ist. 

Die beschriebenen Gebilde habe ich bisher in etwa 20 infizierten 
Meerschweinchenzungen teils sehr reichlich, teils in geringerer Zahl ge- 
funden. AuBerdem fand ich sie im Gewebe der Sohlenblase beim Meer- 
schweinchen, allerdings nur in geringer Zahl, und in einer natiirlich in¬ 
fizierten Rinderzunge. In den Meerschweinschenzungen waren sie am 
reichlichsten in den Aphthen 2 Tage nach der Infektion, sie konnten 
jedoch auch am 3. und 4. Tage noch nachgewiesen werden. Sie linden 
sich vorwiegend an der Grenze des erkrankten und normalen Gewebes. 
Nur bei ganz weitgehender Zerstorung des Epithels sind sie fast liber 
den ganzen Zungenquerschnitt verteilt. Im allgemeinen aber ist das 
unveranderte Gewebe frei von ihnen. 

In Meerschweinchenzungen, die nur ganz gering entwickelte oder 
erst in der Entstehung bcgriffene Aphthen aufweisen, sind die Kern- 
einschllisse gering an Zahl in den infizierten Partien anzutreffen. Da- 






« 

. .V t 

*• v *§> i 

ft. 

I + * * 

£Mjl i 


Fig. 1. 

Fig. 2. 


Fig. 1. In der Mitte 3 kleine Kerneinschliisse am Nu- 
kleolus. In den benachbarten Zellen dieselben Gebilde 
auch frei im Kern. 

Fig. 2. In der Mitte grofier Nukleolus mit deutlichem 
KerneinschluliS rechts oben, der im Nukleolus zu liegen 
scheint. 


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268 


Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


gegen fand ich hier eine Zell veranderung, die mit den beschriebenen 
Kerneinschlfissen im Zusaramenhang zu stehen scheint. Einzelne Zellen, 
vorwiegend dem Bindegewebe entstamraend, zeigen stark vergroBerte 
Nukleolen, in deren Mitte ein lfinglich-runder, rotgeffirbter EinschluB liegt. 
Finden sich in demselben Kern 2 solcher veranderter Nukleolen neben- 
einander, dann erinnert dies an Teilungsbilder. Doch mochte ich aus 
diesen bisher seltenen Befunden keine Schlilsse ziehen. 

• Die bisher erw&hnten Befunde stammen aus infizierten Organen. In 
normalen Meerschweinchenzungen und in solchen, die durch S&ure oder 
Hitze yerletzt wurden, habe ich die beschriebenen Kernver&nderungen 
nicht gefunden. Zwar zeigen die Nukleolen der normalen Meerschwein- 
chenzunge in stark 'differenzierten G i e m s a - Schnitten manchmal eine 
gewisse Verschiedenheit beziiglich der Farbung ihrer einzelnen Partien, 
derart namlich, daB der blau gefarbte Nukleolus einen groBen Innen- 
korper von etwas rotlichem Farbton enthfilt, aber gegeniiber den be¬ 
schriebenen Einschliissen ist der Unterschied doch recht grofi und bei 
einiger Uebung leicht kenntKch. 

Auf Grund meiner bisherigen Untersuchungen glaube ich annehmen 
zu diirfen, daB die beschriebenen Kerneinschliisse in irgendwelchen 
Beziehungen zu der Maul- und Klauenseucheinfektion stehen. In ihnen 
eine Erscheinungsform des Virus zu sehen, gentigt das vorliegende 
Material noch nicht. Wenn es sich herausstellen sollte, daB diese Ge- 
bilde fiir die Maul- und Klauenseuche spezifisch sind, dann ware schon 
ein groBer Fortschritt erzielt, weil die Moglichkeit einer mikroskopischen 
Diagnose dann gegeben ware. Und die Hoffnung, daB dies gelingen 
wird, darf ich w T ohl auBern, zumal da es mir in einem Fall schon ge- 
lungen ist, an einer Rinderzunge die beschriebenen Kerneinschlflsse zu 
finden. Leider sind mir Abbildungen der Stauffacherschen Befunde 
nicht zuganglich. Nach seiner Beschreibung ist es nicht von der Hand 
zu weisen, daB die von ihm gesehenen Korperchen mit meinen Befunden 
in Zusammenhang stehen. 

Untersuchungen fiber analoge Befunde im Blut und den inneren 
Organen von infizierten Meerschweinchen sind im Gang und werden 
voraussichtlich weiteres Material zur Erkennung und Bewertung dieser 
eigentfimlichen Kernverfinderungen liefern. 

SchlieBlich mochte ich kurz noch einen mikroskopischen Befund in 
dem Epithel der Meerschweinchenzunge anffihren, der irreffihren konnte. 
Man sieht gelegentlich in infizierten Zungen — in normalen nie! — 
Zellen, die durchsetzt sind mit massenhaften dunkel gefarbten Kfirnchen. 
Besonders in der Teilung begriffene Zellen zeigen dies Bild. Das ffirbe- 
rische Verhalten dieser Kfirnchen lfiBt sie von Ele'idin und Keratohyalin 
gut unterscheiden und so konnte der Verdacht auftauclien, daB es sich 
um spezifische Veranderungen handelt. Da ich derartige mit „Plastin- 
massen“ angefflllten Zellen in der Kaninchencornea bei Variola- und 
Vaccineinfektion haufig gefunden habe, kann von einer Veranderung, die 
mit der Maul- und Klauenseuche in spezifische Verbindung zu bringen 
ist, keine Rede sein. Es handelt sich um eine noch wenig erforschte 
Veranderung der Epithelzelle, die augenscheinlich bei verschiedenen In- 
fektionen vorkommt. 

Literatur. 

1) Siegel, Berlin, tierarztl. Wochenschr. 1911. Nr. 50. — 2) Terni, Dtsch. tier- 
arztliche Wochenschr. 1908. — 3) v. Betegh, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 60. 
1911. — 4) Stauffacher, Programm der Thurgauischen Kantonschule, Frauenfeld 
1921. — 5) Huntemiiiler, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 61. 1911. 


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CenlralhlaU filr Bakteriulogic Abt.I. Orig. Bd. AN. H.A.Gins, H.rpcrimmt Maul u Klauenseuchr. 



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Sasakawa, Zur Systematik pathogeuer und parasitischer Hefen. 


269 


ErU&run? der T&felabbildungen. 

Fig. 1 oben. Mehrere Epithelzellen, stark differenziert, deren Kernsubstanz fast 
vollig entfarbt ist. An den Nukleolen (blau) und frei im Kern Ieuchtend rote Ein- 
schliisse von verschiedener Gr66e und Form. 

Fig. 1 unten. Normales Zungenepithel (Brandverletzung) zum Vergleich. 

Fig. 2. Stark differenzierte Epithelzelle mit Ieuchtend roten Kerneinschliissen an 
jedem Nukleolus. t 

Fig. B. Links mehrere Zellen mit zahlreichen Kerneinschliissen. deren Differen- 
zierung von den Nukleolen nicht so auffallend ist, wie bei Fig. 2. Rechts zwei nor- 
male Epithelzellen. Zeichnung: */, mm Kompensationsokular (Zeifi) VT. 


Naohdruck verboten. 

Zur Systematik pathogener und parasitischer Hefen. 

Morphologisch-biochemische Studie. 

[Aus dem Staatlichen Serotherapeutischen Institut in Wien (Vorstand: 
Hofrat Prof. Dr. Richard Paltauf), Biochemische Abteilung (Vor¬ 
stand: Prof. Dr. Ernst Pribram).] 

Von Prof. Dr. Maseo Sasakawa, 

Vorstand der Dermatolog. Klinik der Medizinischen Fakultat Ke'i-6, Tokio. 

Mit 1 Tafel. 

Die Literatur fiber Hefen, welche aus menschlichem und tierischem 
Material gezflchtet worden sind, ist bereits recht umfangreich; die meisten 
Arbeiten *) beschfiftigen sich zum Teil vorwiegend mit der Kasuistik und 
zum Teil hauptsachlich mit der Morphologie der genannten Mikroorga- 
nismen, nur eiuzelne Arbeiten behandeln das Material systematisch. 

Unter diesen ist hier vor allem eine Arbeit von Sternberg 11 ) zu nennen, weil 
3 von den von mir bearbeiteten Hefen bereits von Sternberg eingehend untersucht 
worden sind (die Hefen Busse, Leopold, Sanfelice neoformans?) und weil 
Sternberg, ebenso wie bereits vor ihmCao 1 2 3 4 5 ), gewisse morphologische Eigenschaften 
zur Differentialdiagnose zwischen den pathogenen Hefen einerseits und den hyphen- 
bildenden Oidicn (Oidium lactis) andererseits heranzieht, welche auch in aieser 
Arbeit Beriicksichtigung finden sollen. Plaut 4 ) unterscheidet zwischen Oidien und 
Monilien und reiht Oidium lactis (Milchschimmel) unter die ersteren, Mon ilia 
albicans (Soorpilz) unter die letzteren ein. Morphologisch lassen sich beide verhaltnis- 
maflig leicht unterscheiden: Oidium lactis durch seine stets vorhandene Neigung 
zur Hyphenbildung, Monilia albicans durch ihren hefeartigen Charakter (Sprofl- 
zellenblldung) mit Neigung zur Bildung langgestreckter, fadenformiger Zellen („Fiiden“). 
Die Differentialdiagnose wird noch erleicntert durch eine Beobachtung, welche ich 
Herrn Hofrat Paltauf verdanke: die Bildung von reichlich verzweigtem Mycel durch 
Oidium lactis im Qegensatz zur erwahnten Fadenbildung bei Monilia albicans, 
durch welche bei winkeliger Stellung der Faden zueinander ein Netzwerk („Pseudo- 
mvcel“) vorgetauscht werden kann, bei welchem aber die Zellfaden mit ihren Enden 
aneinanderstofien [vgl. die Abbildung der von Paltauf aus Soor der Harnblase kulti- 
vierten Hefe bei v. Frisch 6 )]. Plaut spricht, offenbar von einer ahnlichen Betrachtung 
ausgehend, von einer „schon im Anfang vorhandenen Septiernng des Soormvcels“ 
(1. c. S. 52), die ihm gegen eine Verwanatschaft des Soorpilzes mit Phykomyceten zu 
sprechen scheint. Gougerot 6 ) wahlt eine andefe Nomenklatur. Er ziihlt Oidium 
lactis ebenfalls zu den Oidien; die zur Fadenbildung befahigten Sprofipilze bezeichnet 

1) Literatur bei Buschke, Handb. d. pathog. Mikroorg. von Kolle u. Wasser- 
mann, Bd. 5. 1913. S. 155. 

2) Sternberg, Zieglers Beitr. z. pathol. Anat. Bd. 32. 1902. S. 1. 

3) Cao, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 34. 1900. S. 282. 

4) Plaut, Handb. d. pathog. Mikroorg. von Kolle u. Wassermann. Bd. 32. 
1913. 8. 42. 

5) ▼. Frisch, Wien. klin. Wochenschr. 1898. S. 875. 

b) Gougerot, Les Exascoses, Sonderabdruck. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


Tabelle 


.Nr. 

Autor 

Provenienz 

Geziichtet aus 

1 

Curtis 

Lille, ca. 1896 

myxosarkomatdsem Tumor am rechten 
Schenkel 

2 

Kartul is 

Alexandrien 1909 

chron. Fistel in der Glutealgegend 

3 

J aiser 

Stuttgart 1916 

parasit Hefe aus Mageninhalt bei Car- 1 
einom 

4 

Fuller 

? 

f 

5 

Skutetzky 1 ) 

Innsbruck 1919 

Hautaffektion 

6 

Co pell i 


Hautaffektion 

7 

Jaiser 

Stuttgart 1916 

parasit. Hefe aus Rachenschleimhaut 
bei Angina 

8 

Briinauer 

Wien 1920 

Hautaffektion (Erosio interdigitalis) 

9 

Winternitz 

Wien (um 1912) 

wahrsch. aus Hautaffektion? 

10 

Leopold 

Dresden 1900 

Ovarial- oder Maramacarcinom 

11 

Foulerton 

England 1900 

parasit. Hefe aus Harn bei Albuminurie 
oder Rachenschleimh. bei Pharyngitis 

12 

PI aut 

Hamburg 

wahrsch. aus Hautaffektion 

13 

Ledegaard 

Kopenhagen 

Hautaffektion 

14 

Hildegaard 

Kopenhagen ? 


15 

Lund sgaard 

Kopenhagen 1900 

Hvpopyokeratitis 

16 

Laederich 

Paris 1909 (?) 
Greifswald 1894 

aus Hautabszefi 

17 

Busse 

chron. subperiost. Entziindung der Tibia 
„parasitisene Hefe“ 

Hautaffektion 

18 

Bayer 

Innsbruck 

19 

Hudelo und Duval 

Paris 1909 (?) 

20 

Sanfelice 

Cagliari (Italien) 
1895 

aus LymphdriiBen vom Ochsen 

21 

San f elice 

Cagliari (Italien) 
1895 

von einer Hiindin, der z weeks Erzeugung 
eines Mammatumors eine durch ein 
Meerschweinchen passierte Frucht- 
6afthefe injiziert worden war 


er ate Zy monem a (= Fadenhefen, = Faden) und stellt diese in eine Reihe neben 
Endomyces und Saccharomyces in die Hauptgruppe der Exoasci. Nach ihm 

f ehoren die pathogenen Hefen zum Teil zu den Zymonematosen, zum Teil zu den 
accharomyceten, aoch fiihrt er auch Uebergange von diesen Gruppen zu den Oidien 
an, was spater noch erortert werden soil. 

Icli halte mich im folgenden an die Noraenklatur Plauts und will 
die dem Soorpilz entsprechenden Hefen als Monilia-artig bezeichnen 
(nach Gougerot waren sie Zymonema zu benennen). Da, wie sich 
aus den morphologisch-biochemischen Untersuchungen ergeben wird, der 
groBte Teil der hier untersuchten pathogenen und parasitischen Hefen 
den Torulae jedenfalls sehr nahesteht, soli hier auch diese Gruppe 
genau umschrieben werden: Nach Klocker bezeichnen wir nichtsporu- 
lierende Hefen, welche keine oder nur geringe GSrkraft fur Kohle- 
hydrate haben. als Torulae. Sie bestehen meist vorwiegend aus kugel- 
runden Zellen. 


1) Skutetzky hat die von ihm aus Hautaffektionen kultivierten Hefen bereits 
physiologisch. Die Arbeit, welche im Institut fiir experimentelle Pathologie in Inna- 
vor ihrer Beendigung unterbrochen worden. Prof. Bayer hat die Arbeit in liebens- 
abdriicke der Literatur iiber pathogene Hefen, die er dem Serotherapeutischen Institut 
leichtert haben. Dafiir sei ihm warmstens gedankt. 



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Sasakawa, Zur Systematik pathogener und parasitischer Hefen. 


271 


Eingesandt von 


Originalstamm 


Jaiser, Stuttgart 

Bayer, Innsbruck 
Bayer, Innsbruck 
Bayer, Innsbruck 
Jaiser, Stuttgart 

Briinauer, Wien 

W r intemitz,Wien 

Originals tainm 
Jensen, Kopen- 
hagen (1903) 

Plaut, Hamburg 

Bayer, Innsbruck 
Nicht eruierbar 
Bayer, Innsbruck 

Bayer, Innsbruck 
Originalstamm 
Bayer, Innsbruck 
Bayer, Innsbruck 
Originalstamm 


Bayer, Innsbruck 


Literatur 


Bemerkung 


Ann. de l’lnst. Pasteur. X. 1896 
Presse m6dicale Beige. 1895. p. 370 

Zeitschr. f. Hyg. Bd. 64. 1909. S. 285 


liegt im Manuskript ') vor 


Arch. f. Gynakol. Bd. 61. 1900. S. 77 
Journ. of Path, and Bact. VI. 1900. 
p. 37; Journ. of comp. Path, and 
Ther. XI. 1898. p. 2 


Klin. Monatsh. f. Augenheilk. 38. Jg. 
1900. S. 13 

Centralbl. f. Bakt. Bd. 16.1894. S. 173 


Centralbl. f. Bakt. I. Abt. Orig. Bd. 18. 
1895. 8. 521 

Centralbl. f. Bakt. Bd. 17.1895. 8. 163. 
625; Zeitschr. f. Hyg. Bd. 21. 1896 
S. 32. 395; Bd. 22. 1896. S. 171; Bd. 
26. 1897. S 298; Bd. 29.1898. S.463; 
Bd. 44. 1903. S. 364 


Pathogen fur Hund, Kanin- 
chen, Ratte, Maus (ref. bei 
Foulerton) 

Unsicher; in d. Sammlung 
als „Kartrick“ 


Als Stamm „Braunli“ ein- 
gesandt 

Als Stamm „Kislovic“ be- 
zeichnet 

Als „Fluorescens emphyse- 
matosus 11 eingesandt 


Als Stamm „Poulman“ ein¬ 
gesandt 


Als „lithogenes“ bezeichnet, 
pathogen fur Meerschw., 
Ratten, Kan. ,Schafe,Rinder 
Als Saccharom. canis einge¬ 
sandt, in einer Publikation 
spater als Sacch. neofor- 
mans bezeichnet 


Ich hatte Gelegenheit, eine besonders groBe Anzahl von Hefen, 
welche aus verschiedenen Krankheiten bei Menschen und Tieren ge- 
zUchtet waren, gleichzeitig nebeneinander zu studieren, morphologisch 
und- biologisch miteinander zu vergleichen, sowie Hefen nichtparasitischen 
Ursprungs zum Vergleiche heranzuziehen. Diese Hefen, welche aus der 
vormals Kriilschen mikrobiologischen Sammlung (Prof. Dr. E. Pribram) 
in Wien stammen, sind bezflglich ihrer Herkunft und ihres Alters aus 
Tabelle 1 zu entnehmen, wo auch die Literatur, soweit sie vorhanden 
und bekannt war, eingetragen ist. Es sind im ganzen 21 verschiedene 
Hefen, welche sich nach sorgffiltiger morphologischer und biochemischer 
Untersuchung in Gruppen zusammenfassen lassen. Um die Uebersicht 
zu erleichtern, wurden die morphologisch sowie biochemisch einander 
nahestehenden Hefen bereits in der Tabelle hintereinander angefiihrt. 
Die Untersuchungen erstreckten sich 1. auf die Form der Ilefezelle, 


im Jahre 1919 sorgfaltig untersucht, und zwar sowohl morphologisch als garungs- 
bruck bei Prof. G. Bayer ausgefiihrt wurde, ist durch Erkrankung des Autors kurz 
wiirdigster Weise zur Einsichtnabme eingesandt und ihm verdanke ich auch die Sonder- 
I’rof. Pribram) geliehen hat und welche mir die vorliegende Arbeit wesentlich er- 


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272 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 

\ 

2. auf Speculationsfahigkeit, 3. auf fermentative Eigenschaften gegeniiber 
verschiedenen Kohlehydraten. 

I. Morphologische Untersuchungen. Von jeder Reinkultur wurde 
zuerst ein natives Prfiparat in frischem Zustande und nach 1 Mon., auch 
spfiter, angesehen, ferner nach kurzdauernder Zflchtung (2—3 Tagen) 
‘mit Hilfe der Mollerschen Sporenffirbung (1-proz. Schwefelsfiure, ca. 
10 Sek., zeitweise bis zu 5 Min. langer Einwirkung) untersucht, hierauf 
einerseits eine Gipsblockkultur angelegt, andererseits die auf Dextrose- 
agar gezflchtete Kultur versiegelt. Die Gipsblockkulturen wurden vom 
2. Tage ab in 3—4-tag. Intervallen auf Entwicklung von Sporen gepriift, 
und zwar stets mit Hilfe der Mollerschen Sporenffirbung. Ebenso 
wurde die versiegelt gehaltene Kultur nach etwa 1 Mon. oder spfiter in 
gleicher Weise aof die Gegenwart von Sporen untersucht. Gleichzeitig 
wurden Kontrollen mit sicher sporulierenden Hefen angestellt, und zwar 
mit Sa ccharomy ces cerevisiae Saaz, Lindn., Schizosaccharo- 
myces octosporus Beijer., Pi chi a m embranaefacien s Hansen, 
Willia anomala Hansen. In all diesen Kontrollen konnten typische 
Sporen in der fiir jede Art charakteristischen Anzahl und Grofie sowohl 
auf dem Gipsblock als auch in der versiegelten Kultur nachgewiesen 
werden. AuBer diesen Kontrollen wurden in analoger Weise Kontroll- 
versuche angestellt mitOidium lactis Fresen., Monilia albicans, 
Torula alba Zikes, Torulaspora Delbrucki Lindn. In diesen 
Kontrollversuchen konnten keine typischen Sporen gefunden werden. 
Dagegen konnte ich in diesen nicht sporulierenden Hefen mit Hilfe der 
Sporenffirbung nach MSiler in Gipsblockkulturen und alten versiegelten 
Dauerkulturen nur sfiurefeste, demnach rotgeffirbte Granula nachweisen. 
Diese liegen hfiufig, fihnlich wie die Sporen, in Zellen, welche mit Me- 
thylenblau nicht oder schlecht ffirbbar sind. Da die gleichen Gebilde 
auch in alien pathogenen und parasitischen Hefen zu finden waren, in 
keiner einzigen aber Sporen (ausgenommen die offenbar nicht hierher- 
gehorige Hefe Sanfelices Saccharomyces can is), mtissen wir auf 
die Natur dieser KSrperchen spfiter eingehend zuriickkommen. Ich lasse 
hier eine kurze Skizze der Untersuchungen tiber die Morphologie der 
einzelnen Hefekulturen folgen: 

1) Pathogene Hefe Curtis (Lille): In nativen Praparaten (auf Zuckeragarkulturen) 
rundliche und ovale Zellen, zum Teil langgestreckt, wurstformig, zum Teil lange Faden- 
formen mit Kettenbildung, besonders bei alten Kulturen. Kerne, Korner, Vakuolen, 
Tanzkorperchen. 

Sporenfarbung: In Zuckeragarkulturen, sehr sparlich bei frischen Kulturen, deut- 
licher und relativ zahlreich in 2 Mon. alten Kulturen, ebenso in Gipsblockkulturen 
saurefeste, rot gefarbte Elemente nachweisbar. Diese Elemente, 1—2, auch mehr bis zn 
4 in einer Zelle, sind sehr klein in frischeren Praparaten, in alten Kulturen und Gips¬ 
blockkulturen grofier, untereinander nicht gleich groB. Es kommen auch ahnliche, nicht 
rot, sondern blau gefarbte Elemente vor. 

Heidenhainsche Kernfarbung: Je 1 kleiner Keru in einer Zelle. 

2) Hefe „Kartrick“ (?) Kartu lis (Alexandrien): In nativen Praparaten (auf Zucker¬ 
agarkulturen) ovale Formen und Wurstformen, zum Teil lange Fadenformen mit langen 
Ketten. Kerne und Vakuolen: 

Sporenfarbung: In alten Zuckeragarkulturen (1 Mon. alt) und Gipsblockkultureu 
1—6 rot gefarbte, jedoch sehr sparlich auffindbare Elemente, etwa in der Grofie der 
Kerne im mit Methylenblau schlecht farbbare Teile der Zellen. 

3) Parasitische Hefe aus Mageninhalt bei Karzinom, Jaiser (Stuttgart): In na¬ 
tiven Praparaten (auf Zuckeragarkulturen) rundliche und mehr oder weniger langge- 
streckte Formen, und zwar Wurstformen und Fadenformen mit Kettenbildung. Kerne, 
Vakuolen, Tanzkorperchen. 

SporenfarbuDg: In alten Zuckeragarkulturen 1 bis mehrere rote, saurefeste Ele¬ 
mente, besonders in fadenformigen Zellen, welche sich mit Methylenblau nicht farben. 


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Sasakawa, Zur Systematik pathogener und parasitischer Hefen. 


273 


4) Blastomyces Fuller: In nativen Praparaten (auf Zuckeragarkulturen) meist 
rundliche Formen, Birnformen, aber auch langgestreckte Wurstformen, diese besonders 
in alten Praparaten. Vakuolen, Kerne und stark lichtbrechende Elemente. 

Sporenfarbung: In 3 Wochen alten, durch Siegellack am Vertrocknen gehinderten 
Zuckeragarkulturen lassen sich in einzelnen rundlichen, auch in wurstformigen Zellen, 
beeonders in solchen, welche mit Methylenblau nicht mehr farbbar sind, 1 bis mehrere 
saurefeste, rot gefarbte Elemente nachweisen. 

5) Pathogene Hefe Skutetzky (Innsbruck): In nativen Praparaten (auf Zucker¬ 
agarkulturen) meist rundliche oder ovale Formen, sparlich auch langgestreckte, beson¬ 
ders in alteren Zuckeragarkulturen und Bierwiirzeagarkulturen, Kerne, Vakuolen. 

Sporenfarbung: In 1 Mon. alten Zuckeragarkulturen und in Gipsblockkulturen 
1 bis mehrere saurefeste, rote Elemente von sehr verschiedener GroSe. 

6) Pathogene Hefe (Copelli Bayer (Innsbruck): In nativen Praparaten (auf 
Zuckeragarkulturen) meist kugelrunde Formen, sehr sparliche Wurstformen, ebenso in 
alten Zuckeragarkulturen (2 1 /, Mon. alt), Kerne, Vakuolen. 

Sporenfarbung: In Zuckeragarkulturen treten bereits nach 10 Tagen 1—2 bis 
mehrere rot gefarbte, saurefeste Elemente in Zellen auf, welche mit Methylenblau 
schlecht farbbar sind. 

7) Parasitische Hefe aus Angina „Braunli“ Jaiser (Stuttgart): In nativen 
Praparaten (5 Tage alten Kulturen) ausschlieSlich kugelrunde Formen, in alten Kul- 
turen sparliche langgestreckte Formen, Kerne, Vakuolen. 

Sporenfarbung: In ca. 1 Mon. alten Zuckeragarkulturen und Gipsblockkulturen 
in einzelnen Zellen ein kerniihnliches, saurefestes, iotes Element in Zellteilen, welche 
durch Methylenblau nicht farbbar sind. 

8) Pathogene Hefe „Kislovic'‘ Brunauer (Wien): In nativen Praparaten 
<3 Tage alten Zuckeragarkulturen) ausschlieSlich kugelrunde Formen, in alten Kulturen 
sparliche langgestreckte Formen. Kerne, Vakuolen. 

Sporenrkrbung: In ca. 3 Wochen alten Zuckeragarkulturen in einzelnen mit Me¬ 
thylenblau kaum farbbaren Zellen ein rotgefarbtes, saurefestes Element. 

9) Pathogene Hefe („Fluorescens emphysematosus") Winternitz (Wien). 
In nativen Praparaten junger Zuckeragarkulturen ausschlieSlich rundliche Formen, in 
alten Kulturen sparlich Wurstformen. Kerne, Vakuolen. 

Sporenfarbung: In 1 Mon. alten Zuckeragarkulturen und Gipsblockkulturen sehr 
spMrliche saurefeste, rot gefarbte Elemente, meist in einer mit Methylenblau nicht mehr 
farbbaren Zelle. 

10) Blastomyces (Leopold (Dresden): In nativen Praparaten (auf Zucker¬ 
agarkulturen) meist kugelrunde Formen, in 3 Mon. alten Kulturen auf Zuckeragar 
auSerst selten Wurst- und Fadenformen, Granula, Kerne, Vakuolen. 

Sporenfarbung: In ca. 3 Mon. alten Zuckeragarkulturen lieBen sich saurefeste, 
zum Teil Tropfenform annehmende, rot gefarbte Elemente von sehr verschiedener Grbfle 
nachweisen. 

11) Pathogene Hefe Foulerton (Middlesex Hospital, England): In nativen Pra¬ 
paraten junger Zuckeragarkulturen ausschlieSlich runde Formen, in alten Kulturen auch 
selten Wurstformen una lange Faden, Tanzkorperchen, Kerne, Vakuolen. 

Sporenfarbung: In frischen und alten Zuckeragarkulturen sowie in Gipsblockkul¬ 
turen lassen sich regelmaSig saurefeste, rot gefarbte, sporenahnliche Gebilde auffinden, 
daneben zuweilen vereinzelte, kleine, rot gefarbte Elemente in einzelnen Zellen. 

Heidenhainsche Kernfarbung: Die siiurefesten Zellen farben sich tief schwarz, 
daneben, wie gewOhnlich, je ein kleiner Kern in der Zelle. 

12) Blastomyces Poulman Plaut (Hamburg): In nativen Praparaten junger 
Kulturen (auf Bierwiirzeagar) meist rundliche oder ovale Formen, in alten Kulturen 
auch Wurst- und Fadenformen. Kerne, Vakuolen. 

Sporenfarbung: In alten Zuckeragarkulturen und Gipsblockkulturen 1—2 saure¬ 
feste, rote Elemente. 

13) Pathogene Hefe Ledegaard (Kopenhagen): In nativen Praparaten junger, 
5 Tage alter Bierwiirzeagarkulturen ausschlieSlich kugelige Formen, in alten Kulturen 
ira Alter von ca. 4 Mon. sparliche Wurstformen. Kerne, Vakuolen. 

Sporenfarbung: In alten Zuckeragarkulturen, selten auch in Gipsblockkulturen, 
sparliche, rot gefarbte, saurefeste Elemente von verschiedener GroSe, in ein bis mehrere 
in einer Zelle. 

14) Blastomvces Hildegaard (Kopenhagen): In nativen Praparaten junger 
Kulturen ausschlieSlich kugelrunde Formen (5 Tage alte Bierwiirzeagarkulturen), in 
alien Kulturen (ca. 5 Mon.) sehr sparlich langgestreckte Formen. Kerne, Vakuolen. 

Sporenfarbung: In ca. 1 Mon. alten Zuckeragarkulturen und in Gipsblockkulturen 
1—2 saurefeste, rot gefarbte Elemente in einer Zelle. Einzelne Zellen sind fast in toto 
rot gefiirbt, morphologisch im iibrigen von den anderen nicht zu unterscheiden. 

Eme Abt. Orig. Bd. 88 Heft 4. 18 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


15) Pathogene Hefe Lundsgaard (Kopenhagen): In nativen Praparaten junger 
Kulturen meist kugelrunde Formen, selten ovale Formen (5 Tage alte Bierwiirzeagar- 
kulturen), in alten Kulturen (ca. 5 Mon. alte Zuckeragarkulturen), Belten Wurstformen. 
Kerne, Vakuolen. 

Sporenfarbung: Jn Gipsblockkulturen liefien sich keine saurefeaten Elemente nach- 
weisen; in einer 1 Mon. alten Zuckeragarkultur konnten hier und da in einzelnen Zellen, 
welche sich mit Methylenblau schlecht farben liefien, ein oder mehrere rot gefarbte, 
eaurefeste Elemente nachgewiesen werden. 

16) Blastomyces Laederich (Paris): In nativen, jungen und alten Zucker¬ 
agarkulturen ausschliefilich kug lrunde Zellen. Kerne, Vakuolen, Granula. 

Sporenfarbung: In einer 8 Wochen alten Zuckeragarkultur liefien sich erst nach 
langem Suchen in einer Zelle 1—2 rot gefarbte Elemente an Stelle des Kernes auffinden. 

17) Pathogene Hefe Busse (Greifswald): In nativen Praparaten junger und alter 
Zuckeragarkulturen ausschliefilich kugelrunde Formen, Kerne, Granula, Tanzkorperchen. 

Sporenfarbung: In alten Kulturen und Gipsblockkulturen sparlich eaurefeste, rot 
gefarbte Elemente, eines in einer Zelle, dem Auseehen nach dem Zellkern ahnlich. 

Heidenhainsche Kernfarbung: In den meisten Zellen 1 Kern nachweiebar. 

18) Parasitieche Hefe Bayer (Innsbruck): In nativen jungen und alien Prapa¬ 
raten Zuckeragarkulturen ausschliefilich kugelrunde Formen, Kerne, Vakuolen. 

Sporenfarbung: In Gipsblockkulturen zuweilen ein bis mehrere eaurefeste Ele¬ 
mente in Zellen nachweisbar, welche sich mit Methylenblau schlecht farben lassen. In 
alten Zuckeragarkulturen konnten solche Elemente nicht wahrgenommen werden. 

19) Blastomyces Hudelo et Duval (Paris): In nativen Praparaten junger 
Kulturen ausschliefilich kugelrunde Formen, ebenso in 5 Mon. alten Zuckeragarkulturen, 
Kerne, Vakuolen, auch Granula in Zellen ohne Vakuolen. 

Sporenfarbung: In ca. 1 Mon. alten Zuckeragarkulturen lafit sich in Methylenblau 
schlecht fiirbbaren Zellen je ein rot gefarbtes saurefestes Element nachweisen. 

20) Blastomyces lithogenes Sanfelice (Cagliari, Italien): In nativen Pra¬ 
paraten (5 Tage ebenso wie 4 Mon. alte Zuckeragarkulturen) ausschliefilich kugelrunde 
Formen. Die meisten Zellen sind mit feinen Kornchen erfiillt. Vakuolen in einigen 
Zellen. 

Sporenfarbung: In ca. 3 Wochen alten Zuckeragarkulturen liefien sich ein bis 
mehrere rote, siiurefeste Elemente in mit Methylenblau schlecht farbbaren Zellen nach¬ 
weisen. 

21) Saccharomyces canis Sanfelice (Cagliari, Italien): In nativen Prapa¬ 
raten junger und alter Zuckeragarkulturen rundliche, ovale und Wurstformen. Va¬ 
kuolen, ein bis mehrere Kerne in einer Zelle nachweisbar, und zwar in runden Zellen 
1 Kern, in wurstformigen mehrere Kerne. 

Sporenfarbung: In 5 Tage alten Zuckeragarkulturen ein bis mehrere verschieden 
grofie, rot gefarbte Elemente in einer Zelle. Diese ziemlich reichlich vorhandenen Ge- 
bilde sind verschieden grofi, aber stets kleiner als die in alten Kulturen auftretenden 
Sporen. — In Kulturen, welche iiber 1 Mon. alt sind, finden sich untereinander gleich- 
grofie, rot gefarbte, eaurefeste Sporen. 

Zum Vergleiche warden folgende Hefen bekannter Art herangezogen, 
welche, mit denselben Methoden, wie die pathogenen und parasitischen 
Hefen behandelt, folgende Eigenschaften aufwiesen: 

I. Oidium lactis Fresenius (Kultur von Sanfelice, Cagliari): In nativen 
Praparaten (3 Tage alte Kulturen auf Zuckeragar oder Bierwurzeagar) rundliche und 
ovale bis Wurstformen, lange Mycelfaden mit Segmentierung und echter Verzweigung. 
Vakuolen, Kerne, Granula. 

Sporenfarbung: In Gipsblockkulturen und in 1 Mon. alten Zuckeragarkulturen 
sparlich eaurefeste, rot gefarbte Elemente in Zellen, welche sich mit Methylenblau nicht 
mehr farben. In frischen Kulturen sind solche Elemente nicht zu finden. 

II. Monilia albicans non liquefac. (von den Autoren als Oidium albi¬ 
cans bezeichnet), Fischer und Brebeck. In nativen Praparaten meiBt ovale Formen, 
auch rundliche (2 Tage ebenso wie 4 Mon. alte Zuckeragarkulturen). Vakuolen, Kerne. 

Sporenfiirbung: Sowohl in frischen wie in alten Zuckeragarkulturen in einzelnen 
Zellen ein rot gefarbtes, Eaurefestes Element etwa von der Grofie des Kerns. 

III. Monilia casei (vom Autor als Saccharomyces casei bezeichnet) 
Edwards (Guelph, Canada): In nativen Praparaten (3 Tage alten Zuckeragarkulturen) 
neben ovalen verschieden lange Wurstformen in langen Ketten, zahlrciche licbtbrechende 
Kbrner und Vakuolen. 

Sporenfarbung: In 1 Mon. alten Zuckeragarkulturen meist 2, bisweilen auch 
mehrere rote, siiurefeste Elemente in einzelnen, mit Methylenblau schlecht farbbaren Zellen. 


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Sasakawa, Zur Systematik pathogener und parasitischer Hefen. 


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IV. Pichia mem bran aefaciens Hansen, Zikes (Wien): In nativen Pra¬ 
paraten (1 Tag alte Zuckeragarkulturen) rundliche* ovale und Wurstformen. Vakuolen, 
Kerne und groCe lichtbrechende Gebilde (Sporen) von runder Form und gleicher GroBe. 

Sporenfarbung: In ganz jungen, 1 Tag alten, sowie in alten Zuckeragarkulturen 
rot gefarbte, saurefeste, gleichgTolse, runde Sporen zu je 2- 4 in einem Schiauche, da- 
neben auch kleine, saurefeste Gebilde (punktformig, ungleich groB) in mit Methylenblau 
schlecht farbbaren Zellen. 

V. Willia anomala Hansen, Zikes (Wien): In nativen Praparaten junger 
ebenso wie alter Zuckeragarkulturen ovale Formen, Wuretformen, lange Faden mit ver- 
schieden groBen, lichtbrechenden Elementen, Kerne. 

Sporenfarbung: In ca. 8 Wochen alten, versiegelt gehaltenen Zuckeragarkulturen 
meist 4 rot gefarbte, saurefeste, gleichgroBe Sporen. 

VI. Saccharomyces cerevisiae Saaz, Lindner (Berlin): In nativen Pra¬ 
paraten (3 Tage alten Zuckeragarkulturen) rundliche, meist ovale, seltener auch wurst- 
formige Zellen. Vakuolen, Kerne; in etwas alteren Kulturen stark lichtbrechende, 
gleichgroBe, runde Sporen, meist je 4 in 1 Zelle. 

Sporenfarbung: In alten Zuckeragarkulturen, sparlicher auch in frischen, sowie in 
Gipsblockkulturen rote, saurefeste Sporen von gleicher GrbBe zu je 4 in 1 Zelle; da- 
neben stellenweise ein leicht rot gefarbtes Element von Punktform in einer Zelle. 

Hei denhainsche Kernfarbung: schwarzlich gefarbte Sporen mit einem deutlich 
erkennbaren Kern in der Spore. In den vegitativen Formen schon gefarbte Kerne. 

VII. Schizosaccharomyces octosporus Beijerinck, Beijerinck (Delft): 
In nativen Praparaten junger, ebenso wie alterer Zuckeragarkulturen langgestreckte 
Zellen mit leicht erkennbaren, lichtbrechenden Sporen zu je 4—8 in 1 Schiauche. Die 
vegetativen Zellen sind rundlich, oval und mehr oder weniger langgestreckt mit eigen- 
artiger Septierung. Vakuolen, Kerne, Granule. 

Sporenfarbung: In frischen und alten Kulturen, in letzteren zahlreicher, gleich- 
grofle, zum Teil rot, seltener blau 1 ) gefarbte Sporen ^rund), zu je 4—8 in 1 Zelle. Je 
naeh der Dauer der Entfarbung mit Saure kann man mehr oder weniger rote und 
blaue Sporen darstellen, doch findet man stets neben roten auch blau gefarbte Elemente, 
welche morphologisch im iibrigen den roten Sporen gleichen. 

VIII. lorulaspora Delbriicki Lindner (Berlin): In nativen Praparaten 
(3 Tage alten Zuckeragarkulturen) ausschlieBlich runde Formen, in alter Kultur zeit- 
weise auBerst selten Wurstformen, mit Vakuolen und Kernen. 

Sporenfarbung: In frischen, 3 Tage alten Zuckeragarkulturen, mehr noch in alten 
(1 Mon. alten) findet sich in den roeisten Zellen ein rot gefarbtes, saurefestes Element 
von der GroBe des Kerns. Sonst keine saurefesten Elemente, keine Sporen, auch nicht 
in Gypsblockkulturen. 

IX. Torula al ba Zikes (Wien): In nativen Praparaten (3 Tage alten Zuckeragar¬ 
kulturen) ausschlieBlich runde Formen, in alten Kulturen zuweilen ganz spfirlich Wurst- 
forraen mit Kern und Vakuolen. 

Sporenfarbung: Weder in frischen, noch in alten (1 Mon. alten) Zuckeragarkulturen, 
noch auch in Gypsblockkulturen saurefeste Gebdde. Nach langem Suchen liiUt sich 
zuweilen in einer Zelle ein ganz blaBrot gefarbtes Element (Kern?) auffinden. 

Hei denhainsche Kernfarbung: Kerne leicht darslellbar, schon gefarbt. 

Aus der vorstehenden Zusammenstellung geht eindeutig hervor, daB 
mit Hilfe der angewendeten Methode in alien untersuchten Saccharo- 
myceten (sporulierenden Hefen) die Sporen mit Leichtigkeit nachgewiesen 
werden konnten; daB hingegen in den untersuchten parasitischen und 
pathogenen Hefen, mit Ausnahme der Hefe Saccharomyces canis 
Sanfelice, niemals echte Sporen zu finden waren. Da in der Literatur 
wiederholt angegeben wird, es seien bei pathogenen und parasitischen 
Hefen Sporen gefunden worden, sogar von einem Forscher, wie Buschke, 
in seinem ausfilhrlichen Referate in Kolle-Wassermanns Handbuch 
der pathogenen Mikroroganismen (Bd. 5, S. 160) eine Bemerkung zu 
finden ist, daB dieser Autor in alien von ihm untersuchten pathogenen 
Hefen 2—5 Sporen nachweisen konnte, muB die Frage der Sporen- 
bildung in pathogenen Hefen unser besonderes Interesse erregen, urn 
so mehr als es ein uneriaBliches Erfordernis ist, festzustellen, ob eine 
Hefe sporuliert oder nicht, urn sie im System unterzubringen. Nun 


1) Gegenfarbung mit Methylenblau. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


fehlen bei alien einschlagigen Arbeiten iiber pathogene Hefen Angaben 
liber die Methode des Nachweises der Sporen; es wird stets nur be- 
merkt, ob Sporen gefunden wurden oder nicht. Es scheint nicht un- 
wahrscheinlich, daB viele Autoren sich rait der in der Bakteriologie 
iiblichen und dort auch vollig ausreichenden Feststellung begnugt haben, 
ob rait Hilfe der Sporenfarbung saurefeste Elemente in den Zellen 
nachweisbar sind. Dieser Nachweis allein geniigt zweifellos nicht. Ich 
habe gefunden, daB solche saurefeste Elemente sowohl in sporulierenden 
wie in nicht sporulierenden Hefen vorkommen, daB diese Elemente in 
der Regel, wenn auch nicht immer, viel kleiner sind, als die Sporen, 
vor allem daB sie in ein und derselben Hefe in ganz verschiedenen 
GroBen auftreten, so insbesondere in den Hefen Curtis, Copelli; 
meist sind sie auBerordentlich klein, in der Regel nur in alteren Kulturen 
in groBerer Zahl auffindbar, in einzelnen Hefen (Foulerton, Hilde- 
gaard) auch groBer, so daB sie zuweilen die GroBe einer ganzen Zelle 
erreichen und von Sporen kaum zu unterscheiden sind. Die rotgefarbten 
Elemente in den iibrigen Hefen mOchte ich jedenfalls nicht dafur halten, 
obwohl sie ebenso wie Sporen in alteren Kulturen aufzutreten pflegen 
und haufig in Zellen, welche mit Methylenblau schwer oder gar nicht 
farbbar sind. Zum Unterschied von Sporen sind diese Gebilde ungleich 
groB und variieren auch in der Form. Auf diese, bei der Sporenfarbung 
von Hefen sichtbar werdenden saurefesten Elemente wurde, soweit ich 
die Literatur Qbersehe, bisher noch nicht aufmerksam gemacht. Es ist, 
wie erwahnt, leicht moglich, daB sie, wenn sie groBere Gebilde darstellen, 
fiir Sporen gehalten werden. Da es nicht ausgeschlossen war, daB diese 
saurefesten Elemente vielleicht die Hefenkerne sind, wurde die Heiden- 
hainsche KernfSrbung in einzelnen Fallen zur Entscheidung heran- 
gezogen; es scheint tatsachlich, als ob zuweilen der Hefekern selbst 
» saurefest ist und die rote Farbe zaher festhait als die tibrige Zelle, 
besonders in Zellen, deren Protoplasma mit Methylenblau schwer farbbar 
ist. Jedenfalls ist es aber nicht immer der Kern, der auf diese Weise 
darstellbar ist, was schon aus der auBerst verschiedenen GroBe der 
saurefesten Elemente in manchen untersuchten Hefen hervorgeht. Urn 
zu sehen, ob vielleicht Zellen, welche saurefeste Elemente enthalten, 
auch gegen Temperatursteigerung resistenter sind, wurde der Versuch 
gemacht, die Hefen, welche reichlich saurefeste Elemente enthalten, auf 
verschiedene Temperaturen zu erhitzen und dann wieder zur Keimung 
zu bringen. Ich fand bei Erhitzung auf 50°, 55°, 60°, 70°, 80° keinen 
Unterschied zwischen Hefen mit saurefesten Elementen gegeniiber solchen 
ohne saurefeste (Torula alba), auch keinen Unterschied bei ein und 
derselben Hefe, welche viele oder wenige saurefeste Elemente enthielt, 
ebensowenig aber auch Unterschiede zwischen Hefen mit typischen Sporen 
oder solchen ohne Sporen; alle waren gegen Temperaturen iiber 60° 
auBerordentlich empfindlich und hatten die gleiche Abtotungsgrenze. 
Es sei hier bemerkt, daB die Hefesporen nicht mit den Sporen der 
Bazillen, sondern mit den Askosporen der Schimmelpilze in eine Reihe 
zu stellen sind, welche ebenfalls gegen hohere Temperaturen sehr emp¬ 
findlich sind. Ein Auskeimen der saurefesten Gebilde konnte nie be- 
obachtet werden, ebensowenig ein Sprossen der groBeren Gebilde dieser 
Art. Es ware noch daran zu denken, die gefundenen saurefesten Ge¬ 
bilde mit Volutin zu identifizieren, das Henneberg 1 ) in Hefezellen 


1) Henneberg, Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 45. 1916. S. 50. 


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Sasakawa, Zur Systematik pathogener und parasitischer Hefen. 


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nachgewiesen hat. Die Bezeichnung „Volutin“ stammt vou A. Meyer 
her, der sie an Stelle der friiher von Babes so genannten „meta- 
chromatischen Korperchen“ einfuhrte. Einige mikrochemische Reaktionen 
(LSslichkeit in 80° warmem Wasser, in Alkalien, in Sauren, 5°/o Schwefel- 
s&ure, Unlfislichkeit in Alkohol, Chloroform, Aether; Gelbfdrbung mit 
Jodjodkaliura) sprechen dafiir, daB es sich um Nukleins&ureverbindungen 
handelt, „Volutin“, welches die metachromatische Farbbarkeit verursacht. 
Nach Meyer und Guillermond handelt es sich um einen Reserve- 
stoff. Da der Aggregatzustand dieser Elemente ein flussiger ist, schl&gt 
Benecke die Bezeichnung Volutintrbpfchen vor. Es wird spSteren 
Untersuchungen vorbehalten bleiben mtissen, festzustellen, ob die von 
mir gefundenen saurefesten Zellelemente mit Volutintropfchen identisch 
sind; einige Grunde sprechen immerhin fiir diese Annahme, zum mindesten 
fiir die, daB wir es auch hier mit fliissigen Elementen der Zelleiber zu 
tun haben. Vielleicht handelt es sich hier um die sogenannten Vakuol- 
korper, ebenfalls aus Volutin bestehende Korperchen, welche sich 
besonders in alternden oder geschadigten Zellen bilden und nach 
Henneberg rasch grijBer werden. Allerdings farben sie sich nach der 
Kernfarbung von Heidenhain nicht. Es wurde aber bereits erwahnt, 
daB ein Teil der untersuchten Gebilde zweifellos nach dieser Methode 
(Kernfarbung) darstellbar ist, was also gegen die Identitat mit Volutin 
spr&che. — Ich lasse die Frage nach der Uebereinstimmung zwischen 
VolutintrOpfchen und s&urefesten Zellelementen unentschieden und will 
nur darauf hinweisen, daB der Zellinhalt dem kunftigen Studium noch 
manche Aufgabe stellen diirfte. Erwahnung verdient noch der bereits 
erw&hnte Umstand, daB in sporentragenden Zellen, so beispielsweise in 
der Octosporus-Hefe, bei der SporenfSrbung nach Mbller in der 
angefflhrten Methode neben roten auch blau gefdrbte Sporen vorkommen, 
die sich im iibrigen in keiner Weise von den typischen Sporen unter- 
scheiden lassen. Es dtirfte sich hier vielleicht nicht um eine Differenz 
in der chemischen Struktur der Hefesporen handeln, sondern eber um 
ein physikalisch-chemisches Ph&nomen, um lokale Abs&ttigungsdifferenzen 
der S&ure, ungiinstige oder ungleichmaBige Diffusions- und Adsorptions- 
erscheinungen der Farbstoffe, wie sie hier bei verhaitnism&Big groBen 
Gebilden viel leichter zustandekommen konnen als bei der SporenfSrbung 
der Bakterien. DaB dabei oft unmittelbar nebeneinander rote und blaue 
Gebilde zu finden sind, wird niemanden befremden, der aus Liesegangs 
schonen Untersuchungen weiB, daB in kolloiden Medien SSure und Alkali 
in scharfer Linie nebeneinander existieren, ohne ineinander zu diffundieren. 
Doch k6nnen die Diflferenzen auch durch einen verschiedenen Reifezustand 
der Sporen bedingt sein. 

Wenn ich also die Sporenuntersuchung der parasitischen und patho- 
genen Hefen kurz zusammenfasse, so zeigte sich bei alien — ausgenomraen 
eine — fibereinstiramend, daB mit der angewendeten Methodik, mit welcher 
bei sporulierenden Hefen leicht Sporeubildung erzielt werden konnte, 
keine Sporenbildung hervorgerufen wird. Die einzige Hefe, bei der dies 
gelang, ist Saccharomyces canis Sanfelice. Es ist nun sehr interessant 
und charakteristisch, daB diese Hefe nicht, wie die (ibrigen, aus Er- 
krankungen beim Menschen oder Tiere stammt, sondern daB sie von 
Sanfelice aus FruchtsSften isoliert worden ist und dann nach Passage 
durch ein Meerschweinchen einer Hundin in die Brustdrilse injiziert 
worden ist. Auf diese Weise erzielte Sanfelice eine Geschwulst, aus 
welcher er die Hefe wiedergewinnen konnte. Es dflrfte sich jedenfalls 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origiuale. Bd. 88. Heft 4. 




um diese Hefe handeln, die also urspriinglich eine Fruchtsafthefe ist, deren 
pathogene Eigenschaft der Autor nachgewiesen hat. Dadurch unter- 
scheidet sie sich ganz wesentlich in ihrer Herkunft von den anderen 
pathogenen und parasitischen Hefen und vielleicht ist daraus die Sporu- 
lationsfahigkeit leichter verstandlich; es wurde zu den Versuchen 
Sanfelices eben eine eckte, sporulierende Hefe verwendet. Gerade 
dieser Befund scheint wichtig, weil wir gewissermaBen auf analytischeni 
Wege die Hefe aus einer groBen Anzahl' anderer herausfinden, die ihrer 
Natur nach nicht zu den in Untersuchung stehenden gehort. 

Ein Vergleich der Morphologie der hier untersuchten pathogenen 
und parasitischen Hefen ergibt folgende Resultate: 

1) Mikroskopische Praparate der 3 ersten in den Tabellen an- 
gefiihrten Hefen zeigen in frischen Kulturen (2—3 Tage alten) neben 
runden und ovalen SproBzellen auch reichlich langgestreckte und wurst- 
formige Zellen, die zu langen F&den anwachsen, ohne aber ein echtes, 
verzweigtes Mycel zu bilden. Morphologisch sind sie mit dem Soorpilz 
in die Gruppe Monilia (Plaut) oder Zymonema (Gougerot) zu 
reihen. Gougerot teilt eine interessante Beobachtung mit, welche 
das „Oidium cutaneum“ betrifft, das, urspriinglich aus einer Haut- 
affektion beim Menschen geziichtet, ausschlieBlich aus runden SproB¬ 
zellen bestand und auch nach mehreren Abirapfungen auf kunstlichen 
Nahrboden diesen Charakter bewahrte; spkter verknderte es allmahlich 
seinen Charakter, zeigte nebeneinander Hefezellen (SproBzellen) und 
„Mycelien“ x ), war nach der Bezeichnung des Autors also als Zymonema 
Gilchristizu bezeichnen. Mit der Zeit aber gewann es, wie Gougerot 
angibt, vollkommen den Charakter eines typischen Oidium, was schon 
mikroskopisch daraus zu ersehen war, daB der urspriingliche hefeartige 
Glanz, das schleimige Aussehen verloren gingen und die Kultur einen 
trockenen, pulverigen Charakter annahm. Mikroskopisch waren nun 
ausschlieBlich Mycelien, keine SproBzellen mehr zu linden. Auch der 
biochemische Charakter Snderte sich (Verlust der Garf&higkeit fur Zucker), 
worauf ich sp&ter noch zuriickkommen will. Dieses Verhalten der Kultur 
Gougerots wurde hier deswegen ausfuhrlicher erwkhnt, weil in den 
von mir untersuchten pathogenen und parasitischen Hefen wohl wieder- 
holt langgestreckte Zellen auftreten, jedocli trotz jahrelangen, sogar 
jahrzehntelangen Fortziichtens eine definitive Aenderung des Charakters 
nicht zustande kam, niemals auch echte Mycelbildung, ebensowenig ein 
Verlust der Gkrfahigkeit, wovon spater noch die Rede sein wird. Wie 
aus der beistehenden Tabelle hervorgeht, stammt die Hefe Curtis aus 
dem Jahre 1896, die Hefe Jaiser (Magencarcinom) aus 1916, die Hefe 
Kartulis (unsicher) aus 1909, die Hefen Leopold und Foulerton 
aus 1900, die von Skutetzky etwa aus 1919 usf. Die Hefen sind also 
zum Teil seit 10—20 Jahren und linger auf kunstlichen Nahrboden 
kultiviert und zeigen, soweit sich aus der Literatur ersehen lafit, noch 
immer denselben Charakter wie im Anfang der Ziichtung. Allerdings 
kflnnen wir stets in der Literatur wiederfinden, daB die Fadenbildung 
erst auf den kunstlichen Nahrboden auftrat, niemals aber wihrend des 
parasitischen Lebens des Hefeorganismus zur Beobachtung gelangte. 

2) Die Hefen von Nr. 4 bis Nr. 20 gehoren morphologisch in eine 
Gruppe. Den Uebergang von den fadenbildenden Stammen der sub 1) 

1) 1m Original (Gougerot, Les Exascoses, Sonderabdr. p. 10): „il s’est trana- 
form4 peu a peu, resaemblant d’abord au Zymonema Gilchristi, dont il avait le 
melange de formes levures et filamenteurea. 11 


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Sasakawa, Zur Syetematik pathogener und parasitischer Hefen. 


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geaannten 3 Hefen zu diesen in jungen Kulturen meistens vorwiegend 
als runde SproBzellen auftretenden, selten einzelne langere Formen 
zeigenden Hefen bilden besonders die beiden Hefen Nr. 4 Fuller und 
Nr. 5 Skutetzky, welche unter Umst&nden, besonders in alten Kulturen, 
einzelne langgestreckte FSden aufweisen; bei den Hefen dieser Gruppe 
linden wir auch insofern Uebergangsformen, als einige neben runden 
Zellen auch ovale, zuweilen auch wurstfbrmige bilden (Nr. 4—13), wShrend 
die an letzter Stelle genannten Nr. 16—20 nur runde Zellen bilden, 
niemals ovale Oder gestreckte. Nr. 14 und 15 (Hildegaard und Lunds- 
gaard) zeigen einzelne ovale und kurze Wurstformen, niemals lfingere 
Formen, sind also wieder Uebergangsformen zwischen den langeren, 
Wurstzellen bildenden und den reinen Rundzellhefen. Nach ihrem 
morphologischen Charakter konnen wir also hier die Hefen Nr. 4—13 
und Nr. 14—20 in je eine Gruppe zusammenfassen, worin wir durch 
die sp&ter anzufflhrenden Resultate der fermentativen Eigenschaften 
noch bestSrkt werden. Morphologisch konnen wir die Hefen dieser Gruppe, 
besonders jene mit reinem Rundzellencharakter, den Tor ulae anreihen, 
die ebensowenig zur Sporenbildung befahigt sind wie die genannten 
Hefen. Inwieweit die Hefen Nr. 4—13 von den Torulae abweichen, 
wird sich aus den noch zu erSrternden G&rversuchen mit Kohlehydraten 
ergeben. 

3) Die Hefe Saccharomyces canis ninuut eine Sonderstellung 
ein. Ich habe bereits erwahnt, daB diese Hefe von Sanfelice aus 
Fruchts&ften gewonnen, zur kiinstlichen Erzeugung eines Tumors bei 
einer Htindin verwendet wurde. Diese Hefe ist ohne Zweifel in die 
Gruppe der sporenbildenden Hefen zu verweisen. Sp&teren Unter- 
suchungen wird es vorbehalten bleiben, festzustellen, wie sich diese Hefe, 
falls ihre Pathogenit&t noch vorhanden ist, morphologisch im Tierkorper 
verhftlt. Nach Sanfelice, dem wir sehr ausfiihrliche und wertvolle 
Untersuchungen liber diese Hefe verdanken, geliort sie „zum Genus 
Saccharomyces und ist mit Saccharomyces ellipsoideus in 
eine Reihe zu stellen“ (Sanfelice), bestand also damals bereits vor¬ 
wiegend aus elliptischen Zellen, geradeso wie dies auch heute noch der 
Fall ist. Sanfelice nannte die Hefe spfiter Saccharomyces neo¬ 
form ans. (Es dlirfte sich urn die auch von Sternberg untersuchte 
Hefe handeln, welche Sternberg als „Stamm San felice“ bezeichnet.) 

II. GBrungsphysiologische Untersuchungen. 

Um die fermentative Wirkung der untersuchten parasitischen und 
pathogenen Hefen auf Kohlehydrate festzustellen, wurde die Methode 
von Lindner 1 ) verwendet. 

Es wurde zu diesem Zwecke in die Hbhlung eines hohlen Objekt- 
trSgers, der durch Abflammen vorher sterilisiert war, eine sterile Indikator- 
losung getropft (in 100 ccm steriler Bouillon 8 ccm einer 1-proz. sterilen, 
wSsserigen Kongorotlbsung, vor dem Gebrauche 15 Min. lang im Wasser- 
bade gekocht). Als Kohlehydrate wurden folgende Substanzen in Pulver- 
form in den hohlen Objekttrkger in die Indikatorbouillon gebracht: als 
Monosaccharide a) die Pentosen: Arabinose und Xylose, b) die Hexosen: 
Dextrose, L&vulose, Mannose, Galaktose; als Disaccharide: Saccharose 
(aus L&vulose und Dextrose), Maltose (aus 2 Dextrosemolektilen), 
Laktobiose (aus Galaktose und Dextrose bestehend). Als Trisaccharid: 

1) Lindner, P., Mikroskopischc Betriebskontrolle i. d. GarungHgewerben. 3. Aufl. 
Berlin 1901. 


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280 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 4. 


Raffinose (aus Dextrose, L&vulose, Galaktose zusammengesetzt). Ferner 
die Alkohole: Sorbit (der Dextrose entsprechend), Mannit (der Mannose 
entsprechend), Dulcit (der Galaktose entsprechend). Endlich die Poly¬ 
saccharide Dextrin, Amylum und Glykogen. Die mit dem Kohlehydrat 
versetzte Indikatorbouillon wird mit der Hefe beinipft, mit einem Deck- 
giaschen zugedeckt und mit Paraffin umrandet. Zu jeder Serie wird 
eine Kontrolle der Indikatorlosung mit dem entsprechenden Zucker ohne 
Hefe angesetzt. Eine weitere Kontrolle der Hefe-Emulsion in der 
Indikatorbouillon (ohne Kohlehydrat) dient zur Feststellung, ob die Hefe 
nicht selbst gfirt. Auf diese Weise lallt sich Saurebildung und Gas- 
bildung leicht feststellen ; die gewonnenen Resultate sind in der Tabelle 2 
iibersichtlich zusammengestellt. Wie aus der Tabelle hervorgeht, zeigen 
die Hefen Curtis und Kartulis in ihren fermentativen Eigenschaften 
gegeniiber Kohlehydraten untereinander eine gewisse Uebereinstimmung, 
insofern als sie Dextrose, L&vulose, Mannose und Galaktose bis zur 
Gasbildung vergaren, Dextrin sauern, die tibrigen untersuchten Kohle- 
hydrate unverandert lassen: Die Hefe Jaiser (Mageninhalt) vergart 
auBer den Hexosen auch die Disaccharide Saccharose und Laktose und 
das Trisaccharid Raffinose. Die Eigenschaft saccharosespaltender Mikro- 
organismen, auch Raffinose zu vergaren, stimmt mit dem analogen Befunde 
von Monias 1 ) iiberein, welcher die gleiche Eigenschaft bei Bakterien 
der Coli-Gruppe festgestellt hat. 

Hier ist der Ort, darauf zuriickzukommen, daB bei den morpho- 
logischen Veranderungen, welche Gougerot bei seiner Hefe Oidium 
cutaneum beobachtet hat, auch garungsphysiologische Verfinderungen 
stattgefunden haben. Die urspriinglich runde SproBformen aufweisende 
Hefe hatte gleichzeitig die F&higkeit, Zucker bis zur KohlensSure zu ver¬ 
garen ; als sie sich spater in eine mycelbildende Hefe verwandelte, verlor 
sie die Eigenschaft der ZuckervergSrung. Es ist bemerkenswert, daft 
die 3 fadenbildenden Hefen der Gruppe Monila trotz jahrzehntelanger 
und jahrelanger Fortziichtung auf kiinstlichen Nfihrboden ihre kohlehydrat- 
vergSrenden Eigenschaften vollkommen bewahrt haben. 

Ordnen wir nun die Hefen der 2. Gruppe (Hefen Nr. 4—20), welche 
morphologisch wegen der Kugelform ihrer Zellen und mangelnder Faden- 
bildung in frischen PrtLparaten morphologisch zusammengehoren, so fallt 
vor allem auf, daB die Hefen Nr. 14—20 uberhaupt nicht imstande sind, 
irgendein Kohlehydrat bis zur Gasbildung zu vergaren. Einige davon 
vermogen die Kohlehydrate der Hexosegruppe meist langsam und nur 
schwach in Saure zu verwandeln. Sie stimmen darin mit der Gruppe 
Torula, ebenso wie in der Kugelform ihrer Zellen in frischen Kulturen 
vollkommen iiberein. Wir werden wohl kaum fehlgehen, wenn wir sie 
dieser Gruppe einordnen. — Nicht alle morphologisch vorwiegend Kugel- 
formen aufweisenden Hefen zeichnen sich durch volligen Mangel an Gar- 
vermdgen aus, vielmehr sind die Hefen Nr. 4—13 durchweg imstande, 
die untersuchten Hexosen (Dextrose, Lavulose, Mannose und Galaktose) 
bis zur Kohlensaure zu vergaren. Die Hefen Leopold, Foulerton, 
Plaut(Poulman) und Ledegaard konnen nur Hexosen vergaren, die 
Hefen Fuller, Skutetzky, Copelli, Jaiser (Angina), Briinauer 
(K i s 1 o v i c), W i n t e r n i t z vergaren auch das Disaccharid Maltose sowie 


1) Monias, Systematische Untersuchungen in der Gruppe des Bacterium coli. 
(Pharmaz. Monatsh. 1921. S. 29.) 


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Saeakawa, Zur Systematik pathogener und parasitischer Hefei). 


281 


Dextrin *) (dagegen nicht Saccharose, Raffinose und Laktose) bis zur 
Gasbildung. 

Wegen ihres Gflrvermogens sind diese Hefen nicht zur Torula- 
Gruppe gehorig aufzufassen, wenn sie auch mit dieser morphologisch 
ubereinstimmen. Sie stehen ihrera Gfirvermflgen nach jedenfalls der 
von Lindner als Torulaspora bezeichneten Art nflher. Nach 
Lindner sind die Zellen dieser Hefe kugelrund, klein und ahneln im 
flbrigen den Zellen der Torula-Arten. Nach Lindner bilden sie 
Sporen in der Anzahl von 1—2 in 1 Zelle. Die Art Torulaspora 
Delbrflcki vergflrt nach diesem Autor Dextrose und Lflvulose. Wegen 
der auffallenden Aehnlichkeit zwischen den Hefen 4—13 einerseits und 
der von Lindner aufgestellten Gattung Torulaspora andererseits 
wurden mit der Hefe Torulaspora Delbrflcki alle Untersuchungen 
parallel mit den Untersuchungen der parasitischen und pathogenen Hefen 
vorgenommen. Es wurde bereits oben unter VIII erwflhnt, daB bei der 
Untersuchung einer lmonatigen Zuckeragarkultur und Gipsblockkultur 
Torulaspora Delbrflcki keine Sporen gefunden wurden. Ob bei 
weiteren Untersuchungen es nicht doch gelungen ware, Sporulation zu 
erzielen, mull dahingestellt bleiben. Da die Hefe nach Lindner Sporen 
bildet, dflrften wir die hier in Rede stehenden pathogenen Hefen nicht 
unmittelbar als Torulaspora bezeichnen, doch scheinen sie dieser, 
jedenfalls sehr schwer sporulierenden Hefe sehr nahe zu stehen. Bei 
der Prflfung des Garvermflgens zeigt sich Uebereinstimmung der Hefen 
4—13 mit Torulaspora Delbrflcki, welche auBerdem Raffinose auBer 
den Hexosen auch Maltose (wie 4—9) und Saccharose vergflrt. 

3) Die, wie oben erwahnt, sporenbildende, nicht zu den spontan 
auftretenden pathogenen oder parasitischen Hefen zu rechnende Hefe 
Sanfelice (canis) vermag Saccharose und Raffinose bis zur Kohlen- 
sflurebildung zu vergaren. Diese Eigenschaft habe ich nur bei einer ein- 
zigen anderen parasitischen Hefe feststellen konnen, und zwar bei der von 
J aiser aus Mageninhalt bei Carcinom gezflchteten. Auch diese Hefe dtirfte 
nicht als pathogene Hefe, sondern eher als parasitische aufzufassen sein 
und ist zweifellos mit einer Speise (Milch?) in den Magen gelangt, wo 
sie infolge des geringen SalzsSuregehaltes des Mageninhaltes Gelegenheit 
zur Vermehrung hatte. Die Hefe Saccharomyces canis stammt 
aus Fruchtsflften, wie oben erw&hnt. Es sind also diese beiden Hefen 
auch durch ihre Herkunft charakterisiert und von den anderen zu trennen. 

Anhangsweise sei noch erwflhnt, daB die optimale Wachstums- 
temperatur der pathogenen und parasitischen Hefen fflr jede einzelne 
Hefe genau festgestellt wurde, wobei sich das interessante Resultat er- 
gab, daB einzelne Hefen bei Kflrpertemperatur (37°) viel rascheres und 
besseres Wachstum zeigen, als bei 25°, wflhrend andere Hefen gerade 
bei 25° besser wachsen, zum Teil bei 37° flberhaupt nicht zum Wachs¬ 
tum zu bringen sind. Bei 37° wachsen flppiger und rascher: Hefe 
Curtis, Kartulis, Fuller, Copelli, Jaiser (Angina), Brflnauer 
und Lae derich; bei 25° wachsen besser: Hefe Skutetzky, Hefe 
Foulerton, Hefe Hildegaard. Hefe Leopold, Hefe Ledegaard 
und Saccharomyces canis Sanfelice wachsen flberhaupt nicht bei 
37°. Alle flbrigen Hefen wachsen bei 25° und 37° gleich gut. Ein 
Zusamraenhang zwischen der Herkunft der Hefen und dem Optimum 

1) Die Vergarung der Maltose pflegt mit der Dextrinvergarung parallel 7.u geheu 
(vgl. die Tabelle). 


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Ceiitralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 



Ta 

Garversuche in hohlen 

Hexosen 


Pentosen 


Kultur 


\ 1) Curtis 
[ 2) Kartulis („Kar- 
f trick“) 

3) Jaiser (Magen- 
inhalt) 

4) Fuller 

5) Skutetzky 
61 Copelli 

7) Jaiser (Angina) 

8) Brunauer 

[ 9) Winternitz 

10) Leopold 

11) Foulerton 
112) Plaut 

’ 13) Ledegaard 

14) Hildegaard 

15) Lundsgaard 

16) Laedench 
! 17) Burse 

18) Bayer 

19) Hudelo und 
Du wal 

20) Sanfelice (litho 
genes) 

| 21) Sanfelice (neo- 
] formans „canis“) 

Oidium lactis 


I. M o nilia-artig. 
(Neben Sprofizellen 
Fad enbildung.) 


II. Torulaspora- 
artig. Neben vor- 
wiegend runden 
Sprofizellen auch 
ovale und wurstfor- 
mige (sparlich). 4), 
5) bilden Faden. — 
Garungsvermogen 
fiir Kohlehydrat. 


III. Torula-artig. 
Eunde Sprofizellen, 
keine Gasbildung 
aus Hexosen; 14), 
15) bilden kurze 
Wurstformen 


Sjiorenbildcnde Hefe 
(Saccharomyccs); 
Kohlehydratvergiirun^ 


;(S.) (G.) (S.)| (G.) (S.) (G.) (S.)!(G.) 


Monilia albicans 
non 1 i q u e f a c. 
Monilia casei 


Torulaspora Del 
br iicki 

iTorula alba 


Saccharom y ces 
cerevisiae (Saaz) 


(Schizosaccharo- 
| myces octospor. | - 

Zeichenerklarung: 

■ = keine Saure- bzw. Gasbildung. 
= Saurebildung. 


ihrer Wachsturastemperatur konnte ebensowenig festgestellt werden wie 
ein Zusammenhang zwischen letzteren und ihrer morphologischen Zu- 
sammengehorigkeit. (Aehnliche Resultate bei Sternberg 1. c.) 


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Ara- 

binose 

Xy¬ 

lose 

Dex¬ 

trose 

Lavu- 

lose 

Man¬ 

nose 

Galak- j 
tose 

S. G. 

S. G. 

S. | G. 

S. G. 

S. G. 

... 

S. | G. 





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284 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originals. Bd. 88. Heft 4. 

und gBrungsphysiologisch miteinander verglichen und durch Vergleich 
mit gut charakterisierten Hefen anderer Art systematisch bearbeitet. 
Dabei wurde auf die Zellformen, die Sporulationsf&higkeit, die Temperatur- 
empfindlichkeit, die optimale Wachstumstemperatur und die fermentative 
Wirkung auf Kohlehydrate Riicksicht genommen. 

Es lieBen sich auf diese Weise die pathogenen und parasitischen 
Hefen in 3 groBen Gruppen unterbringen. Eine der untersuchten Hefen 
(Saccharomyces neoformans (canis) Sanfelice), welclie im 
Gegensatz zu alien anderen leicht zur Sporenbildung zu bringen war, 
war vermutlich eine Fruchtsafthefe, mit welcher bei Hunden ein Tumor 
erzeugt werden konnte (Sanfelice). Die iibrigen Hefen waren mit 
den angewendeten Methoden nicht zur Sporulation zu bringen. In alien 
lieBen sich aber verschieden groBe, stiurefeste Elemente nacliweisen, 
welche meist in mit Methylenblau farbbaren Zellen auftraten. Ob diese 
Elemente mit den Kernen der Hefen oder etwa mit den sogenannten 
Volutintropfchen zu identifizieren sind, muBte dahingestellt bleiben. Sie 
sind jedenfalls keine Sporen. Die botanischen Gruppen, in welche die 
parasitischen und pathogenen Hefen, die hier zur Untersuchung kommen, 
einzuordnen sind, sind folgende: 

I. Monilia (Plaut) („Zymonema“ Gougerot), charakterisiert 
dadurch, daB neben runden und elliptischen Zellformen auch langgestreckte, 
wurstfbrmige gebildet werden und Neigung zur Fadenbildung besteht, 
dagegen, im Gegensatze zu den Oidien, keine echten verzweigten Mycelien 
gebildet werden. Die hierher gehorigen Hefen vergaren samtliche unter¬ 
suchten Hexosen, eine zeigt auch GSrvermogen gegeniiber Saccharose 
und Raffinose 1 ) (Nr. 1—3). 

II. Torulasporaahnliche Hefen ohne Sporulationsfahigkeit mit 
GarvermSgen gegeniiber alien untersuchten Hexosen; 6 vergaren auch 
Maltose und Dextrin. Als t o r u 1 a ahnlich sind sie wegen. der Ivugel- 
form ihrer Zellen in frischen PrSparaten zu bezeichnen; Fadenbildung 
kommt hier nur bei einzelnen Vertretern der Gruppe in alten Kulturen 
vor. Da sie im Gegensatz zur Torula-Gruppe G&rvermogen gegeniiber 
Kohlehydraten besitzen, wurden sie als torulasporaahnlich bezeichnet, 
was um so mehr gerechtfertigt erschien, als die zum Vergleiche heran- 
gezogenen Torulaspora Delbriicki Lindner ebenfalls G&rvermogen 
gegeniiber den Hexosen besitzt und mit den angewendeten Methoden 
nicht zur Sporulation zu bringen war (nach Lindner sporuliert diese 
Hefe), (Nr. 4—13). Die Hefen dieser Gruppe zeigen alle Uebergange 
von den Hefen der 1. (Monilia) zu jenen der 3. Gruppe (Torulae). 

III. Torulaartige Hefen. Kugelformen bildende pathogene und 
parasitische Hefen, wie Torula fast nie langgestreckte Formen bildend, 
sind unfahig, irgendein Kohlehydrat bis zur Gasbildung zu verg&ren. Die 

1) Die Vergarung von Saccharose geht mit der von Raffinose stets parallel. 


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i 'entrdblatt furBaXteriologieAbt.I Orig.Bd 88 M.Sasakawa, ZurSystematic dcrpathogenm Hefen 


Verlag vdr Gustav Fischer in Jena 


Lith.Anstv Johannes Arndt, Jena. 


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Sasakawa, Zur Svstematik pathogeuer und parasitischer Hefen. 


285 


meisten zeigen auch sehr geringe Fahigkeit, Kohlehydrate (Hexosen) 
bis zur S&urebildung aufzuspalten. Sie stimmen in jeder Beziehung 
mit den Torulae iiberein. 

Die Beobachtung Gougerots, daB eine pathogene Hefe ihren 
Charakter allmahlich in der Weise verandert hatte, daB sie anfangs als 
rundzellige Oder elliptische Hefe ohne Mycelbildung aufgetreten ware, 
spater langgestreckte Formen und F&den neben Hefezellen aufgewiesen 
hatte (Zymonema) und schlieBlich ausschliefilich Mycelformen gezeigt 
hatte (0 i d i u m charakter), konnte ich nicht beobachten, obwohl die 
Hefen jahrzehntelang fortgeziichtet worden waren. Ebensowenig konnte 
bei diesen, lange Zeit auf kiinstlichen N&hrboden fortgezuchteten Hefen 
ein Verlust ihres Garvermogens festgestellt werden. 

Erkl&rung der Abbildungen. 

Fig. la. Pathogene Hefe Curtis, 7 Tage nach Gypsblockaussaat, Sporenfarbung 
nach M oell er (Vergr.: Zeifl, Obj. Apochr. 2 mm, Komp.-Ok. 6). 

Fig. lb. Dieselbe, 39 Tage alte Kultur auf Zuckeragar, Sporenfarbung (Vergr.: do.). 

Fig. 2. Hefe „Kartrick (?)“ Kartulis, 25 Tage alte Kultur auf Zuckeragar, Sporen¬ 
farbung (Vergr.: do.). 

Fig. 3. Paraaitische Hefe aus Mageninhalt bei Carcinom Jaiser, 6 Tage nach 
Gypsblockaussaat, Sporenfarbung (Vergr.: do.). 

Fig. 4. Blastomyces Fuller, 4 Mon. alte Kultur auf Zuckeragar, Sporen¬ 
farbung (Vergr.: do.). 

Fig. 5. Pathogene Hefe Skutetzky, 12 Tage nach Gypsblockaussaat, Sporen¬ 
farbung (Vergr.: do.). 

Fig. 6. Pathogene Hefe Copelli, 10 Tage alte Kultur auf Zuckeragar, Sporen¬ 
farbung (Vergr.: do.). 

Fig. 7. Parasitische Hefe aus Angina, „Braunli“ Jaiser, 25 Tage alte Kultur 
auf Bienviirzeagar, Sporenfarbung (Vergr.: do.). 

Fig. 8. Pathogene Hefe Kislovic, Briinauer, 17 Tage alte Kultur auf Zucker¬ 
agar, Sporenfarbung (Vergr.: do.). 

Fig. 9. Pathogene Hefe Winternitz, 4 Wochen alte Kultur auf Zuckeragar, 
Sporenfarbung (Vergr.: do.). 

Fig. 10. Blastomyces Leopold, 3 Mon. alte Kultur auf Zuckeragar, Sporen¬ 
farbung (Vergr.: do.). 

Fig. 11. Pathogene Hefe Foulerton, 3 Mon. alte Kultur auf Zuckeragar, 
Sporenfarbung (Vergr.: do.). 

Fig. 12. Blastomyces Poulman, Plaut, 3 Wochen alte Kultur auf Zucker¬ 
agar, Sporenfarbung (Vergr.: do.). 

Fig. 13. Pathogene Hefe Ledegaard, 3 Wochen alte Kultur auf Bierwiirzeagar, 
Sporenfarbung (Vergr.: do.). 

Fig. 14. Blastomyces Hildegaard, 3 Wochen alte Kultur auf Zuckeragar, 
Sporenfarbung (Vergr.: do.). 

Fig. 15. Pathogene Hefe Lundsgaard, 3 Wochen alte Kultur auf Zuckeragar, 
Sporenfarbung (Vergr.: do.). 

Fig. 16. Blastomyces Laederich, 3 Wochen alte Kultur auf Zuckeragar, 
Sporenfarbung (Vergr.: do.). 

Fig. 17. Pathogene Hefe Busse, 2 Mon. alte Kultur auf Zuckeragar, Sporen¬ 
farbung (Vergr.: do.). 

Fig. 18. Parasitische Hefe Bayer, 15 Tage nach Gypsblockaussaat, Sporen¬ 
farbung (Vergr.: do.). 

Fig. 19. Blastomyces Hudelo et Duval, 25 Tage alte Kultur auf Zuckeragar, 
Sporenfarbung (Vergr.: do.). 

Fig. 20. Blastomyces lithogenes Sanfelice, 17 Tage alte Kultur auf Zucker¬ 
agar, Sporenfarbung (Vergr.: do.). 

Fig. 21a. Saccharomyces canis Sanfelice, 5 Tage alte Kultur auf Zucker¬ 
agar, Sporenfarbung (Vergr.: do.). 

Fig. 21b. Sacch. canis Sanfelice, 5 Wochen alte Kultur auf Zuckeragar, Sporen¬ 
farbung (Vergr.: do.). 


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I 


286 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


Nachdruck verbolen. 

Ueber das Verhalten von Keimen auf der ausseren Haut 
gegeniiber ultraviolettem Licbte. 

[Aus dem Hygienischen Institut der Universitat Freiburg i. B. (Direktor: 

Prof. M. Hahn).] 

Von Dr. Ludwig Schmidt, Assistent am Institut. 

Aus zahlreichen Arbeiten ist die Desinfektionswirkung der ultra- 
violetten Strahlen bekannt. 

Die darauf gerichteten Untereuchungen unterwarfen meist Aufschwemmungen von 
pathogenen Mikroorganismen in physiol. Kochsalzlosung der Einwirkung von ultra¬ 
violettem Lichte und fiihrten zur Bestimmung der erforderlichen Abtotungszeiten [in 
neuester Zeit Potthof f (1)]. Um die Tiefenwirkung der Strahlen zu ermitteln, wurden 
sie, bevor sie die Bakterienaufschwemmungen erreichten, durch Papier, tote Oder lebende 
Haut infiltriert [s. z. B. Mulzer(2)]. Andere Untereuchungen unterwarfen Keime in 
ihrem natiirlichen Vorkommen auf und im Tierkorper der Bestrahlung. Friedberger 
bestrahlte in diesem Sinne die Mundhohle (3), Hid aka die aufiere Haut (4). 

Die Metbode, die Hidaka anwandte, konnte wohl nur die Beein- 
tiussung der oberflachlich auf der Haut vorhandenen Keime ermitteln. 
Vorliegende Arbeit soil diesen Fragen weiter nachgehen, insonderheit 
aber das Verhalten tiefer liegender Keime aufklSren, die in der lebenden 
Haut selbst angetroffen werden. 

Verwendet wurde eine B ach sclie Hohensonne, die die Quarzlampen- 
gesellschaft in Hanau unentgeltlich zur Verfugung stellte, wofiir ihr 
auch an dieser Stelle gedankt sei. Die Versuche wurden mit unfiltriertem 
Lichte ausgefiihrt, jedoch aus einer solchen Entfernung, daB die VVarme- 
wirkung praktisch nicht in Frage kam. Die auBerordentlich verschiedenen 
Keimzahlen, die in einer Reihe von Vorversuchen auch auf ganz beuach- 
barten Stellen der SuBeren Haut und der Schleimhaute gefunden wurden, 
legten nahe, Aufschwemmungen von Mikroorganismen auf die Haut auf- 
zutragen. In Anwendung kam ein Stamm von Staphylococcus pyo¬ 
genes aureus, der eine 2malige Passage durch Kaninchen durch- 
gemacht hatte. Bei intravenoser Einspritzung war das 1. Tier nach 7, 
das 2. nach 3 Tagen eingegangen. Der Stamm hielt eine P/jStd. Ein¬ 
wirkung von 1-proz. KarbolsSure aus. 

Um vergleichbare Werte zu erhalten, muBten die Dauer der Be¬ 
strahlung und die aufzutragende Keimzahl so gegeneinander ausgeglichen 
werden, dafi weder eine zu geringe Keimverminderung, die innerhalb 
der Fehlergrenzen der Methode fiel, noch eine vollst&ndige Keimabtotung, 
die keine Vergleiche mehr zulieB, eintrat. Am zweckmSBigsten erwies 
sich die Bestrahlung mit der Bachschen Hohensonne aus 60 cm Ent¬ 
fernung wahrend 4 Min. und die Auftragung von 100—2000 Keimen. 

Technisch gestaltetcn sich die Versuche dann folgenderrnafien: Von einer 24std. 
Staphylokokkenagarkultur wurde unmittelbar vor dem Versuch eine Bouillonauf- 
schwemmung hergestellt und je eine Oese derselben zur spateren Bestimmung der 
Keimzahl in Gelatineplatten ausgesat. Die rasierte Bauchhaut des aufgespannten 
Kaninchens wurde dann in 4—12 Felder von 4 qcm Inhalt eingeteilt, diese mit je 
1 oder mehreren Oesen der Staphylokokkenbouillon bestrichen und die aufgestrichenen 
Mengen noch in einigen der Versuche mit einem sterilen Holzstabchen in die Haut 
eingerieben. Sofort oaer nach einer Reihe von Stunden wurden dann von einzelnen 
der Felder die Keime wieder abgenommen, und zwar so, daB ein Tropfen steriler, 



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Schmidt, Ucber das Verhalten von Keimen auf der auBeren Haut usw. 287 


physiol. Kochsalzlosung auf das Feld gebracht und die Stelle mit einem stumpfen 
Messer 50mal, entweder ganz zart oder etwas tiefergehend, abgeschabt wurde, je nach- 
dem die oberflachlichen oder auch die defer liegenaen Keime gewonnen werden sollten. 
Der 5mal erneuerte Tropfen Kochsalzlosung wurde in 1 ccm Kochsalzlosung in einem 
sterilen Reagensglas verteilt und dessen Inhalt dann zu 2 Gelatineplatten zwecks 
spaterer Keimzahlung ausgegossen. Die auf den Feldern vorhandene Keimzahl wurde 
so vor der Beeinflussung der Keime und nach der nun erfolgenden Bestrahlung auf 
gesonderten Feldern in gleicher Weise festgestellt. 

Die Ungenauigkeit der Methode liegt darin, dafi die auf die einzelnen Felder der 
Haut gebrachten und die auf ihnen schon vorher vorhandenen Keimmengen nicht 
untereinander gleich sind und daB bei dem Abschaben wechselnde Anteile der wirklich 
vorhandenen Keime fiir die Zahlung gewonnen werden. In denjenigen Versuchen, bei 
denen die Keime vor der Bestrahlung langere Zeit auf der Haut belassen werden, 
kommt hinzu, daB sie sich auf den verschieaenen Feldern ungleich rasch vermehren. 

1. Versuchsreihe. 

Die Oese Staphylokokkenbouillon enthielt 1930 Keime; 2 Stellen rasierfer Ka- 
ninchenbauchhaut wurden mit je einer Oese bestrichen. Nach sofortigem Wiederab- 
streichen fanden sich auf dem einen Felde 3070 Keime, nach 4 Min. Bestrahlung aus 
60 cm Entfernung auf dem anderen Felde noch 102. Betrachtliche Abnahme der 
Keimzahl war also erfolgt. 

2. Versuchsreihe. 

Je 4 Oesen Staphylokokkenbouillon zu je 90 Keimen wurden auf die Kaninchen- 
haut aufgestrichen und mit einem Holzchen leicht eingerieben. Nach 17 Std. zeigten 
sich die Stellen ganz leicht gerotet: die oberflachlich aufgetragenen Keime waren in 
die Tiefe gelangt und hatten dort eine leichte Entziindung nervorgerufen. Auf 2 Fel- 
dern fanden sich 5310 bzw. 3090 Keime vor der Bestrahlung; auf 2 weiteren Feldern, 
die wie beim 1. Versuch bestrahlt wurden, 8000 bzw. 21 000. Die Keime, die inner- 
halb der 17 Std. Tiefenkeime geworden waren, wurden von den Strahlen also nicht 
mehr abgetotet. 

Zur Kontrolle der Wirksamkeit der Strahlen wurden 4 weitere Felder mit je 
4 Oesen Staphylokokkenbouillon zu je 60 Keimen bestrichen und 2 davon unmittelbar 
danach bestrahlt. Analog dem 1. Versuch fanden sich vor der Bestrahlung 153 und 
394 Keime, nach der Bestrahlung nur noch 8 und 6. 

Oberflachlich liegende Keime der Haut werden also durch ultraviolettes Licht ab- 
getOtet, tiefer gelegene offenbar nicht. 

Der Versuch, mit groBeren Dosen Licht die Tiefenkeime zu erreichen, fiihrte nicht 
zura Erfolg und verbot sich durch das Auftreten von Verbrennungen. 

3. Versuchsreihe. 

Nach den Untersuchungen von Tappeiner und Jodlbauer (5) ist es moglich, 
die Wirkung des Quecksilberdampflichtes unter Zuhilfenahme der photodynamischen 
Wirkung der fluoreszierenden Stoffe zu verstarken: Ein Teil der sichtbaren Strahlen 
wird durch sie in ultraviolette umgewandelt, welche die Menge der schon vorhandenen 
ultravioletten Strahlen vermehren. 

Zur Erziclung diescr Wirkung wurde die Haut wahrend der Bestrahlung mit einer 
Losung von Eosiu 1 : 100000 besprayt. Je 2 Oesen Staphylokokkenbouillon zu 100 
Keimen waren aufgestrichen worden. Beim Abschaben fanden sich: 

auf dem unbestrahlten Felde 80 Keime 

nach 4 Min. langer Bestrahlung aus 60 cm Entfernung auf dem 
mit physiol. Kochsalzlosung besprayten Felde 10 „ 

auf dem mit Eosin besprayten Felde 0 „ 

Die hier erzielte Wirkung ermutigte dazu, die aufzubringende Keimzahl zu ver- 

f oflern und die Bestrahlungsdauer abzukiirzen. Es wurde aiesmal die Menge von 
Oesen zu 5000 Keimen aufgetragen und nur 1 Min. bestrahlt. 

Unbestrahlt 8900 Keime 

Bestrahlt unter Kochsalzspray 8200 „ 

„ „ Eosinspray 2200 „ 

Die Wirkung des Quecksilberdampflichtes auf oberflachlich auf der Haut liegende 
Keime wird demnach durch Eosin verstiirkt. 

4. Versuchsreihe. 

Kann die im 2. Versuch crmittelte Unwirksamkeit des ultravioletten Lichtes auf 
tiefliegende Keime durch Eosin aufgehoben werden? Urn dies festzustellen, wurde 
wieder durch leichtes Einreibcn von Staphylokokkenbouillon nach 17 Std. eine eben 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


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angedeutete Entzfindung der Haut erzielt. Die Keimzahlung ergab alsdann flir unbe¬ 
strahlte Stellen 48000 Keime, fiir 4 Min. lang aus 60 cm Entfernung bestrahlte Stelien 
obne Eosinspray 36 000, mit Eosinspray 45 000. Eine verstarkende Wirkung des Eosins 
konnte also nicht festgestellt werden. 

5. Versuchsreihe. 

SchlieBlich wurden je 2 Oesen zu 150 Keirnen auf die Felder der Haut aufge- 
etrichen und die Einwirkung der Strahlen auf die 0, 2, 4 und 6 Std. auf der Haut 
befindlichen Keime untersucnt. 

Sofort und in den ersten Stunden nach dem Auftragen der Keime vermochte 
Eosin die Wirkung dee Quecksilberdampflichtes zu verstarken; sind die Keime aber 
im Verlaufe von 17 Std. schon so tief in die Haut eingedrungen, daB sie sichtbare Ver- 
anderungen in Form von Entziindungen setzten, dann blieb auch Eosin ohne Wirkung. 

6. Versuchsreihe. 

Nach diesen Versuchen fiber kfinstlich auf die rasierte Kaninchenhaut aufge- 
brachten Keime sollte auch die Beeinflussung der normalerweise auf der menachlichen 
Haut vorhandenen Keime untersucht werden. Diese Versuche wurden gemeinsam mit 
Herrn Zahnarzt Dr. Sutter ausgefiihrt. 

Vorversuche ergaben, daB ohne Vorbehandlung die Hande fiir unsere Zwecke 
zu viel Keime, nach der chirurgischen Handedesinfektion jedoch zu wenig Keime auf- 
wiesen. Wir gingen daher so vor, daB wir beide Hande unter flieBenaem warmem 
Wasser mit Seife und Bfirste 10 Min. lang wuschen. Die eine Hand setzten wir dann 
in einem Abstande von 30 cm dem ultravioletten Lichte aus, Handrucken und Handteller 
je 3 Min.; hohere Dosen erwiesen sich als eutztindungserregend. Wir schabten dann die 
beiden mit steriler Kochsalzlosung angefeuchteten Hande nach dem Vorgange von Paul 
und Sarwey (6) mit sterilen Stfbchen ab, schfittelten die Stabchen kraftig in steriler 
Kochsalzlosung und gossen die Flfissigkeit samt. den Stabchen zu Agarplatten aus. 

5 Versuche wurden im ganzen ausgefiihrt. Sie ergaben folgende Keimzahlen: 



unbestrahlte Hand 

bestrahlte Hand 

1 

8 700 

2500 

2 

12 100 

1000 

3 

11 700 

4600 

4 

13000 

560 

5 

3 800 

3800 


Die Abnahme der Keime berechnet sich hiernach auf 71, 92, 61, 96, 0 Proz. Es 
zeigte sich demnach in 4 Fallen betrachtliche Abnahme der Keime, die nur in einem 
Falle fehlte. Die Keime, die durch das Abschaben mit Holzchen gewonnen wurden, 
waren vermutlich oberflachlich liegende Keime; um die Einwirkung der Strahlen auch 
auf die Tiefenkeime zu ermitteln, muBte anders vorgegangen werden. 

7. Versuchsreihe. 

In den Versuchen 3, 4 und 5 der vorigen Versuchsreihe unterwarfen wir die 
Hande nach dem Abschaben mit den Holzchen noch wahrend '/,—V Std. einem HeiB- 
luftbade, wie es von Vogel (7) angegeben wurde. Es gelingt auf diese Weise, die 
Tiefenkeime mit dem sezernierten SchweiBe auf die Oberflache der Hand zu befordern. 

Diese Tiefenkeime sind anders zu bewerten als die, von denen in den Kaninchen- 
versuchen die Rede war. Diese waren fiberwiegend pathogene Staphylokokken, die in 
einer pathologisch veranderten Haut lagen. Bei ihnen konnte dcr Einwand erhoben 
werden, daB die etwas erhohte Blutffille der Haut der Grund war, warum die Keime 
vor den ultravioletten Strahlen geschfitzt waren; die Erfolgsunterschiede der Finsen- 
Behandlung (8) des Lupus bei blutleer gemachter und nicht blutleer gemachter Haut 
konuten zu diesem Schlusse ffihren. Bei den Tiefenkeimen normaler menschlicher Haut 
handelt es sich dagegen um Saprophyten, und die Bestrahlung traf die Haut, in der 
sie lagen, in normalem, durch die voraufgegangene Waschung nur etwas aufgelockertem 
Zustand. 

Auch diese durch das Schwitzen an die Oberflache beforderten Keime (Tiefenkeime) 
gewannen wir durch Abschaben mit sterilen Holzchen zur Plattenzahlung und fanden: 



unbestrahlte Hand 

bestrahlte Hand 

3 a 

95 800 

104000 

4a 

81400 

83 900 

5a 

5 900 

19 000 



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Schmidt, Ueber das Verhalten von Keimen auf der auGeren Haut usw. 289 

Zum Unterschied von den oberflachlichen Keimen wurden also die Tiefenkeime 
durch die Bestrahlung nicht vermindeit. 

Versuch 5a zeigt eine scheinbare Vermehrung nach der Bestrahlung. Stellt man 
jedoch die Ergebnisse dieses Versuches denjenigen ues Versuches 5 der 6. Versuchsreihe 
gegeniiber, die ja unmittelbar nacheinander gewonnen waren, so ist vielleicht die An- 
nahme gerechtfertigt, daB in diesem Fall die bestrahlte Hand schon mit mehr tiefen 
und oberflachlichen Keimen in den Versuch eintrat als die unbestrahlte. Die Be¬ 
strahlung vermochte dann die Zahl der oberflachlichen Keime der starker verunreinigten 
Hand so weit zu vermindern, daB sie der Zahl der weniger verunreinigten gleichkam; 
sie vermochte dagegen das gegenseitige VerhaltniB der Tiefen keime der beiden Hande 
nicht zu andern. 

I / 

8. Versuchsreihe. 

Eosinspray anderte an dem Schutz, den die tiefe Lage der Keime bietet, nichts; 
nur wieder die oberflachlich liegenden Keime wurden in ihrer Zahl herabgemindert 
(om 73 Proz.). Vor dem Schwitzbad konnten von der unbestrahlten Hand 11500, von 
der unter Eosinspray bestrahlten Hand nur 3050 (oberflachliche) Keime gewonuen wer- 
den, nach dem Schwitzbad 140000 bzw. 180000 (tiefliegende) Keime. 

9. Versuchsreihe. 

Experimentell ganz analoge Verhaltnisse wie bei den Keimen der Haut liegen bei 
Keimen in triiben fliissigen Medien vor; anch hier werden die ultravioletten Strahlen 
von den oberflachlichen Schichten absorbiert, die Keime sind weitgehendst vor ihnen 

S eechiitzt. Ein derartiges Medium stellt die Milch dar, und nur um die Analogie mit 
en Hautversuchen zu zeigen, soil das Verhalten von Staphylokokken, die in sterile 
Milch eingesat wurden, nocn kurz erwahnt werden. 

Im Kubikzentimeter unbestrahlter Milch fanden sich 1850000 Staphylokokken. 
Wurde von dieser Milch eine Schicht von 4 mm Dicke 2 Min. lang aus einer Ent- 
fernung von 10 cm mit der Bachschen Hohensonne bestrahlt, so ergab die Keim- 
zahlung im Kubikzentimeter noch 1000000 Keime, bei einer Schichtdicke von 1 mm 
450000; bei der in Anwendung gebrachten Lichtdosis eine sehr geringe Herabminderung. 

Demgegeniiber wurden m einer physiol. Kochsalzlosung, die 730000 Staphylo¬ 
kokken im Kubikzentimeter enthielt, samtliche Keime durch eine Bestrahlung von 2 Mia. 
Dauer aus 10 cm Entfernung, sowohl in der 4, als auch in der 1 mm-Schicht abgetotet; 
aus Ver8uchen Potthoffs 1 ) ist jedoch bekannt (das sei hinzugefiigt), daB eine Auf- 
schwemmung, die 2 Milliarden Staphylococcus aureus im Kubikzentimeter ent- 
halt, in 1 Min. von den Strahlen aes Westinghouse-Wassersterilisationsapparates 
Tvp B 3 aus 15,6 ccm Entfernung sterilisiert wird. 

Zusammenfassung. 

Oberflfichlich liegende Hautkeime werden von ultraviolettera Licht 
in Dosen, die noch keine sch&dlichen Nebenwirkungen auf die Haut ver- 
nrsachen, in betrachtlichem MaBe vernichtet, die Tiefenkeime sind vor 
den Wirkungen der Strahlen geschiitzt. Sensibilisierung der Haut durch 
Eosinspray Sndert daran nichts. Dieser Nachweis wurde filr Eitererreger, 
die schon eine leichte EntzQndung der Haut hervorgerufen hatten, und 
ffir die in der normalen Haut vorhandenen Keime erbracht. 


Xiiteratnr. 

1) Potthoff, Desinfektion. Jahrg. 6. S. 10. — 2) Mulzer, Arch. f. Dermat. u. 
Svphil. Bd. 88. S. 11. — 3) Friedberger u. Shioji, Dtsch. raed. Wochenschr. 
1&14. 8. 585. — 4) Hidaka, Med. Klin. Jahrg. 7. Nr. 44. — 5) v. Tappeiner u. 
Jodlbauer, Munch, med. Wochenschr. 1904. S. 1096. — 6) Paul u. Sarwey, Ebenda 
1899. S. 1633. 1901. S. 1407. — 7) Vogel, Dtsch. med. Wochenschr. 1905. 8. 1179. — 
fe) Fin sen, Ueber die Bekampfung des Lupus vulgaris, Jena (G. Fischer) 1904. 


Ertte Abt. Orig. B<1. 88. 


Heft 4. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


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Nachdruck verboten. 

Studien liber die Magendarmflora polyneuritischer Tauten 
und die Bildung antineuritischen Vitamins durcli 

Darmbakterien. 

[Tierphysiologisches Institut der Landwirtschaftlichen Hochschule 

zu Berlin.] 

Von Prof. Arthur Scheunert und Dr. Martin Schieblich. 

Untersuchungen 1 ), die 1909 fiber die Ursachen einer als Ostitis 
fibrosa erkannten Erkrankung der Pferde eines sachsischen Kavallerie- 
regimentes begonnen und in den Kriegsjahren zu Ende gefiihrt wurden, 
lenkten bereits vor dem Kriege das Augenmerk auf die Darmflora der 
erkrankten Tiere. Diese erwies sich als von der Norm wesentlich ab- 
weichend, und es wurde auf Grund verschiedener Ueberlegungen dieser 
falschen Darmflora, bzw. den durch sie gebildeten Produkten eine ent- 
scheidende Bedeutung fur das Auftreten der erwahnten Knochenerkran- 
kungen beigemessen. Diese Ansicbt fand insofern eine gewisse Bestati- 
gung, als nach griindlicher Desinfektion und Beseitigung der falschen 
Flora, die sich auch im Kaseruengelande allgemein vorfand, die Krank- 
heit zum Erloschen kam. 

Es ergab sich daraus der Wunsch, durch Untersuchungen der Darm¬ 
flora unter bestimmter Fiitterung und bei gewissen Erkrankungen einen 
etwas genaueren Einblick in diese VerhSltnisse zu gewinnen. Es erschien 
z. B. die Untersuchung der Magen- und Darmflora der Ferkel bei der 
haufig auftretenden Rachitis dieser Tiere, sowie die von am sog. Fest- 
liegen nach und vor der Geburt erkrankten Ziegen in vieler Richtung 
Erfolg versprechend. Da solche Plane auch in der Vorkriegszeit ziem- 
lich schwer zu verwirklichen waren, wurde zunachst nach leichter zu- 
gfinglichem Versuchsmaterial gesucht, und dieses bot sich in den damals 
gerade in den Mittelpunkt des Interesses tretenden Untersuchungen mit 
einseitiger Ernahrung dar. 

In dieser Richtung erschien die zur polyneuritischen Erkrankung 
fiihrende Reisfutterung der Tauben besonders geeignet, zumal damals 
die Moglichkeit von Zusammenhangen zwischen dieser Erkrankung und 
den Darmgarungen durch Kohlbrugge 2 ) betont worden war. Wenn 
nun auch die neuere Vitaminforschung iiberzeugend die Beriberi der 
Tauben auf den Mangel an antineuritischem Faktor zuriickgefiihrt hat, 
so haben wir doch aus verschiedenen Griinden die geplanten Untersuch¬ 
ungen bei der ersten sich bietenden Gelegenheit in Angriff geuommen. 
Es erscheinen uns die Beziehungen der Darmflora zu alien solchen Er- 
ndhrungsstorungen wohl des naheren Studiums wert, zumal es einer- 
seits nicht unmoglich ist (Lit. vgl. S. 296), daB die Bakterien als pflanz- 
liche Lebewesen, ebenso wie die Hefe, solche Stoffe zu bilden vermbgen, 
andererseits vielleicht aber Bakterien, z. B. bei anormalen Garungen im 

1) Scheunert, A., Ueber Knochenweiche bei Pferden und Dyebiose der Darm¬ 
flora. (Ztschr. f. Infkr. d. Haust. Bd. 21. 1920. S. 105.) 

2) Kohlbrugge, J. H. F. Die Giirungskrankheiten. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Orig. Bd. 60. S. 223.) 


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Scheunert u. Schieblich, Magend arm flora polyneuritischer Tauben usw. 291 


Darm, solche akzessorische N&hrstoffe zerstdren, also zum Auftreten der 
Mangelkrankheiten beitragen konnten. 

Wir legten uns bei den folgenden Untersuchungen die Fragen vor: 

1) Wie verandert die Reisnahrung die normale Flora der Haustaube? 

2) Gelingt es, die Erkrankung durch Zufflhrung auf vitamin - 
freien Nahrboden gewachsener Reinkulturen bestimmter Darmbakterien 
der Taube zu verhindern Oder ihren Eintritt hinauszuschieben ? 

Hierdurch muBte man Hinweise darauf erhalten, ob Bakterien der 
Darmflora Vitamine zu bilden, in der Lage sind. 

Ueber die Methodik ist im allgemeinen nichts Besonderes zu be- 
richten, die wichtigen Einzelheiten werden bei den betreffenden Ver- 
suchen angegeben werden. Die bakteriologische Untersuchung erfolgte 
in der allgemein iiblichen Weise, die Diagnose nach Lehmann und 
Neumann und Matzuschita. 

Ueber die normale Darmflora der Haustaube ist wenig bekannt. Kern 1 ) hat 
sie bei einem Tier bestimmt und wir haben diese Untersuchungen an 4 Tieren kon- 
trolliert und erganzt, iiber die wir kiirzlich berichtet haben 2 ). Es ergab sich dabei als 
Besonderh’qit der Haustaube, dafl das auch bei anderen Vogelarten obligate Bact. 
coli meist ganz fehlt oder sehr zurucktritt. Weiter ergab sich die Abwesenheit obli- 
gater anacrober Faulniserreger und Buttersaurebildner. Sonst war die Flora bunt, aber 
nicht allzu reichhaltig. Obligat durfte nur Streptococcus acidi lactici Groten- 
feldt und ein in anaerober Zucht isoliertes, ,, Langes Milchsaurestabchen“ sein, neben 
denen eine reichliche Kokkenflora sowie die iiblichen im Darm vorkommenden Erdbak- 
terien gefunden wurden; auch Schimmelpilze wurden ubereinstimmend mit Kern haufig 
nachgewiesen. 

Eigene Untersuchungen. 

Es sollte die Magen- und Darmflora einseitig mit Reis 
gefiitterter Tauben bestimmt werden. Dazu wurde zunachst ein 
Tier BB I, Gewicht 249 g, Temp. 41,0, auf Reisnahrung am 17. Juni 20 
gesetzt. Da es damals sehr schwer war, geeigneten, guten Reis zu er¬ 
halten, griffen wir auf eine Probe zurflck, die noch aus der Vorkriegs- 
zeit stammte. Dieselbe erwies sich aber als ungeeignet; die Taube nahm 
zunachst sogar an Gewicht zu und wog noch am 17. Tage nach ge- 
riuger Abnahme 237 g. In der Zwischenzeit war es gelungen, aus Ham¬ 
burg Reis zu beziehen, mit dem wir den Versuch fortsetzten. Da der- 
selbe scheinbar nicht sehr gut geschalt und auBerdem verunreinigt war, 
hielten wir eine grflndliche Reinigung durch Auswaschen 
fur notwendig. Hierzu wurde die jeweilig zur Verfutterung kommende 
Portion 24 Std. lang in flieBendem Wasser sorgf&ltig ausgewaschen und 
gelangte feucht zur Verfutterung. Wir machten dabei die Beobachtung, 
daB der Reis oft leicht sauerte, was fiir die weitere Anstellung der Ver- 
suche und Beurteilung der Befunde von diesem Reis von Wichtigkeit 
erscheint. Am 9. Juli 20 wurde noch ein 2. Tier BB II in den Versuch 
genommen. 

BB. I. Graue Haustaube Q, ab 5. Juli mit gewaschenem Reis gefiittert, vermindert 
ihr Gewicht in 17 Tagen auf 146 g bei einer Korpertemp. von 38,2. Deutliche Er- 
scheinungen bestehen. Das Tier wird an diesem Tage, 23. 7., getotet und die bakterio¬ 
logische Untersuchung eingeleitet. 

BB. II. Graue HaustaubeQ, wird ab 9. Juli 20 in gleicher Weise wie BB I ge¬ 
fiittert. Anfangsgewicht 253 g, Temp. 42,5. Das Gewicht sinkt kontinuierlich. Am 


1) Kern, H., Beitrag zur Kenntnis der im Darme und Magen der V6gel vor- 
koramenden Bakterien. (Arb. a. d. Bakt. Instit. d. Techn. Hochsch. zu Karlsruhe: 
Bd. 1. 1897.) 

2) 8cheunert u. Schieblich. Ueber die Magen- und Darmflora der Haus- 
Uube. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 88. S. 122 1922. 

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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


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27. Fiitterungstag wurde das Tier mit 127 g Gewicht und 37,2 Temp, bei bestehenden 
deutlichen Erscheinungen getotet und die bakteriologische Untersuchung eingeleitet. 

Die festgestellten Arten sind im folgeuden in aer Reihenfolge ihres quantitativen 
Vorkommens aufgefuhrt. 

TaubeBB I. Driisenmagen: Reaktion schwach sauer. Bact. lactis aero- 
genes Escherich, Bac. my coides Flugge, Actinomyces chromogenes Gasp, p 
albus Lehmann u. Neumann, Bact. herbicola aureum Burri u. Diigg., Acti¬ 
nomyces chromogenes Gasp., Micrococcus roseus (Bumm) L. et N. 

Muskelmagen: Reaktion sauer. Bact. lactis aerogenes, Bac. mycoides, 
Actinomyces chromogenes Gasp. /? albus L. et N., Bact. herbicola aureum, 
Schimmelpilze (Penicillium), Sarcina alba Zimmerm. 

Duodenum: Reaktion alkalisch. Bact. lactis aerogenes, Bac. mycoi¬ 
des, Actinomyces chromogenes Gasp. /? albus L. et N., Bact. herbicola 
a ureum. 

Mittlerer Diinndarmabschnitt: Reaktion alkalisch. Bact. lactis aero¬ 
genes, Bac. mycoides, Actinomyces chromgenes Gasp. p albus L. et N., 
Bact. herbicola aureum, Schimmelpilze (Penicillium), Hefe. 

Eaudaler Diinndarmabschnitt: Reaktion alkalisch. Bact. lactis aero¬ 
genes, Bac. mycoides, Actinomyces chromogenes Gasp, p albus L. et N., 
Bact. herbicola aureum. 

Dickdarm: Reaktion alkalisch. Bact lactis aerogenes, Bag. mycoides, 
Actinomyces chromogenes Gasp. p albus L. et N., Bact. herbicola aureum, 
Schimmelpilze (Penicillium). 

Anaerobe Keime wurden nicht gefunden. 

Taube BB II. Drusenmagen: Reaktion schwach alkalisch. Bact. lactis 
aerogenes, Actinomyces chromogenes Gasp, p albus L. et N., Bact. her- 
bicola aureum, Bac. vulgatus (Flugge) Migula, Bac. my coides, Micrococ¬ 
cus roseus. 

Muskelmagen: Reaktion sauer. Bact. lactis aerogenes, Actinomyces 
chrom. Gasp, p albus L. et N., Bac. vulgatus, Bac. mycoides, Hefe, Schimmel¬ 
pilze (Mucor). 

Duodenum: Reaktion alkalisch. Bact. lactis aerogenes, Actinomyces 
chrom. Gasp, p alb. L. et N., Bact. herbicola aureum, Bac. mesentericug 
(Flugge) L. et N., Bac. mycoides, Schimmelpilze (Mucor und Penicillium), 
Micrococcus roseus. 

Mittlerer Diinndarmabschnitt: Reaktion alkalisch. Bact. lactis aero¬ 
genes, Actinomyces chrom. Gasp, p alb. L. et N., Bact. herbicola aureum, 
Bac. mycoides. Bac. mesentericus, Hefe, Schimmelpilze (Mucor). 

Kaudaler Diinndarmabschnitt: Reaktion alkalisch. Bact. lactis aero¬ 
genes, Actinomyces chrom. Gasp./? alb. L. et N., Bact. herbicola aureum, 
Bac. vulgatus, Bac. mesentericus, Bac. mycoides, Hefe, Schimmelpilze 
(Aspergillus). 

Dickdarm: Reaktion alkalisch. Bact. lactis aerogenes, Actinomyces 
chrom. Gasp, p alb. L. et N., Bact. herbicola aureum, Bac. mesentericus, 
Bac. mycoides, Hefe. 

Anaerobe Keime wurden auch hier nicht gefunden. 

Ergebais. Die Flora erwies sich als sehrarmanArten, docb 
war die Menge der einzelnen Vertreter betrfichlich. Als Hauptver- 
treter der Bakterienflora trat bei beiden Tieren in alien Ab- 
schnitten Bact. lactis aerogenes in den Vordergrund, von dem aller- 
dings einige Stfimme nicht ganz typisch waren und durch geringe Be- 
weglichkeit zu Bact. coli hinuberneigten, jedoch war Indolbildung me¬ 
ntals vorhanden. Der unter normaler Haltung obligate Streptococcus 
acidi lactici fehlte hingegen. Im iibrigen wies die Flora eine be- 
merkenswerte Gleichm&Bigkeit auf. Die normale Flora der Tauben ist 
weit bunter, ihr gegeniiber fehlten die sonst zahlreichen Kokken, hin¬ 
gegen fanden sich Erdbakterien, Actinomyceten und Schimmelpilze ziem- 
lich regelm&Big und auch Hefezellen kommen, wie bei normalen Tieren 
vor. Es hatte demnach eine sehr einschneidende Umwandlung der Darm- 
flora durch die Reisfutterung stattgefunden. 

Der iibereinstimmende Befund bei diesen beiden ersten Tauben 
lieB uns zun&chst vermuten, dafi wir damit die typische „Reisflora“ er- 


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Scheunert u. Schieblich, Magendarmflora polyneuritischer Tauben usw. 293 

faBt hatten und eine weitere Frage in Angriff nehmen kfinnten. Es er- 
schien uns von Wichtigkeit, zunfichst einmal festzustellen, wie sich 
die Darmflora einer Taube verandere, die, mit Reis ge- 
fflttert, die typischen Krankheitserscheinungen deutlich ge£uBert und 
dann, durch Hefefiltterung wiederhergestellt, langere 
Zeit bei alleinigerReisnahrungunterHefezugabe gehalten 
worden war. Zu diesem Zwecke wurde folgender Versuch angestellt: 

Taube R. H. Mausgraue Haustaube9 wurde am 29. 11. 20 bei einem Anfangs- 
gewicht von 309 g auf Reisfiitterung gesetzt. Wir futterten von jetzt ab, um ganz 
sicher Vitaminfreiheit zu erzielen, Reis, der etwa 8 Std. lang auf 155° 
erhitzt worden war. Die Taube nahm ihn gut an, verminderte ihr Qewicht kon- 
tinuierlich und wog am 20. Verauchatage 228 g bei einer Temp, von 40,5°, nachdem 
aie achon vom 14.—17. Tage aubnormale Temp, von 39,2—39,7° gezeigt hatte. Am 
21. Tage sank die Temp, auf 39,6° und am 22. Tage auf 38,5° bei einem Gewicht von 
218 g. Da bereits am 12. Fiitterungstage die eraten Anzeichen der Erkrankung, FlOgel- 
zittern, Aufblaaen, eingetreten waren und dieae bis zum 22. Tage fortachreitend zu V 
obachten waren und zu ihnen noch an diesem Tage Streokkrampfe der Beine traten, 
beachloaaen wir, zur Hefefiitterung uberzugehen. Nachdem ala erate Gabe 1 g Trocken- 
hefe in Pillenform verabreicht worden war, erhielt daa Tier von da ab taglich 0,5 g 
Trockenhefe, entaprechend den Angaben Coopers'). Die Beaaerung trat in bekannter 
Weise aofort ein, die Gewichtozunahme desgleichen, die Temp, atieg am 1. Hefetage 
auf 39,5am 2. auf 39,8° und war von da ab normal. Am 40. Tage dee Gesamt- 
versuchee wog die Taube 296 g bei einer Temp, von 41,4° und wurde getotet. 

Die Unterauchung der Magen- und Darmflora der Taube zeitigte folgende Ergebnisae: 

A. Aerobier: Driisenmagen: Reaktion aauer. Streptococcus acidi 
lactici, Grotenf., Bact. acidi lactici Hiippe, Bac. mycoidea Fliigge, Schimmel- 
pilze (Penicillium). 

Muskelmagen: Reaktion kraftig aauer. Streptococcus acidi lactici, 
Micrococcus candicans Fliigge, Bact. acidi lactici, Actinomyces chrom. 
Gasp, p alb. L. et N., Oidium lactis, Oidium albicans, Schimmelpilze (Peui- 
ci 11 i u m), Hefe. 

Duodenum: Reaktion schwach alkalisch. Micrococcus candicans, Bact. 
acidi lactici, Bact. lactis viscosi (Adam.) L. et M., Actinomyces chron. 
Gasp. (S alb. L. et N., Oidium albicans. 

Vorderer Dunndarmabschnitt: Reaktion schwach alkalisch. Strepto¬ 
coccus acidi lactici, Bact. acidi lactici, Micrococcus sulfureua 
Zimmerm., Actinomyces chrom. Gasp. /? alb. L. et. N., Oidium lactis, 
Schimmelpilze (Penicillium). 

Kaudaler Dunndarmabschnitt: Reaktion schwach alkalisch. Strepto¬ 
coccus acidi lactici, Micrococcus candicans, Bact. acidi lactici, 
Bac. vulgatus (Fliigge)Mig., Actinomyces chrom. Gasp./?alb. L. et. N., Oidium 
albicans, Schimmelpilze (Penicillium). 

Dickdarm: Reaktion schwach alkalisch. Micrococcus BulfureuB, M. 
candicans, Streptococcus acidi lactici, Bac. sphaericus A. Meyer et Neide, 
Micrococcus roseus(Bumm) L.etN., Actinomyces chrom. Gasp, fi alb. L. et. N., 
Oidium albicans, Schimmelpilze (Penicillium und Aspergillus). 

B. Anaerobier: Typiache anaerobe Keime wurden nicht gefunden, sondern es 
wurden in anaerober Zucht nur Vertreter der „Langen Milchsaurebakterien“ isoliert, und 
zwar Bac. acidophilus Finkelst. im Driisenmagen UDd Dickdarm und ein dem 
Bact. casei t (Freudenr.) L. et N. nahestehender Organismus im kaudalen Dunndarm¬ 
abschnitt. 

Ergebnis: Die Hauptvertreter der Flora waren auch diesmal 
MilchsSurebakterien (Streptococcus acidi lactici und Bact. 
acidi lactici [wenig Gas und viel SaureJ), doch feklt das bei den 
beiden ersten Reistauben dominierende Bact. lactis aerogenes (viel 
Gas und wenig Saure) vbllig. Neben ihnen stehen Micrococcus 
candicans und sulfureus an 1. Stelle. Erdbakterien und Acti¬ 
nomyces treten zurflck, Schimmelpilze sind vorhanden, Hefe wurde nur 

1) Cooper, On the protective and curative properties of certain foodstuffs against 
polvneuritis induced in birds bv a diet of polished rice. (Journ. of Hyg. VoL 12. 
1913. p. 436.) 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


1 mal gefunden. Von Anaerobieren fanden wir typische Faulniserreger 
und Buttersaurebildner auch bei diesem Tiere nicht, wohl aber wie bei 
den normalen Tauben Vertreter der „Langen Milchsaurebakterien“. 

Es war also ganz zweifellos durch die Reis-Hefeffitterung eine Flora 
zur Entwickelung gekommen, die in mancher Hinsicht der unter nor- 
raalen Verhaltnissen gefundenen ahnelte und von der der beiden 
ersten Tauben verschieden war. Von der normalen Flora unterschied 
sie sich vor allem durch starkeres Auftreten des Bact. acidi lacticiund 
das Auftreten von Oidien, also von Keimen, die vielleicht mit der Hefe 
aufgenommen wurden; auch waren die Erdbakterien zuriickgedrSngt. 

Wir waren hierdurch immerhin iiberrascht und hielten es fur ge- 
boten, die ersten Befunde mit alleiniger Reisfiitterung nochmals zu 
kontrollieren, um dabei festzustellen, ob nicht durch die Futterung 
des erhitzten Reises noch andere Befunde erhalten wfirden. 

Taube BB IV: Weifi-braun schuppige Haustaube Q. Der Versuch begann am 
27. Jan. 21 bei einem Anfangsgewicht von 292,5 g und einer Temperatur von 41,7° und 
fiihrte am 20. Versuch stage bei 172 g und 36,2° zum Exitus letalis unter den bekannten 
Erecheinungen. Bei der Sektion fiel bei diesem Tiere die besonders starke Griinfarbung 
des Darminhaltes und der Hornschicht dee Muskelmagens auf. Die bakteriologischen 
Ergebnisse weist die folgende Tabelle auf. 

A. Aerobier: Drusenmagen: Reaktion kraftig sauer. Micrococcus 
pyogenes y albus (Rosenb.) L. et N., Corynebact. xerosis (Neisser u. Kuschb.) 
L. etN., Actinomyces chrom. Gaps. £ al b L. et N., Bact. acidi lactici Huppe, 
Schimmelpilze iPenicillium und Aspergillus). 

Muskelmagen: Reaktion kraftig sauer. Micrococcus rosettaceue 
Zimmerm., Actinomyc es chrom. Gas. p al b. L.etN., Schimmelpilze (Penicillium 
und Aspergillu s). 

Duodenum: Reaktion amphoter. Actinomyces chrom. Gasp, p alb. L. etN. 
Bac. simplex A. Meyer et Gotth., Bact. lactis saponacei (VVeigm. et Zirn) L. 
et N., Micrococcus candicans Fliigge, Schimmelpilze (Penicillium). 

VordererDiinndarmabschnitt: Reaktion neutral. Actinomyces chrom. 
Gasp, p alb. L. et. N., Micrococcus candicans, Streptococcus acidi lactici 
Grotenf., Schimmelpilze (Penicillium, Aspergillus, Monilia). 

Kaudaler Dun ndarmabschnitt: Reaktion schwach alkalisch. Bact. acidi 
lactici, Actinomyces chrom. Gasp, p alb. L. et N., Bac. plicatus Zimmerm., 
Schimmelpilze (Penicillium und Aspergillus), Oidium albicans. 

Dickdarm: Reaktion schwach alkalisch. Actinomyces chrom. Gasp, p alb. 
L. et. N., Schimmelpilze (Penicillium und Aspergillus). 

B. An aerobi er fehlen vollig. 

Ergebnis: Die Bakterienfiora dieser Reistaube ergab ein vollig 
anderesBild wie das der beiden ersten Tiere. Uebereinstimmend war 
nur die groBe Artenarmut, wiihrend die Menge der einzelnen Keime im 
Gegensatz zu den beiden ersten Tauben auBerst gering war. Man mufi 
demnach annehmen, daB dieVorbehandlungdesReises von groBein 
EinfluB auf die im Gefolge seiner Fiitterung zur Entwicklung kommende 
Magendarmflora ist. Das reichliche Auftreten des Bact. lactis 
aero genes bei den beiden ersten Reistauben erklart sich zwanglos 
daraus, daB dieses Bacterium die Ursache der S&uerung des Reises war 
und so in groBen Massen mit dem Futter aufgenommen wurde. 

Weitgehend ahnelt die Flora der der Reishefetaube, bei 
der lediglich insofern ein grundsatzlicher Unterschied besteht, als die 
Milchsaurebakterien dominieren, die allerdings, wie schon erwahnt, aus 
der Hefe stammen konnen, wShrend diese bei BB IV zuriicktreten. Im 
ubrigen stimmen die einzelnen Arten ziemlich uberein, nur die Mengen- 
verhaltnisse sind verschoben. Das ganze Bild ahnelt so auch normalen 
Verhaltnissen und man gewinnt den Eindruck, als ob bei diesem Tier 
die Reisfiitterung unter Begiinstigung des Actinomyces, der an erste Stelle 
geruckt ist, und unter Unterdriickung der Erdbakterien eine Verarmung 
an Arten und Menge hervorgerufen habe. 


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Scheunert u. Schieblich, Magendarmflora polyneuritischer Tauben usw. 295 

Zusammenfassend, wird man aus den bisherigen Ergebnissen 
entnehmen konnen, daB die Reisfiitterung eine Verarmung der Flora her- 
beifuhrt, die, je nach der Vorbereitung des gefiitterten Reises, verschieden 
sein wird. Der EinfluB der Hefe wird aber darin erblickt werden konnen, 
daB Milchsaurebakterien und Mikrokokken in den Vordergrund treten und 
so eine AnnSherung an die normalen Verhaltnisse stattfindet. 

Wir legten uns nun die Fragen vor, ob es gelingt, die Er- 
krankung durch Zuftihrung auf vitamin freien Nahrboden 
gewachsener Kulturen von Darmbakterien der Taube zu 
verhindern bzw. ihren Eintritt hinauszuschieben und wie sich 
dabei a) die bei normal, b) bei mit Reis -f- Hefe und c) bei nur mit Reis 
gefiitterten Tauben gefundenen Bakterien verhielten. Als Nahrboden 
wahlten wir die gewohnliche N&hrbouillon, die jedoch vor der Beimpfung 
zwecks Zerstorung der Vitamine 1V 2 Std. im Autoklaven bei 2 Atmosph. 
(=133°) erhitzt worden war. Die Kulturen wurden 96 Std. bebriitet 
und anschlieBend im Eisschrank aufbewahrt. Den Versuchstauben wurden 
davon pro Tag 6—20 ccm derart verabreicht, daB die Flflssrgkeit mit 
einem an einer Rekordspritze befestigten diinnen Gummischlauch direkt 
in den Kropf eingebracht wurde, auBerdem erhielten sie wie vorher auf 
155° erhitzten Reis. Von dem Durchgang der verftitterten Kulturen 
durch den Verdauungsstraktus liberzeugten wir uns durch Kotuntersuch- 
ungen. Eine Taube erhielt als Kontrolle keine Bakterienkultur, sondern 
nur vitaminfreie Bouillon neben dem Reis. 

Die verwendeten Tauben waren gleich gezeicbnet, grau mit dunklerem 
Kopf, Hals, Brust und Schwanz und schillernder Halskrause, Rflcken und 
Flugel schwarz getupft und gebandert. 

a) Bouillonkulturen, die samtliche im Kot normal geftitterter Tauben 
vorkommenden Bakterien enthielten, wurden an 2 Tiere ab 5. April und 
28. April 21 gereicht. In den ersten 5 Tagen traten erhebliche Gewichts- 
zunahmen bei beiden Tieren auf (256 bis 287 g und 280 bis 305 g). Dann 
folgte ein rapider Abfall des Korpergewichtes und baldiges Einsetzen 
polyneuritischer Symptome. Die 1. Taube starb am 21. Tag, die 2. zeigte 
am 19. Tag so schwere Krampfe, daB der Versuch abgebrochen wurde. 

b) Bakterien von der Reis-Hefe-Taube RH. Von den gefundenen 
Stammen wurden gepriift: 1) Micrococcus sulfureus, 2) M. can- 
dicans, 3) Bact. acidi lactici. 

1) S ulf ureus-Taube. Beginn: 2. Febr. 21, Gewicht 319 g, Temp. 41,8“. Nach 
einem voriibergehemlen Anstieg des Gewichtes auf 325 g am 3. Tage, begaun dasselbe 
ranch und kontinuierlich zu sinken. Am 8. Tage machten sich die ersten Anzeichen 
beginnender Erkrankung durch zeitweises leichtes Fliigelzittern bemerkbar. Das Gewicht 
beirug an diesem Tage 291 g, die Temp. 41,9’. Am 16. Tage betrug es nur noch 226 g, 
die Temp. 40,4°. Am 18. Versuchstage trat der Tod ein, nachdem am Tage vorher der 
Temperaturabfall eingesetzt hatte (39,5). Die Kotuntersuchung ergab vorwiegend Kolonien 
des Micrococcus sulfureus, neben einigen Kolonien von Bact. acidi lactici. 

2) Candicans-Taube. Beginn 2. Febr. 21, Gewicht350g, Temp. 42,4“. Das Ge¬ 
wicht sank langeam vom 1. Tage ab, doch machte das Tier einen munteren Eindruck. 
Erst am 21. Tage, Gewicht 282,5 g, Teinp. 41°, zeigte sich mehrfach leichtes Fliigel- 
zittern. Am 24. Tage, Gewicht 275 g. Temp. 39 °, machte die Taube einen sehr schlcchten 
Eindruck, sail mit gestraubtem Gefieder da und zitterte am ganzen Kbrper. Sie erholte 
sich dann aber wieder am 25. Tage (Gew. 272 g, Temp. 39,9°). Das Gewicht sank 
kontinuierlich langsam weiter ab, betrug am 30. Tage 263 g bei 39 ; 3°, am 35. Tage 253 g 
bei 38,5°, am 40. Tage 241 g bei 38 9°. Am 42. Tage war das Tier sehr schwach, sail 
am Boden zusammengekauert, apathisch da und die Temp, war auf 37,2° gesunken. 
Typische Svmntome traten nicht auf. Wir schritten zur Hefefiitterung, die schon nach 
wenigen Std. den Zustand besserte und zu reger Nahrungsaufnahme fiihrte, sodafi das 
Tier sich in wenigen Tagen vollig erholte. 

3) Acidi-lactici-Taube. Beginn 7. Febr. 21, Gewicht 342 g, Temp. 42,3". Ein 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


rascher Abfall des Gewichtes trat ein, doch zeigten eich kaum Krankheitesymptome. 
Am 12. Versuchstage (Gew. 265 g, Temp. 42,2°) ergab die Untersuebung frisch entleerten 
Kotes die Anwesenheit von Bact. acidi lactici. Am 16. Tage stieg das Korper- 
«ewicht auf 273,5 g und die Taube zeigte groBen Appetit. Hierauf trat wieder Abfall 
ues Gewichtes ein. Am 25. Tag (225,2 g, Temp. 40,1°) machte das Tier einen kranken 
Eindruck, am 30. Tage trat Fliigelzittern auf, am 41. Tag (186 g, Temp. 39,6°) war der 
Zustand so bedenklich, dafi der Versuch abgebrochen wurde. Das Tier erhielt eine 
Hefegabe und Mais vorgesetzt und erholte sich dann. 

4) Kon trolltau be. (Reis + vitaminfreie Bouillon). Beginn 2. Febr. 21, Gewicht 
359 g, Temp. 41,9°. Rascher Gewichtsabfall trat ein und bereits am 8. Tage machte 
das Tier einen kranken Eindruck. Am 14. Tage trat ein eigentiimliches Kopfnicken 
ein, am 18. Tage betrug das Gewicht 235 g, Temp. 39,2°. Der Zustand der Taube liefi 
den baldigen Exitus letalis erwarten, desnalb wurde der Versuch abgebrochen, Hefe 
gegeben und zur Maisfutterung iibergegangen. 

Zusam mengefaBt ergeben diese Versuche folgendes: 
Die Kontrolltaube war nach 18 Versuchstagen bereits schwer erkrankt, 
die Sulfureus-Taube starb am 18. Versuchstage, die Tauben, die die 
Kulturen von Micrococcus candicans und Bact. acidi lactici 
aus der Reishefetaube erhalten hatten, waren dagegen 42 bzw. 41 Tage 
gehalten worden. 

Es wurde zur Kontrollierung dieser Befunde noch eine Taube in den 
Versuch genommen, die neben Reis tSglich eine Mischkultur von Micro¬ 
coccus candicans und Bact. acidi lactici, die wie oben ge- 
schildert hergestellt war, enthielt. 

5) Candicans- acidi 1 actici-Taube. Beginn 4. Marz 21, Gewicht 338 g, Temp. 
42,5°. Das Gewicht sank kontinuierlich, anfangs sehr langsam (10. Tag 327 g, 42,3°), 
spater etwas 6chneller (20. Tag 283,5 g, Temp. 40,6°) ab. Am 17. Tag wurde erstmalig 
leichtes Fliigelzittern beobachtet. Am 38. Tage war bei 250 g Gewicht ein deutlicher 
Temperaturabfall auf 38,6° eingetreten. Am 39. Tage traten die typischen polyneuritischen 
Krampfe (Opisthotonus, Streckkrampfe der Beine, Ueberstiirzen) auf. Die Hefebehandlung 
und Maisfutterung fiihrte zur baldigen Gesundung. 

c) Bakterien von nur mit Reis gefiitterten und an Polyneuritis er- 
krankten Tauben: Zur Priifung kamen Bac. plicatus'Zimmerm. und 
Bac. simplex A. Meyer et Gotth. Beziiglich des ersteren ist es viel- 
leicht interessant zu erwShnen, daB er auf gewohnlichem Nkhragar keine 
Falten bildete, wohl aber als diesem auf 1000 ccm das Dekokt von 100 g 
gemahlener gebrannter Gerste zugesetzt wurde. 

1) Plicatus-Taube: Beginn am 7. April 21, Gewicht 282,2 g, Temp. 42,2°. Die 
Taube erhielt dauernd 20 ccm der Kultur pro Tag. Gewicht und Temp, zeigten bei 
volligem Wohlbefinden des Tieres bis zum 19. April, dem 13. Tage (Gew. 274 g, Temp. 41,6 °) 
nur sehr langsamen Abfall. An diesem Tage trat gleichzeitig mit den ersten Symptomeu 
(Aufplustern, Kopfschiitteln, Flugelzittern, griiner Durchfall) ein rascher Gewichts- und 
Temperatursturz ein, bis schlieBlich am 13. Mai, also am 37. Versuchstage, das Tier ohne 
typische Symptome zu bekommen, bei einem Gewicht von 234,6 g und einer Temp, von 
38,5° so bedrohliche Schwache zeigte, daB der Versuch abgebrochen wurde. Die Taube 
erholte sich nach einer Hefegabe ziemlich bald. 

2) Simplex-Taube: Beginn am 11. April 21, Gewicht 373 g, Temp. 42,4°. Das 
Gewicht dieser Taube fiel dauernd ziemlich rasch fast gleichmaflig ab, ahnlich die Temp., 
nur langsamer. Beim Einiritt der ersten Symptome am 12. Versuchstage (Aufplustern, 
Flugelzittern, gruner Durchfall) betrug das Gew. noch 305,5 g, die Temp. 41,2°. Am 
32. Tage trat eine Lahmung der Beine ein, weshalb der Versuch abgebrochen wurde. 
Das Endgewicht war 205 g, die Endtemperatur 38,3°. Nach Hefegabe und Maisfutterung 
erholte sich das Tier in einigen Tagen. 

Wir gewannen hiernach den Eindruck, daB es in der Tat gelingt, 
durch Verfiitterung von Kulturen von Micrococcus candicans, Bact. 
acidi lactici, Bac. plicatus und schlieBlich auch Bac. simplex 
das Eintreten der Reispolyneuritis bei Tauben etwas hinauszuschieben, 
w&hrend Kulturen des Micrococcus sulfureus und die Mischkulturen 
aus normalem Taubenkot diese Eigenschaft nicht besaBen. Dies wurde 
zu der Folgerung ftihren, daB gewisse Bakterienarten bef&higt sind, aus 


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Scheunert u. Schieblich, Magendarmflora polyneuritiacher Tauben usw. 297 


einer vitaminfreien Bouillon antineuritisches Vitamin (B-Stoff) zu bilden, 
wobei abgesehen von den Mischkulturen aus normalem Taubenkot, bei 
denen vielleicht toxische Wirkungen nicht ganz ausgeschlossen sind, kein 
Unterschied zwischen Bakterien besteht, die aus der mit Reis + Hefe 
gefiitterten Taube und Bakterien, die aus einer nur mit Reis gefutterten 
und an Polyneuritis erkrankten Taube gezflchtet wurden. 

Die Vermutung der Vitaminbildung durch Bakterien sprachen auch 
schon Bierry und Portier 1 ), Pacini, Russell und Wright 2 ) und 
Bottemley 3 ) aus, doch ist aus den Arbeiten der beiden ersten Autoren 
nicht ersichtlich, ob die Bakterien wie bei uns auf vitaminfreien Nahr- 
boden gewachsen waren, w&hrend dies bei dem letzterwahnten Autor 
sicher nicht der Fall war. Portier und Randoin 4 ) beobachteten bei 
Fntterungsversuchen mit vitaminfreier Nahrung an Kaninchen, daft einige 
Tiere, die ihren eigenen Kot fraBen, und Tauben, die auBer Reisnahrung 
Kot von solchen Tieren als Zugabe erhielten, sp&ter erkrankten, als Tiere, 
die ihren Kot nicht fraBen bzw. keine Zulage bekamen. Sie erkl&ren 
die Tatsache damit, daB unter den Bedingungen dieser Versuche im 
Darmkanal Vitamine von Bakterien aufgebaut werden. Beim Nieder- 
schreiben dieser Arbeit erlangten wir noch Kenntnis von den Arbeiten 
von Damon 5 ) und Wollmann 6 ), die den von ihnen untersuchten 
Bakterien (Paratyphus B, Bact. coli, Bac. subtilis, Bac. bulgaricus) 
die Bildung von Vitamin B absprechen. 

Zunachst wird es sich darum handeln, den Beweis dafiir zu ftihren, 
daB bei unseren Versuchen nicht Zufallsergebnisse vorliegen. Dies wird 
moglich sein durch Gewinnung groBerer Massen von Bakterienkultnren, 
die dann in fester Form den Tieren zu verabreichen w&ren. Wir sind mit 
solchen Versuchen, die wir, wie aus dem Folgenden hervorgeht, auch auf 
die Hefe ausdehnten, besch&ftigt und wollen die bisherigen vorlaufigen 
Befnnde nur deshalb bekannt geben, weil uns Arbeiten von Harden 
und Zilva 7 ) bekannt geworden sind, die in Shnlicher Richtung vorgehen. 

Wie eben erwahnt, stellten wir auch Filtterungsversuche mit Hefe- 
kulturen, und zwar an Brieftauben an. Kulturen einer unterg£rigen 
Bierhefe in durch hohes Erhitzen vitaminfrei gemachter Traubenzucker- 
bouillon wurden an 2 Tiere in Mengen von 16 ccm pro Tag verffittert. 
Beide zeigten am 33. Tage schwere Erscheinungen, so daB der Versuch 
abgebrochen werden muBte. Hefe wSchst auf diesem NShrboden aus- 
nehmend schlecht, so daB die Mengen, die mit den Kulturen zugeftihrt 
wurden, nur sehr geringe waren, pro Tag, wie aus sp&teren Feststellungen 
hervorging, nur 0,02 g, also bei weitem nicht 0,5 g, wie sie zur Gesund- 
erhaltung der Tiere genfigten, erreichten. 


1) Bierry et Portier, Vitamines et symbiotes. ((J. R. Paris. T. 166. d. 963). 

2) Pacini, Russell and Wright, The presence of a growth-producing substance 
in cultures of typhoid bacilli. (J. of Biol. Chem. Vol. 34. 1918 p.43—49.) 

3) Bottemley, On some auxiliatory factors in growth and nutrition of plants. 
A bacterial test for auximones. (Proc. Roy. Soc. Sem. B. Vol. 88. 1914. p. 23?—247 
und 89. 1915. p. 102-108). 

4) Portier et Randoin, Creation de vitamines dans l’intestin des lapins 
reeevant une nourriture st4rilis6e it haute temperature. (Cpt. rend, hebdom. d. s6anc. 
de l’acad. d. scienc. T. 170. 1920. p. 478—480.) 

5) Damon, Samuel, R., Bacteria as a source of the water soluble B vitamine. 
(Journ. of biol. Chem. Vol. 48. 1921. p. 379—384.) 

6) Wollmann, E., Sur le r61e aes microorganismes dans la production des vita- 
mines. (Cpt. rend. d. sfanc. Soc. de Biol. T. 85. 1921. p. 801—803.) 

7) Harden, A., a. Zilva, S. S., The synthesis of vitamine B by yeasts. [Prelim, 
note.] (Biochem. Journ. Vol. 15. 1921. p. 438—439.) 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


Da bei 2 Kontrolltieren, die gleichzeitig mit den Hefetauben gefiittert 
wurden und nur die vitaminfreie Traubenzuckerbouillon erhielten, am 
23. und 18. Tage bereits die typischen Krampfe (Opisthotonus usw.) ein- 
traten, kdnnte man demnach trotz der geringen Menge eine verzogernde 
Wirkung der Hefe vermuten, wenngleich nicht auBer acht gelassen werden 
darf, daB die Zeitspanne von 33 Tagen, die bis zur Erkrankung der Hefe- 
tiere verstrich, fur sichere Schiiisse zu kurz ist. 

Ueberschaut man diese Ergebnisse, so kfinnte man wohl auf den 
Gedanken kommen, daB doch die Anwesenheit bestimmter Arten 
unter den Darmbakterien das Eintreten der Erkrankung 
nach Reisfiitterung zum mindesten hinausschieben konnte. 
Dasistaber nichtwahrscheinlich, da das sehr geringe Fassungs- 
vermogen des Darmtraktus dieser Tiere fur die Entwicklung geniigender 
Bakterienmengen nicht ausreicht. Wir haben die mit Bact. acidi 
lactici gefiitterte Taube 11 Tage nach ihrer Heilung durch Hefe und 
Maisfiitterung erneut auf Reisdiat gesetzt. Bereits am 9. Tage traten 
die ersten Erscheinungen mit Fliigelzittern ein, am 19. Tag Opisthotonus, 
am 20. wurde das Tier durch Chloroform getotet und der Darminhalt 
bakteriologisch untersucht. Die Ergebnisse waren folgende: 

A. Aerobier: Driisenmagen: Reaktion sauer. Bact. acidi lactici Hiippe, 
Micrococcus candicans Fliigge, Actinomyces chrom. Gasp. [} alb. L. et N., 
Micrococcus luteus L. et N., Corynebact. pseudophtheriticum (Loeffl.) L. 
et N., Streptococcus acidi lactici Grotenf., Monilia. 

Muskelmagen: Reaktion kraftig sauer. Bact. acidi lactici, Micrococcus 
luteus, Schimmelpilze (Penicillium und Monilia). 

Duodenum: Reaktion schwach alkalisch. Bact. acidi 1 actici,Micrococcus 
luteus, Actinomyces chrom. Gasp. alb. L. et N., Schimmelpilze (Penicillium 
und Monilia). 

Vorderer Diinndarmabschnitt: Reaktion schwach alkalisch. Bact. acidi 
lactici, Micrococcus luteus, Schimmelpilze (Penicillium). 

Kaudaler Dun ndarmabschnitt: Reaktion schwach alkalisch. Bact. acidi 
lactici, Micrococcus luteus, Bact. coli (Escher.) L. et N. Actinomyces 
chrom. Gasp. /? alb. L. et N., Schimmelpilze (Penicillium). 

Dickdarm: Reaktion schwach alkalisch. Bact. acidi lactici, Micrococcus 
luteus, Actinomyces chrom. Gasp. /? alb. L. et N. Schimmelpilze (Penicillium 
und Aspergillus). 

B. An aerobier: Typische Anaerobier wurden nicht gefunden. Die Untersuchung 
ergab nur das Vorhandensein eines Vertreters der „Langen Milchsaurebakterien 11 im kau- 
dalen Dunndarmabschnitt und Dickdarm. 

Ergebnis: Die Magen- und Darmflora war noch beherrscht von 
Bact. acidi lactici, welches offenbar angesiedelt war. Man erkennt 
hier deutlich den EinfluB der der einseitigen Reisfiitterung vorhergehenden 
Fiitterung. Neben ihm fand sich eine Kokkenflora, etwas zuriicktretend 
Actinomyces und die Schimmelpilzflora. Alles in allem ahnelt die Flora 
in einer Richtung normalen Verhaltnissen und in anderer den Befunden 
bei der Reishefetaube und Taube BB IV. Trotzdem aber Bact. acidi 
lactici dominierte, war eine Verzogerung des Eintrittes der Krankheits- 
erscheinungen nicht wahrzunehmen, wodurch die obige Ueberlegung ihre 
Bestatigung findet. 

Zusammenfassung. 

1) Die Magendarmflora von mit Reis gefiitterten Tauben ist sehr 
arm an Arten, die je nach der Vorbehandlung des Reises verschieden sind. 

2) Kulturen verschiedener D&rmbakterien und von Hefe, in vitamin- 
freien flussigen Niihrboden neben Reis gefiittert, vermochten den Eintritt 
der typischen Erscheinungen hinauszuschieben. 


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Potthoffu. Heuer, Ejnfl. d. ultraviolett. Strahlen auf d. Antikorp. in vivo. 299 


Naahdruck verboton 

Der Einfluss der ultravioletten Strahlen auf die Anti- 

korper in vivo. 

{Aus der Bakt. Abteilung des Reichsgesundheitsamts (Direktor: Geh. 
Reg.-Rat Prof. Dr. Haendel, Laborat.-Vorsteher: Ober-Reg.-Rat Prof. 

Dr. L. Lang e).] 

Von P. Potthoff und G. Heuer. 

Mit 1 Kurve im Text. 

Die vielseitige Verwendung des ultravioletten Lichtes in der Therapie 
sowohl aufierer wie innerer Erkrankungen legte den Gedanken nahe, 
Versuche fiber den EinfluB der ultravioletten Strahlen auf im Tierkorper 
kreisende Antikorper anzustellen. 

Die Untersuchungen erstreckten sich zunfichst auf den EinfluB der 
ultravioletten Strahlen auf die Bildung von Agglutininen. Unser Ver- 
suchsplan war folgender: Von 12 Versuchstieren —Meerschweinchen — 
warden je 2 von nach Moglichkeit gleicher Farbe und gleichem Gewicht 
zusammengestellt. Von diesen wurde das eine tfiglich einer Bestrahlung 
mit ultraviolettem Lichte unterworfen, wfihrend das andere zur Kontrolle 
diente. Von den Kontrolltieren der 6 Versuchspaare wurden 3 tfiglich 
die gleiche Zeit hindurch, die die Bestrahlung dauerte, demselben Wfirme- 
einflusse ausgesetzt, den auch die Quarzlampe auf die bestrahlten Tiere 
ausflbte. (In den folgenden Tabellen als \VK bezeichnet.) 

S&mtliche 12 Versuchstiere wurden intraperitoneal mit steigenden 
Dosen (Vio —128 Oesen) 30 Min. bei 60° C im Wasserbade abgetfiteter 
Typhusbazillen gleichmfiBig und gleichzeitig (etwa alle 8 Tage) iramu- 
nisiert. 

Mit der Bestrahlung wurde sofort nach der ersten immunisierenden 
Einspritzung begonnen. 

Die Bestrahlungen wurden mit einer Quarzlampe (Laboratoriums- 
lampe ffir Gleichstrom 110 V.), sogenannter kfinstlicher HOhensonne, 
vorgenommen, die uns liebenswfirdigerweise von der Quarzlampen- 
gesellschaft in Hanau zur Verftigung gestellt wurde. 

Die Versuchstiere wurden in 20 cm Entfernung von dem Quarz- 
korper bestrahlt. In der Zeit vom 24. Februar bis 7. Mai 1921 wurden 
den Tieren 59 Bestrahlungen verabfolgt. Die Bestrahlungsdauer wfihrte 
taglich 15 Min. Die Temperatur in 20 cm Entfernung vom Quarzkfirper 
betrug am Ende der Bestrahlungen durchschnittlich 36—37° C. Die 
Meerschweinchen wurden so gesetzt. daB die Augen vom Lichte abge- 
wendet waren, und die Rfickenseite der Tiere bestrahlt wurde. 

Irgendwelche Schfiden infolge der Bestrahlung wurden bei den 
Tieren nicht beobachtet. Eine Verbrennung ersten Grades der wenig 
behaarten Ohren, die gleich anfangs auftrat, heilte vfillig ab, und nur 
eine leichte Rfitung blieb zurfick. Die Tiere verhielten sich unter der 
Quarzlampe sehr ruhig. 


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300 


Centralbl. 1. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


In gleichmaBigen, etwa 8-tSgigen Zeitabschnitten, wurde samtlichen 
Versuchstieren Blut aus den Ohren entnommen, und dann der Agglu- 
tiningehalt des Serums bestimmt. Die Ablesung erfolgte nach 2 Std. 
bei 37° und nach 20 Std. bei Zimmertemperatur mittels des Agglu- 
tinoskops. 

Da die ersten Priifungen auf den Agglutiningehalt des Serums der 
Tiere keinen erkennbaren Unterschied zwischen bestrahlteu und unbe- 
strahlten Tieren zeigten, und schon von vornherein die Vermutung nahe 
lag, daB das dichte Haarkleid der Tiere eine direkte Einwirkung der 
ultravioletten Strahlen auf die Haut verhinderte, wurden die Riicken- 
seiten der Tiere auf einer Fl&che von ca. 20 qcm mit Calciumsulfid 
enthaart. Die auch hier wie an den Ohren anfangs auftretende Ver- 
brennung ersten Grades heilte bald ab, und es blieb nur eine dauernde, 
leichte Rfitung bestehen. 

Fur die Feststellung des Agglutiningehaltes wurden folgende Reihen 
angesetzt: 

1: 20, 40, 80, 160, 320, 500, 640, 800, 1000, 1280, 2000, 4000, 5000, 8000,10 000, 20000. 

In Tab. I sind nicht die absoluten Titerwerte angegeben, sondern 
wir haben der Uebersichtlichkeit wegen und um eine vergleichende Be- 
rechnung und Auswertung der Ergebnisse zu erinbglichen, sogenannte 
Agglutinationsstufen eingefiihrt. Stufe 1 entspricht der Serum- 
verdunnung 1: 20, Stufe 2 der Verdiinnung 1 : 40 usw. Von einer Stufe 
zur anderen ist also immer die Verdiinnung eine 2mal so starke, die 
Konzentration dagegen auf die Haifte herabgesetzt. Fur diejenigen 
Titerwerte, die sich nicht unmittelbar in die geometrische Reihe mit 
dem Faktor 2 einfiigten, wurde durch Interpolation die entsprechende 
Stufe errechnet. 

Infolge einer spontanen Infektion mit sogenannten Fleischvergiftern 
(Fliigge-Kaensche) gingen mehrere der Versuchstiere zugrunde, so 
daB bei einigen Versuchspaaren die Moglichkeit, die Bildung von Agglu- 
tininen beim bestrahlten und unbestrahlten Tiere zu vergleichen, vorzeitig 
unterbunden wurde. 

So lieB sich durch den interkurrenten Tod eines der beiden Tiere 
bei den Paaren C und D nur bis zur Dauer von 13 Bestrahlungen, bei 
den Paaren A und E bis zu 34 Bestrahlungen ein unmittelbarer Ver- 
gleich gewinnen, wShrend Paar B hinter dem am langsten ausharrenden 
Paar F nur um 6 Bestrahlungen zuriickblieb. 

In Tab. II sind nun fiir alle 6 Paare nach steigender Zahl der Be¬ 
strahlungen, wahrend welcher das jeweilige Kontrolltier noch lebte, die 
Sum men aller bei den einzelnen Tieren gefundenen Agglutinations¬ 
stufen zusammengestellt, und daneben die Unterschiede angegeben, die 
hierbei zugunsten der einzelnen Tiere auftreten. 

Wie auch schon aus Tab. I zu ersehen ist, ist nach 7 Bestrah¬ 
lungen gar kein, nach 13 Bestrahlungen, nur bei Paar B und F, ein 
minimaler, kaum bemerkbarer Unterschied festzustellen gewesen. 

Die Paare C und D scheiden also infolge zu weniger Bestrahlungen 
wohl aus; betrachtet man aber die Paare A und E einerseits und die 
Paare B und F andererseits, so ergibt sich beide Male, daB bei dem 
„gefarbten“ dunkleren Tierpaare der Unterschied zugunsten des be¬ 
strahlten, dagegen bei dem „weiBen u Paare zugunsten des Kontroll- 
tieres liegt. 


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Potthoff u. Heuer, Einfl. d. ultraviolett. Strahlen auf d. Antikorp. in vivo. 301 


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302 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


Tabelle II. 


Nach ... 
Bestrah- 
1ungen 

Tierpaar 

Farbung 

Summed, ermittelten 
Agglutinationsstufen 

= Unterschied von ... Agglu¬ 
tinationsstufen zugunsten von 

B 

WK 

K 

B 

WK 

K 

13 

C 

weifi-braun 

5 


6 



1 

13 

D 

weifl 

6 


6 




34 

A 

rehfarben 

20 

16 

. 

4 

9 


34 

E 

weifl 

19 


22 



3 

53 

B 

schwarz-gelb 

47 

34,6 

. 

12,4 


, 

59 

F 

weifl-gelb 

56,6 

68,7 

• 


12,2 

• 


Nachdem sich, wie aus Tab. I zu entnehmen ist, weder ein EinfluS 
der Erwarmung, noch ein solcher des Ausgangsgewichtes Oder der Ge- 
wichtsab- oder -zunahme whhrend des Versuches geltend machte, werden 
wir zur Vermutung gedrangt, die FSrbung der Tiere sei fur das 
Ergebnis von Bedeutung. 

Der Unterschied zugunsten der gefarbten Tiere tritt aber auch nicht 
minder klar hervor, wenn man fiir die Paare A, B und C — also die 
„gefarbten d Paare — auf der einen Seite und fiir die Paare D, E und 
F — die ungefarbten — auf der anderen Seite fiir die s&mtlichen 
einzelnen Entnahmen die Mittelzahlen der Agglutinationsstufen berechnet 
(s. Tab. III!). 


Tabelle III. 

Vergleich der Mittelzahlen der Agglutinationsstufen. 


Ent- 

nahme 

Mittel aus Paaren: A, B, C 
Tiere 

„farbige“ 

Mittel aus Paaren: D, 
„weifie“ Tiere 

E F 

B“. 

Tiere 

„K“- bzw. 
WK 
Tiere 

Differenz 
B-K 
bzw. WK 

Index fur 
B-Tiere 

B“- 

,1^ 

Tiere 

K- bzw. 
WK- 
Tiere 

Differenz 
B—K 
bzw. WK 

Index fur 
B-Tiere 

1 

2,67 

2,67 

0 

1 

3 

3 

0 

1 

2 

2 

2,67 

+0,33 

1,26 

3,33 

3,67 

—0,33 

0,81 

3 

3,3 

1,5 

+ 1,8 

3,48 

4,5 

6 

-1,5 

0,35 

4 

5,67 

3,5 

+2,17 

4,50 

4 

6 

—2 

0,25 

5 

6,3 

5,5 

+0,8 

1,74 

6 

6,3 

-0,3 

0,81 

6 

6 

5,5 

+0,5 

1,41 

(6) 

7 

—1 

(0,50) 

7 

8 

(7) 

+ 1,0 

(2) 

(8) 

8,28 

-0,28 

(0,82) 

8 

11 

(7,6) 

+3,4 

(10,55) 

(9,6) 

9,2 

+0,6 

(1,52) 

9 

(11) 

(7,6) 

+3,4 

(10,55) 

(9,95) 

10,06 

—0,11 

(0,93) 


Die Tabelle zeigt, dad die Differenzen zwischen Mittelwert fur be- 
strahlte Tiere und Mittelwert fiir Kontrollen bei den „gefarbten“ Paaren 
ausnahmslos ein positives, bei den „weiden“ Paaren dagegen, mit einer 
Ausnahme, ein negatives Vorzeichen haben. 

(Bei den eingeklammerten Zahlen der Tab. Ill handelt es sich nicht 
im strengen Sinne urn Mittelwerte, da sie nur von jeweils 1 Tiere 
stain men.) 

Wie aus dem oben Gesagten hervorgeht, bedeutet eine Differenz 
von +1: dad der Durchschnittstiter der bestrahlten Tiere 2mal, von 
-f-2, dad er 4mal, von +3, dad er 8mal so hoch ist, als derjenige 
der Kontrolltiere. Umgekehrt entspricht eine Differenz von —1, —2 
und —3 der Halfte, dem Viertel und Achtel des Titers der unbe- 


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Potthoff u. Heuer, Einfl. d. ultraviolets StTahlen auf d. Antikorp. in vivo. 303 

strahlten Kontrollen. Dieses Verhaltnis der Titer-, und zwar gleichgultig, 
um welche absoluten Titerhohen es sich handelt, haben wir als „Index lt 
fQr die B-Tiere ira Vergleich zu den Kontrollen genommen. 

Der Index 1 bedeutet also, daB ein Unterscbied in der TiterhQhe 
(Agglutiningehalt) iiberhaupt nicht besteht, der Index 2, dafi bei unserer 
geometrischen Verdunnungsreihe (mit dem Faktor 2 fQr VerdQnnungs- 
titer, bzw. dem Faktor fQr Serumkonzentration) die Agglutination 
sich um 1 ROhrchen, eine VerdQnnungsstufe, weiter nach rechts er- 
streckte usw., was eben auch in den Zahlen fQr die Dilferenzen zum 
Ausdruck kommt. 

Indexzahlen unter 0 bedeuten, daB der Titer niedriger, und wie viel 
Mai er niedriger ist. 

Betrachtet man nun daraufhin die Angaben in Tab. Ill, so ist wohl 
der Unterschied der beiden Gruppen von Tierpaaren — hier gef&rbt, 
dort weiB — ein auffQlliger, aber in quantitativer Hinsicht doch nur ein 
mSBiger, wenn man nQmlich die eingeklammerten Werte als auf weniger 
sicherer, unter Umstanden durch den Zufall bedingter Grundlage be- 
ruhend, auBer Betracht l&Bt. 

Da s&mtliche Serumproben des gleichen Entnahmetages mit der 
gleichen Bazillenaufschwemmung austitriert wurden, mQssen zutage ge- 
tretene Unterschiede dem Tiere zugeschrieben werden. Nun ist es ja 
bekannt, wie aus noch nicht nQher erforschten Ursachen bei haufiger 
PrQfung Schwankungen im Titer des Serums des gleichen Tieres auf- 
treten. Auch k5nnen trotz sorgfaltigster AusfQhrung bei den immuni- 
sierenden Einspritzungen Unterschiede um Millionen der eingebrachten 
Bakterien kaum vermieden werden und anderes mehr. Das bei 2 Tieren 
(Meerschweinchen 2 und 11) beobachtete Sinken des Titers im Verlaufe 
der Immunisierung — einmal bei der Kontrolle, einmal beim „B tt -Titer 
— macht sich bei der geringen Zahl der Tiere sofort in den Vergleichs- 
werten sehr bemerkbar. 

Nach allem mochten wir daher auf Grund der bis jetzt vorliegenden 
Ergebnisse den EinfluB der Ffirbung durchaus noch nicht als fest- 
stehende Tatsache hinstellen, sondern nur zum Ausdruck bringen, daB 
wir einen solchen auf Grund unserer Befunde und deren statistischen 
Analyse fQr wahrscheinlich halten. 

Eine ErklQrung fur die gunstigeren Befunde bei den Tieren mit 
pigmentierter Haut gegenOber den Albinos kann sich bei dem jetzigen 
Stande unseres Wissens wohl nur in Vermutungen bewegen. M.Fran- 
kel (Die Bedeutung der RQntgen-Strahlen in der Medizrn. Strahlen- 
therapie. Bd. 12. 1921. S. 603) erblickt in dem Umstande, daB durch 
R6n tge n - Strahlen — und ein gleiches durfen wir wohl auch fQr 
die ultravioletten Strahlen annehmen — bei schon pigmentreicher, 
also physiologisch schon starker gebrQunter Haut die Pigmentierung 
im Verhaltnis noch starker als bei pigmentarmer wird, einen Beweis 
dafur, daB die Radiosensibilitat eines Organes oder Gewebes parallel 
der Qber das Physiologische hinaus schon vorher gesteigerten oder 
veranderten Zelltatigkeit vermehrt wird. Die nach E. Hoffmann und 
nach Meirowsky als innersekretorisches Organ aufzufassende Haut 
wQrde also namentlich durch das auf photochemische Reize besonders 
leicht ansprechende Pigment, bzw. die Zellen, die die Fahigkeit der 
Pigment- oder Propigmentbildung besitzen, zu erhohter innerer Se- 
kretion angeregt. Nach Frank el ist es auch denkbar, daB aus der 
belichteten Haut stammende Stoffwechselprodukte einen nutritiven Reiz 


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304 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


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auf die Bildungsstatten der Blutkdrperchen, und das sind ja auch die 
der Agglutinine, ausiiben. 

Die erhohte Warmeaufnahme der pigraentierten Haut, welche nach 
P. Schmidt als Warmefilter zum Schutze der tiefer liegenden Gewebe 
dient, diirfte an sich nicht als Ursache zu verwerten sein, nacbdem ge- 
rade bei den das starkste gegensStzliche Verhalten zeigenden Paaren B 
und F die Kontrollen ebenfalls der Warme ausgesetzt waren. Man 
konnte aber auch vielleicht eine st&rkere Schadigung der Albinos durch 
die Ultraviolettstrahlen zur Erkl&rung heranziehen. 

Auf einen mSglichen Einwand mochten wir noch kurz eingchen. 
Das unbestrahlte Kontrolltier Meerschweinchen 4 ist am Tage nach der 
letzten Blutentnahme an einer Infektion mit einem Paracoli-Stauim 
gestorben. Man konnte nun daran denken, den verhaltnismaBig niedrigen 
Titer seines Serums hierauf zuriickzufflhren. DaB jedoch ein derartiger 
Zusammenhang nicht besteht— zum mindesten nicht bestehen muB — 
geht unseres Erachtens mit Sicherheit daraus hervor, daB bei dem be- 
lichteten Meerschweinchen 5, das am gleichen Tage wie Meerschweinchen 4 
und genau an der gleichen Inlektion einging, ein Titer von 1:10 000. 
= Stufe 10,95, gefunden wurde. 

LSBt man die F&rbung der Tiere ganz auBer acht und stellt ent- 
sprechend der Tab. Ill ftlr sSmtliche Tiere und Entnahmen Mittelzahlen, 
nur getrennt nach bestrahlten und Kontrolltieren, auf, so ergibt sich 
Tab. IV. 


Tabelle IV. 


Entnahme 

Durchschnitt der Agglu- 
tinationsstufen 

B 1 K bzw. WK 

Differenz 
B—K bzw. 
WK 

Gegam tindex 
fur die 

B-Tiere 

1 

2,83 

2,83 

0 

1 

2 

3,33 

3,33 

0 

1 

3 

3,8 

4,2 

-0,4 

0,78 

4 

4,8 

5,0 

-0,2 

0,87 

5 

6,02 

6,02 

0 

1 

6 

6,0 

6,4 

-0,4 

0,78 

7 

8,0 

7,85 

+0,15 

1,11 

8 

10,49 

8,56 

+ 1,93 

3,81 

9 

10,45 

9,23 

+ 1,92 

2,32 


Diese zeigt erst von der 8. Entnahme an, nachdem nur mehr die 
Halfte der Tiere (je 3 B- und K- bzw. WK-Tiere) am Leben war, einiger- 
maBen einen Unterschied zugunsten der bestrahlten Tiere. 

Als Gesamtergebnis miissen wir also angeben, daB die Bestrahlung, 
wenn iiberhaupt, nur von geringem EinfluB auf die Agglutininbil- 
dung war, und daB sich zwischen weiBen und gefarbten Tieren insofern 
ein Unterschied zu zeigen scheint, als bei den letzteren die Agglutinin- 
bildung durch die ultravioletten Strahlen etwas mehr begunstigt wird, 
als bei den weiBen Tieren. 


Eine weitere Untersuchung sollte die Wirkung der ultravioletten 
Strahlen auf die im Korper immunisierter Tiere sell on v orh an denen 
Agglutinine dartun. Die der „natiirlichen u Hohensonne analogen 
therapeutischen Erfolge der „kunstlichen“ Hohensonne lieBen den SchluB 
zu, daB wir bei unseren Bestrahlungen gegen Typhus immunisierter 



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Potthoff u. Heuer, Einfl. d. ultraviolet!. Strahlen auf d. Antikorp. in vivo. 305 


Tiere ahnliche Beobachtungen raachen wurden wieStaubli. Staubli 
hat mit Gonzenbach (Ergebn. f. inn. Med. u. Kinderheilk. Bd. 11. 
S. 102) die Einwirkung des Hbhenklimas und des Sonnenlichtes auf den 
Agglutiningehalt des Serums von Tieren untersucht, die mit Typhus- 
bazillen vorbehandelt waren. Sie haben festgestellt, daB der Agglutinin¬ 
gehalt viel schneller bei den Tieren zuriickgeht, die in Hohenklima 
leben, als bei Tieflandtieren. Besonders auffallend war der rasche 
Rflckgang des Agglutiningehalts bei den Tieren, die dem Sonnenlichte 
ausgesetzt waren. 

Infolge Tierknappheit konnte nur mehr oder weniger ein Tastversuch 
vorgenommen werden. 

Wir immunisierten nach der Methode Fornet-Miiller 1 Kanin- 
chen und 2 Meerschweinchen gegen Typhus. Eines der immunisierten 
Meerschweinchen diente als Kontrolltier. 

An 3 aufeinanderfolgenden Tagen erhielten die Kaninchen V20 J Vi 
und */, 24 Std. alte Typhusbazillenkultur eines SchrSgagarrbhrchens in 


Titer 

32000 , 

30000 j. 

28000L 

26000 

24000 

220001 


20000 i // 

i *7 

teoooL^ 


A 


160000- 


14000 

12000 ' 

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6000J- 

400Q L 

200qL 


/ ^ 


V 

w 

\\ 

V, 


Vi 


\\ 

w 




. belichtetes Kaninchen 
. belichtetes Meerschweinchen 
.Kontrolltier (Meerschweinchen) 


16. April 21 23. 


30 


7.Mai 


14 21. 28 

Tage der Blutentnahme 


Kurve 1. 


1 ccm Kochsalzlosung intravenos und die Meerschweinchen y i00 , y 20 
und Vio der gleichen Kultur intraperitoneal. Nach Ablauf von 14 Tagen 
hatten s&mtliche Versuchstiere den gleichen Agglutinationstiter gegen 
Typhusbazillen von 1:16 000. Die Tiere wurden auf dem Rucken ent- 
haart und in 10 cm Entfernung von der Quarzlampe bestrahlt. Im 
ganzen wurden 35 Bestrahlungen verabfolgt. Die Bestrahlungsdauer 
steigerten wir, mit 5 Min. beginnend, allm&hlich auf 15 Min. tfiglich. 
Die beigegebenen Kurven veranschaulichen das Verhalten der Agglu¬ 
tinationstiter der Versuchstiere wahrend der Bestrahlung. Der Agglu¬ 
tinationstiter im Serum der bestrahlten Tiere stieg nach den ersten 
Bestrahlungen auffallend hoch an, um dann von der 6. Bestrahlung ab 
sehr rasch zu sinken, so daB er schon nach 12 Bestrahlungen wesentlich 
niedriger war als der der Kontrollen. Bei SchluB der Untersuchung 
verhielt sich der Agglutinationstiter des Serums der bestrahlten Tiere 
zu dem des unbestrahlten wie 1:5. 

Wie vorstehende Kurve auf das deutlichste zeigt, konnten wir einen 
groBen Unterschied zwischen bestrahlten und unbestrahlten Tieren fest- 
stellen. Die anfanglich sowohl beim Meerschweinchen wie beim Kanin- 
Erttc Abt. One. Bd. 8H. Heft 4. 20 


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306 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


chen in ganz gleicher Weise beobachtete betr&chtliche Steigerung des 
Titers darf wohl als Reizerscheinung aufgefaBt werden und wiirde bis 
zu einem gewissen Grade als Erganzung fQr die weniger klar zutage 
getretenen Ergebnisse des 1. Teiles dienen konnen, zumal das bestrahlte 
Meerschweinchen und Kaninchen am Riicken vorwiegend schwarz gefarbt 
waren. 

Das dann bald folgende Absinken des Titers steht in Uebereinstim- 
mungmit den Beobachtungen StSublis bei Bestrahlung mit natur- 
licher Hbhensonne. 

Zur ErklSrung des schnelleren Sinkens des Agglutinationstiters bei 
den bestrahlten als bei den unbestrahlten Tieren mSchten wir uns der 
Ansicht St&ublis anschlieBen. St&ubli und Gonzenbach fflhren 
das schnelle Schwinden der Agglutinine darauf zuriick, daB der wohl 
infolge des Hohenklimas und der Sonnenbestrahlung erhohte Stoffwechsel 
die nach einer Infektion zuriickbleibenden biologischen Ver&nderungen 
im Organismus, auch wenn es sich um ImmunitatsvorgSnge handelt, 
schneller ausgleicht. Eine Shnliche, den Stoffwechsel erhohende Wir- 
kung ist wohl auch der Bestrahlung mit ultravioletten Strahlen zuzu- 
schreiben. 

Unsere Untersuchungen haben unter den ungiinstigen ZeitverhSLlt- 
nissen insofern zu leiden gehabt, als wir infolge Tiermangels die sehr 
erwunschten Erg&nzungen und Wiederholungen unter besonderer Be- 
rucksichtigung unserer vorstehend geschilderten Erfahrungen nicht durch- 
fuhren konnten. Da auch in absehbarer Zeit keine Aussicht auf Besse- 
rung dieser Verhaltnisse besteht, glauben wir uns zur Veroffentlichung 
unserer Ergebnisse berechtigt, auch wenn wir diese noch nicht als 
endgiiltige bezeichnen konnen. Von besonderem Interesse scheint. uns 
die anfanglich hochgradige Steigerung der Agglutinine nach 
verhaltnism&Big wenigen Bestrahlungen schou immunisierter 
Tiere zu sein. Falls sich diese Beobachtung, woran wir nicht zweifeln T 
bestatigen wiirde, diirfte sie auch von praktischer Bedeutung fflr die 
Gewinnung hochwertiger agglutinierender Sera sein. 


Nachdruck verboten. 

Beitrage zur Theorie der Bakterienflltration. 

[Aus dem Veterinar-Pathologischen Institut der Universitat Ziirich.] 

Von Prof. Dr. Walter Frei, Direktor, und Tierarzt Hermann Erismann, 

ehem. Mitarbeiter. 

Die Filtration, ale eine Methode der Entfernung von Mikroorganiemen aus Fliissig- 
keiten, iet sehr weit verbreitet zur Heretellung eines einwandfreien Trinkwassers. Man 
kann hier zwiechen GroS- und Kleinfiltern untereeheiden. Die ereteren dienen zur 
Keinigung des fur ganze Gemeinden bestimmteu Trinkwassers, die letztereu findet man 
in Gehoften, in Haushaltungen, in Eieenbahnwagen, bei Feldzugen und auf Reisen. 

Die GroBfilter bestehen aus Sand, die Kleinfilter sind im allgemeinen sogenannte 
Filterkerzen, d. h. poroee, starre Mas6en aus Kieeelgur, Porzellan oder Ton. Zur voll- 
8tandigen Entkeimung sind Sandfilter im allgemeinen nicht geeignet, sie erzielen hoch- 
etens eine grbSere oder geringere Keimverarmung. Eine volletandige Entkeimung einer 
F'liissigkeit ist unter Beobachtung gewieser Kautelen moglich mit Filterkerzen. Der 


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_ 



Frei u. Erismann, Beitrage zur Theorie der Bakterienfiltration. 307 


Meehan ismus der Sand filter ist noch ziemlich ungeklart. Man kann die dariiber be- 
stehenden Ansichten in 2 Gruppen einteilen: 

1) Die mechanische Theorie 1 2 ), naeh weleher Bakterien lediglich zufolge der 
Kleinheit der Poren im Sande bzw. in der Filterhaut (d. i. eine nach einer gewissen 
Zeit auf dem Sandfilter sich ausbildende Schicht, die ane der Flora und Fauna und 
den eonstigen, nicht belebten, Suepensis dee Rohwassers besteht) zuriickgehalten werden. 
Gelegentllch wird in diesem Zusammenhange auch von Adsorption gesprochen. Eine 
Verkleinerung der Sandporen durch die Suspenea findet im Gebrauch des Filters statt 
und das fiihrt zu einer besseren Zuriickhaltung der Bakterien und soli auch durch 
Verschleimung, das ist Klebrigmachen der Sandkornoberflache, adsorptiv wirken. 

2) Die Absorptionstneorie 3 ) besagt, dafi Bakterien und andere Partikel (so- 
wie geloBte Substanzen) an die Sandkbrner und an die sie iiberziehende Schleimschicht 
ab- Oder adsorbiert und so festgehalten werden. 

2) Nach der biologischen Theorie soil die Entkeimung des Rohwassers durch 
allerlei Mikroorganismen pflanzlicher oder tierischer Natur (Bakterien, Algen, Proto- 
zoen), zum Teil unter Mitwirkung des Sauerstoffes, hauptsachlich in der Filterhaut 
vor sich gehen. Neuerdings ist insbesondere von Kisskalt 3 ) die grofie Bedeutung 
der Protozoen, welche die Bakterien des Rohwassers als Nahrungsmittel beniitzen, be- 
hauptet worden. 

Eine strenge Trennung dieser Theorien wird sich in praxi kaum dnrchfiihren 
lassen, vielmehr werden wohl alle genannten Faktoren bei der Entkeimung mitwirken, 
so daB also eine Synthese der Theorien das Richtige treffen wiirde. Die Frage ist nur, 
weleher der genannten Faktoren der wichtigste und leistungsfahigste ist. Es ist sehr 
wohl moglich, dafi die Bedeutung der einzelnen Faktoren von Filter zu Filter, von Ort 
zu Ort variiert, indem die chemische Zusammensetzung und die physikalischen Eigen- 
schaften, die Flora und Fauna des Rohwassers, die chemische Zusammensetzung und 
die physikalischen Eigenschaften des Sandes und weitere Begleitfaktoren, zum Teil Tem- 
peratur, Zusammensetzung der Atmosphere iiber dem Filter, jedenfalls die genannten 
Faktoren beeinflussen und von Ort zu Ort verschieden machen. 

Die vorliegende Arbeit soil nun Beitrage bringen zur Kenntnis 
einiger rein physikalischer Faktoren, die bei der Fil¬ 
tration in Frage kommen konnen. 


Allgemelnes. 

Bei der Filtration von Bakterien durch porose Massen kommen 2 Faktoren in 
Betracht: 1) das sogenannte rein mechanische Zuriickhalten, 2) die Adsorption. 

Ad 11 Bakterien, d. h. Stabchen oder Kugeln, konnen in einer pordsen Masse 
zuriickgehalten werden, indem ihr Langs- oder Querdurchmesser den Porendurchmesser 
ubertrifft. Es ist aber auch moglich, daS ein Stabchen in der Langsrichtung durch 
die Oeffnung ginge, in der Querrichtung aber nicht, d. h. es kann sich quer iiber die 
Porenbffnung auf die Rander derselben legen; ferner kann ein Stabchen ein Stuck weit 
in eine unregelmaflig geformte Oeffnung hineingehen und sich im weiteren Verlaufe des 
Kanales infolge UnregelmiiSigkeiten desselben schief stellen und festklemmen. Ob ein 
Stabchen, dessen kleiner Durchmesser kleiner ist als der Durchmesser einer Pore, sich 
in Langsrichtung oder Querrichtung einstellt, d. h. durchgeht oder nicht, hangt nach 
den Untersuchungen von Van’t Hoff 4 ) und Hatschek*) ab von der Durchflufi- 
geschwindigkeit, von der Viskositat der Fliissigkeit und der Differenz des spezifischen 
Oewichtee der Zellen und der Fliissigkeit. Wichtig fur das Durchtreten ist die Mttg- 
lichkeit der Wirbelbildung, wodurch Teilchen in der Langsrichtung in die Poren hinein- 
gesoger. werd.n konnen. 

Die zur Filtration verwendeten porosen Massen konnen in 2 Gruppen 
eingeteilt werden: 


1) Frankel und Piefke, Crahn, Lueger, G6tze gehbren zu den ersten, 
die sicn experimentell mit dieser Frage befaflten (zit. bei Oettinger, Zeitschr. f. Hvg. 
Bd. 7. 1912). 

2) Dunbar, Leitfaden fflr die Abwasserreinigungsfrage. Miinchen und Berlin 
1912. — Don, J., u. Chisholm, J., Modern methods of water purification. London 
1013 

3) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 80. 1915. u. Bd. 83. 1917. 

4) 5) vgl. W. Frei, Zur physik. Chemie der filtrierbaren Krankheitseireger. (Arch, 
f. wise. u. prakt. Tierheilk. Bd. 46. 1920. H. 3. 

20 * 


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308 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


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1) Die Hohlraume bilden die zusammenhiingendc Phase, d. h. das Dispergens, 
also Luft oder Wasser, und die Filtermasse das Dispersum, ist UDZusammenhangend. 
Typus: Sandfilter. 

2) Der feste Anteil, d. i. die Filtermasse, ist mehr oder weniger zusammenhangend 
und bildet also in gewissem Sinne das Dispergens; das Filter nat starre Form, die 
Hohlraume sind das Dispersum, also mehr oder weniger unzusammenhangend. Typus: 
Filterkerzen aus Porzellan, Ton, Kieselgur, Filtrierpapier. Selbstverstandlich ist 
diese Einteilung besonders in bezug auf die 2. Untergruppe nicht streng durchzufuhren, 
denn ein gewisser Zusammenhang^von Poren ist zum Durchtritt von Fliissigkeit unbe- 
dingt notwendig. 

Ad 2) Adsorption ist das Festhalten von molekular- oder groberdispersen Sub- 
stanzen an einer Oberflache. MaOgebend fiir die Adsorption sina folgende Faktoren: 
1) Die absolute GroBe der Oberflache pro Volumeneinheit, 2) fur Bakterien wahrschein- 
lich auch die Beschaffenheit der Oberflache (Kriimmungsgrad), 3) die Natur des Ad- 
sorbens und Adsorbendums, d. i. die chemische Zusammensetzung, 4) die elektrische 
Ladung von Adsorbens und Adsorbendum, 5) die Anwesenheit sowie die physikalischen 
und chemtechen Eigentiimlichkeiten dritter Substanzen. 

Von einer besonderen Bedeutung war von jeher das Verhaltnis von PoreugroBe 
zur GroBe der durchtretenden Mikroorganismen. Man hat langere Zeit geglaubt, einer - 
seits durch eine (allerdings nur scheinbare) GroBenbestimmung der Filterkerzenporen, 
andererseits durch Eichung der Poren durch Mikroorganismen bekannter GroBe, zu 
einer GroBenbestimmung der sogenannten filtrierbaren Vira zu gelangen. Gegen dieses 
Verfahren sind schon namentlich von Do err 1 ) und schliefilich eingehender vom physi- 
kalisch-chemischen Standpunkte aus von W. Frei 2 ) schwerwiegende Bedenken erhoben 
worden. Es hat sich aus alien diesen Untersuchungen ergeben, daB das Filtrations- 
experiment zu einer GrdBenbeslimmung der durchgehenden oder zuruckgehaltenen Zellen 
nicht verwendbar ist, hauptsachlich, weil die kleinste wirksame Porenweite nicht fest- 
gestellt werden kann, weil bei unbekannten Erregern die Deformierbarkeit der Zelle 
nicht ausgeschlossen werden kann, und schlieBlicn, weil das Durchpassieren bzw. das 
Zuriickhalten durch fehlende bzw. eingetretene Adsorption erklart werden kann. 


Allgcmeine tcchnische Bemerkungen. 

Fiir die Filtration durch Band benutzten wir das Material, wie es ini 
Ziircher stadtischen Filterwerke im Moos bei Wollishofen zur Erstellung der obersten 
Schicht der Feinfilter verwendet wird. Dieser Sand wurde uns von der Direktion des 
Wasserwerkes fiir unsere Versuche bereitwilligst zur Verfiigung gestellt 

Vor der Verwendung des Sandra fur unsere Versuche wurde er zuerst gereinigt 
und dann im Autoklav wahrend 2 Std. bei 140° C sterilisiert, oder wir rosteten ihn, 
indem wir ihn in einer Pfanne auf ca. 400—500° C erhitzten. Er ist in den Tabellen 
als „gewohnlicher“ Sand aufgefiihrt, im Gegensatz zu „feinem Sand*, der aus diesem 
durch Zerkleinern im Morser hergestellt wurde. 

Die Glasrohren von ca. 180 cm Hohe und 13 mm Lichtweite wurden unten zu 
einer kleinen Oeffnung zugeschmolzen. Zu einer Versuchsserie, deren Resultate mit- 
einander verglichen werden muBten, konnten nur Rohren verwendet werden, die in 
ihrem ganzen Verlaufe genau die gleiche Lichtweite aufwiesen, da sonst die Schicht- 
hohe des Filters, auch bei gleicher Sandmenge, bedeutend variierte. Zu diesem Zwecke 
wurden die Rohren geeicht. 

Der Sand wurde entweder einfach in die Rohren eingegossen, oder wahrend des 
EingieBens von Zeit zu Zeit mit einem Glasstabe zusammengestampft (in den Tabellen 
als „gestampft-‘ bezeichnet), oder die gefiillte Rohre auf einer Unterlage aufgeklopft 
(„geruttelt“). < 

Fiir die Filtration durch Papier verwendeten wir Scheibenfilter von 11 cm 
Durchmraser aus Filtrierpapier Nr. 597, mittelweich (Schleicher u. Schiill). Diese 
legten wir in Nutschentrichter, und zwar so, daB der freie Papierrand fiber das Fliissig- 
keitsniveau hinausragte. 

Die Bakterienemulsion bratand fiir alle Versuche aus einer Aufschwemmung 
von Bacterium coli comm. (24-stiind. Kultur) in dratilliertem Wasser, und zwar 
kam auf 120 ccm Wasser eine Oese Kultur. Bei den letzten Versuchen (wo in den 
Tabellen eine Verdunnung von 1:1000 angegeben ist) wurde diese Aufschwemmung 
noch 5-fach verdiinnt. 


1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Ref. Beil, zu Bd. 50. 1911. S. 17. 

2) Arch. f. wiss. u. prakt. Tierheilk. Bd. 46. 1920. 



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Frei u. Erismann, Beitrage zur Theorie der BakterieDfiltration. 309 


Die Untersuchung des Filtrates erfolgte auf 2 Arlen: Wo der Bakterien- 
gehalt in den Tabellen im Prozent angegeben ist, wurde die optische Untersuchungs- 
methode verwendet. Diese bestand darm, dafi wir von der Stammemulsion als 100-proz. 
aosgebend Verdiinnungen von 5 zu 5 Proz. herstellten. Alit diesen Testemulsionen 
verglichen wir nun unsere erhaltenen Filtrate, und zwar so, dafi wir beide in genau 

S eichen Reagenzrohrchen gegen einen schwarzen Hintergrund, auf dem parallel ver- 
ufende, verschieden dicke, weiBe Striche gezeichnet waren, hielten. Das Licht lieflen 
wir verschieden ein fallen. So gelang es nach einiger Uebung, Unterschiede in den 
Filtraten von 3—5 Proz. festzustellen. 

Bei den Ionenuntersuchungen war diese Untersuchungsmethode, wenigstens bei 
den Sandfiltern, nicht mehr moglich, da das Filtrat oft einen gelbgriinen Farbton be- 
?aB. Hier muOte zur Plattenkulturzahlmethode gegriffen werden. In den Tabellen ist 
die Zahl der nach 48-stiind. Brutschrankaufenthalt gewachsenen Kolonien pro 1 ccm 
der Verdunnung eingetragen. 

Einzelheiten in der Technik sind am Anfang gleicher Versuchs- 
serien oder am Kopfe der Tabellen angegeben. 


Bezeichnungen in den Tabellen. 

„Ankunft des 1. Tropfens“ ist der Moment, wo der 1. Tropfen des Filtrates 
in den unter dem Filter aufgestellten MeBzylinder fallt. — Bei „oben 0“ ist die auf 
das Filter gegossene Fliissigkeitsmenge eben unter der Filteroberflache verschwunden. 
Die in diesem Momente abgeflossene Filtratmenge wird in den Tabellen in der Kolonne 
,.durchgeflossen bis onen 0“ notiert. Unter „zuriickgeblieben“ bezeichnen 
wir die im genannten Augenblicke sich noch im Filter befindende Flussigkeitsmenge. 
Sie ist identisch mit dem Porenvolumen. 


Im Interesse der Raumersparnis sind etwa 40 Tabellen hier nicht wiedergegeben. 


Zun&chst wurde zur Einarbeitung in die Technik und als Vor- und 
Sondierarbeit eine Anzahl von Untersuchungen iiber das rein Mechanische 
bei der Funktion von Sandfiltern ausgefflhrt, deren Resultate, weil sie 
zum groBten Teil mit bereits Bekanntem ubereinstimmen, hier nicht 
wiedergegeben werden. MaBgebend fur den Durchtritt von Flflssigkeiten 
durch ein Sandfilter und das Zuriickhalten von Bakterien sind (abge- 
sehen von der Adsorption) folgende Faktoren: 

1) Sandmenge, SandkorngroBe und Sanddichte, womit auch gegeben 
sind: GroBe der adsorbierenden OberflSche (teilweise auch ihr Krtlm- 
mungsgrad), Totalvolumen und Weite der Poren. 

2) Die Natur des Sandes, deren Bedeutung aber hochstens ffir die 
Adsorption in Betracht fallt. 

Eine Versuchsserie wurde durchgefiihrt zur Feststellung des Ein- 
flusses der Sandmenge, der Wassermenge und der Filter- 
h5he auf die DurchfluBzeit des Wassers und die Filtrations- 
wirkung auf Bakterien. Bei diesen Versuchen wurden Rohren 
verwendet, deren Kalibergleichheit durch Eichung mit Wasser festgestellt 
war. Sandmenge, Flfissigkeitsmenge und Filterhohe variierten absolut, 
standen aber immer in einem konstanten Verhfiltnis zueinander. Ein 
solcher Versuch ist dargestellt in Tab. 1, w&hrend von den anderen 
Versuchen nur die Verhaltniszahlen der Varianteu Sandmenge, bzw. 
Flflssigkeitsmenge, bzw. Filterhbhe und die zugehorigen Verhaltniszahlen 
der DurchfluBzeiten in Tab. 2 aufgefiihrt sind. 

Das Verhiiltnis der Durchttufizeiten ist in alien Fallen anders als 
das der Sandmenge, bzw. Sandhbhe, bzw. Flflssigkeitsmenge. Das Wasser 
braucht zum DurchflieBen mehr Zeit, als der Sandhflhe oder -Menge 
entspricht. Die DurchfluB- bzw. EinfluBzeiten werden immer linger. 
Gleichzeitig nimmt auch das Wasserfassungsvermogen des Sandes ab. 


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310 


Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


Tabelle 1. 


Variation in Sandmenge, Wassermenge und Filterhohe. 

Die Filter werden geriittelt, alle Fliissigkeit wird anf einmal aufgegossen. Bei 
oben 0 wird die Rohre unten verschlossen. Alle Rohren sind gleich weit. 




Serie 1 



Serie 2 

Nummer des Filters 

2 

4 

6 

2 

4 

6 

Sandmenge (g) 

Filterhohe (cm) 

Wassermenge (ccm 

DurchfluSzeit{ bd o ^ u 0 nft des L Tr0 P f - 

Durchgeflossen bis oben 0 (ccm) 
Zuriickgeblieben bis oben 0 (ecm) 

Verhaltnis von Sandmengen, Wassermengen 
und Filterhfihen 

Durchflufizeiten | 

20 

8,6 

5 

35“ 

30“ 

0 

5 

1 : 

1: 

1: 

60 

25.8 

15 

91“ 

120“ 

2 

13 

3 : 
2,8: 
4,6: 

100 

43 

25 

229“ 

260" 

4 

21 

5 

6,5 

8,7 

60 

25,8 

15 

85" 

100“ 

2 

13 

1: 

1: 

1: 

120 

51,6 

30 

234“ 

290“ 

6 

24 

2 : 
2,7: 
2,6: 

240 

103,2 

60 

417" 

607“ 

13 

47 

4 

4,9 

5,5 


Tabelle 2. 

Verhaltnis derDurchflufizeiten einerseits bei Variation de r Sand - und 
Fliissigkeitsinenge und Filterhohe andererseits 


Verhaltnis der Sand-, 
Fliissigkeitsinenge und 
Filterhohe 

Verhaltnis der 
DurchfluBzeiten 

Verhaltnis der Sand-, 
Fliissigkeitsinenge und 
Filterhohe 

Verhaltnis der 
DurchfluBzeiten 

1:2:4 

1:2,7:4,9 

1:3:5 

1:2,8 : 6,5 


1:2,6:5,5 


1:4 :8,7 


1:2,8: 4,9 


1: 2,8 : 7 


1: 2,6 : 5,5 


1:4 :8,7 


1:2,2 : 5,8 


1:3,3 : 7,3 

1:2,5: 5,5 


1: 3,3 : 6 

Beispielsweise konnen 20 g Sand 5 ccm Wasser vollst&ndig zuriickhalten, 
wahrend 60 g Sand aufeinandergeschichtet nur noch 13 ccm und 100 g 
Sand nur 21 ccm und nicht 5mal 5 ccm Wasser fassen kbnnen. Fur 
dieses PMnomen konnen wir die Kompression des Sandes, wie sie sich 
beim Aufeinanderschichten in Rbhren ergibt, als Ursache annehmen, d. h. 
die Verkleinerung des Porenvolumens und die Verengerung der Poren. 
Die letztere ist die Ursache des verlangsamten DurchflieBens, die erstere 
diejenige des geringeren Fassungsvermogens des Filters. In Ueberein- 
stimmung mit dieser Auffassung sind die Ergebnisse derjenigen Versuche, 
in denen man bei gleichen Sandmengen durch kiinstliches Verkleinern 
der Schichthohe durch Riitteln Oder Stampfen das Porenvolumen ver- 
ringerte. 

DaB ein geriitteltes Filter mehr Bakterien zuriickh&lt als ein unge- 
rtitteltes, kann einmal auf die Porenverkleinerung, bzw. auf die Zunahme 
der Zahl kleinster bakterienabfangender Poren, oder aber auf die pure 
Verlangsamung der DurchfluBgeschwindigkeit zuriickgeffihrt werden. 
Zunachst wollen wir uns mit dieser letzteren Moglichkeit befassen. 
Schon Van’t Hoff 1 ) macht die Bemerkung, daB durch ein Sandfilter 
unter sonst gleichen Bedingungen bei einer gewissen geringen und einer 
gewissen groBen Filtrationsgeschwindigkeit Bakterien durchgehen, die 


1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 26. 1899. S. 64. 


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Frei u. Erismann. Beitrage zur Theorie der Bakterienfiltration. 311 


bei mittlerer Geschwindigkeit zurflckgehalten werden. Denken wir nun 
an die eingangs erwfihnte Annahme von der Langs- und Querstellung 
von Stabchen zu Poren, so konnen wir hier annehmen, daB Bakterien 
bei geringer Geschwindigkeit quer zu den Poren, deren Durchmesser 
geringer ist als die Lange, aber grSBer als der Querdnrchmesser der 
Teilchen, gestellt werden und so zuriickgehalten werden, wahrend die- 
selben Teilchen unter sonst gleichen Bedingungen, aber bei groBerem 
Druck, d. h. groBerer Geschwindigkeit, durch Poren hindurchgehen, 
weil sie mit ihrer Langsachse in die Richtung der Porenachse eingestellt 
werden. 

Aus diesen Angaben erkennen wir die groBe Bedeutung der 
DurchfluBgeschwindigkeit fflr die Richtung, in der sich 
stabchenffirmige Gebilde, z. B. Bakterien, zu den Poren- 
achsen stellen. Es kfinnen nach Hatschek 1 ) bei gewissen Ge- 
schwindigkeiten fiber den Porenmfindungen Wirbelbildungen auftreten, 
welche die Stabchen in der Lfingsrichtung in die Poren hineinziehen. 
Die Bedingungen fflr diese Vorgfinge sind noch dunkel. Wahrscheinlich 
werden auBer der Geschwindigkeit auch die Differenzen des spezifischen 
Gewichtes der Teilchen und der Flfissigkeit, die Viskositat dieser letz- 
teren die Gestalt der Poren eine wichtige Rolle spielen. Man mfiBte 
fflr jedes Sandfilter, d. h. fflr jede Sandsorte und fflr jede besondere 
Qualitfit Rohwasser, die fur das Querstellen der Bakterien gfinstigste 
Bedingung herausfinden. — Selbstverstfindlich berfihren diese Ausein- 
andersetzungen den Mechanismus des Zurflckhaltens der Bakterien durch 
kleinste Poren (deren Durchmesser kleiner ist, als der Querdurchmesser 
der Bakterien) sowie durch Adsorption keineswegs. 

Fflr Teilchen, die in einem durch Poren flieBenden Strom mitge- 
nommen werden, gelten offenbar folgende Ueberlegungen: Die Strom- 
geschwindigkeit ist in der Porenachse am groBten, nimmt peripheriew&rts 
ab und ist in der unmittelbar der Wand anliegenden Flfissigkeitsschicht 
(bei idealer Benetzung) gleich Null. Infolgedessen werden sich lang- 
liche Teilchen in der Richtung der Flfissigkeitsschichten, d. i. longitudinal, 
einstellen. Denn, wenn ein Teilchen sich quer stellt und dabei z. B. 
mit dem einen Ende axialwfirts in eine Schicht groBerer Geschwindigkeit 
gerat, wird es umgedreht. 

AuBer der Gewalt der Strfimung wirkt auf das Teilchen die Ad- 
sorptionsaffinitat von der Wand aus und es wird in einer gewissen Nahe 
der Wand von einer gewissen geringen Stromgeschwindigkeit an abwarts 
an jener haften bleiben. Bei sehr groBen Stromgeschwindigkeiten werden 
nur die ganz peripher schwimmenden Teilchen adsorbiert werden konnen, 
wahrend bei sehr langsamer Strfimung die Adsorptionskrafte sich auch 
auf axial gelegene Teilchen mit Erfolg werden geltend machen. Es ist 
auch denkbar, daB von einer reichlich mit Teilchen besetzten Wand bei 
Zunahme der Stromgeschwindigkeit die oberflachlichen Teilchen wieder 
losgerissen werden. Das bedeutet, daB ein bei geringer DurchfluB¬ 
geschwindigkeit dichtes Filter bei grfiBerer Geschwindigkeit undicht 
wurde. Die Strfimungsgeschwindigkeit hat also EinfluB auf die Bak- 
teriendichte der Filter. 

Bei Bakterien mit Eigenbewegung sind die Verhaitnisse kompli- 
zierter. 


1) Journ. of Soc. chem. Indust. Vol. 27. 1908. p. 548. 


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312 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


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Mit abnehmender KorngroBe verbessern sich die Filtrationsbeding- 
ungen bezuglich Zuruckhaltens der Bakterien, einmal durch VergrdBerung 
der Oberflache (Begiinstigung der Adsorption), dann wegen der Zu- 
nahme der Zahl kleinster Bakterien unter alien Umst&nden zuriick- 
haltender, und solcher Poren, die Bakterien nur bei Querstellung zuruck- 
halten und schlieBlich wegen der Reduktion der Filtrationsgeschwindigkeit* 
die, wie schon gesagt, unter gewohnlichen nicht extremen Verhaitnissen 
diese Querlage der Bakterien begiinstigt. Die Verkleinerung der Poren 
und ihre Konsequenzen fur das Durchfiltrieren von Bakterien kommen 
natflrlich auch beim durch Rfitteln verdichteten Sandfilter bis zu einem 
gewissen Grade in Betracht. DaB aber die DurchfluBgeschwindig- 
keit an sich unter sonst gleichen Umstanden, d. i. bei gleicher Sand- 
menge und Schichthohe und ungefahr gleicher Dichte, einenEinfluU 
auf die Filtration ausiibt, zeigen die Tab. 3 und 4. 

Tabelle 3. 

VerschiedeneDurchfluBgeschwindigkeiten. 

5 gleiche Rohren — 230 g Sand — 97 cm Filterhohe — jedes Filter mit 60 ccm 
Wasser angefeuchtet. 

Zuflufl der Coli-Emulsion (50 ccm) wurde durch Schraubenhahn reguliert. 


Nummer des Filters 

4 

16 

11 

1 17 

1 _! 

2 

" , j 

Zuflufimenge pro Minute, Tropfen 

3 

15 

28 

45 

alles auf IX 

Durchfluflzeit bis oben 0, Minuten 

395 

70 

45 

25 

12 

Bakteriengehalt des Filtrates, Proz. 

50 

65 

65 

65 

70 


Tabelle 4. 

VerschiedeneDurchfluBgeschwindigkeiten. 

5 gleiche Rohren — 230 g Sand — 97 cm Filterhohe — jedes Filter mit 60 ccm 
Wasser angefeuchtet. Zuflufi der Coli-Emulsion (50 ccm) wurde durch Schrauben¬ 
hahn reguliert. 


Nummer des Filters 

11 

17 ! 

16 

12 

13 

Zuflufimenge pro Minute, Tropfen 

l 3 

14 

30 

44 

alles auf 1 X 

Durchflufizeit bis oben 0, Minuten 

1 250 

114 

45 

25 

16 

Bakteriengehalt des Filtrates, Proz. 

65 

75 

80 

90 

95 


Die Unterschiede im Filtrationseffekt sind nicht in beiden Versuchen 
gleich deutlich; es mag das mit der Dichte der verwendeten Emulsionen 
zusammenhSngen. 

Es kann noch eine andere Erklarungsmoglichkeit auBer der Beein- 
flussung der Stellung der Bakterien zu den Poren fur die Verschlech- 
terung des Filtrationseffektes bei grofier DurchfluBgeschwindigkeit in 
Betracht gezogen werden. Dunbar 1 ) hat namlich gefunden, daB aus 
einem vorher mit Wasser ges&ttigten Filter eine mit einem nicht ad- 
sorbierbaren Farbstoffe gefdrbte Flflssigkeit schon lange vor der Ver- 
drangung der in der Filtermasse liegenden Flussigkeitsmenge als Filtrat 
erscheint. Man muB also annehmen, daB die neu zugegossene Fliissig- 
keit nicht gleichmaBig die schon vorhandene vorwiirts treibt, sondern 
unter gewissen, noch nicht n&her bekannten Umstanden, an ihr vorbei- 

1) Leitfaden fur die Abwasserreiniguugsfrage. 2. Aufl. 1912. 


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Frei u. Erismann, Beitrage zur Theorie der Bakterienfiltration. 313 

and vorauseilt, Oder vielleicht besser nur an gewissen Stellen des Filters 
rascher vor sich her schiebt. Es ist also denkbar, dafi auch bei unseren 
Versachen bei erhbhter DurchfluBgeschwindigkeit sich gewissermafien 
weite KanSle im Sande bilden, durch die die Flussigkeit schneller hin- 
darchgehen kann, und in denen zufolge ihrer Weite die Bakterien weder 
in Langs- noch in Querstellung zurflckgehalten werden. — Demnach ist 
ein Sandfilter nicht ein stabiles, porSses Gebilde, sondern ein solches, 
in dem Verschiebungen des Korngerilstes moglich sind. 

Der EinfluB der KorngroBe auf die Bakteriendnrch- 
lassigkeit eines Filters ist schon lange bekannt. Er auBert sich 
unter anderem auch in der, nach vielen Autoren ausschlaggebenden Be- 
deutung der Filterhaut, die physikalisch aus sehr kleinen Partikeln auf- 
gebaut ist. Krnse 1 ) sagt, daB Filter aus grbberen Sandsorten anf&ng- 
lich, bis sie einmal eingearbeitet sind, schlechter funktionieren als solche 
ans feinerem Sande. 

Ein Versuch mit zum Teil gestampftem, zum Teil im Morser zer- 
riebenem Sande, d. h. also mit genau chemisch demselben Filtermaterial, 
ergab die Resultate in Tab. 5. 


Tabelle 5. 

Gleiche Filtrationsgesch windigkeit und verschiedene Beschaffenheit 
r des Sandes. 

240 g Band — 60 ccm Coli-Emulsion aufs trockene Filter. In Filter Nr. 6 
und 12 wurden die obersten 40 g Sand im M6rser zerrieben. Im Filter Nr. 4 und 5 
wurde der Sand nur geriittelt. Der Zuflufi von Emulsion in 4 und 5 wurde durch 
Schraubenhahn so geregelt, dafi ungefahr die gleiche Durchflufigeschwindigkeit wie in 
Filter 6 und 12, wo alle Emulsion auf einmal aufgegossen wurde, zustande kam. 


Nummer des Filters 

6 

4 

12 

5 

Filterhdhe, cm 

104 

104 

106 

106 

Durchflufizeit, Min. 

435 

440 

123 

118 

Durchgeflossen bis oben 0, ccm 

36 

29 

19 

41 

Bakteriengehait des Filtrates, Proz. 

0 

60 

10 

60 


Um die Wirkung der Verschiedenheiten der DurchfluBzeit auf den 
Filtrationseffekt auszuschlieBen, wurde die DurchfluBgeschwindigkeit der 
anf den gewohnlichen Sand aufgegossenen Emulsion derart gebremst, 
daB sie derjenigen beim Filter mit feinem Sande gleichkam. Auf diese 
Weise erhielt man den Nettoeffekt der Kornverkleinerung. Er ist in 
beiden Versuchen eklatant. Spatere Versuche werden den Anted der 
Porenverkleinerung und der VergroBerung der Sandkornoberfl&che (Ver- 
grSBerung der AdsorptionsflSche) beim feinen Sande dartun. 

Die folgenden Versuche sind gewidmet dem Studium der 

Adsorption bei der Filtration. 

1. EinfluB ron Eationen auf die Filtration durch Sand und Papier. 

Zur Entscheidung der Frage, ob bei der Sandfiltration auBer der 
rein mechanischen Porenwirkung noch andere Kr&fte beim Festhalten 
von Bakterien wirksara sind, kflnnten Versuche dienen, bei denen das 


1) ZeiUchr. f. Hyg. Bd. 59. 1908. 


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314 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt Originale. Bd. 88. Heft 4. 


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Filtrationsresultat ohne Aenderung der PorengroBe, der Viskosit&t, der 
DurchfluBgeschwindigkeit und des Volumens der Bakterien modifiziert 
wurde. Dieser Anforderung konnten Versuche mit Elektrolyten ent- 
sprechen. Insbesondere andern Neutralsalze die Porenweite gar nicht, 
beeinflussen die Viskositat des Wassers und die DurchfluBgeschwindig¬ 
keit ganz unwesentlich und ebenso vergrofiern die meisten das Volumen 
der Bakterien wahrscheinlich nicht 1 ), hingegen werden sie von Ober- 
fiachen etwas adsorbiert. Sie sind also imstande, die Oberfiachen- 
spannung der beiden dispersen Phasen (Sand bzw. Papier und Bakterien) 
und damit die AdsorptionsgroBe zu beeinflussen. Wenn es gelingt, die 
Durchiassigkeit eines Filters durch Elektrolyte zu modifizieren, so kann 
das nicht lediglich durch Aenderung der rein mechanischen Verhaitnisse, 
sondern zum Teil durch Wirkung auf die Adsorption erkiart werden. 
H- und OH-Ionen, d. h. Sauren und Alkalien, sind schon bedeutend 
weniger indifferent. Zufolge ihrer chemischen Reaktionsfahigkeit konnten 
sie insbesondere die Bakterien stark andern. Von besonderer Bedeu- 
tung fur die Filtration kann der quellende Effekt werden, den sie auf 
EiweiBkorper ausiiben. Man hat also bei Sauren und Alkalien sogar 
die Wahrscheinlichkeit der VolumenvergroBerung der Bakterien und 
damit eine gewisse Aenderung der mechanischen Verhaitnisse. DaB aber 
auBerdem doch noch andere Faktoren mitspielen, zeigen die Versuche 
der gleichzeitigen Alkalisierung des Filters und der Ansauetung der 
Bakterien. 

Die Versuche mit verschiedenen Elektrolyten wurden immer gleichzeitig als eine 
Serie durchgefiihrt, wobei die Filter mit Bezug auf Gewicht, Art und Schichthohe des 
Sandes und Art und Zahl der Papierfilterscheiben gleich waren. Nichtsdestoweniger 
wird nicht erwartet werden konnen, daS die Filtrationsresultate genau gleich wurden. 
Ein Vereuch wurde ausgefiihrt, um eine Vorstellung von der Variabilitat der Resultate 
von gleichen Filtern zu gewinnen. Tatsachlich konnen die Resultate ganz erheblich 
voneinander abweichen und sogar ganz aus der Reihe herausfallen. Die Ausschlage 
durch die Elektrolyte miiBten also groSer sein, als diese Abweichungen. Wenn sie 
das nicht sind, so kann nur die Wiederkehr gleicher Resultate, bzw. gleiche Reihen- 
folge von Ionen in einer groBeren Anzahl von Versuchsserien eine gewisse Zuverlassig- 
keit der Resultate garantieren. Wir haben uns infolgedessen der Aufstellung einer 
vollstandigen Ionenreihe enthalten und nur die gegenseitigen Verhaitnisse der Ionen- 
gruppen, oder das auffallende, immer wiederkehrende Verhalten gewisser Ionen zur 
SchluQfolgerung verwendet. 

Tecnnik. Alle Filtrationsversuche durch Sand wurden mit den friiher 
beschriebenen Rohren ausgefiihrt. Die fertigen Filter wurden vor Gebrauch „geriittelt“. 

Bei der Vorbehandlung des Sandes wurde eine bestimmte Menge Wasser (Kon- 
trollversuch) bzw. Elektrolytlosung (Konzentration in den Tabellen angegeben) auf ein- 
mal aufs Filter aufgegossen. Nach Durch flufi einer bestimmten, fur alle Rohren einer 
Versuchsserie gleichen Menge der sogenannten Vorbehandlungsfliissigkeit wurde Bak- 
terienemulsion aufgegossen und da, wo in den Tabellen nichts Besonderes angegeben ist, 
der Zuflufi mit einem Schraubenhahn reguliert, so daB wieder fiir eine Versuchsserie 
ungefahr die gleiche Durchflufizeit zustande kam. Die unten abflieOende Flussigkeit 
wurde erst von dem Moments an als „Filtrat“ betrachtet, wo das aufgegossene Quantum 
Vorbehandlungsfliissigkeit abgeflossen war. Nach Durchflufl gleicher Mengen Filtrat 
wurden Proben zur Kulturziihlmethode entnommen. Nur in wenigen Versucnen wurde 
die optische Untersuchungsmethode angewendet. 

Bei der Vorbehandlung der Emulsion wurde, mit Ausnahme des Kontrollversuches 
(in den Tabellen mit H a O bezeichnet), die Elektrolytlosung zur Coli - Emulsion ge- 
gossen, so daS sie dort dann in der angegebenen Konzentration vorhanden war. Die 
Emulsion lielien wir nun aufs trockene Filter wieder in der oben beschriebenen Art 
und Weise fliefien. 


1) Vgl. Einwirkung von Elektrolyten auf die Quellung von EiweiB: H und OH 
erhohen CNS, J, Br, NO,, Cl, erhohen in absteigender Reihenfolge, Azetat, S0 4 , Zitrat 
erniedrigen das Quellungsvermogen. 


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Frei u. Erismann, Beitrage zur Theorie der Bakterienfiltration. 315 


Bei den Filtrationsversuchen durch Papier wurden Trichter nnd 8 cheiben- 
filter verwendet. 

Die Vorbehandlung des Filters bestand in einem Durchpassierenlassen einer be- 
stimmten Menge H,0 (Kontrollel, resp. Elektrolytlosung. Darauf folgte die Coli- 
Emulsion. Auch hier wurde nur diejenige Menge von Fliissigkeit als „FiItrat u betrachtet, 
die nach dem Durchgange des ganzen Quantums von Vorbehandlungsfliissigkeit abflofi. 

Die Untersuchuug des Filtrates geschah iiberall durch die optische Methode. 

Bei Vorbehandlung der Emulsion wurde, mit Ausnahme aes Kontrollversuches 
(in den Tabellen mit „H a O“ bezeichnet), die Elektrolytlosung zur Coli-Emulsion ge- 

C n, so dafl sie dort in der angegebenen Konzentration vorhanden war. Die Emulsion 
1 wir nun aufs trockene Filter flieBen. 


Tabelle 6 . 

EinfluB von Kationen auf Filtration mit Papier. 

Vorbehandlung des Filtrierpapieres mit H a O, NaCl, KC1, MgCl,, CaCl a > 
LiCl, m/2—50 ccm. 10 Schei ben filter — 50 ccm Emulsion. 



H ~0 

Na 

K 

Mg 

Ca 

Li 

DurchfluBzeit bis oben 0, Min. 

7 

7 IO 

6 S° 

7 

630 

6 

Durchgeflossen bis oben 0, ccm 

49 

49 

49 

50 

49 

49 

Bakteriengehalt dea Filtrates, Proz. 

60 

65 

60 

50 

57 

50 


Li, Mg>Ca>K, H,0 > Na. 


Tabelle 7. 

EinfluB von Kationen auf Filtration mit Papier. 

Vorbehandlung des Filtrierpapieres mit FT a O, NaCl, KC1, MgCl,, CaCl,, 
LiCl, m/60—50 ccm. 10 Scheibenfilter — 50 ccm Emulsion. 



H,0 


K 

Mg 

Ca 

Li 

DurchfluBzeit bis oben 0, Min. 

8 

9 

9 

9 

9 

9 

Durchgeflossen bis oben 0, ccm 

50 

50 

50 

49 

50 

50 

Bakteriengehalt des Filtrates, Proz. 

55 

57 

50 

45 

40 

55 


Li> Mg>K>Ca, H,O^Na. 


Tabelle 8 . 

EinfluB von Kationen auf Filtration mit Papier. 

Vorbehandlung der Coli-Emulsion mit H a O, NaCl, KC1, MgCl,, CaCl,, 
LiCl, m/50. 10 Scheibenfilter — 50 ccm Emulsion. 



H s O 

Na 

K 

Mg 

Ca 

Li 

DurchfluBzeit bis oben 0, Min. 

5 

53 ° 

gso 

6 *° 

6 

o’* 

Durchgeflossen bis oben 0, ccm 

29 

30 

30 

30 

29 

30 

Bakteriengehalt des Filtrates, Proz. 

43 

40 

35 

35 

30 

35 


Ca > Mg, Li K>Na>H,0. 



H,G 

Na 

K 

Mg 

Ca 

Li 

DurchfluBzeit bis oben 0, Min. 

6 S0 

6 SO 

7 

c «0 

7 

6 “ 

Durchgeflossen bis oben 0, ccm 

30 

30 

30 

30 

29 

30 

Bakteriengehalt des Filtrates, Proz. 

35 

28 

25 

25 

23 

20 


Li>Ca>Mg, K>Na>H a O. 


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316 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 4. 


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1) Anfeuchtung des Sandes mit Kationen. 

Es ist nicht gelungen, einwandfrei zu zeigen, ob Neutralsalzreihen 
mit Kationen die Filtration der Bakterien begunstigen Oder hemraen, 
indem die Stellung des mit reinem Wasser angefeuchteten Filters in 
der Ionenreihe nicht konstant ist. Hingegen lassen sich gewisse Ge- 
setzm&Bigkeiten doch herausschdlen. Eine genaue Durchsicht der Reihen 
in den Tabellen unter Beriicksichtigung der im Filter an sich liegenden 
UnregelmaBigkeiten zeigt z. B., daB das Mg-Ion in alien Versuchen am 
Anfang der Reihe steht, Oder wenigstens in der ersten HSlfte derselben, 
insbesondere aber sicher vor Li, d. h. das Mg-Ion hemmt den Durch- 
gang der Bakterien durch Filter unter alien Umstanden starker als das 
Li-Ion. Das Ca-Ion scheint eine ahnliche Stellung einzunehmen wie das 
Mg. Mit einer Ausnahme hat es seine Stellung ebenfalls immer vor Li. 

In der Gesamtheit hat man den Eindruck, daB die 2-wertigen Kat¬ 
ionen Mg und Ca den Durchgang der Bakterien durch Sand starker 
hemmen als die 1-wertigen K, Li, Na. Am starksten hemmt Mg, am 
wenigsten Li, so daB der Unterschied zwischen diesen beiden am deut- 
lichsten in Erscheinung tritt. So kSnnen wir die Reihe aufstellen 
Mg>Ca>Na, K>Li. 

2) Anfeuchtung des Papieres. 

Die Begflnstigung der Abfiltration der Bakterien durch Kationen 
ist hier eindeutig, nur die Stellung des Na in dieser Beziehung ist in 
2 Versuchen unsicher. Alle Neutralsalze aber begiinstigen das Zurfick- 
halten der Bakterien im Filtrierpapier. Die Reihenfolge scheint anders 
zu sein als beim Sande. Von den 1-wertigen Kationen steht Li immer 
am Anfang, zum Teil neben, zum Teil sogar vor Mg. 

3) Vorbehandlung der Bakterien mit Neutralsalz- 
lbsungen. 

Bei dem einzigen Versuche mit Sand, Tab. 28, konnten wir h5ch- 
stens konstatieren, daB die Stellung des Mg zu Li dieselbe ist wie bei 
den friiheren Sandversuchen. 

Eine gute Uebereinstimmung zeigen die Papierversuche auf Tab. 25. 
Genau wie bei der Vorbehandlung des Filtrierpapieres mit Neutralsalzen, 
wird auch hier das Zuriickhalten der Mikroorganismen durch alle Kat¬ 
ionen, und zwar von den 1-wertigen durch Na am wenigsten, durch Li 
am starksten begiinstigt. Abgesehen von Li, Qbertreffen dann die beiden 
2-wertigen Mg und Ca die 1-wertigen an Herabsetzung der Bakterien- 
durchlassigkeit des Filters. 

Das Gesamtresultat der Neutralsalzversuche w&re also: Die 
Durchlassigkeit der Sand- und Papierfilter wird durch 2-wertige Kat¬ 
ionen starker herabgesetzt als durch 1 - wertige. Bei den Sandfiltern 
steht Mg in dieser Beziehung an 1., Ca an 2. Stelle. Von den 1-wertigen 
Kationen hat Li bei den Sandfiltern die geringste Wirkung, bei den 
Papierfiltern aber die stkrkste, so daB es zum Teil die 2-wertigen Kat¬ 
ionen ubertrifft. Diese Sonderstellung des Li erkl&rt sich aus seinem be- 
sonderen chemischen Verhalten gegeniiber der Zellulose. Die Zellulose wird 
gequollen in der Reihenfolge LiCl>CaBr J >SaCl>KJ>BaCl 2 >NaCl 1 )- 
Von einer Begiinstigung des Filtrationseffektes im Sinne einer besseren 


1) v. Weimaru, P., Kolloidzeitschr. Bd. 29. 1921. 8. 198. 



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Frei u. Erismann, Beitrage zur Theorie der Bakterienfiltration. 317 

Zurfickhaltung der Bakterien durch Elektrolyte kann nur bei Papier- 
filtern gesprochen werden. 

Zur Erklarung dieser Phfinomene diene folgendes: Wenn die 2- 
wertigen Kationen sich von den 1-wertigen in der Wirkung unterscheiden, 
so iiegt es nahe, an die elektrische Ladung als Ursache zu denken. Wenn 
dann weiterhin innerhalb der Reihen die 2-wertigen bzw. die 1-wertigen 
Kationen Unterschiede in der Wirkung zeigen, so werden diese auf 
spezielle Ioneneigenschaften zurflckgeffihrt werden mfissen. — Die Ab- 
filtration von Bakterien kann nach unseren Auseinandersetzungen be- 
wirkt werden entweder rein mechanisch durch ungeniigende Porenweite, 
Oder durch Adsorption. Wenn nun die Ionen die Filtration beeinflussen, 
so muB diese Wirkung auf einen dieser Faktoren sich geltend machen. 
Man wird aber nicht wohl annehmen kfinnen, daB die 2-wertigen Kat¬ 
ionen im Sande eine starkere Porenverkleinerung herbeifflhren kfinnen, 
als die 1-wertigen. Sorait bleibt nur die Annahme der Beeinflussung 
der Adsorption. 

Nun ist die Hydratationsreihe der Kationen Mg>Ca>Ba; Li>Na 
>K>NH 4 und der Anionen: S0 4 >Cl>Br>N0 8 1 ). Dieses ffihrt uns 
nun zu einer Erklfirungsmoglichkeit: Nach Klinger 2 ) sollen Kolloid- 
teilchen und Bakterien urn so weniger adsorbiert werden, je mehr sie 
mit Wasserhfillen umgeben sind, indem sie z. B. an ihrer Oberfl&che 
Losung8vermittler tragen, welche Wasser an sich ziehen und so die 
Teilchen gewissermaBen dem Wasser eingliedem. Je dtinner nun der 
Wassermantel ist, desto leichter adsorbierbar sollen die Teilchen 
sein. Nun wissen wir, daB die Elektrolyte im allgemeinen wenig ad¬ 
sorbiert werden, wenn wir also in das Medium „Wasser“, in dem sich 
Bakterien bzw. Filterteilchen befinden, Elektrolyte bringen, so bean- 
spruchen diese ffir ihre Hydratation eine bestimmte Menge von Wasser- 
molekiilen; es mfissen also die OberflSchen des Filters bzw. der Bak¬ 
terien Wasser abgeben, was nach Klinger die gegenseitige Adsorption 
erleichtern wfirde. Nach der Hydratationsreihe beanspruchen nun aber 
speziell Mg und Li am meisten Wasser; somit wfirde die Verarmung 
der Oberflfichen an Wasser die Adsorption begfinstigen. Das Zurflck- 
haften durch Adsorption ist also starker als die Begfinstigung des rein 
mechanischen Bakteriendurchtrittes durch Entquellung und Verkleinerung 
durch die Elektrolyte. 

Bei den Papierfiltern kfinnte allerdings die durch die ungleiche 
Verquellung der Zellulose und die damit verbundene Porenverengerung 
als weiterer Faktor der besseren Filtrationswirkung mit Kationen in 
Frage kommen. 

SpStere spezielle Adsorptionsversuche werden weitere Beweise ffir 
die Beeinflussung des Adsorptionsvorganges durch Neutralsalze erbringen. 

2. EinfluB von Anionen anf die Filtration durch Sand und Papier. 

Es ist nicht gelungen, eindeutig festzustellen, ob die Elektrolyte, 
d. h. in unserem Falle die Anionenreihe, die Filtration gegenfiber reinem 
Wasser begfinstigend Oder hemmend beeinflusse. Jlingegen wird sich 
trotzdem und trotz individueller Verschiedenheiten der Filter aus einer 
gewissen RegelmfiBigkeit in der Anionenreihe auf eine Beeinflussung 


1) Trail be, J., Journ. of phys. Chem. Vol. 14. 1920. p. 452. 

2) Munchen. med. Wochenschr. 1920. S. 52. 


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318 


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Tabelle 9. 

EinfluB von Anionen auf Filtration durch Sand. 
Vorbehandlung des Sandes mit H.O, NaJ, Na,S0 4 , NaNO„ NaCNS, 
NaC,H 3 Oj, m/10 50ccm. 200 g Sand — 97 cm Filterhohe — 50ccm Co l i - Emulsion. 



H,0 

J 

S0 4 

NO„ 

CNS 

CjH,O t 

DurchfluBzeit bis oben 0, Min. 

68 

68 

75 

67 

64 

65 

Durchgeflossen bis oben 0, ccm 

25 

24 

20 

23 

24 

24 

Bakteriengehalt des Filtrates 1: 

10 Mill. 

1850 

1664 

1728 

2048 

3016 

3040 


Bakteriengehalt der Stammemulsion 1:10 Mill. 2299. 


J > S0 4 > H,0 > NO, > CNS > C.H.O,. 

der Filtration (der Adsorption irn speziellen) schlieBen lassen. Eine in 
alien Versuchen iibereinstimmende Reihenfolge der Anionen wird in 
unseren bakteriologischen Versuchen um so schwerer zu erreichen sein, 
als ilberhaupt die Reihenfolge der Adsorption der Anionen sogar in 
einem rein physikalisch-chemischen Versuche schwer festzustellen ist 
und wir es in unseren Versuchen noch mit einer weiteren Ungleich- 
mSBigkeit der Filterindividuen und folglich auch der Bakterienzahl im 
Filtrat zu tun haben. 

Immerhin ldfit sich in 4 yon 6 Versuchen feststellen, daB das Sulfat¬ 
ion vor Rhodanid, Nitrat und Azetat steht. Die Stellung von Rhodanid, 
Azetat und Nitrat unter sich ist ziemlich unsicher. In 4 von 6 Ver¬ 
suchen steht das Rhodanid vor dem Azetat und das Nitrat steht 5raal 
vor dem Azetat. Wegen der Eigendesinfektiouswirkung kann das J-Ion 
nicht gut in die Reihe eingesetzt werden. 

In unserem Zusammenhange soil das bedeuten, daB das Sulfat-Ion 
die Zuruckhaltung der Bakterien gunstiger beeinfluBt, als die anderen 
Anionen. 

Auch hier konnen wir die Wirkung der Ionen auf die Ergebnisse 
der Filtration wohl nicht anders erklaren als durch eine Beeinflussung 
der Adsorption. In einem besonderen Abschnitte dieser Abhandlung 
wird der EinfluB der Anionen auf die Adsorption dargetan. Dieser 
ProzeB wird beeinfluBbar sein durch alle ebenfalls in einer Grenzfl&che 
Konzentrationsverschiebungen erfahrenden Zus&tze. Bei den Anionen ist 
die Reihenfolge der Adsorbierbarkeit: S0 4 <Cl<Br<NO s <J<CNS 1 ). 
Das Sulfat-Ion ist also das am wenigsten absorbierbare Anion. Es 
wird also bereits Adsorbiertes oder Konkurrenzadsorbenda am wenigsten 
aus Oberflachen verdrangen. Am anderen Ende der Reihe stehen die 
Ionen NO s , CNS, C 2 H 3 0 2 als diejenigen, welche den Filtrationseffekt 
bedeutend ungflnstiger beeinflussen als S0 4 und den Durchgang der 
Bakterien erleichtern. Sie miissen infolgedessen, was auch uusere Ver¬ 
suche zum Teil beweisen, die Bakterienadsorption verschlechtern, da sie 
selber adsorbiert w'erden. Vom Rhodanid speziell ist von Freuudlich 
und Seal*) gezeigt worden, daB es Loslichkeitserhohend und die Ober- 
flhchenspannung weniger erhohend als andere Salze wirkt und infolge¬ 
dessen gut adsorbiert werden muB. AuBerdem wirkt es am wenigsten 
entquellend bzw. quellend auf EiweiB, verkleinert also die Bakterien 
wohl am wenigsten. 

1) Vgl. Rona, P., u. Michaelis, L., Biochem. Zeitschr. Bd. 94. 1919. S. 2t0. 

2) Kolloidzeitschr. Bd. 11. 1912. S. 257. 



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319 


Eine weitere. Wirkung der Anionen (und der Kationen) auf die 
Durchl&ssigkeit des Filters fflr Bakterien w&re die Quellungsbeeinflussung 
der Bakterien. In der Wirkung auf den Quellungszustand hydrophiler 
Kolloide steht das Sulfat-Ion an erster Stelle. Es wirkt am st&rksten 
entquellend zufolge groBer Affinitat zum Wasser. Die anderen Anionen 
wirken bedeutend weniger, oder wie speziell das Rhodanid, direkt sol- 
bildend (Hofmeister, Pauli, v. Schroder, vgl. Freundlich, 
Kapillarchemie, 1909). Es ist also anzunehmen, daB das Sulfat-Ion 
auch auf Bakterien entquellend wirkt, bzw. noch starker als z. B. Rho¬ 
danid, das direkt quellungsbegiinstigend wirkt (spezielle Versuche dar- 
uber stehen noch aus) und trotzdem die Abfiltration am wenigsten ver- 
bessert. 

Nun aber ist zu bedenken, daB bei der kurzen Filtrationsdauer 
(maximal 1 Std.) und der geringen Konzentration der angewendeten 
Salze jedenfalls keine Entquellung eintreten kann, wohl aber diirfte 
auch hier die Ansicht Klingers, die wir schon bei den Kationen- 
versuchen ge&uBert haben, etwelche Berechtigung haben. Das Sulfat-Ion 
ist ja dasjenige, das am meisten Wasser beansprucht. Es steht in der 
Hydratationsreihe der Anionen an erster Stelle, wie bei den Kationen 
das Magnesium, von dem wir sagten, daB es durch Entzug von mehr 
Wasser aus den Oberflachen als alle anderen auf die Adsorption am 
giinstigsten wirke. Nach dieser Ansicht begiinstigt das Sulfat-Ion die 
Zurflckhaltung der Bakterien, denn es hemmt ihre Adsorption am wenig¬ 
sten, weil es selber, wie schon oben gesagt, am wenigsten adsorbabel 
ist. am wenigsten sich in der Oberfl&che anreichert, also am meisten 
Affinitat zu Wasser hat, infolgedessen auch den Oberflachen am meisten 
Wasser entzieht. 

Eine Viskosit&ts&nderung des Wassers durch die Elektrolyte kommt 
kaum in Betracht, da deren Einwirkung viel zu gering ist, als daB da- 
durch Abweichungen in den DurchfluBzeiten und somit in den Filtrations- 
resultaten zustande kiimen. 

3. EinttuB von H- und OH-Ionon auf die Filtration dnrch Sand 

und Papier. 

Wie mit Kationen und Anionen, so wurden nun auch noch Versuche 
uiit Saure und Alkali ausgefiihrt (HC1 und NaOH). 

Tabelle 10. 

Einflufi von H- und OH-Ioncn auf Sandfilter. 

Vorbehandlung des Filters mit OH„ HC1, NaOH 0,1260 ccm. 200 g 
Sand. 100 ccm Filterhohe, 50 ccm Coli-Emulsion. 



H,0 

H- 

OH- 

Durchflufizeit bis oben 0, Min. 

114 

110 

104 

Durchgeflossen bis oben 0, ccm 

20 

19 

19 

Bakteriengehalt des Filtrates, Proz. 

75 

65 

70 


1) Von 4 Versuchen mit Anfeuchtung des Filters mit den 
genannten Elektrolyten war 3mal die Filtration durch H-Ionen mehr 
begiinstigt als durch OH-Ionen. In alien 4 Fallen hatte die ZufQgung 


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der Ionen flberhaupt eine VerbesseruDg der Filtration gegeniiber Neu¬ 
tral bewirkt x )- 


Tabelle 11. 

Einflufi von H- und OH-Ionen auf Sandfilter. 

Vorbehandlung desFilters mit H ? O, HC1 (m/180), NaOH, m/60, 60 ccm. 
220 g Band, 97 cm Filterhohe, 50 ccm Bakterienemulsion. 



H,0 

H- 

OH- 

Durchflufizeit bis oben 0, Min. 

76 

67 

79 

Durchgeflossen bis oben 0, ccm 

40 

41 

42 

Bakteriengehalt des Filtrates 1:10 Mill. 
Bakteriengehalt der Stammemulsion 1:10 Mill. 

666 

2024. 

510 

595 


Tabelle 12. 


Einflufi von H- und OH-lonen auf Filtration durch Papier. 

Vorbehandlung des Papi eres mit H,0, HC1 (m/120), NaOH (m/60) 50ccm. 
10 Scheibenfilter, 50 ccm Co li-Emulsion. 



H,0 


OH- | 

H,0 

H- 

OH- 

Durchflufizeit bis oben 0, Min. 

10 

7 

7“ 

8 

10 

8 

Durchgeflossen bis oben 0, ccm 

50 

50 

50 [ 

50 

50 

50 

Bakteriengehalt des Filtrates, Proz. 

50 

45 

45 

25 

18 

23 


Tabelle 13. 

Einflufi von H- und OH-Ionen auf Sandfilter. 

Vorbehandlung der Coli-Emulsion mit EL,0, HOI (m/30), NaOH (m/10). 
200 g Sand, 97 cm Filterhohe, 50 ccm Fliissigkeit. 

Bakteriengehalt der Stammemulsion 1:10 Mill. 55._ 



H,0 

“■ 1 

OH- 

Durchflufizeit bis oben 0, Min. 

70 

65 

62 

Durchgeflossen bis oben 0, ccm 

43 

40 

35 

Bakteriengehalt des Filtrates 1:10 Mill. 

40 

25 

7 


Tabelle 14. 

Einflufi von H- und OH-lonen auf Filtration mit Papier. 


Vorbehandlung der Coli-Emulsion mit H,0, HC1 (m/180), NaOH, m/50. 
10 Scheibenfilter, 30 ccm Emulsion. 



H,0 

H- 

OH- 

H a O 

H- 

OH- 

Durchflufizeit bis oben 0, Min. 

5 

6 

6 *° 

6 s0 

7 1 

7 

Durchgeflossen bis oben 0, ccm 

29 

30 

29 

30 

30 

30 

Bakteriengehalt des Filtrates, Proz. 

43 

20 

30 | 

35 

5 

15 


2) Von 6 Versuchen nach Anfeuchtung des Papierfilters 
mit H- bzw. OH-Ionen war die Filtration 3mal bei H- und 2mal bei 
OH-Ionen besser und nur lmal zeigte sich flberhaupt keine Beein- 
flussung. Es laBt sich bei den Papierversuchen nur konstatieren (Aus- 

1) Vgl. auch die Befunde von Weidmann (Bakterienadsorption an Pulver). Dies. 
Zurich, 1919. 


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nahme 1 Versuch), daB die Vorbehandlung des Filters mit H- und OH- 
Ionen das Zurfickhalten der Bakterien begflnstigt. 

3) Einen prinzipiell analogen EfFekt bedingte die Vorbehand¬ 
lung der Bakterien mit OH- und H-Ionen, ob man Papier Oder 
Sand als Filter verwendet. Hingegen scheint ein Unterschied zwischen 
Sand und Papier insofern zu bestehen, als die Vorbehandlung der Bak¬ 
terien bei der Sandfiltration das OH-Ion, bei der Filtration durch Pa¬ 
pier dagegen das H-Ion an erste Stelle der Begilnstigung treten laBt. 

Zusammenfassend lkBt sich sagen, daB die Anwesenheit von H- und 
OH-Ionen gleichviel, ob sie zuerst mit Bakterien oder mit dem Filter 
in Berfihrung kommen, den Durchgang von Mikroorganismen durch die 
Filtermasse erschwert. 

Zur Erklarung dieser Befunde kfinnte erstens einmal angenommen 
werden, daB durch Skuren resp. Alkalien die Zellulosefasern des Fil- 
trierpapieres quellen. Dadurch wfirde nicht nur eine Porenverkleinerung 
im Papier, sondern auch eine VergroBerung der absoluten Oberflache 
des Papieres und somit eine grfiBere Adsorptionsflkche entstehen. Bei 
welcher Konzentration Skure bzw. Alkali auf Zellulose quellend wirkt, 
konnten wir in der Literatur nirgends ermitteln. Bei Sandfiltern kkme 
dieser Punkt natfirlich nicht in Betracht 

Ein weiterer Grund des besseren Zurflckhaltens von Bakterien in 
diesen Versuchen ware die Quellung der Bakterien durch Skuren und 
Alkalien und dadurch eine VolumenvergroBerung dieser Mikroorganismen. 
Auch fiber diese Vorgange vermag die Literatur nur spkrliche Mittei- 
lungen zu machen. 

Ein Versuch (Tab. 15) erlaubt uns, diese beiden Momente nicht als 
Hauptursache der besseren Abfiltration von Bakterien bei Anwesenheit 
von H- und OH-Ionen anzunehmen. Wir sehen hier, daB der Filtrations- 
effekt bei gleichzeitiger Behandlung der Bakterien mit Skure und des 
Filtrierpapieres mit Alkali besser ist als in einem H- bzw. OH-Versuche. 
Es muB doch in vorliegendem Falle beim Zusammentreffen von Skure 
und Alkali die Quellung der Zellulose wie der Bakterien geringer sein. 

Tabelle 15. 

Einflufi von H- und OH-Ionen auf Papierfilter. 

Vorbehandlung des Filtrierpapieres mit H,0 (Kontrolle), NaOH m/50, 

Vorbehandlung der Ooli-Emulsion mit HC1 m/150. 10 Scheibenfilter. 

50 ccm Emulsion. 



H- 

OH- 

OH- + H- 

H,0 

Durchflufizeit bis oben 0, Min. 

8 

« ! 

6 

6 »o 

Durchgeflossen bis oben 0, ccm 

50 

50 

50 

49 

Bakteriengehalt des Filtrates, Proz. 

18 

23 | 

5 

25 


Wie schon bei den Neutralsalzversuchen, konnten auch hier H- und 
OH-Ionen einen EinfluB auf die elektrische Ladung sowohl der Bak¬ 
terien als auch der Filterteilchen ausfiben. 

Noch zu erwahnen ist hier ein Filtrationsversuch von Klinger 1 ) 
mit Anskuerung des Filters, in dem er zum gleichen Resultate kam, wie 
wir. Er bringt die Erklkrung zu dieser Erscheinung mit seiner schon 
an anderer Stelle dieser Arbeit erwkhnten Theorie in Zusammenhang. 


1 ) 1 . c. 

KnU Abt. Orig. Bd. 88. Heft 4. 21 


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322 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abfc. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


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4. Die Adsorption durch Sand und Papier. 

Von der Mitwirkung der Adsorption bei der Filtration ist schon 
mehrmals die Rede gewesen. DaB Adsorption bei Sand- und Papier- 
filtern mitwirken wird, ist mehr als wahrscheinlich, wenn man sich der 
Adsorption durch die verschiedenen Pulver (Kohle, Bolus, Kaolin, Ba- 
Sulfat etc.) 1 ) erinnert und bedenkt, daB auch die Filter Systeme mit 
groBer Oberflflche sind. Ueber die Faktoren, die fflr die Adsorption 
bestimmend sind, ist schon in der Einleitung dieser Arbeit einiges ge- 
sagt worden. Nach dem dort Angefiihrten konnen wir von einer me- 
chanischen, einer elektrischen Oder elektrochemischen und einer che- 
mischen Adsorption reden. Natflrlich ware es sehr schwierig, Oder sogar 
fast unmoglich, bei einem speziellen Adsorptionsvorgange von einem 
dieser 4 Momente allein zu reden, da jedenfalls in den meisten Fallen 
gewisse Kombinationen bestehen. 

Offenbar ist es fiir die Adsorption im Prinzip dasselbe, ob man 
Bakterienemulsion durch stillstehenden Sand schickt, oder in Kolben 
den Sand gegen die Emulsion bewegt. Allerdings besteht ein Unter- 
schied darin, daB die Distanzen der einzelnen Sandkorner bei der Fil¬ 
tration kleiner sind und konstanter (sie diirften wahrend der ganzen 
Versuchsdauer annahernd konstant bleiben). 

Technik. Fiir die Adsorptions versuche mit Sand verwendeten wir ca. 
25 cm hohe und 17 mm weite Glasrohren mit PatentverechluB. Dahinein kam zueret 
die bestimmte Menge Adsorbens, dann erst die eventuell mit einem Elektrolyten ver- 
sehene C o I i - Emulsion (seine Konzentration in dieser ist aus den Tabellen ersichtlich). 
Alle Rohren einer Versuchsserie (+ Stammemulsion) wurden nun zusammen mit der 
einen Hand oben, mit der anderen unten gefafit und durch Hin- und Herbewegung 
um ihre Querachsen ihr Inhalt „geschuttelt“. Nach dieser Bewegung 8 tell ten wir die 
Rohrchen wahrend 2 Std. senkrecht, um eine Sedimentation der Sandpartikel zu er- 
zielen. Diese erfolgte meistens in alien Rohren gleich rasch (Ausnahmen sind in den 
Tabellen angegeben). Jetzt wurde durch 5 mm tiefes Eintauchen einer Pipette in die 
iiberstehende Fliissigkeit 1 ccm dieser entnommen und fiir die Kultureahlmethode ver- 
wendet. 

In den Versuchen war die mittlere DurchfluBzeit gleich der Schflttel- 
zeit. Es ergab sich in alien 3 Fallen eine betrachtliche Keimverarmung. 
die beim Filtrationsversuch in 2 Fallen groBer war, wahrend sie in einem 
Falle beim Schflttelversuch mit feinem Sand groBer war. Es mag das 
darin liegen, daB fflr diesen Fall die Schflttelzeit fflr den Adsorptions- 
versuch gtinstiger war, als die DurchfluBzeit fflr das Filter, weil in diesem 
Falle der Sand nicht, wie in den beiden anderen, geruttelt wurde, son- 
dern bloB eingegossen. 


Tabelle 16. 

Adsorptionswirkung bei der Filtration. 


Verdiinnung 

1:10 Mill. 


I. 25 g feiner Sand als Filter in Glasrohre -f 30 ccm Coli-Emul¬ 
sion aufgegossen. DurchfluBzeit 15 Min. Bakteriengehalt des 
Filtrates 

II. 25 g feiner Sand + 30 ccm Emulsion 15 Min. geschuttelt. Bak¬ 
teriengehalt der iiberstehenden Fliissigkeit 

III. 25 g gewohnlicher Sand + 30 ccm Emulsion, 15 Min. geschiittelt. 
Bakteriengehalt der iiberetehenden Fliissigkeit 

IV. Stammemulsion 


1) Vgl. eine der letzten vielen Arbeiten auf diesem Gebiete: Weidmann, Di gs - 
Zurich, 1919. 


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URBANA-CHAMPAIGN 



43 

106 

130 

184 


51 

102 

125 

198 




Frei u. Erismann, Beitrage zur Theorie der Bakterienfiltration. 


323 


Tabelle 17. 


Adsorptionswirkung bei der Filtration durcb Sand. 



Verdiinnung 

1:1000 

I, 25 g feiner Sand als Filter in Glasrohre + 30 ecm Coli-Emul¬ 
sion aufgegossen. Durchflufizeit 14 Min. Bakteriengehalt des 
Filtrates 

2611 

2590 

II. 25 g feiner Sand -f 30 ccm Coli-Emulsion 14 Min. geschiittelt. 

Bakteriengehalt der iiberstehenden Fliissigkeit 

III. 25 g gewbhnlicher Sand + 30 ccm Emulsion 14 Min. geschiittelt. 
Bakteriengehalt der iiberstehenden Fliissigkeit 

883 

895 

2464 

2450 

IV. 25 g feiner Sand + 30 ccm Coli-Emulsion lmal umgeschiittelt 
dann 2 Std. stehen lassen. Bakteriengehalt der iiberstehenden 
Fliissigkeit 

4672 

4590 

V. Stammcmulsion 

6592 

6540 


Aus diesen Versuchen konnen wir den SchluB ziehen, daB der 
Sand Bakterien adsorbiert. Diese Auffassung wird bestatigt 
durch die gleichzeitige Variation der KorngroBe (Adsorptionsoberflache). 
Der „gewohnliche u Sand entreiBt der Bakterienemulsion einen betracht- 
lichen Anteil von Mikroorganismen, doch wirkt die gleiche Gewichts- 
menge des „feinen u Sandes auffallend gunstiger auf die Keimverarmung 
der Emulsion. 

Da die Adsorption in erster Linie ein reiner OberflachenprozeB ist 
und die Menge des Adsorptes mit der GroBe der Oberfiache zunehmen 
muB, kann die gesteigerte Entkeimung bei den Versuchen mit feinem 
Sande nicht iiberraschen. Bechhold 1 ) und Eisenberg 2 ) haben 
schon quantitative Adsorptionsversuche vorgenommen. Ersterer hat 
gefunden, daB bis zu einer gewissen KorngroBe von einigen Mikromilli- 
metern hinunter die Adsorption quantitativ mit der Kleinheit der Korner 
steigt. Nahert sich die Dimension des Pulvers derjenigen der Bakterien, 
so treten andere Einfliisse in den Vordergrund. Eisenberg sagt, daB 
die KorngroBe gegenuber der chemischen Natur des Adsorbens weit 
wichtiger sei. 

Filtrationsvorgange konnen bei den Adsorptionsversuchen nicht 
interferieren, da die Zwischenraume zwischen den SandkSrnern variieren 
und fhr die Bakterien jederzeit Gelegenheit besteht, beim Auseinander- 
treten der Sandkorner aus den Zwischenraumen zu entweichen. Eher 
k5nnte man von Filtration reden bei den Versuchen auf Tab. 20, 21 
und 22 mit zerkleinertem Filtrierpapier. Bei diesen Versuchen zeigte 
sich das Ueberraschende, daB viel groBere Keimverarmung eintritt, wenn 
das Gemisch geschOttelt wird. Die plausibelste Erkiarung fflr dieses 
Phanomen ist wohl diese: durch das Schutteln haben die Bakterien 
haufiger Gelegenheit, an die Papiermasse heranzutreten. Die an der 
Oberfiache der Adsorbensfasern liegenden FlQssigkeitsschichten werden 
zuerst verarmen und es dauert gewisse Zeit, bis von groBeren Distanzen 
weitere Bakterien durch die Brownsche Bewegung angetrieben werden. 
Wird hingegen das System bewegt, so kommen in rascher Folge unver- 
armte FlQssigkeitsmassen in die Nahe der Adsorbensoberflache, so daB 
immer far Erneuerung in den Oberflachenschichten gesorgt ist. Es ist 
das genau dasselbe, nur in umgekehrter Richtung, wie die Begttnstigung 

1) Kolloidzeitschr. Bd. 23. 1918. S. 35. 

2 ) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 81. 1918. S. 72. 

21 * 


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324 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4. 


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der Auflosung einer festen Substanz durch Mischen im Wasser. N. Sahl- 
bom 1 ) hat Shnliche Versuche mit Geraischen von Sand bzw. Filtrier- 
papier mit Kolloiden angestellt und gefunden, daB das Kolloid beim 
Schutteln griindlicher ausgefSllt wurde, als wenn das System ruhig stand. 
Sie ftihrt das bessere Ausfailen beim Schfltteln auf Filtration durch die 
Kapillarraume der Filtermasse zurfick. 

Ein Spezialversuch Tab. 19, bei dera mit 3 Rohren unter genau 
gleichen Umstanden mit Sand ein Adsorptionsversuch gemacht wurde, 
zeigt in seinen Resultaten Verschiedenheiten von 15—20 Proz. 


Tabelle 18. 

Vergleichsversuch in Adsorption durch Sand. 

3 Rohren mit je 25 g feinem Sand, 30 ccm Emulsion 15 Min. geschiittelt. 



Verdunnung 
1:10 Mill. 

1. Probe 

450 

II. „ 

524 

III. „ 

442 


Eine Anzahl von Adsorptionsversuchen Tab. 20—22 diente der 
Einwirkung des Schfittelns auf den Grad der Adsorption. 

Technik. Fur die Adsorptionsversuche durch Papier verwendeten 
wir die gleichen Rdhren wie bei Sand. Dahinein kam eine abgewogene Menge von aus 
Filtrierpapier Nr. 597 (Schleicher & Schiill) praparierter Papierschnitzel. Das Ganze 
wurde nun auf gleiche Art und Weise geschiittelt wie die Adsorptionsversuche mit Sand. 
Nachher schickten wir den fliissigen Inhalt der Rohren (auch die Stammemulsion) 
durch ein Papierfilter, um so eine von Papierpartikeln freie Fliissigkeit zu erhalten, die 
dann optisch auf Bakteriendichte untersucht wurde. 


Tabelle 19. 

EinfluB des Schuttelns auf die Adsorption durch Papier. 


Bakteriengehalt 

A. I. 2 g Papierschnitzel, 50 ccm C o 1 i - Emulsion 15 Min. stehen 
lassen 

II. 2 g Papierschnitzel, 15 ccm Emulsion 15 Min. geschiittelt 

95 Proz. 

40 „ 


Papier zuerst bis zur Sattigung mit Wasser angefeuchtet. 

B. I. 2 g Papierschnitzel, 60 ccm Coli-Emulsion 3 Std. stehen 

lassen 

II. 2 g Papierschnitzel, 50 ccm Emulsion 10 Min. geschiittelt, dann 
3 Std. stehen lassen 

C. I. 2 g Papierschnitzel, 50 ccm Coli-Emulsion 3 Std. stehen 

lassen 

II. 2 g Papierschnitzel, 50 ccm Emulsion 15 Min. geschiittelt, dann 
3 Std. stehen lassen 


75 Pro*. 
35 „ 

80 Proz. 
25 „ 


Tabelle 20. 

EinfluB der Schiittelzeit auf die Adsorption durch Papier. 


2 g Papierschnitzel, 30 ccm 

Coli-Emulsion. 


Bakteriengehalt 

I. 5 Min. geschiittelt 

70 Proz. 

II. 10 „ 

60 „ 


1) Kolloidchem. Beihefte. Bd. 2. 1910. S. 79. 



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325 


Tabelle 21. 


EinfluB der Schiittelzeit auf die Adsorption durch Sand. 
25 g feiner Sand, 30 ccm Coli-Emulsion. 


Schiittelzeit 

Verdunnung 
1 :10 Mill. 

Schiittelzeit 


Schiittelzeit 

Verdunnung 
1 :10 Mill. 

1) 5 Min. 

600 

. 

2) 5 Min. 

3 891 

3 901 

3) 5 Min. 

412 

413 

10 „ 

800 

998 

10 „ 

277 

270 

10 „ 

147 

131 

15 „ 

450 

. 

15 , 

450 

443 

15 » 

88 

87 

20 „ 

1452 


20 , 

131 

110 

20 , 

121 

167 

30 „ 

2770 

2630 

30 „ 

2 080 

2 045 

30 , 

133 

135 

Stamm- 



Stamm- 



Stamm- 



emulsion 

4130 

4190 

emulsion 

11191 

11184 

emulsion 

952 

809 


Es zeigte sich 1) daB das Schutteln fiberhaupt die Adsorption be- 
gunstigt, 2) daB die Zunahme dieser Begtinstigung mit der Dauer des 
Schiittelns nur bis zu einem gewissen Zeitpunkte beobachtet werden 
kann. Von 15—20 Min. Schiitteldauer an wird die Fliissigkeit wieder 
an Bakterien bereichert. Es findet also eine Desorption statt. Die 
ehemals adsorbierten Bakterien entfernen sich wieder von der Sand- 
kornoberflSche. Man wird zunSchst eine rein mechanische Ursache fiir 
diese Erscheinung annehmen dfirfen. Von der geskttigten Oberfl&che 
werden Bakterien durch das ZusammenstoBen der Komplexe losgerissen. 
Moglicherweise werden auch nach Mazeration der Bakterien aus diesen 
gewisse Substanzen extrahiert, welche ebenfalls vom Sande adsorbiert 
werden und den Bakterien die Oberflache streitig machen^ Bei dieser 
Verdr&ngung denken wir weniger an ausgelaugte Salze, als vielmehr an 
Lipoide, Fetts&uren und EiweiBzersetzungsprodukte, d. h. an ziemlich 
oberflachenaktive Substanzen. 

Nach der Auffassung Klingers (1. c.) ist die Adsorbierbarkeit 
eines Teilchens durch Beladen seiner OberflBche mit LSsungsvermittlern, 
d. h. wasserloslichen Stoffen, herabgesetzt. Der Austritt solcher Losungs- 
vermittler z. B. von Stoffwechselprodukten ware auch bei den vorliegen- 
den Versuchen nicht von der Hand zu weisen. 

Welche von diesen beiden Erkl&rungsmoglichkeiten zu Recht be- 
steht, kann nur durch Spezialuntersuchungen festgestellt werden. 

Die Adsorption unter Einwirkung von Ionen. 

Bei den Filtrationsversuchen mit Neutralsalzen war die Annahme 
gemacht worden, daB Elektrolyte durch Beeinflussung der Adsorption 
den Filtrationseffekt Sndern konnen. Zur weiteren Stutze dieser Be- 
hauptung verweisen wir auf die Versuche, von denen einige in den 
Tabellen 22—25 wiedergegeben sind. 

In 4 von 6 Versuchen mit Anionen steht wiederum das Sulfat an 
1. Stelle, d. h. es ist das die Adsorption am meisten begunstigende Ion. 
Die Stellung der anderen, Rhodanid, Nitrat, Azetat, ist nicht konstant. 
In sozusagen alien Versuchen (in einem einzigen Versuch bei einer 
Z&hlung am Anfang, bei der anderen am Schlusse) steht das J-Ion an 
allererster Stelle, sogar noch vor dem Sulfat. In dem Versuche mit 
m/100 steht das Jod an letzter Stelle. Die Erkl&rung dieses Verhaltens 
diirfte, wie schon bei den Filtrationsversuchen erwkhnt, in einer Eigen- 
desinfektion des Jodids in m/10-Konzentration (1,5 Proz. NaJ) gefunden 
werden. 


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Tabelle 22. 

EinfluB von Anionen auf die Ad¬ 
sorption durch Band. 
Vorbehandlung der Coli-Emul- 
sion mit H 2 0, NaJ, Na^SO^ NaCNS, 
NaCjHjO,, NaNO, m/10. 25 g feiner Sand, 
30 ccm Emulsion 15 Min. geschuttelt. 


Tabelle 23. 

EinfluB von Anionen auf die Ad¬ 
sorption durch Sand. 
Vorbehandlung der Coli-Emul¬ 
sion mit H a O, NaJ, Na,S0 4 , NaNO,, 
NaCNS, NaCjHjO, m/100. 25 g feiner Sand, 
30 ccm Emulsion 15 Min. geschuttelt. 



Verdiinnung 

1:10 Mill. 

TLO 

365*) 

350*) 

J 

156 

142 

S0 4 

200 

. 

NO, 

204 


CNS 

308 

300 

C,H 3 0, 

300 

285 

Stammemulsion 

1178 

. 


J>S0 4 , NO, >0^.0., CNS>H,0 
J > C, H 3 0, > CNS > H, O. 


*) bedeutend langsamere Sedimentation 
als bei den anderen. 



Verdiinnung 

1:10 Mill. 

H a O 

61 

63 

J 

290 

300 

so 4 

57 

70 

NO„ 

92 

80 

CN?5 

66 

65 

c,h ;] 0 2 

50 

51 

Stammemulsion 

544 

480 


C,H,Oj > SO. > H,0 > CNS > NO. > J. 
C,H,0, >H,0, CNS>S0 4 >N0 t >J. 


Tabelle 24. 

EinfluB von Kationen auf Adsorp¬ 
tion an Sand. 

Vorbehandlung der Coli-Emul¬ 
sion mit H,0, NaCl, KC1, MgCl,, CaCl,, 
LiCl, m/10. 25 g feiner Sand, 30 ccm 

Emulsion 15 Min. geschuttelt. 



Verdiinnung 

1:10 Mill. 

H,0 

358 

400 

K- 

400 

405 

Mg- 

300 

. 

Ca- 

260 

210 

Li- 

146 

168 

Na 

435 

300 

Stammemulsion 

560 

600 


Li > Ca > Mg > H a O > K > Na 
Li>Ca>Na>K, H,0. 


Tabelle 25. 

EinfluB von fl- undOH-Ionen auf 
Adsorption an Papier. 
Vorbehandlung der Coli-Emul- 
sion mit H,0, HC1 (m/150), NaOH(m/50). 
2 g Papierschnitzel, 30 ccm Emulsion 
10 Min. geschuttelt. 



Bakterien- 


gehalt 

H,0 

60 Proz. 

H- 

25 „ 

OH- 

40 „ 


Der einzige Versuch (Tab. 24) mit Kationen zeigt eine ahnliche 
Reihenfolge der Beeinflussung der Adsorption wie die Filtrationsver- 
suche mit Papier. Li steht an 1. Stelle, dann aber folgen sofort wie 
auch bei den Sandversuchen Ca und Mg. 

Ein Adsorptionsversucb durch Papier unter dem Einfiusse von H- 
und OH-Ionen fiihrte zu den gleichen Ergebnissen wie die meisten 
Filtrationsversuche mit H- und OH-Ionen: Begiinstigung der Adsorption. 

Alle Adsorptionsversuche ergeben im groBen und ganzen die gleiche 
Reihenfolge, der Beeinflussung durch Ionen, wie wir sie schon bei der 
Filtration konstatiert haben. Damit wSre also bewiesen, daB die Be¬ 
einflussung der Filtration durch Elektrolyte eine reine Adsorptions- 
angelegenheit ist und weder auf einer GroBenbeeinflussung der Bakterien 
noch auf einer Porenverkleinerung des Filters beruht. 

Diese Versuche sind uns auch eine weitere Stutze fur die schon 
bei den Filtrationsversuchen mit Elektrolyten aufgestellte Theorie, wo- 



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Frei u. Eiismann, Beitrage zur Theorie der Bakterienfiltration. 327 


nach Ionen (speziell Sulfat-Ion), welche die Oberflachenspannung am 
wenigsten erniedrigen, am wenigsten an Oberfiachen adsorbiert werden 
und ihnen gegenuber am meisten Wasser entziehend wirken, und damit 
die Adsorption am meisten begtinstigen. 

Unsere Versnche wurden nur mit C oli-Bazillen durchgefOhrt. Es 
ist aber wohl kaum zweifelhaft, daB die allgemeinen physikalischen und 
physikalisch-chemischen Auseinandersetzungen im Prinzip fur alle Bak- 
terien gelten mtissen, besonders diejenigen uber die sogenannte rein 
mechanische Filterwirkung. Quantitative Verschiedenheiten konnen sich 
ergeben aus Differenzen von Gestalt und GroBe sowie Adsorptions- 
affinitaten. Es ist anzunehmen, daB dasselbe Adsorbens verschiedene 
Adsorbenda ungleich adsorbiert. KiBkalt berichtet schon uber elek- 
tive Filterwirkungen: Wenn man Coli- und Wasserbazillen gleichzeitig 
auf ein Filter bringt, werden erstere starker zurttckgehalten. DaB 
ubrigens verschiedene Bakterien von ein und demselben Adsorbens ver- 
schieden adsorbiert werden, ist schon von anderer Seite konstatiert 
worden (Kuhn und Hech, Kraus und Barbara, Salus, Michae- 
lis) 1 ). Aus Typhus- und Coli-Keimen werden durch (den negativ 
geladenen) Bolus mehr Typhuskeime adsorbiert (Kuhn), was nach 
Salus fhr eine positive Ladung der Typhusbakterien sprechen wtirde, 
Oder wenigstens fiir amphotere Reaktion mit iiberwiegend positiver 
Ladung, vorausgesetzt, daB die Adsorption hier wirklich zur Hauptsache 
auf elektrochemische Krafte zurilckzufflhren ist. Hingegen verhalten 
sich nicht alle Bolusprkparate Typhus und Coli gegenuber gleichsinnig. 
Eine Klassenelektivitat verschiedenster Adsorbentien hat Eisenberg 2 ) 
festgestellt: die Grampositiven werden im allgemeinen bedeutend starker 
adsorbiert als die Gramnegativen. Aus diesen Laboratoriumsversuchen 
kann man fur die praktische Sandfiltration den SchluB ziehen, daB ein 
Filter, welches sich fiir eine gewisse Anzahl von Bakterienarten bewahrt 
hat, bei reichlicher Infektion des Rohwassers mit neuen z. B. pathogenen 
Bakterienarten nicht dieselbe Zuveriassigkeit zu zeigen braucht. 

Der schon erwahnte Versuch von KiBkalt konnte sowohl durch 
eine elektive Vertilgung seitens der Protozoen, als auch durch elektive 
Adsorption gegenuber den Coli-Keimen gedeutet werden. Ein ana- 
loges Experiment machte Friedberger (1. c.): Er lieB in ein mit 
zerkleinertem und festgestampftem Filtrierpapier gefulltes Rohrchen von 
unten her eine Aufschwemmung von Typhus- und Coli-Bazillen auf- 
steigen. In der sich tiber der Filtrierpapierschicht ansammelnden Fliissig- 
keit fand er eine Anreicherung von Typhusbazillen, wogegen Coli im 
Filter angereichert waren. LieB er eine Typhus-Coli-Emulsion in 
Filtrierpapierkapillaren aufsteigen, so waren die Coli unterhalb der 
Typhuskeime. 

Diese Versuche zeigen, daB eine elektive Filterwirkung auch ohne 
Protozoen bestehen kann, weil ja auch das Adsorbens Filtrierpapier 
elektive Affinitaten gegen verschiedene Bakterien auBert. 

Wie aus alien diesen Erwkhnungen hervorgeht, sind elektive Eigen- 
schaften von Sandfiltern nicht allein das Verdienst der Protozoen, son- 
dern gewiB zu einem guten Teile auch von Adsorptionsvorgangen. 


1) zit. nach E. Friedbcrger, Miinchen. nied. Wochenschr. 1919. Nr. 48. 

2) L c. 


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328 


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5. Bakteriensteigyersuche in Filtrierpapier nnter Einwirkung 

yon Ionen. 


Em der Filtration analoger Vorgang ist das Aufsteigen einer Bak- 
terienemulsion in Filtrierpapier. Der Unterschied besteht nur darin, 
dafl beim Filtrieren die Schwerkraft gleichsinnig mit den kapillaren 
Kraften arbeitet, beim Aufstieg im Filtrierpapier dagegen antagonistisch 
wirkt. Da es praktisch unmSglich ist, mit gleichen Fliissigkeiten in 
verschiedenen Streifen gleichen Papieres genau gleiche absolute Steig- 
hShen zu erhalten, haben wir nicht diese absoluten Steighohen, sondern 
die Differenzen der Steighohen der Ldsungen gegeniiber den SteighShen 
der Bakterien miteinander verglichen. Eine groBere Anzahl von Ver- 
suchen wird die durch individuelle Verschiedenheiten der Streifen be- 
dingten Fehler ausschalten lassen. 

Technik: Streifen aus Filtrierpapier 597 (Schleicher & Schiill) 2 cm breit und 
ca. 20 cm lang wurden mit ihrem oberen Ende an einem horizontal verlaufenden Stabe 
befestigt und unten 2 cm tief in die C o 1 i - Emulsion (50 ccm) eingetaucht. Die Vor¬ 
behandlung der Emulsion bestand darin, dafi man ihr so viel von der betreffenden 
Elektrolytlosung zusetzte, dafi diese in der in den Tabellen angegebenen Konzentration 
vorhanden war. 

Nach der bestimmten Zeit prefiten wir den abgenommenen Filtrierpapierstreifen 
leicht auf eine Agarplatte auf, nachdem wir noch vorher die maximale Steighohe der 
Fliissigkeit bestimmt hatten. So konnte denn nach Aufbewahrung der Platten wahrend 


Tabelle 26. 

Beeinflusaung der Bakteriensteighohe im Filtrierpapier durch 

Kationen. 

Vorbehandlung der C o 1 i - Emulsion mit H,0, NaCl, KC1, MgCl,, CaCl,, LiCl, 
m/50. Ziramertemperatur 22° C. 


Papierstreifen 

Nr. 

ttteighohe d. Wassers 
cm 

Steighohe d. Bakterien 
cm 

Differenzen 

cm 

1. H,0 

12,8 

10 

2,5 

2. NaCl 

12,3 

9,3 

3 

3. KC1 

12,3 

10,1 

2,2 

4. MgClj 

11,7 

8,4 

3,3 

5. CaCL 

12 

8,8 

3,2 

6 . LiCl 

12 

8,2 

3,8 


Li < Mg < Ca < Na < H,0 < K. 


Tabelle 27. 

Beeinflussung der Bakteriensteighohe im Filterpapier durch H- und 

OH-Ionen. 


Vorbehandlung der Coli-Emulsion mit H,0, HC1 (m/150), NaOH (m/50). Zimmer- 
temperatur 21 0 C. 


Papierstreifen 

Steighohe d. Wassers 

Steighohe d. Bakterien 

Differenzen 

in Nr. 

cm 

cm 

cm 

1 . HO 

12,5 

9,8 

2,7 ) 30 Min. ein- 

2. OH- 

12,5 

6 

6,5 J getaucht 

1. H,0 

8,7 

6,7 

2 1 15 Min. ein- 

2. H- 

9,4 

6,3 

3,1 / getaucht 

1. H,0 

2 . H 

3. OH 

7,9 

7,9 

8,5 

6,5 

5 

6.3 

o’q 1 10 Min. ein- 
2 ’ 2 J getaucht 

1 . HO 

2. H- 

3. OH 

12.5 

42 

11.5 

10 

4 

5,7 

o ’ 5 \ 30 Min. ein- 
5,8 j 8 etaucht 


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Frei u. Erismann, Beitrage zur Theorie der Bakterienfiltration. 


329 


24 Std. im Brutschranke die jeweilige Steighohe der Bakterien bestimmt werden. Der 
Steighohenversuch mit Wasser, d. h. mit Emulsion ohne Elektrolytzusatz, diente als 
Kontrolle. 

Wir konstatieren in alien Fallen beim Aufsteigen einer in Neutral- 
salzkationenlosung angemachten Bakterienemulsion eine gewfcse Hem- 
mung des Bakterienaufstieges, deren Indikator die bereits genannte 
Differenz ist. Wenn diese Differenz groB ist, heiBt das: die Bakterien 
sind zurfickgeblieben (in den Reihen auf den Tabellen ist die groBte 
Differenz immer beim linksstehenden Ion). Wir konstatierten, daB alle 
Elektrolyte das Aufsteigen der Bakterien hemmen, am meisten die 2- 
wertigen Kationen Ca und Mg. Li nimmt wiederum, wohl aus frflher 
genannten Grfinden, wie bei der Filtration durch Papier eine Sonder- 
stellung ein, indem es sich nicht neben die anderen 1-wertigen Kationen, 
sondern neben die 2-wertigen stellt. 

Noch bedeutendere Differenzen ergeben sich bei den Versuchen mit 
Saure und Alkali. 

Die Erklfirung fur diese Phanomene ist nach Fichters und Sahl- 
boms 1 ) Untersuchungen an Kolloiden in der Verschiedenheit der elek- 
trischen Ladung der Kolloide zu suchen. Negativ geladene steigen 
namlich praktisch unzersetzt mit ihren Dispersionsmitteln zusammen 
hinauf, wfihrend positiv geladene Kolloide an der Eintauchgrenze fest- 
gehalten werden und sich somit vom Dispergens trennen. Die Er- 
klfirung ffir dieses verschiedene Verhalten soli darin bestehen, daB das 
Filtrierpapier bei der Berfihrung mit Wasser und insbesondere beim 
Aufsteigen des letzteren selbst eine negative Ladung annimmt. Kommt 
nun ein positiv geladenes Kolloid mit der negativ geladenen Oberflache 
der Filtrierpapierfasern in Beruhrung, so wfirde es aus elektrostatischen 
Grfinden zuruckgehalten und fixiert, wfihernd bei negativ geladenen 
Kolloiden die Gleichsinnigkeit der Ladungen ein ungestdrtes Vorbei- 
strfimen gestattet. 

Fur unsere Versuche wfirde das bedeuten, daB negativ geladene 
Bakterien in negativ geladenem Filtrierpapier ungehindert aufsteigen, 
positiv geladene dagegen zurtickgehalten werden, bzw. quantitativ ab- 
gestuft: je grbBer die positive Ladung der Bakterien, desto energischer 
und desto balder werden sie in der Nahe der Eintauchgrenze zurfick- 
gehalten; je kleiner die positive Ladung, desto weniger wird ihr Auf¬ 
steigen gebremst. Nun sind die Bakterien negativ geladen. Vorausgesetzt, 
daB sie aus Salzlosungen die Kationen adsorbierten, wfirde ihre negative 
Ladung vermindert, und zwar durch 2-wertige mehr als durch 1-wertige 
Kationen. Moglicherweise konnten sie sogar eine positive Ladung an- 
nehmen. Von M. Beniasch 2 ), der kataphoretische Ueberfiihrungs- 
versuche mit einer groBen Reihe von Bakterienarten ausfuhrte, wird be- 
hauptet, daB eine Umladung durch Sfiuren nicht zu erzielen sei, nicht 
einmal der isoelektrische Punkt erreicht werde. Hingegen scheint Be¬ 
niasch nur schwache Sfiuren verwendet zu haben, und auBerdem gibt 
er nicht an, bis zu welcher Hohe der H-Ionenkonzentration er in den 
Bakterienemulsionen gegangen ist. Unsere verwendeten Konzentrationen 
sind bedeutend hbher als die von Beniasch bei seinen Bakterien- 
agglutinationsversuchen verwendeten. Es ist daher nicht ausgeschlossen, 
daB auf diese Weise schlieBlich doch eine Umladung zustande kam. 
Auf alle Ffille wird sich eine Mitwirkung der elektrischen Ladung in 

1) 1. c. 

2) Zeitochr. f. Immunitatsf. Bd. 12. 1912. S. 268. 


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irgendeiner Weise beim Aufsteigen der in Salzlfisungen suspendierten 
Bakterien in Kapillaren nicht leugnen lassen. Hingegen diirfte die An- 
nahme, daB nicht nur elektrische Kr&fte hier modifizierend einwirken 
kfinnen, nicht von der Hand zu weisen sein, sonst mflBte ja die Steig- 
h5he bei alien 2-wertigen bzw. alien 1-wertigen gleich sein. 

Die Wirkung der Adsorption macht sich natfirlich auch hier geltend : 
sie ist die Ursache des Zurfickbleibens der Bakterien hinter der Fliissigkeit. 

Daher zeigen die Steighfihenversuche mit Filtrierpapier eine ge- 
wisse Uebereinstimmung mit den analogen Filtrationsversnchen mit 
Papier und Sand, speziell was die Stellung der 2-wertigen Kationen 
anbelangt (Ca steht auch hier in alien 3 Fallen, Mg in 2 Fallen links 
in der Reihe). Wenn wir auch hier nach weiteren Ursachen dieses 
Verhaltens forschen, so mfissen wir wiederum auf die Ansicht Klingers 
hinweisen, daB Bakterien um so hbher steigen, je mehr sie an ihrer 
Oberflache wasserlfisliche Stoffe tragen. Auf das Bestehen der gegen- 
teiligen Verhaitnisse bei Gegenwart von gewissen Elektrolyten in der 
Emulsion ist schon in frtiheren Kapiteln hingewiesen worden. 

Eine starkere Adsorption und damit eine geringere Steighohe der 
Bakterien konnte bei Gegenwart von Elektrolyten auch durch eine ver- 
mehrte Quellung (OberflfichenvergroBerung und Porenverengerung) des 
Filtrierpapieres bedingt sein, spez. durch Li. 

Man kOnnte vermuten, daB sowohl bei der Filtration als auch bei 
der Adsorption, wie im weiteren bei den Steighfihenversuchen mit 
Elektrolyten, die Bakterien durch diese eine Agglutination erfahren 
konnten, die natfirlich auf die Resultate einen begfinstigenden EinfluB hfitte. 
Dem ist entgegenzuhalten, daB in der Bakterienemulsion weder mikro- 
skopisch noch makroskopisch innerhalb der fUr die Versuchsdauer in Be- 
tracht kommenden Zeit irgendeine Agglutination beobachtet werden konnte. 
Spezialversuche ergeben, daB bei unseren Konzentrationen weder durch 
Sfiure, Alkali noch durch Neutralsalze eine Agglutination eintrat. Am 
ehesten wfire das bei den Saureversuchen moglich. Von Sgalitzer 1 ) wird 
angegeben, daB die optimale Konzentrationsbreite ffir Salzsaure bei Coli- 
Bakterien 0,4 Proz. sei. Demgegenfiber sind unsere verwendeten Kon¬ 
zentrationen der Salzsaure m/180, m/150 und m/30, also viel niedriger. 

6. Der EinfluB von Kaliumzyanid, Chinin, Saponin nnd Chiorkalk 
anf die Filtration und Adsorption durch Sand. 

a) Filtrationsversuche mit Kalziumzyanid, Chinin, 
Saponin und Chiorkalk. 

KiBkalt (1. c.) berichtet, daB das hauptsachlich wirksame Agens 
bei der Sandfiltration die Bakterien fressenden Protozoen seien, weshalb 
nach ihrer Vergiftung durch Kalziumzyanid, Chinin und Saponin das 
Filter sehr bakteriendurchiassig werde. Nach Schroder 2 ) ist ein Ver- 
such, ein Filter mit Chiorkalk zu desinfizieren, vollstandig miBlungen, 
indem das Filter wegen Undichtigkeiten 2 Monate lang unbrauchbar 
wurde. Ein analoger Versuch mit den gleichen Resultaten, dessen Mit- 
teilung wir der Freundlichkeit von Herrn Dr. Minder verdanken, 
wurde im Filterwerk der Stadt Zfirich gemacht. Die Menge des wirk- 
samen Chlors war 0,06 g pro Liter Wasser = 171,6 g Chiorkalk pro 
Quadratmeter. Das Filter war in diesem Falle vom 7. Okt. bis 17. Nov. 

1) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 76. 1912. 

2) Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. Bd. 56. 1913. S. 959, zit n. Kifikalt (1. c.). 


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unbrauchbar. Die Bakteriendurchlfissigkeit stieg allmShlich an, erreichte 
in 2 Tagen nach dem Chlorkalkzusatz das Maximum, d. h. unz&hlige 
Keime im Filtrat; das dauerte etwa 17 Tage, und von da an sank die 
Keimzahl allmfihlich. Der Protozoengehalt der Ziiricher Filter wurde 
von Min den als sehr sparlich befunden. 

Wir haben analoge Versuche mit nnseren Sandfiltern durchgeffihrt. 
Hier waren Protozoen und flberhaupt jegliche Lebewesen ausgeschlossen, 
weil der Sand steril verwendet wurde. Die Filter wurden angefeuchtet 
mit 1-proz. Kalziumzyanidlfisung resp. 4-proz. Chininlfisung resp. 2,5-proz. 
Saponinlosung resp. 0,17-proz. Chlorkalklfisung. Die Resultate von 4 
solchen Versuchen sind die folgenden: 

1) Chinin >• H,0 >Chlorkalk> KCN > Saponin, 

2) Chlorkalk > Chinin > Saponin > Was8er> Kaliumzyanid, 

3) Waaaer > Chinin ^ Chlorkalk > Kaliumzyanid > Saponin, 

4) Chlorkalk > Wasser> Kaliumzyanid > Saponin > Chinin. 

Im 1. Gliede links ist der Bakteriengehalt des Filtrates jeweils am 
geringsten; Kalziumzyanid verschlechtert in alien Versuchen die Fil¬ 
tration eindeutig. In 3 Versuchen wurde der Bakteriendurchgang eben- 
falls begfinstigt durch Saponin und in zweien durch Chinin. Die Stel- 
lung des Chlorkalks ist nicht ganz eindeutig, wahrscheinlich wegen dem 
Eigendesinfektionsvermfigen dieser Substanz. 

Es ist mit diesen Versuchen vor der Hand angedeutet, daB Kalium¬ 
zyanid, Saponin und zum Teil auch Chinin auch ein protozoenfreies 
Filter in seiner Wirkung beeintrfichtigen kfinnen. Wir sind geneigt, 
diese Wirkung auf Adsorptionshemmung zurfickzuffihren. KiBkalt 
hat selber einen „Vergiftungs“versuch mit Kaliumzyanid an einem mit 
Coli-Bazillen geffillten Kohlenfilter ausgefflhrt und dabei keine Ver- 
giftung konstatiert, das Filtrat war steril. Gegen diesen Versuch kann 
eingewendet werden, daB 

1) die Kohlenmasse offenbar zu groB war, und daB 2) die Kohle 
ein viel zu gutes Adsorbens ist, so daB die Wirkung des KCN sich gar 
nicht fiuBern kann. 

Die folgenden Adsorptionsversuche werden unsere Ansicht fiber die 
schSdliche Wirkung genannter Substanzen auf die Filtration noch be- 
kraftigen. 

b) Adsorptionsv*ersuche mit Kaliumzyanid, Saponin, 

Chinin, Chlorkalk. 

Einen weiteren Anhaltspunkt fflr die Annahme, daB die Verschlech- 
terung des Filtrationseffektes durch Kaliumzyanid, Chinin und Saponin 
auf einer Adsorptionshemmung beruht, kann durch die folgenden Ver¬ 
suche erbracht werden. 

Je 25 g feiner Sand in 5 Glasrohren, bereita sterilisiert. 30 ccm Coli-Emulsion 
mit den entsprechenden Mengen Kaliumzyanid, Saponin, Chinin und Chlorkalk ver- 
sehen (Kontrollversuch ausgenommeu). 

Alle Rohreu samt der gleichen Menge Stammemulsion wurden in der friiher an- 
gegebenen Weise 16 Min. geschuttelt. Nach 2 Std. stehen lassen wurde aus der obersten 
Schicht der iiberslehenden Fliissigkeit wie bei den friiheren Adsorptionsversuchen eine 
Probe entnommen. 

Die relativen Resultate sind in den folgenden Reihen zusammen- 
gestellt, wobei das 1. Glied jeweils die stfirkste Keimverarmung in der 
Adsorptionsflfissigkeit aufweist, also die beste Adsorption: 


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1) Chlorkalk, Chinin, Wasser, Saponin, KCN, 

2) Chlorkalk, Wasser KCN, Saponin, Chinin, 

3) Chinin, Chlorkalk, Saponin, Wasser, KCN, 

4) Chlorkalk, Wasser, KCN, Chinin, Saponin, 

5) Chlorkalk, Wasser, Chinin, KCN, Saponin. 

In 4 von 5 Versuchen wurde die Zahl der adsorbierten Bakterien 
herabgedriickt, diejenige der in Mer Fliissigkeit verbleibenden erhoht 
durch Saponin und Kaliumzyanid. Chinin wurde nur 3mal adsorptions- 
hemraend. Es diirfte also kein Zweifel mehr bestehen, daB die von 
KiBkalt (1. c.) verwendeten Substanzen, zu einem Teile wenigstens, 
wegen ihrer adsorptionshemmenden Wirkung den Durchgang von Bak¬ 
terien durch ein Filter erleichterten. Friedberger 1 ) gibt an, daB in 
einem eiweiBhaltigen Medium aufgeschwemmte, an sich stark adsorbier- 
bare Bakterien im Filtrierpapier hoher steigen, als in NaCl suspendierte. 
EiweiB hemmt also die Bakterienadsorption an Filtrierpapier, gerade so 
wie Saponin, Kaliumzyanid und Chinin diejenige an Sand. Analoger- 
weise wfirden Bakterien unter der Einwirkung dieser 3 genannten Sub¬ 
stanzen auch besser durch ein Papierfilter durchgehen. Sie wiirden also 
auch unter Einwirkung dieser Substanzen in Papierfiltern hoher steigen. 

Die Versuche mit Chlorkalk zeigten wegen der bakteriziden Fahig- 
keit desselben in den verwendeten Konzentrationen nicht das erwartete 
Resultat. 


7. Ueber die Funktionen der Sandfilter in der Praxis. 

Wir haben im vorhergehenden qualitativ die Adsorption von Bak¬ 
terien durch Sandfilter dargetan und ihre quantitative Beeinflussung 
durch verschiedene Zusatze. Es fragt sich nun, wie weit die Adsorption 
(deren Vorhandensein anscheinend von den wenigsten im Prinzip be- 
stritten, deren quantitative Wirkung aber sehr verschieden beurteilt 
wird) bei der Sandfiltration eine Rolle spielt. Es ist vor alien Dingen 
zu berucksichtigen, daB eine Oberflache sehr bald gesfittigt sein kann. 
Von diesem Momente an wurde also in einem Sandfilter der Adsorptions- 
faktor nicht mehr wirken. Es fragt sich, wie schnell in der Praxis die 
Sattigung erreicht ist und was mit den adsorbierten Bakterien geschieht. 

Ob und wann die Oberflachensattigung mit Bakterien eintritt, wird 
einerseits von der Menge und dem Bakteriengehalt des Rohwassers, 
andererseits von der Geschwindigkeit des Zugrundegehens der adsor¬ 
bierten Mikroorganismen abhSngen. Wenn die lbtztere verhaltnismaBig 
groB ist, wird der Sdttigungsgrad nie erreicht werden, das Filter kann 
also bestandig adsorbieren. 

In der Einleitung ist schon auf die Beeinflussung der Durch- 
stromungsfliissigkeit durch das zuriickgehaltene und adsorbierbare Ma¬ 
terial hingewiesen worden. Alle Prozesse, welche auf das Filter ein wirken, 
stabilisieren sich anscheinend nach und nach, so daB ein eingearbeitetes 
Sandfilter monatelang ganz gleichm&Big funktioniert. Es ist moglich, 
daB die Verhaltnisse in den DurchfluBbedingungen in einem gegebenen 
Zeitpunkte nicht an alien Stellen der Filtermasse gleichmaBig sind. Es 
kann z. B. durch Verstopfung ein Teil des Materials unwegsam gemacht 
werden. In dieser Ruheperiode konnen nun die Zersetzungsprozesse 
fortschreiten, bis alles festgehaltene Material mineralisiert bzw. durch 
Mikroorganismen aufgebraucht ist. Dann wird dieser Teil wieder durch- 
gangig, das Material ist wieder „verjiingt“ und kann wieder in Aktion 

1 ) Miinchen. med. Wochenschr. 1919. Nr. 48. 


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treten. Von einer ungleichmaBigen Verteilung des Durchflusses haben 
wir schon frtiher gesprochen. 

Allgemein wird angegeben, daB ein eingearbeitetes, d. i. durch Bak- 
terien- und andere Massen angedichtetes Filter besser filtriert als ein 
frisches. Von der Bedeutung der Filterhaut wollen wir zunachst ab- 
sehen, denn mehrfach wird erw&hnt, daB das eingearbeitete Filter mit 
Oder ohne Filterhaut gut arbeiten kbnne. („Vorfilter wie Reinfilter 
konnen in der Regel sofort nach der Reinigung, d. i. Abschlemmen der 
obersten Schicht, wieder in Gebrauch genommen werden.“) J ). Ver- 
schleimung des Filters (Dunbars Benetzungshautchen) 2 ) bedeutet 
offenbar (iberziehen der Sandkorner mit adsorbierten und mechanisch 
festgehaltenen Bakterien und anderen Substanzen des Rohwassers und 
Bakterienzersetzungsprodukten. Diese letzteren sind zunachst noch kol- 
loider Natur und erst im weiteren Verlaufe des Abbaues werden sie 
kristalloid. Hand in Hand mit diesem Abbau geht eine Abnahme der 
Adsorbierbarkeit und der Viskositat, also eine Zunahme der „Flussig- 
keit“ und Diffusibilitat. Im ganzen konnen wir den Schleim als eine 
hydrophile Kolloidmasse betrachten, deren Quellungsgrad fur die Durch- 
lassigkeit des Filters von ausschlaggebender Bedeutung sein muB. 
Dunbar gibt an, daB mit der Ausbildung des Benetzungshautchens 
das Porenvolumen des Filters ab- und seine Wasserkapazitat zunehme. 
Das kann aber nur durch Aufnahme von Quellungswasser seitens der 
Kolloidmasse erklart werden. Nehmen wir aber an, daB, in Ueberein- 
stimmung mit dem oben von der Totalverstopfung eines Teiles der 
Filtermasse Gesagten, der Schleim das Gesamtporenvolumen ausfflllt, so 
batten wir hier ein Ultrafilter mit Sandkorneinlagen vor uns. Die Kol¬ 
loidmasse wird infolge von Autolyse und anderen vitalen Prozessen in 
einem labilen Gleichgewicht sein. Mit fortschreitender Mineralisierung 
wird ihre Viskositat ab- und damit die FluBfahigkeit zunehmen. Die 
entstehenden Elektrolyte werden die noch vorhandenen Kolloide in ihrem 
Quellungszustande beeinflussen und je nach der Natur der Elektrolyte 
wird eine stSrkere Oder schwiichere Entquellung, vielleicht aber sogar 
eine Solbildung eintreten. Das Nitrat-Ion, das hier wohl am ersten in 
Betracht kommt als Abbauprodukt der EiweiBkorper, hat eine wenig 
entquellende, moglicherweise solbildende Wirkung. Auf alle Faile wird 
in den verstopfenden Kolloidmassen einmal der Moment der vollstfin- 
digen Verflilssigung und damit der leichteren Durehlassigkeit eintreten. 

Nach diesen Auseinaudersetzungen wiirde die Stetigkeit und Gleich- 
mSBigkeit der schlieBlichen Totalfilterleistung nur eine scheinbare sein. 
In Wirklichkeit wiirde ein gegebener Teil des Filterkbrpers periodisch 
arbeiten. Wenn schlieBlich die Regenerationsfahigkeit eines Filterkbrpers 
in der Praxis doch verschwindet, so diirfte das auf Verstopfung mit 
mineralischen Suspensis zurfickgefflhrt werden. 

Unsere eigenen Versuche haben die Moglichkeit der Desorption, 
d. h. der Sprengung der Adsorptionsbindung Sandkornbakterium, er- 
geben und man muB sich fragen, ob nicht ein analoger ProzeB auch in 
einem „gereiften u Filter (d. i. ein eingearbeitetes Filter) vor sich geht. 
Dunbar (1. c.) schreibt der Adsorption groBe Bedeutung zu bei der 
Reinigung der Abwdsser durch Filterkorper. Tatsachlich zeigt ja der 
tagliche Erfolg der Filtration durch Sand, daB von einer Desorption 

1) Vgl. Minder, L., Zur Theorie der Wirkung der Sandfilter. (Journ. f. Gasbel. 
u. Waaservers. Jahrg. 61. 1918. S. 56.) 

2) 1. c. 


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in praxi nicht die Rede sein kann. Es ist hier allerdings festzustellen, 
dafi die Bedingungen bei unseren Schiittelversuchen einfacher waren, 
als bei einem Naturfilter: Unser Sand als Adsorbens besteht aus rein 
anorganischen Kornern und es fehlen die Schleimschicht und Sapro- 
phyten und Protozoen vollstandig. Es ist sebr wohl moglich, dafi auch 
in einem eingearbeiteten Filter in einem gewissen Momente der Reini- 
gung des Durchflufiwassers adsorptionshemmende Faktoren auftreten, 
deren Wirkung aber durch Antagonisten aufgehoben wird. 

Man kann noch die Frage nach dem Schicksal der adsorbierten oder 
mechanisch zuriickgehaltenen Bakterien stellen. Wir haben ohne 
weiteres angenommen, dafi sie absterben und zersetzt werden und dafi 
sie sich auf keinen Fall vermehren. Von den pathogenen Bakterien, die 
im Wasser im allgemeinen ganz ungiinstige Lebensbedingungen vor- 
finden, wollen wir hier ganz absehen. 

Die Adsorption von Zellen an Oberflachen oder von Suspensis an 
Zellen kann fiir letztere nicht ganz gleichgiiltig sein. Dafi rote Blut- 
korperchen durch Kolloide und unlosliche Suspensionen gesch&digt werden, 
ist schon lange bekannt 1 ). Ebenso findet eine partielle Abtotung von 
an Tierkohle und Kaolin adsorbierten Bakterien statt (Friedberger 
und Kumagai). Die therapeutische Anwendung von adsorbierenden 
Pulvern bei Behandlung von Infektionskrankheiten hat bekanntlich 
grofien Umfang angenommen. Es ist also anzunehmen, dafi auch im 
Filter Bakterien lediglich durch Adsorption schon geschadigt werden, 
sei es, dafi gewisse mitadsorbierte Fremdsubstanzen eine gerade durch 
die Adsorption fiir die Bakterien schadigende Konzentrierung an der 
Oberflache erfahren, sei es, dafi dasselbe eintritt durch Stoffwechsel- 
produkte der Bakterien. Es konnen aber auch durch Adsorptionskrafte 
gewisse lebenswichtige Substanzen aus den Bakterien herausgerissen 
werden. Spater setzt dann in den abgetdteten Bakterien die Autolyse ein. 

Bedentung der Elektrolyte im Rohwaaser. 

Die Wirkung der Elektrolyte auf Sandfilter, wie sie im vorher- 
gehenden untersucht wurde, haben wir haupts&chlich der Beeinflussung 
der Bakterienadsorption zuzuschreiben. Man kann sich fragen, was iiber- 
haupt die Elektrolyte eines Rohwassers bei der Filtration zu bedeuten 
haben. Im Prinzip werden die Anionen und Kationen des Rohwassers 
zunachst auf die Bakterienadsorption an Sandkornern analoge Wirkungen 
haben, wie in unseren Versuchen, dann aber werden sie ahnlich wie die 
Elektrolytlosungen in einem Organismus den Quellungszustand der Kol¬ 
loide, d. i. in unserem Falle des Filterschleims, beeinflussen, bzw. regu- 
lieren. Dazu gesellt sich dann weiter die Wirkung der bei der Zer- 
setzung organischen Materials entstehenden Elektrolyte. Wir konnen 
also eingearbeitete und gereifte Filter sehr wohl in mancher Beziehung 
mit einem Organismus vergleichen, der organisches und anorganisches 
Material aufnimmt, gewisses Material nach einer chemischen und physi- 
kalischen Umwandlung zurfickbehalt und anderes wieder abgibt. Man 
konnte beinahe von Filterstoffwechsel reden. Auch in diesem Organis- 

1) Landsteiner u. Jagic, Koll. Kieselsaure. (Munchen. med. Wochenschr. 
1904. Nr. 57.—Cernovodeanu u. Henri, Kolloides Ei9enhydroxyd. (Compt. rend. 
Soc. biol. 1905. p. 224.) — Gengou, BaSO, und CaF,. (Corapt. rend. acad. sc. 1904.) 
— Frei, W., Kolloides Quecksilber. (Berlin. Tierarztl. Wochenschr. 1905. Nr. 21.) — 
Friedberger u. Kumagai, Tierkohle und Kaolin. (Zeitschr. f. Immunitatsf. Bd. 13. 


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1912. S. 127.) 


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mus kann es mehr Oder weniger Symbionten geben, in Gestalt von 
organisches Material zersetzenden und als Nabrung brauchenden Bakterien 
und Protozoen. 

SehluBfolgerungen. 

I. Die Untersuchungen fiber die Funktion von Sand- 
filter n haben ergeben: 

1) Die Zunahme der Dichte der als Filter verwendeten Sandmenge 
(durch Eigengewicht, Rfltteln oder Stampfen des Sandes erzeugt) bewirkt 
infolge Verkleinerung des Porenvolumens des Filters eine Verlangsamung 
der DurchfluBgeschwindigkeit (Verlfingerung der DurchfluBzeit) von 
Flfissigkeiten, eine Abnahme der Gesamtwasserkapazitat des Filters und 
endlich eine Verbesserung des Filtrationseffektes (= Verminderung der 
Bakteriendurchlassigkeit). 

2) Bei proportionaler Vermehrung der Sandmenge, Wassermenge und 
Filterhfihe nimmt die DurchfluBzeit nicht proportional, sondern starker zu. 

3) Die Verringerung der DurchfluBgeschwindigkeit bei gleichgebauten 
Filtern hat eine Verbesserung des Filtrationseffektes zur Folge, die Ver- 
grfiBerung dagegen eine Verschlechterung. 

Aus diesem Grunde muB bei einer proportionalen Vermehrung der 
Sandmenge, Wassermenge und Filterhfihe auch eine unverhfiltnismaBig 
groBe Bakterienundurchlfissigkeit des Filters eintreten. 

4) Variation in der SandkorngroBe findert bei gleicher DurchfluBzeit 
den Filtrationseffekt dahin, daB bei-Abnahme der KorngrfiBe mehr Bak¬ 
terien zurfickgehalten werden. 

II. Die Beeinflussun g des Filters durch Elektrolyte: 

1) Bei Anfeuchtung des Filters mit Kationen konnte keine eindeutige 
Verbesserung des Filtrationseffektes festgestellt werden; immerhin lfiBt 
sich sagen, daB die 2-wertigen Ionen Mg und Ca von alien verwendeten 
1- und 2-wertigen Kationen den gflnstigsten EinfluB auf die Filtration 
haben. Mit Bezug auf diese Wirkung konnen wir vielleicht die ab- 
steigende Reihe aufstellen Mg> Ca>NaK >Li. 

2) Eindeutiger war die Begfinstigung der Abfiltration von Bakterien 
nach Anfeuchtung von Filtrierpapier mit Kationen. Li nimmt hier eine 
Sonderstellung ein, indem es den Durchgang von Bakterien durch Papier 
am meisten hemmt. Die Ursache ist in der Quellung der Zellulose 
durch LiCl zu suchen. Im fibrigen ist die Kationenreihenfolge dieselbe 
wie bei Sand. 

3) Bei der Vorbehandlung der Bakterienemulsion ergab bei Sand- 
filtem Magnesium den besten Filtrationseffekt. 

4) Bei Vorbehandlung der Bakterien ergab sich ffir die Filtration 
durch Papier die gleiche Reihenfolge wie bei der Vorbehandlung des Filters. 

III. Adsorption durch Sand und Papier. 

1) An Hand entsprechender Versuche zeigten wir, daB Sand tiber- 
haupt imstande ist, Bakterien zu adsorbieren, und daB ein gewisser Teil 


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der in einem Filter zuriickgebliebenen Bakterien durch Adsorption zu- 
ruckgehalten werden. 

2) Mit abnehmender SandkorngroBe nimmt die Adsorption zu. 

3) Das „Schiitteln“, d. h. die Bewegung der Systeme, begiinstigt die 
Adsorption, weil auf diese Weise in der Zeiteinheit eine groBere Menge 
von Bakterien in die N&he der adsorbierenden Oberfl&che kommt. 

4) Von einer gewissen Schiitteldauer an findet eine Verschlechterung 
der Adsorption statt, d. h. Desorption. 

5) Elektrolyte beeinflussen die Adsorption, und zwar lassen sich ini 
groBen und ganzen die gleichen Ionenreihen wie bei den entsprechenden 
Filtrationsversuchen aufstellen. Infolgedessen muB auch dort die Ionen- 
wirkung durch Adsorption erkl£rt werden. 

IV. In Elektrolytlbsungen suspendierte Bakterien, die man in Fil- 
trierpapier kapillar aufsteigen IkBt, bleiben gegeniiber der Flussigkeit 
starker zuriick, als in reinem Wasser aufgeschwemmte. Die Elektrolyte 
hemmen sonst den kapillaren Aufstieg der Bakterien und begiinstigen 
also deren Adsorption. Die 2-wertigen stehen hier wieder an 1. Stelle. 
Li macht, wie bei der Filtration durch Papier, eine Ausnahme, indem 
es vor den 2-wertigen steht. 

V. Es ist wahrscheinlich gemacht, daB Kaliumzyanid, Saponin und 
teilweise auch Chinin die Bakteriendurchlassigkeit von Sandfiltern er- 
hohen, indem sie die Adsorption hemmen, wie besondere Sandadsorptions- 
versuche zeigen. Man konnte also moglicherweise vollst&ndig sterile, 
insbesondere protozoenfreie Filter, durch die genannten Substanzen „ver- 
giften tt . 

Eine analoge Scliadigung durch Chlorkalk gelang uns nicht, wahr¬ 
scheinlich wegen direkter Mikrobizidie dieser Substanz in der verwen- 
deten Konzentration. 


Vom 22.—24. Sept. d. J. wird in Briinn die Feier des 100. Geburts- 
tages Gregors Mendels begangen werden. Anmeldungen zur Teil- 
nahme an der Jahrhundertfeier sind an Horrn Prof. Dr. Hugo litis 
in Briinn, Backergasse 10, zu richten. 


Inhalt 


Frei, Walter, u. Erismann, Hermann, 

Beitrage zur Theorie der Bakterienfil- 
tration, 8. 306. 

OinB, H. A., Mikroskopische Befunde bei 
experiraenteller Maul- und Klauenseuche. 
Mit 1 Tafel und 2 Abbildungen, S. 265. 
van Loghem, J. J., Aenderungen bei Bak¬ 
terien, aufgefafit als adaptative und re¬ 
gressive Aenderungen wahrend der indi- 
viduellen Existenz, S. 257. 

Opitz, Hans, Immunisierungsversucbe 
gegen Diphtherie beim Menschen, S. 262. 
Fotthoff, F., u. Hener, G., Der Eiufluft 


der ultravioletten Strahlen auf die Anti- 
korper in vivo. Mit 1 Kurve im Text, 8.299. 

Sasakawa, Maseo, Zur Systematik palho- 
gener und parasitischer ilefen. Morpho- 
logisch-biochemische Studie, S. 269. 

Schennert, Arthur, u. Schieblich, Mar¬ 
tin, Studien iiber die Magendarmflora 
polyneuritischer Tauben und die Bildung 
antineuritischen Vitamins durch Darm- 
bakterien, S. 290. 

Schmidt, Ludwig, Ueber das Verhalten 
von Keimen auf der aufieren Hautgegea- 
iiber ultraviolettem Lichte, S. 286. 


Frommannsche Bnchdruckerei (Hermann Poble) in Jena. 


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ia< AJRg^-CHAMPAIGN^ ^ 



Centralbl. f. Bakt etc. I. AbL Originate. Bd. 88. Heft S. 

Ausgegeben am 30. Juni 1922. 


Nachdruck verboten. 

[Aus dem Hygienischen Institut der Universitat Berlin (stellvertr. Direktor: 

Prof. Dr. Bruno Heymann).] 

Zum 40-jaJirigen Gedenktage der Entdeckung des 

Tuberkelbacillus. 

Ansprache, gehalten in der Berliner Mikrobiologischen Gesellschaft 

am 24. Marz 1922. 

Von Prof. Dr. Bruno Heymann. 

Meine Damen und Herren! 

Zur freundlichen Teilnahme an einer schlichten Feier, die heute 
unser Institut begeht, habe ich mir erlaubt, Sie hierher zu bitten. Ich 
begrflBe Sie herzlichst, danke Ihnen, insbesondere den verehrten Gasten 
unserer Gesellschaft, fur Ihr freundliches Erscheinen und bedauere nur, 
daB die Kleinheit dieses Zimmers nicht alien von Ihnen die Bequem- 
lichkeit eines Sitzes vergbnnt. Allein mit gutem Grunde habe ich Sie 
nicht in unseren groBen Hbrsaal, sondern in diesen engen Raum ge- 
beten. Er allein ist die rechte Statte ftir die Feier, die wir vorhaben, 
er allein als der Schauplatz des denkwiirdigen Vorganges, der sich 
heute vor vierzig Jahren zwischen diesen vier WSnden abgespielt hat: 
Hier hielt Robert Koch am 24. Marz 1882 im Kreise der 
Berliner Physiologischen Gesellschaft seinen Vortrag 
„Ueber Tuberkulose 11 , die erste offentliche Mitteilun g von 
der Entdeckung des Tuberkelbacillus. Gestatten Sie mir, 
meine Damen und Herren, den Versuch, in diesen historischen Rahmen, 
den ich nach Moglichkeit in seinen damaligen Zustand habe zurOckver- 
setzen lassen, auch das Bild jener Sitzung einzuzeichnen, so getreu, wie 
ich es nach dankenswerten Mitteilungen von noch uuter uns weilenden 
Augenzeugen, auf Grund von gedrucktem und ungedrucktem Material 
und an der Hand von Demonstrationsobjekten vermag 1 ). — Lassen Sie 
mich mit dem Hintergrunde beginnen. 

Es ist der 24. Marz 1882. Der Vorfrilhlingstag, der am Morgen 
so klar begann, ist unfreundlich, trtibe und feucht geworden. Vorzeitig 
hat sich von dem dicht bewolkten Himmel die Dammerung hernieder- 
gesenkt, und w&hrend wir von der lebhaften Friedrichstadt her in die 
stille DorotheenstraBe einbiegen, verhallen vom spitzen Turin der nahen 
NeustSdtischen Kirche fiber die Dacher der niedrigen Hauschen hinweg 
die Glockenschiage, welche die siebente Abendstunde verktluden. Wir 

1) Allen den zahlreichen Herren, die mich hierbei freundlichst unterstiitzt haben, 
insbesondere den Herren Geh. Med.-Rat Prof. Dr. .Fliigge, Hirschberg, Israel 
und Neufeld, ferner dem Direktor des Kaiserin Friedrich-Hauses fur das arztliche 
Fortbildungswesen, Herrn Prof. Dr. Adam, und dem friihcren Obermaschinisten und 
Hausverwalter des Institute, Herrn Neuondorff, mbchte ich auch an dieser Stelle 
nochamls meinen be»ten Dank aussprecben. 

Erste Abl. Orig. Bd. 88. Heft 5. 22 



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338 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 5. 

werfen — der Kirche gegeniiber — einen Blick auf Schliiters gef&l- 
ligen Logenbau, der sich mit seiner lebhaften Barockgliederung und an- 
mutigen Giebelzier leicht beschwingter GriechengOtter und Amoretten 
wohltuend von den militarisch-eintonigen, schmucklosen Fensterreihen 
der anderen Hauser abhebt, die eine sparsame und ernste Zeit unter 
dem Regiment eines strengen Konigs errichtete. Wir beruhren das 
jedem civis academicus wohlbekannte Haus des Universitatsstallmeisters, 
nehmen schon von weitem mit der Nase den GroBbetrieb des reichen 
Gerbermeisters wahr, der ohne viel Umstande seine Felle in der nahen 
Spree, am vielbesungenen „griinen Strand der Spree“, wascht, und n&kern 
uns endlich hinter einer ansehnlichen Seifensiederei der WilhelmstraBe. 
In dem langgestreckten, einstockigen Eckhaus linker Hand, der friiheren 
Artilleriewerkstatt, umrahmt ein machtiger Torbogen das bunte Treiben 
eines lebhaften Fuhrgesch&fts: In wirrem Durcheinander werden Kut- 
schen und Karren aller Art, Kremser und Leichenwagen sichtbar, 
zwischen denen larmende Knechte die Pferde ausspannen und unter 
Peitschenknallen durch die spritzenden Pfiitzen in die Staile fiihren — 
ein wenig erfreuliches Bild. Rechter Hand aber wird unser Auge ge- 
fesselt von einem stolzen, 3-st8ckigen Gebaude, mit kachelgeschmuckter 
Rotziegelfassade, mit mindestens zwanzig hohen und breiten Fenstern 
in der StraBenfront und in gewaltiger Tiefe spreewarts fast bis an das 
Wasser reichend. Das sind die erst vor vier Jahren eroffneten, wissen- 
schaftlichen Palaste von Helmholtz und seinem Freunde Du Bois- 
Reymond, den Leuchten der Universit&t, denen hier in Wiirdigung 
ihres Schaffens und Weltrufs die Regierung trotz aller sonstigen Spar- 
samkeit Arbeitsstatten von einzigartiger GerSumigkeit und Ausstattung 
bereitet hat 1 ). 

Wir sind am Ziel. Denn hier, im Physiologischen Institut, wird 
heute Abend ein Mitglied des Kaiserlichen Gesundheitsamtes, der erst 
kiirzlich herberufene Regierungsrat Dr. Koch 2 ), im Kreise der Berliner 
Physiologischen Gesellschaft einen Vortrag „Ueber Tuberkulose“ 
halten. Zwar hat er das Thema merkwiirdig allgemein gefaBt und hStte 
bei der Gr5Be der Frage den Inhalt des Vortrags schon etwas genauer 
abgrenzen konnen. Aber er hat sich bereits durch verschiedene, sogar 
von Pasteur und Lister 8 ) gerfihmte Arbeiten auf dem neuen Ge- 
biete der Bakteriologie einen wohlbekannten Namen gemacht, und es 
verlohnt sich wohl, auch einmal seine Meinung fiber diesen wichtigen 
und schwierigen Gegenstand zu h6ren, fiber den anscheinend eine Eini- 
gung nicht zu erzielen ist. Die ersten AutoritBten, der „Professor der 
Professoren“ 4 ) Virchow und der geschickt experimentierende Cohn- 


1) Lenz, Geschichte der Koniglichen Friedrich-Wilhelms-Universitat zu Berlin. 
II. Bd. 2. Halfte. S. 369. Halle a. S. 1918. 

2) Paul Borner, Das neue Mitglied des Kaiserl. Deutschen Gesundheitsamte. 
(Dtsch. med. Wochenschr. 1880. Nr. 30. S. 414.) 

3) Vgl. hierzu Loeffler, Robert Koch. Zum 60. Geburtstage. (Ebenda. 1903. 
Nr. 50. 8. 938, sowie Listers Schreiben an dieee Wochenschrift; ebenda, 8. 960.) 


4) Mit diesen Worten begriiSte der Vorsitzende der Kais. Kaukasischen Mediz. 
Gesellschaft, Minkewitsch, ihr Ehrenmitglied in einer zu Tiflis am 19. Sept. 1881 
abgehaltenen Sitzung. In seiner gedankenreichen Antwort machte Virchow folgende 



im 2. Decennium dieses Jahrhunderts, daB jede Phthise auf Tuberkulose beruhe; er 
hielt die Phthise fur eine Einheit und diese Einheit suchte er in dem Tuberkel. Es 
ist das eines der groflten Imhiimer der Medizin gewesen — so genial Laennec war, 



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Hey man a, Zum 40-jahr. Gedenktage der Entdeckung des Tuberkelbacillus. 339 

heim 1 ), welch’ letzterem die jfingeren Pathologen Baumgarten 2 ), 
Marchand 3 ) undOrth 1 ) temperamentvoll sekundieren, stehen sich in 
der Auffassung von Laennecs „tuberkulfiser Phthise“ schroff gegenfiber; 
die groBen Kliniker speisen uns mit unklaren Worten wie „Dyskrasie“ 
and „skrofulfiser Diathese“ ab, leugnen zum grfiBten Teil die Ansteckungs- 
f&higkeit der Krankheit und versagen therapeutisch vollig. Am schiimm- 
sten aber ist der praktische Arzt daran; er, der Tag fiir Tag mit dem 
Leiden ringt, der bald diese, bald jene Ansicht bestfitigt glaubt und am 
Krankenbette nur mtihsam die entwtirdigende Beschamung fiber seine 
eigene Hilflosigkeit verbergen kann, weiB nicht mehr, wo aus Doch ein. 
VVer zeigt uns endlich den Ausweg aus diesein Wirrsal, in dem tauseud- 
mal mehr Menschen dahinsiechen, als in dem opferreichen Labyrinth 
der hellenischen Sagenwelt? — 

Wir treten durch das hochragende, mit den Bildnissen der Haus- 
geister Haller und Johannes Mfiller gekronte Portal in das Ge- 
b&ude ein, steigen in der sfiulengetragenen Vorhalle auf Marmorstufen 
empor und befinden uns in einem breiten, nach beiden Seiten lang aus- 
laufenden Korridor mit stimmungsvoll gotischem Gewolbe. Wohin das 
Auge sieht — die Decken und Wande, die lackierten Tfiren und Mosaik- 
fuBboden, die Broncekandelaber und Treppengelander — fiberall eine 
ungewohnte, fast festliche Ausschmfickung, und wie eine Vorahnung 
einer neuen, reicheren Zeit steigt es in uns empor, einer in Marmor 
und Gold prunkenden Aera. 

Vom KellergeschoB hervor, wohl durch unsere Schritte angelockt, 
eilt uns geschfiftig der junge Maschinist des Instituts entgegen und 
weist uns hfiflich den Weg in das Lesezimmer, wo der Vortrag statt- 
finden soil. An solchen Sitzungstagen, jeden 2. Freitag — so erzfihlt 
er uns — hat er alle Hande voll zu tun; denn er hat allein die Vor- 
bereitungen dazu zu treffen. Und vollends heute! Denn „Herr Ge- 
heimrat Du Bois“ hat ihm schon gesagt, daB heute besonders starker 
Besuch zu erwarten sei. Wer weiB, ob das Zimmer alle Besucher fassen 
wird? Ob die sechs Dutzend Stfihle, die das Institut besitzt, und die 
er zu beiden Seiten des Tisches aufgestellt hat, genfigen werden? Wer 
weiB, ob vor allem der Tisch, so lang er auch ist, ausreichen wird? 
Denn nicht weniger als 200 Praparate, so hieB es, sollen auf ihm Platz 


so gewaltig war dieser Irrthum. Diese Lehre war auch der Grund, daB die Aerzte lange 
Zeit hindurch wenig oder gar nichts gegen Phthise unternahmen. Gerade darum be- 
klage ich es auf das Tiefste, daB diese Lehre so lange hat bestehen kbnnen.“ (Virchows 
Arch. Bd. 89. 1882. 8. 182.) 

1) Cohn heim, Die Tuberculose vom Standpunkte der Infectionslehre. 2. Aufi. 

188]. 

2) Baumgarten gebiihrt die Anerkennung, daB er gleichzeitig mit Koch die 
„*pezifischen Organismen in den Heerden der tuberkulosen Krankheiten“ richtig er- 
kannt und am 18. Marz vor Fachgenossen in Kontgsberg, sowie am 15. Mai irn Berliner 
Verein fiir innere Medizin in Schnitten demonstriert hat. Doch erkliirte er mangels 
Reinkulturen damals selbst, daB „sich die Frage, ob die von ihm gefundenen Tuberkel- 
bakterien die Ursache der tuberculttsen Processe Oder nur ihre Beg lei ter seien, 
aus dem bloBen Zusammenvorkommen beider nicht entscheiden lasse“, und daB ,,die 
Bahn zur sicheren Entscheidung dieser Frage Koch mit seinen beriihmten Untersuch- 
ungen betreten habe“. (Dtsch. med. Wochensc.hr. 1882. Nr. 22. S. 305.) 

3) Vgl. Marchand’s ausgezeichnetea Referat fiber Ri n d f 1 eisch’s Abhandlung 
Tuberculose" (Virch. Arch. Bd. 85) in der Dtsch. med. Wochenschr. 1881. Nr. 3o. 
9. 498. 

4) Orth, Zur Frage nach den Beziehungen der sogenannten akuten Miliartuber- 
kulose und der Tuberkulose uberhaupt zur Lungenschwinasucht. (Berlin, klin. Wochen- 
schrift. 1881. Nr. 42. S. 613.) 

22 * 


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Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


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linden, und er wirft schnell einen besorgten Blick auf zwei groBe Korbe 
in einer Zimmerecke, aus denen wohlverpackt zahlreicbe Kopfe von 
Praparatenglasern herauslugen. 

Die Tur tat sich auf, und mit etwas schliirfenden, den einen FuB 
uachsellleifenden Sckritten tritt Du Bois’ ansehnliche Gestalt ein. Ge- 
wohnt, Fremde in seinem Institut zu selien, scheiut er uns gar nicht 
zu bemerken. Er ist grau geworden, seitdem wir als H5rer zu seinen 
FuBen saBen; aber Haltung und Ausdruck verraten noch immer die 
Willenskraft und Geistesscliarfe, die ihn zur Hohe hobeu: noch immer 
diese gefurchte Griiblerstirn, die den Gedanken nicht ertragen kann, 
daB audere, Spatere liber sie hinauszudenken vermochten, noch immer 
diese schmalen, zusammengepreBten Lippen, die in stolzem SelbstbewuBt- 
sein das vielbelehdete „Ignorabimus u pragten 1 ). Wir lacheln uber die 
kieinen Menschlichkeiten dieses groBen Gelehrten, die in zahlreichen 
Anekdoten von Mund zu Mund gehen, und erinnern uns gern der 
farbenprachtigen Stilbluten seines kunstvollen Vortrags 2 ), die sich — 
immer die gleichen — von Kollegheft zu Kollegheft fortrankten, bis sie 
langst getiugelte Worte geworden sind und die letzten Hoffnungsanker 
schitfbriichiger Physikumskandidaten. 

Der Maschinist erwartet ehrerbietig die Anordnungen seines Chefs: 
Er wisse doch, sagt ihm dieser, daB heute viele Herren zur Sitzung 
kamen, und solle ja darauf achten, daB die Ventilationsanlage auch 
ordentiich funktioniere. Denn wenn ein paar Menschen zusammenk&men, 
so rieche es immer gleich nach Stiefelwichse, und diesen Geruch konne 
er nicht vertragen. Der Angeredete versichert, daB alles bestens vor- 
bereitet sei, und Du Bois verlaBt wieder den Raum. „Jetzt. geht er 
nach deni sogenannten Aquarium 11 , erklart uns der wieder beweglich 
gewordene Maschinist, „wo in 6 Bassius mit kiinstlichem Seewasser 
seine elektrischen Fische und noch viele andere seltene Tiere uDd 
Pllanzen zu sehen sind. Und das haben sich die Kronprinzlichen Herr- 
schaiteu vor kurzem uber eine Stunde lang von ihm zeigen lassen.“ 

Dann verschwindet auch er. Wir sind allein und haben Zeit, uns 
den Baum anzusehen. Die Beliirchtungen des Maschinisten sind be- 
rechtigt: Das Zimmer hat wohl kaum 10 m L&nge und 5 m Tiefe. Aber 
im iibrigen macht es mit seinen breiten, von hellen Vorh&ngen ge- 
schlossenen Fenstern, der kupfergetriebenen, dreiarmigen Gaskrone und 
dem eichenen Mobiliar einen gediegenen, zu stiller Arbeit einladenden 
Eindruck. Rings an den Wanden bis liinauf an das Laubwerk der 
gotischen SchluBsteine stelien geschmackvolle, vitrinenartige Regale mit 


1) Emil Du Bois-Revmond, Ueber die Grenzen des Naturerkennens. Leipzig 

1872. 

2) Lenz (Geschiehte der Universitat Berlin, II. Bd., 2. Halfte, is. 350) riihmt in ihm 
den ,,glanzeudsten Redner“ des damaligen Professorenkollegiums, das ihm auch gem 
diese Ueberlegcnheit zugestand und fiir das bakular-Jubeljahr des koniglichen istifters — 
1870 — das Kektorat und die damit verkniipften, besonders groBen, rhetorischen Auf- 
gaben anvertraute. Die Gedenkfeier in der Aula fund am 3. Aug. statt, 2 Wochen nach 
der Kriegserklarung Frankreichs an Preufien. Der Aufmarsch der deutschen Arnieen 
war vollendet, der greise Protektor der Universitilt, Konig Wilhelm, war vor 3 Tagen 
unter dem brausenden Begeisterungssturme der Berliner Bevolkerung zu den Trumpet' 
abgereiot und stand bereits mitten unter ihnen am Rhein. Mit meisterhaftem Fein- 
geiiihl fiir das Gebot der Stunde, die Mars regierte, entsandte in echwungvoller Rede 
der einstige Zdgling der militararztlichen Pepiniere Du Bois dem ,,Herzog der 
Deutschen 11 die untertanigsten GriiBe von der Berliner Hochschule mit all’ ihren 
Gliedern, ,,dem geistigen Leibregiment des Hauses Hohenzollern, dem Palais des Konig* 
gegeniiber einquartiert" — ein spiiterhiri viel citiertcs Wort. 



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Heymann, Zura 40 -jfihr. Gedenktage der Entdeckung des Tuberkelbacillus. 341 

einera reichen Biicherschatz hinter den Scheiben. Die GroBten der 
GroBen schauen auf uns hernieder und sprechen hier noch heute, lange 
nachdem ihr Mund verstummt ist, mit beredter Zunge zu uns aus ihren 
unsterblichen Werken. Unsere Gedanken aber kehren zu Du Bois 
zuriick, und unwillkurlich drangt sich auf unsere Lippen die Frage: 
„Ignorabismus?“ Nein, und abermals nein! Vertiefen wir nur inimer 
unsere Fra gen — auch das heiBt wahrlich schon viel getan — und 
bangen wir nicht um die fernsten Antworten, nicht urn „der Weisheit 
letzten SchluB a . Wohl ist der Weg noch weit, 

„doch rufen von driiben 
die Stimmen der Geister, 
die Stimmen dor Meister: 


Wir heifien euch hoffen“ '). 

Aus diesen Betrachtungen reiBen uns Schritte, die sich der Tiir 
nahern. Zwei Herren treten herein: der eine, wohl ein Vierzigjahriger, 
mittelgroB, breitschultrig, in schwarzem, hochschlieBendem Gehrock, das 
etwas blasse Gesicht von einem starken Vollbart umrahmt; der an- 
dere, in Stabsarztuniform, erheblich jiinger, kleiner und mit einein 
behaglich anmutenden Ansatz zu behabiger Korpulenz. Sie scheinen 
soeben ein recht ernstes GesprSch gefiihrt zu haben. Denn die hohe 
Stirn des alteren ist umwolkt, und wir fangen gerade noch die Worte 
von ihm auf: „Nein, nein, Kollege Loeffler, es wird w r ohl einen 
jahrelangen Kampf kosten, bis meine Entdeckung von den Aorzten 
anerkannt werdeu wird“ 1 2 3 ). Dann erteilt er, mit der Hand tiber den 
Tisch weisend, deni anderen leise einige Informationen und beginnt 
mit ihm zusammen die beiden Korbe auszupacken: Zuniichst Mikro- 
skope, unter denen mit groBer Sorgfalt Praparate eingestellt werden; 
alsdann Reagenzrohrchen, Er lenmeyer-Kolbchen und kleine, hohl 
ausgeschliffene Glasklotzchen 8 ), wahrscheinlich mit Fleischwasserinfus, 
Agar-Agar und mit einem uns unbekannten, prachtvoll bernsteinfarbigen, 
durchsichtigen, festen Material gefullt; endlich in erstaunlicher Fiille 
offenbar in Alkohol konserviertes Obduktionsmaterial 4 * * ). Immer neue 
Glaser werdeu herausgeholt, ihr Inhalt auf weiBe Teller ausgebreitet 
und mit sauber geschriebener Etikette versehen; Teller reiht sich an 
Teller, bis schlieBlich der ganze Tisch bedeckt ist. ,,Wie ein kaltes 
Buflfet“, horen wir jemanden hinter uns murmeln, und bemerken erst 
jetzt, daB sich der Raum unterdessen bis auf den letzten Platz gefullt 
hat Von seinem Pr&sidenstuhle am Tische aus fiihrt Du Bois ein 
lebhaftes GesprSch mit dem in seiner N&he sitzenden, aufmerksam 
lauschenden Helmholtz. Eine groBe Reihe weiterer bekannter Pro- 
fessoren, zum Teil mit dem Stabe ihrer Assistenten, sind erschienen; 
man macht uns auf Frerichs hoffnungsvollen Schuler Ehrlich be- 

1) Aus dem Logenlied ,.Symbolum“ von Goelhe, dessen Todestag, am 22. Marz, 
anladlich seiner 50. Wiederkehr soeben in ganz Deutschland besonders feierlich be- 
gangen worden war. 

2) Loeffler, Zum 25-jahr. Gedenktage der Entdeckung des Tuberkelbacillus. 
(Dtech. med. Wochenschr. 1920. Nr. 12. S. 449.) 

3) Diese Blockschiilchenkulturen sind fast ganz in Vergesscnheit geraten, ver- 
dienen aber, fur mancho Zwecke wiederum in die bakteriologische Technik aufgenommen 
zu werden. 

4) Eine grdflere Anzahl der damals aufgestelllen Priiparate (in ihren Original- 

gl&sern und zum Teil noch mit Kochs eigenbandiger Hignierung) befindet sich im 

Besitze des hicsigen institute und wurde wiederum demonstriert. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5 . 


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sonders aufmerksam, dessen schnell aufeinanderfolgende Arbeiten, vor 
allem seine farbenanalytischen BlutnntersuchungeD, berechtigtes Aufseheu 
erregen. Es ist klar, daB von den maBgebenden Personlichkeiten aus 
Berlins medizinischen Kreisen heute kaum einer fehlt. Nur Virchow 
wird vermiBt. „Wo ist er? Macht er wieder Ausgrabungen in Troja 
mit seinem Freunde Schliemann oder miBt er Mumienschadel in den 
agyptischen Konigsgrabern mit Ebers? Welche Vielseitigkeit in diesem 
einen Manne, welch’ unstillbarer Wissensdurst noch immer in dem 
Hochbejahrten ! u „Nein, — er schritt erst vorgestern beim Einzuge der 
Professoren in die Aula zur Kaiser-Geburtstagsfeier an mir voriiber. 
Aber wissen Sie denn nicht, daB sich Virchow gegen die neue, bak- 
teriologische Forschungsrichtung sehr skeptisch verhalt? Waren Sie 
nicht dabei, wie er und seine Schuler in der Berliner medizinischen 
Gesellschaft an der kiirzlich veroffentlichten, ersten Sammlung wissen- 
schaftlicher Arbeiten aus dem Reichsgesundheitsamt heftige Kritik 
iibten? 1 ) Und haben Sie nicht erst kurz vor Weihnachten in der 
Berliner klinischen Wochenschrift den ausfuhrlichen Bericht daruber 
gelesen, daB Virchow 2 ) sogar im Reichstage seinem Unmut fiber die 
„zum Theil noch ganz jungen Manner" des Reichsgesundheitsamts Luft 
gemacht bat. Jawohl, — „noch ganz jungen Manner", und demgemaB 
triigen auch die bisher erschienenen Arbeiten „zum Theil den Cha- 
rakter der Jugend an sich und, was er namentlich tadele, im hohen 
MaBe einen polemischen Charakter". Wenn aber eine 
solche Arbeit „unter der Firma des R.G.A." publiziert werde, so werde 
sie dadurch „mit autoritativem Charakter behaftet und sehe in der That 
nach vielmehr aus als sie in Wirklichkeit sei, und es entstehe dann in 
der That die besondere Schwierigkeit, daB man den einzelnen Personen 
nicht einmal recht beikommen konne“. So erklart es sich auch, daB 
Koch lieber hier, als unter Virchows Vorsitz in der grofien medi¬ 
zinischen Gesellschaft seinen Vortrag halt. Doch ruhig, es be- 
ginnt." — 

Du Bois erhebt sich und eroffnet mit kurzen Worten die Sitzung, 
um Koch sogleich das Wort zu erteilen. Der Redner tritt an das Pult 
und kann zunachst eine gewisse Befangenheit schwer unterdrflcken. 
Noch ist — man merkt es ihm wohl an — seine Metamorphose vom 
unbekannten Kreisarzt in Wollstein zur grofistadtischen Autoritat nicht 
ganz vollendet; und wir mtissen daran denken, daB vorhin jemand in 
unserer Nahe erzahlte, Koch habe fast schtichtern bei der Physiologi- 
schen Gesellschaft angefragt, „ob es ihm wohl gestattet sein wflrde, in 
einem so bertihmten wissenschaftlichen Kreise seinen maiden speech zu 
halten". Seine Worte kommen ein wenig abgehackt und stockend her- 
aus. Aber sie sind schlicht und goldklar, und es dauert nicht lange, so 
gewinnt die Sache, die er vertritt, die Herrschaft fiber ihn und reiBt ihn 
fort zu immer gleichmaBigerem Redestrom. 


1) Vgl. Beriehte der Berlin, med. Gesellsch. 1881. Teil I, S. 82 u. Teil II, S. 1. 

2) Die Verhandlungen dea Reichatagea betreffend das Kaiserl. Gesundheitsarat. 
Sitzung am 2. Dez. 1881. (Nach dem atenographischen Bericht.) (Berlin, khn. Wochen¬ 
schrift. 1881. Nr. 51. S. 767.) 



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Hermann, Zum 40-jahr. Gedenktabe der Entdeckung des Tuberkelbacillus. 343 


Nach einer kurzen historischen Einleitung l ) 2 3 ) fiber den gegen- 
w&rtigen Stand der Tuberkulosefrage, der von Cohnheim in der soeben 
erschienenen neuesten Auflage seiner „Vorlesungen fiber allgemeine 
Pathologie 44 dahin charakterisiert wfirde, daB „der direkte Nachweis des 
tuberkulosen Virus als ein bis heute noch ungelostes Problem 14 zu be- 
zeichnen sei, flberrascht uns Koch mit der Erklftrung, daB er sich die 
Losung dieses Problems — als eine besonders „dringende Pflicht 44 des 
Reichsgesundheitsamtes — zur Aufgabe gestellt babe, und fiihrt uns 
alsbald mitten in seinen Arbeitsplan hinein. Das Ziel der Untersuchung, 
so fiihrt er aus, muBte zun&chst auf den „Nachweis von irgend welchen, 
dem Korper fremdartigen, parasitischen Gebilden, die moglicherweise als 
Krankheitsursachen gedeutet werden konnten 44 , gerichtet sein. Alle seine 
Bemfihungen in dieser Richtung seien jedoch anfangs vergeblich ge- 
wesen. SchlieBlich sei es ihm aber mit Hilfe eines neuen F&rbever- 
fahrens doch gelungen, in tuberkulos verfinderten Organen und deren 
Sekreten charakteristische, bis dahin nicht bekannte Bakterien zu linden, 
wovon sich jeder an den aufgestellten mikroskopischen PrSparaten s ) 
leicht iiberzeugen konne. Und wir vernehmen mit wachsendem Erstaunen, 
daB er nicht weniger als 33 verschiedene Falle von menschlicher Miliar- 
tuberkulose, kasiger Bronchitis, Gehirn-, Darm-, Driisen- und Gelenk- 
tuberkulose, ferner die Organe von zahlreichen spontan erkrankten 
Rindern, Schweinen, Affen, Kaninchen, Meerschweinchen und von einem 
Huhn und endlich auch von fiber 200 mit tuberkulbsein Material ab- 
sichtlich infizierten Meerschweinchen, Kaninchen, Katzen untersucht 
und immer wieder und ausnahmslos jene Bazillen in den tuber- 
kulSsen Krankheitsprozessen und nur in ihnen nachweisen konnte. Auf 
Grund dieser zahlreichen Beobachtungen hielte er es fur erwiesen, „daB 
bei alien tuberculosen Affectionen des Menschen und der Thiere con¬ 
stant die von ihm als Tuberkelbacillen 4 ) bezeichneten und durch charac- 
teristische Eigenschaften von alien anderen Microorganismen sich unter- 
scheidenden Bacterien vorkommen. 44 Aus diesem Zusammentreffen von 
tuberkuloser Affektion und Bacillen aber — und dabei zuckt ein eigen- 
artiger Blitz unbeirrbarer Selbstkritik aus seinen Augen — dfirfe mau 
noch keineswegs den SchluB ziehen, daB beide in einem ursfichlichen 
Zusammenhang stfinden. GewiB sprache ein nicht geringer Grad von 
Wahrscheinlichkeit daffir, zumal die Bacillen sich vorzugsweise da ffinden, 
wo der tuberkulose ProceB im Entstehen oder Fortschreiten begriffen 
sei, und dort verschwfinden, wo er zum Stillstand gelangt sei. Um aber 
den endgfiltigen Beweis zu erbringen, mflBten die Bacillen, vom er- 


1) Vgl. hierzu den offiziellen Sitzungnbericht der Berlin. Physiol. Gee. fiber die 
„XI1I. Sitzung am 24. Marz 1882“, der am 4. April ausgegeben wurde. Er beginnt mit 
den Worten: n Hr. R. Koch hielt den angekiindigten Vortrag: B 0eber Tuber- 
kulose u , ist nur 1 */ a Heiten lang und enthiilt keine Angabe fiber den Verfasser 
(Autoreferat?). (I)u Bois-Reymonds Arch. f. Physiol. 1882. S. 190.). — Dem fol- 
genden Bericht ist wesentlich zugrunde gelegt: 

2) Koch, R.,/Die Aetiologie der Tuberkulose. (Nach einem in der physiologi- 
schen Gesellschaft zu Berlin am 24. Mrtrz cr. gehaltenen Vortrage.) (Berlin, klin. 
Wochenschr. 1882. Nr. 15. S. 222. Ausgegeben am 10. April.) 

3) Aus einer unter den aufbewahrten Original Praparaten befindlichen Kaninchcn- 
lunge wurden ffir diese Ansprache Schnitte hergestellt. Sie erwieseu sich noch sowohl 
nach Kochs ursprfinglicher, wie nach Ehrlichs Verfahren tadellos farbbar und waren 
am Vortragsabend aufgestellt. 

4j Darait ertibrigen sich m. E. alle Erorterungen fiber die beste Benennung des 
Tuberkulose-Erregers (vgl. u. a. Aschoff, Zur Nomenclatur der Phthise. Mfinch. med. 
Wochenschr. 1922. Nr. 6. S. 183. 


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Centr&lbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


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krankten K8rper und seinen Bestandteilen vollig isoliert. in ganz sicheren 
Reinkulturen fortgeziichtet, und schliefilich bei Uebertragung der 
isolierten Bacillen auf Tiere dieselbenKrankheitserscheinungen 
erzeugt werden, welche durch Impfung mit natfirlichem Tuberkel- 
material entstunden. 

Uns schwindelt vor der GroBe dieser Aufgabe, und wir erinnern 
uns, kurzlich gelesen zu haben, daB Koch ein Schuler von Henle sei, 
des groBen Pathologeu, der schon vor vielen Jahren mit grundlichster 
Wissenschaftlichkeit und leidenschaftlicher Hingabe die parasitfire Natur 
der Iufectionskrankheiten, auch der Tuberkulose, verfocht 1 ) und den 
Nachweis des „contagium animatum“ an die drei Postulate: Konstantes 
Vorkommen des Virus am Krankheitsherd, Isolierung des Virus in kiinst- 
licher Kultur und positives Tierexperiment mit dieser knflpfte, urn freilich 
mit den resignierenden Worten zu schlieBen: „ein Versuch, auf den man 
wohl verzichten inuB“ 2 ). Aber unser Redner scheint nicht der Mann eines 
so schnellen Verzichtes zu sein. Mit erhobener Stimme und roter werden- 
den Wangen schildert er uns, wie er trotz aller anfanglichen Fehlschlage 
„nicht locker gelassen 143 ) und immer wieder neue Wege zur Reinzuch- 
tung seiner Bacillen versucht habe. Er habe alsbald bemerkt, daB sie 
hochst anspruchsvolle Entwicklungsbedingungen hatten, daB sie insbe- 
sondere auf den iiblichen Nahrsubstraten nur ganz kuminerlich vege- 
tierten und daher bei der Aussaat natiirlichen Krankheitsmaterials von 
anderen fast stets gleichzeitig vorhandenen, uppig wachsenden Mikro- 
organisraen unrettbar Gberwuchert wiirden. Dieser Schwierigkeit sei er 
dadurch Herr geworden, daB er seine Kulturen „zunachst eine Art 
Zwischenstufe, den Korper des Meerschweinchens, habe passieren lassen“. 
In diesem fur Tuberkulose sehr empf&nglichen Tier namlich fande ge- 
wissermaBen eine Reinztichtung des Tuberkelbacillus unter Ausschaltung 
der Begleitbakterien statt, so daB bei der Uebertragung frischen tuber- 
kulosen Meerschweinchenmaterials auf kiinstliche Nahrboden die Gefahr 
storender Verunreiuigungen sehr verringert sei. Als Nahrmedium habe 
sich vor allem Blutserum von Rindern und Schafen bewahrt, das nach 
siebenmaliger, vorsichtiger Erhitzung ein steriles, durchsichtiges, bei 
37° festbleibendes Substrat ergebe. Aber auch auf diesem besten Nahr¬ 
boden wiirden erst nach dem zehnten Tage kleine, weiBe, trockene Piinkt- 
chen und Schuppchen sichtbar, die ausschlieBlich aus feinen Bacillen 
bestanden. Im Laufe der nachsten 3—4 Wochen vergrSBerten sich diese 
Colonieen noch ein wenig, mflBten aber, urn die Kultur im Gange zu 
erhalten, alsbald auf neuen Nahrboden zerdriickt und moglichst verteilt 
werden, wo dann im gleichen Zeitraum wieder schiippchenartige Kolo- 
nieen anwiichsen. Auf diese Weise habe er zunachst von krauken 
Menschen, Affen und Rindern 15 Reinkulturen gewonnen, die sich nicht 
im geringsten von einander unterschieden. 

Aber seine Zweifel hatten ihn dabei nicht stehen bleiben lassen. Er 
habe sich den Einwand gemacht, daB durch die Meerschweinchenpassage 


1) Vgl. Fliigge, Fermente und Mikroparasiten, Leipzig 1883, ein Werk, das zuni 

1. Male die Er^ebnisse dor mikrobiologischen Fterschung zusamnienfaSte und „Jacob 
Henle, der nut genialem Scharfblick schon vor 40 .Jahren das Wesen der Jnlektions- 
krankheiten klar erkannte, zum 50-jahrigen Doktorjubilaum gewidmet“ war, desseu 
F'eier, am 4. April 1882, soeben bevorstand. 

2) Henle, Pathologische Untersuchungen 1840; Hdbch. d. rationed. Patholoeie, 

2. Bd., 2 . Abt. 1853. 

3) Eine besonders beliebte Redewendung Kochs. 



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Heymann, Zum 40-jahr. Gedenktage der Entdeckung des Tuberkelbacillus. 345 

/ 

„eine Aenderung in der Natur der Bacillen 14 bewirkt sein konnte, und 
habe daher alles daran gesetzt, nun auch unmittelbar aus den Organen 
spontan erkrankter Menschen und Tiere Reinkulturen zu gewinnen. All- 
mahlich sei ihm auch dies — und seine Hand weist auf eine staltliche 
Reihe von Kulturen — bei verschiedenen menschlichen und tierischen 
Krankheitsprozessen gegluckt. Und auch diese Kulturen seien alle unter- 
einander gleich und stimmten mit denen durchaus (iberein, die erst auf 
dem Umwege iiber das Meerschweinchen erhalten waren. Somit sei bis 
jetzt durch seine Untersuchungen festgestellt, daB „das Vorkommen von 
ebaracteristischen Bacillen regelmSBig mit Tuberculose verknupft sei, und 
daB diese Bacillen sich aus tuberculosen Organen gewinnen und in Rein- 
culturen isoliren lassen". Es bleibe nunmehr noch die Frage, ob diese 
isolierten Bacillen nach Einverleibung in den Tierkorper den Krankheits- 
prozeB an Tuberkulose auch wieder zu erzeugen vermogen, „der Schwer- 
punkt der ganzen Untersuchung". 

Und nun berichtet Koch, offensichtlich mit eigener, steigender Er- 
regung, daB er, um jeden Irrtum auszuschlieBen, dariiber moglichst ver- 
schiedene Reihen von Experimenten angestellt und zahlreiche Tiere in 
tnannigfacher Weise unter Berticksichtigung aller VorsichtsmaBregeln 
mit reinen, durch viele Generationen fortgeziichteten Kulturen ver- 
schiedener Herkunft geimpft habe. Ein Teil der Tiere sei nach einigen 
Wochen unter starker Abmagerung, Driisenschwellungen und Geschwiirs- 
bildungen eingegangen, ein Teil sei am Leben geblieben und getdtet 
worden. Alle habe er auf das eingehendste selbst obduziert und das 
Sektionsmaterial zum grQBten Teile hier aufgestellt. Und wahrend wir 
mit atemloser Spannung seinen Erlauterungen lauschen, folgen unsere 
Augen seinem Finger von PrSparat zu Pr&parat und konnen die Fiille 
des Gebotenen kaum fassen: Hier die tuberkelbes&ten Organe von sub- 
kutan oder intraperitoneal geimpften Meerschweinchen in verschiedenen 
Stadien ihrer Erkrankung, da von Kaninchen, denen Kulturmasse in 
minimalen Spuren in die vordere Augenkammer oder in die Ohrvene 
eingeimpft wurde, da von durch Fiitterung infizierten Feldm&usen, Ratten 
und Katzen, dort schlieBlich auch von einem Hunde. Bei keinem einzigen, 
als tuberkulose-empfanglich bekannten Impftier ein Fehlschlag, bei keinem 
einzigen Kontrolltier ein Widerspruch — nein. wir dflrfen nicht mehr 
zweifeln und werden uns freudig mehr und mehr dieser Sicherheit be- 
wuBt: HenlesTraum ist erftillt, Cohnheims Problem ist gelost! Es 
ist so und wird immer so bleiben, wie uns Koch soeben in seiner ein- 
drucklich lapidaren Ausdrucksweise abschlieBend verktlndet: r Die 
Tuberkelbacillen sind die eigentlicheUrsachederTuber- 
kulose, und dieTuberkulose ist also als eine parasitische 
Krankheit anzusehen.“ — 

Wir atmen auf. Aber Koch ist noch nicht am Ende seines Vor- 
trags. Wieder ruhiger geworden, beginnt er, die Folgerungen aus seiner 
Entdeckung zu ziehen, und fesselt uns alsbald aufs neue durch die 
Mannigfaltigkeit und Eigenart seiner Ausblicke. Bewunderten wir bisher 
den tief schurfenden, unentwegt zum Ziele strebenden Forscher, so tritt 
er uns jetzt als ein Mann von ntichtern abwagendem, praktischem Sinne 
entgegen, der — eines Bergrats Sohn *) — das mit scharfem „Gez&he u 


1) Hieraus erklart e« sich, dnfl bergmannischc Erinnerungen und Rfidewendtingcn 
Koch durch sein ganzes Leben begleiOt habcn. Ho betonteergcrn bei der experimentellen 
Arbeit, daB „die Hauptsache das Gezahe sei“, d. h. das Handwerkszcug. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


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miihsam geforderte Gut nun auch fiber Tage ausgiebig zu verwerten 
versteht. Mit kfihler Selbstkritik und ohne alle Ueberhebung, aber auch 
in vollem BewuBtsein der Zuverl&ssigkeit und Tragweite x ) seiner Ent- 
deckung betont er zun&chst ihre Bedeutung fur die Begriffs- 
bestimmung der Tuberkulose. „Es fehlte bisher“, so fiihrt er aus, 
„an einem bestimmten Kriterium fur die Tuberculose, und der Eine 
rechnete dazu Miliartuberculose, Phthisis, Scrophulose, Perlsucht u. s. w., 
ein Anderer hielt vielleicht mit ebenso viel Recht alle diese Krankheits- 
processe fiir different. In Zukunft wird es nicht schwierig sein zu ent- 
scheiden, was tuberkulos und was nicht tuberkulos ist. Nicht der eigen- 
thumliche Bau des Tuberkels, nicht seine Gef&Blosigkeit, nicht das Vor- 
haudensein von Riesenzellen wird den Ausschlag geben, sondern der 
Nachweis der Tuberkelbacillen. u Auf Grund dieses Nachweises werde 
man auch einen Einblick in die Verbreitung der Krankheit beim 
Menschen und bei den Haustieren gewinnen und das Vorkommen und 
die Lebensfahigkeit der Bacillen auch auBerhalb des 
kranken Organismus sowie ihre Eintrittswege in den Ge- 
sunden erforschen konnen. DaB bei dem Zustandekommen der Krank¬ 
heit auch die Verhhltnisse der erworbenen und ererbten Disposition 
eine bedeutende Rolle spielten, sei ihm unzweifelhaft; doch „wiirde es 
zu sehr in das Gebiet der Hypothese fiihren, jetzt schon darauf eingehen 
zu wollen. In dieser Richtung bediirfe es noch eingehender Unter- 
suchungen, ehe ein Urtheil gestattet sei u . Daher begniige er sich, im 
Hinblick auf das schwere Haften der Bacillen an kleinen Hautverletzungen, 
mit der Andeutung, daB „wahrscheinlich auch in den Lungen besondere, 
das Einnisten der Bacillen begiinstigende Momente, wie stagnirendes 
Sekret, EntbloBung der Schleimhaut vom schutzenden Epithel usw. zu 
Hilfe kommen mfiBten, um die Infektion zu ermoglichen. Es ware sonst 
kaurn zu verstehen, daB die Tuberkulose, mit der wohl jeder Mensch, 
namentlich an dicht bevolkerten Orten, mehr Oder weniger in Beriihrung 
komme, nicht noch haufiger inficiere, als es in Wirklichkeit geschahe u . 
Ob die Diagnostik, etwa durch den Nachweis von Tuberkelbacillen im 
Sputum, Oder die Therapie, vielleicht aus weiteren Erfahrungen fiber 
ihre Lebensbedingungen, Nutzen ziehen konnten, miiBten die Kliniker 
entscheiden. Er habe seine Untersuchungen vor allem im Interesse der 
Gesundheitspflege vorgenommen, und dieser werde auch, wie er 
hoffe, der groBte Nutzen daraus erwachsen. Denn wahrend man bisher 
eigentliche, gegen die Tuberkulose selbst gerichtete MaBnahmen noch 
nicht gekannt habe, werde man es in Zukunft im Kampfe gegen diese 
schreckliche Plage des Menschengeschlechts nicht mehr „mit einem un- 
bestimmten Etwas, sondern mit einem faBbaren Parasiten zu tun haben“, 
dessen Lebensbedingungen zum groBten Teil bekannt seien und jeden- 
falls noch weiter erforscht werden konnten. Vor allem miisse die „ge- 
wiB haupts&chlichste“ Infektionsquelle, das Sputum der Phthisiker, durch 
geeignete Desinfektionsverfahren unsch&dlich gemacht werden; 
daneben verdiene auch die Desinfektion der Kleider, Betten und anderen. 
von Tuberkulosen benutzten Gegenst&nde Beachtung. Ferner sei es ge- 


1) „Ich war mir der weittragenden Bedeutung und der Wichtigkeit des Resultates 
meiner Arbeit vollkommen bewuSt und habe sie deswegen nicht eher vor den Richter- 
stuhl der Oeffentlichkeit gebracht, als bis sie mir nach alien Richtungen hin ausge- 
arbeitet und gegen jeden Einwand gesichert schien.“ R. Koch: Kritische Besprechung 
der gegen die Bedeutung der Tuberkelbacillen gerichteten Publikationen. (Dtech. med. 
Wochenschr. 1883. Nr. 10.) 


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Heymann, Zum 40-jtlhr. Gedenklage der EDtdeckung des Tuberkelbacillus. 347 


boteu, auch der Ansteckung durch Fleisch und Milch tuberkulfiser Haus- 
tiere vorzubeugen, eine Gefahr, die, „ob noch so grofi Oder noch so 
klein u , verhanden sei und deswegen vermieden werden mfisse. So lieBen 
sich noch eine Anzahl weiterer Gesichtspunkte flber MaBregeln aufstellen, 
welche auf Grund der neuen Kenntnisse fiber die Aetiologie der Tuber- 
kulose zur Einschrankung der Krankheit ffihren kounten. „Doch wtirde 
eine Besprechung derselben hier zu weit ffihren, und wenn sich die 
Ueberzeugung, daB die Tuberkulose eine exquisite Infectionskrankheit 
sei, uuter den Aerzten Bahn gebrochen haben werde, dann wiirden die 
Fragen nach der zweckmaBigsten Bekampfung der Tuberculose gewiB 
einer Discussion unterzogen werden und sich von selbst entwickeln. u — 
Koch ist am SchluB; er verneigt sich kurz und geht in sich ge- 
kehrt auf seinen Platz zurfick. Aber auch im Zimmer bleibt alles still. 
Es ist, als wenn sich niemand losreiBen konnte von der Betrachtung 
dieses Wunderwerks, das sich wie ein Traumgebilde auf seinen drei 
machtigen Grundpfeilern vor unseren Augen erhoben und immer hoher 
und hoher aufgettirmt hatte, bis es sich in Hohen verlor, in die der ge- 
blendete Blick nicht mehr zu folgen vermochte. — 

Allmfihlich aber lost sich der Bann. Man spendet Beifall und strekt 
Koch gltickwfinschend die Hande entgegen; man beugt sich voll Interesse 
fiber die Reinkulturen und anderen Demonstrationsobjekte; Ehrlich 
ist in den Anblick eines mikroskopischen Praparats versunken und hat 
offenbar seine Umgebung vollstandig vergessen. 

Doch Koch scheint von alledem kaum bertihrt zu werden; er steht 
schweigend da und auf seiner Stirne erscheint die namliche Wolke, wie 
vorhin, als wir ihn zum ersten Male erblickten. Kann ihm auch der 
Beifall die Sorge von den Widerstfinden nicht verscheuchen, die er ge¬ 
wiB nicht ffirchtet, die aber unter den Aerzten „die Ueberzeugung, daB 
die Tuberculose eine exquisite Infectionskrankheit ist“, noch lange hint- 
anhalten und die Diskussion fiber die besten BekampfungsmaBregeln ad 
calendas Graecas verzogeru werden V Sollte er wirklich recht behalten? — 
Wir aber verlassen den Raum in tiefer Ergriffenheit, und keiner von 
uns alien, die diesen Abend miterlebt haben, werden ihn je vergessen *). 

Und in der Tat: Die Kritik, voreilig, wie gewohnlich, lieB nicht lange 
auf sich warten. Wohl griffen die Kliniker 1 2 3 ) Kochs Entdeckung freudig 
auf und bestfirmten ihn, auf dem in wenigen Wochen stattfindenden 
ersten KongreB ftir innere Medizin in Wiesbaden „mit seinem ganzen 
Apparat zu erscheinen und aufierhalb des Programms, durch seinen Vortrag, 
den KongreB zu illustrieren“ s ); wohl kam es dank dem einfachen Ffirbe- 
verfahren, das der junge Ehrlich 4 ) noch in der Nacht vom 24. zum 
25. Marz gefunden hatte, und dessen Ueberlegenheit auch Koch bereit- 


1) Ehrlich id seinem Nachruf auf Rob. Koch: „Jeder, der diesem Vortrage 
beigewohnt hatte, war ergriffen, und ich muS sagen, dafi mir jener Abend stets als 
mein grofltes wissenschaftfiches Erlebnis in Erinnerung geblieben ist.“ (Fraukf. Ztg. 
vom 2. Juni 1910. Nr. 150.) 

2) Vgl. die Referate P. Borners und A. Fraenkels fiber Kochs Vortrag. 
(Dtsch. m«l. Wochenschr. 1882. Nr. 15 u. 16.) 

3) Vgl. Berl. Tagcbl. 1882. 30./3. (Nr. 151) u. 16./4. (Nr. 177) und Wiener Neue 
Freie Presse 1882. 15 /4. 

4) Ehrlich (Thema auch im offizielleu Protokoll nicht angegeben) Vortrag fiber 
ein neues Verfahren zur Tuberkelbacillen-Farbung, gehalten im Verein fur innere Medizin 

Berlin am 1. Mai 1882. (Dtsch. med. Wochenschr. 1882. Nr. 19. S. 269 u. Nr. 26, 
8. 365.) 


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willigst anerkannte, alsbald dazu, daB man sich allgemein mit dem Auf- 
suchen der Bazillen beschaftigte. Allein der Umstand, daB sich infolge 
dieser bequemen Methodik der Streit hauptsSchlich darum drehte, ob im 
Sputum und in tuberkulos veranderten Geweben die Tuberkelbacillen 
regelmaBig vorkamen, und ob ihnen die angegebenen spezifischen mikro- 
chemischen Merkmale eigen wSren, „hatte u , wie Koch 1 ) mit Bedauern 
sah, „den groBen Nachtheil im Gefolge, daB der eigentliche Schwerpunkt 
seines Beweises fiir die parasitische Natur der Tuberculose, namlich die 
Erzeugung der Tuberculose durch Verimpfung der isolirten Parasiten, 
ganz aus dem Auge verloren wurde“. In den wenigen Laboratorien 
aber, wo man sich an diese Aufgabe machte, geriet sie in ungeschickte 
und ungeiibte Hande, deren Technik durchaus unzul&nglich war, und an 
schwache Kopfe, welche die so erzielten Ergebnisse „rait unerbittlicher 
Logik u gegen Koch ausspielten. Diesen Gegnern schlosseu sich noch 
Personlichkeiten an, die — ohne eigene Experimente — aus rein theo- 
retischen Griinden die Richtigkeit seiner SchluBfolgerungen in Abrede 
stellten. So schien es ihm denn etwa 1 Jahr nach seinem ersten Vor- 
trage an der Zeit zu sein, „um nicht total falsche Ansichten liber seine 
Arbeiten aufkommen zu lassen, die von gegnerischer Seite gekommenen 
Publikationen in einer kritischen Besprechung auf ihren w'ahren Wert 
zu priifen 11 . DaB er hierbei eine iiberaus scharfe, oft in die Lauge 
atzender Ironie getauchte Feder fiihrte, darf uns angesichts der un- 
bestechlichen Kritik, die er an sich selbst iibte, nicht wundern. Zwar 
enthalt die Publikation nicht ganz so drastische Ausdrucke, wie die hier 
aufliegende, handschriftliche, fur die Entgegnung gesammelte Literatur- 
Uebersicht, die mit Randbemerkungen wie „Humbug“ und „Hoherer 
Blodsinn! u gewiirzt ist; aber auch vor der Oeftentlichkeit ist er mit 
Wendungen, wie „fehlerhafte und unbeholfene 41 oder „nur aus Fehlern 
bestehende Technik 11 , „Behandlung oder vielmehr MiBhandlung der Ftirbe- 
methoden“, „noch nicht einmal Karrikatur meiner Versuche“, „haar- 
straubend“ und „klaglich“, „ungereimteste Dinge“ und ahnlichen Deutlich- 
keiten nicht gespart, und noch am SchluB heiBt es: „Eine angenehme 
Aufgabe war es fiir mich nicht, eine so durchweg gehaltlose Literatur 
zu kritisieren, aber ich konnte mich im Interesse der Sache dieser Ver- 
pflichtung nicht entziehen und w T erde auch ferner diese Last auf mich 
nehmen, hoffe dann aber einem sorgfaltiger bearbeiteten Material zu be- 
gegnen." 

Aber Koch brauchte vor einer Wiederholung dieser unerfreulichen 
Aufgabe keine Sorge zu tragen. Nicht lange, so verstummten alle 
Gegner unter der schnell wachsenden Wucht des zu seinen Gunsten 
sprechenden Beweismaterials 2 ). Auch Koch selbst hatte seit seinem 
ersten Vortrage noch eifrig weitergearbeitet, seine Kenntnisse uber die 
morphologischen und biologischen Eigenschaften des Tuberkelbacillus 
erweitert, die Tierversuche mannigfach variiert und um wichtige Impf- 
methoden, insbesondere die Inhalation, bereichert, seine Anschauungen 
iiber die Verbreitungsweise und Bekampfungsmoglichkeiten der Krank- 
heiten vertieft. So vorbereitet, schritt er im Friihsommer 1883 an die 


1) Koch, R., Kritische Besprechung der gegen die Bedeutung der Tuberkelbacillen 
gerichteten Publikationen. (Dtsch. med. Wochenschr. 1883. Nr. 1U.) 

2) Vgl. „Discussion iiber die gegen R. Kochs Entdeckung des Tuberkelbacillus 
neuerlichst hervorgetretenen Einwande“, im Verein fiir innere Medizin, bei der Ehrlich 
das Referat hatte. (Dtsch. med. Wochenschr. 1883. Nr. 11. S. 159 u. Zeitschr. f. 
klin. Med. Bd. 6. 1883. S. 574.) 



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Heymann, Zum 40-jahr. Gedenktage der Entdeckung des Tuberkelbacillus. 349 

ausffihrliche Niederschrift seiner gesamten Ergebnisse und brachte sie, 
gedrangt von den Vorbereitungen zu einer iiberseeischen Expedition, 
die, angesichts der von Aegypten her drohenden Choleragefahr, zur Er- 
forschung der Seuche an Ort und Stelle, nacli Frankreichs Vorgang schleu- 
nigst auch von der deutschen Reichsregierung beschlossen und Kochs 
Leitung anvertraut worden war, bereits im Juli zum AbschluC. Die 
88 Folioseiten starke, mit 10 vorziiglichen farbigen Tafeln geschmtickle 
Abhandlung erschien unter dem Titel „DieAetiologie der Tuber- 
kulose“, zusammen mit Arbeiten seiner Schuler Loeffler und Gaffky 
fiber die Entdeckung des Diphtheriebacillus und des Typhusbacillus, im 
2. Bande der „Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte 44 
erst im Sommer 1884, nachdem Koch als der beispiellos gefeierte Ent- 
decker des Cholera-Erregers wieder in die Heimat zuriickgekehrt war und 
selbst mit dieser neuen Ruhmestat den Glanz seiner ersten Entdeckung 
und deren Veroffentlichung fast verdunkelte. Und doch stellt — bei 
voller Wflrdigung all’ seiner anderen Leistungen — „die Aetiologie der 
Tuberkulose“ zweifellos den HShepunkt seines Lebenswerks dar. Es 
sollte keinen Arzt geben, der von der ganzen, groBen, leider so ver- 
nachlSssigten Geschichte unserer Wissenschaft nicht wenigstens dieses 
eine, einzigartige Dokument studiert hat — nicht anders, wie man von 
jedem allgemein Gebildeten die Kenntnis von Schillers „Glocke u oder 
Goethes „Faust tt voraussetzt. Man kann es lesen und immer wieder 
lesen und wird es nie aus der Hand legen, ohne neue Anregungen 
daraus empfangen zu haben, Es gibt keine, das Wesen und die Be- 
kfimpfung der Tuberkulose berlihrende Frage von Bedeutung, die in 
dieser Abhandlung nicht bereits aufgeworfen und zur Losung vorbereitet 
w5re — mit einziger Ausnahme des Tuberkulins, dessen Entdeckung aber 
wiederum Koch selbst vorbehalten blieb und vom wissenschaftlichen 
Standpunkte eine bewunderungswiirdige Tat war und bleibt, wenn sie 
auch in ihren praktischen Auswirkungen, ganz gewiB ohne sein Ver- 
schulden J ), auf seinen Ruhm eiuen Schatten warf. Im tibrigen aber 
werden in der Tat alle die Probleme, die die Folgezeit bis in unsere 
Tage hinein besch&ftigen, bereits aufgerollt, wie die Beziehungen zwischen 
Menschentuberkulose- und Perlsucht-Bacillen, „die unter begflnstigenden 
Umstanden durch Anpassung und Umziichtung etwa mogliche Entstehung 
der Tubercelbacillen aus indifferenten Bacterien“, „die etwaige Ab- 
schwfichung der Tubercelbacillen nach Art der Milzbrandbacillen“, viel- 
leicht mit dem Gedanken an Immunisierungsversuche nach Art der 
Paste urschen Milzbrand-Schutzimpfungen; ferner die verschiedenen In- 
fektionsquellen des Virus und seine Wege zum Gesunden, die „Hiilfs- 
momente ffir das Eindringen der Tubercelbacillen 41 , ihr weiteres Verhalten 
im Kbrper und die Rolle der Wanderzellen, Blut und Lymphflussigkeit bei 
ihrer Verschleppung, die Moglichkeit der therapeutischen Beeinflussung 
im Kbrper, u. a. m. Auch die heute besonders lebhaft erorterte „Dis- 
position 44 fur Tuberkulose, sowohl die „erworbene, zeitweilige oder ffir das 
ganze Leben bestehende individuelle, wie die „vererbte, unverkennbare 
Prfidisposition mancher Familien 44 wird — wohl als Nachspiel zu einein 
in Wiesbaden 1 2 ) darfiber gefflhrten Wortgefecht - ausfuhrlicher wie 


1) Vgl. hierzu: von WaJdey er-Hartz: Lebeuserinnerungen. Bonn. 1U20. S. 283. 

2) it Koch, Ueber die Aetiologie der Tuberkulose. Verhandlungen des Kon- 
Kresses fiir innere Medizin. Erster KongreS. Wiesbnden 1882. Abgedruckt auch in 
R. Kochs Gesaunnelten Werken. Bd. 1. 


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Centraibl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


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friiher behandelt und soviel wie moglich auf faBbare Begriffe zurfick- 
gefuhrt. Endlich aber ist auch die Sorge urn die Allgemeinheit, die 
fiffentliche Gesundheitspflege, nicht iiberseheD. Hatte Koch in seinem 
ersten Vortrag sogleich am Anfang nachdrucklichst betont, daB gerade 
in ihrem Dienst und, wie er hoffe, zu ihrem groBten Nutzen alle 
seine Untersuchungen fiber diese verheerende Volksseuche vorgenommen 
seien, so ist es jetzt ein tiefbedeutsames Abschiedswort, mit dem der 
zu gefahrvoller Reise Rfistende die Feder aus der Hand legt und sein 
Werk der Mit- und Nachwelt zu weise verstandnisvollem Gebrauche an- 
vertraut: „Es scheint mir nicht mehr verfrfiht zu sein, mit prophylactischen 
MaBregeln gegen die Tuberkulose vorzugehen. Aber bei der groBen Aus- 
dehnung dieser Krankheit werden alle Schritte, welche gegen dieselbe 
gethan werden, mit den socialen Verhaltnissen zu rechnen haben, und es 
wird deswegen sorgfaltig zu erwagen sein, in welcher Weise und wie 
weit man auf diesem Wege gehen darf, ohne dafi der gestiftete Nutzen 
durch unvermeidliche Storungen und andere Nachtheile wieder beein- 
trfichtigt wird.“ Wer kann, wie das manchmal geschieht, danach noch 
daran zweifeln, daB Koch kein geringeres Verstandnis ffir die Allgemein¬ 
heit hatte als irgendein Sozialhygieniker neuen Stils? Wie hatte es auch 
anders sein konnen bei ihra, der jahrelang eine armselige und kulturell 
niedrig stehende Bevfilkerung an der polnischen Grenze mit warmeni 
Herzen und offenem Sinne ffir alle ihre N6te betreut hatte und der 
nunmehr mit dem Direktor des Kaiserlichen Gesundheitsamtes, Struck 1 ), 
davon durchdrungen war, daB es die vornehmste Aufgabe dieser Reichs- 
anstalt sei, „nach alien Richtungen hin ffir die Praxis der offentlichen 
Gesundheitspflege Verwerthbares und MaBgebendes zu leisten“? Und das 
ffihlte auch die groBe Masse des Volkes. Nie vor ihm und nie wieder 
nach ihm erfreute sich ein Mediziner einer gleichen Popularitat; in jedem 
Vorstadtladen konnte man auf roten, bedruckten Taschentfichern 2 3 * * * ) neben 
den Bildnissen des greisen Kaisers Wilhelm, Bismarcks und 
Moltkes auch das wohlgelungene, lorbeerumrahmte Konterfei des 
„Bacillenvaters“ 8 ) Koch bewundern. — 

So war denn die Arbeit vollendet. Aus dem groBzfigigen Entwurf 
vom 24. Mfirz 1882 war ein fundamentales Werk geworden, vielleicht 
das reifste Erzeugnis des medizinischen Schrifttums der letzten Jahr- 


1) Struck: Vorrede. Mittheil. a. d. Kais. Gesundheitsa. Bd. 2. 1884. 

2) Solche Tiicher mit Kochs Portrat Bind jetzt eine grofie Seltenheit geworden. 
Die Firma Berberich & Co., Sackingen a. Rh., iiberliefi mir freundlichst ihr Muster - 
tuch und machte mir folgende dankenswerte Mitteilungen: ,,Das Tuch wurde zu der 
Zeit angefertigt, als Prof. Koch mit seiner beriihmten Ziichtung des Tuberkelbazillus 
hervortrat und alle Welt begeisterte. Eb wurde so stark gekauft, dad wir mit der 
Lieferung kaum nachkommen konnten, wir schiitzen, dad wir ca. 100000 Tiicher davon 
angefertigt haben.“ 

3) Dieser, lange Jahre volkstiimliche, Ehrentitel geht vielleicht auf ein kleines, 

„an die deutsche Cholera-Kommission“ gerichtetes Gedicht zuriick, mit dem der „Klad- 

deradatsch“ unterm 11. Mai 1884 (Jhrgg. XXXVII. Nr. 21) die heimkehrende Ex¬ 

pedition begriidte und gewid die allgemeine Stimmung wiedergab: 


Aus den sumpfig-feuchten, 

Aus den Cholera-verseuchten 

Landern seid ihr heimgekehrt! 
Zitternd sahn wir einst euch scheiden. 
Nach Gefahren, Miih’n und Leiden 

Ruht nun aus am trauten Herd! 


Mogt ihr jetzt Bacillen ziichten 
Und euch freuen an den Friichten 

Eurer Fahrt recht lange noch! 
Aber Dank und Ruhm vor alien 
Soil aus tiefster Brust erschallen 

Dir, Bacillen- Vater Koch! 



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Heymann, Zum 40 jahr. Gedenktage der Entdeckung des Tuberkelbacillus. 351 


hunderte — planvoll und maBvoll wie nur je ein Meisterstiick mensch- 
licher Schopferkraft, einfacli wie alles wahrhaft GroBe, unerschopflich 
wie jede groBe Wahrheit und in seiner Harmonie von Ausdruck und 
Inhalt ein Gebilde von klassischer Schonheit und unbedingter Voll- 
endung. — 

Aber es hiefie der Bedeutung unserer heutigen Erinnerungsfeier 
nicht vQlIig gerecht werden, wenn ich sie nur vom Standpunkte der 
Medizin beleuchtete. „Die Gesundheit ist der Gfiter hochstes nicht“ ‘). 
Das Wort Loefflers 1 2 ) aber, daB „der 24. M3rz 1882 einGedenk- 
tag in der G eschi elite derMenscliheit bleiben wird“, dtirfen 
wir fiber alle Arztlichen Gedankenkreise hinaus zu einem viel hoheren 
Sinne erheben. Denn an jenem Abende wurde das Samenkorn gelegt, 
das sich zu dem mfichtigen Baume entwickelte, in dessen Schatten im 
Jahre 1899 alle Kulturvolker der Erde unter dem deutschen Banner zu- 
sammentraten, utn sich zu gemeinsamer Abwehr und gegenseitiger Unter- 
stfitzung im Karnpfe gegen die Tuberkulose zu vereinigen, ein wahrer 
und wahrhaftiger Vfilkerbund, der sich der allein menschenwfirdigen 
Aufgabe bewuBt war, „edel, hilfreich und gut“ zu sein — ein Markstein 
in der Entwicklung des Menschentums. Die Stfirme des Weltkrieges haben 
auch ihn gestfirzt und das schone Band zerrissen, das seit jener Grfindung 
die Volker alljfihrlich einmal zusammenffihrte zu brfiderlicher Beratung 
uber gemeinsames Wohl und Wehe, und von alien schweren Verlusten 
dieser traurigen Zeit ist dies einer der schmerzlichsten. Die GrfiBten der 
GroBen aller Zeiten und Lander aber — sie, die nicht Grenzpfahl noch 
Stundenglas kennen, schauen still auf uns hernieder und sprechen: 

„wir heiBen euch hoffen“ . . . 


Im Einverstfindnis mit den anderen Institutsmitgliedern und mit 
dankenswerter ideeller und materieller Unterstfitzung des Universitats- 
bauamtes habe ich in diesem Zimmer eine schlichte Gedenktafel an- 
bringen lassen, dem kleinen Raum zur Zierde und Weihe ohne gleichen, 
dem Fremden auf seinem Wege zu kurzer andaclitsvoller Rast — denn 
Andenken an groBe Manner ist Andacht —, alien denen aber, die hier 
aufrichtig Belehrung suchen und aufrichtig Belehrung spenden wollen, 
zum Stern und zum Geleite. . . . 


1) Fliigge, Grundrifl der Hygiene. 6. Aufl. 1908. S. 18. 

2) Loeffler, Zum 25-jahr. Gedenktage der Entdeckung des Tuberkelbacillus. 
(Dtsch. med. Wochenschr. 1907. Nr. 13. S. 495.) 


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Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3. 


Nachdruck verboten. 

Zur Frage der Umwandlung hamolytischer Streptokokken 
in die grim wachsende Form. 

[Aus dem Hygienischen Institut der Universitat Leipzig (Direktor: 

Geheimrat W. Kruse).] 

Von Prof. K. Hintze und Dr. ft. Ktilnie, 

Volontarassiatent am Institut, z.Z. Ausbildungsassistent an der med. Universitatsklinik. 

Mit 2 Abbildungen im Text. 

Die Frage der Umwandlung des Streptococcus haem olyticus 
in die nicht hamolysierende und besonders die Viridans-Form ist 
gerade in letzter Zeit wieder mehrfach Gegenstand der Untersuchung 
gewesen. 

Der Entdecker des Strept. viridans s. mitior, SchottmiiHer (1), hat sich 
noch ganz vor kurzem sehr bestimmt in dieser Angelegenheit geaufiert. Er 6agt wort- 
lich: „So soli der Strept. viridans nur ein in seiner Virulenz verminderter gewohn- 
licher Streptokokkus sein. Ich habe wiederholt dargeiegt, da8 der sichere Beweis fiir 
diese Annahme noch aussteht und werde anderen Ortes auch wcitere Belege dafiir er- 
bringen. Ich sehe hier von der Beleuchtung der Frage vom rein bakteriologischen 
Standpunkte ab und weise nur nachdriicklichst auf die Tatsaehe hin, daB uns niemals, 
trotz der Beobachtung einer Unzahl von Fallen, eine Umwandlung des Strept. pyo¬ 
genes oder haemolyticus in den Strept. viridans oder umgekehrt in dem 
Korper des Kranken begegnet, noch im Tierversuch bei gleieher Versuchsanordnung, 
wie sie von anderen Autoren (Institut Robert Koch) geiibt wurde, gelungen ist. So 
wenig, wie wir bisher eine Mutation auf irgendwelchen Kulturnahrboden erzielen 
konnten.“ Demgegeniiber ist eine Reihe anderer Untersucher zu wesentlich abweichen- 
den Ergebnissen gekommen. Der Raummangel gestattet es nicht, nailer auf die schon 
ziemlich umfangreiche Literatur einzugehen. Es sei daher von auslandischen Autoren 
aus einer schon etwas weiter zurilckliegenden Zeit nur an die eingehenden Unter- 
suchungen von Rosenow (2) und von deutscheu Untersuchern aus jiingerer und jiing- 
8ter Zeit an die verschiedeneu Veroffentlichungen aus dem Morgenrothschen Labo- 
ratorium, sowie an die Arbeiten von Kuczynski und Wolf f (3) sowie von Schnitzler 
und Mun ter (4) erinnert. Bei den letzteren findet sich iibrigens einleitend eine kurze 
Uebersicht iiber die wichtigsten Arbeiten, so daB darauf verwiesen werden kann. Die 
Umwandlung hamolytischer Streptokokken in die grim wachsende B'orm im Tierexperi- 
ment, sowie bei Ziiehtung auf kiinstlichen Nahrboden ist danach als eine keineswegs 
seltene Erscheinuug anzusehen. 

Urn uns selber ein Urteil in dieser trotzdem immer noch lebhaft 
umstrittenen Frage zu bilden, bei welcher ein gerade auf diesem Gebiete 
so erfahrener Autor wie Schott m tiller eine Umwandlung auch heute 
noch strikte ablehnt, haben wir einige Versuche angestellt, deren Protokolle 
weiter unten ausfuhrlicher wiedergegeben werden. 

Bei diesen Versuchen haben wir von vornherein Wert darauf ge- 
legt, nur mit solchen St&mmen zu arbeiten, die wir selbst aus dem 
Menschen gezuchtet hatten. Soweit aus der Literatur zu ersehen ist, 
haben verschiedene Autoren Streptokokken benutzt, die schon lilngere 
oder kiirzere Zeit im Laboratorium fortgeziichtet waren. Es ist jeden- 
falls nicht ausgeschlossen, daB die Eigenschaften und Fahigkeiten der 
betr. Stamine dadurch nach dieser oder jener Richtung hin beeinflufit 
werden konnen. Wir haben deswegen, urn diese Moglichkeit zu ver- 
meiden, die Stamme stets direkt aus den Krankheitsherden isoliert, so 
daB wir in jedem Falle ganz genau iiber die Art, die Dauer und auch 


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Hintze u. Kiihne, Umwaudlung hamolytischer Streptokokken uaw. 353 


den Ausgang des Leidens unterrichtet und auch in der Lage waren, zu 
bestimmen, bei welcher Generation nach dem Verlassen des ursprfing- 
lichen Wirtskorpers die Verfinderung eintrat. 

Die einzelnen Stfimme wurden zunfichst auf Blutplatten auf das 
Vorhandensein von Hfimolyse geprfift. Da Menschenblut iin Laboratorium 
doch oft nur mit groBeren Schwierigkeiten zu beschaifen ist, bedienten 
wir uns meist eines 7-proz. Kaninchenblutagars. Das Blut wurde durch 
Herzpunktion gewonnen. Im weiteren Verlauf der Untersuchungen 
gingen wir jedoch immer mehr und mehr dazu fiber, an Stelle des 
Kaninchen- Hammelblut treten zu lassen, das dem Menschen- und mehr 
noch dem Kaninchenblut gegeniiber fiir den Zweck unserer Unter¬ 
suchungen gewisse Vorteile zu bieten schien. Das Verfahren, das sich 
uns schlieBlich als das geeignetste erwies, war das folgende: Durch 
Venenpunktion entnommenes und durch Schiitteln defibriniertes Hammel¬ 
blut wurde moglichst bald nach der Entnahme in ca. 7 Proz. Menge dem 
Agar zugesetzt. Dabei ist darauf zu achten, daB der Agar nicht zu 
heiB ist, da das Hammelblut-Hfimoglobin anscheinend sehr empfindlich 
ist. Eine Temperatur von 56° C scheint die geeignetste zu sein; man 
kann den Kolben dann noch ohne Beschwerden in der Hand halten. 
Temperaturen fiber 60° C sind zu vermeiden, da dann schnell die rote 
Farbe in ein mehr oder weniger stark nfianciertes Braun bis Schwarz 
umschlfigt durch die Bildung von Methfimoglobin bzw. Hfimatin. Es 
wurden dann dfinne Platten gegossen; wir stellten etwa 14 Petri- 
Schalen von 200 g Agar her. Dickere Schichten sind weniger geeignet, 
ebenso ein stfirkerer Blutgehalt. 5—7-proz. Blutzusatz schien uns am 
geeignetsten zu sein; bei 3 Proz. wurden die Platten schon zu hell, und 
die grfinliche Verffirbung um die Kolonien, falls eine solche auftritt, ist 
zu unbestimmt und undeutlich. Gerade auf die Dfinne der Blutagar- 
schicht mfichten wir ffir den in Rede stehenden Zweck Gewicht legen. 
Die grfinliche Verfarbung beiin Entstehen der Viridans-Formen breitet 
sich kugelschalenformig von der Kolonie aus. Ist nun die Agarschicht 
eine zu dicke, oder der Blutgehalt ein zu hoher, oder trifft gar beides 
zusammen, so konnen schwache Veranderungen des Farbentones dem 
Beobachter entgehen, da das durchfallende Licht zunachst noch eine 
mehr oder weniger dicke Schicht unverfinderten Blutagars zwischen dem 
Boden der Schale und der Kolonie zu durchlaufen hat, wobei durch Ab¬ 
sorption oder Iuterferenzerscheinungen das Wahrnehmen feinerer Farben- 
verfinderungen verhindert werden kann. Bei ausgeprfigten Viridans- 
Forraen kann man natfirlich auch bei dickeren Blutplatten und stfirkerem 
Blutgehalt die Grfinffirbung deutlich erkennen. Schottmfiller hat ja 
seine Entdeckung an Menschenblutplatten in der Starke von 2:5 gemacht. 
Handelt es sich aber darum, wie bei unseren Untersuchungen, die etwa 
eine schwache Neigung zur Grfinffirbung zeigende Kolonie erst heraus- 
zufinden, so mochten wir doch zu der Anwendung dfinnerer Platten 
raten. Wir konnten immer wieder die Beobachtung machen, daB gegen 
das Zentrum der hier meist etwas konvexen Petri-Schale zu, wo also 
die Agarschicht am dfinnsten ist, sich auch am frfihesten und deutlichsten 
eine Grfinffirbung wahrnehmen lfiBt, der dann andere mehr nach dem 
Rande zu liegende Kolonien folgen. Es handelt sich doch bei derartigen 
Untersuchungen darum, auch schon geringe Grade der Grfinffirbung zu 
erkennen. Ztichtet man dann derartige Kolonien auf Blutplatten weiter, 
so nimmt das Vermogen zur Farbstoffbildung meist erheblich zu, so daB 
auch an den dickeren Stellen der Platte die Verfinderung sogleich wahr- 
Krate Abt. Orig. Bd. 88. Heft 5. 23 


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Centr&lbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


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genommen werden kann. Bei der BetrachtuDg mit dem Plattenmikroskop 
zeigt sich, daB die Kolonie meist nicht sehr scharf umgrenzt ist. Sie 
ist umgeben von einem helleren, gelblich-griinen Hof, in dem die Blut- 
korperchen, ebenso wie im Bereich der Kolonie selbst, noch als schollige 
Massen zu erkennen sind. An diesen Hof schlieBt sich ein noch hellerer 
Ring, in dem von Blutkorperchen kaum noch etwas zu erkennen ist. Die 
beginnende Verf&rbung wird fibrigens mit dem bloBen Auge meist besser 
wahrgenommen, als bei LupenvergroBerung. 

Wiederholte vergleichende Untersuchungen derselben Stfimme auf 
Menschen-, Kaninchen- und Hammelblutplatten zeigten uns immer wieder, 
daB Hammelblut, in der angegebenen Weise verwendet, einen Umschlag, 
d. h. eine geringe griinliche Verfarbung am frflhesten und deutlichsten 
erkennen lieB. Kaninchenblut eignete sich weniger; die Farbennuance 
des Hofes ist schwacher, der Hof weniger scharf, und die Kolonien selbst 
nehmen bald einen eigentfimlichen schwarzbraunen Ton an, der erheb- 
lich von dem Aussehen der Kolonien auf Hammelblut abweicht. Menschen- 
blut steht etwa in der Mitte. 

Als Vergleichsobjekte benutzten wir verschiedene sichere Viridans- 
Formen. 2 ausgepragte Stfimme (St. 1100 u. 314), die schon lange im 
Laboratorium fortgezfichtet waren und zu zahlreichen Versuchen gedient 
hatten, wurden uns von Herrn Kuczynski freundlichst fiberlassen, 
einen 3. Stamm (Path. Inst.) erhielten wir von einem typischen Fall von 
Sepsis lenta mit Endocarditis, der auf der hiesigen inneren Klinik ad 
exitum kam. Er war kurz vor dem Tode aus dem Blute gezfichtet 
worden. Mit diesen sicheren Stfimmen konnten wir die Verfin derun gen, 
welche sich bei den Versuchen mit unseren Streptokokkenstfimmen ein- 
stellten, vergleichen. Aber auch hier zeigte sich, wie stets in der Natur, 
daB die Uebergfinge keine scbroffen, sondern flieBende sind, und daB 
die Nfiancen der Verffirbung recht verschieden ausgepragt sein konnen. 

Wir sind absichtlich auf die Technik etwas nfiher eingegangen, da 
eigentfimlicherweise in den Arbeiten fiber den Gegenstand recht wenig 
dartiber gesagt ist. Hfiufig ist sogar nicht einmal angegeben, mit was 
ffir Blutplatten die Autoren gearbeitet haben, geschweige denn, in welcher 
Konzentration. Schnitzler und Munter verwandten 10-proz. Ziegen- 
blutplatten, die sich wohl im wesentlichen wie unsere Hammelblutplatten 
verhalten haben werden; fiber die Dicke ist nichts gesagt. Schott - 
mfiller benutzte urspriinglich, wie bereits erwfihnt, 2 Menschenblut zu 
5 Agar, also eine sehr starke Konzentration. Nach ihm wird sich wahr- 
scheinlich eine Reihe von Untersnchern gerichtet haben. Es ist jeden- 
falls nicht ausgeschlossen, daB bei zu dicken Platten und zu hoher Blut- 
konzentration, besonders wenn noch Kaninchenblut benutzt wurde, 
manchen Beobachtern die leichte Grfinffirbung einer Kolonie entgangen 
ist, aus der bei weiterer Fortzfichtung sich ein deutlicher Viridans 
entwickelt hfitte. 

Nachdem die von uns isolierten Stamme auf das Vorhandensein 
einer deutlichen Hfimolyse geprfift worden waren, wurden sie regelmfiBig 
in 2 parallelen Linien auf Loeffler-Serum und Bouillon weitergezfichtet. 
Als Bouillon benutzten wir anfangs Serum- und Ascitesbouillon, muBten 
dann aber der haufigen Verunreinigungen wegen zu gewohnlicher 
Bouillon greifen, auf der eine Fortzfichtung nur mit einigen Schwierig- 
keiten gelang. Da es sich nicht um richtige Fleisch-, sondern um eine 
aus Extrakt hergestellte Brfihe handelte, so ist ein nicht seltenes Ver- 
sagen im Angehen der Kulturen weiter nicht zu verwundern. SchlieBlich 



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Hintze u. Kiihne, Umwandlung hamolytischer Streptokokken usw. 355 


bedienten wir uns meistens einer 1-proz. Traubenzuckerbouillon. Trotz 
mancherlei Schwierigkeiten gelang es uns jedoch, die StSmme mehrere 
Monate in gerader Linie weiter zu ziichten, so daB wir genau fiber die 
Generationsfolge unterrichtet waren. Von den beiden parallel gezfichteten 
Linien wurden mindestens lmal wochentlich Blutplatten angelegt, um 
zu sehen, ob das hfimolytische Vermogen noch erhalten, oder ein Um- 
schlag in die Viridans- oder anhfimolytische Form eingetreten war. 

Ueber die Einzelheiten der Versuche geben die Protokolle AufschluB. 
Die neben den Kulturen des betr. Stammes stehenden eingeklammerten 
Zahlen bedeuten die jedesmalige Generation, die zur Impfung usw. be- 
nutzt wurde. 

I. Stamm Kr. Vorderarmphlegmone nach Selbstmordversuch. 

1. Nov. 21. 47 Tage nach dem Trauma Eiterentnahme. — Auf Kaninchenblutplatten 
(K.B.P.)hamoly tische Streptokokken, in Serum bouillon (S.B.) gute Kettenbildung. — 3. Nov. 
Maue 1 (18 g) 0,2 ccm S.B. (2) ip. gespritzt — 5. Nov. Bauchpunktion mit Glaskapillare: 
reichlich Leukozyten mit auffallend viel dunklem Pigment; vereinzelte kokkenahnliche Ge- 
bilde. Auf Blutplatten keine Streptokokken nachweisbar. — 10. Nov. Die Maus stirbt. 
In dem Exsudat der Bauehhohle grampositive Kokken, ofter zu 2 zusammenliegend. 
Beide Lungen werden steril herausgenommen und im Achatmorser zerrieben und dann 
auf 2 K.B.P. ausgestrichen. Ebenso werden von den ubrigen OrgaDen, d. h. Milz, Leber, 
Nieren, Harn, Peritonealflussigkeit und Herzblut Blutplatten angelegt. Auf alien 
wachsen hamolytiBche Streptokokken. — 17. Nov. Meerschweinchen 1 (500 g) 3 ccm 
S.B. (6) ip. injiziert. Nach 2 Std. getotet. In der Bauehhohle wenig Exsudat, keine 
StreptokoKken nachweisbar. Auf den von alien Organen (wie oben) angelegten Blut¬ 
platten reichliches Wachstum hamolyt. Streptokokken. Wachstum in Bouillon: starker 
Bodensatz, fast klare Fliissigkeit dariiber. Mikroskopisch: liingere Ketten. 

I. Dez. Eb werden 4 Mause mit 0,2—0,3 ccm Traubenzucker-Bouillon-Kultur 
(T.B.K.) (11) ip. infiziert und nach 2, 4, 6, 8 Std. getotet: nach 2 Std. getotete Maus: 
in alien Organen (wie oben) hamolyt. Strept., nach 4 Std. getotete Mans: im Peritoneum 
und Nieren hamolyt. Strept.; die ubrigen Organe sind nrei. In den Nieren deutlich 
lanzettfdrmige Kokken. Nach 6 Std. getotete Maus: Lungen, Herz und Harn frei, in 
den ubrigen Organen hamolyt. Strept. Nach 8 Std. getotete Maus: nur in der Leber 
eine hamolyt. Kolonie. 

3. Febr. 22. Zur Feststellung der noch vorhandenen Virulenz des Stammes wurden 
2 Mause mit 0,25 und 0,5 ccm T.B. (22) ip. infiziert. Sie erschienen anfangs krank, 
wurden jedoch nach 2 Tagen munter und lebten noch am 28. Marz 22. — 6. Febr. 
Wiederholung dea Versuches vom 3. Febr. In der T.B. (23), die zur Injektion benutzt 
wurde, -lange Streptokokkenketten. Die mit 0,25 ccm behandelte Maus (28) starb am 
13. Febr. 22. Es wurden nur Milz und Peritoneum untersucht. Auf den Blutplatten 
von beiden zahlreiche Kolonien mit deutlich griinem Hof, die bei der Fortziichtung 
noch deutlicher werden. Die aus dem Peritoneum stammende Linie wurde bis zum 
Abbruch des Versuches auf Loeffler bis zur 10. Generation fortgeziichtet. 

Die an demselben Tage mil 0,5 ccm derselben T.B. injizierte Maus (29) starb am 
11. Marz 22. Sowohl im Peritoneum, wie in der Milz waren noch reichlicn hamolyt. 
Strept. nachweisbar, d. h. also noch 5 Wochen nach der Einspritzung, wahrend bei uer 
1. Maus eine Dosis von 0,25 zum Tode und zur Bildung von V i ria a n s-Formen ge- 
fuhrt hatte. 

Zusammenfassung: Ein aus einera chronisch entzfindlichen 
ProzeB stammender hamolytischer Streptokokkenstamm behSlt bei par- 
alleler Fortztichtung auf Loeffler-Serum und Bouillon diese Eigenschaft 
wfihrend 5 Mon. unverfindert bei. Die Hamolyse ist auf Kaninchen-Blut- 
platten am schwfichsten, starker auf Menschenblut und am stfirksten auf 
Hammelblutplatten. Er tfitet MSuse in einer Dosis von 0,2 in 7 Tagen. 

Durch Injektion einer Maus mit 0,25 T.B. (23) gelingt die Um¬ 
wandlung des hfimolytischen Stammes in einen Viridans, der bei 
weiterer Fortzfichtung auf Loeffler und Bouillon diese Eigenschaften 
beibeh&lt. 

II. Stamm Ost. Osteomyelitis des Schadels (nach chron. Otitis 
med.?); vor 5 Wochen erkrankt. 

23* 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


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6. Nov. 21. Eiterentnahme. Auf K.B.P. zahlreiche zarte, graue Kolonien mit starkem 
hamolyt. Hof. In S.B.K. Kettenbildung. — 8. Nov. Zur Virulenzpriifung wurde Maus 2 
(13 g) mit 0,2 ccm S.B.K. (2) ip. infiziert. Sie starb in der folgenden Nacht. In der 
Peritonealfliissigkeit Streptokokkenketten bis zu 20 Gliedern; auBerdem lanzettformige 
Doppelkokken, oft mit Kapseln. Auf Blutagarplatten in alien Organen reiehlich 
hamolyt. Strept. — 10. Nov. Meerschweinchen 2 (290 g) mit 2 ccm Ascites-Bouillon- 
Kultur (A.B.K.) (4) ip. gespritzt und nach 2 Std. getotet. In der Peritonealfliissigkeit 
grampositive Kokken, haufig zu 2 liegend. Auf Blutplatten in alien Organen hamolyt. 
Strept. 

Der Stamm wurde noch bis zum 17. Miirz 22 auf T.B. und bis 29. Miirz auf 
Loef fler-Serum weitergeziichtet, ebenso die durch die Maus 2 und Meerschweinchen 2 
gegangenen Linien, ohne daS, aufler einer geringeu Abnahme des hamolyt. Vermogens, 
anderweitige Veriinderungen aufgetreten waren. 

Zusammenfassung: Ein aus einer Schadelosteomyelitis stammen- 
der hamolyt. Stamm behalt diese Eigenschaft wahrend fast 5 Mon. ziem- 
lich unverandert bei, ebenso die durch eine Maus bzw. ein Meerschwein¬ 
chen gegangenen parallelen Linien. 

III. StammIV/323. Peritonitis ca. 4 Wochen p. partum; Exitus. 

18. Nov. 21. Eutnahme des Eiters bei der Operation. Er enthiilt stark hamolyt. 
Strept.; in Bouillon lange Ketten. — 22. Nov. Maus 6 (12,5 g) mit 0,2 ccm T.B.K. (3) 
ip. infiziert. Die Maus stirbt in der gleichen Nacht. Im Exsudat der Bauchhohle 
mikroskopisch lanzettformige Diplokokken mit Kapselbildung. Auf den Blutplatten von 
den Organen iiberall hamolyt. Strept., aufler in den Lungen und dem Herzblut. — 
25. Nov. Maus 7 (19 g) mit 0,3 ccm T.B.K. (4) ip. infiziert und nach 3 Std. getotet. 
Auf Blutplatten in alien Organen hamolyt. Strept. nachweisbar. In der Pentoneal- 
fliissigkeit lanzettformige Diplokokken ohne Kapselbildung. In den von den Blutplatten 
angelegten Bouillonkulturen gedrungene Ketten, so dafl der Eindruck eines Fadens er- 
weckt wird. — 26. Dez. Auf den zur Kontrolle angelegten Blutplatten aus der Bouillon- 
kultur (16) der ursprunglichen Linie erscheinen einzelne grunliche Kolonien mit groflem 
griinen Hof und hellerem konzentrischen Ring. Im G r a ni - Praparat lanzettformige 
Diplokokken. Diese spontan umgeschlagene, jetzt griin wachsende (und nun auf 
Loeffler weitergezuchtete) Linie behalt diese Eigenschaft bei Priifung auf Blutagar 
unverandert bei. — 11. Jan. 22. Maus 13 u. 15 mit je 0,3 ccm T.B.K. (19) von aer 
urspriinglichen, auf Loeffler weitergeziichteten Linie ip. infiziert und nach 2 u. 4 Std. 
getotet. Fast in samtlichen Organen hamolyt. Strept. nachweisbar. — 11. Jan. Maus 14 
u. 16 mit je 0,4 ccm T.B.K. des griin wachsenden Stammes ip. infiziert und nach 
2 u. 4 Std. getotet. Bei Maus 14 nur in den Nieren, bei Maus 16 fast in alien Organen 
griin wachBende Kolonien. — 12. Jan. Von der ursprunglichen Loef fler-Linie wurden 
Blutplatten und T.B.K. angelegt, 2 Mon. dauemd bei 40° C gehalten und alle 2 bis 
4 Tage iibergeimpft, um zu sehen, ob durch die hohere Temperatur ein Umschlagen 
des Stammes zu erzielen sei. Es wurde nur ein Nachlassen der Hamolyse erreieht. — 
13. Jan. Maus 17 u. 18 mit 0,4 ccm T.B.K. der griin wachsenden Linie ip. infiziert 
und nach 2 u. 4 Std. getotet. Bei keiner der beiden Mause in den Organen griin 
wachsende oder hamolyt. Strept. nachweisbar. (In der Bouillonkultur, die zur Impfung 
benutzt wurde, war uur geringes Wachstum vorhauden.) — 28. Jan. Maus 19 u. 20 
mit 0,2 ccm T.B.K. des griin wachsenden Stammes ip. infiziert und nach 2—4 Std. 
getotet. Nach 2 Std. nur in Peritoneum und Leber ganz vereinzelt griin wachsende 
Kolonien, nach 4 Std. samtliche Organe steril. — 3. Febr. Maus 21—23 mit 0,3 ccm 
T.B.K. (28) der hamolyt. Linie infiziert, um eine Umwandlung zu erreichen: Maus 21 
getotet nach 2 Std.: In den Lungen eine deutlich griine Kolonie, andere Organen frei. 
— Maus 22 getotet nach 4 Std.: Nur in der Milz und im Harn einige deutlich griine 
Kolonien, keine hamolytischen. Mikroskopisch in Milz und Peritoneum Lanzettkokken. 
Maus 23 getotet nach 6 Std.: Organe steril. 

Die aus der Milz der Maus 22 geziichtete grun wachsende Linie behielt diese Eigen- 
schaft bei der Fortziichtung auf Loef fler-Serum, T.B. und Blutplatten unveriinaert 
bei bis Ende Marz. In T.B. plumpe Diplokokken. — 3. Febr. Maus 24 mit 0,25 ccm 
T.B.K. (28) der hamolyt. Linie, Maus 25 mit 0,5 ccm T.B.K. (28) der hamolyt. Linie 
infiziert: Maus 24 starb am 13. Febr. Im Peritoneum und Milz sehr viel hamolyt. 
Keime. Maus 25 starb am 23. Febr. Gleicher Befund wie bei Mans 24. — 6. Febr. 
Wiederholung obiger Versuche: Maus 30 mit 0,25 ccm T.B.K. (29) der hamolyt. Linie, 
Maus 31 mit 0,5 ccm T.B.K. (29) der hamolyt. Linie infiziert. 

Maus 30 starb am 7. Febr. Aufler in Lungen und Herz in alien Organen zarte 
Kolonien mit ganz schwacher Hamolyse, die bei weiteren Plattenpassagen sehr stark 
wurde. Maus 31 am 29. Miirz 22 noch lebend. — 9. Febr. Maus 32 mit 0,5 ccm T.B.K. (3) 


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Hintze u. Kiihne, Umwandlung hamolytischer Streptokokken new. 357 


aus der Milz der Maus 22 ip. infiziert, lebt am 29. Marz 22. Maus 33 mit 1,2 ccm des 
gleichen Stammes infiziert. Am nachsten Tage Bauchpunktion mit Kapillare: Gram¬ 
positive Diplokokken von Lanzettform. Nach 24 Std. getotet. In der Peritonealfliissig- 
keit derselbe Befund, wie bei der Punktion, Diplokokken oft mit Kapseln. Auf Blut- 
agarplatten aus den Organen fast uberall griin wachsende Kolonien. In T.B. plumpe 
Diplokokken, Ketten bis zu 4 Gliedern. 

Eine Umwandlung der griin wachsenden Linie in eine hamolytische ist nicht 
gelungen. 

Auch folgende Versuche an 9 Mausen, die griin wachsende Linie wieder in eine 
hamolytische zuriickzuverwandeln, hatten keinen Erfolgr 

13. Febr. Maus 34 mit 1,5 ccm T.B.K. (5) aus der Milz der Maus 22 ip. infiziert. 
Stirbt am 15. Febr. In alien Organen Keime nachweisbar, die von der 2. Generation 
an griin wuchsen. — 16. Febr. Maus 35 mit 1,0 ccm T.B.K. (5) derselben Linie ip. 

f eimpft; lebt am 29. Marz 22. Maus 36 mit 1,5 ccm Plattenabschwemmung (5) infiziert, 
rani:, nach 24 Std. getdtet. Im Peritoneum und Milz zahlreiche, griin wachsende 
Kolonien. — 17. Febr. Maus 37 mit 1,0 ccm Peritonealauswaschung von Maus 36 ge- 
impft und nach 22 Std. getotet. In Peritoneum und Milz wenig griin wachsende 
Kolonien nachweisbar. — Maus 38 mit 0,75 ccm des Milzbreies von 36 geimpft; am 
29. Marz noch lebend. — 18. Febr. Maus 39 mit 1,0 ccm Peritonealauswaschung von 
Maus 37 ip. infiziert; am 29. Marz noch lebend. — 21. Febr. Maus 40 mit 1,2 ccm 
Plattenabschwemmung (8) von der Milzlinie Maus 22 infiziert; lebt noch Ende Marz. — 
23. Febr. Mans 41 mit 1,1 ccm Plattenabschwemmung (9) derselben Linie (2 Platten!) 
ip. geimpft. Stirbt am 24. Febr. Im Peritoneum und Milz mafiig viel griin wachsende 
Kolonien. — 24. Febr. Maus 42 erhalt 1,0 ccm Peritonealauswaschung von Maus 41. 
Lebt. — 2. Marz. Maus 43 erhalt 1,2 ccm = 2 Plattenabschwemmungen (10) von der 
Milzlinie Maus 22. Lebt. 

Von den aus den Organen geziichteten Keimen wurden stets Bouillonkulturen 
angelegt. Befund: Grampositive Kokken meist als Diplokokken, plump, fast seiumel- 
oder auch lanzettformig; selten Ketten bis zu 10 Gliedern, wahrend der Stamm an- 
fangs schone Ketten bildete. — 17. Marz 22. Die Bouillonkultur des hamolytischen 
Stammes geht ein. 


Zusammenfassung: Ein am 19. Nov. 21 aus einer todlichen 
eiterigen Peritonitis post partum gezuchteter Stamm totet in einer 
Dosis von 0,2 ccm B.K. ip. eine Maus in 1 Tage. Er wachst zunachst 
hamolytisch und mit langer Kettenbildung in Bouillon. In der Bauch- 
hQhle mehrerer, mit diesem Stamm infizierter Mause sind ofters gram¬ 
positive Diplokokken von Lanzettform nachweisbar, zum Teil mit Kapseln, 
und plumpe, semmelfbrmige Diplokokken. Der Stamm wurde parallel 
auf Loeffler und T.B. weitergeziichtet. Die letztere Linie zeigte am 
26. Dez. 21 in der 10. Generation auf Blutagarplatten ein griines Wachs- 
tum, woran sie bis zum SchluB des Versuches am 29. Mftrz 22 festhielt; 
es war also ein spontaner Umschlag erfolgt. Die auf Loeffler-Serum 
fortgeziichtete Linie bleibt bis zum Ablauf des Versuchs hamolytisch. 
Die am 26. Jan. 22 an Stelle der umgeschlagenen Bouillonlinie von 
Loeffler-Serum angelegte Bouillonkultur bleibt unverandert hamo¬ 
lytisch. 3 mit diesem hamolytischen Stamm gespritzte Mause, 21—23, 
wurden nach 2, 4 und 6 Std. getbtet. Nach 2 Std. (Maus 21) wurde in 
den Lungen eine, nach 4 Std. (Maus 22) in Milz und Harn griin wachsende 
Kolnien gefunden; nach 6 Std. waren die Organe der Maus (23) steril. 
Die aus der Milz von Maus 22 auf Loeffler fortgeziichtete Linie behait 
diese Eigenschaft bis zum Ende des Versuches. — Andere, in gleicher 
Weise behandelte Mause zeigten diese Umwandlung nicht. — Auch 
mehrere Versuche mit zum Teil erheblichen Dosen BK., Plattenabschwem¬ 
mung, Peritonealauswaschungen oder Milzbrei gestorbener, Mause die 
griin wachsende Linie wieder in eine hamolytische zuriickzuverwandeln, 
schlugen fehl. Nach 2—6 Std. waren die Organe der infizierten Mause 
oft steril; einige gingen gar nicht ein. Die griin wachsende Linie hatte 
fiir Mause nur eine geringe Virulenz. 


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IV. Stamm Gr. Vor 5 Wochen komplizierte Unterschenkelfraktur. 

10. Nov. 21. Eiterentnahme. Starke Hamolyse auf Blutplatten. In SBK. lange 
Ketten. — 14. Nov. Zur Feststelluug der Virulenz wurde Maus 3 (19 g) mit 0,3 ccm 
ABK. (3) ip. infiziert. Sie starb am 21. Nov. Aufier den Lungen in samtlichen unter- 
suchten Organen hamolyt. Strept. — 15. Nov. Maua 4 (19 g) wird mit 0,2 ABK. (3) ip. 
infiziert una naeh 3 Std. getotet. In samtlichen Organen hamolyt. Streptokokken nach- 
weisbar. Der aus dieser Maus geziichtete Stamm wurde parallel auf SB. und auf 
Loeffler weitergezuchtet und durch Blutplatten wochentlich auf sein hamolytisches 
Yermogen gepriift (schlagt am 28. Jan. 22 um, s. dort). — 18. Nov. Maus 5 (20 g) 
mit 0,3 ccm SBK. (4) ip. infiziert und nach 2 Std. getOtet. Auf samtlichen Blutplatten 
hamolyt. Strept. Die Keime im Peritoneum erscheinen mikroskopisch oft als Diplo- 
kokken in Lanzettform. — 28. Jan. 22. Die auf Bouillon aus Maus 4 fortgeziichtete 
Linie zeigt bei der Kontrolle auf Blutplatten einzelne griinliche Kolonien, die mit einem 
breiten, griinen Hof und darum herumliegenden helleren Bing versehen sind. Bei der 
Fortziichtung dieser Kolonien auf Loeffler behalt die Linie bei Blutagarpassage ihr 
griines Wachstum zunachst bei. Am 17. Febr. verschwindet die Grunlarbung feurze 
Zeit, um dann in etwas abgeschwachtem Made wiederzukehren. Von da an ist das 
Wachstum dieser griinen Linie unverandert bis zum 9. Marz 22. — 1. Febr. Auch die 
parallel aus Maus 4 auf Loeffler fortgeziichtete Linie zeigte von heute ab auf Blut¬ 
platten griines Wachstum und behalt diese Eigenschaft bis zum Ende der Beobachtung, 
29. Marz 22. 

Zusaramenfassung: Ein aus einer 5 Wochen alten komplizierten 
Unterschenkelfraktur gezuchteter Stamm mit starker Hamolyse auf Blut¬ 
platten behalt diese Eigenschaft innerhalb 4V 2 Mon. unverandert bei. 
Er totet, in der Menge von 0,3 BK. ip. injiziert, eine Maus erst in 
7 Tagen. Nach einer Mauspassage am 15. Nov. erfolgte bei paralleler 
Fortziichtung auf Loeffler und Bouillon auf der letzteren am 28. Jan., 
auf ersterem am 1. Febr. 22 ein Umschlag in die Viridans-Form. 
Beide Linien wurden bis Anfang bzw. Ende Marz verfolgt und behielten 
ihr griines Wachstum. 

V. Stamm IV/441. Eiter aus einer Empyemhohle, durch Punktion 
gewonnen. 

15. Febr. 22. Starke Hamolyse auf Hammelblutplatten und lange Kettenbilduug 
in Bouillon. Es wird versucht, bei paralleler Fortziichtung auf Hammelblut, Loeffler- 
Serum und Traubenzucker-Bouillon durch dauern den Aufenthalt bei 37 °C den Stamm 
in einen Viridans umzuwandeln. — 10. Marz 22. Bis heute noch auf samtlichen 
Nahrboden stark hamolytisches Wachstum. Abbruch des Versuches. 

Zusammenfassung: Ein fast 1 Monat bei dauerndem Aufenthalt 
im Brutschrank bei 37° C parallel auf Loeffler, Traubenzucker- 
Bouillon und Hammelblutplatten fortgeziichteter Stamm bleibt unverSndert 
hamolytisch. 

Das Ergebnis unserer Untersuchungen laBt sich etwa im folgenden 
zusammenfassen. Die von uns benutzten Streptokokkenstamme wurden 
direkt teils aus akuten, teils aus langer dauernden entziindlichen Pro- 
zessen der betr. Kranken isoliert. Alle erwiesen sich als ausgesprochen 
hamolytisch auf der Blutplatte. 

Wie andere Autoren konnten auch wir bei einigen Streptokokken 
einen Uebergang in die grim wachsende Form beobachten. Dieser Um¬ 
schlag trat ein: teils spontan bei Weiterzuchtung auf kiinstlichen Nahr¬ 
boden nach einer Reihe von Generationen, teils im Korper des infizierten 
Tieres (Maus), wenn dasselbe einige (2—4) Std. nach der Impfung ge¬ 
totet wurde, durchaus analog den Befunden anderer Untersucher; erfolgte 
der Tod erst nach langerer Zeit, so wurden keine griinen Kolonien mehr 
gefunden. Endlich beobachteten wir auch, dafi durch eine Maus hindurch- 
gegangene Stamme, nicht gleich, aber bei weiterer Fortziichtung auf 
kiinstlichen Nahrboden, ein griines Wachstum annahmen. 



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Hintze u. Kiihne, Umwandlung hamolvtischer Streptokokkeu usw. 359 

Irgendein gesetzmSBiges Verhalten lieB sich dabei nicht feststellen. 
Dazu sind die Versuche allerdings auch viel zu gering an Zahl. Nur 
durch ganz auBerordentlich zahlreiche und vielfach variierte Versuche 
kSnnte man hoffen, einen Einblick in die offenbar sehr komplizierten 
Vorbedingungen ffir die Umwandlung zu erlangen, falls das uberhaupt 
gelingt. 2 Hauptfaktoren sind es, die aufeinander einwirken: der betr. 
Stamm und der Nahrboden, auf dem er wachst. Die Untersuchungen 
und Beoachtungen der letzten Jahre deuten nun immer mehr darauf 
hin, daB selbst bei anscheinend so niederen Lebewesen, wie den Bakterien, 
abgesehen von der bei einigen Arten sicher nachgewiesenen Rassen- 
bildung, sogar einzelne Stamme gewisse individuelle EigentQmlichkeiten 
besitzen, und selbst die aus einer Kolonie hervorgegangenen Tochter- 
individuen Abweichungen voneinander zeigen konnen. Dazu kommt der 
EinfluB des Nakrbodens, der, als kiinstlicher verhaltnismaBig einfach, im 
tierischen Wirtsorganismus eine auBerordentliche Vielgestaltigkeit erlangt. 
Mit vollem Recht ist gerade in den letzten Jahren die Bedeutung der 
individuellen Beschaffenheit des Einzelindividuums, seine Konstitution, 
Verfassung, Oder wie man es sonst nennen mag, fur die Entstehung der 
Infektionskrankheiten, d. h. fur die gegenseitige Beeinflussung von Keim 
und Einzelindividuum, wieder mehr betont und in den Vordergrund 
gestellt worden. Nur wenn man sich vergegenwartigt, daB die aufein¬ 
ander einwirkenden Faktoren in jedem Falle andere sein werden, laBt 
sich verstehen, warum anscheinend so ganz unregelm&Big bei auBerlich 
gleicher Anordnung der Versuche einmal ein Umschlag erfolgt, das andere 
Mai nicflt, und warum z. B. bei der Streptokokkeninfektion des Menschen 
nur verhaltnismaBig selten der Viridans gefunden wird. Im Tier- 
experiment ist es sehr auffallend, daB in den ersten Stunden nach der 
Infektion der Umschlag anscheinend am leichtesten zustande kommt, 
spater erheblich seltener, wenn auch derartige Beobachtungen vorliegen. 
Beim Menschen findet sich der Viridans doch gerade mit Vorliebe bei 
der Sepsis lenta, nach einem langeren Bestehen der Erkrankung. Die 
Grfinde sind uns unbekannt; es bleibt zunachst nichts anderes iibrig, 
als mbglichst viel sichere Beobachtungen zu sarameln. 

Die Umwandlung im Tierkorper geht offenbar in verschiedenen 
Organen vor sich, nicht nur mit besonderer Vorliebe in den Lungen, 
unter spezieller Mitwirkung der Endothelzellen, wie Kuczynski und 
Wolff annehmen. Ob die Eigenschaft, griin wachsen zu konnen, eine 
Fahigkeit ist, die generell alien hamolytischen Streptokokkenstammen in 
hoherem oder geringerem Grade zukommt, wie Schnitzler und 
Munter glauben, muB zunachst dahingestellt bleiben. In diesem Falle 
wiirden es nur die auBeren Bedingungen sein, welche die Umwandlung 
verursachen. Es ware aber doch auch durchaus moglich, daB es Stamme 
gibt, die diese Fahigkeit nicht besitzen, sei es, daB sie sie nie gehabt, 
oder wieder verloren haben. Nach den neueren Anschauungen der 
Erblichkeitsforschung sollen besonders unter den niederen Organismen 
Mutationen ja haufiger vorkommen, als man frfiher angenommen hatte. 

Mit dem Griinwerden schien auch in unseren Versuchen eine Starke 
Abnahme der Virulenz einzutreten, eine Erscheinung, die ja von ver¬ 
schiedenen Beobachtern angegeben wird. Sie ging allerdings nicht so 
weit, daB eine Infektion der Maus mit todlichem Ausgange nicht mehr 
hervorzurufen gewesen ware (Kuczynski und Wolff). Anderseits 
beobachteten wir aber auch, daB die gleichaltrige hamolytische Linie 
ebenfalls eine erhebliche Herabsetzung ihrer Infektiositat erlitten hatte 


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360 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


(Stamm IV/323, Versuche am 3. und 6. Febr. 22). Auch derartige Ab- 
nahmen sind ja bekannt. 

Eine RiickverwaDdlung der grfln gewordenen Form in die hamo- 
lytische ist uns nicht gelungen. Um das Ziel zu erreichen, injizierten 
wir groBe Dosen, die das Tier toteten, und versuchten nun, durch Peri- 
tonealauswaschungen, bzw. Einverleibung von Milzbrei die nicht zugrunde 
gegangenen resistenteren Keime auf eine weitere Maus zu iibertragen, 
um dadurch eine Steigerung der Virulenz und eine Umwandlung in die 
hfimolytische Form zu erzielen. Die Versuche miBlangen; die so ge- 
impften Tiere iiberlebten meistens den Eingriff. Andere Autoren, so 
Schnitzler und Munter, geben an, daB ihnen die Ruckverwandlung 
gelungen sei. Um eine Verlustmutation (Kuczynski und Wolff) im 
wahren Sinne des Wortes kann es sich dabei also nicht gehandelt haben. 

Die die grune Wuchsform annehmenden Stamme stehen den Pneumo- 
kokken anscheinend besonders nahe. Bei unserem Stamm IV/323 notierten 
wir schon bei der 1. Virulenzpriifung (22. Nov. 21) mikroskopisch im 


O " • 



Fig. 1. Hamolytiucher Streptokokkus. Fig. 2. Streptoc. virid. und Pneumoc. 

Auf 7 Proz. Hammelblutagarplatte. Bei mittlerer Einstellung. 

Exsudat der Bauchhohe lanzettformige Diplokokken mit Kapselbildung; 
derselbe Befund wiederholte sich einige Tage spater. In der 16. Generation 
schlug die auf Bouillon geziichtete Linie spontan um und zeigte wieder 
lanzettformige Diplokokken. In der 28. Generation der auf Loeffler 
fortgefiihrten Linie erfolgte nach Impfung ein Umschlag in der Maus 22 
(am 3. Febr. 22). Auch hier fanden sich in Ausstrichpriiparaten von Milz 
und Peritoneum zu zweien liegende Kokken, welche von Pneumokokken 
morphologisch nicht zu unterscheiden waren. Auch bei anderen Stammen 
wurde Aehnliches beobachtet, wenn auch nicht in so ausgesprochenem 
MaBe. 

Ebenso glich das Wachstum der griin gewordenen Linien auf der 
Haramelblutplatte durchaus dem echter Pneumokokken: auf der Kolonie 
und im Bereiche des verfiirbten Hofes sind die roten Blutkbrperchen 
noch als schollige Massen deutlich zu erkennen, wahrend bei den hamo- 
lytischen Formen niclits mehr davon zu sehen ist. Die grunliche Ver- 
fflrbung schwankt hier wie dort innerhalb ziemlich weiter Grenzen, von 
leichten Andeutungen bis zum ausgesprochenen hellen Blattgriin. 


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Hintze u. Kiihne, Umwandlung hamolytischer Streptokokken usw. 361 

Um die Beziehungen zwischen beiden noch naher zu verfolgen, 
haben wir noch einige Versuche angestellt, welche hier zum Schlusse kurz 
angefuhrt werden mogen: Wir stellten uns von frischem, defibrinierten 
Hammelblut durch Aufldsen mit destilliertem Wasser eine sterile H&mo- 
globinlosung her. Davon setzten wir zu Bouillonrdhrchen so viel Tropfen 
zu, daB eine hellrote L5sung entstand, in welcher die Oxyhamoglobin- 
streifen aber noch deutlich wahrnehmbar waren. Diese Rohrchen wurden 
schwach mit hamolytischen Streptokokken, echten und den von uns durch 
Umschlagen erhaltenen Viridans-Formen sowie verschiedenen, durch 
Mauspassage aus pneumonischem Sputum gezfichteten Pneumokokken- 
stammen beimpft und dann mit den notigen Kontrollen in den Brut- 
schrank gestellt. Wir beobachteten stiindlich etwa auftretende Farben- 
veranderungen, sowie das spektroskopische Verhalten. Aus einer Reihe 
von Parallelversuchen ergab sich im wesentlichen das Folgende: Nach 
etwa 1—2 Stdt. begann bei einigen Rohrchen sich die Farbe zu ver- 
andern und einen braunlichen Ton anzunehmen, der im Laufe der nachsten 
Stunden wieder etwas heller wurde, bis eine Triibung eintrat. Dieser 
Umschlag wurde regelmaBig zuerst bei den sicheren Viridans-Stammen 
(1100, 314 u. Path. Inst.) beobachtet; ihnen folgten meistens die ver¬ 
schiedenen Pneumokokken und umgeschlagenen Stamme in verschiedenem 
Abstande mit wechselnder Nuancierung der Verfarbung. Die hamolytischen 
Streptokokken hielten sich jedesmal erheblich langer; eine Veranderung 
des Rots trat ineist erst mit der einsetzenden Triibung der Rohrchen 
ein, deren Auftreten natiirlich von der Starke der nicht imrner gleich- 
mafiigen Beimpfung mit abhing, so daB sich genaue Zeitangaben als 
Regel nicht geben lassen. Trat ein Farbenumschlag ein, so geschah 
das, bevor eine Saurung der Bouillon gegen Lackmus nachzuweisen war. 
Es ergab sich bei den Versuchen die eigentiimliche Erscheinung, daB 
bei demselben Streptokokkenstamm die umgeschlagene Linie die braun- 
liche Verfarbung annahm, wahrend der hainolytisch gebliebene Zweig 
die rote Farbe behielt. Spektroskopisch zeigte sich, wenn auch nicht 
ganz regelmaBig, bei den veranderten RShrchen das Auftreten des 
Methamoglobinstreifens in Rot. 

Wahrend wir mit diesen Untersuchungen beschaftigt waren, wurden 
wir auf die vor kurzem erschienene Arbeit von Schnabel (5) liber die 
Blutgifte der Pneumokokken aufmerksam. Sch. ging in der Weise vor, 
daB er zu 1 ccm einer 24-stiind. Blutbouillonkultur einen Tropfen Blut- 
15sung zusetzte und nun die Farbenveranderung und das spektroskopische 
Verhalten beobachtete. Schon nach 5—15 Min. trat ein Umschlag des 
Rot in Graubraun ein; im Spektrum erschienen die Methamoglobin- 
streifen. Diese Erscheinungen machten sich noch bei einer starken Ver- 
diinnung (0,05 ccm) der urspriingliclien Bouillonkultur bemerkbar, wenn 
auch in abgeschwachtem MaBe. Die den Farbenumschlag verursachende 
Substanz ist gelost in der Kultur vorhandeu und imstande, das Filter 
zu passieren. Sie verinag in die roten Blutkorperchen einzudringen, 
ohne sie zu zerstoren und hier die Umwandlung in Methamoglobin her- 
vorzurufen. Auf diesem ProzeB soil auf der Blutplatte das Auftreten 
der grflnen Verfarbung bei noch deutlich erhaltenen roten Blutkorperchen 
beruhen. 

Wenn in unseren Versuchen die gleichartige Farbenveranderung er¬ 
heblich langsamer erfolgte, so erkiart sich das daraus, daB wir die Rohrchen 
erst nach dem Hamoglobinzusatz schwach beimpften und es daher natfir- 
lich erst einiger Zeit bedurfte, bis sich die die Veranderung verursachende 


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362 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 

Substanz gebildet hatte. Diese Bildung scheint verhaltnismSJBig schnell 
vor sich zu gehen, und zwar, was fur uns hier das Wesentliche ist, fur 
Pneumokokken und Viridans-Formen dem Wesen nach dieselbe zu 
sein, wenn auch die Menge nach der individuellen Eigenart der Stamme 
und der nie genau zu dosierenden Beimpfung eine verschiedene sein 
kann. Der MethSmoglobinstreifen in Rot ist in einer 27 2 -proz. Losung von 
MetMmoglobinblut noch eben zu sehen; sein Auftreten und Verschwinden 
ist anscheinend von recht verschiedenen Faktoren abhSngig 1 ). Es ist 
daher nicht zu verwundern, daB wir ihn nicht regelmSBig beobachteten. 
Eine Farbenverknderung kann anscheinend schon eintreten, ohne daB 
die zur spektroskopischen Wahrnehmung notige Menge vorhanden ist. 
DaB Pneumokokken und auch Streptokokken nach langerer Zeit Methamo- 
globin bilden, war ja bekannt. 

Auch diese Befunde scheinen fur eine nahere Verwandtschaft der 
Viridans-Formen mit den Pneumokokken zu sprechen. 

Aus duBeren Grilnden waren wir nicht in der Lage, die Unter- 
suchungen, wie wir es beabsichtigt hatten, noch weiter fortzusetzen, so 
daB wir uns mit diesen kurzen Andeutungen begntigen miissen. 


Xii ter a tar. 

1) Dtech. med. Wochenschr. 1922. S. 182. — 2) Joum. of infect Die. 14. 1. 1914; 
ebenda 13. 1913; Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 69. 1913. S. 391; dasselbe Orig. 
73. 284. 1914. — 3) Berlin, klin. Wochenschr. 1920 u. 21. — 4) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 93. 
1921. H. 1. — 5) Ebenda. Bd. 93. H. 2/3. 


Nachdruck verboten. 

Welche chemische Substanz baut die Polkomcben des 
Diphtheriebazillus auf ? 2 ) 

Von Dr. J. Schumacher (Berlin). 

Seit den Arbeiten Aronsons (Arch. f. Kinderheilk. Bd. 30. 1900. 8. 23, Chem. 
Centralbl. Bd. 1. 1901. S. 471) sind wir so weit iiber den chemischen Aufbau des Diph¬ 
theriebazillus unterrichtet, dafi in ihm eine Nukleinsaure vorkommt. Aronson zog 
die entfetteten Bakterien mit Natronlauge aus, fallte den Auszug mit Essigsiiure, das 
Filtrat mit saurem Alkohol. Aus 10 g Bakterien erhielt er so 0,22 g gereinigte Substanz. 
Diese erwies sich als stark phosphorsaurehaltig und fallte Eiweifilosung. Sie enthielt 
ferner Xanthinbasen und liefi nacn Hydrolyse mit Salzsaure Pentosen erkennen. 

Da alle 3 Bausteine der Nukleinsaure damit nachgewiesen waren, kann an dem 
Nukleinsnuregehalt der Diphtheriebakterien kein Zweifel mehr bestehen. Diese makro- 
chemischen llntersuchungen gestatteten aber nicht, folgende weiteren Fragen zu ent- 
scheiden: 1) Enthielten auch samtliche der Untersuchung unterworfenen Bakterien oder 
Nukleinsaure, oder kam diese Eigenschaft nur einigen Exemplaren zu? 2) War uu- 
entschieden, ob die Nukleinsaure in dem DiphtherieDazillus chemisch gebunden, oder 
als solche frei vorkommt, oder ob, wie in der Hefezelle, gebundene und freie Nuklein¬ 
saure nebeneinander sich vorfindet, und 3) war zu untersuchen, ob der Nukleinsaure¬ 
gehalt sich iiber den ganzen Bazillus gleichmafiig verteilt, oder ob er nur an einigen 
nnatomisch gut abgreuzbaren Stellen des Bakterienleibes anzutreffen ist. 

1) Ditti ich-Erben: Handb. d. Sachverst.-Tatigk. 1909. 7. 8. 207: „In 2 l /,-proz. 
Losung von Blut, das 40 Proz. Met.-Hgl. neben 60 ftoz. O.-Hgl. enthiilt, ist er nicht 
mehr zu sehen.“ Vgl. auch H oppe-Sey lers Handbuch. 

2) Vorgetragen Berlin. Mikrob. Ges. Okt. 21, Miirz 22; Berlin. Phys. Ges. Jan. 22. 


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Schumacher, Welche chem. Subst. baut d. Polkfirnehen des Di.-Baz. auf? 363 


Sowohl iiber die Zusammensetzung ale auch fiber die Bedeutung der „meta- 
chromatiechen Kornchen 1 *, oder nach ihren Entdeckern auch Ba bes-Ernstsche Korn- 
chen genannt, die ebenfalle im Diphlheriebazillus vorkommen, herrechte lange Zeit Un- 
klarheit, bis durch die Arbeiten von A. Meyer und Grim me 1 ) einige Klarheit ge- 
schaffeu wurde und A. Meyer fur die Substaqz dieeer Gebilde, die Dekanntlich in 
vielen Bakterien vorkommen, den Namen Volutin vorschlug und dieses durch mikro- 
chemische Reaktionen von ahnlich sich farbenden Gebilden der Bakterienzelle abzu- 
grenzen lehrte. Er fand das Volutin schwer in kaltem, leicht in heiflem Wasser loslich, 
unloslich in Pikrinsaure, in Alkohol, Aether und Chloroform, langsam loslich in Chloral- 
hydrat, gut loslich in Alkalien, Mineralsauren und Eau deJaveile. Das Volutin zeigte 
ferner indifferentes Verhalten gegen Tryspin und Pepsin, die nicht starker losend ge- 
funden wurden als die Losungsmittel, in denen die Enzyme enthalten waren. 

Farbte A. Meyer das Volutin mit Methvlenblau und differenzierte dann in 1-proz. 
Schwefelsaure, so entfarbte sich alles in der Zelle, bis auf das Volutin, das dunkelblau zu- 
ruckblieb. Auch mit Mcthylenblau-Jodjodkalium-Natriumkarbonat und mit Ruthenium- 
rot konnte er das Volutin darstellen. Seine Befunde faSt er zusammen: „Uebcr die 
chemische Natur der Volutinkorner werden wir so lange nichts Sicheres aussagen konnen, 
bis das Volutin aus den Bakterien in unveranaerter Form dargestellt, makrochemisch 
definiert und in semen Eigenschaften mit der Substanz der Volutinkorner nochmals 
mikrochemisch verglichen ist. Wie ich aus makrochemischen Versuchen geschlossen 
habe, ist es wahrscheinlich, dafl das Volutin eine Nukleinsaureverbindung, (von mir 
gesperrt), aber kein Nukleoproteid ist.“ 

Meine Untersuchungen fiber das Volutin hatten einen anderen Aus- 
gangspunkt. Zum Studium der Einwirkung der Silbersalze auf die Zelle 
und des Desinfektionsprozesses liefi ich 1914 eine AlbarginlOsung auf 
Leukozyten einwirken, reduzierte nach Absptilen mit dest. Wasser nach- 
her mit Pyrogallol und fand alsdann alle Zellkerne tiefbraun geffirbt. 
Die histochemische Analyse dieses Silberkernbildes ergab, daB wir damit 
Nukleinsaure nachgewiesen hatten, da nach Entfernung dieser aus den 
Zellkernen das Silberkernbild nicht mehr zustande kam. (Berlin, med. 
Ges.; Jan. 1922, Offiz. Sitzungsber. Med. Klin. 1922. H. 5.) Dieser in- 
direkte Nachweis der Bindung eines Schwermetallsalzes (Silber) an die 
Nukleinsaure des Zellkerns gelang damals auch auf direktem Wege unter 
Verwendung zweier bisher nicht gebrauchter Reagentien: den eigen ge- 
farbten Losungen von Osmiumchlorid (braun) und Rutheniumchlorid 
(grau), die beide in abgetoteten Zellen vorwiegend die Kerne tingieren. 
Mit diesen Methoden ging ich an den histochemischen Nachweis der 
Nukleinsfiure in den Bakterien. Als wir damals 2 ) kfirnchentragende 
(volutinhaltige) Diphtheriebazillen mit Osmium- und Rutheniumchlorid 
farbten, fanden wir die Kornchen tiefbraun (Osmiumchlorid) oder tief 
grauschwarz (Rutheniumchlorid) geffirbt, wfihrend der fibrige Bazillen- 
leib von diesen Reagentien nur sehr wenig aufnahm, beinahe ungeffirbt 
erschien. Daraus schloB ich auf einen Nukleinsfiuregehalt der Polkfirnchen. 
Als wir dann zusammen mit dem Gonococcus damals auch Ausstriche 
von Diphtheriebazillen in heiBem Wasser aufkochten, so waren hiernach 
die Polkornchen verschwunden. Weder Osmium-, noch Rutheniumchlorid, 
noch die Neissersche Farbung vermochten sie mehr darzustellen, wo- 
mit ich die von A. Meyer gefundene Eigenschaft des Volutins, in heiBem 
Wasser lfislich zu sein, bestfitigen konnte. Ich fiuBerte meinen Mitarbeitern 
damals gegenflber, daB in den Polkfirnchen des Diphtheriebazillus wahr¬ 
scheinlich freie, chemisch ungebundene Nukleinsfiure vorliegen dfirfte, 
ohne indessen den Beweis ffir diese Behauptung damals schon erbringen 
zu konnen. 


1) Aueftihrliche Literatur bei A. M ever, Die Zelle der Bakterien. Jena (G. Fischer) 

1912. 

2) Dez. 1916. Dio betreffende Arbeit lag der Derm. Wochenachr. damals vor, 
Lhre Publikation unterblieb aus auOeren Grfinden. 


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364 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


Weisen wir in den Zellen Nukleinsaure nach, so vermogen wir jetzt 
hinterher mit der Methylenblau + Phosphinmethode zu entscheiden, ob ge- 
bundene Oder freie Nukleinsaure vorliegt, indent sich Nukleine und 
Nukleoproteide mit der erwahnten Methode gelb farben, freie Nuklein¬ 
saure dagegen g r ii n. Dies beruht darauf, wie makrochemisch zu zeigen 
ist, dafi Nukleine und Nukleoproteide mit Farbsalzen nukleinsaure Farb- 
salze bilden, die Essigsaure und Alkohol unbest&ndig sind und durch 
Pbosphin umgef&rbt werden, wahrend freie Nukleinsaure Farbsalze, wahr- 
scheinlich komplexer Natur, bildet, die gegen Essigsaure und Alkohol 
bestandig sind, wie auch das Volutin, und durch Phosphin bei Methylen- 
blauvorbehandlung nicht in Gelb umgefarbt, sondern grim werden. Die 
betreffende Verbindung ist auch in grofiem darstellbar. Das Volutin 
der Hefezelle zeigt farberisch dieselben Eigenschaften wie freie Hefe- 
nukleinsaure. In vitro nach der Methylenblau + Phosphinmethode gefarbte 
Hefenukleinsaure x ) zeigt, durch Ausslreichen auf ObjekttrMger wieder unter 
mikroskopische Verhaitnisse gebracht, bei starker VergroBerung dieselben 
grunen Schollen in demselben Tone, wie das nach dieser Methode in der 
Zelle gefarbte Volutin, das auch chromolytisch analysiert als aus freier 
Hefenukleinsaure bestehend erkannt wurde. Hierbei fanden wir auch 
alle ubrigen mikrochemischen Reaktionen Arthur Meyers bestatigt, 
konnten ihnen noch einige neue hinzufiigen und auch die eingangs er¬ 
wahnten Forderungen A. Meyers erfiillen, die er an die Aufkiarung des 
chemischen Auf baues des Volutins stellt. Ich verweise auf die betreffenden 
vorgetragenen und noch erscheinenden Arbeiten (Berlin. Mikrobiol. Ges. 
Okt. 21 und Marz 22, Berlin. Physiol. Ges. Jan. 22). 

Farben wir nun volutinhaltige Diphtheriebazillen mit der Methylen¬ 
blau + Phosphinmethode, so sind die Polkornchen grim, der iibrige 
Bazillenleib gelb gef&rbt. Damit war der oben noch ausstehende Beweis, 
dafi die Polkornchen aus freier Diphtherienukleinsaure bestehen, gefuhrt. 

Nachdem wir nun die chemische Zusammensetzung der Polkornchen 
kennen, war es ein leichtes, weitere Farbungen zu ihrer Darstellung zu 
konstruieren. Wir sahen schon bei dem Volutin der Hefezelle, daB 
die dort entstehende komplexe Methylenblauverbindung auch bestandig 
ist gegeniiber einer Chininsalzlosung, wahrend diese alles andere in der 
Hefezelle Gefarbte entfarbte. Farbten wir jetzt mit sauren Farben + 
Tanninbeize nach, so erhielten wir Kontraste. Dasselbe Verhalten wird 
voraussichtlich auch die Diphtherienukleinsaure zeigen, und so muB es 
moglich sein, bei Methylenblauvorbehandlung und Chinindilferenzierung 
diese blau darzustellen und bei Nachfarbung mit Eosin-Tannin den ubrigen 
Bazillenleib rot. Das ist in der Tat der Fall. 

Wir konnen fur die Polkornchen noch eine weitere Farbungsmoglich- 
keit kraft ihres Nukleinsauregehaltes voraussagen. Sie miissen sich auch 
mit dem eine hohe Verwandtschaft fiir Nukleinsaure zeigenden p-Amino- 
phenol darstellen lassen. Das ist ebenfalls moglich. p-Aminophenol farbt 
die Polkornchen tiefbraun. 

Ihres Nukleinsauregehaltes wegen farben sich die Polkornchen auch 
gut mit Methylgriin. 

Tcchnik. 

1) Osmiumchloridfarbung. 

Die hitzefixierten Bakterienausstriche werden 10 Min. lang gefarbt 
mit einer 2-proz. Lbsung von Osmiumchlorid (Kahlbaum). Abspulen, 

1) Es wurde hierzu gewohnliche wasserige 1-proz. Methylenblaulosung verwendet. 


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Schumacher, Welche chem. Subst. baut d. Polkornchen des Di.-Baz. auf?365 

Trocknen in der Flamme. Die Losung mufi mindestens 2mal 24 Std. 
alt sein und ist vor dem Gebrauch zu filtrieren, am besten durch ge- 
h&rtete Filter, da sie nach einiger Zeit etwas Niederschlag fallen laBt. 
Polkbrnchen: tiefbraun, Bazillenleib: ganz schwach hellbraun. 

2) Rutheniumchloridfarbung. 

Wie 1) unter Verwendung einer V 2 ’P roz - Losung von Ruthenium- 
chlorid (nicht zu verwechseln mit Rutheniumoxychlorid.-Rutheniumrot). 
Auch hierbei muB die Losung mindestens 48 Std. alt sein und ist vor dem 
Gebrauch zu filtrieren. Polkbrnchen: tief grauschwarz, Bazillen¬ 
leib: ganz schwach grau. 

3) Methylenblau-{-Phosphinfarbung. 

Die Praparate werden 1 Min. lang mit einer 1-proz. Karbol-Methylen- 
blaulosung 1 ) kalt gef&rbt: Abspfilen mit Wasser. Darauf kommen die 
Praparate in eine Kuvette mit 1-proz. waBriger Phosphinlosung (Chrysanilin 
extra, Kahlbaum), in der sie unter Hin- und Herbewegen 1 1 / 2 Min. 
(circa) lang differenziert werden. Polkornchen: grfin, Bazillen¬ 
leib: gelb. 

4) Methylenblau-f-Chinin-f-Eosin methode. 

Die Praparate werden wieder mit der obigen Karbol-Methylenblau- 
losung 1 Min. lang kalt gef&rbt. Abspiilen mit Wasser. Darauf werden 
sie in eine 1-proz. Losung von Chinin. hydrochlor. bis zur makroskopischen 
Entfarbung gestellt. Oefteres Hin- und Herbewegen beschleunigt die 
Entfarbung. Abspiilen. Darauf Nackfiirbung % Min. lang mit einer 
Losung aus gleichen Teilen einer 1-proz. Eosin- und 10-proz. Tannin- 
ibsung. Polkornchen: blau, Bazillenleib: rot. 

5) p-Aminophenolfiirbung. 

Man lt5st 3 g p-Aminophenol in 100 ccm eben gekochtem heiBen 
Wasser, gibt 6 ccm konz. SalzsSure hinzu, schuttelt und filtriert. Mit 
dem Filtrat farbt man 10 Min. lang. (Nicht lange haltbar.) Polkbrn- 
chen: schokoladenbraun, Bazillenleib: fast ungefUrbt. 

Zusammenfassung. 

Die Polkornchen des Diphtheriebazillus bestehen aus freier Di- 
phtherienukleinsaure. Da nicht alle Diphtheriebazillen Polkornchen tragen, 
ist ihr Nukleins&uregehalt ein verschieden groBer. Unentschieden ist noch, 
ob auch gebundene Nukleinsiiure im Diphtheriebazillus vorkommt. Die 
Methylenblau -j- Phosphinraethode, die in der NeiBerschen F&rbung 
ihren empirischeu Vorlaufer hat, stellt die Polkornchen griin, die Bazillen 
gelb dar, die Methylenblau + Chinin + Eosinraethode fSrbt Polkornchen 
blau, den Bazillenleib rot. Die iibrigen mitgeteilten Methoden besitzen 
nur wissenschaftlichen Wert. Die Methoden sind ebensowenig wie die 

1) Acid, carbol. liquef. 2,0, Aquae ad 100. Darin wird 1 g Methylenblau gelitet. 
Filtrieren. Zur Farbung ist ein Karbolzusatz nicht notig. Da die Methode aber auch 
zur Farbung sporenhaltigen Materials dient, ist ihr Karbolsaure zugesetzt. Bei Mikro- 
organismen, die volutin- und sporeuhaltig sind, farben sich mit dieser Methode der 
Bazillenleib gelb, das Volutin griin, die Sporen blau (Hefe). 


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366 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 

NeiBersche Farbung spezifisch ffir den Diphtheriebazillus, sondern 
nur histochemische Reagentien auf freie Nukleinsaure (Methylenblau + 
Phosphinraethode und Methylenblau + Chinin + Eosinmethode). Die 
fibrigen Reagentien gestatten nicht einen Unterschied, ob freie oder ge- 
bundene Nukleinsaure vorliegt. 

Anmerkung wahrend der Korrektur: Die etwas umstandlicheren indirekt 
arbeitenden Silber-Pyrogallolruethoden stellen die Polkornchen schwarzbrauu, den Ba- 
zillenleib hellbraun dar. Technik wird mitgeteilt bei Darstellung der Kernsubstanzen 
des Gonococcus. 

Das wirksaine Prinzip bei der Farbung mit p-Aminophenol ist ein Oxvdations- 
produkt desselben. 


Nachdruck verboten. 

Untersucliungen liber das Vorkommen von Diphtheriebazillen 
in der Scbeide von Gebarenden und Wochnerinnen 
sowie bei Neugeborenen. 

[Aus deni Institut zur Erforschung der Infektionskrankheiten in Bern 
(Direktor: Prof. Dr. G. Sobernheim).] 

Von Dr. I. Tsukaliara. 

Das Auftreten der Diphtherie bei Neugeborenen ist keine seltene 
Erscheinung. Die Literatur der letzten Jahre bringt zu diesem Ivapitel 
eine ganze Reihe von Beitragen, aus denen hervorgeht, daB in vielen 
Gebaranstalten, Sauglingsheimen usw. Neugeborene und Sfiuglinge immer 
wieder durch diphtherische Infektion gef&hrdet sind. Dabei kann der 
Verlauf ein sehr verschiedener sein. Vielfach handelt es sich uni vorfiber- 
gehende, unter deni Bilde von Hausinfektionen auftretende Gruppen- und 
Massenerkrankungen; in anderen Fallen delinen sicli die Krankheitsfalle 
uber einen langeren Zeitraum und selbst fiber Jahre aus. 

Der Character der Erkrankung ist ebenfalls reclit verschieden. Auf 
der einen Seite wird fiber schweren Verlauf mit einer immerhin nicht 
unbetrachtlichen Letalitfit berichtet, von anderer Seite werden die di- 
phtherischen Erkrankungen als relativ milde bezeiclinet. Das letztere trifft 
offenbar ffir die Mehrzahl der Fall© zu, wobei sich zugleich durch syste¬ 
matise durchgeffihrte Umgebungsuntersuchungen meist eine groBe Zahl 
gesunder Bazillentrager nachweisen lSBt, eine Zahl, die fiber die der 
wirklich erkrankten und deutliche klinische Symptome darbietenden 
Kinder ganz bedeutend hinausgeht. 

So wurden, um nur einige Beispielo anzufiihren, von Kirstein auf einer infizierten 
Sauglingsabteilung unter den Sauglirigen der Marburger Frauenklinik 84 Proz. Bazillen¬ 
trager gefunden, die Diphtheriebazillen auf derNasenschleimhaut beherbergten, Lembke 
fand in der Freiburger Frauenklinik unter 90 Kindern 43 Bazillentrager = 48 Proz., 
Freund in der StraSburger Hebammenschule ca. 25 Proz. (6:26), Schoedel in dem 
Mutter- und Sauglingsheim der Chemnitzer Frauenkliuik 59 Proz. Kritzler, der in 
der Giefiener Frauenklinik besonders eingehende Untersuchungen angestellt hat, konnte 
bei 311 untersuchten Kindern, in iiberwiegender Zahl Neugeborenen, 85inal = 27 Proz. 
Diphtheriebazillen nachweisen; dabei sind Abimpfungen von N’asenschleimhaut, Binde- 
haut, Nabel usw. zusammengenoramen. Unter 415 Nasenuntersuchungen bei Neu- 


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Tsukahara, Vorkommen von Di.-Bazill. in d. Scheide von Gebarenden usw. 367 


geborenen fanden sich 102 mal (25 Proz.) echte Diphtheriebazillen. Es iat nicht gesagt, 
auf wie viele Falle sich diese Untersuchungen verteilen, wohl aber befanden sich darunter 
137 Kinder mit mehr oder weniger ausgepriigten klinischen Erscheinungen. Es handelt 
sich also bei diesen Zahlen nicht einfach um Bazillentragerbefunde. Anaerseits berichtet 
Wauschkuhn iiber wesentlich geringere Zahlen; er konnte in der Konigsberger 
Frauenklinik unter 200 Nasenabstrichen nur 4mal = 2 Proz. positive Befunde bei Neu- 
geborenen erheben. Aus der gleichen Klinik gibt Hollatz freilich an, daO bei Unter- 
suchung von 219 Kindern 76 Falle = 35 Proz. mindestens einmal positiv waren. Auch 
Wiegels (Frauenklinik, Bremen) ermittelte bei einer ersten Untersuchung unter 33 
Kindern nur 2 Bazillentrager = 6,06 Proz., wozu bei zwei weiteren Untersuchungen noch 
3 Bazillentrager kamen, so da£S sich im ganzen 5 Bazillentrager (= 15,2 Proz.) ergaben. 
Lietz machte bei 606 Neugeborenen Diphtherieabstriche, wobei 2,5 Proz. der in der 
Klinik geborenen Kinder einen positivenBefund lieferten, darunter 1,6 Proz. mit Schnupfen. 
Im folgenden Jahre wurden bei 691 Neugeborenen 4,2 Proz. Bazillentrager festgestellt. 

Die Lokalisierung der diphtherischen Infektion bietet gleichfalls ein 
wechselndes Bild. Besonders hSufig scheint die Nase ergriffen zu sein, 
und ohne hier in den Streit eintreten zu wollen, was man als eigentliche 
Nasendiphtherie zu bezeichnen habe (vgl. Land6), so steht jedenfalls 
fest, daB die Diphtheriebazillen bei Neugeborenen und S&uglingen sich 
mit Vorliebe auf der Nasenschleimhaut anzusiedeln pflegen. Daneben 
kommt aber auch nicht selten eine Rachendiphtherie vor, und eine weitere 
wichtige Rolle spielt die Nabeldiphtherie. 

Es ist begreiflicherweise nicht nur vora wissenschaftlichen Stand- 
punkt, sondern vor alien Dingen auch aus praktischen Grfinden, zum 
Zweck einer rationellen prophylaktischen Bekampfung, von ganz be- 
sonderem Interesse, zu wissen, in welcher Weise die diphtherische In¬ 
fektion der Neugeborenen und S&uglinge in alien diesen Fallen zustande 
kommt. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daB in erster Linie 
hierbei die Infektion durch erwachsene Bazillentrager zu beriicksichtigen 
ist. So findet man denn auch in vielen VerSffentlichungen Anhaltspunkte 
und beweisende Beobachtungen dafiir, daB in den betreffenden Anstalten 
schon frflher Diphtherieerkrankungen unter dem Personal beobachtet 
worden sind oder daB die bakteriologischen Umgebungsuntersuchungen 
zur Auffindung von Bazillentragern unter dem Warte- und Ptlegepersonal 
gefuhrt haben. DaB auch die Mutter als Bazillentragerin das Kind 
gelegentlich infizieren kann, wird ohne weiteres zugegeben werden mfissen. 
Es wiirde sich also bei alien diesen Formen um einen Infektionsmodus 
handeln, wie er schlieBlich auch fiir aitere Kinder und Erwachsene be- 
kannt ist und flberhaupt in der Epidemiologie der Diphtherie gewisser- 
naaBen die Regel darstellt. Das Auftreten der Diphtherie in SSuglings- 
heimen und Gebaranstalten ware demgemBB nichts anderes als ein Beispiel 
der Diphtherieverbreitung in geschlossenen Anstalten und in Parallele 
zu setzen mit dem epidemischen Auftreten der Diphtherie, wie wir es 
in Kindergarten, Krippen, Kinderhorten, auch unter UmstMnden in Schulen 
usw. ja leider zur Gentige kennen. 

Nun wird aber in der einschiagigen Literatur (vgl. Kir stein) die 
Frage erortert, inwieweit etwa noch eine andere Infektionsmoglichkeit 
besteht., namlich die, daB die Mutter in der Vagina Diphtheriebazillen 
beherbergt und damit das Kind schon wahrend des Geburtsaktes zu in¬ 
fizieren vermag. Es ist das ja ein naheliegender Gedanke, und von vorn- 
herein wird man eine solche Mbglichkeit in der Tat sehr in Betracht 
zu ziehen haben. Dabei soli hier abgesehen werden von solchen Fallen, 
wo eine diphtherische Erkrankung vorliegt, die sich im Bereich der 
Geburtswege oder in deren Nachbarschaft lokalisiert. 


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368 


Centralbl.J. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


Bei einer Diphtherie der Vagina (Bumm, Roethler), bei diphtherischer Endo¬ 
metritis (Haupt) oder bei dem Vorhandensein von diphtherischen Geschwiiren am 
Damra der KreiBenden (Freund) ist die Infektionsgefahr fiir das Kind wahrend der 
Geburt gewifi sehr grofi, aber das sind doch recht seltene Falle, die man fast als Curiosa 
betrachten kann. Nach Cuthbertson, der einen neuen Fall von Vaginaldiphtherie 
beobachtete, waren bis dahin (1908) in der amerikanischen Literatur im ganzen nur 
21 Falle von bakteriologisch gesicherter Genitaldiphtherie bei Wochnerinnen bekanDt. 
Bourut hat in Frankrach 42 Falle gesammelt. Fiir uns handelt es sich um die Frage, 
inwieweit eine gesunde Mutter als Tragerin von Diphtheriebazillen in der Vagina 
und damit als Infektionsquelle fiir das Kind in Betraeht kommt. Die Entscheidung 
kann auf verschiedene Weise gebracht werden. 

So hat man durch systematische Untersuchungen den Zeitpunkt des Auftretens 
von Diphtheriebazillen bei Neugeborenen zu ermitteln gesucht, woDei sich herausgestellt 
hat, daB eine gewisse Zahl der Neugeborenen schon am 1. Tage bzw. sehr kurze Zeit 
nach der Geburt mit Diphtheriebazillen behaftet sein kann. Ein anderer Teil pQegt 
zunachst frei von Diphtheriebazillen zu sein und erst nach einigen Tagen oder noch 
spater Diphtheriebazillen aufzuweisen. 

So fand Kir stein bei 39 Bazillentragern nur in 3 Fallen Diphtherie¬ 
bazillen am 1. Tage, in 6 weiteren Fallen am 2., 5mal am 3. Tage und 
in den iibrigen Fallen erst noch spater. Selbst wenn man beriicksichtigt, 
daB infolge der bekannten technischen Schwierigkeiten der sichere Nach- 
weis von Diphtheriebazillen in Nasen- und Rachenschleim nicht gleich 
in jedem Falle gelingt, und man daher wohl annehmen darf, daB gelegent- 
lich bei den am 1. Tage nntersuchten Kindern die Diphtheriebazillen 
dem Nachweis entgehen konnen, so erfolgt doch ohne Frage bei der weit 
tiberwiegenden Mehrzahl der Neugeborenen die Aufnahme der Diphtherie¬ 
bazillen erst spater, also mehr oder minder lange Zeit nach der Geburt. 
Nur fur einen kleinen Teil der Kinder, die schon am 1. Tage Diphtherie¬ 
bazillen auf ihrer Schleimhaut beherbergen, kame also unter Umstanden 
eine Infektion wahrend der Geburt von der mutterlichen Vagina aus 
in Betraeht. Es versteht sich von selbst, daB auch bei diesen Kindern 
eine nachtragliche Infektion keineswegs ausgeschlossen ist. 

Man hat dann weiterhin zur Kiarung dieser Verhaitnisse eingehende 
Untersuchungen iiber das Vorkommen von Diphtheriebazillen auf der 
Vaginalschleimhaut von gesunden Schwangeren, Gebarenden und Woch¬ 
nerinnen angestellt und ist dabei zu recht widersprechenden Ergebnissen 
gelangt. Friihere bakteriologische Untersuchungen haben das bekannte 
Resultat ergeben, daB die einzelnen Teile der weiblichen Vagina hinsicht- 
lich ihres Bakteriengehaltes sehr verschieden zu bewerten sind, und daB 
im wesentlichen nur der untere Teil, die Vulva, bakterienhaltig zu sein 
pflegt. Was speziell Diphtheriebazillen anlangt, so diirfte ihr Vorkommen 
in der weiblichen Vagina, wenn iiberhaupt, wohl nur ganz ausnahmsweise 
beobachtet worden sein. (Vgl. Kiister.) Demgegenuber lauten neuere 
Angaben zum Teil ganz anders. 

So berichtet Broer, daB er bei 7 unter 30 Schwangeren Diphtheriebazillen in 
der Vagina nachweisen konnte, Lietz fand bei Untersuchung des Scheidensekrets von 
28 Hausschwangeren 4mal (14,2 Proz.l Diphtheriebazillen, und Schoedel, der von dem 
„beinahe allgegenwartigen Diphtheriebazillu8“ spricht, bezeichnet auf Grund dieser Be- 
obachtungen die Scheide der Mutter geradezu als einen „ebenso beliebten Aufenthalts- 
ort parasitierender Diphtheriebazillen wie den Nasen-Racheu-Raum“. Wesentlich geringer 
ist die Zahl der positiven Befunde, die Wauschkuhn erheben konnte; unter 200 Ab- 
strichen von der mutterlichen Scheide enthielten nur 11 (5,5 Proz.) Diphtheriebazillen. 
Lonne und Meyeringh gelangten durchweg zu negativen Resultaten, indem ihnen 
bei 42 gesunden Schwangeren, von denen je 2—3mal Vaginalabstriche untersucht wurden, 
niemals der Nachweis eehter Diphtheriebazillen gelang. Lonne und Schugt haben 
dann in der gleiehen Klinik (Gottingen) neuerdings weitere 209 Scheidenabstriche auf 
Diphtheriebazillen untersucht, und zwar von 58 gesunden Schwangeren und von 30 Frauen 
mit gynakologischen Leiden, mit dem Resultat, daB wiederum in keipem Falle echte 


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Tsukahara, Vorkommen von Di.-BaziJl. in d. Scheide von Gebarenden ubw. 369 


Diphtheriebazillen nachgewiesen werden konnten. Bemerkenswert ist, worauf schon an 
dieser Stelle ausdrucklicn hingewiesen sei, dafi sie Pseudodiphtheriebazillen in 45 Proz. 
der Vaginalabstriche gefundeu haben. 

Es zeigt sich somit, daB fiber die Frage, inwieweit eine diphtherische 
Infektion der Neugeborenen von der mutterlichen Vagina aus erfolgen 
kann, zurzeit noch keineswegs die wiinschenswerte Klarheit besteht. 
Die tatsachlichen Beobachtungen und Untersuchungsbefunde der Autoren 
stiinmen untereinander nicht geniigend uberein, um daraus allgemein 
gultige SchluBfolgerungen ableiten zu kdnnen. Ich habe es daher auf 
Anregung von Herrn Prof. Sobernheim unternommen, durch eigene 
Untersuchungen ein Urteil zu gewinnen und die Verhaltnisse zu priifen, 
wie sie sich speziell in einer diphtheriefreien Umgebung darstellen. 
Denn fast alle Autoren haben ja gerade wegen des Auftretens oder 
langeren Bestehens von Hausepidemien ihre bakteriologischen Nach- 
forschungen angestellt, und es war von vornherein nicht unwahrschein- 
lich, daB dies fur das Untersuchungssresultat entscheidend gewesen sein 
konnte. 

Das Untersuchungsmaterial wurde mir von der hiesigen Universitats- 
Frauenklinik (Kanton. Frauenspital) durch die Giite des Direktors, Herrn 
Prof. Guggisberg, zuganglich gemacht. Die Entnahme und Ueber- 
mittelung der Proben besorgte in bereitwilligster Weise Herr Dr. Me n n e t, 
I. Assistent der Klinik. Ich mochte Herrn Prof. Guggisberg und Herrn 
Dr. Mennet auch an dieser Stelle fur ihr sehr freundliches Entgegen- 
kommen und die Forderung meiner Versuche den aufrichtigsten Dank 
aussprechen. 

Der Versuchsplan war der, daB inuner gleichzeitig bei Mutter und 
Kind auf Diphtheriebazillen gefahndet werden sollte, und zwar wahrend 
bzw. unmittelbar nach der Geburt, so wie 1 Woche spater. Bei dem 
Neugeborenen sollte speziell die Nasenschleimhaut als der offenbar 
h&ufigste Sitz der Diphtheriebazillen untersucht werden. Im gauzen 
wurden 60 Faile untersucht, also 60 Mutter und 60 Neugeborene. In 
jedem Falle wurden Proben von folgenden Stellen entnommen: 1) aus 
der Vulva der KreiBenden, 2) aus der Vagina der KreiBenden, 3) aus 
der Nase des Neugeborenen, unmittelbar nach der Geburt, 4) aus der 
Vagina der Wochnerin, am 7. Tage nach der Geburt, 5) aus der Nase 
des Neugeborenen, am 7. Tage nach der Geburt. 

Es gelangten somit 300 Einzelproben zur Untersuchung. 

Hinsichtlich der Technik, die sich dem allgemein iiblichen Verfahren 
anschloB, sei kurz bemerkt, daB zur Entnahme des Untersuchungsmaterials 
sterile Watteb&uschchen dienten, wie sie auch sonst als Diphtherietupfer 
zur Gewinnung diphtherieverdSchtigen Materials benutzt werden. Die 
Proben wurden auf je 3 Rohrchen mit Loeffl er - Serum ausgestrichen 
und die Kulturen, nach ca. 24-stfind. Verweilen bei 37°, mittels der 
Neisser- Farbung auf Diphtheriebazillen bzw. diphtherieverdachtige 
Stabchen untersucht. Fanden sich solche, so folgte die Isolierung und 
ReinzQchtung der betreffenden Stabchenart, die dann weiterhin einer 
genauen biologischen PrOfung unterworfen wurde. Zu diesem Zweck 
wurde untersucht: l)Wachstum der Bakterien auf Loeffl er-Serum, 
auf Serumagar, auf gewfihnlichem Nahragar, auf hohem Traubenzucker- 
agar in Stichkultur, in Bouillon; 2) Morphologie und Farbbar- 
keit, insbesondere GroBenverhaltnisse, Eigenbewegung, Gram-Farbung, 
Loeffler-Farbung, Neisser-Farbung; 3) Saurebildung in Bouillon; 
4) Virulenz filr Meerschweinchen. 

Erste Abt. Orig. Bd. 88. Heft 5, 24 


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CentralbL f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


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Das Ergebnis war, daB unter den 300 Proben, die mir zur Ver- 
fiigung standen, in keinem einzigenFalleDiphtheriebazillen 
nachgewiesen werden konnten. Wolil fanden sich llmal (3,66 
Proz.) diphtheroide Stabchen, aber keine echten Loeffler-Bazillen. 
Die Diphtheroiden stammten 3inal aus der Vulva, 7mal aus der Vagina 
und lmal aus der Nase des Neugeborenen. Am 1. Tage fanden sie sich 
6mal (darunter der Fall des Neugeborenen), am 7. Tage 5mal. Die Zahl 
der Mutter, die mit Diphtheroiden lmal oder wiederholt behaftet gefunden 
wurden, betrug 8. Auch die Mutter des erw&hnten Neugeborenen be- 
herbergte in Vagina und Vulva diphtberieahnliche Stabchen. 

Wie wichtig es bei derartigen Untersuchungen ist, die Eigenschaften 
der Reinkultur genau kennen zu lernen, zeigte sich in deutlichster Weise. 
Denn in einer Anzahl von Fallen, in denen das Schmierpraparat der 
Originalkultur bei der Neisser-Farbung Polfarbung ergab, war auch 
das ganze ubrige mikroskopische Bild dem der echten Loeffler-Bazillen 
so ahnlich, daB man hatte geneigt sein konnen, die Diagnose auf Diphtherie- 
bazillen zu stellen; GroBe, Form, Lagerung entsprachen dem, was man 
als typisch fiir echte Diphtheriebazillen anzusehen gewohnt ist. In einigen 
anderen Fallen fiel dagegen die etwas plumpe oder auch besonders zarte 
Form der Stabchen auf, so daB trotz positiver Neisser-Farbung von 
vornherein Zvveifel bestanden. Erst die Prufung der Reinkultur brachte 
bei alien diesen Befunden die Entscheidung. Es ist das wieder ein 
Beispiel, wie vorsichtig man bei der Beurteilung mikroskopischer Praparate 
sein muB, wenn es sich nicht um Material der Rachenschleimhaut handelt. 
Wie in der Nase, auf der Conjunctiva, auf der Haut und an anderen 
Stellen finden sich eben offenbar gerade auf der Schleimhaut der weib- 
lichen Genitalien nicht selten diphtheroide Arten, deren Aehnlichkeit 
mit echten Diphtheriebazillen im mikroskopischen Bilde, speziell auch 
bei Neisser-Farbung, eine auBerst weitgehende sein kann. Diese be- 
wahrte Farbungsmethode, die uns bei der bakteriologischen Diphtherie- 
diagnose so ausgezeichnete Dienste leistet, ist also bei der Herkunft des 
Untersuchungsuiaterials von einer anderen als der ublichen Stelle (Rachen¬ 
schleimhaut) nur mit Vorsicht zu verwerten. Es sei auch hier an die 
Befunde erinnert, die z. B. Loewenthal bei Untersuchungen iiber die 
Bakterienflora der Meerschweinchenvagina erheben konnte, wobei eben- 
falls ziemlich haufig diphtheroide Stabchen nachgewiesen wurden, die 
im N ei s ser- Bilde eine tauschende Aehnlichkeit mit echten Loeffler - 
Stabchen besaBen. 

DaB es sich in der Tat bei den von mir isolierten 11 Stammen um 
falsche, nicht um echte Loeffler-Stabchen gehandelt hat, lieB sich in 
jedem Falle unzweifelhaft erweisen. Ivein einziger Stamm bestand die 
Probe. Nach Wachstum und Kolonieform zeigten sich bisweilen schon 
Verschiedenheiten, die Kolonien waren zum Teil etwas trocken, die 
meisten Stamme wuchscn in Bouillon ziemlich iippig unter diffuser 
Triibung der Fliissigkeit oder Abscheidung eines fadenziehenden, nicht 
brockligen Bodensatzes, und hinsichtlich der Saurebildung ergab die 
Titration mittels n/40 Natronlauge (Phenolphtalein) fur fast alle Stamme 
eine wesentlich langsamere und schwachere Sauerung der Bouillon als 
fur den zur Kontrolle immer daneben gepriiften echten Diphtheriestaram. 
Nur in hochgeschichtetem Traubenzuckeragar erfolgte Wachstum langs 
des ganzen Stichkanals, ohne Gasbildung, etwa wie bei Diphtheriebazillen, 
hochstens mit dem Unterschiede, daB die Kulturen besonders fippig ge- 
diehen; ein einziger Stamm entwickelte sich hauptsachlich in den oberen 


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Tsukahara, Vorkommen von Di.-Bazill. in d. Scheide von Gebarenden usw. 371 

Teilen des Impfstichs. Die morphologischen und ffirberischen Eigen- 
tumlichkeiten, geprfift im hfingenden Tropfen und mittels Gram- und 
Neisser-Ffirbung, ergaben im allgemeinen ein diphtherieahnliches Ver- 
halten. Kein Stamm zeigte Eigenbewegung. Die Polkornchen waren 
in einigen Fallen nur sparlich vorhanden und nicht ganz typisch, auch 
bestanden einige Stamme aus Elementen, die sich durch Form und GrSBe 
von echten Loeffler-Stabchen unterschieden. Im groBen und ganzen 
aber konnte auf Grund des mikroskopiscken Praparates allein eine 
Differentialdiagnose nicht mit Sicherheit gestellt werden, zumal da auch 
die Lagerung der Stabchen eine ziemlich charakteristische war. Erst 
die Gesamtheit der biologischen Eigenschaften gestattete die Abgrenzung 
des einzelnen Stammes von dem echten Loeffler-Typus. Die Be- 
statigung brachte das Tierexperiment. Samtliche Stamme ent- 
behrten der Meerschweinchenpathogenitat. Die subkutane 
Verimpfung einer 48-stiind., gut entwickelten Bouillonkultur in der Menge 
von 0,5 ccm pro 100 g Korpergewicht wurde von den Tieren so gut wie 
reaktionslos vertragen. Selbst eine lokale Ileaktion blieb in den meisten 
Fallen aus, nur bei 4 Tieren entwickelte sich eine ganz geringftigige, 
bald wieder verschwindende Infiltration in der Umgebung der Injektions- 
stelle, nichts von Nekrose oder sonstigen spezifischen Erscheinungen. 

Betrachtet man noch einmal kurz das Gesamtergebnis dieser Ver- 
suche, so wurden in 60 Fallen (Mutter und Kind), mit 300 Einzelproben, 
niemals echte Diphtheriebazillen aufgefunden, weder bei 
der Mutter (Vulva, Vagina), noch bei dem neugeborenen 
Kind (Nase). Dieser negative Befund gilt also sowohl fur den Tag 
der Geburt als auch fur die 7 Tage spater vorgenommene Nachuntcr- 
suchung. Das von anderen Autoren bearbeitete Untersuchungsmaterial 
ist zum Teil wesentlich groBer, immerhin ist die Zahl von 60 Fallen 
nicht ganz gering und hatte, wenn wirklich der Diphtheriebazillus bei 
gesunden Mtittern und Neugeborenen so weit verbreitet ware, doch ent- 
schieden 8fters zur Auffindung von Loeffler-Bazillen ffihren mfissen. 
Unsere Untersuchungen erstreckten sich iiberdies fiber einen grSBeren 
Zeitraum von mehreren Monaten und zeigen somit, daB es sich bei den 
durchweg negativen Ergebnissen nicht etwa nur um eine zuffillige und 
vorfibergehende Erscheinung gehandelt hat. 

Die Frage drfingt sich auf, worauf die so sehr widersprechenden 
Angaben der verschiedenen Autoren zurfickzufiihren sind und wie es 
wohl zu erklfiren ist, daB ich bei meinen eigenen Untersuchungen keinen 
einzigen positiven Fall feststellen konnte, wahrend von anderer Seite 
vieifach ein hoher Prozentsatz von Bazillentrfigern sowohl bei Mflttern 
als bei Neugeborenen ermittelt worden ist. Die Ergebnisse meiner 
Untersuchungen decken sich durchaus mit den Angaben von Lonne 
und Meyeringh sowie Lfinne und Schugt, die unter ahnlichen 
Verhfiltnissen in der miltterlichen Vagina niemals Diphtheriebazillen 
nachzuweisen vermochten. Sie sind auch nicht zu sehr verschieden von 
den Resultaten, die z. B. Wauschkuhn bei Mflttern und Neugeborenen 
erhalten hat, denn die Zahl von 5,5 Proz. positiven Befunden bei Scheiden- 
abstrichen und von 2 Proz. Bazillentrfigern unter Neugeborenen^ ist ja 
ziemlich gering. Dagegen besteht ein ausgesprochener und auf den 
ersten Blick vielleicht tiberraschender Gegensatz zwischen meinen durch¬ 
weg negativen Befunden und einem Anteil von 14—20 Proz. positiven 
Hefunden und mehr bei Muttern, 25—84 Proz. positiven Befunden bei 
Neugeborenen, fiber die manche Autoren berichten. Ich mochte mich 

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CentralbJ. f. Bakt. etc. I. Abt. Originals. Bd. 88. Heft 5. 


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da zunachst auf den Standpunkt von Lonne, Meyeringh und Schugt 
stellen, die mit besonderem Nachdruck die Notwendigkeit einer strengen 
Differenzierung zwischen echten und falschen Diphtheriebazillen mit 
Hilfe exakter biologischer Methoden betonen. Wenn diese Autoren in 
45 Proz. der Falle diphtheroide Bazillen nachweisen konnten, wenn 
Kritzler gleichfalls neben echten Diphtheriebazillen oft genug diphthe¬ 
roide Bazillen gefunden hat, und wenn ich selbst 11 Kulturen ziichtete, 
die zunachst stark diphtherieverdachtig erschienen, spaterhin aber mit 
Sicherheit von den Loeffler-Bazillen unterschieden werden konnten, 
so zeigt dies unzweifelhaft, wie vorsichtig man in der Beurteilung der 
Bakterienbefunde sein muB. Inwieweit bei alien Untersuchungen, fiber 
die in der Literatur berichtet ist, die bakteriologische Diphtheriediagnose 
absolut gesichert war, laBt sich nicht mit voller Bestimmtheit sagen, da 
in den einschlagigen Veroffentlichungen sich nicht immer genauere An- 
gaben finden. Wo also nicht alle Mittel herangezogen worden sind, um 
Verwechslung der Loeffler-Bazillen mit diphtherieahnlichen Stabchen 
auszuschlieBen, wird man an die Moglichkeit denken miissen, daB es 
sich vielleicht doch nur um Diphtheroide und nicht um den echten 
Diphtheriebazillus gehandelt haben konnte. Gerade weil die diphtherie¬ 
ahnlichen Stabchen sich an den hier in Rede stehenden Stellen, namlich 
auf der miitterlichen Vagina und auf der Nasenschleimhaut von Saug- 
lingen, relativ hfiufig finden, kbnnen die Anforderungen an die bakterio¬ 
logische Diagnostik gar nicht hoch genug gestellt werden. 

Hierin allein kann aber unmoglich die Erklarung fur die abweichen- 
den Resultate verschiedener Untersucher liegen. Es wiirde hochstens 
eine gewisse Zahl von Fallen ausscheiden. Von vielen Autoren ist die 
Identifizierung der Diphtheriebazillen in einwandfreier Weise vorge- 
nommen worden, so daB der von ihnen gefundene hohe Prozentsatz 
gesunder Bazillentriiger als Tatsache hingenommen werden muB. Offen- 
bar liegen die Dinge so, daB die besonderen Verhaltnisse, unter denen 
die Untersuchungen angestellt worden sind, eine ausschlaggebende Rolle 
spielen. Fast alle Autoren fiihren an, daB das Auftreten von Diphtherie- 
erkrankungen in der Klinik oder in einer bestimmten Abteilung den 
AnlaB gegeben hat zur Durchffihrung systematischer bakteriologischer 
Untersuchungen. Es ist klar, daB da, wo der Infektionsstoff sich in 
einer Krankenanstalt einmal starker ausgebreitet hat, wo auch unter 
den Erwachsenen, dem Pflegepersonal usw. womoglich Erkrankungen 
vorgekommen sind, wo durcli Neuaufnahmen eine Neueinschleppung 
immer wieder moglich ist, wo unter den Insassen Bazillentrager nach- 
gewiesen sind oder mit einiger Sicherheit angenommen werden konnen, 
von vornherein ganz andere Bedingungen vorliegen als in einer diphtherie- 
freien Umgebung. Ich habe, wie bereits an friiherer Stelle erwahnt, 
meine Untersuchungen gerade absichtlich zu einer Zeit und an einem 
Orte angestellt, wo Diphtherieerkrankungen nicht vorgekommen waren. 
In der hiesigen Frauenklinik sind Diphtheriefalle oder gar Haus- und 
Saalinfektionen seit langem nicht mehr beobachtet worden, so daB es 
sich in meinen Fallen um ein Untersuchungsmaterial handelt, das sich 
von dem der meisten anderen Untersucher sehr wesentlich unterscheidet. 
Ich gl'aube daher, aus meinen Ergebnissen, sowie aus den analogen Be- 
funden von Lonne, Meyeringh u. a. den SchluB ziehen zu durfen, 
daB in diphtheriefreier Umgebung und in diphtheriefreier Zeit weder 
die weibliche Vagina noch die Nasenschleimhaut des Neugeborenen einen 
Schlupfwinkel fur den Diphtheriebazillus darstellt, wo er sich etwa mit 



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Tsukahara, Vorkommen von Di.-Bazill. in d. Scheide von Gebarenden usw. 373 


besonderer Haufigkeit einnistet. Handelt es sich dagegen um Oertlich- 
keiten, wo die Diphtherie in starker Ausbreitung aufgetreten ist, wo 
also erfahrungsgemaB auch sonst eine groBere Zahl von Bazillentr&gern 
zu finden ist, so wird man sich nicht wundern konnen, wenfl gelegent- 
lich die Nase des Neugeborenen und S&uglings und selbst die miitter- 
liche Vagina in einem mehr oder minder hohen Prozentsatze der Ffille 
mit Diphtheriebazillen behaftet ist. Es ist, mit anderen Worten, unter 
solchen VerhSltnissen das Auftreten der Diphtheriebazillen bei Mutter 
und Saugling, auf der Schleimhaut der Vagina bzw. in der Nase, nur 
eine Teilerscheinung und ein Spezialfall der Bazillentragerschaft, wie 
wir sie in der Umgebung von Diphtherief&llen so gut wie regelmaBig 
feststellen konnen. Daraufhin nun aber zu behaupten, daB Diphtherie¬ 
bazillen in der miitterlichen Vagina und auf der Nasenschleimhaut des 
Neugeborenen mit besonderer Vorliebe parasitieren, ist gewiB unberech- 
tigt. Es ist ebenso unberechtigt, als wenn man etwa auf Grund der 
Tatsache, daB z. B. durch Umgebungsuntersuchungen in Schulklassen aus 
AnlaB einer Klassenepidemie gewohnlich eine Anzahl von gesunden Ba¬ 
zillentragern ermittelt wird, nun erkiaren wollte, der Diphtheriebazillus 
sei ein h&ufiger Parasit der Rachenschleimhaut von gesunden Schulkindern. 
Er ist es eben nur dann, wenn eine besondere Infektionsgelegenheit 
vorgelegen hat, und auch dann nur fur kurze Zeit, und ganz die gleichen 
Verhaltnisse durften ftir die uns hier interessierende Frage in Betracht 
kommen. Es wurde bei dieser Auffassung demnach die Bazillentrager- 
schaft oder auch die Diphtherieinfektion der Neugeborenen immer nur 
da zustande kommen, wo Gelegenheit zur Infektion von auBen gegeben 
ist; wo diese Gelegenheit fehlt, also in einem diphtheriefreien Bezirke, 
bleibt auch die Nase des Neugeborenen frei von Diphtheriebazillen, und 
das gleiche gilt von der miitterlichen Vagina. Daraus wiirde aber weiter 
folgen, daB der Kampf gegen die Diphtherie der Neugeborenen und 
Sauglinge, speziell in Frauenkliniken und ahnlichen Anstalten, sich der 
bekannten und bewahrten prophylaktischen MaBnabmen zu bedienen 
hatte, die uns iiberhaupt fiir die Diphtheriebekampfung zur Verfiigung 
stehen und die darauf hinauslaufen, die Einschleppung und Ausbreitung 
des Diphtheriebazillus n.ach Kraften zu verhiiten. Der Diphtherieerreger 
ist auch bei Neugeborenen nicht „ubiquitar“ vorhanden und die Bazillen- 
tragerschaft absolut keine integrierende biologische Eigenschaft dieser 
jiingsten Kinder. Eine Infektion wahrend der Gebu'rt von der miitter- 
lichen Vagina aus kann gewiB einmal stattfinden, und man wird auch 
diese Moglichkeit zu berucksichtigen haben. Wie hoch eine solche Ge- 
fahr einzusch&tzen ist, dariiber geben die bisherigen Erfahrungen frei- 
lich wenig AufschluB. Die Untersuchungen von Kir stein, der wolil 
als erster die Bedeutung dieses Infektionsweges hervorgehoben hat, 
scheinen dafur zu sprechen, daB es sich doch immer nur um ein relativ 
seltenes Vorkommnis handelt, und die Tatsache, daB diphtherieahnliche 
Bakterien nach meinen Beobachtungen auch nicht leicht von der mfltter- 
lichen Vagina auf die Nasenschleimhaut des Sauglings tlbergehen, laBt 
gewisse Rfickschlflsse auf ein ahnliches Verhalten der echten Loeffler- 
Bazillen zu. 


Zusammenfassung. 

1) In 60 Fallen wurde bei Mutter und Neugeborenem auf Di¬ 
phtheriebazillen gefahndet. Als Untersuchungsmaterial dienten Proben 


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374 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


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von der Schleimhaut der mutterlichen Vulva und Vagina sowie von der 
kindlichen Nasenschleirahaut. Niem als konnten echte Diphtherie- 
bazillen, nachgewiesen werden, auch nicht bei wieder- 
holter Untersuchung. Die Untersuchungen wurden in diphtherie- 
freier Zeit und Umgebung ausgefuhrt. 

2) Dagegen wurden diphtheroide Bakterien auf der miltterlichen 
Vagina und in der Nase des Neugeborenen llmal nachgewiesen. Ihre 
Unterscheidung von den echten Loeffler-Bazillen gelang in jedem 
Falle durch genaue biologische Priifung der Reinkultur. Der Nachweis 
von echten Diphtheriebazillen an den genannten Stellen kann nur dann 
als erbracht angesehen werden. wenn die Identifizierung der Diphtherie¬ 
bazillen mit Hilfe der anerkannten kulturellen und tierexperimentellen 
Methoden erfolgt ist; das mikroskopische Pr&parat allein reicht in diesen 
Fallen nicht aus und fiihrt zu Irrtiiraern. 

3) Diphtherieerkrankung und Diphtheriebazillentragerschaft von Neu¬ 
geborenen beruhen offenbar auf Infektion nach der Geburt durch Kranke 
oder Bazillentrager. Eine Infektion w8.hr end der Geburt von der 
Schleimhaut der mutterlichen Vagina aus dilrfte nur selten stattfinden; 
in diphtheriefreier Umgebung kommt dieser Infektionsmodus anscheinend 
iiberhaupt nicht in Betracht. 


Litaratnr. 

Broer, Zentralbl. f. Gyn. 1919. — Bourut, Obst^t. 1911. Nr. 10. — Bumm, 
Zeitschr. f. Geburtsh. Bd. 33. 1895. — Cuthbertson, Journ. of Americ. med. Assoc. 
Vol. 51. 1908. — Freund, Zentralbl. f. Gyn. 1919. S. 77. — Haupt, Med. Klin. 1921. 

— Hollatz, Zentralbl. f. Gyn. 1920. — Kirstein. ebenda. 1918. — Kritzler, 
Zeitschr. f. Geb. u. Gyn. Bd. 84. 1921. — Kiister, Handb. Kolle-Wassermann, 
2. Aufl. Bd. 6. 1913. — Land6, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 86. 1917. — Lembke, 
Zentralbl. f. Gyn. 1919. 8. 399. — Lietz, Monatsschr. f. Geb. u. Gyn. Bd. 52. 1920. 

— Lonne, Med. Klin. 1919. — Lonne u. Schugt, Zentralbl. f. Gvn. 1922. — 
Lonne u. Meyeringh, ebenda. 1920. — Loewenthal, Schweiz, med. Wochenschr. 
1920. — Roethler, Dtsch. med. Wochenschr. 1910. — Schoedel, Jahrb. f. Kinder- 
heilkunde. Bd. 96. 1921. — Wauschkuhn, Zentralbl. f. Gyn. 1920. — Wiegels, 
ebenda. 1919. 


"Nachdruck verboten. 

Die Kombination der Sachs-Georgi-Reaktion (S.-G.-R) 
und der Dritten Modifikation der Meinicke-Reaktion 
(D.-M.-R.) bei der Serodiagnostik der Lues. 

[Aus der Serologischen Abteilung des Instituts „Robert Koch“ 
(Abteilungsdirektor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. R. Otto).] 

Von Dr. W. F. Winkler, Assistenten am Institut. 

Das bisherige Ergebnis unserer Nachpriifungen (1) der Luesflockungs- 
reaktionen war, dafi wir keine von ihnen als einen vollwertigen Ersatz 



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Winkler, Die Kombination der Sachs-Georgi-Reaktion usw. 


375 


fur die Wa.-R. anerkennen konnteD. Es hatte sich gezeigt, dafi man 
mit der „3. Modifikation der M e i n i c k e - Reaktion 44 zwar ganz selten 
unspezifische Reaktionen erhielt, dafur war aber auch die Zahl der bei 
sicberer Lues positiv reagierenden Sera geringer als bei der Wa.-R. 
Die „Sachs-Georgi-Reaktion“ gab ihrerseits im allgemeinen mehr 
positive Ausschlage als die D.-M.-R. und auch mehr als die Wa.-R., aber 
diese Sch&rfe war mit einer gewissen Gefahr unspezifischer Reaktionen, 
z. B. bei den Seren von Tuberkulosen, verbunden. Diese Gefahr war 
auch bei den neueren Verfahren der S.-G.-R. nicht ganz behoben. Es 
lag nahe, an eine Kombination beider Flockungsmethoden zu denken, 
urn so beider Vor- und Nachteile auszugleichen. Stern (2) versuchte 
diesen Weg, indem er S.-G.-R. und D.-M.-R. unter geringer Aenderung 
der Technik dieser Reaktionen zusammen in einem Versuchsrohrchen 
verlaufen lieB. Er will auf diese Weise zu guten Ergebnissen gekommen 
sein. Auf Vorschlag von Herrn Geheimrat Otto wShlte ich einen anderen 
Weg. Indem wir bei der getrennten Anwendung beider Methoden blieben, 
stellten wir nach dem Ausfall beider Reaktionen die serologische Dia¬ 
gnose. Dabei beriicksichtigten wir in ahnlicher Weise, wie es die staat- 
liche Vorschrift fur die Wa.-R. fordert, im einzelnen Falle die klinische 
Anamnese. Wie aus dem folgenden Schema ersichtlich ist, lautete 
also unsere Diagnose: positiv, schwach positiv, zweifelhaft, nicht glatt 
negativ Oder negativ, je nach dem Ausfall beider Reaktionen und der 
Anamnese. 


Ausfall der 





Klinische Anamnese 

Serologische Diagnose 

S.-G.-R. 

D.-M.-R. 


+ 1 ) 

+ 

L + *) 

positiv 

+ 

+ 

0 

„ 

+ 

+ 

± 

L + 

0 

schwach positiv 
zweifelhaft 

+ 

+ 

— 

L + 

0 

schwach positiv 
zweifelhaft 

± 

± 

+ 

+ 

L + 

0 

schwach positiv 
zweifelhaft 

± 

± 

L + 

nicht glatt negativ 

± 

i 

0 

negativ 

nicht glatt negativ 

± 

— 

L + 


— 

0 

negativ 

— 

+ 

L + 

schwach positiv 
zweitelhaft 

— 

+ 

0 

— 


L + 

nicht glatt negativ 

— 

± 

0 

negativ 

— 

— 

L + 

» 

— 

— 

0 

V 


1) + = deutliche Flockung. 2) L -(- = Lues zugegeben. 

± = undeutliche Flockung. 0 => angeblich keine Lues. 

— = keine Flockung. 


Die D.-M.-R. wurde nach der Originalvorschrift, die S.-G.-R. mit erhbhter Seruru- 
konzentration (1: 6j und erhbhtem Kochsalzgchalt (1,5 Proz.), wie es sich uns bewiihrt 
hatte, angesetzt. Die Reaktionen wurden nach 18—24-stflnd. Aufenthalt im Brutschrank 
abgelesen und darauf die Diagnosen abgegeben. 

Wir liefien aufierdem die Rohrchen bei der D.-M.-R. noch weitere 24 Std. bei 20° 
lauf dem Brutschranke) stehen und lasen darauf ein 2. Mai ab, um die giinstigen Er- 
(olge, die Jantzen (3), Epstein und Paul (4) u. a. mit diesem Verfahren erzielt 
haben, nachzupriifen. Wir fanden dabei, da6 in 12,7 Proz. der Untersuchungen nach 
48 Std. die Flockung verstarkt, oder (allerdings selten und dann nur in geringem Grade) 
nca aufgetreten war. UDter Berucksichtigung dieser spateren Ablesung wfiren unsere 


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Ergebnisse, da unspezifische Flockungen nicht eintraten, fur die Prazipitationsreaktionen 
etwas giinatiger ausgefallen. Allein 2,5 Proz. als „8chwach positiv“ bezeichnete Sera 
hiitten dann die serologische Diagnose „positiv“ bekommen, 0,7 Proz. wiiren ,,positiv* 1 
Btatt „zweifelhaft“ gewesen und 0,3 Proz. „zweifelhaft“ stall ,negativ“. Dieser Besse- 
rung der Ergebnisse steht allerdings der Nachteil gegeniiber, daB die Abgabe des Unter- 
suchungsergebnisses um 2 Tage gegeniiber der Wa.-R. verzogert wird. 

Stellen wir nun zunachst die Flockungsergebnisse, die wir 
mit eigenen (nach den vorliegenden Anweisungen hergestellten) Ex- 
trakten erzielten, denen, die wir mit Originalextrakten erhalten 
haben, gegeniiber, so ergibt sich folgendes Bild beziiglich des Ausfalles 
der Reaktion bei den beiden Methoden: 


Es waren S.-G.-R. und D.-M.-R.: 

iibereinstimmend positiv mit eigenen Extr. 1 ) 31,2%, mit Originalextr. 8 ) 24,2% 


negativ 
„ zweifelhaft „ 

different ,, 

Bei sicher Lues waren: 
S.-G.-R. positiv oder zweifelhaft „ 
D.-M.-R. 


48,2 
3,0 I,, 
17,6 


38,2 

38,9 


>> } 
»> t 


47,9 
0,9 „ 
27,0 „ 

39,7 „ 
34,3 „ 


Bei sicherer Lues wirkte also unser Mein icke-Extrakt starker 
als der Originalextrakt, dagegen stand unser Sachs-Georgi-Extrakt 
dem Originalextrakt etwas nach. 

Die Ergebnisse der beiden Flockungsreaktionen differierten bei un- 
seren Extrakten um 17,6 Proz., bei den aus Frankfurt a. M. bzw. Hagen 
i. W. bezogenen Originalextrakten um 27,0 Proz. 

Ein Teil der differenten Sera (bei den Originalextrakten fiber die 
H&lfte) war bei der S.-G.-R. positiv getlockt. Die endgiiltige Dia¬ 
gnose „positiv“ wurde aber — siehe obiges Schema — auf Grund des 
Ausfalles beider Methoden nur dann gestellt, wenn in der Auamnese eine 
Lues vorlag, wahrend im anderen Falle das Urteil auf Grund des nega- 
tiven oder zweifelhaften Ausfalles der D.-M.-R. auf zweifelhaft abge- 
schwacht wurde. In gleicher Weise wurde bei positivem Ausfalle der 
D.-M.-R. und negativem oder zweifelhaftem Ergebnis der S.-G.-R. ver- 
fahren. 

Es ist uns auf diese Weise gelungen, falsche positive 
Diagnosen zu vermeiden. Soweit wir sichere und eine Lues aus- 
schlieBende klinische Angaben erhalten haben, lagen in 6 Fallen un- 
spezifische Reaktionen nach Sachs-Georgi vor (2 mit eigenen. 
4 mit Originalextrakten). Auf Grund des oben erwiihnten Schemas haben 
wir aber nur die Diagnose „zweifelhaft“ abgegeben. Es handeltesich 
dabei um je einen Kranken mit Coxitis, K r a t z e, schwerer 
Stomatitis, Ulcera mollia und um2PatientenmitLungen- 
tuberkulose. Umgekehrt reagierte das Blut eines Kran¬ 
ken mit spezifischen Erosionen am Penis, indolenten 
Drtisen. Angina undFieber mit derD.-M.-R. positiv; da aber 
die S.-G.-R. negativ ausfiel, lautete unsere serologische Diagnose wiederuni 
nur „zweifelhaft“. 

In anderen Fallen wurde durch unser Beurteilungsverfahren ver- 
hindert, daB wir die immerhin beunruhigende Diagnose „zweifelhaft“ 
abgaben in Fallen, wo sicher keine Lues vorlag. In diesen Fallen 
war meist auch die Wa.-R. negativ. Die Sera, bei denen die 


1) Bei der Untersuchung von 500 Seren. 
2 „ „ „ „ 1000 „ . 



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Centralbl f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


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stellen, ohne daB hier damit diese Kombination als Ersatz der Wa.-R. 
empfohlen werden soil. 


Literatnr. 

1) Blumenthal, Med. Klin. 1919. Nr. 31; Papamarku, ebenda. 1920. Nr. 36; 
Winkler, ebenda. 1921. Nr. 19 u. 51; 1922. Nr. 4. — 2) Miinchen. med. Wochenschr. 
1921. Nr. 49. — 3) Zeitschr. f. Immunitatef. Bd. 33. H. 2. — 4) Med. Klin. 1921. 
Nr. 29. u. 30. 


Nachdruck verboten. 

Bemerkungen zu den Ausftihrungen ron Herrn Dr. Pardi „Ueber 
die Natur der leukozytfiren Einsckliissc bei Encephalitis lethargica‘\ 
(Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. Heft 6.) 

Von Prof. Dr. Hilgermann, Saarbriicken. 

Was die Prioritatsansprtiche von Herrn Dr. Pardi bezfiglich der 
Feststellung vorgenannter Gebilde anbetrifft, so scheint Herr Dr. Pardi 
ganz iibersehen zu haben, daB unsere von ihm angefiihrte Arbeit (Centralbl. 
f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. H. 5) eine zweite Mitteilung ist und als 
solche auch ausdriicklich bezeichnet wurde. Bereits am 1. Mfirz 1920 
habe ich in der Sitzung der Mikrobiologischen Gesellschaft in Berlin 
iiber unsere Befunde berichtet (Referat hieriiber Berl. klin. Wochenschr. 
1920. Nr. 38. S. 905.) Eine 1. ausffihrliche Arbeit erschien in Nr. 16 
des Jahrg. 1920 (April) der Med. Klinik. Diese Veroffentlichungen sind 
mithin vor dem 9. Juli 1920 erfolgt, an welchem Tage Herr Dr. Pardi 
zum 1. Mai gemfiB seiner Angabe fiber seine Befunde berichtete, Tat- 
sachen, die der Herr Verfasser iibersehen hat, resp. die ihm nicht be- 
kannt gewesen sind. Damit haben die Prioritfitsansprfiche von Herrn Dr. 
Pardi ihre Erledigung gefunden. 

Ferner dfirften im Gegensatz zu Herrn Dr. Pardi, welcher teils 
blaBblau gefarbe, teils verschwommen und undeutlich aussehende Ge¬ 
bilde beobachtete und diese als Plasmaentartungen der Leukozyten ge- 
deutet wissen will, die von uns beschriebenen Gebilde 1 ) 2 ) 3 ) sowohl be- 
zfiglich ihrer Formen im ungefarbten als geffirbten Prfiparat mit gut 
differenziertem Plasma und Chromatin als auch bezfiglicb ihrer Ent- 
wicklung und auf Grund der Tierversuche als selbstandige Erregerart 
anzusprechen sein. Derartige regelmfifiig geformte Korperchen mit dif¬ 
ferenziertem Plasma und Chromatin sind fibrigens auch von Levaditi 
bei der Encephalitis lethargica beobachtet worden. 

So eindeutig, wie Herr Dr. Pardi in seinem Sinne diese Be- 
obachtungen zu erklaren sucht, dfirfte die Losung dieser Frage doch 
nicht sein. Erst umfassende wissenschaftliche Forschungen werden die 
erforderliche Ivlfirung bringen konnen. 


1) Med. Kl. 1920. Nr. 16. 

2) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. 1921. Heft 5. 

3) Med. Kl. 1922. Nr. 1. 



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379 


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r die Benennung dea Schweinecoccids. 


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Nacihdruak verboten. 

Ueber die Benennung des Schweinecoccids. 

Von Otto Nieschnlz. 

Wahrend bis zum Beginn des vorigen Jahres fiber das Schweine- 
coccid so gut wie nichts bekannt war, erschien dann teilweise kurz 
hintereinander eine Anzahl von Veroffentlichungen, die etwas Verwirrung 
in die Benennung dieses Parasiten gebracht haben, so daB eine kurze 
Klarstellung der Verhfiltnisse zweckmaBig erscheint, zumal eine dies- 
bezugliche belangreiche Arbeit als hollfindische Dissertation der Auf- 
merksamkeit leicht entgehen kfinnte. 

In Neveu-Lemaire (1912) finden wir das Schweinecoccid als 
Eimeria jalina bezeichnet. Irgendwelche nfihere Angaben fehlen 
dabei. Der Name stammt von Perroncito (1902). Diese Original- 
besehreibung war mir nicht zugfinglich; in einer spfiteren Arbeit des- 
selben Forschers fand ich aber seine frflheren Angaben wiederholt. Es 
handelt sich urn einen Parasiten, der beim Menschen, Schwein und Meer- 
schweinchen angetroffen wurde. Beschreibung und Abbildungen lassen 
erkennen, daB eine Verwechselung mit Blastocystis vorgelegen hat, 
eine Ansicht, die ebenfalls |rumpt (nach Cauchemez 1921) kfirzlich 
ausgesprochen hat. 

Die ersten genaueren Angaben fiber das Schweinecoccid verdanken 
wir Douwes, Dissertation vom 19. Jan. 1921. Auf Grund der betracht- 
lichen Unterschiede in der OocystengrfiBe — 50 X 35 n und 18—24 X 
15—20 (j. — glaubt er, auf das Vorkommen von 2 verschiedenen Spezies 
schlieBen zu kfinnen. Der kleineren Art gab er den Namen Eimeria 
debliecki. 

Krediet nahm in seiner Dissertation vom 28. Jan. 1921 die Be- 
zeichnung E. jalina wieder auf, ohne Kenntnis der Untersuchungen 
von Perroncito. Seine Angabe, daB das Schweinecoccid bei der 
Sporulation zunachst 2 und dann erst 4 Sporoblasten ausbildet, dflrfte 
kaum zutreffend sein. 

N oiler benannte in einem Vortrage am 7. Dez. 1920, dessen Re- 
ferat im Februar 1921 im Druck erschien, dies Coccid E. suis. Er 
glaubt, daB sein Coccid der kleineren Form von Douwes, also der 
E. debliecki, entspricht. 

SchlieBlich wfihlte Cauchemez noch im Dezember 1921, anscheinend 
ohne die eben angeftihrte Literatur zu kennen, den Namen E. brumpti. 

Welcher Name ist nun nach den Regeln der zoologischen Nomenklatur 
der gflltige? E. brumpti Cauchemez scheidet zunfichst zweifelsohne aus. 

Ebenso muB E. suisNoller gegenfiber E. debliecki Douwes und 
E. jalina Perroncito emend. Krediet zurficktreten, da diese alteren 
Datums sind, weil nach dem Prioritfitsgesetz der Tag der Ausgabe der 
gedruckten Arbeit und nicht des mfindlichen Vortrages maBgebend ist. 
Von E. debliecki und E. jalina emend. Krediet hat erstere eine 
Prioritfit von 9 Tagen. 


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380 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origii 1 ' 












f H Jt 


5. 


Da, wie eingangs erwahnt, bei E. (Co c 0 ^ e ^ a )) jalina Perroncito 
eine Verwechselung mit Blastocystis s bleibt als gflltiger 

Name fur das Schweinecoccid Eimerla deuiiecki Douwes, unter 
welchem es zum 1. Male unverkennbar beschrieben wurde. Dieser Name 
bleibt auch bestehen, wenn es sich nur um eine Art, entgegen der An- 
nahme von Douwes, handeln sollte. Stellt es sich bei weiteren Unter¬ 
suchungen heraus, daB wirklich 2 Arten vorkommen, so wflrde es zweck- 
maBig sein, fur die noch unbenannte Art einen der schon bestehenden 
Namen zu wahlen, anstatt die Literatur noch mit einem weiteren zu 
bereichern. 


"1 


Literatur. 

Cauchemez, L., Frequence de la coccidie du pore (E. brumpti n. sp.) en 
France. (Bull. Soc. Path. exot. T. 14. 1921. p. 645—648.) — Douwes, J., Bijdrage 
tot de kennis van enkele darmprotozoen der huisdieren in het bijzonder bij schaap en 
varken. [Inaug.-Diss.] Utrecht 1921. — Krediet, G., Over het vorkommen van proto- 
zoen-cysten en ontwikkelingsvormen van coccidien in den darm van mensch en enkele 
dieren. [Inaug.-Diss.] Leiden. (Tijdschr. v. vergl. Geneesk. Nieuwe reeks. Bd. 1. 1921. 
p. 95—154.) — Neveu-Lemaire, M., Parasitologie des animaux domestique. Paris 
1912. — Noiler, W., Ueber einige wenig bekannte Darmprotozoen des Menschen und 
ihre niichsten Verwandten. (Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. Bd. 25. 1921. S. 32, 33 u. 
35—46.) — Perroncito, E., I parassiti dell’uomo e degli animali. 2. Aufl. Mai- 
land 1902. — Ders., La malattia aei minatori. Turin 1909. p. 283—285. 


Nachdruck verboten. 

Der Einfluss der ultravioletten Stfahlen auf Antikorper 

in vitro. 

[Aus der bakteriologischen Abteilung des Reichs-Gesundheitsamtes 
(Direktor: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Haendel; Laborat.-Vorst.: Oberreg.- 

Rat Prof. Dr. L. Lange).] 

Von Dr. Georg Heuer. 

Mit 3 Kurven im Text. 

Im AnschluB an Untersuchungen iiber die Einwirkung der ultra¬ 
violetten Strahlen auf Antikorper in vitro, die ich in Gemeinschaft 
mit Potthoff veroffentlicht habe (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 88. 
S. 299), habe ich den Einflufi der ultravioletten Strahlen auf spezifische 
Antikdrper in vitro untersucht. Meine Untersuchungen sollten die 
Wirkung der ultravioletten Strahlen auf Agglutinine, Bakteriolysine, 
haraolytische Ambozeptoren und anhangsweise auch auf Meerschweinchen- 
Komplement und Hammelblutkorperchen priifen. 

Die Veranlassung zu diesen Untersuchungen gab mir die Be- 
obachtung, daB die Agglutinine aus dem Blut mit ultraviolettem Licht 
bestrahlter Tiere viel schneller als aus dem Blute unbestrahlter Tiere 
schwinden. Eine direkte zerstorende Wirkung der ultravioletten Strahlen 
auf die Antikorper im Blute ist wohl auszuschliefien, vielmehr muB der 
Riickgang des Gehalts an Antikorpern wohl auf Beeinflussung des Stoflf- 
wechsels der Tiere zuriickgefiihrt werden. 

Die Unmoglichkeit einer direkten Einwirkung der ultravioletten Strahlen auf das 
Blut lebender Tiere geht auch aus den Untersuchungen von Mme. V. Henri, Victor 


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Heuer, EinfluB der ultravioletten Strahlen auf Antikorper in vitro. 381 


Henri et Ren6 W urmser hervor (Compt. rend. Soc. Biol. 1912. T. 2. p. 319 „Etude 
quantitative de l’absorption des rayons ultraviolets par l'albumine d’oeuf et le s6rum u ). 
lliese Autoren haben in ihrer Arbeit festgestellt, dab die ultravioletten Strahlen schon 
durch eine auflerst dtinne Schicht EiweiB, deren Dichte nur einige tausendstel Milli¬ 
meter betragt, festgehalten werden. 

Diese Feststellnng gab mir auch Veranlassung, samtliche Sera, die 
ich dem ultravioletten Lichte aussetzte, von vornherein niclit nur un- 
verdiinnt, sondern auch in Verdiinnungen mit physiologischer Kochsalz- 
losung zu bestrahlen. Die auf gleichem Gebiet liegenden Arbeiten von 
Baroni und Jonesco-Mihaiesti 1 ), die auch Toxine gepriift haben, 
und von Abelin und Stinner 2 3 * * ) gaben einen Hinweis, in welcher Rich- 
tung Ergebnisse der Versuche zu erwarten waren. Erwahnen mochte 
ich auch noch die Arbeit von V. Scaffidi (Biochera. Zeitschr. Bd. 69. 
1915. S. 162), die mir erst bei der Niedersclirift bekannt wurde. 

I. Die Versuchsauordnung bei der Bestrahlung spezifischen, ag- 
glutinierenden Serums war folgende: 

Als Lichtquelle fur die ultravioletten Strahlen diente eine von der 
Hanauer Quarzlampengesellschaft freundlichst zur Verffigung gestellte 
kleine Laboratoriumsquarzlampe (filr Gleichstrom 110 V.) 8 ). Das Serum 
wurde in einem offenen, planen Glasschalchen (Durchm. 3 cm) in einer 
Menge von 0,5 ccm, so dafl die Schichthbhe ca. 0,07 cm betrug, in 10 cm 
Entfernung senkrecht unter dem QuarzkOrper bestrahlt. Um den Ein- 
tluB der durch die Lampe erzeugten W&rme (wiihrend der Bestrahlung 
W’urde in 10 cm Entfernung eine Temperatur von durchschnittlich 39° C 
erreicht) und des durch die ultravioletten Strahlen gebildeten Ozons aus- 
zuschalten, wurde zur Kontrolle gleichartiges Serum denselben Be- 
dingungen, nur unter Ausschaltung der ultravioletten Strahlen, unter- 
worfen, indem die ultravioletten Strahlen durch eine diinne Glasplatte 
von 9 X 12 cm, die etwa in der Mitte zwischen dem das Serum ent- 
haltenden Sch&lchen und dem Quarzkorper an einem Stativ angebracht 
war, zuriickgehalten wurden. Der EintluB der Warrae (Priifung durch 
Thermometer) und des Ozons blieb der gleiche wie bei dem bestrahlten 
Serum. 

Die Dauer der Bestrahlung wahrte 1, 2, 4, 8, 10, 20, 40 und 60 Min. 
Bestrahlt wurden auf diese Weise agglutinierendes Typhus-Eselserum, 
Cholera-Eselserum und Paratyphus B-Eselserum, und zwar wurden die 
Sera unverdflnnt und in Verdiinnungen mit physiol. KochsalzlSsung 
1 : 100 und 1:1000 dem EinfluB der ultravioletten Strahlen ausgesetzt. 
Der Gehalt der Sera an Agglutininen vor und nach der Bestrahlung 
wurde durch Bestimmung des Agglutinationstiters gegen einen dem 
spezifischen Serum entsprechenden Bakterienstaram festgestellt. 

Eine Beeinflussung der unverdiinnten Sera durch die ultra¬ 
violetten Strahlen war in keinem Falle, auch nicht bei einer Bestrahlungs- 
dauer von 60 Min., zu ermitteln, wie nach den oben angefuhrten Unter- 
suchungen von Henri, Henri und Wurmser ja auch zu erwarten 
war. Die Agglutinationstiter hatten die gleichen Werte nach den ver- 
schiedenen Bestrahlungszeiten wie die der Kontrollsera. Erst die Be¬ 
strahlung der 1:100 und 1 :1000 mit physiol. Kochsalzlosung verdiinnten 

1) Compt. rend. Soc. Biol. 1910. T. 1. p. 393. 

2) Zeitschr. f. Immunitatsf. Abt. I. Orig. Bd 19. 1918. S. 1, und Bd. 20. 1914. S. 598. 

3) Fur Teil III wurde die wesentlich ffroliere *kiinstliche Hohensonne" dee Lichter- 

felder Krankenhausee benutzt. Fiir die lieDenewurdige Erlaubnis hierzu bin ich Herrn 

Prof. Rautenberg zu groflem Danke verpflichtet. 


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382 


Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


Sera zeigte eine Beeinflussung der Agglutinine durch die ultravioletten 
Strahlen. 

W&hrend die Kontrollsera dauernd, trotz der eventuell moglichen 
Beeinflussung durch Warme und Ozon, einen konstanten Titerwert auf- 

„ wiesen, war bei den bestrahlten Seren 

ein mit der Bestrahlungsdauer zuneh- 
mender Riickgang des Agglutininge- 
halts festzustellen. 

Die beigegebene graphische Dar- 
stellung *) veranschaulicht die Wirkung 
der ultravioletten Strahlen und die 
Abh&ngigkeit dieser Wirkung einer- 
seits von der Verdiinnung der Sera 
und andererseits von der Bestrahlungs¬ 
dauer. 

Aus der graphischen Darstellung 
der Wirkung der ultravioletten Strah¬ 
len auf das Typhus-Eselserum 
ist zu ersehen, dafi das unverdiinnt 
bestrahlte Serum wahrend der ganzen 
Bestrahlungsdauer bis 60 Min. (ebenso 
wie das Kontrollserum, das, wie oben 
erwahnt, deu gleichen Bedingungen 
wie das bestrahlte Serum, nur unter 
Ausschaltung der ultravioletten Strah¬ 
len, unterworfen war) seinen anf&ng- 
lichen Titerwert behait, also von den 
ultravioletten Strahlen nicht feststell- 
bar beeinfluBt wird. Bei dem 1 :100 
verdiinnt bestrahlten Typhus-Esel¬ 
serum tritt ein ziemlich gleichm&Biger 
Abfall des Titerwertes meist um einen 
Verdtinnungsgrad der geometrischen 
Reihe mit dem Faktor 1 / 2 bei den auf- 
einander folgenden Bestrahlungszeiten 
ein; nur in der Bestrahlungszeit 
zwischen 8 und 10 Min. ist kein er- 
kennbarer Riickgang des Titers zu 
verzeichnen. Nach einer Bestrah¬ 
lungsdauer von 40 Min. war noch ein 
Titer von 1:200 in meinem speziel- 
len Fall gefunden; bei der nachsten 
untersuchten Bestrahlungsdauer von 
60 Min. ist der Titerwert gleich 0 ge- 
setzt, da in der Ausgangsverdunnung 
1 :100 keine Agglutination mehr zu 
erkennen war. Es konnte aber nur 
festgestellt werden, daB bei der Ver- 
diinnung 1:100 keine Agglutination mehr auftrat. Da einerseits von 
Volk und Eisen berg (vgl. auch meine Untersuchungen Zeitschr. 

1) Die graphische Darstellung wurde der grbfieren Uebersichtliehkeit halber an 
Stelle der sonst iiblichen zahlenmafiigen Titerangaben gewahlt, da die verschiedenen 
Ausgangstiterwerte der einzelnen Sera das BUd zu sehr verwirrt hatten. 


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384 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


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1 ccm natiirlich nur 0,001—0,0005—0,0001. Bei der Bestrahlung des 
unverdiinnten Serums und ebenso bei den einzelnen Kontrollseren war 
kein EinfluB der ultravioletten Strahlen festzustellen. Das Verhaltnis 
der Vibrionen zu den Granulis und Bakterienschatten betrug bei der 
Menge spezifischen Serums 0,01, 1:5, bei 0,005 1:3, bei 0,001 1 :2, bei 
0,0005 1:1 und bei 0,0001 2 :1, bei der Komplementkontrolle 2 :1. 
Dagegen zerstorten die ultravioletten Strahlen die Bakteriolysine bei 
Bestrahlung der 1 : 100 und 1:1000 mit physiol. Kochsalzlosung ver- 
diinnten Sera schon nach 1 Min. ganzlich, so dafi die Anzahl unver- 
sehrter Vibrionen zu den Granula und Bakterienschatten sich wie 2:1 
verhielt. Also wirkten nach der Bestrahlung der verdunnten Sera nicht 
mehr die spezifischen Bakteriolysine der Sera, sondern die bakteriziden 
Anteile des Komplements, denn in der Komplementkontrolle war das 
Verhaltnis der Vibrionen zu den Granula und Bakterienschatten eben- 
falls 2:1. 

III. Ferner habe ich den EinfluB der ultravioletten Strahlen auf 
die einzelnen Faktoren der Hamolyse von Hammelblutkorperchen 
untersucht, namlich die Wirkung auf den hamolytischen Ambo- 
zeptor, Meerschweinchen-Komplement und Hammelblut¬ 
korperchen. Die bisher innegehaltene Versuchsanordnung hatte ich 
dahin abgeandert, daB ich die zu untersuchenden Fliissigkeiten in 
20 cm Entfernung senkrecht unter dem Quarzkorper in einem planen 
Glasschalchen, dessen Durchmesser 5 cm und daher die Schichthohe 
bei einer Fliissigkeitsmenge von 4 ccm 2 mm betrug, 10, 20, 40 und 
60 Min. bestrahlte. In der schon bei den vorhergehenden Untersuchungen 
angewendeten Weise wurde durch Kontrollen der EinfluB der Erwarmung 
und des Ozons ausgeschaltet. 

Das hfimolytische Ambozeptoren enthaltende Kaninchenserum wurde 
unverdtinnt und mit physiol. Kochsalzlosung 1:100 und 1: 1000 ver- 
diinnt dem EinfluB der ultravioletten Strahlen ausgesetzt. Die Wirkung 
der Bestrahlung auf die Ambozeptoren wurde durch Austitrierung des 
Ambozeptorgehalts des verwendeten spezifischen Kaninchenserums im 
hfimolytischen Versuch bei konstanter, optimaler Verdiinnung des Kom- 
plements und der Hammelblutkorperchen gepriift. Eine Bestrahlungs- 
dauer von 60 Min. vermochte nicht die Ambozeptoren des in unver- 
diinntem Zustande bestrahlten Serums zu zerstoren. Der Titer des un- 
verdflnnt bestrahlten Serums war der gleiche wie der des Kontrollserums, 
das ebenfalls 60 Min. der von der Quarzlampe ausgehenden Warme 
und dem durch die ultravioletten Strahlen gebildeten Ozon ausgesetzt 
worden war. 

Eine Bestrahlungsdauer von 10 Min. geniigte dagegen. in den Ver- 
dfinnungen des ambozeptorhaltigen Serums 1:100 und 1:1000 die vor- 
handenen Ambozeptoren zu zerstoren, so daB im hamolytischen Versuch 
keine Losung der Hammelblutkorperchen mehr eintrat. Die Kontroll- 
sera hatten den urspriinglichen Titer. 

Das Meerschweinchenkomplement bestrahlte ich von vorn- 
herein gleich in den Verdiinnungen mit physiol. Kochsalzlosung 1:10, 
1:15 und 1:20. Die Wirkung der ultravioletten Strahlen auf das Meer¬ 
schweinchenkomplement wurde durch Austitrierung des Komplements 
im hamolytischen Versuch bei konstanter, optimaler Verdiinnung des 
Ambozeptors und der Hammelblutkorperchen gepriift. 

Bei den wie sonst angesetzten Kontrollen war eine vollige Losung 
der Hammelblutkorperchen nur bei der Verdiinnung des Komplements 



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Heuer, EinfluB der ultravioletten Strahlen auf Antikorper in vitro. 385 


1:10 und 1 :15 eingetreten, bei der Verdiinnung 1 :20 war die Losung 
unvollst&ndig. Nach 5 Min. Bestrahlungsdauer waren die Losungsver- 
haltnisse bei den verschiedenen Verdiinnungen des Kompleraents noch 
genau die gleichen wie bei den Kontrollsera, w&hrend nach 10 Min. 
langer Bestrahlung bei keiner der bestrahlten Komplementverdiinnungen 
eine Blutkorperchenlosung mehr eintrat. Das Meerschweinchen-Kom- 
plement war also bei einer 10-proz. Verdiinnung und einer Schichthbhe 
von 2 mm nach 10 Min. Bestrahlung durch die ultravioletten Strahlen 
unwirksam geworden. 

Bei der Untersuchung des Einflusses der ultravioletten Strahlen auf 
Hammelblutkorperchen benutzte ich die im hamolytischen Versuch 
gebrauchliche 5-proz. Aufschwemmuirg gewaschener Hammelblutkorper¬ 
chen in Kochsalzlosung. Um ein gegenseitiges Beschatten zu vermeiden, 
bestrahlte ich die Blutkorperchen 20 cm von dem Quarzkdrper entfernt 
in einer planen Schale von 10 cm Durchmesser, so daB die Schichthohe 
bei 4 ccm Blutkbrperchenaufschwemmung 0,5 mm betrug. Ferner wurden 
die Blutkbrperchen wkhrend der Bestrahlung dauernd geschiittelt, so 
daB auch auf diese Weise die Mflglichkeit des gegenseitigen Sichbeschattens 
der Blutkbrperchen herabgesetzt wurde. Eine gleiche Blutkorperauf- 
schwemmung, die denselben Bedingungen wie die bestrahlte, nur unter 
Ausschaltung der ultravioletten Strahlen unterworfen wurde, benutzte 
ich als Kontrolle. Nach einer Bestrahlungszeit von 10 Min. waren die 
bestrahlten Blutkorperchen zerstbrt, so daB sich der BlutfarbstofF in der 
Kochsalzlosung gelbst hatte, und die ganze L6sung lackfarben geworden 
war. Dabei war ein Umschlag in die braune Methamoglobinf&rbung 
deutlich (Reduktion). Mit einem Taschenspektralapparat untersucht, 
waren die beiden Absorptionsstreifen des Oxyh&moglobins nahezu ver- 
schwunden. Eine weitere Prufung im hamolytischen Versuch war also 
unmoglich. Die Bestrahlungskontrolle dagegen zeigte keine Beeinflussung 
dnrch Erwfirmung und Ozon. Die BlutkOrperchenaufschwemmung war 
nicht gelost, also deckfarben, und im hamolytischen Versuch war jenseits 
der Titergrenze des Ambozeptors und des Komplements keine Lbsung 
der Blutkorperchen mehr eingetreten. 

Bei der zusammenfassenden Betrachtung der in meinen Unter- 
suchungen gewonnenen Ergebnisse mochte ich auf die schon oben er- 
w&hnten Arbeiten von Baroni und Jonesco-Mihaiesti und Abelin 
and Stiner n&her eingehen. 

Die Anordnung der Versuche in der Arbeit von Baroni und 
Jonesco-Mihaiesti weicht sowohl hinsichtlich der Kontrolle des 
Einflusses der Bestrahlungsw&rme wie des durch die ultravioletten 
Strahlen gebildeten Ozons als auch bei der Bestrahlung durch die 
Strahlenquelle selbst, hinsichtlich der Entfernung der untersuchten Sera 
von der Quarzlampe und der Menge des bestrahlten Serums von der 
von mir befolgten Methode ab. Ebensolche Unterschiede bestehen 
zwischen Abelins und Stiners Arbeiten und meinen Untersuchungen. 

In Bezug auf die Ausschaltung von WBrme und OzoneinfluB ist die 
von Abelin und Stiner benutzte Apparatur — Verwendung eines 
Unterwasserbrenners, Bestrahlung des Materials in von flieBendem 
Wasser umspiilten, fflr ultraviolette Strahlen durchlkssigen, geschlossenen 
Quarzgef&Ben — wohl ideal zu nennen, aber infolge der hohen Kosten 
zurzeit nicht verfflgbar. 

Baroni und Jonesco-Mihaiesti kontrollierten den EinfluB der 
Warme und des Ozons durch Parallelversuche, indem sie die Sera in 
Erste Abt. Orig. Bd. 88. Heft 5. 25 


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386 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 

geschlossenen Quarzschalchen und in auf Eis stehenden Gef&Ben be- 
strahlten. 

Die Vorkehrungen, die Nebeneinfliisse bei der Bestrahlung mit 
ultraviolettem Lichte auszuschalten, weichen also in den erw&hnten Ar- 
beiten bedeutend voneinander ab und beide sind wiederum von der in 
meinen Untersuchungen geiibten Methode verschieden; alle haben aber 
die Erkenntnis der reinen Wirkung der ultravioletten Strahlen zum Ziel. 

Dagegen sind die folgenden Unterschiede der Versuchsanordnung 
unbedingt von EinfluB auf die Endergebnisse: 

Die Benutzung von Quecksilberdampf-Quarzlampen verschiedener 
Systeme hat zur Folge, daB bei den Versuchen jeweils verschiedene 
Quantit&ten ultravioletter Strahlen zur Verwendung gelangen. Ferner 
sind bei den Bestrahlungen verschiedene Entfernungen des Materials, 
das den ultravioletten Strahlen ausgesetzt wurde, von der Strahlenquelle 
gewahlt worden. Wenn man beriicksichtigt, daB die Intensitat der Be- 


Autor 

Baroni u. Jo- 
neeco -Mibai- 

Abeli n 
u. Stiner 

V. Scaffidi 

Heuer 


esti 





Quarzlampe 

System Nogier- 
l riquet M. 5 


,kunstl. Hohen- 

Lampe 

Heraeus 

110 V., 4 Amp. 

(nicht angegeben) 

sonne“ (Hanau) 
110 V. bzw. 220 V. 

Abstand 

16,5 cm 

0 cm 

15 cm 

10 cm bzw. 20 cm 

Schichthohe 

0,18 cm 

6 mm u. 2 mm 

1 cm 

0,07 cm bzw. 2 mm 

I. Agglutinine 





unverdiinnt 




oo' (Typhus), 
oo' (Cholera), 
oo' (Para B) 

1:100 

32'—36'(Typhus), 
18'—20' (Cholera) 

— 

— 

60' (Tvphue), 
40' (Cholera). 





20' (Para B) 

1:1000 

— 

— 

— 

40' (Tvphus), 

8' (Cholera), 





8' (Para B) 

II. Bakteriolysine 





unverdiinnt 

— 

— 

— 

oo' (Cholera) 

1:100 

7,5'—9' (Cholera) 

— 

— 

1' * 

1:1000 

— 

— 

— 

1' „ 

III. Hamolytischer 





Ambozeptor 

unverdiinnt 




oc 

1:10 

1 :100 


oo', nur bei nie- 
drigem Titer 
Vernichtung 
10' 

240' .geringe 
Abnahme“ 


30' Verzogerung 

4,5'—5' 

, 10' 



der Hamolyse“ 

1:1000 

— 

— 

60' B Stillstand u 

10' 

Komplement 



der Hamolyse 


unverdiinnt 

o 

CM 

J 

-\ 

rH 

10'—15' (2 mm) 

— 

— 

1:4 

— 

30' (6 mm) 

— 

— 

1:10 

3'—4,5' 

5' (2 mm) 

60'—80' 

10' 

1: 15 

— 

— 

— 

lO' 

1:100 

40''—60" 

1' (2 mm) 

— 


Hammelblut- 




10' Hamolvse 

kbrperchen 




(Reduktion zu 
Methamoglobin) 



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Spat, Zur Frage der Koktostabilitat gebundener Immunkorper. 


387 


strahlung uragekehrt proportional dem Quadrat der Entfernung ist, er- 
kennt man, daB gegebenenfalls schon kleine Unterschiede in der Ent¬ 
fernung zwischen Lichtquelle und bestrahltem Material groBe Wirkungs- 
differenzen zur Folge haben konnen. Weiterhin muB der Dispersitatsgrad 
und die Schiehthobe des bestrahlten Materials, die die ultravioletten 
Strahlen zu durchdringen haben, in Rechnung gestellt werden. 

Die Tab ell e, in der neben den Befunden der friiheren Autoren auch 
meine eigenen Ergebnisse iibersichtlich zusammengestellt sind, zeigt, 
wie sehr im einzelnen die Zahlen von einander abweichen. 

In den wesentlichen Punkten stimmmen aber die Arbeiten raeiner 
Vorganger und meine Befunde iiberein: Eine Wirkung auf Anti- 
korper wird nur dann erzielt, wenn diese in Verdiin- 
nungen den Strahlen ausgesetzt werden. Die Schnellig- 
keit der Wirkung steigt mit dem Verdiinnungsgrad. 

Eines besonderen Hinweises bedtirfen meine Feststellungen, daB 

1) die Agglutinine fur Cholera und Paratyphus B weniger wider- 
standsfahig sind als die fur Typhus; 

2) die Bakteriolysine bedeutend weniger widerstandsfahig als die 
Agglutinine sind (auch, 1:100 verdiinnt, die h&molytischen Ambozep- 
toren). 

Fur beide Feststellungen finden sich bei Baroni und Jonesco- 
Mihaiesti entsprechende Ergebnisse. 

Dieses verschiedene Verhalten der Agglutinine untereinander und der 
Agglutinine und Bakteriolysine ist insofern von besonderem Interesse, 
als man daraus vielleicht auf Verschiedenheiten in der Konstitution der 
Agglutinine hinsichtlich Lipoid- und EiweiBgehalt und namentlich auch 
auf entsprechende Unterschiede der Agglutinine gegenuber den Bak- 
teriolysinen schlieBen kann. 


Naohdruck verboten. 

Zur Frage der Koktostabilitatt gebundener Immunkorper. 

[Aus der internen Abteilung des Werksspitales der Prager Eisen-Industrie- 

Gesellschaft in Kladno.] 

Zweite Mitteilung. 

Von Privatdozent Dr. Wilhelm Spftt. 

Nachstehende Untersuchungen sollen keine neuen Beweise fur die 
in Rede stehende Frage der HitzebestSndigkeit gebundener Immunkorper 
bringen, sondern die Ursache der diametral entgegengesetzten Befunde 
aufklfiren, welche bisher von den einzelnen Autoren erhoben wurden. 

Zwei Meinungen stehen einander gegeniibcr: Friedberger und Pinczower 
kommen auf Grand entsprechender Untersuchungen zuna Schlusse, dafi die an Bakterien 
gebundenen Immunkorper hitzebestandig seien, denn .-tie konnten nachweisen, daB mit 
Agglutininen maximal sensibilisierte und nachher gekochte Typhusbazillen nicht mehr 
imatande sind, einer Iramunserumverdiinnung nachweisbare Mengen von Typhus- 
agglutininen zu entzichen. 

Auf Grand theoretiecher Erwagungen, auf die hier nicht naher eingegangen werden 
soil, wurden die von Friedberger und Pinczower aus ihren Untersuchungsergeb- 
niasen gezogenen Schlusse von Bessau angezweifelt und in einer groBen Reihe von 

25* 


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388 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


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Versuchen dargetan, daS die gebundenen Immunkorper schon durch ein '/ 4 -stund. 
Kochen regelmafiig und mit Sicherheit zeretort wurden. Bessaus Versuche wurden 
mittels der Komplementbindungsmethode durchgefuhrt, und es wurde durch Kumagai 
gegeu ihn der Eiuwand erhoben, dafi in seinen Versuchen wohl die komplementbindende 
Gruppe der Immunkorper durch das Kochen zerstort, dafi aber fiir die Zerstorung der 
haptophoren Gruppen xein Beweis erbracht worden ist. Diesen Einwand konnte aber 
Bessau in einer weiteren Untersuchungsreihe restlos entkraftigen. Ebenso konnte 
Spat in entsprechenden Untersuchungen, gleichfails auf dem Wege der Komplement- 
bindungsmethode, die Zerstorung beider Gruppen des Immunkorpers, sowohl der 
komplementbindenden, als auch der haptophoren, durch Kochen nachweisen. Zu den 
gleichen Erbegnissen gelangte in der jiingst veroffentlichten Arbeit Gutfeld 1 ). 

In der Zeitschr. f. Immunitatsforsch. erschien nun eine neue Arbeit 
aus dera Institute Friedbergers von ArthurLange,inderdie Frage 
noch einmal aufgerollt wird und durch neue Untersuchungen abermals 
die Hitzebest&udigkeit der gebundenen Immunkorper demonstriert werden 
soli. Da die Arbeiten aus dem Institute Friedbergers stets technisch 
einwandfrei sind, zweifelten wir keinen Augenblick an der Richtigkeit 
der einzelnen Untersuchungsergebnisse, und unsere Nachpriifung der be- 
trelfenden Befunde hat lediglich den Zweck, die Ursachen der abweichen- 
den Resultate aus dem Institute Friedbergers gegeniiber denjenigen 
der ubrigen Untersucher aufzudecken. 

Vbrerst wollen wir noch auf die im Nachtrage zu seiner Arbeit 
vorgebrachten Bemerkungen Langes zu unseren Untersuchungen ein- 
gehen. 

Lange betont, ebenso wie fruher schon Kumagai, daB bei den 
Untersuchungen mittels der Komplementbindungsmethode auch die zyto- 
phile Gruppe beriicksichtigt werden miisse, fiigt aber hinzu: „allerdings 
glaubt Spat, durch seine Versuche auch die Thermolabilitat der haptophoren 
Gruppe des komplementbindenden Antikorpers gezeigt zu haben“. Das 
stimmt, denn wir haben durch eine eigene Kontrollreihe das Verhalten 
der haptophoren Gruppe gezeigt, Lange spricht sich aber diesbeziiglich 
nicht weiter aus, ob er diesen Befunden zustimmt oder sie anzweifelt. 
Wenn Lange fiberdies in meinen Untersuchungen beanstandet, daB die 
Bakterien nur 1- hochstens 2mal sensibilisiert wurden, wahrend in den 
analogen Versuchen von Lange und seinen Vorgangern die Sensibilisie- 
rung oft 10—llmal erfolgte, so ist dieser Einwand vollkommen haltlos. 
Nicht auf die Zahl der Sensibilisierungen kommt es in diesen Unter¬ 
suchungen an, sondern einzig und allein darauf, daB die Bakterien tat- 
sachlich maximal beladen sind. Dies ist aber nicht, wie Lange glauben 
machen will, durch die Zahl der Sensibilisierungen ersichtlich und be- 
wiesen, sondern durch die entsprechenden Kontrollen. In unseren 
Kontrollen ist aber die maximale Beladung der Bakterien klar demon¬ 
striert 2 ). Denn die beladenen Bakterien vermogen aus einer Immun- 
serumverdiinnung nicht die geringsten Spuren von Immunkorpern mehr 
zu entziehen. Unsere Untersuchungen kdnnen daher, entgegen der Be- 
hauptung Arthur Langes, entschieden als Beweismaterial fur das vor- 
liegende Problem^ verwendet werden. 

Im ubrigen konnen wir schon an dieser Stelle vorgreifend hervor- 
heben, daB gerade die vielen Sensibilisierungen und das wiederholte 


1) Der Einwand G utfelds gegen unsere Auffassung der Immunkorper als Fermente 
besteht nicht zu Recht. Denn das Gesetz der Multipla gilt nur fur die Toxine, nicht 
aber fiir die ubrigen Immunstoffe. 

2 ) Es ist wohl iiberfliissig, zu erwahnen, dafi jeder einzelne Versuch nicht einmal, 
sondern wiederholt und stets mit demselben Resultate ausgefuhrt wurde. Wir betonen 
dies nur mit Rucksicht auf eine diesbeziigliche Bemerkung Langes. 


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Spiit, Zur Frage der Koktostabilitat gebundener Innnunkorper. 


389 


damit verbundene Waschen und Zentrifugieren der Bakterien zu den ab- 
weichenden Befunden und irrtiimlichen SehluBfolgerungen Langes ge- 
fuhrt haben. ' 

Lange ist namlich von einem Irrtum ausgegangen. Er schreibt 
wortlich: „Nach den neueren Untersuchungen von Weil und Felix 
wissen wir zwar, daB speziell bei den X-Stammen thermostabile neben 
thermolabilen Rezeptoren vorkommen, doch sind die Differenzen selbst 
bei den X-Stammen nicht so eklatant, urn die auffallenden Befunde 
Bessa us gerade mit dem Stamm ,Bock‘ gegenuber anderen zu erklaren, 
und beiTyphus ist iiberhaupt sine derartige regelmaBige 
Verteilung im Rezeptorenapparat wie bei X-Stammen 
noeh nicht beobachtet worden 1 ).“ Dieser Ausspruch erscheint 
uns um so auffallender, als es gerade Friedberger war (vgl. 
seine „Hygiene im Weltkriege"), der als erster die auBerordentlicbe Be- 
deutung der Entdeckung der 0- und H-Rezeptoren erkannte und in 
seinem Institute nachgepriift und bestatigt hat. Der Ausspruch Langes 
besteht daher nicht zu Recht, denn die Differenzen zwischen den thermo¬ 
labilen und thermostabilen Rezeptoren der X-Stamme sind sehr eklatant, 
und den Doppeltypus der Rezeptoren in der Typhus-Paratyphus-Gruppe 
haben Weil und Felix, trotz der komplizierten Verhaitnisse und unter 
Ueberwindung bedeutender technischer Versuchsschwierigkeiten, in geist- 
voller Weise nachgewiesen. Die Unkenntnis dieser Tatsachen hat Lange, 
trotz sicher einwandfrei durchgefuhrter Versuche, zu den irrtiimlichen 
SehluBfolgerungen gefiihrt, und wir werden aus den weiteren 
Ausfuhrungen ersehen, daB eine Versuchsreihe seiner Arbeit (Tab. VII) 
gerade das Gegenteil von dem beweist, was er beweisen will. Gerade 
der in Tab. VII niedergelegte Versuch Langes hat uns mit aller Deutlich- 
keit gezeigt, daB seine SehluBfolgerungen irrtiimlich sind, und uns gleich- 
zeitig die Ursache der entgegengesetzten Resultate der iibrigen Versuche 
aufgedeckt. 

Es hatte eigentlich vollkommen geniigt, auf diese Tabelle hinzu- 
weisen, wo die Differenzen zwischen den mit der 0- und der H-Form des 
X-Stammes erhobenen Befunden eine so deutliche Sprache sprechen — 
zugunsten unserer Auffassung und gegen die Auffassung Langes, 
aber wir unterzogen uns der Miihe, auch an einem Beispiele der Typhus- 
gruppe das gleiche Verhalten experimentell zum Ausdrucke zu bringen. 

Die genaue Analyse aller diesen Gegenstand behandelnden Arbeiten 
zeigt, daB die Meinungsverschiedenheiten bzw. die differenten Befunde 
nur deshalb entstehen konnten und muBten, weil das Problem zufallig. 
an Typhusbazillen beobachtet wurde. Die gleiche Versuchsanordnung 
mit Bakterien, die keine doppelten Rezeptoren besitzen, hatte mit der 
allergrbBten Sicherheit, da die Arbeitstechnik sowohl im Institute Fried- 
bergers als auch bei Bessau iiber alien Zweifel steht und absolut 
richtig ist, vollkommen iibereinstiminende Ergebnisse gezeitigt. Nun 
waren die Versuche doch mit Typhusbazillen durchgeftihrt, uberdies zu- 
meist mittels Agglutination, bei welcher der Unterschied zwischen den 
thermolabilen und thermostabilen (klein- und grobflockigen) Rezeptoren 
besonders scharf in Erscheinung tritt. Die diesbezflglichen Arbeiten von 
Friedberger und Pinczower, Bessau und Kumagai sind lange 
vor dem Kriege entstanden, also noch zur Zeit vor der Entdeckung der 
differenten Rezeptorentypen. Die Arbeit Arthur Langes ist aber 


1) Im Original nicht geeperrt gedruckt. 


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390 


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jiingsten Datums und durfte diese Verhaltnisse nicht iibersehen, und 
zwar um so weniger, als schon friiher Schiff aus dem gleichen Institute 
die minutiosen Differenzen der Doppelrezeptoren genau studiert hat und 
geradezu die Forderung aussprach, daB bei derartigen Untersuchungen 
in Zukunft niemals dieser Doppelcharakter unberucksichtigt bleiben darf. 

Nun liegen aber die Verhaltnisse folgendermaBen: Durch Braun 
und Schafer ist klargelegt worden, daB die thermolabilen Rezeptoren 
(H-Form) mit den Geifieln in inniger Beziehung stehen. Es ist also 
naheliegend, daran zu denken, daB neben der spezifischen Besetzung 
der labilen Rezeptoren durch die Agglutinine (Sensibilisierung) auch 
jede beliebige Schadigung der GeiBeln einen Verlust 
der Bindungsfahigkeit der Bakterien verursachen kann. 
Bei dieser Annahme drangt sich sofort der Gedanke auf, daB das mehr- 
malige Waschen, welches nachgewiesenermaBen (Eisler und Si 1 ber¬ 
st e i n) zu einer hochgradigen mechanischen Abtrennung und LosreiBung 
der GeiBeln fiihrt, die labilen Rezeptoren deterioriert, und daB schon 
dieser Umstand allein die Bindungsfahigkeit der so behandelten Typhus- 
bazillen fflr die grobflockigen Agglutinine, die die Hauptmasse der Typhus- 
agglutinine ausmachen, vernichtet. 

In Beziehung auf die Versuchsanordnung von Arthur Lange muB 
man daher annehmen, daB gerade die so zahlreich vorgenommenen 
Sensibilisierungen (und die damit verbundenen Waschungen und 
Zentrifugierungen), auf die er gegeniiber den Arbeiten anderer Autoren 
ein so groBes Gewicht legt, zu einer quantitativ starken LosreiBung 
und Schadigung der GeiBeln und daher zu einem Verluste 
der Bindungsfahigkeit der Typhusbazillen gefiihrt und zu 
dem irrtiimlichen Schlusse verleitet haben, die fehlende Bindung ware 
auf die Kochbestandigkeit der gebundenen Agglutinine zuruckzufuhren. 

Unsere Versuchsanordnung war also lediglich darauf gerichtet, die 
Richtigkeit obiger Erwagungen an einem Beispiel der Typhusgruppe 
nachzuweisen. 


Vorversuche. 

Mit unserem Typhugimmunserum wurde der eigene Typhusstamm, 
ferner derselbe Stamm 30 Min. auf 100° erhitzt, endlich ein Gartner- 
Stamm agglutiniert (Tab. 1). 


Tabelle 1. 



Typhusbazillen 

Gartner- 

Bazillen 

Typhusbazillen 30 Min. 
auf 100* erhitzt 

0,02 

ccm 

+ + + 

4* + + 

+ + + 

0,01 


+ + + 

+ + + 

+ + + 

0,005 


+ + + 

+ + 

+ + 

0,001 

ft 

+ + + 

+ 

+ 

0,0005 

0,0001 

ff 

+ + + 

4-4-4- 


± 

y> 

i r i 



0,00005 

>» 

++ 

nur feinflockig 

0,00001 


+ 





grob- (und fein-) 





flockig 




Unser Typhusimmunserum agglutiniert also den eigenen Stamm bis 
0,00001 ccm, und zwar grob- und kleinflockig, dagegen denselbeu 
Stamm, der 30 Min. auf 100° erhitzt wurde, und ebenso den Stamm 
Gartner bis 0,0005 ccm nur feinflockig. Es ist daher aus dieser 


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Spat, Zur Frage der Koktoatabilitat gebundener ImmunkSrper. 


391 


Untersuchungsreihe ersichtlich, wofern noch iiberhaupt ein neuer Beweis 
notwendig war, dafi, entgegen der Anschauung Langes, die Doppelnatur 
der Rezeptoren auch bei der Typhusgruppe ganz eklatant ist. 

In einer weiteren Untersuchungsreihe wurden Typhusbazillenemul- 
sionen 15 Min., 1 und 2 Std. auf 100° erhitzt und mit den erhitzten 
Bakterien Bindungsversuche ausgefiihrt. Es zeigte sich aus alien Ver- 
suchen ubereinstimmend, dafi die auf 100° erhitzten Bakterien die Bindungs- 
fahigkeit sehr wesentlich eingebiifit haben. Dabei ist darauf hinzuweisen, 
was schon Weil und Felix betont haben, dafi ein Vi-stfind. Kochen 
nicht immer geniigt, um die Bindungsf&higkeit zu zerstbren, wozu oft 
ein 1—2-stund. Erhitzen notwendig ist. Der Mangel der Differenz in 
der Bindungsfahigkeit gekochter Typhusbazillen bei Lange (Tab. Ill) 
dflrfte sicher darauf zuriickzufiihren sein. 

Haupttersuch. 

Von je 3 Agarkulturen des Typhusstammes wurden Bazillenemulsionen 
hergestellt. Zur Emulsion I wurden 0,2 ccm Typhusimmunserum zu- 
gesetzt, 1—lVs Std. bei 37° sensibilisiert und dann zentrifugiert. Diese 
Sensibilisierung wurde 4mal vorgenommen. Der Abgufi nach der vierten 
Sensibilisierung (Abgufi 1—4) wurde aufgehoben und zur Agglutionation 
mit Typhus und Gartner verwendet, um die maximale Beladung der 
Bakterien zu demonstrieren. DieEmulsionenll und III wurden 
nicht sensibilisiert, aber zu gleicher Zeit mit der Emul¬ 
sion I nach deren jeder Sensibilisierung gewaschen und zentri¬ 
fugiert. Sodann wurde Emulsion I und II 1 / i Std. bei 100° in 
einem Wasserbade® erhitzt. Nach dem Abzentrifugieren wurden die 
Bakteriensatze aller Emulsionen mit je 5 ccm einer Typhusimmunserum- 
verdflnnung (1:100) versetzt und l 1 /* Std. bei 37° unter hSufigem Schutteln 
sensibilisiert. Nach dem neuerlichen Abzentrifugieren wurden alle Ab- 
giisse, sowie der bereits erwahnte Abgufi 1—4 zur Agglutination mit 
Typhus und G&rtner-Bazillen verwendet (Tab. 2). 

Tabelle 2. 


Reihel. Abgufi 1. Bakterien 4mal Reihe 2. AbgufiII. Bakterien nicht 

sensibilisiert, 5mal gewaschen und zentri- sensibilisiert, 5mal gewaschen und zentri¬ 
fugiert, auf 100° erhitzt. fugiert, auf 100® erhitzt. 




a) Typhus¬ 
bazillen 

b) Gartner- 
Bazillen 



a) Typhus¬ 
bazillen 

b) Gartner- 
Bazillen 

0,01 

ccm 

+ + + 


0,01 

ccm 

+ + + 

+ 

0,005 

fl 

+ + + 

negativ 

0,005 

>» 

+ + + 

negativ 

0,001 


+ + + 


0,001 


+ + + 


0,0005 


+ + + 

V 

0,0005 

11 

+ + + 

n 

0,0001 


+ + 


0,0001 


+ + + 


0,00005 


+ + 


0,00005 


+ + 


0.00001 

V 

grob- (und fein-) 
flockig 

n 

kleinflockig 

0,00001 


+ 

grob und klein¬ 
flockig 

TT 

kleinflockig 


Resultat: 

Die Reihe 1, Abgufi I besagt: Die mit Agglutininen maximal be- 
ladenen, sodann 1 / i Std. auf 100° erhitzten Typhusbazillen sind nach 
dieser Erhitzung noch befahigt, aus einer frischen Immunserumverdtinnung 
neuerdings Immunstoffe zu entziehen. Dieser Umstand ist jedoch nur 
aus der Kolonne b) Gfirtner zu ersehen, in welcher ausschliefilich die 
kleinflockigen Agglutinine zur Geltung kommen. In der Kolonne 



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392 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


Reihe 3. AbguS III. Bakterien Reihe 4. Abgufi I—4 nach der 

nicht zentrifugiert, 5mal gewaschen, nicht vierten Sensibilisierung der Emulsion I. 
erhitzt. 




a) Typhus- 
bazillen 

b)Gartner- 

Bazilleu 



a) Typhus- 
bazillen 

b) Gartner- 
B&zillen 

0,01 

ccm 

+ + + 

di 

0,01 

ccm 

+ + + 

+ + + 

0,005 


+ + + 

negativ 

0,005 


+ + + 

+ + + 

0,001 


+ + + 


0,001 


+ + + 

+ 

0,0005 


+ + + 

71 

0,0005 


+ + + 


0,0001 

11 

+ + + 

V 

0,0001 

a 

+ + + 

negativ 

0,00005 


+ 


0,00005 


+ + + 


0,00001 

11 

i 

grob- (und fein-) 
flockig 

71 

feinflockig 

0,00001 

ii 

+ 

grob- (und fein-; 
flockig 

feinflockig 


Reihe 5. Natives Serum — Kontrolte. 




a) Typhusbazillen 

b) Gartner- 
Bazillen 

0,01 

ccm 

+ + + 

+ + + 

0,005 


+ + + 

+ + + 

0,001 


+ + + 

+ 

0,0005 


+ + + 


0,0001 

71 

+ + + 

negativ 

0,00005 


+ + + 


0,00001 

71 

+ 

grob- (und fein-)flockig 

71 

kleinflockig 


a) Typhus ist eine Abschwachung des Agglutinationsvermogens fast nicht 
zu konstatieren. 

Diese Reihe 1 ist der Hauptteil des Versuches. Sie entscheidet die 
Frage der Koktostabilit&t gebundener Immunkorper in der Kolonne b) 
zugunsten der Annahme von Bessau, Split und Gutfeld, in der 
Kolonne a) scheinbar zugunsten der Anschauung von Friedberger 
und Pinczower, Kumagai und Arthur Lange. Scheinbar nur, 
dies deraonstrieren die Ergebnisse der tibrigen Versuchsreihen. Die im 
Vergleiche zur Kontrolle rait dem unbehandelten Serum fast voile Ag- 
glutinationskraft des Abgusses I gegenuber Typhusbazillen darf namlich 
nicht als Ausdruck der Thermoresistenz der gebundenen Immunkorper 
angesehen werden, wonach die maximal beladenen Bakterien nicht mehr 
imstande w&ren, weitere Agglutininmengen zu binden, sondern ist auf die 
Tatsache zuriickzufiihren, dafi durch das wiederholte Waschen und Zentri- 
fugieren die GeiBeln stark geschddigt und in weiterer Konsequenz — 
im Sinne der obigen Erwagungen — auch die bindenden Gruppen fur 
die grobflockige Agglutination zerstort wurden. Die derart behandelten 
Bakterien konnten daher nach Verlust der Hauptmasse der labilen Re- 
zeptoren aus der Immunserumverbindung nur die kleinflockenden Ag- 
glutinine herausbinden. Deshalb sehen wir in der Kolonne a) fast 
ungeschwachte Agglutinationskraft, dagegen eine starke Herabsetzung der- 
selben in der Kolonne b), wo nur die kleinflockige Agglutination in Er- 
scheinung treten kann. 

DaB diese Erklarung richtig ist, zeigt die Reihe 2, wo die Bakterien 
nicht beladen waren und trotzdem in der Kolonne a) das Immunserum 
unbeeinflufit lassen. Das Unvermogen, aus der Immunseruraverdiinnung 
den Immunkorper zu binden, kann in dieser Reihe, da eine Sensibilisierung 
nicht vorhergegangen ist, nur auf das viele Waschen und Zentrifugieren 


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Spat, Zur Frage der Koktostabilitat gebundener Immunkorper. 


393 


zurfickgeffihrt werden; dabei ist zu bemerken, daB wir nur 5mal ge- 
waschen und zentrifugiert haben, Arthur Lange aber sogar llmal. 
Es ist klar, daB dadurch sfimtliche labile Rezeptoren zerstort wurden. 

DaB dabei ferner die Erhitzung auf 100° nicht das MaBgebende, 
sondern ganz ohne Belang ist, zeigt die Reihe, wo die Emulsionen flber- 
haupt nicht erhitzt wurden, und lediglich die mechanische Sch&digung 
der GeiBeln und somit der labilen Rezeptoren angenommen werden darf. 
Die Ergebnisse dieser Reihe stimraen mit denjenigen der Reihe 1 und 2 
prinzipiell vollkommen fiberein. 

Die Reihe 4 (AbguB 1—4) demonstriert die maximale Beladung der 
Bakterien der Reihe 1 nach der 4. Sensibilisierung. 

Zusammenfassung. 

Die obigen Versuche erklfiren in der Frage der Thermoresistenz 
gebundener Immunkfirper die Ursache der diametral entgegengesetzten 
Ergebnisse bei den einzelnen Autoren. Die gebundenen Immun¬ 
korper sind nichthitzebestfindig. (Bessau,Spat,Gutfeld.) 
Die Annahme der Hitzebestandigkeit durch Friedberger und Pin- 
czower, Kumagai und neuerdings durch Arthur Lange, die sich 
auf die experimentell nachgewiesene Bindungsunfahigkeit sensibilisierter 
und erhitzter Bakterien sttitzt, besteht nicht zu Recht, der Verlust des 
Bindungsvermogens ist nicht die Folge der Erhitzung. 

Bei Bakterien mit einfachen Rezeptoren kommt es 
nach entsprechender Behandlung zu keinem Verluste des 
Bindungsvermogens, auch nicht beiArthurLange (Tab. VII 
seiner Arbeit, O-Form des X-Stammes). 

Bei den Typhusbazillen, bei denen, entgegen der Be- 
hauptung Langes, der Doppelcharakter der Rezeptoren 
schon lange nachgewiesen ist(Weil und Felix), kommt der 
Verlust des Bindungsvermogens nur gegenfiber den la¬ 
bilen (grobflockigen), aber nicht gegen uber den stabilen (fein- 
flockigen) Rezeptoren zum Vorschein. 

Die entgegengesetzten Befunde und SchluBfolgerun- 
gen in dieser Frage sind demnach auf die Nichtberfick- 
sichtigung des Doppelcharakters der Rezeptoren zurfick- 
zuffihr en. 


Literatur. 

Bessau , Die gebundenen Antikorper sind nicht hitzebestandig. (Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Orig. Bd. 83.) — Braun u. Schafer, Berlin, klin. Wocnenschr. 1919. Nr. 18. 

— Eisler u. Silberstein, Beitrage zur Bakterienagglutination. (Zeitschr. f. Hyg. 
Rd. 93. 1921. H. 2 u. 3.) — Friedberger u. Pinczower, Ueber die Thermoresistenz 
der an die Antigene gebundenen Antikorper. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 45.) 

— Gutfeld, Die Hitzebestandigkeit gebundener Antikorper. Hamolysinstudien I. 
(Zeitschr. f. Immunitatsforsch. Orig. Bd. 33. H. 3.) — Kumagai, Zur Frage der Hitze¬ 
bestandigkeit der gebundenen Antikorper. (Ebenda. Bd. 14.) — Lange, Arthur, Zur 
Frage der gebundenen Antikorper. (Ebenda. Bd. 32. H. 5.) — Spat, Zur Frage 
der Koktostabilitat gebundener Immunkorper. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. 
H. 3.) — Weil u. Felix, Ueber den Doppeltvpua der Rezeptoren in der Typhus- 
I'aratyphusgruppe. (Zeitschr. f. Immunitatsforsch. Orig. Bd. 29. 1920. H. 1/2.) 


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394 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


Nachdruck verbo&en. 

Die Bakterienagglutination im erkrankten Blute. 

[Aus der medizinischen Klinik der Universitat Koln, Augustahospital 
(Direktor: Prof. Dr. Kulbs).] 

Von Dr. Josef Vorschutz, Assistent der Klinik. 

In einer friiheren Arbeit „Untersuchungen iiber Agglutination und Sedimentieruug 
von Bakterien“ hatte ich feststellen konnen, dafi Gravidenserum in 46,2 Proz. der 
Falle Flexner-, Y-Coli- und Ruhrbazillen agglutinierte in Verdiinnungen mindestens 
1:100. Loewenthal und Bertkau, die als erste in Konigsberg und dann auch in 
Berlin typische Ruhragglutinationen mit Y T -Bazillen festgestellt hatten, konnten damals 
fur Typhus- und Para B-Bazillen keinen positiven Ausfall der Widal-Reaktion erheben. 
Loewenthal hat dann spater in seinen Erklarungsversuchen zur angefiihrten Arbeit 
festgestellt, daS nicht duren Kalk-Kieselsaure- oder Lipoidstoffwechsel die Agglutination 
bedingt ist. In jungter Zeit erschien wiederum eine Arbeit iiber Agglutination des 
Bchwangerenserums mit Y-Ruhr-Bazillen von Hausherr, der an 100 Seren typische 
Agglutinationen in 37 Proz. der Falle festgestellt hat. Auch hat Hausherr vereinzelt 
Agglutinationen mit Shiga-Kruse- und mit Typhusbazillen bekommen in Verdiin- 
nungen 1:50, seltener 1:100. Ich hatte in meiner oben erwahnten Arbeit die Ham- 
und Bakterienagglutination ate auf denselben physiko-chemischen Momenten beruhend, 
niimlich auf der Vermehrung der Globuline im Serum, ate hochstwahrscheinlich hin- 
gestellt. Auf der chir. Abteilung des St. Josephs-Hospitals Elberfeld habe ich gernein- 
sam mit dem dortigen Loiter (Dr. Job. Vorschutz) an zahlreichem Material die 
Identitat der Blut- und Bakterienagglutination festgestellt, die Globuline nach der 
Mikrokjeldahlmethode (Bang) bestimmt und gefunden, dafi im erkrankten Blute, haupt- 
sachlich bei Osteomyelitiden, Sepsisfallen, Krebskranken und Empyemen der Globulin- 
gehalt bis zu 90 Proz. betragen kann (vgl. dazu die Arbeit „Die Bedeutuug der Hain- 
und Bakterienagglutinationen im erkrankten Blute 11 ) (Mitteil. aus den Grenzgebieten 
der inneren Medizin und Chirurgie 1922). Normal ist del* Albumingehalt im Serum 
65 Proz., der Globulingehalt also 35 Proz. Nach unseren Befunden steigen die Glo¬ 
buline auf Kosten der Albumiue an. Unsere Globulinbestimmungen bezogen sich an- 
fangs nur auf Hiimagglutinationen, aber da wir sahen, dafi durch Infektion ver- 
andertes Blut eine grofiere Senkungsgeschwiudigkeit besafi ate Gravidenblut, so lag 
es nahe, nun mit solchen Seren von hohem Globulingehalt auch die Gruber- 
Widal-Reaktion anzusetzen, um zu ersehen, ob nicht durch solehe Seren Typhus- 
und Para B-Bazillen agglutiniert wurden. In meiner ersten diesbezuglichen Arbeit 
wurden durch Schwangerenserum keine Typhus- und Para B-Bazillen agglutiniert, 
hochstens schwach in Verdiinnungen 1:50. Unsere Vermutungen bezuglich des positiven 
Ausfalles der Widal-Reaktion im Infektionsblute mit Typhus- und Para B-Bazillen 
bestiitigten sich, denn wir konnten an diesen Seren positive Agglutinationen in Ver- 
diinnungen bis 1:200 feststellen, sowohl mit Para-B- wie mit Typhusbazillen. Bevor 
wir jedesmal eine Widal-Reaktion ansetzten, wurde die Hamagglutination mit dem 
betreffenden Blute gepriift, und diese erwies sich ate vollstiindig parallelgehend der 
Bakterienagglutination. Da sich unser Bakterieuagglutinationsmaterial aber zu klein 
erwies, um es zu veroffentlichen, so habe ich an hiesiger Klinik meine Versuehe fort- 
gesetzt und will sie nun insgesamt mit den Befunden aus Elberfeld veroffentlichen. 

Bevor ich aber auf meine Versuehe eingehe, will ich aus Arbeiten von Autoren 
berichten, die sich mit EiweiBkolloiden, Bakterien- und Blutkorperehenzellen in phy- 
sikalisch-chemisehem Sinne beschaftigt. haben. Hober sagt in seinem Buche „Phy- 
sikalische Chemie der Zellen und Gewebe“ (Kapitel „Agglutination“), die Agglutinine 
gehoren zu den Kolloiden und ihre Fixierung an die Oberflache, beispielsweise von 
Bakterien, entspricht quantitativ einem Adsorptionsphanomen. Dabei kommt es wahr- 
scheinlich zu einer Art Gerinnung oder sonst einer Befestigung der Zeiloberflache, 
welche die Bakterien den Suspensionskolloiden ahulicher macht ate den hydrophilen 
Kolloiden. Erfolgt nun dieser Prozefi der Beladung der Bakterien mit dem Agglutinin wie 
gewohnlich im Immunserum, so kann man beobachten, wie sich die Bakterien zu Klumpen 
zusammenballen, agglutinieren. Bordet fand aber, dafi, wenn die Bakterien in einer 
salzfreien Losung mit Agglutinin zusammengebracht werden, die Adsorption zwar auch 
stattfindet, dafi (hr aber keine Agglutination nachfolgt; diese tritt erst ein, wenn Salz 
zugesetzt wird. Der Vorgang der gewohnlichen Agglutination setzt sich also aus zwei 


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Vorschiitz, Die Bakterienagglutination im erkrankten Blute. 


395 


Phasen zugammen, einer, in der durch die Agglutinationsadsorption die hydrophilkolloiden 
Zellen in Suspensionskolloide umgebildet werden, und einer, in der das Suspensions- 
kolloid durch die anweeenden Salze ausgeflockt wird. Ein Analogon zur 1. Phase kann 
man, wie Porges gezeigt hat, dadurch schaffen, daB man die Bakteriensuspension einfach 
erhitzt. Der Flockungsvorgang verlauft nun genau so wie bei der gewohnlichen Fallung 
eines Suspensionskolloids, a. h. eine Ionsorte ist vorherrschend wirksam, und zwar sind 
es die Kationen, weil die Zellen, wohl der Konstitution ihrer Plasmahaut, aus den 
anodischen Kolloiden Lezithin, Choleeterin und Eiweifi entsprechen, selbst anodisch 
negativ geladen sind, wie dies fur Blutkorperchen (Hober), Bakterien (Bechhold, 
Cernovodeanu und Henri), Spermatozoen (Lillie) gezeigt worden ist. Hober 
sagt dann ferner, dafi auch die Zellen wie die Teilchen in einer suspensionskolloiden 
Ldsung umgeladen und dafl zweitens auch Zellen nicht blofi, von lonen, sondern auch 
von Kolloiden zur Flockung gebracht werden konnen. Die Umladung von Zellen ist 
von Hober an Erythrozyten und Hefezellen, an Bakterien von Teague und Buxton 
bewieseu worden. Hober fand z. B., daB gewohnlich negativ geladene Blutkorperchen 
dnrch kleine Mengen von H Ag -f -f Cu + + oder Fe + + -f kathodisch zu machen sind. 
Die Fallbarkeit von Zellsuspensionen durch Zusatze von suspensionskolloiden Losungen 
ist namenthch von Landsteiner und Jagic beobachtet worden. So bringen z. B. 
die positiven Kolloide von Fe(OH),, Cr(OEf),, Nachtblau die Blutkorperchen zur Se- 
dimentierung. Hober hat kiirzlich in einer von mir veroffentlichten Arbeit „Ruhestrom 
und Durchlassigkeit 11 (1. Mitteilung) neue Agglutinationsversuche der roten Blutkorper¬ 
chen mit Farbbasen demonstriert und weist somit nach, dafi die roten Blutkorperchen 
durch Rhodamin S, Malachitgriin, Brillantkresylblau und Methylengriin agglutiniert 
und sedimentiert werden. Durch diese Versuche wird einerseits die Umladung der 
Zellen bewiesen, andererseits die Agglutination als Auflockungsvorgang angesprochen. 
Setzt man nun zu einer Losung amphoteren Eiweifies Siiure oder Lauge hinzu, so nimmt 
es positive bzw. negative Ladungen auf, die aber sofort unter dem EinfluB von Elektro- 
lyten kataphoretiscn ins Gegenteil umschlagen. Die meisten Suspensionen EiweiB, 
Lezithin, Kohle, die sonst zur Anode wandern, gehen unter Ansauerung zur Kathode, 
und ebenso konnen 3wertige Kationen A1++ und Fe + + + sie leicht positivieren. 

Da nun dieGlobulineansichsauerenCharakterhaben, 
so ist es verstSndlich, daB durch sie einerseits und die 
entgegengesetzt geladenen Zellen andererseits die Ag¬ 
glutination zustande kommt. 

Vorversuche. 

Es kam nun fiir raich darauf an, zuniichst einmal die geeigneten 
Sera anzusetzen, denn ich wollte nicht Seren zu Bakterienagglunationen 
beniitzen, um statistisch daraus nieine Schlflsse zu ziehen, sondern be- 
diente mich jedesmal vorher zur Prufung auf Eignung des betreffenden 
Serums der HSmagglutination. Zur Hamagglutination nahm ich 1 ccm 
Serum -f- 0,3 ccm Blutkorperchen, die Sedimentierrbhrchen waren 5 mm 
breit und fafiten etwa 2 ccm Inhalt. Die Fallstrecken der roten Blut¬ 
korperchen wurden mit Zirkel und MaBstab gemessen. Blute von einer 
Senkungsdauer der Blutkbrperchen von iiber 25 Min. hinaus wurden 
nicht genommen. Am besten eignen sich Sera von 15—10 Min. Senkungs- 
zeit, doch letztere sind selten. Ein Typhusserum, das einen Typhus- 
'Vidal von 1:200 positiv aufweist, hamagglutiniert in 17—10 Min. Die 
Gruber-Widal-Reaktion wurde in den iiblichen Verdunnungeu 1:50, 
1:100, 1:200 angesetzt; als vollstiindig wurde eine Agglutination an- 
gesehen, wenn die Agglutination mit Paratyphus-B- oder Typhusbazillen 
1:50 positiv ausfiel. Einen Teil meiner Befunde hat mir das bakterio- 
logische Universitats-Institut Koln geliefert, dem ich dcrartige Sera zur 
Untersuchung schickte; ich selbst habe dann auch dieselben Stiimme von 
dort wieder bezogen und habe mit solchen SchrSgagarkulturen, die 
hochstens 24 Std. alt waren, Bakterienaufschw'emmungen von 0,85 Proz. 
gemacht und mit diesen meine Sera agglutiniert. Meine Befunde sind 
iibereinstimmend mit denen des bakteriologischen Institutes. Zur ge- 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origiuale. Bd. 88. Heft 5. 


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naueren Feststellung der Agglutination bediente ich mich des Agglutino- 
skops von Kuhn-Woithe. Nun hatte ich friiher auch mit Cholera-, 
Flexner-, Y-, Gartner-, Breslau-, Shiga- und Co 1 i- Bazillen Agglu- 
tinationsversuche angestellt und eine Reihe, entsprechend der negativen 
Ladung der Bakterien, aufgestellt. In dieser Arbeit fehlen mir die Cholera- 
bazillen, da mir letztere auf Gruud einer ministeriellen Yerfugung an 
die Klinik nicht verabfolgt werden durften. Es kamen 52 Sera zur Unter- 
suchung, Infektionskrankheiten aller Art, im subakuten und chronischen 
Stadium, ebenso auch Krebskrankenblut. Samtliche Sera waren vorher 
h&magglutiniert worden, und, entsprechend dem Ausfall der Hamagglu- 
tination, erhielt ich W i d a 1 - Reaktionen je nach der Art der Globulin- 
konzentrationen einerseits und der Bakterienladung andererseits. Was 
die Globulinbestimmung anbetrifft, so mochte ich hinzufiigen, daB ich 
nicht die 3 Globulinkorper einzeln bestimmt habe, sonderu immer den 
Gesamtglobulingehalt. Ich will nicht s&mtliche 52 Falle demonstrieren. 
sondern nur ein Dutzend. 


Hamaggl. 

Flexner 

Y psilon 

Coli 

1) Lungentub. 

24 Min. 

1:100 

1:100 + 

1 : 100 + 

2) Magen-Ca. 

25 „ 

1:200 ± 

1:200 ± 

1 :200 + 

3) Lungen-Ca. 

20 „ 

1:200 + 

1:200 ± 

1 :200 + 

4) Typnusabd. 

14 „ 

1:200+ + 

1:200+ + 

1:200 + + + 

5) Lungentub. 

16 „ 

1:200 + 

1:200 + 

1 :200 + 

6) Puerperalsepsis 

14 „ 

1:200 + 

1:200 + 

1 :200 + 

7) Grippe, Pneumonie, Sepsis 

15 „ 

1:200 + 

1:200 + 

1 :200 + 

8) Osteomyelitis, Mischinfekt. 

13 „ 

1 :200+ + 

1:200 + 

1:200 + + 

9) Lungengangriin 

17 >. 

1 :200 + 

1:200 + 

1 :200 + 

10) Rippencaries 

25 „ 


• 


11) Lues + + 

20 „ 

1:200 ± 

1:200 ± 

. 

12) Pleuritisexsudation 

12 „ 

1:100+ + 

1:200+ + 

1:200+ + + 


Zu der Tabelle mochte ich noch hinzufiigen, daB mit den betreffenden 
Bakterienst&mmeu, deren Felder bei einzelnen Seren freigelassen wurden. 
keine Untersuchungen angestellt worden sind. Mir kam es hauptsachlich 
darauf an, eine Typhus- oder Paratyphusagglutination nachzuweisen. da 
ich aus deren positivem Ausfall einmal die Globulinkonzentration, dann 
aber auch die verschiedene quantitative negative Ladung fur das Zu- 
standekommen der Agglutination verantwortlich machen konnte. Wir 
sehen nun aus den Ergebnissen der Tabelle, daB es immer auf den Grad 
der Globulinmengen zunachst ankommt, entsprechend der Hiimaggluti- 
nationszeit, daB aber trotzdem nicht alle Bakterien gleichmiiBig ver- 
klumpt werden. Letzterer Umstand liegt, wie bereits hervorgehoben. 
an der verschiedenen Ladung der Bakterienstamme. Mit Lanthannitrat, 
das infolge seines 3-wertigen Rations sich sehr gut zu Umladungszwecken 
eignet, hatte ich friiher meine 10 Bakterienstamme umgeladen und konnte 
feststellen, daB am ehesten Cholera, dann Coli-, Flexner-, Y bei 

Lanthannitrat noch umgeladen wurden, dann folgten die anderen 

ZUUU 


Stain me in 


m 

1000 ' 


wiihrend die Fleischvergifter sich erst bei 


m 

200 


umladen 


lieBen. Die 4 ersten Stamme agglutinierten damals auch das Gravideu- 
serum, alle anderen kaum oder gar nicht. Heute, nachdem ich Sera 
mit hoherer Globulinkonzentration gefunden habe, als das Schwangeren- 
serum aufweist, ist es mir klar, daB die Bakterien, entsprechend ihrer 



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Vorschutz, Die Bakterienagglutination im erkrankten Blute. 


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Negativitat, nur umgeladen und agglutiniert werden konnen, und mochte 
daher sagen, daB der Para B-Bazillus sich noch eher als der Typhus- 
bazillus umladen laBt, dann folgen die Bakterien der Reihe nach Para 
Shiga, Gartner, Breslau. Im AnschluB an diese meine letzteren’ 
Befunde, daB Gartner und Breslau eine so groBe Negativitat besitzen, 
hielt es Prof. Bitter (Kiel, Hygien. Institut) damals fur wichtig genug, 
in einer Inaugural-Dissertation 50 Stamme von G&rtner und Breslau 
und ebenfalls 50 Stamme von Para B-Bazillen durch kiinstliche Lanthan- 
agglutination untersuchen zu lassen, da beziiglich des Agglutinations- 
titers zwischen Para B- und G&rtner-Bazillus Meinungsverschieden- 
heiten herrschten und immer noch herrschen. Die Doktorarbeit ist leider 
nicht veroffentlicht worden. Aber ich weiB, daB in einem hohen Prozent- 
satz der G&rtner-Bazillus sehr viel schlechter agglutiniert wurde als 
der Para B-Bazillus, so daB nun ein neues physikalisch-chemisches Unter- 
scheidungsmerkmal zwischen den beiden Bakterienarten resultierte. Ich 
hatte von jeder Bakterienart nur 1 Stamm untersucht, war mir aber 


Para B 

Typhus 

Paratyphus 

Gartner 

Breslau 

Shiga 

1:50 + 

1:50 

r 

’ 




• 

1:100 + 

1:100 ± 




. 

1:200 + 

1:100 + 




1:50 + 

1:100+ + 

1:100 + 




1:50 ± 

1:200 + 

1:100+ + 

1:100 + 

1:50 + 

1:50 + 

1:50 + 

1:200 + 

1 :100 + 

1:100 ± 

1:50 + 

1:50 + 

1:50 + 

1:200+ + 

1:200 ± 

1:100 + 

1:50 + 

1:50 + 

1;100 ± 

1:200 + 

1:200 ± 

. 


. 


1:100 ± 

1:50 + 

. 


• 


1:100 ± 

1:50 ± 



. 

. 

1:200 + 

1:200 ± 

1 :100 + 

1:50 + 

1:59 + 

1:100 + 


wohlbewuBt, daB verschiedene Stamme ein und derselben Spezies ver- 
schieden empfindlich sind, wie das in neuerer Zeit Eisenberg iiber 
die entwicklungshemmende Wirkung von Salzen, Sauren und anderen 
Chemikalien dargelegt hat. Hausherr hat z. B. mit 3 Y-St&mmen 
Schwangerensera agglutiniert und konnte dabei feststellen, daB der eine 
von den dreien weit besser agglutiniert. Hausherr hat sogar mit 
SJiiga - Bazillen in Verdiinnungen 1:100 noch Agglutination beim 
Schwangerenserum bekommen, eine Tatsache, die wiederum daftir spricht, 
daB dieser Shiga-K r use-Stamra von dem meinen sehr verschieden ist. 
Hausherr hat sowohl nach 2-stund. wie nach 24-stiind. Brutschrank- 
zeit Ablesungen gemacht und findet in letzterem Falle viel stfirkere Ag- 
glutinationen; das habe ich auch getan, aber solche Resultate kann man 
zur Diagnostik einer Spezifitiit wohl nicht verweuden. Ich habe fruher 
in meiner Ruhestromarbeit (1. Mitteilung) zur Beurteilung des Ent- 
stehens von Ruhestromen durch Einwirkung von Farbbasen auf die 
Muskelzelle auch Opalinen mit derartigen Farbstoffen versetzt und konnte 
unter dem Mikroskop allmahlich L&hmung, d. h. Stillegung der Be- 
wegungen, und dann Agglutination feststellen. In der 2. Mitteilung iiber 
Ruhestrom und Durchlassigkeit mit Alkaloidsalzen hatte ich ebenfalls 
einen positiven Ruhestrom der Muskelzelle konstatieren konnen, der wohl 
im Sinne eines Demarkationsstromes aufzufassen ist. Analog diesen 
Agglutinationsversuchen mit Opalinen durch Farbbasen versuchte ich 
nun, Bakterien mit einem Alkaloidsalz, dem Chininhydrochloricum, zu 


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j 

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agglutinieren. Das Chinin ist infolge seines hohen Dispersit&tsgrades 
sehr stark bakterizid und totet Bakterien und Staphylokokken sehr schnell 
ab, letztere sogar noch in einer Verdiinnung 1:80000. Ich nakm 
9 Stamme, die rair zur Verfiigung standen, und setzte von einer 1-proz. 
Losung lmal 0,2, dann 0,1 can Chininhydrochl. (gelost in NaCl 0,85 Proz.) 
zu 0,9 resp. 0,8 ccm Bakterienaufschwemmungen zu und bekam auf 
diese Weise starke Agglutinationen mit alien Stammen, in der groBeren 
Chininverdiinnung entsprechend schwBchere, bei Para A, Shiga, Gart¬ 
ner und Breslau traten in diesen schwacheren Verdiinnungen gar keine 
Agglutinationen mehr auf. Ich mochte daher die Bakterienreihe noch 
einrnal ihrer verschiedenen Agglutinabilit&t und elektrischen Ladung 
entsprechend aufstellen: Coli, Flexner, Y, Para B, Typhus, Para A, 
Shiga, Gartner, Breslau. Wie bereits hervorgehoben, hangt die 
Agglutination einrnal von der Globulinmenge, andermal auch von der 
Ladung der Bakterien ab. Die Globulinkonzentration steigert sich aber 
bei einer frischen Infektion von Tag zu Tag und liefert erst in sub- 
akutem und chronischem Stadium die ausreichenden Globulinmengen 
zum positiven Ausfall der Gruber-Widal-Reaktion. Ist die Infektion 
noch nicht subakut, oder leicht, so bekommen wir niemals Typhusagglu- 
tinationen, wohl aber Agglutinationen mit Y- und Flexu er-Bazillen, 
in Verdiinnungen 1 :100 schon sehr leicht auch bei leichten Infektionen. 
A us meinem Material, das als geeignet ausgesucht ist infolge der vor- 
angegangenen Hamagglutination, ersieht man, daB hier keine Typhus- 
infektionen vorher stattgefunden batten. Die Globulinvermehrung be- 
ruht jedesmal auf schwerer Infektion oder Krebserkrankung. Fiir die 
Richtigkeit dieser Behauptung verweise ich auf Fall 4 der Tabelle. Der 
Pat. litt namlich an Abdominaltyphus, zeigte aber 3 Tage nachdem er 
bei uns eingeliefert war, einen negativen Widal; 14 Tage sp&ter war 
der Widal stark positiv, wie aus der Tabelle hervorgeht. Wie aus 
diesem Fall zu ersehen, geht die Globulinbildung ganz allmahlich vor 
sich und es werden keineswegs nur Typhusbazillen, sondern auch andere 
Bakterien agglutiniert. Derartige Mitagglutinationen von Para B-Bazillen 
bei Typhuserkrankungen sind uns ja bereits langst unter dera Namen 
von Paragglutinationen bekannt. Die Shiga-Kruse-Ruhr und der 
Typhus scheinen wegen ihrer sehr giftigen, endotoxinhaltigen Bakterien 
besonders dazu geeignet zu sein, die Albumine in Globulin umzuwandeln. 
wie wir in eingangs erwahnter Arbeit durch Messung des Stickst# 
gehaltes von Albumin und Globulin feststellen konnten. Wahrend sonst 
die Albuminine 65 Proz., die Globuline 35 Proz. betragen im normalen 
Serum, erhalt man bei schweren Infektionskrankheiten genau das uin- 
gekehrte Bild, oder der Globulingehalt betr&gt gar bis zu 90 Proz. 
Einen Fall von schwerem Abdomininaltyphus mochte ich hier anfiihren; 
die Pat. hatte 2mal einen Typhus-W idal: 1:200 stark positiv, ^ Jahr 
spater, nachdem die Pat. schon 4 Wochen wieder umherging, nahm ich 
eine Nachuntersuchung des Blutes vor. Jetzt war der Typhus-Widal 
noch 1:50 schwach positiv, der Para B-Widal 1:100 schwach positiv. 
Es liandelt sich aber bei der Pat. um einen echten Abdominaltyphus. 
nicht um eine Para B-Infektion, wie man aus dem Ausfall der Widal - 
Reaktion entnehmen konnte. Daraus ersieht man einrnal, daB der Para 
B-Bazillus leichter agglutiniert wird als der Typhusbazillus, dann aber 
auch, daB sich die Globulinmengen allmahlich zuriickbilden, wenn der 
Organismus ihrer nicht mehr bedarf. DaB die Agglutination im er- 
krankten Blute, sowohl die Ham- wie auch die Bakterienagglutination 



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Vorschiitz, Die Bakterienagglutination im erkrankten Blute. 


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durch die Globuline bedingt ist, ergibt sich aus einem einfachen Ver- 
suche: Man niramt Blut von einem Pat., stellt einen Teil vielleicht 
10 Std. auf Eis, nicht nur in den Eisschrank, den anderen Teil nicht; 
das Eisserum ergibt dann keine Agglutination, wahrend das andere, je 
nach seinem Globulingehalt, Agglutination ergibt. Hieraus lafit sich er- 
sehen, daB 1) in auf Eis gestellten Seren die Globuline ausfallen, 2) aber 
auch, daB man kein Serum auf Eis stellen soli, wenn es zur Widal- 
Reaktion verwandt werden soli. Es ist ferner eine bekannte Tatsache 
gewesen, daB es unspezifische Agglutinationen gibt mit normalen Seris, 
d. h. daB normale Sera in schwhcheren Verdiinuungen 1:10 oder 1:20 
positive Agglutinationen ergeben konnen. Die Ursache hierfQr liegt 
wohl in der starkeren Globulinkonzentration; in Verdiinnungen 1:100 
und 1 : 200 reichen natiirlich die Globulinmengen normaler Sera nicht 
mehr aus, um die Bakterien zu agglutinieren, zumal da die einzelnen 
Arten noch verschieden negativ geladen sind und insofern grofiere Glo¬ 
bulinmengen zur Verklumpung benbtigen. DaB auch Staphylokokken 
agglutiniert werden, dariiber haben v. Fellenberg und Doll Ver- 
suche mit Gravidenserum angesetzt und gefunden, daB von 26 Seren 
25 in Konzentrationen 1 :200, ja sogar bis 1:2000 agglutiniert werden. 
Die genannten Autoren haben dann, ebenso wie ich, mit Coli-Bazillen 
Agglutinationen angesetzt und nur 6mal auf 26 Sera Agglutinationen in 
Verdiinnungen 1:100 oder holier gefunden. Ich hatte Stamme, die gut 
agglutiniert wurden, was aber bei Coli-Bazillen, die sehr variabel sind, 
nichts besagt. 

Man kbnnte mir nun mit Recht entgegenhalten, die betreffenden Pat. 
seien kurz vorher schutzgeimpft, oder eine andere Infektion wirke im 
Sinne einer anamnestischen Serumreaktion. Die Pat., deren Blut ich 
untersucht habe, hatten nie einen Typhus, oder eine Ruhr- oder gar eine 
Fleischvergiftung durchgemacht; sie litten an Infektionen, die mit all- 
miihlicher Globulinvermehrung einhergingen, wie man bei mehrmaliger 
Agglutinationspriifung deutlich feststellen konnte. DieHamagglutinationen 
wurden an einigen Pat. in Intervallen von 8—10 Tagen angesetzt und 
es konnte auf diese Weise eine allmahliche Steigerung des Globulin- 
gehaltes und somit eine verstarkte Ham- und Bakterienagglutination 
festgestellt werden. DaB die H&magglutination durch die Globuline be¬ 
dingt ist, dafflr sprechen noch Versuche von Schiff und Roser, die 
unabhiingig von der Erforschung des Agglutinationsphanomens Serum- 
fraktionen an Sauglingen mit dem Refraktometer (Pulferich) vor- 
genommen haben. Sie fanden, daB Sauglinge etwa 90 Proz. Albumine 
und nur 10 Proz. Globuline aufweisen, wahrend Sauglinge mit kon- 
genitaler Lues, Tb., Pneumonie, Furunkulose bis 90 Proz. Globuline auf¬ 
weisen kbnneu. Sauglinge mit einem derartigen erhohten Globulingehalt 
ergeben wiederum starke Hamagglutination, so daB GySrgy aus dieser 
Tatsache ein Diagnostikum bei S&uglingen filr kongenitale Lues heraus- 
gearbeitet hat. Es ist eine bekannte Tatsache, daB Nabelschnurblut 
keine Agglutination ergibt, wahrend Schwangcrenblut gut agglutiniert; 
wir finden nun die Erklarung fiir diesen negativen Ausfall beim fotaleu 
Blute in dem geringen Globulingehalt. Loeper und Ton net endlich 
haben den Globulingehalt bei Krebskranken (Carcinom) festgestellt, und 
fanden den Globulingehalt bis zu 75 Proz. erhoht. Da nun CarcinomatOse 
ebenfalls gut hamagglutinieren und die Hiimagglutination identisch mit 
der Bakterienagglutination ist, so liefern diese Feststellungen wiederum 
den Beweis daftir, daB die Bakterienagglutination durch die Globulinver- 


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CentralbL f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


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mehrung bedingt ist. Ferner ist an dem Kieler physiologischen Institut von 
Hober, F& h r h u s und Linzenmeier stets der Gedanke ausgesprochen 
worden, daB es sich bei der Hamagglutination um ein Globulin handele; 
Fahraus hat dann auch spater selbst die Globulinvermehrung chemisch 
festgestellt. Wenn nun daher krebskranke, tuberkulose, uberhaupt alle 
mit Entziindung einhergehenden Seren, haupts&chlich Entztindungen mit 
Exsudatbildung, Typhus-, Ruhr- und Fleischvergifter W i d a 1 - Reaktionen 
ergeben, so ist es meines Erachtens fur den Kliniker iiberfltissig, Serum 
zwecks Typhus- oder Ruhrdiagnose zu W i d a 1 - Reaktionen anzusetzen, 
nachdem wir gesehen haben, daB selbst schwangere Frauen schon einen 
positiven Ruhr-Widal, hie und da auch eine positive Typhus- bzw. 
Paratyphus-Agglutination ergeben konnen, jedoch nur in etwa 46 Proz. 
der F&lle. Auffallig ist es, daB diejenigen Frauen, die die Schwanger- 
schaft schlecht vertragen, nicht Globulinbildner sind; hieraus lieBe sich 
vielleicht der Gedanke folgern, daB Frauen mit hohen Globulinvermeh- 
rungen Schwangerschaftsinfektionen, wie vor allem Puerperalsepsis, besser 
tiberstehen oder iiberhaupt nur iiberstehen infolge ihres hohen Globulin- 
gehaltes. Hiermit ist auch vielleicht in Zusammenhang zu bringen, dafi 
frische Typhusf&lle anfangs positiven Blutbazillenbefund ergeben, aber 
negative Widal-Reaktion, spater ist es genau umgekehrt. Inwieweit 
nun eine spezifische Widal- Reaktion mit den genannten Bakterienarten 
in Frage kommt und wie sich spezifische Reaktionen von meinen Ag- 
glutinationen, wie ich sie hier dargelegt habe, unterscheiden, vermag 
ich nicht zu entscheiden; fur mich steht fest, daB diese Agglutinations- 
erscheinungen an die Globuline gebunden sind und daB sie bei ihrem Aus- 
fall auch nicht stattfinden. Die Hamagglutination beruht auf denselben 
physiko-chemischen Vorgangen wie die besagten Bakterienagglutinationen. 
SchlieBlich sei noch darauf hingewiesen, daB Typhuskrankenblut mit posi- 
tivem Ausfall der W i d a 1 - Reaktion auch schnelle Sedimentationen der 
roten Blutkorperchen ergibt. Fur den Kliniker kommt daher zwecks 
Diagnostik bei dunklen Fallen neben den klinischen Symptomen einer 
Ruhr oder eines Typhus nur der kulturelle Bakteriennachweis in Frage. 

Zusaramenfassung. 

1) An 52 Patientenseris, die gut hamagglutinieren, tritt die Typhus-, 
Para-B-, Ruhr- und auch Fleischvergifter-W i d a 1 - Reaktion ein. — 2) Die 
Breslau- und Gartner-Bazillen tragen die grQBte negative Laduug, 
ein neues physiko-chemisches Moment zur Unterscheidung von Para-B¬ 
und Fleischvergifterbazillen. — 3) Durch Behandlung der Bakterien mit 
Chinin. hydrochl. tritt vollstandige Agglutination aller Bakterien ein. — 
4) Das Zustandekommen der Agglutination ist abhangig von der Globulin- 
konzentration. — 5) Die Hamagglutination ist identisch der Bakterien- 
agglutination. — 6) Durch Aufbewahren des Serums auf Eis fallen die 
Globuline aus, die Agglutination kommt nicht zustande. — 7) Das typhose 
Blut ergibt sowohl Widal-Reaktion als auch rasche Hamagglutination. 
— 8) Zur Feststellung eines Typhus oder einer Ruhr kann die Widal- 
Reaktion nicbt als sicheres Diagnostikum herangezogen werden, da oben 
besagte Krankheiten auch Typhus- oder Ruhr-Widal-Reaktionen er¬ 
geben. Neben klinischen Symptomen kommt nur der kulturelle Nach- 
weis von Bakterien in Frage. 



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A del man u, Tuschekult#methode und Teilungsvorgange bei Bakterien. 401 


Zum Schlusse spreche ich dem Direktor des hygienischen Institutes, 
Herrn Professor Dr. Muller, fiir die Ueberlassung der BakterienstSmme 
meinen verbindlichsten Dank aus. 

Literatur. 

Bechhold, Zeitschr. f. phys. Chem. Bd. 48. 1904. S. 885. — Bordet, Ann. 
Instit. Pasteur. T. 13. 1899. p.225. — Cernowodeanu u. Henri, Compt. rend. Soc. 
Biol. T. 61. 1906. p. 200. — Eisenberg, Centralbl. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 83. 1919. 
8. 472 u. 561. Bd. 82 u. 69. — Fahraus, Hygiea. 1918; ferner Biochem. Zeitschr. 
Bd. 89. 1918. — Derselbe, Hamburg. Tagung d. dtsch. phys. Gee. 1920; Biehe Ber. 
iiber gesamte Physiol. II. 8. 178. — v. Fellenberg u. Doll, Zeitschr. f. Geburtsh. 
u. Gyn. Bd. 75. — Gyorgy, Miinchen. med. Wochenschr. Jg. 68. 1921. 8. 805. — 
Hausherr, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. 1921. H.2. — Hober, Physik. 
Chemie der Zelle u. Gewebe. — Derselbe, Pfliigers Arch. Bd. 101. 1904. 8. 607; 
1904. S. 196. — Derselbe, Hamburg. Tagung der Dtsch. Phys. Ges. 1920; siehe Ber. 
iib. d. ges. Physiol. Bd. 2. 8.178. — Landsteineru. Jagic, Wien. klin. Wochenschr. 
1904. Nr. 3; ferner Miinchen. med. Wochenschr. 1904. S. 27. — Lillie, Amer. Journ. 
of Physiol. Vol. 8. 1903. p. 273. — Linzenmeier, Pfliigers Arch. Bd. 181. 1920. — 
Derselbe, Ibid. Bd. 166. 1921. — Derselbe, Biochem. Zeitschr. Bd. 86. 1918. — 
Loeper u. Tonnet, La predominance de la globuline dans le s6rum des canc6reux. 
(Progr. mdd. T. 47. 1920. p. 397. — Loewenthal u. Bertkau, Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Orig. Bd. 83. 1919. — Loewenthal, Zeitschr. f. Immunitatsforsch. Bd. 30. 

1920. — Schiff u. Roser, Monatsschr. f. Kinderheilk. Bd. 19. 1920. 8. 15—20. — 
Teagne u. Buxton, Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 57. 1906. 8.76. — Vorschiitz, 
Jos., Untersuch. iiber Agglutination u. Sediment, von Bakterien. Pfliigers Arch. Bd. 186. 

1921. H. 4—6. — Derselbe, Ruhestrom und Durchlassigkeit. Pfliigers. Arch. Bd. 189. 
H. 4—6. — Derselbe, Ruhestrom u. Durchlassigkeit. II. Mitt. — Vorschiitz, 
Joh. u. J o 8 ., Die Bedeutung der Ham- und Bakterienagglutination im erkrankten Blut. 
(Mitt. a. d. Grenzgeb. d. inn. Med. u. Chir. 1922.) 


Naohdruok verboton. 

Tuschekulturmethode und Teilungsvorgange bei Bakterien. 

[Aus dem Hygienischen Institut der Universitat Kiel (Direktor: Prof. 

Dr. K. KiBkalt).] 

Von Leonid Adelmann. 

Mit 7 Abbildungen ira Text. 

Kisskalt gab 1918 eine Tuscheinethode>) an, am Teilungsvorgange 
bei Bakterien auf festem Nahrboden gut sichtbar zu machen. Die von 
KiBkalt und Ber end an Diphtheroiden 1 2 3 ) erzielten Resultate schienen 
geeignet zu sein, diese Methode technisch weiter auszubauen uud sie 
zum Studium der Morphologie und Physiologie von Bakterien, insbesondere 
von Schraubenbakterien, brauchbar zu machen. Dieser Anregung KiB- 
kalts folgend, befaBt sich der I. Teil der Arbeit mit der Technik der 
Tuschekulturmethode, der II. Teil mit einigen damit erzielten Rosultaten. 

I. 

FuBend auf Burris Tuschepunktmethode*), die zur Isolierung von Bakterien aus 
finer einzigen Zelle dient, modifizierte KiBkalt diese Methode folgendermalien: Er 

1) Fischer, KurzgefaBte Anleitung zu den wichtigeren hygienischen und bakterio- 
logischen Untersuchungen. 3. Auflage, bearbeitet von KiBkalt. Berlin 1918. 

2) KiBkalt, K., u. Ber end, Untersuchungen iiber die Gruppe der Diphthe¬ 
roiden (Corynebakterien). Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 81. 8. 444. 

3) Burri, K., Das Tuscheverfahren. Jena, G. Fischer, 1909. 

Knt* Abt. Orig. B< 1 . 88. Heft 5. 26 


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402 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. OrigidMe. Bd. 88. Heft 5.. 

verstrich moglichst diiun eine Oese voll von Agar, der auf 60° abgekiihlt wurde, auf 
einem Deckglaschen. Nach dem Erstarren des Agars wurde ein Tropfen konzentrierter 
Tusche, die mil Diphtheriebazillen infiziert war, mit einer schwach gebogenen Platin- 
nadel auf der Oberflache des Agars verstrichen. Das so vorbereitete Deckglaschen wurde 
unter Vaselineverschlufi auf einem hohlen Objekttrager montiert. War die Agarschicht 
diinn ') genug ausgebreitet und die Kultur schnell angelegt. und montiert, so resultierte 
ein Bild, das die Diphtheroiden hell auf dunkel getontem Grunde zeigte und ihre Be- 
obachtung im heizbaren Mikroskopschrank ohne jede Anstrengung fur das Auge zulieC. 

In der Schnelligkeit des Arbeitens liegt aber auch eine gewisse Schwierigkeit der 
Methode, weil die diinn verstrichene Agarschicht dazu neigt, schnell auszutrocknen. 
Dazu kommt noch eine oft beobachtete, unangenehme Eigenschaft des Agars, welche 
ein Ausflocken der Tusche bewirkt, eine Erscheinung, auf die Burri 3 ) bereits hin- 
gedeutet hat und die zu beseitigen ich vor Kenntnisnahme der Originalarbeit Burris 
lange Zeit vergeblich versuchte. 

Auch O. Schubert 3 ) bediente sich der Burrischen Tuschepunktmethode, um 
Koloniebildungen von Bakterien zu beobachten. Abweichend von Burri, lafit er 
auf einem Objekttrager Agar erstarren, den er mit infizierter Tusche punktweise be- 
impft. Die auf Agar abgesetzten Tuschepunkte bedeckt er dabei nicht mit einem Deck¬ 
glaschen, er beobachtet vielmehr seine Kulturen nur mit einem starken Trockensystem. 
Um ein allzu schnelles Eintrocknen der Agarschicht zu vermeiden, ist Schubert ge- 
zwungen, nach kurzer Beobachtungszeit den Objekttrager in eine feuchte Kammer zu 
verbringen. Es ist mir unverstandlich geblieben, auf welche Weise es Schubert ge- 
lungen sein mag, die Tuschescheibchen moglichst homogen auf dem Agar abzusetzen, 
um klare Bilder zu erhalten, die nach meinen Erfahrungen nur unter ganz bestimmten, 
fur viele Bakterien ungiinstigen Bedingungen erzielt werden konnen. Dariiber weiter 
unten. Schubert gibt, um das Eintrocknen der Agarschicht zu vermeiden, eine 
2. Methode an. Er lafit in der Delle eines hohlen Objekttragers den Agar erstarren, 
dessen Oberflache er mit infizierter Tusche beimpft. Hierauf wird ein Deckglaschen 
unter Paraffinverschlufi derart aufgelegt, dafi es wohl einen luftdichten Abscnlufi be¬ 
wirkt, aber zwischen ihm und dem Nanrboden eine diinne Luftschicht freiliifit, um ein 
ungehindertes Wachstum der Kolonien zu gewahrleisten. Ee lassen sich bei dieser An- 
ordnung ebenfalls nur Trockensysteme mit grofiem, freiem Objektabstand und wohl kaum 
eine Oelimmersion verwenden. 

Seine 3. Methode ist identisch mit der von Kifikalt eingangs angegebenen, ohne 
dafi iibrigens Schubert dessen Arbeit erwahnt. 

Anfangs richtete auch ich mich nach den ublichen Vorschriften Burris 
und stellte von dem Ausgangsmaterial 4 ), in welchem ich vorher im Dunkel- 
feld Spirochaten (Spir. pseudoicterogenes und plicatilis) be¬ 
obachtet hatte, geeignete Verdiinnungen in Tusche her und beimpfte 
damit eine Nahrgelatineplatte. Da das Material arm an Spirochaten 
war und die U n ger m an n sche 5 ) Anreicherungsmethode mir damals aus 
Mangel an sterilem Kaninchenserum miBlungen war, sah ich naturgemaB 
nur in den allerwenigsten Tuschescheibchen Spirochaten liegen, die sehr 
bald von Wasserbakterien iiberwuchert wurden und so der weiteren Be- 
obachtung sich entzogen. Eine Vermehrung der Spirochaten konnte ich 
nicht feststellen. 

Da das Beimpfen der Platte nach Burri immerhin mit einigen Um- 
standlichkeiten verkniipft ist und es nicht darauf ankam, Reinkulturen 
aus Einzelzellen zu gewinnen, ging ich von der strengen Vorschrift 
Burris ab und stellte die Plattentuschekulturen folgenderm Ben her: 
Ich verrieb Bakterienmaterial auf einem Deckglaschen mit einem Tropfen 
Tusche, die vorher im Verhaltnis 1:4 mit Wasser verdiinnt wurde, und 


1) Aus optischen Griinden, weil bei zu dicker Schicht die Bakterien, wegen des 
kurzen, freien Objektabstandes der Oelimmersion unsichtbar bleiben. 

2) Burri, K., Das Tusche-Verfahren. S. 30. 

3) Schubert, Ueber Koloniebildung von Bakterien. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Orig. Bd. 84. 1921. H. 1.) 

4) Algenbelag aus einem zementierten, grofien Wasserbassin des Werkes Ravens- 
berg in Kiel. 

5) Ungermann, E. Mitteil. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamt. 1919. 



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Ad el man n, Tuschekulturmethode und Teilungsrorgange bei Bakterien. 403 

verstrich diesen Tropfen moglichst gleichmaBig mit einer leicht gebogenen 
Platinnadel. Dann setzte ich das Deckglaschen mit einer Kante auf 
eine Gelatineplatte auf und lieB es vorsichtig mit der Schichtseite nacli 
unten auf die Platte falleu. Wenn sich auch die Tusche nach dieser 
Methode nicht auf der ganzen Flache gleichmaBig verteilt, so findet man 
doch bei der folgenden mikroskopischen Betrachtung der Kultur geniigend 
viele Stellen, an denen die Bakterienzellen klar aus dem Untergrunde 
sich herausheben. Nach etwa 4-6 Std. beginnen die Zellen sich zu teilen. 
Im weiteren Verlauf muBte ich jedoch feststellen, daB auf Gelatineplatten 
die Kolonien sich sehr bald nach wenigen Generationen unterhalb der 
Tuscheschicht x ) verbreiteteu und sich immer mehr der Beobachtung ent- 
zogen. und daB bewegliche Bakterien auf Gelatine leicht zur Bewegungs- 
losigkeit verurteilt wurden. 

Dies und die Unmoglichkeit, die Tuschekulturen bei hoheren Tem- 
peraturen als 22° zu beobachten, gab AnlaB, von Gelatineplatten abzu- 
sehen und Versuche mit Agarplatten anzustellen. Dabei stellten sich 
die schon erwahnten Schwierigkeiten ein. Kommt Tusche mit Agar in 
Beriihrung, so flockt die Tusche aus. Die Kohlenstoffpartikelchen, die 
vorher in ultramikroskopischer Kleinheit in der LOsung verteilt waren, 
schlieBen sich meist zu groBeren Verbanden zusammen und bilden grflbere 
Korner, die die kleineren Zellformen iiberdecken und einen unruhigen 
Untergrund ergeben. Nur auf folgende, wenig befriedigende Weise gelang 
es. einigermaBen brauchbare Bilder zu erzielen, indem ich die Tusche- 
kultur erst auf einer Gelatineplatte anlegte und nach einigen Sekunden 
auf eine Agarplatte flbertrug, oder indem ich die infizierte, diinn aus- 
gestrichene Tuscheschicht auf dem Deckglaschen kurz antrocknen lieB 
und dann erst auf die Agarplatte auflegte. Auch ein scharfes Trocknen 
der Oberflache der Agarplatte im Exsikkator fiihrte mitunter zum Ziel. 
Doch werden in alien 3 Fallen die Wachstumsbedingungen fflr empfind- 
liche Bakterion bedeutend verschlechtert. Es ist bedauerlich, daB diese 
Eigenschaft des Agars seine Verwendung fur die meisten Falle aus- 
schlieBt. Versuche, den Prozentgehalt des Agars zu andern, verschiedene 
Zusatze, wie Gelatine, Zucker, Gummi, ergaben ein gleiches negatives 
Resultat. Es sind jedoch weitere Versuche im Gange, um dieses Problem 
zu losen, es werden insbesondere Versuche mit kolloidalen Farbstoffen 
an Stelle von Tusche gemacht. 

Gelingt es selten einmal, eine gute Stelle zu finden, und beobachtet 
man die Entwicklung von Kolonien, so kann man eine gute Eigenschaft 
der frischen AgaroberMche feststellen: die Kolonien bleiben langere Zeit 
bis zum Rande sichtbar. Sie haben nicht die Tendenz, unterhalb der 
Tuscheschicht zu wachsen, die Tusche bleibt auf frisch hergestellten 
flatten flflssig und wird von den Bakterien beiseite geschoben. Auch 
konnen sich viele bewegliche Bakterien in der fliissig bleibenden Tusche 
bewegen. 

Ich fand nun im (Menschen-)Serum, welches ich nach Vorschlag von 
KiBkalt bei 70° C durchsichtig erstarren lieB, einen sehr geeigneten 
Nahrboden fflr die Tuschekulturmethode. Das Serum vereinigt den Vor- 
teil der Gelatine hinsichtlich der guten Verteilung der Tusche und den 
vorher erwahnten Vorzug des Agars. Je nach der Dauer der Behandlung 
des Serums im Thermostaten erreicht man einen trockenen Nahrboden, 
auf dem die Bakterien, gut fixiert, schfln klar aus dem Tuscheuntergrunde 


1) Siehe auch: Burri, Das Tuacheverfahren. 

26 * 


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404 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


hervorleuchten, oder einen feuchten, nicht vollkommen fest erstarrten 
Boden, auf dem die Tusche sich allerdings nicht ganz so klar verteilt, 
aber dafiir den Bakterien groBere Bewegungsfreiheit und schnelleres Wachs- 
tum erlaubt 1 ). Ich bevorzuge meistens eine Serumplatte, die in der 
Giite zwischen beiden steht und nach folgendem Verfahren hergestellt 
wird: 

12—15 ccm Serum werden in eine 10 cm im Durchm. messende 
Petri-Schale mit moglichst planem Boden gegossen, damit die Serum- 
schicht tiberall gleichmafiig dick wird und die Schalen nicht auf dem 
Mikroskoptisch bei der folgenden Beobachtung wackeln. Die Schalen 
werden bedeckt in den zunachst noch kalten Thermoschrank gestellt. Der 
Dreiflammen-Bunsen-Brenner wird so einreguliert, daB die Temperatur 
pro Min. etwa um 1 Grad zunimmt. Nach etwa 50—55 Min. muB die 
Temperatur auf 70° gestiegen sein und 1—D/2 Std. lang dabei gehalten 
werden. Hohere Temperaturen als 70° bewirken, daB das Serum un- 
durchsichtig wird. Die fertige Serumplatte muB moglichst klar sein. 
Sie darf in der Durchsicht nur schwach opak sein. Mit einer sterilen 
Nadel beruhrt, muB die Oberflache die Elastizitat einer frischen 2-proz. 
Agarplatte zeigen. LaBt sich die Nadel wie in eine frisch gegossene 
10-proz. Gelatineplatte eindrucken, dann verbringe man die Serumplatte 
noch einmal fur V 4 — x / 2 Std. in den Warmeschrank. 

Leider sind die Eigenschaften des Serums hinsichtlich der Erstarrungs- 
zeit nicht immer einheitlich, so daB eine strengere Vorschrift nicht ge- 
geben werden kann. Ziegenserum, das einige Male zur Verfiigung stand, 
zeigt meistens eine gute Oberflache nach dem Erstarren, dagegen weist 
Rinderserum eine sonderbare grieBliche Oberflache auf, auf der die Tusche 
sich schlecht verteilt. Eine unangenehme Eigenschaft des Menschen- 
serums muB noch erwahnt werden: Man findet auf der Oberflache haufig 
mikroskopisch fein verteilte Fett- oder Schleimtropfchen, die aus der 
Tuscheschicht als hellgianzende, runde oder zerkluftete Gebilde hervor- 
treten und Anfangern leicht Amoben, Kokken und Stabchen vortauscheu, 
doch lernt man sehr bald diese Gebilde von Bakterien zu unterscheiden, 
da sie meistens eine leichte graue Tonung und Brownsche Molekular- 
bewegung der Tuscheteilchen zeigen. Bei denBeobachtungenmuB 
man jedoch immer sich dieMoglichkeit vorAugen halten, 
daB diese Gebilde zu versehiedenen Tauschungen AnlaB 
geben konnen. Es gelingt, die Fetttropfchen durch 2maliges Abspiilen 
mit 2—3 ccm Aether oder Chloroform und nachfolgendes Verdunsten- 
lassen wahrend 2 Std. zum groBten Teil von der Platte zu beseitigen, 
nur muB man beachten, daB durch dieses Verfahren die Oberflache etwas 
trockener wird. Das Menschenserum war wassermann-negatives Serum 
aus dem hiesigen Untersuchungsaint. Es war sehr haufig verunreinigt. 
Doch spielte diese Veruureinigung fur die Methode meistens eine unter- 
geordnete Rolle; sie zeigte sich einmal sogar unentbehrlich, well eine 
Mundspirochate auf sterilem Nahrboden sich ohne die Tatigkeit fremder 
Bakterien nicht zu entwickeln vermochte. 

Zur Anlage von Tuschekulturen benutze ich in der Regel Deck- 
giaschen von 18 X 18 mm. Auf ein steriles Deckgiaschen verbringe man 
bei richtig abgestimmtem Serum ein Tropfchen 1:1 mit Wassser ver- 
diinnter Tusche, bei sehr trockenem Serum 2 Tropfen derselben Ver- 


1) Auf feuchten Serumplatten erscheinen die Bakterien erst nach 5—10 Min. klar 
aus dem Tuschegrund. 


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Adelmann, Tuschekulturmethode und Teilungsvorgange bei Bakterien. 405 


diinnung und bei relativ feuchtem Serum 1 Tropfen unverdiinnter Burri- 
Tusche. Die Platinose hat einen Durchmesser von 2 mm. Wird Material 
festem N&hrboden entnommen, so diirfen nur kleinste Spuren im Tusche- 
tropfen verrieben werden. Bei der Entnahme von Bakterienmaterial rnit 
einer Platinose aus waBrigen Suspensionen, insbesondere bakterienarmen 
Fliissigkeiten, ist es n5tig, mit unverdiinnter Tusche zu arbeiten, da die 
Tusche durch den Tropfen verdiinnt wird. In der Durchsicht soli der 
Ausstrich eine mittelbraune Tonung haben. Dabei ist zu beachten, dafi 
stark salzige, saure Oder stark alkalisch reagierende Fliissigkeiten 1 ) 
(z. B. Jauche) die Tusche zum Ausflocken bringen, daher geeignete Ver- 
diinnungen vorher anstellen oder nur Spuren von der Flussigkeit in die 
Tusche verbringen. Die ausgestrichenen DeckgBLschen legt man mit der 
notigen Vorsicht auf die Oberflache der Serumplatte und vermeide Luft- 
blasen miteinzuschlieBen. Derart hergestellte „Platten-Tuschekulturen u 
werden sofort auf ihre Brauchbarkeit mit der Oelimmersion untersucht. 
Hat man eine interessante Stelle gefunden, die man langere Zeit zu be- 
obachten wiinscht, so bleibt die Schale gleich unter dem Mikroskop. Nur 
benutze man die Vorsicht, wenn die Zimmerluft sehr trocken ist, oder 
wenn man bei Bruttemperatur arbeitet, neben die Tuschekultur von Zeit zu 
Zeit einen Tropfen Wasser zu setzen. Doch vermeide man, daB das 
Wasser den Deckglasrand benetze. Ein Streifen von FlieBpapier, das man 
auf die Serumplatte.auflegt und mit Wasser benetzt, erflillt den gleichen 
Zweck besser. Die angelegten Kulturen sind mehr oder weniger anaerob; 
nach den R&ndern zu nimmt der Sauerstoffgehalt zu. Durch die Wahl 
der DeckglasgrSBe hat man es in der Hand, die Kultur dem Sauerstoff- 
bedurfnis anzupassen. Soil der Sauerstoff noch besser ferngehalten werden, 
dann iibergieBe man die ganze Platte mit Paraffinbl, das auch das Deck- 
glaschen bedeckt 2 ). (Vorher das Zedernol mit einem Tropfen Xylol und 
FlieBpapier entfernen.) An Stelle des Zedernols tritt hier das Paraffin- 
ol als Immersionsol, das allerdings die Abbildungsgflte der Optik in 

etwas herabsetzt, da die Brechungsindices von _ ^ a . r ^ D ^ . s j c i) ver . 

Zedernol 


halten wie 


1,4805 
1,51 1 


Die Verschlechterung liiBt sich jedoch noch er- 


tragen. 

Die infizierte Tusche braucht nicht immer auf dem Deckglascheu 
verstrichen zu werden. Man kann ebenso gut eine Oese voll konzentrierter 
Tusche auf der Serumplatte absetzen und mit einem kleinen Drigalski- 
Spatel, den man sich aus einer Kapillare anfertigt, oder mit der schmalen 
geschliffenen Kante eines Objekttragers verstreichen. Oft kann es bei 
aeroben Kulturen vorteilhaft sein, auf der Serumplatte nach dem iiblichen 
Verfahren mit einer Platinnadel oder einem kleinen Drigalski-Spatel 
einen Ausstrich anzulegen, den man erst nach mehreren Stunden mit 
einem mit steriler Tusche bestrichenen Deckgliischen bedeckt. Die so 
hergestellten Praparate sind meistens ganz besonders klar und deutlich, 
weil die Tuscheschicht sehr gleichmSBig verteilt liegt. Das Absetzen 
von stark infizierten Tuschepunkten mit einer Zeichenfeder nach dem 
Verfahren von Burri hatte eventuell den Vorteil, daB man bestimmte 
Stellen markieren und leichter auffinden kann. Haben sich Kolonien von 


1) Auch Verunreinigungen (lurch Gelatine- und Agarbestandteile bewirken ein 
Augflocken. 

1) Dadurch wird auch ein Austrocknen der Schicht vermieden. 

2) En/.vklopadie der mikroskop. Technik. 


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406 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 5. 


der gesuchten Bakterienart entwickelt, dann lassen sich Klatschpraparatc 
herstellen, sobald man das Deckgl&schen vorsichtig mit einer Pinzette 
vom N&hrboden abhebt, mit Formalin oder Osmium rSuchert und trockuen 
laBt. Eine nachtragliche Farbung 1 ) mit 1:5 verdiinntem Karbolfuchsin 
oder nach Giemsa liefert oft sehr instruktive Bilder. Von sehr feuchtem 
Serum miBlingen mitunter DauerprSparate. 

Sollten jedocli streng aerobe oder anaerobe Verhaltnisse geschaffen 
werden, dann muB man auf die allererste Methode von KiBkalt zu- 
rtickgreifen. Gelatine oder Agar erstarren ohne jede Schwierigkeiten 
auf dem Deckglaschen, bei Serum gelingt dies nicht ohne weiteres, weil 
das Serum bei 70° kugelformig erstarrt und vom Rande aus eintrocknet. 
LaBt man das Serum in einer groBen, feuchten Kammer 2 ) erstarren, so 
kann dieser Fehler vermieden werden. Wie schon friiher erwahnt, 
mflssen aus optischen Grunden Deckglaschen und Nahrboden moglichst 
dtinn sein. Beides darf zusammen 0,18 mm nicht iiberschreiten. Man 
beobachtet hierbei die Bakterien durch das Deckglaschen und den Nahr¬ 
boden hindurch. Oft sind nur wenige Stellen brauchbar. Fur Anaerobier 
verwendet man an Stelle des gewohnlichen hohlen Objekttragers eine 


«- -20 



Fig. 1. Fig. 2. Spatel aus Aluminiumblech. 

Schultzesche Kammer 3 ), in deren vertiefte Rinne das sauerstoff- 
absorbierende Mittel, ein Tropfen konzentrierte PyrogallussSure und ein 
Tropfen Kalilauge, gebracht wird. Da der Platz zwischen Deckglas und 
Boden bei der Schultzeschen Kammer fiir die folgende Methode zu 
knapp bemessen ist, habe ich eine geeignete Kammer 4 ) angefertigt, deren 
Einzelheiten aus Fig. 1 zu ersehen sind. 

Mit Vorteil habe ich ferner eine Ab&nderung, „die h&ngende Tusche- 
kultur“, getroffen, die optisch einwandsfreieres Beobachten und ein ruhiges 
Arbeiten gestattet. Fiir diese Methode wird die obige Kammer und ein 
diinnwandiges Messingrohr von 10 mm Durchm., z. B. die Schutzlnilse 
eines Fieberthermometers oder ein Korkbohrer von gleichem Durch- 
messer, benotigt. Ferner stellt man sich einen geeigneten schmalen 
Spatel her, z. B. aus 1,5—2 mm dickem Albuminiumblech, das man an 
einem Eude platthammert, moglichst diinu zufeilt und ihm eine Form 
nach Fig. 2 gibt. Mit dem in der Flamme sterilisierten Rohr sticht 

1) Burri, a. a. O. S. 34. 

2) Auf Vorschlag von KiBkalt. 

3) Kaiser, W., Technik des modernen Mikroskops. Wien 1906. S. 361. 

4) Es ist moglich, daB eine iihnliche Kammer von anderer 8eite schon angegeben 
worden ist. 



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A cl e 1 m a n n, Tuschekulturmethode und Teilungsvorgange bei Bakterien. 407 


man aus einer ca. 1—1,5 mm dicken Serumplatte (Gelatine Oder Agar) 
ein rundes Scheibchen aus, das man mit dem sterilisierten Spatel heraus- 
hebt und vorlaufig, vor Verunreinigung geschiitzt, in der Petri-Schale 
zugedeckt liegen laBt. Dann umrandet man die Oeffnung der Rammer 
mit einem Vaselinewall und bringt in die Mitte eines groBen Deckglases 
von ca. 24 X 24 mm Flache einen Tropfen konzentrierter B urri-Tusche, 
in welchem man eine Spur von Bakterienmaterial verreibt und auf eine 
Flache von 8 mm Durchm. verstreicbt. Dann holt man den Spatel mit 
dem Serumplkttchen hervor, erhitzt eine Nadel und beruhrt damit die 
Kante des Scheibchens, welches an der Nadel haften bleibt, zieht sie 
mit der Nadel ab, l&Bt sie auf die Tuscheflache fallen und lost schlieBlich 
das Scheibchen mit dem Spatel von der Nadel ab. Sollte die Tusche 
in der Mitte des Scheibchens zusammenlaufen, dann laBt sie sich durch 
leichten Druck mit dem Spatel Oder der Nadel etwas gleichm&Biger ver- 
teilen. Das Deckglas mit dem runden Scheibchen nach unten, das durch 
Adhasion haften bleibt, wird auf die Rammer gelegt, in deren Rinne 
bei Anaerobiern je 1 Tropfen Pyrogalluslosung und Ralilauge neben- 
einander gesetzt werden. Liegt das Deckglas gut abgedichtet auf der 
Kammer, dann neigt man letztere vorsichtig, bis die beiden Tropfen 
zusammenlaufen*). Fig. 3 zeigt einen 
Schnitt durch eine hangende Tusche- 
kultur. 

Bei dem geringen Luftvolumen der 
Kammer (etwa 0,6—0,8 ccm) und der 
geringen Dicke des Scheibchens wird der 
Sauerstoff schnell absorbiert. Anderseits 
ist zu erwarten, daB luftliebende Bak¬ 
terien durch die Serumschicht hindurch 
geniigend Sauerstoff erhalten, wenn man 
die Sauerstoff absorbierende Mischung 
weglaBt. Wird die Rammer bei hoheren 
Temperaturen gehalten, z. B. in dem 
heizbaren Mikroskopschrank, dann emp- 
fiehlt es sich, die Rknder des Deckglaschens mit Paraffin (Schmelzpuukt 
60—70°) oder mit Deckglaskitt nach Rronig 1 2 ) zu uinranden, urn zu 
verhindern, daB bei groBen Temperaturschwankungen Luft durch den 
iiussig gewordenen VaselineverschluB in die Rammer ein- oder austritt. 

Bei der hSngenden Tuschekultur erfolgt die Beobachtung mit der 
Oelimmersion nur durch das Deckglas hindurch. Die Bakterien liegen 
in der Tuscheschicht zwischen Deckglas und Nahrboden; man hat also 
ein ebenso gutes optisches Bild wie bei der Plattentuschekultur, auBer- 
dem ist diese Methode sparsam im Gebrauch. 

Fflr das Arbeiten mit Tuschekulturen mogen noch einige Hinweise 
gegeben werden, die der Erfahrung entspringen und unnotigen Zeitauf- 
wand und Miihe ersparen sollen: 

1) Man untersuche auch die Nachbarschaft des Deckglslschens, in- 
dem man ein mit Tusche bestrichenes kleines Deckglaschen neben das 
erste legt. Aerobe Spirillen, Vibrionen und Spirochiiten verlassen mit- 
unter die Tuschekultur und verbreiten sich, makroskopisch oft unsichtbar, 
mit grofier Geschwindigkeit in deren Nachbarschaft. Auf diese Weise 


1) Kolle u. Wassermann, Anaerobe Kultnren. Bd. 1. 

2) Enzyklopadie d. mikrosk. Technik. 1910. S. 205. 



Fig. 3. Hangende Tuschekultur. 
a — Objekttrager (Messing), b = 
PyTogallussaure und Kalilauge, rf = 
rundes Deckglaschen, 15 mm, D = 
Deckglaschen 24 X 24 mm, V — 
Vaselineverschlufi, t = Tusche¬ 
schicht, s = Seru mscheibchen. 


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408 


Centralbl. f. Bafet. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


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gelangen mir Klatschprhparate einer Mundspirochate (Spiroch. recta) 
fast rein, ferner die Reinkultur eines neuen Spirillum kiliense aus 
Abwasserschlamm, beides auf Serumplatten. — 2) Sollte die Tusche- 
schicht einmal zu diinn geraten sein, oder aerobe Bakterien Neigung 
zeigen, infolge von O-Mangel zu erstarren, dann verstreicht man auf 
einer neuen Stelle der Serumplatte einen Tropfen konzentrierte Tusche 
mit einem kleinen Drigalski-Spatel und iibertr&gt darauf schnell das 
alte Deckglaschen. — 3) Klatschpraparate miBlingen mitunter auf Serum- 
boden bei vorausgegangenem kr&ftigen Wachstum oder bei verfliissigenden 
Bakterien, zum mindesten bekommt man nicht die charakteristische 
Kulturform auf das Deckglaschen, weil die Bakterien beim Abheben des 
Deckglaschens leicht disloziert werden. Man versuche, ein 2. und 3. 
Klatschpriparat von derselben Stelle anzufertigen. — 4) Nach der Be- 
obachtung mit einer Oelimmersion empfiehlt es sich, sofort auf das 
Deckglaschen einen Tropfen Xylol zu geben und diesen Tropfen mit diinnem 
Filtrierpapier aufzusaugen. BelaBt man das Zedernol auf dem GlGschen, 
dann bildet das verdunstende Wasser aus dem N&hrboden eine zahe 
Emulsion mit dem Zedernol, das sich mit Xylol viel schwieriger be- 
seitigen l&Bt. — 5) Zwecks spaterer Beobachtung stelle man die Serum¬ 
platte mit dem Deckel nach unten weg. Bei hoher Zimmertemp. und 
bei 37° im Thermostaten ist es vorteilhaft, in dem Deckel ein Stuck 
angefeuchtetes Filtrierpapier unterzubringen, das man von Zeit zu Zeit 
wieder frisch anfeuchtet. Auch stelle man ein otfenes Schalchen mit 
Wasser in den Thermostaten. Bei langer andauernden Pausen durfte 
ein VerschluB mit Plastilin zu empfehlen sein. — 6) Man hiite sich, das 
Deckglaschen, insbesondere auf Gelatineplatten, zu verschieben, weil das 
Bild darunter leidet. — 7) Man wahle Deckglaschen, die nicht dicker 
sind als 0,17 mm. Bei dickeren Glasern ist das Pr&parat leicht ge- 
fahrdet. — 8) HSngende Tuschekulturen miBlingen oft bei Bakterien, 
die das Serum verflussigen; der N3.hrboden fiillt ab. Auch bei feuchtem 
Serum im Thermoschrank geschieht es mitunter, daB die Tuscheschicht 
durch Kondenswasser verdtinnt wird und an den Rand abflieBt. Hier- 
durch wird der Kontrast des Bildes verschlechtert. Trockener Serumboden 
zeigt diesen Fehler nicht in dem MaBe. — 9) Das Abimpfen einer Roh- 
kultur erfolgt auf folgende Weise: Man hebt das Deckglaschen von der 
Platte ab und fugt je 1 Tropfen sterilen Wassers oder physiol. NaCl- 
Losung schnell erst auf die Tuscheseite des Deckglaschens und dann 
auf die vorher bedeckt gewesene Stelle der Platte. Von beiden Stellen 
impft man ab, da die gesuchten Kulturen bei Serum mitunter nicht 
am Deckglaschen haften bleiben und man nicht weiB, wo die gesuchten 
Bakterien sich befinden. — 10) Mitunter gerat das Serum in der Durch- 
sicht nicht nach Wunsch, dann geniigt oft nicht das Tageslicht fur die 
Beobachtung der Kulturen. Man inuB dann zu kunstlichem Licht greifen. 
Eine mattierte 70 Watt Spiraldrahtlampe hat mir gute Dienste geleistet. 
— 11) Da die Abbildung der Lichtquelle bei hochwertigen Kondensoren, 
z. B. bei dem aplauat. achromatischen Kondensor von Leitz, 1,2 mm 
iiber der Oberflache des Objekttisches erfolgt, die Nahrbodenoberflache 
aber etwa 4—5 mm uber der Tischkante sich befindet, so wird der di- 
vergente Lichtkegel oft nicht genugend das Objekt beleuchten, deswegen 
ist zu empfehlen, statt mit dem planen mit dem hohlen Spiegel zu 
arbeiten, der etwas mehr Licht liefert. Kondensoren mit langer Brenn- 
weite geben viel mehr Licht her. 

Die Vorteile, die die Tuschekulturen bieten, sind folgende: 


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Ad elm an n, Tuschekulturmethode und Teilungsvorgange bei Bakterien. 409 


1) Die Beobachtung erfolgt ohne jede Anstrenguug fur das Auge 
selbst bei st&rkster VergrbBerung mit der Oelimmersion, kr&ftiges Licht 
vorausgesetzt. Die bisher viel gebrauchte Methode der Beobachtung im 
b&ngenden Tropfen bei zugezogener Blende ist ffir die Dauer sehr er- 
mfldend. — 2) Die Bakterien konnen unter aeroben und anaeroben Ver- 
haltnissen auf festem Nahrboden beobachtet werden. Erstarrtes Serum 
kommt als ganz besonders geeigneter Boden fur eine grofie Anzahl von 
Bakterien in Betracht, deren Bewegungsmodus mit in den Kreis der 
Beobachtung eingeschlossen werden soil. — 3) Auf Serumboden wird 
die Beweglichkeit der Bakterien nicht in dem MaBe herabgesetzt, wie 
bei Gelatine. Die optische Abbildung ist einwandsfrei, weil die Bakterien 
nur durch das Deckgl&schen betrachtet werden. Die Bakterien liegen 
praktisch immer in derselben Ebene. Man braucht nicht zu befflrchten, 
daB sie, wie im hSngenden Tropfen Oder bei einem Dunkelfeldprdparat, 
im ungeeigneten Moment untertauchen und sich so der Beobachtung 
entziehen. — 4) Man kann die Entwicklungsstadien viele Stunden bis 
tagelang verfolgen und die Vorgange mit dem Zeichenapparat nach- 
zeichnen oder auf photographischem Wege festhalten, wobei sehr kon- 
trastreiche Bilder hergestellt werden konnen. — 5) Nach dieser Methode 
lassen sich leicht Fruhdiagnosen feststellen, ob ein Bakterium auf dem 
gew&hlten Nahrboden sich zu entwickeln vermag. Mitunter kann das 
wertvoll werden beim Studium mit Spirochaten, die haufig lange Ent- 
wicklungszeiten haben. Insbesondere kann die Methode die Entscheidung 
beschleunigen, ob bestimmte Zusatze zum Nahrboden fflr das Wachstum 
der betreffenden Bakterien geeignet sind. 

II. 

Im folgenden sollen einige Resultate mitgeteilt werden, die nach 
der Tuschekulturmethode erhalten wurden. Sie machen keinen Anspruch 
auf Vollstandigkeit, weil es in der Hauptsache darauf ankam, die Brauch- 
barkeit der Methode an einer Anzahl Bakterien auszuprobieren. 

1) Der Hirnwindungsbazillus. Das Wachstum des Hirn- 
windungsbazillus wurde aus einer Zelle auf Agar bei Bruttemperatur 
verfolgt. (Es gelang, eine brauchbare Stelle in der Tuscheschicht auf 
Agar zu finden.) Alle 5—10 Min. erfolgten Liingenmessungen. Der 
Bazillus zeigt ein bipolares Spitzenwachstum. Das Auftreten von Scheide- 
wSnden in der wachsenden Zelle l&Bt sich deutlich erkennen. Die Scheide- 
wand tritt nicht immer in der Mitte der Mutterzelle auf 1 2 ). Trfigt man 
die Gesamtlange des Fadens in Abhdngigkeit von der Wachstumszeit 
in ein Koordinatensystem ab, so kann man die interessante Tatsache fest¬ 
stellen, daB kurz nach dem Entstehen einer Scheidewand ein be- 
schleunigtes Wachstum auftritt. Bemerkenswert ist auch die Bildung 
von parallel laufenden Scheinfiden. Ein Faden wdchst mit einer ge- 
wissen Geschwindigkeit, bis das eine Ende auf ein Ilindernis stbBt. Es 
tritt an einer Stelle des Fadens eine Stauchung*) auf, und es folgt ein 
Zerbrechen an dieser Stelle; die beiden Teilstiicke schieben sich anein- 
ander vorbei und wachsen jedes fur sich dicht nebeneinander weiter, 
bis eine erneute Stauchung und Zerbrechen eintritt. Je nach den Wider- 


1) Benecke, W., Bnu und Ijeben an Bakterien. Leipzig u. Berlin, Teubner, 
1912. S. 157. B. bezeichnet eine ahnliche Erscheinung, die von S wellengrebel bei 
It a c. maximus buccal is (Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 16. 1906. S. 614) bc- 
obachtet wurde, als terminales Wachstum. 

2) Siehe auch 0. Schubert, a. a. O. 


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410 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 

stSnden tritt eine mehr minder starke Biegung der Scheinfaden ein. die 
sich zu regelmhBig angeordneten Windungen lagern und schlieBlich ein 
Bild ergeben, das zum Namen Hirnwindungsbazillus fiihrte. 

2) Proteus vulgaris. Die von Schubert 1 2 ) initgeteilten Er- 
gebnisse iiber Proteus X19 kann ich auch fur Proteus vulgaris 
bestdtigen, der ebenfalls Spiralen und kurze Scheinfaden (Ketten) bildet. 
(Tuschekultur auf Serumplatte.) 

3) Corynebacterium diphtheriae. Die von KiBkalt und 
Berend beobachtete Knickstellung bei Di.-Bazillen nach erfolgter Teilung 
wurde an den Randpartien von Di.-Kolonien beobachtet. Die Di-Bazillen 
wurden auf Agar ausgestrichen, bei 37 0 Temp, bebriitet und erst nack 
ca. 24 Std. mit einem mit Tusche versehenen Deckgiaschen bedeckt und 
im heizbaren Mikroskopschrank beobachtet. 

4) Knickstellung bei einem Wasserbakterium. Tusche¬ 
kultur auf Serumboden aus faulendem SiiBwasser angelegt. 

Ein mir unbekannter Bazillus von 3—4 /x Lange mit etwas ver- 
jiingten Enden, gewohnlich als Doppelzelle auftretend, zeigte einen ahn- 
lichen Teilungsvorgang, wie die Di-Bazillen. Bei einer Zelle, Fig. 4, 
konnte ich die merkwiirdige Beobachtung machen, daB zunachst, nach 
erfolgter Streckung, das Stabchen einknickte und fast zu einem rechten 
Winkel sich bog. Offenbar miBlang aber eine Trennung der beiden 
Tochterzellen, denn die Schenkel des Winkels fingen an, sich wieder 

auszustrecken und nach der anderen 
Seite sich durchzubiegen. Nach 
kurzer Zeit brach das Stabchen ent- 
zwei, worauf erst die eine, dann die 
andere Tochterzelle fortschwamm. 
Man kdnnte, wenn aus einigen weni- 
gen Beobachtungen Schliisse gezogen werden diirfen, daraus entnehmen, 
daB die Knickstellung eingenommen wird, um die Trennung der Tochter¬ 
zellen durch eine Hebelwirkung zu befordern. H&ufig sieht man auch 
Spirillen z ) Knickstellungen wahrend des Teilungsvorganges einnehmen. 

5) Spirochaeta recta Gerber (buccalis?). Eine Tusche¬ 
kultur, aus dem Eiter einer leichten Alveolarpyorrhoe stammend, wurde 
auf einer, durch Bakterien verunreinigten Serumplatte angelegt. Sie 
zeigte nach etwa 24 Std. eine typische flexible Spirochate in lebhaftester 
Entwicklung. Zwischen den Kolonien verschiedener Eitererreger be- 
wegten sich die Spirochaten in flottestem Tempo schlangenartig vor und 
zurfick. Sie hatten mit der steifen, gedrechselten Schraubenbewegung 
der Spir. dentium nichts gemein, lieBen aber auch die typische form- 
veranderliche 3 ) und schraubende Bewegung der Spir. buccalis ver- 
missen. Spirillum sputigenum, das wesentlich dicker ist, kam 
nicht in Frage. 

Die sehr unregelmaBigen, teils flachen, teils zerknitterten Windungen 
treten nur im Leben auf. Im Klatschpraparat sieht man bei vereinzelt 
liegenden Zellen wenig davon; hier treten nur gestreckte Oder schwach 
gebogene und gekrummte Formen auf. Liegen die Zellen dicht neben- 
einander, dann sieht man starke. Verschlingungen (Fig. 5). Bei der 
auBerordentlichen Beweglichkeit der Recta kann man von einer Kolonie- 

1) Schubert, O., a. a. O. 

2) Benecke, Bau und Leben der Bakterien. Leipzig u. Berlin (Teubner) 1912. 
S. 158. 

-3) Aliihlens, P., u. Hartmann, Zeitschr. f. Hyg. 1906. S. 94. 


IK(I>» 

Fig. 4. Knickstellung wahrend der 
Teilung bei einem Wasserbazillus. 


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Ad el m an n, TuBchekuIturmethode und Teiluugsvorgange bei Bakterien. 411 


und Randbildung der Kolonie unter dera Deckglas selbst schlecht sprechen. 
Hochstens in der Umgebung des Deckglaschens, wo bei einigermaBen 
feuchtera Zustande des Nahrbodens die Spirochaten sich ausbreiten, kann 
man mit der Lupe bei streifender Beleuchtung ein auBerst zartes, am 
Rande zerkliiftetes Hautchen sehen, das die Spirochaten fast in Rein- 
kultur enthait. Nach etwa 2 Tagen bedeckte die Kolonie eine Oberflache 
von 3X3 qcm. An den Randpartien konnte man Einrollungen be- 
obachten. Der Nachweis der Ausbreitung gelang durch Zufall, als in 
der Nachbarschaft eine neue Tuschekultur angelegt wurde. 

Der Nahrboden war durch die Verunreinigung von Begleitbakterien 
leicht peptonisiert. Aus dem Auftreten der Recta auBerhalb des Deck¬ 
glaschens kann geschlossen werden, daB sie aerob wachst. Leider miB- 
lang ein Ueberimpfen von reinem Material auf steriles Serum. Die 
Kulturen gingen nicht an. Nur 3mal noch gelang es kurze Zeit nach- 
her, im Februar 1920, die Recta 
frisch zu kultivieren, einmal davon 
auf sterilem Rinderserum, wobei 
aber Begleitbakterien mit iiberge- 
impft wurden, seitdem nicht wieder. 

Die Kulturen gingen bei Bruttem- 
peratur und bei Zimmertemperatur 
an. Es wurde versucht, aus dem 
ersten Nahrboden ein spezifisches 
Begleitbakterium zu isolieren, in 
dessen Gesellschaft ich hoffte, die 
Recta wieder zum Angehen zu 
bringen, aber auch diese Versuche 
und andere mit verschiedenen Zu- 
satzen*) zum Serum, wie Sublimat, 

Natriurasulfid, Zitronensaure; 1 2 ), Pep- 
ton, Pepsin und a. m., schlugen 
fehl. Dies ist auch die Ursache, 
daB das Studium der Recta nur 
sehr lflckenhaft sein konnte. Doch 
gelang es, verschiedene Dauerpra- 
parate anzufertigen. TDie Lange be- 

tragt in lebhaft sich teilenden Kulturen ca. 10—20 (U, nach einem Klatsch- 
praparat gemessen meistens 10 u, seltener 5 und 15 /ti . Offenbar wird 
durch das Abheben des Deckglaschens der lockere Zusammenhalt bei 
den vorher beobachteten langeren Zellen (bis 20 //) oft zerstort, eine 
Erscheinung, die icfr auch oft bei Spirillenkulturen beobachten konnte. 

Die Dicke betragt bei nach G i e m s a 3 ) gefarbten Praparaten ca. 0,25 n, 
bei Zi ehl- Fuchsinpraparaten ca. 0,25—0,3 // und bei in Tusche gelagerten 
Zellen ca. 0,4 /i. Der Bau der Spirochate entspricht am ehesten der 
Spirochaeta recta Gerber 4 ), der eine Lange von 7— 10 n und 



Fig. 5. Spirochaeta recta. 
Klatschpraparat von einer Plattentusche- 
kultur mit Fuchsin nachgefarbt. Apochr. 
2 mm num. Ap. 1,3 und Komp. Ok. 6 von 
E. Leitz lOCXj/l. 


■ 


1) Auf Anregung von KiBkalt. . 

2) ZitronenBaure scheint die Beweglichkeit der Mundbakterien langere Zeit auf- 
recht zu erhalten, ohne sie jedoch zur Teilung zu veranlaasen. 

3) GiemsaB Azurgemisch fiir Spirochaten (in Kapseln) von Dr. Hoi born, 
Leipzig. 

4) Gande, Die Spirochfiten der Mundhdhle, 1919. — Gerber, Centralbl. f. Bakt. 
Bd. 56. 1900. H. 5 u. 6. — Nach einer ZusammenBtellung aus E. Beyer, Die Spiro- 
chatoeen der Mundhdhle. [DisBert.] Kiel. 


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412 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


eine Dicke von 0,33 /.i angibt und die flache Wellung, gestreckte Form, 
seitliche Kriimmungen und Windungen hervorhebt. 

Die Recta l&Bt sich nach Giemsa-Romanowsky farben, wobei 
man vorteilhaft nach dem Vorgang von Marg. Zuelzer 1 ) 5 Tropfen 
1-proz. Kaliumkarbonatlosung auf 25 ccm der verdunnten Giemsa- 
Losung (15 Tropfen Giemsa auf 25 ccm dest. Wasser) zusetzt. Dauer 
12—24 Std. event, im Thermostaten. Nicht ganz so distinkt, aber schneller 
und intensiver, wirkt frische, 1:10 verdiinnte Karbol-Fuchsinfarbung, 
die man kalt etwa 15 Min., oder schwach angewSrmt etwa 5 Min. auf 
dem Deckglaschen beliiBt. Vor der Fiirbung werden die Deckglaschen 
schnell Formalin- oder Osmiumdampfen ausgesetzt und nach dem Trocknen 
event, lmal durch die Flamme gezogen. 

Im Giemsa- Praparat sieht man 3—8 schwach rot gef&rbte Kornchen 
im schwach rotviolett gef&rbten Protoplasten liegen. Die in Tusche ge- 
lagerten, nach Giemsa oder Ziehl-Fuchsin 2 ) gefarbten Zellen zeigen 
einen gefSrbten Protoplasten in einer ungefarbten Hiille (Periplast) liegen. 
Daher ist auch die Differenz in den Dickenmessungen erklarlich. Der 
Periplast scheint klebriger Natur zu sein. Das ging aus der Beobachtung 
von lebenden Kulturen hervor, in der man sehr oft sehen konnte, dab 
2 sich begegnende Spirochaten nur in der L&ngsrichtung voneinander 
loskommen konnten, eine Erscheinung, wie bei zwei feuchten Glasplatten, 
die nur in Richtung ihrer Ebene voneinander getrennt werden konnen. 

Das grolite Interesse muBte der Teilungsvorgang erwecken. Trotz 
lebhaftester Bewegung der Spirochaten konnte etwa 12—15mal einwands- 
frei beobachtet werden, daB die Spirochaeta recta sich nur quer 
teilt, und zwar wiihrend der Bewegung. Beobachtet man eine etwa 
20 n lange Zelle, wobei man vorteilhaft sich eines im Objekttisch ein- 
gebauten Kreuztisches bedient, so sieht man sie plotzlich wahrend der 
Bewegung auseinanderreifien, worauf jeder einzelne Teil sich in ent- 
gegengesetzter Richtung weiterbewegt. Die Spirochaeta recta bietet 
also ein neues Argument gegen die L&ngsteilung bei Spirochaten, die 
von manchen Forschern vertreten wird. Ich habe vergeblich bei mog- 
lichst dicken Zellen nach einer Langsteilung gesucht 3 ). Auch die von 
Schaudinn, Hoffmann, v. Prowazek, Hartmann u. a. bei Buc¬ 
cal is als undulierende Membran gedeuteten und als Beweis fur die 
Protozoennatur der Spirochaten gehaltenen Periplastanhiinge sowie GeiBel- 
tatigkeit habe ich bei Recta ebensowenig erkennen konnen wie eine 
Langsteilung. 

Es fehlen die von M. Zuelzer 4 ) aufgestellten Merkmale fur das 
Genus der echten Spirochaeta (Ehrenberg), die nach ihr, auBer der 
Querteilung und Volutinkornern einen Achsenfaden und einen schraubigen 
Protoplasten besitzen miifite, Eigenschaften, die sie bei mehreren Species 
der Spir. p 1 icati 1 is, ferner bei Spir. icterogenes 5 ), pseudo- 
icterogenes 6 ) und recurrentis festgestellt hat. Trotzdem soil, so- 
jange die unter dem Namen Spirochaeta laufenden verschiedeuen 

1) Zuelzer, Marg., Beitrage zur Kenntnis der Morphologie und Entwicklung 
der Weilschen Spirochaeta. (Arb. a. d. K. Gesundheitsamt. Bd. 51. 1918. H. 1. 

2) Nach der Bitterachen Kapseldaratellung. Siehe auch Gins, Kolle u. 
Wassermann. Bd. 1. S. 346. 

3j Wie v. Prowazek, Siebert, Schaudinn u. andere. 

4) Zuelzer, Ueber Biologie und Morphologie der SiiBwasserspirochaten. (V r erhandl. 
d. VIII. intern. Kongr. Graz 1910. S. 436.) 

5) Zuelzer, M., siehe fruher. 

6) Uhlenhuth u. M. Zuelzer, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 85. H. 6/7 


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Adelmann, Tuschekulturmethode and Teilungsvorgange bei Bakterien. 413 


flexiblen, sctiraubigen, aalartigen unci peitschenformigen Organismen all- 
gemein nicht naher voneinander unterschieden werden, die Recta als 
Spirochaeta bezeichnet bleiben. Dies gilt auch fur die unter 6 be- 
obachtete Spirochaeta agilis. 

Die bisherigen Befunde, insbesondere die Querteilung, sprechen sehr 
fiir die pflanzliche, bakterielle Natur der Recta. 

6) Spirochaeta agilis. Ausgangsmaterial: Grundschlamrn von 
der Iltisbriicke an der Kieler Forde. Schwacher Geruch von Schwefel- 
wasserstoff. 

Auf einer Serumplatte, der aus anderen Grunden 0,1 Proz. Natriura- 
sulfid zugesetzt war, entwickelte sich eine Spirochate von dem Typus 
der Spirochaeta recta, der sie in ihrer Bewegungsart durchaus 
Shnelte, nur waren ihre Bewegungen viel behender. Sie unterscheidet 
sich von jener dadurch, daB die Teilung in der Ruhelage stattfindet, 
bei der Recta dagegen wahrend der B ewe gun g. Auch hier konnten 
typische Schraubengange nicht beobachtet werden. Nur schwer last sich 
das muntere Treiben der Spirochaeta agilis schildern. Mit fabel- 
hafter Behendigkeit bewegen sich die Zellen schlangenartig, bald vor- 
wartsschiefiend, bald ruckwartseilend. Mit groBer Geschicklichkeit wird 
hier ein Hindernis, eine Bakterienzelle Oder ein Detrituskorn umgangen, 
dort stoBt eine Spirochate auf eine Genossin, mit der sie Seite an Seite 
eilenden Laufs eine kurze Strecke zuriicklegt, um bald durch ein Hin¬ 
dernis voneinander getrennt zu werden. Oft wird der Eindruck erweckt, 
als ob sie sich der Lange nach teilt, doch ist das ein Irrtum. Denn 
verfolgt man eine Spirochate langere Zeit, dann kann man sehen, wie 
ihr Lauf allmahlich langsamer wird; sie pendelt um einige Teiliangen 
hin und her, ermattet ganz, der Teilungsakt beginnt. Die Zelle ist zu 
klein, um die Vorgange der Teilung in den Einzelstadien genau ver- 
folgen zu konnen. Nach einer kurzen Spanne Zeit, etwa 5 Min., sieht 
man in der Mitte eine Furche sich ausbilden, die immer deutlicher wird. 
Ein schwacher Knick entsteht an der Teilstelle. Auffallend ist es, daB 
die eine Haifte schwach gekrummt, die andere gestreckt ist. Nach 
weiteren 4 Min. ist die Teilung vollendet. In Abstanden von ca. 3 Min. 
bewegt sich zuerst die gestreckte und dann der schwach gekriimmte 
Teil; also auch Spirochaeta agilis teilt sich quer. Die Lange 
betragt durchschnittlich nach der Teilung 6—9 /t, vor der Teilung wurden 
Langen zwischen 15 n und 20 /.i gemessen. Da die Begleitbakterieu den 
Kulturboden bereits stark abgebaut hatten, mifilang es leider, von dieser 
Spirochate ein Klatschpraparat herzustellen; ebenso miBlang ein Ueber- 
impfen. Seitdem wurde sie nur lmal noch beobachtet. Zum Unter- 
schied von Spirochaeta recta soli diese Spirochate als Spirochaeta 
agilis wegen ihrer groBen Beweglichkeit bezeichnet werden. 

7) Bacillus maximus fusiformis. Die in der menschlicheu 
Mundhbhle vorkommenden, 3—4 fusiformen Bazillen werden von Plaut 1 ) 
eingeteilt in groBe, mittelgroBe und kleine Formen; die letzteren sollen 
nach seiner Ansicht mit dem Spirillum sputigenum identisch sein, 
eine Ansicht, der man sich schwer anschlieBen kann 2 ). Bac. fusi¬ 
form is maximus ist offenbar mit den grbBten, von Plaut erwahnten 
identisch. Vorliegende Beobachtnng soli die Niltzlichkeit der Tusche- 
kulturmethode fiir morphologische und Bewegungsstudien zeigen: 

1) Plaut, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 44. S. 311. 

2 ) Muhlens, Ueber die Zuchtung von anaeroben Mikroorganismen der Mund- 
h6hle. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 48.) 


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414 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 

Das Material von Bac. fusiformis maximus entstammt einer 
mehrere Jahre bestehenden Alveolarpyorrhoe. Durch leichten Druck auf 
das Zahnfleich wurde der Eiter an die Oberflache befordert, eine Spur 
davon mit einer sterilen Nadel entnommen und mit einem Tropfen Tusche, 
1:1 verdiinnt, auf einem Deckglfischen ausgestrichen. Ein Zusatz von 
0,05—0,1 Proz. Zitronensfiure zum Serumboden scheint die Bewegungs- 
dauer des Bazillus zu verlangern. Die frisch angelegte Kultur wurde 
sofort mit einer ca. 800-fachen VergroBerung untersucht. 

Unter vielen Leukozyten und Zahnspirochaten, wie Sp. buccalis, 
dentium (seltener), sieht man oft 2, 3, manches Mai 4 verschiedene 
fusiforme Bazillen, unter denen der Bac. fusiformis maximus durch 
seine GroBe und Beweglichkeit auffallt. Nicht selten sieht man auch 
Scheinfaden von 35—50 /n Lange mit syminetrischen oder auch unsym- 
metrischen Teilungsfugen. 

Gestalt: Die Gestalt der Einzelzelle fihnelt sehr derjenigen einer 
plattgedriickten Banane. Der Querschnitt ist elliptisch. Die beiden 
Durchmesser der Ellipse verhalten sich wie 1:1,5 —2. Die Zelle als 
Einzelindividuum kommt relativ selten vor; sie hat ein spitzes und ein 
stumpfes Ende. Viel hfiufiger treten Doppelzellen auf, bei denen die 
stumpfen Enden zusammenliegen. Die Lange der Einzelzelle betragt 
8—9 ju, die der Doppelzellen 16—18 f.i. Die Breite wurde zu 1,4—1,6 /n 
bestimmt. Die Zelle weist eine doppelte Krfimmung auf, eine seitliche, 
die starker ausgebildet ist, und eine schwfichere, die dazu senkrecht steht. 

Im Protoplasten sieht man haufig hellgianzende Volutinkdmer 1 ), 
offers jedoch Vakuolen, die im gefarbten Fuchsinpraparat mitunter direkt 
Sporenkapseln vortauschen. Im gefarbten Tuschepraparat lafit sich eine 
den Protoplasten umgebende Hfille erkennen. 

GeiBeln: Der Bac. maximus fusiformis besitzt stark ent- 
wickelte peritriche GeiBeln; polare GeiBeln fehlen. Die GeiBeln lassen 
sich nach Zettnow leicht darstellen; sie sind nicht so dicht wie z. B. 
bei Proteus vulgaris, vermutlich weil die GeiBeln meistens zu Z6pfen 
verklebt sind. 

In der Tuschekultur erkennt man das Vorhandensein kraftiger GeiBeln 
an den aufgewirbelten Tuscheteilchen sowohl in der Ruhe als auch 
wahrend der Bewegung. An den Scheinfaden von 35—50 n Lange gelingt 
es nur selten, GeiBeln zu sehen. 

GeiBelbewegung in der Ruhe: Man hat haufig den Anblick, 
dafi trotz der Ruhelage des Bazillus seine GeiBeln heftig schlagen. Oflfen- 
bar werden dadurch Nahrstoffe herangeholt und Ausscheidungsprodukte 
fortgeschafft. Es war mir lange unerkiarlich, warum der Bazillus sich 
trotzdem nicht vom Platze bewegte, den er vorher wiederholt passiert 
hatte. SchlieBlich fand ich eine Erklarung bei der Betrachtung der auf¬ 
gewirbelten Tuscheteilchen, die auf der einen Seite nach hinten, auf der 
anderen Seite nach vorn geschleudert wurden (s. Fig. 6 schematised). 
Die resultierende Bewegung in der Langsrichtung muB dann natiirlich 
gleich Null sein, wenn die GeiBeln beiderseits mit der gleichen Kraft 
schlagen; es bleibt noch festzustellen, wodurch das entstehende Dreh- 
moment, dessen Richtung durch die gebogenen Pfeile angedeutet sein 
mag, aufgehoben wird. Mitunter konnte beobachtet werden, daB die 
eine Seite kraftiger schlug. Die GeiBeln arbeiten fast immer lateral 
ausgebreitet, doch mitunter wurde beobachtet, daB sie fiber der Korper- 


1) Mayer, A., Die Zelle der Bakterien. Jena (G. Fischer) 1912. 


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Adel man n, Tuschekulturmethode und Teilungsvorgange bei Bakterien. 415 


flSche zusaramengeklappt schlagen. Sie scheinen dann auch kflrzer zu 
sein, was vielleicht mit einem jiingeren Stadium erklart werden kann. 

Die GeiBeln miissen mit wunderbarer Rhythmik schlagen. Man kann 
es sowohl bei Zellen in Ruhelage mit umgeklappten GeiBeln als auch 
bei Zellen in Bewegung mit seitlich schlagenden GeiBeln bei giinstiger 
Beleuchtung sehen. In beiden Fallen entsteht ein optischer Effekt, wie 
wenn ein fortschreitender Wellenzug von der Spitze nach dem stumpfen 
Ende hin wandert. Man muB au ein wogendes Kornfeld denken. Wellen- 
berg und Wellental sind deutlich zu erkennen. Es kommen ca. 6 Wellen- 
berge auf 10 /n Lange, entsprechend einer Welleniange A = 1,6 /u, die 
mit einer Geschwindigkeit von c = 3 /.i pro Sek. wandern (in einem 
anderen Falle schatzungsweise 5mal so schnell). Die Periodenzahl n der 

c 3 it/ 

GeiBeln ergibt sich nach der Beziehung n = = ca. 2 pro Sek. 

K 1,6/i 

(im anderen Falle 10 pro Sek.). 

Der gleiche optische Effekt kommt auch haufig bei sich bewegenden 
Bazillen zustande. Auch hier gewinnt man den Eindruck eines fort- 
schreitenden Wellenzuges, der von vorn nach hinten, entgegengesetzt 
der Bewegungsrichtung, verlSuft. 

Man sieht an den Langsseiten in gleichmaBigen Abstanden wan- 
dernde Hfigel. Aus den sinusformig gewellten GeiBeln am KSrperende 
lafit sich vermuten, daB auch jede 
GeiBel eine sinoidale Wellenbewe- 
gung ausfuhrt. Wenn die einzel- 
nen GeiBeln auBerdem verschiedene 
Phasen haben, dann ist auch der 
optische Effekt eines wogenden 
Kornfeldes erkiarlich. Wahrend 
der Schwimmbewegung liegen die 
vorderen GeiBeln dem Zelleibe an 
oder sind in ihrer Tatigkeit unsicht- 
bar, nur die GeiBeln des letzten 
Viertels sieht man in heftiger Be¬ 
wegung; man ist leicht geneigt, das hintere Ende wegen der schein- 
baren Verbreiterung ftir stuinpf zu halten; bei Richtungsanderungen 
kann man sich vom Gegenteil iiberzeugen. 

Aus der Ruhelage setzt sich der Bazillus ohne erkennbare Ursache 
pl6tzlich in Bewegung. Im allgemeinen wird eine Bewegungsrichtung 
bevorzugt; nur selten, wenn uniiberwindliche Hindernisse sich entgegen- 
stellen, wird die Richtung geandert. Bei Doppelzellen ist die Richtungs- 
anderung etwas haufiger als bei Einzelzellen. 

Sehr haufig beobachtet man, wie der Bazillus mit groBer Geschwindig¬ 
keit von etwa 10—20 pro Sek., Kreisbahnen von 10—20 Durch- 
raesser beschreibt. Die Neigung, Kreisbahnen auf festen Nahrboden zu 
beschreiben, hangt offenbar mit der gekriimmten Gestalt zusammen. 
Wahrend der Kreisbewegung zeigt der Bazillus stets die Breitseite dem 
Beobachter dar. PlOtzlich jedoch veriaBt die Zelle ihre gewohnte Bahn 
and schwimmt in leicht geschwungenen BSgen geradeaus. Die Erschei- 
nung kann nur dadurch erklart werden, daB die Zelle ihre laterale KrUm- 
mung verandern kann, oder daB die Zelle in seitlicher (oft beobach- 
teter) Schwimmlage wegen der geringeren ventralen Krtlmmung flachere 
Bahnen beschreiben muB. 



Bac. maximua fusifor- 
; a deutet die Bewegungs- 
richtung der Tuscheteilchen an, b das ent- 
stehende Drehmoment, das durch unbe- 
kannte Wirkung aufgehoben wird. 


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416 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


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Schwierig sind die mitunter beobachteten Drusen- Oder Nesterbil- 
dungen zu erklaren, die man in frisch angelegten Tuschekulturen, aber 
auch in Ausstrichpraparaten beobachten kann. Die fusiformen Bazillen 
sind urn einen unsichtbaren Mittelpunkt regelmaSig wie eine Quaste an- 
geordnet und bestehen gewohnlich nur aus Doppelzellen, die oft heftig 
mit ihren GeiCeln schlagen und dem Beschauer meistens die Schmalseite 
zukehren. Oft sind sie an einem Strange, dessen Natur ebenso schwer 
zu deuten ist, aufgereiht. Man konnte das Gebilde fast mit einem 
Bananenfruchtzweige vergleichen. Der genannte Strang hat meistens 
eine faserige Struktur, ist zum Teil durchsichtig und ist mit stark licht- 
brechenden Kornern bedeckt. 

Ein derartiges Nest wurde bei Zimmertemperatur in einer Tusche- 
kultur langere Zeit beobachtet. Das Nest bestand aus etwa 100 Zellen 
in der oben skizzierten Quastenform. Die Schmalseiten waren dem Be¬ 
schauer zugekehrt, die Geifieln schlugen heftig, ohne dad zun&chst irgend- 
eine Bewegung im Gebilde festzustellen war. Doch plotzlich trennt sich 

eine Zelle aus dem Verbande und 
schwimmt in einem grdBeren Bogen 
fort, kehrt aber wieder auf dera- 
selben Wege zurfick und versucht, 
sich wieder einzureihen, was ihr je- 
doch nicht gelingt. 

Mehrere andere Zellen ver- 
lassen ihren Platz und kehren 
zuriick oder suchen sich andere 
Wege, aber sie schwimmen kaum 
aus dem Gesichtsfelde heraus, 
schlieBlich hat ungefahr die Halfte 
aller Zellen ihren Platz verlassen. 
Sie liegen verstreut da, die GeiBeln 
horen allmahlich auf, sich zu be- 
wegen. Die Kultur ist nach etwa 
einer Stunde erstarrt. 

Teilung: Eine Querteilung 
von Doppelzellen wurde nur 2mal 
beobachtet; sie scheint wahrend der 
Bewegung zu erfolgen (unsicher!), doch ist es nicht ausgeschlossen, daB 
auch in der Ruhe Teilungen oder Zerfallen von fertig gebildeten Faden 
vorkommt. 

Wachstum: Der Bac. fus. maximus wurde beim Wachsen 
unter anaeroben Verhaltnissen unter Paraffiniiberschichtung und bei 
Bruttemperatur beobachtet. Seine Entwicklung war ziemlich kummerlich. 
Er bildete ScheinfSden von ca. 50—100/t Lange, die nicht weiterwuchsen. 
Im Gegensatz hierzu wuchs ein anderer, etwas kleinerer fusiformer Ba- 
zillus viel besser in sehr charakteristischer Form, die man als Besen- 
form bezeichnen konnte. 

8) Spirillen. Ganz besonders aussichtsreich erscheint die Tusche- 
kulturmethode zum Studium und unter anderem auch zur Reinkultur von 
Spirillen zu sein, wenn man sich der Eigenschaft vieler aerober Spi¬ 
rillen und Vibrionen (zum Teil auch Spirochaten) bedient, die sich auf 
feuchlem, besser noch auf durch Begleitbakterien schwach peptonisierten 
Serumboden mit grofier Geschwindigkeit verbreiten. In Tuschekulturen 
wird man haufig beobachten, daB luftliebende Bakterien nach 1 oder 



Fig. 7. Spirillum kiliense. Er- 
starrte aber noch lebende Tuschekultur. 
Apoch. 2 mm num. Ap. 1,3. Komp.-Ok. 6. 
1000 / 1 . 


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Arndt, Zur Technik der Amobenziichtung. 


417 


2 Tagen in der Mitte des Deckgl&schens erstarren, nach dem Rande zu 
und dartiber hinaus aber sich stark verraehren. Schraubenbakterien 
verbreiten sich nun im allgemeinen viel schneller als Kokken und Stab- 
chen, deswegen kann man sie oft in Reinkultur im Abstande von 
etwa 5—10 mm und mehr vom Rande anderer Kolonien abimpfen. Sie 
bilden auBerordentlich zarte Hautchen, die mit bloBem Auge und in der 
Durchsicht nicht zu erkennen und hfichstens bei schrag auffallendem 
Lichte zu sehen sind. Oft verbreiten sich die Spirillen erst nach einigen 
Tagen. Um ein Austrocknen der Platten zu vermeiden, sind alle ange- 
gebenen MaBregeln zu ergreifen. Es gelang auf diese Weise z. B., 
einen unbekannten Vibrio aus der Mundhfihle, Spirillum undula, 
und ein sehr kleines, neues Spirillum kiliense aus Schlamm von 
der Iltisbrflcke zu isolieren und auf Agar sp&ter weiterzukultivieren. 
UeberSpir. kiliense soli spater NSberes berichtet werden. In Fig. 7 
wird ein Bild davon wiedergegeben, das von einer erstarrten Tusche- 
kultur aufgenommen wurde. 

Vorstehende Arbeit wurde im Herbst 1920 begonnen und im Mfirz 
1922 zu einem gewissen AbschluB gebracht. Die Moglichkeit hierzu und 
alle Hilfsmittel verdanke ich dem freundlichen Entgegenkommen meines 
Lehrers Herrn Prof. K. KiBkalt, dem ich an dieser Stelle filr das 
Interesse und seine vielen Anregungen meinen besten Dank ausspreche. 

Kiel im Marz 1922. 


Naohdruck verboten. 

Zur Technik der Amobenziichtung. 

[Aus dem Institut filr Schiffs- und Tropenkrankheiten, Hamburg 
(Direktor: Obermedizinalrat Prof. Dr. Nocht).] 

Von Arthur Arndt, Hamburg. 

Systematische Untersuchungen tiber Amoben stellten mich vor die 
Aufgabe, alle AmObenarten, die mir in die HSnde kamen, und die von 
den verschiedensten Fundorten stammten, in Kultur zu bringen. Nun 
sind ja gute Zflchtungsmethoden fiir AmSben seit langer Zeit bekannt; 
allein ein Ueberblick fiber die Literatur lehrt, daB es sich bei den ge- 
zfichteten Arten meist um kleinere Formen handelt (im Mittel 20—30 //), 
wfihrend fiber 50 f.i groBe Amfiben nur ganz ausnahmsweise mit Erfolg 
gezflchtet wurden. Auffallend ist ferner, daB die in neuerer Zeit ge- 
zflchteten und zytologisch genauer untersuchten Formen zur Hauptsache 
Vertreter der Gattnng Vahlkamfia Chatton resp. Naegleria Alexeieff 
emend. Calkins waren, wahrend die Zahl der untersuchten Arten von 
Hartmannella Alexeieff vergleichsweise gering ist. Nach meinen Er- 
fahrungen tibertrifft die letztere Gattung hinsichtlich des Artreichtums 
die erstgenannten. Allerdings bot die Zflchtung dieser zum Teil 100 
bis 200 n groBen Formen auf festen Nfihrboden im Anfang nicht uner- 
hebliche Schwierigkeiten, die mich nfitigten, die gebrfiuchlichen Methoden 
mehr oder weniger zu veriindern. Ich gebe im folgenden eine Ueber- 
sicht fiber mit gutem Erfolg 1 ) angewandte Zfichtungsverfahren, ohne 

1) Biaher sind mehr ala 80 verschiedene Amobenarten und 12 Thekamobenarten 
auf festen NahrbOden geziichtet worden. 

Erite Abt Orig. Bd. 88 Heft 5. 27 


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,auf die Literatur zu diesem Punkte einzugehen, die an anderer Stelle 
ausfuhrliche Berucksichtigung erfahren wird. Da es fiir die zytologische 
Untersuchung im allgemeinen notig ist, mit artreinen Amdbenkulturen 
zu arbeiten, stelle ich die Methoden zur Erzielung derartiger Kulturen 
in den Mittelpunkt meiner Darstellung. 

Ich unterscheide drei Gruppen von Methoden zur Anlegung von 
artreinen Kulturen: 1) Einzellverfahren, 2) selektive Verfahren, 3) An- 
reicherungsverfahren. 

1) Einzellverfahren: Bei der Anlage von Kulturen von einer 
Zelle aus kann man auf verschiedene Weise vorgehen. 

a) Man verreibt wenig Amoben- oder Amobenzystenmaterial in einem 
grofien Tropfen Wasser, saugt durch kurzes Eintauchen einer Kapillare 
etwas Fliissigkeit ab und bringt sie in einen frischen Tropfen. Dann 
fangt man wieder ab usw., bis man mit Sicherheit nur noch ein ein- 
ziges Tier im Tropfen hat, das dann mit einer neuen Kapillare auf die 
Kulturplatte iibertragen wird. Sorgfaltige mikroskopische Kontrolle ist 
nattirlich notwendig. Sie wird erleichtert dadurch, daB man die spateren 
Tropfen nur so groB wahlt, daB sie nicht fiber das Gesichtsfeld eines 
schwachen Trockensystems hinausgehen. Ferner ist es zweckmaBig, nicht 
zu feine Kapillaren zu verwenden und sie beim Eintauchen moglichst 
steil zum Objekttrager zu halten, damit in jedem Falle mfiglichst wenig 
Wasser eindringt. Am besten stellt man sich die Kapillaren unmittelbar 
vor dem Gebrauch durch Ausziehen einer Glasrohre in der gewfinschten 
Weite selbst her. Dadurch wird dann gleichzeitig sauberes Arbeiten 
ermoglicht. Man benutzt jede Kapillare nur einmal, da die Tiere leicht 
ankleben, und da immer etwas Fliissigkeit haften bleibt. 

b) Isoliert auf einer Kulturplatte liegende Amoben lassen sich durch 
Herausstechen des betreffenden Agarstfickchens leicht auf eine neue 
Platte iibertragen. Dazu bedient man sich am besten eines kleinen 
Skalpells oder einer Lanzettnadel, die man durch Abbrennen mit Alkobol 
sterilisiert. Man kann dabei auch so verfahren, daB man eine geeignet 
liegende Amobe durch Entfernen der bewachsenen Agarflfiche, durch 
Abgrenzung mit antiseptischer Vaseline, durch entsprechendes Einstecken 
eines Deckgl&schens vollig von den anderen Tieren der Kultur isoliert 
und erst nach stattgehabter Vermehrung die Uebertragung vornimmt. 

Wendet man Punktimpfung an, so finden sich auf 2—4 Tage alten 
Agarplatten meist einzelne Amoben, die weit genug auf die Platte vor- 
gekrochen sind, um ihre bequeme Isolierung in der angegebenen Weise 
zu gestatten. 

c) Durch Auftupfen mit einer Platinose oder besser mit dem knopf- 
formigen Ende einer zugeschmolzenen feinen Kapillare nimmt man von 
der Amobenkultur moglichst wenig Tiere ab und zieht damit ohne auf- 
zudriicken auf der frischen Platte einen kurzen Stricli, der eine bequeme 
Uebersicht gestattet (1—2 cm). Findet man darin ein einzelnes Tier, 
das in geniigendem Abstande von den anderen liegt, so entfernt man 
die fibrigen Teile des Impfstrichs durch Herausstechen des Agars. Dies 
Verfahren ist besonders dann angebracht, wenn es sich darum handelt, 
eine bestimmte Amobenart aus einer Mischkultur herauszuziichten. Ge- 
wisse Amobenarten z. B., die sich immer nur an der Stelle des stark- 
sten Bakterienwachstums aufhalten und nie den Impfstrich verlassen, 
konnen auf diese Weise am besten rein erhalten werden. Es gelingt 
meist ohne grofie Schwierigkeit, unter dem Mikroskop mit einer zuge¬ 
schmolzenen Kapillare die gewiinschte Amobe resp. Zyste aus dem Impf- 


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strich herauszuziehen und sie auf diese Weise zu isolieren, wenn es 
nicht schon bei der Uebertragung gegluckt ist, sie in eine isolierte Lage 
zu bringen. 

Neuere Autoren haben dem Einzellverfahren groBen und, wie mir 
scheint, unangemessenen Wert beigelegt, und ihre Wertung der Arbeiten 
anderer Autoren zum Teil davon abhangig gemacbt, ob diese Autoren 
mit artreinen Kulturen, die von Einzellkulturen ihren Ausgang nahmen, 
gearbeitet haben. Meine Erfahrungen haben mich zu dem SchluB ge- 
fuhrt, daB die Anlage von Einzellkulturen zur Erzielung artreiner Stamrae 
nur in den seltensten Fallen notig ist. Die einzelnen Amobenarten 
bieten ftir den Geflbten hinreichende Unterschiede, um ein glattes Aus- 
einanderhalten zu ermoglichen. Andererseits wird auch das Einzellver¬ 
fahren in der Hand eines ungeiibten Oder unkritischen Bearbeiters stets 
zu zweifelhaften Resultaten fiihren. Daneben ist zu bemerken, daB dies 
Verfahren erhebliche Nachteile hat. Zunachst ist es trotz scheinbarer Ein- 
fachheit recht umstandlich und erfordert immerhin ein gewisses tech- 
nisches Geschick. AuBerdem ist seine Anwendung oft schwierig Oder 
unmoglich. Das gilt vor allem fflr die Faile, wo man eine vorliegende 
Amobenart, von der nur eine geringe Zahl von Individuen, vielleicht 
nur eins, vorhanden ist, zfichten will. Die meisten mittelgroBen bis 
groBen Amoben des SiiBwassers z. B., die infolge ihrer GroBe leicht zu 
isolieren sind, gehen bei direkter EinzelubertraguDg aus dem Ursprungs- 
medium auf das Kulturmedium fast stets ein, wahrend es mit anderen 
Methoden leicht gelingt, sie reinzuzflchten. Ebenso vertragen die 
meisten Hartmannella-Arten, die im tibrigen gut ztichtbar sind, die 
Einzelflbertragung auf frischen Nahrboden nicht Oder nur unter gewissen 
Bedingungen, die zu ermitteln nicht immer leicht sein wird. Meist fallen 
sie dem relativ reichlichen Bakterienwachstura auf der frischen Platte 
zum Opfer. Zufallserfolge sind natiirlicb nicht ausgeschlossen. Gerade 
da also, wo es sich darum handelt, eine bestimmte Amobe oder alle 
AmSben aus einem vorliegenden Ausgangsmaterial herauszuzflchten, ver- 
sagt das Einzellveriahren. Hat man dagegen eine Art einmal kultiviert, 
so kann man gewohnlich — nicht immer — auf die unter b) angegebene 
Weise eine Einzellkultur anlegen. Mir hat in alien Fallen die zyto- 
logische Untersuchung solcher Einzellstamme stets nur die Artreinheit 
der Kulturen, aus denen das isolierte Individuum stammte, bestatigt. 

2) Selective Verfahren. Die hierher gehorigen Reinziichtungs- 
methoden beruhen auf der Verschiedenartigkeit der Amobenarten in 
bezug auf ihre optimalen Lebensbedingungen. Man kann geradezu von 
physiologischen Artcharakteren sprechen. Nun hat man es ja in der 
Hand, die Kulturbedingungen in der mannigfaltigsten Weise zu ver- 
andern: Das Kulturmedium kann fliissig oder fest sein; im letzteren 
Falle laBt sich der Konsistenzgrad innerhalb weiter Grenzen abandern; 
die Nahrung kann hinsichtlich der Art und Menge beliebig verandert 
werden, durch Wahl starkerer oder schwacherer Nahrlosungen und durch 
Ztichtung mit verschiedenen Bakterienarten; der Grad der Alkaleszenz 
resp. Aziditat (gewisse Ambbenarten gedeihen auch auf saueren Nahr- 
bbden gut), der von groBem EinfluB auf das Wachstum ist, kann ver¬ 
andert werden; schlieBlich spielt auch der allgemeine Charakter der 
Nahrlosungen in vielen Fallen eine Rolle. Es ist oft nicht gleichgtlltig, 
ob man Bouillon, Heuinfus, Pferdekotdekokt, filtriertes Teichwasser u. a. m. 
als Nahrlosung gebraucht, selbst wenn das Bakterienwachstum keine 
wesentlichen Unterschiede zeigt. Als weiterer Faktor kommt dann noch 

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die Temperatur in Betracht. — Es zeigt sich, dafi sich auf Nahrboden, die 
hinreichende Unterschiede der gekennzeichneten Art aufweisen, Faunen 
entwickeln, die in ihrera Geprage erheblich voneinander abweichen. Ab- 
weichungen finden sich einmal hinsichtlich der zur Entwicklung resp. 
Vermehrung gelangenden Arten, dann aber vor alien Dingen hinsichtlich 
der Individuenzahl der vertretenen Arten. Es kommt naturlich viel auf 
den Artreichtum des Ausgangsmaterials an. Je mehr Arten dies von 
vornherein enthalt, um so starker treten die Unterschiede in den Kul- 
turen hervor. Man findet, dafi die verschiedenen Medien verschiedene 
Arten zur Vorherrschaft gelangen lassen. Damit ist uns ein Mittel ge- 
geben, auf bequeme Weise eine ganze Reihe von Amobenarten reinzu- 
ziichten. Es ist nur notig, wiederholt in kurzen Abst&nden (1—3 Tage) 
auf dem gleichen Nahrboden weiterzuimpfen. Auf jeder folgenden Platte 
andert sich das Zahlenverh&ltnis der Individuen zugunsten der domi- 
nierenden Art, so dafi auf der 3.—4. Platte rait Sicherheit Bezirke vor- 
kommen, die ausschliefilich von Individuen dieser Art bevolkert sind. 

Nahrboden, die fiir die Anwendung dieses Verfahrens geeignet sind, 
lassen sich leicht herstellen. Ich benutzte fiir meine Versuche die fol¬ 
genden: Liebig-Bouillonagar, von verschiedenem Bouillongehalt, Heu- 
infus und Strohinfusagar (100 g Heu oder Stroh mit 1 1 dest. oder Lei- 
tungswasser autkochen, filtrieren), Amobenagar nach Musgrave und 
Clegg Knop-Agar und Wasseragar (dest. Wasser, Leitungswasser, 
Teichwasser) mit einem Agargehalt von 0,5—3 Proz. Hervorragend 
gute Dienste leistete mir bei der Ziichtung der Formen aus Staub und 
Kot der Pferdekotagar nach N o 11 e r (500 g Pferdekot mit 1 — 21 
Wasser kochen, unter Druck Filtrieren, 1—2 Proz. Agar). Erhatjedoch 
den Nachteil, dafi er sich nicht gleichmafiig herstellen lkfit. Ein Teil 
der Nahrboden wurde mit Fadenagar angesetzt, der saure Reaktion zeigte 
und nach Bedarf mit Natronlauge neutralisiert resp. alkalisiert wurde. 
Durch Mischen der genannten Agarsorten in verschiedenen Verh&ltnissen 
stellte ich mir Nahrboden von beliebigem Nahrstoffgehalt, Konsistenz- 
und Alkaleszenzgrad her. 

Bei der Anwendung des selektiven Verfahrens spielen noch einige 
Faktoren eine wichtige Rolle, die bisher nicht beriicksichtigt worden 
sind: 1) die Dauer der vegetativen Aktivitat, d. h. die Zeit, die von der 
Ueberimpfung bis zur Enzystierung der Amoben vergeht, 2) die Ver¬ 
na ehrungsrate, 3) das Wanderbediirfnis und die Wandergeschwindigkeit; 
diesen „inneren“ Faktoren steht ein weiterer „aufierer“ gegenuber; die 
Art der gebotenen Bakteriennahrung. Es ist von vornherein klar, 
dafi der letztere wie alle „aufieren u Faktoren, den Wirkungsgrad der 
„inneren“ Faktoren bis zu einem gewissen Grade beeinflussen wird. 

Es ist eine allgemeine Erfahruug, dafi Amoben, insbesondere Vahl- 
kampfien, die bisher am haufigsten untersucht worden sind, sich einige 
Zeit nach der Uebertragung auf eine frische Platte enzystieren. Man 
hat im allgemeinen angenommen, dafi die Enzystierung infolge von 
Nahrungsmangel stattfande. Das ist nur in beschranktem Umfange giiltig. 
Einmal zeigen Kulturversuche, dafi von Amobenarten, die mit dem 
gleichen Bakterium geziichtet werden, die eine schneller zur Enzystierung 
schreitet als die andere; auf der anderen Seite enzystiert sich die gleiche 
Form aucli nach kurzer Zeit, wenn ihr bei reiner Ziichtung auf einem 
Nahrboden, der starkere Bakterienentwicklung gestattet, noch reichliche 
Nahrung zur Verfugung steht. Das geschieht auch, wenn den Amoben 
die Moglichkeit gegeben ist, auf unbewachsene Strecken der Agarfliiche 


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Arndt, Zur Technik der Amobenzuchtung. 


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auszuwandern, so daB also das Ueberhandnehmen der Stoffwechsel- 
produkte, dem mehrfach ein groBer EinfluB auf das Eintreten der En- 
zystierung zugeschrieben worden ist, zur Erklarung nicht ausreicht. Wir 
haben es hier zweifellos mit einem inneren Faktor zu tun, der selbst- 
verstandlich in seinem Wirkungsgrade von auBeren Faktoren beeinfluBt 
wird. Dieser „Enzystierungsfaktor“ nun spielt beim selektiven Verfahren 
insofern eine Rolle, als er die Mdglichkeit an die Hand gibt, Arten zu 
trennen, die sich auf dem gleichen Nahrboden in annahernd gleicher 
Weise entwickeln. Wartet man die Enzystierung der einen Art ab, und 
beimpft dann eine neue Platte, so erhait die unenzystierte Art einen 
Entwicklungsvorsprung, den man mit Erfolg ausnutzen kann. — In 
gleicher Weise kann man auch von einem „Exzystierungsfaktor“ sprechen, 
wenn man darunter die Gesaratheit der inneren Bedingungen versteht, 
die das schnellere oder langsamere Verlassen der Zyste nack der Ueber- 
tragung auf frischen Nahrboden bewirken. Dieser Faktor laBt sich 
gleichfalls mit Erfolg ausnutzen. Man muB dazu mbglichst kurze Zeit 

— es handelt sich da manchmal nur um Unterschiede von Stunden — 
nach dem Ausschliipfen der ersten Tiere abimpfen, und darauf achten, 
daB man nur freie Tiere iibertragt. Das laBt sich unter dem Mikroskop 
leicht bewerkstelligen, wenn eine Art vorliegt, die aus dem Impfstrich 
auswandert. Sonst kommt man auf diese Weise nicht zum Ziele. 

Die Vermehrungsrate (der Reproduktionsfaktor) ist nattirlick auch 
von ausschlaggebendem EinfluB auf den Erfolg des selektiven Verfahrens. 
Doch ist dieser EinfluB mehr ein negativer. Kleinere Amdben iiber- 
wuchern — wenigstens in den ersten Tagen nach Anlegung der Kultur 

— infolge ihrer stSrkeren Vermehrung groBere Arten auch dann, wenn 
der Nahrboden ihnen keineswegs die gflnstigsten Lebensbedingungen bietet. 

Erleichtert wird die Reinzilchtung nach dem selektiven Verfahren 
durch die Wirkung des dritten der genannten inneren Faktoren. Man 
konnte diesen „Bewegungsfaktor“ als „animalen“ Faktor den beiden 
anderen als „vegetativen“ Faktoren gegenuberstellen. Platten, die mit 
einem Material, das verschiedene Amobenarten enthalt, beimpft sind 
(Punkt- oder Strichimpfung) zeigen ein ganz verschiedenes Bevblkerungs- 
verhaltnis, je nachdem, ob man die Impfstelle, Stellen in der Nahe der- 
selben oder am Rande der Platte betrachtet (hinreichende Verschieden- 
heit der Arten vorausgesetzt). Es kommt dabei wieder viel auf die 
Zeit an, die seit der Beschickung der Platte vergangen ist. Man findet 
die am schnellsten kriechende Art am Rande am zahlreichsten vertreten, 
die am langsamsten oder gar nicht wandernde Art im Impfstrich. Je 
nachdem, von welcher Stelle man abimpft, wird die eine oder die andere 
Art auf der neuen Platte dominieren. Am leichtesten ist naturgemaB 
die Art rein zu erhalten, die am schnellsten wandert. 

Bei der Amflbenziichtung spielt nicht nur die Menge der als Nahrung 
dienenden Bakterien eine Rolle, sondern auch die Art derselben. Wir 
werden erwarten konnen, daB sich auch beim Reinztichten ein EinfluB 
der Bakterienarten geltend machen wird. Es ist anzunehmen — genauere 
Untersuchungen dariiber liegen noch nicht vor — daB die Schnelligkeit 
des Ausschlflpfens, die Dauer der vegetativen Aktivitat und die Ver¬ 
mehrungsrate von der Art der Bakterien, mit denen die AmSben ge- 
zQchtet werden, in geringerem oder starkerem MaBe abhangen. Ich 
selbst habe keine diesbezflglichen Versuche angestellt, und meine beim 
Reinztichten gemachten Erfahrungen gestatten mir nicht, bestimmte An- 
gaben dartiber zu machen, ob und in welchem MaBe solche Einflilsse 


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vorhanden sind. Die Ambben sind ja stets von Bakterien begleitet, die 
nicht beliebig durch andere ersetzt werden konnen. Dagegen ergab 
sich, daB die Kriechgeschwindigkeit ganz hervorragend durch Bakterien 
beeinfluBt werden kann. Zieht man in einiger Entfernung vom Amoben- 
impfstrich einen Bakterienimpfstrich, so zeigt sich, daB gewisse Amoben- 
arten ein erhohtes Wandertempo einschlagen. Es kann vorkommen, daB 
eine unter gewohnlichen Bedingungen langsamer kriechende Art eine 
normalerweise schnellere flberholt. Es scheint jedoch, daB die schnellere 
Fortbewegung in vielen Fallen nur darauf zuriickzufiihren ist, daB die 
Ambben anstatt im Zickzackkurs nun in gerader Richtung wandern. 
Besonders bemerkenswert ist, daB zuweilen eine glatte Trennung zweier 
Ambbenarten dadurch gelingt, daB man parallel zu einem frischen 
Amobenimpfstrich in nicht zu grofier Entfernung mit Yerschiedenen 
Bakterienarten Impfstriche zieht. Es kommt dann vor, daB die eine Art 
nach der einen Seite, die andere nach der entgegengesetzten hin weg- 
wandert, so daB man sie nach dem Passieren der Bakterienimpfstriche 
rein iibertragen kann. Es ware interessant nachzuprufen, ob man durch 
chemische Reagentien ahnliche Wirkungen hervorrufen kann. 

3)Anreicherungsverfahren. Bei grbBeren Ambben ist es oft 
nicht moglich, mit den unter 1) und 2) angegebenen Methoden Rein- 
kulturen zu erhalten, einmal darum, weil ihre Teilungsrate gegenuber 
den kleineren Formen recht gering ist, zum anderen deshalb, weil einige 
von ihnen flberhaupt nicht bei reiner Bakteriennahrung gedeihen. Da 
kommt man dann auf die Weise zum Ziele, daB man die st&rkere Ver- 
mehrung der gewiinschten Ainobenart auf der alten Platte abwartet und 
dann eine moglichst groBe Zahl von Individuen dieser Art auf eine neue 
Platte iibertrkgt. Das geschieht am einfachsten durch Abkratzen einer 
geeigneten Stelle mit einem Deckglas, das man in die frische Kultur- 
platte einsteckt. Ausstreichen empfiehlt sich nicht. Bei mehrfacher 
Wiederholung hat die Amobe bald eine zahlenmaBige Ueberlegenheit 
erlangt. Auf sp&teren Platten findet man sie stellenweise rein und kann 
sie dann, wenn man vorsichtig zu Werke geht (Abimpfung unter dera 
Mikroskop) leicht rein auf einen geeigneten Nahrboden iibertragen. Er- 
leichtert wird die Reinziichtung dieser grbBeren Formen dadurch, daB 
sie meist starker wandern als die kleineren Arten. Man verwendet am 
besten Nahrbbden, die nicht allzuviel Nahrstoffe enthalteu, da auf die 
angegebene Weise stets sehr viele Bakterien mit iibertragen werden, 
die durch starkere Wucherung schadlich wirken konnen. 

GroBere Ambben zilchtet man zusammen mit einer kleineren Art, 
die als Nahrung dient, gleichzeitig aber auch ein Ueberhandnehmen der 
Bakterien verhindert. Man wahlt am besten eine zystenbildende Art, 
da Zysten leichter aufgenommen werden als freie Tiere. Ebenso ge- 
eignet sind kleinere Thekamobenarten. 


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Comberg, Die Ureache der Gram - Veranderlichkeit anaerober Bakterien. 423 


. Nachdruak verbot«n. 

Ueber die Ursache der Gram-Veranderlichkeit anaerober 

Bakterien. 

[Aus dem Hygienischen Institut der University Freiberg i. B. 

(Direktor: Prof. M. Hahn)]. 

Von Dr. Maria Coinberg, Vol.-Ass. am Institut. 

Das Verhalten der Bakterien in bezug auf ihre G r a m - Farbbarkeit 
und die Ursachen derselben sind im letzten Jahrzehnt Gegenstand vieler 
Untersuchungen gewesen, da sich dabei Unterschiede herausgestellt haben, 
die fiber die bloBe farberische Differenzierung weit kinausgehen. 

Die Geeichtspunkte, unter denen diese Untersuchungen vorgenommen wurden, sind 
ebenso verschiedene wie die darauf sich stiitzenden Theonen. Die einen Autoren nehmen 
eine besondere chemische Verbindung als Ursache der Gram-Festigkeit an (Unna), 
wahrend andere (Fischer) sie rein physikalisch auf eine grofiere Dichte und Substanz- 
reichtum der Bakterien zuriickfiihrten. Brudny fand Unterschiede in der Plasmolysier- 
barkeit iibereinstimmend mit dem farberischen Verhalten, Ei sen berg erklarte die 
Gram-Festigkeit aus einer grofleren Durchlassigkeit des Ektoplasmas fiir Farbstoffe, 
nahm also im Gegenteil eine geringere Substanzdichte der Gram - positiven an. 
Deussen kam auf Grund eingenender mit verschiedenem Material angestellter Unter¬ 
suchungen zu dem Ergebuis, dad nukleinartige Stoffe Triiger der Gram-Festigkeit in 
den Bakterienleibern sind und hat neuerdings G r a m - negative durch Einbringen von 
Nukleinen und nukleinartigen Stoffen in Gram-Positive umwandeln kdnnen. Eine 
ganz andersartige Beleuchtung erfuhr die Auffassung der G r a m - Farbbarkeit schon 
durch Untersuchungen von Kruse, Burgers, Schreiber und Scheermann fiber 
die Einwirkung von 1-proz. Kalilauge und Trypsinferment. Sie fanden einen durch- 
gehenden Unterschied, die Gram-negativen wurden gelSst, wahrend die Positiven un- 
verandert blieben. Der Umstand, dau sich diese Resultate iinderteu, wenn mit vorher 
nicht erhitzten Bakterienaufschwemmungen gearbeitet wurde, brachte die genannten 
Autoren auf die Annahme eines in diesem Falle mitwirkenden autolytischen Fermentes; 
auch Hottinger gelangt in einer neueren Arbeit zu dem rein theoretischen 
Schlufi, dafi das Gram-Negativwerden alter positiver Bakterienkulturen auf Peptoni- 
sation durch Fermente zurfickzufiihren sei. Experimentelle Resultate fehlen bei ihm. 
Bewiesen war also durch die bisherigen Versucne fiber die etwaige Mitwirkung auto- 
lvtischer Fermente noch nicht viel. 

Im Folgenden wurde nun versucht, der Frage nach dem Vorhanden- 
sein eines autolytischen Fermentes in alten Gram-negativ gewordenen 
Kulturen und der Natur und den Bedingungen seiner Wirksamkeit nfiher 
zu treten. Zur Untersuchung wurden verschiedene anaerobe Bakterien- 
arten aus der Gruppe der pathogenen Gasbazillen verwendet; sie schienen 
trotz der Schwierigkeiten der Zfichtung wegen ihrer bekannten Gram- 
Lability gerade ffir diesen Zweck besonders geeignet: Rauschbrand, 
malignes Oedem und ein als Gasbrandbazillus bezeichneter Stamm der 
Sammlung, der in seinen morphologischen Eigenschaften mit dem Frfin kel- 
schen Gasbazillus fibereinstimmte, sich von diesem aber durch die fehlende 
Tierpathogenitfit unterschied. 

Als Methode der Gram-FSrbung 

wurde die tibliche bentitzt: Es wurde mit Anilinwassergentianaviolett 
jeweils genau 5 Min. geffirbt, 2 Min. mit Jodjodkali behandelt und die 


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424 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


Differenzierung in sehr oft erneuertem Alkohol sofort dann beendet, 
wenn makroskopisch keine blauen Farbstoffwolken mehr abgingen. Mit 
Fuchsin wurde in verdunnter Lfisung 2 Min. nachgeffirbt. Um der Farbe- 
resultate dieser ganz gleichmaBig behandelten Objekte aber ganz sicher 
zu sein, wurde getrennt, aber auf dem gleichen Objekttrager mit dem 
untersuchten Prfiparat je ein kleiner Ausstrich von Staphylokokken und 
Coli aus j unger Kultur mitgeffirbt und nur solche Praparate ausgewertet, 
in denen sich diese als deutlich positiv und negativ erwiesen. Dabei 
wurden die Pr&parate nur der Lufttrocknung, nicht der Fixierung und 
Ffirbung durch Erhitzen unterzogen, um dadurch nicht etwa Aenderung 
der osmotischen Verhfiltnisse im Bakterienleib und damit unsichere Ffirbe- 
resultate zu bekommen, wie es auch Deussen erwahnt. 

G ra m -Verbalten der Eulturcn. 

Zunfichst wurden aus Sammlungskulturen des Instituts Gasbrand- 
bazillus und malignes Oedem in Stichkulturen mit Traubenzuckeragar, 
aufierdem in Ascites-Bouillon, Ascites-Traubenzuckerbouillon fiberimpft, 
die festen Kulturen wurden mit Agar, die fliissigen mit Paraffin fiber- 
schichtet und bebriitet. Makroskopisch wurde Wachstum nach 2—8 Tagen, 
beim Gasbrandbazillus unter starker Gasentwicklung, beobachtet. Ffirbbar 
nach Gram erwiesen sich: 


nach Tagen 

5—10 ccm 

Trauben- 

zucker-Agar 

5—10 ccm 
Ascites- 
Bouillon 

5—10 ccm 
Ascites- 
Traubenzucker- 
Bouillon 

Malienes f *2 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

OX { 18 - 2 0 

+- 

+ + + 

+ + + 


— 

+ +(+) 

+ + + 

f 5, 7, 9, 12,18 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

Gasbrand \ 



vom 9. Tage ver- 




unreinigt 

l 20, 30 

+- 

+ + + 



« iii 

In den festen Nahrboden wurden die Bazillen des malignen Oedems 
ebenso wie die des Gasbrand nach 18—20 Tagen fiberwiegend negativ. 
In flfissigem Nfihrsubstrat wurde dagegen eine Aenderung der Gram- 
Farbbarkeit in dieser Kulturreihe nicht beobachtet. Die 2. Reihe wurde 
deshalb mit reichlicher Menge Bouillon (50 ccm) im Erlenmeyer- 
Kolben angelegt. Die Resultate wahrend 1 1 / 2 monatiger Bebrfitung waren: 


nach Tagen 

5-10 

ccm 

5—10 ccm Ascites- 

Ascites-Bouillon 

Traubenz.-Bouillon 

( 

2, 12, 

15 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

Malignes 1 
Oedem | 

17 


+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + — 

21 


+ + + 

+ + + 

+ + + 

+- 

i 

40 


+ + + 

+ + + 

+ + + 

— 

Gasbrand j 

2, 12, 15 
17, 21, 40 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 


Gram-negative St&bchen des malignen Oedems wurden in einer 
einzelnen Kultur in Traubenzucker-Bouillon mit Asciteszusatzes beobachtet 
nach rund 20 Tagen Bebrfitung. Die fibrigen gleichen und die in ein- 


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Co mb erg, Die Ursache der Gram-Veranderlichkeit anaerober Bakterien. 425 


facher Ascites-Bouillon angelegten Kulturen des malignen Oedems blieben 
positiv. Auch negative Gasbrandbazillen in fliissigem Substrat wurden 
niemals beobachtet. Es darf aber trotzdem wohl angenommen werden, 
daB auch in fliissigem Nahrboden Gram-negative Bakterien auftreten, 
jedenfalls unterliegt aber dort das wirksame Agens ungiinstigeren Be- 
dingungen, als l&ngs des Stichkanals in festem Material, wo es gewisser- 
mafien konzentriert einwirken kann. 

Yersuche mit Extrakten Oder G r a m - negatlven. 

Uni aus den festen, G r a m - negativ gewordenen Kulturen das far 
die F&rbbarkeitsilnderung wirksame Agens zu gewinnen und in seiner 
Wirkung auf Gram-positive zu untersuchen, wurde folgende Anordnung 
eingehalten. Eine negative Kultur wurde mit.einer physiologischen Koch- 
salzlosung steril verrieben und die dickfliissige Lflsung 10 Min. lang 
scharf zentrifugiert. Die Agartrilmmer setzten sich dann rein ab, die 
darflberstehende Fliissigkeit wurde, urn sie bakterienfrei zu erhalten, 
stets durch Chamberland-Kerzen filtriert, auf ihre Sterilit&t kontrol- 
liert, danach dieser Extrakt positiven Kulturen der homologen Oder hetero- 
logen Bakterienart zugesetzt und seine Einwirkung auf die Farbbarkeit 
derselben geprtlft. 

Versuc h I. 

Steriler Kulturenextrakt aus 11 malignem Oedem 1 32 Tage alt, 

2) Gaabrand / Gram-negativ. 

Suspensionsfliissigkeit je 15 ccm Kochsalzlosung 

Impfkultureu 1) malignes Oedem \ in Traubenzucker - Bouillon 

ca. 5 ccm 2) Gaabrand f 3 Tage alt, Gram-positiv 

3) Staphylokokken dto. in Bouillon 
1 Kulturrohrchen auf je 2 ccm Extrakt. 


G r a m - F arbbarkeit 
nach Tagen 

Mit Extrakt 
aus malign. 
Oedem 

Mit Extrakt 
aus Gasbr.- 
bazillus 

Kontrolle ohne 
Extrakt, bloS 
Verdiinnung in 
NaCl 

Malignes \ \ 
Oeaem 1 g 

+- 

+- 

+ + + 

+- 

+ + — 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

Gasbrand- ( I 
bazillus | g 

+ + + 

+- 

+ + + 
keine Nega- 
tiven mehr 

+ + + 

+- 

+ + + 
zerfallene 
Stabchen 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

tSST { 1, 3, 6 

+ + + 

+ + + 

+ + + 


Gasbrandbazillen sowohl als malignes Oedem in flussigen Nahrboden 
werden mit dem Extrakt der homologen und heterologen Art am 3. Tage 
negativ. Auf Staphylokokken wird dagegen eine Wirkung des Extraktes 
im Sinne einer Aenderung der Gram-Farbbarkeit nicht beobachtet. 
Die Kontrollen ohne Extraktzusatz bleiben positiv. Nach 6 Tagen wurde 
eine Zunahme der nach 3 Tagen nur mehr vereinzelt vorhandenen 
G ram-positiven beobachtet. Diese zunachst (lberraschende Tatsache 
wurde als Sekundarkultur der eingebrachten Bakterien bewertet. Zur 
Vermeidung dieser Moglichkeit wurden in der Folge die VersuchsrOhrchen 
mit Toluol iiberschichtet, um die Bakterien am weiteren Wachstum zu 
hindern. 


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426 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


Versuch II. 

Steriler Kulturextrakt: aufl malign. Oedem in Traubenzuckeragar, 32 Tage alt, 
gramnegativ. 

Suspensionsmittel: Physiol. Kochsalzlosung 15 ccm, davon je 2,5 ccm beimpft. 

Impfkulturen: a) 0,5 ccm Traubenzuckerbouillonkultur von malign. Oedem, 4 Tage 
alt, grampositiv; 

b) dasselbe hoch mit Toluol iiberschichtet; 

c) 0,5 ccm Aufschwemmung einer 3 Tage alten, grampositiven Traubenzuckeragar- 
kultur von malign. Oedem (1 Kultur mit 10 ccm Kochsalzlosung aufgeschwemmt); 

d) dasselbe in Toluol iiberschichtet; 

e) \ eutsprechend verdiinnte Impfkulturen ohne Extraktzusatz, iiberschichtet mit 

f) J Toluol. 

Gram - Resultste: 


nach Tagen 

a 

b 

c 

d 

e 

f 

1 

+++ 

+ — 

+ + - 

+ +( + ) 

+ + 

++ (+)= 

3 

+(+) 

+- 

+ + + 

+( + )- 

H- + 

++ 

5 

+ — 

— 

+ — 

(+)-- 

++ 

+ + unbestimmte 
Farbuug 

7 

— 

— 

— 

+.4- 

++ 

+ + 

9 

• 

vers port 

i 

• 

Toluol ver- 
dunstet 


* 


In den mit Toluol iiberschichteten Rohrchen wurde am friihesten 
Eintreten der gramnegativen F&rbung beobachtet. Die in Bouillon ge- 
ziichteten Bakterien anderten ihre Farbbarkeit etwas spater, als die aus 
fester Kultur entnommenen, doch ist dieser Zeitunterschied unbedeutend. 
Eine Einwirkung des Toluols allein im chemischen Sinne auf die Gram - 
farbbarkeit war den Kontrollen zufolge nicht festzustellen, auch konnten 
Angaben dafiir in der Literatur nicht gefunden werden. Danach haben 
also das Toluol und der WachstumsprozeB als solche mit der Gram- 
Veranderlichkeit nichts zu tun, eher die durch Toluol hervorgerufene 
Entwicklungshemmung bzw. Abtotung. 

Versuch III. 

Steriler Kulturextrakt: aus malign. Oedem in Traubenzuckeragar 18 Tage alt, 
gramnegativ. 

Suspensionsfliissigkeit: Physiol. Kochsalzlosung 20 ccm. 

Impfkultur: malign. Oedem in Ascites-Bouillon, grampositiv, je 3 ccm Extrakt 
auf 0,5 ccm Kultur iiberschichtet mit Toluol; a) im Eisschrank, b) bei Zimmertempe- 
ratur (ca. 25°), c) im Brutschrank, d) */, Std. auf 70° erhitzt, e) 10 Min. auf 100° er- 
hitzt, f) Kontrolle: 0,5 ccm Impfkultur mit 3 ccm NaCl-Losung verdiinnt 

Gram -Resultate: 


nach Tagen 

a 

b 

c 

d 

e 

f 

1 

+ + + 

+ 4- 

+ + + 

+ + + 

+++ 

+++ 

3 

+ + + 

_j—j- 

+ — 

+ + + 

+++ 

+++ 

5 

+ + + 

+ — 

— 

++ + 

+++ 

+++ 

7 

+ + + 

-j 

Sporen ver- 
s port 

+ + + 

+++ 

+++ 

9 

+ + + 

(+)-- 

(+)- : 

versport 

+++ 

+++ 

Die Aenderung der Gram 

- Farbbarkeit trat bei der hohen Sommer- 


temperatur des Zimmers fast gleichzeitig mit der des Versuchsmaterials 
im Brutschrank auf. In den auf 70° und 100° erhitzten Extrakten 
wurden negative Bakterien nicht beobachtet zu den Zeiten, wo in den 
unerhitzten bereits eine Aenderung der Farbbarkeit eintraf. Auf weitere 
Tage konnte die Beobachtung sich wegen der Versporung nicht er- 
strecken. Nach 9 Tagen wurde Rohrchen a aus dem Eisschrank ge- 
nommen und weiterhin bei 37 0 bebriitet. 


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UNIVERSI 



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^ILLINOIS AT 
'MPAIGN 




Com berg, Die Ursache der Gram -Veranderlichkeit anaerober Bakterien. 427 


Gram-Farbbarkeit: nach 1 Tag + + 

„ ,2 Tagen -j-Sporen 

„ „ 3 , vers port. 

Es traten also nach 2 Tagen bis dahin nicht beobachtete Negative auf, 
leider auch Versporung. Fflr das fflr die Fflrbbarkeitsflnderung wirk- 
same Agens scheint sorait der fflr die Fermente allgemeine Satz zu 
gelten, daB die Schnelligkeit ihrer Wirkung durch TemperaturerhShung 
gesteigert wird. Bei der niedrigen Temperatur des Eisschrankes ist 
eine Abnahme der Aktivitflt anzunehmen, die sich in einer Verlang- 
samung des autolytischen Prozesses fluBert. 

Versuch IV. 

Steriler Kulturextrakt aue fliissiger Ascites-Traubenzuckerbouillonkultur, 20 Tage 
alt (6 ccm) von malign. Oedem, gramnegativ. Direkt filtriert, da von 1,5 cem Extrakt 
auf 1,5 ccm Kultur. 

Impfkultur: eine gleiche, junge, noch grampositive Kultur. a) im Eisscbrank, 
b) bei Zimmertemperatur (iiber 25°), c) im Brutschrank, d) l /» Std. auf 70°, e) 10 Min. 
auf 100°, f) Kontrolle: 1,5 ccm Bouillon ohne Extrakt beimpft, uberschichtet mit ToluoL 

Gram-Resultate: nach 1, 3, 5, 7, 9 Tagen stets + +. 

Der Extrakt aus einer flflssigen, gramnegativen Knltur, der einzigen, 
die beobachtet wurde, zeigte keinen EinfluB auf die G r a m - FSrbbarkeit. 
Es ist wohl, wie frflher gesagt, anzunehmen, daB die betreffenden auto¬ 
lytischen Fermente nur in so geringer Menge in der flflssigen Kultur 
enthalten waren, daB sie nunmehr, noch stark verdflnnt, keine Wirkung 
mehr zeigen. Fflr die Auswertung der Versnche muB nochmals gesagt 
werden, daB der Bakterienextrakt jedesmal auf seine Sterilit&t durch 
Priiparat und Bouillonkultur, auf seine Reaktion durch Lackmuspapier 
geprflft wurde. Durch das Filter etwa passierte Stflbchen fanden sich 
nicht darin, die Reaktion war jedesmal neutral. 

Leider vertrug fflr weitere geplante Versuche das Ausgangsmaterial 
die weitere Ueberimpfung nicht mehr, wohl infolge zu hohen Alters. 
Die schon ohnehin schwer zflchtbaren Anaerobier wuchsen jetzt nur so 
spflrlich, daB ihre Menge fflr die Gewinnung von Extrakt ungenflgend 
blieb. Zufallig bekamen wir von tierflrztlicher Seite frisches Material 
von einem an Rauschbrand verendeten Rinde, mit dem die Unter- 
suchungen fortgesetzt werden konnten. Ein gespritztes Meerschweinchen 
ging nach 24 Std. ein mit hochgradigem Emphysem, vielfache HSmor- 
rhagien, teigigen Gewebsschwellungen, bis zu erbsengroBen Gasblasen 
in der Subkutis, h&morrhagischen Ergttssen in die Kflrperhflhlen. Bazillen 
gut nach Gram fflrbbar, aus direktem Gewebsabstrich im hflngenden 
Tropfen wenig beweglich. 

Resultate der Reinkultur: 

1) Agar: Wachstum, nach 24 Std. maflige Gasbildung. 

Gram- Farbbarkeit: nach 6 Tagen -|- 

, 8 „- 

2) Traubenzuckeragar: Wachstum mit guter Gasbildung. 

Gram-Farbbarkeit: nach 4 Tagen - 

1> 6 T! +4- 

I) 8 n 4 - 

, 10 „- 

3) Bouillon mit und ohne Traubenzucker, und 

4) Asziteszusatz, zunachst kein Wachstum (erst spater in 2. und 3. Kultur) erzielt. 

Versuch V. 

Steriler Kulturextrakt aus Rauschbrand in Traubenzuckeragar, 10 Tage alt, 
gramnegativ. 

Suspensionsflussigkeit: 30 ccm Kochsalzlosung. 

Impfkultur je 2 ccm 1 Tag alte, grampositive Rauschbrandkultur auf je 4 ccm 
Extrakt. 


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428 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


1) In einfacher Boillon, 


2 ) 

3 ) 

4) 

5) 

6 ) 


in Aszites-Bouillon, 

Traubenzuckerbouillon, 


in 


Kontrollen: 2 ccm entsprechende Kultur in 4 ccm Bouillon (wie 1—3) ohne 
Extrakt gebracht. 

Samtliche Rohrchen mit Toluol iiberschichtet und bebriitet. 

Gram- Farbbarkeit: 


nach Tagen 

R1 

R2 

R3 

R4 

R5 

R 6 

1 

+ + + 

+ + — 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

-+ 

2 

+ + + 

H- 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

3 

+ + — 

(+)— 

+ -1- 

4- 4- + 

4- 4- 4- 

+ —+ 

4 

+- 

+ — 

(+)(+)- 

+ + + 

++— 

+ + + 

5 

— 

— 

(+)(+)- 

+ + + 

H—1- 

+ + — 

6 

(+)- 

+ — 

[( +) = UE 

(+) -i 

ibestimmte I 

Garbling). 

(+)(+)- 

H- 


Bei diesem Versuch trat eine Aenderung der Gram-Farbbarkeit 
nach 2—4 Tagen ein, am schnellsten bei dem Impfmaterial mit Aszites, 
zuletzt bei Traubenzuckerzusatz. Vielleicht geben die darin enthaltenen 
kleinen SSuremengen ungiinstigere Wirkungsbedingungen fiir das auto- 
lytische Ferment. Negative St&bchen in den Kontrollen fanden sich auch, 
doch erst um Tage sp&ter als in dem entsprechenden Extraktrohrchen. 


Versuch VI (unvollstandig). 

Steriler Kulturextrakt: Traubenzuckeragarkultur von Rauschbrand, 10 Tage alt, 
gramnegativ (Stichkultur, ca. 5 ccm). 

Suspensionsfliissigkeit: Aqua dest. 30 ccm. 

Impfkultur: 1—6 wie bei Versuch V. 

Ein Rohrchen von ca. 4 ccm auf 4 ccm Extrakt, iiberschichtet mit Toluol. 
Gram- Resultate: 


nach Tagen 

R1 

R 2 

R 3 

R 4 

R5 

R6 

1 

(+) + + 

— 

+ + — 

+ + 

+ + 

+ + 

2 

+ - 

- J 

O 

+ + 

O 

+ + 


0 = zu wenig Stabchen im Ausstrich. 


Dieser Versuch konnte aus SuBeren Griinden nicht beendet werden, 
ohnehin storte die geringe Menge des Impfmaterials dieBeobachtung. Er ist 
nur der so schnell beginnenden negativen Gram -Resultate halber mitgeteilt. 


Versuch VII. 

Steriler Kulturextrakt: aus Rauschbrand (Agarstich), ca. 5 ccm, 1 Monat alt, 
gramnegativ, verrieben in 30 ccm Kochsalzlosung, iiberschichtet mit Toluol. 

Impfkultur: Rauschbrandkultur, 3 Tage alt, grampositiv, iiberschichtet mit Toluol. 

a) In Bouillon: 

1) in den unerhitzten Extrakt gebracht, 

2) Extrakt, 'L Std. auf 56° erhitzt, 

3) Extrakt, 10 Min. auf 60° erhitzt. 

b) In Aszites-Bouillon: 

1 ) 1 

2) [ Extrakt wie bei a) vorbehandelt. 

3) j 

c) In Traubenzuckerbouillon: 



Extrakt wie bei a) vorbehandelt. 


Gram-Resultate. 


n. Tagen 

a 1 

a 2 

a 3 

b 1 

b 2 

b 3 

c 1 

c2 

c3 

1 

+ + + 

+ + + 

0 

+ — 

+ 

+ 

0 

+ 

+ + 

3 

+ — 

+ + + 

+ + + 

— 

0 

0 

+ 

+ 

+ + 

5 

+ — 

+- 

+ + + 

— 

0 

+ 

0 

+ + 

+ + 

7 

+ — 

— 

+ + + 

— 

o 

+ 

0 

+ + 

+ + 


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URBANA-CHAMPAI6N 




Comberg, Die Ursaehe der Gram-Veranderlichkeit anaerober Bakterien. 429 

Auf Zusatz des auf 60° vorerhitzten Extraktes war eine Aenderung 
der Gram-F&rbbarkeit nicht zu beobachten, was mit der schon oben 
erwahnten Tatsache, daB das autolytische Ferment durch Erhitzen auf 
60—70° seine Wirksamkeit verliert, fibereinstimmt. Bei welcher Tem- 
peratur das Optimum liegt, lafit sich aus diesem Versuch noch nicht 
sagen, da das Grara-Negativwerden bei Zimmertemperatur und mit 
einem vorher auf 56° erhitzten Extrakt im gleichen Zeitintervall eintrat. 
Ein letzter Versuch, der mit Rauschbrandextrakt aus flfissigem Sub- 
strat angestellt wurde, vermochte darfiber keinen AufschluB zu geben, 
da dieser fibereinstimmend mit Versuch 4 keine fermentative Wirkung 
zeigte (Versuch VIII). 

Alle beobachteten Eigenschaften des Bakterienextraktes, seine Wirk¬ 
samkeit besonders unter den Bedingungen des festen Nfihrbodens, seine 
Spezifitat, seine Abhfingigkeit von der Temperatur, sein Verhalten gegen- 
iiber Toluol sprechen fiir seine enzymatische Natur. Es ist anzunehmen, 
daB dieses Enzym die nukleinartigen Stoffe des Bakterienleibes so ab- 
baut, daB daraus keine Aenderung der Farbbarkeit resultiert, wahrschein- 
lich in der Bildung niedermolekularer G ra m - negativer Verbindungen. 
Gewifi spielen aber ffir die Wirkung des Enzyms auch Unterschiede in 
der Struktur der G r a m - positiven eine Rolle, in der Art, daB diese 
feiner, gelockerter werden, und wie Hottinger annimmt, ein hOherer 
Dispersitfitsgrad der Teilchen und damit Gram - Negativity eintritt. 
Im einzelnen scheinen die Vorgange, woffir ja auch die eingangs be- 
richteten Resultate verschiedenartiger Untersuchungen sprechen, sehr 
verwickelt zu sein. Die hier berichteten sollen an neuem Material 
eventuell noch naher untersucht werden. Auch Untersuchungen fiber 
Aerobier mit labilem Gram-Verhalten sind im Gange. 

Zusammenfassung. 

1) Das schwankende Verhalten der untersuchten anaeroben Bak¬ 
terien aus der Gruppe der pathogenen Gasbrandbazillen in bezug auf 
die Gram-Ffirbung machte sich in festen Kulturen mit und ohne 
Traubenzuckerzusatz geltend, die nach rund 14Tagen negativ wurden. 
Nur ausnahmsweise zeigte sich die Erscheinung auch in alten flfissigen 
Kulturen mit Aszites- und Traubenzuckerzusatz bei malignem Oedem 
und Rauschbrand, im fibrigen in flfissigen Kulturen nicht. 

2) Sterile Extrakte aus festen Kulturen der genannten Anaerobier, 
mit frischen, Gram- positiven Bakterien der homologen und hetero- 
logen Art aus flfissigem Nahrsubstrat beimpft, wiesen schon nach 
1—3 Tagen zahlreiche negative Exemplare auf. SpSter wurde eine 
Sekundfirkultur wieder G r a m - positiv. 

3) Das Gram-negativ werden vollzieht sich auch dann, wenn 
mit Toluol fiberschichtet wird, ebenso mit Erhitzen des Extraktes auf 
56° V* Std. 

4) Dagegen scheint eine Erhitzung auf 60—7 0° (10 Min.) die 
Wirksamkeit des Extraktes aufzuheben. 

5) Nach diesem ist anzunehmen, daB das Gram-nega- 
tivwerden der Anafirobier auf der Gegenwart eines auto- 
tytischen Enzyms beruht, das sowohl von ihnen ausge- 


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430 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 5. 


sondert wird, wie auch aus ihrera Leibe extrahiertwerden 
kanu. Die Menge des Enzyras scheint in flussigen'Kulturen nnr so 
gering bzw. das Enzym so verdiinnt zu sein, daB die Wirkung sich 
schon wahrend des Wachstums der Kultur erschOpft und mit dem ste- 
rilen Filtrat nicht mehr nachweisbar ist. 


I>iteratnr. 

Brudny, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 21. 1908.— Deusen, Zeitschr. f. Hyg. 
Bd. 85. 1918. — Ders., ebenda. Bd. 93. 1921. — Eisenberg, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Orig. Bd. 71. 1913. — Fischer, Fixierung, Farbung und Bau des Protoplasmae. 
Jena (Fischer) 1899. — Hottinger, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 76. 1915. 

— Kruse, Allg. Mikrobiologie. 1910. — Ders., Miinchen. med. Wochenschr. 1910. 
H. 13. — Burgers, Schreiber u. Scheermann, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 70. 1912. 

— Unna, Monatsh. f. Dermat. Erg.-Heft. 1887. 


Nachdruck verboten. 

Binokulares Plattenkulturmikroskop. 

[Aus dem Bakteriologischen Untersuchungsamt der Stadt Altona (Elbe) 

(Dr. J. ZeiBler).] 

Von Johannes ZeiBler. 

Mit 1 Tafel. 

Zur vollen Ausnutzung des von R. Koch in die Bakteriologie ein- 
gefiihrten Plattenkulturverfahrens ist die Betrachtung der in oder auf 
den Kulturplatten gewachsenen Bakterienkolonien mittels Lupe oder Mi- 
kroskop schon lange als Bediirfnis empfunden und auch ausgefuhrt worden. 

Die einfachste Vorrichtung dafur ist die Monokellupe (Carl Zeifl, Jena, 
Druckschrift „Med 63“). Sie gibt nur eine sehr geringe VergroSerung, schaltet das 
binokulare (plastische) Sehen aus, und ihre Benutzung bringt in vielen Fallen kaum 
einen Vorteil vor der binokularen Besichtigung mit unbewaffneten Augen. 

Die Besichtigung der Plattenkulturen mit den schwiichsten Objektiven der ge- 
wohnlichen Mikroskope gibt nur bei durchfallendem Lichte ausreichende Bilder. 
Fiir die Musterung bei auffallendem Lichte kann sie auBer dem im folgenden Absatz 
angefiihrten Grunde wegen zu geringer Lichtstarke nicht ernsthaft in Frage kommen. 
Im iibrigen schlieOt schon der wegen der kurzen Brennweite geringe Abstand der Ob- 
jektive von der Kulturplatte ein bequemes und dabei sicher einwandfreies Arbeiten beim 
Abstechen von Kolonien aus. 

Das Impfpult nach Christensen (Carl ZeiB, Jena, Druckschrift „Med 
108*) erlaubt die Anwendung von mono- und binokularen Fernrohrlupen mit bis 30- 
facher VergroOerung. Fiir die Betrachtung in durchfallendem Lichte ist es ein brauch- 
bares Instrument. Fiir die Betrachtung in auffallendem Lichte ist es dagegen so gut 
wie unbrauchbar, weil bei ihm der Trager der Kulturschale, die Tischplatte, in horizon- 
taler Lage festliegt und nicht die zur Variierung des Auffallwinkels des Lichtes unbe- 
dingt notwendigen, oft recht ausgiebigen Neigungen nach alien Richtungen zulaSt. 

In dieser Beziehung ist auch das mit einem kleinen Kugeltisch ausgerustete groBe 
Praparierstati v von P. Mayer (Carl ZeiB, Jena, Druckschrift „Mikro 270 1 *) nur 
ein unzureichender Notbehelf, aenn die Schnittfliiche seines Kugeltisches hat einen so 
kleinen Durchinesser, daB Petri-Schalen auf ihr nicht so weit verschoben werden 
konnen, daB bei Mittelatellung des Lupentragers ( ? Saule tt ) jeder Punkt der Petri- 
Schale in die optischen Achsen des Lupenpaares geriickt werden kann. Es fehlt ferner 
eine brauchbare Vorrichtung zum Festhalten der Petri-Schale auf dem Kugeltische, 
und schlieBlich lafit dieser zu kleine Kugeltisch mit dem fehlenden Plattenhalter wegen 
seines iiber den Umfang der Kugel hinausragenden Randes und wegen der zu engen 
Oeffnung im Haupttisch die Schragneigung nicht in dem fur viele FaTle unumganglich 
notwendigen Grade zu. Fiir Drigal ski - Schalen ist das groBe Praparierstati v 
von Mayer mit seinem kleinen Kugeltisch iiberhaupt nicht zu verwenden. 



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ZeiBler, Binokulares Plattenkulturmikroskop. 


431 


Die Fortschritte der BakterienziichtuDg seit der Einfuhrung des 
Plattenkulturverfahrens haben es mit sich gebracht, daB die urspriing- 
liche Form der Kulturplatte, die durchsichtige Gelatineplatte, im allge- 
meinen, und fflr viele Zwecke vollstandig, zugunsten leistungsfahigerer 
und meist mehr Oder weniger undurchsichtiger Kulturplatten in den 
Hintergrund getreten ist. Zudem werden diese komplizierter zusammen- 
gesetzten Nahrboden meist durch Bestreichen ihrer Oberfl&che beimpft. 
Das gilt, um nur 2 Beispiele anzuftihren, sowohl fiir die Differential- 
nkhrboden zur Typhus-, Ruhr-, Choleradiagnose (Drigalski-Con- 
radi-, Endo-,GaBner-,Dieudonn6-Platten) wie fur die Blutagar- 
platten (Schottmiiller) zur Kokkendifferenzierung und fiir dieTrauben- 
zuckerblutagarplatten (Zeifiler) zur Differenzierung der Anaerobier. 

Bei einem ffir die eben genannten Zwecke ausreichenden Platten¬ 
kulturmikroskop muB bzw. miissen 1) binokulares Sehen mit geniigender 
VergroBerung und Lichtstarke moglich sein, 2) der Abstand zwischen 
den Objektiven und der Kulturplatte fiir bequemes und doch sicher ein- 
wandfreies Abimpfen ausreichen, 3) die OberflSche des Plattentisches 
nach alien Richtungen hin bis zu 45° geneigt werden konnen, ohne daB 
ilir Mittelpunkt seine Lage irgendwie andert, 4) die Oberfl&che des 
Plattentisches so groB sein, daB eine Drigalski-Schale bequem auf 
ihr Platz hat, 5) a) bei in Mittelstellung feststehender Lupe durch Ver- 
schiebung des Schalenhalters nach jeder Seite um eine Durchmesserl&nge 
der Kulturschale in Verbindung mit Rotation der Kulturschale auf dem 
Schalenhalter Oder b) durch Querverschiebung der binokularen Lupe um 
V 2 Durchmesseriange der Kulturschale nach beiden Seiten in Verbindung 
mit Rotation der Kulturschale auf der Tischplatte jeder Punkt der letz- 
teren in die optischen Achsen des Lupenpaares gebracht werden kdnnen, 
6) auswechselbare Halter fiir D r i g a 1 s k i - Schalen und fiir P e t r i -Schalen 
aufgesetzt werden kbnnen, welche die Kulturschalen auch bei maximaler 
Neigung des Tisches in der ihnen gegebenen Lage halten ohne Behinde- 
rung ihrer Rotation, 7) bequeme Handstiitzen angebracht werden konnen. 

Unter Beriicksichtigung der vorstehend aufgefiihrlen Bedurfnisse hat 
mir die Firma Carl ZeiB, Jena, unter wesentlicher Mitwirkung des 
Leiters ihrer Hamburger Filiale, Herrn Martini, ein „Binokulares 
Plattenkulturmikroskop“ konstruiert: 

In einem guBeisernen FuB (Fig. 1) ist eine kreisrunde Oeffnung an¬ 
gebracht zur Aufnahme des Kugeltisches. — Die eine Kante des 
guBeisernen FuBes tragt eine Gleitschiene fiir den Lupentr&ger. 
— 2 andere, einander gegeniiberliegende Kanten enthalten je 2 kleine 
Locher zur Aufnahme entsprechender Zapfen des vertikalen Brettes der 
entsprechenden Handsttitze. 

Der Kugeltisch kann, in der ringfbrmigen Oeffnung des guBeisernen 
FuBes ruhend, beliebig gekippt werden, so daB die Tischplatte nach alien 
Richtungen hin bis zu 45° geneigt werden kann, ohne daB dabei ihr 
Mittelpunkt aus seiner Lage gebracht wird. — Auf die Peripherie der 
Tischplatte des Kugeltisches kann ein Ring von 22 cm Durchmesser 
aufgesetzt werden als Halter fiir D rigalski - Schalen. Dieser Ring 
halt Drigalski-Schalen in der ihnen gegebenen Lage auch bei maxi¬ 
maler Schragstellung der Tischplatte. Die Rotation der Drigalski- 
Schalen hindert er nicht. Die Tischplatte des Kugeltisches tragt, in 
gerader Linie von Peripherie zu Peripherie durch ihren Mittelpunkt ge- 
ftlhrt, eine Furche als Gleitschiene fur einen mit Schwalbenschwanz- 
schlitten versehenen, tellerfbrmigen Schalenhalter von etwa 10cm 


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432 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5. 


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Durchmesser fiir Petri-Schalen. Dieser tellerfbrmige Schalenhalter 
halt Petri-Schalen in der ihnen gegebenen Lage auch bei maxiraaler 
Schragstellung der Tischplatte. Die Rotation der Petri-Schalen hin- 
dert er nicht. 

Die Einstellung der Bakterienkolonien in die optischen Achsen des 
Lupenpaares erfolgt bei Petri-Schalen durch Verschieben des teller- 
fSrmigen Schalenhalters in der (am besten sagittal zum Untersucher 
eingestellten) Furche in der Tischplatte des Kugeltisches in Verbindung 
mit Rotation der Petri-Schale im tellerformigen Schalenhalter (Fig. 2, 
3, 4), bei Drigalski-Schalen durch seitliche Verschiebung des Lupen- 
tr&gers auf seiner Gleitschiene am guBeisernen FuB in Verbindung mit 
Rotation der Drigal ski-Schale auf der mit dem 22 cm Ring armierten 
Tischplatte des Kugeltisches (Fig. 5, 6). 

Alles weitere zeigen die Abbildungen. 

Fig. 7 zeigt die dem groBen PrSparierstativ von P. Mayer (Carl 
ZeiB, Jena, Druckschrift „Mikro 270“, Fig. 3) entsprechende Einrichtung 
fur die Betrachtung von Plattenkulturen bei durchfallendem Licht. 

Die Kombination Objektivpaar (a 2 ) mit Okularpaar 2 bieten bei 23- 
facher, vollkommen ausreichender VergroBerung geniigende LichtstSrke. 

In 5-jahr. taglichen Gebrauch hat sich, zunSchst in weniger voll- 
kommener Gestalt, das „BinokularePlattenkulturmikroskop“ 
bewahrt und ist mir ein unentbehrliches Hilfsmittel geworden 1 ). Seine 
Leistung fiir die Differenzierung von Kolonien und fur ihre Priifung auf 
Reinheit kann nur beurteilen, wer das Instrument aus eigener praktischer 
Erfahrung kennt. 

1) Fraenkel, Eugen, und Zeifiler, Johannes. Die Differenzierung patho- 

f ener Anaerobier. (Miinchen. med. Wochenschr. 1919. Nr. 2.) — Zeifiler, Johannes, 
lenschliche Wundinfcktionen und Tierseuchen. (Zeitschr. f. Infektionskrankh. d. Haus- 
tiere. Bd. 21. 1920. H. 1 u. 2.) — Monographic Richard Schoetz. Berlin 1920. — 
Becker, L., Die Anaerobenflora des Meerschweinchenkadavers und ihre Bedeutung 
fiir die Rauschbranddiagnose durch den Tierversuch am Meerschwein. (Zeitschr. f. 
Infektionskrankh. d. Haustiere. Bd. 23. 1922. H. 1.) 


Inhalt. 


Adelmann, Leonid, Tuschekulturmethode 
und Teilungsvorgange bei Bakterien. Mit 
7 Abbildungen im Text, 8. 401. 

Arndt, Arthur, Zur Technik der Amoben- 
zuchtung, 8. 417. 

Comberg, Maria, Ueber die Ursache der 
Gram - Veriinderlichkeit anaerober Bak¬ 
terien, S. 423. 

Heuer, Georg, Der Einflufi der ultravio- 
letten Strahlen auf Antikorper in vitro. 
Mit 3 Kurven im Text, S. 380. 

Heymann, Bruno, Zum 40-jahrigen Ge- 
denktage der Entdeckung des Tuberkel- 
bacillus. Ansprache, gehalten in der 
Berliner Mikrobiologischen Gesellschaft 
am 24. Marz 1922, §. 337. 

Hilgermann, Bemerkungen zu den Aus- 
fiihrungen von Herrn Dr. Pardi: „Ueber 
die Natur der leukozytaren Einschliisse 
bei Encephalitis lethargica". (Centralbl. 
f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. H. 6.), S.378. 

Hintae, K., u. Xuhne, H,., Zur Frage der 
Umwandlung hamolytischer Strepto- 


kokken in die grun wachsende Form. 
Mit 2 Abbildungen im Text, S. 352. 

Nieschuls, Otto, Ueber die Benenuung 
des Schweinecoccids, S. 379. 

Schumacher, J., Welche chemische Sub- 
stanz baut die Polkornchen des Di- 
phtheriebazillus auf?, 8. 362. 

Sp&t, Wilhelm, Zur Frage der Kokto- 
stabilitat gebundener Immunkorper, 
8. 387. 

Tsukahara, X., Untersuchungen fiber das 
Vorkoiumen von Diphthenebazillen in 
der Scheide von Gebarenden und Woch- 
nerinnen sowie bei Neugeborenen, 8. 366. 

Vorschfita, Josef, Die Bakterienagglu- 
tination im erkrankten Blute, 8. 394. 

Winkler, W. F., Die Kombination der 
Sachs-Georgi-Reaktion (S-G.-R) 
und der Dritten Modifikation der Mei- 
n i c k e - Reaktion (D.-M.-R.) bei der Sero- 
diagnostik der Dues, S. 374. 

Zeifiler, Johannes, Binokulares Piatten- 
kulturmikroskop. Mit 1 Tafel, S. 430. 


Frommannscbe Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. 



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Fig. 3. 


Verlag von G u b t a v 


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Centralbl. f. fiakt etc. I. AbL Originate. Id. 88. Heft 8. 

Ausgegeben am 8. August 1922. 


Nachdruck verboten. 

Bin neuer elektiver Mhrboden fiir Choleravibrionen. 

[Aus dem Institut fiir Hygiene und Bakteriologie der Medizinischen 
Hochschule in Kanazawa, Japan.] 

Von Prof. Dr. H. Kodama. 

Ich mfichte hier einen elektiven Nahrboden fiir Choleravibrionen 
empfehlen, der auf dem Prinzip der Verzuckerung der Starke durch das 
diastatische Ferment der Choleravibrionen beruht. Die Darstellung des 
Nahrbodens ist folgende: 

A. 100 ccm 3-proz. Lackmus-Neutralagar, 1 ccm 10-proz. Sodalosung, 
0,5 ccm gesattigter, alkoholischer Fuchsinlosung, 2,5 ccm frisch bereiteter 
10-proz. Natriumsulfitlosung, 3 g in 5 ccm Wasser gut verteilter Kartoffel- 
starke werden 30 Min. lang zusammen im Dampftopf gekocht. 

B. Zu 100 ccm einer mit Wasser 5-fach verdOnnten Rinderserum- 
15sung wird 1 ccm einer 10-proz. NaOH-Losung zugesetzt und dies 
30 Min. lang im Dampftopf gekocht. 

C. Man mischt 2 Teile der Losung A und 1 Teil der Losung B 
gut miteinander, verteilt diese in vorher sterilisierte Reagensrohrchen und 
sterilisiert diese an 3 aufeinanderfolgenden Tagen je */* Std. im Dampftopf. 

D. Dies Gemisch wird in Petri-Schale abgegossen; dabei muB 
man dafiir sorgen, dafi die Starke gleichm&Big in der Schale verteilt 
wird. AuBerdem muB die Oberflache des Agar trocken sein, wie im 
allgemeinen bei Agarplatten. 

Die Choleravibrionen beginnen in obigen, weiBgetriibten Platten nach 
einer Ziichtung von ca. 7 Std. bei 37 0 C Kolonien zu bilden, und zwar 
nur weiBe. Nach einer weiteren Ziichtung von 3—9 Std. jedoch bilden 
sich aus diesen weiBen Kolonien immer 2 Arten charakteristischer, 
intensiv rot gefarbter Kolonien. 

Die 1., groBere Art ist iiber die Oberflache der Platte nicht erhaben, 
der Rand unregelmaBig, der Durchmesser betragt etwa 0,3—0,7 cm. 
Die 2. Art ist fiber der Oberflache der Platte deutlich erhaben, der Rand 
scharf begrenzt und der Durchmesser betrfigt ca. 0,1—0,2 cm. 

Wenn man diese 2 Arten von Kolonien in der Platte bei durch- 
scheinendem Licht makroskopisch betrachtet, so laBt sich in der Um- 
gebung aller Kolonien eine breitere, klare Hofbildung deutlich erkennen. 
AuBerdem sei noch bemerkt, dafi die Choleravabrionen in obengenannten 
Platten immer viel mehr Kolonien der 1. Art bilden als der 2. Wenn 
man die Ausstrichprfiparate aus den oben beschriebenen 2 Arten von 
Kolonien mit verdtinnter Karbol-Fuchsinlosung farbt und morphologisch 
untersucht, so tindet man in manchen Kolonien nur typische Komma- 
formen, in manchen aber neben diesen typischen, durch die Fuchsin- 
lOsung gleichmaBig geffirbten Kommaformen, in deren Leib sich haufig 
ein vakuolenahnlicher, ungeffirbter Teil befindet, noch eine andere, 
2—3mal groBere Kommaform, die durch die Fuchsinlfisung nur sehr 

Em* Abt. Grig. Bd. 88. Heft 6. 28 


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434 


Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 6. 


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schwach geffirbt ist und innerhalb ihrer Leibes hfiufig ein tiefrot geffirbtes, 
kernfihnliches Kfirperchen erkennen lfiBt. 

Die 2., runde Rotkolonie ist auch als Material fiir den orientierenden 
Agglutinationsversuch sehr geeignet; dagegen ist die 1. Art etwas un- 
gflnstig, weil diese Kolonien sich nicht fiber die Oberflache des Nfihr- 
bodens erheben. 

Im Kartoffelstfirke-Fuchsin-Rinderserumnfihrboden bilden Typhus- 
bazillen, Paratyphusbazillen A und B, Bacterium coli, Bac. dysen- 
teriae Shiga-Kruse, Bac. dysenteriae Flexner, Milzbrand- 
bazillen, Staphlococcus pyogenes aureus, Rohhefe usw. bei einer 
Zfichtung von 16—24 Std. nur weiBe Kolonien, nie aber rote. Dagegen 
bilden die Choleravibrionen immer und die cholerafihnlichen Vibrionen 
(von Metschnikoff, Deneke und Finkler-Prior) die oben be- 
schriebenen, charakteristischen Kolonien. 

Im normalen Kot sclten, haufiger bei der Diarrhoe vorkommende 
Proteus-Arten bilden in diesem Nfihrboden eine ganz choleraahnliche 
Rotkolonie mit Hof. Diese Proteusarten sind aber auf der Agar- 
oberflfiche ohne Auslfiufer und Hauchbildung. 

AuBerdem bilden noch im normalen Kot oft vorkommende, nicht 
pathogene Diplokokken in diesem Nfihrboden rundliche, intensiv rot 
geffirbte Kolonien; aber in der Umgebung dieser Kolonien findet keine 
Hofbildung statt. Hierdurch unterscheiden sich die Kolonien dieser 
Diplokokken von denen der Choleravibrionen. 

Wenn man einen Nfihrboden verwendet, der an Stelle der Kartoffel- 
stfirke eine gleiche Menge Weizenstfirke von Merk enthfilt, so ergibt 
die Zfichtung der Choleravibrionen das gleiche Resultat wie im Kartoffel- 
st&rke-Nfihrboden; aber doch zeigt sich eine gewisse Difterenz, indem 
namlich bei der Zfichtung im Weizenstfirke-Nahrboden die Zahl der oben 
beschriebenen 2. Art von Rotkolonien viel groBer ist als die der 1. Art. 
Auch tritt die Rotffirbung einige Stunden spfiter auf (d. h. erst etwa 
24 Std. nach der Aussaat) und die Hofbildung um die Kolonien ist 
etwas schmaler. Die Erklarung dieser Differenzen ist mir unmoglich; 
ich kann nicht sagen, ob das von den Choleravibrionen produzierte, 
diastatische Ferment auf die WeizenstSrke schwerer einwirkt, oder ob 
dieser Nahrboden der Choleravibrionen ungfinstiger ist als der Kartoffel- 
stfirke. 

Wenn man statt der Kartoffelstarke die gleiche Menge der loslichen 
Stfirke von Merk verwendet, so ergeben sich bei Zfichtung der Cholera¬ 
vibrionen noch Shnliche, ja noch bessere Resultate als mit dem Kartoffel- 
starke-Nahrboden. Die Choleravibrionen bilden namlich auf diesen fast 
klaren Platten immer nur erhabene, runde, intensiv rot geffirbte Kolonien 
(2. Art Rotkolonien), aber nie die nicht erhabenen, groBeren Kolonien 
(1. Art). AuBerdem lfiBt sich bei durchscheinendem Licht eine breitere, 
klare, deutliche Hofbildung in der Umgebung der Kolonien erkennen. 
Deswegen mochte ich den Ifislichen Starke-Fuchsin-Rinderserum-Nfihr- 
boden als den elektivsten Choleranfihrboden empfehlen. 

Setzt man endlich dem Nfihrboden statt Kartoffelstfirke die gleiche 
Menge Dextrin zu, so bilden die Choleravibrionen auf diesen sogenannten 
Dextrin-Fuchsin-Rinderserumplatten nur erhabene, runde, intensiv rot 
geffirbte Kolonien. Da sich aber in der Umgebung dieser Kolonien keine 
Hofbildung zeigt, konnen sie von den Rotkolonien der oben erwfihnten, 
nicht pathogenen Diplokokken nicht unterschieden werden. 



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Bitter, Unterscheidung d. Erreger v. Enteritis- u. Paratyphueerkrankungen. 435 


SchluB. 

Ich raSchte als neuen, elektiven NShrboden fiir Choleravibrionen 
besonders meinen loslichen StSrke (von Merk) -Fuchsin-Rinderserum- 
N&hrboden und auBerdem auch den Kartoffelstarke-Fuchsin-Rinderserum- 
NShrboden empfehlen. Auch ergibt der Dextrin-Fuchsin-Rinderserum- 
N&hrboden ziemlich gute Resultate. 

Literatur. 

Aronson, Dtsch. med. Woehenschr. 1915. 8. 1027. — Baerthlein u. Gilde- 
meister, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 76. 1915. — Crendiroponlo und 
Panayaotatou, ebenda. Bd. 55. 1910. — Dieudonn4, ebenda. Bd. 50. 1909. — 
Ffigner. ebenda. Bd. 74. 1914. — Gaehtgens, ebenda. Bd. 78. 1916. — Hacbla 
u. Holobut, ebenda. Bd. 52. 1909. — Heim, ebenda. Bd. 30. 1901; Bd. 53. 1910. — 
Hofer u. Hororki, ebenda. Bd. 71. 1913. — Huntemiiller, ebenda. Bd. 50. 1919. 
— Kabeshitna, ebenda. Bd. 70. 1913. — Krombholz u. Kulka, ebenda. Bd. 62. 
1912. — Laubenheimer, ebenda. Bd. 52. 1909. — Lingelheim, ebenda. Bd. 76. 
1915. — Neufeld u. Woithe, Arb. a. d. k. Gesundheitsa. Bd. 33. 1910. — Pergola, 
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 60. 1911. — Pilon, ebenda. Bd. 60. 1911. — 
Prausnitz, ebenda. Bd. 9. 1891; Berlin, klin. Woehenschr. 1905. Nr. 19; Munchen. 
med. Woehenschr. 1905. Nr. 48. — Raadt, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 65. 
1912. — Sgalitzer u. Lowy, ebenda. Bd. 69. 1913. — Signorelli, ebenda. Bd.66. 
1912. — StockeB u. Hochtel, ebenda. Bd. 69. 1913. — Teruuchi u. Hida, ebenda. 
Bd. 63. 1912. 


Tfaohdrwdc verboten. 

Zur Unterscheidung der Erreger von Enteritis- und Para- 

typhuserkrankungen. 

[Aus dem Hygienischen Institut in Kiel (Direktor: Prof. D. KiBkalt).] 

Von Prof. Dr. Ludwig Bitter. 

Mit 1 Abbildung im Text. 

Seit meinen letzten Veroffentlichungen (1—4) zu dieser Frage sind 
mehrere Arbeiten erschienen, in denen verschiedene gewichtige G r fl n d e 
fQr die Differenzierung der Erreger von Enteritis und 
Paratyphus angegeben werden. Insbesondere besch&ftigen sich diese 
Arbeiten mit der Trennung von Paratyphus B und Enteritis Breslau, 
bzw. mit der Unterscheidung der Erreger dieser Krankheiten. 

Zum Teil stellen sie Bestatigungen eines oder mehrerer der von mir erneut zu- 
eammengefaflten, erweiterten und vermehrten (Epidemiologie, Dauerausscheider) Ge- 
sichtspunkte dar, zum Teil bringen die Autoren auch neue, die Ansichten von B. 
Fiscner, Reiner Muller, G. W agner und mir bekraftigende Tatsachen. Sehitten- 
belm (5) kommt vom klinischen und epidemiologischen Standpunkte zu dem 
Schlufi, dafl die Enteritis Breslau scharf vom Paratyphus B zu trennen ist. Seine Griinde, 
die er an der Hand von trefflichen Krankengeschichten auffiihrt, miissen meiner Meinung 
nach dem Kliniker durchaus einleuchtenn erscheinen. Manteufel und Beger (6) 
kommen durch ihre Cas tellau ischen Absattigungs versuche an monovalenten 
Eselseren zu dem bei vielfacher Wiederholung immer gleichbleibenden Ergebnis, dnfi 
Berologisch in der Paratyphus B-Familie 2 weitere Gruppen, die noch nicht allgemeine 
Anerkennung geniefien, abzutrennen sind, namlich die Typen Pestifer und BreBlau. 
Hinsichtlich dee letzteren Typus sagen sie: „Es hat danach den Anschein, dafi den 
von Bitter auf kultureilem Wege differenzierten Typen auch kennzeichnende Ver- 
echicdenheiten am Rezeptorenbau zukommen." Die von mir in Uebereinstimmung mit 

28* 


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(Jentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 6. 


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B. Fischer, Reiner Muller usw. betonten kulturellen und einfachen agglutinatori- 
schen Unterscheidungsmerkmale des Bact. paratyphi B und des Bact. enteritidis 
Breslau haben sie aagegen weder bei ihren zahlreichen Sammlungskulturen, noch bei 
einer Reihe ihnen von mir zur Verfugung gestellten Stiimmen meiner Sammlung ein- 
wandfrei bestatigen konnen. Fiitterungsversuche an weiBen Mausen ruit ihren Sanini- 
lungskulturen, die, wie Herr Reg.-Rat Manteufel mir mitzuteilen die Liebenswiirdig- 
keit hatte, zum Teil schon sehr alt sind, und die deshalb selbstverstandlich ein un- 
sicheres Ergebnis zeitigen miissen, haben sie offenbar nicht angestellt. 

Gegeniiber dem noch etwas abwartenden Urteil von Manteufel und Beger: 
„Es hat also nach den bisherigen Untersuchungen tatsachlich den Anschein, dad den 
von Bitter zusammengefaBten Unterscheidungsmerkmalen gewisse Berologische Diffe- 
renzierungsmoglichkeiten entsprechen. Immerhin sind wir nicht der Ansicht, dad ein 
giiltiger Beweis dafiir bereits erbracht ist und halten eine weitere Bearbeitung dieser 
Frage fur notwendig“, kommt Schiff (7) zu einem durchaus eindeutigen Unter,- 
suchungsergebnis. Schiff hat in umfangreichen Versuchen den Rezeptoren- 
apparat der Paratyphus B- und Enteritis Breslaubakterien nach dem von Weil und 
Felix ausgearbeiteten Yerfahren gepriift. Mit Hilfe dieser Rezeptorenanalyse, die be- 
kanntlich den Doppeltypus der tnermostabilen und thermolabilen Rezeptoren beriick- 
sichtigt, kommt er zu dem SchluB, daO, zwischen den echten Paratyphus B-Bakterien 
und den I* leischvergiftern der Paratyphusgruppe vom Typus Breslau regelmaflig sero- 
logische Unterschiede bestehen. Gleich sind nach seinen Untersuchungeu die therino- 
atabilen und ein Teil der thermolabilen Rezeptoren, wahrend ein anderer Teil der 
thermolabilen durchaus verschieden ist. 

Wolf Gartner (8) hat im Untersuchungsamt fiir ansteckende Krankheiten am 
Hygienischen Institut in Kiel umfassende biachforschungen iiber die Klinik, path. 
Anatomie und Epidemiologie der in der Literatur niedergelegten Fiille von Para¬ 
typhus und Enteritis angestellt. Er hat ferner gemeinschaftlich mit mir das biologische 
und einfache serologische Verhalten einer groBen Reihe von noch erhaltlichen Erregeru 
von Paratyphus B- und Enteritiserkrankungen, soweit sie in der Literatur als durch 
Paratyphus B-Bakterien hervorgerufeu bezeichnet wurden, gepriift. Er kommt zu dem 
Resultat: „Sowohl die Klinik, die anatomische Pathologie, als auch die Epidemiologie 
und die Bakteriologie lassen eine Trennung des Paratyphus B abdominalis (Schott- 
miiller) von der Gastroenteritis paratyphosa B wiinschenswert erscheinen. Die hier 
besonders interessierende Bakteriologie luBt eine Trennung sowohl im Wachstum (Wall- 
bildung, Gelatinestrich) als auch durch die spezifische Agglutination, die Mausepatho- 

f enitat, die Toxizitat und wahrscheinlich auch durch die Immunitatsverhaltnisse er- 
ennen.“ 

Verwunderlich erschien mir der Uinstand, daS ebensowenig wie Manteufel und 
Beger, Schiff, von denen letzterer auBer einer Reihe von mir identifizierter Stamrne, 
die auch Manteufel besaB, sogar ein hochwertiges spezifisches Agglutinationsserum 
mit dem von mir gefundenen Titer 1 :100(XX) bzw. 1 :200000 ohne Glyzerinzusatz in 
Handen hatte, weder die kulturellen noch die einfachen agglutinatorischen Unterschiede 
zwischen Paratyphus B- und Enteritisbakterien finden konnte. Futterungsversuche 
scheint Schiff 60 wenig wie Manteufel und Beger angestellt zu haben. 

Ich habe mich zur Kliirung dieser Unstimmigkeit an Herrn Ober- 
regierungsrat Manteufel gewendet und ihn gebeten, mir moglichst viele 
seiner Sammlungskulturen, die er und Beger nach dem Ausfall des 
Castellanischen Abs&ttigungsversuches unter die Typen Paratyphus B 
und Enteritjs Breslau eingruppiert hatten, zu senden. Die Kulturen 
sollten nur Nummern, aber keine naheren Bezeichnungen tragen. Durch das 
freundliche Entgegenkommen von Herrn Oberregierungsrat Manteufel 
kam ich in den Besitz von 22 SchrSgagarkulturen, die mit den Num- 
mern I—XXII bezeichnet waren. Diese Kulturen, die am 7. und 8. April 
in Kiel eintrafen, habe ich sofort nach ihrer Ankunft auf neuen Scbrag- 
agar 2mal ubertragen. Weiterhin habe ich von jeder Kultur auf eine 
ganze Chinablauagarschale einen Strich und einen grofien Punkt gesetzt 
und in je einem Gelatinerohrchen eine Strichkultur angelegt. Ferner 
wurde zur Prilfung der Reinheit der iibersandten Kulturen mit wenig , 
Material eine gut verteilte Oberflachenaussaat auf Chinablaumalachit- 
griinagar gemacht. Am folgenden Tage wurde von dieser Oberfliichen- : 
aussaat je eine mir besonders charakteristisch erscheinende Kolonie 


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Bitter, Unterscheidung d. Erreger d. Enteritis- u. Paratyphuserkrankungen. 437 


abgestochen auf folgende Niihrbbden: 1) SchrSgagar, 2) Neutralrot- 
traubenzuckeragar, 3) Peptonwasser, 4) Chinablaumolke. Das Indolbil- 
dungsvermbgen in Peptonwasser wurde nach 24-stiind. Bebriitung rnit 
dem Ehrlichschen Reagens gepriift. Es war bei keinem Stamme 
vorhanden. Das Gasbildungs- und Reduktionsvermogen in Neutralrot- 
traubenzuckeragar wurde 3 Tage lang beobachtet. Dabei stellte sich, 
wie gleich hier mitgeteilt werden mag, heraus, daB der Stamm XVII 
kein Gas aus Traubenzucker zu bilden vermochte, wkhrend sich im 
iibrigen alle Stamme regelrecht verhielten. Diese letzte Beobachtung 
wurde in mehrfachen verschiedenartigen Kontrollversuchen immer wieder- 
holt. Die Chinablaumolken wurden nach 24-stiind. Bebriitung betrachtet 
und dann weiter bebrutet, bis bei alien nach spStestens 10 Tagen der 
charakteristische Farbumschlag in Weill festgestellt werden konnte. Das 
eine frisch angelegte SchragagarrOhrchen wurde nach 24-stiind. Be¬ 
briitung mit 10 ccm physiol. Kochsalzlosung abgeschwemmt, die Ab- 
schwemmung durch ein Papierfilter filtriert und in jede Abschwemmung 
ein 3 g schweres Stiickchen altes Brot fiir V* Std. gelegt. Diese Brot- 
stiickchen wurden an je eine ausgewachsene Maus verfiittert. Die 
2. Schr&gagarkultur wurde nach 24-stiind. Aufenthalt im Brutschrank zu 
Agglutinationszwecken verwendet. Das Agglutinationsergebnis dieser 
Kultur wurde am nSchsten Tage kontrolliert durch das Resultat der 
Agglutination, die mit den Bakterien, welche auf der Schragagarkultur 
von der Oberflachenaussaat auf Chinablaumalachitgrunagar gewachsen 
waren, erzielt wurde. AuBerdem wurde eine 3. Agglutinationskontrolle 
bei den Stammen gewonnen, die nach dem Tode der verfiitterten Ver- 
suchstiere aus ihrem steril entnommenen Herzblut wieder geziichtet 
werden konnten. Der Einfachheit halber habe ich den von den einzelnen 
Stammen nach 2 Std. bei 37° erreichten Agglutinationswert in Prozent 
des Agglutinationstiters meiner polyvalenten Sera bezeichnet. Diese 
Sera wurden mit je 6 agglutinatorisch besonders charakteristischen 
Stammen durch 4malige Injektion eines weiblichen gutgenahrten Kanin- 
chens gewonnen. Sie waren zu gleichen Teilen mit Glyzerin versetzt (9) 
und agglutinierten die in den letzten Monaten von mir besonders reich- 
lich isolierten Paratyphus B- und Enteritis Breslaustamme durchschnitt- 
lich in einer Verdflnnung 1:100 000. Es bedeutet also z. B. 50 Proz. 
= 1 :50 000. Die Striche und Punkte auf den Chinablauplatten wurden 
24 Std. bebrutet und dann nach weiterem 24-stiind. Aufenthalt bei Zim- 
mertemperatur im auffallenden und durchfallenden Lichte (Einzelheiten 
siehe Gartner) mit bloBem Auge beobachtet. Daneben wurden sie 
mit schwacher VergroBerung unter dem Mikroskop betrachtet. Die Ge- 
latinestriche sind bis 'zum 3. Mai in einem gewbhnlichen Schranlc bei 
wechselnder Zimmertemperatur aufbewahrt und taglich angesehen worden. 
Die Einzelheiten ergeben sich aus nachstehender Tab. I. 

Die Agglutination der 1. von mir angelegten Schragagarkulturen 
ergab insofern bei 2 Stammen ein nicht ganz einwandfreies Resultat, 
als diese Spontanagglutination zeigten. Das lag, wie mir die 
Priifung der Kolonien von den Oberflachenaussaaten bewies, nicht an 
der mangelhaften Reinheit der Stamme, sondern an diesen selbst. Trotz 
der Spontanagglutination war es mir aber doch moglich, die 2 Stamme 
rein agglutinatorisch als Breslaubakterien zu identifizieren. Ich kann 
daher sagen, daB ich 24 Std. nach Ankunft der Kulturen mit meinen 
Seren agglutinatorisch die Unterscheidung von Breslau- und Paratyphus 
B-Bakterien in fflr mich und meine Mitarbeiter eindeutiger Weise durch- 


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438 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


Tabelle I. 


Nr. dee 
Stamm es 

Wallbildung 

Gelatine- 
etrich am 

Mausepathogenitat 

Agglutination mit po- 
lyvalentem Serum, 
Titer 1:100 000 

Diagnose 


8. 4. 


Parat. 

B 

Ent. 

Breslau 

Typhus 


I. 

fehlt 

saf tig 3. 5. 

gefiittert 7. 4. f 18. 4. 
Herzblut: Breslau 

100%, Parat. B 10 % 

2% 

50% 

1:1000— 

Breslau 

II. 

fehlt 

trocken 3. 5. 

gefiittert 7. 4. f 13. 4. 
Herzblut: Breslau 

100%, Parat. B50% 

<20 „ 

50 „ 

1 :1000- 

Breslau 

III. 

fehlt 

trocken 3. 5. 

gefiittert 7.4., lebt 15.5. 

2 „ 

10 „ 

1:1000— 

Breslau 

IV. 

nach 24 h Zim- 
mertemperatur 
deutlich 

gerutacht 
16. 4. 

gefiittert 7.4., lebt 15.5. 

50 „ 

20 „ 

1:1000— 

Paraty. B 

V. 

nach 24 h Zim- 
mertemperatur 
deutlich 

gerutscht 

16. 4. 

gefiittert 7.4., lebt 15.6. 

50 „ 

10 „ 

1:1000— 

Paraty. B 

VI. 

nach 24 h Zim¬ 
mer temperatur 
deutlich 

rahmartig, 
dicker Tropf. 
3. 5. 

gefiittert 7.4., lebt 15.5. 

50 „ 

10 „ 

1:1000— 

Paraty. B 

VII. 

fehlt 

ziemlich saf- 
tig 3. 5. 

gefiittert 8.4., lebt 15.5. 

10 „ 

10—20 

% 

1:1000- 

Breslau 

VIII. 

nach 24 b Zim¬ 
mer temperatur 
deutlich 

rahmartig, 
dicker Tropf. 
3. 5. 

gefiittert 8.4., lebt 15.5. 

100 „ 

10% 

1: l000i 

Paraty. B 

IX. 

nach 24 h Zim- 
mertemperatur 
zart, mikrosk. 
deutlich 

rahmartig, 
kleiner Tropf. 
3. 5. 

gef uttert 8.4., lebt 15.5. 

100 „ 

20 „ 

1:1000— 

Paraty.B 

X. 

fehlt 

saftig 3. 5. 

gefiittert 8.4., lebt 15.5. 

< 5,, 

50 „ 

1:1000- 

Breslau 

XI. 

fehlt 

ziemlich saf¬ 
tig 3. 5. 

gefiittert 8.4., lebt 15.5. 

< 5 „ 

20 „ 

1:1000- 

Breslau 

XII. 

fehlt 

ziemlich saf¬ 
tig 

gefiittert 8. 4., + 20. 4. 
Herzblut: steril 

50 „ 

50- 

100% 

1:1000- 

Breslau 

XIII. 

nach 48 h Zim¬ 
mer temperatur 
deutlich 

gerutscht 

3. 5. 

gefiittert 8.4., lebt 15.5. 

50 „ 

5 „ 

1:1000— 

Par a ty. B 

XIV. 

fehlt 

ziemlich saf¬ 
tig 3. 5. 

gefiittert 8. 4., f 14. 4. 
Herzblut: Breslau> 
100 %, Paratv. B < 
50 % 

2 » 

50 „ 

1:1000— 

Breslau 

XV. 

fehlt 

ziemlich saf¬ 
tig 3. 5. 

gefiittert 8. 4., + 17. 4. 
Herzblut: Breslau 

50 %, Paraty. B 20°/ 0 

20 „ 

40 „ 

1:1000- 

Breslau 

XVI. 

fehlt 

ziemlich 
trocken 3. 5. 

gefiittert 10.4., + 19.4. 
Herzblut: Breslau 

10 %, Paraty. B 5 % 

5„ 

10 „ 

1:1000- 

Breslau 

XVII. 

nach 48 h Zim- 
mertemperatur 
sehr zart, mi- 
kroskopisch 
deutlich 

rahmartig, 
kleiner Tropf. 
3. 5. 

gefiittert 10. 4., + 11.5. 
Herzblut: Breslau 

100°/,, Parat.B 10 % 

100 „ 

<50 „ 

1:1000— 

Paraty. B 

non gaeofpr- 

man- 


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r 


Bitter, Unterscheidung d. Erreger d. Enteritis- u. Paratyphuserkrankungen. 439 


Nr. des 
Stamm es 

Wallbildung 

Gelatine- 
strieh am 

8. 4. 

Alausepathogenitat 

Agglutination mit po- 
lyvalentem Serum, 
Titer 1:100 000 

Diagnose 




Parat. 

B 

I Ent. 

Breslau 

Typhus 


XVIII. 

fehlt 

trocken 

3. 5. 

gefuttert 10.4., +20.4. 
Herzblut: Breslau 

100%, Parat. B 20 % 

2 Vo ! 50°/o 

etwas Spon- 
tanagglut. 

1:1000± 

Breslau 

XIX. 

nach 48 h Zim¬ 
mertemperatur 
deutlich 

gerutscht 

16. 4. 

gefuttert 10.4., lebt 15.5. 

100% 

50% 

1:1000— 

Paraty. B 

XX. 

fehlt 

ziemlich 
trocken 3. 6. 

gefuttert 10.4., lebt 15.5. 

2 „ 

20 „ 

.1:1000± 

Breslau 

XXI. 

fehlt 

trocken 

3. 5. 

gefuttert 10.4., lebt 15.5. 

1 ,, 
etwas S 

20 „ 
•pontan- 

1:1000± 

Breslau 

XXII. 

fehlt 

trocken 

3. 5. 

gefuttert 10. 4., + 16. 4. 
Herzblut: Breslau 

100 %> Parat. B < 
2 % 

5% 

50% 

1:1000- 

Breslau 


fiihren konnte. Ich will beraerken, daB ich die Beurteilung der Agglu¬ 
tination mit bloBem Auge nach 2-stiind. BebrQtung vorgenommen und 
mein Urteil dann durch das einer erfahrenen Laborantin und mit Hilfe 
des Agglutinoskops kontrolliert habe. 

Von den von mir als Paratyphus B angesprochenen 2 StSmmen 
zeigten 6 das Phanomen der Wallbildung schon nach insgesamt 48 Std. 
dem unbewaffneten Auge mit groBer Deutlichkeit. Nur die StQmme IX 
und XVII bildeten auch bei lSngerer Aufbewahrung Wfille, die nur 
mikroskopisch mit absoluter Sicherheit als solche zu erkennen waren. 
Immerhin waren sie nicht so undeutlich, daB man sie nicht bei genauer 
Betrachtung mit bloBem Auge, besonders auch im durchfallenden Lichte, 
hatte wahrnehmen konnen. Im Gegenteil, die beiden Schalen waren 
von mir als „wahrscheinlich positiv“ bezeichnet worden; meine Mit- 
arbeiter sonderten sie ebenfalls aus den iibrigen Kulturschalen mit einer 
ahnlichen Diagnose aus, und die dann erfolgende mikroskopische Durch- 
musterung zeigte uns, daB wir richtig gesehen hatten. Das mikroskopi¬ 
sche Aussehen der Waile ist ungemein charakteristisch. Die grobe, 
radiSre Strichelung im Bereiche der Wallzone ist in die Augen springend. 
Es empfiehlt sich selbstverstandlich, bei einem guten Wallbildner, der 
nach der BebrQtung nur etwa 16—18 Std. bei Zimmertemperatur ge- 
standen hat, sich erstmalig dieses Bild zu betrachten und einzupr&gen. 
GQrtner und ich haben bei unseren DurchprQfungen alter Labora- 
toriumsstamme die Ueberzeugung gewonnen, daB das Wallbildungs- 
phanomen bei Paratyphus B-Bakterien sicher nur selten im Laufe der 
Jahre vollig zu verschwinden pflegt. Anders liegen die Verhaitnisse, 
wie ja bekannt, bei Gartner-Bakterien. So sicher man auch bei ihnen 
gleich nach der ZQchtung aus dem Menschen- oder TierkQrper die Waile 
sieht, so unzuverlassig ist dieses Kulturmerkmal bei alten Laboratoriums- 
stfimmen. 

Fast parallel mit dem WallbildungsvermQgen lauft das Verhalten 
der Wallbildner in ihrem Wachstum auf dem Gelatinestrich. Breslau- 
bakterien wachsen auf ihm in alien Uebergangen von „ganz trocken u zu 
„sehr saftig u . Paratyphusbakterien und Gar tner-Stamme aber zeigen, 


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440 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


falls sie das Wallbildungsvermogen nicht ganz eingebiiBt haben, dicke, 
rahmartige Auflagerungen. Beginnt man den Strich, wie das zur Pru- 
fung des nun zu beschreibenden Phknomens notwendig ist, etwa 1 cm 
vom Grunde des SchrSggelatinerohrchens entfernt, so „rutschen“ gute 
Wallbildner in der Regel sp&testens nach 8-tagig. Aufenthalt der Kultur 
bei Zimmertemperatur auf den Boden des Rohrchens herab. Bakterien, 
die durch langere Fortzilchtung ihr Wallbildungsvermogen mehr oder 
weniger verloren haben, rutschen nicht mehr, bilden aber unten am Be- 
ginne des Striches einen mehr oder weniger dicken, deutlich sichtbaren 
Tropfen oder Wulst. Von den 8 von mir als Paratyphus B-Bakterien 
angesprochenen Stammen bildeten 6, wie gesagt, noch sehr deutliche Walle. 
4 von ihnen „rutschten“ auf der Gelatine, 3 hatten einen dicken Tropfen 
und nur bei 1 war dieser Tropfen, wenn auch deutlich, so doch verhalt- 
nism&Big klein. Die ganze rahmartige Konsistenz der Kulturmasse aber 
und insbesondere der Vergleich mit den anderen, nicht „rutschenden“, 
trocken bis saftig wachsenden Breslaukulturen lieB den gesuchten Unter- 
schied deutlich in die Augen springen. Es erscheint mit merkwurdig, 
daB dieses von B. Fischer vor langer Zeit beschriebene Ph&nomen, auf 
das wir Kieler immer und immer wieder hingewiesen haben, so wenig 
Beachtung gefunden hat. Ich habe es nicht fur unnotig gehalten, an 
dieser Stelle nochmals so eingehend tiber seine Einzelheiten zu berichten. 

Von den gefiitterten Hausen sind insgesamt 9 gestorben. Keine verendete spater 
als 12 Tage nach der Fiitterung, mit Ausnanme der Maus XVII, die vom 1. Tage nach 
der Fiitterung an krankelte, am 12. Tage schwer krank erschien, sich dann aber wieder 
erholte und schlieBlich nach 30 Tagen zugrunde ging Bei ihrer Sektion wurde aus 
dem Herzblute ein Bakterium geziichtet, das sicher nicht mit dem verfiitterten identisch 
war und von mir nach seinem kulturellen und agglutinatorischen Verhalten als ein 
echtes Breslaubakterium mit hochster Agglutinabilitat (fiber 100 Proz.) angesprochen 
werden muBte. Der verfiitterte Stamm XVII war, wie aus meiner Tabelle hervorgeht, 
ein Paratyphus B-Stamm, der mikroskopisch sichere Walle bildete, kein Gas aus 
Traubenzucker entwickelte und von meinem Paratyphus B-Serum mindestens um 50 Proz. 
besser agglutiniert wurde, als von meinem Breslauserum. Diese Maus ist also nach 
meiner Ueberzeugung nicht an den verfiitterten Mikroorganismen gestorben, sondern 
an einer anderen Krankheit, die die Invasion von Breslaubakterien, die sich ja im 
Mause- und Battendarm so haufig saprophytisch lebend finden, ermoglichte. Aehnliche 
Beobachtungen hat man schon ofters gemacht, und ich will nur darauf hinweisen, daB 
ich im vorigen Jahre gesehen habe, wie eine ganze Reihe von unvorsichtig mit groBen 
Mengen abgetfiteter Stavhylokokken geimpften gesunden weiBen Mausen mit dem bakte- 
riologischen Befund ^Breslau-Sepsis u zugrunde gingen. Die nicht geimpften Versuchs- 
tiere gleicher Herkunft blieben gesund. 

Die nach 12 Tagen gestorbene Maus XII enthielt in ihrem Herzblut trotz Auf- 
bewahrung des Herzens in Galle (48 Stunden bei 37°) keine Bakterien. Sowohl die 
direkten wie die Galleaussaaten waren dauernd steril. Aus dem Herzblut der iibrigen 
7 Mause wurde das verfiitterte Bacterium mit seinen kulturellen und agglutinatorischen 
Eigenschaften ohne Gallekultur in groBen Mengen reingeziichtet. Die Agglutinabilitat 
hatte sich bei den meisten dieser aus dem Herzblut geziicnteten Stamme, z. T. weaentlich, 

f ehoben, ein Umstand, auf den ich noch zuriickkommen werde. Nur diese 7 Tiere also 
onnte ich als der Intoxikation bzw. Infektion mit den verfiitterten Bakterien erlegen 
bezeichnen. Die iibrigen Stamme, die ich fiir Breslaubakterien hielt, hatten demnach 
offenbar ihre Toxizitat eingebiiBt. In jeder Gruppe (Paratyphus B und Enteritis Breslau) 
ist ein Tier gestorben, dessen Tod nicht auf die verfiitterten Bakterien bezogen werden 
konnte. Dieser Umstand mahnt zur vorsicht-igen und kritischen Beurteilung der 
Fiitterungsversuche! 

Auf Grund der mitgeteilten Befunde schickte ich am 4. Mai an 
Herrn Oberregierungsrat Manteufel folgende Uebersicht: 


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Bitter, Unterscheidung d. Erreger d. Enteritis- u. Paratyphuserkrankungen. 441 


Tabelle II‘). 

1. Paratyphus B mit guten Wallen, auf Gelatine rutschend, nicht fiitterungs- 
pathogen fiir Mause, Agglutination mit polyvalenten Seren spricht fiir Paratyphus B. 

IV 50 Proz. 20 Proz. 

V 50 „ 10 „ 

XIII 50 B 5 „ 

XIX 100 , 50 „ 

la. Paratyphus B mit deutlichen Wallen, die aber zarter sind als bei 1., und 
znm Teil nur mikroskopisch sicher zu sehen waren, auf Gelatine nicht mehr rutschend, 
aber rahmartig wachsend, nicht fiitterungspathogen fiir Mause, Agglutination mit poly¬ 
valenten Seren spricht fiir Paratyphus B: 

VI 50 Proz. 10 Proz. 

VIII 100 „ 10 „ 

IX 100 „ 20 „ 

XVII 100 „ <50 Proz. non gasoformans. 

2. Breslau ohne Walle, auf Gelatine nicht rutschend; fiitterungspathogen fiir 
Mause, Agglutination mit polyvalenten Seren spricht fiir Breslau. 

I 2 Proz. 50 Proz. 

50 „ 

50 „ 

40 „ 

50 „ (etwas Spoutanagglutination) 

50 „ 


II 20 
XIV 2 „ 

XV 20 „ 

XV1I1 2 „ 

XXII 5 Proz. 


2a. Breslau ohne Walle, auf Gelatine nicht rutschend, nicht fiitterungspathogen 
fur Mause, Agglutination mit polyvalenten Seren spricht fur Breslau: 

X 5 Proz. 50 Proz. 

XI 5 , 20 „ 

XII 50 „ 50-100 Proz. 

XX 2 , 20 Proz. 

XXI 1 „ 20 „ (etwas Spontanagglutination) 

2b. Ohne Wiille, auf Gelatine nicht rutschend; gefutterte Maus stirbt nach 9 Tagen. 
Kultur- und aus den Organen geziichtete Bakterien werden von Paratyphus B- und 
Breslau-Serum wenig beeinfluflt. 

XVI 5 Proz. (10 Proz.) 

2c. Ohne Walle, auf Gelatine nicht rutschend, nicht fiitterungspathogen fiir die 
Mans, Agglutination durch Paratyphus B- und Breslau-Serum schwach. 

Ill 2 Proz. 10 Proz. 

VII 10 n 10-20 Proz. 

Tabelle III. 

1. IV. ParatyphuB B (Bitter Originalstamm No. 400) 

V. „ B ( „ „ „ 500) 

XIII. „ B Tietz 

XIX. „ B Nagel. 

la. VI. Paratyphus B (Bitter Originalstamm No. 600) 

VIII. „ B Schottmuller 

IX. „ B H ell wig 

. XVII. „ B Kantjes. 

2. I. Bact. enter. Breslau (Bitter Originalstamm D) 

II ( E) 

XIV. Paratyphus B (Breslau) Ueberruhr 1648 

XV. „ B „ „ 1664 

XVIII. „ B „ Barth 

XXII. „ B „ Gangraenosa. 

2a. X. Paratyphus B (Breslau) Kaensche 2b. XVI. Paratyphus B (Breslau) Busse. 
XI. „ B „ Meirelbeck 

XII. „ B „ Breslau 2c. III. Bact. enter. Breslau (Bitter 

XX. „ B „ Storch Originalstamm F) 

XXI. „ B „ Lange. VII. Paratyphus B 1. 

1) Die Prozentzahlen hinter den Nummern bedeuten die erreichten Agglutinalions- 
werte mit Paratyphus B- und Breslauserum. 


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442 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


Die Eingruppierung, die Manteufel und Beger durch ihre Ca¬ 
ste ilanischen Abs&ttigungsversuche getroffen batten, ist aus der eben- 
falls mitgeteilten, mir auf meinen Bericht von Manteufel freundlichst 
zugesaudten Zusammenstellung zu entnehmen. Manteufel schreibt 
mir dazu: „Da unsere Sammlungsstamme alle die Bezeichnung P.T. B. 
tragen, habe ich bei den Kulturen, die wir als Fleischvergifter ansehen, 
in Klammern (Breslau) hinzugefugt. Eine Unstimmigkeit scheint mir nur 
beim Stamm P.T. B. I vorzuliegen (No. VII in Hirer Gruppe 2c), den 
wir ftir einen Paratyphus B halten, wShrend Sie ihn als Breslau anzu- 
sprechen neigen. u Ueber die Herkunft dieses Stammes, wie tiberhaupt 
der meisten iibrigen konnte Manteufel mir leider keine nahere An- 
gaben machen. Es bleibt weiteren feineren serologischen Untersuchungen 
in Absattigungsversuchen unter Umstanden mit Beriicksichtigung der 
feineren Differenzierung des Rezeptorenapparates nach Weil und Felix 
vorbehalten, zu entscheiden, ob Manteufel hinsichtlich dieses einen 
strittigen Stammes das Richtige getroffen hat oder ich. Jedenfalls zeichnet 
er sich durch eine recht niedrige Agglutinabilitat aus, die allerdings von 
2 Breslaustammen, von denen der eine vor einem Jahre etwa noch eine 
sehr gute Agglutinabilitat besaB (III, siehe unten), noch iiberholt wurde. 
Alles in allem sind Manteufel und ich der Ansicht, daB durch diesen 
Versuch die MSglichkeit der kulturellen und einfachen serologischen 
Differenzierung von Paratyphus B- und Breslaubakterien erwiesen ist, 
und ich glaube den bfindigen Beweis erbracht zu haben, 
daB unsere Kieler und insbesondere meine eigenen, an 
mehr als 1000 Paratyphus B- und mehreren 100 En teritis- 
stammen gewonnenen Erfahrungen nicht auf Zufailig- 
keiten oder auf Sinnestauschung beruhen. Ich habe nach 
wie vor die Ueberzeugung, daB diese Unteischeidungsmerkmale in jedein 
Laboratorium leicht zu sehen sind, und daB ihre Beachtung zu einer 
Trennung der Aetiologie von Paratyphus und Enteritis fuhren muB. 

Aber auch nach anderer Richtung hin scheint mir der angestellte 
Versuch recht interessant und lehrreich zu sein. Sieht man sich die 
Agglutinationswerte, die die Paratyphen mit meinem polyvalenten Serum 
erreichten, an, so wird man finden, daB keiner unter ihnen ist — von 
dem strittigen Stamm VII sehe ich ab — der nicht mindestens bis zu 
50 Proz. agglutiniert wurde. Unter den Breslaustammen fallen die hohen 
Agglutinationswerte in Gruppe 2 auf. Keiner unter ihnen wird unter 
40 Proz. agglutiniert. Samtliche sind noch futterungspathogen. In 
Gruppe 2a ist der durchschnittliche Agglutinationswert schon geringer, 
in 2b und 2c sehr gering. Futterungspathogen ist von den Stammen 
mit niedrigem Agglutionswert nur ein einziger, wahrend die 6 mit dem 
durchschnittlichen hochsten Agglutinationswert die hochste Mausepatho- 
genitat zeigen. Wohlverstanden, sind diese Agglutinationswerte nach 
dem Befunde eingetragen, der an den Bakterien erhoben wurde, die noch 
nicht den Tierkdrper passiert hatten. Sehen wir uns in Tab. I die 
Agglutinationswerte an, die von den aus dem Herzblut der verendeten 
Tiere gezuchteten erreicht wurden, so konnen wir im allgemeinen eine 
deutliche Steigerung wahrnehmen. 

Stamm I steigt von 2 und 50 Proz. auf 10 und 100 Proz., II von < 20 und 50 Proz. 
auf 50 und 100 Proz., XIV von 2 und 50 Proz. auf < 50 und > 100 Proz., XV von 
20 und 40 Proz. auf 20 und 50 Proz., XVIII von 2 und 50 Proz. auf 20 und 100 Proz.. 
und XXII von 5 und 50 Proz. auf < 2 und 100 Proz. Gleich schlecht agglutinabel 
bleibt Stamm XVI. 


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Bitter, Unterscheidung d. Erreger d. Enteritis- u. Paratyphuserkrankungen. 443 


Es ist eine bekannte Tatsache, daB die Virulenz der Enteritis- 
stamme durch die Tierpassage gehoben werden kann. Wenn wir 
nun sehen, daB die durchschnittlich hochst agglutinablen St&mme die 
durchschnittlich hochste Tierpathogenitat zeigen und andererseits in fast 
alien Fallen die futterungspathogenen Bakterien ihre Agglutinabilitat mit 
dem spezifischen Serum durch die Tierpassage vergroBern, so denkt man 
unwillkfirlich an einen Zusammenhang. Gestiitzt wird dieser Gedanke 
noch durch Beachtung des Umstandes, daB Stamm III in Gruppe 2c, 
der urspriinglich in meinen Versuchen fiitterungspathogen war und noch 
vor etwa 1 Jahre, wie ich bestimmt weifi, durch Breslauserum hoch 
agglutiniert wurde, jetzt einen so niedrigen Agglutinationswert hat und 
nicht mehr fiitterungspathogen ist. Demgegentiber muB man bei den 
Paratyphus B-Stammen, die s&mtlich einen hohen Agglutinationswert 
mit polyvalentem Serum haben, daran denken, daB sie in dieser Hinsicht 
sich ahnlich wie Typhusbakterien verhalten. Bekanntlich verlieren die 
Typhusstamme ihre Pathogenitat bei Fortzuchtung auf kiinstlichen Nahr- 
bOden meistens nicht. Laboratorium sinfektionen mit solchen 
lange fortgeziichteten Stammen sind keine Seltenheit. Ich selbst habe 
mehrere derartige gesehen und kann insbesondere fur eine, die bei der 
Herstellung von Typhusimpfstoff sich bei uns ereignete, und aufier- 
ordentlich schwer verlief, den Beweis liefern, daB sie mit einem be- 
stimmten Stamme, der sich durch auffailig zartes Wachstum und die 
Bildung von seltsamen Involutionsformen auszeichnete, zustande ge- 
kommen ist. Die betreffende Laborantin hatte sich beim Abschwemmen 
von Kulturen gerade dieses Stammes etwas von der Aufschwemmung 
ins Gesicht gespritzt. Sie kam sofort zu mir, meldete den Vorfall mit 
genauen Angaben, wurde auBerlich mit Sublimatlosung desinfiziert und 
spfilte den Mund mit 70-proz. Alkohol. Nach 14 Tagen erkrankte sie 
an Typhus. Aus dem Blute und aus den Fazes habe ich den Stamm, 
den ich mit Sicherheit identifiziert zu haben glaube, wieder geziichtet. 
Auch 2 Paratyphus B-Infektionen habe ich gesehen, die meiner Meinung 
nach auf Laboratoriumsstamme zurflckgefuhrt werden miissen. In der 
fraglichen Zeit waren Paratyphus B-Bakterien bei uns nicht isoliert; 
aber zur Prufung der eingesandten Blutproben nach Widal wurde 
regelmaBig neben 2 Typhusstammen auch 1 Paratyphusstamm verwendet. 
Es ist erwiesen, daB die beiden Laborantinnen einige Wochen vor ihrer 
Erkrankung die regelmaBige Uebertragung und Abschwemmung der 
Kulturen zu Agglutinationszwecken besorgt haben. — Es ist nicht von 
der Hand zu weisen, daB der klinischen Aehnlichkeit der Paratyphus B- 
Erkrankungen mit denen an echtem Typhus abdominalis eine Aehnlich¬ 
keit der Erreger hinsichtlich der Dauerhaftigkeit ihrer Virulenz auf 
. kiinstlichen Nahrbbden entspricht. Die oben angefiihrten Beobachtungen 
fiber Zusammenhang der Virulenz und Agglutinabilitat bei den Breslau- 
bakterien und die H8he der letzteren bei den alten, von mir gepriiften 
Paratyphus B-Stammen kfinnte wohl ftir die Richtigkeit der mitgeteilten 
Ueberlegung sprechen und ein weiterer Gesichtspunkt fOr die Abtren- 
nung der Enteritiserreger von denen des Paratyphus sein. 

Wenn ich in meinen frttheren Veroffentlichungen, in Uebereinstim- 
mung mit B. Fischer und Reiner Muller, behauptet habe, daB wir 
noch nie ein Breslaubakterium gesehen hatten, das Waile bildete, so 
kann ich diese Behauptung jetzt nicht mehr aufrecht erhalten. Am 4. 
und 5. Marz d. J. wurde bekannt, daB in Osnabrfick (Stadtkreis) eine 
groBe Reihe von Personen nach dem Genusse von Pferdefleisch (vor- 


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444 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 

zugsweise Hackfleisch), welches entweder roh oder gebraten verzehrt 
wurde, erkrankt war. Polizeilich gemeldet sind insgesamt 176 Er- 
krankungen, doch soil ihre Zahl nach personlicher Mitteilung des Stadt- 
medizinalrates an mich wohl 300—400 betragen haben. Die Krankheit, 
die 4—10 Stunden nach dem Genusse des Fleisches einsetzte, aufierte 
sich mit Erbrechen, Durchfailen, Kopfschmerzen, Fieber und allgemeinem 
Schlechtbefinden. Die Schwere des Krankheitszustandes war bei den 
einzelnen verschieden. Bei vielen Personen waren die Erscheinungen 
recht bedrohlich. 2 Personen sind der Vergiftung erlegen. Typhose 
Krankheitsbilder sind, wie mir der Stadtarzt und mehrere andere viel- 
beschaftigte Aerzte wiederholt versichert haben, nicht zur Beobachtung 
gekommen. Auch die schwerer erkrankten Patienten waren nach Ablauf 
1 Woche als gesund, wenn auch teilweise noch als schwach zu bezeichnen. 
Das Fieber soil ira allgemeinen nicht iiber 3 Tage angehalten haben. 
Das Pferdefleisch stammte von einera wegen einer „Geschwulst“ (nach 
anderer Aussage „AbszeB“) am Mastdarm notgeschlachteten Tiere, das 
langere Zeit in tierarztlicher Behandlung gewesen war. Der behandelnde 
Tierarzt soli das Fleisch untersucht und als geeignet zum GenuB abge- 
stempelt haben. Diese Angaben des Schlachters scheinen sich nach per- 
sonlichen Erkundigungen von mir durchaus zu bestatigen. Ich brauche 
an dieser Stelle wohl nicht wieder einmal zu betonen, wie leicht durch 
die Einfiihrung der obligatorischen bakteriologischen Fleischbeschau bei 
alien Tieren, die wegen einer in das Wurzelgebiet der Fleischvergiftungen 
gehorenden Krankheit (StandfuB, 10) notgeschlachtet sind, diese 
Massenerkrankung vermieden ware. Man denke an den groBen wirt- 
schaftlichen Verlust durch die vielen Krankheitstage usw. und an die 
verhaltnism&Big geringen Kosten der bakteriologischen Fleischbeschau 
und ihrer Folgen! In den am 4. Marz in der Schlachterei beschlag- 
nahmten Resten des Hackfleisches wurden im Medizinaluntersuchungsamt 
in Miiuster „Paratyphus B-Bakterien* nachgewiesen. Gleichzeitig mit 
den nach Miinster gesandten Proben wurde vom Stadtarzt in Osnabruck 
eine Probe nach Kiel an das Untersuchungsamt fur ansteckende Krank- 
heiten geschickt. Aus dieser Probe konnte ich nach Verlauf von 36 Std. 
einwandfrei Breslaubakterien isolieren. Sie wuchsen aus den auf Chinablau- 
malachitgrunagar ausgestrichenen Fleischteilchen gemeinsam mit gewohn- 
lichen Coli-Bakterien in ungeheurer Menge. Die Bakterien der ver- 
dachtigen Kolonien verhielten sich auf der Reihe (Peptonwasser, 
Neutralrottraubenzuckeragar, Chinablaumolke) regelrecht, und wurden 
folgendermaBen durch unsere Sera (Titer 1:100000) agglutiniert. Typhus 
1 Proz. —, Gartner 2 Proz. +, Parat. B < 50 Proz., Breslau 200 Proz. 
Die am 7. Marz mit Fleisch gefutterte Maus hatte am 13. Marz heftigen 
Durchfall, am 14. erlag sie ihrer Krankheit; wahrend die Kultur aus 
ihrem Herzblut nicht gelang, wurden aus Milz und Leber Bakterien ge- 
ziichtet, die sich wie die aus dem Fleische isolierten verhielten. Auf 
der Originalschale (Fleisch) zeigte nach 48 Std. keine Kolonie, auch 
mikroskopisch, die Andeutung eines Walles, dagegen konnten wir nach 72 
und besser noch nach 96 Std. — also 3 Tage Aufenthalt bei Zimmer- 
temperatur — einzelne Kolonien finden, die uns bei der Besichtigung 
mit bloBem Auge verdachtig erschienen und mikroskopisch deutlich, wenn 
auch zart, die charakteristische radiare Strichelung in der Randzone er- 
kennen lieBen. Neben diesen wenigen Kolonien waren viele einzeln- 
stehende vorhanden, die das Phanomen nicht zeigten, sondern den aus- 
gesprochen gelappten und zarten Rand, den man gewohnlich, ahnlich wie 


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Bitter, Unterscheidung d. Erreger d. Enteritis- u. Paratyphuserkrankungen. 445 


bei Slteren Typhuskolonien, auch bei Breslaukolonien mikroskopisch 
beobachtet, aufwiesen. Agglutinatorisch verhielten sich die Bakterien 
der wallbildenden Kolonie genau wie die der nicht wallbildenden. Sie 
zeichneten sich also durch sehr hohe Agglutinationswerte aus: Para- 
typhus B < 50 Proz., Breslau 200 Proz. Mit Reinkulturaufschwemmung 
von Wallbildnern und Nichtwallbildnern wurde am 11. Marz erneut je 
1 Maus geftittert. Maus I (Wall) starb schon am 16. M&rz. Im Herz- 
blut*fand sich Reinkultur von kulturell regelrechten Bakterien mit dem 
Agglutinationswert Para B < 50 Proz., Breslau 200 Proz. Maus II 
(ohne Wall) starb am 17. Marz. Die aus ihrem Herzblut rein geziichteten 
Mikroorganismen verhielten sich genau wie die aus I isolierten. Weder 
an den Strichen und Punkten, die wir von den Wallbildnern der Original- 
aussaat anlegten, noch bei denen, die von den Herzblutbakterien von 
Maus I und II staminten, haben wir in mehrfachen Versuchen jemals 
wieder die Andeutung einer Wallbildung zu Gesichte bekommen konnen. 
Wir haben von wallbildenden und nicht wallbildenden Kolonien bzw. 
aus ihnen abgeimpften Kulturen mit und ohne Mausepassage immer 
wieder Striche und Punkte angelegt, doch stets mit dem gleichen nega- 
tiven Ergebnis. 

Es hat nach dieser Beobachtung den Anschein, als ob ausnahms- 
weise und ganz vorfibergehend die Breslaubakterien auch eine 
Andeutung von Schleimwallen zeigen konnen. Die Wichtigkeit dieses 
von uns in Kiel immer wieder betonten Kulturmerkmals fur die Unter¬ 
scheidung von Paratyphus B- und Breslaubakterien wird durch diese 
seltene Einzelbeobachtung aber sicher ebensowenig verringert, wie das 
Kulturmerkmal der ganzen Enteritis - Paratyphusgruppe, aus Trauben- 
zucker Gas zu bilden, durch die vereinzelten Befunde von Oette, 
G. Wagner usw. bezfiglich des Vorkommens von Bacterium para¬ 
typhi B non gasoformans an fundamentalem Wert verliert. — Wo- 
mit die Wallbildung in diesem Falle zusammenh&ngt, ist nicht klar er- 
sichtlich, wahrscheinlich wie das Wallbildungsvermogen der Paratyphus B-, 
GSrtner-, Pestifer und Paratyphus C-Bakterien (siehe unten) mit 
dem Aufenthalt im Tier- oder Men schenkor per. Ich habe 
hinsichtlich der Streptokokken an anderer Stelle darauf hingewiesen (20), 
daB es eine merkwfirdige Erscheinung ist, daB eine bestimmte Lo- 
kalisation dieser Erreger bestimmten Wachstumseigentfim- 
lichkeiten zu entsprechen scheint. Auf serosen Hauten, im Gehirn, 
in der Pleura usw. bilden die Streptokokken im allgemeinen gem 
Schleim und wachsen dementsprechend auf den frischen Kulturen. 
Ein Teil dieser Streptokokken beh&lt dieses Wachstum als dauernde 
Eigenschaft bei (z. B. Streptococcus mucosus Schottmfiller, 
Streptococcus mucosus haemolyticus, Pneumococcus), ein 
anderer schlfigt sehr bald auch bei Tierpassage nach subkutaner Impfung 
in den Typus der Gruppe zuriick, die wir als Streptococcus pyo¬ 
genes zu bezeichnen pflegen. Insbesondere erscheint es auffallig, daB 
die exquisiten Erreger der genuinen Pneumonie alle dauernd starke 
Schleim- bzw. Kapselbildner sind (Pneumococcus, Streptococcus 
mucocus, Bact. Fried lander). Man komrat auf den Gedanken, 
daB dieses Schleimbildungsvermfigen die Mikroorganismen zur Ansied- 
lung in den Lungen, die fiber besondere Schutzkrfifte verffigen dfirften, 
erst befahigt. Die bekannten Tatsachen beztiglich des Zusamrnenhanges 
von Virulenz und Kapselbildungsvermogen bei Milzbrandbazillen passeu 
auch hierher. Von den gewohnlich nicht schleimbildenden Mikroorga- 


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446 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 

nisraen siedeln sich dann primar nur diejenigen an, welche dieses Ver- 
mbgen, sei es auch nur eiue Zeitlang, erlangen konnen. Es ist unnotig zu 
sagen, daB auch noch andere Eigentiimlichkeiten, wie z. B. die Hiille der 
Tuberkuloseerreger, diese Ansiedelungsbegiinstigung in bestimmten Or- 
ganen gewahren kann. Nach dem Gesagten konnte man daran denken, 
daB das Wallbildungsvermogen mit bestimmter Lokalisation der ver- 
schiedenen Augehorigen der Paratyphusgruppe im erkrankten Menscken 
Oder Tiere vielleicht in Zusaminenhang zu bringen ware. Da *diese 
Lokalisation der Enteritisbakterien im tierischen Korper eine recht ver- 
schiedene sein kann, so glaube ich nicht, daB diese Ueberlegung ganz 
von der Hand zu weisen ist. 

Wolf Gartner hat auf S. 517 seiner Arbeit erwahnt, daB Vor- 
schiitz (11) Unterschiede in der Agglutinabilitat von Paratyphus B- und 
Enteritisbakterien (Breslau und Gartner) durch Lanthannitrat 
in den Verdiinnungen m/200 bis m/1000 gefunden habe. Diese Befunde, 
die Vorschtitz an je einem von mir ihm iibergebenen Stamm erhoben 
hat, habe ich in umfassenden Versuchen nachpriifen lassen. Langen- 
buch (12) hat an je 20 Breslau- und Paratyphus B-Stammen fest- 
gestellt, daB durch die „elektrische Agglutination 1 * sich zwar im all¬ 
gem einen eine Unterscheidung in dem Sinne ermoglichen laBt, dail 
Paratyphus B-Bakterien durch hohere Mol.-Verdiinnungen agglutiniert 
werden als Breslaubakterien. Fiir den Einzelfall kann man aber 
diese Agglutinationsunterschiede nicht als ausschlaggebend be- 
trachten. Dasselbe gilt von den wenigen, von Langenbuch gepruften 
Gartner-Stammen. Da nun aber die von Langenbuch untersuchten 
Stamme teilweise schon langer fortgeztichtet waren, habe ich in Gemein- 
schaft mit Hiilsmann (13) nochmals die in den letzten 2 Jahren von 
mir isolierten 10 Breslau- und 3 Gartner-Stamme, die zum Teil 
von Gruppen- und gewaltigen Massenerkrankungen herriihren, auf ihre 
Agglutinationsfahigkeit durch Lanthannitrat untersucht. Auch die von 
Manteufel mir iiberlassenen Stamme haben wir in den Kreis unserer 
Priifungen einbezogen. Das Ergebnis war jedoch wieder durchaus 
schwankend. Viele Stamme wurden durch Lanthannitrat ebenso hoch 
und vielleicht noch hoher beeinfluBt, wie die zur Kontrolle mitagglu- 
tinierten alten und frischen Paratyphus B-Kulturen. Meine nach den 
ersten Ergebnissen entstandene Meinung, daB die „elektrische Agglu¬ 
tination 44 Unterschiede in dem Sinne vielleicht ermSglichte, daB die ein 
hitzebestandiges fiir Mause fiitterungspathogenes Toxin bildenden mensch- 
lichen Krankheitserreger von den ahnlichen, die ein solches Toxin nicht 
produzieren, abzutrennen seien, hat sich nicht bewahrheitet. Fiitterungs- 
pathogene Breslau- und Gartner-Stamme wurden durch Lanthan¬ 
nitrat stellenweise besser oder ebensogut agglutiniert, wie nicht fiitte- 
rungspathogene oder wie Paratyphus B-Bakterien. Worauf der in die 
Augen fallende Unterschied in der Agglutinabilitat einzelner sogenannter 
Fleischvergifter und anderer Darmbakterien und Krankheitserreger durch 
Lanthannitratverdunnungen beruht, ist demnach nicht klar. Sicher 
scheint mir, daB die „elektrische Agglutination 44 etwas durchaus anderes 
ist, als die biologische durch Immunitatsvorgange bedingte. Die Spe- 
zifitat der letzteren spricht wohl am deutlichsten fur diese Ansicht. 
Zur Erklarung des Agglutinationsphanomens, das wir 
Bakteriologen zu sehen gewohnt sind, diirfte der Unterschied in der 
elektrischen Ladung der Komponenten wohl nicht ausreichen. 

Trotz der in der Literatur niedergelegten Mitteilungen liber die 


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Bitter, Unterscheidung d. Erreger d. Enteritis- u. Paratyphuserkrankungen. 447 


Verbreitungsart des Paratyphus B und fiber die Eigentfimlichkeiten 
der Enteritiserkrankungen, die nur selten Oder gar nicht zu direkten 
Kontaktinfektionen Veranlassung geben und im Gegensatz zu den 
erstgenannten Erkrankungen den Menschen nicht zum Daueraus- 
scheider machen, fehlt bislang ein sicherer Bericht dariiber, daB eine 
groBe Paratyphus B-Epidemie, in deren Verlaufe unzweifelhafte Kon¬ 
taktinfektionen vorkamen und in der alle Falle ausnahmslos unter dem 
Bilde einer typhosen Erkrankung verliefen, durch ein Nahrungs- 
mittel hervorgerufen wurde. Ich mochte im folgenden iiber eine solche 
Epidemie berichten, die an 100 Erkrankungen umfaBte, auBer den Kon¬ 
taktinfektionen durch den GenuB infizierter Milch bedingt war und 
auf eine Paratyphus B-Dauerausscheiderin mit aller Sicherheit zurtick- 
geffihrt werden konnte. Icb gebe in folgendem in etwas gekiirzter Form 
den Bericht wieder,- den ich an das Gesundheitsamt in Eutin fiber den 
Ausfall meiner an Ort und Stelle angestellten Ermittelungen am 4. Juli 
1921 gesandt habe. 

„Mitte Juni fiel im Untersuchuugsamt fiir ansteckende Krankheiten ein haufiges 
Vorkommen von bakteriologischen Paratyphus B-Befunden auf, die aus Material er- 
boben wurden, das aus Eutin zur Untersuchung auf Unterleibstyphus eingesandt war. 
Auffallig erschien weiterhin erstens das im allgemeinen jugendliche Alter der Patienten 
und dann der Umetand, dafi die auf den Begleitscheinen angegebenen Erkrankungstage 
immer fur eine Reihe von Kranken zusammenfielen, so dafi man an einen explosions- 
artigen Ausbruch der Epidemie dachte. Man hatte unwillkiirlich den Eindruck, als 
wenn sich eine grofiere Anzahl von Personen, deren Wohnungen ziemlich weit ausein- 
ander liegen konnten, bei einer bestimmten Gelegenheit oder an einer alien zugang- 
lichen Infektionsquelle gemeinsam infiziert hatte. Da es sich aufierdem immer bei alien 
Befunden urn das wohlcharakterisierte Paratyphus B-Bakterium handelte und nicht etwa 

f elegentlich ein Typhusbakterium als Krankneitserreger festgestellt wurde, so wurde 
iese Annahme einer gemeinschaftlichen Infektionsquelle noch gestiitzt. Nach Rfick- 
sprache mit Herrn Dr. W. aus E., der die grofite Zahl von positiv befundenen Proben 
eingesandt hatte, entschlofi ich mich, der Epidemie personlicn in E. nachzugehen. Am 
25. Juni habe ich in E. gemeinschaftlich mit Dr. W., der auf Grund seiner bei der 
Epidemie gemachten Erfahrungen zu ahnlichen Schlussen gekommen war wie ich, Er¬ 
mittelungen fiber die Infektionsquelle angestellt. 

2 Termine sind bislang autierst markant fiir den Krankheitsbeginn yon Patienten- 
gruppen. Der 1. liegt etwa am 6., der 2. am 14. Juni. Die Lokalisation der Seuche 
Folgt im wesentlichen einem Strafienzuge, namlich der VVeberstrafie, von der Eisenbahn- 
brticke beginnend, und der Ltibeckerstrafie. Aber auch am Ihlpohl war eine etwa am 
6. ausgebrochene Familienerkrankung zu verzeichnen. Neuerdings sind auch Erkran¬ 
kungen in der Holstenstrafie und Kielerstrafie vorgekommen. 

Alle Patienten bezogen ihre Milch entweder vom Bauhof. und zwar von dem tag- 
lich fahrenden Milchwagen dieser Meierei, oder von dem an der Ecke der Weberstrafie 
und Lubeckerstrafie wonnenden Milchhandler und Schlachter G. Z. B. konnte fest¬ 
gestellt werden, dafi die Familie des Sattlermeisters M., die am Ihlpohl wohnt, morgens 
Ihre Milch weder vom Bauhof noch von G. entnimmt, abends dagegen fast regelmafiig 
Milch von G. bekommt, die nach Angabe des Sattlermeisters von semen Sfihnen in den 
vergangenen warmen Tagen der letzten Mai- und 1. Junihalfte gerne in ungekochtem 
Zustande getrunken sei. M. selber trinkt nach seiner Angabe keine Milch. Er ist 
bislang gesund geblieben, wahrend seine Frau und 3 seiner Sohne, wie bakteriologisch 
festgestellt ist, ebenso wie seine verheiratete Tochter, an Paratyphus etwa am 6. Juni 
erkrankt sind. In manchen Familien konnte festgestellt werden, dafi die Herrschaft 
gesund blieb und vorzugsweise Dienstboten und Kinder erkrankten. Das vorzugsweise 
Erkranken von Kindern und weiblichen Personen bei Milchcpidemien ist eine seit 
langerer Zeit bekannte Tatsache. 

Auffallig erschien, dafi von zwei Milchstellen die Quelle der Infektion ausgehen 
sollte. Eine Anzahl von Personen hatte, wie gesagt, nur vom Bauhof, eine andere nur 
von G. Milch bezogen. Auf Befragen hat G. Herrn Dr. W. und mir nun aber er- 
klart, dafi er regelmafiig die Milch, die er nicht verkauft, zum Bauhof liefert, wo die- 
selbe verbuttert wird. Der Vorgang gestaltet sich folgendermafien: Wenn der Milch¬ 
wagen des Bauhofes von seiner Fahrt in die Stadt mit leeren Kannen zurfickkommt, 
so nimmt er bei G. eine Kanne Milch mit und liifit daffir eine seiner leeren Kannen, 
die am Morgen mit Verkaufsrailch geffillt gewesen ist, zuriick. Die Infektion der Ver- 


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kaufsmilch kann nun auf zweierlei Weise erfolgen: 1. Angenommen G. oder ein Mit- 
glied seiner Familie ist ein Paratyphusdauerausscheider, so konnen Krankheitskeime 
m die zum Verbuttern bestimmte Milch, die nach dem Bauhofe geliefert wird, gelangen. 
Die Gefahr, dafi die Bakterien, selbst wenn sie sich in dieser Milch erheblich verniehren, 
zu Massenerkrankungen nach dem Genufi der aus ihr hergestellten Butter fiihreD, halte 
ich fur verschwindend klein. Massenerkrankungen an Typhus und Paratyphus, bei 
denen Butter als Infektionsquelle festgestellt werden konnte, sind bislang mit einwand- 
freier BegriinduDg in Deutschland nicht beschrieben worden. Es diirfte das vielleicht 
mit dem hohen Gehalt der Butter an Bakterien zusammenhangen, deren Anwesenheit 
oder deren Stoffwechselprodukte Typhus- und Paratyphus bakterien schlechte Existenz- 
bedingpmgen gewahren. Wenn man aber auch die Butter ausschaltet, so liegt die Mog- 
lichkeit vor, dafi in dem Milcbgefafl, das die Milch von G. enthielt, in welcher sich be- 
sonders an warmen Tagen bei mehrstiindigem Stehen im Hause des G. und wahrend 
des Transportes zum Bauhof die vielleicht nur sparlich hineingelangten Paratyphus 
B-Bakterien stark vermehrt haben konnen, einige Krankheitserreger trotz sorgfaltigen 
Spulens auf dem Bauhofe zuriick bleiben. Kommt dann am anderen Morgen die fur 
den Stadtverkauf bestimmte Milch in dieses Gefafl, und ist es genugend warm, 60 
konDen sich wiederum diese sparlich zuriickgebliebenen Bakterien in einigen Stunden 
derartig vermehren, dafi der Genufi dieser Milch, besonders auch wenn sie in den Haus- 
haltern wieder einige Zeit in ungekochtem Zustande stehen bleibt oder nur mangelhaft 
erhitzt wird, Paratyphuserkrankungen zu bewirken imstande ist. 

2. Angenommen, unter dem Melk- oder Meiereipersonal des Bauhofes befande sich 
ein Paratyphus B-Dauerausscheider, so konnte sich die Infektion der Milch des G. in 
ahnlicher Weise, wie oben geschildert, vollziehen. 

Wichtig ist es, im Auge zu behalten, dafi Dauerausscheider von Paratyphus 
B-Bakterien keine deutlich in die Erscheinung tretende Erkrankung an Paratyphus 
durchgemacht zu haben brauchen. Auch bei der Eutiner Epidemie ist es gelungen, 
einen Patienten nachtraglich ausfindig zu machen (Sohn des Sattlers M.), der nur 
voriibergehend an leichtereu Darmstorungen litt, und zwar um den 6. Juni herum, und 
doch, wie eine Untersuchung seines Blutserums zeigte, zweifellos einen Paratyphus 
durchgemacht hat. Ich verfiige iiber mehrere Falle, in denen ich gerade solche leicht 
erkrankten Personen zu Dauerausscheidern von Paratyphus B-Bakterien durch lange 
Zeit werden sah. Es ist also sehr wohl moglich, dafi G. oder einer seiner Haushalts- 
mitglieder Dauerausscheider ist, um so raehr, als ja im vorigen Jahre in E. schon ein 

f ehauftes Auftreten von Paratyphus B-ErkrankuDgen, und zwar gerade in der Gegend 
Veberstrafie, Liibeckerstrafle, Weidestrafle, Elisabethstrafie, festgestellt werden konnte. 
Aber auch auf dem Bauhofe konnte unter dem Melk- und Meiereipersonal ein Dauer¬ 
ausscheider zu finden sein. 

Meines Erachtens ist es notwendig, um ein weiteres Umsichgreifen der Epidemie auf 
dem bisherigen Wege zu verhiiten, durch systematische Untersuchung von Blut-, Stuhl- 
und Urinproben festzustellen, 1. ob G. oder eine Person seines Haushalts Daueraus¬ 
scheider ist, 2. ob unter dem Melkpersonal des Bauhofes sich ein solcher befindet, 
3. ob unter den Meiereipersonen des Bauhofes einer gefunden werden kann. Auf die 
Unterscheidung des Melk- und Meiereipersonals ware deshalb Wert zu legen, weil die 
eventuellen Mafinahmen zur Beseitigung der Gefahr einer Infektion der Milch sich da- 
nach richten konnten, ob der Dauerausscheider beim Meiken oder in der Meierei be- 
schaftigt ist. Grofier Wert ist auch auf die Einsendung von Blut von alien in Betracht 
kommenden Personen zu legen. Sollten sich aus den Blutproben, die in jedem Falle 
zuerst oder gemeinsam mit der 1. Stuhl- und Urinprobe eingeschickt werden miifiten, 
bestimmte Anhaltspunkte ergeben, so wiirde ich unter Umstanden bei einzelnen Per¬ 
sonen eine haufigere Untersuchung von Stuhl und Urin veranlaesen. Zum Schlusse 
ist hervorzuheben, dafi sich der explosionsartige Charakter der Krankheit wahrschein- 
lich allmahlich auch bei Nichtbeseitigung der Infektionsauelle verwischen wird und 
dafi nach Aufspiirung und Beseitigung der gemeinsamen Infektionsquelle wahrschein- 
lich immer noch einige Falle sich ereignen werden. Beides ist auf die von den Er¬ 
krankten ausgehenden Kontaktinfektionen zuriickzufuhren. u 

Die im vorstehenden gewunschte Einsendung von Blutproben 
zurErmittelung von Dauerausscheidern hat sich mir in einer 
Reihe von Epidemien gliinzend bewahrt. Wenn man zuerst die Blut¬ 
proben untersucht, und nur von denjenigen Personen, die zweifelhafte 
oder sichere Agglutinationswerte geben, Stuhl- und Urinproben ein- 
fordert und solche Proben beim Fehlschlagen der ersten Ztichtungs- 
versuche unter Umstanden in langeren Zeitabstanden immer wieder ver- 
langt und untersucht, dann findet man mit ziemlicher Sicherheit die 


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Bitter, Unterecheidung d. Erreger v. Enteritis- u. Paratvphuserkranbungen. 449 


Daueransscheider heraus. Ich halte die bis jetzt iibliche Methode, bei 
systematischen DurchuDtersuchungen 1, 2 Oder 3mal Sfuhl- und Urin- 
proben von den in Betracht koramenden Personen zu untersuchen, f(ir 
Zeit- und Materialverschwendung. Aufierdem bleibt das Verfahren un- 
sicher. VerfShrt man so, wie oben angegeben, so wird man meistens 
mit absolut geringeren Zahlen von Stuhluntersuchungen zum Ziele ge- 
langen. Dieselbe Ueberlegung durfte auch fur Ruhrausscheider zu Recht 
bestehen, wahrend bei der Cholera wohl die bekannte „Gruppenunter- 
suchung 11 das Beste ist. 

Trotz des besonderen Hinweises in meinern Berichte auf die Familie 
des Schlachtermeisters G. lieB das Medizinalamt in E. die Durchunter- 
suchungen in der umgekehrten Reihenfolge vornehmen, also zunachst 
das ganze ziemlich groBe Personal der Meierei untersuchen. SSmtliche 
Befunde waren negativ. Erst auf nochmalige dringliche telephonische 
Anfrage meinerseits kamen Blutproben von G., Frau G. und ihrer 
Tochter. Das Serum von Frau G. agglutinierte Paratyphus B-Bakterien 
noch in einer Verdiinnung 1:200 stark. Die Seren von Vater und 
Tochter agglutinierten Typhus- und Paratyphusbakterien gar nicht. Aus 
dem daraufhin sofort angeforderten Stuhl der Frau erschienen fast in 
Reinkultur grofie, farblose Kolonien auf Chinablaumalachitgriinagar, die 
nachtraglich schbne Schleimwalle bildeten und durch Paratyphus B-Serum 
bis zum Endtiter agglutiniert wurden. Aus dem Urin wurden keine 
Paratyphusbakterien geziichtet. Die bis zum 26. August 8mal wieder- 
holten Untersuchungen der Frau G. hatten immer das gleiche Ergebnis. 
Es war jedesmal die ungeheure Menge der Paratyphuskolonien neben 
nur wenigen Coli-Kolonien auffallig. Frau G. war angeblich nicht er- 
krankt gewesen. Sie ware demnach als Bazillentr&gerin anzusprechen. 
Ich neige jedoch zu der Ansicht, daB sie sich bei den Paratyphuserkran- 
kungen im Jahre vorher infiziert hatte, aber nur leicht erkrankte. Eine 
scharfe Trennung von Dauerausscheidern und Bazillentragern ist bei 
den typhosen Erkrankungen sehr schwer. Ob es wirkliche Bazillen- 
trager bei diesen Erkrankungen gibt, erscheint mir zweifelhaft, wahrend 
sie bei Diphtherie und Meningitis epidemica z. B. sicher hBufig sind. 

Erwfihnen mochte ich noch, daB die Nachforschungen in E. dadurch 
bis zu einem gewissen Grade erschwert wurden, weil mir bekannt war, 
daB in der vorjahrigen Epidemie ein 40-jahriger Mann, der ebenfalls 
Milchhandel trieb, zum Dauerausscheider geworden war. Er erkrankte 
im Dezember 1920 und schied bis zum 12. MSrz 21 nachweislich aus. 
Nach diesem Termine habe ich seinen Stuhl immer wieder untersucht, 
ohne einmal Bakterien zu finden. Im Juni war der Agglutinationstiter 
seines Serums von 1:5000 im Marz auf 1:100 gefallen. AuBerdem 
muBte ich mich in E. sehr bald davon uberzeugen, daB seine kleine 
Milchhandlung als Infektionsquelle nicht in Betracht kommen konnte. — 
Objektivitat ist fflr die Aufspflrung von Dauerausscheidern die erste 
Vorbedingung! — Die durch unsere gesetzlichen Bestimmungen 
in PreuBen und wohl in den meisten Bundesstaaten manchmal schwierige 
Ausschaltung von Dauerausscheidern als Infektionsquelle gestaltete sich 
in diesem Falle besonders einfach. G. verkaufte auf gUtliches Zureden 
seine Ktihe und gab damit den ganzen Milchhandel auf. Die sehr in- 
telligente Frau befolgte die ihr angeratenen Desinfektionsvorschriften be- 
ziiglich ihrer Abgtinge, des Abortes und ihrer Person offenbar tadellos, 
und damit erlosch die Epidemie Ende Juli, die bis zu ihrer Entdeckung 
als Dauerausscheiderin schubweise insgesamt liber 90 Personen ergriffen 

Erate Abt. Orig. Bd. 88 . Heft 6. 29 


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CentralbL f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


hatte, als solche. Meine Voraussage, daB noch einzelne Kontaktinfektionen 
nach dieser Zeit sich ereignen wurden, hat sich erfflllt. Bis in don 
Dezember hinein sind vereinzelte Paratyphus B-Erkrankungen in E. 
bakteriologisch festzustellen gewesen. Havemann (14) hat der Frage 
dieser Kontaktinfektionen in seiner Arbeit besondere Aufmerksamkeit 
geschenkt, und ich will einige von seinen Fallen, die sich nach der Ver- 
stopfung der Infektionsquelle, wie gesagt vereinzelt, ereigneten, hier an- 
fiihren. 

In der zweiten Halfte des August beispielsweise wurden 5 Paratyphuserkrankungen 
festgestellt, von denen 4 weit ab vom verseuchten StraOenzuge lagen. Genaueres uoer 
das Zustandekommen dieser Infektionen konnen wir allerdings nicht angeben. Sicher 
ist nur das eine, daB alle o Patienten weder Milch vom Bauhof, noch von G. bekommen 
hatten, wahrend in der Bliitezeit der Epidemie alle Haushalter, in denen Erkrankungen 
vorkamen, wenigstens voriibergehend, manchmal nur einmal, von einer dieser beiuen 
Stellen Milch bezogen hatten. Mitte Juli erkrankte ein Kind der Familie Sch. Die 
Eltern des Kindes waren 3—4 Wochen vorher leicht krank gewesen, ohne daB jedoch 
damals die Diagnose Paratyphus gestellt worden war. Erst durch die Erkrankung des 
Kindes wurde ein Paratyphus der Eltern in Betracht gezogen, und tatsachlich konnte 
dann durch die serologische und bakteriologische Untersuchung festgestellt werden, daB 
beide an Paratyphus B erkrankt gewesen waren. Auch das Kind litt an einem bak¬ 
teriologisch sicherem Paratyphus B. Ende Juni erkrankte der Beamte E. an bakterio¬ 
logisch geklartem Paratyphus, 4 Wochen spater nach Verstopfung der Infektionsquelle 
erkrankte die Mutter dieses jungen Mannes, bei der ebenfalls bakteriologisch Para¬ 
typhus festgestellt wurde. Die Mutter hatte sich jedenfalls bei der Pflege ihres Sohnes 
infiziert. In der Familie H. erkrankte Anfang Juli ein Familienmitglied an sicherem 
Paratyphus. 3 Wochen spater die 16-jahrige Tochter des Hauses ebenfalls. Eine 
Milchinfektion war in diesem Falle so wenig wie bei den vorhergehenden nachzuweisen. 

An dieser Stelle mochto ich darauf hinweisen, daB die Vermutung 
Gartners, die Inkubation beim echten Paratyphus B betrage nur 
4—6 Tage, mir nicht das Richtige zu treffen scheint. Wohl glaube ich, 
daB bei der Aufnahme inassiver Dosen von Paratyphus B-Bakterien die 
Inkubation eine sehr kurze sein kann und sogar unter Umstiinden nur 
wenige Stunden betr&gt; aber bei der Infektion mit wenigen Keimen 
scheint sie mir, wie die von mir beobachteten Kontaktfalle lehren, ebenso 
wie beim Typhus wohl bis zu 3 Wochen betragen zu konnen. 

Wenn nach den wiederholt von mir gegebenen Darstellungen und 
nach den neueren Mitteilungen in der Literatur eine Trennung der 
Paratyphus -Erkrankungen von solchen an Enteritis klinisch w ii n - 
schenswert und die Unterscheidung ihrer Erreger bakterio¬ 
logisch und serologisch durchaus mbglich ist, so erscheint es an- 
gebracht, diesem Unterschiede durch dieBenennung der Krankheiten 
und ihrer Erreger Rechnung zu tragen. Bei dieser Benennung hat nun 
aber meiner Meinung nach derKlinikerdasersteWort. Es fuhrt 
zu unhaltbaren Zustanden und zu grenzenlosen Verwirrungen, wenn 
Krankheitserreger, auch wenn sie biologisch nahe verwandt sind, wegen 
dieser biologischen Verwandtschaft gleiche oder ganz fihnliche Namen 
tragen sollen, trotzdem sie ganz verschiedene Krankheiten machen. Wenn 
der Kliniker wohlcharakterisierte Krankheiten unterscheiden kann und 
sie dementsprechend als typhose oder enteritische bezeichnet, so muB der 
Bakteriologe dem Rechnung tragen. Das ist bei anderen Krankheiten 
bislang auch der Fall gewesen. Nicht nur dem Studierenden der Medi- 
zin, sondem auch dem erfahrenen Arzte wird im gegenteiligeu Falle 
eine manchmal unuberwindbare Schwierigkeit geschaffen. Unsere 
krankheitserregenden Bakterien soil en , so weit sie trenn- 
bar sind, den Namen der Krankheit, die sie hervorrufen, 
tragen! Deshalb ist es wohl angebracht, von nun an zwischen Bac- 


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Bitter, Unterscheidung d. Erreger v. Enteritis- u. Paratvphuserkrankungen. 451 


teriura enteritidis und Bacterium paratyphi zuunterscheiden. 
— Es laBt sich nicht leugnen, daB der von mir geschilderte, ursprung- 
liche Standpunkt der Bakteriologie durch die Forschungen und For- 
schungsergebnisse gerade bezuglich der Paratypkusgruppe stark ins 
Wanken gekommen ist. Das Bestreben, die Angehorigen dieser zahl- 
reiche Abarten bildenden Familie, die ich fast rait der Familie „Brassica“ 
hdherer Pflanzen vergleichen mochte, unter einen Hut zu bringen, hat 
dahin geflihrt, immer mehr Bakterien als Paratyphusbakterien zu be- 
zeichnen, trotzdem sie in ihrer Wirkung auf den Menschen und das Tier 
ganz verschieden sind. 

Ich mochte vorschlagen, folgende Benennungen vor- 
zunehmen: 1. Bacterium paratyphi A (Brion-Kayser). 
2. Bacterium paratyphi B (Schottmiiller). 3. Bacterium 
enteritidis Breslau (Flugge-Kaensche sive Aertryk). 
4. Bacterium enteritidisG&rtner. 5. Bacterium paratyphiC 
(Neukirch). 6. Bacterium enteritidis Bernhardt. 

Die Bezeichnung „Paratyphus C“ ist bereits von Uhlenhuth und 
Hubener und von Kruse vergeben, kann aber, wie ich mit Man- 
tenfel und Beger vermute, in ihrer bisherigen Bedeutung nur zu 
Verwirrungen AnlaB geben. Kruse versteht unter Paratyphus C-Bak- 
terien diejenigen, die bisher mit Paratyphus B zusammengeworfen 
wurden, sich aber durch weniger umfassende Agglutinine (nach Selter) 
von letzteren unterscheiden. Uhlenhuth und Hiibener dagegen 
verstehen unter Paratyphus C-Bakterien alle diejenigen Angehdrigen der 
Typhas-Coligruppe, die sich kulturell wie Paratyphus B-Bakterien ver- 
halten, aber serologisch grobe Abweichungen von diesem Typus zeigen. 

Unter Paratyphus C-Bakterien mochte ich die Erreger jener immer 
unter schwersten typhosen oder ruhrahnlichen Erscheinungeu verlaufen- 
den Erkrankung verstehen, die Neukirch (15) zuerst in Erzindjan be- 
obachtete, und deren Vorkommen im Orient in der Folgezeit von mehreren 
Autoren sichergestellt ist. Es handelt sich, wie gesagt, um eine unter 
ausgesprochen typhosen Erscheinungen verlaufende schwere Erkrankung, 
bei deren Uebertragung das Tier, insbesondere das Schwein, wie Neu¬ 
kirch eigens betont, keine Rolle spielt. Diese letzte Feststellung ist 
deshalb von weittragender Bedeutung, weil das Bacterium Erzindjan 
eine nahe Verwandtschaft zur Pestifer-Gruppe und insbesondere zu der 
von Glasser-Voidagsen beschriebenen Abart haben soli. Die neuen 
Untersuchungen von Manteufel, Zschucke und Beger (16) haben 
indes gezeigt, daB das, was Neukirch in seiner Originalarbeit ange- 
geben hatte, durchaus richtig ist. Die Erzindjanstamme verhalten sich 
kulturell vollstandig wie Angehorige der Paratyphus B- bzw. der Pesti¬ 
fer-Gruppe. Sie bilden sogar, frisch isoliert, sch5ne Schleimwalle auf 
den Kulturschalen. Ich selbst habe die Originalst&mme Neukirchs 
zuerst in H&nden gehabt, sie nach ihrem kulturellen Verhalten fiir An- 
gehSrige der Paratyphusgruppe erkl&rt, aber serologisch sie wegen Mangel 
an Pestifer-Serum nicht einzuordnen vermocht. 

Demgegenuber verhalten sich die Erreger der von Bernhardt (17) 
im Jahre 1913 beschriebenen typischen Enteritisfiille, die nach dem Ge- 
nuB von Fleisch (unsicher, ob Rind- oder Schweinetleisch) auftraten, 
kulturell etwas anderes. Sie bilden zwar aus Traubenzucker Gas, redu- 
zieren Neutralrot, bringen aber die Lackmusmolke bzw. Chinablaumolke 
nicht immer zur Trflbung und zum „Umschlage“ in der Farbe. In dieser 
Hinsicht stimmen sie mit den echten GlUsser-Voldagsen-Bakterien 

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Centr&lbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


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iiberein, die diesbeziiglich auch gewisse Verschiedenheiten zeigen. Man- 
teufel und seine Mitarbeiter haben serologisch nachweisen kQnnen, daB 
die Erzindjanstamme mehr zum Typus des charakteristischen Pestifer 
(Kunzendorf). hinneigen, als die Bernhardt-Stamme, die serologisch 
mit dem Glasser-Voldagsen-Typ identisch sein diirften. 

Wir sehen also, daB auch in der viel umstrittenen Pestifer-Gruppe, 
die von Manteufel unter dem Gesamtnamen „Gruppe Salmon- 
Smith“ zusammengefaBt wird, sich je 1 Erreger von typhosen und 
enteritischen menschlichen Erkrankungen findet. Diese Erkrankungen 
scheinen bei uns selten zu sein. Zwar sind die Enteritiden von Bern¬ 
hardt in PreuBen vorgekommen, von den typhosen Erkrankungen Neu- 
kirchs ist aber erst durch die Erfahrungen des Weltkrieges Kunde zu 
uns gedrungen. Allerdings scheint es festzustehen, daB in der Tiirkei 
diese Krankheit an den verschiedensten Orten auftritt und unter Um- 
st&nden zahlreiche Todesopfer verlangt. Diese Tatsache kann uns nicht 
sonderlich befremden, wenn wir bedenken, daB auch weiteste Gebiete 
unseres Vaterlandes von echten Paratyphus B- und insbesondere Para- 
typhus A-Infektionen bislang verschont blieben. In Schleswig-Holstein 
z. B. habe ich noch keinen sicheren autochthon entstandenen Fall von 
Paratyphus A gesehen, und die nicht wenigen im Verlaufe des Krieges 
eingeschleppten Falle (s. G. Wagner, 18) sind ohne erkennbare Folgen 
fur die iibrige Bevolkerung verlaufen. 


Tabelle IV. 




Bact. Friedliinder 

Bact. lactifl aerogenes 

Bact. „coli commune" 

Bact. coli ohne Milch- 1 
zuckerzerlegungsvermogen 

Bact. ent. Breslau 

Bact. paratyphi B 

Bact. ent. Gartner 

Bact. suipestifer 

Bact. paratyphi C 

Bact. ent. Bernhardt j 

Bact. paratyphi A 

Bact. des Ferkeltyphus 

Bact. typhi 

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Flexner 


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+ 

+ 




+ 


gutes 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

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+ 

+ 

+ 

+ 







+ zartes 
















Beweglichkeit 

— 

— 

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+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

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Saure aus Milchzucker 

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+ 

+ 

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— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Neutralrotagar : 
















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+ 

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+ 

+ 

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+ 

+ 

+ 

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Reduktion 

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+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 


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+ 

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— 

— 

Chinablaumolke: 
















Blauung ± = -f od. — 

— 

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+ 

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+ 

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± 

+ 

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Triibung 

+ 

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+ 

+ 

+ 

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+ 


— 

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— 

Umschlag 

+ 

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+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

± 

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Indolbildung 


+ 


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— 


— 

— 

— 

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Bitter, Unterscheidung d. Erreger v Enteritis- u. Paratyphuserkrankungen. 453 


Die Schwierigkeiten der sicheren Abtrennung von den einzelnen 
AngehSrigen der an Abarten ungeheuer reichen Ruhr-Typhus-Coli- 
Gruppe scheinen mir teilweise mit darin zu liegen, daB man bislang sich 
keine geniigend einleuchtende Vorstellung von dem Entwicklungswege 
dieser gewaltigen Gruppe zu macken versucht hat. Mit der einfachen 
Vorstellung einer Linear- Oder FlSchenentwicklung kommen wir hier 
ganz zweifellos nicht aus. Ich will versuchen, in folgendem ein Bild 
von der zyklischen Entwicklung zu geben, die, wie ich glaube, 
wohl in dieser Gruppe sich vielleicht ereignet hat und weiterhin sich 
ereignen diirfte. Die Tabelle IV enthalt eine Reihe von Hauptvertretern 
der genannten Gruppe mit ihren markantesten biologischen Eigenschaften, 
insbesondere sind diechemischenLeistungen beriicksichtigt. Man 
kann, wenn man die Tabelle aufmerksam betrachtet, sich des Eindruckes 
nicht erwehren, daB die einzelnen aufgefiihrten Vertreter letzten Endes 
mit ihren Eigenschaften auf einem Kreise stehen. Wachstum, Beweg- 
lichkeit, Milchsaure- und Indolbildungsvermdgen, ferner das Verhalten 
in Chinablaumolke kehren am SchluB der Gruppe iiber starke Ab- 
'weichungen immer mehr Oder weniger vollst&ndig zu ihrem Ausgangs- 
punkte zurfick. Schwer einzuordnen ist in dieses Schema allein das 
Bact. paratyphi A. Wohin es genau gehdrt, ist auch hinsichtlich 
seines serologischen Verhaltens, wie wir weiter unten sehen werden, 
nicht leicht zu sagen. An der Hand des vorstehenden Schemas ist es 
aber im allgemeinen leicht, Bakterien, die ich nicht aufgefuhrt habe, an 
eine passende Stelle einzuordnen, z. B. Bacterium typhi g a Hi¬ 
na r u m (Pfeiler, 19). 


Tabelle V. 




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Keutralrotagar: 











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+ 

+ 

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Reduktion 

— 

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+ 

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+ 

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Chinablaumolke: 






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Blauung 

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+ 

+ 

+ 

+ 


+ 

+ 

+ 

Triibung 

— 

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+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

Umschlag 

— 

— 

— 

± 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

MannitlSsung: 











Gas 

j — 


— 

± 

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+ 

+ 

+ 

+ 

— 

Walle 

— 

— 

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+ 

— 

+ 

+ 

— 

Mitagglutination 


artner, Hflhner- 
typhus 

Typhus 

nterit. Bernhard 
iraty. C, Pestifer 

rkeltyphus, Para- 
phus C, Pestifer 

rkelty.,Ent Bern- 
hard, Pestifer 

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454 


Centr&lbl. I. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 8. 


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Es ware nun falsch, anzunehmen, daB die angenonnnene Kreis- 
entwicklung wfirtlich zu verstehen ware. Auf dem Kreisbogen der 
Ruhr-Typhus-C ol i-Gruppe stehen eigentlich nur wenige markante Ver- 
treter direkt. Ueber dem Kreise kann man sich einen Kegel denken, 
an dessen Spitze vielleicht ein Bact. coli steht. Die Familien, die 
wir innerhalb der Gruppe abtrennen konnen, bewegen sich, wie ich 
versuchen will, an dem Beispiele der Paratyphusuntergruppe zu zeigen, 
ebenfalls auf einem Kreisbogen, bzw. einem Kegel und wir konnen 
wenigstens einen Coli-, Typhus-Paratyphus- und Ruhrunterkreis unter- 
scheiden. Die Spitzen der Kegel fiber den 3 Unterkreisen stoBen oben 
in einem Punkte zusammen. Wichtig zu sein scheint mir der Gesichts- 
punkt, daB die Entwickelung der Ausgangsbakterien mindestens in 3 
Richtungen, wie das der Stellung auf einem Kegelmantel entspricht, vor 
sich gehen kann. Nur durch diese Betrachtung konnen wir einigermaBen 
Klarheit in die schwierigen verwandtschaftlichen Verhaltnisse gerade der 
Paratyphusuntergruppe bringen. Projiziert man die Stellung der ein- 
zelnen Bakterien auf dem Kegelmantel auf einen Kreis, dann wfirde 
beispielsweise links die Suipestifer-Gruppe, und rechts die Gruppe 

Breslau, Para B-, G&rtner stehen. Die 
mitgeteilte V. Tabelle zeigt die Verhfiltnisse 
am deutlichsten, und aus ihr werden auch 
die verwickelten serologischen Beziehungen 
der einzelnen Vertreter untereinander einiger¬ 
maBen plausibel. Nur das Bacterium pa¬ 
ratyphi A laBt sich auch hier schwer ein- 
ordnen, was aber, wenn man die verschiedenen 
Anreicherungsmoglichkeiten auf und in einem 
Kegel bedenkt, nicht verwunderlich ist. Sero- 
logisch gehort es zum Bacterium typhi, 
nach seinem kulturellen Verhalten muBte es 
auf dem gedachten Kreise eigentlich einen 
etwas anderen Platz einnehmen. Sieht man 
aber von diesem Bacterium paratyphi A ab, so ist im tibrigen 
das System durchaus folgenchtig in serologischer und kultureller Be- 
ziehung. Was aber am auffalligsten erscheint, ist der Umstand, daB 
jeder Erreger einer typhosen Erkrankung einen solchen von einer Eu- 
teritiserkrankung neben sich oder in seiner Niihe stehen hat. Dabei 
lasse ich es dahingestellt, ob das Bacterium typhi tatsachlich auf 
dem Unterkreise der Paratyphusfamilie steht, oder nur ganz in seiner 
Nahe im Bereiche des Hauptkreises zu finden ist. 

Ich will bemerken, daB ich das kulturelle und serologische Ver¬ 
halten von mehreren der genannten Bakterien nicht selbst geprfift, 
sondern lediglich aus der Literatur entnommen habe. Die vonPfeiler 
abgetrennten Typen „Ferkeltyphus“ und „Hfihnertyphus“ passen auBer- 
ordentlich gut in das geschilderte System hinein. Hinsichtlich des 
Bacterium suipestifer (Typus Kunzendorf) mochte ich bemerken, 
daB von insgesamt 7 Stammen, von denen ich 6 der Liebenswfirdigkeit 
Manteufels verdanke, und einen aus dem hiesigen Tierseucheninstitut, 
ganz frisch aus dem Darm eines pestkranken Schweines isoliert, zur 
naheren Bestimmung erhalten habe, sfiratliche mit einer Ausnahme 
deutliche Schleimwalle bildeten. Die eine Ausnahme betrifft eineu 
Stamm aus dem Reichsgesundheitsamte, der wohl, wie dessen meisten 
fibrigen Sammlungskulturen, ziemlich alt sein dtirfte und das Wall- 




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v. Gutfeld, Typhus- und Choleratrockenimpfstoffe. 


455 


bilduugsvermogen daher eingebfiBt hat. Ausgezeichnet paflt hierzu die 
Mitteiluog Neukirchs, daB seine Erzindjan-Stamme sich bei ihrer 
Isolierung aus dem Korper der Erkrankten auf der Chinablauagarschale 
nachtrSglich rait schonen Schleimwallen umgaben. 

Literatur. 

1—4) Bitter, Ludwig, Zeistchr. f. Hyg. Bd. 90. S. 387; Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Orig. Bd. 85. 8. 110; Ebenda, Beiheft 8. 88*; Mfincheu. med. Wochenschr., 
1919; Ebenda 1920. — 5) Schittenhelm, A., Ueber Infektionen mit Bacillus 
enteritidis Breslau. (Munchen. med. Wochenschr. 1920. S. 1309.) — 6) Manteufel u. 
Beger, Weitere Untersuchungen zur Paratvphusfrage usw. (Centralbl. f. Bakt Abt. 1. 
Orig. Bd. 87. S. 161. — 7) Schiff, F., Untersuchungen fiber den Rezeptorenapparat 
in der Paratyphusgruppe. (Zeitschr. f. Immunitiitsf. Orig. Bd.33. 8.511. —8) Gartner, 
W., Kann der Paratyphus B abdominalis in kiinischer, pathologisch-anatomischer, epi- 
demiologischer und bakteriologischer Hinsicht von der sogenannten Gastroenteritis para- 
typhosa B abgetrennt werden ? (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. S. 486. — 
9) Bitter, L., Die Konservierung von agglutinierenden und hamolvsierenden Seren. 
(Ibid. Bd. 87. 8. 560.) — 10) Stand full, Bakteriologische Fleischbeschau. Berlin 
(Rich. Bchoetz) 1922. — 11) Vorschfitz, Pflfigers Arch. Bd. 186. S. 295. — 12) Langen - 
buch, C., Die Unterscheidung von Enteritis- und Paratyphus B-Bakterien aurch 
Lantbanagglutination. [Inaug.-Dissert.l Kiel 1920. 13) Hulsmann, Ueber die Brauch- 
barkeit der Lanthanagglutination zur Unterscheidung von Bakterien der Paratyphus- 
Enteritisgruppe. flnaug.-Dissert.] Kiel 1922.— 14) Uavemann, E, Ueber eine Milch- 
epidemie von Paratyphus B. flnaug.-Dissert.] Kiel 1922. — 15) Neukirch, P., Ueber 

E typhusahnliche Bakterien im Blute bei ruhrartigen Erkrankungen in der Tfirkei. 
lin. klin. Wochenschr. 1917. No. 15.) — Ders., Ueber menschllche Erkrankungen 
h Bazillen der Glasser-Voldagsen-Gruppe in der Tfirkei. (Zeitschr. f. Hyg. 
Bd. 79. S. 65.) — 16) Manteufel, Zschucke u. Beger, Systematische Unter¬ 
suchungen an Kulturen der Hogcholeragruppe usw. (Centralbl. f. Bakt. Ab. 1. Orig. 
Bd. 86. S. 214.) 17) Bernhard, G., Beitrag zur Frage der Fleischvergifter. (Zeitschr. 
f. Hyg. Bd. 73. S. 65. — 18) Wagner, G., Beitrage zur Epidemiologie und Bakterio- 
logie aes Paratyphus A usw. (Ibid. Bd. 90 8. 39.) — 19) Pfeiler, W., Beitrag zur 
Kasuistik des Hfihnertyphus. (Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. Bd. 30. 8. 267.) — 
20) Bitter, L., Eine ungewohnliche Art von Streptococcus mucosus. (Dtsch. med. 
Wochenschr. 1922.) 


Naohdruck verbotm. 

Ueber die Herstellung, Priifung und Yerwendbarkeit halt- 
barer Typhus- und Cboleraimpfstoffe (Trockenimpfstoffe). 

[Aus dem hygienisch-bakteriologischen Institut des Hauptgesundheits- 

amtes der Stadt Berlin.] 

Von Dr. Fritz von ftutfcld. 

Die Veroffentlichungen von Chiba (1, 2) geben mir Veranlassung, 
fiber Versuche mit Trockenimpfstoffen zu berichten, die im Februar 1919 
begonnen wurden. Ich kann mich auf eine kurze Mitteilung beschr&nken, 
zumal ich die Ergebnisse von Chiba bestfitigen kann, und dieser Autor 
auch die wichtigste Literatur anfuhrt. 

Den Plan, der den nachstehend geschilderten Untersuchungen zu- 
grunde liegt, hatte ich bereits Ende 1914 gefaBt. Veranlassung gab die 
im Felde in groBtem MaBstabe durchgeffihrte Schutzimpfung gegen 
Typhus und Cholera. Hierbei batten sich mir zwei MiBstfinde gezeigt. 
Es war Vorschrift, daB die erste Schutzimpfung gegen Typhus durch drei- 


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456 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


malige, die gegen Cholera durch zweiraalige Einspritzung zu erfolgen 
hatte. Die erstmalige Immunisierung gegen Typhus und Cholera erfor- 
derte also 5 Injektionen, von denen je 2 durch einen Zwischenraum von 
mindestens 5—6 Tagen getrennt waren. Abgesehen von der Lange der 
Zeit, die bei diesem Verfahren aufgewendet werden mufite, bis zum Ab- 
schluB der Immunisierung, war es besonders fflr den Truppenarzt sehr 
schwierig, ja manchmal unmoglich, s&mtliche Angehorige des Truppen- 
teils durchzuimpfen, da ein funfmaliges Erscheinen der Mannschaften 
zur Impfung haufig aus militarischen Grunden undurchfiihrbar war. 
Eine Methode, bei der sicli sowohl die Zeitdauer bis zum AbschluB der 
Impfungen als auch die Zahl der Injektionen vermindern lieB, war die 
gleichzeitige Immunisierung gegen Typhus und Cholera mittels Misch- 
Impfstoffes. 

Diese Methode ist denn auch im Verlaufe des Krieges von mehreren 
Autoren — es seien nur Weber (3), Danila (4), Combiescu und 
Ba 11eanu (5), Tarassewitsch, Alexina, Glotova und Fedoro- 
vitsch (6) genannt — mit gunstigem Erfolge angewendet worden. 

Der zweite MiBstand war die begrenzte Verwendbarkeitsdauer der 
Irapfstoffe. Die Begrenzung war eine doppelte. Zu frische Impfstoffe 
verursachten unangenehme Nebenerscheinungen, zu alte waren wirkungs- 
los. Nebenbei sei auch erw&hnt, daB die Form des Impfstoffes (in 
Flaschen abgefiillte Aufschwemmungen) fur l&ngeren Transport nicht 
besonders gilnstig war, da sie viel Raum beansprucht, und die Flaschen 
stoBsicher verpackt werden miissen. 

Urn die geschilderten MiBstande zu beseitigen, begann ich im An- 
fang 1919 mit der Darstellung von Impfstoffen gegen Typhus und Cholera 
mittels getrockneter Bakterien 1 ). 

I. Darstellung der Impfstoffe. 

a) gegen Typhus. 

24-std. Typhus-Massenkulturen auf Agar werden mit moglichst wenig 
sterilem destill. Wasser abgeschwemmt und wahrend l 1 /* Std. im Wasser- 
bad bei 56° gehalten. Von der erhitzten Aufschwemmung wird eine 
Sterilit&tsprufung angelegt. Ein Vergleich der abgetoteten Aufschwem- 
muug mit einer Testaufschwemmung zeigt,'uin wieviel mal dichter die 
frisch hergestellte Abschwemmung, also wie stark sie zum Gebrauch zu 
verdiinnen ist. Die Aufschwemmung wird im Faust-Heimschen Apparat 
bei 37 0 eingedampft. Der vollkommen trockene Riickstand wird in sterilen 
Morsern zerrieben und bei Zimmertemp. aufbewahrt. Zum Gebrauch wird 
der Trockenrilckstand entweder abgewogen und mit der erforderlichen 
Menge 0,5-proz. karbolisierter Kochsalzlosung aufgeschwemmt, oder eine 
beliebige Menge des Trockenriickstandes wird mit karbolisierter Koch¬ 
salzlosung aufgeschwemmt und diese Aufschwemmung mit einer Test- 
Emulsion verglichen und danach eingestellt. Von der gebrauchsfertigen 
Aufschwemmung wird nochmals eine Sterilit&tspriifung gemacht. Um 
eine gleichm&Bige Emulsion zu erhalten, wird das trockene Material 
entweder zunachst mit einer geringen Menge Fliissigkeit angeriihrt und 
allmahlich zum erforderlichen Volumen aufgefiillt, oder das trockne Pulver 
wird in einer Flasche mit Glasperlen mit der Aufschwemmungsflussig- 
keit kurze Zeit von Hand geschiittelt. 

1) Vergl. hierzu auch Loeffler, D. m. W. 1904 und Friedberger und Mo- 
reachi, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 39. 


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v. Gutfeld, Typhus- uud Cholera-Trockenimpfstoffe. 


457 


b) gegen Cholera. 

Die Darstellungsweise ist dieselbe wie bei Typhus mit dem Unterschied, 
daB die Abtotungsdauer nur 1 Std. bei 56° betr&gt. 

II. Yersuchc mit dem frisch hcrgestellten Impfstoff. 

Zu diesen Versuchen wurden von dem trockenen Pulver einige Tage 
nach dessen Herstellung bereitete Aufschwemmungen benutzt. 

a) Nachweis antikorperbindender Eigenschaften. 

1) mit Typhusimpfstoff. Der Trockenimpfstoff wird im Vergleich 
mit einem drei Monate alten gewohnlichen Impfstoff an einem Typhus- 
immunserum und an Normalserum gepriift. Resultat: Beide Impfstoffe 
haben bei mehrfacher Priifuug im Komplementbindungsversuch ann&hernd 
die gleiche antigene Eigenschaft. 

2) mit Choleraimpfstoff. Die Vergleichsprflfung eines frisch her- 
gestellten Trockenimpfstoffes mit einem 5 Monate alten, gewbhnlichen 
Choleraimpfstoff ergibt koine wesentlichen Unterschiede im Komplement¬ 
bindungsversuch. 

b) Nachweis antikorperbildender Eigenschaften. 

1) mit Typhusimpfstoff. Sowohl bei Meerschweinchen als auch bei 
Kaninchen wurde durch mehrfache Injektionen des aufgeschwemmten 
Trockenimpfstoffes Agglutininbildung erzeugt; bei 2 Kaninchen, deren 
eines mit Trockenimpfstoff, w&hrend das andere mit gewohnlichem Impf¬ 
stoffe immunisiert wurde, erreichte der Agglutinintiter bei gleichartiger 
Vorbehandlung im Laufe von 3V 2 Wochen den Wert von 1:30000. 

2) mit Choleraimpfstoff. Auch in diesen Versuchen wurden be- 
trachliche Agglutininwerte bei Kaninchen erzeugt. Die Resultate der 
Immunisierung mit den beiden verschiedenartig hergestellten Antigenen 
(Trockenimpfstoff bezw. gewohnlicher Impfstoff) waren einander sehr 
ahnlich. 

3) mit gemischtera Impfstoff. Gleiche Teile von Aufschwemmungen 
des Typhus- und des Choleratrockenimpfstoffes wurden gemischt. Ein 
Kaninchen erhielt mehrere Injektionen der Mischung; am SchluB der 
Behandlung waren die Titer fiir Typhus 1:6000, ffir Cholera 1:2000. 

III. Versuche mit abgelagertem Impfstoff. 

Das trockene Pulver aus Typhus- und Cholerabazillen wurde in 
Glasflaschen bei Ziminertemperatur aufbewahrt und nach einer Lagerzeit 
von etwa 2V 2 Jahren einer erneuten PrQfung unterzogen. 

a) Mikroskopische Untersuchung. Von dem trockenen 
Pulver wurden im September 1921 Aufschwemmungen hergestellt und 
im hSngenden Tropfen sowie im gefSrbten Pr&parat untersucht. Wie 
nach der Art der Darstellung zu erwarten war, lieBen die Praparate so¬ 
wohl vom Typhus- als auch vom Choleratrockenimpfstoflf in der Haupt- 
sache nur amorphe Massen bzw. Bakterientrummer erkennen. Aus den 
Untersuchungen von Jotten (7) geht hervor, daB Choleraimpfstoffe 
(nach dem bisher gebrauchlichen Verfahren als Aufschwemmung herge¬ 
stellt und aufbewahrt) „im allgemeinen erst nach 72 Jahr erhebliche 
morphologische Ver&nderungen ihrer Keime aufweisen“. Im Gegensatz 
dazu treten „beim Typhusimpfstoff die destruierenden Veranderungen an 
den Keimen schon wahrend der Herstellung" ein. Diese Verknderungen 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


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der abgetoteten Typhus- und Cholerakeime sind auf den EinfluB auto- 
lytischer Fermente zuriickzufiihren, die nach J6tten ihre Wirkung auf 
die Typhusbazillen schon w&hrend der Impfstoffherstellung, auf Cholera- 
yibrionen erst im Laufe einiger Monate ausiiben. 

Die Bakterientriimmer, die man in den nach dem oben beschriebenen 
Verfahren bereiteten Impfstoffen findet, sind, wie schon bemerkt, durch 
die mechanische Zerkleinerung des Trockenguts, nicht aber 
(beim Choleratrockenimpfstoff) durch Autolyse entstanden, da die 
Autolyse des vollig trockenen Materials unmoglich ist. Es ist also von 
vornherein zu erwarten, daB das Trockenpulver diejenigen Eigenschaften, 
die es gleich nach seiner Herstellung hat, wenn ihm die MQglichkeit zur 
Zersetzung und dadurch bedingten Aenderung seiner Eigenschaften eben 
infolge des Trockenzustandes fehlt, unbegrenzt wie unmittelbar nach 
seiner Herstellung behalten wird. Der Beweis fiir diese Annahme wurde 
durch die nachfolgend beschriebenen Versuche gefUhrt. 

In Uebereinstimmung mit Jotten (1. c.) konnte ich feststellen, daB 
die mikroskopische Untersuchung eines Impfstoffes weder iiber seinen 
Wert als Impfstoff, noch fiir seine Haltbarkeit eine Handhabe bieten 
kann. Nur die biologischen Methoden kbnnen Antwort auf diese Fragen 
geben. Die Eigenschaften des Trockenimpfstoffes wurden daher in ver- 
schiedener Weise gepriift. 

b) Sterilitatspriifung. Bei sachgemaBer Aufbewahrung in ver- 
schlossener Flasche ist das Sterilbleiben des Trockenimpfstoffes selbst- 
verstiindlich. Durch besondere PrQfung habe ich mich von dieser Tat- 
sache iiberzeugt. 

c) Nachweisantik5rperbindenderEigenschaften. l)mit 
Typhusimpfstoff. Austitrierung einer Aufschwemmung des 27 2 Jahre 
gelagerten Trockenimpfstoffes gegen mehrere Typhusimmunseren und 
Normalseren ergab bei sSmtlichen Immunseren komplette Hemmung, 
bei den Normalseren vbllige HBmolyse bei Verwendung ungef&hr gleicher 
Antigenmengen wie 2 1 / i Jahre zuvor. 

2) Mit Choleraimpfstoff. Mit einem 2V 4 Jahre alten Cholera¬ 
trockenimpfstoff angestellte Komplementbindungsversuche zeigten kom¬ 
plette Hemmungen mit Choleraimmunseren bei Verwendung der gleichen 
Antigenmengen wie 2 x / 4 Jahre zuvor. 

Sowohl das Typhus- als auch das Choleratrocken- 
pulver hat seine spezifischen antigenen Eigenschaften, 
die im Komplementbindungsversuch nachweisbar sind, 
nach 2 1 /*- bzw. 2 1 / 1 -j&hriger Lagerung bewahrt. 

djNachweisantikorperbildenderEigenschaften. 1) mit 
Typhusimpfstoff. 3 Kaninchen, deren Agglutinintiter fiir Typhus¬ 
bazillen 1:80, <1:10, <1:20 betr&gt, werden mit einem Typhustrocken- 
impfstoff, der im Febr. 1919 hergestellt und am 13. Sept. 1921 zum Ge- 
brauch aufgeschwemmt wurde, immunisiert. Nach 1-maliger Injektion 
von 2 ccm intravenos bzw. 4 ccm intraperitoneal sind die Agglutinintiter 
1:1600, 1:1600, 1:400. 

2) Mit Choleraimpfstoff. 3 Kaninchen mit dem Agglutinin¬ 
titer fiir Cholera 1:50, <1:5, <1:5 werden mit Choleratrockenimpfstoff, 
der im Mai 1919 hergestellt und am 17. Aug. 1921 aufgeschwemmt wurde, 
immunisiert. Sie erhalten s&mtlich 2mal je 1 ccm intravenos. 8 Tage 
nach der 1. Injektion ist der Titer 1:800, 1:400, 1:200 ; 8 Tage nach 
der 2. Injektion 1:1600, 1:800, 1:800. 


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v. Gutfeld, Typhus- und Uholera-Trockenimpfstoffe. 


459 


Bei diesen 3 Tieren wurde auch im Plattenversuch der bakterizide 
Titer bestimmt; zum Vergleich diente das Seram eines unbehandelten 
normalen ftaninchens. Die Titerhohe betrug: 1:500, 1:10000, 1:1000, 
Kontrolltier 1:50. Die Unterschiede zwischen den behandelten Tieren 
und dem Kontrolltier sind so betr&chtlich, daB man von einer deutlichen 
Steigerung des bakteriziden Titers zu sprechen berechtigt ist. 

e) Versuche an Menschen. Diese Versuche, die aus SuCeren 
Grunden nur an kleinem Material (Laboratoriumspersonal) vorgenommen 
werden konnten, hatten vornehmlich den Zweck, festzustellen, wie die 
Injektionen vertragen werden. Bei der auBerordentlichen Verschiedenheit 
der Bildungsfahigkeit von Antikorpern bei verschiedenen Individuen babe 
ich in dieser Richtung nur orientierende Versuche angestellt, die eine 
Titersteigerung ergaben. Nachdem ich zuerst an mir selbst festgestellt 
hatte, dad die subkutane Injektion von 1,0—1,5 ccm Trockenimpfstoff- 
aufschwemmung nur an der Injektionsstelle und nur am Tage der In¬ 
jektion ein geringes Spannungsgeftihl hervorruft, das in keiner Weise 
an der Verrichtung der gewohnten Besch&ftigungen hindert, haben sich 
noch einige Personen der Impfung unterzogen. Samtliche Injektionen 
mit Typhus- und Choleratrockenimpfstoff wurden, abgesehen von ge- 
ringem Spannungsgefilhl an der Stelle der Einspritzung, vollig reak- 
tionslos vertragen. 

IV. Besondere Eigenschaften und Anvrendungsgebiet. 

Die Herstellungsweise der Typhus- und Choleratrockenimpfstoffe im 
groBen ist nicht schwieriger als die der bisher gebrauchlichen Bazillen- 
aufschwemmungen. Ebensowenig tritt eine Verteuerung durch geringere 
Ausbeute oder kostspielige Chemikalien ein. Der fertige Impfstoff ist 
bei sachgemaBer Herstellung frei von fremden Keimen; er enthalt nur 
die zur Immunisierung notwendigen abgetbteten Keime in mechauisch 
zerkleinertem Zustande. Die Impfstoffe lassen sich multivalent herstellen. 
Der fertige Trockenimpfstoff behait die Eigenschaften, die er unmittelbar 
nach der Herstellung aufweist, anscheinend unbegrenzte Zeit in unver- 
mindertem MaBe. Er nimmt nur einen ganz geringen Raum ein (von 
1 g Trockenpulver erhalt man schatzungsweise 1 1 gebrauchsfertigen 
Impfstoff). Die Bedeutung dieser Tatsache ffir den Transport (Expe- 
ditionen, Tropen) ist einleuchtend. Die Fertigstellung zum Gebrauch 
geschieht durch Aufschwemmen in karbolisierter Kochsalzlbsung. Die 
Antigenmenge ist durch Abwagen genau meBbar. Die Injektion des 
Impfstoffes wird ohne Beschwerden vertragen. 

Zusammenfassung. 

Typhus- und Choleratrockenimpfstoffe, die durch Trocknung der ab- 
getfiteten Bakterien im Faust-Heimschen Apparat bei 37° hergestellt 
sind, behalten anscheinend durch unbegrenzte Zeit ihre antigene Wirk- 
samkeit. Die Injektion dieser Impfstoffe zeitigte bei den Versuchsper- 
sonen keine unangenehmen Nebenerscheinungen. 

Uteratur. 

1) Chiba, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 88. H. 1. — 2) Ders., Ebenda. — 
3) Weber, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 82. — 4) Danila, Compt. rend. soc. de biol. 1915. — 
5) Combiescu u. Balteanu, Ebenda. 1916. — 6) Tarassowitsch, Alexina, 
Glotova u. Fedorovitsch, Ebenda 1916; (ref. in Centrablbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. 
Bd. 67. No. 4—6). — 7) Jot ten, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 83. 


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460 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 6. 


Nachdruck verboten. 

Ueber die kulturelle und serologische Unterscheidung des 
Bacillus breslaviensis vom Paratyphus B-Bazillus. 

[Aus der Untersuchungsabteilung (Leiter: Prof. Dr. C. Prausnitz) des 
Hygienischen Institutes der University Breslau (Direktor: Geh. Med.- 

Rat Prof. Dr. R. Pfeiffer).] 

Von Dr. Leo Olitzki. 

Den Nachweis der ursachlichen Bedeutung bestimmter Bakterien fiir die Fleisch- 
vergiftungen erbrachte zuerst A. Gartner 1888 duroh Isolierung des nach ihm be- 
nannten Bac. enteritidis aus der Milz einer notgeschlachteten und der Milz einer 
an Fleischvergiftung verstorbenen Person. Spater sind in einer Reihe von ahnlicben 
Erkrankungen Bazillen gefunden wordcn, die mit deni Gartner-Bazillus identisch 
Oder ihm nahe verwandt waren. 

1899 und 1900 zuchtete Schottmfiller bei typhusahnlichen Erkrankungen in 
Hamburg aus dem Blute einen Bazillus, den er Bacillus paratyphi B nannte, und 
welcher auch mit dem Gartner-Bazillus gewisse Aehnlichkeit aufwies. 

Der Frage der Beziehung zwischen den Erregern der Fleischvergiftungen und dem 
Paratyphus B-Bazillus wurde zuerst von Trautmann niiher getreten. Die von ihm 
mit hochwertigen, agglutinierenden Seren angestellten Untersuchungen sowie die spateren 
Untersuchungen von Uhlenhuth u. a. zeigten, dafi bei epidemischen Fleischvergif¬ 
tungen, die unter dem Bilde der akuten Gastroenteritis verlaufen, mindestens 2 Tvpen 
von Bazillen vorkommen, namlich der Gartner-Bazillus und der im Fluggescnen 
Institut von Kaensche zuerst isolierte Bac. breslaviensis; letzterer war jedoch, 
auch agglutinatorisch, vom Bac. paratyphi B damals nicht zu unterscheiden. 

Im Laufe der folgenden Zeit wurde aber von mehreren Autoren iiber kulturelle 
und serologische Unterschiede zwischen Paratyphus B-Bazillus und Bac. breslavi¬ 
ensis berichtet. 

Reiner Muller machte darauf aufmerksam, daS die von v. Drigalski und 
Conradi beschriebene Schleimwallbildung nur beim echten Paratyphus B-Bazillus vor- 
kommt, bei Breslaviensis-Stammen aber fehlt. Bei letzteren 8 trim men aber fehlt 
auch nach R. Muller die Knopfbildung auf Raffinoseagar, welche bei echten Para¬ 
typhus B-Stammen regelmiiBig vorhanden ist. 

B. Fischer gab als weiteres Merkmal der echten Paratyphus B-Stamme an, daB 
sie auf Gelatine ein iippiges, schleimiges Wachstum zeigen, welches bei den Bresla¬ 
viensis-Stammen fehlt. 

Bitter tritt fiir eine vollstandige Trennung des Bac. breslaviensis vom Bac. 
paratyphi B ein. Merkmale des Bac. breslaviensis sind nach ihm aufter dem 
Fehlen aer Knopfbildung auf Raffinoseagar Fehlen der Schleimwallbildung auf Agar, 
Fehlen des rahmigen Wachstums auf Gelatine noch fernerhin seine hohere BeeinfluB- 
barkeit durch Breslavienis-Serum und seine Pathogenitat fiir Mause beim Fiitte- 
rungsversuche (Tod der Tiere innerhalb von 10 Tagen). 

Auch durch den klinischen Verlauf unterscheiden sich nach Bitter Bac. bres¬ 
laviensis und Bac. paratyphi B vollkommen. Niemals wurde. eine Nahrungs- 
mittelvergiftung unter gastroenteritischen Erscheinungen durch einen echten Paratyphus 
B-Bazillus hervorgerufen; iiberall wo Paratyphus B isoliert wurde, lautete die klinische 
Diagnose: Paratyphus; iiberall, wo Bac. breslaviensis isoliert wurde: Enteritis 
acuta. 

Auch W. Gartner tritt auf Grund der klinischen und kulturellen Verschieden- 
heiten und auf Grund des deutlichen Unterschiedes der BeeinfluBbarkeit der Paratyphus 
B- und Breslaviensis -Stiimme in hochwertigen Paratyphus B- und Breslaviensis- 
Seren fiir eine vollstandige Trennung des ^Paratyphus B“ von der ^Gastroenteritis para- 
typhosa“ ein, welche nur durch Bac. breslaviensis verursacht wird. Er schlagt fur 
die verschiedenen Arten der Gastroenteritis nach ihrer Aetiologie folgende Namen vor: 
Gastroenteritis Breslau (Aetiologie: Bac. breslaviensis) und Gastroenteritis Gartner 
(Aetiologie: Bac. enteritidis Gartner). 

Mehrere Autoren (Bock, Bonhoff, Fornet und Levy, Citron, Spat, Va- 
gedes u a.) haben sich des Cas tellan ischen Absattigungsversuches zur Uuter- 


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Olitzki, Unterscheidung d. Bac. breslaviensis vom Paratyphus B-Bazillus. 401 

echeidung der zur Gruppe des Paratyphus B gehorigen Stamme bedient. Leider sind 
alle diese Versuche iniiner nur mit Absiittigung eines Serums mit eiuem, hochstens 
mit 2 Stammen gemacht worden, auch sind die kulturellen, klinischen und morpho- 
logischen Unterschiede der verwandten Stamme nicht beriicksichtigt worden. 

Uhlenhuth und Hiibener halten daher die von den anderen Autoren gefun- 
denen GesetzmaBigkeiten fiir Zufallsbefunde und berichten, daS sie selbst nach zahl- 
reichen Untersuchungen keine GesetzmaBigkeiten gefunden hatten. 

Dennoch laSt sich aus den zahlreichen Versuchen von Bock, Bonhoff u. a. 
erkennen, dafi die zur Gruppe des Paratyphus B gehorigen Stamme in der Hauptsache 
in 2 Gruppen zerfailen: Die einen verhalten sich zusammen mit den Tierstammen im 
Paratyphus B-Serum wie in einem heterologen Serum, die anderen verhalten sich da- 
gegen in einem Paratyphus B-Serum wie in einem homologen, in einem Tierstamm- 
serum wie in einem heterologen Serum. Zu der 1. Gruppe gehoren u. a. der Stamm 
„Kaensche“ von der Breslauer Fleischvergiftung, der Bazillus der Tempelhofer Mehl- 
speisenvegiftung und der Fleischvergifter „Brux“'). 

Ich habe auf Anregung von Herrn Prof. Dr. C. Prausnitz die 
in der Sammlung des Hygienischen Institutes der Universitat zu Breslau 
befindlichen Stamme auf ihr kulturelles und agglutinatorisches Verhalten 
hin untersucht. Die zur Untersuchung verwendeten Kulturen stammen 
aus folgenden Quellen: 

Stamm 1—4 (Sammlungsnr.: B 634, B 462, B 2108, B 2071) sind bei typhusartigen 
Erkrankungen aus dem Stuhl gezuchtet worden, und zwar Stamm 1, 3 und 4 1020, 
Stamm 2 1921. 

Stamm 5 (Sammlungszeichen: B Bock) ruhrt her von einer Untersuchungsreihe 
von Fazes von einem Falle von echten Paratyphus. (Nach Angabe von Herrn Oberreg. 
Medizinalrat Dr. Bock 1906.) 

Stamm 6 (Sammlungszeichen: B Abortus). Von einem seuchenhaften Abortus 
einer Stute im Felde gezuchtet von Herrn Prof. Dr. Oettinger. 

Stamm 7 (Sammlungsnr. B 179) wurde aus dem Urin gezuchtet bei einer Erkran- 
kung, welche klinisch schwer zu beurteilen ist, da sie sowohl Symptome eines Para¬ 
typhus als auch einer akuten Gastroenteritis aufweist. Die Krankengeschichte sei daher 
im Folgenden kurz wiedergegeben: 

Wenzel-Hancke-Krankenhaus Breslau. Pat. Kathe K., geb. 5. Marz 1905. 
Beginn der Erkrankung am 2. Mai 1921 plotzlich mit Schuttelfrost, Erbrechen, Fieber, 
Kopfschmerz und Durchfall. Bei der Aufnahme am 4. Mai 1921 ist Pat. benommcn. 
Temp. 39,7° C. Puls 119, weich, klein, keine Roseolen, aber Hautblutungen an den 
Unterschenkeln, Milz nicht vergrofiert. Stuhl: Durchfall bis 3mal taglich. Urin: Al¬ 
bumen + . Viele granulierte und hyaline Zylinder, wenig Erythro- und Leukozyten. 
„Paratyphus B“, am 0. Mai im Urin -f, im Stuhl —. Blut: Leukozyten 8900, Widal 
am 12. Mai Paratyphus B 1 :1920. Langsamer Abfall der Temperatur, die erst am 
10. Mai normal wird. Stuhl bis zum 19. Mai durchfallig. Unnbefund am 20. Mai 
normal. Entlassung am 2. Juni 1921. 

Stamm 8 (Sammlungsnr. B 333) staramt von einer akut iiber wenige Tage hin ver- 
laufenden, mit heftigen Durchfiillen einhergehenden todlichen Erkrankung im Mai 1920. 
Der Stuhl wurde als choleraverdiichtig eingesandt; die Untersuchung ergab: Bazillen 
aus der Paratyphus B-Gruppe. 

Stamm 9 (Sammlungsnr. Breslaviensis 460) ist aus dem Stuhl eines iihnlichen 
Falles von Choleraverdacht 1920 gezuchtet und als Bac. breslaviensis identifiziert 
worden. 

Stamm 10 (Sammlungsnr. B 1771) stammt aus dem Stuhl, Stamm 11 (Sammlungsnr. 
B 1783) aus dem Blute eines weiteren, innerhalb von 4 Tagen todlich verlaufenden 
Falles von Gastroenteritis (wahrscheinlich durch Genufi von Leberwurst bedingt). 

Stamm 12 (Sammlungsnr. B 1592) aus dem Stuhle eines 14 Mon. alten Kindes, 
welches 1921 an einer 3—4 Tage anhaltenden, fieberhaften, mit zahlreichen schleimigen 
Durchfiillen einhergehenden Erkrankung plotzlich erkrankt war. Die fur Paratyphus 
bei Siiuglingen charakteristischen Karpopedalspasmen fehlten. Der behandelnde Arzt 
hattc auf Grund der klinischen Beobachtung zunikhst die Diagnose ,,Ruhr“ gestellt. 

Stamm 13 (Sammlungszeichen Breslaviensis alt) ist der urspriinglich von 
Kaensche isolicrte, im Institut fortgeziichtete Bac. breslaviensis. 

Stamm 14 (Sammlungszeichen G a rtn er - Berlin), ein zum Vergleiche herange- 
zogener Stamm von Bac. enteritidis Gartner stammt aus Berlin. 

1) Erst nach AbschluS meiner Untersuchungen erhielt ich Kenntnis von der Ar¬ 
beit von Manteufel und Beger, die in wesentlichen Punkten zu iihnlichen Ergeb- 
nissen kommen. 


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462 


Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


1. Agglutinatorische Untcrsuchungen. 

Durch Injektion steigender Dosen abgetoteter Kultur von Stamm 9 
(Breslavien sis 460) wurde ein hochwertiges Bre si avion sis-Ka- 
ninchenserum (Titer 1:5120) hergestellt. Das zu den Untersuchungen 
verwendete Paratyphus B-Serum (Titer 1:10240) stammt aus dem Reichs- 
gesundheitsamte, desgleichen das Gartner-Serum (Titer 1:5120, Esel- 
Sera). 


Tabelle I. 


Nr. 

KliniBches Bild 

Titergrenze der Agglutination mit 

Gartner- 

Serum 

Breslarien- 
8 i s - Serum 

Paratyphus 

B-Serum 

i. 

Paratyphus 

1:640 

1:1280 

1:10240 

2. 

* 

1:320 

1:1280 

1:15 360 

3. 


1:640 

1:1280 

1 :10 240 

4. 


1:640 

1: 640 

1:10240 

5. 


1:320 

1:2560 

1 =10240 

6. 

Seuchenhafter Abortus 

1 : 640 

1: 2f,60 

1:10240 

7. 

Erkrankung nicht klassifizierbar 

1:320 

1:2560 

1:10240 

8. 

Akute Gastroenteritis 

1:320 

1:1280 

1: 5120 

9. 


1:320 

1:5120 

1:10240 

10. 


1:320 

1:2566 

1: 5120 

11. 


1:640 

1:2560 

1: 5120 

12. 

Cholera infantum 

1:640 

1:2560 

1: 5120 

13. 

Fleischvergiftung (Kaensche) 

1:320 

1:5120 

1: 5120 

14. 

Gastroenteritis (Gartner) 

1:5120 

1: 640 

1: 2560 


• 

Tab. I zeigt, wie zu erwarten war, dafi alle Stfimme 1—13 mit dem 
Gkrtner-Bazillus nur entfernt verwandt sind; sie werden vom Gart¬ 
ner-Serum (Titer 1:5120) nur bis zur Verdiinnung von hSchstens 1:640 
agglutiniert, wahrend der Gartn er-Stamm von Breslavien sis-Se¬ 
rum (1:5120) nur bis 1:640, und vom Paratyphus B-Serum (1:10240) 
nur bis 1:2560 agglutiniert wird. 

Die Kulturen von Paratyphusfallen, bis auf Stamm 5 werden im 
Breslavien sis-Serum etwas schwacher agglutiniert als die Kulturen 
aus Gastroenteritisfallen. Umgekehrt werden die Gastroenteritiskulturen 
(Nr. 8—13) in ihrer Mehrzahl durch das Paratyphus B-Serum etwas 
weniger beeinfluBt als die Paratyphusstamme. Eine klare Entscheidung 
konnte aber erst vom Castellanischen Absattigungsversuch erwartet 
werden. 

Technik: Die 1:20 verdunnten Sera wurden bei 37 °C 1V 2 —2 Std. 
mit den betreffenden Kulturen so oft behandelt, bis sie nach erfolgter 
Abzentrifugierung der zugesetzten Kultur fflr den verwendeten Stamm 
bei keiner Verdiinnung mehr Agglutinine zeigten. 

Der Absattigungsversuch ergab Folgendes: 

Breslavien sis-Serum, erschopft mit einem Gastroenteritisstamm, 
war seines Agglutinationsvermogens fur alle 14 Stamme beraubt Der 
Versuch wurde mit 4 Staramen (Nr. 9, 10, 11 und 13) mit gleichem Er- 
gebnis ausgefiihrt. 

Breslaviensis -Serum, erschopft mit einem von einer paratyphus- 
artigen Erkrankung herruhrenden Stamm, agglutinierte fast unabge- 
schwacht die Gastroenteritisstamme 9 — 13, aber keinen der Paratyphus 
B-Stamme 1—4. Der Versuch wurde mit 3 Stammen (Nr. 1, 3 und 4) 
mit gleichem Ergebnis ausgefiihrt. 


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- — -. — m. » 



Olitzki, Unterscheidung d. Bac. breslaviensis vom Paratyphus B-Bazillus. 463 


Paratyphus B-Serum, behandelt mit einem Paratyphusstamm (Nr. 1), 
war fur alle 14 Stamme seines AgglutinationsvermSgens beraubt. 

Paratyphus B-Serum, behandelt mit einem Gastroenteritisstamm 
(Nr. 9), agglutinierte fast unabgeschwacht die Paratyphusstfimme Nr. 1 
bis 4, aber keinen der Gastroenteritisstamme Nr. 9—13. 

Dadurch scheinen also 2 in ihrem Rezeptorenapparat streng ver- 
schiedene Typen unterscheidbar zu sein. 

Aber es zeigte sich, daB zwischen diesen beiden extremen Typen 
Uebergangsstamme existieren; es sind dies die Kulturen Nr. 5—8; eine 
Kultur von Paratyphus (Nr. 5), eine von Abortus der Stute (Nr. 6), eine 
von einem klinisch zweifelhaften Falle(Nr. 7) und eine von einer schweren, 
choleraahnlichen Gastroenteritis (Nr. 8). 

Wurde das Breslaviensis- Oder Paratyphus B-Serum mit dem 
ihm homologen Stamm abgesattigt, so war das Agglutinationsvermogen, 
wie erwahnt, fiir alle 14 Stamme, also auch fflr Nr. 5—8, erloschen; 
aber auch bei Absattigung des Serums mit einem heterologen Stamme 
(Paratyphus B-Serum mit Bac. breslaviensis, oder Breslavien¬ 
sis-Serum mit Bac. paratyphi B) zeigten die vier „Uebergangs- 
st&mme“ eine erhebliche Abschwachung ihrer Agglutination, meistens 
sogar bis zum vollstandigen Erlflschen. Diese Stamme scheinen also 
sowohl mit dem Paratyphus B-Bazillus, als auch mit dem Bac. bres¬ 
laviensis gemeinsame Rezeptoren zu haben. 

Nunmehr wurden sowohl das Breslaviensis-Serum, wie das Para¬ 
typhus B Serum mit den Uebergangsstammen abgesattigt. 

Das Breslaviensis-Serum verlor hierbei samtliche Agglutinine 
fiir die Paratyphusstamme (Nr. 1—4) und Uebergangsstamme (Nr. 5—8); 
agglutinierte aber samtliche Breslaviensis - Stamme (Nr. 9—13) weiter, 
jedoch mit starker Abschwachung. Der Versuch wurde mit 3 „Ueber- 
gangsstammen“ (Nr. 5, 7 und 8) ausgefflhrt und verlief in jedem Falle 
gleicbsinnig. 

Komplizierter verlief der Versuch mit dem durch die Uebergangs- 
stfimme Nr. 5 und 7 erschopften Paratyphus B-Serum. Das mit Stamm 5 
behandelte Serum biiBte dabei das Agglutinationsvermdgen fflr alle 
14 Stamme ein. Das mit Stamm 7 behandelte Serum verlor nur sein 
Agglutinationsvermflgen gegenflber den Breslaviensis - Stammen 
(Nr. 9—13) und den beiden Uebergangsstammen Nr. 7 und 8, wahrend 
die Paratyphus B-Stamme Nr. 1—4 und die Uebergangsstamme Nr. 5 
und 6, allerdings mit erheblicher Abschwachung, weiter agglutiniert 
wurden. Die Uebergangsstamme Nr. 5 und 6 verhielten sich also hier¬ 
bei wie Paratyphus B-Stamme, die Uebergangsstamme Nr. 7 und 8 wie 
Breslaviensis-Stamme. Auch die kulturelle Untersuchung hat, wie 
spater ausgefflhrt wird, die nahere Verwandtschaft von Stamm 5 und 6 
mit dem Paratyphus B-Bazillus und von Stamm 7 und 8 mit dem Bac. 
breslaviensis bestatigt. 

Bei alien diesen Versuchen bestand immerhin die Mflglichkeit, daB 
durch die bei der Immunisierung der Tiere getibte mehrfache Einspritzung 
einer Kultur Gruppenagglutinine entstanden sein konnten, welche die 
scharfe Unterscheidung verwischt hatten. Urn diesem Einwand zu be- 
gegnen, wurden 2 Kaninchen, das eine mit Stamm 9, das andere mit 
Stamm 1, einmalig mit Vi oo Oese 20-stand., bei 56 °C abgetoteter Agar- 
kultur intravenbs geimpft. Entblutung nach 10 Tagen. Aber das Er- 
gebnis der mit diesen Seren gemachten Versuche ist das gleiche: 


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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


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Breslaviensis (Nr. 9)-Serum (Titer 1:640), erschopft mit Bac. 
breslaviensis und ebenso Paratyphus B (Nr. 1)-Serum (Titer 1:1280), 
erschopft mit Bac. paratyphi B, sind fiir alle Stamme restlos er- 
schdpft. Hingegen agglutinieren Breslavien sis-Serum, erschopft mit 
Paratyphus B, und Paratyphus B-Serum, erschfjpft mit Bac. bres¬ 
laviensis, die ihnen homologen Stamme fast unabgeschwacht, die Ueber- 
gangsstamme mit sehr starker Abschwachung, zum Teil gar nicht, die 
heterologen Stamme uberhaupt nicht. 

Wir sehen also 2 in sich ziemlich abgeschlossene Typen, den Bac. 
breslaviensis und den Bac. paratyphi B; aber zwischen ihnen 
stehen „Uebergangsstamme u , die teils von klinischem Paratyphus (Nr. 5), 
teils von Gastroenteritis (Nr. 8), aber auch von seuchenhaftem Abortus 
einer Stute (Nr. 6) und einem klinisch unklaren Fall (Nr. 7) gezuchtet 
wurden und die mit beiden Typen ausgepragte Verwandtschaft zeigen. 

Absolut scharf dagegen unterscheiden sich alle 13 Stamme vom 
Bac. en teritidis Gartner. Wurde Gar tner-Serum mit einem Para¬ 
typhus B-, Breslaviensis- oder Uebergangsstamm abgesattigt (Nr. 1, 
7 und 9), so agglutinierte es danach keinen der 13 Stamme, hingegen 
unabgeschwacht den Gartner-Stamm Nr. 14; mit letzteren abgesattigt, 
agglutinierte es weder die 13 Stamme, noch den Gartner-Stamm. 

Paratyphus B-Serum, erschopft mit dem Gar tn er-Stamm (Nr. 14), 
agglutinierte alle 13 Stamme unabgeschwacht, aber nicht mehr den 
Gartner-Stamm. 

Alle 13 Stamme (Paratyphus B, Breslaviensis- und Uebergangs- 
stamme) zeigten sich also gegenfiber dem Gar tner-Serum wie hetero- 
loge Stain me, desgleichen der Gartner-Stamm gegeniiber dem Para¬ 
typhus B-Serum. 

Das gesetzmfiBige Verhalten der einzelnen Stamme beim Absatti- 
gungsversuche ware auf folgende Art zu erkiaren: 

Bei der Immunisierung eines Tieres mit einem bestimmten Stamme 
werden 2 Arten von Agglutininen gebildet: 

1) Streng-artspezifische Agglutinine, welche nur von einem dem 
Serum homologen Stamme gebunden werden konnen, niemals aber von 
einem heterologen Stamme. 

2) Verwandtschaftsagglutinine, welche sowohl von einem dem Serum 
homologen, als auch von einem heterologen Stamme gebunden werden 
konnen, und zwar in um so starkerem MaBe, als der zugesetzte Stamm 
mit dem diesem Serum homologen Stamme nfilief verwandt ist. 

So wurden sich also bei der Immunisierung mit Bac. bresla¬ 
viensis sowohl Breslaviensis-Agglutinine bilden, als auch Ver¬ 
wandtschaftsagglutinine, die mit Bac. breslaviensis und mit Bac. 
paratyphi B reagieren. Wird ein solches Serum mit Paratyphus B 
abgesattigt, so wilrde es nur die Verwandtschaftsagglutinine verlieren; 
wird es aber mit Bac. breslaviensis abgesattigt, so mtiBte es samt- 
liche Agglutinine verlieren, und das Entsprechende ware der Fall, wenn 
wir mit Bac. paratyphi B immunisieren. 

Sehr nahe verwandte Stamme wurden auch die artspezifischen Agglu¬ 
tinine des ihnen verwandten Stammes binden konnen. 

So ware z. B. das Verhalten der „Uebergangsstfimme“ dadurch zu 
erkiaren, daB sie sowohl fur die artspezifischen Agglutinine des Bac. 
breslaviensis, als auch des Bac. paratyphi B Rezeptoren be- 
safien. 



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Olitzki, Unterscheidung d. Bac. breslaviensis vom Paratyphus B-Bazilius. 465 


Tabelle II. 

a) Castellanischer Versuch mit Breslavien si s-Serum. 


Nr. 

der Stamme 


Titergrenzen bei Agglutination mit Breslavien sis-Serum, abge- 

sattigt mit 

Paraty. B-Stammcn I Uebergangsstammen I Breslaviensis-Stamme 


isstammen Breslaviensis-Stamm 
’ j 8~ 9. 10. | 11. | 13. 


ill 

sfcj 

<«.“ I 

ao 2 g 
o C 5 
£ ®2 


1:40 , 0 1:640 

1:40 0 1:128 

1:40 1: 320 1:40 

0 0 0 


5. 

7. 

8. 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

1:640 

1:160 

1:5120 

1:320 

1:80 

1: I2b0 

1:320 

1:80 

1 : 1280 

1:160 

1 :320 

1 :640 

1:2560 

1:160 

1 :5120 

0 

0 

0 


14. 0 


Tabelle III. 

b) Castellan ischer Versuch mit Paratyphus B- und Gartner-Serum. 


Nr. , 
der Stamme 


Titergrenzen bei Agglutination mit 
Paratyphus B-Serum, abgesattigt 
mit Stamm 


4. 1 


Titergrenzen bei Agglutination 
mit Gartner-Serum, abge¬ 
sattigt mit Stamm 


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0 0 1:1280 1:5150 1:10240 

0 0 1:2560 1: 5120 1:10 240 

0 0 1:320 0 1:5120 

0 0 1:160 1:640 1:2 560 

0 0 0 0 1:5 120 

0 0 0 0 1:2 560 

0 0 0 0 1:2 560 

0 0 0 0 1:5 120 

0 0 0 0 1:5 120 

0 0 0 0 1:2 560 

0 0 0 0 1:640 


1: 5120 1: 5120 


2. Morphologlsche und kulturelle Unterschledc. 

Morphologisch zeigten die Stamme keine Verschiedenhe 
gegen zeigte die kulturelle Untersuchung folgendes: 

Samtliche Stamme, welche von typhusahnlichen ErkranI 
stammten und im Absattigungsversuche sich als echte Pa 

£ntl Abt. Orig. Bd. 88. Heft 6. c 


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466 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


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Stfimrae erwiesen hatten (Nr. 1—4), zeigten die Erscheinung der Wall- 
bildung auf Agar. Die Wallbildung fehlte bei samtlichen Bresla- 
vien sis-St&mmen (Nr. 9—13). Von den UebergangsstSmmen bildeten 
die Stamme Nr. 5 und 6 (Paratyphus und Abortus) Schleimwalle, aber 
nicht die Stamme Nr. 7 und 8 (unklarer Fall und Gastroenteritis). Auch 
hierdurch zeigt sicli, dafi von den Uebergangsstammen Nr. 5 und 6 mit 
dem Bac. paratyphi B, Nr. 7 und 8 mit dem Bac. breslaviensis 
n&her verwandt sind. 

Der Gartner-Stamm (Nr. 14) bildete ebenfalls Walle. 

Sehr schbn war die Wallbildung auf Endo-Agar zu beobachten. 
Nach 1-tSg. Bebrfltung bei 37° C und 5-tSg. Aufenthalt bei Zimmer - 
temperatur zeigte das Zentrum der Kolonien eine rote Fkrbung. die bei 
einigen Stammen leuchtend rot bis fast dunkelrot war und sich scharf 
von dem etwa 1 mm uberragenden, rotlich-weiBen Scbleimwall abhob. 

Weniger charakteristisch waren die Unterschiede des Wachstums 
auf Gelatinestrichkulturen. Alle Stamme, welche auf Agar Walle bil¬ 
deten, zeigten auf Gelatine ein iippiges, rahmiges Wachstum. Hingegen 
zeigten keineswegs alle Breslaviensis-Stamme (Nr. 9—13) und 
Breslaviensis-ahnlichen Uebergangsstamme (Nr. 7 — 8) das von 
Fischer geforderte trockene, sparliche Wachstum; bei 4 Stammen 
(Nr. 7, 8. 9 und 13) war ein sehr deutlicher Unterschied wahrnehmbar, 
und das Wachstum konnte als „trocken“ Oder „fast trocken“ bezeichnet 
werden; hingegen war bei den 3 anderen Stammen (Nr. 10, 11 und 12) 
ein augenfailiger, sehr starker Unterschied gegenuber den Paratyphus 
B-Stammen nicht festzustellen. 

3. Tterversuche. 

Ungebrauchte Mause wurden 7 Tage lang taglich mit je einer 24- 
stund. Schragagaraufschwemmung in 6 ccm physiol. NaCl-LSsung, die 
mit Brotkrumen zu einem Brei verrieben wurde, gefiittert. 

Die mit Bac. breslaviensis (St. 9 und 11) behandelten Tiere starben am 7. 
bzw. 12. Tage. 

Deegleichen starben samtliche Tiere, die mit Uebergangsstammen behandelt waren, 
und zwar: das mit Nr. 5 behandelte Tier am 7. Tage, das mit Nr. 6 behandelte Tier 
am 12. Tage, das mit Nr. 7 behandelte Tier am 7. Tage und das mit Nr. 8 behandelte 
Tier am 9. Tage. 

Hingegen blieben samtliche Tiere am Leben (Beobachtung bis zum 20. Tage), 
welche mit Paratyphus B-Stammen (Nr. 1—4) und mit dem G&rtner-Stamme (Nr. 14) 
gefiittert worden waren. 

Bei den gestorbenen Tieren waren die Bazillen in Milz, Leber und 
Herzblut mikroskopisch und kulturell nachweisbar. Bei Beurteilung des 
Tierversuches muB freillch beriicksichtigt werden, daB ein Teil der ver- 
wendeten Kulturen ziemlich lange auf kOnstlichen NfLhrboden fortge- 
zflchtet war. 


Zusammenfassung. 

1) Es wurden untersucht 5 Kulturen von klinischem Paratyphus 
(Nr. 1—5), 1 Kultur von Abortus einer Stute (Nr. 6), 1 Kultur von 
einem klinisch zwischen Paratyphus und akuter Gastroenteritis stehenden 
Fall (Nr. 7) und 6 Kulturen von akuten gastroenteritischen Erkran- 
kungen (Nr. 8—13). Ferner wurde zum Vergleiche ein Gartner- 
Stamm (Nr. 14) herangezogen. 


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Otto u. Chou, Die Widerstandsfahigkeit des Fleckfiebervirus usw. 467 


2) Agglutinatorisch konnten unter Anwendung des Castellani- 
schen Versuches 4 von den 5 Kulturen aus Paratyphus auf der einen 
Seite (Nr. 1—4) und 5 von den 6 Kultnren aus Gastroenteritis auf der 
anderen Seite (Nr. 9—13) als scharf unterschiedene Typen festgestellt 
werden. Die iibrigen 4 Stamme (Nr. 5—8) nelimen eine Zwischenstel- 
lung ein, sie zeigen sowohl Verwandtschaft mit dem Paratyphus B-Typus 
(Nr. 1—4) als auch mit dem Breslaviensis-Typus (Nr. 9—13). 

3) Bei den kulturellen Untersuchungen zeigte sich als deutlichstes 
Unterscheidungsmerkmal die Bildung von Schleimw&llen, die von sfimt- 
lichen Stammen vom Paratyphus B-Typus (Nr. 1—4), aber von keinem 
Breslaviensis-Stamm (Nr. 9—13), gebildet wurden. Von den Ueber- 
gangsstammen verhielten sich 2 Stamme (Nr. 5 und 6) wie Paratyphus 
B und 2 Stamme (Nr. 7 und 8) wie Bac. breslaviensis. 

4) Bei der Ffltterung mit den Kulturen konnten Mause durch Bres¬ 
laviensis- und Uebergangsstamme (Nr. 5—13) getdtet werden (Tod 
bis spatestens am 12. Tage), nicht aber durch Paratyphus B-Stamme 
(Nr. 1-4). 

5) Agglutinatorisch zeigte sich der Bac. enteritidis Gartner als 
ein von alien anderen untersuchten Bazillen vollkommen verschiedener, 
fester Typus. Kultnrell und im Mauseffitterungsversuche zeigte er die 
Eigenschaften des Paratyphus B-Bazillus (deutliche Wallbildung, keine 
Pathogenitat). 


Uteratur. 

Bitter, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 90. 1920. S. 387.— Bock, Arb. aus dem Kaiserl. 
Gesundheitsa. Bd. 24. 1906. 8. 238. — Bonhoff, Arch. f. Hyg. Bd. 50. 1904. S. 222. 
— Citron, J., Zeitschr. f. Hyg. Bd. 53. 1906. S. 159. — Conradi, v. Drigalski 
u. Jurgens, ebenda. Bd. 42. 1903. S. 141. — Fischer, B., ebenda. Bd. 39. 1902. 
8. 447. — Fornet u. Levy, Diese Zeitschr. Abt. I. Orig. Bd. 41. 8. 168. — Gart¬ 
ner, A., Bresl. arztl. Wochenschr. Jg. 22. 1888. Nr. 21. zitiert nach Kolle-Wasser- 
mann. 2. Aufl. Bd. 2. — Gartner, W., Diese Zeitschr. Abt. I. Orig. Bd. 87. 1921. 
8. 487. — Kaensche, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 22. 1806. 8. 53. — Manteufcl, P„ u. 
Beger, H., Diese Zeitschr. Abt. I. Orig. Bd. 87. 8. 161. — Muller, R., Dtsch. 
mea. Wochenschr. 1910. S. 2387. — Schottmiiller, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 36. 1901. 
8. 368. — 8pat, Berlin, klin. Wochenschr. 1910. S. 775. — Trautmann, Zeitschr. 
f. Hyg. Bd. 35. 1900. S. 139. — Dhlenhuth u. Hubcner, Handb. d. path. Mikro- 
orgaiiismen. Bd. 3. 1913. — Vagedes, Klin. Jahrb. 1905. 8. 517. 


Nachdruck verboten. 

Ueber die Widerstandsfahigkeit des Fleckfiebervirus 
im Meerschwemchengehirn. 

[Aus dem Institut fflr Infektionskrankheiten „Robert Koch u (Serologische 
Abteilung: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. R. Otto).] 

Von R. Otto und C. C. Chou (Shanghai). 

Verschiedene Autoren, zuerst Nicolle und Blaizot (Compt. rend. Acad. Scienc. 
T. 161. Iwl5) haben nachgewiesen, dafi beim flcckfieberinfizierten Meerschweinchen das 
Virus sich nicht nur im Bint, sondern auch in den Organen beiindet. Nicolle und 

30* 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origiuale. Bd. 88. Heft 6. 


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seine Mitarbeiter fanden es besonders im Gehirn und in den Nebennieren. Aber auch 
in anderen Organen ist e« vorhauden, und so konuten Otto und Dietrich ('Centralbl. 
f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 82. 1918), die Infektion auch mit Leber-, Milz- una Lungen- 
aufschwemmungen von Tier zu Tier iibertragen. 

Die Untersuchungen von Landeteiner und Hausmann (Med. Klin. 1918), 
Doerr und Pick (Wien. klin. Wochenschr. 1918) sowie von Otto und Fapamarku 
(Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 84. 1920) haben gelehrt, daB die Passage von Tier 
zu Tier mittels Gehirnemulsion in der Tat sehr sicher gelingt. 

Bei anderen Versuchen von Otto und Papamarku (Dtsch. med. Wochenschr. 
1920), die einige Chemikalien auf ihre Wirksamkeit gegenfiber dem Fleckfiebervirus 
priiften, ergab sich nun, daB sich bei der Infektion der Kontrolltiere die Gehirnemulsion 
in einigen Versuchen schon nach 24-stiind. Stehen bei Zimmertemp. avirulent envies. 
Diese Beobachtung stand zwar im Einklang mit Beobachtungen von Bocha-Lima 
(Lubarsch-Ostertag, Jahrg. 19), nachdenen auch Aufschwemmungen von Lausevirus 
nach 24-stiind. Stehen bei Zimmertemp. (20° C) nicht mehr infektios waren; 6ie gaben 
uns aber die Veranlassung, die Frage der Haltbarkeit des Virus in den Gehirnauf- 
schwemmungen naher zu prfifen, zumal fiber diesen Punkt wenig experimentelle Tat- 
sachen vorliegen. 

Die groBe Mehrzahl der Untersuchungen, welche fiber die Haltbarkeit des Fleck¬ 
fiebervirus angestellt sind, beziehen sich auf das Blut (bzw. Blutserum) Fleckfieber- 
kranker oder mit Virus infizierter Tiere. Wir wollen hier kurz die nach dieser Richtung 
hin vorliegenden Resultate wiedergeben, indem wir dem oben angeffihrten Referate 
Rocha-Limas folgen. Danach war in einem Versuche von Nicolle, Conor und 
Blaizot das Blutserum eines kranken Affen noch nach 9 Std. Stehenlassen bei + 12° 
infektios. Nach Angaben Hamdis bheb das Blut fleckfieberkranker Menschen bei 
+ 5° wahrend 30 Sta. virulent. 2 nach dem Gefrierenlassen 25 Std. bzw. 8 Tage bei 
0* aufbewahrte Blutproben erzeugten in Versuchen von Goldberger und Anderson 
bei Affen typisches Fleckfieber. Nach 15-tagig. Aufbewahrung bei 0° wirkte dasselbe 
Blut weder krankmachend noch immunisierend. Me. Campbell erzielte bei 2 Rhesus- 
Affen keine Reaktion nach intraperitonealer Einspritzung von 10 ccm Blut, das 15 Tage 
auf Eis gestanden hatte. Nach Nicolle und Blaizot blieb die krankmachende 
Eigenschaft des Blutes mindestens 6 Tage im Eisschrank erhalten. Auch 2 Tage bei 
37“ aufbewahrt, war das Blut in einem Versuch derselben Autoren noch virulent. 
Nach Hamdi genfigt ein 42-stfind. Stehenlassen des virulenten Blutes in Eis oder 
Schnee, um dasselbe unschiidlich zu machen. Gefroren gewesenes Blut (24 Std. bei starker 
Kalte) erzeugte keine Krankheit, wohl aber noch Blut, das 30 Std. im Eisschrank bei 
+ 5° gestanden hatte. Hingegen fanden Anderson und Rosenau (Hyg. Labor. 
Bull. 86. 1912), daB das Virus nach Frierenlassen und Aufbewahrung bei 0“ C min¬ 
destens 8 Tage virulent blieb, aber nach 15 Tagen nicht mehr infizierte. Eingehendere 
Versuche sind fiber die Einwirkung der Hitze auf das Virus angestellt. Es sei hier 
aber nur kurz erwahnt, daB hohere Temperaturen (fiber 55°) das Virus schnell abtoten, 
ohne daB wir naher auf die Abtotung des Virus durch Hitze eingehen wollen. 

Neuerdings hat nun noch Olitzki (Journ. of exper. Med. Bd. 35. 1922) fest- 
gestellt, daB die Haltbarkeit des Virus (Blut fiebernder, infizierter Tiere) in Zfichtungs- 
versuchen bei 37 0 C unter anaeroben und aeroben Bedingungen in wenigen Tagen zu- 

r unde geht. Nach seinen Befunden hielt es sich in Fleiscnbrfihe aerob 5 Tage, anaerob 
Tage; in normalem Kaninchenserum aerob 5 Tage, anaerob 1 Tag; in verdfinntem 
norm. Pferdeserum aerob 5 Tage, anaerob 1 Tag; in menschlicher Ascitesflfissigkeit aerob 
3 Tage, anaerob 2 Tage und im Smith■ Noguchi-Nahrboden 1 Tag. 

Was nun die Haltbarkeit des Virus in Gehirnemulsion be- 
trifft, so liegen dariiber nur wenige Angaben vor. 

Land Steiner und Hausmann berichten, daB 1-tiig. Aufbewahrung bei Zimmer- 
temperatur in einem Versuch (2 Meerschweinchen) die Virulenz nicht aufgehoben hatte. 
Beide Tiere erkrankten. Auch 6 Tage langes Aufbewahren bei 0° hatte keine Auf- 
hebung der Infektiositat zur Folge. Dagegen erkrankten 2 Meerschweinchen, die mit 
14 Tage lang bei 0“ aufbewahrter Gehirnemulsion gespritzt waren, nicht. Bei der Nach- 
prfifung reagierte das eine Tier typisch, das andere nicht deutlich. 

Otto und Papamarku (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 84. 1920) fauden 
in einem Falle, bei dem das Gehirn 7 Tage im Eisschrank aufbewahrt war, eine er- 
loschene Infektiositat. 

Unsere neueren Versuche wurden in der Weise angestellt, daB wir 
mit Fleckfiebervirus infizierte Meerschweinchen am 2.—3. Fiebertage 
tbteten, ihnen das Gehirn entnahmen und es mit 15 ccm physiol. Koch- 


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Otto u. Chou, Die Widerstandsfahigkeit des Fleckfiebervirus usw. 469 

salzlOsung verrieben. Mit dieser Emulsion wurden sodann sofort 2 Meer¬ 
schweinchen mit je 1 ccm ip. infiziert. Der Rest der Emulsion wurde 
(in den einzelnen Versuchen) bei verschieden hohen Temperaturen und 
verschieden lange Zeit aufbewahrt und dann davon gleichfalls Meer- 
schweinchen mit 1 ccm ip. infiziert. Bei einem Teil der Versuche er- 
folgte noch Zusatz yon normalem Meerschweinchenserum zu der Emulsion, 
und zwar auf 1 ccm Gehirnemulsion 0,2 ccm Serum. Von dieser 
Mischung erhielten dann die Tiere nach verschieden langem Stehenlassen 
bei +8°, 4-20° und +37° C 1,2 ccm ip. Das Serum war in einem 
der Versuche vorher bei 56° C inaktiviert (Versuch Meerschweinchen 4067). 
Der Verlauf der Versuche ist aus der folgenden Tabelle ersichtlich. 

+ bedeutet: typische Fieberreaktion 

+ i „ : bei der Nachprufung ,immun“ 

— i „ : „ „ jf „n icht immun“ 

— . : keine Fieberreaktion. 


Tabelle I. 

Versuche fiber die Infektiositat von Fleckfiebergehirnemulsion 

(Meerschweinchen). 


Art der Auf¬ 
bewahrung, 


Die Infektion erfolgte 

(die einzelnen Versuchstiere sind durch Nummern bezeichnet) 

nach 


Emulsion 

sofort 

24 Std. 
(1 Tag) 

48 Std. 

(2 Tagen) 

72 Std. 
(3 Tagen) 

96 Std. 
(4 Tagen) 

120 Std. 
(5 Tagen) 

144 Std. 
(6 Tagen) 

168 Std. 
(7 Tagen) 

240 Std. 
(10 Tag.) 

Eisschrank 

Kontr. + 

n + 

3667 + 

3668 + 

3690 + 

* 

4055 + 

3694 +, 
+ i. 
3732- 

3733 —, 

— i. 
4075 — 

— i. 

3703—(?), 
+ i* 

3734 -, 
— i. 

3706 —, 
— i. 

+ Serum 

» + 

• 

• 

• 

3928 + 

• 

4015 + 

4058 + 
+ i. 

Zimmertemp. 

Kontr. + 

• 

3677 +, 
+ i. 

3678 +, 
+ i* 

3681 —, 
— i. 

4074 — 
— i.? 

• 

• 

• 

+ Serum 

v + 

• 

■ 

• 

3929 + 

• 

4054 + 

• 


57° 

Kontr. + 
» + 

4047 + 
4065 — 

3676 — 
— i. 

3679 — 

3680 — 

• 

+ 1. 

• 

• 

+ Serum 

9 + 

4050 — 

4066 + 
+ i- 

4067 + 
+ i* 


4053—? 
— i. 

3937 — 





getrocknet (wie 
bei Wutdurch 
Aufhangen 
fiber Aetzkali) 



3670 — 
— i. 

3671 — 
— i. 







Das Resultat unserer Versuche lftBt sich folgendermaBen zusammen- 
fassen: 

Im Eisschrank (etwa +8° C) hielt sich die Gehirnemulsion 
sicher 4 Tage lang infektios. Nach dieser Zeit war ihre Virulenz 
schwankend. In einzelnen Fallen hielt sie sich noch 5 bzw. 7 Tage. 
So erkrankte von 2 Meerschweinchen, die mit 5 Tage alter Emulsion 
behandelt waren, 1 typisch (bei Nachprlifung immun), wahrend das 
andere nicht erkrankte, auch spater sich nicht immun erwies. Nach 
7 Tage langer Aufbewahrung trat bei keinem Tiere typisches Fieber 


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auf, eins der Tiere erwies sich aber sp&ter (bei wiederholter Nach- 
priifung) als immun. 

Durch Serumzusatz wurde die Haltbarkeit erhbht. Noch nach 
10 Tage langer Aufbewahrung erzeugte dann die Emulsion typisches 
Fieber, wenn auch nach verlangerter Inkubationszeit (11 Tage statt 6) 1 ). 

Bei Zimmertemperatur (etwa +20° C) hielt sich das Virus 
in der Gehirnemulsion nur 3 Tage, aber bei Serumzusatz wieder 
mindestens 6 Tage. 

Im Brutschrank (-(-37° C) war die Gehirnemulsion niemals 
linger als 24 Std. infektiSs. Serumzusatz verbesserte die Erhaltung 
der Ansteckungsf&higkeit nicht sicher. 

In 2 Versuchen, bei denen das Gehirn in toto (ahnlich wie das 
Riickenmark beim Lyssavirus) iiber Aetzkali bei 22 0 C aufbewahrt wurde, 
war seine Virulenz nach 48 bzw. 72 Std. erloschen. Die Infektion der 
Meerschweinchen wurde in der Weise vorgenommen, daB das getrocknete 
Gehirn mit 15 ccm NaCl-Losung verrieben und davon 1 ccm den Meer¬ 
schweinchen ip. injiziert wurde. 

Das Fleckfiebervirus zeigte also in der Gehirnemulsion 
eine ganz bestimmte Widerstandsf&higkeit, die von der Temperatur, bei 
der die Emulsion aufbewahrt wird, abhSngt. Sie erhoht sich bei -f 8 0 
und 20° C nach Serumzusatz. 

Dieser Befund gab uns die Veranlassung, in einigen wenigen Ver¬ 
suchen auch die Widerstandsfahigkeit der X19-Bazillen, 
die ja von einigen Autoren immer noch als die Erreger des Fleckfiebers 
angesprochen werden, unter ahnlichenBedingungen zu priifen. 

Da das Gehirn mit X 19-Bazillen infizierter Tiere zu solchen Versuchen nicht 
benutzt werden konnte, so behalfen wir uns in der Weise, dafi wir normales Gehirn 
mit X 19-Aufschwemmungen emulgierten, und zwar verrieben wir das Gehirn eines 
normalen Meerschweinchens ieweils mit 15 ccm physiol. NaCl-Losung, in die vorher 
5 Oesen einer frischen, 24 Sta. alten X 19-Kultur fein verteilt waren. Diese Emulsionen 
wurden teils sofort, teils nach verschieden langer Aufbewahrung bei +8°, +20° und 
+ 37 0 C aufbewahrt, und dann (nachdem vorhcrige Priifung auf etwaige bakterielle 
Verunreinigung nur die Anwesenheit von X-Bazillen ergeben hatte) Meerschweinchen 
ip. injiziert (1 ccm = 1 / a Oese im Anfangsversuch). 

Der Verlauf der Versuche ist aus der folgenden Tabelle II ersichtlich. 

Aus den Versuchen mit den X 19-Bazillen ist folgendes zu entnehmen: 

1 ccm der Proteus-Bazillen-Gehirnemulsion (im Anfangsgemisch 
= 1 / s Oese) totete in der Regel Meerschweinchen in 24 Std. Auf die 
Pathogenitat der X-Bazillen fiir Meerschweinchen hat bereits Dietrich 
(Dtsch. med. Wochenschr. 1916) hingewiesen. Er fand, daB sich im 
Tierversuch kein wesentlicher Unterschied zwischen dem von uns ge- 
priiften X 19-Stamm und dem zum Vergleich herangezogenen Vulgar is- 
Stamm bestand. 1 / 2 Oese 24-stiind. Kultur von beiden Stammen totete 
bei intraperitonealer Injektion regelm&Big Meerschweinchen innerhalb 
24 Std.; die O-Form scheint fur Meerschweinchen noch wirksamer zu 
sein als die H-Form. 

Nach der Aufbewahrung im Eisschrank enthielten die mit 
H- und O-Formen angelegten Gehirnemulsionen noch nach 10 Tagen 

1) In Uebereinstimmung mit Doerr und Pick hatten Otto und Papamarku 
gefunden, daB die Inkubationszeit in weiten Grenzen von der Infektionsdosis (gepriift 
wurde 0,5 bis 0,01 g Gehirn) unabhangig ist. Wir konnten indessen spater in 1 Falle, 
bei dem das eine Meerschweinchen mit 0,2, das audere mit 0,002 g infiziert war, eine 
Verlangerung der Inkubation von 6 Tagen auf 16 Tage beobachten. Das Tier fieberte 
5 Tage und erwies sich spater immun. Vgl. Beobachtungen von Weil, Breinl und 
Gruschka (Wien. klin. Wochenschr. 1921). 


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Otto u. Chou, Die Widerstandsfahigkeit des Fleckfiebervirus usw. 471 


Tabelle II. 

Versuche fiber die Virulen zerhaltung von X 19-Bazillen, die mit einer 
Emulsion von norm. Meerschweinchengehirn verrieben aufbewahrt 

wurden, 


rt der Auf- 
ewahrung 



Die Injektion erfolgte nach 




sofort 

24 Std. 

48 Std. 

72 Std. 

96 Std. | 

120 Std. j 

144 Std. 

168 Std. 

240 Std. 

ontrollen 

sofort) 

3844 lebt, 
— i.fl. 

3848 +. 

3831 +i 


* 

• 

• 

• 

* 


• 

isschrank 

I-Form 


• 

3846 lebt 

3841 f, 

• 

3839 f. 

3835 f, 

• 


3870 f, 

)-Form 

4068 f. 

• 

• 


• 


• 

* 

4027 f, 

immertemp. 

3-Form 


• 

3845 f, 

3840 f, 


3838 lebt, 
— i.fl. 

3834 t, 

3833 f, 

* 


3988 t, 

3-Form 

• 

• 

• 

• 

• 

4023 +! 

• 

• 

• 

r # H-Form 

• 

• 

3847 f. 

3842 lebt, 
-i. fl. 
4069 f. 

* 

3837 +. 

3836 lebt 
— i. fl. 
3832 +l 

• 

• 

* 

3-Form 

. 

. 

. 

4022 f, 

. 

. 

. 

. 



Zeichenerklarung: f, = tot nach 1 Tag; —i. fl. = nicht immun gegen Fleckfiebervirus. 

in Massen Proteus X-Bazillen und tOteten die Meerschweinchen davon 
noch prompt. 

Nach der Aufbewahrung bei Zimmertemperatur war die 
Emulsion, aus der sich mflhelos die Proteus-Bazillen zllchten liellen, 
gleichfalls noch nach 5 bzw. 10 Tagen wirksam, also zu Zeiten, wo das 
Fleckfiebergehirn sicher avirulent ist. 

Auch durch Aufbewahrung bei 37° litt die Virulenz der 
Gehirnemulsion bis zu 3 bzw. 5 Tagen meist nicht, w&hrend sich die 
Gehirnemulsion des Fleckfiebermeerschweinchens hSchstens 24 Std. viru¬ 
lent erhielt. 

Die O-Form verhielt sich wie die H-Form. 

Die wenigen nach der Injektion mit X 19-Proteus-Gehirnemulsion 
mit dem Leben davongekommenen Meerschweinchen zeigten keine 
Immunitat gegen dieNachprflfung mit Fleckfiebervirus. 
Ebensowenig einige mit nicht todlichen Dosen derO-Forra 
(Vs Oese subkutan) infizierte Meerschweinchen. 

Auch diese Versuche sprechen gegen die atiologische Bedeutung 
der X 19-Bazillen. Die Widerstandsfahigkeit des Fleckfiebervirus in 
Gehirnemulsionen ist ganz verschieden von der der X-Bazillen. 


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Nachdruck terboten. 

Die Rauschbranddiagnose durch einen komplizierten Tier- 
versuch, dargestellt an einem Falle aus der Praxis. 

[VeterinSranstalt der Universitat Jena (Direktor: Geh. Reg.-Rat Prof. 

Dr. Hobstetter), Tierseuchenstelle (Leiter: Prof. Dr. Pfeiler).] 

Von W. Pfeiler und Y. Goerttler. 

In groBeren Versuchsreihen, die an anderer Stelle veroffentlicht 
werden sollen, ist durch uns festgestellt worden, daB sich Rausch- 
brand und rauschbrandahnliche Erkrankungen in einem 
komplizierten Tierversuche mit Sicherheit voneinander 
unterscheiden lassen: Meerschweinchen, die mit Toxin von Rausch- 
brandkulturen bzw. von Kulturen rauschbrandahnlicher Mikroorganismen 
immunisiert worden sind, erweisen sich nSmlich nur gegen eine Infektion 
mit Bakterien der gleichen Art geschiitzt. Beispielsweise verleiht die 
Behandlung mit Rauschbrandtoxin nur Immunitat gegen Rauschbrand, 
nicht etwa auch Schutz gegen die nachfolgende Infektion mit Bazillen 
vom Typus Ghon-Sachs. Nach ihrem Verhalten gegeniiber toxin- 
immunisierten Meerschweinchen sind auf Grund unserer Versuche, so- 
weit sie schon jetzt ein Urteil gestatten, die folgenden 4 Arten zu unter¬ 
scheiden : 

1) die echten Rauschbrandst&mme (Typus „Kitt“ und 
„Foth“), 

2) die Bazillen vom Typus „Gh on-Sachs 11 , 

3) die zu Hiblers „Art XI“ gehorigen Bazillen, 

4) die dem „malignen Oedem Koch nahestehenden Ba¬ 
zillen “ (v. Hibler). 

Moglicherweise werden sich bei weiterer Ausdehnung unserer immer- 
hin noch in den Anfangen stehenden Untersuchungen andere Gruppie- 
rungen bzw. Zusammenfassungen ergeben. 

In der bakteriologischen Abteilung der Tierseuchenstelle Jena werden, 
seitdem die fur unsere Fragestellung entscheidenden wissenschaftlichen 
Versuche ausgefiihrt worden sind, fur die Untersuchung von Rausch- 
brandmaterial aus der Praxis stets mehrere Paare immunisierter Meer¬ 
schweinchen vorratig gehalten. Das eine dieser Tiere ist gegen Rausch¬ 
brand immunisiert, das andere mit einem polyvalenten Toxin der Arten 
2, 3 und 4 yorbehandelt. Beide Tiere werden mit dem verd&chtigen 
Material infiziert. Stirbt das mit polyvalentem Toxin, nicht dagegen 
das gegen Rauschbrand immunisierte Tier, dann liegt Rauschbrand 
vor; bleibt dagegen jenes Tier am Leben (und das gegen Rauschbrand 
immune Tier verendet), so handelt es sich nicht um Rauschbrand, son- 
dern um eine rauschbrandahnliche Erkrankung. 

Einer der kiirzlich in der Tierseuchenstelle zur Untersuchung ge- 
kommenen Falle soli das Wesen und den Wert der Diagnosestellung auf 
diesem von uns eingeschlagenen Wege naher erlautern. Das hier beschrie- 
bene Verfahren hat sich in 10 anderen Fallen praktisch bestens bewahrt. 

Durch den Bezirkstierarzt W. zu D. wurden Fleischteile einer Kuh 
des Besitzers P. 0. in 0. eingesandt: beigefiigt war, zufolge einer mit 



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Pfeiler u. Goerttler, Rauschbranddiagnoae durch Tierversuch. 473 

den bearateten TierSrzten zur Unterstiitzung unserer Versuche getroffenen 
Verabredung, der Metatarsalknochen des Tieres (nach ebenfalls an 
der Anstalt ausgefuhrten Versuchen sind beiAnaerobeninfektionen 
im Knochenmark die Erreger stets, und zwar so gut wie 
immer in Reinkultur, enthalten). 

Die Fleischteile waren schwarzrot gef&rbt, zeigten kleine Gasbl&s- 
chen, beim Dariiberstreichen war leichtes Knistern wahrzunehmen. Der 
Geruch war nicht leicht zu definieren, jedenfalls war es kein fflr Rausch- 
brand angeblich typischer Buttersauregeruch. Das Knochenmark zeigte 
keine Veranderungen. 

Im Ausstrich waren sowohl im Fleisch als im Knochenmark ein- 
zeln liegende, grampositive, ziemlich plumpe Stabchen 
nachzuweisen. Vereinzelt fanden sich Blahformen, sowie Stabchen 
mit mittel- und endst&ndigen Sporen. Auf die Anlage von 
Kulturen aus den Fleischteilen wurde mit Riicksicht auf unsere bei den 
frfiheren Versuchen gemachten Erfahrungen verzichtet. 

Dagegen wurde aus dem Knochenmark eine Leberbouillonkultur an- 
gelegt und mit einer aus kleinen FleischstQckchen hergestellten auf 70° C 
5 Min. lang erhitzten Emulsion ein Paar in der beschriebenen Weise 
immunisiertei Meerschweinchen infiziert. Gleichzeitig wurde mit der- 
selben Emulsion eine gesunde, nicht immunisierte Maus gespritzt. 

Am folgenden Tage war die Maus und das eine der beiden Meer¬ 
schweinchen verendet. Sektionsbefund der Maus: An der Innenflache 
der Hinterschenkel war die Unterhaut blutig-seros infiltriert. Die Bauch- 
hohle enthielt eine geringe Menge der gleichen Fliissigkeit. Die Organe 
der Bauch- und Brusthohle waren ohne Veranderungen. Im Ausstrich 
fanden sich an der Impfstelle und in alien Organen die schon in den 
eingesandten Fleischteilen festgestellten Stabchen mit Sporen. Auf der 
Leberzwerchfellfiache und in der Bauchhbhle lagen die Stab¬ 
chen teilweise in kurzen Verbanden von etwa 4 Stiick. Aus 
der Leberzwerchfellfiache wurden Kulturen in Hirnbrei und Leberbouillon 
angelegt. 

Von den beiden Meerschweinchen war das mit Rausch brand- 
toxin behandelte Tier am Leben und vollstandig munter. Auch 
war an der Impfstelle keinerlei Anschwellung und Schmerzhaftigkeit 
nachzuweisen. 

Das mit polyvalentem Toxin immunisierte Tier dagegen 
war gestorben. Das Kadaver war stark aufgetrieben. Beim Streichen 
fiber die Bauchdecken hQrte und fiihlte man deutliches Knistern. Die 
Unterhaut in der Umgebung der Impfstellen und am Bauch war schwarz¬ 
rot gefarbt, maBig feucht und mit Gasblasen durchsetzt. Die Impfstelle 
zeigte eine morsche und zundrige Beschaffenheit. In der Bauchhohle 
war eine kleine Menge blutig-seroser FlQssigkeit vorhanden, die Darm- 
gefiifie waren stark injiziert. Unter dem Peritoneum waren in der 
Nierengegend mehrere groBe Gasblasen sichtbar. 

Mikroskopisch fanden sich in alien Organen grampositive sporen- 
bildende Stabchen. Auf der Leberzwerchfellfiache waren neben einzeln 
liegenden Stabchen nur kurze Verbande festzustellen. 

Die von dieser Stelle sowie die aus der gleichen Stelle bei der 
Maus und die aus dem Knochenmark der Kuh direkt angelegten 
Kulturen — auch letztere erwiesen sich als rein — zeigten ein tiber- 
einstimmendes Verhalten: Hirnbrei blieb unverandert, starke 
Gasbildung; in Leberbouillon ebenfalls neben Triibung 


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reichliche Gasproduktion. In Kulturausstrichen wurden viele 
Bl&hformen und einzelne St&bchen mit Granuloseinfil- 
tration und Sporenbildung angetroffen. 

Die ermittelten Bakterien waren auf Grund der an ihnen festge- 
stellten Merkmale als Rauschbrand vom Typus „Kitt“ anzusprechen. 
Gegen die Diagnose Rauschbrand sprach bis zu einem gewissen Grade 
der Tod der Maus; denn M&use sind haufig refraktSr gegen Rausch- 
brandinfektionen. 

Fiir Rauschbrand sprach die fehlende Verbandbildung auf 
den Serosen der Impftiere und das WeiBbleiben des Hirn- 
breis, vor allem aber der Tod des gegen rauschbrand&hnliche 
Mikroben imraunisierten und dasUeberleben des gegen 
den Typus „Kitt-Foth“ mit Toxin vorbehandelten Tieres. 

Bei einem einfachen, d. h. in unserem Sinne „nicht komplizierten“, 
Infektionsversuch hatte die Diagnose „Rauschbrand“ nicht so schnell 
gestellt werden kbnnen, weil es unter Umst&nden lSngere Zeit dauert, 
bis sich der Himbrei schwarzt und in unserem Falle infolge der Be- 
nutzung immunisierter Meerschweinchen fiir die Zwecke der Diagnose- 
stellung das Ergebnis sofort zutage trat. Ohne unseren komplizierten 
Tierversuch ware die Entscheidung, ob es sich um Rauschbrand- Oder 
Bazillen von Hi biers „Art XI“ handelte, lSngere Zeit offen geblieben; 
im vorliegenden Falle konnte diagnostisch rasch und sicher entschieden 
werden, da das mit Toxin von Hi biers „Art XI“ immunisierte Tier 
verendet war. 

Der im Vorstehenden gewiesene Weg scheint uns geeignet, die 
schwierige Frage der Diagnosestellung (Entschadigungsfrage!) bei Rausch¬ 
brand einer Ldsung entgegenzufiihren. 


Nachdruck verboten. 

Kritische und experimentelle Beitrage zur Bakteriologie 
des Geburtsrauschbrandes beim Rinde. 

[Aus dem Stadtischen Schlachthof GieBen (Direktor: Dr. Modde) und 
dem Hygienischen Institut der Universit&t GieBen (Direktor: Prof. 

Dr. Gotschlich).] 

Von Erich Levens, Tierarzt aus Goch (Rhld.): 

I. LIteraturiibersicht. 

Die durch Infektion mit pathogenen Anaeroben im Anschlufi an die Geburt her- 
vorgerufenen Erkrankungen dee Kindes werden herkommlicherweise mit dem ^>amen 
Geburtsrauschbrand belegt, weil die pathologisch-anatomiscben Veranderungen denen 
des Rauschbrandes gleich oder doch sehr annlich sind. Gerecbtfertigt diirfte obige 
Bezeichnung wohl nur fiir die durch den echten Kauscbbrandbazillus im AnschluB an 
die Geburt hervorgerufene Krankheit sein. Manche Autoren, wie unter anderen Al¬ 
brecht (2), Kitt (21), v. Werdt(30), ziehen daher andere Bezeichnungeu, wie puer- 
perale Septikamie, puerperales malignes Oedem usw., vor. Klinisch untert-cheidet sich 
der sogenannte Geburtsrauschbrand vom echten Rauschbrand meist dadurch, dafi er 
nicht an die bestimmten Rauschbrandgegenden gebunden ist, sondern iiberall vor- 
komrnt; auch sind altere Tiere in gleichem Mafie empfanglich wie jiingere. Bei den in 
der Literatur verzeichneten bakteriologischen Untersuchungen iiber die Aetiologie 
konnten, wie bereits oben angedeutet, verschiedene Anaeroben als Erreger festgestellt 
werden. 


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Levens, Beitrage zur Bakteriologie des Geburtsrauschbrandes beim Rinde. 475 

Die ersten Tierimpfungsversuche und mikroskopischen Untersuchungen machte 
Horne (20) 1895. Sein Material stammte von Kiihen, 'die an tvpischem Geburta- 
rauschbrand erkrankt waren. Er fand bei den mikroskopischen Untersuchungen von 
Ausstrichen aus der Muskulatur und Oedemfluaaigkeit zahlreiche kurze und langere, 
teils aehr lange Stabchen, die etwas diinner als Milzbrandbazillen waren, und von denen 
einzelne Sporen trugen. Mit der Oederafliisaigkeit geimpfte Mause und Meerschwein- 
chen verendeten ohne Auenahme nach 24 8td. In der Oedemfliisaigkeit an der I^eber- 
oberflache und auf dem Peritoneum fanden sich in grofier Zahl Oedembazillen, die 
Eigenbewegung besafien und zu kiirzeren und langeren gewundenen Faden vereinigt 
waren. Ihre Grofie war aehr verschieden. Die Infektion liefi sich im Tierversuch von 
einem Tiere auf das andere iibertragen und ergab den gleichen Befund. 

Treffliche Arbeiten iiber die Aetiologie des sogenannten Geburtsrauschbrandes hat 
Carl (5, 6, 7) veroffentlicht. Er hat genaue bakteriologische Untersuchungen an den 
infolge dieeer Krankheit verendeten Tieren vorgenommen und konnte durch Ziichtung 
und Impfung in den 4 untersuchten Fallen den Bazillus des malignen Oedems als Er- 
reger nachweisen. Bei seinen Untersuchungen hat er alle differentialdiagnostischen 
Mittel berficksichtigt, die damals in Betracht kommen konnten (Ziichtung auf Nahr- 
boden nach v. Hi bier, Pathogenitat, Fadenbildung im Tierkorper usw.). 

Kitt (21) sagt beziiglich der Aetiologie des Geburtsrauschbrandes: Abgesehen da- 
von, daS es ganz gut denkbar ist, daS auch echter Rauschbrand als puerperale Infek¬ 
tion auftreten kann, gibt es wahrscheinlich noch spezielle, der Rauschbrandbazillen- 
oder Oedembazillengruppe nahestehende, aber nicht damit identische Keime von gleicher 
pathogener Wirkung. Ein solcher ist z. B. der von Kerry und Novy gefundene 
Bacillus oedematis thermophilus. 

Auch Glage (10) sagt, dafi neben Infektionen mit dem Bacillus des malignen 
Oedems und Varietaten desselben echte Rauschbrandfalle und Gasphlegmonen vor- 
kommen. 

Eingehende bakteriologische und serologische Studien fiber Geburtsrauschbrand, 
echten Rauschbrand und Infektionen mit kettenbildenden Bakterien hat Markoff (26) 
angestellt. Von den 4 von ihm gezfichteten sogenannten Rauschbrandstammen konnte 
er einen auf Grand der kulturellen Eigenscharten sowie durch Tierversuch und durch 
Agglutination (mit Rauschbrandseram positiv in Verdfinnung 1 :2560) einwandfrei mit 
dem echten Rauschbrand identifizieren. Der zweite zeigte bei der Ziichtung sowie bei 
den Tierversuchen die typischen Eigenschaften des KochBchen Oedembazillus. Die 
2 fibrigen Stamme D und E bezeichnet er als nahe verwandt mit dem Bazillus des 
malignen Oedems und des Rauschbrandes. Sie unterschieden sich von den Kochschen 
Oedembazillen dadureh, dafi sie in Agarkulturen weniger Gas bildeten, das einen kaeigen 
Geruch besafi, saure Reaktion der Milch und des Hirnbreies bewirkten und letztereu 
nicht schwarzten. Wahrscheinlich sind diese Stamme mit dem Ghon-Sachs schen 
Bazillus identisch. Im Tierversuch erwiesen sich Kaninchen als sehr widerstandsfahig 

S egen die Infektion. Markoff kommt zu dem Schlufi, dafi die unter dem Begrirr 
ieburtsrauschbrand verstandene Krankheit nicht von einer einzelnen Art, sondern von 
einer Gruppe verwandter, aber differenter Anaeroben hervorgerufen wird. „Es kann der 
Geburtsrauschbrand 11 , so sagt er, „ebensogut als tvpische Rauschbrandinfektion wie als 
typisches malignes Oedem auftreten, aber auch Varietaten dee malignen Oedems dar- 
Btellen.“ Bei den Tierversuchen sei folgendes zu beachten: ^Geburtsrauschbrand totet 
ohne Ausnahme junge und alte Meerschweinchen, ebenso Mause. Der Rauschbrand 
totet im geraden Gegcnsatz uur alte Meerschweinchen und zeigt sich in manchen Stam- 
men pathogen fur Mause und Kaninchen, das maligne Oedem t8tet alle Tiere ohne 
Ausnahme. 11 

Grosso (14) schreibt in seiner Arbeit fiber die Unterscheidungsmerkmale zwischen 
Rauschbrand, malignem Oedem und Bradsotbazillen, dafi er bei einer an septischer 
Metritis verendeten Kuh einen Bazillus gefunden hat, den er einwandfrei mit dem Ba¬ 
cillus oedematis maligni identifizieren konnte. 

v. Hi bier (18) hat den Ghon-Sachs schen Bazillus aus der rechten Schulter- 
muskulatur einer 4-jahr. Kuh gezfichtet, die 8 Tage nach einem Abortus wegen Ver- 
dachts auf Rauschbrand notgeschlachtet worden war. Das Tier hatte an der rechten 
Schulter eine deutliche. flache, ausgebreitete, elastische Geschwulst. Beim Betasten der- 
selben war ein deutlich knisterndes, blasiges Geriiusch horbar. Die bakteriologische 
Untersuchung wurde erst vorgenommen, nachdem das Tier verscharrt und am 6. Tage 
wieder ausgegraben war. Unter diesen Verhaltnissen erscheint es jedoch nicht einwand¬ 
frei festgestellt, dafi es sich tatsachlich um eine Infektion mit jenem Anaeroben von 
den Geburtswegen aus handelt. Derselbe Verf. hat aus dem getrockneten Muskel eines 
Rindes, das an puerperaler Septikamie zugrande gegangen war, den Kochschen Oedem¬ 
bazillus isoliert. 


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Wulff (31) hat mehrere Falle von Geburtsrauschbrand bakteriologisch untersucht 
und festgestellt, dafl der Erreger nicht der echte Rauschbrandbazillus iat, sondern zur 
Gruppe aer verbandbildenden Bakterien (Baz. des mal. Oedems) gehort. Seine Stamme 
waren Behr pathogen fiir Meerschweinchen und zeigten starke Fadenbildung im Tier- 
korper. In den Kulturen, die einen stinkenden Geruch hatten, bildeten sie reichlich 
Gas, in Organbouillon vvuchsen sie zu Faden aus. Die Kolonien zeigten wurzelformige 
Aualaufe. Die Agglutination unit Kaninchen-Rauschbrandimmunserum hatte ein nega¬ 
tives Ergebnis. Leider hat der Verf. seine Bazillen nicht auf v. Hibler-Nahrboden 
geziichtet. 

Der Italiener Maja (25) hat bei einera Falle von Beptischer Metritis als Erreger 
den echten Rauschbrandbazillus gefunden. Nach Grosso (14) ist von ihm die Identi- 
fizierung jedoch nur auf unvollkommene Weise geschehen. 

Foth (9) erwahnt in seiner Rauschbrandarbeit einen Fall von echtem Rauschbrand 
mit ausgebreiteten, tvpischen Veranderungen, der 3 Tage naeh der normalen Geburt 
auftrat. Er rat jedoch zur Vorsicht bei der Beurteilung ahnlicher Falle. 

Nach Diedrichs (28) kommt in den ersten Tagen nach der Geburt Rauschbrand 
vor, der mit dem sogenannten Geburtsrauschbrand aber nicht identisch ist. Ob hier 
die Infektion, so sagt er weiter, von den Geburtswegen ausgeht oder von anderen 
Korperstellen, und ob das Auftreten nach der Geburt zufallig ist, ist noch unent- 
schieden. In der Gebiirmutterwand sind in diesen Fallen jedenfaUs Rauschbrandbazillen 
in grofier Zahl gefunden worden. 

Uebrigens scheint auch beim Menschen vereinzelt durch Infektion mit Anaeroben 
vom Uterus her ein Oedem vorzukommen. In einem von Bremer (4) mitgeteilten 
Falle trat bei einer Frau, die sich durch Einfiihren von Instrumenten in den Uterus 
die Frucht abzutreiben pflegte, nach einem derartigen Versuch eine knisternde An- 
schwellung der rechten Thoraxhalfte und des rechten Oberarmes ein, aus der sich bei 
Punktion eine seros-blutige Flussigkeit sowie nach Schwefelwassertoff riechendes Gas 
entleerte. Bei der Sektion wurden in dem veranderten Gewebe K o c h sche Oedem- so¬ 
wie Pseudoodembazillen festgestelit. 

Nach den literarischen Angaben wurden also als Erreger des soge¬ 
nannten Geburtsrauschbrandes in Betracht kommen: Der echte Rausch¬ 
brandbazillus, der Ghon-Sachssche Bazillus, der Novysche Bazillus, 
sowie der Koch sche Oederabazillus und eventuell die Mark off schen 
Bazillen (Stamm D und E). 

DifFereiitialdiagnostische Gesiclitspunkte. 

Was die Differentialdiagnose der verschiedenen Arten der Anaeroben anbelangt, 
so bietet hierfiir der mikroskopische Befund kaum typische Anhaltspunkte. Wichtiger 
sind in dieser Hinsicht schon die kulturellen Unterschiede, obwohl auch sie nicht iminer 
zuverliissig sind. So sagt z. B. Kitt (22), daB es rauschbrandahnliche Erkrankungen 
gibt, deren Erreger mit dem echten Rauschbrandbazillus so iibereinstimmen, dafi man 
sie weder mikroskopisch noch kulturell noch durch den Tierversuch davon unterscheideo 
kann, und die allenfails nur durch den Serumimmunisierungsversuch vom Rauschbrand 
getrennt werden konnen. v. Hibler (18) teilt die Anaeroben nach ihrern Verhalten 
gegeniiber Gehirnnahrboden in 2 groBe Gruppen. Die eine, zu der unter anderen der 
Koch sche Oedembazillus gehort, erzeugt in den Kulturen Schwefelwasserstoff und 
Alkali, und der Gehirnbrei wird infolge Bildung von Schwefeleisens geschwarzt. Die 
andere Gruppe, zu der unter anderen der Rauschbrandbazillus, der Novysche, der 
Ghon-Sachssche Bazillus gehbrt, bewirkt umgekehrt saure Reaktion und der Ge¬ 
hirnbrei bleibt in der Farbe unveriindert. Nach Fraenkel (11) und van Heels- 
bergen (16) ist dieses Unterscheidungsmerkmal nicht zuverlassig. Fraenkel bat 
nachweisen konnen, daB manche Stamme von Kochschen Oedembazillen keinen 
Schwefelwasserstoff bilden. Bei der Ziichtung in Gehirnbrei ist noch zu beachten, daB 
der Rauschbrandbazillus ohne weiteres und durchweg reichlich Sporen bildet, der N ovv- 
sche Bazillus hingegen nur, wenn der Hirnbrei durch Sodalosung alkalisch gemacht ist. 

Weiter ist das Verhalten bei Wachstum in Milch von Bcdeutung. Es kommt 
hier darauf an, ob Milch zur Gerinnung gebracht, und ob das niedergeschlagene Kaseiu 
peptonisiert wird. Letzteres soil nach v. Hibler bei der einen Gruppe (Rauschbrand¬ 
bazillus) nicht, bei der Oedembazillengruppe dagegen stets der Fall sein. Auch das 
friihe oder spate Eintreten der Gerinnung ist differentialdiagnostisch verwertet worden. 
indem namlich die erste Gruppe diese Veranderung in der Milch langsam, der Oedem¬ 
bazillus dagegen schneller hervorrufen soil (van Heelsbergen, 16). 

Einen w'eiteren Unterschied bietet nach v. Hibler die Ziichtung auf erstarrtem 
Blutserum. Der Kochsche Oedembazillus lost (peptonisiert) namlich dasselbe, der 


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Levens, Beitrage zur Bakteriologie des Geburtsrauschbrandes beim Rinde. 477 


Rauschbrandbazillus, der Novysche und der Ghon-Sachssche Bazillus dagcgen nicht. 
Bei letzteren soli ferner der Geruch der Kulturen ein sauerlicher oder sauerlich-brenz- 
licher sein, bei ersterem ein fauliger, mehr oder weniger stinkender. 

Was die Formen der Kolonien anbelangt, so sollen sie beim Rauschbrand- und 
beim Novyschen Bazillus gescblossen sein und nie wurzelformige Auslaufe zeigen; da- 
gegen sind die Kolonien des Oedem- und des Ghon - Sachsschen Bazillus verzweigt 
und verastelt. Auch die Resistenz der Sporen ist bei den verschiedenen Arten eine ver- 
schiedene. So wird z. B. von v. Hibler (19) und v. Werdt(30) angegeben, dafi die 
Rauschbrandsporen beim Einwirken einer Temperatur von 97—98° C in 6 Min. abge- 
totet werden, wahrend die Sporen des Novyschen, des Ghon-Sachsechen und des 
Kochschen Oedembazillus diese Temperatur */, Std. und lunger vertragen sollen. 

Von Wichtigkeit ist weiterhin die Vergarune der verschiedenen Zuckerarten. So 
vergart z. B. der Kochsche Oedembazillus keine Laktose, der Kauschbrandbazillus da¬ 
gegen wohl. Nach Grassberger und Schattenfroh (13) ist ferner beim Oedem¬ 
bazillus die Garung bei Zfichtung in zuckerhaltiger Bouillon nicht bo stark wie beim 
Rauschbrand. Bei letzterem fehlte unter den Giirungsprodukten Alkohol, wahrend sie 
ihn beim Oedembazillus stets nachweisen konnten. Sie legen diesem Nachweis grofle 
Bedeutung bei. Auch andere Autoren bezeichnen ihn ala aifferentialdiagnostisch sehr 
wichtig (Gutzeit, 12; Lehmann-Neumann, 24). 

Ein sehr wichtiges Hilfsmittel fiir die Differentialdiagnose sind die Tierversuche. 
Hier ist besonders die Art des Wachstums der Bazillen von grofiter Bedeutung. Der 
Rauschbrandbazillus bildet im Tierkorper keine Faden. Der Kochsche Oedembazillus 
dagegen und der Ghon-Sachssche Bazillus wachsen zu Ketten und Schleifen aus, 
besonders auf dem Peritoneum und der Leberoberflache. Der Novysche Bazillus bildet 
wie der Fraenkelsche paarige, nicht fadige Verbande (v. Hibler, 19). 

Ueber den Wert der Rauschbranddiagnose durch Untersuchung der Galle gehen 
die Ansichten der einzelnen Autoren auseinander. Nach Arloing, Cornevin et 
Thomas (3) und nach Kitt (21, 23) sollen sich die Rauschbrandbazillen besonders 
reichlich in der Galle finden. Nach v. Hibler (17) trifft man die Oedembazilleu und 
Gasphlegmonebazillen bzw. Faden nie in der GaJle der Meerschweinchen an. W u 1 f f 
(31) tritt auf Grund eingehender Untersuchungen dieser Ansicht ebenfalls entgegen und 
bezeichnet die Untersuchung der Galle als unbrauchbar fur die Rauschbranddiagnose. 

Auch die Unterschiede in der Pathogenitat fiir die einzelnen Arten von Versuchs- 
tieren bieten fiir die Differentialdiagnose einige Anhaltspunkte. Fiir Rauschbrand sind 
Kaninchen meist unempfanglich, ferner Geflugel, nach Markoff (26) auch junge Meer¬ 
schweinchen. Grosso (14) fand weiBe Mause ziemlich resistent gegen Rauschbrand- 
infektion. Aehnlich verhalt sich der Bazillus von Ghon-Sachs. Der Kochsche 
Oedem- und der Novysche Bazillus sind dagegen fur alle diese Tiere pathogen. Nach 
den Untersuchungen von Grosso (14) konnen wir jedoch diese Differenzen in der 
Pathogenitat fiir die kleinen Laboratoriumstiere in diagnostischer Beziehung nicht allzu 
sehr hoch einschatzen. 

Bei der Verschiedenheit der Ansichten fiber den differentialdiagnosti- 
schen Wert der kulturellen Eigenschaften sowie des tierpathogenen Ver- 
haltens ist von allergroBter Bedeutung die Identifizierung die Agglu¬ 
tination ebenso wie die passive Tierimraunisierung mit spezifischem 
Serum. Prfizipitation und Komplementbindung ergeben keine oder doch 
nicht strong spezifische Ausschliige (Grosso, 14), Markoff, 26), wfih- 
rend allerdings MieBner und Lange (27) von gtinstigeren Resultaten 
berichten. 

Zusammenstellung der differentialdiagnostisch wichtigen Eigen¬ 
schaften der bisher als Erreger des Geburtsrauschbrandes erkannten 
Anaeroben: 

Rauschbrandbazillus: Resistenz der Sporen gering, Kulturen nicht Btinkend, 
Kolonien geschlossen, Siiurebildung (vor allem in Hirnbrei und Milch), Gehirnbrei nicht 
geschwarzt, starke Sporenbildung, in Milch langsame Gerinnung, keine Peptonisierung 
des ausgefallten Kaseins, Blutserum nicht verfliissigt, keine Bilaung von Aethylalkohol 
aus Traubcnzucker, Laktosevergarung, keine Fadenbildung in Organbouillon, auch 
im Tierkorper nur einzelne Bazulen, keine Fadenbildung, pathogen ffir Rinder, Meer¬ 
schweinchen, Mause, wenig fiir Kaninchen, nicht fiir Geflugel. 

Novyscher Bazillus: Resistenz der Sporen erheblich, Kulturen nicht stin- 
kend, doch nach Buttersaure riechend, Kolonien geschlossen, Saurebildung (vor allem 
in Hirnbrei und Milch), Gehirnbrei nicht geschwarzt, geringe Sporenbildung, in Milch 
langsame Gerinnung, keine Peptonisierung, Blutserum nicht verfliissigt, keine Faden- 


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Ceniralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originals. Bd. 88. Heft 6. 


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bildung in Kulturen, im Tierkorper paarige, nicht fadige Verbande, pathogen fiir alle 
oben genannten Tiergattungen. 

Ghon-Sachsscher Bazillus: Resistenz der Sporen gering, Kulturen nicht 
stinkend, Kolonien verzweigt, Saurebilduug (vor allem in Hirnbrei und Milch), Gehim- 
brei nicht geschwarzt, in Milch langsame Gerinnung, keine Peptonisierung, Blutserum 
nicht verflussigt, Bildung von Aethylalkohol aus Traubenzucker, Fadenbildung im Tier¬ 
korper, Pathogenitat wie beim Rauschbrandbazillus. 

Markoff D und E: Resistenz der Sporen gering, Kulturen nicht stinkend, ge- 
echlosseue Kolonien, Saurebildung (vor allem in Hirnbrei und Milch), Gehirnbrei nicht 
geschwarzt, in Milch langsame Gerinnung, keine Peptonisierung, Blutserum nicht ver- 
flussigt, Fadenbildung im Tierkorper, etwa6 starker pathogen als Rauschbrand. 

Bacillus oedematis maligni: Sporen sehr resistent, Kolonien verzweigt, 
Kulturen stinkend, Alkalibildung, Gehirnbrei geschwarzt, in Milch Gerinnung, Pep¬ 
tonisierung des Kaseins, Blutserum verflussigt, Bildung von Aethylalkohol aus Trauben¬ 
zucker, keine Laktosevergiirung, Fadenbildung im Tierkorper, pathogen fiir alle ge¬ 
nannten Tiere. 


II. Eigene Untersuchungen. 

Das Material zu meinen Untersuchungen, das mir von Herrn 
Schlachthofdirektor Dr. M o d d e in Giefien in liebenswiirdigster Weise 
zur VerfUgung gestellt wurde, stammt von einer notgeschlachteten Kuh. 

Anamnese: Die uugefahr 6 Jahre alte Kuh wurde 4 Tage nach dera Kalben 
notgeschlachtet. Die Geburt selbst war normal verlaufen, jedoch zeigte das Tier nach- 
her starkes Drangen, Festliegen nnd krampfartige Erscheinungen. Die Eihaute waren 
bis auf Reste im Uterusgrund abgegangen. Bei der gleich nach der Schlachtung vor- 
genommenen Fleischbeschau wuraen aufier geringgradiger Schwellung der Milz und 
einer Endometritis keinerlei krankhafte Veranderungen festgestellt. Eine Verletzung 
der Geburtswege war nicht nachweisbar. Der Tierkorper wurde darauf in Vierteln mit 
einem Teil der Eingeweide (Herz, Lunge, Nieren) nach dem stadtischen Schlachthofe 
in Giefien gebracht und einer nochmaligen Untersuchung unterworfen. Bemerken 
mochte ich noch, dafi die iibrigen Kiihe des Stalles, aus dem das Tier stammte, zu der- 
selben Zeit abortierten. Die naheren Ursachen hierfur habe ich nicht in Erfahrung 
bringen konnen. 

Der pathologisch-anatomische Befund, der am Schlachthofe festgestellt 
wurde, ist folgender: Die Kuh ist mittelmafiig genahrt, ungefahr 6 Jahre alt. Die 
Ausblutung ist gut. Lunge, Bronchialdriisen und Herz, sowie die Nieren zeigen keinerlei 
krankhafte Veranderungen. Auch die Muskulatur zeigt keine Abweichungen bis auf 
den linken Hinterschenkel. Hier ist sie in der Nahe der Kniefalte dunkelrot verfarbt. 
Besonders deutlich tritt die Verfarbung an der distalen Halfte der Glutaen das Quadri¬ 
ceps femuris, sowie am Vastus medialis und Gracilis hervor. Auf Anschuitt zeigen 
sich im interstitiellen Bindegewebe in geringem MaSe kleine Gasblaschen. An das Ohr 
gehalten, hort man bei Druck auf die Muskulatur ein leises Knistern. Der Geruch ist 
an diesem Hinterviertel etwas dumpfig, wahrend er an den iibrigen Teilen normal ist. 
Die regionaren Lymphdriisen zeigen keine Veranderungen. 

Das Fleisch blieb darauf im Kiihlhause des Schlachthofes bei einer 
Temperatur von 2—3° C hangen. Der abnorme Geruch des linken 
Hinterschenkels wurde allmahlich stSrker und war nach einigen Tagen 
auch beim Anschnitt der Muskulatur des rechten Hinterschenkels wahr- 
nehmbar. 

Der obige Befund rechtfertigte den Verdacht auf Rauschbrand, bzw., 
da die Erkrankung im AnschluB an die Geburt eintrat, auf sogenannten 
Geburtsrauschbrand, zumal bei der mikroskopischen Untersuchung der 
aus der erkrankten Muskulatur gemachten Ausstriche den Rauschbrand- 
bazillen iihnliche Stabchen mit teils mittel-, teils endst&ndigen Sporen 
ergab. Bazillenfaden fanden sich nicht. 

Die histologische Untersuchung, die ich Herrn Geh. Medizinalrat Prof. 
Dr. 011 verdanke, ergab folgenden Befund: Die Gewebsstuckchen aus der Muskulatur 
wurden in 10-proz. Forinollosung fixiert, in Gelloidin eingebettet und mikrotomiert. Die 
Schnitte sind hierauf in Weigertscher Beize und nach van Gieson gefarbt und in 
Kanadabalsam eingeschlossen worden. Bei der mikroskopischen Untersuchung zeigte 



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Levens, Beitrage zur Bakteriologie dee Geburtarauachbrandes beim Riude. 479 

aich, daS die Muskelfasern vollkommen erhalten waren und keinerlei Abweichungen an 
der gut erhaltcnen Querstreifung noch an den Kernen oder dem Sarkolemm ermittelt 
werden konnten. Die Muskelfasern lagen dicht zu Biindeln zuaammen, die nur da aua- 
einander gewichen waren, wo daa Interstitium reichlicher durch lockere Bindegewebs- 
ziige entwickelt war. Hier waren Liicken durch Ansammlung von Gaa. 

Es laBt sich nach diesem Befunde nicht sagen, ob bei der Gasent- 
wicklung Bestandteile der kontraktilen Substanz oder nur solche des 
Interstitiums abgebaut wurden. Immerhin ist es nicht ausgeschlossen, 
daB Gas durch das Sarkolemm w&hrend der Entwicklung nach dem Inter¬ 
stitium diffundiert ist, ohne sichtbare Veranderungen zu hinterlassen. 

Zum Zwecke der bakteriologischen Untersuchung habe 
ich auBer aus der erkrankten Muskulatur und den Kniefaltendriisen ent- 
sprechend den von v. Ostertag (29) fiir die Probeentnahme bei der 
bakteriologischen Fleischbeschau gemachten Angaben aus den Beugern 
bzw. Streckern der einen Korperh&lfte Fleischwtirfel, aus der anderen 
KOrperhaifte zwei Lymphdriisen sowie ein Stock Niere genommen. Die 
Leber stand mir zwecks eventueller Untersuchung der Galle leider nicht 
mehr zur Verfiigung. 

Da inzwischen die Sporenbildung weiter fortgeschritten war, habe 
ich durch einfaches Erhitzen von in Agar versenkten Fleischstuckchen 
Reinkulturen erzielt. Die Resistenz der Sporen gegen Hitze war fol- 
gende (in Traubenzuckeragar): 


Dauer des Erhitzens in Minuten 

Hohe der Teraperatur C 

Wachstum 

5 

100 

nein 

10 

90 

ja 

15 

90 

nein 

25 

80 

ja 

30 

80 

nein 

30 

70 

ja 


Der aus der erkrankten Muskulatur geztichtete Bazillus hat eine 
LSnge von 3—4 /x, ist also etwas kurzer als der Rauschbrandbazillus, 
w&hrend er ihm an Dicke gleichkommt (0,5 - 0,7). Die GrbBenverb&lt- 
nisse schwanken jedoch in den einzelnen Kulturen. Die Bazillen sind 
an den Enden nicht so scharf abgesetzt wie die Rauschbrandbazillen, 
besitzen geringe Eigenbewegung und zahlreiche peritrich angeordnete 
GeiBeln. Bei der Sporenforin kommen mittel- und endstSndige Sporen 
in gleichem MaBe vor. Dazwischen linden sich alle Uebergange von 
der Wetzstein- zur Keulenform. Die GroBe der Sporen ist ungef&hr 
folgende: 2—3 u lang, ca. 2 (x breit. 

Die Bazillen fanden sich nur in der Muskulatur der Hinterschenkel, 
in der Muskulatur der VordergliedmaBen, sowie in den Lymphknoten 
und der Niere konnte ich sie weder mikroskopisch noch kulturell nach- 
weisen. 

Die Untersuchungen ergaben, daB ich es mit einem obligaten An- 
aeroben zu tun hatte. Seine Ziichtung gelang nur bei Temperaturen 
von 25° C an. Bei 22° C habe ich weder auf Gelatine noch Trauben¬ 
zuckeragar, noch erstarrtem Rinderblutserum Wachstum erhalten. 

Das Verhalten auf den einzelnen NShrbbden war folgendes: 

Agar: Stichkultur (mit Agar iiberschichtet): Stichkanal zu einem triiben, durch- 
echeinenden Bande ausgewachsen. Wolkige Triibung in der nachsten Umgebung. Keine 
Gasbildung. 

Platte (Saucrstoffabschlufl durch Pyrogallol nach Lentz): Grauweifie, durch- 
scheinende, ausgebreitete Auflagerungen. Bei schwacher Vergrofierung geschlossene 
oder lappig verzweigte Kolonien, keine wurzelformigen Ausliiufe. 

Im mikroskopmchen Bilde keine Faden. Sporenbildung. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


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Traubenzuckeragar: Stichkultur (mit Agar iiberachichtet): Deppigea Wache- 
tum. Stichkanal durch Gasbildung etwaa erweitert und mit truber von Gaablaschen 
durchsetzter Fliieaigkeit angefiillt. Wolkige Tiiibung in der Umgebung. Agar durch 
zahlreiche Gaabiasen zerkliiftet und auseinander geriasen. (Schiittelkultur in hoher 
Schicht): Grauweifie, geachloaeene, linaenformige Kolonien. Agar durch zahlreiche Gas- 
blasen zerkliiftet. 

Platte (nach Lentz): Weifilichgraue, auagebreitete, durchaichtige Auflagerungen. 
Keine wurzelformigen Aualaufe. Geruch der Kulturen schwach eauerlich. Im raikro- 
ekopiachen Praparat einzelne Bazillen oder kiirzere und langere gewundene Faden. 
Sehr wenig Neigung zur Sporenbildung. 

Rinderblutserum (bei 68“ C eratarrt): Stichkultur (Serum mit Agar iiber- 
achichtet): Stichkanal zu einem dunklen undurchaichtigen Bande auagewacheen, teilweiae 
zu einer liingeren Gaablaae erweitert. Serum vereinzelt mit Gaablaachen durchaetzt. 
Schiittelkultur (vor dem Eratarren mit Sporen beimpft): Trubung dea Seruma bis zur 
volligen Undurchaichtigkeit (Koagulation); Durchaetzung mit einzelnen Gaablaschen. 

Platte (nach Lentz): Grauweifie, durchscheinende, achleimartige Auflagerungen 
mit dichteren Stellen und vereinzelten Gaablaachen. 

Verfliiasigung dea Serums trat nirgendwo ein. Keine nach Faulnia riechende 
Kulturen. Geruch schwach nach Buttersaure. Keine Faden-, dagegen atarke Sporen- 
bildung. 

Rinderblutaerumagar (1:1): Stichkultur (mit Agar iiberachichtet): Sehr 
geringe Gasbildung. Stichkanal zu einem triiben, durchacheinenden Bande ausge- 
wachaen. Wolkige Triibung in nachater Umgebung. Keine Faden. Sporenbildung. 
Rinderblutaerum-Traubenzuckeragar (1:1): Stichkultur: Starke Gasbildung. 
Nahrboden zerkliiftet und auaeinandergerissen. Stichkanal mit Gaablaachen angefiillt 
und wolkig getriibt. Platte (nach Lentz): Weifilichgraue, triibe Auflagerungen. Ziem- 
lich starker Butteraauregeruch. Faden- und keine Sporenbildung. — Gehirnbrei 
(nach v. Hibler, 18) ohne Sauerstoffabschlufl; doch an Stelle von Menschengehirn 
Rindergehirn): Geringe Gasbildung. Farbe dea Nahrbodena unverandert. Reaktion 
schwach aauer. Ueberhaupt schwachea Wachstum. Sporenbildung. Resistenz der im 
Nahrboden suapendierten Sporen gering (Abtotung durch 5 Min. langes Erhitzen auf 
100® C). — Gehirnbreiagar (1:1): Schiittelkultur: Gasbildung. Keine Schwarz- 
farbung. Sporenbildung. — Milch [nach v. Hibler (18): Vollmilch ohne Sauerstoff- 
ab-chlufi]: Schwachea Wachstum. Sehr langsame Gerinnung (erst nach 6—7 Tagen). 
Keine merkliche Gasbildung. Das niedergeschlagene Kasein wird uicht peptonisiert. 
Saure Reaktion. — Kartoffel (Kartoffelstiickchen mit Wasser uberschichtet, ohne 
SaueratoffabschluS): Sehr geringgradige Gasbildung. Allmahliche Triibung dea Wassera. 
Truber Belag der Kartoffelstiickchen. Wenig Neigung zur Sporenbildung. — Trauben- 
zuckerbouillon (2 Proz., Sauerstoffabschlufi durah Pyrogallol): Schwachea Wachs¬ 
tum. Keine merkliche Triibung. Gasbildung. — Eisenbouillon [nach Hata (15) 
ohne Sauerstoffabschlufi]: Kaum merkliche Trubung der Bouillon. Neigung zur Sporen¬ 
bildung gering. — Organbouillon [nach Smith-Tarozzi fl5) ohne Saueratoff- 
abachlufll: Kaum memiche Triibung der Bouillon. Keine Faaen-, dagegen starke 
Sporenbildung. 

Entwicklung von Faulnisgeruch war auf keinein Nahrboden zu kon- 
statieren. Bemerkenswert ist der EinfluB des Nahrbodens auf die 
Wachstumsform. Wie aus der obigen Zusammenstellung ersichtlich ist, 
trat bei kohlehydratreichen Nahrboden ein Auswachsen zu Faden und 
keine Sporenbildung, bei kohlehydratarmen und eiweiBreichen Nahrboden 
keine Faden-, dafiir aber Sporenbildung ein. Es scheint also das Vor- 
handensein von Kohlehydraten die Sporenbildung gehemmt zu haben, 
und zwar auch in eiweiBreichen Nahrboden, wie die Zuchtung auf Rinder- 
blutserum-Traubenzuckeragar ergab. Andererseits konnte ich aber auch 
in kohlehydratarmen Nahrboden einen gunstigen EinfluB auf die Sporen¬ 
bildung feststellen, wenn der Nahrboden eiweiBreich war. Ein ahnliches 
Verhalten konnten Conradi und Biel in g (8) in den von ihnen unter- 
suchten Stammen des Kochschen Oedembazillus, des Rauschbrand- 
bazillus, de3 Bac. phleg. emphys. Fraenkel und ihres eigenen Gas- 
brandbazillus feststellen. Sie unterscheiden den vegetativen Formen- 
kreis A bei Zuchtung auf Traubenzuckeragar und den sporogenen 
Formenkreis B bei Zuchtung auf erstarrtem Blutserum. Meine Beob- 


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Levens, Be it rage zur Bakteriologie des Geburtsrauachbrandes beim Riade. 481 


achtungen stimmen aber insofern nicht mit denen von Conradi und 
Bieling iiberein, als ich auch bei der vegetativen Form Beweglichkeit 
und GeiBeln feststellen konnte und die sporogene Form keine Neigung 
zur Fadenbildung zeigte. 

Ferner bildete der Bazillus S&ure, was ich noch besonders durch 
Zflchtung auf Maltoselackmusagar nachweisen konnte. Beziiglich der 
VergSrungsfahigkeit fur einzelne Zuckerarten habe ich feststellen kdnnen, 
daB Lavulose, Dextrose, Saccharose, Maltose und auch Laktose vergoren 
werden. Bei der Dextroseverg&rung konnte ich unter den Garungs- 
produkten (nach Destination der Bouillon) in dem Destillat nach Zusatz 
von Jod und Alkali Spuren von Aethylalkohol nachweisen (deutlicher 
Geruch nach Jodoform). 


Tierversuch. 

Zum Impfen diente mir eine 4 Tage alte Traubenzuckeragarkultur, 
die zerkleinert und mit 8—10 ccm Bouillon iibergossen war. Geimpft 
habe ich je 1 Kaninchen subkutan und intramuskulBr, je 1 Meerschwein- 
chen subkutan, intraperitonoal und intramuskular, und zwar mit je 1 ccm 
der Bouillon, ferner 2 Mause mit je V* ccm. Keines der Tiere erlag 
jedoch der Infektion. Die mikroskopische Untersuchung der Bouillon 
ergab, daB sich darin die Bazillen massenhaft fanden. Ferner habe ich 
1 Meerschweinchen und 1 Maus in der Weise geimpft, daB ich ihnen 
kleine Stiickchen einer 3 Tage alten Traubenzuckeragarkultur sowie 
mehrere Oesen des getrtibten Kondenswassers unter die Haut brachte. 
Aber auch diese Tiere verendeten nicht. Da ich annahm, daB die Viru- 
lenz durch die Zuchtung gelitten habe, nahm ich zur Impfung getrock- 
nete mit Sporen durchsetzte Muskulatur der erkrankt geweseneu Kuh, 
verrieb ein erbsengroBes Stiick mit etwas physiologischer Kochsalzlosung, 
erhitzte 15 Min. auf 65° C und impfte hiermit eine Maus, indem ich 
ihr mehrere zerriebene Fleischsttickchen unter die Haut brachte. Aber 
auch dieses Tier blieb am Leben. Aus der zur Impfung der letzten 
Maus benutzten Muskulatur habe ich zur Kontrolle Traubenzuckeragar- 
kulturen angelegt und Wachstum erhalten, ein Zeichen, daB die Sporen 
nicht abgetStet waren. Ich hatte es also mit einem Anaeroben zu tun, 
der fflr die gewohnlichen Versuchstiere nicht pathogen ist. Leider war 
es mir dadurch nicht moglich, die differentialdiagnostisch wichtige Frage 
zu entscheiden, ob der Bazillus im Tierkorper zu F&den auswBchst oder 
nicht. 

Ferner habe ich Fiitterungsversuche mit infiziertera Fleisch bei 
MSusen gemacht, und zwar zunachst bei 2 weiBen MBusen. Zur Kon¬ 
trolle fiitterte ich zugleich eine dritte weiBe Maus mit nicht infiziertem 
Fleisch. Es verendete von den ersten eine, ferner aber auch die Kon- 
trollmaus. Anscheinend war der Tod unter dem EinfluB der Fleisch- 
ffltterung eingetreten, zumal die Sektion der verendeten Maus keine An- 
haltspunkte far eine Giftwirkung der in Frage kommenden Bazillen er¬ 
gab. Da graue MBuse gegentiber Fleischfiitterung als widerstandsfiihiger 
gelten, wiederholte ich den Versuch mit dieseu. Ich erhielt genau das- 
selbe Resultat. Zwick und Weichel (32) haben nachweisen konnen. 
daB beim Verfiittern von gesundem Fleisch an M&use der Tod der Tiere 
unter dem EinfluB dieser Fiitterung eintritt. Die normalerweise im 
Darm dieser Tiere vorhandenen Enteritisbazillen steigem bei Fleisch- 
nahrung des Tieres ihre Giftwirkung dermaBen, daB sie pathogen wirken. 

Ente Abt. Orig. Bd. 88. Heft «. 31 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 6. 


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Vcrlialtcn gegeniibcr echtcrn Rauschbraiid. 

SchlieBlich habe ich noch das Verhalten des geztichteten Stammes 
gegenuber echtem Rauschbrand untersucht. Die Agglutination mit 
Rauschbrandserum ergab ein negatives Resultat. Verwendet babe ich 
das Rauschbrandserum der Hochster Farbwerke. 

Im vorliegenden Falle handelt es sich urn einen Anaeroben, der 
kulturell dem echten Rauschbrandbazillus seiir nahe steht, sich aber von 
ihm durch folgende 3 Punkte unterscheidet: 1) Alkoholbildung aus Dex¬ 
trose, 2) negativer Ausfall der Agglutination mit spezifischem Serum, 
3) Fehlen der Pathogenitkt gegenuber den gebrauchlichen Versuchstieren. 
Bei der Entscheidung, um welche Art der Anaeroben es sich handelt, 
sind mehrere Moglichkeiten in Betracht zu ziehen. Es ist dabei zu be- 
achten, dafi, wie bereits oben erw&hnt, die kulturellen Merkmale der 
einzelnen Arten nicht streng voneinander getrennt werden konnen, son- 
dern vielfach ineinander iibergehen. Der gezuchtete Stamm kann zu- 
n&chst ein abgeschwachter, nicht agglutinierender Rauschbrandstamm sein, 
der durch Variation in geringem MaBe die Fahigkeit erlangt hat, aus 
Dextrose Aethylalkohol zu bilden. Ferner konnte er mit dem Ghon- 
Sachsschen Bazillus identisch sein, von dem er sich auBer dem Fehlen 
der Pathogenit&t gegenuber den gebrSuchlichen Versuchstieren nur da- 
durch unterscheidet, daB seine Kolonien geschlossen sind und keine 
wurzelfbrmigen Auslaufe besitzen. Auch konnte eine Uebereinstimmung 
mit den Markoffschen Bazillen (Stamm D und E) in Frage kommen, 
wenn diese uberhaupt als selbstkndigfe Art anzusprechen sind, und nicht, 
wie bereits oben angedeutet, mit dem Ghon-Sachsschen Bazillus 
identisch sind. Auch in diesem Falle muBte der von mir gezuchtete 
Stamm in hohem MaBe abgeschwScht sein, da Markoff seine Stknime 
als noch etwas starker pathogen wie den Rauschbrandbazillus schildert. 
SchlieBlich ware auch noch die Mdglichkeit in Betracht zu ziehen, daB 
es sich um eine neue, bzw. um eine bisher nicht beschriebene Art Oder 
wenigstens um eine neue Variet&t handelt. 

Was die Bezeichnung Geburtsrauschbrand anbelangt, so ist sie als 
unberechtigt und irrefuhrend zu verwerfen, da als Erreger nur in wenigen 
Fallen der echte Rauschbrandbazillus auftritt. Auch die Benennung 
puerperale Septik&mie ist nicht angebracht, da sie zu allgemein gehalten 
ist. Es kommen im AnschluB an die Geburt Septikamien vor, bei denen 
die pathologisch-anatomischen Verknderungen denen des RauschbraDdes 
durchaus nicht khnlich sind, und fur die andere nicht anaerobe Bak- 
terien als Erreger in Frage kommen. Eine Benennung wie puerperales 
malignes Oedem trifft auch nicht das Richtige, da sie nur einen Teil der 
unter Geburtsrauschbrand verstandenen Erkrankungen bezeichnet. Am 
besten ware es vielleicht, die Bezeichnung Geburtsrauschbrand durch 
puerperale Gasodeminfektion zu ersetzen. 

Zum SchluB spreche ich Herrn Schlachthofdirektor Dr. Modde so- 
wie Herrn Prof. Dr. Gotschlich und Herrn Privatdozent Dr. Hun te¬ 
rn iiller fiir die rege Unterstutzung, die sie mir zuteil werden liefien, 
meinen herzlichsten Dank aus. 

Z>iteratnrverzeichniB. 

1) Abel, Bakteriol. Tasehenbuch. 21. Aufl. 1918. — 2) Albrecht, Ein Fall von 
Geburtsrauschbrand. (Wochenschr. f. Tierheilk. 1897. 8. 479.) — 3) Arloing, Cor- 



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Becker, Der Genitalapparat der Pferdebandwiirmer. 


483 


□ evin et Thommas, Le charbon symptomatique du boeuf. (Zit. nach Wulff, 31.) 

— 4) Bremer, Malignat Oedema and fat embolism. (Amer. Journ. of med. Scienc. 
Vol. 95. p. 594; zit. nach Fraenkel (11). — 5) Carl, Zur Aetiologie des sog. Ge- 
burtsrauschbrandes. (Dtsch. tierarztl. Wochenschr. Bd. 3. S. 353.) — 6) Ders., Zur 
Aetiologie des sog. Geburtsrauschbrandes. [Inaug.-Diss.] Bern 1903. — 7) Ders., Ma- 
lignes Oedem bei Haustieren. (Kolle-Wassermann. 2. Aufl. 1912. S. 865.) — 
8) Conradi u. Bieling, Zur Aetiologie und Pathologie des Gasbrandes. (Munchen. 
med. Wochenschr. 1916. S. 133, 178, 1023, 1068, 1561, 1608.) — 9) Both, Die Dia¬ 
gnose des Rauschbrandes. (Zeitschr. f. Infektionskr, usw. der Haust. 1909. S. 206.) — 
10) Glage, Compendium d. angew. Bakteriol. f. Tierarzte. 2. Aufl. 1913. — 11) Fraen¬ 
kel, Anaerobe Wundinfektionen. (Ergebn. d. Hyg., Bakt., Immunitatsf. u. exper. 
Ther. Bd. 2. 1917. S. 376.) — 12) Gutzeit, Rauschbrand und malignes Oedem in 
differentialdiagnostischer Beziehung. (Oesterr. Monatsh. f. Tierheilk. Jahrg. 27. S. 455.) 

— 13) Grassberger-Schattenfroh, Ueber Buttersiiurevergarung. (Arch. f. Hyg. 
Bd. 48. S. 1.) — 14) Grosso, Weitere Untersuchungen iiber die Unterscheidungs- 
merkmale zwischen Rauschbrand-, malignem Oedem- und Bradsotbazillen. (Centralbl. 
f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 70. S. 156.) — 15) Hata, Einfache Methoden zur aeroben 
Kultivierung der Anaeroben. (Centralbl. f. Bakt. usw. Bd. 46. S. 539.) — 16) van 
Heelsbergen, Boutvuur-, maligne Oedem- en Gasbrandbazillen. (Tijdschr. v. Dier- 
geneeskunde. 1919. D. 46. Afl. 6. 8.153.)— 17) v. Hi bier, Untersuchungen iiber die 
pathogenen Anaeroben. 1908. — 18) Ders., Beitrage zur Kenntnis der durch anaerobe 
Spaltpilze erzeugfen Infektionskrankheiten der Tiere und des Menschen. (Centralbl. f. 
Bakt. Abt. 1. Ba. 25. S. 513.) — 19) Ders., Rauschbrand. (Kolle-Wassermann. 
2. Aufl. Bd. 4. S. 788.) — 20) Horne, Malignes Oedem beim Rinde. (Berlin, tierarztl. 
Wochenschr. 1895. S. 409.) — 21) Kitt, BakterienkuDde und pathologische Mikro- 
skopie fur Tierarzte. 5. Aufl. — 22) Ders., Rauschbrandschutzimpfung. (Zeitschr. f. 
Infektionskr. d. Haust. Bd. 9. S. 109.) — 23) Ders., Neues iiber Rauschbrand. (Mo- 
natshefte f. prakt. Tierheilk. 1902. 8. 186.) — 24) Lehmann-Neumann, Atlas und 
Grundrifi der Bakteriologie. — 25) Maja, Un caso di carbonchie sintomatico da parto. 
(Clinica Vet 1911. p. 198.) — 26) Markoff, Vergleichende bakteriologische und sero- 
logische Studien iiber Rauschbrand und Pseudorauschbrand. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Orig. Bd. 60. S. 188.) — 27) Mieflner u. Lange, Der Nachweis des Rauschbrandes 
mittels der Prazipitationsmethode. (Dtsch. tierarztl. Wochenschr. 1914. 8. 657.) — 28) 
Nevermann, Veroffentl. a, d. Jahresveterinarber. f. 1909. T. I. 8. 25. —29) Oster- 
tag, Handbuch der Fleischbeschau. 6. Auf. — 30) v. Werdt, Malignes Oedem. 
(Kolle-Wassermann. 2. Aufl. Bd. 4. 8. 837.) — 31) Wulff, Ueber Rauschbrand 
und rauschbrandahnliche Erankungen. II. (Dtsch. tierarztl. Wochenschr. 1912. 8. 689.) 

— 32) Zwick, Zur Frage des Vorkommens von Enteritisbazillen in Pokelfleischwaren. 
(Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 44. Beih. 8. 134.) 


Nachdruck verboten. 

Der Genitalapparat der Pferdebandwiirmer. 

[Aus dem Zool. Institut der Landesuniversit&t GieBen.] 

Von Dr. Rudolf Becker in Uelzen. 

Mit 1 Abbildung im Text. 

Allgemeines. 

In Einklang roit der auBeren Gestalt der Proglottiden und dem 
eigentiimlichen Modus der Begattung steht bei den Anoplocephala- 
Arten der besondere Bau des Geschlechtsapparates. Die Entwicklung 
dieses Organkomplexes, wie sie sich bei den vordersten Proglottiden 
anfangend, in rascherem Ablauf als bei anderen Cestoden nach hinten 
zu fortschreitend verfolgen lfiBt, hatffirAnoplocephala magna eine 
eingehendere Bearbeitung durch BalB (1908) erfahren, ebenso haben 

31* 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


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Kahane (1880) und Zschokke (1888) ftir die beiden anderen Arten 
einige diesbeziigliche Angaben gemacht. 

Aus diesem Grunde werde ich mich im folgenden auf eine mehr 
vergleichend-anatomische Darstellung des fertig ent- 
wickelten Genitaltraktus beschranken konnen. Ein solcher findet 
sich nur in den auf dem Hohepunkte der geschlechtlichen Entwicklung 
stehenden Gliedem, wobei das m&nnliche Geschlecht stets um eine Pro¬ 
glottis Oder um einige wenige Proglottiden im Vorsprung ist gegenfiber 
dem weiblichen (Protandrie). Schon auBerlich erkennt man diese Zone 
daran, daB am linken (genitalen) Seitenrande des Bandwurmes, ein 
wenig hinter der Mitte eines jeden Gliedes, ein Teil des Cirrusapparates 
aus der duBeren Geschlechtsoffnung herausragt, wahrend die inneren 
Genitalien, von der dorsalen und ventralen Transversalmuskulatur des 
Korpers fest umschlossen, in dem Parenchymgewebe der sogenannten 
Markschicht eingebettet liegen. In jedem Gliede ist ein einziges zwitt- 
riges System vorhanden, abgesehen von den „interkalierten“ Gliedem, 
wo der Genitalapparat teilweise oder ganz felilen kann. Vollige Sterilit&t 
findet man ferner regelmSBig in den Endproglottiden, d. h. den letzten 
Gliedem vollstSndiger Exemplare sowie bei Anoplocephala per- 
foliata nicht selten auf groBeren Proglottidenstrecken, ja es werden 
bier ab und zu vollkommen sterile ausgewachsene Tiere, d. h. solche ohne 
eine Spur vom Geschlechtsapparat, angetroffen. 

Der Genitalporus. 

Anoplocephala magna. — Etwa vom 70. bis zum 120. Gliede 
mittelgroBer Exemplare kann man die vorgestiilpten Cirri oder Penes 
gerade eben mit bloBem Auge als feine, nahezu 1 mm lange Faden am 
linken Seitenrande wahrnehmen. Bei genauerer Untersuchung erkennt 
man, daB die beiden Geschlechtern gemeinsame, rundliche Ausmiindung 
des Begattungsapparates nach auBen, der sogenannte Genitalporus 
(Porus genitalis) auf einer kleinen, je nach dem Grade der Ausstfilpung 
des Cirrusbeutels verschieden gestalteten, halbkugeligen oder kugeligen 
VorwQlbung der Korperoberfiache, ein wenig hinter der Mitte des Glied- 
randes gelegen ist. Scheibel (1895) hat hingegen keine derartige 
Genitalpapille (Papilla genitalis) wahrgenommen. 

In Gliedern mit nicht ausgestiilptem Cirrus fiihrt die genannte 
Oeffnung in einen gemeinsamen trichterformigen Vorraum von etwa 30 u 
Langen- und 10 —12^ Querdurchmesser, der auch als Genitalkloake 
(oder Atrium genitale) bezeichnet wird. Hier mtinden in einem ganz 
minimalen Abstande hintereinander beide Geschlechter, vorn der Cirrus- 
apparat, hinten der Vaginalkanal, dieser etwas mehr der Ventralflache, 
jener mehr der dorsalen Korperoberfiache zugewandt. Da sich die auBere 
Cuticula scheinbar in die Geschlechtskloake fortsetzt — in Wahrheit 
haben beide ihre selbstandige Entwicklung und treten erst sekund&r 
miteinander in ununterbrochenen Zusammenhang, wieBalB (1908) und 
Schaefer (1913) hier ausdriicklich festgestellt haben — so ist das 
Atrium in seiner ganzen Ausdehnung von einer einzigen kutikularen 
Mem bran ausgekleidet. Beachtenswert sind ferner zahlreiche Muskel- 
fasern, welche, in der Langsrichtung des Cirrusbeutels verlaufend, sich 
an der Peripherie des Atriums unter der Cuticula ansetzen und auf dem 
Hohepunkt der geschlechtlichen TStigkeit durcli Kontraktion den Porus 
erweitern und den Cirrusapparat nach auBen umstiilpen, so daB er als 
eine verschieden lange, ungefahr 18—20 ii dicke Rohre aus dem Porus 



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Becker, Der Genitalapparat der Pferdcbandwiirmer. 


485 


herausragt. Gleichzeitig ist der Sphincter cloacalis, der Antagonist 
des Dilatators, erschlafft. Es ist dies ein schmaler Muskelring, dessen 
Fasern in der Wand des Porus selbst liegen und seinen Eingang ver- 
schlieCen konnen. 

Anoplocephala perfoliata. — An jungen Proglottiden und 
an solchen ohne Genitalapparat ist nichts von einem Genitalporus zu 
sehen. Deutlich wird diese Oeffnung erst bei Gliedern mit ausgestlilptem 
Cirrusapparat, wo man eine schlauchartige Vorwolbung der Proglottis 
Oder gar eine Umbiegung dieses Teiles nach hinten zu wahrnehmen kann. 
Dieses Gebilde kann so das D/s-fache der Lange eines Gliedes erreichen 
und zeigt an seinem peripheren Ende den ausgestreckten Cirrusfaden. 
Einen solchen Zustand traf ich meist beim 10. bis 21. Gliede an, an den 
Gliedern dahinter war der genitale Seitenrand wieder genau so beschaffen 
wie der agenitale, nur eine kleine Einkerbung lieB noch die Stelle des 
frtiheren Einganges zum Atriumtrichter erkennen, der hier an seiner 
weitesten Stelle 16 /<, im Maximum aber kurz vor Beginn der Geschlechts- 
tatigkeit einen Durchmesser von 42:28 /j. haben kann. 

Kahane meint, durch seine Untersuchung den Bautypus der Ge- 
schlechtsorgane fiir kurzgliederige Tanien mit querverlaufendem Uterus 
endgflltig festgelegt zu haben. Vor allem betont er die Tatsache, daB 
im Gegensatz zu dem Verhalten bei langgliedrigen Tanien beide Ge- 
schlechtswege nicht hintereinander, sondern nebeneinander (bei reifen 
Gliedern wenigstens), d. h. dorsal und ventral in der gleichen Qerschnitts- 
ebene in das Atrium ausmflnden. Es ist dies jedoch kein allgemeiu fflr 
Anoplocephalen geltendes Merkmal, wie Kahane annimmt, denn 
fflr A. mamillana trifft es nicht zu, auch habe ich bei A. perfoliata 
die beiden Mflndungen oft genug schrflg, also mehr hintereinander liegen 
sehen. 

Anoplocephala mamillana. — Die beschriebene Ausstttlpung 
des Cirrus erfolgt schon am 6. oder 7. Gliede und erstreckt sich meistens 
bis zum 13. Gliede. Es sind ziemlich weite, ruude Genitaloffnungen vor- 
handen, welche jede in ein gerflumiges, mehr oder weniger kugeliges 
Atrium fflhren, dessen Ausdehnung je nach dem Kontraktionszustande 
ganz verschieden ist, z. B. 100:16 /< oder 80:50 /t (Lange zu Breiten- 
durchmesser), in letzterem Falle weist die Cuticularwand zahlreiche Falten 
auf. Die am Grunde des Vorhofes auf einer kleinen („inneren“) Papille 
gelegenen Eingange in Cirrusbeutel und Vagina sind beide ein wenig 
dorsalwarts von der Medianebene des Kflrpers orientiert, so daB die mit 
einem starken Sphinkter versehene Cirrusoffnung direkt vor dem mit 
einer sehr dicken Cuticula ausgekleideten Vaginaeingang gelegen ist, 
und zwar auf der Hohe der genannten Papille, welche sich bei der Aus- 
stfllpung des Cirrusapparates als erstes durch den Genitalporus nach 
auBen vorwfllbt. Im weiteren Verlaufe tritt noch ein groBer Teil des 
Cirrusbeutels selbst nach auBen, wodurch entweder ein glockenformiges 
Gebilde mit fadenformigem Cirrus an der Spitze entsteht oder der ganze 
distale Abschnitt herausgestfllpt erscheint, so daB er das Bild eines 
langen Schlauches von dreifacher Proglottidenl&nge gew&hrt. Dieser 
l&uft peripher allmflhlich in eine gleichmSBig feine, mit Stacheln besetzte 
Spitze aus. Das Eigentflmlichste aber ist seine Krtimmung nach rflck- 
wflrts, welche den Cirrus unfehlbar zur Vagina des nachstfolgenden, also 
etwas fllteren Gliedes leitet, so daB hier die Begattung vollzogen 
werden kann, wie ich es tatsachlich beobachtet habe, wflhrend Zschokke 
eine Selbstbefruchtung ohne Immissio cirri (Autofoecundatio) als wahr- 


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486 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 6. 

scheinlich annahm. N&heres hiertiber habe ich bereits fruher mitgeteilt 
(diese Zeitschr. Bd. 84. 1920. S. 537—539). (Fig. 1.) 

Der mitnnllche Genitalapparat. 

Der m&nnliche Teil des Genitalapparates setzt sich zusammen aus den 
das Sperma erzeugenden Hodenblaschen mit ihren ableitenden Kan&len, 
Vasa efferentia und Vas deferens, sowie dem der Begattung dienenden 
Cirrusbeutel nebst Cirrus. 

Die Hoden und ihre Ausfiihrwege. 

Anoplocephala magna. — Die mannlichen Generationsorgane 
erscheinen in den geschlechtsreifen Gliedern als ein Komplex von zahl- 
reichen runden bis ovalen Biaschen von durchscbnittlich 60—80 p. Durch- 
messer. Jedes Hodenblaschen (t) ist mit einer diinnen, weniger gut 
farbbaren Hiillmembran ausgestattet und wird auBerdem durch einzelne 



Fig. 1. Der Genitalapparat von Anoplocephala magna (Abildgaard), Schema 
nach BalB. 

dorsoventrale Muskelfasern, deren Myoblasten in den verbleibenden 
Liicken liegen, von seinen Nachbarn geschieden. In der Mittelschicht 
des Korpers nehmen die Bl&schen, wenn auch nicht ausschlieBlicb, so 
doch vorwiegend die dorsale Halfte ein. Nach der Mitte des Gliedes 
zu sind sie viel sp&rlicher, besonders da, wo sie an die weiblichen Or- 
gane grenzen, ura ventral ganz zu verschwinden. Ferner ist hinsichtlich 
ihrer Lage zu beachten, daB die Hoden nicht wie bei A. perfoliata 
und mam ill ana von den Geschlechtsmiindungen abgewandt, sondern 
zu einem Drittel ungefahr zwischen diesen und dem Receptaculum se- 
minis liegen, wahrend die iibrigen zwei Drittel agenital gelagert sind. 

Die A n z a h 1 der Hodenblaschen unterliegt groBeren Schwankungen 
und soli bei anderen Cestoden nach Angabe mancher Autoren schwer 
bestimmbar sein, was mir jedoch an sagittalen Schnittserien von 10 p. 
Dicke, wo immer nur wenige Bl&schen gleichzeitig auf dem Schnitt liegen, 
ziemlich miihelos gelang. Man braucht nur auf die gegenseitige Lage 
der Hoden, auf ihre Anzahl und auf das Hinzutreten neuer in den auf- 
einander folgenden Schnitten einer Serie zu achten und neu hinzu- 


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Becker, Der Genitalapparat der Pferdebandwiirmer. 


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kommende fortlaufend zu addieren, so wird sich die Anzahl derselben mit 
hinreichender Genauigkeit ergeben, zumal diese von Proglottis zu Pro¬ 
glottis nach hinten zu allmahlich abnimmt. Ich zahlte am 120. Gliede 
eines Exemplares 179, am folgenden Gliede 163 Blfischen, bei einem 
anderen Exemplar am 130. Gliede noch 216 Hodenblaschen. 

Das Innere der Hoden wird von den Spermatozoon eingenommen, 
die man in den verschiedensten Entwicklungsstufen antrifft. Anfangs 
liegen im ganzen Blaschen gleichmaBig verteilt kleine runde Zellen mit 
einem dunklen Kern, die alle gleich groB sind (etwa 6 bezw. 2,5 p. Durch- 
messer). In den folgenden Proglottiden weitet sich im Zentrum ein 
Hohlraum aus; die runden Zellen gruppieren sich in dfinner Schicht an 
der Wand. Plotzlich zeigen letztere ein lebhaftes Wachstum, sie werden 
zu 10 p. groBen polygonalen Zellen umgewandelt, welche einen hellen, 
kornigen Kern (4 p.) und ein schwach farbbares Protoplasma enthalten. 
Ihre Anordnung ist ziemlich regellos. Im weiteren Verlaufe teilt sich 
der groBe Kern in zahlreiche kleine Kerne, die zu Spermakernen werden, 
w&hrend das Plasma zu groBen Ballen verschmilzt, welche von der Peri¬ 
pherie aus balbkugelig in das Lumen des Blfischens vorspringen und so 
Slteren Forschern Septen vorgetauscht haben. Auf ihnen sitzen die 
Spermatozoen in verschiedenen Entwicklungsstadien mit dem Schwanz- 
fa den gegen das Zentrum der Hohlung gerichtet, wahrend der Kern- 
oder Kopfteil der Merabran dicht anliegt. In ganz reifen Blaschen 
liegen zwischen den Brocken und Kornchen der zerfallenden Proto- 
plasmaklumpen unzahlige fertige Geschlechtsprodukte, wie wir sie iiber&ll 
in den Ausffibrgfingen, in der Vesicula seminalis und im Receptaculum 
seminis als lockige Strange Oder einzelne Biindel antreffen, welche aus 
lauter feinen ca. 20 f.i langen Fadchen bestehen, mit einem sehr kleinen 
dunkelgefarbten Kopf und einem fast kreisformig gebogenen hellen 
Schwanzfaden. 

Jedes Hodenblaschen sitzt an seinem Ausfflhrungsgang wie eine Beere 
an ihrem Stiel. Die Umhfillungsmembran des Blaschens geht dabei als 
Wandung auf das Vas efferens (ef) fiber, doch besteht ein Unter- 
schied insofern, als nunmehr der sonst strukturlosen Membran vereinzelt 
sehr kleine rundliche Kerne anliegen. Das Lumen der durchweg gerade 
verlaufenden Kanfile betrfigt nach S cheibel (p. 23) etwa 2 p.; im Innern 
sieht man oft lfinglichovale Spermaballen liegen. Anordnung und Lange 
der Vasa efferentia sind abhfingig von der Lage und Verteilung der 
Hoden. Demnach finden wir bei A. magna ebenso wie bei A. per- 
foliata die Ausffihrungskanfile der Hoden gleichfalls nach dem dorsalen 
Kande (des Querschnittbildes) gerichtet, und zwar unmittelbar unter den 
Transversalmuskeln, indem sie schrSg gegen den Genitalrand ziehen und 
in das Vas deferens einmfinden. Ich habe vielfach Anastomosen der 
Kanale, sowie gleichzeitiges Einmfinden von zwei Hodenblaschen in das 
gleiche Vas efferens beobachtet, aber nichts von einer direkt „netzffirmigen 
Anordnung 14 (Scheibel) anzutreffen vermocht. 

Die Sammlung der einzelnen Kanaichen geschieht durch den Samen- 
leiter (Vas deferens, vd), welcher sich als ein verschieden weiter, etwas 
geschlfingelt verlaufender Kanal von 10 |x Durchmesser darstellt. An¬ 
fangs verlauft er allerdings fast genau gerade am dorsalen Gliedrande, un¬ 
mittelbar unter der Transversalmuskulatur dahin, bis zu etwa einem Drittel 
der Gliedbreite vom Genitalrande ab gerechnet. Dabei liegt er dorsal 
von Uterus und Receptaculum seminis, gleich weit vom vorderen und 
hinteren Gliedende entfernt. Nunmehr beginnt sich der Kanal zu 


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schlfingeln und schlieBlich zu erweitern, es entsteht ein groBerer Hohl- 
raum, die Vesicula seminalis (vs), welche demnach als eine Er- 
weiterung des Samenleiters zu betrachten ist. Die Saraenblase bildet 
eine lange kreisformige Schleife, die sich von hinten her iiber den proxi- 
malen Abschnitt des Cirrusbeutels heriiberlegt. Die Innenwand des Vas 
deferens ist in ihrem proximalen Abschnitt elastisch und strukturlos. 
Man findet hier einzelne Spermatozoenanh&ufungen, in der Saraenblaise 
hingegen sammeln sich grOBere Ballen und ovale Patronen an. Dieser 
distale Teil, iusbcsondere die Vesicula, zeichnet sich durch das Vor- 
kommen einer deutlichen, wenn auch nur sehr feinen L&ngsmuskellage 
aus, welche bis in den Cirrus verl&uft und nach auBen zu in gewissen 
Abst&nden die zugehdrigen Myoblasten (10 jj. groB) tr&gt. AuBen liegen 
dem Samenleiter in seinera ganzen distalen Verlaufe viele spindelformige 
Zellen in einfacher, senkrecht gestellter Schicht auf. An der Vesicula 
seminalis, deren Form und Grofie je nach dem Fiillungsgrade erhebliche 
Schwankungen erleiden — 60 jx ist etwa die mittlere Gr5Be — rucken 
die ebengenannten Zellen mehr Oder weniger weit auseinander. Ueber 
ihre physiologische Bedeutung herrscht noch Unklarheit, BalB halt sie 
fiir wirkliche Prostatazellen, wahrend Braun in ihnen die Matrixzellen 
der Cuticula, also deren Subcuticula vermutet. 

Anoplocephala perfoliata. — Die ovalen Hodenblaschen 
haben einen Durchmesser von 60:50 |i. Ihre Anzahl schatze ich, nach 
der oben angegebenen Methode berechnet, auf 30 bis 40. Sie sind durch 
dorsoventrale Muskeln voneinander getrennt und liegen in einfacher, 
transversaler Schichtung vorwiegend im dorsalen Markraum des Gliedes, 
so daB man hier wohl von einer „mannlichen Gliedhalfte“ sprechen kann 
im Gegensatz zu der ventralen weiblichen, was Ivahane (p. 214) be- 
sonders betont. 

Der Inhalt der von einer homogenen Membran umgrenzten Biaschen, 
die Spermatozoen, erscheinen nur in den vollreifen Gliedern in typischer 
Gestalt als 15 /< lange, fadenformige, stark zusammengerollte Gebilde 
mit einem dunkelgefarbten Kopfabschnitt. In den jiingeren Gliedern 
findet man alle Stadien der Spermiogenese vor: die groBten Zellen sind 
etwa 6 n groB, ihre Kerne 3 f.i ; sie liegen ziemlich locker, wahrend die 
kleineren sich mehr zusammenhSufen und von einem zarten Protoplasma- 
mantel umhiillt werden, der immer mehr zerf&llt, wahrend im Innern 
des Blaschens ein mit reifen Spermien erfullter Raurn entsteht. Einzel- 
heiten in der Entwicklung sind im iibrigen schwer festzustellen, da schon 
im 12. Gliede hinter der ersten Anlage der Hoden ihr ausschlieBlicher 
Inhalt aus fertigem Sperma besteht. 

Aus der Hiillmembran jedes Blaschens geht ein Vas efferens hervor, 
welches ohne Verzweigung direkt zum Samenleiter fiihrt. Dieser zieht 
transversal durch die dorsale Proglottishalfte und nimmt von beiden 
Seiten her ziemlich gleichmaBig die kurzen Vasa efferentia auf. Ka- 
hane gebraucht fiir ihre Anordnung auf dem Querschnitt das Bild eines 
gefiederten Blattes, da die feinen kernlosen Kanalchen von 1,5 /ti Lumen- 
weite verhaltnismaBig kurz sind. 

Das Vas deferens hat bei A. perfoliata einen vollkommen ge- 
raden Verlauf, parallel und nahe dem vorderen Gliedrande, ohne im 
proximalen Teil eine Windung zu beschreiben. Es ist ungef&hr 8 /< 
weit. Schon Kahane hat aus histologischen Grfinden zwei Abschnitte 
unterschieden, denn der distale, zur Samenblase fiihrende Teil besitzt 
Ring- und Langsmuskeln, aber keine deutliche Epithellage, wie sie dem 



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zwischen den Hodenbiaschen gelegenen Teil zukommt, vielleicht ist sie 
auch durch die fiillenden Spermamassen ganz plattgedriickt. Die distale 
Ausweitnng des Samenleiters zur Samenblase hat die Gestalt zweier 
Kegel, welche mit den Grundfl&chen zusammenstoBen; sie kann in ge- 
fulltem Zustande einen L&ngendurchmesser von 100 n erreichen und 
zeigt natiirlich die gleichen Elemente wie der eigentliche Samenleiter: 
feine Ring- und Langsmuskeln sowie nach auBen davon sehr kleinkernige 
Zellen, wohl die zugehorigen Myoblasten; sog. „Prostatazellen“ fehlen. 

Anoplocephala mamillana. — Schon in den ersten Gliedern 
hinter dem Skolex sind die Hodenbiaschen als Zellgruppen nachzuweisen, 
welche sich auf die von den Begattungsorganen abgewandte Seite des 
Korpers beschrSnken. Den Hbhepunkt in der Entwicklung erreichen sie 
in den Gliedern 7—10; dort treten sie als eiformige Blaschen von 
100:50 jit Oder 75:60 /.i GroBendurchmesser in Erscheinung. In dem 
genannten Raume liegen sie so dicht gedrangt, daB fiir Parenchym und 
GefaBanastoraose nur wenig Platz tibrig bleibt. Von Glied 13 — 16 an 
vollzieht sich die Reduktion der Hoden. Sie haben ihren Dienst erfullt 
und miissen der Ausbreitung anderer Organe Platz machen; man findet 
also nur noch vereinzelte Blaschen mit wenig Inhalt vor. 

Die Anzahl der Hoden schatzt Zschokke auf 60—100, er diirfte 
damit ungefahr das Richtige getroffen haben. Ich fand bei meinen 
Zahlungen in soeben geschlechtsreifen Gliedern 82, in den iibernachsten 
64 Hoden. Um die homogene Hiille legen sich auch hier dorsoventrale 
Muskeln von auBen herum, welche sowohl eine Sonderung der einzelnen 
Blaschen bewirken als auch bei der Entleerung ihres Inhaltes eine Rolle 
spielen kSnnen. Dieser Inhalt ist ganz entsprechend beschaffen wie bei 
den anderen Arten. In jungen Gliedern liegen in den noch kugelrunden 
Blaschen Zellen mit sehr dunklem Kern und kornigem Plasma. Bald 
bilden sich HohlrSume, mit kornigen Massen gefiiilt, wahrend an der 
Wand typische Zellen sitzen. In noch etwas alteren Gliedern trifft man 
10 /it groBe Zellen von Spindelgestalt mit 4 /t groBem Kern an, auch 
ist ein deutliches Kernkorperchen erkennbar, zugleich hat das Blaschen 
seinen groBten Umfang angenommen. In diesein Augenblick beginnt 
der Zerfall, den man in ein und demselben Blaschen in verschiedenen 
Graden gleichzeitig beobachten kann. Die Zwischenwande sind zum Teil 
verschwunden; in einer fadigen Plasmamasse liegen viele dunkle Kerne, 
welche noch dunklere Kornchen (Nukleolen) enthalten, alle verschieden 
grofi, teils in Gruppen, teils einzeln; auch Kernteilungen lassen sich an 
den groBen Zellen wahrnehmen. Das Endprodukt aller dieser Vorgange 
ist wiederum der Spermafaden mit seinem dunklen Kopfteil, nur erfolgt 
hier die Umwandlung mit ganz rapider Schnelligkeit, so daB sich in den 
abfiihrenden Wegen neben einzelnen Faden schon patronenartig zu- 
saramengeballte Spermamassen vorfinden, wie man sie sonst erst in der 
Vesicula an trifft. 

Die Vasa efferentia sind auBerst feine Kanale von mehr als 200 /t 
Lange und leicht geschiangeltem Verlauf. Besonders zahlreich mflnden 
sie am proximalen Endteil des Vas deferens, so daB Zschokke den 
Vergleich mit einer einfachen Traube macht. 

Der proximale Abschnitt des Samenleiters, welcher in seinem ge- 
raden Verlauf durch das Hodenfeld die Vasa efferentia aufnimmt, be- 
sitzt aufier der homogenen Wand einzelne kleinkernige Zellen; er ist 8 ^ 
weit, wahrend der distale Abschnitt durch das Vorhandensein von deut- 
lichen Langsmuskeln nebst Myoblasten ausgezeichnet ist. Dieser Ab- 


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490 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 

schnitt hat einen gewundenen Verlauf, er biegt dabei ganz unvermittelt 
nach rfickwfirts um und verl&uft nun in entgegengesetzter Richtung ein 
Stiick weit dahin, bis er unter fihnlicher Knickung wiederum die ur- 
spriingliche Richtung erlangt hat, weshalb Zschokke von einem von 
oben nach unten zusammengedrfickten Z spricht. Dabei ist der Kanal 
von vorn-oben nach hinten-unten gelangt und hat sich allmfihlich zu 
einer spindelformigen, je nach dem Ffillungsgrade verschieden groBen 
(30:50// im Durchschnitt, 80:120// im Maximum) Samenblase erweitert. 
Kurz vor dem Eintritt in den Cirrusbeutel verengert sich der Samen- 
leiter wieder. 

Cirrusbeutel und Cirrus. 

Anoplocephala magna. — Die Fortsetzung des Samenleiters 
bzw. der Samenblase, der Cirruskanal, wird bei den Cestoden von 
einem muskulosen Sack, dem Cirrusbeutel ( crb ), umhtillt, dessen 
Lage, Gestalt und GroBe jeweils nach dem Kontraktionszustande des 
Organes selbst bzw. der betreffenden Proglottis erheblichen Schwankungen 
unterliegen kann. Im allgemeinen haben wir es mit einem umfangreichen 
spindelfbrmigen Gebilde zu tun, das, vom Genitalrande aus gerechnet, 
um etwa ein Viertel der Gliedbreite Oder mehr in transversaler Richtung 
nach innen zu bis fiber die Hauptl&ngsnerven der gleichen Seite hinaus 
vordringt. Als Lfinge des Cirrusbeutels habe ich beispielsweise in einer 
ausgewachsenen Proglottis 2,14 mm, als Breite ca. 150 // gemessen, 
wiihrend andererseits Scheibel (S. 24) das Verh&ltnis von Lange zu 
Breite mit 4 :1 angibt. 

Das Lumen variiert ebenfalls mit dem Kontraktionszustande; man 
findet nach Scheibel eine HOhle vor, welche durch zwei wulstartige 
Verdickungen der Ringmuskulatur in drei Abteilungen zerlegt wird. 
Die dem Genitalrande zunfichst gelegene Abteilung ist langgestreckt 
konisch, die beiden anderen sind mehr eiformig; die innerste (proximale) 
ist die groflte. Die distale Portion enthfilt lauter flaschenformige Drfisen- 
zellen, deren lange fadenfOrmige Ausfflhrgfinge, zu Bfindeln vereinigt, 
samtlich nach dem Genitalrande gerichtet sind. Diese Angaben treffen 
nur in beschranktem MaBe zu. Zunfichst ist immer der Entwicklungs- 
zustand des Organs ins Auge zu fassen, denn bei noch nicht in Tatigkeit 
getretenem Cirrusapparate liegen die Verhfiltnisse etwas anders. Der 
Cirrusbeutel ist mehr langgestreckt, so daB eine mittlere Abteilung fiber- 
haupt nicht hervortritt, auch ist die vordere oftmals ebenso groB wie die 
hintere, andere Male fehlt sie auch ganz. 

Der Hauptbestandteil des Cirrusbeutels ist seine machtig ausge- 
bildete Muskulatur mit ihren 2 Schichten: aufien liegt die Lfings- 
muskulatur, welche sich auch auf den Cirrus und in entgegengesetzter 
Richtung auf das Vas deferens erstreckt, innen liegt eine doppelt bis 
dreifach so machtige zirkulfire Schicht. Erstere hatte z. B. 12 //, 
letztere 38 // Durchmesser, so daB die gauze Muskelwand 50 // stark 
war. Eine direkte Beziehung zur allgemeinen Korpermuskulatur laBt 
sich ffir diese Muskeln nicht ermitteln. 

Nach innen von den Ringmuskeln, der homogenen Abgrenzung un- 
mittelbar anliegend, ist eine bei vollentwickeltem Genitale sehr ausge- 
breitete Schicht von kleinen lfinglich-ovalen Kernen vorhanden. Nach 
auBen sitzt dem Cirrusbeutel eine blasse Zellschicht auf. Diese Zellen 
sind 8—10 // groB, blasenformig und oft gestielt, ihr runder KOrper miBt 
4 //, es sind dies gewiB die Myoblasteu des Cirrusbeutels, denn Drfisen 


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Becker, Der Genitalapparat der Pferdebaudwiirmer. 


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kommen nicht in Frage, weil man keine Ausfiihrwege findet, Als weitere 
Umhiillung zeigt sich peripher von diesen Zellen eine breite belle Zone, 
welche ein groBmaschiges Fasergerflst mit vereinzelten Spindelzellen dar- 
stellt. Hier lassen sich wegen der auffallenden Zellarmut besonders leicht 
die Wimperzellen der Exkretionsorgane nachweisen. Dieses „Gallert- 
gewebe“ wird ringsum durch einen einfachen Muskelmantel aus 
Dorsoventral- nnd Transversalfasern abgegrenzt, welcher, im weiteren 
Umkreise der Papille entspringend, in ziemlick betrSclitlichem Abstande 
den Cirrusbeutel sowie die distalen Geschlechtswege, das Receptaculum 
und die Vesicula umhullt, bis er in die vordere Proglottisbegrenzung aus- 
lauft, wahrend die hintere yon Dorsoventralmuskeln allein gebildet wird. 
Eine wesentliche Aufgabe der Muskulatur durfte es sein, im gegebenen 
Moment den gesamten Cirrusapparat aus dem weit geoffneten Porus zu 
drangen, indem etwaige schadigende Druckwirkungen dieses Gewaltaktes 
durch das sehr nachgiebige (gallertige) Zwischengewebe paralysiert werden. 
Fiir letzteres hat Schaefer die treffende Bezeichnung „Polstermassen 
des Cirrusbeutels“. Schon die geringgradigen Bewegungen des Cirrus, 
das Strecken bei der Erektion sowie das Zuriickziehen nach der Kopu- 
lation, gehen in diesem Gewebe mflhelos von statten. Die Retraktion 
diirfte wohl durch die T&tigkeit der Eigenmuskulatur des Cirrus bzw. 
des Vas deferens erfolgen. 

Was die „Prostatazellen“ Scheibels anbetrifft, welche im 
distalen Abschnitt der Cirrusbeutelhohle vorkommen, so scheint ihr 
Ckarakter in der Tat ein driisiger zu sein. Auch ich habe eine Anzahl 
zu Bflndeln vereinigter Ausftihrungsg&nge an ihnen gefunden, die samt- 
lich nach dem Genitalrande gerichtet sind, wahrend man im proximalen 
Abschnitt der H6hle nur feine Muskelfasern vorfindet, welche aus dem 
Cirrusbeutel entspringen. 

Die eigentliche Fortsetzung des Vas deferens ist der Cirrus (cr) 
selbst oder vielmehr dessen proximaler Teil, der enge Ductus oja- 
culatorius, welcher in seinem feineren Bau durch nichts vom Samen- 
leiter verschieden ist. Dagegen ist die Lumenwandung des distalen Ab- 
schnittes mit zahlreichen Iiakchen besetzt, die etwas nach vorn ge- 
bogen, in gleichen Abstanden reihenweise angeordnet sind. Es ist dies 
der als Penis fungierende Teil des Begattungsapparates. Wenn die be- 
treffende Proglottis ihre voile Geschlechtsreife erlaugt hat, wird dieser 
als erstes aus der Kloake herausgestulpt, wobei nattirlich die Spitzen 
des Hakenbesatzes wie Widerhaken nach riickwarts gerichtet werden. 
Unter der hakentragenden Cuticula liegt eine Langsmuskelschicht, 
welche sich auch auf den inneren Abschnitt fortsetzt, so daB die Wand 
etwa 8 /t stark wird. Diese Wand wird im proximalen Teil sehr dehnbar 
und besitzt ein mehr oder weniger hohes Epithel, unter welchem die 
Langsfasern verlaufen; auch vereinzelte Ringmuskeln sind nachzuweisen, 
welche die Fortbewegung des Spermas unterstiitzen dflrften. In un- 
fertigem Zustande ist der Cirrus leicht geschiangelt; sein Inneres laBt 
schon die Stacheln und Leisten erkennen, welche sich von beiden Seiten 
her fast berOhren, wahrend spaterhin im Innern eine 50 /< weite Blase 
entsteht und nur noch eben die Wandleisten erkennbar bleiben. Der 
axiale Kanal ist verhaltnismafiig eng (4 fi) und weist in seinem mittleren 
Teil, etwas distal gegen den Hauptiangsnerven zu, eine Besonderheit im 
Bau auf, welche zuerst von BalB als eine Art „Ventilvorrichtung“ be- 
schrieben wurde. Es ist ein Klappenapparat, der das Cirrusrohr 
in seinem Verlauf an dieser Stelle unterbricht, so daB der~Cirrus bei 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


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der Begattung nur bis hierher in die Vagina eindringen kann. Die 
Innenwand erscheint wie zerteilt und biegt sich von beiden Seiten her 
wie 2 Sperrhaken in das Lumen hinein vor, so dafi eine Strecke weit 
nur ein feiner Spalt als Durchgang offen bleibt. 

Anoplocephala perfoliata. — Nachdem der Cirrus gerad- 
linig durch die proximale Wand des Muskelsackes getreten ist, liegt er 
in raehrere Windungen aufgerollt in dem lockeren Zwischengewebe, jedoch 
nicht ganz unabhfingig, wie Kahanemeint. Bei geschlechtsreifen Glie- 
dern streckt er sich mehr in die LSnge, indem der hintere Abschnitt, 
der Ductus ejaculatorius, keulenformig (bis 40 [x) anschwillt und sich 
dabei mit teils locker geballten, teils einzeln gruppierten Spermafaden 
anfiillt, wahrend der nach aufien belegene Abschnitt infolge des durch 
das „Ventil“ regulierten Spermadurchtrittes unverandert seine Weite von 
4 [i behalt. Diese Vorrichtung ist ebenso gebaut wie bei A. magna. 
Zschokke hat zuerst die histologischen Details am Cirrus klargestellt. 
Dieser ist innen von einer Cuticula ausgekleidet, welche reihenweise an- 
geordnete Stacheln tragt. Im proximalen Abschnitt werden diese mehr 
leistenartig verdickt und allm&hlich undeutlicher; am „Ventil“ beriihren 
sich die Leisten von beiden Seiten des engen Spaltes nahezu. Nach 
innen von der Cuticula folgt die Muskularis als eine etwa 4 [x starke Schicht 
von Fasern, die in der Ilauptsache die Langsrichtung einnehmen, also 
transversal verlaufen, nach aufien davon kommen auch zirkulare Fasern 
vereinzelt vor. Nunmehr folgt erne Zellschicht mit ovalen, mehr abge- 
platteten Kernen, welche in dem erweiterten Teile weit auseinander liegen. 
Den ganzen Umkreis des Cirrus erfiillt ein weitmaschiges Gewebe, in 
welchem man einzelne schrfig nach hinten an den Cirrusbeutel ziehende 
Muskelfasern erkennen kann. Der Cirrusbeutel ist nicht viel kfirzer als 
bei A. magna. Er erreicht fast 2 mm, seine Breite ist natfirlich ge- 
ringer — etwa 100 p.. Die Muskelwandung ist nur 12, hochstens 20 pc 
dick. Diese Muskulatur besteht aus aufieren LSngsfasern und sehr krfif- 
tigen inneren Ringfasern, auf diese legt sich innen eine Epithelschicht, 
welche derjenigen des Cirrus fihnlich sieht. Wahrend die Ringfasern 
gegen den Porus zu allmahlich aufhfiren, bilden die Langsmuskeln im 
Umkreise der Genitalpapille Verlangerungen, welche hier inserieren und 
zugleich mit der Erweiterung des Porus genitalis ein Hervorstiilpen des 
Cirrusapparates herbeifiihren konnen. In entgegengesetzter Richtung 
schlagen sich die Verlangerungen dieser Muskulatur auf Cirrus und Vas 
deferens fiber. Peripher habe ich bei A. perfoliata gar keine Myo- 
blasten mehr erkennen konnen, welche man sonst regelmfifiig antrifft. 
Dagegen fand ich bei einem Exemplar innerhalb der Ringmuskeln drei 
dunkelgeffirbte Kfirper vereinzelt liegen. Sie waren viel grofier als Zell- 
kerne, ob sie von Konkrementbildungen oder von eingedrungenen Para- 
siten herrtihrten, lieB sich nicht feststellen. Im distalen Abschnitt des 
Cirrusbeutels kommen gleichfalls bfindelartig angehaufte Zellgruppen 
mit fadenformigen Ausftihrungsgangen vor. 

An oplocephala mamillana. — Der fiberall gleichmaBig gebaute 
Cirrus trfigt ziemlich lange Hakchen, die in gleichen Abstanden und 
schrag verlaufenden Spiralreihen auf der dunkel gefarbten homogenen 
Cuticula angeordnet sind. Letztere ist nur 1 fx stark. Durch einen 
schmalen hellen Saum getrennt, liegt nach einwarts die aus Langsfasern 
bestehende Muskularis und darauf folgt, dem Lumen des Cirruskanales 
zugekehrt, ein niedriges Epithel aus platten Zellen mit ovalem Kern. Die 
ganze Wand hat 10 [t Stfirke, das Lumen 7 jx. Der Ductus ejaculatorius 



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Becker, Der Genitalapparat der Pferdebandwiirmer. 493 

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ist weiter, er erreicht manchmal 40 p. und enthalt oft Sperma, welches 
durch das Ventil portionsweise abgegeben wird. Ini iibrigen ist der Bau 
dieses Organes, wie er oben beschrieben wurde. Die Cuticulastacheln 
sind hier durch breite Leisten ersetzt. Der Cirrus liegt vorerst in leichter 
Schl&ngelung, spater streckt er sich in der LSngsrichtung. Er ist eben- 
falls von einera weitmaschigen Gewebe umgeben, welches spindelfbrmige 
(Parenchym-)Zellen enthalt; Muskelfasern habe ich darin trotz spezifischer 
F&rbungsmethoden nicht angetroffen. 

Die Muskelhiille des Beutels hingegen ist sehr stark entwickelt, 
so daB die MaBe hinter den beiden anderen Arten kaum zuriickbleiben. 
Im kontrahierten Zustand habe ich eine L&nge von 1,8 mm gemessen, 
die Breite kann 180 p. erreichen. Zschokke stellte fest, daB dieses 
Organ die Halfte der Gliedhohe und etwa ein Fiinftel der Breite ein- 
nimmt. Die Dicke der Muskelwand sch&tze ich auf 25 p., wobei 5 p. auf 
die SuBere Langsmuskulatur, 20 p. auf die inneren Ringfasern entfallen. 
Die letzteren sind mehrfach ins Innere vorgebuchtet, so daB der Hohl- 
raum in drei Kammern von runder Oder ovaler Gestalt zerlegt wird. 
Die Innenwand des Cirrusbeutels ist rings mit flachen polygonalen Epithel- 
zellen belegt. 


Der weibliche Genitalapparat. 

Die Bestandteile des weiblicheD Geschlechtsapparates sind folgende: 
Vagina nebst Receptaculum seminis, die verschiedenen Genitaldrflsen 
sowie das zugehorige System der Ausftihrwege, als Endstadium resultiert 
der mit Embryonen gefiillte Uterus. 

Vagina und Receptaculum seminis. 

Anoplocephala magna. — Analog den anatomischen Verhait- 
nissen am Cirrusapparat kann man an der Vagina (vy) ebenfalls zwei 
Abschnitte unterscheiden: einen SuBeren (distalen), dem Begattungsakt 
dienenden und einen inneren (proximalen), welcher das aufgenommene 
Sperma in das Receptaculum seminis weiterleitet. Die marginale Aus- 
miindung der Vagina in den hinteren Teil des gemeinsamen Atriums er- 
folgt, wie oben beschrieben wurde, nicht unmittelbar hinter der Cirrus- 
offnung, sondern etwas mehr der Ventralfl&che zugekehrt. Anfangs sehr 
eng, erweitert sich der Kanal ein wenig und verl&uft nun in querer 
Richtung parallel zum Cirrusbeutel direkt hinter diesem. 

Der erste Abschnitt ist von Antang an mit einem s tarken Muskel- 
belag ausgestattet, vor allem sind viele transversale Fasern vorhanden, 
welche von Ringfasern durchkreuzt, sich teilweise auch noch auf den 
hinteren Teil der Vagina fortsetzen. Peripher liegt dem ca 12 p. dicken 
Muskelmantel eine einschichtige Lage kubischer oder ovaler mit zahl- 
reichen Plasmaforts&tzen versehener Zellen auf, welche ihrer Form und 
Grofle nach als My o bias ten zu deuten sind. Das ganze Organ hat 
ungefahr 60 p. Langendurchinesser und ist in dem gleichen „Gallert- 
gewebe“ eingebettet wie der Cirrusbeutel. Das Lumen des Vaginal- 
trichters wechselt je nach der Entwicklungsstufe der betreffenden Pro- 
glottis. Bei vollentwickelten Gliedern habe ich einen lichten Durchmesser 
bis zu 8 p, ermittelt, in jungen Gliedern ist er bedeutend enger und 
oftmals korkzieherartig gewunden, in einer dicht anliegenden Muskel- 
hulle gelegen. Im Innern dieses Kanales erkennt man leicht die feine 
parallele Strichelung, richtiger Cilienbildung derCuticula, welche ins- 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


gesamt 4 p. stark ist. Mit weiterschreitender Entwicklung verschwinden 
die Schraubenwindungen der Cuticula, nur die leistenartigen Ver- 
dickungen bleiben darin auch weiterhin noch mehr Oder weniger deut- 
lich erhalten, wenn schon das Receptaculum mit Sperina gefQllt ist. 
Noch spater ist sogar der muskulfise Teil der Vagina an seinem hinteren 
Ende mit Sperma vollgepfropft, so daB er Spindelform annimmt. 

Der Uebergang zum proximalen Abschnitt der Vagina ist zuerst 
etwa 120 p. weit, indem er sich aber dem dorsalen Rande des Mittel- 
feldes n&hert, weitet er sich immer mehr aus zu einem langen wurst- 
artigen Gebilde, welches nunmehr in einigen schwachen Windungeu 
schrag nach der Mitte der Proglottis geht, urn sich in seinem End- 
abschnitt zu einem eiformigen SpermabehSlter, dem Receptaculum 
seminis ( rs ), aufzubl&hen. Dieses berfihrt schlieBlich den ventralen 
Rand des Mittelfeldes, sein Querdurchmesser iiberschreitet also 1 mm. 
Wahrend sich die Cuticula auf den inneren Vaginaabschnitt fortsetzt, 
ist sie im Receptaculum wegen der starken Druckspannung kaum noch 
deutlich. Ferner befinden sich im Innern zahlreiche spindelformige 
Zellen mit 4 p. groBen Kernen, welche bei st&rkerer Ffillung der ein- 
zelnen Abschnitte abgeplattet werden und dann entsprechend weiter aus- 
einanderriicken als in den engeren Teilen. Auch vereinzelte Langs- 
muskeln habe ich unter der Cuticula noch wahrgenommen, die erst mit 
deni Uebergang in das Receptaculum verschwinden. Im Innenraum 
desselben liegen die Spermamassen entweder als einzelne Faden isoliert 
oder zu verschieden groBen wetzsteinformigen Patronen vereinigt. 

Median ffihrt der Samenbehalter in den engen, cilientragenden 
Samengang (sg), indem sich dessen einschichtiges, kubisches Epithel 
eine kurze Strecke weit in das Receptaculum fortsetzt, gleichsam sich 
fiber die Wandzellen des hinteren Pols hinfiberschiebend, weiterhin findet 
man solche Zellen nicht mehr. 

Anoplocephala perfoliata. — Auch hier liegt im Genital- 
atrium die Oeffnung der Vagina ventral nach hinten zu vom Cirrus- 
eingang. Von dort verlauft der Vaginalkanal im allgemeinen parallel 
zur Langsachse des Cirrusbeutels. Nach kurzem geraden Lauf erfolgt 
eine betrfichtliche Erweiterung und zugleich eine Drehung der Langs¬ 
achse in dorsolateraler Richtung, so daB das nun entstandene spindel- 
fdrmige Receptaculum seminis in einem auBen und vorn offenen Winkel 
von der ursprfinglichen Richtung der Vagina abgebogen ist. Median 
verlauft ein enger Kanal, der Samengang, der sich weiterhin mit dem 
Keimgang vereinigt. 

Vagina und Receptaculum bilden ein einheitliches Ganzes, an welchem 
man histologisch zwei Abschnitte unterscheiden muB, einen distalen 
muskulosen und einen proximalen Teil. Die Muskulatur der Vagina ist 
nicht besonders kraftig entwickelt (nur einige /t stark), zu innerst sind 
wenige Ringfasern, auBen Lfingsmuskeln in dtinner Schicht vorhanden. 
Die innere Auskleidung des 10—30 n weiten Kanales geschieht durch 
eine leistentragende Cuticula, unter welcher im proximalen Abschnitt 
deutliche Epithelzellen liegen. Kahane hat die Chitinleisten nicht ge- 
sehen, weist aber (S. 228) auf einen analogen Befund von Sommer 
bei anderen Tanien hin, halt also ihr Vorkommen auch bei A. per¬ 
foliata ftir wahrscheinlich. Nach auBen von der Muskulatur sind groBe, 
spindelformige Myoblasten um Vagina und Receptaculum gelagcrt. Die 
Weite des Receptaculums schwankt zwischen 70 /ti in leerem und 150 u 
in geftilltem Zustande. Das Sperma hat hier die Gestalt von linsen- 


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Becker, Der Genitalapparat der Pferdebandwiirmer. 


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formigen Patronen Oder festen Ballen, was schon Kahane auffiel. Der 
Samengang besitzt ein einfaches Wimperepithel, welches auf oben be- 
schriebene Weise in das Receptaculum iibergeht, ferner L&ngsmuskeln 
und Myoblasten. 

Anoplocephala maraillana. — Die Vagina mundet als ein min- 
destens 6 fx weiter Kanal hinter dem Cirrus in die Geschlechtskloake; 
ihr Gesamtdurchmesser betragt 25 (.i. Nur am Eingang verengert, bildet 
sie nach einer leicht bauchigen Erweiterung ein gleichbleibendes, etwas 
gekrfimrates Rohr mit dicker Cuticularwand. Der nach auBen gerichtete 
Cilienbesatz ist sehr stark ausgeprfigt, als Grundlage ftir ihn kommen 
Epithelzeilen in Betracht, deren Kerne in jungeren Gliedern als feine 
Punktreihe unter der Cuticula sichtbar sind. Nun folgt zunachst eine 
feine L&ngsmuskulatur, dann eine etwas st&rkere Ringfaserlage, die zu- 
sammen eine Dicke von 4 /t repr&sentieren; ganz auBen liegen eben- 
solche Myoblasten, wie sie den Cirrusbeutel umhiillen. 

Im proximalen Abschnitt besteht die epitheliale Wandbekleidung 
aus Spindelzellen, wie sie sich mehr verstreut auch in dem stark er- 
weiterten Teil, im Receptaculum seminis, vorlinden. Die GroBe dieses 
Behalters betragt in gefiilltem Zustande etwa 90 :50 (Lange zu Breite); 
es ist also eine ovale (oder birnformige) Blase, welche den mittleren 
Raum der Proglottis zwischen Cirrusbeutel und Keimstdcken einnimmt, 
davor liegt das Vas deferens, dahinter Teile des Dotterstockes. Muskel- 
bekleidung (allerdings sind nur LSngsfasern deutlich) und Wimperung 
fehlen auch hier nicht. Das Sperma liegt dicht geballt, jedoch sind 
seine Elemente noch deutlich erkennbar. Am proximalen Pol des Re- 
ceptaculums erfolgt der Uebergang in den mit hohem Wimperepithel 
ausgekleideten Samengang, dessen Langsmuskeln ohne Unterbrechung 
weiterlaufen. 

Die weiblichen Genitaldrilsen (Eierstock, Dotterstock, 

Schalendrfise). 

Anoplocephala magna. — Das Ovarium (ov) baut sich aus 
zahlreichen blinden Schlfiuchen auf, welche durch ihren Ausfiihrungs- 
gang und die eingeschobenen Driisen (Dotterstock und Schalendriise) in 
zwei ungleiche Portionen geteilt werden und im Querschnittsbilde mit 
ihrer Basis dem ventralen Rande der Proglottis benachbart sind. Die 
kleirlere Portion ist dem Genitalrande zugewandt, w&hrend die groBere 
median vom Dotterstock gelegen ist. Durch Zahlung ermittelte ich 80 
bis 120 Blindschl&uche, von ersteren 20—30, von letzteren 60 —90. Die 
einzelnen ungefahr 90 /.i breiten Schliiuche sind an ihrem blinden Ende 
etwas breiter. Sie verlaufen in dorsoventraler Richtung einander parallel 
zu einer langen Reihe gruppiert und fiihren s&mtlich am ventralen Rande 
in den zweiarmigen Sammelgang {oil). Ihre Sonderung voneinander 
erfolgt durch einzelne Dorsoventralfasern, indem sich diese an 
ihre Wandung legen. Letzteres ist eine feine kernlose Membran; wenn 
Scheibel (S. 27) Kerne erwahnt, so vermute ich eine Verwechslung 
mit Muskelquerschnitten. Der Inhalt der Eierstockfollikel besteht aus 
Eizellen, welche sich aus kleinen (5 /*, Kern 2 /.i) dicht verteilten 
Zellen durch ZusammenflieBen des Protoplasmas entwickelt haben, so 
daB die fertigen Eizellen sich sowohl durch ihre betrSchtliche GroBe von 
12 n, als auch durch ihren bltischenformigen, 8 f.i groBen Kern aus- 
zeichnen. Letzterer ist in einem kornigen, blassen Plasmaleib gelegen, 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


auBerdem laBt sich darin zuweilen ein typischer, dunkel gefSrbter, runder 
Nucleolus feststellen, wie er auch im fertigen Ei angetroffen wird. Mit 
dem Weitertransport der Eier entsteht nun im Innern der Schlauche 
kein leerer Hohlraum, die Wandung faltet sich vielmehr, bis schlieBlich 
aller Raum durch die Uteruserweiterungen in Anspruch genommen wird. 

Der Dotterstock ist am meisten dem hinteren Gliedrande zu- 
gekehrt. Er liegt in der N&he des Receptaculums und zerfallt in zahl- 
reiche halbkugelige Lappen, welche an ihrer Basis miteinander in Ver- 
bindung stehen. Insgesamt mogen 25—30 solcher Foilik el vorhanden 
sein. Ihre Wandung besteht gleichfalls aus einer homogenen Membran, 
auch hier hat Scheibel Kerne vermutet. Der Inhalt der hohlen Fol- 
likel setzt sich aus unzahligen, bis 5 /u groBen Dotterzellkugeln 
zusammen, denen ein halbmondformiger Kern (1,5 ju) aufliegt. Oft 
sind die gelben Dottermassen zu groBen Klumpen bzw. Ballen vereinigt 
und bilden eine eigentiimlich fettartig glanzende Masse, in welcher die 
Kerne gleichmaBig eingelagert sind, umgeben von einem schmalen 
helleren Hof. Die Trennung der einzelnen Follikel besorgt ebenfalls 
die Dorsoventralmuskulatur des Korpers. 

Die dritte Genitaldriise ist die Schaleudriise ( Sckd ), ein Organ, 
welches nahezu im Zentrum des Gliedes gelegen ist, rings umschlossen 
von Dotterstock, Eierstock uud Receptaculum. Es ist ein kugeliger 
Zellhaufen von 90—100 (.i Durchmesser, welcher das Ovidukt in seinem 
Endteil rings umhiillt und sein Sekret aus langgestielten flaschen- 
fOrmigen Zellen direkt in diesen Kanal leitet. Die Zellen sind etwa 
15 |U lang und besitzen ein hell-opakes Protoplasma sowie einen ahnlich 
gestalteten Kern von 5 /.i GroBe. Sammelgange sind nicht aufzufinden. 
Man sieht besonders auf Quer- und Fl&chenschnitten, wie das hier durch- 
tretende Ovidukt bauchig ausgeweitet ist. Bemerkenswert sind ferner 
kleinkernige Zellen, welche in mehreren Reihen den Eileiter konzentrisch 
umgeben und somit Schalendriisenzelleu und Eileiterepithel trennen. 
Scheibel (S. 29) vermutet schon das Vorkommen dieser 3 /.i groBen 
Zellen mit ihren 1,5 n groBen Kernen. Ich halte sie fur Myoblasten 
der Eileitermuskulatur. 

Anoplocephala perfoliata. — Die Anzahl der 0varialschlSuche 
betrSgt 70—100, davon gehoren ungefahr 50—80 zur medianen, 20—30 
zur lateralen Gruppe; sie sind bis zu 150 f.i lang und erreichen jede 
einen Querdurchmesser von 40 //. Innen liegen einzelne kleine ovale 
Zellen mit deutlich gefarbtem Kern der diinnen, strukturloseh Wand 
unmittelbar an, wiihrend sich in dem inneren Hohlraum groBe kugelige 
Eizellen in verschiedenen Reifezustanden vorfinden; die kleinsten sind 
6 n, die grSBten bis zu 15 groB, ihre Kerne 3—6 fx mit deutlichen 
Nukleolen. Die Anordnung der Parallelschlauche ist ahnlich derjenigen 
bei A. magna, also senkrecht zu dem am ventralen Gliedrande inner- 
halb der Transversalmuskulatur hinlaufenden Sammelkanal, den Ovarial- 
gang, dessen Wandung die gleiche Beschaffenheit wie diese besitzt. In 
diesem Kanal kann man haufig groBere Eiballen antreflfen. 

Die 5 — 8 Lappen des Dotterstockes werden durch dorsoventrale 
Muskeln in weitere halbkugelige Lappchen zerteilt. Eine zarte homo¬ 
gene Membran bildet ihre Hiille, wahrend der Inhalt aus stark licht- 
brechenden, 6 n groBen Dotterkugeln besteht, denen je ein 3 ^ groBer 
Kern anliegt. 

Kahane hat die Schalendriise kaum richtig erkannt. Das 70 bis 
100 /t groBe Zellkouglomerat umhiillt den Eileiter median vom Recepta- 


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Becker, Der Genitalapparat der Pferdebandwurmer. 


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culum kugelartig. Die eigentlichen Driisenzellen sind 10 /i groB, flaschen- 
formig, im Querschnitt polygonal, so daB ein rundes Maschennetz ent- 
steht, in welchem l&ngliche, etwas eckige Kerne von 4 /< GrbBe vor- 
kommen, welche von einem silbergl&nzenden Plasma umgeben sind. In¬ 
mitten der Druse liegt das Ovidukt mit seinem hohen, rundkernigen 
Zylinderepithel und der umgebenden Ringmuskulatur, dazwischen noch 
eine einfache Schicht kleiner Myoblasten von 4 n GrbBe (Kerne 2 /<). 

Anoplocephala mamillana. — Fur die Form des Eierstockes 
gebraucht Zschokke das Bild eines Fachers, welcher mit seiner Basis 
den hinteren Rand der Proglottis beriihrt, an seine Peripherie grenzen 
Cirrusbeutel, Vesicula seminalis, Vas deferens und Hoden, wahrend 
Dotterstock und Schalendruse im Zentrum liegen. Es sind im ganzen 
etwa 20—30 Blindschlauche von 200— 350 p Lange und 50 /u mittlerer 
Breite vorhanden, die sich im Fundusteil etwas erweitern, an der Basis 
verengern, wo dann die Vereinigung in den transversalen Sammelgang 
erfolgt. Die Histologie der Schlauche zeigt nichts Besonderes. In einer 
homogenen Membran liegen Keimzellen auf verschiedener Entwicklungs- 
stufe, je nach dem Alter der betreffenden Proglottis, doch schon vom 
22. Gliede an sind sie durch beschalte Eier verdrangt. Die grSfiten 
Eizellen messen 20 im Durchmesser, ihr Kern bis zu 10 //; das 
Plasma ist blaB und kornig, es enthalt Chromosomen und Mitosen. 

Am meisten ventral von alien Drtisen liegt der kompakte, nieren- 
formige Dotterstock. Er hat 300 /t Durchmesser, wird peripher von 
Eierstockschlauchen uberragt, lateral grenzt er mit seiner homogenen 
Wand an das Receptaculum seminis. Die Dotterkugeln sind 6 /u groB, 
stark lichtbrechend, gelblich-braun gef&rbt und haben einen Kern von 
2,5 j u, welcher sich durch einen halbmondformigen hellen Hof vom 
Dotter abhebt. Auch groBere Zusammenballungen von Dotter und 
isolierte Kerne findet man ofters. 

Die Schalendruse hat bis 120 ii Durchmesser insgesamt und setzt 
sich aus 10 /.i groBen Spindelzellen von polygonalem Querschnitt zu- 
sammen. Ihre runden Kerne sind fast 5 /t groB. Auf Querschnitten 
sieht man, daB der von den Zellen kranzartig umgebene Eileiter durch 
Muskulatur betrSchtlich verdickt ist. Die Myoblasten, welche nach auBen 
folgen, sind 4 groB, ihre Kerne 2 u. 

Das System der weiblichen Ausfflhrwege. 

Anoplocephala magna. — Alle Organe des weiblichen Genital- 
apparates stehen durch ein kompliziertes System von Leitwegen mit- 
einander in Verbindung. Wegen Einzelheiten flber Lage, Verlauf und 
Bauart kfinnen vor allem Querschnittserien guten AufschluB geben. Das 
Receptaculum seminis befordert seinen Inhalt, das Sperma, durch den 
Samengang ( sg ) zu dem vom Ovarium kommenden Keimleiter (A7). 
Von dieser Stelle an heiBt der gemeinsame Kanal „Befruchtungs- 
kanal“ ( Bk ), da hier die Vereinigung von Ei- und Samenzelle vor sich 
gehen diirfte, eine andere Benennung ist Ootyp. Nunmehr zieht dieser 
Gang quer durch die Schalendriise, zugleich den Ausfilhrungsgang des 
Dotterstockes, den von diesem in dorsaler Richtung abgehenden kurzen 
Dottergang ( Dt) in sich aufnehmend, und ffihrt schlieBlich als ge- 
rader U ter in g an g {vy) die fertigen, mit reichlichem Dottermaterial 
ausgestatteten und beschalten Eier zum Uterus ( i<t ). 

Unmittelbar an der Grenze von Mark- und Rinderschicht, und zwar 
im mittleren Teil der Ventralfl&che der Proglottis, findet die Vereinigung 
Erste Abt. Orig. Bd. 88. Heft 6. 32 


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498 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 

der beiderseitigen Eierstocksgfinge ( nd ) statt. Hier liegt auch das dorsal 
aufsteigende, etwas erweiterte Anfangsstilck des Keimleiters als ein innen 
trichterffirmiges, dorsal halbkugelig gewolbtes Muskelorgan, das man den 
„Schluckapparat u ( Sch ) genannt hat. Die physiologische Aufgabe 
des Schluckapparates besteht darin, aus dem Eierstock aktiv die Eizellen 
in den GSngen weiterzubefordern, etwa nach Art einer Saug- und Druck- 
pumpe, bis sie in den Uterus gelangen. Der Eileiter ist von einem ein- 
fachen Epithel (4 //, Kerne 2 //) ausgekleidet und mit Eizellen locker 
angefiillt, seine Wand ist im iibrigen nur schwach rauskulos. Der 
Schluckapparat hingegen besteht aus zwei starken Muskelwfinden, denen 
von auBen her Myoblasten, d. h. Zellen von 3 (.i Grofle (Kerne 1,5 /<), 
von innen Epithelzellen mit einer deutlich verstSrkten Innenmembran 
aufliegen. Die Muskulatur (2—3 /.i) hat wiederum zwei Schichten, eine 
fiuBere LSngs- und eine ziemlich kraftige, innere Ringfaserlage. Die 
Lfingsmuskeln setzen sich fiber das ganze Gangsystem fort, welches zum 
groBen Teile zwischen den beiden Hauptlappen des Dotterstockes ein- 
geschlossen wird, von hier an ist ferner ein gegen den Uterus gerichteter 
Cilienbesatz an der Innenwand der GSnge deutlich erkennbar. Ein 
Kanallumen bleibt dazwischen kaum mehr erhalten. 

Der vom Receptaculum kommende Samengang (Ductus spermaticus) 
besitzt als innere Auskleidung die auch diesem in frfiherem Stadium 
zukommende Epithelschicht. Die Uebergangsstelle ist sehr eng, wie 
ein Ventil, dann erfolgt eine geringe Erweiterung des Kanales. Seine 
Muskulatur geht als Fortsetzung aus der groBen Blase hervor, auch 
Myoblasten fehlen nicht, ferner ist an der Innenwand ein Cilienbesatz 
anzutreffen. Der Verlauf des Kanales ist zunfichst rein transversal, 
dann bildet er am hinteren Rande des Receptaculums eine kleine rtick- 
lfiufige Schleife, danach geht er am medialen Rande dorsalwfirts bis er 
den Keimleiter erreicht hat. 

Der Dottergang zeigt ganz fihnliche Bau- und GroBenverhaltnisse 
wie die anderen Gfinge; er mtindet noch innerhalb der Schalendrfise in 
den Befruchtungskanal. Der vereinigte Kanal geht nunmehr dorsal, bis 
er unter leicht trichterformiger Erweiterung vom mittleren Teil des 
Uterus aufgenommen wird, ohne daB eine scharfe Grenze in der Epithel- 
wand deutlich wird. 

Anoplocephala perfoliata. — Kahane hat noch kein klares 
Bild von dem Verlauf der Gonodukte, denn S. 233 z. B. spricht er von 
einem „Schalendrflsengang, der mit dem Samentaschengang in den ver- 
einigten Eierstocksgang mflndet“. Tats&chlich findet sich in dem zwischen 
Receptaculum und Dotterstock eingeschlossenen Raum ein dem obigen 
vfillig entsprechendes Gangsystem. Der Schluckapparat hat eine Lfinge 
von 30 n, eine Maximalbreite von 20 //, das Lumen der Kanalc betragt 
hier unverandert 3 //, die Muskelwand jedoch wird bis zu 6 n stark. 
Das Epithel ist das gleiche wie im Ovidukt, aufierdem liegt noch auBer- 
halb der LSngsmuskulatur eine einfache Schicht von Myoblasten. Der 
Samengang besitzt ein ausgesprochenes Wimperepithel mit 4 /u langen 
Cilien, runden Kernen und dunklem Plasma, aufierdem feine Langs- 
fasern. In seinem kurzen Verlaufe gelangt er ebenfalls mit einer leichten 
Schlingenbildung zum Befruchtungskanal. 

Anoplocephala mamillana. — Auf die getrennten Ausmfin- 
dungen der einzelnen Drfisen in den Eileiter hat schon Zschokke 
aufmerksam gemacht. Der grofite Teil der Gfinge verlfiuft in der Quer- 
ebene, doch konnte ich keine wesentlichen Abweichungen gegenfiber 


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Becker, Der Genitalapparat der Pferdebandwiirmer. 


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den beiden anderen Arten feststellen, selbst die MaBe fiir den Schluck- 
apparat stimmen uberein; die Form dieses Organes erscheint allerdings 
mehr langlich, was moglicherweise durch den jeweiligen Muskelzustand 
bedingt sein konnte. Das Gangepithel ist fiberall von derselben Be- 
schaffenheit, 4 // hoch (Kerne 2 /r); die Cilien des Epithels sind 3 
lang, die Myoblasten auBerhalb der Lfingsmuskulatur ungeffihr ebenso groB. 

Uterus und Eier. 

Anoplocephala magna. — In ungeffilltem Zustande besteht 
der Uterus aus einer einfachen Rohre, welche aus einera soliden Zell- 
strang hervorgegangen ist. Er durchzieht den mittleren Teil der Pro¬ 
glottis in querer Richtung, nahe am Cirrusbeutel beginnend, bis zu den 
HauptlfingsgeffiBen der Gegenseite. Das Rohr hat etwa 70 ft Durch- 
messer und ist von einer diinnen Mem bran sowie von einer E p i t h e 1 - 
tapete ausgekleidet, welche aus rundlichen Oder kubischen, 4 ft groBen 
Zellen mit verhfiltnismfifiig groBeu Kernen aufgebaut wird und noch eine 
schwache Ringmuskulatur sowie lockeres Bindegewebe (Scheibel) be- 
deckt. Mit zunehmendem Fiillungsgrad des Uterus wird das Epithel 
flacher, die Entfernung der Zellen voneinander groBer. Der In halt 
besteht aus befruchteten Eiern und Embryonen. Diese weiten das Lumen 
immer mehr aus, so daB der Querdurchmesser bald 200 ft Uberschreitet. 
Zuerst zeigen sich halbkugelige Ausbuchtungen, die immer linger werden 
und schliefilich zu beiden Seiten des ursprfinglichen Uterusrohres fiber 
50 lange Blindschlauche bilden und damit fast den ganzen Raum 
des Gliedes ausffillen. Die Trennungswande zwischen den Schlfiuchen 
werden ganz dunn und enthalten moistens nur noch ExkretionsgeffiBe 
und degenerierte Muskelfasern, die fibrigen Organe — ausgenommen 
Cirrusbeutel und Receptaculum seminis — haben sich inzwischen langst 
ruckgebildet. 

Die Eier der Anoplocephala -Arten hat schon Wed 1 (1855) ge- 
nauer untersucht. Ffir E. Blanchard (1848) ist die verschiedene Be- 
schaffenheit der Eier ein Hauptgrund mit zur Abtrennung der Gattung 
Anoplocephala von der groBen Gattung Taenia gewesen. 
Leuckart wollte sogar eine Artdiagnostik auf die feineren Unterschiede 
der verschiedenen Cestodeneier basieren, andererseits hat aberMoniez 
(1891) darauf hingewiesen, daB z. B. auf ihre fiuBere Gestalt (speziell 
bei Anoplocephalen) kein allzu groBes Gewicht zu legen ist, weil po- 
lyedrische und sphfirische Formen unmittelbar nebeneinander vorkommen. 

Bei Anoplocephala magna liegen die bereits in Entwicklung 
begriffenen Eier in groBer Anzahl fast gleichmfiBig verteilt in den Aus¬ 
buchtungen des Uterus, dessen Wandungen nunmehr septenartig in den 
Innenraum der reifen Proglottiden vorspringen. Die Eier haben eine 
ovale, bisweilen polyedrische Gestalt, sind etwa 70—80 groB und be- 
stehen aus den Eihfillen, dem Dotter und dem Embryo. 

Die farblose Schale, welche von den Schalendrfisen abgesondert 
wurde, ist sehr hinffillig und bald vollig verschwunden, urn so mehr treten 
dann die 3, oft stark gefalteten Embryonalhfillen in Erscheinung. 
Die fiuBere Hfille ist fest und dick, die mittlere meist in Falten gelegt 
und dicht an die erste angeheftet, wfihrend die innerste einen oder zwei 
Embryonen umhflllt. Sie trfigt an dem einen Pol einen kurzen Stachel, 
an dem anderen ein Paar Haken von 6—8 ft Lange, die wie ein Vogel- 
schnabel mit ihren Spitzen konvergieren, sich im fibrigen aber nicht be- 
rflhren. Dies ist der „birnformige Apparat“ der Autoren. Im 

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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 6. 


Innern dieser stark farbbaren Schale liegt eine kornige, abgeplattete 
Masse, der in Dotterkornchen eingeschlossene Embryo von etwa 8 /< 
Langendurchmesser. Auch zwischen auBerer und mittlerer Hfille trifft 
man stets einzelne Dottergranula an. Am Embryo gewahrt man die 
6 Embryonalkakchen, welche zuerst von Dujardin (1845) be- 
obachtet wurden, wahrend Wedl (1855) als erster den birnformigen 
Apparat beschrieb. 

Das weitere Schicksal der Embryonen ist uns noch gfinzlich unbe- 
kannt, da wir fiber die Entwicklung der Pferdetanien absolut nichts wissen, 
nicht einmal einen Zwischenwirt kennen, wiewohl ein solcher zweifels- 
ohne in Frage kommt. Vielleicht haben alle 3 Arten sogar den gleichen 
Zwischenwirt, das auffallend haufige Vorkommen mehrerer Arten gleich- 
zeitig deutet darauf bin (vgl. Schwallenberg 1869, Graf 1904, 
Larisch 1917, Becker 1920). 

Anoplocephala perfoliata. — Das ungeftillte Uterusrohr ist 
etwa 16 /i breit; seine Epithelien sind 5 // hoch bei einer KerngroBe 
von 2,5 ft. SchlieBlich wird aber die fortschreitende Anfflllung mit Ge- 
schlechtsprodukten so stark, daB man auBer einzelnen Parenchymzacken, 
welche wie die Knocheninseln bei einer Karies (Kahane) hervorragen, 
keine Struktur mehr an der zusammenhangenden Uterushohle wahr- 
nehmen kann. 

Die reifen Eier haben entweder langlich-ovale Gestalt (Lange 70, 
Breite 65 ft) Oder sie sind tetraedrisch (78:50 /<)• Diese Form dtirfte 
wohl weniger durch Schrumpfung als durch gegenseitige Abplattung der 
im geffillten Uterus stark zusammengedrfickten Eier entstanden sein, 
denn Dujardin fand sie auch bei frischen Objekten, was Kahane 
(p. 226) ausdrticklich betont, ohne selbst Untersuchungen anzustellen. 
Wedl hat die 3 Embryonalhfillen sowie die AnhSnge richtig erkannt. 
Die fiuBerste, feste Schale ist glfinzend und oft in der Lfingsrichtung 
gefaltet; die mittlere feine Hfille liegt ihr dicht an, wfihrend die innerste 
lebhafte Ffirbung und den typischen birnformigen Apparat aufweist. 
Hier sind die beiden Spitzen des einen Pols etwa 16 // Iang; am ent- 
gegengesetzten Ende befindet sich ebenfalls ein feiner Stachel. Der 
12 ft groBe Embryo mit 6 Embroyonalhakchen und vielen Dotterkugeln 
schimmert deutlich durch die innere Hfille hindurch. 

Anoplocephala mam ill ana. — Die Wandzellen des primaren 
Uterus sind 6 /< hoch, ihr Kern miBt 3,5 ft. Indem sich die Epithelien 
abplatten und ihre Kerne auseinanderrficken, erscheint die homogene 
Membran sowie die schwache Muskularis noch mehr gespanut. Die 
Ausweitungen des Uterus beginnen etwa am 16. Gliede in der Weise, 
daB 36—42 Blindsacke in 2 Reihen von dem zentralen Hohlraum ab- 
zweigen. Der Druck der Embryonen vernichtet bald alle feineren 
Strukturen. 

Trotz der geringen GroBe der Art sind ihre Eier keineswegs kleiner. 
Ffir ovale Formen fand ich 70:65 ft, wahrend Zschokke 88:50—60// 
angibt, was auf verschieden starken Druckverhaltnissen im Innern des 
Uterus beruht; auch kommen Tetraeder von 70:40 ft vor. Von den 
3 Hfillen liegt die mittlere, stark gefaltete, immer dicht an der SuBeren, 
wahrend sich die dunkle Innenhaut (18 /< Durchmesser) eng urn den 
12 ft groBen Embryo legt. Die beiden langen Spitzen des birnformigen 
Apparates messen fast 30 //. Der Embryo ist von Dotter umgeben, 
doch kommen, wie Zschokke betont, schon zwischen der inneren und 


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Simons, Saprophytische Oscillarien des Menschen und der Tiere. 


501 


mittleren Htille Dotterkugeln vor, ferner liegen an dem einen Pol des 
Embryo paarweise angeordnet die 6 Hakchen. 

Literatur (Erganzungen). 

Becker, R., a) Die auflere Gestalt der Pferdebandwiirmer. (Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Orig. Bd. 87. 1921. S. 110—118. Lit.). — Ders., b) Weitere Beitriige zur 
Anatomic der Pferdebandwiirmer. (Ebenda S. 216—227.) — Deiner, E., Anatomie 
der Anoplocephala latissima n. sp. (Arb. Zool. Inst. Wien. Bd. 19. 1911. S. 347—372. — 
Wedl, K., Zur Ovologie und Embryologie der Helminthen. (Sitzungsber. K. u. K. 
Akad. d. Wissensch. Wien. Math.-naturw. Kl. Bd. 16. 1855. S. 371—395.) 


Nachdruck verboten. 

Saprophytische Oscillarien des Menschen und der Tiere. 

[Aus dem Hygienischen Institut der Universittit Koln (Direktor: Prof. 

Dr. Reiner Mtiller).] 

Von Dr. phil. nat. Hcllmuth Simons, Dtisseldorf. 

Mit 3 Abbildungen im Text. 

In den nachstehenden Zeilen wird fiber eine Gruppe von Mikro- 
organismen berichtet, die wohl jedem Protistenforscher und Botaniker 
bekannt sind. Die medizinischen Bakteriologen, Tierarzte und Zoopara- 
sitologen aber, die hauptsfichlich als Leser der I. Abteilung dieses Central- 
blatts in Betracht kommen, beachten diese Organismen im allgemeinen 
nicht. Sie sollen, trotzdem sie eigentlich botanische Objekte sind, hier 
besprochen werden, weil einige Saprophyten des Menschen und der 
Tiere sind und damit ein allgemeines Interesse des Leserkreises der 
I. Abteilung beanspruchen dtirften. 

Die systematische Stellung dieser Organismen sei kurz vorausgeschickt. 

Die Oscillarien gehQrcn zu den Thalluspflanzeu, und zwar in die Klassc der 
Schizophyten oder Spaltalgen. Die Schizophyten teilt man nach Miehe und Olt- 
manns in 2 Gruppen, Cyanophyceen oder Blaualgen, und Trichobakteriaceen oder 
Fadenbaktcrien auf. 

Die Oscillarien bilden eine Familie der Blaualgen, die ihren Namen wegen des 
blaugriinen Farbstoffs der Protoplasten tragen. Die Blaualgen sind in zahlreichen 
Arten fiber die ganze Erde verbreitet und bewohnen die Gewasser, feuchten Schlamm- 
boden, feuchte Felsen und Baumrinden, die sie als gallertige Massen oder feinfadige 
Ueberzfige bedecken. Die Vermehrung geschieht ausschliefilich rein vegetativ durcn 
Zellteilung; manche Arten bilden Sporen als Dauerzustande. 

In Anpassung an ihre schmarotzende Lebensweise haben die sapro- 
phytischen Formen, im Gegensatz zu ihren freilebenden Verwandten, 
ihren blaugriinen Farbstoff fast oder ganz eingebtidt. Aus dem gleichen 
Grunde ist hier vermutlich auch der chromosomenahnliche Gebilde ent- 
haltende Zentralkfirper, den man als Zellkern gedeutet hat, verloren 
gegangen. Die farblosen Oscillarien, insbesondere die hier zu be- 
sprechenden Formen, leiten zu den Fadenbakterien vora Typus der 
Beggiatoaceen fiber, mit denen sie sehr eng verwandt sind. . 

I. Oscillospira Gulcllermondi (Chatton et Ptfrard, 1913) = 
Oscillaria caviae (Simons, 1920). 

1920 verfiffentlichte ich Untersuchungen fiber eine farblose sapro¬ 
phytische Oscillarie aus dem Blinddarm des Meerschweinchens. Ich 
wandte inich damals an namhafte Cyanophj'ceenforscher, wie Harder 
(Wflrzburg) und Gtinther Schmid (Halle) so wie verschiedene andere 


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502 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 6. 

Fachbotaniker (Jost, Kniep, Lieske), ob sie bei ihren Forschungen 
oder in der Literatur schon diesen Organismen begegnet seien. Ueber- 
einstiramend erhielt icb die Antwort, daB ihnen die Organismen nicht 
bekannt seien (vgl. z. B. Harders Referat liber meine Arbeit). Aus 
diesem Grunde schlug ich fur diese Cyanophyceen die vorl&ufige Be- 
zeichnung Oscillaria caviae vor. 

Gelegentlich brieflicher Diskussionen macbte mich nun der Wiener 
Protophytenforscher Dr. SchuBnig liebenswiirdigerweise darauf auf- 
merksam, daB vermutlich meine Oscillaria caviae mit der 1913 von 
Chatton und P6rard entdeckten Oscillospira Guiellermondi 
identisch und mir auch wohl die Endosporenbildung dieser Spezies ent- 
gangen sei. Durcb Vergleich mit der Arbeit der beiden Franzosen konnte 
ich in der Tat die Identitat feststellen. Demnach gebuhrt dem Namen 
Oscillospira Guiellermondi die Prioritat. Immerhin glaube ich, 
durch Auffindung der irisblendartigen Teilung, der Hormogonien und ihrer 
Minimalwerte, durch die rein elektive Darstellbarkeit der Faden mittels 
der Safranin-Lichtgriinmethode, Beschreibung und FMrbbarkeit der Schleim- 
hiillen, Biologie der Algen in den einzelnen Darmabschnitten sowie durch 
einige mikrochemische Reaktionen einen Beitrag zur Kenntnis dieser 
interessanten Form geliefert zu haben. 

Man wird mein Versehen wohl verzeihen, zumal die Arbeit schon 
1919 niedergeschrieben wurde, zu einer Zeit, wo die Literaturbeschaffung 
und das Referatenwesen in Deutschland noch sehr im argen lag. Jetzt, 
nachdem mir der Name der franzosischen Autoren bekannt war, entsann 
ich mich wieder, daB deren Arbeit im Referatenteil dieser Zeitschrift 
(Bd. 61. 1914. S. 213) durch Gildemeister erwahnt worden war. Ich 
hielt aber die dort beschriebene Cyanophycee fur eine andere Spezies, 
da bei ihr Endosporen beschrieben wurden und ich damals nichts Der- 
artiges gefunden hatte. Den deutschen Cyanophyceenforschern ist auch 
wohl durch die Kriegsverhaitnisse die Arbeit der beiden Franzosen wahr- 
scheinlich ganz entgangen. 

Auf die Mitteilung von Herrn Dr. SchuBnig hin habe ich dann 
nochmals in meinen frilheren Praparaten nach Sporen gesucht und nach 
sorgfaltigstem Durchkreuzen von 9 Praparaten im ganzen nur 3 sporen- 
ahnliche Stadien gefunden. Herr Dr. Gunther Schmid in Halle 
durchsuchte 2 neuere Praparate ohne eine Sporulation zu finden, wahrend 
Herr Dr. SchuBnig (laut Brief) in eigenen Praparaten dagegen fast 
samtliche Sporulationsstadien verfolgen konnte. 

Chatton uudPdrard schreiben, daB sporenfuhrende Faden niemals 
zahlreich vorhanden sind. In meinem damaligen Material mussen die 
Sporen aber liberaus selten gewesen sein; nur so ist es erklarlich, 
daB den anderen Untersuchern und mir die Sporulation ganz entgangen ist. 

Allerdings muB ich noch gestehen, daB mir beim ADblick der Ab- 
bildung von Chatton und P6rard gelinde Zweifel aufstiegen, ob hier 
nicht statt der Sporen vielleicht irgendwelche Kunstprodukte voriagen. 
Deswegen setzte ich mich mit Herrn Prof. Pascher (Prag) in Ver- 
bindung, der vor kurzem meine Arbeit im Arch. f. Protistenk. Bd. 43. 
1921 referiert und ebenfalls eine Identitat mit Oscillospira Guiel¬ 
lermondi vermutet hatte. Auch er stand dieser Endosporenfrage zum 
mindesten noch unsicher gegeniiber. 

Fur die Meerschweinchen hatte ich friiher (a. a. 0. S. 362) das 
Vorhandensein von Sporen als wahrscheinlich vermutet, ohne sie damals 
jedoch gesehen zu haben. Harder war aber hier anderer Ansicht, da 


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Simone, Saprophytieche Oecillarien des Menechen und der Tiere. 


505 


er wohl nach den bei der Mehrzahl der botanischen Cytologen herr- 
schenden Vorstellungen den Standpunkt vertrat, daB Oscillarien keine 
Sporen besitzen. Andererseits gibt es, wie rair Herr Dr. G. Schmid 
freundlichst mitteilt, in der Literatur (Hansgirg, Macchiati) noch 
n;cht bestfitigte Angaben iiber Sporulation bei Oscillarien. 

In der Sporenfrage konnte ich nun fiir 0sci 11 ospira Guiel- 
lermondi jtingst durch einen gliicklichen Fund im Kolner Hygieni- 
schen Institut entscheidendes Material beibringen. Bei einem Meer- 
schweinchen, das Unmengen Oscillarien im Blinddarm fflhrte, fand ich 
im NativprSparat etwa 1 / a der Individuen mit sicheren Sporen. 
Sie waren stark lichtbrechend und lagen meist etwa in der Mitte der 
Faden Oder nur wenig davon entfernt; selten safien sie am Fadenende, 
den Kappenzellen fast unmittelbar benachbart. Die Sporen kamen ganz 
tlberwiegend nur in der Einzahl vor; nur tiberaus selten sah ich in Ueber- 
einstimmung mit den franzosischen Autoren Faden mit zwei Sporen. 
Die Form der Sporen ist ellipsoidisch (ca. 2,5:4 /.i), sie ffillen etwa 
*/ s des Fadendurchmessers aus und sind mit ihrer langen Achse in die 
Langsricbtung des Fadens eingestellt oder nur sehr wenig gegen die 
Fadenrichtung geneigt; Chat ton und Pdrard beschrieben diese Ver- 
haitnisse genau so. Leider konnte ich das wertvolle Material nicht zyto- 
logisch brauchbar fixieren, weil die erforderlichen Reagenzien nicht 
schnell genug zu beschaffen waren. An einem nach Giemsa gefarbten 
Trockenausstrich habe ich mich aber nochmals von dem Vorhandensein 
echter Sporen in verschiedenen Entwicklungsstufen iiberzeugt. Damit 
waren die Befunde von Chat ton und Perard zweifelsfrei bestatigt, 
und es gewinnen so indirekt auch die Angaben von Hansgirg und 
Macchiati iiber Sporen anderer Oscillarien sehr an Wahrscheinlichkeit. 

Es ist also nicht richtig, wenn die beiden Franzosen schreiben: 
„Les filaments sporulds ne sont jamais nombreux“, sondern das trifft 
wohl nur fiir die Mehrzahl der F&lle, aber durchaus nicht immer zu. 
Wodurch in meinera Fall die Sporenbildung derart krfiftig angeregt 
wurde, vermag ich nicht sicher anzugeben. Das Meerschweinchen war 
bei einem Diphtherietoxinversuch verendet; vielleicht hat das Toxin Oder 
seine Einwirkung auf den Darm die Sporenbildung der Oscillarien angeregt 1 

DaB die fiir Oscillarien bisher wohl uniibertroffen hohe Beweg- 
lichkeit 1 ) der Oscillospira-Faden durchaus nicht immer vorhanden 
ist, war mir, wie schon den franzosischen Untersuchern, bald nach meiner 
fruheren Arbeit ebenfalls oft aufgefallen. Gleich ihnen fand ich Tiere, 
deren Faden und Hormogonien sich nur wenig beweglich zeigten oder 
vollig regungslos verharrten. In diesem Zusammenhang sei noch eine 
interessante Beobachtung mitgeteilt. Als ich wahrend meiner Unter- 
suchungen fiber Selenomonas palpitans Kot mit Meerschweinchen- 
blut mischte, ffihrten die Oscillo spira-Faden sehr heftige, etwa 1 /* Min. 
dauernde Zuckungen und Knickungen aus und blieben dann fiir immer 
unbeweglich; vermutlich waren sie abgestorben. Diese Erscheinung lieB 
sich aber nur an solchen Individuen nachweisen, die im Kot, mit 
Rin ger-L8sung verdflnnt, allein schon beweglich waren. Bei Ffiden, 
die sich in verdflnntem Kot unbeweglich zeigten, konnte ich auch durch 
Blutzusatz keine Bewegung hervorrufen. 

In der Arbeit von Chatton und Pdrard ist gfinzlich falsch der 
Satz: „Nous n’avons pas colord les cils“. Das dflrfte ihnen auch un- 

1) Ich sah Faden, die sich mit ungefahr */,—*/, der Geschwindigkeit mancher 
Infuaorien (etwa Opalina ranarum) fortbewegtenI 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


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moglich sein, da Oscillarien uberhaupt keine Cilien haben. Die Vor- 
stellung cilientragender Oscillarien geht auf falsche Beobachtungen von 
Phillips zuriick, wie Giinther Schmid erst kiirzlich zeigte. Os- 
cillospira besitzt aber, wie ich schon damals nachwies, eine sehr dicke 
Schleimhtille, und dies deutet darauf hin, daB es sich um eine sogenannte 
sekretorische Ortsbewegung handelt, die man wohl heute fast allgemein 
als Bewegungsart. der Cyanophyceenfaden erkannt hat. 

Oscillospira Guiellermondi soil nach Angabe der franzfisi- 
schen Forscher entweder homogenes oder fein granuliertes Plasma ohne 
irgendwelche anderen Einschliisse besitzen. Ich selbst habe neuerdings 
unter streng isotonischen Bedingungen (Untersuchung in unverdiinntem, 
aber von Natur aus breiigem Kot sofort nach dem Tode) wiederum auf 
dem Bau des Plasmas geachtet und habe bei Oelimmersion stets nur rein 
homogenes Plasma gesehen. Dagegen ist das Plasma^granuliert oder mit 
feinen Vakuolen durchsetzt, wenn der Kot durch Eintrocknung hypertonisch 
wird; hierzu geniigt schon eine sehr geringe Hypertonie. Ueberhaupt fallt 
bei Oscillospira die auBerordentliche Empfindlichkeit gegeniiber ge- 
ringen osmotischen Aenderungen des umgebenden Mediums auf. Die 
Fig. 4 von Chatton und P6rard stellt somit ein Kunstprodukt dar. 

Manchmal allerdings sieht man F&den mit Vakuolen, die aber, wie 
gleich gezeigt wird, keine Kunstprodukte sind. Statt mehrerer sehr 
feiner Vakuolen sieht man hier eine fast oder genau zentral in den Zell- 
kammern gelegene, kleine Vakuole, und es fallt sofort auf, daB die typische 
Kammerung der Faden durch Querwlinde beinahe oder schon ganz ver- 
schwunden ist. Dies diirfte wohl ein sehr friihes Stadium der Sporen- 
bildung sein. Betrachtet man nSmlich die Fig. 5 von Chatton und 
P6rard, die sie als „6bauche de la spore 44 bezeichnen, so erscheint 
ein Zusammenhang mit dem von mir beobachteten Stadium sehr nahe- 
liegend. Die Autoren bilden hier ein Fadenstiick ab, das ebenfalls keine 
Kammerung zeigt und dessen Wande einen unregelmaBig gezackten, 
hellen Hohlraum umschlieBen. Diese Vorstufe der Sporenbildung ist 
sicher etwas alter als das von mir in vivo beobachtete, da der helle 
Hohlraum schon bedeutend groBer ist. Das von mir gesehene Stadium 
ist aber wohl auch nicht das jiingste, denn als solches muB man doch ziem- 
lich sicher erste Andeutungen einer Auflosung von Querwandmembranen 
erwarten; die Auflosung dtirfte sehr wahrscheinlich zentral beginnen und 
sich dann nach alien Seiten bis nahe dem Fadenrande fortsetzen. 

Fur die Systematik ist nach freundlicher Mitteilung von Schmid 
wichtig, daB die Breite ein und desselben Fadens variiert, so daB Os¬ 
cillospira Guiellermondi normalerweise ein stumpfes und ein 
verschmalertes Ende aufweist. Ein zahlenmaBiges Beispiel fur solche 
Verschmalerung, in unregelmaBigen Abst&nden gemessen, ist nach seinen 
Messungen z. B.: 4,24, 3,71, 3,18, 2,12 u (Basis der Endzelle). 

II. Simonsfella MUllcrl (G. Schmid, 1922) in der MundhOhle 

des Mensciieii. 

Reiner Muller beobachtete 1906 im Rachenschleim eines diphtherisch 
erkrankten Huhns, sodann im Zahnbelag und Speichel des Menschen 
Mikroorganismen, die er provisorisch als „Scheibenbakterien u bezeichnete. 
Er beschrieb sie 1911 als „eigentfimliche, dicke stabchenformige Gebilde, 

1) G. Schmid hat solche niedrigen osmotischen Werte und damit zusammen- 
hangende hohe Kontraktilitat auch bei anderen Oscillarien gefunden und wird demnachst 
daruber berichten. 



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Simons, Saprophytische Oscillarien des Menschen und der Tiere. 5Q5 

die sich aus Scheiben zusammensetzen, die Bandwurmgliedern Oder Seg- 
menten von Insektenlarven gleichen. Jedes Segment zeigt in der Mitte 
1 oder 2 dunkler gef&rbte Korner.“ Muller hielt es fiir fraglich, ob 
es uberhaupt Bakterien seien. 

Dieser Zweifel war durchaus berechtigt, denn als Herr Prof. Muller 
die grofie Liebenswurdigkeit besaB, mir eines seiner Originalpraparate 
von Menschenspeichel zu zeigen, erkannte ich in diesen sofort Cyano- 
phyceen vom Typus der Oscillarien. 

Untersuchung meines Speichels und zablreicher anderer Personen 
zeigte, daB die Oscillarien dort ziemlich h&ufig vorkommen (ca. 30 bis 
40 Proz.). Allerdings stammten diese Speichelproben alle aus normalen 
oder ann&hernd normalen Mundhdblen. In ausgesprochen pathologischen 
Fallen (Stomatitis, Gingivitis, Abszesse), wenn zahlreiche Leukozyten und 
Spirochaten sowie Unmassen von Bakterien vorbanden sind, kommen 
die Oscillarien fast nie und dann wenig zahlreich vor (nur 2—4 Proz.). 
Offenbar schaffen die Stoffwechselprodukte dieser Flora pathogener Mund- 
hohlen ungunstige Lebensbedingungen fur die Oscillarien. 

Der Entdecker, Herr Prof. Reiner Miiller, hat mir von seinen 
damaligen Untersuchungen noch folgende Aufzeicbnungen freundlichst 
zur Verfiigung gestellt: 

„Zum Auftinden der Mikroorganismen genfigt ein Ausstrichpriiparat, getrocknet, 
fiber der Flamme fixiert und mit Methylenblau gefarbt. Besonders leicht findet man 
sie, neben Leptothrix buccalis usw., wenn man den Mundspeichel morgens gleich 
nach dem Erwachen zur Untersuchung entnimmt; bisweilen liegen sie dann in kolonien- 
artigen Anhaufungen, 50—100 Stfick zusammen, in dem Speichelschleim. 8ehr viele 
Oscillarien wurden neben anderen Mundkeimen einmal bei einem Studenten einige Tage 
nach einer Zahnextraktion in der ausheilenden Zahnalveole gefunden. Eine Rein- 
zuchtung ist nicht gelungen; jedoch wurde in einer Aussaat von Rachenschleim eines 
an Geflugeldiphtherie erkrankten Huhns auf Blutagar (10 Proz. Ziegenblut) im Brut- 
schrank an einigen Stellen innerhalb eines zusammenhangenden Rasens von Bakterien- 
kolonien eine so betrachtliche Masse der „ Scheiben bakterien" gefunden, daB sie sich 
ohne Zweifel stark auf dem kunstlichen Nahrboden in Symbiose mit Bakterien ver- 
mehrt haben mull ten. Die noch heute (1922) vorliegenden Kultur-Ausstrichpraparate 
lassen beim Vergleichen mit den Rachenschleimpraparaten keine andere Erklarung zu. 
Bei diesen auBerhalb des Korpers gewachsenen Formen war die Zahl der Scheiben 
oft groBer, die Gliederbreite (senkrecht zur Fadenachse) ungleichmaBiger als bei den 
im Mundspeichel gefundenen; einzelne Glieder nehmen die Farbe (Fuchsm) verschieden 
stark auf. Eine Zettnowsche GeiBelfarbung, an sich gut gelungen, zeigte keine 
GeiBeln. — Fiir die jetzige Deutung der Mikroben als Cvanophyceen scheint es mir 
von Bedeutung zu sein, aaB ich damals, Juni 1900, in Kiel notiert habe, daB diese 
Stellen symbiontischer Vermehrung auf Blutagar grunlich gefarbt waren, und zwar 
die recht fippigc Kulturmasse selbst, nicht nur (wie etwa bei Pneumokokken) der blut- 
haltige Nahrboden durch Methamoglobinbildung. Es wurde dann versucht, von diesen 
grfinlichen Wachstumsherden auf neuem Blutagar gleicher Art Reinkulturen zu er- 
zielen; es gelang nicht, vermutlich deswegen, wen ffir Einzelkolonien gewisse organische 
Nahrstoffe oder eine Herabsetzung der Sauerstoffspannung fehlten, wie sie im Munde 
oder bei Symbiose mit Bakterien gegeben sind." 

Bisher habe ich die medizinisch-bakteriologische Literatur vergeblich 
daraufhin untersucht, ob vor oder nach der Entdeckung der Mtlller- 
schen „Scheibenbakterien u diese schon von anderen Untersuchern unter 
irgend welchem Namen beschrieben worden sind. Vor 1916 dtirfte wohl 
auch von ausl&ndischer Seite nichts dariiber mitgeteilt worden sein, da 
Brailovsky-Lounkewitsch in seiner neueren ausfflhrlichen Be- 
arbeitung der Mikrobenflora des Speichels von Neugeborenen, Kindem 
und Erwachsenen dort nichts von solchen Organismen erw&hnt hat. Die 
Dissertation „Les bact^ries de la bouche“ von Gustave Rap pin, 
Paris 1881, war mir nicht zug&nglich; man darf aber wohl annehmen, 
daB auch er nichts von Oscillarien-ahnlichen Organismen gesehen hat, 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


da Brailovsky-[Lounkewitsch nichts dariiber angibt. Im Re- 
feratenteil dieses Centralblattes finde ich bis zur neuesten Zeit ebenfalls 
nichts dariiber veroffentlicht. Nachdem ich erkannt hatte, dafi die 
Miillerschen Mikroben zu den Cyanophyceen gehbren, wandte ich mich 
an den schon weiter oben genannten Spezialforscher G. Schmid, dem 
raeine PrSparate vorlagen. Er war so freundlich, die Organismen ein- 
gehend zu studieren, und er bestatigte mir ihre Zugehorigkeit zu den 
Oscillarien. In der botanisch-bakteriologischen Literatur sind nach seiner 
Angabe solche Organismen bisher nicht bekannt geworden. Wie ich aus 
einer freundlichen Mitteilung von Prof. Pascher (Prag) entnehme, hat 
er bei seinen Studien iiber Soor gelegentlich Oscillarien-ahnliche Orga¬ 
nismen gesehen, ohne aber weiteres dariiber zu veroffentlichen. 

System atisch reiht er diese Oscillarien in eine neue Gattung Sim on- 
si el la ein. Fur diese Ehrung meines Namens sei ihm hiermit bestens 
gedankt. Die Species ist nach ihrem ersten Entdecker Reiner Mil Her 
benannt, so dafi die neue Oscillarie also Simonsiella Miilleri heifit. 



Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. 

Fig. 1. Simonsiella Miilleri aus Menschenspeichel; bei a eine Hormogooie. 
Feuchte Boraxmethylenblaumethode. Vergr. 1000X. 

Fig. 2. Simonsiella Miilleri. GroSere Kolonie auf einer Mundhohlenepi- 
thelzelle; K = Kern der Epithelzelle. Vergr. 300 X- 

Fig. 3. Simonsiella filiformis aus Schweinespeichel. Vergr. 1000X- 


Die Faden von S. Miilleri sind 3 —16 lang (haufigster Mittel- 
wert 10 n) und haben eine grofite Breite von 2—3,2 fi (haufigster Mittel- 
wert 2,3 /.i). Der Faden ist gegen die Enden stumpf verschmaiert. Die 
Endzellen des Fadens, wegen ihrer Form auch Kappenzellen genannt, 
sind breit abgerundet und ohne besondere Erscheinungen. Wie sich 
aus den eben mitgeteilten MaBen ergibt, haben wir es mit kurzen, ge- 
drungenen Faden zu tun. Meist sind sie gerade gestaltet, nur ver- 
langerte Faden zeigen eine leichte Gesamtkriimmung. Unterschiedslos 
weist jeder -Faden mehr Oder weniger ausgepragte, regelmaBige Ein- 
schniirungen auf. Die Faden sind stets in zwei Segmente geteilt, 
manchmal auch in vier Oder mehr. Die Segmente liihren stets 4 Zellen 
bzw. Zellpaare oder die doppelte Anzahl davon. Auf diese Weise ent- 
steht eine Gliederung nach Art eines Insektenleibes, wie schon Reiner 
Muller treffend bemerkte. Diese Segmentierung ist die Vorbereitung 
zu der bei vielen Cyanophyceen iiblichen Hormogonienbildung* 
d. h. ein bruchstiickartiger Zerfall der Faden (Fig. 1). Indem die Hormo- 
gonien wieder zu neuen Faden auswachsen, sorgen sie fur rasche Yer- 


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Simons, Saprophytische Oscillarien des Menschen und der Tiere. 


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breitung der Art. Der Minimallfingenwert einer Hormogonie von S. 
Mulleri betragt ungefahr 3 /<. Die Langs wand der Faden ist glatt, 
d. h. da, wo Querwfinde ansetzen, sind keine Einschniirungen vorhanden. 

Die Zellen der Faden sind fiuBerst flach gebaut und gewohnlich 
Vs—V 4 so lang wie breit [Breite 2—3 n, LSnge 0,4—0,7 ,u (Mittel 0,5 /u)]. 
Irgendwelche Inhaltsbestandteile konnte ich ebenso wie Herr Dr. Schmid 
nicht feststellen. Wenn nun trotzdem Muller „damals in der Mitte 
jedes Segmentes 1—2 dunkle Korner u beschrieb, so beruht das auf einer 
Tauschung, die auf folgende recht interessante Tatsachen der Zellteilung 
zurfickzufuhren ist. Die Teilung der Zellen geht nfimlich wie bei alien 
Cyanophyceen so vor sich, daB von der Mitte der Langswand ein Ring 
irisblendenartig in das Zellinnere hineinw&chst, um durch zunehmende 
Verbreitung schlieBlich eine neue Querwand herzustellen. Nun f&rbt 
sich der Protoplast der Zelle sehr intensiv mit Borax-Methylenblau, die 
Quer- und Lfingsmembranen aber nehmen den Farbstoff nur wenig auf. 
Differenziert man ein solches nach den fiblichen bakteriologischen Me- 
thoden hergestelltes Trockenpraparat einige Sekunden mit 70- und 96-proz. 
Alkohol, geht dann durch absoluten Alkohol in Xylol fiber und bettet in 
Kanadabalsam 1 2 ) ein, so bleiben die Protoplasten noch geffirbt, die Mem- 
branen dagegen sind farblos. In derartigen Prfiparaten finden sich 
Faden mit und ohne dunklen Protoplastzonen, die fast die ganze Breite 
des Fadens einnehmen und alle Uebergange bis zu solchen, wo die blaue 
Zone bis auf einen mehr Oder minder punktformigen Bezirk eingeengt 
ist. Letzteres Bild tauschte Mfiller „dunklere K5rner“ vor; ist eine 
sehr schmale Protoplastzone durch ungefarbte Lticken unterbrochen, so 
erscheinen „die K6rner u verdoppelt *)• 

Aus diesem Verhalten der dunkelblau gefarbten Protoplastzonen 
kann man dann direkt auf den Teilungszustand der Zellen schlieBen, 
worin mir auch Herr Dr. Schmid auf Grund meiner Prfiparate und 
Mikrophotogramme durchaus zustimmt. Da die Quermembranen sich 
ja, wie eben erwfihnt, entweder nur schwach oder gar nicht mit Methylen- 
blau anffirben, so beweiseu breite dunkelblaue Protoplastzonen gerade 
beginnendes Vordringen einer neuen Quermembran; schmale 
Oder punktformige Zonen dagegen deuten auf alt ere oder fast 
fertige Querwfinde hin. Dementsprechend sind Zellen ohne Methylen- 
blauzonen, d. h. hellem Protoplast hinsichtlich der Teilung als im Ruhe- 
zustand befindlich zu betrachten. Besonders schon lassen sich diese 
Verhaitnisse an Mikrophotogrammen studieren, weil hier die angefflhrten 
neuen Querwfinde als scharfe schwarze Linien auf dem Negativ er¬ 
scheinen, wahrend die Positivbilder dort farblose Streifen zeigen. Bei 
Oscillospira Guiellermondi liegen die ffirberischen Verhaitnisse 
anders, weil sie Borax-Methylenblau schlecht annimmt. Hier leistet die 
besten Dienste B6hmers Alaunhfimatoxylin. Diese Blaualge verhait 
sich aber dem Farbstoff gegenflber genau umgekehrt wie Simonsiella 
Mfilleri, da sich alte und neue Quermembranen stfirker mit dem 
Farbstoff impragnieren als der Protoplast. Infolgedessen entspricht das 
photographische Negativ von Sim on si el la dem Positiv von Oscillo¬ 
spira und umgekehrt. Herr Dr. Schmid wird unter Benutzung meiner 


1) Diese Methode war von mir schon friiher zur sicheren Darsteilung von Halb- 
monden bei Malaria im dicken Tropfen angegeben wordeu (Berlin, klin. Wochenschr. 
1919. Nr. 43/44.) 

2) R6mige Inhaltsbestandteile des Protoplasten konnen oft auch durch zuffillig 
aufgelagerte Kurzstabchen und Kokken vorgetauscht werden. 


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508 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 6. 


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Mikrophotogramme diese interessanten Verhfiltnisse im Archiv fur Pro- 
tistenkunde demnfichst noch eingebender besprechen. 

Schleimhiillen sind gleich anderen Oscillatorien beiS. Mfilleri 
ebenfalls vorhanden, aber weit zarter und ffirberisch viel schwerer dar- 
stellbar als z. B. bei Oscillospira Guiellermondi. Sehr hfiufig 
sieht man Ffiden, deren Schleimhullenperipherie ganz mit daran fest- 
geklebten Bakterien besetzt ist. 

SiraonsiellaMtilleri ffirbt sich mit L u g o 1 scher und Chlorzink- 
jodlosung nicht violett wie die Oscillospira, sondern gelb, woraus 
man wohl auf tiberwiegendes Vorkommen glykogenartiger Kohlehydrate 
schlieBen darf. 

Ini Gegensatz zu Oscillospira Guiellermondi ffirbt sich diese 
Alge nur sehr schwach mit Safranin. 

Der Fundort dieser Alge ist die menschliche Mundhohle. Man 
beobachtet sie sowohl im Sediment des Speichels als auch in Abstrichen 
der Wangen-, Gaumen-, Rachen- und Mundbodenschleimhaut. Mit ge- 
ringen Ausnahmen findet man die Ffiden den Epithelzellen — meist den 
abgestorbenen — aufgelagert; nur ziemlich selten trifft man freiliegende 
Exemplare an. Das beruht wohl darauf, daB die Ffiden durch den aus- 
geschiedenen Schleim an den Epithelien ankleben und dieser offenbar 
eine sehr groBe Klebekraft besitzt, denn durch Klopfen auf das Deck- 
glas kann man nur sehr schwer, oft gar nicht, die Ffiden yon den Epi¬ 
thelien loslfisen. Es sei hier vermerkt, daB die Ffiden, besonders die 
kurzen Stticke und die Hormogonien, bei sehr intensiver Methylenblau- 
fiirbung auf den ersten Blick sehr den lfinglichen Kernen zerfallender 
Mundschleimhautepithelzellen fihneln konnen; bei nfiherem Hinsehen ffillt 
aber sofort die charakteristische enge Querstreifung der Ffiden ins Auge. 
Geradezu unverstfindlich erscheint es daher, daB ein sonst so aufmerk- 
samer und grfindlicher Sputumforscher wie W. Miller diese Organismen 
vollig fibersehen konnte, ganz zu schweigen von den nacn Tausenden 
zfihlenden Untersuchern von Sputumprfiparaten auf Tuberkelbazillen, bei 
denen ja meist das zur Darstellung dieser Oscillarien so gtinstige Me- 
thylenblau als Gegenffirbung benutzt wird! 

Die Ernfihrung der Ffiden geht wohl sicher auf osmotischem Wege, 
im wesentlichen durch die Zerfallsprodukte der Schleimhautepithelien, von 
statten, sonst wfire es nicht verstfindlich, daB man manchmal nach 50—100 
und melir Ffiden zfihlende Kolonien gerade hier antrifft (Fig. 2). 

Irgendwelche Beweglichkeit konnte bei S. Mfllleri nicht be¬ 
obachtet werden. Das stimmt, wie mir Herr Dr. Schmid versichert, 
ganz mit dem Verhalten der freilebenden Verwandten tiberein, wo auch 
diejenigen Arten, welche an standig bewegten Orten (Wasserffillen, 
Mfihlengerinnseln etc.) vorkommen, nur wenig oder gar nicht beweglich 
sind; und auch in der Mundhohle haben wir ja durch die ununter- 
brochene Speichelabsonderung einen dauernd bewegten Fltissigkeitsstrom. 

Eine pathogene Bedeutung kommt Simonsiella Mfllleri wohl 
nicht zu. Sie ist ein harmloser Saprophyt, wie das schou weiter oben er- 
wfihnte flberwiegende Vorkommen in vollig normalen Mundhohlen beweist. 

III. Simonsiella Miillerl aus Hausticren. 

In der Mundhohle vom Pferd, Rind, Schwein, Ziege und Schaf sah 
ich ebenfalls Oscillarienffiden vom Typus der S. Mfllleri. Sie waren 
in jedem der untersuchten Tiere, und zwar in alien daraufhin durch- 
musterten Ausstrichen vorhanden; demnach scheint es sich um recht 


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Simons, Saprophytische Oscillarien des Menschen und der Tiere. 


509 


hfiufige Saprophyten zu handeln. Die untersuchten Wirtstiere zeigten 
keine Verfinderungen der Mundhdhle Oder andere Krankheitszeichen. 

IV. Simonsiclla crassa (G. Schmid 1922). 

In Ausstrichen des Mundschleims waren in alien Prfiparaten sowohl 
von Schmid als auch mir auffallend breite, nach dem Typus der S. 
Miilleri gebaute Faden aufgefallen, die ersterer vorlfiufig ffir eine neue 
Spezies halt. S. crassa neigt in beiden Wirteu zur Koloniebildung 
auf den Epithelien ahnlich der S. Miilleri des Menschen; die Indi- 
viduenzahl ist aber hier weit geringer. Harmlose Saprophyten. 

V. Simonsiclla filiformis (G. Schmid 1922). 

Eine sehr auffallende Form, die ich im Mundschleim von Pferd, 
Rind, Schwein, Schaf und Ziege entdeckte. Die Filiform is-Faden 
sind nach Ansicht von Schmid wohl Bruchstiicke eines langen Fadens, 
der an den verschiedenen Stellen seines Verlaufes eine sehr wechselnde 
Breite hat. Die Faden laufen verschmaiert in eine Spitze aus. M8g- 
licherweise liegt hier eine ganz neue Gattung vor. Da aber voriaufig 
der Verdacht nahe liegt, daB S. Miilleri der Hormogonienzustand von 
S. filiformisi st, soli der Typus filiformis einstweilen in Gattung 
Simonsiella eingereiht werden, bis durch Kulturversuche hierflber 
Klarheit besteht (Fig. 3). 

VI. Simonsiellen aus Iltihnern. 

In G r a m - Praparaten, die Prof. Muller 1906 von einer Blutagar- 
kultur (10 Proz. Ziegenblut) des Rachenschleims an Geflfigeldiphtherie 
erkrankter Htihner angefertigt hatte, fanden sich ebenfalls groBe Massen 
einer neuen Oscillarienart. Sie wurde bei nachtraglich vorgenommener 
Umfarbung mit Boraxmethylenblau besonders gut dargestellt. Die Faden 
besitzen ungefahr den Bau und die GroBe von Simonsiella Mulleri. 
Auffallig war die Bildung sehr zahlreicher, auBerordentlich kleiner Hor- 
mogonien. In dieser Tatsache glaubt Dr. Schmid nach seinen Erfah- 
rungen bei grfinen Oscillarien ein Zeichen ungiinstiger Lebensbedingungen 
zu erblicken, nicht etwa eine eigentliche Degeneration. Es lag in diesen 
Blutagarausstrichen schon beinahe eine Reinkultur vor, in dem die Bak- 
terien gegeniiber den Algenfaden an Zahl ganz besonders zurtlcktraten 
und in vielen Gesichtsfeldern sich sogar flberhaupt keine Bakterien 
fanden (vgl. auBerdem weiter oben die Ausffihrungen von Prof. Muller). 
Sehr wahrscheinlich liegt auch hier wieder ein neuer Vertreter der Gat¬ 
tung Simonsiella vor, den Dr. Schmid spater noch naher unter- 
suchen wird. 

AuBer diesen ungefahr nach dem Typus der Simonsiella Mfllleri 
gebauten Faden fand ich neuerdings im Rachenschleim normaler Htihner 
noch eine nach dem Typus der S. filiformis gebaute Art. 

Soweit meine Notizen flber diese neuen farblosen Oscillarien, die 
hauptsachlich dazu dienen sollten, den Lesern dieser I. Abteilung, falls 
sie bei ihren Untersuchungen einmal diesen eigentflmlichen Organismen 
begegnen, eine kurze Aufkiarung fiber deren Systematik und Morpho¬ 
logic zu geben. Wer sich ffir diese Organismengruppe vom Standpunkte 
des Protistenforschers weiter interessiert, wird darflbcr alles Nfihere in 
einer zytologisch, systematisch und phylogenetisch ausftihrlichen Abhand- 
lung von Herrn Dr. Schmid in den nfichten Heften des Arch. f. Pro- 


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1 


510 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 

tistenkunde finden. Dort wird auch noch fiber neue Blaualgen aus dem 
Mund von Esel, Elefant, Nilpferd, Affe u. a. berichtet werden. 

Am Schlusse dieser Ausffihrungen mochte ich es nicht versaumen, 
Herrn Prof. Reiner Mfiller ffir seine liebenswfirdige Bereitwilligkeit, 
mit der er mir seine Prfiparate und die Mittel seines Instituts zur Ver- 
ffigung stellte und seine Unterstfitzung bei der Herstellung der Mikro- 
photogramme und Herrn Privatdozent Dr. Gfinther Schmid ffir seine 
groBe Mfihe bei der Durchsicht meiner Prfiparate sowie zahlreiche Lite- 
raturangaben und Anregungen bestens zu danken. 

Xiiteratnr. 

Breilovsky-Lounkevitsch, W. A., Contribution 4 l’6tude de la flore micro- 
bienne habituelle de la bouche normale (nouveau-n^s, enfants, adults). (Ann. de I’lnst. 
Pasteur. T. 29. 1915. p. 379.) — Chatton, E., et Pdrard, Ch., Schizophvtes du 
caecum du cobaye. I. Oscillospira Guiellermondi n. g. et n. sp. tCompt. rend. 
Soc. de Biol. Paris 1913. p. 1159—1162.) — Harder, R., Referat fiber die Arbeit von 
H. Simons. (Zeitschr. f. Botan. 1920. S. 682—683.) — Muller, Reiner, Zur Stel- 
lung der Krankheitserreger im Natursystem. (Mfinchen. med. Wochenschr. 1911. S. 227.) 
— Phillips, O. P., A comparative study of the cytology and movements of the 
Cyanophyceae. (Contrib. Univers. of Pennsylvania. Vol. 2. 1903. Nr. 3.) — Schmid, 
Gfinther, Ueber Organisation und Schleimbildung bei Oscillatoria Jenensis und das 
Bewegungsverhalten kUnstlicher Teilstficke. (Jahrb. wise. Bot. Bd. 60. 1921.)— Simons, 
Hellmuth, Eine saprophytische Oscillarie im Darm dee Meerschweinchens. (Centralbl. 
f. Bakt. Abt. II. Bd. 50. 1920. S. 352.) — Ders., Ueber Selenomonas palpitans 
n. sp. (Ebenda. Bd. 87. 1921. H. 1.) 


Naohdruok verboten. 

Zur farberischen Darstellung der Kapselbakterien. 

[Aus dem Institut ffir Hygiene und Bakteriologie der Universitfit Bonn 
(Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. R. O. Neumann).] 

Von Privatdozent Dr. F. W. Bach. 

Die von Gins 1 ) angegebene Darstellung der bekapselten Bakterien 
durch Verreiben in Tusche und nachfolgender Ffirbung mit Karbol* 
thionin (oder auch mit anderen, sonst fiblichen Farben, wie Fuchsin usw.) 
veranlafit mich, folgendes von mir verwendetes Verfahren bekannt zu 
geben: 

Es handelt sich hierbei urn 2 miteinander kombinierte Verfahren: 
1) um die von Benian 2 ) ffir die Darstellung von Spirochaten ange¬ 
gebene Negativfarbung mit Kongorot-Salzsfiurealkohol und 2) um ein 
von Hibma 3 ) zur gleicbzeitigen Entfarbung und Farbung von Tuberkel- 
bazillenprfiparaten verwendetes Wasserblau- Salzsfiurealkoholverfahren. 
Da Wasserblau ein Farbstoff ist, der bei Anwesenheit von Salzsaure 
und Alkohol alle Bakterien gut farbt, so wird bei der Kombination 
beider Verfahren einzeitig eine Negativ- und Positivfarbung erzielt. 

Im einzelnen gestaltet sich die Farbung folgendermaBen: Das be- 
treffende Bakterienkulturmaterial wird in fiblicher Weise auf dem Ob- 


1) Gins, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 52. 1909. S. 620. 

2) Zit. nach Edm. Hofmann, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. 1921. 
S. 134. 

3) Hibma, Dtsch. tierarztL Wochenschr. 1921. S. 43. 



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A tan ns off, Ein neues Reagenzglas. 


511 


jekttr&ger in einem Tropfchen Wasser aufgeschweramt und mit einem 
(ebensogroBen) Trfipfchen einer 2-proz. wfisserigen Kongorotlosung gleich- 
rafiBig dflnn verrieben. Nach dem Lufttrockenwerden wird das 
Prfiparat mit einem Gemisch von Wasserblaulosung und Salzsaurealko- 
hol fibergossen (10 ccm 1-proz. wfisserige Lfisung von Wasserblan 
(Grfibler) + 100 ccm einer Mischung von 3 ccm Salzs&ure und 97 ccm 
Alcoh. abs.). Nach kurzer Einwirkung lfiBt man die Farbe ablaufen 
(kann wieder verwendet werden), ohne daB man mit Wasser spfilt, 
sondern lfiBt nur lufttrocken werden. Durch dieses Verfahren wird das 
Kongorot unter dem EinfluB der SalzsSure blau und fest und die in 
der Kapsel liegenden Bakterien werden vom Wasser blau gefarbt. 

In erster Linie eignet sich Kulturmaterial fur die F&rbung. Mit 
den bekannten Kapselbildnern (z. B. Bact. pneumoniae Friedl., 
Sarcina (Micr.) tetragena u. a.) bekommt man auBerordentlich 
schfine Bilder. Vorsicht ist bei der Beurteilung der mit Vertretern 
der Nichtsporentrager hergestellten PrSparate geboten wegen des Auf- 
tretens von Retraktionszonen, die Kapseln vort&uschen konnen. Bei 
der Kokken-, Sporentrager-, Vibrionengruppe ist dies nach meinen Be- 
obachtungen kaum oder nur sehr geringgradig der Fall. Die Kontrak- 
tilitat des Bakterienkorpers gewisser Arten (ich lasse dahiDgestellt, ob 
es sich in alien Fallen urn eine ektoplasmatische Schleimschicht handelt) 
ist bei der beschriebenen Farbung besonders gut zu beobachten, Bilder* 
wie die von Heim 1 ) verfiffentlichten, finden sich in auBerordentlicher 
Scharfe wiedergegeben. Soweit diese Erscheinung ein Nachteil ist, teilt 
das Verfahren ihn aber auch mit der von Gins beschriebenen Tusche- 
methode. 


Nach drunk verboten. 

Ein neues Reagenzglas. 

[Aus dem Phytopathologischen Institut Wageningen, Holland.] 

Von Dr. D. Atanasoff. 

Mit 1 Abbildung im Text. 

Die kurzen Ausfiihrungen Fornets*) und KaSpareks 8 ) fiber die 
von ihnen gebrauchten neuen Reagenzglaser veranlassen mich, hier ein 
anderes Reagenzglas zu beschreiben, das ich mir vor mehreren Jahren 
machen lieB und das sich als sehr praktisch und nfltzlich erwiesen hat 4 ). 

Bei den Kulturen von Mikroorganismon, besonders von Pilzen, be- 
gegnet man oft Schwierigkeiten, weil die Kulturen zu schnell austrocknen, 
gewfihnlich lange bevor sich die ganze Entwicklungsgeschichte des be- 
treffenden Organismus vollzogen hat, u. a. noch vor Bildung und Reifung 
von Fruchtkorpern. In Bakterienkulturen h5rt das Wachstum bald auf, 

1) Heim, Lehrb. d. Bakteriol. 5. Aufl. 1918. S. 172. 

2) For net, W., Ein praktisch es Reagenzglas. (Centralbl. f. Bakt. Abt I. Orig. 
Bd. 86. 8. 606-608) 

3) Kasparek, T., Bemerkungen zum Artikel n Ein praktischcs Reagenzglas”. 
(Ebenda. Bd. 87. 1921. 8. 319 - 320) 

4) Atanasoff, D., Fusarium-blight (scab) of wheat and other cereals. (Journ. 
of Agric. Res. Vol. 20. 1920. p. 1-32. fig. 2.) 


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512 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6. 


oft wegen AnhSufung voo Toxinen, selbst in ganz frischen und jungen 
Kulturen. Um diese beiden Nachteile beseitigen zu konnen, war es 
nOtig, ein besonderes Reagenzglas raachen zu lassen, welches im 1. Fall 
die Kulturen fflr lange Zeit, wenn ndtig selbst l&nger als 1 Jahr, feucht 
halt und im 2. Fall durch Diffusion die schnelle An- 
hdufung von Toxinen unmbglich macht. 

Das Reagenzglas besteht aus einem gewohnlichen 
Reagenzglas, an dessen unterem Ende ein birnfor- 
miges Glas mit der Spitze nach unten angebracht ist, 
wie es die Figur zeigt. Fiillt man das Reagenzglas zu 
Vs mit Wasser, so daB die Birne ganz voll ist, so 
sinkt das Wasser aus der Birne in die Rohre uur 
so schnell, als es aus letzterer verdampft. Will man 
nun Pilze zuchten, so bringt man, wie es jetzt iiblich 
ist, in jedes Glas ein oder mehrere Krautstengel, Baum- 
astchen oder Stuckchen Holz. Die Glaser werden mit 
Watte zugestopft und sterilisiert. Wird fiir die Ste¬ 
rilisation ein Autoklav gebraucht, so muB man den 
Dampf nach der Sterilisation allmahlich abschlieBen, 
weil eine rapide Erniedrigung des Druckes das Wasser 
aus der Birne nach der RShre zieht. Wiinscht man 
Pilze oder Bakterien auf Agarn&hrboden zu zuchten, so 
fiillt man die Birnen der Reagenzglaser mit Wasser, ebenso die Rohrchen 
bis an die Birnenoffnung; auf den Boden des Reagenzglases legt man 
etwas Watte, die bis iiber die Birndffnung reichen muB, die Reagenz¬ 
glaser werden dann mit Watte zugestopft und sterilisiert. In die so 
vorbereiteten Reagenzglaser gieBt man dann den notigen Nahrboden ein 
und lafit sie schief liegen, bis der Nahrboden hart wird. So gefullte 
Reagenzglaser gebraucht man weiter wie die gewohnlichen Reagenz¬ 
glaser. Man kann sie auf gewohnliche Reagenzglasstander stellen, nur 
ist es nbtig, daB die Locher des Standers etwas breiter sind. Die R6hre 
des Glases wird von unten nach oben durch das Loch gesteckt und 
das Glas dann in den Reagenzglasstander gebracht. 

Etwas grofiere Vorsicht ist notig beim Arbeiten mit diesen Glasern, 
demgegenfiber steht aber der groBe Vorteil, daB man nach dem Impfen 
keine Arbeit mehr hat und daB man solche Kulturen ohne weiteres 
monate, ja selbst jahrelang stehen lassen kann. 

Inhalt. 

Atanasoff, A., Ein neues Reagenzglas. Levens, Erich, Kritische und experimen- 
Mit 1 Abbildung im Text, S. 511. telle Beitrage zur Bakteriologie des Ge- 

Bach, P. W., Zur farberischen Darstel- burtsrauBchbrandes beim Rinde, S. 474. 

lung der Kapselbakterien, S. 510. Olitzki, Leo, Ueber die kulturelle und sero- 

Becker, Rudolf, Der Genitalapparat der logische Unterscheidung des Bacillus 
Pferdebandwiirmer. Mit 1 Abbildung breslaviensis vom Paratyphus fi¬ 
lm Text, S. 483. Bazillus, S. 460. 

Bitter, Ludwig, Zur Unterscheidung der Otto, R., u. Chou, C. C., Ueber dieWider- 
Erreger vou Enteritis- und Paratyphus- standsfiihigkeit des Fleckfiebervirus im 
erkrankungen. Mit 1 Abbildung im Text, Meerschweinchengehirn, S. 467. 

S. 435. Pfeiler, W., u Goerttler, V., Die Rausch- 

v. Gutfeld, Pritz, Ueber die Herstellung, branddiagnose durch einen komplizierten 
Priifung und Verwcndbarkeit haltbarer Tierversuch, dargestellt an einem Falle 
Typhus- und Choleraimpfstoffe (Trocken- aus der Praxis, S. 472. 
impfstoffe), S. 455. Simons, Hellmuth, Saprophytische Oscil- 

Kodama, H., Ein neuer elektiver Niihr- larien des Menschen und der Tiere. Mit 
boden fiir Choleravibrionen, S. 433. 3 Abbildungen im Text, S. 501. 

Frommannscho Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. 




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Centralbl. f. Bakt etc. I. Hist. Originate. Bd. 88. Heft IjO. 

Ausgegeben am 1. September 1922. 


Eine neue biologische Reaktion der Choleravibrionen. 

[Aus dem Institut fur Hygiene und Bakteriologie der Medizinischen 
Hochschule in Kanazawa, Japan.] 

Von H. Kodaina und H. Takeda. 


Obwohl schon friiher einige Forscher fiber die Produktion des dia- 
statischen Fermentes der Choleravibrionen (Bitter), der Milzbrand- 


Arten der Bakterien 

Triibungs- 
grad der 
Kultur- 

Menge der 
Starke in 
vitro 

Farbe und Niederschlag der Kultur- 
fliissigkeit nach Zusatz der Lugol- 
schen Losung 



fliissigkeit 

nach 30 Min. 

nach 24 Std. 


_ 


7-stiind. Kulturen 



a 

+ + 

deutlich ver- 
mindert 

violelt und ohne 
Niederschlag 

violett und ohne 
Niederschlag 


b 

V 

B 

dgl. 

violettblau und ge- 
ringer Nieder- 
schlag 

Choleravibrionen 

c 

99 

99 

braunlichschwarz 
und ohne Nieder- 
Bchlag 

violett und ohne 
Niederschlag 


d 

99 

99 

violettschwarz und 
ohne Niederschlag 

dgl. 


e 

99 

99 

braunlichschwarz 
und ohne Nieder¬ 
schlag 

weifi und ohne 
Niederschlag 

V. Metschnikoff 

99 

unverandert 

Liefblau und ohne 
Niederschlag 

tiefblau und weniger 
Niederschlag 

V. Finkler-Prior 

„ 

»> 

dgl. 

Niederschlag 

V. Deneke 


” 

II 

Niederschlag (?) 

dgl. 

Typhusbazillus ' 


99 

99 

dgl. 

M 

Paratyphusbazillus A 


99 

” 

99 

99 

B 

99 

99 

»» 

99 

Bact. coli 


99 

99 

99 

99 

Bac. dysenteriae 
Shiga- Kruse 

+ 

99 

99 

99 

Bac. dysenteriae 
Flexner 

M 

99 

99 

99 

Staphylococcus 
pyogenus aureus 

+ + 

99 

99 

99 

Miizbrandbazillus 


klar 

99 

99 


Heubazillus 


+ 

99 

99 

99 

Rohhefe 


klar 

9* 

99 

99 

Kontrolle (Nahrfliissig- 
keit) 

II 

99 

99 



Krjto Abt. Orift. BJ. 88. 


lleft 7/8. 


33 


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514 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


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bazillen (Maunius), der Tuberkelbazillen (Fermi) usw. berichtet 
haben, ist dieses Ferment doch bisher nodi nicht fur die Differential- 
diagnose der Bakterien verwendet worden. Zum Zweck letzterer haben 
wir folgende Versuche angestellt fiber: • 

1) Zusammensetzung des Nahrbodens: Pepton (Witte) 1 g, Kar- 
toffelstfirke 0,5 g, 10-proz. Sodalosung 2 ccm, Wasser 100 ccm. Je 
5 ccm obiger Nfihrlfisung wurden in sterilisierte Rohrchen abgeffillt und 
an 2 oder 3 aufeinanderfolgenden Tagen sterilisiert. 

2) Als Reagens diente Lugolsche LSsung (Jod 1 g, Jodkali 2 g, 
Wasser 100 ccm). 

3) Von den zu untersucbenden Bakterien wurde aus den Agarkul- 
turen je 1 Platindraht in 5 ccm der obigen Nahrlosung ausgesat und 
bei 37 0 C kultiviert. Nach 7, 24, 48 Std. und nach 1 Wocke wurde die 
Verminderung der auf dem Boden des Reagensglfischens befindlichen 
Starke gemessen und nach Zusatz von je 5 ccm Lugolscher Losung 
die Veranderung der Farbe beobachtet. Die Ergebnisse unserer Ver¬ 
suche sind in vorstehender Tabelle zusammengestellt: 


1 

Arten der Bakterien 

Triibungs- 
grad der 
Kultur- 
fliissigkeit 

Menge der 
Starke in 
vitro 

Farbe und h)iederschlag der Kultur- 
fliissigkeit nach Zusatz der Lugol- 
» schen Losung 

nach 30 Min. nach 24 Std. 




24-8tiind. Kulturen 



a 

+ + + 

fast ver- 

gelb und ohne Nie- 

weifi und ohne Nie- 




schwuuden 

derschlag 

derschlag 


b 

>1 


dgl. 

dgl. 


c 



braun und ohne Nie- 


Choleravibrionen 




derschlag 



d 



gelb und ohne Nie- 






derschlag 



e 

11 

11 

dgl. 

9 

V. Metsehnikoff 


deutlich ver- 

violettschwarz und 

violettblau und ohne 




mindert 

ohne Niederschlag 

Niederschlag 

V. Fi nkler-Prior 

11 

dgl. 

dgl. 

dgl. 

V. Denekg 


11 

unveriindert 

Niederschlag 

Niederschlag 

Typhusbazillus 


11 

r» 

dgl. 

dgl. 

Paratyphusbazillus A 

11 

T1 

9 

9 

11 

B 

11 

9 

9 

9 

Bact. coli 


11 

9 

9 

9 

Bac. dysenteriae 





Shiga-KruBe 


+ + 

9 

9 

9 

Bac. dysenteriae 





Flexner 


>» 

V 

9 

9 

Staphylococcus 






pyogenes aureus 

+ + + 

9 

9 

9 

Milzbrandbazillus 


klar 

9 

9 

V 

Heubazillus 


+ + 

9 

9 

9 

Rohhefe 


klar 

» 

9 

9 

Kontrolle (Nahrfliissig- 





keit) 


11 

„ 

9 

9 



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Kodama u. Takeda, Eine neue biologische Reaktion der Choleravibrionen. 515 


Art der Bakterien 

Triibungs- 
grad der 
Kultur- 

Menge der 
Starke in 
vitro 

Farbe und Niederschlag der Kultur- 
fliiseigkeit nach Zusatz der Lugol- 
Bchen Losung 



flussigkeit 

nach 30 Min. 

nach 24 Std. 




2-tag. Kulturen 



a 

+ + + 

fast ver- 
schminden 

gelb und ohne Nie¬ 
derschlag 

weiS und ohne Nie¬ 
derschlag 

Choleravibrionen 

b 

c 

II 

i* 

dgl. 

9 

dgl. 

r> 

dgl. 

tt 


d 

tt 

V 

tt 

tt 


e 

tt 

It 

tt 

tt 

V. Metschnikoff 

tt 

n 

dunkelbraun und 
ohne Niederschlag 

tt 

V. Finkler-Prior 

tt 

tt 

violettschwarz und 
ohne Niederschlag 

violettblau und ohne 
Niederschlag 

V. Den eke 


it 

unverandert 

Niederschlag 

Niederschlag 

Typhusbazillus 


a 

dgl. 

dgl. 

dgl. 

Paratyphusbazillus 

A. 

tt 

II 

tt 

tt 

» B 

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Bact. coli 


tt " 

» 

n 

n 

Bac. d ysen teriae 
Shiga-Kruse 

11 

tt 


tt 

Bac. dysen teriae 
Flexner 

tt 


ft 

r> 

S taphylococcus 
pyogenes aureus 

ft 


ft 

n 

MilzbrandbazilluR 


klar 


ft 

rt 

Heubazillus 


+ + + 


» 

V 

Rohhefe 


klar 


7) 

V 

Kontrolle (Nahrfliissig- 
keii) 

II 


n 

ft 





3-tag. Kulturen 



a 

+ + + 

fast ver- 

braun undohneNie- 

weifl und ohne Nie¬ 




schwunden 

derschlag 

derschlag 


b 

11 

dgl. 

gelb und ohne Nie¬ 

dgl. 

Choleravibrionen 




derschlag 



c 

n 

It 

dgl. 

II 


d 

it 

tt 

II 

II 


e 

11 

II 

” 

II 

V. Metschnikoff 

11 

II 

braun und ohne Nie¬ 

II 





derschlag 


V. Finkler-Prior 

++ 

It 

dgl. 

II 

V. Den eke 


+++ 

wenig ver- j 

Niederschlag 

Niederechlag 




mindert 




33* 


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516 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 7/8. 


Arten der Bakterien 

Triibungs- 
grad der 
Kultur- 

Menge der 
Starke in 
vitro 

Farbe und Niederechlag der Kultur- 
flu8sigkeit nach Zusatz der Lugol- 
»chen Losung 


fliissigkeit 

| nach 30 Min. 

nach 24 Std. 

Typhusbazillus 

tt 

unverandert 

Niederechlag 

Niederechlag 

Paratyphusbazillus A 

» 

dgl. 

dgl. 

dgl. 

„ B 

it 

tt 

* 

9 

Bact. coli 

it 

9 

» 

9 

Bac. dysenteriae 
Shiga-KruBe 

+ 

n 

n 

9 

Bac. dysenteriae 
Flexner 

+ + 

9 

9 

9 

Btaphylococcus 
pyogenes aureus 

+ + + 

V 

9 

9 

Milzbrandbnzillus 

klar 

n 

9 

9 

Heubazillus 

+ + + 

n 

9 

9 

Rohhefe 

klar 

9 

9 

9 

Kontrolle (Nahrfliissig- 
keit) 

>» 

9 

9 

9 


4-tag. Kulturen 



a 

+ + + 

fast ver- 
schwunden 

gelb und ohne Nie¬ 
derechlag 

weifi und ohne Nie¬ 
derechlag 

Choleravibrionen 

b 

c 

II 

ft 

dgl. 

II 

dgl. 

tt 

dgl. 

It 


d 

rt 

tt 

tt 

tt 


e 


tt 

tt 

tt 

V. Metschnikoff 


»» 

tt 

tt 

tt 

V. Finkler-Prior 

+ 

It 

tt 

tt 

V. Den eke 


+ + 

wenig ver- 
mindert 

Niederechlag 

Niederechlag 

Typhu8bazillu8 


+ + + 

unverandert 

dgl. 

dgl. 

Paratyphuabazillus 

A 

tt 

ft 

tt 

M 

II 

B 

tt 

ft 

II 

tt 

Bact. coli 


it 

wenig ver- 
mindert 

II 

tt 

Bac. dysenteriae 
Shiga-Kruse 

+ 

unverandert 

tt 

It 

Bac. d ysen teri ae 
Flexner 

+ + 

It 

tt 

I* 

Staphylococcus 
pyogenes aureus 

+ + + 

tt 

tt 

tt 

Milzbrandbazillus 


klar 

deutlich ver- 
mindert 

braunlichschwarz 
und ohne Nieder- 
schlag 

Niederechlag 

braun undohneNie- 
derechlag 

Heubazillus 


+ + + 

wenig ver- 
mindert 

Niederechlag 

Rohhefe 


klar 

unverandert 

dgl. 

dgl. 

Kontrolle (Nahrfliissig- 
keit) 

» 

tt 

»» 

tt 


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Kodama u. Takeda, Eine neue biologische Reaktion der Choleravibrionen. 517 


Arten der Bakterien 

Trubungs- 
grad der 
Kultur- 
flussigkeit 

Menge der 
Starke in 
vitro 

Farbe und Niederschlag der Kultur- 
flussigkeit nach Zusatz der Lugol- 
schen Lbsung 

nach 30 Min. 

nach 24 Std. 




7-tag. Kulturen 



a 

+ 

fast ver- 

braun undohneNie- 

weifi und ohne Nie¬ 




schwunden 

derschlag 

derschlag 


b 

tt 

dgl. 

dgl. 

dgl. 


c 



gelb und ohne Nie¬ 


Choleravibrionen j 

t. 



derschlag 



d 

1> 

*1 

dgl. 

yy 


e 

1) 

ft 

braun und ohne Nie¬ 

tt 





derschlag 


V. Metschnikoff 


M 

„ 

blaulichgelb und 

tt 



t 


ohne Niederschlag 


V. Finkler-Prior 

>• 

ft 

gelb und ohne Nie¬ 

tt 





derschlag 


V. Deneke 


+ + 

deutlich ver- 

violettschwarz und 

yt 




nundert 

ohne Niederschlag 


Typhusbazillus 


+ 

unverandert 

Niederschlag 

Niederschlag 

Paratyphusbazillus A 

+ 

ft 

dgl. 

dgl. 

„ B 

+ + + 


ty 

yy 

Bact. coli 


ft 

wenig ver- 

tiefblau und ohne 

tiefblau und ohne 




mindert 

Niederschlag 

Niederschlag 

Bac. dysenteriae 





Shiga-Kruse 


+ 

unverandert 

Niederschlag 

Niederschlag 

Bac. dysenteriae 





Flexner 


+ 

>» 

dgl. 

dgl. 

Staphylococcus 






pyogenes aureus 

+ + + 

tt 

yy 

»> 

Milzbrandbazillus 


klar 

fast ver- 

dunkelbraun und 

dunkelbraun und 




schwunden 

ohne Niederschlag 

ohne Niederschlag 

Heubazillus 


+ + + 

dgl. 

tiefblau und ohne 

weiO und ohne Nie¬ 





Niederschlag 

derschlag 

Rohhefe 


klar 

unverandert 

Niederschlag 

N iederschlag 

Kontrolle (Nahrfliissig- 





keit) 

i 

>t 

yy 

dgl. 

dgl. 


Anmerkungen: 

1) Der Niederschlag besteht aua tiefblau gefarbten Starkekfirnchen. 2) Die iiber 
24 Std. alte Cboleravibrionenkultur wird stets spezifisch gelb gefarbt, selbst bei Zusatz 
von 10—15 ccm Lugolscher Lfisung. 

Wie die Tabelle zeigt, wurde bei den Choleravibrionen die Starke 
am st&rksten uingewandelt, bei den choleraShnlichen Vibrionen etwas 
schw&cher, bei den Milzbrand-. Coli- und Heubazillen nur sehr wenig; 
andere Bazillen aber entfalteten Gberhaupt keine Wirkung in dieser 
Richtung. Auch beginnt die Starkeumwandlung bei den Choleravibrionen 
schon nach 4—5 Std. Selbst, wenn man zu 5 ccm der keimfreien 
Flflssigkeit einer 24-stflnd. Pepton- Oder Bouillonkultur der Cholera¬ 
vibrionen 0,2—1,0 ccm einer 0,1-proz. Starkeemulsion zusetzte und bei 


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518 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


37° C ca. 2 Std. stehen lieB, wurde die Umwandlung der St&rke beob- 
achtet. 

S c h 1 u B. 

Die Untersuchung versckiedener pathogener und nicht pathogener 
Bakterien hat ergeben, daB Choleravibrionen die Starke am st&rksten, 
cholera&hnliche Vibrionen (von Finkler und Prior, Metschnikoff 
und Den eke) weniger stark, Milzbrand-, Heu- und Coli-Bazillen nur 
selir schwach umsetzen; bei anderen Bakterien aber zeigt sich diese 
Wirkung nicht. Wenn man deshalb eine Probe von choleraverdSch- 
tigem Kot in Starke - Pepton - Wasser 7—24 Std. lang kultiviert, und 
wenn sich dann bei Zusatz von Lugolscher Losung die Flussigkeit 
gelb f&rbt, so kann man das Vorhandensein von Choleravibrionen ver- 
muten. 


Xiiteratur. 

Bitter, Arch. f. Hyg. Bd. 5. 1886. — Eijkman, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Bd. 1. 1901. — Fermi, Arch. f. Hyg. Bd. 10. 1890. — Maumus, Compt. rend. Soc. 
biol. 1893. p. 107. — Went, Sitzungsber. d. K&nigl. Akad. d. Wissensch. zu Amster¬ 
dam. Febr. 1910. 


Nachdruck- cerboten. 

Atypischer Paratyplius beim Huhn. 

[Aus der veterinar-bakteriologischen Untersuchungsstelle der polit. Landes- 
verwaltung fur Schlesien bei der Prosektur des Landeskrankenhauses in 

Troppau.) 

Von Staatsveterin&r Dr. med. vet. E. Jaimschke, Troppau. 

Im Laufe von 14 Tagen nach Durchfiihrung der Tuberkulinkehl- 
lappenprobe in einem Gefliigelbestande durch den Verf. gingen 2 Hiihner 
ein, welche nicht reagiert hatten und von denen 1 zur Untersuchung 
eingeliefert wurde. Der Sektionsbefund war hinsichtlich Tuberkulose 
ganzlich negativ, es zeigten lediglich die parenchymatosen Organe geringe 
Schwellung und der Vorderdann in ziemlicher Ausdehnung graugrline 
Verfarbung (Zersetzung von Hamorrhagien). 

Aus Herzblut und Leber wurde ein gramnegatives, unbewegliches 
St&bchen geziichtet, das auf der Con rad i- Drigal ski-Platte in zart- 
blauen Kolonien, auf der Gassnerschen Metachromgelb-Wasserblauplatte 
mit gelblicher Aufliellung des Nahrbodens wachst und in den verschie- 
denen Lackmus-Zucker-Nutroselosungen nach Barsiekow 
folgendes Verhalten zeigt: Mannit, nach 24 Stunden: Rotung und Ge- 
rinnung, Traubenzucker, nach 24 Stunden: Rotung und Gerinnung; 
Milchzucker, nach 24 Stunden:' leichte Trubung, auch spiiterhin keine 
Riitung und Gerinnung; Rohrzucker, nach 24 Stunden: wie Milchzucker; 
Maltose, nach 24 Stunden: Rotung, Gerinnung. 

Lackmusmolke wird geriitet, ohne daB innerhalb 1 Woche ein 
Farbenumschlag erfolgt. 


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Januschke, Atypischer Paratyphus beim Huhn. 


519 


In Neutralrotagar tritt Gasbildung, sowie gelbgriinliche Aufhellung 
(Fluoreszenz) auf. 

Im Agglutinationsversuch wird der Stamm durch Gartner-Serum 1 ) 
vom Esel (Titer 1:5000) in einer Verdiinnung von 1:100 ±, durch 
Para-B-Eselserum *) (Titer 1:6000) bis zur Verdiinnung 1:400 +, in der 
Verdiinnung 1:800 ± agglutiniert; er wird durcb Grazer Gefliigelcholera- 
Hiihnertyphus-Immunserum iiberhaupt nicht beeinfluBt, dagegen durch 
Typhusserum (Titer 1:6000) bis zur Verdiinnung 1:200 +, 1:400 ± 
agglutiniert. 

Eine Taube, mit V 2 Oese Kultur intramuskular geimpft, bleibt ge : 
sund, eine Maus, mit derselben Dose intraperitoneal injiziert, stirbt inner- 
halb 24 Std. Bei der Sektion besteht leichter Milztumor, mikroskopisch 
lassen sich in alien Organen zahlreiche, plumpe, gramnegative, bipolar- 
gefarbte Kurzstabchen nachweisen, die die Gassnerplatte aufhellen, sich 
also hierin identisch mit der Injektionskultur erweisen. 

Mit Riicksicht auf die Unbeweglichkeit des Bakteriums ergeben sich 
bei der Artbestimmung desselben einige Zweifel; insbesondere im Hin- 
blick auf den von Pfeiler beschriebenen Huhnertyphus war eine weitere 
PrOfung des Stammes wiinschenswert. Auf meine Bitte iibermittelte mir 
Herr Prof. Dr. med. vet. Pfeiler giitigerweise sowohl einen Original- 
Hiihnertyphusstamm „Myszki u , wie eine Phiole agglutinierendes Hiihner- 
typhusserum. 

Der Hiihnertyphusstamm Myszki wurde durch das agglutinierende 
Hiihnertyphusserum (Titer 1:2000) bis zur VerdiiDnung 1:800 + + und 
1:1600 ±, der eigene Stamm, der nach seinem Herkunftsort Leitersdorf 
benannt sei, dagegen iiberhaupt nicht agglutiniert. 

In Lackrouszuckernutroselosung verhielt sich der Stamm Myszki 
folgendermafien: Manuit, nach 24 Std.: Rotung, Triibung, nach4Tagen: 
Gerinnung; Traubenzucker, nach 24 Std.: Gerinnung; Milchzucker, nach 
24 Std.: leichte Triibung, nach 4Tagen: leichte Triibung, nach 9Tagen: 
schwache Rotung; Rohrzucker, nach 24 Std.: leichte Triibung, nach 
4 Tagen: ganz schwache Rotung, nach 9 Tagen: starkere Rotung; Maltose, 
nach 24 Std.: R6tung. nach 9 Tagen: Rotung; Lackmusmolke zeigt nach 
24 Std. Rotung, welche dauernd bleibt. 

Der Hiihnertyphusstanm Myszki unterscheidet sich also zunSchst 
durch seine relativ hohe Agglutination durch spezitisches Serum von dem 
Stamm Leitersdorf, der nicht beeinfluBt wurde. (Von Typhus unter¬ 
scheidet sich der Stamm Myszki nach 24 Std. lediglich durch die Rotung 
der Maltose-Nutroselosung, die bei Typhus nicht auftritt.) 

Es war also zun&cht erwiesen, daB der Pfeilersche Hiihnertyphus 
nicht vorlag. Das Verhalten d^s Stammes Leitersdorf in den 5 auf- 
gezahlten Barsiekowschen LackmuszuckernutroselOsungen und in 
Lackmusmolke stimmt mit dem Verhalten des echten Paratyphus B und 
der Pseudodysenteribazillen vom Typus Flexner vollig iiberein. Die 
Zerkliiftung und griingelbliche Aufhellung von Neutralrotagar ist jedoch 
lediglich ein Merkmal von Paratyphus B, w&hrend die FI ex ner-Bazillen 
diesen Nahrboden unveriindert lassen. Andererseits ist der Stamm Leiters¬ 
dorf im Gegensatz zur Paratyphusgruppfi gleich den Ruhrbazillen un- 
beweglich und behait diese Eigenschaft auch bei Zdchtung in flttssigen 
NShrmedien. Die Agglutination durch Para-B-Serum erfolgte, obwohl 


1) Aus der Veteriniirabteiiung des Reichsgesundheitsamts durch giitige Verraitt- 
limg von Herrn Reg.-Rat Dr. med. vet. Zeller. 


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520 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 

von alien gepriiften Seren am hbchsten, weitaus nicht bis znr Titergrenze. 
Es wurde daher noch die AgglutinabilitSt des Stammes durch Dysenterie- 
Flexner-Serum (Titer 1:4000) gepruft. Er blieb in s&mtlichen Ver- 
diinnungen von 1:50—1:3200 unbeeinfluBt. 

Nach den Literaturangaben wurde der Bac. paratypbosusB als 
Krankheitserreger bei Gansen (Pfeiler, Manninger, Reinhardt), 
Tauben und Enten (Reinhardt, Manninger, Zingle), Kanarien- 
vogeln (Joest, Pfeiler) und TruthOhnern (Pfaff) und in einem (von 
Pfeiler und Rehse beschriebenen) sporadischen Falle auch beim Huhn 
gefunden. Nicht in alien Fallen ist die Beweglichkeit der herausge- 
ziichteten Bazillen ausdrficklich erw&hnt. Nach Pfeiler handelt es sich 
bei alien Tierinfektionen mit Bazillen aus der Paratyphusgruppe — aus- 
genommen den Bac. typhi gallinarum — um bewegliche Formen. 
Pfaff weist jedoch darauf hin, daft die Erreger der von Dodd als Para- 
typhusinfektion beschriebenen Truthiihnerseuche unbeweglich waren. 

Der vorstehend beschriebene Stamm Leitersdorf ist hier anzureihen 
und nach seinen Eigenschaften mit Riicksicht auf die fehlende Beweglichkeit 
als ein atypischer Bac. paratyphi B zu bezeichnen; es durfte berechtigt 
sein, diese Abweichung als Uebergangserscheinung zur Gruppe der 
Pseudodysenteriebazillen aufzufassen. 

Schlieftlich sind noch einige Bemerkungen uber den urs&chlichen 
Zusammenhang zwischen den gefundenen Bazillen und dem Tode des 
Huhnes am Platze. Der Annahme einer postmortalen Einwanderung 
der Stabchen steht zunachst das Fehlen jeder anderen Krankheits- und 
Todesursache, dann die in der kalten Jahreszeit (Anfang Febr. 1922) 
innerhalb 24 Std. nach dem Tode durchgefuhrte Sektion, der pathologisch- 
anatomische Befund einer Enteritis mit septikamischen Erscheinungen 
und die Gewinnung einer Reinkultur aus dem Herzblut, sowie zum Teil 
auch die erwiesene Pathogenitat der isolierten Bazillen fur weifte Miiuse 
entgegen. Allerdings trat die Infektion nur sporadisch auf und da der 
erste der beiden eingangs erw&hnten Todesf&lle nicht zur Untersuchung ge- 
langte, kann nicht behauptet werden, daft er auf die gleiche Ursaclie 
zuruckzufiihren sei. YVeitere Todesf&lle traten nicht auf. Es gelingt 
jedoch auch experimentell ein Infektion des Haushuhnes mit Paratyphus B 
nicht oder nur schwer (Reinhold, Pfeiler und Rehse, Pfaff) und 
Pfeiler u. Rehse haben beziiglich ihrer ebenfalls nur sporadischen 
Beobachtung einer echten Paratyphus-B-Infektion beim Huhn dieMeinung 
ausgesprochen, das die Infektion spontan infolge einer Schadigung der 
Widerstandsffthigkeit zustande gekommen ist. Vielleicht kann in dem vor¬ 
stehend beschriebenen Fall die erfolgte Tuberkulinisierung als dieses 
schadigende und die verrautlich vom Darm aus erfolgte Infektion aus- 
losende Moment gelten. 


Zusammenfassung. 

Aus Herzblut und Leber eines sporadisch eingegangenen Haushuhnes 
wurde ein gramnegatives Stabchen isoliert, daft sich auf der Drigalski- 
Conradischen Blau- und der Gassnerschen Griinplatte, sowie in 
Mannit-, Trauben-, Milch-, Rohr- und Malzzuckernutroselosung und Lack- 
musmolke wie der Bac. paratyphosus B oder der Bac. dysen- 
teriae Flexner verhalt, sich aber von jenem durch die raangelnde 
Eigenbewegung, von diesem durch Gas- und Fluoreszenzbildung in Neutral- 
rotagar unterscheidet. Durch Para-B-Serum wird der Stamm bis zur 
Verdiinnung 1:400 deutlich agglutiniert, durch Dysenterie-Flexner-Serum 


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Shiga, Zur Frage der Aetiologie der Ozana. 


521 


nicht beeinfluBt. Er kann, wahrend beim Bac. gallinarum Pfeiler 
die Verwandtschaft zum echten Typhusbazillus mehr hervortritt, als 
Uebergangsform von den Paratyphus- zu den Pseudo- 
dysenteriebazillen gelten. 

Die vereinzelte Infektion ist moglicherweise auf die vorhergegangene 
Tuberkulinisierung als das schadigende und auslosende Moment zuriick- 
zuflihren. 

Fur die Durchfuhrung der Untersuchung standen mir die Arbeits- 
behelfe der Prosektur zur Verfiigung, wofur ich dem Prosektor Herrn 
Dozenten Dr. med. Materna auch hier verbindlichsten Dank ausspreche. 

Liter ator. 

Pfeiler, Durch Paratyphazeen bedingte Tierkrankheiten. (Weichardte Ergebn. d. 
Hyg. etc. 1919. Bd. 3.) — Ders., Tierpathogene Erreger der Paratyphusgruppe. (Fried- 
berger-Pfeiffer, Lehrb. d. Mikrobiol. 1918. Bd. 2.) — Pfeiler u. Stand fuss, Kasuistische 
hakteriol., path.-anat., sowie experiro. Untersuchungen iiber H iihnertyphus. (Arch. f. w. 
u. pr. Tierheilk. Bd. 45. 1919. H. 3/4.) — Pfeiler u. Rehse, Ueber das Vorkommen 
der Bakterien aus der Gruppe der Fleischvergifter bei Vogeln. Paratyphus-B-lnfektiou 
beim Huhu. Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Grig. Bd. 68. 1913. H. 2.) — Lerche, Zwei 
Falle von atypischem Paratyphus bei Huhnern (Pfeilers Hiihnertyphus). (Dtsch. tier- 
arztl. Wo. 1921. Nr. 21.) — Pfaff, Eine Truthiihnerseuehe mit Paratyphusbefund. 
(Ztschr. f. Infektkrkh. etc. d. Haust. Bd. 22. 1921. H. 3/4.) — Kruse, Ruhrbazillen. 
(Friedberger-Pfeiffer, Lehrb. d. Mikrobiol. Bd. 2. 1918.) 


Nachdntck verboten. 

Zur Frage der Aetiologie der Ozana. 

[Aus dem staatlichen Serotherapeutischen Institute in Wien.] 

Von Dr. med. Mitsuo Shiga, Kobe, Japan. 

Wenn auch der klinische Begiff der genuinen Ozana heute mehr oder 
weniger gekl&rt erscheint, besteht im Gegensatze dazu liber die Aetio- 
logio dieser Erkrankung, deren vorwiegende Symptome durch Schwund 
der dunnen Nasenknochen, durch den spezifischen Fotor, die dicken, 
grunlichen, stinkenden Krusten und Borken charakterisi&rt sind, noch 
vollige Unklarheit, Oder besser gesagt, es ist zu keiner Uebereinstimmung 
in den Auffassungen gekommen. in neuester Zeit tritt allerdings die 
Auffassung immer mehr in den Vordergrund, daB die genuine Oziina 
doch eine Infektionskrankheit sei, verursacht durch spezifische Erreger, 
die wahrscheinlich gleichzeitig auch die Ursache des flir die Oziina so 
charakteristischen iiblen Geruches seien. Es wiirde zu weit fGhren, alle 
verschiedenen Theorien Uber die Entstehung der OzSna hier anzufiihren. 

Diesbezuglich sei auf die verschiedenen Arbeiten, besonders jene von GroUkopf- 
A lexander und Hofer, hingewiesen und hier nur kurz auf jene Theorien eingegangen, 
die sich rait der Ozana als einer Infektionskrankheit beschaftigen. Als erster hat be- 
kanntlich L6wenberg einen Bacillus mucosus beschrieben, der die Ursache der 
Ozanaerkrankungen sein soli, und der gleiche Bazillus wurde spater auch von Abel 
aufgefunden und als Bacillus mucosus ozaenae bezeichnet. Im wesentlichen 
charakterisiert sich dieser Bazillus Lo wen berg- Abel als eine Varietat des Fried- 
landerschen Bazillus, mit alien wesentlichen und wicbtigen C'harakteren desselben. 
Dieser Bazillus hat aber nach Angabe der Autoren mit dem widrigen Fotor und mit 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


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der Krustenbildung als solcher unmittelbar nichts zu tun. Diese beiden Krankheits- 
erscheinungen seien mehr oder weniger verursacht durch Begleitbakterien, die sekundar 
das im Gefolge der Atrophie der Schleimhaute auftretende zahe Sekret unter Gestank 
zersetzen. Nur in eiuem einzigen Falle wird von einein spateren Nachuntersucher, 
Cozzolino, dieser Geruch auch in Kulturen des B. mucosus Abel-Lowenberg 
gofunden, doch sind diese Angabeu vbllig vereinzelt geblieben. Die Richtigkeit der 
Auffassung, dafi die Ozana eine Infektionskrankheit sei, wurde aber am wahrschein- 
lichsten durch die von Perez erhobeneu Befunde gemacht, die Lhrer Wichtigkeit halber 
in Kurze hier wiedergegeben seien. 

Perez fand boi Untersuchungen der Ozana neben einer Reihe von Bakterien und 
Kokkenarteu ein kleines Stabchen, das er Coccobacillus foetidus nannte. Er 
charakterisiert seinen Mikroorgauismus ira wesentiichen als grainnegativ, unbeweglich, 
von Gestalt eines Coccobacillus, der auf Agar auch zu langeren Formen anwachst, 
also polymorph und im allgemeinen leicht auf den allgemeinen Nahrboden zu ziichten 
ist. Er triibt die Bouillon ohne Hautchenbildung und bildet Iudol. Auf Agarplatten 
erscheinen die Kolonien teds klein, opak, tiefer liegend, teils rund, durchscheinend bis 
weidlich an der Oberflache. Das Wachstum auf der Gelatine ist sehr zart, Verfliissigung 
tritt niemals ein. Auf der Kartoffel wachst der Bazillus gut, ebenso auf erstarrtem 
Serum. Die Milch wird niemals koaguliert, ofters tritt Alkalibildung in Erscheinung. 
Harn wird unter Bildung von Ammoniak zersetzt, und in fliissigen Kulturen findet sicn 
stets der fiir die Ozana so charakteristische Gestank. 

Dieser Coccobacillus ist fiir Meerschweinchen und Mause pathogen, die Er- 
krankung verliiuft bei intraperitonealer oder iutraveuoser Injektion unter dem Bilde 
einer hiimorrhagischen Septikamie. Eine ganz besondere Empfindlichkeit zeigt das 
Kaninchen. Bei subkutaner Injektion entstehen schwere Abszesse, am Ohr injiziert, 
breitet sich die Infektion erysipelartig aus, und bei intravenoser Einverleibung sehen 
wir Erscheinungen auftreten, die auBerordentlich charakteristisch sind. Es tritt zunachst 
eine starke, eitrige Sekretion aus der Nase auf, die bei richtiger Wahl der Dosis der 
Injektion und damit zusammenhangender laugerer Dauer der Erkrankuug zum kon- 
sekutiven volligen Schwund dcs Knochengeriistes der vorderen Nasenmuschel fiihrt. 
In diesem Sekrete laSt sich der Coccosbacillus hiiufig, oft sogar in lleinkulturen, 
nachweisen. Er wird also sozusageu durch die Nasenschleimhaut ausgeschieden, was 
Hofer als Rhinophilie bezeichnet. 

Haufig treten eigenturaliche bilateral-symmetrische Nekrosen an beiden Ohren auf 
und die Tiere magern trotz erhalteuer FreSlust. crheblich ab, bis sie dann der friihzeitig 
fortschreitenden Kachesie erliegen. Sterben auf grofiere Dosen die Tiere frtiher, dann 
findet man nur Pericarditis mit Exsudat, Kongestion der Lungen und Ekchymoseu in 
der Trachea. Manchmal kommt es zu AbszeSbildungen mit Fistelgangen auf dem 
Nasenriicken. 

Perez, der eine grofie Anzahl von ozanakranken Menschen und auch verschiedene 
Tiere, die mit dem Menschen in unmittelbarer Beruhrung stehen, untersuchte, fand 
seinen Bazillus immer nur bei der ausgesprochenen, klinisch sichergestellten Erkraukung, 
die durch Atrophie der Schleimhaute und den spezifischen Fotor charakterisiert war, 
und auffallenderweise auch im Sekret und Speichel des gesunden Hundes. 

Aus den zahlreichen Ergebnissen seiner Untersuchungen sucht Perez den Nach- 
weis zu erbringen, daB die Erkraukung, besonders in ein- und derselben Familie, durch 
innigen Kontakt (Contagion familiale ou affectueuse) der Familienmitglieder, aber auch 
direkt durch Uebertragung vom Hunde zustandekomme, also eine Infektionskrankheit 
sui generis sei. Den haufigen Befund des Bacillus Abel-Lowenberg erkliirt 
Perez zufolge einer Art Symbiose, die diesen Bazillus mit dem von ihtn als Erreger 
der Ozana beschriebenen vergesellschaftet und verbindet. 

Perez weiet ausdriicklich auf die grofien Schwierigkeiten hin, die sich der Zuch- 
tung entgegenstellen, insbesondere durch das Vorkommen gewisser Bakterien in der 
Nase, die bei nicht exakter und genauester Untersuchung leicht zu Fehldiagnosen 
fiihren kdnnen. 

Die Perezschen Untersuchungsergebnisse wurden eingehend von Hofer nach- 
gepriift, und nicht nur deren Richtigkeit bestatigt, sondern auch in weitgehendstem 
Ma6e noch erganzt. Hofer, der in der Lage war, diese Frage sowohl klinisch, bak- 
teriologiseh als tierexperimentell zu priifen, ist dadurch heute neben Perez zum wieh- 
tigsten Verfechter der infektiosen Aetiologie der Oziina und des Perezschen Bazillus 
geworden. 

Abgesehen von den Gegnern der Infektionstheorie, die die Ursache der Ozana auf 
eine Trophoneurose, angeborene MiSbildung oder auf hereditare Lues zuriickfuhren, hat 
die Perez-Hofersche Infektionstheorie mit dem spezifischen Erreger, dem Cocco¬ 
bacillus foetidus. auch unter den Anhangern der Infektionstheorie Widerspruch 
hervorgerufen. Von iiltereu Untersuchern erblicken Pes und Gradenigo, ferner 


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Shiga, Zur Frage der Aetiologie der OzaDa. 


523 


della Vedova und Belfanti, Griinwald und Waldmann in den von ihnen 
geziichteten Pseudodiphtherie- oder Proteuebazillen die atiologische Ursache der Ozana, 
und andere Forscher wieder halten den Perez eehen Coccobacillu6 fiir eine Varietat 
des B. mu cos us oder B. proteus, kurz, es besteht auch unter den Anhangern der 
Infektionstheorie keine eiDheitliche Auffaesung. 

Deshalb war es wohl von Wert, dieser Frage neuerlich naherzutreten 
und das mir so reichlich zur Verfugung stehende Material auszunutzen. 

Es liegt in der Natur der Sache, daB ich bei meinen Untersuchungen 
zunachst die Angaben von Perez und Hofer nachzupriifen bestrebt 
war und darauf hinzielte, den Coccobacillus foetidus in seiner 
Aetiologie zu erforschen, weil von den Ergebnissen aller Autoren die 
von Perez inir als die abgeschlossensten und ausfiihrlichsten erschienen. 
Denn der von ihm gefundene Erreger soli nicht nur Trager des spezi- 
fischen Fotors der Ozana sein, sondern auch in dem empfSnglichen 
Versuchstiere, dem Kaninchen, eine der Ozana analoge Krankheit her- 
vorrufen. Die dagegen vorgebrachten Einwendungen und Ablehnungen, 
wenn sie bloB deshalb erfolgten, weil diese Versuche, wenn sie gelingen, 
in der Nase niemals zu Krusten- und Borkenbildung wie beim Menschen 
fiihren, sind von der Hand zu weisen, da wir ja geniigend menschliche 
Erkrankungen kennen, die, auf das Tier iibertragen, langst nicht so 
weitgehende Uebereinstimmuug bringen, wie gerade die mit dem Perez- 
schen Bazillus beschriebene und experimented erzeugte Rhinitis der 
Kaninchen. 

Den eigenen Versuchen will ich noch vorausschicken, daB ich eine 
Reihe seinerzeit von Perez und Hofer geztichteter Stamme nach- 
gepriift habe und im wesentlichen alle von diesen Autoren gemachten 
Angaben iiber die Morphologie, Biologie und kulturellen Eigenschaften 
dieser Stamme best&tigen kann. 

Eigcne Untersuchungen. 

Im Verlauf von 8 Mon. habe ich eine groBe Anzahl von OzSna- 
fallen, die mir von der hiesigen Universit&tsklinik von Prof. Hajek, 
und der Poliklinik von Prof. Marschik zur Verfugung gestellt wurden, 
ferner sogenannte Grenzf&lle, Koryzen und chronischen Atrophien etc., 
untersucht. 

Ich hielt mich zunSchst streng an die von Perez und Hofer an- 
gegebene Technik, die wegen der grofien Aehnlichkeit der Agarkulturen 
des Coccob. Perez und des B. mucosus darin besteht, moglichst 
viele einzelstehende Kolonien der Platte abzuimpfen, die so angelegten 
Bouillonrohrchen auf Geruch zu priifen und die typisch ricchenden 
Kulturen dann mit spezifischem Immunserum nach der Hoferschen 
Methodik zu identifizieren, 

Trotz groBen Aufwandes an Zeit und Material konnte ich anfangs 
zu gar keinem befriedigenden Ergebnis gelangen; in der weitaus iiber- 
wiegenden Mehrzahl erwiesen sich die so gewonnenen Kulturen als B. 
mucosus Abel. Gelegentliche Befunde waren uberdies Staphylo¬ 
coccus albus, aureus, Micrococcus tetragenus, catarrhalis, 
Streptokokken, G ram-positive Bazillen, Subtilis, Mesentericus, 
Pyocyaneus, Proteus, Liquefaciens, Paracoli und Coli; 
Pseudodiphtheriebazillen wurden ebenfalls, aber nur ganz vereinzelt, ge- 
funden, im Gegensatze zu anderen Angaben. 

Ausdriicklich sei festgestellt, daB ich das Vorkommen des B. m u c o s u s 
Abel in Uebereinstimmung mit den Angaben von Thost wiederholt 


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524 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 

auch bei anderen Erkrankungen der Nase, wie einfachen Rhinitiden, 
Nasendiphtherien etc., also bei Erkrankungen, bei denen kein Verdacht auf 
Ozana vorlag, im Sekrete feststellen konnte, doch babe ich nicht gepruft, 
ob diese Personen mit Ozanakrankeu in Kontakt gestanden batten, was 
nach der Perezschen Theorie die Ursache fiir diese Befunde sein soil. 

Ich habe mich dann dem Tierversuche zugewendet, in der Hoffnuug, 
auf diese Weise nach dem von Perez und Hofer empfohlenen Ver- 
fahren, aus den eitrigeu Sekreten der Nase den Coccobacillus zfichten 
zu konnen. Derartige eitrige Katarrhe bei den Versuchstieren habe 
ich wiederholt durch Einspritzung von Bouillonmischkulturen aus Ozana- 
krusten erzielen konnen, aber die Isolierung des Perezschen Bazillus 
ist mir zunachst (allerdings in einer sehr beschrankten Versuchsreihe) 
nicht gelungen. 

Da ich in diesen Nasensekreten wiederholt auf einen dem Abel- 
Lfiwenberg nahestehenden Ivapselbazillus gestoBen bin, so muBte ich 
annehmen, daB entweder die Kanincheunase auch fiir den Abel-Lowen- 
bergschen Bazillus nach intravenoser Injektion durchgiingig sei, oder 
aber, daB hier im Augenblicke des Auftretens entziindlicher Vorgange 
eine rasche sekundare Vermehrung eines dem B. mucosus Abel nahe¬ 
stehenden Bakteriums stattfinde. Um diese Frage zu entscheiden, haben 
wir einige Kaninchen zuerst mit B. mucosus zu immunisieren versucht 
und ihnen dann erst die Ozanamischkultur eingespritzt, in der Hoffnung, 
daB auf diese Weise die Ausscheidung des Abel-Lowenbergschen 
Bazillus durch die Nasenmuscheln verhindert werde. Diese Versuche 
haben aber kein eindeutiges Resultat ergeben, sie mfiBten erst an einem 
viel groBeren Tiermaterial, als es mir zur Verffigung stand, durchgepriift 
werden. Doch kann ich erganzend hinzufugen, daB einerseits mit Ileiu- 
kulturen des B. mucosus Abel-Lowenberg eitrige Rhinitiden beim 
Kaninchen nicht erzeugt werden konnen, und daB anderereits die Vor- 
untersuchung, ob dieses Bakterium in der gesunden Kaninchennase 
vorhanden ist Oder nicht, auf groBe Schwierigkeiten stoBt, weil es 
sehr schwer ist, jederzeit die entsprechende Menge geeigneten Nasen- 
sekretes vom Versuchstiere zu bekommen, Ich bin daran gegangen, 
einen Nahrboden ausfindig zu inachen, der bei der Unterdrfickung des 
B. mucosus doch dem Coccobacillus Perez gute Wachstums- 
moglichkeiten bieten sollte. In dieser Beziehung war es naheliegend, 
zunachst die Angaben Ilofers fiber die gfinstigen Erfolge mit Arsen 
nachzuprfifen. Zu diesem Zwecke habe ich Reinkulturen von Cocco¬ 
bacillus Perez und B. mucosus gemischt und von diesen Mischungeu 
jeweils 1 Oese in Bouillon fibertragen, der in verschiedenen Mengen 
Arsen in Form von Tinct. Fowleri zugesetzt war. Ich konnte tatsach- 
lich auf diese Weise, wenn ich die Rohrchen 24 Std. bebrtitet hatte, 
ganz in Uebereinstimmung mit den Befunden Hofers, den Perezschen 
Bazillus in Reinkultur gewinnen. 

Es war also das Wachstum des B. mucosus vollkommen unter- 
drfickt, jenes des Coccobacillus Perez aber elektiv begiinstigt 
worden. Diese Ergebnisse veranlaBten mich, den Coccobacillus 
Perez und B. Lowenberg-Abel bezfiglich ihrer Wachstumsverhfilt- 
nisse getrennt und fiir sich auf Nahrboden zu untersuchen. denen ver- 
schiedene Substanzen zugesetzt waren. Hierfiber gibt Tab. I. AufschluG, 
deren Durchsicht ergibt, daB auBer dem Arsen auch Phosphor und wein- 
saures, antimonsaures Kalium das Wachstum des B. mucosus, im Ver- 
gleich mit Perez, ganz wesentlich beeintrachtigen. Dagegen zeigten 


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Shiga, Zur Frage der Aetiologie der Ozana. 


525 


Tabelle I 

zeigt die Wachstumsverhaltnisse von Coccobac. ozaena foetidus Perez und 
B. mucosus Abel-Lowenberg naeh Zusatz verschiedener Substanzen zum Nahrboden. 


Name 


Menge in Tropfi 

en auf 

je 

der beigefiigten 
Substanz 

Bakterienstamm 


9 ccm bouillon 









1 


! 3 





L ? 

4 

1 5 

Arsen 

Abel-Lowenberg 

± 

_ 

_ 

_ 

. 

Tinct. Fowleri 

Coccobac. Perez 

+ + 

+ 


— 

— 

Phosphor- 

Abel-Lowenberg 

— 

— 

— 

— 

— 

saure 

Coccobac. Perez 

+ 

— 

— 

— 

— 

weinsaures antimon- 

Abel-Lowenberg 

— 

— 


— 

— 

saures Kali 

Coccobac. Perez 

+ + 

++ 

++ 

+ 

+ 

10-proz. Weinsaure 

Abel-Lowenberg 
Coccobac. Perez 

+' 

+ 

+ 

+ 

— 

— 

— 

10-proz. weinsaures 

Abel-Lowenberg 

+' + 

■ ++ 

++ 

+ 

± 

Natrium 

Coccobac. Perez 

+ + 

++ 

+ 

± 

— 

Normal milchsaure 

Abel-Lowenberg 

+ + 

++ 

+ 

± 

— 

Losung 

Coccobac. Perez 

+ + 

+ 

+ 

— 

— 

Normal- 

Abel-Lowenberg 

+ 

— 

— 

— 

— 

Ameisensaure 

Coccobac. Perez 

+ 

— 

— 

— 

— 

10-proz. Zitronen- 

Abel-Lowenberg 

+ + 

++ 

+ 

± 

— 

saure 

Coccobac. Perez 

+ + 

+ 

+ 

— 

— 

10-proz. Benzoesaure 

Abel-Lowenberg 
Coccobac. Perez 

+ + 
l + + 

++ 

++ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

10 Harnsaure 

Abel-Lowenberg 

1 + + 

++ 

+ + 

+ + 

+ + 

Coccobac. Perez 

' + + 

+ -f 

++ 

+ + 

+ + 

10 Harnsaure und je 

Abel-Lowenberg 

— 

— 

— 

— 

— 

2 Tropfen Kal. tartarat. 

Coccobac. Perez 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 


keinen besonders differenten EinfluB in dieser Richtung weinsaures 
Natrium, ferner Wein-, Milch-, Zitronen-, Benzoe- und HarnsSure. 

Ich habe mehrere Male OzSnakrusten in Bouillon aufgefangen, denen, 
entsprechend den Ergebnissen meiner Vorversuche, Arsen, Phosphor und 
Brechweinstein zugesetzt war, und konnte dadurch stets das Wachstum 
von B. mucosus ausschalten. Dennoch wurde ich auf diese Weise 
zunachst nicht in die Lage versetzt, den von Perez beschriebenen 
Coccobacillus zu isolieren, resp. die erhaltenen Kolonien, die sich 
hilufig als Coccobazillen reprSsentierten, und den charakteristischen Geruch 
entwickelten, durch die Agglutination als solche mit dein Perezschen 
Bazillus identifizieren zu konnen. Deshalb versuchte ich die Niihrboden 
weiter zu verbessern, indem ich nach weiteren kulturellen Unter- 
schieden zwischen dem Coccobacillus Perez und B. mucosus 
suchte. Hieruber gibt Tab. II AufschluB, aus der man ersieht, daB bei 
Verwendung der Barsiekowschen Nahrboden sich Unterschiede beider 
Stamme vorwiegend im Verhalten gegen Mannitzucker zeigen, weniger 
gegen Maltose, die auch von Perez-Stammen, wenn auch nicht regel- 
maBig, so doch manchmal, unter Rotfarbung zerlegt wird. 

Als ich in systematischer Folge daran ging, Ozauasekrete auf Mannit¬ 
zucker- Arsenplatten, denen Lackmusmolke zugesetzt war, zu untersuchen, 
fanden sich ofters Kolonien vor, welche den Mannitzucker nicht angriffen, 
Coccobazillen vorstellten und, in Bouillon tlbertragen, den typischen Ge- 


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526 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Onginale. Bd. 88. Heft 7/8. 


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6-wertig. 

Alkohol 

5-w. 

Alkoh. 

4-w. 

Aik. 

3-w. 

Aik. 

Polys. 

Tri- 

S. 

Di.-S. 

Mono- 

sacchar. 

Zuckerarten 

Molke 

Dulzit 

Mannit 

Sorbit 

Xylose 

Arabinose 

Erythrit 

Glyzerin 

Dextrin 

Innulin 

Starke 

Glykogen 

Baffinose 

Sr gp 

E.S-1 

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7 C 7. /, 

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1 

1 1 1 

1 1 

1 

rosa 

1 1 1 1 

1 

1 1 1 

rot triib 
schwach rosa 

Oziina Perez 

St. Baumriick 

1 

1 1 1 

1 1 

_ 


*-» 

o 

CD 

P 

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1 

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QD 

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Ozana Perez 

St. Steffi 

-i 

o 

00 

> 

rot 

koaguliert 
rot triib 

koaguliert 
rot triib 

1 

koaguliert 

rot triib 

rot klar 

rot triib 

rosa 

rot triib 
koaguliert 

77 

O 

_ . £ 

= 2 2 C. 

s 

Abel-Low. 

Nr. 17 

rosa 

77 

O 

O c o 

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•1 

cr 

koaguliert 

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*“1 

o 

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koaguliert 

rot klar 

koaguliert 

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O 

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er- 

77 

O 

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© 

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o 

r*- 

rot triib 
leicht. gerotet 

1 1 

1 

O 

CD 

P 

Ills 

p 

leicht gerotet 

rot triib 

koaguliert 

leicht gerotet 

B. Fried- 

lander 

•i 

O 

ct- 

1 1 1 

O I 

0 o 1 
p 

1 

1 

11= s 

p 

rosa 

3 1 1 

rot triib 
rot 
rot 

koaguliert 

B. rhino- 

sklerom 

►t 

o 

7; 

P 

1 1 1 

koaguliert 

rot rot triib 

Ills 

p 

i 

rot triib 

rot 

koaguliert 

rot 

koaguliert 

B. proteus 

ziegelrot 

koaguliert 

S' 

p 

nrq 

©‘ 

1 

rot triib 

1 

koaguliert 

S' 

p 

„ „ „ CT5 

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•1 

B. lactis 
capsulat 


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4 URBANA-CHAMPAIGN 

- - - —- - 




Shiga, Zur Frage der Aetiologie der Ozaua. 


527 


stank der Ozana wiedergaben, aber beweglich waren und mit dem Iramun- 
serum der Perez -St&mme nicht agglutinierten. Ich war zuerst der An- 
sicht, unreine Kolonien vor rair zu haben, konnte aber trotz diesbezug- 
licher Beratlhungen den Perezschen Coccobacillus darans nicht 
isolieren. Auf derartige groBte Schwierigkeiten, den Bacillus Perez 
aus Mischkulturen rein zu ztichten, hatte Hofer schon mehrmals ver- 
wiesen, und auch die Isolierungsversuche durch den Tierversuch bieten 
fiir die Gewinnung von Reinkulturen keine absolute Gew&hr, selbst dann 
nicht, wenn die charakteristische Eiterung eingetreten und im Sekrete der 
Coccobacillus nachweisbar ist; dazu kommen die erheblichen Kosten, 
die heute jeder derartige Versuch verursacht. Deshalb versuchte ich 
noch,. weitere NShrbbden herzustellen, auf denen die Trennung der Cocco- 
bazillen Perez gegeniiber den Begleitbakterien besser durchfiihrbar ware. 
Ich versuchte tellursaures Natrium und fiigte i J 2 ccm ein 1-proz. L6sung 
10 ccm Bouillon Oder Agar zu; die Vorversuche ergaben, besonders bei 
weiterer Zugabe von 1 Proz. Traubenzucker, daB der Coccobacillus 
Perez stets gut und mit tief schwarzer Farbe wBchst, dagegen die 
Gruppe der Friedl&nder- Bazillen entweder gar nicht zur Entwicklung 
gelangt, oder wenn, das Wachstum niemals unter Schwarzffirbung des 
N&hrbodens erfolgt; es tritt hbchstens eine VerfSrbung ins Br&unliche bis 
Schw&rzlich-braune auf, auch in Tellurbouillon, in welcher der Cocco¬ 
bacillus Perez innerhalb von 24—48 Std. einen tiefschwarzen Boden- 
satz bildet. 

Trotz dieser giinstigen Ergebnisse der Vorversuche gelangte ich aber 
auch mit diesem N&hrboden nicht zu dem gewiinschten Resultate, ent¬ 
weder, weil wieder die gefundenen Coccobazillen sich als inagglutinabel, 
und beweglich erwiesen, oder aber, weil die Kolonie gegeniiber ebenfalls 
schwarzwachsenden Kokken und einigen Stiibchenarten nicht dieselbe 
Differenzierung erlaubten, wie gegeniiber B. mucosus. Andere Ver- 
suche mit Natrium stibicum und Natrium selenicura fiihrten zu keinem 
brauchbaren Resultat, ergaben auch keinerlei tellur&hnliche Wirkung auf 
die Wachstumsverhfiltnisse des Coccobacillus Perez gegeniiber dem 
B. mucosus. 

Wenn ich aus den Ergebnissen dieser Versuche SchluBfolgerungen 
ziehe, so waren es zun&chst die, daB Coccobacillus Perez und 
B. Abel nicht nur in der Morphologie, sondern auch in ihrem kulturellen 
Verhalten (die Agarplatte ausgenommen) gar nichs Gemeinschaftliches 
miteinander aufweisen und daB alle dahingehenden Behauptungen vbllig 
jeder berechtigten Grundlage entbehren. Ich habe nicht nur 10 typische 
von Perez und Hofer geziichtete Bacillus foetidus-Stiimme gegen 
ebensoviele Mucosus -St&mme verglichen, sondern habe auch die ein- 
zelnen Stamme untereinander vergleichend gepriift und dabei festgestellt, 
daB jeder einzelne Stamm der Gruppe Perez alle ihm zugeschriebenen 
charakteristischen Merkmale wiedergibt und daB kein einziger von den 
iibrigen wesentlich differiert. Diese Merkmale sind gegeniiber dem 
Kapselbacillus Abel-Lowenberg nach dem Vorausgeschickten aber 
so wesentlich und durchgreifend, daB es uns unverstiindlich erscheint, 
wie man ihn als eine Varietiit des letzteren hinstellen konnte. Ich kon- 
statierte ferner, daB unter etwa 50 von mir aus der Nase isolierten 
Kapselbazillen keine einzige der tlflssigen Kulturen den typischen Gestank 
der Oz&na zu reproduzieren vermochte, wogegen ihn die meisten der 
Laboratoriumsstamme des Coccobacillus Perez auch heute noch 
wiedergeben. 


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528 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. $8. Heft 7/8. 

Ich habe die Absicht, in einer spateren Arbeit ausffihrlicher fiber 
die aus der Nase zu zfichtenden Kapselbazillen vom Typus Abel- 
Lowenberg zu berichten, weil ich auf Grund meiner Vorstudien zur 
Ueberzeugung gelangt bin, dafi wir hier keineswegs eine einheitlicbe 
Gruppe vor uns haben konnen. 

Aus meinen zahlreichen und vorstehend nur kurz wiedergegeben 
Untersuchungen muBte ich dann weiterhin den SchluB ziehen, daB der 
Coccobacillus foetidus Perez-Hofer entweder nicht jene Rolle 
in der Aetiologie der Ozfina spielen konne, die ihm von seinen Autoren 
zugeschrieben wird, oder aber daB seine Zuchtung auf so enorme 
Schwierigkeiten stoBt, die weit jene von Hofer angegebenen fibertreffen. 

Die Angabe Hofers, daB er haufig Kulturen in der Hand gehabt 
habe, die sich bei der Agglutination als Mischkulturen erwiesen hatten 
und daB es ihm trotzdem nicht gelungen sei, durch wiederholte Um- 
zfichtungsversuche den Coccobacillus Perez daraus zu isolieren, 
blieb auffallend und hatte mich beeinfluBt. 

Da ich aber andererseits durch verschiedene Zfichtungsverfahren in 
ca. 18 von 22 Fallen Coccobazillen isoliert hatte, die dem Perezschen 
Bazillus in vieler Hinsicht entsprachen, insbesondere in flfissigen Kulturen 
den typischen Gestank der OzSnakranken wiedergaben und durch die 
Agglutination mit Perez-Immunserum nicht zu identifizieren waren, 
wurde ich zu der Annahme gedrangt, daB entweder neben dem Cocco¬ 
bacillus Perez noch andere Bazillen Trager dieses Geruches seien, 
oder aber daB es sich in der Aetiologie der Ozana urn eine Gruppe 
von Bazillen handeln konnte, deren Charakterisierung und gemeinsame 
Zugehfirigkeit mehr durch morphologische, kulturelle und biologische 
Eigenschaften gegeben und erwiesen werden konne, als durch serolo- 
gische Behelfe. Ffir diese letztere Annahme lagen ja genfigend Er- 
fahrungen vor, besonders und am bekanntesten aus der Coli-Gruppe, 
ferner aus der Gruppe der hamorhagischen SeptikSmieereger, bei den 
Gartner- Bazillen und aus der Proteus- Gruppe und vielleicht nicht in 
letzter Linie auch bei den Dysenteriebazillen. 

Vorerst muBte ich aber doch dem merkwtirdigen Probleme der dem 
Perezbazillus zugeschriebenen Symbiose mit anderen Bakterien 
nfihertreten, und habe deshalb eine Anzahl der von mir durch ver¬ 
schiedene Zfichtungsverfahren erhaitenen, fotid riechenden Kulturen 
nochmals einer exakten und eingehenden Nachuntersuchung unterzogen, 
zu welchem Zwecke ich mich der alten Methode des Gelatineplatten- 
verfahrens bediente, einerseits, weil ja die Gelatine Unterschiede im 
Aussehen der Kulturen unvergleichlich besser zum Ausdruck bringt, 
als die Agarplatte dies jemals imstande ware, und andererseits, weil 
auch biologische AeuBerungen, wie beispielsweise gewisse fermentative, 
peptonisierende Eigenschaften der Kultur, hier unverkennbar zum Aus¬ 
druck gelangen konnen. 

Schon eine einfache Gegenfiberstellung der Perezschen Cocco- 
Bazillen und jener des B. mucosus Abel lassen, im Gegensatz zur 
Agarplatte, auf Gelatine zwischen beiden Kolonien so deutliche Unter¬ 
schiede erkennen, daB es mir nunmehr unverstandlich erscheint, warum 
man bei alien spateren Untersuchungen von Ozanasekreten, die in der 
Literatur wiedergegeben sind, fast durchweg und unter AuBerachtlassung 
der Angaben Abels, Lowenbergs, Thosts etc. die Prfifung auf 
Gelatineplatten unterlassen hat. 


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Shiga, Zur Frage der Aetiologie der Ozana. 


529 


Als ich eine Reihe meiner Coccobacillenstamme auf Gelatine priifte, 
fand ich zunachst bei der Mehrzahl derselben vorwiegend langsam ver- 
fliissigende Kolonien vor, daneben aber auch solche. die die Gelatine 
zunfichst uicht peptonisierten, vielmehr als auBerst zarte Kolonien wuchsen, 
im Aussehen ahnlich den Kolonien des Perezschen Bazillus. 

Wenn ich derartige, isoliert stehende Kolonien verimpfte, und neuer- 
lich aus der so gewonnenen Bouillonkultur Gelatineplatten goB, so zeigten 
sich zu meiner groBten Ueberraschung auf solchen Platten immer wieder 
verfliissigende und nicht verfliissigende, oder nur ganz langsam nach 
Tagen einsinkende Kolonien. 

Es war nun mein begreifliches Bestreben, verfliissigende und nicht 
verfliissigende Kolonien, die diese Eigenschaft bei mehrmaliger Passage 
als konstantes Merkmal aufwiesen, voneinander zu trennen und in ihrem 
gegenseitigen Verhalten zueinander zu priifen. Die Tatsache, daB die 
Bouillonkulturen beider Arten stets den eigenartigen OzSnageruch wieder- 
geben, hatte ich schon vorher festgestellt, und es blieb mir nur noch 
die Sicherstellung iibrig, daB nicht etwa in den verfliissigenden Kolonien 
(symbiontisch) Stabchen der anderen, nicht verfliissigenden Art ent- * 
halten wSren. 

Solche Kulturen habe ich deshalb vielmals durch Gelatineplatten 
geschickt und schliefilich tatsSchlich einige Stfimme erhalten, die kon- 
stant auf der Gelatineplatte jegliches peptonisierende Ferment vermissen 
lassen. 

Der nachste Schritt war, daB ich mir rait diesen Stfimraen ent- 
sprechend agglutinierende Immunsera herstellte und kreuzweise diese 
Stfimme untereinander agglutinierte. Dabei ergab sich die auffallende 
und interessante Tatsache, daB die Immunsera der verfliissigenden und 
nicht verfliissigenden Stfimme sich in den meisten Fallen gegenseitig, 
und z war bis zur Titergrenze agglutinieren, dagegen den Coccobacillus 
foetidus Perez agglutinatorisch ebensowenig beeinflussen, wie dessen 
Immunserum sie selbst (s. Tab. III). 

Die nunmehr ermittelte Tatsache, daB eine groBere Zahl meiner Ge¬ 
latine Iverflflssigenden und die nicht verfliissigenden Bazillen unterein¬ 
ander agglutinieren, daB beide in der Bouillonkultur den typischen Ge- 
stank der Ozana wiedergeben und daB sie relativ haufig im Sekret der 
Oz3nakranken gefunden werden, legte die Vermutung nahe, daB wir hier 
eine Gruppe von Bakterien vor uns haben, die allem Anscheine nach 
doch in einer gewissen Beziehung zu dieser Erkrankung stehen diirfte. 
Aus diesem Grunde habe ich eine groBere Anzahl der von mir ge- 
ziichteten Stamme eingehender untersucht und die Ergebnisse mit dem 
von Perez erhobenen Befunde verglichen, woriiber ich im Nachfolgen- 
den berichte: 

Das von mir gefundene Stabchen ist in den meisten Fallen gut be- 
weglich, doch finden sich auch Kulturen, in denen die Stabchen unbe- 
weglich zu sein scheinen, und erst nach langerer und autmerksamerer 
Betrachtung sieht man an dem einen oder anderen Stabchen Beweglich- 
keit auftreten, ganz ahnlich, wie dies PI as say in neuester Zeit fur die 
Pas teurella-Gruppe festgestellt hat, und Aehnliches scheint auch fiir 
den von Perez gefundenen Coccobacillus zu gelten. 

Das Stabchen ist ausnahmslos gramnegativ, ist polymorph und re- 
prasentiert sich moistens aus Kulturen von der Agarplatte als Cocco¬ 
bacillus, doch finden sich darunter eingestreut auch langere Formen, 
manchmal Faden, so daB man ebenso, wie dies Perez und Hofer f(lr 
F,r»te Abt. Orig. Bd. 88. Heft 7/8. 34 


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530 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


Tabelle III. 


Angabeiiber Verfliissigung 
der Gelatine 

Bezeichnung der Stamme 
Nr. 

Immunserum 
Ozana von 
Perez Stamm 
Baumruck 

Immunserum 
Ozana von 
Perez Stamm 
Amon 

1 Immunserum 
Lothobac. v. 
Stamm 19. 
Gel. verfliiss. 

Immunserum 
Stamm von 
Nr. 22. Gelat. 
nicht verfliiss. 

o 

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6 V. deutlich 

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8 V. deutlich 

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16 keine V. 

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17 V. deutlich 

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20 einsinkend 

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21 einsinkend 

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21 V. deutlich 

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22 keine V. 

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+ 

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22 V. deutlich 

— 

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Ozana Perez orig. 

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+ 

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B. muriseptikum 

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1 — 


— 

— 

— 


ihre Kolonien angeben, auch bier haufig den Eindruck erhalt, als hStte 
man keine Reinkultur vor sich. 

Kapseln oder Sporen werden menials gebildet; das Wachstum er- 
folgt auf alien kiinstlichen NahrbOden gut, nur auf der natiirlich sauren, 
sowie auf der alkalischen Kartoffel ist es im allgemeinen behindert und 
weiter zart und farblos, wie bei den Angehorigen der Pasteurella- 
Gruppe. 

Die Bouillon wird gleichmaBig getriibt, meist ohne H&utchenbildung, 
oder es ist nur eine zarte Andeutung eines solchen vorhanden. Die 
Bouillonkulturen zeigen den gleichen, an Ozana erinnernden Gestank, 
wie Coccobacillus Perez. Indol wird nachweisbar gebildet, wenn 
auch die Reaktion nicht immer sebr ausgepragt ist. Auf der Agarplatte 
wachst der Bacillus Shnlich dem Bacillus Perez als rundliche, offers 
flache, glanzende Kolonie mit manchmal leicht zackigem Rande, ohne 
daB dieses Merkmal konstant und zur Abgrenzung gegenliber den Ko¬ 
lonien des Bacillus Abel-Lowenberg verwertbar ware. 

Auf Urin- oder harnsaurehaltigen, besonders in fliissigen N&hrboden 
tritt, wie bei Coccobacillus Perez ammoniakalische Zersetzung und 
Geruch nach Mauseharn auf. 


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Shiga, Zur Frage der Aetiologie der Ozana. 


531 


Die Milch bleibt entweder vollig unverandert, oder nach mehreren 
Tagen, oft erst nach 1—2 Wochen, tritt Alkalibildung ein, der Peptoni- 
sierung und vollige Aufhellung folgen kann. Diese Alkalibildung be- 
obachtete auch Perez, wenn sie auch nie so weitgehend war, daB sie 
zur vdlligen Peptonisierung fiihrte, und es scheint, als ob unsere nicht 
verfliissigenden Stamme Nr. 5, 6, 12, 16 und 22 sich in dieser Beziehung 
analog dem Coccobacillus Perez verhalten, da sie auch noch nach 
3-wochiger Beobachtungszeit die Milch bis auf leicht alkalische Reaktion 
vollig unveriindert liefien. Je starker die Stamme Gelatine verfliissigen, 
desto rascher scheinen sie die Milch zu peptonisieren, und umgekehrt; 
nicht verfliissigende lassen die Milch unverandert 

Auf der Gelatineplatte wachst der Bazillus als auBerst zarte, durch- 
scheinende Kolonie manchmal mit zackigem Rande. Die Oberflache ist 
glatt oder gleicht haufig jener eines durchsichtigen, hdckerigen Tropf- 
steines. Manchmal konnen diese Kolonien mehr coliahnlich aussehen, 
doch ist dieser Typus selten, und es fehlt dann die Nabenbildung. Sehr 
haufig beginnen die Kolonien auf der Gelatine nach 48—3mal 24 Std. 
langsam einzusinken, ohne zunachst ihr charakteristisches Aussehen zu 
dndern. Mit fortschreitendem Einsinken andert sich dann auch die 
Struktur der Kolonien; sie bekommen ein Aussehen, wie ein Tuch, das 
im Winde flattert, scheinen fahnen- oder segelfetzenartig und, wenn sich 
einmal eine ausgesprochene Schale gebildet hat, dann verschwindet auch 
das vorher so charakteristische Aussehen spurlos. Die dritte Moglichkeit, 
bei verstarktem Peptonisierungsvermogen, laBt die Kolonien schon zu 
Beginn als uncharakteristische, schusselartige Verfltissigung erscheinen, 
jedoch findet sich auch dann nur am tiefsten Punkte derselben der 
Bakterienhaufen in Form einer rundlichen Scheibe, und die verfliissigte 
Zone bleibt klar und ungetrubt, im Gegensatze zu den meisten anderen 
vulgaren, die Gelatine verfliissigenden Bakterienarten, wie z. B. Pro¬ 
teus, Liquefaciens etc. Ganz analog findet auch im Gelatinestich 
die Verfliissigung nur von der Oberflache aus, und zwar wieder schflssel- 
artig, dann erst in breiter Zone von oben nach unten fortschreitend, 
nicht aber vom Stichkanal selbst aus statt, ohne daB es etwa zu jenen 
schlauch- oder strumpfartigen Verflflssigungsformep, wie etwa bei Ba¬ 
cillus Proteus oder vielen Coccenarten kommen wiirde. Auch auf 
der Gelatineplatte selbst scheinen die tiefer liegenden, rundlichen, 
opakeren Kolonien nicht zu verfliissigen und dieses Vermogen erst zu 
gewinnen, wenn sie, nahe der Oberflache gelegen, diese durchbrochen 
haben. 

Trauben- und Milchzuckeragar werden inkonstant vergoren, wie 
dies Hofer auch fur Coccobacillus Perez angibt. Die Unter- 
suchung auf den Barsieko wschen Nahrbdden gibt konstant Saure- 
bildung aus Traubenzucker unter Rotfarbung, die nur selten bis zur 
Koagulation fortschreitet. Milchzucker wird niemals zersetzt. Nach 
Tagen tritt bei einzelnen Stammen leichte Alkaleszenz auf. Ebenso wird 
auch Mannitzucker, was als charakteristisch hervorgehoben sei, niemals 
angegriffen, Maltose und Saccharose werden dagegen inkonstant gerotet, 
selten koaguliert, Lackmusmolke gerdtet. Spater tritt ofter ein Umschlag 
ins Blaue ein, oder sie bleibt unverandert neutral. 

Wie wir aus Tab. IV durch Gegenllberstellung der von mir einerseits, 
Perez und Hofer andererseits geziichteten Stammen ersehen kdnnen, 
deckt sich das kulturelle Verhalten beider Stamme auf den Spezialnahr- 

34 * 


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532 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


Tabelle IV. 



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der 

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rot triib 

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— 

n 

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„ triib 

77 

pept. 

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+ 

+ 


— 

— 

77 

— 


— 

— 

— 

6 

— 

— 

n 

— 


rot triib 

— 


— 

— 

— 

6v 

+ 

— 

n 

— 

— 

77 77 

— 

77 

pept. 

pept. 

pept. 

8 v 

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— 

„ triib 


— 

7« 77 

rot 

*1 

77 



12 

+ 

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17 


— 

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77 


— 


77 

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— 

— 

77 

— 

— 

rot — 

— 

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— 

pept. 

77 

15 v 

+ 

— 


— 

— 

— 

— 


— 



16 

— 

— 

„ triib 

— 

— 

— 

rot triib 


pept. 



16v 

— 

— 


_ 


koagul. 

77 

77 

— 

77 


17 

— 

— 


— 

— 

rot triib 

— 


— 

— 


17 v 

— 

— 

„ triib 

— 

— 

— 

— 


— 

— 


19 

+ 

—- 

rot — 

— 

— 

— 

— 

>7 

— 

— 


19 v 

+ 

— 

rot — 

— 

— 

— 

— 


— 

— 

— 

20 

+ 

— 

— 

— 

— 

rot — 

— 

— 

— 

— 

pept. 

20 v 

— 

— 


— 

— 

rosa 

— 

— 

— 

— 


21 

+ 

— 

rot 

— 

— 

77 

— 

— 

— 

pept. 

*7 

21 v 

+ 

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J) 

— 

— 

77 

— 

• - 

— 

77 

11 

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+ 

+ 

71 

— 

— 

koagul. 

— 

— 

— 

— 


22 v 

— 

— 


— 

— 

koagul. 

rot 


— 

— 

— 

Perez XI 

+ 

— 

rotlich 

— 

— 

— 

— 


— 

— 

— 

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Baum v 


zt 

77 


— 

— 

— 

— 


— 

schwach 

pepton. 

Perez 

Steffi 

+ 

— 

rot 

— 

— 

rotlich 

— 

— 


— 

schwach 

peptoo. 

Perez 

Amon 

+ 

+ 

rot triib 

— 

— 

77 

rotlich 

rotlich 

— 

— 


Perez IV 

_ 

— 

rot — 

— 

_ 

rotlich 

— 

— 

— 

_ 

— 

Perez I 

— 

— 

rotlich 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

_ 

— 

Perez V 

— 

— 

77 

— 

— 

— 

— 


— 

— 

schwach 

pepton. 

Perez IX 

+ 

— 

rot 

— 

— 

rotlich 

— 


— 

— 

— 


boden und es laBt sich nirgends ein wesentlich differentes Verlialten 
feststellen. 

Auf Drigalski- und Endo-Platten wiichst der Bazilius gleich dem Perez- 
schen Ozanabazillus ohne Farbenumschlag. 

Was die Pathogenitat dieses Coccobacillus betrifft, so zeigt sich auch hier 
wieder eine weitgehende Uebereinstimraung mit den Angaben von Perez. Als geradezu 
klassiBches Versuchstier fur Ozanainfektion hat Perez das Kaninchen anerkannt, deni 
einzigen Versuchstiere, bei dera sich nach intravenoser Injektion von Mischkulturen des 
Coccobacillus foetidus Perez jene charakteristischen Veriinderungen in dem 
knochernen Geriist der Nasenknochen auspragen, ahnliche Erscheinungen, wie sie die 
menschliche Erkrankung zur Folge zu haben scheint. Schon kurze Zeit nach der In- 
fektion erhielt Perez und ebenso Hofer eitrige Sekretion aus der Kaninchennase, 
gefolgt von Atrophie der Schleimhaut und konsekutiver Einschmelzung besonders der 
vorderen Nasenmuschel, und in sehr vielen Fallen gelang es diesen Autoren, aus dem 
eitrigen Sekret den Coccobacillus foetidus zu ziichten. Besonders geeignet sind 
fur diese Versuche nach den Angaben von Perez und Hofer kleine und jugendliche 
Tiere, dagegen geben groBe und altere Tiere diese Reaktiou entweder gar nicht oder 
viel schlechter wieder. Hofer bezeichnet diese scheinbare Affinitat des Perezschen 
Coccobacillus zur Kaninchennase als Rhinophilie; sie soil fiir den Coccobacillus 
foetidus ozaenae nach Perez und Hofer spezifisch sein. Diese Angaben blieben 


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* Shiga, Zur Frage der Aetiologie der Ozana. 533 

allerdings nicht unwidersprochen, insbesondere negieren Neufeld, Amersbach und 
Konigsfeld diese Rhiuophilie, besonders Amersbach bezweifelt sie deshalb, weil 
er diese Reaktioii auch naeh Injektion von Coli-Bazillen und B. pyogenes bovis 
auftreten sah. 

Slavtscheff jedoch bestatigt im allgenieinen die Angaben von Perez, findet 
aber aufier in der hiase auch Ausscheidung der Coccobacillen in dem Darm der 
Versuchstiere. Schon Hofer hat seinerzeit selbet angegeben, dafl er init einem aus 
der Nase Ozanakranker geziichteten Coli-Stamm durch intravenose Injektion eine 
starke entziindliche Reaktion der Nasenschleimhaut mit verstiirkter Sekretion hervor- 
rufen konnte, daS diese aber nicht jenen spezifischen Charakter mit nachfolgcnder 
Antrophie hatte, vielmehr nur einen voriibergehenden Zustaud darstellte. Ich habe eine 
grofiere Anzahl von Bouillonmischkulturen aus Ozauakrusten, ferner von Reinkulturen 
tier von mir geziichteten, fotid riechenden, Gelatine verfliissigenden und nichtveriliissigen- 
deu Bazillen jungen Kaninchen injiziert und in der Mehrzahl der Falle gleichsinnige 
positive Resultate erzielt. 

Injiziert man von solchen Reinkulturen 2—3 Tage alte Bouillon- 
kulturen in Men gen von 1 / 2 — 1 ocm in eine der beiden Ohrvenen, so 
tritt meistens nach 24—48 Std. eine deutliche, eitrige Sekretion aus der 
Nase auf, und in einer groBeren Zahl der Falle findet man den injizierten 
Bazillus im Sekrete wieder. Dieser eitrige Katarrh halt, wenn die Tiere 
iiberleben, durch Tage, ja durch liingere Zeit an, und wenn die Tiere 
innerhalb dieser Zeit sterben, dann zeigt sich in der Regel bei der 
Sektion in den Nasenmuscheln folgendes Bild: 

Bei den in den ersten Tagen gestorbeneu Kaninchen sind die vorderen 
Nasenmuscheln stark hyper&misch, die Schleimhaut sukkulent und auf- 
gelockert, zwischen den einzelnen Lamellen und im unteren Nasengang 
findet sich dicker, rahmiger Eiter in wechselnder Menge. Die auBeren 
Nasengiinge sind leicht gerotet, die Haare in der Umgebung naB und 
verklebt. Dauert die Erkrankung langer, 1—2 Wochen, dann finden wir 
ofters neben der Hyper&mie eine deutliche Erweichung bis zur teilweisen 
Einschmelzung der Lamellen der vorderen Nasenmuscheln. Immer aber 
trifft man auf Tiere, die iiberleben und bei welchen die eitrige Sekretion 
nach mehreren Tagen zum Stillstand kommt, und dann findet man an 
den getoteten Tieren keine anormalen Verhaltnisse vor. Diese negativen 
Befuude diirften in der Individualitat des jeweiligen Versuchstieres ge- 
legen sein, und in der Virulenz des injizierten Stammes ihre Erkl&rung 
finden. 

Eine h&ufig zu beobachtende, wichtige und schon von Perez be- 
obachtete Tatsache ist die folgende: Mehrere Tage nach der intravenbsen 
Injektion treten an beiden Ohren am Ende Knickungen auf, die Ohren 
sehen an den Spitzen wie abgebogen und gekr&uselt aus, und in extremen 
Fallen kommt es am marginalen Rande oder den Spitzen zu Nekrosen, 
die entweder an diesen Stellen zu pergamentartiger Eintrocknung, ja bis 
zu vdlligen Substanzverlusten fuhren konnen und ein Bild darbieten, als 
als hatte man mit dem Locheisen ein Stuck Knorpel ausgestanzt. Bei 
einem Kaninchen sahen wir ganz symmetrisch an beiden Ohren Ge- 
schwiirsbildung mit gewulsteten, aufgeworfenen Randern, jedoch ohne 
jegliche Eiterung, auftreten. In einem anderen Falle eine hellergroBe, 
pergamentartige Eintrocknung und bei einem (iberlebenden Tier einen 
ebenso groBen, zwickelartigen, vollkommenen Substanzverlust, wahrend 
der Rand des anderen Ohres zahlreiche kleinere, korrespondierende 
Nekrosen aufwies. Gewohnlich sieht man als Vorlaufer der nachfolgenden 
Nekrosen an gewissen Stellen der Arterien und Venen des Ohres blutige 
Imbibitionen des umgebenden Gewebes auftreten, so daB man zunkchst 
an toxische Schadigung der GefaBwand und konsekutive Trombenbildung 


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I 


534 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 7/8. 

denken mult. Diese Annahme gewinnt an Wahrscheinlichkeit, 
da, wie wir sp&ter sehen werden, in den Kulturen sich 
ein Gift nachweisen 1 & B t, das wir als ein gefaBschadigen- 
des ansehen miissen. 

Diese auffallenden und sehr h&ufig symmetrisch an beiden Ohren 
auftretenden Nekrosen, die zuerst schon von Perez beobachtet und 
beschrieben worden sind, scheinen mir besonders wichtig und charak- 
teristisch zu sein, und es ist mir nicht bekannt, daB ahnliche 
Erscheinungen bei Injektion mit anderen Bakterien- 
stfimmen beobachtet oder beschrieben worden waren. 
Dagegen wird Schorf- oder Nekrosenbilduug direkt an der Injektions- 
stelle selbst, insbesondere dann, wenn die Injektion nicht in die Vene, 
sondern auch in das umgebende Zellgewebe erfolgte, fitters beobachtet. 
Aber diese Erscheinung hat mit der eben beschriebenen 
in VVirklichkeit nichts gemeinsam, da sie hauptsachlich 
durch das bilaterale, symmetrise he Auftreten und fern 
von der Injektionsstelle charakterisiert ist. Es scheint, als 
ob die GefaBe fiber knorpeiigen Organen eine Art locus minoris re- 
sistentiae waren, und dfirfte die an den Ohrknorpeln beobachtete Nekrose 
wohl ohne Zwang in die direkte Relation zu der von Hofer und Perez 
und teilweise auch von mir beohachteteu Einschmelzung der Nasenknorpel, 
resp. der Muscheln, gebracht werden dfirfen. Ilandelt es sich tatsfichlich 
um eine gefaBschadigende Wirkung, die wiederum besonders fiber knor¬ 
peiigen Organen oder in den BlutgeffiBen des Periostes in Erscheinung 
tritt, dann wfirde sich damit manches ffir die Pathologie der Ozana 
erklaren. 

Was die sonstige Pathologie betrifft, so kann ich in dieser Be- 
ziehung nach Injektionen mit dem von mir gezfichteten Bazillus dasselbe 
Krankheitsbild und den Sektionsbefund erheben, wie dieses bereits von 
Perez ffir seinen Coccobacillus beschrieben wurde. Wenn die Ver- 
suchstiere der Infektion nicht innerhalb weniger Tage erliegen, so sterben 
sie doch meisteus nach mehreren Tagen unter ganz betrachtlicher Ab- 
magerung, oft trotz erhaltener FreBlust. Die Sektion frfihverstorbener 
Tiere ergibt fast immer reichliches Exsudat im Perikard, Kougestion der 
Lunge; in der Schleimhaut der Trachea sieht man zahlreiche Ekchymosen 
und allgemeine Hyperfimie, wogegen die fibrigen Organe normale Ver- 
haltnisse aufweisen; nur hin und wieder findet sich maBiges Exsudat in 
Brust- und Bauchhfihle, einzelne Darmschlingen oder Drfisen sind stark 
injiziert. Bei Tieren, die nach 1 Woche oder noch spater sterben, ist 
der Sektionsbefund, wenn man von den Reaktionen in der Nase absieht, 
meist fiberhaupt ein vfillig negativer. 

Die Agglutination zur Identifizierung des Perezschen Bazillus 
wurde zuerst in weitgehendstem MaBe von Hofer verwendet. Aber 
schon die Nachuntersucher, und spater Hofer selbst, haben auf Gruml 
ihrer Ergebnisse der Meinung Ausdruck verliehen, daB ihre Verwendung 
zur Agnoszierung, ob ein gefundener Stamm Coccobacillus foetidus 
sei oder nicht, vielleicht nicht ausreichend sein, ja sogar insofern einen 
FehlschluB nach sich ziehen kfinne, weil mfiglicherweise hier Verhfiltnisse 
vorliegen, wie wir sie ja von anderen Bakteriengruppen kennen. Ich 
mfichte in dieser Beziehung ganz besonders auf die Verhaltnisse in der 
Coli-Gruppe, in der P asteure 11 a-Gruppe und auf die diesbezfiglichen 
Untersuchungen von Busson hinweisen, ferner auf die allbekannte 
Tatsache, die uns die groBen Schwierigkeiten offenbart, echte Gfirtner- 


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Shiga, Zur Frage der Aetiologie der Ozana. 535 

Bazillen durch die Agglutination zugehoriger Sera zu identifizieren, und 
andererseits wieder ihr fast absolut refrakt&res Verhalten gegen Para- 
typhus B-Serum, deren allernfichste Verwandte sie doch sind, und deren 
Zusammengehorigkeit in eine groBe gemeinsame Familie wohl niemand 
mehr anzweifelt. 

Ueber SuBerst interessante analoge Verh&ltnisse in dieser Beziehung 
beriehten in neuester Zeit Aoki und Iizuka iiber agglutinatorische 
Einteilung der Proteusbazillen, ferner Aoki fiber denselben Gegen- 
stand bei Dysenteriebazillen. In beiden Fallen gelang der Nachweis, 
daB in diesen Gruppen als kulturell gleiche Oder auf Grund fermentativer 
Eigenschaften in Unterarten abgeteilte Stfimme sich bei durchgeffihrter 
Kreuzagglutination so vollkommen verschieden in bezug auf ilire ag¬ 
glutinatorische Zusammengehorigkeit voneinander verhielten, daB die 
Frage aufgeworfen werden konnte, ob nicht bei diesen Gruppeu bei Auf- 
stellung von Untergruppen mehr die Agglutinationsverhaltnisse, als die 
kulturellen und fermentativen Eigenschaften heranzuziehen seien, weil 
beide ganz verschiedene Resultate geben konnen. 

In dieser Beleuchtung sieht die Tatsache, daB der von mir ge- 
zfichtete Bazillus, resp. dessen Immunserum, die uns zur Verffigung 
stehenden Coccobacillus-Stfimme Perez-Hofer wenig oder gar 
nicht beeinliuBt, wie umgekehrt durch deren Immunserum nicht bcein- 
fluBt werden, ganz anders aus, weil sie alle nur durch ein ihnen zu- 
gehoriges Serum identifiziert wurden, und wir dflrfen vielleicht an- 
nehmen, daB sich hier 2 verwandte Untergruppen einer Art gegenfiber- 
stehen, deren fermentative Eigenschaften Schwankungen unterworfen 
sind, die sich aber agglutinatorisch scharf trennen lassen. Arbeitet man 
also bei Untersuchung auch von typischer Ozana, bei Tdentifizierung der 
erhaltenen Coccobazillen, nur mit einem bestimmten agglutinierenden 
Serum, wie Hofer dies durchffihrte, dann wird man eben immer nur 
die Angehorigen dieser einen bestimmten und agglutinatorisch abge- 
grenzten Unterart auffinden, alle nicht agglutinierenden Schwesterstamme 
aber tibersehen. 

Auffallend und vielleicht im Sinne der neuesten Ergebnisse der 
Kreuzagglutination finden sich auf den Agarplatten, die noch die Misch- 
kulturen von frischen Ozanafalleh enthalten, haufig Kolonien, die an- 
ffinglich entweder mit Perezserum oder auch mit meinem Immunserum 
eine oft betrachtliche Mitagglutination zeigen, die aber bei Reinzfichtung 
und langerer Kultivierung wieder verschwindet. Auch habe ich eine 
Reihe von Stammen, die kulturell den die Gelatine verflfissigendeu und 
nicht verflfissigenden identisch sind, gezfichtet, die aber agglutinatorisch 
weder vom Perez-Serum, noch vom Serum ineines Coccobacillu s 
beeinfluBt werden. Ich vermute, gestfitzt auf die Befundo bei Coli und 
von Busson ffir hfimorrhagische Septikfimie, ferner auf jene von Aoki 
und Iizuka ffir Proteus- und Dysenteriestfimme, daB in der Gruppe 
des Coccobacillus foetidus ozaenae die Agglutination keine 
artspezifische Reaktion bedeutet. Ich werde spfiter an einem reicheren 
Material dieser Frage nahertreten, urn zu sehen, ob meine Vermutuug 
richtig ist, die ich vorlfiufig zunfichst darauf aufbaue, daB man aus der 
Nase Ozfinakranker Stiimme zfichten kann, die kulturell ahnliches oder 
gleiches Verhalten mit dem Bacillus Perez abgeben, die in der 
Bouillon den charakteristischen Gestank hervorrufen und in der Kanin- 
chennase und am Ohre jene Veranderungen erzeugen, -die Perez und 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


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Hofer als charakteristisch ansehen und die trotzdem vom Immunserum 
der Coccobazillen Perez-Hofer nicht beeinfluBt werden. 

AuBerdem fand ich auf der Agarplatte frisch angelegter Kulturen 
haufig Kolonien von Paracoli - oder Coli-Stammen, ferner von Kokken, 
die von dem Perez-Immunserum mit dem Titer 2000 oft in 2—400- 
facher Verdunnung agglutiniert werden, eine Erscheinung, auf die ich 
zufdllig kam, als ich nocli auf die Separierung der Coccobazillen von 
der Agarplatte nach dem Verfahren von Hofer vorzunehmen versuchte, 
indent ich ziemlich wahllos moglichst viele Kolonien abimpfte und durch 
Agglutination zu identifizieren versuchte. 

Diese Agglutination erhait sich an solchen Stammen nur ganz wenige 
Generationen hindurch, verliert sich meist vollkommen und bietet uns 
so das typische Bild einer Paragglutination. Diese haufig zu beobach- 
tende Paragglutination aber laBt wiederum vermuten, daB die kranke 
Ozananase doch reichlich Stoffwechselprodukte vom Coccobacillus 
Perez-Hofer und seiner Schwesterstamme enthalten miisse, sonst 
kdnnte sie nicht relativ so haufig beobachtet werden. 

Aehnliche Paragglutination mit Perez-Immunserum ist auch an 
dein von ntir geziichteten, in einer agglutinatorisch abgeschlossenen 
Schwestergruppe zusammengefaBten Stammen gar nicht selten zu be- 
obachten, verliert sich aber ebenso, wie bei den anderen. 

Hofer und Sternberg haben in einer groBeren Serie das Blut- 
serum von Ozanakranken, von gesunden und solchen Menschen, die an 
sonstigen und katarrhalen Erkrankungen der Nase leiden, auf das Vor- 
handensein von Agglutininen gegen den Coccobacillus Perez- 
Hofer untersucht und gefunden, daB dieser Coccobacillus vom 
Serum ozanakranker Menschen in ca. 60 Proz. der Falle agglutiniert 
wird. Sie erblicken deshalb in dieser Reaktion nicht nur einen neuer- 
lichen Beweis fur die atiologische Bedeutung des Coccobacillus 
foetidus ozaenae zur Erkrankung, sondern sie sehen darin auch 
einen praktisch gut brauchbaren, diagnostischen Behelf. Ich habe des 
ofteren solche Patientensera untersucht und dabei gefunden, daB tat- 
sachlich in einer gewissen Anzahl von Fallen Coccobacillus Perez 
agglutiniert wird. Dabei zeigte sich hin und wieder die auffallende Er¬ 
scheinung, daB die beiden dazu verwendeten Hofer-St&mme namens 
Baum ruck und Steffi, deren Immunserum sie gegenseitig bis zur 
Titergrenze agglutinierten, von den Patientenseris verschieden agglutiniert 
werden. Man sieht manchmal ein Patientenserum, das mit dem Stamm 
Steffi und Baumruck gepruft wird und in einer Verdunnung 1:20 kein 
positives Ergebnis fur Steffi zeigt, den Stamm Baumruck aber bis 
1:80 agglutinieren. Gleichzeitig fand sich in diesem Falle ausgesprochene 
Agglutination, gegen meinen von Immunserum Perez nicht agglu¬ 
tinierten Stamm 6. 

Der von mir geziichtete Bazillus wird zwar seltener vom Patienten¬ 
serum agglutiniert, doch glaube ich, daB auch hier Verhaltnisse vorliegen, 
die noch weiterer Studien bediirfen. Am ehesten diirfte eine KlSrung 
eintreten, wenn man eininal an einer groBeren Serie von Patienten die 
Agglutination besonders mit den autogenen neben anderen Stammen 
und in Form von Kreuzagglutination vornehmen wiirde. 

Hofer hat angegeben, daB der Coccobacillus Perez lijsliche 
Gifte ausscheide, die durch Filtration aus der fliissigen Kultur zu trennen 
sind. Ich habe deshalb in dieser Richtung Vorstudien auch mit den 
von mir geziichteten, Gelatine verfiiissigenden und nicht vertiiissigenden 


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Shiga, Zur Frage der Aetiologie der Ozana. 


537 


Bazillen unternomraen und gefunden, daB in den durch Reich el-Kerzen 
filtrierten Bouillonkulturen Gifte enthalten sind, die in Mengen von 2 bis 
3 ccm intravends injiziert, das Kaninchen in kurzer Zeit zu tdten ver- 
mdgen, wobei sich abermals ein negativer Sektionsbefund ergibt, aus- 
genoramen jenen der Nase und der oberen Luftwege. Die Schleimhaute 
der Nasenmuscheln, insbesondere der vorderen, sind hfiufig so stark 
hyperamisch, daB sie sich als blutrote Gebilde v^n den flbrigen Partien 
deutlich unterscheiden, ja es findet sich in der Nase manchesinal fliis- 
siges Blut vor und es kann sogar dazu koramen, daB die Tiere vor 
dem Tode direkt aus der Nase zu bluten beginnen. Die Schleimhaut 
der Trachea ist ebenfalls stark hyperamisch und mit zahlreichen Ek- 
chymosen bedeckt. 

Subkutan einverleibt, ist dieses Gift viel weniger wirksam, zuinindest 
scheint es in der Allgemeinwirkung stark einzubflBen. Die Sektion er¬ 
gibt aber (iberall, wo eine subkutane Injektion vorgenoramen wurde, 
Blutaustritte in das Unterhautzellgewebe. 

Hofer war der erste, der in die OzSnatherapie die Vakzinebehand- 
lung einfflhrte^ und neben allgemein giinstigen Erfolgen sogar tiber ein- 
zelne Faile von vollkommener Heilung berichten konnte. Diese giinstigen 
Erfolge Hofers haben in der Folge bereits von vielen Autoren ihre 
Bestatigung gefunden, obgleich manche Kliniker dieser Vakzinebehand- 
lung nicht jene Spezifitat zulegen wollen, die ihr Hofer zubilligte, viel- 
mehr behaupten, daB ihre Wirkung innerhalb des Rahniens der un- 
spezifischen EiweiBtherapie falle. Ich selbst habe aus meinen verfliissigen- 
den und nicht verflilssigenden Stammen Vakzine bereiten lassen, doch 
liegen bisher noch nicht genQgend Resultate vor, die es erlauben wtirden, 
die wenigen guten, bisher damit erzielten Resultate zu verallgerneinern. 

Wenn ich die Ergebnisse aller meiner Versuche zusammenfasse, so 
glaube ich sagen zu diirfen, daB der von mir gefundene Bazillus dem 
von Perez entdeckten und von Hofer eingehend bearbeiteten Cocco- 
bacillus foetidus ozaenae sehr nahesteht und wahrscheinlich mit 
ihm in eine Gruppe einzureihen ware. 

Er erzeugt, wie dieser, in fliissigen Kulturen jenen 
charakteristischen Gestank, zersetzt Harnstoff, verhait 
sich auf alien speziellen Nahrboden diesem gleich und 
unterscheidet sich vorwiegend nur durch sein fermen- 
tatives und agglutinatorisches Verhalten. Da ich aber selbst 
unter meinen Stammen, die als agglutinatorische Gruppe gut zusammen- 
fafibar sind, solche fand, welche die Gelatine nicht verfliissigen, und solche, 
denen dieses Vermdgen zukommt, ebenso wie ich Stamme fand, welche 
die Milch nach Wochen unverandert lieBen, und andere wieder, welche 
sie peptonisieren, so darf ich wohl mit Recht annehmen, daB dieses 
gegenteilige Verhalten keine wesentlichen Unterschiede bedeuten darf, 
sondern daB es sich vielmehr um fermentative Eigenschaften handelt, 
die nicht konstant sind, und verloren gehen, ja vielleicht auch wieder- 
erworben werden kdnnen. Das Gleiche gilt auch von der Unbeweglich- 
keit 1 ), die ja Hofer selbst schon als nicht konstant fur Perez- Stamme 
fand. 

Einen weiteren und mir sehr wichtig erscheinenden Grund fur die 
Zugehorigkeit beider Stamme in eine grSBere Gruppe erblicke ich neben 

1) Inzwischen kounte ich die Begeifielung der OrigiDalstarome Perez-Hofer 
einwandfrei feetatellen. 


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der durch Tierversuche erzielten nasalen Reaktion in der merkwurdigen 
und haufig symmetrisch auftretenden Nekrotisierung ganzer Knorpelteile 
des Ohres, die stets, und dies ist wesentlich, ohne Eiterung vor sich 
gehen. Ich lege auf diese haufig symmetrisch auftretende Gangran oder 
Nekrose deshalb ein besonderes Gewicht, weil ich selbst in Ueberein- 
stimmung mit Hofer und mit anderen Autoren nasale Reaktion auch 
nach intravenfiser Injection von Coli- oder Paracoli-Stammen ein- 
treten sah. Wenn auch diese nasalen Reaktionen in meinen Versuchen 
nicht fiber das Stadium starker Hyperfimie der Nasenmuscheln hinaus- 
gingen, so hat diese Tatsache an sich schon genfigend Angriffspunkte 
geboten. In keinem einzigen darauf hinzielenden Tierversuche mit 
anderen Bazillen finde ich aber von den Autoren derartige Gangranen 
an den Ohren erwahnt, die sicherlich nicht batten fiber- 
sehen werden konnen, wenn sie vorhanden gewesen wfiren. 

Ich mochte mich am Schlusse noch mit jenem Teile der Literatur 
beschfiftigen, soweit er sich mit der Ozfina vom Standpunkt der In- 
fektioustheorie aus beschaftigt, ohne jene Theorien zu beriihren, die der 
Ozana eine andere Aetiologie zuschreiben. 

Bekanntlich wurden Bakterien, die zur Ozana in atiologischer Be- 
ziehung stehen sollen, von Lowenberg und Klamann, Hajek und 
Thost, de Simony und Hilbert, ferner von della Vedova und 
Belfan ti, von Pes und Gradenigo aufgefunden. Von diesen wiederum 
hat sich hauptsachlieh der Bac. Abel-Lowenberg als wahrschein- 
lichster Erreger in den Vordergrund geschoben. Demgegentiber kann 
ich feststellen, daB in flfissigen Kulturen des Abel-Lowenbergschen 
Bacillus mucosus jener charakteristische Gestank nicht uachzuweisen 
ist, und daB es uns nicht gelungen ist, mit den Reinkulturen dieses Ba¬ 
zillus tierexperimentell jene nasalen und nekrotisierenden Verfinderungen 
hervorzurufen, wie ich sie mit den Coccobacillen der Perez-Gruppe 
erzielen konnte. 

Die Ansicht Burghardts und 0ppikofers, daB der Perezsche 
Bazillus eine Mutation der Untergruppe der Friedlander-Gruppe dar- 
stelle, muB ich auf Grund meiner Untersuchungsergebnisse als vollig 
unmotiviert abweisen. Bezfiglich des Einwandes von ihrer Seite, daB 
der Perezsche Bazillus zur Ozana deshalb nicht in atiologischer Be- 
ziehung stehen konne, weil ihre, mit den von Perez geztichteten Stfiminen 
durchgeffihrten Tierexperimente keine positiven Ergebnisse hatten, und 
sie auch den typischen Gestank in den Kulturen nicht nachweisen 
konnten, schlieBe ich mich den Hoferschen Gegenargumenten an. 

Was schlieBlich den von Hofer gepragten Ausdruck und Begriff 
der Rhinophilie, unter dem in erster Linie die spezifische Atrophie, in 
zweiter Linie die bevorzugte Ausscheidung der Coccobacillen in die Nase, 
also fiberhaupt die im Vordergrunde stehende nasale Reaktion gemeint 
ist, betrifft, so wird dies von Greif, besonders auch von Neufeld 
angezweifelt, ebenso wie die Atrophie der Nasenmuscheln, obgleich 
Neufeld die Ausscheidung der Bazillen in die Nase nachweisen kann. 
Ich glaube, daB diese Frage besser geklfirt werden wird, 
wenn weitere Versuche mit den nun schon einmal nach- 
gewiesenen Giften durchgefiihrt sind, denn nach unseren 
Vorversuchen scheint die erste Wirkung auf das GeffiB- 
system, insbesondere auf die GefaBe der Schleimhaut der 
Nasenmuscheln eine durch Gifte bedingte zu sein. 


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Toyoda, Ueber die Serumfeetigkeit dee Typhusbazillus. 


539 


Bestatigt wurden die Perez-Hoferschen Befunde vor alien Dingen 
von Slavtscheff und Saffranek, Hans Key-Aberg, und Greif 
konnte in 20 Proz. seiner Untersuchungen den Perezschen Bazillus 
auffinden und im Tierversuche aus der Nase ziichten. Salomonsen 
verwies als erster auf die Unzulanglichkeit der Zuchtungsergebnisse mit 
dem Hoferschen Immunserum, was ich bestatige. Vbllig ablehnend 
verhalten sich gegen die Hoferschen Befunde Amersbach und 
Konigsfeld, die niemals den Perezschen Bazillus aus den Ozana- 
kulturen nachweisen konnten, und die im Tierversuche den charakte- 
ristischen Fbtor und die Borkenbildung, die fiir sie das Stigma der 
Kardinalsymptome ist, vermissen. 

Auf die Haltlosigkeit der Forderung einer solchen restlosen Re- 
produktion einer menschlichen Erkrankung im Tierexperiment habe ich 
schon fruher verwiesen. Sollte aber der von mir beschriebene Bazillus 
nun eine wesentliche Erweiterung der Perez-Hoferschen Befunde be- 
deuten, insofern, daB wir bei der OzSna eine Gruppe von fotid riechenden, 
kulturell ahnlichen Bazillen vor uns haben, dann erklart sich auch, 
warum viele Untersucher, die sich streng an die Angaben Hofers, 
mit seinem Immunserum zu identifizieren, gehalten haben, so haufig 
negative Resultate bekommen haben. Die von mir konstatierte Fahigkeit 
einzelner Stamme dieser eventuellen Gruppe, Gelatine und Milch anders 
zu beeinflussen, als der Coccobacillus Perez (iibrigens gibt auch 
Perez schon Alkalisierung der Milch an), wurde es wiederum erklarlich 
erscheinen lassen, weshalb andere Untersucher ihre fbtid riechenden, 
aus Ozana gezuchteten Baziilen nicht identifizieren konnten. 

Ich bin eben beschaftigt, die Stellung dieser ganzen Bazillengruppen 
zum Systeme der Bakteriengruppen naher zu untersuchen, urn sie gegen 
andere Gruppen entsprechend zu begrenzen, insbesondere gegeniiber der 
Proteus-Gruppe, und werde dariiber berichten. 

Ich benutze gleichzeitig die Gelogenheit, Herrn Oberinspektor des 
Institutes, Privatdozenten Dr. B. Busson, unter dessen Anleitung die 
Untersuchungen durchgefuhrt wurden, meinen aufrichtigsten Dank aus- 
zusprechen. 


A 'achdruck verboten 

Ueber die Serumfestigkeit des Typhusbazillus. 

[Aus dem Laborat. der Nippon med. Hochschule zu Mukden.] 

Von Prof. Dr. Ilidezo Toyoda. 

Das Zustandekommen der Serumfestigkeit bei Trypanosomen haben 
Ehrlich und seine Mitarbeiter in der Weise erklart, daB eine ursprung- 
liche Gruppe „A“ von Rezeptoren der Trypanosomen verschwindet, an 
deren Stelle eine neue Gruppe „B U tritt. 

Ueber das Zustandekommen der Serumfestigkeit bei Recurrens- 
spirochaten habe ich in einer Arbeit ktlrzlich dargetan. daB es sich um 
kein Zurucktreten ihrer ursprtinglichen Rezeptoren handelt, sondern nur 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 7/8. 


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um das verminderte Verraogen der Rezeptoren, wodurch das Wesen des 
Rezidivs und der Heilung des Ruckfallfiebers leicht erklart wird. 

Mit der Serumfeatigkeit des Typhusbazillus haben sich bereits viele Autoren, 
Courmont(l), Bail, Rod et, Wen y, Sacqu6p6e, Rehus.Kirstein, Bail (2), 
Bail UDdRubritius (3), Walker und Ainly (4), Muller (5), Tsuda (6), Braun 
und Feiler (7), Feiler (8), Rosenthal (9), Friedberger und Moreschi (10), 
Besserer und Jaff6 (11), Sch 1 em m er (12) usw. beschaltigt. Das Prinzip derselben 
wird allgemein so aufgefafit, dafl es sich um ein Zuriicktreten der Rezeptoren des Bazillus 
handelt, wahrend neue Rezeptoren zum Ersatz nicht gebildet werden. Wenn man aber 
mit dem serumfesten Stamm Tiere immunisiert, erhalt man ein gegeu serumempfmd- 
liche Typhusbazillen wirkendes Serum. Nach der genannten Hypothese ist diese Tat- 
sache inaes schwer verstandlich. Friedberger und Moreschi meinen nun, dafi die 
die Antikorper bindenden Rezeptoreu nicht mit den die Antikorper bildenden identisch 
sind. Dagegen nimmt Schlemmer an, dafl auch ein verhaltnismaflig serumfester 
Stamm immer noch einige rezeptorentragende Individuen besitzt, die zur Antikbrper- 
bildung vollkommen ausreichen. 

Das Problem kann somit, wie aus Obigem hervorgeht, noch nicht als gelost an- 
gesehen werden. Ich habe deshalb zu seiner Klarung folgende Untersuchungen aus- 
gefiihrt. 


I. Der zu diescr Arbeit benutzte serumfeste Typhusstamui. 

Der Stamm wurde aus dem Blut eines Patienten Endo geziichtet. 
Das morphologische und kulturelle Verhalten des Stammes stimmt ganz 
mit dem des Typhusbazillus uberein, wahrend sein serologisches Ver¬ 
halten eine auffallende Abweichung von der Norm aufweist. Der Stamm 
ist sehr unempfindlich gegeu agglutinierende und bakterizide AntikQrper, 
so daB er von Immunserum mit einem Agglutinationstiter von 1:3000 
bis 1: 6000 nach 3 Std. fast gar nicht und nach 24 Std. erst bis 1:400 
bzw. 1:800 unvollstandig agglutiniert wurde; der Stamm wurde ferner 
durch ein bakterizides Typhusserum nur in starken Konzentrationen be- 
einfludt. Das Serum eines mit dem Stamm immunisierten Kaninchens 
wirkt jedoch einem normalen Typhusstamm gegentiber agglutinierend 
und bakterizid eben so stark wie das Serum eines mit normalen Typhus- 
stammen immunisierten Kaninchens, wahrend es dem homologen Stamm 
gegeniiber nur geringfiigige Wirkung zeigt. Somit ist es sicher, daS 
die in Frage stehende Kultur als ein serumfester Typhusbazillus an- 
zusprechen ist. 


II. Absorptlonsrersuehe mit Stamm Endo. 

A. Agglutininabsorptionsversuch. Versuche mit serum¬ 
festen Typhusbazillen wurden schon von Friedberger und Moreschi, 
Mfl 11 er und Schlemmer usw. ausgefiihrt; dabei wurde beobachtet, daft 
der serumfeste Bazillus die Agglutinine sehr schwer absorbiert. Deswegen 
vermuteten die Autoren Rezeptorenschwund an dem Stamm. Zu den 
bisherigen derartigen Versuchen wurde eine 1- bis 2-stiind. Absorptions- 
behandlung allgemein ausgeubt. Wenn eine auffallende Verzogerung 
der Bindungszeit bei serumfesten Bazillen infolge der Abschwachung 
der Bindungskraft vor sich gegangen ist, wird die obige Behandlungs- 
zeit unzureichend sein. Aus diesem Grunde habe ich zundchst die Be- 
ziehung der Zeit und nachher die Beziehung der Bazillenmenge zur 
Antikorperabsorption mit serumfesten und serumempfindlichen Stammen 
vergleichend untersucht. 


Go, gle 


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Toyoda, Ueber die Serumfestigkeit des Typhusbazillus. 


541 


1. Verhalten der Zeit zur Agglutininabsorption. 

a) Versuch mit Kullurbazillen. 

1) Zu den Versuchen wurden 2 Immunsera benutzt: Das eine 
wurde von einem Kaninchen, das mit dem serumempfindlichen Stamm N 
immunisiert wurde, gewonnen; es agglutinierte den homologen 
Stamm N bis 1: 1600. Das andere wurde von einem Kaninchen, das 
mit den serumfesten Stamm Endo immunisiert wurde, gewonnen; es 
agglutinierte den serumempfindlichen Stamm bis 1:3200, dagegen den 
homologen nur unvollstandig bis 1:400. 

2) Die zur Absorption benutzten Typhusstfimme waren die beiden 
obigen, die auf Agar im Verlaufe einer Nacht gezfichtet wurden. 

3) Absorptionsmethode. 0,1 ccm eines Serums wurde mit 4,9 ccm 
KochsalzlSsung versetzt, dann wurden darin 30 mg Bazillen aufge- 
schwemmt. Die Probe wurde eine bestimmte Zeit bei 37° gehalten, 
zwischendurch einige Male geschiittelt und alsdann gchnell innerhalb 
40—50 Min. abzentrifogiert. Die Agglutinationskraft der klaren Flussig- 
keit wurde an den beiden genannten St&mmen gepriift. Die Resultate 
wurden erstmalig nach 3-stiind. Aufenthalt der RShrchen bei 37°, dann 
nach 20-stiind. Aufenthalt bei Zimmertemp. abgelesen. Als Kontrollen 
dienten Sera, die auf 1:50 verdilnnt und sodann 4 Std. lang bei 37 0 
gehalten wurden. 


Tabelle I. 

Agglutininabsorption des mit dem serumempfindlichen Stamm ge- 
wonnenen Serums durch den serumfesten Stamm Endo. 


Dauer der Absorption 

20 Min 


1 Std. 

2 Std. 

fieobachtung nach 

3 Std. 

20 Std. 

3 Std. 

20 Std. 

3 Std. 

20 Std. 

Stamm Endo 

1:100- 

11: 

100 — 

1:100 — 

1:100 — 

1:100 — 

1:100 — 

Stamm N 

1:200 + 

1: 

800 + 

1:100 ± 

1:800 + 

1:100 — 

1:200 + 

Dauer der Absorption 

3 Std. 


4 Std. 

unabsorbiertee 

Serum 

Beobachtung nach 

3 Std. 

I 20 Std. 

3 Std. 

20 Std. 

3 Std. 

20 Std. 

Stamm Endo 

1:100- 

1 1: 

100 — 

1:100 — 

1:100 — 

1:100 — 

1:200 + 

Stamm N 

1:100 — 

11: 

200 + 

1:100 — 

1:100 + 

1:1600 + 

1:1600 + 


Resultat: Der serumfeste Stamm Endo absorbiert die Agglu- 
tinine im heterogenen Serum bei 20 Min. Oder 1 Std. wShrender Bin- 
dung nur in sehr geringer Menge, die Absorption nimmt jedoch bei 
lfingerer Bindung derart zu, dafl die Agglutinine nach 4-stfind. Behand- 
lung fast komplett absorbiert sind. 


Tabelle II. 

Agglutininabsorption des mit dem serumempfindlichen Stamm ge- 
wonnenen Serums durch den homologen Stamm. 


Dauer der Absorption 

20 Min. 

1 Std. 

unabsorbiertee 

Serum 

Beobachtung nach 

3 Std. 

20 Std. 

3 Std. | 

20 Std. 

3 Std. 

20 Std. 

Stamm Endo 

100 — 

100 — 

100 — 

100 — 

100 — 

200 ± 

Ausgangsstamm N 

100 — 

100 — 

100 — 

100 — 

1600 + 

1600 + 


Resultat: Der serumempfindliche Stamm absorbiert die homo¬ 
logen Agglutinine schon nach 20 Min. langer Behandlung komplett. 


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542 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 

Tabelle III. 

Agglutininabsorption dee mit dem serumfesten Stamm gewonnenen 
Serums durch den homologen Stamm. 


Dauer der Absorption 

3 Std. absorbiertes 
Serum 

unabsorbiertes 

Serum 

Beobachtung nach 

3 Std. 

20 Std. 

3 Std. 

20 Std. 

Stamm Endo 

100 — 

100 - 

100 — 

400 + 

Ausgangsstamm N 

100 — 

200 + 

800 + 

1600 + 


Resultat: Der serumfeste Stamm Endo absorbiert die Agglutinine 
im homologen Serum nach 3-sttind. Behandlung so stark, daB das ab- 
sorbierte Serum den homologen Stamm nicht und den heterogenen auch 
nur bis 1: 200 agglutiniert. 

b) Versuch mit in der Bauch hohle geziichteten 
B a z i 11 e n. 

Aus den vorgehenden Versuchen ist ersichtlich, daG die serumfesten 
Kulturbazillen fast komplette Absorptionsf&higkeit gegenuber den Agglu- 
tininen besitzen, wenn auch eine deutlich verzogerte Bindungszeit her- 
vorgetreten ist. Die Bazillen waren aber keine vollstandig serumfesten, 
deswegen wurden zu den folgeuden Versuchen in der Bauchhohle ge- 
zuchtete Bazillen, die vollstandig serumfest geworden waren, heran- 
gezogen. 

Der serumfeste Stamm Endo wurde von Meerschweinchen zu Meer- 
schweinchen 3mal uberimpft. Nach dem Tode des letzten Tieres wurde 
die intraperitoneale Fliissigkeit unter Zusatz von Natriumcitratlosung 
kraftig zentrifugiert. Die iiber dem Sediment befindliche klare Fliissig- 
keit wurde abpipettiert, das Sediment in einer maBigen Menge physiol. 
Kochsalzlosung aufgeschwemmt und in der Zentrifuge vorsichtig zentri¬ 
fugiert, uni die Blutzellen auszuschleudern. Die weiBliche, stark ge- 
trilbte obere Flussigkeit, in der sich zahlreiche Bazillen befanden, wurde 
dann mit einer Spritze aufgesogen. Dies wurde 3—4mal wiederholt; 
alsdann wurden alle Flussigkeiten gemischt und nunmehr noch einmal 
stark zentrifugiert, um die Bazillen konzentriert zu erhalten. 4 Oesen 
des Bazillensediments wurden in 3 ccm eines 50mal verdunnten Endo- 
Stammserums aufgeschwemmt, damit die Absorption vor sich ginge. 


Tabelle 

IV. 



Art der Sera 

das 4 Std. absor- 
bierte 

das unabsorbierte 

Beobachtung nach 

3 Std. 

20 Std. 

3 Std. 

J 20 Std. 

Ausgangsstamm N 

100 — 

400 ± 

800 + 

j 1600 + 

iutraperiton. Baz. 

100 — 

100 — 

100 — 

100 — 


Resultat: Die vollstandig serumfest gemachten Bazillen besitzen 
gleichfalls das Vermogen, einen groBen Teil der Agglutinine zu absor- 
bieren, brauchen aber dazu 4 Std. 


2. V erhalten der Bazillen menge bei der Absorption. 

Als Immunserum wurde zum Versuche das mit dem serumempfind- 
lichen Stamm gewonnene Serum und als Bazillen zur Absorption die 
beiden Stamrae, der serumfeste und der serumempfindliche, benutzt. Zu 
je 0,1 ccm des Serums wurden je 4,9 ccm Kochsalzlosung zugesetzt. 



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URBANA-CHAMPAI6N 



Toyoda, Ueber die Serumfestigkeit des Typhusbazillus. 


543 


alsdann verschiedene Bazillenmengen, und zwar 5, 3, 2 und 1 mg, da- 
mit vermischt. Die Gemische wurden 4 Std. bei 37 0 gehalten. Die Resul- 
tate sind in folgender Tabelle zusammengestellt. 


Tabelle V. 


Art der Sera 

Bazillenmenge 
zur Absorption 
3eobachtung 
aach 

?tamra Endo 
Ausgangs- 
stamm N 


das mit dem serumfesten 
Stamm absorbierte 


das mit dem serumempfindlichen 
Stamm absorbierte 


5 mg 


3 Std. 
100 - 


20 Std. 


3 mg 


5 mg 


3 Std. 


100 — 100 — 


100 — 100 +| 100 + 


20 Std. 3 Std. 20 Std. 
100 — 1100 - 100 - 

i ' 

800+| 100 - 100 + 


2 mg 


3 Std. 
100 — 

100 + 


20 Std. 
100 — 

200 + 


1 mg 


3 Std. 
100 — 

200 + 


20 Std 
100 — 

400 + 


das un- 
absorbierte 

(Kontrolle) 


3 Std. 
100 — 

800 + 


20 Std. 
100 + 

3200+ 


Resultat: Das Absorptionsvermogen beider St&mme verh&lt sich 
ungefahr wie 5 mg: 2 mg, 3 mg: 1 mg; d. h. der serumfeste Stamm 
zeigt in 2-, 3- oder 5mal groBerer Menge das fast gleiche VermOgen. 

Danach hat es den Anschein, als ob noch mehr Zeit zur Absorption 
erforderlich ist, falls die Bazillenmenge gering ist; deshalb wurde ein 
17-stund. Absorptionsversuch angestellt (s. Tab. VI). 


Tabelle VI. 


Art der Sera 

Bazillenmenge 
zur Absorption 
Beobachtung 
nach 

Stamm Endo 
Ausgangs- 
stamm N 


das mit dem serumfesten 
Stamm absorbierte 


3 mg 


3 Std. 
100 - 

100 — 


20 Std. 
100 - 

200 + 


1 mg 

3 Std. j20Std. 
100—1 100 — 

100 — 800 + 


das mit dem serumempfind¬ 
lichen Stamm absorbierte 


100 - 


mg 

1 i 

mg 

(Koni 

20 Std. 

3 Std. 

20 Std. 

3 Std. 

- 100- 

100- 

100 — 

100- 

-400 + 

100 + 

800 + 

1 - 

800 + 


das un- 
absorbierte 


120 Std. 
200 + 


1000+ 


Beinerkung. Das Kontrollserum wurde 50mal verdunnt und dann 17 Std. 

bei 37° gehalten. 


Resultat: Die beiden St&mme lieferten fast die gleichen Ergebnisse: 
Der serumfeste Stamm absorbierte bei 17-stiind. Bindung sogar etwas 
besser als der serumempfindliche. 

Dali das Agglutininabsorptionsvermogen des serumfesten Stammes 
von den mit ihm vermischten serumempfindlichen Bazillen kaum be- 
einfluBt wird, ist daraus ersichtlich, daB erstens die beiden Stamme bei 
der sehr langen Absorptionsbehandlung fast gleiche BindungsfShigkeit 
zeigen, daB zweitens die intraperitonealen E n d o- Bazillen. die fast voll- 
stSndig serumfest geworden waren, eine ebenso gute Absorptionsfahigkeit 
besitzen, und daB drittens die beiden Stamme in ihren antigenen Eigen- 
schaften, die im letzten Abschnitt IV naher beschrieben werden. fast keinen 
Unterschied beobachten lassen. 

Nun miissen wir annehmen, daB das AgglutinationsphSnomen nicht 
durch eine Reaktion entsteht, die durch die Verbindung von Bazillen 
und Agglutininen unmittelbar hervorgerufen wird, sondern sekundar durch 
eine Aenderung des physikalischen Zustandes der Bazillen, welche als 
Wirkung der Agglutinine anzusehen ist. Aus diesem Grunde kommen 
wir hinsichtlich des Prinzips des Zustandekommens der Agglutinations- 
festigkeit zu der SchluBfolgerung, daB der physikalische Zustand serum- 


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544 Centr&lbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 

fester Bazillen derart ist, daB er sich unter der Wirkung der Agglutinine 
nur schwer verandert. Wenn man das Wesen so erklart, ist die Ag- 
glutininbildungsfahigkeit der serumfesten Bazillen sehr leicht verstandlich 
denn eine Veriinderung beztiglich ihrer Rezeptorenkonstitution hat nicht 
stattgefunden; die Bazillen besitzen sogar noch das BindungsvermSgen 
ihrer Rezeptoren, wenn auch unter zeitlichen Verzogerungen. Dafi 
Typhusbazillen infolge gauz einfaqher pbysikalischer Behandlung auch 
inagglutinabel werden und trotzdem das Bindungsvermfjgen der Rezep¬ 
toren behalten, ist schon lange durch die Erhitzungsversuche von Eisen- 
berg und Volk bekannt. 

B. Bakterioly sin absorption sversuch. 

Friedberger und Moreschi, Schlemmer u. a. wiesen eine 
Verminderung bzw. ein volliges Verschwinden der Bakteriolysine im 
BiDdungsversuch bei serumfesten Bazillen nach und folgerten hieraus, 
daB der bakteriolysinfeste Stamm seine Rezeptoren eingebflBt bat. Hier 
machte ich, um das Verhalten der Zeit zur Absorption festzustellen, 
folgenden Versuch: 0,1 ccm des mit dem serumfesten Stamm gewonneuen 
Serums wurde mit 4,9 ccm Kochsalzlosung versetzt, dann darin 30 mg 
Bazillen einer 18-stiind. Agarkultur aufgeschwemmt und 20 Min. bzw. 
4 Std. bei 37° gehalten. Das absorbierte Serum wurde auf seine Schutz- 
kraft gegen die Infektion des serumempfindlichen Stammes N untersucht. 
Die Ergebnisse wurden durch Leben bzw. Tod der Tiere in 24 Std. nach 
der Impfung festgestellt. 

Tabelle VII. 

Bakteriolysinabsorptionsversuch in seinem Verbaltnisse zur Zeit. 

das mit dem serumfesten das mit dem das unabsorbierte Serum 
Stamm absorbierte serumempf. 

Stamm ab¬ 
sorbierte 

20 Minuten 4 Stunden 20 Minuten (Kontrolle) 

262 265 267 263 252 267 260 252 285 260 

0,01 0,001 0,01 0,001 0,01 0,001 0,01 0,001 0,0002 — 

4 mg 4 mg 4 mg 4 mg 4 mg 4 mg 4 mg 4 mg 4 mg 4 mg 
lebt tot tot tot tot tot lebt lebt tot tot 

-^5 

Result at: Der serumfeste Stamm absorbiert die Bakteriolysine 
innerhalb von 20 Min. nur unvollst&ndig und erst in 4 Std. fast voll- 
standig, w&hrend der serumempfindliche schon nach 20 Min. die kom- 
plette Absorption zeigt. 

Daraus ist ersichtlich, daB auch der bakteriolysinfeste Stamm seine 
Bindungsfahigkeit mit den Bakteriolysinen fast vollst&ndig bebait, aller- 
dings geht der Bindungsvorgang langsam vor sich, wie dies in gleicher 
Weise bei der Agglutininfestigkeit beobachtet wurde. Die Richtigkeit 
der Tatsache wird noch dadurch bestatigt, daB man die Antikorper mit 
den durch kontinuierliche Tierpassagen fast vollstSndig fest gemachten 
Bazillen auch absorbieren kann, und daB der serumfeste Stamm vergleichs- 
weise als Antigen mit dem serumempfindlichen ebensogut einwirken 
kann, wie das in den folgenden Abschnitten auseinandergesetzt ist. Wir 


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Art der Sera 


Zeitdauer zur 
Absorption 
Meerschw. - Kor- 
pergewichting 
Serummenge 

in ccm 

Bazillenmenge 
zur Infektion 
Resultate 



Toyoda, Ueber die Serumfestigkeit des Typhusbazillus. 


545 


mflssen also annehraen, daB das bakteriolytische Ph&nomen ein solches 
ist, welches nicht immer hervortritt, wenn auch die 3 Komponenten, 
Bazillus, bakteriolytischer Ambozeptor und Komplement, in einer Ver- 
bindung zusammen kommen, sondern daB die Bazillen selbst eine physi- 
kalische Eigenschaft, die von den Bakteriolysinen leicht gelbst wird, auf- 
weisen mflssen. Auf Grund dessen kommen wir hinsichtlich des Zustande- 
kommens der Bakteriolysinfestigkeit zu der SchluBfolgerung, daB dieserum- 
festen Bazillen an sich eine physikalische Eigenschaft, die gegen die 
Wirkung der Immunkorper widerstandsfflhig ist, so daB sie vor dem Tod 
schfltzen kann, vermehrt haben. Dadurch ist es auch leicht erklarlich, 
daB der serumfeste Stamm die betreffenden Antikflrper im Tierkorper 
bilden kann. 


III. Untersuchung mit kiinstlich serumfest gemachten St&mmen. 

Die Untersuchung wurde angestellt, um zu erfahren, ob kflnstlich 
serumfest gemachte Bazillen die gleiche Eigenschaft wie natfirlich serum¬ 
feste Stamme besitzen. 

A. Agglutininabsorptionsversuch: Zum Versuch wurden 2 
serumempfindliche Stamme von Meerschweinchen zu Meerschweinchen 
3mal intraperitoneal fortgepflanzt. Die Bazillen in der Peritonealflflssig- 
keit des letzten Tieres wurden nach der schon erw&hnten Methode (siehe 
Abschn. II, lb) gesammelt und moglichst rein durch Zentrifugieren dar- 
gestellt. Die tierischen Bazillen werden auffallend inagglutinabel: z. B. 
zeigten die tierischen Bazillen des Stammes N keine Agglutination durch 
das homologe Serum nach 3-stflnd. Beobachtung und nach 20 Std. erst 
bei 1 :200, wahrend der unvorbehandelte Ausgangsstamm schon nach 
3 Std. bis 1 :1600 agglutiniert wurde. Die tierischen Bazillen des 
Stammes H zeigten keine Agglutination gegen das N-Stammserum selbst 
nach 20stfind. Beobachtung, wahrend der Ausgangsstamm eine positive 
Reaktion bis auf 1 :800 aufwies. ' 

Der Absorptionsversuch wurde so angestellt, daB zu je 15 mg der 
tierischen Bazillen 2,5 ccm Kochsalzlosung und 0,05 ccm Immunserum 
(N-Stamm) zugefflgt und dann wahrend einer bestimmten Zeit auf 37° 
gehalten wurde. 


Tabelle VIII. 

Agglutininabsorptionsversuch mit tierischen Bazillen N. 


Art der Sera 

Beobachtung nach 
Ausgangsstamm N 


das 20 Min. ab- 

das 1 Std. ab- 

das unabsorbierte 

sorbierte 

sorbierte 



3 Std. 

20 Std. 

3 Std. 

20 Std. 

3 Std. 

20 Std. 

100 — 

200 + 

100- 

400 + 

1600 + 

3200 + 


Resultat: Die tierischen Bazillen des Stammes N absorbieren die 
Agglutinine nach lstflnd. Behandlung noch unvollstandig, der Ausgangs¬ 
stamm dagegen schon nach 20 Min. vollstandig (s. Tab. II). 


Tabelle IX. 

Agglntininabsorptionsrersuch mit tierischen Bazillen des Stammes H. 


Art der Sera 

das 20 Min. ab- 
Borbierte 

das 1 Std. ab- 
sorbierte 

das unabsorbierte 

Beobachtung nach 

3 Std. 

20 Std. 

3 Std. 

20 Std. 

3 Std. 

20 Std. 

Ausgangsstamm N 

100 — 

100 — 

100 — 

100 — 

800 + 

1600 + 

Ausgangsstamm H 

100- 

100 — 

100 — 

100 — 

800 + 

800 + 


trrtc Abt. Ong. Bd. H8 Heft 7/8. 35 


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546 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7 8. 


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Result at: Man kann bei den tierischen Bazillen des Stammes H 
weder eine Verminderung der Agglutininbindungskraft noch eine Ver- 
liingerung der Bindungszeit beobachten, wahrend sie vollstandige Bak- 
terizidiefestigkeit besitzen. 

B. Bakteriolysinabsorptions versuch: Zu dem Versuch 
wurden die 2 erwahnten Stamme und das En do-Stamm-Immunserum 
benutzt. Gewinnung der tierischen Bazillen und Absorptionstechnik 
wie vorher. 


Tabelle X. 

Bakteriolysinabsorptions versuch mit den tierischen Bazillen des 

Btammee N. 


Art der Sera 

das 20 Min 

. ab- 

das 

1 Std. 

ab- 

das unabsorbierte 


sorbierte 

sorbierte 


(Kontrolle) 


Meersch w. - Korper- 









1 


gewicht in g 

265 

270 

270 

265 

270 

270 

272 

270 

255 

270 

Serummenge in ccra 

0,02 

0,01 

0,001 

0,02 

0,01 

0,001 

0,01 

0,001 

0,0002 

— 

Ausgangsstamm N 











zur Infizierung 

4 mg 

4 mg 

4 mg 

[ 4 mg 

4 mg 

4 mg 

4 mg 

4 mg 

4 mg 

4 mg 

Ergebnisse 

lebt 

lebt 

tot 

] tot 

tot 

tot 

lebt 

lebt 

tot 

tot 


Resultat: Die tierischen Bazillen des Stammes N absorbieren die 
Bakteriolysine erst nach einer lstiind. Behandlung vollst&ndig, der Aus- 
gangsstamm dagegen schon nach einer 20 Min. wahrenden Behandlung 
(s. fab. VII). 

Tabelle XI. 

Bakteriolysinabsorptionsversuch mit den tierischen Bazillen des 

Stammes H. 


Art der Sera 

das 20 Min. absorbierte 

das 1 Std. absorbierte 

Meerschw.-Korpergewicht in g 

260 

280 

280 

250 

250 

260 

Serummenge in ccm 

0,02 

0,01 

— 

0,02 

0,01 

— 

Ausgangsstamm N zur Infiz. 

4 mg 

4 mg 

4 mg 

4 mg 

4 mg 

4 mg 

Ergebnisse 

tot 

tot 

tot 

tot 

tot 

tot 


Bemerkung: Kontrolle steht in Tab. X. 


Re suit at: Die tierischen Bazillen H absorbieren die Bakterio¬ 
lysine schon innerhalb 20 Min. komplett. 

Die Resultate fiihren uns zu dem SchluB, dafi die kiinstlich aus- 
gebildeten serumfesten Bazillen auch das Bindungsvermogen fur deren 
Antikorper besitzen, wie es bei dem natiirlich ausgebildeten Stamm be- 
obachtet wurde. Aber es ist verwunderlich, dafi die tierischen Bazillen 
des Stammes H keine Verzogerung der Bindungszeit zeigen, wahrend 
sie bei den anderen deutlich beobachtet wurde, wie bei dem Endo- 
Stamm. Es ist wohl wahrscheinlich, dafi die Verzogerung der Stabilitat 
der Festigkeit entsprecheud ist. 

IV. VergleiehendeUntersuchung der antigenen Wirkung der Stiiminc. 

A. Versuch mit Kulturbazillen: Zum Versuch wurden 18- 
stiind. Agarkulturen vom Endo- und N-Stamm benutzt. Die Bazillen 
wurden genau gewogen, aufgeschweramt und bei 60° 30 Min. erhitzt. 
4 Kaninchen mit fast gleichem Korpergewicht wurden ausgewahlt; der 
Halfte von ihnen wurden je ’/mo m g und der anderen HSlfte je y 600 mg 



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Toyoda, Ueber die Serumfestigkeit des Typhusbazillus. 


547 


Bazillen intravends eingespritzt. Am 8. Tage nach der Impfung wurden 
die Kaninchen entblutet. Agglutinationstiter der Sera wird in Tab. XII 
verglichen. 


Tabelle XII. 


Eingeapritzte Bazillenmenge 

1/ 

/100 

1 mg 

1/ 

1 600 

Beobachtung nach 

3 Std. 

20 Std. 

3 Std. 1 

Endo- Stamm-Immunsera 

800 + 

3200 + 

400 + 

N-Stamm-Immunsera 

800 + 

3200 + 

200 + 


mg 

20 Std. 
800 + 
400 + 


Resultat: Der serumfeste Stamm brachte als Antigen etwas 
besseren Erfolg als der serumempfindliche. 

B. Versuch mit den in einerTierbauchhohle gezuch- 
teten Bazillen. Bazillen Endo in einer Meerschweinchenbauchhohle 
wunlen nach der schon erwahnten Methode angesammelt uud benutzt. 
Zur Kontrolle wurde eine Agarkultur des Stammes N benutzt. Die 
Bazillen wurden bei 60° 30 Min. erhitzt. 8 Kaninchen mit fast gleichem 
Korpergewicht wurden ausgewahlt, von ihnen erhielten 4 je Vioo m g und 
4 je Vsoo mg.tierische Bazillen des Endo-Stammes bzw. Bazillen des 
des Stammes N intravenos eingespritzt. Am 8. Tage nach der Impfung 
wurden die Kaninchen entblutet. Die Agglutinationswirkung der Sera 
wurde mit den Kulturbazillen N untersucht. Die Resultate sind in 
Tab. XIII vergleichend zusammengestellt. 


Tabelle XIII. 


Eingespritzte Bazillenmenge 
Bcobachtung nach 
Endo-Stamra-Immunsera: Nr. 1 

Nr. 2 

N-Stamm-Immunsera: Nr. 1 

Nr. 2 


i/ 

hoc 

mg 


1 / 

/s 00 

mg 

3 Std. 

20 Std. 

3 Std. 

20 Std 

800 + 

800 

+ 

400 + 

400 + 

800 + 

800 

+ 

400 + 

800 + 

800 + 

800 

+ 

400 + 

800 + 

800 + 

1600 

+ 

400 + 

800 + 


Resultat: Zwischen den beiden Bazillen kann man iin allgemeinen 
keinen groBen Unterschied hinsichtlich der antigenen Wirkung beobachten. 

Unfraglich gibt es unter ihnen einen kleinen Unterschied in bezug 
auf den Agglutinationstiter, aber das liegt wohl an der individuellen 
Verschiedenheit der Tiere. DaB der serumfeste Stamm fast die gleiche 
Wirkung als Antigen wie der serumempfindliche besitzt, kann ein Grund 
sein, die Annahme, nach welcher die Antikdrperbildung mit der Wirkung 
der in einem serumfesten Stamme mit vorhandenen serumempfindlichen 
Bazillen erkldrt wird, auszuschlieBen. 


Zusammenfassung. 

Bei der Serumfestigkeit des Typhusbazillus handelt es sich nicht 
um eine Veranderung seiner Rezeptorenkonstruktion, sondern urn eine 
vermehrte physikalische Resistenz, auf die von den Agglutininen oder 
Bakteriolysinen nicht leicht eingewirkt werden kann, wenn auch die Ba¬ 
zillen mit den Antikorpern verankert werden. Deshalb kfinnen serumfeste 
Bazillen die betreflfenden Antikdrper hervorrufen, wfthrend die Zeitdauer 
zur Verbindung mit ihnen groBe Unterschiede aufweist. Ein aus dem 
Blute eines Typhuskranken gewonnener serumfester Stamm, der durch 

35* 


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548 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


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Ziichtung auf kiinstlichen NSbrboden in seiner Eigenschaft nicht be- 
einfluBt wurde, zeigte eine sehr erheblicbe Verlangerung der Bindungs- 
zeit, andere, kiinstlich ausgebildete serumfeste St&mme wiesen dagegen 
nur eine geringe oder gar keine Verzogerung auf. 

Literatur. 

1) Zitiert nach For net, Handb. v. Kolle-Wassermann. 2. Aufl. Bd. 3. 8.851. — 

2) Bail, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 30. .901. — 3) Bail und Rubritius, 
Ebenda. Orig. Bd. 43. 1907. — 4) Walker und Ain ley, Ebenda. Abt. 1. Ref. Bd. 32. 
1902. 8.115. — 5) Muller, Mfinch. med. W. 1903. — 6) Tzuda, Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Orig. Bd. 48. 1909. — 7) Braun und Feiler, Ztschr. f. Immunitatsf. Orig. 
Bd. 21. 1914. — 8) Feiler, Ebenda. Bd. 24. 1916. — 9) Rosenthal, Centralbl. f. 
Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 70. 1920. S. 158. — 10) Friedberger und Moreschi, Berl. 
kl. W. 1905. — 11) Besser und Jaff6, Dtech. med. W. 1905. — 12) Schlemmer, 
Ztschr. f. Immunitatsf. Orig. Bd. 9, 1911. — 13) Ehrlich, Miinch. med. W. 1909. 
— 14) Toyoda, The Kitjsato Arch, of exper. Med. Vol. 4. 1920. Nr. 1. — 15) Eisen- 
berg und Volk, Ztschr. f. Hyg. Bd. 40. 1902. — 16) Fornet, Immunitat bei Typhus. 
Handb. v. Kolle-Wassermann. 2. Aufl. Bd. 3. S. 837. — 17) Paltauf, Agglutination. 
Ebenda. Bd. 2. S. 483. 


Nachdruck verboien 

TJntersuchungen zur Aetiologie und Biologie der Tumoren. 

XXIV. Mitteilung'). 

Die Biologie der Coccidien mit Beriicksichtigung der Tumor- 

pathologie. 

Von Dr. E. Saul, Berlin. 

Mit 18 Abbildungen im Text. 

Bernhard Fischer 2 ) veroffentlichte 1906, daB durch subkutane 
Injektion von Oleum olivarum am Ohre des Kaninchens betrachtliche 
'Wucherungen der Hautepithelien hervorgerufen werden kbnnen. Er 
scbildert sein Versuchsergebnis, wie folgt: 

„F.inige Wochen nach der subkutanen Injektion von Oleum olivarum kann man 
an der daruberliegenden Epithelschicht eine nicht unbetrachtliche Verdickung nach- 
weisen, mit tiefer Aussprossung der Epithelzapfen.“ Dem Hautkrebs ahnliche Wuche¬ 
rungen traten in diesen Versuchen auf, wenn Fischer dem Oleum olivarum den Fett- 
farbstoff „8charlach R u hinzufiigte. Er deutete die in Rede stehenden Epithelproliferationen 
als chemotaktische Wirkung des subkutan injizierten Oleum olivarum. Bezugnehmend 
auf die Experimente Fiscpers bekundete v. Hansem an n 3 ), dafi Substanzen, wie 
das mit „8charlach R u gesiittigte Oleum olivarum, fiir die Geschwulstentstehung aus- 
schlaggebend sind, und dafi sie, dauernd produziert, die Malignitat auslosen konnen. 
DemnMchst zeigten Jores 4 ) und Stahr s ), dafi in den Versuchen Fischers eine 
spezifische Wirkung auf die Hautepithelien des Kaninchenohres nicht vorlag, daS viel- 
mehr die betreffenden Epithelwucherungen auch an der Riickenhaut des Hundes (Jores) 
und an der Bauchhaut weifier Mause (Stahr) durch subkutane Injektion von Oleum 
olivarum hervorgerufen werden konnen. — Darauf publizierten Wacker* 1 ) und 
Schmincke fi ), da8 auch nach subkutaner Injektion von p-Oxybuttersaure, von Oel- 

iyVgl7Ceutralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 85. 1920 usw. 

2) Munch, med. Woc.henschr. 1906. Nr. 42. 

3) Zeit.schr. f. Krebsforseh. Bd. 5. 1905. 8. 520. 

4) Miinch. med. Wochenschr. 1907. Nr. 18. 

5) Ebenda. 1907. Nr. 42. 

6) Ebenda. 1911. Nr. 30 u. 31. 



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Saul, Untersuchungen zur Aetiologie und Biologie dor Tumoren. 


549 


saure, von Eleidinsaure, von Amidoazobenzol, Amidoazotoluol, Paratoluidin und 
a-Naphthylamin an der Injektionsstelle Wucherungen der Hautepithelien entstehen. — 
Endlich veroffentlichten Stoeber 1 ) und Wacker 1 ), daB die Wirkung, die das Oleum 
olivarum gegenuber den Hautepithelien besitzt, eine machtige Steigerung erfahrt, wenn 
as, gemischt mit Substanzen, die wir regelmiifiig unter den Zersetzungsprodukten der 
EiweiBkorper finden, wie Indol und Scatol, dem Kaninchenohr subkutan injiziert wird. 
Wie Stoeber und Wacker bekunden, gleichen die Wucherungen der Hautepithelien, 
die auf diese Welse erzielt werden, dem Plattenepithelzellenkrebs derartig, daB eine 
Unterscheidung von diesem auch dem gewiegtesten Kenner maligner Epithelwucherungen 
unmoglich wira.— Wahrend nun Fischer annahm, daB das Oleum olivarum durch 
Chemotaxis auf die Hautepithelien wirke, gelangte Jores zu der Auffassung, daB in 
den Versuchen Fischers nicht eine chemotaktische Wirkung, sondern eine primare 
Schadigung der regioniiren Hautepithelien vorlag, und daB die sekundar auftretenden 
Epithelproliferatiouen als Ersatzwucherungen im Sinne Weigerts zu deuten seieri. 
Die in den Versuchen Fischers beobachtete starke Verhornung der regionaren Haut¬ 
epithelien betrachtete Jores als Symptom ihrer primaren Schadigung. 

Gegenuber der Kontroverse Fischer-Jores schien es mir von 
Interesse, die Wirkung des Oleum olivarum an Protozoen zu priifen. 
Als Testobjekt wkhlte ich die Coccidien, weil sie Eigenschaften von 
Metazoenzellen und von Protozoen in sich vereinigen : Ebenso wie 
Metazoenzellen, konnen die Coccidien sich in Reihen anordnen und sich 
gegenseitig abplatteu; ebenso wie Metazoenzellen, konnen die Coccidien- 



Fig. 1. Fig. 2 . 

herde im Organismus ihres Wirtes infiltrierend wachsen; ebenso wie 
die Geschlechtszellen von Metazoen, sind die Coccidien geschlechtlicher 
und ungeschlechtlicher Entwicklungserregung tahig. 

Bei der Feststellung, in welcher Weise die Coccidien gegen Oleum 
olivarum reagieren, lieB ich das letztere 48 Std. auf die Coccidien ein- 
wirken. Die Testobjekte wurden teils bei Ziminertemperatur, teils bei 
Bruttemperatur gehalten. Die Versuchsergebnisse mochte ich an der 
Hand der folgenden Photogramme schildern. 

Fig. 1. Coccidium cuniculi, wahrend 48 Std. in Oleum oli¬ 
varum kultiviert. Zimmertemperatur. VergroBerung 1:500. 

Unter Einwirkung des Oleum olivarum sind die Binnenkorper des 
Coccidiums total zerstort, wShrend der Kontur desselben im wesentlichen 
intakt erscheint; es ist also diejenige Art des Zelltodes eingetreten, die 
Virchow als Zellnekrose bezeichnete, d. h. Zelltod mit Erhaltung der 
Zellform. 

Fig. 2. Coccidium cuniculi, wahrend 48 Std. in Oleum oli¬ 
varum kultiviert. Bruttemperatur. VergroBerung 1: 250. 

Bei gleichzeitiger Einwirkung der Bruttemperatur hat das Oleum oli- 

1) Munch, med. Wochenschr. 1910. Nr. 18. 


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550 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


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varum sowohl die Binnenkdrper als auch die Konturen der Coccidien ver- 
nichtet. Die Hiillen der Coccidien sind zerrissen, die Binnenkorper in das 
umgebende Medium ausgetreten und nicht mehr nachweisbar. Bei gleich- 
zeitiger Einwirkung der Bruttemperatur hat also das Oleum olivarum 
diejenige Art des Zelltodes herbeigefiihrt, die Virchow als Nekrobiose 
bezeichnete, d. h. Zelltod mit Zerstorung der Zellform. 

Die Wirkungen des Oleum olivarum konnen nach diesen Ergeb- 
nissen die Auffassung stutzen, daB in den Experimenten Fischers 
eine primare Schadigung der regionaren Hautepithelien vorlag, und daB 
die sekundar auftretenden Epithelproliferationen als Ersatzwucherungen 
zu deuten sind, wie zuerst Jores bekundet hat. 


Da nach den Untersuchungen von Hurthle 1 2 ) und Rohmann*) 
das Blut Fettkorper, und zwar Cholesterinfette enthalt, so war es von 
Interesse, festzustellen, welche Wirkung Blut gegeniiber den Coccidien 
entfaltet. Ich w&hlte fur die Versuche das Blut des gegen Coccidium 
cuniculi immunen Meerschweinchens und das Blut des fur dasselbe emp- 
fanglichen Kaninchens. 



Fig. 3. Fig. 4. 

Fig. 3. Coccidium cuniculi, wiihrend 48 Std. in defibriniertem 
Meerschweinchenblut kultiviert. Zimmertemperatur. VergroBerung 1:500. 

Unter Einwirkung des Meerschweinchenblutes sind die Binnenkorper 
der Coccidien zerstort; sie erscheinen in kugelformigen Resten an der 
Peripherie der Coccidienschale. Die Konturen der Coccidien sind intakt. 
Es handelt sich also um Zelltod mit Erhaltung der Zellform (Zellnekrose). 

Fig. 4. Coccidium cuniculi, wiihrend 48 Std. in defibriniertem 
Meerschweinchenblut kultiviert. Bruttemperatur. VergroBerung 1 :250. 

Bei gleichzeitiger Einwirkung der Bruttemperatur sind durch das 
Meerschweinchenblut sowohl die Binnenkorper als auch die Konturen 
der Coccidien vernichtet worden. Es handelt sich also um Zelltod mit 
Zerstorung der Zellform (Nekrobiose). Die Reste der zerstorten Coc¬ 
cidien zeigen inyeline Pseudopodienbildung, wie wir sie gelegentlich auch 
bei nekrobiotischem Zerfall der Metazoenzellen wahrnehmen. 

Ich komme nun zu den Wirkungen, uie das Blut des fur Coc¬ 
cidium cuniculi empfanglichen Kaninchens gegeniiber den Coccidien 
entfaltet. 

1) Zeitschr. f. physiol. Chetnie. Bd. 21. 1895. 

2) Berlin, klin. Wochenschr. 1912. Nr. 42. 


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Saul, Untersuchungen zur Aetiologie und Biologie der Tumoren. 


551 



Fig.-5. Coccidium cuniculi, wahrend 48 Std. in defibriniertem 
Kaninchenblut kultiviert. Zimmertemperatur. VergroBerung 1:1000. 

Im Gesichtsfeld erschei- 
nen zwei Coccidien. Das 
eiue Coccidium (a) zeigt ■ v !£ 4 

weder Entwicklungspha.no- 
mene 


Sporozoiten, zwischen ihnen 

ronten, den „nucl6usdereli- M 

quat“ der franzosischen Au- 

toren. An den Sporozoiten 15. * * *y/ 

unterscheidet man den *5**/ * / v 

Schwanz fast homogen. Da 

die Genese der Sporozoiten ' 

erfahrungsgemaBniemalsim b H 

Organismus des mit Cocci- j,- lg 5 

dien infizierten Tieres er- 

folgt, sondern nur in der AuBenwelt, so miissen die Sporozoiten wahrend 
der Kultivierung der Coccidien im Kaninchenblut entstanden sein. Es 
liegt jedoch bei ihrer 
Entwicklung eineMiB- 
bildung per defectum 

per excessum vor *-\ 

eine MiBbildung per 

defectum insofern, als *gflt > V r^Tf, ., 

anstatt 8, nur 2 Sporo- v**j§\'V"ic58Klk 

zoitenentstandensind, . 1 V 1 - 

und insofern, als die {0} f L>.fY, < V 

Sjiorozoiten einer um- > 

hullenden Sporo- 
cystenmembran er- 
mangeln, so daB sie M 

freiin den Binnenraum ,/v \\ ' v ’ r / 

desCoccidiumshinein- ^ *«, 

ragen. Eine MiBbil- V 

dung per 

zeigt das Coccidium 
b insofern, als die 
Sporozoiten der 
zwischen ihnen 
gende RestkQrper au- 

Berordentlich groB Fig. u. 

entwickelt sind. 

Fig. 6. Coccidium cuniculi, wahrend 48 Std. in defibriniertem 
Kaninchenblut kultiviert. Zimmertemperatur. VergrfiBerung 1 :2500. 


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552 Central bl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 

Das Plasma des Coccidiums hat sich kugelfomig geballt und ein 
Chromidialpartikel ausgestoBen. Die biologische Bedeutung dieses Vor- 
ganges ist von Fall zu Fall verschieden; sie kann auf vegetativem oder 
sexuellem Gebiete liegen. In dem vorliegenden Falle handelt es sich 

um die letztere EventualitSt, deun aus dem aus- 
gestoBenen Chromidialpartikel entwickeln sich, wie 
die Abbildung lehrt, spermatozoide Mikrogameten. 

Fig. 7. Coccidium cuniculi, wahrend 
48 Std. in defibriniertem Kaninchenblut kultiviert. 
Zimmertemperatur. VergroBerung 1 : 1000. 

Die Abbildung zeigt diejenige Entwicklungs- 
phase der spermatozoiden Mikrogameten, in der 
sie, losgelost von dem ausgestoBenen Chromidial¬ 
partikel, dem sie entstammen, frei im Binnenraum 
die Coccidiums liegen. 

Fig. 8. Coccidium cuniculi, wahrend 
48 Std. in defibriniertem Kaninchenblut kultiviert. Zimmertemperatur. 
VergroBerung 1:1000. 

Neben dem Plasma des Coccidiums erscheinen spermatozoide 
Mikrogameten. Das Chromidialpartikel, aus dem sie hervorgingen, ist 

in dieser Phase ihrer 
Entwicklung nicht 
nachweisbar. Man 
unterscheidet an den 
spermatozoiden Mi¬ 
krogameten, ebenso 
wie an den Sperm a- 
tozoen der Metazoen, 
das Spitzenstiick, den 
, spindelfbrmigen Kopf, 
das Mittelstiick, den 
Schwanz und die bei- 
den GeiBeln. — Es ist 
hervorzuheben, daB 
der in den Figuren 6, 
7, 8 dargestelite Mo¬ 
dus der Mikrogameten- 
bildung, wie er sich 
vollzieht, wenn die 
Coccidien in Kanin¬ 
chenblut kultiviert 
werden, bisher nie- 
malsbeobachtet wurde. 
Seit den Untersuch- 
ungen Schaudinns 1 ) gilt vielmehr als erwiesen, daB die Teilung des 
Coccidienkernes regelm&Big der Genese der Mikrogameten vorangeht, 
und daB die Zahl der Kernteile mit der Zahl der sp&ter im Coccidium 
auftretenden Mikrogameten iibereinstimmt. 

Fig. 9. Coccidium cuniculi, wahrend 48 Std. in defibriniertem 
Kaninchenblut kultiviert. Bruttemperatur. VergroBerung 1 : 1000. 

1) Schaudinn, Untersuchungen fiber den Generationswechsel bei Coccidien. 
(Zool. Jahrb. Abt. f. Anat. Bd. 13. 1900. 8. 239 ff.). 




Fig. 7. 


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Saul, Untersuchungeu zur Aetiologie und Biologie der Tumoren. 


553 


Der Sporont des Coccidiums ist in normaler Weise geteilt, die 
Teilstflcke um den Restkorper des Sporonten gruppiert. In den fol- 
genden Phasen der Entwicklung gehen aus den Teilstiicken des Sporonten 
Sporozysten und Sporozoiten hervor. Die Sporozysten und Sporozoiten 
sind Charakteristika der weiblichen Coccidien. 

Bei den in den Fig. 6 — 9 dargestellten Coccidien ist eine sch&dliche 
Wirkung des Kaninchenblutes, in dem sie kultiviert wurden, nicht nach- 
weisbar. Zum Vergleich mit der in Fig. 5 abgebildeten MiBbildung per 
defectum und per excessum eines in Kaninchenblut kultivierten weib¬ 
lichen Coccidiums moge die folgende Abbildung dienen. 

Fig. 10. Cocoidium cuniculi, w&hrend 48 Std. in Aqua fon- 
tana kultiviert. Zimmertemperatur. VergroBerung 1: 1000. Erfahrungs- 
gemSB stellt Aqua fontana ein Medium dar, das fiir die Zfichtung der 
Coccidien adSquat ist. 

Wie die Abbildung lehrt, haben sich in dem Coccidium 4 nor- 
male Sporozysten entwickelt. In jeder Sporozyste erscheinen je 2 Sporo¬ 
zoiten, zwischen ihnen je 1 Restkorper. Bezflglich der Sporozysten- 
membran, welche die Sporozoiten umhflllt, und bezuglich der Schale des 



Fig. 9. Fig. 10. 


Coccidiums ist zu bemerken, daB sie im DuoUenum des infizierten Tieres 
zur Auflosung gelangen, nachdem die Coccidien mit der Nahrung auf- 
genommen wurden. Nach Untersuchungen Metzners 1 ) kommt fiir 
diese auflosende Wirkung hauptsachlich das in das Duodenum flieBende 
Pankreassekret 2 ) in Frage. Die von ihren Hiillen befreiten Sporozoiten 
dringen in die Darmepithelien und Gallengangsepithelien. Innerhalb der 
Epithelien gehen aus den Sporozoiten die jungen Coccidien hervor. 

Ich komme nun zu der oft diskutierten Frage: Welche Bedeutung 
besitzen die Coccidien fiir die Tumoratiologie? As.kanazy 3 ), Mar¬ 
ch and 4 ) und R. Pfeiffer 5 ) berichten iibereinstimraend, daB das Coc¬ 
cidium cuniculi Gallengangsadenome hervorruft, eine Behauptung, 


1) Arch. f. Protistenk. Bd. 2. 1903. 

2) Die Fie. 5—9 lehren, daB dae Kaninchenblut keine auflosende Wirkung gegen- 
iiber den Coccidien besitzt. Da an die Auflosung der Coccidienschale die Iufektiositat 
der Coccidien gekniipft ist, so wird erkliirlich, daB es R. Pfeiffer nicht gelane, die 
Coccidiose auf dem Blutwege exjterimentell hervorzurufen, obgleich er gelegentlich ko- 
lossale Mengen von Coccidien in die Blutbahn der Kaninchen injizierte. 

3) Lehrb. d. patholog. Anat., herausgeg. von L. Aschoff. Bd. 1. 1913. 

4) Handb. d. allgen). Pathol. Bd. 1. 1908. 

5) Die Coccidienkrankheit der Kaninchen. Berlin 1892. 


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554 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 7/8. 


die dadurch an Bedeutung gewinnt, daB nach den Untersuchungen von 
Goldzieher 1 ) und von v. Bokay 1 ) hyperplastische Wucherungen 
der Gallengange eine wesentliche Vorbedingung fur die Genese des 
Leberkarzinoms sind. Mar chan d (1. c.) schildert die bei der 
Lebercoccidiose in Betracht kommenden Befunde, wie folgt: „Eine 
wichtige Frage, die uiit der toxischen Wirkung der Para- 
siten zusammenh&ngt, betrifft. die durch diese veran- 

laBten Wucherungsprozesse im Gewebe-„Durch die 

Anwesenheit von Parasiten konnen ansehnliche epithe- 
liale Wucherungen erzeugt werden. Dahin gehen die bei 
Kaninchen hSufig vor kommenden papdll&ren Wuche¬ 
rungen der GallengAnge, bei Invasion der Zylinderepi- 
thelien durch Coccidiutn oviform e. Die Wucherung des 
Epithels zieht die desBindegewebes nach sich Gegen- 
tiber dieser Bekundung Marchands ist hervorzuheben, daB die Coc- 
cidien wahrend ihres intraepithelialen Parasitisinus auf die Epithelien 
der Gallenwege nicht proliferierend, sondern destruierend wirken, wie 




Fig. 11. Fig. 12. 

ich in Uebereinstimmung mit Lubarsch 2 ) bekunden kann. Im Uebrigen 
dtirfen wir gemaB den Befunden, die durch die folgenden Abbildungen 
erlautert werden, voraussetzen, daB die bei der Lebercoccidiose auf- 
tretenden Gallengangsadenome durch Stoffwechselprodukte von Coccidien 
hervorgerufen werden, die nach ZerstQrung der Gallengangsmucosa in 
das periportale Bindegewebe der Leber gelangt sind. Auch hier ver- 
ursachen die Coccidien in der nachsten Umgebung Zellzerstorung, wah- 
rend sie in der weiteren Umgebung, — wo ihre Stoffwechselprodukte 
in geringerer Konzentration wirken, — hyperplastische Wucherungen des 
periportalen Bindegewebes und adenomatSse Wucherungen der Gallen¬ 
gangsmucosa veranlassen. Diese Prozesse entsprechen dem biologischen 
Grundgesetz von Pfluger und Arndt, welches lehrt, daB ein und 
dasselbe Agens, je nach seiner St&rke, sowohl destruierend wie stimu¬ 


li Virchows Arch. Bd. 203. 1911. — Die Feststellungen von Goldzieher uud 
von v. Bokay beziehen sich auf die Humanpathologie. Beziiglich der Veterinarpatho- 
logie ist zu bemerken, daB die Gallengangsadenome der Kaninchen erfahruogsgemafi 
niemals mit Leberkarzinom kombiniert sind. 

2) Lubarsch, Pathologische Anatomie und Krebsforschung. Wiesbaden 1902 


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Saul, Untersuchungen zur Aetiologie und Biologie der Tumoren. 


555 


lierend wirken kann. Die betreffenden Befunde mochte ich an der 
Hand der folgenden Abbildungen schildern. 

Fig. 11. Schnittpraparat einer Kaninchenleber. Fall von Coccidiose. 
Gie m sa-Farbung. VergroBerung 1:40. 

Das Gesichtsfeld zeigt 4 Coccidienkolonien, die sich in Lficken des 
periportalen Bindegewebes entwickelt haben. Aehnlich wie die Eier ge- 
schwulsterregender Tiere, — Helminthen, Milben, Wespen, -- kcinnen die 
Coccidien durch ihre Stoffwechselprodukte sowohl destruierend, als auch 
proliferierend auf benachbarte Gewebe wirken, wie bereits erwahnt wurde. 
Ihr physiologisches Analogon finden diese Prozesse bei der Graviditat; 
denn an der Stelle, wo das befruchtete Ovulum der Uteruswand anliegt, 
verfallt nach den Untersuchungen von Graf Spee 1 ) die Uterusmucosa 
der Auflosung; wahrend in der weiteren Umgebung die Stoffwechsel- 
produkte des befruchteten Ovulums die hyperplastischen und hyper- 
trophischen Prozesse des Uterus und seiner Adnexe herbeifiihren, welche 
die Graviditat begleiten. 

Fig. 12. Schnittpraparat einer Kaninchenleber. Fall von Coccidiose. 
Giemsa-Farbung. VergroBerung 1:200. 



Fig. 13. Fig. 14. 


In einer breiten Liicke des periportalen Bindegewebes liegt eine 
Coccidienkolonie. Die Coccidien sind in regelraaBigen Reihen angeordnet 
und so dicht gelagert, daB sie, ahnlich wie Epithelien, sich gegenseitig 
abplatten und polyedrische Formen gewinnen. 

Fig. 13. Schnittpraparat einer Kaninchenleber. Fall von Coccidiose. 
Gie ms a-Farbung. VergroBerung 1:40. 

Im periportalen Bindegewebe der Leber erscheint eine dreikamme- 
rige, zystische Hohle. Unter Einwirkung der Stoffwechselprodukte der 
Coccidien ist die Auflosung des periportalen Bindegewebes derart fort- 
geschritten, daB die einzelnen Coccidienherde nur noch durch schmale 
Bindegewebssepten gegeneinander begrenzt sind. Wenn dieser Auf- 
lOsungsprozeB weiter fortschreitet, so werden schlieBlich auch die Wan- 
dungen der Gallengange, die an die Coccidienherde des periportalen 
Bindegewebes grenzen, der Auflosung verfallen, so daB Kommunikationen 
zwischen den Coccidienherden und dem Lumen der angrenzenden Gallen¬ 
gange entstehen. Diese Eventualitat ist besonders deshalb in Betracht 
zu ziehen, weil die Gallengange der Leber eine Lamina basalis nicht 

1) Anat. Anz. 1896. S. 132 ff. 


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556 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88 . Heft 7 / 8 . 

besitzen. Nacli eingetretener Kommunikation konnen die Coccidienherde 
des periportalen Bindegewebes sich in die angrenzenden Gallengange 
entleeren. In alien Fallen, wo Gallengangsadenome Coccidien enthalten 
darf in Betracht gezogen werden, daB derartige Kommunikationen be- 
stehen. Es gelingt jedoch nicht, sie anatomisch nachzuweisen. Birch- 
Hirschfeld 1 ) erw&hnt lediglich Ulzerationen der Gallengange, die er 
im Gefolge der Lebercoccidiose beobachtet hat. 

Fig. 14. Schnittpraparat einer Kaninchenleber. Fall von Coccidiose. 
VergroBerung 1:50. 

In dem Lumen eines Gallengangsadenoms liegen zahlreiche Coc¬ 
cidien. Die Coccidien sind Gewebsparasiten; sie konnen daher in dem 
Lumen .normaler oder adenomatos entarteter Gallengange sich nicht ver- 

mehren. GemaB den vorangegangenen 
Darlegungen darf angenommen wer- 
den, daB die in dem abgebildeten 
Gallengangsadenom erscheinenden 
Coccidienmassen von einem oder meh- 
reren Coccidienherden des periportalen 
Bindegewebes stammen, die mit dem 
Gallengangsadenom kommunizierten. 
— Im Uebrigen ist zu bemerken, daB 
die Entwicklung der im Gefolge der 
Lebercoccidiose auftretenden Gallen¬ 
gangsadenome von der Menge der 
Coccidien, die in ihrem Lumen er- 
scheinen, vollig unabhangig ist. Es 
kann der Fall eintreten, daB die Ent- 
Fig. 15. wicklung der Gallengangsadenome sich 

als sehr erheblich erweist, obgleich 
nur wenige Coccidien in ihrem Lumen gefunden werden. Ich hebe dies 
deshalb hervor, weil Lubarsch-) bekundet, daB die bei der Lebercoc¬ 
cidiose auftretenden Gallengangsadenome durch mechanische Wirkungen 
der Coccidienmassen, welche die Gallengange anfiillen, verursacht werden. 

Fig. 15. Schnittpraparat einer Kaninchenleber. Fall von Coccidiose. 
VergroBerung 1:100. (Nach R. Peiffer.) 3 ) 

In der Publikation Pfeiffers ist diese Abbildung folgendermaBen 
erklart: 

S. 18: „Der Inhalt der Coccidienherde wird dargestellt von vielfach 
verzweigten, baumformig sich ausdehnenden, mit Epithel bekleideten 
Zotten, ... die Zotten bestehen aus einem bindegewebigen Stroma, auf 
welchem Zylinderepithelien aufsitzen. Wendet man starke Vergr6Be- 
rungen an, so sieht man, daB die groBe Mehrzahl der Epithelien Para- 
siten beherbergt.“ Da Pfeiffer das betreffende Praparat nur in 
schwacher VergrbBerung dargestellt hat, so ist es unmoglich, seine Be- 
hauptung nachzuprufen, daB die groBe Mehrzahl der Epithelien des in 
Fig. 15 dargestellten Gallengangsadenoms Coccidien beherbergte. Dem- 
gegeniiber darf ich hervorheben, daB ich die Epithelien der bei der 
Lebercoccidiose beobachteten Gallengangsadenome frei von Coccidien 
gefunden habe. 

1) Birch-Hirschfeld, Lehrb. d. pathol. Anat. Leipzig 1897. S. 409. 

2) Lubarsch, Pathol. Anat. und Krebsforschung. Wiesbaden 1902. 8. 25. 

3) Pfeiffer, It., Die Coccidienkrankheit der Kaninchen. Berlin 1892. 




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Saul, Untersuchungen zur Aetiologie und Biologie der Tumoren. 


557 



Die fur die Lebercoccidiose gegebenen Darlegungen mochte ich 
durch die Schilderung von Befunden ergfinzen, die auf die Darmcoccidiose 
Bezug haben. 

Fig. 16. Schnittpr&parat eines Froschdarmes. Fall von Coccidiose. 
HSmatoxylin-Eosinffirbung. VergroBerung 1 : 500. 

Die Epithelien der Darmmucosa sind mit jungen, runden Coccidien 
angefiillt. In diesem Stadium der Darmcoccidiose kann nicht nachge- 
wiesen werden, daB die in den Darmepithelien vegetierenden Coccidien 
eine Sch&digung ihrer Wirtszellen herbeigefiihrt haben. Es scheint da- 
her in dieser Phase der Infektion eine vollkommene Symbiose zwischen 
den Coccidien und ihren epithelialen Wirtszellen zu bestehen. 

Fig. 17. SchnittprSparat eines Froschdarmes. Fall von Coccidiose. 
Hamatoxylin-Eosinffirbung. VergroBerung 1: 50. 

Wie die Abbildung lehrt, hat sich 
im submukSsen Bindegewebe des 
Darmes ein groBer Coccidienherd ent- 
wickelt. An dem Orte desselben 
zeigt die Darmmucosa einen umffing- 
lichen Defekt. Dieses Ulcus diirfte 
dadurch hervorgerufen sein, daB die 
primar mit Coccidien infizierten 


Fig. 16. 


Fig. 17. 


Mucosaepithelien zerfallen sind. Nach Zerstorung der Darmmucosa ge- 
langten die Coccidien in die Submucosa. Hier liegen sie in einer 
zystischen II5hle, die otfenbar dadurch entstand, daB die Coccidien ver- 
moge ihrer Stoffwechselprodukte das angrenzende submukose Binde¬ 
gewebe aufgelost haben. In der weiteren Umgebung, — wo die Stoff¬ 
wechselprodukte der Coccidien in geringerer Konzentration wirkten, — 
verursachten sie adenomatose Wucherungen der Darmmucosa. Die sub- 
mukosen Coccidienherde des Darmes verhalten sich also zu den Darm- 
adenomen, wie die Coccidienherde des periportalen Bindegewebes der 
Leber zu den Gallengangsadenomen. Die Epithelien der im Gefolge der 
Darmcoccidiose auftretenden Darmadenome habe ich, ebenso wie die 
Epithelien der bei der Lebercoccidiose beobachteten Gallengangsade- 
nome, frei von Coccidien gefunden. Diese Erfahrung ist dadurch zu er- 
klfiren, daB die Coccidien nur in der Entwicklungsform der Sporozoiten 
in Epithelien eindringen konnen. Die Sporozoiten entstehen aber nie- 
mals im Organism us des mit Coccidien infizierten Tieres, sondern nur 
in der Au Ben welt, wie bereits erwShnt wurde. Im Organismus ihres 
Wirtes vermehren sich die Coccidien nicht auf dem Wege der Sporo- 


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558 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 

zoitenbildung, sondern nur durch direkte Teilung, wie zuerst R. Pfeiffer 1 ) 
gezeigt hat. 

Fig. 18. Schnittpraparat eines Froschdarms. Fall von Coccidiose. 
Hamatoxylin-Eosinfarbung. VergroBerung 1 : 50. 

Wie in den Coccidienherden des periportalen Bindegewebes der 
Leber, so sind in den submukosen Coccidienherden des Darmes die 

Coccidien, bei vorgeschrittenem Alter 
der Herde, nur locker miteinander 
vereinigt; sie fallen daher leicht aus 
der H6hle, in der sie lagern. An 
der Peripherie des submukflsen Coc- 
cidienherdes erscheinen umfangliche, 
adenomatose, von Coccidien freie 
Wucherungen der Darmmucosa. Die 
in Fig. 17 und 18 dargestellten Coc- 
cidienherde sind nur noch durch 
geringe Teile des submukdseu Binde¬ 
gewebes gegen das Darmluinen be- 
greuzt. Wenn unter Einwirkung der 
Stoffwechselprodukte der Coccidien 
die Auflosung des submukfisen Binde¬ 
gewebes weiter fortschreitet, so wer- 
den schlieBlich die submukosen Coc- 
cidieuherde der Darmwand mit dem 
Darmlumen kommunizieren, so daB 
sich die Coccidien in den Darm ent- 
leeren und mit den Faeces in die 
AuBenwelt gelangen konnen. 


Die geschilderten Befunde lehren, daB die Coccidien, ebenso wie die 
Helminthen, Milben, Tuberkelbazillen, Syphilisspirochaten und andere 
parasitare Tumorerreger nur als extrazellulSre Parasiten fflr die 
Tumoratiologie in Frage kommen. Wahrend ihres intraepithelialen Para- 
sitismus rufen die Coccidien nicht Epithelproliferation, sondern Epithel- 
zerstorung hervor. Die Pathologie der Coccidiose lehrt also aufs neue, 
daB Parasiten, die als Tumorerreger wirken, auBerhalb der proliferierenden 
Tumorzellen zu suchen sind. Die von Billroth*) und v. Leyden 3 ) 
propagierte Hypothese, daB fur die Aetiologie der Carcinome intrazellulare 
Parasiten in Betracht kommen, hat die Forschung als irrtumlich erkannt. 



Fig. 18. 


Nachdruok verboten. 

Ueber den Doderleinschen Scheidenbazillus. 

[Mitteilungen aus dem hygienisch-bakteriologischen Institut der Univer- 

sitat Erlangen.] 

Von Dr. Wilhelm Rother, Assistenten am Institut. 

In meiner Dissertation (1921) liabe ich iiber die Form und die 
Lebenseigenschaften des D8derleinschen Scheidenbazillus ausfiihrlich 

1) iTcTs. 9 ff. 

2) Billroth, Ueber die Eiuwirkungen lebender Pflanzen- und Tierzellen aufein- 

ander. Wien 1890. 3) Zeitschr. r. klin. Med. Bd. 43. 1901. 


Gch gle 


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— — — —--— -w— nrJ 


Rother, Ueber den Doderleinschen Scheidenbazillus. 


559 


berichtet. Die Ergebnisse, ergS.nzt durch die noch weiter fortgefiihrten 
Untersuchungen, sind folgende: 

Die geiBellosen Stabchen sind im Ausstrich aus dem Scheidensekret 
mittelgroB und grampositiv; in der Kultur oft zu Scheinfaden vereinigt, 
unter denen gramunbestandige Abschnitte und Involutionsformen vor- 
koramen. Aus der Scheide entnommen, wachsen sie mit und ohne Luft- 
zutritt. Sie entwickeln sich nicht bei Zimmertemperatur. Gelatine wird 
nicht verfliissigt, Gas und Indol nicht gebildet. 

Nahrbriihe wird trtib. Es entsteht Wandbelag und sp&ter Boden- 
satz. Zuckerzusatz ist dem Wachstum gflnstig. Am besten wkchst der 
Bazillus in Leber-Leber-Nahrbrflhe, die in der Regel von Natur aus viel 
Zucker enthait, und auf Nahragar, der mit Leberbrfihe bereitet ist. 

Die Kolonien auf Nahragar zeigen fadige Auslaufer, die besonders 
bei Slteren Stfimmen auch fehlen konnen. 

Zugabe von Serum oder Aszitesflflssigkeit fordert das Wachstum 
nur dann, wenn Glykogen in dem Nahrmittel vorhanden ist (s. u.). 

Der Bazillus vertragt Austrocknung im Exsikkator. An Seidenffiden 
angetrocknet, ist er nach 12 Mon. noch entwickelungsfahig. 

Die Reaktion der Nahrmittel kann schwach alkalisch eingestellt sein, 
z. B. auf 60 Proz. zum Phenolphtaleinpunkt. Die fQr das Wachstum 
noch giinstige Breite ist groB. Der Bacillus vaginae geht noch auf 
NahrbSden, die bis zum Phenolphtaleinpunkt und etwas darOber alkali- 
siert sind, wenn auch diirftig, an und w&chst nicht minder auf saueren 
Nahrmitteln, die bis unter den Lackmuspunkt gesBuert sind. 

Die Nahrlosungen dflrfen nicht zu stark verdiinnt werden. In Ver- 
dGnnungen, wo Streptokokken noch gut wachsen, entwickelt sich der 
Bacillus vaginae oft nicht mehr. 

Er ist ein starker Saurebildner. In zuckerhaltiger N&hrflflssigkeit 
wurde bis 150 ccm NormalsSure (auf 1 1) titriert. Durch diese starke 
Saurebildung tQtet er vorher, gleichzeitig oder nachtr&glich (Abstlnde 
12—24 Std.) in die Kulturflilssigkeit eingeimpfte Staphylo-, Streptokokken 
und Coli-Bazillen ab. 

Die Widerstandsfahigkeit gegen hbhere Warmegrade wurde bei 
3 Stammen groBer gefunden, als vielen anderen nicht sporenbildenden 
Bakterien eigen ist. 3 Stamme starben im Wasserbad von 60° binnen 
20 Min. ab; 3 andere hielten bis 6 Min. bei 70° aus. 

In meiner Dissertation hatte ich (wie schon vorher P. Zweifel) 
angenommen, daB der Bacillus vaginae unmittelbar aus Glykogen 
Saure zu bilden vermag. Lesser wies auf Anregung Beckers tat- 
sachlich Glykogen in der Scheidenschleimhaut nach. Den gleichen Be- 
fund erhob spater Looser. Auch sollen nach Driessen die Drflsen 
des Uterus wahrend der Schwangerschaft und wahrend der Menstruation 
Glykogen absondern. 

Eine Nachprflfung unterblieb bisher, da mir Glykogen nicht zur 
Verfflgung stand. Dies war jetzt der Fall, und es zeigte sich bei der 
weiteren Untersuchung, daB die Scheidenbazillen unmittelbar aus Gly¬ 
kogen Saure nicht zu bilden vermSgen. In glykogenhaltiger Nahrbriihe 
(1 Proz.), die keinen Zucker enthielt (Garprobe!), konnte nach mehr- 
tagigem Aufenthalt im Brutschrank Saurebildung nicht nachgewiesen 
werden. Die Glykogenreaktion blieb unverandert bestehen. Eine Saure¬ 
bildung fand erst statt, wenn das Glykogen abgebaut war. Ein dazu 
notiges diastatisches Ferment ist im Blut vorhanden, von dem es nach 


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560 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


Oppenheimer in andere Korperfliissigkeiten, wie auch in Aszites- 
flfissigkeit iibergeht. Letzteren Befund konnte ich bestatigen. 

Wahrscheinlich wird in den Driisen des Uterus wahrend der Men¬ 
struation durch die gesteigerte Blutzufuhr Glykogen zu Traubenzucker 
abgebaut, der dann in die Scheide gelangt. Aehnlich wird es sich mit 
den Glykogendepots der Scheidenschleimhaut verhalten. Durch das aus 
den Venengetiechten wahrend der Schwangerschaft austretende Trans- 
sudat wird das in den Zellen aufgespeicherte Glykogeu in Traubenzucker 
Gbergefuhrt. 


Literatur. 

Becker, G., Ztschr. f. Geb. u. Gynak. Bd. 64.1909. 8. 326. — Dries sen, L. F., 
Zentralbl. f. Gynak. Bd. 35. 1911. S. 1308. — Loeser, A., Ibid. Bd. 44. 1920. 8. 326. — 
Oppenheimer, U., Die Fermente und ihre Wirkungen. 4. Aufl. 1913 — Rother, \V., 
Untersuchungen iiber den Doderleinschen Scheidenbazillus. [Inaug.-Dissert.] Er¬ 
langen 1921. — Zweifel, P., Arch. f. Gynak. Bd. 86. 1908. 8. 564. 


Nachdrudk verbotan. 

Ueber den Glykogengehalt von Nahrmitteln. 

[Mitteilungen aus dem hygienisch-bakteriologischen Institut der Univer- 

sitat Erlangen.] 

Von Dr. Wilhelm Rother, Assistenten am Institut. 

AnlaB zu meiner Untersuchung gab erne Niihrgelatine, die in flussigem 
Zustande nach Klarung mit EiweiB klar war, aber bei Erstarrung sich 
stark trtibte. Bei erneuter Erhitzung verschwand die Trubung, um beim 
Erstarren wiederzukehren. 

Das verwendete Fleischwasser war opalisierend wie Glykogen- 
lbsungen, mit denen rch damals arbeitete. Die Glykogenreaktion war 
sowohl im Fleischwasser als auch in der daraus bereiteten Gelatine stark 
positiv. 

Einer Probe Gelatine wurde nun Speichel zugesetzt, der Glykogen 
abbaut. Nach 1-std. Bebrutung bei 37° war die Glykogenreaktion 
negativ, die Gelatine wurde nach nochmaliger Abkochung und Filtration 
klar und blieb so. Das gleiche Ergebnis wurde durch Zugabe von Blut- 
serum nach 24-std. Bebrutung erzielt. 

Aus dem Pferdefleischwasser wurde nochmals Nahrbruhe und Nahr- 
gelatine mit folgenden Ergebnissen hergestellt: 


Nahrmittel 

| Glvkogen- 
j reaktion 

Beschaffen- 

heit 

Klarung mit Eiweifi 

Behandlung 
m. Speichel 

Glykogen¬ 

reaktion 

Nahrbruhe 

Nahrgelatine 

positiv 

opaleszeut 
stark triib 

echwache Trubung 

in fliissigem Zustande 
klar, nach Erstarrung 
starke Trubung 

klar 

negativ 

T1 


In Agar war eine wesentliche Aufhellung niebt festzustellen, wenn 
die zur Bereitung verwendete Nahrbriihe vorher mit Speichel behandelt 
wurde. Dies laBt sich darauf zuriickfubren, daB eine Agarabkochung 
nach dem Erkalten nie ganz klar wird. 

Nahrmittel, die aus Fleisch von einem anderen Pferd bereitet wurden, 
verhielten sich ahnlich. Die Glykogenreaktion war bei dieser Briihe nur 


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Rother, Ueber den Glykogengehnlt von Nahrmitteln. 


561 


schwach positiv, die Triibung der mit ihr angefertigten N&hrgelatine 
unerheblich, aber deutlich wahrnehmbar. In der aus dem Rilckstand 
nach Hottinger mit Pankreatin hergestellten Verdauungsbriihe war 
die Glykogenreaktion negativ. Damit bereitete Mhrgelatine trubte sich 
bei Erstarrung nicht. Ein Kontrollversuch ergab, dad Pankreatin tierische 
Starke in kurzer Zeit abbaut. 

Erfahrungsgemad zeigen aus Leber bereitete N&hrmittel meistens 
Opaleszenz Oder auch schwache Trtibungen. Beides ist nach meinen 
Untersuchungen durch Glykogen verursacht. 

Heim bringt in seinem Lehrbuch der Bakteriologie folgende Be- 
obachtungen: 

„Unter Umstflnden hat die Zugabe von Eiweid gerade den gegen- 
teiligen Erfolg und es entstehen beim Kochen erst recht starke, nicht 
abfiltrierbare, milchig-schleimige Triibungen.* 

„Es kaun auch der Fall eintreten, dad die Kochprobe, sei es die mit, 
sei es die ohne Eiweidzusatz, ein scheinbar klares Filtrat ergibt, dad 
sich dieses Filtrat aber beim Erkalten, wenn auch zunkchst nur in ganz 
geringem Grade, triibt.* 

Treten Triibungen dieser Art bei der Bereitung von Nahrmitteln 
auf, so kann Glykogen die Ursache sein. Fiir den Abbau kommen 
Speichel, Pankreatin, Blutserum oder Aszitesfliissigkeit in Betracht. In 
Hottinger-Verdauungsbriihe konnen demnach durch Glykogen bedingte 
Triibungen nicht auftreten. 

Einen Hinweis auf das Vorhandensein von tierischer St&rke gibt 
die Opaleszenz von Nahrfliissigkeiten. Ist der Gehalt betriichtlicher, so 
kann auch eine madige Triibung bestehen. 

Will man die Glykogenreaktion ausfuhren, so ist die Einstellung 
der Probe auf den Lackmuspunkt erforderlich. Bei sauerer Reaktion 
entstehen sonst bei Zusatz von Jod-Jod-Kalium Niederschlage, bei al- 
kalischer wird die Lugol-Losung entfarbt. Die Reaktion fiihrt man 
zweckmadig in kleineren RShrchen aus (1 ccm der Fliissigkeit und 2—3 
Tropfen Jod-Jod-Kaliumlosung). Ist Glykogen vorhanden, so tritt Rot- 
braunfarbung auf. Es empfiehlt sich, gleichzeitig auch einer Probe 
N&hrfliissigkeit Lugol-Losung zuzusetzen, nachdem sie mit Speichel 
behandelt worden ist. Hier kommt dann nur die Eigenfarbe des Jod- 
Jod-Kaliums zur Geltung. 

Zur Priifung auf Klarbarkeit bringt man eine Probe, mit Speichel 
oder Pankreatin versetzt, auf 1 / 2 Std. in den Brutschrank. Die Reaktion 
darf nicht zu sauer sein. Filtriert die Probe nach Aufkochung klar, so 
kann die ganze Menge auf die gleiche Weise behandelt werden. Bei 
grbderen Mengen verwende man Pankreatin, da der Vorgang zu lange 
dauert, wenn eine ausreichende Menge Speichel nicht zur Verfiigung steht. 

Fallen Triibungen erst spSter auf, so kann z. B. die fertige Nahr- 
gelatine noch geklart werden. Pankreatin darf hier nicht verwandt 
werden, da es die Gelatine verdQssigt. Handelt es sich urn griiflere 
Mengen, so empfiehlt sich der Zusatz von Blutserum oder Aszitesfliissig¬ 
keit, deren Fermentwirkung vorher gepriift wurde, im VerhSltnis 1: 10. 
Die Mischung wird dann 1—2 Tage in den Brutschrank gebracht (Ach- 
tung auf Sterilitilt!). 

Blutserum und Aszitesfliissigkeit, die bei 56° sterilisiert wurden, 
behielten nach meinen Versuchen die Fermentwirkung bei, wenn sie 
auch gegenilber frischem Blutserum bzw. Aszitesfliissigkeit etwas ver- 
langsamt war. 

Erste Abt. Orig. Bd. 68 Heft 7y8. 3b 


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* 


562 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 7/8. 

Theob. Smith hat auf die Abh&ngigkeit des natiirlichen Zucker- 
gehaltes der Nfihrmittel von dem Liegenlassen des Fleisches hingewiesen. 
Er fand in 3 Fallen, dafi Rindfleisch gleich nach dem Schlachten zucker- 
freie Brfihe ergab. Wurde Fleisch von den gleichen Tieren iiber Nacbt 
im Eisschrank aufbewahrt, so enthielt die Abkochung Zucker. DaB dieser 
durch fermentativen Abbau des Glykogens entstanden war, erwfihnt 
Smith nicht. 

Da das Glykogen im Fleisch allmkhlich in Zucker verwandelt wird, 
kann in Nahrlosungen von Natur aus gleichzeitig Glykogen und Zucker 
vorhanden sein. Will man den Zuckergehalt im GSrrfihrchen mit PreB- 
hefe bestimmen, so muB das Glykogen vorher auf andere Weise abgebaut 
sein, da die Hefe nicht nur Zucker, sondern auch tierische Starke verg&rt. 

Zusammenfassung. 

Triibungen in N&hrmitteln, die sich durch EiweiBklarung nicht be- 
seitigen lassen, konnen durch Glykogen bedingt sein. Dieses kann durch 
Zusatz von Speichel, Pankreatin, Blutserum Oder Aszitesfliissigkeit mit 
nachfolgender Bebriitung beseitigt werden. 

Iiiteratnr. 

Heim, L., Lehrburch d. Bakteriol. 6. Aufl. 1922. — Oppenheimer, C., Die 
Fermente und ihre Wirkungen. 4. Aufl. 1913. — Smith, Theobald, Centralbl. f. 
Bakt. 1895. S. 1. 


Nachdruck verboten. 

Ueber die bakterizide und entwicklungshemmende Kraft des 

Aethers. 

Ein Beitrag zur Frage der Aetherbehandlung der Peritonitis. 

[Aus der chirurgischen Universitfitsklinik in Basel (Chefarzt: Professor 

Dr. G. Hotz).] 

Von Dr. med. Claus W. Jungeblut. 

Beim Studium der Literatur fiber die Behandlung chirurgischer 
Erkrankungen der Bauchorgane mit Aethereingiefiungen in die Abdominal- 
hohle macht sich neben der Ffille ausffihrlicher Auseinandersetzungen 
chirurgischer Autoren fiber den praktisch-klinischen Wert dieser Methode 
der Mangel an experimentellen Untersuchungen fiber die theoretischen 
Vorbedingungen bemerkbar. Der Weg, auf dem die Chirurgie zur Ein- 
ffihrung dieser Behandlung in die Therapie gelangte, war ja auch ein rein 
empirischer, die Entwicklung der ganzen Frage also eigentlich eine um- 
gekehrte: Klinische Anwendung ging einer experimentellen Erprobung 
und Auswertung voran. Aus diesem Verhaltnis erklfiren sich vielleicht 
zum Teil die divergierenden Meinungen der einzelnen Autoren, indem dem 
Aether je nach Verschiedenheit der Auffassungen und des Temperaments, 
verschiedene, nicht nfiher prazisierte Eigenschaften bei der Beeinflussung 
des Krankheitsprozesses beigemessen werden. Es erscheint darum wfin- 
schenswert, daB auch einmal die rein theoretischen Grundlagen ffir dieses 
Verfahren einer systematischen Untersuchung unterzogen werden und 
die so erhaltenen Ergebnisse dann zusammen mit den schon bestehenden 


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Jungeblut, Bakterizide und entwicklungshemmende Kraft dea Aethers. 563 


klinischen Erfahrungen fiber die Leistungsfahigkeit dieser Behandlung 
unter Berficksichtigung der evtl. spater auftretenden Folgeerscheinungen 
(Adhfisionsbildung, Strangulationsileus etc.) zur definitiven Entscheidung 
fiber Wert oder Unwert der Aetherbehandlung herangezogen werden. 

Die eine Seite dieser Prfifung ist die rein bakteriologische, die 
andere liegt in der Analyse der mannigfechen biologischen Vorgfinge 
(HyperSmie, Anregung der Peristaltik durch den thermischen Reiz, Leuko- 
zytose und Heranschaffung von Iramunkorpern, Verminderung der Re¬ 
sorption sfahigkeit des Peritoueums fflr die gebildeten toxischen Stoffe 
durch den Zustand einer reaktiven Entztindung etc.) Im folgenden will 
ich versuchen, die bakteriologische Seite dieser Frage einer Prfifung zu 
unterziehen. In dem Gesagten liegt bereits die Aufgabe und die Be- 
grenzung dieser Arbeit. Meine Versuche sind bloB Versuche in vitro, 
die nicht mit den variablen Bedingungen rechnen konnen, die im lebenden 
Organismus vorhanden sind. Wenn ich mir aber auch fiber die rela¬ 
tive Unzulfinglichkeit meiner Ergebnisse, gerade aus diesem Grunde, 
vollkommen klar bin, glaube ich doch, durch die Ausschaltung dieses 
bislang nicht nfiher geprfiften und daher ganz verschieden interpretierten, 
rein theoretischen Faktors aus dem ganzen Fragenkomplex etwas raehr 
Klarheit in die Situation zu bringen. 

Ein Ueberblick fiber die betreffende chirurgische und bakteriologische Literatur 
zeigt unter den vereinzelten Arbeiten, die in diesem Zusammenhang von Wert sind, die 
widersprechendsten Ansichten. Nach Robert Koch werden Milzbrandbazillen durch 
Aethereinwirkung erst nach 15-tagig. Einwirkung getotet. Behring gibt die Hemmungs- 
konzentration gegenfiber Milzbrandbazillen im Blutserum auf mehr als 1 °/ # an. St ad ler 
bezeichnet die entwicklungshemmende Wirkung des Aethers als ziemlich gering. B. col i 
hemmt der Aether in Konzentration von 2—3 %, wahrend gegenfiber Staphylokokken 
in gesattigter Aether-Bouillonlosung keine konstante Totalhemmung eintritt. Heim hebt 
die Machtlosigkeit des Aethers una Chloroforms den Milzbrandsporen gegenfiber hervor, 
welche gar nicht oder erst nach vielen Tagen zugrunde gehen solien. Nach Pergola 
dagegen totet der Aethylather in kurzer Zeit viele vegetative Forroen ab und in Ver- 
bindung mit Erhitzung auf 45° C fur 1 Std. auch den Staphylococcus aureus, 
den Pergola ffir einen der widerstandsfahigsten Keime erklart. Rouquier und 
Iricoire fanden bei ihren Untersuchungen, dafl Aether eine ganze Reihe Bakterien 
(Pyocyaneus, Proteus, Prodigiosus, Shiga-Kruse, Flexner, Menin^o- 
kokken) bereits nach 1 Std. abtotet, andere dagegen, wie Diphtheriebazillen, B. faecalis , 
B. Strong und Pneumobazillen erst nach 1—24 Std. Ffir B. coli, Strepto- und 
Staphylokokken war mehrtagige Einwirkung notwendig, Pneumokokken und gewisse 
sporenbildende Anaerobier wuraen auch nach raehr als 10 Tagen nicht beeinflufit. Prel 1 
wandte den Aether als indifferentes bakterien-abtotendes Mit tel erfolgreich bei Coli- 
Bouillonkulturen an. Tomarkin fand bei der Prfifung von Konservierungsmitteln 
ffir Lymphe, dafl dem Aether auch bei kurz dauernder Einwirkung bedeutende ent¬ 
wicklungshemmende und bakterientotende Eigenschaften innewohnen. Fornet benutzte 
diese Eigenschaft des Aethers, um durch Schfitteln der Lymphe damit zur Abtdtung 
der Begleitbakterien und zu einer Reinkultur des Pockenerregers zu gelangen. Bei einer 
Nachprfifung der Fornetschen Aethervakzine fand Voigt, dafl die Keimfreiheit der 
Aetherlymphe nach Abdunsten des Aethers leicht wieder verloren gehen kann, woraus 
wohl hervorgeht, dafl es sich hier mehr um Entwicklungshemmung handelt als um 
wirkliche Abtfitung. Nach Fan tozzi sind Kulturen von Pyocyaneus und Staphylo¬ 
coccus albus und aureus nach einer Aethereinwirkung von 20 Min. nicht mehr 
entwicklunpfiihig, und ferner geht aus den Versuchen von Sigwart hervor, dafl 
Bouillonkulturen von Streptokokken und Milzbrandbazillen durch Actherdampfe nach 
4 Min. abgetotet wurden. Durch Vergleich dieser Resultate kommt Lienhard zu dem 
Schlufl: ,,Es scheint, dafl selbst in vitro die bakterizide Kraft des Aethers eine ge- 
ringe, zum mindesten eine wechselnde ist.“ Die folgenden Versuche werden zeigen, wie 
weit meine Ergebnisse die Richtigkeit dieses Satzes lllustrieren. 

Bei der Einwirkung eines Desinfektionsmittels auf Bakterien unter- 
scheidet man zwischen Abtfitung und Entwicklungshemmung. Dabei 
handelt es nicht etwa um 2 nur graduell verschiedene Vorgange, sondern, 

36* 


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564 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


wie Stadler richtig bemerkt, „ist die letztere nicht als der Initialeffekt 
einer bakteriziden Zellaffektion aufzufassen, sondern als eine unabh&ngige 
Parallelerscheinung. Sie stellt einen stationSren, reversiblen Zustaud 
dar, im Gegensatz zu der progressiven, irreversiblen ZustandsSnderung 
bei der bakteriziden Einwirkung.“ Meine Arbeit behandelt daher die 
bakterizide und entwicklungshemmende Kraft des Aethers in 2 getrennten 
Abschnitten. Au3 diesen beiden Komponenten wird sich schlieBlich eine 
etwaige therapeutische Wirksainkeit des Aethers zusamraensetzen miissen. 
Bei der AbschMzung eines bakterientotenden Mittels spielen Konzen- 
tration und Dauer der Einwirkung bei gleichen verirapften Bakterien- 
mengen die Hauptrolle. Andere Faktoren haben demgegeniiber geringere 
Bedeutung, auf die ich am SchluB der Arbeit nSher eingehen werde. 
Wichtig ist hier bloB noeh die Temperatur, bei der die Einwirkung des 
Desinfektionsmittel stattfindet. Denn nach Stadler macht sich die 
Temperatur in der Weise geltend, „daB im Temperaturoptimum, wo die 
Wachstumsenergie am grofiten ist, hemmende Einfliisse den geringsten 
Elfekt hervorbringen, w&hrend sie nach oben und unten an Wirksamkeit 
zunehmen u . DaB dieses Gesetz nur fur entwicklungshemmende Einfliisse 
Giiltigkeit besitzt, und bei der bakteriziden Einwirkung im Gegenteil 
mit steigender Temperatur ein gleichmaBiges Steigen des Desinfektions- 
wertes zu beobachten ist, wird auch durch meine Untersuchung best&tigt. 
Ich mochte hier gleich erwahnen, daB das leitende Motiv der Arbeit 
war, die Aethereinwirkung auf Bakterien nur unter solchen Verh&ltnissen 
zu studieren, die bei der Anwendung des Aethers bei chirurgischen 
Operationen vorliegen, und nur solche Ergebnisse festzustellen, aus denen 
sich Schlilsse iiber die therapeutische Leistungsfahigkeit der Methode 
ziehen lassen. Insofern war ich bei Festsetzung der Versuchstem- 
peratur von vornherein gezwungen, im allgemeinen eine Temperatur 
von 37 0 C als der Korpertemperatur entsprechend zu wahlen, wenn ich 
damit auch gerade die theoretisch nicht optimalen Bedingungen fur einen 
guten Desinfektionswert hatte. Von den beiden anderen Variablen, Kon- 
zentration und Dauer der Einwirkung, war ferner in diesem Zusammen- 
liang hauptsSchlich die letztere von entscheidender Bedeutung. Denn 
fiir den Chirurgen ist es von groBtem Interesse, ob es bei Anwendung 
groBer Mengen von Aether (hierbei ist praktisch in der Dosierung ein 
ziemlich groBer Spielraum moglich und man wird von vornherein lieber 
mit maximalen Mengen arbeiten, da eine Berechnung genau abgestufter 
Konzentrationen bei Unkenntnis der quantitativen Verh&ltnisse der bak- 
teriellen Infektion nur approximative Werte ergeben konnte) gelingt, 
eine ausgebildete oder beginnende Bakterieninvasion fiir kiirzere Zeit so 
lange erfolgreich aufzuhalten, bis der Organismus durch Vermehrung 
eigener Kampfmittel geniigend Zeit findet, sich gegen die Infektions- 
erreger zu wehren. Es kam also hier darauf an, unter mdglichst wech- 
selnden Versuchsbedingungen die bakterizide und entwicklungshemmende 
Kraft des Aethers gegeniiber den Bakterien zu untersuchen, die als die 
verbreitetsten Erreger der Peritonitis angetroffen werden. Meine Unter- 
suchungen erstrecken sich daher nur auf die praktisch wirklich in Be- 
tracht kommenden Keime und lassen die tiblichen Testbakterien (Pyo- 
cyaneus, Milzbrand etc.) ganz unberiicksichtigt. Die Versuchsanord- 
nungen wurden ferner so gewShlt, wie sie den bei der Operation vor- 
handenen Bedingungen am ehesten zu entsprechen schienen. 


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Jungeblut, Bakterizide und eutwickluDgshemmende Kraft dee Aethers. 565 


I. Teil!). 

Versuche iiber die bakterizide Kraft des Aethers. 

Wenn man bedenkt, daB der Aether bei einem Siedepunkt, der nur 
wenige Grade von der Korpertemperatur entfernt ist (ca. 35 0 C), in 
groBeren Mengen in die Bauchhohle eingegossen, in der die Durch- 
schnittstemperatur durch die entstehende Verdunstungskaite vielleicht 
noch um einige Grade erniedrigt ist, in tiiissigen wie in dampffbrmigen 
Anteilen zur Geltung kommen muB, wird man bei einer experimentellen 
Untersuchung, die vergleichbare Resultate liefern soil, keine scharfe 
Grenze ziehen konnen zwischen Anwendung des Aethers als Flussig- 
keit und als Dampf. Bei Wahl einer Versuchstemp. von 37 0 C wird eben 
der Aether, wie in praxi, in beiden Aggregatzustanden zugleich wirksam 
sein. Immerhin wurden die ersten orientierenden Versuche, um etwa 
vorhandene Unterschiede zu konstatieren, sowohl bei 37 0 C (wo die 
Bakterien also vorwiegend AetherdSmpfen ausgesetzt waren), als auch 
bei Zimraertemp. angestellt; im letzteren Falle muBte der Aether, ab- 
gesehen von der durch die Fliichtigkeit des Stoffes gebildeten Dampf- 
menge, hauptsSchlich als Flussigkeit einwirken. Da ich sowohl mit Bak¬ 
terien im fliissigen Medium als auch auf festen N&hrbflden arbeitete, 
ergeben sich 2 Reihen, die ich zur besseren Uebersicht getrennt be- 
trachten will. Die Briicke zwischen beiden Versuchsreihen wird ge- 
schlagen durch die Tatsache, daB selbst auf Agar- und Gelatineoberflache- 
kulturen die betreffenden Bakterien sich innerhalb einer Fltissigkeitshiille 
befinden. Dampfe und Fliissigkeiten werden also hier wie dort ent- 
sprechend ihrer Absorptionskonzentration resp. ihrem LosungsvermSgen 
einwirken, welche beiden GroBen nach Stadler filr das gleiche fliissige 
Medium, mit dem sie chemisch nicht reagieren, in einem bestimmten 
physikalischen Verhaltnisse stehen. 

Zur Verwendung kam nur chemisch absolut reiner Aether (Aether 
puriss. pro narcosi). Die Nahrfliissigkeit war Fleischwasserbouillon mit 
1 % Peptonzusatz und reagierte schwach alkalisch, der Agar war wie 
iiblich hergestellt worden. Gepriift wurden B.coli, hamolytische Strepto- 
kokken, Staphylococcus alb us und aureus und gelegentlich auch 
Pneumokokken. Die verwandten Kulturen waren vorher genau kulturell 
und mikroskopisch auf ihre Reinheit untersucht. Eine Virulenzpriifung 
in Tierversuch hatte nicht stattgefunden, aber alle Kulturen waren ziem- 
lich frisch aus dem Korper geziichtet, so daB noch keine wesentliche 
Alteration durch langeres Wachstum auf kiinstlichen Laboratoriums- 
nahrbbden eingetreten sein konnte. Ich mochte noch erw&hnen, daB ich 
im Laufe der Arbeit meine Strepto-, Pneumo- und Staphylokokkenstamme 
probeweise 2mal gewechselt habe, dem Einwand begegnen zu konnen, 
daB ich zufdllig StSmme mit besonderer Resistenz in Jl&nden hatte. Da 
keine Unterschiede festgestellt werden konnten, geschah die Notierung 
einheitlich. Die Streptokokken stammten von einer Sepsis und einem 
Erysipel, die Staphylokokken aus AbszeBeiter, die Pneumokokken aus 
pneumonischem Sputum; B. coli wurde doppelt gepriift, indem sowohl 
ein aus Fazes isolierter Stamm, als ein von einer Cystitis herriihrender 
pathogener Stamm zur Verwendung gelangten. 


1) Um durch grdBere Ven*uchsanzahl moglieh6t richtige Mittclwerte erhaltcn zu 
kdnneD, wurden alle Vcn»uehc doppelt angestellt, von deuen l'raulein I). Blom, Bern, 
liebenswiirdigerweise die eine parnllele Halfte ausfiihrte, wofiir ihr an dieser Stelle beatens 
gedankt sei. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


1. Reihe. Versuche im fliissigen Medium. 

Zu 24-stiind. Bouillonkulturen von Pneumokokken x ), B. coli, Strepto- 
kokken, Staphylocccus albus und aureus in einer Menge von je 
9 ccm im Reagenzglas, wurden Zusatze von 1 ccm Aether gegeben, so daB 
das Desinfektionsmittel in einer Konzentration von 1:10 einwirkte. Wenn 
man die Loslichkeit des Aethers mit Sigwart zu etwa 8 Proz. an- 
nimmt, dilrfte diese Konzentration also schon jenseits der oberen Grenze 
einer ges&ttigten Losung liegen. Die so beschickteu Rohrchen wurden 
gut umgeschiittelt, um eine moglichst gute Verteilung des Aethers in 
der Bouillon zu erreichen, und mit einem Gummistopfen verschlossen, 
um nicht unkontrollierbare Anteile des Aetherzusatzes in Dampfform zu 
verlieren. Nach verschiedenen Zeiten wurde auf SchrSgagar J ) und Bouillon 
abgeimpft (1—2 Oesen); gewachsene Kolonien wurden mikroskopisch 
identifiziert. Die Bezeichnung der Wachstumsintensit&t geschieht durch 
folgende Zeichen:-}- + + sehr starkes iippiges Wachstum, -f- -f- mittel- 
maBig gewachsen, -f- schlecht gewachsen, — steril. Dieser ganze Ver- 
such wurde in 2 parallelen Serien angestellt, indem die Rohrchen w&hrend 
der Versuchsdauer einmal bei Zimmertemperatur und einmal bei Brut- 
temperatur gehalten wurden. 


Tabelle I. 


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N-S 

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120' 

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+++ 

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3 St. 

++ 

++ 

+ + 

+ + 

+ + + 

+ + + 

3 St. 

++ 

+++ 

+ + + + 

+ + + > + + + 

24 St. 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ + 

+++ 

24 St. 

+ 

++ 

! + 1 + 

+ + + + + + 


Kontrollen ohne Aether: + + + iiberall. 


Das Ergebnis, das in vorstehender Tabelle niedergelegt ist, zeigt, 
daB in diesem Versuche unterschiedslos, selbst durch stundenlange Aether - 
einwirkung, keine Abtbtung der gepriiften Bakterien zu erreichen ist. 
Mit zunehinender Einwirkungsdauer war nur geringe Abnahme der 
WachstumsintensitSt hie und da festzustellen; ebenso waren nur ganz 
geringe quantitative Unterschiede zwischen den beiden verschiedenen 
Versuchstemperaturen vorhanden, indem die abgeimpften Kulturen im 
zweiten Versuch etwas uppiger zu wachsen schienen. 

Die Griinde fur dieses negative Ergebnis konnten zweierlei sein: 
Einmal war die angewandte Konzentration keine ausreichende und zweitens 
war die OberflSche im Reagenzglas eine zu kleine, um eine geniigende 
Beruhrungsflache der beiden, sich schlecht mischenden Fliissigkeiten zu 
ermoglichen; der UeberschuB des Aethers, der iiber die in einer ge- 
sattigten LSsung enthaltene Menge hinausging, hatte sich als klare Schicht 
oben abgesetzt. Diesen beiden Bedingungen tr&gt die folgende Versuchs- 

1) Pneumokokken wurden in Serumbouillonkulturen mit auf Blutag&r verwandt. 

2) Fur Pneumokokken und Streptokokken sind die Zeichen + + + , + -f, + natux- 
lich nur ate relative Werte zu betrachten, die das eingetretene Wachstum als im Ver- 
haltnis zum maximalen Wachstum der betreffenden Bakterienart iiberhaupt kennzeichnen 
sol ten. 


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Jungeblut, Bakterizide und entwicklungshemmende Kraft des Aethers. 567 

anordnung Rechnung: In steriler Petri-Schale wurden gleiche Teile 
Aether mit gleichen Teilen 24-stiind. Bouillonkulturen (je 5 und 5 ccm) 
von Staphylo-, Strepto-, Pneumokokken und B. coli durch langeres Ura- 
riihren mit sterilem Glasstab innig. gemischt; dann wurde der Deckel 
der Schale aufgesetzt. Auch dieser Versuch wurde sowohl bei Brut- wie 
bei Zimmertemperatur angestellt. Die Abimpfung nach verschiedenen 
Zeiten ergibt folgendes Bild: 

Tabelle II (bei Bruttemperatur). 


Zeit 
bei 37° 

i—1 

1 

Strepto- 

kokken 

Pneumo¬ 

kokken 

Staph. 

alb. 

iLb 

5 i 

02 

a; ^ 

1 - 

B. coli I 

s § 

is o 
Xi-“ 

Pneumo¬ 

kokken 

Staph. 

alb. 

ILh 

30 

5' 

+ + 

+ 4~ 

+ + 

+++ 

+++ 

5' 

1 + + 

++ 

+ + 

+ + + 

+ + + 

15' 

— 

— 

+ 

4~ “f - ca. 80 Kol. 

+ + 

15' 

+ 

+ 

+ 

+ + + 

+ + + 

30' 

— 

— 

— 

+ ca. 60 Kol. 

+4- 

30' 

+ 

+ 

+ 

+ + 

+ + 

60' 

— 

— 

— s 

-f ca. 30 Kol. 

+ 

60' 

— 

— 

- 1 

*+* + 

+ + 

120' 

— 

— 

— 

-(- ca. 20 Kol. 


1 120' 

— 

— 

— 

+ + 

+ + 

24 Std. 

— 

— 

— 

— 

+ 2 K. 

24 Std. 

_ 

— 

— 

■f 

+ 







! 




Einz. K. 

3 Kol. 

E 

Is ist auffallend 

1, wie sich hierbei das Resultat von Grund aus , 

Sndert, 


obwohl doch durch den nur lose der Schale aufsitzenden Deckel kein 
sicherer AbschluB gegen Entweichen von Aetherd&mpfen bei 37 0 vorlag. 
Dieses Defizit wurde aber wahrscheinlich kompensiert durch das Vor- 
handensein einer stets frischen, wirksamen Aethermenge, die ja weit ilber 
das in einer gesattigten Losung enthaltene MaB hinausging. Abgesehen 
von der maximalen Aethermenge, diirften hier die Verhaltnisse mutatis 
mutandis vielleicht noch am ehesten den Bedingungen einer drainierten 
Abdominalhohle entsprechen. Zum gleichen Effekt in praxi wfirden aber 
eben Aethermengen gehoren, die die Grenze der praktischen Anwendungs- 
moglichkeit bei weitera ubersteigen. Betrachten wir jetzt die Ergebnisse 
im einzelnen, so zeigt sich, daB B. coli und Streptokokken nach 15-min. 
Aethereinwirkung, Pneumokokken nach 30-min. Einwirkung bei 37° 
sicher abgetotet waren; eine nahere Bestimmung der unteren Zeitgrenze 
wurde nicht versucht. Staphylokokken waren dagegen nach 2-stflnd. 
Einwirkung, wenn auch vermindert, noch lebensf&hig, und zeigten selbst 
nach 24-stiind. Einwirkung in einem Falle noch isoliertes Wachstum 
auf Agar. Es ist allerdings zu berucksichtigen, daB nach 24 Std. wohl 
der groBte Teil des Aethers durch Verdunstung verloren gegangen sein 
dflrfte. Der gleiche Versuch bei Zimmertemperatur zeigt eine bedeutend 
geringere bakterizide Kraft des Aethers, indem hierbei B. coli, Strepto- 
und Pneumokokken einer 1-stiind. Aethereinwirkung bedurften zur vOlligen 
Abtotung. Die Verminderung der Wachstumsintensit&t mit zunehmender 
Zeitdauer war filr Staphylokokken ebenfalls eine geringere, und auch hier 
wurden nach 24-stiind. Aethereinwirkung noch einzelne Kolonien auf 
den iiberimpften Agarrohrchen festgestellt. 

Die so erhaltenen Resultate wurden noch durch eine andere Ver- 
suchsreihe (mit geringfugigen Unterschieden) bestatigt, in der statt 
24-stiind. Bouillonkultur die Aufschwemmung eines 24-stiind. Agarrasens 
der betreffenden Bakterien in physiol. Kochsalzlflsung als Testmaterial 
verwandt wurde. Wieder wurden gleiche Teile NaCl-Aufschwenimung 
und Aether in steriler Schale gut durchgemischt und das Resultat der 
Aethereinwirkung durch Abimpfen auf Bouillon und Schragagar nach 
verschiedenen Zeiten bei 37° und Zimmertemperatur, wie folgt, bestimmt: 


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URBANA-CHAMPAIGN 


568 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


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Tabelle III. 


Zeit 
bei 37° 

Coli I 

Coli II 

Q c 

*5 O) 
r> ^ 

QJ JjS 

is o 

Pneumo¬ 

kokken 

Staph. 

alb. 

Staph. 

aur. 

Zeit bei 
Zimmer- 
temperat. 

Coli I 

Coli II 

Strepto¬ 

kokken 

Pneumo¬ 

kokken 

Staph. 

alb. 

_ 

* 2 
w a 

3Q 

5' 

+ + 

+ 

++ 

+ 

+ ++ 

+++ 

5' 

+ + 

+ 

++ 

+ + 

+ + + 

++ + 

15' 

— 

— 

— 

— 

+ + + 

++ + 

15' 

+ 

+ 

+ 

+ 


+++ 

30' 

— 

— 

— 

— 

+ + 

++ 

30' 

— 



— 

+ ++ | 

+++ 

60' 

— 

— 

— ^ 

— 

+ + 

++ 

60' 

— 



— 

+ + 

++ 

120' 

— 

- | 

— 

— 

+ 

+ 

120' 

— 

— 

— 

— 

+ + 

++ 

24Std. 

- 1 

— 

— 

— 

— 

— 

24 Std. 

— 

— 

— 


+ 

— 


Kontrollen ohne Aether: + + + iiberall. 

Der Vergleich der Tab. Ill mit der vorhergehenden Tab. II zeigt 
eine deutliche, wenn auch geringe Zunahme der bakteriziden Kraft des 
Aethers; bei 37° war die Abtbtung von Pneumokokken bereits nach 
15 Min. erfolgt, und Stapbylokokken waren nach 24-stund. Aetherein- 
wirkung sicher nicht mehr entwicklungsfahig. Der Vergleich beider 
Tabellen unter sich bestatigt die bereits friiher gefundene Tatsache einer 
zunehmenden bakteriziden Kraft mit hoherer Temperatur. Es lafit sich 
daher annehmen, daB diese Erscheinung nicht auf einem Zufall beruht, 
sondern durch die in der Einleitung erwahnte GesetzmaBigkeit bedingt 
ist. Dabei ist vielleicht die Sumniierung von Aetberdampf und Flussig- 
keit bei 37 0 am Zustandekommen eines groBeren bakteriziden Gesamt- 
effekts auch noch beteiligt. Was jetzt die an sich hoher gefundene 
bakterizide Kraft des Aethers im letzten Versuche betrifft, so findet 
sie ihre Erklarung in der von Ficker und anderen festgestellten Tat¬ 
sache. daB Bakterien in eiweiBhaltigen Medien gegenfiber schadigenden 
Einilussen chemischer und physikalischer Natur weit resistenter sind als 
in w&sserigen und physiol. Kochsalzlosungen. Bei Uebertragung dieser 
Erfahrung auf die Praxis wiirde sich also fiir die Bakterien, die sich 
im Abdomen ja in dem sehr eiweiBhaltigen Peritonealexsudat befinden, 
eine Tab. II entsprechende Resistenz ergeben und fur ihre Aether- 
empfindlichkeit die dort gefundenen Resultate zutreffen. 

Ich bin mir nun ganz klar, daB die besprochenen Versuchsanordnungen 
keine genauen quantitativen Verhaltnisse priifen, indem Aether hierbei 
sowohl als Dampf wie als Fliissigkeit in einzeln nicht n&her bestimmten 
Mengen zur Einwirkung gelangte; der Zweck des Versuches war aber 
eben nicht die rein platonische, mit alien physikalischen Kautelen aus- 
gefiihrte Auswertung der untersten Grenze der desinfektorischen Wirk- 
samkeit des Aethers auf Bakterien im allgemeinen, sondern ich wollte 
sehen, ob bei Uebertragung der Bedingungen, wie sie wohl in der Bauch- 
hohle wahrend und nach der Operation herrschen mogen, auf den Ver- 
such von einer nennenswerten bakteriziden Kraft des Aethers gesprochen 
werden kann. 

Urn nun aber eine (mit Ausnahme allerdings einer hoher gewahlten 
Temperatur) noch weitgehendere Imitation der Verhaltnisse zu schatfen, 
unter denen der Aether auf die infizierten Baucheingeweide wirken mag 
und zugleich eine Analogie der Sigwartschen Versuche herzustellen, 
die zu so iiberraschend optimistischen Resultaten gefiihrt hatten (Ab- 
totung 24-stiind. Bouillonkulturen von Streptokokken durch Einleiten 
45° C heiBer Aetherdampfe, wahrend einer max. Zeit von 4 Min.), habe 
ich noch folgeude Versuchsanordnung aufgestellt: Aetherdampfe, in einem 



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Jungeblut, Bakterizide and entwicklungaheinmeude Kraft des Aethers. 569 


im 43° C heiBen Wasserbad stehenden Kolbchen entwickelt, wurden 
durch ein U-formig gebogenes Glasrohr in einen mit doppelt durch- 
bohrten Gummistopfen verschlossenen, grfiBeren Erlenmeyer-Kolben 
bis zura Grund eingeleitet. Durch die 2. Oeffnung des Stopfens fuhrte 
ein Glasrohr die Dfimpfe wieder ins Freie. In dem Stopfen war ferner 
an seiner unteren Flfiche ein kleiner Haken eingescbraubt worden. An 
diesem Haken konnte ein ca. 5X3 cm messendes Mullappchen an 
einem kurzen Bfindchen aufgehfingt werden, so daB es also vollig frei in 
der Mitte des Kolbens, umgeben von einer Aetheratmosphare, schwebte. 
Der Versuchskolben mit dem Mullappchen war vorher sterilisiert 
worden. Jetzt wurden die sterilen Mullappchen in getrennten Ver- 
suchen mit 24-stfind. Bouillonkultur von B. coli, Strepto- und Staphylo- 
kokken getrankt, in den Apparat vorsichtig eingehangt, und nun der 
Wirkung der stromenden Aetherdampfe ausgesetzt. Nach verschiedenen 
Zeiten wurden die Lappchen nach Oeffnen des Kolbens mit steriler 
Pinzette vorsichtig vom Haken abgehoben und in ein KQlbchen mit 
steriler Bouillon gebracht, so daB die Nfihrflfissigkeit die Lappchen voll- 
kommen bespQlte. Gleichzeitig wurde noch mit der Platinfise etwas 
Fliissigkeit vom Gewebe abgestreift und auf Schragagar verimpft. Meine 
Beobachtungen daruber sind in folgender Tabelle niedergelegt: 


Tabelle IV. 


Zeit 

Coli I 

Coli 11 

Streptokokken 

Staph, aur. 

5' 

+ 

+ + 

+ 

+ + + 

10' 

— 

— 

— 

+ + 

15' 

— 

— 


+ + 

30' 

— 

— 

— 



Es zeigt sich, daB auch in diesem Versuch eine Abtotung von Strepto- 
kokken und B. coli nach 5 Min. nicht zu erreichen ist, dagegen waren 
die mit Strepto- und Coli-Bouillon getrankten Lappchen nach Belassen 
von 10 Min. in der Aetheratmosphare steril. Staphylokokken dagegen 
waren nach 30-min. Durchleitung von Aetherdampfen immer noch nicht 
abgetfitet. In diesem Versuche kamen groBe Mengen Aether zur An- 
wendung, die eine Ausdehnung des Versuchs auf langere Zeit von selbst 
verboten. In meinem Apparat waren nach 15 Min. ca. 50 g Aether 
verdampft. Das ableitende Rohr sorgte dafflr, daB im Versuchskolben 
kein erheblicher Ueberdruck entstand. Die erhaltenen Resultate nahern 
sich denen Sigwarts, wenn auch nicht in vollem Umfang. Ein Lapp¬ 
chen, das mit Bouillonkulturen von B. coli, Strepto- und Staphylo¬ 
kokken gleichzeitig getrankt war, also eine Mischinfektion nachahmte, 
bewirkte nach 10-min. Aethereinwirkung in Bestatigung der genannten 
Versuche nur Wachstum von Staphylokokken in der verimpften Bouillon. 
Diese letzteren Bakterien stellen also in alien Versuchen unter den ge- 
prfiften die resistentesten Keime dar, deren Abtfitung durch Aether man 
praktisch wohl kaum erwarten darf. 

Die erwahnten Resultate, die immerhin ahnlich wie die von Sig- 
wart lauten, (iberraschen nicht durch ihren im Vergleich zu meinen 
frfiheren Versuchen gfinstigeren Ausfall, wenn man bedenkt, daB hier 
wie dort Aetherdampfe von fiber 40° C (45° C resp. 43° C) auf die 
Bakterien einwirkten, also durch ihre erheblich hflhere Temperatur und 
sicher auch bedeutend grSBere Spannung dem Desinfektionsoptimum 
jedenfalls wesentlich naherkamen. Entscheiden lfiBt sich hierbei aller- 


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URBANA-CHAMPAIGN 


570 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 

dings nicht, wie die Verteilung der desinfektorischen Wirkung auf die 
hohe, dem Bakterienwachstum bereits schadliche Temperatur und die 
spezifische Aethereinwirkung zu denken ware; es ware immerhin moglich, 
daB bei diesera Versuche chemische und physikalische Momente von 
Bedeutung sind. Man darf sich aber, wenn man aus diesen Resultaten 
praktische Konsequenzen ziehen wollte; nicht verhehlen, daB die be- 
treffende Versuclisanordnung, die den hochsten bakteriziden Efl'ekt unter 
alien anderen erzielte, mit einem Aequivalent in der Praxis nicht rechnen 
kann, da wir eben in der Bauchhohle keine so hohen Temperaturen 
haben. Wie wesentlich der Desinfektionswert der Aetherdampfe bei 
ahnlicher Versuchsanordnung mit tieferer, dem Bakterienwachstum 
gunstigerer Temperatur heruntergeht, wird deutlich durch folgenden 
Versuch bewiesen: 

Die gleichen sterilisierten Stofflappchen wurden nach ihrer Trankung 
mit 24-stund. Bouillonkultur von B. coli, Strepto- und Staphylokokken 
unter eine ca. 6000 ccm fassenden Glasglocke in passender Weise auf- 
gehBngt und AetherdSmpfen ausgesetzt, die von einer am Boden be- 
findlichen Schale mit Aether aufstiegen. Das Ganze wurde bei 37° ge- 
halten. Die Abimpfung nach verschiedenen Zeiten gibt folgendes Bild: 


Tabelle V. 


Zeit 

Coli I 

Coli II 

Streptokokken 

Staph, alb. 

Staph, aur. 

5' 

-f 4* 

+ + 

+ 

+ + + 

+ + + 

15' 

+ 

+ 

+ 

+ ++ 

+ + + 

30' 

— 


— 

+ + + 

+ + 

60' 

— 

— 

— 

+ + 

+ 4- 


Da ich in meiner Versuchsanordnung von Tab. IV die ceteris paribus 
intensivst mogliche Aetherdampfeinwirkung auf Bakterien erblickte, die 
dennoch unter 10 Min. zu keiner Abtotung der gepriiften Bakterien 
fiihrte, lag es nahe, die Sigwartschen Versuche nochmals anzustellen, 
weil sich nach dem Mitgeteilten voraussehen lieB, daB ich sie nicht be- 
st&tigt finden wOrde. Eine Nachpriifung der ebenfalls so giinstig aus- 
gefalienen Fantozzischen Resultate konnte ich leider nicht vornehmen, 
da mir die betreffende Arbeit nicht im Original zugangig war und das 
Referat dariiber im Z. f. Chir. nahere Einzelheiten flber die bei diesen 
Untersuchungen hochwichtige Versuchanor^nung vermissen laBt. Bei 
der Wiederholung der Sigwartschen Versuche hielt ich mich genau 
an den vom Autor selbst angegebenen Gang der Untersuchung: „Aus 
einem mit 5 ccm Aether gefiillten, mit durchlochtem Gummistopfen ver- 
schlossenen Reagenzglas fiihrte ein fl-formig gebogenes Glasrohrchen in 
das Reagenzglas mit 24-stiind. Boullonkultur (in meinem Versuche 
wurden B. coli, Strepto- und Staphylokokken gepriift) bis zum Grunde 
des Rohrchens. Das IvulturrQhrchen bleibt zum Entweichen der Aether¬ 
dampfe offen. Halt man nun das Aetherrohrchen in Wasser von 45 °, 
so beginnt der Aether stark zu sieden (nach meinen Erfahrungen ist 
es vorteilhaft, einige Glasperlen hinzuzugeben, um einen Siedeverzug zu 
vermeiden), die Aetherdampfe werden durch die Glasrohre in das Kultur- 
rohrchen getrieben und steigen vom Boden der Bouillonkultur in Blasen 
auf. Dabei wird die Bouillon schnell mit Aether gesSttigt. Diese Sat- 
tigung ist bei Zimmertemp. des Versuches und Erwarmung des Aethers 
auf 45° in 1—1V 2 Min. erfolgt, was sich durch die Bildung einer 
Aetherschicht iiber der Bouillon anzeigt. Von nun an bleibt der Sat- 


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Jungeblut, Bakterizide und entwicklungshemmende Kraft des Aethers. 571 

tigungsgrad der Bouillon konstant, denn mehr als 8 Proz. werden nicht 
aufgenommen. In 4 Min. hatten l 1 /* can Aether die Bouillon in Dampf- 
form durchstrfimt, was an deni Aetherrohrchen abgelesen werden konnte. 
Nach AbschluB des Versuches wurde mit steriler Pipette eine groBere 
Menge Bouillon weiter auf Bouillon iiberimpft. Ich konnte feststellen, 
daB nach 4 Min. Aethereinwirkung von 4 Rfihrchen nur 1 nach 3 Tagen 
lebende Streptokokken zeigte.“ Soweit Sigwart. Meine Beobachtungen 
fiber den gleichen Versuch lauten, wie folgt: 


Tabelle VI. 


Zeit 

B. coli 

Streptokokken 

Staph', aur. 

1. Versuch | 

2. Versuch 

1. Versuch 

2. Versuch 

1. Versuch 

2. Versuch 

3' 

+ +, 

+ + 

+ + 

+ + 

+ + + 

+ + + 

5' 

+ + 

+ 

+ 

+ 

+ + + 

+ + + 

8' 

+ 

— 

— 

+ 

+ + 

+ + + 

10' 

— 

— 

— 


+ 

+ + 


Dieser Versuch wurde 2mal ausgeffihrt und doch zeigte sich bei 
beiden Malen, daB eine sichere Abtotung von B. coli und Streptokokken 
erst nach 10 Min. langem Einleiten der Aetherdfimpfe zu erreichen war. 
Staphylokokken hingegen blieben wahrend der angegebenen Zeit vom 
Aether unbeeinfluBt, abgesehen von einer geringgradigen Sch&digung der 
Wachstumsintensit&t. Ich kann mir nicht erklfiren, warum meine Er- 
gebnisse von den Sigwartschen Resultaten abweichen, da genau nach 
der gleichen Versuchsanordnung vorgegangen wurde. Immerhin aber 
bestfitigen sie den Befund von Tab. IV und erhohen damit die Walir- 
scheiulichkeit, daB es bei Temperaturen, die 45° C nicht flbersteigen, 
mit beliebig groBen Mengen Aether in Flflssigkeits- oder Dampfform 
nicht gelingt, Streptokokken und B. coli in 24-std. Kultur in ktirzerer 
Zeit als 10 Min. mit Sicherheit abzutoten. 

I 

2. Reihe. Versuche mit festem Substrat. 

Die in der 1. Versuchsreihe erhaltenen Resultate bedurften noch 
einer Erganzung in dem Sinne, daB noch die Resistenz der geprtiften 
Bakterien bei einer Versuchsanordnung untersucht wurde, wobei das 
Testmaterial sich auf festem Substrat befand. Die Methode der An- 
trocknung der Bakterien an Seidenfiiden, die sich ffir andere Desinfektions- 
versuche so gut bewfihrt hat, konnte hier nicht in Betracht kommen, 
weil die dort gegebenen Voraussetzungen gar nicht im Bereich der hier 
zu prfifenden Frage liegen. Hingegen konnte die feuchte Obertlache von 
Schrfigagarkulturen sehr wohl als Teil einer infizierten Organflilche gelten. 
Die mit Fibrin belegte Serosa der Darmschlingen konnte diesen Ver- 
gleich vielleicht annahernd aushalten. Ferner war von vornherein an- 
zunehmen, daB Versuche, in denen mit festen Bakteriennahrbfiden ge- 
arbeitet wurde, hinsichtlich der Reaktion zwischen Aetherdampf und 
Bakterien einfachere und darum auch mit der Praxis gut vergleichbare 
Resultate liefern wflrden. Denn es wfirde wohl schwerfallen, eine Ana¬ 
logic der in Tab. VI angewandten Versuchsanordnung zu den praktisch 
vorhandenen Verh&ltnissen zu konstruieren. Hier aber lag eine ziemlich 
groBe, gleichmfiBig infizierte Flfiche vor, von nicht zu groBer Schichtdicke, 
auf der der Aetherhauch bei 37° resp. der Aetherdampf bei 45° fiberall 
unterschiedslos einwirken mUBte. Der einfachste Versuch lag in der 


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572 


Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


Wiederholung yon Tab. I, nur mit dem Unterschiede, daB hier gut 
gewachsene 24-std. Schragagarkulturen gebraucht wurden. Erwahnen 
mochte ich noch, daB der zugesetzte 1 ccm Aether, der sich allerdings 
mit ' dem Kondenswasser mischte, durch mehrfaches Schutteln des 
Rohrchens moglichst gleichmafiig iiber die Agarflache verteilt wurde; die 
Rohrchen wurden dann in schrager Stellung gehalten, so daB die spatere 
Abimpfung wirklich von einer mit Aether benetzten Fiache geschah. 
Die Ergebnisse dieses Versuches unterscheiden sich von denen der Tab. I 
nur ganz unwesentlich. Immerhin konnte in diesem Versuch durch 
24-std. Aethereinwirkung bei 37° eine sichere Abtotung von B. coli 
und Pneumokokken erzielt werden, wahrend Streptokokken nach der 
gleichen Zeit noch isoliertes Wachstum zeigten. Staphylokokken schienen 
nur ganz wenig geschadigt in ihrer Wachstumsintensitat. 

Nach dem negativen Ausfall dieser Versuche lag es nahe, mit der 
Aethermenge einmal bis zum absoluten Maximum heraufiugehen, das 
im betreffenden Versuche moglich war. Zu diesem Zwecke wurden 
24-std. Schragagarkulturen bis zu 2 /s Hohe des Reagenzglases mit Aether 
aufgefiillt, so daB der ganze Bakterienrasen vollstandig mit Aether be- 
deckt war, die Kulturen also sozusagen mit Aether ersauft waren. Die 
Bakterien ordnen sich hier hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit gegenfiber 
der Aethereinwirkung bei 37° in folgender Reihenfolge: Pneumokokken 
nach 15 Min. abgetotet, Coli und Streptokokken sicher erst nach 1-std. 
Einwirkung, Staphylococcus albus und aureus selbst nach 2-std. 
Aethereinwirkung unvermindert entwicklungsfahig. Dieser Versuch wurde 
nicht auf langere Zeitdauer ausgedehnt, weil sowieso mit zunehmender 
Zeit mit einem erheblichen Ueberdruck von Aetherdampfen in den mit 
Gummistopfen verschlossenen Reagenzglasern gerechnet werden miiBte, 
wodurch wieder ein neuer zu berucksichtigender Faktor in das Ver- 
suchssystem hineingeraten ware. 

Stellen wir die obenstehenden Ergebnisse schlieBlich noch in Parallele 
zu Tab. II, so zeigt dieser Versuch eine vermehrte Resistenz von B. 
coli und eine verminderte fur Pneumokokken. 

Um nun noch den Ausfall bei reiner Aetherdampfeinwirkung fest- 
zustellen, ohne den Nahrboden mit Aetherfiiissigkeit selbst zusammen- 
zubringen, wurde in 24-std. Schragagarkulturen ein Wattebausch ge- 
geben, der mit 1 ccm Aether getrankt war, und das Rohrchen dann wie 
iiblich mit Gummistopfen verschlossen. Der Aetherbausch war ganz im 
oberen Teil des Rohrchens. Nach verschiedenen Zeiten bei 37° wurde 
abgeimpft. Beim Oeffnen des Rohrchens war jedesmal ein leiser Puff 
horbar, und oft wurde der Wattebausch herausgeschleudert, ein Beweis 
dafiir, daB sich Aetherdampfe in hinreichender Menge gebildet haben 
muBten; dabei flihlte sich der Aetherbausch noch nach 30 Min. feucht 
an, so daB immer noch ein Reservoir zur Entwicklung neuer Dainpfe 
zur Verfugung stehen muBte. Ueber die erhaltenen Resultate gibt 
folgende Tabelle AufschluB: 

Tabelle VII. 


Zeit 

Coli I 

Coli II 

Pneumokokken 

Streptokokken 

Staph, alb. 

Staph, aur. 

5' 

4“ + 

+ + 

+ + 

+ + 

+ + + 

+ + + 

15' 

1 + + 

+ + 

+ 

+ + 

+ + + 

+ + + 

30' 

+ + 

+ + 

+ 

+ 

+ + + 

+ + 4" 

(SO' 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ + 

+ + 

120' 

+ 

+ 

+ 

+ 

+4* 

+ + 


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r **• 


Jungeblut, Bakterizide und entwicklungshemmende Kraft des Aethers. 573 

Diese Tabelle lehrt in deutlicher Uebereinstimmung mit den voraus- 
gegangenen Versuchen, daB Aether, sei es nun in Dampf- Oder Fltissig- 
keitsform, in der angewandten Menge und Temperatur nicht imstande ist, 
die gepriiften Bakterien selbst nach mehrstiindiger Einwirkung abzutoten, 
es sei denn, man ginge mit der Aethermenge bis zum absoluten Maximum 
herauf (vgl. Tab. II). Als sichtbarer Ausdruck der stattgekabten Aether- 
einwirkung laBt sich nur eine geringe schadigende Beeinflussung der 
Wachstumsintensitat fiir B. coli, Strepto- und Pneumokokken feststellen. 
Dies Verhalten ist urn so auffalliger, als von anderen organischen Ver- 
bindungen, die dem Aether chemisch nicht so fern stehen (Chloroform, 
Formaldehyd), eine gute Desinfektionswirkung durch Dampfe bekannt ist. 

Nach diesen negativen Resultaten blieb noch iibrig, die bereits in 
der 1. Versuchsreihe der Arbeit gemachte Feststellung nochmals mit 
Bakteaien auf festem Nahrboden nachzuprufen, namlich daB auBer einer 
Erhohung der Aetherquantitat der bakterizide Effekt durch Wahl einer 
hbheren Temperatur ganz erheblich zunimmt. Die Natur des festen 
Bakteriensubstrats bot fur einen Versuch mit heiBen Aetherdampfen die 
besten Chancen. Ich habe daher noch 24-stiind. Schragagarkulturen der 
Einwirkung von Aetherdampfen von ca. 45° C Temperatur ausgesetzt, 
derart, daB das Kulturrohrchen mit der Oeffnung nach unten in einem 
Stativ befestigt war und nun durch ein Glasrbhrchen, das bis zum Grund 
des Kulturglases reichte, Aetherdampfe eingeleitet wurden, die in einem 
Wasserbad von 45° C analog der schon bei Tab. VI gebrauchten Ver- 
suchsanordnung entwickelt wurden. Das Resultat der Ueberimpfungen 
stellt sich, wie folgt, dar: 


Tabelle VIII. 


Zeit 


Streptok. 

Staph, alb. 

Staph, aur. 

3' 

++ 


+ + + 

+ + + 

5' 

+ + 

++ 

+ + + 

+ + + 

10' 

4 - 

+ 

+ + 

+ + 

15' 

± iaolierte 
Kol. 

± iaolierte 
Kol. 

+ 

+ + 


Die hier erhaltenen Resultate zeigen zwar eine deutlich starkere 
Wirkung des Aethers, als sie in Versuchen bei niedrigerer Temperatur 
beobachtet wurde, erreichen aber bei weitem nicht die Werte, die in 
Parallelversuchen mit flussigem Nahrsubstrat festgestellt werden konnten. 
Nach 15 Min. langem Einwirken von Aetherdampfen waren samtliche 
Kulturen noch entwicklungsfahig, wenn auch in sehr reduziertem MaBe. 
Hierbei machen sich also hauptsachlich Einfliisse von entwicklungs- 
hemmender Natur bemerkbar. Nach der progressiven Abnahme der 
Wachstumsintensitat zu schlieBen, ware es nach langerer Einwirkungs- 
dauer sicher noch zur definitiven Abtotung gekommen, aber eine Aus- 
dehnung des Versuchs in dieser Form auf langere Zeit verbot sich durch 
die groBen Aethermengen, die hierbei verbraucht wurden. 

Der Vergleich der 1. Versuchsreihe mit der 2. zeigt also eine 
deutliche Uebereinstimmung der Resultate, bis auf die Versuche mit 
45° heiBen Aetherdampfen. Wenn man sich aber die weit intensivere 
Art des Einwirkens der Aetherdampfe in Bouillon, bei der es mit jeder 
aufsteigenden Blase zu einer vollstandigen Durchschiittelung der ganzen 
Kulturtliissigkeit kommt, vorstellt, und mit dem bloB hauchartigen Ueber- 
streichen einer Agarflache vergleicht, die als solche keine Lasion ihrer 


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574 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. K8. Heft 7/8. 

Koharenz erleidet, ist solche Differenz der Versuchsergebnisse wohl ver- 
stdndlich. Im Ubrigen scheint aus der Summe ineiner Versuche hervor- 
zugehen, daB der Aethylather erst bei hoberer Temperatur, nach relativ 
langen Zeiten, und erst in groBen Konzentrationen eine ausgesprochene 
bakterizide Kraft gegen die gewohnlichsten Erreger der Peritonitis hat. 
Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, ist wohl von einer die In- 
fektion durch Bakterienabtotung giinstig beeinflussenden Wirkung bei 
diffuser ausgebildeter Peritonitis, zumal bei Gegenwart von Staphylo- 
kokken, nicht allzuviel zu erhoffen. Iinmerhin machen sicli beim Aether 
deutliche entwicklungshemmende Eigenschaften bemerkbar, die im 2. Teil 
dieser Arbeit eingehender untersucht werden sollen. 

II. Tell. 

Versuche liber die entwicklungshemmende Kraft 

des Aethers. 

Um das Bild der antibakteriellen Wirkung des Aethers in Dampf- 
und in fliissiger Form zu vervollstandigen, fehlten auBer den im I. Teil 
der Arbeit ausgefiihrten Versuchen, in denen das Desinfektionsmittel 
stets gegen ausgewachsene 24-stiind. Kulturen angewandt und der bakteri¬ 
zide Wert des Aethers festgestellt wurde, noch einige Untersuchungen 
fiber die schwacheren Grade einer antibakteriellen Wirkung des Aethers 
gegenfiber den Erregern der Peritonitis, die in dem hemmenden EinfluB 
auf die Entwicklung frisch beimpfter Kulturen ihren Ausdruck f&nde. 
In der Eipleitung ist bereits auseinandergesetzt worden, daB Entwick- 
lungshemmung und Desinfektion als 2 vollig getrennte, dem Wesen nach 
ganz verschiedene Erscheinungen des Schadigungsprozesses von Bakterien 
durch zugesetzte Mittel gelten mfissen. Dieser Unterschied macht sich 
z. B. beim Formaldehyd auBerordentlich deutlich bemerkbar. WShrend 
seine entwicklungshemmende Kraft sehr stark ist (in einer Verdfinnung 
von 1:5000 tritt kein Wachstum von Staphylokokken mehr ein) besitzt es 
eine auffallend geringe bakterizide Wirkung, so daB eine 1-proz. Losung 
erst in 45 Min., eine 10-proz. Losung erst in 24 Std. abtotend wirkt 
(Blum). Wenn diese beiden Eigenschaften eines antibakteriellen Mittels 
auch auseinander gehalten werden miissen, so ist es doch klar, daB Ab- 
totung aus der Entwicklungshemmung hervorgehen und durch die gleichen 
Mittel wie diese bewirkt werden kann, einmal durch verldngerte Dauer 
der Einwirkung, und dann durch konzentriertere und energischere An- 
wendung. Wenn ferner durch Vermehrung dieser beiden Faktoren der 
entwicklungshemmende Effekt in einen bakteriziden fibergeht, ist ferner 
zu berucksichtigen, daB in frisch beimpften Kulturen die Bakterien sich 
im Zustande einer verdiinnteren Emulsion befinden und wegen ihrer 
dadurch verminderten Resistenz einem schiidlichen Angriff eher erliegen 
als im konzentrierten 24-stiind. Milieu (Ficker). Die geringere Einsaat 
der frischbeimpften Kulturen endlich erklart natiirlich ohne weiteres die 
hinsichtlich ihres absoluten VVertes von den im 24-stiind. Milieu gefun- 
denen Resultaten abweichenden Desinfektionswerte, hindert aber anderer- 
seits nicht an der Aufrechterhaltung der Unterscheidung zwischen beiden 
Arten der Bakterienschfidigung als 2 prinzipiell und nicht nur relativ 
verschiedene Vorgange. Die frisch beim pfte Kultur zeigt eben wShrend 
der Kontaktdauer von Bakterien und Desinfektionsmittel — und noch 
gewisse Zeit dariiber hinaus — unter Umstanden deutlich hemmende 
Beeintlussung der Wachstumsenergie (ohne Abtotung), die bei dichteren 


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Ju n gebl u t, Bakterizide und entwicklungshemmende Kraft des Aethers. 575 

Bakteriensuspensionen sich der Beobachtung entziehen muB, weil hier 
die groBe Keimzahl die Verteilung der Desinfektionswirkung auf die 
einzelnen Individuen verwischt. Ich mbchte hier den Begriff Entwick- 
lungshemmung aus praktischen Griinden im Sinne von Robert 
Koch anwenden als die Bezeichnung ftir die totale Wachstumsunter- 
driickung der Bakterien. Deshalb unterscheide ich absichtlich nicht im 
einzelnen zwischen initialer, partieller und totaler Entwicklungshem- 
mung; aus den gleichen Griinden habe ich ferner nicht mit quantitativ 
genau abgestuften Konzentrationen gearbeitet. Speziell bei Einwirken 
des Aethers in Dampfform wurden nicht genau abgeinessene Dampf- 
mengen angewandt. Es muBte mir also hierbei groBtenteils entgehen, 
ob die Entwicklungshemmung mit steigender Konzentration und Zeit- 
dauer in gleichmiiBig ansteigender Kurve zunimmt, oder ob in Ueber- 
einstimmung mit der pharmakologischen Wirkung des Aethers dem 
Stadium der Lahmung eine Phase der Erregung vorausgeht. Diesen 
Faktor konnte ich aber getrost vernachlassigen, da ich von vornherein 
mit relativ sehr groBen Aethermengen arbeitete, die diese subtilere 
Wirkung eo ipso illusorisch machen muBten. Wie bei den Versuchen 
im I. Teil der Arbeit, war auch im II. Teil das leitende Motiv, die 
Aethereinwirkung auf Bakterien nur unter solchen Verhiiltnissen zu 
studieren, die bei Anwendung des Aethers in der Chirurgie vorliegen. 
Nachdem die bakterizide Kraft des Aethers durch die vorangegangenen 
Versuche als ziemlich gering befunden wurde und damit der antibakterielle 
Wert der AethereingieBung bei ausgebildeter Peritonitis als sehr zweifel- 
haft erscheinen muBte, sollte hier festgestellt werden, ob nicht in Fallen 
von beginnender Peritonitis, in denen eine geringe Anzahl Keime vor- 
handen ist (ich denke hier ebenfalls an die von Sig w ar t zitierten FSlle 
von Ueberschwemmung des Abdomens durch verdiichtiges Fruchtwasser 
bei der Sectio caesarea und ahnliche Moglichkeiten der Keimverschmierung 
im abdominalen Operationsgebiet) es gelingt, durch energische prophy- 
laktische Aetherbehandlung die Vermehrung der Keime erfolgreich so- 
lange aufzuhalten, bis der Organismus durch Vermehrung der eigenen 
Kampfmittel in Stand gesetzt ist, sich gegen die Infektionserreger zu 
wehren. 

Ueber Entwicklungshemmung durch Aethyiather findet sich auBer 
einem von Sig wart im Verlaufe seiner bereits zitierten Arbeit ge- 
machten Versuch nur noch eine Angabe von Stadler. Er fand, daB 
der Aether in Konzentration von 3 Proz. B. coli vollstandig hemmt, 
wahrend gegeniiber Staphylokokken keine konstante Totalhemmung zu 
beobachten ist. 

Die Versuche uber Entwicklungshemmung wurden wieder an Kulturen 
im fliissigen Medium und auf festem Niihrboden vorgenominen, nur mit 
dem Unterschied, daB diesmal frisch beimpfte Kulturen zur Anwendung 
kamen. Vor Anstellung dieser Versuche muBte ich noch die GewiBheit 
haben, daB der zugesetzte Aether den Nahrboden hinsichtlich seiner 
chemischen Zusammensetzung unbeeintluBt lafit; nach Stadler verhait 
sich der Aether in dieser Beziehung rein bakteriotrop. Es ergeben sich 
somit wieder zwei Versuchsreihen, die getrennt besprochen werden sollen. 

t 

I. Reihe. Versuche im fliissigen Medium. 

Diese Versuche mogen gerade mit einer Wiederholung der Stadler- 
schen Versuche beginnen. Zu Mengen von je 9,9—9,0 ccm Bouillon 
wurden Zusatze von 0,1—1,0 ccm Aether gegeben. In diese Mischung 


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576 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. A 


7/8. 


wurde dann in parallelen Serien eim 
Streptokokken, Staphylokokken, Pr. 

B. coli fein verrieben, etwa in dp* 
bazillen bei der Widalschen Prob 
mfiglichst gleichmSBige Verteilung d , 


figagarkultur von 
.rumbouillon) und 
dbuug der Typbus- 
tnerdurch sollte eine 
^iterien rait _ leichen Angriffs- 


punkten ffir den zugesetzten Aether erziel werden. Der Befund am Kultur- 
rohrchen wurde nach 24 Std. bei 37 0 abgelesen; zu gleicher Zeit wurde 
1 Oese davon auf Schragagar ausgestrichen, urn festzustellen, ob der ent- 
wicklungshemmende Effekt bereits zum bakteriziden vorgeschritten wfire. 
Diese Notierung geschah nach abermals 24 Std. Dabei spielt diese Unter- 
suchung nach 24 Std. fur die Festlegung des Begriffs „Entwicklungs- 
hemmung“ die Hauptrolle, weil sie allein AufschluB fiber die Natur der 
erlittenen Schfidigung der Bakterien gibt. Die unter dieser Kolonne 
notierten Ergebnisse zeigen bei alien Tabellen deutlich, daB die in der 
Ausgangskultur nicht mehr wachsenden Keime bei Uebertragung in ein 
neues Medium noch lange entwicklungsffihig sind, bis es endlich doch 
zum definitiven Absterben kommt. Der Abstand zwischen Entwicklungs- 
hemmung und Abtotung ist jedoch, um es vorwegzunehmen, beim Aether 
so groB, daB die geringere Keimzahl in den frischbeimpften Kulturen 
nicht zur Erklarung ffir den Unterschied der in 24-sttind. und frisch¬ 
beimpften Kulturen gefundenen Werte ausreicht. 


Tabelle IX. 


Proz. 

B. coli 
Fazes 

Strepto¬ 

kokken 

Staph. 

albus 

Staph. 

aureus 

B. coli 
Urin 

24 Std. | 

48 Std. 

| 24 Std. | 

48 Std. 

24 Std. | 

48 Std. 

24 Std. 

! 48 Std. 

24 Std.j48Std. 

i 

Proz. 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ +-F 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+++ 

2 


+ + 

+ + + 

+ + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + 

+++ 

3 


+ + + 

+ + + 

+ + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + 

++ 

4 

T J 

+ + 

+ + + 

+ 

+ + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ 

++ 

5 

» 

+ + 

+ + 


+ + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

— 

+ 

6 

V 


+ 

— 

+ 

+ + + 

+ + + 

+ + 

+ + + 

— 

+ 

7 

V 

— 

+ 

— 

+ 

+ + 

1 + + + 

+ + 

+ + + 

— ! 

— 

8 

* 

— 

+ 

— 

— 

+ + 

!+++ 

+ + 

+ + + 

— 

— 

9 

V 

— 

— 

— 

— 

— 

+++ 

± 

+ + + 

— 

— 

10 

V 

— 

— 

— 

— 


! ++ 

+ 

+ + 

— 

— 


Es zeigt sich, daB B. coli und Streptokokken sicher erst in 5—6- 
proz. Lfisungen, Pneumokokken erst in 8-proz. Lfisungen vollstandig ge- 
hemmt werden, wahrend ffir Staphylokokken keine sichere Totalhemmung 
zu beobachten ist. 

In einem folgenden Versuche sollte die reine Aetherdampfwirkung 
beztiglich ihrer entwicklungshemmenden Eigenschaften untersucht werden. 
Dies geschah in analoger Weise wie bei Tab. VII. Es zeigte sich nach 
mehrsttindiger Einwirkung bei 37° und Zimmertemperatur keinerlei un- 
giinstige Wachstumsbeeinflussung der frischbeimpften Bouillonrohrchen. 
Da bei diesem Versuche die Versuchsanordnung augenscheinlich eine 
unzureichende war, lfiBt sich hieraus kein SchluB ziehen. Hingegen 
konnten frischbeimpfte Bouillonkulturen sehr wohl zur Feststellung der 
Wirksamkeit heiBer Aetherdampfe dienen. 

Wie schon frtiher bei Tab. VI beschrieben, wurden ca. 45° beiBe 
Aetherdampfe in frischbeimpfte Bouillonkulturen von B. coli, Strepto- 
und Staphylokokken verschieden lange Zeiten eingeleitet, und die 


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Jungeblu 1 ’ ^akterizide unt * entw ’ c \luDgshemmende Kraft des Aethers. 577 

Rohrchen auf bei 370 kontrolliert, zu gleicher 

Zeit eine gioBert" { ht T /issigkeit auf SchrSgagar ubertragen, 
und die erhalteneii _*. -.^tisehen *”K en ^ er Tabelle niedergelegt: 

1 a oelle X. 


Zeit 

B. 

coli 

Streptokokken 

Staphylococcus albus 


24 Std. 

48 Std. 

24 Std. 

48 Std. 

24 Std. 

48 Std. 

S' 

± 

+ 

± 

— 

+ 

+ + 

5' 


+ 

— 

— 

— 

+ 

8 ' 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

15' 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Hierbei zeigt sich deutlich, daB bei Wahl einer hoheren Versuchs- 
temperatur den Aetherdampfen eine ausgesprochene entwicklungshem- 
mende F'ahigkeit zukommt, die allerdings in diesem Versuche nahe an 
Abtotung heranreicht. In Kontrollen ohne Aether wuchsen die betref- 
fenden Bakterien bei gleicher Teinperatur sehr wohl, wenn auch etwas 
eingeschrankt, so daB der Hauptanteil der Wachsturnsverminderung sicher 
auf die Aetherwirkung zuriickzufiihren ist. Welche wichtige Rolle aber 
die Versuchsteraperatur liber sowohl wie unter 37° spielt, wird sich 
erst an den Versuchen auf festen Nahrboden ndher zeigen. 

II. Reihe. Versuche auf festen Nahrboden. 

Fiir die ersten Versuche wurde zu frischbeimpften Schragagar- 
kulturen von B. coli, Strepto- und Staphylokokken ein Zusatz von 
Aether (ca. 1—2 ccm) gegeben und die Rohrchen dann in schrdger 
Stellung gehalten, so daB ca. 2 / s des Nahrbodens von Aether besptilt war. 
Die Rohrchen wurden dann verschieden lange Zeiten bei Ziminertemp. 
und bei 37° gehalten, der Aether dann fortgegossen und die Rohrchen 
darauf in den Brutschrank verbracht. Die Ablesung der Resultate am 
nachsten Tage zeigte dort, wo der Aether hinreichend lange eingewirkt 
hatte, eine ausgesparte, nicht bewachsene Stelle auf deni Schragagar, 
wahrend im oberen Drittel, wo Aetherfliissigkeit den Nahrboden nicht 
mehr vollstandig bedeckte, einzelne Kolonien angegangen waren. Die 
Einschatzung der Resultate geschah nach jenem ausgesparten Fleck, die 
Abimpfung von ebendort. Die einzelnen angegangenen Kolonien im 
oberen Drittel des Rbhrchens zeigen, daB Aetherdampfe allein bei 
Teniperaturen bis zu 37° keine deutlich ausgesprochene entwicklungs- 
Jiemmende Kraft besitzen, wenngleich ihnen ein gewisser schadigender 
EinfluB auf die Wachstumsintensitat nicht abgesprochen werden soil. 


Tabelle XI (bei Zimmertemperatur). 


Zeit 

1 

Pneumo- 

kokken 

B. coli 
(Fazes) 

Strepto- 

kokken 

Staphylococcus 

albus 

Staphylococcus 

aureus 


24 Std. 48Std. 

24 Std. 

48 Std. 

24 Std. 

48 Std. 

24 Std. 

48 Std. 

24 Std. 

48 Std. 

5' 

_ 

± 

+ 

+ + 

— 

+ 

+ + 

+ + + 

+ + 

+ + + 

15' 

— 

— 

— 

+ + 

— 

+ 

± 

+ + + 

— 

+ + 

30' 

— 

- ' 

— 

+ 

— 

— 

— 

+ + 


+ + 

60' 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

+ + 

— 


2 Std. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

+ 

— 

— 

24 „ 

— 

— 

— 

— 

— 

_ 

— 

— 

— 

— 


Erste Abt. Orig. Bd. 88 . lleft 7, 8. 3 i 


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578 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 7/8. 


Tabelle XII bei Brutteraperatur). 


Zeit 

Pneumo- 

B. coli 

Strepto- 

Staphylococcus 

Staphylococcus 

kokken 

(Faeces) 

kokken 

| 

albus 

aureus 


24 Std. 148 Std. j 

24 Std. 48 Std. 

24 Std. 

48 Std. 

: 24 Std. 

! 48 Std. | 

24 Std. | 

48 Std. 

5' 

+ 

+ 

± 

+ + 


+ + 

+ + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

15' 

— 

— 

+ 

+ 4" 

— 

+ 

+ + 

+ + + 

+ + 

+ + + 

30' 

— 

— 

— 

++ 

_ 1 

— 

— 

+ + 

+ 

+ + + 

60' 

— 

— 

— 

+ 


— 

— 

+ + 

— 

■ + 

2 Std. 

24 , 

— 

— 

— 

— 




— 




Der Vergleich beider Tabellen zeigt einheitlich eine st&rkere Ent- 
wicklungsheinmung bei Zimmerterap. als bei Bruttemp., und hiermit do- 
kumentiert sich deutlich die Abhangigkeit der Entwicklungshemmung 
von der Temperatur in dem sckon friiher erw&hnten Sinne. Bei reiner 
Aetherdampfwirkung tritt dieses Verhalten nicht so deutlich hervor, weil 
Aetherdampfe bei niedrigeren Temperaturen als 40° keine ausgesprockene 
entwicklungshemmende Kraft besitzen: Frisch beirapfte Schragagar- 
kulturen von B. coli, Strepto- und Staphylokokkeu mit Aetherbausch 
im Halse des Rohrchens zeigten bei Zimmertemp. wie bei 37 °, ahnlich 
wie der mit Bouillon angestellte Versuch, nur eine geringgradige 
Wachstumsschadigung, die sich bei beiden Temperaturen kaum dififeren- 
zieren lieB. Hingegen steigt die entwicklungshemmende Kraft der 
Aetherdampfe ganz bedeutend mit Temperaturen iiber 40°, wie aus 
folgendem Versuche hervorgeht: In frisch beimpfte Schragagarkulturen 
von B. coli, Strepto- und Staphylokokken wurden ca. 45° heiBe Aether¬ 
dampfe eingeleitet in der Weise, daB die Rohrchen wie bei Tab. VIII 
behandelt wurden. Wie aus folgender Tabelle hervorgeht, wurde das 
Wachstum von B. coli und Streptokokken in der Ausgangskultur bereits 
nach 8 Min. Einleitung vollstandig unterdriickt, und selbst so resistente 
Keime wie Staphylokken wuchsen einmal bereits nach 10 Min., ein ander- 
mal dagegen erst nach 15 Min. nur noch in isolierten Kolonien. DaB 
zwischen verschiedenen Staphylokokkenstammen hinsichtlich ihrer Re- 
sistenz gegen schadigende Einflusse groBe individuelle Schwankungen 
bestehen, hat schon Sam ter bei Priifung einer groBeren Anzahl Sta- 
phylokokkenstamme festgestellt. 


Tabelle XIII. 


Zeit 

B. 

coli 

Streptokokken 

Staph, albus 

Staph, aureus 


24 Std. 

48 Std. 

24 Std. 

48 Std.; 

24 Std. 

48 Std. 

24 Std. 

48 Std. 

3' 

+ 

+ + 

4" 

+ + 

+ + 

+ + + 

+ + 

+ + + 

5' 


+ + 

isolierte Kol. 

+ + 

+ + 

+ + 

+ + 

+ + + 

8' 

— 

+ + 

— 

+ 

+ 

+ + 

+ 

+ + 

10 ' 

— 

+ 

— 

! + 

isolierte Kol. 

+ + 

+ 

+ + 

15' 

— 

-t 

— 

— 

— 

| + 

isolierte Kol. 

+ 4- 


Wie aus den Abimpfungen nach 24 Std. hervorgeht, waren die 
Bakterien bis zu 10 Min. Aetherdampfeinleitung nicht abgetotet, sondern 
in ihrer Entwicklung nur voriibergehend gehemmt; dies Verhalten 
scheint, weil es auch durch die vorangehenden Versuche bestatigt wird, 
das Charakteristische der Aetherwirkung auf Bakterien auszumachen. 

Die Werte fur die entwicklungshemmende Kraft des Aethers siud 
also ziemlich betrachtliche und stellen sich bei Vergleich mit der Tem- 
peraturskala im allgemeinen als eine parabelformige Kurve dar, die 


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Jungeblut, Bakterizide und entwicklungshemmcnde Kraft des Aethers. 579 


ihren tiefsten Stand bei Brutteinp. erreicht, wahrend sie bei Teraperaturen 
ober- und unterhalb in mehr Oder weniger gleichmSBigera Steigen be- 
griffen ist. FUr die Entfaltung der entwicklungsheinmenden Kraft des 
Aethers ergeben sich somit leider bei Korpertemperatur theoretisch 
nicht die gUnstigsten Reaktionsbedingungen; dieser Tatsache ist aber 
wohl praktisch unter Beriicksichtigung des auBerordentlich komplizierten 
Vorgangs der Aetherwirkung im lebenden Organismus, der diesen Nach- 
teil vielleicht durch andere Faktoren kompensiert, keine allzugroBe Be- 
deutung beizumessen. 

Urn schliefilich noch Anhaltspunkte fiir eine eventuelle Fernwirkung 
auf die Umgebung zu gewinnen, wurde in die Mitte von frischbeimpften 
Staphylokokken - Plattenkulturen ein Aetherbausch gegeben und die be- 
schickte Platte zugedeckt im Brutschrank gelassen. Nach Ablauf von 
24 Std. war wohl der unter dem Bausch liegende Fleck unbewachsen 
geblieben, hingegen ging das Wachstum von der Peripherie iiberall in 
gleichmaBiger Starke in die unbeeinfluBt gebliebene Randzone normalen 
Wachstums Uber. Zum SchluB mUchte ich noch einen ahnlichen Versuch 
von Si gw art erw&hnen: Er benutzte in einer anderen Versuchsreihe 
Agarschiittelkulturen, welche aus einer 24-std. Milzbrandbouillonkultur 
hergestellt waren. „Hierbei wurde heiBer Aetherdampf nur Uber die 
Agaroberflache geleitet und dabei das Agarrohrchen mit der Oeffnung 
nach abwarts gehalten, so daB kein sich kondensierender Aether mit dem 
Agar in Bertihrung kam, sondern nur ein Aetherhauch uber die Ober¬ 
flache des Agars strich. Wenn Aetherdampf 4 Min. lang Uber die Ober¬ 
flache des Agars geleitet wurde, zeigte sich kein Oberfl&chenwachstum 
mehr, und das Wachstum der Milzbrandkolonien begann in samtlichen 
Rohrchen erst in einer Tiefe von l / 2 — s / 4 cm in scharfer Grenze, wahrend 
bei dem Kontrollrohrchen die gauze Oberflache mit einem Rasen bedeckt 
war. Wenn die AetherdUmpfe nur 3 Min. einwirkten, wuchsen die Ko- 
lonien auch noch an der Oberflache. Bei Einwirkung von 7 Min. be¬ 
gann das Wachstum erst in einer Tiefe von 2—3 ccm, auch nach Tagen 
zeigte sich kein neues Wachstum in den oberen Schichten des Agars, 
ein Zeichen, daB das Wachstum nicht nur gehemmt, sondern abgetStet 
war. u Hierzu paBt allerdings schlecht die Angabe von R. Koch, und 
auch andere Autoren fanden geringere Werte fUr die Wirkung des 
Aethers gegenflber Milzbrandbazillen. 

Vor Einschatzung meiner Versuchsresultate will ich noch einige 
Punkte streifen, die ev. Ausgangspunkt fur praktische Bedenken werden 
kdnnten. Es ware mbglich, daB die Verwendung optimaler Nahrboden, 
wie solche von Supfle und Dengler und neuerdings wieder von 
Br. Lange gefordert werden, zur Nachkultur bei Desinfektionspriifungen 
die erhaltenen Ergebnisse raodifizieren konnten. Eine solche Aenderung 
aber wUrde ja nur eine gleichmaBige quantitative Verschiebung der 
Versuchsresultate ergeben, und keine qualitative Aenderung bedeuten 
kftnnen. Ferner ware mUglich, daB der Aether bei den damit behandelten 
Bakterien neben dem schadigenden EinfluB auf die Vermehrungsfahigkeit 
noch eine Abschwachung der Pathogenitat hervorruft, wio dies von 
anderen schadigenden EinflUssen chemischer und physikalischer Natur 
bekannt ist. Ein solches Verhalten ware noch an Tierversuchen genauer 
nachzuprUfen, als es bislang geschehen ist. FUr den Tuberkelbazillus 
hat Connio festgestellt, daB, wahrend verschieden lange Zeit erhitzte 
Tuberkelbazillen noch in Dosen von 2—3 mg intravenos injiziert zur 
Erzielung einer tUdlich verlaufenden ToxUrnie beim Meerschweinchen 

37* 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


geniigen, von mit Aether und Alkohol vorbehandelten Bazillen dagegen 
zum gleichen Effekt 5 eg erforderlich waren. Eine neuere Beobachtung 
von Alivisatos zeigt ferner, daB das „Virus tixe u der Lyssa durch 
Aetherbehandlung in seiner Toxizitat ganz erheblich abgeschwacht werden, 
ja durch 140-std. Einwirkung sogar vollstandig vernichtet werden kann. 
Virus fixe (Hirn), das 72—84 Std. in Aether gelegen hat, wird vorn 
Menschen ohne Schaden vertragen und verursacht noch eine auBer- 
ordeutlich rasch und intensiv eintretende Immunit&t. In diesem Zu- 
sainmenhang mochte ich noch erwfihnen, daB mir bei mit Aether vor- 
behaudelten Coli-Bakterien oft ein in nachster Generation auftretendes 
schleimiges Wachstum auf Agar aufgefallen ist, eine Tatsache, die viel- 
leicht als Degenerationserscheinung vielleicht auch als Andeutung eines 
im Sinne d’Herelies aufgetretenen Coli-Lysats aufzufassen ist. 

Betrachten wir schlieBlich die gefundenen Resultate in Gegeniiber- 
stellung mit der Theorie der Desinfektionswirkung, so ist beim Aether 
der groBe Abstand zwischen der bakterizid und entwicklungshemmend 
wirkenden Dosis auffallig. GewiB laBt sich durch lSngere Einwirkuugs- 
dauer und groBere Qantit&ten der entwicklungshemmende Effekt in den 
bakteriziden iiberfiihren, aber die zu der einen und anderen Wirkung 
notigen Aethermengen sind doch quantitativ so verschieden, daB man 
fur beide Prozesse wohl eine besondere Wirkungsweise des Aethers an- 
nehmen muB. Die gewohnlichen Desinfektionsmittel, anorganisebe (Metall- 
salze und Sauren) und organische (Phenole, Farbstoffe etc.) wirken 
bakterizid durch die Verankerung ihrer Giftwirkung in den fur die Er- 
haltung der Lebensfiihigkeit wichtigeu Kolloiden des Bakterienproto- 
plasmas; dabei wirken diese in Losungen parallel der Dissoziation 
ihrer wirksamen Ionen, jene durch ihre primare Giftigkeit, die an ge- 
wisse chemisch wohldefinierte Gruppen im Molekiil gebunden ist. Die 
Konzentrationen zwischen Entwicklungshemmung und Abtotung stelleu 
sich meist als eine zusammenhangende, gleichmaBig fortschreitende Reihe 
dar, abgesehen von gewissen sekundaren Eigentiimlichkeiten der Bakterien- 
zelle, wie Ueberempfindlichkeit (Schnabel) und Festigkeit, so daB man 
deswegen im allgemeinen Entwicklungshemmung und Abtbtung nicht 
so scharf trennt. So meint auch Neufeld, daB fur viele Desinfektions¬ 
mittel bei gleichen Versuchsbedingungen Abtotung und Entwickluugs- 
hemmung praktisch identisch seien. Wenn beim Aether eine priinfire 
Giftigkeit wegen der ganz geringen bakteriziden Wirkung wohl nur in 
beschriinktem MaBe vorhanden ist, sofern sie iiberhaupt existiert, tritt 
zur Erkl&rung seiner ausgesprochenen entwicklungshemmenden Kraft 
hierbei augenscheinlich eine ganz andere Art der Einwirkung in den 
Vordergrund. Fur die Pharmakologie sind die Gesetze der Narkose- 
wirkung von Overton u. a. ausfiihrlich formuliert worden. Bei Ueber- 
tragung des dort Gefundenen auf die Bakteriologie wiirde sich fur den 
Aether eine durch seine hohe Lipoidloslichkeit gegebene Wirkung voraus- 
setzen lassen. Diese Wirkung auf die Bakterienzelle findet ihren bak- 
teriologischen Ausdruck wohl in der Entwicklungshemmung. Die mit 
Aether beladene Zellmembran, die durch ihren hohen Lipoidgehalt walir- 
scheinlich besondere Affinitat zum Aether hat, wirkt gewissermaBen wie 
eine Blockade fur alle, Leben und damit Fortpflanzung garantierenden 
Einfiiisse. Dauert dieser Zustand lange genug an, so kommt es zum 
definitiven Absterben der Zelle; bei kiirzerer Einwirkungsdauer bildet 
sich eben jene reversible, voriibergehende Schadigung der Bakterienzelle 
aus, die sich in der Entwicklungshemmung auBert. Bei anderen Chemi- 


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JungebLut, Bakterizide und entwickiungshemraende Kraft des Aethers. 581 


kalien mit fihnlichen physikalischen Eigenschaften, die dem Aether auch 
cheniisch nahestehen, scheint der gleiche Desinfektionsmodus vorzuliegen. 
So hat z. B. Stadler fur das Chloroform im Vergleich zu seiner 
bakteriziden Kraft ziemlich hohe entwicklungshemmende Werte fest- 
gestellt; ganz besonders aber fur eine atherahnliche Verbindung, das 

/OC 2 H 5 

Acetal: CH S CH<( . Infolgedessen ware der Aether, dank seiner 

X OC 2 H 5 

starken entwicklungshemmenden Kraft, als ein gutes Antiseptikum, aber 
mangels Vorhandenseins einer primaren Aviditat fur die Chemorezeptoren 
der Bakterienzelle als ein schlechtes Desinfiziens zu bezeichnen. 

In gewissem Gegensatz zu diesen Voraussetzungen und auch zu den 
schon zitierten Resultaten von Connio stehen Befunde von de Witt 
und Sherman iiber die Beeintiussung von Tuberkelbazillen durch 
Aether und andere lipoidlosliche Substanzen. Diese Autoren fanden 
namlich, daB Aether, Aceton und Chloroform keine oder nur sehr geringe 
tuberkulozide Kraft besitzen, wahrend man gerade wegen des hohen 
Fettgehalts des Tuberkelbazillus eine sehr intensive antibakterielle Be- 
einflussung voraussetzen sollte. 0,5-proz. Aether-, Aceton-, Toluol- und 
Chloroformlosungen wirkten im Reagenzglas und im Tierversuch nicht 
abtotend auf Tuberkelbazillen. Dabei ware allerdings einmal zu beriick- 
sichtigen, daB die angewandten Ivouzentrationen wohl kaum geniigend 
hohe sein diirften, und ferner, daB aus dieser Arbeit nicht geniigend 
deutlich hervorgeht, ob auch auf Entwicklungshemmung geachtet wurde. 
An einer Stelle (S. 253) heiBt es allerdings, daB die Reagenzglaskulturen 
nur geringes Wachstum zeigten und trotzdem die damit geimpften Tiere 
an lokaler und generalisierter Tuberkulose erkrankten. Versuche mit 
fettldslichen Farbstoffen, die der gleiche Autor, Sherman in einer 
anderen Arbeit anfuhrt, zeigten, daB Tuberkelbazillen oft damit nicht 
gefilrbt werden konnten, wahrend nicht-fettlosliche Farbstoffe oline 
Schwierigkeit eindrangen. Rosen au ferner bezweifelt ganz allgemein, 
daB die Fettsubstanzen den Tuberkelbazillus gegen auBere EinHiisse 
schiitzen, und auch Benia ns fand z. B. das Toluol fur wirksam als 
tuberkulozides Mittel. Die hieruber gefuudenen Resultate und Ansichten 
gehen also scheinbar noch auseinander, und es ware zu wiinschen, daB 
bei solchen Versuchen kiinftig mehr die reine Entwicklungshemmung 
beriicksichtigt wiirde. So hat allgemein Biirgi recht, wenn er meint, 
die Beziehung zwischen Fettloslichkeit und desintizierender Kraft sei 
noch nicht bewiesen. DaB aber hinsichtlich der Entwicklungshemmung 
die Lipoidloslichkeit eines Desinfektionsmittels eine wichtige Rolle 
spielt scheint, wenigstens was den Aether anbetritft, aus den vor- 
liegenden Untersuchungen hervorzugehen. Es ist wahrscheinlich, daB 
es sich hierbei urn den Vorgang der einfachen Lflsung der lipoiden 
Subfetanzen in der Zellmembran handelt, wodurch sich die Ent¬ 
wicklungshemmung hinsichtlich ihres biochemischen Mechanismus als prin- 
zipiell verschieden von der Abtotung prSsentieren wiirde, bei der vorwie- 
gend die chemische oder physikalische Einwirkung (Adsorption, Diffusion, 
echte chemische Bindung oder EiweiBprSzipitation) auf das Bakte- 
rienprotoplasma eine Bedeutung hat. Es ware schlieBlich inter- 
essant, festzustellen, ob sich durch Kombination geeigneter lipoidloslicher 
Substanzen (Toluol, Schwefelkohlenstoff usw.) der entwicklungshemmende 
Effekt in analoger Weise potenzieren liiBt, wie dies von Biirgi fiir die 
pharmakologische Wirkung der Narcotica gefunden wurde, und ich be- 


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582 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


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halte mir vor, in einer spkteren Publikation noch auf diese Frage 
zuriickzukommen. Dabei mflfiten die kombinierten Mittel verschiedenen 
chemischen Gruppen angehoren in Analogie zu Biirgis Versuchen, der 
feststellte, daB Potenzierung der uarkotischen Wirkung nur dann ein- 
tritt, wenn die Koinbinationsglieder aus 2 pharmakologisch verschiedenen 
Gruppen starnmen. Dieselbe GesetzmaBigkeit hat auch Tsuzuki ge- 
funden, hiusichtlich der desinfektorischen Wirksainkeit bei der Prufung 
verschiedener Chemikalien fur eine Kombinationstherapie von Trypano- 
someninfektionen. 

Was fallt nun aus dieseu Versuchen fur die Chirurgie ab? Bei 
einer Zusaminenfassung rneiner Erfahrungen iiber die antibakterielle 
Wirkung des Aethers komme ich zu folgendem Ergebnis: Wenn ich 
auch die bakterizide Kraft des Aethers gegeniiberdenEr- 
regern der Peritonitis als sehr gering, resp. unter den 
im Organism us gegebenen Bedingungen, soweit nicht 
noch indirekte Faktoren mitspielen, praktisch als nicht 
vorhanden betrachte, so sehe ich doch in der Verwertung 
der bedeutenden entwicklungshemmenden Eigenschaften 
des Aethers, bei drohender und beginnender Peritonitis, 
als AethereingieBung ins Abdomen ein wirksaines Mittel 
zur Aufhaltung der bakteriellen Infektion und eine wert- 
volle Erganzung unserer chirurgisch - therapeutischen 
Methoden zur Bekampfung dieser Krankheit. 

Literatur. 

1) Koch, Robert, Ueber Desinfektion. (Mitteil. a. d. k. Gesundheitsamt. Bd. 1.) 

— 2) Behring, Bekampfung d. Infektiouskrankh. Leipzig 1S94. —3) Heim, Lehrb. 
d. Bakt. Stuttgart 1898. — 4) Stadler, Arch. f. Hyg. Bd. 73. 1911. — 5) Pergola, 
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 41. — 6) Rouquier u. Tricoire, Ebeuda. Abt. 1. 
Ref. Bd. 71. 1921. — 7) Prell, Ztschr. f. Hyg. Bd. 88. 1919. — 8) Tomarkin u. 
Serebren ikoff, Arch. f. Schiffa- u. Tropenkrankh. Bd. 14. 1910. — 9)Fornet, 
Berl. kl. Wo. 1913. Nr. 40. — 10) Voigt, Dtseh. med. Wo. 1915. 8. 35. — 11) Fan- 
tozzi, Centralbl. f. Chir. Ref. 1920. — 12) Sigwart, Arch. f. Gyn. 1918. S. 247. — 
13) Lienhardt, Schweiz, med. Wo. 1921. No. 29. — 14) Ficker, Ztschr. f. Hyg. 
Bd. 29. — 15) Blum, Dtseh. med. Wo. 1914. — 16) Sam ter, Arb. a. d. Inst. z. Er- 
forschg. d. Infektionskrankh. hrsgeg. von W. Kolle. Bern 1908. — 17) Siipfle und 
Dengler, Arch. f. Hyg. Bd. 85. 1916. — 18) Lange, Ztschr. f. Hyg. Bd. 94. 1921. 

— 19) Connio, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 65. 1917. — 20) de Witt und 
Sherman, Journ. of Infect. Dis. Vol. 15. 1914. — 21) Benians, Ztschr. f. Chemo- 
thernp. 1913. — 22) Overton, Studien iiber die Narkose. Jena 1907. — 23) Biirgi, 
Dtseh. med. Wo. 1910. Nr. 1 u. 2. — 24) Tzuzuki, Ztschr. f. Hyg. Bd. (>8. 1911. — 
25) Sherman, Journ. of Infect. Dis. Vol. 12. 1913. — 26) Biirgi, Handb. d. path. 
Mikroorg. v. Kolle-Wassermann. Bd. 3. 1912. — 27) Rosenau, Bull. Hyg. Labor. 
U. S. P. H. 1909. Nr. 57. — 28) Neufeld und Karlbaum, Ztschr. f. Hyg. Bd. 91. 
1921. — 29) Alivisatos, Dtseh. med. Wo. 1922. Nr. 9. — 30) Schnabel, Dtseh. 
med. Wo. 1922. Nr. 20. 


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Haj6s, Zur Frage der wachfctumshemmenden Wirkung von Bouillonkulturen. 583 


Nachdmck verboten. 

Beitrage zur Frage der wachstumshemmenden Wirkung 

von Bouillonkulturen. 

[Aus der III. med. Klinik der Universitfit in Budapest (Direktor: 

Prof. Baron A. v. Kordnyi).] 

Von Dr. K. llajds. 

Die praktisch und theoretisch aufierordentlich wichtigen Befunde von 
d’Herelle wurden auch von uns nachgeprfift und das Vorkommen von 
Fazesextraktbakteriophagen bestatigt. Die von uns gefundenen Bakterio- 
phagen richteten sich nur gegen atoxische Dysenteriebazillen, gegen Y- 
und Flexner-Stfimme, weitere Untersuchungen fiber diese Frage sind 
im Gauge. 

An dieser Stelle soli fiber Untersuchungen berichtet werden, welche 
auf Veranlassung von Professor von Kordnyi ausgeftihrt wurden. Im 
Zusammenhange mit der Bakteriophagenfrage sollten schon frfiher be- 
kannte Befunde fiber die Erschfipfung eines Nahrbodens Oder die Bakterien- 
autotoxine untersucht werden, urn zu bestimmen, ob sie nicht in irgend- 
einem Zusammenhange mit dera d’Herel leschen Bakteriophagen stehen. 

Die von Eijkman, Conradi und K u r pj u we it etc. beschriebenen 
Autotoxine der Bakterien, welche angeblich eine der Karbolsfiure nahe- 
stehende antiseptische Wirkung haben, konnten von vielen anderen 
Forschern, wie Manteufel, Oebius etc., nicht bestatigt werden. Auch 
eine Erschfipfung von Nahrsubstanzen der Nfihrboden wurde nicht ge- 
nfigend erwiesen. 

Die Angaben fiber die Reaktionsdnderung des Nahrbodens sind nicht 
einheitlich. Kruse und Pan sin i konnten durch Herstellung der ur- 
sprfinglichen Reaktion die wachstumshemmende Wirkung des Nahrbodens 
fur Pneumokokken aufheben. 

Ich arbeitete mit Bouillonkulturen verschiedener B. typhi abd.-, B. 
paratyphi B-, B. paratyphi A-, B. coli commune-Stammen, wor- 
unter auch frisch vom Stuhle gezfichtete Typhus- und Coli-Stamme 
waren. Die 48 Std. alten Kulturen wurden scharf abzentrifugiert, die 
Bouillon solange 48stfindl. mit dein homologen Stamm beimpft und immer 
nach 48 Std. abzentrifugiert, bis die Bouillon keine Trfibung, d. h. kein 
sichtbares Wachstum, mehr zeigte, was mit ca. 4—6 Ueberimpfungen, 
also in 12 — 14 Tagen, erreicht wurde. 

Die Wasserstoffzahl der Ausgangsnahrtlfissigkeit betrug p» = 7.6 bis 
7.8. nach der Indikatormethode von Michaelis gemessen. 

Auf diese Weise wird eine klare Flfissigkeit erhalten, in welcher 
die homologen Bakterien sichtlich nicht zum Wachsen kommen. Nach- 
stehend werden die Resultate zusammengestellt, welche die Untersuchung 
der erschopften NahrdUssigkeit ergeben hat. 

1) Es zeigte sich, dad die wachstumshemmende Fabigkeit keine spo- 
zifische ist; sie bezieht sich nicht nur auf den homologen Stamm, sondern 
auch auf ihm biologisch uahestehende andere Bakterienarten, so z. B. 


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7 


584 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


hemmt die Typhusbouillon die Paratyphus-, Coli- und Dysenteriebazillen, 
natiirlich nicbt in demselben Grade, dagegen war kein heminender Ein- 
fluB, wie aus der Literatur bekannt ist, gegen Sub til is, gewisse 
Proteus-Arten und gegen Staphylokokken mit den oben erwahnten 
Bouillonkulturen zu verzeichnen. 

2) Die erschopfte Bouillon ist nicbt keimtotend, sondern wirkt 
nur wachstuinshemmend. In die erschopfte Bouillon geimpfte Keiine 
zeigten kein Wachstum, konnten aber auch nach 72stiind. Stebenlassen 
wieder herausgeziichtet werdeu. 

3) Die erschopfte Bouillon zeigte sich im Tierversuch fiir Meer- 
schweinchen unschadlich, Meerschweinchen von 250 g Gewicht vertrugen 
eine bis 10 ccm intraperitoneal gegebene Menge ohne Schaden. Wenn 
in die erschopfte Bouillon der homologe Stamm suspendiert gegeben 
wurde, so ging das Tier ein; es waren also keine schiitzenden Substanzen 
vorhanden. 

4) Versuche mit der erschopften Bouillon nach der von d’Herelle 
angegebenen Technik zeigten, genau so wie mit FMzesextrakten ausgefuhrt, 
daB diese Bouillon keine bakteriophagen Eigenschaften besitzt. 

Plattenversuche, die sogenannte taches vierges, zeigten, daB zwar 
auf der Betropfungsstelle der Platte kein so dichtes Wachstum zu sehen 
war, wie an den iibrigen Stellen, aber das von bier entnommene Material 
zeigte bei weiterer Priifung gar keine bakteriophagen Eigenschaften. 

5) Es handelt sich bier nicht nur allein um eine Erschopfung des 
Nahrbodens, da die vollstSndige Regeneration der Bouillon nur in einem 
Verhaltnis von 2 Teilen friscber Bouillon zu 1 Teil erschopfter gelingt. 
Kontrollversuche beweisen, daB die gepriiften Bakterien in einem Nahr- 
medium von einigen Tropfen frischer Bouillon auf 10 ccm neutr. physiol. 
Kochsalzlosung sclion ein sichtbares Wachstum zeigen. 10 Tropfen er¬ 
schopfter auf 10 ccm frischer Bouillon zeigen sclion sichtbare Wacbstums- 
hemmung. 

6) Durch das Becholdsche Ultrafilter filtrierte, erschopfte Bouillon 
zeigte sowohl im Rest wie auch im Ultrafiltrat die beschriebenen wachstums- 
hemmenden Eigenschaften. 

7) Die Reaktion der Ausgangsnahrfliissigkeit war, wie schon erwabnt, 
von einer Wasserstoffionenkonzentration p H =7.6 und 7.8. 

In erschopfter Bouillon wurden folgende Wasserstoffzahlen mit der 
Indikatorenmethode ermittelt: 

B. typhi abd. Ph = 7.6—7.4—7.6; B. coli comm. p H = 7.8 
bis 8.0; B. paratyphi B. Ph = 8.0—8.2; B. paratyphi A. p H = 
7.8—8.0. 

Es ist daraus ersichtlich, daB sich die Reaktion nicht sehr geandert 
hat und kaum das pn - Optimum der uutersuchten Bakterien uberschritt. 

Der n by fand als Wachstumsoptimum und Wachstumsgrenze (ge- 
messen mit der Indikatorenmethode nach Sorensen) fiir Typhus 
Ph = 6.2—7.0—7.6, fur coli pn = 4.4—6.5—7.8, fiir Paratyphus B. 
p H = 4.5—6.8—8.0, fiir Paratyphus A. p H = 4.5—6.7—7.8 uudSchoeu- 
liolz und Meyer fanden fur Typhusbazillen in der Galle als Optimum 
eine pn = 6.8—7.0, als Grenzwerte p H = 5.0—8.6. 

8) Die hemmende Wirkung der Bouillon wird durch Erhitzen auf 
100° C nicht wesentlich beeinfluBt. Fraktioniertes Sterilisieren auf 60° C 
hatte gar keinen EinfluB gehabt. 

Aus den oben angefiihrten Ergebnissen kann angenommen werden, 
daB die wachstumsverhindernde Eigenschaft der so vorbehandelten Bouillon 


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Ishiwara, Eine praktische Agglutinationemethode usw. 


585 


auf gewisse tliermostabile Stoffwechselprodukte zuruckzu- 
fiihren ist, wie dies auch schon friiher von einigen Autoren behauptet 
wurde. Das Vorhandensein von Autotoxinen ist nicht bewiesen. Die 
auf die angefflhrte Weise erhaltenen hemmenden Substanzen haben mit 
den von d’Herelle beschriebenen Bakteriophagen nichts Gemeinschaft- 
liches. 


Li ter at or. 

Con radi-Kurpjuweit, Munch, med. Wochenschr. 1905. S. 1761. — Dernby, 
Kongr. Centralbl. f. inn. Med. Bd. 18. 8. 438. — Eijkman, Centralbl. f. Bakt. 

Abt. I. Orig. Bd. 37. S. 436. — Gotschlich, Kolle-Wassermann. Hdb. d. 
path. Mikr. 2. Aufl. Bd. 1. — d’Herelle, Conipt. rend. boc. de biol.; ref. Kongr. 
Centralbl. f. inn. Med. Bd. 18—21. — K ruse - Pan a i n i, Zeitschr. f. Hyg. Ib9l 
8. 278. — Manteufel, Berlin, klin. Worhenechr. 1006. S. 313. — Michaelie, 
Dtsch. med. Wochenschr. 1921. 8. 465, 673. — Oebius, Med. Kl. 1906. Mr. 23. 
— Schoenholz-M ever, Kongr. Centralbl. f. inn. Med. Bd. 19. 8. 219. 


Nachdruok verbolen 

Eine praktische Agglutinationsmethode nnd liber die Agglu- 
tinationserscheinung in verschiedenen Gasatmospharen. 

[Aus deni Hygienischen Institut der Universitat zu Tokio.] 

Von Dozent Dr. Fnsao Ishiwara. 

Mit 1 Abbildung im Text. 

I. Eine praktische Agglutinationsmethode. 

Setzt man Agglutinationsreaktionen mittels der Proscherschen 
Blockschalchenmethode an, so erhiilt man schneller deutliche Anschlage, 
als bei dem gewohnlichen Verfahren ini Reagenzglasc. W&hrend bei 
ersterer schon nach 2 Std. die Agglutinatiouserscheinung vollendet ist. 
ist dies bei der iiblichen Technik erst nach 24 Std. der Fall. VVeit 
schneller alter, als in den Blockschalchen geht die Reaktion im hangendeu 
Tropfen v % or sich; mit dieser Methode dauert sie nur cinige Minuten. 
Worin der Grund fiir diese Unterschiede liegt, konnte ich bei sorg- 

Uebersicht 1. 

Agglutiiiationsgeschwindigkeit in verschiedenen Mengen gleichstark verdiinnten 

Typhusimmunserums. 


Fliissigkeitsmenge (auCer 3 ohne Er- |_ _ Serumverdiinnung 


warmung in Zimmertemperatur gelegt) 

1 : 100 

1 :1000 

1 :10 000 


Es dauerte bis zum Eiutritt der Reaktion 

1) 1 l’latinbse 

5 Min. 

12 Min. 

25 Min. 

2) 0,1 ccm 

6 

12 „ 

30 „ 

3) 0,1 ccm (erwarmt und dann in Zim¬ 
mertemperatur) 

2 „ 

5 „ 

13 „ 

4) 0,3 ccm 

O K 

It 

40 „ 

45 „ 

5)0,6 „ 

35 „ 

50 „ 

1 8td. 15 Min. 

6) 1,0 „ 

50 „ 

1 8td. 15 Min. | 

1 „ 30 „ 


Demnach agglutiniert 0,1 cent Fliissigkeit 7-fach schneller nls l,0ccm; wenn man 
dieselbe erwiirmt, bo geht sie 20mal schneller. 


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586 


Centraibl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 7/8. 


Uebersicht 2. 

Agglutinationsgeschwindigkeit in verschiedenen Tiefen, aber sonst gleich groBen Mengen 
gleich stark verdiinnten Typhusimmunserums (1:200). 


Die Tiefe von 0,5 ccm Losung 

2,0 mm 

1,2 mm 

Die Zeit bis zum Auftreten der Agglu¬ 
tination 

18 Min. 

7 Min. 


faltigen Untersuchungen hieriiber feststellen; sie hangen in hohera MaBe 
ab von der Menge der Fliissigkeit und auch ihrer Tiefe, auBerdem noch 
von der Teniperatur derselben, und zwar derart, daB die Reaktion bei 
Erwarmung der agglutinierenden Fliissigkeit in dem Blockschalchen auf- 
fallig schnell eintrat. Zura Beweise hierfiir mogen die vorstehenden 
Uebersichteu dienen. 

Hierauf versuchte ich, ob auch die Tiefe der gleichmengigen Losung 
rait der Schnelligkeit der Agglutinationsreaktion in Beziehung steht. 

Hiernach dart' die Losung nicht tief, sondern muB seicht sein; d. h. 
ihre Oberflliche muB sich moglichst weit ausdehnen. Ich mochte ferner 
noch hervorheben, daB die Agglutination immer von dem Rande der 
Losungsoberflache aus aufzutreten beginnt; so daB mir aus alledem der 


i n in tv v m 

Kontroll. Serumverdunnung 

1 • 25 1-50 - 1:100 1-200 1:500 



SchluB berechtigt erscheint, daB die Agglutinationsreaktion eine Be¬ 
ziehung zur Oberflachenspannung haben muB. 

Die praktischen Folgerungen ftir eine forzierte Agglutinationsmethode 
werden also dahin lauten, daB 1) die Fliissigkeitsmenge mogliohst gering, 
2) ihre Tiefe moglichst seicht, 3) ihre Teniperatur ca. 45° C sein soil. 

In diesem Sinne habe ich eine Agglutinationsplatte *) herstellen 
- lassen. Die gliiserne Platte ist 18 cm lang und 3,8 cm breit und hat 
6 kreisrunde Vertiefungen von je 2,7 cm Durchmesser und 2,5 mm zen- 
traler Tiefe. Zum Ansetzen der Reaktion dient eine 0,3 ccm fassende 
Pipette mit Einteilung in 0,1 ccm. In Ermangelung derselben kann man 
auch statt 0,1 ccm 3 Trbpfchen aus einer Glaskapillare brauchen. Das 
zu untersuchende Serum muB vorher im Verhaltnis von 1:25 verdiinnt 
werden. Die Ausfuhrungsweise ist aus folgendem ersichtlich (Fig. 1): 

Entsprechend der beigefiigten Zeichnung fiillt man Vertiefung I, III, 
IV, V mit je 0,2 ccm NaCl (0,85-proz.), VI mit 0,3 ccm NaCl und Ver¬ 
tiefung II, III mit je 0,2 ccm Serum (1 :25). Alsdann mischt man in 
Vertiefung III die beiden Losungen von NaCl und Serum gut durch, 
nimmt mit einer Pipette 0,2 ccm und bringt dasselbe in IV; hier wird 
es wieder gut gemischt und 0,2 ccm davon in V getan; von diesem legt 
man 0,2 ccm in VI; aus dem letzteren werden 0,3 ccm fortgenommen. 
so daB man in alien Vertiefungen 0,2 ccm Fliissigkeit hat. Wenn man 


1) Erhiiltlich bei Paul Altmnnn, Berlin, Luisenstr. 47. 


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Ishiwara, Eine praktische Agglutinationsmethode usw. 


587 


will, kann man auch auf dieselbe Weise noch weitere 1:1000, 1:2000, 
1:5000, 1:10 000 Serumverdiinnungen herstellen. 

Zu diesen Serumverdiinnungen setzt man je 1 Tropfchen der Bak- 
terienaufschwemmung hinzu, die pro 1 ccm Kochsalzlosung 5 Platinosen 
Reinkultur in guter Durchmischung enthalten muB. Die so vorbereitete 
Agglutinationsplatte wird nun unter leichtem Schfitteln so hoch fiber 
der freien Flamme erwarmt, wie es die Haut vertrfigt. Geschieht dies 
1 Min. lang, so sieht man nach 3 Min. die Agglutination erscheiuen, 
und zwar schon bei Zimmertemperatur. Es ist nicht notig, die Platte 
in den Brfitofen zu bringen. Nach 30 Min. ist die Reaktion voll- 
standig beendet und erfahrt bei lfingerem Liegen keine Steigerung. Um 
das Resultat abzulesen, betrachtet man die Platte unter leichtem Schfit- 
teln auf dunklem Untergrunde und sieht alsdann den flockigen Nieder- 
schlag. Spontane Agglutination kommt hierbei auch vor, aber diese wird 
durch Umruhren mit der Platinose sogleich homogenisiert. Eine mikro- 
skopische Untersuchung ist in den meisten Fallen nicht nfitig. Zum 
Vergleich der bisher fiblichen und meiner Methode gebe ich noch die 
nachstehende Tabelle: 



Die Zeit 
bin zum 
Eintritt d. 
Reaktion 

Serumverdunnung des ParatyphueimmuDserums 

1 :25 

1:50 1:1001:200,1:5001:1000 

ll:20001 :5000; 

1 = 10000 

In gewohnl. ( 

4 Std. 

+ 

+ 

+ 

+ 

_ 

— 

_ 

_ 

_ 

Reagenzrbhr-) 

6 * 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

— 

chen im Ofen l 


+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

— 

Auf Aggluti- [ 

2 Min. 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

— 

— 

— 

nationsplatte 1 

8 , 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

— 

— 

erwarmt | 

13 n 

+ 

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+ 

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Diese Methode habe ich in Japan vor 6 Jahren ausgegeben (Tokio 
Igakkai. Bd. 13. p. 29), wo sie allgemein mit guten Erfolgen in Ge- 
brauch ist. 


II. Die Agglutinationserschelnung in verschiedencn Gasatmosphttren. 

Prfischer nimmt an, der Grund der beschleunigten Agglutinations- 
reaktion bei der Blockschfilchenmethode liege in der durch die groBere 
Obertifiche bedingten besseren Berfihrung mit dem Sauerstoff. Beim 
Studium der Literatur fiel mir auf, daB bisher Untersuchungen fiber die 
Agglutination in verschiedenen Gasatomen vollig fehlen. Ich habe daher 
diesbezfigliche Versuche angestellt. 

Zu diesem Zwecke habe ich mir H,, CO,, H,S, 0„ N, selbst che- 
misch frisch hergestellt und mittels Kapillarrohrchen in agglutinierende 
Flfissigkeit (ca. 2 ccm) enthaltende Reagenzrohrchen 5 Min. eingeleitet 
und dann mit Gummistopfen schnell verschlossen. 

Stickstoffgas habe ich nach Knappscher Methode hergestellt. Die 
Versuche wurden mit Typhus-, Paratypbus-, Ruhr- und Choleraserum 
angestellt. Weitere Einzelteile sowie die Ergebnisse sind aus den Ta- 
bellen ersichtlich. 

Ausdrflcklich mochte ich noch bemerken, daB zwar manche Stfimme 
von Paratyphus A, B, Coli, Staph, alb., citr., wenn man sie in Koch¬ 
salzlosung ohne Agglutinin aufschwemmt und in Stickstoffgas einlegt, 


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588 


Centralbl. f. Eakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


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Tabelle I. 



Tabelle II. 

Agglutinationsversuch mit Paratyph us i m m u n seru m. 



agglutiniert werden, aber nur in auBerst langer Zeit, tvoriiber die fol- 
gende Tabelle AufschluB gibt: 


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SchlieBlich babe ich nocb versucht, die Wirkung des Sauerstoffs aus- 
zuschalten, indent ich stark reduzierende Mittel [z. B. Na 2 S (0,02-proz.), 



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urbana : x;hampaign mi ^ 







Klein, Zur Frage der Oarungsagglutination. 


589 


Na 2 SO., (0,05-proz.), Na 2 S 2 0 3 (0,05-proz.) (NH 4 ) 2 S, (0,05-proz.), Platin- 
schwamm, Meerschweinchenleber] zusetzte. Doch ergab dies kein Re- 
sultat. 

Es hat sich also ergeben, daB die Agglutination in Sauerstoff dop- 
pelt so langsani, in Wasserstotfgas, KohlensSure oder Schwefelwasser- 
. stoff dagegen doppelt so schnell als in der Luft vor sich geht, aber ganz 
besonders schnell in Stickstoffgas. So erschien sie schon in einer Ver- 
diinnung von 1:50 000, in 1 Std. in N 2 , wiihrend dies bei der gewohn- 
lichen Methode erst nach 5 Std. geschah; ferner zeigt die Tabelle, daB 
in Stickstoff auch der Agglutinationstiter 100 000-fach holier liegt als 
sonst. Diese Versuche haben ergeben, daB der Sauerstoff in der Luft 
die Agglutination lienimt, wahrend der Stickstoff sie auffallend be- 
schleunigt. 

Sperrt man die atmospharische Luft durch Ueberschichtung mit 
fliissigem Paraffin (7* cm hoch) fiber der zu agglutinierenden Flfissig- 
keit) ab, so verlauft die Agglutination doppelt so schnell als bei an- 
deren forzierten Methoden, wie Gefrier- oder Erwarmungsverfahren. 
Dies bewahrt sich auch bei Zimmertemperatur. Ferner prfifte ich, ob 
auch alte, nur noch langsam reagierende Sera zu schnellerer Reaktion 
auf diese Weise angeregt werden konnen. 

Pnratyphusimrounserum vor 6 Jahren. 



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Serum verdiinnung 


4) 

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24 

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48 

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+ 

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— 


Nachdruck verboten. 

Zur Frage der Garungsagglutination. 

[Aus dem Rakteriologischen Institut in Kiew.] 

Von Dr. II. Klein. 

In einer fruheren Mitteilung haben wir gezeigt'). daB die Vertreter 
der Coli-Typhusgruppe (B. typhi, B. paratyphi B., B. coli und 
B. paracoli) in geeigueten NShrbOden mit Glukose und Lackmus (nach 
Barsiekow-Hiss) chemisch agglutinierende Substanzen zu bilden im- 
stande sind. Nach 24—48-stfind. Verweilen im Brutschrank tritt eine aus- 
gesprochene Agglutination der genannten Bakterien infolge der dadurch 


1) Klein u. Slesarewski, Ueber Agglutination bei Garungen von Kohlehydraten. 
(Centralbl. f. Bakt. Abt. i. Orig. Bd. 88. H. 2.) 


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590 


Centralbl. f. Biikt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


gebildeten Stoffwechselprodukte, vermutlich Sauren, ein. Ohne jeglichen 
Zusatz von Antikorpern oder kiinstlich hergestellten Saurelosungen von 
einer bestiminten Wasserstoffionenkonzentration gelangen die genannten 
Bakterienarten in ihren eigenen fliissigen Nahrmedien dank der iknen 
innewohnenden Lebenstatigkeit zu einer selbstandigen Agglutination, 
welche als eine Saureagglutination nach Michael is 1 ) zu erklaren ist. 

In der vorliegenden Mitteilung wollen wir beweisen, dafi nicht nur 
bei der C o 1 i -Typhusgruppe, sondern auch bei vielen anderen Bakterien¬ 
arten, wie B. dysenteriae, B. Proteus, Staphylococcus pyo¬ 
genes aureus, Vibrio cholerae, als Resultat der Zersetzung von 
Kohlehydraten regelmaBig eine deutliche Agglutination, welche mikro- 
und inakroskopisch der spezifischen Shnlich ist, beobachtet werden kann. 

Folgende Eigenschaften unterscheiden diese V r erklumpung der Bak- 
terien von der Saureagglutination nach Mich a el is und berechtigen da- 
zu, die erstgenannte rait als Garungsagglutination zu bezeichnen: 

1) Die Garungsagglutination kommt regelmaBig bei den Garungs- 
prozessen vor. Wahrend die Saureagglutination eine kiinstliche Er- 
scheinung ist, welche nach dem Zusatz von Sauren einer bestiminten 
H-Konzentration eintritt, stellt die Garungsagglutination einen natiir- 
lichen Lebensvorgang dar, welcher die Garungen der Kohlehydrate be- 
gleitet, und die Bakterien selber erzeugen die zu ilirer Agglutination 
erforderliche Wasserstoffionenkonzentration. 

2) Bei der Garungsagglutination agglutinierten sich unsere samt- 
lichen Coli-Stamme immer, wogegen bei der Saureagglutination nach 
Michaelis die B. coli-Stamme sich gar nicht agglutinieren konnen 2 ). 
Neuere Untersuchungen ergeben, daB einige Coli-Stamme die Saure¬ 
agglutination zeigen, wahrend in der iiberwiegenden Mehrzahl B. coli 
nicht saureagglutinabel ist. Bis 100° erhitzte Coli-Stamme aggluti¬ 
nieren sich besser. 

3) Die Dysenteriekulturen zeigen eine deutliche Garungsagglutination, 
wahrend bei der Saureagglutination nach Michaelis B. dysenteriae 
nicht agglutiniert. 

Die Methode der Beobachtung der Garungsagglutination ist sehr 
einfach: Am besten ist der Barsiekowsche Nahrboden nach Hiss 
geeignet: Wasser 100,0, Pepton W r itte 1,0, Kochsalz 0,5, mit Zusatz 
von 2,0 Traubenzucker (sterilisiert im Kochschen Apparat 3mal je 
15 Min.). Der Versuch wird in gewohnlichen Rohrchen angestellt; ins- 
besondere legen wir Wert darauf, daB zu kleinen Mengen des fliissigen 
Nahrbodens (zu 1—2 ccm) relativ groBe Massen lebensfahiger Bakterien 
zugesetzt werden (V 4 Agarkultur in 0,25 ccm aufgeschwemmt). Bei 
dieser Versuchsanordnung tritt eine auBerst lebhafte fermentative Tatig- 
keit der Bakterien ein und die betreffende Zuckerart wird sehr rasch 
vergoren -). 

Das Optimum der Konzentration der Glukose war in unseren Unter¬ 
suchungen 2 Proz. Bei 0,5 Proz. war die Garungsagglutination infolge 
der kleineren Mengen der gebildeten Sauren nicht so deutlich aus- 
gesprochen. 

Am besten werden die Typhuskulturen agglutiniert. Auch haben 
sich bei unseren Untersuchungen alle erprobten 16 Coli- und Para- 
coli-Stamme als sehr gut agglutinabel erwiesen. 

1) Michaelis, Die Wa^serstoffionenkonzentratioo. 1914. S. 79. 

2) Klein, Zur Beobachtung der Zersetzung von Kohlehydraten. (Centralbl. f. 
Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 63. H. 4/6.) 


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Klein, Zur Frage der Garungsagglutination. 


55-1 


Staphylokokken. Die Staphylokokken agglutinieren sich vor- 
trefflich, und zwar fast so gut, wie die Typhuskulturen. Die Aggluti¬ 
nation tritt gewohnlich in Glukosepeptonwasser + Azolitmin (oder Lack- 
mus) nach 48 Std. ein, oft auch schneller, und zwar nach 18—24 Std. 
Die Resultate sind aus den folgenden Versuchen ersichtlich, welche wir 
hier aus den vielen von uns angestellten Versuchsreihen geben: 


Versuch I. 21. Sept. 1919. Die Garungsagglutination wurde mit 5 Kulturen 
von Staphylococcus pyogenes aureus (Nr. 1, 2, 3, 4, 5) angestellt in ROhrchen 
mit: 1) Glukosepeptonwasser -f Azolitmin’), 2) Glukosepeptonwasser, 3) Peptonwasser 
+ Azolitmin, 4) Peptonwasser. Nach 2 Tagen (23. Sept. 1919) konnte man eine aus- 
gesprochene makro- und mikroskopische Garungsagglutination beobachten. 

Die Stamme Nr. 1, 2, 4, 5 zeigten in Glukosepeptonwasser + Azolitmin eine 
stark positive Agglutination ( + + +)> bei der Kultur Nr. 3 war das Besultat positiv 
(++). In Glukosepeptonwasser ohne Azolitmin war das Resultat bei alien 5 Stammen 
positiv (++). In alien Kontrollrohrchen ohne Glukose (Peptonwasser + Azolitmin, 
Peptonwasser) keine Agglutination. 

Versuch II. 8. Sept. 1919. Die Garungsagglutination wurde bei derselbeu 
Versuchsanordnung mit 4 Staphylokokkenstammen angestellt. Nach 2 Tagen (10. Sept.. 
1919) war folgendes Resultat zu bemerken: Die Stamme Nr. 2, 3, 4 zeigten eine deut- 
liche Agglutination ( + + +) in Glukosepeptonwasser + Lackmus, bei Stamm Nr. 1 war 
die Agglutination (++)■ In den Kontrollrohrchen ohne Glukose (Peptonwasser -f Lack¬ 
mus und Peptonwasser) keine Agglutination. — Die Staphylokokken agglutinieren sich 
deutlich, und zwar nicht nur in Glukose enthaltenden Nahrboden, sondern auch in 
Lackmuspeptonwasser mit Lavulose. 

Vers uch III. 21. Sept. 1919. Die 5 Staphylokokkenstamme wurden auf Lackmus¬ 
peptonwasser mit Lavulose gepriift. 23. Sept. 1919 konnte man in alien Rohrchen eine 
ausgesprochene, wenn auch schwachere, Agglutination bemerken. Bei Stamm Nr. 2 war 
die Agglutination (+ + + ), bei den Stammen Nr. 1 und Nr. 4 (++). bei den Stammen 
Nr. 3 und Nr. 5 (+). 


Im ganzen haben wir 13 Stamme von Staphyl. pyog. aureus 
gepriift und in vielen Versuchsreihen dasselbe Resultat erhalten. Mit 
den Stammen von Staphyl. pyog. albus haben wir aber keine end- 
giiltigen Resultate erzielt. 

Dysenteriekulturen. 6 Dysenteriekulturen (Shiga-Kruse) verschiedener 
Herkunft wurden (15. Dez. 1918) auf Glukosepeptonwasser + Azolitmin und Glukose¬ 
peptonwasser gepriift und bei alien 6 war die Garungsagglutination auf Glukosepepton- 
wasser -f Azolitmin schwaCh positiv, auf Glukosepeptonwasser 2mal schwach positiv 
und 4mal negativ. Die beschle'unigende Wirkung der Lackmuelosung auf die Agglutination 
tritt in diesen Versuchen deutlich zutage. Die relativ schwache Garungsagglutination 
soli von dem schwachen Garungsverraogen der Dysenteriekulturen abhiingig sein. 

Proteusstamme. 4 von uns gepriifte Proteus-Stamme (19X2, 
19X, Kohler und Brest) haben sich bei unseren Untersuchungen als 
sehr gut agglutinabel gezeigt. 

ll.Okt. 1919 wurden diese Stamme in Glukosepeptonwasser -f Lackmus in Glukose¬ 
peptonwasser in Peptonwasser + Lackmus und in Peptonwasser gepriift. Nach 2—3 
Tagen war in beiden ersteren Nahrmedien in alien Rohrchen eine vortreffliche Ag¬ 
glutination zu bemerken, in alien Kontrollrohrchen aber keine. 

Cholerakulturen. Eine ganz besondere Stellung nehmen die 
Cholerakulturen ein: 

24. Jan. 1919 wurden 7, aus der letzten Choleraepidemie in Kiew geziichtete 
Cholerastarame (Nr. 8, 53, 5, 39, 7, M 1 , M’) in Glukosepeptonwasser + Azolitmin und 
in Glukosepeptonwasser gepriift. Am folgenden Tago hat sich der Farbenton dee 
Azolitmins in Blau geandert; nach 2 Tagen war nur bei den Stammen M 1 und 7 eine 
sehr schwache Agglutination zu bemerken (±). 28. Jan. 1919 hat sich wiederum der 
Farbenton des Azolitmins in Rot geiindert, und bei alien Cholerakulturen konnte 
man eine deutlich ausgesprochene Agglutination beobachten. Bei den Stammen Nr. 8, 
53, 39, 7, M‘, M* war die Agglutination (+ + +), bei Stamm Nr. 5 (+). In Glukose¬ 
peptonwasser ohne Azolitmin waren die Resultate bedeutend schwacher (2mal negativ, 
4mal eine schwache Agglutination). In alien Kontrollrohrchen ohne Glukose keine 
Agglutination. 


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Centralbl. f. Bat. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


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Aehnliche Resultate ergaben un»ere Versuche uoch mit 8 Choleras turnmen. Im 
ganzen haben wir 15 Cholera^tainme mit denselben Resultaten untersucht. 

In vorliegemler Mitteilung sind die Resultate unserer Uutersuchungen 
mit 38 Kulturen beschrieben: 13 Kultureu von Staphylokokken, 4 B. dys- 
enteriae, 6 B. Proteus, 19X, 15 Vibrio cholerae; in alien 
diesen Versuchen konnten wir betnerken, daB die Garungsagglutination 
schneller eintritt, wenn der Nahrboden auBer Glukose noch 5—6-proz. 
Lackmuslosung bzw. Azolitmin enthalt. 

Die Resultate sind aus deu Angaben von 106 Eiuzelversuchen er- 
sichtlich: 

Zahl der Versuche Agglutination 

+++ ++ + ± — 

Pepton + Glukose + Lackmus 53 14 16 8 3 6 

Pepton + Glukose 53 8 12 7 4 14 

DaB der Zusatz von Lackmus (bzw. Azolitmin) auf die Garungs¬ 
agglutination eine beschleunigeude Wirkung ausiibt. ist aus den obigen 
106 sowie aus unseren friiheren 182 Eiuzelversuchen klar zu ersehen. 

Die verklumpteu Bakterienhaufchen sehen makro- und inikroskopisch 
rotlich aus, was durcli die Adsorption der Lackmuslosung durch die 
Bakterieu zu erklaren ist. Vielleicht werden auf diese Weise die Bakterieu- 
zellen empfindlicher gegen die Wirkung der Siiuren gemacht. — In unserer 
vorigen Mitteilung haben wir auch die Vermutung ausgesprochen, daB 
die sogenannte „spontane u Agglutination teilweise als eine Garungs¬ 
agglutination zu erkliiren ist. 

Wir stellen uns vor, daB Kohlehydrate in kleinen Mengen zufallig 
in einem gewohnlichen Nahrboden enthalten sind; dann ist die Mtiglich- 
keit zu einer Spontanagglutination gegeben, weun in diesem N&hrboderi 
garungsfahige Bakterien wachsen. Jedenfalls bieten unsere Beobachtungen 
in einigen Fallen gewisse Hinweise fiir eine solche Erkliirung der Spontan¬ 
agglutination. 

Fasssen wir alle in dieser Mitteilung (sowie in unserer vorigen) be- 
schriebenen Versuche iiber die Garungsagglutination zusammen, so kommen 
wir zu folgenden SchluBfolgerungen: 

1) AuBer B. coli und paracoli, B. typhi, B. paratyphi B 
und B. enteritidis ist die Garungsagglutination auch bei Staphylo¬ 
kokken, Proteus 19X, B. dysenteriae, Vibrio cholerae deutlich 
ausgesprochen. Die Agglutination tritt gewohnlich nach 1—2 Tagen ein; 
eine besondere Stellung nehmen die Cholerakulturen ein, bei welchen 
die Garungsagglutination nach 4 Tagen eintritt. 

2) Wiihrend bei der Saureagglutination nach Michaelis B. coli- 
Kulturen und B. dysenteriae sich in der Mehrzahl der Fiille tiber- 
haupt nicht agglutinieren, ist die Garungsagglutination bei alien von uns 
untersuchten Coli-Stammen deutlich ausgesprochen. Dieses Verhalten 
kounte bei mehrmaliger Wiederholung der Versuche bestatigt werden. 
Die Dysenteriekulturen zeigen eine deutliche, weun auch verhaltnismaBig 
schwachere Garungsagglutination. 

3) Die Garungsagglutination tritt nicht nur in fliissigen Niihrmedien 
mit Glukose, sondern auch mit Lavulose ein. 

4) In Glukosepeptouwasser mit Zusatz von Lackmus (bzw. Azolitmin) 
agglutinieren sich auch die Staphylokokken, B. Proteus, B. dysun¬ 



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Reichert, Konservierung von Blutproben zur VVasserm an n-Reaktion. 593 


teriae, Vibrio cholerae (sowie die Coli-Typhusgruppe) bedeutend 
besser, als in Glukosepeptonwasser ohne Lackmus. Es sind dabei weniger 
negative und mehr stark positive Resultate zu beobachten, als ohne 
Lackmus. Der agglutinierte Bodensatz und die einzelnen Bakterien- 
haufchen sind braunlich-rot gefSrbt und iiberhaupt viel deutlicher aus- 
gesprochen. 

5) Die Garungsagglutination ist eine konstante Erscheinung, welche 
die Garungsprozesse begleitet und in Glukose enthaltenden Nahrbbden 
stets zu beobachten isu Bakterien aus den verschiedensten Gruppeu 
scheinen infolge Zersetzung von Kohlehydraten die zu ihrer Agglutination 
erforderliche Siiurekonzentration zu erzeugen. 


Nachdruck verboten. 

Ueber die Konservierung von Blutproben zur Was ser¬ 
in an nschen Reaktion. 

[Aus dem Hygienischen Institut der University Jena.] 

Von Dr. Fr. Reichert. 

Das Arbeiten solcher Wassermanu -Laboratorien, denen viele 
Seren von auswarts zugehen, ist erheblich dadurch erschwert, daB ein 
nicht geringer Prozentsatz dieser Seren in untauglichem Zustand ein- 
trifft. Wir muBten 1921 bei unseren 2972G Proben auf WaR. 4,9 Proz., 
d. h. 1466 Seren, als unbrauchbar zuriickstellen. Ueberwiegend war der 
Grund fur diese Unverwertbarkeit Zersetzung durch bakterielle Infektion. 
Die bakterielle Wirkung erweist sich naturgemSB um so verhangnisvoller, 
je lknger die Seren unterwegs sind und je hbher die Teiuperatur beim 
Transport ist. Wagner errechnete fiir den Jahresbericht unseres Bak- 
teriologischen Instituts von 1920, daB bei den Proben, die aus einer 
Entfernung von 30 km von Jena kamen, 87 verdorben waren, wShrend 
bei denen, die aus einer Entfernung von iiber 60 km kamen, 268 zer- 
setzt waren. Wir beobachteten 1921, daB in den Wintermonaten 2,6 Proz. 
und in den Sommermonateu 7,8 Proz. verdorbene Seren einliefen. 

Irgendwelche Augaben darflber, wie diese Sera vor Fauluis zu 
schiitzen seien, sind bisher nicht bekannt geworden. Neuere Kon- 
servierungsversuche erstrecken sich nur auf agglutinierende, pra- 
zipitierende und bakteriolytische Sera. Bitter hat Glyzerin verwandt 
und Stra Binann Yatren. AuBerdem versuchte Ulert, Pockenlymphe 
mit Akridinfarbstoffen haltbar zu machen. 

Wir befanden uns daher bei Beginn unserer Versuche zur Kon¬ 
servierung von Blutproben zur WaR. auf ganz unerforschtem Boden. 
Zuerst tauchte hier die Frage auf, ob zur Konservierung der Wa.-Seren 
die Verhinderung des Bakterienwachstums allein ausreicht, oder ob aucli 
bei sterilen Seren noch Umsetzungen irgendwelcher Art stattfinden 
kOnnen, die die sehr emplindliche WaR. zu stbren vermbgen. Hatte 
doch Bachmann festgestellt, daB EiweiBabbauprodukte die Reaktion 

Erste Abt. Orilf Bd. 8S. Heft 7/8. 38 


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594 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


eines Serums nach der saueren Seite hin verandern, wodurch anti- 
komplementare KrSfte wirksam werden. Wir fanden aber, daB die Frage 
der Zersetzbarkeit steriler Seren durch die Arbeiten von Abderhalden, 
Hirsch und Bachmann gelost war, welche iibereinstiramend jede 
Autolyse in sterilen Seren verneinen. 

Wir konnten mithin bei Anwendung eines stark bakteriziden Korpers 
auf Erfolg hoffen und versuchten das Trypatiavin. Dieser FarbstolT 
wurde gewahlt, weil er ein Antiseptikum ist, dessen desinfizierende 
Kraft in eiweiBhaltigen Losungen nicht nachlaBt. Er ist also frei von 
einem Uebelstand, der vielen bakteriziden Chemikalien anhaftet. 

Unsere Versuche zur Konservierung der Seren bauten sich nun 
folgendermaBen aufeinander auf: 

1) ermittelten wir die niedrigste Konzentration des Trypaflavins im 
Blutserum, die noch mit Sicherheit eine Bakterienentwicklung verhindert; 

2) erprobten wir Seren, denen Trypaflavin in solchen Mengen, die 
der niedrigsten entwicklungshemmenden naheliegen, zugesetzt war, auf 
ihre Eignung fur die WaR.; 

3) stellten wir die Zeitdauer fest, wShrend welcher die bei 2) als 
brauchbar gefundenen Trypatiavinmengen auf das Serum wirken kdnnen, 
ohne dafi seine Brauchbarkeit fur die WaR. leidet. 

4) setzten wir zu Blutproben unmittelbar nach der Entnahme aus 
der Vene die bei 2) und 3) als brauchbar gefundenen Trypaflavindoseu 
hinzu und stellten fest, wie lange diese Sera eine unverknderte WaR. 
geben. Wir behandelten sie mithin ebenso, wie die Anwendung des 
Trypaflavins in der Praxis erfolgen soil. 

Die unter Nr. 1 genannten Versuche wurden so ausgefiihrt, daB wir 
beliebige Blutseren zusammengossen und dem Gemisch fallende Mengen 
von Trypaflavin zusetzten. Die Abstufungen erfolgten von 1:1000 bis 
1:25000. Diese Farbstoflserumgemische wurden mit reichlichen Mengeu 
von Coli und Kartoffelbazillen beimpft und bei 37° aufbewahrt. Bis 
zu einer Verdiinnung des Trypaflavins von 1:20000 blieb bei dieser 
Versuchsanordnung jede Bakterienvermehrung aus. Die Priifung auf 
Wachstum geschah durch tagliches Anlegen von Praparaten. 

Nunmehr wurden Serumproben, die wahllos unter den jeweils ein- 
gegangenen herausgegriffen wurden, ohne Riicksicht darauf, ob sie klar, 
fetthaltig, ikterisch oder hamolytisch waren, nach dem Inaktivieren mit 
Trypaflavin 1:15000 versetzt und dann damit die WaR. angestellt. Auf 
diese Weise wurden an 14 verschiedenen Untersuchungstagen je 18 bis 
20 Sera, in Summa 319 Sera, untersucht, mit denen selbstverst&ndlich 
gleichzeitig die WaR. ohne Trypaflavinzusatz ausgefiihrt wurde. Die 
Uebereinstimmung zwischen den trypaflavinhaltigen und den trypaflaviu- 
freien Seren war sehr weitgehend. Sie war vollkommen in 97,4 Proz. 
9 Abweichungen ergaben sich. Sie bestanden darin, daB 3mal das 
Trypanflavinserum Eigenhemmung bewirkte, 4mal statt ± ein ++ ergab, 
lmal statt 4—|—|—|- ein -(-+ und lmal statt 4—f- ein ±. Diese Ab¬ 
weichungen sind so gering, daB sie zweifellos innerhalb der unvermeid- 
baren Versuchsfehlergrenzen der WaR. liegen, und daB wir somit die 
Uebereinstimmung zwischen trypaflavinhaltigen und trypaflavinfreien 
Seren praktisch als vollkommen bezeichnen konnen. 

Nach diesen giinstigen Ergebnissen konnten wir einen Schritt weiter 
gehen. Wir gossen Sera, die als gleichmaBig stark wassermann-positiv 
befunden waren, zusammen, wobei wieder keine Riicksicht darauf ge- 
noramen wurde, ob sie klar, fetthaltig ikterisch oder hamolytisch waren, 


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Reichert, Konservierung von Blutproben zur Was Berman n-Reaktion. 595 


und versetzten sie mit Trypaflavin 1:15000. Diese Mischseren wurden 
mit paraffinierten Wattestopfen verschlossen und bei 37° aufbewahrt. 
AuBerdem wurde mit ihnen fortlaufend in Abstanden von 3—4 Tagen 
die WaR. wiederholt und deren Ausfall mit der ersten ohne Trypafiavin- 
zusatz vorgenommenen verglichen. Auf diese Art kamen 41 Misch- 
sera, die sich aus ca. 180 Einzelseris zusammensetzten, zur Unter- 
suchung. Der Ausfall der Versuche soil zunachst an 3 typischen Proben, 
die sich verschieden stark positiv nach Wasserinann verhielten, 
demonstriert werden. 


Tabelle I. 


Serum Nr. 25 

WaR. positiv + + + + 
angef. 29. April 

Serum Nr. 36 

WaR. positiv 4-4-4- 
angef. 10. Mai 

Serum Nr. 44 

WaR. positiv -t- 4- 
anger. 17. Mai 

Datum der 
Untersuchungen 

Ergebnis 

Datum der 
Untersuchungen 

Ergebnis 

Datum der 
Untersuchungen 

Ergebnis 

3. Mai 

4 + 

13. Mai 

3 + 

20. Mai 

2 + 

6 . „ 

4 + 

17. „ 

3 + 

24. „ 

2 4- 

10 . „ 

4 + 

20 . „ 

3 + 

31. 

2 + 

13. „ 

4 4- 

24. „ 

3 + 

3. Juni 

— 

17. „ 

4 + 

31. „ 

2 + 



20 . „ 

4 4- 

3. Juni 

2 + 



24. „ 

4 + 





27. „ 

4 + 





31. „ 

4 + 





3. Juni 

4 + 





9. „ 

2 + 






Erste Starting 


Erste Storung 


Erste Stiirung 


am 40. Tag 


am 21. Tag 


am 16. Tag 


Die Sera zeigen nach verschieden langer Zeit die erste Aenderung 
ihres Verhaltens nach Wassermann. Diese Abweichung besteht bei 
den vorgefiihrten Beispielen jedesmal in einein Schwacherwerden der 


Tabelle II. 


S g 

u fc 
fcOD 

WaR. 
ohne 
Trp. , 

Erste Ab¬ 
weichung des 
Trp.-Serums 
am . . Tag 

S 2 
-3 a 

»J 

WaR. 

ohne 

Trp. 

Erste Ab¬ 
weichung des 
Trp- Serums 
am . . Tag 

Nr. des 
Serums 

WaR. 

ohne 

Trp. 

Erste Ab¬ 
weichung des 
Trp.-Serums 
am .. Tag 

1 

4 

4- 

21 . 

28 

4 

+ 

21 . 

36 

3 

+ 

14. 

o 

4 

+ 

18. 

29 

4 

+ 

28. 

14 

2 

4- 

14. 

3 

4 

4- 

43. 

30 

4 

4- 

28. 

15 

2 

4- 

14. 

4 

4 

+ 

17. 

31 

4 

+ 

14. 

32 

2 

4- 

14. 

5 

4 

4- 

30. 

34 

4 

+ 

28. 

33 

2 

4- 

14. 

7 

4 

+ 

16. 

35 

4 

+ 

24. 

40 

2 

4- 

21 . 

9 

4 

+ 

49. 

37 

4 

+ 

28. 

41 

2 

4- 

18. 

11 

4 

+ 

42. 

38 

4 

+ 

24. 

44 

2 

4- 

14. 

16 

4 

4- 

28. 

39 

4 

+ 

14. 

45 

2 

4- 

14. 

17 

4 

4- 

42. 

43 

4 

+ 

16. 

48 

2 

4- 

14. 

22 

4 

+ 

35. 

46 

4 

4- 

21 . 

49 

2 

4- 

14. 

23 

24 

4 

4 

4- 

4- 

28. 

21 . 

47 

50 

4 

4 

+ 

4- 

14. 

21 . 

Sa. = 41 


Erste Storung 

25 

4 

4- 

40. 

51 

4 

4- 

28. 



= 29 

tag 

26 

4 

4- 

24. 




Ifach pos. = 

14—49 








9 


= 11 

14-21 









3 

» 

= 1 

14 


38* 


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596 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bel. 88. Heft 7/8. 




Digitized b; 


Reaktion. Sie kann aber auch ira plotzlichen Auftreten einer Eigen- 
kemmuug Oder in Abschwachung und Eigenhemmung bestehen. — Es 
soil nun der Ausfall aller 41 Mischseren tabellarisch deinonstriert werden. 

Die Tabelle zeigt, daB bei den 29 Mischseren aus 4fach positiven 
Seren die 1. Storung nach 14—49 Tagen auftritt. Woher dieser ge- 
waltige Zeitunterschied komnit, daruber konnen wir nichts Genaues an- 
geben. Wir nehmen an, daB der Was se r in a n n-Korper nicht stabil 
ist, sondern nach einer gewissen Zeit uuwirksani zu werden beginnt. 
Die Zeitunterschiede ira Versagen der Seren wiirdeu dann nur der Aus- 
druck fur die verschiedenen Mengen des Was ser m an n -Kbrpers sein. 
die sich in den betreffenden Seren bel'anden. Die Reaktion andert sich 
dann, wenn er so weit umgewandelt ist, daB die Reste nicht mehr den 
Grad der Heinmung zu erzeugeu vermogen, wie ihn die Erstuntersuchung 
ergab. Die dann oft auftretende Eigenhemmung ist vielleicht die Folge 
solcher Umwandlung. Jedenfalls beweist diese sich allmahlich heraus- 
bildende Serumeigentiimlichkeit, daB Stoffe iin Serum entstanden sind, 
die vorher fehlten. Fur diese Auffassung der Ursachlichkeit von Urn- 
wandlungsprodukten des Wa.-Korpers fur die hier zu beobachtende 
Eigenhemmung spricht auch der Umstand, daB wir eine Eigenhemmung 
bei trypatlavinhaltigen nach Wa.-negativen Seren nie beobachteten, wie 
spiiter gezeigt werden wird. Die 2fach positiven Seren ergaben die 
1. Abweichung nach 14—21 Tagen, d. h. durchschuittlich fruiter. — Das 
Wesentliche dieser Versuchsreihe ist nun das, daB wir ein konstantes 
Verhalten aller konservierten Mischseren bis zu einent Zeitpunkt, der 
zwischen dem 11. und 14. Tag nach Zusatz des Trypaflavins liegt, er- 
weisen konuten. 

Wir kommen zur 4. Versuchsreihe. Hier wurden selbst entnommene 
Blutproben sofort nach der Eutnahme mit Trypaflavin 1:15000 versetzt 
und mit dem Serum derselben fortlaufend die WaR. angestellt. Die 
Inaktivierung geschah jedosmal vor Anstellung der Reaktion. Eine 
gleichzeitig entnommene Biutprobe, die ohne Trypaflavinzusatz blieb, 
diente als Kontrolle. Eine Tabelle zeigt zunachst die Ergebnisse von 
3 typischen Seren. 


Tabelle III. 


Ser. 

K 38 

Ser. 

K1 38 

Ser. 

K. 29 

WaR. positiv + + + + 

WaR. p 

09itiv -f-f- 

WaR. 

negativ 

angef. 

16. Mai 

angef. 

16. Mai 

angef. 29. Marz 

Datum 


Datum 


Datum 


der Unter- 

Ergebnis 

der Unter- 

Ergebnis 

der LTnter- 

Ergebnis 

suchungen 


suchungen 


suchungen 


20. Mai 

4 + 

20. Mai 

2 + 

1. April 

_ 

24. „ 

4 + 

24. ,. 

2 + 

5. „ 

— 

31. „ 

4 + 

31. 

2 + 

8. ., 

— 

3. Juni 

4 + 

3. Juni 

2 + 

12. „ 

— 

9. „ 

4 + 

9. „ 

— 

15. „ 

— 





21. „ 

— 





20. „ 

— 


Unveriindert bis 


Erste Storung 


Unverandert bis 


zum 25. Tag. 


am 25, Tag 


zum 28. Tag. 


Material ver- 




Material ver- 


braucht. 




braucht. 


Das 4fach positive Serum bleibt unveriindert, solange das Material 
reicht, d. h. bis zunt 25. Tag. Der Tag der 1. Storung muB also spiiter 


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Reichert, Konservierung von Blutproben zur Was ser m an n-Reaktiou. f>97 


angenommen werden. Das 2fach positive Serum zeigt die 1. Abweichung 
am 25. Tag. Das negative Serum bleibt bis zum Verbrauch unverandert. 

Die nachste Tabelle zeigt tibersichtlich das Ergebnis der 25 unter- 
suchten Blutproben: 


Tabelle IV. 


oc ® 

J a 

K'Jl 

WaR. 

ohne 

Trp. 

Erste Ab¬ 
weichung des 
Trp.-Serunis 
am .. Tag 

Is 

u fe 

WaR. 

ohne 

Tip. 

Erste Ab¬ 
weichung des 
Trp.-Serums 
am . . Tag 


N 32 

4 + 

16 

19/9 


21 

25 Proben: 

W 32 

4 + 

16 

P. A. 


31 

Erste Storung 

B 32 

4 + 

24 

Bi 8 

— 

26 

Tag 

K 32 

4 + 

24 

20/90 

— 

28 

4 + = 7 16— ? 

B 38 

4 + 

18 

20/89 

— 

26 

3+ = 2 15—16 

K 38 

4 + 

25 

20/177 

— 

21 

2 + = 2 18-25 

R 38 

4 + 

25 

21/70 

— 

28 

negativ = 14 Alle unverandert 

18/41 

3 + 

15 

21/100 

— 

18 

bis zum Verbrauch 

St 32 

3 + 

16 

V 29 

— 

28 

des Serums. 

K138 

2 + 

25 

26/86 

— 

23 


G 38 

2 + 

18 

26/87 

— 

23 

Die fettged ruck ten blieben bis 

18/40 

— 

18 

K 29 

— 

28 

zum Tag dee Verbrauchs des Ma- 

19/8 

— 

21 




terials unverandert. 


Ihre 1. Rubrik enthSlt die Nummer des Serums, die 2. den Ausfall 
der WaR. ohne Trypaflavinzusatz, die 3. gibt den Tag an, an welchem 
das trypaflavinhaltige Serum die 1. Abweichung vom trypaflavinfreien 
zeigt. Die lettgedruckten sind solche, die bis zum Verbrauch unver¬ 
andert blieben. Die Storung im Ausfall tritt auch bier wieder als Ab- 
nalime der Starke, als Eigenhemmung oder als die Kombination beider 
Phanomene auf. — 4fach positiv sind bier 7 Proben. Sie zeigen die 
1. Storung nach 1G Tagen bis zu einem Termin, der iiber den 25. Tag 
hinaus liegt. Er lieB sich nicht ermitteln, da die beiden betreft'enden 
Sera K 38 und R 38 am 25. Tag verbraucht waren. — Die beiden 
2fach positiven Proben lassen die 1. Abweichung nach 18—25 Tagen 
erkennen. — 14 Proben sind nach Wassermann negativ. Diese 
bleibeu samtlich unverandert, solange das Material reicht. Moglicher- 
weise bleiben sie also ad infinitum brauchbar. Ich weise bier nochmals 
darauf bin, daB diese negativen Proben niemals Eigenhemmung zeigen, 
die wir bei den positiven Seris in ca. 40 Proz. der Fiille beobachteten. 
Es sei hinzugeffigt, daB auch die Reaktionen nach Sachs-Georgi und 
Meinecke (D.M.) mit den angegebenen Trypaflavindosen im Serum 
ausgefiihrt werden kbnnen. 

Diese Ergebnisse stimmen weitgehend mit den beiden Mischseren ge- 
wonnenen iiberein. Wir konnen auf Grund der beiden letzten Versuehs- 
reihen mithin behaupten, daB Wa-positive Blutseren, mit Trypaflavin 
1 : 15000 versetzt, auch bei starker bakterieller Verunreinigung und 
Brutschranktemperatur noch 12—14 Tage nach der Entnahme eine un- 
verlinderte WaR. ergeben. Wa-negative Seren scheinen mit Trypaflavin 
konserviert unbegrenzt haltbar zu sein. 

Filr die Praxis wilrde dies Resultat zur Ueberwindung aller anfangs 
besprochenen Schwierigkeiten ausreichen. Nehmen wir an, daB eine un- 
steril entnommene Blutprobe vor der Absendung 3 Tage beim Arzt steht, 
dann 3 Tage unterwegs ist und dann noch 5 Tage im Laboratorium 


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598 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 

steht, ehe die Reaktion ausgefiihrt werden kann, wobei die ganze Zeit 
eine Teraperatur von 37° herrscht, so muB sie unter Trypaflavinschutz 
noch eine einwandfreie Reaktion geben. Ohne Trypaflavin ware sie unter 
nicht anniihernd so schlechten Bedingungen langst verdorben. 

Das Verfahren scheint uns mithin reif, in der Praxis weiter erprobt 
zu werden. Wir denken uns die Ausfuhrung, so, daB wir den Aerzten 
Trypaflavinldsungen in Starke von 1:750 in Tropfflaschen zusenden. 
Der Einsender braucht dann nur zu je 1 ccm Blut 1 Tropfen der Losung 
hinzuzufiigen. Da auch noch etwas stSrkere Konzentrationen des Trypa- 
flavins etwa bis 1:12000 die WaR. nicht storen — wie uns diesbeziig- 
liclie Versuche lehrten — so ist es nicht schlimm, wenn zufallig ein 
Tropfen Farblosung zuviel in die Blutprobe fallt. Die Abraessung des 
Blutes geschieht wohl am einfachsten so, daB der Arzt zuerst 10 ccm 
Wasser in sein VersandgefaB einfiillt, das GefaB damit graduiert und 
dann das Blut bis zur Marke einlaufen lafit. Die minimale Menge 
Wassers, die an der Glaswand haften bleibt, ist nach unseren Fest- 
stellungen ohne EinfluB auf die Reaktion. Gleichzeitig muBten wir dann 
noch eine Blutprobe ohne Trypaflavin erhalten. Hierbei konnen zunachst 
nur Aerzte in Jena oder solche aus nachster Umgebung mitarbeiten, 
damit wir sicher sind, daB die trypaflavinfreien Proben durch die sommer- 
liche WSrme wShrend des Transportes nicht gelitten haben und so als 
einwandfreie Kontrolle brauchbar sind. 

AuBerdem bietet unsere Methode Vorteile fur solche WaR.-Labora- 
torien, die nicht flber ausreichende Eismengen zum Schutz ihrer Seren 
vor der sommerlichen Temperatur verfiigen. Sie brauchen statt Kalt- 
stellen die einlaufenden Seren nur rait der angegebenen Trypaflavin- 
menge zu versetzen. Ferner bietet das Verfahren auch neue experi- 
mentelle Moglichkeiten, sofern der Versuch erfordert, dasselbe Serum 
oder dasselbe Serumgemisch langere Zeit wiederholt nach Was ser¬ 
in an n zu untersuchen. Wir hoffen, daB auch auf diesem Wege unsere 
Methode nachgepriift werden wird. 


Liter aturverieichnis. 

Abderhalden, Die Abwehrfermeute. Berlin (Springer) 1911. — B&chmann, 
Serologische Studien mit dem Interferometer. (Ztschr. f. Immunitatsf. Bd. 33. S. 551.) 
— Bitter, Konservierung von Seren mit Glyzerin. (Zentralbl. f. Bakt. Bd. 87. S. 560. — 
Hirsch, Fermentstudien. Jena (Fischer) 1917. — Strafimann, Dtsch. med. 
Wochenschr. 1922. S. 5(30. — Wagner, Hyg. Rudsch. 1921. S. 673. — Bachmann, 
Zeitschr. f. Immunitatsf. Bd. 33. S. 233. 


Nachdruch verboten. 

Eine kritische Bemerknng zur Sulfltentfarbung des 

Tuberkelbazillus. 

[Arbeit aus dem Chemisch-Bakteriologischen Laboratorium von Dr. 

v. Bergen in Leysin.] 

Von Dr. ing. J. von Bergen, Leysin, Mont Choisi. 

In der Bakteriologie hat wohl keine mikrochemische Untersuchungs- 
methode so zahlreiche Modifikationen erfahren, wie die Ziehlsche zur 


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LIRE'A -H-__ _ 



v. Bergen, Kritische Bemerkung zur Sulfitentfarbung des Tuberkelbazillus. 599 

Dififerenzierung der Tuberkelbazillen. Diese Methode wurde vor mehr 
als V* Jahrhundert, in Abanderung der Ehrlichschen FSrbeweise, ein- 
geffihrt und hat sich bis heute in der Neelsenschen Modifikation be- 
wahrt und gegenfiber alien anderen, ob es sich nun urn bloBe Abfinde- 
rungen Oder Neuerungen handelt, behauptet. Erst durch die Arbeiten 
von K on rich (1) scheint. die Ziehl-Neelsensche Technik etwas an 
Boden verlieren zu wollen. Verschiedene Autoren, wie Spreitzer (2), 
Bender (3), Bernb 1 um (4), Mazza und Nino (5), welche die Kon- 
richsche Modifikation nachgepriift haben, kommen einstimmig zu einem 
Schlusse in anerkennendem und empfehlendem Sinne. 

Was die Sulfitentfarbung betrifft, so ist diese schon lange vor der 
Publikation Ron rich s zur Dififerenzierung der Tuberkelbazillen ange- 
wandt worden, allerdings kombiniert mit dem Alkoholbad. Wir erinnern 
nur an die Arbeiten Ehrlichs, Besangon und deJong, Cal¬ 
mettes u. a. m. Auch wir gebrauchten Natriumsulfit schon seit einer 
Reihe von Jahren in unserem Laboratorium zur EntfSrbung von Fuchsin, 
und zwar konzentrierte Losungen zum Entfernen von Fuchsinflecken 
und schwfichere zur Dififerenzierung von Tuberkelbazillen, letztere in 
Verbindung mit 60-proz. Alkohol. W r ir konnten aber, im Vergleich mit 
verdiinnter Salpetersaure als Entffirbungsmittel, keine Vorteile finden 
und gaben diese Methode, von Einzelfallen abgesehen, wieder auf. Erst 
auf die Empfehlung einer Autoritat, wie Calmette, nahmen wir die 
Sulfitdiflferenzierung, in 1-proz. Losung wieder auf, und als etwas sp&ter 
die Ron rich sche Publikation herauskam, schien uns die ganze Frage 
einer nochmaligen Priifung wert. 

Wir gingen dabei folgendermaBen vor: zur Entfarbung wurden 1- 
und 10-proz. Losungen von Natriumsulfit (Natrium sulfurosum purum, 
siccum) hergestellt. Als Farbfliissigkeit diente eine 10-proz. alkoholische 
Losung von Fuchsin Grfibler (das salzsaure Salz der Rosanilinbase 
mit 1 Aequivalent S&ure) in 5-proz. Phenolwasser 1 :10. Urn ein stets 
gleichmfiBiges Farbmaterial .zur Hand zu haben, bereiten wir uns sowohl 
die alkoholischen Losungen (durch Rochen am RfickfluBkfihler), als auch 
die Rarbolfuchsinlosung selbst zu. Wir stellen diese letzte Lfisung nur 
in kleinen Mengen, gewohnlich jeden Tag frisch her. Vor dem FSrben 
wird die Lfisung erwSrmt, urn eventuell suspendierte Farbstoflfteilchen 
wieder in Losung zu bringen. Gefarbt wurde, der Rftrze halber, fiber 
freier Flamme bis zum Sieden der Farbfliissigkeit. Nach dem AbgieBen 
des Farbstoflfes und nach dem Erkalten des ObjekttrSgers wird dieser, 
ohne Wasserspfllung, in die Sulfitlfisung gebracht. Zur Dififerenzierung 
wurden nun 2 verschiedene Wege eingeschlagen, einmal Entffirben in 
1- und 10-proz. Sulfitlfisung ohne Alkohol und das andere Mai gleiche 
Entfarbung, aber Nachbehandeln mittels 60-proz. Alkohol. 

Es wfirde zuviel Raum einnehmen, die Resultate unserer zahlreichen 
Versuche hier in extenso folgen zu lassen. Wir mfissen uns daher mit 
einer kurzen Uebersicht begnfigen. Unsere Versuche erstrecken sich 
auf folgendes Bazillenmaterial: 

a) Tuberkelbazillen: 

Tuberkelbazillen aus Auswurf, Urin, Fazes, Abwasser etc. — Tu¬ 
berkelbazillen verschiedener Herkunft nach Antiforminanreicherung. — 
Tuberkelbazillen Typus humanus-Reinkultur, dann sog. homogene Rul- 
turen von Prof. Courmont, Fisch- und Froschtuberkelbazillen. 


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1 


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000 Ceutralbl. f, Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 7/8. 


b) andere saurefeste St&nime: 

Smegmabazillen in Iieinkulturen, Smegmabazillen aus Urin.— Saure¬ 
feste Bazillen Stamm „Tobler IV U . 

Urn unter moglichst gleichartigen Bedinguugen zu arbeiten, wurden 
von dem obigen Material mehrere Ausstriche auf ein und denselben 
Objekttrkger lixiert; z. B. neben tuberkulosem Auswurf, Tuberkelbazillen 
in Reinkultur, Smegma aus Urin, ein saurefester Stamm etc. etc. Wir 
fiirbten und differenzierten so unter absolut gleichen Bedingungen und 
die Resultate waren streng miteinander vergleicbbar. Gefarbt wurde 
mit maximaler Intensitiit, dann erfolgte, wie oben erwahnt, Difi'eren- 
zierung. 1) mit 1 und 10-proz. Natriumsulfitlbsung und 2) mit 1- und 
10-proz. Natriumsulfitlosung mit GO-proz. Alkoholbehandlung. 

Wir begannen mit einer 1 Min. dauernden Sultitbehandlung und 
steigerten die Entf&rbungszeit bis auf 90 Std., d. h. ca. 4 Tage. Die 
eine Serie der gefarbten Ausstriche wurde nacli dem Sulfitbade mit 
Wasser abgesptilt, mit Methylenblau l ) nachgefarbt und untersucht; die 
andere nach der Sulfitentfarbung mit Aethylalkohol behandelt. Und zwar 
wurden die Praparate so lange im Alkohol gelassen, bis sie vollkommen 
farblos erschienen; dies nahm, je nach der vorausgegangenen kiirzeren 
Oder liingeren Sultitbehandlung, verschieden lange Zeit in Anspruch (bei 
1 Min. Verweilen im Sulfitbade z. B. 2—4 Min.). Die in iiblicher Weise 
mit Karbolfuehsin gefarbten Tuberkelbazillen erwiesen sich gegeniiber 
Natriumsulfitlosungen sehr widerstandsfahig. Die bis zu 90 Std. im 
Sulfitbade verweilenden Bazillen waren noch gefarbt, allerdings ziemlich 
blaB, aber immerhin noch deutlich erkenubar. Wird nur mit Sulfit dif- 
ferenziert, so nimmt die Entfarbung langere Zeit in Anspruch. Uni ein 
vollkommen klares, durchsichtiges und farbloses Praparat zu erhalten, 
muB die Sulfitlosung iiber V 2 Std. einwirken. Bei kiirzerer Entfarbungs- 
zeit wird beim Abspiilen mit Wasser der rote Farbstoff zum Teil regene- 
riert. Diese Rotfarbung verstarkt sich beim Trocknen noch ganz be- 
deutend und wirkt auf die Gegenfarbung (besonders bei Malachitgrun) 
sehr storend. 

Bedeutend bessere Resultate werden erzielt, wenn nach der Sulfit- 
behandlung ein 60-proz. Alkoholbad eingeschaltet wird. Es geniigt dann, 
den gefarbten Ausstrich einige Sekunden in die Sulfitlbsung zu taucheu, 
uni nachher im Alkoholbade eine vollkommene Entfarbung zu erzielen. 
Im Gegensatz zu den nur mit Sulfit entfarbten Prfiparaten, verschwindet 
eine Ieichte Rosafarhung beim Abspiilen mit Wasser. Auch beim Trocknen 
kommt dieselbe nicht mehr zum Vorschein. Wichtig scheint mir, zu 
zu erwahnen, daB alle diese Ergebnisse sich auf ganz frischbereitete 
Natriumsulfitlosungen beziehen. Der groBe Nachteil der Methode ist 
nun der, daB die wasserigen Sulfitlosungen sehr schnell ihren Gehalt an 
sclnvefliger Siiure andern, oder, mit anderen Worten, daB das Sulfit zu 
Sulfat ox} r diert wird und dadurch die Entfarbungskraft einbfiBt. 2 Bei- 
spiele mogen dies erlautern. 

Eine Lftsung von 4.408 g SOj entspr. 8,67 g Na,SO a , 
batte am 4. Tage noch 1,802 „ „ 

„ 5. „ 0 „ „ ; oder eine Losung von 

22.08 „ „ enUpr. 43,3 g Na,80,, 

.» .. 4. „ „ 7,500 „ „ 

und „ 5. „ „ 0,208 „ „ 


1) Malachitgrun als (Jegenfarbe bietet gegeniiber der von uns angewandten Lopung 
von Loeff Ierschem Methylenblau (in 4-facher Verdiinnung) keine Vorteile. 


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v. Bergen, Kritische Bemerkung zur Sulfitentfarbung des Tuberkelbazillue. 601 

Die Zersetzung ist sorait eine sehr rasche. Die Mitteilung von 
Mazza und Nino, wonach solche Losungen nicht langer als 4 Tage 
gebrauchsfahig bleiben, ist vollauf gerechtfertigt; wir mbchten noch 
weiter gehen und sagen, daB der Sulfitlosung iiberhaupt nur eine prak- 
tische Bedeutung zukommt, wenn diese taglich frisch hergestellt wird. 
Als weiterer Nachteil kommt ferner dazu, daB auch Natriumsulfit als 
Substanz kein bestandiger Korper ist, sondern leicht, verwittert (oxy- 
diert) und man somit nie genau weiB, ob die hergestellte Lbsung der 
gewiinschten Konzentration entspricht. (Vorausgesetzt, daB man den 
S0 2 -Gehalt nicht titrimetrisch rait Jodlosung bestimmen will.) 

Was die Entf&rbungskraft von Sulfitlosungen gegeniiber Kaltbliiter- 
tuberkelbazillen und anderen saurefesten Bakterien betrifft, so erwiesen 
sich auch diese Mikroorganismen als weitgehend sulfitresistent. Abge- 
sehen von einer mehrstiindigen Einwirkungsdauer, die in der Praxis 
kaum in Betracht kommt, war in keinem Falle eine vollkommene Ent- 
fSrbung zu erzielen. Am empfindlichsten zeigen sich Froschtuberkel- 
und Smegmabazillen aus Urin. Der Auffassung Mazza und Ninos 
kbnnen wir nicht beipflichten. Mikrochemisch ist eine Differentialdia- 
gnose der verschiedenen saurefesten Bazillen nicht einwandfrei durch- 
zufiihren, ganz besonders aber nicht mit Sulfit, mit oder ohne Alkohol- 
behandlung. 

Gestiitzt auf unsere Versuche, kommen wir zu folgender SchluB- 
folgerung: 

Die von K on rich angegebenen ftesultate der modifizierten Ziehl- 
N e e 1 s e n schen Methode konnen wir insoweit bestatigen, daB es mbglich 
ist, die mit Karbolfuchsin geffirbten Tuberkelbazillen nur rait 10-proz. 
Natriumsulfitlbsung zu entfiirben; die Entfarbungszeit dauert aber sehr 
lange. Bessere Resultate werden erzielt mit einer kombinierten Sulfit- 
alkoholbehandlung. Wir sind der Ansicht, daB frisch bereitete LOsuugen 
in Konzentrationen von 1 —10 Proz. in Verbindung mit 60-proz. Alko- 
hol ebenso leistungsfahig sind, wie z. B. verdiinnte H,S0 4 , HC1 oder 
UNO,. Die Sulfitenfarbung ist weniger brutal, d. h. die histologischen 
Feinheiten eines PrSparates oder eines Schnittes bleiben ganz unbeein- 
fluBt. Wenn wir gleichwohl die Sulfitenfarbung ablehnen, so ist es 
einzig und allein aus dem Grunde, daB Natriumsulfit, speziell in wasse- 
rigen Losungen, ein sehr unbestandiger Kbrper ist, so daB zu den un- 
kontrollierbaren Unterschieden in den physikalischen Bedingungen der 
F&rbungstechnik ein weiterer kommt: die groBe Inkonstanz der Ent- 
farbungsfliissigkeit. 

Wir begreifen die Motive, die Konrich veranlaBten, die Alkohol- 
behandlung wegzulassen; wir miisseu aber, vom bakteriologischen Stand- 
punkte, eine Methode ablehnen, die, allein aus okonomischen GrOnden, 
eine Verschlechterung erfahren hatte. Um wirklich einwandfrei gefarbte 
Ausstriche zu erhalten, ist sowohl die Saure als auch der Alkohol zur 
Differenzierung nbtig. Wir haben wahrend der letzten 12 Jahro, in 
welchen wir uns fast ausschlieBlich mit der bakteriologischen Diagnostik 
der Tuberkulose beschaftigten, Gelegenheit, alle Neuerungen, besonders 


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602 OentralbL f. Bakt. etc. i. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 

auf mikrochemischem Gebiete, nachzupriifen und kommen einmal mehr 
zu dem SchluB, daB der Ziehl-Neelsenschen Technik immer noch 
der Vorrang zukommt. 

Die Worte L 6 wen steins (9), „die beherrschende Methode, die 
die Grundlage der Tuberkulosediagnose vorlaufig bleiben muB, ist die 
Ziekl-Neelsensche; sie liefert die einwandfreiesten Bilder und ist 
auch am handlicksten u , machen auch wir zu den unsrigen. 


• Literatur. 

1) Konrich, Eine neue Farbung fiir Tuberkelbazillen. (Dtseh. med. Wochensehr. 
1920.) — 2) Spreitzer, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. H. 6.) — 3) Ben der, 
ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 86. H. 6.) — 4) Bernblum, ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 87.) 
— 5) Mazza u. Nino, Prensa med. argentina. 1921, zit. n. Bull, de l’lnst. Pasteur. 
T. 20. No. 7.) — 6) Ehrlich, zit. n. Kolle u. Wassermann. Bd. 5. — 7) Bezan- 
con et de Jong, Traits de l’examen du crachat. — 8) Calmette, L’infection bacil- 
laire et la tuberculoae etc. Paris (Masson & Cie.) 1920. — 9) Lowenstein, Vorlesungen 
iib. Bakteriol., Immunitat, spezif. Diagnostik u. Therapie der Tuberkuloec. Jena (G. 
Fischer) 1920. 


Inhalt. 


v. Bergen, J., Eine kritische Bemerkung 
zur Bulfitentfiirbung des Tuberkelbazil- 
lus, B. 598. 

Hajds, K., Beitrage zur Frage der wachs- 
tumshemmenden Wirkung von Bouillon- 
kulturen, B. 583. 

Ishiwara, Fnsao, Eine praktische Agglu- 
tinationsmethode und iiber die Agglu- 
tinationserscheinung in verschiedenen 
Gasatmospharen. Mit 1 Abbildung im 
Text, S. 585. 

Jannechke, E., Atypischer Paratyphus 
beirn Huhn, S. 518. 

Jnngeblut, Clans W., Ueber die bakteri- 
zide und entwicklungshemmende Kraft 
des Aethers. Ein Beitrag zur Frage der 
Aetherbehandlung der Peritonitis, S. 562. 

Klein, B., Zur Frage der Garungsagglu- 
tination, S. 589. 


Kodama, H., u. Takeda, H., Eine neue 
biologische Beaktion der Cholera vibrio- 
lien, B. 513. 

Reichert, Fr., Ueber die Konservierung 
von Blutproben zur Wassermann- 
schen Reaktion, S. 593. 

Bother, Wilhelm, Ueber den D5der- 
leinschen Scheidenbazillus, S. 558. 

— —, Ueber den Glykogengehalt von 
Nahrmitteln, S. 560. 

Saul, E„ Untersuchungen zur Aetiolojpe 
und Bioiogie der Tumoren. XXIV. Mit- 
teilung. Die Bioiogie der Coccidien mit 
Beriicksichtigung der Tumorpathologie. 
Mit 18 Abbildungen im Text, S. 548. 

Shiga, Mitsno, Zur Frage der Aetiologie 
der Ozana, S. 521. 

Toyoda, Hidezo, Ueber die Serumfestig- 
keit des Typhusbazillus, B. 539. 


Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) iu Jena. 


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Inhaltsverzeichnis 


I. Verzcichnis der in Band 88 entlialtenen Arbclten. 


Adelmann, Leonid, Tuachekulturmelhode 
und Teilungsvorgange bei Bakterien. 401 
Aoki, K., u. Honda, M., Ueber die hiimo- 
lytische Wirkung dee Magensaftea der 
Seideuraupen 140 

-Ueber die immunisatorische Spezi- 

fitat dea Magenaaftea der Seidenraupen 
und ihre Beziehung zu den anderen Ge- 
weben. 135 

Arndt, Arthur, Zur Technik der Amoben- 
ziichtung. 417 

AtunaaolT, A., Ein neuea Reagenzglas. 511 
Bach, F. W., Bemerkunpen zu dem Ar- 
tikel „Universalpipette fiir aerol. Arbeiten 
(8peziell fiir W ass erneann-Untersuch- 
ungen rait '/« Dosen)“ von Dr. Georg 
Blumenthal. 255 

—. Zur farberischen Daratellung derKapael- 
bakterien. 510 

Bachmann, W., Ein Fall von Aktinomyces- 
Varietat. ’ 6 

Becker. Kudolf, Der Genitalapparat der 
Pferdebandwiirmer. 483 

v. Bergen, J., Eine kritiache Bemerkung 
zur Sulfitenfarbuug dea Tuberkelbazillua. 

598 


Bien, Z., Die Saureagglutiuation der Weil- 
Felixschen X-Stamme. 177 

Bitter, Ludwig, Zur Unterscheidung der 
Erreger von Enteritis- und Paratyphus- 
erkrankungen. " 435 

Boskainp, Erwin, Uelier Bau, Lebenaweiae 
und ayatematiache Steilung von Seleno- 
monas palpitanH ^imona), 58 

Chiba, 8 ., Die Verwendung der trockenen 
Hitze bei der Heratellung von Vakzinen 
(Typhus-, Dyaenteriebakterien und Cho- 
leravibrioncn). 79 

-, Ueber die Verwendung von Salzen 

und Zucker zur Heratellung von Typhus- 
trockenvakzin. 76 

Chou, C. (X, a. Otto, II. 

Coniberg, Maria, Ueber die Uraache der 
Gra m - Veranderlichkeit anaerobor Bak¬ 
terien. 423 

Eckstein, Fritz, Beitrage zur Kenntnia 
der Btechmiickenparasiten. 128 

Epstein, H., Ueber eine neue Methode der 
Blutzellen- und Blutparasitenfarbung. 
Vorlaufige Mitteiluug. 165 

ErisniHiin, Hermann, a. Frei, Walter. 
Frcl, Waiter, u. Erismann, Herniann, 
Beitrage zur Theorie der Bakterienfil- 
tration. 306 


Freund, Ferdinand, Ueber eine durch ein 
anaerobes Bakterium hervorgerufene Me¬ 


ningitis. Ein Beitrag zur Bakteriologie 
der pathog. Anaerobier. 9 

Gerluch, F., Uebertragung der Immunitat 
einea Geflugelcholeraserurnpferdes auf das 
Fohlen. 39 

Gersbach, A Hons, Der Nachweia fakaler 
Wasaerverunreinigung mittels der Indol- 
probe. 145 

—, Ueber die Wendigkeit der Kolonie- 
auslaufer dea Bacillus mycoidea. („Iao- 
nierie" bei Bakterien.). 89 

Gina, II. A, Mikroskopiache Befunde bei 
experimcnteller Maul- und Klauenaeuche. 

265 

—, u. Welter, R., Ueber experimentelle 
Maul- und Klauenaeuche. 180 

Goerttler, \’., a. Pfeiler, W. 
v. Gutfeld, Fritz, Ueber die Heratellung, 
Priifuug und Verwendbarkeit- haltbarer 
Typhus- und Choleraimpfatoffe (Trocken- 
impfatoffo). 455 

liage, Zur Frage dea Vorkommens autoch- 
thoner Amobenruhr in Deutschland (nach 
Stuhluntersuchungen in Thiiringen). 107 
llajos, K., Beitrage zur Frage der wachs- 
tumahemmenden Wirkung von Bouillon- 
kulturen. 583 

Heuer, G., s. PottholT, P. 

Heuer, Georg, Dor EintluB der ultravio- 
letten Strahlen auf Antikfirper in vitro. 

380 

Ucymann, Bruno, Zum 40-jahrigen Ge- 
denktage der Entdeckung dea Tuberkel 
bazillua. Ansprache, gehalten in der 
Berliner Mikrooiologiachen Gesellachaft 
am 24. Marz 1922. 337 

Iiilgermanti, Bemerkungen zu den Aus- 
fuhrungen von Herrn Dr. Par d i: „Ueber 
die Natur der leukozytiiren Einschliisae 
bei Encephalitis lethnrgica". (Centralbl. 
f. Bakt. Abt. I. Grig. Bd. 87. H. 6.). 378 
Hintze, K., u. Kiihne, It., Zur Frage der 
Umwandlung hamolytischer Strepto- 
kokken in die griin wachsende Form. 352 
Hoefer, P. A., Uober die Verweudbarkeit 
pbysiknlischer Method en zur Unter- 
suchuug des Bakterienwachstums und 
der dabei auftretenden Veranderungen 
in fliisaigen NiihrbOden. 171 

Honda, M., a. Aoki, K. 

Ishiwarn. Fusao, Eine praktische Agglu- 
tinationsmethode und iiber die Aggluti- 
nntionserscheinung in verschiedenen Gaa- 
atmospbaren. 585 

Jantischke, E., Atypischer Paratvphus 
beim Hubn. 518 


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604 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


Jungeblut, Claus, W., Ueber die bakteri- 
zide und entwicklungshemmende Kraft 
des Aethers. Ein Beitrag zur Frage der 
Aetherbehandlung der Peritonitis. 562 
Klarenbeek, A., Die Kaniuchentrepone- 
mose. 3. Mitteilung. 73 

Klein, B., Zur Frage der Giirungsagglu- 
tination. 589 

—, u. Slesarewski, W., Ueber Aggluti¬ 
nation bei Garungen von Kohlehvdraten. 

143 

Kodama, H., Ein neuer elektiver Nahr- 
boden fiir Choleravibrionen. 433 

—, u. Takcda, II.. Erne neue biologische 
Reaktion der Choleravibrionen 513 
Konr&di, Daniel, Die Virulenz der Ce- 
rebrospinalflussigkeit bei der mensch- 
lichen Wut. 113 

Kotl&n. A., Giardien (Laiublien) in Vogeln. 

54 

KUline, R.. s. Hlnt/.e, K. 

Kuhn, Phllalethes, Untersuchungen iiber 
die Fliegcnplage in Deutschland. 186 
Levens, Erich, Kritische und experimen- 
telle Beitriige zur Bakteriologie des Ge- 
burtsrauschbrandes beim Rinde. 474 
van Loghem, J. J. Aenderungen bei Bak- 
terien, aufgefaSt als adaptative und re¬ 
gressive Aenderungen wahrend der indi- 
viduellen Existenz. 257 

LSwi, Emil, Ueber die Benennung des Bac. 
crassus Lipsch., seine Stellung im System 
und Allgemeines iiber Nomenklatur und 
Systeinatik. 1 

Luhinski, Herbert, Die Sterilitat des zur 
Pasteurschen Schutzimpfung verwen- 
deten Kaninchenriickenmarkes. 43 

Mail 1 , Shin, Experimentelle Versuche bei 
Goldfischen (Carassius auratus) mitsaure- 
festen Bazillen. 28 

Martini, E., Die Eidonomie der Floho, als 
Beweis fiir ihre stammesgeschichtliche 
Herkunft. 205 

Muyeda, Tomosuke, Ueber die Vuzin- 
festigkeit der Staphylokokken und ihre 
Beziehung zum Staphylolysin. 222 

Nieschulz, Otto, Ueber die Benennung 
des Schweinecoccids. 379 

Olitzki, Leo, Ueber die knlturelle und sero- 
logische Unterscheidung des Bacillus 
breslaviensis voin Paratyphus B-Bazillus. 

460 

Opitz, Hans, Immunisierungsversuchegegen 
Diphtherie beim Menschen. 262 

Otto R., u. Chou, C. C., Ueber die Wider- 
standsfahigkeit des Fleckfiebervirus im 
Meerschweinchengehirn. 467 

Pfeiier, ff., Kasuistische Mitteilungen iiber 
ein anscheinendes Versagen der Bayer 
205-Behaudlung bei an natiirlieher Be- 
schiilseuche leiaenden Pferden. 48 

—, u. Goerttler, V., Die Itnusehbrand- 
diagnose durch einen komplizierten Tier- 
versuch, dargestellt an einem Falle aus 
der Praxis. 472 

PottholT, P., u. Heuer, G., Der EinfluS 


der ultravioletten Strahlen auf die Anti- 
korper in vivo. 299 

Reichert, Fr., Ueber die Konservieru ng 
von Blutproben zur Wassermann- 
schen Reaktion. 598 

Rene V., Ueber eine neue Modifikation 
der Spirochatenfarbungsmethode. 174 
van Riemsdijk, M., Ueber einen neuen, 
einfachen Sauerstolfindikator fiir die 
Ziichtung von anaeroben Bakterien und 
die Kultur von Anaerobionten im allge- 
meinen. 229 

Rotber, Wilhelm, Ueber den Doderlein- 
schen Scheidenbazillus. 558 

—, Ueber den Glykogengehalt von Nahr- 
mitteln. • 560 

Salus, Gottlieb, Zur Phenol- und Indol- 
bildung durch Bakterien und zum Nach- 
weis dieser Korper in Kulturen. 103 
Sasakawa, Maseo, Zur Systeraatik patho- 
gener und parasitischer Hefen, Mor- 
phologisch-biochemische Studie. 269 
Saul, E., Untersuchungen zur Aetiologie 
und Biologie der Tumoreu. XXIV. Mit¬ 
teilung. Die Biologie der Coccidien mit 
Beriicksichtiguug dor Tumorpathologie. 

448 

Scheunert, Artlmr, u. Sehieblich, Martin, 
Studien iiber die Magendarmfiora poly- 
neuritischerTauben und die Bildunganti- 
neuritischen Vitamins durch Darmbak- 
terien. 290 

-, Ueber die Magendarra flora der Haus- 

taube. 122 

Sehieblich, Martin, s. Scheunert, Arthur. 
Schmidt, Ludwig, Ueber das Verhalten 
von Keimen auf der auSeren Haut gegen- 
iiber ultraviolettem Lichte. 286 

Schumacher, J., VVelche chemische Sub- 
stanz baut die Polkornchen dee Di- 
phtheriebazillus auf?. 362 

Seiffert, W., Vergleichende Farbeversuche 
an lebenden und toten Bakterien. 151 
Shiga, Mitsuo, Zur Frage der Aetiologie 
der Ozana. 521 

Simons, Hellinuth, Saprophvtische Oscil- 
larion des Menschen und der Tiere. 501 
Slesarewski, W., a. Klein, B. 

Split, Wilhelm, Zur Frage der Kokto- 
stabilitat gebundener immunkorper. 387 
Toyoda, llidezo, Ueber die Serumfestig- 
keit des Typhusbazillus. 539 

Trawihski, Alfred, Ueber eine durch die 
Stabchen aus der Gartner-Gruppe her- 
vorgerufene Meerschweinchenepidemie, 
mit besonderer Berucksichtigungder Mor¬ 
phologic u. Biologie dieser Stiibchen. 24 
Trocstcr, C., Verfahren zum Zahlen ab- 
getoteter Bak ter i en in Aufsch vvem mun gen. 

252 

Tsukahara, I., Untersuchungen uber das 
Vorkommen von Diphtheriebazillen in 
der Scheide von Gebiirenden und W6ch- 
nerinnen sowie bei Neugeborenen. 366 
Unna, P. G., Das Wesen der Giemsa- 
Farbung. 159 


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I n halts verzeichn is. 


605 


Vierllngr, K., Lackmusmolke aus Mager- 
milchpulver. 93 

—, Zum Ersatz der Lugolschen Losung 
bei der Gram -Farbung. 169 

Yorsehlitz, Josef, Die Bakterienaggluti- 
nation im erkrankten Blute. 394 

Weber, R. s. Gins, H. A. 

Welse, Kurt, Bioskopische Methoden im Rea- 
genzglase fur deu Nachweis der Lebena- 
fahigkeit eines Gewebes, insbesondere der 
Mausetumoren und ihre Verwendung fiir 
die Analyse der Strahlenwirkung. 115 


Winkler, W. F., Die Kombination der 
fc>achs-Georgi-Reaktion (S.-G.-R.) 
und der Dritten Modifikation der Mei- 
n icke- Reaktion (D.-M.-R.) bei der Sero- 
diagnostik der Lues. 374 

Zeililer, Johannes, Binokulares Platten- 
kulturraikroskop. 430 

Zorn, Weiner, Die quantitative Ueberlegen- 
heit der Leuchtbildmethode nach Hoff¬ 
mann, gegeniiber der Hellfeldbetrach- 
tung von Tbc.-Bazillen. 95 


II. Sacliverzeiclitiis. 


Actinomyces-Varietat. 6 

Aether, bakterizide und entwicklungshem- 
mende Kraft. 562 

Agglutination bei Garungen von Kohlc- 
hydraten. 143 

— im erkrankten Blut. 394 

— in verschiedenen Gasatmospharen. 585 

Agglutinationsmethode, praktische. 585 
Amobenruhr, Vorkomm. in Deutschland. 107 
Amobenziichtung, Technik. 417 

Anaerobier, Gram-Veranderlichkeit 423 
—, Kultur derselben. 229 

—, pathogene, Bakleriologie. 9 

Anoplocephala magna, Genitalapparat. 483 

— mamillana, Genitalapparat. 483 

— perfoliata, Genitalapparat. 483 

Antikorper, EinfluB ultravioletter Strahlen. 

299. 380 

Bacillus brcslaviensis, Unterscheidung vom 
Bac. paratyphi B. 460 

— crassus Lipschiitz, Stellung im System. 1 

— mycoides, Wendigkeit der Kolonieaus- 

laufer. 97 

Bakterien, adaptative und regressive Aende- 
i ungen. 257 

— der Haut, Verhalten gegen ultraviolettes 

Licht. 286 

Bakterienfiltration, Theorie. 306 

Bakterienwachstum, Untersuchung mittels 
physikalischer Methoden. 171 

Bakterienzahlung. 252 

Band wiirmer der Pferde, Genitalapparat. 483 
Bayer 205, Behandlung der Beschalseuche. 48 
Beschalseuehe, Behandl. mit Bayer 205. 48 
Blut, Konservierung 593 

Rlutzellen, Fiirbung. 164 

Bouillonkulturen, wachstumhemmendeW'ir- 
kung. 583 


Fiirbeversuche an lebenden und toten Bak¬ 
terien. 151 

Farbung v. Blutzellen u. Blutparasiten. 164 

— Kapselbakterien. 510 

— Spirochaten, neue Modifikation. 174 

— Tuberkelbazillen 598 

Filtration von Bakterien, Theorie 306 
Fischtuberkelbazillen. 29 

Fleckfiebervirus im Meerschweinchengehirn, 

Resistenz. 466 

Fliegenplage in Deutschland. 186 

Flohe, Eidonomie. 205 

Gefliigelcholera. 39 

Geburtsrauschbrand, Bakteriologie. 474 
Gewebe, Nachweis der Lebensfiihigkeit. 115 
Giardien. 54 

Giemsa, Farbung, Wesen. 159 

Glykogengehalt von Nahrmitteln. 560 
Gram-P'arbungbei anaeroben Bakterien. 423 
—, Ersatz der Lugolschen Losung. 169 

Haustaube, Magendarmflora. 123 

Hefen, Systematik pathogener und para- 
sitischer. 269 

HellfeldbetrachtungvonTuberkelbazilen. 95 
d’Herellescher Bakteriophage. 583 

Impfstoffe, Trocken-, Herstellung. 76. 79. 

455 

Immunkorper, gebundene, Koktoslabilitat. 

387 

Indolbildnng durch Bakterien,Nachweis. 103 
Indolprobe, Nachweis bei lakaler Wasser- 
verunreinigung. 145 

Kaninchentreponemose. 73 

Kapselbakterien, Farbung. 510 

Kohlehydrate, Agglutination bei Garungen. 

143 


Choleratrockenimpfstoff, Herstellung. 79.455 
Choleravibrionen, elektiver NahrbocTen. 433 


—, neue biologische Reaktion. 513 

Cocciden, Tumorpathologie. 548 

Diphtheric, Immunisierung. 262 

Diphtheriebazillus, Polkornchen. 362 

—, Vorkomnien. 366 

Doderleins Scheidenbazillus. 558 

Eimeria debliecki Douwes 379 

Encephalitis lethargica. 378 

Enteritiserreger, Unterscheidung von Para- 
typhuserregern. 435 


Koktostabilitiit gebund. Immunkorper. 387 
Konservierung von Blutprobcn. 593 

Kultur von anneroben Bakterien. 229 

Lackmusmolke aus Magermilchpulver. 93 
Lamblien. 54 

Leprabazillen, V T ersuche bei Goldfischen. 36 
Leuchtbildmethode nach Hoffmann. 95 
Licht, ultraviolettes, EinfluB auf Anti- 
korper. 299. 380 

—, —, Verhalten von Keimen. 286 

Lugolschc Fxisung, Ersatz bei der Gram- 
farbung. 169. 


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606 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. 


Originate. Bd. 88. Heft 7/8. 


Magerrailchpulver fur Lackmusmolke. 93 
Miiusetumoren. 115 

Maul- und Klauenseuche, experimen telle. 180 
— —, Zelleinschliisse. 265 

Meinickereaktion bei Syphilis. 374 

Meningitis, hervorgerufen durch anaerobe 
Bakterien. 9 

Meerschweinchen-Epidemie durch Gartner- 


24 
430 
133 

560 

501 
501 
501 
521 

Parasiten, Blut-, Fiirbung. 164 

— der Stechmiicken. 128 

Paratyphus, atypischer, beim Huhn 518 
Paratyphuserreger, Unterscheidung. 435.460 
Pasteureche Scnutzimpfung. 43 

Peritonitis, Aetherbehandlung. 562 

Pferdebandwiirmer, Genitalapparat. 483 
Phenolbildung durch Bakterien, Nachweis. 

103 


bazillen. 

Mikroskop, Plattenkultur-. 
Monostomum ellipticum Rud. 

Nahrmittel, Glykogengehalt. 

Oscillaria caviae. 

Oscillarien, saprophytische 
Oscillospira Guiellermondi 
Ozaena, Aetiologie. 


Pipette, Universal-, fur Wassermann-Unter 


suchungen. 255 

Plattenkulturmikroskop, binokulares. 430 
Pneuraonoeces variegatus Rud. 133 

Polyneuritis der Tauben. 290 

Rauschbraud, Diagnose 472 

—, Geburts-, Bakteriologie. 474 

Reagenzglas, neues. 511 

Ruhr, Araoben-, Vorkommen in Deutsch¬ 
land. 107 

Ruhrtrockenvakzine, Herstellung. 79 

Sachs Georgi-Reaktion bei Syphilis. 374 
Siiureagglutination der Weil-Felixschen X- 
Stainme. 177 

Saurefeste Bazillen, Versuche bei Gold- 
fischen. 34 

Scheidenbazillus. 558 

, Schweinecoccid, Benennung. 379 

Seidenraupen, hiimolytische Wirkung des 
Magensaftes. 140 

—, immunisat. Spezifitiit d. Magensaftes. 135 
Selemonas palpitans (Simons). 58 

Serodiagnostik der Syphilis. 374 

Serumfestigkeit des Typhusbazillus. 539 
Simonsiella crassa. 509 


Simonsiella filiformis. 509 

— Miilleri. 504 

Spirochaeta cuniculi. 73 

Spirochatenfarbung, neueModifikation. 174 
Staphvlokokken, Vuzinfestigkeit. 222 
Stechmuckenparasiten. 128 

Strahleu, ultraviolette, EinfluS auf Anti- 
korper. 380 

—, —, EinfluS auf Hautkeime. 286 

Streptokokken.Um wandlung hamoly tischer. 

352 

Taube, Hans-, Magendarmflora. 123 

—, polyneuritische, Magendarmflora. 290 
Treponema cuniculi. 73 

Tuberkelbazillen, Fisch, Versuche bei Gold- 
fischen. 29 

—, Hellfeld- und Leuchtbildmethode. 95 
—, Sulfitentfarbung. 598 

—, 40-jiihriger Gedenktag der Entdeckung. 


337 

Tumoren, Aetiologie und Biologie. 548 

—, Mause-. 115 

Tuschekulturmethode. 401 

Typhusbazillus, Serumfestigkeit. 539 


Tvphustrockenimpfstoff, Herstellung. 76. 

79. 455 


Ultraviolette Strahlen, EinfluB auf Anti- 
korper. 299. 380 

-, Verhalten von Hautkeimen. 280 

Vakzine, Herstellung von Choleratrocken-. 

79 

—, Herstellung von Ruhrtrocken-. 79 
—, Herstellung von Ty^hustrocken-. 76. 79 
Variability der Bakterien. 257 

Vibrio cholerae s. Choleravibrionen. 
Vuzinfestigkeit von Staphylokokken. 222 

Wachstum der Bakterien, Untersuchung 
mittels physikalischer Methoden. 171 
Wassermann-Reaktion, Konservierung von 
Blutproben. 593 

Wasserverunreinigung, fakale, Nachweis. 

145 

Weil-Felixsche X-Stamme, Saureaggluti- 
nation. 177 

Widal-Reaktion, Unbrauchbarkeit bei Ty¬ 
phus und Ruhr 394 

Wut, Schutzimpfung- 43 

X-Stamme, Saureagglutination. 177 

Zahlen von Bakterien. 252 

Ziichtung von anaeroben Bakterien. 229 


III. Verzeichnla 

Agglutinationsmethode. 586 

Aktinomycesvarietat. 7 

Anaerobenziichtung. 231. 241. 242. 246. 

249. 251 

Anaerobes Bakterium, als Erreger einer 
Meningitis (Taf.) 24 

Anoplocephala inagna, Genitalapparat. 486 
Coccidium cuniculi. 549—558 

Flohe, Eidonomie. 210 

Giardien. 55 

Hefen, Systematik pathogener. (Taf.) 285 
Maul- u. Klauenseuche, Zelleinschliisse. 267 
— —, Zelleinschliisse. (Taf.) 269 


der Abbildungeu. 

Paratyphuserreger, Unterscheidung. 454 

Plattenkulturmikroskop, binokulares. (Taf^ 

Reagenzglas, neues. 512 

Selemonas palpitans. 67 

-(Taf.) 72 

Simonsiellen. 500 

Stechmuckenparasiten. 131 

— (Taf.) 135 

Streptokokken, Umwandlung. 360 


Tuschekulturmethode undTeiiungsvorgange 
bei Bakterien. 406. 407. 410. 411. 415. 

416 


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