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CENTRALBLATT
ffir
Bakteriologie, Parasitenkunde
und Infektionskrankheiten
In Verbindung mit
Prof. Dr. R. Abel, Prof. Dr. R. Pfeiffer
Oeh. Obermed.-Rat in Jena Oeh. Med.-Rat in Breslau
Prof. Dr. M. Braun, Prof. Dr. E. Gildemeister,
Oeh. Reg.-Rat in Konigsberg Ober-Reg.-Rat, Berlin-Lichterfelde-W.
herausgegeben von
Prof. Dr. O. Uhlworm und President Dr. A. Weber
Oeh. Reg.-Rat in Bamberg
in Dresden
Brste Abteilung. 88. Band
Medizinisch-hygienische Bakteriologie
und tierische Parasitenkunde
Originate
Mit 63 Abbildungen im Text und 5 Tafeln
Jena
Verlag von Gustav Fischer
1922
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Centralbl. f. Bald etc. I. Abt Originale. Bd. 88. Heft 1.
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Ausgegeben am 14. MStrz 1922.
Nachdruck verboten.
Ueber die Benennimg des Bacillus crassus Lipschiitz.
seine Stellung im System und Allgemeines liber Nomen-
klatur und System atik.
Von Dr. Emil LSwi, Wien.
Als Erreger des wohlumgrenzten Krankheitsbildes des Ulcus vulvae
acutum fand B. Lipschiitz 1912 einen anscheinend noch nicht be-
schriebenen Organismus (2), fiir den er 1913 vorl&ufig den Namen Bacillus
c r a s s u s n. sp. vorschlug (3) (S. 65 u.). Mit diesem stimmt morphologisch
und tinktoriell der von A. Doderlein 1892 beschriebene (1) „Scheiden-
bazillus* iiberein, worauf zuerst G. Scherber (5) aufmerksam inachte
(1918), und dessen Identity mit ersterem er auch durch das Kultur-
verfahren nachwies. Doderlein hatte es aber unterlassen, seinem
Bazillus einen nach den Regeln der binSren Nomenklatur gebildeten
Namen zu geben; auch von anderer Seite war dies bis zur Veroffent-
lichung des Lipschii tzschen Namens anscheinend nicht geschehen ;
blo B als„DoderleinsScheidenbazillus* bezeichnet, kommt
er noch 1913 in dem speziellen Abschnitte iiber die normale Mikroben-
flora der Vagina im Kolle-Wassermannschen Handbuche (4) (S. 460,
461) vor. Es hatte sonach fflr den -Scheidenbazillus* vorlaufig der
Name B. crassus in Kraft zu treten. Nachdem durch die von B. Lip-
schfitz, G. Scherber und mir ausgefiihrten Untersuchungen die
wichtigsten Merkmale des Organismus festgestellt worden waren, konnte
ihm seine Stelle im System angewiesen und notigenfalls der vorl&ufige
Gattungsname durch einen bleibenden ersetzt werden; diese Frage habe
ich 1919 erortert (6, Abschn. 5). Sie war aber damals, ebenso wie sie
es auch heute noch ist, nicht ganz spruchreif, und zwar aus folgenden
Grunden: Die Zeit der (die urspriinglichen „kiinstlichen* Svsteme ab-
losenden) „natfirlichen* Systeme, die in der Botanik und Zoologie be-
reits voruber ist, hat sich niimlich in der Bakteriologie noch crhalten
und beginnt auf diesem Teilgebiete erst jetzt, also bedeutend spater als
in der Gesamtbotanik und der Zoologie, in die des phylogenetischen
Systems iiberzugehen. Es erschien deshalb zwecklos, den Bacillus
crassus in eines der bisherigen Systeme einzuordnen und ihm einen
.bleibenden* Namen zu geben, der mit der bevorstehenden Einftihrung
des phylogenetischen Systems wieder aufgegeben werden intiBte. Ich
begnOgte mich deshalb mit der Feststellung, daB sein Gattungsname
-Bacillus* spater auf jeden Fall durch einen anderen werde ersetzt
werden miissen, da das System der Zukunft die bisherigen Gattungen
Bacillus und Bacterium — hierbei wies ich auch darauf hin, daB
jeder dieser beiden Namen in zwei verschiedenen Bedeutungen gebrauch-
lich ist — in eine groBere Anzahl neuabgegrenzter Gattungen auflosen
wird. Ich erwahnte, daB bereits Benennungsvorschliige filr letztere
erstattet worden seien, und zwar von Or la Jensen (13), daB aber der
Erst* Abt. Ori e . Bd. 88. Heft 1. 1
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Centralbl. f. Bakt. et . I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
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B. crass us in keine dieser Gattungen zu gehoren scheine, weshalb
„fiir ihn eine eigene aufzustellen sein“ wird, „welche ich Plo-
camobacterium (nlovMiiog — Haarttechte, auch = Locke) nennen
mochte". — Auf diese hier nur ganz kurz beriihrten Punkte komme ich
unten zwecks genauerer Besprechung noch einnial zuruck.
Auf eine von mir iibersehene Literaturstelle, die vielleicht geeignet
ware, den Artnamen des vorlaufigen Lip sc h ii tz schen Vorschlages
infolge der Prioritat eines anderen auBer Kraft zu setzen, macht
L. Heim 1921 aufmerksam (10): W. Kruse (7) (Bd. 2, S. 358) fuhrt
namlich schon 1896 den Doderleinschen Scheidenbazillus unter
deni Namen Bacillus vaginae an. In der Tat handelt es sich hier
aber bloB urn eine Titelflberschrift, der zum Verstandnis auch die Be-
zeichnung Dbderleins Scheidenbazillus nachfolgt. Der Name, der
iibrigens bloB eine Uebersetzung von Scheidenbazillus ist, wurde vom
Autor offenkundig bloB der Gleichformigkeit halber, weil auch die anderen
Titel lateinisch sind, angewendet. Urn als regelrecht publiziert zu gelten.
hatte er erst in einer weit verbreiteten Fachzeitschrift oder in einem
unentbehrlichen Lehrbuch in aller Form als neue Bezeichnung
allgemein bekannt gemacht werden miissen, urn aus dieser
Quelle erst in die Handbucher einzugehen. Allgemein bekannt ge-
worden ist er aber gar nicht, er fehlt ja auch, wie bereits erwahnt, im
Kolle-Wassermann schen Handbuch von 1913. Auch die umfang-
reiche, von L. Heim (1. c.) herangezogene, 1919 erschienene Arbeit von
W. Wegelius(8), die sich einer ahnlichen Bezeichnung — Bacillus
vaginalis — bedient, verwendet diese nicht als Artname, denu in
derselben Spalte der Tabelle fuhrt der Autor auch Gonokokken, Soor.
Haufenkokken an, nicht Micrococcus gonorrhoeae, Oidium
albicans, Micrococcus pyogenes. Bemerken mochte ich ferner.
daB der von einem zuf&lligen Fundorte — wenngleich der Organismus
zu dessen charakteristischer Flora gehort — hergeleitete Name weniger
zweckmaBig ist als der ein leicht erkennbares morphologisches Merkmal
angebende. Aus diesen beiden Griinden muB die Entsclieidung gegen
„vaginae" und fur „crassus“ ausfallen, welch letztere Bezeichnung
auBerdem durch eine Reihe von Arbeiten bereits bekannt geworden ist.
Die Zweifel, die sich in diesem Falle iiber die Deutung der Prioritatsregel erheben
konnten, legen es nahe, eine scharfere Fassung und mehr ins einzelne gehende Dar-
stellung derselben anzustreben. Es wiire feslzusetzen, in weleher Weise die Publikatiou
eines neuen Narnens zu erfolgen habe, um als ordnungsgemaB zu gelten. Es waren
ferner allfallige Ausnahmen von dieser Regel anzugeben : Nicht anwendbar sollte sie vor
allem sein, wenn 2 ursprungiich fiir verschieden angesehene Organismen spiiter sich als
identisch erweisen — das ist etwas ganz anderes als die neuerliche BenennuDg eines
bereits beschriebenen Organismus infolge eines Versehens des 2. Autors — falls die
Annahme des 1. Namens auch fiir die als 2. entdeckte Erscheinungsform des Organis¬
mus widersinnig ware. Das haben wir eben bei der als unpassend empfundenen Be¬
zeichnung des Orassus als Bacillus vaginae gesehen. Ebenso ware es vielleicht
auch, wenn die durch ihre Kapselbildung ausgezeichneten Bakterien Rhinosklerombazill,
Abels Ozaenabazdl, aber auch Escherichs Darm-Milchsaurebazill (Bacterium
lactis aerogenes). deren nahe Verwaudtschaft mit Friedlauders Pneumomebazill
Eehmann und Neumann hervorheben und die sie alle als Varietaten derselben Art
betrachten, den altesten Namen, Bacterium pneumoniae, erhielten. — Ferner
miiBte ein Artname in irgend einer Weise abgeandert werden, wenn die Versetzung
des Organismus in eine andere Gattung notwendig wird, in der dieser Artname bereits
vorkommt.
Nun mochte ich den oben, bzw. in meiner Arbeit von 1919, kurz
angedeuteten Gedankengang, daB die beiden groBen Gattungen Bac¬
terium und Bacillus in mehrere werden aufgelost werden miissen.
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Lowi, Bacillus crassus Lipschiitz, seine Steliung im System usw.
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weiter ausfflhren. Vorher aber wollen wir noch die beiden verschiedenen
Bedeutungen betrachten, in denen diese beiden Termini gegenwSrtig ge-
braucht werden: F. Hueppe(ll) zahlt jene stabchenformigen Schizo-
myzeten, bei denen keine Sporenbildung vorkommt, zur Gattung Bac¬
terium, die Sporenbildner zur Gattung Bacillus; dieser Definition
folgen auch Lehmann und Neumann in ihrem Atlas und GrundriB.
(Wir verwenden „Spore“ hier und im folgenden immer im Sinne von
„Endospore“ der alteren Autoren, wahrend wir die fruher als „Arthro-
sporen" bezeichneten Gebilde, denen ohnehin keine besondere Bedeutung
zukommt, uberhaupt unberiicksichtigt lassen). W. Migula aber nimmt
die BegeiBelung als Einteilungsgrund (12): unbegeiBelte nenut er
Bacterium, peritrich begeiBelte Bacillus, polar begeiBelte Pseudo¬
monas; Sporenbildung kommt in alien 3 Gruppen, besonders in den
beiden ersten vor. Gegen diese Einteilung lassen sich vom phylo-
genetischen Standpunkte aus Einwendungen erheben: Die Sporenbildner
zeigen auch durch ihre flbrigen Merkmale, daB sie miteinander enge
verwandt sind, also im Systeme zusammengefaBt werden miissen; da-
gegen ist die Geifiellosigkeit ein Merkmal, das bei mancher Form
vorkommt, die sich durch die ubrigen Merkmale als nahe Verwandte
begeifielter Formen erweist. Es gehort zum- Wesen der phylo-
genetischen Arbeitsmethode, das e i n z e 1 n e Merkmal nicht zu iiber-
schatzen, sondern es im Zusammenhang mit den anderen zu be¬
trachten und insbesondere bei moglicherweise verwandten Formen nach
graduellen Unterschieden zu forschen, aus denen eine gewisse Ent-
wicklungsrichtung ersichtlich ist. Es ist deshalb unrichtig, wegen
des Fehlens eines einzelnen Merkmales einen Organismus aus der Gruppe,
der er seinen sonstigen Merkmalen nach angehort, zu entfernen; es ist
vielmehr danach zu streben, die Bedingungen, unter denen dieser Ver-
lnst zustande kam und die ihn verst tin dlich machen, kennen zu
lernen. Deshalb ist W. Kruses (7) (Bd. 1. S. 489; Bd. 2. S. 81) An-
sicht, die Hueppesche Gattung Bacillus sei keine naturliche, weil sie
auch sporenlose Formen enthalte, nach dem heutigen Stande
unseres Wissens nicht haltbar, denn die ubrigen Eigenschaften zeigen die
ZusammengehQrigkeit der zu dieser Gruppe geziihlten Organismen, und
der Verlust der Sporenbildung pfiegt biologisch erklkrbar zu sein, n&m-
lich durch viele Generationen lang wahrendes Leben unter so gunstigen
Verhaltnissen, daB die Sporenbildung uberfliissig wurde (Bildung asporo-
gener Rassen). Anderseits wOrde die — allerdings nicht zu erwartende
und hier nur, uni ein Beispiel zu geben, als mbglich angenommene —
Beobachtung von Sporenbildung bei einer Art der Hueppeschen
Gattung Bacterium durchaus nicht Veranlassung sein, sie deshalb
in die Gattung Bacillus zu versetzen, sondern man milBte sie als
Endglied einer zur Sporenbildung strebenden Entwicklungsreihe, alien-
falls unter eigenem Gattungsnamen, der Formenreihe, der sie bisher zu-
gezahlt wurde, anschlieBen.
Die beiden Gruppen Bacterium und Bacillus im Sinne Hueppes
entsprechen natiirlichen Verhaltnissen; als Gattungen aber werden
sie im pbvlogenetischen Systeme nicht bestehen bleiben kbnnen, und
zwar wegen der verschiedenen Entwicklungsreihen, die sich in
jeder von ihnen unterscheiden lassen (nicht etwa wegen der groBen
Anzahl von Arten, die sie enthalten) und die die Grundlage zur
Aufstellung der neuen Gattungen bilden werden; den ersten Versuch
einer solchen Aufstellung hat Orla Jensen (13) in seinem sehr be-
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origiuale. Bd. 88. Heft 1.
achtenswerten Entwurf eines auf strong phylogenetischen Grundsatzeu
aufgebauten neuen System unternoimnen und ftir die einzelnen neu ab-
gegrenzten Gattungen sehr zweckentsprechende Namen vorgeschlagen.
Indent er sich im allgemeineu an Hueppes Definition der beiden Gat¬
tungen anschlieBt, bildet er die durch die Auflosung derselben in mehrere
notwendig gewordenen neuen Gattungsnamen in der Weise, daB er den
bisherigen Namen als Grundwort init einem ein wichtiges Merkmal der
neu aufgestellten Gattung bezeichnenden Bestimmungswort zusammen-
setzt; auf diese Weise ergeben sich Wortbildungen, wie z. B. Denitro-
bacterium, Liquidobacterium oder Urobacillus, Butyri-
bacillus u. dgl.; nur in einem Punkte weicht er von der Hueppe-
schen Definition ab; er scheidet, ahnlich wie es Migula getan'hat, aber
aus phylogenetischen (nicht etwa blofi morphologischen), hier nicht
zu erorternden Grfinden, die polar begeiBelten Stabchen aus der Gruppe
Bacterium aus, und bildet ihre Gattungsnamen durch Zusammen-
setzung mit -monas. Indem ich mich diesem System, dem ohne Zweifel
die Zukunft gehort, anschloB, schlug ich fur den Lipschtitz-Doder-
leinschen Bazillus, fur den als Trivialnameu die Bezeichnungen Scheiden-
bazillus oder Bacillus crassus oder Crassus weiter im Gebrauch
bleiben mogen, einen den Or la Jensen schen Grundsatzen entsprechenden
Gattungsnamen vor.
Durch die Verwendung von -bacterium als Grundwort des neuen Gattungs-
nainena gab ich gleichzeitig zu erkennen, daB der Organismus in dem gegenwiirtig am
meisten verbreiteten natiirlichen System von Lehmann und Neumann die Be-
zeichnuiig Bacterium crassum (Lipschiitz) Lowi fiihren miiBte; aber auch in
Migulas System miiBte er als Bacterium crassum eingeordnet werden, nicht
als Bacillus crassus. Ich vermied es indessen, wie schon obeu erwahnt, geflissent-
lich. diesen Namen auch nur zu nennen, weil ich die allgemeine Annahme des phylo-
f enetischen Systems fiir unnuttelbar bevorstehend halte. Ob der vorgeschlagene Name
locamobaeterium tatsachlich in das neue System eingehen wird, oder ob ich
selbst, veranlaBt durch meine seit seiner Veroffentlichung neu gewonnenen Erkenntnisse,
ihn aus gewi6sen Griinden in Galactobacterium werde abandern miissen, oder ob
vielleicht der Crassus in die Orla Jensensche Gattung Caseobacterium wird
eingereiht werden miissen, ist nebensachlich, zumal es sich bisher blofi um einen Be-
ueunungs vo r schl ag handelt, wie ja auch Orla Jensens Namen vorlaufig noch
Vorschlage sind; hauptsachlich war es mir darum zu tun (0), den Organismus in
die Gattung Bacterium oder eine der neu aufzustellenden Teilgattungen derselben
(ohne Riicksicht <larauf, wie sie heifien wird) zn versetzen. L. Heim ist deshalb in
einem Irrtum befangen, wenn er sich fiber meine Arbeit von 1919 (6) auBert (10, il):
„Vollends grundlos ist die Absicht von E. Lowi, eine eigene Gattung aufzustellen,
die Ploeamobacterium genannt werden soll“. Wenn er aber forttahrt: „Niemand
ist es cingefallen, den Milzbrandbazillus, der noch viel groBere Locken bildet, deshalb
an* der Gattung der Bazillen herauszunehmen“, so hat er hierbei iibersehen, daB ich
selbst die Bilduug von Locken beim Milzbrandbazillus und noch einigen von mir mit
Namen angefiihrten Arten der Gattung Bacillus in meiner Arbeit (IV. Absehu.,
Abs. uaeh Punkt 5) ausdriicklich erwabnte, al»er den Crassus nicht deshalb aus der
Gattung Bacillus hcrausnahm, sondern weil er nach k.iner der gebrauchlichen
Definitionen in diese gehort.
Hier mogen nun, indem ich der Publikation meiner weiteren Unter-
suchungen zur Wahrung der Prioritfit etwas vorgreife, noch einige vor-
Itiufige Bemerkungen fiber die mutrnaBlich niichsten Verwandten des
Crassus Platz linden. Seine Kulturen bilden viel Saure, und zwar
handelt es sich, wie G. Scherber (5) mitteilt, nach E. Freunds
Untersuchungen um Milchsaure; auch beim Schenlenbazillus wurde schon
von Doderlein die Fahigkeit, reichlich Milchsaure zu erzeugen, her-
vorgehoben, und diese Uebereinstimmung ffihrte Scherber darauf, die
Identitat der beiden Organismen nachzuweisen. Dieses eine Merkmal
ist so charakteristisch, daB es nahe liegt, die niichsten Verwandten des
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Lowi, Bacillus crassus Lipschiitz, seine Stellung im System usw.
O
Crassus unter den Milchsaurebakterien zu suchen. Diese sind aber
eine biologische Gruppe, d. h. sie umfaBt mehrere Untergruppen,
die nur durch ein hervorragendes biologisches Merkmal zusammen-
gehalten werden, die aber nicht notwendigerweise in phylogenetisch
nahen Beziehungen zueinander stehen mfissen. Es gehoren hierher die
kulturell ganz mit Bact. coli iibereinstimmenden Darm-Milchsaure-
bakterien vorn Typus des Bacterium aerogenes (Escherich) Lehm.
et Neum„ ferner die Milchsaure-Streptokokken und gewisse Mikrokokken,
und endlich eine Anzakl miteinander nahe verwandter Stiibchen, die be-
sonders haufig in fermentierter Milch, wie Yoghurt, sowie in manchen
Kiisen sich linden und als Formen einer einzigen Art, des Bacterium
casei, aufgefaBt zu werden pflegen. Diesem ahnlich — vielleicht auch
nar eine VarietSt — ist der Kultur-Milchsaurebazillus, Bacterium Del-
briicki (Leichmann) Lehm. et Neum., der in der Brennerei (bei der
Sauerung des Hefegutes) und in anderen Gewerben eine Rolle spielt.
Diese beiden sind als die nachsten Verwandten des Crassns zu betrach-
ten : Man findet unter ihnen die Neigung, zu langen FSden auszuwachsen,
sowie die Bevorzugung anaerober Verhaltnisse; auch Kolonien mit Haar-
skulptur kommen bei ihnen vor. Ferner mochte ich nicht unerwiihnt
lassen, daB die manchmal sich einstellenden Wachstumsanomalien, die
Lipschiitz (9) beschrieb und als teratologische deutet, auch beim
Kulturmilchs&urebazillus durch gewisse Kulturbedingungen erzielt werden
k&nnen. Als unterscheidendes Merkmal mochte ich hervorheben, daB
Bacterium casei ohne Zucker nicht gedeiht, wahrend der Crassus
aaf eiweiBhaltigen Nahrboden auch ohne Zuckerzusatz wachst.
Mit der Feststellung weiterer Uebereinstimmungen und Abweichungen
beschaftigt, wird es nun tneine, der Erg&nzung und Nachprufung durch
kunftige Untersuchungen anderer Autoren harrende Aufgabe sein, die
einzelnen Merkmale nach phylogenetischen Grundsatzen zu beurteileu,
und erst dann wird sich entscheiden lassen, ob der Bacillus crassus
mit einer der bekannten Milchsaurebakterien-Arten in dieselbe Gattung
— etwa im Umfange der Or la Jensenschen Gattung Caseobac-
teriurn — versetzt werden darf, oder ob fiir ihn die Aufstellung einer
eigenen Gattung gerechtfertigt ist.
Iaiteratur.
1) Doderlein, A., Das Scheidensekret und seine Bedeutung fiir das Puerperal-
fieber. Leipzig 1892. — 2) Lipschiitz, B., Ueber eine eigenartige Gtschwursform des
weiblichen Genitales (Ulcus vulvae acutum). (Arch. f. Derm. u. Syph. Bd. 114. 1912.
H. 1.) — 3) Ders., Bakteriologischer GrundriB der Geschlechtskrankheiten. Leipzig 1913.
— 4) Ders , Handbuch der pathogenen Mikroorgauismen, herausgegeben von Kolle u.
Wassermann. 2. Aufl. Bd. 6. 1913. — 5) Scherber, G., Ueber die Beziehungen
der in den pseudotb. Geschwiiren sive Ulc. vulvae ae. sich findenden Bazillen zu den
Scheidenbazillen Doderleins. (Wien. klin. Wochenschr. 1918. 8. 1005.) — G) Lowi,
Emi 1, Ueber den Bac. crassus Lipschiitz. (Ebenda. 1920. S. 730.) — 7) Ders., Die
Mikroorganiemen, herausgegebeu von Fliigge. 3. Aufl. Leipzig 1896. — 8) Wege-
lius, W., Bakteriologische Untersuchungen der weiblichen Gemtalsekrete etc. (Arch,
f. Gynak. Bd. 88. 1909. S. 249—390.) — 9) Lipschiitz, B., Zur Kenntnis des Bac.
crassus. (Med. Klin. 1921. S. 267.) — 10) Heim, L., Bemerkungen zur Abh. von
B. Lipschiitz iiber den Diiderlei nschen Scheidenbazillus. (Med. Klin. 1921.
8. 613.) — 11) Hueppe, F., Die Formen der Bakterien etc. Jena 1886. — 12) Mi¬
kola, W., System der Bakterien. Jena 1897—1900. — 13) Orla Jensen, Die Haupt-
inien des natiirlichen Bakteriensystems etc. (Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 22. 1909.)
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6 Uentralbl. f. Baku etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
Nachdruck verboten.
Ein Fall von Aetinomyces-Varietat.
[Aus dem Hygienischen iDstitut der Akademie fiir praktische Medizin
DUsseldorf (Direktor: Prof. Dr. Burgers).]
Vou Dr. W. Bachmann, I. Assistent des Instituts.
Mit 1 Abbildung im Text.
Am 16. Marz 1921 wurde dem Hygienischeu Institut von der
Chirurgischeu Klinik der Akademie fur praktische Medizin eine Eiter-
probe zur Untersuchung zugeschickt, die von einem Patienten mit chro-
nisch verlaufender Eiterung der rechten Wange stammte. Die klinische
Diagnose lautete nach dem typisch erscheinenden Krankheitsbilde „Ak-
tinomykose u . Die Untersuchung des iibersandten Materials ergab nun
im direkten Ausstrich sowohl wie bei der kulturellen Zuchtung des
Erregers Abweichungen von dem gewbhnlichen Bilde, so daB die Mit-
teilung des Gefundenen nicht iiberfliissig ersclieint.
Die mikroskopische Betrachtung des iiberschickten, diinnfHissigen
Eiters zeigte an vielen Stellen submiliare, gelblichweiBe Kornchen, deren
mikroskopische Untersuchung jedoch nicht die bei Strahlenpilzerkrankung
typischen Drusen, sondern folgenden Befund ergab: Neben zahlreichen
Leukozyten und vereinzelten Plattenepithelien fanden sicli Spirochaten
vom Typus Refringens und fusiforine Stabchen, ein Bild, wie es bei
der Angina PI aut-Vincent zu beobachten ist. Daneben fielen be-
sonders auf grampositive Stabchen und Kokkobazillenformen, die h&ufig
in dichtem Gewirr zusammenlagen und vereinzelt in Gr5Be und Form
mit Pseudodiphtheriebazillen Aehnlichkeit aufwiesen. Auch langere
grampositive Faden mit nicht sicher festzustellender Verzweigung fanden
sich neben langen, zum Teil gewundenen Ketten, die aus gleich groBen,
kurzen, grampositiven Stabchen sich zusammensetzten und die vereinzelt
eine Verzweigung aufwiesen. also Formen, die man auch jetzt noch als
Streptothrix bezeichnet tindet.
Zur Kultur wurden gewohnliche Agarplatten, Blut-, Aszites- und
5-proz. Maltoseagarplatten mit dem Ausgangsmaterial in Verdflnnungen
bestrichen, ebenso wurde Bouillon und sterile Kartoffel beimpft und eine
Schuttelkultur mit Traubenzuckeragar zur anaeroben Zuchtung beschickt.
Alle Kulturen wurden doppelt angesetzt und bei Zimmertemperatur und
37° C beobachtet. Nach 24 Std. waren auf den Aerobenplatten und in
der Fleischbriihe Pneumokokken, Streptokokken, Bakterien aus der
A erogenes-Gruppe und Proteus vulgaris gewachsen; aus der
Schuttelkultur wurde lediglich Aerogenes isoliert. Erst am 3. Tage
zeigten sich auf einer Maltoseplatte neben den beschriebenen Bakterien
vereinzelte, dem Nahrboden ziemlich fest anhaftende, gelblichbraune Ko-
lonien von der GroBe einer Streptokokkenkolonie. die nach weiteren
3—4 Tagen sich vergroBerten und eine deutlich abgesetzte Randzone
zeigten, die wiederum Faltungen aufwies, so daB eine Art Rosettenform
sich herausbildete. Leider gelang die Ueberziichtung dieser Kolonien,
die aus kurzen, grampositiven Stabchen, ahnlich der Pseudodiphtherie,
bestanden, trotz aufgewendeter Miihe nicht, so daB ihre Bestimmung
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Bachmann, Ein Fall von Actinomyces-Varietat.
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aufgegeben werden muBte. Dafiir ergaben die Kartoffelkulturen ein
besseres Resultat. Am 3. Tage der Ziichtung traten namlich auf den
Kartoffelscheiben kleine, weiBe, knopfformige Kolonien von etwa 2 mm
Durchmesser auf, deren mikroskopische Untersuchung grampositive, zum
Teil spiralig gewundene Faden zeigte, wie sie dem beigegebenen Photo-
gramm entsprechen. Die Uebertragung dieser Kolonien auf 5-proz.
Maltoseagar zeigte nun wieder das oben beschriebene Bild: Nach 24 Std.
kein Wachstum. Nach 2—3 Tagen kleine, runde, den Nahrboden ziem-
lich fest anhaftende Kolonien, die sich nach weiteren 2 — 3 Tagen bis
zu einem Durchmesser von 2—3 mm vergroBerten und eine abgesetzte
Randzone zeigten, die nach einigen Tagen eine Faltung bekam, so daB
die beschriebene Rosettenform wieder entstand. Mikroskopisch waren
Fig. 1.
dieselben grainpositiven Faden zu sehen, wie in der Kartoffelkultur.
Doch schon bei der nachsten Uebertragung auf 5-proz. Maltoseagar ging
diese originelle Form verloren und es waren nur noch grampositive
StSbchen von der Form der Pseudodiphtherie zu beobachten, vereinzelte,
etwas langere Faden, Kokkenbazillenformen in Ketten und Haufchen
zusammenliegend. Auf den ersten Blick konnte man denken, daB es
sich nicht um eine Reinkultur handelte. Davon konnte aber keine Rede
sein, da die Ueberimpfungen von den Platten stets von gut isolierten
Einzelkolonien stammten. Aber auch folgende Beobachtung zeigte.
daB ich eine Reinkultur in Handen hatte: Impfte ich namlich von der
zuletzt beschriebenen Maltoseagarkultur wieder auf sterile Kartoffel, so
traten von Neuem die gewundenen, zum Teil spiraligen, grainpositiven
Faden auf, wie sie das beigegebene Photogramm zeigt. Impfte ich nun
von der Kartoffelkultur wieder auf 5-proz. Maltoseagar, so wurden die
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
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gewundenen Faden wiederum vermiBt und vorwiegend nur grampositive,
kurze Stabchen vom Aussehen der Pseudodiphtherie festgestellt. Die
Durchsicht der einschlagigen mediziDischen Literatur gab mir iiber diesen
Formwechsel keinen geniigenden AufschluB, wahrend ich durch die von
Lieske letzthin veroffentlichte Monographie iiber die Morphologie und
Biologie der Strahlenpilze auf den richtigen Weg gewiesen wurde. Es
handelte sich bei diesen spiralig gewundenen Faden urn Lufthyphen, die
bei jungen Kulturen durchweg nach Gram gefarbt erschieuen, wahrend
bei aiteren Kulturen die Farbung des Fadens LOcken zeigte, was so zu
deuten war, daB nur die in den Lufthyphen enthaltenen zylindrischen
Sporen die Farbe annahmen, wahrend die ungefarbten Stellen des Fadens
Liicken darstellten, in denen sich das Protoplasma zuriickgezogen hatte.
Der Zerfall dieser Faden fiihrte nun dazu, daB in den Plattenkulturen
vorwiegend die Pseudodiphtherie-ahnlichen Stabchen erschienen, die als
zylindrische Sporen aufzufassen waren. In Kulturen auf dem Deck-
giaschen konnte der Zerfall dieser Faden, die von einer Kartoff'elkultur
entnommen waren, in einigen Fallen auch direkt unter dem Mikroskop
beobachtet werden, wahrend es mir nicht gelang, das Auswachsen dieser
Sporen zu Faden unmittelbar unter dem Mikroskop zu verfolgen. In
den von verschiedenen Kulturen staramenden Praparaten waren nun
aber stets neben den zylindrischen Sporen auch kurze, ziemlich dicke,
zuweilen gebogene und eine Auftreibung zeigende, grampositive Faden
zu sehen, die wohl aus den Sporen ausgewachsen sein diirften. In einem
aus einer Reinkultur in steriler Milch stammenden Gram-Praparat
konnte ich nun neben den zylindrischen Sporen auch typische lange
Actinomyces-Faden mit echter Verzweigung feststellen, wodurch der
Beweis erbracht war, daB der vorliegende atypische Stamm als Actino¬
myces-Kultur zu bezeichnen war.
Die nahere Untersuchung der biologischen Eigenschafteu unseres
Stammes ergab nun folgendes Resultat: Alle Versuche, den Stamm bei
Zimmertemperatur fortzuziichteu, wareu ergebnislos. Das Temperatur-
optimum lag bei 37°, wahrend Temperaturen iiber 42° nicht mehr ver-
tragen wurden. Auf gewohnlichem Agar konnte ich kein Wachstum
erzielen, ebenso nicht auf Blut- und Aszitesagar, wahrend unser Stamm
auf Agar, dem Glyzerin, Maltose, Saccharose Oder Mannit zugesetzt war,
ausgezeichnet wuchs. Auf erstarrtem Rinderserum erfolgte nur ganz
zartes Wachstum, keine Peptonisierung, geimpfte Bouillon blieb klar.
Lackmusmolke wurde nicht verandert. Traubenzucker wurde im Garungs-
rohrchen nicht vergoren; dagegen fand eine Zerlegung von Maltose und
Laktose statt, was sich auf den entsprechenden Lackmusnahrbbden nach
1—2 Tagen durch Rotung des Nahrbodens kundgab. Milch wurde nach
14 Tagen peptonisiert. Anaerob wuchs der Stamm in typischer Weise
im Traubenzuckeragarstich, entlang dem Stich kleine Haufchen bildend.
Im Gelatinestich entstand nur ein ganz zarter, schleierartiger Wachs-
tumsstreifen, offenbar aus dem Grunde, daB das Temperaturoptimum
nicht erreicht war. Auf anaerob gehaltenen Strich- und GuBplatten er¬
folgte kein Wachstum. Ich mochte den Stamm mithin als fakultativen
Anaerobier bezeichnen.
Alle Versuche, Meerschweinchen und Kaninchen mit unserem Stamm
zur Erkrankung zu bringen, schlugen fehl. Weder die Beimpfung ero-
dierter Stellen an der Lippen- und Waugenschleimhaut der Tiere fiihrte
zu einem positiven Ergebnis, noch die Versuche, mit infizierten Stroh-
und Holzsplittern subkutan eine Eiterung zu erzeugen.
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Freund, Eine durch ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis. 9
Um nun den Beweis zu fiihren, daB der von dem Ausgangsmaterial
herausgezuchtete Stamm tatsachlich das klinische Bild der Aktinomykose
erzeugt hatte, wurden mit dem Serum des Pat. und einem aus der
Reinkultur des Stammes hergestellten Extrakt in ublicher Weise Kom-
plementbindungsversuche angestellt. Eine Verankerung des Komple-
ments konnte nicht festgestellt werden, ebenso verliefen wegen Spon-
tanagglutination des Stammes alle unternommenen Agglutinationsversuche
ergebnislos. so daB ich die Frage, ob in diesem Falle unser Stamm tat-
sSchlich der Krankheitserreger war, nicht zu entscheiden vermochte.
Naehdruck verboten.
Ueher eine durch ein anaerobes Bakterium hervorgerufene
Meningitis.
Ein Beitrag zur Bakteriologie der pathogenen Anaerobier.
[Aus dem Pathologisch-Anatomischen und Bakteriologischen Institute
des Jubilaums-Spitals der Stadt Wien (Vorstand: Prof. Dr.
Rudolf Maresch).]
Von Dr. Ferdinand Freund.
Mit 1 Tafel.
So reich die Zahl der aeroben Mikroorganismen ist, die als atio-
logische Faktoren einer akuten Meningitis oder sonstigen entztindlichen
Affektionen des Gehirns bekannt und beschrieben sind, so gering ist die
Zahl der bisher bekannt gewordenen, durch anaerobe Bakterien be-
dingten akut-entziindlichen VerSnderungen der Meningen.
Ueberblicken wir die Literatur, die sich mit der Frage der anaeroben
Meningitis beschaftigt, so finden wir nur sparliche Nachrichten.
Als Erster hat Edouard Rist 1898 iiber anaerobe meningeale Infeklion, iu
diesem Falle otitischen Ursprunges, berichtet. Eine Isolierung der anaeroben Keirae
'and nicht statt. Ihm folgten 1899 Hitschmann und Lindenthal, die aus einer,
im AnschluB an Trauma mit Zertrummerung einer Kleinhirnhemisphare entstandenen
Meningitis den We 1 ch-Fran k elschen Bazillus isolierten. Im selben Jahre publi-
zierte Howard als Erreger einer akuten Zerebrospinalmeningitis den gleichen Bazillus.
1906 erschienen die Arbeiten von Ghon, Mucha und Muller, die in klassmcher
Weise 4 Falle anaerober Meningitis, samtlich otogen, schildern. Eine bereits 15)06 be-
obachtete, durch fusiforme Bazillen hervorgerufene otitische Meningitis beschrieb Ma-
resch in seinem Aufsatze iiber die durch fusiforme Bazillen bedingten py ami schen
Prozesse. Den Streptococcus putridus fand Schottm oiler 1910 als Erreger
einer otogenen Meningitis. SchlieBlich haben Ghon und Roman 1915 noch einen
Fall von durch Gaebrandbazillen hervorgerufener Meningitis nach SchuBverletzung des
Schadels kurz erwahnt ')•
Zwar nicht mit Meningitis, wohl aber mit durch anaerobe Keime bedingten Hirn-
abszessen beschiiftigen sich die Arbeiten von Heyde(1908), Ghon und Mucha (1909),
Klinger (1912), v. Hibler (1913), Friihwald (1913) und Coronini und Priesel
a920).
1) In allerjungster Zeit erschien die Arbeit von Bingold, in welcher 3 Falle von
meningitischer Komplikation bei vom Genitale ausgehender Sepsis Erwahnung finden.
Sie wurden durch anaerobe Streptokokken (Streptoc. putridus) hervorgerufen
Virch. Arch. Bd. 234. 1921. S. 341).
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10 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1.
Als besonders wertvoll erscheinen hierbei einige Falle vonGhon und seinen Mit-
arbeitem, sowie die Falle von Hitschmann und Lindenthal, Howard undMa-
resch, weil sie als alleinige Erreger von akuten Meningitiden anaerobe Mikroorganismen
aufweisen; damit ist dem Einwand, es habe sich etwa blofi um sekundares Auftreten
palhogenetiseh wenig bedeutungsvoller Keime gehandelt, jeder Boden entzogen.
Diesen Fallen reiht sich als neuer eine akute Meningitis an, die
vor kurzem im pathologisch-anatomischen Institute des Jubil&ums-Spitals
in Wien zur Beobachtung kam.
Aus der Krankengeschichte der otolaiyngologischen Abteilung
(Primarius Prof. Dr. Otto Mayer) seien in Kiirze folgende Punkte
hervorgehoben:
Es handelte sich um ein 18 Jahre altes Madchen, das an einer chronischen eitrigen
Otitis des linken Ohres litt. Im linken auOeren Gehorgan^e fand sich am Tage der
Aufnahme reichlich fodder, zaher, gelblich-griiner Eiter; im Trommelfelle, das getriibt
und teilweise mit Schuppen bedeekt war, eine linsengrofie Perforadonsliicke. Die Pauken-
hohlensehleimhaut war gerotet. Es war spontaner rotatorischer Nystagmus nach beideu
Seiten vorhanden, das linke Labvrinth kalorisch nicht erregbar.
Es wurden, da Pat. und litre Angehorigen jetzt und auch spater jeden Eingriff
ablehnten, Spfilungen mit Wasserstoffsuperoxyd gemacht. 7 Tage nach ihrem Eintritte
in das Spital traten Kopfschmerz und Fieber bis 40,6° auf. Noch am selben Tage
kam es zur Lahmung des linken N. facialis; nach weiteren 4 Tagen hatte sich Nacken-
steifigkeit entwickelt, das Kernigsche Symptom war beiderseits posidv, der linke N.
abducens wurde paretisch. 8 Tage nach dem Auftreten der meningealen Symptome
erfolgte unter zunehmender Benommenheit der Exitus.
Von einem operativen Eingriffe war, wie erwahnt, auf Wunsch der Eltern Ab-
stand genommen worden. Auch war wegen der stark hervortretenden basalen Symptome
und einer auf Tuberkulose hinweisenden Anamnese die Moglichkeit einer tuberkuloser.
Meningitis in Frage gezogen worden.
Die Autopsie fand 12 Std. nach Eintritt des Todes statt. Die Ob-
duktion (Obduzent Dr. Priesel) ergab folgenden Befund:
Die Dura mater gespannt, ihre Innenflache glatt, frei von Auflagerungen. Die
weichen Hirnhaute iiber der Konvexitat zart, die GefaBe stark blutgefullt, die Sub-
arachnoidalraume hier nur leicht erweitert, enthalten kaum merklich getriibte Fliissig-
keit. Die Gehirnwindungen abgeplattet. Nach Herausnahme des Gehirnes findet sich
an der Basis, namentlich fiber den nach hinten zu gelegenen Anteilen, um die Briicke
und den Hirnstamm zwischen den weichen Himhauten reichlich stark trfibes, hellgelb-
liches Exsudat, anscheinend auf der linken Seite, dort auch fiber der basalen Flache
des Temporalhirns, in grofierer Menge wie rechts. Die nur weDig erweiterten Seiten -
kammem und die ubrigen Hirnventrikel von klarer Flussigkeit erffillt, nur an den
tiefsten Punkten eitriger Bodensatz. Die Hirnsubstanz blutreich, feucht. Die Blut-
leiter der harten Hirnhaut enthalten auch an der Basis dunkelfltissiges und geronnenes
Blut. Die Mittelohrraume auf der rechten Seite frei, links von gelblich-seroser,
eitrig getrfibter Flfissigkeit erffillt; hier auch der Knochen vom Eiter durchsetzt, durch
die Dura mater lateral vom Porus acust. int. in einem gut linsengrofien Bezirke an der
hinteren Pyramidenflache leicht gelblich durchschimmernd.
Der fibrige Sektionsbefund bot auSer Lungenodem, frischer pneumonischer An-
schoppung in Deiden Lungenunterlappen, namentlich im rechten, pleuralen Anwach-
sungen auf der linken Seite und scnwerer parenchymatbs - fettiger Degeneration der
Organe keine Besonderheiten. (Tuberkulose Veranderungen, insbesondere rrische, wurden
an den Lungen nicht gefunden; Peribronchialdrfisen frei; kein Milztumor.)
Zur bakteriologischen Untersuchung gelangte das unter sterilen Kautelen entnom-
mene Exsudat aus den tiefsten Stellen der Seitenventrikel. Es stellte eine dfinnflfissige,
f elblich-eitrige Flussigkeit dar, in welcher makroskopisch Flockchen suspendiert zu er-
ennen waren und welche sich bei ruhigem Stehen bald in 2 Schichten sonderte, eine
obere serumahnliche, gelbliche mit einem Stich ins Grune, und in eine untere getriibte.
n welcher die geformten Bestandteile enthalten waren.
Bakterioskopiscker Befund.
Neben zura Teil gut erhaltenen polynuklearen Leukozyten und De¬
tritus fanden sich reichlich in Ketten angeordnete, zarte, kurze Stabchen.
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Freund, Eine durch ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis. U
welche gramnegativ waren und die Gegenfarbe (verdfinntes Karbol-
fnchsin) nur schwach angenommen hatten. Die Farbung des Bakterien-
korpers war dabei eiDe diffuse. Gegen das Ende erschienen die Stab-
chen leicht verjiingt, die Enden selbst waren abgerundet.
Die Lange der Bakterien betrug im Durchschnitt 0,8—1,0 //, die
Breite war ungefahr 1 / 8 — l U der Lange. Nur wenige Exemplare er-
reichten eine Lange von 1,6 //, bloC einzelne eine solche von 3 //. Haufig
fanden sich jedoch ganz kurze Individuen von ca. 0,5 // Lange. Dem-
nach sahen diese Streptobazillen Influenza-ahnlich aus; blofi die strong
eingehaltene Formierung zu Ketten, die in dieser RegelmkBigkeit bei
den Influenzabazillen nicht beobachtet wird, gab eine Unterscheidung.
Allerdings fanden sich auch einzelnliegende Exemplare, die im allge-
meinen etwas plumper waren und etwas intensiver gefarbt erschienen,
doch nur sparlich, und war das mikroskopische Bild von den Ketten-
formationen beherrscht. Kapseln oder Andeutungen von Kapseln waren
nicht wakrzunehmen. Morphologisch anders geartete oder farberische
Unterschiede aufweisende Mikroorganismen waren in den AusstrichprS-
paraten nicht zu sehen. Im hangenden Tropfen in Kochsalzverdunnung
war wohl molekulares Zittern, aber keine Eigenbewegung zu beob-
achten.
Im 11 Tage lang bei Zimmertemperatur gehaltenen Eiter im allgemeinen dasselbe
Bild. Doch waren die Ketten kiirzer (8 Individuen, w&hrend sich am 1. Tage bis zu
20 fanden), dabei in den Ketten oft deutliche Formierung der Glieder zu Diplo-
bazillen. Ferner fanden sich auch die Bakterien zu kleinen Haufchen aggregiert. Von
den Leukozyten war nur noch ein korniger Detritus vorhanden. — Polfarbung war
weder am 1. noch am 11. Tage wahrzunehmen; doch fanden sich in dem 11 Tage
alten Eiter neben gut gefarbten auch recht blasse Exemplare.
In Giemsa-(Griibler)-Farbung erschienen die Mikroben in einem blafiblauen
Farbentone. Irgendwelche different gefarbte Teile waren im Bakterienprotoplasma
nicht wahrnehmbar. — Der 11 Tage lang aufbewahrte Eiter zeigte, nach Giemsa ge¬
farbt, wieder die Variabilitat der Farbungsintensitat von Zelie zu Zelle.
Polvchromes Methylenblau mit nachfolgender Tanninbeize gab etwas deut-
lichere Bakterienbilder als die Giemsa-Tinktion, doch waren auch mit dieser Methode
durch distinkte Farbung erkennbare Strukturverhaltnisse im Bakterienlcibe nicht zu
erkennen.
K a 11 u r e n des Exsudates wurden angelegt:
Aerob: 1) in Peptonbouillon, 2) auf Fleischbriihepeptonagarplatten, 3) auf Serum-
agarplatten und 4) auf Blutagarplatten.
Anaerob: Schiittelkultur uach Liborius-Veillon in hochgeschichtetem, '/.-proz.
Tranbenzuckeragar mit Zusatz von l L Volumen eiweiBreicher, steriler Hydrokelen-
flumigkeit (wird von nun an kurz als Serumzuckeragar bezeichuet werden).
Die aerob angelegten Kulturen blieben 3 Tage in Beobachtung und zeigten —
auch bei mikroskopischer Kontrolle — trotz reicher Beschickung kein Wachstum. Aus-
-aaten, die nach 24 Std. von der Bouillon auf Agar-, Serumagar- und Blutplatten vor-
genommen wurden, blieben erfolglos.
Im hochgeschichteten Berumzuckeragar trat nach 3 Tagen Wachstum in der Tiefe
auf in Form kleinster, stecknadelspitzgroBer Piinktchen, die zur ziemlich gleichen Zeit
and in grofler Zahl aufschossen. Die Kolonien vergroBerten sich in den folgenden
Tagen etwas, doch die infolge des reichlichen Wacnstums auftretende Triibung des
Nihrbodena verhinderte eine weitere Beobachtung der Einzelkolonien. Bald traten auch
<iasblasen auf.
Nach Gram gefarbte Objekttragerausstriche aus dieser Kultur ergaben negative
Htibchen und mehr kokkenahnliche iormen, die im Aussehen den im Exsudate ge-
fundenen glichen, mit der Ausnahme, daB einzelne von ihnen ausgesprochene Polfarbung
zeigten.
Morphologic des kultivicrten Bakterlums.
Als Normalform erscheint ein Kurzslabchen, gegen das Ende sich
verjfingend nnd an den Enden abgerundet, von 0,6—1,0// durchschnitt-
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Centralb]. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
licher Lange. Diese liegen oft in den tiiissigen Kulturmedien in kleinen
Haufchen, die im hangenden Tropfen grofie Aehnlichkeit mit agglu-
tinierten Typhusbakterien aufweisen, erscheinen auch einzeln, mit be-
sonderer Vorliebe als Diplobazillen und schlieBlich in kurzen Ketten.
Doch fanden sich in den ersten Passagen auch etwas langere Ketten.
(Regelmafiig lange Ketten erhielt man, wie spater noch besprochen
werden soil, in den Kulturen, die aus Organen infizierter Tiere angelegt
worden waren.)
Daneben wurden auch, und zwar mitunter in groBer Menge, ganz
kurze kokkenahnliche, runde Oder ovoide Formen angetroffen, bis zu
0,3 /< Durchmesser hinunter. Spater fanden sich auch langere und
etwas plumpere Stabchen.
Ferner zeigten sich schon in den erstangelegten Kulturen lange
Faden, die teils gegliedert, teils ungegliedert auftraten, leicht gebogen
oder auch starker gewunden waren und, von schwankender Breite, mit¬
unter zu betrachtlicher Lange heranwuchsen. Die Faden waren dabei
oft durch in Ketten angeordnete Individuen unterbrochen, oder liefen
in kettenformig hintereinander gereihte Einzelzellen aus, auch auf diese
Weise den Streptobazillencharakter des Bakteriums dokumentierend.
Besonders diinne und in sich verschlungene Faden fanden sich in den
Kulturen in erstarrter Hydrokelenflussigkeit. Die Faden wurden sowohl
in fliissigen und festen Nahrboden, als auch in Oberflachenkulturen auf-
gefunden; mit besonderer Vorliebe aber schienen sie sich in wenig zu-
sagenden Kultursubstraten zu entwickeln, wo es zu einer verlangsamten
und nicht so kraftigen Entwicklung des Mikroorganismus kam.
Die im Vergleiche zum Exsudatausstriche hervortretende Polymorphie
wurde noch verstarkt durch Formen, die vorziiglich in zuckerbaltigen
Nahrboden und insbesondere dann auftraten, wenn es durch rasch auf-
einanderfolgende Ueberimpfungen in Serumzuckerbouillon-Passagen zu
einer gesteigerten Raschheit der Entwicklung und zur lebhaften AeuBe-
rung des Stoffwechsels des Bakteriums kam. Diese Formen sahen wie
der Lange und Breite nach geblaht aus, waren oft nach der einen Seite
ganz leicht gekrflmmt, dabei aber auch als Kokkenahnliche und als
Stabchen auftretend. Im allgemeinen farbten sie sich blasser mit ver-
diinntem Karbolfuchsin, mit tiefroter Tinktion der Enden, so dafi pol-
gefarbte Gebilde von variabler GroBe resultierten, die in der Mitte ein
groBeres, ungefarbtes Korn zu enthalten schienen. Dadurch wurden die
Bakterien den Stabchen aus der Gruppe der hamorrhagischen Septik-
Smie morphologisch recht ahnlich. Im uugefarbten Zustande erschienen
die ,Polkorner* dunkler und bei holier Einstellung starker glanzend als
das Zentrum.
Im Hinblick auf diese polgefarbten Blahformen lassen sich die meist
blafigefarbten und etwas verbreiterten, gegliederten Faden sehr gut aus
der Zusammensetzung mehrerer polgefarbter Stabchen erklaren, d. h. es
kam bei diesen Fallen wohl zum Beginn der Querteilung der Bakterien-
zelle, doch bewahrten die Tochterzellen ihren Zusammenhang an je
1 polgefarbten Ende.
Die Polfarbung trat ubrigens nicht immer an beiden Enden hervor;
es gab auch Formen, die bloB an 1 Ende ein dunkelrotes Piinktchen
trugen, und schliefilich auch andere, die ein solches in ihrer Leibesmitte
aufwiesen. — Farbte man die Bakterien im hangenden Tropfen vital mit
Neutralrot, so traten die Pole des Stabchens und die Kornchen der ge¬
gliederten Faden, die als Septen imponierten, als allein gefarbt distinkt
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Freund, Eine dureh ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis. 13
von dem ungefarbt bleibenden ubrigen Protoplasmaanteile hervor. Diese
polgef&rbten Formen fanden sich nicht bloB in zuckerhaltiger Bouillon,
sondern auch in Serumbouillon und in der Tiefe und auf der Oberflache
von festen Nahrboden; sehr sparlich waren sie aber in serum- und
zuckerfreien Substraten. Die Art der Fixation der Ausstriche war fiir
das zahlreichere oder spSrlichere Auftreten von Blahformen nicht von
Belang. Ein technisches Moment kam aber in Betracht: Die Fiirbungs-
art. In Kulturausstrichen, die mit 10-fach verdiinntem Karbolfuchsin
als Nachfarbung zur Gramschen Methode behandelt worden waren,
vermiBte ich mitunter die Polfarbung, die jedoch bei kurzer Einwirkung
konzentrierten Karbolfuchsins oft deutlich in Erscheinung trat.
Zu einer progredienten Abnahme der Blahformen kam es in sonst
reichlich diese Formen hervorrufenden Nahrmedien dann, wenn in groBeren
Zwischenraumen iiberimpft wurde und die Entwicklung in den neu-
beimpften Rohrchen eine verlangsamte war. Es erschienen dann meist
kleine, diffus gefiirbte Bakterien. Auch in alteren Serumzuckerbouillon-
Kulturen waren sie meist recht sparlich zu finden.
Ich stelle mir vor, daB bei diesem Spaltpilze eine gewisse Varia¬
bility auch im biologischen Verhalten besteht, insofern, als etliche be-
sonders nahrungsavid sind, sich mit N&hrstoffen beladen und dadurch
gebiahte Form mit Polfarbung bekommen, also das schlecht gefiirbte
Mittelstuck gleichsam als eine Nahrungsvakuole aufzufassen wiire. Diese
Formen waren durch ihre Stoffwechselprodukte gleichzeitig die Haupt-
trager der Fermentationen und GSrungen, die diese Mikroben bewirken.
Man kbnnte sie demnach als Mastformen und nicht als Degenerations-
erscheinungen auffassen. Sind nun die ihnen am meisten zusagenden
Nahrstoffe erschbpft oder bringt man die Bakterien direkt in ein ihnen
wenig zusagendes Kulturmittel, so iiberwiegen die kleineren, diffus ge-
farbten, zu Kettenbildung und Diploformierung neigenden Stabchen als
die resistenteren und mit groBerer Fortpflanzungsenergie begabten. Man
konnte diese daher als Wuchs- oder als Hungerformen bezeichnen.
Trotz des Auftretens zahlreicher Blahformen konnte an Praparaten,
die teils nativ, teils fixiert mit Jodjodkaliumlosung oder auch mit Jod-
tinktur bis zu 24 Std. lang behandelt worden waren, keine Granu-
loseinfiltration, kenntlich an dem Auftreten blau- oder rot-
violetter Einlagerungen, beobachtet werden, obwohl die verschiedensten
Kulturen daraufhin untersucht wurden. Handelt es sich also bei den
Blah- oder Mastformen um Einlagerung eines Kohlenhydrates, so muB
es eine Art sein, die mit Jod keine Farbenreaktion nach Art des
Glykogens oder des Dextrins gibt.
Nur einmal beobachtete ich ein von dem bislier beschriebeneu ab-
weichendes morphologisches Verhalten, als ich mimlich, nach mehreren
vergeblichen Versuchen, den Mikroorganismus neuerlich in gewohnlicher
anaerober Peptonfleischbriihe zum Wachstum bringen wollte. Es fanden
sich neben den kleinen Formen auch zahlreiche diinne und dickere
Faden. von welchen die letzteren blasser gefiirbt erschienen. Die Fiideu
waren teils homogen gef&rbt, teils wechselten in ihnen intensiver und
.'Chwacher gefarbte Stellen ab, wodurch ein septiertes Aussehen hervor-
gerufen wurde. Dabei iibertrafen die blasser gefiirbten Anteile an
Langenausdehnung die dunkler gefarbten. Die Fiiden waren manchmal
zu dichten Zopfen verfilzt, meist mehrfach Hacher oder auch starker
gekruinmt, erstreckten sich oft iiber ein ganzes Gesichtsfeld und lieBen
mitunter die Zusammensetzung aus kleineren Individuen erkennen. Sehr
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augenfallig und ganz abweichend von den fruheren Bildern aber war
folgender Befund: Man konnte in dieser Bouillon auch Formen beob-
achten, welche einer besonders starken Blahung und Defonnierung des
Bakterienleibes ihre Entstehung verdankten, indem sich n&mlich Formen
fanden, die an einem Ende birnformig aufgequollen, spermatozoenahnlich
oder trommelschlagelartig verbreitert waren, auch solche, die in ihrer
Mitte eine den Bakterienfaden um ca. das 3-fache an Dicke iibertreifende,
spindelige Anschwellung besaBen, und schlieBlich auch zu birnformigen,
groBen, ovalen oder rundlichen Gebilden umgestaltete, einzelliegende
Stabchen von ca. 6,5 Lange und 4,8—5,0 // Breite (geschatzt mit dem
Zeissschen Okularmikrometer). Im ungefarbten Praparate war nicht
auffallig mehr von diesen bizarren Schwellungsformen zu sehen.
Schon bei der nachsten Uebertragung in Bouillon waren diese be¬
sonders langen und gequollenen F&den bis auf schattenartige Gebilde
verschwunden; an ihrer Stelle waren die in wenig zusagenden Nahr-
boden auftretenden kleinen, ovoiden Stabchen nebst sp&rlichen und
diinnen Faden auffindbar, die beide diffus und ziemlich kraftig Karbol-
fuchsinfarbung annahmen. Bei Uebertragung in Serumzuckerbouillon
erschienen nur die kleinen, teilweise polgefarbten Individuen, und auch
solche, die ein starker gef&rbtes Korn in ihrer Leibesmitte aufwiesen.
— Diese stark geschwellten und zu langen gebiahten Faden anwachsenden
Formen miissen daher als Degenerationserscheinungen bei Ueber-
tragungen in ungewohnte, an Nahrstoffen arme Medien betrachtet,
werden. Ein Analogon waren die auf Salzagar auftretenden Bl&hformen
des Pestbazillus.
Die Far bung gelang am beaten mit verdiinntem Karbolfuchsin. Auch Karbol-
gentianaviolett lieferte gute Bilder. Loefflers Methylenblau oder Karbolmethylenblau
g ib wenig gute Resultate. Dem Gramachen Verfahren gegeniiber erwiesen sich die
akterien ala ausnahmslos negativ, und zwar sowohl in der Kultur als auch im Tier-
korper. Die Entfarbung erfolgt sehr rasch.
Sporen wurden nie gefunden trotz zahlreicher darauf gerichteter Farbungen nach
der Loefflerschen Methode. Die Bakterien zeigten keine Eigenbewegung.
Kulturelles Verhalten des Bakteriums.
Das Bakterium wachst nur unter anaeroben Bedingungen. Es ging
in den tieferen Teilen der in holier Schicht nach Liborius und Veil-
lon gefiillten Rohrchen anfangs nur in Agar an, dem natives EiweiB
in Form steriler, eiweiBreicher Hydrokelenfliissigkeit zugesetzt war.
Es bildeten sich darin bei der 1. Kultivierung nach 3 Tagen mit
dem unbewaffneten Auge erkennbare Kolonien. Spaterhin erfolgte das
Wachstum schneller, so daB schon nach 24 Std. Kolonien erkennbar
waren, die im Laufe einiger Tage zu liber 1 mm groBen, scharf be-
grenzten, linsenformigen Kolonien auswuchsen, die, soweit die leicht
gelbliche Farbung des Nahrbodens eine Beurteilung zulieB, weiBlich-
gelb gefiirbt waren. Die Kolonien zeigten also den Typus, den v. Hib-
ler als den ,geschlossenen‘ bezeichnete. Nur selten, und zwar dort,
wo mehrere nahestehende Kolonien zusammenflossen, wurde die Linsen-
gestalt aufgegeben. Erfolgte sehr dichte Einsaat, so trat diffuse Triibung
des Nahrbodens auf.
Bald nach dem Auftreten der Kolonien zeigten sich in den Rohrchen
Gasblasen. Die Gasbildung war mitunter eine derart Starke, daB es
zur Zersprengung der Agarsaule und zum Auseinanderschieben der ge-
sprengten Stficke kam. Die Gasentwicklung war besonders kraftig in
Serumzuckeragar, fehlte aber auch in Serumagar nicht.
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Freund, Eine durch ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis. 15
Ueberimpfte man aus serumhaltigem Agar in gewohnlichen Fleisch-
bruhepepton-Agar, so fand zwar in diesen Rohrchen ziemlich gutes
Wachstum statt (auch Gas wurde, wenn auch spariich, gebildet, fehlte
aber manchmal auch gSnzlich); eine weitere Kultivierung von diesen
Agarrbhrchen wieder in Agar mifilang aber anfangs, so daB wohl die
geringe Serummenge, die bei der Ueberimpfung mittels der Pasteur-
schen Pipette vom serumhaltigen Nahrboden in den serumfreien mit-
ubertragen wurde, die Vorbedingung zum Anwachsen in primar serum-
freiem Agar war.
Erst spater, nach bfteren Passagen in Serumzuckerbouillon, gelang
es, in serumfreier Bouillon oder Zuckerbouillon geziichtete Kulturen mit
Erfolg in gewdhnlichen Agar zu iibertragen. Doch war das Wachstum
ein schwachliches und die Kolonien blieben klein.
Oberfl&chenkolonien wurden nach der Methode von Lentz
iSauerstoffabsorption durch mit Pyrogallussaure getrankte FlieBpapier-
scheiben, AbschluB der Luft mittels Plastilin) auf Sernmzuckeragar leicht
erzielt. Es kamen nach ca. 48 Std. kleinste, tautropfenahnliche Kolo¬
nien zum Vorschein, die sich in der Folge bis zu 3—4 mm Durchm.
vergroBerten, doch blieb die GrbBe vieler Kolonien, besonders dort, wo
dichtere Aussaat stattgehabt hatte, bei StecknadelspitzgrbBe stehen.
Die Kolonien waren kreisrund, etwas opak, im durchfallenden Lichte
leicht milchig getrObt (altere Kulturen gelblich), im auffallenden Lichte
gelblich-weiU, erhaben, gianzend, von salbenartiger Konsistenz, doch
lieBen sich manche Kolonien als ganze mit der Oese auf der Oberflache
des Agsrs verschieben. Die Neigung zur Konfluenz war, selbst bei
dichter Aussaat, eine geringe; auch auf 10 Tage alten Platten wurde
sie kaum bemerkt. In den makroskopisch konfluierenden Stellen sail
man mikroskopisch noch deutlich die Zusammensetzung aus einzelnen
Kolonien.
Bei 60-facher VergrQBerung ergaben sich folgende Bilder: Die Kolo¬
nien sind gelb-braun, nnd zwar im Zentrum dunkler als in der Peri¬
pherie, von rundlicher Gestalt; der Rand erscheint etwas vorgeschoben,
ist glatt, nur an manchen Stellen ganz flach gezahnt. Die Kolonien
sind zart granuliert, fein radiar gestreift. Bei manchen aiteren Kolo¬
nien (5 Tage alten) sieht man eine, bei hoher Einstellung gianzende,
anscheinend homogene, gelbliche, runde, ca. VlO Durchm. der Kolonie
haltende Stelle, welche als Zentrum der radiaren Streifen imponiert und
oft kranzartig von ebensolchen, nur kleineren Flecken umgeben ist. In
10 Tage alten Kulturen reprasentieren sich die gelbbraunen Kolonien
als erftillt mit nach der Peripherie an GroBe abnehmenden, leicht wellig
begrenzten, homogenen Schollen und Scheiben. Da sich in solchen
Kolonien neben gut erhaltenen Stabchen auch kornig-wolkiger Detritus
in groBerer Menge fand, sind diese Schollen wohl als regressive Meta-
morphosen und Zerfallserscheinungen zu deuten.
Bouillon. Ebenso wie in Agar, miBlangen in den ersten Passagen
die Y r ersuche, den Mikroorganismus in serumfreier Bouillon oder Zucker-
booillon zum Wachstum zu bringen. Erst nach 10 Serumzuckerbouillon-
Passagen glflckte es, ihn von Bouillon zu Bouillon durch 5 Generationen
fortzuzilchten. Doch lieBen die Kulturen ein immer mehr sich ver-
spatendes Wachstum erkennen; in der 5. Bouillon-Passage begann es
erst nach 5 Tagen. Dabei traten auch die beschriebenen MiBbildungs-
formen auf.
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In Serumzuckerbouillon ging der Mikroorganisraus schnell an und
zeigte folgende Entwicklung: Nach 10—20 Std. erfolgte zunachst eine
Triibung des gesamten Nahrmediums, der bald Gasentwicklung folgte.
welche initunter so sturmisch war, daB die Bouillon einem perlenden
Sodawasser glich. Bald konnte man auch Flockchen, die teils am Boden
des Reagenzglases lagen, teils an den Wanden hafteten, bemerken, welch
letztere sick allmahlich senkten. Nach 48—60 Std. horte die Gasent¬
wicklung auf und es begann eine rasche Klarung der Bouillon, welche
nach kurzer Zeit eine vollstandige war. Am Boden lag dann, die Kuppe
ca. Vi cm hoch bedeckend, ein weiBer, pulverig-tlockiger Bodensatz, der
anfangs leicht, in alteren Kulturen aber nur schwer aufzuschiitteln war.
Die Gasentwicklung entsprach, dem Volumen nach geschatzt, oft einem s /' 1
der Hohe der beimpften Flussigkeit. Uebertrug man Serumzuckerbouillon-
Kulturen mittels der Pipette in etwas reichlicher Menge in Bouillon oder
Zuckerbouillon, so trat Triibung nur ganz vortibergehend auf, Oder iiber-
haupt nicht. In Bouillon konnte lmal, bei den 1. Ueberimpfungen you
Serumzuckerbouillou aus, ein Bodensatz beobachtet werden, welcher
durch seine geballten Wattekiigelchen ahnliche Beschaffenheit lebhaft an
die Serumbouillonkulturen der fusiformen Bakterien erinnerte. Ueber¬
trug man von Bouillon in Bouillon — wobei es erst, wie erwahnt, nach
mehreren Serumzuckerbouillon-Passagen gelang, Wachstum zu erzielen
so trat mitunter schwache Gasbildung, uie aber Triibung auf. Die Bak¬
terien entwickelten sich als Belag auf dem Boden der Eprouvette, dock
war die Struktur des Bodensatzes meist eine mehr fadige oder feinsten,
flottierenden Watteflockchen ahnliche, welcher Bodensatz — dem schnellen
Zerfall der Mikroben in gewohnlicher Bouillon entsprechend — sich
bald zu einer der Harnnubecula ahnlichen Formation umgestaltete.
Nicht unerwaknt moge dabei die Technik der anaeroben Kultivierung
in fliissigen Niihrboden bleiben, welche wir nach dem Vorbilde B. Runeberg.s
anwandten. Paraffin- oder Olivenol als Ueberschichtungmittel der Bouillonrohrchen
garantiert nur einen voriibergehenden Schutz vor dem Eindringen atmospharischer Luft
in die Fliissigkeit, welche aurch ‘/j-stiind. Kochen im JDampftopfe von adsorbierten
Gaeen befreit wurde. Rune berg hat nun, das W eichselba u msche Gefrierver-
fahren verbessernd, folgende Methode angegeben: Nach l / t -atuud. Auskochen kommen
die Rohrchen sofort in Eiswasser, werden nach der Abkiihlung schnell beimpft und
mit sterilem, geschmolzenem Paraffin vom Schmelzpunkt ca. 40° in 1 /, cm hoher Schicht
iiberschichtet. Nach dem Erstarren des Paraffins dient dieses nun sozusagen als
Schwimmer fiir eine dariiber geschichtete, ca. 2 cm hohe Menge von Agar, welcher als
eigentlich gasundurchliissiges Medium zu betrachten ist. Dariiber schichteten wir nun,
uni ein Eintrocknen des von der Paraffinscheibe getragenen Agarpfropfens zu ver-
meiden, nach dem Erstarren des Agars in Eiswasser, eine 2. Lage von geschmolzenem
Paraffin von 1—2 mm Dicke. Diese Methode ist bei einiger Uebung leicht anwendbar
und ergab uns ausgezeichnete Resultate. Als ein besonderer Vorteil derselben erscheint
der Umstand, daS Objekttragsrausstriche nicht durch das sonst beinahe unvermeidlich
mit dem Kulturmaterial darauf gebrachte fliissige Paraffin veruoreimgt werden.
In Tarozzi-Bouillon konnte auch ohne Ueberschichtung Wachs¬
tum am Grunde des Rohrchens erzielt werden. In Peptonwasser
konnte auch bei 1-monat. Beobachtung ein Wachstum nicht wahrgenomraen
werden. In fester Gelatine (also bei hochstens 22° gehalten) wuchs
der Mikroorganismus nicht. In bei Brutofentemperatur gehal¬
ten er, mit Agar iiberschichteter Gelatine erfolgte bei Einimpfung
aus Serumzuckerbouillon nach einigen Tagen Wachstum als Bodensatz.
Brachte man solche Rohrchen in kaltes Wasser, so erfolgte promptes
Erstarren in Gelatine. Peptonisierendes Ferment wird also nicht ge-
bildet. In erstarrte Hydrokelenflussigkeit gestochen, erfolgte
Wachstum und Gasbildung, niemals aber Verfliissigung.
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Freund, Eine durch ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis. |7
Hirnnahrboden nach Hi bier, mit Agar iiberschichtet, wurden
□ach einigen Tagen in den unter dein Agar gelegenen Teilen geschwSrzt.
V T oraus ging sparliche Gasbildung. Die Reaktion des HirnnShrbodens
blieb dabei eine saure. Dieser Befund steht im Gegensatze zu den
Angaben v. Hi biers, dafi Hirnnahrboden schwSrzende Anaerobier
stets geronnenes Serum verflussigen. Doch gibt Hibler in seiner 1913
erschienenen Arbeit selbst eine Ausnahme von diesem Gesetze an.
In Milch erfolgte kein Wachstum. Mit einem geringen Serum-
zusatze versehene Milch jedoch wurde nach Gasbildung in 3 Tagen
koaguliert. Eine Peptonisierung des Gerinnsels fand nicht statt.
Lackmusmaltose-, Mannit- und Saccharosebouillonen
wurden von Serumzuckerbouillon-Kulturen beschickt. Die Nahrmedien
wurden gerotet, es kam zur Gasbildung und schlieBlich zur volligen Ent-
f&rbung. Diese EntfSrbung, die durch l&ngeres Auskochen unserer
Lackmusbouillonen allein nicht hervorzurufen war, muB durch Reduktion
des Lackmusfarbstoffes zu einem farblosen Chromogen bedingt sein.
Denn wurden die RShrchen wieder der Luft ausgesetzt, so kehrte nach
1 Tage die rote Farbe wieder; wahrscheinlich also eine Oxydation des
Chromogens zum gef&rbten Korper. Das Wachstum erfolgte in diesen
Lackmuszuckerbouillonen langsam und dauerte 5 Tage bis zur makro-
skopisch kenntlichen Entwicklung. Die als Bodensatz bei vollkommen
klar bleibender Fliissigkeit gedeihenden Bakterien bildeten — abweichend
von dem pulverig-flockigen Sedimente in zusagender Bouillon — einen
fadigen, an flotti^rende Wasseralgen erinnernden Bodensatz. Neutral-
rot-Zuckeragar (5 Tr. einer konzentr. Losung auf 12 ccm Agar)
wurde zersprengt und teilweise entfarbt; die entfarbten Partien fluore-
szierten grunlich.
Alle Kulturen rochen ekelerregend ranzig-fotid, mitunter an den
Geruch faulenden Eases gemahnend. BloB bei den Kulturen in erstarrter
Hydrokelenflflssigkeit konnte ich diesen Geruch nicht wahrnehmen. Die
ursprunglich leicht alkalische Reaktion der Bouillonen schlug nach dem
2., spStestens aber am 3. Tage in saure urn. Bei Zim mertempe¬
ra tur erfolgte weder in Gelatine, noch in Serumzuckerbouillon oder SZ-
Agar Wachstum.
Die Resistenz der Bakterien gegen Erhitzen ist gering.
Wurden in Eiswasser gekiihlte Bouilloukulturen 2‘/ 2 Min. lang im Dampf-
topfe erhitzt, gleich darauf in Eiswasser abgekiihlt, mit Serum versetzt
und rasch mit Paraftinagar verschlossen, so lieBen sie bei 14-tfig. Be-
obachtung kein Wachstum erkennen.
Dagegen ist die Lebensfahigkeit der Kulturen eine betrachtliche.
Die Ueberimpfung aus einer 5 Tage bei 37° und dann 30 Tage bei
Zimmertemperatur im Dunkeln gehaltenen Agarkultur, sowie die einer
26 Tage im Brutschrank verbliebenen Agarkultur lieB krllftiges Wachs¬
tum mit Gasbildung in Serumzuckerbouillon bereits nach 24, resp. 40 Std.
erkennen.
Das Bakterium wurde in Serumzuckerbouillon in 20 Passagen weiter-
gezQchtet, ohne hierbei in seinen Eigenschaften auffUllige Aenderungen
zu erfahren.
Chemische Leistungen.
Die besonders in kohlehydrathaltigen Niihrboden auftretende, leb-
hafte Gasbildung wurde schon besprochen, ebenso die F&higkeit, Serum-
Enu Abt. Ong. Bd. 88. Heft 1. 2
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ICentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
milch zur Koagulation zu bringen, Hirnbrei zu schwflrzen, Sauren zu
bilden und stinkende Zersetzungsprodukte zu liefern.
Von chemisch nachgewiesenen Korpern wurden gebildet: Schwefel-
wasserstoff (nachgewiesen mittels Bleiazetatstreifen sowohl im De-
stillate als auch wahrend des Kultivierens); Indol in reichlicher Menge
auch. schon in jungen Traubenzuckerbouillonen (nachgewiesen mittels
der Nitritreaktion von Bayer-Salkowski, der Oxals&urestreifen nach
Morelii und der Ehrlichschen Indolreaktion); Aethylalkohol
(durch Ueberfflhren des Destillates mitJod und Kalilauge in Jodoform);
Buttersaure in betrachtlicher Menge. Die Buttersflure wurde im
Destillat durch Ueberfflhrung in ihren Aethylester mittels Schwefelsaure
und Aethylalkohol und mikrochemisch durch die sich bildenden mono-
klinen Nadeln bei Ueberfflhrung in ihr Kupfersalz und Auskristallisieren
durch Zusatz von Alkohol nachgewiesen. Spuren von Milchsaure
konnte ich im abgedampften Aetherauszug mit Eisenchloridlosung oder
mittels des Uffelmann schen Reagens nicht mit Sicherheit nachweisen.
Essigsaure und Azeton fehlten immer.
Tierpathogencs Verlialten.
Um am nur teuer und schwer zu beschalfenden Tiermaterial zu
sparen, muBten die Tierversuche auf das unumgflnglich notwendige MaB
beschrflnkt werden:
TV. 1. Ein Meerechweinchen von 280 g erhielt 1 ccm Bodensatz einer 3 Tage
alten Bouillonkultur 2. Kulturpassage subkutan unter die Haut des Bauches. Am
nachsten Tage entwickelte sich ein derbes Infiltrat, das in den 'folgenden Tagen an
Lange und Breite zunahm. Am 6. Tage nach der Infektion hatte sich ein iiber nufl-
grofier, fluktuierender Abszeli gebildet. Der Abszefi wurde nach entsprechender Des-
infektion der ihn bedeckenden Haut punktiert und 1 ccm gelblichen, flockigen Eiters
von nicht fotidem Geruch aspiriert. Der Eiter gerann scbnefi unter Fibrinausscheidung.
Im Ausstriche des Eiters fanden sich kleine, dem beschriebenen Mikroorganismus ent-
sprechende, oft als Diplobazillen gruppierte Stabchen, moist extrazellular gelagert. Auch
geblahte Formen mit deutlicher Polfarbung waren zu sehen. Die aus diesem Eiter an-
gelegten aeroben Kulturen blieben steril. Anaerobe Kulturen ergaben den Bazillus in
Keinkultur. — 8 Tage post infectionem halte sich der Abszefi zu einem Geschwiir um-
f ebildet, das 14 Tage p. inf. deutliche Heilungstendenz zeigte. 24 Tage nach erfolgter
nfektion war das Ulcus vernarbt. Eine Gewichtsabnahme des Tieres war in der Zeit
seiner Erkrankung nicht zu konstatieren.
TV. 2. Von der gleichen Kultur wurden 2 ccm einem Meerschweinchen von 320 g
intraperitoneal einverleibt. Das Tier zeigte keinerlei Krankheitssymptome.
Da angenommen werden konnte, dafi durch die Tierpassage vielleicht eine Patho-
genitatssteigerung des Virus fur Meerschweinchen eingetreten sei, wurden in
TV. 3. 2 ccm der aus dem Abszefieiter von TV. 1 gewonnenen 24-stiind. Serurn-
zuckerbouillon eiuem Meerschweinchen (370 g schwer) zur Halfte subkutan, zur Halfte
intramuskular in der rechten Lendengegend injiziert. Das Tier starb nach 4 Tagen.
V 4 Std. post mortem wurde es seziert. Zuerst wurde, nach starker Erhitzung der
rasierten Haut mittels des Bu nsen-Brenners, vom oberen Thorax her das Herz frei-
gelegt und Herzblut. zur anaeroben und aeroben Kultur entnommen. — Es fand sich
ein sulziges Oedem der Bauchhaut. Von der Injektionsstelle reichte bis an die vordere
Bauchwand eine dais subkutane Gewebe mit gelblichem Eiter erfiillende Phlegmone. Im
Eiter waren keine Gasblaschen wahrzunehmen. Die Phlegmone ging retroperitoneal im,
intermuskularen Bindegewebe, und zwar am lateralen Rande des rechten Muse, psoas
bis an die Linea terminalis des Beckens. Die Peritonealhohle war mit leicht getriibter
Flussigkeit erfullt. Fibrin fand sich als flacher Belag herdformig am parietalen Peri¬
toneum, reichlicher zwischen linkem Leberlappen und Vorderflache des Magens, da-
selbst leicht losbare Adhasionen bildend. Nahe der unteren Kante des linken Leber-
lappens an der Vorderflache der Leber ein intrahepatal gelegener stecknadelkopfgrofier,
scharf begrenzter, gelber Herd, dariiber lokal Fibrin.
Im Ausstrich aus der Phlegmone fanden sich die beschriebenen Kurzstabchen, oft
kurze Ketten bildend. Der grofite Teil lag extrazellular, doch sah man auch von Leuko-
zyten phagozvtierte Bakterien. Im retroperitonealen Exsudate vorwiegend polgefarbte
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Freund, Eine dureh ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis. 19
cstrazellular gelegene Formen. Die Kulturen ergaben neben deni anaeroben Mikro-
organismus aerobe, Ooli-ahnliche, auf Endo rot wachsende Stabchen Aus deni
Herzblut dagegen ging der Anaerobe rein an, deutliche Ketten bildend. — Die histo-
logieche Untersuchung ergab eine im subkutanen und intemiuskularen Bindegewebe
gelegene Phlegmone mit wachsig-scholliger Degeneration der Muskulatur und deutlich
hervortretendem Kernzerfall der polynuklearen Leukozyten. Das Knotchen in der
Leber erwies sich als AbszeB; in dessen Umgebung Nekrosen und starkes Oedeni des
Lebergewebes. Bei Bakterienfarbung sowohl in der Phlegmone als auch im LeberabszeB
ungeheure Mengen kleiner Bakterien in wolkigen Haufen.
Die — bei sonstiger Unwirksamkeit der Injektion in die Bauchhohle — in diesem
Falle vorhanden geweaene sero-fibrinose Peritonitis legt den Verdacht nahe, aafi hier
nicht nur der anaerobe Keim seine pathogene Wirkuug entfaltete, sondern auch eine
Infektion mit dem Coli-ahnlichen Stabchen atiologisch zumindest mitangeschuldigt
werden muB, um so inehr als
TV. 4. ein mit derselben Kultur (14-stiind. Serumzuckerbouillon aus AbszeBeiter
ron TV. 1) infra peritoneal geimpftes Meerschweinchen keiuerlei Erkrankungssym-
ptonae bot.
Immerhin muB dem Befunde der Reinzfichtung des Anaeroben aus dem Herzblut
d«* Tieres Nr. 3 insofern Beachtung geschenkt werden, als hierdurch die Moglichkeit
der Invasion des Mikroben in die Blutbahn vom subkutanen Gewebe und von der
Muskulatur aus gegeben erscheint.
TV. 5. Mit 1 ccm Bodensatz aus dem Herzblut des TV. 3. gewonnener Bouillon-
kaltur wurde ein 5. Meerschweinchen von 450 g intramuskular in der rechten Glutaal-
eegend infiziert. An der Injektionsstelle entwickelte sich in 2 Tagen ein derbes Infiltrat,
das die ganze Streck- und Lateralseite des Oberschenkels einnahm und im Verlaufe
von weiteren 2 Tagen auch zu einer derben Schwellung in der Inguinalgegend tiihrte.
Das Tier schrie bei Beriihrung des Infiltrates und saB mit struppigem, gestraubtem
Fell im Kafig. Nach 8 Tagen zeigte die Haut fiber dem rechten Oberschenkel ausge-
dehnten Haarausfall und war dabei borkig-rissig und mit kleinen Exkoriationen be-
deckt. Die Stelle des Infiltrates zeigte nun deutliche Fluktuation, jedoch kein Gas-
knistern. Am 11. Tage kam es zum Durchbruch des Eiters zuerst auf der Kuppe der
Schwellung in der Inguinalgegend. Die Schwellung bildete sich hierauf langsam zu-
riick. Das Tier hatte aber nach 26 Tagen 130 g an Korpergewicht verloren.
TV. 6. Schliefllich wurde einem groBen, grauen HaBen ‘/* ccm Bodensatz 48 Std.
alter Serumzuckerbouillon in 6. Kulturpassage in die Randvene des Ohres injiziert.
Bereits am folgenden Tage machte das Tier einen schwerkranken Eindruck, zeigte hef-
tige Dyspnoe und lag apathisch im Kafig. Es magerte zusehens ab. An der Injek-
tionastelle des Ohres entwickelte sich ein haselnuBgroBer AbszeB, mit dicklichem, gelbem
Eiter gefullt, der in wenig reichlicher Menge den Erreger enthielt. Spater konnte das
Tier die Hinterbeine nur noch in den Huftgelenken bewegen und lag meist mit auf-
gestfitzten Vorderbeiuen auf der linken Seite des Hinterleibes auf. Am 12. Tage war
auch die vordere linke Extremitat ataktisch, am folgenden Tage war sie gelahmt. Am
14. Tage wurde das Tier, das einen schwer marantischen Anbliek bot, mit Chloroform
getotet.
Es fanden sich multiple, in der Muskulatur und im subkutanen Gewebe gelegene,
bis haselnuBgroBe Abszesse in der Occipitalgegend und submental, hier scheinbar von
vereiterten Lymphdrusen ausgehend. Darin aicklicher, nicht ffitider Eiter. In der
Leber multiple bis hanfkorngrofle, gelbliche Abszesse, die sich derb anftiblten. Die
linke Vena jugularis war in ihrem schadelwarts gelegenem Anteile von einem gelb-
lichen, eitrigen Thrombus obturiert. An der Hinterhauptsschuppe reichte der Eiter
eines Abszesses dureh den Knochen hindurch bis an die Dura mater in der Gegend
der linken Kleinhirnhemisphare.
Bakterioskopisch fand sich im Eiter der intramuskularen und der Leberabszesse
der Erreger und wurde unter anaeroben Bedingungen als das einzige Bakterium aus
Leber und Milz gezfichtet. Aerob angelegte Kulturen blieben samtlich steril. Auch
.n diesem Falle gelang aus dem Herzblute die Kultur des Erregers.
Fassen wir die Ergebnisse der Tierversuche kurz zusammen. so er-
gibt sich, daii der Mikroorganismus befahigt ist, bei Meerschwein¬
chen vom Unterhautzellgewebe aus, sowie auch intrainuskul&r injiziert,
nicht-fotide Abszesse zu erzeugen und, von diesen Depots aus, unter
begflnstigenden UmstSnden (Sekundarinfektion) auch in die Blutbahn
einzudringen. Bei Kaninchen, als den fiir anaerobe Infektionen
empfSnglichsten Tieren, gelingt es, dureh intravenose Einverleibung ein
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20 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
septiko-pyamisches Krankheitsbild mit multipier Abszedierung hervor-
zurufen.
Intraperitoneal erfolgte Meerschweincheninfektionen ergaben keine
merkliche Erkrankung der Versuchstiere, ein Verhalten, das sich ubrigens
auch bei anderen, sonst tierpathogenen anaeroben Keimen besckrieben
findet.
Was nun die Stellnng des Bakteriums zu verwaudten Arten an-
langt, so wird ein Vergleich durch die manchmal mangelbafte Beschrei-
bung der bereits gefundenen, ahnlichen Anaerobier erschwert. Es wurden
daher nur jene Arbeiten der mir zuganglichen Literatur zum Vergleiche
herangezogen, die eine nahere Beschreibung des gefundenen Bakteriums,
insbesonders auch in kultureller Hinsicht, enthielten.
Der von Ghon, Mucha und Muller als Fall 1 bei anaeroben
Meningitiden beschriebene Mikroorganismus ahnelt dem unsrigen durch
seine an Influenzabazillen erinnernde Form im Ausstriche des Meningeal-
exsudates, sein ablehnendes Verhalten gegeniiber der Gramschen FSr-
bung, durch seine Polfarbbarkeit und durch die in der Form hervor-
tretende Variabilitat, welche auch zur Fadenbildung fiihrte, sowie durch
seine Unbeweglichkeit. Er glich ihm ferner kulturell in seinem Ver-
mogen, Milch, wenn auch erst nach mehreren Wochen, zur Gerinnung
zu bringen, dabei aber geronnenes Serum und Gelatine nicht zu ver-
fliissigen. — Er unterschied sich von ihm aber wesentlich durch das
Fehlen der Gasbildung, durch die, wenn iiberhaupt vorhandene, dann
nur sehr schwache Indolbildung, ferner dadurch, daB seine Bouillonkul-
turen niemals vollstandig klar wurden, durch die nur schwer erhaltbaren
Oberfliichenkolonien, die einem zarten Rasen oder einem schleierartigen
Belage glichen, und seine geringe Tierpathogenitat.
Fall 2 derselben Autoren weicht schon in der Form der im Ex-
sudatausstriche gesehenen Bakterien betrSchtlich ab, indem sie als viel
groBer wie Influenzabazillen, mehr den Typhus'bazillen ahnlich beschrieben
werden. Die Farbbarkeit nach Gram war eine schwankende; der Mikro¬
organismus war beweglich, wuchs auch bei Zimmertemperatur. produ-
zierte in erstarrter Hydrokelenfliissigkeit Gas, schwarzte und verttiissigte
das Serum, brachte Milch nicht zur Koagulation und vertiiissigte Gela¬
tine nach langerer Zeit; der Rand seiner Oberfliichenkolonien war auf-
gefasert, die Tiefenkolonien klein und maulbeerartig. — Er glich dem
hier beschriebenen Bakterium durch Gasbildung, die Schwarzung des
Hirnniihrbodens, durch die Klarung der Bouillon nach einigen Tageu und
durch Indolbildung; ferner dadurch, daB mitunter bei den auch zu langen
Fiiden auswachsenden und besonders auf zuckerhaltigem NShrbodeu
bipolar gefarbten Stiibchen keulen- und tonnenformige Anschwellungeu
gefunden wurden.
Im Fall 3 wurde ein schlanker, vibrionenartiger, leicht gekrilmmter,
an den Enden spitzer, beweglicher Mikroorganismus nebst positiven
Kokken gefuuden. Der Formenreichtum war kein groBer, doch wurden
auch an Kokken erinnernde und (in iilteren Kulturen) gebliihte Indi-
viduen angetroffen. Er war gramnegativ, wuchs in der Tiefe der Kul¬
turen in rundlichen oder wetzsteinformigen Kolonien mit grauem, neb-
ligem Hofe und bildete auf der Oberflache fester Niihrbbden nur zarte
Kolonien; er produzierte in erstarrtem Serum kein Gas und brachte es.
ebenso wie Gelatine, nicht zur Verfliissigung. Die Milch wurde meist
1 koaguliert und es trat Peptonisierung des Gerinnsels ein. Die in
Bouillon auftretende Triibung blieb bestehen, Gas wurde nur sparlich
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Freund, Eine durch ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis. 21
gebildet. Wachstum fand auch bei Zimmertemperatur statt. Indol-
bildung fehlte. Der Stamm war nicht tierpathogen.
Der Erreger des Falles 4 glich im allgemeinen dem bei Fall 1 be-
schriebenen.
v. Hi bier hat in einem Falle von HirnabszeB neben grampositiven
Streptokokken ein anaerobes Stabchen gefunden, das neben kokkenartig
kurzen auch. Ianggestreckte Formen und in Kulturen Blahformen mit
Granuloseeinlagerung aufwies. Es verhielt sich der Graraschen Fkr-
bung gegentiber amphibol und es konnten Sporen und Sporenanlagen
nachgewiesen werden. Es glich unserem Mikroorganismus kulturell nur
durch seine ,geschlossenen‘ Tiefenkolonien, durch seine Fahigkeit, Ge-
hirnbrei zu schwarzen und Milch zur Gerinnung zu bringen, sowie Gas
und Indol zu bilden. — Doch war es beweglich, wuchs auch bei Zimmer¬
temperatur und brachte Gelatine zur Verfliissigung. Mausen injiziert,
rief es Kr&mpfe hervor und totete mitunter dieTiere; bei Meerschwein-
chen entwickelten sich bei subkutaner Einimpfung gashaltige Infiltrate,
die sich mancbmal zu Abszessen umgestalteten.
Russ beschrieb ein bipolar gefarbtes, influenzabazillenShnliches,
gramnegatives, unbewegliclies Stabchen, das im Eiter eines periproktalen
Abszesses neben grampositiven Streptokokken vorkam. Es bildete in
alteren Kulturen mitunter ungegliederte Faden und wuchs nur unter
anaeroben Bedingungen in traubenzuckerhaltigen Kultursubstraten; in
Serumagar, Milch und Gelatine (letztere bei Zimmertemperatur gehalten)
fand kein Wachstum statt. Die Oberflachenkolonien auf Traubenzucker-
agar waren kreisrund, scharf begrenzt und fein granuliert; es bestand
keine Neigung zur Konfluenz. Da es, Mausen injiziert, keinerlei Krank-
heitssymptome hervorrief, hielt Russ es ftir einen Saprophyten.
Der gramnegative Bacillus fragilis von Veil Ion und
Zuber ist ein Stabchen, etwas kleiner als der Diphtheriebazillus, ent-
weder isoliert liegend, oder auch als Diplobazillus auftretend; Ketten
bildet er nicht. In Kulturen finden sich auch recht lange Formen. Er
wachst bei Zimmertemperatur, auch auf Gelatine (ohne sie zu verfiussigen)
nnd bildet Gas, doch nie in solcher Menge, urn die Agarsaule zu zer-
sprengen. Die Kulturen sterben schon nach 7—8 Tagen ab, von welchem
Verhalten der Bazillus auch seinen Namen bekam. — Bei Meerschwein-
chen und Kaninchen, subkutan eingebracht, rief er Abszesse und Phleg-
monen, intravenos Kaninchen injiziert, eine zum Tode fiihrende Kachexie
hervor.
Ein in einem jauchigen Pleuraexsudate von Niosi entdecktes,
streptobazillenartiges Kokkobakterium war im Ausstriche des Eiters aus
der Pleura zwar grampositiv, in den Kulturen der Gramschen F&rbung
nach schwankend. Von Blahformen Oder Granulosebildung berichtet
Niosi nichts. Es bildete in den Kulturen zwar Gas und brachte Milch
ohne Peptonisation des Gerinnsels zur Koagulation, wuchs hingegen
auch bei Zimmertemperatur (nicht in Gelatine), triibte die Zucker-
bouillon gleichmaflig mit sp&rlichem Niederschlage, in einfacher Bouillon
nie anwachsend. An der Oberflache von festen N&hrboden gedieh es nur
kQramerlich (nach 5 Tagen mit freiem Auge erkennbare, stachelige Ko-
lonien). Subkutane Infektionen blieben bei Meerschweiuchen und Ka¬
ninchen erfolglos, intrapleural und bei einem Versuche auch intraperi-
toneal erwies es sich als pathogen.
Das Coccobacterium mucosum anaerobicum, von Klinger
in einem Hirnabszesse nach Bronchieektasien und Empyem neben fusi-
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CentralbL f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 8«. Heft 1.
formen Bakterien gefunden, war gramnegativ uud unbeweglich, ira Eiter
von einer Schleimhiille urageben und bildete auf Zuckeragar typische
Blahformen. Doch war Granuloseeinlagerung mit der Jodreaktion nach-
weisbar. Im Eiter war Anordnung zu Ketten angedeutet. Es wuchs
nur bei Brutofenteniperatur unter Gasbildung als linsenformige Tiefen-
kolonie, verfliissigte erstarrtes Rinderseruin nicht und brachte Milch zur
Koagulation. — Zum Unterschiede von dem Bakterium dieser Arbeit
brachte es das Milchgerinnsel nach 4—9 Tagen zur Auflosung, ver-
fliissigte Serumgelatine (Serumzusatz war zu seinem Gedeihen in alien
Kulturen unbedingt erforderlich), bildete in Bouillon zunachst Boden-
satz und dann Triibung; war in Oberflachenkultur nicht zu ziichten und
seine Kulturen waren ausgesprochen fadenziehend. Meerschweinchen,
Kaninchen und Mause gingen nach subkutaner Infektion an ausgedehnten
Phlegmonen zugrunde. Intraperitoneale oder intravenose Injektion war
wirkungslos.
Schon groBere Verwandtschaft in Morphologie und kulturellem Ver-
halten als die bisher verglichenen Arten weist der Bacillus thetoides
von Rist und Guillemot auf, der nach der Beschreibung Rune-
bergs ein polymorphes, oft polgefdrbtes Stabchen ist, das auch lange
und verzweigte Faden bildet. Es ist gramnegativ und unbeweglich,
wachst in Tiefenkolonien als gelbliche, bikonvexe Linse und bringt Milch
zur Koagulation ohne Peptonisierung des Koagulums. — Es wSchst
jedoch schon bei Zimmertemperatur rasch (auch in serumfreien Nahr-
boden); seine blauweiBen, runden Oberflachenkolonien verraten eine leb-
hafte Tendenz zu konfluieren; die Fahigkeit, Gelatine zu verfliissigen,
ist eine schwankende; Bouillonkulturen klaren sich nicht. Es ist fiir
Meerschweinchen pathogen.
Noch nahere Beziehungen weist ein von Courmont und Cade
beschriebenes, im Eiterausstriche pestbazillenShnliches Stabchen auf, das
sie als einzigen Erreger bei einem Falle von Septikopyamie bei eineni
jungen Manne fanden. Es lag im Eiter einer supraklavikuldren Lymph-
drtise einzeln Oder als Diplobazillus, in Palisadenform, in kleinen
Haufchen oder auch in kurzen 3er-Ketten, zeigte die 2 Enden starker
gefarbt als den zentralen Rest und entfarbte sich nach Gram. Gut
stimmt auch sein Verhalten in Bouillon mit dem von uns beschriebenen
Stamme iiberein, indem es sie nur teilweise oder gar nicht triibte, darin
Ketten und Haufchen und einmal auch die beschriebenen Degene¬
rations- und Schwellungsformen bildete. Die Autoren schreiben hieriiber:
„Le microscope montre le ddveloppement du bacille en longues chainettes
agglutindes et formant des flocons ou en trfes longs filaments. — Dans
une culture laissde pendant un mois k l’air apr&s son ddveloppement
dans le vide, nous avons constatd des formes renfldes, volumineuses,
arrondies ou ovoides, situees au bout ou sur le corps de bacilles al¬
longes.“ — In Milch fand kein Wachstum statt. Kulturen waren noch
nach 30 Tagen iiberimpfbar. — Das tierpathogene Verhalten stimmt mit
dem von uns gefundenen vollig iiberein: Bei Meerschweinchen nach sub¬
kutaner Injektion Abszedierung, bei Kaninchen nach intravenoser Ap-
plikation Leberabszesse. — Er unterscheidet sich von unserem Stamme
jedoch durch die durchaus fehlende Gasbildung, die Formen der Ober¬
flachenkolonien auf Agar, die den zarten Pneumokokkenkulturen glichen.
Doch ist es immerhin moglich, daB die verschiedenen Kultursubstrate
(in unserem Falle Ser.-Zuck.-Agar, bei Courmont- und Cade-Agar)
das differente Verhalten der Oberflachenkolonien bewirken. Ferner kam
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Freund, Eine durch ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis. 23
der Baziilus C.’s und C.’s raitunter auch in bei 20° gehaltener Gelatine
zur Entwicklung.
Die weitestgehende Verwandtschaft zeigt ein von Kisskalt ira Eiter
eines nach der Vagina durchgebrochenen Abszesses nachgewiesener
Streptobazillus, der gleichfalls einmal (in 1. Generation in Zucker-
bouillon wachsend) ausgesprochene Fadenbildung mit starker Quellung
der Enden oder kugeliger Auftreibung in der Mitte aufwies. Hervor-
zuheben ist dabei, daft Kisskalt von einer Polfarbbarkeit des Bak-
teriuras nichts berichtet. Es unterscheidet sich kulturell vom be-
schriebenen Bakterium bloft durch die gleichmafiige Trubung der Bouillon,
in welcher es auch bei den ersten Ziichtungen ohne Serumzusatz
wuchs, und durch, wenn auch geringes, Wachstum in Peptonwasser,
biologisch durch fehlende Schwefelwasserstoffbildung und, was sein
tierpathogenes Verhalten betrifft, durch die absolute Un-
empfanglichkeit von Meerschweinchen, bei Kaninchenversuchen durch
die fehlende Pathogenit&t bei intravenoser Einverleibung, sowie durch
die Bildung von Gas innerhalb der Infiltrate, welche durch subkutane
Injektion bei Kaninchen erzeugt werden konnten.
Kisskalt identifiziert sein St&bchen mit dem kulturell sehr Shn-
lichen Bacillus funduliformis Halles, der aber nach der Be-
schreibung Rists die seinem Namen entsprechenden vielformig ge-
stalteten, farbbaren Anschwellungen und Fadenbildungen in Kulturen
mit groftter Regelmaftigkeit bildet, so daft diese, wie Rist sagt, kaum
als Involutionsformen bezeichnet werden kdnnen.
Aehnlich gestaltete Schwellungsformen — meist verbunden mit
Granuloseinfiltration — wurde in manchen NShrsubstraten von v. Hibler
bei verschiedenen Anaerobiern und auch von Ghon und seinen Mit-
arbeitern bei Fall 2 beschrieben, so daft sowohl das St&bchen Kiss-
kalts als auch das in dieser Arbeit beschriebene Bakterium wohl nahe
verwandt, nicht aber identisch mit dem Bacillus funduliformis ist.
Die Photographien und Mikrophotogramme wurden von Herrn Adj.
Dr. Pries el angefertigt, wofiir ich ihm auch an dieser Stelle meinen
besten Dank sage.
Liter atm.
1) Bohme, A., Zur Anwendung der Ehrlichschen Indolreaktion fiir bakterio-
logische Zwecke. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 40. S. 129.) — 2) Coronini, C.,
u. Priesel, A., Zur Kenntnis der Bacillus f usi f orm is - Pyamicn. (Frankfurt.
Zeitechr. f. Pathol. Bd. 23. 1920. H. 2. Sond.-Abdr.) — 3) Courmont. P., et Cade,
Bur une septico-pyohdmie de l’homme simulant la peste et caus6e par un strepto-bacille
anaerobic. (Arch, de m&l. exp6rim. et d’anat. path. T. 12. 1900. p.393.) — 4) Friih-
wald, V., Bacillus fusiformis als Erreger von Meningitis und HirnabszeB.
(Monatsschr. f. Ohrenheilk. Jg. 47. 1913. S. 1021.) — 5) Ghon, Mucha u. Muller,
Zur Aetiologie der akuten Meningitis. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 41. S. 1,
145. 305, 401, 504, 606, 589.1 — 6) Ghon, A., u. Mucha, V., Zur Aetiologie der
pyamischeu Prozesse. (Ibid. Bd. 49. 8. 493.) — Ghon, A., u. Roman, B., Zur
hJiuik, Genese und Aetiologie der eitrigen Meningitis im Kriege. (Med. Klin. 1915.
Nr. 40. Bond.-Abdr.) — 8) Heyde, M., Zur Kenntnis der Gasgangran und uber einen
Fall von HirnabszeB, ausschlieBlich bedingt durch anaerobe Baktenen. (Bruns’ Beitr.
z. klin. Chir. Bd. 61. 1909. 8. 50.) — 9) Ders., Zur bakteriellen Aetiologie und
Klinik des Hirnabszesses. Dtsch. med. Wochenschr. Jg. 34. 1908. 8. 2214. — 10) v. Hib¬
ler. E., Untersuchungen iiber die pathogenen Anaeroben. Jena (Fischer) 1908. —
11) Ders., Zur Kenntnis der pathogenen Anaeroben. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig.
Bd. 68. 8. 257.) — 12) Kisskalt, Zur pathogenetischen Bedeutung des Bac. fun-
dnliformis. (Dtsch. med. Wochenschr. Jg. 31. 1905. 8. 1270.) — 13) Klinger, R.
Ceber einen neuen pathog. Anaeroben aus menschlichem Eiter. (Centralbl. f. Bakt
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24
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
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Abt. I. Orig. Bd. 62. S. 186.) — 14) Liborius, Beitriige zur Kenntnis des Sauerstoff-
bedfirfnisses der Bakterien. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 1. 1886.). — 15) Maresch, R.,
Zur Kenntnis der durch fusiforme Bazillen bedingten pyamischen Prozesse. (Centralbl.
f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 77. S. 130.) — 16) Morel!i, G., Ueber ein neues Verfahren
zum Nacliweis von Indol auf Nahrsubstraten. (Ibid. Bd. 50. S. 413.) — 17) N iosi, F.,
Untersueliung eines streng anaeroben Bazillus. (Ibid. Bd. 58. S. 103.) — 18) Rist, E.,
Neue Methoden und neue Ergebnisse im Gebiete der bakt. Untersuchungen gangranoser
und fotider Eiterungen. (Ibid. Abt. I. Bd. 30. S. 287.) — 19) Runeberg, B., Studien
viber die bei peritonealen lnfektionen vorkommenden sauerstofftoleranten, sowie obligat
anaeroben Bakterien. (Arb. a. d. Pathol. Inst. Helsingfors. Bd. 2. 1908. S. 271.) —
20) Russ, V. K., Ueber ein influenzabazillenahnliches anaerobes Stabchen. (Centralbl.
f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 39. S. 357.) — 21) Schottmfiller, H., Zur Bedeutung
einiger Anaeroben in der Pathologie. (Mitteil. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir. Bd. 21.
S. 450.) — 22) Tarozzi, G., Ueber ein leicht in aerober VVeise ausfiihrbares Kultur-
mittel von einigen bis jetzt fur strenge Anaeroben gehaltene Keime. (Centralbl. f. Bakt.
Abt. I. Orig. Bd. 38. S. 619.) — 23) Veillon et Zuber, Recherches sur quelques
microbes strictement ana^robies et leur role en pathologie. (Arch, de rited. expdr. et
d’anat. path. T. 10. 1898. p. 517.) - 24) Wrzosek, A., Beobachtungen fiber die Be-
dingungen des Wachstums der obligaten Anaeroben in aerober Weise. (Centralbl. f.
Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 43. S. 17.)
Tafelerkl&rung.
Fig. 1. 60 Std. alte Serumzuckerbouillon-Kultur.
Fig. 2. Fiidiger Bodensatz in Lackmus-Maltosebouillonkultur.
Fig. 3. Bouillonkultur von Kaninchenherzblut des Tiervers. Nr. 6. — Wachstum
fand bloS in dem zentral gelegenen, von Fibrin begrenzten Zylinder statt.
Fig. 4. Oberflacheukolonien von 4 Tage alter Kultur auf Serumzuckeragar
(natfirl. Grofie).
Fig. 5. Oberflachenkolonie von 10 Tage alter Kultur auf Serumzuckeragar.
(Lupen vergrofieru n g).
Fig. 6. Teil emer 2 Tage alten Oberflachenkolonie auf Serumzuckeragar. (Starkere
Vergrofierung, Einstellung auf den leicht gewellten Rand).
Fig. 7. Teil einer 2 Tage alten Kolonie auf Serumzuckeragarplatte. (Starkere
VergroBerung, Einstellung auf das Zentrum der Kolonie).
Fig. 8. 10 Tage alte Oberflachenkolonie auf Serumzuckeragar. Die Kolonie ist
▼on homogenen Schollen und Scheiben erfullt. (Schwache Vergr.)
Fig. 9. Ausstrich aus dem Exsudat im Seitenventrikel. Farbung mit verdfinntem
Karbolfuchsin. (Immersion.)
Fig. 10. Ausstrich von Oberflachenkultur auf Serumzuckeragar. Stabchen mit
dunkler gefarbten Kornchen an den Enden oder in der Mute, kurze gegliederte Faden
und kokkenahnliche Formen. Karbolfuchsin. (Immersion.)
Fig. 11. Faden mit einer groBeren und mehreren kleineren Anschwellungen aus
Bouillonkultur. Karbolfuchsin. (Immersion.)
Nachdruck verboten.
Ueber eine durch die Stabchen aus der Gartner-Gruppe
hervorgerufene Meerschweinchenepidemie, mit besonderer
Beriicksichtigung der Morphologie und Biologie dieser
Stabchen.
Von Dr. Allred Trawiriski.
1917 brach im Serotherapeutischen Institut des Herrn Hofrats Prof.
R. Paltauf in Wien eine Meerschweinchenepidemie aus, welcher eine
grodere Anzahl gesunder Versuchstiere erlag. Die naturlich infizierten
Tiere erkrankten stets unter fieberhaften Erscheinungen, Appetitlosig-
keit, Mattigkeit, Diinndarmkatarrh, allgemeiner Schwache und gingen
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Centralblati fiir Bakteriologie Abt. I. Orig. Bd. 88.
Freund , Fine (lurch ein anaerobes Bakterium hervorgerufene Meningitis.
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
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Tra w i 11 ski, Eine aus d. Gartner -Gruppe hervorgeruf. Meersch weinchenepid. 25
naeh einigen Tagen zugrunde. Bei der Autopsie gestorbener Tiere konnte
in Qberwiegender Mehrheit der Falle akuter Milztumor, Diinndarmkatarrh,
Lungenodem und fibrbse Peritonitis, bei mannlichen Individuen auch
Hodenschwellnng, festgestelit werden. Der Assistent des Institutes,
Dr. Silberstein, schickte rair mehrere von den inneren Organen der
gestorbenen Tiere isolierten Stamme zur bakteriologischen Differenzierung
nnd Bestimmung der Spezies.
Vor kurzem hatte ich personlich Gelegenheit, eine Meerschweinchen-
epidemie, die unter denselben Krankheitserscheinungen verlief, zu be-
obachten. Ich isolierte von den inneren Organen sezierter Tiere eine
Reibe von St&mmen, die mit den oben erw&hnten Wiener Stammen voll-
kommen ubereinstimmten.
In beiden Fallen handelte es sicli um eine recht bosartig verlaufende
Epidemie, die durch pathogeue Keime der Gartner-Gruppe hervor-
gerufen wurde. Die isolierten Stamme zeigten dieselben allgemein-
morphologischen, kulturellen und biologischen Eigenschaften wie Stamme
der engen Paratyphus B- und Gartner-Gruppe, konnten in Betracht
ihrer serologischen Merkmale (Agglutination) der Gartner-Gruppe ein-
gereiht werden, lieBen sich aber vom B. enteritidis Gartner besonders
dnrch differente speziell-morphologische Merkmale, und zwar durch das
abweichende Bild des Wachstums der Kolonien auf festem Nahrboden
(Kolonietypus) wie auch gewissermaBen durch das Tierexperiment scharf
trennen. Die Tatsache der Moglichkeit der Differenzierung so nahe ver-
wandter Bakterienspezies auf Grund spezieller morphologischer Eigen-
tGmlichkeiten (Kolonietypus), auf die ich bei der Bestimmung und
Differenzierung verschiedener besonders nahe verwandter Bakterienarten’)
einen groBen Wert lege, veranlaBt mich, eine genaue Beschreibung der
isolierten 22 verarbeiteten Stamme im Nachfolgenden zu geben:
1. Morphologisches Verhalten.
Es handelt sich um recht gut bewegliche, mit zahlreichen GeiBeln
in peritricher Anordnung versehene, gramnegative Stabchen, deren Ge¬
stalt derjenigen der pathogenen Keime der Typhus-Coli-Gruppe gleicht.
2. Kulturellc Merkmale.
Auf den ublichen festen und fliissigen Nahrboden, wie Schragagar,
Lackmusdulcitagar nach Springer, Neutralrotagar nach Oldekop,
Gelatinestich, Nahrbouillon, Peptonwasser, Lackmusmolke, Milch, Lackmus-
Nutrose-TraubenzuckerlSsung (Barsiekow I), Lackmus-Nutrose-Milch-
zuckerlosung (Barsiekow II), Malachitgrun-Milchzucker-Traubenzucker-
lflsung (Lbffler) zeigten samtliche isolierten Stamme ein vollig ilber-
einstimmendes Wachstum untereinander und mit den Stammen der
engen Paratyphus B-Gruppe und dem B. enteritidis Gartner. Sie
erwiesen sich auch, geziichtet in Peptonwasser (W itte) und Tryptophan-
losung (zubereitet nach Zipfel) als keine Indolbildner.
3. Biologisehes Verhalten.
Samtliche Stamme wurden auf ihr ZerlegungsvermOgen gegenQber
11> verschiedenen Arten von Kohlehydraten (Mono-, Di-, Tri- und Poly-
1; Trawiiiski, Ueber daa Vorkorumen von Bakterien der Typhus-C ol i - Gruppe
im Darininhalt gesunder Bchweine, zugleich ein Beitrag zur Differenzierung der Bakte¬
rien der engen Paratyphus B-Gruppe. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 83. 1916.)
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ft
26 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
saccharide, sowie 3- und 4-wertige Alkohole) in Stich- und Platten-
kulturen geprfift, wobei Dextrose, Lavulose, Galaktose, Mannose, Mal¬
tose, Xylose, Arabinose, Rharanose, Dulcit, Mannit und Sorbit unter
starker Gas- und Saurebildung vergoren wurde, Saccharose, Laktose, Raffi-
nose, Dextrin, Inulin, StSrke, Glyzerin und Erythrit unvergoren blieb.
4. Agglutinatorisckes Verhalten.
Um die Zugehdrigkeit der isolierten StSmme naher zu bestimmen.
unterzogen wir sie der agglutinatorischen Priifung, wobei 3 verschiedene
Kaninchenimmunsera verwendet wurden, und zwar: Paratyphus B-Immun-
serum (Titer 1:10000), Gartner-Immunserum (Titer 1:20000) und
ein mit isoliertem Meerschweinchenstamm Nr. 8 hergestelltes Immun-
seruni (Titer 1:12000).
Dem agglutinatorischen Verhalteu nach zeigen samtliche isolierten
Stamme eine so groBe Verwandtschaft mit dem B. enteritidis Gartner,
daB sie von demselben agglutinatorisch nicht zu trennen sind.
5. Das Tlercxperlinent.
Insgesamt wurden 8 Meerschweinchen mit je einem isolierten Stamm
geimpft. Die Impfung wurde intraperitoneal mit 0,5 ccm einer 24 Std.
alten Bouillonkultur mit folgendem Resultat vorgenommen:
Weibliches Meerschweinchen Nr. 1. Geimpft am 25. Dez., gestorb. 29. Dez.
Sektionsbefund: Peritonitis fibrino-serosa. Enteritis haemorrhagica. Cystitis. Peri¬
carditis fibrino-serosa adhaerens. Oedema pulmonum. Degeneratio parenchymatosa
cordis, hepatis renumque. Milz nicht vergroBert.
Von Herzblut, Milz, Gallenbiaseninhalt, Peritonealflussigkeit und Herzbeutelfibrin
wurden die geimpften spezifischen Keime in Reinkultur, vom Diinndarminhalt fast in
Reinkultur geziichtet.
M an nliches Meerschweinchen Nr. 2. Geimpft am 25. Dez., gestorb. 30. Dez.
Sektionsbefund: Peritonitis fibrosa mit geringer Menge Peritonealflussigkeit. Leichte
Verklebung der Gedarme durch Fibrin. Fibrose Verwachsung der Milz mit dem Magen.
Iiecht starkp Hodenschweliung. Enteritis haemorrhagica. Oedema pulmonum. De¬
generatio parenchymatosa cordis, haepatis renumque. Tumor lienis acutus.
Von Herzblut, Harnblasenfliissigkeit, Fibrinbelag der Milz, Gallenbiaseninhalt und
Milz wurden die geimpften spezifischen Keime in Reinkultur, vom Diinndarminhalt
fast in Reinkultur geziichtet.
Mannliches Meerschweinchen Nr. 3. Geimpft am 4. Jan., gestorb. 14. Jan.
Sektionsbefund: Peritonitis fibrino-serosa. Oedema pulmonum. Degeneratio paren¬
chymatosa cordis, hepatis renumque. Enteritis haemorrhagica. Conjunctivitis puru-
lenta. Tumor lienis acutus. MaBige Hodenschweliung.
Bakteriologischer Befund wie beim Meerschweinchen Nr. 2.
Mannliches Meerschweinchen Nr. 4. Geimpft am 5. Jan., gestorb. 10.’Jan.
Sektionsbefund wie beim Meerschweinchen Nr. 1.
Weibliches Meerschweinchen Nr. 5. Geimpft am 5. Jan., gestorb. 8. Jan.
Sektionsbefund: Peritonitis fibrino-serosa adhaerens. Oedema pulmonum. Enteritis
haemorrhagica. Degeneratio parenchymatosa cordis et hepatis. Hyperaemia renum
passiva. Milz nicht vergroBert.
Von Fibrinbelag, Peritonealflussigkeit, Gallenbiaseninhalt, Herzblut, Milz und
Diinndarminhalt. wurden die geimpften spezifischen Keime in Reinkultur geziichet.
Mannliches Meerschweinchen Nr. 6. Geimpft am 10. Juli, gestorb. 16. Juli.
Sektionsbefund: Peritonitis fibrosa mit geringer Menge Peritonealflussigkeit und leichter
Verklebung der Gedarme. Starker Fibrinbelag an den unteren Partien der Leber, des
Magens wie auch teilweise der Milz. Oedema pulmonum. Enteritis haemorrhagica.
Hyperaemia hepatis et renum. Tumor lienis acutus. MaBige Hodenschweliung.
Von Fibrinbelag, Peritonealflussigkeit, Herzblut, Harnblaseninhalt und Milz
wurden die geimpften spezifischen Keime in Reinkultur, von Diinndarminhalt nur ver-
einzelt geziichtet.
Mannliches Meerschweinchen Nr. 7. Geimpft am 11. Juli, gestorb. 16. Juli.
Sektionsbefund: Peritonitis fibrino-serosa. Fibrinbelag w r ie beim Meerschweinchen Nr. (5,
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Trawiriski, Eine aus d. Gartner-Gruppe hervorgeruf. Meerschweinchenepid. 27
edoch in genngerer Menge. Oedema pulmonum. Enteritis haemorrhagica. Cystitis.
Degeneratio adiposa hepatis. Meteorismus ventriculi. Degeneratio parenchymatosa
jortlis. Tumor lienis. Mafiige Hodenschwellung.
Von Fibrinbelag, Peritoneal- und Harnblasenfliissigkeit, Herzblut, Gallenblasen-
inhalt und Milz wurden die geimpften spezifiscben Keime in Reinknltur geziichtet.
Mannliches Meerschweinchen Nr. 8. Geimpft am 15. Juli, gestorb. 17. Juli.
Sebuonsbefund wie beim Meerschweinchen Nr. 1.
Aufierdem noch recht starke Hodenschwellung.
Wie aus den Sektionsbefunden zu ersehen ist, weichen die anatoinisch-
jiathologischen Veranderungen der inneren Organe kiinstlich mit unseren
Stammen infizierter Meerschweinchen deutlich von den bekannten durch
B. enteritidis G&rtner hervorgerufenen Krankheitsveranderungen
natflrlich und kiinstlich iniizierter Tiere wesentlich ab.
6. Der Kolonietypas 1 ).
Samtliche Stamme bilden einen einheitlichen Kolonietypus, desseu
Beschreibung hier folgt:
1. Beobachtungstag (d. h. nach lb-std. Bebriitung der geimpften Platte bei
37 ‘ C und 5-std. Belassen bei Zimmertemp.): Die Kolonie besitzt cue Form einer recht
flachen Kuppe (Grundkuppe) mit einer aufgesetzten Kuppe. Ein Randsaum ist nicht
vorhanden. Die aufgesetzte Kuppe ist von der Grundkuppe durch einen seichten, ring-
fcirmig verlaufenden Graben getrennt. Die matte Oberflache der Grundkuppe geht afi-
mahlich in die recht glatte und grauweiBlich glanzende der aufgesetzten Kuppe fiber.
Die Kolonie ist im allgemeinen ziemlich opak und die Verdichtung derselben nimmt
gegen das Zentrum zu. Sehr feine Granula lagern sich an der Peripherie zu recht
di- hten Maschen an, die kaum wahrnehmbar sind. Dieser peripheren Schicht schliefit
-ich die zentrale Schicht an, deren Granula noch dichter nebeneinander steheu, so dafi
die zentrale Schicht eine fast homogene, gelblich gefiirbte Masse darstellt. Es la6t sich
aiich ein mafiiges Irisieren der Granula wahrnehmen.
2 . Beobachtungstag (d. h. nach weiterem 16-std. Belassen der Platte bei
Zimmertemp.): Die Form der Kolonie ist im wesentlichen unverandert geblieben. Die
aufgesetzte Kuppe ist etwas flacher und der ringformig verlaufende Graben deutlicher
ausgepragt. Die Oberflachenbeschaffenheit ist unverandert geblieben; die Kolonie ist
ipaber afs am Vortag. Die Granulierung der peripheren Anteile ist noch dichter ge-
worden.
3. Beobachtungstag (d. h. nach weiterem 24-std. Belassen der Platte bei
Zimmertemp.): Die aufgesetzte Kuppe ist noch flacher. Der ringformige Graben ist
fa-t vSllig verschwunden, so dafi an seiner Stelle nur eine Rauhigkeit vorhanden ist,
die jetzt die beiden Kolonieanleile (Grundkuppe und aufgesetzte Kuppe) voneinander
irennt. Die Oberflache der Grundkuppe ist matt, die der aufgesetzten Kuppe glatt
and glanzend, wie am Vortag. Die Kolonie ist vbllig undurchsichtig. Im schrag ein-
fallenden Lichte ist die Grundkuppe bliiulich, die aufgesetzte Kuppe grauweiS verfiirbt.
Die Art der Granulierung liifit sich nicht mehr erkennen; im durchfallenden Licht ist
nur eine periphere, blaulich und zentrale, gelblich verfarbtc Schicht wahrnehmbar.
5. Beobachtungstag (d. h. nach weiterem 48-std. Belassen der Platte bei
Zimmertemp.): Die oberen Randpartien der Grundkuppe sind ein wenig gefurcht. Die
Hnzelnen Furchen greifen fast bis zur Halfte der Hohe der aufgesetzten, recht flachen
Kuppe uber. Die am 3. Beobachtungstag erwahnte Rauhigkeit ist deutlicher ausgepragt,
nna zwar lochartig ausgestanzt und stark runzelig, was schon mit unbewaffnetem Auge
re^ ht gut erkennbar ist. Vereinzeltc Einschnitte (Runzeln) verlaufen in radiarer Rich-
tung und iibergehen teilweise auch auf die unteren (peripheren) Randpartien der auf¬
gesetzten Kuppe. Die Oberflache der Grundkuppe ist saftig glanzend, die der aufge¬
setzten Kuppe besitzt in den unteren Partien eine rauhe und runzelige Bcschaffenheit
;n den oberen Partien eine matte. Die Durchsichtigkeit und Granulierung sind un-
v<-randert geblieben. Die der Grundkuppe der Kolonie entsprechenden Partien sind
1) Ueber die VVichtigkeit des Kolonietypus fur die morphologische Differenzierung
einzelner Bakterienspczies haben wir in einer mit Felsenreicn publizierten Arbeit
i Ueber die Bedeutung des Kolonietypus fiir die Bestimmung und Differenzierung der
Fiakterienarten der Coli-Typhus-Gruppe. Wien u. Leipzig |Alfr. Holder. 19161) niiher
r^richtet und auf die genaue Technik der Beobachtung hingewiesen.
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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1.
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leicht blaulich verfarbt, die rauhen und runzeiigen Antcile der Kolonie intensiv blaulieh
verfiirbt und die oberen Teile der aufgesetzten Kuppe Bind grauweiS mit blaulichem
Stich. Die Konzentration des Farbstoffes ist also iD den raittleren Partien der Kolonie
am starksten. In den folgenden Tagen wird die aufgesetzte Kuppe noch flacher,
so da8 sie bei 8—10 Tage aiten Kolonien nur ala eine geringe kuppenartige Erhebung
der oberen Grundkuppenflache erscheint. Die erwahnte Rauhigkeit greift auch auf die
oberen (zeutralen) Anteile der kuppenartigen Erhebung liber. Die Konzentration des
Farbstoffes nimmt zu, so da8 die Kolonien eine schon makroskopisch recht deutlich
sichtbare dunkelblaue Farbe annehmen und vollig undurchsichtig werden.
SchluBfolger ungen.
Von den inneren Organen der wShrend einer Epidemie gestorbenen
Meerschweinchen wurden StSmme geziichtet, die in allgemein-morpho-
logischer, kultureller und biologischer Hinsicht den Stammen der engeren
Paratyphus B-Gruppe und deni B. enteritidis G&rtner vOllig gleichen.
Die sehr nahe Verwandtschaft der isolierten Stamnie mit dem B.
enteritidis Gartner lieB sich auch auf Grund des agglutinatorischen
Verhaltens feststellen.
Die isolierten St&mme bilden einen einheitlichen Kolonietypus und
lassen sich von B. enteritidis Gartner 1 ) auf Grund desselben wie
auch durch das Tierexperiment genau unterscheiden.
~Nachd.ru.ck verboten
Experimentelle Versuche bei Goldfischen (Carassius
auratus) mit saurefesten Bazillen.
[Hygienisch-parasitologisches Institut der Universitat Lausanne
(Prof. B. Galli-Valerio).]
Von Dr. med. Sliin Mali 1 (Tokio).
Bisher sind unsere Kenntnisse ilber das Verhalten der Fische
gegeniiber den saurefesten Bazillen noch gering, weshalb ich mich ent-
schloB, durch geeignete Versuche zur Aufklarung des noch so dunkleu
Gebietes nach Moglichkeit beizutragen. Zu diesein Zwecke wurden zahl-
reiche Experimente an Carassius auratus mit Fischtuberkelbazilleu,
saurefesten Bazillen aus der Wasserleitung und Leprabazillen angestellt,
woriiber spater in einer besonderen Monographie ausfuhrlich berichtet
werden soli. Aus Riicksicht auf den Raum miissen wir uns leider be-
gniigen, an dieser Stelle nur die Ergebnisse unserer nach vielen Hun-
derten zahlenden Versuche kurz anzufiihren und beziiglich der Einzel-
heiten auf die demnachst erscheinende ausfiihrliche Arbeit zu verweisen.
Eioleitend sei nur noch hervorgehoben, dab in bezug auf Fischtuberkulose das
Mycobacterium tuberculosis piscium (Koch) L. u. N. bei einer spontaneu
Tuberkulose der Fische zum 1. Male von Bataillon, Dubard und Terre beobachtet
worden ist. Diese Autoren isolierten aus einer abdominalen Tuberkulose eiues Karpfens
einen Bazillus, den sie als den Bazillus der Fischtuberkulose ansprachen und benannten.
Derselbe war saurefest und entwickelte sich auf gewohnlichem Nahrboden bei Tempe-
1) Siehe Felsenreich u. Trawinski (zit. Arbeit).
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Maie, Experimentelle Versuche bei Goldfischen usw.
29
raturen von 12°—30° C (Krill, Dubard). Erwahnt seien auch Beteghs Bei-
trage zur Tuberkulose der Meerfische. — Eine spontane Tuberkulose der Keptilien
vanle von Friedmann nnd eine eolche der Frdsche von Kiister zum 1. Male be-
obachtet. AuBerdem ist noch Bertarelli zu nenneu, der bei Goldfischen Versuche
wit Tuberknlose von Menschen, Hutiden und Vogeln anstellte, ohne aber pathologische
Veranderungen zu beobachten.
Die ersten Versuche an Froschen wurden vou Bataillon, Terre und Dubard
angestellt; sie impften die Frosche mit Tuberkulosebazillen von Saugelieren und wollen
nicht nur eine Froschtuberkulose hervorgerufen, soudern auch auf diesem Wege einen
Hazillua mit modifizierter pathogener \Viirksamkeit entdeckt haben, der sich auch bei
niedrigcn Temperaturen zu entwickeln vermag.
Diese Resultate wurden indessen von anderen Autoren (Auchd, Hobbe, Lu-
barseh, Sion und Herr bestritten. Mehrere Forscher, wie Herr, Sion, Morez,
Cornet, Meyer, Hormann, Morgenroth sind der Ansicht, dafi die Saugetier-
tuherkulosebazillenfur die Kaltbliiter nicht pathogen sind. Weber und Taute batten in
Organen von gesunden Froschen siiurefeste Bazillen nacbgewiesen und aus denselben
ivolierte Bazillen waren fiir die Frosche nicht pathogen. Auch auSerhalb des Korpers
der Tiere hatte spater Taute saurefeste Keime, so z. B. lm fcchleim und im iibngen
<ich auf dem Boden von Aquarien befindlichem Material nachgewieeen. Die beiaen
ietztgenannten Forscher nahinen an, dab die als Bazillen der Tuberkulose der Kalt-
bluter beschriebenen Keime nichts anderes als Formen dieser siiurefesten Bazillen seien,
welche ausnahmsweise auch im Organismus der Kaltbliiter sich stark entwickeln und
lAsionen hervorrufen konnen. Es ist mehr als zweifelhaft, daS dieselben tuberkuloser
Katur sind. Auch Herzog stellte diesbeziigliche Versuche an. Naeh ihm bleibt die
i?augetiertuberkulo8e beim Frosch nicht lokal, sonderu verallgemeinert sich und setzt
irleichwertige Liisionen, ahnlich wie die Fischtuberkulose. Sie scheint durch den Aufent-
htlt im Kaltbliiter fiir der Warmbliiter avirulent zu werden.
Ledoux-Lebard fand, dafl Bazillen der Fischtuberkulose beim Frosch noch
mannigfaltigere Veranderungen hervorrufen als der TB. bei den Saugetieren. Viele
Forscher experimentierten mit Fischtuberkulose beim Frosch.
Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, mit Fischtuberkulose Versuche
beim Fische anzustellen.
1. Fisehtuberkelbazill us (Mycobacterium tuberculosis
pi sc iu in) (Koch) L. u. N.
Wir haben uns daher vorgenoinmen, zu erforschen:
1) Ob und welche pathologische Veranderungen sich
bei den Goldfischen mit FTB. erzeugen lassen,
2) Ob und in welchen Organen sich die Liisionen er¬
zeugen lassen.
Fur die Experimente wurde das Wasser des Aquariums tfiglich er-
neuert und auf Zimmertemperatur gehalten. Als Nahrung diente t&g-
liche Verabreichung von Brot hnd Reis. Die Versuche wurden nach
folgender Methode angestellt. Je 1 Mohrriiben-Glyzerinkultur oder Fisch-
agarkultur wird in sterilisiertes Wasser aufgenommen, im Porzellan-
morser fein zerrieben, durch weiteren Zusatz von sterilisiertem Wasser
bis zu etwa 5 ccin verdiinnt und dem Fische 0,5—1,0 ccm dieser Emul¬
sion in verschiedene Organe eingespritzt oder per os gegeben. Nachdem
das Tier eingegangen oder getotet ist, wurden von den verschiedenen
Organen Ausstrichpraparate angefertigt. Das Material wurde immer zum
1. Male aus dem Geliirn und schlieBlich aus der Injektionsstelle ge-
nommen. Die Instrumente wurden vor jeder Untersuchuog griindlich
desinfiziert. — Zur Tuberkelbazillenfarbung der Ausstrichpraparate ver-
wendeten wir die Zieh 1 - N eel se n sche Methode, zur Farbung der
Schnittpraparate die Fr ae n kel-Gah b e t sche Methode.
Bezuglich der Kultur und Morphologic der angewen-
deten Fischtuberkelbazillen verweisen wir auf die ausfQhrlichen
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BO
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1.
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\
Angaben in der spater erscheiuenden Monographie und begniigen uns.
hier folgendes Ergebnis anzufuhren:
1) Der Fischtuberkelbazillus entwickelt sich schnell auf gewohn-
lichera N&hrboden bei Zimmertemperaturen, besonders auf Mohrriibeu-
Glyzerin und Fischagar. 2) Beziiglich der Morphologie der Fisch :
tuberkelbazillen zeigten sich bei den frischen Kulturen menschlicher
Tuberkelbazillen ganz ahnliche Gebilde. 3) Bei alten Kulturen zeigten
sich verschiedene Formen: Fadenfornien, Kommaformen, verzweigte
Bazillen, ahnlich dem Buchstaben Y und streptokokkenartige Formen
infolge der Verl&ngerung und Granulation der Bazillen. 4) Die S&ure-
festigkeit der Bazillen bei alten Kulturen, welche vor 2—5 Jahren ge-
zflchtet wurden, war ebenso stark wie bei frischen Kulturen, trotz ein-
getrocknetem Nahrboden.
Es sei noch bemerkt, daB wir einigen Fischen und Muscheln
(A nod on ta an a tin a L.) Injektionen mit alten Kulturen von FTB.
gemacht haben. Das Ergebnis dieser Einspritzungen wird weiter unteu
angefflhrt werden.
Experimentelle Versuche.
A. Infektion per os.
Es wurde 5 Goldfischen (Fall 24, 25, 26. 26, 27, 28) eine Emulsion
von Fischkultur auf Fischagar, welche vor 3 Wochen geziichtet worden
war, per os gegeben. Bei einem Strichpraparat zeigten sich Kolben-
formen, Kommaformen, geknickte und einige lange Formen.
SpSter wurde den Goldfischen eine Emulsion von Fischtuberkel-
bazillen auf Fischagar, welche vor 2 Monaten geziichtet worden waren.
per os beigebracht. Bei einem Strichpraparat von der Emulsion zeigten
sich viele Kolbenformen, Kommaformen und im allgemeinen dicke und
kurze Formen (Fall 34, 35. 36, 37, 38).
Ergebnis. I. Bei tier Inokulation der FTB. per os ging eine groBe Menge von
FTB. innerhalb 24 Std. in den Darm; sie miissen jedoch sofort vom Darm aus-
geschieden worden sein, weil in 5—41 Tagen nach der Inokulation bei gestorbenen oder
getoteten Goldfischen die saurefesten Bazillen nicht nnchweisbar waren.
II. Bei einem Goldfisch, dem die FTB. vor 24 Std. per os gegeben worden waren,
zeigten sich bei einem Strichpraparat von der Mundschleimhaut znhlreiche siiurefeste
Bazillen, wogegen im Strichpraparat der Mundschleimhaut eines Goldfisches, welchcm
die FTB. von 5 Tagen per os gegeben worden, etwas Phagozytose und einige gut
konservierte siiurefeste Bazillen sich zeigten. Die phagozytierten Bazillen waren schon
granuliert. Ein Strichpraparat von der Mundschleimhaut des Goldfisches, welchem die
FTB. vorher 30 Tage per os beigebracht waren, zeigte starke Phagozytose. Die phago¬
zytierten Bazillen waren granuliert.
III. Bei der Inokulation der FTB. per os gingen die Bazillen nicht in andere
parenchymatose Orgaue.
B. Inokulation in den Kiemen. C. Inokulation ins Auge.
Ergebnis B und C. B. Durch die Inokulation von FTB. in die Kiemen ist
schwierig, Lasionen zu erzeugen (Fall 45). C. Bei der Inokulation ins Auge bleiben
die FTB. nicht nur in der Vorkammer, sondern verbreiten sich in den verschiedenen
Organen, z. B. im Gehirn, Peritoneum, Leber, Milz, Niere und Genitalorgan. 1) Die
FTB. entwickeln sich sehr gut im Auge ohue Phagozytose oder Bakteriolyse (Fall 16, 17).
2) Die FTB. gehen in viel groBeren Mengen in die Nieren als in die anderen Organe,
und hier entwickeln sie sich sehr gut.
D. Intramuskulare Inokulation.
Befund der Emulsion von FTB.-Kultur auf Mohrriiben-Glyzerin
(geziichtet am 1. Jan. 1921): viele Kolben-, Komma-, geknickte und
einige lange Formen.
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Maie, Experimentelle Versuche bei Goldfischen usw.
31
Ergebnis D. 1) Bei der intramuskularen Inokulation mit der Emulsionskultur
bieiben die FTB. nicht nur lokal, sondern verbreiten sich in verschiedenen Organen,
l B. in Gehirn, Leber, Miiz, Nieren, Genitalorganen und im Peritoneum (Versuch 6,
7, 9, 42, 18, 19, 43, 44, 2, 1).
2) In den meisten Fallen gehen die FTB. in das Gehirn und entwickeln sich hier
sehr langsam, so z. B. bei Versuch 1. Der Goldfisch war 122 Tage nach der Inoku¬
lation geatorben; es zeigten sich im Gehirnausstrichpraparat einige lange Formen und
zut konservierte saurefeste Bazillen.
3) In fast alien Fallen gehen die FTB. in grofien Mecgen in die Nieren und ent¬
wickeln sich hier so gut, dad wir haufig zahlreiche lange und Fadenformen darin be¬
obachtet haben (Fall 8, 9, 42, 18, 19, 43, 2, 1). Die FTB. vermehren sich urn so zahl-
racher in den Nieren, je langer der Zeitraum nach der Inokulation wahrte. Dagegen
4nd die FTB. in der Leber oder Milz aueh nach einem langeren Zeitraum nach der
Inokulation nicht nachweisbar (Fall 18, 19, 43, 44, 1).
4j An der Injektionsstelle kann man einen tuberkulosen Herd erzeugen, wie bei
Fall 1. Hier bildete sich ein mittelfingerspitzer groBer Tumor an der Injektionsstelle
(Behind des Tumors in der spiiter erscheinenden Arbeit angegeben). — In tuberkulosen
Herden waren kerne Riesenzellen, aber an einigen Stellen kleine Verkasungen und
rtarke Infiltration von Bundzellen und lepraartigen Rundzellen. In bezug auf diese
ieprazellenartigen Rundzellen kbnnen wir noch nicht feststellen, ob diese charakte-
ristischen Zelien bei Fischtuberkulose vorkommen, wie die Pigmentzellen bei Frosch-
taberkulose. Diese .Zellen sind insofern von groBem Interesse fiir uns, als Galli-
Valerio 1 ) ihnen sehr iihnliche Gebilde bei Vogeltuberkulose beobachtet hat.
5) Bei der intramuskularen luokulation mit der Emulsion von Nieren der in-
rizierten Goldfische waren die FTB. 58 Tage nachher nur an der Injektionsstelle und
id den Nieren nachweisbar (Fall 18, 19).
6) Bei Fall 29, 30, 33, 31, 32 konnteu wir die FTB. nur an der Injektionsstelle
aachweisen, wegen der Mischinfektion.
7) Phagozytose gegen FTB. war bei den Goldfischen in den verschiedenen Zeiten
each der Inokulation so selten, daB wir von 18 Fallen nur einige Phagozytosen an der
Injektionsstelle bei Fall 42 und 18 und in der Leber (Fall 2) beobachtet haben.
E. I ntraperitoneale Inokulation.
Ergebnis. 1) Bei der intraperitonealeu Inokulation mit der Emulsion bieiben
die FTB. nicht nur im Peritoneum, sondern verbreiten sich in verschiedenen Organen,
z. B. Gehirn, Leber, Milz, Niere und Genitalorgane (Fall 14, 4, 3).
2) Ein Teil der injizierten FIB. bleibt in dem Peritoneum und entwickelt sich
*ehr gut, so z. B. im Fall 22. Der Goldfisch war 51 Tage nach der Inokulation mit
der Emulsion FTB. gestorben. Vor der Inokulation zeigt die Emulsion viele kurze
UDti dicke Formen, viele Komma- und einige Kolbenformen; dagegen zeigte ein istrich-
praparat vom Peritoneum nach dem Tode des Goldfisches viele gut konservierte lange
nna Fadenformen.
3) In den meisten Fallen finden sich die FTB. in groBen Mengen in Leber, Milz
nod Niere, worin sie sich gut entwickeln wie bei intramuskuliirer luokulation (Fall 14,
15, 4, 3, 21, 22). Aber bei Intraperitonealinokulation beobachtet man noch groBere
Mengen und noch deutlicherc Entwickelungen von FTB. in Leber, Milz und besonders
in den Nieren.
4i In den 3 Fallen bei der Inokulation mit Kulturemulsiou konnten wir die FTB.
in dem Gehirn nachweisen (Fall 14, 4, 3).
5) Phagozytose gegen FTB. beobaehteten wir nur ausnahmsweise im Peritoneum,
in der Leber und Milz, trotzdem zahllose FTB. extrazellular waren (Fall 11, 14, 4, 3, 21).
6) Bei Inokulation mit der Emulsion von Nieren der infizierten Goldfische waren
die gut konservierten FTB. 123 Tage nach der Inokulation in Leber, Milz, Niere und
Peritoneum nachweisbar (Fall 40, 41).
7) Durch intraperitoneale Inokulation mit der Emulsion von Kultur oder infizierten
Nieren konnten wir keine raikroskopischen Veriinderuugen in verschiedenen Organen
erlangen.
F. Serienversuche.
Die uns gestellte Aufgabe lautet:
1) Welche morphologischen Veranderungen erzeugen die FTB. im
Peritoneum des Goldfisches in bestimmten Zwischenraumen nach der
Inokulation?
1) Ueber einen Fall von Tuberkulose des Lammergeiers. (Schweiz. Arch. f. Tier-
heilk. 1921. H. 6.) .
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32 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
2) Wie lange Zeit benotigen die FTB. uach der Inokulation, um
sich in den verschiedenen Organen zu verbreiten?
Zu diesem Zwecke haben wir zunachst die Kulturemulsion pra-
pariert, davon 23 Goldfischen je 0,5 ccm von dieser Emulsion intra-
peritoneal eingespritzt. In Zwischenraumen von 24 Std. wurde je 1 Gold-
fisch getotet und die Strichpraparate von den verschiedenen Organen
untersucht.
Ergebnis dieser Untersuchungen.
1) Die FIB. im Peritoneum zeigten folgenden Befund in bestinimten Zwischeu-
ruumen nach der Injektion: Nach 24 Std. trat eine leichte Phagozytose auf und am
4. Tage beobachtete man deutliche Entwicklungen der FTB., d. h. bei Fall 54 zeigten
sich im Peritoneum-Strichpraparat viele langere Formen, einige Faden- und einige
granulierte Formen. Am 7. Tage wurden viele Faden- und einige Kolbenformen be-
obachtet und am 8. Tage aufierdem viele Fadenformen und leichte Phagozytose sowie
einige leprazellenartige Phagozyten. Am 15. Tage zeigte sich verhaltnismaliig starke
Phagozytose. Danach wurden die granulierten Formen nach und nach weniger, da-
gegen verraehrten sich die langeren und die Fadenformen.
2) In der Leber beobachtete man am 5. Tage mehrere langere und Fadenformeu
und am 6. Tage verhaltnismabig viele Phagozytosen, am 9. Tage starke Phagozytose,
besonders einige leprazellenartige Phagozyten. Bis zum 21. Tage waren in alien Leber-
ausstrichprapnraten keine granulierten Formen naehweisbar.
3) In der Milz wurden am 5. Tage viele langere und einige Fadenformen, und
am 6. Tage einige Phagozytosen beobachtet. Bis zum 8. Tage waren in alien Milzaus-
strichpraparaten keine granulierten Formen naehweisbar, aber vom 9.—21. Tage be-
rnerkte man stets in der Milz einige granulierte Formen.
4) In den Nieren beobachtete man vom 2.—6. Tage nur einige kurze Formen,
aber seit dem 7. Tage traten die FTB. nach und nach in groSerer Menge auf. Am
15. Tage bemerkte man viele Haufen von laugen und Fadenformen.
5) Im Gehirn beobachtete man schon am 3. Tage einen Haufen und zerstreut
einige kurze Formen. Im Gehirn waren keine Anzeichen von Entwicklung der FTB.
bis zum 20. Tage, hingegen bemerkte man einige granulierte Formen am 18. Tage.
7) Aus diesen Versuchen ist zu ereehen, dab die FTB. sich einige Tage nach der
Intraperitonealinokulation im Gehirn, in der Leber, der Milz und in den Nieren ver-
breiten und sich 5—7 Tage nachher gut entwickeln, besonders im Peritoneum, in der
Leber, der Milz und den Nieren.
7) Phagozytose gegen FTB. beobachtete man verhaltnismabig viel 9—15 Tage
nach der Inokulation in der Lebdr, im Peritoneum und einige in der Milz.
G. Tierversuche in it der alten Kultur.
Eine alte Kultur auf Mohrriibenglyzerin, welche 3 Jahre (1917) alt
war, zeigte die Nahrbodenobeiflache von einem diinnen Bazillenrasen
iiberzogen mit etwas wasserigem, grauweiBlichem Belag.
Ain 25. Febr. haben wir die Emulsion dieser Kultur prapariert und
3 kleinen Fischen (Phoxinus laevis) je 0,2 ccm von dieser Emul¬
sion intraperitoneal eingespritzt. Ein Strichpraparat zeigte viele ganz
granulierte, kokkenartige Formen, einige Kolben und einige Faden¬
formen. s
Am 2. Miirz praparierten wir die Emulsion von derselben Kultur
und spritzten 4 Muscheln (Anodonta anatina) je 0,2 ccm dieser Emul¬
sion ein. Ein Ausstrichpraparat zeigte viele granulierte, kokkenartige,
einige Kolben- und einige lange Formen.
Ergebnis. 1) Bei Fall III (Phoxinus laevisl waren in einem Peritoneum-
ausstrichpriiparat 86 Tage nach der Inokulation einige granulierte FTB. und einige
gut konservierte Formen naehweisbar. In dem Nierenstrichpiaparat waren auch einige
Haufen ungranulierter, langer Formen.
2) Bei Fall VII (A n od o n t a an ati n a) waren in einem Strichpraparat 130 Tage
nach der Inokulation vom Fube einige Haufen von granulierten FTB. und einige zer-
streute, gut konservierte lange Formen.
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Maie. Experimentelle Vereuche bei Goldfischen usw.
33
Zusammenfassung.
1) Der Fischtuberkelbazillus entwickelte sich schnell auf gewdhn-
lichem Nahrboden bei Zimmertemperatur, besonders auf Mohrriiben-
glyzerin und Fischagar. Bezflglich der Morphologie der Fischtuberkel-
bazillen beobachtete man bei den frischen Kulturen der menschlichen
Tnberkelbazillen ganz ahnliche Gebilde, bei alten Kulturen verschie-
dene Formen, Faden- Kommaformen, verzweigte Bazillen, ahnlich dem
Buchstaben Y, und streptokokkenartige Formen wie im allgemeinen bei
alten Tuberkelbazillenkulturen.
2) Bei der Inokulation der FTB. per os geht eine groBe Menge
von FTB innerhalb 24 Std. in den Darm; sie werden sofort von dem
Darm ausgeschieden und die FTB. verbreiten sich nicht in andere
parenchymatbse Organe, doch bleibt ein Teil in der Mundschleimhaut,
und nach ca. 30 Tagen waren fast alle zerstort.
3) Durch die Inokulation von FTB. in die Kiemen werden nur
schwierig Lasionen erzeugt (Versuch B).
4) Bei der Inokulation ins Auge, intramuskular und intraperitoneal,
bleiben die FTB. nicht lokal, sondern verbreiten sich schnell in den
verscbiedenen Organen, z. B. im Gehirn, Peritoneum, in der Leber, Milz,
Nieren, Genitalorganen (Versuch C, D, E, F).
5) In den meisten Fallen gehen die FTB. bei Inokulation ins Auge,
intramuskular oder intraperitoneal, in das Gehirn und entwickeln sich
hier viel langsamer als in anderen Organen. Die FTB. gehen sehr
schnell in das Gehirn, und z. B. bei Intraperitonealinokulation sind schon
einige 3 Tage spater im Gehirn nachweisbar (Versuch G).
6) Durch die intramuskulare Inokulation kann man einen tuber-
kulbsen Herd an der Injektionsstelle und in der Niere viel leichter er-
zengen als in anderen Organen (Versuch D).
7) Die Nieren bei Goldfischen sind die Pradilektionsstellen fiir FTB.,
«ie die Lungen bei den Menschen, weil die FTB. in fast alien Fallen
in viel grbBeren Mengen in die Niere als in andere Organe gehen uud
sich hier gut entwickeln (Versuch C, D, E, F).
Dagegen ist es viel schwieriger in Leber, Milz uud Peritoneum
Usionen zu erzeugen als in den Nieren (Versuch D).
8) 5 Tage nach der Intraperitonealinjektion zeigte sich deutliche
Kntwicklung der FTB. in Leber, Milz und Peritoneum, so z. B. viele
langere und Fadenformen, d. h. die FTB. entwickeln sich viel schneller
in den obengenannten Organen als ini Nahrboden (Versuch F).
9) Phagozytose gegen FTB. zeigte sich in verschiedenen Organen
von Goldfischen sehr wenig, nur ausnahmsweise in Leber, Milz und
Peritoneum, trotzdem zahllose FTB. extrazellular sind.
10) 6—15 Tage nach der Intraperitonealinokulation ist verhaltnismaBig
starke Phagozytose in Leber, Milz und Peritoneum zu sehen; besondera
2nt« Abt. Orig. Bd. 88. Heft 1. 3
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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Origin ale. Bd. 88. Heft 1.
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in der Leber und im Peritonenm treten zuweilen zellenartige Phago-
zyten auf (Versuch F).
11) In tuberkulSsen Herden fanden sich keine Riesenzellen, aber
an einigen Stellen kleine Verkasungen und starke Infiltration von Rund-
zellen und leprazellenartige Phagozyten (Versuch D).
Die FTB. besitzen sehr starke Resistenz auf dem NShrboden und
man kann noch mit der Emulsion von alter Kultur Phoxinus laevis
oder Anodonta anatina L. inokulieren (Versuch G).
II. Sfinrefeste Bazillen aus der Wasserleitung (Mycobac¬
terium aquae B. Galli-Valerio).
Die saurefesten Bazillen sind in der Natur sehr verbreitet und
finden sich nicht nur in Gr&sern und im Kuhdiinger, sondern auch auf
dem Timotheesamen und Getreidekornern sowie in Wasserleitungen.
Taute und Weber hatten in Organen von gesunden Frbschen etc.
skurefeste Bazillen beobachtet (siehe Einleitung) und waren der Meinung.
dafi die als Bazillen der Kaltbliitertuberkulose beschriebenen Keime
nichts anderes als Formen dieser saurefesten Bazillen seien.
Wir haben uns nun die Aufgabe gestellt, mit den saurefesten Ba¬
zillen aus der Wasserleitung von Lausanne (Mycobacterium aquae)
bei Goldfischen Versuche anzustellen*). Ueber die Kultur und Morpho-
logie dieser Bazillen sollen hier nur folgende kurze Angaben gemacht
werden:
Mycobacterium aquae entwickelt sich auf gewohnlichein Nahr-
boden bei Zimmertemperatur schnell, besonders auf erstarrtem Eieragar;
z. B. bilden sich schon nach 3 Tagen auf erstarrtem Eieragar unregel-
maBige, konfluierende, etwas feuchte, weiBlich-gelbliche, fettig glanzende
Warzchen, welche 7 Tage nach der Aussaat die Nahrbodenoberflache
mit einem dichten Bazillenrasen uberziehen. Was die Morphologie der
saurefesten Bazillen, aus der Wasserleitung betrifft, so sind diese den
menschlichen TB. ganz ahnlich. Z. B. befanden sich bei den frischen
Kulturen langere und kurzere Stabchen von ganz verschiedener Lange
und auch Kolben- und Kommaformen. Dieses Bakterium ist saurefest
und farbbar mit Methylenblau, mit gewobnlichem Fuchsin nach Gram
und genau wie echte TB.
Wir haben untersucht, ob und welche Veranderungen die Sf. B.
in den verschiedenen Organen bei den Goldfischen nach der Inokulation
erzeugen. — Die Untersuchungsweise und Behandlung der Goldfische
war die gleiche wie bei den experimentellen Versuchen von Fischtuber-
kulose.
Experimentelle Versuche. A. Inokulation ins Auge
(2 Faile, Fall 5, 6). B. Intraperitonealinokulation (6 Falle).
C. Intramuskuiare Inokulation (Fall 13, 9, 10, 12, 17.
18, 7).
A. Inokulation inB Auge:
Ergebnis: 1) Die Sf. B., welche vor 5 Tagen in die Vorkammer des linken
Auges eingespritzt worden waren, zeigten so starke extrazellulare Bakteriolyse, dafi man
fast keine gut konservierten Sf. B. in Ausstrichpr¶ten vor der Vorkammer des linken
1) Herrn Dr. Born and danke ich fur freundliche Ueberlassung der Kulturen.
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Maie, Experimentelle Versuche bei Goldfischen usw.
35
A ogee beobachten konnte. — In diesem Falle fanden sich einige granulierte und einige
pit konservierte, kurze Formen in der \lilz und in der Niere (Fall 5).
2) Die Sf. B., welche 8 Tage vorher in die Vorkammer den linken Alices einge-
S 'tzt worden waren, zeigten so starke extrazellulare Bakteriolyse wie Fall 5. in
em Falle befanden sich im Nierenstrichpraparat einige gut erhaltene und einige
granulierte Formen von Sf. B.
3) Daraus ist ereichtlich, dafl die Sf. B. in der Vorkammer des Auges dee Goldfischee
-ofort eine extrazellulare Bakteriolyse erzeugen und ein Teil derselben sich in anderen
Organen verbreitet, so z. B. in Milz und Nieren.
B. I n traperi toneal i nokula tion (Fall 1, 2, 12, 13, 14, 15).
Ergebnis: 1) Bei der lutraperitonealinokulation bleiben die Sf. B. nicht nur
lokal, sondern verbreiten sich in die verschiedensten Organe, z. B. Gehirn, Peritoneum,
Uber, Milz und Nieren (Fall 1).
2) Die Sf. B. zeigten in den verschiedenen Organen der Goldfische so starke extra¬
zellulare Bakteriolyse. dad man 7 Tage nach der Inokulation einige gut erhaltene Sf. B.
in den Strichpraparaten von verschiedenen Organen antreffen konnte.
3) Einige Sf. B. bleiben sehr lange Zeit in verschiedenen Organen, in denen sie
■ich entwickeln, besonders im Peritoneum, Nieren und in der Milz, so z. B. bei Fall 12.
Der Goldfinch, welchem 120 Tage vorher die Sf. B. eingespritzt worden waren,
leigte einige kolbig angeschwollene Fadenformen in der Milz, einige gut erhaltene
tiirzere Formen in den Nieren und einige Kolbenformen im Peritoneum (Fall 12).
Bei Fall 15, dem Goldfische, welchem vor 126 Tagen die Sf. B. eingespritzt
worden waren, zeigten sich in einem Peritoneumstrichpraparat einige Haufen von un-
moulierten Sf. B. und einige kolbig angeschwollene Fadenformen wie Aktinomyzeten.
4) Durch Intraperitonealinokulation von Sf. B. konnten wir keine makroskopischen
Veranderungen in den verschiedenen Organen erzeugen.
5) Phagozytose gegen Sf. B. haben wir ausnahmsweise in Peritoneum, Leber und
Milz gesehen (7 und 9 Tage Inokulation, Fall 1 und 2).
C. Intramuskulare Inokulation (Fall 3, 4, 7, 8, 9, 10,12,13, 16, 17, 18).
Ergebnis: 1) Bei subkutaner Inokulation blieben die Sf.B. nicht nur lokal, son-
dtrn verbreiten sich in verschiedene Organe, z. B. in das Gehirn, Leber, Peritoneum,
Niere und Milz (Fall 3, 4, 8, 9, 10).
2) Die Sf. B. erzeugen bei subkutaner Injektion in Leber, Milz und Niere 2 Tage
nach der Inokulation stark extrazellulare Bakteriolyse (Fall 9).
3) Nur einige S.f.B. wurden an der Inokulationsstelle beobachtet, welche bis
*4 Tage nach der Inokulation keine Veranderungen zeigte.
4) Bei subkutaner Injektion fanden sich in fast alien Fallen die Sf. B. in den
Nieren, besonders bei Fall 16 und 18 zeigten die Goldfische, welche 43 und 44 Tage
each der Inokulation getotet wurden, in den Nierenausstrichpraparaten einige granu-
herte, kettenformige Fadenformen.
5) Durch subkutane Inokulation konnten wir keine makroskopischen Verande¬
rungen in verschiedenen Organen erzeugen.
6) Phagozytose gegen Sf. B. fand sich nur ausnahmsweise (Fall 17).
Zusammenfassung.
1) Durch Inokulation von Sf. B. kann man nicht im Auge selbst
die LAsionen erzeugen, doch sei bemerkt, daB eine Menge von injizierten
Sf.B. sich in anderen Organen verbreitet (Versuch 4). 2) Bei intra-
peritonealer und subkutaner Inokulation bleiben die Sf. B. nicht nur
lokal, sondern verbreiten sich in den verschiedenen Organen (Versuch
B o. C). 3) Die Sf. B. in verschiedenen Organen der Goldfische zeigen
to starke extrazellulare Bakteriolyse, daB man 7 Tage nach der Inoku¬
lation nur ausnahmsweise einige gut konservierte Sf. B. in den Strichpra¬
paraten von verschiedenen Organen nachweisen konnte (Fall 1). 4) In den
meisten Fallen beobachtet man Sf. B. in Nieren und Milz (Fall 1, 2, 12,
13, 3, 4, 9, 10, 16, 18). 5) In 3 Fallen konnten einige granulierte
Formen nachgewiesen werden. 6) Bis zum 10. Tage nach der Inoku-
3*
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1.
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lation gestorbene Goldfische zeigteu zahlreiche granulierte Sf. B. in der
Leber; sonstige F&lle von Sf. B. waren darin nicht nachzuweisen.
7) Ausnahmsweise zeigten Sf. B., die in der Milz und Niere geblieben
waren, 120 und 126 Tage nach der Inokulation einige kolbig an-
geschwollene Fadenformen, wie Aktinomyceten. 8) Durch verschiedene
Inokulationen konnten keine makroskopischen Verknderungen in Organen
und an der Injektionsstelle erzeugt werden. 9) Es ist von Interesse,
daB die Sf. B. in den Organen des Goldfisches eine starke extrazellulare
Bakteriolyse bewirken, dagegen die FTB. solche sehr wenig erzeugen.
III. Leprabazillns.
Mycobacterium leprae (Hansen) L. u. N.
Hutchinson behauptete, daB die mensckliche Leprainfektion durch
FischgenuB zustande kommt. Couret und Maurice haben bei Gold-
fischeu etc. mit Leprabazillenkulturen experimentiert und gefunden, daB
die Leprabazillen sich bei den niedrigen Temperaturen, wie sie der
Organismus der Fische in den nordlichen Meeren aufweist, entwickeln.
Auch Duval hatte gesehen, daB der Leprabazillus sich in Kultur noch bei
10° reichlich vermehrt.
Die eben genannten Forscher batten von Leprosen bei Kaltbliitern
Yersuche angestellt. Wir selber haben bei Goldfischen mit Leprabazillen
experimentiert, welche wir direkt aus Lepromen entnahmen. — Die An-
ordnung der Experimente und Behandlung der Goldfische ist die gleiche
wie zuvor.
Das Material (Nasensekret und Leprom) wurde von einer Lepra-
patientin genommen.
Patientin: Marie (20 J.). Diagnose: Lepra tubero-nervorum.
Symptome: Im Gesicht zahlreiche knotenformige Infiltrate an der Stirn undAugen-
brauengegend und hochgradige Verdickung der Wangen, Lippen, Nase und Oberlappchen
(Korneatriibung). Storung der Sensibihtat der Extremitaten. Spindelformige Ver¬
dickung des Nerv. auricul. post, und des Nerv. ulnaris. In den Strichpraparaten vom
Nasensekret zeigten sich einige Haufen von Leprabazillen und viele Blastomyceten.
A. Inokulation im Gehirn.
Ergebnis: 1) Bei der Inokulation von Leprabazillen im Gehirn zeigten sich
3 Tage nachher in den Gehirnstrichpraparaten zahlreiche gut erhaltene Leprabazillen
wie bei Emulsion; in den andereu Organen waren keine Sf.B. nachweisbar (Fall 8).
2) Ein Goldfisch, dem die Leprabazillen vor 131 Tagen ins Gehirn inokuliert
worden waren, zeigte in Gehirnstrichpraparaten zahlreiche ungranulierte Leprabazillen
wie bei Emulsion, ohne Phagozytose und in Nierenpriiparatan einige Haufen und einige
liingere Formen (Fall 9).
3) Bei 2 Golffischen, welchen die Emulsion vom infizierten Gehirn eingespritzt
worden war, waren nachher keine S.f B. in Strichraparaten verschiedener Organe nach¬
weisbar (Fall 18 u. 19).
B. Inokulation ins Auge.
Ergebnis: 1) Bei einem Goldfisch, dem die Emulsion vom Nasensekret ins
Auge eingespritzt worden war. waren 1 Tag spater in den Strichpraparaten von dem-
selben Auge keine Sf.B. nachweisbar (Fall 1).
2) 168 Tage nach der Inokulation von Lepraemulsion ins Auge waren in den Strich¬
praparaten von demselben Auge und in verschiedenen Organen keine Sf. B. nachweisbar
(Fall 13).
C. I ntraperitonealinokulation.
Ergebnis: 1) Durch Intraperitonealinokulation bleiben die Leprabazillen nicht
nur lokal, sondern verbreiten sich in verschiedene Organe, z. B. Gehirn, Leber, Milz
und Nieren (Fall 4, 10).
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Maie, Ex peri men telle Versuche bei Goldfischen usw.
37
2) In 52—99 Tagen nach der Inokulation waren zahlreiche, gut konservierte Lepra¬
bazillen in Leber, Milz, Niere und in Peritoneumstriehpraparaten nachweisbar. Be¬
wilders bei einem Goldfisch fand sich 52 Tage nach der Inokulation einen Haufen im
Gehirn (Fall 4, 5, 7, 10).
3) Nach Intraperitonealinokulation vou Emulsion des Nasensekrets oder infizierter
Organe (Peritoneum und Gehim) konnten wir Leprabazillen in verschiedenen Organen
linden (FaU 3, 11, 21, 22).
Intramuskulare Inokulation.
Ergebnis: 1) Ein Goldfisch, dem die Emulsion von Leprom vor 99 Tagen sub-
kutan eingespritzt worden war, zeigte viele Fadenformen (bogenformig, angelhaken-
formig, stabehenformig etc.) im Gehim und zahlreiche Haufen in der Niere und In-
jektionsstelle (Fall 5).
2) Bei subkutaner Inokulation von Emulsion des alten Leproms (vor 100 Tagen
war Leprom von Pat. genommen) waren Leprabazillen nur bei 1 Fall in Niere und
Injektionsstrichpraparaten nachweisbar (Fall 13).
Zusammenfassung.
1) Die Leprabazillen entwickeln und vermehren sich im Gehim des
Goldfisches (Fall 5). 2) Durch intraperitoneale oder subkutane Inoku¬
lation gehen die Leprazellen schnell in Gehim, Leber, Milz und Nieren.
3) Die Leprabazillen in Niere, Milz, Genitalorganen zeigten 3 oder
4 Monate nach der Inokulation keine Vermehrung, keine Zerstorung
oder Entwicklung. 4) Bei intraokularer Inokulation von Leprabazillen
in die Vorkammer konnten wir 107 Tage nachher keine Leprabazillen
im Auge und in verschiedenen Organen nachweiseu (Versuch C, D).
5) In alien Fallen von Intraperitoneal-, Intracerebral- IntramuskulSrinoku-
lation der Leprabazillen konnten wir zahlreiche Leprabazillen in den Nieren
nachweisen (4, 6, 7, 10, 5, 9). 6) Werden die Leprabazillen etwa 4 Mon.
bei Zimmertemperatur in physiol. Kochsalzlosung bewahrt, so konser-
servieren dieselben sich ganz gut, aber sie verbreiten sich nicht so in
verschiedene Organe durch Inokulation bei Goldfischen wie rait frischem
Material; sie verschwinden schnell (Fall 12, 13, 14, 15). 7) Phagozytose
gegen Leprabazillen haben wir in den Goldfischen nur in 1 Falle im
Gehim gesehen (Fall 8). 8) Durch Inokulation der Emulsion von Nasen-
sekret oder infizierter Organe konnten wir deutliche Verbreituug der
Bazillen nicht sehen (Fall 18, 19, 2, 11, 21, 22).
IV. Kontrolle.
Wir hatten 111 Goldfische behandelt und von denselben 1800 Aus-
>trichpraparate angefertigt und untersucht. Aus diesen Untersuchungen
ist ersichtlich, daB die Sf. B. in verschiedenen parenchymatosen Organen
der gesunden Goldfische nicht vorkommen. Es sollten nochmals dariiber
Versuche angestellt werden nach folgender Methode: Je 1 gesunder
Goldfisch wurde getotet, durch die Ausstrichpraparate von verschiedenen
Organen sofort prapariert und nach Ziehl-Neelsenscher FSrbungs-
methode gefarbt und untersucht.
Zusammenfassung. 1) Aus bisherigen zahlreichen Untersuchungen
und diesen Beobachtungen an gesunden Goldfischen ist ersichtlich, dafi
die Sf. B. in verschiedenen Organen (mit Ausnahme vom Darm) bei ge-
^nnden Goldfischen nicht vorkommen.
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38
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
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2) Im Darminhalt befanden sich viele st&bchenformige Bazillen und
einige T.B.-ahnliche Sf. B. Oder s&urefeste Stabchen.
Es sollte weiter untersucht werden, ob und welche Pathogenitat
die st&bchenformigen Bazillen und s&urefesten Keime im Darm des
Goldfisches gegen andere Goldfische haben.
Das Ergebnis der diesbezflglichen Versuche ist folgendes:
1) Die s&urefesten Keime im Darm scheinen nicht pathogen fflr
den Goldfisch zu sein.
2) Im Darm des Goldfisches sind im allgeineinen viele Bacterium
fluorescens.
3) Bacterium fluorescens, welches vom Darm des Goldfisches
stammt, ist sehr pathogen fQr den Goldfisch.
Ffir die Anregung zu vorstehender Arbeit und die gfltige Unter-
stiitzung bei ihrer Ausfiihrung erlaube ich mir, Herrn Prof. Dr. Galli-
Valerio meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen.
Iiiteratur.
1) Auch6 et Hobbs, De la tuberculose chez la grenouille. (Arch, de med.
exper. 1900. p. 419.) — 2) Bertarelli, Einige Untersuchungen iiber die Tuberkulose
der Reptilien. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 38. H. 4.) — 3) Dere. u. Bochia,
Neue Untersuchungen iiber die Tuberkulose der Kaltbliiter. (Ebenda. Abt. I. Orig.
Bd. 54. 8. 385.) — 4) Betegh, Beitrage zur Tuberkulose der Meerfische. (Ebenda.
Abt. I. Orig. Bd. 53. 8. 377.) — 5) Ders., Weitere Beitrage zur experim. Tuberkulose
der Meerfische, nebst Studien iiber die Transmutationsfrage der Warmbliitertuberkel-
bazillen. (Ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 54. S. 211.) — 6) Dubard, Transformations de
la tuberculose humaine par le passage sur l’animal & sang froid. (Bull. acad. de
m6d. 1897. p. 580, 792.) — 7) Ders., Des modifications de la tuberculose et son adap¬
tation & la sbve animale. IV. Congrfes pr. l’6tude de la tuberc. 1898. p. 711.) — 8) Frey-
muth, Ueber das Verhalten des Grasbazillus. II. (Moeller) im Kaltbliiterorganismus.
(Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 29. 8. 530.) — 9) Friedmann, F. F., Der Schild-
driisentuberkelbazillus, seine Ziichtung, Biologie und Pathogenitat. (Dtsch. med. Wochen-
schrift. 1903.) — 10) Ders., Spontane Lungentuberkulose mit groSen Kavernen bei
einer Wasserschildkrote. (Ebenda. 1903. Nr. 2.) — 11) Gottstein, Das Verhalten
der Tuberkelbazillen im Kaltbliiterorganismus. (Hyg. Rundsch. 1905. 8. 281.) —
12) Herr, Ein Beitrag zur Verbreitung der saurefesten Bazillen. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 38.
8. 201.) — 13) Ders., Ein Beitrag zum Verhalten der Tuberkelbazillen bei Ueberimpfung
auf Blindschleichen. (Ebenda. 8. 198.) — 14) Herzog, H., Die Abschwachung der
Saugetiertuberkelbazillen im Kaltbliiterorganismus. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 34.
8. 535 u. 675.) — 15) Ders., Zur Tuberkulose im Kaltbliiterorganismus. (Ebenda.
Bd. 31. 1902. S. 78.) — 16) Hormann u. Morgenroth, Ueber Fiitterung von
Fischen mit tuberkelbazillenhaltiger Nahruug. (Hyg. Rundsch. 1899. S. 857.) — 17)
K uster, B., Ueber Kaltbliitertuberkulose. (Munchen. med. Wochenschr. 1905. Nr. 2.)
— 18* Ledoux - Lebard, Le bacille pisciaire et la tuberculose de la grenouille.
(Ann. de l’Inst. Pasteur. 1900. p. 535.) — 19) Lubarsch, Ueber das Verhalten
der Tuberkelpilze im Froschkorper. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 28. Nr. 14/15.)
— 20) Moriya, Impftuberkulose bei Kaltbliitern. (Ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 45.
8. 294.) — 21) Morey, Tuberculose exp^rimentale quelques poissons et de la gre¬
nouille. fThbse.] Lyon 1900. — 22) Rabinowitsch, Welche Beziehungen bestehen
zwischen den Erregern der Saugetiertuberkulose, speziell der Menschen-, Rinder- und
Affentuberkulose und denen der Gefliigel- und Kaltbliitertuberkulose. (Centralbl. f.
Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 37. S. 705.) — 23) Sion, Der Einflud des Organismus kalt-
bliitiger Tiere auf den Bazillus der Menschentuberkulose. (Ebenda. Abt. I. Bd. 27.
8. 710.) — 24) Steripulo, Ueber die Beziehungen der Tuberkelbazillen der Warm-
und Kaltbliiter zueinander sowie iiber die gegenseitigen Beziehungen dieser und einiger
anderer saurefester Bazillen. (Ebenda. Abt. I. Ref. Bd. 33. 1903.) — 25) Weber u.
Taute, Ueber Kaltbliitertuberkulose. (Tuberk.-Arb. a. d. Kaiserl Gesundheitsamt. 1905.
H. 3.) — 26) Sargo u. Suess, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 43 1906. H. 4
(Referat). — 27) Couret et Maurice, Journ. of experim. Med. Vol. 13. 1911. p.546.
Lausanne 1921.
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Gerlach, Uebertragung d. Immunitat eines Gefliigelcholeraserumpferdes usw. 39
Nachdruek verboten.
Uebertragung der Immunitat eines Gefliigelcholeraserum-
pferdes auf das Fohlen 1 ).
|Aus der Staatl. Tierimpfstoffgewinnungsanstalt in MOdling bei Wien.]
Von Privatdozent Dr. F. Gerlach, Vorstand des Institutes.
Die intereesante und bedeutungsvolle Frage der ImmunitatsvererbuDg iet acbon
wiederholt tod den verschiedensten Gesichtspunkten aus abgehandelt worden, so dafi
di«ses Problem heute als gelost gelten kaun.
Vor allem iet ee den gemalen und grundlegenden Vereuchen Ehrlichs zuzu-
•chreiben, dafi die Vorgange, die bei den Nachkommen immuner Eltern das Vorhanden-
-tin einer Immunitat bedingen, aufgeklart worden sind. Im Laufe der Jahre konnten
ann diese Kenntnisee durcE die Arbeiten vieler und namhafter Forecher beetatigt und
vertieft werden.
Danach kann von einer „Vererbung“ der Immunitat im wahren Sinne dee Wortee
nicht die Rede sein. Vielmehr handelt es sich in jenen Fallen, in denen immune
Mutter immune Nachkommen zur Welt bringen, entweder um eine passive Immuni-
-ierung dee Fotus, also um eine blofle Uebernahme der von der Mutter gebildeten
Antikbrper durch das Junge, Oder um eine aktive Immunisierung der sich entwickeln-
deu Frucht, wenn das immunisierende Agens auf dem Plazentarwege auf den Fotus
ubergeht.
Das Auftreten einer beim Muttertier vorhaudenen Immunitat bei Neugeborenen,
die haufig heute noch talschlich als „vererbte Immunitat" angesprochen wird, ist nicht
sur oftmala als Ergebnis von Experimenten bei verschiedenen kleinen Laboratoriumstieren,
-ondern wiederholt auch bei unseren Haustieren beobachtet worden. So ermittelte
Konradi in letzter Zeit die Moglichkeit einer „Vererbung der Lyssaimmunitat" beim
flunde, nachdem Hogyes schon 1889 in den Annales del’Institut Pasteur iiber dies-
tezugliche Versuche berichtet hatte. Diese Autoren gingen so weit, dafi sie vermeinten,
die Hundswut durch Aufzucht lyssaimmuner Uunde, die ihre Immunitat durch Paarung
iyseaimmuner Eltern „ererben“ sollten, aus der Welt zu schaffen, eine Idee, die sicn
Dekanntlich als undurchfiihrbar erwieseu hat.
Kleine und Mb 11 era fanden bei neugeborenen Hunden eine kurzdauernde Im¬
munitat gegeu Hundepiroplasmose, bedingt durch eine Uebernahme der schutzenden
Immunkbrper aus dem miitterlichen Organismus. Ich erwahne diesen Befund deahalb
beeonders, weil daraus hervorgeht, dafi auch eine gegen Protozoen gerichtete Immunitat
rou der Mutter auf die Nachkommen iibergehen kaun.
Prettner machte gelegentlich der Immunisierung von Kiihen zwecks Herstel-
lung von Schweinerotlaufserum die Erfahrung, dafi die Kalber von Serumkiihen vor
der Geburt aktiv immunisiert werden, dadurch dafi die Schweinerotlaufbazillen durch
die Plazenta auf den Fotus iibergehen.
Aus einer ganzen Reihe von Arbeiten geht ferner hervor, dafi iiberdies auch durch
die antikorperhaltige Milch eine Uebertragung von Schutzstoffen aus dem immunen
miitterlichen Organismus auf die saugonden Jungen vermittelt wird. Durch die Assi¬
milation von Antikorpern der Milch kann, wie sich gezeigt hat, die Immunitat des
danglings vermehrt, bzw. ihre Dauer verlangert werden.
Es erscheint daher begreiflich, dafi auf Grund dieser und vieler anderer Beob-
htungen iiber die bei den Nachkommen immuner Muttertiere vorhandcne Immunitat
m der Folge die Frage aufgeworfen wurde, ob es nicht moglich ware, zwecks Be-
tampfung von Infektionskrankheiten die spezifischen Schutzstoffe schon wahrend des
Fdtallebens zum Entstehen zu bringen, um das Neugeborene schon immun zur Welt
tom men zu lassen.
Die planmafiige Immunisierung triichtiger Muttertiere ist mit erheblichen Schwierig-
teiten verbunden, da die Impfung derselben mit virulenten Krankheitserregern schwere
tresundheitsstorungen, haufig Abortus, ja mitunter den Tod zur Folge hat. Von der
1) Vortrag, gehalten in der Gesellschaft der Tierarzte in Wien am 9. Jan. 1922'
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
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Erfahrung ausgehend, dafi man nicht nur mit lebenden uud abgetoteten Bakterien,
.sondern auch mit deren Extrakten immunisieren kann, hat man deshalb in der Praxis
fiir diese Zwecke auf die Anwendung von Bakterienextrakten gegriffen, von denen be-
aondere die sogenannten Mutterimptstoffe aus dem Pharmazeutischen Institut L. W.
Gans in Frankfurt a. M., die Schutzlymphe von Dr. Schrei ber - Landsberg und der
KierBteinsche Bazillenextrakt aus dem Zentralinstitute fiir Tierzucht in Berlin prak-
tisch zur Verwendung gekommen sind.
Die Wirkung dieser Art von Impfatoffen, die hauptsachlich zur Bekampfung der
Kalberruhr und der Schweineaeuche bestimmt waren, stellte man aich so vor, dali im
Korper dea trachtigen Muttertierea Schutzstoffe gegen die betreffende Krankheit im
Ueberachuaae gebilaet werden, die in das Blut dea Jungen iibergehen, mit denen daa-
aelbe dann gegen diese Krankheit geschiitzt geboren wird. Diese angeborene Immu-
nitat soil noch eine Vermehrung erfahren durch die mit der Milch von dem saugenden
Jungen aus dem mutterlichen Organiamus aufgenommenen Antikorper.
Mit diesen Mutterimpfstoffen aind praktiach recht zweifelhafte Erfolge erzielt
worden und die Versuchaergebniaae von Schmitt (Ziillchow) bedeuten eine geradezu
vernichtende Kritik fiber den Wert aolcher Mutterimpfungen.
Sie aind aber gleichzeitig ein Beweis fiir die Kichtigkeit seiner Meinung, dali
namlich „die Frage, ob eine Uebertragung kiinstlicher Antikorper aus dem mutterlichen
in das fotale Blut vorkommt, bejaht werden mufi, eine aolche Uebertragung kiinstlicher
Antikorper jedoch nicht zu den physiologischen Leistungen der Plazenta zu rechnen
iat" und wonach ferner „eine Uebertragung aktiver oder paseiver Immunitat durch
Saugung zwischen artgleichen Individuen in den ersten Lebenstagen vorkommen kann,
dieses Vorkommnis jedoch keinesfalls ein geaetzmaQigea, anscheinend auch kein hiiu-
figea iat.“
Schliefilich soil noch darauf hingewieaen werden, dali man auch bei der Behaud-
lung der Fohlenlahme mit dem Blute der Mutterstute in gewisaem Sinne mit dem
Vorhandensein einer aus dem Mutterleibe auf das Fohlen iibergegangenen Immunitat
rechnet. Die Infektion, an welcher Eitererreger, Coli- und Paratyphusbakterien be-
teiligt aind, soil schon im Mutterleibe erfolgen und durch eine Endometritis der Mutter -
atute bedingt sein, wahrend die Anateckung nach der Geburt, fiir welche vor allem
die Nabelinfektionen verantwortlich gemacht werden, eine Ausnahme bilden solleu.
Den Vorschlagen Sohnles undForsaells, lahmekranke Fohlen mit dem Serum
dee mutterlichen Blutes zu behandeln, liegt die Annahme zugrunde, dafi die Krankheit
bei den Fohlen flann in Eracheinung tritt, wenn die aus dem Mutterleibe bei der Ge¬
burt mitgebrachten Schutzstoffe im Kampfe mit den Krankheitserregern aufgebraucht
aind. Wenn daher bei dem Fohlen kiinstlich noch weiter grofiere Mengeu dieser Anti¬
korper der Mutterstute hinzugefiigt werden, ist ein ausreichender Schutz vor dem Aus-
bruche der Liihme, bei bereita vorliegender Erkrankung aber Heilung zu gewartigen.
Diese Annahme scheint nicht ganz ungerechtfertigt zu sein, da, soviel bekannt ist,
in Bestanden, in denen friiher die Fohlenlahme gehauft aul'getreten ist, diese Krank¬
heit nicht mehr zu beobachten ist, seitdem dort konsequent alle neugeborenen Fohlen
unmittelbar nach der Geburt, ehe ea noch zum Auabruche der Lahme gekommen ist,
mit dem Blute der Mutter einer Sohutzimpfung unterzogen werden.
Nach diesen mir als Einleitung dienenden Ausfuhrungen, die in
groben Umrissen so ziemlich alles das enthalten diirften, was bislier
fiber die Uebertragung einer Immunitat auf die Nachkommen bei un-
seren Haustieren bekannt geworden ist, mochte ich als Beitrag zu
diesem Kapitel einen Fall von Uebertragung der Immunitat eines Ge-
flfigelcholeraserumpferdes auf das Fohlen besprechen, der in der staat-
lichen Tierimpfstoffgewinnungsanstalt in Modling zur Beobachtung ge¬
kommen ist.
Im Frfihjahr 1921 hatte ein Pferdehtindler dem Institute eine 9-
jahrige Stute verkauft, die zweeks Gewinnung von Gefltigelcholeraserum
allwochentlich mit steigenden Men gen hochvirulenter Bouillonkulturen
des Geflfigelcholerabazillus immunisiert wurde. Bei der Auswertung an
Tauben war das Serum dieser Stute bereits hochwertig befunden worden,
als sie am 19. Aug. 1921 zu unserer Ueberraschung ein Fohlen zur
Welt brachte, nachdem deren Triichtigkeit unserer Aufmerksamkeit voll-
kommen entgangen war.
Die gewifi nicht haufige Gelegenheit zu derartigen Versuchen be-
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Gerlach, Uebertragung d. Immunitat einea Gefliigelcholeraserumpferdes usw. 41
nutzte ich, uin das Fohlenserum auf das Vorhandensein spezifischer
Antikorper zu priifen. Zu diesera Zwecke wurde bei dem neugeborenen
Fohlen ein regelrechter AderlaC aus der HalsveDe vorgenommen, der
obne Schaden vertragen wurde. Das zur Abscheidung gekommene
Seruin des Fohlens wurde dann bei Tauben gegeniiber einer 24 Std.
spater erfolgenden Infektion mit je 0,001 ccm eines hochvirulenten,
frisch passierten Gefliigelcholerastammes ausgewerlet, wiihrend gleich-
zeitig unter denselben Bedingungen die vergleichende Auswertung des
Serums der Mutterstute erfolgte.
Das Ergebnis dieser Versuche ist aus den beiden nachstehenden
Tabellen zu entnehmen.
Fohlenserum, intramuskular am 6. Sept. 1921. Kultur: Gefliigelcholera Nr. 65,
48-stund., 0,001 ccm subkutan am 7. Sept. 1921.
Serumdosis in Kubik-
zentimetern
Kon-
trollen
1,0 2,0
3,0
Zahl der
Beobach t u n gs tage
Datum
1
T53 T 97
T 161
T78 T38
T 160 T 165
T 76
1
2
8. Sept.
9. „
10
+ +
— ! —
—
—
— Gefliigelcholera
4
5
6
11. -
12. .
13. „
*
+
— Gefliigelcholera
7
8
14. „
15. „
•
+ —
. : —
—
—
IJ
Serum der Mutterstute (Gefliigelcholerapferd „Maus“), intramuskular am
6. Sept. 1921. Kultur: Gefliigelcholera Nr. 65, 48-stiind., 0,001 ccm subkutan am
7. Sept. 19G._
Serumdosis in Kubik-
zentimetern
Kon-
trollen
1,0
2,0
3,0
Befund
Zahl der
Beobachtungstage
Datum
T 17
T 29
T 12
T 90
T 64
T 113
T 145 T 31
1
2
3
4
5
6
7
8
8. Sept.
9. „
in
+
+
—
—
—
—
—
Gefliigelcholera
»>
lv. r
11. „
12. »
13. n
14. .
15. ,
•
;
.
+
•
_
_
—
—
—
Gefliigelcholera
Unmittelbar nach der Geburt hat das Fohlen demnach ein hoch-
aertiges Gefliigelcholeraserura geliefert, das im Tierversuch gegeniiber
einer kiinstlichen Infektion mit Gefiiigelcholera die gleiche Wirksamkeit
entfaltete, wie das Gefliigelcholeraimmunserum der Mutterstute.
Es miissen daher in unserem Falle die durch aktive Immunisierung
im Blute des triichtigen Muttertieres entstandenen Antikorper gegen
Oeflugelcholera auf dem Plazentarwege auf den F’otus iibergegangen sein.
Aus einer groBen Zahl von Untersuchungen, deren Grundlage die
Ehrlichschen ,Ammen- oder Vertauschungsversuche“ bilden, geht
hervor, daB die auf die Nachkommen immuner Mutter iibertragene Im¬
munitat einige Wochen hindurch, ja sogar wiihrend 2—3 Mon., bestehen
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bleiben kann, sofern den saugenden Jungen antikorperhaltige Milch ver-
abreicht wird, wenn also dein jugendlichen Organismus weiterhin noch
auf dem Wege des Verdauungttraktes Antikorper des miitterlichen Or¬
ganismus zugefiibrt werden.
Uni in der Folge 'fiber den jeweiligen Immunitatsgrad und fiber
die Dauer des Bestehenbleibens der Immunitat bei unserem Fohlen
einen Ueberblick zu bekommen, wurde von Zeit zu Zeit das bei wieder-
holten Aderlfissen gewonnene Fohlenserum unter Beibehaltung der ge-
legentlich der 1. Auswertung beobachteten Versuchsanordnung neuerlich
an Tauben ausgewertet.
Schon nach 4 Wochen war die Scliutzwirkung des Fohlenserum^
bedeutend vermindert, da, wie aus der folgenden Tabelle ersichtlich ist.
samtliche Versuchstauben, allerdings ini Vergleiche zu den Kontrollen
unter Verzogerung des letalen Endes, innerhalb von 4 Tagen der nach-
trfiglichen Infektion mit Geflfigelcholerabazillen erlegen sind.
Fohlenserum vom 17. Sept. 1921, intramuskular am 20. Sept. 1921. Kultur:
Geflugelcholera Nr. 65, 48 stiind., 0,001 ccm subkutan am 21. Sept. 1921.
Serumdosis in Kubik-
zentimetern
Kon¬
trollen
1,0
2,0
3,0
Befund
Zahl der n ,
Beobachtungstage
1
T 65 T 166
T 148
T 66
T 8
T 109
1
T73T 115
1
1 122. Sept.
2 123. „
3 124. „
4 25. „
+
+
+
+ 111
+
111 +
+
111 +
1 Gefliigel-
| cholera
7 Wochen nach der Geburt konnte eine Schutzwirkung des Fohlen-
serums bei der Gefltigelcholerainfektion fiberhaupt niclit niehr ermittelt
werden, da die Kontrolltauben und die mit dem Fohlenserum geimpften
Tauben gleichzeitig auf die subkutane Infektion an Gefliigelcholera zu-
grunde gegangen sind.J
Fohlenserum vom 10. Okt. 1921, intramuskular am 21. Okt. 1921. Kultur:
Geflugelcholera Nr. 65, 48-stund., 0,001 ccm subkutan am 22. Okt. 1921.
Serumdosis in Kubik-
zentimetern
Kon¬
trollen
1,0
2,0
3,0
Befund
Zahl der noflim
Beobachtungstage
T 39
T 124
T 103
T 97
T 38
T 97
H
01
-0
T 148
1 I 23. Okt.
2 24. „
+
’
+
+
+
-i-
+
+
'
+
| Gefl iigel-
/ cholera
Es hat somit die von der Mutterstute wahrend des intrauterineu
Lebens auf den Ffitus fibergegangene Immunitat gegen Gefliigelcholera
nach der Geburt bei dem Fohlen nur wenige Wochen angehalten. Diese
Immunitat hat infolge der raschen Ausscheidung der Antikorper aus
dem jugendlichen Organismus den Charakter einer passiven Immunitat
aufgewiesen, die auch dadurch uicht verlangert worden ist, daB die Milch
der nach dem Abfohlen auch weiterhin allwochentlich mit Bakterieu-
kulturen immunisierten Mutterstute von dem saugenden Jungen aufge-
nommen worden ist.
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Lu bin ski, Die Sterilitat des zur Pasteurschen Schutzimpfung usw.
43
Nachdruck verboten.
Die Sterilitat des zur Pasteurschen Schutzimpfung
verwendeten Kaninchenriiekenmarkes.
|Aus tier Wutschutzabteilung des Hygienischen Instituts der Universitfit
Breslau (Direktor: Geheimrat Prof. Dr. R. Pfeiffer).]
Von Dr. Herbert Lubinski, Leiter der Abteilung.
Die systematische Durchfiikrung der Pasteurschen Schutzimpfung
bat die Lyssa humana zu einer in Deutschland sehr seltenen Erkrankung
gemacht, obgleich die Zahl der durch tollwutverdachtige Tiere verletzten
Personen seit Kriegsende in standigor Zunahme begriffen ist. Es ist
statistisch nachgewiesen, daB die Morbiditat und damit auch die Morta¬
lity an Lyssa von 15 bis 20 Proz. der von tollen Tieren verletzten
and nicht behandelten Personen auf V 2 bis 1 Proz. der behandelten
zurfickgegangen ist. Dieser Erfolg der Impfung wird auch dadurch
nicht sonderlich beeintrachtigt, daB im Verlaufe der Impfbehandlung
gelegentlich Storungen beobachtet worden sind, von denen ein Toil mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf die Wirkung des ein- •
verleibten Virus fixe zurfickzuffihren ist. Trotz der Seltenheit des Vor-
kommens dieser Impfschadigungen, die zum groBten Teil gutartig ver-
laufen, ist es aber naturlich von groBter Wichtigkeit, genau fiber die
Umstande orientiert zu sein, unter denen es zu diesen unerfreulichen
F.rscheinungen kommt. Sicheres fiber die Ursachen weiB man bisher
noch nicht: als fordernde Faktoren galten ganz allgemein starke Schfidi-
gungen des Organismus nervfiser Oder korperlicher Art.
0. Kfihne 1 ) ist nun auf Grund der von ihm vorgenommenen
Untersnchungen zu der Annahme gekommen, daB Begleitbakterien ver-
schiedener Art, die er aus dem gebrauchsfertigen Impfstoff heraus-
gezfichtet hat und die bei der Einspritzung der Markemulsion in den
Organismus des Impflings gelangen, unter Umstfinden das Passagevirus
beeinflussen, „aggressiv machen u Oder die Widerstandsffihigkeit des
Patienten derart herabsetzen konnen, daB eine Erkrankung des Nerven-
systems die Folge ist.
Die Untersuchungen Kfihnes, die in der Berliner Wutschutz¬
abteilung stattgefunden haben, erstrecken sich auf frisch entnommenes,
auf getrocknetes und auf glyzerinisiertes Mark und wurden in der Weise
vorgenommen, daB 1—2 Tropfen der in der Ubliehen Weise hergestellten
Emulsion auf Agar-, Ascites- und Drigalski-Platten sowie in Bouillon
einer Prfifung auf Sterilitat unterzogen wurden. Dabei zeigte es sich,
daB die genannten 3 Markarten in einem hohen Prozentsatz — 83,3 Proz.
beim frischen Mark, 80 Proz. beim getrockneten, 68,7 Proz. beiin glyze-
rinisierten — sehr stark mit Mischbakterien verunreinigt waren. Es
fanden sich Kokken und Stabchen verschiedener Art, Sarcine, Coli
and Sporenbildner. Auch Streptokokken wurden vereinzelt beobachtet,
1) Zeitechr. f. Hyg. 1621. 91/3.
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die im Tierversuch apathogen waren, die aber leider nicht weiter dif-
ferenziert worden sind. Es fehlen auch Angaben dariiber, ob die ge-
nannten Bakterien im Gemisch oder jede Art- einzeln in den verschie-
denen Marken gefunden wurden.
Die Anwesenheit dieser Mischbakterien fiihrt Iviihne 1) auf eine
akzidentelle Infektion der Kaninchen nach ihrer Impfung mit Virus fixe
zuriick, eine Moglichkeit, die, wie er selbst zngibt, als groBe Seltenheit
anzusehen ist. In der Hauptsache kommt seiner Meinung nach als
Quelle der Verunreiniguug die Ueberschwemmung des Organismus mit
Bakterien des Verdauungskauales wahrend der Agonie in Frage. Leider
hat es K. unterlassen, das Blut seiner Versuchstiere, das ja wohl als
Verbreiter der Keime anzusehen ist, einer Priifung auf Bakteriengehalt
zu unterziehen. Auch eine Priifung auf Anaerobier vermissen wir.
Die von Kfihne erhobeuen Befunde und die daraus von ihm ge-
zogenen Schliisse sind geeignet, den Wert der Impfung, wie sie zurzeit
gehandhabt wird, herabzusetzen und eine sehr ernste Beunruhigung
hervorzurufen. Es wurde daher eine Nachpriifung dieser Ergebnisse
auf der hiesigen Abteilung vorgenomrnen.
Fiir eine Verunreinigung des Wutimpfstoffes, wie sie von K. ge¬
funden wurde, bestehen folgende Moglichkeiten:
1) Die Bakterien, vornehmlich die des Verdauungskauales, dringen
noch zu Lebzeiten des Tieres auf dem Wege der Blutbahn in das Mark.
2) Das Mark wird bei der Entnahme durch die auBen am Korper
des Tieres und die in der Umgebung befindlichen Keime verunreinigt.
3) Ist eine Verunreinigung moglich bei der Verreibung der Mark-
stiicke, die in einem oben offenen GefaBe manuell mittels eines dicken
Glasstabes erfolgt.
Entsprechend diesen 3 Moglichkeiten, muBte sicli die Untersuchung
erstrecken auf das Kaninchenblut, das frisch entnommene Mark und
die gebrauchsfertige Emulsion.
Die 1. bier angestellte Versuchsreihe umfaBte 30 Blut- und ebenso
viele Markproben. Das Untersuchuugsmaterial wurde in folgender Weise
gewonnen:
Die Kaninchen wurden, nachdem sie das Bild eines schweren Krank-
heitszustandes boten, kurz vor oder im Beginn der Agonie unter alien
aseptischen VorsichtsmaBnahmen aus der A. carotis ext. entblutet und
2 ccrn des so gewonnenen Blutes zu Agarplatten verarbeitet.
Unmittelbar nach der Totung wurden die Tiere abgehautet, der
Korper mit Lj'soform abgewaschen und nach Abtrennung des Kopfes
der Halsstumpf mit der Flamme abgesengt, utn die an der Durchtren-
nungsstelle sitzenden Bakterien zu vernichten, die durch das Zusammen-
pressen der Scherenschneiden von der Korperfl&che auf das Riickenmark
iibertrageu werden konnten.
Von dem nach der Oshid aschen Methode gewonnenen Mark wurde
je ein 1 cm langes Stuck auf eine 2 l / 2 -proz. Agarplatte, auf Loeff ler sches
Serum sowie in Nahrbouillon und zur Priifung auf Anaerobier in hoch-
geschichteten Agar gebracht. Das auf die erstgenannten beiden Niihr-
bbden gebrachte Mark wird mit einem D r i g a 1 s k i - Spatel iiber die
ganze Platte ausgestrichen. Auf die Verwendung des Drigalski-
Nahrbodens wurde verzichtet, da dessen elektive Wirkung ja gewisser-
maBen nur negativ ist, indent das Wachstum gewisser Bakterienarten
zugunsten anderer gehemmt wird. Es ist auch in den Tabellen Kiihnes
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Lubinski, Die Sterilitat des zur Pasteuracheu Schutzimpfmig usw. 45
kein Fall zu finden, in dem ausschlieBlich auf der Drigalski-Platte
Wachstum zu verzeichnen ware.
Die Beobachtung der Plattenkulturen dauerte 3, die der Bouillon-
und Anaerobenrohrchen 7 Tage, wahrend deren sie im Brutschrank ge-
halten wurden.
Das von uns erzielte Ergebnis entspricht nicht den Beobachtungen
Kflhnes 1 ). Im Blut konnten kein einziges Mai irgendwelche Bakterien
nachgewiesen werden. Auch die Anaerobierrohrchen sind immer steril
geblieben, was bei dem Vorhandensein von Darmbakterien (Coli!) nicht
der Fall ware. Dagegen fanden sich zuweilen (6mal bei 30 Untersuch-
ungen, d. h. bei 20 Proz. gegeniiber 83,3 Proz. bei Kiihne) Bakterien
harmloser Art in geringer Zahl (3—20 Keime) — niemals Coli oder
Streptokokken — auf den Agar- und Serumplatten sowie in der Bouillon.
Diese Tatsache ist nun absolut nicht verwunderlich; denn daB bei der
Entnahme des Markes und dem Abschneiden der Sterilisationsproben
sowie ihrer Verarbeitung harmlose Luftkeime aus der Umgebung auf die
AuBenfiache des Markes gelangen kfinnen, liegt im Bereich der Moglich-
keit und ist nicht immer zu vermeiden. Die Zahl der Keime ist aber
bei unseren Untersuchungen niemals fiber eine im Verhaltnis zur GrfiBe
des gepriiften Materials verschwindend geringe Mengen hiuau,sgegangen.
Erne Ausnahme (40 Keime) ist mit groBter Wahrscheinlichkeit auf eine
schon auf der Platte befindliche und beim Ausstreichen (ibersehene
Kolonie zuriickzufiihren und daher als Versuchsfehler anzusehen.
Da auf der hiesigen Abteilung nur nach der C aim etteschen Vor-
schrift glyzerinisiertes Mark zur Bereitung des Impfstoffes verwendet
wird, verzichteten wir in Anbetracht des Ergebnisses der 1. Versuchsreihe
auf eine Priifung des Markes nach der 1—3-tag. Trocknung und gingen
gleich dazu iiber, das nach der Trocknung 3 — 10 l’age in Glyzerin auf-
bewahrte Mark auf seinen Gehalt an Mischbakterien zu untersuchen. Wir
benutzten dazu die gebrauchsfertige Emulsion, von der mehrere Oesen
auf dieselben N&hrboden gebracht wurden, die bei der 1. Versuchsreihe
verwendet worden waren. Auch hier war das Ergebnis vollig negativ.
Vereinzelt vorkominende Luftkeime sind auf die nicht zu vermeidende
Moglichkeit einer Verunreinigung wahrend der Herstellung der Emulsion
zurflckzufflhren, die, wie schon gesagt, in cinem oben offenen Glase
stat findet. Durch diese Versuchsreihe ist auch bewiesen, daB das
Glyzerin als Sterilisator flir schwach verunreinigte Marke wirkt. Denn
auch die bei der 1. Priifung als nicht steril befundenen frischen Marke-
zeigten sich uns nach der Glyzerinisierung als rein.
Durch diese beiden Untersuchungsreihen ist demnach bewiesen,
daB auf der hiesigen Wutschutzabteilung sowohl das frisch entnommene,
wie auch das in Glyzerin aufbewahrte Mark keinen fiber das durch
technische Fehlerquelleu bedingte MaB hinausgehenden Gehalt an Bak¬
terien besitzt. Damit fallen auch die SchluBfolgerungcn Kflhnes, nach
denen die Mischbakterien das auslosende Moment der Impflyssa abgeben
kflnnen.
Als eine weitere Folge der von ihm gefundenen Begleitbakterien
sieht Kiihne auch die in vielen Fallen wfihrend der 2. Woche der Be-
handlung an der Stelle des Impfdepots sich bildenden RStungen und
Infiltrate an, die bisher ffir allergischen Ursprunges gehalten wurden.
Wenn K. der Ansicht ist, daB es sich uni eine durch die miteinverleibten
1) Eine Verfiffentlichung der Tabellen nniB infolge der hohon l)riickko>*teii unter-
bleiben.
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Centralbl. f. Kakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1.
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Bakterien hervorgerafene Entziindung handelt, so rnufi es als sehr raerk-
wiirdig bezeichnet werden, daB diese Wirkung verschiedenster Bak-
terienarten regelmaBig zwischen dem 9. und 12. Behandlungstage auf-
tritt. Ich inochte hierzu eine Beobachtung mitteilen, die von Herrn
Prof. Prausnitz wahrend seiner Tatigkeit auf der Abteilung gernacht
worden ist: Ein Patient, der in der 2. Behandlungswoche eine starke
allergische Reaktion an der Iinpfstelle hatte und die Behandlung danach
einige Zeit unterbrechen mufite, bekam sofort nach Wiederaufnahme der
Impfung, bereits nach der 1. Spritze, aberraals eine deutliche Reaktion
(be-schleunigte Reaktion nach Pirquet). Solite aber Kfihne der Ansicht
sein, dafi die Erscheinungen auf den EiweiBgehalt der einverleibten Bak¬
terien zurtickzufiihren seien, so ist dieser im Verhaltnis zu der ein-
gespritzten Menge KanincheneiweiBes so gering. daB diese Erklarung als
sehr gesucht erscheint. Wenn ferner die Reaktionserscheinungen wirk-
lich auf die Begleitbakterien zuriickzufiihren waren, so diirften sie bei
eineni Impfstolf, der, wie die hiesigen Untersuchungen ergeben haben,
steril ist, nicht vorkommen. Sie werden aber iiberall beobachtet und
sind daher wohl allergischen Ursprunges.
Des weiteren glaubt Kiihne, auch die zuweilen vorkommenden
AbszeBbildungen auf die Begleitbakterien zuriickfuhren zu konnen. Er
widerspricht sich aber sofort selbst, indent er darauf hinweist, daB seit-
dem jeder Patient in Berlin mit einer frisch sterilisierten Kanule
geirapft wird, derartige Abszesse zu den allergroBten Seltenheiten ge-
hdren. Ich glaube, auch die aufs allersorgf<igste sterilisierte Handle
kann Abszesse, die durch Unsterilitat des Impfstoffes bedingt sind,
nicht verhindern.
Um fur die auffallenden Befunde K.s eine Erklarung zu finden,
haben wir noch einige weitere Versuche angestellt. Mehrere mit Virus
fixe infizierte Tiere wurden nicht, wie sonst ublich, im Beginn der
Agonie entblutet, sondern ihr Tod abgewartet und die Entnahme des
Markes erst verschieden lange Zeit nach dem Exitus vorgenommen. Dabei
zeigte sich allerdings, daB mit der GroBe des Zeitraumes, der zwischen
Tod und Entnahme verflossen ist, auch der Gehalt an fremden Keimen
zunehmen kann. Es wurde h&ufig Staphylococcus albus und au¬
reus sowie Coli in groBer Menge aus dem Mark herausgeziichtet.
SchlieBlich mochte ich noch auf eine auffftllige Tatsache hinweisen,
die aus den Kiihneschen Protokollen I und III hervorzugehen scheint.
Die Untersuchungen haben namlich an einzelnen Tagen — Proto-
koll I: 12., 15., 21. Juni; Protokoll III: 5., 7., 19., 22., 28. Nov. — fur
die verschieden lange getrockneten Marke vollige Sterilitat ergeben.
Nun ist aber doch wohl, um ein Beispiel anzufuhren, das am 12. Juni
2 Tage lang getrocknete Mark am 11. Juni als l-t&giges Mark gepriift
worden. Wahrend es am letzteren Tage nach dem Protokoll unsteril
war, ist es am darauf folgenden Tage als keimfrei befunden worden.
Diese Tatsache steht aber mit der von Kiihne selbst wie auch von
anderen gemachten Beobachtung im Widerspruch, daB verunreinigtes
Mark durch den ProzeB der Trocknung nicht steril wird. Sollten da
nicht gewisse Versuchsfehler — mangelhafte Sterilitat des Instrumen-
tariums, besonders starke Luftbewegungen im Arbeitsraume wahrend
der Verarbeitung u. a. — als Erklarung fur die Befunde dienen konnen V
Im Verlaufe seiner Arbeit &uBert sich K. auch iiber die von ihm
mit der Aufbewahrung des Markes in Glyzerin gemachten Erfahrungen.
Er hat bei seinen Versuchen gefunden, daB das glyzerinisierte Mark
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Lubinski, Die Sterilitat des zur Paeteursclien Sehutzimpfung usw. 47
zwar einen geringeren Keimgehalt aufweise, daB aber eine Keimfreiheit
(lurch diese Art der Aufbewahrung nicht zu erzielen sei. Bei schwacher
Verunreinigung des Markes ist eine Abtotung der Begleitbakterien wold
zu erzielen. Anders allerdings verhalt es sich bei starkem Gehalt an
Mischbakterien. Wir haben ein Mark nach der Entnahme kiinstlich mit
Staphylo- und Streptokokken sowie mit Coli infiziert, indem wir es fflr
mehrere Stunden in eine dichte Aufschwemmung der genannten Bak-
terien legten. Da versagte das Glyzerin. Trotz 14-tag. Einwirkung war
kaum eine AbschwSchung der Keimzahl zu bernerken. Ein derartig ver-
unreinigtes Mark kommt aber nach unseren Beobachtungen in der Praxis
kaum vor und wurde natfirlich von der Benutzung ausgeschlossen werden.
Endlich ware noch zu der von Ktlhne ausgesprochenen Befurchtung
einer Abschwachung bzw. Abtotung der Wuterreger durch das Glyzerini-
sierungsverfahren Stellung zu nehmen. Nach unseren jahrelangen Er-
fahrungen kann dies im Laufe der Verwendungszeit des Markes von
hocbstens 14 Tagen kaum der Fall sein, da die Erfolge unserer Be-
handlungsmethode der in Berlin und anderen Orten fiblichen, wo nur
frisch getrocknetes Mark verwendet wird, in keiner Weise nachstehen.
Es haben sich also bei den von Ktihne und mir angestellten Unter-
suchungen fiber die Sterilitat des Wutimpfstoffes gegensfitzliche Resultate
ergeben. Dieser Widerspruch ist vielleicht z. T. mit Versuchsfehlern
zu erklaren, auf die bereits oben hingewiesen ist. In der Hauptsache
aber beruhen die Unterschiede wohl darauf, daB bei den Untersuchungen
Kuhnes die Versuchstiere spater, als es hier fiblich, getfitet worden
sind. ja daB man sogar .ihren Tod abgewartet hat.
Zusammenfassung.
1) Die in Breslau angestellten Untersuchungen fiber den Bakterien-
gehalt des Rfickenmarkes der zur Pasteurschen Schutzimpfung be-
nutzten Kaninchen haben, Jim Gegensatz zu den von 0. Kfihne er-
hobenen Befunden, ergeben, daB das frische und auch das getrocknete
Mark bei rechtzeitiger Tfitung der Tiere im allgemeinen steril ist. 20 Proz.
der hier untersuchten frischen Marke waren unsteril gegen 83,3 Proz.
bei Kfihne.
2) Eine Verunreinigung des Markes wahrend seiner Verarbeitung
st infolge der Unvollkommenheit der technischen Hilfsmittel zwar m6g-
lich und nicht mit Sicherheit zu vermeiden. Diese MSglichkeit halt sich
aber in engen Grenzen.
3) Ein durch solche technische Hilfsmittel bedingter, geringer Keim-
cehalt des Markes wird durch Aufbewahrung in Glyzerin beseitigt.
4) Damit sind die SchluBfolgerungen Kiihnes, daB die an der
Stelle des Impfdepots sich bildenden Rotungen und Infiltrate als Folge
der „Mischbakterien u anzusehen sind, ebenso hinfSllig wie die Annahme.
daB diese Keime das Passagevirus aggressiv machen kfinnen.
5) Die Gefahr einer haufigen bakteriellen Verunreinigung des Impf-
stoffes, wie sie von Kfihne angegeben worden ist, liegt demnach bei
sorgfS.ltiger Technik nicht vor.
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Centralbl f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
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Machdruck verboten
Kasuistische Mitteilungen iiber ein anscheinendes Versagen
der Bayer 205-Behandlung bei an’ natiirlicber Beschal-
seucbe leidenden Pferden.
[Aus der Bakteriologischen Abteilung der Tierseuchenstelle der Thiiringi-
schen Landesanstalt fur Viehversicherung (Leiter: Prof. Dr. med. vet.
VV. Pfeiler) Veterinkranstalt Jena (Direktor: Geheimrat Professor
Dr. Hobstetter).]
Von Prof. Dr. W. Pfeiler.
Im Jahre 1920 sind praktische Versuche zur Behandlung bzw. Pro-
phylaxe der Beschalseuche mit Bayer 205 von mir aufgenommen uud ihre
Ergebnisse im 5.-8. und 11.—12. Heft der Mitteilungen der Tierseuchen¬
stelle der Oetfentlichkeit iibergeben worden (1—3). In einem Vortrage
auf der Tagung des Deutschen Veterinarrats in Weimar im April 1921
sind ausfiihrliche Augaben iiber die Behandlungsmethoden (4) erfolgt.
Die Ergebnisse dieser umfangreicken, insbesondere auch an kleinen
Versuchstieren ausgefiihrten, sowie der experimentellen Arbeiten an
versuchsweise inlizierten Pferden und einem Esel konnten aus Mangel
an Zeit bislang nicht veroffentlicht werden. Mit Riicksicht hierauf soil
im folgenden ein kurzer AbriB iiber anscheinende „Versager“ der Bayer
205-Behandlung gegeben werden, der bei dem groBen Interesse, das "die
Versuche an natiirlich beschalseuchekranken Pferden mit Riicksicht auf
die Behandlung der menschlichen Schlafkrankheit, ferner der Nagana
und Surra mit dem gleichen Praparat beanspruchen konnen, als Beitrag
auch zur Beurteilung dieser in der Entwicklung begriffenen Fragen will-
kommen sein diirfte. Bekauntlich sind entsprechende Versuche iu-
zwischen in den Tropen durch Geheimrat Kleiue und Oberstabsarzt
Fischer aufgenommen worden, denen die Ergebnisse meiner Versuche
und Beobachtungen bei der Behandlung der Beschalseuche anlaBlich
eines vor der Ausreise nach Afrika erfolgten Informationsbesuches in
alien Einzelheiten mitgeteilt worden sind.
Miessner und Berge (5) haben nach dem Erscheinen meiner
ersten Arbeiten Versuche an 5 kiinstlich infizierteu und einem natiirlich
kranken Pferde aufgenommen, die die Ergebnisse meiner Arbeiten be-
statigen. Auch sie heben die hervorragende Bedeutung von Bayer 205
fiir die Behandlung der Beschalseuche hervor.
Die Zahl der natiirlich beschalseuchekranken, im Beuehmen mit der
Tierseuchenstelle von praktischen Tierarzten mit Bayer 205 behau-
delten Pferde, iiber die Berichtsergebnisse *) vorliegen, betragt 116. In
einer weiteren Anzahl von Fallen waren Berichtsergebnisse iiberbaupt
nicht zu erzielen, bzw. die betreffenden Angaben erschienen zweifelhaft.
Auch fiir die erwahnten 116, bzw. die hierunter direkt aufgefiihrten
Falle muB, wenigstens teilweise, die Einschrankung gemacht werden,
daB eine absolute Zuverlassigkeit aus dem erwahnten Grunde nicht ge-
wahrleistet werden kann.
1) Die Daratellung foigt von hier an Berichten an das Thiiringische VVirtschafts-
ministerium voni 23. Juni, 15. Okt. und 19. Nov. 1921.
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Pfeiler, Ueber ein anscheinendes Versagen der Bayer 205-Behandlung usw. 49
Die Einteilung folgt einer Fragestellung, die ffir die Berichterstat-
tung vorgesehen war.
1. FSllc, in denen sieh das Mittel von vornherein als unwirksam
erweist.
Derartige F&lle, wo also eine Beeindussung des Krankheitsprozesses
uberhaupt nicht zu erkenneu war, sind nicht beobachtet worden,
wenn man nicht die Falle einer gewissen oder absoluten Bayer
205-Festigkeit hierher rechnen will.
Id einem dieser Falle (brail 11 e Stute, Besitzer Sch. in S.) hat eine an-
§cheinende B Bayer205-Festigkeit“ vorgelegen *). Der Zustand des Pat. hat sieh
nach Aufnahme der Bayer 205-Behandlung bedeutend gebessert, das Gewicht sieh
zehoben, doch traten dauernd neue Ringflecke auf; anderseits schwand die
Lahraung der HintergliedmaBen naeh der Bayer 205-Behandlung (im gauzen 17 g).
Mit Kucksicht auf die Ringfleckrezidive wurde bei dem Pferde Atoxyl- und Tar¬
tarus stibiatus-Behandlung, der es sehon einmal vor Aufnahme der Bayer 205-Kur unter
Entstehung immer neuer Rezidive uuterworfen gewesen war, eingeleitet.
Ea erschien nun fiir einige Zeit frei von Krankheitserscheinungen, mufite aber,
da es unter schweren Tobsuchtserscheinungen erkrankte, erschossen werden.
Naeh Ansicht des behandeluden Tierarztes ist es mfiglicherweise an Bornascher
Krankheit zugrunde gegangen. In den zur Untersuehung eingesandten Teilen des Ge-
iiirns war — im Subarachnoidealraum; es bestand Piaodem — naeh langem Suchen
tin Trypanosoma farberisch naehzuweisen, dagegen nicht die sog. Erreger der
Bornaschen Krankheit, bzw. die fiir sie als charakteristisch geltenden Zelleinsehliisse.
Banach ist das Pferd an Beschiilseuche zugrunde gegangen. Bei dem Pferde bestand
weiterhin eine gelbe Leberatrophie, die von Einfiufi auf die intra vitam beobaehteten
zerebralen Erscheinungeu gewesen sein mag.
Bemerkt muB zu diesem Falle werden, dad das Pferd im April gedeckt und erst
am 20. Okt. mit vorgeschrittenen Lahmungserscheinungeu der Bayer 205-Behandlung
zugefiihrt worden ist.
Bei dem Pferde war im ubrigen wahrend der Dauer der Erkrankung stets ein
negativer bzw. nur zweifelhafter, also niemals ein deutlich positiver Blutbefund erhoben
worden.
2. Falle, in denen die Wirkung von Bayer 205 nur ungeniigend ist
und die trotz geuiigend langer Behandlung nicht zur Heiiung
kommen.
Ein 10 Jahre alter, abgemagerter Fuchshengst (Besitzer F. zu A.) wurde
-Mitte April der Bayer 205-Behandlung zugefiihrt. Moglicherweise hat bei diesem Tiere
auch von vornherein eine Bayer 205-Festigkeit vorgelegen, bzw. ist es im Laufe der
Anfangsbehandlung mit kleinen Dosen erst Bayer 205-fest geworden.
Der Hengst hatte bei Aufnahme der Behandlung eine schwere, beiderseitige FacialiR-
lihmuDg an Ober- und Unterlippe, die auch auf die Nasenmuskulatur (inspiratorische
Dyspnoe) fibergriff. Der Speichel lief ihm beun Fressen aus dem Maul oder hing in
langen Strahneu zum Maul heraus. Futter konnte das Pferd nur in fliissig-festem
Zu.-tande (8chlapp) aufnehmen. Es litt auBerdem an Phimose. Die Hodeu waren
beiderseits stark geschwollen, links starker als rechts, ebenso die Nebenhoden. Ein
Aufziehen der Hoden war anfangs nicht zu beobachten.
Mit Riicksicht auf den heruntergekommenen Zustand des Hengstes und bei
anderen Tiereu gemachte ErfahruDgen erhielt das Pferd zuniichst nur je 1 g Beyer 205
an verschiedeoen Tagen. Da das Gewicht weiter abnahm — es fiel von 888 auf 802 Pfd.
— wurden im Mai mehrfach Gaben von 2 g Bayer 205 gegeben. Am 19. Mai wurde
Fieber beobachtet. Das Pferd erhielt einige Tage spiiter 1 und 1,5 g Tartarus stibiatus
intraveuos, sowie ofter 5 g Atoxyl subkutan.
1) Die Krankengeschichte dieses Pferdes ist ausfiihrlich in der Dtsch. tierarztl.
Wochenschr. H. 173 ff. veroflentlicht (6).
Der Ausdruck ,an scheinende“ Bayer 205 -Festigkeit ist deshalb ge-
wahlt, weil wir fiber die Frage heute noch nicht geniigend unterrichtet sind.
Krue Abt. Orig. Bd. Sfe. Heft 1. ,4
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Ceutralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
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Am 27. Mai wurde erstraalig cine Hydrocele am linken Hoden festgestellt; die
Schwellung des rechten Hodens lieB zur gfeichen Zeit scheinbar etwas nach.
Ende Mai wurde Behandlung der gelahmten Unterlippe durch Elektrizitat vor-
gesehen. Der Strom war so schwach, daS der das Tier haltende Diener ihn beim Pro-
bieren gerade als leichten Reiz empfand. Der Pat. widersetzte sich der Behandlung
trotz seiner sonstigen Gutmiitigkeit stark; sie inuBte im Notstand fortge»etzt, aber als-
bald abgebrochen werden, da der Henget infolge seiner Erregung und der Lahmung
der Nasenmuskulatur heftige Dyspnoe zeigte. Beim Herausfiihren aus dem Notstand
knickte der Pat. hinten rechts im Eesselgelenk bei jedem Sehritt dorsal nm. Im Freien
zeigte sich starker SchweiBausbruch, Muskelzittern, spater im Stall groBte Erregung,
Steigen, BeiBen in die Krippe, Schlagen.
Zur Beruhigung wurde dem unoandigen Tiere Morphium gegeben und ein AderlaB
vorgenommen. Der Pat. zeigte einige Zeit danach Kolikerscheinungeu. Rektale Uuter-
suchungergab Blasenkolik, die durch Behandlung behoben wurde. Die Unruheerscheinungen
wiederholten sich im Laufe der Nacht inehrfach, doch war das Befinden im Laufe des
nachsten Tages befriedigend. Es zeigte sich jedoch eine Lahmung des rechten Hinter-
schenkels sowie Liihmung der Seitwartszieher des Schweife6 rechterseits. Die Lahmungen
besserten sich allmiihlicn. In der nachsten Zeit fiel noch eine starke Ueberempfind-
lichkeit der Lippen auf. Am 2. Juui zeigte sich an der Brustwand rechterseits ein
ringahnlicher Fleck, der jiunktiert wurde. Trypanosomcn waren in ihm nicht nach-
zuweisen.
Inzwischen eiugeleitete Strychniubehandlung fiihrte zu einer leichten Besserung
der Lippenlahmung. Die Hoden wurdeu in dieser Zeit ofter aufgezogen.
Beim Probiercn an Stuten zeigte das Pferd in dieser Zeit Hengstmauiereu. Der
Penis kam in Erektion. Der Heugst deckte aber nicht ab. Am 13. Juni ejakulierte
er beim Decken einer Versuchsstute. Letztere erkrankte in der Folge an Beschalseuche.
Somit war durch die liingere Zeit fortgesetzte Verabreichung groBer Gaben von
Bayer 205 eine Befreiung des Hengstes von Trypanosomeu nicht erfolgt.
Der Hengst wurde lokal weitei mit Strychnin behandelt, erhielt auBerdem Tar¬
tarus stibiatus, Atoxyl und Elektroferrol. Er nahm in der Folge sichtlich besser das
Futter auf. So war er imstande, Kornerfutter restlos aus der Krippe zu fressen. Indes
war die Lippenlahmung nur gebessert, nicht behoben.
Mit Riicksicht auf das bisherige, nicht zufriedenstellende Behandlungsergebnis mit
kleinen Gaben Bayer 205 wurden dem Hengst Ende Juni an 3 aufeinanderfolgenden
Tageu je 4 g Bayer 205 infundiert, am nachsten Tage noch einmal 2 g. Vor der 3. In¬
fusion zeigte sich eine starke Hodenschwellung, 1 Tag nach der 4. Spritzung eine be-
ginnende Pododermatitis, die der Hengst verhaltuismaBig leicht iiberwand. Als Folge
stellte sich Ringbildung an den Hufen ein. Das Gewicht des Hengstes ging wahrend
dieser lokalen Erkrankung auf 800 Pfd. zuriick.
In der Folge wurden mehrfach noch Atoxyl und Tartarus stibiatus gegeben.
Die Hodenschwellung nahm meistens nach den intravenosen Spritzungen stark zu.
Namentlich der linke Ncbeuhoden war stark geschwollen, auch zeitweise das Rutenstiick
der Harnrohre. Ueberkoten, Nachschleifcn acs rechten Hinterechenkels und Atemnot
bei Bewegung kennzeichneten u. a. diese Phase der Erkrankung.
Ende Juni wurde zur Beseitiguug der Lippeuliihmung versuchweise mit Vakzi-
neurine behandelt. Das Pferd nahm verhaltnismaBig gut, aber doch, durch die Facialis-
lahmung behindert, relativ langsam sein Futter auf. Nach der Vakzineurinebehandlung
setzte cine gute liurchblutung der Ober- und Unterlippe, die sonst kalt und blaB
herabhingen, ein. Die Schwellung der Hoden und Nebenhoden ging zuweilen ganz
zuriick, um nach neuen Injektionen trypanozider Priiparate immer wieder stark in Er-
scheinung zu treten. Es hatte nicht selten auch den Anschein, als ob die Schwellung
bei kiihlem Wetter wesentlich geringer ware als bei heiBcm. Auch erschienen die Hoden
morgens meistens weniger geschwollen als im Laufe des Tages, besonders wenn das
Wetter warm war.
Das Krankheitsbild blieb ein wechselndes. Die Lippenlahmung besserte sich unter
dem EinfluB der Behandlung zweifellos weiter, das Pferd fraB gut und reichlich, trotz-
dem magerte der Pat. ab. Er erhielt Neosalvarsan. Die Lippen wurden, wie schon
friiher, massiert.
Mit Riicksicht auf die zuuehmenden Liihmungserscheinuugen am rechten Hinter-
schenkel wurde hier gleichfalls eine lokale Vakzineurine- und Arsenohygrolbehandlung
eingeleitet. Gelegentliche Hodenschwellungcn. Das Gewicht, das fast nur noch 8 Ztr.
betrug, nahm wieder zu.
Ausgangs Oktober trat eine Infektion mit Gasphlegmoneerregern ein, an deren
Folgen der Hengst bei gleichzeitig einsetzender starker Herzscliwiiehe zugrunde ging.
Fiir den letztbeschriebenen Fall ist sicher, daB eine Heilung nicht ein-
getreten ist. Eine andere Frage ist die, ob das Pferd nicht, wenn es friiher und
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Pfeiler, Ueber ein anscheinendes Vereagen der Bayer 205-Behandlung usw. 51
von corn herein groBe Gaben von Bayer 205 erhalten hatte, auders hatte beeinfluBt wer-
den kdnnen.
3. Falle, in denen das Mittcl heftigc Rcaktionen liervorruft, die
seine wciterc Anwendung, also eine ausreiohende Behandlung, aus-
schliefien.
Derartige Falle sind nicht beobachtet worden. YVohl muBte in einigen Fallen die
Behandlung voriibergehend eingestellt werden. Doch war ihre Wiederaufnahme in alien
Fallen mfiglich. Zu den schwersten Fallen dieser Art zahlt die Schimmelstute des
Besitzers G. II- in B., die im Herbst und Winter 1920, abgemagert und mit vor-
zeschrittenen spinalen Lahmungen behaftet, bchaudelt worden ist; sie bat in diesem
Sommer u. a. die schwere Arbeit im Garbenbinder im Wetteifer mit gesunden Pferden
verrichtet. Sie soil zweimal danach Lahmungeanfalle gehabt haben, die aber ohne
Baver 205-Behandlung voriibergegangen sind und die Weiterarbeit des Pferdes nicht
bchindert haben.
Das Blutbild dieses Pferdes ist ungefiihr zur gleichen Zeit wieder positiv geworden.
Ber Fall kann mit einein gcwissen Becht als auch zu 4 gehorig bezeichnet werden,
wenn man das Verhalten des Blutbildes hierfiir zugrunde legen will. Im iibrigen hatte
die Stute auch im Februar 1921 eine Facialislamung gezeigt, die sich bei Behandlung
bald besserte.
Die „Lahmungen“ im Sommer 1921 als Rezidiv aufzufassen, diirfte nicht an-
gezeigt sein; das Pferd hatte bei Aufnahme der Bayer 205-Behandlung bereits schwere
Lahmungserscheinungen, die sich aber besserten, so daB nur noch ataklische Be-
wegungen zu sehen waren, deren ganzliches Versehwinden zu gewissen Zeiten der Be-
sitzer versichert. Infolge dieser Schwiiche bzw. teilweisen Degeneration der motorischen
Nerven der Hinterhaml dfirfte das Pferd bei der Ueberanstrengung im Sommer 1921
die vorubergehenden Lahmungserscheinungen gezeigt haben. Im iibrigen ist sein Er-
niihrungs- und sonstiger Zustand ein gliinzender.
4. Falle, in denen die Heilung nur eine scheinbare ist und nacii
kiirzcrer oder IBngercr Zeit Ilezidivc auftreten.
Hier konnen vielleicht die folgenden Falle, die allerdings nicht
genflgend lange durchbehandelt waren, aufgeflihrt werden. Die
bei ihnen gemachten Erfahrungen decken sich nicht in vollem Uinfange
mit dein in der Ueberschrift angedeuteten Sinne.
Eine leichte braune Stute (Besitzer B. in A.) hatte nach Atoxylbehandlung
wieder Ringflecke gezeigt. Die Stute erhielt im November — Infektion lag bis in den
Juni oder Juli zuriick — 2mal 4 g Bayer 205. Sie war nach der ersten Infusion fiber
und fiber mit grofien Quaddeln bedeckt, die nach 24 Std. verschwunden waren. Die
bisherigen KrankheitserBcheinungen, wie schleimiger NasenausfluB, Sehwellung der Kehl-
eangslymphknotcn, Sehwellung und ikterische Verfiirbung der Scheidenschleimhaut,
sowie schleimig-eitriger ScheidenausfluB blieben bestehen. Am Tage nach der zweiten
Infusion trat neben der Schwanzwurzel eine handtellergrofie Quaddel auf, welche am
nachsten Tage wieder verschwunden war. Das Pferd blieb mager, der NasenausfluB
liefl aber nach, das vorher trage Temperament wurde lebhafter. Die Quaddel machte
sich nach der nachsten Infusion, 8 Tage spater, noch cinmal, uber gauz schwach, be-
merkbar. Offenbar handelte es sich um eine Hcrdreaktion am Sitze einer friiheren
Quaddel. Die Scheidenschleimhaut nahm im Laufe der w'eitcren Behandlung normalc
Parbe an.
Das Pferd bekam noch 2mal Bayer 205. Am Tage nach der letzten Infusion
4. Dez.) trat ein fiber den ganzen Korper verstreutes „grindartiges Ekzcm“ auf, dessen
Residuen noch langere Zeit ffihlbar blieben. Weitere Nachrichten fiber das Pferd
blieben zunachst aus.
Im Marz 1921 wurde mitgeteilt, daB das Pferd hinten rechts Lahmungserscheinungen.
aueh erneut ScheidenausfluB zeigte. Der Bericht wurde spater dahin erganzt, dal? das
Pferd anfangs Ueberkoten, weiterhin Kreuzschwache und Senkung des Kreuzes gezeigt
habe. Dem Pferde wurde durch den behandelnden Ticrarzt Kalium tnrtaricum in-
fundiert, sowie Atoxyl und spiiter 3mal 4 g Bayer 205 gegeben. Die „Lahmung u griff
auch auf das andere Hinteroein fiber. Der Besitzer hat das Pferd schlachten lasseu.
Auch in diesem Falle war eine Unterbrechung der Behandlung mit
Bayer 205 eingetreten, obwohl das Pferd nach jeder Infusion noch Krank-
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Centralbl. t. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
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heitserscheinungen gezeigt hatte. Das Verhalten des Patienten laflt dar-
auf schlieCen, daB es sich bei ihm wie in den weiter vorn geschilderten
Fallen um ein Tier gehandelt hat, dessen Trypanosomen eine gewisse
Bayer 205-Festigkeit gezeigt haben. Das Blutbild war, was fiir diesen
Fall besonders hervorgehoben sei, zur Zeit der Einstellung des ersten
Behandlungsturnus noch nicht negativ.
Bei deni Pferde des Z. in Sch., einer 11-jahr. braunen Stute, waren Krankheits-
erscheinungen in Form von Mattigkeit, geringem Appetit, Kreuzsehwache, einseitigeni
NasenausfluS, Schwellung der Kehlgangslymphknoten, Schwellung und ikterischer
Verfarbung der Scheidenschleimhaut vorhanden. Das Pferd soil Mitte Mai gedeckt
worden sein, die ersten Krankheitserscheinungen haben sich angeblich etwa 4 Wochen
spater bemerkbar gemacht.
Die erste Behandlung mit Bayer 205 hat am 30. Dez. stattgefunden, dann hat
das Tier noch 3mal je 3 g Bayer 205 erhalten. Am 7. Jan. soli der Zustand des Pferdes
ein besserer gewesen 6ein, es hat nicht mehr so viel gelegen, auch ruhiger gestanden,
wahrend es vorher fortwahrend mit den Hinterbeinen geschildert hat und iiberhaupt
nicht gut stehen konnte. Auch der Appetit soli sich gebessert habeu. Am 11. Jan.
wurde mitgeteilt, dab das Pferd sehr abgezehrt sei; der behandelnde Tierarzt verord-
nete Liquor kalii arsenicosi. Der Besitzer soli das Pferd auch in der Zeit der Behand¬
lung entgegen der tierarztliehen Beratung sehr stark zur Arbeit herangezogen haben.
Weitere Nachrichten iiber das Pferd sind dann erst im Marz eingegangen. Da-
nach soil es Lahmungserscheinungen gehabt haben; der Besitzer habe eine weitere Be¬
handlung nicht gewiinscht. Wann das Pferd verendet ist, ist nicht bekannt geworden,
angeblich ist es an Beschiilseuche gestorben.
6-jahr. braune Stute des K. B. in Kl.-Br., gedeckt im April 1020 vom Hengt B.
in B., im Mai 1020 erkrankt unter ScheidenausfluB und Schwellung sowie Ringflecken.
Zunacht Behandlung mit Atosyl und Tartarus stibiatus. Gegen den 10. Okt. stellt sich
eine Facialislahmung ein. Die Unterlippe ist nach links unten verzogen, das linke Ohr
hangt nach unten. Das linke Auge ist halb geschlosscu; die Kehlgangslymphdriisen
sind walnuOgroO. In der Schamspalte findet sich ein strichformiger Krotenfleck. Das
Pferd macht einen sehr schlappen und schlafrigen Eindruck.
Das Tier erhiilt 5 g Bayer 205. Am 9. Nov. meldet der Besitzer, daS sich die
Liihmung etwas gebessert habe, der Zustand sei zufriedenstellend, das Pferd huste zwar
und habe noch Driisenschwellung, doch sei es im ganzen munterer.
Am 19. Nov. wird das Augenlid geoffnet getragen, die Unterlippe ist nicht mehr
so stark seitlich verzogen wie vordem, auch erscheint das Ohr hoher gestellt. Die
Schwellung der Kehlgangslymphknoten ist etwas zuruckgegangen.
Das Tier erhiilt im Laufe der nachsten 6 Wochen noch 1-1 g Nagauol. Die Krauk-
heitserscheinungen bessern sich zweifellos. Am 12. Jan. 1921 zeigt das Pferd lebhaftes
Wesen, der rechte Kehlgangslymphknoten ist etwa haselnuflgrofi, der linke nur ver-
waschen fiihlbar; die Facialisliihmung ist erheblich gebessert, nur das linke Ohr hangt
noch etwas herab. wird aber lebhaft bewegt.
Am 2. Febr. wird bei der Untersuchung folgender Befund erhoben: Kehlgang
normal, Scheide und Lidbindehaute desgleichen. Unterlippe nach Aussage des Besitzers
wie vor der Erkrankung, die ,,Stute habe die Lippe stets etwas gehangt“. Das Ohren-
spiel ist lebhaft. Das linke Ohr wird noch ein wenig niedriger getragen als das rechte.
Der Niihrzustand ist gut, die Stute arbeitet wie friiher. Am 12. Marz und 29. April
sind keine Kraukheitserscheinungen mehr festzustellen, das linke Ohr wird vollstandig
nach oben bewegt.
Das Pferd wird dann trotz Aufforderung nicht mehr vorgestellt. Es soli im Juni
au Beschiilseuche verendet sein ‘j.
In einem weiteren Falle, braune Stute des R. in B., ist die Behandlung
gleichfalls offenbar nicht gentigend lange durchgefiihrt worden. Die Stute infizierte
sich am 8. April 20. Im Juli 1920 waren Talerflecke zu beobachten. Behandelt wurde
die Stute zuerst vom Tierarzt Dr. E. in R. mit einem unbekannten Mittel. In der
1) Nach einer im November 1921 erfolgten Mitteilung des mitbehandelndeu Tier-
arztes Veterinarrates W. in W. ist die Stute an „Darmverlagerung“ verendet. Symptome
der Beschalseuehe seien nicht mehr vorhanden gewesen. Das Pferd habe seine Arbeit bis
zu seinem ziemlich plotzlichen Verenden gut verrichtet. Das Pferd ist mi thin nicht an
Beschalseuehe verendet.
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Pfeiler, Ueber ein anscheinendes Versagen der Bayer 205-Behandluug usw. 53
Folge soil sie vom Veterinarrat Dr. E. in W. mit Bayer 205 behandelt worden sein;
nahere Angaben fehlen auch hier. Am 30. Miirz 192L wurden ataktische Bewegungen
der Nachhand, auf dem linken Auge eine Conjunctivitis catarrhalis und eine Keratitis
parenchymatosa, „lange vor dem 7. Mai 1921“ auch fine Faciaiislahmung festgestellt.
Am 7., 14. und 22. Mai 1921 erhielt sie vom Veterinarrat O. zu St. je 4 g Bayer 205
endovenos. 1
Die Blutuntersuchung hatte am 1. Nov. 1920 und am 30. Miirz 1921 ein negatives
Ergebnis; am 12. Mai 1921 ergab sie 0,2 -f, am 21. Mai 0,2 ++. Die Faciaiislahmung
schicn an diesem Tage etwas geringer als vorher; dcr Nahrzustand war sehr gut.
Obwohl die Faciaiislahmung tortbestand, und die Blutuntersuchung eine sliirkere
Hemmung der Hamolyse ergab als vorher, wurde am 21. Alai die Behandlung mit 205
au> unbekannten Griindeu abgebrochen. Anfang Juni soli die Stute zum Festliegen
gekommen sein, konnte den Kopf nicht mehr heben und nahm weder Futter noch
Wasser mehr auf. Der Besitzer liefi sie deshalb notschlachten.
Da nahere Angaben iiber den Krankheitsverlauf seit dem 21. Mai 1921 fehlen, ist
Dicht zu beurteilen, ob das Festliegen auf die Beschalseuche zu beziehen ist oder nicht.
In jedem Falle ist es unzulassig, hier „von einem Rezidiv trotz Behandlung mit Bayer
205 zu sprechcn. Ein solches lage vielleicht dann vor, wenn die Behandlung bis zum
Negativwerden der Komplementablenkungsrcaktion und zum Schwinden aller klinischen
Erscheinungen fortgesetzt worden ware.
Unter den obwaltenden Umstanden liiSt sich, falls das Festliegen auf die Beschal-
senche zu beziehen ist, lediglich feststellen, dali eine erst etwa 12 Mon. nach der An-
steckung und 9 Mon. nach dem Einsetzen des zweiten Krankheitsstadiums eingeleitete,
aber vorzeitig abgebrochene Behandlung mit Bayer 205 nur geringen und voriibergehen-
den Einflufi auf den weiteren Verlauf der Infektion hatte.
Aus den vorstehenden Ausfiihrungen ergibt sich, dafi in einer
Anzahl von Fallen vielleicht ein Versagen der Wirkung
von Bayer 205 zu verzeichnen ist. Es darf dazu bemerkt werden, daB
'2 der in diesem Bericht erwahnten Falle aus dem Praxisbereich ein und
desselben Tierarztes stammen, der die Pferdebesitzer mehrfach darauf
hingewiesen hat, ihre Pferde trotz der anscheinenden Besse-
rung weiterbehandeln bzw. der Blutuntersuchung zu-
fflhren zu lassen. Die Besitzer haben dem jedoch nicht
iramer Folge geleistet 1 ). Die Behandlungsplane der An-
stalt sind jedenfalls nicht in vollem Umfange und, wie fur einzelne
FSlle schon erwahnt worden ist, in den meisten Fallen erst in einem
spaten Stadium der Krankheit zur Durchfiihrung gekommen.
Angesichts dieses Umstandes sind die bisherigen Ergebnisse der
Behandlung der ubrigen Spatfaile der Beschalseuche als
besonders befriedigend zu betrachten.
Xiiteratnr.
1) Pfeiler, Ueber bisher bei der Behandlung der Beschalseuche mit,,Bayer 205“
zemaehte Erfahrungen. (Mitt. d. Tierseuchenst. d. Thiir. Landesanst. f. Viehversich.
Jena. Jahrg. 1. 11120/21. Nr. 5 8.) — 2) Fiihrer u. Pfeiler, Versuche zur Bchand-
Incg der Beschalseuche mit Naganol in der Praxis. (F.benda. Jahrg. 1. 1920/21. Nr. 11
a. 12. u. ff.) — 3) Pfeiler, Propbylaxe del Beschalseuche. (Ebenda. Jahrg. 1.1920 21.
Nr. 8.) — 4) Ders., Vortrag, gehalten auf dcr Tagung des Deutschen Veterinarrates
in Weimar ira April 1921. — 5) Miessner u. Berge, Chemotherapeutische Versuche
mit „Bayer 205“ bei Beschalseuche. (Dtsch. TierarztI. Wochenscbr. 1921. Nr. 11.) —
8) Walther u. Pfeiler, Ein Fall einer gewissen „205“-Festigkeit bei einem beschal-
teuchekranken Pferde. (Ebenda. 1921. Nr. 14.)
1) Nach Niederschrift dieses Berichtes ist noch ein 3. Fall (Facialisliihmnng) aus
4em gleichen Praxisbereiche zur Meldung gekommen, der wieder in Behandlung ge¬
kommen ist.
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Nachdruck verboten.
Giardien (Lamblien) in Vogeln.
Von Dr. A. Kotlftn, TierSi-ztliche Hochschule, Budapest.
Mit 2 Abbildungen im Text.
Unter den Darmflagellaten des Menschen und der Tiere erwecken
die Vertreter der Gattung Giardia Kiinstler (Lamblia Blanch.) aus
zweifachem Grunde ganz besonderes Interesse: einmal wegen ihrer bis¬
lang noch nicht einwandfrei festgestellten Pathogenitat und zweitens
wegen der von manchen Forschern noch bezweifelten oder nicht aner-
kannten Artselbstiindigkeit der bisher unterschiedenen Formen. Fiir die
Pathogenitat dieser Flagellaten sprechen nicht nur die haufigen Angaben
iiber Enteritiden mit Giardien- (Lamblien)-Befund beim Menschen —
man begegnet ja in der Literatur der Bezeichnung „Lamblienruhr.
Lambliendiarrhoe 41 immer ofter — sondern auch die mehr oder weniger
ahnlichen Befunde bei Tieren, und zwar am haufigsten bei Muriden, die
mit Giardia muris und G. microti infiziert sind (Galli-Valerio
1913, Kofoid 1915/16).
Wie bekannt, kommen Giardien auBer bei den soeben angefiihrten
Wirten noch in einer Anzahl von Kalt- und Warmbliitlern, aber be-
sonders haufig bei Kaninchen vor. Schon Bensen (1908) hatte gewisse
morphologische Unterschiede bei den aus dem Menschen, den Muriden
und dem Kaninchen bekannten Giardien wahrgenommen und auf Grund
dieser 3 distinkte Arten aufgestellt, zu welchen dann als 4. Art die von
Kiinstler (1882) aus Kaulquappen beschriebene, nur in der SuBeren
Korperform etwas mehr abweichende Giardia agilis gestellt wurde
(Alexejeff, 1914).
Aus Vogeln waren bis zur Auffindung von G. sanguinis durch
Gonder(1911) aus dem Herzblute eines siidafrikanischen Falken (Ela-
nus coeruleus) keine Giardien bekannt; wenigstens finde ich in der
mir zuganglichen Literatur keine Angaben hieriiber. Mit Riicksicht auf
die bislang unentschiedene Frage der Pathogenitat dieser Flagellaten,
diirfte es sich der Miihe lohnen, den Giardienbefunden im Verdauungs-
traktus der Vogel erhohte Aufmerksamkeit zu widmen, da die Vogel,
und zwar sowohl die domestizierten, als auch die in Gefangeuschaft
(Zoologische Garten) lebenden wilden Arten, mit Darmprotozoen schein-
bar hiiufiger infiziert sind, als es bisher bekannt war, und weil sie fur
die Untersuchungen aller Art gute Objekte bilden.
Da ich nun iiber 2 Giardienbefunde bei Vogeln berichlen kann,
mochte ich dies schon aus dem Grunde nicht versaumen, da in beiden
Fallen im Darmtraktus nicht geringe pathologische Veranderungen eruiert
werden konnten.
Der 1. Befund datiert von 1912. Mein Freund, Dr. E. Schwann er,
damaliger Assistent im pathologisch-anatomischen Institut der Tier&rzt-
lichen Hochschule zu Budapest, hatte gelegentlich der Sektion eines,
aus dem Budapester Zoologischen Garten zugesendeten Wiirgers (La-
nius collurio), Abmagerung und Darmkatarrh mit rotlicher Ver-
fiirbung des Darminhaltes konstatiert. Die mikroskopische Untersuchung
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Kotlan, Giardien (.Lambliefl) in Vogeln.
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des Darminhaltes hatte nebst reichlichen Epithel- und roten Blutzellen
die Anwesenheit von zahlreichen Giardien festgestellt. Leider wurde
der ganze Befund weder histologisch noch zoologisch eingehender be-
arbeitet. Es war jedoch der Gedanke naheliegend, dalS Giardia-In-
fektion, Darmkatarrh und Abmagerung mit dem Verenden des Tieres in
kansalem Zusammenhange stehen.
Aus den mir freundlichst iiberlassenen Notizen, Skizzen und schon
etwas verblaBten PrSparaten Dr. Schwanners kann ich entnehmen,
daB die Flagellaten eine L&nge von 11—16 n und eine Breite von 9
bis 10 ii in der Hohe der Kerne besaBen, die Korperform also eine
ziemlich gedrungene war. Die Parabasalkorper liegen dorsal, hinter den
Kernen, zuraeist quergelagertftinider^Medianlinie; ihre Gestalt ist kurz,
kommaformig (Fig. 1). ’
Fig. 1. Giardia sp. aus La-
nius coellurio. Vergr. 2CC0X-
Fig. 2. Giardia sp. aus
Recur virostra avosetta.
Vergr. 2000 X-
Der 2. Giardia-Befund stammt aus einem Wasservogel (Recur-
virostra avosetta), dessen Kadaver ebenfalls aus dem hiesigen Zoo-
logischen Garten im Laufe dieses Jahres zwecks Obduktion eingesandt
wurde.
Der Sektionsbefund ist kurz folgender:
I)as Gefieder des ziemlich abgemagerten Vogels ist an der Analgegend mit ein-
jretrockneten, gelbiich-weifien Fakalien beschmntzt. Die serosen Haute der Bauch und
ftrusthohle, sowie der Parenohymorgane sind glatt, glanzend, jene des Darmtraktus, be-
tondera in den vorderen Abschnitten, kapillarisch injiziert. Vordere Teile des Ver-
dauungskanals weisen keine V 7 eranderungen auf. Das Lumen des Duodenums, dessen
WgDdung stellenweise gelblich-blutig-seros infiltriert und etwas erweitert erscheint, ist
®it gelblich-grauem, etwas eehleimigem und besonders in der vorderen Halfte des
Dunndarnn* mit rdtlichen Flocken vermengtem Darminhalt gefiillt. Die l^chleimhaut
ist auffallend rotlich verfariit, gelockert und etwas geschwollen. Hintere Partien weisen
thaliche Veriinderunuen, jedoch in viel mafligerem Grade, auf. lm Darmiohalt und
tn der Schleirahautoberflache sind besonders im Anfangsteile des Duodenums Giardien
® proBer Anzahl (je nach der Verdunnung des Darminhalts 50—100 pro Gesichtsfeld)
ntchzuweisen. In den hinteren Darmabschnitten sind die Flagellaten ebenfalls, jedoch
nur in geringerer Mcnge, anwesend, aufierdem kdnnen hier auch Zystenstadien ange-
troffen werden. Parenchymorgane, Lunge und Herz sind von normaler Beschaffenheit.
Bas Blutbild ist nicht verandert, das Blut enthalt keine Bakterien.
Diagnose: Abmagerung, hamorrhagischer Darmkatarrh mit reichlichem Giard i a-
Befund.
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Die Mehrzahl der Flagellaten fiihrt nur noch ganz schwache Fort-
bewegungen aus (seit dem Verenden des Tieres sind mehr als 24 Std.
verstrichen); Geifielbewegungen sind dagegen bei den meisten noch
wahrnehmbar. Im ungefarbten Zustande besitzt der Flagellat eine ziem-
lich abgerundete Gestalt, mit einem kurzen, gewohnlich dorsalwarts ge-
bogenen, hinteren Fortsatz; die Dorsalflache ist demgemaB ziemlich vor-
gewolbt. Der LSngsdurchmesser betragt 10—14 /n, der Breitedurchmesser
aber nicht viel weniger, d. h. 9—10 /<. Das Zystostoin niinmt sowohl
in ungefarbten als auch in gefarbten Parasiten mehr als die Halfte der
Bauchflache ein. Der Abstand zwischen Korperrand und Peristomalrand
ist ziemlich weit, wenn auch nicht in dem Malle wie bei G. sanguinis.
Die (ibrigen morphologischen Eigenschaften des Flagellaten weichen im
Allgemeinen vom Typus nicht ab. Erwahnt sei aber noch die Gestalt
der Parabasalkorper. Diese liegen in querer Richtung ungefahr in der
Hohe des hinteren Zytostomalrandes der dorsalen Fl&che des Axostyls
an. Sie bestehen zumeist aus 2 gut separierten, kommaformigen, kurzen
Stabchen (Fig. 2).
Wenn wir die in beiden Vogeln gefundenen Giardien vergleichen,
so finden wir sie in ihrer GroBe, Form und morphologischen Einzelheiten
miteinander gut iibereinstimmend, welcher Umstand eventuell ftir eine
Artspezifitat dieser Flagellaten gegenuber den aus anderen Tieren be-
kannten Giardia-Arten sprechen diirfte. Ein endgiiltiges Urteil hier-
iiber auszusprechen, halte ich so lange verfriiht, bis ich in der Lage
sein werde, weiteres Vergleichsmaterial aus Vogeln zu untersuchen.
Nach Kofoid und Christiansen (1915) ist es moglich, unter den
bisher bekannt gewordenen Giardien. auf Grund der Korperform und
-GroBe, relative GroBe, Gestalt und Lagerung des Zytostoms sowie der
Parabasalkorper, farberischen Verhaltens und Verhaltnis zu den Wirten
6 Arten zu unterscheiden. Von diesen n&hert sich unser Parasit am
meisten der aus M us, Epimys und Arvicola(?) bekannten Giardia
m u r is (Grassi).
Betrachtet man nun beide Giardienbefunde vom pathologischen
Standpunkte aus, so ist es sehr wahrscheinlich, daB der in beiden Vogeln
konstatierte Darmkatarrh durch die anwesenden Flagellaten verursacht
oder zumindest zu dem Grade erhoht wurde, welcher erfahrungsgemafi
den letalen Ausgang herbeizufiihren pflegt. Dies ist urn so mehr mit
Recht anzunehmen, da die in Gefaugenschaft gehaltenen, also der natiir-
lichen Ern&hrungsmoglichkeiten beraubten Tiere fur ahnliche Einflusse
im gesteigerten MaBe emiitindlich werden. Enteritiden konnen bei in
Zoologischen Garten verendeten Tieren (besonders Vogeln) sehr oft fest-
gestellt werden. Sieht man von den spezifischen Infektionskrankheiten
(GeHiigelcholera, durch Rotlaufl)azillen verursachte Erkrankung, Di-
phtherie etc.), die mit einer Enteritis verbunden sind, ab, so wird man
in der iiberwiegenden Zahl der iibrigen Falle Darui])rotozoen als Ur-
heher dieser pathologischen Prozesse feststellen konnen. Ueber die
Hiiufigkeit der verschiedenen Protozoenformen, die ich gelegentlich der
Obduk'ion der im Budapester Zoologischen Garten verendeten Vogel
vorgefunden habe, niochte ich in einer nachsten Arbeit berichten; hier
sei nur so viel bemerkt, daB die so hiiufig vorhandenen Kokzidien, deren
PathogenitSt zweifellos ist, den Boden fur die Ansiedlung und rapide
Vermehrung anderer Protozoen, namentlich aber Flagellaten, giinstig
vorbereiten. Es diirfte hier also ein ahnliches Verhaltnis zutage treten,
wie wir ein solches bei der Flagellatendysenterie des Menschen zwischen
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Kotldn, Giardien (Lamblien) in Vogeln.
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vorhandenen oder pr&existierten Dysenterieamoben und Flagellaten
(Giardia, Chilomastix, Trichomonas etc.) bereits keunen. Es
ist aber die Moglichkeit nicht leicht von der Hand zu weisen, daB Giardien
anch selbstandig eine pathologische Wirkung ausiiben konnen. Diese
MSglichkeit wird, wie hierauf auch Hartmann und Schilling (1917)
verweisen, ganz besonders durch die morphologische Beschaffenheit, wo-
nach sie mit ihrem geraumigen Zytostom (Sauggrube nach Doflein)
den Epithelzellen anhaften, bestarkt. Ich kann auch den Angaben
Doflein s (Lehrb. d. Protozoenkunde, S. 633) nicht beistimmen, wenig-
stens nicht im kategorischen Sinne des Satzes, wenn er sagt.: „Obgleich
auf groBe Strecken fast jede Zelle des Darmepithels einen solchen Gast
igemeint ist ,, Lamblia in test inalis“) besitzen kann, uben die
Lamblien dennoch meist keinen auffallend schadlichen EinfluB auf ihren
Wirt aus. Der von ihnen bewohnte Darm sieht vollkommen normal
aus.“ Der letzte Satz diirfte flir mit Giardia haufiger infizierte Tiere,
nicht stimmen. Kofoid (1915 — 1916) findet bei Mausen, die mit Gi¬
ardia muris starker infiziert sind, „a characteristic yellowish trans¬
lucent color of the intestine . .und ahnliche Verfarbung sowie sul-
zige Infiltration der Darmschleimhaut kann man sehr oft auch bei Ka-
ninchen beobachten.
Es scheint, als ob die lokalen Veranderungen teils von der Menge
der Parasiten, teils aber von der Dauer ihres Anhaftens auf der Schleim-
haut abhdngig wSren. In vielen Fallen spielt aber wahrscheinlich eine
primare Schadigung der Schleimhaut durch anderweitige Einfliisse (Bak-
terien, Kokzidien, Amdben) eine bedeutende Rolle.
N a c h t r a g.
Nach Einsendung des Manuskriptes an die Redaktion kam ich in
den Besitz der Arbeit von F. Reuling und E. Rodenwaldt: „Gi-
ardia-Lamblia?“ (Arch. f. Protistenk. Bd. 42. 1921). Aus dieser
Arbeit entnehme ich, daB Lamblien (L. ardeae) aus Vogeln uniangst
von Noe Her beschriebeu wurden. Leider steht rair die Arbeit Noel-
lers zurzeit noch nicht zur Verfiigung, und es ist mir aus diesem Grunde
nnmoglich, zu entscheiden, ob die von mir beschriebenen Vogel-Lamblien
mit der Noellerschen Art identisch sind.
Literator.
Alexejeff, Notes protistologiques. (Zool. Anz. Bd. 44. 1914. S. 193.) — Ben-
*en, Bau und Arten der Gattung Lamblia. (Zeitacbr. f. Hvg. Bd. 61. 1908.) —
Galli-Valerio, Notes de parasitologie etc. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Grig. Bd. 69.
1913. S. 496.) — Gonder, Lamblia sanguinis n. sp. (Arch. f. Protistenk. Bd. 21.
S. 209.) — Hartmann-Schil ling. Die pathogenen Protozoen. Berlin 1917. —
Kofoid, The biological and medial significance of the intestinal flagellates. (2. Pan
Americ. Scientif. Congr. 1915—1916.) — Kofoid and Christiansen, On the life-
history of Giardia. (Proc. Nat. Acad, of Sc. Vol. 1. 1915. p. 547.) — Kiinstler,
cinq protozoaires nouveaux. (Compt. rend. Acad. Sc. Paris. T. 95. 1882. p. 347.)
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Naohdruck verboten.
Ueber Bail, Lebensweise und systematische Stelliing
von Selenomonas palpitans (Simons).
[Aus dem Zoologischen Privatlaboratorium von Dr. Hellmuth Simons
Dusseldorf.]
Von Dr. med. dent. Erwin Boskamp, Dusseldorf.
Mit 1 Tafel und 3 Abbildungen im text.
Bei einer Patientin mit stenosierendem Cardiakarzinom fand Lowen-
thal im zahtlflssigen Speichel neben Spirochaten auch Spirillum
sputigenum (Miller), welches flir gewohnlich im Zahnschleim lebt.
Diese Spezies ist dadurch gekennzeichnet, daB sie an der konkaven
Seite ihres balbmondfdrmigen Kdrpers eine GeiBel besitzt. In Aus-
strichen aus einem RachenabszeB fand R. Muller Mikroorganismen, die
Swellengrebel als Bacterium binucleatum beschrieben hat
und die mit Spirillum sputigenum sicher nicht verwandt sind.
Herr Prof. R. Mtiller hatte die Liebenswiirdigkeit, mir im Hygienischen
Institut in Coin ein G r a m - Praparat dieses Falles zu demonstrieren.
In diesem Praparat war ganz tiberwiegend das sogenannte „Bacterium
binucleatum 41 vorhanden, und zwar sah man in dem halbmondformig
gebogenen KQrper 1—2 KSrnchen, die sich f&rberisch wie Chromatin
verhielten; von einer BegeiBelung war in diesem Gram-Praparat nichts
zu beraerken.
Da ich nun die giinstige Gelegenheit hatte, einen dem Spirillum
sputigenum verwandten, ahnlichen Organismus zu studieren, mbchte
ich hier meine Ergebnisse mitteilen und dabei auch Literaturangaben
iiber Spirillum sputigenum zum Vergleiche heranziehen. Der mir
vorliegende Organismus ist die von Simons im Blinddarmkot des Meer-
schweinchens entdeckte Selenomonas-Spezies. Unter dem Namen
Selenomonas beschrieb v. Prowazek Organismen aus Giraffen,
Schirrantilopen und Gazellen in Westafrika. Die Anregung, die Seleno-
monaden des Meerschweinchens genauer zu studieren, verdanke ich
Herrn Dr. H. Simons 1 ) aus Diisseldorf.
Material und Technik.
Es wurden nur Meerschweinchen untersucht, da bei mehrfachen
Untersuchungen des Blinddarmkotes von Kaninchen, Rindern, Schweinen
und Schafen gar keine Selenomonaden gefunden wurden.
Mehrere junge und erwachsene Meerschweinchen wurden getotet, der gauze Darm-
traktus freigelegt und von den verschiedenaten Dannabschnitten Kot entnommen. Fur
die Lebenduntersuchung- und Ausstrichprap irate kam nur der Blinddarm in Betracht,
weil in den iibrigen Darmteilen entwcder gar keine oder nur weuige Selenomonaden vor¬
handen waren.
1) Fur die Ueberlasaung des Themas, sein reges Interease am Fortgang der Arbeit
und seine Einfiihrung in die Literatur und mikroskopische Technik dieses Gebietes
mochte ich ihm hiermit meinen besten Dank aussprechen.
Fur die feinere zeichuerische Ausfiihrung meiner Abbildungen sage ich meineni
Freund, Herrn cand. arch. Carl Ackermann (Dusseldorf) meinen herzlichsten Dank.
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Boskamp, Bau, Lebensweise u. syst. Stellung von Selen. palpi tan a. 59
Zur Lebenduntersuchung wurde der Blinddarm ieicht eingeechnitten and eine
Platinose voll Kot mit Ringer-Losung, der 0,1 Proz. Traubenzucker zugesetzt worden
war, verdunnt and bei Oelimmersion untersucht. Fiir die morphologischen Studien
wurden moglichst diinne Deckglasausstiicbe feucht bei Zimmertemperatur 12—24 Sid.
fiiiert.
Folgende Farbungamethoden kameo in Anwendung: Borax-Methylenblau nach
Manson, Delafields Hamatoxvlin, Hamalaun, Bobmers Alaunhamatoxylin, die
feachtj G i e m a - Methode (Azeton Xylolreibe), Heidenbaina Eisenhamatoxylin, mit
Lichtgriin, Fucbsin, Eosin und Bordeaux R als Kontrastfarbung und die Gramscbe
Methode.
Zur Darstellung der GeiBeln leiatete mir die Loeff lerache Methode gute Dienate;
ab Farbemittei verwandte ich Anilinfuchsinwasaer mit Zusatz von 1 Tropfen 0,1-proz.
Kxlilauge. Weitaus die beaten Reaultate erhielt ich aber mit der Zettnowacben
1 'riginalmethode bei mafiiger Erhitzung sehr diinner Auastriche. Samtliche Praparate
warden in Paraffinam liquidam eingebettet.
Von alien Farbungen bewahrte sich am beaten fiir daa Studium der GeiBelinsertion
io erster Linie die trockene Giemaa-Farbung (nach Vorfarbung mit May-Griin-
waldacher Losung) sowie die Loefflersche Methode; daneben leisteten aucb Dela¬
fields und fiohmers Alaunhamatoxylin gute Dienate. Die feucbte Giemsa-Methode
etellte aelbat bei kaum differenzierten, tagelang gefarbten Praparaten die GeiBeln nur
-ehr schlecht oder meist gar nicht dar. Dagegen bewahrte sie sich auagezeichnet fur
die feineren Verhaltniaae dee Zellkbrpera, insbesondere bei der Teilung. Die anderen
Kernfarbungamethoden dienten lediglich zur Kontrolle. Karmingemische ergaben
*ehr schlechte Reaultate.
Ala geeigneter Fixierer erwies sich lediglich der Schaudinnsche Sublimatalkohol.
Flemmingsche Losung und die nach Jo 11 os mit Safranin-Lichtgrun gefarbten Pra¬
parate ergaben hier keine befriedigenden Bilder; beaonders die GeiBeln wurden achlecht
dirgestellt.
I. Morphologie.
a) Gestalt und Plasmaleib.
Selenoinonas palpitans besitzt einen sehr flachschraubig ge-
wondenen, wurstfdrmigen Korper. VernachlSssigt man die leichte Krum-
mung und denkt sich den Korper in eine Ebene projiziert, so ergeben
sich bei den verschiedenen Entwicklungsstadien nachfolgende L&ngen-
nnd BreitenmaBe: Die L&nge ist von Pol zu Pol gemessen. Die Breiten-
maBe beziehen sich auf die Korpermitte, wo die grbBte Dicke erreicht
wird. Skmtliche Messungen wurden an G i e m s a - Prfiparaten gemacht,
und zwar wurden die mit dem Leitzschen groBen Zeichenprojektions-
apparat bei bestimmter Vergrofierung (2180 -fach) entworfenen Bilder
mit Millimeterlineal genau vermessen und daraus die wahre GroBe be-
rechnet.
Die vegetativen Stadien von Selenomonas besitzen je nach dem
Alter eine L&nge von ca. 6,8—9,1 jj. und eine Breite (groBte Dicke)
von 1,8—2,3 [t.
Der Plasmaleib zeigt in vivo in der Mitte der konkaven Seite
cine st&rker lichtbrechende, halbkreisformige oder ovoide Stelle. Das
Qbrige Plasma sieht normalerweise im Hellfeld wie bei sehr vielen Spalt-
pilzen vbllig homogen aus. Bei Dunkelfeldbeleuchtung mit Paraboioid-
kondensor sieht der gesamte Plasmaleib optisch leer aus. — Bei Zusatz
von konzentrierter Lugol-Losung f&rbt sich das gesamte Protoplasma
ijelbbraun, mit Ausnahme der oben beschriebenen, starker lichtbrechenden
Stelle, welche hell und ungefarbt bleibt. Der Plasmaleib scheint dem-
nach sehr reich an Glykogen oder ihm nahestehenden Substanzen zu
sein. Chlorzinkjodlosung wirkt ahnlich, nur f&rbt sich das jodophile
Plasma tiefer braun als mit Lugolscher Lbsung.
Den Bau des Plasmas im Giemsa-PrSparat schildert v. Pro-
wazek bei den afrikanischen Selenomonaden folgendermaBen: „Iu
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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
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dem blauvioletten Plasma waren Alveolen, sowie stellenweise eine Art von
Spiralstruktur nachweisbar. u Ich bin hier anderer Ansickt. Wohl sieht
man an trocken angefertigten G i e m s a - Praparaten und feucht be-
handelten E.H.-PrSparaten eine alveolare Struktur. Die Alveolen sind
aber oft so auffallend hell und breit, daB dies wohl nur auf die Luft-
trocknung des Praparates zuriickzufiihren ist. Jeder, der bfter mit
Giem s a - Trockenpraparaten gearbeitet hat, weiB ja, wie iiberaus kritisch
man den Ausfall solcher F&rbungen zu beurteilen hat. Wenn man nun
in dauernd auf nassem Wege behandelten E.H.-Praparaten ebenfalls
einen alveolaren Bau Oder eine spiralige Struktur sieht, so beweist dies
an sich fiber die wahre Natur des Zellplasmas nocli gar nichts. Swellen-
g rebel u. a. wollen ahnliche Strukturen bei Spirillen etc. nachgewiesen
haben: aber A. Meyer konnte zeigen, daB in solchen Fallen entweder
das Plasma durch alternierende Fetttropfen zusammengedriickt war,
oder es sich um starker gefarbt gebliebene Zytoplasmamassen handelte.
Der letztere Fall trifft auch bei mir zu; denn man hat es ganz in der
Hand, bei E.H.-F&rbung durch verschieden starke Differenzierung eine
mehr oder minder alveolare Struktur oder vOlliges Fehlen derselben
hervorzurufen.
Im Nativpr¶t zeigt Methylenblau (1 ccm konzentr. Losung 4 -
10 ccm H 2 0) erst beira Absterben eine diffuskornige Farbung des
Plasmas, wobei aber wiederum die lichtbrechende Stelle hell ausgespart
bleibt. Neutralrot farbt nach 1-stiiud. Einwirkung in verdiinnten Losungen
weder die lebenden noch abgestorbenen Selenomonaden.
Bei Zusatz von Ringer-Losung zu lebendem Kot sowie in *Aus-
strichen finden sich manchmal Individuen, die an einem, seltener auch an
beiden Polen, einen starker lichtbrechenden Fleck aufweisen. Dieser
Fleck diirfte wohl sicher keine Vakuole sein, sondern lediglich das
Produkt einer Preparationsplasmolyse. Dafiir spricht das verhalt-
nismaBig seltene Auftreten dieser Erscheinung sowie der Umstand, daB
durch Zusatz hypertonischer Salzlosungen, z. B. 5-proz. Kochsalzlfjsung,
sich dieser helle Fleck bedeutend vergroBert. Um eine Praparations-
plasmolyse diirfte es sich wohl auch bei v. Pro wazeks Fig. 10 handeln,
wo er an einem Pol der Selenomonade eine helle Stelle eingezeichuet
hat. Der Plasmaleib ist nach Gram nicht jodfest.
b) Kern.
Wir kommen nun zu dem schon ofter erwahnten, starker licht¬
brechenden Fleck an der Konkavseite, den ich fur einen sicheren
Kern halte. Man muB bekanntlich bei den Bakterien und verwandten
Organismen sehr kritisch zu Werke gehen, um einen bestiminten Teil
des Zellinhalts als Kern anzusprechen. Wenn ich es daher wage, hier
einen echten Kern anzunehmen, so waren dabei folgende 6 Tatsachen
fiir mich maBgebend:
1) Das optische Verhalten, d. h. starkere Lichtbrechung als das
iibrige Plasma, 2) die relative GroBe und konstante Lage und Form,
3) das Verhalten zu Kernfarbstoffen, 4) das Verhalten zu vital an-
gewandtera Methylenblau und Jodlosungen, 5) der negative Ausfall farbe-
rischer Reaktionen auf Fett und Volutin, 6) das Verhalten bei der
Teilung.
Jede dieser Tatsachen allein beweist noch nichts, in der an-
gewandten Reihenfolge aber bietet jeder Punkt eine immer groBere Ge-
wiBheit, daB es sich tatsachlich um einen Kern handelt. Koinbiniert
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Boskamp, Bau, Lebensweise u. syst. Stellung von Selen. palpitant. 61
man samtliche 6 Tatsachen, so bleibt wohl nach unseren heutigen Er-
fahrungen nur die Diagnose „Kern u iibrig.
ad 1) Starkere Lichtbrechung als das Plasma, die fast stets zu be-
obachten ist, wiirde allein noch keinen Beweis fur einen Kern sein.
ad 2) YVenn wir aber weiter vernehmen, daB eine relative GroBe
des Gebildes im Vergleich zu sonst moglichen Einschlussen und eine
konstante Lage und Form nachweisbar ist, so wird die Kernnatur sckou
sicherer begriindet. Der lichtbrechende Fleck ist namlich in vivo immer
ungefahr Vs so lang und Vs bis V 3 so breit als der Korper der Sele-
nonionade. Bei jungen Individuen betragen seine Masse ca. 9 /.i Lange
und 3 iu Breite. Ein derartig groBes Gebilde kann wohl sicher nicht
mehr Kornchen genannt und folglich auch nicht so aufgefaBt werden.
Der lichtbrechende Fleck liegt stets auf der Konkavseite des Korpers,
dessen Peripherie mit einer Flache beriihrend.
ad 3) Bei Anwendung von Kernfarbstoffen zeigt sich, daB man
offenbar dasselbe Gebilde gefarbt hat, welches dem lichtbrechenden Fleck
entspricht; denn GroBe, Form und Lage ist genau die gleiche wie im
Leben.
Feuchte G i e m s a- Farbung ergibt folgenden Befund: Bei der
1. Stufe der Differenzierung im Azetonxylolgemisch ist der ganze Sele-
noraonadenkorper tief violett gefarbt; irgendwelche Strukturen sind, ab-
gesehen von einigen wenig helleren Partien, nicht erkennhar. Differen-
ziert man weiter, so grenzt sich der Kern als tiefrote Masse scharf von
dem tiefblauen Zytoplasma ab. In der 3. Stufe der Differenzierung finden
wir den Kern leuchtend rot und das Plasma hellblau Oder blaBrotlich-
blau. Beim 4. Stadium der Diiferenzierung endlich handelt es sich nur
noch um einen reinen Methylenblaueffekt, wobei aber der Kern nicht
mehr zu erkennen ist. Aehnlich verhalten sich trocken gefarbte Giemsa-
Ausstriche, wenn man in destill. Wasser verschieden lang differenziert.
In den Praparaten von Haberer, die v. Prowazek vorgelegen
haben. war offenbar infolge ungleichraaBigen Ausstreichens nur der 1.
uod 4. Difforenzierungsgrad vorhanden, so daB er den Kern nicht finden
konnte.
Nun braucht ja das, was sich nach Giemsa bei bestimmter Differen¬
zierung rot fSrbt, noch nicht unbedingt „Chromatin“ zu sein. Fflr die
chromatische Natur spricht aber, daB sich dasselbe Gebilde bei richtiger
Differenzierung mit der E.H.-Farbung, mit Del a fields und Bohmers
HSmatoxylin, Safranin und Methylenblau scharf darstellen laBt.
Irgendwelche feineren Strukturen habe ich an dem Kern nie wahr-
nehmen k5nnen; er fSrbte sich mit alien Kernfarbstoffen stets homogen.
ad 4) Bei vitaler Methylenblaufarbung tritt erst nach dem „Krank-
werden“ der Zelle eine diffus-komige I'arbung im Plasma auf. wobei
die lichtbrechende Stelle deutlich ausgespart bleibt. Macht der Absterbe-
prozeB weitere Fortschritte oder erhitzt man, so tritt auch schlieBlich
dort eine Farbung ein.
VerdUnnte Lugol-L6sung farbt das Protoplasma gelbbraun, mit Aus-
uahme der lichtbrechenden Stelle.
ad 5) Fettreaktion mit Osmiumtetroxyd und einem typischen Fett-
farbstoff (Scharlach R) fielen negativ aus.
Das gleiche gilt von der A. Meyerschen Volutinreaktion (Methylen¬
blau und Nachbehandlung mit 1-proz. Schwefelsaure). Mit Methylenblau
firbt sich bei Ausstrichen, die nach Meyers Vorschrift 3mal (lurch die
Flamme gezogen wurden, nur die chromatische Stelle an der Konkav-
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seite deutlich, wfihrend das iibrige Plasma einen hellblaulichen Ton an-
nimmt. Setzt man jetzt Schwefelsaure zu, so entfarbt sich der ganze
Zellinhalt einschlieBlich der chromatischen Stelle vollig.
Als Kontrolle fflr die richtig ausgefiihrte Reaktion diente mir ihr posi-
tiver Ausfall an manchen anderen Bakterien desselben Ausstrichs.
ad 6) Bei Selenomonaden, die sich teilen, findet man im Leben ofter
die lichtbrechende Stelle deutlich verdoppelt; das gleiche ist auch in
gefarbten Praparaten der Fall. Auf die feineren Vorgange des Kernes
bei der Teilung komme ich spfiter noch zuriick.
Zum Schlusse dieses Kapitels sei bemerkt, daB Yamamoto bei
Spirillum sputigenum durch ein Versilberungsverfahren wohl den-
selben Zellbestandteil dargestellt hat, den ich als Kern bezeichnet habe.
Er nennt dieses Gebilde ein „dunkles Korn, von dem die GeiBeln aus-
gehen u , und faBt es als einen „proximalen Blepharoplast“ (?) auf (vgl.
seine Textfig. 8, S. 40, und seine Tafelfig. 2).
c) Mem bran.
Das Protoplasma von Selenomonas ist von einer deutlichen
Membran umscheidet, die man durch Plasmolyse in 5 proz. Kochsalz-
losung oder Chlorzinkjodlosung leicht nachweisen kann. Ab und zu
finden sich plasmolysierte Membranen auch in Ausstrichen als Kunst-
produkt. Die Membran ffirbt sich, wie schon v. Prowazek nachwies,
bei geeigneter Differenzierung nach Giemsa tief dunkelrot; sie ist
anscheinend ziemlich diinn, falls nicht nachtragliche Quellung durch
die technische Behandlung eingetreten ist. Wahrend des Lebens kann
man die Membran nur undeutlich sehen. Eine Schleimschicht konnte
bei Untersuchung in Tuschesuspension nicht festgestellt werden.
d) GeiBeln.
Als Fortbewegungsorgane dienen GeiBeln, die schon im Leben mfihe-
los sichtbar sind und durch ihre auBerordentliche Lange und Dicke auf-
fallen. Sie sind in der Regel 1—17 2 mal langer als der Kfirper: in
fixierten Prfiparaten findet man nur selten Individuen (Fig. 1, 2, 3), die
eine genauere Messung der GeiBeMnge gestatten, da sie meistens ge-
kriimmt sind. Besonders haufig sieht man die GeiBeln um den Korper
geschlungen bzw. fiber den Korper hinfibergelagert (Fig. 8). Diese Lage
ist aber sicher kein durch die Fixierung hervorgerufenes Kunstprodukt,
sondern man kann im Nativprfiparat sehr oft solche Lage der GeiBeln
bemerken, wenn die Selenomonaden in Ruhe sind.
Stadien, wie in Fig. 8, sind wohl geeignet, Zweifel zu beheben, die
Mfihlens bezfiglich des Ursprungs der GeiBeln von Spirillum
sputigenum auftauchten. Er schreibt darfiber: „Bei den Spirillen
mit mehreren GeiBeln scheint es nun nicht ganz sicher, ob diese ihren
Ursprung nur an einer (der konkaven) Seite des Mikroorganismus haben
und im geffirbten Prfiparat nur hinfibergelagert sind oder ob sie an
beiden Seiten eventuell an verschiedenen Stellen ihren Ursprung nehmen.'*
Allem Anschein nach hatte er hier die eben bei Selenomonas be-
schriebene, in den Bewegungspausen oft zu beobachtende „Ruhehaltung“
fixiert.
Ueber die GeiBeln der Selenomonaden sagt v. Prowazek: „Bei
unseren Formen entsprang aus der inneren Konkavitat des Korpers
eine aus verklebten GeiBelfaden bestehende Wimperflamme, die sich
im Gegensatz zu dem fibrigen Korper wie die auBere Membran nach
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Boskamp, Bau, Lebenaweise u. syst. StelluDg von Selen. palpitans. 63
Giemsa rot ffirbte." Diese kann ich auch bei Selen omonas pal¬
pitans bestatigen. Besonders die Bezeichnung „Wimperflamme“ charak-
terisiert das morphologische Bild der GeiBel vorziiglich. Die Wimper-
damme kommt n&mlich dadurch zustande, daB sich eine Anzabl ver-
schieden langer, feinster Fibrillen zu einera Biischel vereinigen, das sich
von seiner Ursprungsbasis nach der Spitze zu verjiingt (vgl. v. Pro-
wazeks Fig. 9 und meine Figuren). Solche dunnere Geifielfaden, wie
er sie in den Figuren 10, 11 und 12 abbildet, habe ich in trockenen
Giemsa- und Loeffler-Praparaten ebenfalls beobachtet. Auf ihre Ent-
stehung werde ich gleich zuruckkommen. In vivo konnte ich derart
feine GeiBeln nie beobachten, vielmehr war stets ein mehr Oder minder
stark verbreitertes Biischel deutlich erkennbar, dessen Basis genau in
der Mitte der Konkavitat entsprang. Die Lage des GeiBelbtischels ist
demnach als mediolateral zu bezeichnen.
Aehnliche Verhaitnisse beschreibt Loewenthal bei den GeiBeln
von Spirillum sputigenum: „ Die GeiBel, haufig an der Basis dicker
als am Ende, manchmal anderthalbmal so lang wie der Korper, geht
regelmaBig etwa von der Mitte der Konkavseite des in der Ruhelage
halbmondfbrmig gebogenen Korpers aus. Ich habe nie mehr als eine
GeiBel gesehen!“ Leider fehlt die Angabe, mit welcher Farbungsmethode
Loewenthal gearbeitet hat. Mir erscheint aber seine Angabe, daB
bei Spirillum sputigenum nur eine fadenformige GeiBel vor-
kame, nicht sicher begrflndet, denn auch bei S a f r a n i n - Lichtgrfln-
fiirbung und Heidenhain-F&rbungen sah ich nur einen bzw. zwei
Geifielfaden, wahrend die Wimperflammenstruktur erst durch die Loeff-
lersche, Zettnowsche trockene Giemsa und Bdhmersche H&ma-
toiylinfSrbung deutlich hervortrat. Die MiBerfolge bei den anderen FS.r-
bungsmethoden beruhen wohl darauf, daB die Fibrillen sich gar nicht
oder nur ungeniigend tingieren. Raumlich betrachtet, besitzt das GeiBel-
bnschel etwa die Form eines Schiffswimpels. Je nach dem Winkel,
anter dem man nun auf die schmale Kante (Fig. 19—22) oder die
Fllche (Fig. 14—16) des Wimpels sieht, ergeben sich verschiedene Bilder
des Bfischels. Man versteht so auch, daB nur bei reinen oder fast
reinen Fiachenansichten die Fibrillenstruktur ganz deutlich zutage treten
kann. Durch sorgfaitige Lebendbeobachtung und Vergleiche mit Zett-
now-Praparaten bin ich zu der Ueberzeugung gekommen, daB die
Fliche des Wimpels ungefahr senkrecht zur Kdrperlangsachse steht.
Durch Eisenhamatoxylin, noch 6fter durch Delafields und B6h-
mers Hamatoxylin, kann man die GeiBelbtischel nicht selten stark diver¬
gent aufgespalten darstellen. Diese AuffaseruDg laBt sich aber im
Leben niemals bemerken; auch hier liegt wohl ein Kunstprodukt vor,
in dem durch irgendeines der bei der Herstellung solcher Praparate
oblichen Reagenzien die Substanz, welche die einzelnen Fibrillenbtindel
verkittet, herausgeldst wird.
Bei Spirillum sputigenum gibt es offenbar ahnliche „Auffase-
rungsartefakte“. Das wiirde um so verstandlicher sein, da hier die
GeiBeln nach Loeffler oder Zettnow dargestellt worden sind, Me-
thoden, bei denen eine starke Erhitzung des Praparates stattfindet, also
auch die M6glichkeit der Entstehung von Kunstprodukten besonders
grofi ist. So bildet Fischer auf Taf. Ill, Fig. 15a „zwei typische
Individuen (aus Zahnschleimpraparat) ohne Teilung, mit einem lateralen
Geifielbflschel“ ab. Das Bflschel ist hier von der Basis an stark diver¬
gent aufgefasert. Teilweise natdrliche GeiBelbilder neben Kunstprodukten
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hat wohl Mfihlens gesehen. „Bei GeiBelfarbung nach Loeffler und
nach Zettnow erkennt man an den Spirillen (Sp. sputigenum) 1,
2 oder 3 GeiBeln. Die meisten haben anscheiuend eine einzige dicke
GeiBel (GeiBelzopfV) an der konkaven Seite; manche zeigen daneben
oder scheinbar gegeniiberliegend eine zweite feinere GeiBel, manche
Spirillen haben 3 feinere GeiBeln. „Es konnte nun immerhin rnoglich
sein, daB bei Spirillum der GeiBelzopf der Artefakt und das diver-
gente Biischel der normale Zustand des GeiBelapparates ware, wobei
man dann annehmen kann, daB die einzelnen Faden sich zu zopfartigen
Bildungen verflechten, wie das Fischer u. a. bei verschiedenen Bak-
terien gezeigt haben. Eine sichere Entscheidung dieser Frage wird man
nur durch Lebendbeobachtung und genaue Zytologie von Spirillum
sputigenum Ireffen konnen.
Bei Selenomonas palpitans dagegen ist es nach der leicht
durchfuhrbaren Untersuchung der Geifiel in vivo durchaus sicher, daB
die Zopf- oder besser gesagt, die Wimperflammenstruktur der Normal-
zustand, jegliche Art von Auffaserung aber ein Kunstprodukt ist. Auch
meine Zettnow-Priiparate (Fig. 13—17) sprechen sicher fur diese Auf-
fassung.
Durch rein zufallige Verlagerungen eines oder beider GeiBel-
biischel infolge des Ausstreichens kann man, allerdings nur bei ober-
flachlicher Betrachtung, zu ganz irrigen Vorstellungen iiber die Insertion
des bzw. der Biischel gefiihrt werden. Bei Fig. 17 z. B. wird der proxi-
male Teil des Biischels durch den Korper genau iiberlagert, wobei
gleichzeitig eine starkc artefizielle Auffaserung des distalen Teiles statt-
gefunden hat; auf den ersten Blick wiirde man hier sicher ein polar-
lophotriches Biischel vermuten konnen. Aehnlich liegt der Fall auch
bei Fig. 22, nur daB hier das Biischel nicht aufgefasert ist. Von be-
sonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang Formen wie Fig. 21,
denen man besonders in Zettnow-Pr¶ten nicht selten begegnet.
Das Biischel inseriert hier scheinbar nicht mediolateral, sondern polar
verschoben. Ilier ist eben nur eine kiirzere proximate Strecke nahe der
Basis vom Korper iiberdeckt bzw. liegt auf ihm und kann wegen der
intensiven Silberschwarzung des Korpers optisch nicht differenziert
werden. Diese scheinbar polar verschobene Insertion scheint mir des-
halb so bemerkenswert, weil Fischer bei Spirillum sputigenum
in seiner Fig. 15 Formen mit polar verschobenem Biischel neben solchen
mit mediolateraler Insertion abbildet. Dies scheint mir neben anderen
ein Hinweis auf die Verwandtschaft beider Formen zu sein.
An gefiirbten Praparaten sieht es so aus, als ob die GeiBeln direkt
von der Peripherie der konkaven Korperfliiche entsprangen. Bei Dunkel-
feldbeleuchtung jedoch gewinnt man den Eindruck, daB die GeiBeln aus
dem Zytoplasma austreten. Letztere Beobachtung wird durch Unter-
suchungen von Ellis bestatigt, der an groBen Bakterien nachwies, daB
die GeiBeln Fortsatze des lebenden Zytoplasmas sind, die durch enge
Poren in der Zellwand nach auBen treten.
In keinem Falle habe ich weder mit Eisenhamatoxylin noch mit der
G ie m sa - Fiirbung irgendwelche als Basalkorner oder Blepharoplasteu
anzusprechende Gebilde nachweisen konnen. Bei Spirillum sputi¬
genum will Yamamoto, bei Spirillum volutans Fuhrmann
Basalkorner nachgewiesen haben; auch Reichert halt Blepharoplasten
bzw. Basalkorper bei Bakterien fur rnoglich. Meyer hat aber spater
alle diese Angaben in seiner Kritik iiberzeugend widerlegt.
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B oak amp, Bau, Lebensweise u. syst. Stellung von Selen. pal pi tans. 65
II. TcilungsvorgSnge.
Als erstes Anzeichen beginnender TeiJung stellt sich der ovoide
Ruhekern unter gleichzeitiger Langsstreckung bisquitformig ein. Dann
schniiren sich die beiden Tochterkerne ab. Die Art der Kernteilung,
ob mitotisch oder amitotisch, konnte ich mit den angewandten feinsten
Farbemethoden nicht sicher ermitteln, weil die Verhaltnisse wegen der
Kleinheit des Kernes sehr ungQnstig liegen. Die jungen Tochterkerne
runden sich dann allmahlich wieder zu einem ovoiden fast kugeligen
Ruhekern ab. Die Ruhekerne bleiben auch nach volliger Durchschniirung
des Zytoplasraas noch eine Zeitlang gegen die Teiluugsebene hin ver-
schoben (Fig. 11).
Als zweites Stadium beobachtet man ein Breiterwerden der Basis
der GeiCelbiischel, welches sich dann spater in zwei Tochterbiischel auf-
spaltet. Die Tochterbuschel behalten ebenso wie der Kern noch einige
Zeit ihre Verschiebung gegen die Teilungsebene bei, um erst spater
zusammen mit dem Kern in die Mitte zu wandern.
Ganz zuletzt erst tritt die Plasmateilung ein, indem sich in der
Mitte der konvexen Kdrperseite eine Eindellung der Membran und des
Plasma bildet (Fig. 9). Diese Eindellung riickt dann gegen die konkave
Korperseite hin vor, wobei gleichzeitig eine feine Membran die Tochter-
zellen auseinander trennt (Fig. 10 u. 11). Das durch die Teilung neu
entstandene Korperende bleibt auch nach volliger Ablfennung vom
Tochtertier noch einige Zeitlang abgeplattet, spitzt sich dann aber spater
in gleicher Weise, wie das andere Ende leicht zu.
III. Enzystierung.
In seinen Fig. 13 — 17 bildet v. Prowazek Formen von Sele-
nomonas ab, die er fiir Enzystierungsstadien halt. Es handelt sich
um Formen mit stark verdickter, nach Giemsa tiefrot darstellbarer
Membran mit mehr oder weniger stark eingezogenen, ringfbrmig aufge-
rollten GeiBeln. Solche Stadien, wie seine Fig. 13, 14, 15 und 17, habe
:ch, wenn auch recht selten, in meinen G iem sa-Praparaten ebenfalls
gesehen, w&hrend ich ein solch merkwiirdiges Stadium wie Fig 16 nie
zu Gesicht bekam. Mir scheint v. Prowazeks Annahme, daS es sich
hier um zystische Veriinderungen an der Membran handelt, wenig wahr-
scheinlich zu sein. Wenn wirklich eine sichere Enzystierung vorlage,
mflBte man doch annehmen, daB diese Stadien im Dickdarm gegen das
Rektum hin zunehmen, weil ja hier die Existenzbedingungen durch die
rasch zunehmende Eindickung des Kotes fiir die Selenomonaden immer
ungQnstiger werden. Daraufhin angestellte Untcrsuchungen von Dick-
darmkot aus verschiedenen Abschnitten konnten dies nicht beweisen, da
keineswegs eine prozentuale Zunahme solcher Stadien stattfand. In
tneinen Giemsa-PrSparaten zeigte die tiefrote Membran der „Zysten-
furmen’ 1 immer etwas unscharfe Konturen und sah schleimig-verquollen
aus. Ich neige daher der Ansicht zu, dali es sich hier um abgestorbene
Individuen handelt, zumal da man im Nativpraparat oft absterbende
Formen mit kbrnigem Protoplasma und schwach beweglichen GeiBeln
antriflt, die ebenfalls unscharf verquollene Konturen besitzen und wohl
mit den Formen des Giemsa-Priiparates identisch sind.
Das Aussehen der GeiBeln spricht auch nicht unbedingt fiir eine
Enzystierung. Fischer faBt namlich bei Spirillum sputigenum
die Ringbildung und Einrollung der Geillel als Kunstprodukt auf, indem
E«* Abt. Orif. HJ. 13. Iloft 1. 5
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Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
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er schreibt: „Das Spirillum sputigenum mit seinem lateralen
GeiBelbiischel liefert recht merkwiirdige Bilder, wenn die GeiBeln zu
einem Schopf sich zusaminengedreht liaben und nur ihre freien Endeu
einrollen konnen; einer anscheinend besonders dicken GeiBel sitzen die
kleinen Ringe auf“ (vgl. dazu seine Taf. Ill, Fig. 15d).
Ganz ahnliche Verhaltnisse liegen auch wohl bei Selen onion as
palpi tans vor. DaB es sich bei Formen. wie nieiner Fig. 12, die
genau v. Prowazeks Fig. 17 entspricht, um Kunstprodukte liandelt,
geht aus Zettnowscken GeiBelpraparaten hervor. Zur eindeutigeu
Losung dieser Frage eignen sich besonders solche Pr¶te, die niclit
so stark erhitzt wurden und, wo sich infolgedessen auch weniger Silber
abgeschieden hat, so daB die GeiBeln gelbbraun statt schwarz erscheinen.
Bei den Zettnow-Praparaten, denen die Fig. 13, 14 und 15 ent-
stammen, sieht man das GeiBelbiischel mit ganz unverkennbar fibrill&rer
Struktur eingerollt, und man wird wohl ohne weiteres zugeben intisseu.
daB diese Einrollung rein kiinstlich infolge des Ausstreichens oder
der Abtotungskontraktion durch das fixierende Osmiumtetroxyd geschehen
ist. In diesem Eindruck wird man noch bestfirkt durch die feinsten
Fibrillen, die sich von der Peripherie der Biischelhauptmasse nach deu
verschiedensten Richtungen hin ausdehnen. Die eben genaunten drei
Figuren stellen somit erst die wahre Struktur der GeiBeln der Stadien
von Fig. 12 bzw. v. Prowazeks Fig. 17 dar. Die Giemsa-Farbung
vermag hier eben keine feineren Strukturen mehr aufzudecken und zeigt
das GeiBelbiischel eigentiimlich dicht und verquollen. Diesem Umstande
ist es wohl auch zuzuschreiben, daB sich die Korpermembran in v. Pro¬
wazeks und meinen G i e m s a - Praparaten scheinbar auf das aufge-
rollte Biischel fortsetzt, denn bei Zettnowscher FSrbung selien wir
keine Spur einer Membran, sondern im Gegenteil die schon eben er-
wiihnte Ausstrahlung feinster Fibrillenziige.
In seinen Fig. 13 und 14 vermutet v. Prowazek, daB es sich um
Teilung enzystierter Formen handele. Ich kann diese Vermutuug keines-
wegs teilen; besonders seine Fig. 13 ist eine mit Sicherheit beschadigte
oder bereits abgestorbene Teilungsform. Da es sich bei den Seleno-
monaden zweifellos um bakterienahnliche Wesen handelt, scheint niir
die Annahme, daB hier eine Teilung w&hrend der Enzystierung vor-
kommen soil, sehr gewagt, ganz besonders, da solche Vorgange bei
Bakterien bisher ganzlich unbekannt sind.
IV. Biologie.
Selenomonas palpitans ist ein Mikroorganismus, der haujit-
sachlich den Blinddarm des Meerschweinchens bewohnt. Dort ist er
neben verschiedenen Protozoen (Chilomonas-, Trichomonas-,
Lamblia- und Hexamitus-Arten), Spirillen, Spiroch&ten, verschie¬
denen Bakterien und der Oscillaria caviae 1 ) ein sehr typischer Ver-
treter der Fauna und Flora der ZellulosegSrungsmikroorganismen. Ob
die Selenomonaden aktiv an der Garung teilnehmen, oder nur infolge
der GSrung als Kommensalen leben, habe ich nicht weiter untersucht.
Die Selenomonaden vermehren sich haupts&chlich im Blinddarm.
wo sie auch am zahlreichsten zu linden sind. Im Magen und Diinn-
darm wurden trotz eifrigsten Suchens keine Selenomonaden oder irgend-
welche Entwicklungsstadien derselben festgestellt. Im Dickdarm waren
1) Gleich Oscillospira Guillermondi (C’hatt. et P^rard).
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Bosk amp, Bau, Lebensweise u. syst. Stellung von Selen. palpi tans. B7
sie bis zu der Stelle nachweisbar, wo sich die ersten Kotballen formten;
sie traten mit fortschreitender Entfernung vom Blinddarm immer spar-
licher auf, urn mit deni ersten Kotballen ganzlich zu verschwinden.
Auch hier konnten keinerlei Enzystierungsstadien bemerkt werden In
der Mundhohle wurden ebenfalls keine Selenomonaden gefunden.
Sehr merkwiirdig und abwechslungsreich ist die Bewegungsweise
dieses Mikroorganismus. Man kann bei jungen Individuen und solchen.
Fig. A.
die schon 2 GeiBelbtischel besitzen, deren Plasmateilung aber noch
nicht durchgefuhrt ist (Fig. 5, 6, 7 und 9), deutlich 4 Bewegungstypen
unterscheiden, namlich eine vorwfirtsbohrend-zitternde (2 Arten), eine
sich fiberschlagende und eine stehend-zuckende Bewegung. Bei der
1. Bewegungsform schleift das bzw. die GeiCelbuschel*) nach. In Fig. 19
erhielt ich glficklicherweise ein solches Bewegungsstadium fixiert, wie
es genau der Lebendbeobachtung entspricht. Die Schwingungen der
GeiBel wirken hier also wie
eine Schiffsschraube. Infolge
gewisser Asymmetrien des lj ■
Korpers — in unserem Falle
durch den fiachschraubigen
Bau, — kommt es auch hier,
wie bei den meisten stfibchen-
iormigen Spaltpilzen, Flagel-
laten und Infusorien zu der so-
nenannten Trichterbewegung,
d. h. die Langsachse der Zelle Fig. B. Fig. C.
beschreibt den Mantel eines
Doppelkegels (Textfig. B). Bei Selenomouas erfolgt diese Trichter¬
bewegung oft so ungeheuer schnell, dall man die Korperform nicht mehr
zn erkennen vermag. Die Rotation erfolgt fiber L x nach L 2 im Sinne
des Uhrzeigers, wenn man von dem Ende aus betrachtet, wo die GeiBel
nachschleift.
Den 2. Bewegungstypus sehen wir in Textfig. C veranschaulicht.
Die GeiBeln schwingen peitschenartig um beide Pole herum und erteilen
1) Bei den meisten begeifielten Individuen, insbesondere bei den echten Flagel-
!aten, geht ja die GeiBel der Bewegung voran (Propellerschraubenbewegung).
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Oentralbl. f, Bakt. etc. 1. Abt. OriginaJe. Bd. 88. Heft 1.
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dem Korper, wenn die Bewegung in der Pfeilrichtung erfolgt, eine Art
Trichterbewegung itn Sinne des Uhrzeigers.
Die 3. Bewegungsform ist dadurch gekenuzeichnet, dafi die Seleno-
monaden sich urn ilire Langsachse iiberschlagen. Diesen Fall stellt die
Textfig. A dar; die Bewegung erfolgt beim Langsiiberschlagen ziemlich
in einer Ebene und es werden sehr haufig elliptische Oder komplizierte,
spiralige Bahnen auf diese VVeise durchlaufen. Das Ueberschlagen er¬
folgt meist ruckartig zuckend; die starke Unruhe in der Bewegung
verstarkt sich noch dadurch, daB die Selenonionade sich sowohl im Sinne
als auch entgegen dem Uhrzeiger uberschlhgt, wobei dieser Richtungs-
w'echsel urplotzlich erfolgt. Iulolgedessen entsteht eine iiberaus charak-
teristische unruhige, hin und herzuckende Bewegung, die den Spezies-
namen „palpitans a gerechtfertigt erscheiuen laBt.
Bei der 4. Bewegungsart, der stehend-zitternden Bewegung, stellt
sich Selenomonas mit der Liingsachse in die Tubusachse ein. Es
erfolgt eine schnelle Rotation urn die Achse, wobei das Individuum unter
eigentiimlichem Zittern im Gesichtsfeld auf- und niedertaucht. Beob-
achtet man ein und dasselbe Individuum 13ngere Zeit, so sielit man.
daB nach einiger Zeit ein verschieden langes Intervall einsetzt, wo es
sich in absoluter Ruhebefindet. Dann aber beginnt es urplotzlich
eine der geschilderten Bewegungsarten, die haufig initeinander ab-
wechseln und ineinander iibergehen.
Eine Flexibilit&t des Korpers babe ich niemals bemerkt; wohl
aber tiiuscht er beim ersten Eindruck durclt die ungeheuer rasche
Zitterbewegung eine Flexibilitat vor, und man darf wohl annehmen, dali
sich auch Loewenthal auf diese Weise bei Spiri 11 um sputigenuni
tauschen lieli.
Hier liegen offenbar ahnliche Bewegungsarteu wie bei Seleno¬
monas palpitans vor. Miihlens bezeichnet die Bewegungen „ziem-
lich lebhaft, wackelnd, torkelnd oder schwirrend a , Miller nennt sie
„bohrerahnlich“. Die eigentumlich zuckende Bewegung von Seleno¬
monas palpitans scheint jedoch hier zu fehlen.
Wenn die Selenomonaden in iliren Bewegungen matter werden, was
z. B. nach mehrstiindigem Aufenthalt in Rin ger-Losung der Fall ist,
kaun man zwei Bewegungsarten der Geillelbuschel erkennen. In beiden
Fallen liegt der Korper vollstaudig ruhig, aber das Geillelbuschel wird
entweder ruderartig auf und ab bewegt, oder aber in Ric.htuug auf den
Korper ein- und winder abgerollt. Sind bei einem Individuum infolge
Teilung bereits zwei Geillelbuschel gebildet. das Plasma aber noch nicht
durchgeteilt, so erfolgen die eben geschilderten Bewegungen synchron.
Bei vollig durchgeteilten Iudividuen (Fig. 10, 11) schlagen die GeiBeln
nicht mehr synchron, sondern meist iibt die eine oder andere ein star-
keres Drehmoment aus; infolgedessen entsteht hier eine Bewegung in
unregelmaBigen Zickzacklinien.
Es scheint, daB Selenomonas nicht so streng an die Tempe-
ratur des Warmbliiters gebunden ist, wie z. B. die Infusorieu des Wieder-
kauermagens, denn man kann 3—4 Tage nach dem Tode des Meer-
scliweinchens an friscli geoflheten Stellen des Blinddarms noch maBig
bis lebhaft bewegliche Individuen, ja sogar Teilungsformen nachweisen.
Untersucht man Schnittstellen, wo bereits langere Zeit hervorgequollener
Kot mit der Luft in Beriihrung gekommen ist, so findet man fast alle
1) Die typische Ruhehaltung haben wir sckon weiter obeu in Fig. 8 geschildert.
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Boskamp, Bau, Lebensweise u. syst. Stellung von Selen. pal pi tans. 69
Selenomonaden abgestorben. Hieraus kann man schliefien, daB Selen o-
raonas gegen Sauerstoftzutritt sehr empfindlich, d. h. also vermutlich
ein obligater Anaerobier ist.
Die Lange und relative Machtigkeit der GeiBelbiischel werden ver-
stSndlich, weun man bedenkt, daB sich Selenomonas durch den
ziemlich dickflussigen Blinddarmkot hindurchwinden muB.
Zum SchluB dieses Kapitels muB ich noch kurz auf die Praparate
v. Prowazeks eingehen. Er gibt an, daB „die Ausstriche von Ga-
zellen, Schirrantilopen und Giraffen zwar Blutkorperchen, daneben jedoch
zahlreiche Darmorganismen, wie Flagellaten, Hefen, 2 Arten von Borellien
and Darmbakterien enthielten; offenbar gelangten diese durch eine SchuB-
verletzung ins Blut“. Die Annahme v. Prowazeks, daB die Seleno-
monaden keine Blutparasiten sind, ist durchaus ricktig, denn ich konnte,
ebenso wie andere Autoren, niemals Selenomonaden im Blute finden. Als
experimentum crucis raischte ich Blinddarmkot und Blut eines Meer-
schweinckens, wobei die Selenomonaden nach kurzer Zeit unter heftigen
Bewegungen abstarben.
V. Systematik und Bezieliung zu Spirillum sputigenum.
Bacterium binuclcatum, Spirosoma linguale und An-
cy romonas.
In welche Gruppe von Mikroorganismen wir die Selenomouaden
stellen sollen, ist voriaufig schwer zu entscheiden, da wir erst noch ver-
schiedene iihnliche Vertreter linden und studieren muBten. So viel er-
scheint mir aber sicker, daB es sich nur um Verwandtschaft mit Proto-
zoen oder Bakterien handeln kann.
Will man Selenomonas zu den Protozoen stellen, so kommen
selbstverst&ndlich nur die Flagellaten in Frage. Die Querteilung ware
kein unuberwindliches Hindernis, da sie ja dort auch vorkoinmt (z. B.
beiOxyrrhis marina). Weit bedenklicher fiir die Protozoennatur von
Selenomonas scheint mir aber die Plasmolysierbarkeit infolge Be-
stehens einer bakterienahnlichen Membran und der Bau des Bewegungs-
organells zu sein. Unter den Flagellaten linden sich bei den Ilyper-
raastigina in den Familien der Lophomonadidae und Joeniidae
wohl Forinen mit sehr kompliziertem GeiBelapparat, der aus Biiudeln
von feinen Achsentibrillen besteht. Es ist aber ganz unmoglich, das
GeiBelbiischel von Selenomonas von dem der Hypermastiginen abzu-
leiten, weil ja der Hypermastiginenkbrper viel komplizierter gebaut ist,
ganz abgesehen davon, daB Selenomonas keinen Parabasalapparat
nesitzt und die GeiBelbiischel der Hypermastiginen in Richtung der
Korperlangsachse (polar) inserieren. Es gibt ja zwar unter den Flagel-
laten seltene Ausnahmen, wo die GeiBeln wie bei Selenomonas me-
•liolateral inserieren, so z. B. unter den Cryptomouadinen P r o t och rysis
phaephycearuni und Nephroselmis olivacea. Trotzdem diese
in ihren KOrperumrissen sogar Selenomonaden ahneln, schlieBt ihre viel
kompliziertere innere Organisation jede Verwandtschaft mit Seleno-
tnonas unhedingt aus.
Aus alien diesen Griinden verbietet sich m. E. der AnschluB
von Selenomonas an Flagellaten. Dagegen finden wir im System
der Bakterien wohl unter der Familie der Spirillaceae einen besseren
Platz fiir Selenomonas.
Fflr Beziehungen zu den Spirillaceen sprechen: 1) der schraubig
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70 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1.
gewundene Korper, 2) daB eine deutliche Membran vorhanden, 3) dad
der Korper des Organismus nicht flexibel 1 ), sondern vollig starr ist,
und 4) das Fehlen von Sporen. Innerhalb des Systems der Spirillaceen
durfte dieser Organismus nicht zur Gattung Spirillum gezogen werden,
da ja diese Formen p o 1 a r - lophotrich begeiBelt sind ; infolgedessen war
v. Prowazek auch berechtigt, fur den vorliegenden Organismus eine
neue Gattung Selenomonas aufzustellen, weil er mediolateral-lopho-
trich begeiBelt ist. Hierher gehort wahrscheinlich auch das Miller sche
Spirillum sputigenum, das ebenfalls wie Selenomonas nur an
der Konkavitat lophotriche (mediolateral ?) GeiCeln besitzt. Die nahe
Verwandtschaft, vielleicht sogar Zugehorigkeit des Spirillum sputi¬
genum zur Gattung Selenomonas geht vor allem aus dem schraubig
gewundenen Bau sowie den iibereinstimmenden Langenverhaltnissen
zwischen GeiBeln und Korper hervor. Loewenthal gibt namlich an,
daB die GeiBeln 1—1 V 2 mal so lang wie der Korper sind; dasselbe haben
wir ja oben auch fur Selenomonas nachgewiesen. Ferner sind bei
Selenomonas palpitans sowohl wie beiSpirillum sputigenum
die GeiBeln an der Basis dicker als am Ende.
Auch die Beschreibungen des Spirillum sputigenum von
Miller, Fischer, Miihlens und vor allem Yamamoto, der ein
wohl dem Kern von Selenomonas entsprechendes Gebilde auffand
(s. o.), sprechen sehr zugunsten einer iiberaus nahen Verwandtschaft
der beiden Organismen. Wir konnen jedenfalls sagen, daB die Bezeich-
nung Spirillum sputigenum durchaus falsch ist, da dieser Or¬
ganismus unter anderein nicht fiir die Gattung Spirillum typische
polar-lophotriche BegeiBelung aufweist, sondern in Uebereinstimmung
aller Autoren eine lateral-lophotriche; jedoch miissen erst zytologische
Untersuchungen lehren, ob wir hier tatsSchlich von einer Selenomonas
sputigena = Spirillum sputigenum sprechen diirfen.
Wenn wir also Selenomonas in die Familie der Spirillaceen ein -
reihen wollen, miissen wir die von Miehe aufgestellte Familiendiagnose
dahin erweitem, daB auBer der bisher allein bekannten polar-lophotrichen
BegeiBelung (Vibrio und Spirillum) auch eine lateral-lophotriche
(Selenomonas) vorkommt.
Zum Schlusse mochte ich noch kurz einige andere Mikroorganismen
erwahnen, die vielleicht init Selenomonas in naherer Beziehung stehen,
und solche, die bei oberflachlicher Betrachtung mit Selenomonas
palpitans oder Spirillum sputigenum verwechselt werden konnen.
Im Blut der Zwergantilope, Cephalophus Maxwelli, fand
Kerandel gelegentlich seiner Studien iiber Blutfilarien einen Organis¬
mus, liber den er folgendes bemerkt: „Le sang de la merne antilope
renfermait des formes, qui nous ont beaucoup intrigues. En realite, il
s’agissait d’un parasite de la panse des Ruminants, classe par Certes
dans le genre Ancyromonas; par sa forme et surtout par ses cils
volumineux ins6r6s au milieu de la concavity du corps, il rappelle de
prbs le spirillum sputigenum. 11 Der Kerandelsche Mikroorga-
nismus ist sicher kein Blutparasit, sondern geriet, wie der Autor weiter
erwahnt, rein ktinstlich bei der Sektion des Magens mit Blut in Be-
riihrung. Allem Anschein nach haben wir es hier mit einem nahen
Verwandten von Selenomonas, vielleicht einer neuen Spezies zu tun.
1) De Bary und Meyers Schuler Ellis wollen aktive Kriimmuugen tier Spi-
rillen beobaehtet haben; Meyer hiilt diese jedoch nicht fiir erwiesen. Auf dem gleichen
Standpunkt steht auch Gonder.
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Boskamp, Bau, Lebensweise u. syst. Stellung von Selen. palpitans. 71
Ob die von Certes aufgestellte Gattung Ancyromonas etwa mit
Selenomonas identisch ist, konnte ich nicht entscheiden, da ich die
yetreffende Literaturatelle nicht zu finden vermochte.
Das von S w ellengrebel beschriebene Bacterium binuclea-
tura hat mit Selenomonas palpitans nur durch seine gebogene
Korperform eine gewisse Aehnlichkeit. Dieser Organismus ist, wie
Swellengrebel mit Recht hervorhebt, keine Spirillacee, da ihm die
Eigenbewegung abgeht. Dasselbe gilt von dem Bergstrandschen
Spirosoma linguale = Vibrio lingualis (??), das er „als starre
Spirillacee ohne Bewegungsorgane" beschreibt. Die Bezeichnung Spiro¬
soma fur einen V i b r i o - dhnlichen Organismus ist durchaus falsch, ganz
abgesehen davon, daB samtliche Spirillaceen beweglich sind und ein
Vibrio keine ^starre" Spirillacee sein kann.
Zusammenfassung.
1) Selenomonas palpitans ist ein typischer Bewohner im
Blinddarm des Meerschweinchens. Im oberen Dickdarm bis zur Grenze
tier ersten Kotballen nimmt er an Zahl stark ab; an anderen Stelleu
ties Darmtraktus, inkl. Mundhohle und Magen, wurde er nicht gefunden.
2) Die Spezies besitzt einen echten Kern, eine deutliche Membran
und ein GeiBelbiischel. Diese besteht aus verschieden langen, mitein-
ander verklebten Fibrillenbtindeln, wodurch eine Wimpertiammenstruktur
entsteht. Das geiBelartige Organell ist im Hellfeld leicht festzustellen.
seine eigentliche Struktur aber ergibt sich erst durch Fdrbung fixierter
Pr¶te.
3) Selenomonas palpitans vermehrt sich durch Querteilung.
Der Kernteilungsmodus — ob mitotisch oder amitotisch — konnte wegen
der minutiosen Verh<nisse nicht sicher festgestellt werden, ist aber
wahrscheinlich sehr primitiv. Das GeiBelbiischel bildet wohl zuerst neue
FibrillenbQndel durch Auswachsen aus dem Zytoplasma, dann spaltet
sich das auf diese Weise verdickte Bflschel mitten durch. Tochterkern
und GeiBelbiischel sind bei eben durchgeteilten Individuen gegen die
Teilungsebene hin verschoben und rucken erst sp&ter in die Mitte.
4) Die Angaben von Loewenthal, Miller, Fischer, Miihlens
und besonders Yamamoto machen es sehr wahrscheinlich, daB Spi¬
rillum sputigenum (Miller) der Gattung Selenomonas sehr nahe
steht, vielleicht sogar eine Spezies dieser Gattung ist. Die Bezeichnung
Spirillum fiir den Millerschen Organismus ist sicher falsch; jedoch
sind erst neue zytologische Untersuchungen notwendig, uni zu entscheiden,
ob wir tatsdchlich von einem Selenomonas sputigena (Spiril¬
lum sputigenum) sprechen diirfen, oder ob hier wiederum eine neue
battung vorliegt.
Nachtrag bei der Korrektur.
Auf seine Mitteilung „Ueber Selenomonas palpitans n. sp.“
crhielt Dr. Simons inzwischen von Dr. A. M. da Cun ha eine vor-
lautige Mitteilung iiber neue Selenomonaden der Nagetiere (portugiesisch)
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1.
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Die Mitteilung erschien 1915 im Brasil medico als Veroffentlichung des
Istituto Oswaldo Cruz. Diese Arbeit ist durch die Ivriegsverhaltnisse in
Deutschland wohl bisher niclit referiert worden, deun ich konnte sie in
unseren maBgebenden Fachblattern nicht finden. Die Prioritat der Ent-
deckung der Meerschweinchenselenomonaden fallt demuach da Cun ha
zu. Er hat jedoch die Spezies nicht benannt, daher befiinvorte ich die
Beibehaltung des Speziesnamens „palpitans u , weil meine Arbeit wohl
die erste eingehendere Veroffentlichung iiber die Selenomonaden des
Meerschweinchens ist. Wie ich aus der Originalarbeit ersehe, hat d a
Cunha nur kurz iiber das Vorkoraraen der Selenomonaden, dereu
Korperform, BegeiKelung und Teilung berichtet. Die Langen- und
BreitenmaBe stimmen mit den meinigen hinreichend iiberein. AuBer-
dem fand der Autor noch unbegeiBelte ovale Gebilde, die er dem Eut-
wicklungszyklus von Selenomonas einreiht, welche aber sehr wahr-
scheinlich die von mir oben beschriebenen, abgestorbenen Formen siud.
Literatnr.
Benecke, W., Ban und Leben der Bakterien. Leipzig (B. G. Teubner) 1912. —
Bergstrand, H., Ueber sogenannte Corynebakterien und ihre Verwandten. (Act. med.
Scaudinav. Vol. 53. 1920.) — Ellis, Beitriige zur Kenntnis der Coccaceen und Spiril-
laceen. (Centralbl. f Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 33. 1902.) — Fischer, A., Untersuchungen
iiber Bakterien. (Pringsheims Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. 27. 1895.) — Fuhrmann , F.,
Die GeiGeln von Spirillum volutans. (Ebenda. Abt. II. Bd. 25. S. 129.) — Gonder, R.,
Spirochaeta (Spironemacea. (Handw. d. Naturwiss. Bd.9. 1913.) — Kerandel, J..
Sur quelques htiraatozaires observes au Congo (Haute Sanghn-Logone). (Bull. Soc. de
Path. exot. T. 2. 1902. p.206.) — Loewenthal, W., Zur Kenntnis der Mundspirochaten.
(Med. Klin. 1906. Nr. 11.)— Meyer, A., Ueber das Aussehen der Bakterien im Ullra-
mikroskop. (Arch. f. Protistenk. Bd. 24. 1911. S. 76.) — Dors., Die Zelle der Bakterien.
Jena (G. Fischer) 1912. — Miehe, H., Bakterien (Morphologie). (Hdwortb. d. Naturw.
Bd. 1.) — Miller, Die Mikroorganismen der Mundhohle. Leipzig 1892; Dtsch. med.
Wochenschr. 1906. Nr. 9. — M tin lens, Ueber Ziichlung von ariaeroben Mikroorga¬
nismen der Mundhohle (u. a. Spirillum sputigenum). (Centralbl. f. Bakt. Abt. I.
Grig. Bd. 48. 1908.) — Muller, R., Zur Stellung der Krankheitserreger im Naiur-
system. (Munch, med. Wochenschr. 1911. Nr. 42.) — v. Prowazek, S., Zur Para-
sitologie von Westafrika. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 70. 1913.) — Reichert,
Sichtbarmachung der GeiBeln und Geifielbetvegung der Bakterien. (Centralbl. f. Bakt.
Abe. 1. Orig. Ba. 51. 1909. S. 14.) — Schaudinn, F., Beitriige zur Kenntnis der
Bakterien und verwandten Organismen. II. Bacillus sporonema n. sp. (Arch. f.
Protistenk. Bd. 2. 1903. S. 421.) — Simons, H., Eine saprophytische Oscillarie im
Darm des Meerschweinchens. (Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 50. 1920.) — Ders.,
Ueber Selenomonas palpitans u. sp. (Ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 87. H. 1.) —
S wel lengrebel, N. H.. Untersuchungen iiber die Cytologie eiuiger Fadenbakterien.
(Arch. f. Hyg. Bd. 70. S. 380). — Ders., Zur Kenntnis der Cytologie von Bacillus
maximus buccalis. (Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 16] 1906.) — Ders., Zur
Kenntnis der Cytologie der Bakterien. (Ebenda. Abt. II. Bd. 30. 1907. S. 193.) —
Ders., Sur la cytologie compare des Spirochaetes et des Spirilles. (Ann. de l’lnst.
Pasteur. T. 21. 1907.) — Ders., Neuere Untersuchungen iiber die vergleiehende Cyto¬
logie der Spirillen und Spiroehaten. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 49. 1909.)
— Yamamoto, Ueber den Lokomotionsapparat der Protistenzellen. i Ebenda. Bd. 53.
1910. S. 38.)
Erkl&rung der Tafelabbildungen.
Samtliche Figuren wurden mit apochrom. Oelimmersion 2 m/m und Komp.-Okul. 12
durch den Zeichenprojektionsapparat von Leitz entworfen. Die VergrolSerung 1st
1458-fach. Die Fixierung geschah, wo nicht anders bemerkt, in Sublimatalkohol nach
Schaudinn.
Fig. 1. Vegetatives Stadium mit gerade beginnender Eindellung des Kerns und
einem Geifielbiischel. — Bohmers Alaunhiimatoxylin-Eosin.
Fig. 2. Vegetatives Stadium mit Ruhekern und sehr langern GeiBelbiischel. —
Delafields Hematoxylin.
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Klarenbeek, Die Kaninchentreponemose.
73
Fig. 3. Vegetatives Stadium mit Ruhekern und einem GeiBelbuschel. An einem
Pol Preparation spl as molyse. — Technik wie Fig. 2.
Fig. 4. Vegetatives jiingeres Stadium mit Ruhekern und einem GeiBelbuschel.
Deutliche Wimperflammenstruktur! — Lufttrocken. Panoptische Blutfarbungsmethode
::ach Pappenheim.
Fig. 5. Erwachsene Form in Teilung, Kern zylindrisch, gestreckt. 2 GeiBel¬
buschel, die mit dem untereu Ende verklebt sind. — Technik wie Fig. 4.
Fig. 6. Teilungsforra mit 2 GeiBelbiischeln, eines davon aufgespalten (Kunst-
produkt). — Loofflerschc GeiBelfarbung.
Fig. 7. Teilungsform mit 2 GeiBelbiischeln und isolierten Tochterkernen. —
Panoptische Blutfarbungsmethode nach Pappenheim.
Fig. 8. Vegetative Form mit groBem ovoiden Ruhekern. Das GeiBelbuschel in
typiicher Ruhehaltung. — Technik wie Fig. 7.
Fig. 9. Teilungsform mit langgestrecktem, zylindrischem Kern und 2 Geiflel-
ouscheln. — Technik wie Fig. 7.
Fig. 10. Teilungsform. Plasma vollig durchgeteilt. — Loeftlersche GeiBel-
'irbung.
Fig. 11. Teilungsform. Eben vollendete Teilung des Plasmas. Kerne noch polar
■erschoben. — Technik wie Fig. 7.
Fig. 12. Enzystierungsform ? mit Einrollung der GeiBeln. — Technik wie Fig. 7.
Figg. 13—22 stamnieu samtlich aus Zettnowschen GeiBelpraparaten.
Fig. 13, 14 u. 15. Erwachsene und fast erwachsene Individuen mit aufgerolltem
OeiBelbuschel (Kunstproduktl)
Fig. lb. Erwachsenes Individuum mit bereits verdoppeltem GeiBelbuschel von
ansgepragter fibrillarer Struktur. Biischel in totaler Fliichenansicht.
Fig. 17. Scheinbar polar-lophotnches Individuum. sonst wie Fig. 16.
Fig. 18. Erwachsene Form mit 2 GeiBelbiischeln. Biischel in halb schrager
Kantenansicht. — Wie Fig. 16.
Fig. 19. Fast vollige FJacbenansicht des Biischels. Biischel „nachschleifend“,
Fig. 20. Fast erwachsene Form. Biischel in reiner Kantenansicht.
Fig. 21. Jungee Individuum mit scheinbar nielit genau median inserierendem
Biischel.
Fig. 22. fndividuum wie Fig. 21 mit scheinbar polarer Insertion der GeiBel.
Nachdruck verboten.
Die Kaninchentreponemose.
3. MitteiJung.
Aus der Klinik fOr kleine Haustiere (Prof. Dr. H. Jakob) und dem
Institut fGr parasitSre und Infektionskrankheiten (Prof. Dr. L. de Blieck)
der Tierarztlichen Hochschule zu Utrecht-Holland.]
Dr. A. Klarenbeek, Konservator.
Lersey und Kuczynsky (1) sind der Ansicht, daB die Veriinde-
rungen an den Genitalien die Kopulation in der Weise beeinfiussen, daB
eine schwere Beeintriichtigung der GroBzucht nielit ausbleiben kann. In
dieser Richtung konnte folgendes von inir festgestellt werden:
Hammier 348, mit sehr entziindeter und chronisch infiziertcr Perinealregion, wurde
nit 3 weibliehen Kaninchnn 314, 326 und S im Oktober 1920 in einem Kafige zusam-
uiengebracht. Kaninchen 314 warf im Januar 1921 7 Jungc; 3 starben schon einige
Tage nach der Geburt ohne bekannte Ursache; 2 wurden ex peri men tell infiziert in
Riicken- und Augenbogengegcnd (3 1 /, Mon. alt); die 2 letzten weibliehen Kaninchen,
welche im 8talle mit den infizierten Ticreii zusammen blieben, wurden in einem Alter
’on tj Mon. sjxmtan in der Perinealgcgend infiziert. Alle Tiere gerliehcn normal.
Kaninchen 326 warf 6 gesunde Junge im Juni 1921. 2 dicser Tiere, die alle mit
den F.ltern zuaammenblieben, wurden im Alter von 6—8 Wochen spontan in der Peri-
n< l alregion infiziert. Wachstum der Tiere normal. Kaninchen S warf im April 1921
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74 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
4 gesunde Junge; eines dieser Tiere hatte eine nicht spezifische Keratitis. Alle Tiere
gediehen normal.
Aus diesen Experimenten folgt, daft Kaninchen, mit Treponema
cuniculi (Trep. pallidum var. cuniculi) infiziert, nicht steril
zn sein brauchen und auch bei der Kohabitatiou keine ernsten Nacli-
teile zu zeigen brauchen. Die Kinder infizierter Eltern brauchen nicht
immun zu sein und konnen spontan Oder experimentell infiziert werden.
Eine spontane Infektion konnte schon in einem Alter von l 1 /,—2 Mon.
nachgewiesen werden; ohne Kohabitation ist also die Infektion
eines gesunden Kanincheus sehr gut moglich.
Gesunde Tiere, welche einige Zeit mit infizierten Tieren zusammen
waren, werden nicht imnier infiziert; oft ist jedoch eine Infektion der
Perinealgegend bei den Tieren und durch Tiere desselben Geschlechts.
welche lange beisammen in denselben Rfiumen gehalten werden, zu kon-
statieren.
Die Moglichkeit der Superinfektion wurde schon in der 2. Publi-
kation gemeldet (2). Es konnte z. B. bei einer bestehenden perinealen
Entziindung eine ulzerative Veranderung der Augenbogen und eine spe-
zifische konjunktivale Entziindung erzeugt werden. Ebenfalls wurde oft
spontane oder experimentelle Reinfektion bei einem spontan geheilten
Tiere (Spirochatennachweis wahrend langer Zeit negativ) nachgewiesen.
wie dies auch von anderen beobachtet wurde. Rezidive nach intramus-
kularer Impfung von 300 mg Neosal var san konnten lmal beobachtet
werden; 8 Wochen nach der Injektion entstand wieder eine Entziindung
der Perinealregion. Trophoneurotische StSrungen der Haut nach Neo-
salvarsaninjektion wurden 2mal konstatiert. Obwohl nach der Ein-
spritzung keine Reaktion zu beobachten war, trat bei einem Kaninchen
vollkommener Haarausfall an der Tarsalfl&che des infizierten Tieres bis
zu den Krallen auf. Bei dem anderen Kaninchen entstand ungeffihr
4 Wochen nach der Einspritzung ebenfalls starke Infiltration und Haar¬
ausfall in der Tarsalregion.
Kolle, Ruppert und Mob us (3) haben eine interessante Studie
gemacht fiber das Verhalten von Spirochaeta cuniculi und Spiro-
chaeta pallida beim Kaninchen. Sie teilen folgende SchluBfolge-
rungen mit:
„Die kreuzweise ausgefuhrten Impfungen von Material, dan Treponema palli¬
dum von dem Truffistamm des Speyer-Hauses, bzw. solchem, das Treponema
cuniculi von spontan oder experimentell mit der spontanen Kaninchenlues infizierten
Tiere enthielt, bei Kaninchen, die mit den betreffenden Stammen infiziert waren, ergab.
dafi die mit menschlicher Syphilis infizierten Tiere mit Treponema cuniculi,
die mit Treponema cuniculi infizierten mit Treponema pallidum unter Her-
vorrufung von den fur jede Treponemenart charakteristischen Primaraffekten in 80 bis
85 Proz. infiziert werden konnten.“
Sie meinen, die Artverschiedenheit beider Spirochfiten dadurch sicher
doch bewiesen zu haben. — Ich achte es doch nicht ffir fiberflfissig, die
1. Versuchsreihe (Nachimpfung eines Kaninchens, das mit Syphilisstamm
des Speyer-Hauses unter die Skrotalhaut infiziert war, mit dem gleicheu
Kaninchenpassagevirus) nochmals zu wiederholen und dann ffir die
2. Impfung Virus eines anderen nicht verwandten Stammes wie bei der
1. Impfung zu verwenden. Wenn auch dann die Reinfektion nicht ge-
lingt, dann kann man die Resultate noch mehr wie jetzt als einen sehr
wertvollen Beitrag zur Identifizierung des Trepon. cuniculi be-
trachten. Die Identitatsfrage ist aber damit noch nicht gelost, denn
bekanntlich gibt es zwischen den Stfimmen von Treponema palli-
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Klarenbeek, Die Kaninchentreponemose.
75
Bum mehr oder weniger charakteristische Unterschiede. Man denke
z. B. an die Spontanfibertragung des Treponema pallidum mit dem
Koitus (Kolle und Ritz, 4); die experimentellen Untersuchungen von
Levaditi. Marie und Banu (5) mit Virus nerveux. Es diirfte dem-
aach doch schwer zu beweisen sein, daB Treponema cuniculi,
welches doch morphologisch und experimented viel Aehnlichkeit mit
Treponema pallidum besitzt, nicht ebenfalls eine Varietat des Trepo-
nema pallidum ist, welche sich dem Kaninchenorganismus angepaBt
hat. Eine solche Identitat wird z. B. von Lersey, Dorquet und Kuc-
zynsky (6) angenommen.
Sehr interessant wird die Identitfitsfrage, wenn man experimentellen
Impfungen beim Kaninchen und Affen mit Virus nerveux (Levaditi-
Marie-Banu) mit demjenigen mit Treponema cuniculi (2 und 3)
vergleicht. Die Unterschiede, welche man bei den Experimenten mit
Treponema cuniculi im Vergleich zu denjenigen von Treponema
pallidum erhalt, sind genau dieselben wie die mit „Virus neurotrope u .
Es gelang Levaditi die Uebertragung des Virus durch den Koitus
in 20—30 Tagen; es entstehen stets papulosquammose Lfisionen der
Perinealregion. Nach Inokulation in die Hoden und intraskrotal
treten niemals typische Primaraffekte, sondern nur oberflachliche Haut-
erosionen, genau wie bei Treponema cuniculi, auf. Das Trepo¬
nema pallidum (Virus nerveux) besitzt eine spezifische Affinitat zur
Epidermis. Die Inkubationsdauer ist ebenfalls lang; die Entzfindungen
heilen schwer. Die niederen Affen konnen nicht infiziert werden; auch
fur Menschen ist das Virus ungefahrlich. Es besteht feruer keine Im-
munitat bei „Impfung iibers Kreuz“ mit Truffi-Stammen.
Alle diese Eigenschaften hat auch das Virus der Kaninchenspiro-
chatose. (Die Ungefahrlichkeit dieses Virus fiir Menschen haben Leva¬
diti und Nicolai (7) an sich selbst demonstriert.) Meiner Ansicht
nach besteht demnach eine auffallende Gleichheit zwischen
dem Virus nerveux und dem Treponema cuniculi. Jahnel
hatte ebenfalls schon auf diese Tatsache hingewiesen (8). Seine aus-
fuhrlichen Bemerkungen, welche publiziert wurden, nachdem diese Ar¬
beit eingegangen war (9), konnten an dieser Stelle nicht mehr berfick-
sichtigt werden.
Kann man demnach heute annehmen, daB das Treponema cuni¬
culi und Treponema pallidum der Haut des Menschen mehr oder
weniger deutliche, ziemlich konstante Unterschiede im Tierexperiment
geben, so bleibt noch die Frage unbeantwortet, ob das „Virus nerveux 14
eine Sypbilisspirochate mit etwas modifizierten Eigenschaften ist, oder
eine nur beim Kaninchen vorkommende Spirochete und dann identisch
mitSpirochaeta cuniculi, welche zufalligerweise bei den Versuchen
tod Levaditi mit dem „Virus nerveux a des Menschen das Versuchs-
tier infiziert hat. Auch besteht noch die geringe Moglichkeit, daB die
beiden Spirochfiten nicht vollkommen identisch sind, sondern nur sehr
groBe Aehnlichkeit besitzen.
Zur Klarung dieser Frage sind neue Versuche mit neuem Material von
Paralytikern notig und mit Tieren, die einige Monate lang in Quaran¬
tine gehalten sind. Ebenfalls kann ein Vergleich der Impfung fibers
Kreuz von Virus neurotrope — Virus dermotrope einerseits und Virus
cuniculi — Virus dermotrope andererseits, ffir die Ditferenzierung
wichtig sein, wie auch von Jahnel schon bemerkt wurde.
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76
Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 1.
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Literatur.
1) Lore ey u. Kuczynsky, Berlin, kliu. Wochenschr. 1921. Nr. 25. — 2) K 1 aren*
beek, Centralbl. f. Bakt.Abt. I. Orig. Bd. 87. 1921. Heft 3; Tijdschr. v. Diergeneesk.
Dl. 48. 1921. Nr. 21.) — 3) Kolle, Kuppert u. Mobus, Arch. f. Dermat. u. Syph.
Bd. 135. 1921. — 4) Kolle u. Ritz, Derm. Zeitschr. Bd. 27. 1919. — 5) Levaditi,
Compt. rend, dee S6anc. de l’Acad. d. Sc. T. 157. 1913; Levaditi, Marie, Compt.
rend. d. S. de l'Acad. d. Sc. T. 158. 1914; Levaditi, Marie, Banu, Compt. rend,
d. S. de l’Acad. d. Sc. 1920. No. 17. — 6) Lersey, Dorquet, Kuczynsky, Berlin,
klin. Wochenschr. 1921. No. 21. — 7) Levaditi, Mario, Nicolai, Compt. rend,
d. S. de l’Acad. d. Sc. T. 172. 1921. — 8) Jahnel, Arch. f. Dermat. u. Syph. Bd. 135.
1921. S. 232. — 9) Jahnel, Zeitschr. f. Neurol, u. Psychiatric Bd. 73- Heft 1/3.
Naohdruc/t verboten.
Ueber die Verwendung von Salzen und Zucker zur Her-
stellung von Typhustrockenvakzin.
[Aus der Abteilung fiir Erforschung der Infektionskrankheiten des Chosen-
Gouvernement-General-Hospital iu Keijo.)
Von Dr. S. Chiba.
Schon Jenner, der Erfinder der Impfung mit humanisierter Lymphe, benutzte
zur Konservierung seines Impfmateriales die Trocknuug, indcm er Woil- und Seiden-
faden durch die erotfneten Impfpocken zog. Pasteur erweiterto uusere Erfahrungen
iiber diese Konservierung auf das Lyssavirus. Darauf machte Loeffler 1904 Unter-
suchungen uber getrocknete Bakterien, die er bis zur AbtStung erhitzte. Er stellte
dabei fest, dafi auch trockene, abgetotete Bakterien fahig waren, Autikorper zu erzeugen.
Diese Versuche wurden von Friedberger und Moreschi fortgesetzt und fiihrten
zur Verwendung von Typhusantigen zur Irnmunisierung des Menschen. 1909 stellte
dann Loe f f 1 er fest, daB alio Jmraunsera vorziiglich konserviert wurden, wenn man sie
in Wiirfelzucker trocknete. Sie waren darauf 1 Jahr lang gut loslich und wirksatn.
Liidke machte dann Versuche mit Choleravibrionen und Typhusbakterien, die er
1 Std. lang auf 55° C erhitzte, mit einigen Kubikzentiruetern physiol. Kochsalzlosung
dickfliissitr abschwemmte und darauf im Vakuum trocknete. Ihm selbst war schon die
schwere Verreibung des Antigens in der physiol. Kochsalzlosung aufgefallen.
Die Vakzine, die ich nach seiner und Loefflers Methode her-
stellte, zeigte sich als Suspension dein blolien Auge zwar als hornogene
Fliissigkeit, aber bei raikroskopischer Uiitersuchung waren zahlreicbe
Anhaufungen von Bakterien siehtbar Deshalb machte ich Versuche,
diese schlechte Suspeusionsfahigkeit zu vermeiden. Ich benutzte dazu
Zucker- und Salzlosungen, urn eine bessere Suspendierbarkeit der ge-
trockneten Vakzine zu bekommen. Bekanntlich setzen starke alkalische
und saure Losungen die antigeue Wirkung von Vakziuen herab. Von
den neutralen Salzen, die ich zu tneineni Versuch verwaudte, schied ich
zunachst die schadlich wirkenden aus. Ich verwaudte iinmer lproz.
Losungen fiir Typhusbakterien, die ich 1 Tag lang auf 55° C erhitzte.
Die geringe Abweichung in der antigenen Wirkung der Vakzine, die
ich darauf an Kaninchen ausprobierte, war daher iinmer auf die Salze
bzw. Zucker zuriickzufiihren, da ich unter denselben iibrigen Bedingungen
(55° C 1 Tag lang im Trockenschrank) schon mit physiol. Kochsalz
losung die antigenen Eigenschaften festgeskdlt hatte. Alle in folgendem
aufgefiihrten Salze und Zucker verursachten keine bedeutende Schadi-
gung der antigenen Eigenschaft der Typhusbakterien. Mit diesen Salz-
und Zuckerlosungen, wenn sie nicht 1 linger als 1 Tag lang auf 55° C
erhitzt waren, erhielt ich eine ungefii.hr gleiche antigene Wirkung wie
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Chiba, Salze und Zucker zur Herstellung von Typhustrockeuvakzin. 77
mit der 1-proz. Kochsalzlosung. Die angewandten Salze und Zucker
waren auch s&mtlich zu Aufschwemmungen wegen ihrer guten L8slich-
keit geeignet.
Zur Konservierung der Antigene wandte ich folgende Technik an:
Ich mischte 1 ccm 10-proz. Losung mit 0,1 g Typhusbakterien aus einer
l-t5gigen Kultur mit schwach alkalischera, festem Nahrboden und stellte
sie nach kurzem heftigen SchQtteln, das der Aufschwemmung ein kol-
loidahnliches Aussehen gab, 2 Std. in einen auf 55° C gehaltenen Trocken-
schrank. Darauf brachte ich das Antigen auf flachen Schalen 1 Tag
lang in einen Exsikkator, in dem sich wasserentziehende Mittel, wie
CaCL Oder konz. S0 4 H 2 , befanden. Mit diesen mit verschiedenen Salzeu
and Zuckern vorbehandelten Trockenvakzinen erhielt ich folgende Re-
sultate:
1) Kochsalz-Trockenvakzin: DasKochsalz kristallisierte beimTrocknen
im Exsikkator aus. Es war daher keine griindliche Durchmischung zu
erzielen. Deshalb schied es zur Verwendung als Trockenvakzin aus.
2) Kalziumhypophosphit-Trockenvakzin: Dieses Salz zeigte nach der
Erhitzung im Trockenschrank zahlreiche Zusammenballungen der Bak-
terien. Auch das Trockenpulver enthielt in gleichen Teilen sehr ver-
schiedene Mengen Bakterien. Es erwies sich daher als unbrauchbar.
3) Milchsaures Kalzium-Trockenvakzin: Hier zeigte sich nach dem
Erhitzen zwar eine kolloidahnliche Fliissigkeit. Die nach der Trock-
nung entstandene leicht flockige Masse machte es aber zur praktischen
Anwendung unbrauchbar. Aenderte man jedoch das Mengenverhaltnis,
so daB z. B. nur '/ 3 der Losung auf dieselbe Bakterienmasse kam, so
ergab sich ein hellgelbes Pulver von guter Konsistenz, das gut ver-
wendbar war.
4) Chlorkalzium-Trockenvakzin: Dieses Salz ergab eine kolloidahn¬
liche L5sung bei Bakterienmischung und nach dem Trocknen ein weiBes
Pulver, welches aber so hygroskopisch war, daB es schon nach kurzer
Zeit beim Stehen in offener Luft seinen Aggregatzustand iinderte und
allmAhlich flflssig wurde. Ich nahm daher, wie beim milchsauren Kal-
ziura, nur V 8 des Salzes und erhielt damit ein leicht gelbliches Pulver,
ilas zwar uoch etwas hygroskopisch war, aber lkngst nicht mehr in dem
MaBe wie vorher. Ich fiillte das schnell gewogene Pulver in braune,
sterile Ampullen und stellte diese 5 Tage in den Exsikkator. Jetzt
wurde zugeschmolzen. Um bei dieser Behandlung etwa hinzugetretene
Saprophyten zu t6ten, erhitzte ich nochmals 2 Std. auf 120° C mit
trockener Hitze.
Zum Gebrauch bei Menschen stellte ich dann immer Vakzinen mit
physiol. Kochsalzlosung her, die 0,2 Prom. Trockenpulver enthielten, und
zwar injizierte ich zuerst 0,1 mg Pulver in 0,5 ccm steriler pbysol. Koch¬
salzlosung subkutan und nach 5—7 Tagen die doppelte Dosis. Dabei
zeigten sich keine unangenehmen Nebenwirkungen von Bedeutung. Vor¬
her stellte ich naturlich Versuche an Tieren an. Das Pulver luelt sich
im Brutofen bei 37° C bisher 2 Jahre lang, ohne an seiner antigenen
Wirkung etwas einzubiifien. Ich glaubte daher, mit physiol Kochsalz¬
losung jede Konzentration herstellen zu konnen. Es wflrde sich auch
empfehlen, die physiol. Kochsalzlosung auf 60° C zu erwiirmen, um
^chneller eine Suspension zu bekommen. Das nicht gleich verwendete
'’akzin ist darauf noch monatelang bei Zusatz von Konservierungs-
niitteln. wie Karbol, Formalin etc. brauchbar. Zur besseren Berechnung
der Dosen verwandte ich praktisch das Verhaltnis der Bakterien zur
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. S8. Heft 1.
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Salzlosung so, daB auf 1,0 g Bakterien 0,3 g Kalziumchlorat entfielen.
Fur das daraus entsteheude Vakzinpulver ergab sich keine wesentlich
andere Eigenschaft.
5) Natriumbikarbonat-Trockenvakzin: Ini Trockenschrank entstand
bei diesem Salze eine dickschleimig-kolloidale Masse, welche ira Ex-
sikkator zu einer kornigen, brauulichen Masse zusammenschrumpfte.
Die Suspension dieser Masse gelang sehr schwer, so daB ich ihre Ver-
wendung nicht fiir vorteilhaft hielt.
6) Natriumkarbonat-Trockenvakzin: Dieses Trockenpulver wurde im
Exsikkator groBflockig und war uberhaupt nicht suspensionsfahig.
7) Natriumzitrat-Trockenvakzin: Im Trockenschrank wurde diese
Mischung eine homogene, kolloidale Fliissigkeit. Die im Exsikkator
erhaltene Substanz war von blaB-gelblicher Farbe und lag in diinnen
Bl&ttchen auf der Glasschale. Eine Suspension lieB sich damit sehr
leicht herstellen. Wegen der guten Lbslichkeit dieses Salzes versuchte
ich es, ein Trockenvakzin mit der halben Menge des Salzes zu benutzen.
Im Trockenschrank war diese Mischung ebenfalls von homogener, kol-
loidaler Beschaffenheit. Auch das hieraus sich ergebende Trockenvakzin
war sehr gut suspendierbar, die Farbe der Trockensubstanz mehr weiB-
lich. Ich fiillte das Pulver nach Wiigung in Ampullen, stellte diese
einige Tage in einen Exsikkator und schmolz darauf zu. Dann brachte
ich zur Sterilisation das Vakzinpulver 2 Std. in einen Trockenschrank
von 120° C, wobei es keine Veranderung erfuhr. Bei der Aufschwem-
mung in physiol. Kochsalzlosung war auch unter dem Mikroskop keine
Verklumpung der Bakterien festzustellen. Es handelte sich als urn eine
vorziigliche Bakterienemulsion. Zur Erprobung der immunisierenden
Eigenschaft dieses Pulvers injizierte ich 0,2 mg 10 gesunden Kaninchen
subkutan. Nach 7 Tagen zeigten die Blutsera Agglutinationstiter von
V 32 oo—Vf»4oo- Die bakteriziden Titer, die ich nach Pfeiffers Methode
feststellte, schwankten zwischen Vioo und Vsoo- Prophylaktisch wandte
ich dieses Vakzin bei ungefahr 50 Menschen an, und zwar injizierte ich
hier auch zuerst 0,1 mg Pulver in 0,5 ccm steriler physiol. Kochsalz-
losung subkutan und nach 5—7 Tagen die doppelte Dosis. Die Neben-
wirkungen, die sich darauf zeigten, waren sehr gering und noch weniger
auffallend, als bei dem nach Pfeiffer-Kolle auf 60° C l 1 /® Std. lang
behandelten Vakzin. Bei der Aufbewahrung im Brutofen bei 37 °C be-
hielt das Pulver seine iminunisierende Eigenschaft iiber 2 Jahre. Aus
diesem Grunde ist die Bereitstellung dieses Vakzins vorteilhaft fiir alle
die Falle, bei denen in kurzer Zeit viele Impfungen vorgenommen
werden miissen, wie z. B. beim plotzlichen Ausbruch von Epidemien
oder bei einer Mobilmachung. Dieses Vakzin unterscheidet sich zu
seinem Vorteil von bisher hergestellten, auBerdem dadurch, daB es
besser suspendierbar ist und wegen der geringen Menge, die zur Im-
munisierung notig ist, wenig Raum zur Aufbewahrung beansprucht.
AuBerdem ist es nicht so kostspielig, da es viel langer als fliissige Vak-
zine seine iminunisierende Eigenschaft beh< und nicht, wie diese, alle
0 Monate erneuert zu werden braucht. Da es gut transportabel und
leicht aufzubewahren ist, eignet es sich auch fur den Gebrauch des
praktischen Arztes.
8) Zucker-Trockenvakzine: Ich benutzte zur Herstellung Trauben-.
Rohr- und Milchzucker. Zuniichst entstand bei alien 3 Losungen nach
Entnahme aus dem Exsikkator eine gelbweiBliche Masse, die sehr leicht
loslich war. Alle zeigten jedoch bei der 2-stiind. Sterilisation im Trocken-
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Chiba, Verwendung der trockenen Hitze bei der Herstellung von Vakzinen. 79
sehrank von 120° C eine schwfirzlich-braune Farbe, da sich Karamel
gebildet hatte. Diese Massen waren natiirlich deswegen nicht zu ver-
wenden, denn der verbrannte Zucker ist absolut unloslich.
Ich stellte noch weitere Versuche fiber die Agglutinabilitfit der Vak-
zinpulver an. Alle bisher beschriebenen Pulver besaBen geringe ag-
glutinable Eigenschaft. Ich wfihlte nun deshalb ein anderes Verhfiltnis
ffir die Herstellung von Zucker-Trockenvakzin. indem ich 1,0 g Bakterieu
uiit 3 ccm einer 10-proz. Zuckerlosung mischte. Darauf lieB ich diese
Anfschwemmung einige Tage lang bei Zimmertemperatur stehen, nach-
dem ich einige Tropfen Formalin zugeffigt hatte. Bei der folgenden
Trocknung im Exsikkator e.rhielt ich tiefgelbe Blfittchen, 0,1 g davon
besaB sogar bei einer Vermischung mit 200 ccm physiol. Kochsalzlosung
fast dieselbe Agglutinabilitfit, wie frische Bakteriensuspensionen sie
zeigen. Das Pulver eignet sich daher vorztiglich zu diagnostischen
Zwecken. Seine Haltbarkeit und bequeme Handhabung macht es auch
ffir den praktischen Arzt brauchbar.
Dieselbe Methode wandte ich auch bei Choleravibrionen und Dys-
enteriebakterien (Shiga-Kruse) mit fast gleichem Resultate an.
SchluBbemerkung.
1) Von alien hier geschilderten Typhus-Trockenvakzinen zeigten
Chlorkalzium- und Natriumzitratvakzin die beste Konservierungsffihig-
keit, denn ihre antigene Eigenschaft nahm fiber 2 Jahre lang nicht ab.
— 2) Zu diagnostischen Zwecken eignet sich allein das ohne Hitze her-
gestellte Zucker-Trockenbakterienpulver (Traubenzucker). — 3) Die hier
geschilderte Herstellung von Typhus-Trockenvakzin ist mit demselben
Erfolge auch ffir andere Bakterien verwendbar.
Liter aturverzeichnis.
1) Loeffler, Ueber ein neuea Verfahren zur Gewinnung von Antikbrpern. (DUch.
med. Wochenechr. 1904. S. 1913.) — 2) Friedberger und Moreechi, Beitrag zur
aktiven Immunisierung dee Menschen gegen Typhus. (Dtsch. med. Wochenschr. 1906.
S. 1986.) — 3) Liidke, Ueber die Schutzimpfung bei Kriegsseuchen. (Med. Klinik.
1914. 8. 1611.
Nachdruck verboten.
Die Verwendung der trockenen Hitze bei der Herstellung
von Vakzinen (Typhus-, Dysenteriebakterien und Cholera¬
vibrionen).
[Aus der Abteilung fur Erforschung der Infektionskrankheiten des
Chosen-Gouvernement-General-IIospitals in Keijo.]
Von Dr. S. Chiba.
1. Vorbemerkung.
Die Methode der aktiven Immunisierung hat in der letzteu Zeit
-.ehr mannigfache Variationen angenommen. Besonders erstreckten sich
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80
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
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die vielen Versuche zur neuen Darstellung von Antigen auf die Be-
handluug der verschiedensten Impfmaterialien. Dabei wurden besonders
viele Impfstoffe als verwendbar gefunden, welclie aus Krankheitserregeru
ihren Ursprung haben und beim Menschen angewandt werden konnen.
also fur seine Schutzimpfung von Wichtigkeit sind.
Zuerst hatte Ferran (1884) mit Cholerabouillonkultur eine aktive Innuuuitat an
Menschen erzeugt; dann hatte der Versuch Haffkines (1895) einen groSen Erfoig
erlangt, der eine kiinstlich abgeschwachte Reinkultur (weak virus) subkutan verabreichte,
und, nachdein er die Virulenz der Choleravibrionen durch die Tierpassage erhoht hatte.
durch Injektion dieser hochvirulenten, lebenden Vibrionen (Virus fixe) beim Menschen
eine bestimmte Schutzkraft erzeugte. Wahrend viele Autoren die Immunitat von Tieren
und Menschen auf verschiedene Weise durch lebende Bakterien erforschten, hatte Kolle
mit abgetoteten Choleravibrionen die gleiche Immunitat beim Menschen erzielt. Auch
impfte Wright nach dem Vorschlage Haffkines Menschen gegen Typhus mit ab-
toteten Typhusbakterien. Dadurch gewann er auch eine bestimmte Schutzkraft gegen
Neuinfektion. Inzwischen hatte Pfeiffer und Kolle ihre ausgedehnten systemati-
schen Untersuchungen fiber Typhusschutzimpfungen am Menschen gemacht. Dabei
hatten sie ihren Impfstoff in der Weise behandelt, dafi die Typhusbakterien in der
Aufschwemmung einer physiol. Kochsalzlosung fiir mehrere Stunden einer Temperatur
von 56° C ausgesetzt wurden, um sie abzutoten. Zu erwiihnen ware noch der bak-
terienfreie Impfstoff nach Neisser und Shiga. Diese toteten Bakterien in physiol.
Kochsalzlosung durch Erhitzen auf 60° C und brachten sie nachher zur Autolyse be:
der Bewahrung im Brutofen. Danach filtrierten Bie mit Hilfe der Reichel-Kerze.
Dieses Filtrat war nach ihrer Angabe auch zur Schutzimpfung brauchbar. Ferner
werden die verschiedenen Extrakte von Bakterien, die sogenannten sensibilisierten Vak-
zine, die Oelseifenvakzine, die Jodvakzine, das eiweififreieTyphusvakzin nach W. Forne t,
das aus getrockneten Bakterien hergestellte Vakzinpulver und aus dem Extrakte der
Bakterien durch Trocknen gewonnene Vakzinpulver etc. zur aktiven Imraunisierung
gebraucht.
Weun man bei der Schutzimpfung ein Impfmaterial austvahlen will,
so muB man immer auf die folgenden 3 Punkte Riicksicht nehmen:
1) Keine Vermehrung ties Impfvirus in dem Korper des Geimpfteu
nach der Einverleibung des Impfstoffes, 2) moglichst geringe Neben-
wirkung, 3) eine bestimmte Schutzkraft nach Verabreichung.
Diese 3 Hauptbedingungen sind fiir die Prophylaxis dringend uotig.
wir miissen sie daher bei der Schutzimpfung gegen Infektionskrankheiten
beim Menschen beriicksichtigen. DemgemBB soli man ein lebendes Impf¬
material, wenn es auch avirulent ist, vermeiden, damit man keine Ver¬
mehrung des Virus im geimpften Korper hervorbringt. Wenn man
einen Impfstoff, welcher bei der Einverleibung keine Nebenwirkung zur
Folge hat und dabei dem Organismus eine sichere Schutzkraft verleiht,
bekommen kann, dann ist dieser Impfstoff sehr gut brauchbar. Leider
gibt es einen solchen bis heute nicht. Man soli also ruhig die geringe
Nebenwirkung dulden, wenn eine sichere Schutzkraft dabei erzielt wird.
Selbstverstandlich ist auch darauf Acht zu geben, ob ein Impfstoff'
einfach hergestellt werden kann, oder ob es sehr kostspielig und um-
standlich ist, ihn zu verfertigen. Die Herstelluug eines Impfstoffes aus
durch die Hitze abgetbteten Bakterien ist verhaltuismaBig einfach und
billig moglich. Man muB zwar bei Abtotung der Bakterien durch Hitze
immer die verschiedenen Suspensionsfliissigkeiten beriicksichtigen, was
aber keine besonderen Schwierigkeiten bietet. Die Abnahme'der Viru¬
lenz bei gleicher Hitzewirkung ist namlich in den verschiedenen Sus-
pensionsmedien nicht die gleiche. Ich unternahm folgende Versuche mit
Bakterien in physiol. Kochsalzlosung, und zwar, inwieweit sie durch
Hitze abgetbtet bzw. entwicklungsunfahig gemacht wurden.
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Chiba, Verwenduug <ler trockenen Hitze bei der Herstellung von Vakzinen. 81
II. Die Wirknng der Hitze auf die Entwieklangsfdhigkeit der
Bakterien.
Ich iuachte Versuche au Typhus- und Dysenteriebakterien (Shiga
und Kruse) UDd Choleravibrionen, welche schon fiber 1 Jahr lang in
meinem Laboratorium gezfichtet waren. Folgende Tabelle gibt Auskunft
daruber, in welchem Zeitpunkte und bei welcher Teraperatur die Ent-
wicklungsfahigkeit eintrat. Ich verwandte bei Typhus- und Dysenterie-
kulturen 3-proz. Agarnahrbfiden von schwacher Alkalitfit (1 Vol.-Proz.
einer 10-proz, Sodalosung) und bei der Cholerakultur einen solchen von
etwas st&rkerer Alkalitfit (3 Vol.-Proz. einer 10-proz. Sodalosung). Die
l-t&g. Kulturen dieser 3 Arten Bakterien von je 10 Oesen in je 5 ccm
steriler physiol. Kochsalzlosung wurden gleichm&Big aufgeschwemmt,
gleichzeitig in sterile Reagenzglaser mit Wattetampon eingegossen, mit
Gummimembran luftdicht verschlossen und die Reagenzglfiser dann in
ein theriuostabiles Wasserbad bis zu 2 /s eingetaucht. Zu bestimmten
Zeiten wnrde aus jedera Reagenzglase 1 Oese der Bakterienaufschwem-
raung herausgeholt. Die Lebensfahigkeit der so behandelten Bakterien
wnrde darauf an neuen geeigneten Kulturen ersichtlich geraacht.
Tabelle 1.
Wirkung der Hitze eines Wasserbades auf die En t w ickl u n gs f ahig -
keit der Bakterien.
Temperatur i Zeitdauer
Typhus-
bakterien
Dysenterie¬
bakterien
Cholera¬
vibrionen
45* C 7 Stunden
+ 1 )
+
+
12 „
+
+
- J )
1 Tag
+
+
2 Tage
+
+
—
2V, „
+
+
3 „
+
—
4 ,)
+
—
—
50° C | 1 Stunde
+
+
+
2 Stunden
+
+
+
3 „
+
+
—
4 •>
—
—
—
55° C 1 Stunde
+
+
—
17,
+
+
—
2 „
—
—
—
60° C 30 Minuten
+
+
+
1 Stunde
+
—
i 17, „
—
—
—
Aus obiger Tabelle ersieht man, daB die Bakterien bei 45° C zu
lange lebenstahig bleiben, urn als Impfmaterial Verwendung finden zu
konnen. Es ist daher bei der Impfstoffherstellung vorteilhaft, fiber 50° C
zu erhitzen. UeberlSBt man die Bakterien zu lange dieser hohen Tem-
peratur, oder erhitzt man auch nur kurze Zeit etwas stfirker, so zeigen
die Impfstoffe als Antigene viele Nachteile, wie schon von vielen For-
scbern konstatiert worden ist. Setzt man die Bakterien einer hohen
Temperatur lfingere Zeit aus, so werden die Impfstoffe ihrer antigenen
Beschaffenheit vollkommen beraubt. In dieser Hinsicht hielt ich es am
besten. bei der Herstellung der Vakzine durch Abtfitung von Hitze
1) + lebensfiihig. 2 ) — abgetdtet.
Krtte Abt Orig. Bd. 8H Heft 1. 6
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zwischen 50—60° zu bleibeu. Ich versuchte dalier, mit den mittleren
Graden (55° C) durch trockene Hitze eine Wirkung auf die Bakterien
auszufiben. Sie wurden alsdann auf ihre antigene Eigenschaft gepriift.
Dazu stellte ich eine in oben beschriebener Weise hergestellte Bakterien-
suspension in einen Trockenschrank von 55° C. Gleichzeitig stellte ich
dieselben Versuche mit Bakterien an, die ich auch einer 1-tag. Kultur
entnommen hatte, die ich aber in einem Wageflaschchen in den Trocken¬
schrank brachte. AuBerdem stellte ich noch eine ganze 1-tag. Kultur
als solche in den Schrank. Zur genauen Einhaltung der Temperatur
desTrockenschrankes benutzte ich den Lautenschlager schen Thermo¬
regulator und wandte als regulierendes Mittel jedoch nicht reineu Aether,
sondern, wegen der hohen Temperatur von 55 °C, die fiber dem Siede-
punkte des Aethers liegt, ein Gemisch aus 2 Teilen flfissigen Oeles und
1 Teil Aether an. Nach den angegebenen Zeiten wurden die Bakterien
aus den GefaBen herausgenommen und ihre Entwicklungsfahigkeit ge-
prtift. Dabei ergab sich folgendes Resultat:
Tabelle 2.
Entwicklungsfahigkeit im Trockenschrank von 55° C.
Arten der
Bakterien befinden sich
1 _
Wirkung nach dem Verlauf von titunden
Bakterien
I
1,5 | 2 |
3
4 !
L i
5
I 6
7
8
! ^
|
In der Kochsalzlosung
1
lyphus- 1
aufgeschwemrat
Im Wageflaschchen
+ ')
+
+
+
- ,j )
- i
—
_
—
—
bakterien 1
4-
+
+
+
+
+
—
- '
—
—
1
(
|lm festen Nahrboden
In der Kochsalzlosung
+
+
+
+
+
+
+
Dvsenterie-1
aufgeschwemmt
+
+
+ '
+
_
—
—
—
—
bakterien |
Im Wageflaschchen
+
+
+
—
—
— 1
—
—
l
f
Im festen Niihrboden
In der Kochsalzlosung
+
+
+
+
+
_
Cholera- 1
vibrionen |
aufgeschwemmt
'Im Wageflaschchen
+
+
+
—
_
z
z
1
i i
—
i
Im festen Nahrboden
+
- +
— i
—
—
1 —
—
—
Die bisher bei 55° C unternomraenen Versuche ergeben in kurzer
Zusammenfassung folgende Resultate:
Tabelle 8.
Arten der Bak¬
terien
Erhitzungsweise
Typhusbakterien j
Kochsalzlosung im Wasserbade
Kochsalzlosung im Trockenschrank
Wageflaschchen im Trockenschrank
Fester Nahrboden im Trockenschrank
|
Dysenteriebakterien |
Kochsalzlosung im Wasserbade
Kochsalzlosuug im Trockenschrank
Wageflaschchen im Trockenschrank
Fester Nahrboden im Trockenschrank
Choleravibrioneu j |
Kochsalzlosung im Wasserbade
Kochsalzlosung im Trockenschrank
Wageflaschchen im Trockenschrank
Fester Nahrboden im Trockenschrank
1) + lebensfiihig.
2) — abgctotet.
Zeitdauer der
Abtotung
2 Stunden
1 Stunde
2 Stunden
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Chiba, Verweudung der trockenen Hitze bei der Herstellung von Vakzinen. 83
Aus der Tabelle ergeben sich wesentliche Unterschiede in bezug
auf die Zeit, die erforderlich ist, um die Totung der Bakterien zu er-
zielen, je nachdem man im Trockenschrank oder ira Wasserbade erhitzt.
Die Erhitzung im Trockenschrank bedarf der doppelten Zeit bis zur
TStung. Namentlich die Typhusbakterien im festen Nahrboden bedurfen
zu ihrer Abtbtung die trockene Hitze viel lSngere Zeit als die in physiol.
Kochsalzldsung bei Wasserbaderhitzung. Bei den Dysenteriebakterien
und Choleravibrionen tindet man die gleichen Verhaltnisse; es wirkt
also bei der Abtotung im Trockenschrank die Hitze milder und lang-
samer auf die Bakterien ein als im Wasserbade. Es ist allbekannt und
wird von den meisten Forschern bestatigt, daB man im allgemeinen das
Verfahren wahlt, das in relativ kurzer Zeit bei niedriger Temperatur
gerade noch die Abtotung herbeifuhrt. Dieses geschieht mit RUcksicht
auf die Entwertung des Antigens durch Erhitzen, die um so starker
sein muB, je hdher die Temperatur ist und je langer sie einwirkt.
Ferner ist im allgemeinen anerkannt, daB die kurzdauernde Anwendung
relativ holier Temperatur gewohnlich das Antigen starker zerstort als
die langere Einwirkung der niederen Abtotungstemperatur, daB aber die
zu langdauernde Anwendung sogar bei relativ niedriger Temperatur
auch das Antigen schadigt. Daher muB man einen Mittelweg nehmen:
Ich erweiterte jetzt meine Untersuchungen bei den verschiedenen, durch
trockene Hitze abgetoteten Bakterien, insbesondere in bezug auf ihre
toxischen und antigenen (agglutinogenen) Eigenschaften.
III. Agglutinogcne Eigenschaft der Typhusbakterien nach Erhitzen
bei verschiedener Temperatur und Zeitdauer.
Friedberger und Moreschi stellten fest, daB bei wenig wirk-
samem Antigen allgemein die Antikorperbildung proportional der Menge
des injizierten Impfstoffes ist. Benutzt man aber wirksame Antigene,
so wird diese Abhangigkeit von der Impfstoffmenge aufgehoben und
kleine Dosen bewirken auch recht hohe Antikbrperproduktion. Dieses
gilt aber nur fur die intravendse Injektion. Da bei der Massenimpfung
am Menschen diese zu umstandlich und nicht ungefahrlich ist, benutzte
ich bei meinen folgenden Versuchen immer eine einmalige subkutane
Injektion, und zwar von 2 mg Bakterien. Auf folgender Tabelle ist
ersichtlich gemacht, welchen Einflufi Temperatur und Zeit auf die ag-
glutinogene Eigenschaft der Typhusbakterien haben. Der Versuch
besteht daraus, daB Typhusbakterien aus 1-tBgiger Kultur vom festen
Nahrboden abgenommen, in physiologischer Kochsalzlosung gleichmBBig
aufgeschwemmt und dann in ein Wasserbad getaucht wurdeu. Die
Bakterien wurden dabei genau abgewogen, so daB sie 2 Proz. der Auf-
schwemmung ausmachten. Nach dem Verlaufe der angegebenen Zeiten
wurden die Aufschwemmungen, die je 2 mg Bakterien enthielten, als
Antigen einem Paar gesunder Kaninchen von mittelm&Bigem Kdrper-
gewichte subkutan eingeimpft. Vorher wurden die Kaninchen, die bei
25-facher Verdiinnung ihres Blutserums noch eine gewisse Agglutina-
tionsfahigkeit zeigten, ausgeschlossen. 1 Woche nach der Injektion
wurde das Blut abgenommen und sein Agglutinationstiter gemessen.
Bei der Untersuchung der Agglutination brauchte ich denselben Bak-
terienstamm, welchen ich bei der Antigenherstellung verwendet hatte.
Dabei habe ich immer aus 1-tSgigen Kulturen frische, lebende Bakterien-
suspensionen mit physiol. Koehsalzlosung hergestellt und verwendet.
6 ’
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84
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Die Bakterien, die sich 0,2-proz. in physiol. Kochsalzlosung befanden.
wurden mit dem durch physiol. Kochsalzlosung verdiinnten Serum ver-
mischt und nach 2 Std. langer Wirkung im Brutofen wurde der Ag-
glutinationstiter bestimmt.
Tabelle 4.
Wirkung der Wasserbadhitze auf die agglutinogene Eigenschaft
der Typhuebakterien.
Nummer
der Ka-
Erhitztes
Antigen auf
Serum verdiinnung
ninchen
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4
1 Tag lang :
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5
60° C
+ +
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—
6
3 Tage lang
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+
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7
60° C
+ +
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—
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8
7 Tage lang
+
+
+
—
—
—
—
1
—
9
70° C
+ + +
+ +
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+
+
+
—
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10
1 Tag lang
+ + +
+ +
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—
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—
11
80° C
+ + +
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4" +
+
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—
12
6 Std. lang
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—
13
100° C
+ + +
+ +
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14
30 Min. lang
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100 ° c
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17
100° C
+
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—
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18
1 3 Std. lang
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—
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—
—
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| —
—
Zeichenerlauterung: + + + Komplette Agglutination; Suspensionsfliissigkeit ganz
klar. ++ Mafiige Agglutination; iiberwiegender Teil der Bakterien in Flockenbildung,
SuBpensionsfliiseigkeit nicht ganz klar. + Schwache Agglutination; teilweise Bakterien
richer agglutiniert, aber Suspension^!iissigkeit auch noch getriibt.
Natiirlich zeigten die zur Kontrolle in Kochsalzlosung suspendierten
Bakterien keine Agglutinationsphanomene. Aus dieser Tabelle wird es
einerseits klar, daB das IV 2 Std. lang auf 60° C erhitzte Typhusantigen
die starkste agglutinogene Eigenschaft besitzt und bei noch liingerem
Erhitzen mit gleicher Temperatur allmahlich seine agglutinogene Eigen¬
schaft verliert. Aber selbst noch nach 7 Tagen waren bei dieser Tem-
peratur die Agglutinogene festzustellen. Selbst beim Erhitzen auf 100° C
erhalt man noch nach 30 Min. eine ziemlich gute agglutinogene Be-
schaffenheit, die jedoch nach 3-stfind. Kochen fast vollstandig ver-
schwunden ist.
IV. Antigene Eigenschaft und ToxizitUt der Typhusbakterien,
welehe durch trockene Hitze abgetdtet werden.
Im obigen Versuche stellte ich fest, daB das Typhusantigen, welches
I 1 /* Std. lang einer Temperatur von 60° C im Wasserbad ausgesetzt wurde.
die beste agglutinogene Eigenschaft besitzt. Dieses Antigen verglich
ich mit einem anderen, welches durch trockene Hitze von 55° C be-
handelt wurde, in bezug auf Toxizitat und antigene Eigenschaft. Wie bei
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Chiba, Verwendung der trockenen Hitze bei der Herstellung von Vakzinen. $5
der unter II besprochenen Methode, wurde einerseits die Typhuskultur
selbst, andererseits eine aus dieser Kultur abgenommene Bakterienmasse
tin ein Wageflaschchen eingelegt) im Trockenschrank von 55° C ver-
wahrt. Nach Verlauf einer auf der Tabelle sichtbaren Zeitdauer wurden
je 2 mg Bakterien einem Paar gesunder Kaninchen wie bei obigem
Versuche subkutan eingeimpft. 7 Tage nach der Injektion zeigten die
Blutsera folgende Agglutinationstiter:
Tabelle 5.
Wirkung der trockenen Hitze von 55° C auf die agglutinogene
Eigenschaft der Ty phusbakterien.
Nummer
■ler Ka-
Erbitztes
Antigen auf
Serum verdiinnung
ninchen
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Kultur
+ + +
+ +
+
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—
Zeichenerklarung wie bei Tabelle 4.
Wenn man dieses Resultat mit dem in Tab. 4 ersichtlichen ver-
gleicht, so wird man leicht erkennen, daft die agglutinogene Eigenschaft
des Antigens vom Kaninchen Nr. 1 u. 2 in Tab. 4 fast dieselbe ist,
welche das im Trockenschrank von 55° C 1 Tag lang aufbewahrte An¬
tigen besitzt. Natiirlich hat das im Trockenschrank 3 Tage lang be-
wahrte Antigen eine schwachere agglutinogene Eigenschaft als das nur
24 Std. im Trockenschrank befindliche. Ich probierte noch die passive
Schutzkraft der Blutsera, welche die Kaninchen Nr. 1, 2, 3, 4 auf dieser
Tab. und Nr. 1, 2 auf Tab. 4 lieferten. Dabei ging ich nach der Pfeiffer-
schen Methode vor und injizierte Meerschweinchen von 250 g KSrper-
gewicht mit diesen Kaninchenseren das 5-fache der Dosis let. min. Hier
fand ich bei alien 6 Kaninchen in bezug auf ihren bakteriziden Titer
keinen Unterschied. Ich verglich darauf noch wochentlich lmal in den
folgenden 3 Mon. die Agglutinationstiter der Blutsera von den zur Er-
probung der antigenen Eigenschaft gebrauchten Kaninchen. Es fanden
sich aber keine Unterschiede gegeniiber den bisher festgestellten Tatsachen.
Des weiteren machte ich Versuche in bezug auf die toxische Wirkung
von Typhusbakterien, die ich 1 Tag lang trockener Hitze (55° C) aus-
gesetzt hatte. Ich verglich die erhalteneToxizitat mit denjenigen Bakterien,
die in physiol. Kochsalzldsung bei 60° C im Wasserbad 1,5 Std. lang
gestanden hatten. Die auf diese 2 Arten erhaltenen Impfmaterialien
iinpfte ich jungen Kaninchen von 800 g Korpergew. subkutan ein, fand
aber keine kuBerlichen Unterschiede, denn alle blieben ganz gesund.
Dann injizierte ich neuen jungen Kaninchen je 20 mg abgetoteter Bak¬
terien intraperitoneal, konnte aber auch hier keinen Unterschied der
Wirkung der Impfmaterialien nachweisen. W’eiter injizierte ich die auf
obige Weise behandelten Bakterien jungen Meerschweinchen von 150 g
KSrpergew. subkutan Oder intraperitoneal, ohne einen Unterschied ihrer
ToxizitSt zu finden. Gibt man aber jungen Kaninchen und Meerschweinchen
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intravenos relativ groBe Dosen abgetoteter Bakterien, so kann man eiue
etwas geringere toxische Wirkung der Bakterien erkennen, welche durch
die trockene Hitze behandelt wurden. Dieser geringe Unterscbied ist
jedoch kaum beweisend, da Faktoren wie Disposition usw. das Resultat
beeintiussen. Zieinlich gut aber zeigten Mduse diesen Unterschied. Die
Dosis let. min. des zu obigen Versuchen verwandten Bakterienstammes
betrug 0,4 mg fur Meerschweinchen von 250 g Korpergewicht und
0,05 mg fur eine 12 g schwere Maus. In der folgenden Tabelle, die die
Verhaltnisse der Toxizitat der aufgefiihrten Impfmaterialien deutlich macht.
sind Miiuse von einem Korpergew. von 10—12 g verwandt. Die in der
Tabelle sichtbaren Dosen waren immer in einer 0,4 ccm betragenden
physiol. Kochsalzlosung enthalten und wurden intraperitoneal injiziert.
Diese toxische Wirkung beobachtete ich 4 Tage lang mit folgendein
Resultat:
Tabelle 6.
Toxische Wirkung der Vakzine auf Mause.
Typhusbakterien,
welche in physio-
logischer Kochsalz- !
losung im Wasser- 1
bad von 60 0 C
1 ‘/ 3 Std. lang be¬
wahrt wurden
welche im Wage-
flaschchen im
Trockenschrank
von 55® C 1 Tag'
lang bewahrt wur-
wurden
welche im festen
Nahrboden im j
Trockenschrank |
von 55° C 1 Tag
lang bewahrt wur¬
den
Dosis
Korpergewicht
der Mause
Zustand nach
1 Tag
2 Tagen
3 Tagen
4 Tagen
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Hieraus ist ersichtlich, daB die Typhusbakterien, welche bei 55° C
1 Tag lang im Trockenschrank aufbewahrt wurden, gegen Mause halb
so giftig sind, wie die Typhusbakterien, welche in physiol. Kochsalz¬
losung I 1 /* Std. lang im Wasserbade bei 60° C blieben. Wenn man
das jetzt gefundene Resultat mit dem zusammenfaBt, daB die antigenen
Wirkungen der Typhusbakterien (im obigen Versucbe) zeigt, so kommt
man zu dem Schlusse, daB die Typhusbakterien, die in festen Nahrboden
oder im Wageflaschchen durch 1-tagige Aufbewahrung bei 55° C im
Trockenschrank behandelt wurden, zwar dieselbe agglutinogene und
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Chiba, Verwendung der trockeneu Hitze bei der Herstellung von Vakzinen. 87
bakteriolysinogene Eigenschaft, aber nicht so grofie Giftigkeit gegen
Mause besitzen, wie die Typhusbakterien, die in physiol. Kochsalzlosung
im Wasserbad von 60° C IV 2 Std. lang aufbewahrt worden sind. Das
Ergebnis ist also bis auf den Unterschied in der toxischen Wirkung
analog dem, das ich bei dem Versuche in bezug auf die antigene Eigen¬
schaft bei den Kaninchen, welche ich lmal subkutan iinpfte (Tab. 4 u. 5),
erhalten babe.
Ich achtete auch auf etwaige lokale Entzundungsprozesse. Dabei
injizierte ich 0,2 ccm Bakterienaufschwemmung aus physiol. Kochsalz¬
losung (Bakteriengehalt 1,0 mg) jungen Kaninchen intrakutan, nachdem
ihre Bauchhaut vorher gut depiliert worden war. Bei den durch trockene
Hitze behandelten Typhusbakterien war die entzflndliche Rotung und
Schwellnng nicht so ausgepragt wie bei den im Wasserbad behandelten.
Am nachsten Morgen konnte ich bei beiden eine kleine Rotung und
Anschwellung von der GroBe eines Kreises mit ca. 2 cm Durchm. kon-
statieren, welche nach 2 Tagen wieder verschwanden. Ich glaube also,
daB auch die nach meiner Methode im Trockenschranke 1 Tag lang er-
hitzten Typhusbakterien keinen starken lokalen Reiz besonders ver-
ursachen.
Weiter stellte ich vergleichende Versuche an zwischen agglutino-
genen Eigenschaften 2er Antigene, die ich 6 Mon. im Eisschrank mit
Zasatz von 0,5 Proz. Phenol aufbewahrt hatte. Hier ergaben sich keine
Unterschiede, die durch die vorangegangene verschiedene Behandlung
im Trockenschrank oder Wasserbad moglich gewesen waren.
V. Prophylaktische Anwendung.
Es gelang nun, nachzuweisen, daB die durch trockene Hitze 1 Tag
lang behandelten Typhusbakterien zur prophylaktischen Behandlung des
Menschen verwendbar sind. Ich injizierte mir dabei selbst dieses Typhus-
vakzin. Die Herstellung des Impfmaterials erfolgte in der Weise, daB
ich die Typhusbakterien, welche auf die friiher beschriebene Weise im
Trockenschrank erhitzt waren, in steriler physiol. Kochsalzlosung auf-
schwemmte und zur Konservierung 0,5-proz. Karbol hinzufilgte. Die
Vakzine hielt ich 1-promillig, ,daB also 1 mg Bakterien sich immer in
1 ccm Aufschwemmung befand. Das Vakzin rflhrte von demselbeu
Bakterienstamme her, von welchem das Material gewonnen wurde, das
zur Prflfung der toxischen Wirkung (den Mausen und Kaninchen) diente.
Bei der Massenherstellung der Vakzine ist es nach meinen Er-
fahrungen vorteilhaft, Trockenschrank und WSgeflischchen zu benutzen,
and zwar aus folgenden Griinden:
1) Die Wageflaschchen erfordern weniger Platz als feste Nahrbdden,
so daB man mit kleineren Trockenschr&nken auskommt.
2) Erhitzung im Wasserbad bringt insofern groBe Schwierigkeiten
mit sich, als man das GefaB zuschmelzen muB, um iiberall gleich hohe
Temperaturen zu erlangen. Beim Trockenschrank laBt sich dies sehr
leicht bewerkstelligen.
3) Die im Trockenschrank gewesenen Bakterien sind leichter suspen-
sierbar als frische Bakterienmasse. Letztere muB man erst langere Zeit
schOtteln, um eine gute Suspension herzustellen.
Bei Benutzung der Wageflaschchen, die natflrlich steril sein mtissen,
ist es vorteilhaft, solche mit einem Volumen von ca. 30 ccm zu ver-
wenden und ungefahr mit 20—25 g Bakterienmasse zu fallen. Zu
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88
Ceutralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 1.
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empfehlen ist aufierdem, die Masse mit 4—5 ccm steriler physiol. Koch-
salzlosung zu iibergieCen. Dadurch verhindert man eine vorzeitige Aus-
trocknung der am oberen Rande des GefaBes befindlichen Bakterien und
erhalt ein Material, das gleichm&Big in seiner Wirkung ist. Nach 24 Std.
wird der Bakterienmasse eine sterile physiol. Kochsalzlosung, die das
lOfache betrfigt, zugefugt und darauf mit steriler Gaze filtriert. Die
so erhaltene Vakzine kann man dann zu jeder gewiinschten Konzentration
verdflnnen.
Ich begann an mir mit einer subkulanen Injektion von '/ s ccm eines 1-prom.
Vakzins und stellte nach 1 Woche einen Agglutinationstiter von 1:80 und einen bak
teriziden Titer von 1:50 feet. Die nach der Injektion auftretenden Nebenwirkungen
waren nicht bedeutend. Es traten leichte lokale Schmerzen bei der Bewegung des T>e-
treffenden Armes und eine geringe itotung. aber keine Anschwellung an der Impfstelle
auf. Die regioniiren Lymphdriisen waren weder schmerzhaft. noch geschwollen. Die
Temperatur stieg nach 8 Std. bis auf 37,2 0 C. war aber nach weiteren 6 Std. wieder
auf die norraaleHohe von 36,5 °C gesunken. Wahreud der Zeit, in der die Temperatur
erhoht war, bestanden auBer geringem Druckgefiihl in der Schlafengegend keine lastigen
Beschwerden wie Mattigkeit Oder Frost. 7 Tage darauf machte ich eine doppelt so
groBe Injektion. Hierbei fiihlte ich mich ungefahr 10 Std. matt, die lokale Schmerz-
haftigkeit hielt 24 Std. an, aber im ubrigen bestanden auch hier keine lastigen Neben-
wirkungen. Nach 7 Tagen war der Agglutinationstiter meines Blutserums auf 1 :800,
der bakterizide Titer auf 1: 100 gestiegen. Die guten Resultate, die ich bei mir ge-
wonneu hatte, ermutigten mich, bei 10 Frauen dieselben Versuche anzustellen. Es
zeigten sich dabei nach 2 Std. bei 7 Geimpften Korpertemperaturen zwischen 37 und
38 u C. Die Nebenwirkungen bei den 1. und 2. Injektionen zeigten keine bedeutenden
Unterschiede, die erhohten Temperaturen hielten zwischen 10 und 24 Std. an, dauerten
aber bei keiner langere Zeit. 2 Frauen zeigten sogar iiberhaupt keine Temperatur-
erhohung. Nur 1 ging bis auf 38,5° C hinauf, was aber darauf zuriickzufiihren war.
dafi sie gerade menstruierte. Bei der 2. Injektion von 1 ccm hatte diese Frau auch
wieder 38,4 0 C Kdrpertemperatur, was diesmal daran lag, daB sie nach der Injektion
sich korperlich sehr angestrengt hatte.
Ueber heftige Kopfschmerzen wurde von keiner Geimpften geklagt. Sie gaben
nur ein Druckgefiihl in der Schlafengegend an, das aber nur kurze Ziit bestand. Es
trat auch keine Mattigkeit von Bedeutung auf, welche die Arbeitsfahigkeit der Frauen
gestort hiitte.
Auch Appetitverminderung und Erbrechen zeigten sich nicht. Nur 2 Frauen
klagten einmai liber Nausea. Diese beiden gaben aber schon friiher Anzeigen erhohter
Empfindlichkeit.
Alle klagten iiber geringe Schmerzen an der Impfstelle besonders bei Bewegungen
der Glieder der geimpften Seite. Die Schmerzen warden nach 24 Std. allmahlich ge-
ringer und waren binnen 2 Tagen bei alien verschwunden. Ebenso geschah es mit der
leichten Rotung an der Impfstelle.
Ueber Anschwellung Oder Druckschmerzhaftigkeit der regioniiren Lymphdriisen
wurden koine Klagen gefiihrt.
Die agglutinierende und bakterizide Wirkung der Blutsera, die ich 1 Woche nach
der 2. Injektion (Impfung) ent.nahm. war folgende:
Der Agglutinationstiter schwankte zwischeu 1 : 400 und 1 :3200. Am haufigsten
betrug er 1:800—1:1600. Der bakterizide Titer bewegte sich zwischen 1 :50 und
1 :1000. Hier waren die moisten Titer von der Starke 1:100-1 :500.
Im Laufe der naehsten 2 Jahre impfle ich ungcfiihr 500 Personen. Von diesen
Personen erkrankte 1 Frau an Typhus, die lmal geimpft worden war, l /? Jahr nach
der Injektion. Der Verlauf dieser Krankheit war aber sehr leicht. Die Patientin hatte
nur 14 Tage lang Fieber, dabei niemals iiber 38,5° C. Im An>-chluS daran bekam die
Pat. cine Cystitis mit 14tiigigem remittierendem Fieber. 6 Wochen nach der Typhus-
erkrankung wurde sie geheilt entlassen. Die prophylaktische Wirkung ist daraus an-
zunehmen, daB von den 50000 Personen der Stadt jiihrlich durchschnittlich 100 an
Typhus erkrankten. Zur absoluten Sicherstellung der Wirkung des Impfmaterials sind
natiirlich noch Impfungen in weit groBerem Umfange notig.
VI. CholeraTakzin.
Ein analoger Versuch zur Herstellung eines Choleravakzins zeigte
den Vorteil einer Trockenerhitzung im Wagetiaschchen vor der Erhitzung
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Chiba, Verwendung der trockenen Hitze bei der Herstellung von Vakzinen. yy
des festen Nahrbodens. Dieser war uach 8-stiindig. Stehen im Trocken-
schrank so ausgetrocknet, daB wegen zahlreicher Verklumpungen sich
eine Suspension nur BuBerst scliwer herstellen lieB. Ich verglich darauf
die Wirkung des mit dein Wiigeflaschchen in den Trockenschrank (55° C
1 Tag lang) gestellten Vakzins mit dem im Wasserbad (60° C l 1 /* Std.)
erhitzten und erbielt dabei folgendes Resultat:
Es ergaben sich keine Unterschiede in der toxischen Wirkung der
beiden Impfmaterialien. Sie zeigten sich an Kaninchen, Meerscbweinchen
wie Mausen immer ungiftig. Die Dosis letalis min. des Choleravibrionen-
stammes, den ich zu vorigem Versuch gebraucbt hatte, betrug beim Meer-
schweinchen von 200 g Korpergewicht intraperitoneal 0,2 mg. In der
agglutinogenen Wirkung zeigte sich aucb bier kein bedeutender Unter-
schied bei beiden Antigenen, genau wie bei den Typhusvakzinen. Die
unterscbiedliche Herstellungsweise der beiden Vakzine kam in keiner
ihrer antigenen Wirkungen zuin Ausdruck. Einmalige subkutane In-
jektion von 2 mg beider Antigene erzeugte bei Kaninchen von mittlerem
Korpergewicht Sera mit einem Agglutinationstiter von 1:800—1:1600.
Die passive Schutzkraft dieser Kaninchensera war aucb gleicli. Ich be-
nutzte dazu Meerschweinchen von 150 g Korpergewicht. Die Kaninchen¬
sera zeigten hier bakterizide Titer von 1 :100.
Bei der Massenherstellung des Choleravakzins gelangte ich zu dem
Ergebnis, dad auch hier, wie beim Typhusvakzin, die Erhitzung im Wage-
llaschchen und Trockenschrank aus den angefiihrten Griinden am guustigsten
ist. Ich benutzte hier 1-tagige Kulturen auf festen Nahrboden von 3-proz.
Alkalitat einer 10 proz. Sodalosung. Das Choleravakzin stellte ich so
her, daB 1,5 mg Vibrionen auf 1 ccm entfielen. Zur Konservierung
fugte ich auch 0,5 Proz. Phenol hinzu.
Fur die prophylaktische Anwendung beim Menschen wurden zuerst
1 ccm, uach 5—7 Tagen 2 ccm injiziert. Von Ernie Juli bis zum Oktober
1019 wurden 350000 Personen mit diesem Vakzin bei einer grofien
Choleraepidemie in Korea geimpft. Bei der nkchstjahrigen Epidemie
(vom Juli bis November 1920) stieg die Zalil der Geimpften auf 1500000.
Ueber die Erfolge und Nebenwirkungen an samtlichen Geimpften konnte
natQrlich kein zusammenfassendes Resultat aufgestellt werden. Ich hfirte
bis jetzt noch niemals von einer bedeutenden Nebenwirkung. Nach
meinen Beobachtungen stellten sich immer nur geringfiigige Erscheinuugen
ein. wie leichte Rotung an der Impfstelle, lokale Schmerzhaftigkeit, manch-
mal geringe Temperatursteigerungen und geringes Druckgeftihl im Schadel.
Ein Anhaltspunkt fiir die prophylaktische Wirkung dieser Schutz-
impfung ergibt sich aus den Erfahrungen, die ich in Tinnanpo, einer
Stadt von 30000 Einwohnern, machte. Hier befindet sich eine Eisen-
fabrik, die 10000 Arbeiter beschaftigt. Im August 1919 drohte in der
Stadt eine Choleraepidemie aulzutreten. Von den Bewohnern. die mit
einem Vakzin nicht geimptt waren. erkrankten iiber 300 an Cholera,
von den Fabrikarbeitern, die obiges Vakzin erhielten. aber keiner. Aller-
dings ist das Resultat meiner Impfung nicht absolut sicher, weil die
Fabrik, in der ich meirie Impfungen vornahm, noch auBerdem (lurch
Qbliche prophylaktische MaBnahmen gleichzeitig geschiitzt war.
VII. Dysentcricvakzln.
DieselbeMethode wandte ich auch bei der Herstellung des Dysenterie-
vakzins an. Die Dosis letalis min. bei Kaninchen von 2000 g Korper¬
gewicht betrug 0,04 mg intravenos. Wie beim Typhusvakzin, versuchte
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ich, nach der 1. subkutaneu Injektion die agglutinogene und toxische
Wirkung festzustellen. Ich brauchte zn diesem Versuche nur kraftige
und gesunde Kaninchen und schlofi auch die trachtigen Tiere aus.
Tabelle 7.
Vergleiehende Tabelle iiber die Wirkung der Dysenterievakzine
nach feuchter und trockener Hitzebehandlung.
Nummer der
Kaninchen
1
2
3
4 5
6
7
8
9
10
Korpergewicht
der Kaninchen
2150
2070
1080
1900
1810
2200
2100
2000
1870
1800
Antigen
Ira Wasserbad behandelte
Dysenteriebakterien
Im Trockenschrank behandelte
Dysenteriebakterien
Injektionsdosis
(subkutan)
1 mg 1 mg
1
0,4 mg 0,4 mg
0,4 mg
2 mg 2 mg
1 mg
1 mg
1 mg
Folge nach der
Injektion
tot am nach-
sten Tage
lebt
lebt
lebt
tot am nach- lebt
sten Tage !
lebt
lebt
Keines der iiberlebenden Tiere zeigte nach 7 Tagen der Injektion
eine Agglutination
Injektionsdosis in¬
travenos am 10.
Tage nach der
1. Injektion
0,1 mg 0,1 mg
0,2 mg
0,5 mg
0,5 rag
1,0 mg
Folge der intra-
venosen Injekt.
ge-
sund
ge -
sunci
tot am
niichst.
Tage
ge-
sund
ge-
sund
tot am
nachst.
Tage
Agglutinations-
titer der Blutsera
der iiberlebenden
Kaninchen am 7.
Tage nach der
2. Injektion
7,.-
7*6 +
760 -
7,6
+++
760
+ +
7l00 +
7,00 +
1 /<00
7*6
+++
l /so
++
7100 +
/, 00
Zeichenerklarung wie bei Tabelle 4.
Bei dent im Wasserbad hergestellten Vakzin konnte ich bis zum
7. Tage nach der 1. Injektion keine agglutinogene Wirkung feststellen.
Dasselbe war bei dem im Trockenschrank hergestellten Vakzin der Fall.
Kaninchen No. 1 und 2, die 1 mg des im Wasserbad behandelten Vak-
zins injiziert erhielten, starben nach 1 Tage; von der Dosis 0,4 mg ab
blieben sie am Leben. Demgegeniiber tritt die unterschiedliche toxische
Wirkung des Trockenschrankvakzins hervor. Die Kaninchen, welche
hiervon 1 mg injiziert erhielten, lebten weiter. Der Tod trat bei diesem
Vakzin erst nach einer Dosis von 2 mg ein. Ich injizierte nach 10 Tagen
den lebend gebliebenen Kaninchen intravenos lebende Bakterien in der
Menge von 1,0 und 0,1 mg. Bei den mit Wasserbadvakzin vorbehandelten
Kaninchen trat der Tod schon nach einer Dosis von 0,2 mg ein. Lebens-
fahig blieben sie erst bei einer Injektion von 0,1 mg Bakterien. Die
Immunitat war also hier um das 2-fache gestiegen. Die mit dem Trocken-
schrankvakzin vorbehandelten Kaninchen zeigten eine viel hohere Immu¬
nitat gegen lebende Bakterien, indent sie bei der Dosis von 0,5 mg
leben blieben, also mindestens das 12-fache der Dosis letalis min. er-
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Ch ba, Verwendung der trockenen Hitze bei der Herstellung von Vakzinen. 91
trugen. Der Tod trat hier erst bei einer Injektion von 1 mg ein. DaB
die mit dem Trockenschrankvakzin geimpften Kaninchen eine groBere
Menge lebender Bakterien, in die Vene injiziert, ertrugen, erklart sicli
daraus, daB dieses Vakzin nicht so groBe toxische Wirkung wie das
Wasserbadvakzin besaB. Deshalb konnte auch bei der 1. Injektion eine
groBere Dosis von Trockenschrankvakzin verabfolgt werden. 7 Tage
nach der Injektion der lebenden Dysenteriebakterien nalun ich bei den
noch Qberlebenden Kaninchen Blut ab. Von den beiden mit Wasser¬
badvakzin geimpften Kaninchen zeigte das Serum des einen uberhaupt
keinen Agglutinationstiter, das andere einen von der GroBe 1 :25. Die
beiden Kaninchen mit dem Trockenschrankvakzin dagegen zeigten Agglu¬
tinationstiter von 1:100 und 1: 200. Die Herstellung des Dysenterie-
vakzins erfolgte nach derselben Methode wie beim Typhusvakzin. Zur
Feststellung der Agglutination bei den mit Dysenterievakzin geimpften
Kaninchen stellte ich jedoch die Sera 1 Tag lang in den Brutofen.
wahrend sie beim Typhusversuch nur 2 Std. dort aufgestellt wurden.
Die im Trockenschrank behandelten Dysenteriebakterien eignen sich
vorzuglich zur Herstellung eines diagnostischen Serums. Der Tierver-
lust %ist hierbei sehr gering und auBerdem ist das Serum schon nach
2—3 Wochen fertiggestellt. Bei der Herstellung des diagnostischen
Serums zeigte sich wieder der Vorteil der Trockenschrankbakterien vor
den im Wasserbade behandelten. Bei ersteren waren nach der Injektion
des Vakzins nur 2 Impfungen mit lebenden Bakterien in den Dosen
0,5 und 1,0 mg notwendig. Dem Wasserbadvakzin dagegen muBten 4
bis 6 Impfungen mit lebenden Bakterien folgen, da nicht so groBe
Dosen gegeben werden konnten. Dies hatte neben dem Verlust an
Zeit noch den Nachteil, daB dabei viele Tiere starben. Das hier be-
scbriebene diagnostische Serum kann auch vollkommen das nach der
Simultanmethode hergestellte vertreten. Besonders empfiehlt sich eine
Anwendung dann, wenn daS bei der Simultanimpfung erforderliche Im-
mnnserum nicht erh<lich ist.
Anhang: Dieselbe Methode verwandte ich auch zur Herstellung von
Coli- und Gonokokkenvakzinen. Dabei benutzte ich die Bakterien aus
den Patienten selbst. Die Anwendung geschah zu therapeutischen
Zwecken. Es zeigten sich dabei wenig Nebenwirkungen und der Erfolg
war immer derart, daB ich glaube, daB die hier geschilderte Behandlung
der Bakterien sich auch zur Herstellung therapeutischer Vakzine gut
eignet. Besonders bei subakuter und chronischer Cystitis und Adnex-
erkrankungen waren auf diese Weise gute Erfolge mit den Autovak-
zinen zu erreicben. Nach meiner Meinung ist die geschilderte Technik
fhr alle durch Hitze abgetbteten Bakterien zu therapeutischen wie auch
prophylaktischen Zwecken verwendbar.
Zusammenfassung.
1) Allgemein gelangte ich durch diese Versuche zu dem Ergebnis,
daB 24-stflnd. Hitze im Trockenschrank von 55° C bei der Herstellung
der Antigene vor der D/z-sttind. Erhitzung im Wasserbade von 60° C
den Vorzug hat. Zwar ergaben sich bei den beiden Typhusantigenen
keine Unterschiede in bezug auf ihre agglutinogene und bakteriolysogene
Wirkung, auch ihre Schutzkraft und Haltbarkeit war im wesentlichen
dieselbe. Doch wegeu der geringen toxischen Wirkung ist das mit
trockener Hitze hergestellte Vakzin aus Grtinden der Sicherheit vorzu-
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ziehen, denn besonders die Versuche an den Miiusen stellten klar, daB
das Trockenschrankvakzin geringe toxische Wirkung hatte.
2) Choleravakzine zeigten in keiner Beziehung Unterschiede. Da
sicli jedoch bei der zahlreichen Verwendung des Trockenschrankvakzins
keine Naehteile gezeigt haben, halte ich meine Methode fur vorteilhaft.
3) Fur die Dysenteriebakterien ergab sich bei der trockenen TIitze
noch der Vorteil, daft man bei den Kanincheu mit Trockenschrankvakzin
schneller eine hohere Immunitat erzeugen konnte. Aus denselben Griin-
den ist auch bei Herstellung von diagnostischen Dysenterieseren der
trockenen Hitze der Vorzug zu geben.
4) Im iibrigen spricht auch die bequemere Herstellung fiir die An-
wendung der trockenen Hitze. Meine weitereu Versuche mit Coli- und
Gonokokkenvakzin lassen mich annehmen, daB die trockene Hitze auch fiir
die Herstellung von Vakzinen aus anderen Bakterien verwendbar ist.
Liter aturverzeichnung-.
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und A. v. Wassermann. 2. Aufl. Bd. 2, 1.) — 2) Ficker, Methoden der aktiven
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thoden der Antikorperdarstellung. (Ebenda.) — 4) Fornet, Immunitat bei Typhus.
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Rod. Koch. Jena 1903.) — 24) Friedberger u. Moreschi, Vergleich. Untersuchung
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Ziegen. (Ebenda. Bd. 11. 1911.) — 31) Reitter u. Silberstein, Vergleich. Unter-
suchungen iiber die Antikorperproduktion durch verschiedenartig dargestellte AntigeneJ
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Typhus- und Choleraschutzimpfung. (Ebenda. 1916.) — 35) Patzschke, Walter,
L eber die Wideistandsfahigkeit von Bakterien gegeniiber hohen Tempcraturen und das
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Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 66. 1917.) — 37) Htassano, Die Bestimmung der Abtotuugs-
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tuiBigen Erwarmung der Flussigkeit ungenaue Resultate. (Ebemla. Abt. I. Ref. Bd. 67.
1S18.) — 39) Vincent, Resultats de la vaccination antityphoidique aux armces pen¬
dant la guerre. (Ebenda. Abt. I. Ref. Bd. 69. 1918.) — 39) Mollers, Die keimfreie
H ers tel lung und Aufbewahrung von Impfstoffen, besonders von Blutimpfstoffen. (Ebenda.
Abt. I. Orig. Bd. 82. 1918.) — 40) Friedberger, Zur Fragc der Typhus- und Cho-
leraachutzimpfung. I. Mitt. (Zeitschr. f. Immunitatsforsch. Orig. Bd. 28. 1919.) —
41) Marbais, Vaccinotherapie sp6cifique dans la dysent^rie bacillaire. (Centralbl. f.
Bakt. Abt. I. Rtf. Bd. 70. 1919.) — 42) Ciildemeister u. Gunther, Ueber die
Am-salzbarkeit von Bakterien durch Magnesiumsulfat. (Ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 83.
1919.) — 43) Della Vida, Levi, M., Mezzi fisici e chimici da prsceglirsi nella pre-
parazione dei vaccini batterici. (Ebenda. Abt. I. Ref. Bd. 71. 1920.) — 44) Siera-
towski, St an is law, Ueber die Einwirkung verschiedener Methoden der Impfstoff-
bereitung auf den Agglutinationstiter der gegen Cholera und Typhus Schutzgeimpften.
i Ebenda. Orig. Bd. 84. 1920.)
Nachdruck verboten.
Lackmusmolke aus Magermilchpulver.
(Aus dem Stiidt. Hygieu. Universitatsinstitut Frankfurt a. M. (Direktor:
Geh. Medizinalrat Prof. Dr. M. Neisser).]
Von K. Vlerling.
Die Selbstherstellung der Lackmusmolke nach Petruschky ist mit
groBen Schwierigkeiten verkniipft. Man findet daher fast iiberall in der
Literatur den Hinweis auf die Firma Kahlbaura. Ihr Praparat ent-
sjiracb, abgesehen von dem hohen Preise, nicht immer unseren An-
spruchen: 1) Rotung und kautn sichtbare Trubung von Typhus- und
Paratyphus A-Bazillen innerhalb 24 Std., 2) Rotung und Trubung von
Paratyphus B in 24 und Umschlag in blau nach 48—72 Std., 3) Rotung
und schwache Trubung der Colitis-Gruppe Braun in 24 Std. und
allniahlicher Umschlag in blau nach 2—-4 Tagen.
1912 gab Seitz einen Ersatz der Lackmusmolke an, der leider nur
fur wissenschaftliche Zwecke brauchbar ist. Fur die medizinischen
Untersuchungen erfolgen die Farbenumschlage zu laugsam. Auf An-
regung von Herrn Gelleimrat Neisser wurde daher versucht, aus
Magermilchjiulver'), hergestellt nach dem K r a u s e - Verfahren, Lack-
Diusmolke zu rnachen.
Milchpulver ist lange Zeit haltbar und verhiiltnismaBig gleichmaBig
in seiner Zusaipmensetzung. Geringe Schwankungen erklaren sich durch
Verwendung verschieden alten Rohmaterials. Sie sind bei der Herstel-
lung der Molke, wie wir noch sehen werdeu, zu berucksichtigen. Der
Preis des Magermilchpulvers betriigt zurzeit M. 40,— fur das Kilogramm.
1) Magcrmilch wird im Vakuum auf l / 4 ihres Volums eingedampft, sodann durch
►ehnell sich drehende Scheiben in feinste Teilchen zerstaubt, die durch einen heifien
Luftstrom augenblicklich getrocknet werdcn. Hersteller: Rohstofftrockuungsgesellschaft
Frankfurt a. M., Marienstr. 7.
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Da sich hieraus ungef&hr 20 1 Lackmusmolke herstellen lassen, ist die
Selbstherstellung derselben fur die Laboratorien lohnend. Die oben
aufgestellten Bedingungen werden, wie sich aus der Beobachtungszeit
von mehreren Monaten ergab, erfiillt.
Herstellung der Lackmusmolke.
30 g Magerinilchpulver werden in 200 ccm destillierten VVassers
unter Erwarmen auf dem VVasserbade gelost. Zur Ausfallung des Ka-
seins setzt man 4 ccm 18-proz. Chlorkalziumlosung zu uud erhitzt
40 Min. im Dampftopfe. Zur Entfernung des iiberschussigen Chlor-
kalziums gibt man 2 ccm n-Sodalosung zu und erhitzt nochmals 25 Min.
Das Kasein hat sich von der in den meisten Fallen klaren Molke ge-
trennt. Filtration durch Faltenfilter, leichtes Auspressen des Kasein -
klumpens mittels Tuches. Zu starkes Driicken erzeugt Triibungen. Ist
die Molke nicht klar geworden, so wird sie durch eine mit aufgeweichten
Filterpapierschnitzeln beschickte Nutsche mehrmals filtriert 1 ). Durch
Zusatz von 150 ccm dest. Wassers und 150 ccm physiol. Kochsalzlosung
ftillt man auf 500 ccm auf und setzt 0,02—0,03 g Pepton Witte zu. Zweck
des Peptonzusatzes ist Beschleunigung des Farbenumschlags. (Entstehung
alkalisch reagierender Stoffwechselprodukte.) Nach 30-min. Sterilisieren 2 )
gibt man 20—30 ccm sterile Lackmustinktur Kahlbaum mit steriler
Pipette zu. Einstellung des Farbtons mit n/ 10 Soda oder Milchsaure.
Da bei dem nachfolgenden kurzen Sterilisieren der Farbton sich etwas
gegen blau verSndert, stellt man die Molke etwas roter ein. Je 5 ccm
ftillt man steril in sterile Reagenzglaser ein und sterilisiert 5 Min. nach.
Die Reagenzglaser, die, wenn moglich, aus Jenaer Glas bestehen oder
l&ngere Zeit in Gebrauch gewesen sein miissen, werden folgendermafien
vorbereitet: In jedes Glas kommen ungefahr 10 mg kohlensauren Kalkes.
1 Std. Sterilisieren im Trockenschrank (120—140°). Eine Temperatur
von 180°, wie sie in manchen Laboratorien zum Sterilisieren von Glas
angewandt wird, ist unstatthaft. Praktisch geht erst bei 800° die Spal-
tung von CaCO s in CaO und C0 2 vor sich, jedoch geniigen auch die
bei niederer Temperatur entstehenden Spuren von CaO, um ein Blau-
werden der Molke zu veranlassen. Durch den Kalkzusatz soli iiber-
schiissige Saure neutralisiert werden. Der Milchzucker des verwendeten
Pulvers ist mehr oder weniger in Galaktose uud Glukose gespalten.
Diese beiden Monosen sind die Hauptquellen der Saurebildung. Ist
viel Milchzucker gespalten, so wird auch viel Saure gebildet und das
aus Pepton und zitronensauren Salzen gebildete Alkali geniigt nicht zur
Neutralisation derselben. Ein Farbenumschlag wird also nicht oder nur
sehr spat eintreten. Der vorhandene kohlensaure Kalk stumpft den
Saureiiberschufi ab und ermoglicht so einen rechtzeitigen Umschlag.
Die Rotung der Molke wird nicht beeintrachtigt. In manchen Fallen
wurde auch ohne Kalkzusatz rechtzeitiger Umschlag erzielt.
Literatnr.
1) Petruschky, Bakteriochemische Untersuchungen. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I.
Bd. 6. 1889. S. 625, 657.) — 2) Seitz, Die Lackmusmolke als differentialdiagnostisches
Hilfsmittel. (Zeitschr. f. Hvg. Bd. 71. 1912. S. 405.)
1) Blank ist die Molke dadurch nicht zu bekommen. Um dies zu erreichen, stellt
man sie fur 3—5 Tage in den Eisschrank. Von dem sich bildenden festen Bodensatz
wird sie in steriles GefaB gegossen und weiter verarbeitet.
2) Haufig trfibt sich dabei die Fliissigkeit. Man stellt sie dann fiber Nacht in
den Eisschrank. Filtrieren ist unstatthaft.
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Zorn, Die quantitative Ueberlegenheit der Leuchtbildmethode.
95
Nachdruck verbotcn
Die quantitative Ueberlegenheit der Leuchtbildmethode
nach Hoffmann gegentiber der Hellfeldbetrachtung von
Tbc.-Bazillen.
[Aus dem Hygiene-Institut der Universitat Greifswald (Direktor: Prof.
Dr. E. Fried berger).J
Von Dr. Werner Zorn.
Bis jetzt besitzen wir kaum eine Methode der farberischen Dar-
stellnng von Bakterien, die zur Auffindung sparlicher Bazillen geeigneter
wire als die Ehrlich-Ziehl-Neelsensche Methode 1 ) des Nach-
weises der Tuberkelbazillen im Sputum. Erscheint doch hier der Bazillus
in ausgesprochener Kontrastf&rbung zu dem iibrigen Substrat. Gleich-
wohl bedingt das vereinzelte Vorkommen und die teilweise schwache Farb-
stoffaufnahme der saurefesten Bazillen sowie ihre Feiuheit, daB sp&rliche
Individuen leicht iibersehen werden. So hat es nicht an Methoden gefehlt,
rein farberisch schon die Tuberkelbazillen noch deutlicher zur Darstellung
zu bringen, um auch einzelne Individuen im mikroskopischen Praparat
schnell und sicher aufzufinden. Es seien nur die Verfahreu von Gasis-
Telemann, Kronberger, Unna Pappenheim, Czaplewski,
Kueppe, Gab bet, Kiihne, Herman, Frei, Konrich erwahnt.
Auch die Heranziehung zahlreicher Hilfsverfahren zur Anreicherung,
wie die Sedimentierungsverfahren, vor allem das Antiformifiverfahren
von Uhlenhuth, zeigt die Schwierigkeiten, die hier bestehen. So muB
man in mikroskopisch negativen, aber klinisch verdachtigen Fallen immer
wieder auf den Tierversuch zurtickgreifen, der die, freilich sichere, Ent-
scheidung erst sp&t liefert und auBerdem heute wegen des Preises und
der Notwendigkeit einer unter Umsttinden langen Haltung des Versuchs-
tieres sich teuer stellt. Es muBte deshalb jede neue Methode zur Erleich-
terung des mikroskopischen Tuberkelbazillenuachweises willkommen sein.
Das Leuchtbildverfahren von Hoffmann 2 ), das zu diesem Zweck
empfohlen wurde, hat auBerdem den Vorteil, daB es an demselben PrS-
parat auch die Aufsuchung der Tuberkelbazillen gefarbt, sei es vorher
oder nachher, rait der tiblichen Kontrastfiirbung ermoglicht.
Schon Hoffmann, Reining 3 ), Silberstein*), Oelze 5 ), Ficker' ; )
u. a. haben dies Verfahren empfohlen. Bei Silberstein als erstem
lindet sich eine kurze Angabe Uber die quantitative Ueberlegenheit der
Leuchtmittelmethode gegentiber dem Hellfeld bei der Betrachtung von
Tuberkelbazillen. Auf 122 Bazillen im Dunkelfeld fand er 39 im Hell¬
feld, das ist ein Verhaltnis von 3:1. Da diese Zahlen recht klein sind,
1) Die von Konrich scheint ihr ebenbiirtig zu sein (siehe Kornblum, Ver-
gjeichende Untersuchungen der Farbemethoden zuni Nachweis von Tuberkelbazillen).
(Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. 1921. H. 1.)
2) Hoffmann, Dtsch. med. Wochenschr. 1921. Nr. 3; Berlin, klin. Wochenschr.
1921. Nr. 4. 3) Keining, Miinchen. med. Wochenschr. 1921. Nr. 5 u. 15.
4) Silberstein, Dtsch. med. Wochenschr. 1921. Nr. 27.
5) Oelze, Munchen. med. Wochenschr. 1921. Nr. 5.
6) Ficker, Dtsch. med. Wochenschr. 1921. Nr. 11.
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war es erwiinscht, in groBerem Urafange moglichst genaue quantitative,
vergleichende Untersuchungen anzustellen.
Zu diesem Zwecke benutzte ich etwa 50 nach Ziehl-Neelsen
gefarbte Sputumausstriche folgendermaBen: In jedein Praparat wurden
durchschnittlich 3—4 Stellen gesucht, die in jedem Gesichtsfeld etwa
5—10 Tuberkelbazillen zeigten. Dann wurde der Objekttr&ger mit
2 Klaimnern auf dem Objekttisch befestigt und dieser unter standigem
Hineinsehen ins Mikroskop in eiuer bestimmten Zeit (10 Min.) um 360
Grad gedreht, wodurch ein ringformiges Gesichtsfeld abgesucht wurde.
Jedes dieser Felder wurde vergleichend einmal im Ilellfeld, einmal im
Duukelfeld beobachtet. Um fiir beide Untersuchungsarten genau gleicbe
Bedingungen zu haben, wurde das 1. Gesichtsfeld im Hell-, dann im
Dunkelfeld, das 2. umgekehrt im Dunkel-, dann Hellfeld untersucht.
Benutzt wurde der L e i t zsche Dunkelteldkondensor mit Trichterblende,
der durch Herunterschrauben ein gutes Ilellfeld ergibt, das allerdings, wie
schon Reining betont, als nicht dem gewohnlichen Hellfeld ganz gleich-
wertig anzusehen ist. Als Objektiv diente die Zeisssche Oelimmers. l /i 2
N.Ap. 1,30, als Okul. Zeiss-Okul. Nr. 2 und mitunter .Kompensations-
okulare. Das Licht wurde von einer Leitzschen Liliputlampe gespeudet und
die Beleuchtungsstarke durch eine halbgeolte Glasscheibe reguliert, auf
deren gute Dienste bereits ebenfalls Reining aufmerksam gemacht hat.
Bei Durchuntersuchung gleich groBer Flachen, wie sie meine Ver-
suchsanordnung gew&hrleistete, wurden 1495 Tuberkelbazillen im Hell¬
feld und 3301 im Dunkelfeld gezahlt, das bedeutet eine Ueberlegenheit
des Dunkelfeldes von 2,2:1. Bei Silberstein war das Verh<nis
3:1. Meine Werte diirften aber wohl wegen der unvveit grofieren Zahl
tier durchgez&hlten Bazillen die richtigeren sein.
Die Leuchtbildmethode erwies sich also mehr als doppelt iiberlegen.
Das bestatigen auch meine sonstigen Erfahrungen bei der Untersuchung
der Tbc.-Sputa im hiesigen Untersucliungsamt, wo die vergleichende
Untersuchung seit mehreren Monaten eingefiihrt ist. Wiederholt gelang
es mir, Tbc.-Bazillen im Dunkelfeld nachzuweisen, wo die Betrachtung
im Hellfeld negativ verlaufeu war.
Inhalt
Bachmann, W., Ein Fall von Actino-
my ces-Vnrietat. Mitl Abb. im Text, S.6.
Boskamp, Erwin, Uebcr Bau, Lebens-
wcise und systematische Steilung von
Selenomonas palpitans (Simons).
Mit 1 Tafel und 3 Abbild. im Text, S. 58.
Chiba, S., Ueber die Verweudung von
kaizen und Zucker zur Herstellung von
Typhuatrockenvakzin, S. 76.
-, Die Verwendung der trockenen Hitze
bei der Herstellung von Vakzinen (Ty¬
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Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena.
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Centralbl. f. Bakt etc. I. AbL Originate. Bd. 88. Heft 2.
Ansgegeben am 13. April 1922.
Nachdruck verboton.
Ueber die Wendigkeit der Kolonieauslaufer des Bacillus
mycoides.
(„lsomerie“ bei Bakterien.)
[Aus dem St&dt. Hygienischen Universit&tsinstitut in Frankfurt a. M.
(Direktor: Geheimrat Prof. Dr. M. Neifier).]
Von Dr. med. Alfons Gersbach, Assistent am Institut.
Zu den charakteristischsten Kolonienformen von Bakterien gehOrt
wohl die des Bacillus mycoides (Fltlgge), der nach der Beobach-
tung von M. Neifier ein Wachstum in stets einseitswendigen Spiralen
aufweist.
E. Pringsheim, der friihere Mitarbeiter Neifiers, hat eine
Reihe von Versuchen zur Deutung dieses Phanomens angestellt und
hat darliber in einer Mitteilung berichtet 1 ). Wir haben die Prings-
heimschen Versuche noch einmal aufgegriffen und nach mancher Seite
hin erganzt; aber auch heute fehlt uns eine befriedigende Erkl&rung
ftir die geschilderte Erscheinung.
Seiner Gestalt nach ist der Bacillus mycoides oder Wurzel-
bazillus ein grampositives, plumpes Stabchen, das die Eigenschaft hat,
in langen Ketten sich anzuordnen. Er bildet Sporen. Man kann ihn aus
jeder Gartenerdeprobe ztichten, auch gelingt es leicht, ihn aus der Luft
auf offenstehenden Agarplatten aufzufangen. Auf einer Agarplatte, in
deren Mitte man mit einer Nadelspitze punktffirmig etwas Kultur auf-
impft, kann man schon nach 2 Tagen eine kleine Kolonie sehen mit
feiuen Aestchen, die alle nach links gerichtet sind. Im Laufe der
nachsten Tage wllchst die Kolonie zu einer stattlichen Grfifie aus und
bedeckt zuletzt die ganze Agarplatte. Die Linksdrehung, die bei jungen
Kulturen wohl schon sichtbar, aber noch nicht sehr scharf ausgepragt
ist, wird beim Weiterwachsen immer deutlicher. Die Temperatur hat
einen sicheren Einflufi auf die Bildung der Kolonien. Am besten ent-
wickeln sie sich bei Zimmertemperatur, schlechter bei 37 °.
Welches sind die Krafte, die den Kolonienverastelungen stets die-
selbe einheitliche Richtung geben? Es lag nahe, Spannungen innerhalb
der Agarplatte daftir verantwortlich zu machen. Man kann sich gut
vorstellen, dafi durch das gleichmafiige Schwenken beim Plattengiefien
Spannungen im Agar entstehen, die in dieser Schwenkungsrichtung
verlaufen. und die die feiuen Aestchen der Kolonien bei ihrem Wachstum
gewissermafien stets in dasselbe spiralig verlaufende Geleise hinein-
zwingen. Dieser Annahme suchten wir zu begegnen, indem wir 2 Agar¬
platten direkt hintereinander gossen und versuchten, durch gleichzeitigcs
Schwenken mit der linken und der rechten Hand bis zum Erstarren
des Agars — wenn iiberhaupt spiralige Spannungen zurUckbleiben —
■hnen 2 verschieden gerichtete Spannungsspiralen einzupragen. Eine
1) Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 48. 1918.
Km* Abt. Orig. Bd. 88. Heft 2. 7
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 2.
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Beinipfung der Platten ergab aber dasselbe deutliche Linkswachstum
sowohl auf der mit der recbten wie auf der mit der linken Hand ge.-
schwenkten Platte. Das sprach gegen die Annahme, dafl Spanmmgen
im Agar die Ursache des Wachstums sein konnen. Ein anderer Ver-
such scliien uns dieses Ergebnis noch sicherer zu gestalten. Wir gossen
Agar bis zum Rand in eine kleine Petri -Schale, in ein sogenanntcs
Kartoffelschalchen, und gaben der Schale bis zum Erstarren des Agars
ausgesprochene Linksschwenkungen. Dann stellten wir die kleine Agar-
plattc in eine groBere Petri-Schale und filllten den noch freibleiben
den Teil derselben, der einen Ring urn die kleine Schale bildete, eben
falls mit Agar bis zum Rande und gaben dann der groBen Schale
mitsamt der in ihr stchenden kleinen Scliale eine ausgesprochene Rechts-
drehung bis zum Erstarren des Agars. Wtirden Spannungen im Agar
das merkwiirdige Wachstum des Mycoides veranlassen, dann hatte
er vom Zentrum der kleinen Schale aus, in das wir ihn punktformig
aufimpften, zuerst in Linksspiralen wachsen miissen, dann aber von
dein Augcnblick an, wo seine Faden den auBeren, konzentrischen Teil
der Agarplatte erreichten, sich nacli rechts wenden miissen. Dies tat
er aber nicht, sondern wuchs im zentralen wie im peripheren Teil der
Platte in eindeutigen Linksspiralen. Vollstandig haben wir etwaige
Spannungen im Agar als Ursache ftlr die Wachstumsform ausgeschaltet
durch folgenden Versuch: Wir gossen in iiblicher Weise eine Agar¬
platte, verfliissigten sic im Dampftopf wieder, nahmen sie dann
vorsichtig heraus, und lieBen sie wieder erstarren. Durch diese Ver-
suchsanordnung muBten etwa vorhandene Agarspannungen sicher be-
seiligt werden. Die nachfolgende Beimpfung auf diese, jeder Span-
nuug bare Platte ergab jedoch wieder deutliche Linksdrehung. Nun
such ten wir noch auf verschiedenste Weise eine Abweichung des ur-
sprtinglich beobachtetcn Verhaltens zu erzwingen. Wir impften, wie
Pringsheim es schon tat, mit der rechten und mit der linken Hand
sowohl senkrecht von oben, als aucli schrag. Aber auch dann wurde
stets das frtiher beobachtete Verhalten konstatiert. Auch war es gleicli-
gtiltig, ob wir den Impfstrich gerade oder nach rechts oder nach links
gekrummt auszogen.
Wir hatten bisher das Wachstum der Kolonien nur auf gewohn-
licliem Agar beobachtet. Wir wandten uns nun der Frage zu, ob
eine Ver&nderung in der Zusammensetzung des Nahrbodens einen Ein-
fluB auf die Erscheinung haben konne. Auf Traubenzucker- und
Milchzuckeragarplatten beobachteten wir das gleiche Verhalten wie auf
Agar. Auf En do - Agarplatten ging das Wachstum zwar etwas lang
samer vor sich, aber die Linksdrehung war auch hier deutlich wahr-
nehnibar. Ungeeignet erwiesen sich Loeffler-Serumplatten. Die
stark verdauenden Eigenschaften des Bakteriums machten ein Beob-
acliten der Kolonien mehrere Tage hindurch unmoglich. Es lag natiirlicb
nahe, zu priifen, ob wir bei dem Bacillus mycoides ahnliche Be-
obachtungen machen konnen, wie beim Proteus-Bazillus, d. h. wenn
wir das Bakterium auf einen Karbolsiiure enthaltenden Nahrboden
setzen. Bei den Protens-Bazillen sieht man, nach den Versuclien von
H. Braun und Salomon 1 ), daB bei Anwesenlieit von 1-Prom. Kar
bolsaure im Agar das Schwarmen, also das Ausscndcn von kleinen
Fhden, aufhbrt. Genau das gleiche sahen wir aucli beim Mycoides.
1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 82. 1919.
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Gersbach. Die Wendigkeit der Kolonieauslaufer des Bac. mycoides. 99
Alierdings vertrug er eine Karbolsauremenge von 1 Prom, noch sehr
gut. Auf diesem Nahrboden sehen wir noch besonders schones Wachs-
tum in JLinksspiralen, dagegen wurde bei 17 2 -prom. Karbolagar das
Wachstum schon deutlich gehemmt, und auf 2-prom. Karbolagar fand
flberhaupt keine Bildung von Zweigen und Aestchen mehr statt, von
Linksdrehung natUrlich ganz zu schweigen. Alle diese Untersuchungen
brachten uns einer Aufklarung des inerkwUrdigen Waclistums enter
gfinstigen Bedingungen nicht naher, wenn sie auch zu beweisen schienen,
dafi es keine innerhalb der Agarschale gelegenen Krafte sind, die
den Drebungssinn des Bakteriums beeinflussen.
Um zu priifen, wie weit Krafte von auBen, z. B. die Schwer-
kraft, in Frage kommen, haben wir nach der Pringsheimschen Anord-
nung unsere beimpften Platten sowohl mit Deckel nach oben wie nach
unteu oder auch mit senkrechter Agarflache aufgestellt. Aber auch
diese Versuche konnten nicht hindern, dafi die Aeste der Kolonie ihr
Linkswachstum bcibehielten. Die Frage, wie die linksspiralige Kolonie
weiterwachsen wird, wenn man auf einer neuen Agarplatte ein ge-
treues Spiegelbild von ihr sich herstellt* verlockte zu einem neuen
Versuch. Wir klatschten eine etwa 3-tagige Kolonie mit deutlich
ausgesprochenen Linksspiralen auf einer neuen Agarplatte ab, und er-
bielten nach 2 Tagen eine Kolonie mit deutlichen Rechtsdren ungen,
genau von der GroBe der abgeklatschten Kolonie. Beim Weiterwachsen
un Laufe der nachsten Tage behielten die nun zum 1. Mai rechts-
gerichteten Spiralen ihre Richtung nicht bei, sondern bogen alle wieder,
wie von einer magischen Kraft gezogen, nach links ab. Also nichts
vermochte, das Bakterium von dem von ihm nun einmal als richtig
erkannten linksgerichteten Wege auf Abwege nach rechts zu verfilhren.
Alle diese Ergebnisse sprechen filr die Annahme, daB im Bakterium
selbs: liegende EinflUsse die genannten Erscheinungen bedingen. Ver¬
suche, mittels der sogenannten intravitalen F&rbung einen feineren Bau
des Zelleibcs, vielleicht einen spiralig angeordneten Achsenfaden zu er-
kennen, fuhrten zu keinem Resultat. Jedoch sahen wir bei dieser Fiirbe-
methodo sehr schbn, wie die Verastelungen und die Verzweigungen der
Kolonien zustande kommen. Zur Farbung bedienten wir uns einer
Mctliylenblaulosung 1:1000. Wir sahen ganze Verb&nde von Ketten,
die aus dicht hintereinander gelagerten Stabchen bestanden. In gewissen
Abstanden sah man, daB sich ein Stabchen in seiner Reihe quer gelegt
hatte, das dann Ausgangspunkt eines neuen Zweiges wurde. Diese
Zweige verlassen die Hauptkette aber stets in derselben Richtung.
Einen feineren Bau des Zelleibes selbst haben wir allerdings mit dieser
Methodc nicht erkennen konnen.
Es bleibt nur noch fibrin;, wie Pringsheim es schon ausgesprochen
bat, an spiralig verlaufende Nahrstoffstrbmungen innerhalb
des Bakterienleibes zu denken.
Es liegt natUrlich auBerordentlich nahe, an ahnliche merkwUrdige
Erscheinungen in der Pflanzenphysiologie, an den Tropismus gewisser
Schlingpflanzen, zu denken, unter denen es links- und rechtswendige gibt.
N'euerdings machte Boas 1 ) darauf aufmerksam, daB auch verschiedene
Pilzkulturen ganz ahnliche Erscheinungen spiraligen Wachstums auf-
weisen wie der Bacillus mycoides. So teilt er es fUr Oidium
lactis, Penicillum brevicaule und Rhizopus nigricans mit.
1) Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 49. 1919.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
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Wir haben uns von tier Richtigkeit dieser Mitteilung fiberzeugen konnen,
wenigstens was das Oidiumlactis angeht. Interessant war vor allem
hierbei. dab die Spiralen der Oidium lactis-Kultur nicht wie beim
Bacillus mycoides nach links, sondern nach rechts gerichtet sind,
welcher Unterschied Boas entgangen war.
E. Pringsheim, der seinerzeit seine Versuche in einern bakterio-
logischen Laboratorium in Virton geraacht hat, warf die Frage auf,
ob das Drehvernibgen alien Mycoides-Stammen oder uur einer be-
stimmten in der Verdungegend heiinischen Rasse eigen ist. Unsere
anfanglichen Versuche schienen dafiir zu sprechen, dab tatsachlich alien
Mycoides-Stammen die geschilderte Eigenschaft, in Linksspiralen zu
wachsen, zukommt. Denn shmtliche Stamme unserer Sammlung mit
teils unbekannter Herkunft, ferner alle aus der Gartenerde unseres
Institutes und aus Erdproben aus der n&heren und weiteren Umgebung
Frankfurts ereztichteten Stamme zeigten dasselbe Phhnomen der Liuks-
drehung. Lange nachdem die eben geschilderten Versuche abgeschlossen
waren, fand ich jedoch eines Tages auf einer verunreinigten Blutagar-
platte, die mehrere Tage im Laboratorium gestanden hatte, eine
Kolonie, bei der samtliche Spiralen nach rechts gerichtet waren.
Ich iiberzeugte mich, dab es sick bei dieser Kolonie um den
Bacillus mycoides handelte. Morphologisch unterschied er sich in
keiner Weise von den nach links wachsenden Stammen, kulturell nur in-
soweit, als seine Kolonien stets etwas schneller und uppiger sich ent-
falteten als die der Ubrigen Stamme. A.uch gedieh er bei Brutschrank-
temperatur besser, als es die Linksstamme taten. Sporenresistenzver-
suche mit stromendem Dampf im Ohlmtillerschen Apparat ergaben
fflr beide Mycoides-Arten dasselbe Resultat. Ihre Sporen erwiesen
sich als sehr wcnig resistent und wurden immer sowohl an Lappchen
wie an Seidenfaden nach 1 Min. abgetotet.
In gleicher Weise, wie wir es frtlher mit den linkswachsendem
Stammen getan hatten, suchten wir nun auch den Rechtsstamm in seinem
Wachstum zu beeinflussen. Dies gelang uns aber nicht. Er zeigte auf
alien Nahrboden und unter alien Wachstumsbedingungen, im Gegensatz
zu alien bisher gefundenen Stammen, stets nach rechts gerichtete Spi¬
ralen. Am deutlichsten kam der Unterschied zwischen beiden Stammen
zuin Ausdruck, wenn man sie beide getrennt voneinander auf cine Agar-
platte impfte. Der Linksstamm zeigte deutlich Linkswachstum und
der Rechtsstamm sein charakteristisches Rechtswachstum. Neue Ziich-
tungsversuche aus Erdproben verschiedenster Art stellten immer wieder
in Linksspiralen wachsende Mycoides-Stamme fest. Ein in Rechts-
spiralen wachsender Stamm wurde nicht mehr wiedergefunden.
Auf Grund dessen mubten wir annehmen, dab es sich in dem neu
gefundenen Stamme um ein seltenes Exemplar handelt, das seinem kul-
turellen Verhalten nach zwar vollkommen den ubrigen Mycoides-
St&mmen entspricht, und dessen Bausteine vollkommen mit denen der
ubrigen Stamme ubercinstimmt. Nur scheint die Art, wie diese Bau¬
steine gelagert sind, im vorliegenden Falle eine ganz andere zu sein,
so dab wir es also hier mit einem bisher noch nicht bekannten Falle
eines „Situs inversus 1 ' bei Bakterien zu tun haben.
Unsere Annahme sttitzte sich bisher nur auf das, was morpho-
logische und kulturelle Untersuchungen ergeben hatten. Es blieb immer
noch die Moglichkeit iibrig, dab im serologischen Verhalten der
Stamme Unterschiede feststellbar sind. Um dies klarzustellen, inachten
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Gersbach, Die Wendigkeit der Kolonieauslaufer des Bac. mycoides. 1Q1
wir Immuiiisieruiigsversuche, obwolil wir uns der Schwierigkeiten, die
sich dabei ergeben wiirden, im voraus bewuBt waren.
Wir immunisierten ein Kaninchen in tvpischer Weise, indem wir ihm in 8-tag.
iDtervalien 0,5 und 1,0 ccm einer mit Aether abgeloteten Schragagarkultur des Rechts-
stanimes zunachst subkutan, dann intravenbs einepritzten. Dann njachten wir Airglu-
tiaationsversuche, um festzustellen, ob das so gewonnene Immunserum den homologen
— also den Rechtsstamm — in derselben Weise beeinfluSt, wie den heterologen, also
den Link»8tanim, oder aber, ob Unterschiede in der Art des Agglutinationsvermogens
sich zrigen wurden. Die Versuche wurdeu nach der sogenannten Kolleschen Methode
nut lebenden Baklerien ausgefiihrt.
Ehe ieh das Ergebnis dieser Untersuchungen mitteilen kann, muB ich noch die
Schwierigkeiten erwahnen, die sich bei den Agglutinationsversuchen in den Weg
stellten. Das trockene und zahe Wachstum der Mycoides-Kultur auf samtlichen
Nahrboden war denkbar ungeeignet zur Herstellung einer homogenen Aufschwemmung
zwecks Anstellung der Agglutination. Wir halfcn uns, indem wir die in physiol.
Koch-<alzl6aung mit steriler Nadel ahgel&sten, 1-tag. Agarkulturen zunftchst in einem
stenlen Glasmorser mit einem feinen Pislill zerrieben. Dann wurde die Aufschwem-
mnDg 2 Std. in ein WaBserbad von 50° gebracht. wobei sich die noth vorhandenen
rroben Partikelchen zu Boden senkten. Die iiberstehende Fliissigkeit, die jetzt ein
Qomugen getriibtes Aussehen hatle, wurde schnell abgegossen. VVenn sich bei Lupen-
belrachtung noch feinste Flockchen zeigten, wurde noch durch eine ganz diinne Schicht
emfetteter, sterilisierter Watte filtriert. Auf dicse, allerdings umstandliche Weise er-
hielten wir aber doch stets eine brauchbare Aufschwemmung. Neue Schwierigkeiten
ent.-tanden, als sich zeigte, daS beide Stuumie zur Spontanagglutination neigten, die
sich auch durch Zusetzen von einer Oese ‘/so n-NaOH in jeaes Kohrchen nicht be-
aaflussen lieB.
Die Ergebnisse waren infolgedessen so, daS sich in der Kochsalzkontrolle stets
SDontanagglutination in Gestalt feinster, mit der Lupe sichtbarer Flockchen zeigte,
aber die Agglutination in den Serurardhrchen unterschied sich in ganz charakteristi-
scher Weise von der in der Kontrolle. In den Serumrohrchen trat deutlich die Agglu-
ttainwirkung in Gestalt stiirkster Zusammenstellung der Bakterien zutage, wie aus fol-
gendem Versuchsprotokolle hervorgeht:
Tabelle I.
Aggl u t i n ationsversuch des Rechtsstammimmunserums mit Rechts-
staram und Linksstamm.
Serumver-
dunnungen
Ergebnis nach 24 Std.:
Rechtsstamm:
Linksstamm :
l
1:40
Ganz dicke Flocken, die schwer
zu zerschiitteln sind
i Ganz dicke Flocken, die schwer
zu zerschiitteln sind
2
1:80
dgl.
dgl-
3
1: 160
"
4
1:320
n
5
1 :b40
Grobe, leicht zu zerschiittelnde
Flocken
Grobe, leicht zu zerschiittelnde
Flocken
6
1:1280
Ganz feine, leicht zu zerschiit-
telnde Fldckchen
Ganz feine, leicht zu zerschiit-
telnde Flockchen
7
K.
dgl.
dgl.
Da e« bei diesen Versuchen ja nicht darauf ankam, genaue quantitative Feststel-
longen des Antiborpergehaltes im Immunserum zu machen, sondern vielmehr, ob ein
Unterschieri in der Beeinflussung beider tetamme durch das Serum sichtbar ist, batten
•lie raitgeteiltcn Ergebnisse schon geuugt, Denn sie zeigten trotz der Spontanagglu¬
tination deutlich, dafi keinerlei Unterschiede vorhanden Bind. Aber wir suchten noch
»uf andere Weise das Gefuniene zu bekriiftigen. Wir versuchten, den Eintritt der
Agglutination sowohl in den Serurardhrchen, als auch in der Koutrolle festzustellen,
indem wir in regelmafligen Zeitabstanden die Rohrchen mit der Lupe und dem Mikro-
-kop untersuchten. Wir fanden, dad die Agglutination in den ersten Serumrohrchen
zeitlich viel frilher auftritt als die Spontagagglutination in der Kochsalzkontrolle.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 83. Heft 2.
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In folgendem noch angestellten Verauche kamen wir zu dem gleichen Resultat
wie bei der Reihenagglutination. Je 1 ccm Rechtaataramimmunscrum uud je 1 ccm
Normalserum desaelben Kaninchena wurden mit je 3 Tropfen einer AufachwemmuDg
vom Rechta- und Linkastamrae veraetzt und 2 ijtd. ira Bruk-chrank bei 37 0 aensibiliaiert.
Jetzt wurde scharf zentrifugiert und 2mal mit phyaiol. Kochaal/.loaung gewascheu.
Aladann wurde der Bodenaatz in 5 ccm Aqu. de.-t. auspendiert und mit 1-proz. NaCI-
Loaung veraetzt, d. i. 4 Tropfen einer 25-proz. NaCl-Loaung in jcderu Rohrchen. Die
ao vorbereiteten Rohrchen kamen nun in den Brutachrank von 37° und wurden nach
2 Std. unteraucht.
Das Ergebnis war folgendes:
Tabelle II.
Rechtaatammimmunaerum + Rechts-
atamm
Dicke zuaammenhangende Flocken, dieschwer
zu zerachiitteln aind
Rechtaatammimmunaerum -f Linka-
stamm
Normalaerum + Rechtaatamm
„ + Linkaatamm
dgl.
Zahlreiche feine, leicht zu zerschuttelnde
Flockchen
dgl.
Die Agglutinationsversuche hatten also trotz der nicht zu leugnen-
den Mangel festgestellt, daB beide Mycoides-Stamme auch in ihrem
Agglutinogengehalt durchaus miteinander tibereinstimmen.
Kurz erwahnen mochte ich nocli, daB wir auch andere serologische
Untersuchungsraethoden heranzogen, urn vielleicht mit deren Hilfe eino
Avtverschiedenheit aufzudecken. Es ist bekannt, daB Prazipitations-
versuche mit Bakterien wegen der Herstellung gleicher Extrakte groBe
Schwierigkeiten bereiten. Die Beschaffenheit der Mycoides-Kulturen
erschwerte das Herstellen von Aufschwemmungen mit absolut gleichen
Bakterienmengen in ganz besonderem MaBe. Aus diesem Grunde moch-
ten wir den angestellten Prazipitationsversuchen, obwohl auch sie i'iir
Gleichheit beider Stamme im Prazipitinogengehalt zu sprechen schienen,
keine besondere Bedeutung beimessen. Letzten Endes machten wir der
Voilstandigkeit ha'.ber auch Komplementbindungsversuche. Sie lieferten
jedoch kein brauchbares Ergebnis, da die komplementbindenden Pahig-
keiten des zur VerfUgung stehenden Immunserums zu gering waren.
Die vorstehenden Versuche lassen folgende Folgerungen zu:
1) In Bestatigung und Erweiterung der Versuche von E. P rings-
heim wurde eine grdBere Anzahl von Mycoides-Stammen geziichtet,
welche die von M. NeiBer beobachtete Linkswendigkeit der Kolonie-
auslaufer zeigten.
2) Es kann als erwiesen gelten, daB auBere Einfliisse ohne Be¬
deutung auf diese Erscheinung sind. Es muB deshalb angenommen
werdcn, daB bestimmte Anordnungen im Bakterium vorhanden sind,
deren Lage zur Agaroberflache die Wachstumsrichtung der Kolonieaus-
laufer bestimmt.
3) Es wird ein ganz seltener My co ides-Stamm beschrieben,
welcher morphologisch, kulturell und serologisch von den anderen Stiim-
men nicht zu unterschciden ist, im Gegensatz zu diesen aber konstant
entgegengesetzte Wendigkeit seiner Ivolonieauslauler zeigt. Es muB des¬
halb angenommen werden, daB dieser Stamm dieselben „Bausteine“ wie
die gewbhnlichen Mycoides-Stamme besitzt, aber in Spiegelbildan-
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Sal us, Zur Phenol- und Indolbildung durch Bakterien usw.
103
ordnung (Situs inversus, Bakterien-„Isomerie“). Auch dieser Befund
bcweist, daB das beschriebene Koloniephanomen nur mit der Annaiime
eines komplizierten Bakterienbaues zu erklaren ist.
4) Besondere Versuche haben die Konstanz der angeborenen Wen-
diukeit erwiesen.
5) Die von Boas zuerst beschriebene Wendigkeit der Kolonien
vonOidium lactisusw. wirdbestatigt, nur wird im Gegensatz zu Boas
mitgeteilt, daB diese Wendigkeit die entgegengesetzte derjenigen des
gewohnlichen Mycoides-Stammes ist.
Nachdruck verboten.
Zur Phenol- und Indolbildung durch Bakterien und zum
Nachweis dieser Korper in Kulturen.
[Aus dem Hygienischen Institut der deutschen Universitht in Prag.]
Von Prof. Dr. Gottlieb Salus.
Wahrend friiher das typische Bact. coli als haufiger Phenol-
biidner im menschlichen Darm gait, hat 1911 M. Rhein wiederholt
ausStuhlen einColi-Bakterium geziichtet, das intensivPhenol, aber kein
Lndol bildet und auf D rigalski-Agar mit viel blaulicherer TSnung
wiichst, als das gewbhnliche Bact. coli. Diese Coli-Basse, die also
einerseits ein Coli anindologenes ist, andererseits nach seinem Ver-
baltcn zum Milchzucker den Paracoli-Stamraen nahesteht, halt M.
Rhein fUr den obligaten Phenolbildner des menschlichen Darmes. Auch
sonst sind Paracoli-Bazillen als Phenolerzeuger beschrieben, so von
Dobrowolski. Es fragt sich also, ob etwa zwischen lndol- und
i’henolbildung eine Gegensatzlichkeit bestehe, ferner ob die Paracoli-
Slamnie diesbeztlglich gegentiber anderen C o 1 i - Bakterien den Vorrang
haben. Man kbnnte sich vorstellen, daB der EiweiBabbau bei verschie-
denen Bakterien entweder liber das Tryptophan oder Uber Tyrosin gehe
und daB in Nahrsubstraten, die beide Korper enthalten, die einzelnen
Rakterienstiimme verschieden wahlen. Die Frage der Phenolbildung
durch Bakterien ist auch heute nicht gekl&rt. So wird diese Fahigkeit
obligaten Anaerobiern vollig abgesprochen, wahrend wir ein obligat
anaerobes Bakterium aus Fleischfaulnis ziichteten, das Phenol erzeugte.
Lehmann und Neumann fanden in 5-tagigen Kulturen von B. coli
und B. vulgare nur Spuren von Phenol.
Besonderes Interesse erweekten die erwahnten Stamme des B. coli
phcnologenes von Rhein, der dieselben auch aus Paraoxybenzob-
sSure lndol bilden sah, so daB es wahrscheinlich wird, daB die Phenolab-
jpaltung aus Tyrosin tlbcr I^araoxybenzobsaure erfolgt. Der von uns
aus dem Krdlschen Museum bezogene Phenologenes-Stamm v/uchs
•auf I) rigalski -Agar dcutlich, aber viel matter rot als die gewohnlichen
L'oli - Bakterien. Er bildete auch in fttr Indolbildung optimalen Nahr-
hoden kein lndol, und auch die Salkowskische Reaktion war, ent-
?egen der Angabe von Frieber, stets negativ.
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104
CentralbL f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
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Aus dem Gesagten ergab sich von selbst die Notwendigkeit, auch die
Indolbildung in den Bereich unserer Versuche aufzunehmen, und wir
beniitzten die Gelegenheit, festzustellen, wie sich die Weil-Felixschen
X-Stamme diesbeziigach gegenuber den anderen Pr oteus-St&mmen ver-
haJten. Namentlich aber wurde versucht, die nach den heutigeu Erfah-
rungen notwendige Methodik des Phenol- und Indolnachweises festzu
legen, die besonders beziiglich des letzteren — soweit sie sich auf Bak-
terienkulturen und nicht auf die reinen Kbrper bezieht — einer Rege-
lung bedarf.
Die Resultate der bakteriologischen Untersuchung kbunen in aller
Kiirze mitgeteilt werden. Wir priiften 12 St&mme des B. coli com¬
mune, das B. coli phenologenes Rhein, das B. coli anindoiicum
Kaiser, 2 aus Stilhlen geztlchtete Paracoli-Stamme (auf Drigalski
blaulichweiB wachsende Coli-Stainme), ferner die Paracoli: Viial
•Nobecourt, Allen-Eurten, Allen-Samuels, Kuhn-Jaiser,
Fohmann-Jaiser des Kr&lschen Museum auf Phenolbildung. Unsere
12 Coli-Stamme enstammten gesundem und z. T. krankem Darm; unter
ihnen fanden wir mit der spater zu erorternden Methodik 3 Phenolbild-
ner, die Stamme Gh., Ka6er und Stadler. Mit dem Stainme Rhein
verglichen war die Intensitat der Phenolproduktion, soweit qualitative
ReaJctionen ein Urtcil gestatten, zum mindesten nicht geringer als die
des Stammes Rhein; doch ist es moglich, dab dieser Stamm durch
Fortztichtung auf tyrosinfreien Nahrboden an Phenolbildungsvermogea
EinbuBe erlitten hatte.
Der Stamm paracoli Vidal-Nobecourt ist schon von Gybrgy
als paratyphi B. identifiziert worden, bestatigend wurde in unserem
Institut von Herrn Dr. Ftirth festgestellt, daB der Rezeptorenapparat
dieses Stammes mit dem des regularen B. paratyphi B. voll tlbcrein-
stimmt. Er bildete weder Indol noch Phenol. Von den genannten
Paracoli-Kulturen konnte nur von Fohmann-Jaiser, der ein Iu-
dolbakterium ist, spurenweise Phenolbildung festgestellt werden. Das
B. anindol. Kaiser zeigt weder Indol- noch Phenolproduktion.
Es geht also aus diesen Versuchen hervor, daB ein betrachtlicher
Teil der gewohnlichen Coli-Stamme geeignet ist, gleichzeitig Indol
zu erzeugen. Gerade die 3 phenolbildenden Coli-Stamme waren sehr
kraftige Indolbildner. Die Abspaltung von Phenol im Darm ist so-
nacli schwerlich die Domane besonders charakterisierter, indolnegativer
Coli-Rassen. Die Paracoli-Stamme standen in bezug auf die Zahl
der phenolbildenden den regularen Col i-Bazillen nach; es war auch auf-
fallend, daB sich darunter so wenig Indolbildner fanden (1:3). Aller-
dings ist die Zahl der untersuchten Paracoli-Stamme eine zu kleine,
aber mit aller Sicherheit darf man folgern, daB eine Gegensatzlichkeit
zwischen indol- und phcnolabspaltender Fahigkeit nicht bestehen kann.
— Zum Nachweis des Phenols empfiehlt M. Rhein als einfachste Probe
ftir seinen eiweiBfreien Nahrboden die Reaktion von Marquis, die man
auch direkt mit den Kulturen ohne Destination anstellen kann. Die zu
priifende Fliissigke.it wird mit einigen Tropfen lOproz. Formaldehyd-
ldsung versetzt und dann liber konzentrierte Schwefelsaure geschichtet.
Bei Anwesenhcit von Phenol entsteht ein violettroter Ring, dariiber eine
weiBliche TrUbung. Diese Farbenreaktion ist zweifellos recht bequem
und wir bentitzen sie zur Orientierung dariiber, welche Kul¬
turen man wegen des negativen Ausfalls derselben aus-
schalten konne. Sonst haben wir einige Bedenken. Vorerst ist es
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Sal us. Zur Phenol- und Indolbildung durch Bakterien usw.
105
lifter schwer, bei schwadieren Reaktionen zwischen positiv und negativ
zu entscheiden, besonders wenn der Ring unter der Triibung cher rosarot
als violett erscheint. Sodann sahen wir bei kraftiger Indolbildung
rotlichc, selbst deutlich violette Ringe mitunter in pkenolfreien Destil-
laten auftreten. Tatsachlich ist auch von K. Konfco eine Formaldehyd-
Srhwcfelsaurereaktion mit violettem Farbenton (wenn auch nicht als
Schichtprobe) fur den Indol-Nachweis in phenolfreien Fliissigkeiten
angegeben. 1st die Probe sonach fur Kulturen des Stammes Rhein,
der kein Indol bildet, gut brauchbar, so kann sie dort, wo es sich um
Indolbildner (B. coli, Proteus-Arten) handelt, nicht als allein maB-
gebend angenommen werden. Es ist also gut, wieder zura Destillat zu
greifen ;• die Bromwasserprobe und das Erhitzen mit Mil Ions Reagens
sind da besonders geeignete Phenolreaktion. Vor der Destination mit
Salzsaurc anzusiiuern, wie Levan dowsky empfiehlt, ist iiberfliissig.
Als Nabrboden ftlr Phenolbakterien versuchten wir zuniichst den von
Rhein nach Analogie der Zipfelschen Tryptophanlbsung hergestellten,
eiweiDfreien Tyrosinnahrboden 1 ). Dieser bot zwar ein m&Big gutes Sub-
strat ftlr den Phenologenes und einzelne Coii-Stamme, andere
Keirnc wuchsen jedoch nur sehr dtirftig oder gar nicht. Wir verwendeten
daher wciterhin mit Erfolg die Hottingersche Verdauungsbriihe, die
nur aus auBeren Grtlnden mit Trypsin (statt mit Pankreatin) hergestellt
ward. Der Nahrboden brachte samtliche damit gepriiften Bakterien, auch
anspruchsvollere, zu iippigem Wachstum, ist auch, da man ihn be-
trachtlich verdiinnen kann, sparsara und daher uberhaupt als fltlssiger
Bakteriennahrboden empfehlenswert. Er gab starke Tyrosinreaktionen.
Zusatz von Tyrosin erwies sich als unnotig. Das Substrat ist gleich-
zeitig vorziiglich fUr Indolbildung geeignet, Peptonzusatz crtibrigt sich;
die zahlreichen farbenprachtigen Indolreaktionen treten in auffallender
Intensitat auf.
Indessen wird man sich heute nicht mehr mit der An-
stellung der Indolreaktionen in den KulturrOhrchen be-
gnflgen diirfen, vielinehr auch hier das Destillat heranziehen
mOssen. Bekanntlich hat Steensma bei einem Proteus-Stamm van
Loghems, der in der nativen Kultur Indolreaktionen gab, nachge-
wicsen, daB sich im Destillat das bei 100° C mit Wasserdhmpfen fitich-
hge Indol nicht vorfand; es handelte sich also um einen andercn KOr-
per, der mit Wasserdampfen nicht fltlchtig ist; er ist im ltilckstand
nachweisbar, gibt nach Steensma die Ehrlichsche Reaktion nicht,
wahrend Lbs berg auch diese im Riickstand findet. Van Log hem
bat fur diesen Kbrper den nichts prajudizierenden Namen „Pseudo-
indol“ gew&hlt, er und seine Mitarbeiter fanden zahlreiche solche
anindolische Sthmme, besonders bei Sauglingen, vor. — Wo positive
Salkowski- und negative Ehrlichsche Reaktion vorliegt, diirfte
es sich zuineist um Skatolkarbonshure (Indolessigsaure) handeln, doch
ist eine Mehrheit solcher Kbrper nicht ausgeschlossen.
Soeben wurde von Frieber darauf hingewiesen, daB die Reaktion
ron Salkowski (Nitrit-Schwefelsaurereaktion), welche neben der Ehr-
lichschen bisher die gebrduchlichste ist, unzuverlassig sei, da unter
den verschiedenen Bakterien die Bildung von Indolessigsdure weit
verbreitet sei, die ebenfalls die Salkowskische Reaktion gibt. Frie-
1) Fur die Ueberlaseunp reinen, optineh-aktiven Tyrosins bin ich dem Vori»tande
an«ere« medizinmch-chemiBchen Instituts, Herrn Prof. Zeynek, Behr zu Danke ver-
pflichtet.
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106
Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
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ber iiat init Kulturen gearbeitet, im Destillat dagegen, in welches
die Indolessigsaure nicht iibergeht, bleibt die Reaktion auch
weiter zu Recht bestehen.
Von den zahlreichen Indolreaktionen erwiesen sich uns ftir
bakteriologische Zwccke besonders brauchbar: 1) die Baeyer-
Salkowski-Reaktion, 2) die Ehrlichsche Reaktion, die wir
in einfachster Weise durch tropfenweisen Znsatz des Ehrlich -
schen Urobilinogenreagens anstellen (p-dimethylaniidobenzaldehyd 2 Salz
saure 30 ad 100 dest. Wasser). (Urobilinogen kommt nicht in Erage
und gibt iibrigens mit dera Reagens einen ganz anderen Earbenton als
den purpurroten des Indol), 3) die Nitroprussidnatriumreaktion: Zusatz
einiger Tropfen Nitroprussidnatriumlosung, alkalisch machen mitf Natron-
lauge, worauf dunkelviolette Farbung auftritt, die beim Ansauern mil.
Essigsaure in Azurblau umschlagt. Weniger gut war hier die Eorm-
aldehydferrichlorid-Salzsaurereaktion anwendbar. Diese 3 Reaktionen
waren stets qualitativ iibereinstimmend, wenn auch die Intensitat der
einzelnen wechselte. Die ersten ccm des Destillats sind ftir Indolproben
besonders geeignet, je 1—2 ccm davon geniigen ftir die einzelne Reaktion.
Mittels dieser Methodik wurdcn die samtlichen frtlher erwahnten
Coli- und Paracoli-Stamme untersucht. SchlieBlich prtiften wir
die Proteus X-Stamme von Weil u. Eelix; van Loghern weist
auf eine serologische Verwandtschaft dieser Stamme mit seinen
anindolischen (pseudoindolbildenden) Stammen hin, es war also nalie-
liegend, die Pseudoindolbiidung auch bei den X-Stammen zu vermuten.
Im ganzen wurdcn 9 Stamme verschiedener Provenienz untersucht, die
Herr Prof. Weil zur Verftigung stellte (X 2 , X 19 , HX 2 , IIX 19 , OX 2 ,
OX 19 , X 19 -287 Dienes, X 19 Smyrna ZeiB, X 19 L-180). Nach 4-ta.gi-
ger Bebrtitung in Hottingerbriihe und Priifung des Destillats erwiesen
sich samtliche Stamme als kraftige Indolbildner, so daB also in dieser
Hinsicht. keine Verwandtschaft mit den van Loghern-Stammen besteht.
Z u s a m menfassu n g.
1) Unter den gcwdhnlichenColi-Stammen des menschlichen Darmes
Eindet sich eine betrachtliche Zahl von Phenolbildnern, die gleichzeitig
kraftig Indol erzeugen. Die phenolbildende Fahigkeit ist nicht auf be-
sonders charakterisierte Coli-Rassen beschrankt.
2) Die Marquissche Phenolreaktion hat ftir Kulturen nur be-
dingten, orientierenden Wert; das Phenol ist stets im Destillat mit den
bekannten Reaktionen nachzuweisen.
3) Auch der Indolnachweis ist stets im Destillat zu ftihren. Als
Reaktionen empfehlen sich neben der — hier einwandfreien — Sal-
k o w s k i - Reaktion die Ehrlichsche (am einfachsten mit seinem Uro¬
bilinogenreagens anzustellende) und die Nitroprussidnatriumprobe.
4) Ftir beide Zwecke ist die Hottingersche Verdauungsbruhe ein
guter Nahrbodcn. Eiw r eiBfrcie Nahrlosungen sind nur fur einzelne
Bakterien brauchbar.
5) Die Weil-Felix schen Proteus X-Stamme unterscheiden sich
als kraftige Indolbildner insgesamt von den van Log hem-Stammen.
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Hage, Vorkommen autochthoner Amobenruhr in Deutschland.
107
Iiiteratnr.
1) Dobrowolski, Ref. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 48. S. 660. — 2) Frieber,
Ebenda. Abt I. Orig. Bd. 87. S. 254. — 3) Gyorgy, P., Ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 84.
S. 321. — 4) Konto, Hoppe-Sey lers Zeit-<chr. Bd. 48. 1908. S. 185. — 5) Leh-
mann-Neumann, Atlas und GrundriS der Bakteriologie. 5. Aufl. 1912. — 6) van
Loghem, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 82. 1919. S. 449. — 7) Losberg.
Ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 87. H. 3. — 8) Meyer-Jacobsons Handb. d. organ.
Chem. — 9) Rhein, M., Biochem. Zeitschr. Bd. 84. 1917. S. 246.— 10) Sal kowski,
Hoppe-Sey lers Zeitschr. Bd. 8. 1884. S. 446. — 11) Salus, G., Arch. f. Hyg.
Bd. 51. S. 97. — 12) Steensma, Centralbl. f. Bakt. Bd. 41. 1906. S. 295.
Nachdruch verboten.
Zur Frage des Vorkommens autochthoner Amobenruhr in
Deutschland (nach Stuhluntersuchungen in Thiiringen).
|Aus der Baktenologischen Untersuchungsanstalt fiir die Typhus-
bekampfung in Mitteldeutschland beim Hygienischen Institut der Uni-
versitat Jena.]
Von Dr. Hage, Leiter der Anstalt.
Durch verschiedene, wabrend des Krieges erschienene Arbeiten englischer Autoren
(Mackinnon, Mathews, Yorke, Bayliss) ist festgestellt, dafl Amobenruhr au¬
tochthon in England vorkommt. Nicht nur bei Erwachsenen, die England nie verlassen
hatten, sondern auch bei Kindern unter 12 Jahren wurden Ruhramoben festgestellt
biese Angaben muBten uberraschen und konnen ihre Erklarung nur darin finden, daB
immerfort von aus tropischen Gegenden Zuriickkehrenden, deren Zahl fiir England
dcher eine verhaltnismaBig grofie ist. Ruhramoben in ihren Dauerformen eingeschleppt
werden und so allmahlich zu einer Infektion der Einheimischen geffihrt haben. Auch
fur Frankreich liegen neuere Beobachtungen fiber autochthone Amobenruhr vor(Lan-
douzy und Debr6, Labb6). In Deutschland hat nur Fischer sich der Mfihe
□Dterzogen, in der Medizinischen Klinik in Gottingen Stfihle von 120 Pat. auf Prolo-
toen zu untersucben und kommt zu folgenden Feetstellungen: Infektion mit Ruhr¬
amoben 2mal, Infektion mit Entamoeba coli llmal, mit Amoben, deren Spezies
nicht sicher zu beetimmen ist, 2mal, ferner Flngellaten 9mal (hierbei 2mal gleichzeitig
Amoben). Weiter haben Jung und Sell in Mfinchen an aus Ober-, JNiederbayern
und Schwaben stammenden Stuhien von insgesamt 219 Personen Untersuchungen auf
Darmparasiten angestellt. Sie hatten ein ganz ahnliches Material zur Verffigung wie
dasjenige, fiber das hier berichtet werden soil. Von ihren Ergebniesen interessieren an
dieser Stelle aber nur die von ihnen erhobenen protozoischen Befunde. Sie fanden
unter 219 Personen Protozoenzysten bei 96 mannlicncn Erwachsenen 20ma), bei 98 weib-
lichen l.'imal, bei 25 Kindern 3mal, und zwar nur Coli- und Lamblienzysteu, Ruhr¬
amoben- und Jodzysten gar nicht, ebensowenig Trichomonas-Zysten. Es ist aber
nicht anzunehmen, daB beide letztere Arten von Protozoen in Bayern nicht vorkommen
sollten; sie sind wohl nur der Aufmerksamkeit der llntersucher entgangen. Die in
Hamburg von Ndller vorgenommenen Untersuchungen sind ,,an einer nicht allzu
hohen Zahl von Patienten“ angestellt und haben vor allera die w. nig bekannten Darm-
protozoen zum Gegenstand der Untersuchung gehabt. NOiler hatte den Vorteil, ganz
rruches Stuhlmaterial zur Verffigung zu haben und seine Untersuchungen beiiebig oft
wiederholen zu kfinnen. Er hat deshalb auch hochst bemerkenswerte Ergebnisse erzielt,
*ne sie in einer baktenologischen Untersuchungsanstalt an den immer schon etwas
ilteren Stuhlproben nicht zu erwarten sind. An Marineangehorigen babe ich # 1918 und
1919 Stuhluntersuchungen bei 96 Personen angpstellt, die folgendes Ergebnis batten 1 ):
Bei Kachuntersuchungen in Fallen frfiherer Erkrankungen konnte in dor Mehrzahl
noch eine weiter bestehende Infektion mit Ruhramoben nachgewiesen werden. Frfihere
jRuhr'falle erwiesen sich in einem Teil der Falle als durch Amoben hervorgerufene
1) Die ausffihrliche Arbeit wird in den „Mi)itararztl. Kriegserfahrungen" dem-
nachst erscbeinen.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88 . Heft 2 .
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Ruhr durch noch bestehende Infektion mit Ruhramoben. Es muS an die Moglichkeit
von Kontaktinfektionen mit AmoUenruhr auch in nicht tropischen Landern gedacht
werden, besonders wenn baufige Riickfalle vorkoramen (2 Falle Frankreich, 1 Belgien).
Kontaktinfektionen bei der deutschen Marine innerhalb der Heimat Bind bisher nicht
beobachtet.
Um vor allein zu der Frage, ob wirklich in nennenswerter Weise,
namlich wie in England, autochthone Ambbenruhr auch in Deutschland
vorkommt, einen Beitrag zu liefern, habe ich die Sttihle von 400 Per-
sonen in Thiiringen untersucht. Es sind aus alien .Gegenden Thtiringens
Stuhlproben zur Untersuchung gekommen. Ein Teil der Stiihle war
zur Untersuchung auf Typhus, Paratyphus und Ruhr eingeschickt,
in 1 Falle auch auf Amobenruhr. Weiter ist eine groBere Zahl von
Gesunden, d. h. nicht Darmkranken, untersucht, deren Stiihle als Um-
gebungs-Untersuchungsmatcrial zur Einsendung gelangten. Die Unter-
sucliungen wurden in der Weise ausgefiihrt, daB zunachst das frische
Piaparat, dann das mit L u g o l scher Losung versetzte, frische Pra-
parat durchgemustert wurde. Weiter wurden nach Riegel gefarbte
Praparate angelegt, und bei positiven protozoischen Bei'unden auch
nach Heidenhain gefarbt. Die ttberwiegende Mehrzahl der Stiihle
gelangte des ofteren zur Untersuchung, wodurch natiirlich die Zahl
der positiven Ergebnisse stieg. Ein solch groBer Unterschied, wie ihn
Mackinnon bei den Ruhramoben angibt, indem er bei Q-maliger
Untersuchung innerhalb 1 Woche etwa 3-mal mehr positive Ergeb
nisse hatte als bei 1-maliger Untersuchung, konnte aber nicht festge-
stellt werden. Waren Protozoen in den Stiihlen vorhanden, wurden sie
auch mit groBer RegelmaBigkeit gefunden, wie das speziell fur Ruhr-
ambbeu auch an anderer Stelle von mir festgestellt wurde. Der Wert
der mehrmaligen Untersuchung soli damit natiirlich nicht abgestritten
werden. Neben den Untersuchungen auf Protozoen wurde Gelegenheit
genommen, auch die vorkommenden Wurmeier festzustellen, ohne daB
aber besondere Anreicherungsverfahren angewendet wurden. Es ist
deshalb aus den festgestellten Zahlen auch nur ein allgemeiner Ueber-
blick tiber die augenblicklich herrschende „Verwurmung“ in Thiiringen
zu gcwinnen.
Die Ergebnisse der Untersuchungen sind in verschiedenen Tabellen
zusammengestellt:
Tabelle I.
Zahl der
untersuchten
Personen
Mit Protozoen in¬
fiziert
Mit Wiirmern in¬
fiziert
rf Kinder
34
4
11,8 Proz.
2
6 Proz.
9
40
4
10
3
7
(5 Erwachsene
160
63
39.4 „
8
l 5 „
V »>
166
64
■39 „ !
16
1 9.7 „
Summa:
400
135
33,8 „
29
7,3 „
.Aus Tab. 1 geht liervor, daB die thiiringische Bevolkerung mit
Protozoen ziemlich stark infiziert ist (33,8 Proz.). Die hauptsachlich-
sten Parasitentrager sind die Erwachsenen. Kinder sind viel weniger
Infiziert 1 )- Das Geschlecht spielt keine Rolle, Manner und Frauen
1) Die hier gewonnenen Zahlen lassen sich mit denen von Jung und Snell
nicht ohne weitere* vergleichen, da diese ihre Prozentzahlen auf die Untersuchungen
und nicht auf die Personen beziehen.
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Hage, Vorkommen autochthoner Amobenruhr in Deutschland.
109
sind ziemlich gleichmaBig infiziert. Die Infektion mit Wiirmem ist
nicht erheblich.
Tabele II.
Protozoen
kamen vor als Zysten
von Anroben:
als Flagellaten-
zysten
Beide Arten
gemeinsam
Ruhr-
amoben
Coli-
Amoben
Jod¬
amoben
Limax-
amoben
tTrichon.
] i n test.
Lamblia
i n t e s t.
(J Kinder 34
—
—
3
8,8%
—
—
—
—
1
2,9 Vo
Q Kinder 40
—
—
4
10 „
—
—
—
—
J Erwach¬
sene 160
2
1.3 %
55
34,4 „
10
6,3 %
_
_
4
2,5 V°
7
4,4 „
7 X| in den
[ versch.
Komb.
9 Erwach¬
sene 166
3
0,6 „
62
37,3 „
8
5,0 „
i
0,6 %
1 5
3 „
o
3,6 „
Somma: 400
1
0,8 %
124|31 %
18
4,5 %
1
0,3 Vo 9
2,3 V°
14
3,5 Vo
In Tab. II sind die verschiedenen Protozoen zusammengestellt,
in ikrem Vorkommen bei Kindern und Erwachsenen. Es zeigt sicli
hier, daB Kinder mit Flagellaten selten infiziert sind und in jttngeren
Jahren auch nicht mit Amoben. Als einzige Elagellatenart fanden sich
Lamblien bei Kindern, und zwar bei einera 3-jahrigen typhuskranken
Knaben; in den Sttiklen aus der Umgebung des Kranken sowie in
denen von Bewohnern desselben Ortes wurden sie nicht gefundem.
Coli-Zysten wurden nur bei Kindern tiber 9 Jahren festgestellt. In
erheblich hoherem Prozentsatz waren Erwachsene mit Flagellaten in¬
fiziert, wie dies auch Nbller fur Hamburg festgestellt hat, desgleichen
mit Amoben, besonders der Entamoeba coli. Diese Amobe ist in
wediselnder Haufigkeit an verschiedenen Orten Deutschlands zur Fest-
stdlung gelangt:
In OstpreuSen bei 50 Proz. der Untcrsuchten (Gesunden) Schaudinn
„ Berlin „ 30
«« i« it 2
Wurzburg
Miinchen
Gottingen
50
0
Hartmann
Schuberg
May.')
Fischer
Hamburg „kam Entamoeba coli hiiufig zur Beob-
achtung“ N oiler
Miinchen (fiir Ober-, Niederbayern und Schwaben) fanden Jung und Sell
(it) mal in 330 Untersuchungen bei 219 Personen die Zysten der Coli-
Amobe.
Ueber das Vorkommen von Jodamoben liegen flir Deutschland noch
Qberhaupt keine systematischen Feststellungen vor. Fischer hat sie
in Gbttingen, Nbller in Hamburg gefunden. In Thtlringen ist ihre Ver-
breitung nicht sehr groB (4,2 Proz.); sie fanden sich bei Gesunden in
Staat und Land und ebenso bei Gcisteskranken.
1) Die Zusaramenstellung der erstcn 5 Kategorien aus Doflein, Lehrb. d. Proto-
zoenkunde. 4. Aufl. S. 660. ■
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HO Oentralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
Tabelle III.
Wurmeier wurden gefunden :
Ascaris
lurubr.
T r i c h o c.
dispar
0 xy u ris
verm ic.
Taenia
solium
2 Arten gemein-
sam
<5 Kinder 34
2
5,8 %
—
—
—
—
—
—
9 „ 40
3
7,5 „
—
—
—
—
—
cJ Erwachsene 160
6
3,8 „
5
4J %
i
0,6 •/,
—
—
3X ^ Ascaris u.
9 „ 166
8,
3,8 „ i
i 7
4,2 „
3
1,8 „
1
0,6 •/,
3X /Trichoceph.
Suimna: 400 j
19 |
4,8 •/.
12
3 %
4
1 %
1
0,3 •/„
Iii Tab. Ill sind die einzelnen Wurmarten festgestellt iu ihrer
Verteilung auf Alter und Geschlecht der Befallenen. Berndt hat
1919 in Jena bei einein ahnlichen Material bei 400 Stiihlen mit An-
reicherune folgende Zahlen gefunden:
Taenia solium lmal = 0,25 Proz.
„ saginata 4 „ = 1 „
Ascaris lumbricoides 16 „ = 4 „
Trichocephalus dispar 126 „ =31,5 „
Oxyuris vermicularis 4 „ = 1 „
Die Zahlen sind ungefahr die gleichen wie die von mir gefundeuen.
Nur weicht der Befund von Trichocephalen erheblich ab (3 Proz. gegen
31,5 Proz. bei Berndt). Berndt gibt zwar an, dafi gerade fiir das
Auffindcn der Eier von Trichocephalus dispar ein Anreicherungs-
veifahren notwendig sei, und hat mit Anreicherung etwa 1 / 3 mehr posi¬
tive Ergebnisse erzielt, als ohne ein solches. Docli ist der Unterschied
in den Befunden zu groB, als daB er allein auf das Konto der An¬
reicherung gesetzt werden konntc. Es inufi also angenommen werden,
daB in Thtiringen die Infektion mit Trichocephalus dispar stark
zuriickgegangen ist oder Zufalligkeiten des Materials vorgelegen haben.
Audi von einer „erschreckend zunehmenden Haufigkeit der Ascari¬
diasis seit dem Kriege“, von der Mil Big aus Darmstadt zu berichten
weifi, kann fiir Thtiringen nicht. die Bede sein. Der Befund voti
Oxyuris-Eiern in den Stuhlproben gibt natiirlich bei der Gewohuheit
der Oxyuren, ihre Eier nicht im Darmkanal ihrer Wirte abzulegen,
iibeihaupt keinen Anhalt iiber die Haufigkeit ihres Vorkommens.
Tabelle IV.
Stadt- und Lan d be v 61 ker u n g. Hei 1 a n s ta 1 ten.
Protozoen:
Wurmeier
Amoben:
Flagellaten:
Ruhr-
amoben
Coli-
Amoben
Jod-
amoben
Limax-
ambben
Trichoc,
i n t e s t.
Lamb 1,
i n t e s t.
Btadtkinder 25
—
1
4 7.
—
_
—
—
—
1
4 %!
—
Landkinder 49
—
—
6
12,2 „
—
—
—
—
—
—
—
—
6
10,2 »/.
Erwachsene aus
Stadten 90
1
1,1 %
34
137,7 „
2
2 2 °/
^1“ / 0
4
4,4 %
2
2,2 J
! 7
7,7 „
Erwachsene
vom Landel49
1
0,7 „
47
31,5 „
7
4,7 „
5
3,4 „
4
2,7 J
14
9,4 „
Insassen aus
Hcilanstalten
87
1
1,1 „
43
49,4 „
8
9,2 „
! 1
' 1,2 7 0
1
1 1,2 „
4
,4,6 „
I 10 !
11,5 „
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Hage, Vorkommen autochthoner Amobenruhr in Deutschland.
Ill
In Tab. IV ist der Versuch gemacht, zwischen landlicher und stadti-
scher Bevblkerung in ihrer Beteiligung an Infektionen mit Protozoen
und WUrmern zu unterscheiden: Das Geschleclit ist hier und in den
nachsten Tabellen nicht beilicksichtigt, da eine ziemlich gleiche verhalt-
nismabige Verteilung bei den Geschlechtern aus Tab. I—III hervor-
geht. Die Unterschiede zwischen Stadt und Land sind nicht erheblich,
was sich daraus erklart, dab in ThUringen bei der meist geringen
Grdbe der Stadte nicht wie zwischen Grobstadt und Dorf unter-
schieden werden kann. Deutlicher ist die hohere Beteiligung der In-
sassen von Heilanstalten. Zwar ist der Unterschied z. B. in dem Vor¬
kommen von Entamoeba coli (28 Proz. allgemein, gegen 19,4 Proz.
von Geisteskranken) nicht so grob, wie Fischer bei seinem Materiale
gefunden hat (9 Proz. allgemein, gegen 44 Proz. der Geisteskranken),
die Zahlen fUr das Vorkommen dieser Amtjben bei Geisteskranken sind
aber an dem hiesigen und dem Gdttinger Materiale ziemlich gleich.
Jedenfalls ist bei Geisteskranken stets mit einer starkeren Infektion
mit Protozoen (und auch mit WUrmern) zu rechnen.
Tabelle V.
Einzelues Dorf.
•
Protozoen :
Wurmeier
Ambben :
Flngellaten
*|
Ruhr-
, Coli-
Jod-
Limax-
Trichoc.
La m b 1.
amoben
1 Amoben
amoben
amoben
i n t e s t.
i n t e s t.
Kinder 32
6 18,7 %i
_ _1
_i _ i
_ _
I
-I - 4 12 5%
Erwachsene 44
-1
12(27,3 „
— | -
— -
- (» 13,6 „
Interessanter gestalten sich die Untersuchungen, wenn man den
Kreis der Untersuchten weiter einengt. Tab. V gibt einen Ueberblick,
wie sich die Darmparasiten bei den Bewohnern eines einzelnen Dorfes
verhalten. Die Zahl der untersuchten Personen von 76 (auf ctwa
2000 Einwohner) labt schon einen gcwissen allgemeinen Schlub zu.
Es ist weniger das zahlcnm&bige Vorkommen von Protozoen, das von
dem allgemeinen Durchschnitt, wenigstens filr Erwachsene, kaum ab-
weicht, als das Fehlen bestimmtcr Protozoen, das bcachtenswert ist. In
keinem der untersuchten Sttlhle ist die in ThUringen sonst doch h'iufiger
angetroffene Jodambbe zu finden und in keinem ein Flagellat. Dab die
Bevblkerung dieses Ortes sich durch besondere Reinlichkeit auszcichne,
ist nicht beobachtet, im Gegenteil sind die Wohnverhaltnisse ziemlich
schlecht, und die Sauberkeit liibt zu wUnschen Ubrig; cine Typhus-
epidemie (auch eine „Schmutzkrankhcit“) breitete sich durch Ivontakt
im Ort sehr umfangreich aus. Es mub also der Schlub gezogen werden,
dab JodamOben und Flagellaten unter den Bewohnern dieses Ortes
nicht oder ganz selten vorkommen. Warum das der Fall ist, ist nicht
"line weiteres klar. Weitere Untersuch ungen Uber solch brtlich be-
schriinktes Vorkommen oder Nichtvorkommen von Protozoen wiiren er-
wiinscht. Die Protozoen haben ja auch fUr den Mediziner nicht lunger
mehr nur ein theoretisches Interesse; das gilt nicht nur fur Amiiben,
^ondern auch fUr Flagellaten. Gibt es doch sehr hartnackige Diarrhoen,
besonders bei Kindern, bei dencn lediglich massenhaft Lamblicn ge-
fnnden werden kbnnen.
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112
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
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Ein besonders lehrreiches Beispiel tiber ortlich gehauftes Vorkommeu
von Darmparasiten gibt die riachste Tabelle:
Tabelle VI.
Einzelnes, von mehreren Familien bewohntes Fabrikgrundstiick.
Protozoen:
Wurmeier
Ambben:
Flagellaten
Ruhr¬
amoben
Col i-
Amoben
Jod-
amoben
Limax-
amoben
Trichoc,
i n tes t.
Lam bl.
i n t e 81.
Familie H.
4
—
—
4
100 %
—
—
—
25 %
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—
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1
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2
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—
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2
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1
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—
—
—
16,6%
1
50 %
1
50 %
|Oxyuren
Summa: 16 Fa¬
milien, 18 Per¬
sonen
10
5,5%
6
33.3%
3
16,6%
3
16,6%
1
5,5 %
Es handelt sich um ein von mehreren Arbeiterfamilien bewohntes
Fabrikgrundstiick, das ziemlich abseits liegt. Die Sttihle stamraten
von gesunden Personen, bei denen eine Umgebungsuntersuchung auf
Typhusbazillentragerschaft angestellt wurde. Bei dieser eng zusammen-
wohnenden Gruppe von Menschen ist ein gehauftes Auftreten der ver-
schiedenen Arten von Protozoen zn finden, das vveit tiber dem allg^e-
meinen Durchschnitt in Thtiringen steht und sicher nichfc zufallig sein
kann, da z. B. gerade Jodamoben, die sonst in Thtiringen nicht gehauft
angetroffen werden, hier in 4 von den 6 Familien und in 2 Familien
bei mehreren Mitgliedern derselbcn Familie gefunden werden.
Die wichtigste Frage, die tiberhaupt zur Veranstaltung der Unter-
suchung Veranlassung gab, war, festzustellen, ob echte Ruhraraoben
bei Gesunden oder Darmkranken gefunden werden konnten. Fischer
cihebt die Forderung, solclie Untersuchungen an Gesunden anzustellen.
Insofern war das hiesige Material ganz gut geeignet, indem neben den
Sltihlen von Krankcn cine groBe Zahl Sttihle von Gesunden, jedenfalls
nicht Darmkranken, bei den Umgebungsuntersuchungen zur Durchsicht
kamcn. Es sind bei Kindern tiberhaupt nicht und bei Erwachsenen
nur in 3 Fallen Ruhramoben, und zwar als Dauerformen, gefunden.
Eingcschickt wurde Stulil nur in einem Falle zur Untersuchung auf
Amobenruhr. Es wurden in diesem Falle keine Zysten gefunden und
auch in dem frischen, mit Blut und Schleim vermischten Stuhl keine
vegetativen Formen nachgewiesen. In den positiven Fallen handelte es
sich 1-mal um einen Typhusbazillcntrager, bei dem die Sttihle daraufhin
untersucht werden sollten, ob nacli Entfernung der Gallenblase noch
Typhusbazillen im Stulil vorlianden seien. Der Betreffende hatte, wie
sich nacbtraglich herausstellte, lange Jahre im Auslande (Stidamerika)
gclebt, also dort seine Infektion erworben. Die Sttihle waren geformt
und frei von Schleim und Blut. Der 2. Fall kam zur Untersuchung
als moglicher Bazillentriiger nach einem vor 7 Jahren tiberstandenen
Origirval from
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Konrddi, Die Virulenz der Cerebrospinalfldasigkeit bei der menachl. Wut. H3
Typhus. Eine Anfrage, nachdem Ruhramobenzysten festgestellt worden
waren, ergab, dab er langere Zeit wahrend des Krieges in Mazedonien
gcwesen war. In Mazedonien komrnt Amobenruhr vor. Eine ltuhr
hatte er zwar dort nicht iiberstanden, sich aber, wie es haufig vorkommt,
ohne klinische Erscheinungen mit RuhramOben infiziert. Darmerschei-
nungen irgendwelcher Art bestanden bei ibm nicht; der Stulil war regel-
recht. Der 3. Fall betraf eine geisteskranke Frau. Der Stuhl kain zur
Feststellung eventuell vorhandener Typhusbazillen zur Qntersuchung.
Die Frau hatte vor 28 Jahren in RuBland gelebt, ihre Infektion ist sicher
dort erfolgt, da es in RuBland autochthone Amobenruhr gibt. Auch die
Stfihle dieser Person waren regelrecht. Im Fall 1 und 3 bestand gleich-
zeitig eine Infektion mit Entamoeba coli, im Fall 2 und 3 eine
solche mit Trichomonas intestinalis.
Alle 3 Falle des Vorkommens von Ruhramobenzysten lassen sich
zwanglos durch eine Infektion aufierhalb Deutschlands erklaren. Es
bleibt also kein Fall von autotochthoner Amobenruhr Ubrig bei den von
mir untersuchten Personen. Damit soli nun keineswegs das Vorkommen
von autochthoner Amobenruhr in Deutschland geleugnet werden, nur ist
es notwendig, in jedem Falle von positivem Befunde von Ruhramdben
eine genaue Anamnese aufzunehmen, um eine aufierhalb Deutschlands
mbglicherweise erfolgte Infektion auszuschlieBen. Bisher hat nur
Fischer in 1 Falle autochthone Amobenruhr fur Deutschland annehmen
zu mtissen geglaubt. Seine Befunde sind vereinzelt geblieben. Weitere
Bezirke von Deutschland miissen deshalb systematisch durchuntersucht
werden, um festzustellen, ob die zahlreich von den verschiedenen Ivriegs-
schauplatzen und aus dem Auslande zuilickgekehrten Zystentrager nicht
dock Infektionen in Deutschland hervorrufen.
Liter&tur.
Mackinnon, Matthews, Yorke, Bay lies, Ref. Arch. f. Schiffs- u. Tropen-
hygiene. Bd. 24. 1920. — Landouzy u. Debrd, Ref. ebenda. Bd. 18. 1914. — Labbd,
zit bei Fischer. — Fischer, Berlin, klin. Wochenschr. 1920. Nr. 1. — Jung und
Sell, Miinchen. rned. Wochenschr. 1921. Nr. 17. — Noller, Arch. f. Schiffs- und
TropeDhyg. Bd. 24. Ifi20 — Berndt, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 83. 1919.
H. 7. — Miiesig, Munchen. med. Wochenschr. 1921. Nr. 43.
Naehdruch v«rbot*n.
Die Virulenz der Cerebrospinalfliissigkeit bei der mensch-
licben Wut.
[Mitteilung aus der antirabischen Sektion des Pasteur-Institutes in
Klausenburg (Cluj, Rum&nien) (Direktor: Prof. Dr. C. Levaditi).]
Von Dozenten Dr. Daniel Konriuli, Leiter der Abteilung.
In unserer Abteilung ereignete sich der folgende Fall:
Das 3'/,-jahr. Madchen E. V. wurde am 1. Okt. 1921 durch einen Hund. dossen
Toll wut durch den Tierarzt konslaliert wurde, an der liukcn Regio infraorpilalis ge-
bieaen. Ea erlitt 2 tiefe, stark blutcnde Bifiwunden. Der Hund hatte noch 4 andere
PeTsonen gebissen, von denen eine an Lyssa zugrunde ging. Eine Schutzimpfung wurde
bei den letztgenannten nicht unternommen, da dienelben die Si'ktion nicht besuchtcn.
Daa Madchen wurde erst am 4. Okt. eingebracht, wo die Schutzimpfung sofort be-
Knte Abt. Orig. Bd. 88. Heft 2. 8
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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 2.
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f onnen wurde, aber am 15. Okt., also nach einer Inkubation yon 14 Tagen, er-
rankte es schon wahrend der Behandlung. Die Symptome waren: Fieber (38,6 bis
40,7° C), Atemnot, Trismus, aber keine Wasserscheu. Die Nackengegend war schon
am 1. Tage sehr empfindlich, am 2. schmerzhatt, vom 3. Tage an hatte es Opisthotonus,
der am 5. Tage semen hochsten Grad erreichte und Atemkrampfe verursachte. Auf
Anblasen zeigte es eine sehr groBe reflektorische Ueberempfindlichkeit mit Atemkrampfen,
aber ohne 8chlundkraropfe. Obwohl diese Symptome sehr charakteristisch sind, konnte
man nach der Meinung eines anderen Fachmannes des Trismus und Opisthotonus wegen
auch an Tetanus, ja sogar an Meningitis denken. Es wurde daher am 4. Krankheits-
tage eine Lumbalpunktion unternommen; wir erhielten aber kaum einige Kubikzenti-
meter Fliissigkeit, die ganz klar war. 24 Std. spater trat der Tod unter Lahmungs-
erscheinungen und Asphyxie ein. Die Eltern verweigeiten die Sektion.
Mit der Cerebrospinalflflssigkeit wurden aber ein Meerschweinchen
und ein KaDinchen subdural, ein anderes Kaninchen intraokular infiziert,
obwohl wir keine Hoffnung hatten, einen positiven Erfolg zu bekommen,
da in der diesbezfiglichen Literatur die Ansichten sehr auseinander-
gehen, ja sogar fast allgemein angenommen wird, daB die Cerebrospi-
nalflfissigkeit kein Lyssavirus enthalt. Das Resultat dieser Untersuchung
hat die Frage aufgeklSrt. Das Meerschweinchen namlich, welches am
18. Okt. infiziert wurde, erlag am 19. Nov., also am 31. Tage, der Wut,
gleichfalls erkrankten beide Kaninchen am 9. Dez., also 52 Tage nach
der Infektion, zu gleicher Zeit an der Wut und gingen nach einer
Krankheitsdauer von 48 Std. daran zugrunde. Aus dem am 19. Nov.
an Lyssa gestorbenen Meerschweinchen wurden 2 Kaninchen subdural
infiziert, von denen eines am 1. Jan. 1922, also nach 42 Tagen, an der
Tolhvut zugrunde ging. Das zweite Kaninchen erlag an der Wut am
21. Febr., d. h. nach 93 Tagen.
Dieses Experiment best&tigte in 1. Reihe die Diagnose, daB Lyssa
die Todesursache des M&dchens war, und zwar die sogenannte para-
lytische oder stille Wut, die beim Menschen sich seltener entwickelt und
besonders nach schweren Verletzungen und nach groBeren Virusquanti-
t&ten. Deshalb war die Inkubation so kurz: 14 Tage. Derart kurze
Inkubationen kommen selten vor. So berichtet Kozewaloff aus dem
Charkower Institute bei einem 3-jfihr. Mfidchen, das von einem Wolfe
am Kopf und Gesicht stark verletzt worden war, fiber eine Inkubation
von 12 Tagen. Hogyes beobachtete unter den seit 1886 gesammelten
Lyssafallen lmal eine solche von 13, Pasteur 1 mal eine von 14,
Babes nach Wolfverletzungen in 11 Fallen eine Inkubation von 15 Tagen.
In unserem Institute ereigneten sich bis jetzt noch 3 FSlle von einer
derart kurzen Inkubation, und zwar bei einem 24 Jahre alten Burschen
nach Augenlidverletzung eine 13-, bei einem 56 Jahre alten Menschen
nach Handverletzung und bei einem 8-jahr. Mfidchen nach Gesichts- und
Kopfverletzung eine je 14-tfigige Inkubation. Diese Ffille konnen nicht
gerettet werden, wie dies auch Babes in seiner berfihmten Monographic
hervorhebt.
Diese Beobachtung bestfitigte aber noch eine andere, vielbestrittene
Frage, namlich das Vorkommen des Lyssavirus in der Cerebro-
spinalflfissigkeit, worfiber die Ansichten sehr auseinandergehen.
Nach Pasteur erweist sich diese Fliissigkeit zuweilen als nicht an-
steckend, ein anderesmal wieder als ansteckend.
YVyssokowicz untersuchte dies bei 2 Menschen und 3 Hunden mit negativem
Erfolge, obwohl bei Beinem 2. Falle ein mit 0,3 ccm Flussigkeit der Seitengehirnven-
trikel inokuliertes Kaninchen am 30. Tage erkrankte und am 32. zugrunde ging. Vom
Riickenmark des letzteren Kaninchens wurde ein anderea angesteckt, welche am 15 Tage
erkrankte und am 17. einging, also zu gleicher Zeit, w’ie das mit der Riickenmarks-
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Weise, Bioskopische Methoden im Reagenzglase usw.
115
emulsion des an Wut gestorbenen Menschen geimpfte Kontrollkaninchen. Obzwar dies
ein positiver Fall ist, wird er sowohl vom Autor selbst, ala auch von alien anderen spa-
teren Forschei'n einfach iibersehen. Nach Techerewkow befindet sich das Lyssagift
zuweilen in der Ventrikelfliissigkeit des Gehiros, die Cerebrospinalfliissigkeit ist aber
frei. Nach Lesieur fielen die Impfversuche, welche mit dera Exsudat von 3 Menachen
ausgefiihrt wurden, negativ aus. Auch die 2 Falle von Marie und 1 Fall von Poor
gaben ein negatives Resultat. Claudio Fermi wollte diese Frace entscheiden und
kommt aus seinen an 21 Kaninchen, 13 Hunden, 13 Ratten und 4 Miiusen angestellten
Ver-uchen zu dem Schlusse, dafi diese Fliissigkeit nicht infektios ist. wenn sie mit aller
Vorsicht entnommen wird und nicht Nervensubstanz mit sich wegfiihrt. Franya be-
hauptet die Virulenz dieser Fliissigkeit, gestiitzt auf einen positiven Fall, und schlagt
eine solche Untersuchung zu diagnostischen Zwecken bei der menschlichen loll wut vor.
Dieser Fall gab Repet to Gelegenheit, diesbeziiglich neue Forschungen anzustellen,
obwohl er uberzeugt war, daS niemand dem einzigen von Fran 5 a erzielten positiven
Falle irgendwelchen Wert zuschreiben und noch weniger seinen SchluBfolgerungen bei-
treten konne.“ Aus seinen mit der Cerebrospinalfliissigkeit von 10 Hunden und 2 Men-
-chen angestellten VerBUchen ergab sich, dafl „gewohnlich die Cerebrospinalfliissigkeit
wutkranker Tiere nicht virulent ist“, worauf Franya neue Untersuchungen anstellte
und nachwies, dafi durch Verimpfung des Liquors von wutkranken Personen auf Ka¬
ninchen die gleiche Erkrankung erzielt werden kann, wie durch Verimpfung von Bul¬
bas- und Gehimmaterial. Die ersten Krankheitserscheinungen traten nach Franya
fast zu gleicher Zeit auf.
Hijgyes schreibt in seiner beriihmten Monographic diesbeziiglich folgendes: „Der
Liquor cerebrospinalis enthalt in den meisten Fallen Lyssavirus. 1 - Babes erwahnt in
*einem groBen Werke, daB er in 1 Falle von 4 diese Fliissigkeit virulent fand; in
2 Fallen war die ex vivo entnommene nicht virulent. Die neueste Monographte von
Josef Koch schreibt diesbeziiglich folgendes: „Nach den vorliegenden Mitteilungen
fehlt demnach das Lyssavirus in der Spinalflussigkeit, doch scheinen Ausnahmen vor-
zukommen.“
Aus Obigem folgt, daB diese Frage noch immer nicht aufgeklart
ist. weshalb wir es fQr notwendig hielten, unseren einzigen Fall zu
publizieren, ja sogar neuere Untersuchungen anzustellen, da die Er-
orterung dieser Frage nicht nur wissenschaftlich, sondern auch praktisch
sehr wichtig ist. Ueber diese Untersuchungen wird Herr Assistent
Lupan referieren.
Liter atur
Babes , Trait4 de la rage. 1912. — Fermi, Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 44.
— Franya, ebenda. Abt. I. Ref. Bd. 46. — Hogyes, Lyssa. — Koch, Kolie-Was¬
her man ns Hdb. 2. Aufl. 8 . - Kozewaloff, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 57.
— Lesieur, Compt. rend, de la Soc. de Biol. T. 57. — Marie, L’4tude expdrim.
de la rage. — Pasteur, Zitiert in alien Monographien. — Poor, ebenfalls. — Re-
petto. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 49. — Techerewkow, ebenda. Abt. I.
Ref. Bd. 34. — Wyssokowicz, ebenda. Bd. 10.
Nach drunk verboien.
Bioskopische Methoden im Reagenzglase fur den Nachweis
der Lebensfahigkeit eines Gewebes, insbesondere der Mause-
tumoren und ihre Verwendung fur die Analyse der
Strahlenwirkung.
[Aus der Chirurgischen Universitatsklinik zu Jena
(Direktor: Prof. Dr. Guleke).]
Von Kurt Weise.
Zur Lbsung wichtiger Fragen bediirfen wir in der experimentellen
Chirurgie einer zuverlassigen bioskopischen Methode, mit deren Hilfe
8 *
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
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man in der Lage ist, in einfacher, leicht ausfiihrbarer Weise den Nach¬
weis der Lebensfahigkeit eines Gewebes im Reagenzglas* zu fiihren.
Das gilt vor allem fiir Fragen der Transplantations-, Geschwulst- und
W unddesinfektionsforschung.
Meine Untersuchungen erstreckten sich auf den Nachweis der Lebens¬
fahigkeit von Gesehwulstzellen im Reagenzglase. Unter ihnen eignen
sich zu langeren Versuchsreiben vor allem Mausetumoren, die bei Weiter-
impfung auf gesunde Mause regelmaBig eine nene Geschwulst entstehen
lassen. Unter Benutzung einer einwandfreien bioskopischen Reaktion
w§re es dann moglich, den Tierversuch zur Ermittlung der Strahlen-
wirkung auf diese Tumoren heranzuziehen.
Einerseits kbunte man die Frage entscheiden, ob die einer Be-
strahlung unterworfenen Tumorzellen, wenn sie bei Weiterimpfung keine
Geschwulst mehr entstehen lassen, iiberhaupt noch am Leben sind, oder
ob nur ihre Fortpflanzungsfahigkeit vernichtet ist, wahrend ihre Vitalitat
bestehen bleibt. Andererseits lieBe sich auch durch entsprechende Ver-
suchsreihen feststellen, welche Bestrahlungsdosis imstande ist, die ein-
zelnen Gesehwulstzellen ihrer Lebensfahigkeit zu berauben.
Bisher ist fiir den Nachweis der Lebensfahigkeit eines Gewebes eine
derartige Reaktion in eindeutiger Weise nicht bekannt; dagegen sind
bioskopische Methoden fur den Nachweis lebender Leukozyten und fiir
das Vorhandensein lebender Bakterien angewandt worden, fiir erstere
das Methylenblauverfahren von Neisser, fiir letztere die Methode von
Gosio mit Kalium tellurosum als Indikator. Die bioskopische Methylen-
blaureaktion Neissers benutzte spater A. v. Wassermann, um fest-
zustellen, in welcher Weise die Mesothoriumbestrahlung auf M&use-
karzinom in vitro wirkt.
Die Zuverlassigkeit dieser Methode fiir Tumorgewebe muB aber insofern von vorn-
herein fraglich erscheinen, als wir in VVrzoseks Arbeit: ,,Beo bach t ungen iiber die
Bedingungen des Wacbstums der obligatorischen Anaeroben in aerober \Veise“(l) fest-
gestellt finden, dafi getrocknete Tier und Pflanzengewebe die Eigenschaft haben, Sauer-
stoff zu binden und durch diesen Reaktionsvorgang die Farblosung zu entfarben. Auch
Neisser und Wechsberg erwahnen schou in ihrer Arbeit: ,,Eine neue einfache
Methode zur Beobachtung von Schadigungen lebender Zellen und Organismen“ (2),
daB gewisse Zellen an sich reduzierend wirkende Stoffe enthalten konnen, gleichgiiltig,
ob die Zellen lebend oder tot sind.
Ich suchte nun zunachst das Verhalten von Geschwulstgewebe tumor-
kranker Mause in Neissers Methylenblaulosung festzustellen.
Die einzig genaue Angabe iiber die Intensilat der anzuwendenden Farblosung ist
von Wrzosek gemacht, der von einer 0,01-proz. wiisserigen Methylenblaulosung
1 Tropfen auf 10 ccra physiol. NaCl-Losung zusetzte. In dieser Verdiinnung erwies
sich nur der Farbenton im Reagenzglase zu hell, ura iiberhaupt eiuen sichtbaren Farben-
umschlag wahrnehmen zu konnen. Um eine geeignete Farblosung herauszufindeu, ging
ich folgendermaBen vor: Ich stellte inir zunachst eine Losung her. bei der 1 Tropfen
einer 1-proz. wiisserigen Methylenblaulosung — Metbylenblau von Griibler — auf
100 ccm physiol. NaCI Losung zugesetzt wurde. Mit dieser Losung beschickte ich
eine Reihe Iieagenzrbhrchen in einer Menge von 5 ccm. Jedem Reagenzglase wurden
Gewebsstiicke von der GroBe einer Mausnierc (0,2 g Gewicht) zugesetzt. Um vergleiehs-
weise f&stzustellen, ob und inwieweit sich Unterschiede in der Reduktionsfahigkeit von
lebendem und totem Gewebe zeigten, wurde ein Teil der gleichen Gewebsarten 5 Min.
lang gekocht, also sichcr abgetotet, und dann erst der Farblosung zugesetzt. Die Re-
agenzrohrehen verblieben bei 37° im Brutschrank. Bei alien Versuchen wurde keiru-
freies Arbeiten streng beobaebtet, da ja die Bakterienwirkung allein geniigt hiitte, eine
Aufhellung der Methylcnblaukochsalzlosung herbeizufiihren. Nur wenn die zur Kou-
trolle nach 24 Std. vorgenonmienen Ausstriche auf Agar keimfrei blieben, wurden die
Versuche verwertet. Als Gewebsarten gelanuten beim ersten Versuche Leber, Niere,
Muskel sowie 3 Tumoren der gleichen Art (Miiusetumor vom Bau des Karzinosarkoms)
zur Anwendung. AuBerdem wurde in eiuer Versuchsreihe, entsprechend der Angabe
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Weise, Bioskopische Methoden im Reagenzglase usw.
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Neissers, die Flussigkeit zum LuftabschluB mit Paraffinum liquidum iiberschichtet;
in der 2., in gleicher VVeise vorgenommenen Anordnung blieben die Reagenzrohrchen
nur mit einem Wattestopten verschlossen.
Es stellte sich heraus, daB der LuftabschluB mit HQssigem Paraffin
auf die Entffirbung keinen EinfluB ausubte. Besonders wichtig war aber
die Tatsache, daB das gekochte Gewebe die gleichen reduzierenden Eigen-
scbaften besaB wie das lebende. Die Zeitdauer bis zur eintretenden
Farbenabblassung war aber eine sehr lange, namlich 4(3 Std. Weitere Ver-
suche zeigten, daB eine Losung, bei der OTropfen eiuer 0,1-proz. wasserigen
Methylenblaulosung auf 100 ccm physiol. NaCl-L6sung zugesetzt waren,
die gQnstigsten Resultate gab, und zwar bei einer Fiiissigkeitsmenge
von je 1 und 2 ccm im Reagenzrohrchen unter Zusatz von je 0,2 g
Tumorgewebe. Dabei stellte sich immer wieder heraus, daB die biosko¬
pische Methode Neissers mit Methylenblau als Indikator zum Nach-
weis der Lebensfahigkeit von Geschwulstgewebe nicht anwendbar ist,
da sowohl lebende wie abgestorbene, d. h. durch Kochen abgetotete,
Tnmorzellen die F&higkeit besitzen, die MethylenblaulSsung zu entfdrben,
und zwar schon nach 2—4-stiind. Verbleiben im Brutschrank x ).
Ich ging nunmehr dazu iiber, die Beobachtung Gosios (3), daB
aus einer wasserklaren Losung von Kalium tellurosum (K 2 Te0 8 4-K0H)
bei Gegenwart lebender Bakterien metallisches Tellur als schwarzer
Siederschlag ausgefdllt wird, fiir die Frage des bioskopischen Nachweises
der Lebensfahigkeit eines Gewebes zu untersuchen. Der Reduktions-
vorgang ist nach Gosio derart, daB das metallische Tellur an den
Bakterienkorper gebunden bleibt: „Die Bakterien werden gleichsam zu
einer Niederlage der Reduktionsprodukte und dadurch reich pigmentiert. u
Molgedessen sinken sie zu Boden und bilden so einen schwarzen Nieder-
schlag.
Die Reduktionsfahigkeit der Tellurite benutzte Gosio, um die Anwesenheit
lebender Mikroorganismen in Serumampullen als Verunreinigungsprodukt leicht mnkro-
■kopisch festetellen zu konnen und deren Unbrauchbarkcit zu Injektionen kennllich zu
machen, da auch ein Zusatz von antiseptischen Losungen die Lebensfahigkeit und das
Wachslum von Bakterien nicht unbedingt ausschliefit. Auch Gloger (4) wandte das
Kalium tellurosum als Indikator des Bakterienlebens an; nach ihm findet jedoch „die
Bildung einer dunklen Verfarbung und eines Niederschlages in Nahrboden und Klussig-
keiten unter dem EinfluB des Kalium tellurosum nur unter Teilnahme solcher Bakterien
*utt, welche aus den organischen Verbindungen des Nahrbodens Schwefelwasserstoff
absondern“. Er halt desholb das Reduktionsprodukt nicht fiir metallisches Tellur, wie
Gosio, sondern fiir Tellursulfid. Chemische Analysen liegen jedoch bUher nicht vor.
Gloger fand ferner ein Versagen der Meihode von Gosio bei Anwesenheit von Keimen
im Latenzstadiura. Da auBerdera die Serumampullen bis zum Gebrauch im allgemeinen
kiiht aulbewahrt werden und somit eine Entwicklung zufiillig hmeingelangter Mikro-
organismen erschwert wird, so schrankt sich nach Glogers Anstcnt weiterhin die
Hrauchbarkeit der iNlelhode ein. Er halt das Kalium tellurosum deshalb als Indikator
nicht fur so sicher, als daB er Phenol oder ein anderes Antiseptikum in den Vakzinen
ersptzen konnte, und bezeichnet es als einen von den vielen Indikatoren in der Bak-
teriologie.
Das Verhalten einer Kalium tellurosum-Losung lebendem Gewebe
gegenflber wurde bisher nicht gepriift. Es gait zunachst zu bestimmen,
in welcher Konzentration und bei welcher Fliissigkeitsmenge im Reagenz-
glas das Kalium tellurosum anzuwenden ist. Fiir diese Versuche wurde
je ein 0,2 g groBes Stiickchen lebenden Tumorgewebes jedem Reagcnz-
glase zugesetzt. Die giinstigsten Resultate gab eine physiol. NaCl-
1) Anfiibrung samtlicher Protokolle war der Red. wegen der hohen Druckkosten
nicht moglich; ausfiihrliche Arbeit siehe: Weise, J., Diss. Jena 1921.
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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 2.
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Losung mit einem Telluritgehalt von 1:10000 — Kalium tellurosuin
von Merck — bei einer Fliissigkeitsmenge von 5 ccm im Reagenz-
rohrchen. Unter diesen Bedinguugen zeigte sich namlich schon nach
1-stiiud. Verbleiben im Brutschrank ein beginnender schw&rzlicher Ueber-
zug an einzelnen Stellen des Gewebsstiickchens, der nach 4 Std. deutlich
ausgesprochen ist. Nach 20 Std. trat SchwarzfSrbung des Gewebsstiickes
ein. Da in diesen Versuchen nur lebende Gewebe verwendet wurden,
so blieb weiterhin zu bestinimen, ob auch in den abgestorbenen Geweben
ein schwarzlicher Niederschlag auftritt. Zu diesem Zwecke lieB ich von
einem Tumor die eine Halite unverandert, die andere totete ich durch
5 Min. langes Kochen in physiol. NaCl-Losung ab.
Bei diesem Versuch verhielt sich totes Gewebe in der Tellurlosung
ganz anders als lebendes; es blieb unverandert, wahrend der lebende
Zellkomplex bereits nach 1 Std. eine schwarzliche Verfarbung an ein¬
zelnen Stellen des Gewebsstiickes erkennen lieB, die sich nach 24 Std.
zur vollkommenen Schwarzfarbung vervollstandigte.
Da bei alien bisher vorgenommenen Versuchsreihen frisches, in
keiner Weise verandertes Geschwulstgewebe von tumorkranken Mausen
verwandt vorden war, lag es in Anbetracht von v. Wassermanns
Angaben nahe, das Verhalten bestrahlten Tumorgewebes gegeniiber
der Methylenblau- und Tellurlosung zu priifen.
Von einer Maus mit einem reichlich kirschgroBen Karzinosarkom,
das in vivo einer 12 l / 2 -stund. Fernbestrahlung mit Ron tgen - Strahlen
nach Seitz und VVintz unterzogen war (5), wurden unmittelbar nach
beendeter Bestrahlung 3 Gewebsstiickchen der Geschwulst von je 0,2 g
fur den Versuch VII benutzt.
Protokoll VII.
Tumor einer 12*/ 9 -stund. Bestrahlung unterzogen; je ein 0,2 g groBes Stiickchen
jedem Reagenzglas zugesetzt. Reagenzrobrchtn mit je 1 und 2 ccm Fliissigkeit be-
schickt (6 Tropfen 0,1-proz., wasserige Melhylenblaulosung auf 100 ccm physiol. NaCl-
Losung).
(Lebendes bestrahltes Tumorgewebe
Gekochtes bestrahltes Tumorgewebe
1
Beobachtungszeit der B
2 | 4 6 8
ieduktion nach Stunden
1 | 2 | 4 | 6 | 8
im Rengenz-
rohrchen je 1 ccm
2 ccm Fliissigkeit
Zeichenerkla
+
rung: ■
+ +
+ ! ++
— +
+ schwache E
+ vollige
+ + +
+
Intfarbi
»»
+ + + ,
+ +
>ng, +
Versuch wegen Gewebsmangels
nicht angesetzt
— 1 — I + | + ( + +
+ fast vollige Entfiirbung,
— keine „
Der Ausfall des Versuches zeigt, daB auch das bestrahlte und zur
sicheren Abtotung gekochte Tumorgewebe gegenuber der Methylenblau-
losung gleiche reduzierende Eigenschaften besitzt wie das bestrahlte,
nicht gekochte. Man kann daher unter Benutzung der Neisserschen
Methode nicht entscheiden, in welcher Weise die Bestrahlung auf die
Tumorzellen wirkt. Und so muBte die Beweiskraft der v. Wasser-
mannschen Versuche nach den vorangehenden Ergebnissen von vorn-
herein in Zweifel gezogen werden.
A. v. Wassermann benutzte das Neissersche Verfahren in
seiner Arbeit fiber die Analyse der Wirkung radioaktiver Substanzen
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Weise, Bioskopische Methoden im Reagenzglase usw.
119
auf Mausekrebs (6) und stellte fest, daB „die radioaktiven Strahlen direkt
auf die Karzinomzellen wirken, daB die WirkuDg aber nicht darin be-
steht, dad sie die Karzinomzellen abtoten, sondern daB nur derjenige
Apparat der Karzinomzellen getroffen wird, der die Vermehrung, die
Proliferation und Teilung besorgt. u
Bei seiner Versuchsanordnung der BestrahlungstechDik, die an sich nicht ein-
wandfrei ist, worauf schon Key sser hingewiesen hat, ging v. Wassermann so vor,
daB er Karzinomstiickchen von verschiedener GroBe (GroBe I = •, 11=0 und III = □
— verschieden lange mit einem Mesothoriumpraparat von 55 mg Mesothoriummenge in
vitro be-«trahlte. Das Mesothorium war in einem Kohrchen von Silberblech ein-
geschlossen, das seinerseits wiederum in einer zylindrischen, 1 mm starken Kapse) von
verDickeltem Messing steckte. Der Mesolhoriumzylinder wurde an einem Faden be-
festigt, in das mit Karzinomstuckchen beschickte Keagenzglas gegeben. Das Ergebnis
war, daB bei GroBe 1 und II nach 3-stiind. Bestrablung die Karzinomstuckchen sich
nicht niehr fahig erwiesen, bei Verimpfung ein neues Karzinom zu erzeugen. Bei
GroBe III land v. Wassermann, daB sich bei Wiederimpfung auf gesunde Mause
Dene Tumoren entwickelten. Um schlieBlich die Wirkung der radioaktiven btrahlen zu
erforschen, bediente er sich des bioskopischen Verfahrens nach Neisser mit Metbylen-
blau. Genauere Angaben iiber Herslellung der Methylenblaulosung sowie die jedem
Reagenzrohrchen zugesetzte Menge des Gewebsmaterials finden sicli in v. Wasser-
manns Arbeit nicht. v. Wassermann bestrahlte Karzinomstuckchen 3 bzw 3 1 /, Std.
mit Mesothorium im Rpagenzglase, verimpfte dann einige Stiickchen auf Mause, gleich-
zeitig aber kamen Probeu dieser gleichen Karzinomstuckchen in physiol. NaCl-Losung,
die durch Zusatz 1 1 ropfens wasseriger Methylenblaulosung blau gefarbt war. Bereits
nach einigen btunden, besonder6 aber auch am nachslen Tage, zeigte sich eine deut-
liche Abblassung des Methylenblaus. Die Kontrollrohrcben mit abgetoteten Karzinom¬
stiickchen blieben unverandert. Aus der eingetrelenen Entfarbung zieht v. Wasser-
manu den Schlufi, dafi die bestrahlten Zellen noch am Lebeu waren. Da aber die
an&logen lebenden Karzinomstuckchen bei Verimpfung auf gesunde Mause keine Tumor-
bildung niehr veranlaiiten, folgerte er, daB die radioaktiven Substanzen den Fortbildungs-
apparat, nicht aber den Ernahrungsapparat schiidigen.
Ich suchte nun, einen den v. Wassermannschen Versuchen &hn-
lichen Vorgang herzustellen, und zwar zunachst mit unbestrahltem Ge-
webe, um zu sehen, ob so kleine Tumorstiickchen iiberhaupt reduktions-
fahig sind. Dabei erwiesen sich die • und O groBen Zellkomplexe flir
sich allein im Reagenzglas lebend und durch Kochen abgetotet als re-
duktionsunfahig, die groBen □ groBen verursachten dagegen nach 8 Std. eine
beginDende Entfarbung der Meihylenblaukochsalzldsung, die im Verlaufe
von 24 Std. deutlicher wurde, jedoch nur gegentiber einer Farbtitissig-
keitsmenge von 1 ccm im Reagenzglas; ob das Gewebe lebend oder
abgetotet war, blieb gleichgtiltig.
Fur den nkchsten Versuch mit bestrahltem Gewebe nahm ich die
Einwirkung der Radiumstrahlen in der gleichen, nicht einwandfreien
Methode v. Wassermanns vor. Ich setzte einem mit Ringerscher
Losung beschickten Reagenzrbhrchen von 0,5 cm Durchm. einige D-groBe
Tuiuorstfickchen zu und gab in dieses einen, an einem Faden befestigten
Mesothoriumzylinder mit einer Mesothoriummenge von 50 mg herein.
Nach dreistiindiger Bestrahlungsdauer bei KorperwSrme gelangte die
Meihylenblaumethode zur Anwendung. Ein Teil der Gewebstiickchen
wurde wiederum durch Kochen abgetotet.
Als Kontrolle wurde auch gekochtes, nicht bestrahltes Gewebe in
gleicher Weise angesetzt. Ich beschickte die Reagenzrohrchen mit je 1
und 2 ccm Methylenblaukochsalzlosung (6 Tr. 0,1-proz. w&Br. Methlylen-
blaulos. auf 100 ccm physiol. NaCl-Los.) und iiberschichtete die FlQssig-
keit nach Zusatz je eines Tumorstiickchens von D-GroBe mit Paraffin,
liquid.
Nach 24-8tflndigem Verbleiben im Brutschrank zeigt sich wiederum
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Ccntralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
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ein gleiches Verhalten der lebenden wie abgetoteten bestrahlten Gewebs-
zellen. Beide entiSiben die Methylenblaukochsalzlosung in derselben
Weise; auch den zur Kontrolle mit gekochten, nicht bestrahlten Tumor-
stiickchen beschickten Reagenzrohrchen gegeniiber fiudet sich kein
nennenswerter Unterschied in der Entfarbung der Methylenblaulosung.
Man kann daher nicht nachweisen, ob das als lebend bezeichnete be-
strahlte Gewebe wirklich noch Lebensfahigkeit hatte. Es blieb jedoch
noch die Moglichkeit, daB die Bestrahlangsdauer eine zu kurze gewesen
war. Ich bestrahlte daher gleich groBe Geschwulststuckchen 23 Stunden
hindurch mit dem gleichem Mesothoriumpraparat im Reagenzglase bei
Korperw&rme und benutzte sie zu einem weiteren, dem vorigen ent-
sprechenden Versuche, fand jedoch gleiche Resultate.
Es gait nunmehr, festzustellen, wie sich bestrahltes Tumorgewebe
der Tellurldsung gegeniiber verhielt. In den ersten Versuchen dieser
Art wurde zum Vergleiche lebendes, abgetotetes und bestrahltes Gewebe
der Tellurkochsalzlosung — Kalium tellurosum 1:10000 in physiol.
NaCI-Losung — zugesetzt. Die R 6 n t g e n - Bestrahlung des Mausetumors
war in vivo nach der von Keysser angegebenen Methode (5) ausgefiihrt.
Protokoll XI.
Reagenzrohrchen mit je 5 ccm Kalium tellurosom 1:10000 in physiol. NaCl-
Losung beschickt und je 1 Gewebsstiickchen von 0,2 g Gewicht zugesetzt.
Lebendes Tumorgewebe
Gekochtes Tumorgewebe
Bestrahltes Tumorgewebe,
lebend
Beobachtungsdauer nach Stunden:
2
, 4
6
20
2
4
6
20
2
4
6
20
+
+
+ +
+ + +
_
_
_
+
+
+ +
+ +
+
+
+ 4-
+ + +
—
r—
—
—
+
+
+ +
+ +
+
+
+ +
+ + +
—
—
—
—
+
+
+ +
+ +
Zeichener k laru n g: + beginnender schwiirzlicher Ueberzug an einzelnen
Stellen des Gewebsatiickes; ++ tiefschwarzer Ueberzug in weiter auagedehntem Malle;
+ + + vollkommene Schwarzfarbung; — keine Reduktion.
Auf dem lebenden Gewebe lieB sich also schon nach 2 Std. ein be¬
ginnender schw&rzlicher Ueberzug als Reduktionsvorgang nachweisen,
der sich in Farbenton und Ausdehnung in der angegebenen Weise ver-
starkte. Bei dem einem bestrahlten Tumor entnommenen Gewebsstiickcben
lieB sich ebenfalls nach 2 Std. ein schwarzlicher Niederschlag erkennen,
jedoch wurden im Reduktionsgrade nach 20 Std. Differenzen dem gewohn-
lichen lebenden Tumorgewebe gegeniiber ersichtlich. Das gekochte Ge¬
webe blieb dagegen vollig unverandert.
Fur den nachsten Versuch wahlte ich die bereits beschriebene Ver-
suchsanordnung v. Wassermanns unter Anwendung des Kalium tellu¬
rosum als Indikator.
Das Ergebnis war, daB die D-groBen, 3 Std. mit Mesothorium in
vitro bestrahlten Ca-Stuckchen unverandert blieben, also keine Reduktions-
fahigkeit mehr besaBen, wahrend die lebenden, nicht bestrahlten Zell-
komplexe in den Kontrollrohrchen einen schwarzen Niederschlag auf-
wiesen. Man kann danach, im Gegensatz zu v. Wassermann, an-
nehmen, daB die Sekundarstrahlung so intensiv war, daB sie die Zellen
restlos abtotete. Gamma-Strahlen konnten in der Zeit und in der
Versuchsanordnung nicht zur Wirkung gelangen. Ein in gleicher Weise
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Weise, Bioskopisehe Methoden im Reagenzglase usw.
121
angesetzter Versuch, bei dem die Geschwulststuckcheu einer 23-stiindig.
Bestrahlung ausgesetzt wurden, liefi ebenfalls weder bei den lebenden,
noch bei den abgetoteten, bestrahlten Zellkomplexen eine Niederschlags-
bildung erkennen.
Fur alle weitereu Versuche verwandte ich Gewebe von Tumoren,
die in vivo einer intensiven Ront gen -Bestrahlung unterzogen waren.
Von einem 10 Tage alten Mausetumor zerschnitt ich sofort nach
10-std. Fernbestrahlung ein 0,2 g schweres Stiick in □-groBe Stuckchen
und setzte sie einem mit 5 ccm der bekannten Kalium tellurosum-NaCl-
LSsung beschickten Reagenzglase zu. Fur den Vergleichsversuch mit
totem Gewebe standen nur einige ebenso groBe Ca-Stiickchen zur Ver-
fOgung, die durch Kochen abgetotet waren, im Gesamtgewicht von 0,1 g.
Bei den lebenden Zellen lieB sich trotz der Bestrahlung nach einigen
Stunden eine schwarzliche Verfarbung nachweisen, die jedoch bei ein-
zelnen Stuckchen ausblieb, so daB man anzunehmen berechtigt ist, daB
diese durch die Bestrahlung so getroffen waren, daB sie aus der Lbsung
metallisches Tellur nicht mehr zur Ausscheidung bringen konnten, also
ihre Lebensfahigkeit verloren hatten.
Da nach den entsprechenden Versuchen von Keysser bei Weiter-
irapfung. desselben Tumormaterials auf gesunde Mkuse neue Karzino-
sarkome sich entwickelten, so geht daraus hervor, daB trotz so intensiver
Bestrahlung weder die Lebens- noch die Fortpflanzungsfahigkeit der
tieferen Zellschichten vernichtet war, wenigstens nicht unmittelbar nach
der Bestrahlung. Dies bestatigt auch der letzte Versuch mit Gewebs-
material aus einem reichlich kirschgroBen Mausetumor, der einer 12V 2 -std.
Fernbestrahlung in vivo ausgesetzt war. Die lebenden, bestrahlten Zellen
vermochten nach kurzer Zeit Tellur als schwarzen Niederschlag zu bindeu.
waren also noch am Leben, wahrend die durch Kochen abgetbteten Ge-
webstflckchen unveriindert blieben.
Protokoll XV.
Turaorgewebe einer 12‘/ s -stund. Fernbestrahlung in vivo unterzogen. Von deiu
Tumor wurde je 1 Stuckchen von 0 2 g Gewicht in ein Reagenzglaa gebracht, das mit
5 ccm Kalium telluroaum 1:10000 in physiol. NaCl Losung beschickt war.
Lebendes bestrahltes Tumorgewebe ' Dasselbe gekocht
Beobachtungsdaner der Heduktion nach Stunden:
1 2
1
4
6
8
1 I 2 j 4 6 j 8
+ | + |
+ +
+ +
— ! — | — l — ! -
+ 1 +
+ +
+ +
+ +
nicht angesetzt
Zusammenfassung.
1) Die bioskopisehe Methylenblaureaktion, die Neisser zur Fest-
stellung der Lebensfahigkeit von Leukozyten angegeben hat, eignet sich
nicht zum Nachweis der Lebensfahigkeit von Gewebe, insbesondere von
Geschwulstgewebe. Denn die Methylenblaukoehsalzlosung wird durch
lebendes wie gekochtes, also abgestorbenes Gewebe, in gleicher Weise
entfarbt.
2) Kalium tellurosum 1:10000 in physiol. NaCl-Losung ist ein zti-
verlassiger Indikator zum Nachweis der Lebensfahigkeit von Tumor¬
gewebe. Denn in der wasserklaren Lbsung bildet sich nur bei lebenden
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122
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
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Gewebsstiickchen ein schwarzer Niederschlag von metallischem Tellur.
Abgestorbene Zeilen weisen keine Veranderungen auf.
Eine Erklarung der Strahlenwirkung, wie sie v. Wassermann
gegeben hat, namlich, daB die radioaktiven Substanzen bei der Krebs-
zelle nur auf den Fortpflanzungs-, nicht aber auf den Ernahrungsapparat
wirken, ist nach den Versuchsergebnissen als unhaltbar zu bezeichnen.
Iiiteratnx.
1) WrzoBek, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 43. 1907. S. 17. u. Bd. 44.
8.607. — 2) Neisser u. Wechsberg, Miinchen. tned. Wochenschr. 1900. Nr. 37. —
3) Gosio, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51. 1905. S. 65. — 4) Gloger, Centralbl. f. Bakt.
Abt. 1. Orig. Bd. 40. 1906 8.584. — 5) Keysser, Miinchen. nied. Wochenschr. 1921.
H. 1. — 6) A. v. Wassermann, Dtsch. med. Wochenschr. 1914. S. 524.
Nachdruek vefboten.
Ueber die Magendarmflora der flaustaube.
[Tierphysiologisches Institut der Landwirtschaftlichen Hochschule
zu Berlin.]
Von Arthur Schcuncrt und Martin Schieblich.
Bei vergleichend-physiologischen Studien fiber die Verdauung ist es
unerlaBlich, den bakteriellen Vorgangen eine sorgfaltige Beachtung zu
schenken, uDd somit notwendig, die Bakterienflora der einzelnen Magen-
darmabschnitte kenuen zu lernen. Wahrend namlich bei Mensch und
Hund bakterielle Vorg&nge erst im Dickdarm eine groBere Rolle spielen,
sind solche bei alien herbivoren oder auch omnivoren Tieren, die rohe
Nahrung zu sich nehmen, in alien Magendarinabschnitten recht betracht-
lich. Schon im Magen treffen wir neben Kohlehydratgarung auch auf
EiweiBfaulnis, deren beider Uinfang bis zu einem gewissen Grade von
dem anatomischen Bau des Magens abhangt. Das Vorhandensein mehr
Oder weniger groBer Magenabteilungen, welche keine salzsaurehaltigen
Magensaft produzierende Schleimhaut besitzen, wie sie in Gestalt der
Vormagen der Wiederkauer und des Hamsters ihre deutlichste Aus-
pragung erfahren, gestattet uinfangreiche bakterielle Vorgange und weiter-
hin bieten die auBerst geraumigen und kotnpliziert gebauten Endd&rme,
in denen die noch nicht vollig verdauten Nahrungsreste lange verweilen,
vorziigliche Vegetationsbedingungen fiir bakterielles Leben. Es sei weiter
darauf hingewiesen, daB die Verdauung der Zellulose beim Wirbeltier
lediglich ein Garungsvorgang ist.
Diese Ueberlegungen waren es, die den ersten von uns veranlaBten,
eine Iieihe von Untersuchungen iiber die normale Magendarmflora einiger
Tiere vornehmen zu lassen. Diese erstreckten sich bisher auf Hamster,
Wiederkauer und Pferd 1 ).
1) Hopffe, A., Ueber das Vorkommen anaerober Faulniserreger im Magen, be-
sonders im Pansen der Wiederkauer. (Bpr. ub. d. Veterinarw. i. Kgr. Sachsen, Jhrg.
1909 S. 95) — Dies., Ueber die Bakterienflora ira Verdauungsschlauche von Cricetua
frumentarius etc. (Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. f> 8 . 1911. 8 . 289.) — Dies.,
Beitrag zur Kenntnis der normalen Magendarmflora des Pferdes etc. (Zeitschr. f. In-
fektionskrankheiten usw. d. Haustier 9 . Bd. 14. 1913. 8 . 307.)
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/
Scheunert u. Schieblich, Die Magendarmflora der Haustaube. 123
Besonderes Interesse beansprucht in diesem Rahraen die Darmflora
der Vogel, fiber die wir nur wenig unterrichtet sind. Diese Tiere be-
sitzen einen relativ kurzen Magendarmkanal, die Nahrung passiert den-
selben ebenfalls relativ rasch und der mfichtige Muskelmagen bei den
Granivoren unter ihnen, sowie die oft vorhandene Ausbildung langer,
oft paariger Blinddfirme weisen auf einen abweichenden Verlauf der
Verdauungsvorgange hin. Dazu kommt, daB vora Huhn bekannt ist,
daB es keine Zellulose verdaut 1 2 3 * ) und ferner wissen wir, daB bei den
Vfigeln der EiweiBstoffwechsel in anderen Bahnen als bei den Saugern
verlauft.
Wir unternahmen es deshalb, die obengenannten Studien auf die
Vfigel auszudehnen und wahlten zunachst die Haustaube als Vertreter
der Granivoren. Auf dieses Tier wurden wir noch durch andere uns
beschaftigende Untersuchungen fiber die Vitaminfrage, bei denen wir
der Darmflora aus Versuchsgrfinden besondere Beobachtung schenken
maSten, hingewiesen.
Bezfiglich der Haustaube stieflen wir in der Literatur nur auf eine Angabe von
Kern’\ der unter zahlreichen Vogelarten auch eine Haustaube untersuchte, sich aber
nur auf Magcn und Afterdarm dabei beschrankte. Im Magen der Taube fand er eine
#ehr reichliche Flora, der Bac. subtilis, Bac. lacca, Bac. lentiformie, Bac.
£ racilis,Bact. tenax,Bact. articul., Bact. gigant., Micrococcus pannosu8,
L nitidus, M. ovalis, Sarcina radiata, B. lutea, 8. Bcbrbteri angeborten.
Acs dem barm isolierte er Bact. gigant., Micr. annulatus, M. carnicolor,
Bare, radiata und S. lutea. Auftalligerweise feblte Bact. coli. Dies ist utn so
bemerkenswerter, als Bact. coli bei anderen Vogeln gefunden wurde und von Kern
als fur die Vogel obligat bezeichnet wird. Fiir die Beurteilung der inie-tinalen Flora
<to Vogel sind ferner die Angaben interessant, daB bei KSrnerfressern auffallig viel
Mikrokukken, Hefe und Schimmelpilze gefunden wurden, und dafl die Bakterienflora
eine weitgebende Abbangigkeit von der Nahrung aufwies.
Aus diesen etwas spSrlichen Angaben ergibt sich ftir unsere Frage
der Hinweis, daB die Taube vielleicht bezfiglich des Bact. coli eine
Sonderstellung einnehmen kfinnte. Untersuchungen fiber obligate An-
aerobier fehlen ganz. Diese sind aber gerade ffir die Fragen der ver-
gleichenden Physiologie von groBer Wichtigkeit. Auffallend ist auch,
daB die im Darmkanal weit verbreiteten Milchsaurebildner von Kern
nicht mit aufgeffihrt worden sind, vielleicht also fehlen konnten. In
diesem Zusammenhange erscheinen noch einige Angaben fiber die Darm-
bakterien des Haushuhnes von Rahner 8 ) von Wichtigkeit:
R. fand als einziges obligates Bakterium das Bact. coli. Dieses uahm im Ver-
daoungstraktus nacb der Kloake stetig zu und war besonders reichlich in den Blind-
racken vorbanden, wo alle anderen Bakterien ihm gegenuber fast ganz zuriicktreten.
Im Magen fand sicb Bact coli noch nicht. Dort waren reichliche grampodnve
Kokken, Bac. megatherium und grampositive Stabchen zu finden. Vom oberen
Diinndarm an zeigte sich eine Veranderung der Bakterien flora durch Eintreten des
Bact coli, neben dem noch gelegentlich Oidium lactis, Bac. megatherium
nod andere fakultative Keime gefunden wurden.
Unsere Untersuchungen hatten danach zunfichst die Aufgabe, die
Ergebnisse K ern s an mehreren Tieren zu kontrollieren und weiter sie
bezfiglich der obligaten Anaerobier sowie unter Eiubeziehung der In-
balte der noch nicht untersuchten Abschnitte des Verdauungstraktus der
Taube zu erg&nzen.
1) Weiser u. Zeitachek, Pfliig. Arch. Bd. 93. 1902. S. 125.
2) Kern, Beitrag zur Kenntnis acr im Darm und Magen der Vogel vorkommen-
'i«» Bakterien. (Arb. a. d. Bakt. Inst. d. Teehn. Hochsch. Karlsruhe. Bd. 1. I8:i7.)
3) Rahner, Bakt. Mitt fiber die Darmbakterien der Hfihner. (Centralbl. f. Bakt.
Abt. I. Bd. 30. 1901.)
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Centralbl. f. Batt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 2.
Die Ergebnisse der Untersuchungen, bei denen wir uns der iiblichen
Methoden bedienten, sind in den folgenden Tabellen niedergelegt. Die
Reihenfolge der Bakterien entspricht den quantitativen Verhaitnissen.
Taube I. Dae Tier wurde bis zuletzt im offenen Schlage bei Maisfiitterung ge-
halten. Die Totung erfolgte am 30. Sept. 1920. Die sterile Entuahme des Inhaltes
der einzelnen Magendarmabschnitte echloil sich an.
Driiaenmagen.
Reaktion:
schwach aauer
Streptococc.acidi
lactici Groten-
feldt 1 )
Bac. mesenteri -
cus (Fliigge)
Lehmann und
Neumann
Bact. septicae¬
mias haemor-
rhagicae H iippe
Micrococcus pyo¬
genes a aureus
(Rosenbach)
Lehmann und
Neumann
Bac. vulgatus
(Fliigge) Migula
Bact herbicola
aureum Burri u.
Diiggeli
Actinomyces
ehromogenes
Gasparini d al-
bus L. u. N.
Schimmelpilze
(Aspergillus)
Eine Untersuchung auf anaerobe Keime wurde bei dieser Taube
nicbt vorgenomnien. Das Auitreten des Bacterium septicaem iae
haemorrhagicae im normalen Taubeukot wurde bereits von Gama-
leia festgestellt. Moglicherweise bat das Tier den Iveim beim Trinken
von Wasser aus der nahe dem Institut voriiberfliefienden Panke auf-
genommen, in dem von Gaffky der Organismus ebenfalls nachgewiesen
wurde 2 ).
Die Untersuchung auf Anaerobier ergab das vdllige Feblen von
EiweiBfaulniserregern sowie Buttersaurebildnern. Es wurden lediglich
ein Milch bei schwach saurer Reaktion koagulierender Vertreter der
„Lang< n Milchsaurebakterien* in alien Abschnitten des Verdauungstraktus
mit Ausnahme des Duodenums und einmal (kaudaler Dunndarmabschnitt)
Bacillus acidophilus Finkelstein isoliert.
Um nun gleichzeitig festzustellen, ob eine andere Umgebung der
Tiere, ein anderes Klima oder, um mit dem Ziichter zu sprechen, eine
1) Der vollstandige Name jedes Bakteriums ist nur bei der erstmaligen Anliih-
rung genannt.
2) Lehmann u. Neumann, Atlas und Grundrifl der Bakteriologie etc. Teil 2.
Miinchen 1920. S. 279.
_ o„ Mittlerer Diinn- Kaud. Diinn- n . , ,
Muskelmagen. i ktion . 8c h w J ch darmabschnitt. darmabschnitt. aktl0n d “ J hw
Reaktion: sauer ...• . Reaktion: schw. Reaktion: schw. ,
alkalisch alkali8ch alkali8ch alkahsch
Micrococcus pyo¬
genes y albus
(Rosenbach) L.
u. N,
Streptococcus
aciai lactici
Bac. ruminatus
A. Meyer und
Gottheil
Bac. meseuteri-
cus
Actinomyces.
Bact. herbicola
aureum
Schimmelpilze
(Fenicillium,
Aspergillus)
Streptococcus
acidi lactici
Bac mycoides
Fliigge
Bac. mesenteri-
cus
Bac. vulgatus
Bac. megathe¬
rium de Bary
Bac. ruminatus
Bac. graveolens
A. Meyer und
Gottheil
Actinomyces.
Schimmelpilze
(Penicilhum
Mucor)
Hefe
Bac. mesenteri- Bac. mesenteri- Streptococcu
cus
Streptococcus
acidi lactici
Bac. vulgatus
Bac. megathe¬
rium
Bac. mycoides.
Actinomyces.
Schimmelpilze
(Penicillium,
Aspergillus,
Mucor)
Hefe
cus
I Bact. septicae-
miae haemor-
j rhagicae
' Bac. mycoides
Bac. megathe¬
rium
Streptococcus
acidi lactici
Bac. vulgatus
Actinomyces
'Schimmelpilze
| (Mucor, Asper
ptreptococcu
aciai lactici
IBact. septic)
miae haemi
rhagicae
Bac. vulgatu
Bac. mesenti
cus
Bac. mycoid(
Bac. ruminal
Micrococcus
seus (Bunin
L. u. N.
Schimmelpils
(Aspergillu-
Mucor)
Hefe
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Scheunert u. Schieblich. Die Magendarmflora der Haustaube. 125
Taabe II. Das Tier wurde zwecks moelichster Ausschaltung derartiger zufal-
liger Keime vor der Totung ca. 14 lage bei Maistiitterung im geschlo6senen Sehlage
gehalten. Die sterile Entnahme der Inhalte erfolgte am 3. Nov. 1920 nach der Totung.
'risenmengen.
eahion: saner
Muskelmagen.
Reaktion: kraftig
uauer
Duodenum. Re-
aktion: schwacb
sauer
laocoocus pyo-
jenei y albus
it. mesenteri-
it_ mycoides
tnptococcos
icidi lactici
iciaium puti-
iara Fliigge
ctmomyces
dcrococcus con¬
st) tncua Zim-
r.ermann
•imnaielpilze
Aspergill us.Pe-
Hfiilinm)
Bac. vulgatus
Bac. mycoides
Bac. mesenteri-
cus
Streptococcus
aciai lactici
Micrococcus pyo¬
genes y albus
Actinomyces
Micrococcus ro-
settaceus Zim¬
merman n
Bac. anthracoi-
des Hiippe
Wood
Schimmelpilze
(Penicillium,
Aspergillus)
u.
Mittlerer Diinn-
darmabschnitt.
Reaktion: schw.
alkalisch
Bac. vulgatus
Streptococcus
acidi lactici
Actinomyces
Micrococcuscan-
dicans Fliigge
Schimmelpilze
(Mucor, Peni¬
cillium, Asper¬
gillus)
Bacillus butyri-
cus Hiippe
Micrococcus can-
dicans
Streptococcus
acidi lactici
Micrococcus lu-
teus L. et N.
Bacillus fusifor-
mis A. Meyer]
et Gottheil
Actinomyces( wie
bisher)
Bac. vulgatus
Bac. mycoides
Bac. mesenteri
cus
Micrococcus sul-
fureus Ztmmer-
raann
Ein Streptococ¬
cus ruuco-us
Actinomyces
chromogenes
Ga u perini
Schimmelpilze
(Penicillium,
Mucor)
Taube III. Getotet am 17. Dez. 1920.
Kaud. Diinn-
darmabschnitt.
Reaktion: al¬
kalisch
Dickdarm. Re¬
aktion: alkalisch
Actinomyces
chromogenes
Gasp, ft albus
L. et N.
Micrococcus can-
dicans
Micrococcus lu-
teus
Streptococcus
acidi lactici
Bac. vulgatus
Bac. mycoides
farcin a lutea
FI iiggeem. Leh¬
mann el Stuben-
rath
Schimmelpilze
(Penicillium,
Mucor)
Actinomyces
chromogene6
Gasp, ft albus L.
u. N.
Streptococcus
aciai lactici
Micrococcus lo-
teus
Bac. mesenteri-
cus
Actinomyces
chromogenes
Gasperiui
Schimmelpilze
(Penicillium,
Mucor)
Drnsenmagen.
eakt.: schwach
sauer
Muskelmagen
Reaktion: sauer
I
Duodenum. Re¬
aktion: neutral
kill us mycot¬
ic*
r. carotarum
Koch
ir. vulgatus
u. graveolens
trteriam coll
F.-fherich) L.
a N.
callus cereus
Frinkland
•c. mesenteri-
:o»
tcrococcus lu-
leus
tier. aurantia-
eos Cohn
•rcina alba
?iminermann
treptocnccus
•ciili lactici
bn lias casei
Adametz
ninomyces
Bac. mycoides
Bac. carotarum
Bac. vulgatus
Bac. casei
Bac. subtilis
Cohn
Bac. mesenteri-
cus ruber
Globig
Micrococcus lu-
teus
Micr. bicolor
Zimmermann
Micr. albus Mat-
zuschita
Bacterium coli
Bact. latericium 1
(Adametz)L. et
Micrococcus
acidi lactis
KrQger
Bac. subtilis
Bact. latericium
Bac. mycoides
Bac. tumescens
Zopf
Bacterium Zopfii
Kutth
Bacillus subeer-
ratus Kern
Micrococcus can-
dicans
Sarcina lutea
Bact. coli
Bac. vulgatus
Actinomyces
I
Mittlerer Diinn-
darmabschnitt.
Reaktion: neu¬
tral
Bac. mycoides
Bact. latericium
Bac. subtilis
Bac. carotarum
Bac. squamosus
Pansini
Bac. subserratus
Bac. casei
Micrococcus au-
rantiacus
Micrococcus bi¬
color
Kaud. Diinn-
darmabschnitt.
Reaktion: neu¬
tral
Dickdarm. Re¬
aktion: neutral
Bac. subserratus
Bac. carotarum
Bact. latericium
Bac. mycoides
Bac. Iloccosus
Kern
Bac. graveolens
Bac. casei
Streptococcus
aciai lactici
Micrococcus lu-
teus
Micrococcus cau-
dicans
Bac. mesenteri-
cus ruber
Bac. megathe¬
rium
Bac. Ellen-
bachensisStutz.
Bac. vulgatus
Bac. mycoides
Ein Paracoli-
stamm
Bac. butyricus
Bac. squamosus
Bac. casei
Bac. mesenteri-
cus ruber
Micrococcus bi-
color
Bact. lactis aero-
genes Escherich
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126 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
andere Scholle einen wesentlichen EinfluB auf die Bakterienflora aus-
uben, wurden 2 Tauben (Tab. Ill u. IV) in Dresden mit demselben
Mais wie I u. II gefiittert und unter denselben Bedingungen wie Taube II
gehalten und dort in gleicher Weise untersucht').
Die Untersuchung auf Anaerobier zeitigte den von Taube II durch-
aus Shnliche Ergebnisse. EiweiBf&ulniserreger und Buttersaurebildner
fehlten vollig. Die beiden Magen ausgenommen fand sich im ganzen
Verdauungsschlauch ein Milch bei schwach saurer Reaktion koagulieren-
des „Langes MilchsSurestabchen“.
Taube IV. Getotet am ]8. Jan. 1921.
Driisenmagen.
Reakt.: schwach
sauer
I
Muskelmagen.
Reaktion: stark
sauer
Duodenum. Re¬
aktion : sauer
Mittlerer Dtinn-
darmabschnilt.
Reaktion: neu¬
tral
Bac. carotaium
Bac. cereus
Bac. megathe¬
rium simulaus
Matzuschita
Bac. casei
Bacterium acidi
lactici Hiippe
Bact. lactm aero-
genes
Bac. Ellen-
bachensis
Bac. mycoides
Bac. subtilis
Ein Paracoli-
Stamm
Bac. vulgatus
Micrococcus au-
ranliacus
Bac. polymyxa
Prazmowsky
Mac. mycoides
Micrococcus lu-
teus
Bac. cereus
Bac. lutulentus
Kern
Streptococcus
acidi lactici
Bac. vulgatus
Sarcinen
Bac. tenax. Kern
Bac. subtilis
Bac. mycoides
Bac. floccosus
Bac. subserratus
Micrococcus can-
dicans
Sarciuamirabilis
Kern
Bac. me6enteri-
cus
Bac. megathe¬
rium simulans
Bac. mesenteri-
cus
Bac. squamosus
Bac. mycoides
Bac. lutulentus
Micrococcus lu¬
te us
Kaud. Diinn-
darmabschnitt.
Reaktion: neu¬
tral
Bac. vulgatus
Bac. mycoides
roseus Scholl
Bacterium lute-
urn List.
Ein deni Bacillus
lacca Kern nahe
stehender Orga-
nismus
Bac. megathe¬
rium
Bac. mesenteri-
cus ruber
Bac. mycoides
Bac. squamosus
Bact. putidum
Dickdarm. Re^
aktion: neutral
Bact. coli
Bac, subtilis
Bact. acidi lactici
Bac, mycoides
Bac. squamosun
Bac. vulgatus
Streptococcus
acidi lactici ^
Micrococcus Iu-
teus
Bac. floccosus
Actinomyces
Hefe
Die Ergebnisse der Untersuchungen auf Anaerober sind dieselben
wie bei Taube III. Das „Lange Milchsaurestabchen 11 fand sich diesmal
nur iin Driisenmagen und im Duodenum.
SchluBbetrachtung.
Vergleichen wir die Bakterienflora des Verdauungstraktus der Taube
mit der des Mensehen und der Hauss&ugetiere, so finden sich ganz
wesentliche Unterschiede.
Beziiglich der aero ben Darmbakterien fSllt sofort auf, daB
das bei Mensch und Haussiiugetieren obligate, in einigen Abschnitten
des Verdauungsschlauches bei weitem dominierende Bact. coli bei
den Tauben entweder vollig fehlt oder zumindest eine
ziemlich untergeordneteRolle spielt, also nicht als obli-
gat zu bezeichnen ist. Der gleiche, von Kern an einer Taube
1) Herrn Geheimen Rat Prof. Dr. Ellenberger und meiner ehemaligen Assistentin,
Schwester A. Hopffe, dauke ich fiir die dabei gewahrte Unterstiitzung.
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Scheunert u. Schieblich, Die Magendarmflora der Haustaube. 127
erhobene Befund war also kein Zufall, sondern ist nunmehr als die
Regel sichergestellt. Anders verhait es sich mit den Milchsaurebak-
terien. Wenn auch Bact. acidi lactici und Bact. lactis aero-
genes stark zuriicktreten, so ist der Streptococcus acidi lactici,
im ganzen Verdauungstraktus oft mit an erster Stelle gefunden worden;
wir mochten ihn deshalb als obligat bezeichnen. Die Hauptmasse
der Bakterienflora macht jedoch eine bunte, mit der Nahrung, Wasser
und Steinchen aufgenommene, fakultative Flora aus, unter welcher Erde
und Pflanzen bewohnende Bazillen, Mikrokokken und Aktinomyzeten
eine vorherrschende Stellung einnehmen. Von hoher stehenden pflanz-
lichen Organismen wurden Hefen und verschiedene Schimmelarten ofter
gefunden. Diesbezilglich werden also die oben zitierten Angaben von
Kern voll bestatigt.
Die Betrachtung der anaeroben Darmbakterien zeigt den
Unterschied zwischen den Tauben einerseits und Mensch und HaussSuge-
tieren andererseits noch in bei weitera sch&rferen Licbte, insofern als die
bei diesen obligaten Eiweifif&ulniserreger und Butters&urebildner bei der
Taube vSllig fehlen. Eine typische EiweiBfSulnis erscheint dem-
nach im Verdauungstraktus der Taube so gut wie ausge-
schlossen, zumal auch aerobe EiweiBfaulniserreger mit einer einzigen
Ausnahme (Bact. Zopfii, Taube III, Duodenum) niemals isoliert wer¬
den konnten. Dies scheint insbesondere auch deshalb bemerkenswert,
weil vom mittleren DQnndarmabschnitt ab die Reaktion des Darminhaltes
alkalisch oder neutral, also fiir die Entwicklung der Faulniserreger
gilnstig gefunden wurde. Die Untersuchung auf Anaerobier ergab aber
stets in den meisten Abschnitten des Verdauungskanales die Anwesen-
heit eines Vertreters der „Langen Milchsaurebakterien tt , der
Milch bei schwach saurer Reaktion koagulierte, und den wir als fiir die
Taube obligat bezeichnen mochten.
Eine bemerkenswerte Besonderheit der Darmflora der Haustaube
ist ferner darin zu erblicken, daB ein grunds&tzlicher oder wenigstens
auffalliger Unterschied zwischen der Flora der einzelnen Abschnitte des
Verdauungsschlauches nicht gefunden wurde.
GroBere Unterschiede zwischen der Darmflora von in offenem und
geschlossenem Schlage gehaltenen und in verschiedenen Gegenden unter-
suchten Tauben waren nicht zu verzeichnen; nur die fakultative aerobe
Flora wich bei den Dresdener Tauben von der der Berliner etwas ab,
auch schien bei ersteren die aerobe Milchsaureflora etwas zuruckzu-
treten.
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128
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
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i Nachdruck verboten.
Beitrage zur Kenntnis der Stechmuckenparasiten
[Aus dera Forschungsinstitut fiir angewandte Zoologie, Miinchen.]
Von Dr. Fritz Eckstein.
Mit 1 Tafel und 4 Abbildungen im Text.
Schon mehrfach hatte ich Gelegenheit, bei meinen Untersuchungen
an Stechmucken mit Parasiten befallene Larven zu beobachteu. Im
folgcnden m&chte ich ganz kurz iiber einiges Bemerkenswerte dartiber
berichten, soweit ich nicht schon frillier darhber gesprochen habe.
Zum Teil liegen die Beobachtungen inehrere Jahre zurlick; damn
handelt es sich urn einzelne kleinere Befunde, die ich eigentlich weiter
verfolgen wollte, an deren Weiterbearbcitung ich aber durch die poli-
tischen Verhaltnisse verhindert wurde; dies gilt fUr die beiden zunachst
behandelten Parasiten, die ich in der Nahe von StraBburg i. E. land.
Zunachst beobachtete ich in den Larven von Anopheles ma-
culipeunis eingekapselte Cerkarien eines D is to mum (1916). Leider
war es mir damals wegen Mangel an Zeit nicht moglich, mich eingehen-
der mit dem Fund zu beschaftigen, Ztichtungsversuche usw. anzustellen.
Aus den Notizen und Zeichnungen, die ich noch besitze, geht folgendes
hervor:
Unter einer groBeren Zahl von Larven von Anopheles maculi-
pennis, die ziemlich erwachsen waren, fanden sich in einigen auf den
Seiten des Thorax in der Nahe der Insertionsstelle der langen Seiten-
borsten kleinere Zysten, in denen sich lebhaft je 1 Cerkarie bewegte,
Praparierte man diese Zysten heraus und offnete sie, so entschlttpfte
ilinen ein Distomum, der sich sofort lebhaft im Wasser bewegte*
Der Bauchsaugnapf befiudet sich kurz hinter der Mitte und ist etwa
von gleicher GrdBe wie der am Vorderrande befindliche Mundsaugnapf.
Die Gabelung des Darms licgt nur ziemlich kurz vor dem Bauchsaug¬
napf. In jeder befallenen Anophele s-Larve befanden sich 3—6
Wurmer. Ob es sich bei diesem Distomum um dieselbe Art ge-
handelt hat, die Huge beschrieb, vermag ich nicht anzugeben, doch
schien mir die Mitteilung hauptsachlich wegen der Mitteilung des
Fundortes von einigem Interesse.
In demselben Jahr fand ich, ebenso wie in den folgenden, 1917 und
1918, in einer kleinen Brutstelle in der Nahe von StraBburg einen Para¬
siten, dessen Deutung auf einige erhebliche Schwierigkeiten stoBt, um-
somehr, als es sich bei jedem Funde in dera kleinen Tumpel stets nur
um ein paar infizierte Muckenlarven handelte, wahrend die anderen zahl-
losen Larven alle gesund zu sein schienen. Die beiden Muckenbrut-
stellen, in denen die infizierten Larven waren, liegen etwa bO m aus-
einandcr: wahrend in der dortigen Gcgend in der ndchsten Umgebung
der beiden Tbrnpel sich eine groBe Zahl weiterer vorfindet, sind die
infizierten Larven nur in diesen beiden — und zwar regelmaBig —
anzutreffen.
Die infizierten Larven von Aedes cinereus und Culicada
vexans fallen schon bei sorgfaltigerer Beobachtung der Wasserober-
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Eckstein, Beitrage zur Xenntnis der Stechmiickenparasiten.
129
flache der genanuten Brutstellen durch ihre eigentdmliche gelblichrote
Verfarbung sowie ihre auBerst langsamen Bevvegungen auf. Untersucht
mau eine solche Larve dann genauer, zur vorlaufigen Feststellung genugt
eine starkere Tascheulupe, so ergibt sich folgendes Uberraschende Bild:
Die einzelnen Korpersegmente erscheinen stark gewolbt and ausein-
andergezerrt und vollkommen von kleinen, braunroten, ovalen Korper-
cbeu erftillt, deren GrbBe etwa 0,1 mm betragt. Unter dem Mikroskop
zeigt sich, daB alle Teile der Larven mit diesen Gebilden geradezu
vollgestopft sind; nicht nur der Darm, soweit man davon noch reden
kann, sondern auch die Leibeshohle, ja sogar der Kopf sind angefiillt
mit diesen Organismen; in mehr oder weniger groBer Zahl finden sie
sich sogar in dem Atemrohr (vgl. Abb. 2). Erstaunlich ist mir, wie
die Schnakenlarven bei einem derartig ttberraschend starken Befall mit
verhaltnismaBig groBen Parasiten — ich zahlte in 1 Fall 952 „Zysten“
— sich noch so lange am Leben erhalten kounten; allerdings kamen auch
die Larven, soweit ich an den wenigen gefundenen Exemplaren beob'
achten konnte, nicht zur Verpuppung, sondern gingen vorher — sie be-
fanden sich alle im letzten Larvenstadium — zugrunde; dies erscheint
bei diesem Massenbefall auch durchaus das Nauirliche, da schon rein
mechanisch eine Umbildung ausgeschlossen erscheint.
Die ovalen Gebilde sind flachgedrilckt eifbrmig, in der GrbBe etwas
schwankend. Meist sind sie etwa 0,1 mm lang, 0,06 mm breit. Um-
schlossen werden sie von einer ziemlich festen, etwa 0,03 mm dicken
Htllle, die allseitig gleich dick ist und eine feine, quere, d. h. senk-
recht zur Oberflache gerichtete Streifung erkennen laBt. In vielen
Fallen laBt sich an den einzelnen Organismen eine mehr oder weniger
starke Biegung oder Wolbung in der Langsrichtung erkennen, was ihnen
ein kahnformiges Aussehen verleiht und an Pseudonavicellen crinnert.
Ini Innern befindet sich meist ein mehr oder weniger groBer
Korper, der in nur ganz wenigen Fallen das Lumen auszufiillen scheint,
wahrend er meist nur etwa V 3 des Raumes einnimmt.
Mit der Frage nach der Art des Parasiten steht im engsten Zu-
sammenhang die Frage nach der Art und Weise der Infektion mit den
vielen hundert Organismen, die bei dem Fehlen jeglichen weiteren Be-
obachtungsmaterials leider nicht so ohne weiteres mit Sicherheit fest-
zustellen ist.
Allem Anschein nach kann es sich nur um Vermehrung des Tieres
innerhalb des Wirtes handeln, denn ein Eindringen von parasitaren
Organismen in solchen Mengen ist wohl von vornherein von der Hand
zu weisen. Dadurch wird eine Gruppe von parasitar lebenden Formen
vor den anderen ausgeschieden; es kommen also wohl nur Warmer
und Protozoen, und unter diesen wahrscheinlich wieder nur die Sporo-
zoen, vielleicht auch Infusorien, in Frage; wahrscheinlich handelt es sich
auch bei dem vorliegenden Organismus um Gregarinen. Allerdings
weisen die „Zysten“ auch eine groBe Aehnlichkeit mit Wurmeiern
auf; solltc es sich um solche handeln, so ware vielleicht an einen
Verwandten der Mermiliden zu denken. Wahrscheinlich handelt es sich
aber um eine Gregarine, vielleicht um eine ahnliche Form, wie sie
Gtinthcr als Ficalbia Dofleini beschrieben hat. Mit Sicherheit
werden aber nur weitere Untersuchungen zur genauen Identifizierung
ftihren kflnnen; immerhin erschien der Befund einer derartig starken
Infektion, die zudem noch zum Tode des infizierten Organismus ftthrt,
der Beachtung wert (vgl. Tafel Fig. 1 u. 2).
Rr«tc Abt. Ori e . Bd. SS. Heft 2. 9
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Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
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1m Laufe ties letzten Sommers (1920) fand ich nun noch infizierte
Stechmuckenlarven, und zwar Larven von Culex pipiens, die ver-
schiedene Wiirmer als Parasiten beherbergten. In 2 Fallen land icli im
Abdomen der Larven Nematoden, die jedoch wegen Mangels der Aus-
bildung ihrer Geschlechtsorgane nicht bestimmt werden konnten; ob es
sick dabei um den von Stiles bei Leipzig in Cul. nemorosus ge-
fundenen Agamostomum culicis handelt, den auch Leuckart.
sclion beobachtet hatte, ist daher unsicher; wesentlich scheint die Beob-
achtung von Stiles, daB die infizierten Tiere sichtlich unter der Para-
siteninfektion lei den; Leuckart glaubte sogar, einen Zusammenhang
zwischen dem geringeren Auftreten der Stechmucken und groBerer
Infektion des Wirtes feststellen zu konnen. Die wenigen infizierten
Exemplare, die ich fand, lieBen eine merkliche Schadigung durch die
Infektion nicht erkcnnen. Sie befandan sich im Abdomen der Larven;
gleichzeitig untersuchte Puppen und Imagines von der dortigen Brut-
stelle lieBen keine Infektion mit dem Nematoden erkennen. Allem An-
schein nach war derselbe auch nur in ganz wenigen Exemplaren vor-
handen. Gleichzeitig in demselben Tiimpel lebende Larven von An.
maculipennis und bifurcatus sowie von Culex territans waren,
soweit ich beobachten konute, nicht mit dem Nematoden infiziert.
Dagegen waren letztere, ebenso wie die Larven von Culex
pipiens, haufiger infiziert mit einem Trematoden.
Es handelte sich um eine kleine Brutstelle am Bande des Mur-
nauer Mooses, einem kleinen, etwa 1 qm groBen, bis ca. 30 cm tiefen
Quellsumpf, dessen Boden sich aus vermodertem Eichen- und Buchen-
laub mit vereinzelten Fichtenresten zusammensetzt. In diesem Tdmpel
selber findet keine Vertorfung statt, im Gegensatz zu den zahlreichen
auderen kleinen Tumpeln der weiteren Umgebung, in denen keine
Miickenlarven sich aufhielten. In der naheren Umgebung ist kein
dcrartiger Tiimpel mehr vorhanden. Die Umgebung des Tumpels bil-
den Viehweiden und zweifellos ist auch das Wasser bis zu einem ge-
wissen, jedoch geringen Grade durch Jauche verunreinigt.
Wie auch in den Larven von Anopheles maculipennis sind
die eingekapselten Trematoden in den Larven von Culex pipiens im
allgemeinen nur in geringer Zahl vorhanden. Meist finden sich in
einer Larve 4—7 Wiirmer. Gewdhnlich sind der Thorax, und die
vorderen Abdominalsegmente frei von Parasiten, die sich meist vom
4.—5. Hinterleibssegment an in den infizierten Larven befinden. Sie
liegen in das Gewebe eingebettet, von oben gesehen, meist am Sciten-
rand der Larven. Die Wurmzyste ist hell, klar und iurchsichtig,
ebenso wie der in derselben liegende Wurm. Meist kann man an
diesem eine mehr oder weniger lebhafte Bewegung innerhalb der Zyste
wahrnehmen, in der er gewohnlich kreisformig zusammengerollt liegt.
Mund- und Bauchsaugnapf sind deutlich zu sehen, meist der auch etwas
dunkler gefarbte, gabelig geteilte Darm, dessen Gabelung etwas vor
der Mitte des Tieres sich befindet. Der Mundsaugnapf liegt an der
Stello einer leichten Einbuchtung des vorderen Endes. Die Wurmzyste
hat eine GroBe von ca. 0,15 mm. Wird der Wurm aus der Larve
herausprapariert, was sehr einfach durch Anstechen derselben mit einer
Nadel auszufuhren ist, und sticht man auch noch die Zyste an, um
den Trematoden frei zu bekommen, so beginnt sich derselbe sofort
auBerst lebhaft zu bewegen, durch Kontraktionen des Korpers in der
Langsrichtung, durch die er sich bald auf et.wa das 3 facile seiner
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Fig. 1. Fig. 2 b. *
Fig. 1. Culex pipiens, Larve mit Trematoden infiziert.
Fig. 2a und b. Junge Dislomen aus der Lunge von Bombinator igneus.
Fig. 3. Erwachsenea Distomum el I i p t icu m (variega turn 1) aus Bom bi -
nator igneus.
Fig. 4. Eier von Distomum ellipticum (variegatum).
So viel fiber den enzystierten Wurm (vgl. Tafelfig. 3 und Text-
figur 1—4.
Natflrlich rauBte es von Intcresse sein, nach MOglichkeit die weite-
ren Schicksale des Wurmes zu verfolgen, radglichst die Entwickelungs-
9*
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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
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reihe resp. den Generations- und Wirtswechsel festzustellen. Da war
es die nachste Aufgabe, festzustellen, in welchem Entwickelungsstadium
der Stechraiicke der enzystierte Wurm zu finden sei.
Es zeigte sick bald, dak auch Puppen und die Miicken selhst
infiziert waren, und dak so die Infektion von den ersten Larvenstadien
der Schnaken an gleickmakig auf alle Entwickelungsstande sich er-
streckte. Zur Weiterentwickelung mukten daher die Wlirmer wohl in
ein Tier kommen, das auck Steckmtickenimagines aufniramt.
In der Literatur findet sick nun die Angabe (Huge 1903, Ales-
sandrini 1909), dak eingekapselte Schnaken-Cerkarien — solange
sie sick in der Larve befinden, wahrscheinlick von Fiscken —, wenn
sie in Imagines sick aufkalten, wakrsckeinlick von Fledermausen auf-
genommen werden. Fiscke waren okne weiteres auszuscklieken, denn
erstens gingen die Trematoden ja in die Imagines fiber, dann aber
sind in dem kleinen Quellsumpf keine vorhanden. Es gait daher, nach
Moglickkeit die Uebertragung auf Fledermause festzustellen. All ein auch
damil kam ich nicht zum Ziel, denn trotz sorgfaltigster Beobacktung
an mekreren Abenden waren in der ganzen Umgebung der Brutstelle
keine solchen zu beobachten. Fledermause scliienen mir daher auch
kaum in Frage zu kommen. Dagegen brachte mich folgende Beob-
achtung vielleicht einen Schritt weiter: Ich sail, wie eben ausgeschlilpfte
Stechmtlckcn, cfcf und 99. wahrend sie nock von Graskalm zu Gras-
halm flogen, von Unken (Bombinator igneus) gefangen wurden,
deren es an dem Tttmpel eine Anzahl gab, die einzigen Vertreter der
Amphibien an dieser Stelle. Die innere Untersuckung von 5 dieser
Unken (7 waren im ganzen vorhanden) zeigte, dak dieselben ausnahmslos
von Trematoden infiziert waren, die sich meist in Mehrzahl in ver-
sckiedener Groke in deren Lungen vorfanden; andere Organe, wie die
Harnblase usw., waren nicht befallen. In den infizierten Lungen war
gewoknlich eine Anzahl kleiner und kleinster Stadien, meist jedoch nur
1 erwachsener Wurm, vorhanden, dessen Bestimmung zunachst einige
Schwierigkeiten machte. Bei den kleineren Individuen waren namlich
ausnahmslos 2 Saugnapfe vorhanden, wkhrend bei den erwachsenen
zunachst nur 1, der Mundsaugnapf, zu sehen war. Vielleicht handelt
es sich bei diesen Trematoden urn dieselbe Form, die im Jugendstadiuin
in den Stechmiicken vorkommt; dies lakt sich selbstverstandlich mit
Sicherheit nur nach experimentell durchgefuhrter Infektion der Miicken-
larven oder der Unken nachweisen. Eine solctie Untersuchung hatte
ich zur Bestatigung meiner damaligen Annahme in diesem Sommer
durchfiihren wollen; leider wurde dies jedoch dadurch zur Unmbglich-
keit, dak die kleine Schnakenbrutstelle, um die es sich liandelte, zu-
geschiittet wurde. So bin ich gezwungen, ohne eine sichere Grundlage
fur die Annahme ^u haben, dak es sich bei den einzelnen Entwickelungs-
stadien der Trematoden um dieselbe Art handelt, den von mir in der
Unke gefundenen Trematoden kurz z.u beschreiben, was um so eher
berechtigt zu sein scheint, als die Funde von Trematoden in Bom¬
binator ziemlich vereinzelt sind, und die von mir gefundenen Exem-
plare in manchen Punkten von den bekannten Formen abzuweic.hen
scheinen.
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Eckstein, Beitrage zur Kenntnis der Stechmiickenparasiten.
133
Anhang: Zur Kenntnis von Pneumonoeces variegatus Rud.
(Monostomum ellipticum Rud.).
Es gibt iiber die in der Unke vorkommenden Trematoden schon
eine ganze Reihe von Angaben, die jedoch, was die neuere Zeit angeht,
zum Teil recht weit auseinandergehen.
Die 1. Angabe findet sich bei Zeder (a. d.), dessen kurze Beachreibung wenig
Charakteristisches erkennen laSt, zuraal sie erst nach der Erinnerung erfolgte. Er hat
dort ein Monostomum ellipticum beschrieben; ihm folgen dann die ebenfalls
kurzen Angabeu von Rudolphi, der eine genauere Beachreibung gab. Bei den zu-
nachst folgenden Beobachtungen handelte es sich zunachst darum, festzustellen, ob
wirklich nur ein einziger fciaugnapf vorhanden sei, wie es die ersten Beobachter ange-
geben haben, Oder ob es sich nicht um zwei handelte; Dujardin (1845) erbannte
schlieftlich, dafi ,,Monostomum ellipticum" ein in Bombinator igneus nach
allem sehr selten gefundener Parasit, derselbe sei wie Distomum variegatum, den
man in Frdschen in der Lunge ziemlich haufig findet; doch erwahnt auch Dujardin
die schwere Auffindbarkeit dee Bauchsaugnaples, der fast vollstiindig unsichtbar wird
durch die dichte, hinter ihm gelegene Uterusschlinge, und nur am lebenden Exemplar
leichter zu sehen ist. Als GroSe der Eier gibt Dujardin eine Lange von 0,033, eine
Breite von 0,019 mm an.
Bei Linstow findet sich Distomum variegatum nur kurz erwahnt. Loos
hat die Art eingehend beschrieben, auch sehr gute Abbildungen gegeben. VVundsch
endlich schildert eingehend einen nahen Verwandten. Pneumonoeces aspcr, und
kommt speziell auf dessen Unterschiedc zwischen diesem und den iibrigen Arten der
Gattung Pneumonoeces zu sprechen, die zum Teil sehr gering und oft nur am
lebenden Exemplar mit Leichtigkeit zu erkennen sind, da die ein Unterscheidungs-
merkmal bildende Kutikula sehr leicht verganglich ist. Verhaltnismadig leicht geht
die Bestimmung noch durch Untersuchung der Eier, deren Grofie bei den einzelnen
Arten ziemlich verschieden ist.
Schwierigkeiten machte jedoch alien Untersuchern die Feststellung,
ob es sich beim Pneumonoeces variegatus, der in Rana ziem-
lich allgemein verbreitet zu sein scheint, auch um das seinerzeit be-
schriebene Monostomum resp. Distomum variegatum handelt,
das bisher nur in ganz wenigen Exeinplaren in Bombinator gefunden
wurde. Allem Anschein nach handelt es sich bei letzterem doch um ein
immerhin ziemlich seltenes Auftreten, das darauf schlieBen laBt, daB
auch die Uebertragung nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen er-
folgen kann. Mit anderen Worten, die Biologie des Distomum aus
deni Bombinator scheint notwendig eine andere sein zu miissen,
als die des im Frosch so haufigen variegatum, und dieser Ge-
danke hinwiederum laBt. doch Zweifel an der Annahme aufkommen,
ob es sich bei den beiden nicht tatsachlich um dieselbe Art handelt,
denn der Zvvischenwirt des Distomum variegatum muB in den
betreffenden TUmpeln, aus denen die infizierten Frosche stammen. doch
reclit h&ufig sein, wenn ein so hoher Prozentsatz von infizierten Tieren
herauskommen soli.
Es sei in folgcndem nur eine kurze Beschreibung des von mir
in Bombinator gefundenen Distomum beigefiigt.
Die Lknge der wenigen ausgewachscnen Exemplare betrug etwa
7—9 mm. Die Tiere sind langgestreckt, elliptisch, und zwar in der
Weise, daB der vordere Teil des Korpers sich ziemlich zuspitzt und
von der hinteren Halfte etwas abgcsetzt erscheint, wahrcnd das Ilinter-
ende mehr abgcrundet ist. Die Haut der frischcn Exemplare tragt
keincrlei Dornen und ist glatt, sehr verganglich. Der Mundsaugnapf
sitzt am Vorderende und ist ziemlich groB, der Bauchsaugnapf ist nur
sehr schwer zu sehen; er liegt kurz vor der Mitte des Tieres und ist
durch die durchscheinenden Schlingen des Uterus fast ganz verdeckt.
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134 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
Der Uterus selbst ist ziemlich langgestreckt; auffallige Schlingenan-
haufungen finden sich nur in der Nahe des Bauchsaugnapfes und kurz
vor dem hinteren Ende. Er hat einen aufsteigenden und einen ab-
steigenden Schenkel, die zwischen den etwa in der Holie des hinteren
Drittels liegenden groBen Hoden hindurchgehen. AuBerdem gehen 2
lange Schlingen auf beiden Seiten nach vorne, auf der einen Seite an-
scheinend ctwas mehr als auf der anderen; sie wenden sich. nach Durch-
laufen der hinteren 2 Drittel wieder zuriick.
Die Dotterstocke sind am lebenden Tier zunkchst ziemlich schwer
sichtbar, treten aber wahrend des Absterbens deutlicher hervor. Sie
liegen in der Hauptsache zu beiden Seiten des Korpers, gehen jederseits
fast bis zur Ivdrpermitte und liegen in kleinere Rosetten bildenden
Gruppeu beisaminen. Die Hoden sind ziemlich groB, rundlich, ihre
Rander sind stark lappenfbrmig ausgebuchtet; der AusfUhrungsgang ist
sehr lang und schlauchformig, ich konnte ihn bis etwa in die Hiihe
des vorderen Viertels verfolgen. Das Receptaculum seminis liegt
vor dem Hoden und ist sehr groB, unregelmaBig rundlich. Das Ovarium
ist viel kleiner; es liegt etwas hinter dem Bauchsaugnapf. Die Eier
sind dunkelbraun, rundlich oval, im Durchschnitt 0,024 mm zu 0,016 mm.
Ltihe beschreibt Pneumonoeces variegatus folgendermaBen:
„7—18 mm lang. Der verjiingte Vorderkorper steta deutlich von dem breiteren
Hinterkorper abgesetzt. Haut 0,04—0,05 mra dick, glatt. Keimsack in der Langs-
richtung aea Tieres stark gestreckt und meist unregelmafiig wellig konturiert. Hoden
langlich oval, haufig mit Einkerbungen der Seitenrander. Ovarium langgestreckt,
schlauchformig, aber immerhin lange nicht bis an den Bauchsaugnapf heranreiehend.
Dotterstocke von der Hohe der Darmgabelung bis fast zurn Hinterende reichend, meist
jederseits 10—12 Grnppen von je 6—7 Follikeln. Auf- und absteigender Schenkel des
Uterus wenig gewunden, die riicklaufigen Uterusschlingen an den Seitenrandern bis
zum Keimsack reichend, diesen aber nach vorne nicht iiberragend. Eier dunkelbraun,
0,025—0,032 (meist 0,029): 0,0126—0,0189 (meist 0,0156) mm.
Von Pneumonoeces variegatus wflrde sich demnach die von
mir gefundene Art unterscheiden 1) durch die GroBe und Form djer
Eier: 0,024:0,016 gegen 0,029:0,16 bei variegatus, 2) dadurch,
daB die Dotterstocke nur bis etwa in die Gegend der seitlichen Uterus-
schenkel reichen, und 3) dadurch, daB letztere beiderseits tiber das
Ovarium hinausreichen.
Abgesehen von der Bestachelung der Haut bei similis und asper,
die am praparierten Wurm nicht mehr sichtbar ist, unterscheidet sich
die beschriebene Art von beiden durch die GroBe der Eier, von similis
auBerdem noch durch die Lange der Dotterstocke und Uterusschenkel.
Auch nach den Angaben von Dujardin (0,033:0,019 mm) ist
Form und GroBe der Eier des von mir beobachteten Trematoden von
der des von ihm untersuchtcn verschieden.
Aus alledem ergibt sich die Wahrscheinlichkeit, daB Pneumo¬
noeces variegatus schlieBlich doch von dem zuerst gefundenen
Monostomum ellipticum verschieden ist, und daB die zuerst ge-
fundene Art eben doch auBerordentlich seiten ist.
Dazu treten aber noch biologische Verschiedenheiten, die wohl in
der Beurteilung dieser Frage von grofiter Bedeutung zu sein scheinen.
Auf der einen Seite die groBe Haufigkeit des Pneumonoeces varie¬
gatus im Froscli, auf der anderen die Seltenheit der Unkenparasiten.
Bei einem parasitarcn, auf Wirtswechsel angewiesenen Tier muB, wie
der Endwirt so auch der Zwischenwirt, wenn es haufig sein soil,
stets in grofier Zalil vorhanden sein, und die biologischen Bedingungen
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Aoki u. Honda, Immunisator. Spezifitat des Magensaftes d. Seidenraupen. 135
zurn Fortkommen der verschiedenen Entwickelungsstiinde mtlssen gleich-
mafiig haufig gegeben sein.
Sollten nun, was ich immerhin fiir iubglich halten mbchte, die
Stechmiickenarten Cul. pipiens und territans die Zwischenwirte
der von mir beobachteten Trematoden sein, so ware eine weitere StUtze
ftir die. Annahme gewonnen, daC Pneuraonoeces variegatus nicht
mit Montostomum ellipticum resp. Distomum variegatum,
ftir das ich den von mir bei Murnau gefundenen Trematoden halten
mcchte, tibereinstimmt; das ganz besonders auch deshalb, weil Trema¬
toden in Stechmucken doch nur ziemlich selten vorzukommen scheinen.
Wie schon oben wiederholt gesagt, ist der Zusammenhang zwischen
dem Miicken- und dem Unkenparasiten nicht sicher, vielleicht nur ein
rein zufalliger; vielleicht wird es moglich sein, doch noch weiteres
Material zu finden und schliefilich durch experimentelle Infektion die
Verhaltnisse zu klaren.
Tafelerkl&rnng.
Fig. 1. Mikrophotographie der letzten Segraente einer rait Sporozoen (Infusorien?)
infizierten Larve von Aedes vex ans (Fritz Skell phot.)
Fig. 2. Mikrophotographie einzelner Parasilen (F'ritz Skell phot.).
Fig. 3. Mikrophotographie aus der Lunge von Bom bi nator igneus mit jungem
Distomum variegatum (ellipticum?) F. Eckstein phot.).
Nachdruek verboten.
Geber die immunisatorische Spezifitat des Magensaftes der
Seidenraupen und ihre Beziefiung zu den anderen
Geweben.
[Aus dem Forschungsinstitut fQr Seidenzucht, Nakano bei Tokyo
(Direktor: Prof. Dr. T. Kagayama, bakteriologische Abteilung, Leiter
Prof. Dr. K. Aoki).]
Von Dr. K. Aoki und Dr. M. Honda.
Brezina hat als erster den Hundekot durch die 4nwendung der Priizipitations-
reaktion von den anderen unterscheiden konnen. Fiirstenberg und Wilenko waren
imstande, nachzuweisen, da(J die Kntprazipitation sowohl l>ei dem Mensohenkote als
auch bei anderen Fazes ebenso spezifisch eintrat, wie beira Hundekote. Daraufhin stu-
dierte Wilenko die Frage, woher diese Spezifitat des Kotes komme. Zu diesem
Zwecke nahra er den Inhalt aus den verschiedenen Darmpartien von Menschenleichen
und stellte wasserige Extrakte her, mit welchen Immunsera von Kaninchen gewonnen
warden. Diese Antisera priizipitierten sehr stark in den entsprechenden Fxtraklen, in
anderen Extrakten aber im gerinirerem Grade. So reagierte z. B. der Extrakt des Diinn-
darminhaltes in dem entsprechenden Immunserum starker, als im lmmunserum des
Kotextraktes. Ebenso prazipitierte der Kotextrakt in dem ihra entsprechenden Immun¬
serum starker, als im Immunserum der Diinndarmexlrakte. Auf diesen Befunden
fufiend, meinte er, daU die als Antigen wirkende Substanz des Kotes aus dem Darnt-
inbalt entstanden und im Laufe des Darmweges durch verschiedene Becinflussung so
verandert worden sei, daS er cine andere Zustandsspozifitat erlangte, wie Obermever
und Pick auseinandergesetzt habpn. Brezina und Rundi wollten aber die fler-
kunft dieser als Antigen wirkenden Substanz im Kote noch genauer feststellen. Zu
diesem Zwecke batten sie einerseits dns Magen- und Darmsekret und die Ualle, anderer-
seits !*chleimhaiite vom Magen, und von verschiedenen Darmpartien bei Hunden, ge¬
wonnen. Mit diesen Substanzen wurden Immunsera hergestellt und mit den erhal-
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136
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
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teneD Antiseria die Prazipitationsreaktion gegenseilig vergleichend ausgefiibrt, und zwar
einerseits mit dem Kotexlrakt, andererseits mit dem Blutserum. Es stellte sich dabei
heraua, dafi die einzelnen Antigene doch in den ibnen entsprechenden Immunseris am
starksten reagierten, obwohl sie gegenaeitig verwandtschaftliche Beziebung gezeigt hatten.
Aua dieaen Befunden konnte man schliefien, daS die ala Antigen wirkende Subatanz dea
Kotes in erater Linie vou den Sehleimhauten dea Magens und der Diirme abatammt
und wahrend des Tranaportee durch den Magen- und Darmtraktus so verandert wird,
daB aie eine andere Zuatandaapezifiiat erlangt. Dabei wurde bemerkt, dafl der Magen-
und Darmaaft mit dem Blutaerum nabe verwandtacbaftlicbe Beziebung baben.
Auch wir haben GelegeDheit gehabt, dieselbe Erscheinung bei Seiden-
raupen zu priifen. Das Gewinnungsverfahren des Magensaftes war fol-
geDdes: Wenn man die Seidenraupen Chloroformdampfen aussetzt, so
erbrechen sie den Magensaft andauernd, wie Hiratsuka zuerst er-
fahren hatte. Diesen Magensaft kann man in irgendeinem GefaB auf-
fangen und auf diese Weise so viel Magensaft von den Seidenraupen ge-
winnen, wie man will. So gewonnener Magensaft ist klar und dickfltissig.
Er sieht anfangs gelbbraunlich, spSter dunkelbr&unlich bis schw&rzlich
aus und zeigt schwach alkalische Reaktion. Im Eisschrank l&Bt er sich
lange Zeit wirksam aufbewahren. Mit diesem Magensaft wurden Kanin-
chen in steigenden Dosen vorbehandelt. Die Tiere vertrugen diese Ein-
spritzung sehr gut, so daB man ohne Verlust von Tieren die Immunsera
ganz leicht darstellen konnte. Diese Antisera zeigten im Magensaft
nicht nur die Pr&zipitation, sondern auch die Komplementbindungsreaktion
sehr deutlich, wie man aus Tab. I ersieht. Auf die gleiche Weise zeigten
Tnbelle I. (Prazipitation.)
Name der
Immunsera
Magensaftimmunserum
Normales Kanin-
cbenserum
Seiden¬
raupen-
blutserum
— Immun-
| serum
Nr. 333
Nr. 334
Nr. 335
Nr. 40b
Nr. 1
Nr. 2
Nr. 3
Name der
Antigene
Magensaft d.
1
j
1
1
r~
Seidenraup.
1:200 ±
1 : 200 ±
1 : 200 ± 1
1 : 200 ±
t:4±
T:4±|l:4±
1:4±
Blutserum a.
1
Seidenraup.
1:10 —
1 :10 —
1
O
f—t
»—H
1 : 10—1
1 : 10 -
1 : 10 -
11 : 10 —
1 : 200 C*
Komplementbindungsreaktion
Magensaft d.
Seuienraup.
0,01 ccm +
0,01 ccm -f
0,01 ccm -f
0,01 + 1 0,5 - 0,5 —
0,5 —
Blutserum d.
Seidenraup.
0,5 —
0,5 —
0 ^- j
0,5- 1 0,5 — 0,5 —
0,5 —
0,5 —
0,005 +
dieselben Sera die Immunreaktion im Kotextrakt, aber in geringerem
Grade. Umgekehrt reagierte der Kotextrakt im Immunserum des Kot-
extraktes starker als im Magensaftimmunserum (Tab. II). Auf diese
Weise konnten wir den Befund von Wilenko und Brezina und
Rundi bei den Seidenraupen vollkommen best&tigen. Dabei wurde,
entgegengesetzt dem Befund von Brezina und Rundi, festge-
stellt, daB der Magensaft bei den Seidenraupen zu dem Blute keine
immunisatorische Beziebung hat (Tab. I). Ferner wollten wir die als
Antigen wirkende Substanz des Magensaftes noch naher bestimmen.
Zuerst wurde der Magensaft bei verschiedenen Graden im Wasserbade
erhitzt und mit dem so behandelten Magensaft die Prazipitationsreaktion
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Aoki u. Honda, Immunisator. Spezifitat dee Magensaftee d. Seidenraupen. 137
Tabelle II. (Praz ipi tation.)
Name der Immun-
Magensaftimmun-
Ko textra k ti m m un -
Normales Kaninchen-
sera
serum
serum
serum
Name der Antigene
Magensaft
1:150 +
! 1: 50 ±
1:4±
Kotextrakt
1:50
1 :20
1:4 —
EiweiBgehalt der (Kochprobe)
Antigene
Magensaft 1:15
Kotextrakt j 1:5
im Immunserum ausgefiihrt. Es ergab sich, dafi der Magensaft dabei
mit der Zunahme des Hitzegrades allmahlich seine prazipitierende Eigen-
schaft verlor. Falls er dabei 30 Min. lang auf 100° erhitzt wurde,
konnte er nicht mehr als prazipitierendes Antigen wirken (Tab. III).
Tabelle III.
Name der
Imm unsera
Magensaft¬
immunserum;
Magensaftimmunserum
normales Ka-
ninchenser.
(unerhitzt)
56 0 C 30'
70° C 30'
80 0 C 30'
100 0 C 30'
Name der Antigene
_
Magensaft:
unerhitzter
1:200 ±
1: 100 +
[
1 : 50
o
1:10 —
1
1:4
bis 56® C 30' erhitzt
1:100
1: 100 ±
.
1:4
70® „ 30' „
1:50
.
1 :20
.
1:4
„ 80® „ 30' „
i 1:20 ±
_
1 :*20
.
1 : 4
„100® 30' „
1:10 —
1 •
1 1:10 —
1:4
f
Ebenso konnte man mit dem erhitzten Magensaft nicht ein so pr&-
zipitierendes Immunserum herstellen, wie mit dem nicht erhitzten. Wenn
man besonders den Magensaft 30 Min. auf 100° erhitzt, so ist man
niemals imstande, solches Serum herzustellen, welches entweder im nicht
erhitzten oder erhitzten Magensaft prSzipitieren kdnnte (Tab. III). Hier
sei noch bemerkt, daB der Magensaft, der bei 100° 30 Min. erhitzt war,
doch im Immunserum in so geringem Grade prfizipitierte, wie dies mit
dem Normalserum der Fall war (Tab. IV). Auf gleiche Weise konnten
Tabelle IV.
Name der Sera
Magensaft- ’
immunserum,
Normales Kaninchenserum
Nr. 438
Nr. 439
Nr. 440
Nr. 441
Name der Antigene
Magensaft: unerhitzter
1:100 1
1:4
1 :4
1:4
1:4
bei 100® C 2 Std. erhitzt
1:4
1:4
1:4
1:4
1:4
100® C3 „
1:4
1:4
1:4
1:4
1:4
.. 10U® O 5 „
| 1:4
1:4
1 :4
1:4
1:4
wir die hitzebestandige, prazipitierende Eigenschaft des Magensaftes im
normalen Seidenraupenserum feststellen. In diesem Falle war die Re¬
action so stark eingetreten, wie im Magensaftimmunserum, welches von
Kaninchen gewonnen worden war. Deshalb ist es leicht mbglich, anzu-
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138 Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Originate. Bd. 88. Heft 2.
nehmen, daB diese stark eingetretene prazipitierende Eigenschaft des
Magensaftes im Normalserum der Seidenraupen darauf beruht, daB die
Innnunpr&zipitine gegen den Magensaft im Serum der Seidenraupen
normalerweise vorhanden waren. Diese Annahme konnte man aber
deshalb nicht mehr aufrecht erhalten, weil die im Immunserum prazipi¬
tierende Substanz des Magensaftes nicht hitzebestandig, dagegen die im
Seidenraupenserum prazipitierende Substanz des Magensaftes hitzebe¬
standig war (Tab. V). Dazu scheint uns, daB diese hitzebestandige
Substanz des Magensaftes bei Kaninchen nicht als Prazipitinogen wirke.
Tabelle V.
Name der Immun-
Seidenranpenserum
6
*53 J
* £ E
. £
c a
a> b.
S
A 2
G <U
JZ Cfi
Ziegen-
nomialserum
, • a
c —
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OL Tj O
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eera
Nr. 1
Nr. 2
Nr. 3
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Nr. 4
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§ E
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s 03
X £
tm
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G
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u. a s
« a a
«5« c
Name der Antigene
Magensaft:
1) unerhitzter
l : 100 +
1 : 100
1:100
1 : 100
1: 1
1:4
1:4
1:8
1:100
2)bis5 °C30'erhitzt
1 : 100
1 : 100
1 : 100
l : 100
1 : 1
1:4
1:4
1:8
1.: bO
3) „ 70° 030' „
! : 100
1 : 100
I : 100
1 : 100
1 : 1
1:4
1 : 4
1 : 8
1:20
4) „ 80 0 C 30' „
1 : 100
1: 1(0
1 :100
l: 100
1 : 1
1:4
1 :4
1:8
1 :10
5) ,,100°C30' „
1 :100
1:100
1: 100
1 :100
1:1
1:4
1:4
1:8
1:4
Ferner wurde gepruft, ob das Prazipitinogen durch die Wirkung
des Alkohols leicht beeintrachtigt wird. Wenn man dem Magensafte
absoluten Alkohol im Verhaitnis von 1:3 hinzufiigte, so trat ein sehr
starker braunlichroter Niederschlag auf.
Dieser Niederschlag war im Wasser leicht loslich und die Ldsung
war ganz klar und sah aus wie der Magensaft selbst. Sie zeigte als
Prazipitinogen und prazipitierende Substanz dieselbe Eigenschaft wie der
Magensaft. Aufierdem war die Losung imstande, die proteolytische
Wirkung ebenso deutlich zu entfalten wie der Magensaft selbst. Den
Niederschlag kann man lange Zeit in Alkohol aufbewahren, ohne die
prazipitierende Eigenschaft desselben zu beeintrachtigen. Wir konnten
ihn namlich 120 Tage lang in Alkohol noch gut wirksam aufbewahren.
Nacli diesen Ergebnissen waren wir anzunehmen geneigt, daB die im
Magensaft als Antigen wirkende Substanz fermentativer Natur sei. Aber
wir wollten doch nicht so weit gehen, zu sehlieBen, daB dieses Pra¬
zipitinogen mit dem Verdauungsferment des Magensaftes ganz identisch
sei, denn wir konnten bei Kaninchen leicht Immunserum herstellen,
welches die prazipitierende und komplementbindende Eigenschaft deut¬
lich zeigte, dagegen ein antifermentativ wirkendes Serum nicht leicht.
Ferner beabsichtigten wir, eine verwandtschaftliche Beziehung
zwischen dem Magensaft und den anderen Geweben, namlich dem Magen-
und Chitingewebe, genau festzustellen. Wir nahmen die Magen- und
Chitinepithelialgewebe von Seidenraupen sorgfaltig heraus und wuschen
sie, bis sie ganz blutfrei waren; damit konnte man einerseits die ihnen
entsprechenden Gewebsextrakte und andererseits die entsprechenden
Antisera herstellen. Auf diese Weise bekamen wir 4 Arten Antigene
und die ihnen entsprechenden Antisera. Mit diesem Material wurde die
Prazipitationsreaktion kreuzweise gepruft. Es ergab sicli, daB der Magen-
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Aoki u. Honda, Imraunieator. Spezifitat des Magensaftes d. Seidenraupen. 139
saft in seinem Antiserum am starksten, im Immunserum des Magen-
extraktes stark, aber im Blutimmunserum ebenso stark wie im Normal-
serum des Kaninchens und im Immunserum der Chitinepithelialgewebe
gar nicht reagierte. In gleicher Weise zeigte der Magenepithelextrakt
in ihm entsprechenden Antiserum die starkste, im Magensaftimmunserura
eine sehr starke und in den anderen 2 Antisera eine nocli scliwachere
Reaktion. Der Magensaft im Chitinepithelialimmunserum reagierte gar
nicht und der Extrakt des Chitinepithelialgewebes zeigte keine positive
Reaktion im Magensaftimmunserum. Ferner prSzipitierte er im homo-
logen Autiserum fast ebenso stark wie im Immunserum der Magen-
epithelialgewebe und Blutimmunserum. Das Blut reagierte im homo-
logen Antiserum auBerst stark, in den anderen 2 Antiseris, namlich der
beiden Epithelgewebe, in noch sehwacherem Grade und zeigte im Magen¬
saftimmunserum keine positive Reaktion (Tab. VI).
Tabelle VI.
Name der Immun-
sera
Magen saft-
immunserum
Magenwand-
immunserum
Chitin-
epithelim-
m unserum
Blutserura-
immunserum
Normales
Kauinchen-
serum
Name der Antigene
Magensaft
1:200 ±
1:100 ±
1:1 —
1:4±
1:4 dk
Magen wandextrakt
1:20
1 : 50
1:20 ±
1:50 ±
1:1 —
Chili nepithelexlrak t
1:1 —
1 :20 ±
1:20
1:10
1:1 —
Blut
1:1 —
1 :200±
1:20
1: 5000 ±
1:1 —
EiweiBgehalt der (Kochprobe)
Antigene
Magensaft
Magen wnndextrakt
Chitinepilhelextrakt
Blut
1 :10±
1:20
1:10
1:1000 ±
Nach diesen Ergebnissen ist wohl der SchluB gerechtfertigt, daB
der Magensaft nur mit dem Magengewebe gewisse verwandtschaftliche
Beziehung hat und die tibrigen 3 Gewebe gegenseitig verwandt sind.
Diese 3 Gewebe sind aber insofern ganz verschieden, als das Magen¬
gewebe allein mit dem Magensafte sehr nahe verwandt ist. Chitin-
epithel und Blut verhielten sich aber gegenseitig nicht gleich. Das
Chitingewebe und das Magengewebe zeigten sich sehr nahe verwandt
Aber sie sind insofern ganz verschieden, als das Epithelgewebe der
Magenwand mit dem Magensafte nahe Beziehung hat. Dieses gegen-
seitige Verhaltnis der 4 Gewebe kbnnte dadurch zustande gekommen
sein. daB die 3 Gewebe, namlich das Magen-, Chilin- und Blutgewebe,
anatomisch gegenseitig direkt im Zusammenhang stehen, wfthrend der
Magensaft nur mit dem Magengewebe in Beziehung steht. Hier sei
noch darauf aufmerksam gemacht, daB die Organspezifitat bei den In-
sekten, obwohl sie ganz einfach gebaut sind, doch sehr deutlich ausge-
pr3gt zu sein scheint, denn wir konnten auBerdem eine strenge Organ¬
spezifitat bei den Seidendrusen nachweisen.
Zusammenfassung.
1) Der Magensaft 'der Seidenraupen wirkt bei Kaninchen als An
tigen. — 2) Das Magensaftantiserum zeigt sowohl die Prazipitations
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140
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reaktion als auch die Komplementbindungsreaktion im Magensaft sehr
deutlich. — 3) Das Magensaftimmunserum wirkt ganz spezifisch; es ent-
faltet namlich die Immunreaktion am st&rksten im Magensafte, im
schw&cheren Grade im Kotextrakte, dagegen im Blute der Seidenraupen
gar nicht. — 4) Die als Antigen wirkende Substanz des Magensaftes
zeigte sich hitzeunbestandig. Wenn man den Magensaft auf mehr als
70° C erwarmt, so verliert er seinen Antigencharakter. — 5) Diese
Substanz ist in Alkohol leicht fallbar und im Wasser leicht loslich.
Den Alkoholniederschlag kann man lange Zeit in Alkohol aufbewahren,
ohne die Eigenschaft des Antigens zu beeintrachtigen. — 6) Die ver-
wandtschaftliche Beziehung des Magensaftes der Seidenraupen zu den
anderen Geweben zeigte sich in folgendem: A. Der Magensaft steht nur
zum Magengewebe in Beziehung. B. Das Magengewebe steht einerseits
zu dem Magensaft, andererseits zum Blute und zum Chitinepithel in
Beziehung. C. Das Blut hat nur Beziehung zum Magen- und Chitin-
epithelgewebe, aber nicht zum Magensaft. D. Das Chitinepithelgewebe
hat gleichfalls Beziehung zum Blute und Magenepithelgewebe, aber nicht
zum Magensafte. — 7) Die OrganspezifitSt scheint bei Seidenraupen,
obwohl sie so einfach gebaut sind, doch sehr deutlich ausgepr> zu
sein, denn wir waren ferner imstande, eine strenge Organspezifit&t bei
den Seidendrtisen nachzuweisen.
Literatnr.
Brezina, Wien. klin. Wochenschr. 1907. — Fiirstenberg, Berlin, klin.
Wochenschr. 1908. — Wilenko, Wien. klin. Wochenschr. 1903.— Ders., Zeitschr. f.
Immunitatsforsch. Bd. 1. 1909. — Brezina u. Rundi, Wien. klin. Wochenschr. 1908.
Dies., Zeitschr. f. Immunitatsforsch. Bd. 3. 19u9. — Obermeyer u. Pick, Wien,
klin. Wochenschr. 1903 u. 1906. - Aoki, K., Mitteil. d. med. Fakultat der Kaiserl.
Universitat zn Tokyo. Bd. 14. 1915.
Nachdruek verboton.
Ueber die hamolytische Wirkung des Magensaftes der
Seidenraupen.
[Aus dem Forschungsinstitut fiir Seidenzucht, Nakano bei Tokyo
(Direktor: Prof. Dr. T. Kagayama. Bakteriologische Abteilung,
Leiter: Prof. Dr. K. Aoki).]
Von Dr. K. Aoki und Dr. M. Honda.
Die zuerst von Kyes entdeckte Erscheinung, daS verschiedene Schlangengifte und
Skorpiongift, gemischt mit Lezithin, auf verschiedene Blutzellen hamolytisch wirken,
wurde von Morgenroth und Carpi bei dem Bienengift nachgewiesen. Kyes und
Sachs waren der Meinung, daO das tierische Gift durch die Beeinllussung des Lezithins
so aktiviert werde, da6 es die Blutzellen auflosen kdnne, wie auch der hamolytische
Ambozeptor durch die Wirkung des Komplementes aktiviert wird. Die dabei entstan-
dene Kubstanz wurde Lezithid genannt. Aber auch eine andere, dem entgegengesetzte
Auffassung wurde geauSert: Das Kobragift werde namlich nicht durch die Lezithin-
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Aoki u. Honda, Hftmolytische Wirkung des Magensaftes d. Beidenraupen. 141
wirkung aktiviert, sondern im Gegenteil werde das Lezitbin durch die fermentative
Wirkung des Schlangengiftes in verschiedene Substanzen gespaltet, welche dabei eine
hamolytische Wirkung auf die Blutzellen austiben konncn. Um diese Anschauung zu
bestatigen, wurden verschiedene Versuche ausgeftihrt und dabei interessante Tatsaehen
festgestellt. So wurde von Neuberg und Reicher, sowie von Neuberg und
Rosenberg nachgewiesen, daB im Kobragift Lipase vorhanden ist, welche aus dem
Lezilhin Fettsaure abspaltet und hamolytisch wirkt. Durch die Glementaranalyse
des Kyesschen gercinigten, biuretfreien Kobralezithides kamen Willstadter und
Liideckc zu dem Resultate, daB das Lezithid nichts anderes als anscheinend von
Kobragift freies Monostearinlezithin ist. Das bereits gebildete Monostearinlezithin stellte
sich als ein stabiler Korper dar. Als eine diese Auffassung stiitzende Tatsache wurde
ferner von Friedemann, Wohlgemut sowie Neuberg und Rosenberg ganz
nnabbangig gefunden. daB, wenn mit Lezithin gemischt, die hamolytisch wirkende
Eigenschaft auch in dera das Fett spaltenden Pankreassaft vorhanden ist.
Diesem Befunde schlieBen sich unsere Ergebnisse an, nach welchen
der Magensaft der Seidenraupen mit dem Lezithin zusammen auch hamo¬
lytisch wirkt.
Zu der 5-proz. Ziegenblutzellenaufschwemmung wurde 1-proz. Le-
zithinlosung in Methylalkohol hinzugefiigt und einer bestiinmten Menge
dieser Mischung der Magensaft, welcher nach der schon in einer an-
deren Mitteilung gegebenen Methode dargestellt worden war, in ver-
schiedenen Mengen hinzugefiigt. Als Kontrolle wurden ganz gleiche
Proben, einerseits ohne Lezithin, andererseits ohne Magensaft angestellt.
Sfimtliche Proben wurden im Briitschrank bei 37° stehen gelassen und
zu verschiedenen Zeiten herausgenommen und beobachtet. Es ergab
sich, daB die HSmolyse in den Rohrchen, welche Lezithin und Magensaft
enthielten, deutlich eintrat, wogegen die anderen Proben, welche ent-
weder nur Lezithin allein, Oder Magensaft allein enthielten, keine blut-
lbsende Erscheinung zeigten (Tab. I). In den nachsten Versuchen wurde
Tabelle I.
Verfahren
| Resultat bei 37° C
Magensaft
Kochsalz
(0,85 Proz.)
Ziegenblut
ohne Lezi¬
thin
Ziegen¬
blut mit
Lezithin
30 Min.
.2 \-6
s |«
5 k 3
OD CD ®
« i 1S
Probe Nr. 1
Ofi
ccm
0,5 ccm
1,0 ccm
_
_ _
-|-| +
„ 2
0,2
0,8 „
1,0 „
—
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0,99 „
1,0 „
_|_
— — \±
n
., 13
—
1,0 „
1,0 „
—
— 1 —
— — ! —
der Magensaft zuerst auf verschiedene Temperaturen erhitzt und dann
zu der Lezithinblutzellenmischung hinzugefiigt. Diese Proben wurden
gleichfalls im Briitschrank bei 37° stehen gelassen und nach verschie¬
denen Zeiten betrachtet. Es ergab sich, daB die Hiimolyse nicht mehr
eintreten kann, falls der Magensaft vorher hoher als auf 56° erhitzt
wurde. Die LabilitSt dieser mit dem Lezithin zusammen hamolytisch
wirkenden Eigenschaft des Magensaftes stimmt mit der der proteolyti-
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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
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schen Wirkung des Magensaftes ganz iiberein. Der Magensaft der Seiden-
raupen zeigt namlich deutliche Proteolyse. Falls er aber bei 56°
30 Min. lang erhitzt wurde, wurde diese fermentative Wirkung beein-
tr&chtigt (Tab. II).
Tabelle II.
Verfahren
Resultat
bei 37° C
Magensaft
Kochsalz
(0,85 Proz.)
Blutzellen
mit
Lezithin
30 Min.
a
s
s
X
3
cc
1) bei 50° C 10 Min. erhitzt
0,1 ccm
0,90 ccin
1,0 cem
4
+
• T
4
2) „ 50° C 30
0,1 „
0,90 „
1,0 „
4
+
+
4
3) ., 50° C 60 „ „
0,1 „
0.90 „
1,0 „
4
+
+
4-
4) „ 56° C 5 „
o.i „
0,90 „
1.0 „
+
+
4
+
5) „ 56° C 10 „
0,1 „
0.90 „
1.0 „
+
+
+
4-
6) „ 56° C 30 „ „
0,1 „
0,90 „
1.0 „
—
—
—
+
7) „ 60»C 5 „
0,1 „
0,90 „
1.0 „
+
+
4
4-
8) „ 00" C 10 „
0,1 „
0,90 „
1,0 „
—
—
4-
9) „ 60° C 30
o.i „
0.90 „
1.0 „
—
—
—
10) „ 70° C 10 „
0,1 „
0,90 „
1,0 „
—
—
—
—
4 = Hamolyse positiv, — = Hamolyse negativ.
Ferner wollten wir wissen, ob die in der Mischung von Lezithin
und Magensaft entstandenen H3molysine thermostabil seien. Zu diesem
Zwecke wurde die Magensaftlezithinmischung auf gleiche Weise wie oben
hergestellt und bei 37 0 20 Std. lang stehen gelassen und dann die so
behandelte Mischung von Magensaft und Lezithin auf verschiedene Grade
erhitzt. Ihre hamolytische Eigenschaft blieb aber ganz unverandert,
selbst wenn sie bei 100° 30 Min. lang erhitzt wurde (Tab. III). Nach
Tabelle III.
Verfahren
Bei 37 0 C 18 Std.
lang stehen gelassen,
dann im Eisschranke
Magen¬
saft
Magensaft-
antiserum
Normales
Kaninchcn-
seruin
Koch¬
salz
(0,85%)
Ge¬
latine
(!■■>%)
Resultat
Probe Nr. 1
0.2
ccm
0,8 ccm
1,0 ccm
nicht geronnen
ff
„ 2
0 2
V
0,5 ccm
0.3 „
1,0 „
geronnen
„ 3
0,2
0,2
0,6 „
1,0 „
„ 4
0,2
0,1
0,7 ,
1,0 ,
n
„ 5
02
0,05 „
0,75 „
1.0 „
ff
„ 6
0.2
0,02 „
0,78 B
1,0 ,
nicht geronnen
„ 7
0,2
0,01 „
0,79 „
1,0 „
ff
„ 8
0,2
ff
0,005 „
0,795 „
1,0 y)
ff ff
ff
„ 9
0,2
V
0,5 ccm
0,3 „
1,0 B
geronnen
ff
„ io
0,2
ff
0,2 „
0,6 „
1,0 ,
nicht geronnen
if
„ 11
0,2
V
0.1 „
0,7 „
1,0 „
V ff
ff
„ 12
0,2
V
0,05 „
0,75 B
1,0 „
n V
ff
„ 13
0,2
If
0,02 „
0,78 „
1,0 .
If 7)
diesen Ergebnissen scheinen unsere obigen Befunde mit den anderen
ganz iibereinzustimmen, welche schon einerseits von Morgenroth und
seinen Mitarbeitern, andererseits von Wohlgemut und Friede-
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--1
Klein u. Slesarewski, Agglutination bei Giirungen von Kohlehydraten. 143
mann sowie Neuberg und Reicher nachgewiesen worden waren
Das Kobragift verliert n&mlich leicht seine hfimolytische Eigenschaft,
falls es vorher iiber 56° erhitzt wird. Wenn es aber erst mit Lezithin
gemischt, gewisse Zeitlang zusammenwirkt und dann erhitzt wird, so
bleibt diese hfimolytische Eigenschaft ganz unverfindert. Infolgedessen
sind wir der Meinung, dafi die hfimolytische Wirkung des Magensaftes
der Seidenraupen, mit Lezithin gemischt, auf der fermentativen Wirkung
desselben beruhe. Wenn die fermentative Wirkung des Magensaftes
durcli das antifermentative Serum aufgehoben wfirde, mfiBte daher die
hfimolytische Wirkung des Magensaftes mit Lezithin dabei neutralisiert
werden. Wie schon in der vorhergehenden Mitteilung angegeben ist,
kann man Kaninchen mit Magensaft so immunisieren, daB deren Serum
in dem Magensaft stark prfizipitieren kann. Dieses Antiserum wirkte
auf die proteolytische Eigenschaft des Magensaftes deutlich neutrali-
sierend. Ferner war es imstande, die das Lezithin aktivierende Kraft
des Magensaftes starker unwirksam zu machen, als das Normalserum.
Zum Schlusse konnten wir die obigen Resultate auch mit dem Alkohol-
niederschlag des Magensaftes in gleicher Weise feststellen, welcher deut¬
lich proteolytisch wirkte.
’ Zusammenfassung.
1) Der Magensaft der Seidenraupen wirkt stark hfimolytisch, falls
er mit Lezithin zusammen vorhanden ist. — 2) Wenn der Magensaft
vorher fiber 56° erhitzt wird, so wirkt er nicht mehr hfimolytisch. —
3) Die mit Lezithin zusammen hfimolytisch wirkende Substanz des Magen¬
saftes ist in Alkohol ffillbar und in Wasser lfislich wie die Verdauungs-
fermente. — 4) Die bereits gebildete hfimolytisch wirkende Substanz
zeigt sich thermostabil. Sie kann bei 100° 30 Min. lang erhitzt werden,
ohne die blutlosende Eigenschaft einzubfifien. — 6) Die das Lezithin
aktivierende Wirkung des Magensaftes kann durch das Antiserum des¬
selben neutralisiert werden, wie die Fermente des Magensaftes.
Literatnr.
Ryes, Berlin, klin. Wochenschr. 1902. — Kyes u. Sachs, Ebenda. 1903. —
Dies., Biochem. Zeitschr. Bd. 4 u. 8. — Morgenroth u. Carpi, Berlin, klin.
Wochenschr. 1906. — Wohlgemut, Biochem. Zeitschr. Bd. 4. — Friedemann,
Dtsch. med. Wochenschr. 1907. — Neuberg u. Reicher, Biochem. Zeitschr. Bd. 4.
— Neuberg u. Rosenberg, Berlin, klin. Wochenschr. 1907.
Nachdruck verboten.
Ueber Agglutination bei Garungen von Kohlehydraten 1 ).
[Aus dem Bakteriologischen Institut in Kiew.|
Von Dr. B. Klein und Dr. W. Slesarewski.
Die Agglutination, welche sehr lange in der Bakteriologie als eine
der Immunitatsreaktionen angesehen wurde, ist in der letzten Zeit, dank
I) Unsere Versuche wurden vor 4 Jahren ausgcfiihrt und Ende 1918 das Manu-
-kript nacb Berlin geechickt. Leidcr ist diese Semiring dort nicht angekommen; und
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144
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
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den Arbeiten von Eisenberg und Volk und Michaelis der Gegen-
stand physikalisch-cheraischer Untersuchungen gewesen, durch die Mi¬
chaelis die Bedeutung der Wasserstoffionenkonzentration fiir die Agglu¬
tination erwiesen hat. Wir wollen hier die Agglutination vom rein
biologischen Gesichtspunkte aus betrachten und zeigen, daB verschiedene
Bakterien, und zwar in erster Reihe die Col i-Typhusgruppe, in ihrem
Ndhrboden chemisch agglutinierende Substanzen zu bilden inistande sind.
Wenn wir einen N&hrboden nach Barsiekow-Hiss 2 ) nehmen
und zu je 2 ccm desselben je 0,25 ccm Bakterienaufschwemmung hinzu-
ftigen und in den Thermostaten stellen, so ist nach 24-stiind. Verweilen
makro- und mikroskopisch eine deutliche Agglutination zu beobachteu,
welche der spezifischen sehr ahnlich ist.
Dieselbe Erscheinung kann man auch in demselben Nahrboden ohne
Lackmus (nur mit Pepton und Glukose) beobachten. — Aus den vielen,
von uns angestellten Versuchsreihen geben wir hier nur die beiden fol-
genden Tabellen:
Tabelle I. B. typhi.
Kultur NN
Pepton + Glukose
+ Lackmus
Pepton + Lackmus
Pepton -f Glukose
Pepton
40
+ +
_
110
+ + +
+
—
15
+ + +
—
+ + +
—
70
+ + +
—
4- 4-
—
109
+ + +
—
+
29
+ + +
++
—
36
+ +
—
++
—
104
+ + +
| I
+++
—
Tabelle
II. B. coli communis.
Kultur NN
Pepton + Glukose
+ Lackmus
Pepton + Lackmus
Pepton + Glukose
Pepton
1
+ +
_
±
_
3
+ + +
—
4- 4-
—
4
+ ++
—
+++
—
5
+ + +
—
++
—
6
+ +
—
+
—
7
+ 4-
—
++
—
8
+++
—
+++
—
Aus diesen Tabellen ist zu ersehen, daB B. typhi (8 Kulturen)
und B. coli (7 Kulturen) nach 24-stiind. Verw'eilen in einer Lfisung
von Pepton -f Glukose -f- Lackmus oder Pepton -f- Glukose sich gut
agglutinieren konnen. Makroskopisch ist immer ein gut agglutinierter
Bodensatz zu beobachten und mikroskopisch sind sehr viele agglutinierte
HSufchen zu sehen. — Im ganzen haben wir rnehr als 40 Stamme von
B. typhi, B. coli und B. paracoli, B. paratyphi B und B. en-
teritidis Gartner untersucht und konnten immer die oben beschrie-
bene Agglutination beobachten.
erst in den letzten Woehen erhielten wir Nachricht dariiber, daB unsere Arbeit noch
uicht erschienen sei. Wir teilen daher jetzt nur kurz die Resultate unserer Unter¬
suchungen mit.
1) Aqua destill. 100,0; Pepton Witte 1,0; Kochsalz 0,6; Glukose 2,0; Lsckmus-
tinktur 6,0. Die Bakterienaufschwemmung wird so hergestellt, daB eine 20-stund.
Agarkultur mit 1 ccm physiol. Kochsalzlosung aufgeschwemmt wird.
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Gersbach, Nachweis fakaler Waaserverunreinigung mittels der Indolprobe. 145
Vermutlich kann diese Agglutination durch die bei der Zerlegung
von Glukose gebildete Saure als eine Saureagglutination (nach Michaelis)
erklart werden und vielleicht auch die so oft auf verschiedenen Nahr-
boden vorkoramende „spontane“ Agglutination, als Resultat der Zer¬
legung von Kohlehydraten.
Mit alien unseren St&minen erhielten wir folgende Resultate: Auf
Pepton + Glukose + Lackmus war in 93 Versuchen 90mal die Agglu¬
tination positiv, auf Pepton -j- Glukose in 89 Versuchen 64mal. Hieraus
ist ersichtlich, daB die Agglutination hSufiger auf Pepton -j- Glukose +
Lackmus eintritt, als auf Pepton + Glukose, was besonders deutlich aus
den Resultaten der Agglutination in der folgenden Tabelle klar wird:
Zahl der
Versuche
Agglutination
+ + +
+ +
+
± -
Pepton + Glukose
-f Lackmus
93
35
38
15
2 3
Pepton -|- Glukose
89
15
18
22
9 25
Aus unseren Untersuchungen lassen sich folgende SchluBfolgerungen
ziehen:
1) Die Agglutination kann unter natflrlichen Lebensbedingungen
der Bakterien in geeigneten, Koblehydrate enthaltenden NShrboden
(Pepton + Glukose) als Resultat der Zerlegung von Kohlehydraten regel-
maBig beobachtet werden bei verschiedenen Vertretern der Typhus-Coli-
Gruppe (B. typhi, B.coli commune, B. paratyphi B und B.en-
teritidis).
2) Die Agglutination tritt deutlicher zutage, wenn der N&hrboden
auBer Pepton + Glukose noch 5—6-proz. LackmuslOsung enthalt.
Nachdruek verbotm.
Der Nachweis fakaler Wasserverunremigimg mittels der
Indolprobe.
[Aus dem Stadt. Hygienischen Universit&tsinstitut zu Frankfurt a. M.
(Direktor: Geheimrat Prof. Dr. M. NeiBer).]
Von Dr. Alfons Gersbach, Assistent des Instituts.
Die, Bedeutung des Coli-Nachweises fflr manche Zwecke der
Wasserbegutachtung steht heute auBer Zweifel. Als Methoden dienen
im allgemeinen die Garungsprobe (Coli-Titer, ThermoDhilentiter) und
die Bestiinmung der Coli-Keime mittels der Abblasmethode auf Endo-
Agar. Ich habe bei dem Fortschritte unserer Kenntnisse Uber die Indol-
bildung 1 ) 2 ) auf Veranlassung von Herrn Geheimrat NeiBer die In-
dolbildung als Nachweisraethode fakaler Verunreinigung des Wassers
geprUft.
Unserea Wiasens hat sich bi-her nur Schard inger 3 ) mit dieser Frage beschaf-
tigt. Er mischte 100 ccm des zu untereuehenden Wassers mit stcriler Losung von 1 g
1) M. Neifler, Miinchen. med. Wochenschr. 1921. Nr. 43.
2) W. Frieber, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. B<1. 87. 1921.
3) Schard inger, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 16. 1894.
Kr«te Abt. OHg. Bd. S8. Heft 2. 10
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146
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
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Pepton (Witte) und 1 g NaCl in 10 Aqu. dest. und liefl das Gemisch 24 Std. laug
bebriiten. Es gelang ihrn in der Tat, in einzelnen Fallen von bakteriologischer Flufi-
und Quellwaaseruntersuchung durch die Indolreaktion die Anwesenheit von Coli-Ba-
zillen zu ermitteln. Schardinger selbst niacht aber echon gewisse Einsehriinkungen
fur die Anwendung dieser Reaktion, da er glaubt, daB fast jedes Wasser Keime enthalt,
die die genannte Keaktion, wenn auch in tschwaehem MaBe, hervorrufen konnen. Be-
merkt sei auch, daB der Autor eine durch HJSO, alleiu oder durch H a SO, und eine
Kaliumnitritlo>ung (0,02: 1U0) hervorgerufene Rut- bis Roiblaufarbung positive Indol¬
reaktion nannte. Wenn wir in fol^endem statt von Coli-Titer von Indoltiter
sprechen, so entspringt das unserer Erfahrung, derzufolge in praktischer Hiusicht ate
Indolbildner im Wasser nur die Darmbakterien, also fast ausschlieBlich die Bakterien
der Coli- und Paraco 1 i- Gruppe, in Betracht kotnmen.
Unser Bestreben nniB sein, auch vereinzelte indolbildende Bakterien in geeig-
neteu Medien anzurcichern. Vorbedmgung (itr die Herstellung einer solchen Niihrlosung
ist, wie wir seit den Aroeiten von Hopkins und Cole, Berthelot und Zipfel
wissen, daB Tryptophan in ihr enthallen ist. Im sogenannten Witte-Pepton ist nur
wenig Tryptophan vorhandeu; iiber groBere Tryptophanraengen dagegen verfiigt man,
wenn man das Pepton weiter eineiu tryptischen VerdauungsprozeB aussetzt. Dies haben
uns die Pringsheiin-Frieberschen Versuche gelehrt.
Die Herstellung der Nahrlosung ist aber noch an weitere Vor-
aussetzungen gekndpft. In groBeren Betrieben, in denen Bescliaffungs-
und Herstelluugsschwierigkeiten nickt bestehen, empfieh.lt es sich, die
Friebersche l ) Trypsin-Bouillon zu beniitzen. Diese wird auf fol-
gende Weise hergestellt: 1 Lit. gewohnliche Bouillon, die durch pep-
tischc Verdauung von Fibrin gewonnene Peptonlosunjj und Wasser bzw.
Plazentawasser enthalt, wird uach Zusatz von 0,2 g Trypsin - Gr lib ler,
10 cent Chloroform und 10 corn Toluol 24 Std. im Brutschrank von
37° angedaut (Nahrlosung I).
Anders wird dagegen die Herstellung der Nahrlosung in kleine-
ren Betrieben verlaufen milssen, in denen die Beschaffung von Fibrin
und dessen Verdauung zu groBe Schvvierigkeiten bereiten wird. In
diesen Fallen schlagen wir vor, folgendermaBen vorzugehen: 1 Lit.
1-proz. Peptonlosung, die mit kauflichem Pepton Witte hergestellt
ist, wird nacli Zusatz von 0,5 g NaCl 1 Std. gekocht und wieder auf
40° abgckilhlt. Nach Ncutralisierung und leichter Alkalisierung mit
Soda wird die Losung in einer Flasche mit gutsitzendem Cflasstopfen
mit 0,2 g Trypsin -G i d bier, ferner mit einigeu Nahrsalzen (0,2 g
Kaliumphosphat und 0,02 g Magnesiumsulfat) und mit 10 cent Chloro¬
form und 10 ccm Toluol versetzt. Auf Zusatz von Fleischextrakt wird
im lnteresse der besseren Durchsichtigkeit der Nahrlosung verzichtet.
Dieses Gemisch wird nun gut durchgeschiittelt und der Glasstopfen wird
zwccks Druckausgleich zwischendurch geliiftet. Alsdann wird die
Flasche mit Papier uberbunden und der Inhalt 24 Std. im Brutschrank
von 37° der Verdauung uberlassen. Hierauf wird die Flasche wieder
griindlich geschiittelt, worauf der Inhalt durch ein steriles feuchtes
Filter filtriert und ' i / i Std. sterilisiert wird (Nahrlosung II).
In den zahlreichcn mit Nahrlosung I und Nahrlosung II ausgefuhrten
Vcrsuchen haben wir stets eine vollkoinmene Gleiclnveriigkeit. dieser bei-
den Losungen gefunden. Zur Ausfuhrung der Indolreaktion geniigt ein
Gesamtvolumen von 5 ccm. Zu 5 ccm Nahrlosung wird das zu unter-
suchende Wasser in fallcndcn Mengen hinzugesetzt, und zwar so* daB
im Eeagensglas I auBer deT Nahrlosung 1 ccm Wasser, im Eeagens-
glas II 0,1 ccm, im Reagensglas III 0,01 ccm und im Reagensglas IV
0,001 ccm Wasser sich befinden. Urn uns bei der Einfiillung dc.r
kicinen Wassermengen in die Reagensglaschen und bei der Herstellung
1) W. Frieber, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. 1921.
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Gerabach, Nachweis fakaler Wasserverunreinigung mittela der Indolprobe. 147
der notwendigen Verdiinnungen von der Anwendung der kostspieligen
graduierten Glaspipetten ganz frei zu machen, nehmen wir die Ab-
messung der Wasserquantitaten auf andere Weise vor. Zu der Nahr-
losung in Rohrchen I u. II geben wir 20 bzw. 2 Tropfen (= 1 ccm
bzw. 0,1 ccm) Wasser, was mit jeder sterilen, nicht graduierten Pipette
oder aucli umnittelbar aus der Flasche erfolgen kann. Zu der Losung
in Rbhrchen III geben wir den InJialt einer genauestens austarierten und
gerade 0,01 ccm fassenden sogenannten Forsterschen Spirale l ), und
in Rbhrchen IV impfen wir den Inhalt einer ebenfalls sorgfaltig ausge-
prtilten Minimaldse, die 0,001 ccm fafit.
Dieses Schema zur Ausfllhrung der Reaktion reicht nur aus fiir
Untersuchungen von Leitungs- und Brunnenwasser. Fur andere Unter¬
suchungen, z. B. von FluBwasser, milssen weitere Verdiinnungen her-
gestellt werden, die mit Ililfe der Forsterschen Spirale auch ohno
jede Anwendung von Pipetten leicht ausgeftihrt werden kann. Bei
Herstellung einer Verdiinnung 1:10000 z. B. impft man den Inhalt
einer Spirale (0,01 ccm) in 1 ccm der entsprechenden Verdiinnungs-
fliissigkeit; es resultiert daraus 1 ccm der Verdiinnung 1:100. Impft
man nun aus dieser Verdiinnung mit einer Spirale ini glcichen Sinne
weiter, so erhalt man 1 ccm der Verdiinnung 1:10000 usw.
Die Indolreaktion wird ausgeftihrt mit dem von Frieber 2 ) modi-
fizierten Ehrlich-Bohmeschen Indolreagens = 5 g p-Dimethylami-
dobcnzaldehyd + 50 ccm Alkohol (9t>-proz.)-f50 ccm HC1 (1,19), und
zwar nacli 24 Std. und nach 48 Std. Zu diesem Zwecke gieBt man
nach 24 Std. etwa die Halfte der bebrilteten Probe steril ab und prtift
auf Iudolbildung (4—6 Tropfen Reagens). Beim negativen Ausfall
kommt der Rest noch eininal fiir 24 Std. in den Brutschrank. Die
Reaktion muB an beiden Tagen ausgefiihrt werden, weil wir ge-
funden haben, daB einerseits die Indolreaktion am ersten Tage fehlen,
und erst am zweiten Tage auftreten kann, daB sie andererseits aber auch
am ersten Tage positiv sein kann, with rend am zweiten Tage das
Indol schon verschwunden ist, was offenbar auf der Tatigkeit anderer
neben dem Bact. coli im Wasser sich befindenden Bakterien be-
ruht. Fruhestens nach 3V2 Std. kann die Reaktion schon ein positives
Resultat ergeben.
Parallel mit dicsen Untersuchungen ging das Abblasverfahren auf
Kudo -Platten als Vergleichsmethode. Aus den gleichen Wassermengen,
mit denen die Indolreaktion angestellt wurde, wurde eine Coli-Keim-
zahlung auf zwei Endoplatten vorgenommen. Die Platten wurden im
Faust-Heimschen Apparat abgeblasen und zwei Tage lang bei 37°
bebrtltet. Nach dieser Zeit wurde die Coli-Keimzahl durch direkte
Ausziihlung bestimmt.
Nattirlich bestcht die Frage, die sich schon Schardinger gestellt
hat, auch heute noch mit Recht: Sind es denn immer Coli - Bazillen,
die das durch die Reaktion nachgewiesene Indol gebildet haben? Thco-
retisch ist es durchaus denkbar, daB es sich auch um andere indol-
bildende Bakterien handeln kdnnte. Nun wissen wir aber, daB solche
indolpositiven Colitis-, Proteus (X 2 und N,;,)-, Para-
col i - Bazillen, ferner die Vertreter der Pasteur el la-Gruppe, wenn
sie im Wasser vorgefunden wttrden, zuin mindesten das gleiche Symptom
1) Holche 0.01 ccm fassenden Spiralen werden von unserem Inatitut zum Preiae
von M. 10,— abpegeben.
2) W. Frieber, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. 1921.
10 *
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148 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
erhohter Infektionsgefahr darstellen wiirden, vvie die Anwesenheit von
Coli-Bazillen. Was unsere Untersuchungen angeht, so haben vvir in
alien Fallen positiver Indolreaktion durch fteinztichtung das Bact. coli
als den Indolbildner nachgewiesen. Nun steht ja nach iibereinstimmen-
den Versuchsergebnissen verschiedener Autoren fest, dab es Coli-
Slamme gibt, die kein Indolbildungsvermogen besitzen. Es konnte da-
her der Einwand gemaclit werden, dab bei Anwesenheit von nur indol -
negativen ini Untersuchungswasser eiu Nachweis mittels des Indoltiters
nicht moglich ist. Aber wir wissen auch, dab indolpositive und indol-
ncgative Coli-Stamme in den Abgangen von Mensch und Vieh stets
geraeinsam vorhanden sind, und dab die indolpositiven bei weitem iiber-
wiegen, dab also in jedem Falle von Verunreinigung durch Coli-Bazil¬
len auch indolpositive durch die Anreicherung in der Nahrlbsung gefun-
den werden miissen. Dieser Nachweis durch die Indolprobe wird durch
die ebenfalls vorliandenen indolnegativen durchaus nicht gestbrt. Um
etwa im Wasser bereits vorhandenes Indol auszuschlieben, haben wir
in alien Fallen die Indolreaktion auch mit dem zu untersuchenden
Wasser ohne Bebilitung ausgeffihrt. Dab der Zusatz der Nahrbouillon
notig ist, zeigte die Untersuchung dieser Wasserprobe nach Bebriltung
ohne Zusatz der Nahrbouillon. Das Resultat war in alien Fallen
negativ.
Es seien die Ergebnisse einiger charakteristischer Versuche mit-
geteilt, die teils mit der Frieberschen Trypsin - Bouillon (Nahr-
losung I), teils mit unserer N&hrlosung II angestellt worden sind.
IJm es gleich vorweg zu sagen, irgendein nachteiliger Einflub war bei
den Versuchen mit der aus Witte-Pepton hergestellten Nahrlosung
nicht festzustellen. Das in der Nahe des Instituts entnommene Main-
wasser erwies sich als sehr geeignet fur unsere ersten Versuche.
Unsere Methode erwies sich hierbei als brauchbar und gab gleichzeitig
einen interessanten Aufschlub fiber die hochgradige Verschmutzung des
Mainwassers in diesem heiben Sommer. Am 19. Juli 1921 konnten
wir z. B. in Viooooo ccm noch Coli-Indol nachweisen, am 28. Juli 1921
gelang der Nachweis noch in Vioooooo ccm » d. h- aJso, dab an diesem
Tago in Vioooooo ccra Mainwasser sich mindestens 1 Coli-Keim
gefunden haben mub. Im Monat September hatte die Keimzahl schon be-
deutend abgenommen. Am 7. Sept. 1921 wurde folgendes Protokoll
notiert:
Tabelle I.
Mainwasseruntersuchunf.
Rohrehen
Wassermenge
Iodoltiler
Coli - Keime auf
E d d o - Flatten
1. Tag
2. Tag
Platte 1
Platte 2
1
1 cem
_ _
+
ca. 600
ca. 400
2
1/
/10
+
74
44
3
>/
li oo v
+
7
6
4
1 1000 »»
+
2
0
5
J 10000 »»
h 00000 M
+
0
0
6
—
0
0
Dieser Versuch ergibt deutlich die Ueberlegenlieit unserer Indol-
nachweismethode gegenliber der Plattenmethode. Wahrend mit dieser
in Vioooo ccm Wasser keine Coli-Keime melir gefunden wurden, war
die Indolreaktion bei derselben Wassermenge noch positiv.
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Gersbach, Nachweis fakaler Wasserverunreinigung mittels der Indolprobe. 149
Am 16. Sept. 1921 war die Indolreaktion nocli in Viooo ccm positiv,
am 3. Nov. 1921 dagegen nur noch in Yioo ccm.
Interessant waren auch die Untersuchungen, die ich mit meiuem
Badewasser, stammend aus unserer colifreien Leitung, anstellte. Zur
groBen Ueberraschung war die Indolreaktion fast taglich in 1 / 10 ccm
Wasscr moglich. Zur Erlauterung moge folgendes Protokoll dienen.
Tabelle 2.
Badewasserun tersuchung.
Rohrchen
Wassermenge
Indoltiter
Coli- Keime auf
E n d o - Platten
1. Tag 2. Tag
Platte 1
Platte 2
1
1 ccm
1
+
2
1
2
1/
lio »>
+
0
0
3
/ IOO »
— 1 —
0
0
Versuche, die mit YVasser aus dem hiesigen stadtischen Schwimm-
bad angestellt wurden, fielen khnlich aus. Das Wasser wurde zunkchst
nur an drei aufeinanderfolgenden Tagen untersuckt und wahrend dieser
Tage nickt erneuert. Das Ergebnis war folgendes:
Tabelle 3.
Schwimmbadewasseruntersuchungen.
1
M an nernch wim in bad
Frauenschwimmbad
Indoltiter
Besucherzahl
Indoltiter
Besucherzahl
1.
Tag
7io ccm +
351
1 ccm +
124
2.
»!
/ ioo n
300
l /l0 » +
117
3.
»>
1 / IOO
412
/100 »> 1
174
Mit dem Wacksen der Besucherzahl nalim nattlrlich auch die Zaiil
der ini Wasser zurtickbleibenden Coli-Keime zu, und der Coli-Nach-
weis durck die Indolprobe wurde in immer geringeren Mengen moglich.
Von Inleresse dilrfte auch das Ergebnis einer mehrere Wochen hin-
durck taglich ausgefilhrten Untersuchung des Badewassers des hiesigen
Schwimmbades sein. Wir entnahmen Wasserproben am Tage der Fttl-
lung und an den nun folgenden Tagen der Wasserbenutzung. Das
Kesultat war im allgemeinen folgendes:
Am Tage der FUllung war das Wasser colifrei, d. h. ein Indol-
nachweis gelang nicht. An den nun folgenden Tagen nahin die Coli-
Zahl entsprechend der Besucherzahl zu und der Indolnachweis gelang
mehr oder weniger schnell auch in geringeren Wasscrmengen. Am
Tage hochgradiger Verschmutzung, an dem die Besucherzahl beson-
ders hoch war, gelang der Indolnachweis in l / 100 ccm Wasser. In ge-
riugeren Wasscrmengen konnten wir C o 1 i - Bazillen mit unserer Methode
niemals nachweisen, selbst nicht bei sthrkstem Besuch durch Vereine.
Nachdem wir so die Zuverlassigkeit unseres Indoltiters erkannt
halten, gingen wir dazu iiber, Trinkwasser zu untersuchcu. Ver-
schiedcne Proben von Leitungswasser, in Frankfurt und in der Um-
gebung entnommen, ergaben negatives Resultat. Anders war aber das
Untersuchungsergebnis von Kesselbrunnenwasser, das zum Teil in hiesi-
sen Gkrtcn, zum Teil auf einem Dorfe in der Umgebung entnommen
wurde. Von 8 Brunnen waren nur zwei einwandfrei, d. h. der Indol-
titer war auch mit 1 ccm Wasser negativ. Eine Brunnenprobe ergab
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150
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 83. Heft 2.
in 1 ccm Wasser, eine zweite in 1 / 10 ccm, die iibrigen fUnf in x /ioo
cent Wasser positive Indolreaktion.
Wei ter beschaftigte uns auch die Frage, ob in den Fallen, in denen
tin Indolnachweis nicht moglich ist, vielleicht die Phenolreaktion *■) 2 )
zuni diagnostischen Nachweis von Co 1 i im Wasser herangezogen wer-
den kann. Wir wissen ja, daB es Coli-Stamme gibt, die zwar kein
Indol, aber Phenol bilden. Wir haben demeiitsprechend reines Tyrosin,
das zur Phenolbildung erforderlich ist, den zu bebriitenden Wasserproben
zugesetzt und zwar wegen der schweren Loslichkeit und tier von uns
als notwendig erkannten Menge als Emulsion in folgender Form:
Tyrosin 0,05,
Gi. arab. 5,0,
Aq. dest. 20,0,
davon 0,5 ccm auf 2 ccm des zu untersuchenden Wassers. Auf diese
Weisc ist es uns allerdings gelungen, cinige Male im Mainwasser nach
4—5 Tagen Phenol nachzuweisen, aber nur in Fallen, in denen auch
die Indolreaktion positiv war. Eine praktische Bedeutung wird also
der Phenolnachweis als Coli-Indikator nicht haben, schon der hohen
Kosten wegen, die ein soldier Tyrosinverbrauch bedingen wtirde.
Wir fassen noch einmal die Ergebnisse unserer Untersuchungen
zusammen:
Ein einfaches und billiees Verfahren des Nachweises fakaler
Wasserverunreinigung besteht in der Bestimmung des „Indoltiters“.
Das Prinzip dieser Bestimmung ist folgendes: Zu gleichen Quan-
titaten einer tryptophanhaltigen Nahrlosung wird das zu untersuchende
Wasser in fallenden Mengen zugesetzt. Nach 1- bzw. 2-tagiger Be-
briitung bei 37 0 wird mit diesem Gemisch die Indolreaktion mit dem
von Frieber modifizierten Ehrlich-Bollmeschen Reagenz ausge-
fttlirt.
Es werden 2 Herstellungsarten der genannten Nahrlosung ange-
geben: Nahrlosung I wird fur groBere, Nahrlosung II filr kleinere
bakteriologische Betriebe empfohlen.
Bei der Einftillung der kleinen Wassermengen empfehlen wir statt
des Gebrauchs teurer graduierter Glaspipetten die Anwendung einer
0,01 ccm fassenden Spirale und einer 0,001 ccm fassenden Mini-
malose. Mit diesen konnen auch beliebig starke Verdiinnungen ausge-
ftlhrt werden.
Praktisch konimt als Indolbildner im Wasser allein das Bact¬
ed i bzw. par a coli in Frage.
Ein Nachweis des Bact. coli mittels der Phenolreaktion ist m&g
lich, kommt aber praktisch wegen der Kostspieligkeit dieser Reaktion
nicht in Frage.
1) M. Neifier, Miinchen. med. Wochenschr. 1921. Nr. 43.
2) W. Frieber, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. 1921.
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Seiffert, Vergleichende Farbevereuche an lebenden und toten Bakterien. 151
Naohd.rv.ck verboten.
Vergleichende Farbeversuche an lebenden und toten
Bakterien.
[Aus der bakteriologischen Abteilungdes Reichsgesundheitsamtes (Direktor:
Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Haendel).]
Von Dr. W. Seiffert.
Entersuchngen ilber die Eigenschaften der Proteinkorper, fiber die
ich an anderer Stelle bericbtet habe (1), hatten die Mdglichkeit ergeben,
einen Farbstoff wie Anilingentianaviolett durch Zusatz von Deutero-
albumose, Kaseosan, Serum, Bouillon usw. dergestalt zu verandern,
daC er nur noch in tote, aber nicht mehr in lebende Bakterien einzu-
dringen vermochte. Die Technik war folgende gewesen: 4 ccm einer
5proz. Deuteroalbumoselosung oder 50—lOOproz. desinfizientien-
freien Kaseosans, das die Firma Hey den in entgegenkommender Weise
zur Verftigung stellte, wurden mit 0,2 ccm stark konzentriertem Ani¬
lingentianaviolett 1 ) versetzt; in 1 ccm dieses proteinhaltigen Farb-
stoffes wurde ein Tropfen Bakterienaufschwemmung, z. B. Paratyphus-B-
Bazillen, hineinpipettiert; kurz darauf erfolgte die Beobachtung im hiln-
genden Tropfen. Abgetotete Bakterien (z. B. durch Erhitzen auf 56 °J
waren deutlich gef&rbt, lebende farblos.
Die Erklarung ftir dieses Pk&noraen wurde in mechanischen Ad-
sorptionsvorg&ngen gesucht, wie sie aus den Untersuchungen
Becholds (2) tlber die Verteilung von Methylenblau zwischen Wasser
und SerumeiweiD bekannt sind und wie sie auch eigene Versuche (1)
ergeben hatten; die, Verbindung mit dem EiweiBmoleklil verwehrte offen-
sichtlich dem Farbstoff den Durchtritt durch die Bakterienwandiuig;
erst durch mortale Verandcrungen wurde die Fdrbung ermbglicht.
Somit schien hier ein Weg gewiesen, tote und lebende Bakterien
unter dem Mikroskop zu differenzieren. Auf Veranlassung von Herrn
Professor Gildemeister habe ich die Versuche systematisch in der
Richtung fortgesetzt, ob sich die beobachteten Differenzen zu einer
praktisch brauchbaren Methodik ausarbeiten lielien.
Differenzen in der Farbbarkeit lebender und toter Bakterien sind
bereits des ofteren beobachtet worden [M e t s c h n i k o f f (3), N a k a -
ni sch i (4), Platho und Guth (5), Ei sen berg (6)] ; auch derVersuch,
diese Differenzen zu diagnostischen Zwecken zu verwerten, ist nicht neu,
Proca (7) verwandte eine Methylenblau-Fuchsinfarbung, Nyfeldt (8)
impragnierte mit Silbernitrat, auch die Uunasche Far bung der Lepra-
bazillen mit Viktoriablau-Safranin (9) gehort hierher. Doch haben diese
Angaben, soweit sie tiberhaupt allgemein in Betracht kommen, entwedex
der Nachprtlfung nur mangelhaft standgehalten (Kayser 101. oder sie
1) 1,8 ccm Anilin -f 12 ccm phy«. NaCI LftHung werden gesrhiittelt und filtricrt;
zu 12 ccm des Filtrate werden 4 ccm kouz. alkoh. Gentianaviolett. hinzugetan. Die
Mischnug wird geschiittelt und filtriert.
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152
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 8S. Heft 2.
waren zu umstandlich, um allerorts Eingang zu finden. Die Wiederauf-
nahmc ahnlicher Versuche schien also gerechtfertigt.
Zu unseren Untersuchungen warden folgende Bakterienarten heran-
gezogen: B. paratyphi A uud B, B. enteritidis Gartner,
B. suipestifer, B. faecalis alcaligenes, B. coli, B. dysen-
teriae Shiga-Kruse, B. dysenteriae y, B. Flexner, B. typhi, V.
cholerae, Vibrio Metschnikoff, Milzbrand, Staphylococcus au¬
reus, Streptococcus, B. subtilis und Diphtheriebazillen. Als Pro-
teinkbrper fanden in phys. NaCl-Losung Deuteroalbumose, Kaseosan,
Rinderserum, HtihnereiweiB und Ovoglobulin Verwendung. Der bevor-
zugte Farbstoff war um seiner intensiven Farbekraft willen Anilin-
gentianaviolett in der oben angegebenen Konzentration. (Eine grbBere
Anzahl von Farbstoffen erwies sich von vornherein als ungeeignet, da sie
den ProteinkOrper sofort zur Fallung brachten.) Als Kontrolle diente
eine physiologische Kochsalzlbsung mit dem entsprechenden Farbstoff-
zusatz.
1 .
Bereits die Vorversuche in dieser Kochsalzkontrolle zeitigten inso-
fern interessante Ergebnisse, als auch in starken Farbstoffkonzentratio-
nen, in denen sich die weitaus meisten (ursprtinglich) lebenden Bakterien
im intensivsten Blau prasen tier ten, recht haufig eine ganze Anzahl
Bazillen der Farbung sich vollkommen entzogen. Es waren ihrer um so
mehr, je geringer die Farbstoffkonzentration war. Stellte man sich aus
unserem Anilingentianaviolett in abgestuften Reihen mit phys. Koch¬
salzlbsung 0,4—10,0proz. Verdtinnungen her, so ergab die Beobach-
tnng nach 24 Std. ftlr lebende Typhusbazillen folgendes Resultat:
Die 0,4proz. Lbsung lieB nirgends eine einwandfreie Farbung
erkennen. Bei 0,8proz. Farbstoffgehalt waren nur vereinzelte Bakterien
intensiv gef&rbt, die groBe Mehrzahl nicht, dann nahm jedoch die Zahl
der ungefkrbten (oder ganz schwach gefarbten, s. u.) standig ab, bis man
in lOproz. Lbsungen nur noch nach reiflichem Suchen hie und da ein
ungefarbtes Stabdien nachweisen konnte. Dem entsprach auch die
Plattenkontrolle; je st&rker die Farbstoffkonzentration war, um so weni-
ger Kolonien gingen bei der Ueberimpfung an.
Es variierte also die Farbbarkeit der lebenden Bakterien innerhalb
ein- und derselben Abschwemmung. Dieses Variieren stand in engem
Zusammenhang mit der Konzentration des Farbstoffes; es war also eine
Funktion, die von auBeren Einflilssen abhangig war.
Die Versuche warden mit Methylenblau wiederholt und auf andere
Bakterien (Paratyphus- und Coli-Bazillen, Staphylokokken) ausgedehnt.
Die Resultate waren im Prinzip die gleichen. —
Weiterhin fanden sich in den Farbeversuchen an lebenden Mikro-
organismen (z. B. Typhusbazillen) oft genug noch nach 24 Std. Bak¬
terien, die zweifelsohne einen gewissen Farbenton aufwiesen, in der
Farbungsintensitat jedoch dem Durchsclinitt augenscheinlich weit nach-
standen; sie waren, im Gegensatz zu den intensiv gefarbten, gut be-
weglich. Diese Bakterien hatten sich also fur den Farbstoff zwar durch-
Ihssig gezeigt, aber nur bis zu einem bestimmten Grade und ohne ihre
Lebensfahigkeit in erkennbarem MaBe einzubuBen. Aehnliche Befunde
ergaben sich bei den spater zu schildernden Versuchen mit lOproz.
Kongorot. So nalimen z. B. lebende Milzbrandbakterien gelegentlich
binnen kurzer Zeit einen leichten Farbenton an, der sich selbst nach
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Seiffert, Vergleichende Farbeversuche an lebenden und toten Bakterien. 153
24 Std. kaum verstarkte und mit dera Eot der abgetbteten Bazillen
aucli nicht im entferntesten konkurrieren konnte. Hierlier mag auoh die
Unbewegliekkeit der Typhusbazillen in der gleichen Farbliisung zu
reclrnen sein, die trotz ihrer Unbeweglichkeit stecs so gut wie ungefarbt
blieben und, aus dem Kongorot auf Agar tiberimpft, sich stets in
reichlichen Kolonien entwickelten; da die gute Beweglichkeit der Vibrio-
nen in demselben Medium eine mechanische Behinderung auszuschlieBen
schien, wird wohl auch hier der Gedanke an eine Farbstoffaufnahme
in ganz geringen Mengen nahegelegt, wenn auch bei der Kleinheit der
Gebilde die Reaktion der Zelle in Form der Immobilitat eher erkenn-
bar wurde als das eingedrungene Kongorot.
Der Eindruck, den man aus diesen Untersuchungen gewann, ging
demnach dahin, daB ftir eine ganze Anzahl von Bakterien zwar a priori
die Moglichkeit einer Farbstoffaufnahme gegeben war, dafi aber die
Bakterien die Fahigkeit besaBen, sich auf die erste Reizwirk ing hin
dem Eindringen weiteren Farbstoffes wenigstens in gewissen Grenzen
zu verschlieBen. Ihr endgtiltiges Schicksal hing von ihrer Eesistenz
gcgeniiber dem eingedrungenen Farbstoff ab. So ging z. B. bei den sehr
einpfindlichen Vibrionen die leichte Anfarbung sehr schnell in einen
intensiven Farbenton fiber, und die Ueberimpfung aus der Farblbsung
fiel schon nach wenigen Minuten negativ aus (vgl. u.). Paratyphus-
B-Bazillen dagegen zeigten gelegentlich noch nach 48sttiudigem Verwei-
len in einer fiir Vibrionen durchaus brauchbaren Farblbsung nur ein
ganz leichtes Blau und wareu dabei gut beweglich; auf der anderen
Seite lieferte eine Ueberimpfung auf Agar aucli dort noch reichlich Kolo-
nien, wo sich die Bazillen bereits in leuchtendem Blau darstellten.
Beide Beobachtungen — das Schwanken der Farbbarkeit an sich
je nacli der Konzentration des Farbstoffes in dem umspiilenden Medium
einerscits, die Schwache der vitalen Anfarbung in einer ftir tote Bak¬
terien durchaus verwendbaren FarblOsung andererseits — lieBen sich
zwar kaum mit der Lipoidtheorie, urn so besser aber mit der An-
nahme einer Plasmagrenzschicht im Sinne Becholds (11) in Ein-
klang bringen. DaB die Permeabilitat einer solchen Grenzschicht je nach
dem Alter und dem Funktionszustande der Bakterien variieren kann,
leuchtet ohne weiteres ein, so daB die Farbungsdifferenzen in ein und
derseJben Kultur uns ohne Schwierigkeit verstandlich erscheinen. DaB
eine kolloidale Grenzschicht sich auf Grund der Oberflachenspannungs-
gcsetze auf die Konzentrationsbedingungen im uingebeuden Medium
einstellt, ist auch nicht weiter verwunderlich. Und daB ein intrazellu-
larer Reiz, wie ihn das Eindringen auch nur geringer Farbstoffmengen
sicherlick darstellt, auch in der kolloidalen Struktur und damit in der
Permeabilitat der Zelle seinen Ausdruck findet, ist eine Beobachtung,
die sicli auf zahlreiche Analogien zu stiltzen vermag.
Tote Bazillen (z. B. B. typhi) lieBen bereits in einer 2proz.
AnilingentianaviolettlBsung anscheinend ausnahmslos Farbstoffkornchen
erkennen, ahnlich wie sie Nakanischi (4) in seinen Farbeversuchen
oder Reitz (12) bei ZUchtung auf Eosinagar beschreibt. Eine diagno-
stischc Bedeutung kommt diesen Kbrnchen nicht zu; diese Feststellung,
die bereits ZeiB und Eisenberg (6) auf die entgegengesetzten Be
hauptungen von Reitz (12) hin ausdriicklich betonen, hat sich auch in
unseren Versuchen bestatigt, die Kornclien werden bei samtlichcn Ver-
tretern der Typhus-Coli-Gruppe gefunden, meist zu zweit an den Polen
der Zelle, bisweilen auch in grdBerer Anzahl reihenformig geordnet.
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154
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origiuale. Bd. 88. Heft 2.
Ueberhaupt haben meinc Beobachtungen keinerlei Beleg dafiir gegeben,
dab es sich bei diesen Kornchen um die Darstellung einer vitalen Struk-
tur handelt; in denjenigen Bakterien, die trotz einer Farbstoffaufnahme
ihre Beweglichkeit bewaiirt hatten, war der Farbstoff stets gleichmabig
verteilt. Jedenfalls labt sich die Annahme, dab die Kbrnchenbildung auf
eine krankhafte, wenn nicht mortale Storung in der Verteilung der
intrabakteriellen Substanzen zurtickgeht, nicht ohne weiteres von der
Hand weisen.
Die beobachteten Differenzen zwischen grampositiven und graru-
negativen Bakterien beschrankten sich auf die bekannten Unterschiede
in der Intensitat, der Farbung und dem Perraeieren durch die Bakterien-
grenzschicht.
2 .
Bei den Unterschieden, die sich bereits in der Kochsalzl&suug in
dem Farbevermbgen lebender und toter Bakterien herausgestellt hatten,
bot der Versuch, diese Differenzen bis zu einer diagnostisch brauchbaren
Abstufung herauszuarbeiten, keine ungiinstigen Aussichten, und die An¬
nahme einer Zellgrenzschicht, mit anderen Worten der Permeabilitat als
des ausschlaggebenden Faktors, lieb gerade den beschrittenen Weg, das
Farbstoffmolekiil durch Adsorption zu vergrdbern 1 ), besonders erfolg-
versprechend erscheinen.
Wic bereits eingangs dargelegt, ging der Gedanke, welcher der
Verwendung proteinhaltiger Farblosungen zugrunde lag, dahin, dem Farb¬
stoff durch die Kuppelung an den Proteinkorper den Eintritt in die
lebende Zelle unmoglich zu machen; die Methode hatte also zur Voraus-
setzung, dab die Bakterien in dem proteinhaltigen Farbstoff ihre Lebens-
fahigkeit behielten. Nun war die Protemkbrperlbsung als solche, wie
vorausgegangene Versuche gezeigt hatten, mit keiner nachweisbaren Schh-
digung der Mikroorganismen verbunden, gaben vielmehr einen recht -
guten Nahrboden ab, dagegen kainen dem verwendeten Farbstoff selbst,
unserem Anilingentianaviolett, in hohem Mabe toxische Eigenschaften
zu. Es schien uns jedoch die Hoffnung begrilndet, dem Farbstoff mit
der Moglichkcit, in die lebende Zelle iiberhaupt einzudringen, auch die
Gelegenheit zur Entfaltung seiner Toxizit&t zu nehmen.
So wurde denn zunachst die Entwicklungsfahigkeit der Bakterien
nach 24sttlnd. Aufenthalt in der proteinhaltigen Farblosung geprilft.
Fiir eine grobe Anzahl fiel das Ergebnis auch erwartungsgemab aus.
Wenn man sich eine Mischung von 10o/ 0 iger Deuteroalbumose und
Anilingentianaviolett ini Verhaltnis 3:100 bis 5:100 herstellte, in diese
Ldsung einen Tropfen aus einer Abschwemmung der Typhus-Coli-Gruppe
hineinpipettierte und 24 Std. darauf einen Plattenausstrich anlegte, so
wuchs hier Kolonie an Kolonie. Ganz anders verhielten sich jedoch Sta-
phylokokken, Streptokokken und Vibrionen; sie ergaben unter denselben
Bcdingungen stets negative Befunde. Dem entsprach denn auch die Be-
obachtung im hangenden Tropfen: Wahrend sich Typhusbazillen u. dgl.
inmitten der blauen Farblosung mit hell durchscheinendem Zelleib dar-
boten, waren Vibrionen usw. durchweg gefarbt.
Der Prote'inkbrper war also nicht imstande gewesen, iiberall eine
praktisch schtitzende Wirkung auszutiben. Er machte sich der Koch-
1) Ein Hinweis in der gleichen Richtung findet Bich in einer kiirzlich erschienenn
Arbeit Schulemanns (13).
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Seiffert, Vergleichende Farbeversuche an lebenden und toten Bakterien. 155
^zkontrolle gegentiber nur durcli eine schwachere Intensitat der Far-
bung geltend, doch war diese schwachere Intensitat in beiden Fallen
vorhanden, bei Verwendung lebender Bakterien ebenso wie bei toten.
Das Anilingentianaviolett war also unleugbar in die Vibrionen
und Kokken eingedrungen. Dab sich der Gesamtkomplex-Prote'inkbrper-
Farbstoff in die lebende Zelle Eingang verschafft hatte, war kauin denk-
bar. Es kam wohl nur reiner, an kein Eiweib gekuppelter Farbstoff in
Betracht. Mit anderen Worten: die Adsorption des Anilingentianavioletts
durch die Prote'inkbrper konnte keine vollstandige gewesen sein. Es
war auch nach den Untersuchungen Becholds (2) von vornhereiu mit
der Anwesenheit derartigen freien Farbstoffs zu rechnen gewesen.
Nur hatte man nach den gtinstigen Versuchen mit der Typhus-Coli-
Gruppe erwarten dttrfen, dab seine Menge zu gering sei, um sich prak-
tisch auszuwirken. Anscheinend reichten jedocli schon diese geringen
Mengen hin, um besonders empfindliche Keime in der schwerstcn Weise
zu schadigen.
Daraufhin wurden denn Versuche ilber die bakterielle Empfind-
lichkeit gegentiber Anilingentianaviolett angestellt, um Klarheit dariiber
zu schaffen, ob sich unsere verschiedenen Befunde mit der Farb-
stoffresistenz der einzelnen Bakterien deckten. In vier Reihen wurde
das Anilingentianaviolett in verschiedenen Konzentrationen (1: iOO bis
1:1600) mit phys. Kochsalzlbsung verdtinnt. Zwei Reihen wurden
mit Stammen, die in der proteinhaltigen Farblosung nicht gefarbt und
nicht sichtlich geschadigt, wurden, beschickt, und zwar mit Typhus-
und Colibazillen, zwei Reihen mit Vertretern der gefarbten und ge-
schadigten Gruppe, Vibrio Metschnikoff und Staphylokokken. Nach
3 Std. wurde von jeder Konzentration aus ein Agarausstrich angelegt:
Coli- und Typhusbazillen gingen bereits aus der Verdtinnung 1:100 reich
lich an, Vibrionen und Kokken lieferten selbst aus der Verdtinnung
1 800 nur sp&rliche Kolonien.
Dieser Befund entsprach vollkommen unseren Resultaten mit dem
Pioteinkbrper-Farbstoffgemisch. Es blieben eben diejenigen Bakterien,
denen die eindringenden Spuren des freien Farbstoffs nichts anhaben
konntcu, lebend und ftlr unser Auge ungefarbt, die anderen gingen
mehr oder weniger schnell zugrunde und boten nun nattirlich gegen-
ilber den von vornherein abgetoteten Zellen keine Unterschiede mehr dar.
So wurden denn zahlreiche Versuche unternommen, durch quanti¬
tative Verschiebungen in dem Verlialtnis Proteinkbrper Farbstoff eine
Lbsung zu erzielen, in welcher der Gehalt an freiem Vnilingentiana-
violett auf ein Minimum reduziert wurde. Dabei war hinsichtlich der
Menge des Farbstoffs an sich stets eine Grenze gegeben: tote Bak¬
terien mubten in der Lbsung stets deutlich farbbar sein.
Der erwartete Erfolg blieb jedoch aus. Sobald man freilich die
Beubachtungszeit verkurzte, waren die Resultate nicht ungtinstig; auch
die empfindlichen Bakterien brauchten bei den geringen. in Frage
kommenden freien Farbstoffmengen eine gewisse Zeit, um seiner Gift-
wirkung zu erliegen, und blieben bis dahin so gut wie ungefarbt; tote
Bakterien nahmcn dagegen schnell Farbstoff auf. Man konnte bei kurzer
Beobaehtungsze.it sogar in der Konzentration des Farbstol'fes erheblich
heraufgehen und so den schhrfsten Kontrast zwischen intensiver Far-
bung und heller Durchsichtigkeit erreichen. Typhus-, Paratyphusbazillen
u. dgl. waren auch noch nach 24 Std. meist optisch vbllig ungefaribt
und vorztiglich beweglich. Es lieb sich aber keine Konzentration her-
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88 . Heft 2 .
stellen, vvelche noch stark genug war, um tote Bakterien zu farbeu,
und dabei z. B. den Vibrionen cine Lebensdauer tlber einige Minuten
hinaus vergbnnte.
Damit war jedoch die Zuverlassigkeit der Metliode auch dort er-
schtittert, wo das Experiment ansclieinend gute Ergebnisse gezeitigt
hatte. Sic baute sich nun eininai auf der unversehrten Lebensfahigke.it
der Zelle auf. War aber derartig viel freier Farbstoff vorhanden, dafi
bestimmte, wenn auch besonders empfindliche Bakterienarten regel-
maBig in kurzer Zeit abgetotet. wurden, dann stieg auch bei der Typhus-
Coli Gruppe bei jeder positiven Farbung, die man erhielt, sofort der
Zweifel auf, ob es sich nicht auch hier um einen besonders empfind-
lichen Stamm oder besonders empfindliche Individuen gehandelt liabe, die
erst sekundar der Farbstoffwirkung erlegen waren. Es war nur mog-
lich, die in der Losung nicht gefarbten Bakterien als lebend anzu-
sprechen, vorausgesetzt, daB die Kontrolle alle abgetOteten Elemente
deutlich gefarbt zcigte; fiber die gefarbten Zellen dagegen gab die
Methode keinen einwandfreien AufschluB.
Die Versuche wurden noch mit einigen anderen Farbstoffen fo-rt-
gesctzt, und immer wieder ermutigte die auffallende Differenz zwischen
toten und lebenden Bakterien zu neuen Modifikationen, bis schlieBlich
wieder grofiere Reihen die alten Versager zutage treten lieBen. Die Far¬
bung mit proteinhaltigen Farblosungen blieb ein theoretisch auBerordent-
lich interessantes Phanomen; zur praktischen Diagnose lieB sie sich
nicht verwerten.
3.
So batten unsere Versuche mit proteinhaltigen Farblosungen zwar
nicht zu jenem Ergebnis gefuhrt, um dessentwillen sie unternommen
wordcn waren. Immerhin hatten sie jedoch so viel gezeigt, (laB der Ge-
danke, tote und lebende Bakterien auf Grund ihrer verschiedenen Per-
meabilitat im hangenden Tropfen farberisch zu differenziereu, eines
weiteren Nachgehens wert war.
'Das Verfahren der proteinhaltigen Farblosung war daran geschei-
tert, daB die erstrebte VergroBerung des Farbstoffmolekiils nur zum Teil
erreicht werden konnte; gewisse Farbstoffmcngen entzogen sich der
Adsorption. Die gewtinschte Differenzierung konnte aber nur dann
erzielt werden, wenn die GroBe der Farbstoffmolckiile durchweg das er-
forderliche MaB betrug.
Mit dem Verzicht auf proteinhaltige Faxbstoffe brauchten also
die yersuche selbst keineswegs fallen gelassen zu werden. Bereits zu
Beginn unserer Nachpilifungen waren orientierende Untersuchungen dar-
ilber angestellt worden, ob nicht der komplizierte Adsorptionskomplex
Proteinkorper—kleinmolekularer Farbstoff ebenso gut durch einen ein-
fachen hochmolekularen Farbstoff ersetzt werden konnte. Der scharfe
Kontrast, den die Proteinkorpermethode filr die Typhus-Coli-Gruppe er-
zielte, hatte jedoch dem kombinierten Verfahren den Vorzug gegeben.
Jetzt. wurde von neuem auf hochmolekulare Farbstoffe zuruckgegriffen.
Am besten bewahrte sich bei folgendem Vorgehen lvongorot: Der
Farbstoff wurde in phys. Kochsalzlosung bis zur Sattigung geldst, als-
danu filtriert, mit phys. Kochsalzlosung im Vcrhaltnis 1 :10 verdfinni
und sofort zur Farbung unserer Bakterien verwendet. Die Beobachtung
erfolgte innerhalb der ersten St. (auf die Farbung der toten Zellen hin)
im hangenden Tropfen und wurde nach 24 St. wiederholt fauf NichG
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Seiffert, Vergleichende Farbeversuche an lebenden und toten Bakterien. 157
farbuDg der lebenden Elemente 1 )]. — Ueberimpfungen ergaben noch
nach 48 Std. stets reicliliche Kolonien sanitlicher verwendeter Bakterien.
Stets wurden frische Farblosungen benutzt. Sie erwiesen sich
praktisch als hinreichend gleichmaBig, wahrend sicli in alten Losungen
die Unterschiede verwiscliten. Allerdings wurde stets nur ein und das-
selbe Farbstoffpraparat 2 ) herangezogen.
Der Lichtdurchtritt — als Lichtquelle diente die elektrische Lampe
unseres Dunkelfeldes — wurde durcli die kolloide Bescliaffenheit des
Kongorots in hohem MaBe behindert. Diese Beliinderung erlaubte eine
Beobachtung nur am Rande des liangenden Tropfens und verlangte eine
genaue Einstellung jedes einzelnen Bakteriums auf scliarf umrissene
Kontur; man muBte, unter standigem Spielen an der Mikrometer-
schraube, Stabchen ftir Stabchen einzeln fur sich in seiner eigenen
Ebene fassen. Wurde diesen technischen Bedingungen sorgfaltig gentigt,
so ergab sich bei alien toten Bakterien ein ziemlich kraftiger, braun-
roter Farbenton, wahrend die lebenden gar nicht oder doch nur so
schwach gef&rbt waren (s. o.), daB das geiibte Auge die Differenz
ohne Schwierigkeit zu erkennen vermochte.
Es sei aber ausdrticklich hervorgehoben, daB man an die Kongorot-
Farbuug keinesfalls mit denselben Ansprtichen herantreten darf wie an
unsere F&rbungen mit Anilingentianaviolett. Es eippfiehlt sich viel-
mehr dringend, sich bei jeder praktischen Untersuchung an zwei Kon-
trollen mit bestimmt lebenden und bestimmt toten Bakterien liber den
latsachlichen Grad der gegebenen Farbunterschiede zu vergewissern. Fllr
Kokken eignet sich die Methode bei der Kleinheit der Gebilde nicht.
Ftir die Farbung abgetoteter Elemente war die Art und Weise, in
der die AbtBtung erfolgt war, gleichgliltig. Ob man die Bakterien auf
56°, 60° oder 70° erhitzt, ob die Erhitzung eine oder mehrere Stun den
angehalten hatte, spielte keine Rolle. Auch durch Chemikalicn ab-
getbtete Bakterien nahmen die Farbung an.
Besondere Untersuchungen galten dem Verhalten spontan abge-
storbener Bakterien. In jeder 24 Std.-Kultur fanden sich einige fhrb-
bare Bazillcn, die von uns als abgestorbene Elemente aufgefaBt wurden,
da ihre Zahl mit dem Alter der Kultur zunahm. Direkt beweisend
fllr die MOglichkeit, mit dieser Methodik spontan zugrunde gegangene
Mikroorganismen zu erkennen, schicnen uns jedoch die Nachpriifun<ren
an einer interessanten Kolonievariante eincs Ruhr-Shiga-Sta:nmes
zu sein, welche auf Agarplatten innerhalb einiger Tage kleine weiBliche
KnCpfchen bildete; diese KnOpfchen zeichneten sich im Gegensatz zu
der Ausgangsform, die nach 3—4 Tagen auf der Agarplatte abgestorben
war, durch intensive Lebensfahigkeit aus und licBen sich noch nach
Wochen weiterimpfen: Farbeversuche mit der (wie Abimpfungen er-
geben batten) abgestorbenen Unterlage lieferten stets gcfarbte Bazillen;
rieb man dagegen Particn mit Knopfclienbildung in die Farblosang ein,
so lagen im hangenden Tropfen, entsprechend dem Gcmisch von Unter-
lage und Knopfchen, gefarhte und ungcfarbte Stabchen in dichten Rcihen
nebeneinander.
DaB diese Methode selbstverstandlich nie eine Sterilitatsprobe dar-
sielJen kann, liegt auf der Hand; schon die Notwendigkeit, jedes Stab¬
chen scharf fllr sich allein einzustellen, schlieBt, diese MOglichkeit prak-
1) Vgl. die Negativdarstellung von Bakterien mit Kongorot nach H. Fischer (15).
^ 2) Der Farbstoff stammte von der Firma Griibler und war im Jahre 1906 be-
rogen worden.
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Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origin air. Bd. 88. Heft 2.
tisch aus. Das Verfahren wird wohl uur dort in Frage kommen, wo es
sich uni die blofie Feststellung handelt, ob bestimmte Gebilde in einer
Kultur lebenstiichtige Eleraenbe darstellen oder niciit, und es hat denn
aucii bereits auf Veranlassung von Herrn Professor Gildemeister (14)
in unserein liaboratorium zu derartigen Untersuchungen Verwendung
gief'unden.
Es gait zu unterscheiden, ob bestimmte in Vibrionenkulturen
auftretende atypische Formen, die von Kuhn als a-, c- und d-Formen
bezeichnet worden sind, als lcbende oder abgestorbcne Gebilde anzusehen
waren. Unsere Versuchsanordnung war folgende: Wir setzten drei Rea-
genztohrchen niit je 1 ccm frischer, lOproz. Kongorot-Losuug an. In
Rohrchen I kam 1 Tropfen der in Frage stehenden Bouillon-Kultur;
in Rohrchen II ein Tropfen einer Abschwemmung von einer 24sttindigen
Vibrionen-Agarkultur; in Rohrchen III ein Tropfen derselben Vibrionen
wie in II, jedoch nach vorhergegangener Abtotung bei 56°. rfobaid in
Rohrchen HI alle Rakterien im hangenden Tropfen gefarbt waren (1. Be-
obachtung), untersuchten wir Rohrchen I auf gleich gefarbte, also eben-
falls tote Elemente. Nach 24 Std. (2. Beobaclitung) liberzeigten wir
uns m Rohrchen II davon, ob auch nocli die lebendeu Vibrionen farblos
waren, und prtLften sodann anhand dieser Kontrolle die fraglichen For¬
men in Rohrchen I auf Nichtfarbung, d. h. auf Lebenstilchtigkeit. —
Die Beobachtung erfolgte stets bei intensiver kiinstlicher Beleuchtuug.
Das Ergebnis deckte sich durchaus mit. den auderweitigen Resul-
taten (s. Gildemeister 14). Die a-(am(jbenalinlichen)Fonuen und
die d-(dcndritischen)Formen farbten sich durchgangig. Bei den c-Formen
war eine einwandfreie Beurteilung wegen der Kleinheit der Gehilde
niciit mciglich. Es handelt sich demnach bei den a- und d Formen
uni tote Gebilde, und zwar um Absterbeformen. Das Verfahren hatte
sich soinit auch als praktisch brauchbar erwiesen.
Zusammenfassung.
Farbeversuclie an lebenden Bakterien in mit physiol. NaCl-Losung
verdtinntem Farbstoff fielen im Sinne einer kolloidalen Bakteriengreuz-
schicht ,(B cell old) aus.
Farbeversuclie in proteinhaltigen Farblosungen ergaben erhebliche
Permeabilitatsuuterschiede zwischen lebenden und toten Bakterieu, doch
lie-3 sich die Methode nicht praktisch ausbauen, da die Protein-Ivorper
nur einen Toil des Farbstoffes absorbierten.
Farbeversuclie in Kongorot zeigten die lebenden Bakterien un-
gefarbt, die toten dagegen gefarbt.
Ziiteratnr.
1) Seiffert, Berlin, klin. Wochensehr. B. 873. —2) Becbold, Zeitschr. f. phye.
Chein. LX. — 3) Metschnikoff, Lubarsch-Oi^tertag. 1896. — 4)Nakanischi,
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 30. — 5) Plato u. Guth, Zeitachr. f. Hyg.
Bd. 38. — 6) Eisenberg, Oentralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 71. — 7) Proca,
Compt. rend. Soe. de Biol. 1909. — 8) Nyfeldt, Ref. in Schmidts Jahrb. 1918. —
9) Unna, Med. Klin. 1909, 1911. — 10) Kayser, Oentralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig.
1912. — 11) Bechold, Die KoHoide in der Medizin u. Biologie. S. 262. — 12) Reitz,
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 45. — 13) Schulemann, Zeitschr. f. angew.
Chem. 1921. — 14) Gildemeister, Oentralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. 1921.
S. 241. — 15) H. Fischer, Zeitschr. f. wise. Mikroskop. 1910, zit. nach Eisenberg.
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Unna, Das Wesen der Giemsa-Ffirbung.
159
Nachdruck verboten.
Das Wesen der Giemsa-Farbung 1 )*
Von P. G. Unna, Hamburg.
Die Gie m sa- FBrbung ist hervorgegangen aus der Rom an o w sky-
Farbung. Der Petersburger Foracher Rom an owsky fand, daB ein
Zusatz von Eosin zu gewisseu Methylenblaulosungen eine eigentiimliche
uud spezifiscbe Rotfarbung der Kerne der Malariaparasiten bewirkte.
Die Inkonstanz und schwierige Beherrschung dieser Methode brachte
Nocht auf den Gedanken, zu dieser Mischung noch etwas vou meiner
polychromen Methylenblaulosung hinzuzusetzen, in welchem
ja eine rote Komponente schon seit langem eine Rolle spielte. Er
fand in der Flucht der vielen sich ablosenden Romanowsky-Farbungen,
urn die sich nach Romano w sky besonders Zieman n verdient machte,
den ruhenden Pol in einem Zusatz von „Rot aus Methylenblau“, wie
Nocht diesen Korper vorsichtig und sebr richtig vorlaufig nannte.
Ich hatte nun bis dahin meine polychrome Methylenblaulosung
keineswegs filr Protozoenkerne angewandt, sondern das „Rot aus Metbylen-
blau u nur als beste spezifiscbe Ffirbung der Mastzellen angegeben.
Die Anwendung derselben auf Protozoenkerne durch Nocht war neu.
Es waren zunSchst 2 Hamburger Aerzte, Nocht und Reuter, die
sich mit der ErforschuDg des Wesens dieser Rotfarbung nkher befaBten
und dabei zu verschiedenen Resultaten gelangten. Ich kann dieselben
um so eher flbergehen, als die Diskussion hierflber sehr bald von Ber¬
liner Forschern, den Farbungstheoretikern Pappenheim, Rosin und
Leonor Michaelis, aufgenommen wurde, die den Faden viel weiter
ausspannen. Nur in einem Punkte waren alle Forscher einig, daB dieses
eigentiimliche, metachromatische Rot, welches die Mastzellen und Pro¬
tozoenkerne aus blauen Methylenblaulosungen aufnehmen, als ein und
dasselbe Derivat des Methylenblaus angesehen werden mtisse.
Michaelis konnte sich dabei bereits auf neuere Untersuchungen
von Bernthsen, dem damaligen Direktor der Ludwigshafener Fabrik,
stiitzen, welcher das Derivat als Methylenazur beschrieb und es ffir
ein einfaches Oxydationsprodukt des Methylenblaus ansah.
Damit war die Frage, wie es sich gehortc, in die Hand der Chemiker
gelangt; sie war damit noch nicht entschieden. Denn Bernthsen er-
wuchs ein Gegner in Prof. Kehrmann in Lausanne, welcher nach-
wies, daB die Oxydation des Methylenblaus nicht, wie Bernthsen
glaubte, zu einer Sauerstoffanlagerung an der Brticke des Methylenblau-
molekOls fiihrt:
N\
|\h,/-N(CU # ),
-1\ 01
1) Vortrag, gehalten bei der VViedcreroffnuDg des Hamburger Biologischen Ver-
eing am 18. Nov. 1921.
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160
Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 8S. Heft 2.
sondern zu einer Abspaltung von (CH,) Methylgruppen und dadurch zur
Entstehung von Derivaten, welche sehr leicht, leichter als Methylenblau
selbst, ihre Base abspalten. Diese Basen sind, wie Kehrmann gezeigt
bat, als wasserhaltige Hydrate blau, als Anhydride rot. Die
Eigenheit der Mastzellen einerseits, der Protozoenkerne andererseits be-
steht also darin, daB sie viel AffinitSt zum roten Anhydrid der
Farbbase haben. Dieses letztere, und zwar hauptsachlich das An¬
hydrid der Base des Dimethylthionins, ist also das Nocht-
sche „Rot aus Methylenblau* 1 . Der so gewonnene Boden, welcher gleicher-
maBen fur das metachromatische Rot der Mastzellen wie fur das Rot
der Protozoenkerne Geltung hat, ist besonders deshalb als absolut sicher
und definitiv anzusehen, weil auch Bernthsen neuerdings seine Sulfon-
(= S0 2 )-Theorie aufgegeben und Kehrmann vollig recht gegeben hat
und somit die erfahrensten beiden chemischen Sachverstandigen fiber
diesen Punkt einig sind.
Wir sind also jetzt imstande, das Rot, welches sich bei verschie-
denen Methylenblaufiirbungen im Gewebe bildet, durch einfache Formeln
aus dem Blau herzuleiten. Es wird manchem Leser vielleicht erwfinscht
sein, bei dieser GelegeDheit nicht bloB den Abbau des Methylenblaus,
welcher zu diesem Rot ffihrt, sondern auch den Aufbau dieser viel ge-
brauchten Substanz dabei vor Augen zu haben.
Ammoniak
Diphenylamin
Aufbau des Methylenblaus
NH,
C„H.
Thiodiphenylarain (Thiazin)
Base des Tb ion ins
(Leukoverbindung)
NH<
\h l
NH< >S
NH
/tJ B H S v NH,
< >S
XH./-NH,
Base
0„H,
ie des Leukomethylenblaus kii / 0 *\*j
(M ethylenweifi: \q g
-N(CH,1,
N(CH 3 )j
(+ HC1, -f-H,)
N(CH S ),
Salz des Methylenblaus
(Tetramethylthionin) , \c (i H 3 X_N(CH S ),
--INa
Das Methylenblau leitet sich vom Ammoniak (NH S ) ab, indem
2 Benzolgruppen fflr 2 Wasserstoffatome eintreten. Diese Kette: Di¬
phenylamin schlieBt sich zu einem Ring; durch Eintritt eines Schwefel-
atoms S entsteht das Thiodiphenylamin, welches unter dem Namen
Thiazin den Kern (das Chromofor) aller Farben der Methylenblau-
gruppe bildet.
Ein Farbstoff wird aus diesem Kern aber erst durch Anhfingung
von 2 ebenfalls aus Ammoniak bestehenden Seitenketten und es ent¬
steht so die Leukobase des Th ion ins, des einfachsten Farbstoffes der
Methylenblaugruppe. Dieser ffihrt zum Methylenblau durch Ersatz der
Wasserstoffatome in den Seitenketten durch Methylgruppen (CH S ). Aber
wir sind dann noch nicht beim Methylenblau selbst angelangt, sondern
erst bei seinem farblosen Reduktionsprodukt, dem Leukomethylenblau
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Unna, Das Wesen der G i e m s a - Farbung.
161
oder MethylenweiB, welches neuerdings in dem „RongalitweiB“ eine
bedeutende Rolle spielt, namlich beim Nachweis von Sauerstoff in den
Geweben. Aber auch vom MethylenweiB haben wir bis jetzt nur die
Base, und wir gelangen zum Salz des Methylenblaus erst durch Hinzu-
fflgung von Salzsaure (HC1) und Oxydation des MethylenweiB. Diese
geschieht nun nicht, wie man vermuten konnte, durch Hinzuftigung von
Sauerstoff, sondern durch die gleichbedeutende Wegnahme von Wasser-
stoff, wie denn im fertigen Methylenblau sich kein Atom 0 befindet.
Bei diesem letzten Schritte geschehen gleichzeitig mit dem Molektil
4 Veranderungen, wie das Formelbild zeigt. Die Hinzuftigung von HC1
macht das Molektil zunaclist H reicher, aber durch die Fortnahme von
2 H-Atomen, einem an dem Kopf der Brticke, einem anderen aus der
HC1, ftihrt die Oxydation zu dem relativ H-armen Methylenblau. Gleich¬
zeitig schltigt die Farbe in Blau um und der dreiwertige Stickstotf der
Seitenkette wird 5-wertig.
Diese Umwandlung des MethylenweiB zum Methylenblau geschieht
auBerst leicht, schon spontan an der Luft, wobei der 0 der Luft die
dazu notige Wasserstoffentziehung bewirkt, ebenso wie die Oxydation
beim RongalitweiB an Gewebsschnitten durch den lose gebundenen
Sauerstoff der Sauerstofforte bewirkt wird.
Abban des Methylenblaus.
• ' /C 0 H sS -N(CH 3 ) t
Salz des Methylenblaus (Tetra-
methylthionin) j -
N^C 8 H,^- N(CH ,) t
Salz des Dimethylthionins i\qh/ NH
I-l \ C1
Basen des Dimethylthionins.
/C e H s ^-N(CH t ), C.H S —N(CH.),
N C 777 N<
I x: s h,/_nh h _
* * i OH|
XH,
/ S
' NH
Blauos Hydrat der Base Rotes Anhydrid der Base = Thiazinrot
wasserloslicn, atherunloshch, atherloslich, wasscrunloslich, farbt
farbt Kerne Mastzellen, Schleim, Knorpel.
Diese Tabelle erlautert die Abspaltung zweier Methyl(CH g )-Gruppen
aus dem Methylenblau. Hierdurch bildet sich aus diesem Tetramethyl-
thionin das Dimethylthionin, aus welchem bei der Behandlung
mit Alkali (NaOH), Fortnahme des Cl-Atoms und Zutritt einer OH-
Gruppe die wasserhaltige Base des Dimethylthionins entsteht. Diese ist
blau geftirbt und verbindet sich im Gewebe mit den Kernen und
Kernktirperchen. Sehr leicht, z. B. schon durch Erhitzung, gibt
sie aber das Wasser ab und wandelt sich in das rote Anhydrid der
Base um, welches in Wasser unloslich, aber in Aether loslich ist und
Mastzellenktirner, Schleim und Knorpel rot ftirbt.
Es ist daher die Zeit gekommen, wo wir den vorlautigen Nocht-
schen Namen: „Rot aus Methylenblau“ durch einen chemisch genaueren
und bleibenden ersetzen ktinnen, und ich habe ktirzlich vorgeschlagen.
dieses basische, rote Anhydrid der Base des Dimethylthionins kurz
Thiazinrot 1 ) zu nennen, da alle Farbstoffe der Thiazingruppe:
1) Baudisch, O., u. Unna, P. G., Thiazinrot. (Dermat. Wochcnschr. Bd. 08.
1919. 8. 49.)
Erne Abt. Orig. Bd. 88. Heft 2. ] 1
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162 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 2."
Methylenblau, Toluidinblau, Thionin, Di- und Trimethylthionin, Methylen-
violett und polychrome Methylenblaulosung unter dem Einflusse von
Alkalien kirschrotgeffirbte Basenanhydride abspalten und
die gleichen metachromatischen Rotfarbungen geben.
Inzwischen war die Praxis der Thiazinrotfrage wieder nach
Hamburg iibergesiedelt, indem es Giemsa gelang, jene zuverl&ssige,
leicht zu handhabende Form der Romanowsky-Farbung herzustellen,
die seinen Namen tragt. Wir haben jetzt also 2 zuverlassige, im Handel
erhaltliche Farbmischuugen, welche beide spezifische Thiazinrot-
farbungen geben, die polychrome Methylenblaulbsung, welche Mast-
zellen rot farbt, und die Giem sa - Losung, welche das gleiche bei
Protozoenkernen tut.
Auf diesem Punkte angelangt, ergab sich ein neues Dilemma. Denn
diese beiden Farblosungen konnen durchaus nicht fur einander eintreten.
Die Giemsa-Losung farbt so wenig Mastzellen, wie die polychrome
Methylenblaulosung Protozoenkerne. Diese auffallende Erscheinung wird
noch dadurch verscharft, daB beim Amobenkerne der Beweis gefiihrt
werden konnte, daB das im Kern sich farbende Substrat eine reine Ei-
weiBbase, ein Protamin ist, wahrend wir schon lange wuBten, daB
in den Mastzellenkorneru es ein stark saures EiweiB ist, daB sich mit
Thiazinrot farbt.
Alle diese befremdlichen Erscheinungen verschwinden aber, wenn
man bedenkt, daB in der Giemsa-Losung noch ein zweiter Farbstoff
enthalten ist, das Eos in. Und wir haben nun weiter zu fragen, welche
merkwurdige Rolle das Eosin in der Giemsa-Farbung spielt. Kommt
bei dem Zusatz dieses Eosins die saure, gelbrote Eosinfarbe als solche
zur Geltung oder, wenn das nicht, dient sie vielleicht als saure Beize
fur das kirschrote Thiazinrot, wie eine solche Funktion von anderen
Farbstoffen schon langst bekannt ist, so von der Vorbehandlung mit
einer Mischung von Orcein -j- Eosin -f- Wasserblau bei der Epithelfaser-
farbung mit Safranin und nachfolgender Chrombeize.
Die 1. Frage ist dadurch entschieden, daB das Eosin fur sich
allein die Kernfarbung nicht gibt und auch nicht zusammen mit
Methylenblau. Umfassende Versuche mit alien erdenklichen Modifi-
kationen haben nur negative Ergebnisse gezeitigt. So gibt, um nur
ein Beispiel zu nenneti, eine Vorfarbung mit Eosin und Nachfarbung
mit Eosin -f- Methylenblau nach May-Grunwald, also eine Kom-
bination, in welcher Eosin 2mal und gewohnliches Methylenblau vor-
kommt, keine Kernfarbung der Protozoen. Benutzt man aber (nach
Harris) als 2. Farbung die polychrome MethylenblaulSsung, in welcher
das kirschrote Thiazinrot vorkommt, so gelingt die Kernfarbung der
Trypanosomen jedesmal. Wir mQssen also schlieBen, daB das Rot der
Kernfarbung, wie es ubrigens die bloBe Anschauung schon wahrschein-
lich macht, nicht dem gelbroten Eosin zuzuschreiben ist, sondern dem
Thiazinrot, daB aber auBer diesem bei der Protozoenfarbung Eosin
gegenwartig sein muB.
Die 2. Frage, ob das Eosin dabei nach Art einer Beize wirkt, laBt
sich dadurch zur Entscheidung bringen, daB man das selir komplizierte
Eosin in seine einzelnen, ungefarbten Bausteine zerlegt, diese einzeln
statt des ganzen Eosinmolekiils in die Giemsa-Farbung einfiihrt und
nun zusieht, ob eine Kernfarbung der Protozoen zustande kommt. Solche
Versuche hat schon Nocht vor langer Zeit angestellt und hat gefunden,
daB in der Tat ein Baustein, das Resorcin, das Eosin ersetzen kann.
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Unna, Das Wesen der Giemsa - Farbung,
163
Diese Versuche habe ich fortgesetzt und kann das Resultat von Nocht
durchaus best&tigen.
Welches sind nun die Bausteine des Eosins V
C.H 4
Phtalsaure
/COOlHi
' l
Njo!oh
*
HjO =
Resorcin + Phtalsaureanhydrid + Resorcin
C 0 H,
/
OH
N)h
/C° x
c ‘<co>°
!
Phtalsaureanhydrid + 2 X Resorcin
<{OHj
OH
/CO
C « H <c!ol> 0+ ,
o 6 h,ih
C„H
<
OH
OH
2 H,0 =
Fluorescein
/ CO \
c e H 4 / yo
x c
C«H,OH yCjH.OH
X 0 X
-7- H, ; + Br 4 + K, =
Eos in (eosinsaures Kali)
/CO N
c 0 h 4 / no
c
CgKEijOH^ 0 8 KBr,OH
X 0 X
Den Kern des Eosins bildet das Phtalsaureanhydrid, an das 2 Re-
sorcinmolekflle unter Wasseraustritt gebunden werden. Wenn in dera
so entstandenen Farbstoff Fluorescein statt 6 Wasserstoflfmolekulen noch
2 Kalium- und 4 Broinatome eingefflhrt werden, so entsteht unser
Eosin, ein eosinsaures Kalisalz.
Es hat sich nun gezeigt, daB die Gruppe der Phtalsaureverbindungen
ganzlich ungeeignet ist, in der Giemsa-Losung das Eosin zu ersetzen.
Im Gegenteil, das Rot schwindet und das Blau dominiert. Aber alle
3 anderen Komponenten: das Phenol (Resorcin), das Kalium und Brom
wirken nach Art des Eosins und verstarken das Rot, obwohl sie selbst
ungefarbt sind. Sehr gut und fast ebenso wie Eosin wirkt beispiels-
weise die bekannte ungefarbte Verbindung Tribromphenolkalium. Beim
Eosinzusatz kommt also die Far be des Eosins als solche nicht in
Betracht, wohl aber der in ihm enthaltene alsRotbeize wirken de
Korn pi ex: Resorcin -f~ Brom -j- Kalium.
Damit ist nun auch erklSrt, wie es zugeht, daB dieselbe Thiazin-
rotbase einmal in den Mastzelleu sich ohne weiteres mit der sauren
Mastzellenkdrnung verbindet und dann wieder, in dem Amijbenkern, mit
dem basischen Protamin nur unter Mithilfe der Eosinbeize. Es
11 *
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164
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
gelten eben die aus folgender Tabelle zu entnehmenden Beziehungen
des Thiazinrots zura EiweiB:
EiweiB verwandtsehaft des Thiazinrots.
A. Einfache Flirbutig:
M astz ell en kor n ung — Thiazinrot
sauer basisch
B. BelzenfUrbang:
Protamin des Amobenkerns — Eosin — Thiazinrot
basich 2-basisch, basisch
sauer
Obwohl das Thiazinrot also, wie wir nun wissen, das Anhydrid einer
Farbbase ist, farbt es docli mit Hilfe der sauren Beize
Eosin und sogar in hervorragendem Grade basische EiweiBe.
Eine weitere Frage ist es schlieBlich, ob das Eosin, wenn es doch
als Beize in den Komplex: Aindbeukern -f- Eosin + Thiazinrot mit
eingeht, nicht auch an der FSrbung einen Anteil hat. Dieser ist in der
Tat so gut wie sicher und insofern stimmeich Giemsa, welcher dieser
Ansicht kurzlich Ausdruck verlieh ! ), vollig bei. Thiazinrot farbt den
Protozoenkern, aber die notwendige Beize: Eosin niianziert die FSrbung
und verstkrkt sie, wie denn ein Zusatz von Gelbrot stets ein Blaurot
leuchtender macht. Allein, ohne Thiazinrot, farbt Eosin nur bestimmte
basische EiweiBe, wie die eosinophilen Granula und die kflrzlich von
mir beschriebenen Y-Zellen des Rattenmagens 1 2 ), aber nicht die Proto-
zoenkerne.
Nachdruck verboten.
libber eine neue Methode der Blutzellen- und Blut-
parasitenfarbung.
[Aus der protozoologischen Abteilung des Instituts fur Infektionskrank-
heiten „Elias Metschnikov“ in Moskau.]
Vorlaufige Mitteilung.
Von Dr. H. Epstein.
Die metachromatischen Eigenschaften des Toluidinblau sind von
jeher bekannt. Die mitzuteilende Arbeit verfolgt den Zweck, diese Eigen¬
schaften fur die Blutfarbung, resp. fur Blutparasitenfarbung zu ver-
werten.
Auf diese Moglichkeit haben bereits manche Autoren verwiesen. Es
seien hier u. a. Michaelis (1902), Scott, Thompson, Hydrick
(1911) und besonders Martinotti (1910) erwShnt. Letzterer bereitete
polychromes Toluidinblau nach folgender Vorschrift:
1) Diskussion ini Hamburger Biologischen Verein zuru Vortrag von Unna: Das
Wesen der G i em sa - Farbung. 18. Nov. 1921.
2) Unna u. Wissig, Neue Untersuehungen iiber den Bau der Magenschleim-
haut. (Virch. Arch. Bd. 231. 1921. S. 519.)
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Epstein, Xeue Methode der Blutzellen- und Blutparasitenfarbung. 165
Tnluidinblau 1,0
Lithium carb. 0,5
Aqua dest. 75,0
Glyzerin 20,0
Alkohol 95° 5,0
Diese Losung gibt nach der Beschreibung ihres Autors „una magni-
fica metacromasia delle Mastzellen (rosso ponceau) e della mucina
(rosso chiaro)**. Auch eignet sie sich zur Schnittfarbung, wobei es mit
der GlyzerinSthermischung nach U n n a differenziert werden soil. Ein-
zelheiten sind im Original nachzusehen. Es sei hier nur erwahnt, daB
Martinotti sein „rosso dal bleu di toluidina“ mit Chloroform und
Aether aus der Farblosung zu extrahieren vermochte.
Bei meinen Versuchen, die Kernreste in den S&ugetiererythrozyten
nach Kroneberger (1912) darzustellen (Loefflers Methylenblau-
Pikrinsaure), kam ich zur Ueberzeugung, daB in dieser Richtung gute
Resultate fur die H&matologie zu erzielen sind. Dabei hat sich erwiesen,
daB aus der Gruppe der Thiazinfarben das Toluidinblau die besten Re¬
sultate ergibt.
Anfangs verwendete ich eine l proz. wasserige Toluidinblaulbsung
mit nachtr&glicher Pikrinsaurebehandlung. In mancher Hinsicht, z. B.
fur rasche Malariadiagnose, steht diese einfache Methode der bekannten
Bcrax-Methylenblauffirbung nach Man son recht nahe. Jedoch ist die
Methode in ihrer einfachen Form ftir h&matologische Zwecke bei weitem
noch unzulanglich.
Behufs Steigerung der metachromatischen Eigenschaften fuhrte ich
in die Toluidinblauldsung verschiedene Alkalien (KOH, NaOH, NA 2 C0 3 ,
LiC0 3 , Na 2 B 4 C 7 ) ein. Und in der Tat wurde dabei die Metachroinasie
der Losung deutlich gesteigert. Die Leukozyten und Lymphozytenkerne
farbten sich rotviolett und das Protoplasma blau, doch war darait noch
wenig geholfen, denn die Erythrozyten iiberfsirbten sich zur gleichen
Zeit so stark blauviolett, daB sie ganz undurchsichtig wurden, was die
Plasmodienuntersuchung von vornherein unmOglich machte. AuBerdem
wurden auch alle anderen Blutzellen wie von einem blaulichen Schleier
umzogen. Die Granula farbten sich fast gar nicht.
Eine gewisse Besserung der F&rbungsresultate konnte durch die
10-fache Verdfinnung der Farblosung gewonnen werden, doch zeigte es
sich, daB die Ueberfarbung in erster Linie nicht von der Konzentration
der L6sung, sondern von ihrer Alkalinitat abhing.
Zwar ist ein gewisser Grad der Alkalinitat fur die Bildung des
metachromatischen „Rot aus Toluidinblau 1 * (vielleicht analog dem „Rot
aus Mcthylenblau** = Methylenazur?) erforderlich, jedoch wird dabei die
blaue Komponente der Farblosung von den Blutzellen viel zu stark ad-
sorbiert, was eine unerwiinschte BlaufSrbung zur Folge hat.
Und in der Tat hat es sich erwiesen, daB alles, was zur Vermin-
derung des Alkalinitatsgrades der Farblosung fiihrt, auch eine Verbesse-
rung der F&rbungsresultate mit sich bringt. So wird durch S&ttigung
der Lithium carbonicum-Losung mit C0 2 die Ueberfiihrung des alkalischen
kohlensauren Salzes zum neutralen doppeltkohlensauren Salze erzielt,
woraus zugleich eine Besserung der F&rbung resultiert.
Diese Methode ist aber praktisch unbrauchbar, weil das doppelt-
kohlensaure Lithium im trockenen Zustande nicht existiert und auch in
Losung leicht zersetzt wird. Auch die Neutralisierung der Lithium car-
bonicum-L6sung mit schwachen Siiuren bringt eine augenscheinliche Ver-
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166
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
besserung der Resultate, welche vor allem durch die AbschwSchung der
Blauf&rbung sich erkennen lSBt. Andererseits iiberzeugte ich mich, daB
auch das Ration die F&rbung, besonders jene der neutrophilen Granula,
stark beeinfiuBt.
Nach einer Reihe von Versucken bin ich zum Schlusse gekommeu,
daB die besten und zuverlSssigsten Resultate durch Kombination von
Toluidinblau init den orgauischen Salzen von Lithium erzielt werden,
und zwar die besten init Lithium citricum.
Zur Herstellung der Farblosung wird 1,0 g Lithium citricum in
100,0 ccm Aq. dest. (neutral!) bei Zimmertemperatur geldst. In diese
1-proz. Lithium citricum-Losung kotnmt 1,0 g Toluidinblau. Es entsteht
dabei ein kolloidaler Niederschlag, welcher zum Teil an den Gefafi-
wanden stark haftet. Bei mikroskopischer Untersuchung besteht dieser
Niederschlag aus dunkelblauen Tropfen von verschiedener GroBe und
Gestalt, manchmal mit zugespitzten Ausliiufern.
Diese Losung wird durch einen feuchten Papierfilter filtriert und ist
sofort gebrauchsfertig (Losung A).
In dieser Farblosung werden die mit Methylalkohol fixierten Blut-
resp. Exsudat- Oder Organausstriche geffrbt. Fur Objekttragerausstriche
empfiehlt es sich, letztere in vertikaler Lage (am besten in flachen Ob-
jekttragerbehaltern) zu f&rben.
Deckglaser laBt man auf der Farblosung mit dem Ausstrich nach
unten schwimmen. Die F&rbung tritt schon nach wenigen Minuten ein.
Es ist aber empfehlenswert, fur jedes Objekt die Farbuugsdauer indi-
viduell festzustellen. Fiir Saugetierblutausstriche geniigen 15—30 Min.
zum Farben, fiir Amphibien- und Vogelblut 10—20 Min.
Nach vollzogener Farbung werden die Ausstriche unter kr&ftigem
Leitungswasserstrahl abgespiilt. Jetzt sind sie makroskopisch zart,
durchsichtig und von graublaulicher Farbe.
Es ist zu bemerken, daB, wenn auch ein Optimum der Farbungs-
dauer existiert, doch selbst nach 24-stiind. FSrbung keine Ueberfarbung
eintritt. Makroskopisch sowohl wie mikroskopisch bleiben die Ausstriche
auch nach 24 Std. langer Farbung zart und durchsichtig. Nur im Falle
fehlerhafter Zusammenstellung der P'arbe (V’erunreinigung des destill.
Wassers Oder der Gerate mit Alkalien) wird der Ausstrich schon in den
ersten Sekunden undurchsiohtig und tief-blau-violett gef8rbt, was die
weitere Behandlung der Praparate (iberflussig macht. Nach Abspiilen
im Leitungswasser kommt das Praparat fiir 1—3 Sek. in abgekiihlte,
gesattigte, wiisserige Pikrinsaurelosung (Losung B), bis der Ausstrich
leuchtend griin wird. Danach folgt grundliches Auswaschen unter
starkem Wasserstrahl (einige Sekunden) und Abtrocknen mit FlieBpapier
(nicht iiber der Flamme trocknen!).
Die Resultate der Farbung sind folgende: Normozyten der S&uge-
tiere: leuchtend griin, Normozyten der niederen Tiere leuchtend griin
mit rot-violetten Kernen.
Polychmmatophile Erythrozyten : verschiedene Abstufungen von blau-
griin, Tiipfelung: dunkelblau, Nonnoblasten: blau-griin mit rotvioletten
Kernen, polymorphkernige Leukozyten: Kerne: rotviolett, Protoplasma:
zart blaulich-grau, neutro])hile Granula violett, basophile: blau-violett
bis blau, eosinophile: leuchtend griin (also: pikrinophil). Die Dohle-
schen Einschlusse: graublau.
Lymphozyten, Monozyten, Lymphoidozyten, Myelozyten usw. weichen
im allgemeinen nicht viel von den iiblichen Tonen der panoptischen
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Epstein, Neue Methode der Blutzellen- und Blutparasitenfarbung. 167
Farbung nach Pappenheim ab. Ihre Kerne farben sich dabei hellrot
bis tiefrotviolett. Das Protoplasma der einkernigen Formen zeigt alle
Uebergange zwischen den zarten hellblauen Tonen der Monozyten und
der breitplasraatischen Lyrophozyten bis zu dem tiefblauen Protoplasma
der Reizungsstellen. Die azurophilen Granula farben sich typisch rot
(Pappenheim). Die BlutplSttchen farben sich graulich-hellblau mit
rotvioletten Kornchen.
Die Malariaplasmodien werden sehr scharf gefarbt, und zwar das
Protoplasma blau, die Kerne leuclitend rot, besonders bei jungen Ring-
formen und bei Schizozoiten. Nur die Gametenkerne farben sich ira
Vergleich mit Giem sa-Praparaten blasser. Das Pigment wird sehr
stark hervorgehoben!
Was die Trypanosomen betrifft, so hatte ich bis jetzt nur die Gelegen-
heit, das Trypan osom a rot at. aus dem Frosche zu untersuchen. Die
Farbung fiel ebenso elektiv aus, wie in Kontrollpraparaten nach Giemsa.
Die Rekurrensspirochaten farben sich hellrotviolett, viele Bakterien
aber sehr elektiv metachromatisch.
Es ist zu bemerken, dafi die Losung (A) sehr lange brauchbar ist,
so daB man mit 30—35 ccm der Farblosung, welche einen hachen Ob-
jektslasbehalter bis auf */ 4 ausfullte, mehrere Hunderte von Ausstrichen
zu farben vermag.
Die Pikrinsaurelosung (Losung B) muB dagegen ofters gewechselt
werden, sobald ihre ursprungliche gelbe Farbe einen griinlichen Ton
annimmt, was ungefahr nach der Difterenzierung von 15—20 Ausstrichen
in einem GefaB mit 30—35 ccm der Pikrinsaureldsung geschieht.
Ich bediene mich dieser Methode bei meiner taglichen Arbeit schon
flber 6 Mon. unter haufiger Kontrolle mit Pappenheims panoptischer
Farbung, und erlaube mir, sie den Fachgenossen als ein zuveriassiges
Mittel fur die klinische Blutuntersuchung zu empfehlen. Dig Methode
gibt reine, schone und scharfe Bilder (keine Niederschiage); sie weicht
von den gewohnlichen Methylenblau-Eosinmethodeu nur durch die grune
Farbung der Erythrozyten und eosinophilen Granula ab und ist unge-
mein billig (kein Glyzerin und Alkohol); sie ist leicht herzustellen, stets
gebrauchsfertig, rasch wirksam und, was ich besonders hervorheben
mOchte, man ist bei dieser Farbung von jenen oft uuerwarteten Schwan-
kungen der Resultate gesichert, welche den nicht so seltenen Nachteil
der Giemsa-Farbung ausinachen.
AuBer dem Lithium citricum kanu man die Farblosung auch mit
1-proz. Lith. oxalicum oder Lith. tartaricum bereiten Bei letzterem
werden die Erythrozyten am zartesten gefarbt, was von besonderem
Vorteil bei der Farbung von Fisch-, Amphibien- und Sauropsidenblut
ist. Ffirs letztere ist in manchen Fallen die Verdtinnung der Losung
bis auf 1 :10 zu empfehlen, doch ist zu bemerken, daB von alien bisher
erprobten Lithiumsalzen das zitronensaure Salz die besten Resultate
gibt, was besonders scharf durch die rasche und intensive Farbung der
neutrophilen Granula ins Auge failt.
Es bleibt noch hinzuzufflgen, daB die Einschlils.se, die von Krone-
berger mittels einer Methyleiiblau-Pikrinsauremethode in den Erythro¬
zyten dargestellt und als Erythrozytenreste gedeutet werden, bei unserer
Methode fast niemals zum Vorschein kommen, was ftir die Reinheit der
Bilder von groBetn Vorteil ist.
Was die theoretischen Grundlagen des geschilderten Farbungspro-
zesses betrifft, so ist ohne weiteres klar, daB er auf der Bildung einer
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168 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
stark metachromatischen Verbindung aus dem Toluidinblau beruht. Die
eingehende Untersuchung der Bedingungen, unter welchen diese Ver¬
bindung entsteht, und zwar die Frage nach der Wirkung der OH-Ionen-
Konzentration sowie nach dem EinfiuB des Rations, behalten wir uns fur
eine ausfiihrlichere Arbeit vor.
Es scheint uns aber auch schon vorderhand moglich, in diesem
Vorgange einen hydrolytischen ProzeB im Sinne Hansens zu erblicken,
welcher auf der Abspaltung einer rotgefarbten Base von dem blauen
undissoziierten Farbmolekel beruht.
Zur Bestatigung dieser Tatsache mogen folgende Versuche dienen:
1) Das Umschutteln einer wasserigen Toluidinblaulosung mit Chloroform
ergibt eine sehr schwache Rosafarbung des Chloroforms. 2) Derselbe
Versuch mit einer Lithium citricum-Toluidinblaulosung ergibt eine inten¬
sive rotviolette Farbung des Chloroforms, welche — 3) bei Zusatz von
95°Alkohol in geniigender Menge gleich verschwindet. 4) Die Reaktion
ist aber reversibel, denn bei geniigendem Wasserzusatz kehrt die Rot-
farbung des Chloroforms zurtick.
Diese Versuche scheinen mir das Recht zu geben, die Vermutung
auszusprechen, dafi in wasseriger alkalischer Losung ein Teil der Tolui-
dinblaumolekel bereits dissoziiert ist.
Chloroform, Aether usw. extrahieren aus der wasserigen Losung
einen der dissoziierten Teile, und zwar ist es die rote Farbbase. Bei
Herabsetzung des Dissoziationsgrades, z. B. durch Alkoholzusatz, schlagt
die Reaktion uni.
Von diesem Standpunkte wird es klar, warum unsere Praparate
nach Alkoholbehandlung sowie nach Erwarmen alle roten Nuancen ver-
lieren. Aehnliches beobachtete auch Hansen und wies auch darauf
hin, daB ein metachromatisch gefarbtes und dann mittels Entwasserung
(Alkohol, Hitze) zum Schwund der Metachromasis gebrachtes Praparat
durch VVa'sser oder Wasserdampfe wieder metachromatisch gefarbt er-
scheint. Dies kommt auch in unserem Falle vor.
Idteratar.
Ehrlich, Enzyklopadie. 1910. — Michaelis, Farbcheraie. 1902. u. Oppen-
heimer, Handb. d. Biocheni. 1910. — Pappenheim, Farbcheruie. 1902. — Marti-
notti. Zeitschr. f. wins. Mikrosk. 1910. — Hansen, ebenda. 1908. — Kroneberger,
Folia haematolog. 1912. — Scott u. a., ebenda. 1911.
Moskau, Juni 1921.
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Vierling, Zum Ersatz der Lugolschen Losung bei der Gram-Farbung. Ig9
Naohdruck verboten.
Zum Ersatz der Lugolschen Losung bei der Gram-
Farbung.
[Aus dem Hygienischen Institut der Universit&t Frankfurt (Direktor:
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. NeiBer).]
Von Dr. K. Vierling.
Versuche tiber die Aufnahme von Metallionen in die Bakterienzelle
ergaben, daB mit Triphenylmethanfarbstoffen gefArbte grampositive Bak-
terien, die mit starker Ferrichloridlosung behandelt wurden, durch
Alkohol (90%) erst nach einiger Zeit entfarbt wurden, wahrend gram¬
negative ihren Farbstoff augenblicklich verloren. Eine auf diesem Prin-
zip beruhende Methode des Ersatzes Lugolscher Lbsung durch Ferri-
chlorid und NachfArbung mit Alizarinfarbstoffen (Beizenfarbung) erwies
sich w r egen zu geringer Ersparnis gegentiber Lugolscher Losung ton
keiDer praktischen Bedeutung. Es wurden dann mit UeberchlorsAure,
PikrinsAure und Nitronaphtolen, von denen die beiden letzteren in der
Farbenchemie zur AusfAllung und quantitativen Bestimmung gewisser
Triphenylmethanfarbstoffe benutzt werden [Mbhlau-Bucherer (1)
S. 359], Versuche angest.ellt.
Schon Claudius (2) ersetzt Lugolsche Lbsung durch Pikrin¬
saure. Grampositive Bakterien werden bei der Entfarbung mit Chloro¬
form nicht entfarbt. Eine praktische Bedeutung hat seine Methode
nicht, einmal wegen der Anwendung des unbequemen und teuren Chloro¬
forms, sodann w r egen Fehlens der Nachfarbung. Ferner hat Kron-
berger (3) Pikrinsaure als Farbstoffixierungsmittel angewandt.
Bei der Priifung oben erwahnter Fallungsmittel auf ihre Brauch-
barkeit als Lugol-Ersatz erwies sich Ammonpikrat, hergestellt aus
Pikrinsaure durch Neutralisation mit Ammoniak, wegen seiner Billig-
keit am zweckmaBigsten. Mit wassriger Pikrinsaure wurden keine
gutcn Ergebnisse erzielt, gAnzlich unbrauchbar erwies sich mit starken
MineralsAuren angesAuerte Pikrinsaure. Anilinwasser-Methylviolett war
durch wABrige Methylviolettlosung ersetzbar, die sclnvach sodaalkalisch
gemachl wurde. Da sie bedeutend weniger haltbar ist, als die ungefahr
alle 10 Tage zu erneuernde Anilinwasser-Methylviolettlbsung, wurde
von ihrer Verwendung abgesehen. Unter der groBen Zalil der geprtlften
Triphenylmethanfarbstoffe wAre Kristallviolett am geeignetsten gewesen,
wenn nicht in Originalausstrichen dichte kristallinische Niederschlflge
entstanden wAren. Das gleiche gilt filr Gentiana. Reines Methyl-
violett B erzeugte FArbungen, die etwas rotstichig waren. Zusatz von
Nacktblau verbesserte den Ton. Auf Grund langer Versucne ergab
sich folgende FArbevorschrift l ):
1. Zu 100 ccm Anilinwasser-Methylviolett (1 L. VVasser mit 30 ccm
Anilin geschtlttelt und filtriert, zum Filtrat 100 ccm konz. alkoholische
1) Die Farbstoffe konnen von G. Griibler & Ko., Leipzig, Liebigstr. lb, be-
«)gen werden.
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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
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Methylviolettlosung zugesetzt) gibt man 4 ccm lproz. waBrige Nacht-
blaulosung. Farbedauer l / 2 Min. Abspiilen mit Wasser.
2. Absclileudern des iiberschiissigen Wassers, AufgieBen von Ain-
monpikrat (3 g Pikrinsaure; auch das techniscke Produkt ist brauch-
bar) werden in 200 ccm Wesser gelost and 2,2 ccm lOproz. Ammoniak
zugefiigt). Einwirkungsdauer 1 / 2 Min. Abtrocknen mit FlieBpapier 1 ).
3. Entfarben mit Alkohol (90proz.) 2—10 Sck. Reinkulturpraparate
entfarben sich selir rasch. Fur gute Praparate geniigt eine Ent-
farbungsdauer von 3—4 Sek.
4. Sofortiges Abtrocknen des Alkohols. Das mit Alkohol getrankte
FlieBpapier muB sofort vom Praparat entfernt werden, weil es weit-er
entfarbend wirkt.
5. 15 Sek. Nachfarbung mit einem Gemisch von Rhodamin und
Neutralrot (0,2 g Rhodamin 2 AS la Hochst und 0,2 g Neutralrot wer¬
den in 100 ccm Wasser gelost) oder mit 1:20 verdunntem Karbol-
fuchsin.
6. Sehr kurzes Abspiilen mit Wasser und sofortiges Abtrocknen
zwischen FlieBpapier.
Dcr Farbton der grampositiven Bakterien ist blauviolett, derjenige
der gramnegativen rot. Wie bei Gr am-Praparaten sind auch hier nur
dtlnne Ausstriche brauchbar. Ebenso dilrfen nur junge Kulturen (bis zu
24 Std.) zur Verwendung kommen. Als Nachteil der Farbung ist zu er-
wahnen, daB bei grampositiven Bakterien sich ofters scharf umgrenzte
Stellen des Praparats entfarben. Auch bei der Gramschen Farbung
wild dies ab und zu beobachtet. Ferner werden alte und daher in Auto-
lyse begriffene Bakterien leichter entfarbt als bei Gram. Die Vorteile
der Farbung liegen in ilirer groBen Billigkeit. AuBerdem wird dadurch
das teure, vom Ausland eingefiihrte Jod fiir wichtigere Anwendungs-
gebiete freigemacht. Bei einem Jahresbedarf von 150 L. Lugolscher
LCsung, wie ihn das hiesige Institut hat, ist die Ersparnis recht be-
trachtlich. Die Farbung laBt sich auch in Kursen zum Ueben der
Gramschen Farbung benutzen, da, abgesehen von der Entfarbungszeit,
weiteste Uebereinstimmung herrscht. Ferner bietet die Farbung bei
Anwendung von Rhodamin und Neutralrot die Moglichkeit, gleichzeitig
zu entfarben und nachzufarben. Die Farbstoffe der Nachprtifung werden
dazu statt in Wasser in Alkohol (90 Proz.) gelost. Man laBt die
Piaparate ungefahr 2 Sek. in der alkoholischen Farbldsung, spiilt kurz
mit Wasser ab und trocknet zwischen FlieBpapier. Es wird empfohlen,
diese Versuche erst nach volliger Beherrscliung oben angegebener Farbe-
vorschrift anzustellen.
Literatur.
1) Mohlau-Bucherer, Farbenchemisches Praktikum. 1020. — 2) Claudius
Methode de coloration etc. (Ann. Pasteur. 1807. Bd. 11. S. 332.) — 3) Kronberger.
Zur Farbunpsanalytik und Biocheraie einiger wichtiger Bakterienarten. (Centralbl. f.
Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 71. 1913. S. 240.)
1) An Stelle des iiblichen FlieBpapiers wird ira hiesigen Institut seit langerer Zeit
mit gutem Erfolge unbedrucktes Zeitungspapier benutzt. Es ist fast ebenso brauchbar
wie Fliebpapier und kostet nur den zehnten Teil des letzteren. An der AuSenflache
leicht beschadigtes Papier, das auf Rotationsmaschinen nicht mehr verwendbar ist, stellt
sich noch billiger.
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Hoefer, Verwendbark. phys. Method, z. Untersuch. d. Bakterienwachstums. 171
Nachdruck verboten.
Ueber die Verwendbarkeit physikalischer Methoden zur
Untersuchung des Bakterienwachstums und der dabei
auftretenden Yeranderungen in fliissigen Nahrboden.
[Aus der III. Medizinischen Klinik der Universitat Berlin (Direktor:
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Goldscheider).]
Von Dr. P. A. Hoefer, Laboratoriumsvorsteher der Klinik.
Der Zweck der folgenden kurzen Mitteilung ist es, auf einige physi-
kalische Methoden hinzuweisen, die in der Bakteriologie noch nicht die
Beachtung gefunden haben, die sie verdienen. litre Verwendungsmilg-
lichkeit. erstreckt sich nicht nur auf die Untersuchung des Wachs-
turns von Bakterien, auf den Nachweis, ob iiberhaupt ein Wachstuin
stattfindet, sondern auch auf einige Stoffwechselfragen, den Abbau be-
stimmter Substanzen in der NahrflUssigkeit und Absonderung von be-
stimmten Stoffen, ebcnso auf schnelle NachprUfung der Konzentration
von Kahr- und anderen Flilssigkeiten, die auf einen bestimmten Konzen-
tralionsgrad eingestellt sein sollen, und die Entscheidung daritber,
welcher von verschiedenen Nahrbdden das sclinellste und beste Wachs¬
tuin ergibt usw.
I. Bestlmmuna: ron KonzcntratlonsHnderungen In dcr Kultur-
fliisslgkeit in it deni Interferometer.
Die enipfindlichste Methode zur Bestiinmung von Konzentrations-
auderungen in Flilssigkeiten ist die Interferometrie 1 ).
Das Lowesche Interferometer 2 ) (Zeili, Jena), von Hirsch in die
Biologie eingefiihrt, gestattet es, minimale Unterschiede in der Konzen¬
tration von Losungen aus ihrem hieraus resultierenden Refraktionsunter-
scbied im Vergleich zu einer Standardlosung exakt, schncll und bequem
festzustellen. Sie konnen zahlenmhCig an einer Skala abgelesen warden.
So gibt z. B. — bei Verwendung einer 1 cm-Goldkammcr — die
Znuahme dcr Konzentration urn 0,1 p. M. NaCl eine Verschiebung urn
etwa 15 Skalenteile, und entsprechend verhalt es siclt bei Zunahme der
EiweiCkonzentration, wenn man Serumverddnnungen untersucht.
Mittcls der Methode laBt sich aber nur ganz allgentein die Ver-
inehrung bzw. Verminderung der Konzentration einer L&sung feststellen
gegentiber einer bestimmten Standardlbsung (Aqua destillata), niclit
aber spezicll die Vermehrung einer bestimmten Substanz, falls sie nicht
allcin in der Ijbsung entlialten ist.
1) Bez. Be«chreibuntr der Methode und des Apparate* und der Literatur vergleiche
tueine Arbeit in Berlin. Itlin. Wochenschr. 1921. Nr. SO
2) Oer Firma Zeili-Jena, die mir zur Beaibeitung dieser und anderer Fragen
einen Apparat zur Verfiigung slellte, spreche ich auch an dieser Stelle meinen verbind-
lieh-ten bank aus.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
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Wenn sich also in einer Kultur eine Konzentrationszunahme zeigt,
so bleibt, bei Anwendung dieser Methode allein, ungeklart, welche
in ihr geloste Substanz sich vermehrt hat, und wenn von eiuem be-
stimmten Zeitpunkte ab die Konzentration sinkt, so labt sich das nicht
mit Sicherheit auf eine bestimmte Ursache zunickfilhren, etwa auf die
Veidunstung gasforiniger Abbauprodukte usw., ohne Zuhilfenahnie ande-
rer Methoden, und ohne dab die abgebaute Substanz bekannt ist.
In letzterem Falle, wenn nur eine abbaubare Substanz im Nahr-
medium enthalten ist (Zucker usw.), lassen sich aus ihrern langsatneren
odcr schnelleren Abbau Schlusse auf die Lebenstatigkeit der betreffenden
Bakterien ziehen.
Aber auch schon die einfache Konstatierung einer nicht nailer be-
stimmten Konzentrationsanderung ist, unter Voraussetzung der nOtigen
Kontrollen, einen wichtigen Schluli zu, namlich, dab irgend etwas sich
in der Kultur vermehrt hat, was fur die Beobachtung und Ziichtung
ultravisibler Virusarten ein wertvoller Fingerzeig ist.
In interessanten, von mir nicht beobachteten Grenzfallen konnten
sich zufallig gerade die Abbau vorgange und die Vermehrung durch die
bakterielle Lebenstatigkeit die Wage halten, so dab sich die Konzen¬
tration der Fliissigkeit nicht andern und die Methode hier versagen.
wiirde.
Es ist bei der Anstellung eines solchen Versuches natiirlicli darauf
zu achten, dab Konzentrationsanderungen aus auberen Ursachen verrnie-
den werden, etwa durch Verdunstung und hieraus folgender Eindickung
der Fliissigkeit. Es wurden deshalb kleine graduierte Zylinder oder
Kclbchen (auch verschliebbar mit eingeschliffenein Glasstopfen) be-
nulzt, die bis zu einer bestimmten Marke beschickt. und, soweit aerob
geziichtet wurde, taglich immer wieder bis zur gleichen Marke mit
Aqua destillata aufgeftillt wurden, wozu nur einige Tropfchen erforder-
lich sind.
Ich gebe hier, wo es sich nur um die allgemeinen Kichtlinien han-
delt, nur ein Beispiel: In eine Flacentabouillon wird Bact. coli
(1 Tropfen von eintagiger Bouillonkultur) eingeimpft und nach gleich-
mabiger Verteilung und Beschickung mehrerer Zylinder sofort der
Interferometerwert (I.W.) bestimmt. der nur wenig ilber dem der uu-
beimpftcn Fliissigkeit liegt.
Gege.li Aqua bidestillata, in der 5 liiin-Goldkammer gemessen, er-
gibt sich ein I.W. von 1305 Skalenteilen. Je 1 Tag spater gibt die
Kulturfliissigkeit die. I.W.: 1327, 1370, 1335, 1325, 1321. Also zu-
naclist ein Ansteigen, dann ein Abfallen der Konzentrationskurve. Die
Kontrollen: Bouillon allein und Bouillon -j- abgetbtetem Virus sind un-
verandert.
Zur Untersuchung waren jedesmal vorher die Bakterien abzentri-
fugiert worden, was immer gleicli stark und gleich lange erfolgen niub.
Die suspendierten Bakterien andern in der llegel die I.W. nicht wesent-
lich, stdren aber durch die Trubung die Ablesung.
Wichtig erscheinen mir auch, wie schon erwahnt, die cntspreohen-
den Untersuchungen an Kulturen invisibler Virusarten. Der Einwand,
dab die Wirksamkeit solcher Kulturen nicht auf einer Vermehrung des
betreffenden Virus berulie, sondern dab es sich nur um eine fort-
schreitende Diluierung des auch in starkster Verdtinnting noch wirk-
samen Virus handele, litbt sich widerlegen durch den Nachweis von Kon-
zentrationsanderungen, die bei jeder Weiterimpfung auftreten. Beruht
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Hoefer. Verwendbark. phys. Method, t. Untcrauch. d. Bakterienwaehstums. 173
die in den Kulturen auftretende Triibung, z. B. bei Lungenseuche, nur
auf einer spezifisch oder anderweitig bedingten AusfaLlung kolloider
Teilchen, und hat sie mit der Vermehrung des Virus niclits zu tun,
so kann nie eine Vermehrung der Konzentration, sondern immer nur
einfc Verminderung der in Losung befindlichen Kolloide cintreten. In-
dessen lafh es sich zurzeit noch gar nicht iibersehen, wie koinpliziert
hier die Verhhltnisse liegen, und was fiir parallel gehende oder sich
durchkreuzende Prozesse hierbei ablaufen! In einer wachsenden Kultur
irat z. B. mit zunehmender Triibung eine standig zunehmende, aber ge-
ringe Konzentrationsabnahme ein, die der Starke der Triibung nicht
entsprach. Die Triibung ware also hier nicht als reine Kolloidaisfal-
lung, sondern eher als Darstellung des Virus aufzufassen, die Konzen¬
trationsabnahme durch den Verbrauch des gelosten Kolloids zu erklhren,
unter der Voraussetzung einer geringen Abgabe von Stoffwechselproduk-
(en. Je weniger kompliziert die N&hrboden zusammengesetzt sind,
desto grciJJer ist die Mbglichkeit, die Verbal tnisse zu beurteilen.
Vielleicht stellt es sich bei weiterer Bearbeitung dieser Fragen
heraus, daJ3 die verschiedenen Virusarten in bestimmten Losungen ein
spezifisches Verhalten zeigen. Man liatte dann sozusagen cine be-
sondere Gleichung fiir jede Unbekannte.
Diese Untersuchungen miissen spaterer Arbeit vorbehalten bleiben.
Und ebenso die entsprechenden Untersuchungen tiber das d’Herellesche
Phhnomen, wo die Frage zu entscheiden ist, ob das Phanomen durch
eine Fermentwirkung verursacht wird, oder durch ein invisibles Virus.
Hier liegen die Verhaltnisse noch komplizierter, da sowohl eine anfiing-
liche Vermehrung der Konzentration als auch eine nachfolgende Ver-
minderung auf die fortschreitende Fermentwirkung bezogen werden
kbnnen.
II. Refraktomctrie.
Auf diese Methode soil nicht naher eingegangen werden, da die
Auwendungsmbglichkeit die gleiche ist wie oben. Das Pulfrichsche
Eintauchrefraktometer, das an Genauigkeit und Empfindlichkeit nur
dem Interferenzrefraktomcter nachsteht. erlaubt ebenfalls schnelles und
bequemes Ablesen in Skalenteilen und die Verwendung geringer Fltlssig-
keitsmengen (Tropfen!). Es dient unter anderem auch zur Bestimmung
der Konzentration von Losungen. Es ist das Verdienst von E. Keili,
daB es mbglich ist, die abgelesenen Skalenteile mit Hilfe einer Tabelle
direkt in EiwoiBprozente umzurechnen!
1IL Das TyndallphSnonicu (Tyndallmeter, Nephelometer).
Sendet man einen Lichtstrahl durch eine kolloide Lbsung, so wird
das Licht an den dispersen Teilchen reflektiert, diffus zerstreut und
polarisiert. Es entsteht ein helleuchtender Streifen: das Tyndall-
Phanomen.
Der Tyndall-Streifen entsteht auch in Lbsungen, die scheinbar
vcllig klar sind, (loch hangt seine Helligkeit in bestimmter Weise ab
von dem Grade der Triibung. Das Phanomen bildet. auch die Grundlage
der Ultramikroskopie.
Trttbungen treten dann in einer Lbsung auf, wenn in ihr fcinste
Teilchen zerstreut sind, die ein anderes Lichtbrcchungsvermbgen haben
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
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als das Medium. Das Ultramikroskop erlaubt, disperse Teilchen nocli
bis zu einer GrbJ3e von wenigen fifi nachzuweisen (Submikronein)
uud in Kombination mit anderen Methoden sogar ibre Grofle zu bestim-
men. Doch sind nicht alle kolloiden Losungen ultramikroskopisch auf-
lbsbar und unterscheidbar, die sich untereinander durch ihren Triibungs-
grad unterscheiden. Hier*gibudie Untersuchung mittels des T y n d a 11 -
Plianomens ein gutes Hilfsmittel, welches erlaubt, aus dem Grade der
Trtibung den Gehalt der FlUssigkeit an gelostem Kolloid zu erkennen,
also auch seine Zunalime und Abnahme in Kulturflilssigkeiten usw.
Diese Untersuchung ist mit dem Meckienburgschen Tyndall -
meter (Schmidt u. Haensch, Berlin) selir einfach auszufiihren. Man
bekommt auch hier an einer Skala ablesbare, untereinander direkt ver-
gleichbare Zalilenwerte. Die zu untersuchenden Fliissigkeiten werden in
kleine, sterilisierbare Glaskastchen gefiillt.
Nach Mecklenburgs Untersuchungen (Koll. Zeitschr. 14, 15, 16)
ist die Starke des Tyndall-Lichtes direkt proportional der Konzentra-
tion und steht ebenso in bestiramter Beziehung zur TeilchengroBe, die sich
berechnen laBt; er bestimmte z. B. den Durchmesser von Teilchen, die
ultramikroskopisch nicht mehr darstellbar waren.
Auch mit dieser Methode sind also noch interessante Aufschliisse
iiber die oben besprochenen Fragen zu erhoffen, z. B. in Kombination mit
der Konzentrationsbestimmung bei invisiblem Virus (vgl. oben).Ebenso
lassen sich serologische Fragen mit ihr bearbeiten, wie z. B. Messung
bzw. Untersuchung der Trilbungserscheinungen, die bei der Sachs-
Georgischen Keaktion auftreten (Doldsche Triibungsreaktion).
Ucber solche Untersuchungen, die schon seit langerer Zeit in Ge-
meinschaft mit Herrn Prof. Mecklenburg ausgefilhrt wurden, wird
spater ausftilirlich berichtet werden.
Dal3 es sich bei den Reaktionen von Biokolloiden urn komplizierte
Vorgange handelt, de.ren Bearbeitung und Beurteilung auf erheblich
grofiere Sclnvierigkeiten stoBt, als die von gewohnlichen kolloiden Losun-
gen, bedarf wohl keiner weiteren Erwahnung.
Nachdruck verboten.
Ueber eine neue Mcdifikaticn der Spirochatenlarbimgs-
methode.
Von Dr. V. Rene, St. Prosektor in Z&breh a./O. (M.-Ostrau).
Vom Pathol.-Anatomischen Institut in Prag (Vorstand Prof. Hlava)
auf die Tr i b on d eau sche Methode aufmerksam gemacht, babe ich
diese, da zu ihr viel kurzere Zeit notig war als bei der protrahieiten
Giemsa-Methode, urn vollkommene Bilder zu bekommen, erstere bei
jeder Spirochatenfarburg mit der G i e m sa - Methode als KontrollfSrbung
benutzt und nacbgepriilt und sie spater im Vergleich mit den sonst ge-
brauchlichen Methoden als die bequemste, rascheste und dabei zuver-
lassigste befunden.
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Rene, Gine neue Modifikation der Spirochatenfarbungemetbode.
175
Die Tribondeau-Methode benutzte ich in folgender Zusammen-
setzung:
I. Rugesche Fliissigkeit: Essigsfiure 1 ccm, Formalin, 4 proz.,
20 ccm, Aq. destill. 100 ccm. — Fontanasche Fliissigkeit: Ac. tan-
nicum 5,00 g, Aq. destill. 100 ccm. — III. Tr i b ond ea u sche Fliissig¬
keit: Arg. nitric. 5 g, Aq. destill. 100 ccm.
Tropfenweiser Zusatz konzentr. Ammoniaklosung, bis sich die
Fliissigkeit aufhellt.
Als Chef des bakteriologischen Laboratoriums (Reservespital Nr. 2)
in Pardubitz habe ich die Methode an dem reichen Materiale der venero-
logischen Abteilung zur Zuiriedei.heit benutzt, wogegen das Dunkelleld-
verfahren liir ein kleines Lahoratorium schwer anwendbar ist, ilberdies
keine Dauerprfiparate gibt und liir ein Laboratorium, wobin viele
Syphiliskranke zur Konstatierung der Spirochfiten in den Geschwfiren
kommen, sehr unbequem ist.
Neben den Vorziigen der Tribondeauschen Methode habe ich
aber auch mit der Zeit manohes Nachteilige gefunden:
1) Die Fontanasche Fliissigkeit zeigte in etwa 14 Tagen auf der
Oberflache Wachstum verschiedener Pilzarten, 2) wurden durch starkes
Erwarmen manchmal die Ausstriche beschiidigt, und 3) war die Methode
fOr ein viel besuchtes Ambulatorium zu langweilig, weil ich jedesmal
die verschimmelte Fliissigkeit filtrieren, Oder noch besser, eine frische
Losung bereiten muBte. Ich versuchte deshalb eine Fliissigkeit mit
einem Konservierungsmittel herzustellen, die ich wfihrend meines Aufent-
haltes als Chef des amerikanischen Sanitatszuges fiir Infektionskranke
und in meinem Ambulatorium nachpriifen konnte an dem reichen Material
verschiedener Stadien der Syphilis. In manchen Gegenden des russischen
Karpatenlandes herrscht namlich Jfiimlich eine Syphilisepidemie.
Mit meiner Modifikation wurden in dem bakteriologischen Labora¬
torium in Mukacevo immer Syphilisspirochaten, Rekurrensspirillen und
Plau t - V incen t sche mit meiner Modifikation gefarbt. Die Vorschrift
fiir letztere ist folgende:
I. Fliissigkeit: Tannin 5 g, Ac. acet. 2 ccm, Formalin, 4-proz., 5 ccm,
Aq. destill. 40 ccm, Alkohol, 96-proz., 60 ccm.
II. Fliissigkeit: Arg. nitricum 5 g, Aq. destill. 100 ccm,
dazu kam Ammoniak, tropfenweise, bis die braunen Wolken verschwinden.
'Man verfahrt dann in folgender Reihenfolge: 1) Herstellung dfinner Pra-
parate, 2) Aufstriche lufttrocknen lassen, 3) Oojekttragerausstriche mit
der I. Fliissigkeit fiberschichten.
Nach kurzem vorsichtigem Erwarmen fiber der Flamme laBt man
den in Brand kommenden Alkohol ausbrennen. Urn aber das Prfiparat
nicht verbrennen zu lassen, rfihrt man es mit einem Drigalski-Stabchen
mit der fiberschichteten Fliissigkeit urn.
4) Spfilung im Wasserstroin, worin mehrere Tropfen Ammoniak
diffundiert sind (10- 50 Troplen auf 1 1 Aq. destill.), 5) Ueberschichten
mit der Fliissigkeit Nr. 2, 6; kurzes Erwarmen, 7) Spfilung im destill.
Wasser, 8) Abtrocknen.
Die Ffirbung dauert nur 1—l 1 /* Min. und liefert schfine Bilder.
Die Spirochaten behalten fast immer ihre charakteristische Form und
die differentialdiagnostischen Merkmale. Der Untergrund ist blaBgelblich
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176 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 2.
und Niederschlagshaufen habe ich bei meiner Modifikation nicht be-
obachtet.
Zusammenfassung.
Diese Modifikation der Spirochatenfarbungsmethode befriedigt haupt-
s&chlich durch ihre Kiirze und die schfinen Bilder 1 ).
1) Leider stand mir im Exil im KarpatenruBland keine Fachliteratur zur Ver-
fiigung.
Druckfeh I er bcricbtigun g.
In dem Aufsatz Epstein ..Beitrage zur Kenntnis der Rickettsia Prowa-
zeki“ dieser Zeitschrift Bd. 87. 8. 554 lies:
Zeile 18 von unten statt Rickettsia „Strickeria“
ii 13 11 ip i> ii ii
Berichtigung
zu Lowi, E., Ueber die Benennung des Bac. crassus Lipschiitz etc. Bd. 88. 8. 1.
Der durch ein Versehen in der ganzen Arbeit unrichtig wiedergegebene
Name Orla Jensen ist iiberall im Texte sowie im Literaturverzeichnisse (13) durch
Orla-Jensen zu ersetzen.
Ferner ist Ders., im Literaturverzeichnis (4) und (7) zu streichen.
Inhalt.
Aoki, K., u. Honda, DC., Ueber die im-
munisatorische Spezititat des Magen-
saftes der Seidenraupen und ihre Be-
ziehung zu den anderen Geweben, 8. 135.
— — Ueber die hamolytisehe VVirkung
des Magensaftes der Seidenraupen,
8. 140.
Eckstein, Frits, Beitrage zur Kenntnis
der Stechmiickenparasiten. Mit 1 Tafel
und 4 Abbildungen im Text, S. 128.
Epstein, H., Ueber eine neue Methode der
Blutzellen- und Blutparasitenfarbung.
Vorlaufige Mitteilung, 8. 165.
Gersbach, Alfons, Ueber die Wendigkeit
der Kolonieauslaufer des Bacillus my-
coides. („Isomerie“ bei Bakterien.),
S. 99.
— Der Nachweis fakaler Wasserverun-
reinigung mittels der Indolprobe, S. 145.
Hage, Zur Frage des Vorkoramens autoch-
thoner Amobenruhr in Deutschland (nach
Stuhluntersuchungen in Thuringen),
S. 107.
Hoefer, P. A., Ueber die Verwendbarkeit
physikalischer Methoden zur Unter-
suchung des Bakterieuwachstums und
der dabei auftretenden Veranderungen
in flussigen Nahrboden, S. 171.
Klein, B., u. Slesarewski, W., Ueber
Agglutination bei Garungen von Kohle-
hydraten, 8. 143.
Konr&di, Daniel, Die Virulenz der Ce¬
rebrospinal f I iissigkeit bei der mensch-
lichen VVut, S. 113.
Rene, V., Ueber eine neue Modifikation
der Spirochatenfarbungsmethode, S. 174.
Sains, Gottlieb, Zur Phenol- und Indol-
bildung durch Bakterien und zum Nach¬
weis dieser K6rper in Kulturen, S. 103.
Scheunert, Arthur, u. Schieblich, Mar¬
tin, Ueber die Magendarmflora der Haus-
tnube, 8. 122.
Seiffert, W., Vergleichende Farbeversuche
an lebenden und toten Bakterien, S. 151.
Unna, P. G., Das VVesen der Giemsa-
Farbung, 8. K9.
Vierling, K., Zum Ersatz der Lugolschen
Losung bei der Gram Farbung, S. 169.
Weise, Kurt, Bioskopische Methoden im
Reagenzglase fiir den Nachweis der
Lebensfiihigkeit eines Gewebes, insbe-
sondere der Mausetumoren und ihre Ver-
wendung fur die Analyse der Strahlen-
wirkung, S. 115.
Frommannsohe Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena.
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Gentralbl. f. BakL etc. I. AbL Originate. Bi 88. Heft 3.
Ausgegeben am 22. Mai 1922.
Naohdruck verboten.
Die Saureagglutination der Weil-Felixschen X-Stamme.
[Aus dem Pharmakologischen Institut der Reichsuniversit&t in Leiden.]
Von Dr. Z. Bien.
Die Saureagglutination (1) ist auch fiir die Weil-Felixschen X-
Stamme anwendbar, da diese Bestandteile enthalten, die bei einem be-
stimmten Aziditatsgrade ausflocken. Die folgenden Untersuchungen habe
ich anfangs aus rein differentialdiagnostischen Griinden angestellt, um
Proteus-ahnliche Bakterienstamme, welche kulturell den Weil-
Felix schen Stammen verwandt waren, von diesen mittels einer einfachen
Methode unterscheiden zu kbnnen. In dieser Beziehung hat sich die
Saureagglutination auch hier sehr bewahrt, denn sie hat jede weitere
Differenzierung auf serologischem Wege im Tierversuch flberflfissig ge-
macht, indem sich bei der Saureagglutination zeigte, daB die untersuchten
Stamme ein verschiedenes Agglutinationsoptimum haben. Aus diesen
Versuchen ging hervor, daB die Weil-Felixschen X-Stamme ein ganz
anderes Agglutinationsoptimum haben als mehrere andere, nicht von
Fleckfieberkranken gezflchtete Proteus-Stamme.
Bekanntlich haben Weil und Felix (2) zuerst aus Harn von Fleckfieberkranken
die von ihoen als Proteus bezeichneten Stamme geziichtet. Sie agglutinieren spe-
zifisch mit dem Serum von Fleckfieberkranken. Die Bezeichnung „X-Stamme“ wurde
von Weil und Felix gewahlt, um damit vorliiufig nichts iiber die noch ungeklarte
atiologische Bedeutung zu sagen. Nach der Reihenfolge, in der sie gefunden warden,
wurden die Stamme als X,, X,, X, bis X l() bezeichuet. Die Stamme lassen sich be-
zuglich ihrer Agglutinierbarkeit mit Fleckfieberaerum in 2 Gruppen teilen: Zur einen
Gruppe, welche nur bis zu einer geringen Verdiinnung agglutimert wird, gehoren die
zuerst gefundenen Stamme X, una X„ wahrend in die 2. Gruppe die hochagglutinie-
rende X., bis X 19 gehoren. Demgegenuber werden aber alle X-Stamme von Kanin-
chenimmunserum gleichmafiig agglutimert, gleichgiiltig, welcher Stamm als Antigen
benutzt wurde.
Durch neuere Arbeiten von Weil und Felix (3) wurde dann bekannt, daB in
demselben X-Stamme regelmaSig 2 streng verschiedene Bakterienformen vorkommen.
Aus jeder Kultur von X lassen sich Bakterien nachweisen, die wie Bac. proteus
„hanchartig“ wachsen, und deshalb H-Formen genannt werden, und Bolche, die in iso-
Lierten Kolonien ,ohne Hauch“ wachsen und aeshalb als O-Formen bczeichnet sind.
Dabei ist zu bemerken, dafi in jeder X-Kultur sowohl die H- wie die O-Formen ent¬
halten sind und H allein nicht vorkommt, dagegen O allein wohl geziichtet werden
kann.
Weil, Felix und Sachs (4) ist es gelungen, die H- und O-Formen nicht nur
kulturell, sondern auch serologisch zu trennen, und wir wissen heute bereits, dafi die
Aebnlichkeit verschiedener Proteus-Stamme in der ihnen gemeiusamen H-Form, der
Unterschied zwischen den einzelnen Stammen dagegen in der Verschiedenheit ihrer O-
Form liegt.
Ich habe mir nun die Aufgabe gestellt, zu untersuchen, wie sich
bezflglich der Saureagglutination die verschiedenen X-St&mme, X„ X,,
X, und X 19 verhalten, und habe speziell auch das Verhaltcn der H- und
O-Formen geprflft.
Methodisch hielt ich mich an die Angaben von L. Michaelis (5).
Fine 24-stiind. Schr&gagarkultur spiilte ich mit einigen Tropfen dest.
Knte Abt. Orig. Bd. 88 Heft 3. 12
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Bien, Die Saureagglutination der Weil-Felixschen X-Stamme.
179
Wassers ab, dann wurde noch mit 2 ccra dest. Wassers verdflnnt. Von
dieser Aufschwemmung kamen in je ein serologisches Reagenzrohr je
2 ccra. Dazu gab ich in jedes RShrchen 1 ccm einer in verschiedenen
AziditStsgraden angefertigten Puflferlosung. Diese wurden nach den
von Ron a (5) gegebenen Vorschriften hergestellt. Ich benutzte ver-
schiedene Mischungen von n-WeinsSure mit n/2 weinsaurem Natron und
in anderen Versuchsreihen 0,1 mol. sek. Natriumcitrat mit 0,1 n-Salz-
saure. Die H - Ionenkonzentration der PufferlQsungen wurde immer
elektrometrisch bestimmt. Der Zusatz der Bazillenemulsion Snderte die
H-Konzentration nicht wesentlich.
Das Resultat, die Ausflockung, wurde zuerst sofort nach Zugabe
der Puflferlosung, dann nochmals nach 1 / i Std. und endlich nach 10-
sttind. Stehen bei 37° im Thermostat abgelesen. In den Versuchs-
tabellen J ) wird der Grad der Ausflockung mit verschiedenen -f-, die
Natur (Grobflockigkeit) des Agglutinats mit X bezeichnet (s. Tabelle).
Die Versuche ergaben, daB alle X-St8mme in ihrer H-Form in einer
breiten Zone von Ph = 2 bis ph = 4 agglutinierbar sind, und zwar sind
alle die verschiedenen X-Stamme gleichm&Big agglutinierbar. Das Agglu-
tinationsoptimum liegt bei alien Stammen bei Ph = 3 (Rbhrchen V);
ROhrchen IV und VI zeigen untereinander gleiche, gegeniiber V aber
schwachere Agglutination. Sehr wichtig ist aber, daB man bei
genauer Beobachtung bemerkt, daB auch bei optimaler
Ausflockung, auch nach beendigter Agglutination, die
obenstehende Fliissigkeit noch etwas triibe bleibt. Die
O-Formen der verschiedenen X-Stamme, die untersucht wurden, namlich
OX 2 und OX 19 lassen sich dagegen mit Saure flberhaupt nicht ausfallen
innerhalb eines Bereiches von ph = 1 bis 13.
Hieraus erklSrt sich auch die geringe Trubung, die bei Saureagglu¬
tination der X-Stamme bestehen bleibt. Hier bleiben die mit Saure
inagglutinablen O-Formen in Emulsion, wahrend die H-Formen
ausgefailt wurden.
Nebenbei sei auch bemerkt, daB altere X-Stamme mit Saure lang-
samer ausflocken als jiingere, was sich mit der Erfahrung deckt, daB in
aiteren Kulturen die O-Form vorwiegt.
Wie bereits einleitend bemerkt wurde, habe ich auch noch 10 andere
Proteus-Stamme verschiedener Herkunft, jedoch nicht von Fleck-
fieberkranken, untersucht, welche bei dera Agglutinationsoptimum der
Fleckfieberstamme bei pn = 3 nicht optimal agglutinierten, also sich
dentlich von den X-Stammen unterscheiden lieBen.
Da der Ein wand mbglich ist, daB es sich bei diesen Versuchen nicht
nur um die Wirkungen der aktuellen Aziditat, sondern um Salzwirkungen
handeln kdnnte, so habe ich dieselben Versuche auch mit einer anderen
PuflFerlSsung Natriumcitrat mit SalzsBure ausgeftihrt. Auch hier findet
die Ausflockung in demselben Bereiche der H-Konzentration statt. Damit
ist bewiesen, daB es sich tatsachlich um eine Wirkung der aktuellen
Aziditat handelt.
Ich habe bereits frflher (7) als Trennungsmittel der H- und O-Form
Alkohol empfohlen. Durch 33-proz. Alkohol in 0,5-proz. karbolisierter
physiol. Kochsalzlbsung werden, ahnlich wie bei den obigen Versuchen,
die H-Formen ausgefailt, wahrend die O-Formen in Emulsion bleiben.
Diese Emulsion wird dann von Fleckfieberkrankenserum ausgefailt.
1) Die hier wegen Raummange! nicht vollig wiedergegcben werden konnen.
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180 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
Zusammenfassung.
Die von Weil und Felix isolierten X-Stamme werden durch Saure
ausgefallt zwischen Ph = 2 und ph = 4. Das Agglutinationsoptimum
liegt bei p H = 3. Mehrere Proteus-Stamrae, die nicht von Fleckfieber-
kranken stammten, zeigten bei pn = 3 kein Agglutinationsoptimum.
Die H- und O-Formen der X-St&mme verhalten sich Saure gegen-
iiber sehr verschieden, denn die O-Form ist durch Saure iiberhaupt nicht
ausfallbar.
Ebenso ist auch durch 33-proz. Alkohol nur die H-Form, dagegen
nicht die O-Form fallbar.
Die Sdureagglutination (sowie die Alkoholfallung) zeigt demnacb,
dafi zwischen den Bestandteilen der 0- und H-Formen tiefgreifende
Unterschiede bestehen.
Iiiteratnr.
1) Michaelis, L., Die Wasserstoffionenkonzentration. Berlin (J. Springer) 1914.
— 2) Weil u. Felix, Wien. klin. Wochenschr. 1916. Nr. 2. — 3) Dies., Ebenda.
1917. Nr. 48. — 4) Sachs, Dtsch. med. Wochenschr. 1917. Nr. 31. —5) Michaelis,
L., Ebenda. 1911. Nr. 21. — Rona, Abderhaldens Handb. d. biochem. Arbeits-
methoden. Bd. 5. S. 1095. — 7) Ders., Miinchen. med. Wochenschr. 1917. Nr. 43.
Naohdruck verbot&n.
Ueber experimentelle Maul- und Klauenseucbe.
[Aus dem Institut fiir Infektionskrankheiten ^Robert Koch“
(Abteilungsleiter: Dr. Gins).]
Von Dr. med. H. A. Gins und Dr. med. et med. vet. R. Weber,
Kreisassistenzarzt, vormals Assistent am Institut.
Die Uebertragung der Maul- und Klauenseuche auf das Meer-
schweinchen, die W aid maun und Pape in Rierns und fast gleichzeitig
und unabhangig von ilinen Hobmaier im Institut ..Robert Koch“
geiang, nachdem frtiher Hecker schon die abgelaufene Infektion bei
diesen kleinen Versuchstieren gesehen-hatte, und Grotli in neuerer Zeit
augenscheinlich spezifische Veranderungen durch intrakutane Impfung
bei dieser Tierart erzielt hatte, gab naturgemaB fiir die Bearh.eitung
dieser Seuche zalilreiche neue Anregungen. Allein die Tatsache, daB
man mit einem auf das Meerschweinchen angepaBtcn Stamm von Maul-
und Klauenseuchevirus grofiere Reilien von Versuchstieren im Labo-
ratorium beobachten kann, ist als Fortschritt zu begriiBen, abgesehen
da von, daB der Verlauf der Infektion am kleinen Laboratoriumstier in
alien seinen Phasen genauer zu studieren ist, als am Schwein oder Rind.
Wenn auch Waldmann und Pape nach etwa 60 Meerschwein-
chenpassagen bei ihrem Virus keinerlei Virulenzanderung gegeniiber
dem Schwein beobachtet hatten, so war nach Analogic mit andeu-em
Virus, z. B. demjenigen der Vaccine, zu untersuchen, ob der dauerndc
Durchgang durch dieselbe Tierart nicht doch allmahlich zu einer Ver-
Goegle
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Gins u. Weber, Ueber experimentelle Maul- und Klauenseuche.
181
anderung fiihren konnte. Die Angabe franzosischer Autoren, daB das
vakzinierte Kalb gegen die Maul- und Klauenseuche immun werde,
konnte unter einwandfreien Bedingungen noch einmal gepriift werden,
nachdem sich gezeigt hatte, daB auch auf der Meerschweinchenhaut eine
typiseke Vakzineinfektion erzielt werden kann. Das Verhalten des Virus
im Blut und in inneren Organen konnte an den irainerhin noch wohl-
feilen Meerschweinchen init zahlreichen Versuchen beobachtet werden,
die auch frtiher schon zu erheblichen Unkosten und auch Tierverlusten
gefuhrt haben warden. Erwahnen wir schlieBlich noch die Prufung auf
immunitat der durchseuchten Meerschweinchen, dann sind die wesent-
lichsten Themen genannt, deren Bearbeitung wir vorlaufig aufgenommen
haben. Die uns zur Verftigung stehenden sehr beschrankten Geldmittel
zwangen ohnedies zura Verzicht. auf ntianchen Versuch an groBen Tieren,
von dem noch weitere Aufklarung erwartet werden konnte.
I. Beziehungen der Vakzlne zur Maul- und Klauenseuche.
Die bisherigen Versuche, durch Vakzineinfektion Immunitat gegen
Maul- und Klauenseuche zu erzielen, sind fehlgeschlagen. Da es an
genauen Angaben uber die Technik der Versuche fehlt, lag es nahe, die
Versuche im Laboratorium nachzupriifen. Die Hautvakzine beim Meer¬
schweinchen hat bisher in der experimentellen Forschung keine Rolle
gespielt, wahrscheinlich weil es nicht gelang, mit den tiblichen Glyzerin-
lymphen Hautpusteln zu erzielen.
Bei Verwendung frischen Vakzine-Rohstoffes gelang es uns da-
gegen leicht, typische Vakzinepusteln zu erzeugen.
Die Pusteln reifen bereits nach 3 Tagen, sind erheblich kleiner als
beim Kalb, stehen aber bei der tiblichen impfmethode so dicht, daB sie
teilweise konfluieren.
Selbst die ausgedehntesten Vakzinepustelbildungen, hervorgerufen
durcli ganz frischen, hochvirulenten Rohstoff, beim Meerschwein blie-
ben ohne EinfluB auf die nachfolgende Infektion mit Maul- und Klauen¬
seuche. Andererseits verlief bei Vorbehandlung mit Maid- und Klauen¬
seuche die Vakzination fast ebenso wie bei unbehandelten Tieren.
Immunisatorische Beziehungen bestehen also zwischen Maul- und
Klauenseuche und Vakzine nicht. Auch die Vermutung des nur teil-
weisen Uebergreifens der Cinen Immunitat in das Gebiet der anderen,
wie sie von einigen Autoren angenommen wurde, findet keine experi-
men telle Sttitze.
II. Verhalten des Maul- und Klauenseuchevlrus bei Meer-
sehweinchenpassagen.
Die Beobachtungen von Waldmann und Pape iiber die Er-
scheinungsformen der Maul- und Klauenseuche konnen wir im allgemei-
nen bestatigen, so beztiglich der Impfstelle, des Impfmodus und der
Spontancrscheinungen an VorderfuBen und Zunge. Dagegen ist es
uns nicht gelungen, trotz der genauen Anwendung der Waldmann-
schen Impftcchnik, so lange Passagereihen zu beobachten, wie es aus
Riems und SchleiBheim berichtet wird. Unsere erste Passagereihe mit
SchleiBheiiner Virus ging nach 44 Passagen ein, wobei wir von der
6. Passage ab schon deutliche Abschwachung beobachten konnten, die
(lurch Zurtlckgreifcn auf die bereits 5 Tage auf Eis konservierte
3. Passage w ieder ausgeglichen werden konnte. Aehnliche Abschwachun-
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
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gen traten nicht nur bei diesem Virus ein. Von der 36. Passage ab
war die Abschwachung nicht ihehr auszugleichen, und das Vims ging
tins allmahlich ein.
Es war zuerst unklar, welche Einfliisse eine mabgebcnde Rolle
spieiten. Da gerade in jener Zeit ein Wechsel in der Fattening-
eintrat, der Uebergang von Grtinfutter zu Riiben, lag die Vermutung
nahe, dies sei die Ursache. Docli entsprechende Fiitterungsversuche
rechtfertigten diese Vermutung nicht. Dagegen stellte sich allmahlich
heraus, dab bei kleinen Tieren die Impfblasen in der Regel verspatet
kamcn und dab die Erscheinungen an der Impfstelle geringer, die.
Spontancrscheinungen besonders an der Zunge starker auftraten.
Im allgemeinen ging die Maul- und Klauenseuche bei kleinen Tieren
schwacher an. Dies dilrfte die Ursache sein fiir die gelegentlichen Ab-
schwacliungen und fiir das Eingehen des Virus, wie wir es erlebt haben.
Seitdem nur grobe Tiere iiber 350 g zur Verwendung gelangen, scheint
diese Storung beseitigt zu sein. Es wird weiterhin darauf zu achten
sein, oh nicht das dauernde Durchfuhren des Virus durcli die gleiclie
Tierart ein Abschwachen hervorruft, ahnlich deni, das bei dauernder
Kalberpassage des Vakzinevirus eintritt. Als erstes Kriterium hierfiir
betrachteten wir das verzbgerte Auftreten der Impfblasen. Wahrend
ein gutes Virus an groben Tieren nach 24 Std. bereits gutgeftilltc
Blasen an der Impfstelle ergab, sahen wir bei kleinen Tieren in der
Regel nach 24 Std. nur Rotung und Schwellung der Impfstelle, nach
48 Std. war die Blase erst ausgepriigt. Andererseits sahen wir keinen
Unterschied zwischen eintagiger und zweitagiger Passage hinsichtlich
der Virulenz des Blaseninhalts.
Fiir die Beurteilung der Intensitat der Infektion spielen anschei-
nend individuelle Unterschiede unter den Vcrsuchsticrcn eine Rolle.
Mehrmals konnte festgestellt werden, dab von 2 Tieren, die in der-
selben Art und Weise, mit demselben Virus und zu gleicher Zeit in-
fiziert waren, das eine Tier nach 24 Std., das andere erst nach 48 Std.
die vollentwickelten Blasen zeigte.
Ein Unterschied zwdschcn dem Verhalten zwischen kleinen und
groben Tieren besteht fernerhin darin, dab bei den kleinen Tieren die
Impfaphthc zuriicktritt gegeniiber den schweren Allgemeinerscheinun-
gen. Bei groben Tieren sahen wir fast nie so stark ausgcdehnte Zer-
storungen der Zunge wie bei den kleinen Tieren. Auch die mit-
unter beobachteten Todesfalle durcli hierdurch bedingte Unmoglichkeit
der Nalmingsaufnalime betrafen immer nur kleine Tiere.
Nach unseren Erfahrungen erscheint es sehr wohl moglich. durcli
andauernde Passage nur in kleinen Tieren eine so weitgehende Ab¬
schwachung zu erzielen, dab eine Regeneration im Organismus des
Meerschweinchen nicht mehr moglich ist. Andererseits aber dilrfte
es gelingen, durcli Einschaltung kleinerer Tiere in die Passagereihen
eine dauemde Modifizierung des Virus zu erzielen.
III. Verhalten unseres Meerschweinvlrus zu andcrcn Tierarten.
Zu der Annahme der soeben erwahnten Abschwachung des Virus
wurden wir gefiihrt durcli das Ergebnis folgender Versuche:
Schwein I. Infiziert. rait der 4. Meerschweinchenpassage eines aua Schleifiheiui
bezogenen Virus, dessen Herkunft uiib weiter nicht bekannt ist. Nach 24 Std. Impf-
aphlhen am Riissel, beginnende Blasen am Klaucnsaum. Nach weiteren 2 Tagen das
ausgepragte Bild der Maul- und Klauenseuche.
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Gins u. Weber, Oeber experimentelle Maul- und Klauenseuche.
183
Ziege I. Infiziert mit der 18. Passage desselben Virus. Nach 24 Std. kleine
erbsengrofle geplatzte Blaseu an der Einstichstelle. Keine weiteren nachweisbaren
Krankneitserscheinungen. Das Material, entnommen von der geplatzten Blase, beim
Meerschwein von guter Virulenz befunden.
Schwein II. Infiziert mit einem Virus, das 18 Meerschweinchenpassagen, 1 Ziegen-
und 2 weitere Meerschweinchenpassagen durchlaufen hatte. Trotzdem die Erscheinungen
am letzten Meerschweinchen typisch und von starker Intensitat waren, blieb das Schwein
frei von alien Krankheitserscheinungen, wahrend beim zuletzt infizierten Meerschwein
nach 24 Std. typische Blasen vorhanden waren. Nach 14 Tagen Nachinfektion mit
hochvirulentem Meerschweinchenvirus aus SchleiBheim. Nach 2 Tagen keine Blasen,
Allgemeinzuetand nicht verandert, dagegen das Blut infektios (Prufung am Meerschwein¬
chen). Nach weiteren 14 Tagen Infektion mit einem Material vom natiirlich infiziertem
Ferkel: Das Tier zeigte keine Erscheinungen.
Ziege II. Infiziert an 3 Stellen im Maul mit der 18. Meerschweinchenpassage.
Das Tier blieb ohne jede Erscheinuug.
Schwein III. Infiziert mit einem Virus, welches nach dem Durchgang durch
Schwein II noch 3 Meerschweinchen passiert und sich bei diesen als vollvirulent er-
wiesen hat Das Schwein blieb frei von alien Erscheinungen. Nach Infektion mit
Manl- und Klauenseuche eines natiirlich infizierten Ferkels ergibt eine schwache Er-
krankung an Maul- und Klauenseuche (lediglich 2-pfennigstiickgrofie Blasen an den
Hinterpfoten).
Schwein IV. Infiziert mit einer 18. Meerschweinchenpassage.. Keine Erschei¬
nungen, Blut nicht infektios.
Kalb I. Infiziert mit dem gleichen Material. Nach 48 Std. im Maul 3 Ero-
sionen, sonst keine Erscheinungen. 4 Tage nach der Infektion ist das Tier ganz normal.
Die beiden letzten Tiere sind noch im Versuch und sollen so bald
als moglich zur Feststellung ihrer etvvaigen I nun uni tat nachinfiziert
werden.
Wenn auch diese Versuche an Zalil noch zu gering sind, uni
weitgehende Schliisse zu ziehen, so berechtgien sie (loch zu folgendcn
Vermulungen:
1) Das Maul- und K1 auenseuchenvirus kann durch
Meerschweinchenpassagen seine Virulenz fur natiirlich
infizierbare Tiere verlieren.
2) Es kann sich im Blut natiirlich infizi erbarer Tiere
vermehren und Immunitat gegen eine nachfolgende Maul-
und Klauenseucheinfektion veranlassen.
Wir halien es somit fiir moglich, durch Meerschweinchenpassagen
unter bestimmten Bedingungen ein verandertes Maul- und Klauen-
seuchevirus zu erzeugen, das zur Herbeifilhrung einer aktiven Immu¬
nitat der empfanglichen Tierarten verwertet werden kann nach Art
der Vakzination gegen Variola.
Entsprechende Versuche, die den Bedilrfnissen der Praxis an-
gepaBt sind, sollen angestellt werden, sobald uns natiirliches Maul-
und KJauenseuchevirus zur Verfilgung steht.
Maul- und Klauenseuche — Immunitat bei Meer¬
schweinchen.
Bei der groBen Zahl von Meerschweinchen, die sich bei den
Passagen ansammelten, lag der Gedanke nahe, durch Nachinfektion zu
prufen, ob auch diese Tiere, ebenso wie die groBen Tiere, eine vhllige
Immunitat gegen das Virus der Maul- und Klauenseuche erwerben.
Es warden zu diesem Zweck 5!) Tiere, die in den Versucben gestanden
batten, einer Nachinfektion unterworfen mit einem Virus, dcssen hohe
Virulenz fiir Meerschweinchen erwiesen war. Das Ergebnis dieses
groBen Versuches ist als eindeutig zu bezeichnen. 49 Meerschweinchen,
die eine Maul- und Klauenseuche infektion durchgemacht batten, blie-
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184
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
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ben frei von irgendwelchen Krankheitszeichen — sie waren vollig
immun. 6 Tiere, welclie bei der ersten Infektion auBer gerdteten Impf-
stellen keine Symptome hatten, bekamen bei der Nachinfektion typische
Blasen an der Impfstelle und die Erscheinungen der Allgemeininfektion.
Da diese Tiere friiher alle mit Virus infiziert waren, das allerdings
stark abgeschwacht war, war es iramerhin zulassig, die Veranderungen
an den Impfstellen mit Hobmaier als abortive Form der Maul-
und Klauenseuche anzusehen. Durch die Nachinfektion konnte aber
der Beweis gefiihrt werden, daB diese schwachste Infektion nicht zur
Entwicklung einer aktiven Immunitat ausreicht.
2 Meerschweinchen blieben bei der Erstimpfung und ebenso bei
der Nachinfektion mit sehr virulenter Lymplie frei von Krankheits-
erscheinungen. Da die Impftechnik einwandfrei war, rauB also ange-
nommen werden, daB es bei Meerschweinchen, wenn aucli selten, eine
nattirliche Resistenz gegen das Virus der Maul- und Klauenseuche gibt.
Bei alien 49 immunen Tieren lag die Zeit zwischen der Erst-
und der Nachinfektion zwischen 14 Tagen und 8 Wochen. Unterschiede
hinsichtlich der Starke der Immunitat waren hier nicht zu beobachten.
Nur bei einem Tier unter den nachinfizierten 59 Tieren fand sich
keine Immunitat. Dieses Meerschweinchen hatte nach der ersten In¬
fektion nur sehr gering entwickelte Impfaphthen und keine weiteren
Erscheinungen. Hier hat die Nachinfektion mit hochvirulenter Lymphe
die Immunitat schon nach 4 Wochen durchbrochen. Es entstanden
bei der Nachinfektion starkere Erscheinungen als bei der ersten.
Eine weitere interessante Beobachtung betraf das einzige iiber-
lebende Junge eines Meerschweinchens, welches etwa 3 Wochen nach
der schweren Infektion des Muttertieres geboren war. Es wurde im
Alter von etwa 4 Wochen mit hochvirulenter Meerschweinchenlymphe
infiziert und blieb vollig gesund. Hier ist wohl mit grofier IWahr-
scheinlichkeit eine ererbte Immunitat anzunehmcn. In dieser Annahme
werden wir urn so melir bestilrkt, als unsere infizierten Tiere, soweit sie
auf der Hohe der Infektion hochtrachtig waren, abortierten und das
erwahnte Jungtier das einzige iiberlebende des ganzen Wurfes war.
Die Maul- und Klauenseuche-Infektion hat augenscheinlich ein^
energische Wirkung auch auf den fbtalen Organismus. Es ist nicht
ausgeschlossen, daB das immun befundene Jungtier wahrend seines
ffitalen Lebens die Infektion durchgemacht hat, so daB also nicht so sehr
eine ererbte als vielmehr eine intrauterin erworbene Immunitat in
Frage kommt.
Im allgemeinen haben wir eine recht kraftige Immunitat der durch-
seuchten Tiere gefunden, kraftiger jedenfalls, als sie Titze bei einigen
seiner Meerschweinchen fand. Er konnte 2 von 4 durchseuchten Tieren
nach wenigen Wochen erfolgreich nachinfizieren.
Verhalten des Virus im Blute und in inneren Organeu.
Das bequeme Arbeiten mit Meerschweinchen im Laboratorium fiilirte
uns dazu, das Kreisen des Virus im infizierten Organismus erneut zu
prtifen. Seit den grundlegenden Untersuchungen von Loeffler und
Prosch und Uhlenhuth schien die Frage nach der Richtung bin
geklart, daB das Blut infizierter Tiere das Virus nur vortibergehend
beherberge, und zwar auf der Hohe des Fiebers. v. Seigneux hat
klirzlich iiber entsprechende Versuche bei Meerschweinchen berichtet. Er
fand das Blut hochstens bis 54 Std. nach der Infektion virulent ; seine
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Gins u. Weber, Ueber experimentelle Maul- und Klauenseuche.
185
Angaben dccken sich also im wesentlichen mit der bisherigen Annahme.
Es ist wohl anzunehmen, dab die geltenden veterinarpolizeilichen Bestim-
numgen auf Grund dieser Erfahrungen aufgebaut sind. Hiernach werden
bei Tieren, die an Maul- und Klauenseuche erkrankt sind, bei der
Fleischbeschau lediglich, die mit Aphthen behafteten Teile, Kopf mit
Zunge und P’iLbe, nur nach vorheriger Sterilisation durcli Briihen in den
freien Verkehr gegeben, with rend alles iibrige ohne weiteres dem freien
Verkehr iiberwiesen wird.
Wir haben bei einer Reihe von Meerschweinchen das Blut auf
seinen Gehalt an Virus gepriift und gefunden, dab zu verschiedener
Zeit nach der Infektion das Meerschweinchenblut infekti&s ist. Uni
iiber die hier vorliegenden Verhiiltnisse ins Klare zu kommen, wurden
einige Versuche folgendermaben angestellt:
Von den mit Maul -und Klauenseuche infizierten Tieren wurde im
Abstand von 24 Std. Blut aus der Ohrvene entnommen und sofort
auf normale Tiere in der iiblichen Weise v^rimpft. Wir fanden so das
Blut vom 1.—4. Tage infektios.
Urn dies Ergebnis nachzuprtifen und um gleichzeitig festzustellen,
wie lange (iberhaupt Virus im Blut nachweisbar sein kann, wurde in
einem weiteren Versuch das Blut vom 1.—8. Tage einschlieblich nach
der Infektion verimpft. Es ergab sich, dab vom 1.—7. Tage Virus
im Blut vorhanden war und wahrscheinlich in recht. erheblichen Mengen,
wie die starken Reaktionen der Testtiere beweisen.
Ebenso gelang es auch, mit der Milz eines vor 5 Tagen geimpften
Meerschweinchens eine ziemiich kraftige Infektion auszulosen. Es ist
wohl anzunehmen, dab sich die Milz immer ahnlich wie das Blut ver-
halten wird.
Weitere Versuche beschiiftigen sich mit der Ausscheidung des
Virus. So wurde der Speichel von einigen Tieren gepriift. Wir fanden
den Speichel nur dann infektios, wenn auf der Zunge Blasen vorhan¬
den waren. Auch da, wo wir, ohne das Tier zu tbten, nur uneroffnebe-
Blasen auf der Zunge sehen konnten, ist anzunehmen, dab irgend-
welclic erOffnete Blasen vorhanden waren, denn die Verimpfung von
Speichel von Tieren ohne Blasen der Maulh&hle blieb ergebnislos.
Man kann hieraus schlieben, dab das Virus nicht etwa durch
Driisensekretion ausgeschieden, sondern durch absondernde Krankheits-
produkte dem Speichel mechanisch beigemengt w'ird.
Die Infektiositat des Blutes licb vermuten, dab auch inakroskopisch
sichtbare Veranderungen an den inneren Organen vorhanden seicn.
Die Sektion einer Reihe von Meerschweinchen, dercn Impfung 2—4
Tage zuriicklag, ergab ubcreinstimmend folgendes Bild:
Milz regel miifiig vergroBert bis auf das Dreifache.
Leber in der Regel maSig vergroBert und fettig degeneriert.
Nebennieren vergroBert bis aufs Doppelte und fast immer hiimorrhagisch durch-
trankt.
Dieser Nebennierenbefund ist ahnlich dem beim diphtherievergifteten Meer¬
schweinchen.
Ob auch bei Maul- und Klauenseuche eine besondere Giftwirkung eine Rolle spielt,
konnen wir noch nicht entscheiden.
Nach unseren Erfahrungen am Meerschweinchen erscheint es fiir die
Praxis bedeutungsvoll und somit erfordcrlich, das Kreisen des Virus
an nattirlich infizierten Tieren nachzuprufen. Sollten sich ahnlichc
Verhiiltnisse herausstellen, so sind unscres Erachtens erhebliciic Ver-
scliarfungen der Bestimmungen iiber die Fleischbeschau bei maul-
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186
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
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und klauenseuchekranken Tieren notwendig, denn die bestehenden
Bestimmungen wtirden die Verschleppung des Virus durch Blut und
Milz, eventuell durch andere Organe keineswegs verhindern konnen.
SchluBbemerkung.
Nach den Erfahrungen von Waldmann und Pape, Hob-
maier, Uhlenhuth, Ernst und unseren soeben mitgeteilten Ver-
sucken besteht "kein Zweifel, daB von der Verwendung des Meer-
scliweinchens in der experimentellen Maul- und Klauenseucheforschung
Fortschritte nach verschiedenen Richtungen bin zu erwarten sind. Eine
wichtige Frage bedarf noch der Losung, namlich die, ob das Virus der
nattirlichen Maul- und Klauenseuche in alien Fallen auf das Meer-
schwein tibertragbar ist. Waldmann und Pape sind dieser Ansicht.
Uns scheinen dagegen die zahlreichen negativen Versuche von Loeff-
ler und Frosch, Uhlenhuth und neuerdings Hobmaier dagegen
zu sprechen, zumal es auch uns nicht gelang, ein nattirliches Virus,
das am Schwein glatt anging, auf das Meerschwein zu iibertragen.
Es erscheint daher doch die Vermutung gerechtfertigt, daB die
Uebertragung auf das Meerschweinchen nur unter gewissen, noch nicht
naher bekannten Bedingungen gelingt. Vielleicht liegen liier iihnliche
Verhiiltnisse vor, wie bei dcm Variola-Virus, welches sich nur uanch-
mal auf Kaninchen oder Kalb (lbertragen lafit, dann aber zu einer
Modifikation fiihrt, die sich durch den Verlust wichtiger Eigenschaften
voin Ausgangsmaterial unterscheidet.
Zu dieser Ansicht berechtigt uns das Verhalten unseres Maul-
und Klauenseuchevirus, welches die Virulenz ftir Schwein und Rind
verloren, fiir das Meerschweinchen hingegen ungeschwacht crhalten hat.
Anmerkung bei der Korrektur: In der Klin. Wocbenschr. 1922. Nr. 15. beriehten
Uhlenhuth und Bieber iiber die Beziehungen zwischen der Vakzine- und Maul-
und Klauenseucheimmunitat. Sie koinmen bei Meerschweinchen zu denselben Resul-
taten wie wir.
Literatrur.
1) Waldmann u. Pape, Berlin, tierarztl. Wocbenschr. 1920. Nr. 44; 1921. Nr. 30.
— 2) Homaier, M., Dtsch. med. Wochenschr 1921. Nr. 22. — 3) v. Seigneux,
Berlin, tierarztl. Wochenschr. 1922. Nr. 2. — 4) Titze, ebenda. 1922. Nr. 4.
Hachdruck verbolen.
Untersuchungen iiber die Fliegenplage in Deutschland.
Von Dr. Pliilulethcs Kuhn,
o. Prof, der Hygiene, Dresden.
Mit 1 Kurve im Text.
Inhalt: Veranlassung zu den Untersuchungen. — Gang der Untersuchungen. —
Gang der Temperatur. — Die Stubenfliegen nach den Raumgruppen. — Die Stallfliegen
nach den Raumgruppen. — Vergleich der Mengen beider Ffiegcnarten. — Das Ueber-
wintern der Fliegen. — Der Verlauf der Fliegenplagen. — Wie ist das verschiedene
Einsetzen der Fliegenplagen zu erklaren? — Wie ist die friihzeitige Abnahme der
Stubenfliegen zu erklaren? — Zusammenfassung.
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Kuhn, Untersuchungen fiber die Fliegenplage in Deutschland.
187
Veranlassung zn den Untersuchungen.
Je mehr ich mich (1, 2) mit der Frage beschaftigte, inwieweit
unsere einheimischen Fliegen befahigt sind, Krankheiten zu tibertragen,
desto st-Crender empfand ich, dab der Begriff der Fliegenplage im hygie-
nischen Schrifttum meist ganz allgemein gefaBt isfc und eine Unter-
scheidung der nichtstechenden von den stechenden Fliegen dabei unter-
bleibt.
Ich beschloB daher genauere Untersuchungen der Raume auf das
Vorkommen der Hauptvextreter jeder Gattung, der Stubenfliege
(Musca domestica L.) und der Stallflicge (Stomoxys calcitrans
L.), deren Gesamtzahl hauptsachlich die sommerliche Fliegenplage
bedingt.
Gang der Untersuchungen.
Dieses Vorhaben wurde mir ermoglicht, als ich Anfang Juni 1915
die Stellung des hygienischen Beirates beira Generalkonmando des
XV. A.K. und die Leitung der Bakteriologischen Anstalt fur ElsaB zu
StraBburg erhielt. Als ich aus dem Felde hier eintraf, fand ich in
Lahr eine ausgedehnte Ruhrepidemie bei der Truppe vor, welche mit
groBer Wahrscheinlichkeit durch Fliegen unterhalten wurde. Infolge-
dessen gebot sich eine planmaBige Rekampfung der Fliegenplage. Dank
der Untersttltzung vieler Behorden, namentlich milit&rischer Kommando-
stellen und zahlreicher Einzelpersonen, richtete ich eine groBe Anzahl
von Bekampfungs- und Beobachtungsstellen im UnterelsaB, im OberelsaB
und in Baden ein. In diesen wurden Leimstreifen, sogenannte Fliegen-
fanger der Marke Aeroxon, regelmaBig aufgehangt, nachdem wir~ tins
liberzeugt hatten, daB sich auch die Stallfliegen an ihnen in groBen
Massen fingen. Die Aeroxonfanger sind mit einer Mischung aus Oel,
Kolophonium und Japan-Vogelleim bestrichen. In den Untersuchungs-
jahren muBten diese Rohstoffe, wie die Fabrik mitteilt, allerdings ge-
streckt werden. Von den Inhabern oder den Verwaltern der Versuchs-
raume wurden die Streifen alle Wochen durch Boten oder durch die
Post in flachen Kasten mit Fachern und in anderen Behaltern an die
Bakteriologische Anstalt zu StraBburg eingesandt, wo jeder einzelne
durchmustert wurde, um die Zahl der Stubenfliegen und der Stall¬
fliegen auszuzahlen. Bei den Streifen, an denen die Fliegen dicht-
gedrangt zu vielen Hunderten klebten, wurden Schatzungen von 10
zu 10 Stuck vorgenommen, ftir deren Sicherheit die groBe Uebung der
Zahler bilrgte. Die Beobachtung erstreckte sich auf die Zeit von
Juli 1915 bis Mai 1917 einschlieBlich. In den ersten Bcobachtungs-
monaten des Jahres 1915 besorgte die Laborantin Frl. Toni Schultze
die Auszahlung sowic den Versand der Leimstreifen und die Riick-
sendung der Behalter mit groBer Sorgfalt. Ihre Arbeit Ubernahm
der zur Bakteriologischen Anstalt kommandierte Entomologe und Samm-
ler Bo do von Bodemeyer, dem es gelang, die Beobachtungsstellen
auBerordentlich zu vermehren und das Interesse an der Forschung
Uberall wach zu halten.
Das Auftreten der Fliegen ist von zalilreichen Uiustanden ab-
hangig. Es kommt bei den Raumen nicht nur darauf an, welchen Lebe-
wesen sie zum Aufenthalt dienen, sondern es spielt auch ihre Bauart,
die Innentemperatur und der Zutritt der Winde eine Rolle. Bei Stal-
len macht es ferner einen Unterschied, wie der Mist beschaffen ist,
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188 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
wie oft ausgeinistet wird und vvie die Dunggruben in der Niihe ange~
legt sind; sehr wichtig ist auch die Frage, welches Futter gereicht wird.
Nicht unwichtig ist der Feuchtigkeitsgrad der Luft und raanches andere.
Um diese Unterschiede moglichst ausgleichen zu konnen, wurde danach
gctrachtet, recht. viele Beobachtungsraume zu gewinnen.
In StraBburg wurden in 68 Wohnungen von Privaten l'olgende
Raume beobachtet:
56 Zimmer, 11 Kuchen, 4 Gastwirtsstuben, 1 BackerladeH, 1 Backofen, 1 Back-
stube, 5 Aborte und Abortgruben. Ferner standen folgende Riiumlichkeiten von Be-
horden, Truppenteilen, Lazaretten und Anstalten unter Aufsicht: 38 Aufenthalts-, Ar-
beits- und Geschaftsraume, 39 Mannschaftsschlafraume, 7 Wohnungen von Familien,
6 Kantinen, 7 Kuchen, 2 Latrinen, 11 Rinderstalle, 34 Pferdestalle. Die Gesamlzahl
der beobachteten Raume ia StraBburg betrug 226.
Aufierhalb StraBburgs waren die Beobachtungsstellen folgen-
dermaBen verteilt:
Im UnterelsaB: In Bischheim 3 Wohnungen, darin 3 Stuben, 1 Laden, 1 Back-
stube, 3 Kuchen, 2 Aborte.
In Schiltigheim 4 Wohnungen, darin 4 Stuben, 3 Aborte, 3 Kuchen.
Im Truppenlager Oberhofen: 2 Mannschaftsschlafraume, 1 Desinfektionsanstalt,
1 Klaranlage, 3 Kuchen, 1 Latrine, 3 Pferdestalle.
In Schirrhein 7 Wohnungen, in ihnen 7 Stuben.
In Offendorf 1 Wohnung, darin 1 Kuche, 1 Abort.
In Rittershofen 1 Stube einer Wohnung.
In Neuweiler in einer Wohlfahrtsanstalt 3 Aufenthaltsriiume, 6 Krankensale,
3 Schulklassen, 1 Kiiche, 1 Flur, 1 Abort.
In Ingweiler in einem Krankenhause 1 Schlafsaal, 1 Vorzimmer, 1 Waschraum,
1 Kuche, 1 Abort.
In Hoerdt von der Irrenanstalt: 10 Krankensale, 1 Wohnung, 8 Aufenthalts-,
Arbeits- und Geschaftsraume, 7 Hpulzimmer, 3 Kuchen, 1 Biickerei, 1 Waschhaus,
2 Flure, 1 Kuhstall, 1 Pferdestall, 1 Schweinestall.
In Forstheim 7 Wohnungen, darin 7 Stuben und 3 Kuchen.
In Niederbronn 2 Wohnungen 2 Stuben.
In Reichstedt von einer Wonnung 1 Stube, 1 Kiiche und 1 Abort.
In Schirmeck 1 Stube einer Wohnung.
In Rosheim von 8 Anwesen 8 Zimmer, 7 Kuchen, 8 Kuhstalle, 1 Pferdestall,
von einem Kloster 2 Wohnraume, 1 Kuche, 2 Kuhstalle, 1 Schweinestall, von einem
Truppenteil 1 Aufenthaltsraum, 1 Schlafraum, vom Spital 5 Krankensale, 1 Kuche,
2 Kuhstalle, 2 Schweinestalle.
In Saasenheim das Anwesen des Biirgermeisters.
AuBerdem wurden je 1 Stube in Buchsweiler, Gottesheim, Griesbach, Kutzenhausen,
Monsweiler, Riedheim und Weislingen nur kurze Zeit, etwa einen Monat. lang, iiber-
wacht.
Im OberelsaB: In Colmar von Lazaretten 30 Krankensale, 6 Aufenthaltsraume,
3 Kuchen, 1 Latrine. Von einer Korpsfeldschlachterei wurde 1 Raum kurze Zeit mit
Streifen versehen.
In Tiirkheim von 13 Wohnungen 12 Zimmer, 7 Aborte.
In Reichenweier 16 Pferdestiille.
In Baden: In Freiburg von 6 Anwesen 4 Zimmer, 2 Laden, 1 Gastwirtschafts-
zimmer, 1 Backraum, 1 Werkstatt, 5 Kuchen, 1 Pferdestall, 2 Kuhstalle, 2 Schweine¬
stalle, 1 Kaninchenstall.
In Lahr: Von Truppenteilen: 4 Aufenthalts-, Arbeits- und Geschaftsraume,
14 Mannschaftsschlafsale, 2 Kuchen, 2 Kantinen, 3 Latrinen, 17 Pferdestalle (letztere
4 Monate lang).
Im ganzen wurden auBerhalb StraBburgs 30 6 Kaume beobachtet.
Die Gesamtzahl aller mit Flicgenstreifen beschicktcn Raume be-
trug 532.
Ueber die monatliche Anzahl der Beobachtungsraume und der
aufgehangten Streifen mogen folgende Angaben geniigen:
Es wurden nicht alle Raume gleich vom Juli 1915 an
beschickt, sondern die meisten traten spater in die Beob-
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Kuhn, Untersuchungen iiber die Fliegenplnge in Deutschland.
189
achtung ein. Vom September 1915 erhebt sich die Gesamt-
zaJil der Raume iiber 200, um im Marz 1916 iiber 300 und
im Juni 1916 iiber 400 zu steigen. Im November 1916 fallt sie wieder
etwas unter 400. Mit Ende 1916 wurde die Zahl der beobachteten
Raumlichkeiten sehr herabgesetzt. Es blieben nur 66 Raume iibrig,
die sowohl von Stubenfliegen wie von Stallfliegen stark besetzt und
leicht unter Aufsicht zu halten waren. Icb beabsichtigte, diese das
Jahr 1917 hindurch bis zum Friihjahr 1918 beobachten* zu lassen, und
versprach mir hiervon noch reichen Gewinn. Leider wurden die Arbeiten,
nachdem ich anfangs Juni 1917 als beratender Hygieniker zur Armee-
Abt. A versetzt war und StraBburg verlassen hatte, abgebrochen. Trotz-
dem also somit die Unterlagen nicht ganz einheitlich sind, glaube ich
doch, daB die Zahlen von September 1915 bis Dezember 1916 groB
genug sind, urn sich vergleichen zu lassen. Auch die aus 1917 konnen
wegen der Einheitlichkeit ihrer Gewinnung wohl Verwertung finden.
Im Juli 1915 wurden in StraBburg 56 Raume beobachtet und
335 Streifen gehiingt. Im Dezember 1915 waren es 120 Raume und
792 Streifen. Im Juni 1916 wurden die meisten Raume (203) mit
2231 Streifen beschickt. Im Dezember 1916 waren es noch 139
Riiume mit 1256 Streifen. Im Jahre 1917 wurden durchgehend nur
20 Raume beobachtet; dabei schwankte die Zahl der Streifen meist
iiber 200, nur im Mai 1917 sank sie mit 182 darunter.
AuBerhalb StraBburgs wurden im Juli 1915 47 Raume mit
40S Streifen beschickt. Schon im September waren es 162 Raume
mit 1060 Streifen. Von Juni 1916 ab iibcrstieg die Zahl der
Riiume die Zahl 200 und die Zahl der Fliegenstreifen tiberstieg in den
Monaten bis November einschlieBlich 2000. Im Jahre 1917 wurden
auBerhalb StraBburgs durchweg 46 Riiume beobachtet, die Zahl der
Streifen iiberschritt stets 500.
Die Zahlen der Fliegen fur die einzelnen Monate gibt Tab. I wieder.
Die Zahl der Lei mstreifen entsprach in den einzelnen Monaten
im groBen und ganzen der der Riiume. Jedoch wurden in den Sommer-
monaten mehr Streifen aufgehangt als im Winter. Dabei ergab es sich,
daB sic in manchen Stiilien in 1 Woche mehrfach erneuert warden,
konnten, weil die Fliegen in riesigen Mengen auftraten. In solchen
Stallungen klebten 1000—2000 an einem Streifen. Namentlich eine
Tabelle I.
Zahl der Fliegen 1915.
Stuben¬
fliegen
Stall-
fliegcn
Stuben¬
fliegen
Stall¬
fliegen
Juli
StraBburg
auBerhalb
41 436
116964
3 289
234
Oktober
StraBburg
auBerhalb
51857
143172
4 467
6 265
Sa.
158 400
3 523
Sa.
195029
10 732
A ague t
StraBburg
auBerhalb
33 485
121 833
1069
357
November
StraBburg
auBerhalb
19 430
37 439
826
2 224
Sa.
155 318
1426
Sa.
56 869
3 050
September
Strafiburg
auBerhalb
47 939
191 347
3 957
3183
Dezember
StraBburg
auBerhalb
22 842
5182
3 016
163
Sa.
239 286
7140
Sa.
28024
3109
Insgeeamt
832 926
29040
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190
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 3.
1916.
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Stuben-
fliegen
Stall¬
fliegen
Stuben-
fliegen
Stall¬
fliegen
Januar
Strafiburg
aufierhalb
24 753
3 897
640j
170 1
Juli
Strafiburg
aufierhalb
287 884
192 968
5 724
7 547
Sa.
28650
810
Sa.
480 852
13 271
Februar
Strafiburg
aufierhalb
85957
3 771
6116
117
August
Strafiburg
aufierhalb
406 664
269 024
12 821
21 137
Sa.
89 728
6233
Sa.
675 688
33 958
Miirz
Strafiburg
aufierhalb
101095
4 498
3 339!
37 j
September
Strafiburg
aufierhalb
379 675
208 102
15 973
46 660
Sa.
105 593
3 376
Sa.
587 777
62 633
April
Strafiburg
aufierhalb
91 418
69 145
2 969
370
Oktober
Strafiburg
aufierhalb
201 330
124 299
13 453
39 783
iSa.
160 563
3339
Sa
325 629
53 236
Mai
Strafiburg
aufierhalb
237 847
160 683
5 243
2 388
November
Strafiburg
aufierhalb
93 740
29 854
7 851
8 797
Sa.
398 530
7 631
Sa.
123 594
16 648
Juni
Strafiburg
aufierhalb
316060
195 828
5 006
6832
Dezember
Strafiburg
aufierhalb
25 556
12 724
2 573
4 472
Sa.
511888
11838
Insgesamt
Sa.
38 280j 7 044
;3 526 772 j 220 017
1917.
Stuben-
fliegen
Stall¬
fliegen
Stuben-
fliegen
Stall¬
fliegen
Januar
Strafiburg
aufierhalb
3383
3116
6b9 1 April
3 389
Strafiburg
aufierhalb
5 657
367
3 740
538
Sa.
6469
4 058
Sa.
6 024
4 278
Februar
Strafiburg
aufierhalb
1697
348
I 793 ! Mai
222
Strafiburg
aufierhalb
5 814
4 477
997
1428
Sa.
2 045
1015
Sa.
j 10 291
2 425
Miirz
Strafiburg
aufierhalb
4 383
27
1 Insgesamt
29 269
13 340
Sa.
4 410
1 564 1
Summa.
Stubenfliegen Stallfliegen
Juli—Dezember 1915 832 926 29 040
1916 3 526 772 220 017
Januar—Mai 1917 29 269 13 340
4 388 967 262 397
Rinderstallung in Saasenlieim (U.-E) und die Rinderstallungen in Ros-
heim (U.-E.) zeigten hilufig bis zu 2000 Stallfliegen an einem Eliegen-
fanger.
Lctztere Eeststellungen konnen ja den Vcrdaclit nicht ganz be-
seitigen, da6 die blutsaugenden Stallfliegen von den Leimstreifen viel-
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Kuhn, Untersuchungen fiber die Fliegenplage in Deutschland.
191
leic.ht nicht in gleichem MaBe angelockt werden wie die Stubenfliegen.
Aucb kann der Einwand erhoben werden, daB die cine Fliegenart lei ch ter
an den Streifen haften bleibt, als die andere. Um diese Fragen zu
kliiren, hatte es urafangreicher Versuche bedurft, die leider aus .iuBeren
Griinden nicht vorgenomnien werden konntcn.
lmmerhin ist es uns wohl erlaubt, nicht nur die Zahlcn der
Siubenfliegen untereinander zu vergleichen, sondern auch die der Stall¬
fliegen, und ich glaube auch, daB wir mit einem gewissen Vorbehalt
das Vorkomraen der eineu Art mit dem der andern in Vergleich setzen
konnen.
Die Ausbeute an Stomoxys spricht iibrigens fiir die Angaben von
Wilhelmi (3), der mehrere Untersucher anfiihrt, nach denen die
Stailfliege auch Wasser und andere FlUssigkeiten auBer Blut, fcrner
Obstsafl und frischen Kuhdung zu sich nimmt.
Es wurdcn in StraBburg insgesamt 25499 Streifen aufgehangt. und
2468 928 Stubenfliegen, sowie 101422 Stallfliegen gefangen. AuBcr-
lialb StraBburgs wurden 23 927 Streifen aufgehangt und 1890 730
Stubenfliegen und 150 780 Stallfliegen gefangen. Die Gesamtzahl aller
Fliegenfanger war 49426; an ihnen fingen sich 4359 658 Stubenfliegen
und 382202 Stallfliegen.
AuBer der Stubenfliege und der Stailfliege fingen rich alle mog-
lichen stechenden und nicht stechenden Insekten. So fingen wir nament-
lich haufigec Uberall Culiciden, ferner Bienen, Wespen, Ohrwttrmer,
von Fliegen die Sarcophaga earn aria L., die gemeine Fleisch-
f liege, und Horaalom yia canicular is L., die Hun dstagsf liege.
Es ist moglich, daB letztere hie und da als Stubenfliege mitgezahlt ist.
Jedoch wird dadurch keine Fehlerquelle bedingt, soweit die hygienischen
Unterschiede zwischen Stallfliegenplage und Stubenfliegenplage dieser
Arbeit in Betracht kommen. Auf Aborten waren die Streifen hiiufig
iibersat mit Limosina limosa Fall.
In den Wohnungen fand sich die Stailfliege regelmaBig, wenn sic
unmittelbar mit Stallungen verbunden waren. Liegen Stallungen, Huf-
beschlagplatze, Haltepliitze etwas entfernt, so beobachtet man von Juli
bis Oktober, besonders im September und Oktober, vereinzelte Stticke
in den Zimmern. Bis zu 200 m Entfcrnung von der Stallung wurden
Stallfliegen in menschlichen Behausungen angetroffen.
Gang der Temperatnr.
Ueber die Temperatur des Jahres 1915 sagt der Bericht des Zen-
tralbiiros ftlr Meteorologie und Hydrographie zu Karlsruhe folgendes:
Das Jahr 1915 ist, als Gauzes genommen, etwas zu warm und im groBten Teile
de- Landes zu nail gewesen. 7 Monate — Marz, April, Juni bis November — hatten
zu niedrige, die anderen dagegen, besonders der Dezember, hatten so hohe Mittel-
temperaturen, daB sich in den Jahresdurchschnitten ein UeberschuB von rund */ 4 ° er-
geben konnte. in den beiden ersten Monaten ist starkerer Frost nicht aufgetreten, im
November dagegen ist das Thermometer so tief gesunken, wie bisher noch nie in diesem
Monat, und bald darauf ist im Dezember, der ganz ungewfihnlich warm ge-
wesen ist, mehrmals die bis dahin als hochste Dezembertemperatur
bekannte erheblich fibertroffen worden. Im Juni, der warmer als Juli und
August gewesen ist, sind die hfichsten Thermometerstande des ganzen Jahres
beobachtet worden.
Das Jahr 1916 wird folgendermaBen gcschildert:
Das Jahr 1916 ist, als Ganzes genommen, zu warm und zu reich an Nieder-
schlagen gewesen. Nicht weniger als 8 Monate — Januar bis Mai und Oktoher-De-
zember — hatten zu hohe, dagegen nur 4 — Juni-September — zu niedrige Wiirme-
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192
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mittel, so daS sich in den Jahresmitteln ein Warmeiiberschufi von a l t —l 0 ergeben
bonnte; auf den Hohen hat dieser nicht ganz 1 / i ° erreicht. Einem ungewohnlich
warmen Januar, der die gleichen Temperaturmittel wi e der M arz hatte,
steht ein ebenso kiihler Juni gegeniiber. Der Februar war der kalteete Monat. Ent-
sprechend dem milden Charakter der kalteren Jahreszeit ist strengerer Frost nirgends
aufgetreten, andererseits ist auch in dem kiihlen Sommer das Thermometer niemals
hocn geetiegen. Der Gang der Temperatur des Jahres 1916 ist aus der Kurve zu er-
sehen.
Im Jahre 1917 herrschte Ende Januar und Anfang Februar starker Frost.
Jan. 1 Febr. 1 M3rz 1 April | Mai
Juni
Juli
Aug.
Sept
Okt.
No*.
Dez.
Zahl der Stallfliegen in den
Rinderstallen und der Stuben -
fliegen in den Pferdestallen
auBerhalb StraBburgs 1916.
264
A
/ \
239
/ N S
/ ^
/
\ /
20*-'
/ \
\
>
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\
1
Stubenfliegen_
Stallfliegen
7
7
177/
1
1
17,5
17.5
r \
\
\ 175
\
Temp
eratur .
1/ 14,4
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•7
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J
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139,8l\
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9
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33%
J--.3A
^15.84
13 |
Kurve 1.
Urn das Vorkommen der beidcn Fliegenarten nach den verschiede-
nen Kaumgruppen und den Jahreszeiten verglcichen zu konnen, haben
wir die Zahl der Fliegen in den Gruppen jeweils auf cinen Streifen be-
rechnet (vgl. Tab. II—VII). Dabei muiJ beachtet werden, dab die Zu-
nahme der Streifen in den Sommermonaten wahrscheinlich nicht gleichen
Schritt mit der Vermehrung der Fliegen gehalten hat und infolgedessen
die Somnierzahlen noch verhaltnismabig niedrig sind.
Tabelle
Zahl der Stubenfliegen (obere Reihen) und der
1915
|
1916
Gesamtzahl in
alien Raumen
121
8,4
70
2,2
75
6,2
73
6,3
30
1,3
28
3,7
29
0,75
79
5,6
58
1,9
21
0,4
114
2,5
I n Rinderstallen
231
43,65
124
21,77
125
108,97
161
138,43
101
25,90
96,37
63,28
18
47,5
35
207,45
27
85,0
188
75,25
288
95,25
In Pferdestallen
•
•
•
82,02
0,17
53,44
4,73
58
0,96
54
0,99
71
0,17
57
0,48
156
2,04
In menschlichen
Wohnungen
92,68
0,057
64,39
0,056
72,9
0,057
69.0
0,054
6,06
0,030
17,93
0,008
9
0,02
39
0,91
15
0,02
28
0,11
71
0,34
Juli
Aug.
Sept.
Okt.
Nov.
Dez.
Jan.
Febr.
Marz
April
Mai
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Kuhn, Untersuchungen fiber die Fliegenplage in Deutschland.
193
Die Stubenfliegenmcngen nach den Ranmgrnppen.
Die Stubenfliegen aus StraBburg und den ilbrigen Beobach-
tungsstellen zusammen sind ebenso zahlreich in den Rinder- wie in
den Pferdestallen. Sie machen in jeder dieser Raumgruppen das
Doppelte als in den Wohnungen aus. Nehmen wir StraBburg allein,
so sehen wir, daB die Zahl der Stubenfliegen in den Rinderstallungeai
viel hoher ist, als in den Pferdestallungen. AuBerhalb StraBburgs ist
dies Verhaltnis umgekehrt. Die absoluten Zahlen der Stubenfliegen sind
in StraBburg uberall hoher als auBerhalb. Wahrend der warmen Monate
1916 ist die Durchschnittszahl der Stubenfliegen aus StraBburg und
den tibrigen Beobachtungsstellen zusammen genommen in Pferde- und
Rinderstallungen etwa gleich hoch und liber doppelt so lioch, als die
ZaRl in den Wohnungen. Ihre Zahl in den Schweinestall ungen, die
nur auBerhalb StraBburgs beobachtet sind, ist sowohl im Jahresdurch-
schnitt wie im Durchschnitt der warmen Monate etwa der der Woh¬
nungen gleich.
Um nach den Griinden fiir diese Unterschiede zu forschen, miissen
wir fragen, welche Einfltisse auf den Aufenthalt der Fliegen einwirken.
Die Fliegen finden sich in den Raumen, in denan sie ihre Eier
ablegen, ausschltipfen, ihr Nahrungsbediirfnis befriedigen, Schutz gegen
die Unbilden der Witterung finden und von Mitbewerbern nicht be-
drangt werden. Da sie in den Wohnungen weder Eier ablegen, noch in
Mengen ausschltipfen, so diirfte das Ueberwiegen in den Rinder- und
Pfeidestallen gegentiber den Wohnungen aufgeklart sein. Es bleibt
jedoch zu erforschen, ob die Schweinestalle ebenso wie die Wohnungen
nur zur Befriedigung des Nahrungsbediirfnisses und zum Schutz gegen
Unbilden oder als Brutstatten dienen. Aus den Gesamtzahlen der
Stubenfliegen in den Rinder- und Pferdestallen ist nichts Naheres mit
Sicherheit zu schlieBen. Die Zahlen auBerhalb StraBburgs konnen so
gedeutet werden, daB die Stubenfliege haupts&chlich an die Pferde¬
stallungen gebunden ist. Das wtirde zudenFeststellungenHewitts(1908)
passen, der angibt, daB man die groBe Mehrzahl der Larven im Pferde-
dung findet. Dei StraBburger Zahlen, die dem entgegenstehen, sind ver-
mutlich darauf zurtickzuftihren, daB die Pferdestalle in StraBburg
haufiger und grtindlicher ausgemistet wurden, und daB der Dung haufi-
ger abgefahren wurde als auf dem Lande. Immerhin fordern die niedri-
gen Zahlen in den StraBburger Pferdestallungen dazu auf, daB noch
II.
Stallfliegen (untere Reihen) in StraBburg i. E.
1916 | 1917
141
132
181
107
92
46
20
13.6
7,07
14
23
31
2,2
o 6
5,7
7
6,2
3,8
2
2,69
3,30
4,77
15,5
5,4
362
347
390
342
165
126
59
15
7,6
14,8
22
23
74,20
108,35
163,95
188
158,55
81,00
34,80
12,1
4,63
6,07
21,4
7,8
208
214
273
239
153
79
28
.
3,19
4,19
13,13
15,93
14,09
10,29
3,9
97
87
131
127
59
26
10
10
5,2
14,23
25
47
0,55
0,29
0,62
1,10
0,80
0,45
3,59
2,7
0,57
2,17
3.8
0,90
Juni
Juli
! A.ug. i
Sept.
Okt.
i Nov.
Dez.
Jan.
Febr.
1 Miirz
April
Mai
Erste Abt. Orig. Btl. 88. Heft 3. 13
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194
Centralbl f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
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Tabelle
Zahl der Stuben fliegen (obere Keihen) nnd der
1915
1916
Gesamtzahl in
alien Raumen
286
186
180
105
34
28
7,8
5
5,6
39
88
0,57
0,51
2,9
4,6
2
0,25
0,33
0,15
0,04
0,21
1,31
In Rinderstallen
322
132
185
79
143
43
3,33
19
60
59,15
200,40
74,0
17,5
15,5
11,2
1
0,20
4,6
In Pferdestallen
554
372
543
135
95
16
1,5
78
4,7
18
177
1,23
1,79
13,11
7,06
6,05
1,23
0,72
0,50
0,01
0,40
1,97
In Schweinestall.
260
145
201
69
197
22
32
2,7
17
42,66
9,11
4
0,5
1
4
0
0
0,5
In menschlichen
Wohnungen
240
148
149
90
43
7
5,1
5.0
5,5
63
36
0,48
0,33
1,28
0,69
0,55
0,01
0,03
0,03
0,04
0,03
0,03
Juli
Aug.
Sept.
Okt.
Nov.
Dez.
| Jau.
Febr.
Marz
April
Mai
Tabelle
Zahl der Stubenfliegen (obere Reihen) und der
1915
1916
Gesamtzahl in
alien Raumen
203,5
4,48
128
1,35
127,5
4,55
89
5,45
32
1,65
28
1,97
18,4
0,54
42
2,87
31,8
0,97
30
0,30
|
101 1
1,90 |
In Rinderstallen
•
•
223
84,6
146
169,4
143
49,9
87
40,39
80.5
31.5
39
109,3
30
43
103,5
37,7
174
49,9
In Pferdestallen
•
•
•
88
3,11
34
2,98
29,75
0,84
66
0,74
37,85
0,09
37,5
0,44
166,5
2,00
In Schweinestall.
•
•
•
•
.
•
•
•
•
•
In menschlichen
Wohnungen
166
0,26
106
0,19
no
0,66
79
0,37
24 | 12
0,29 0,009
7,0
0,025
22
0,47
10,2
0,03
45,5
0,07
53,5
0,18
Juli
Aug.
Sept.
Okt.
Nov.
Dez.
Jan.
Febr.
Marz
April
Mai
weitere Untersuchungen fiber das Vorkommen der Fliegen in
den verschiedenen Bitumen vorgenommen werden; sie mfissen litre Er-
ganzung durch genaue zahlenmaBige Feststellungen fiber die Menge der
Larven und Puppen in und bei den Stallungen erhalten.
Die Stalltliegcnmengcn nach den Raumgruppen.
Bei den Stallfliegen zeigen die Jahresdurchschnittszahlen aus
Strafiburg und den Ubrigen Beobachtungsstellen zusamraen
cine starke Bevorzugung der Rinderstalle. Sie sind etwa neunmal so
stark wie die Wohnungen befallen. Nach den Durchschnittszahlen
der warmen Monate der gleichen Tabelle sind die Stechfliegen in den
Rinderstallungen 7 inal so stark wie in den Pferdestallen und 70mal
so stark wie in den Wohnungen vertreten. In StraBburg allein
machen die Stallfliegen in den Pferdestallen nur etwa 1 / 20 und in den
Wohnungen 1 / 23 der Menge in den Einderstallen aus. In den Sommer -
monaten nehmen die Zahlen in den Pferdestallen und den Wohnun-
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Kuhn, Untersuchungen iiber die FliegeDplage in Deutschland.
195
III.
Stallfliegen (untere Reihen) auBerhalb StraBburgs i.E.
1916
1917
98
97
122
101
50
24
i
7
4,9
0,59
0,04
0,5
7,5
3.4
3,8
9,5
22,8
16,15
7,14
2,78
5,41
0,37
0,24
0,75
2,40
83
115
118
69
29
27
8,4
9,9
0,65
0,07
1,22
9,9
10
33,39
66,46
139,81
106,25
33,79
15,84 1
16,18
0,89
0,43
2,11
5,3
239
204
264
175
101
33
13
11
1,1
0
0,55
6
4,5
3,88
13,29
45,59
38,53
11,13
3,20
3,5
0,96
0,10
0,86
2,4
103
139
77
59
32
15
4,8
0,94
0,42
0,05
2
5
12,9
17,19
20,38
30,77
13,47
8,94
2,97
0,37
0,10
0,02
1
2,3
73
57
151
98
48
22
7
2,1
0,48
0,03
0,18
6,7
1,9
1
0,88
3,50
3,85
1,62
1,13
0,43
0,32
0,07
0,13
0,13
0,9
Jnni
Juli
! Aug. i
Sept.
Okt. |
Nov. |
Dez.
Jan. |
Febr.
! Marz
April
Mai
IV.
Stallfliegen (untere Reihen) in StraBburg i.E. und auBerhalb.
1916
1917
119,5
114,5
151,5
134
71
35
13,5
7,4
3,83
7,02
11,7
19,2
2,8
3,2
9,6
14,9
11,17
5,47
2,39
4,6 4
1,83
2,5
8,1
3,9
222,5
231
254
205,5
97
76,5
33,7
12,45
4,12
7,4
11,60
16,4
42,1
70,8
115,2
163,9
132,4
57,3
25,3
14,14
2,76
3,25
11,75
6,5
223,5
209
268,5
207
127
56
20.5
3,84
4,03
13,21
30,76
26,31
10,71
3,56
.
.
85
72
141
112,5
53,5
24
8,5
6,05
2,84
7,1
12,59
26,8
1,22
0,58
2,06
2,47
1,21
0,79
0,51
1,51
0,32
1,15
1,96
0,93
Juni
Juli
! Aug.
| Sept.
Okt.
Nov.
| Dez.
| Jan.
| Febr.
| Marz
| April
| Mai
gen verhaltnismaBig zu. AuBerhalb StraBburgs ist die Zahl der
gefangenen Stomoxys im Jahresdurchschnitt in den Pferdestallen
etwas weniger als x / 4 und in den Wohnungen etwas weniger als y 40
der Zahl in den Rinderstallen. Ftir die warmen Monate handelt es sich
fast uni y 3 bzw. 1 / 30 di^ser Zahl.
In den Schweincstallen auBerhalb StraBburgs sind fast dieselben
Mengen von Stallfliegen wie in den Pferdestallen gefangen.
Das TJeberwiegen der Stallfliegen in den Rinders tall ungen ist sehr
auffallcnd und wohl in erster Linie dadurch zu erklaren, daB sie ihre
Eier hauptsachlich im Mist dieser Raume oder in den Dunghaufen
neben den Station ablegen. Daftir sprechen Beobachtungen von W 1 1 -
hclmi (1917). AuBerdem muB man daran dcnken, daB die Stomoxys
ebenso wie Culex und Anopheles in 1. Linie ihr Nahrungsbedtirfnis
an den Rindern stillt. Auch filr diese Frage sind genaue umfassende
Untersudiungen notwendig.
13*
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Tabelle V.
Zahl der Stubenfliegen (obere Reihe) und der Stallfliegen (untere
Reihe in Strafiburg i G. 191b.
Mittel der
warmen Mo-
nate
Jahresmittel
|
Mittel der
warmen Mo-
nate
Jahresmittel
Gesamtzahl in
136
90
Pferdestalle
207
132,5
alien Raumen
4,3
3,4
8,76
5,79
Rinderstalle
315,7
195,5
Menschliche
95,3
58,25
131,3
110
Wohnungen
0,61
0,48
TabeUe VI.
Zahl der Stubenfliegen (obere Reihe) und der Stallfliegen (untere
Reihe) aufierhalb StraSburgs 1916:
Mittel der
warmen Mo-
nate
Jahresmittel
Mittel der
warmen Mo-
nate
Jahresmittel
Gesamtzahl in
92,7
53,7
Schweinestalle
71,1
58,3
alien Raumen
5,7
5,6
15,87
9,34
Rinderstalle
79,0
62,3
Menschliche
77,2
47,55
1,12
Pferdestalle
60,1
193,33
17,96
36,5
109
10,31
Wohnungen
2,0
Tabelle VII.
Zahl der Stubenfliegen (obere Reihe) und der Stallfliegen (untere
Reihe) in StraSburg i. E. und auflerhalb 1916.
Mittel der
warmen Mo-
nate
Jahresmittel
Mittel der
warmen Mo-
nate
Jahresmittel
Gesamtzahl in
115,3
72
Pferdestalle
200
120,75
alien Raumen
4,4
4,7
13,36
8,05
Rinderstalle
1,97
128.90
) Menschliche
86,0
52,9
95,7
73,25
Wohnungen
1,3
0,80
Yergleich der Mengen beider Fliegenarten.
Wir betrachten jetzt das Verhaltnis der Zalil der Stubenfliegen
zu der ihrer Genossen. Aus den S. 191 mitgeteilten Gesaratzahlen wissen
wir bereits, dab erstere die letzteren uni das 7 fache an Zahl tiberwiegen.
DioDurchschnittszahlen fur 1916 sowohlwie fur die Zeit von Juli 1915 bis
Mai 1917 (Tab. VII) lehren zunachst, dab die Stallfliegen in den Wohnungen,
den Pferde- und Schweinestallen gegeniiber den Stubenfliegen erheb-
ilcli zuriicktreten. In den Rinderstallen riickt ihre Menge an die Zahl
der nicht stechenden Art nailer heran. Auch die Durchschnittszalilen
der Sommermonate 1916 zeigen das gleiche. Hier steht sogar die
Zahl der Stallfliegen in den Rinderstallen der der Hausfliege ganz nahe.
Weiter betrachten wir die monatlichen Unterschiede der Zahlen
des Jahres 1916 bei beiden Fliegenarten. Die Tabellen geben uns
folgendc Auskunft:
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Kuhn, Untersuchungen uber die Fliegenplnge in Deutschland.
197
Die Stubenfliegen tibertreffen die Stallfliegen an Zahl im Jahres-
durchschnitt und im Durchschnitt der warmen Monate Mai—Oktober
in alien Raumgruppen. Dieser Unterschied ist in den Wohnungen, den
Pferde- und Schweinestallen erheblich. AuBerhalb StraBburgs ist die
Zahl der Stubenfliegen in den Wohnungen, den Pferde- und Schweine¬
stallen, nicht nur im Jahresdurchschnitt, sondern auch in alien Monaten
hbker als die der Stallfliegen. In den Rinderstallen iibertrifft die
Zahl der Stallfliegen vom September bis Dezember 1916 die ihrer Ge-
nossen. In StraBburg tritt die Stubenfliege in den Wohnungen und den
Pferdestallen starker auf als die Stallfliege, in den Rinderstallen fiber -
wiegt die Stallfliege wahrend der Monate Januar bis Marz 1916.
Das Vorkommen der Stallfliegen ist wahrend des Marz und
Aprils 1916 auBerhalb StraBburgs in alien Raumgruppen sehr sparlich.
Im Marz und April 1916 wurden sie in Schweinestallen uberhaupt
nicht gezahlt. Diese Feststellung entspricht der Beobachtung Wil-
helmis, der sie in kalten Stallungen wahrend des Januars
und Februars gar nicht mehr, soweit es sich um warmere oder geheizte
handelte, nur ganz sparlich antraf. In StraBburg wurden die Stallfliegen
ebenfalls in Wohnungen und Pferdestallen wahrend des Winters und
Fruhjahrs 1916 sparlich gefangen, aber in den Rinderstallen das
ganze Jahr hindurch in groBen Mengen. Wie wir oben bereits
besprochen haben, zeitigten hier die Monate Januar bis Marz viel mehr
Stallfliegen als Stubenfliegen.
Die Menge der Stubenfliegen geht wahrend der kalten Monate 1916
in keiner Raumgruppe so zuriick wie die der gemeinen Stechfliege.
Sie hcrrscht das ganze Jahr hindurch uberall in anschnlichen Mengen.
In StraBburg sind die Jahresdurchschnittszahlen sowohl wie die Durch-
schnitstzahlen der Monate Mai bis Oktober geringer als die auBerhalb
festgestellten. Das ist besonders bei den Rinderstallungen auffallig.
Das Ueberwintern der Fllegcn.
Wilhelmi niinmt mit Haecker (1916) an, daB die
Stubenfliege hauptsachlich im flugfahigen Zustand, die Stallfliege da-
gegen als Larvc oder Puppe Uberwintert. Wilhelmi vermutet, daB
die Lebensdauer der Stallfliege Uberhaupt nur 3—4 Monate umfaBt,
und daB nur solche Individuen Uberwintern, wclche erst im Spatherbst
ausgeschlupft sind. Die Beobachtungen in den Rinderstallen zu StraB¬
burg, in denen die Stechfliege auch wahrend der Wintermonate sehr
stark vertreten ist, scheinen cliesen SchluBfolgerungen zu widersprechen.
Wir gcwinnen hierzu einen neuen Gesichtspunkt, wenn wir das An-
steigen der Stallfliegen in StraBburg wiihrend des Februars in den
Rinderstallen und in den Wohnungen, ferner das Ansteigen der Stuben¬
fliegen in StraBburg in den Pferdestallen und Wohnungen im Februar
sowie auBerhalb StraBburgs in den Rinder- und Schweinestallungen
im Januar, in den Pferdestallen im Februar beachten. Es folgt einem
ungewohnlich starken Anstieg der Temperatur um die Jahreswende
1915/16, wie er in den Karlsruher Wetterberichten oben geschildert ist.
Ich halte es fUr inbglich, daB die starke Zunahme der gefangenen
Fliegen weniger einer vermehrten Flieglust, als einer starken Verrach-
rung der Fliegen beider Arten durch beschleunigte Entwicklung infolge
der anormal hohen Temperatur entspringt. Wenn dieser SchluB zu-
treffen sollte, dann brauchte man das haufige Vorkommen der Stuben¬
fliegen wahrend der kalten Monate nicht als Zeichen lingerer Lebens-
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198
Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
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dauer aufzufassen, sondern es kbnnte durch das Heranwachsen neuer
Fliegen erklart werden.
Ftir diese Auffassung sprecheu auch die Fliegenzahlungen wahrend
der Monate Januar bis Mai 1917. In den Strafiburger Rinderstallen
z. B. stehen die Zahlen der Stechfliegen denen der Stubenfliegen nicht
erheblich nach. Von beiden Arten finden sich soviel Stucke, daB jeder
Streifen mit mehreren besetzt ist. Und auf dem Lande, wo es sich
nur noch um Privatstallungen handclt, sind die Stubenfliegen gleich
den Stallfliegen im Februar, Miirz und April nur noch ganz sparlich
in alien Raumgruppen vorhanden. So wurde beispielsweise im Marz
erst an jedem 14. Streifen eine Stubenfliege in den Rinderstallen ge-
funden, wahrend bereits fast an jedem 2. Streifen eine Stechfliege
klebte. Weiter fand sich in den PferdestAllen im Marz keine einzige
Stubenfliege, wahrend doch an jedem 10. Streifen eine Stomoxys
gefunden wurde.
Will man dem obigen Gedankengang folgen, so kann man anneh-
men, daB die Flugfahigen in den Stallungen Strafiburgs wahrend der
Wintermonate 1917 zumeist frisch ausgeschlttpft sind, und braucht
keinen Unterschied in den Bedingungen des Ausschltipfens anzunehmen.
Diese Beobachtungen sprechen dafiir, daB es hauptsachlich wohl von
ortlichen Temperaturverhaltnissen abhangt, ob die Fliegen, die Stuben¬
fliegen sowohl wie die Stallfliegen, wahrend des Winters im flug-
fahigen Zustand auftreten.
Die Betrachtungen iiber das Vorkommen der Stallfliegen in den
kalten Monaten der drei Jalire sind auch far die Epidemiologie der
Seuclien nicht gleichgaltig. Ich muB hier Wilhelmi widersprechen,
der auf Grund seiner Ermittlungen die Stomoxys calcitrans als ein-
zigen Erreger von perennierenden Seuchen von vornherein ausschalten
will, ihr also eine Rolle nicht zutraut, wie sie z. B. Anopheles bei
Malaria besitzt. Nach unsereii Zahlen kann sie diese Rolle wohl spielen.
Der Verlauf der Fliegenplagen.
Wir gehen jetzt dazu Uber, den Beginn und Verlauf der beiden
Piagen nach den Monaten zu betrachten. Bei den Gesamtzahlen aller
Fliegen aus alien Raumen Strafiburgs und aufierhalb fallt folgendes
auf. Der April 1916 zeigt sowohl far die Stubenfliegen wie fUr die Stall¬
fliegen die niederste Zahl (30 und 0,30). Sprunghaft. setzt im Mai
bei beiden Fliegenarten die Zunahme ein. Die Zahl der Stubenfliegen
steigt auf 101, halt sich 3 Mon. lang etwa auf gleicher Hohe, um
im August mit 151,5 den hochsten Stand zu erreichen. Die Zahl der
Stallfliegen steigt im Mai auf 1,90, nimmt weiter zu bis 3,2 im Juli,
um dann im August erneut emporzuschnellen, und zwar auf 9,6; mit
14,9 wird der hochste Stand im September erreicht. Der Abfall der
Zahlen in der kUhlen Jahreszeit ist wieder ganz verschieden. Die Stu¬
benfliegen fallen im September etwas ab ion 151,5 auf 134. Im
Oktober ist die Zahl (71) bereits geringer als die im Mai.
Im Dezember fallt die Zahl (13,5) unter die des April. Bei der
Stallfliege hat der Oktober mit 11,17 eine hohere Zahl als der August.
Der November zeigt eincn starken Abfall auf 5,47. Diese Zahl aber-
trifft. aber sogar die des Juli noch erheblich und der Dezember steht
mit 2,39 noch iiber dem Mai.
In den Rinderstallen setzen die liohen Zahlen bei den Stubenfliegen
im April ein; die Hochstzahl (254) weist wieder der August auf.
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Kuhn, Untersuchungen iiber die Fliegenplage in Deutschland.
199
der September ergibt noch 4 / 5 der Zahl des August, der Oktober geht
hinter den April zuriick, der Dezember erreicht etwa den Stand des
Marz. Die Stallfliegen halten sich von Marz bis Juni etwa auf
gleicher Hohe. Im Juli erfolgt eine deutliche Zunahme. Der Ilohe-
punkt wird im September erreicht, der Oktober ist noch reicher an
Stallfliegen als der August, der November steht noch iiber dem Juni.
In den Pferdestallen verhalten sich die Zahlen etwa so, wie bei den
oben besprochenen Gesamtzahlen.
Im ganzen tritt also die Stubenfliegenplage von April, Mai bis
zum September, Oktober auf und hat ihren Hohepunkt im August, wah-
rend die Stallfliegenplage sich von Juni, Juli bis November, Dezember
erstreckt und den Hohepunkt erst im September aufweist.
Die Stubenfliegenplage setzt also eher ein und hbrt eher auf
als die Stallfliegenplage. Diese Verschiedenheit des Verlaufs ist von
grofier Bedeutung, z. B. fiir die Untersuchung, welche Krankheiten von
den Stubenfliegen und welche von den Stallfliegen verbreitet werden.
Ich hoffe, hierauf in einer besonderen Arbeit naher eingehen zu konnen.
Wie ist das yerschledene Einsetzen beider Fllegenplagen
zu erkl&ren?
Die nachste Frage, welche sich uns aufdr&ngt, ist die nach einer
Erklhrung filr das verschiedene Einsetzen beider Pliegenarten. Wenn
wir von unbekannten inneren Ursachen absehen, wie sie die Fort-
pflanzungszeit jeder Art und Gattung in der Tierwelt beeinflussen, so
ist es wohl das einfachste, die Entwicklungsdauer heranzuziehen. Das
Schrifttum enthalt folgende Angaben Uber sie:
Hewitt (1908) gibt nach seinen und anderen Beobachtungen fiir die Hausfliege
in England 8—10 Tage bei heifiem Wetter, fur gewohnlich 12—20 Tage an. Wil-
helmi (1917) berichtet, daB die Oesamtdauer der Entwicklung zur Imago bei der Stall-
fliege nach Newstead in England normalerweise 25—37 Tage, bei etwaa trockener
Nahrung und bei Lichteinwirkung jedoch 42—78 Tage, nach Portschinsky in Stid-
rnBland 36—38 Tage betragt. Nach Bishopp betragt sie in Amerika unter giinstigen
Cmetinden 23—32 Tage.
Wenn wir die Angaben von Hewitt und von Newstead fUu
beide Fliegenarten gegeneinander halten, die wohl unter den gleichen
Bedingungen in England gewonnen sind, so ersehen wir, daB die Stall-
fliege mehr Zeit zur Entwicklung notig hat, als die Stubenfliege. Hier-
bei ist die Annahme von Wichtigkeit, daB die Stallfliege etwa die
gleiche geschlechtliche Rcifezeit durchzumachen hat, wie die Stuben¬
fliege. Hewitt berechnet diese Reifezeit bei der Hausfliege auf
10—14 Tage, Wilhelmi gibt an, daB die Stallfliege nach Mitzmaln
9 Tage zur Reife braucht. Mit dieser Feststellung ware ein spateres
Einsetzen der Stallfliegenplage ohne weiteres crklart.
Die Zuchtversuche, welche Bo do von Bodcmeyer zur KLarung
der Frage Anfang 1916 in der Baktcriologischen Anstalt zu StraB-
burg unternahm, batten bei den Stallfliegen abweichende Ergebnisse.
Er w&hlte ein vollkommcn trockcnes, sauberes und sterilisiertes Ter¬
rarium, legte es 10 cm hoch mit frischem Dung aus, der unmittel-
bar von Ktihen genommen war, bedecktc diesen mit einer Heuschicht.
und setzte gesunde Meerschweinchen hinein, welche sowohl das Blut
ftir die Stechfliegen liefern, als auch den Dung vor dem Eintrockncn
srhutzen sollten. Die Temperatur wurde durch eine Gasflamme an
der Unterseito des Terrariums dauernd auf 17—20 °C gehalten. Bei
einem grbBeren Versuche betrug die Zeit von der Eiablage bis zum
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Ausschltipfen der Stallfliegen 13, bei einem andercn 14 Tage. Bei
starker Gewitterschwiile beobachtete v. Bodemeyer spater auch fruh-
zeitige Stomoxys-Zuchten vom 11. Tage ab. Bei der Stubenfliege
ergab ein einmaliger Versuch ebenfalls eine Entwicklung von 10—14
Tagen. Nach diesen Ermittelungen koramt die Entwicklungsdauer beider
Fliegenarten filr die Erklarung des spaten Einsetzens der Stallfliegenzeit
nur dann in Betracht, wenn sich erweisen liebc, dab die Stallfliegen bei
niedrigen Temperaturen langere Zeit brauchen als die Stubenfliegen.
Ueber den Einflub der Temperaturgrade auf die Entwicklung fin-
den wir im Schrifttum noch folgende Angaben:
Nach Hewitt vollzieht sich die Entwicklung der Hausfliege in 8—9 Tagen bei
einer Temperatur zwischen 22, 23 und 35° C. Bei 40° gehen die Larven zugrunde.
Bei Temperaturen unter 22° dauert die Entwicklung langer. Genaue Versuche bei
solchen Temperaturen werden jedoch von Hewitt nicht berichtet. Wilhelmi beob¬
achtete bei kiihler Temperatur eine Verzogerung der Entwicklung aller Stadien von
Stomoxys; insbesondere gibt er an, daS er bei Temperaturen unter 16° kein Aus-
schliipfen bemerkte. Bei Temperaturen unter 11, 12° C fliegen die Stallfliegen nach
Wilhelmi draufien nicht mehr umher.
Seine Beobachtungen machte er z. T. an der Nachkomraenschaft
von Stallfliegen,-die von Ende September bis Mitte November in Ver-
suchsglasern gehalten war. Diese Behiilter scheinen mir nicht geniigend
gegen Austrocknung geschtitzt gewesen zu sein. Ferner beobachtete
er Larven in einem Glasrohrchen. Es bedarf wohl keiner besonderen
Ausftihrung, dab letztere fur solclie Untersuchungen ungeeignet sind.
Die vorliegenden Beobachtungen geben mithin kein lticke-nloses
Bild von dem Einflub der Temperatur auf die Entwicklungsdauer-
Sowohl bei der Stubenfliege wie bei der Stallfliege fehlen genaue Ziich-
tungsversuche bei niederen Temperaturen. Es bleibt jedoch auffallend,
dab wir bei der Stallfliege den entwicklungshemmenden Einflub kiihler
Temperaturen viel mehr betont findcn, als bei der Stubenfliege. Es ist
mithin moglich, dab die Entwicklungsdauer der Stallfliege in
den ktihleren Monaten April und Mai gegeniiber den heiben Monaten.
des Jahres eine grobere Verzogerung erfahrt, als die der Stubenfliegen.
Eine starke Widerstandsfaliigkeit der Stubenfliege wiirde es auch er-
klhren, wenn die Stubenfliegen in den Wintermonaten zalilreicher vor-
kiimen, als die Stallfliegen, sei es dab man annimmt, es handelt sich
urn iiberwinternde Flugfahige, sei es dab man an die S. 197 erort-erte*
Mdgliclikeit des fortwahrenden Ausschliipfens denkt.
Als weitere Entwicklungseinfliisse gibt Hewitt bei der Stuben¬
fliege die Nahrung, die Feuchtigkeit und die Giirung des
Mitt els an.
Die Nahrung scheidet fur unsere Betrachtung hier wohl aus, weil
sowohl Stubenfliegen wie Stallfliegen fur ihre Larven zu alien Jahres-
zeiten Nahrung im Stall in genugender Menge vorfiiylen.
Dagegen ist es moglich, dab die Feuchtigkeit des Mittels, die bei
beiden Arten fur das Gedeihen der Larven notig ist, bei den Stallfliegen
noch mehr ins Gewicht fallt als bei den Stubenfliegen. Sollte es der
Fall sein, dann mtlbten genaue Beobachtungen angestellt werden, oh
zur Friilijahrszeit durch die klimatischen Verhaltnisse an sich oder
etwa durch die landwirtschaftliche Behandlung des Mistes die Bedingun-
gen filr die Larven der Stallfliegen gegeniiber denen der Stubenfliegen
verschlechtert werden. So viel kann man w T ohl ohne weiteres annehmen,
dab das Ausmisten der Stalle und das Abfahren des Dunges auf
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Kuhn, Untersuchungen fiber die Fiiegenplage in Deutschland.
201
die Felder im Friihjahr die Fliegen mit einer. lAngeren Entwicklungs-
dauer empfindlicher trifft als die mit schnellerem Wachstum.
Was den EinfluB der Garung anlangt, so stehen wir liier vor
einer Frage, die noch nicht geklart zu sein scheint.
Hewitt weist auf Carl de Geer hin, der dieses Umstandes zu-
erst mit folgenden Worten Erwahnung tut: „Die Larven dieser Art
leben im Mist, aber ausschlieBlich in solchem, der sehr heiB und feucht
ist oder besser gesagt, der sich im Zustand volliger Garung befindet.“
Auch Newstead kommt zum jgleichen SchluB. Hewitt glaubt, daB
die Garung den Maden die Nahrung bereitmacht. Versuchliche Unter-
lagen hat er fur diese Ansicht nicht. Er nimmt an, daB die Schnellig-
keit der Entwicklung in erster Linie von dem EinfluB der Garung
abhangt.
Diesen Angaben gegen fiber fallt auf, daB Hewitt an einer anderen
Stelle eine Lufttemperatur von 40° fur larven totend erklart. Er meint,
daB die Maden dabei geradezu gekocht wiirden.
Im Gcgensatz zu den Behauptungen des Englanders scheinen weiter
folgende Angaben Roubauds zu stehen, die ich einem Bericht von
M. StrauB (1916) entnehme:
Roubaud weist darauf hin, daB sich im Kubikzentimeter Stallmist in 24 Std.
in der warmen Jahreszeit im Durchschnitt 10 000—20 000 Fliegen entwickeln, und daB
der Mist eines Pferdes ausreicht, um von Juni bis September 160 000—200000 Fliegen
zur Entwicklung zu verhelfen. Die Eiablagerung auf den Mist erfolgt nur so lange,
bis die Garung und Zersetzung des Mistes beginnt. Auf dem garenden Mist werden
keine Eier mehr gefunden, da die bei der Zersetzung entstehende Warmc ffir die aus
dem Ei ausschlfipfenden Larven im Verein mit den Garungsgasen in sehr kurzer Zeit
absolut tod 1 ich ist. Gegen die Gase geschfitzte Fliegen larven gehen bei 50° Gin 3 Min.
zngrunde, ungeschutzte Larven bei 51° C in 5—7 Sek. und bei 60° C in 4—5 Sek.
Da nun garender Mist bereits nach 3 Tagen im Zentrum eine Hitze von 70—90° C
feststellen iaBt, suchen schon nach 24 Std. die ausgekrochenen Larven die Oberflache
auf, von der aus sie sich verbreiten. Wird der garende Mist rasch durcheinander ge-
rfittelt, so konnen 90 Proz. der Larven vernichtet werden.
Die Praxis zeigte, daB eine bestimmte Menge garenden Mistes
genfigte, um den. frischen Mist ausreichend zu erw&rmen. Da-
von ausgehend, empfiehlt Roubaud als die einfachste Fliegen-
bekampfung, den frischen Mist nicht, wie es bisher im Stalle allgemein
iiblich war, auf der Oberflache des schon vorhandenen Dunghaufens aus-
zubreiten, sondern in den gitrenden Dunghaufen zu versenken. Er kann
auch mit einer 20 cm dicken Schicht garenden Mistes bedeckt werden.
Diesen scheuen die Fliegen, weshalb es auch widersinnig sei, anti-
septische und larventotende Substanzen auf den Mist zu geben (Borax,
Kresol, Eisenvitriol), die die Garung behindern und die Eiablage be-
fordern. Das Bedecken der Dunghaufen mit Erde vermindere die Ei¬
ablage in freier Luft, die stets geringer ist als die im Stalle.
Mit diesen Angaben von Roubaud stehen die Beobachtungen
Bo do von Bodemeyers in Einklang, die er gelcgentlich der oben er-
wahnten Zuchtversuche machte. Er fand die Larven fast samtlich nahe
der Glaswand des Terrariums, wahrend die Mitte des Mistbeetes
leer war.
Angesichts solcher Widersprflche ist es ausgeschlossen, die Trieb-
kraft der Garung zur Erklarung der Unterschiede in der Entwicklung
der beiden Fliegenarten heranzuziehen, ehe nicht vbllige versuchliche
Klarheit fiber ihre Wirkungen geschaffen ist.
Wi 1 he 1 mi erwahnt noch die Luftfeuchtigkeit und das Licht.
Die Wirkung der ersteren ist nach den Beobachtungen B. v. Bode-
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202 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
meyers den Fliegen nicht forderlich. Letzterer hat z. B. in feuchten
Treibhausern filr tropische Gewiichse nie eine Stubenfliege beobachtet,
wahrend sie in gewohnlichen Treibhausern in Menge auftraten. Auch das
Versclnvinden der Fliegen nach einem Gewitter, das gegen ihr leb-
haftes Treiben vor dem Gewitter besonders auff&llt, fiihrt er auf die
Luftfeuchtigkeit zuriick. Diese Beobachtungen beziehen sich aber wohl
nur auf die Fliegen selbst; es fehlen genaue Untersuchungen, inwic-
weit starke Luftfeuchtigkeit auf die Maden und Puppcn einwirkt.
Ferner sind Untersuchungen bei jeder Fliegenart notig. Die relative
Fenchtigkeit ist in den Wintermonaten sehr hoch, und cs ware denk-
bar, daB gerade die Stomoxys in dieser Zeit besonders gehemmt
wird. Das Licht ist nach Wilhelmi fur Stomoxys ungtinstig, da
nach seinen Beobachtungen ihre Larven das Licht fliehen. Ob sich die
Maden der Stubenfliege anders verhalten, ist mir nicht bekannt. Es
werden auch in dieser Hins-icht sorgfaltige Untersuchungen anzu-
stellen sein.
Wie ist die frfihzeitlge Abnahine der Stubenfliegen zu erklftren ?
Da die Stallfliegen spater als die Stubenfliegen zunehmen, so ist
es nicht verwunderlich, daB die Stallfliegenplage im August zur Haupt-
zeit der Stubenfliegen noch nicht voll entwickelt ist. Wohl aber ist
es auffallend, daB die Stubenfliegen im September bereits abnehmen,
zu einer Zeit, in der die Stallfliegen immer noch zunehmen. Die
kiilileren Tage konnen kaum schuld sein, weil doch gerade die ge-
meinen Stechfliegen viel empfindlicher zu sein scheinen als ihre Ge-
nossen. Die Wirkung der Kalte auf die Stubenfliegen brauchen wir
nicht eher in Rechnung zu setzen, als zu der Zeit, wahrend der sie bei
der Stomoxys kraftig zu wirken beginnt. Das ist im November
etwa. Als einzige greifbare Ursache des vorzeitigen Absterbens der
Stubenfliege bietet sich uns die Empusa muscae. Bei der Stall-
fliege ist bisher ein ahnlicher Feind in unseren Breiten nicht erwiesen,
wie Wilhelmi angibt. Das Verschwinden der Stomoxys dagegen
beruht auf dem EinfluB der Kalte, welche es ihnen verwehrt, ihre
Nahrung zu suchen.
Wenn wir zum SchluB unsere Beobachtungen noch einmal tiber-
schauen, so werden wir finden, daB die Fliegenfangerei einige wichtige
Ergebnisse gezeitigt, und vor allem eine Reihe von Gesichtspunkten
eroffnet hat, die ftir die Bekampfung der Fliegenplage aussichtsreich
sind, und nach denen weitcre Untersuchungen anzustellen sind.
Zusammenfassung.
1. Von Juni 1915 bis Mai 1917 einschlieBlich warden im ElsaB
und in Baden insgesamt 532 Wohn- und Stallraume mit Fliegen-
streifen der Marke Aeroxon beschickt, um die Fliegenplage zu be-
kampfen und einen Ueberblick liber ihren Gang zu gewinnen. Durch
diese groBe Zahl hoffte ich, bei den Raumen die Zufalligkeiten der
Bauart, der Innentemperatur u. a. Einflilsse auszuschalten. An den
Streifcn fingen sich nicht nur die Stubenfliegen, sondern auch die
Stallfliegen. Von letzteren wurden wie von ersteren an manchen Streifen
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Kuhn, Untersuchuugen iiber die Fliegenplage in Deutschland.
203
1 — 2000 SUick gezahlt. Die Gesamtzahl aller Streifen war 49426, an
ihnen fingen sich 4359 658 Stubenfliegen und 282 202 Stallfliegen.
2. Die Zahl der Stubenfliegen ist in den Wohnungen etwa so hoch
wie in den Schweinestallungen. Es bleibt noch zu erforschen, ob die
Schweinestalle ebenso wie die Wohnraume nur zum Schutz und zur
Befriedigung des Nahrungsbediirfnisses oder auch zur Eiablage dienen.
In den Rinderstallungen sowohl wie in den Pferdestallungen lierrscht die
doppelte Anzahl der Stubenfliegen als in den Wohnungen, wenn man
alle Stallungen zusammen betrachtet. In StraBburg allein ist ihre
Zahl in den Rinderstallungen viel hoher als in den Pferdestallen.
AuBerhalb StraBburgs ist dies Verhaltnis umgekehrt. Die Zahlen auBer-
halb StraBburgs kbnnen so gedeutet werden, daB die Stubenfliege
hauptsachlich an die Pferdestallungen gebunden ist. Das paBt zu den
Feststellungen Hewitts, der angibt, daB man die groBe Mehrzahl
der Larven im Pferdedung findet. Die niedrigen StraBburger Zahlen
sind vermutlich darauf zuriickzufiihren, daB der Dung grtlndlicher
beseitigt wurde als auf dem Lande.
3. Die Stallfliegen bevorzugen die Rinderstalle. Dies erklart sich
dadurch, daB sie nach Beobachtungen von Wilhelmi ihre Eier haupt¬
sachlich im Rinderdung ablegen und vielleicht ahnlich wie die blut-
saugenden Culiciden ihr Nahrungsbediirfnis in 1. Linie an Rindern
siillen. Hierilber sind noch genauere Untersuchungen anzustellen.
4. Die Stallfliegen kommen in Wohnungen vor, die bis zu 200 m
im Umkreis von Stallungen oder Verkehrsplatzen des Viehs liegen.
5. Die Stubenfliegen (ibertreffen die Stallfliegen nach den Ergeb-
nissen der Leimstreifen an Zahl fast durchgehends in alien Wohn-
raumen und zwar zu jeder Jahreszeit.
6. Die Angabe von Wilhelmi, daB die Stallfliegen wahrend
der kalten Monatc stets bis auf wenige Stiicke zugrunde gehen und
darum im Larven- und Puppenstadium (iberwintern miissen, wahrend
die Stubenfliegen zahlreich am Lcben bleiben, muB einer genauen
Nachprilfung unterzogen werden. Sowohl die wahrend des Winters 1916 in
Strafiburg, als auch die wahrend des 1. Halbjahres 1917 in den
Stiillen beobachteten Stallfliegenmengen sprechen gegen die uneinge-
srhrSnktc Gtlltigkeit dieser Ansicht.
Das Ansteigen der Fliegenmengen im Februar 1916 nach unge-
wblinlich warmem Dezember und Januar spricht dafiir, daB Uber-
winternde Fliegen, Stubenfliegen sowohl wie Stallfliegen, wahrend des
Winters ausgeschliipft scin konnen.
7. Die Stubenfliegenplage tritt von April, Mai bis September,
Oktober auf und hat ihren Hohcpunkt im August, wahrend die Stall-
fliegenplage sich von Juni, Juli bis November und Dezember erstreckt
und den Hbhepunkt erst im September aufweist. Diese Verschiedenheit
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204
Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Originate. Bd. 88. Heft 3.
des Verlaufs ist z. B. fur die Untersuchungen tiber die Uebertragung
von Krankheiten durch Fliegen wichtig.
8. Ftir dies verschiedene Auftreten beider Fliegenarten ware, ab-
gesehen von unbekannten inneren Ursachen, zunachst wohl die ver-
schiedeno Entwicklungsdauer an sicli heranzuziehen, wenn die Angaben
im Schrifttura namentlich der Englander zu Recht bestehen. Bo do
von Bodomeyers Beobachtungen ergaben jedoch in meiner Anstalt,
dab die Entwicklungsdauer beider Fliegen bei 17—20° C die gleiche ist.
9. Niedrige Lufttemperatur scheint die Entwicklung der Stall-
fliegen mehr zu hemraen als die der Stubenfliegen. Hieriiber sind noch
eingehende Forschungen vonnoten. Inwieweit ferner die Luftfeuchtig-
keit, das Licht, die Nahrung, die Feuchtigkeit und die Garung des
Mistes von Einflub auf die Entwicklung der Fliegen und somit auf
den unterschiedlichen Gang der beiden Plagen sind, bleibt ebenfalls noch
genau festzustellen.
10. Besonders wichtig scheint mir die Aufklarung der Wirkung
der Garung zu sein, ilber die widersprechende Angaben im Schrift-
tum vorliegen (Hewitt, Roubaud).
11. Es ist auffallend, dab die Stubenfliegen bereits im September
abnelimen, wahrend die manchem Anschein nach gegen Kalte empfind-
licheren Stallfliegen zu dieser Zeit immer noch zunehmen. Man mub
an die Tatigkeit der Empusamuscae denken, um das frtthe Abnelimen
der Stubenfliegen zu erklaren.
12. Eine Wiederholung der Fangversuche unter sorgfal tiger Be-
obachtung aller Umweltseinfliisse erscheint apgezeigt. Bei den Raumen
ist u. a. nicht nur Art und Zahl ihrer Insassen, sondern auch ihre
Bauart, Innentemperatur und der Zutritt der Winde von Bedeutung.
Ferner ist genau zu beachten, wie der Mist beschaffen ist, wie oft
ausgemistet wird, w r ie die Dunggruben in der Nahe angelegt sind und
behandelt werden; auch darauf kommt es an, welches Futter gereicht
wird, und endlich ist der Feuchtigkeitsgehalt der Luft nicht zu vernach-
lassigen.
Schrifttum.
1) S chub erg, A., u. Kuhn, Ph., Ueber die Uebertragung von Krankheiten
durch einheimische stechende Insekten. Teil I, II. (Arb. a. d. Kais. Gesundheitsamte.
Bd. 31. 1911. u. Bd. 40. 1912.) — 2) Uhlenhuth, P., u. Kuhn, Ph., Experimentelle
Uebertragung der Weilschen Krankheit durch die Stallfliege (Stomoxyscalcitrans).
(Zeitschr. f. Hyg. Bd. 84. 1917.) — 3) Wilhelmi, J., Die gemeine Stechfliege. Berlin
(P. Parey) 1917. — 4) Hewitt, Musca domeetica. P. III. (Journ. of Micr. Sc.
Vol. 52. 1908.) — 5) Roubaud, Journ. of the Royal medical corps 1916. Jan. Ref.
von M. Straub. (Med. Klin. 1916.)
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Martini, Die Eidonomie der Flohe usw.
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Naohdruok verboten.
Die Eidonomie 1 ) der Flohe, als Beweis fiir ihre stammes-
geschichtliche Herkunft
[Aus dem Institut fur Schiffs- und Tropenkrankheiten, Hamburg].
Von E. Martini.
Mit 2 Abbildungen im Text.
1) Die Unzulfinglichkeit der heutigen Insektensystematik wurde mir
vor kurzem sehr nachdrficklich zu Gemiite geffihrt, als ich ffir einen
bestimmten Zweck eine einheitliche Uebersicht fiber verschiedene Insekten-
ordnungen brauchte. Ganz auffallig ist der Mangel jedes EbenmaBes.
Einzelne kleine Gruppen einander nahestehender Formen werden in
Unterordnungen und Familien zerlegt, wfihrend an anderen Stellen schon
innerhalb einer Unterfamilie weit groBere Abweichungen vorkommen.
Ganz besonders trifft ersteres auf das System der Flohe zu.
Der Fachmann nimmt es, wie offen ausgesprochen ist, fibel, wenn
man seine Unterordnungen usw. einfach um mehrere Stufen herunter-
setzt, und doch fiberlegt er sich nicht, daB man nicht wohl die Flohe
mit einem Gelenk in der Kopfkapsel und die ohne solches als ebenso
verschieden ansehen kann, wie etwa die symphyten und apokriten
Hymenopteren. Ueber den Wunsch des Spezialisten, daB sein System,
sowie er es gegeben, zur Geltung kommen soli, muB der Allgemein-
zoologe, soli nicht sein System wie eine Ansicht im Vexierspiegel an-
muten, einfach zur Tagesordnung fibergehen, wenn der Spezialist den
allgemeinen Ueberblick und das AugenmaB so sehr verliert, wie es heute
nicht selten der Fall ist.
Aber auch die Grundlagen des heutigen Flohsystems scheinen recht problematisch.
Ou deman a hat sich zweifellos ein Verdienst dadurch erworben, dafi er auf das
Vorkommen und die Verbreitung eines Caput fractum, d. h. einer Kopfkapsel mit
einem Gelenk auf der Ruckseite in der Nahe des Fuhlergrundes, hingewiesen hat.
Wenn er aber in diesem Gelenk einen Rest urspriinglicher metamerer Segmentierung
des Insektenkopfes sieht, so fragt man ihn doch, von welchen Arthropoaen er denn
die Fldhe ableiten will. Da bereits die ursprunglichsten Insekten eine einheitliche
Kopfkapsel haben und Oudemans uns den Nachweis einer Flohlarve mit gegliedertem
Kopfe schuldig geblieben ist, erscheint es ausgeschlossen, das Caput fractum als prim are
Bildung anzusehen. Es hat sicher mit der urspriinglichen Segmentierung des Kopfes
nichts zu tun. Was es aber bedeutet, wissen wir aus dieser Ueberlegung noch nicht,
ebensowenig, ob die urspriinglichen Flohe ein Caput fractum oder Caput integrum
hattcn. Wenn Rothschild t sagt, die Zahl der uns bekannten Flohe ist nocn zu
klein, als daB man mit einiger Sicherheit die Taxonomie dieser Gruppe herausarbeiten
konnte, so liegt doch wohl ein noch erheblicherer Grund fiir unsere Unsicherheit darin,
dafi wir die Vorfahren der Flohe nicht kennen und daher nicht wissen, was ursprunglich
ist und was abgeleitet.
1) Unter Eidonomie verstehe ich denjenigen Zweig der Morphologie, den man
wohl meist als aufiere Anatomie, gelegentlich auch schlechthin Morphologie, — in
engerem Sinne — nennt. Ihm gegeniiber steht die Anatomie, „innere Anatomie*' bei
m&nchen Autoren.
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Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Originate. Bd. 88. Heft 8.
Es stehen sich in Ietzterer Hinsicht verschiedene Auffassungen gegenuber. Die
meisten sehen wohl heute die Zweifliigler als die Ordnung an, aus welchem die Flohe
hervorgingen. Dahin gehen auch die letzten AeuBerungen von H andlirseh in
Schroders, „Handbuch der Entomologie“, sowie in seinera „Fo8silen-Insekten“. In
beiden Schriften glaubt er, fur die Zweifliigler, und zwar deren primitiven Gruppen,
als Aszendenten eintreten zu miissen, unter deutlichem Hinweis auf die Mycetophiliden
und ihre Verwandten. Pack art kam eeinerzeit zu einem ahnlichen Ergebnis. Bei
ihm findet man auch kurze Uebersichten fiber die alteren Meinungen. Die Pulici-
phora-Frage hat eine Losung des Problems nicht gebracht, ebensowenig die Literatur
fiber Platypsyllus und seine Bystematische Stellung. Anklange seines Baues an den
der Flohe sind mehreren Forschern aufgetallen und hatten auch zu einer Einordnung
bei ihnen gefuhrt. Nachdem aber die Kafernatur dieses interessanten Schmarotzers
feststand, sieht man die Uebereinstimmungen mit Flohen wohl allgemein als Analogien
an und ist auf einen genaueren Vergleich nicht zuTuckgekommen (vgl. Cholodkowsky).
2) In dieser unbequemen Lage schien es mir, daG die Ermittlung
der richtigen systematischen Stellung der Fl6he nicht zu schwer sein
konne, um sie nebenher zu erledigen und eine richtige Stellung zu den
bisherigen taxonomischen Versuchen zu gewinnen. Einige erleichternde
Annahmen lassen sich mit groGer Bestimmtheit machen:
a) Die Flohe stammen von Insekten ab, welche bereits holometabol
waren, ehe sie Flohe wurden. Wir sehen nSmlich, daG bei ektopara-
sitischen Insekten eine Neigung besteht, die Metamorphose zuriickzu-
bilden. Nicht nur verlieren Lause und Wanzen die Flugel, so daG aus
aus einer unvollkommenen Metamorphose eine direkte Entwicklung wird,
infolge der Gleichheit der Lebensbedingungen fiir erwachsene und junge,
sondern auch bei den holometabolen Zweifluglern sehen wir, daG bei
hoch ausgebildetem Parasitismus der erwachsenen der Larvenzustand
abgekiirzt wird. Die Enlwicklung wird bei Glossinen und den pupiparen
Familien in den Uterus des Weibcbens verlegt und, wenn die Schaflaus
ihre reifen Larven gebiert und im Felle des Schafes absetzt, wo dieselben
keine aktiven Leistungen mehr vollbringen, verh< sich die morpho-
logische Larve okologisch wie ein Ei, aus dem dann gleich die fertige
Fliege hervorkommt. Der Vorteil der Unterdriickung des vielen Wechsel-
fallen und weit miihsamerer Ernahrung ausgesetzten Larvenstadiums
und die Aufbiirdung aller Lasten der Arterhaltung auf die wohlsituierte
Imago ist ja leicht verstandlich. Unter diesen Umstanden ist es hdchst
unwahrscheinlich, daG die Flohe als solche, d. h. bereits als Parasiten,
die vollkommene Yerwandlung ausgebildet haben sollten.
b) Die Flohe stammen nicht von einer besonderen, heute nicht
mehr lebenden Ordnung, denn es ist hochst unwahrscheinlich, daG
andernfalls sie der einzige uberlebende Zweig ihrer Ordnung sein sollten
und nicht noch irgendwelche freilebende Verwandten iibrig geblieben
sind. Ferner kann man die Entstehung der Flohe erst in einer Zeit
annehmen, wo Fell Oder Gefieder haufig auf der Erde waren. Das
diirfte aber erst vom Eude der Kreide an der Fall gewesen sein, denn
selbst, wenn wir annehmen, daG die Multituberculata ein Haarkleid
hatten, was an sich nicht gesagt ist, so ist deren Zahl doch in den
friiheren geologischen Epochen eine nur maGige gewesen. Aber in
dieser Zeit kennen wir die heute noch lebenden Ordnungen der Insekten.
Von einer anderen, die geeigneter ware, Flohe aus sich hervorgehen
zu lassen, ist im Malm z. B. keine Spur gefunden. Es erscheint daher
wahrscheinlich, daG nicht irgendeine Ordnung ganz in die F15be auf-
gegangen und die Flohe der Rest einer unbekannten, nach der Kreide-
zeit ausgestorbenen Ordnung sind, sondern daG die Flohe aus einer der
bekannten, in der Kreidezeit und auch heute noch existierenden, holo-
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Martini, Die Eidonoinie der Flohe usw.
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metabolen Insektenordnung hervorgegangen sind. Hieraus schon dfirfte
sich die Unwahrscheinlichkeit der Pakartschen Anschauung ergeben.
Im iibrigen rennt man mit dieser Ueberlegung bis zum gewissen Grade
offene Tfiren ein, da weitaus die meisten Versuche, die Verwandtschafts-
verhaltnisse der Flohe zu klfiren, die Notwendigkeit, dieselben von einer
der jetzt lebenden Ordnungen abzuleiten, unbewiesen vorausgesetzthaben.
c) Die Stellung der Flfihe innerhalb der Ordnung, aus der sie
hervorgingen, muB sich viel genauer feststellen lassen, als die Mehrzahl
der bisherigen Ueberlegungen fiber ihre Herkunft annimmt. Denn ira
Malm waren bereits groBe Entwicklungslinien sowohl bei den Kafern
als bei den Zweifluglern getrennt, und man wird eben aus einer dieser
Reihen, z. B. bei den Dipteren etwa, Mycetophiloiden, Culicoiden (durch
Psychoda schon vertreten), Polyneuren usw. die Flohe ableiten mflssen.
Es mufi daher jeder Ableitungsversuch als unzulfinglich gelten, der nicht
die Zugehorigkeit der Flohe zu einer solchen Formenreihe klar dartut,
sondern sich mit Allgemeinheiten wie primitive Dipteren 4 * begnfigt.
Bei der Zfihigkeit, mit der Insekten ihre Merkmale durch lange Epochen
festgehalten haben, ist es hfichst unwahrscheinlich, das ein erst in der
Kreidezeit oder Oligocaen Oder spater entstandener Zweig nicht noch
eine Menge Merkmale seiner Stammgruppe zeigen sollte. Und in der
Tat gibt es Zflge genug am Flohkorper, welche kaum mit dem Schmarotzen
in enge Beziehung gebracht werden konnen, also eine Bestimmung der
systematischen Stellung der Flfihe nach erlauben mfiBten.
Aus dieser Ueberlegung ergab sich die oben ausgesprochene Ueber-
zeugung, dafi die Familienreihe, zu der die Flohe gehfiren, rasch und
unschwer ermittelt werden kfinne.
3) Bei den Aufklarungsarbeiten hatte ich die Platypsyllitlen gleich
aus meinen Ueberlegungen herausgelassen; lag es doch auf der Hand,
daB es sich hier um eine Analogiebildung auf Grund fihnlicher Lebens-
weise handelt, durch welche die Natur den Forscher so gern aufs Glatt-
eis lockt.
a) Gewichtige Grflnde, daB bei den Kfifern keine Cerci vor-
kommen, welche die Flohe aber haben und welche ursprflngliche Merk¬
male sind, und die Eierstficke der Kafer telotroph, die der Flfihe aber
viel ursprfinglicher, panoistisch sind, mithin die Flohe nicht von den
Kafern abgeleitet werden konnen, bewahrte mich von vornherein davor,
bei den Kafern weitere Umschau zu halten.
a) Aber der Versuch mit den Zweifluglern machte auch sehr viel
Schwierigkeiten. Vor allem zeigte sich bei einer vorlaufigen Uuter-
suchung von Mycetophiliden und Sciariden, daB das mannliche und das
weibliche Hinterende bei diesen Gruppen mit dem der Flohe vfillig in-
kommensurabel ist, daB vor allem von der Sinnesplatte am IX. Tergit
des Flohhinterleibes, das ich bei seiner Verwandtschalt wieder zu finden
erwartete, nicht die Spur vorhanden ist. Ebsnsowenig finde ich ffir
beide Familien einen Nachweis holoistischer Ovarien und muB dasselbe
in den Reihen der Zweiflfigler fiberhaupt ffir hfichst unwahrscheinlich
halten, da schon die Mecoptera und Planipennia hfiher ent-
wickelte Eierstficke haben. Dazu sind die genannten Zweiflfigler-Fa-
milien rficksichtlich ihrer Mundwerkzeuge abgeleitet, denn die groBe
Uebereinstimmung der Mundwerkzeuge bei alien niederen, stechenden
Dipteren flberzeugt, daB letztere monophyletisch sind. Wo die Stech-
gewohnheit aufgegeben wird, schwinden Mandibeln und Maxillen. Stachen
die ursprfinglichen Dipteren nicht, so hatten sie auch keine paarigen
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
MundgliedmaBen, und dann konnte sp&terer Uebergang zum Stechen
diese auch nicht wieder erzeugen. Das beweisen uns die stechenden
Cyclorrapha, und das miiBte beim Floh ebenso sein.
Waren die genannten Fainilien auszuschlieBen, so auch der Culicoiden-
zweig mit seinen aquatischen, opisto- oder apneustischen Larven von
Ptychoptera bis Simulium. Auch hier zeigt das Hinterende der
Imagines nicht die mindeste Aehnlichkeit mit dem der Fl6he. AuBerdem
besteht ein groBer Unterschied zwischen den Mundwerkzeugen im langen
Hypopharynx der Stechmiicken, der den Flohen fehlt. Auch alle anderen
stechenden Dipteren besitzen denselben. Dafi die Flohe ihn verloren
haben und zu dem viel schlechteren Verfahren der Speichelleitung
zwischen den Mandibeln ubergegangen sein sollten, kann schlechterdings
als ausgeschlossen gelten. Ueber die Eierstocke gilt dasselbe wie oben.
Auch der Darm macht einige Schwierigkeit. Der Saugmagen miiBte den
Flohen verloren gegaugen sein, obgleich die blutsaugenden Dipteren
ihn sich bewahren; und eine Einrichtung, welche diese nie entwickelt
haben, offenbar weil bei der Blutaufnahme uberfliissig, ein Kaumagen,
ist bei den Flohen vorhanden. Er kann daher wohl nicht als Neu-
erwerbung bei einem blutsaugenden Dipter, sondern bloB als Rest der
Organisation ganz abweichend sich ernahrender Vorfahren gedeutet werden.
Ich will nicht ermilden; ich biB auf Eisen, wo ich bei Dipteren ver-
suchte, die NuB zu knacken.
/?) Erst recht unmoglich erwies sich der Versuch, primitive Schmetter-
linge, Trichopteren Oder andere Gruppen der friiheren Neuroptera
heranzuziehen, bei denen meist ganz ahnliche Schwierigkeiten vorlagen.
Auch die Hymenoptereu, die der letzte Ausweg zu sein schienen, waren
bezflglich* der Apokriten dem Bau nach, beziiglich der Symphyten der
Lebensweise nach offenbar ungeeignet.
y) So blieben doch nur die Coleopteren. Nach der Literatur er-
schien dieser Weg unmbglich; der iiber die anderen Ordnungen war
tatsachlich unmoglich: Einen klaren Weg muBte es geben. Es blieb
nichts iibrig, als mich in das mir zum Teil fremde Gebiet der Kafer zu
vertiefen und nachzuweisen, daB die obengenannten Grunde nicht stich-
halten, daB entweder die Flohe keine echten Cerci haben, oder daB
es Coleopteren mit Cerci gibt; daB entweder panoistische Kafer vor-
kommen, oder daB die Flohovarien nicht schlechthin als panoistisch auf-
gefaBt werden konnen.
b) Welche Familiengruppe der Kafer konnte nun in Frage kommen?
DaB ich den Gedanken, mich von der Beinlosigkeit der Larven leiten zu
lassen, rasch wieder aufgab, verdanke ich Reh, der mich nachdriicklich
darauf hinwies, daB solche Umbildungen als Anpassungen an die Lebens¬
weise bei den Kafern zu leicht eintraten, als daB man damit irgendetwas
anfangen konnte.
So nahm ich Kuhnts Kafertabellen, nahm einen Floh, sah ihn als
Kafer an und bestimmte seine Familie. Nicht ganz glatt naturlich
ergab sich, daB er entweder ein Platypsyllide oder ein Staphylinide sei.
Die Tatsache, daB die Kafer keinen Saugmagen, wohl aber einen
Kaumagen, der den Ursprung fur den Kaumagen beim Floh bilden
konnte, haben, daB der Brustkorb bei ihnen, itn Gegensatz zu den
Zweifliiglern, gegliedert ist, daB viele Kafer Safte durch die Mandibeln
in ihre Beute einflieBen lassen, auch Rinnen in den Mandibeln zum
Saugen benutzen, daB ein langer Hypopharynx fehlt, lieBen die Ab-
leitungsversuche von den Kafern doch ganz hoffnungsvoll erscheinen.
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Martini, Die Eidonomie der Flohe ubw.
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c) Da ich Platypsyllus nicht bekommen konnte, untersuchte ich
zunachst Staphyliniden aus Kuhdung verschaffte ich rair eine Auzahl
Stiicke, die zum Teil trocken aufbewahrt wurden, um die wichtigsten
Gruppen kennen zu lerneD. Eine kleine, von M. Bernhauer be-
stimmte Sammlung erleichterte mir spater die Arbeit und sicherte mich,
daB ich im groBen und ganzen richtig bestimrat hatte. Manche
trockenen Stficke wurden nachher mit Lauge behandelt und pr&pariert
fflr dorsale, ventrale Oder seitliche Ansichten.
a) DaB mir als erstes Objekt eine Oxytelus-Art in mehreren
Stucken in die Hfinde fiel, war sehr gtinstig. Denn die echten Staphylinen
werden schon durch ihre Pupae obtectae von der geraden Vorfahrenreihe
der Flohe ausgeschlossen. Unter den niederen Staphyliniden schienen
mir die Oxytelinae (im weiteren Sinne) besonders zur Ableitung der
Flohe geeignet, Aleocharinen habe ich erst wenig zur Verffigung ge-
habt. Unter den Flohen habe ich den Hundefloh gewfihlt, weil er mir
am reichlichsten zur Verfugung stand.
ft) Anderes Material wurde mit warmcm Alkohol von 70 Proz.
konserviert und in Schnittserien in verschiedenen Richtungen zerlegt,
doppelt geffirbt Oder nur einfach.
Folgende Technik scheint mir fur viele Zwecke sehr brauchbar:
Die Tiere werden durchschnitten und kommen aus dem Alkohol in ein Salzsaure-
karmin, das ungefahr 70 Proz. Alkohol enthiilt. Darin bleiben sie 1 bis mehrere Tage,
je nach der Schwierigkeit, die das Stuck der Durchtrankung mit der Farbe bietet, die
durch das Chitin offenbar nicht hindurchgeht, sondern nur von den Schnittflachen aus
eindringt. Dann wird mit Salzsiiurealkohol ausgewaschen, einige Stunden nach dem-
selben Grundsatz, in 95-proz. Alkohol iiberfuhrt, dann in absoluten und entweder gleich
durch Xylol in Paraffin oder in Alkoholather, Zelloidinlosungen von 2 und 3 Proz.
und dann erst nach Hartung in Chloroform in Xylol und Paraffin. Es wird im all-
gem einen dick geschnitten, 15, 20 oder 25 /u. Die Schnitte sind trotz der Dicke in-*
folge der Durchsichtigkeit der Karminfarbungzum Studium der Anatomie sehr geeignet.
Da man die Schnitte nur noch in Xylol von Paraffin befreien mu6, treten Abreifiungen
oder Verschiebungen einzelner Teile oder lastige Mitfarbung des Zelloidins usw. nicht
auf und die dicken Scheiben erlauben viel leichter, die Anatomie des Tieres zu iiber-
sehen und ein rascheres Durcharbeiten derselben. Fur histologische Feinheiten miissen
naturlich diinne Schnitte in anderer, entsprechender Weise gefertigt werden.
4) Im folgenden sollen die Ergebnisse nur soweit mitgeteilt werden,
als sie sich auf das Chitinskelett beziehen. Ich glaube, die Darstellung
wird am fibersichtlichsten, wenn ich beim Hinterende der Tiere anfange.
Ich schildere also zunachst, was wir zu sehen bekommen, wenn wir die
Qnerschnittserien, von hinten beginnend, durchmustern.
a) Der Hinterleib.
a) In der Querschnittserie durch einen weiblichen Hundefloh er-
scheinen zu hinterst 2 lfingliche Durchschnitte, die alsbald zwischen sich
eine V-formig gebogene, ventrale Platte fassen; erstere sind der weit
nach hinten reichende VIII. Tergit, letzteres ist der VIII. Sternit. Weiter
nach vorn kommt fiber den Dorsalenden der Tergite jederseits ein
kleiner, kreisffirmiger Querschnitt zu sehen, die Durchschnitte der Cerci.
Schon wenige Schnitte weiter vereinigt sich der FuB beider zu einer
unpaaren Rflckenplatte, die wir vorerst als Nr. 10 bezeichnen wollen.
Meine Oxy telus-Serie 1 ) zeigt mir auf den letzten Querschnitten einen
unteren Bogen, der wieder als Sternit zu bezeichnen ist, ebenfalls ganz
1) Leider ist mir spater zweifelhaft geworden, ob es sich bei dieser als Oxytelus
im folgenden angezogenen Schnittserie wirklich um ein Oxytelus handelte, da ich
spater fand, daB unter deu Oxytelus aus Kuhfladen auch einzelne Stucke mit 5-
gliedrigem FuB gewesen waren.
KnU Abt. One. Bd. 88. Heft 3. 14
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
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dorsal 2 kreisformige Durchschnitte und ventral von diesen 2 langliche.
Die kreisformigen dorsalen Durchschnitte werden auch alsbald liber die
Mediane hinweg durch eine Platte vereinigt, welche wir als X. Tergiten
ansprechen. Die anderen langlichen Schnitte gewinnen an Ausdehnung
nach oben und unten. Ich hatte sie ursprtinglich mit dem VIII. Tergiten
der Flohe gleichgesetzt, will sie aber vorsichtshalber vorlaufig y nennen.
Einige Schnitte weiter nach vorn treten beim Floh auf einer nach hinten
vorgedrilckten Falte betrachtlich unterhalb des X. Tergits 2 Chitinfl&chen
auf, die in der Mitte einander sehr nahe kommen, ohne sich zu be-
rflhren. Auf den folgenden Schnitten ziehen sie als durchschnittene
Bander weiter nach der Seite und dem Riicken zu (Platte x). Bald
nach ihnen erscheinen nahe unter dem X. Tergiten und unter der After-
offnung eine Platte, der X. (?) Sternit. Ganz der gleiche X. Sternit in
der gleichen Lage zu den bisher erwahnten Platten und dem After er-
Fig. A und B.
Schema der 3 letzten Hinterleibsringel von hinten gesehen.
Fig. A eines weiblichen Oxyteline, Fig. B eines Hundeflohweibchens.
A After, G Genitaldffnung, St letztes Stigma, VIIIT achter Tergit, VIIISt achter
Sternit, IX T neunter Tergit, X T zehnter Tergit, X zehnter Sternit.
scheint, nur ein wenig weiter vorn, verhaltnism&Big, bei 0xytelus und
in denselben Schnitten der einheitliche Bogen des VIII. Tergits, der
nun, vorn Sterniten an den Enden ein wenig umfaBt, mit diesen zu-
sammen das ganze Bild urarahmt.
Die Platte des X. Tergits geht nun beim Floh sehr schnell in die
bekannte, spitz nach oben gebogene, fein behaarte, mit Sinneshaaren
versehene Sinnesplatte iiber. Nur die Rander des Stiickes sind auf
diesen Schnitten noch unverandert dickes gelbes Chitin. BeiOxytelus
geht der X. Tergit in eine flache, in der Mitte eingesenkte, mit Sinnes¬
haaren reich besetzte Platte fiber, und auch hier zeigen wieder nur die
Rander das unveranderte dunkelbraune Chitin. Die Platten „y“ haben
beim Kurzfliigler inzwischen nach oben und unten machtig an Aus¬
dehnung gewonnen, In der Ventrallinie bertihren sie sich fast; gegen
den Riicken hin ziehen sie sich an dem allmahlich sich verengenden
X. Tergiten herauf und verschmelzen mit ihm ungelahr am.Hinterende
der Sinnesplatte. Die Chitinstuckchen „x“ der Flohe, die sich ja auch
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Martini, Die Eidonomie der Flohe usw.
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fast ventral beriihren, ziehen sich ebenfalls an den Seiten des X. Tergits
hinauf, aber bald ist von ihnen nur noch wenig wahrnehmbar, die gelbe
Farbe hat aufgehort, nur noch eine kleine Falte bekleidet den Rand um
die Sinnesplatte, eine Falte deren Spitze allerdings durch ihre rote
Farbung mit Eosin zeigt, dafi sie harteres Cliitin ist, als die gewfjhn-
liche intersegmentale Membran. Und diese Spur eines Sklerits laBt
sich nun in der Tat weiter aufw&rts gegen den Riicken verfolgen, bis
sie schlieBlich am Vorderrand der Sinnesplatte mit dem X. Tergiten
verschmilzt. So rudimentSr diese Platte daher sein mag, so scheint mir
doch kein Zweifel, dafi die Platte x der m&chtig entwickelten Platte y
bei Oxytelus entspricht.
Nach Verhoff ware sie dann als IX. Tergit zu deuten, der sehr
weit nach den Seiten und nach unten hin entwickelt ist. Die Ueber-
einstimmung zwischen dem X. Tergiten beider Formen wird durch diese
Beziehung zum IX. Tergiten vollstandig. Zwischen den unteren Enden
des IX. Tergits und des VIII. Sternits, den wir ja schon kennen lernten,
dffnet sich in beiden Fallen der weibliche Geschlechtsapparat, wie ja
nicht anders zu erwarten, wenn die bisherigen Deutungen richtig waren.
Erst sehr weit vom, verhSltnismaBig, vereinigen sich die beiden BOgel
des VIII. Tergits beim Floh, ja, sie vereinigen sich eigentlich iiber-
haupt nicht, sondern sind mediodorsal durch ein schmales Gelenk ge-
trennt. Auch sie schlieBen sich eng an die Sinnesplatte an, so daB mein
Verdacht, sie und nicht die Stiicke x mflBten mit den Flatten y der
O xy telus verglichen werden, durchaus verstandlich wird. Eines scheint
mir aber die Sachlage sofort zu klaren, daB ist die Tatsache, daB diese
Platte auf ihrer Hinterseite die letzte Atemoffnung des Flohes tragt und
genau so der VIII. Tergit beim Oxytelus. Danach kann, glauhe ich,
ein Zweifel an der Richtigkeit der hier gegebenen Uebereinstimmungen
nicht mehr sein.
Imraerhin hat man den Eindruck, daB der VIII. Tergit beim
Floh die Aufgabe ubernommen hat, die bei Oxytelus dem IX. zu-
kommt, die aber der stark riickgebildete IX. Tergit der FlOhe nicht
mehr erffillt.
ti) Auf das eben besprochene VIII. Segment folgen nun noch beim
Floh nach vorn nach der gewohnlichen Zahlung 7 weitere Hinterleibs-
ringel. Von diesen sind die hinteren 6 alle gleichartig gebaut. Aehnliche
Verhaltnisse finden sich bei den Staphyliniden. Bemerkenswert ist aller¬
dings ein gewisser Unterschied insofern, als beim VII. und II. Hinter-
leibsringel der Flohe das obere Ende der Bauchschienen die Riicken-
schienen umfaBt, ein Verhalten, das mir sonst bei Insekten nicht
erinnerlich ist. Ganz dasselbe Verhalten findet sich bei Staphyliniden
angedeutet. Bei der Mehrzahl der Ringel III—VI (oder II—VI Oxytelus)
wird die Seitengegend von 2 besonderen Platten eingenommen, die wohl
vom Bauch und vom Brustschild abgegliedert sind. Sie fehlen im VIII.
und sind unvollstandig im VII. Ringel, und bei beiden neigt die Bauch-
schiene dazu, iiber die Riickenschiene zu greifen. Bei Quedius finde
ich diese Neigung auch im II. Bauchringel, der bei dieser Form auch
stark rQckgebildet ist und keine Zwischenplatten in den Seiten erkennen
laBt. Oxytelus beweist hier eine gewisse Urspriinglichkeit insofern,
als die nach unserer Zahlung II. Bauchschiene ziemlich vollstandig ent¬
wickelt, nur ein wenig schmfiler als die nach hinten folgende ist,
wiihrend bei andern Staphyliniden, z. B. Staphylinus, sie einer
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 3.
wesentlich groBeren Riickbildung verfallen ist. Die Riickenschiene dieses
Ringels ist ebenfalls noch voll entwickelt.
y) Abgesehen von dieser gemeinsaraen Merkwiirdigkeit, zeiclinen
sich alle 6 Ringel auch noch dadurch aus, daB der Tergit vom Stigma
durchbohrt wird, welches also nicht in der weichen Seitenhaut liegt.
Das ist bekanntlich auch ebenso bei den gleichen Segmenten der Flohe,
im Gegensatz zu niederen Dipteren.
d) Das nach vorn folgende Segment wird von den meisten Autoren
beim Floh schon zum Hinterleib gezhhlt. Lass rechnet es noch zur
Brust. Dasselbe verhait sich in mehrerer Hinsicht besonders. Sofort
fallt die ganz abweichende Beborstung des I. Abdominalsternits von
den ubrigen Hinterleibsbauchschienen auf, was dafiir sprechen wiirde,
daB derselbe entweder gar keine Hinterleibsschiene ist, oder in friiherer
Zeit einmal unter ganz anderen Bedingungen von den anderen ab¬
weichende Determinanten (wenn man dies Wort mal in einem von
Weismann abweichenden Sinne gebrauchen darf) erhalten hat als die
folgenden. Eines ist zweifellos an diesem Stuck bemerkenswert, und so-
viel ich sehe, in der Literatur noch nicht geniigend hervorgehoben, daB
es es aus 2 vbllig getrennten, lateralen Platten besteht, mithin also auf
der eigentlichen Bauchseite median ein I. Sternit fehlt. Man uberzeugt
sich leicht davon, daB gelegentlich die sogenannten I. Sternite die Hinter-
beine teilweise von auBen iiberlagern. Die zugehorige Riickenschiene ist be¬
kanntlich sehr viel kleiner als die anderen, und das Atemloch dieses Ringes
offnet sich nicht im Tergit. Bei der Ableitung des Flohes von Tieren
mit vollstSndiger I. Bauchschiene am Hinterleibe miiBte man daher diese
Gegend zweifellos als Teil des Brustkorbes auffassen. Wir wissen aber,
daB bei den K&fern in der Regel die I. Bauchschiene ganz oder bis auf
kiimmerliche Reste verschwindet und auch die Riickenschiene infolge
Ueberlagerung durch die Fliigeldecken klein ist. So liegen auch bei
Oxytelus die VerhMltnisse. Ein Rudiment der I. Bauchschiene (ich
folge hier Verhoffs Auffassung des Coleopterenabdomens), ist nun bei
Oxytelus in der.Tat in der Nahe des Stigmas zu sehen, das zwar
sehr groB, aber entsprechend den Verhaitnissen beim Floh, ein wenig
hoher als die iibrige abdominale Stigmenreihe in einer weichen Haut
gelegen ist. Die Riickenschiene ist wahrnehmbar, aber kleiner und viel
schwacher chitinisiert als die ubrigen Riickenschienen.
Von diesen Verhaitnissen kann man sich die der Flohe leicht ab-
geleitet denken. Bei Riickbildung der Fliigeldecken muBte der I. Ab-
dominaltergit wieder verstarkt werden, und bei dem Drangen durch
die Haare des Wirtes diirfte eine vollstandige Panzerung der Seiten-
gegend wieder notwendig werden. Die Platte, welche bei den Flohen
diese Gegend deckt, mag wohl die wieder ausgedehnte paarige Platte
sein, welche bei Oxytelus als Rest der I. Bauchschiene am Stigma
vorhanden war. Es wiirde dann in der Tat die notige Abweichung in
der Geschichte vorliegen, um uns den sehr verschiedenen Habitus dieser
Schiene von den anderen Bauchschienen der Flbhe versthndlich zu machen.
Andererseits konnte aber auch eine der zur Hinterbrust gehorigen Platten
nach hinten ausgedehnt sein. Nur eine sorgf<ige entwicklungsgeschicht-
liche Untersuchung wird diesen Punkt kliiren kbnnen.
e) Ein Merkmal, an das ich von Anfang an zur Aufklarung der
Flohverwandtschaft dachte, war ihre merkwurdige stereotype Haarstellung.
Die Flohe haben bekanntlich auf den Hinterleibsringeln sehr groBe
und daneben sehr kleine, schwer sichtbare Borsten. Die groBen Haare
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Martini, Die Eidonomie der Flohe usw.
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bilden eine Reihe nicht weit vom Hinterrande der Riickenschienen und
eine 2. unregelmSBigere Reihe annfihernd in der Mitte der Breite der
Tergite. Die GroBborsten dieser Reihe sind kleiner als die der erst-
genannten, auch kann die Reihe verdoppelt sein. Die kleinen Haare
stehen nicht genau in den Reihen, aber ann&hernd alternierend mit den
hinteren GroBborsten.
Bei Oxytel us, wie iibrigens auch bei vielen anderen Staphyliniden,
findet sich ebenfalls eine Grofiborstenreihe ungefahr dem Hinterrand der
Tergite folgend, und weiter vom ein unregelmfifiiger Strich groBer Haare
ungefShr quer fiber die Ringelmitte. Die kleinen Haare stehen unregel-
mfiBiger. Es erscheint also die Behaarung der Staphyliniden schon in
erheblicher Weise spezialisiert und es kann das Muster der Borsten bei
Flohen geradezu als eine weitere Reduktion und Stereotypisierung der
Staphylinidenbeborstung, als eine Weiterbildung genau in der schon bei
diesen Tieren eingeschlagenen Richtung angesehen werden.
Aehnlich wie bei Pygiopsylla mit noch zahlreichen GroBborsten,
die ungefahr 3 Reihen auf den Tergiten bilden, mit stark entwickelter
Beborstung der Sterniten und mit dem schwach beborstetem „I. Ab-
dominalsternit“ mfiBte man sich die ursprflngliche Chaetotaxis der
Flohe denken.
b) DaB man am Brustkorb der Flohe ganz andere Verhaltnisse als die
ihrer beschwingten Vorfahren erwarten muB, ist selbstverstandlich, fallt
doch die Grundlage einer besonderen Entwicklung der hinteren Brust-
segmente mit dem Verlust der Fliigel weg. Bei Kafern sind dazu noch
die Hinterbrusttergite durch die Bedeckung mit den Flfigeln verhaltnis-
mafiig weichhautig. Es ist daher kein Wunder, daB wir von der reichen
Entfaltung des Hinterbrusttergiten von Oxytel us bei den Flohen nichts
wiederfinden.
a) Dagegen sind bei ihnen die Brustsegmente miteinander beweg-
lich verbunden, wie bei Kafern, im Gegensatz zu Zweitifiglern, und es
ist das 1. Brustsegment auBerlich enger an den Kopf als an die beiden
hinteren Thorakalringe angeschlossen. Genau wie bei Oxytel us.
Die Rfickenscbienen sind allerdings bei den Flfiheu sehr stark ver-
kfirzt.
Sehr einfach liegen die Verhaltnisse der Pleuren und Sterna bei
den Flfihen. Von getrennten Epimeren und Episternen kann ich bei
ihnen nichts mehr entdecken. Umgekehrt, es scheint, daB selbst die
Gelenke zwischen Metatergum und Metasternum, sowie zwischen Hinter-
brust und „I. Bauchschiene 11 im Begriff sind, zu verwachsen. Jedenfalls
sind Hinterrficken und Hinterbrust so stark verfalzt, daB eine erhebliche
Bewegung in ihrem Gelenk kaum noch moglich ist. Ganz so liegen die
Verhaltnisse bei den Staphyliniden doch nicht. Allerdings finde ich an
der Vorderbrust nur Rficken- und Bauchschiene (und an der Gelenkung
von Vorderbrust und Kopf ein kleines Chitinstfibchen — Halssklerit? —,
das in ahnlicher Weise auch beim Hundefloh ausgebildet ist). Einige
in die Tiefe verlagerte Chitinstrukturen dtirften den Iluften, nicht Pleuren
zuzurechnen sein. Aber auch an der Mittelbrust sind die in Gangl-
bauers (1895) Figur gezeichneten und als Episternum und Epimer des
Mesothorax bezeichneten Platten bei Oxytelus fest mit dem Meso-
sterum verwachsen, als dessen Teile sie erscheinen (wie weiter dorsal
gelegcne, die Oberflache des Korpers nur in geringer Ausdehnung er-
reichende, starken Muskeln als Ansatz dienende Platten zu deuten sind,
lasse ich offen, wie es mir an dieser Stelle Oberhaupt nicht daran liegt,
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ein Studium der Morphologie der Staphylinidenbrust zu treiben). Am
Metathorax allerdings liegt bei Oxytelus sehr deutlich neben dem
Sternum eine lange, ziemlich breite Platte mit starker innerer Christa,
die wohl dem Epimer in Ganglbauers Zeichnung entsprechen dfirfte,
wfihrend sein Episternum bei Oxytelus wieder nur ein Teil vom Meta¬
sternum ist.
Diese groCe Platte 1 ) muB bei den Flohen also entweder rfickgebildet
Oder mit Sternit Oder Tergit verschmolzen sein. Bei der groBen Ab-
weichung in der Muskelentwicklung erscheint es aber fraglich, ob man
in der Crista das Metanotum beim Hundefloh, die ungefahr in derselben
Richtung veriauft, wie die des „Epimers“ bei Oxytelus diese Bildung
wiedererkennen kann. Wahrscheinlicher ist mir, dafi die Pieuralplatte
mit dem Sternum verschmolzen ist und sich daraus die eigenartig ver-
wickelte Bildung der seitlichen Teile der Hinterbrustschiene bei den
FIShen erkiart.
p) Die Hiiften sind ja bei vielen Staphyliniden bereits kegelfdrmig
vorspringend und zum Teil stark in der Mittellinie gen§hert. Hier,
wie bei den Haaren des Hinterleibes, haben die Flohe nur eine bei
den Staphyliniden sich schon anbahnende Entwicklungsrichtung fortge-
setzt.
Auch sonst ist die Bildung der Beine recht ahnlich. 5-gliedrige
Tarsen wiegen bei Staphyliniden vor und kommen auch bei den Oxy-
telinae, besonders wenn man die Omaliini zu ihnen rechnet, zahl-
reich vor. Sind auch die Trochanteren bei einigen Gruppen von Sta¬
phyliniden in einer den Flohen nicht zukommenden einseitigen Weise
differenziert, so gibt es doch auch Formen, bei denen die Verl&ngerung
der Schenkelringe auf der Streckseite nur in m&Bigera Grade entwickelt
ist. Bemerkenswert ist die Bedornung der Schienen und FiiBe. Wieder
hat man den Eindruck, daB die Bedornung der Flohe eine etwas ver-
ringerte und mehr stereotype ist und sich deutlich als die abgeleitete
der etwas allgemeineren Form bei den Staphyliniden gegenfiber verhfilt.
Das auffallige Vorwiegen des letzten FuBgliedes bei den Flfihen fiber
das 3. und 4., besonders an den vorderen Beinen, findet sich bei den
Staphyliniden bis zur hfichsten Uebertreibung wieder. Damit hangt
auch wohl der Schwund einzelner Fufiglieder bei vielen Staphyliniden
zusammen. In dieser Eigenschaft sind es gerade Staphylininae,
welche ursprfinglichere, dem Floh sehr nahe kommende Verhaltnisse
bewahrt haben. Die Klauen haben bei den Flohen einen Zahn, bei den
Kurzfltiglern habe ich einen solchen noch nicht beobachtet. Es wird
wohl eine spatere Erwerbung der Flohe sein, vielleicht eine Anpassung
an das Festhalten in Pelz und Gefieder.
1) Das „ Epimer “ ist offenbar bei Oxytelus eine recht wichtige Bildung. Das
zeigt schon seine GrftBe und die Verstarkungsleiste. Ferner gelenkt es hinten-unten
mit der Hinterhufte und schickt vorn-oben einen Gelenkfortsatz zur FliigelwurzeL
Dicht dahinter verbindet es sich durch eine Syndesmose, welche im vordersten Teile
in eine Verwachsung uberzugehen scheint, mit einer Platte, welche ihrerseits engste Be-
ziehungen (Verwachsung?) mit den hinteren Teilen des Metanotum zeigt. Uebrigens
ist es wohl zweifellos dieselbe Platte, welche Euscher bei Dytiscus als Episternum
auffaflt. Eine seinem Metepimer entsprechende Platte finde ich nicht sicher. Aus seiner
Darstellung scheint hervorzugehen, daB auch beim Schwimmkafer Pleuren und Sterna
sowohl bei Vorder- wie Mittelbrust in Wirklichkeit nur je eine Platte Bind, wahrend
die Pleuren der Hinterbrust deutlich vom Sternum abgegliedert sind, ein Unterschied,
der bei ihm im Texte kaum geniigend hervortritt.
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So stellen sich geradezu die Flohbeine als typische Staphyliniden-
beine dar.
y) VSllige Uebereinstimmung bietet auch die Lage der Stigmen.
Vergleicht man die Hohenlage derselben bei Culiciden und verwandten
Dipteren, so wird man sich sofort sagen, daB die Verlagerung an die
Stelle, wo wir sie bei Flohen finden, recht unwahrscheinlich ist. Hier
liegen die vordersten Stigmen zwischen Pro- und Mesosternum, die fol-
genden zwischen Meso- und Metasternum.
Genau an derselben Stelle hat sie Oxytelus, wenn man annimmt,
daB sein „Metepimer tt im Flohsternum aufgegangen ist. In beiden
Fallen haben wir eine wohlausgebildete Kapsel um das Stigma. Immer-
hin sind in beiden FSllen die Stigmen nicht weit von den Ecken der
Tergite entfernt. Nur das Mesonotum bleibt bei beiden Formen weit
vom 2. Stigma ab.
c) Der Kopf der Flohe als Bug im Haarmeer ist naturgemaB sehr
erheblich umgestaltet.
a) Die Fazettenaugen sind verloren und nur noch 2 Stirnaugen vor-
handen. Solche sind eine seltene Erscheinung bei den K&fern, finden
sich aber bei den den Oxytelini sehr nahestehenden Omaliini.
/?) Die Fuhler der Flbhe sind kurz, bestehen aus 2 Schaftgliedern,
einem schmaleren Stielglied der GeiBel und einer Anzahl breiter, dicht-
gedrangter GeiBelglieder. Im ganzen ist der Ffihler meist 11-gliedrig.
Genau dieselben Zahlen von Gliedern finden sich auch bei Staphyliniden.
Die Besonderheit der beiden ersten Glieder, welche ja eine allgemeine
Erscheinung der Insekten ist (die Insektenfuhler haben wohl nur
3 Hauptabschnitt- und 2 aktive bewegliche Gelenke), tritt sehr deutlich
hervor, aber auch eine Neigung der GeiBelglieder zur Verbreiterung
besteht gelegentlich in den verschiedensten Gruppen der Kurzflugler.
Wenn sie auch nie so weit geht, wie bei den Flbhen, so bemerkt man
doch gelegentlich eine stielartige Ausbildung des 1. GeiBelgliedes, z. B.
in der Abbildung des Fiihlers von Ityocara (Aleocharinae), Co-
prophilus (Oxytelinae u. a.) bei Kuhnt. Die Einlenkung des
FOhlers unter einer Verbreiterung des Stirnrandes bei Oxytelinae
kann man durchaus als eine Anbahnung der Verhaltnisse beim Floh an-
sehen, wo eine Verbreiterung des Stirnrandes die Fuhler groBenteils
von vorn her deckt.
y) Die Mundwerkzeuge bieten nicht nur im allgemeinen, sondern
auch im einzelnen einer Ableitung der Fl8he von den Dipteren grfiBte
Schwierigkeit, wShrend sie einer solchen von den Staphyliniden geradezu
entgegenkommen. Zun&chst beschwert uns hier nicht die Frage, wo
der lange Hypopharynx blieb; er fehlt den KSfern so gut wie den
Flohen. Die Mandibeln sind, wo Saugen bei Kafern vorkommt, das
Sauginstrument; sie werden es auch bei den Flohen sein. Die Ober-
lippe ist allerdings bei den Flohen sehr stark entwickelt, im VerhSltnis
zu Oxytelus. Die Maxillen, welche bei alien blutsaugenden Zwei-
fiuglern starke Stilette sind, kraftiger als die Mandibeln, sind bei den
Flohen kflrzere oder langere Pyramiden; ganz ahnlich, nur noch ein
wenig vollstandiger, sind sie bei den Staphyliniden, wo sie auch noch
bewegliche Laden tragen, welche bei den Flohen fehlen. Die Kiefer-
taster der primitiven Dipteren sind 5-gliedrig, und wenn eine RQck-
bildung eintritt, geht sie meist sofort weit. Die Taster der Flohe haben
4 groBe Glieder und genau so die Mehrzahl der Staphyliniden. Be-
sonders aber l&Bt sich die Unterlippe der Flohe in keiner Weise von
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der der Zweifliigler ableiten. Bei selir ursprunglichen Formen, Culi-
ciden, glaubt man, an den Labellen manchraal 3 Glieder unterscheiden
zu konnen. Mehr kommen sicher keinem Dipter zu. Bei ihrer Unter-
lippe spielt der verwachsene Teil der 2. Maxillen die Hauptrolle, und
niemals kommen wir uber im ganzen 4 Abschnitte der Unterlippen
hinaus. Gerade umgekehrt tritt dieser verwachsene Teil an Lange bei
den Flohen gegeniiber den langen 4-gliedrigen Tastern 'sehr zuruck,
und genau so liegen die Verhaltnisse bei einer groGen Anzahl Stapky-
liniden, und wenn auch die meisten derselben nur 3 dreigliedrige Lippen-
taster haben, so kommen doch auch 4-gliedrige vor (Aleo char ini).
Der nahe AnschluG des Kopfes an die Mittelbrust wurde schon erwahnt.
d) Von Uebereinstimmungen und Gegensatzen laGt sich also fol-
gendes sagen:
Die Zahl und Entwicklung der Hinterleibsringel stimmt bei Oxy-
telus und Ctenocephalus in alien wesentlichen Punkten ganz zu-
sammen, sogar die Beborstung zeigt Annaherung. Das merkwiirdige
Uebergreifen von Sterniten iiber die Tergite kommt beiden zu. Das
Sinnesorgan des X. Segmentes ist bei beiden vorhanden. Cerci ahnliche
Bildungen kommen in beiden Gruppeu vor.
Die Beschildung der Brust laGt sich bei den Flohen gut von Ver-
haltnissen bei Staphyliniden ableiten. Ebenso die Eingelenkung der
Hiiften, der Bau und die Bedornung der Beine stimmen gut iiberein.
Die Zahl der Stigmen ist in beiden Fallen 10. Von diesen offnen sich
bei beiden Tieren die 7 hinteren in den Tergiten des Abdomens, das
des I. Abdominalsegmentes etwas hoher in der Seitenmembran, wahrend
die Bruststigmen zwischen den Brustschienen der Vorder- und Mittel-
bzw. der Mittel- und Hinterbrust liegen. Stirnaugen, Fiihlerbau, Fiihler-
grube und Mundwerkzeuge stimmen bei beiden Gruppen in ihren Grund-
lagen iiberein.
Unterschiede:
a) Das Sinnesorgan des X. Ringels ist bei Oxytelus flach, beim
Floh infolge der seitlichen Zusammendriickung zusammengekniffen. Das
9. Segment ist beim Floh stark ruckgebildet.
ft) Der VIII. Tergit des Flohes reicht weit ventral herab und ist
dorsal in der Mitte durchbrochen, ein Gelenk bildend. In ersterer Hin-
sicht hat dieser Tergit beim Floh funktionell offenbar die Rolle des IX.
beim Oxytelus ubernommen. Er ist schon sehr verjiingt und wurde
wohl dem Durchtritt der Eier Schwierigkeit machen, besonders bei der
zusammengekniffenen Form des Tieres, wenn er nicht durch das Gelenk
in der Riickenlinie starker Erweiterung fahig ware. Diese wiirde aber
ausgeschlossen sein, wenn er vom Sternit umfaGt wiirde. Das umge-
kehrte Verhaltnis ist also eine Anpassung wieder an die Eiablage bei
einem zusammengedriickten Tier, also in letzter Linie wieder an die
besondere Lebensweise.
Die Atemlocher dieser Riickenschiene sind beim Floh an deren
Hinterrand und weit gegen den Riicken hin verschoben im Vergleich zu
den Oxytelinae. Sie haben anuahernd bereits diejenige Lage im
VIII. Tergiten erreicht, in der sie wahrend des Saugens am weitesten
vom Wirtskorper entfernt, also vor VerschluG durch SchweiG verhaltnis-
maGig am sichersten sind. Sie sind daher wohl auch so groG und offen¬
bar im Begriff, die wichtigsten Stigmen des Tierkorpers zu werden, eine
Wurde, welche sie bei den SandHohen ja bereits erreicht haben.
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y) Die fiir die meisten Staphyliniden so charakteristischen Platten
in der Seitenmembran (Pleurite) fehlen bei den Flohen. Ob sie sekundar
wieder verloren gingen, oder nie vorhanden gewesen sind, l&Bt sich nicht
sagen. Beachtlich ist hier noch, daB den Oraaliinen diese Abgliede-
rungen auf der ventralen Seite fehlen und dorsal nur unvollst&ndig
durchgefflhrt sind.
d) Der I. Abdominaltergit und -Sternit sind wieder starker ent-
wickelt, wohl eine Anpassung an die zahlreichen mechanischen Insulte,
denen der Flohkorper ausgesetzt ist, und den Wegfall des Schutzes
dieser Gegend durch die Elytren.
e) Die Flugel und Flugeldecken sind weggefallen. Die Beine sind
Springbeine geworden. Es ist das wohl ein gewisser Ersatz fiir den
Mangel an Flugfahigkeit.
l) Die Fuhler sind vollst&ndig in den Fiihlergruben verborgen und
sehr gekflrzt, zweifellos eine unmittelbare Anpassung an die Bewegungs-
notwendigkeit im Pelz oder Gefieder; ahnliche Vorgange finden sich
auch bei Lausen und Mallophagen. Die Fazettenaugen sind verschwun-
den; ihre Ruckbildung ist eine bei stationaren Ektoparasiten allgemein
verbreitete Erscheinung.
Die Mundwerkzeuge sind von beiBenden zu stechenden umgebildet,
also vor allem verlangert in Zusammenhang mit der Blutnahrung, dabei
sind die Laden der 1. und 2. Maxillen als iiberfiussig verschwunden.
rj) Zu den ursprunglichen Borsten sind Chitinzahne mit nach hinten
gerichteter Spitze, die Ctenidien getreten, welche einen Vorteil im Haar-
pelz bieten und sich bei verschiedenen anderen Schmarotzern: Wanzen,
Platypsyllus, Dipteren unter gleichen Lebensbedingungen ausgebildet
haben.
Soweit also die Abweichungen nicht selbst unmittelbare Anpassungen
an das blutsaugende, stationSre parasitische Leben bei Saugetieren und
VSgeln sind, sind sie sekundar bedingt, durch die mit diesem Leben in
Zusammenhang stehende Flugelrflckbildung und seitliche Zusammen-
druckung der Formen. Kurz, wir konnen alle wesentlichen Abweichungen
im Bau der Flohe von den Oxytelinae s. 1. in ihrem Bedingtsein durch
die besondere Lebensweise der Flohe verstehen.
5. Bisher war nur vom Weibchen die Rede, wie es ja der Titel der
Arbeit erwarten lieB, aber auch nur von dessen SuBerer Morphologic
(Eidonomie). Man kann wohl verlangen, daB auch iiber Anatomie,
Mannchen und Larve noch einiges gesagt wird.
a) Ich muB allerdings gestehen, daB der Vergleich der Weibchen
ein so uberraschend klares Ergebnis gebracht hat, daB mich selbst groBe
Abweichungen im inneren Bau nicht vom Festhalten an den SchluB
zurflckbringen konnen, daB die Flohe ihren Ursprung aus der nSchsten
Verwandtschaft der Staphyliniden genommen haben.
b) Nach dem, was ich vom Miinnchen gesehen, will mir scheinen,
daB seine Merkmale mindestens weit besser mit den mUnnlichen Ge-
schlechtsorganen der Kafer, als mit denen der Dipteren zusammen-
passen. Die Valven fehlen, welche nicht nur den Dipteren, sondern
ihrer ganzen Verwandtschaft den „panorpaformen“ Insekten zukommen,
und schon dies laBt es unmoglich erscheinen, daB ein Dipter, selbst ein
so urspriinglich und wenig spezialisiertes Tier, daB es noch gar nicht
mal ein Dipter war, in die Ahnenreihe des Flohes gehbren kann. Bei
den Staphyliniden finde ich deutliche Valven ebensowenig.
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c) Die Anatomie des Weibchens stimmt nun aber, das muB zu-
gegeben werden, keineswegs so gut mit der von Oxytelus iiberein,
wie es die kuBeren Teile tun. Ich glaube wohl, daB sich in den Ge-
schlechts- und Nierenorganen die letzten Unterschiede beheben werden,
daB das Nervensystem auch recht ahnlich genannt werden kann. Die
Muskulatur muB natflrlich den verschiedenen Anspriichen der Bewegungs-
arten und der Zusammendriickungen (rechts-links gegen dorsoventral)
Rechnung tragen und daher erhebliche Verschiedenheit zeigen.
GroBe Unterschiede bestehen aber bei alien Organen, welche rnit
der Verdauung in Zusammenhang stehen, so daB man dieselben nicht
ohne weiteres auf Bildungen bei den mir bekannten Staphyliniden be-
ziehen kann. Aber hier ist ja wiederum ein groBer Unterschied der
pbysiologischen Leistung gegeben, und zweifellos bewegen sich die Unter¬
schiede groBenteils in der Richtung, die uns auch sonst bei entsprechen-
den Gegensatzen in der Ernahruug gelaufig sind. Ich will auf diese
Dinge nicht naher eingehen, sie werden zurzeit in meinem Laboratorium
bearbeitet. Jedenfalls sind auch hier die Schwierigkeiten einer Ver-
bindung nach den Kafern hin viel geringer, als nach den Dipteren.
d) Die Larven zu untersuchen, habe ich nicht vor. Ich begniige
mich mit folgenden Bemerkungen. Die Lebensweise in engen Ritzen usw.
hat der Larve die FiiBe gekostet, wie man das ja viel findet. Auch die
sogenannten Cerci, wenn sie ihre Vorfahren schon gehabt haben sollten,
wie sie den Staphyliniden und auch den Platypsyllus-Larven zu-
kommen, diirften in Anpassung an die raschen Bewegungen im Sand
oder Staub zuriickgebildet sein. Vielleicht haben sie immer gefehlt. Die
Zahl der Segmente stimmt bei Floh- und Staphylinidenlarve iiberein.
Die wesentliche Hilfe des umgebildeten letzten Segmentes bei der Be-
wegung vollzieht sich bei Staphyliniden- und Flohlarve in ganz gleicher
Weise. Kopfbau, auch was ich an den Fuhlern und Mundwerkzeugen
gesehen habe, erscheint doch, wenigstens auBerlich, so ahnlich, daB ich
eine Zuruckfiihrungsmdglichkeit der einen auf die anderen far wahr-
scheinlich halte. Auffallend ist wieder die Chatotaxis, die bei den Floh-
larven ja streng fixiert ist. Wie bei den Erwachsenen ist auch bei deu
Larven der Staphyliniden die Stellung der GroBborsten recht ahnlich
der der Fldhe, aber nicht ganz gleich, die Zahl noch eine groBere.
Das gleiche gilt von den kleinen Haaren. Man hat aber beim Ver-
gleich beider Larven den Eindruck, daB ein prinzipieller Unterschied
nicht besteht; nur wenn man weiB, daB die Borsten der Flohe sterotyp
sind, kommt man zu der Ueberzeugung, daB es sich nicht um Gleicheit.
sondern bei den Flohen um eine ganz spezialisierte Gestaltung der bei
Staphyliniden schon vorliegenden Verhaitnisse handelt. Leider habe ich
nur wenig Staphylinidenlarven untersuchen konnen und nur Pulicinen-
larven zum Vergleich gehabt; die von Staphylininen wichen von der
Flohlarve starker ab als andere, deren Unterfamilienzugehorigkeit ich
nicht weiB, die aber anscheinend niederen Gruppen angehoren.
6. Wo leiten sich nun die Fldhe abV Manchmal schienen mir die
Beziehungen zwischen Flohen und Oxytelinae so nahe, daB ich meinte.
bei geniigender Kenntnis der letzteren werde man vielleicht noch die
Gattungsgruppe finden, aus der sie hervorgegangen sind. Es gibt einige
Dinge, die gegen eine Ableitung der Fldhe aus der Familie der Staphy¬
liniden, so wie sie heute ist, sprechen. Das sind vor allem die Abgliede-
rungen am Rande der Abdominaltergite und -Sternite, vielleicht auch
die Cerci der Larven. Die Pleuralplatten sind allerdings bei den Oma-
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liini noch nicht Gberall vollig abgegliedert. Wurden wir die Flohe von
Oxytelini ableiten, so fehlen uns die Augen, leiten wir sie von Oma-
liini ab, so scheinen hier wieder die RGckbildungen des I. und II. Ab-
dominalsternites starker. Aber rOcksichtlich der seitlichen ChitinpltLttchen
steht nun Silpha offenbar giinstiger. Doch mGndet bei ihr die Mehr-
zahl der Abdominalstigmen nicht auf dem Tergit. Andererseits fehlen
den Silphenlarven, soviel mir bekannt, die Cerci.
So wGrde, wenn sich nicht doch herausstellt, daB niedere Staphy-
liniden selbst der Ursprung der Flohe gewesen sind, durch Nachweis
von Formen unter ihnen, die keine abgegliederten Schildchen haben, oder
der Notwendigkeit einer Rtickbildung derselben bei den Flohen, die Wahr-
scheinlichkeit die sein, daB die Flohe von derjenigen Linie der Stapby-
linoidea ihren Ausgang genommen haben, welche zwischen Silpha und
den Staphyliniden verbindet. Wenn wir wissen, daB die Silphiden im
Malm vorkommen, Staphylinoiden aber nicht beobachtet sind, so kann
man wohl denken, daB die Entstehung der letzteren in die Kreidezeit
oder das beginnende Kaenozoicum fiele. Dann miissen aber gerade in
der Zeit, in der wir zuerst reichlichere Saugetiere treffen, diejenigen
Formen existiert haben, die schon Staphyliniden, aber noch nicht ganz
modern, den Ausgangspunkt ftir die Entstehung der FlGhe abgeben
konnten.
Die MQglichkeit, sich vorzustellen, daB Staphyliniden zum Blutsaugen
und stationaren Ektoparasitismus Gbergehen konnten, liegt auf der
Hand. Einmal haben Tiere, deren Larven in allem moglichen Detritus,
wie Baummoder, aber auch im Kote leben, die beste Moglichkeit, in
der N&he eines Wirtes aufzuwachsen. Was die Flohe als Ektoparasiten
vor manchen anderen ausaeichnet, ist, daB sie bis auf wenige, offenbar
neue Formen typische Nestparasiten sind, deren Brut im Lager oder
Nest des Wirtes, z. B. menschlichen Zimmer, lebt und daB sie daher
im allgemeinen Tieren nicht zukommen, die kein Heim haben. Diese
Eigentumlichkeiten lassen sich gerade aus der koprophagen Lebensweise
vieler Staphyliniden-Larven wohl erklaren. Dann haben wir auch Bei-
spiele vom Parasitieren bei den Staphyliniden selbst im Felle von
Saugetieren, der beste Beweis, daB bei ihnen ein Uebergang zum
Schmarotzertum leicht moglich ist. Auch dflrften die schmarotzenden
Familien der Platyp sy llidae und Leptinidae sich aus demselben
Verwandtschaftskreis entwickelt haben.
So ergibt sich, daB die Flohe ihren Ursprung in der Familienreihe
der Staphylinoidea unter den Kafern haben, womit aber nicht sicher
behauptet werden soil, daB sie aus den Staphyliniden selbst und viel-
leicht gar aus deren Unterfamilie Oxytelinae s. 1. entsprungen sind.
Semenov hat 1004 ,,Zur Frage der systematischen Steilung der Flohe“ in
Revne Russe d’Entomol. T. IV, geschrieben und, da er Koleopterologe ist, liegt die
Yermutuug nahe, daG er zu ahnlichen Anschauungen gekommen ist, wie die hier
niedergelegten. Leider ist seine kurze Sehrift, da ganz russisch, fiir mich inhaltlich
nicht zugaDglich.
7) Was folgt aus dieser ErkenntnisV
a) Sollen wir die Flohe nun deswegen in die Staphylinoidea
einreihen ?
«) Es l£Bt sich nicht verkennen, daB sie in ihrem Habitus und
vielen Organisationseigentiimlichkeiten sich so sehr besondert haben,
daB doch eine solche Sammelgruppe den Eindruck des inhomogenen
machen wtirde. DaB die genaue Steilung dieser Tiere so lange streitig
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bleiben konnte, beweist am besten, wie groB die Abweichungen von den
typischen Kafern sind. Nimmt man flugellose Insekten mit saugenden
Mundwerkzeugen in die Kafer auf, so wird man die Ordnung nur noch
schwer definieren konnen. Weil ich es nun als einen Abweg ansehe,
das System zu einem Ausdruck der Blutverwandtschaft machen zu wollen,
und der Meinung bin, daB es stets ein Ausdruck der Formenverwandt-
schaft gewesen ist und bleiben muB, scheinen mir die Besonderheiten
der Flohe, wenn es selbst gelange, sie aus einer Kafertribus abzu-
leiten, doch ihre Stellung als gesonderte Unterordnung rechtfertigen zu
mtissen.
p) Halte ich mithin die Wertigkeit der Flohe sozusagen nach auBen
fur betrachtlich, so kann man im Inneren der Gruppe doch nur fest-
stellen, daB die Einheitlichkeit eine ungeheure ist, eine viel groBere als
etwa in der Unterfamilie der Oxytelinae. Es beweist daher einen
Mangel an AugenmaB, wenn man die Flohe auf mehrere Unterordnungen,
Sektionen usw. verteilen will. Man kann sie auf keine Weise zu mehr
als zu einer Familie aufblasen, ja, schon die Verteilung auf mehrere
Unterfamilien scheint Gleichartiges zu weit zu trennen. Immerhin mag
man sagen, daB bei den Sarcopsyllen Anlaufe zu weiteren, von dem
Haupttrupp rasch abfiihrenden phyletischen Bewegungen vorliegen, so
daB man diese als eine Unterfamilie ansehen mag. Die iibrigen sind
sicher nicht mehr als eine noch dazu sehr einheitliche Unterfamilie.
Im ganzen wiirden wir uns also die systematische Stellung der
Flohe so denken, daB sie eine Unterordnung der Kafer: Aphaniptera
sind, die zwar aus den Staphylinoidea hervorging, aber wohl gut
als gesonderte Unterordnung, ebenso wie die Stylo pi dae, am Schlusse
der echten Kafer abgehandelt wird. Die Unterordnung Aphaniptera
umfaBt nur die eine Familie Pulicidae.
b) Ueber Einteilung der Puliciden maBe ich mir naturlich kein
Urteil an, das kann nur der Fachmann haben. Eines aber wird ihm
wichtig fur die Wertung der Merkmale sein. Der Punkt, von dem wir
ausgingen, ist jetzt ganz klar. Ein Caput fractum ist nichts Urspriing-
liches, es ist weiter nichts als das Extrem in der Anordnung von Fuhlern
und Fuhlergruben. Die Fiihler linden in den Fuhlergruben dadurch Platz,
daB ihr Ursprung gegen die Mittellinie oder, was dasselbe ist, gegen den
Riicken hin verschoben wird und gleichzeitig die FiihlergeiBel verkiirzt
wird. Wo dieselbe ziemlich lang blieb, muBte der VerschiebungsprozeB
am weitesten gehen, und die Folge war, daB sich die Fuhlergruben von
beiden Seiten in der Mittellinie bertihrten und ein Caput fractum er-
zeugten. DaB die nebenbei gewonnene Elastizitat des Buges Vorteii
bieten mag, laBt sich denken.
Da aber die Verlagerung des Fiihlergrundes gegen den Rticken in
der Richtung der Entwicklung des Flohtypus iiberhaupt liegt, ist zwar
die wenigst entwickelte Fflhlergrube als monophyletisch primitiv auf-
zufassen moglich, die hbchsten Grade werden aber vielleicht nicht in
einer Reihe erreicht sein, sondern die Endstadien verschiedener paralleler
Entwicklungsreihen bilden. Dazu werden Formen, die es gerade in
Rticksicht auf die Ffihlerverkiirzung besonders weit gebracht haben, also
in dieser Richtung hochspezialisiert sind, nicht zur Bildung eines Caput
fractum neigen. Dieses gegenseitige Verhaltnis zweier Spezialisierungs-
prozesse ist ein lehrreiches Beispiel fur zweifellos weit verbreitete Dinge,
die aber nicht immer so einfach zu iibersehen sind. Von dem Ueber-
wiegen des Einflusses eines Caput fractum auf die systematische Anord-
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nung der Flohe muB sich der Systematiker also frei machen, wenn er
natflrliche Verwandtschaftskreise zusammen haben will. Fiir den Nicht-
Flohspezialisten bleibt jedoch vorerst nichts weiter iibrig, als die Ein-
teilung von Oudemans als die iibersichtlichste zurzeit vorhandene zu
verwenden, bis unter Beriicksichtigung der hier gewonnenen sicheren
Grundlagen geprflft ist, ob sein System nicht jetzt in ein noch besseres
weiter entwickelt werden kann.
Die Wertung der einzelnen Gruppen muB aber stark herabgesetzt
werden, damit das Flohsystem nicht zu sehr mit dem der ubrigen Insekten
disharmoniert.
c) Ein wichtiger Punkt aus der Lebensweise der Flohe erreicht hier
nun wohl Klarung. Wie kommt der Pestbazillus aus dem Magen des
Flohes in seinen Wirt?
Bei Dipteren miifiten wir an eine aktive Wanderung glauben. Bei
ihnen ist es ja nur der Inhalt des Kropfes, der erbrochen wird. Bei
vielen Kafern dagegen kommt eine sogenannte extraintestinale Ver-
dauung vor, bei der der Magensaft dem Beutetier eingespritzt und es
vor den Mundwerkzeugen des Angreifers groBenteils verflussigt wird.
Diese, bei niederen Kafern haufige Einrichtung, ist ermoglicht durch die
Einrichtungen im hinteren Teile des Vorderdarmes, welche die groBeren
Nahrungsteile im Magen zuriickhalten. Es liegt also nahe, daB die Flohe
die alte Angewohnheit der Kafer beibehielten, Magensaft beim Stechen
in die Wunde zu entleeren. DaB dann bei der Kleinheit der Blut-
kdrperchen ein auBerordentlich enger Filterapparat notwendig war, wie
er auch tatskchlich geschaffen ist, wird verstandlich. Ist auch die Frage,
wie der Pestbazillus in die Wunde kommt, an sich eine solche der
tatsachlichen Beobachtung, so befriedigt es doch, einen phylogenetischen
Zusammenhang zu sehen, der den ganz verschiedenen Infektionsmoglich-
keiten durch einen Floh und einen Zweifliigler zugrunde liegen kann.
Literatnr.
1) Euscher, Das Chitinskelett von Dytiscus marginalia. [Inaug.-Diss.l Marburg
1910. — 2) Ganglbauer, Die Kafer von Mitteleuropa. Bd. 2. Wien 1895.
3) Kuhnt, Illustr. Bestimmungstabellen der Kafer Deutschlands. Stuttgart 1912. —
4) Landois, Anatomic deH Hundeflohs (Pulex canis Dugfcsl. I 860 . — 5) LasB,Bei-
trage zur Kenntnis des histologisch-anatomischen Baues des weiblichen Hundeflohs
(Pulex canis Dugfes s. Pulex serraticeps Taschenberg). (Zeitschr. f. Zool. Bd. 79. S. 73.)
— 6 ) Oudemans, Neue Ansichten liber die Morphologic des Flohkopfes, sowie iiber
die Ontogenie, Phylogenie und Systematik der Flohe. (Novit. Zool. 1909. No. 16.
p. 133—158.) — 7) Rothschild, Zahlreiche Arbeiten in Novit. Zool. — 8 ) Verhoff,
Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der Koleopteren und iiber die phylo-
genetische Bedeutung desselben. (Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 117. 1918. S. 130.) = 9)
Cholodkowsky, Zur Beurteilung der systematischen Stellung der Puliciden. (Zool.
Anz. Bd. 43. 1914. S. 555.)
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222
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
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Naehdruek verboten.
Ueber die Vucinfestigkeit der Staphylokokken nnd itire
Beziehung zum Staphylolysin.
[Aus dem Hygienischen iDStitut der Universitfit in Basel
(Vorsteher: Prof. Dr. R. Doerr)J.
Von Tomosuke fflayeda (aus Tokio).
Die Mfiglichkeit einer Resistenzerbfihung von Bakterien gegenuber
Desinfektionsmitteln durch wiederholte Zfichtung auf Nahrboden, denen
die betreffenden Desinfektionsmittel in geringerer Menge zugesetzt werden,
ist wohl bekannt.
K osiakof f hat geseheu, daft Milzbrandbazillen und einige saprophytische Bak¬
terien, die in einer mit geringen Mengen von Desinfektionsmitteln versetzten Bouillon
geziichtet wurden, gegen eine grofiere Menge des verwendeten Desinfektionemittela re-
sistent waren, als vorher. Auf ahnliche Weise hat Trambusti eine Gewbhnung von
Staphylokokken an Sublimat festgestellt, Morgenroth und Kaufmann haben nach-
gewiesen, daft durch Optochineinspritzung in mit Pneumokokken infizierten Mausen
schon in 8 Tagen und mit 4 Passagen eine Arzneifestigkeit der Pneumokokken gegen¬
uber Optoehin zu erzielen ist. Altmann und Rautn konBtatierten eine Gewohnung
von Bakterien an Phenol, Masson eine solche an Sublimat, Kupfersulfat, Resorcin
und Salizylsaure. Letzterem ist dabei aufgefallen, dad die so erworbene Resistenz ohne
erkennbare Ursache nach einiger Zeit wieder verloren geht und in einzelnen Fallen
sogar einer gewissen Ueberempfindlichkeit Platz macht. Bekannt ist der von Ehrlich
erbrachte iS’achweis der kiinstlichen Arsenfestigkeit der Trypanosomen, die aus mit
Atoxyl behandelten Tieren stammen. Auch bei den Ehrlichschen Versuchen wurde
zuweilen ein plotzliches Nachlassen der Giftfestigkeit, ja sogar gelegentlich eine aus-
gesprochene Ueberempfindlichkeit beobachtet. Marks berichtet, daS es ihm im Ver-
laufe von 3 Jahren gelungen sei, einen Paratyphusstamm an das 8-fache der vorher
keimtdtenden Dosis arseniger Saure zu gewohnen. Seiffert hat beobachtet, dafl
Colistamme durch mehrmalige Zuchtung in Malachitgriinagar auch bei 10-fach hoherer
Malachitkonzentration als urspriinglich gedeihen konnten. Ha end el und Baerthlein
konstatierten bei Typhus- und Paratyphusstammen eine bedeutende Gewohnung an
salzsaures Chinin. Shiga konnte Choleravibrionen gegen Farbstoffe (Methylenblau u. a.
schnell und in hohem Grade festigen. Regen stein gelang es im Verlaufe von etwa
2'L Monaten, Staphylokokken an Phenol zu gewohnen. Abbott konnte bei 2 Staphy-
loKokkenstammen eine erhohte Widerstandsfahigkeit gegen Sublimat, Phenol und Natrium-
karbonatlosungen dadurch erzielen, daft er die Einwirkungsdauer des Desinfiziens auf
die Bakterien allmahlich verlangerte.
Im Sinne dieser Versuche war es von Interesse, das Verhalten
eines in der modernen Chirurgie viel gebrauchten, halbspezifischen Des-
infektionsmittels, des Vucin (Isoctylhydrocuprein bihydrochloricum) zn
studieren und zu untersuchen, ob Staphylokokken sich an Vucin
gewbhnen, d. h. also mehr oder weniger vucinfest werden konnen,
und wie sich solche etwa vucinfest gewordene Stamme
den Ausgangsstammen gegenuber verhalten.
Um die Widerstandsfahigkeit der Staphylokokken gegen Desinfektions¬
mittel zu priifen, haben Regenstein, Abbott u. a. die Mikroorga-
nismen in mit einer kleinen Menge von Desinfektionsmitteln gemischter
Bouillon kultiviert und im Laufe der Passagen die Konzentration der
Desinfektionsmittel allm&hlich erhoht. Die Arbeiten der meisten Autoren
fiber die Giftgewohnung von Bakterien sind nach diesem Prinzip aus-
geffihrt. Es kann damit aber nur die das Bakterienwachstum hemmende
Konzentration bestimmt werden. Zur Ermittlung der keimtotenden
Konzentration mufite ein anderer Weg eingeschlagen werden.
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224
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88 . Heft 3*
Tabelle 1.
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Widerstandsfahigkeit
der Vucinstamme
bei der
1 . Passage
3 .
4 -
5 -
6 .
7 .
8 .
9 .
10 .
11 .
12 .
Zahl der Vucinpassagen
Experimentdauer (Tage)
Grofite Widerstandsfahigkeit bei
Vuciustammen
GroSte Widerstandsfahigkeit bei
Normalstammen
Vergleichung beider Stamme
1
2
3
4
5
«
7
8
9
10
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12
5
7
9
12
8
10
6
10
8
8,7
54
28
42
49
51
49
48
48
44
40
45,3
V,
V,
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7.
V.
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Vo
V,
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Vo
V,
V, 0
V.
'It
Vb
'It
7,-bo
2,5
2,0
1,5
2,5
10,0
2,0
6,0
6,7
3,0
2,0
2,52
gewisse Grenze, die vielleicht nicht so weit von derjenigen der Tab. 1
(1:300 Vucin) liegt, an Vucin zu gewohnen. Eine ahnliche Ansicht
haben Shiga u. a. gekuBert.
Die F&higkeit, sich an hbhere Vucinkonzentration zu gewbhnen,
scheint je nach dem Staphylokokkenstamm ziemlich verschieden zu sein.
So zeigte Stamm 6 trotz 8-maliger Vucinpassage keine Gewohnung daran;
Stamm 1 gewohnte sich ebenfalls nur schwach daran.
Aus der Tabelle geht ferner hervor, daB ab und zu die Widerstands¬
fahigkeit der Staphylokokken unerwartet abnimmt. Ein Stamm, der z. B.
bei der vormaligen Passage eine Vucinkonzentration von 1:2000 ertrug,
kann bei der folgenden nur die Konzentration von 1:3000 ertragen, ein
Umstand, der es notig macht, daB man immer 3 verschiedene Vucin-
mengen mit jeder Probe mischt. Stamm 9 ist hierfiir ein gutes Bei-
spiel. Dieses Verhalten bei Staphylokokken entspricht ganz den Er-
fahrungen bei anderen Mikroorganismen und Desinfizientien, die M a s s o n,
Ehrlich, wie bereits erwahnt, mitgeteilt haben. Im ganzen wurden
die 10 Staphylokokkentamme 5—12 (durchschnittlich 8,7) mal in 28—54
(durchschnittlich 45,3) Tagen umgezuchtet. Dadurch konnte die maximale
Widerstandsfahigkeit gegen Vucin von 1:10000-1:2000(durchschnitt-
1 i c h 1 : 3800) auf 1:5000-1: 300 (durchschnittlich 1:1510) gebracht
werden, d. h. die Stamme konnten durch diese Manipulation etwa 2,5-
fach resistenter gegen Vucin gemacht werden.
Ueber die durchschnittliche Widerstandsfahigkeit der Staphylokokken
gegen Vucin liegen Angaben von Morgenroth vor, wonach Staphylo¬
kokken nach reichlicher Aussaat in Ascitesbouillon bei Korpertemperatur
innerhalb 24 Std. durch eine mittlere Konzentration des Vucins von
1: 80 000—1:40 000 vollig abgetotet werden. Mit dieser Angabe ver-
glichen, ist die unter den hier gewahlten Versuchsbedingungen beob-
achtete maximale Vucinkonzentration bedeutend starker.
Es erhob sich nun die Frage, ob die in der erwahnten Weise er-
haltene vermehrte Widerstandsfahigkeit der Staphylokokken streng spe-
zifischer oder unspezifischer Natur ist.
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Mayeda, Vucinfestigkeit d. Staphylokokk. u. ihre Beziehung z. Staphylolysin. 225
Marks berichtet, daB der kiinstlich arsenfest gemachte Paratyphusstamm auch
gegenuber Antimon eine erhShte Resistenz aufweist. Nach Regenstein erweist sich
der an PheDol gewohnte Staphylokokkenstamm entsprechend resistenter als der Normal-
stamm nur gegenuber den allernachsten Verwanatcn des Phenols, namlich Kresol,
Zinc, sulphocarbolicum etc. Dagegen ist seine Resistenz gegenuber der des Normal-
starames Dei den zweiwertigen Phenolen, Formaldehvd, Methyl-, Aethvlalkohol etc. gar
nicht oder nur unwesentlich erhokt. Haendel und Baerthlein haben nachgewiesen,
daB sich die gegen salzsaures Chinin erworbene Festigkeit von Typhus- und Paratvphus-
stammen auch auf andere Chinapraparate in verschiedenem Grade erstreckt. Shiga
sagt, daB sich die durch Behanalung mit einem gewissen Farbstoff — wie Methylen-
blau — resistenter gewordenen Cholerastamme auch gegenuber anderen Farbstoffen
mehr oder weniger resistent erweisen, wobei aber ein erheblicher Grad quantitativer
Spezifitat besteht.
Es wurde daher bei alien den oben erwahnten Stammen, die durch
Vucinpassage resistenter als Normalstamme geworden waren, neben der
Widerstandsfahigkeit gegen Vucin auch die Widerstandsfahigkeit gegen
Sublimat in folgender Weise gepriift. Von alien Vucin- und Normal-
stammen wurden 24-sttind. Bouillonkulturen gemacht und mit Sublimat
im Verhaltnis von 1: 3000 gemischt. Nach Verlauf von 10 Min., 30 Min.,
1 Std. und 4 Std. wurde eine Agarkultur von jeder dieser Mischungen
angelegt und beobachtet, ob etwaige Keime noch fortpflanzungsf&hig
geblieben sind (Tab. 2). Wie schon von Kroenig und Paul ange-
geben, wird die Sublimatwirkung durch Vorhandensein von Kochsalz
vermindert, aber bis zur Sublimatkonzentration von 1 :1000 ist eine
derartige Wirkung kaum nachweisbar.
Tabelle 2 (Ablesung 3 Tage nach der Beimpfung).
1. Normalstamme.
1
l 2 l
I 3 "
4
5
6
7
I 8 ’
9
,10
Dauer der
Sublimat- '
einwirkung
[ 10 Min.
' 30 ,.
1 1 Std.
1 4 „
+
+
+
0
+
+
+
0
+
+
+
0
0
0
0
0
+
+
0
o
+
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
+
0
0
0
0
0
0
2. Vucin s tarn me.
1
2
»u
5
6
7
8 9
10
Dauer der
Sublimat- '
einwirkung
1 10 Min.
'30 „
1 1 Std.
1 4 „
+
+
+
0
+
+
+
0
+
+
1 “t"
o
+
+
0
0
+
+
0
0
+
+
+
0
+
+
+
0
+
+
+
0
+
+
+
o
+
+
+
0
Zahl der Vucinpassagenj
11
4
5
7
10
6 8 4
8 6
In Tab. 2 sieht man, daB sich die Normalstamme 4, 6, 7, 8, 9 und
10 Sublimat gegeniiber weniger widerstandsfahig als die daraus herge-
stellten Vucinstamme erwiesen. Dieser Gegensatz war besonders bei
Nr. 7 und 8 deutlich ausgepragt, weil die beiden als Normalstamme
urch die Sublimatkonzentration von 1:3000 schon in 10 Min. vollig
bgetStet wurden, wahrend die entsprechenden Vucinstamme die Ein-
wirkung bis zu 1 Std. gut ertrugen und erst nach 4 Std. steril waren.
Bei diesen Stammen konnte man sagen, daB die durch Vucinpassage
erhOhte Widerstandsfahigkeit nicht dem Vucin spezifisch, sondern viel-
mehr allgemeiner Natur ist. Dagegen sieht man bei den Stammen 1,
2, 3 und 5, daB die Normal- und Vucinstamme die gleiche Sublimat-
widerstandsfahigkeit zeigen, obwohl ihre Vucinwiderstandsfahigkeit be¬
sonders bei Stamm 5 deutliche Unterschiede zeigt. Bei diesen Stammen
mdBte man die Spezifitat der Vucinfestigkeit annehmen.
Errte Abt. Orlg. Bd. 88. Heft 3. 15
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226
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
Derselbe Versuch wurde nochmals wiederholt und zeitigte fast die
gleichen Resultate. Folglich ist nicht mit Sicherheit zu bestim-
men, ob die durch Vucinpassage erhohte Resistenz dem
Vucin spezifisch ist oder nicht. Ich muB nur darauf aufmerk-
sam raachen, daB gegen Sublimat viele Vucinstamme resi-
stenter als Normalstamme, dagegen kein Normaistamm
resistenter als ein Vucinstamra war. AehnlicheResultate
erhielt ich auch mit Optochin.
Das veranderte Verhalten mancher vucinfester Stamme gegenuber
Sublimat und Optochin forderte dazu auf, zu prilfen, ob auch andere
Eigenschaften der Staphylokokken durch das Vucinfestwerden eine Ver-
Bnderung erfahren. DaB mit dem Arzneifestwerden tiefgreifende Verande-
rungen einhergehen kbnnen, lehren manche Beobachtungen, am eklatan-
testen vielleicht ein Befund von Altmann und Rauth, wonach ein an
Phenol angepaBter Coli-Stamm nicht mehr durch ein Immunserum
beeinfluBt wurde, welches auf den Ausgangsstamm spezifisch wirkte.
Eine der markantesten funktionellen Eigenschaften der pyogenen
Staphylokokken ist das Vermogen zu rascher Hfimolyse. Auf diese
Eigeuschaft wurden die Untersuchungen zuerst ausgedehnt.
Die pyogenen Staphylokokken bilden bekanntlich Gift — Staphylotoxin —, das
hauptsachlich aus 2 Bestandteilen, namlich Staphylolysin und Leukozidin besteht. Das
LeuKozidin wurde von van de Velde entdeckt und soli nach jenem Autor den sapro-
phytischen Staphylokokken fehlen. Das Staphylolysin lost die Erythrozyten auf und
wird als das wichtigste Merkmal der Pathogenitat der Staphylokokken angesehen.
Nach NeiBer und Wechsberg gehort das Staphylolysin derselben Kategorie von
Korpern an wie Tetanolysin und Diphtherietoxin, insofern als es kein Kom piemen t zur
Hamolyse bendtrgt. Noguchi glaubt, daB alle Bakterien, die auf Grund der Agglu¬
tination als pathogen beooachtet werden, Hamolysin bilden, wiihrend die Bakterien, die
auf Grund der Agglutination als saprophytisch angesehen werden, keine Hamolyse
zeigen. Nach Geifie bildet die Mehrzahl der saprophytiBchen Traubenkokken auf
Kaninchenblutagar gleichfalls Hamolysin. Diese Erscneinung tritt aber bei den apatho-
gencn Stammen langsamer — oft erst nach 3 Tagen — ein und ist ungleich schwacher.
Das Hamolysierungsvermogen der Staphylokokken ware am ein-
fachsten mittels der Schottmiillerschen Blutagarplatte zu priifen. Die
damit erhaltenen Resultate sind aber, je nach der Blutkonzentration,
Agardicke etc., zu verschieden, um sichere quantitative Vergleiche zu
ziehen. Oppenheimer hat eine 24-stiind. Agarkultur (in Kolleschen
Schalen mit 10 ccm physiol. Kochsalzlosung aufgeschwemmt) nach
kurzem Stehen bei Zimmertemperatur abzentrifugiert, die iiberstehende
FlUssigkeit mit 10-proz. Karbolsaure (Karbol 10, Glyzerin 20, Aqua
dest. 70) auf 0,5-proz. KarbolsBuregehalt gebracht und auf Hamolysin-
gehalt mit Kaninchenerythrozyten untersucht. NeiBer und Wechs¬
berg haben auch bei der HSmolysinuntersuchung ebenfalls 0,5-proz.
Karbolsaure fiir die Verhiitung des weiteren Bakterienwachstums ver-
wandt. Ich wollte diese Versuche in derselben Weise anstellen, aber,
weil die oben erwShnte Mischung, mit physiol. Kochsalzlosung auf
KarboMuregehalt 0,5 Proz. verdiinnt, ziemlich deutliche Hamolyse her-
vorrufen kann, habe ich iiberhaupt auf die Karbolsauremischung ver-
zichtet.
Das Kaninchenblut ist fur die hamolytische Untersuchung des Sta-
phylolysins am empfindlichsten und folglich am geeignetsten.
Nach NeiBer und Wechsberg sollten die Erythrozyten von ver-
schiedenen Kaninchen den HBmolysinen gegenuber verschieden empfind-
lich sein, ein Umstand, der sich nach Madsen dadurch erklaren laBt,
daB der Gehalt an resistenteren und empfindlicheren Erythrozyten indi-
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Mayeda, Vucinfestigkeit d. Staphvlokokk. u. ihre BeziehuDg z. Staphylolysin. 227
viduell verschieden ist. Daher habe ich bei diesen Versuchen nur Ery-
throzyten eines and desselben Kaninchens gebraucht.
Die Versuche warden folgendermaBen gestaltet:
Von den Vucin- und Normalstammen wurden 24-stund. SchrSgagar-
kolturen in grSBeren Eprouvetten bereitet, die Rasen mit 13 ccra physiol.
Kochsalzlosung aufgeschwemmt und stark abzentrifugiert. Die flber-
stehende FlQssigkeit, die noch ziemlich viele Kokken enthielt und triib
war, wurde in den Mengen von 2,0, 1,5, 1,0, 0,8, 0,5, 0,3, 0,2, 0,1 und
0 ccm in Eprouvetten verteilt; deren ganze Menge wurde dann mit
physiol. KochsalzlSsung auf 2 ccm gebracht. Nun erhielt jede Eprou-
vette 0,4 ccm 5-proz. Aufschwemmung von gewaschenen Erythrozyten
eines Kaninchens und wurde dann 1,5 Std. Tang in den Brutschrank
gestellt. Nach weiterem mehrstundigen Stehen bei Zimmertemperatur
wurde die eventuell aufgetretene Hamolyse untersucht. Die kleinsten
Mengen von Kulturfliissigkeit, die eine sichtbare Hamolyse hervorriefen,
waren folgende:
Tabelle 3.
1 1
D
d
6
D
8
9
10
1
Normalstamme
0,1
0,5
1,0
0,3
0,5
1,5
0,1
0,3
1,0
1,5
Durch-
Vucinstamme
1,0
1,5
1,0
0,8
2,0
2,0
i,5
2,0
2,0
2,0
schnitt
Vergleich der hamolyti-
schen Fahigkeiten
10,0
3,0
1,0
2,7
4,0
1,3
15,0
6,7
2,0
1,3
4,7
Zahl der Vucinpassagen
11
4
5
7
1° i
6
8
4
8
6
6,9
Diese Tabelle zeigt, daB die h&molytische Wirkung der
VucinsUmme ausnahmslos schwacher, und zwar durch-
schnittlich 4,7-fach so schwachist, wie die der Normal-
stamme, wenn man die ersten Spuren von Hamolyse abliest. Bei
den hoheren Konzentrationen, wobei noch starkere Hamolyse auftritt,
bestehen ahnliche Verhaitnisse, die ich hier nicht erwahne. Die ver-
minderte hamolytische Wirkung der Vucinstamme war gewohnlich schon
nach einigen Vucinpassagen gleichzeitig mit der Steigerung der Vucin¬
festigkeit zu bemerken.
Neben der unspezifischen Resistenz und dem Haemolysierungs-
vennogen wurde auch noch das Gelatineverfliissigu n gsverinogen
durch Vucin- und Normalstamme verglichen. Es wurden Stichkulturen
in Gelatinerohrchen angelegt und nach 12 Tage langem Aufenthalt in
einem dunklen Schrank die H6he der Verflflssigungsschicht abgelesen,
ie in der folgenden Tabelle niedergelegt ist:
Tabelle 4.
1 1
2
3
4 1
5 | 6
7
8
9
i 10
Normalstamme
Vucinstamme
Zahl der Vucinpassagen der
Vucinstamme
5,0
2,0
10
3,8
2,5
3
Kontrolle
verloren
5,0
2,0
6
2,5
2,0
10
1,0
0,5
6
QO^CO
of r-T l>
3,0
1,0
4
1,0
0,3
6
Durch-
schnitt
Verglcich der Gelatine-
verflQsaigung
1,3
2,5 |
2,5
1,3
2,0
2,2
3,0
11
i,o
>*
3,3
2,1
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228
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
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Man sieht sehr deutlich, daB die Gelatineverfliissigung bei Normal-
stammen viel starker als bei Vucinstammen ist, und zwar 1—3,3-fach,
durchschnittlich 2,1-fach starker. Die Gelatineverflussigung war besonders
schwach bei den Stammen 6 und 10. Es ist bemerkenswert, daB diese
beiden Stamme, besonders der Stamm 6, ganz schwache Widerstands-
fahigkeit gegen Vucin zeigte (vgl. Tab. 1).
Abott fand, daB bei den gegen Desinfektionsmittel resistenter
gewordenen Staphylokokkenstammen das Gelatineverflussigungsvermogen
sich aufs 100-fache steigerte. Meine Versuche zeigten also das um-
gekehrte Verhaitnis. Nach Geisse ist die Gelatineverflussigung bei
alien Staphylokokkenstammen zu finden, geht aber viel langsamer bei
apathogenen Stammen vor sich.
Um die Dauer der Vucinfestigkeit zu ermitteln, wurde Stamm 1
nach der 10. Passage auf Vucinnahrboden und Stamm 7 nach der
4. Passage auf vucinfreiem, gewohnlichem Agar weitergeziichtet. Nach
lOmaliger Ueberimpfung innerhalb von 10 Tagen war die Vucin¬
festigkeit noch nicht vermindert. Gleichwohl ist analog den Erfahrungen
bei anderen Arzneifestigkeiten (siehe z. B. bei Re gen stein) anzu-
nehmen, daB die erhohte Widerstandsfahigkeit der Staphylokokken gegen
Vucin nur einen vorubergehenden Anpassungszustand darstellt.
Zusammenfassung.
1) Bei 10 pathogenen Staphylokokkenstammen konnte die maximale
Widerstandsfahigkeit gegen Vucin, d. h. diejenige Vucinkonzentration, in
welcher die Kokken nach 24-stund. Verweilen noch teilweise fortpflanzungs-
fahig bleiben konnten, von 1:10 000— 1: 2000 (durch sch nittlich
1:3800) durch 5—12- (durchschnittlich 8,7-)malige Vucinpassagen in
28—54 (durchschnittlich 45,8) Tagen auf 1:5000 — 1 :300 (durch¬
schnittlich 1:1510) gebracht werden.
2) Die Fahigkeit, sich an hohere Vucinkonzentration zu gewohnen, ist
je nach dem Staphylokokkenstamm ziemlich verschieden. Auch bei einem
und demselben Stamm kann die Widerstandsfahigkeit wahrend der Ver¬
suche ohne nachweisbare Ursache eine Abnahme zeigen.
3) Die durch die Vucinpassage erhbhte Widerstandsfahigkeit der
Staphylokokken scheint bei einigen Stammen spezifisch auf Vucin be-
schrankt, bei den anderen aber vielmehr allgemeiner Natur zu sein.
4) Die Vucinstamme zeigen schon nach einigen Vucinpassagen eine
verminderte Staphyloly sin bildun g. Gegen Ende meiner Versuche
war sie 1,0-10,0- (durchschnittlich 4,7-)fach vermindert im Vergleich
mit den Normalstammen.
5) Das Gelatineverflussigungsvermogen der Staphylokokken wird im
allgemeinen durch Vucinpassage vermindert.
6) Die durch die Vucinpassagen erhohte Widerstandsfahigkeit der
Staphylokokken gegen Vucin ist nicht leicht durch taglich fortgesetzte
Weiterzuchtung auf gewohnlichem Agar aufzuheben.
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van Riemsclijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator usw. 229
Iiiteratnrveraeiclmia.
Abott, Journ. of. med. Res., Vol. 26. 1912. — Altmann u. Rauth, Zeitschr.f.
Immunit.-forsch. Bd. 7. 1910. — Cromer u. Neumann, D. med. Woch. 1911. —
Ehrlich, Berl. klin. Woch. 1907. — Geisse, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 79. 1913. —
Haendel u. Biirthlein, Cbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. 57. Beih. 1913. — Kohne,
Zeitschr. f. Immunit.-forsch. Bd. 20. 1914. — Kossiakoff, Ann. de l’lnst. Pasteur.
T. I. 1887. — Marks, Zeitschr.f. Immunit.-forsch. Bd. 10. 1910. — Masson, C. r.
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Noguchi, Arch. f. kl. Chir. Bd. 96. 1911. — Oppenheimer, Col. f. Bakt. Abt. I.
Orig. Bd. 59. 1911. — Regenstein, Ibid., Abt. I. Orig. Bd. 63. 1912. — Seiffert.
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 71. 1912. — Shiga, Zeitschr. f. Immunit.-forsch. Bd. 18. 1913,
Trambusti, ref. Cbl. f. Bakt. Bd. 13. 1893.
Haehdruck verboten.
Ueber einen neuen, einfacben Sauerstoffindikator fur die
Ziichtung von anaeroben Bakterien und die Kultur von
Anaerobionten im allgemeinen’).
[Aus dem Hygienisch-Bakteriologischen Laboratorium der Amsterdamer
UniversitSt (Direktor: Prof. Dr. R. H. Saltet).]
Von M. Tan Riemsdijk, Assistentin am Institut.
Mit 10 Abbildungen im Text.
Der von mir konstruierte, genau austitrierte und standarisierte Sauer¬
stoffindikator ist so empfindlich, daB mit ihm selbst minimale Spuren
von O angezeigt werden.
Die Kultur von Anaerobionten ist nicht einfach und die Methoden
sind besonders komplizierte. In den Lehrbflchern findet man fast aus-
schlieBlich Methoden, nach welchen entweder die Luft gfinzlich ausge-
pampt, oder ein indifferentes Gas, N Oder H, durchgeffihrt wird. Alle
diese Kulturmethoden haben den Nachteil, daB man damit nicht fest-
stellen kann, ob und wann der O wirklich aus den NShrboden ver-
schwunden und nicht wiihrend der Kultur wieder hineingekommen ist.
Soweit mir bekannt, ist die Methode von Klein die einzige, bei der
ein Manometer kontrolliert, ob kein Leek vorhanden ist; die wirkliche
Abwesenheit von O in dem Apparat wird aber nirgends angegeben.
Mein Ideal war immer, das sogenannte Stopfflaschensystem, die ur-
sprilngliche Methode von Buchner (Pyrogallol -J- Kali), so umzu-
arbeiten, daB sie in alien Fallen gebraucht werden kann, und zwar fiir
Petri-Schalen, Kolben, Reagenzrfihren usw.
Bemerkenswert ist, daB die Angaben fiber das Verhalten von Pyro-
gallol-Kali besonders stark voneinander abweichen. Wfihrend einerseits
festes, andererseits gelfistes Pyrogallol empfohlen wird, scheint es doch
1) Nach einem Vortrage in der Versammlung dee Niederlandischen Vereins fur
Mikrobiologie am 17. Dezember 1919. — Klein, Alex., Ein Apparat zur bequemen
Herstellung von anaeroben Plattenkulturen. (Centralbl. f. Bakt Abt. I. Bd. 24. 1898.
fcj. 967.) — Buchner, H., Eine neue Methode zur Kultur anaerober Mikroorganismen.
(Ebenda. Bd. 4. 1888. 8. 149.)
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URBANA-CHAMPAIGN
230
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
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noch vollkommen unbekannt zu sein, ob und wann der 0 bei diesen
Methoden verschwindet. Meist wird angenommen, daB dies nach 24 Std.
der Fall ist; es wird aber kein physikalisch-chemischer Beweis erbracht,
sondern nur die Tatsache, daB Anaerobionten sich nach dieser Zeit zu
entwickeln anfangen.
Liebig, der Vater dieser Metkode, gibt 3 Min. an fur die Ab¬
sorption des 0 aus 100 ccm Luft, wobei aber energisch geschuttelt
werden muB. 24 Std. oder 3 Min. ist aber ein grofier Unterschied.
Von Chemikern wurde mir denn auch ofters mitgeteilt, daB iiber die
O-Resorptionsgeschwindigkeit verschiedener Pyrogallol-Kalimischungen
so gut wie nichts bekannt ist. Nur ein empfindiicher Sauerstoffindikator,
welcher mit abnehmender O-Menge die Farbe verliert, konnte hier
Klarheit schaffen. Die vorhandenen O-Indikatoren farben sich wohl bei
Vorhandensein von 0, entfSrben sich aber nicht, wenn 0 verschwindet
[Reagens von Gunning] 1 ) == Ferrozyankalium + Ferrosulfat: grflne
Farbung mit O; Pyrogallol -f- Kali = braune Farbung mit 0; Reagens
von Schutzenberger 2 ) = Indigo Hydrosulfit gekocht, blaue Far¬
bung mit 0).
Diese Reagentien mussen also abgesondert in das GefaB gebracht
werden und nach Verlauf einiger Zeit, also ganz empirisch, zusammen
geschuttelt werden. Bleibt die Substanz farblos, so ist kein 0, bei
Farbung aber 0 — anwesend; 2 voneinander geschiedene Flussigkeiten in
einem luftdicht geschlossenen GefaB mit Fliissigkeit, zusammen zu
schutteln macht grofie technische Schwierigkeiten.
Methylenblau empfindlich fur Sauerstoff.
Zufailig wurde meine Aufmerksamkeit auf einen Farbstoff gelenkt,
welcher fttr diesen Zweck ein besonders geeigneter, sehr empfindlicher
O-Indikator ist.
Ich versuchte, den Bac. Acnae aus Pustelinhalt auf spezifischem
Sabouraud-Agar zu ziichten. Dieser Organismus ist ein schwacher
Anaerobiont und braucht nur eine geringe Verminderung der O-Span-
nung, um wachsen zu konnen. Mit diesem Organismus stellte ich nun
Versuche mit dem Flaschensystem an, um zu erforschen, ob die „obli-
gaten u Anaerobionten dazu brauchbar sind. Die Reagenzrohrchen wurden
mit „Blauglasbleistift u beschrieben. Die Kultur gelang ausgezeichnet,
und immer wieder salt ich die „blauen Buchstaben* auf den Rohrchen
nach einigen Tagen verschwinden, beim Oeffnen der Flaschen aber
wieder sichtbar werden, so daB in den meisten Fallen die Ziffern deut-
lich lesbar waren. Hier hatt-e ich also, wenn auch in sehr rudimentdrer
Form, den ersehnten gefarbten Indikator!
Der Farbstoff des „Glasbleistiftes“ ist Methylenblau, gemischt mit
irgendeiner fetten Substanz; moglicherweise daB diese Verbindung mit
der O-Entziehuug, die Reduction von Blau hat veranlassen konnen.
Ich befeuchtete nun Watte mit einigen Tropfen wasserigen Me-
thylenblaus (bakteriologische Losung), brachte in die Stopfflasche Pyro¬
gallol, goB nachher KOH ein und schloB dann die Flasche sofort her-
metisch, wonach nach mekreren Tagen die blauen Flecken sich langsam
entfarbten und in etwa 2 Wochen ganz farblos wurden.
1) Gunning, J. W., Ueber sauerstoffgasfreie Medien. (Journ. of prakt. Cheiu.
Bd. 16. 1877.)
2) Grata in a, VV. D., Onderzoek naar het gevoeligste reagens op zuurstef. Gro¬
ningen (P. van Zweden) 1876.
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van Riemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator usw. 231
Fraglich war es nun, ob eine Leukobase des Farbstoffes durch die
Reduktion entstanden war, welche durch Oxydierung wieder entstehen
konnte, Oder ob vielleicht unter EinfluB des Pyrogallol-KOH Oder der
Watte Oder aber beider, die Farbstoffmolekule so sehr angegriffen waren,
daB eine ganz andere Verbindung entstanden war. Dies konnte bald
festgestellt werden, denn beim Oeffnen der Flasche traten die Farbstoff-
flecke plotzlich in ihrer vollen Intensitat wieder auf, was bewies, daB
Methylenblau O-empfindlich ist.
Nun dr&ngte sich die Frage auf, ob es wirklich nicht 24 Std. aber
Tage dauerte, ehe der 0 von der Pyrogallol-Kalimischung in vollkom-
mener Ruhe absorbiert wird, oder ob dieser Indikator so aufierordentlich
langsam wirkt, daB der 0 schon lange verschwunden ist, ehe er ihn an-
zeigen kann, mit anderen Worten ob die Re-
aktionsschnelligkeit dieses Indikators eine be-
sonders langsarae ist. Es war daher wichtig,
auf physikalischem Wege die Resorptionsge-
schwindigkeit der verschiedenen Pyrogallol-
Kalimischungen festzustellen.
Zuerst versuchte ich dies mit Hinein-
bringen eines kleinen Anaeroidbarometers in
die Stopfenflasche, wobei ich die Menge von
O s immer auf Vs des totalen Druckes be-
rechnete. Durch Abziehen dieses Vs bekam
ich dann den verlangten Druck. (Die Atmo¬
sphere besteht zwar aus 20,7 Proz. 0, also
etwas mehr als Vs> aber dies konnte hier
vernachl&ssigt werden, so daB die Berech-
nungen viel einfacher wurden.) Diese kleinen
Barometer erwiesen sich jedoch als vollkom-
men unbrauchbar, da sie nicht empfindlich
genug waren und ihren Angaben nicht ab-
solut zu trauen war. Daher versuchte ich es
mit einer gewohnlichen Barometerrohre in
der Weise, daB eine Stopfenflasche damit durch
einen nach rechts gebogenen Teil hermetisch
verbunden wurde. Das Rohr wurde mit Queck-
silber gefflllt und eine sehr genaue Millimeter-
teilung hinten angebracht. In die Stopfenflasche
von ungefahr 400 ccm Inhalt wurde eine Oeff-
nung geschliffen, durch die eine Saugschlange
Fig. 1.
geschoben wurde, welche auch mit dem Barometerrohre in Verbindung
stand. Schwer war es, eine hermetische Verbindung herzustellen, wegen des
viel grSBeren Aufiendruckes der AtmosphSre, bis mir dies endlich durch
Bestreichen der RSnder zwischen Kautschuk und Glas mit flussigem Kaut-
schuk gelang, welche Losung zur Reparatur von Fahrradbandern benutzt
wird, auBerordentlich schnell trocknet und vollkommen abschliefit. Aller-
dings wurde durch das plStzliche SchlieBen der Flasche mit dem Stopfen
die Luft in derselben so zusammengepreBt, daB das Quecksilber in dem
Barometer rasch stieg. Ein kleines Loch, das durch den Stopfen ge-
schlagen wurde, durch das das Pyrogallol + KOH gegossen werden
konnte und das durch einen Kautschukkork sehr schnell verschlieBbar
war, ohne daB eine Aenderung des Quecksilberniveaus herbeigeftihrt
wdrde, half hier schnell ab.
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232
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
Beziiglich der Pyrogallol- und Kalimenge, womit ich die Versuche
begann, richtete ich mich ganz nach Liebigs Angaben 1 ):
Liebigs / 1 Vol. Pyrogallol 22 Proz.| 1 ccm von dieser Losung absorbiert
Mischung \ 5 „ KOH 60 „ / 12 ccm O,
Bei diesem Verhaltnis wird kein CO gebildet.
O-Resorptionsgeschwindigkeitverschiedener Pyrogallol-
Kalimischungen, kontrolliertmit Quecksilberbarometer.
Der Inhalt der Stopfenflasche betrug 445 ccm. Der durch diese
spezielle Konstruktion entstandene schfidliche Raum A muB mitgerechnet
werden, da hieraus auch der 0 absorbiert wird.
Dieser betrug bei einem Quecksilberniveau von 75,8 = 11,22 ccm, so dafl auf l[Gas-
volumen von: 445
11,22
456,22 = 457 ccm
f erechnet werden muflte. Das vorhandene O betrug also 457 : 5 = 91,4 ccm. 1 ccm
es Liebigscheni Gemischee war notig. um 12 ccm 0 zu absorbieren. Fur 91,4 ccm O
braucht man also 91,4:12 = 7,7 ccm aer Mischung Pyrogallol + Kali 1:5.
Die Menge Pyrogallol ist also gleich 7,7 :6 = 1,3 ccm Pyr. 22 Proz.\ Erst Pyr., nachhcr
„ „ KOH „ „ 1,3><5 = 6,5 „ KOH60 „ jKOHdWgego..
Die versciliedenen Quecksiberniveaus (Tab. I) verursachen selbstverstandlich auch
eine Veranderung im schadlichen Raum A. Die Unterschiede aber waren so gering
( 76.3 = 11^85’ ^er S anze Inhalt der Flasche bedingungslos auf 457 ccm] be-
rechnet werden konnte.
Tabelle I.
Kontrolle der O-Resorptionsgeschwindigkeit verschiedener Pyrogal-
lol-Kalimischungen mit dem Quecksilberbarometer.
Stopiflasche von 457 ccm Inhalt.
Liebigs
Mischung
Minuten
2.47
2,55
3-
3,15
3,30
3.47
4-
A
22 Proz. Pvrog.
60 „ iTOlf
Hg-Stand
75,8 ccm '
73,5
1,3 ccm
6,5 „
72.5
71.5
70.8
70,1
69,7
pro Stunde
5,7 ccm
60,64
2x Liebigs
Mischung
Minuten
4.50
5,-
5,15
5,30
5.50
B
22 Proz.
60 „
Hg-Stand
76,1 ccm
71,9 „
70,0 B
69,0 „
68,0 ,
Pvroi
2,6 ccm
13,0 ccm
pro Stunde
8,0 ccm
60,88
4x Liebigs
Mischung
Minuten
10.45
11,15
11.45
3-
C
Proz.
22
60
Hg-Stand
75,5 ccm
67
65,0
62,
Pvtoi
5,2
26,0
ccm
3,5 ccm.
7,3 „ 1
3,0 ,, |
2,1 » >
pro Stunde
10,2 ccm
60,04
8 x Liebigs
Mischung
Minuten
3.35
4,-
4.35
5.35
D
22 Proz. Pyrog.
60 „ KOH
Hg-Stand
75.9 ccm
68,0 ,
64.9 .
62,7 „
10,4
52,0
ccm
pro Stunde
11,0 ccm
60,72
11 x Liebigs Mischung
Minuten
10.40
11,15
11.40
5-
E
! 2
I 60 „
Hg-Stand
76,3 ccm
69,5 „
68 ^ „
62,8 „
_ rog.
KOH
}
14,3
71,5
ccm
pro Stunde
8,1 ccm
ticke).
1) Treadwell, F. P., Analytische Chemie.
61,04
Bd. 1. Leipzig u.
Wien (Franz Deu-
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van Eiemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindicator usw. 233
Der Rand des Stopsels wurde mit Vaselin eingefettet und der oberste
Flaschenrand hermetisch durch eine Mischung von 90 g Wachs + 10 g
Vaselin geschlossen. Der Barometerstand wurde dann genau abgelesen
und Vs fur den 0 abgezogen, urn die Hohe der Quecksilbersaule zu
berechnen. Durch das Loch B wurde schnell das Pyrogallol, darauf das
KOH eingegossen, plotzlich geschlossen und schon nach ungef&hr 1 Min.
fing die Quecksilbersaule zu sinken an. Meiner Ansicht nach mull nach
1 Std. der 0 aus dem GefaC verschwunden sein.
Bakterien, fur die 0 2 ein Gift ist, darin langer als 1 Std. verweilen
zu lassen, da es urn eine „oberflachliche Kultur“ handelt, schien bedenk-
lich, weil der kiinstliche N&hrboden schon hemraend wirkt und der erste
Versuch zur Teilung unbedingt in einem giftfreien Milieu stattfinden mull.
Tab. I gibt die Resultate der 1. Versuchsreihe an. Auf der horizontalen
Linie steht immer die Ziffer des zu ereichenden Quecksilberniveaus.
Weil Liebigs Mischung eine viel zu langsame Absorption gab
5,7 statt 15 ccm pro Std., versuchte ich es mit 2—4—8—llmal dieser
Mischung. Der groBte Unterschied zeigt sich zwischen 1 x und 4 x
Liebigs Mischung, indem 11 x Liebigs Mischung wieder eine Riick-
wirkung gibt, die verursacht werden kann durch: a = zu dicke Flfissig-
keitsschicht, wodurch die Resorptionsoberschicht zu klein wird, b = zu
groBe Alkaleszenz des Pyrogallols, denn Weyl 1 ) und Goth haben schon
1881 festgestellt, daB ein zu holier Alkaligehalt die Resorptionsenergie
vermindert.
Obwohl Versuch D die hochsten Resorptionszahlen gibt, waren diese
nach 1 Std. doch gar nicht genugend, weswegen ich auf anderem Wege
die Absorptionsschnelligkeit zu vergroBern versuchte. Nach AbschluB
der Versuche wurde die Fliissigkeit mittels einer Wasserstrahlluftpumpe
vollkommen aus der Flasche herausgesogen.
EinfluB der Reihenfolge, in der die Reagentien (Pyrog.
und Kali) eingebracht werden, auf die O-Resorptions-
geschwindigkeit.
Bei den Versuchen auf Tab. I wurde 1) das Pyrogallol und dann
das KOH eingegossen, wahrend auf Tab. II B-C-D es mit der um-
gekehrten Reihe versucht wurde. Tab. II zeigt uns 2 Merkwflrdigkeiten:
1) Der Kontrollversuch A, der zu vergleichen ist mit Tab. I, Ver¬
such D, gab einen viel niedrigeren Resorptionswert, namlich 9,9 pro Std.,
Versuch D jedoch 11 ccm pro Std. Bei Versuch A war die Flasche aber
nicht leer, es standen darin Reagenzrohren in einem Behalter von Metall-
gas, aus dem selbstverstandlich 0 viel schwerer zu absorbieren ist.
2) Das Hineinbringen erst von KOH, nachher von Pyrog. hat eine
bedeutende Beschleunigung der O-Resorption zur Folge. Erklfiren kann
ich diesen groBen Unterschied chemisch oder physikalisch nicht; fest
steht aber, daB die BraunfSrbung der Fliissigkeit hier viel langsamer vor
sich geht; vielleicht ist eine innigere Mischung und dadurch eine groBere
Absorptionsoberflache entstanden. In der Folge wurde daher erst KOH
und dann Pyrogallol eingegossen.
1) Weyl, Th., u. Goth, A., Ueber die Absorption von Sauers toff durch Pyro¬
gallol und Phlorogluzin in alkalischer Losung. (Her. d. Dtsch. Chem. Gesellsch. 1881.
Januar— Juni).
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234
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
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Tabelle II.
EinfluB der ReihenfoTge deT Reagentien auf die O-Resorptions
geschwindigkeit.
Stopfflache 457 ccm Inhalt -f Reagenzrohren mit Wattepfropfen.
8 xLiebigs Mischung
A.
22 Proz. Pyrog.
60 Proz. KOH
10,4 ccm
52 ccm
Minuten Hg-Stand
10.20 75,81
10,45 68,4 > pro Stunde 9,9 ccm
11.20 65,9J
2,30 63,1
60,64
8 xLiebigs Mischung
B.
60 Proz. KOH
22 Proz. Pyrog.
52 ccm
10,4 ccm
Minuten
2.55
3.30
3.55
5.30
Hg Stand
76,-1
65,5 > pro Stunde 11,9 ccm
64.1 J
62.2
60,8
8 xLiebigs Mischung
C.
60 Proz. KOH
22 Proz. Pyrog.
52 ccm
10,4 ccm
Minuten Hg-Stand
1150 64’l} P ro ^ tun ^ e ccm
5^30 6L3 J
59,56
EinfluB der VergrOBerung der Fliissigkeitsoberflache
auf die O-Resorptionsgeschwindigkeit.
Da es mir schien, daB VergroBerung der Fliissigkeitsoberflache eine
VergroBerung der Resorptionsenergie zur Folge hat, brachte ich die Pyrog.
-f- Kalimeuge von Tab. II in 2 Portionen in die Flasche, und zwar die
eine Halfte auf den Boden derselben, die andere Halfte oben in eine
flache Schale. Nach 1 Std. betrug die Quecksilbersenkung 11,7 cm,
also bestand kein nennenswerter Unterschied gegeniiber den Proben
von Tab. II.
EinfluB der Abnahme des KOH-Gehalts auf die
Resorptionsgeschwindigkeit.
Die Konzentration des Alkali erniedrigte ich von 60 Proz. auf 10 Proz.;
aus Tab. Ill ist der auBerordentlich gflnstige EinfluB davon auf die
O-Resorptionsgeschwindigkeit ersichtlich, denn im Durchschnitt wurden
Werte von 13,3 ccm pro Std. gefunden. Jedoch wurde die vollstSndige
O-Resorption nach Verlauf von 1 Std. nicht erreicht.
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van Riemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator usw. 235
Tabelle III.
Einfluft
Minuten
11,05
11,30
12,05
5,30
der KOH-Abnahme auf die O-Resorptionsgesch windigkeit.
Stopfflache 457 ccm Inhalt
10 Proz. KOH 75 ccm
22 Proz. Pyrog. 10,4 ccm
Hg-Stand Minuten
74,51 2,30
63,5} pro Stunde 13,2 ccm 3,—
61,3| 3,30
61,8 4,-
59,6
B.
Hg-Stand
63,7} proStunde 13,4 ccm
62,7)
62,5
60,8
EinflufiderAbnahmedesFlGssigkeitsvolumenbeigleicher
Konzentration und geringen Temperaturwechsels auf die
0-Resorption sgesch win digkeit.
In der Annahme, daB einer diinneren Flflssigkeitsschicht groBere
Resorptionsenergie folgen wurde, verminderte ich die Menge der Flflssig-
keit stark, sorgte aber nach Liebigs urspriinglicher Angabe fur ein
UebermaB von KOH; auch wurde der EinfluB der Teraperatur auf den
ResorptionsprozeB beachtet, alle vorhergehenden Versuche wurden bei
Zimmertemperatur vorgenommen. Tab. IV zeigt, daB
1) die Abnahme des Flussigkeitsvolums eine starke Erhohung der O-Resorption
zur Folge hat. Die mittleren Werte betragen hier 14,46 ccm pro Sta., wahrend bis jetzt
die hochsten 13,3 ccm pro Std. waren. Hierdurch war eine O-Resorption nach 1 Std.
erreicht, welche als ziemlich vollkommen betrachtet werden kann. Wo nicht mehr mit
der urspriinglichen Liebigschen Mischung gearbeitet wurde, wobei kein CO gebildet
wird, mufi sicher auf eine Menge CO gerechnet werden. Nach den Untersuchungen von
Cal vert-Cloez und Bouseingault kann dieser 2—4 Proz. des O-Volums betragen 1 ).
Weiter wird die Spannung des Wasserdampfes auch ihren Einfluft auf das Quecksilber-
niveau geltend machen. Dies laHt uns annehmen, daft nach 1 Std. der O aus dem
Rezeptakulum verschwunden ist und
2) daft geringfiigige Schwankungen der Zimmertemperatur keinen Einfluft auf die
Resorptionsscnnelhgkeit haben.
Tabelle IV.
Einfluft der Abnahme des Flussigkeitsvolumen bei gleicher Konzen-
tration und von kleinen Temperaturwechseln auf die O-Resorptions-
geschwindi gkeit.
Stopfflache 457 ccm Inhalt.
10 Proz. KOH
20 ccm
22 Proz. Pyrog.
6 ccm
A. Temp. 15,5* C
B. Temp. 17® C
Minuten
Hg-Stand
Minuten
Hg-Stand
10,55
762|
2,25
76,31
10^5
63,8} proStunde 14,5ccm
3-
62,9} proStunde 14,4ccm
11,55
61,7j
3,25
61,9j
60,96
61,04
C. Temp. 15,5® C
D. Temp. 17,5 ®C
Minuten
Hg-Stand
Minuten
Hg-Stand
3 —
76,—|
10,35
76,-1
3^0
62,5 } pro Stunde 14,9 ccm
11,05
62,7 } pro Stunde 14,4 ccm
4,-
61,1 j
11,35
61,6 )
60,8
60,8
E. Temp. 15,5° C
F. Temp. 17,5 ® C
Minuten
Hg-Stand
Minuten
Hg-Stand
10,15
75,41
2,55
75,8 1
10,45
62,6} pro Stunde 14,2 ccm
3,25
61,8 > pro Stunde 14,45 ccm
11,15
61,2)
3,55
61,35j
- 60,32
60,64
1) Calvert, T. und Cldez. S. und Boussingault, Ueber die Bildung von CO
bei der Einwirkung v.Sauerstoff auf pyrogallussaureaKali. (Liebigs Annal. Bd.53.1864.)
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236
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
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EinfluB der Verdoppelung des Fliissigkeitsvolums von
Tabelle IV auf die O-Resorptionsgeschwindigkeit.
Tab. V rait Werten von 14,4 ccm pro Std. zeigt, daB Verdoppelung
der Pyrogallol-Kalimenge nicht beschleunigend auf die O-Resorption wirkt.
Tabelle V.
Einflufi der Verdoppelung des Fliissigkeitsvolums (Tabelle IV) auf
dieO-Resorptionsgeschwindigkeit.
Stopfflasche 457 ccm Inhalt
10 Proz. KOH 40 ccm
22 Proz. Pyrog. 12 ccm
A. Temp. 16,5° C
Minuten Hg-Stand Minuten
10.40 76,6 ) 2,25
11,10 63,05> pro Stunde 14,1 ccm 2,55
11.40 62,5 J 3,25
61,28
B. Temp. 16° C
Hg-Stand
77,25)
63,2 [ pro Stunde 14.6 ccm
62,65J
61,80
Minuten
10.15
10,45
11.15
C. Temp. 16,5° C
Hg-Stand
77,1 |
63,—} pro Stunde 14,4 ccm
62,7 |
61,68
EinfluB der Verdoppelung der Fliissigkeitskonzen -
tration vonTab.IV auf die O-Resorptionsgeschwindigkeit,
Tab. VI rait mittleren Werten von 14,35 ccm pro Std. ergibt gar
keinen Unterschied gegeniiber den vorhergehenden Versuchen. Aus spater
anzugebenden Tatsachen ist jedoch an der Konzentration und dem Volum
von Tab. VI ftir die weiteren Versuche festzuhalten.
Tabelle VI. ‘
Einflufi der Verdoppelung der Fliissigkeitskonzentration (Tabelle IV)
auf die O-Resorptionsgeschwindigkeit.
Stopfflasche 457 ccm Inhalt
20 Proz. KOH 20 ccm
44 Proz. Pyrog. 6 ccm
A. Temp. 16° C B. Temp. 16° C
Minuten Hg-Stand Minuten Hg-Stand
10.50 75,5) 4,30 75,5)
11,20 61,9; pro Stunde 14,3 ccm 5,15 61,1 > pro Stunde 14,6 ccm
11.50 61,2) 5,30 60,9)
60,04 60,04
Minuten
10.35
11,05
11.35
Alle vorhergehenden Versuche zeigen, daB in der ersten 1 / 2 Std. am
raeisten O absorbiert wird und nachher die Absorption unendlich lang-
samer vor sich geht. Versuche von den Tabellen IV—V und VI, welche
am besten vergleichbar sind, geben eine mittlere O-Resorption nach der
ersten 1 / a Std. von = 13,56 ccm, nach der zweiten 1 / 2 Std. von = 0,87 ccm;
total nach 1 Std. von 14,43 ccm.
C. Temp. 16° C
Hg-Stand
76,4 )
62,75) pro Stunde 14,45 ccm
61,95 J
61,12
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URBANA-CHAMPAIGN
van Riemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator usw. 237
EinfluB stark erhohter Teraperatur auf die O-Resorptions-
gesch windigkeit.
Die vorhergehenden Versuche wurden bei einer Temp, von 15°—
17 0 C unternommen. Weil die eigentliche Kultur der anaeroben Bakterien
bei 37 0 C stattfinden mull, war es wiinschenswert, diese Resorptions-
versuche auch bei hoherer Temp, vorzunehmen. DaB dies nicht gleich
im Anfang geschehen ist, erklart sich durch die groBeren technischen
Schwierigkeiten. Besonders schwer war es, den Apparat leckfrei zu er-
halten, weil die Mischung fur den hermetischen VerschluB bei dieser Temp,
weich wurde. Der starke, von aufien auf den Apparat ausgeubte Druck,
war die Ursache, daB viele Versuche scheiterten. Indessen wird sich bald
zeigen, daB die Versuche bei Zimmertemp. von viel groBerem Wert waren,
als die bei erhohter Temp. Ungeachtet der groBen technischen Schwierig¬
keiten gelang es mir doch, 3 Versuche durchzufflhren. Es lag auf der
Hand, daB die Resorption bei dieser Temp, beschleunigt wurde.
Tab. VII bringt jedoch eine groBe Ueberraschung: Statt groBerer
Indices sind diese hier niedriger, und zwar beinahe 2 ccm namlich
Tabelle VII.
EinfluB von stark erhbhter Temperatur auf die O-Res or ptions-
geschwindigkeit.
Stopfflasche 457 ccm Inhalt
20 Proz. KOH 20 ccm
44 Proz. Pyrog. 6 ccm.
A. Temp. 35 0 C B. Temp. 36 0 C
Minuten Hg-Stana Minuten Hg-Stand
10.45 75,31 10,55 76,2 1
11,16 64,2> pro Stunde 9,7 ccm 11,25 64,4 > pro Stunde 12,3 ccm
11.45 65,6j 11,55 63,9 |
2,— 63,45
4,— 63.45
_ 60,24 ___ 60,96 _
C. Temp. 30° C
Minuten Hg-Stand
3.30 76,5)
4,— 64,8; pro Stunde 11,7 ccm
4.30 64,8J
61,15 nach Abkiihlung bis 18° C
61,2
12,3 ccm, statt 14,4 ccm. Dies ist jedoch nur scheinbar, denn nach
V 2 Std. muB beinahe aller O verschwunden sein, weil das Quecksilber-
niveau nach dieser Zeit sich fast nicht mehr senkt (Versuch B und C).
Versuch A ist insofern merkwiirdig, als nach 1 I 2 Std. das Quecksilber-
niveau niedriger ist als nach 1 Std. DaB dies nicht durch ein Leek
verursacht wird, beweist die Tatsache daB 24 Std. spater bei Zimmertemp.
das Barometer 56,4 zeigte, also noch niedriger stand, als das Hg-Niveau,
welches ursprunglich erreicht werden sollte.
Auch das StationSrbleiben im Versuch B beweist hinlanglich, daB
kein Leek vorhanden war.
Versuch C ergibt bei Abkiihlung bis 18° C einen Quecksilberstand,
der vollkomraen mit dem zu erreichenden Niveau iibereinstimmt.
DaB die totalen Werte niedriger sind, als bei dem Versuche bei
Zimmertemp., wird meines Erachtens durch hinzukommende Spannungen
verursacht, welche den Druck erhbhen, namlich 1) die erhohte H 2 0-
Spannung, 2) die erhbhte CO-Spannung. SpStere Versuche mit dem
Indikator best&tigen vollkommen, daB bei 37° C nach ungefa.hr 30 Min.
aller 0 verschwunden ist. Die Versuche bei Zimmertemp. geben also
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URBANA-CHAMPAIGN
238
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
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ein viel konkreteres Bild der O-Resorptionsgeschwindigkeit, da die auf-
tretenden Spannungen hier von geringerem EinfluB sind.
Immer wurde das Pyrogallol in aufgelostem Zustande angewendet, da
es im festen Zustande (gleiche Gewichtsquantitaten) einen viel niedrigeren
Absorptionswert gibt.
Erhbhung der Reaktionsgeschwindigkeit des Methylen-
blaushinsichtlich des 0 durch Glukose und Alkali.
Vorhin wurde bereits die Reaktionstragheit des Methylenblaus gegen
0 gezeigt. Es wurde dieser Farbstoff verglichen mit dem, was in Wirk-
lichkeit in der Stopfenflasche geschehen ist, wo der 0 nach V, Std. ver-
schwunden; dieser Farbstoff war also (Tab. VII) nicht als O-Indikator
anwendbar. Es rauBte daher nach einer Substanz gesucht werden, welche
die Reaktionsgeschwindigkeit ansehnlich erhohte, m. a. W. das Entstehen
der „Leukobase“ sehr beschleunigte, ohne dafi sich die Empfindlichkeit
dera 0 gegenuber verminderte. Durch Pasteurs Arbeit liber die An-
aerobiose angeregt, fand ich bald die gewiinschte Substanz; das Reagenz
von Schiitzenberger, womit Pasteur die O-Freiheit der Butter-
sBuregarungsfliissigkeit nachwies und das aus Indigo, von Hydrosulfit
reduziert, besteht (Spuren 0 geben blaue Farbung), wurde, um das Indigo
als Indikator verwenden zu konnen, eine reduzierende Substanz verwendet.
Das Hydrosulfit stellte sich fur das Methylenblau als nicht passend her-
aus; durch Kochen entstand erst die Leukobase, whhrend die Blauf&rbung
bei vollem O-Zutritt nur sehr schwach und langsam verlief. Der Zweck
war aber hier nicht, eine Leukobase zu bekommen, sondern ein lang-
sames Verbleichen des Farbstoff'es, je nach der O-Abnahme.
In Uebereinstimmung mit I. Lubsen wurde aus der Reihe der
reduzierenden Substanzen die Glukose in alkalischer Umgebung fiir am
meisten geeignet erachtet.
Da die Reduktion eine energische sein sollte, wurde die Glukoselosung ziemlich
konzentriert verwendet; die Reaktion sollte mit Lackmuepapier deutlich alkalisch uud
die Farbe ein gutea Blau sein. Die Zusammensetzung der Fliissigkeit war vorlaufig
folgende:
auf 9 ccm 10 Proz. Glukose \
aus 1 ccm\ 3 Tropfen N NaOH I Indikator-
Pipette ) 8 „ Methylenblau (Bakteriologische Losung 3 x ver- f fliigsiekeit
diinnt) J
Diese deutlich blau gefarbte Fliissigkeit wurde in einem offenen Reagenzrohr in
die Stopfenflasche gestellt, das O-Resorbens von Tab. VI eingegossen und dann herme-
tisch geschlossen. Nach 20 Min. war bei 37 “ C die Indikationsfliissigkeit vollkommen
entfarbt. Auch das offen bei 37° C gestellte Kontrollrohr mit gleichem Indikator
wurde reduziert, jedoch nur teilweise, denn es blieb an der Oberflache ein ungefahr
1 / 3 cm breiter, stark blau gefarbter Ring iibrig. Tiefer als dieser Ring konnte der O
otfenbar nicht durchdringen, um das von der Glukose reduzierte Methylenblau wieder zu
oxydieren. Beim Heben des Flaschenstopfens trat fast unmittelbar die blaue Farbe
an der Oberflache der Fliissigkeit zuriick; spater aber wurde die blaue Zone immer
breiter und konnte durch Scniitteln durch die ganze Fliissigkeit hindurch gebracht
werden. Bei Zimmertemperatur dauerte der Entfarbungsprozef 50 Min.; zufallig ersah
ich spater, dafi Smith eine Reduktionsbeschleunigung von Methylenblau in steriler
Peptonbouillon beobachtet hat, wenn ihr etwas Dextrose zugefiigt worden war.
EinfluB der Alkalimenge auf die Reaktionsgeschwindig¬
keit des fliissigen Indikators.
Bald stellte sich heraus, daB die Menge des Alkali entscheidend war
ffir die Geschwindigkeit und Empfindlichkeit der Reaktion, wie die folgen-
den Versuche ersehen lassen:
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van Riemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator ubw. 239
Erbohter Alkaligehalt.
9 ccm 10 Proz. Glukose
3 Tropfen 4 N NaOH
8 „ Methylenblau, 3xverdunnt.
Nach 10 Min. bei 37 0 C Entfarbung.
Bei Oeffnen der Flasche Blaufarbung
viel langsamer. O-Empfindlichkeit
also zuriickgegangen.
Erniedrigter Alkaligehalt.
9 ccm 10 Proz. Glukose
1 Tropfen N NaOH
8 „ Methylenblau, 3x verdunnt.
Nach 24. Std. bei 37 0 C Entfarbung.
Bei Oeffnen der Flasche Blaufarbung
sehr schjnell.
Beide Versuche sind ganz wie die auf S. 238 angestellt worden.
O - Resorption sge sch win digkeit vom halben Volum des
O-Resorbens von Tab. VI durch fltissigen Indikator
kontrolliert:
Stopfenflasche 445 ccm Inhalt
20 Proz. KOH 10 ccm
44 Proz. Pyrog. 3 ccm.
Nach 20 Min. bei 37'C Entfarbung der Indikatorfliissigkeit. Dieser Indikator
bewiee also, da6 die */j Menge des O-Resorbens genugend war, und in der Folge wurde
damit gerechnet; wir werden spater sehen, ob dies wirklich der Fall ist.
Vergleichen wir jetzt die Resultate der Barometerversuche (Tab. VII)
mit diesen Indikatorexperimenten, so sehen wir, daB nach 30 Min. bei
37 0 C der O absorbiert ist (Barometer), was der Indikator schon nach
20 Min. angibt. Hierbei muB noch die Zeit der Reaktionsempfindlich-
keit abgezogen werden, namlich die Zeit, welche der Indikator braucht, um
in vollkommen freier O-Umgebung zu entf&rben. Nach dem Indikator
geschieht die O-Absorption also innerhalb 20 Min. also viel zu schnell.
Bei dem Barometer scheint die Reaktionsempfindlichkeit des Hg keinen
verzfigernden EinfluB zu haben, da schon 1 Min. nach Einbringen der
O-Resorbantia das Quecksilberniveau sinkt.
•
Bestimmung der O-Empfindlichkeit des fliissigen
Indikators auf physikalischem Wege.
Die vorhergehenden Resultate gaben Veranlassung zur Frage, ob
der Blissige Indikator wirklich empfindlich genug war, um Spuren von
O anzuzeigen. Es wurde deswegen folgende Probe gemacht: Die Glu-
koselosung wurde vorher 3 Min. in einem Kolben gekocht, um die Luft
zu entfernen, dann plotzlich durch Kautschukkork geschlossen und unter
dem Wasserstrahl abgekfihlt.
In das Reagenzrohr wurden 3 Tropfen Methylenblau gebracht, dar-
auf vorsichtig 9 ccm der ausgekochten Glukose gegossen (wobei so wenig
wie moglich Luft einzubringen ist) und 3 Tropfen N-NaOH eingebracht,
alles vorsichtig gemischt und das Reagenzglas in den sog. Trockenturm
gestellt, in dem ein kleines Manometer angebracht war. Stfipsel und
Hahn wurden hermetisch verschlossen. Der Trockenturm wurde an einer
Oelluftpumpe befestigt (Vakuumkapazitat 1 mm) und 15 Min. lang
gepumpt. Die Indikatorflfissigkeit war noch kaum geffirbt, nach 10 Min.
bei Zimmertemperatur aber farblos. Der Apparat blieb bei Zimmer-
temperatur fiber Nacht stehen. Am n&chsten Morgen zeigte das Mano¬
meter den gleichen Stand an, ein Beweis, daB kein Leek vorhanden war.
Hierauf wurde der Trockenturm wieder mit der Pumpe verbunden und
nochmals Vs Std. gepumpt, der Hahn geschlossen, der Turm von der
Pumpe entfernt und dann wurden vorsichtig 2 Oder 3 mm Luft einge-
lassen. Nach 2 oder 3 Min. entstand bei Zimmertemperatur gerade
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240 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
unter dem Meniscus ein griinlichblauer Ring, der bei 3 mm Luft sehr
deutlich, bei 2 mm Luft sehr schwach war. Diese kleinen Ringe
blieben bei Zimmertemperatur ungefahr 15 Min. bestehen, wonach sie
durch die reduzierende Glukose verschwanden.
Diese Versuclie wurden immer mit dem gleichen Resultat wieder-
holt. Merkwiirdig war es, daB ungeachtet energischen Pumpens das
Quecksilberniveau nie niedriger als 3—4 mm kam, 'was vielleicht der
Spannung der HjO-Dampfe iiber einer 10-proz. Glukoselbsung zuzu-
schreiben ist, da nach Landolts Tabellen die wahre H 2 0-Spannung
bei dieser Temperatur eine viel hohere sein miiBte.
Obwohl genaue Zahlen hier nicht gegeben werden konnen, glaube ich
doch, daB bei dem Stationarbleiben des Manometers auf 3 mm kein O
mehr in dem Turm vorhanden war. Dieser fltissige Indikator zeigte
also, fur unsere Zwecke vollkommen geniigend, noch ungefahr 2 /s min
O an, denn nach Kruse wachst der empfindlichste Anaerobiont (Bac.
butyricus) noch gut bei ungefahr 1 mm 0.
Erhohung der O-Empfindlichkeit des Indikators durch
VergroBerung der Oberflache.
Ungeachtet der erwahnten groBen Empfindlichkeit des Indikators fiel
mir die folgende befremdende Tatsache auf: Gleichgiiltig, ob die Stopfen-
flasche leer Oder gefiillt war und die Reagenzrbhren mit Watte ver-
schlossen waren, war der fltissige Indikator bei 37 0 C immer nach
20 Min. entfarbt, was physikalisch unmbglich war, da Wattepfropfen, welche
auch stark Luft binden, nicht in der gleichen Zeit O-frei sein konnen,
wie ein leeres Rezeptakulum, worin dieser Widerstand fehlt.
Es muBte also die Fliissigkeitsoberflache im Reagenzrohr zu klein
sein, wie sich auch herausstellte, denn schon bei sehr schragem Stande
der Reagenzrohre in der Stopfenflasche zeigte sich ein sehr bemerkbarer
Unterschied in der EntfSrbungsdauer, der noch groBer wurde (nach un¬
gefahr 40 Min.), wenn die Indikatorflussigkeit in platter Schale in der
Flasche stand. Die Reagenzglasmethode war also falsch, da sie O-Frei-
heit anzeigte, wo diese nicht bestand. Spuren von 0 konnte die Indi-
katorflflssigkeit in dem Reagenzrohre aber nicht hinlanglich anzeigen.
Der Hydrophilgaze-Sauerstoffindikator.
Die Indikatoroberfi&che muBte also stark vergrofiert werden und
sehr diinn sein, damit der 0 an alien Seiten soviel wie moglich Zutritt
hatte. 1) wurde dies mit Streifen von Watte versucht, die in die
Fliissigkeit getr&nkt und gegen die Wand des Reagenzrohres ausge-
breitet wurden. Die Entfarbung dauerte viel langer, aber die stellen-
weise Ungleichheit der Wattefasern ergab ungleichm&Bige Verteilung
des Farbstoffes, also sehr unregelmaBige Entfarbung. Auch Filtrier-
papier war nicht anzuwenden wegen des ungleichmaBigen Steigens der
Indikatorflussigkeit; erst wurde die Glukoselosung aufgesogen, dann
folgte der Farbstoff. Hier bestand also keine uniforme Konzentration
des Indikatorfeldes.
Die Hydrophilgaze vereinigte alles, was verlangt wurde, namlich gleich-
maBige Aufschlurfung und moglichst groBe Oberflache infolge der groBen
Porositat des Materials. Die Indikatorflussigkeit muBte verandert werden,
weil die Farbe des Gases zu bleich war.
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Fiir das Eintropfen wurde daher auch eine andere, leichtere Me-
thode gewahlt:
3 ccm 10-proz. Glukose
■ Tropfe. N. N.OH { *“ »»“»»
[ Methylenblau Hochst 50 mg
1 Tropfen Methylenblau -I Aqua dest. 30 ccm
IT K von 50 ccm Inhalt.
Ein Doppelstreifen Hydrophilgaze, der in dieser Fliissigkeit getrankt
und gegen die Innenwand verbreitert war, entfarbte sich in der Stopfen-
flasche bei 37 0 C nach 1 Std. (also 3mal langer, s. S. 238). Dieser
Hydrophilgazeindikator zeigte einen deutlichen Unterschied in der Ent-
farbungsdauer, je nachdem in die „Stopfenflasche“ 1 oder 4 Reagenz-
rohren gestellt waren; mit 4 namlich ungefahr 15 Min. langer. Bei An-
wendung einer groBen Stopfenflasche, worin P e t r i - Schalen (s. S. 251)
mit verhaltnismaBig gleicher Menge Pyrogallol-Kali aufgestellt waren,
betrug die Entf&rbungsdauer des Indicators mit 2 Schalen
1 V 4 Std., mit 4 Schalen 1 1 / 2 Std. bei 37 0 C.
Mit diesem Hydrophilgazeindikator wurde also eine Emp-
findlichkeit erreicht, die ganz ubereinstimmte mit dem physi-
kalischen Verlaufe der Versuche. Wurde der Stopsel ein wenig
locker gemacht, so wurden die Gase bald blau.
Um zu erklaren, warum die Trockenturmversuche eine
so groBe Empfindlichkeit des flussigen Indikators zeigten,
dieser Indikator jedoch viel weniger genau reagierte wie die
Hydrophilgaze, glaube ich, 2 Ursachen annehmen zu miissen:
1) In dem viel engeren Trockenturm haben die O-Spuren
einen viel kiirzeren Weg zuriickzulegen und begegnen ge- V J
ringerem Widerstande, ehe sie die Indikatoroberflache er- .—^
reichen, wie in der viel weiteren Stopfenflasche. 2) Da der Fi 8- 2 -
Trockenturm fast luftleer ist, verbreiten sich Spuren der ein-
gelassenen Luft unmittelbar durch das ganze Rezeptakulum und erreichen
selbstverstSndlich die Indikatorflflssigkeit baldigst.
Bestimmung der Reaktionsempfindlichkeit des Hydro-
philgazeindikators und EinfluB der Temperatur darauf.
Bei 37 0 C dauerte die Entf&rbung des Hydrophilgazeindikators 1 Std.
nnd die Barometerversuche gaben ungefahr 30 Min. an (s. Tab. VII).
Die Reaktionsdauer des Indikators wurde also um 30 Min. zu lang sein.
Dies kSnnte zusammenhangen mit der Reaktionsempfindlichkeit dieses
Indikators, namlich mit der Zeit, welche der Indikator braucht, um im
vollen O-freien Raume zu entfarben. Um dies festzustellen, verfuhr ich
folgendermaBen: In einem Reagenzrohre wurde zur V 2 H6he von Plastizin
eine Art Behalter gemacht, woran sich 2 kleine, kurze ROhrchen an-
lehnen kOnnen. Ueber diese wurde ein doppelter Streifen der Hydro¬
philgaze ausgebreitet und oben mit Plastizin befestigt. Unter die Rohr-
chen wurde die Glukoselosung gebracht:
3 ccm 10-proz. Glukose
In Rohrchen 1 = 1 Tropfen Methylenblau
„ „ 11 = 1 „ N. NaOH
I Dieses Reagcnzrohr wurde voriichtig iu
I die Stopfenflasche gebracht, daneben ein
| Rcagenzrohr mit dem Hydrophilgasindi-
J kator (Kontrolle).
Das Kontrollrohr diente um genau beobachten zu konnen, wann der
O aus der Stopfenflasche verschwunden war, nachdem mit der gewunschten
Menge des O-Resorbens die Flasche bei 37° C hingestellt war. Nach
E nu> Abt. Orig. Bd. 88. Heft 3. 16
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1 Std. war die Kontrollgase entffirbt; sicherheitshalber blieb die Flasche
dann noch 1 Std. bei 37 0 C stehen und wurde darauf bei Zimmertempe-
ratur abgekiihlt. Der eigentliche Versuch konnte jetzt beginnen: durch
Schfitteln fielen die beiden kleinen Rfihrchen in die Glukoselosung, dann
wurden vorsichtig die Fliissigkeiten gemischt und durch Schraghalten
der Flasche die Gase mit dieser Indikatorfliissigkeit gleichmaBig durch-
feuchtet. Der geffirbte Hydrophilgazeindikator war jetzt in einera O-freien
Raurae, so daB die Reaktion gleich anfangen konnte:
Entfarbungsdauer Entfarbungsdauer Entfarbungsdauer Entfarbungsdauer
in 0-freiem Raurae in O-freiem Raurae in O-freiem Raume in O-freiem fiaume
bei 56° <J bei 37° C bei 24° C bei 15» 0
15 Min. 20 Min. 2 Std. 4 Std.
Von groBter Wichtigkeit ist es, dafi bei 37° C die Reaktionsempfind-
lichkeit 20 Min. dauert, die also von der totalen Reaktionsdauer (60 Min.
—20 Min. = 40 Min.) abgezogen werden miissen. Das stimmt voll-
kommen iiberein mit den Barometerversuchen (Tab. VII). Obenstehende
Zahlen geben den beschleunigten EinfluB der erhfihten Temperatur an.
Werden die geffirbten Gase ein wenig fiber der Flarame erhitzt, so tritt
beinahe augenblicklich die Leukobase auf, welche aber bei Abkiihlung
beinahe ebenso schnell wieder blau wird.
Ein gleiches Resultat wurde noch auf andere Weise erreicht: Ein
Reagenzrohr mit dem Hydrophilgazeindikator wurde an beiden Enden
ausgezogen, dann mittels eines Kipapparates H durchgeffihrt und nach
einigen Minuten mit einer Flamme an dem anderen Ende kontrolliert,
ob kein 0 mehr anwesend war. Beide Rohrenden wurden dann vor¬
sichtig in der Flamme zugeschmolzen. Bei 37 0 C war auch jetzt nach
20 Min. der Indikator in diesem O-freien Milieu entfarbt.
Genaue Angaben fiber die Reagentien zum Hydrophilgaze¬
indikator.
Die Grundlage ffir das genaue Standarisieren dieses Indikators
bildeten die Barometerversuche. Die Reaktionsdauer des Indikators
sollte nicht unter, aber auch nicht viel fiber diesen Barometerversuchen
und dabei maximal empfindlich sein ffir den 0. Meine zahlreichen dies-
bezfiglichen Experimente erwiesen, daB das sehr genaue Verhalten der
3 Reagentien zueinander allein Sicherheit gibt ffir einen konstanten und
genauen Verlauf der Reaktion, weil kleine Fehler schon merkliche Unter-
schiede geben konnen.
Die Glukoselosung.
Die 10-proz. Glukoselosung wird bereitet entweder aus Glukose pur.
Oder Glukose Brut (10 g auf 100 Aqua dest.). Die Glukose darf nicht
hoch erwfirmt werden, da sie sich sonst verfindert. Die Losung verdirbt
schnell (Bakterienentwicklung) und wird unbrauchbar. Uni
sie langere Zeit aufzubewahren, wird folgendermaBen ver-
fahren: Durch leichtes Erhitzen wird die Glukose aufgelost,
die Flfissigkeit filtriert und in ein steriles Pasteur-
Kolbchen fibergegossen, darin kurze Zeit tfichtig gekocht,
worauf das ausgezogene Ende des Stopfens mit Plastizin
geschlossen wird. Man muB mit einer vollkommen klaren
Flfissigkeit arbeiten, weil sonst die Reaktion unregelmaBig
verlfiuft (keine Fasern, Flockchen usw.). Beim Gebrauch
von Leitungswasser wird die Losung gelb; Aqua dest.
Fig. 3. schadet viel weniger.
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van Riemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator nsw. 243
Einflufi erhohter und erniedrigter Glukosekonzentration
auf die Reaktionsgeschwindigkeit des Hydrophilgaze-
Indikators.
Tab. VIII zeigt deutlich, wenn die Glukosekonzentration erhoht wird
bei gleichem Alkali- und Farbstoffgehalt, dafi die Reaktionsgeschwindigkeit
und O-Erapfindlichkeit des Indikators zuruckgehen. Wird die Glukose¬
konzentration -(- Kaligehalt erhoht, so wachst auch die Reaktions¬
geschwindigkeit, w&hrend die O-Empfindlichkeit sich vermindert. Es gibt
also 10-proz. GlukoselOsung die konstantesten und empfindlichsten Resultate.
Tabelie VIII.
Einflufi erhohter und erniedrigter Glykosokonzentration auf die Reaktions
gesch wind igkeit des H ydro philgaze-I nd ikator s.
c, r„u„u ajk. _ II 20 Proz. KOH 10 ccm
Stopfenflasche, Inhalt 445 ccm j 44 p roz p yrog 3 ccm
2X so starke
Konzen tration
Ko
Normale
n zen tration
2m
3 ccm 10 Proz.
Glykose
§ =3
1 Tropfen
1 a £.
■go .
n. NaOH
'■& © T*
1 Tropfen
3*5
Methylenblau
rH
Bei Oeffnung der
Flasche nach 24 Std.
bald Blaufarbung.
ccm 20 Proz.
Glykose
Tropfen
n. NaOH
Tropfen
Methylenblau
Bei Oeffnung der
Flasche nach 24 Std.
sehr verlangsamte
Blaufarbung.
2X so starke
Konz. + Erhohung
Alkali
a
§ B S
;aj ^ lO
■S°
•*2 ^
w”
3 ccm 20 Proz.
Glykose
2 Tropfen
n. NaOH
1 Tropfen
Methylenblau
Bei Oeffnung der
Flasche nach 24 Std.
sehr verlangsamte
Blaufarbung.
3 X so s ta r k e
Konzentration
2m
Spg si
E
S
a
s
•So
iSo
■s r-
w”
3 ccm 30 Proz.
Glykose
3 Tropfen
n. NaOH
I Tropfen
Methylenblau
Bei Oeffnung der
Flasche nach 24 Std.
sehr verlangsamte
Blaufarbung.
N. NaOH-LOsung: BeilSufig wurde auf S. 239 schon fur den fliissigen
Indikator angegeben, dafi die Menge des Alkali entscheidend ist fUr die
Erapfindlichkeit und Schnelligkeit der Reaktion, d. h. Reaktionsbeschleuni-
gung bei Erhohung des Alkaligehaltes, jedoch Verrainderung der Erapfind¬
lichkeit, indem bei Abnahme der Alkalizit&t die Reaktion langsaraer wird.
Einflufi erhohten und verminderten Alkaligehaltes auf die
Reaktionsgeschwindigkeit des Hydrophilgaz e-Indikators.
Tabelie IX.
Einflufi vonerhbhten und erniedrigten Alkaligehalt auf dieRe-
aktionsgesch windigk eit des Hydrophilgaze-Indikators.
Stopfenflache Inhalt 445 ccm
20 Proz. KOH 10 ccm
44 Proz. Pyrog. 3 ccm
A.
Normaler Alkali¬
gehalt
•s
1»3
:=o X
c CO ^
w
£
3 ccm 10 Proz.
Glykose
1 Tropfen n. NaOH
1 Tropfen
Methylenblau
* B.
Erhbhter Alkali -
gehalt
M
o
bfi el
c a
a
5?a
jn
<D
3 ccm 10 Proz.
Glykose
2 Tropfen n. NaOH
1 Tropfen
Methylenblau
C.
Erniedrigter Alkali¬
gehalt
•Si
its;
a cS
log
taS o
fl CO
M X
6 cem 10 Proz.
Glykose
1 Tropfen n.NaOH
2 Tropfen
Methylenblau
Bei Oeffnung der Flasche
nach 24 Std. bald Blau¬
farbung.
Bei Oeffnung der Flasche
nach 24 Std. verlangsamte
Blaufarbung.
Bei Oeffnung der Flasche
nach 24 Std. Blaufarbung
langsamer wie bei A.
16*
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244
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
Tab. IX zeigt gleiche Resultate fiir den Hydrophilgazeindikator, vvie
sie der fliissige Indikator angab. Versuch A mit normalem Alkaligehalt
gibt wieder die empfindlichsten Resultate, aber kleine Schwankungen des
Kaligehaltes geben sofort Aenderung in der Reaktionsgeschwindigkeit.
Das Tropfen aus dem T. K.-Tropfflaschchen (50 ccm Inhalt) geschah auch
so genau wie moglich (erste Tropfen fortflieBen lassen). Man sorge dafiir,
daB die Tropfkan&le bei dem Auskristallisieren des NaOH nicht verengt
werden. Die TropfgroBe des T. K.-Flaschchens ist konstant. 12 Flaschchen
von 50 ccm Inhalt, die von mir untersucht wurden, gaben alle 7 Tropfen
pro Va ccm (beim genauen Tropfeln); Fl&schchen von 75 ccm Inhalt gaben
6 Tropfen pro 72 ccm. Um das Zuriickgehen des NaOH-Titers zu um-
gehen, wird das FlSschchen jedesmal gut geschlossen.
In ccm umgerechnet, betr> der zu brauchende Alkaligehalt auf
4,2 ccm 10 Proz. Glukose VlO ccm n. NaOH.
MethylenfolauHJsung: Die Konzentration des Farbstoffes hat auch groBen
EinfluB auf die Reaktionsgeschwindigkeit des Hydrophilgazeindikators.
Die erst gebrauchte alkoholische MethylenblaulQsung war untauglich wegen
des viel schnelleren Verdampfens (Konzentrationserhohung von Farbstoft),
welche mich bei einer Reihe von Versuchen irre fiihrte. Ursache davon
war die starke Verminderung der Schnelligkeit der Reaktion, so daB nun-
mehr der mehr stationar bleibenden wasserigen Losung der Vorzug ge-
geben wurde, wobei auch der mogliche EinfluB des Alkohols auf die
Glukose umgangen wird. Die wasserige Methylenblaulosung (braun
T. K.-Tropfenflaschchen von 50 ccm Inhalt) ist, gut geschlossen, lange
haltbar. In ccm umgerechnet, nimmt man 4,2 ccm 10-proz. Glukose -f-
Vio ccm Methylenblau.
EinfluB verschiedener Pyrogallolkaligemische auf die
Entfarbungsdauer des Hydrophilgaze-Indikators.
Der fliissige Indikator ergab keinerlei Unterschiede bezuglich der
Reaktionsdauer gegeniiber 7* Menge des O-Resorbens von Tab. VI,
wohl aber der viel empfindlichere Hydrophilgazeindikator, wie Tab. X
deutlich angibt (Versuch A und B). Versuch C und E gehen voll-
kommen parallel auch A und D. Merkwurdig ist es, daB A und B nur
einen Unterschied von 10 Min. ergeben, obgleich mit der doppelten
Menge des O-Resorbens gearbeitet wurde. DaB hier auBer den chemischen
noch andere Faktoren mitwirken, ist deutlich ersichtlich. Versuch B, bei
welchem mit genau derselben Menge des O-Resorbens von Tab. VII ge¬
arbeitet wurde, stimmt genau mit den Barometerversuchen (Tab. VII)
iiberein. Auch hier betrug die Dauer der O-Resorption 50—20 Min.
(Reaktionsempfindlichkeit) = 30 Min. wirkliche Reaktionsgeschwindigkeit.
Tabelle X
EinfluB verschiedener Pyrogallol-Kaligemische auf die En tfarbungs-
dauer des Hydrophilgaze-Indikators.
Stopfenflasche Inhalt 445 ccm
A.
10 ccm KOH 20 Pioz.
3 ccm Pyrog. 44 Proz.
Entfarbung bei 37 0 C nach
GO Min.
B.
20 ccm KOH 20 Proz.
6 ccm Pyrog. 44 Proz.
Entfarbung bei 37 0 C nach
SO Min.
C.
5 ccm KOH 20 Proz.
1,5 ccm Pyrog. 44 Proz.
Entfarbung bei 37 0 C nach
1 Std. 40 Min.
D.
20 ccm KOH 10 Proz.
6 ccm Pyrog. 22 Proz.
Entfarbung bei 37 0 C nach
60 Min.
E.
10 ccm KOH 10 Proz.
3 ccm Pyrog. 22 Proz.
Entfarbung bei 37 0 C nach
1 Std. 36 Min.
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van Riemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator usw. 245
Fur die Praxis wurde die Menge des O-Resorbens wie im Versuche A
genommen, die vollkommen genfigend fur Kulturversuche ist, da der
Unterschied von 10 Min. ohne Belang ist, wobei noch beriicksichtigt
werden muB, daB das Pyrogallol, besonders beim Gebrauche von sehr
groBen Stopfenflaschen, ziemlich teuer ist.
Ein langerer Aufenthalt des Hydrophilgazeindikators in der Uragebung
von Pyrogallol-Kali (z. B. 8 Tage) verraindert die O-Empfindlichkeit nicht;
hdchstens wird die Gaze durch EinfluB des Alkalis auf die Glukose gelb,
wodurch die dann zurtickkehrende Farbe nicht blau, sondern griinlick wird.
EinfluB der Temperatur auf die O-Resorptionsgeschwindig-
keit des Pyrogallol-Kaligemisches von Tab. X, Versuch A,
durch den Hydrophilgazeindikator kontrolliert.
Wahrend der EinfluB hoherer Temperaturen bei den Barometer -
versuchen mit groBen technischen Schwierigkeiten verbunden ist, waren
diese mit dem Hydrophilgazeindikator leicht auszufiihren, und zwar um so
mehr, als Indikator und Barometer vollkommen parallel gingen.
Totale Reaktionsdauer:
Indikator entfarbt Indikator eDtfarbt Indikator entfarbt Indikator entfarbt
bei 56° C nach bei 37° C nach bei 24° C nach bei 15° C nach
35 Min. 60 Min. 2 Std. 40 Min. 5 Std. 45 Min.
Obenstehende Zahlen geben die totale Reaktionsdauer des Indikators
an. Die Zeit der resp. Reaktionsempfindlichkeit des Indikators fiberein-
stimmend bei dieser Temperatur muB jetzt abgezogen werden, um die
eigentliche Reaktionsdauer des Prozesses beobachten zu kfinnen (S. 242).
56° C
35 Min.
15 Min.
37 °C
60 Min.—
20 Min.
24 °C
2 Std. 40 Min.
2 Std.
1
15® O
5 Std. 45 Min.
4 Std.
Eigentliche
Reaktionsdauer
20 Min.
40 Min.
■ 1
— 40 Min.
1 Std. 45 Min.
Die Temperaturerhohuug hat hier also auch einen sichtlich be-
schleunigenden EinfluB.
Entfarbungsdauer des Hydrophilgazeindikators in ge-
schlossenen Reagenzrohren, Petrischalen und Rbhren
von Wright-Burri.
Einfiihrung des Glaswollpfropfens:
Bis jetzt wurden immer die Gase in offenen Reagenzrohren in die
Stopfenflasche gestellt. Beim Studium der Verhfiltnisse bei der eigent-
lichen Kultur (geschlossene Gegenstande), kam ich auf den Gedanken, daB
der Wattepfropf bei der O-Resorption aus dem Rohre Widerstand leisten
konnte, deswegen der viel lockeren Glaswollenpfropfen auch in die Unter-
suchung einbezogen wurde:
Offenes Reagenzrohr Wattepfropfen-Reagenzrohr Glaswollepfropfen Reagenzrohr
Entfarbung, indikator Entfarbung, Indikator Entfarbung, Indikator
bei 37® C nach bei 37° C nach bei 37“ C nach
1 Std. 1 Std. 15 Min. 1 Std.
Da der Wattepfropf demnach zieralichen Widerstand leistet, verwandte
ich weiterhin den viel lockeren Glaswollpfropfen. Die Versuche damit
erwiesen, daB die Glaswolle den Bakterien genflgend widersteht (raehrere
Tage). Soil der Nahrboden langere Zeit aufbewahrt werden, so empfiehlt
es sich, fiber den Glaswollpfropfen einen gewohnlichen Wattepfropfen
anzubringen, der wahrend der Kultur entfernt wird. Der Hydrophilgaze¬
indikator wird bei der Kultur in ein offenes Reagenzrohr gestellt, weil
ein Leek so am schnellsten erkannt wird.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
Zum Zwecke der schnelleren O-Resorption aus der Petri-Schale
wurde zwischen Deckel und Schale ein blechernes H&kchen angebracht
(s. S. 251) unter Wahrung der Sterilitat. IndikatorgSschen in derartige
Petri-Scbalen ausgebreitet, und zwar 1 gegen die Wand der Flasche, eines
in offenem Reagenzrohre, entf&rbten beinahe aller zu gleicher Zeit, so daB
hier keine nachweisbare O-Retention stattfand. Beim Oeffnen der Flasche
f&rbten sie sich auch ungefahr zu gleicher Zeit wieder blau.
Auch in dem Wright-Burrischen Rohre wurde der Glaswollpfropf
angebracht, urn die O-Resorption zu beschleunigen. Hier entf&rbte sich
der Indikator nach 50 Min. bei 37 0 C, sodaB der 0 nach ungefahr 30 Min.
verschwunden war (50 Min.—20 Min.) (s. Fig. 4).
Chemismus des Hydrophilgazeindikators: Schon lange
wird der sogen. Farbstoff Leukobase in der Bakteriologie verwendet.
Bei der Endo-Platte wird das Fuchsin von Na^Os reduziert (Leukobase);
durch eine Saure + Aldehyd
kehrt die Farbe wieder zurfick.
Methylenblau und noch andere
basische Farbstoffe verursachen
dieses auch mit Na^O^; an der
Luft bleibt die Verbindung farb-
los: Saure + Aldehyd lassen die
Farbe wiederkomrnen. Es han-
delt sich hier um ganz andere
Leukobasen als die, welche das
Methylenblau von alkal. Glukose
reduziert. Erstere mbchte ich
stabile (feste) Leukobasen nennen,
letztere labile (lockere), m. a. W.
Methylenblau + Na 2 SO s erwarmt
= Leukobase, — bleibt an der
Luft farblos. Methylenblau -f-
Alkaliglukose erwarmt = Leuko¬
base, tritt beinahe plotzlich auf,
beim Abkflhlen kehrt aber un-
mittelbar die ursprtingliche Farbe
zuruck. Dieser letztere ProzeB
kann mit derselben Losung immer wiederholt werden, ohne daB die
Intensitat der Farbe im geringsten vermindert wird. Die Reaktion ist
vollkommen reversibel. Das Methylenblau-Molektil gibt jedesmal den O
an die Glukose ab, welche wieder durch den 0 der Atmosphare supp¬
lied wird. Ist der 0 in der umgebenden Luft nicht mehr anwesend
(Stopfenflasche), so bleibt die reduzierte Methylenblauverbindung be-
stehen.
Paraffin oder Wachs
Kautschukkorke
Wattepfropfen
" 1 ccm Add. Pyrogall. 44 Proz.
Pfropfen fetter Watte
1 ccm KOH 20 Proz.
Pfropfen entfetteter Watte
Pfropfen fetter Watte
Nach unten geschoben Glaswoll-
pfropfen
Sauerstoffindikator
Fig. 4.
C e H :1 -N (CH,),
\
\ /
C 9 H, ---N (CH 3 ),C1
Methylenblau
+ 3H,0
CjH,—N (CH,),
NG^ S
\ /
X C e H,-N (CH,), X
Reduziertee Methylenblau 1 ).
1) Formel entlehnt von L. Gates und P. 01 it sky.
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van Riemedijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator uaw. 247
Die Kultur der anaeroben Bakterien im Zusammenhang
mit den vorhergehenden Versuchen.
Sowohl die Barometerversuche als auch die mit dem Hydrophilgaze-
indikator beweisen, daB ein Rezeptakulum unter der Bedingung, daB
darin das genaue Verhaltnis Pyrogallolkali vorhanden ist, in weniger als
1 Std. O-frei gemacht werden kann. Kulturversuche bestatigen diese
Resultate vollkommen.
Bac. butyricus, welcher hinsichtlich der O-Spannung die grSBten
Anspriiche stellt, gab auf ausgekochtem 2-proz. Glukoseagar (schrag)
in der Stopfenflasche nach 24 Std. deutliche oberflachliche Kolonien;
Bac. tetani und Oedematis maligni schon nach 7 Std. Eine sehr
breite Stopfenflasche, worin sich 40 yon diesen Kulturen befanden, war
nach 1 Std. schon O-frei (s. Her in g-Flasche).
Der fur oberflachliche Kulturen am meisten geeignete
Nahrboden: Die Kultur von anaeroben Bakterien ist nicht schwer,
sehr aber die Reinziichtung, und zwar weil das Erhalten oberflachlicher
Kolonien gerade wegen der Fraktionen von giftigem 0 an der Ober-
flache besonders schwierig ist. Das Vertreiben des 0 aus den oberen
Schichten des festen Nahrbodens geht sehr langsam, weswegen immer
1 — 2 Proz. Glukose in den Kulturboden gebracht werden soil, weil. da-
durch die O-Reduktion von innen aus unterstutzt wird. Stets beobachtete
ich das Wachstum der Anaerobionten ira Kondenswasser des Agars zu-
erst (Triibung—Gasbildung) tief in den Nahrboden, sozusagen versteckt
vor der Luft; danach erst entstanden die oberflachlichen Kolonien. Zur
Untersuchung der 0 - Freiheit der Nahrbodenoberflache konnte das
Hinzubringen einzelner Tropfen Methylenblau zu dem Kulturboden nie
gute Resultate geben, weil die genaue Menge des Alkali unbekannt, die
Konzentration der Glukose (2 Proz.) zu niedrig und die Reaktionsemp-
findlichkeit dieses Indikators daher ganz unbekannt war. Es war also
unmoglich, etwas Annaherndes zu sagen hinsichtlich der Zeit der eigent-
lichen O-Freiheit. Trotzdem stellte ich Versuche an, weil sie von ver-
gleichendem Wert werden konnten hinsichtlich anderer Kulturboden
(s. Fig. 5). Der 2-proz. Glukoseagar wurde mit einem Tropfen Methylen¬
blau gekocht und schrfig zuin Gerinnen gebracht. In den oberen Schichten
kehrte die blaue Farbe zurflck, in der Stopfenflasche verschwand sie aber
nach 6—8 Std. Immer bekam ich mit Anaerobionten nach 24 Std. auf
Agar oberflachliche Kolonien, die Kultur war aber zart, nie wie die von
Typhus oder Coli. Ich sah mich daher nach einem andern Kulturboden
um und wahlte den Nahrboden von Tarozzi (Leber-Leberbouillon) als
Prinzip fflr einen neuen Nahrboden. Tierische Gewebe reduzieren nach
dem Tode mehr Oder weniger stark; Leber und Gehirngewebe am stark-
sten. Brachte ich wenige Tropfen Methylenblau in Tarozzi-Bouillon,
so konnte ich unter keiner Bedingung die Leberstiickchen bleibend blau
firben, da die Farbe sofort wieder verschwand. Da der Anaerobiont
gerade in und zwischen den Leberstiickchen zu wachsen anfangt und
Gas bildet, so enthait das I^ebergewebe selbst, nicht so sehr das Extrakt,
die so energisch reduzierenden Fermente.
Dieses Lebergewebe wurde verteilt bis zur Oberflache des Nahr¬
bodens, um die O-Resorption von innen aus so kraftig wie mfiglich
zu machen. Die Resultate mit diesem Kulturboden waren iiberraschend,
denn schon nach 6 Std. entstanden in der Stopfenflasche dicke, schlei-
mige, oberflachliche Kolonien von Bac. butyricus und nach 24 Std.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
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ein ganz dicker Belag. Weil der Boden ziemlich weich ist, findet hier
durch die Gasbildung keine ZerreiBung statt, was von groBem Vor-
teil ist. Wurde der Methylenblauversuch mit diesem Nahrboden wieder-
holt, so verschwand schon nach 2 Std. der Farbstoff ganz aus der Ober-
flache, also 3mal friiher als bei 2 Proz. Glukoseagar. Die geringe Alkali-
tat und niedrige Glukosekonzentration, wodurch eine starke Reaktions-
hemmung des Methylenblaus bewirkt wurde, lieBen vermuten, daB der
0 schon merklich friiher verschwunden ist.
Die Bereitungsweise des Leberagars erfolgt in der S. 249 angegebenen
Weise.
Das Lebergewebe wird spontan sauer. Die Kreide hat den Zweck,
diese Saure zu binden. Ehe man zu ziichten anf&ngt, wird der Boden
tiichtig ausgekocht und der ausgepreBte Brei wieder in die Oberfliiche ge-
bracht, indem man die Rohrchen zwischen den gestreckten Fingern beider
Hande vorsichtig rollt (in einem Tuch); dann laBt man plbtzlich unter
Wasserstrahl schief gerinnen bei fortwahrendem Drehen, damit der Brei
an der Oberflache bleibt. Filr Plattenkulturen wird der geschmolzene
Agar in P e t r i - Schalen ausgegossen und unter fortwahrendem Mischen
werden diese auf Eis Oder einer steinernen Unterlage zum Gerinnen
gebracht.
Utensilien.
Rinderleber '/t Pfd.
Pepton Witte 5 g
NaCl 2,5 g
Wasser 500 g
Agar 10 g
2-proz. Glukoseagar 500 g
Carbon, calcicus {j std^ben.20® C
NaOH »/„ N
(Phenolph. 1 g
Phenolphtalein ! 70-proz. Alkohol
1100 g c
Feinste Fleischmiihle
Metallsieb (sehr fein).
Bereitung.
Rohe Rinderleber wird durch feinste
Fleischmiihle gemahlen, worauf mit 500 g
Wasser 1 / t Std. unter zeitweisem Umriihren
gekocht und absetzen gelassen wird. Die
Flussigkeit wird dann abgegossen und der
Leberbrei durch Metallsieb so fein wie mog-
lich zerrieben. Dieser Brei wird wieder der
Flussigkeit zugefugt unter Beifugung von
Pepton-NaCl und 10 g Agar, worauf 1 Std.
bei 110° sterilisiert und mit 1 / l0 N.NaOH
bis zum Phenolpthaleinpunkt alkalinisiert
wird. Dann werden 10 g Glukose zuge-
setzt und tiichtig umgeriihrt und dieselbe
Menge geschmolzenen 2-proz. Glukoseagar,
sterile Kreide in UebermaC hinzugefiigt
(ungefahr 5 Loffel), in sterile Rohrchen
abgelassen, 1 Std. sterilisiert bei 100° U
schriig gerinnen lassen.
Das O-resorbierende Vermogen verschiedener Kultur-
boden: Weil Agaragar und Glukoseagar bei der O-Reduktion so groBen
Unterschied zeigen, wollte ich dieses Vermogen auch bei anderen Kultur-
boden priifen. Nur der untenstehende Methylenblauversuch ist von ver-
gleichendem Wert. Die verschiedenen Kulturboden wurden in gleiche
Reagenzrohrchen in gleiche Hohe gebracht (9 cm) und nach Schmelzen
des Agars wurde eine gleiche Anzahl Tropfen von Methylenblau hinzu¬
gefiigt, gemischt, weiter die Kulturboden tiichtig ausgekocht und vertikal
bei Zimmertemperatur zum Gerinnen gebracht. Durch die Abkfihlung
trat der Farbstoff wieder in den Kulturboden auf. Untenstehendes
Schema (Fig. 5) zeigt das O-Reduktionsvermogen eines jeden Bodens,
wobei der Lebergewebeagar schon nach 20. Min. beinahe vollstandige
O-Freiheit angab.
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ran Riemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator usw. 249
Schema.
Nach 2 Stunden Nach 2 Stunden Nach 2 Stunden Nach 2 Stunden Nach 20 Min.
Nach 24 Stunden Nach 24 Stunden Nach 24 Stunden Nach 24 Stunden Nach 24 Stunden
Fig. 5.
Methylenblau imNahrboden ist zumO-Nachweisnicht
brauchbar: Spina 1 ) und Smith bewiesen schon, daB Gelatine und
Bouillon die Eigenschaft haben, Methylenblau zu reduzieren. K a h b r e 1
setzte daher bei Anaeroben den Gelatinenahrboden wenige Tropfen
Methylenblau zu, um die O-Freiheit des Nahrbodens durch das Entfarben
des Blaus festzustellen, was aber erst nach 24—36 Std. der Fall war *).
Diese Methode ist selbstverstandlich nicht richtig, weil die genaue Reak-
tionsempfindlichkeit des Methylenblaus ganz unbekannt ist durch die
niedrige Alkaleszenz und die niedrige Glukosekonzentration. Diese
Verhaitnisse babe ich in dem Hydrophilgasindikator mit 1 und 2 Proz.
Glukose in der namlichen Stopfenflasche nachgeahmt:
Entfarbun g [3 ccm 1 Proz. Glukose Entfarbung (3 ccm 2 Proz. Glukose
bei 37 • C < Alkaligehalt Kulturboden bei37°C nach {Alkaligehalt Kulturboden
nach 24 Std. [l Tropfen Methylenblau 9 8td.30Min. (1 Tropfen Methylenblau
1) Spina, A. Bakteriolog. Versuche mit gefarbten Nahrungssubstanzen. (Centralbl.
f. Bakt. Bd. 2. 1887). — Smith, Theobald, Reduktionserscheinungen bei Bakterien
nnd ihre Beziehungen zur Bakterienzelle, nebst Bemerkungen iiber Reduktionserschei-
nungen in steriler Bouillon. (Ebenda. Abt. 1. Bd. 19. 1896 u. Bd. 25. 1899.)
2) Kabhrel, G. Zur Frage der Ziichtung anaerober Bakterien. (Centralbl. f.
Bakt. Abt. I Bd. 25. 1899.) Gates and Olitsky, Factors influencing anaerobioses.
(Jonrn. of Experim. Med. Vol. 33. 1921.)
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
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Die enorme Verzogerung der Reaktionsempfindlichkeit des Indikators
ist daraus zu ersehen, daft das Barometer zeigte, daB schon nach 30 Min.
der 0 verschwunden und auch aus der Agaroberflache der 0 ziemlich
bald, aus der Leberoberflkche aber noch viel schneller absorbiert ist.
Noch auf eine audere Ungenauigkeit sei bier hingewiesen, die zwar
nicht so sehr bei Agar und Gelatine hervortritt, wohl aber bei dent
Gewebenahrboden (Gehirn, Leber usw.). Hier greift das Gewebe das
Methylenblau so sehr an, daB nach einigen Tagen die blaue Farbe nach
der Reduktion nicht mehr oxydiert werden kann, wobei noch das farb-
stoffreduzierende Vermogen der Bakterien selber zu berucksichtigen ist;
alles Faktoren, wodurch die Ungenauigkeit sehr vergroBert wird.
Das Methylenblau wirkt heramend auf das Wachstum der Bakterien;
es empfiehlt sich denn auch, nie einen Farbstoff in einen N&hrboden zu
bringen, wenn es nicht absolut notwendig ist. Anaeroben sind auBerst
labil und reagieren auBerhalb ihres natiirlichen Standorts auf die gering-
sten ungiinstigen Reize durch Einstellen ihres Wachstums. Der Hydro-
philgasindikator vermeidet auf die einfachste Weise alle diese Mangel.
Technische Winke fur den Gebrauch der Stopfenflasch e
beim Ziichten von Anaiirobionten.
Menge des Pyrogallolkali:
Man nehme eine 44-proz. Pyrogallollosung (44 g auf 100 g Aqua dest.
i) » v 20* v ROH- „ (20 „ „ 100 g „ n •
Die Menge des Pyrogallolkalis, welche notig ist, um in der Stopfen-
flasche den O frei zu machen, betragt fur einen Inhalt von 400 ccm =
10 ccm KOH 20 Proz.; 3 ccm Pyr. 44 Proz. Das Pyrogallol halt sich
in brauner, gut verschlossener Flasche ziemlich lange. Fur grofiere
Stopfenflaschen ist der Inhalt genau zu bemessen und zu berechnen.
Man nehme lieber etwas mehr als weniger.
Art der Stopfenflasche fur die Rea ge nzrohre n: Die
Reajgenzrohren mit Glaswollpfropfen werden in nicht zu groBe Stopfen¬
flaschen gebracht, weshalb niedrige und weite Modelle fur die schnelle
O-Resorption den Vorzug verdienen. Immer ist ein offenes Reagenz-
rohr mit dem Hydrophilgasindikator in die Flasche zu stellen (Fig. 6).
Art der Stopfenflasche fur Petrischalen und -kolben:
Die Petri-Schale wird (s. unten) ein wenig geoffnet, um die O-Resorption
leichter zu machen, wobei darauf zu achten ist (Fig. 7 u. 8), daB die Stopfen¬
flaschen sehr weit und sehr niedrig sind mit sehr weitem Hals, damit die
Petri-Schalen leicht hindurchgefuhrt werden konnen. Zu empfehleu sind
fur diese Zwecke die sog. Haushaltsstopfenflaschen von der Firma H. Heye
in Hamburg, die in jedem Haushaltsladen erh<lich sind.
Die Petri-Schalen sind so in die Flasche zu stellen (Fig. 9), daB die
Oberflache der Kultur von auBen gut sichtbar ist und das Wachstum beob-
achtet werden kann. Weil der Leberagar undurchsichtig ist, sorge man
dafiir, daB der Deckel der Flaschenwand zugekehrt ist (Fig. 10). Zu
empfehlen sind Petri-Schalen von 7,5 cm Durchmesser. In weite
Flaschen konnen naturlich auch leicht Kolbchen zur Kultur gestellt
werden, die auch mit einem Glaswollstopfen zu verschlieBen sind.
Hermetischer VerschluB der Stopfenflasche: Der Rand
des Stopfens der Flasche wird mit etwas Vaselin bestrichen. Wenn die
1) Was die genaue technische Ausfiihrung anhelangt, bo siehe: M. van Riemsdijk,
Bacteriol. en serolog. Methoden eu Receptcn. Verlag IS wets und Zeitlinger. Amsterdam
1921. Fig. 2—3—4—6—7—8—9—10 Stivuimen auch hieraus.
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van Riemsdijk, Ueber einen neuen einfachen Sauerstoffindikator usw. 251
Nahrboden beimpft und in die Stopfenflasche gebracht worden sind, wird
zunSchst KOH eingegossen (durch Trichter mit langem Stiel), darauf
das Pyrogallol, dann plotzlich die Flasche geschlossen. Der Oberrand
des Stopfens wird so schnell als mSglich mit einem Gemische von 90 g
Wachs und 10 g Vaselin eingerieben.
Oeffnung der Stopfenflaschen: Das Wiedereroffnen der
Stopfenflaschen macht einige technische Schwierigkeiten, besonders bei
den groBeren
Flaschen,woder
starke Aufien-
drnck das Ab-
heben des Sto¬
pfens unmoglich
macht. Es ist
daher, wie folgt,
zu verfahren:
das Wachs-Va¬
selin wird mit
scharfem Ge-
genstande tief
aus dem Rande
entfernt und in
den Rand wird
vorsichtig ein
bischen Terpen-
tin oder Benzin
gegossen, das
so tief wie mog-
lich in den Rand
getrieben wird
und das man 5
bis 10 Min. ein- Fig. 10.
wirken laBt, wo-
ranf man versucht, den Stopfen nach und nach hin und her zu bewegen.
Lost sich das Wachs durch deu Terpentin, so entstehen Kaniile, durch
die die Luft eingesogen wird, so daB der Stopfen nun leicht abgenommen
werden kann. Terpentin darf aber nicht in die Flasche kommen.
SchluBfolgerungen.
1) Durch physikalische Versuche wurde bewiesen, daB ein Luft-
volumen von 400 ccm in Ruhe durch 10 ccm KOH 20 Proz., 3 ccm
Pyrogallol 44 Proz. in 30—40 Min. O-frei gemacht werden kann (S. 239).
— 2) Die Konzentrations- oder VolumenvergrSfierung dieser Mischung
geht nicht parallel mit der nach Vorschrift erhohten 0-Resorption
(S. 244). — 3) Wie Weil und Goth bewiesen haben, ist die Al-
kalizitdt des Pyrogallols verantwortlich fur den Stand der O-Resorption
(S. 233); entsprechender Alkaligehalt und eine moglichst groBe Resorp-
tionsobertlache geben den grbfiten Resorptionsindex. — 4) In der ersten
V 2 Std. findet die groBte O-Resorption statt (S. 236). — 5) Die O-Re-
sorptionsgeschwindigkeit wird beeinfluBt durch die Reihenfolge, in der
die Reagentien hinzugefugt werden (S. 234). — 6) ErhOhte Temperatur
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
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hat Erhohung der Geschwindigkeit der O-Resorption zur Folge (S. 237—245).
— 7) Das Methylenblau ist empfindlich ffir O (S. 230). — 8) Die Re-
aktionsgeschwindigkeit des Methylenblaus hinsichtlich des 0 wird durch
Glukose + Kali erhoht (S. 238). — 9) Das Alkali ist entscheidend fur
die Reaktionsgeschwindigkeit und die Empfindlichkeit des Methylenblaus
(S. 238—243). — 10) % mm 0 werden von der Alkali-Glukose-Methylen-
blaulSsung angezeigt (S. 239). —11) Die Alkali-Glukose-Methylenblaulosung
m offenen Reagenzrohre ist eine sehr unempfindliche und unge-
naue Methode, um 0 anzuzeigen (S. 240). — 12) Vergrofierung der In-
dikatoroberflache hat starke Erhohung der Empfindlichkeit fiir 0 zur Folge
(S. 241—244). — 13) Hydrophilgaze (doppelt, 19 Faden) in Indikator-
flfissigkeit getaucht und gegen die Reagenzrohrenwand ausgebreitet, ist
die empfindlichste Methode, um 0 anzuzeigen. — 14) Genaue Zusammen-
stellung des Hydrophilgasindikators:
3 ccm 10-proz. Glukose
1 Tropfen N. NaOH (TK-Tropfflaschchen (braun) von 50 ccm Inhalt
1 „ Methylenblau Methylenblau Hochst 50 g
Aqua dest 30 g.
In Kubikzentimeter umgerechuet = 4,2 ccm 10-proz. Glukose
7„ ccm N. NaOH
7,0 „ Methylenblau.
15) Je uachdem der 0 verschwindet, bleicht die Farbe der Hydro-
philgase bis zur vollkommenen Farblosigkeit. — 16) Die Reaktions-
empfindlichkeit des Hydrophilgazeindikators betragt bei 37° C 20 Min.
(S. 242). — 17) Erhbhung Oder Erniedrigung der Temperatur hat Er¬
hohung und Verminderung der Reaktionsempfindlichkeit zur Folge (S. 242).
— 18) Durch die O-Entziehung wird das Methylenblau in eine „labile“
Leukobase verandert, welche durch den 0 oxydiert wird. Das Methylen¬
blau bleibt intakt, die Reaktion ist umkehrbar (S. 246). — 19) Methylen¬
blau in den NahrbOden eignet sich nicht, um 0 zu indizieren (S. 249).
— 20) Der Wattepfropfen hemmt die O-Resorption, dagegen ist der Glas-
wollpfropfen zu empfehlen (S. 245). — 21) Von den KulturbOden fur
Anaerobionten hat der Lebergewebeagar das starkste O-reduzierende
Vermogen (S. 249) und gibt die iippigsten Kulturen. — 22) Das Stopfen-
flaschensystem bei der Ziichtung von Anaeroben von dem Hydrophilgas-
indikator kontrolliert ist empfehlenswert.
Nachdruek verboten.
Verfahren zum Zahlen abgetoteter Bakterien in Auf-
schwemmungen.
Von Prof. C. Troester, Berlin-Lichterfelde.
Den Gehalt von Baktcrienaufschwemmungen an toten Keimen be-
urtcilt man in der Regel nacli dem Grad der Trubung oder nach der
Menge des beim Zentrifugieren gewonnenen Bodensatzes, oder auch
nach dem Gewicht des Trockenrtickstandes. Gelegentlich ist man aber
Origirval from
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Troeater, Verfahren zum Zahlen abgetoteter Bakterien in Aufschwemmungen. 253
docb genotigt, die Keime zu zahlen, so z. B. wenn es sich um die
Bereitung einer Standardlosung liandelt.
Man wird von solchen Zahlungen, namentlich bei sehr kleinen
Bakterienformen, keine groBe Genauigkeit erwarten, wenn man erwagt,
dab schon beim Zahlen von roten Blutkorperchen ein geiibter Be-
obachter nrit einem mittleren Fehler von 7 Proz. rechnen muB (nach
Prof. Btlrker, GieBen).
Ftir die Zahlung von Bakterien sind mehrere Verfahren in An-
wendung, die aber rait unverhaltnismaBig grofien Fehlerquellen be-
haftet sind. Ich habe sie alle eingehend gepriift, bis auf das Ver¬
fahren von Hans Hecker, dessen Beschreibung mir nicht zugang-
lich war.
Sehr ungenau sind die Zahlverfahren, welche mit gefarbten Aus-
stnchen eines Gemenges von Bakterien mit groBeren Zellen (Blutkiir
perchen) arbeiten, auch die Georges Dreyersche Abiinderung der
Meihode von Wright.
Etwas zuverlassiger sind die Methoden, die eine Zahlkammer wie
filr die Zahlung der Blutkorperchen benntzen, aber ihre Anwendung
ftir Bakterien ist wegen der Kleinheit der Objekte mit bedeutenden
Schwierigkeiten verbunden. Bei der Zahlung abgetoteter Bakterien ist
unter den Fehlerquellen noch der Umstand zu erwahnen, daB ein groBer
und starken Schwankungen unterworfener Anteil sich schlecht cder gar
nicht farbt.
Es lag daher nalie, von einer Farbung ganz abzusehen und die Be-
obachtung im Dunkelfeld ftir die Zahlung heranzuziehen. Dazu rnuBte
aber erst eine besondere Zahlkammer geschaffen werden, denn die
Objekttrager der Blutzahlkammern sind viel zu dick. Ich wiihlte einen
Objekttrager von 0,9 mm Sthrke und zunachst eine Kammertiefe von
0,1 mm; es scheint aber vorteilhaft zu scin, wenn man die Kammer
nur 0,05 mm tief macht.
Die Kammer wird mit der Bakterienaufschwemmung beschickt und
mit einem recht ebenen Deckglas von 0,2 mm Starke bedeckt. Bei dieser
Deckglasdicke ist auch bei sehr genauer Prtifung keine Durchbiegung
des Deckglases zu bemerken.
Die IJntersuchung im Dunkelfeld (Spiegel-Kondensor und Fluorit-
Oelimmersion 1 / 7 a von E. Leitz ergab, daB die Bakterien, auch
kleinstc Kokken, sehr gut sichtbar und ziemlich gleichmabig verteilt
waren. Ein Teil davon haftete an den Flachen der Kammer, der Best
schwebte in der FHlssigkeit und zeigte Molekularbewegung, die aber beim
Zahlen nicht storte, auch erzeugte das Heben und Senken der Oel-
immersion keine Stromungen im Pr¶t.
Bei Zahlungen dieser Art kann man eine Teilung auf dein Boden
der Kammer nicht gebrauchen, sondcrn muB ein Netzmikroineter im
Okular anbringen. Man kann hierzu das gewbhnliche Mikrometerokular
nehmen, aber auch mit Vorteil die starkeren Kompensationsokulare,
bei denen man das Mikrometer auf die Okularblende legt und mit dem
Scliraubengewinde der Okularlinse scharf einstellt.
Nattlrlich muB zuniichst das Netzmikromcter ftir jedes Objektiv
erst ausgewertet werden, was mit Hilfe eines Objektmikrometers ge-
schielit. Die erhaltene Zahl ist feststehend und gilt ftir alle Zahlungen
mit derselben Linscnkombiuation und Tubuslitnge.
Beim Zahlen verfilhrt man so, daB man z. B. zucrst auf die obersten
Keime einstellt, den Tubus langsam senkt und dabei die Keime zhhlt,
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die nacheinander in einem Quadrat aufblitzen. 1st man auf dem Grunde
der Kammer angelangt, so hebt man den Tubus und zahlt ein anderes
Quadrat aus. So kann man ohne Verschiebung des Praparats cine ganze
Anzahl von Quadraten erledigen, und es wird von dem gewfinschten
Grad der Genauigkeit abhangen, wieviel Felder man der Zahlung unter-
wirft. Die Herstellung des Praparats ist sehr einfach, und auch die
Zahlung bietet keine nennenswerten Schwierigkeiten, da die Bakterien
helleuchtend hervortreten und die Netzteilung im Okular gut sichtbar
ist und stets scharf eingestellt bleibt.
Die Berechnung gestaltet sich folgendermaSen:
Lange einer Quadratseite = a mm
Tiefe der Kammer = t „
Durchschnittliche Zahl der Keime in einem Quadrat = n, dann ist die Zahl N
1000 n
der Keime in 1 ccm = — =-r—
a* t
oder in einem Zahlenbeispiel
a = 0,02 mm, t = 0,1 mm, n = 4, dann ist
N “ sjfflsa ~ 100
Bei einer Deckglasdicke von 0,2 mm und einer Kammertiefe von
0,1 mm wird man darauf achten miissen, dab das zum Zahlen benutzte
Objektiv einen ausreichenden freien Objektabstand besitzt. Sehr gut
eignet sich dazu die schon erwahnte Fluorit-Oelimmersion 1 / 1 a von
E. Leitz, aber auch gute Trockensysteme von etwa 3 mm Brenn-
weite sind brauchbar. Eine gewisse, nicht zu geringe Vergroberung ist
notig, nicht etwa wegen der Sichtbarmachung der Bakterien, denn
tliese sieht man im Dunkelfeld auch mit sehr schwachen Vergroberun-
gen, sondern um bei dichten Aufschwemmungen einen gentigenden Ab-
stand zwischen den Keimen zu haben; man tut daher gut, mit starken
Okularen zu arbeiten.
Zur Beleuchtung ist jede zur Dunkelfelduntersuchung geeignete
Lichtquelle brauchbar. Ich mochte diese Gelegenheit benutzen, um alien,
die sich mit solchen Untersuchungen beschaftigen, die neue Lampe
von Oberingenieur Falkenthal zu empfehlen (beschrieben in Bd. 87. H. 5
vom 17. Dez. 21 dieser Zeitschrift). Als Lichtquelle dient hier eine
mit Schwaclistrom betriebene Metallfadenlampe, welche bei geringem
Stromverbrauch und einfachster Handhabung eine fur die feinsten
Dunkelfelduntersuchungen ausreichende Helligkeit und auch fur Ar¬
beiten im Hellfeld ein schones ruhiges Licht liefert. Man hat schon
mehrfach versucht, Schwachstromlampen ftir diesen Zweck zu benutzen,
bisher aber ohne Erfoig. Die Falkenthalsche Lampe stellt eine ge-
lungene Losung des Problems dar und bedeutet daher einen wirklichen
Fortschritt. Beim Gebrauch dieser Lampe erzielt man die beste Wir-
kung, wenn man eine geblte Mattscheibe direkt unter dem Kondensor
anbringt.
Schlieblich mochte ich die Aufmerksamkeit der Dunkelfeld-
untersucher noch auf eine Tatsache lenken, die nahezu vbllig in Ver-
gessenheit geraten zu sein scheint, namlich dab zur optischen Verbin-
dung zwischen Priiparat und Kondensor gewohnliches Wasser
vollstandig geniigt, und dab man das teure und das Mikroskop ver-
schmierende Zedernbl hier entbehren kann. Nur wenn es sich um Er-
reichung hochster Lichtstarke handelt, wie bei Momentaufnahmen sicb
bewegender Organismen, mag man zum Oel greifen.
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Bach. Bemerkungen zu dem Artikel „Univer8alpipette fiir serol. Arbeiten“. 255
Nachdruok verbotm.
Bemerkungen zu dem Artikel „TJniversalpipette fur serologische
Arbeiten (speziell fiir Wa ssermann -Untersuchungen mit 1 / i Dosen)“
yon Dr. Georg Blnmenthal.
Von Priy.-Doz. Dr. F. W. Baeh,
Assiatent am Institut fiir Hygiene und Bakteriologie der Universitat Bonn (Direktor:
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. R. O. Neumann).
In Bd. 87. Heft 4. 1921 des Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. ist von
Dr. G. Blumenthal als Neuheit eine Auslaufpipette von 2 ccm
FassungsvermSgen mit Vioo ccm Teilung und durch schwarze F&rbung von
der Feinteilung sich abhebende 1 / i ccm-Einteilung beschrieben worden.
Hierzu mochte ich bemerken, daB eine ahnliche 2 ccm-Pipette mit V 4 -
und Vioo'Einteilung im serologischen Laboratorium des Bonner Hygiene-
Institutes schon seit ca. 7 Jahren von mir fur die stets mit 7* Dosen
ausgefflhrte Wa ssermann sche Reaktion verwendet wird 1 )- Im Gegen-
satz znr Blumenthalschen Pipette ist die von mir benutzte Pipette
etwas ktirzer (Gesamtl&nge 3372 cm), da mir langere Pipetten auf die
Dauer unbequem wurden, auch ist sie nicht bis zura Auslauf graduiert,
sondern die Graduierung endet ca. 1—2 cm vor dem Ende. Ich halte es
fflr zweckmaBiger, nicht Auslaufpipetten zu benutzen, da es sich doch
immer einmal ereignet, daB die Spitze beschadigt wird und damit eine
Auslaufpipette infolge Verlustes der Endgraduierung stark an Gebrauchs-
wert verliert, Nicht-Auslaufpipetten sind aber auch beiSpitzenbesch&digung
immer noch zu gebrauchen. Die Genauigkeit des Abmessens hSngt gewiB,
wie Blumenthal sagt, von der Spitzenoffnung ab, aber doch zum groBten
Teil von der Sicherheit der Bewegung des die Pipette verschlieBenden
Fingers. Die Spitzen-Feinteilung der Blumenthalschen Auslaufpipette
wird wohl auch praktisch fflr so geringe Mengen, wie z. B. 0,01 ccm,
nicht verwendet werden, man wird fiir die Abmessung so kleiner Mengen
doch stets ein h6her gelegenes Intervall nehmen. AuBerdem ist es in
solchen Fallen unbedingt zweckmaBiger und sicherer, Spezialpipetten mit
sehr feinem Lumen zu benutzen, bei denen die Intervallknge groB ist,
so daB man sicher arbeiten kann. Speziell fiir die Wa ssermann-Reaktion
kommt eine kleinere Menge wie 0,05 ccm auBerdem wohl kaum in Betracht.
Ob die Ziffernbezeichnung von unten (d. h. Spitze) nach oben (Mund-
stflek) lkuft oder umgekehrt, ist bis zu einem gewissen Grad Geschmack-
sache. Die Blumenthalsche Bezifferung ist sicher fiir Abmessung
kleiner Mengen von unten nach oben erfolgt, aber der im Pipettieren
Geflbte wird sich doch kaum mehr an die absoluten Zahlen halten, sondern
in jedem beliebigen Intervall abmessen. Aus diesem Grunde ist auch
die Vioo ccm-Einteilung bei der von mir verwendeten Pipette durchgangig
1) Angefertigt von der Firma C. Gerhardt, Bonn. Geaamtlange: 33'/, cm
(Blnmenthal: 42 cm); Mundstiick bis Skala: ca. 10 cm (ca. 14 cm); Spitze bia Ende der
Oraduiernng: ca. 2 cm; Lange der Skala: 21'/, cm (28); Lange von '/« b* 8 1 / i ccm:
2’/ t cm (3*/ 4 —3 l / a ); Loch der Munddffnung: 4 mm (3—4); Loch der Spitze: 1'/, mm (1)
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
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angebracht, ein Vorteil insofern gegeniiber der Blumenthalschen
Pipette, bei der die Vioo-Einteilung schon bei 0,5 ccm aufhort, da damit
auch z. B. die fortlaufende Abmessung von 0,05 ccm fiber 2 ccm (also
40mal) ermoglichtwird. SpeziellffirdenGebrauch zurWassermannschen
Reaktion halte ich die Zahleneinteilung von oben nach unten ffir vorteil-
hafter; denn hier spielt die Zahlenfolge insofern eine Rolle, als das
Gedachtnis entsprechend dem tatsfichlich erfolgenden Flfissigkeitsverbrauch
unterstfitzt wird (man also nicht umgekehrt zfihlen muB).
Die Ffirbungder Graduierungist sicher ein Vorteil der Blumenthal-
schen Pipette, nur verteuert sie das Instrument, weshalb auch Blumen-
thal eine durchgehende Graduierung fortgelassen hat. Ebenso einfach
ist es, sich selbst die Zahlen weiB oder schwarz zu farben. Ffir diesen
Zweck eignet sich Kremser- oder ZinkweiB, bzw. KienruB in Wasser auf-
geschwemmt, dem auf ca. 50 ccm 5—6 Tropfen (nicht mehr) kauflicher
Wasserglaslosung zugesetzt werden. Mit diesem Gemisch reibt man die
Pipetten ein, wischt den UeberschuB ab und laBt sie trocknen. Das Ver-
fahren kann beliebig oft wiederholt werden.
Zum Zusetzen des Hammelblut-Ambozeptorgemisches (= 2 mal
1 l i Dosen = 0,5 ccm) benutze ich seit einiger Zeit keine Pipette mehr,
sondern eine Bfirette von 25 ccm Fassungsvermogen, 50 cm Gesamtlange,
37 x /2 cm Skalenlfinge, die 74 ccra-Einteilung besitzt und deren AusfluB
zweimal rechtwinklig abgebogen ist 1 )- Die winkelige Biegung des Aus-
laufes hat gegeniiber geraden Bfirettenauslaufen den Vorteil, daB man
gezwungen ist, den Arm etwas hoch zu halten, so daB man die Rohrchen
in den Gestellen fiberblicken kann und nicht anstoBt. Sobald man
sich an diese Bfirette gewohnt hat, arbeitet es sich viel schneller als mit
einer Pipette und auch ausreichend genau damit, da man den Rand des
Fltissigkeitsspiegels scharf einstellen kann. Eine kleine Luftblase stort
nicht, sondern erleichtert sogar die Ablesung. Zur Vermeidung groberen
Schaumes empfiehlt sich Einffillen des Gemisches durch einen Trichter.
1) C. Gerhardt, Bonn.
Druckfeh I er berichti gun g.
In der Arbeit J. L. Kritschewsky, „Ueber das Vorkommen von Protozoen in
der Zerebrospinalflussigkeit von Fleckfieberkranken“ (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig.
Bd. 87. Heft 7/8.) ist zu lesen:
S. 529, Tabelle, 2. Kolonne, 1. Zeile, statt: Reaktion „Zellenreaktion“,
S. 529, letzte Zeile, statt: wurden die Protozoen entdeckt „wurden die Protozoen
nicht entdeckt“,
S. 531, letzte Zeile, statt: bakterielle Formen „bakterienahnliche Formen“.
Inhalt.
Bach, P. W., Bemerkungen zu dem Ar-
tikel „Universalpipette fur serol. Arbeiten
(speziell fiir Wasserraann-Untersuch-
ungen mit 1 / i Dosen)“ von Dr. Georg
Blumenthal, 8. 255.
Bien, Z., Die Saureagglutination der Weil-
Felixschen X-Stfimme, 8. 177.
Ging, H. A., u. Weber, B,., Ueber experi-
mentelle Maul- und Klauenseuche, S. 180.
Kuhn, Philalethes, Untersuchungen fiber
die Fliegenplage in Deutschland. Mit
1 Kurve im Text, S. 186.
Martini, E., Die Eidouomie der Flohe, als
Beweis ffir ihre stammesgeschichtliche
Herkunft. Mit 2 Abbild. im Text, S. 205.
Mayeda, Tomosnke, Ueber die Vucin-
festigkeit der Staphylokokken und ihre
Beziehung zum Staphylolysin, S. 222.
van Biemsdijk, M., Ueber einen neuen.
einfachen 8auerstoffindikator ffir die
Zfichtung von anaeroben Bakterien und
die Kultur von Anaerobionten im allge-
meinen. Mit 10 Abbild. im Text, S. 229.
Troeater, C., Verfahren zum Zfihlen ab-
getoteter Bakterien in Aufschwemmungen,
S. 252.
Frommannsclie Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena.
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Centralbl. f. Bakt etc. I. AbL Originate. Bit. 88. Heft 4.
Ausgegeben am 12. Juni 1922.
Naohdruck verboten.
Aenderungen bei Bakterien, aufgefasst als adaptative und
regressive Aenderungen wabrend der individuellen Existenz.
[Aus der Abteilung fur Tropenhygiene des Kolonialinstituts Amsterdam.]
Von Prof. Dr. J. J. van Loghem.
Der Begriff „Individuum“ ist filr die Begriffe Erblichkeit und
Variabilitat fundamental. Wenn man von „erblich“ spricht, so meint
man damit die Aehnlichkeit zwischen Eltern und Nachkommling, wah-
rend man mit „variabel“ den Unterschied zwischen diesen beiden be-
zeichnet, dabei voraussetzend, daB elterlicher Organismus und Nach¬
kommling 2 verschiedene Individuen sind.
Obwohl dieses ftir die Mehrzelligen meistens selbstverstandlich ist,
verhalt es sich in der Bakteriologie nicht so einfach. Wohl ist es
tiblich, die einzelnen Bakterien „Individuen“ zu nennen, aber der
essentielle Unterschied gegeniiber den hbheren Formen ist damit nicht
aufgehoben.
Bei Mehrzelligen ist das Nachkommlings-Individuum ein anderes
Wesen als das elterliche; bei den Einzelligen aber, welche sich aus-
schlieBlich durch Teilung fortpflanzen, entsteht kein Nachkommling
neben den Eltern, sondern es ist ein Teil der Eltern selbst, der als
Nachkommling weiterlebt. Weismann hat dieses schon friiher scharf
beleuchtet.
Somatisch verschiedene Individuen, bei welchen man Aehnlichkeit
(d. h. Erblichkeit) und den Unterschied (d. h. Variabilitat) untersuchen
soil, sind also in der Bakterienwelt nicht vorhanden. Man kann sagen,
daB der Bakterienklon durch eine Kontinuitiit des Individuellen ge-
kennzeichnet ist, daB also im Klon sowohl das Erbliche wie auch das
Individuelle eingeschlossen sind.
Beobachtet man Aenderungen des Klons, so ist zweierlei mbglich:
es sind entweder Aenderungen, welche vergleichbar sind mit den zu der
Genetica gehorigen Variabilitatserscheinungen der hoheren Formen, oder
solclie, welche vergleichbar sind mit Veriinderungen in der individuellen
Existenz der hbheren Formen. Im letzteren Falle wtlrden die bakteriel-
len Aenderungen also AcuBerungen einer individuellen Aenderungs-
fahigkeit sein, d. h. physiologische oder pathologische Ereignisse, welche
nicht zum Objekt der Genetica gehoren.
Bis jetzt werden die Aenderungen der Bakterien allgemein void
genctischen Standpunkt aus betrachtet; eine Betrachtungsweise, welche
keinen grofien Erfolg gehabt hat. Sie hat nicht nur eine groBe terraino-
logische Verwirrung angestiftet, sondern auch zu einer genetischen
Sonderstellung der Bakterien gefilhrt. In seinem bekannten Ileferat
„Ueber Mutation bei Bakterien und anderen Mikroorganismen“ schlieBt
Fisenberg J ): „Eins geht aus vielen besprochenen Befunden zweifcllos
1) Weichardts Ergebni8se. I. 1914. S. 316.
Erne Abe. Orig. Bd. 88. Heft 4. 17
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
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hervor, das ist die Erblichkeit erworbener Eigenschaften bei
Bakterien und anderen Mikroorganismen."
Ich habe nun versucht, vom 2. Gesichtspunkte aus an die Frage
der bakteriellen Aenderungen heranzutreten. Ich betrachte auf den fol-
genden Seiten die Aenderungsfahigkeit als individuelle Eigenschaft, die
Aenderung selbst als geanderte Individualist. Ferner wird die Mog-
lichkeit, sie mit analogen Erscheinungen bei hoheren Formen zu ver-
gleichen, untersucht.
I. Die Aenderung erwelst sieh als irreparabeler Verlust einer
Eigenschaft.
Faile solcher Aenderungen sind schon ziemlich zahlreich und in
sorgfaltiger Weise (Einzellkulturen) untersucht worden; die Asporo-
genie von Saccharomy ces und B. anthracis, die Farblosigkeit von
B. prodigiosum sind Aenderungen, welche durch Ziichtung unter
ungtinstigen Bedingungen erhalten worden sind. Es hat sich dabei als
mbglich herausgestellt, vollkoramen organisierte Klone derart zu andern,
daB sie in defektem Zustande das Leben fortsetzen miissen.
Andere Beispiele sind: Verlust gewisser fermentativer Eigenschaften
des Coli-Bazillus nacli Ziichtung auf Malachitgrun-Nahrbbden; Verlust
des kollolytischen Vermogens bei einem liber 16 Jahre im Laboratorium
fortgeztichteten B. Proteus anindologenes usw.
Wenn man diese und derartige Modifikationen genetisch betrachtet,
so zeigt sich, daB die Umwandlung sich hier nicht auf den Phaeno-
typus beschrankt hat. Auch wenn man die Klone unter die giinstig-
sten Bedingungen bringt, so zeigen sich die Aenderungen als be-
standig; d.h. dieBeschadigung hat die genotypischeAnlage getroffen; sie
ist erblich. Von dem oben umschriebenen Gesichtspunkt aus, wobei
das Augc auf die individuelle Ivontinuitat innerhalb des Klons g e -
richtet. ist, stellen wir fest, daB der Klon offcnbar so geschadigt ist,
daB er von jetzt an individuell ein gewisses Vermogen entbehren mufi.
Die Asporogenic und andere Verlusterscheinungen stellen also keine
als Mutationen zu deutenden erblichen Mutilationen dar, sondern sind
vergleichbar mit dem Vorgang bei einer Maus, welche in der J ugend
ihren Schwanz verloren hat und jetzt ihre ganze individuelle Existenz
hindurch einen solchen entbehren muB. Den Verlust des Vermogens,
die Gelatine zu verfliissigen, konnen wir vergleichen mit irgendeiner
Atrophic, welche unter physiologischen oder pathologisclien Umstanden
wahrend des Lcbens eines hoheren Organismus beobachtet werden kann.
II. Die Aenderung offenbart sich als voriibergehender Verlust,
AbschwSchung oder Verst&rkung einer Eigenschaft.
Als klassisches Beispiel einer voriibexgehcnden Aenderung kann
die Herabsetzung des Laktose umsetzenden Vermogens des Colibazillus
dienen. Unter den gewohnlichen Laboratoriumsbedingungen ist dieses
Vermogen gewbhnlich bald wiederhergestellt.
Die gebrauchliche Deutung solcher laktose-negativen Stamme als lm-
perfekte Stamme ist nicht richtig. Das vortibergehende Aufhoren der
Laktaseproduktion ist eine deut-liche funktionelle Umwandlung, der
Ausdruck einer Anpassung. Man vergleiche nur die Bedingungen, unter
welchcn die laktose-negativen Klone besonders liaufig werden 1 ).
1) Vor kurzera habe ich dieselben an der Hand eigener Erfahrung und der unter
meiner Leitung verfaCten Arbeit Ter Poorten s beleuchtet. (Ned. Tijdschr. Geneesk. II.
1921. S. 1966) und F. H. Ter Poorten, Over variabiliteit in de zoogenaamde typhus
coli groep. [Inaug. Diss.] Amsterdam 1920.
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van Loghem, Aenderungen bei Bakterien usw.
259
Isoliert man den Colibazillus aus pathologischen Produkten, oder ziich-
tet man denselben langere Zeit in lebendigen Gewebsfltissigkeiten (Kol-
lodiumsackchen im Kaninchen), so bekommt man oft Klone, welche
nicht nur laktose-negativ sind, sondern deren physiologische Struktur
(Rezcptorenapparat) deutlich „vereinseitigt" ist. Die laktose-schwachen
Stamme meines B. pseudocholerae wurden von den betreffenden
Seren gegenseitig agglutiniert, blieben aber unbeeinflnBt von anderen
Coli-Seris 1 ). Im Kaninchen fortgeztichtete Klone, Abkommlinge von
.,perfekten“ serologisch wenig scharf begrenzten Colistammen, verloren
ihr laktose-spaltendes Vermogen and warden zu gleicher Zeit von
Coli-Seris, die mit Stamraen hergestellt waxen, welche sich ebenfalls
laktose-negativ verhielten, stark agglutiniert (Ter Poor ten).
Auch die serologischen Schwankungen, die isochron mit Schwan-
kungen des fcrmentativen Vermogens beim atoxischen Dyseriteriebazil-
lns in meinem Laboratorium von Korthof 2 ) festgestellt worden sind,
sprechen ftir die Auffassung, dab vortibergehende Minusanderungen in
der Kegel zur Anpassung gehijren.
Se-hlieBlich envahne ich die Mitteilung Wolffs 3 ), der nachwies,
dab ein Staphylococcus bei Steigerung der Virulenz das kolloly-
tische Vermogen verlieren kann.
Zahlreich sind die Beispiele von voriibergehender Verstarkung ge-
wisser Eigenschaften wie Erhohung der Virulenz, Gewbhnung an Gifte,
Sanerstoffspannung, Ioucnkonzentration usw.; und es ist bekannt, daB
die Verstarkung sich w&hrend einiger Zeit bestandig zeigen kann, und
zwar auch, nachdem der Organismus unter die normalen Beding ingen
zurtlckgekehrt ist.
Durch die Genetica ist die Frage der Gewbhnung bei hbheren For-
men als Bakterien genau studiert worden. Wiederholt hat sich ja der
Gedanke, daB das individuelle Vermogen der Anpassung bei der Evo¬
lution der lebenden Natur cine Rolle spielen muB, in den Vordergrund
gedrangt, aber ebenso oft hat die experiinentelle Priifung die Erblichkeit
der in tier individuellen Existenz erworbenen Eigenschaften zurdek-
weisen milssen. „Diese faktische personliche Biegsamkeit, diese oft
augenfkllige selbstregulierendc individuelle Anpassung der Individuen
wird immer und immer mit einer nur gedachten Biegsamkeit der
genotypischen Anlage solcher Individuen verwechself' (Johannsen) 4 )
Macht man die bakteriellen Gewohnungserscheinungen zum Objekt
der Erblidikeitslehre, so schlcicht sich der Gedanke an eine ,,biegsame
genotypische Anlage“ wieder hinein. Ohne „Erblichkeit envorbener
Eigensdiaften“, „vortibergehende erbliche Fixierung“, „Dauermodifika-
tion“ sind sic gcnctisch nicht zu verstehen.
Von dem anderen Standpunkt begegnen wir diesen Beschwerden
nidit. Das adaptative Vermogen der Bakterien ist ftir uns eine Form
der „persbnlichen Biegsamkeit", der „selbstregulierenden individuellen
Anpassung".
Die Umwandlung des Rezeptorenapparates des Colibazillus mit
den isochronisclien Aenderungen seines fcrmentativen Vermogens steht
ftir uns auf gleicher Linie wie die kbrperliehe Umgestaltung einer phago-
1) Geneeskund. Tijdachr. voor Nederlandsch Indie 1909.
2) G. Korthof, Proeven over de veranderlijkheid van atoxieche dysenterie-
bacillen. [Inaug. Dise.J Ameterdam 1918.
3) Biolog. Sect. Genootsch. nat. geneewk. heelk. Amsterdam 30. Nov. 1921.
4) Elemente der exakten Erblichkeitslehre. 2. Aufl. 1913. 8. 429.
17*
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 86. Heft 4.
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zytierenden Amdbe oder einer sicli dem Lichte zuneigenden Pflanze.
Beides sind UmwandJungen — die eine funktionell, die andere korper-
lidi — zur Anpassung des Individuums an eine Aenderung in den
Bedingungen der Au Ben welt, sie haben also mit Erblichkeit nichts
anderes zu tun, als daB die Aenderungsfahigkeit erblich ist. Bleiben ge-
wisse, bei der Adaptation der Bakterien von der Norm abgewichene
AeuBerungen einige Zeit bestehen, so haben wir Erscheinungen vor uns,
welche uns aus der physiologischen oder pathologischen Adaptation
(Imraunitat) der hoheren Organismen wohlbekannt sind. Die nach
Tierpassagen erhohte Virulenz eines Streptococcus ist direkt ver-
gleichbar mit dem erhbhten Typhusagglutingehalte des Serums eines
Menschen, der sicli vor kurzem von einer Typhuserkrankung erholt hat.
III. Die Aenderung offenbart sich als „neue“ Eigenschaft.
Ich schicke voraus, daB man sehr vorsichtig sein muB bei der An-
nahme einer neuen Eigenschaft. Gewohnt man eine Bakterie an ein
neues Milieu, und reagiert man jetzt mit biochemischen Reagentien
auf Plus- oder Minusabweichungen, so untersucht man nur die AuBen-
seite von wichtigen, inneren Aenderungen. Es ist denkbar, daB eine
Funktion, welche unter gewohnlichen Bedingungen nicht ans Licht
tritt, unter der Einwirkung abnormer Reize manifest wird.
Aenderungen, wobei etwas Neues hervortritt, werden bei Bakterien
dann und wann beobachtet.
An erster Stelle erinnere ich an die klassischen Untersuchungen
Beyerincks tiber B. prodigiosum. Von dieser Bakterie bekam
Beyerinck 1 ) eine Mutante, welche die Eigenschaft besitzt, Schleim
zu bilden; verglichen mit dem Mutterstamme, besitzt diese Mutante
also etwas Neues 1 ).
Weiter erwahne ich liier die Experiments Jordans 2 ) tiber eine
saccharose-positive Mutante von B. coli und die Mitteilung von
Baerthlein 3 ), der eine hamolytisclie Mutante aus einem nicht-hamo-
lytischen Choleravibrio abgesondert hat.
Aus eigener Erfahrung nenne ich einen indolbildenden Abkbmmling
aus einem nicht-indolbildenden B. paratyphosum B. und einen
Typhusstamm, welcher, im Gegensatz zu dem Mutterstamm, imstande
war, Ammoniak als Stickstoffquclle zu benutzen 4 ). Bei alien diesen
Untersuchungen ist Selektion ausgeschlossen.
Fragen wir jetzt nach der Bedeutung dieser „neuen“ Eigenschaft.
1st bei Typhus-, Prodigiosus-, Paratyphus-, Coli-, Cholera-
bazillen wirklich Mutabilitat nachgewiesen, sind diese Bakterien in einer
Periode der Bilduug neuer Arten, welche zu einer Umschaffung der
Bakterienwelt ftihren soil?
Mit Beyerincks Beispiel anfangend, bemerken wir, daB der Ent-
decker selber die Schleimmutante nicht als etwas Progressives be-
trachtet. „DaB wahrhaft neue Genen bei der Mutation jemals ge-
bildet werden, ist nicht erwiesen.“ „Weun dieses der Fall zu sein
1) Folia Microbiolog. I. 1912. S. 4.
2) Zit. v. Cole und Wright, Journ. of infect, dis. Vol. 19. 1916. p. 219.
3) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 81. 1918. S. 369.
4) Aus deu in meinem Laboratorium ausgefiihrten Untersuchungen von Tan
Pingle haben wir etwas Naheres kennen gelernt liber die Umstiinde, unter welchen
ein ammoniaknegativer Klon sich in einen ammoniakpositiven umwandelt. (Proeven
over de variabiliteit van Bacterium typhosum. [Inaug.-Diss.] Amsterdam 1921.)
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van Loghem, Aenderungen bei Bakterien usw.
261
scheint, wie bci tier Mutante B. prodigiosus viscosus, welche sich
von ihrer Stammform durch das neue Merkmal „Schleimbildung“ unter-
scheidet, so ist es doch viel wahrscheinlicher, daB die Progene der
Schleimbildung schon in der Stammform gegenwartig war nnd durch
Atavismus erwecktwurde“ (Bey er i n ck, Folia microbiolog. Bd. 1. 1912.
S. 95).
Priifen wir die anderen Beispiele an Beyerineks Auffassung, so
bekommen wir ein befriedigendes Resultat. Auch das saccharose-positive
Vermbgen, das von Jordan bei B. coli festgestellt wurde, betrii'ft eine
Eigenschaft, welche bei den mehr saprophytischen Verwandten des
Colibazillus ofters vorkommt. Dasselbe gilt fur Baerthleins hamo-
lytische Mutante des Choleravibrio und ftir meine eigenen Beobachtungen
an Typhus- und Paratyphusbazillen. Das normale B. typhosum ist
keine Animoniakbakterie, withrend die weniger parasitaren, mehr kom-
mensalen Reprasentanten der Typhus-Coli-Gruppe konstant ammo-
niumpositiv sind. In bezug auf die Indolbildung bei einem Para-
tvphus B-Klon ist zu bemerken, daB wir dieser Eigenschaft regelmiiBig
bcim Colibazillus, dem am mindestenparasitaren, also phylogcnctisch
altesten Reprasentanten dieser Gruppe, begegnen. Sind solche Regres-
sionen nur vom Standpunkte der Genentheorie zu erklaren — durch
die Annahme von Progenen (Bey eri nek), oder konnen wir wieder
rait der Auffassung auskommen, daB die ira Klon liegende Individualist
einen EinfluB gewonnen hat, welcher zur Manifestierung vorelterliclier
Eigenschaften fiihrt? Mit anderen Worten, gibt es bci mehrzelligen Indi-
viduen analoge Erscheinungen von phylogenetischen Regressionen wah-
rend der individuellen Existenz?
In einer Abhandlung iiber die Bedeutung der endokrinen Organe
hat Bo lk 1 ) das Vorkommen solcher Abweichungen wall rend des indi-
viduellcn Lebens des Menschen scharf beleuchtet. Die Formunterschiede
zwischen verwandten Spezies, sagt Bolk, konnen entweder dadurch zu-
standekommen, daB etwas Existentes sich kraftiger entwickelt oder
etwas Existentes in seiner Entwicklung gestort wild. Und er zeigt., daB
die Entwicklung einiger spezifisch-menschlicher Eigenschaften das
Resultat einer hemmenden Wirkung der endokrinen Organe ist. Bei
Erkrankung oder abnormer Entwicklung dieser Organe fallt der hem-
mende EinfluB fort, so daB die Aenderungen, w r elche dann ini Korper
auftreten, einen pithekoiden Charakter haben.
Die von Bolk eroffnete Aussicht ist nicht nur von groBem Werte
ftir das Evolutionsproblem, sondern auch fiir die allgemeine Physio¬
logic. Die Arteigenschaften sind also der Ausdruck eines bestimmten
Gleichgewichtcs physiologischer Wirkungen. Bei Storung dieses Gleich-
gewichts haben Eigenschaften eines friiheren phylogenetischen Stadiums
Gelegenheit, manifest zu werden.
Wendet. man diese Auffassung bei unserer Frage an, so warden
z. B. ira Typhus- und Paratyphusbazillus coliartige Eigenschaften
im gehemraten Zustuiide vorhanden sein; Storung der normalen E'unktio-
nen des Typhusbazillus wilrde die aus einem friiheren phylogenetischen
Stadium staminenden Eigenschaften (Ammoniakpositivitat, Indolbildung)
manifest machen konnen.
In vorstchender Betrachtungsweise lialxm wir verschiedene bak-
tnielle Aenderungen, welche vom genctischen Standpunkte atis als
1) Kon. Akad. v. Wet. Versl. Wie. en Nat. Afd. Bd. 29. 1921. S. 1092.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
Mutation, Fluktuation, Dauermodifikation, Atavismus usw. aufgefaBt
werden, auBerhalb des Gebietes der Erblichkeitslehre verlegt uud als
„individuelle“ Umgestaltungen aufgefaBt, und zwar als Erscheinungen,
welche zur Physiologie und Pathologie der Mikroorganismen gehoren.
Terminologisch konnte man sie in folgender Weise unterscheiden :
Adaptative Aenderungen = Ausdruck der individuellen Anpas-
sungsfahigkeit des Klons innerhalb physiologischer Grenzen, Regres¬
sive Aenderungen = individuelle Reaktion des Klons auf Storung
der normalen Funktion: a) Atrophie (Abschwachung bis Verlust der
Funktion), b) Degeneration (krankhafte Aenderung der Funktion).
Der Gegensatz, welcher sich auf genetischem Gebiet zwischen
UnizelluLaren und Multizellularen entwickelt hat, scheint mir aufge-
hoben und die Notwendigkeit, fur die Bakterien und andere Mikroorga¬
nismen cine Erblichkeit erworbener Eigenschaften anzunelimen, besteht
m. E. nicht mehr. Ebenso wie bei den hoheren Organismen ist alles,
was auf eine erbliche Fixierung der Modifikation („auf eine Biegsam-
keit der genotypischen Anlage 1 2 ’) hinzuweisen schien, zur „personlichen
Biegsamkeit“ zurtickgefilhrt worden.
Dieses wtirde aber auch beitragen zur Erblichkeitslehre der Uni-
zellaren selber; auch diese kann sich nur entwickeln und ein Teil
der Genetica werden, wenn sie gesaubert ist von allem, was nicht zu
ihrem Objekt gehort, aber systematisch damit verwechselt wird.
Naohdruck verboten.
Imm unisiemngs versuche gegen DiphtJierie beim Menschen 1 ).
[Aus der Universitats-Kinderklinik zu Breslau. (Direktor: Professor
Dr. S to It e).]
Von Hans Opitz, Assistenten der Klinik.
Nach den wenig erfolgreichen Versuchen, die Dzerjgowski und
Petruschky zur Erzielung einer aktiven Iinmunisierung gegen Diph-
therie beim Menschen unternommen hatten, zeigte uns Behring einen
neueu wirksamen Weg. Seine Vakzine besteht bekanntlich aus eineni
Toxin - Antitoxin gemisch mit einem ToxinuberschuB. Bemerkenswerter-
weise gelang es jedoch mit einem abgeschw&chten Praparat (TA VII),
das am Meerschweinchen keinerlei logische Wirkung mehr erkennen
lieB, eine Steigerung des Antikorpertiters zu erzielen, die bis zum
250facheu des Anfangswertes ging*). Dabei erhob sich die Frage nach
dem immunisierenden Prinzip dieser Toxin-Antitoxingemische: Beruht
es auf einem minimalen, im Tierversuch nicht mehr meBbaren Toxiu-
iiberschuB oder wird durch eine Trennung der Verbindung Toxin-Anti¬
toxin in vivo Toxin frei, das dann als Antigen wirken kannV Zur Be-
1) Die ausfiihrliche Mittleilung erfolgte im Jahrb. f. Kinderheilkd. Bd. 92; Bd. 96;
Bd. 97, und in den Verhandl. d. Gee. f. Kinderheilkd. 1921.
2) Bezuglich der Methodik «ei erwiihnt, dad, wenn nichts anderea vermerkt ist,
gewohnlich 2mal je 0,1 ccm der Vakzine intrakutan in lOtiigigen Abstanden injiziert
wurdeu. Die Impfgemische wurden zuvor 1 Std. bei 37° gehalten.' Die Antitoxin-
beBtimmung erfolgte nach der Romerschen Intrakutanmethode vor der Impfung und
nach 20 Tagen, vielfach auch spaterhin noch.
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Opitz, Immunisierungsversuche gegen*Diphtherie beim Menschen.
263
antwortung dieser prinzipiell wichtigen, seinerzeit noch von Herrn
Professor Bessau angeregten Fragen wurde eine Anzahl von Versuchen
angestellt
DaB reine Toxinverdiinnungen, deren Konzentrationen der indivi-
duellen Empfindlichkeit angepaBt waren, eine ganz erhebliche Vermeh-
rung des Antitoxingehaltes (bis zum 160-fachen der ursprflnglichen Menge)
bewirken kflnnen, lieB sich an einer Versuchsreihe von 6 Kindern zeigen.
Dabei wurde zunflchst nur ganz generell die Wirksamkeit verdunnter
Diphtheriebouillon festgestellt, ohne Riicksicht auf die Dosierung. Letztere
interessierte aber bei unserer Fragestellung besonders. Die nflchsten
Untersucbungen gingen nach dieser Richtung. Wenn wirklich in dem
von uns verwandten Impfgemisch eine Toxinmenge, deren Nachweis sich
selbst an dem hochempfindlichen Meerschweinchen entzieht, einen im-
munisatorischen Effekt habeu konnte, so miiBte ein Toxinquantum von
einer Ln-Dosis erst recht wirksam sein. Tats&chlich war das nicht der
Fall. Da die Dosis immunisatoria minima mithin gr&Ber sein muB, kann
in einem neutral erscheinenden Toxin-Antitoxingemisch etwa vorhandenem
freien Toxin keine Bedeutung zukommen.
Damit ist freilich noch nicht bewiesen, daB gemaB der zweiten Hypo-
these eine LSsung der Toxin-Antitoxinbindung im Kflrper stattfindeu
mfisse. Eine immunisatorische Wirkung wird ja auch den in einer
Diphtheriebouillon enthaltenen Toxoiden (Fraenkel, Ehrlich, Loe-
wenstein) und Toxonen (Dreyer und Madsen) zugesprochen, und
gerade der Umstaud, daB wir mit einem abgeschwflchten, also sicher
toxoid- und toxonreichen Impfgemisch gearbeitet hatten, zwang uns, diese
Faktoren besonders in Rechnung zu stellen. Unter Berflcksichtigung
der von Ehrlich angegebenen Mengenverh<nisse konnten wir je-
doch annehmen, daB durch 5-fache Ueberneutralisierung der Diphtherie¬
bouillon diese beiden KQrper ausgeschaltet seien. In diesem Sinne sprach
anch der Tierversuch. Je 0,5 ccm dieses Gemisches zweien Meerschwein¬
chen subkutan, bzw. einem Kaninchen intravenos injiziert, lieB wflhrend
der 12-wochigen Beobachtungszeit keine nachteiligen Folgen in Erschei-
nung treten. Der immunisatorische Effekt bei den Versuchskindern war
ausgezeichnet und machte in einem Falle mehr als das 500-fache des
ursprflnglichen Titers aus. DaB von den 4 antitoxinfreien Kindern 2 keine
Wirkung erkennen lieBen, braucht nicht gegen die Brauchbarkeit der
Methode zu sprechen. Einmal ist nicht jedes Individuum zur Im-
munisierung geeignet und dann gelingt es ja erheblich leichter, einen
bereits bestehenden Titer in die Hohe zu treiben, als Qberhaupt erst
Antikorper zu erzeugen. Vielleicht hatte sich bei einer spateren Unter-
suchung, die aus auBeren Grflnden nicht erfolgen konnte, noch Anti¬
toxin nachweisen lassen. Erwflhnt sei auch, daB Park und Zing her
rait der Behringschen Vakzine bei schutzstoffreien Individuen nur in
25 Proz. Erfolg hatten. Der Ausfall dieser Versuche berechtigt wohl
zu der Annahme, daB die Verbindung Toxin-Antitoxin in vivo nicht irre-
versibel ist. Wir kommen also, von andern Gesichtspunkten ausgehend,
beim Menschen zu denselben Resultaten wie Loewenstein und seine
Mitarbeiter in ihrer Tierversuchen, ebenso sei an die aiteren Versuche
mit fiberneutralisierten Toxin-Antitoxingemischen bei Pferden von Babes,
Kretz, Me Clintock und N. S. Ferry u. a. erinnert. In einem
Punkte weichen unsere Ergebnisse erheblich von den Loewenstein-
schen ab. Dieser fand nainlich, daB bei Verwendung reiner Toxinlo-
sungen die Hflhe der Immunitat bereits nach 18 Tagen erreicht ist,
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wahrend bei iiberneutralisierten Praparaten ein immunisatorischer Effekt
erst nach 40 Tagen beraerkbar wird, der sein Maximum mit 100—120 Tagen
erreicht. Demgegentiber konnten wir beim Menschen nach 20 Tagen
keinen Unterschied in dem Wirkungsgrade von reinen Toxinverdiin-
nungen, ausgeglichenen und iiberneutralisierten Impfgemischen feststellen.
Die erheblichste Titersteigerung wurde sogar gerade mit uberneutrali-
sierter Vakzine erzielt.
Die Ansicht, dad die Abs&ttigung des Toxins durch das Antitoxin
in vitro keine untrennbare chemische Verbindung darstellt, hat auch
v. Behring in seiner letzten groBeren Diphtheriearbeit 1 ) auf Grund der
interessanten Tatsache ausgesprochen, daB die verschiedenen Tierarten
und auch der Mensch auf meerschweinchenneutrale Toxin-Antitoxin-
gemische keineswegs gleich reagieren. Ob die z. T. sehr betrachtlichen
Reaktionen aber unbedingt als Toxinwirkungen gedeutet werden mussen r
erscheint zweifelhaft. Besonders die bei Kindern im Alter von 4—10 Jahren
nach subkutaner Injektion beobachteten „spezifischen“ Lokalreaktionen
diirften eher als Ausdruck der Endotoxinkomponente der Bouillon auf-
zufassen sein.
Beziiglich der nSheren Erklarungsversuche dieses biologischen Vor-
ganges sei auf die ausfiihrlichen Mitteilungen hingewiesen. Erwahnt sei
nur, daB wir ein Freiwerden von Toxin durch allmahlichen Abbau des
Antitoxinmolekiils, was Loewenstein im Hinblick auf den im Ver-
gleich zu unterneutralisierten Impfstoffen verzogerten Eintritt der Im-
munitat annimmt, unter Beriicksichtigung unserer bisherigen Kenntnisse
von der Resistenz dieser beiden Faktoren und in Hinsicht auf den im-
munisatorischen Effekt, der dem reiner Toxinverdiinnungen auch zeitlich
mindestens gleichkam, nicht fur wahrscheinlich halten. Eher dflrfte es
sich um eine wirkliche Sprengung der Verbindung handeln, wobei viel-
leicht gunstigere Resorptionsverhaitnisse fiir das kleinere Toxinmolekul
und eine groBere Aviditat desselben zu den Gewebsrezeptoren als zu
den freien eine Rolle spielen.
Nachdem der wichtige Nachweis erbracht war, daB man mit atoxischen
Impfgemischen eine aktive Immunisierung herbeifuhren kann, erschien
es aussichtsvoll, auf diesem Wege das Problem in Angriff zu nehmen,
aktive und passive Immunisierung zu kombinieren. Zu diesem Zwecke
wurden Impfversuche angestellt mit dem Praparat, das neben der als
Antigen ausreichenden Menge Diphtherietoxins (0,05 ccm DG 7) die fur
die passive Immunisierung notigen Antitoxineinheiten (ca 500 AE) ent-
hielt. Mit Riicksicht auf die relativ groBe Fliissigkeitsmenge — es war
nur 1000-faches Serum erhaitlich — erfolgten die Injektionen subkutan.
Eine nennenswerte Wirkung war hiermit ebensowenig zu erzielen, wie
mit getrennter Einverleibung von Antitoxin und Antigen (1 ccm 500-fachen
Heilserums subkutan, unmittelbar danach 0,1 —0,2 ccm eines ausge¬
glichenen Toxin - Antitoxingemisches intrakutan). Die injizierten Anti¬
toxineinheiten wurden in den folgenden Wochen, abgesehen von einem
Fall (8 Falle) restlos ausgeschieden bzw. abgebaut.
Nicht viel anders waren die Immunisierungsergebnisse bei intra-
kutaner Anwendung der hoch iiberneutralisierten Pr¶te (0,2—0,4 ccm
von folgendem Gemisch: 0,1 ccm DG7-f-0,3 ccm 1000-faches Serum).
Eine sichere Titersteigerung lieB sich nur in einem von 4 Fallen fest¬
stellen, und dieses Kind besaB zudem vor der Impfung bereits Schutzstoffe.
1) Epidemiologie, Aetiologie und Beknmpfung der Diphtherie. S. 151. Berlin
(Hirschwald) 1918.
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Gins, Mikroskopische Befande bei experimenteller Maul- und Klauenseuche. 265
Der Ausfall dieser Versuche mit hochiiberneutralisierten Impf-
gemischen ist unerwartet; eine Erklflrung verraogen wir zunfichst nicht
zu geben. Es scheint auf diesem Wege also beim Menschen nicht mog-
lich zu sein, eine einigermaBen erfolgreiche Kombination von aktiver
und passiver Imraunisierung zu erzielen: es bleibt somit zunflchst nur
die Wahl zwischen der einen oder andern Methode.
Fflr die aktive Immunisieruug diirfte die Impfung mit ausgegliclienen
oder schwach ilberneutralisierten Toxin-Antitoxingemischen am meisten
zu empfehlen sein. Das Verfahren ist wirksam, unschadlich, sehr wenig
beschwerlich und einfach in der Anwendung. Die Haltbarkeit der Pra-
parate ist vermutlich relativ unbegrenzt. Bousson und Loewen-
stein fanden ein 6 Jahre lang kiihl verwahrtes, fiberneutralisiertes Impf-
gemisch noch wirksam, und ich selbst hatte mit einer 4 Monate alten
Vakzine gute Resultate.
Die subkutane Applikation, die die etwas groBere Schmerzhaftigkeit
und die zum Teil ziemlich erheblichen, durch den Endotoxingehalt der
schwach verdOnnten Diphtheriebouillon bedingten Lokalreaktionen der
intrakutanen Einspritzung vermeiden wiirde, schien nicht denselben im-
munisatorischen EfFekt zu haben. Wenigstens lieB sich nur in 2 Fallen,
die bereits Antitoxin besaBen, eine Titersteigerung erzielen, wahrend
dies bei 2 schutzstoffreien Kindern nicht gelang. Und gerade diese
Individuen kommen ja fur die Iramunisierung in erster Linie in Betracht.
Es ist sehr leicht mflglich, daB in der kleinen Versuchsreihe der Zu-
fall eine Rolle spielt, aber andererseits laBt der in 2 Fallen erhobene
Befund eines gegenuber dem Blutserum etwas erhflhten Antitoxingehaltes
in der durch Kantharidenpflaster gewonnenen Gewebsfliissigkeit die Ver-
mutung zu, daB das Hautorgan doch nicht ganz bedeutungslos ist. Hier
kann nur ein grbBeres Material die Entscheidung bringen.
Aus den Versuchen geht in Bestatigung der Tierversuche hervor,
daB es auch beim Menschen gelingt, mit atoxischen Toxin-Antitoxin¬
gemischen aktiv zu immunisieren und daB der wirksame Faktor nicht
ein in der Vakzine vorhandener minimaler, am Meerschweinchen nicht
meBbarer, ToxinflberschuB ist, sondern das durch Trennung der Ver-
bindung Toxin-Antitoxin in vivo wieder freigewordene Toxin. Und zwar
diirfte die Dnmunisierung mit schwach uberneutralisierten Toxin-Anti¬
toxingemischen die Methode der Wahl sein. Der Versuch, durch Ver-
wendung hochflberneutralisierter Praparate passive und aktive Immuni-
sierung zu kombinieren, schlug fehl.
Nachdruck verboUtn.
Mikroskopische Befunde bei experimenteller Maul- und
Klauenseuche.
[Aus dem Institut fflr Infektionskrankheiten ^Robert Koch“ in Berlin.]
Von Dr. med. H. A. Gins, Abteilungsleiter im Institut ^Robert Koch“.
Mit 1 Tafel und 2 Abbildungen.
Bisher ist es noch nicht gelungen, das Virus der Maul- und Klauen¬
seuche mikroskopisch einwandfrei zu demonstrieren. Die von verschiedenen
Autoren beschriebenen Gebilde, welche mit dem Virus identifiziert oder doch
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
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in eine gewisse Beziehung gebracht werden sollten, haben ihre atiologische
Bedeutung nicht erweisen konnen. Entweder konnte nachgewiesen werden,
daB unspezifische Gebilde vorlagen (Siegels Cytorr hyctes-Flagellat)
Oder die Befunde wurden in der Folge nicht bestatigt (T e r n is Cytor-
rhyctes Jenneri v. Betegh und Stauffacher). Ueber die Bedeutung
der von Huntemflller beschriebenen Zelleinschlfisse hat sich der
Autor selbst sehr zuriickhaltend gefluBert und es von weiteren Befunden
abh&ngig geraacht, ihre wahre Natur zu erweisen.
Die erwahnten Befunde, ebenso wie die zahlreichen anderen, die im
einzelnen nicht aufgefiihrt werden brauchen, weil sie sicher keine Be¬
ziehung zum Virus der Maul- und Klauenseuche haben, sind an Organ-
teilen, Aphthen Oder dgl. Veranderungen natiirlich oder kiinstlich infizierter
groBer Tiere gemacht worden. Es war daher wiinschenswert, die beim
Meerschweinchen auftretenden Veranderungen raikroskopisch zu studieren.
Die Tatsache, daB das fragliche Virus durch Kieselgurfilter geht,
ist an sich kein Grund dagegen, daB ini erkrankten Gewebe Verande¬
rungen vorgehen, die diagnostisch verwertbar sind. Der Vergleich mit
den Erscheinungsformen des Variola-Vaccinevirus laBt sogar eine gewisse
Wahrscheinlichkeit dafflr zu, daB ahnliche Verhaltnisse — „filtrierbares“
Virus von sehr kleiner Form im Blaseninhalt (Paschensche Elementar-
korperchen) und nicht filtrierbares Virus von ganz anderer Form in der
erkrankten Epithelzelle (Guarnierische Korperchen) — auch bei Maul-
und Klauenseuche vorhanden sein konnten.
Die Moglichkeit, am Meerschweinchen mit Maul- und Klauenseuche
arbeiten zu konnen, ergab gute Vorbedingungen fflr das Studium der
Zellveranderungen, besonders die so haufig spontan entstehenden Aphthen
auf der Zunge waren fflr mikroskopische Beobachtung sehr geeignet. Es
war leicht moglich, Aphthen verschiedenen Alters und verschiedener
Intensity zu verarbeiten, um auf diese Weise einen Ueberblick flber
den Verlauf dieser Lokalisationen des Maul- und Klauenseuchevirus zu
gewinnen.
Veranderungen fanden sich hauptsachlich im Bereich der erkrankten
Gewebepartien an den Kernen der Epithelzellen und der Zellen des sub-
epithelialen Bindegewebes, und zwar vorwiegend sieht man Aufsplitterung
der Kerne unter erheblicher Vermehrung des Chromatins in den einzelnen
Teilen. Naheren Einblick gewahren stark differenzierte G i e m s a - Schnitt-
pr¶te. An dieser erkennt man, daB es sich nicht um pyknotischen
Kernzerfall handelt, sondern um Einlagerung stark chromatinhaltiger
Korperchen in die Kernsubstanz. Wird die Differenzierung so weit fort-
gesetzt, daB das Kerngerfist entfarbt und die Nukleolen nur noch als
blaBblaue Scheibchen erhalten sind, dann heben sich die Kerneinschlusse
durch die intensive Farbung, die sie beibehalten haben, deutlich von den
Nukleolen ab. So konnen auch die verschiedene GroBe der Kernein-
schlflsse und ihre Beziehungen zu den Nukleolen besser beobachtet
werden. Ist die Differenzierung gut gelungen — und es gibt da inannig-
faclie Unterschiede unabhangig von dem Willen des die Prflparate Far-
benden — so werden mehr oder weniger zahlreiche Nukleolen auffallen,
die 1—3 rote Korperchen von leuchtend roter Farbe und sehr scharfer
Kontur zu enthalten scheinen. Ob es sich um Einlagerung oder An-
lagerung handelt, konnte ich zuerst nicht sicher entscheiden. Das genaue
Studium im stereoskopischen Bild hat die Frage aber dahingehend ziem-
lich eindeutig geklart, daB es sich meistens um Anlagerung an den
Nukleolus handelt. Die GroBe dieser Korperchen schwankt stark. Die
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Gins, Mikroskopische Befunde bei experimenteller Maul- und Klauenseuche. 267
kleinsten sind gerade eben noch wahrnehmbar und die groBten haben
etwa 1—l 1 /* ji Durchmesser. Die Form lSBt sich nur in jenen Zellen
gut erkennen, in denen nur wenige solche Kbrpercben im Kern liegen.
Sie treten im allgemeinen in kugeliger Oder langlich-runder Form auf,
sind aber gelegentlich auch band- Oder keilformig.
Sie f&rben sich nach Giemsa in der Regel leuchtend rot. In weniger
stark differenzierten Partien ist jedoch die F&rbung oft so intensiv, daB
es mir nicht gelungen ist, zu unterscheiden, ob ein ganz dunkles Rot
oder Violett sichtbar ist. Erkennbar sind die Kbrperchen jedoch daran,
daB sie ihr Chromatin intensiv gef&rbt erhalten, auch wenn Zellkern und
Nukleolen schon weitgehend entf&rbt sind. Wie die Darstellung mit
kauflichen Giems a-Losungen ausfallen wird, weiB ich nicht, da ich fiir
meine Zwecke die Losung nach Giems as Vorschrift selbst herstelle.
Mit einer solchen Giemsa-Losung gelingt die Darstellung gleich-
MBig gut, und zwar bekam ich nach 3-stiind. Fdrbung in V 20 Losung gute
Bilder und nach 24-
stund. Farbung in x / 100
Losung. Die Differen-
zierung geschieht im-
mer zuerst in der Ace-
toureihe und dann in
absolut wasserfreiem
Alkohol, dem etwas
konzentrierte alkoho-
lische Eosinlosung zu-
gesetztist. UnterUm-
standen bekommt man
eine sehr gute Diffe-
renzierung durch
mehtagiges Stehen-
lassen in Xylol, wel¬
ches nur geringe Men-
gen von Aceton ent-
hait. Versuche, diese
Kerneinschliisse mit
M a n s 0 n schem Bo-
raxmethylenblau darzustellen, haben weniger gute Resultate ergeben. Bei
dieser F&rbung ist der Farbkontrast zwischen den Einschlflssen und den
Nukleolen so gering, daB eine sichere Unterscheidung nicht mbglich ist.
Die beschriebenen Gebilde habe ich bisher in etwa 20 infizierten
Meerschweinchenzungen teils sehr reichlich, teils in geringerer Zahl ge-
funden. AuBerdem fand ich sie im Gewebe der Sohlenblase beim Meer-
schweinchen, allerdings nur in geringer Zahl, und in einer natiirlich in¬
fizierten Rinderzunge. In den Meerschweinschenzungen waren sie am
reichlichsten in den Aphthen 2 Tage nach der Infektion, sie konnten
jedoch auch am 3. und 4. Tage noch nachgewiesen werden. Sie linden
sich vorwiegend an der Grenze des erkrankten und normalen Gewebes.
Nur bei ganz weitgehender Zerstorung des Epithels sind sie fast liber
den ganzen Zungenquerschnitt verteilt. Im allgemeinen aber ist das
unveranderte Gewebe frei von ihnen.
In Meerschweinchenzungen, die nur ganz gering entwickelte oder
erst in der Entstehung bcgriffene Aphthen aufweisen, sind die Kern-
einschllisse gering an Zahl in den infizierten Partien anzutreffen. Da-
«
. .V t
*• v *§> i
ft.
I + * *
£Mjl i
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 1. In der Mitte 3 kleine Kerneinschliisse am Nu-
kleolus. In den benachbarten Zellen dieselben Gebilde
auch frei im Kern.
Fig. 2. In der Mitte grofier Nukleolus mit deutlichem
KerneinschluliS rechts oben, der im Nukleolus zu liegen
scheint.
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gegen fand ich hier eine Zell veranderung, die mit den beschriebenen
Kerneinschlfissen im Zusaramenhang zu stehen scheint. Einzelne Zellen,
vorwiegend dem Bindegewebe entstamraend, zeigen stark vergroBerte
Nukleolen, in deren Mitte ein lfinglich-runder, rotgeffirbter EinschluB liegt.
Finden sich in demselben Kern 2 solcher veranderter Nukleolen neben-
einander, dann erinnert dies an Teilungsbilder. Doch mochte ich aus
diesen bisher seltenen Befunden keine Schlilsse ziehen.
• Die bisher erw&hnten Befunde stammen aus infizierten Organen. In
normalen Meerschweinchenzungen und in solchen, die durch S&ure oder
Hitze yerletzt wurden, habe ich die beschriebenen Kernver&nderungen
nicht gefunden. Zwar zeigen die Nukleolen der normalen Meerschwein-
chenzunge in stark 'differenzierten G i e m s a - Schnitten manchmal eine
gewisse Verschiedenheit beziiglich der Farbung ihrer einzelnen Partien,
derart namlich, daB der blau gefarbte Nukleolus einen groBen Innen-
korper von etwas rotlichem Farbton enthfilt, aber gegeniiber den be¬
schriebenen Einschliissen ist der Unterschied doch recht grofi und bei
einiger Uebung leicht kenntKch.
Auf Grund meiner bisherigen Untersuchungen glaube ich annehmen
zu diirfen, daB die beschriebenen Kerneinschliisse in irgendwelchen
Beziehungen zu der Maul- und Klauenseucheinfektion stehen. In ihnen
eine Erscheinungsform des Virus zu sehen, gentigt das vorliegende
Material noch nicht. Wenn es sich herausstellen sollte, daB diese Ge-
bilde fiir die Maul- und Klauenseuche spezifisch sind, dann ware schon
ein groBer Fortschritt erzielt, weil die Moglichkeit einer mikroskopischen
Diagnose dann gegeben ware. Und die Hoffnung, daB dies gelingen
wird, darf ich w T ohl auBern, zumal da es mir in einem Fall schon ge-
lungen ist, an einer Rinderzunge die beschriebenen Kerneinschlflsse zu
finden. Leider sind mir Abbildungen der Stauffacherschen Befunde
nicht zuganglich. Nach seiner Beschreibung ist es nicht von der Hand
zu weisen, daB die von ihm gesehenen Korperchen mit meinen Befunden
in Zusammenhang stehen.
Untersuchungen fiber analoge Befunde im Blut und den inneren
Organen von infizierten Meerschweinchen sind im Gang und werden
voraussichtlich weiteres Material zur Erkennung und Bewertung dieser
eigentfimlichen Kernverfinderungen liefern.
SchlieBlich mochte ich kurz noch einen mikroskopischen Befund in
dem Epithel der Meerschweinchenzunge anffihren, der irreffihren konnte.
Man sieht gelegentlich in infizierten Zungen — in normalen nie! —
Zellen, die durchsetzt sind mit massenhaften dunkel gefarbten Kfirnchen.
Besonders in der Teilung begriffene Zellen zeigen dies Bild. Das ffirbe-
rische Verhalten dieser Kfirnchen lfiBt sie von Ele'idin und Keratohyalin
gut unterscheiden und so konnte der Verdacht auftauclien, daB es sich
um spezifische Veranderungen handelt. Da ich derartige mit „Plastin-
massen“ angefflllten Zellen in der Kaninchencornea bei Variola- und
Vaccineinfektion haufig gefunden habe, kann von einer Veranderung, die
mit der Maul- und Klauenseuche in spezifische Verbindung zu bringen
ist, keine Rede sein. Es handelt sich um eine noch wenig erforschte
Veranderung der Epithelzelle, die augenscheinlich bei verschiedenen In-
fektionen vorkommt.
Literatur.
1) Siegel, Berlin, tierarztl. Wochenschr. 1911. Nr. 50. — 2) Terni, Dtsch. tier-
arztliche Wochenschr. 1908. — 3) v. Betegh, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 60.
1911. — 4) Stauffacher, Programm der Thurgauischen Kantonschule, Frauenfeld
1921. — 5) Huntemiiiler, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 61. 1911.
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CenlralhlaU filr Bakteriulogic Abt.I. Orig. Bd. AN. H.A.Gins, H.rpcrimmt Maul u Klauenseuchr.
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Sasakawa, Zur Systematik pathogeuer und parasitischer Hefen.
269
ErU&run? der T&felabbildungen.
Fig. 1 oben. Mehrere Epithelzellen, stark differenziert, deren Kernsubstanz fast
vollig entfarbt ist. An den Nukleolen (blau) und frei im Kern Ieuchtend rote Ein-
schliisse von verschiedener Gr66e und Form.
Fig. 1 unten. Normales Zungenepithel (Brandverletzung) zum Vergleich.
Fig. 2. Stark differenzierte Epithelzelle mit Ieuchtend roten Kerneinschliissen an
jedem Nukleolus. t
Fig. B. Links mehrere Zellen mit zahlreichen Kerneinschliissen. deren Differen-
zierung von den Nukleolen nicht so auffallend ist, wie bei Fig. 2. Rechts zwei nor-
male Epithelzellen. Zeichnung: */, mm Kompensationsokular (Zeifi) VT.
Naohdruck verboten.
Zur Systematik pathogener und parasitischer Hefen.
Morphologisch-biochemische Studie.
[Aus dem Staatlichen Serotherapeutischen Institut in Wien (Vorstand:
Hofrat Prof. Dr. Richard Paltauf), Biochemische Abteilung (Vor¬
stand: Prof. Dr. Ernst Pribram).]
Von Prof. Dr. Maseo Sasakawa,
Vorstand der Dermatolog. Klinik der Medizinischen Fakultat Ke'i-6, Tokio.
Mit 1 Tafel.
Die Literatur fiber Hefen, welche aus menschlichem und tierischem
Material gezflchtet worden sind, ist bereits recht umfangreich; die meisten
Arbeiten *) beschfiftigen sich zum Teil vorwiegend mit der Kasuistik und
zum Teil hauptsachlich mit der Morphologie der genannten Mikroorga-
nismen, nur eiuzelne Arbeiten behandeln das Material systematisch.
Unter diesen ist hier vor allem eine Arbeit von Sternberg 11 ) zu nennen, weil
3 von den von mir bearbeiteten Hefen bereits von Sternberg eingehend untersucht
worden sind (die Hefen Busse, Leopold, Sanfelice neoformans?) und weil
Sternberg, ebenso wie bereits vor ihmCao 1 2 3 4 5 ), gewisse morphologische Eigenschaften
zur Differentialdiagnose zwischen den pathogenen Hefen einerseits und den hyphen-
bildenden Oidicn (Oidium lactis) andererseits heranzieht, welche auch in aieser
Arbeit Beriicksichtigung finden sollen. Plaut 4 ) unterscheidet zwischen Oidien und
Monilien und reiht Oidium lactis (Milchschimmel) unter die ersteren, Mon ilia
albicans (Soorpilz) unter die letzteren ein. Morphologisch lassen sich beide verhaltnis-
maflig leicht unterscheiden: Oidium lactis durch seine stets vorhandene Neigung
zur Hyphenbildung, Monilia albicans durch ihren hefeartigen Charakter (Sprofl-
zellenblldung) mit Neigung zur Bildung langgestreckter, fadenformiger Zellen („Fiiden“).
Die Differentialdiagnose wird noch erleicntert durch eine Beobachtung, welche ich
Herrn Hofrat Paltauf verdanke: die Bildung von reichlich verzweigtem Mycel durch
Oidium lactis im Qegensatz zur erwahnten Fadenbildung bei Monilia albicans,
durch welche bei winkeliger Stellung der Faden zueinander ein Netzwerk („Pseudo-
mvcel“) vorgetauscht werden kann, bei welchem aber die Zellfaden mit ihren Enden
aneinanderstofien [vgl. die Abbildung der von Paltauf aus Soor der Harnblase kulti-
vierten Hefe bei v. Frisch 6 )]. Plaut spricht, offenbar von einer ahnlichen Betrachtung
ausgehend, von einer „schon im Anfang vorhandenen Septiernng des Soormvcels“
(1. c. S. 52), die ihm gegen eine Verwanatschaft des Soorpilzes mit Phykomyceten zu
sprechen scheint. Gougerot 6 ) wahlt eine andefe Nomenklatur. Er ziihlt Oidium
lactis ebenfalls zu den Oidien; die zur Fadenbildung befahigten Sprofipilze bezeichnet
1) Literatur bei Buschke, Handb. d. pathog. Mikroorg. von Kolle u. Wasser-
mann, Bd. 5. 1913. S. 155.
2) Sternberg, Zieglers Beitr. z. pathol. Anat. Bd. 32. 1902. S. 1.
3) Cao, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 34. 1900. S. 282.
4) Plaut, Handb. d. pathog. Mikroorg. von Kolle u. Wassermann. Bd. 32.
1913. 8. 42.
5) ▼. Frisch, Wien. klin. Wochenschr. 1898. S. 875.
b) Gougerot, Les Exascoses, Sonderabdruck.
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270
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
Tabelle
.Nr.
Autor
Provenienz
Geziichtet aus
1
Curtis
Lille, ca. 1896
myxosarkomatdsem Tumor am rechten
Schenkel
2
Kartul is
Alexandrien 1909
chron. Fistel in der Glutealgegend
3
J aiser
Stuttgart 1916
parasit Hefe aus Mageninhalt bei Car- 1
einom
4
Fuller
?
f
5
Skutetzky 1 )
Innsbruck 1919
Hautaffektion
6
Co pell i
Hautaffektion
7
Jaiser
Stuttgart 1916
parasit. Hefe aus Rachenschleimhaut
bei Angina
8
Briinauer
Wien 1920
Hautaffektion (Erosio interdigitalis)
9
Winternitz
Wien (um 1912)
wahrsch. aus Hautaffektion?
10
Leopold
Dresden 1900
Ovarial- oder Maramacarcinom
11
Foulerton
England 1900
parasit. Hefe aus Harn bei Albuminurie
oder Rachenschleimh. bei Pharyngitis
12
PI aut
Hamburg
wahrsch. aus Hautaffektion
13
Ledegaard
Kopenhagen
Hautaffektion
14
Hildegaard
Kopenhagen ?
15
Lund sgaard
Kopenhagen 1900
Hvpopyokeratitis
16
Laederich
Paris 1909 (?)
Greifswald 1894
aus Hautabszefi
17
Busse
chron. subperiost. Entziindung der Tibia
„parasitisene Hefe“
Hautaffektion
18
Bayer
Innsbruck
19
Hudelo und Duval
Paris 1909 (?)
20
Sanfelice
Cagliari (Italien)
1895
aus LymphdriiBen vom Ochsen
21
San f elice
Cagliari (Italien)
1895
von einer Hiindin, der z weeks Erzeugung
eines Mammatumors eine durch ein
Meerschweinchen passierte Frucht-
6afthefe injiziert worden war
er ate Zy monem a (= Fadenhefen, = Faden) und stellt diese in eine Reihe neben
Endomyces und Saccharomyces in die Hauptgruppe der Exoasci. Nach ihm
f ehoren die pathogenen Hefen zum Teil zu den Zymonematosen, zum Teil zu den
accharomyceten, aoch fiihrt er auch Uebergange von diesen Gruppen zu den Oidien
an, was spater noch erortert werden soil.
Icli halte mich im folgenden an die Noraenklatur Plauts und will
die dem Soorpilz entsprechenden Hefen als Monilia-artig bezeichnen
(nach Gougerot waren sie Zymonema zu benennen). Da, wie sich
aus den morphologisch-biochemischen Untersuchungen ergeben wird, der
groBte Teil der hier untersuchten pathogenen und parasitischen Hefen
den Torulae jedenfalls sehr nahesteht, soli hier auch diese Gruppe
genau umschrieben werden: Nach Klocker bezeichnen wir nichtsporu-
lierende Hefen, welche keine oder nur geringe GSrkraft fur Kohle-
hydrate haben. als Torulae. Sie bestehen meist vorwiegend aus kugel-
runden Zellen.
1) Skutetzky hat die von ihm aus Hautaffektionen kultivierten Hefen bereits
physiologisch. Die Arbeit, welche im Institut fiir experimentelle Pathologie in Inna-
vor ihrer Beendigung unterbrochen worden. Prof. Bayer hat die Arbeit in liebens-
abdriicke der Literatur iiber pathogene Hefen, die er dem Serotherapeutischen Institut
leichtert haben. Dafiir sei ihm warmstens gedankt.
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Sasakawa, Zur Systematik pathogener und parasitischer Hefen.
271
Eingesandt von
Originalstamm
Jaiser, Stuttgart
Bayer, Innsbruck
Bayer, Innsbruck
Bayer, Innsbruck
Jaiser, Stuttgart
Briinauer, Wien
W r intemitz,Wien
Originals tainm
Jensen, Kopen-
hagen (1903)
Plaut, Hamburg
Bayer, Innsbruck
Nicht eruierbar
Bayer, Innsbruck
Bayer, Innsbruck
Originalstamm
Bayer, Innsbruck
Bayer, Innsbruck
Originalstamm
Bayer, Innsbruck
Literatur
Bemerkung
Ann. de l’lnst. Pasteur. X. 1896
Presse m6dicale Beige. 1895. p. 370
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 64. 1909. S. 285
liegt im Manuskript ') vor
Arch. f. Gynakol. Bd. 61. 1900. S. 77
Journ. of Path, and Bact. VI. 1900.
p. 37; Journ. of comp. Path, and
Ther. XI. 1898. p. 2
Klin. Monatsh. f. Augenheilk. 38. Jg.
1900. S. 13
Centralbl. f. Bakt. Bd. 16.1894. S. 173
Centralbl. f. Bakt. I. Abt. Orig. Bd. 18.
1895. 8. 521
Centralbl. f. Bakt. Bd. 17.1895. 8. 163.
625; Zeitschr. f. Hyg. Bd. 21. 1896
S. 32. 395; Bd. 22. 1896. S. 171; Bd.
26. 1897. S 298; Bd. 29.1898. S.463;
Bd. 44. 1903. S. 364
Pathogen fur Hund, Kanin-
chen, Ratte, Maus (ref. bei
Foulerton)
Unsicher; in d. Sammlung
als „Kartrick“
Als Stamm „Braunli“ ein-
gesandt
Als Stamm „Kislovic“ be-
zeichnet
Als „Fluorescens emphyse-
matosus 11 eingesandt
Als Stamm „Poulman“ ein¬
gesandt
Als „lithogenes“ bezeichnet,
pathogen fur Meerschw.,
Ratten, Kan. ,Schafe,Rinder
Als Saccharom. canis einge¬
sandt, in einer Publikation
spater als Sacch. neofor-
mans bezeichnet
Ich hatte Gelegenheit, eine besonders groBe Anzahl von Hefen,
welche aus verschiedenen Krankheiten bei Menschen und Tieren ge-
zUchtet waren, gleichzeitig nebeneinander zu studieren, morphologisch
und- biologisch miteinander zu vergleichen, sowie Hefen nichtparasitischen
Ursprungs zum Vergleiche heranzuziehen. Diese Hefen, welche aus der
vormals Kriilschen mikrobiologischen Sammlung (Prof. Dr. E. Pribram)
in Wien stammen, sind bezflglich ihrer Herkunft und ihres Alters aus
Tabelle 1 zu entnehmen, wo auch die Literatur, soweit sie vorhanden
und bekannt war, eingetragen ist. Es sind im ganzen 21 verschiedene
Hefen, welche sich nach sorgffiltiger morphologischer und biochemischer
Untersuchung in Gruppen zusammenfassen lassen. Um die Uebersicht
zu erleichtern, wurden die morphologisch sowie biochemisch einander
nahestehenden Hefen bereits in der Tabelle hintereinander angefiihrt.
Die Untersuchungen erstreckten sich 1. auf die Form der Ilefezelle,
im Jahre 1919 sorgfaltig untersucht, und zwar sowohl morphologisch als garungs-
bruck bei Prof. G. Bayer ausgefiihrt wurde, ist durch Erkrankung des Autors kurz
wiirdigster Weise zur Einsichtnabme eingesandt und ihm verdanke ich auch die Sonder-
I’rof. Pribram) geliehen hat und welche mir die vorliegende Arbeit wesentlich er-
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272
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
\
2. auf Speculationsfahigkeit, 3. auf fermentative Eigenschaften gegeniiber
verschiedenen Kohlehydraten.
I. Morphologische Untersuchungen. Von jeder Reinkultur wurde
zuerst ein natives Prfiparat in frischem Zustande und nach 1 Mon., auch
spfiter, angesehen, ferner nach kurzdauernder Zflchtung (2—3 Tagen)
‘mit Hilfe der Mollerschen Sporenffirbung (1-proz. Schwefelsfiure, ca.
10 Sek., zeitweise bis zu 5 Min. langer Einwirkung) untersucht, hierauf
einerseits eine Gipsblockkultur angelegt, andererseits die auf Dextrose-
agar gezflchtete Kultur versiegelt. Die Gipsblockkulturen wurden vom
2. Tage ab in 3—4-tag. Intervallen auf Entwicklung von Sporen gepriift,
und zwar stets mit Hilfe der Mollerschen Sporenffirbung. Ebenso
wurde die versiegelt gehaltene Kultur nach etwa 1 Mon. oder spfiter in
gleicher Weise aof die Gegenwart von Sporen untersucht. Gleichzeitig
wurden Kontrollen mit sicher sporulierenden Hefen angestellt, und zwar
mit Sa ccharomy ces cerevisiae Saaz, Lindn., Schizosaccharo-
myces octosporus Beijer., Pi chi a m embranaefacien s Hansen,
Willia anomala Hansen. In all diesen Kontrollen konnten typische
Sporen in der fiir jede Art charakteristischen Anzahl und Grofie sowohl
auf dem Gipsblock als auch in der versiegelten Kultur nachgewiesen
werden. AuBer diesen Kontrollen wurden in analoger Weise Kontroll-
versuche angestellt mitOidium lactis Fresen., Monilia albicans,
Torula alba Zikes, Torulaspora Delbrucki Lindn. In diesen
Kontrollversuchen konnten keine typischen Sporen gefunden werden.
Dagegen konnte ich in diesen nicht sporulierenden Hefen mit Hilfe der
Sporenffirbung nach MSiler in Gipsblockkulturen und alten versiegelten
Dauerkulturen nur sfiurefeste, demnach rotgeffirbte Granula nachweisen.
Diese liegen hfiufig, fihnlich wie die Sporen, in Zellen, welche mit Me-
thylenblau nicht oder schlecht ffirbbar sind. Da die gleichen Gebilde
auch in alien pathogenen und parasitischen Hefen zu finden waren, in
keiner einzigen aber Sporen (ausgenommen die offenbar nicht hierher-
gehorige Hefe Sanfelices Saccharomyces can is), mtissen wir auf
die Natur dieser KSrperchen spfiter eingehend zuriickkommen. Ich lasse
hier eine kurze Skizze der Untersuchungen tiber die Morphologie der
einzelnen Hefekulturen folgen:
1) Pathogene Hefe Curtis (Lille): In nativen Praparaten (auf Zuckeragarkulturen)
rundliche und ovale Zellen, zum Teil langgestreckt, wurstformig, zum Teil lange Faden-
formen mit Kettenbildung, besonders bei alten Kulturen. Kerne, Korner, Vakuolen,
Tanzkorperchen.
Sporenfarbung: In Zuckeragarkulturen, sehr sparlich bei frischen Kulturen, deut-
licher und relativ zahlreich in 2 Mon. alten Kulturen, ebenso in Gipsblockkulturen
saurefeste, rot gefarbte Elemente nachweisbar. Diese Elemente, 1—2, auch mehr bis zn
4 in einer Zelle, sind sehr klein in frischeren Praparaten, in alten Kulturen und Gips¬
blockkulturen grofier, untereinander nicht gleich groB. Es kommen auch ahnliche, nicht
rot, sondern blau gefarbte Elemente vor.
Heidenhainsche Kernfarbung: Je 1 kleiner Keru in einer Zelle.
2) Hefe „Kartrick“ (?) Kartu lis (Alexandrien): In nativen Praparaten (auf Zucker¬
agarkulturen) ovale Formen und Wurstformen, zum Teil lange Fadenformen mit langen
Ketten. Kerne und Vakuolen:
Sporenfarbung: In alten Zuckeragarkulturen (1 Mon. alt) und Gipsblockkultureu
1—6 rot gefarbte, jedoch sehr sparlich auffindbare Elemente, etwa in der Grofie der
Kerne im mit Methylenblau schlecht farbbare Teile der Zellen.
3) Parasitische Hefe aus Mageninhalt bei Karzinom, Jaiser (Stuttgart): In na¬
tiven Praparaten (auf Zuckeragarkulturen) rundliche und mehr oder weniger langge-
streckte Formen, und zwar Wurstformen und Fadenformen mit Kettenbildung. Kerne,
Vakuolen, Tanzkorperchen.
SporenfarbuDg: In alten Zuckeragarkulturen 1 bis mehrere rote, saurefeste Ele¬
mente, besonders in fadenformigen Zellen, welche sich mit Methylenblau nicht farben.
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Sasakawa, Zur Systematik pathogener und parasitischer Hefen.
273
4) Blastomyces Fuller: In nativen Praparaten (auf Zuckeragarkulturen) meist
rundliche Formen, Birnformen, aber auch langgestreckte Wurstformen, diese besonders
in alten Praparaten. Vakuolen, Kerne und stark lichtbrechende Elemente.
Sporenfarbung: In 3 Wochen alten, durch Siegellack am Vertrocknen gehinderten
Zuckeragarkulturen lassen sich in einzelnen rundlichen, auch in wurstformigen Zellen,
beeonders in solchen, welche mit Methylenblau nicht mehr farbbar sind, 1 bis mehrere
saurefeste, rot gefarbte Elemente nachweisen.
5) Pathogene Hefe Skutetzky (Innsbruck): In nativen Praparaten (auf Zucker¬
agarkulturen) meist rundliche oder ovale Formen, sparlich auch langgestreckte, beson¬
ders in alteren Zuckeragarkulturen und Bierwiirzeagarkulturen, Kerne, Vakuolen.
Sporenfarbung: In 1 Mon. alten Zuckeragarkulturen und in Gipsblockkulturen
1 bis mehrere saurefeste, rote Elemente von sehr verschiedener GroSe.
6) Pathogene Hefe (Copelli Bayer (Innsbruck): In nativen Praparaten (auf
Zuckeragarkulturen) meist kugelrunde Formen, sehr sparliche Wurstformen, ebenso in
alten Zuckeragarkulturen (2 1 /, Mon. alt), Kerne, Vakuolen.
Sporenfarbung: In Zuckeragarkulturen treten bereits nach 10 Tagen 1—2 bis
mehrere rot gefarbte, saurefeste Elemente in Zellen auf, welche mit Methylenblau
schlecht farbbar sind.
7) Parasitische Hefe aus Angina „Braunli“ Jaiser (Stuttgart): In nativen
Praparaten (5 Tage alten Kulturen) ausschlieSlich kugelrunde Formen, in alten Kul-
turen sparliche langgestreckte Formen, Kerne, Vakuolen.
Sporenfarbung: In ca. 1 Mon. alten Zuckeragarkulturen und Gipsblockkulturen
in einzelnen Zellen ein kerniihnliches, saurefestes, iotes Element in Zellteilen, welche
durch Methylenblau nicht farbbar sind.
8) Pathogene Hefe „Kislovic'‘ Brunauer (Wien): In nativen Praparaten
<3 Tage alten Zuckeragarkulturen) ausschlieSlich kugelrunde Formen, in alten Kulturen
sparliche langgestreckte Formen. Kerne, Vakuolen.
Sporenrkrbung: In ca. 3 Wochen alten Zuckeragarkulturen in einzelnen mit Me¬
thylenblau kaum farbbaren Zellen ein rotgefarbtes, saurefestes Element.
9) Pathogene Hefe („Fluorescens emphysematosus") Winternitz (Wien).
In nativen Praparaten junger Zuckeragarkulturen ausschlieSlich rundliche Formen, in
alten Kulturen sparlich Wurstformen. Kerne, Vakuolen.
Sporenfarbung: In 1 Mon. alten Zuckeragarkulturen und Gipsblockkulturen sehr
spMrliche saurefeste, rot gefarbte Elemente, meist in einer mit Methylenblau nicht mehr
farbbaren Zelle.
10) Blastomyces (Leopold (Dresden): In nativen Praparaten (auf Zucker¬
agarkulturen) meist kugelrunde Formen, in 3 Mon. alten Kulturen auf Zuckeragar
auSerst selten Wurst- und Fadenformen, Granula, Kerne, Vakuolen.
Sporenfarbung: In ca. 3 Mon. alten Zuckeragarkulturen lieBen sich saurefeste,
zum Teil Tropfenform annehmende, rot gefarbte Elemente von sehr verschiedener Grbfle
nachweisen.
11) Pathogene Hefe Foulerton (Middlesex Hospital, England): In nativen Pra¬
paraten junger Zuckeragarkulturen ausschlieSlich runde Formen, in alten Kulturen auch
selten Wurstformen una lange Faden, Tanzkorperchen, Kerne, Vakuolen.
Sporenfarbung: In frischen und alten Zuckeragarkulturen sowie in Gipsblockkul¬
turen lassen sich regelmaSig saurefeste, rot gefarbte, sporenahnliche Gebilde auffinden,
daneben zuweilen vereinzelte, kleine, rot gefarbte Elemente in einzelnen Zellen.
Heidenhainsche Kernfarbung: Die siiurefesten Zellen farben sich tief schwarz,
daneben, wie gewOhnlich, je ein kleiner Kern in der Zelle.
12) Blastomyces Poulman Plaut (Hamburg): In nativen Praparaten junger
Kulturen (auf Bierwiirzeagar) meist rundliche oder ovale Formen, in alten Kulturen
auch Wurst- und Fadenformen. Kerne, Vakuolen.
Sporenfarbung: In alten Zuckeragarkulturen und Gipsblockkulturen 1—2 saure¬
feste, rote Elemente.
13) Pathogene Hefe Ledegaard (Kopenhagen): In nativen Praparaten junger,
5 Tage alter Bierwiirzeagarkulturen ausschlieSlich kugelige Formen, in alten Kulturen
ira Alter von ca. 4 Mon. sparliche Wurstformen. Kerne, Vakuolen.
Sporenfarbung: In alten Zuckeragarkulturen, selten auch in Gipsblockkulturen,
sparliche, rot gefarbte, saurefeste Elemente von verschiedener GroSe, in ein bis mehrere
in einer Zelle.
14) Blastomvces Hildegaard (Kopenhagen): In nativen Praparaten junger
Kulturen ausschlieSlich kugelrunde Formen (5 Tage alte Bierwiirzeagarkulturen), in
alien Kulturen (ca. 5 Mon.) sehr sparlich langgestreckte Formen. Kerne, Vakuolen.
Sporenfarbung: In ca. 1 Mon. alten Zuckeragarkulturen und in Gipsblockkulturen
1—2 saurefeste, rot gefarbte Elemente in einer Zelle. Einzelne Zellen sind fast in toto
rot gefiirbt, morphologisch im iibrigen von den anderen nicht zu unterscheiden.
Eme Abt. Orig. Bd. 88 Heft 4. 18
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274
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
15) Pathogene Hefe Lundsgaard (Kopenhagen): In nativen Praparaten junger
Kulturen meist kugelrunde Formen, selten ovale Formen (5 Tage alte Bierwiirzeagar-
kulturen), in alten Kulturen (ca. 5 Mon. alte Zuckeragarkulturen), Belten Wurstformen.
Kerne, Vakuolen.
Sporenfarbung: Jn Gipsblockkulturen liefien sich keine saurefeaten Elemente nach-
weisen; in einer 1 Mon. alten Zuckeragarkultur konnten hier und da in einzelnen Zellen,
welche sich mit Methylenblau schlecht farben liefien, ein oder mehrere rot gefarbte,
eaurefeste Elemente nachgewiesen werden.
16) Blastomyces Laederich (Paris): In nativen, jungen und alten Zucker¬
agarkulturen ausschliefilich kug lrunde Zellen. Kerne, Vakuolen, Granula.
Sporenfarbung: In einer 8 Wochen alten Zuckeragarkultur liefien sich erst nach
langem Suchen in einer Zelle 1—2 rot gefarbte Elemente an Stelle des Kernes auffinden.
17) Pathogene Hefe Busse (Greifswald): In nativen Praparaten junger und alter
Zuckeragarkulturen ausschliefilich kugelrunde Formen, Kerne, Granula, Tanzkorperchen.
Sporenfarbung: In alten Kulturen und Gipsblockkulturen sparlich eaurefeste, rot
gefarbte Elemente, eines in einer Zelle, dem Auseehen nach dem Zellkern ahnlich.
Heidenhainsche Kernfarbung: In den meisten Zellen 1 Kern nachweiebar.
18) Parasitieche Hefe Bayer (Innsbruck): In nativen jungen und alien Prapa¬
raten Zuckeragarkulturen ausschliefilich kugelrunde Formen, Kerne, Vakuolen.
Sporenfarbung: In Gipsblockkulturen zuweilen ein bis mehrere eaurefeste Ele¬
mente in Zellen nachweisbar, welche sich mit Methylenblau schlecht farben lassen. In
alten Zuckeragarkulturen konnten solche Elemente nicht wahrgenommen werden.
19) Blastomyces Hudelo et Duval (Paris): In nativen Praparaten junger
Kulturen ausschliefilich kugelrunde Formen, ebenso in 5 Mon. alten Zuckeragarkulturen,
Kerne, Vakuolen, auch Granula in Zellen ohne Vakuolen.
Sporenfarbung: In ca. 1 Mon. alten Zuckeragarkulturen lafit sich in Methylenblau
schlecht fiirbbaren Zellen je ein rot gefarbtes saurefestes Element nachweisen.
20) Blastomyces lithogenes Sanfelice (Cagliari, Italien): In nativen Pra¬
paraten (5 Tage ebenso wie 4 Mon. alte Zuckeragarkulturen) ausschliefilich kugelrunde
Formen. Die meisten Zellen sind mit feinen Kornchen erfiillt. Vakuolen in einigen
Zellen.
Sporenfarbung: In ca. 3 Wochen alten Zuckeragarkulturen liefien sich ein bis
mehrere rote, siiurefeste Elemente in mit Methylenblau schlecht farbbaren Zellen nach¬
weisen.
21) Saccharomyces canis Sanfelice (Cagliari, Italien): In nativen Prapa¬
raten junger und alter Zuckeragarkulturen rundliche, ovale und Wurstformen. Va¬
kuolen, ein bis mehrere Kerne in einer Zelle nachweisbar, und zwar in runden Zellen
1 Kern, in wurstformigen mehrere Kerne.
Sporenfarbung: In 5 Tage alten Zuckeragarkulturen ein bis mehrere verschieden
grofie, rot gefarbte Elemente in einer Zelle. Diese ziemlich reichlich vorhandenen Ge-
bilde sind verschieden grofi, aber stets kleiner als die in alten Kulturen auftretenden
Sporen. — In Kulturen, welche iiber 1 Mon. alt sind, finden sich untereinander gleich-
grofie, rot gefarbte, eaurefeste Sporen.
Zum Vergleiche warden folgende Hefen bekannter Art herangezogen,
welche, mit denselben Methoden, wie die pathogenen und parasitischen
Hefen behandelt, folgende Eigenschaften aufwiesen:
I. Oidium lactis Fresenius (Kultur von Sanfelice, Cagliari): In nativen
Praparaten (3 Tage alte Kulturen auf Zuckeragar oder Bierwurzeagar) rundliche und
ovale bis Wurstformen, lange Mycelfaden mit Segmentierung und echter Verzweigung.
Vakuolen, Kerne, Granula.
Sporenfarbung: In Gipsblockkulturen und in 1 Mon. alten Zuckeragarkulturen
sparlich eaurefeste, rot gefarbte Elemente in Zellen, welche sich mit Methylenblau nicht
mehr farben. In frischen Kulturen sind solche Elemente nicht zu finden.
II. Monilia albicans non liquefac. (von den Autoren als Oidium albi¬
cans bezeichnet), Fischer und Brebeck. In nativen Praparaten meiBt ovale Formen,
auch rundliche (2 Tage ebenso wie 4 Mon. alte Zuckeragarkulturen). Vakuolen, Kerne.
Sporenfiirbung: Sowohl in frischen wie in alten Zuckeragarkulturen in einzelnen
Zellen ein rot gefarbtes, Eaurefestes Element etwa von der Grofie des Kerns.
III. Monilia casei (vom Autor als Saccharomyces casei bezeichnet)
Edwards (Guelph, Canada): In nativen Praparaten (3 Tage alten Zuckeragarkulturen)
neben ovalen verschieden lange Wurstformen in langen Ketten, zahlrciche licbtbrechende
Kbrner und Vakuolen.
Sporenfarbung: In 1 Mon. alten Zuckeragarkulturen meist 2, bisweilen auch
mehrere rote, siiurefeste Elemente in einzelnen, mit Methylenblau schlecht farbbaren Zellen.
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Sasakawa, Zur Systematik pathogener und parasitischer Hefen.
275
IV. Pichia mem bran aefaciens Hansen, Zikes (Wien): In nativen Pra¬
paraten (1 Tag alte Zuckeragarkulturen) rundliche* ovale und Wurstformen. Vakuolen,
Kerne und groCe lichtbrechende Gebilde (Sporen) von runder Form und gleicher GroBe.
Sporenfarbung: In ganz jungen, 1 Tag alten, sowie in alten Zuckeragarkulturen
rot gefarbte, saurefeste, gleichgTolse, runde Sporen zu je 2- 4 in einem Schiauche, da-
neben auch kleine, saurefeste Gebilde (punktformig, ungleich groB) in mit Methylenblau
schlecht farbbaren Zellen.
V. Willia anomala Hansen, Zikes (Wien): In nativen Praparaten junger
ebenso wie alter Zuckeragarkulturen ovale Formen, Wuretformen, lange Faden mit ver-
schieden groBen, lichtbrechenden Elementen, Kerne.
Sporenfarbung: In ca. 8 Wochen alten, versiegelt gehaltenen Zuckeragarkulturen
meist 4 rot gefarbte, saurefeste, gleichgroBe Sporen.
VI. Saccharomyces cerevisiae Saaz, Lindner (Berlin): In nativen Pra¬
paraten (3 Tage alten Zuckeragarkulturen) rundliche, meist ovale, seltener auch wurst-
formige Zellen. Vakuolen, Kerne; in etwas alteren Kulturen stark lichtbrechende,
gleichgroBe, runde Sporen, meist je 4 in 1 Zelle.
Sporenfarbung: In alten Zuckeragarkulturen, sparlicher auch in frischen, sowie in
Gipsblockkulturen rote, saurefeste Sporen von gleicher GrbBe zu je 4 in 1 Zelle; da-
neben stellenweise ein leicht rot gefarbtes Element von Punktform in einer Zelle.
Hei denhainsche Kernfarbung: schwarzlich gefarbte Sporen mit einem deutlich
erkennbaren Kern in der Spore. In den vegitativen Formen schon gefarbte Kerne.
VII. Schizosaccharomyces octosporus Beijerinck, Beijerinck (Delft):
In nativen Praparaten junger, ebenso wie alterer Zuckeragarkulturen langgestreckte
Zellen mit leicht erkennbaren, lichtbrechenden Sporen zu je 4—8 in 1 Schiauche. Die
vegetativen Zellen sind rundlich, oval und mehr oder weniger langgestreckt mit eigen-
artiger Septierung. Vakuolen, Kerne, Granule.
Sporenfarbung: In frischen und alten Kulturen, in letzteren zahlreicher, gleich-
grofle, zum Teil rot, seltener blau 1 ) gefarbte Sporen ^rund), zu je 4—8 in 1 Zelle. Je
naeh der Dauer der Entfarbung mit Saure kann man mehr oder weniger rote und
blaue Sporen darstellen, doch findet man stets neben roten auch blau gefarbte Elemente,
welche morphologisch im iibrigen den roten Sporen gleichen.
VIII. lorulaspora Delbriicki Lindner (Berlin): In nativen Praparaten
(3 Tage alten Zuckeragarkulturen) ausschlieBlich runde Formen, in alter Kultur zeit-
weise auBerst selten Wurstformen, mit Vakuolen und Kernen.
Sporenfarbung: In frischen, 3 Tage alten Zuckeragarkulturen, mehr noch in alten
(1 Mon. alten) findet sich in den roeisten Zellen ein rot gefarbtes, saurefestes Element
von der GroBe des Kerns. Sonst keine saurefesten Elemente, keine Sporen, auch nicht
in Gypsblockkulturen.
IX. Torula al ba Zikes (Wien): In nativen Praparaten (3 Tage alten Zuckeragar¬
kulturen) ausschlieBlich runde Formen, in alten Kulturen zuweilen ganz spfirlich Wurst-
forraen mit Kern und Vakuolen.
Sporenfarbung: Weder in frischen, noch in alten (1 Mon. alten) Zuckeragarkulturen,
noch auch in Gypsblockkulturen saurefeste Gebdde. Nach langem Suchen liiUt sich
zuweilen in einer Zelle ein ganz blaBrot gefarbtes Element (Kern?) auffinden.
Hei denhainsche Kernfarbung: Kerne leicht darslellbar, schon gefarbt.
Aus der vorstehenden Zusammenstellung geht eindeutig hervor, daB
mit Hilfe der angewendeten Methode in alien untersuchten Saccharo-
myceten (sporulierenden Hefen) die Sporen mit Leichtigkeit nachgewiesen
werden konnten; daB hingegen in den untersuchten parasitischen und
pathogenen Hefen, mit Ausnahme der Hefe Saccharomyces canis
Sanfelice, niemals echte Sporen zu finden waren. Da in der Literatur
wiederholt angegeben wird, es seien bei pathogenen und parasitischen
Hefen Sporen gefunden worden, sogar von einem Forscher, wie Buschke,
in seinem ausfilhrlichen Referate in Kolle-Wassermanns Handbuch
der pathogenen Mikroroganismen (Bd. 5, S. 160) eine Bemerkung zu
finden ist, daB dieser Autor in alien von ihm untersuchten pathogenen
Hefen 2—5 Sporen nachweisen konnte, muB die Frage der Sporen-
bildung in pathogenen Hefen unser besonderes Interesse erregen, urn
so mehr als es ein uneriaBliches Erfordernis ist, festzustellen, ob eine
Hefe sporuliert oder nicht, urn sie im System unterzubringen. Nun
1) Gegenfarbung mit Methylenblau.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
fehlen bei alien einschlagigen Arbeiten iiber pathogene Hefen Angaben
liber die Methode des Nachweises der Sporen; es wird stets nur be-
merkt, ob Sporen gefunden wurden oder nicht. Es scheint nicht un-
wahrscheinlich, daB viele Autoren sich rait der in der Bakteriologie
iiblichen und dort auch vollig ausreichenden Feststellung begnugt haben,
ob rait Hilfe der Sporenfarbung saurefeste Elemente in den Zellen
nachweisbar sind. Dieser Nachweis allein geniigt zweifellos nicht. Ich
habe gefunden, daB solche saurefeste Elemente sowohl in sporulierenden
wie in nicht sporulierenden Hefen vorkommen, daB diese Elemente in
der Regel, wenn auch nicht immer, viel kleiner sind, als die Sporen,
vor allem daB sie in ein und derselben Hefe in ganz verschiedenen
GroBen auftreten, so insbesondere in den Hefen Curtis, Copelli;
meist sind sie auBerordentlich klein, in der Regel nur in alteren Kulturen
in groBerer Zahl auffindbar, in einzelnen Hefen (Foulerton, Hilde-
gaard) auch groBer, so daB sie zuweilen die GroBe einer ganzen Zelle
erreichen und von Sporen kaum zu unterscheiden sind. Die rotgefarbten
Elemente in den iibrigen Hefen mOchte ich jedenfalls nicht dafur halten,
obwohl sie ebenso wie Sporen in alteren Kulturen aufzutreten pflegen
und haufig in Zellen, welche mit Methylenblau schwer oder gar nicht
farbbar sind. Zum Unterschied von Sporen sind diese Gebilde ungleich
groB und variieren auch in der Form. Auf diese, bei der Sporenfarbung
von Hefen sichtbar werdenden saurefesten Elemente wurde, soweit ich
die Literatur Qbersehe, bisher noch nicht aufmerksam gemacht. Es ist,
wie erwahnt, leicht moglich, daB sie, wenn sie groBere Gebilde darstellen,
fiir Sporen gehalten werden. Da es nicht ausgeschlossen war, daB diese
saurefesten Elemente vielleicht die Hefenkerne sind, wurde die Heiden-
hainsche KernfSrbung in einzelnen Fallen zur Entscheidung heran-
gezogen; es scheint tatsachlich, als ob zuweilen der Hefekern selbst
» saurefest ist und die rote Farbe zaher festhait als die tibrige Zelle,
besonders in Zellen, deren Protoplasma mit Methylenblau schwer farbbar
ist. Jedenfalls ist es aber nicht immer der Kern, der auf diese Weise
darstellbar ist, was schon aus der auBerst verschiedenen GroBe der
saurefesten Elemente in manchen untersuchten Hefen hervorgeht. Urn
zu sehen, ob vielleicht Zellen, welche saurefeste Elemente enthalten,
auch gegen Temperatursteigerung resistenter sind, wurde der Versuch
gemacht, die Hefen, welche reichlich saurefeste Elemente enthalten, auf
verschiedene Temperaturen zu erhitzen und dann wieder zur Keimung
zu bringen. Ich fand bei Erhitzung auf 50°, 55°, 60°, 70°, 80° keinen
Unterschied zwischen Hefen mit saurefesten Elementen gegeniiber solchen
ohne saurefeste (Torula alba), auch keinen Unterschied bei ein und
derselben Hefe, welche viele oder wenige saurefeste Elemente enthielt,
ebensowenig aber auch Unterschiede zwischen Hefen mit typischen Sporen
oder solchen ohne Sporen; alle waren gegen Temperaturen iiber 60°
auBerordentlich empfindlich und hatten die gleiche Abtotungsgrenze.
Es sei hier bemerkt, daB die Hefesporen nicht mit den Sporen der
Bazillen, sondern mit den Askosporen der Schimmelpilze in eine Reihe
zu stellen sind, welche ebenfalls gegen hohere Temperaturen sehr emp¬
findlich sind. Ein Auskeimen der saurefesten Gebilde konnte nie be-
obachtet werden, ebensowenig ein Sprossen der groBeren Gebilde dieser
Art. Es ware noch daran zu denken, die gefundenen saurefesten Ge¬
bilde mit Volutin zu identifizieren, das Henneberg 1 ) in Hefezellen
1) Henneberg, Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 45. 1916. S. 50.
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Sasakawa, Zur Systematik pathogener und parasitischer Hefen.
277
nachgewiesen hat. Die Bezeichnung „Volutin“ stammt vou A. Meyer
her, der sie an Stelle der friiher von Babes so genannten „meta-
chromatischen Korperchen“ einfuhrte. Einige mikrochemische Reaktionen
(LSslichkeit in 80° warmem Wasser, in Alkalien, in Sauren, 5°/o Schwefel-
s&ure, Unlfislichkeit in Alkohol, Chloroform, Aether; Gelbfdrbung mit
Jodjodkaliura) sprechen dafiir, daB es sich um Nukleins&ureverbindungen
handelt, „Volutin“, welches die metachromatische Farbbarkeit verursacht.
Nach Meyer und Guillermond handelt es sich um einen Reserve-
stoff. Da der Aggregatzustand dieser Elemente ein flussiger ist, schl>
Benecke die Bezeichnung Volutintrbpfchen vor. Es wird spSteren
Untersuchungen vorbehalten bleiben mtissen, festzustellen, ob die von
mir gefundenen saurefesten Zellelemente mit Volutintropfchen identisch
sind; einige Grunde sprechen immerhin fiir diese Annahme, zum mindesten
fiir die, daB wir es auch hier mit fliissigen Elementen der Zelleiber zu
tun haben. Vielleicht handelt es sich hier um die sogenannten Vakuol-
korper, ebenfalls aus Volutin bestehende Korperchen, welche sich
besonders in alternden oder geschadigten Zellen bilden und nach
Henneberg rasch grijBer werden. Allerdings farben sie sich nach der
Kernfarbung von Heidenhain nicht. Es wurde aber bereits erwahnt,
daB ein Teil der untersuchten Gebilde zweifellos nach dieser Methode
(Kernfarbung) darstellbar ist, was also gegen die Identitat mit Volutin
spr&che. — Ich lasse die Frage nach der Uebereinstimmung zwischen
VolutintrOpfchen und s&urefesten Zellelementen unentschieden und will
nur darauf hinweisen, daB der Zellinhalt dem kunftigen Studium noch
manche Aufgabe stellen diirfte. Erwahnung verdient noch der bereits
erw&hnte Umstand, daB in sporentragenden Zellen, so beispielsweise in
der Octosporus-Hefe, bei der SporenfSrbung nach Mbller in der
angefflhrten Methode neben roten auch blau gefdrbte Sporen vorkommen,
die sich im iibrigen in keiner Weise von den typischen Sporen unter-
scheiden lassen. Es dtirfte sich hier vielleicht nicht um eine Differenz
in der chemischen Struktur der Hefesporen handeln, sondern eber um
ein physikalisch-chemisches Ph&nomen, um lokale Abs&ttigungsdifferenzen
der S&ure, ungiinstige oder ungleichmaBige Diffusions- und Adsorptions-
erscheinungen der Farbstoffe, wie sie hier bei verhaitnism&Big groBen
Gebilden viel leichter zustandekommen konnen als bei der SporenfSrbung
der Bakterien. DaB dabei oft unmittelbar nebeneinander rote und blaue
Gebilde zu finden sind, wird niemanden befremden, der aus Liesegangs
schonen Untersuchungen weiB, daB in kolloiden Medien SSure und Alkali
in scharfer Linie nebeneinander existieren, ohne ineinander zu diffundieren.
Doch k6nnen die Diflferenzen auch durch einen verschiedenen Reifezustand
der Sporen bedingt sein.
Wenn ich also die Sporenuntersuchung der parasitischen und patho-
genen Hefen kurz zusammenfasse, so zeigte sich bei alien — ausgenomraen
eine — fibereinstiramend, daB mit der angewendeten Methodik, mit welcher
bei sporulierenden Hefen leicht Sporeubildung erzielt werden konnte,
keine Sporenbildung hervorgerufen wird. Die einzige Hefe, bei der dies
gelang, ist Saccharomyces canis Sanfelice. Es ist nun sehr interessant
und charakteristisch, daB diese Hefe nicht, wie die (ibrigen, aus Er-
krankungen beim Menschen oder Tiere stammt, sondern daB sie von
Sanfelice aus FruchtsSften isoliert worden ist und dann nach Passage
durch ein Meerschweinchen einer Hundin in die Brustdrilse injiziert
worden ist. Auf diese Weise erzielte Sanfelice eine Geschwulst, aus
welcher er die Hefe wiedergewinnen konnte. Es dflrfte sich jedenfalls
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origiuale. Bd. 88. Heft 4.
um diese Hefe handeln, die also urspriinglich eine Fruchtsafthefe ist, deren
pathogene Eigenschaft der Autor nachgewiesen hat. Dadurch unter-
scheidet sie sich ganz wesentlich in ihrer Herkunft von den anderen
pathogenen und parasitischen Hefen und vielleicht ist daraus die Sporu-
lationsfahigkeit leichter verstandlich; es wurde zu den Versuchen
Sanfelices eben eine eckte, sporulierende Hefe verwendet. Gerade
dieser Befund scheint wichtig, weil wir gewissermaBen auf analytischeni
Wege die Hefe aus einer groBen Anzahl' anderer herausfinden, die ihrer
Natur nach nicht zu den in Untersuchung stehenden gehort.
Ein Vergleich der Morphologie der hier untersuchten pathogenen
und parasitischen Hefen ergibt folgende Resultate:
1) Mikroskopische Praparate der 3 ersten in den Tabellen an-
gefiihrten Hefen zeigen in frischen Kulturen (2—3 Tage alten) neben
runden und ovalen SproBzellen auch reichlich langgestreckte und wurst-
formige Zellen, die zu langen F&den anwachsen, ohne aber ein echtes,
verzweigtes Mycel zu bilden. Morphologisch sind sie mit dem Soorpilz
in die Gruppe Monilia (Plaut) oder Zymonema (Gougerot) zu
reihen. Gougerot teilt eine interessante Beobachtung mit, welche
das „Oidium cutaneum“ betrifft, das, urspriinglich aus einer Haut-
affektion beim Menschen geziichtet, ausschlieBlich aus runden SproB¬
zellen bestand und auch nach mehreren Abirapfungen auf kunstlichen
Nahrboden diesen Charakter bewahrte; spkter verknderte es allmahlich
seinen Charakter, zeigte nebeneinander Hefezellen (SproBzellen) und
„Mycelien“ x ), war nach der Bezeichnung des Autors also als Zymonema
Gilchristizu bezeichnen. Mit der Zeit aber gewann es, wie Gougerot
angibt, vollkommen den Charakter eines typischen Oidium, was schon
mikroskopisch daraus zu ersehen war, daB der urspriingliche hefeartige
Glanz, das schleimige Aussehen verloren gingen und die Kultur einen
trockenen, pulverigen Charakter annahm. Mikroskopisch waren nun
ausschlieBlich Mycelien, keine SproBzellen mehr zu linden. Auch der
biochemische Charakter Snderte sich (Verlust der Garf&higkeit fur Zucker),
worauf ich sp&ter noch zuriickkommen will. Dieses Verhalten der Kultur
Gougerots wurde hier deswegen ausfuhrlicher erwkhnt, weil in den
von mir untersuchten pathogenen und parasitischen Hefen wohl wieder-
holt langgestreckte Zellen auftreten, jedocli trotz jahrelangen, sogar
jahrzehntelangen Fortziichtens eine definitive Aenderung des Charakters
nicht zustande kam, niemals auch echte Mycelbildung, ebensowenig ein
Verlust der Gkrfahigkeit, wovon spater noch die Rede sein wird. Wie
aus der beistehenden Tabelle hervorgeht, stammt die Hefe Curtis aus
dem Jahre 1896, die Hefe Jaiser (Magencarcinom) aus 1916, die Hefe
Kartulis (unsicher) aus 1909, die Hefen Leopold und Foulerton
aus 1900, die von Skutetzky etwa aus 1919 usf. Die Hefen sind also
zum Teil seit 10—20 Jahren und linger auf kunstlichen Nahrboden
kultiviert und zeigen, soweit sich aus der Literatur ersehen lafit, noch
immer denselben Charakter wie im Anfang der Ziichtung. Allerdings
kflnnen wir stets in der Literatur wiederfinden, daB die Fadenbildung
erst auf den kunstlichen Nahrboden auftrat, niemals aber wihrend des
parasitischen Lebens des Hefeorganismus zur Beobachtung gelangte.
2) Die Hefen von Nr. 4 bis Nr. 20 gehoren morphologisch in eine
Gruppe. Den Uebergang von den fadenbildenden Stammen der sub 1)
1) 1m Original (Gougerot, Les Exascoses, Sonderabdr. p. 10): „il s’est trana-
form4 peu a peu, resaemblant d’abord au Zymonema Gilchristi, dont il avait le
melange de formes levures et filamenteurea. 11
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Sasakawa, Zur Syetematik pathogener und parasitischer Hefen.
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geaannten 3 Hefen zu diesen in jungen Kulturen meistens vorwiegend
als runde SproBzellen auftretenden, selten einzelne langere Formen
zeigenden Hefen bilden besonders die beiden Hefen Nr. 4 Fuller und
Nr. 5 Skutetzky, welche unter Umst&nden, besonders in alten Kulturen,
einzelne langgestreckte FSden aufweisen; bei den Hefen dieser Gruppe
linden wir auch insofern Uebergangsformen, als einige neben runden
Zellen auch ovale, zuweilen auch wurstfbrmige bilden (Nr. 4—13), wShrend
die an letzter Stelle genannten Nr. 16—20 nur runde Zellen bilden,
niemals ovale Oder gestreckte. Nr. 14 und 15 (Hildegaard und Lunds-
gaard) zeigen einzelne ovale und kurze Wurstformen, niemals lfingere
Formen, sind also wieder Uebergangsformen zwischen den langeren,
Wurstzellen bildenden und den reinen Rundzellhefen. Nach ihrem
morphologischen Charakter konnen wir also hier die Hefen Nr. 4—13
und Nr. 14—20 in je eine Gruppe zusammenfassen, worin wir durch
die sp&ter anzufflhrenden Resultate der fermentativen Eigenschaften
noch bestSrkt werden. Morphologisch konnen wir die Hefen dieser Gruppe,
besonders jene mit reinem Rundzellencharakter, den Tor ulae anreihen,
die ebensowenig zur Sporenbildung befahigt sind wie die genannten
Hefen. Inwieweit die Hefen Nr. 4—13 von den Torulae abweichen,
wird sich aus den noch zu erSrternden G&rversuchen mit Kohlehydraten
ergeben.
3) Die Hefe Saccharomyces canis ninuut eine Sonderstellung
ein. Ich habe bereits erwahnt, daB diese Hefe von Sanfelice aus
Fruchts&ften gewonnen, zur kiinstlichen Erzeugung eines Tumors bei
einer Htindin verwendet wurde. Diese Hefe ist ohne Zweifel in die
Gruppe der sporenbildenden Hefen zu verweisen. Sp&teren Unter-
suchungen wird es vorbehalten bleiben, festzustellen, wie sich diese Hefe,
falls ihre Pathogenit&t noch vorhanden ist, morphologisch im Tierkorper
verhftlt. Nach Sanfelice, dem wir sehr ausfiihrliche und wertvolle
Untersuchungen liber diese Hefe verdanken, geliort sie „zum Genus
Saccharomyces und ist mit Saccharomyces ellipsoideus in
eine Reihe zu stellen“ (Sanfelice), bestand also damals bereits vor¬
wiegend aus elliptischen Zellen, geradeso wie dies auch heute noch der
Fall ist. Sanfelice nannte die Hefe spfiter Saccharomyces neo¬
form ans. (Es dlirfte sich urn die auch von Sternberg untersuchte
Hefe handeln, welche Sternberg als „Stamm San felice“ bezeichnet.)
II. GBrungsphysiologische Untersuchungen.
Um die fermentative Wirkung der untersuchten parasitischen und
pathogenen Hefen auf Kohlehydrate festzustellen, wurde die Methode
von Lindner 1 ) verwendet.
Es wurde zu diesem Zwecke in die Hbhlung eines hohlen Objekt-
trSgers, der durch Abflammen vorher sterilisiert war, eine sterile Indikator-
losung getropft (in 100 ccm steriler Bouillon 8 ccm einer 1-proz. sterilen,
wSsserigen Kongorotlbsung, vor dem Gebrauche 15 Min. lang im Wasser-
bade gekocht). Als Kohlehydrate wurden folgende Substanzen in Pulver-
form in den hohlen Objekttrkger in die Indikatorbouillon gebracht: als
Monosaccharide a) die Pentosen: Arabinose und Xylose, b) die Hexosen:
Dextrose, L&vulose, Mannose, Galaktose; als Disaccharide: Saccharose
(aus L&vulose und Dextrose), Maltose (aus 2 Dextrosemolektilen),
Laktobiose (aus Galaktose und Dextrose bestehend). Als Trisaccharid:
1) Lindner, P., Mikroskopischc Betriebskontrolle i. d. GarungHgewerben. 3. Aufl.
Berlin 1901.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 4.
Raffinose (aus Dextrose, L&vulose, Galaktose zusammengesetzt). Ferner
die Alkohole: Sorbit (der Dextrose entsprechend), Mannit (der Mannose
entsprechend), Dulcit (der Galaktose entsprechend). Endlich die Poly¬
saccharide Dextrin, Amylum und Glykogen. Die mit dem Kohlehydrat
versetzte Indikatorbouillon wird mit der Hefe beinipft, mit einem Deck-
giaschen zugedeckt und mit Paraffin umrandet. Zu jeder Serie wird
eine Kontrolle der Indikatorlosung mit dem entsprechenden Zucker ohne
Hefe angesetzt. Eine weitere Kontrolle der Hefe-Emulsion in der
Indikatorbouillon (ohne Kohlehydrat) dient zur Feststellung, ob die Hefe
nicht selbst gfirt. Auf diese Weise lallt sich Saurebildung und Gas-
bildung leicht feststellen ; die gewonnenen Resultate sind in der Tabelle 2
iibersichtlich zusammengestellt. Wie aus der Tabelle hervorgeht, zeigen
die Hefen Curtis und Kartulis in ihren fermentativen Eigenschaften
gegeniiber Kohlehydraten untereinander eine gewisse Uebereinstimmung,
insofern als sie Dextrose, L&vulose, Mannose und Galaktose bis zur
Gasbildung vergaren, Dextrin sauern, die tibrigen untersuchten Kohle-
hydrate unverandert lassen: Die Hefe Jaiser (Mageninhalt) vergart
auBer den Hexosen auch die Disaccharide Saccharose und Laktose und
das Trisaccharid Raffinose. Die Eigenschaft saccharosespaltender Mikro-
organismen, auch Raffinose zu vergaren, stimmt mit dem analogen Befunde
von Monias 1 ) iiberein, welcher die gleiche Eigenschaft bei Bakterien
der Coli-Gruppe festgestellt hat.
Hier ist der Ort, darauf zuriickzukommen, daB bei den morpho-
logischen Veranderungen, welche Gougerot bei seiner Hefe Oidium
cutaneum beobachtet hat, auch garungsphysiologische Verfinderungen
stattgefunden haben. Die urspriinglich runde SproBformen aufweisende
Hefe hatte gleichzeitig die F&higkeit, Zucker bis zur KohlensSure zu ver¬
garen ; als sie sich spater in eine mycelbildende Hefe verwandelte, verlor
sie die Eigenschaft der ZuckervergSrung. Es ist bemerkenswert, daft
die 3 fadenbildenden Hefen der Gruppe Monila trotz jahrzehntelanger
und jahrelanger Fortziichtung auf kiinstlichen Nfihrboden ihre kohlehydrat-
vergSrenden Eigenschaften vollkommen bewahrt haben.
Ordnen wir nun die Hefen der 2. Gruppe (Hefen Nr. 4—20), welche
morphologisch wegen der Kugelform ihrer Zellen und mangelnder Faden-
bildung in frischen PrtLparaten morphologisch zusammengehoren, so fallt
vor allem auf, daB die Hefen Nr. 14—20 uberhaupt nicht imstande sind,
irgendein Kohlehydrat bis zur Gasbildung zu vergaren. Einige davon
vermogen die Kohlehydrate der Hexosegruppe meist langsam und nur
schwach in Saure zu verwandeln. Sie stimmen darin mit der Gruppe
Torula, ebenso wie in der Kugelform ihrer Zellen in frischen Kulturen
vollkommen iiberein. Wir werden wohl kaum fehlgehen, wenn wir sie
dieser Gruppe einordnen. — Nicht alle morphologisch vorwiegend Kugel-
formen aufweisenden Hefen zeichnen sich durch volligen Mangel an Gar-
vermdgen aus, vielmehr sind die Hefen Nr. 4—13 durchweg imstande,
die untersuchten Hexosen (Dextrose, Lavulose, Mannose und Galaktose)
bis zur Kohlensaure zu vergaren. Die Hefen Leopold, Foulerton,
Plaut(Poulman) und Ledegaard konnen nur Hexosen vergaren, die
Hefen Fuller, Skutetzky, Copelli, Jaiser (Angina), Briinauer
(K i s 1 o v i c), W i n t e r n i t z vergaren auch das Disaccharid Maltose sowie
1) Monias, Systematische Untersuchungen in der Gruppe des Bacterium coli.
(Pharmaz. Monatsh. 1921. S. 29.)
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Saeakawa, Zur Systematik pathogener und parasitischer Hefei).
281
Dextrin *) (dagegen nicht Saccharose, Raffinose und Laktose) bis zur
Gasbildung.
Wegen ihres Gflrvermogens sind diese Hefen nicht zur Torula-
Gruppe gehorig aufzufassen, wenn sie auch mit dieser morphologisch
ubereinstimmen. Sie stehen ihrera Gfirvermflgen nach jedenfalls der
von Lindner als Torulaspora bezeichneten Art nflher. Nach
Lindner sind die Zellen dieser Hefe kugelrund, klein und ahneln im
flbrigen den Zellen der Torula-Arten. Nach Lindner bilden sie
Sporen in der Anzahl von 1—2 in 1 Zelle. Die Art Torulaspora
Delbrflcki vergflrt nach diesem Autor Dextrose und Lflvulose. Wegen
der auffallenden Aehnlichkeit zwischen den Hefen 4—13 einerseits und
der von Lindner aufgestellten Gattung Torulaspora andererseits
wurden mit der Hefe Torulaspora Delbrflcki alle Untersuchungen
parallel mit den Untersuchungen der parasitischen und pathogenen Hefen
vorgenommen. Es wurde bereits oben unter VIII erwflhnt, daB bei der
Untersuchung einer lmonatigen Zuckeragarkultur und Gipsblockkultur
Torulaspora Delbrflcki keine Sporen gefunden wurden. Ob bei
weiteren Untersuchungen es nicht doch gelungen ware, Sporulation zu
erzielen, mull dahingestellt bleiben. Da die Hefe nach Lindner Sporen
bildet, dflrften wir die hier in Rede stehenden pathogenen Hefen nicht
unmittelbar als Torulaspora bezeichnen, doch scheinen sie dieser,
jedenfalls sehr schwer sporulierenden Hefe sehr nahe zu stehen. Bei
der Prflfung des Garvermflgens zeigt sich Uebereinstimmung der Hefen
4—13 mit Torulaspora Delbrflcki, welche auBerdem Raffinose auBer
den Hexosen auch Maltose (wie 4—9) und Saccharose vergflrt.
3) Die, wie oben erwahnt, sporenbildende, nicht zu den spontan
auftretenden pathogenen oder parasitischen Hefen zu rechnende Hefe
Sanfelice (canis) vermag Saccharose und Raffinose bis zur Kohlen-
sflurebildung zu vergaren. Diese Eigenschaft habe ich nur bei einer ein-
zigen anderen parasitischen Hefe feststellen konnen, und zwar bei der von
J aiser aus Mageninhalt bei Carcinom gezflchteten. Auch diese Hefe dtirfte
nicht als pathogene Hefe, sondern eher als parasitische aufzufassen sein
und ist zweifellos mit einer Speise (Milch?) in den Magen gelangt, wo
sie infolge des geringen SalzsSuregehaltes des Mageninhaltes Gelegenheit
zur Vermehrung hatte. Die Hefe Saccharomyces canis stammt
aus Fruchtsflften, wie oben erw&hnt. Es sind also diese beiden Hefen
auch durch ihre Herkunft charakterisiert und von den anderen zu trennen.
Anhangsweise sei noch erwflhnt, daB die optimale Wachstums-
temperatur der pathogenen und parasitischen Hefen fflr jede einzelne
Hefe genau festgestellt wurde, wobei sich das interessante Resultat er-
gab, daB einzelne Hefen bei Kflrpertemperatur (37°) viel rascheres und
besseres Wachstum zeigen, als bei 25°, wflhrend andere Hefen gerade
bei 25° besser wachsen, zum Teil bei 37° flberhaupt nicht zum Wachs¬
tum zu bringen sind. Bei 37° wachsen flppiger und rascher: Hefe
Curtis, Kartulis, Fuller, Copelli, Jaiser (Angina), Brflnauer
und Lae derich; bei 25° wachsen besser: Hefe Skutetzky, Hefe
Foulerton, Hefe Hildegaard. Hefe Leopold, Hefe Ledegaard
und Saccharomyces canis Sanfelice wachsen flberhaupt nicht bei
37°. Alle flbrigen Hefen wachsen bei 25° und 37° gleich gut. Ein
Zusamraenhang zwischen der Herkunft der Hefen und dem Optimum
1) Die Vergarung der Maltose pflegt mit der Dextrinvergarung parallel 7.u geheu
(vgl. die Tabelle).
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Ceiitralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
Ta
Garversuche in hohlen
Hexosen
Pentosen
Kultur
\ 1) Curtis
[ 2) Kartulis („Kar-
f trick“)
3) Jaiser (Magen-
inhalt)
4) Fuller
5) Skutetzky
61 Copelli
7) Jaiser (Angina)
8) Brunauer
[ 9) Winternitz
10) Leopold
11) Foulerton
112) Plaut
’ 13) Ledegaard
14) Hildegaard
15) Lundsgaard
16) Laedench
! 17) Burse
18) Bayer
19) Hudelo und
Du wal
20) Sanfelice (litho
genes)
| 21) Sanfelice (neo-
] formans „canis“)
Oidium lactis
I. M o nilia-artig.
(Neben Sprofizellen
Fad enbildung.)
II. Torulaspora-
artig. Neben vor-
wiegend runden
Sprofizellen auch
ovale und wurstfor-
mige (sparlich). 4),
5) bilden Faden. —
Garungsvermogen
fiir Kohlehydrat.
III. Torula-artig.
Eunde Sprofizellen,
keine Gasbildung
aus Hexosen; 14),
15) bilden kurze
Wurstformen
Sjiorenbildcnde Hefe
(Saccharomyccs);
Kohlehydratvergiirun^
;(S.) (G.) (S.)| (G.) (S.) (G.) (S.)!(G.)
Monilia albicans
non 1 i q u e f a c.
Monilia casei
Torulaspora Del
br iicki
iTorula alba
Saccharom y ces
cerevisiae (Saaz)
(Schizosaccharo-
| myces octospor. | -
Zeichenerklarung:
■ = keine Saure- bzw. Gasbildung.
= Saurebildung.
ihrer Wachsturastemperatur konnte ebensowenig festgestellt werden wie
ein Zusammenhang zwischen letzteren und ihrer morphologischen Zu-
sammengehorigkeit. (Aehnliche Resultate bei Sternberg 1. c.)
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Ara-
binose
Xy¬
lose
Dex¬
trose
Lavu-
lose
Man¬
nose
Galak- j
tose
S. G.
S. G.
S. | G.
S. G.
S. G.
...
S. | G.
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284 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originals. Bd. 88. Heft 4.
und gBrungsphysiologisch miteinander verglichen und durch Vergleich
mit gut charakterisierten Hefen anderer Art systematisch bearbeitet.
Dabei wurde auf die Zellformen, die Sporulationsf&higkeit, die Temperatur-
empfindlichkeit, die optimale Wachstumstemperatur und die fermentative
Wirkung auf Kohlehydrate Riicksicht genommen.
Es lieBen sich auf diese Weise die pathogenen und parasitischen
Hefen in 3 groBen Gruppen unterbringen. Eine der untersuchten Hefen
(Saccharomyces neoformans (canis) Sanfelice), welclie im
Gegensatz zu alien anderen leicht zur Sporenbildung zu bringen war,
war vermutlich eine Fruchtsafthefe, mit welcher bei Hunden ein Tumor
erzeugt werden konnte (Sanfelice). Die iibrigen Hefen waren mit
den angewendeten Methoden nicht zur Sporulation zu bringen. In alien
lieBen sich aber verschieden groBe, stiurefeste Elemente nacliweisen,
welche meist in mit Methylenblau farbbaren Zellen auftraten. Ob diese
Elemente mit den Kernen der Hefen oder etwa mit den sogenannten
Volutintropfchen zu identifizieren sind, muBte dahingestellt bleiben. Sie
sind jedenfalls keine Sporen. Die botanischen Gruppen, in welche die
parasitischen und pathogenen Hefen, die hier zur Untersuchung kommen,
einzuordnen sind, sind folgende:
I. Monilia (Plaut) („Zymonema“ Gougerot), charakterisiert
dadurch, daB neben runden und elliptischen Zellformen auch langgestreckte,
wurstfbrmige gebildet werden und Neigung zur Fadenbildung besteht,
dagegen, im Gegensatze zu den Oidien, keine echten verzweigten Mycelien
gebildet werden. Die hierher gehorigen Hefen vergaren samtliche unter¬
suchten Hexosen, eine zeigt auch GSrvermogen gegeniiber Saccharose
und Raffinose 1 ) (Nr. 1—3).
II. Torulasporaahnliche Hefen ohne Sporulationsfahigkeit mit
GarvermSgen gegeniiber alien untersuchten Hexosen; 6 vergaren auch
Maltose und Dextrin. Als t o r u 1 a ahnlich sind sie wegen. der Ivugel-
form ihrer Zellen in frischen PrSparaten zu bezeichnen; Fadenbildung
kommt hier nur bei einzelnen Vertretern der Gruppe in alten Kulturen
vor. Da sie im Gegensatz zur Torula-Gruppe G&rvermogen gegeniiber
Kohlehydraten besitzen, wurden sie als torulasporaahnlich bezeichnet,
was um so mehr gerechtfertigt erschien, als die zum Vergleiche heran-
gezogenen Torulaspora Delbriicki Lindner ebenfalls G&rvermogen
gegeniiber den Hexosen besitzt und mit den angewendeten Methoden
nicht zur Sporulation zu bringen war (nach Lindner sporuliert diese
Hefe), (Nr. 4—13). Die Hefen dieser Gruppe zeigen alle Uebergange
von den Hefen der 1. (Monilia) zu jenen der 3. Gruppe (Torulae).
III. Torulaartige Hefen. Kugelformen bildende pathogene und
parasitische Hefen, wie Torula fast nie langgestreckte Formen bildend,
sind unfahig, irgendein Kohlehydrat bis zur Gasbildung zu verg&ren. Die
1) Die Vergarung von Saccharose geht mit der von Raffinose stets parallel.
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i 'entrdblatt furBaXteriologieAbt.I Orig.Bd 88 M.Sasakawa, ZurSystematic dcrpathogenm Hefen
Verlag vdr Gustav Fischer in Jena
Lith.Anstv Johannes Arndt, Jena.
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Sasakawa, Zur Svstematik pathogeuer und parasitischer Hefen.
285
meisten zeigen auch sehr geringe Fahigkeit, Kohlehydrate (Hexosen)
bis zur S&urebildung aufzuspalten. Sie stimmen in jeder Beziehung
mit den Torulae iiberein.
Die Beobachtung Gougerots, daB eine pathogene Hefe ihren
Charakter allmahlich in der Weise verandert hatte, daB sie anfangs als
rundzellige Oder elliptische Hefe ohne Mycelbildung aufgetreten ware,
spater langgestreckte Formen und F&den neben Hefezellen aufgewiesen
hatte (Zymonema) und schlieBlich ausschliefilich Mycelformen gezeigt
hatte (0 i d i u m charakter), konnte ich nicht beobachten, obwohl die
Hefen jahrzehntelang fortgeziichtet worden waren. Ebensowenig konnte
bei diesen, lange Zeit auf kiinstlichen N&hrboden fortgezuchteten Hefen
ein Verlust ihres Garvermogens festgestellt werden.
Erkl&rung der Abbildungen.
Fig. la. Pathogene Hefe Curtis, 7 Tage nach Gypsblockaussaat, Sporenfarbung
nach M oell er (Vergr.: Zeifl, Obj. Apochr. 2 mm, Komp.-Ok. 6).
Fig. lb. Dieselbe, 39 Tage alte Kultur auf Zuckeragar, Sporenfarbung (Vergr.: do.).
Fig. 2. Hefe „Kartrick (?)“ Kartulis, 25 Tage alte Kultur auf Zuckeragar, Sporen¬
farbung (Vergr.: do.).
Fig. 3. Paraaitische Hefe aus Mageninhalt bei Carcinom Jaiser, 6 Tage nach
Gypsblockaussaat, Sporenfarbung (Vergr.: do.).
Fig. 4. Blastomyces Fuller, 4 Mon. alte Kultur auf Zuckeragar, Sporen¬
farbung (Vergr.: do.).
Fig. 5. Pathogene Hefe Skutetzky, 12 Tage nach Gypsblockaussaat, Sporen¬
farbung (Vergr.: do.).
Fig. 6. Pathogene Hefe Copelli, 10 Tage alte Kultur auf Zuckeragar, Sporen¬
farbung (Vergr.: do.).
Fig. 7. Parasitische Hefe aus Angina, „Braunli“ Jaiser, 25 Tage alte Kultur
auf Bienviirzeagar, Sporenfarbung (Vergr.: do.).
Fig. 8. Pathogene Hefe Kislovic, Briinauer, 17 Tage alte Kultur auf Zucker¬
agar, Sporenfarbung (Vergr.: do.).
Fig. 9. Pathogene Hefe Winternitz, 4 Wochen alte Kultur auf Zuckeragar,
Sporenfarbung (Vergr.: do.).
Fig. 10. Blastomyces Leopold, 3 Mon. alte Kultur auf Zuckeragar, Sporen¬
farbung (Vergr.: do.).
Fig. 11. Pathogene Hefe Foulerton, 3 Mon. alte Kultur auf Zuckeragar,
Sporenfarbung (Vergr.: do.).
Fig. 12. Blastomyces Poulman, Plaut, 3 Wochen alte Kultur auf Zucker¬
agar, Sporenfarbung (Vergr.: do.).
Fig. 13. Pathogene Hefe Ledegaard, 3 Wochen alte Kultur auf Bierwiirzeagar,
Sporenfarbung (Vergr.: do.).
Fig. 14. Blastomyces Hildegaard, 3 Wochen alte Kultur auf Zuckeragar,
Sporenfarbung (Vergr.: do.).
Fig. 15. Pathogene Hefe Lundsgaard, 3 Wochen alte Kultur auf Zuckeragar,
Sporenfarbung (Vergr.: do.).
Fig. 16. Blastomyces Laederich, 3 Wochen alte Kultur auf Zuckeragar,
Sporenfarbung (Vergr.: do.).
Fig. 17. Pathogene Hefe Busse, 2 Mon. alte Kultur auf Zuckeragar, Sporen¬
farbung (Vergr.: do.).
Fig. 18. Parasitische Hefe Bayer, 15 Tage nach Gypsblockaussaat, Sporen¬
farbung (Vergr.: do.).
Fig. 19. Blastomyces Hudelo et Duval, 25 Tage alte Kultur auf Zuckeragar,
Sporenfarbung (Vergr.: do.).
Fig. 20. Blastomyces lithogenes Sanfelice, 17 Tage alte Kultur auf Zucker¬
agar, Sporenfarbung (Vergr.: do.).
Fig. 21a. Saccharomyces canis Sanfelice, 5 Tage alte Kultur auf Zucker¬
agar, Sporenfarbung (Vergr.: do.).
Fig. 21b. Sacch. canis Sanfelice, 5 Wochen alte Kultur auf Zuckeragar, Sporen¬
farbung (Vergr.: do.).
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I
286 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
Nachdruck verbolen.
Ueber das Verhalten von Keimen auf der ausseren Haut
gegeniiber ultraviolettem Licbte.
[Aus dem Hygienischen Institut der Universitat Freiburg i. B. (Direktor:
Prof. M. Hahn).]
Von Dr. Ludwig Schmidt, Assistent am Institut.
Aus zahlreichen Arbeiten ist die Desinfektionswirkung der ultra-
violetten Strahlen bekannt.
Die darauf gerichteten Untereuchungen unterwarfen meist Aufschwemmungen von
pathogenen Mikroorganismen in physiol. Kochsalzlosung der Einwirkung von ultra¬
violettem Lichte und fiihrten zur Bestimmung der erforderlichen Abtotungszeiten [in
neuester Zeit Potthof f (1)]. Um die Tiefenwirkung der Strahlen zu ermitteln, wurden
sie, bevor sie die Bakterienaufschwemmungen erreichten, durch Papier, tote Oder lebende
Haut infiltriert [s. z. B. Mulzer(2)]. Andere Untereuchungen unterwarfen Keime in
ihrem natiirlichen Vorkommen auf und im Tierkorper der Bestrahlung. Friedberger
bestrahlte in diesem Sinne die Mundhohle (3), Hid aka die aufiere Haut (4).
Die Metbode, die Hidaka anwandte, konnte wohl nur die Beein-
tiussung der oberflachlich auf der Haut vorhandenen Keime ermitteln.
Vorliegende Arbeit soil diesen Fragen weiter nachgehen, insonderheit
aber das Verhalten tiefer liegender Keime aufklSren, die in der lebenden
Haut selbst angetroffen werden.
Verwendet wurde eine B ach sclie Hohensonne, die die Quarzlampen-
gesellschaft in Hanau unentgeltlich zur Verfugung stellte, wofiir ihr
auch an dieser Stelle gedankt sei. Die Versuche wurden mit unfiltriertem
Lichte ausgefiihrt, jedoch aus einer solchen Entfernung, daB die VVarme-
wirkung praktisch nicht in Frage kam. Die auBerordentlich verschiedenen
Keimzahlen, die in einer Reihe von Vorversuchen auch auf ganz beuach-
barten Stellen der SuBeren Haut und der Schleimhaute gefunden wurden,
legten nahe, Aufschwemmungen von Mikroorganismen auf die Haut auf-
zutragen. In Anwendung kam ein Stamm von Staphylococcus pyo¬
genes aureus, der eine 2malige Passage durch Kaninchen durch-
gemacht hatte. Bei intravenoser Einspritzung war das 1. Tier nach 7,
das 2. nach 3 Tagen eingegangen. Der Stamm hielt eine P/jStd. Ein¬
wirkung von 1-proz. KarbolsSure aus.
Um vergleichbare Werte zu erhalten, muBten die Dauer der Be¬
strahlung und die aufzutragende Keimzahl so gegeneinander ausgeglichen
werden, dafi weder eine zu geringe Keimverminderung, die innerhalb
der Fehlergrenzen der Methode fiel, noch eine vollst&ndige Keimabtotung,
die keine Vergleiche mehr zulieB, eintrat. Am zweckmSBigsten erwies
sich die Bestrahlung mit der Bachschen Hohensonne aus 60 cm Ent¬
fernung wahrend 4 Min. und die Auftragung von 100—2000 Keimen.
Technisch gestaltetcn sich die Versuche dann folgenderrnafien: Von einer 24std.
Staphylokokkenagarkultur wurde unmittelbar vor dem Versuch eine Bouillonauf-
schwemmung hergestellt und je eine Oese derselben zur spateren Bestimmung der
Keimzahl in Gelatineplatten ausgesat. Die rasierte Bauchhaut des aufgespannten
Kaninchens wurde dann in 4—12 Felder von 4 qcm Inhalt eingeteilt, diese mit je
1 oder mehreren Oesen der Staphylokokkenbouillon bestrichen und die aufgestrichenen
Mengen noch in einigen der Versuche mit einem sterilen Holzstabchen in die Haut
eingerieben. Sofort oaer nach einer Reihe von Stunden wurden dann von einzelnen
der Felder die Keime wieder abgenommen, und zwar so, daB ein Tropfen steriler,
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Schmidt, Ucber das Verhalten von Keimen auf der auBeren Haut usw. 287
physiol. Kochsalzlosung auf das Feld gebracht und die Stelle mit einem stumpfen
Messer 50mal, entweder ganz zart oder etwas tiefergehend, abgeschabt wurde, je nach-
dem die oberflachlichen oder auch die defer liegenaen Keime gewonnen werden sollten.
Der 5mal erneuerte Tropfen Kochsalzlosung wurde in 1 ccm Kochsalzlosung in einem
sterilen Reagensglas verteilt und dessen Inhalt dann zu 2 Gelatineplatten zwecks
spaterer Keimzahlung ausgegossen. Die auf den Feldern vorhandene Keimzahl wurde
so vor der Beeinflussung der Keime und nach der nun erfolgenden Bestrahlung auf
gesonderten Feldern in gleicher Weise festgestellt.
Die Ungenauigkeit der Methode liegt darin, dafi die auf die einzelnen Felder der
Haut gebrachten und die auf ihnen schon vorher vorhandenen Keimmengen nicht
untereinander gleich sind und daB bei dem Abschaben wechselnde Anteile der wirklich
vorhandenen Keime fiir die Zahlung gewonnen werden. In denjenigen Versuchen, bei
denen die Keime vor der Bestrahlung langere Zeit auf der Haut belassen werden,
kommt hinzu, daB sie sich auf den verschieaenen Feldern ungleich rasch vermehren.
1. Versuchsreihe.
Die Oese Staphylokokkenbouillon enthielt 1930 Keime; 2 Stellen rasierfer Ka-
ninchenbauchhaut wurden mit je einer Oese bestrichen. Nach sofortigem Wiederab-
streichen fanden sich auf dem einen Felde 3070 Keime, nach 4 Min. Bestrahlung aus
60 cm Entfernung auf dem anderen Felde noch 102. Betrachtliche Abnahme der
Keimzahl war also erfolgt.
2. Versuchsreihe.
Je 4 Oesen Staphylokokkenbouillon zu je 90 Keimen wurden auf die Kaninchen-
haut aufgestrichen und mit einem Holzchen leicht eingerieben. Nach 17 Std. zeigten
sich die Stellen ganz leicht gerotet: die oberflachlich aufgetragenen Keime waren in
die Tiefe gelangt und hatten dort eine leichte Entziindung nervorgerufen. Auf 2 Fel-
dern fanden sich 5310 bzw. 3090 Keime vor der Bestrahlung; auf 2 weiteren Feldern,
die wie beim 1. Versuch bestrahlt wurden, 8000 bzw. 21 000. Die Keime, die inner-
halb der 17 Std. Tiefenkeime geworden waren, wurden von den Strahlen also nicht
mehr abgetotet.
Zur Kontrolle der Wirksamkeit der Strahlen wurden 4 weitere Felder mit je
4 Oesen Staphylokokkenbouillon zu je 60 Keimen bestrichen und 2 davon unmittelbar
danach bestrahlt. Analog dem 1. Versuch fanden sich vor der Bestrahlung 153 und
394 Keime, nach der Bestrahlung nur noch 8 und 6.
Oberflachlich liegende Keime der Haut werden also durch ultraviolettes Licht ab-
getOtet, tiefer gelegene offenbar nicht.
Der Versuch, mit groBeren Dosen Licht die Tiefenkeime zu erreichen, fiihrte nicht
zura Erfolg und verbot sich durch das Auftreten von Verbrennungen.
3. Versuchsreihe.
Nach den Untersuchungen von Tappeiner und Jodlbauer (5) ist es moglich,
die Wirkung des Quecksilberdampflichtes unter Zuhilfenahme der photodynamischen
Wirkung der fluoreszierenden Stoffe zu verstarken: Ein Teil der sichtbaren Strahlen
wird durch sie in ultraviolette umgewandelt, welche die Menge der schon vorhandenen
ultravioletten Strahlen vermehren.
Zur Erziclung diescr Wirkung wurde die Haut wahrend der Bestrahlung mit einer
Losung von Eosiu 1 : 100000 besprayt. Je 2 Oesen Staphylokokkenbouillon zu 100
Keimen waren aufgestrichen worden. Beim Abschaben fanden sich:
auf dem unbestrahlten Felde 80 Keime
nach 4 Min. langer Bestrahlung aus 60 cm Entfernung auf dem
mit physiol. Kochsalzlosung besprayten Felde 10 „
auf dem mit Eosin besprayten Felde 0 „
Die hier erzielte Wirkung ermutigte dazu, die aufzubringende Keimzahl zu ver-
f oflern und die Bestrahlungsdauer abzukiirzen. Es wurde aiesmal die Menge von
Oesen zu 5000 Keimen aufgetragen und nur 1 Min. bestrahlt.
Unbestrahlt 8900 Keime
Bestrahlt unter Kochsalzspray 8200 „
„ „ Eosinspray 2200 „
Die Wirkung des Quecksilberdampflichtes auf oberflachlich auf der Haut liegende
Keime wird demnach durch Eosin verstiirkt.
4. Versuchsreihe.
Kann die im 2. Versuch crmittelte Unwirksamkeit des ultravioletten Lichtes auf
tiefliegende Keime durch Eosin aufgehoben werden? Urn dies festzustellen, wurde
wieder durch leichtes Einreibcn von Staphylokokkenbouillon nach 17 Std. eine eben
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
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angedeutete Entzfindung der Haut erzielt. Die Keimzahlung ergab alsdann flir unbe¬
strahlte Stellen 48000 Keime, fiir 4 Min. lang aus 60 cm Entfernung bestrahlte Stelien
obne Eosinspray 36 000, mit Eosinspray 45 000. Eine verstarkende Wirkung des Eosins
konnte also nicht festgestellt werden.
5. Versuchsreihe.
SchlieBlich wurden je 2 Oesen zu 150 Keirnen auf die Felder der Haut aufge-
etrichen und die Einwirkung der Strahlen auf die 0, 2, 4 und 6 Std. auf der Haut
befindlichen Keime untersucnt.
Sofort und in den ersten Stunden nach dem Auftragen der Keime vermochte
Eosin die Wirkung dee Quecksilberdampflichtes zu verstarken; sind die Keime aber
im Verlaufe von 17 Std. schon so tief in die Haut eingedrungen, daB sie sichtbare Ver-
anderungen in Form von Entziindungen setzten, dann blieb auch Eosin ohne Wirkung.
6. Versuchsreihe.
Nach diesen Versuchen fiber kfinstlich auf die rasierte Kaninchenhaut aufge-
brachten Keime sollte auch die Beeinflussung der normalerweise auf der menachlichen
Haut vorhandenen Keime untersucht werden. Diese Versuche wurden gemeinsam mit
Herrn Zahnarzt Dr. Sutter ausgefiihrt.
Vorversuche ergaben, daB ohne Vorbehandlung die Hande fiir unsere Zwecke
zu viel Keime, nach der chirurgischen Handedesinfektion jedoch zu wenig Keime auf-
wiesen. Wir gingen daher so vor, daB wir beide Hande unter flieBenaem warmem
Wasser mit Seife und Bfirste 10 Min. lang wuschen. Die eine Hand setzten wir dann
in einem Abstande von 30 cm dem ultravioletten Lichte aus, Handrucken und Handteller
je 3 Min.; hohere Dosen erwiesen sich als eutztindungserregend. Wir schabten dann die
beiden mit steriler Kochsalzlosung angefeuchteten Hande nach dem Vorgange von Paul
und Sarwey (6) mit sterilen Stfbchen ab, schfittelten die Stabchen kraftig in steriler
Kochsalzlosung und gossen die Flfissigkeit samt. den Stabchen zu Agarplatten aus.
5 Versuche wurden im ganzen ausgefiihrt. Sie ergaben folgende Keimzahlen:
unbestrahlte Hand
bestrahlte Hand
1
8 700
2500
2
12 100
1000
3
11 700
4600
4
13000
560
5
3 800
3800
Die Abnahme der Keime berechnet sich hiernach auf 71, 92, 61, 96, 0 Proz. Es
zeigte sich demnach in 4 Fallen betrachtliche Abnahme der Keime, die nur in einem
Falle fehlte. Die Keime, die durch das Abschaben mit Holzchen gewonnen wurden,
waren vermutlich oberflachlich liegende Keime; um die Einwirkung der Strahlen auch
auf die Tiefenkeime zu ermitteln, muBte anders vorgegangen werden.
7. Versuchsreihe.
In den Versuchen 3, 4 und 5 der vorigen Versuchsreihe unterwarfen wir die
Hande nach dem Abschaben mit den Holzchen noch wahrend '/,—V Std. einem HeiB-
luftbade, wie es von Vogel (7) angegeben wurde. Es gelingt auf diese Weise, die
Tiefenkeime mit dem sezernierten SchweiBe auf die Oberflache der Hand zu befordern.
Diese Tiefenkeime sind anders zu bewerten als die, von denen in den Kaninchen-
versuchen die Rede war. Diese waren fiberwiegend pathogene Staphylokokken, die in
einer pathologisch veranderten Haut lagen. Bei ihnen konnte dcr Einwand erhoben
werden, daB die etwas erhohte Blutffille der Haut der Grund war, warum die Keime
vor den ultravioletten Strahlen geschfitzt waren; die Erfolgsunterschiede der Finsen-
Behandlung (8) des Lupus bei blutleer gemachter und nicht blutleer gemachter Haut
konuten zu diesem Schlusse ffihren. Bei den Tiefenkeimen normaler menschlicher Haut
handelt es sich dagegen um Saprophyten, und die Bestrahlung traf die Haut, in der
sie lagen, in normalem, durch die voraufgegangene Waschung nur etwas aufgelockertem
Zustand.
Auch diese durch das Schwitzen an die Oberflache beforderten Keime (Tiefenkeime)
gewannen wir durch Abschaben mit sterilen Holzchen zur Plattenzahlung und fanden:
unbestrahlte Hand
bestrahlte Hand
3 a
95 800
104000
4a
81400
83 900
5a
5 900
19 000
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Schmidt, Ueber das Verhalten von Keimen auf der auGeren Haut usw. 289
Zum Unterschied von den oberflachlichen Keimen wurden also die Tiefenkeime
durch die Bestrahlung nicht vermindeit.
Versuch 5a zeigt eine scheinbare Vermehrung nach der Bestrahlung. Stellt man
jedoch die Ergebnisse dieses Versuches denjenigen ues Versuches 5 der 6. Versuchsreihe
gegeniiber, die ja unmittelbar nacheinander gewonnen waren, so ist vielleicht die An-
nahme gerechtfertigt, daB in diesem Fall die bestrahlte Hand schon mit mehr tiefen
und oberflachlichen Keimen in den Versuch eintrat als die unbestrahlte. Die Be¬
strahlung vermochte dann die Zahl der oberflachlichen Keime der starker verunreinigten
Hand so weit zu vermindern, daB sie der Zahl der weniger verunreinigten gleichkam;
sie vermochte dagegen das gegenseitige VerhaltniB der Tiefen keime der beiden Hande
nicht zu andern.
I /
8. Versuchsreihe.
Eosinspray anderte an dem Schutz, den die tiefe Lage der Keime bietet, nichts;
nur wieder die oberflachlich liegenden Keime wurden in ihrer Zahl herabgemindert
(om 73 Proz.). Vor dem Schwitzbad konnten von der unbestrahlten Hand 11500, von
der unter Eosinspray bestrahlten Hand nur 3050 (oberflachliche) Keime gewonuen wer-
den, nach dem Schwitzbad 140000 bzw. 180000 (tiefliegende) Keime.
9. Versuchsreihe.
Experimentell ganz analoge Verhaltnisse wie bei den Keimen der Haut liegen bei
Keimen in triiben fliissigen Medien vor; anch hier werden die ultravioletten Strahlen
von den oberflachlichen Schichten absorbiert, die Keime sind weitgehendst vor ihnen
S eechiitzt. Ein derartiges Medium stellt die Milch dar, und nur um die Analogie mit
en Hautversuchen zu zeigen, soil das Verhalten von Staphylokokken, die in sterile
Milch eingesat wurden, nocn kurz erwahnt werden.
Im Kubikzentimeter unbestrahlter Milch fanden sich 1850000 Staphylokokken.
Wurde von dieser Milch eine Schicht von 4 mm Dicke 2 Min. lang aus einer Ent-
fernung von 10 cm mit der Bachschen Hohensonne bestrahlt, so ergab die Keim-
zahlung im Kubikzentimeter noch 1000000 Keime, bei einer Schichtdicke von 1 mm
450000; bei der in Anwendung gebrachten Lichtdosis eine sehr geringe Herabminderung.
Demgegeniiber wurden m einer physiol. Kochsalzlosung, die 730000 Staphylo¬
kokken im Kubikzentimeter enthielt, samtliche Keime durch eine Bestrahlung von 2 Mia.
Dauer aus 10 cm Entfernung, sowohl in der 4, als auch in der 1 mm-Schicht abgetotet;
aus Ver8uchen Potthoffs 1 ) ist jedoch bekannt (das sei hinzugefiigt), daB eine Auf-
schwemmung, die 2 Milliarden Staphylococcus aureus im Kubikzentimeter ent-
halt, in 1 Min. von den Strahlen aes Westinghouse-Wassersterilisationsapparates
Tvp B 3 aus 15,6 ccm Entfernung sterilisiert wird.
Zusammenfassung.
Oberflfichlich liegende Hautkeime werden von ultraviolettera Licht
in Dosen, die noch keine sch&dlichen Nebenwirkungen auf die Haut ver-
nrsachen, in betrachtlichem MaBe vernichtet, die Tiefenkeime sind vor
den Wirkungen der Strahlen geschiitzt. Sensibilisierung der Haut durch
Eosinspray Sndert daran nichts. Dieser Nachweis wurde filr Eitererreger,
die schon eine leichte EntzQndung der Haut hervorgerufen hatten, und
ffir die in der normalen Haut vorhandenen Keime erbracht.
Xiiteratnr.
1) Potthoff, Desinfektion. Jahrg. 6. S. 10. — 2) Mulzer, Arch. f. Dermat. u.
Svphil. Bd. 88. S. 11. — 3) Friedberger u. Shioji, Dtsch. raed. Wochenschr.
1&14. 8. 585. — 4) Hidaka, Med. Klin. Jahrg. 7. Nr. 44. — 5) v. Tappeiner u.
Jodlbauer, Munch, med. Wochenschr. 1904. S. 1096. — 6) Paul u. Sarwey, Ebenda
1899. S. 1633. 1901. S. 1407. — 7) Vogel, Dtsch. med. Wochenschr. 1905. 8. 1179. —
fe) Fin sen, Ueber die Bekampfung des Lupus vulgaris, Jena (G. Fischer) 1904.
Ertte Abt. Orig. B<1. 88.
Heft 4.
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290
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
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Nachdruck verboten.
Studien liber die Magendarmflora polyneuritischer Tauten
und die Bildung antineuritischen Vitamins durcli
Darmbakterien.
[Tierphysiologisches Institut der Landwirtschaftlichen Hochschule
zu Berlin.]
Von Prof. Arthur Scheunert und Dr. Martin Schieblich.
Untersuchungen 1 ), die 1909 fiber die Ursachen einer als Ostitis
fibrosa erkannten Erkrankung der Pferde eines sachsischen Kavallerie-
regimentes begonnen und in den Kriegsjahren zu Ende gefiihrt wurden,
lenkten bereits vor dem Kriege das Augenmerk auf die Darmflora der
erkrankten Tiere. Diese erwies sich als von der Norm wesentlich ab-
weichend, und es wurde auf Grund verschiedener Ueberlegungen dieser
falschen Darmflora, bzw. den durch sie gebildeten Produkten eine ent-
scheidende Bedeutung fur das Auftreten der erwahnten Knochenerkran-
kungen beigemessen. Diese Ansicbt fand insofern eine gewisse Bestati-
gung, als nach griindlicher Desinfektion und Beseitigung der falschen
Flora, die sich auch im Kaseruengelande allgemein vorfand, die Krank-
heit zum Erloschen kam.
Es ergab sich daraus der Wunsch, durch Untersuchungen der Darm¬
flora unter bestimmter Fiitterung und bei gewissen Erkrankungen einen
etwas genaueren Einblick in diese VerhSltnisse zu gewinnen. Es erschien
z. B. die Untersuchung der Magen- und Darmflora der Ferkel bei der
haufig auftretenden Rachitis dieser Tiere, sowie die von am sog. Fest-
liegen nach und vor der Geburt erkrankten Ziegen in vieler Richtung
Erfolg versprechend. Da solche Plane auch in der Vorkriegszeit ziem-
lich schwer zu verwirklichen waren, wurde zunachst nach leichter zu-
gfinglichem Versuchsmaterial gesucht, und dieses bot sich in den damals
gerade in den Mittelpunkt des Interesses tretenden Untersuchungen mit
einseitiger Ernahrung dar.
In dieser Richtung erschien die zur polyneuritischen Erkrankung
fiihrende Reisfutterung der Tauben besonders geeignet, zumal damals
die Moglichkeit von Zusammenhangen zwischen dieser Erkrankung und
den Darmgarungen durch Kohlbrugge 2 ) betont worden war. Wenn
nun auch die neuere Vitaminforschung iiberzeugend die Beriberi der
Tauben auf den Mangel an antineuritischem Faktor zuriickgefiihrt hat,
so haben wir doch aus verschiedenen Griinden die geplanten Untersuch¬
ungen bei der ersten sich bietenden Gelegenheit in Angriff geuommen.
Es erscheinen uns die Beziehungen der Darmflora zu alien solchen Er-
ndhrungsstorungen wohl des naheren Studiums wert, zumal es einer-
seits nicht unmoglich ist (Lit. vgl. S. 296), daB die Bakterien als pflanz-
liche Lebewesen, ebenso wie die Hefe, solche Stoffe zu bilden vermbgen,
andererseits vielleicht aber Bakterien, z. B. bei anormalen Garungen im
1) Scheunert, A., Ueber Knochenweiche bei Pferden und Dyebiose der Darm¬
flora. (Ztschr. f. Infkr. d. Haust. Bd. 21. 1920. S. 105.)
2) Kohlbrugge, J. H. F. Die Giirungskrankheiten. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I.
Orig. Bd. 60. S. 223.)
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Scheunert u. Schieblich, Magend arm flora polyneuritischer Tauben usw. 291
Darm, solche akzessorische N&hrstoffe zerstdren, also zum Auftreten der
Mangelkrankheiten beitragen konnten.
Wir legten uns bei den folgenden Untersuchungen die Fragen vor:
1) Wie verandert die Reisnahrung die normale Flora der Haustaube?
2) Gelingt es, die Erkrankung durch Zufflhrung auf vitamin -
freien Nahrboden gewachsener Reinkulturen bestimmter Darmbakterien
der Taube zu verhindern Oder ihren Eintritt hinauszuschieben ?
Hierdurch muBte man Hinweise darauf erhalten, ob Bakterien der
Darmflora Vitamine zu bilden, in der Lage sind.
Ueber die Methodik ist im allgemeinen nichts Besonderes zu be-
richten, die wichtigen Einzelheiten werden bei den betreffenden Ver-
suchen angegeben werden. Die bakteriologische Untersuchung erfolgte
in der allgemein iiblichen Weise, die Diagnose nach Lehmann und
Neumann und Matzuschita.
Ueber die normale Darmflora der Haustaube ist wenig bekannt. Kern 1 ) hat
sie bei einem Tier bestimmt und wir haben diese Untersuchungen an 4 Tieren kon-
trolliert und erganzt, iiber die wir kiirzlich berichtet haben 2 ). Es ergab sich dabei als
Besonderh’qit der Haustaube, dafl das auch bei anderen Vogelarten obligate Bact.
coli meist ganz fehlt oder sehr zurucktritt. Weiter ergab sich die Abwesenheit obli-
gater anacrober Faulniserreger und Buttersaurebildner. Sonst war die Flora bunt, aber
nicht allzu reichhaltig. Obligat durfte nur Streptococcus acidi lactici Groten-
feldt und ein in anaerober Zucht isoliertes, ,, Langes Milchsaurestabchen“ sein, neben
denen eine reichliche Kokkenflora sowie die iiblichen im Darm vorkommenden Erdbak-
terien gefunden wurden; auch Schimmelpilze wurden ubereinstimmend mit Kern haufig
nachgewiesen.
Eigene Untersuchungen.
Es sollte die Magen- und Darmflora einseitig mit Reis
gefiitterter Tauben bestimmt werden. Dazu wurde zunachst ein
Tier BB I, Gewicht 249 g, Temp. 41,0, auf Reisnahrung am 17. Juni 20
gesetzt. Da es damals sehr schwer war, geeigneten, guten Reis zu er¬
halten, griffen wir auf eine Probe zurflck, die noch aus der Vorkriegs-
zeit stammte. Dieselbe erwies sich aber als ungeeignet; die Taube nahm
zunachst sogar an Gewicht zu und wog noch am 17. Tage nach ge-
riuger Abnahme 237 g. In der Zwischenzeit war es gelungen, aus Ham¬
burg Reis zu beziehen, mit dem wir den Versuch fortsetzten. Da der-
selbe scheinbar nicht sehr gut geschalt und auBerdem verunreinigt war,
hielten wir eine grflndliche Reinigung durch Auswaschen
fur notwendig. Hierzu wurde die jeweilig zur Verfutterung kommende
Portion 24 Std. lang in flieBendem Wasser sorgf<ig ausgewaschen und
gelangte feucht zur Verfutterung. Wir machten dabei die Beobachtung,
daB der Reis oft leicht sauerte, was fiir die weitere Anstellung der Ver-
suche und Beurteilung der Befunde von diesem Reis von Wichtigkeit
erscheint. Am 9. Juli 20 wurde noch ein 2. Tier BB II in den Versuch
genommen.
BB. I. Graue Haustaube Q, ab 5. Juli mit gewaschenem Reis gefiittert, vermindert
ihr Gewicht in 17 Tagen auf 146 g bei einer Korpertemp. von 38,2. Deutliche Er-
scheinungen bestehen. Das Tier wird an diesem Tage, 23. 7., getotet und die bakterio¬
logische Untersuchung eingeleitet.
BB. II. Graue HaustaubeQ, wird ab 9. Juli 20 in gleicher Weise wie BB I ge¬
fiittert. Anfangsgewicht 253 g, Temp. 42,5. Das Gewicht sinkt kontinuierlich. Am
1) Kern, H., Beitrag zur Kenntnis der im Darme und Magen der V6gel vor-
koramenden Bakterien. (Arb. a. d. Bakt. Instit. d. Techn. Hochsch. zu Karlsruhe:
Bd. 1. 1897.)
2) 8cheunert u. Schieblich. Ueber die Magen- und Darmflora der Haus-
Uube. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 88. S. 122 1922.
19*
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27. Fiitterungstag wurde das Tier mit 127 g Gewicht und 37,2 Temp, bei bestehenden
deutlichen Erscheinungen getotet und die bakteriologische Untersuchung eingeleitet.
Die festgestellten Arten sind im folgeuden in aer Reihenfolge ihres quantitativen
Vorkommens aufgefuhrt.
TaubeBB I. Driisenmagen: Reaktion schwach sauer. Bact. lactis aero-
genes Escherich, Bac. my coides Flugge, Actinomyces chromogenes Gasp, p
albus Lehmann u. Neumann, Bact. herbicola aureum Burri u. Diigg., Acti¬
nomyces chromogenes Gasp., Micrococcus roseus (Bumm) L. et N.
Muskelmagen: Reaktion sauer. Bact. lactis aerogenes, Bac. mycoides,
Actinomyces chromogenes Gasp. /? albus L. et N., Bact. herbicola aureum,
Schimmelpilze (Penicillium), Sarcina alba Zimmerm.
Duodenum: Reaktion alkalisch. Bact. lactis aerogenes, Bac. mycoi¬
des, Actinomyces chromogenes Gasp. /? albus L. et N., Bact. herbicola
a ureum.
Mittlerer Diinndarmabschnitt: Reaktion alkalisch. Bact. lactis aero¬
genes, Bac. mycoides, Actinomyces chromgenes Gasp. p albus L. et N.,
Bact. herbicola aureum, Schimmelpilze (Penicillium), Hefe.
Eaudaler Diinndarmabschnitt: Reaktion alkalisch. Bact. lactis aero¬
genes, Bac. mycoides, Actinomyces chromogenes Gasp, p albus L. et N.,
Bact. herbicola aureum.
Dickdarm: Reaktion alkalisch. Bact lactis aerogenes, Bag. mycoides,
Actinomyces chromogenes Gasp. p albus L. et N., Bact. herbicola aureum,
Schimmelpilze (Penicillium).
Anaerobe Keime wurden nicht gefunden.
Taube BB II. Drusenmagen: Reaktion schwach alkalisch. Bact. lactis
aerogenes, Actinomyces chromogenes Gasp, p albus L. et N., Bact. her-
bicola aureum, Bac. vulgatus (Flugge) Migula, Bac. my coides, Micrococ¬
cus roseus.
Muskelmagen: Reaktion sauer. Bact. lactis aerogenes, Actinomyces
chrom. Gasp, p albus L. et N., Bac. vulgatus, Bac. mycoides, Hefe, Schimmel¬
pilze (Mucor).
Duodenum: Reaktion alkalisch. Bact. lactis aerogenes, Actinomyces
chrom. Gasp, p alb. L. et N., Bact. herbicola aureum, Bac. mesentericug
(Flugge) L. et N., Bac. mycoides, Schimmelpilze (Mucor und Penicillium),
Micrococcus roseus.
Mittlerer Diinndarmabschnitt: Reaktion alkalisch. Bact. lactis aero¬
genes, Actinomyces chrom. Gasp, p alb. L. et N., Bact. herbicola aureum,
Bac. mycoides. Bac. mesentericus, Hefe, Schimmelpilze (Mucor).
Kaudaler Diinndarmabschnitt: Reaktion alkalisch. Bact. lactis aero¬
genes, Actinomyces chrom. Gasp./? alb. L. et N., Bact. herbicola aureum,
Bac. vulgatus, Bac. mesentericus, Bac. mycoides, Hefe, Schimmelpilze
(Aspergillus).
Dickdarm: Reaktion alkalisch. Bact. lactis aerogenes, Actinomyces
chrom. Gasp, p alb. L. et N., Bact. herbicola aureum, Bac. mesentericus,
Bac. mycoides, Hefe.
Anaerobe Keime wurden auch hier nicht gefunden.
Ergebais. Die Flora erwies sich als sehrarmanArten, docb
war die Menge der einzelnen Vertreter betrfichlich. Als Hauptver-
treter der Bakterienflora trat bei beiden Tieren in alien Ab-
schnitten Bact. lactis aerogenes in den Vordergrund, von dem aller-
dings einige Stfimme nicht ganz typisch waren und durch geringe Be-
weglichkeit zu Bact. coli hinuberneigten, jedoch war Indolbildung me¬
ntals vorhanden. Der unter normaler Haltung obligate Streptococcus
acidi lactici fehlte hingegen. Im iibrigen wies die Flora eine be-
merkenswerte Gleichm&Bigkeit auf. Die normale Flora der Tauben ist
weit bunter, ihr gegeniiber fehlten die sonst zahlreichen Kokken, hin¬
gegen fanden sich Erdbakterien, Actinomyceten und Schimmelpilze ziem-
lich regelm&Big und auch Hefezellen kommen, wie bei normalen Tieren
vor. Es hatte demnach eine sehr einschneidende Umwandlung der Darm-
flora durch die Reisfutterung stattgefunden.
Der iibereinstimmende Befund bei diesen beiden ersten Tauben
lieB uns zun&chst vermuten, dafi wir damit die typische „Reisflora“ er-
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Scheunert u. Schieblich, Magendarmflora polyneuritischer Tauben usw. 293
faBt hatten und eine weitere Frage in Angriff nehmen kfinnten. Es er-
schien uns von Wichtigkeit, zunfichst einmal festzustellen, wie sich
die Darmflora einer Taube verandere, die, mit Reis ge-
fflttert, die typischen Krankheitserscheinungen deutlich ge£uBert und
dann, durch Hefefiltterung wiederhergestellt, langere
Zeit bei alleinigerReisnahrungunterHefezugabe gehalten
worden war. Zu diesem Zwecke wurde folgender Versuch angestellt:
Taube R. H. Mausgraue Haustaube9 wurde am 29. 11. 20 bei einem Anfangs-
gewicht von 309 g auf Reisfiitterung gesetzt. Wir futterten von jetzt ab, um ganz
sicher Vitaminfreiheit zu erzielen, Reis, der etwa 8 Std. lang auf 155°
erhitzt worden war. Die Taube nahm ihn gut an, verminderte ihr Qewicht kon-
tinuierlich und wog am 20. Verauchatage 228 g bei einer Temp, von 40,5°, nachdem
aie achon vom 14.—17. Tage aubnormale Temp, von 39,2—39,7° gezeigt hatte. Am
21. Tage sank die Temp, auf 39,6° und am 22. Tage auf 38,5° bei einem Gewicht von
218 g. Da bereits am 12. Fiitterungstage die eraten Anzeichen der Erkrankung, FlOgel-
zittern, Aufblaaen, eingetreten waren und dieae bis zum 22. Tage fortachreitend zu V
obachten waren und zu ihnen noch an diesem Tage Streokkrampfe der Beine traten,
beachloaaen wir, zur Hefefiitterung uberzugehen. Nachdem ala erate Gabe 1 g Trocken-
hefe in Pillenform verabreicht worden war, erhielt daa Tier von da ab taglich 0,5 g
Trockenhefe, entaprechend den Angaben Coopers'). Die Beaaerung trat in bekannter
Weise aofort ein, die Gewichtozunahme desgleichen, die Temp, atieg am 1. Hefetage
auf 39,5am 2. auf 39,8° und war von da ab normal. Am 40. Tage dee Gesamt-
versuchee wog die Taube 296 g bei einer Temp, von 41,4° und wurde getotet.
Die Unterauchung der Magen- und Darmflora der Taube zeitigte folgende Ergebnisae:
A. Aerobier: Driisenmagen: Reaktion aauer. Streptococcus acidi
lactici, Grotenf., Bact. acidi lactici Hiippe, Bac. mycoidea Fliigge, Schimmel-
pilze (Penicillium).
Muskelmagen: Reaktion kraftig aauer. Streptococcus acidi lactici,
Micrococcus candicans Fliigge, Bact. acidi lactici, Actinomyces chrom.
Gasp, p alb. L. et N., Oidium lactis, Oidium albicans, Schimmelpilze (Peui-
ci 11 i u m), Hefe.
Duodenum: Reaktion schwach alkalisch. Micrococcus candicans, Bact.
acidi lactici, Bact. lactis viscosi (Adam.) L. et M., Actinomyces chron.
Gasp. (S alb. L. et N., Oidium albicans.
Vorderer Dunndarmabschnitt: Reaktion schwach alkalisch. Strepto¬
coccus acidi lactici, Bact. acidi lactici, Micrococcus sulfureua
Zimmerm., Actinomyces chrom. Gasp. /? alb. L. et. N., Oidium lactis,
Schimmelpilze (Penicillium).
Kaudaler Dunndarmabschnitt: Reaktion schwach alkalisch. Strepto¬
coccus acidi lactici, Micrococcus candicans, Bact. acidi lactici,
Bac. vulgatus (Fliigge)Mig., Actinomyces chrom. Gasp./?alb. L. et. N., Oidium
albicans, Schimmelpilze (Penicillium).
Dickdarm: Reaktion schwach alkalisch. Micrococcus BulfureuB, M.
candicans, Streptococcus acidi lactici, Bac. sphaericus A. Meyer et Neide,
Micrococcus roseus(Bumm) L.etN., Actinomyces chrom. Gasp, fi alb. L. et. N.,
Oidium albicans, Schimmelpilze (Penicillium und Aspergillus).
B. Anaerobier: Typiache anaerobe Keime wurden nicht gefunden, sondern es
wurden in anaerober Zucht nur Vertreter der „Langen Milchsaurebakterien“ isoliert, und
zwar Bac. acidophilus Finkelst. im Driisenmagen UDd Dickdarm und ein dem
Bact. casei t (Freudenr.) L. et N. nahestehender Organismus im kaudalen Dunndarm¬
abschnitt.
Ergebnis: Die Hauptvertreter der Flora waren auch diesmal
MilchsSurebakterien (Streptococcus acidi lactici und Bact.
acidi lactici [wenig Gas und viel SaureJ), doch feklt das bei den
beiden ersten Reistauben dominierende Bact. lactis aerogenes (viel
Gas und wenig Saure) vbllig. Neben ihnen stehen Micrococcus
candicans und sulfureus an 1. Stelle. Erdbakterien und Acti¬
nomyces treten zurflck, Schimmelpilze sind vorhanden, Hefe wurde nur
1) Cooper, On the protective and curative properties of certain foodstuffs against
polvneuritis induced in birds bv a diet of polished rice. (Journ. of Hyg. VoL 12.
1913. p. 436.)
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
1 mal gefunden. Von Anaerobieren fanden wir typische Faulniserreger
und Buttersaurebildner auch bei diesem Tiere nicht, wohl aber wie bei
den normalen Tauben Vertreter der „Langen Milchsaurebakterien“.
Es war also ganz zweifellos durch die Reis-Hefeffitterung eine Flora
zur Entwickelung gekommen, die in mancher Hinsicht der unter nor-
raalen Verhaltnissen gefundenen ahnelte und von der der beiden
ersten Tauben verschieden war. Von der normalen Flora unterschied
sie sich vor allem durch starkeres Auftreten des Bact. acidi lacticiund
das Auftreten von Oidien, also von Keimen, die vielleicht mit der Hefe
aufgenommen wurden; auch waren die Erdbakterien zuriickgedrSngt.
Wir waren hierdurch immerhin iiberrascht und hielten es fur ge-
boten, die ersten Befunde mit alleiniger Reisfiitterung nochmals zu
kontrollieren, um dabei festzustellen, ob nicht durch die Futterung
des erhitzten Reises noch andere Befunde erhalten wfirden.
Taube BB IV: Weifi-braun schuppige Haustaube Q. Der Versuch begann am
27. Jan. 21 bei einem Anfangsgewicht von 292,5 g und einer Temperatur von 41,7° und
fiihrte am 20. Versuch stage bei 172 g und 36,2° zum Exitus letalis unter den bekannten
Erecheinungen. Bei der Sektion fiel bei diesem Tiere die besonders starke Griinfarbung
des Darminhaltes und der Hornschicht dee Muskelmagens auf. Die bakteriologischen
Ergebnisse weist die folgende Tabelle auf.
A. Aerobier: Drusenmagen: Reaktion kraftig sauer. Micrococcus
pyogenes y albus (Rosenb.) L. et N., Corynebact. xerosis (Neisser u. Kuschb.)
L. etN., Actinomyces chrom. Gaps. £ al b L. et N., Bact. acidi lactici Huppe,
Schimmelpilze iPenicillium und Aspergillus).
Muskelmagen: Reaktion kraftig sauer. Micrococcus rosettaceue
Zimmerm., Actinomyc es chrom. Gas. p al b. L.etN., Schimmelpilze (Penicillium
und Aspergillu s).
Duodenum: Reaktion amphoter. Actinomyces chrom. Gasp, p alb. L. etN.
Bac. simplex A. Meyer et Gotth., Bact. lactis saponacei (VVeigm. et Zirn) L.
et N., Micrococcus candicans Fliigge, Schimmelpilze (Penicillium).
VordererDiinndarmabschnitt: Reaktion neutral. Actinomyces chrom.
Gasp, p alb. L. et. N., Micrococcus candicans, Streptococcus acidi lactici
Grotenf., Schimmelpilze (Penicillium, Aspergillus, Monilia).
Kaudaler Dun ndarmabschnitt: Reaktion schwach alkalisch. Bact. acidi
lactici, Actinomyces chrom. Gasp, p alb. L. et N., Bac. plicatus Zimmerm.,
Schimmelpilze (Penicillium und Aspergillus), Oidium albicans.
Dickdarm: Reaktion schwach alkalisch. Actinomyces chrom. Gasp, p alb.
L. et. N., Schimmelpilze (Penicillium und Aspergillus).
B. An aerobi er fehlen vollig.
Ergebnis: Die Bakterienfiora dieser Reistaube ergab ein vollig
anderesBild wie das der beiden ersten Tiere. Uebereinstimmend war
nur die groBe Artenarmut, wiihrend die Menge der einzelnen Keime im
Gegensatz zu den beiden ersten Tauben auBerst gering war. Man mufi
demnach annehmen, daB dieVorbehandlungdesReises von groBein
EinfluB auf die im Gefolge seiner Fiitterung zur Entwicklung kommende
Magendarmflora ist. Das reichliche Auftreten des Bact. lactis
aero genes bei den beiden ersten Reistauben erklart sich zwanglos
daraus, daB dieses Bacterium die Ursache der S&uerung des Reises war
und so in groBen Massen mit dem Futter aufgenommen wurde.
Weitgehend ahnelt die Flora der der Reishefetaube, bei
der lediglich insofern ein grundsatzlicher Unterschied besteht, als die
Milchsaurebakterien dominieren, die allerdings, wie schon erwahnt, aus
der Hefe stammen konnen, wShrend diese bei BB IV zuriicktreten. Im
ubrigen stimmen die einzelnen Arten ziemlich uberein, nur die Mengen-
verhaltnisse sind verschoben. Das ganze Bild ahnelt so auch normalen
Verhaltnissen und man gewinnt den Eindruck, als ob bei diesem Tier
die Reisfiitterung unter Begiinstigung des Actinomyces, der an erste Stelle
geruckt ist, und unter Unterdriickung der Erdbakterien eine Verarmung
an Arten und Menge hervorgerufen habe.
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Scheunert u. Schieblich, Magendarmflora polyneuritischer Tauben usw. 295
Zusammenfassend, wird man aus den bisherigen Ergebnissen
entnehmen konnen, daB die Reisfiitterung eine Verarmung der Flora her-
beifuhrt, die, je nach der Vorbereitung des gefiitterten Reises, verschieden
sein wird. Der EinfluB der Hefe wird aber darin erblickt werden konnen,
daB Milchsaurebakterien und Mikrokokken in den Vordergrund treten und
so eine AnnSherung an die normalen Verhaltnisse stattfindet.
Wir legten uns nun die Fragen vor, ob es gelingt, die Er-
krankung durch Zuftihrung auf vitamin freien Nahrboden
gewachsener Kulturen von Darmbakterien der Taube zu
verhindern bzw. ihren Eintritt hinauszuschieben und wie sich
dabei a) die bei normal, b) bei mit Reis -f- Hefe und c) bei nur mit Reis
gefiitterten Tauben gefundenen Bakterien verhielten. Als Nahrboden
wahlten wir die gewohnliche N&hrbouillon, die jedoch vor der Beimpfung
zwecks Zerstorung der Vitamine 1V 2 Std. im Autoklaven bei 2 Atmosph.
(=133°) erhitzt worden war. Die Kulturen wurden 96 Std. bebriitet
und anschlieBend im Eisschrank aufbewahrt. Den Versuchstauben wurden
davon pro Tag 6—20 ccm derart verabreicht, daB die Flflssrgkeit mit
einem an einer Rekordspritze befestigten diinnen Gummischlauch direkt
in den Kropf eingebracht wurde, auBerdem erhielten sie wie vorher auf
155° erhitzten Reis. Von dem Durchgang der verftitterten Kulturen
durch den Verdauungsstraktus liberzeugten wir uns durch Kotuntersuch-
ungen. Eine Taube erhielt als Kontrolle keine Bakterienkultur, sondern
nur vitaminfreie Bouillon neben dem Reis.
Die verwendeten Tauben waren gleich gezeicbnet, grau mit dunklerem
Kopf, Hals, Brust und Schwanz und schillernder Halskrause, Rflcken und
Flugel schwarz getupft und gebandert.
a) Bouillonkulturen, die samtliche im Kot normal geftitterter Tauben
vorkommenden Bakterien enthielten, wurden an 2 Tiere ab 5. April und
28. April 21 gereicht. In den ersten 5 Tagen traten erhebliche Gewichts-
zunahmen bei beiden Tieren auf (256 bis 287 g und 280 bis 305 g). Dann
folgte ein rapider Abfall des Korpergewichtes und baldiges Einsetzen
polyneuritischer Symptome. Die 1. Taube starb am 21. Tag, die 2. zeigte
am 19. Tag so schwere Krampfe, daB der Versuch abgebrochen wurde.
b) Bakterien von der Reis-Hefe-Taube RH. Von den gefundenen
Stammen wurden gepriift: 1) Micrococcus sulfureus, 2) M. can-
dicans, 3) Bact. acidi lactici.
1) S ulf ureus-Taube. Beginn: 2. Febr. 21, Gewicht 319 g, Temp. 41,8“. Nach
einem voriibergehemlen Anstieg des Gewichtes auf 325 g am 3. Tage, begaun dasselbe
ranch und kontinuierlich zu sinken. Am 8. Tage machten sich die ersten Anzeichen
beginnender Erkrankung durch zeitweises leichtes Fliigelzittern bemerkbar. Das Gewicht
beirug an diesem Tage 291 g, die Temp. 41,9’. Am 16. Tage betrug es nur noch 226 g,
die Temp. 40,4°. Am 18. Versuchstage trat der Tod ein, nachdem am Tage vorher der
Temperaturabfall eingesetzt hatte (39,5). Die Kotuntersuchung ergab vorwiegend Kolonien
des Micrococcus sulfureus, neben einigen Kolonien von Bact. acidi lactici.
2) Candicans-Taube. Beginn 2. Febr. 21, Gewicht350g, Temp. 42,4“. Das Ge¬
wicht sank langeam vom 1. Tage ab, doch machte das Tier einen munteren Eindruck.
Erst am 21. Tage, Gewicht 282,5 g, Teinp. 41°, zeigte sich mehrfach leichtes Fliigel-
zittern. Am 24. Tage, Gewicht 275 g. Temp. 39 °, machte die Taube einen sehr schlcchten
Eindruck, sail mit gestraubtem Gefieder da und zitterte am ganzen Kbrper. Sie erholte
sich dann aber wieder am 25. Tage (Gew. 272 g, Temp. 39,9°). Das Gewicht sank
kontinuierlich langsam weiter ab, betrug am 30. Tage 263 g bei 39 ; 3°, am 35. Tage 253 g
bei 38,5°, am 40. Tage 241 g bei 38 9°. Am 42. Tage war das Tier sehr schwach, sail
am Boden zusammengekauert, apathisch da und die Temp, war auf 37,2° gesunken.
Typische Svmntome traten nicht auf. Wir schritten zur Hefefiitterung, die schon nach
wenigen Std. den Zustand besserte und zu reger Nahrungsaufnahme fiihrte, sodafi das
Tier sich in wenigen Tagen vollig erholte.
3) Acidi-lactici-Taube. Beginn 7. Febr. 21, Gewicht 342 g, Temp. 42,3". Ein
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rascher Abfall des Gewichtes trat ein, doch zeigten eich kaum Krankheitesymptome.
Am 12. Versuchstage (Gew. 265 g, Temp. 42,2°) ergab die Untersuebung frisch entleerten
Kotes die Anwesenheit von Bact. acidi lactici. Am 16. Tage stieg das Korper-
«ewicht auf 273,5 g und die Taube zeigte groBen Appetit. Hierauf trat wieder Abfall
ues Gewichtes ein. Am 25. Tag (225,2 g, Temp. 40,1°) machte das Tier einen kranken
Eindruck, am 30. Tage trat Fliigelzittern auf, am 41. Tag (186 g, Temp. 39,6°) war der
Zustand so bedenklich, dafi der Versuch abgebrochen wurde. Das Tier erhielt eine
Hefegabe und Mais vorgesetzt und erholte sich dann.
4) Kon trolltau be. (Reis + vitaminfreie Bouillon). Beginn 2. Febr. 21, Gewicht
359 g, Temp. 41,9°. Rascher Gewichtsabfall trat ein und bereits am 8. Tage machte
das Tier einen kranken Eindruck. Am 14. Tage trat ein eigentiimliches Kopfnicken
ein, am 18. Tage betrug das Gewicht 235 g, Temp. 39,2°. Der Zustand der Taube liefi
den baldigen Exitus letalis erwarten, desnalb wurde der Versuch abgebrochen, Hefe
gegeben und zur Maisfutterung iibergegangen.
Zusam mengefaBt ergeben diese Versuche folgendes:
Die Kontrolltaube war nach 18 Versuchstagen bereits schwer erkrankt,
die Sulfureus-Taube starb am 18. Versuchstage, die Tauben, die die
Kulturen von Micrococcus candicans und Bact. acidi lactici
aus der Reishefetaube erhalten hatten, waren dagegen 42 bzw. 41 Tage
gehalten worden.
Es wurde zur Kontrollierung dieser Befunde noch eine Taube in den
Versuch genommen, die neben Reis tSglich eine Mischkultur von Micro¬
coccus candicans und Bact. acidi lactici, die wie oben ge-
schildert hergestellt war, enthielt.
5) Candicans- acidi 1 actici-Taube. Beginn 4. Marz 21, Gewicht 338 g, Temp.
42,5°. Das Gewicht sank kontinuierlich, anfangs sehr langsam (10. Tag 327 g, 42,3°),
spater etwas 6chneller (20. Tag 283,5 g, Temp. 40,6°) ab. Am 17. Tag wurde erstmalig
leichtes Fliigelzittern beobachtet. Am 38. Tage war bei 250 g Gewicht ein deutlicher
Temperaturabfall auf 38,6° eingetreten. Am 39. Tage traten die typischen polyneuritischen
Krampfe (Opisthotonus, Streckkrampfe der Beine, Ueberstiirzen) auf. Die Hefebehandlung
und Maisfutterung fiihrte zur baldigen Gesundung.
c) Bakterien von nur mit Reis gefiitterten und an Polyneuritis er-
krankten Tauben: Zur Priifung kamen Bac. plicatus'Zimmerm. und
Bac. simplex A. Meyer et Gotth. Beziiglich des ersteren ist es viel-
leicht interessant zu erwShnen, daB er auf gewohnlichem Nkhragar keine
Falten bildete, wohl aber als diesem auf 1000 ccm das Dekokt von 100 g
gemahlener gebrannter Gerste zugesetzt wurde.
1) Plicatus-Taube: Beginn am 7. April 21, Gewicht 282,2 g, Temp. 42,2°. Die
Taube erhielt dauernd 20 ccm der Kultur pro Tag. Gewicht und Temp, zeigten bei
volligem Wohlbefinden des Tieres bis zum 19. April, dem 13. Tage (Gew. 274 g, Temp. 41,6 °)
nur sehr langsamen Abfall. An diesem Tage trat gleichzeitig mit den ersten Symptomeu
(Aufplustern, Kopfschiitteln, Flugelzittern, griiner Durchfall) ein rascher Gewichts- und
Temperatursturz ein, bis schlieBlich am 13. Mai, also am 37. Versuchstage, das Tier ohne
typische Symptome zu bekommen, bei einem Gewicht von 234,6 g und einer Temp, von
38,5° so bedrohliche Schwache zeigte, daB der Versuch abgebrochen wurde. Die Taube
erholte sich nach einer Hefegabe ziemlich bald.
2) Simplex-Taube: Beginn am 11. April 21, Gewicht 373 g, Temp. 42,4°. Das
Gewicht dieser Taube fiel dauernd ziemlich rasch fast gleichmaflig ab, ahnlich die Temp.,
nur langsamer. Beim Einiritt der ersten Symptome am 12. Versuchstage (Aufplustern,
Flugelzittern, gruner Durchfall) betrug das Gew. noch 305,5 g, die Temp. 41,2°. Am
32. Tage trat eine Lahmung der Beine ein, weshalb der Versuch abgebrochen wurde.
Das Endgewicht war 205 g, die Endtemperatur 38,3°. Nach Hefegabe und Maisfutterung
erholte sich das Tier in einigen Tagen.
Wir gewannen hiernach den Eindruck, daB es in der Tat gelingt,
durch Verfiitterung von Kulturen von Micrococcus candicans, Bact.
acidi lactici, Bac. plicatus und schlieBlich auch Bac. simplex
das Eintreten der Reispolyneuritis bei Tauben etwas hinauszuschieben,
w&hrend Kulturen des Micrococcus sulfureus und die Mischkulturen
aus normalem Taubenkot diese Eigenschaft nicht besaBen. Dies wurde
zu der Folgerung ftihren, daB gewisse Bakterienarten bef&higt sind, aus
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einer vitaminfreien Bouillon antineuritisches Vitamin (B-Stoff) zu bilden,
wobei abgesehen von den Mischkulturen aus normalem Taubenkot, bei
denen vielleicht toxische Wirkungen nicht ganz ausgeschlossen sind, kein
Unterschied zwischen Bakterien besteht, die aus der mit Reis + Hefe
gefiitterten Taube und Bakterien, die aus einer nur mit Reis gefutterten
und an Polyneuritis erkrankten Taube gezflchtet wurden.
Die Vermutung der Vitaminbildung durch Bakterien sprachen auch
schon Bierry und Portier 1 ), Pacini, Russell und Wright 2 ) und
Bottemley 3 ) aus, doch ist aus den Arbeiten der beiden ersten Autoren
nicht ersichtlich, ob die Bakterien wie bei uns auf vitaminfreien Nahr-
boden gewachsen waren, w&hrend dies bei dem letzterwahnten Autor
sicher nicht der Fall war. Portier und Randoin 4 ) beobachteten bei
Fntterungsversuchen mit vitaminfreier Nahrung an Kaninchen, daft einige
Tiere, die ihren eigenen Kot fraBen, und Tauben, die auBer Reisnahrung
Kot von solchen Tieren als Zugabe erhielten, sp&ter erkrankten, als Tiere,
die ihren Kot nicht fraBen bzw. keine Zulage bekamen. Sie erkl&ren
die Tatsache damit, daB unter den Bedingungen dieser Versuche im
Darmkanal Vitamine von Bakterien aufgebaut werden. Beim Nieder-
schreiben dieser Arbeit erlangten wir noch Kenntnis von den Arbeiten
von Damon 5 ) und Wollmann 6 ), die den von ihnen untersuchten
Bakterien (Paratyphus B, Bact. coli, Bac. subtilis, Bac. bulgaricus)
die Bildung von Vitamin B absprechen.
Zunachst wird es sich darum handeln, den Beweis dafiir zu ftihren,
daB bei unseren Versuchen nicht Zufallsergebnisse vorliegen. Dies wird
moglich sein durch Gewinnung groBerer Massen von Bakterienkultnren,
die dann in fester Form den Tieren zu verabreichen w&ren. Wir sind mit
solchen Versuchen, die wir, wie aus dem Folgenden hervorgeht, auch auf
die Hefe ausdehnten, besch&ftigt und wollen die bisherigen vorlaufigen
Befnnde nur deshalb bekannt geben, weil uns Arbeiten von Harden
und Zilva 7 ) bekannt geworden sind, die in Shnlicher Richtung vorgehen.
Wie eben erwahnt, stellten wir auch Filtterungsversuche mit Hefe-
kulturen, und zwar an Brieftauben an. Kulturen einer unterg£rigen
Bierhefe in durch hohes Erhitzen vitaminfrei gemachter Traubenzucker-
bouillon wurden an 2 Tiere in Mengen von 16 ccm pro Tag verffittert.
Beide zeigten am 33. Tage schwere Erscheinungen, so daB der Versuch
abgebrochen werden muBte. Hefe wSchst auf diesem NShrboden aus-
nehmend schlecht, so daB die Mengen, die mit den Kulturen zugeftihrt
wurden, nur sehr geringe waren, pro Tag, wie aus sp&teren Feststellungen
hervorging, nur 0,02 g, also bei weitem nicht 0,5 g, wie sie zur Gesund-
erhaltung der Tiere genfigten, erreichten.
1) Bierry et Portier, Vitamines et symbiotes. ((J. R. Paris. T. 166. d. 963).
2) Pacini, Russell and Wright, The presence of a growth-producing substance
in cultures of typhoid bacilli. (J. of Biol. Chem. Vol. 34. 1918 p.43—49.)
3) Bottemley, On some auxiliatory factors in growth and nutrition of plants.
A bacterial test for auximones. (Proc. Roy. Soc. Sem. B. Vol. 88. 1914. p. 23?—247
und 89. 1915. p. 102-108).
4) Portier et Randoin, Creation de vitamines dans l’intestin des lapins
reeevant une nourriture st4rilis6e it haute temperature. (Cpt. rend, hebdom. d. s6anc.
de l’acad. d. scienc. T. 170. 1920. p. 478—480.)
5) Damon, Samuel, R., Bacteria as a source of the water soluble B vitamine.
(Journ. of biol. Chem. Vol. 48. 1921. p. 379—384.)
6) Wollmann, E., Sur le r61e aes microorganismes dans la production des vita-
mines. (Cpt. rend. d. sfanc. Soc. de Biol. T. 85. 1921. p. 801—803.)
7) Harden, A., a. Zilva, S. S., The synthesis of vitamine B by yeasts. [Prelim,
note.] (Biochem. Journ. Vol. 15. 1921. p. 438—439.)
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
Da bei 2 Kontrolltieren, die gleichzeitig mit den Hefetauben gefiittert
wurden und nur die vitaminfreie Traubenzuckerbouillon erhielten, am
23. und 18. Tage bereits die typischen Krampfe (Opisthotonus usw.) ein-
traten, kdnnte man demnach trotz der geringen Menge eine verzogernde
Wirkung der Hefe vermuten, wenngleich nicht auBer acht gelassen werden
darf, daB die Zeitspanne von 33 Tagen, die bis zur Erkrankung der Hefe-
tiere verstrich, fur sichere Schiiisse zu kurz ist.
Ueberschaut man diese Ergebnisse, so kfinnte man wohl auf den
Gedanken kommen, daB doch die Anwesenheit bestimmter Arten
unter den Darmbakterien das Eintreten der Erkrankung
nach Reisfiitterung zum mindesten hinausschieben konnte.
Dasistaber nichtwahrscheinlich, da das sehr geringe Fassungs-
vermogen des Darmtraktus dieser Tiere fur die Entwicklung geniigender
Bakterienmengen nicht ausreicht. Wir haben die mit Bact. acidi
lactici gefiitterte Taube 11 Tage nach ihrer Heilung durch Hefe und
Maisfiitterung erneut auf Reisdiat gesetzt. Bereits am 9. Tage traten
die ersten Erscheinungen mit Fliigelzittern ein, am 19. Tag Opisthotonus,
am 20. wurde das Tier durch Chloroform getotet und der Darminhalt
bakteriologisch untersucht. Die Ergebnisse waren folgende:
A. Aerobier: Driisenmagen: Reaktion sauer. Bact. acidi lactici Hiippe,
Micrococcus candicans Fliigge, Actinomyces chrom. Gasp. [} alb. L. et N.,
Micrococcus luteus L. et N., Corynebact. pseudophtheriticum (Loeffl.) L.
et N., Streptococcus acidi lactici Grotenf., Monilia.
Muskelmagen: Reaktion kraftig sauer. Bact. acidi lactici, Micrococcus
luteus, Schimmelpilze (Penicillium und Monilia).
Duodenum: Reaktion schwach alkalisch. Bact. acidi 1 actici,Micrococcus
luteus, Actinomyces chrom. Gasp. alb. L. et N., Schimmelpilze (Penicillium
und Monilia).
Vorderer Diinndarmabschnitt: Reaktion schwach alkalisch. Bact. acidi
lactici, Micrococcus luteus, Schimmelpilze (Penicillium).
Kaudaler Dun ndarmabschnitt: Reaktion schwach alkalisch. Bact. acidi
lactici, Micrococcus luteus, Bact. coli (Escher.) L. et N. Actinomyces
chrom. Gasp. /? alb. L. et N., Schimmelpilze (Penicillium).
Dickdarm: Reaktion schwach alkalisch. Bact. acidi lactici, Micrococcus
luteus, Actinomyces chrom. Gasp. /? alb. L. et N. Schimmelpilze (Penicillium
und Aspergillus).
B. An aerobier: Typische Anaerobier wurden nicht gefunden. Die Untersuchung
ergab nur das Vorhandensein eines Vertreters der „Langen Milchsaurebakterien 11 im kau-
dalen Dunndarmabschnitt und Dickdarm.
Ergebnis: Die Magen- und Darmflora war noch beherrscht von
Bact. acidi lactici, welches offenbar angesiedelt war. Man erkennt
hier deutlich den EinfluB der der einseitigen Reisfiitterung vorhergehenden
Fiitterung. Neben ihm fand sich eine Kokkenflora, etwas zuriicktretend
Actinomyces und die Schimmelpilzflora. Alles in allem ahnelt die Flora
in einer Richtung normalen Verhaltnissen und in anderer den Befunden
bei der Reishefetaube und Taube BB IV. Trotzdem aber Bact. acidi
lactici dominierte, war eine Verzogerung des Eintrittes der Krankheits-
erscheinungen nicht wahrzunehmen, wodurch die obige Ueberlegung ihre
Bestatigung findet.
Zusammenfassung.
1) Die Magendarmflora von mit Reis gefiitterten Tauben ist sehr
arm an Arten, die je nach der Vorbehandlung des Reises verschieden sind.
2) Kulturen verschiedener D&rmbakterien und von Hefe, in vitamin-
freien flussigen Niihrboden neben Reis gefiittert, vermochten den Eintritt
der typischen Erscheinungen hinauszuschieben.
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Potthoffu. Heuer, Ejnfl. d. ultraviolett. Strahlen auf d. Antikorp. in vivo. 299
Naahdruck verboton
Der Einfluss der ultravioletten Strahlen auf die Anti-
korper in vivo.
{Aus der Bakt. Abteilung des Reichsgesundheitsamts (Direktor: Geh.
Reg.-Rat Prof. Dr. Haendel, Laborat.-Vorsteher: Ober-Reg.-Rat Prof.
Dr. L. Lang e).]
Von P. Potthoff und G. Heuer.
Mit 1 Kurve im Text.
Die vielseitige Verwendung des ultravioletten Lichtes in der Therapie
sowohl aufierer wie innerer Erkrankungen legte den Gedanken nahe,
Versuche fiber den EinfluB der ultravioletten Strahlen auf im Tierkorper
kreisende Antikorper anzustellen.
Die Untersuchungen erstreckten sich zunfichst auf den EinfluB der
ultravioletten Strahlen auf die Bildung von Agglutininen. Unser Ver-
suchsplan war folgender: Von 12 Versuchstieren —Meerschweinchen —
warden je 2 von nach Moglichkeit gleicher Farbe und gleichem Gewicht
zusammengestellt. Von diesen wurde das eine tfiglich einer Bestrahlung
mit ultraviolettem Lichte unterworfen, wfihrend das andere zur Kontrolle
diente. Von den Kontrolltieren der 6 Versuchspaare wurden 3 tfiglich
die gleiche Zeit hindurch, die die Bestrahlung dauerte, demselben Wfirme-
einflusse ausgesetzt, den auch die Quarzlampe auf die bestrahlten Tiere
ausflbte. (In den folgenden Tabellen als \VK bezeichnet.)
S&mtliche 12 Versuchstiere wurden intraperitoneal mit steigenden
Dosen (Vio —128 Oesen) 30 Min. bei 60° C im Wasserbade abgetfiteter
Typhusbazillen gleichmfiBig und gleichzeitig (etwa alle 8 Tage) iramu-
nisiert.
Mit der Bestrahlung wurde sofort nach der ersten immunisierenden
Einspritzung begonnen.
Die Bestrahlungen wurden mit einer Quarzlampe (Laboratoriums-
lampe ffir Gleichstrom 110 V.), sogenannter kfinstlicher HOhensonne,
vorgenommen, die uns liebenswfirdigerweise von der Quarzlampen-
gesellschaft in Hanau zur Verftigung gestellt wurde.
Die Versuchstiere wurden in 20 cm Entfernung von dem Quarz-
korper bestrahlt. In der Zeit vom 24. Februar bis 7. Mai 1921 wurden
den Tieren 59 Bestrahlungen verabfolgt. Die Bestrahlungsdauer wfihrte
taglich 15 Min. Die Temperatur in 20 cm Entfernung vom Quarzkfirper
betrug am Ende der Bestrahlungen durchschnittlich 36—37° C. Die
Meerschweinchen wurden so gesetzt. daB die Augen vom Lichte abge-
wendet waren, und die Rfickenseite der Tiere bestrahlt wurde.
Irgendwelche Schfiden infolge der Bestrahlung wurden bei den
Tieren nicht beobachtet. Eine Verbrennung ersten Grades der wenig
behaarten Ohren, die gleich anfangs auftrat, heilte vfillig ab, und nur
eine leichte Rfitung blieb zurfick. Die Tiere verhielten sich unter der
Quarzlampe sehr ruhig.
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300
Centralbl. 1. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
In gleichmaBigen, etwa 8-tSgigen Zeitabschnitten, wurde samtlichen
Versuchstieren Blut aus den Ohren entnommen, und dann der Agglu-
tiningehalt des Serums bestimmt. Die Ablesung erfolgte nach 2 Std.
bei 37° und nach 20 Std. bei Zimmertemperatur mittels des Agglu-
tinoskops.
Da die ersten Priifungen auf den Agglutiningehalt des Serums der
Tiere keinen erkennbaren Unterschied zwischen bestrahlteu und unbe-
strahlten Tieren zeigten, und schon von vornherein die Vermutung nahe
lag, daB das dichte Haarkleid der Tiere eine direkte Einwirkung der
ultravioletten Strahlen auf die Haut verhinderte, wurden die Riicken-
seiten der Tiere auf einer Fl&che von ca. 20 qcm mit Calciumsulfid
enthaart. Die auch hier wie an den Ohren anfangs auftretende Ver-
brennung ersten Grades heilte bald ab, und es blieb nur eine dauernde,
leichte Rfitung bestehen.
Fur die Feststellung des Agglutiningehaltes wurden folgende Reihen
angesetzt:
1: 20, 40, 80, 160, 320, 500, 640, 800, 1000, 1280, 2000, 4000, 5000, 8000,10 000, 20000.
In Tab. I sind nicht die absoluten Titerwerte angegeben, sondern
wir haben der Uebersichtlichkeit wegen und um eine vergleichende Be-
rechnung und Auswertung der Ergebnisse zu erinbglichen, sogenannte
Agglutinationsstufen eingefiihrt. Stufe 1 entspricht der Serum-
verdunnung 1: 20, Stufe 2 der Verdiinnung 1 : 40 usw. Von einer Stufe
zur anderen ist also immer die Verdiinnung eine 2mal so starke, die
Konzentration dagegen auf die Haifte herabgesetzt. Fur diejenigen
Titerwerte, die sich nicht unmittelbar in die geometrische Reihe mit
dem Faktor 2 einfiigten, wurde durch Interpolation die entsprechende
Stufe errechnet.
Infolge einer spontanen Infektion mit sogenannten Fleischvergiftern
(Fliigge-Kaensche) gingen mehrere der Versuchstiere zugrunde, so
daB bei einigen Versuchspaaren die Moglichkeit, die Bildung von Agglu-
tininen beim bestrahlten und unbestrahlten Tiere zu vergleichen, vorzeitig
unterbunden wurde.
So lieB sich durch den interkurrenten Tod eines der beiden Tiere
bei den Paaren C und D nur bis zur Dauer von 13 Bestrahlungen, bei
den Paaren A und E bis zu 34 Bestrahlungen ein unmittelbarer Ver-
gleich gewinnen, wShrend Paar B hinter dem am langsten ausharrenden
Paar F nur um 6 Bestrahlungen zuriickblieb.
In Tab. II sind nun fiir alle 6 Paare nach steigender Zahl der Be¬
strahlungen, wahrend welcher das jeweilige Kontrolltier noch lebte, die
Sum men aller bei den einzelnen Tieren gefundenen Agglutinations¬
stufen zusammengestellt, und daneben die Unterschiede angegeben, die
hierbei zugunsten der einzelnen Tiere auftreten.
Wie auch schon aus Tab. I zu ersehen ist, ist nach 7 Bestrah¬
lungen gar kein, nach 13 Bestrahlungen, nur bei Paar B und F, ein
minimaler, kaum bemerkbarer Unterschied festzustellen gewesen.
Die Paare C und D scheiden also infolge zu weniger Bestrahlungen
wohl aus; betrachtet man aber die Paare A und E einerseits und die
Paare B und F andererseits, so ergibt sich beide Male, daB bei dem
„gefarbten“ dunkleren Tierpaare der Unterschied zugunsten des be¬
strahlten, dagegen bei dem „weiBen u Paare zugunsten des Kontroll-
tieres liegt.
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Potthoff u. Heuer, Einfl. d. ultraviolett. Strahlen auf d. Antikorp. in vivo. 301
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302 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
Tabelle II.
Nach ...
Bestrah-
1ungen
Tierpaar
Farbung
Summed, ermittelten
Agglutinationsstufen
= Unterschied von ... Agglu¬
tinationsstufen zugunsten von
B
WK
K
B
WK
K
13
C
weifi-braun
5
6
1
13
D
weifl
6
6
34
A
rehfarben
20
16
.
4
9
34
E
weifl
19
22
3
53
B
schwarz-gelb
47
34,6
.
12,4
,
59
F
weifl-gelb
56,6
68,7
•
12,2
•
Nachdem sich, wie aus Tab. I zu entnehmen ist, weder ein EinfluS
der Erwarmung, noch ein solcher des Ausgangsgewichtes Oder der Ge-
wichtsab- oder -zunahme whhrend des Versuches geltend machte, werden
wir zur Vermutung gedrangt, die FSrbung der Tiere sei fur das
Ergebnis von Bedeutung.
Der Unterschied zugunsten der gefarbten Tiere tritt aber auch nicht
minder klar hervor, wenn man fiir die Paare A, B und C — also die
„gefarbten d Paare — auf der einen Seite und fiir die Paare D, E und
F — die ungefarbten — auf der anderen Seite fiir die s&mtlichen
einzelnen Entnahmen die Mittelzahlen der Agglutinationsstufen berechnet
(s. Tab. III!).
Tabelle III.
Vergleich der Mittelzahlen der Agglutinationsstufen.
Ent-
nahme
Mittel aus Paaren: A, B, C
Tiere
„farbige“
Mittel aus Paaren: D,
„weifie“ Tiere
E F
B“.
Tiere
„K“- bzw.
WK
Tiere
Differenz
B-K
bzw. WK
Index fur
B-Tiere
B“-
,1^
Tiere
K- bzw.
WK-
Tiere
Differenz
B—K
bzw. WK
Index fur
B-Tiere
1
2,67
2,67
0
1
3
3
0
1
2
2
2,67
+0,33
1,26
3,33
3,67
—0,33
0,81
3
3,3
1,5
+ 1,8
3,48
4,5
6
-1,5
0,35
4
5,67
3,5
+2,17
4,50
4
6
—2
0,25
5
6,3
5,5
+0,8
1,74
6
6,3
-0,3
0,81
6
6
5,5
+0,5
1,41
(6)
7
—1
(0,50)
7
8
(7)
+ 1,0
(2)
(8)
8,28
-0,28
(0,82)
8
11
(7,6)
+3,4
(10,55)
(9,6)
9,2
+0,6
(1,52)
9
(11)
(7,6)
+3,4
(10,55)
(9,95)
10,06
—0,11
(0,93)
Die Tabelle zeigt, dad die Differenzen zwischen Mittelwert fur be-
strahlte Tiere und Mittelwert fiir Kontrollen bei den „gefarbten“ Paaren
ausnahmslos ein positives, bei den „weiden“ Paaren dagegen, mit einer
Ausnahme, ein negatives Vorzeichen haben.
(Bei den eingeklammerten Zahlen der Tab. Ill handelt es sich nicht
im strengen Sinne urn Mittelwerte, da sie nur von jeweils 1 Tiere
stain men.)
Wie aus dem oben Gesagten hervorgeht, bedeutet eine Differenz
von +1: dad der Durchschnittstiter der bestrahlten Tiere 2mal, von
-f-2, dad er 4mal, von +3, dad er 8mal so hoch ist, als derjenige
der Kontrolltiere. Umgekehrt entspricht eine Differenz von —1, —2
und —3 der Halfte, dem Viertel und Achtel des Titers der unbe-
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Potthoff u. Heuer, Einfl. d. ultraviolets StTahlen auf d. Antikorp. in vivo. 303
strahlten Kontrollen. Dieses Verhaltnis der Titer-, und zwar gleichgultig,
um welche absoluten Titerhohen es sich handelt, haben wir als „Index lt
fQr die B-Tiere ira Vergleich zu den Kontrollen genommen.
Der Index 1 bedeutet also, daB ein Unterscbied in der TiterhQhe
(Agglutiningehalt) iiberhaupt nicht besteht, der Index 2, dafi bei unserer
geometrischen Verdunnungsreihe (mit dem Faktor 2 fQr VerdQnnungs-
titer, bzw. dem Faktor fQr Serumkonzentration) die Agglutination
sich um 1 ROhrchen, eine VerdQnnungsstufe, weiter nach rechts er-
streckte usw., was eben auch in den Zahlen fQr die Dilferenzen zum
Ausdruck kommt.
Indexzahlen unter 0 bedeuten, daB der Titer niedriger, und wie viel
Mai er niedriger ist.
Betrachtet man nun daraufhin die Angaben in Tab. Ill, so ist wohl
der Unterschied der beiden Gruppen von Tierpaaren — hier gef&rbt,
dort weiB — ein auffQlliger, aber in quantitativer Hinsicht doch nur ein
mSBiger, wenn man nQmlich die eingeklammerten Werte als auf weniger
sicherer, unter Umstanden durch den Zufall bedingter Grundlage be-
ruhend, auBer Betracht l&Bt.
Da s&mtliche Serumproben des gleichen Entnahmetages mit der
gleichen Bazillenaufschwemmung austitriert wurden, mQssen zutage ge-
tretene Unterschiede dem Tiere zugeschrieben werden. Nun ist es ja
bekannt, wie aus noch nicht nQher erforschten Ursachen bei haufiger
PrQfung Schwankungen im Titer des Serums des gleichen Tieres auf-
treten. Auch k5nnen trotz sorgfaltigster AusfQhrung bei den immuni-
sierenden Einspritzungen Unterschiede um Millionen der eingebrachten
Bakterien kaum vermieden werden und anderes mehr. Das bei 2 Tieren
(Meerschweinchen 2 und 11) beobachtete Sinken des Titers im Verlaufe
der Immunisierung — einmal bei der Kontrolle, einmal beim „B tt -Titer
— macht sich bei der geringen Zahl der Tiere sofort in den Vergleichs-
werten sehr bemerkbar.
Nach allem mochten wir daher auf Grund der bis jetzt vorliegenden
Ergebnisse den EinfluB der Ffirbung durchaus noch nicht als fest-
stehende Tatsache hinstellen, sondern nur zum Ausdruck bringen, daB
wir einen solchen auf Grund unserer Befunde und deren statistischen
Analyse fQr wahrscheinlich halten.
Eine ErklQrung fur die gunstigeren Befunde bei den Tieren mit
pigmentierter Haut gegenOber den Albinos kann sich bei dem jetzigen
Stande unseres Wissens wohl nur in Vermutungen bewegen. M.Fran-
kel (Die Bedeutung der RQntgen-Strahlen in der Medizrn. Strahlen-
therapie. Bd. 12. 1921. S. 603) erblickt in dem Umstande, daB durch
R6n tge n - Strahlen — und ein gleiches durfen wir wohl auch fQr
die ultravioletten Strahlen annehmen — bei schon pigmentreicher,
also physiologisch schon starker gebrQunter Haut die Pigmentierung
im Verhaltnis noch starker als bei pigmentarmer wird, einen Beweis
dafur, daB die Radiosensibilitat eines Organes oder Gewebes parallel
der Qber das Physiologische hinaus schon vorher gesteigerten oder
veranderten Zelltatigkeit vermehrt wird. Die nach E. Hoffmann und
nach Meirowsky als innersekretorisches Organ aufzufassende Haut
wQrde also namentlich durch das auf photochemische Reize besonders
leicht ansprechende Pigment, bzw. die Zellen, die die Fahigkeit der
Pigment- oder Propigmentbildung besitzen, zu erhohter innerer Se-
kretion angeregt. Nach Frank el ist es auch denkbar, daB aus der
belichteten Haut stammende Stoffwechselprodukte einen nutritiven Reiz
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304
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
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auf die Bildungsstatten der Blutkdrperchen, und das sind ja auch die
der Agglutinine, ausiiben.
Die erhohte Warmeaufnahme der pigraentierten Haut, welche nach
P. Schmidt als Warmefilter zum Schutze der tiefer liegenden Gewebe
dient, diirfte an sich nicht als Ursache zu verwerten sein, nacbdem ge-
rade bei den das starkste gegensStzliche Verhalten zeigenden Paaren B
und F die Kontrollen ebenfalls der Warme ausgesetzt waren. Man
konnte aber auch vielleicht eine st&rkere Schadigung der Albinos durch
die Ultraviolettstrahlen zur Erkl&rung heranziehen.
Auf einen mSglichen Einwand mochten wir noch kurz eingchen.
Das unbestrahlte Kontrolltier Meerschweinchen 4 ist am Tage nach der
letzten Blutentnahme an einer Infektion mit einem Paracoli-Stauim
gestorben. Man konnte nun daran denken, den verhaltnismaBig niedrigen
Titer seines Serums hierauf zuriickzufflhren. DaB jedoch ein derartiger
Zusammenhang nicht besteht— zum mindesten nicht bestehen muB —
geht unseres Erachtens mit Sicherheit daraus hervor, daB bei dem be-
lichteten Meerschweinchen 5, das am gleichen Tage wie Meerschweinchen 4
und genau an der gleichen Inlektion einging, ein Titer von 1:10 000.
= Stufe 10,95, gefunden wurde.
LSBt man die F&rbung der Tiere ganz auBer acht und stellt ent-
sprechend der Tab. Ill ftlr sSmtliche Tiere und Entnahmen Mittelzahlen,
nur getrennt nach bestrahlten und Kontrolltieren, auf, so ergibt sich
Tab. IV.
Tabelle IV.
Entnahme
Durchschnitt der Agglu-
tinationsstufen
B 1 K bzw. WK
Differenz
B—K bzw.
WK
Gegam tindex
fur die
B-Tiere
1
2,83
2,83
0
1
2
3,33
3,33
0
1
3
3,8
4,2
-0,4
0,78
4
4,8
5,0
-0,2
0,87
5
6,02
6,02
0
1
6
6,0
6,4
-0,4
0,78
7
8,0
7,85
+0,15
1,11
8
10,49
8,56
+ 1,93
3,81
9
10,45
9,23
+ 1,92
2,32
Diese zeigt erst von der 8. Entnahme an, nachdem nur mehr die
Halfte der Tiere (je 3 B- und K- bzw. WK-Tiere) am Leben war, einiger-
maBen einen Unterschied zugunsten der bestrahlten Tiere.
Als Gesamtergebnis miissen wir also angeben, daB die Bestrahlung,
wenn iiberhaupt, nur von geringem EinfluB auf die Agglutininbil-
dung war, und daB sich zwischen weiBen und gefarbten Tieren insofern
ein Unterschied zu zeigen scheint, als bei den letzteren die Agglutinin-
bildung durch die ultravioletten Strahlen etwas mehr begunstigt wird,
als bei den weiBen Tieren.
Eine weitere Untersuchung sollte die Wirkung der ultravioletten
Strahlen auf die im Korper immunisierter Tiere sell on v orh an denen
Agglutinine dartun. Die der „natiirlichen u Hohensonne analogen
therapeutischen Erfolge der „kunstlichen“ Hohensonne lieBen den SchluB
zu, daB wir bei unseren Bestrahlungen gegen Typhus immunisierter
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Potthoff u. Heuer, Einfl. d. ultraviolet!. Strahlen auf d. Antikorp. in vivo. 305
Tiere ahnliche Beobachtungen raachen wurden wieStaubli. Staubli
hat mit Gonzenbach (Ergebn. f. inn. Med. u. Kinderheilk. Bd. 11.
S. 102) die Einwirkung des Hbhenklimas und des Sonnenlichtes auf den
Agglutiningehalt des Serums von Tieren untersucht, die mit Typhus-
bazillen vorbehandelt waren. Sie haben festgestellt, daB der Agglutinin¬
gehalt viel schneller bei den Tieren zuriickgeht, die in Hohenklima
leben, als bei Tieflandtieren. Besonders auffallend war der rasche
Rflckgang des Agglutiningehalts bei den Tieren, die dem Sonnenlichte
ausgesetzt waren.
Infolge Tierknappheit konnte nur mehr oder weniger ein Tastversuch
vorgenommen werden.
Wir immunisierten nach der Methode Fornet-Miiller 1 Kanin-
chen und 2 Meerschweinchen gegen Typhus. Eines der immunisierten
Meerschweinchen diente als Kontrolltier.
An 3 aufeinanderfolgenden Tagen erhielten die Kaninchen V20 J Vi
und */, 24 Std. alte Typhusbazillenkultur eines SchrSgagarrbhrchens in
Titer
32000 ,
30000 j.
28000L
26000
24000
220001
20000 i //
i *7
teoooL^
A
160000-
14000
12000 '
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SOOoL
6000J-
400Q L
200qL
/ ^
V
w
\\
V,
Vi
\\
w
. belichtetes Kaninchen
. belichtetes Meerschweinchen
.Kontrolltier (Meerschweinchen)
16. April 21 23.
30
7.Mai
14 21. 28
Tage der Blutentnahme
Kurve 1.
1 ccm Kochsalzlosung intravenos und die Meerschweinchen y i00 , y 20
und Vio der gleichen Kultur intraperitoneal. Nach Ablauf von 14 Tagen
hatten s&mtliche Versuchstiere den gleichen Agglutinationstiter gegen
Typhusbazillen von 1:16 000. Die Tiere wurden auf dem Rucken ent-
haart und in 10 cm Entfernung von der Quarzlampe bestrahlt. Im
ganzen wurden 35 Bestrahlungen verabfolgt. Die Bestrahlungsdauer
steigerten wir, mit 5 Min. beginnend, allm&hlich auf 15 Min. tfiglich.
Die beigegebenen Kurven veranschaulichen das Verhalten der Agglu¬
tinationstiter der Versuchstiere wahrend der Bestrahlung. Der Agglu¬
tinationstiter im Serum der bestrahlten Tiere stieg nach den ersten
Bestrahlungen auffallend hoch an, um dann von der 6. Bestrahlung ab
sehr rasch zu sinken, so daB er schon nach 12 Bestrahlungen wesentlich
niedriger war als der der Kontrollen. Bei SchluB der Untersuchung
verhielt sich der Agglutinationstiter des Serums der bestrahlten Tiere
zu dem des unbestrahlten wie 1:5.
Wie vorstehende Kurve auf das deutlichste zeigt, konnten wir einen
groBen Unterschied zwischen bestrahlten und unbestrahlten Tieren fest-
stellen. Die anfanglich sowohl beim Meerschweinchen wie beim Kanin-
Erttc Abt. One. Bd. 8H. Heft 4. 20
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chen in ganz gleicher Weise beobachtete betr&chtliche Steigerung des
Titers darf wohl als Reizerscheinung aufgefaBt werden und wiirde bis
zu einem gewissen Grade als Erganzung fQr die weniger klar zutage
getretenen Ergebnisse des 1. Teiles dienen konnen, zumal das bestrahlte
Meerschweinchen und Kaninchen am Riicken vorwiegend schwarz gefarbt
waren.
Das dann bald folgende Absinken des Titers steht in Uebereinstim-
mungmit den Beobachtungen StSublis bei Bestrahlung mit natur-
licher Hbhensonne.
Zur ErklSrung des schnelleren Sinkens des Agglutinationstiters bei
den bestrahlten als bei den unbestrahlten Tieren mSchten wir uns der
Ansicht St&ublis anschlieBen. St&ubli und Gonzenbach fflhren
das schnelle Schwinden der Agglutinine darauf zuriick, daB der wohl
infolge des Hohenklimas und der Sonnenbestrahlung erhohte Stoffwechsel
die nach einer Infektion zuriickbleibenden biologischen Ver&nderungen
im Organismus, auch wenn es sich um ImmunitatsvorgSnge handelt,
schneller ausgleicht. Eine Shnliche, den Stoffwechsel erhohende Wir-
kung ist wohl auch der Bestrahlung mit ultravioletten Strahlen zuzu-
schreiben.
Unsere Untersuchungen haben unter den ungiinstigen ZeitverhSLlt-
nissen insofern zu leiden gehabt, als wir infolge Tiermangels die sehr
erwunschten Erg&nzungen und Wiederholungen unter besonderer Be-
rucksichtigung unserer vorstehend geschilderten Erfahrungen nicht durch-
fuhren konnten. Da auch in absehbarer Zeit keine Aussicht auf Besse-
rung dieser Verhaltnisse besteht, glauben wir uns zur Veroffentlichung
unserer Ergebnisse berechtigt, auch wenn wir diese noch nicht als
endgiiltige bezeichnen konnen. Von besonderem Interesse scheint. uns
die anfanglich hochgradige Steigerung der Agglutinine nach
verhaltnism&Big wenigen Bestrahlungen schou immunisierter
Tiere zu sein. Falls sich diese Beobachtung, woran wir nicht zweifeln T
bestatigen wiirde, diirfte sie auch von praktischer Bedeutung fflr die
Gewinnung hochwertiger agglutinierender Sera sein.
Nachdruck verboten.
Beitrage zur Theorie der Bakterienflltration.
[Aus dem Veterinar-Pathologischen Institut der Universitat Ziirich.]
Von Prof. Dr. Walter Frei, Direktor, und Tierarzt Hermann Erismann,
ehem. Mitarbeiter.
Die Filtration, ale eine Methode der Entfernung von Mikroorganiemen aus Fliissig-
keiten, iet sehr weit verbreitet zur Heretellung eines einwandfreien Trinkwassers. Man
kann hier zwiechen GroS- und Kleinfiltern untereeheiden. Die ereteren dienen zur
Keinigung des fur ganze Gemeinden bestimmteu Trinkwassers, die letztereu findet man
in Gehoften, in Haushaltungen, in Eieenbahnwagen, bei Feldzugen und auf Reisen.
Die GroBfilter bestehen aus Sand, die Kleinfilter sind im allgemeinen sogenannte
Filterkerzen, d. h. poroee, starre Mas6en aus Kieeelgur, Porzellan oder Ton. Zur voll-
8tandigen Entkeimung sind Sandfilter im allgemeinen nicht geeignet, sie erzielen hoch-
etens eine grbSere oder geringere Keimverarmung. Eine volletandige Entkeimung einer
F'liissigkeit ist unter Beobachtung gewieser Kautelen moglich mit Filterkerzen. Der
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Frei u. Erismann, Beitrage zur Theorie der Bakterienfiltration. 307
Meehan ismus der Sand filter ist noch ziemlich ungeklart. Man kann die dariiber be-
stehenden Ansichten in 2 Gruppen einteilen:
1) Die mechanische Theorie 1 2 ), naeh weleher Bakterien lediglich zufolge der
Kleinheit der Poren im Sande bzw. in der Filterhaut (d. i. eine nach einer gewissen
Zeit auf dem Sandfilter sich ausbildende Schicht, die ane der Flora und Fauna und
den eonstigen, nicht belebten, Suepensis dee Rohwassers besteht) zuriickgehalten werden.
Gelegentllch wird in diesem Zusammenhange auch von Adsorption gesprochen. Eine
Verkleinerung der Sandporen durch die Suspenea findet im Gebrauch des Filters statt
und das fiihrt zu einer besseren Zuriickhaltung der Bakterien und soli auch durch
Verschleimung, das ist Klebrigmachen der Sandkornoberflache, adsorptiv wirken.
2) Die Absorptionstneorie 3 ) besagt, dafi Bakterien und andere Partikel (so-
wie geloBte Substanzen) an die Sandkbrner und an die sie iiberziehende Schleimschicht
ab- Oder adsorbiert und so festgehalten werden.
2) Nach der biologischen Theorie soil die Entkeimung des Rohwassers durch
allerlei Mikroorganismen pflanzlicher oder tierischer Natur (Bakterien, Algen, Proto-
zoen), zum Teil unter Mitwirkung des Sauerstoffes, hauptsachlich in der Filterhaut
vor sich gehen. Neuerdings ist insbesondere von Kisskalt 3 ) die grofie Bedeutung
der Protozoen, welche die Bakterien des Rohwassers als Nahrungsmittel beniitzen, be-
hauptet worden.
Eine strenge Trennung dieser Theorien wird sich in praxi kaum dnrchfiihren
lassen, vielmehr werden wohl alle genannten Faktoren bei der Entkeimung mitwirken,
so daB also eine Synthese der Theorien das Richtige treffen wiirde. Die Frage ist nur,
weleher der genannten Faktoren der wichtigste und leistungsfahigste ist. Es ist sehr
wohl moglich, dafi die Bedeutung der einzelnen Faktoren von Filter zu Filter, von Ort
zu Ort variiert, indem die chemische Zusammensetzung und die physikalischen Eigen-
schaften, die Flora und Fauna des Rohwassers, die chemische Zusammensetzung und
die physikalischen Eigenschaften des Sandes und weitere Begleitfaktoren, zum Teil Tem-
peratur, Zusammensetzung der Atmosphere iiber dem Filter, jedenfalls die genannten
Faktoren beeinflussen und von Ort zu Ort verschieden machen.
Die vorliegende Arbeit soil nun Beitrage bringen zur Kenntnis
einiger rein physikalischer Faktoren, die bei der Fil¬
tration in Frage kommen konnen.
Allgemelnes.
Bei der Filtration von Bakterien durch porose Massen kommen 2 Faktoren in
Betracht: 1) das sogenannte rein mechanische Zuriickhalten, 2) die Adsorption.
Ad 11 Bakterien, d. h. Stabchen oder Kugeln, konnen in einer pordsen Masse
zuriickgehalten werden, indem ihr Langs- oder Querdurchmesser den Porendurchmesser
ubertrifft. Es ist aber auch moglich, daS ein Stabchen in der Langsrichtung durch
die Oeffnung ginge, in der Querrichtung aber nicht, d. h. es kann sich quer iiber die
Porenbffnung auf die Rander derselben legen; ferner kann ein Stabchen ein Stuck weit
in eine unregelmaflig geformte Oeffnung hineingehen und sich im weiteren Verlaufe des
Kanales infolge UnregelmiiSigkeiten desselben schief stellen und festklemmen. Ob ein
Stabchen, dessen kleiner Durchmesser kleiner ist als der Durchmesser einer Pore, sich
in Langsrichtung oder Querrichtung einstellt, d. h. durchgeht oder nicht, hangt nach
den Untersuchungen von Van’t Hoff 4 ) und Hatschek*) ab von der Durchflufi-
geschwindigkeit, von der Viskositat der Fliissigkeit und der Differenz des spezifischen
Oewichtee der Zellen und der Fliissigkeit. Wichtig fur das Durchtreten ist die Mttg-
lichkeit der Wirbelbildung, wodurch Teilchen in der Langsrichtung in die Poren hinein-
gesoger. werd.n konnen.
Die zur Filtration verwendeten porosen Massen konnen in 2 Gruppen
eingeteilt werden:
1) Frankel und Piefke, Crahn, Lueger, G6tze gehbren zu den ersten,
die sicn experimentell mit dieser Frage befaflten (zit. bei Oettinger, Zeitschr. f. Hvg.
Bd. 7. 1912).
2) Dunbar, Leitfaden fflr die Abwasserreinigungsfrage. Miinchen und Berlin
1912. — Don, J., u. Chisholm, J., Modern methods of water purification. London
1013
3) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 80. 1915. u. Bd. 83. 1917.
4) 5) vgl. W. Frei, Zur physik. Chemie der filtrierbaren Krankheitseireger. (Arch,
f. wise. u. prakt. Tierheilk. Bd. 46. 1920. H. 3.
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1) Die Hohlraume bilden die zusammenhiingendc Phase, d. h. das Dispergens,
also Luft oder Wasser, und die Filtermasse das Dispersum, ist UDZusammenhangend.
Typus: Sandfilter.
2) Der feste Anteil, d. i. die Filtermasse, ist mehr oder weniger zusammenhangend
und bildet also in gewissem Sinne das Dispergens; das Filter nat starre Form, die
Hohlraume sind das Dispersum, also mehr oder weniger unzusammenhangend. Typus:
Filterkerzen aus Porzellan, Ton, Kieselgur, Filtrierpapier. Selbstverstandlich ist
diese Einteilung besonders in bezug auf die 2. Untergruppe nicht streng durchzufuhren,
denn ein gewisser Zusammenhang^von Poren ist zum Durchtritt von Fliissigkeit unbe-
dingt notwendig.
Ad 2) Adsorption ist das Festhalten von molekular- oder groberdispersen Sub-
stanzen an einer Oberflache. MaOgebend fiir die Adsorption sina folgende Faktoren:
1) Die absolute GroBe der Oberflache pro Volumeneinheit, 2) fur Bakterien wahrschein-
lich auch die Beschaffenheit der Oberflache (Kriimmungsgrad), 3) die Natur des Ad-
sorbens und Adsorbendums, d. i. die chemische Zusammensetzung, 4) die elektrische
Ladung von Adsorbens und Adsorbendum, 5) die Anwesenheit sowie die physikalischen
und chemtechen Eigentiimlichkeiten dritter Substanzen.
Von einer besonderen Bedeutung war von jeher das Verhaltnis von PoreugroBe
zur GroBe der durchtretenden Mikroorganismen. Man hat langere Zeit geglaubt, einer -
seits durch eine (allerdings nur scheinbare) GroBenbestimmung der Filterkerzenporen,
andererseits durch Eichung der Poren durch Mikroorganismen bekannter GroBe, zu
einer GroBenbestimmung der sogenannten filtrierbaren Vira zu gelangen. Gegen dieses
Verfahren sind schon namentlich von Do err 1 ) und schliefilich eingehender vom physi-
kalisch-chemischen Standpunkte aus von W. Frei 2 ) schwerwiegende Bedenken erhoben
worden. Es hat sich aus alien diesen Untersuchungen ergeben, daB das Filtrations-
experiment zu einer GrdBenbeslimmung der durchgehenden oder zuruckgehaltenen Zellen
nicht verwendbar ist, hauptsachlich, weil die kleinste wirksame Porenweite nicht fest-
gestellt werden kann, weil bei unbekannten Erregern die Deformierbarkeit der Zelle
nicht ausgeschlossen werden kann, und schlieBlicn, weil das Durchpassieren bzw. das
Zuriickhalten durch fehlende bzw. eingetretene Adsorption erklart werden kann.
Allgcmeine tcchnische Bemerkungen.
Fiir die Filtration durch Band benutzten wir das Material, wie es ini
Ziircher stadtischen Filterwerke im Moos bei Wollishofen zur Erstellung der obersten
Schicht der Feinfilter verwendet wird. Dieser Sand wurde uns von der Direktion des
Wasserwerkes fiir unsere Versuche bereitwilligst zur Verfiigung gestellt
Vor der Verwendung des Sandra fur unsere Versuche wurde er zuerst gereinigt
und dann im Autoklav wahrend 2 Std. bei 140° C sterilisiert, oder wir rosteten ihn,
indem wir ihn in einer Pfanne auf ca. 400—500° C erhitzten. Er ist in den Tabellen
als „gewohnlicher“ Sand aufgefiihrt, im Gegensatz zu „feinem Sand*, der aus diesem
durch Zerkleinern im Morser hergestellt wurde.
Die Glasrohren von ca. 180 cm Hohe und 13 mm Lichtweite wurden unten zu
einer kleinen Oeffnung zugeschmolzen. Zu einer Versuchsserie, deren Resultate mit-
einander verglichen werden muBten, konnten nur Rohren verwendet werden, die in
ihrem ganzen Verlaufe genau die gleiche Lichtweite aufwiesen, da sonst die Schicht-
hohe des Filters, auch bei gleicher Sandmenge, bedeutend variierte. Zu diesem Zwecke
wurden die Rohren geeicht.
Der Sand wurde entweder einfach in die Rohren eingegossen, oder wahrend des
EingieBens von Zeit zu Zeit mit einem Glasstabe zusammengestampft (in den Tabellen
als „gestampft-‘ bezeichnet), oder die gefiillte Rohre auf einer Unterlage aufgeklopft
(„geruttelt“). <
Fiir die Filtration durch Papier verwendeten wir Scheibenfilter von 11 cm
Durchmraser aus Filtrierpapier Nr. 597, mittelweich (Schleicher u. Schiill). Diese
legten wir in Nutschentrichter, und zwar so, daB der freie Papierrand fiber das Fliissig-
keitsniveau hinausragte.
Die Bakterienemulsion bratand fiir alle Versuche aus einer Aufschwemmung
von Bacterium coli comm. (24-stiind. Kultur) in dratilliertem Wasser, und zwar
kam auf 120 ccm Wasser eine Oese Kultur. Bei den letzten Versuchen (wo in den
Tabellen eine Verdunnung von 1:1000 angegeben ist) wurde diese Aufschwemmung
noch 5-fach verdiinnt.
1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Ref. Beil, zu Bd. 50. 1911. S. 17.
2) Arch. f. wiss. u. prakt. Tierheilk. Bd. 46. 1920.
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Frei u. Erismann, Beitrage zur Theorie der BakterieDfiltration. 309
Die Untersuchung des Filtrates erfolgte auf 2 Arlen: Wo der Bakterien-
gehalt in den Tabellen im Prozent angegeben ist, wurde die optische Untersuchungs-
methode verwendet. Diese bestand darm, dafi wir von der Stammemulsion als 100-proz.
aosgebend Verdiinnungen von 5 zu 5 Proz. herstellten. Alit diesen Testemulsionen
verglichen wir nun unsere erhaltenen Filtrate, und zwar so, dafi wir beide in genau
S eichen Reagenzrohrchen gegen einen schwarzen Hintergrund, auf dem parallel ver-
ufende, verschieden dicke, weiBe Striche gezeichnet waren, hielten. Das Licht lieflen
wir verschieden ein fallen. So gelang es nach einiger Uebung, Unterschiede in den
Filtraten von 3—5 Proz. festzustellen.
Bei den Ionenuntersuchungen war diese Untersuchungsmethode, wenigstens bei
den Sandfiltern, nicht mehr moglich, da das Filtrat oft einen gelbgriinen Farbton be-
?aB. Hier muOte zur Plattenkulturzahlmethode gegriffen werden. In den Tabellen ist
die Zahl der nach 48-stiind. Brutschrankaufenthalt gewachsenen Kolonien pro 1 ccm
der Verdunnung eingetragen.
Einzelheiten in der Technik sind am Anfang gleicher Versuchs-
serien oder am Kopfe der Tabellen angegeben.
Bezeichnungen in den Tabellen.
„Ankunft des 1. Tropfens“ ist der Moment, wo der 1. Tropfen des Filtrates
in den unter dem Filter aufgestellten MeBzylinder fallt. — Bei „oben 0“ ist die auf
das Filter gegossene Fliissigkeitsmenge eben unter der Filteroberflache verschwunden.
Die in diesem Momente abgeflossene Filtratmenge wird in den Tabellen in der Kolonne
,.durchgeflossen bis onen 0“ notiert. Unter „zuriickgeblieben“ bezeichnen
wir die im genannten Augenblicke sich noch im Filter befindende Flussigkeitsmenge.
Sie ist identisch mit dem Porenvolumen.
Im Interesse der Raumersparnis sind etwa 40 Tabellen hier nicht wiedergegeben.
Zun&chst wurde zur Einarbeitung in die Technik und als Vor- und
Sondierarbeit eine Anzahl von Untersuchungen iiber das rein Mechanische
bei der Funktion von Sandfiltern ausgefflhrt, deren Resultate, weil sie
zum groBten Teil mit bereits Bekanntem ubereinstimmen, hier nicht
wiedergegeben werden. MaBgebend fur den Durchtritt von Flflssigkeiten
durch ein Sandfilter und das Zuriickhalten von Bakterien sind (abge-
sehen von der Adsorption) folgende Faktoren:
1) Sandmenge, SandkorngroBe und Sanddichte, womit auch gegeben
sind: GroBe der adsorbierenden OberflSche (teilweise auch ihr Krtlm-
mungsgrad), Totalvolumen und Weite der Poren.
2) Die Natur des Sandes, deren Bedeutung aber hochstens ffir die
Adsorption in Betracht fallt.
Eine Versuchsserie wurde durchgefiihrt zur Feststellung des Ein-
flusses der Sandmenge, der Wassermenge und der Filter-
h5he auf die DurchfluBzeit des Wassers und die Filtrations-
wirkung auf Bakterien. Bei diesen Versuchen wurden Rohren
verwendet, deren Kalibergleichheit durch Eichung mit Wasser festgestellt
war. Sandmenge, Flfissigkeitsmenge und Filterhohe variierten absolut,
standen aber immer in einem konstanten Verhfiltnis zueinander. Ein
solcher Versuch ist dargestellt in Tab. 1, w&hrend von den anderen
Versuchen nur die Verhaltniszahlen der Varianteu Sandmenge, bzw.
Flflssigkeitsmenge, bzw. Filterhbhe und die zugehorigen Verhaltniszahlen
der DurchfluBzeiten in Tab. 2 aufgefiihrt sind.
Das Verhiiltnis der Durchttufizeiten ist in alien Fallen anders als
das der Sandmenge, bzw. Sandhbhe, bzw. Flflssigkeitsmenge. Das Wasser
braucht zum DurchflieBen mehr Zeit, als der Sandhflhe oder -Menge
entspricht. Die DurchfluB- bzw. EinfluBzeiten werden immer linger.
Gleichzeitig nimmt auch das Wasserfassungsvermogen des Sandes ab.
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Tabelle 1.
Variation in Sandmenge, Wassermenge und Filterhohe.
Die Filter werden geriittelt, alle Fliissigkeit wird anf einmal aufgegossen. Bei
oben 0 wird die Rohre unten verschlossen. Alle Rohren sind gleich weit.
Serie 1
Serie 2
Nummer des Filters
2
4
6
2
4
6
Sandmenge (g)
Filterhohe (cm)
Wassermenge (ccm
DurchfluSzeit{ bd o ^ u 0 nft des L Tr0 P f -
Durchgeflossen bis oben 0 (ccm)
Zuriickgeblieben bis oben 0 (ecm)
Verhaltnis von Sandmengen, Wassermengen
und Filterhfihen
Durchflufizeiten |
20
8,6
5
35“
30“
0
5
1 :
1:
1:
60
25.8
15
91“
120“
2
13
3 :
2,8:
4,6:
100
43
25
229“
260"
4
21
5
6,5
8,7
60
25,8
15
85"
100“
2
13
1:
1:
1:
120
51,6
30
234“
290“
6
24
2 :
2,7:
2,6:
240
103,2
60
417"
607“
13
47
4
4,9
5,5
Tabelle 2.
Verhaltnis derDurchflufizeiten einerseits bei Variation de r Sand - und
Fliissigkeitsinenge und Filterhohe andererseits
Verhaltnis der Sand-,
Fliissigkeitsinenge und
Filterhohe
Verhaltnis der
DurchfluBzeiten
Verhaltnis der Sand-,
Fliissigkeitsinenge und
Filterhohe
Verhaltnis der
DurchfluBzeiten
1:2:4
1:2,7:4,9
1:3:5
1:2,8 : 6,5
1:2,6:5,5
1:4 :8,7
1:2,8: 4,9
1: 2,8 : 7
1: 2,6 : 5,5
1:4 :8,7
1:2,2 : 5,8
1:3,3 : 7,3
1:2,5: 5,5
1: 3,3 : 6
Beispielsweise konnen 20 g Sand 5 ccm Wasser vollst&ndig zuriickhalten,
wahrend 60 g Sand aufeinandergeschichtet nur noch 13 ccm und 100 g
Sand nur 21 ccm und nicht 5mal 5 ccm Wasser fassen kbnnen. Fur
dieses PMnomen konnen wir die Kompression des Sandes, wie sie sich
beim Aufeinanderschichten in Rbhren ergibt, als Ursache annehmen, d. h.
die Verkleinerung des Porenvolumens und die Verengerung der Poren.
Die letztere ist die Ursache des verlangsamten DurchflieBens, die erstere
diejenige des geringeren Fassungsvermogens des Filters. In Ueberein-
stimmung mit dieser Auffassung sind die Ergebnisse derjenigen Versuche,
in denen man bei gleichen Sandmengen durch kiinstliches Verkleinern
der Schichthohe durch Riitteln Oder Stampfen das Porenvolumen ver-
ringerte.
DaB ein geriitteltes Filter mehr Bakterien zuriickh< als ein unge-
rtitteltes, kann einmal auf die Porenverkleinerung, bzw. auf die Zunahme
der Zahl kleinster bakterienabfangender Poren, oder aber auf die pure
Verlangsamung der DurchfluBgeschwindigkeit zuriickgeffihrt werden.
Zunachst wollen wir uns mit dieser letzteren Moglichkeit befassen.
Schon Van’t Hoff 1 ) macht die Bemerkung, daB durch ein Sandfilter
unter sonst gleichen Bedingungen bei einer gewissen geringen und einer
gewissen groBen Filtrationsgeschwindigkeit Bakterien durchgehen, die
1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 26. 1899. S. 64.
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Frei u. Erismann. Beitrage zur Theorie der Bakterienfiltration. 311
bei mittlerer Geschwindigkeit zurflckgehalten werden. Denken wir nun
an die eingangs erwfihnte Annahme von der Langs- und Querstellung
von Stabchen zu Poren, so konnen wir hier annehmen, daB Bakterien
bei geringer Geschwindigkeit quer zu den Poren, deren Durchmesser
geringer ist als die Lange, aber grSBer als der Querdnrchmesser der
Teilchen, gestellt werden und so zuriickgehalten werden, wahrend die-
selben Teilchen unter sonst gleichen Bedingungen, aber bei groBerem
Druck, d. h. groBerer Geschwindigkeit, durch Poren hindurchgehen,
weil sie mit ihrer Langsachse in die Richtung der Porenachse eingestellt
werden.
Aus diesen Angaben erkennen wir die groBe Bedeutung der
DurchfluBgeschwindigkeit fflr die Richtung, in der sich
stabchenffirmige Gebilde, z. B. Bakterien, zu den Poren-
achsen stellen. Es kfinnen nach Hatschek 1 ) bei gewissen Ge-
schwindigkeiten fiber den Porenmfindungen Wirbelbildungen auftreten,
welche die Stabchen in der Lfingsrichtung in die Poren hineinziehen.
Die Bedingungen fflr diese Vorgfinge sind noch dunkel. Wahrscheinlich
werden auBer der Geschwindigkeit auch die Differenzen des spezifischen
Gewichtes der Teilchen und der Flfissigkeit, die Viskositat dieser letz-
teren die Gestalt der Poren eine wichtige Rolle spielen. Man mfiBte
fflr jedes Sandfilter, d. h. fflr jede Sandsorte und fflr jede besondere
Qualitfit Rohwasser, die fur das Querstellen der Bakterien gfinstigste
Bedingung herausfinden. — Selbstverstfindlich berfihren diese Ausein-
andersetzungen den Mechanismus des Zurflckhaltens der Bakterien durch
kleinste Poren (deren Durchmesser kleiner ist, als der Querdurchmesser
der Bakterien) sowie durch Adsorption keineswegs.
Fflr Teilchen, die in einem durch Poren flieBenden Strom mitge-
nommen werden, gelten offenbar folgende Ueberlegungen: Die Strom-
geschwindigkeit ist in der Porenachse am groBten, nimmt peripheriew&rts
ab und ist in der unmittelbar der Wand anliegenden Flfissigkeitsschicht
(bei idealer Benetzung) gleich Null. Infolgedessen werden sich lang-
liche Teilchen in der Richtung der Flfissigkeitsschichten, d. i. longitudinal,
einstellen. Denn, wenn ein Teilchen sich quer stellt und dabei z. B.
mit dem einen Ende axialwfirts in eine Schicht groBerer Geschwindigkeit
gerat, wird es umgedreht.
AuBer der Gewalt der Strfimung wirkt auf das Teilchen die Ad-
sorptionsaffinitat von der Wand aus und es wird in einer gewissen Nahe
der Wand von einer gewissen geringen Stromgeschwindigkeit an abwarts
an jener haften bleiben. Bei sehr groBen Stromgeschwindigkeiten werden
nur die ganz peripher schwimmenden Teilchen adsorbiert werden konnen,
wahrend bei sehr langsamer Strfimung die Adsorptionskrafte sich auch
auf axial gelegene Teilchen mit Erfolg werden geltend machen. Es ist
auch denkbar, daB von einer reichlich mit Teilchen besetzten Wand bei
Zunahme der Stromgeschwindigkeit die oberflachlichen Teilchen wieder
losgerissen werden. Das bedeutet, daB ein bei geringer DurchfluB¬
geschwindigkeit dichtes Filter bei grfiBerer Geschwindigkeit undicht
wurde. Die Strfimungsgeschwindigkeit hat also EinfluB auf die Bak-
teriendichte der Filter.
Bei Bakterien mit Eigenbewegung sind die Verhaitnisse kompli-
zierter.
1) Journ. of Soc. chem. Indust. Vol. 27. 1908. p. 548.
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Mit abnehmender KorngroBe verbessern sich die Filtrationsbeding-
ungen bezuglich Zuruckhaltens der Bakterien, einmal durch VergrdBerung
der Oberflache (Begiinstigung der Adsorption), dann wegen der Zu-
nahme der Zahl kleinster Bakterien unter alien Umst&nden zuriick-
haltender, und solcher Poren, die Bakterien nur bei Querstellung zuruck-
halten und schlieBlich wegen der Reduktion der Filtrationsgeschwindigkeit*
die, wie schon gesagt, unter gewohnlichen nicht extremen Verhaitnissen
diese Querlage der Bakterien begiinstigt. Die Verkleinerung der Poren
und ihre Konsequenzen fur das Durchfiltrieren von Bakterien kommen
natflrlich auch beim durch Rfitteln verdichteten Sandfilter bis zu einem
gewissen Grade in Betracht. DaB aber die DurchfluBgeschwindig-
keit an sich unter sonst gleichen Umstanden, d. i. bei gleicher Sand-
menge und Schichthohe und ungefahr gleicher Dichte, einenEinfluU
auf die Filtration ausiibt, zeigen die Tab. 3 und 4.
Tabelle 3.
VerschiedeneDurchfluBgeschwindigkeiten.
5 gleiche Rohren — 230 g Sand — 97 cm Filterhohe — jedes Filter mit 60 ccm
Wasser angefeuchtet.
Zuflufl der Coli-Emulsion (50 ccm) wurde durch Schraubenhahn reguliert.
Nummer des Filters
4
16
11
1 17
1 _!
2
" , j
Zuflufimenge pro Minute, Tropfen
3
15
28
45
alles auf IX
Durchfluflzeit bis oben 0, Minuten
395
70
45
25
12
Bakteriengehalt des Filtrates, Proz.
50
65
65
65
70
Tabelle 4.
VerschiedeneDurchfluBgeschwindigkeiten.
5 gleiche Rohren — 230 g Sand — 97 cm Filterhohe — jedes Filter mit 60 ccm
Wasser angefeuchtet. Zuflufi der Coli-Emulsion (50 ccm) wurde durch Schrauben¬
hahn reguliert.
Nummer des Filters
11
17 !
16
12
13
Zuflufimenge pro Minute, Tropfen
l 3
14
30
44
alles auf 1 X
Durchflufizeit bis oben 0, Minuten
1 250
114
45
25
16
Bakteriengehalt des Filtrates, Proz.
65
75
80
90
95
Die Unterschiede im Filtrationseffekt sind nicht in beiden Versuchen
gleich deutlich; es mag das mit der Dichte der verwendeten Emulsionen
zusammenhSngen.
Es kann noch eine andere Erklarungsmoglichkeit auBer der Beein-
flussung der Stellung der Bakterien zu den Poren fur die Verschlech-
terung des Filtrationseffektes bei grofier DurchfluBgeschwindigkeit in
Betracht gezogen werden. Dunbar 1 ) hat namlich gefunden, daB aus
einem vorher mit Wasser ges&ttigten Filter eine mit einem nicht ad-
sorbierbaren Farbstoffe gefdrbte Flflssigkeit schon lange vor der Ver-
drangung der in der Filtermasse liegenden Flussigkeitsmenge als Filtrat
erscheint. Man muB also annehmen, daB die neu zugegossene Fliissig-
keit nicht gleichmaBig die schon vorhandene vorwiirts treibt, sondern
unter gewissen, noch nicht n&her bekannten Umstanden, an ihr vorbei-
1) Leitfaden fur die Abwasserreiniguugsfrage. 2. Aufl. 1912.
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Frei u. Erismann, Beitrage zur Theorie der Bakterienfiltration. 313
and vorauseilt, Oder vielleicht besser nur an gewissen Stellen des Filters
rascher vor sich her schiebt. Es ist also denkbar, dafi auch bei unseren
Versachen bei erhbhter DurchfluBgeschwindigkeit sich gewissermafien
weite KanSle im Sande bilden, durch die die Flussigkeit schneller hin-
darchgehen kann, und in denen zufolge ihrer Weite die Bakterien weder
in Langs- noch in Querstellung zurflckgehalten werden. — Demnach ist
ein Sandfilter nicht ein stabiles, porSses Gebilde, sondern ein solches,
in dem Verschiebungen des Korngerilstes moglich sind.
Der EinfluB der KorngroBe auf die Bakteriendnrch-
lassigkeit eines Filters ist schon lange bekannt. Er auBert sich
unter anderem auch in der, nach vielen Autoren ausschlaggebenden Be-
deutung der Filterhaut, die physikalisch aus sehr kleinen Partikeln auf-
gebaut ist. Krnse 1 ) sagt, daB Filter aus grbberen Sandsorten anf&ng-
lich, bis sie einmal eingearbeitet sind, schlechter funktionieren als solche
ans feinerem Sande.
Ein Versuch mit zum Teil gestampftem, zum Teil im Morser zer-
riebenem Sande, d. h. also mit genau chemisch demselben Filtermaterial,
ergab die Resultate in Tab. 5.
Tabelle 5.
Gleiche Filtrationsgesch windigkeit und verschiedene Beschaffenheit
r des Sandes.
240 g Band — 60 ccm Coli-Emulsion aufs trockene Filter. In Filter Nr. 6
und 12 wurden die obersten 40 g Sand im M6rser zerrieben. Im Filter Nr. 4 und 5
wurde der Sand nur geriittelt. Der Zuflufi von Emulsion in 4 und 5 wurde durch
Schraubenhahn so geregelt, dafi ungefahr die gleiche Durchflufigeschwindigkeit wie in
Filter 6 und 12, wo alle Emulsion auf einmal aufgegossen wurde, zustande kam.
Nummer des Filters
6
4
12
5
Filterhdhe, cm
104
104
106
106
Durchflufizeit, Min.
435
440
123
118
Durchgeflossen bis oben 0, ccm
36
29
19
41
Bakteriengehait des Filtrates, Proz.
0
60
10
60
Um die Wirkung der Verschiedenheiten der DurchfluBzeit auf den
Filtrationseffekt auszuschlieBen, wurde die DurchfluBgeschwindigkeit der
anf den gewohnlichen Sand aufgegossenen Emulsion derart gebremst,
daB sie derjenigen beim Filter mit feinem Sande gleichkam. Auf diese
Weise erhielt man den Nettoeffekt der Kornverkleinerung. Er ist in
beiden Versuchen eklatant. Spatere Versuche werden den Anted der
Porenverkleinerung und der VergroBerung der Sandkornoberfl&che (Ver-
grSBerung der AdsorptionsflSche) beim feinen Sande dartun.
Die folgenden Versuche sind gewidmet dem Studium der
Adsorption bei der Filtration.
1. EinfluB ron Eationen auf die Filtration durch Sand und Papier.
Zur Entscheidung der Frage, ob bei der Sandfiltration auBer der
rein mechanischen Porenwirkung noch andere Kr&fte beim Festhalten
von Bakterien wirksara sind, kflnnten Versuche dienen, bei denen das
1) ZeiUchr. f. Hyg. Bd. 59. 1908.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt Originale. Bd. 88. Heft 4.
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Filtrationsresultat ohne Aenderung der PorengroBe, der Viskosit&t, der
DurchfluBgeschwindigkeit und des Volumens der Bakterien modifiziert
wurde. Dieser Anforderung konnten Versuche mit Elektrolyten ent-
sprechen. Insbesondere andern Neutralsalze die Porenweite gar nicht,
beeinflussen die Viskositat des Wassers und die DurchfluBgeschwindig¬
keit ganz unwesentlich und ebenso vergrofiern die meisten das Volumen
der Bakterien wahrscheinlich nicht 1 ), hingegen werden sie von Ober-
fiachen etwas adsorbiert. Sie sind also imstande, die Oberfiachen-
spannung der beiden dispersen Phasen (Sand bzw. Papier und Bakterien)
und damit die AdsorptionsgroBe zu beeinflussen. Wenn es gelingt, die
Durchiassigkeit eines Filters durch Elektrolyte zu modifizieren, so kann
das nicht lediglich durch Aenderung der rein mechanischen Verhaitnisse,
sondern zum Teil durch Wirkung auf die Adsorption erkiart werden.
H- und OH-Ionen, d. h. Sauren und Alkalien, sind schon bedeutend
weniger indifferent. Zufolge ihrer chemischen Reaktionsfahigkeit konnten
sie insbesondere die Bakterien stark andern. Von besonderer Bedeu-
tung fur die Filtration kann der quellende Effekt werden, den sie auf
EiweiBkorper ausiiben. Man hat also bei Sauren und Alkalien sogar
die Wahrscheinlichkeit der VolumenvergroBerung der Bakterien und
damit eine gewisse Aenderung der mechanischen Verhaitnisse. DaB aber
auBerdem doch noch andere Faktoren mitspielen, zeigen die Versuche
der gleichzeitigen Alkalisierung des Filters und der Ansauetung der
Bakterien.
Die Versuche mit verschiedenen Elektrolyten wurden immer gleichzeitig als eine
Serie durchgefiihrt, wobei die Filter mit Bezug auf Gewicht, Art und Schichthohe des
Sandes und Art und Zahl der Papierfilterscheiben gleich waren. Nichtsdestoweniger
wird nicht erwartet werden konnen, daS die Filtrationsresultate genau gleich wurden.
Ein Vereuch wurde ausgefiihrt, um eine Vorstellung von der Variabilitat der Resultate
von gleichen Filtern zu gewinnen. Tatsachlich konnen die Resultate ganz erheblich
voneinander abweichen und sogar ganz aus der Reihe herausfallen. Die Ausschlage
durch die Elektrolyte miiBten also groSer sein, als diese Abweichungen. Wenn sie
das nicht sind, so kann nur die Wiederkehr gleicher Resultate, bzw. gleiche Reihen-
folge von Ionen in einer groBeren Anzahl von Versuchsserien eine gewisse Zuverlassig-
keit der Resultate garantieren. Wir haben uns infolgedessen der Aufstellung einer
vollstandigen Ionenreihe enthalten und nur die gegenseitigen Verhaitnisse der Ionen-
gruppen, oder das auffallende, immer wiederkehrende Verhalten gewisser Ionen zur
SchluQfolgerung verwendet.
Tecnnik. Alle Filtrationsversuche durch Sand wurden mit den friiher
beschriebenen Rohren ausgefiihrt. Die fertigen Filter wurden vor Gebrauch „geriittelt“.
Bei der Vorbehandlung des Sandes wurde eine bestimmte Menge Wasser (Kon-
trollversuch) bzw. Elektrolytlosung (Konzentration in den Tabellen angegeben) auf ein-
mal aufs Filter aufgegossen. Nach Durch flufi einer bestimmten, fur alle Rohren einer
Versuchsserie gleichen Menge der sogenannten Vorbehandlungsfliissigkeit wurde Bak-
terienemulsion aufgegossen und da, wo in den Tabellen nichts Besonderes angegeben ist,
der Zuflufi mit einem Schraubenhahn reguliert, so daB wieder fiir eine Versuchsserie
ungefahr die gleiche Durchflufizeit zustande kam. Die unten abflieOende Flussigkeit
wurde erst von dem Moments an als „Filtrat“ betrachtet, wo das aufgegossene Quantum
Vorbehandlungsfliissigkeit abgeflossen war. Nach Durchflufl gleicher Mengen Filtrat
wurden Proben zur Kulturziihlmethode entnommen. Nur in wenigen Versucnen wurde
die optische Untersuchungsmethode angewendet.
Bei der Vorbehandlung der Emulsion wurde, mit Ausnahme des Kontrollversuches
(in den Tabellen mit H a O bezeichnet), die Elektrolytlosung zur Coli - Emulsion ge-
gossen, so daS sie dort dann in der angegebenen Konzentration vorhanden war. Die
Emulsion lielien wir nun aufs trockene Filter wieder in der oben beschriebenen Art
und Weise fliefien.
1) Vgl. Einwirkung von Elektrolyten auf die Quellung von EiweiB: H und OH
erhohen CNS, J, Br, NO,, Cl, erhohen in absteigender Reihenfolge, Azetat, S0 4 , Zitrat
erniedrigen das Quellungsvermogen.
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Bei den Filtrationsversuchen durch Papier wurden Trichter nnd 8 cheiben-
filter verwendet.
Die Vorbehandlung des Filters bestand in einem Durchpassierenlassen einer be-
stimmten Menge H,0 (Kontrollel, resp. Elektrolytlosung. Darauf folgte die Coli-
Emulsion. Auch hier wurde nur diejenige Menge von Fliissigkeit als „FiItrat u betrachtet,
die nach dem Durchgange des ganzen Quantums von Vorbehandlungsfliissigkeit abflofi.
Die Untersuchuug des Filtrates geschah iiberall durch die optische Methode.
Bei Vorbehandlung der Emulsion wurde, mit Ausnahme aes Kontrollversuches
(in den Tabellen mit „H a O“ bezeichnet), die Elektrolytlosung zur Coli-Emulsion ge-
C n, so dafl sie dort in der angegebenen Konzentration vorhanden war. Die Emulsion
1 wir nun aufs trockene Filter flieBen.
Tabelle 6 .
EinfluB von Kationen auf Filtration mit Papier.
Vorbehandlung des Filtrierpapieres mit H a O, NaCl, KC1, MgCl,, CaCl a >
LiCl, m/2—50 ccm. 10 Schei ben filter — 50 ccm Emulsion.
H ~0
Na
K
Mg
Ca
Li
DurchfluBzeit bis oben 0, Min.
7
7 IO
6 S°
7
630
6
Durchgeflossen bis oben 0, ccm
49
49
49
50
49
49
Bakteriengehalt dea Filtrates, Proz.
60
65
60
50
57
50
Li, Mg>Ca>K, H,0 > Na.
Tabelle 7.
EinfluB von Kationen auf Filtration mit Papier.
Vorbehandlung des Filtrierpapieres mit FT a O, NaCl, KC1, MgCl,, CaCl,,
LiCl, m/60—50 ccm. 10 Scheibenfilter — 50 ccm Emulsion.
H,0
K
Mg
Ca
Li
DurchfluBzeit bis oben 0, Min.
8
9
9
9
9
9
Durchgeflossen bis oben 0, ccm
50
50
50
49
50
50
Bakteriengehalt des Filtrates, Proz.
55
57
50
45
40
55
Li> Mg>K>Ca, H,O^Na.
Tabelle 8 .
EinfluB von Kationen auf Filtration mit Papier.
Vorbehandlung der Coli-Emulsion mit H a O, NaCl, KC1, MgCl,, CaCl,,
LiCl, m/50. 10 Scheibenfilter — 50 ccm Emulsion.
H s O
Na
K
Mg
Ca
Li
DurchfluBzeit bis oben 0, Min.
5
53 °
gso
6 *°
6
o’*
Durchgeflossen bis oben 0, ccm
29
30
30
30
29
30
Bakteriengehalt des Filtrates, Proz.
43
40
35
35
30
35
Ca > Mg, Li K>Na>H,0.
H,G
Na
K
Mg
Ca
Li
DurchfluBzeit bis oben 0, Min.
6 S0
6 SO
7
c «0
7
6 “
Durchgeflossen bis oben 0, ccm
30
30
30
30
29
30
Bakteriengehalt des Filtrates, Proz.
35
28
25
25
23
20
Li>Ca>Mg, K>Na>H a O.
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1) Anfeuchtung des Sandes mit Kationen.
Es ist nicht gelungen, einwandfrei zu zeigen, ob Neutralsalzreihen
mit Kationen die Filtration der Bakterien begunstigen Oder hemraen,
indem die Stellung des mit reinem Wasser angefeuchteten Filters in
der Ionenreihe nicht konstant ist. Hingegen lassen sich gewisse Ge-
setzm&Bigkeiten doch herausschdlen. Eine genaue Durchsicht der Reihen
in den Tabellen unter Beriicksichtigung der im Filter an sich liegenden
UnregelmaBigkeiten zeigt z. B., daB das Mg-Ion in alien Versuchen am
Anfang der Reihe steht, Oder wenigstens in der ersten HSlfte derselben,
insbesondere aber sicher vor Li, d. h. das Mg-Ion hemmt den Durch-
gang der Bakterien durch Filter unter alien Umstanden starker als das
Li-Ion. Das Ca-Ion scheint eine ahnliche Stellung einzunehmen wie das
Mg. Mit einer Ausnahme hat es seine Stellung ebenfalls immer vor Li.
In der Gesamtheit hat man den Eindruck, daB die 2-wertigen Kat¬
ionen Mg und Ca den Durchgang der Bakterien durch Sand starker
hemmen als die 1-wertigen K, Li, Na. Am starksten hemmt Mg, am
wenigsten Li, so daB der Unterschied zwischen diesen beiden am deut-
lichsten in Erscheinung tritt. So kSnnen wir die Reihe aufstellen
Mg>Ca>Na, K>Li.
2) Anfeuchtung des Papieres.
Die Begflnstigung der Abfiltration der Bakterien durch Kationen
ist hier eindeutig, nur die Stellung des Na in dieser Beziehung ist in
2 Versuchen unsicher. Alle Neutralsalze aber begiinstigen das Zurfick-
halten der Bakterien im Filtrierpapier. Die Reihenfolge scheint anders
zu sein als beim Sande. Von den 1-wertigen Kationen steht Li immer
am Anfang, zum Teil neben, zum Teil sogar vor Mg.
3) Vorbehandlung der Bakterien mit Neutralsalz-
lbsungen.
Bei dem einzigen Versuche mit Sand, Tab. 28, konnten wir h5ch-
stens konstatieren, daB die Stellung des Mg zu Li dieselbe ist wie bei
den friiheren Sandversuchen.
Eine gute Uebereinstimmung zeigen die Papierversuche auf Tab. 25.
Genau wie bei der Vorbehandlung des Filtrierpapieres mit Neutralsalzen,
wird auch hier das Zuriickhalten der Mikroorganismen durch alle Kat¬
ionen, und zwar von den 1-wertigen durch Na am wenigsten, durch Li
am starksten begiinstigt. Abgesehen von Li, Qbertreffen dann die beiden
2-wertigen Mg und Ca die 1-wertigen an Herabsetzung der Bakterien-
durchlassigkeit des Filters.
Das Gesamtresultat der Neutralsalzversuche w&re also: Die
Durchlassigkeit der Sand- und Papierfilter wird durch 2-wertige Kat¬
ionen starker herabgesetzt als durch 1 - wertige. Bei den Sandfiltern
steht Mg in dieser Beziehung an 1., Ca an 2. Stelle. Von den 1-wertigen
Kationen hat Li bei den Sandfiltern die geringste Wirkung, bei den
Papierfiltern aber die stkrkste, so daB es zum Teil die 2-wertigen Kat¬
ionen ubertrifft. Diese Sonderstellung des Li erkl&rt sich aus seinem be-
sonderen chemischen Verhalten gegeniiber der Zellulose. Die Zellulose wird
gequollen in der Reihenfolge LiCl>CaBr J >SaCl>KJ>BaCl 2 >NaCl 1 )-
Von einer Begiinstigung des Filtrationseffektes im Sinne einer besseren
1) v. Weimaru, P., Kolloidzeitschr. Bd. 29. 1921. 8. 198.
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Zurfickhaltung der Bakterien durch Elektrolyte kann nur bei Papier-
filtern gesprochen werden.
Zur Erklarung dieser Phfinomene diene folgendes: Wenn die 2-
wertigen Kationen sich von den 1-wertigen in der Wirkung unterscheiden,
so iiegt es nahe, an die elektrische Ladung als Ursache zu denken. Wenn
dann weiterhin innerhalb der Reihen die 2-wertigen bzw. die 1-wertigen
Kationen Unterschiede in der Wirkung zeigen, so werden diese auf
spezielle Ioneneigenschaften zurflckgeffihrt werden mfissen. — Die Ab-
filtration von Bakterien kann nach unseren Auseinandersetzungen be-
wirkt werden entweder rein mechanisch durch ungeniigende Porenweite,
Oder durch Adsorption. Wenn nun die Ionen die Filtration beeinflussen,
so muB diese Wirkung auf einen dieser Faktoren sich geltend machen.
Man wird aber nicht wohl annehmen kfinnen, daB die 2-wertigen Kat¬
ionen im Sande eine starkere Porenverkleinerung herbeifflhren kfinnen,
als die 1-wertigen. Sorait bleibt nur die Annahme der Beeinflussung
der Adsorption.
Nun ist die Hydratationsreihe der Kationen Mg>Ca>Ba; Li>Na
>K>NH 4 und der Anionen: S0 4 >Cl>Br>N0 8 1 ). Dieses ffihrt uns
nun zu einer Erklfirungsmoglichkeit: Nach Klinger 2 ) sollen Kolloid-
teilchen und Bakterien urn so weniger adsorbiert werden, je mehr sie
mit Wasserhfillen umgeben sind, indem sie z. B. an ihrer Oberfl&che
Losung8vermittler tragen, welche Wasser an sich ziehen und so die
Teilchen gewissermaBen dem Wasser eingliedem. Je dtinner nun der
Wassermantel ist, desto leichter adsorbierbar sollen die Teilchen
sein. Nun wissen wir, daB die Elektrolyte im allgemeinen wenig ad¬
sorbiert werden, wenn wir also in das Medium „Wasser“, in dem sich
Bakterien bzw. Filterteilchen befinden, Elektrolyte bringen, so bean-
spruchen diese ffir ihre Hydratation eine bestimmte Menge von Wasser-
molekiilen; es mfissen also die OberflSchen des Filters bzw. der Bak¬
terien Wasser abgeben, was nach Klinger die gegenseitige Adsorption
erleichtern wfirde. Nach der Hydratationsreihe beanspruchen nun aber
speziell Mg und Li am meisten Wasser; somit wfirde die Verarmung
der Oberflfichen an Wasser die Adsorption begfinstigen. Das Zurflck-
haften durch Adsorption ist also starker als die Begfinstigung des rein
mechanischen Bakteriendurchtrittes durch Entquellung und Verkleinerung
durch die Elektrolyte.
Bei den Papierfiltern kfinnte allerdings die durch die ungleiche
Verquellung der Zellulose und die damit verbundene Porenverengerung
als weiterer Faktor der besseren Filtrationswirkung mit Kationen in
Frage kommen.
SpStere spezielle Adsorptionsversuche werden weitere Beweise ffir
die Beeinflussung des Adsorptionsvorganges durch Neutralsalze erbringen.
2. EinfluB von Anionen anf die Filtration durch Sand und Papier.
Es ist nicht gelungen, eindeutig festzustellen, ob die Elektrolyte,
d. h. in unserem Falle die Anionenreihe, die Filtration gegenfiber reinem
Wasser begfinstigend Oder hemmend beeinflusse. Jlingegen wird sich
trotzdem und trotz individueller Verschiedenheiten der Filter aus einer
gewissen RegelmfiBigkeit in der Anionenreihe auf eine Beeinflussung
1) Trail be, J., Journ. of phys. Chem. Vol. 14. 1920. p. 452.
2) Munchen. med. Wochenschr. 1920. S. 52.
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Tabelle 9.
EinfluB von Anionen auf Filtration durch Sand.
Vorbehandlung des Sandes mit H.O, NaJ, Na,S0 4 , NaNO„ NaCNS,
NaC,H 3 Oj, m/10 50ccm. 200 g Sand — 97 cm Filterhohe — 50ccm Co l i - Emulsion.
H,0
J
S0 4
NO„
CNS
CjH,O t
DurchfluBzeit bis oben 0, Min.
68
68
75
67
64
65
Durchgeflossen bis oben 0, ccm
25
24
20
23
24
24
Bakteriengehalt des Filtrates 1:
10 Mill.
1850
1664
1728
2048
3016
3040
Bakteriengehalt der Stammemulsion 1:10 Mill. 2299.
J > S0 4 > H,0 > NO, > CNS > C.H.O,.
der Filtration (der Adsorption irn speziellen) schlieBen lassen. Eine in
alien Versuchen iibereinstimmende Reihenfolge der Anionen wird in
unseren bakteriologischen Versuchen um so schwerer zu erreichen sein,
als ilberhaupt die Reihenfolge der Adsorption der Anionen sogar in
einem rein physikalisch-chemischen Versuche schwer festzustellen ist
und wir es in unseren Versuchen noch mit einer weiteren Ungleich-
mSBigkeit der Filterindividuen und folglich auch der Bakterienzahl im
Filtrat zu tun haben.
Immerhin ldfit sich in 4 yon 6 Versuchen feststellen, daB das Sulfat¬
ion vor Rhodanid, Nitrat und Azetat steht. Die Stellung von Rhodanid,
Azetat und Nitrat unter sich ist ziemlich unsicher. In 4 von 6 Ver¬
suchen steht das Rhodanid vor dem Azetat und das Nitrat steht 5raal
vor dem Azetat. Wegen der Eigendesinfektiouswirkung kann das J-Ion
nicht gut in die Reihe eingesetzt werden.
In unserem Zusammenhange soil das bedeuten, daB das Sulfat-Ion
die Zuruckhaltung der Bakterien gunstiger beeinfluBt, als die anderen
Anionen.
Auch hier konnen wir die Wirkung der Ionen auf die Ergebnisse
der Filtration wohl nicht anders erklaren als durch eine Beeinflussung
der Adsorption. In einem besonderen Abschnitte dieser Abhandlung
wird der EinfluB der Anionen auf die Adsorption dargetan. Dieser
ProzeB wird beeinfluBbar sein durch alle ebenfalls in einer Grenzfl&che
Konzentrationsverschiebungen erfahrenden Zus&tze. Bei den Anionen ist
die Reihenfolge der Adsorbierbarkeit: S0 4 <Cl<Br<NO s <J<CNS 1 ).
Das Sulfat-Ion ist also das am wenigsten absorbierbare Anion. Es
wird also bereits Adsorbiertes oder Konkurrenzadsorbenda am wenigsten
aus Oberflachen verdrangen. Am anderen Ende der Reihe stehen die
Ionen NO s , CNS, C 2 H 3 0 2 als diejenigen, welche den Filtrationseffekt
bedeutend ungflnstiger beeinflussen als S0 4 und den Durchgang der
Bakterien erleichtern. Sie miissen infolgedessen, was auch uusere Ver¬
suche zum Teil beweisen, die Bakterienadsorption verschlechtern, da sie
selber adsorbiert w'erden. Vom Rhodanid speziell ist von Freuudlich
und Seal*) gezeigt worden, daB es Loslichkeitserhohend und die Ober-
flhchenspannung weniger erhohend als andere Salze wirkt und infolge¬
dessen gut adsorbiert werden muB. AuBerdem wirkt es am wenigsten
entquellend bzw. quellend auf EiweiB, verkleinert also die Bakterien
wohl am wenigsten.
1) Vgl. Rona, P., u. Michaelis, L., Biochem. Zeitschr. Bd. 94. 1919. S. 2t0.
2) Kolloidzeitschr. Bd. 11. 1912. S. 257.
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Eine weitere. Wirkung der Anionen (und der Kationen) auf die
Durchl&ssigkeit des Filters fflr Bakterien w&re die Quellungsbeeinflussung
der Bakterien. In der Wirkung auf den Quellungszustand hydrophiler
Kolloide steht das Sulfat-Ion an erster Stelle. Es wirkt am st&rksten
entquellend zufolge groBer Affinitat zum Wasser. Die anderen Anionen
wirken bedeutend weniger, oder wie speziell das Rhodanid, direkt sol-
bildend (Hofmeister, Pauli, v. Schroder, vgl. Freundlich,
Kapillarchemie, 1909). Es ist also anzunehmen, daB das Sulfat-Ion
auch auf Bakterien entquellend wirkt, bzw. noch starker als z. B. Rho¬
danid, das direkt quellungsbegiinstigend wirkt (spezielle Versuche dar-
uber stehen noch aus) und trotzdem die Abfiltration am wenigsten ver-
bessert.
Nun aber ist zu bedenken, daB bei der kurzen Filtrationsdauer
(maximal 1 Std.) und der geringen Konzentration der angewendeten
Salze jedenfalls keine Entquellung eintreten kann, wohl aber diirfte
auch hier die Ansicht Klingers, die wir schon bei den Kationen-
versuchen ge&uBert haben, etwelche Berechtigung haben. Das Sulfat-Ion
ist ja dasjenige, das am meisten Wasser beansprucht. Es steht in der
Hydratationsreihe der Anionen an erster Stelle, wie bei den Kationen
das Magnesium, von dem wir sagten, daB es durch Entzug von mehr
Wasser aus den Oberflachen als alle anderen auf die Adsorption am
giinstigsten wirke. Nach dieser Ansicht begiinstigt das Sulfat-Ion die
Zurflckhaltung der Bakterien, denn es hemmt ihre Adsorption am wenig¬
sten, weil es selber, wie schon oben gesagt, am wenigsten adsorbabel
ist. am wenigsten sich in der Oberfl&che anreichert, also am meisten
Affinitat zu Wasser hat, infolgedessen auch den Oberflachen am meisten
Wasser entzieht.
Eine Viskosit&ts&nderung des Wassers durch die Elektrolyte kommt
kaum in Betracht, da deren Einwirkung viel zu gering ist, als daB da-
durch Abweichungen in den DurchfluBzeiten und somit in den Filtrations-
resultaten zustande kiimen.
3. EinttuB von H- und OH-Ionon auf die Filtration dnrch Sand
und Papier.
Wie mit Kationen und Anionen, so wurden nun auch noch Versuche
uiit Saure und Alkali ausgefiihrt (HC1 und NaOH).
Tabelle 10.
Einflufi von H- und OH-Ioncn auf Sandfilter.
Vorbehandlung des Filters mit OH„ HC1, NaOH 0,1260 ccm. 200 g
Sand. 100 ccm Filterhohe, 50 ccm Coli-Emulsion.
H,0
H-
OH-
Durchflufizeit bis oben 0, Min.
114
110
104
Durchgeflossen bis oben 0, ccm
20
19
19
Bakteriengehalt des Filtrates, Proz.
75
65
70
1) Von 4 Versuchen mit Anfeuchtung des Filters mit den
genannten Elektrolyten war 3mal die Filtration durch H-Ionen mehr
begiinstigt als durch OH-Ionen. In alien 4 Fallen hatte die ZufQgung
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der Ionen flberhaupt eine VerbesseruDg der Filtration gegeniiber Neu¬
tral bewirkt x )-
Tabelle 11.
Einflufi von H- und OH-Ionen auf Sandfilter.
Vorbehandlung desFilters mit H ? O, HC1 (m/180), NaOH, m/60, 60 ccm.
220 g Band, 97 cm Filterhohe, 50 ccm Bakterienemulsion.
H,0
H-
OH-
Durchflufizeit bis oben 0, Min.
76
67
79
Durchgeflossen bis oben 0, ccm
40
41
42
Bakteriengehalt des Filtrates 1:10 Mill.
Bakteriengehalt der Stammemulsion 1:10 Mill.
666
2024.
510
595
Tabelle 12.
Einflufi von H- und OH-lonen auf Filtration durch Papier.
Vorbehandlung des Papi eres mit H,0, HC1 (m/120), NaOH (m/60) 50ccm.
10 Scheibenfilter, 50 ccm Co li-Emulsion.
H,0
OH- |
H,0
H-
OH-
Durchflufizeit bis oben 0, Min.
10
7
7“
8
10
8
Durchgeflossen bis oben 0, ccm
50
50
50 [
50
50
50
Bakteriengehalt des Filtrates, Proz.
50
45
45
25
18
23
Tabelle 13.
Einflufi von H- und OH-Ionen auf Sandfilter.
Vorbehandlung der Coli-Emulsion mit EL,0, HOI (m/30), NaOH (m/10).
200 g Sand, 97 cm Filterhohe, 50 ccm Fliissigkeit.
Bakteriengehalt der Stammemulsion 1:10 Mill. 55._
H,0
“■ 1
OH-
Durchflufizeit bis oben 0, Min.
70
65
62
Durchgeflossen bis oben 0, ccm
43
40
35
Bakteriengehalt des Filtrates 1:10 Mill.
40
25
7
Tabelle 14.
Einflufi von H- und OH-lonen auf Filtration mit Papier.
Vorbehandlung der Coli-Emulsion mit H,0, HC1 (m/180), NaOH, m/50.
10 Scheibenfilter, 30 ccm Emulsion.
H,0
H-
OH-
H a O
H-
OH-
Durchflufizeit bis oben 0, Min.
5
6
6 *°
6 s0
7 1
7
Durchgeflossen bis oben 0, ccm
29
30
29
30
30
30
Bakteriengehalt des Filtrates, Proz.
43
20
30 |
35
5
15
2) Von 6 Versuchen nach Anfeuchtung des Papierfilters
mit H- bzw. OH-Ionen war die Filtration 3mal bei H- und 2mal bei
OH-Ionen besser und nur lmal zeigte sich flberhaupt keine Beein-
flussung. Es laBt sich bei den Papierversuchen nur konstatieren (Aus-
1) Vgl. auch die Befunde von Weidmann (Bakterienadsorption an Pulver). Dies.
Zurich, 1919.
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nahme 1 Versuch), daB die Vorbehandlung des Filters mit H- und OH-
Ionen das Zurfickhalten der Bakterien begflnstigt.
3) Einen prinzipiell analogen EfFekt bedingte die Vorbehand¬
lung der Bakterien mit OH- und H-Ionen, ob man Papier Oder
Sand als Filter verwendet. Hingegen scheint ein Unterschied zwischen
Sand und Papier insofern zu bestehen, als die Vorbehandlung der Bak¬
terien bei der Sandfiltration das OH-Ion, bei der Filtration durch Pa¬
pier dagegen das H-Ion an erste Stelle der Begilnstigung treten laBt.
Zusammenfassend lkBt sich sagen, daB die Anwesenheit von H- und
OH-Ionen gleichviel, ob sie zuerst mit Bakterien oder mit dem Filter
in Berfihrung kommen, den Durchgang von Mikroorganismen durch die
Filtermasse erschwert.
Zur Erklarung dieser Befunde kfinnte erstens einmal angenommen
werden, daB durch Skuren resp. Alkalien die Zellulosefasern des Fil-
trierpapieres quellen. Dadurch wfirde nicht nur eine Porenverkleinerung
im Papier, sondern auch eine VergroBerung der absoluten Oberflache
des Papieres und somit eine grfiBere Adsorptionsflkche entstehen. Bei
welcher Konzentration Skure bzw. Alkali auf Zellulose quellend wirkt,
konnten wir in der Literatur nirgends ermitteln. Bei Sandfiltern kkme
dieser Punkt natfirlich nicht in Betracht
Ein weiterer Grund des besseren Zurflckhaltens von Bakterien in
diesen Versuchen ware die Quellung der Bakterien durch Skuren und
Alkalien und dadurch eine VolumenvergroBerung dieser Mikroorganismen.
Auch fiber diese Vorgange vermag die Literatur nur spkrliche Mittei-
lungen zu machen.
Ein Versuch (Tab. 15) erlaubt uns, diese beiden Momente nicht als
Hauptursache der besseren Abfiltration von Bakterien bei Anwesenheit
von H- und OH-Ionen anzunehmen. Wir sehen hier, daB der Filtrations-
effekt bei gleichzeitiger Behandlung der Bakterien mit Skure und des
Filtrierpapieres mit Alkali besser ist als in einem H- bzw. OH-Versuche.
Es muB doch in vorliegendem Falle beim Zusammentreffen von Skure
und Alkali die Quellung der Zellulose wie der Bakterien geringer sein.
Tabelle 15.
Einflufi von H- und OH-Ionen auf Papierfilter.
Vorbehandlung des Filtrierpapieres mit H,0 (Kontrolle), NaOH m/50,
Vorbehandlung der Ooli-Emulsion mit HC1 m/150. 10 Scheibenfilter.
50 ccm Emulsion.
H-
OH-
OH- + H-
H,0
Durchflufizeit bis oben 0, Min.
8
« !
6
6 »o
Durchgeflossen bis oben 0, ccm
50
50
50
49
Bakteriengehalt des Filtrates, Proz.
18
23 |
5
25
Wie schon bei den Neutralsalzversuchen, konnten auch hier H- und
OH-Ionen einen EinfluB auf die elektrische Ladung sowohl der Bak¬
terien als auch der Filterteilchen ausfiben.
Noch zu erwahnen ist hier ein Filtrationsversuch von Klinger 1 )
mit Anskuerung des Filters, in dem er zum gleichen Resultate kam, wie
wir. Er bringt die Erklkrung zu dieser Erscheinung mit seiner schon
an anderer Stelle dieser Arbeit erwkhnten Theorie in Zusammenhang.
1 ) 1 . c.
KnU Abt. Orig. Bd. 88. Heft 4. 21
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322
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abfc. Originate. Bd. 88. Heft 4.
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4. Die Adsorption durch Sand und Papier.
Von der Mitwirkung der Adsorption bei der Filtration ist schon
mehrmals die Rede gewesen. DaB Adsorption bei Sand- und Papier-
filtern mitwirken wird, ist mehr als wahrscheinlich, wenn man sich der
Adsorption durch die verschiedenen Pulver (Kohle, Bolus, Kaolin, Ba-
Sulfat etc.) 1 ) erinnert und bedenkt, daB auch die Filter Systeme mit
groBer Oberflflche sind. Ueber die Faktoren, die fflr die Adsorption
bestimmend sind, ist schon in der Einleitung dieser Arbeit einiges ge-
sagt worden. Nach dem dort Angefiihrten konnen wir von einer me-
chanischen, einer elektrischen Oder elektrochemischen und einer che-
mischen Adsorption reden. Natflrlich ware es sehr schwierig, Oder sogar
fast unmoglich, bei einem speziellen Adsorptionsvorgange von einem
dieser 4 Momente allein zu reden, da jedenfalls in den meisten Fallen
gewisse Kombinationen bestehen.
Offenbar ist es fiir die Adsorption im Prinzip dasselbe, ob man
Bakterienemulsion durch stillstehenden Sand schickt, oder in Kolben
den Sand gegen die Emulsion bewegt. Allerdings besteht ein Unter-
schied darin, daB die Distanzen der einzelnen Sandkorner bei der Fil¬
tration kleiner sind und konstanter (sie diirften wahrend der ganzen
Versuchsdauer annahernd konstant bleiben).
Technik. Fiir die Adsorptions versuche mit Sand verwendeten wir ca.
25 cm hohe und 17 mm weite Glasrohren mit PatentverechluB. Dahinein kam zueret
die bestimmte Menge Adsorbens, dann erst die eventuell mit einem Elektrolyten ver-
sehene C o I i - Emulsion (seine Konzentration in dieser ist aus den Tabellen ersichtlich).
Alle Rohren einer Versuchsserie (+ Stammemulsion) wurden nun zusammen mit der
einen Hand oben, mit der anderen unten gefafit und durch Hin- und Herbewegung
um ihre Querachsen ihr Inhalt „geschuttelt“. Nach dieser Bewegung 8 tell ten wir die
Rohrchen wahrend 2 Std. senkrecht, um eine Sedimentation der Sandpartikel zu er-
zielen. Diese erfolgte meistens in alien Rohren gleich rasch (Ausnahmen sind in den
Tabellen angegeben). Jetzt wurde durch 5 mm tiefes Eintauchen einer Pipette in die
iiberstehende Fliissigkeit 1 ccm dieser entnommen und fiir die Kultureahlmethode ver-
wendet.
In den Versuchen war die mittlere DurchfluBzeit gleich der Schflttel-
zeit. Es ergab sich in alien 3 Fallen eine betrachtliche Keimverarmung.
die beim Filtrationsversuch in 2 Fallen groBer war, wahrend sie in einem
Falle beim Schflttelversuch mit feinem Sand groBer war. Es mag das
darin liegen, daB fflr diesen Fall die Schflttelzeit fflr den Adsorptions-
versuch gtinstiger war, als die DurchfluBzeit fflr das Filter, weil in diesem
Falle der Sand nicht, wie in den beiden anderen, geruttelt wurde, son-
dern bloB eingegossen.
Tabelle 16.
Adsorptionswirkung bei der Filtration.
Verdiinnung
1:10 Mill.
I. 25 g feiner Sand als Filter in Glasrohre -f 30 ccm Coli-Emul¬
sion aufgegossen. DurchfluBzeit 15 Min. Bakteriengehalt des
Filtrates
II. 25 g feiner Sand + 30 ccm Emulsion 15 Min. geschuttelt. Bak¬
teriengehalt der iiberstehenden Fliissigkeit
III. 25 g gewohnlicher Sand + 30 ccm Emulsion, 15 Min. geschiittelt.
Bakteriengehalt der iiberetehenden Fliissigkeit
IV. Stammemulsion
1) Vgl. eine der letzten vielen Arbeiten auf diesem Gebiete: Weidmann, Di gs -
Zurich, 1919.
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43
106
130
184
51
102
125
198
Frei u. Erismann, Beitrage zur Theorie der Bakterienfiltration.
323
Tabelle 17.
Adsorptionswirkung bei der Filtration durcb Sand.
Verdiinnung
1:1000
I, 25 g feiner Sand als Filter in Glasrohre + 30 ecm Coli-Emul¬
sion aufgegossen. Durchflufizeit 14 Min. Bakteriengehalt des
Filtrates
2611
2590
II. 25 g feiner Sand -f 30 ccm Coli-Emulsion 14 Min. geschiittelt.
Bakteriengehalt der iiberstehenden Fliissigkeit
III. 25 g gewbhnlicher Sand + 30 ccm Emulsion 14 Min. geschiittelt.
Bakteriengehalt der iiberstehenden Fliissigkeit
883
895
2464
2450
IV. 25 g feiner Sand + 30 ccm Coli-Emulsion lmal umgeschiittelt
dann 2 Std. stehen lassen. Bakteriengehalt der iiberstehenden
Fliissigkeit
4672
4590
V. Stammcmulsion
6592
6540
Aus diesen Versuchen konnen wir den SchluB ziehen, daB der
Sand Bakterien adsorbiert. Diese Auffassung wird bestatigt
durch die gleichzeitige Variation der KorngroBe (Adsorptionsoberflache).
Der „gewohnliche u Sand entreiBt der Bakterienemulsion einen betracht-
lichen Anteil von Mikroorganismen, doch wirkt die gleiche Gewichts-
menge des „feinen u Sandes auffallend gunstiger auf die Keimverarmung
der Emulsion.
Da die Adsorption in erster Linie ein reiner OberflachenprozeB ist
und die Menge des Adsorptes mit der GroBe der Oberfiache zunehmen
muB, kann die gesteigerte Entkeimung bei den Versuchen mit feinem
Sande nicht iiberraschen. Bechhold 1 ) und Eisenberg 2 ) haben
schon quantitative Adsorptionsversuche vorgenommen. Ersterer hat
gefunden, daB bis zu einer gewissen KorngroBe von einigen Mikromilli-
metern hinunter die Adsorption quantitativ mit der Kleinheit der Korner
steigt. Nahert sich die Dimension des Pulvers derjenigen der Bakterien,
so treten andere Einfliisse in den Vordergrund. Eisenberg sagt, daB
die KorngroBe gegenuber der chemischen Natur des Adsorbens weit
wichtiger sei.
Filtrationsvorgange konnen bei den Adsorptionsversuchen nicht
interferieren, da die Zwischenraume zwischen den SandkSrnern variieren
und fhr die Bakterien jederzeit Gelegenheit besteht, beim Auseinander-
treten der Sandkorner aus den Zwischenraumen zu entweichen. Eher
k5nnte man von Filtration reden bei den Versuchen auf Tab. 20, 21
und 22 mit zerkleinertem Filtrierpapier. Bei diesen Versuchen zeigte
sich das Ueberraschende, daB viel groBere Keimverarmung eintritt, wenn
das Gemisch geschOttelt wird. Die plausibelste Erkiarung fflr dieses
Phanomen ist wohl diese: durch das Schutteln haben die Bakterien
haufiger Gelegenheit, an die Papiermasse heranzutreten. Die an der
Oberfiache der Adsorbensfasern liegenden FlQssigkeitsschichten werden
zuerst verarmen und es dauert gewisse Zeit, bis von groBeren Distanzen
weitere Bakterien durch die Brownsche Bewegung angetrieben werden.
Wird hingegen das System bewegt, so kommen in rascher Folge unver-
armte FlQssigkeitsmassen in die Nahe der Adsorbensoberflache, so daB
immer far Erneuerung in den Oberflachenschichten gesorgt ist. Es ist
das genau dasselbe, nur in umgekehrter Richtung, wie die Begttnstigung
1) Kolloidzeitschr. Bd. 23. 1918. S. 35.
2 ) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 81. 1918. S. 72.
21 *
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
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der Auflosung einer festen Substanz durch Mischen im Wasser. N. Sahl-
bom 1 ) hat Shnliche Versuche mit Geraischen von Sand bzw. Filtrier-
papier mit Kolloiden angestellt und gefunden, daB das Kolloid beim
Schutteln griindlicher ausgefSllt wurde, als wenn das System ruhig stand.
Sie ftihrt das bessere Ausfailen beim Schfltteln auf Filtration durch die
Kapillarraume der Filtermasse zurfick.
Ein Spezialversuch Tab. 19, bei dera mit 3 Rohren unter genau
gleichen Umstanden mit Sand ein Adsorptionsversuch gemacht wurde,
zeigt in seinen Resultaten Verschiedenheiten von 15—20 Proz.
Tabelle 18.
Vergleichsversuch in Adsorption durch Sand.
3 Rohren mit je 25 g feinem Sand, 30 ccm Emulsion 15 Min. geschiittelt.
Verdunnung
1:10 Mill.
1. Probe
450
II. „
524
III. „
442
Eine Anzahl von Adsorptionsversuchen Tab. 20—22 diente der
Einwirkung des Schfittelns auf den Grad der Adsorption.
Technik. Fur die Adsorptionsversuche durch Papier verwendeten
wir die gleichen Rdhren wie bei Sand. Dahinein kam eine abgewogene Menge von aus
Filtrierpapier Nr. 597 (Schleicher & Schiill) praparierter Papierschnitzel. Das Ganze
wurde nun auf gleiche Art und Weise geschiittelt wie die Adsorptionsversuche mit Sand.
Nachher schickten wir den fliissigen Inhalt der Rohren (auch die Stammemulsion)
durch ein Papierfilter, um so eine von Papierpartikeln freie Fliissigkeit zu erhalten, die
dann optisch auf Bakteriendichte untersucht wurde.
Tabelle 19.
EinfluB des Schuttelns auf die Adsorption durch Papier.
Bakteriengehalt
A. I. 2 g Papierschnitzel, 50 ccm C o 1 i - Emulsion 15 Min. stehen
lassen
II. 2 g Papierschnitzel, 15 ccm Emulsion 15 Min. geschiittelt
95 Proz.
40 „
Papier zuerst bis zur Sattigung mit Wasser angefeuchtet.
B. I. 2 g Papierschnitzel, 60 ccm Coli-Emulsion 3 Std. stehen
lassen
II. 2 g Papierschnitzel, 50 ccm Emulsion 10 Min. geschiittelt, dann
3 Std. stehen lassen
C. I. 2 g Papierschnitzel, 50 ccm Coli-Emulsion 3 Std. stehen
lassen
II. 2 g Papierschnitzel, 50 ccm Emulsion 15 Min. geschiittelt, dann
3 Std. stehen lassen
75 Pro*.
35 „
80 Proz.
25 „
Tabelle 20.
EinfluB der Schiittelzeit auf die Adsorption durch Papier.
2 g Papierschnitzel, 30 ccm
Coli-Emulsion.
Bakteriengehalt
I. 5 Min. geschiittelt
70 Proz.
II. 10 „
60 „
1) Kolloidchem. Beihefte. Bd. 2. 1910. S. 79.
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Frei u. Erismann, Beitrage zur Theorie der Bakterienfiltration.
325
Tabelle 21.
EinfluB der Schiittelzeit auf die Adsorption durch Sand.
25 g feiner Sand, 30 ccm Coli-Emulsion.
Schiittelzeit
Verdunnung
1 :10 Mill.
Schiittelzeit
Schiittelzeit
Verdunnung
1 :10 Mill.
1) 5 Min.
600
.
2) 5 Min.
3 891
3 901
3) 5 Min.
412
413
10 „
800
998
10 „
277
270
10 „
147
131
15 „
450
.
15 ,
450
443
15 »
88
87
20 „
1452
20 ,
131
110
20 ,
121
167
30 „
2770
2630
30 „
2 080
2 045
30 ,
133
135
Stamm-
Stamm-
Stamm-
emulsion
4130
4190
emulsion
11191
11184
emulsion
952
809
Es zeigte sich 1) daB das Schutteln fiberhaupt die Adsorption be-
gunstigt, 2) daB die Zunahme dieser Begtinstigung mit der Dauer des
Schiittelns nur bis zu einem gewissen Zeitpunkte beobachtet werden
kann. Von 15—20 Min. Schiitteldauer an wird die Fliissigkeit wieder
an Bakterien bereichert. Es findet also eine Desorption statt. Die
ehemals adsorbierten Bakterien entfernen sich wieder von der Sand-
kornoberflSche. Man wird zunSchst eine rein mechanische Ursache fiir
diese Erscheinung annehmen dfirfen. Von der geskttigten Oberfl&che
werden Bakterien durch das ZusammenstoBen der Komplexe losgerissen.
Moglicherweise werden auch nach Mazeration der Bakterien aus diesen
gewisse Substanzen extrahiert, welche ebenfalls vom Sande adsorbiert
werden und den Bakterien die Oberflache streitig machen^ Bei dieser
Verdr&ngung denken wir weniger an ausgelaugte Salze, als vielmehr an
Lipoide, Fetts&uren und EiweiBzersetzungsprodukte, d. h. an ziemlich
oberflachenaktive Substanzen.
Nach der Auffassung Klingers (1. c.) ist die Adsorbierbarkeit
eines Teilchens durch Beladen seiner OberflBche mit LSsungsvermittlern,
d. h. wasserloslichen Stoffen, herabgesetzt. Der Austritt solcher Losungs-
vermittler z. B. von Stoffwechselprodukten ware auch bei den vorliegen-
den Versuchen nicht von der Hand zu weisen.
Welche von diesen beiden Erkl&rungsmoglichkeiten zu Recht be-
steht, kann nur durch Spezialuntersuchungen festgestellt werden.
Die Adsorption unter Einwirkung von Ionen.
Bei den Filtrationsversuchen mit Neutralsalzen war die Annahme
gemacht worden, daB Elektrolyte durch Beeinflussung der Adsorption
den Filtrationseffekt Sndern konnen. Zur weiteren Stutze dieser Be-
hauptung verweisen wir auf die Versuche, von denen einige in den
Tabellen 22—25 wiedergegeben sind.
In 4 von 6 Versuchen mit Anionen steht wiederum das Sulfat an
1. Stelle, d. h. es ist das die Adsorption am meisten begunstigende Ion.
Die Stellung der anderen, Rhodanid, Nitrat, Azetat, ist nicht konstant.
In sozusagen alien Versuchen (in einem einzigen Versuch bei einer
Z&hlung am Anfang, bei der anderen am Schlusse) steht das J-Ion an
allererster Stelle, sogar noch vor dem Sulfat. In dem Versuche mit
m/100 steht das Jod an letzter Stelle. Die Erkl&rung dieses Verhaltens
diirfte, wie schon bei den Filtrationsversuchen erwkhnt, in einer Eigen-
desinfektion des Jodids in m/10-Konzentration (1,5 Proz. NaJ) gefunden
werden.
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Tabelle 22.
EinfluB von Anionen auf die Ad¬
sorption durch Band.
Vorbehandlung der Coli-Emul-
sion mit H 2 0, NaJ, Na^SO^ NaCNS,
NaCjHjO,, NaNO, m/10. 25 g feiner Sand,
30 ccm Emulsion 15 Min. geschuttelt.
Tabelle 23.
EinfluB von Anionen auf die Ad¬
sorption durch Sand.
Vorbehandlung der Coli-Emul¬
sion mit H a O, NaJ, Na,S0 4 , NaNO,,
NaCNS, NaCjHjO, m/100. 25 g feiner Sand,
30 ccm Emulsion 15 Min. geschuttelt.
Verdiinnung
1:10 Mill.
TLO
365*)
350*)
J
156
142
S0 4
200
.
NO,
204
CNS
308
300
C,H 3 0,
300
285
Stammemulsion
1178
.
J>S0 4 , NO, >0^.0., CNS>H,0
J > C, H 3 0, > CNS > H, O.
*) bedeutend langsamere Sedimentation
als bei den anderen.
Verdiinnung
1:10 Mill.
H a O
61
63
J
290
300
so 4
57
70
NO„
92
80
CN?5
66
65
c,h ;] 0 2
50
51
Stammemulsion
544
480
C,H,Oj > SO. > H,0 > CNS > NO. > J.
C,H,0, >H,0, CNS>S0 4 >N0 t >J.
Tabelle 24.
EinfluB von Kationen auf Adsorp¬
tion an Sand.
Vorbehandlung der Coli-Emul¬
sion mit H,0, NaCl, KC1, MgCl,, CaCl,,
LiCl, m/10. 25 g feiner Sand, 30 ccm
Emulsion 15 Min. geschuttelt.
Verdiinnung
1:10 Mill.
H,0
358
400
K-
400
405
Mg-
300
.
Ca-
260
210
Li-
146
168
Na
435
300
Stammemulsion
560
600
Li > Ca > Mg > H a O > K > Na
Li>Ca>Na>K, H,0.
Tabelle 25.
EinfluB von fl- undOH-Ionen auf
Adsorption an Papier.
Vorbehandlung der Coli-Emul-
sion mit H,0, HC1 (m/150), NaOH(m/50).
2 g Papierschnitzel, 30 ccm Emulsion
10 Min. geschuttelt.
Bakterien-
gehalt
H,0
60 Proz.
H-
25 „
OH-
40 „
Der einzige Versuch (Tab. 24) mit Kationen zeigt eine ahnliche
Reihenfolge der Beeinflussung der Adsorption wie die Filtrationsver-
suche mit Papier. Li steht an 1. Stelle, dann aber folgen sofort wie
auch bei den Sandversuchen Ca und Mg.
Ein Adsorptionsversucb durch Papier unter dem Einfiusse von H-
und OH-Ionen fiihrte zu den gleichen Ergebnissen wie die meisten
Filtrationsversuche mit H- und OH-Ionen: Begiinstigung der Adsorption.
Alle Adsorptionsversuche ergeben im groBen und ganzen die gleiche
Reihenfolge, der Beeinflussung durch Ionen, wie wir sie schon bei der
Filtration konstatiert haben. Damit wSre also bewiesen, daB die Be¬
einflussung der Filtration durch Elektrolyte eine reine Adsorptions-
angelegenheit ist und weder auf einer GroBenbeeinflussung der Bakterien
noch auf einer Porenverkleinerung des Filters beruht.
Diese Versuche sind uns auch eine weitere Stutze fur die schon
bei den Filtrationsversuchen mit Elektrolyten aufgestellte Theorie, wo-
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Frei u. Eiismann, Beitrage zur Theorie der Bakterienfiltration. 327
nach Ionen (speziell Sulfat-Ion), welche die Oberflachenspannung am
wenigsten erniedrigen, am wenigsten an Oberfiachen adsorbiert werden
und ihnen gegenuber am meisten Wasser entziehend wirken, und damit
die Adsorption am meisten begtinstigen.
Unsere Versnche wurden nur mit C oli-Bazillen durchgefOhrt. Es
ist aber wohl kaum zweifelhaft, daB die allgemeinen physikalischen und
physikalisch-chemischen Auseinandersetzungen im Prinzip fur alle Bak-
terien gelten mtissen, besonders diejenigen uber die sogenannte rein
mechanische Filterwirkung. Quantitative Verschiedenheiten konnen sich
ergeben aus Differenzen von Gestalt und GroBe sowie Adsorptions-
affinitaten. Es ist anzunehmen, daB dasselbe Adsorbens verschiedene
Adsorbenda ungleich adsorbiert. KiBkalt berichtet schon uber elek-
tive Filterwirkungen: Wenn man Coli- und Wasserbazillen gleichzeitig
auf ein Filter bringt, werden erstere starker zurttckgehalten. DaB
ubrigens verschiedene Bakterien von ein und demselben Adsorbens ver-
schieden adsorbiert werden, ist schon von anderer Seite konstatiert
worden (Kuhn und Hech, Kraus und Barbara, Salus, Michae-
lis) 1 ). Aus Typhus- und Coli-Keimen werden durch (den negativ
geladenen) Bolus mehr Typhuskeime adsorbiert (Kuhn), was nach
Salus fhr eine positive Ladung der Typhusbakterien sprechen wtirde,
Oder wenigstens fiir amphotere Reaktion mit iiberwiegend positiver
Ladung, vorausgesetzt, daB die Adsorption hier wirklich zur Hauptsache
auf elektrochemische Krafte zurilckzufflhren ist. Hingegen verhalten
sich nicht alle Bolusprkparate Typhus und Coli gegenuber gleichsinnig.
Eine Klassenelektivitat verschiedenster Adsorbentien hat Eisenberg 2 )
festgestellt: die Grampositiven werden im allgemeinen bedeutend starker
adsorbiert als die Gramnegativen. Aus diesen Laboratoriumsversuchen
kann man fur die praktische Sandfiltration den SchluB ziehen, daB ein
Filter, welches sich fiir eine gewisse Anzahl von Bakterienarten bewahrt
hat, bei reichlicher Infektion des Rohwassers mit neuen z. B. pathogenen
Bakterienarten nicht dieselbe Zuveriassigkeit zu zeigen braucht.
Der schon erwahnte Versuch von KiBkalt konnte sowohl durch
eine elektive Vertilgung seitens der Protozoen, als auch durch elektive
Adsorption gegenuber den Coli-Keimen gedeutet werden. Ein ana-
loges Experiment machte Friedberger (1. c.): Er lieB in ein mit
zerkleinertem und festgestampftem Filtrierpapier gefulltes Rohrchen von
unten her eine Aufschwemmung von Typhus- und Coli-Bazillen auf-
steigen. In der sich tiber der Filtrierpapierschicht ansammelnden Fliissig-
keit fand er eine Anreicherung von Typhusbazillen, wogegen Coli im
Filter angereichert waren. LieB er eine Typhus-Coli-Emulsion in
Filtrierpapierkapillaren aufsteigen, so waren die Coli unterhalb der
Typhuskeime.
Diese Versuche zeigen, daB eine elektive Filterwirkung auch ohne
Protozoen bestehen kann, weil ja auch das Adsorbens Filtrierpapier
elektive Affinitaten gegen verschiedene Bakterien auBert.
Wie aus alien diesen Erwkhnungen hervorgeht, sind elektive Eigen-
schaften von Sandfiltern nicht allein das Verdienst der Protozoen, son-
dern gewiB zu einem guten Teile auch von Adsorptionsvorgangen.
1) zit. nach E. Friedbcrger, Miinchen. nied. Wochenschr. 1919. Nr. 48.
2) L c.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 4.
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5. Bakteriensteigyersuche in Filtrierpapier nnter Einwirkung
yon Ionen.
Em der Filtration analoger Vorgang ist das Aufsteigen einer Bak-
terienemulsion in Filtrierpapier. Der Unterschied besteht nur darin,
dafl beim Filtrieren die Schwerkraft gleichsinnig mit den kapillaren
Kraften arbeitet, beim Aufstieg im Filtrierpapier dagegen antagonistisch
wirkt. Da es praktisch unmSglich ist, mit gleichen Fliissigkeiten in
verschiedenen Streifen gleichen Papieres genau gleiche absolute Steig-
hShen zu erhalten, haben wir nicht diese absoluten Steighohen, sondern
die Differenzen der Steighohen der Ldsungen gegeniiber den SteighShen
der Bakterien miteinander verglichen. Eine groBere Anzahl von Ver-
suchen wird die durch individuelle Verschiedenheiten der Streifen be-
dingten Fehler ausschalten lassen.
Technik: Streifen aus Filtrierpapier 597 (Schleicher & Schiill) 2 cm breit und
ca. 20 cm lang wurden mit ihrem oberen Ende an einem horizontal verlaufenden Stabe
befestigt und unten 2 cm tief in die C o 1 i - Emulsion (50 ccm) eingetaucht. Die Vor¬
behandlung der Emulsion bestand darin, dafi man ihr so viel von der betreffenden
Elektrolytlosung zusetzte, dafi diese in der in den Tabellen angegebenen Konzentration
vorhanden war.
Nach der bestimmten Zeit prefiten wir den abgenommenen Filtrierpapierstreifen
leicht auf eine Agarplatte auf, nachdem wir noch vorher die maximale Steighohe der
Fliissigkeit bestimmt hatten. So konnte denn nach Aufbewahrung der Platten wahrend
Tabelle 26.
Beeinflusaung der Bakteriensteighohe im Filtrierpapier durch
Kationen.
Vorbehandlung der C o 1 i - Emulsion mit H,0, NaCl, KC1, MgCl,, CaCl,, LiCl,
m/50. Ziramertemperatur 22° C.
Papierstreifen
Nr.
ttteighohe d. Wassers
cm
Steighohe d. Bakterien
cm
Differenzen
cm
1. H,0
12,8
10
2,5
2. NaCl
12,3
9,3
3
3. KC1
12,3
10,1
2,2
4. MgClj
11,7
8,4
3,3
5. CaCL
12
8,8
3,2
6 . LiCl
12
8,2
3,8
Li < Mg < Ca < Na < H,0 < K.
Tabelle 27.
Beeinflussung der Bakteriensteighohe im Filterpapier durch H- und
OH-Ionen.
Vorbehandlung der Coli-Emulsion mit H,0, HC1 (m/150), NaOH (m/50). Zimmer-
temperatur 21 0 C.
Papierstreifen
Steighohe d. Wassers
Steighohe d. Bakterien
Differenzen
in Nr.
cm
cm
cm
1 . HO
12,5
9,8
2,7 ) 30 Min. ein-
2. OH-
12,5
6
6,5 J getaucht
1. H,0
8,7
6,7
2 1 15 Min. ein-
2. H-
9,4
6,3
3,1 / getaucht
1. H,0
2 . H
3. OH
7,9
7,9
8,5
6,5
5
6.3
o’q 1 10 Min. ein-
2 ’ 2 J getaucht
1 . HO
2. H-
3. OH
12.5
42
11.5
10
4
5,7
o ’ 5 \ 30 Min. ein-
5,8 j 8 etaucht
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329
24 Std. im Brutschranke die jeweilige Steighohe der Bakterien bestimmt werden. Der
Steighohenversuch mit Wasser, d. h. mit Emulsion ohne Elektrolytzusatz, diente als
Kontrolle.
Wir konstatieren in alien Fallen beim Aufsteigen einer in Neutral-
salzkationenlosung angemachten Bakterienemulsion eine gewfcse Hem-
mung des Bakterienaufstieges, deren Indikator die bereits genannte
Differenz ist. Wenn diese Differenz groB ist, heiBt das: die Bakterien
sind zurfickgeblieben (in den Reihen auf den Tabellen ist die groBte
Differenz immer beim linksstehenden Ion). Wir konstatierten, daB alle
Elektrolyte das Aufsteigen der Bakterien hemmen, am meisten die 2-
wertigen Kationen Ca und Mg. Li nimmt wiederum, wohl aus frflher
genannten Grfinden, wie bei der Filtration durch Papier eine Sonder-
stellung ein, indem es sich nicht neben die anderen 1-wertigen Kationen,
sondern neben die 2-wertigen stellt.
Noch bedeutendere Differenzen ergeben sich bei den Versuchen mit
Saure und Alkali.
Die Erklfirung fur diese Phanomene ist nach Fichters und Sahl-
boms 1 ) Untersuchungen an Kolloiden in der Verschiedenheit der elek-
trischen Ladung der Kolloide zu suchen. Negativ geladene steigen
namlich praktisch unzersetzt mit ihren Dispersionsmitteln zusammen
hinauf, wfihrend positiv geladene Kolloide an der Eintauchgrenze fest-
gehalten werden und sich somit vom Dispergens trennen. Die Er-
klfirung ffir dieses verschiedene Verhalten soli darin bestehen, daB das
Filtrierpapier bei der Berfihrung mit Wasser und insbesondere beim
Aufsteigen des letzteren selbst eine negative Ladung annimmt. Kommt
nun ein positiv geladenes Kolloid mit der negativ geladenen Oberflache
der Filtrierpapierfasern in Beruhrung, so wfirde es aus elektrostatischen
Grfinden zuruckgehalten und fixiert, wfihernd bei negativ geladenen
Kolloiden die Gleichsinnigkeit der Ladungen ein ungestdrtes Vorbei-
strfimen gestattet.
Fur unsere Versuche wfirde das bedeuten, daB negativ geladene
Bakterien in negativ geladenem Filtrierpapier ungehindert aufsteigen,
positiv geladene dagegen zurtickgehalten werden, bzw. quantitativ ab-
gestuft: je grbBer die positive Ladung der Bakterien, desto energischer
und desto balder werden sie in der Nahe der Eintauchgrenze zurfick-
gehalten; je kleiner die positive Ladung, desto weniger wird ihr Auf¬
steigen gebremst. Nun sind die Bakterien negativ geladen. Vorausgesetzt,
daB sie aus Salzlosungen die Kationen adsorbierten, wfirde ihre negative
Ladung vermindert, und zwar durch 2-wertige mehr als durch 1-wertige
Kationen. Moglicherweise konnten sie sogar eine positive Ladung an-
nehmen. Von M. Beniasch 2 ), der kataphoretische Ueberfiihrungs-
versuche mit einer groBen Reihe von Bakterienarten ausfuhrte, wird be-
hauptet, daB eine Umladung durch Sfiuren nicht zu erzielen sei, nicht
einmal der isoelektrische Punkt erreicht werde. Hingegen scheint Be¬
niasch nur schwache Sfiuren verwendet zu haben, und auBerdem gibt
er nicht an, bis zu welcher Hohe der H-Ionenkonzentration er in den
Bakterienemulsionen gegangen ist. Unsere verwendeten Konzentrationen
sind bedeutend hbher als die von Beniasch bei seinen Bakterien-
agglutinationsversuchen verwendeten. Es ist daher nicht ausgeschlossen,
daB auf diese Weise schlieBlich doch eine Umladung zustande kam.
Auf alle Ffille wird sich eine Mitwirkung der elektrischen Ladung in
1) 1. c.
2) Zeitochr. f. Immunitatsf. Bd. 12. 1912. S. 268.
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irgendeiner Weise beim Aufsteigen der in Salzlfisungen suspendierten
Bakterien in Kapillaren nicht leugnen lassen. Hingegen diirfte die An-
nahme, daB nicht nur elektrische Kr&fte hier modifizierend einwirken
kfinnen, nicht von der Hand zu weisen sein, sonst mflBte ja die Steig-
h5he bei alien 2-wertigen bzw. alien 1-wertigen gleich sein.
Die Wirkung der Adsorption macht sich natfirlich auch hier geltend :
sie ist die Ursache des Zurfickbleibens der Bakterien hinter der Fliissigkeit.
Daher zeigen die Steighfihenversuche mit Filtrierpapier eine ge-
wisse Uebereinstimmung mit den analogen Filtrationsversnchen mit
Papier und Sand, speziell was die Stellung der 2-wertigen Kationen
anbelangt (Ca steht auch hier in alien 3 Fallen, Mg in 2 Fallen links
in der Reihe). Wenn wir auch hier nach weiteren Ursachen dieses
Verhaltens forschen, so mfissen wir wiederum auf die Ansicht Klingers
hinweisen, daB Bakterien um so hbher steigen, je mehr sie an ihrer
Oberflache wasserlfisliche Stoffe tragen. Auf das Bestehen der gegen-
teiligen Verhaitnisse bei Gegenwart von gewissen Elektrolyten in der
Emulsion ist schon in frtiheren Kapiteln hingewiesen worden.
Eine starkere Adsorption und damit eine geringere Steighohe der
Bakterien konnte bei Gegenwart von Elektrolyten auch durch eine ver-
mehrte Quellung (OberflfichenvergroBerung und Porenverengerung) des
Filtrierpapieres bedingt sein, spez. durch Li.
Man kOnnte vermuten, daB sowohl bei der Filtration als auch bei
der Adsorption, wie im weiteren bei den Steighfihenversuchen mit
Elektrolyten, die Bakterien durch diese eine Agglutination erfahren
konnten, die natfirlich auf die Resultate einen begfinstigenden EinfluB hfitte.
Dem ist entgegenzuhalten, daB in der Bakterienemulsion weder mikro-
skopisch noch makroskopisch innerhalb der fUr die Versuchsdauer in Be-
tracht kommenden Zeit irgendeine Agglutination beobachtet werden konnte.
Spezialversuche ergeben, daB bei unseren Konzentrationen weder durch
Sfiure, Alkali noch durch Neutralsalze eine Agglutination eintrat. Am
ehesten wfire das bei den Saureversuchen moglich. Von Sgalitzer 1 ) wird
angegeben, daB die optimale Konzentrationsbreite ffir Salzsaure bei Coli-
Bakterien 0,4 Proz. sei. Demgegenfiber sind unsere verwendeten Kon¬
zentrationen der Salzsaure m/180, m/150 und m/30, also viel niedriger.
6. Der EinfluB von Kaliumzyanid, Chinin, Saponin nnd Chiorkalk
anf die Filtration und Adsorption durch Sand.
a) Filtrationsversuche mit Kalziumzyanid, Chinin,
Saponin und Chiorkalk.
KiBkalt (1. c.) berichtet, daB das hauptsachlich wirksame Agens
bei der Sandfiltration die Bakterien fressenden Protozoen seien, weshalb
nach ihrer Vergiftung durch Kalziumzyanid, Chinin und Saponin das
Filter sehr bakteriendurchiassig werde. Nach Schroder 2 ) ist ein Ver-
such, ein Filter mit Chiorkalk zu desinfizieren, vollstandig miBlungen,
indem das Filter wegen Undichtigkeiten 2 Monate lang unbrauchbar
wurde. Ein analoger Versuch mit den gleichen Resultaten, dessen Mit-
teilung wir der Freundlichkeit von Herrn Dr. Minder verdanken,
wurde im Filterwerk der Stadt Zfirich gemacht. Die Menge des wirk-
samen Chlors war 0,06 g pro Liter Wasser = 171,6 g Chiorkalk pro
Quadratmeter. Das Filter war in diesem Falle vom 7. Okt. bis 17. Nov.
1) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 76. 1912.
2) Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. Bd. 56. 1913. S. 959, zit n. Kifikalt (1. c.).
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unbrauchbar. Die Bakteriendurchlfissigkeit stieg allmShlich an, erreichte
in 2 Tagen nach dem Chlorkalkzusatz das Maximum, d. h. unz&hlige
Keime im Filtrat; das dauerte etwa 17 Tage, und von da an sank die
Keimzahl allmfihlich. Der Protozoengehalt der Ziiricher Filter wurde
von Min den als sehr sparlich befunden.
Wir haben analoge Versuche mit nnseren Sandfiltern durchgeffihrt.
Hier waren Protozoen und flberhaupt jegliche Lebewesen ausgeschlossen,
weil der Sand steril verwendet wurde. Die Filter wurden angefeuchtet
mit 1-proz. Kalziumzyanidlfisung resp. 4-proz. Chininlfisung resp. 2,5-proz.
Saponinlosung resp. 0,17-proz. Chlorkalklfisung. Die Resultate von 4
solchen Versuchen sind die folgenden:
1) Chinin >• H,0 >Chlorkalk> KCN > Saponin,
2) Chlorkalk > Chinin > Saponin > Was8er> Kaliumzyanid,
3) Waaaer > Chinin ^ Chlorkalk > Kaliumzyanid > Saponin,
4) Chlorkalk > Wasser> Kaliumzyanid > Saponin > Chinin.
Im 1. Gliede links ist der Bakteriengehalt des Filtrates jeweils am
geringsten; Kalziumzyanid verschlechtert in alien Versuchen die Fil¬
tration eindeutig. In 3 Versuchen wurde der Bakteriendurchgang eben-
falls begfinstigt durch Saponin und in zweien durch Chinin. Die Stel-
lung des Chlorkalks ist nicht ganz eindeutig, wahrscheinlich wegen dem
Eigendesinfektionsvermfigen dieser Substanz.
Es ist mit diesen Versuchen vor der Hand angedeutet, daB Kalium¬
zyanid, Saponin und zum Teil auch Chinin auch ein protozoenfreies
Filter in seiner Wirkung beeintrfichtigen kfinnen. Wir sind geneigt,
diese Wirkung auf Adsorptionshemmung zurfickzuffihren. KiBkalt
hat selber einen „Vergiftungs“versuch mit Kaliumzyanid an einem mit
Coli-Bazillen geffillten Kohlenfilter ausgefflhrt und dabei keine Ver-
giftung konstatiert, das Filtrat war steril. Gegen diesen Versuch kann
eingewendet werden, daB
1) die Kohlenmasse offenbar zu groB war, und daB 2) die Kohle
ein viel zu gutes Adsorbens ist, so daB die Wirkung des KCN sich gar
nicht fiuBern kann.
Die folgenden Adsorptionsversuche werden unsere Ansicht fiber die
schSdliche Wirkung genannter Substanzen auf die Filtration noch be-
kraftigen.
b) Adsorptionsv*ersuche mit Kaliumzyanid, Saponin,
Chinin, Chlorkalk.
Einen weiteren Anhaltspunkt fflr die Annahme, daB die Verschlech-
terung des Filtrationseffektes durch Kaliumzyanid, Chinin und Saponin
auf einer Adsorptionshemmung beruht, kann durch die folgenden Ver¬
suche erbracht werden.
Je 25 g feiner Sand in 5 Glasrohren, bereita sterilisiert. 30 ccm Coli-Emulsion
mit den entsprechenden Mengen Kaliumzyanid, Saponin, Chinin und Chlorkalk ver-
sehen (Kontrollversuch ausgenommeu).
Alle Rohreu samt der gleichen Menge Stammemulsion wurden in der friiher an-
gegebenen Weise 16 Min. geschuttelt. Nach 2 Std. stehen lassen wurde aus der obersten
Schicht der iiberslehenden Fliissigkeit wie bei den friiheren Adsorptionsversuchen eine
Probe entnommen.
Die relativen Resultate sind in den folgenden Reihen zusammen-
gestellt, wobei das 1. Glied jeweils die stfirkste Keimverarmung in der
Adsorptionsflfissigkeit aufweist, also die beste Adsorption:
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1) Chlorkalk, Chinin, Wasser, Saponin, KCN,
2) Chlorkalk, Wasser KCN, Saponin, Chinin,
3) Chinin, Chlorkalk, Saponin, Wasser, KCN,
4) Chlorkalk, Wasser, KCN, Chinin, Saponin,
5) Chlorkalk, Wasser, Chinin, KCN, Saponin.
In 4 von 5 Versuchen wurde die Zahl der adsorbierten Bakterien
herabgedriickt, diejenige der in Mer Fliissigkeit verbleibenden erhoht
durch Saponin und Kaliumzyanid. Chinin wurde nur 3mal adsorptions-
hemraend. Es diirfte also kein Zweifel mehr bestehen, daB die von
KiBkalt (1. c.) verwendeten Substanzen, zu einem Teile wenigstens,
wegen ihrer adsorptionshemmenden Wirkung den Durchgang von Bak¬
terien durch ein Filter erleichterten. Friedberger 1 ) gibt an, daB in
einem eiweiBhaltigen Medium aufgeschwemmte, an sich stark adsorbier-
bare Bakterien im Filtrierpapier hoher steigen, als in NaCl suspendierte.
EiweiB hemmt also die Bakterienadsorption an Filtrierpapier, gerade so
wie Saponin, Kaliumzyanid und Chinin diejenige an Sand. Analoger-
weise wfirden Bakterien unter der Einwirkung dieser 3 genannten Sub¬
stanzen auch besser durch ein Papierfilter durchgehen. Sie wiirden also
auch unter Einwirkung dieser Substanzen in Papierfiltern hoher steigen.
Die Versuche mit Chlorkalk zeigten wegen der bakteriziden Fahig-
keit desselben in den verwendeten Konzentrationen nicht das erwartete
Resultat.
7. Ueber die Funktionen der Sandfilter in der Praxis.
Wir haben im vorhergehenden qualitativ die Adsorption von Bak¬
terien durch Sandfilter dargetan und ihre quantitative Beeinflussung
durch verschiedene Zusatze. Es fragt sich nun, wie weit die Adsorption
(deren Vorhandensein anscheinend von den wenigsten im Prinzip be-
stritten, deren quantitative Wirkung aber sehr verschieden beurteilt
wird) bei der Sandfiltration eine Rolle spielt. Es ist vor alien Dingen
zu berucksichtigen, daB eine Oberflache sehr bald gesfittigt sein kann.
Von diesem Momente an wurde also in einem Sandfilter der Adsorptions-
faktor nicht mehr wirken. Es fragt sich, wie schnell in der Praxis die
Sattigung erreicht ist und was mit den adsorbierten Bakterien geschieht.
Ob und wann die Oberflachensattigung mit Bakterien eintritt, wird
einerseits von der Menge und dem Bakteriengehalt des Rohwassers,
andererseits von der Geschwindigkeit des Zugrundegehens der adsor¬
bierten Mikroorganismen abhSngen. Wenn die lbtztere verhaltnismaBig
groB ist, wird der Sdttigungsgrad nie erreicht werden, das Filter kann
also bestandig adsorbieren.
In der Einleitung ist schon auf die Beeinflussung der Durch-
stromungsfliissigkeit durch das zuriickgehaltene und adsorbierbare Ma¬
terial hingewiesen worden. Alle Prozesse, welche auf das Filter ein wirken,
stabilisieren sich anscheinend nach und nach, so daB ein eingearbeitetes
Sandfilter monatelang ganz gleichm&Big funktioniert. Es ist moglich,
daB die Verhaltnisse in den DurchfluBbedingungen in einem gegebenen
Zeitpunkte nicht an alien Stellen der Filtermasse gleichmaBig sind. Es
kann z. B. durch Verstopfung ein Teil des Materials unwegsam gemacht
werden. In dieser Ruheperiode konnen nun die Zersetzungsprozesse
fortschreiten, bis alles festgehaltene Material mineralisiert bzw. durch
Mikroorganismen aufgebraucht ist. Dann wird dieser Teil wieder durch-
gangig, das Material ist wieder „verjiingt“ und kann wieder in Aktion
1 ) Miinchen. med. Wochenschr. 1919. Nr. 48.
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treten. Von einer ungleichmaBigen Verteilung des Durchflusses haben
wir schon frtiher gesprochen.
Allgemein wird angegeben, daB ein eingearbeitetes, d. i. durch Bak-
terien- und andere Massen angedichtetes Filter besser filtriert als ein
frisches. Von der Bedeutung der Filterhaut wollen wir zunachst ab-
sehen, denn mehrfach wird erw&hnt, daB das eingearbeitete Filter mit
Oder ohne Filterhaut gut arbeiten kbnne. („Vorfilter wie Reinfilter
konnen in der Regel sofort nach der Reinigung, d. i. Abschlemmen der
obersten Schicht, wieder in Gebrauch genommen werden.“) J ). Ver-
schleimung des Filters (Dunbars Benetzungshautchen) 2 ) bedeutet
offenbar (iberziehen der Sandkorner mit adsorbierten und mechanisch
festgehaltenen Bakterien und anderen Substanzen des Rohwassers und
Bakterienzersetzungsprodukten. Diese letzteren sind zunachst noch kol-
loider Natur und erst im weiteren Verlaufe des Abbaues werden sie
kristalloid. Hand in Hand mit diesem Abbau geht eine Abnahme der
Adsorbierbarkeit und der Viskositat, also eine Zunahme der „Flussig-
keit“ und Diffusibilitat. Im ganzen konnen wir den Schleim als eine
hydrophile Kolloidmasse betrachten, deren Quellungsgrad fur die Durch-
lassigkeit des Filters von ausschlaggebender Bedeutung sein muB.
Dunbar gibt an, daB mit der Ausbildung des Benetzungshautchens
das Porenvolumen des Filters ab- und seine Wasserkapazitat zunehme.
Das kann aber nur durch Aufnahme von Quellungswasser seitens der
Kolloidmasse erklart werden. Nehmen wir aber an, daB, in Ueberein-
stimmung mit dem oben von der Totalverstopfung eines Teiles der
Filtermasse Gesagten, der Schleim das Gesamtporenvolumen ausfflllt, so
batten wir hier ein Ultrafilter mit Sandkorneinlagen vor uns. Die Kol¬
loidmasse wird infolge von Autolyse und anderen vitalen Prozessen in
einem labilen Gleichgewicht sein. Mit fortschreitender Mineralisierung
wird ihre Viskositat ab- und damit die FluBfahigkeit zunehmen. Die
entstehenden Elektrolyte werden die noch vorhandenen Kolloide in ihrem
Quellungszustande beeinflussen und je nach der Natur der Elektrolyte
wird eine stSrkere Oder schwiichere Entquellung, vielleicht aber sogar
eine Solbildung eintreten. Das Nitrat-Ion, das hier wohl am ersten in
Betracht kommt als Abbauprodukt der EiweiBkorper, hat eine wenig
entquellende, moglicherweise solbildende Wirkung. Auf alle Faile wird
in den verstopfenden Kolloidmassen einmal der Moment der vollstfin-
digen Verflilssigung und damit der leichteren Durehlassigkeit eintreten.
Nach diesen Auseinaudersetzungen wiirde die Stetigkeit und Gleich-
mSBigkeit der schlieBlichen Totalfilterleistung nur eine scheinbare sein.
In Wirklichkeit wiirde ein gegebener Teil des Filterkbrpers periodisch
arbeiten. Wenn schlieBlich die Regenerationsfahigkeit eines Filterkbrpers
in der Praxis doch verschwindet, so diirfte das auf Verstopfung mit
mineralischen Suspensis zurfickgefflhrt werden.
Unsere eigenen Versuche haben die Moglichkeit der Desorption,
d. h. der Sprengung der Adsorptionsbindung Sandkornbakterium, er-
geben und man muB sich fragen, ob nicht ein analoger ProzeB auch in
einem „gereiften u Filter (d. i. ein eingearbeitetes Filter) vor sich geht.
Dunbar (1. c.) schreibt der Adsorption groBe Bedeutung zu bei der
Reinigung der Abwdsser durch Filterkorper. Tatsachlich zeigt ja der
tagliche Erfolg der Filtration durch Sand, daB von einer Desorption
1) Vgl. Minder, L., Zur Theorie der Wirkung der Sandfilter. (Journ. f. Gasbel.
u. Waaservers. Jahrg. 61. 1918. S. 56.)
2) 1. c.
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in praxi nicht die Rede sein kann. Es ist hier allerdings festzustellen,
dafi die Bedingungen bei unseren Schiittelversuchen einfacher waren,
als bei einem Naturfilter: Unser Sand als Adsorbens besteht aus rein
anorganischen Kornern und es fehlen die Schleimschicht und Sapro-
phyten und Protozoen vollstandig. Es ist sebr wohl moglich, dafi auch
in einem eingearbeiteten Filter in einem gewissen Momente der Reini-
gung des Durchflufiwassers adsorptionshemmende Faktoren auftreten,
deren Wirkung aber durch Antagonisten aufgehoben wird.
Man kann noch die Frage nach dem Schicksal der adsorbierten oder
mechanisch zuriickgehaltenen Bakterien stellen. Wir haben ohne
weiteres angenommen, dafi sie absterben und zersetzt werden und dafi
sie sich auf keinen Fall vermehren. Von den pathogenen Bakterien, die
im Wasser im allgemeinen ganz ungiinstige Lebensbedingungen vor-
finden, wollen wir hier ganz absehen.
Die Adsorption von Zellen an Oberflachen oder von Suspensis an
Zellen kann fiir letztere nicht ganz gleichgiiltig sein. Dafi rote Blut-
korperchen durch Kolloide und unlosliche Suspensionen gesch&digt werden,
ist schon lange bekannt 1 ). Ebenso findet eine partielle Abtotung von
an Tierkohle und Kaolin adsorbierten Bakterien statt (Friedberger
und Kumagai). Die therapeutische Anwendung von adsorbierenden
Pulvern bei Behandlung von Infektionskrankheiten hat bekanntlich
grofien Umfang angenommen. Es ist also anzunehmen, dafi auch im
Filter Bakterien lediglich durch Adsorption schon geschadigt werden,
sei es, dafi gewisse mitadsorbierte Fremdsubstanzen eine gerade durch
die Adsorption fiir die Bakterien schadigende Konzentrierung an der
Oberflache erfahren, sei es, dafi dasselbe eintritt durch Stoffwechsel-
produkte der Bakterien. Es konnen aber auch durch Adsorptionskrafte
gewisse lebenswichtige Substanzen aus den Bakterien herausgerissen
werden. Spater setzt dann in den abgetdteten Bakterien die Autolyse ein.
Bedentung der Elektrolyte im Rohwaaser.
Die Wirkung der Elektrolyte auf Sandfilter, wie sie im vorher-
gehenden untersucht wurde, haben wir haupts&chlich der Beeinflussung
der Bakterienadsorption zuzuschreiben. Man kann sich fragen, was iiber-
haupt die Elektrolyte eines Rohwassers bei der Filtration zu bedeuten
haben. Im Prinzip werden die Anionen und Kationen des Rohwassers
zunachst auf die Bakterienadsorption an Sandkornern analoge Wirkungen
haben, wie in unseren Versuchen, dann aber werden sie ahnlich wie die
Elektrolytlosungen in einem Organismus den Quellungszustand der Kol¬
loide, d. i. in unserem Falle des Filterschleims, beeinflussen, bzw. regu-
lieren. Dazu gesellt sich dann weiter die Wirkung der bei der Zer-
setzung organischen Materials entstehenden Elektrolyte. Wir konnen
also eingearbeitete und gereifte Filter sehr wohl in mancher Beziehung
mit einem Organismus vergleichen, der organisches und anorganisches
Material aufnimmt, gewisses Material nach einer chemischen und physi-
kalischen Umwandlung zurfickbehalt und anderes wieder abgibt. Man
konnte beinahe von Filterstoffwechsel reden. Auch in diesem Organis-
1) Landsteiner u. Jagic, Koll. Kieselsaure. (Munchen. med. Wochenschr.
1904. Nr. 57.—Cernovodeanu u. Henri, Kolloides Ei9enhydroxyd. (Compt. rend.
Soc. biol. 1905. p. 224.) — Gengou, BaSO, und CaF,. (Corapt. rend. acad. sc. 1904.)
— Frei, W., Kolloides Quecksilber. (Berlin. Tierarztl. Wochenschr. 1905. Nr. 21.) —
Friedberger u. Kumagai, Tierkohle und Kaolin. (Zeitschr. f. Immunitatsf. Bd. 13.
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1912. S. 127.)
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mus kann es mehr Oder weniger Symbionten geben, in Gestalt von
organisches Material zersetzenden und als Nabrung brauchenden Bakterien
und Protozoen.
SehluBfolgerungen.
I. Die Untersuchungen fiber die Funktion von Sand-
filter n haben ergeben:
1) Die Zunahme der Dichte der als Filter verwendeten Sandmenge
(durch Eigengewicht, Rfltteln oder Stampfen des Sandes erzeugt) bewirkt
infolge Verkleinerung des Porenvolumens des Filters eine Verlangsamung
der DurchfluBgeschwindigkeit (Verlfingerung der DurchfluBzeit) von
Flfissigkeiten, eine Abnahme der Gesamtwasserkapazitat des Filters und
endlich eine Verbesserung des Filtrationseffektes (= Verminderung der
Bakteriendurchlassigkeit).
2) Bei proportionaler Vermehrung der Sandmenge, Wassermenge und
Filterhfihe nimmt die DurchfluBzeit nicht proportional, sondern starker zu.
3) Die Verringerung der DurchfluBgeschwindigkeit bei gleichgebauten
Filtern hat eine Verbesserung des Filtrationseffektes zur Folge, die Ver-
grfiBerung dagegen eine Verschlechterung.
Aus diesem Grunde muB bei einer proportionalen Vermehrung der
Sandmenge, Wassermenge und Filterhfihe auch eine unverhfiltnismaBig
groBe Bakterienundurchlfissigkeit des Filters eintreten.
4) Variation in der SandkorngroBe findert bei gleicher DurchfluBzeit
den Filtrationseffekt dahin, daB bei-Abnahme der KorngrfiBe mehr Bak¬
terien zurfickgehalten werden.
II. Die Beeinflussun g des Filters durch Elektrolyte:
1) Bei Anfeuchtung des Filters mit Kationen konnte keine eindeutige
Verbesserung des Filtrationseffektes festgestellt werden; immerhin lfiBt
sich sagen, daB die 2-wertigen Ionen Mg und Ca von alien verwendeten
1- und 2-wertigen Kationen den gflnstigsten EinfluB auf die Filtration
haben. Mit Bezug auf diese Wirkung konnen wir vielleicht die ab-
steigende Reihe aufstellen Mg> Ca>NaK >Li.
2) Eindeutiger war die Begfinstigung der Abfiltration von Bakterien
nach Anfeuchtung von Filtrierpapier mit Kationen. Li nimmt hier eine
Sonderstellung ein, indem es den Durchgang von Bakterien durch Papier
am meisten hemmt. Die Ursache ist in der Quellung der Zellulose
durch LiCl zu suchen. Im fibrigen ist die Kationenreihenfolge dieselbe
wie bei Sand.
3) Bei der Vorbehandlung der Bakterienemulsion ergab bei Sand-
filtem Magnesium den besten Filtrationseffekt.
4) Bei Vorbehandlung der Bakterien ergab sich ffir die Filtration
durch Papier die gleiche Reihenfolge wie bei der Vorbehandlung des Filters.
III. Adsorption durch Sand und Papier.
1) An Hand entsprechender Versuche zeigten wir, daB Sand tiber-
haupt imstande ist, Bakterien zu adsorbieren, und daB ein gewisser Teil
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der in einem Filter zuriickgebliebenen Bakterien durch Adsorption zu-
ruckgehalten werden.
2) Mit abnehmender SandkorngroBe nimmt die Adsorption zu.
3) Das „Schiitteln“, d. h. die Bewegung der Systeme, begiinstigt die
Adsorption, weil auf diese Weise in der Zeiteinheit eine groBere Menge
von Bakterien in die N&he der adsorbierenden Oberfl&che kommt.
4) Von einer gewissen Schiitteldauer an findet eine Verschlechterung
der Adsorption statt, d. h. Desorption.
5) Elektrolyte beeinflussen die Adsorption, und zwar lassen sich ini
groBen und ganzen die gleichen Ionenreihen wie bei den entsprechenden
Filtrationsversuchen aufstellen. Infolgedessen muB auch dort die Ionen-
wirkung durch Adsorption erkl£rt werden.
IV. In Elektrolytlbsungen suspendierte Bakterien, die man in Fil-
trierpapier kapillar aufsteigen IkBt, bleiben gegeniiber der Flussigkeit
starker zuriick, als in reinem Wasser aufgeschwemmte. Die Elektrolyte
hemmen sonst den kapillaren Aufstieg der Bakterien und begiinstigen
also deren Adsorption. Die 2-wertigen stehen hier wieder an 1. Stelle.
Li macht, wie bei der Filtration durch Papier, eine Ausnahme, indem
es vor den 2-wertigen steht.
V. Es ist wahrscheinlich gemacht, daB Kaliumzyanid, Saponin und
teilweise auch Chinin die Bakteriendurchlassigkeit von Sandfiltern er-
hohen, indem sie die Adsorption hemmen, wie besondere Sandadsorptions-
versuche zeigen. Man konnte also moglicherweise vollst&ndig sterile,
insbesondere protozoenfreie Filter, durch die genannten Substanzen „ver-
giften tt .
Eine analoge Scliadigung durch Chlorkalk gelang uns nicht, wahr¬
scheinlich wegen direkter Mikrobizidie dieser Substanz in der verwen-
deten Konzentration.
Vom 22.—24. Sept. d. J. wird in Briinn die Feier des 100. Geburts-
tages Gregors Mendels begangen werden. Anmeldungen zur Teil-
nahme an der Jahrhundertfeier sind an Horrn Prof. Dr. Hugo litis
in Briinn, Backergasse 10, zu richten.
Inhalt
Frei, Walter, u. Erismann, Hermann,
Beitrage zur Theorie der Bakterienfil-
tration, 8. 306.
OinB, H. A., Mikroskopische Befunde bei
experiraenteller Maul- und Klauenseuche.
Mit 1 Tafel und 2 Abbildungen, S. 265.
van Loghem, J. J., Aenderungen bei Bak¬
terien, aufgefafit als adaptative und re¬
gressive Aenderungen wahrend der indi-
viduellen Existenz, S. 257.
Opitz, Hans, Immunisierungsversucbe
gegen Diphtherie beim Menschen, S. 262.
Fotthoff, F., u. Hener, G., Der Eiufluft
der ultravioletten Strahlen auf die Anti-
korper in vivo. Mit 1 Kurve im Text, 8.299.
Sasakawa, Maseo, Zur Systematik palho-
gener und parasitischer ilefen. Morpho-
logisch-biochemische Studie, S. 269.
Schennert, Arthur, u. Schieblich, Mar¬
tin, Studien iiber die Magendarmflora
polyneuritischer Tauben und die Bildung
antineuritischen Vitamins durch Darm-
bakterien, S. 290.
Schmidt, Ludwig, Ueber das Verhalten
von Keimen auf der aufieren Hautgegea-
iiber ultraviolettem Lichte, S. 286.
Frommannsche Bnchdruckerei (Hermann Poble) in Jena.
Google
- C —
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ia< AJRg^-CHAMPAIGN^ ^
Centralbl. f. Bakt etc. I. AbL Originate. Bd. 88. Heft S.
Ausgegeben am 30. Juni 1922.
Nachdruck verboten.
[Aus dem Hygienischen Institut der Universitat Berlin (stellvertr. Direktor:
Prof. Dr. Bruno Heymann).]
Zum 40-jaJirigen Gedenktage der Entdeckung des
Tuberkelbacillus.
Ansprache, gehalten in der Berliner Mikrobiologischen Gesellschaft
am 24. Marz 1922.
Von Prof. Dr. Bruno Heymann.
Meine Damen und Herren!
Zur freundlichen Teilnahme an einer schlichten Feier, die heute
unser Institut begeht, habe ich mir erlaubt, Sie hierher zu bitten. Ich
begrflBe Sie herzlichst, danke Ihnen, insbesondere den verehrten Gasten
unserer Gesellschaft, fur Ihr freundliches Erscheinen und bedauere nur,
daB die Kleinheit dieses Zimmers nicht alien von Ihnen die Bequem-
lichkeit eines Sitzes vergbnnt. Allein mit gutem Grunde habe ich Sie
nicht in unseren groBen Hbrsaal, sondern in diesen engen Raum ge-
beten. Er allein ist die rechte Statte ftir die Feier, die wir vorhaben,
er allein als der Schauplatz des denkwiirdigen Vorganges, der sich
heute vor vierzig Jahren zwischen diesen vier WSnden abgespielt hat:
Hier hielt Robert Koch am 24. Marz 1882 im Kreise der
Berliner Physiologischen Gesellschaft seinen Vortrag
„Ueber Tuberkulose 11 , die erste offentliche Mitteilun g von
der Entdeckung des Tuberkelbacillus. Gestatten Sie mir,
meine Damen und Herren, den Versuch, in diesen historischen Rahmen,
den ich nach Moglichkeit in seinen damaligen Zustand habe zurOckver-
setzen lassen, auch das Bild jener Sitzung einzuzeichnen, so getreu, wie
ich es nach dankenswerten Mitteilungen von noch uuter uns weilenden
Augenzeugen, auf Grund von gedrucktem und ungedrucktem Material
und an der Hand von Demonstrationsobjekten vermag 1 ). — Lassen Sie
mich mit dem Hintergrunde beginnen.
Es ist der 24. Marz 1882. Der Vorfrilhlingstag, der am Morgen
so klar begann, ist unfreundlich, trtibe und feucht geworden. Vorzeitig
hat sich von dem dicht bewolkten Himmel die Dammerung hernieder-
gesenkt, und w&hrend wir von der lebhaften Friedrichstadt her in die
stille DorotheenstraBe einbiegen, verhallen vom spitzen Turin der nahen
NeustSdtischen Kirche fiber die Dacher der niedrigen Hauschen hinweg
die Glockenschiage, welche die siebente Abendstunde verktluden. Wir
1) Allen den zahlreichen Herren, die mich hierbei freundlichst unterstiitzt haben,
insbesondere den Herren Geh. Med.-Rat Prof. Dr. .Fliigge, Hirschberg, Israel
und Neufeld, ferner dem Direktor des Kaiserin Friedrich-Hauses fur das arztliche
Fortbildungswesen, Herrn Prof. Dr. Adam, und dem friihcren Obermaschinisten und
Hausverwalter des Institute, Herrn Neuondorff, mbchte ich auch an dieser Stelle
nochamls meinen be»ten Dank aussprecben.
Erste Abl. Orig. Bd. 88. Heft 5. 22
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338 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 5.
werfen — der Kirche gegeniiber — einen Blick auf Schliiters gef&l-
ligen Logenbau, der sich mit seiner lebhaften Barockgliederung und an-
mutigen Giebelzier leicht beschwingter GriechengOtter und Amoretten
wohltuend von den militarisch-eintonigen, schmucklosen Fensterreihen
der anderen Hauser abhebt, die eine sparsame und ernste Zeit unter
dem Regiment eines strengen Konigs errichtete. Wir beruhren das
jedem civis academicus wohlbekannte Haus des Universitatsstallmeisters,
nehmen schon von weitem mit der Nase den GroBbetrieb des reichen
Gerbermeisters wahr, der ohne viel Umstande seine Felle in der nahen
Spree, am vielbesungenen „griinen Strand der Spree“, wascht, und n&kern
uns endlich hinter einer ansehnlichen Seifensiederei der WilhelmstraBe.
In dem langgestreckten, einstockigen Eckhaus linker Hand, der friiheren
Artilleriewerkstatt, umrahmt ein machtiger Torbogen das bunte Treiben
eines lebhaften Fuhrgesch&fts: In wirrem Durcheinander werden Kut-
schen und Karren aller Art, Kremser und Leichenwagen sichtbar,
zwischen denen larmende Knechte die Pferde ausspannen und unter
Peitschenknallen durch die spritzenden Pfiitzen in die Staile fiihren —
ein wenig erfreuliches Bild. Rechter Hand aber wird unser Auge ge-
fesselt von einem stolzen, 3-st8ckigen Gebaude, mit kachelgeschmuckter
Rotziegelfassade, mit mindestens zwanzig hohen und breiten Fenstern
in der StraBenfront und in gewaltiger Tiefe spreewarts fast bis an das
Wasser reichend. Das sind die erst vor vier Jahren eroffneten, wissen-
schaftlichen Palaste von Helmholtz und seinem Freunde Du Bois-
Reymond, den Leuchten der Universit&t, denen hier in Wiirdigung
ihres Schaffens und Weltrufs die Regierung trotz aller sonstigen Spar-
samkeit Arbeitsstatten von einzigartiger GerSumigkeit und Ausstattung
bereitet hat 1 ).
Wir sind am Ziel. Denn hier, im Physiologischen Institut, wird
heute Abend ein Mitglied des Kaiserlichen Gesundheitsamtes, der erst
kiirzlich herberufene Regierungsrat Dr. Koch 2 ), im Kreise der Berliner
Physiologischen Gesellschaft einen Vortrag „Ueber Tuberkulose“
halten. Zwar hat er das Thema merkwiirdig allgemein gefaBt und hStte
bei der Gr5Be der Frage den Inhalt des Vortrags schon etwas genauer
abgrenzen konnen. Aber er hat sich bereits durch verschiedene, sogar
von Pasteur und Lister 8 ) gerfihmte Arbeiten auf dem neuen Ge-
biete der Bakteriologie einen wohlbekannten Namen gemacht, und es
verlohnt sich wohl, auch einmal seine Meinung fiber diesen wichtigen
und schwierigen Gegenstand zu h6ren, fiber den anscheinend eine Eini-
gung nicht zu erzielen ist. Die ersten AutoritBten, der „Professor der
Professoren“ 4 ) Virchow und der geschickt experimentierende Cohn-
1) Lenz, Geschichte der Koniglichen Friedrich-Wilhelms-Universitat zu Berlin.
II. Bd. 2. Halfte. S. 369. Halle a. S. 1918.
2) Paul Borner, Das neue Mitglied des Kaiserl. Deutschen Gesundheitsamte.
(Dtsch. med. Wochenschr. 1880. Nr. 30. S. 414.)
3) Vgl. hierzu Loeffler, Robert Koch. Zum 60. Geburtstage. (Ebenda. 1903.
Nr. 50. 8. 938, sowie Listers Schreiben an dieee Wochenschrift; ebenda, 8. 960.)
4) Mit diesen Worten begriiSte der Vorsitzende der Kais. Kaukasischen Mediz.
Gesellschaft, Minkewitsch, ihr Ehrenmitglied in einer zu Tiflis am 19. Sept. 1881
abgehaltenen Sitzung. In seiner gedankenreichen Antwort machte Virchow folgende
im 2. Decennium dieses Jahrhunderts, daB jede Phthise auf Tuberkulose beruhe; er
hielt die Phthise fur eine Einheit und diese Einheit suchte er in dem Tuberkel. Es
ist das eines der groflten Imhiimer der Medizin gewesen — so genial Laennec war,
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Hey man a, Zum 40-jahr. Gedenktage der Entdeckung des Tuberkelbacillus. 339
heim 1 ), welch’ letzterem die jfingeren Pathologen Baumgarten 2 ),
Marchand 3 ) undOrth 1 ) temperamentvoll sekundieren, stehen sich in
der Auffassung von Laennecs „tuberkulfiser Phthise“ schroff gegenfiber;
die groBen Kliniker speisen uns mit unklaren Worten wie „Dyskrasie“
and „skrofulfiser Diathese“ ab, leugnen zum grfiBten Teil die Ansteckungs-
f&higkeit der Krankheit und versagen therapeutisch vollig. Am schiimm-
sten aber ist der praktische Arzt daran; er, der Tag fiir Tag mit dem
Leiden ringt, der bald diese, bald jene Ansicht bestfitigt glaubt und am
Krankenbette nur mtihsam die entwtirdigende Beschamung fiber seine
eigene Hilflosigkeit verbergen kann, weiB nicht mehr, wo aus Doch ein.
VVer zeigt uns endlich den Ausweg aus diesein Wirrsal, in dem tauseud-
mal mehr Menschen dahinsiechen, als in dem opferreichen Labyrinth
der hellenischen Sagenwelt? —
Wir treten durch das hochragende, mit den Bildnissen der Haus-
geister Haller und Johannes Mfiller gekronte Portal in das Ge-
b&ude ein, steigen in der sfiulengetragenen Vorhalle auf Marmorstufen
empor und befinden uns in einem breiten, nach beiden Seiten lang aus-
laufenden Korridor mit stimmungsvoll gotischem Gewolbe. Wohin das
Auge sieht — die Decken und Wande, die lackierten Tfiren und Mosaik-
fuBboden, die Broncekandelaber und Treppengelander — fiberall eine
ungewohnte, fast festliche Ausschmfickung, und wie eine Vorahnung
einer neuen, reicheren Zeit steigt es in uns empor, einer in Marmor
und Gold prunkenden Aera.
Vom KellergeschoB hervor, wohl durch unsere Schritte angelockt,
eilt uns geschfiftig der junge Maschinist des Instituts entgegen und
weist uns hfiflich den Weg in das Lesezimmer, wo der Vortrag statt-
finden soil. An solchen Sitzungstagen, jeden 2. Freitag — so erzfihlt
er uns — hat er alle Hande voll zu tun; denn er hat allein die Vor-
bereitungen dazu zu treffen. Und vollends heute! Denn „Herr Ge-
heimrat Du Bois“ hat ihm schon gesagt, daB heute besonders starker
Besuch zu erwarten sei. Wer weiB, ob das Zimmer alle Besucher fassen
wird? Ob die sechs Dutzend Stfihle, die das Institut besitzt, und die
er zu beiden Seiten des Tisches aufgestellt hat, genfigen werden? Wer
weiB, ob vor allem der Tisch, so lang er auch ist, ausreichen wird?
Denn nicht weniger als 200 Praparate, so hieB es, sollen auf ihm Platz
so gewaltig war dieser Irrthum. Diese Lehre war auch der Grund, daB die Aerzte lange
Zeit hindurch wenig oder gar nichts gegen Phthise unternahmen. Gerade darum be-
klage ich es auf das Tiefste, daB diese Lehre so lange hat bestehen kbnnen.“ (Virchows
Arch. Bd. 89. 1882. 8. 182.)
1) Cohn heim, Die Tuberculose vom Standpunkte der Infectionslehre. 2. Aufi.
188].
2) Baumgarten gebiihrt die Anerkennung, daB er gleichzeitig mit Koch die
„*pezifischen Organismen in den Heerden der tuberkulosen Krankheiten“ richtig er-
kannt und am 18. Marz vor Fachgenossen in Kontgsberg, sowie am 15. Mai irn Berliner
Verein fiir innere Medizin in Schnitten demonstriert hat. Doch erkliirte er mangels
Reinkulturen damals selbst, daB „sich die Frage, ob die von ihm gefundenen Tuberkel-
bakterien die Ursache der tuberculttsen Processe Oder nur ihre Beg lei ter seien,
aus dem bloBen Zusammenvorkommen beider nicht entscheiden lasse“, und daB ,,die
Bahn zur sicheren Entscheidung dieser Frage Koch mit seinen beriihmten Untersuch-
ungen betreten habe“. (Dtsch. med. Wochensc.hr. 1882. Nr. 22. S. 305.)
3) Vgl. Marchand’s ausgezeichnetea Referat fiber Ri n d f 1 eisch’s Abhandlung
Tuberculose" (Virch. Arch. Bd. 85) in der Dtsch. med. Wochenschr. 1881. Nr. 3o.
9. 498.
4) Orth, Zur Frage nach den Beziehungen der sogenannten akuten Miliartuber-
kulose und der Tuberkulose uberhaupt zur Lungenschwinasucht. (Berlin, klin. Wochen-
schrift. 1881. Nr. 42. S. 613.)
22 *
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Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
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linden, und er wirft schnell einen besorgten Blick auf zwei groBe Korbe
in einer Zimmerecke, aus denen wohlverpackt zahlreicbe Kopfe von
Praparatenglasern herauslugen.
Die Tur tat sich auf, und mit etwas schliirfenden, den einen FuB
uachsellleifenden Sckritten tritt Du Bois’ ansehnliche Gestalt ein. Ge-
wohnt, Fremde in seinem Institut zu selien, scheiut er uns gar nicht
zu bemerken. Er ist grau geworden, seitdem wir als H5rer zu seinen
FuBen saBen; aber Haltung und Ausdruck verraten noch immer die
Willenskraft und Geistesscliarfe, die ihn zur Hohe hobeu: noch immer
diese gefurchte Griiblerstirn, die den Gedanken nicht ertragen kann,
daB audere, Spatere liber sie hinauszudenken vermochten, noch immer
diese schmalen, zusammengepreBten Lippen, die in stolzem SelbstbewuBt-
sein das vielbelehdete „Ignorabimus u pragten 1 ). Wir lacheln uber die
kieinen Menschlichkeiten dieses groBen Gelehrten, die in zahlreichen
Anekdoten von Mund zu Mund gehen, und erinnern uns gern der
farbenprachtigen Stilbluten seines kunstvollen Vortrags 2 ), die sich —
immer die gleichen — von Kollegheft zu Kollegheft fortrankten, bis sie
langst getiugelte Worte geworden sind und die letzten Hoffnungsanker
schitfbriichiger Physikumskandidaten.
Der Maschinist erwartet ehrerbietig die Anordnungen seines Chefs:
Er wisse doch, sagt ihm dieser, daB heute viele Herren zur Sitzung
kamen, und solle ja darauf achten, daB die Ventilationsanlage auch
ordentiich funktioniere. Denn wenn ein paar Menschen zusammenk&men,
so rieche es immer gleich nach Stiefelwichse, und diesen Geruch konne
er nicht vertragen. Der Angeredete versichert, daB alles bestens vor-
bereitet sei, und Du Bois verlaBt wieder den Raum. „Jetzt. geht er
nach deni sogenannten Aquarium 11 , erklart uns der wieder beweglich
gewordene Maschinist, „wo in 6 Bassius mit kiinstlichem Seewasser
seine elektrischen Fische und noch viele andere seltene Tiere uDd
Pllanzen zu sehen sind. Und das haben sich die Kronprinzlichen Herr-
schaiteu vor kurzem uber eine Stunde lang von ihm zeigen lassen.“
Dann verschwindet auch er. Wir sind allein und haben Zeit, uns
den Baum anzusehen. Die Beliirchtungen des Maschinisten sind be-
rechtigt: Das Zimmer hat wohl kaum 10 m L&nge und 5 m Tiefe. Aber
im iibrigen macht es mit seinen breiten, von hellen Vorh&ngen ge-
schlossenen Fenstern, der kupfergetriebenen, dreiarmigen Gaskrone und
dem eichenen Mobiliar einen gediegenen, zu stiller Arbeit einladenden
Eindruck. Rings an den Wanden bis liinauf an das Laubwerk der
gotischen SchluBsteine stelien geschmackvolle, vitrinenartige Regale mit
1) Emil Du Bois-Revmond, Ueber die Grenzen des Naturerkennens. Leipzig
1872.
2) Lenz (Geschiehte der Universitat Berlin, II. Bd., 2. Halfte, is. 350) riihmt in ihm
den ,,glanzeudsten Redner“ des damaligen Professorenkollegiums, das ihm auch gem
diese Ueberlegcnheit zugestand und fiir das bakular-Jubeljahr des koniglichen istifters —
1870 — das Kektorat und die damit verkniipften, besonders groBen, rhetorischen Auf-
gaben anvertraute. Die Gedenkfeier in der Aula fund am 3. Aug. statt, 2 Wochen nach
der Kriegserklarung Frankreichs an Preufien. Der Aufmarsch der deutschen Arnieen
war vollendet, der greise Protektor der Universitilt, Konig Wilhelm, war vor 3 Tagen
unter dem brausenden Begeisterungssturme der Berliner Bevolkerung zu den Trumpet'
abgereiot und stand bereits mitten unter ihnen am Rhein. Mit meisterhaftem Fein-
geiiihl fiir das Gebot der Stunde, die Mars regierte, entsandte in echwungvoller Rede
der einstige Zdgling der militararztlichen Pepiniere Du Bois dem ,,Herzog der
Deutschen 11 die untertanigsten GriiBe von der Berliner Hochschule mit all’ ihren
Gliedern, ,,dem geistigen Leibregiment des Hauses Hohenzollern, dem Palais des Konig*
gegeniiber einquartiert" — ein spiiterhiri viel citiertcs Wort.
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Heymann, Zura 40 -jfihr. Gedenktage der Entdeckung des Tuberkelbacillus. 341
einera reichen Biicherschatz hinter den Scheiben. Die GroBten der
GroBen schauen auf uns hernieder und sprechen hier noch heute, lange
nachdem ihr Mund verstummt ist, mit beredter Zunge zu uns aus ihren
unsterblichen Werken. Unsere Gedanken aber kehren zu Du Bois
zuriick, und unwillkurlich drangt sich auf unsere Lippen die Frage:
„Ignorabismus?“ Nein, und abermals nein! Vertiefen wir nur inimer
unsere Fra gen — auch das heiBt wahrlich schon viel getan — und
bangen wir nicht um die fernsten Antworten, nicht urn „der Weisheit
letzten SchluB a . Wohl ist der Weg noch weit,
„doch rufen von driiben
die Stimmen der Geister,
die Stimmen dor Meister:
Wir heifien euch hoffen“ ').
Aus diesen Betrachtungen reiBen uns Schritte, die sich der Tiir
nahern. Zwei Herren treten herein: der eine, wohl ein Vierzigjahriger,
mittelgroB, breitschultrig, in schwarzem, hochschlieBendem Gehrock, das
etwas blasse Gesicht von einem starken Vollbart umrahmt; der an-
dere, in Stabsarztuniform, erheblich jiinger, kleiner und mit einein
behaglich anmutenden Ansatz zu behabiger Korpulenz. Sie scheinen
soeben ein recht ernstes GesprSch gefiihrt zu haben. Denn die hohe
Stirn des alteren ist umwolkt, und wir fangen gerade noch die Worte
von ihm auf: „Nein, nein, Kollege Loeffler, es wird w r ohl einen
jahrelangen Kampf kosten, bis meine Entdeckung von den Aorzten
anerkannt werdeu wird“ 1 2 3 ). Dann erteilt er, mit der Hand tiber den
Tisch weisend, deni anderen leise einige Informationen und beginnt
mit ihm zusammen die beiden Korbe auszupacken: Zuniichst Mikro-
skope, unter denen mit groBer Sorgfalt Praparate eingestellt werden;
alsdann Reagenzrohrchen, Er lenmeyer-Kolbchen und kleine, hohl
ausgeschliffene Glasklotzchen 8 ), wahrscheinlich mit Fleischwasserinfus,
Agar-Agar und mit einem uns unbekannten, prachtvoll bernsteinfarbigen,
durchsichtigen, festen Material gefullt; endlich in erstaunlicher Fiille
offenbar in Alkohol konserviertes Obduktionsmaterial 4 * * ). Immer neue
Glaser werdeu herausgeholt, ihr Inhalt auf weiBe Teller ausgebreitet
und mit sauber geschriebener Etikette versehen; Teller reiht sich an
Teller, bis schlieBlich der ganze Tisch bedeckt ist. ,,Wie ein kaltes
Buflfet“, horen wir jemanden hinter uns murmeln, und bemerken erst
jetzt, daB sich der Raum unterdessen bis auf den letzten Platz gefullt
hat Von seinem Pr&sidenstuhle am Tische aus fiihrt Du Bois ein
lebhaftes GesprSch mit dem in seiner N&he sitzenden, aufmerksam
lauschenden Helmholtz. Eine groBe Reihe weiterer bekannter Pro-
fessoren, zum Teil mit dem Stabe ihrer Assistenten, sind erschienen;
man macht uns auf Frerichs hoffnungsvollen Schuler Ehrlich be-
1) Aus dem Logenlied ,.Symbolum“ von Goelhe, dessen Todestag, am 22. Marz,
anladlich seiner 50. Wiederkehr soeben in ganz Deutschland besonders feierlich be-
gangen worden war.
2) Loeffler, Zum 25-jahr. Gedenktage der Entdeckung des Tuberkelbacillus.
(Dtech. med. Wochenschr. 1920. Nr. 12. S. 449.)
3) Diese Blockschiilchenkulturen sind fast ganz in Vergesscnheit geraten, ver-
dienen aber, fur mancho Zwecke wiederum in die bakteriologische Technik aufgenommen
zu werden.
4) Eine grdflere Anzahl der damals aufgestelllen Priiparate (in ihren Original-
gl&sern und zum Teil noch mit Kochs eigenbandiger Hignierung) befindet sich im
Besitze des hicsigen institute und wurde wiederum demonstriert.
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sonders aufmerksam, dessen schnell aufeinanderfolgende Arbeiten, vor
allem seine farbenanalytischen BlutnntersuchungeD, berechtigtes Aufseheu
erregen. Es ist klar, daB von den maBgebenden Personlichkeiten aus
Berlins medizinischen Kreisen heute kaum einer fehlt. Nur Virchow
wird vermiBt. „Wo ist er? Macht er wieder Ausgrabungen in Troja
mit seinem Freunde Schliemann oder miBt er Mumienschadel in den
agyptischen Konigsgrabern mit Ebers? Welche Vielseitigkeit in diesem
einen Manne, welch’ unstillbarer Wissensdurst noch immer in dem
Hochbejahrten ! u „Nein, — er schritt erst vorgestern beim Einzuge der
Professoren in die Aula zur Kaiser-Geburtstagsfeier an mir voriiber.
Aber wissen Sie denn nicht, daB sich Virchow gegen die neue, bak-
teriologische Forschungsrichtung sehr skeptisch verhalt? Waren Sie
nicht dabei, wie er und seine Schuler in der Berliner medizinischen
Gesellschaft an der kiirzlich veroffentlichten, ersten Sammlung wissen-
schaftlicher Arbeiten aus dem Reichsgesundheitsamt heftige Kritik
iibten? 1 ) Und haben Sie nicht erst kurz vor Weihnachten in der
Berliner klinischen Wochenschrift den ausfuhrlichen Bericht daruber
gelesen, daB Virchow 2 ) sogar im Reichstage seinem Unmut fiber die
„zum Theil noch ganz jungen Manner" des Reichsgesundheitsamts Luft
gemacht bat. Jawohl, — „noch ganz jungen Manner", und demgemaB
triigen auch die bisher erschienenen Arbeiten „zum Theil den Cha-
rakter der Jugend an sich und, was er namentlich tadele, im hohen
MaBe einen polemischen Charakter". Wenn aber eine
solche Arbeit „unter der Firma des R.G.A." publiziert werde, so werde
sie dadurch „mit autoritativem Charakter behaftet und sehe in der That
nach vielmehr aus als sie in Wirklichkeit sei, und es entstehe dann in
der That die besondere Schwierigkeit, daB man den einzelnen Personen
nicht einmal recht beikommen konne“. So erklart es sich auch, daB
Koch lieber hier, als unter Virchows Vorsitz in der grofien medi¬
zinischen Gesellschaft seinen Vortrag halt. Doch ruhig, es be-
ginnt." —
Du Bois erhebt sich und eroffnet mit kurzen Worten die Sitzung,
um Koch sogleich das Wort zu erteilen. Der Redner tritt an das Pult
und kann zunachst eine gewisse Befangenheit schwer unterdrflcken.
Noch ist — man merkt es ihm wohl an — seine Metamorphose vom
unbekannten Kreisarzt in Wollstein zur grofistadtischen Autoritat nicht
ganz vollendet; und wir mtissen daran denken, daB vorhin jemand in
unserer Nahe erzahlte, Koch habe fast schtichtern bei der Physiologi-
schen Gesellschaft angefragt, „ob es ihm wohl gestattet sein wflrde, in
einem so bertihmten wissenschaftlichen Kreise seinen maiden speech zu
halten". Seine Worte kommen ein wenig abgehackt und stockend her-
aus. Aber sie sind schlicht und goldklar, und es dauert nicht lange, so
gewinnt die Sache, die er vertritt, die Herrschaft fiber ihn und reiBt ihn
fort zu immer gleichmaBigerem Redestrom.
1) Vgl. Beriehte der Berlin, med. Gesellsch. 1881. Teil I, S. 82 u. Teil II, S. 1.
2) Die Verhandlungen dea Reichatagea betreffend das Kaiserl. Gesundheitsarat.
Sitzung am 2. Dez. 1881. (Nach dem atenographischen Bericht.) (Berlin, khn. Wochen¬
schrift. 1881. Nr. 51. S. 767.)
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Hermann, Zum 40-jahr. Gedenktabe der Entdeckung des Tuberkelbacillus. 343
Nach einer kurzen historischen Einleitung l ) 2 3 ) fiber den gegen-
w&rtigen Stand der Tuberkulosefrage, der von Cohnheim in der soeben
erschienenen neuesten Auflage seiner „Vorlesungen fiber allgemeine
Pathologie 44 dahin charakterisiert wfirde, daB „der direkte Nachweis des
tuberkulosen Virus als ein bis heute noch ungelostes Problem 14 zu be-
zeichnen sei, flberrascht uns Koch mit der Erklftrung, daB er sich die
Losung dieses Problems — als eine besonders „dringende Pflicht 44 des
Reichsgesundheitsamtes — zur Aufgabe gestellt babe, und fiihrt uns
alsbald mitten in seinen Arbeitsplan hinein. Das Ziel der Untersuchung,
so fiihrt er aus, muBte zun&chst auf den „Nachweis von irgend welchen,
dem Korper fremdartigen, parasitischen Gebilden, die moglicherweise als
Krankheitsursachen gedeutet werden konnten 44 , gerichtet sein. Alle seine
Bemfihungen in dieser Richtung seien jedoch anfangs vergeblich ge-
wesen. SchlieBlich sei es ihm aber mit Hilfe eines neuen F&rbever-
fahrens doch gelungen, in tuberkulos verfinderten Organen und deren
Sekreten charakteristische, bis dahin nicht bekannte Bakterien zu linden,
wovon sich jeder an den aufgestellten mikroskopischen PrSparaten s )
leicht iiberzeugen konne. Und wir vernehmen mit wachsendem Erstaunen,
daB er nicht weniger als 33 verschiedene Falle von menschlicher Miliar-
tuberkulose, kasiger Bronchitis, Gehirn-, Darm-, Driisen- und Gelenk-
tuberkulose, ferner die Organe von zahlreichen spontan erkrankten
Rindern, Schweinen, Affen, Kaninchen, Meerschweinchen und von einem
Huhn und endlich auch von fiber 200 mit tuberkulbsein Material ab-
sichtlich infizierten Meerschweinchen, Kaninchen, Katzen untersucht
und immer wieder und ausnahmslos jene Bazillen in den tuber-
kulSsen Krankheitsprozessen und nur in ihnen nachweisen konnte. Auf
Grund dieser zahlreichen Beobachtungen hielte er es fur erwiesen, „daB
bei alien tuberculosen Affectionen des Menschen und der Thiere con¬
stant die von ihm als Tuberkelbacillen 4 ) bezeichneten und durch charac-
teristische Eigenschaften von alien anderen Microorganismen sich unter-
scheidenden Bacterien vorkommen. 44 Aus diesem Zusammentreffen von
tuberkuloser Affektion und Bacillen aber — und dabei zuckt ein eigen-
artiger Blitz unbeirrbarer Selbstkritik aus seinen Augen — dfirfe mau
noch keineswegs den SchluB ziehen, daB beide in einem ursfichlichen
Zusammenhang stfinden. GewiB sprache ein nicht geringer Grad von
Wahrscheinlichkeit daffir, zumal die Bacillen sich vorzugsweise da ffinden,
wo der tuberkulose ProceB im Entstehen oder Fortschreiten begriffen
sei, und dort verschwfinden, wo er zum Stillstand gelangt sei. Um aber
den endgfiltigen Beweis zu erbringen, mflBten die Bacillen, vom er-
1) Vgl. hierzu den offiziellen Sitzungnbericht der Berlin. Physiol. Gee. fiber die
„XI1I. Sitzung am 24. Marz 1882“, der am 4. April ausgegeben wurde. Er beginnt mit
den Worten: n Hr. R. Koch hielt den angekiindigten Vortrag: B 0eber Tuber-
kulose u , ist nur 1 */ a Heiten lang und enthiilt keine Angabe fiber den Verfasser
(Autoreferat?). (I)u Bois-Reymonds Arch. f. Physiol. 1882. S. 190.). — Dem fol-
genden Bericht ist wesentlich zugrunde gelegt:
2) Koch, R.,/Die Aetiologie der Tuberkulose. (Nach einem in der physiologi-
schen Gesellschaft zu Berlin am 24. Mrtrz cr. gehaltenen Vortrage.) (Berlin, klin.
Wochenschr. 1882. Nr. 15. S. 222. Ausgegeben am 10. April.)
3) Aus einer unter den aufbewahrten Original Praparaten befindlichen Kaninchcn-
lunge wurden ffir diese Ansprache Schnitte hergestellt. Sie erwieseu sich noch sowohl
nach Kochs ursprfinglicher, wie nach Ehrlichs Verfahren tadellos farbbar und waren
am Vortragsabend aufgestellt.
4j Darait ertibrigen sich m. E. alle Erorterungen fiber die beste Benennung des
Tuberkulose-Erregers (vgl. u. a. Aschoff, Zur Nomenclatur der Phthise. Mfinch. med.
Wochenschr. 1922. Nr. 6. S. 183.
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Centr&lbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
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krankten K8rper und seinen Bestandteilen vollig isoliert. in ganz sicheren
Reinkulturen fortgeziichtet, und schliefilich bei Uebertragung der
isolierten Bacillen auf Tiere dieselbenKrankheitserscheinungen
erzeugt werden, welche durch Impfung mit natfirlichem Tuberkel-
material entstunden.
Uns schwindelt vor der GroBe dieser Aufgabe, und wir erinnern
uns, kurzlich gelesen zu haben, daB Koch ein Schuler von Henle sei,
des groBen Pathologeu, der schon vor vielen Jahren mit grundlichster
Wissenschaftlichkeit und leidenschaftlicher Hingabe die parasitfire Natur
der Iufectionskrankheiten, auch der Tuberkulose, verfocht 1 ) und den
Nachweis des „contagium animatum“ an die drei Postulate: Konstantes
Vorkommen des Virus am Krankheitsherd, Isolierung des Virus in kiinst-
licher Kultur und positives Tierexperiment mit dieser knflpfte, urn freilich
mit den resignierenden Worten zu schlieBen: „ein Versuch, auf den man
wohl verzichten inuB“ 2 ). Aber unser Redner scheint nicht der Mann eines
so schnellen Verzichtes zu sein. Mit erhobener Stimme und roter werden-
den Wangen schildert er uns, wie er trotz aller anfanglichen Fehlschlage
„nicht locker gelassen 143 ) und immer wieder neue Wege zur Reinzuch-
tung seiner Bacillen versucht habe. Er habe alsbald bemerkt, daB sie
hochst anspruchsvolle Entwicklungsbedingungen hatten, daB sie insbe-
sondere auf den iiblichen Nahrsubstraten nur ganz kuminerlich vege-
tierten und daher bei der Aussaat natiirlichen Krankheitsmaterials von
anderen fast stets gleichzeitig vorhandenen, uppig wachsenden Mikro-
organisraen unrettbar Gberwuchert wiirden. Dieser Schwierigkeit sei er
dadurch Herr geworden, daB er seine Kulturen „zunachst eine Art
Zwischenstufe, den Korper des Meerschweinchens, habe passieren lassen“.
In diesem fur Tuberkulose sehr empf&nglichen Tier namlich fande ge-
wissermaBen eine Reinztichtung des Tuberkelbacillus unter Ausschaltung
der Begleitbakterien statt, so daB bei der Uebertragung frischen tuber-
kulosen Meerschweinchenmaterials auf kiinstliche Nahrboden die Gefahr
storender Verunreiuigungen sehr verringert sei. Als Nahrmedium habe
sich vor allem Blutserum von Rindern und Schafen bewahrt, das nach
siebenmaliger, vorsichtiger Erhitzung ein steriles, durchsichtiges, bei
37° festbleibendes Substrat ergebe. Aber auch auf diesem besten Nahr¬
boden wiirden erst nach dem zehnten Tage kleine, weiBe, trockene Piinkt-
chen und Schuppchen sichtbar, die ausschlieBlich aus feinen Bacillen
bestanden. Im Laufe der nachsten 3—4 Wochen vergrSBerten sich diese
Colonieen noch ein wenig, mflBten aber, urn die Kultur im Gange zu
erhalten, alsbald auf neuen Nahrboden zerdriickt und moglichst verteilt
werden, wo dann im gleichen Zeitraum wieder schiippchenartige Kolo-
nieen anwiichsen. Auf diese Weise habe er zunachst von krauken
Menschen, Affen und Rindern 15 Reinkulturen gewonnen, die sich nicht
im geringsten von einander unterschieden.
Aber seine Zweifel hatten ihn dabei nicht stehen bleiben lassen. Er
habe sich den Einwand gemacht, daB durch die Meerschweinchenpassage
1) Vgl. Fliigge, Fermente und Mikroparasiten, Leipzig 1883, ein Werk, das zuni
1. Male die Er^ebnisse dor mikrobiologischen Fterschung zusamnienfaSte und „Jacob
Henle, der nut genialem Scharfblick schon vor 40 .Jahren das Wesen der Jnlektions-
krankheiten klar erkannte, zum 50-jahrigen Doktorjubilaum gewidmet“ war, desseu
F'eier, am 4. April 1882, soeben bevorstand.
2) Henle, Pathologische Untersuchungen 1840; Hdbch. d. rationed. Patholoeie,
2. Bd., 2 . Abt. 1853.
3) Eine besonders beliebte Redewendung Kochs.
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Heymann, Zum 40-jahr. Gedenktage der Entdeckung des Tuberkelbacillus. 345
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„eine Aenderung in der Natur der Bacillen 14 bewirkt sein konnte, und
habe daher alles daran gesetzt, nun auch unmittelbar aus den Organen
spontan erkrankter Menschen und Tiere Reinkulturen zu gewinnen. All-
mahlich sei ihm auch dies — und seine Hand weist auf eine staltliche
Reihe von Kulturen — bei verschiedenen menschlichen und tierischen
Krankheitsprozessen gegluckt. Und auch diese Kulturen seien alle unter-
einander gleich und stimmten mit denen durchaus (iberein, die erst auf
dem Umwege iiber das Meerschweinchen erhalten waren. Somit sei bis
jetzt durch seine Untersuchungen festgestellt, daB „das Vorkommen von
ebaracteristischen Bacillen regelmSBig mit Tuberculose verknupft sei, und
daB diese Bacillen sich aus tuberculosen Organen gewinnen und in Rein-
culturen isoliren lassen". Es bleibe nunmehr noch die Frage, ob diese
isolierten Bacillen nach Einverleibung in den Tierkorper den Krankheits-
prozeB an Tuberkulose auch wieder zu erzeugen vermogen, „der Schwer-
punkt der ganzen Untersuchung".
Und nun berichtet Koch, offensichtlich mit eigener, steigender Er-
regung, daB er, um jeden Irrtum auszuschlieBen, dariiber moglichst ver-
schiedene Reihen von Experimenten angestellt und zahlreiche Tiere in
tnannigfacher Weise unter Berticksichtigung aller VorsichtsmaBregeln
mit reinen, durch viele Generationen fortgeziichteten Kulturen ver-
schiedener Herkunft geimpft habe. Ein Teil der Tiere sei nach einigen
Wochen unter starker Abmagerung, Driisenschwellungen und Geschwiirs-
bildungen eingegangen, ein Teil sei am Leben geblieben und getdtet
worden. Alle habe er auf das eingehendste selbst obduziert und das
Sektionsmaterial zum grQBten Teile hier aufgestellt. Und wahrend wir
mit atemloser Spannung seinen Erlauterungen lauschen, folgen unsere
Augen seinem Finger von PrSparat zu Pr¶t und konnen die Fiille
des Gebotenen kaum fassen: Hier die tuberkelbes&ten Organe von sub-
kutan oder intraperitoneal geimpften Meerschweinchen in verschiedenen
Stadien ihrer Erkrankung, da von Kaninchen, denen Kulturmasse in
minimalen Spuren in die vordere Augenkammer oder in die Ohrvene
eingeimpft wurde, da von durch Fiitterung infizierten Feldm&usen, Ratten
und Katzen, dort schlieBlich auch von einem Hunde. Bei keinem einzigen,
als tuberkulose-empfanglich bekannten Impftier ein Fehlschlag, bei keinem
einzigen Kontrolltier ein Widerspruch — nein. wir dflrfen nicht mehr
zweifeln und werden uns freudig mehr und mehr dieser Sicherheit be-
wuBt: HenlesTraum ist erftillt, Cohnheims Problem ist gelost! Es
ist so und wird immer so bleiben, wie uns Koch soeben in seiner ein-
drucklich lapidaren Ausdrucksweise abschlieBend verktlndet: r Die
Tuberkelbacillen sind die eigentlicheUrsachederTuber-
kulose, und dieTuberkulose ist also als eine parasitische
Krankheit anzusehen.“ —
Wir atmen auf. Aber Koch ist noch nicht am Ende seines Vor-
trags. Wieder ruhiger geworden, beginnt er, die Folgerungen aus seiner
Entdeckung zu ziehen, und fesselt uns alsbald aufs neue durch die
Mannigfaltigkeit und Eigenart seiner Ausblicke. Bewunderten wir bisher
den tief schurfenden, unentwegt zum Ziele strebenden Forscher, so tritt
er uns jetzt als ein Mann von ntichtern abwagendem, praktischem Sinne
entgegen, der — eines Bergrats Sohn *) — das mit scharfem „Gez&he u
1) Hieraus erklart e« sich, dnfl bergmannischc Erinnerungen und Rfidewendtingcn
Koch durch sein ganzes Leben begleiOt habcn. Ho betonteergcrn bei der experimentellen
Arbeit, daB „die Hauptsache das Gezahe sei“, d. h. das Handwerkszcug.
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miihsam geforderte Gut nun auch fiber Tage ausgiebig zu verwerten
versteht. Mit kfihler Selbstkritik und ohne alle Ueberhebung, aber auch
in vollem BewuBtsein der Zuverl&ssigkeit und Tragweite x ) seiner Ent-
deckung betont er zun&chst ihre Bedeutung fur die Begriffs-
bestimmung der Tuberkulose. „Es fehlte bisher“, so fiihrt er aus,
„an einem bestimmten Kriterium fur die Tuberculose, und der Eine
rechnete dazu Miliartuberculose, Phthisis, Scrophulose, Perlsucht u. s. w.,
ein Anderer hielt vielleicht mit ebenso viel Recht alle diese Krankheits-
processe fiir different. In Zukunft wird es nicht schwierig sein zu ent-
scheiden, was tuberkulos und was nicht tuberkulos ist. Nicht der eigen-
thumliche Bau des Tuberkels, nicht seine Gef&Blosigkeit, nicht das Vor-
haudensein von Riesenzellen wird den Ausschlag geben, sondern der
Nachweis der Tuberkelbacillen. u Auf Grund dieses Nachweises werde
man auch einen Einblick in die Verbreitung der Krankheit beim
Menschen und bei den Haustieren gewinnen und das Vorkommen und
die Lebensfahigkeit der Bacillen auch auBerhalb des
kranken Organismus sowie ihre Eintrittswege in den Ge-
sunden erforschen konnen. DaB bei dem Zustandekommen der Krank¬
heit auch die Verhhltnisse der erworbenen und ererbten Disposition
eine bedeutende Rolle spielten, sei ihm unzweifelhaft; doch „wiirde es
zu sehr in das Gebiet der Hypothese fiihren, jetzt schon darauf eingehen
zu wollen. In dieser Richtung bediirfe es noch eingehender Unter-
suchungen, ehe ein Urtheil gestattet sei u . Daher begniige er sich, im
Hinblick auf das schwere Haften der Bacillen an kleinen Hautverletzungen,
mit der Andeutung, daB „wahrscheinlich auch in den Lungen besondere,
das Einnisten der Bacillen begiinstigende Momente, wie stagnirendes
Sekret, EntbloBung der Schleimhaut vom schutzenden Epithel usw. zu
Hilfe kommen mfiBten, um die Infektion zu ermoglichen. Es ware sonst
kaurn zu verstehen, daB die Tuberkulose, mit der wohl jeder Mensch,
namentlich an dicht bevolkerten Orten, mehr Oder weniger in Beriihrung
komme, nicht noch haufiger inficiere, als es in Wirklichkeit geschahe u .
Ob die Diagnostik, etwa durch den Nachweis von Tuberkelbacillen im
Sputum, Oder die Therapie, vielleicht aus weiteren Erfahrungen fiber
ihre Lebensbedingungen, Nutzen ziehen konnten, miiBten die Kliniker
entscheiden. Er habe seine Untersuchungen vor allem im Interesse der
Gesundheitspflege vorgenommen, und dieser werde auch, wie er
hoffe, der groBte Nutzen daraus erwachsen. Denn wahrend man bisher
eigentliche, gegen die Tuberkulose selbst gerichtete MaBnahmen noch
nicht gekannt habe, werde man es in Zukunft im Kampfe gegen diese
schreckliche Plage des Menschengeschlechts nicht mehr „mit einem un-
bestimmten Etwas, sondern mit einem faBbaren Parasiten zu tun haben“,
dessen Lebensbedingungen zum groBten Teil bekannt seien und jeden-
falls noch weiter erforscht werden konnten. Vor allem miisse die „ge-
wiB haupts&chlichste“ Infektionsquelle, das Sputum der Phthisiker, durch
geeignete Desinfektionsverfahren unsch&dlich gemacht werden;
daneben verdiene auch die Desinfektion der Kleider, Betten und anderen.
von Tuberkulosen benutzten Gegenst&nde Beachtung. Ferner sei es ge-
1) „Ich war mir der weittragenden Bedeutung und der Wichtigkeit des Resultates
meiner Arbeit vollkommen bewuSt und habe sie deswegen nicht eher vor den Richter-
stuhl der Oeffentlichkeit gebracht, als bis sie mir nach alien Richtungen hin ausge-
arbeitet und gegen jeden Einwand gesichert schien.“ R. Koch: Kritische Besprechung
der gegen die Bedeutung der Tuberkelbacillen gerichteten Publikationen. (Dtech. med.
Wochenschr. 1883. Nr. 10.)
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Heymann, Zum 40-jtlhr. Gedenklage der EDtdeckung des Tuberkelbacillus. 347
boteu, auch der Ansteckung durch Fleisch und Milch tuberkulfiser Haus-
tiere vorzubeugen, eine Gefahr, die, „ob noch so grofi Oder noch so
klein u , verhanden sei und deswegen vermieden werden mfisse. So lieBen
sich noch eine Anzahl weiterer Gesichtspunkte flber MaBregeln aufstellen,
welche auf Grund der neuen Kenntnisse fiber die Aetiologie der Tuber-
kulose zur Einschrankung der Krankheit ffihren kounten. „Doch wtirde
eine Besprechung derselben hier zu weit ffihren, und wenn sich die
Ueberzeugung, daB die Tuberkulose eine exquisite Infectionskrankheit
sei, uuter den Aerzten Bahn gebrochen haben werde, dann wiirden die
Fragen nach der zweckmaBigsten Bekampfung der Tuberculose gewiB
einer Discussion unterzogen werden und sich von selbst entwickeln. u —
Koch ist am SchluB; er verneigt sich kurz und geht in sich ge-
kehrt auf seinen Platz zurfick. Aber auch im Zimmer bleibt alles still.
Es ist, als wenn sich niemand losreiBen konnte von der Betrachtung
dieses Wunderwerks, das sich wie ein Traumgebilde auf seinen drei
machtigen Grundpfeilern vor unseren Augen erhoben und immer hoher
und hoher aufgettirmt hatte, bis es sich in Hohen verlor, in die der ge-
blendete Blick nicht mehr zu folgen vermochte. —
Allmfihlich aber lost sich der Bann. Man spendet Beifall und strekt
Koch gltickwfinschend die Hande entgegen; man beugt sich voll Interesse
fiber die Reinkulturen und anderen Demonstrationsobjekte; Ehrlich
ist in den Anblick eines mikroskopischen Praparats versunken und hat
offenbar seine Umgebung vollstandig vergessen.
Doch Koch scheint von alledem kaum bertihrt zu werden; er steht
schweigend da und auf seiner Stirne erscheint die namliche Wolke, wie
vorhin, als wir ihn zum ersten Male erblickten. Kann ihm auch der
Beifall die Sorge von den Widerstfinden nicht verscheuchen, die er ge¬
wiB nicht ffirchtet, die aber unter den Aerzten „die Ueberzeugung, daB
die Tuberculose eine exquisite Infectionskrankheit ist“, noch lange hint-
anhalten und die Diskussion fiber die besten BekampfungsmaBregeln ad
calendas Graecas verzogeru werden V Sollte er wirklich recht behalten? —
Wir aber verlassen den Raum in tiefer Ergriffenheit, und keiner von
uns alien, die diesen Abend miterlebt haben, werden ihn je vergessen *).
Und in der Tat: Die Kritik, voreilig, wie gewohnlich, lieB nicht lange
auf sich warten. Wohl griffen die Kliniker 1 2 3 ) Kochs Entdeckung freudig
auf und bestfirmten ihn, auf dem in wenigen Wochen stattfindenden
ersten KongreB ftir innere Medizin in Wiesbaden „mit seinem ganzen
Apparat zu erscheinen und aufierhalb des Programms, durch seinen Vortrag,
den KongreB zu illustrieren“ s ); wohl kam es dank dem einfachen Ffirbe-
verfahren, das der junge Ehrlich 4 ) noch in der Nacht vom 24. zum
25. Marz gefunden hatte, und dessen Ueberlegenheit auch Koch bereit-
1) Ehrlich id seinem Nachruf auf Rob. Koch: „Jeder, der diesem Vortrage
beigewohnt hatte, war ergriffen, und ich muS sagen, dafi mir jener Abend stets als
mein grofltes wissenschaftfiches Erlebnis in Erinnerung geblieben ist.“ (Fraukf. Ztg.
vom 2. Juni 1910. Nr. 150.)
2) Vgl. die Referate P. Borners und A. Fraenkels fiber Kochs Vortrag.
(Dtsch. m«l. Wochenschr. 1882. Nr. 15 u. 16.)
3) Vgl. Berl. Tagcbl. 1882. 30./3. (Nr. 151) u. 16./4. (Nr. 177) und Wiener Neue
Freie Presse 1882. 15 /4.
4) Ehrlich (Thema auch im offizielleu Protokoll nicht angegeben) Vortrag fiber
ein neues Verfahren zur Tuberkelbacillen-Farbung, gehalten im Verein fur innere Medizin
Berlin am 1. Mai 1882. (Dtsch. med. Wochenschr. 1882. Nr. 19. S. 269 u. Nr. 26,
8. 365.)
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willigst anerkannte, alsbald dazu, daB man sich allgemein mit dem Auf-
suchen der Bazillen beschaftigte. Allein der Umstand, daB sich infolge
dieser bequemen Methodik der Streit hauptsSchlich darum drehte, ob im
Sputum und in tuberkulos veranderten Geweben die Tuberkelbacillen
regelmaBig vorkamen, und ob ihnen die angegebenen spezifischen mikro-
chemischen Merkmale eigen wSren, „hatte u , wie Koch 1 ) mit Bedauern
sah, „den groBen Nachtheil im Gefolge, daB der eigentliche Schwerpunkt
seines Beweises fiir die parasitische Natur der Tuberculose, namlich die
Erzeugung der Tuberculose durch Verimpfung der isolirten Parasiten,
ganz aus dem Auge verloren wurde“. In den wenigen Laboratorien
aber, wo man sich an diese Aufgabe machte, geriet sie in ungeschickte
und ungeiibte Hande, deren Technik durchaus unzul&nglich war, und an
schwache Kopfe, welche die so erzielten Ergebnisse „rait unerbittlicher
Logik u gegen Koch ausspielten. Diesen Gegnern schlosseu sich noch
Personlichkeiten an, die — ohne eigene Experimente — aus rein theo-
retischen Griinden die Richtigkeit seiner SchluBfolgerungen in Abrede
stellten. So schien es ihm denn etwa 1 Jahr nach seinem ersten Vor-
trage an der Zeit zu sein, „um nicht total falsche Ansichten liber seine
Arbeiten aufkommen zu lassen, die von gegnerischer Seite gekommenen
Publikationen in einer kritischen Besprechung auf ihren w'ahren Wert
zu priifen 11 . DaB er hierbei eine iiberaus scharfe, oft in die Lauge
atzender Ironie getauchte Feder fiihrte, darf uns angesichts der un-
bestechlichen Kritik, die er an sich selbst iibte, nicht wundern. Zwar
enthalt die Publikation nicht ganz so drastische Ausdrucke, wie die hier
aufliegende, handschriftliche, fur die Entgegnung gesammelte Literatur-
Uebersicht, die mit Randbemerkungen wie „Humbug“ und „Hoherer
Blodsinn! u gewiirzt ist; aber auch vor der Oeftentlichkeit ist er mit
Wendungen, wie „fehlerhafte und unbeholfene 41 oder „nur aus Fehlern
bestehende Technik 11 , „Behandlung oder vielmehr MiBhandlung der Ftirbe-
methoden“, „noch nicht einmal Karrikatur meiner Versuche“, „haar-
straubend“ und „klaglich“, „ungereimteste Dinge“ und ahnlichen Deutlich-
keiten nicht gespart, und noch am SchluB heiBt es: „Eine angenehme
Aufgabe war es fiir mich nicht, eine so durchweg gehaltlose Literatur
zu kritisieren, aber ich konnte mich im Interesse der Sache dieser Ver-
pflichtung nicht entziehen und w T erde auch ferner diese Last auf mich
nehmen, hoffe dann aber einem sorgfaltiger bearbeiteten Material zu be-
gegnen."
Aber Koch brauchte vor einer Wiederholung dieser unerfreulichen
Aufgabe keine Sorge zu tragen. Nicht lange, so verstummten alle
Gegner unter der schnell wachsenden Wucht des zu seinen Gunsten
sprechenden Beweismaterials 2 ). Auch Koch selbst hatte seit seinem
ersten Vortrage noch eifrig weitergearbeitet, seine Kenntnisse uber die
morphologischen und biologischen Eigenschaften des Tuberkelbacillus
erweitert, die Tierversuche mannigfach variiert und um wichtige Impf-
methoden, insbesondere die Inhalation, bereichert, seine Anschauungen
iiber die Verbreitungsweise und Bekampfungsmoglichkeiten der Krank-
heiten vertieft. So vorbereitet, schritt er im Friihsommer 1883 an die
1) Koch, R., Kritische Besprechung der gegen die Bedeutung der Tuberkelbacillen
gerichteten Publikationen. (Dtsch. med. Wochenschr. 1883. Nr. 1U.)
2) Vgl. „Discussion iiber die gegen R. Kochs Entdeckung des Tuberkelbacillus
neuerlichst hervorgetretenen Einwande“, im Verein fiir innere Medizin, bei der Ehrlich
das Referat hatte. (Dtsch. med. Wochenschr. 1883. Nr. 11. S. 159 u. Zeitschr. f.
klin. Med. Bd. 6. 1883. S. 574.)
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Heymann, Zum 40-jahr. Gedenktage der Entdeckung des Tuberkelbacillus. 349
ausffihrliche Niederschrift seiner gesamten Ergebnisse und brachte sie,
gedrangt von den Vorbereitungen zu einer iiberseeischen Expedition,
die, angesichts der von Aegypten her drohenden Choleragefahr, zur Er-
forschung der Seuche an Ort und Stelle, nacli Frankreichs Vorgang schleu-
nigst auch von der deutschen Reichsregierung beschlossen und Kochs
Leitung anvertraut worden war, bereits im Juli zum AbschluC. Die
88 Folioseiten starke, mit 10 vorziiglichen farbigen Tafeln geschmtickle
Abhandlung erschien unter dem Titel „DieAetiologie der Tuber-
kulose“, zusammen mit Arbeiten seiner Schuler Loeffler und Gaffky
fiber die Entdeckung des Diphtheriebacillus und des Typhusbacillus, im
2. Bande der „Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte 44
erst im Sommer 1884, nachdem Koch als der beispiellos gefeierte Ent-
decker des Cholera-Erregers wieder in die Heimat zuriickgekehrt war und
selbst mit dieser neuen Ruhmestat den Glanz seiner ersten Entdeckung
und deren Veroffentlichung fast verdunkelte. Und doch stellt — bei
voller Wflrdigung all’ seiner anderen Leistungen — „die Aetiologie der
Tuberkulose“ zweifellos den HShepunkt seines Lebenswerks dar. Es
sollte keinen Arzt geben, der von der ganzen, groBen, leider so ver-
nachlSssigten Geschichte unserer Wissenschaft nicht wenigstens dieses
eine, einzigartige Dokument studiert hat — nicht anders, wie man von
jedem allgemein Gebildeten die Kenntnis von Schillers „Glocke u oder
Goethes „Faust tt voraussetzt. Man kann es lesen und immer wieder
lesen und wird es nie aus der Hand legen, ohne neue Anregungen
daraus empfangen zu haben, Es gibt keine, das Wesen und die Be-
kfimpfung der Tuberkulose berlihrende Frage von Bedeutung, die in
dieser Abhandlung nicht bereits aufgeworfen und zur Losung vorbereitet
w5re — mit einziger Ausnahme des Tuberkulins, dessen Entdeckung aber
wiederum Koch selbst vorbehalten blieb und vom wissenschaftlichen
Standpunkte eine bewunderungswiirdige Tat war und bleibt, wenn sie
auch in ihren praktischen Auswirkungen, ganz gewiB ohne sein Ver-
schulden J ), auf seinen Ruhm eiuen Schatten warf. Im tibrigen aber
werden in der Tat alle die Probleme, die die Folgezeit bis in unsere
Tage hinein besch&ftigen, bereits aufgerollt, wie die Beziehungen zwischen
Menschentuberkulose- und Perlsucht-Bacillen, „die unter begflnstigenden
Umstanden durch Anpassung und Umziichtung etwa mogliche Entstehung
der Tubercelbacillen aus indifferenten Bacterien“, „die etwaige Ab-
schwfichung der Tubercelbacillen nach Art der Milzbrandbacillen“, viel-
leicht mit dem Gedanken an Immunisierungsversuche nach Art der
Paste urschen Milzbrand-Schutzimpfungen; ferner die verschiedenen In-
fektionsquellen des Virus und seine Wege zum Gesunden, die „Hiilfs-
momente ffir das Eindringen der Tubercelbacillen 41 , ihr weiteres Verhalten
im Kbrper und die Rolle der Wanderzellen, Blut und Lymphflussigkeit bei
ihrer Verschleppung, die Moglichkeit der therapeutischen Beeinflussung
im Kbrper, u. a. m. Auch die heute besonders lebhaft erorterte „Dis-
position 44 fur Tuberkulose, sowohl die „erworbene, zeitweilige oder ffir das
ganze Leben bestehende individuelle, wie die „vererbte, unverkennbare
Prfidisposition mancher Familien 44 wird — wohl als Nachspiel zu einein
in Wiesbaden 1 2 ) darfiber gefflhrten Wortgefecht - ausfuhrlicher wie
1) Vgl. hierzu: von WaJdey er-Hartz: Lebeuserinnerungen. Bonn. 1U20. S. 283.
2) it Koch, Ueber die Aetiologie der Tuberkulose. Verhandlungen des Kon-
Kresses fiir innere Medizin. Erster KongreS. Wiesbnden 1882. Abgedruckt auch in
R. Kochs Gesaunnelten Werken. Bd. 1.
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friiher behandelt und soviel wie moglich auf faBbare Begriffe zurfick-
gefuhrt. Endlich aber ist auch die Sorge urn die Allgemeinheit, die
fiffentliche Gesundheitspflege, nicht iiberseheD. Hatte Koch in seinem
ersten Vortrag sogleich am Anfang nachdrucklichst betont, daB gerade
in ihrem Dienst und, wie er hoffe, zu ihrem groBten Nutzen alle
seine Untersuchungen fiber diese verheerende Volksseuche vorgenommen
seien, so ist es jetzt ein tiefbedeutsames Abschiedswort, mit dem der
zu gefahrvoller Reise Rfistende die Feder aus der Hand legt und sein
Werk der Mit- und Nachwelt zu weise verstandnisvollem Gebrauche an-
vertraut: „Es scheint mir nicht mehr verfrfiht zu sein, mit prophylactischen
MaBregeln gegen die Tuberkulose vorzugehen. Aber bei der groBen Aus-
dehnung dieser Krankheit werden alle Schritte, welche gegen dieselbe
gethan werden, mit den socialen Verhaltnissen zu rechnen haben, und es
wird deswegen sorgfaltig zu erwagen sein, in welcher Weise und wie
weit man auf diesem Wege gehen darf, ohne dafi der gestiftete Nutzen
durch unvermeidliche Storungen und andere Nachtheile wieder beein-
trfichtigt wird.“ Wer kann, wie das manchmal geschieht, danach noch
daran zweifeln, daB Koch kein geringeres Verstandnis ffir die Allgemein¬
heit hatte als irgendein Sozialhygieniker neuen Stils? Wie hatte es auch
anders sein konnen bei ihra, der jahrelang eine armselige und kulturell
niedrig stehende Bevfilkerung an der polnischen Grenze mit warmeni
Herzen und offenem Sinne ffir alle ihre N6te betreut hatte und der
nunmehr mit dem Direktor des Kaiserlichen Gesundheitsamtes, Struck 1 ),
davon durchdrungen war, daB es die vornehmste Aufgabe dieser Reichs-
anstalt sei, „nach alien Richtungen hin ffir die Praxis der offentlichen
Gesundheitspflege Verwerthbares und MaBgebendes zu leisten“? Und das
ffihlte auch die groBe Masse des Volkes. Nie vor ihm und nie wieder
nach ihm erfreute sich ein Mediziner einer gleichen Popularitat; in jedem
Vorstadtladen konnte man auf roten, bedruckten Taschentfichern 2 3 * * * ) neben
den Bildnissen des greisen Kaisers Wilhelm, Bismarcks und
Moltkes auch das wohlgelungene, lorbeerumrahmte Konterfei des
„Bacillenvaters“ 8 ) Koch bewundern. —
So war denn die Arbeit vollendet. Aus dem groBzfigigen Entwurf
vom 24. Mfirz 1882 war ein fundamentales Werk geworden, vielleicht
das reifste Erzeugnis des medizinischen Schrifttums der letzten Jahr-
1) Struck: Vorrede. Mittheil. a. d. Kais. Gesundheitsa. Bd. 2. 1884.
2) Solche Tiicher mit Kochs Portrat Bind jetzt eine grofie Seltenheit geworden.
Die Firma Berberich & Co., Sackingen a. Rh., iiberliefi mir freundlichst ihr Muster -
tuch und machte mir folgende dankenswerte Mitteilungen: ,,Das Tuch wurde zu der
Zeit angefertigt, als Prof. Koch mit seiner beriihmten Ziichtung des Tuberkelbazillus
hervortrat und alle Welt begeisterte. Eb wurde so stark gekauft, dad wir mit der
Lieferung kaum nachkommen konnten, wir schiitzen, dad wir ca. 100000 Tiicher davon
angefertigt haben.“
3) Dieser, lange Jahre volkstiimliche, Ehrentitel geht vielleicht auf ein kleines,
„an die deutsche Cholera-Kommission“ gerichtetes Gedicht zuriick, mit dem der „Klad-
deradatsch“ unterm 11. Mai 1884 (Jhrgg. XXXVII. Nr. 21) die heimkehrende Ex¬
pedition begriidte und gewid die allgemeine Stimmung wiedergab:
Aus den sumpfig-feuchten,
Aus den Cholera-verseuchten
Landern seid ihr heimgekehrt!
Zitternd sahn wir einst euch scheiden.
Nach Gefahren, Miih’n und Leiden
Ruht nun aus am trauten Herd!
Mogt ihr jetzt Bacillen ziichten
Und euch freuen an den Friichten
Eurer Fahrt recht lange noch!
Aber Dank und Ruhm vor alien
Soil aus tiefster Brust erschallen
Dir, Bacillen- Vater Koch!
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Heymann, Zum 40 jahr. Gedenktage der Entdeckung des Tuberkelbacillus. 351
hunderte — planvoll und maBvoll wie nur je ein Meisterstiick mensch-
licher Schopferkraft, einfacli wie alles wahrhaft GroBe, unerschopflich
wie jede groBe Wahrheit und in seiner Harmonie von Ausdruck und
Inhalt ein Gebilde von klassischer Schonheit und unbedingter Voll-
endung. —
Aber es hiefie der Bedeutung unserer heutigen Erinnerungsfeier
nicht vQlIig gerecht werden, wenn ich sie nur vom Standpunkte der
Medizin beleuchtete. „Die Gesundheit ist der Gfiter hochstes nicht“ ‘).
Das Wort Loefflers 1 2 ) aber, daB „der 24. M3rz 1882 einGedenk-
tag in der G eschi elite derMenscliheit bleiben wird“, dtirfen
wir fiber alle Arztlichen Gedankenkreise hinaus zu einem viel hoheren
Sinne erheben. Denn an jenem Abende wurde das Samenkorn gelegt,
das sich zu dem mfichtigen Baume entwickelte, in dessen Schatten im
Jahre 1899 alle Kulturvolker der Erde unter dem deutschen Banner zu-
sammentraten, utn sich zu gemeinsamer Abwehr und gegenseitiger Unter-
stfitzung im Karnpfe gegen die Tuberkulose zu vereinigen, ein wahrer
und wahrhaftiger Vfilkerbund, der sich der allein menschenwfirdigen
Aufgabe bewuBt war, „edel, hilfreich und gut“ zu sein — ein Markstein
in der Entwicklung des Menschentums. Die Stfirme des Weltkrieges haben
auch ihn gestfirzt und das schone Band zerrissen, das seit jener Grfindung
die Volker alljfihrlich einmal zusammenffihrte zu brfiderlicher Beratung
uber gemeinsames Wohl und Wehe, und von alien schweren Verlusten
dieser traurigen Zeit ist dies einer der schmerzlichsten. Die GrfiBten der
GroBen aller Zeiten und Lander aber — sie, die nicht Grenzpfahl noch
Stundenglas kennen, schauen still auf uns hernieder und sprechen:
„wir heiBen euch hoffen“ . . .
Im Einverstfindnis mit den anderen Institutsmitgliedern und mit
dankenswerter ideeller und materieller Unterstfitzung des Universitats-
bauamtes habe ich in diesem Zimmer eine schlichte Gedenktafel an-
bringen lassen, dem kleinen Raum zur Zierde und Weihe ohne gleichen,
dem Fremden auf seinem Wege zu kurzer andaclitsvoller Rast — denn
Andenken an groBe Manner ist Andacht —, alien denen aber, die hier
aufrichtig Belehrung suchen und aufrichtig Belehrung spenden wollen,
zum Stern und zum Geleite. . . .
1) Fliigge, Grundrifl der Hygiene. 6. Aufl. 1908. S. 18.
2) Loeffler, Zum 25-jahr. Gedenktage der Entdeckung des Tuberkelbacillus.
(Dtsch. med. Wochenschr. 1907. Nr. 13. S. 495.)
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Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 3.
Nachdruck verboten.
Zur Frage der Umwandlung hamolytischer Streptokokken
in die grim wachsende Form.
[Aus dem Hygienischen Institut der Universitat Leipzig (Direktor:
Geheimrat W. Kruse).]
Von Prof. K. Hintze und Dr. ft. Ktilnie,
Volontarassiatent am Institut, z.Z. Ausbildungsassistent an der med. Universitatsklinik.
Mit 2 Abbildungen im Text.
Die Frage der Umwandlung des Streptococcus haem olyticus
in die nicht hamolysierende und besonders die Viridans-Form ist
gerade in letzter Zeit wieder mehrfach Gegenstand der Untersuchung
gewesen.
Der Entdecker des Strept. viridans s. mitior, SchottmiiHer (1), hat sich
noch ganz vor kurzem sehr bestimmt in dieser Angelegenheit geaufiert. Er 6agt wort-
lich: „So soli der Strept. viridans nur ein in seiner Virulenz verminderter gewohn-
licher Streptokokkus sein. Ich habe wiederholt dargeiegt, da8 der sichere Beweis fiir
diese Annahme noch aussteht und werde anderen Ortes auch wcitere Belege dafiir er-
bringen. Ich sehe hier von der Beleuchtung der Frage vom rein bakteriologischen
Standpunkte ab und weise nur nachdriicklichst auf die Tatsaehe hin, daB uns niemals,
trotz der Beobachtung einer Unzahl von Fallen, eine Umwandlung des Strept. pyo¬
genes oder haemolyticus in den Strept. viridans oder umgekehrt in dem
Korper des Kranken begegnet, noch im Tierversuch bei gleieher Versuchsanordnung,
wie sie von anderen Autoren (Institut Robert Koch) geiibt wurde, gelungen ist. So
wenig, wie wir bisher eine Mutation auf irgendwelchen Kulturnahrboden erzielen
konnten.“ Demgegeniiber ist eine Reihe anderer Untersucher zu wesentlich abweichen-
den Ergebnissen gekommen. Der Raummangel gestattet es nicht, nailer auf die schon
ziemlich umfangreiche Literatur einzugehen. Es sei daher von auslandischen Autoren
aus einer schon etwas weiter zurilckliegenden Zeit nur an die eingehenden Unter-
suchungen von Rosenow (2) und von deutscheu Untersuchern aus jiingerer und jiing-
8ter Zeit an die verschiedeneu Veroffentlichungen aus dem Morgenrothschen Labo-
ratorium, sowie an die Arbeiten von Kuczynski und Wolf f (3) sowie von Schnitzler
und Mun ter (4) erinnert. Bei den letzteren findet sich iibrigens einleitend eine kurze
Uebersicht iiber die wichtigsten Arbeiten, so daB darauf verwiesen werden kann. Die
Umwandlung hamolytischer Streptokokken in die grim wachsende B'orm im Tierexperi-
ment, sowie bei Ziiehtung auf kiinstlichen Nahrboden ist danach als eine keineswegs
seltene Erscheinuug anzusehen.
Urn uns selber ein Urteil in dieser trotzdem immer noch lebhaft
umstrittenen Frage zu bilden, bei welcher ein gerade auf diesem Gebiete
so erfahrener Autor wie Schott m tiller eine Umwandlung auch heute
noch strikte ablehnt, haben wir einige Versuche angestellt, deren Protokolle
weiter unten ausfuhrlicher wiedergegeben werden.
Bei diesen Versuchen haben wir von vornherein Wert darauf ge-
legt, nur mit solchen St&mmen zu arbeiten, die wir selbst aus dem
Menschen gezuchtet hatten. Soweit aus der Literatur zu ersehen ist,
haben verschiedene Autoren Streptokokken benutzt, die schon lilngere
oder kiirzere Zeit im Laboratorium fortgeziichtet waren. Es ist jeden-
falls nicht ausgeschlossen, daB die Eigenschaften und Fahigkeiten der
betr. Stamine dadurch nach dieser oder jener Richtung hin beeinflufit
werden konnen. Wir haben deswegen, urn diese Moglichkeit zu ver-
meiden, die Stamme stets direkt aus den Krankheitsherden isoliert, so
daB wir in jedem Falle ganz genau iiber die Art, die Dauer und auch
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Hintze u. Kiihne, Umwaudlung hamolytischer Streptokokken uaw. 353
den Ausgang des Leidens unterrichtet und auch in der Lage waren, zu
bestimmen, bei welcher Generation nach dem Verlassen des ursprfing-
lichen Wirtskorpers die Verfinderung eintrat.
Die einzelnen Stfimme wurden zunfichst auf Blutplatten auf das
Vorhandensein von Hfimolyse geprfift. Da Menschenblut iin Laboratorium
doch oft nur mit groBeren Schwierigkeiten zu beschaifen ist, bedienten
wir uns meist eines 7-proz. Kaninchenblutagars. Das Blut wurde durch
Herzpunktion gewonnen. Im weiteren Verlauf der Untersuchungen
gingen wir jedoch immer mehr und mehr dazu fiber, an Stelle des
Kaninchen- Hammelblut treten zu lassen, das dem Menschen- und mehr
noch dem Kaninchenblut gegeniiber fiir den Zweck unserer Unter¬
suchungen gewisse Vorteile zu bieten schien. Das Verfahren, das sich
uns schlieBlich als das geeignetste erwies, war das folgende: Durch
Venenpunktion entnommenes und durch Schiitteln defibriniertes Hammel¬
blut wurde moglichst bald nach der Entnahme in ca. 7 Proz. Menge dem
Agar zugesetzt. Dabei ist darauf zu achten, daB der Agar nicht zu
heiB ist, da das Hammelblut-Hfimoglobin anscheinend sehr empfindlich
ist. Eine Temperatur von 56° C scheint die geeignetste zu sein; man
kann den Kolben dann noch ohne Beschwerden in der Hand halten.
Temperaturen fiber 60° C sind zu vermeiden, da dann schnell die rote
Farbe in ein mehr oder weniger stark nfianciertes Braun bis Schwarz
umschlfigt durch die Bildung von Methfimoglobin bzw. Hfimatin. Es
wurden dann dfinne Platten gegossen; wir stellten etwa 14 Petri-
Schalen von 200 g Agar her. Dickere Schichten sind weniger geeignet,
ebenso ein stfirkerer Blutgehalt. 5—7-proz. Blutzusatz schien uns am
geeignetsten zu sein; bei 3 Proz. wurden die Platten schon zu hell, und
die grfinliche Verffirbung um die Kolonien, falls eine solche auftritt, ist
zu unbestimmt und undeutlich. Gerade auf die Dfinne der Blutagar-
schicht mfichten wir ffir den in Rede stehenden Zweck Gewicht legen.
Die grfinliche Verfarbung beiin Entstehen der Viridans-Formen breitet
sich kugelschalenformig von der Kolonie aus. Ist nun die Agarschicht
eine zu dicke, oder der Blutgehalt ein zu hoher, oder trifft gar beides
zusammen, so konnen schwache Veranderungen des Farbentones dem
Beobachter entgehen, da das durchfallende Licht zunachst noch eine
mehr oder weniger dicke Schicht unverfinderten Blutagars zwischen dem
Boden der Schale und der Kolonie zu durchlaufen hat, wobei durch Ab¬
sorption oder Iuterferenzerscheinungen das Wahrnehmen feinerer Farben-
verfinderungen verhindert werden kann. Bei ausgeprfigten Viridans-
Forraen kann man natfirlich auch bei dickeren Blutplatten und stfirkerem
Blutgehalt die Grfinffirbung deutlich erkennen. Schottmfiller hat ja
seine Entdeckung an Menschenblutplatten in der Starke von 2:5 gemacht.
Handelt es sich aber darum, wie bei unseren Untersuchungen, die etwa
eine schwache Neigung zur Grfinffirbung zeigende Kolonie erst heraus-
zufinden, so mochten wir doch zu der Anwendung dfinnerer Platten
raten. Wir konnten immer wieder die Beobachtung machen, daB gegen
das Zentrum der hier meist etwas konvexen Petri-Schale zu, wo also
die Agarschicht am dfinnsten ist, sich auch am frfihesten und deutlichsten
eine Grfinffirbung wahrnehmen lfiBt, der dann andere mehr nach dem
Rande zu liegende Kolonien folgen. Es handelt sich doch bei derartigen
Untersuchungen darum, auch schon geringe Grade der Grfinffirbung zu
erkennen. Ztichtet man dann derartige Kolonien auf Blutplatten weiter,
so nimmt das Vermogen zur Farbstoffbildung meist erheblich zu, so daB
auch an den dickeren Stellen der Platte die Verfinderung sogleich wahr-
Krate Abt. Orig. Bd. 88. Heft 5. 23
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Centr&lbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
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genommen werden kann. Bei der BetrachtuDg mit dem Plattenmikroskop
zeigt sich, daB die Kolonie meist nicht sehr scharf umgrenzt ist. Sie
ist umgeben von einem helleren, gelblich-griinen Hof, in dem die Blut-
korperchen, ebenso wie im Bereich der Kolonie selbst, noch als schollige
Massen zu erkennen sind. An diesen Hof schlieBt sich ein noch hellerer
Ring, in dem von Blutkorperchen kaum noch etwas zu erkennen ist. Die
beginnende Verf&rbung wird fibrigens mit dem bloBen Auge meist besser
wahrgenommen, als bei LupenvergroBerung.
Wiederholte vergleichende Untersuchungen derselben Stfimme auf
Menschen-, Kaninchen- und Hammelblutplatten zeigten uns immer wieder,
daB Hammelblut, in der angegebenen Weise verwendet, einen Umschlag,
d. h. eine geringe griinliche Verfarbung am frflhesten und deutlichsten
erkennen lieB. Kaninchenblut eignete sich weniger; die Farbennuance
des Hofes ist schwacher, der Hof weniger scharf, und die Kolonien selbst
nehmen bald einen eigentfimlichen schwarzbraunen Ton an, der erheb-
lich von dem Aussehen der Kolonien auf Hammelblut abweicht. Menschen-
blut steht etwa in der Mitte.
Als Vergleichsobjekte benutzten wir verschiedene sichere Viridans-
Formen. 2 ausgepragte Stfimme (St. 1100 u. 314), die schon lange im
Laboratorium fortgezfichtet waren und zu zahlreichen Versuchen gedient
hatten, wurden uns von Herrn Kuczynski freundlichst fiberlassen,
einen 3. Stamm (Path. Inst.) erhielten wir von einem typischen Fall von
Sepsis lenta mit Endocarditis, der auf der hiesigen inneren Klinik ad
exitum kam. Er war kurz vor dem Tode aus dem Blute gezfichtet
worden. Mit diesen sicheren Stfimmen konnten wir die Verfin derun gen,
welche sich bei den Versuchen mit unseren Streptokokkenstfimmen ein-
stellten, vergleichen. Aber auch hier zeigte sich, wie stets in der Natur,
daB die Uebergfinge keine scbroffen, sondern flieBende sind, und daB
die Nfiancen der Verffirbung recht verschieden ausgepragt sein konnen.
Wir sind absichtlich auf die Technik etwas nfiher eingegangen, da
eigentfimlicherweise in den Arbeiten fiber den Gegenstand recht wenig
dartiber gesagt ist. Hfiufig ist sogar nicht einmal angegeben, mit was
ffir Blutplatten die Autoren gearbeitet haben, geschweige denn, in welcher
Konzentration. Schnitzler und Munter verwandten 10-proz. Ziegen-
blutplatten, die sich wohl im wesentlichen wie unsere Hammelblutplatten
verhalten haben werden; fiber die Dicke ist nichts gesagt. Schott -
mfiller benutzte urspriinglich, wie bereits erwfihnt, 2 Menschenblut zu
5 Agar, also eine sehr starke Konzentration. Nach ihm wird sich wahr-
scheinlich eine Reihe von Untersnchern gerichtet haben. Es ist jeden-
falls nicht ausgeschlossen, daB bei zu dicken Platten und zu hoher Blut-
konzentration, besonders wenn noch Kaninchenblut benutzt wurde,
manchen Beobachtern die leichte Grfinffirbung einer Kolonie entgangen
ist, aus der bei weiterer Fortzfichtung sich ein deutlicher Viridans
entwickelt hfitte.
Nachdem die von uns isolierten Stamme auf das Vorhandensein
einer deutlichen Hfimolyse geprfift worden waren, wurden sie regelmfiBig
in 2 parallelen Linien auf Loeffler-Serum und Bouillon weitergezfichtet.
Als Bouillon benutzten wir anfangs Serum- und Ascitesbouillon, muBten
dann aber der haufigen Verunreinigungen wegen zu gewohnlicher
Bouillon greifen, auf der eine Fortzfichtung nur mit einigen Schwierig-
keiten gelang. Da es sich nicht um richtige Fleisch-, sondern um eine
aus Extrakt hergestellte Brfihe handelte, so ist ein nicht seltenes Ver-
sagen im Angehen der Kulturen weiter nicht zu verwundern. SchlieBlich
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Hintze u. Kiihne, Umwandlung hamolytischer Streptokokken usw. 355
bedienten wir uns meistens einer 1-proz. Traubenzuckerbouillon. Trotz
mancherlei Schwierigkeiten gelang es uns jedoch, die StSmme mehrere
Monate in gerader Linie weiter zu ziichten, so daB wir genau fiber die
Generationsfolge unterrichtet waren. Von den beiden parallel gezfichteten
Linien wurden mindestens lmal wochentlich Blutplatten angelegt, um
zu sehen, ob das hfimolytische Vermogen noch erhalten, oder ein Um-
schlag in die Viridans- oder anhfimolytische Form eingetreten war.
Ueber die Einzelheiten der Versuche geben die Protokolle AufschluB.
Die neben den Kulturen des betr. Stammes stehenden eingeklammerten
Zahlen bedeuten die jedesmalige Generation, die zur Impfung usw. be-
nutzt wurde.
I. Stamm Kr. Vorderarmphlegmone nach Selbstmordversuch.
1. Nov. 21. 47 Tage nach dem Trauma Eiterentnahme. — Auf Kaninchenblutplatten
(K.B.P.)hamoly tische Streptokokken, in Serum bouillon (S.B.) gute Kettenbildung. — 3. Nov.
Maue 1 (18 g) 0,2 ccm S.B. (2) ip. gespritzt — 5. Nov. Bauchpunktion mit Glaskapillare:
reichlich Leukozyten mit auffallend viel dunklem Pigment; vereinzelte kokkenahnliche Ge-
bilde. Auf Blutplatten keine Streptokokken nachweisbar. — 10. Nov. Die Maus stirbt.
In dem Exsudat der Bauehhohle grampositive Kokken, ofter zu 2 zusammenliegend.
Beide Lungen werden steril herausgenommen und im Achatmorser zerrieben und dann
auf 2 K.B.P. ausgestrichen. Ebenso werden von den ubrigen OrgaDen, d. h. Milz, Leber,
Nieren, Harn, Peritonealflussigkeit und Herzblut Blutplatten angelegt. Auf alien
wachsen hamolytiBche Streptokokken. — 17. Nov. Meerschweinchen 1 (500 g) 3 ccm
S.B. (6) ip. injiziert. Nach 2 Std. getotet. In der Bauehhohle wenig Exsudat, keine
StreptokoKken nachweisbar. Auf den von alien Organen (wie oben) angelegten Blut¬
platten reichliches Wachstum hamolyt. Streptokokken. Wachstum in Bouillon: starker
Bodensatz, fast klare Fliissigkeit dariiber. Mikroskopisch: liingere Ketten.
I. Dez. Eb werden 4 Mause mit 0,2—0,3 ccm Traubenzucker-Bouillon-Kultur
(T.B.K.) (11) ip. infiziert und nach 2, 4, 6, 8 Std. getotet: nach 2 Std. getotete Maus:
in alien Organen (wie oben) hamolyt. Strept., nach 4 Std. getotete Mans: im Peritoneum
und Nieren hamolyt. Strept.; die ubrigen Organe sind nrei. In den Nieren deutlich
lanzettfdrmige Kokken. Nach 6 Std. getotete Maus: Lungen, Herz und Harn frei, in
den ubrigen Organen hamolyt. Strept. Nach 8 Std. getotete Maus: nur in der Leber
eine hamolyt. Kolonie.
3. Febr. 22. Zur Feststellung der noch vorhandenen Virulenz des Stammes wurden
2 Mause mit 0,25 und 0,5 ccm T.B. (22) ip. infiziert. Sie erschienen anfangs krank,
wurden jedoch nach 2 Tagen munter und lebten noch am 28. Marz 22. — 6. Febr.
Wiederholung dea Versuches vom 3. Febr. In der T.B. (23), die zur Injektion benutzt
wurde, -lange Streptokokkenketten. Die mit 0,25 ccm behandelte Maus (28) starb am
13. Febr. 22. Es wurden nur Milz und Peritoneum untersucht. Auf den Blutplatten
von beiden zahlreiche Kolonien mit deutlich griinem Hof, die bei der Fortziichtung
noch deutlicher werden. Die aus dem Peritoneum stammende Linie wurde bis zum
Abbruch des Versuches auf Loeffler bis zur 10. Generation fortgeziichtet.
Die an demselben Tage mil 0,5 ccm derselben T.B. injizierte Maus (29) starb am
11. Marz 22. Sowohl im Peritoneum, wie in der Milz waren noch reichlicn hamolyt.
Strept. nachweisbar, d. h. also noch 5 Wochen nach der Einspritzung, wahrend bei uer
1. Maus eine Dosis von 0,25 zum Tode und zur Bildung von V i ria a n s-Formen ge-
fuhrt hatte.
Zusammenfassung: Ein aus einera chronisch entzfindlichen
ProzeB stammender hamolytischer Streptokokkenstamm behSlt bei par-
alleler Fortztichtung auf Loeffler-Serum und Bouillon diese Eigenschaft
wfihrend 5 Mon. unverfindert bei. Die Hamolyse ist auf Kaninchen-Blut-
platten am schwfichsten, starker auf Menschenblut und am stfirksten auf
Hammelblutplatten. Er tfitet MSuse in einer Dosis von 0,2 in 7 Tagen.
Durch Injektion einer Maus mit 0,25 T.B. (23) gelingt die Um¬
wandlung des hfimolytischen Stammes in einen Viridans, der bei
weiterer Fortzfichtung auf Loeffler und Bouillon diese Eigenschaften
beibeh<.
II. Stamm Ost. Osteomyelitis des Schadels (nach chron. Otitis
med.?); vor 5 Wochen erkrankt.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
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6. Nov. 21. Eiterentnahme. Auf K.B.P. zahlreiche zarte, graue Kolonien mit starkem
hamolyt. Hof. In S.B.K. Kettenbildung. — 8. Nov. Zur Virulenzpriifung wurde Maus 2
(13 g) mit 0,2 ccm S.B.K. (2) ip. infiziert. Sie starb in der folgenden Nacht. In der
Peritonealfliissigkeit Streptokokkenketten bis zu 20 Gliedern; auBerdem lanzettformige
Doppelkokken, oft mit Kapseln. Auf Blutagarplatten in alien Organen reiehlich
hamolyt. Strept. — 10. Nov. Meerschweinchen 2 (290 g) mit 2 ccm Ascites-Bouillon-
Kultur (A.B.K.) (4) ip. gespritzt und nach 2 Std. getotet. In der Peritonealfliissigkeit
grampositive Kokken, haufig zu 2 liegend. Auf Blutplatten in alien Organen hamolyt.
Strept.
Der Stamm wurde noch bis zum 17. Miirz 22 auf T.B. und bis 29. Miirz auf
Loef fler-Serum weitergeziichtet, ebenso die durch die Maus 2 und Meerschweinchen 2
gegangenen Linien, ohne daS, aufler einer geringeu Abnahme des hamolyt. Vermogens,
anderweitige Veriinderungen aufgetreten waren.
Zusammenfassung: Ein aus einer Schadelosteomyelitis stammen-
der hamolyt. Stamm behalt diese Eigenschaft wahrend fast 5 Mon. ziem-
lich unverandert bei, ebenso die durch eine Maus bzw. ein Meerschwein¬
chen gegangenen parallelen Linien.
III. StammIV/323. Peritonitis ca. 4 Wochen p. partum; Exitus.
18. Nov. 21. Eutnahme des Eiters bei der Operation. Er enthiilt stark hamolyt.
Strept.; in Bouillon lange Ketten. — 22. Nov. Maus 6 (12,5 g) mit 0,2 ccm T.B.K. (3)
ip. infiziert. Die Maus stirbt in der gleichen Nacht. Im Exsudat der Bauchhohle
mikroskopisch lanzettformige Diplokokken mit Kapselbildung. Auf den Blutplatten von
den Organen iiberall hamolyt. Strept., aufler in den Lungen und dem Herzblut. —
25. Nov. Maus 7 (19 g) mit 0,3 ccm T.B.K. (4) ip. infiziert und nach 3 Std. getotet.
Auf Blutplatten in alien Organen hamolyt. Strept. nachweisbar. In der Pentoneal-
fliissigkeit lanzettformige Diplokokken ohne Kapselbildung. In den von den Blutplatten
angelegten Bouillonkulturen gedrungene Ketten, so dafl der Eindruck eines Fadens er-
weckt wird. — 26. Dez. Auf den zur Kontrolle angelegten Blutplatten aus der Bouillon-
kultur (16) der ursprunglichen Linie erscheinen einzelne grunliche Kolonien mit groflem
griinen Hof und hellerem konzentrischen Ring. Im G r a ni - Praparat lanzettformige
Diplokokken. Diese spontan umgeschlagene, jetzt griin wachsende (und nun auf
Loeffler weitergezuchtete) Linie behalt diese Eigenschaft bei Priifung auf Blutagar
unverandert bei. — 11. Jan. 22. Maus 13 u. 15 mit je 0,3 ccm T.B.K. (19) von aer
urspriinglichen, auf Loeffler weitergeziichteten Linie ip. infiziert und nach 2 u. 4 Std.
getotet. Fast in samtlichen Organen hamolyt. Strept. nachweisbar. — 11. Jan. Maus 14
u. 16 mit je 0,4 ccm T.B.K. des griin wachsenden Stammes ip. infiziert und nach
2 u. 4 Std. getotet. Bei Maus 14 nur in den Nieren, bei Maus 16 fast in alien Organen
griin wachBende Kolonien. — 12. Jan. Von der ursprunglichen Loef fler-Linie wurden
Blutplatten und T.B.K. angelegt, 2 Mon. dauemd bei 40° C gehalten und alle 2 bis
4 Tage iibergeimpft, um zu sehen, ob durch die hohere Temperatur ein Umschlagen
des Stammes zu erzielen sei. Es wurde nur ein Nachlassen der Hamolyse erreieht. —
13. Jan. Maus 17 u. 18 mit 0,4 ccm T.B.K. der griin wachsenden Linie ip. infiziert
und nach 2 u. 4 Std. getotet. Bei keiner der beiden Mause in den Organen griin
wachsende oder hamolyt. Strept. nachweisbar. (In der Bouillonkultur, die zur Impfung
benutzt wurde, war uur geringes Wachstum vorhauden.) — 28. Jan. Maus 19 u. 20
mit 0,2 ccm T.B.K. des griin wachsenden Stammes ip. infiziert und nach 2—4 Std.
getotet. Nach 2 Std. nur in Peritoneum und Leber ganz vereinzelt griin wachsende
Kolonien, nach 4 Std. samtliche Organe steril. — 3. Febr. Maus 21—23 mit 0,3 ccm
T.B.K. (28) der hamolyt. Linie infiziert, um eine Umwandlung zu erreichen: Maus 21
getotet nach 2 Std.: In den Lungen eine deutlich griine Kolonie, andere Organen frei.
— Maus 22 getotet nach 4 Std.: Nur in der Milz und im Harn einige deutlich griine
Kolonien, keine hamolytischen. Mikroskopisch in Milz und Peritoneum Lanzettkokken.
Maus 23 getotet nach 6 Std.: Organe steril.
Die aus der Milz der Maus 22 geziichtete grun wachsende Linie behielt diese Eigen-
schaft bei der Fortziichtung auf Loef fler-Serum, T.B. und Blutplatten unveriinaert
bei bis Ende Marz. In T.B. plumpe Diplokokken. — 3. Febr. Maus 24 mit 0,25 ccm
T.B.K. (28) der hamolyt. Linie, Maus 25 mit 0,5 ccm T.B.K. (28) der hamolyt. Linie
infiziert: Maus 24 starb am 13. Febr. Im Peritoneum und Milz sehr viel hamolyt.
Keime. Maus 25 starb am 23. Febr. Gleicher Befund wie bei Mans 24. — 6. Febr.
Wiederholung obiger Versuche: Maus 30 mit 0,25 ccm T.B.K. (29) der hamolyt. Linie,
Maus 31 mit 0,5 ccm T.B.K. (29) der hamolyt. Linie infiziert.
Maus 30 starb am 7. Febr. Aufler in Lungen und Herz in alien Organen zarte
Kolonien mit ganz schwacher Hamolyse, die bei weiteren Plattenpassagen sehr stark
wurde. Maus 31 am 29. Miirz 22 noch lebend. — 9. Febr. Maus 32 mit 0,5 ccm T.B.K. (3)
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Hintze u. Kiihne, Umwandlung hamolytischer Streptokokken new. 357
aus der Milz der Maus 22 ip. infiziert, lebt am 29. Marz 22. Maus 33 mit 1,2 ccm des
gleichen Stammes infiziert. Am nachsten Tage Bauchpunktion mit Kapillare: Gram¬
positive Diplokokken von Lanzettform. Nach 24 Std. getotet. In der Peritonealfliissig-
keit derselbe Befund, wie bei der Punktion, Diplokokken oft mit Kapseln. Auf Blut-
agarplatten aus den Organen fast uberall griin wachsende Kolonien. In T.B. plumpe
Diplokokken, Ketten bis zu 4 Gliedern.
Eine Umwandlung der griin wachsenden Linie in eine hamolytische ist nicht
gelungen.
Auch folgende Versuche an 9 Mausen, die griin wachsende Linie wieder in eine
hamolytische zuriickzuverwandeln, hatten keinen Erfolgr
13. Febr. Maus 34 mit 1,5 ccm T.B.K. (5) aus der Milz der Maus 22 ip. infiziert.
Stirbt am 15. Febr. In alien Organen Keime nachweisbar, die von der 2. Generation
an griin wuchsen. — 16. Febr. Maus 35 mit 1,0 ccm T.B.K. (5) derselben Linie ip.
f eimpft; lebt am 29. Marz 22. Maus 36 mit 1,5 ccm Plattenabschwemmung (5) infiziert,
rani:, nach 24 Std. getdtet. Im Peritoneum und Milz zahlreiche, griin wachsende
Kolonien. — 17. Febr. Maus 37 mit 1,0 ccm Peritonealauswaschung von Maus 36 ge-
impft und nach 22 Std. getotet. In Peritoneum und Milz wenig griin wachsende
Kolonien nachweisbar. — Maus 38 mit 0,75 ccm des Milzbreies von 36 geimpft; am
29. Marz noch lebend. — 18. Febr. Maus 39 mit 1,0 ccm Peritonealauswaschung von
Maus 37 ip. infiziert; am 29. Marz noch lebend. — 21. Febr. Maus 40 mit 1,2 ccm
Plattenabschwemmung (8) von der Milzlinie Maus 22 infiziert; lebt noch Ende Marz. —
23. Febr. Mans 41 mit 1,1 ccm Plattenabschwemmung (9) derselben Linie (2 Platten!)
ip. geimpft. Stirbt am 24. Febr. Im Peritoneum und Milz mafiig viel griin wachsende
Kolonien. — 24. Febr. Maus 42 erhalt 1,0 ccm Peritonealauswaschung von Maus 41.
Lebt. — 2. Marz. Maus 43 erhalt 1,2 ccm = 2 Plattenabschwemmungen (10) von der
Milzlinie Maus 22. Lebt.
Von den aus den Organen geziichteten Keimen wurden stets Bouillonkulturen
angelegt. Befund: Grampositive Kokken meist als Diplokokken, plump, fast seiumel-
oder auch lanzettformig; selten Ketten bis zu 10 Gliedern, wahrend der Stamm an-
fangs schone Ketten bildete. — 17. Marz 22. Die Bouillonkultur des hamolytischen
Stammes geht ein.
Zusammenfassung: Ein am 19. Nov. 21 aus einer todlichen
eiterigen Peritonitis post partum gezuchteter Stamm totet in einer
Dosis von 0,2 ccm B.K. ip. eine Maus in 1 Tage. Er wachst zunachst
hamolytisch und mit langer Kettenbildung in Bouillon. In der Bauch-
hQhle mehrerer, mit diesem Stamm infizierter Mause sind ofters gram¬
positive Diplokokken von Lanzettform nachweisbar, zum Teil mit Kapseln,
und plumpe, semmelfbrmige Diplokokken. Der Stamm wurde parallel
auf Loeffler und T.B. weitergeziichtet. Die letztere Linie zeigte am
26. Dez. 21 in der 10. Generation auf Blutagarplatten ein griines Wachs-
tum, woran sie bis zum SchluB des Versuches am 29. Mftrz 22 festhielt;
es war also ein spontaner Umschlag erfolgt. Die auf Loeffler-Serum
fortgeziichtete Linie bleibt bis zum Ablauf des Versuchs hamolytisch.
Die am 26. Jan. 22 an Stelle der umgeschlagenen Bouillonlinie von
Loeffler-Serum angelegte Bouillonkultur bleibt unverandert hamo¬
lytisch. 3 mit diesem hamolytischen Stamm gespritzte Mause, 21—23,
wurden nach 2, 4 und 6 Std. getbtet. Nach 2 Std. (Maus 21) wurde in
den Lungen eine, nach 4 Std. (Maus 22) in Milz und Harn griin wachsende
Kolnien gefunden; nach 6 Std. waren die Organe der Maus (23) steril.
Die aus der Milz von Maus 22 auf Loeffler fortgeziichtete Linie behait
diese Eigenschaft bis zum Ende des Versuches. — Andere, in gleicher
Weise behandelte Mause zeigten diese Umwandlung nicht. — Auch
mehrere Versuche mit zum Teil erheblichen Dosen BK., Plattenabschwem¬
mung, Peritonealauswaschungen oder Milzbrei gestorbener, Mause die
griin wachsende Linie wieder in eine hamolytische zuriickzuverwandeln,
schlugen fehl. Nach 2—6 Std. waren die Organe der infizierten Mause
oft steril; einige gingen gar nicht ein. Die griin wachsende Linie hatte
fiir Mause nur eine geringe Virulenz.
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IV. Stamm Gr. Vor 5 Wochen komplizierte Unterschenkelfraktur.
10. Nov. 21. Eiterentnahme. Starke Hamolyse auf Blutplatten. In SBK. lange
Ketten. — 14. Nov. Zur Feststelluug der Virulenz wurde Maus 3 (19 g) mit 0,3 ccm
ABK. (3) ip. infiziert. Sie starb am 21. Nov. Aufier den Lungen in samtlichen unter-
suchten Organen hamolyt. Strept. — 15. Nov. Maua 4 (19 g) wird mit 0,2 ABK. (3) ip.
infiziert una naeh 3 Std. getotet. In samtlichen Organen hamolyt. Streptokokken nach-
weisbar. Der aus dieser Maus geziichtete Stamm wurde parallel auf SB. und auf
Loeffler weitergezuchtet und durch Blutplatten wochentlich auf sein hamolytisches
Yermogen gepriift (schlagt am 28. Jan. 22 um, s. dort). — 18. Nov. Maus 5 (20 g)
mit 0,3 ccm SBK. (4) ip. infiziert und nach 2 Std. getOtet. Auf samtlichen Blutplatten
hamolyt. Strept. Die Keime im Peritoneum erscheinen mikroskopisch oft als Diplo-
kokken in Lanzettform. — 28. Jan. 22. Die auf Bouillon aus Maus 4 fortgeziichtete
Linie zeigt bei der Kontrolle auf Blutplatten einzelne griinliche Kolonien, die mit einem
breiten, griinen Hof und darum herumliegenden helleren Bing versehen sind. Bei der
Fortziichtung dieser Kolonien auf Loeffler behalt die Linie bei Blutagarpassage ihr
griines Wachstum zunachst bei. Am 17. Febr. verschwindet die Grunlarbung feurze
Zeit, um dann in etwas abgeschwachtem Made wiederzukehren. Von da an ist das
Wachstum dieser griinen Linie unverandert bis zum 9. Marz 22. — 1. Febr. Auch die
parallel aus Maus 4 auf Loeffler fortgeziichtete Linie zeigte von heute ab auf Blut¬
platten griines Wachstum und behalt diese Eigenschaft bis zum Ende der Beobachtung,
29. Marz 22.
Zusaramenfassung: Ein aus einer 5 Wochen alten komplizierten
Unterschenkelfraktur gezuchteter Stamm mit starker Hamolyse auf Blut¬
platten behalt diese Eigenschaft innerhalb 4V 2 Mon. unverandert bei.
Er totet, in der Menge von 0,3 BK. ip. injiziert, eine Maus erst in
7 Tagen. Nach einer Mauspassage am 15. Nov. erfolgte bei paralleler
Fortziichtung auf Loeffler und Bouillon auf der letzteren am 28. Jan.,
auf ersterem am 1. Febr. 22 ein Umschlag in die Viridans-Form.
Beide Linien wurden bis Anfang bzw. Ende Marz verfolgt und behielten
ihr griines Wachstum.
V. Stamm IV/441. Eiter aus einer Empyemhohle, durch Punktion
gewonnen.
15. Febr. 22. Starke Hamolyse auf Hammelblutplatten und lange Kettenbilduug
in Bouillon. Es wird versucht, bei paralleler Fortziichtung auf Hammelblut, Loeffler-
Serum und Traubenzucker-Bouillon durch dauern den Aufenthalt bei 37 °C den Stamm
in einen Viridans umzuwandeln. — 10. Marz 22. Bis heute noch auf samtlichen
Nahrboden stark hamolytisches Wachstum. Abbruch des Versuches.
Zusammenfassung: Ein fast 1 Monat bei dauerndem Aufenthalt
im Brutschrank bei 37° C parallel auf Loeffler, Traubenzucker-
Bouillon und Hammelblutplatten fortgeziichteter Stamm bleibt unverSndert
hamolytisch.
Das Ergebnis unserer Untersuchungen laBt sich etwa im folgenden
zusammenfassen. Die von uns benutzten Streptokokkenstamme wurden
direkt teils aus akuten, teils aus langer dauernden entziindlichen Pro-
zessen der betr. Kranken isoliert. Alle erwiesen sich als ausgesprochen
hamolytisch auf der Blutplatte.
Wie andere Autoren konnten auch wir bei einigen Streptokokken
einen Uebergang in die grim wachsende Form beobachten. Dieser Um¬
schlag trat ein: teils spontan bei Weiterzuchtung auf kiinstlichen Nahr¬
boden nach einer Reihe von Generationen, teils im Korper des infizierten
Tieres (Maus), wenn dasselbe einige (2—4) Std. nach der Impfung ge¬
totet wurde, durchaus analog den Befunden anderer Untersucher; erfolgte
der Tod erst nach langerer Zeit, so wurden keine griinen Kolonien mehr
gefunden. Endlich beobachteten wir auch, dafi durch eine Maus hindurch-
gegangene Stamme, nicht gleich, aber bei weiterer Fortziichtung auf
kiinstlichen Nahrboden, ein griines Wachstum annahmen.
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Hintze u. Kiihne, Umwandlung hamolvtischer Streptokokkeu usw. 359
Irgendein gesetzmSBiges Verhalten lieB sich dabei nicht feststellen.
Dazu sind die Versuche allerdings auch viel zu gering an Zahl. Nur
durch ganz auBerordentlich zahlreiche und vielfach variierte Versuche
kSnnte man hoffen, einen Einblick in die offenbar sehr komplizierten
Vorbedingungen ffir die Umwandlung zu erlangen, falls das uberhaupt
gelingt. 2 Hauptfaktoren sind es, die aufeinander einwirken: der betr.
Stamm und der Nahrboden, auf dem er wachst. Die Untersuchungen
und Beoachtungen der letzten Jahre deuten nun immer mehr darauf
hin, daB selbst bei anscheinend so niederen Lebewesen, wie den Bakterien,
abgesehen von der bei einigen Arten sicher nachgewiesenen Rassen-
bildung, sogar einzelne Stamme gewisse individuelle EigentQmlichkeiten
besitzen, und selbst die aus einer Kolonie hervorgegangenen Tochter-
individuen Abweichungen voneinander zeigen konnen. Dazu kommt der
EinfluB des Nakrbodens, der, als kiinstlicher verhaltnismaBig einfach, im
tierischen Wirtsorganismus eine auBerordentliche Vielgestaltigkeit erlangt.
Mit vollem Recht ist gerade in den letzten Jahren die Bedeutung der
individuellen Beschaffenheit des Einzelindividuums, seine Konstitution,
Verfassung, Oder wie man es sonst nennen mag, fur die Entstehung der
Infektionskrankheiten, d. h. fur die gegenseitige Beeinflussung von Keim
und Einzelindividuum, wieder mehr betont und in den Vordergrund
gestellt worden. Nur wenn man sich vergegenwartigt, daB die aufein¬
ander einwirkenden Faktoren in jedem Falle andere sein werden, laBt
sich verstehen, warum anscheinend so ganz unregelm&Big bei auBerlich
gleicher Anordnung der Versuche einmal ein Umschlag erfolgt, das andere
Mai nicflt, und warum z. B. bei der Streptokokkeninfektion des Menschen
nur verhaltnismaBig selten der Viridans gefunden wird. Im Tier-
experiment ist es sehr auffallend, daB in den ersten Stunden nach der
Infektion der Umschlag anscheinend am leichtesten zustande kommt,
spater erheblich seltener, wenn auch derartige Beobachtungen vorliegen.
Beim Menschen findet sich der Viridans doch gerade mit Vorliebe bei
der Sepsis lenta, nach einem langeren Bestehen der Erkrankung. Die
Grfinde sind uns unbekannt; es bleibt zunachst nichts anderes iibrig,
als mbglichst viel sichere Beobachtungen zu sarameln.
Die Umwandlung im Tierkorper geht offenbar in verschiedenen
Organen vor sich, nicht nur mit besonderer Vorliebe in den Lungen,
unter spezieller Mitwirkung der Endothelzellen, wie Kuczynski und
Wolff annehmen. Ob die Eigenschaft, griin wachsen zu konnen, eine
Fahigkeit ist, die generell alien hamolytischen Streptokokkenstammen in
hoherem oder geringerem Grade zukommt, wie Schnitzler und
Munter glauben, muB zunachst dahingestellt bleiben. In diesem Falle
wiirden es nur die auBeren Bedingungen sein, welche die Umwandlung
verursachen. Es ware aber doch auch durchaus moglich, daB es Stamme
gibt, die diese Fahigkeit nicht besitzen, sei es, daB sie sie nie gehabt,
oder wieder verloren haben. Nach den neueren Anschauungen der
Erblichkeitsforschung sollen besonders unter den niederen Organismen
Mutationen ja haufiger vorkommen, als man frfiher angenommen hatte.
Mit dem Griinwerden schien auch in unseren Versuchen eine Starke
Abnahme der Virulenz einzutreten, eine Erscheinung, die ja von ver¬
schiedenen Beobachtern angegeben wird. Sie ging allerdings nicht so
weit, daB eine Infektion der Maus mit todlichem Ausgange nicht mehr
hervorzurufen gewesen ware (Kuczynski und Wolff). Anderseits
beobachteten wir aber auch, daB die gleichaltrige hamolytische Linie
ebenfalls eine erhebliche Herabsetzung ihrer Infektiositat erlitten hatte
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360
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
(Stamm IV/323, Versuche am 3. und 6. Febr. 22). Auch derartige Ab-
nahmen sind ja bekannt.
Eine RiickverwaDdlung der grfln gewordenen Form in die hamo-
lytische ist uns nicht gelungen. Um das Ziel zu erreichen, injizierten
wir groBe Dosen, die das Tier toteten, und versuchten nun, durch Peri-
tonealauswaschungen, bzw. Einverleibung von Milzbrei die nicht zugrunde
gegangenen resistenteren Keime auf eine weitere Maus zu iibertragen,
um dadurch eine Steigerung der Virulenz und eine Umwandlung in die
hfimolytische Form zu erzielen. Die Versuche miBlangen; die so ge-
impften Tiere iiberlebten meistens den Eingriff. Andere Autoren, so
Schnitzler und Munter, geben an, daB ihnen die Ruckverwandlung
gelungen sei. Um eine Verlustmutation (Kuczynski und Wolff) im
wahren Sinne des Wortes kann es sich dabei also nicht gehandelt haben.
Die die grune Wuchsform annehmenden Stamme stehen den Pneumo-
kokken anscheinend besonders nahe. Bei unserem Stamm IV/323 notierten
wir schon bei der 1. Virulenzpriifung (22. Nov. 21) mikroskopisch im
O " •
Fig. 1. Hamolytiucher Streptokokkus. Fig. 2. Streptoc. virid. und Pneumoc.
Auf 7 Proz. Hammelblutagarplatte. Bei mittlerer Einstellung.
Exsudat der Bauchhohe lanzettformige Diplokokken mit Kapselbildung;
derselbe Befund wiederholte sich einige Tage spater. In der 16. Generation
schlug die auf Bouillon geziichtete Linie spontan um und zeigte wieder
lanzettformige Diplokokken. In der 28. Generation der auf Loeffler
fortgefiihrten Linie erfolgte nach Impfung ein Umschlag in der Maus 22
(am 3. Febr. 22). Auch hier fanden sich in Ausstrichpriiparaten von Milz
und Peritoneum zu zweien liegende Kokken, welche von Pneumokokken
morphologisch nicht zu unterscheiden waren. Auch bei anderen Stammen
wurde Aehnliches beobachtet, wenn auch nicht in so ausgesprochenem
MaBe.
Ebenso glich das Wachstum der griin gewordenen Linien auf der
Haramelblutplatte durchaus dem echter Pneumokokken: auf der Kolonie
und im Bereiche des verfiirbten Hofes sind die roten Blutkbrperchen
noch als schollige Massen deutlich zu erkennen, wahrend bei den hamo-
lytischen Formen niclits mehr davon zu sehen ist. Die grunliche Ver-
fflrbung schwankt hier wie dort innerhalb ziemlich weiter Grenzen, von
leichten Andeutungen bis zum ausgesprochenen hellen Blattgriin.
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Hintze u. Kiihne, Umwandlung hamolytischer Streptokokken usw. 361
Um die Beziehungen zwischen beiden noch naher zu verfolgen,
haben wir noch einige Versuche angestellt, welche hier zum Schlusse kurz
angefuhrt werden mogen: Wir stellten uns von frischem, defibrinierten
Hammelblut durch Aufldsen mit destilliertem Wasser eine sterile H&mo-
globinlosung her. Davon setzten wir zu Bouillonrdhrchen so viel Tropfen
zu, daB eine hellrote L5sung entstand, in welcher die Oxyhamoglobin-
streifen aber noch deutlich wahrnehmbar waren. Diese Rohrchen wurden
schwach mit hamolytischen Streptokokken, echten und den von uns durch
Umschlagen erhaltenen Viridans-Formen sowie verschiedenen, durch
Mauspassage aus pneumonischem Sputum gezfichteten Pneumokokken-
stammen beimpft und dann mit den notigen Kontrollen in den Brut-
schrank gestellt. Wir beobachteten stiindlich etwa auftretende Farben-
veranderungen, sowie das spektroskopische Verhalten. Aus einer Reihe
von Parallelversuchen ergab sich im wesentlichen das Folgende: Nach
etwa 1—2 Stdt. begann bei einigen Rohrchen sich die Farbe zu ver-
andern und einen braunlichen Ton anzunehmen, der im Laufe der nachsten
Stunden wieder etwas heller wurde, bis eine Triibung eintrat. Dieser
Umschlag wurde regelmaBig zuerst bei den sicheren Viridans-Stammen
(1100, 314 u. Path. Inst.) beobachtet; ihnen folgten meistens die ver¬
schiedenen Pneumokokken und umgeschlagenen Stamme in verschiedenem
Abstande mit wechselnder Nuancierung der Verfarbung. Die hamolytischen
Streptokokken hielten sich jedesmal erheblich langer; eine Veranderung
des Rots trat ineist erst mit der einsetzenden Triibung der Rohrchen
ein, deren Auftreten natiirlich von der Starke der nicht imrner gleich-
mafiigen Beimpfung mit abhing, so daB sich genaue Zeitangaben als
Regel nicht geben lassen. Trat ein Farbenumschlag ein, so geschah
das, bevor eine Saurung der Bouillon gegen Lackmus nachzuweisen war.
Es ergab sich bei den Versuchen die eigentiimliche Erscheinung, daB
bei demselben Streptokokkenstamm die umgeschlagene Linie die braun-
liche Verfarbung annahm, wahrend der hainolytisch gebliebene Zweig
die rote Farbe behielt. Spektroskopisch zeigte sich, wenn auch nicht
ganz regelmaBig, bei den veranderten RShrchen das Auftreten des
Methamoglobinstreifens in Rot.
Wahrend wir mit diesen Untersuchungen beschaftigt waren, wurden
wir auf die vor kurzem erschienene Arbeit von Schnabel (5) liber die
Blutgifte der Pneumokokken aufmerksam. Sch. ging in der Weise vor,
daB er zu 1 ccm einer 24-stiind. Blutbouillonkultur einen Tropfen Blut-
15sung zusetzte und nun die Farbenveranderung und das spektroskopische
Verhalten beobachtete. Schon nach 5—15 Min. trat ein Umschlag des
Rot in Graubraun ein; im Spektrum erschienen die Methamoglobin-
streifen. Diese Erscheinungen machten sich noch bei einer starken Ver-
diinnung (0,05 ccm) der urspriingliclien Bouillonkultur bemerkbar, wenn
auch in abgeschwachtem MaBe. Die den Farbenumschlag verursachende
Substanz ist gelost in der Kultur vorhandeu und imstande, das Filter
zu passieren. Sie verinag in die roten Blutkorperchen einzudringen,
ohne sie zu zerstoren und hier die Umwandlung in Methamoglobin her-
vorzurufen. Auf diesem ProzeB soil auf der Blutplatte das Auftreten
der grflnen Verfarbung bei noch deutlich erhaltenen roten Blutkorperchen
beruhen.
Wenn in unseren Versuchen die gleichartige Farbenveranderung er¬
heblich langsamer erfolgte, so erkiart sich das daraus, daB wir die Rohrchen
erst nach dem Hamoglobinzusatz schwach beimpften und es daher natfir-
lich erst einiger Zeit bedurfte, bis sich die die Veranderung verursachende
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362 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
Substanz gebildet hatte. Diese Bildung scheint verhaltnismSJBig schnell
vor sich zu gehen, und zwar, was fur uns hier das Wesentliche ist, fur
Pneumokokken und Viridans-Formen dem Wesen nach dieselbe zu
sein, wenn auch die Menge nach der individuellen Eigenart der Stamme
und der nie genau zu dosierenden Beimpfung eine verschiedene sein
kann. Der MethSmoglobinstreifen in Rot ist in einer 27 2 -proz. Losung von
MetMmoglobinblut noch eben zu sehen; sein Auftreten und Verschwinden
ist anscheinend von recht verschiedenen Faktoren abhSngig 1 ). Es ist
daher nicht zu verwundern, daB wir ihn nicht regelmSBig beobachteten.
Eine Farbenverknderung kann anscheinend schon eintreten, ohne daB
die zur spektroskopischen Wahrnehmung notige Menge vorhanden ist.
DaB Pneumokokken und auch Streptokokken nach langerer Zeit Methamo-
globin bilden, war ja bekannt.
Auch diese Befunde scheinen fur eine nahere Verwandtschaft der
Viridans-Formen mit den Pneumokokken zu sprechen.
Aus duBeren Grilnden waren wir nicht in der Lage, die Unter-
suchungen, wie wir es beabsichtigt hatten, noch weiter fortzusetzen, so
daB wir uns mit diesen kurzen Andeutungen begntigen miissen.
Xii ter a tar.
1) Dtech. med. Wochenschr. 1922. S. 182. — 2) Joum. of infect Die. 14. 1. 1914;
ebenda 13. 1913; Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 69. 1913. S. 391; dasselbe Orig.
73. 284. 1914. — 3) Berlin, klin. Wochenschr. 1920 u. 21. — 4) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 93.
1921. H. 1. — 5) Ebenda. Bd. 93. H. 2/3.
Nachdruck verboten.
Welche chemische Substanz baut die Polkomcben des
Diphtheriebazillus auf ? 2 )
Von Dr. J. Schumacher (Berlin).
Seit den Arbeiten Aronsons (Arch. f. Kinderheilk. Bd. 30. 1900. 8. 23, Chem.
Centralbl. Bd. 1. 1901. S. 471) sind wir so weit iiber den chemischen Aufbau des Diph¬
theriebazillus unterrichtet, dafi in ihm eine Nukleinsaure vorkommt. Aronson zog
die entfetteten Bakterien mit Natronlauge aus, fallte den Auszug mit Essigsiiure, das
Filtrat mit saurem Alkohol. Aus 10 g Bakterien erhielt er so 0,22 g gereinigte Substanz.
Diese erwies sich als stark phosphorsaurehaltig und fallte Eiweifilosung. Sie enthielt
ferner Xanthinbasen und liefi nacn Hydrolyse mit Salzsaure Pentosen erkennen.
Da alle 3 Bausteine der Nukleinsaure damit nachgewiesen waren, kann an dem
Nukleinsnuregehalt der Diphtheriebakterien kein Zweifel mehr bestehen. Diese makro-
chemischen llntersuchungen gestatteten aber nicht, folgende weiteren Fragen zu ent-
scheiden: 1) Enthielten auch samtliche der Untersuchung unterworfenen Bakterien oder
Nukleinsaure, oder kam diese Eigenschaft nur einigen Exemplaren zu? 2) War uu-
entschieden, ob die Nukleinsaure in dem DiphtherieDazillus chemisch gebunden, oder
als solche frei vorkommt, oder ob, wie in der Hefezelle, gebundene und freie Nuklein¬
saure nebeneinander sich vorfindet, und 3) war zu untersuchen, ob der Nukleinsaure¬
gehalt sich iiber den ganzen Bazillus gleichmafiig verteilt, oder ob er nur an einigen
nnatomisch gut abgreuzbaren Stellen des Bakterienleibes anzutreffen ist.
1) Ditti ich-Erben: Handb. d. Sachverst.-Tatigk. 1909. 7. 8. 207: „In 2 l /,-proz.
Losung von Blut, das 40 Proz. Met.-Hgl. neben 60 ftoz. O.-Hgl. enthiilt, ist er nicht
mehr zu sehen.“ Vgl. auch H oppe-Sey lers Handbuch.
2) Vorgetragen Berlin. Mikrob. Ges. Okt. 21, Miirz 22; Berlin. Phys. Ges. Jan. 22.
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Schumacher, Welche chem. Subst. baut d. Polkfirnehen des Di.-Baz. auf? 363
Sowohl iiber die Zusammensetzung ale auch fiber die Bedeutung der „meta-
chromatiechen Kornchen 1 *, oder nach ihren Entdeckern auch Ba bes-Ernstsche Korn-
chen genannt, die ebenfalle im Diphlheriebazillus vorkommen, herrechte lange Zeit Un-
klarheit, bis durch die Arbeiten von A. Meyer und Grim me 1 ) einige Klarheit ge-
schaffeu wurde und A. Meyer fur die Substaqz dieeer Gebilde, die Dekanntlich in
vielen Bakterien vorkommen, den Namen Volutin vorschlug und dieses durch mikro-
chemische Reaktionen von ahnlich sich farbenden Gebilden der Bakterienzelle abzu-
grenzen lehrte. Er fand das Volutin schwer in kaltem, leicht in heiflem Wasser loslich,
unloslich in Pikrinsaure, in Alkohol, Aether und Chloroform, langsam loslich in Chloral-
hydrat, gut loslich in Alkalien, Mineralsauren und Eau deJaveile. Das Volutin zeigte
ferner indifferentes Verhalten gegen Tryspin und Pepsin, die nicht starker losend ge-
funden wurden als die Losungsmittel, in denen die Enzyme enthalten waren.
Farbte A. Meyer das Volutin mit Methvlenblau und differenzierte dann in 1-proz.
Schwefelsaure, so entfarbte sich alles in der Zelle, bis auf das Volutin, das dunkelblau zu-
ruckblieb. Auch mit Mcthylenblau-Jodjodkalium-Natriumkarbonat und mit Ruthenium-
rot konnte er das Volutin darstellen. Seine Befunde faSt er zusammen: „Uebcr die
chemische Natur der Volutinkorner werden wir so lange nichts Sicheres aussagen konnen,
bis das Volutin aus den Bakterien in unveranaerter Form dargestellt, makrochemisch
definiert und in semen Eigenschaften mit der Substanz der Volutinkorner nochmals
mikrochemisch verglichen ist. Wie ich aus makrochemischen Versuchen geschlossen
habe, ist es wahrscheinlich, dafl das Volutin eine Nukleinsaureverbindung, (von mir
gesperrt), aber kein Nukleoproteid ist.“
Meine Untersuchungen fiber das Volutin hatten einen anderen Aus-
gangspunkt. Zum Studium der Einwirkung der Silbersalze auf die Zelle
und des Desinfektionsprozesses liefi ich 1914 eine AlbarginlOsung auf
Leukozyten einwirken, reduzierte nach Absptilen mit dest. Wasser nach-
her mit Pyrogallol und fand alsdann alle Zellkerne tiefbraun geffirbt.
Die histochemische Analyse dieses Silberkernbildes ergab, daB wir damit
Nukleinsaure nachgewiesen hatten, da nach Entfernung dieser aus den
Zellkernen das Silberkernbild nicht mehr zustande kam. (Berlin, med.
Ges.; Jan. 1922, Offiz. Sitzungsber. Med. Klin. 1922. H. 5.) Dieser in-
direkte Nachweis der Bindung eines Schwermetallsalzes (Silber) an die
Nukleinsaure des Zellkerns gelang damals auch auf direktem Wege unter
Verwendung zweier bisher nicht gebrauchter Reagentien: den eigen ge-
farbten Losungen von Osmiumchlorid (braun) und Rutheniumchlorid
(grau), die beide in abgetoteten Zellen vorwiegend die Kerne tingieren.
Mit diesen Methoden ging ich an den histochemischen Nachweis der
Nukleinsfiure in den Bakterien. Als wir damals 2 ) kfirnchentragende
(volutinhaltige) Diphtheriebazillen mit Osmium- und Rutheniumchlorid
farbten, fanden wir die Kornchen tiefbraun (Osmiumchlorid) oder tief
grauschwarz (Rutheniumchlorid) geffirbt, wfihrend der fibrige Bazillen-
leib von diesen Reagentien nur sehr wenig aufnahm, beinahe ungeffirbt
erschien. Daraus schloB ich auf einen Nukleinsfiuregehalt der Polkfirnchen.
Als wir dann zusammen mit dem Gonococcus damals auch Ausstriche
von Diphtheriebazillen in heiBem Wasser aufkochten, so waren hiernach
die Polkornchen verschwunden. Weder Osmium-, noch Rutheniumchlorid,
noch die Neissersche Farbung vermochten sie mehr darzustellen, wo-
mit ich die von A. Meyer gefundene Eigenschaft des Volutins, in heiBem
Wasser lfislich zu sein, bestfitigen konnte. Ich fiuBerte meinen Mitarbeitern
damals gegenflber, daB in den Polkfirnchen des Diphtheriebazillus wahr¬
scheinlich freie, chemisch ungebundene Nukleinsfiure vorliegen dfirfte,
ohne indessen den Beweis ffir diese Behauptung damals schon erbringen
zu konnen.
1) Aueftihrliche Literatur bei A. M ever, Die Zelle der Bakterien. Jena (G. Fischer)
1912.
2) Dez. 1916. Dio betreffende Arbeit lag der Derm. Wochenachr. damals vor,
Lhre Publikation unterblieb aus auOeren Grfinden.
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364
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
Weisen wir in den Zellen Nukleinsaure nach, so vermogen wir jetzt
hinterher mit der Methylenblau + Phosphinmethode zu entscheiden, ob ge-
bundene Oder freie Nukleinsaure vorliegt, indent sich Nukleine und
Nukleoproteide mit der erwahnten Methode gelb farben, freie Nuklein¬
saure dagegen g r ii n. Dies beruht darauf, wie makrochemisch zu zeigen
ist, dafi Nukleine und Nukleoproteide mit Farbsalzen nukleinsaure Farb-
salze bilden, die Essigsaure und Alkohol unbest&ndig sind und durch
Pbosphin umgef&rbt werden, wahrend freie Nukleinsaure Farbsalze, wahr-
scheinlich komplexer Natur, bildet, die gegen Essigsaure und Alkohol
bestandig sind, wie auch das Volutin, und durch Phosphin bei Methylen-
blauvorbehandlung nicht in Gelb umgefarbt, sondern grim werden. Die
betreffende Verbindung ist auch in grofiem darstellbar. Das Volutin
der Hefezelle zeigt farberisch dieselben Eigenschaften wie freie Hefe-
nukleinsaure. In vitro nach der Methylenblau + Phosphinmethode gefarbte
Hefenukleinsaure x ) zeigt, durch Ausslreichen auf ObjekttrMger wieder unter
mikroskopische Verhaitnisse gebracht, bei starker VergroBerung dieselben
grunen Schollen in demselben Tone, wie das nach dieser Methode in der
Zelle gefarbte Volutin, das auch chromolytisch analysiert als aus freier
Hefenukleinsaure bestehend erkannt wurde. Hierbei fanden wir auch
alle ubrigen mikrochemischen Reaktionen Arthur Meyers bestatigt,
konnten ihnen noch einige neue hinzufiigen und auch die eingangs er¬
wahnten Forderungen A. Meyers erfiillen, die er an die Aufkiarung des
chemischen Auf baues des Volutins stellt. Ich verweise auf die betreffenden
vorgetragenen und noch erscheinenden Arbeiten (Berlin. Mikrobiol. Ges.
Okt. 21 und Marz 22, Berlin. Physiol. Ges. Jan. 22).
Farben wir nun volutinhaltige Diphtheriebazillen mit der Methylen¬
blau + Phosphinmethode, so sind die Polkornchen grim, der iibrige
Bazillenleib gelb gef&rbt. Damit war der oben noch ausstehende Beweis,
dafi die Polkornchen aus freier Diphtherienukleinsaure bestehen, gefuhrt.
Nachdem wir nun die chemische Zusammensetzung der Polkornchen
kennen, war es ein leichtes, weitere Farbungen zu ihrer Darstellung zu
konstruieren. Wir sahen schon bei dem Volutin der Hefezelle, daB
die dort entstehende komplexe Methylenblauverbindung auch bestandig
ist gegeniiber einer Chininsalzlosung, wahrend diese alles andere in der
Hefezelle Gefarbte entfarbte. Farbten wir jetzt mit sauren Farben +
Tanninbeize nach, so erhielten wir Kontraste. Dasselbe Verhalten wird
voraussichtlich auch die Diphtherienukleinsaure zeigen, und so muB es
moglich sein, bei Methylenblauvorbehandlung und Chinindilferenzierung
diese blau darzustellen und bei Nachfarbung mit Eosin-Tannin den ubrigen
Bazillenleib rot. Das ist in der Tat der Fall.
Wir konnen fur die Polkornchen noch eine weitere Farbungsmoglich-
keit kraft ihres Nukleinsauregehaltes voraussagen. Sie miissen sich auch
mit dem eine hohe Verwandtschaft fiir Nukleinsaure zeigenden p-Amino-
phenol darstellen lassen. Das ist ebenfalls moglich. p-Aminophenol farbt
die Polkornchen tiefbraun.
Ihres Nukleinsauregehaltes wegen farben sich die Polkornchen auch
gut mit Methylgriin.
Tcchnik.
1) Osmiumchloridfarbung.
Die hitzefixierten Bakterienausstriche werden 10 Min. lang gefarbt
mit einer 2-proz. Lbsung von Osmiumchlorid (Kahlbaum). Abspulen,
1) Es wurde hierzu gewohnliche wasserige 1-proz. Methylenblaulosung verwendet.
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Schumacher, Welche chem. Subst. baut d. Polkornchen des Di.-Baz. auf?365
Trocknen in der Flamme. Die Losung mufi mindestens 2mal 24 Std.
alt sein und ist vor dem Gebrauch zu filtrieren, am besten durch ge-
h&rtete Filter, da sie nach einiger Zeit etwas Niederschlag fallen laBt.
Polkbrnchen: tiefbraun, Bazillenleib: ganz schwach hellbraun.
2) Rutheniumchloridfarbung.
Wie 1) unter Verwendung einer V 2 ’P roz - Losung von Ruthenium-
chlorid (nicht zu verwechseln mit Rutheniumoxychlorid.-Rutheniumrot).
Auch hierbei muB die Losung mindestens 48 Std. alt sein und ist vor dem
Gebrauch zu filtrieren. Polkbrnchen: tief grauschwarz, Bazillen¬
leib: ganz schwach grau.
3) Methylenblau-{-Phosphinfarbung.
Die Praparate werden 1 Min. lang mit einer 1-proz. Karbol-Methylen-
blaulosung 1 ) kalt gef&rbt: Abspfilen mit Wasser. Darauf kommen die
Praparate in eine Kuvette mit 1-proz. waBriger Phosphinlosung (Chrysanilin
extra, Kahlbaum), in der sie unter Hin- und Herbewegen 1 1 / 2 Min.
(circa) lang differenziert werden. Polkornchen: grfin, Bazillen¬
leib: gelb.
4) Methylenblau-f-Chinin-f-Eosin methode.
Die Praparate werden wieder mit der obigen Karbol-Methylenblau-
losung 1 Min. lang kalt gef&rbt. Abspiilen mit Wasser. Darauf werden
sie in eine 1-proz. Losung von Chinin. hydrochlor. bis zur makroskopischen
Entfarbung gestellt. Oefteres Hin- und Herbewegen beschleunigt die
Entfarbung. Abspiilen. Darauf Nackfiirbung % Min. lang mit einer
Losung aus gleichen Teilen einer 1-proz. Eosin- und 10-proz. Tannin-
ibsung. Polkornchen: blau, Bazillenleib: rot.
5) p-Aminophenolfiirbung.
Man lt5st 3 g p-Aminophenol in 100 ccm eben gekochtem heiBen
Wasser, gibt 6 ccm konz. SalzsSure hinzu, schuttelt und filtriert. Mit
dem Filtrat farbt man 10 Min. lang. (Nicht lange haltbar.) Polkbrn-
chen: schokoladenbraun, Bazillenleib: fast ungefUrbt.
Zusammenfassung.
Die Polkornchen des Diphtheriebazillus bestehen aus freier Di-
phtherienukleinsaure. Da nicht alle Diphtheriebazillen Polkornchen tragen,
ist ihr Nukleins&uregehalt ein verschieden groBer. Unentschieden ist noch,
ob auch gebundene Nukleinsiiure im Diphtheriebazillus vorkommt. Die
Methylenblau -j- Phosphinraethode, die in der NeiBerschen F&rbung
ihren empirischeu Vorlaufer hat, stellt die Polkornchen griin, die Bazillen
gelb dar, die Methylenblau + Chinin + Eosinraethode fSrbt Polkornchen
blau, den Bazillenleib rot. Die iibrigen mitgeteilten Methoden besitzen
nur wissenschaftlichen Wert. Die Methoden sind ebensowenig wie die
1) Acid, carbol. liquef. 2,0, Aquae ad 100. Darin wird 1 g Methylenblau gelitet.
Filtrieren. Zur Farbung ist ein Karbolzusatz nicht notig. Da die Methode aber auch
zur Farbung sporenhaltigen Materials dient, ist ihr Karbolsaure zugesetzt. Bei Mikro-
organismen, die volutin- und sporeuhaltig sind, farben sich mit dieser Methode der
Bazillenleib gelb, das Volutin griin, die Sporen blau (Hefe).
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366 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
NeiBersche Farbung spezifisch ffir den Diphtheriebazillus, sondern
nur histochemische Reagentien auf freie Nukleinsaure (Methylenblau +
Phosphinraethode und Methylenblau + Chinin + Eosinmethode). Die
fibrigen Reagentien gestatten nicht einen Unterschied, ob freie oder ge-
bundene Nukleinsaure vorliegt.
Anmerkung wahrend der Korrektur: Die etwas umstandlicheren indirekt
arbeitenden Silber-Pyrogallolruethoden stellen die Polkornchen schwarzbrauu, den Ba-
zillenleib hellbraun dar. Technik wird mitgeteilt bei Darstellung der Kernsubstanzen
des Gonococcus.
Das wirksaine Prinzip bei der Farbung mit p-Aminophenol ist ein Oxvdations-
produkt desselben.
Nachdruck verboten.
Untersucliungen liber das Vorkommen von Diphtheriebazillen
in der Scbeide von Gebarenden und Wochnerinnen
sowie bei Neugeborenen.
[Aus deni Institut zur Erforschung der Infektionskrankheiten in Bern
(Direktor: Prof. Dr. G. Sobernheim).]
Von Dr. I. Tsukaliara.
Das Auftreten der Diphtherie bei Neugeborenen ist keine seltene
Erscheinung. Die Literatur der letzten Jahre bringt zu diesem Ivapitel
eine ganze Reihe von Beitragen, aus denen hervorgeht, daB in vielen
Gebaranstalten, Sauglingsheimen usw. Neugeborene und Sfiuglinge immer
wieder durch diphtherische Infektion gef&hrdet sind. Dabei kann der
Verlauf ein sehr verschiedener sein. Vielfach handelt es sich uni vorfiber-
gehende, unter deni Bilde von Hausinfektionen auftretende Gruppen- und
Massenerkrankungen; in anderen Fallen delinen sicli die Krankheitsfalle
uber einen langeren Zeitraum und selbst fiber Jahre aus.
Der Character der Erkrankung ist ebenfalls reclit verschieden. Auf
der einen Seite wird fiber schweren Verlauf mit einer immerhin nicht
unbetrachtlichen Letalitfit berichtet, von anderer Seite werden die di-
phtherischen Erkrankungen als relativ milde bezeiclinet. Das letztere trifft
offenbar ffir die Mehrzahl der Fall© zu, wobei sich zugleich durch syste¬
matise durchgeffihrte Umgebungsuntersuchungen meist eine groBe Zahl
gesunder Bazillentrager nachweisen lSBt, eine Zahl, die fiber die der
wirklich erkrankten und deutliche klinische Symptome darbietenden
Kinder ganz bedeutend hinausgeht.
So wurden, um nur einige Beispielo anzufiihren, von Kirstein auf einer infizierten
Sauglingsabteilung unter den Sauglirigen der Marburger Frauenklinik 84 Proz. Bazillen¬
trager gefunden, die Diphtheriebazillen auf derNasenschleimhaut beherbergten, Lembke
fand in der Freiburger Frauenklinik unter 90 Kindern 43 Bazillentrager = 48 Proz.,
Freund in der StraSburger Hebammenschule ca. 25 Proz. (6:26), Schoedel in dem
Mutter- und Sauglingsheim der Chemnitzer Frauenkliuik 59 Proz. Kritzler, der in
der Giefiener Frauenklinik besonders eingehende Untersuchungen angestellt hat, konnte
bei 311 untersuchten Kindern, in iiberwiegender Zahl Neugeborenen, 85inal = 27 Proz.
Diphtheriebazillen nachweisen; dabei sind Abimpfungen von N’asenschleimhaut, Binde-
haut, Nabel usw. zusammengenoramen. Unter 415 Nasenuntersuchungen bei Neu-
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Tsukahara, Vorkommen von Di.-Bazill. in d. Scheide von Gebarenden usw. 367
geborenen fanden sich 102 mal (25 Proz.) echte Diphtheriebazillen. Es iat nicht gesagt,
auf wie viele Falle sich diese Untersuchungen verteilen, wohl aber befanden sich darunter
137 Kinder mit mehr oder weniger ausgepriigten klinischen Erscheinungen. Es handelt
sich also bei diesen Zahlen nicht einfach um Bazillentragerbefunde. Anaerseits berichtet
Wauschkuhn iiber wesentlich geringere Zahlen; er konnte in der Konigsberger
Frauenklinik unter 200 Nasenabstrichen nur 4mal = 2 Proz. positive Befunde bei Neu-
geborenen erheben. Aus der gleichen Klinik gibt Hollatz freilich an, daO bei Unter-
suchung von 219 Kindern 76 Falle = 35 Proz. mindestens einmal positiv waren. Auch
Wiegels (Frauenklinik, Bremen) ermittelte bei einer ersten Untersuchung unter 33
Kindern nur 2 Bazillentrager = 6,06 Proz., wozu bei zwei weiteren Untersuchungen noch
3 Bazillentrager kamen, so da£S sich im ganzen 5 Bazillentrager (= 15,2 Proz.) ergaben.
Lietz machte bei 606 Neugeborenen Diphtherieabstriche, wobei 2,5 Proz. der in der
Klinik geborenen Kinder einen positivenBefund lieferten, darunter 1,6 Proz. mit Schnupfen.
Im folgenden Jahre wurden bei 691 Neugeborenen 4,2 Proz. Bazillentrager festgestellt.
Die Lokalisierung der diphtherischen Infektion bietet gleichfalls ein
wechselndes Bild. Besonders hSufig scheint die Nase ergriffen zu sein,
und ohne hier in den Streit eintreten zu wollen, was man als eigentliche
Nasendiphtherie zu bezeichnen habe (vgl. Land6), so steht jedenfalls
fest, daB die Diphtheriebazillen bei Neugeborenen und S&uglingen sich
mit Vorliebe auf der Nasenschleimhaut anzusiedeln pflegen. Daneben
kommt aber auch nicht selten eine Rachendiphtherie vor, und eine weitere
wichtige Rolle spielt die Nabeldiphtherie.
Es ist begreiflicherweise nicht nur vora wissenschaftlichen Stand-
punkt, sondern vor alien Dingen auch aus praktischen Grfinden, zum
Zweck einer rationellen prophylaktischen Bekampfung, von ganz be-
sonderem Interesse, zu wissen, in welcher Weise die diphtherische In¬
fektion der Neugeborenen und S&uglinge in alien diesen Fallen zustande
kommt. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daB in erster Linie
hierbei die Infektion durch erwachsene Bazillentrager zu beriicksichtigen
ist. So findet man denn auch in vielen VerSffentlichungen Anhaltspunkte
und beweisende Beobachtungen dafiir, daB in den betreffenden Anstalten
schon frflher Diphtherieerkrankungen unter dem Personal beobachtet
worden sind oder daB die bakteriologischen Umgebungsuntersuchungen
zur Auffindung von Bazillentragern unter dem Warte- und Ptlegepersonal
gefuhrt haben. DaB auch die Mutter als Bazillentragerin das Kind
gelegentlich infizieren kann, wird ohne weiteres zugegeben werden mfissen.
Es wiirde sich also bei alien diesen Formen um einen Infektionsmodus
handeln, wie er schlieBlich auch fiir aitere Kinder und Erwachsene be-
kannt ist und flberhaupt in der Epidemiologie der Diphtherie gewisser-
naaBen die Regel darstellt. Das Auftreten der Diphtherie in SSuglings-
heimen und Gebaranstalten ware demgemBB nichts anderes als ein Beispiel
der Diphtherieverbreitung in geschlossenen Anstalten und in Parallele
zu setzen mit dem epidemischen Auftreten der Diphtherie, wie wir es
in Kindergarten, Krippen, Kinderhorten, auch unter UmstMnden in Schulen
usw. ja leider zur Gentige kennen.
Nun wird aber in der einschiagigen Literatur (vgl. Kir stein) die
Frage erortert, inwieweit etwa noch eine andere Infektionsmoglichkeit
besteht., namlich die, daB die Mutter in der Vagina Diphtheriebazillen
beherbergt und damit das Kind schon wahrend des Geburtsaktes zu in¬
fizieren vermag. Es ist das ja ein naheliegender Gedanke, und von vorn-
herein wird man eine solche Mbglichkeit in der Tat sehr in Betracht
zu ziehen haben. Dabei soli hier abgesehen werden von solchen Fallen,
wo eine diphtherische Erkrankung vorliegt, die sich im Bereich der
Geburtswege oder in deren Nachbarschaft lokalisiert.
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368
Centralbl.J. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
Bei einer Diphtherie der Vagina (Bumm, Roethler), bei diphtherischer Endo¬
metritis (Haupt) oder bei dem Vorhandensein von diphtherischen Geschwiiren am
Damra der KreiBenden (Freund) ist die Infektionsgefahr fiir das Kind wahrend der
Geburt gewifi sehr grofi, aber das sind doch recht seltene Falle, die man fast als Curiosa
betrachten kann. Nach Cuthbertson, der einen neuen Fall von Vaginaldiphtherie
beobachtete, waren bis dahin (1908) in der amerikanischen Literatur im ganzen nur
21 Falle von bakteriologisch gesicherter Genitaldiphtherie bei Wochnerinnen bekanDt.
Bourut hat in Frankrach 42 Falle gesammelt. Fiir uns handelt es sich um die Frage,
inwieweit eine gesunde Mutter als Tragerin von Diphtheriebazillen in der Vagina
und damit als Infektionsquelle fiir das Kind in Betraeht kommt. Die Entscheidung
kann auf verschiedene Weise gebracht werden.
So hat man durch systematische Untersuchungen den Zeitpunkt des Auftretens
von Diphtheriebazillen bei Neugeborenen zu ermitteln gesucht, woDei sich herausgestellt
hat, daB eine gewisse Zahl der Neugeborenen schon am 1. Tage bzw. sehr kurze Zeit
nach der Geburt mit Diphtheriebazillen behaftet sein kann. Ein anderer Teil pQegt
zunachst frei von Diphtheriebazillen zu sein und erst nach einigen Tagen oder noch
spater Diphtheriebazillen aufzuweisen.
So fand Kir stein bei 39 Bazillentragern nur in 3 Fallen Diphtherie¬
bazillen am 1. Tage, in 6 weiteren Fallen am 2., 5mal am 3. Tage und
in den iibrigen Fallen erst noch spater. Selbst wenn man beriicksichtigt,
daB infolge der bekannten technischen Schwierigkeiten der sichere Nach-
weis von Diphtheriebazillen in Nasen- und Rachenschleim nicht gleich
in jedem Falle gelingt, und man daher wohl annehmen darf, daB gelegent-
lich bei den am 1. Tage nntersuchten Kindern die Diphtheriebazillen
dem Nachweis entgehen konnen, so erfolgt doch ohne Frage bei der weit
tiberwiegenden Mehrzahl der Neugeborenen die Aufnahme der Diphtherie¬
bazillen erst spater, also mehr oder minder lange Zeit nach der Geburt.
Nur fur einen kleinen Teil der Kinder, die schon am 1. Tage Diphtherie¬
bazillen auf ihrer Schleimhaut beherbergen, kame also unter Umstanden
eine Infektion wahrend der Geburt von der mutterlichen Vagina aus
in Betraeht. Es versteht sich von selbst, daB auch bei diesen Kindern
eine nachtragliche Infektion keineswegs ausgeschlossen ist.
Man hat dann weiterhin zur Kiarung dieser Verhaitnisse eingehende
Untersuchungen iiber das Vorkommen von Diphtheriebazillen auf der
Vaginalschleimhaut von gesunden Schwangeren, Gebarenden und Woch¬
nerinnen angestellt und ist dabei zu recht widersprechenden Ergebnissen
gelangt. Friihere bakteriologische Untersuchungen haben das bekannte
Resultat ergeben, daB die einzelnen Teile der weiblichen Vagina hinsicht-
lich ihres Bakteriengehaltes sehr verschieden zu bewerten sind, und daB
im wesentlichen nur der untere Teil, die Vulva, bakterienhaltig zu sein
pflegt. Was speziell Diphtheriebazillen anlangt, so diirfte ihr Vorkommen
in der weiblichen Vagina, wenn iiberhaupt, wohl nur ganz ausnahmsweise
beobachtet worden sein. (Vgl. Kiister.) Demgegenuber lauten neuere
Angaben zum Teil ganz anders.
So berichtet Broer, daB er bei 7 unter 30 Schwangeren Diphtheriebazillen in
der Vagina nachweisen konnte, Lietz fand bei Untersuchung des Scheidensekrets von
28 Hausschwangeren 4mal (14,2 Proz.l Diphtheriebazillen, und Schoedel, der von dem
„beinahe allgegenwartigen Diphtheriebazillu8“ spricht, bezeichnet auf Grund dieser Be-
obachtungen die Scheide der Mutter geradezu als einen „ebenso beliebten Aufenthalts-
ort parasitierender Diphtheriebazillen wie den Nasen-Racheu-Raum“. Wesentlich geringer
ist die Zahl der positiven Befunde, die Wauschkuhn erheben konnte; unter 200 Ab-
strichen von der mutterlichen Scheide enthielten nur 11 (5,5 Proz.) Diphtheriebazillen.
Lonne und Meyeringh gelangten durchweg zu negativen Resultaten, indem ihnen
bei 42 gesunden Schwangeren, von denen je 2—3mal Vaginalabstriche untersucht wurden,
niemals der Nachweis eehter Diphtheriebazillen gelang. Lonne und Schugt haben
dann in der gleiehen Klinik (Gottingen) neuerdings weitere 209 Scheidenabstriche auf
Diphtheriebazillen untersucht, und zwar von 58 gesunden Schwangeren und von 30 Frauen
mit gynakologischen Leiden, mit dem Resultat, daB wiederum in keipem Falle echte
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Tsukahara, Vorkommen von Di.-BaziJl. in d. Scheide von Gebarenden ubw. 369
Diphtheriebazillen nachgewiesen werden konnten. Bemerkenswert ist, worauf schon an
dieser Stelle ausdrucklicn hingewiesen sei, dafi sie Pseudodiphtheriebazillen in 45 Proz.
der Vaginalabstriche gefundeu haben.
Es zeigt sich somit, daB fiber die Frage, inwieweit eine diphtherische
Infektion der Neugeborenen von der mutterlichen Vagina aus erfolgen
kann, zurzeit noch keineswegs die wiinschenswerte Klarheit besteht.
Die tatsachlichen Beobachtungen und Untersuchungsbefunde der Autoren
stiinmen untereinander nicht geniigend uberein, um daraus allgemein
gultige SchluBfolgerungen ableiten zu kdnnen. Ich habe es daher auf
Anregung von Herrn Prof. Sobernheim unternommen, durch eigene
Untersuchungen ein Urteil zu gewinnen und die Verhaltnisse zu priifen,
wie sie sich speziell in einer diphtheriefreien Umgebung darstellen.
Denn fast alle Autoren haben ja gerade wegen des Auftretens oder
langeren Bestehens von Hausepidemien ihre bakteriologischen Nach-
forschungen angestellt, und es war von vornherein nicht unwahrschein-
lich, daB dies fur das Untersuchungssresultat entscheidend gewesen sein
konnte.
Das Untersuchungsmaterial wurde mir von der hiesigen Universitats-
Frauenklinik (Kanton. Frauenspital) durch die Giite des Direktors, Herrn
Prof. Guggisberg, zuganglich gemacht. Die Entnahme und Ueber-
mittelung der Proben besorgte in bereitwilligster Weise Herr Dr. Me n n e t,
I. Assistent der Klinik. Ich mochte Herrn Prof. Guggisberg und Herrn
Dr. Mennet auch an dieser Stelle fur ihr sehr freundliches Entgegen-
kommen und die Forderung meiner Versuche den aufrichtigsten Dank
aussprechen.
Der Versuchsplan war der, daB inuner gleichzeitig bei Mutter und
Kind auf Diphtheriebazillen gefahndet werden sollte, und zwar wahrend
bzw. unmittelbar nach der Geburt, so wie 1 Woche spater. Bei dem
Neugeborenen sollte speziell die Nasenschleimhaut als der offenbar
h&ufigste Sitz der Diphtheriebazillen untersucht werden. Im gauzen
wurden 60 Faile untersucht, also 60 Mutter und 60 Neugeborene. In
jedem Falle wurden Proben von folgenden Stellen entnommen: 1) aus
der Vulva der KreiBenden, 2) aus der Vagina der KreiBenden, 3) aus
der Nase des Neugeborenen, unmittelbar nach der Geburt, 4) aus der
Vagina der Wochnerin, am 7. Tage nach der Geburt, 5) aus der Nase
des Neugeborenen, am 7. Tage nach der Geburt.
Es gelangten somit 300 Einzelproben zur Untersuchung.
Hinsichtlich der Technik, die sich dem allgemein iiblichen Verfahren
anschloB, sei kurz bemerkt, daB zur Entnahme des Untersuchungsmaterials
sterile Watteb&uschchen dienten, wie sie auch sonst als Diphtherietupfer
zur Gewinnung diphtherieverdSchtigen Materials benutzt werden. Die
Proben wurden auf je 3 Rohrchen mit Loeffl er - Serum ausgestrichen
und die Kulturen, nach ca. 24-stfind. Verweilen bei 37°, mittels der
Neisser- Farbung auf Diphtheriebazillen bzw. diphtherieverdachtige
Stabchen untersucht. Fanden sich solche, so folgte die Isolierung und
ReinzQchtung der betreffenden Stabchenart, die dann weiterhin einer
genauen biologischen PrOfung unterworfen wurde. Zu diesem Zweck
wurde untersucht: l)Wachstum der Bakterien auf Loeffl er-Serum,
auf Serumagar, auf gewfihnlichem Nahragar, auf hohem Traubenzucker-
agar in Stichkultur, in Bouillon; 2) Morphologie und Farbbar-
keit, insbesondere GroBenverhaltnisse, Eigenbewegung, Gram-Farbung,
Loeffler-Farbung, Neisser-Farbung; 3) Saurebildung in Bouillon;
4) Virulenz filr Meerschweinchen.
Erste Abt. Orig. Bd. 88. Heft 5, 24
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CentralbL f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
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Das Ergebnis war, daB unter den 300 Proben, die mir zur Ver-
fiigung standen, in keinem einzigenFalleDiphtheriebazillen
nachgewiesen werden konnten. Wolil fanden sich llmal (3,66
Proz.) diphtheroide Stabchen, aber keine echten Loeffler-Bazillen.
Die Diphtheroiden stammten 3inal aus der Vulva, 7mal aus der Vagina
und lmal aus der Nase des Neugeborenen. Am 1. Tage fanden sie sich
6mal (darunter der Fall des Neugeborenen), am 7. Tage 5mal. Die Zahl
der Mutter, die mit Diphtheroiden lmal oder wiederholt behaftet gefunden
wurden, betrug 8. Auch die Mutter des erw&hnten Neugeborenen be-
herbergte in Vagina und Vulva diphtberieahnliche Stabchen.
Wie wichtig es bei derartigen Untersuchungen ist, die Eigenschaften
der Reinkultur genau kennen zu lernen, zeigte sich in deutlichster Weise.
Denn in einer Anzahl von Fallen, in denen das Schmierpraparat der
Originalkultur bei der Neisser-Farbung Polfarbung ergab, war auch
das ganze ubrige mikroskopische Bild dem der echten Loeffler-Bazillen
so ahnlich, daB man hatte geneigt sein konnen, die Diagnose auf Diphtherie-
bazillen zu stellen; GroBe, Form, Lagerung entsprachen dem, was man
als typisch fiir echte Diphtheriebazillen anzusehen gewohnt ist. In einigen
anderen Fallen fiel dagegen die etwas plumpe oder auch besonders zarte
Form der Stabchen auf, so daB trotz positiver Neisser-Farbung von
vornherein Zvveifel bestanden. Erst die Prufung der Reinkultur brachte
bei alien diesen Befunden die Entscheidung. Es ist das wieder ein
Beispiel, wie vorsichtig man bei der Beurteilung mikroskopischer Praparate
sein muB, wenn es sich nicht um Material der Rachenschleimhaut handelt.
Wie in der Nase, auf der Conjunctiva, auf der Haut und an anderen
Stellen finden sich eben offenbar gerade auf der Schleimhaut der weib-
lichen Genitalien nicht selten diphtheroide Arten, deren Aehnlichkeit
mit echten Diphtheriebazillen im mikroskopischen Bilde, speziell auch
bei Neisser-Farbung, eine auBerst weitgehende sein kann. Diese be-
wahrte Farbungsmethode, die uns bei der bakteriologischen Diphtherie-
diagnose so ausgezeichnete Dienste leistet, ist also bei der Herkunft des
Untersuchungsuiaterials von einer anderen als der ublichen Stelle (Rachen¬
schleimhaut) nur mit Vorsicht zu verwerten. Es sei auch hier an die
Befunde erinnert, die z. B. Loewenthal bei Untersuchungen iiber die
Bakterienflora der Meerschweinchenvagina erheben konnte, wobei eben-
falls ziemlich haufig diphtheroide Stabchen nachgewiesen wurden, die
im N ei s ser- Bilde eine tauschende Aehnlichkeit mit echten Loeffler -
Stabchen besaBen.
DaB es sich in der Tat bei den von mir isolierten 11 Stammen um
falsche, nicht um echte Loeffler-Stabchen gehandelt hat, lieB sich in
jedem Falle unzweifelhaft erweisen. Ivein einziger Stamm bestand die
Probe. Nach Wachstum und Kolonieform zeigten sich bisweilen schon
Verschiedenheiten, die Kolonien waren zum Teil etwas trocken, die
meisten Stamme wuchscn in Bouillon ziemlich iippig unter diffuser
Triibung der Fliissigkeit oder Abscheidung eines fadenziehenden, nicht
brockligen Bodensatzes, und hinsichtlich der Saurebildung ergab die
Titration mittels n/40 Natronlauge (Phenolphtalein) fur fast alle Stamme
eine wesentlich langsamere und schwachere Sauerung der Bouillon als
fur den zur Kontrolle immer daneben gepriiften echten Diphtheriestaram.
Nur in hochgeschichtetem Traubenzuckeragar erfolgte Wachstum langs
des ganzen Stichkanals, ohne Gasbildung, etwa wie bei Diphtheriebazillen,
hochstens mit dem Unterschiede, daB die Kulturen besonders fippig ge-
diehen; ein einziger Stamm entwickelte sich hauptsachlich in den oberen
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Tsukahara, Vorkommen von Di.-Bazill. in d. Scheide von Gebarenden usw. 371
Teilen des Impfstichs. Die morphologischen und ffirberischen Eigen-
tumlichkeiten, geprfift im hfingenden Tropfen und mittels Gram- und
Neisser-Ffirbung, ergaben im allgemeinen ein diphtherieahnliches Ver-
halten. Kein Stamm zeigte Eigenbewegung. Die Polkornchen waren
in einigen Fallen nur sparlich vorhanden und nicht ganz typisch, auch
bestanden einige Stamme aus Elementen, die sich durch Form und GrSBe
von echten Loeffler-Stabchen unterschieden. Im groBen und ganzen
aber konnte auf Grund des mikroskopiscken Praparates allein eine
Differentialdiagnose nicht mit Sicherheit gestellt werden, zumal da auch
die Lagerung der Stabchen eine ziemlich charakteristische war. Erst
die Gesamtheit der biologischen Eigenschaften gestattete die Abgrenzung
des einzelnen Stammes von dem echten Loeffler-Typus. Die Be-
statigung brachte das Tierexperiment. Samtliche Stamme ent-
behrten der Meerschweinchenpathogenitat. Die subkutane
Verimpfung einer 48-stiind., gut entwickelten Bouillonkultur in der Menge
von 0,5 ccm pro 100 g Korpergewicht wurde von den Tieren so gut wie
reaktionslos vertragen. Selbst eine lokale Ileaktion blieb in den meisten
Fallen aus, nur bei 4 Tieren entwickelte sich eine ganz geringftigige,
bald wieder verschwindende Infiltration in der Umgebung der Injektions-
stelle, nichts von Nekrose oder sonstigen spezifischen Erscheinungen.
Betrachtet man noch einmal kurz das Gesamtergebnis dieser Ver-
suche, so wurden in 60 Fallen (Mutter und Kind), mit 300 Einzelproben,
niemals echte Diphtheriebazillen aufgefunden, weder bei
der Mutter (Vulva, Vagina), noch bei dem neugeborenen
Kind (Nase). Dieser negative Befund gilt also sowohl fur den Tag
der Geburt als auch fur die 7 Tage spater vorgenommene Nachuntcr-
suchung. Das von anderen Autoren bearbeitete Untersuchungsmaterial
ist zum Teil wesentlich groBer, immerhin ist die Zahl von 60 Fallen
nicht ganz gering und hatte, wenn wirklich der Diphtheriebazillus bei
gesunden Mtittern und Neugeborenen so weit verbreitet ware, doch ent-
schieden 8fters zur Auffindung von Loeffler-Bazillen ffihren mfissen.
Unsere Untersuchungen erstreckten sich iiberdies fiber einen grSBeren
Zeitraum von mehreren Monaten und zeigen somit, daB es sich bei den
durchweg negativen Ergebnissen nicht etwa nur um eine zuffillige und
vorfibergehende Erscheinung gehandelt hat.
Die Frage drfingt sich auf, worauf die so sehr widersprechenden
Angaben der verschiedenen Autoren zurfickzufiihren sind und wie es
wohl zu erklfiren ist, daB ich bei meinen eigenen Untersuchungen keinen
einzigen positiven Fall feststellen konnte, wahrend von anderer Seite
vieifach ein hoher Prozentsatz von Bazillentrfigern sowohl bei Mflttern
als bei Neugeborenen ermittelt worden ist. Die Ergebnisse meiner
Untersuchungen decken sich durchaus mit den Angaben von Lonne
und Meyeringh sowie Lfinne und Schugt, die unter ahnlichen
Verhfiltnissen in der miltterlichen Vagina niemals Diphtheriebazillen
nachzuweisen vermochten. Sie sind auch nicht zu sehr verschieden von
den Resultaten, die z. B. Wauschkuhn bei Mflttern und Neugeborenen
erhalten hat, denn die Zahl von 5,5 Proz. positiven Befunden bei Scheiden-
abstrichen und von 2 Proz. Bazillentrfigern unter Neugeborenen^ ist ja
ziemlich gering. Dagegen besteht ein ausgesprochener und auf den
ersten Blick vielleicht tiberraschender Gegensatz zwischen meinen durch¬
weg negativen Befunden und einem Anteil von 14—20 Proz. positiven
Hefunden und mehr bei Muttern, 25—84 Proz. positiven Befunden bei
Neugeborenen, fiber die manche Autoren berichten. Ich mochte mich
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da zunachst auf den Standpunkt von Lonne, Meyeringh und Schugt
stellen, die mit besonderem Nachdruck die Notwendigkeit einer strengen
Differenzierung zwischen echten und falschen Diphtheriebazillen mit
Hilfe exakter biologischer Methoden betonen. Wenn diese Autoren in
45 Proz. der Falle diphtheroide Bazillen nachweisen konnten, wenn
Kritzler gleichfalls neben echten Diphtheriebazillen oft genug diphthe¬
roide Bazillen gefunden hat, und wenn ich selbst 11 Kulturen ziichtete,
die zunachst stark diphtherieverdachtig erschienen, spaterhin aber mit
Sicherheit von den Loeffler-Bazillen unterschieden werden konnten,
so zeigt dies unzweifelhaft, wie vorsichtig man in der Beurteilung der
Bakterienbefunde sein muB. Inwieweit bei alien Untersuchungen, fiber
die in der Literatur berichtet ist, die bakteriologische Diphtheriediagnose
absolut gesichert war, laBt sich nicht mit voller Bestimmtheit sagen, da
in den einschlagigen Veroffentlichungen sich nicht immer genauere An-
gaben finden. Wo also nicht alle Mittel herangezogen worden sind, um
Verwechslung der Loeffler-Bazillen mit diphtherieahnlichen Stabchen
auszuschlieBen, wird man an die Moglichkeit denken miissen, daB es
sich vielleicht doch nur um Diphtheroide und nicht um den echten
Diphtheriebazillus gehandelt haben konnte. Gerade weil die diphtherie¬
ahnlichen Stabchen sich an den hier in Rede stehenden Stellen, namlich
auf der miitterlichen Vagina und auf der Nasenschleimhaut von Saug-
lingen, relativ hfiufig finden, kbnnen die Anforderungen an die bakterio¬
logische Diagnostik gar nicht hoch genug gestellt werden.
Hierin allein kann aber unmoglich die Erklarung fur die abweichen-
den Resultate verschiedener Untersucher liegen. Es wiirde hochstens
eine gewisse Zahl von Fallen ausscheiden. Von vielen Autoren ist die
Identifizierung der Diphtheriebazillen in einwandfreier Weise vorge-
nommen worden, so daB der von ihnen gefundene hohe Prozentsatz
gesunder Bazillentriiger als Tatsache hingenommen werden muB. Offen-
bar liegen die Dinge so, daB die besonderen Verhaltnisse, unter denen
die Untersuchungen angestellt worden sind, eine ausschlaggebende Rolle
spielen. Fast alle Autoren fiihren an, daB das Auftreten von Diphtherie-
erkrankungen in der Klinik oder in einer bestimmten Abteilung den
AnlaB gegeben hat zur Durchffihrung systematischer bakteriologischer
Untersuchungen. Es ist klar, daB da, wo der Infektionsstoff sich in
einer Krankenanstalt einmal starker ausgebreitet hat, wo auch unter
den Erwachsenen, dem Pflegepersonal usw. womoglich Erkrankungen
vorgekommen sind, wo durcli Neuaufnahmen eine Neueinschleppung
immer wieder moglich ist, wo unter den Insassen Bazillentrager nach-
gewiesen sind oder mit einiger Sicherheit angenommen werden konnen,
von vornherein ganz andere Bedingungen vorliegen als in einer diphtherie-
freien Umgebung. Ich habe, wie bereits an friiherer Stelle erwahnt,
meine Untersuchungen gerade absichtlich zu einer Zeit und an einem
Orte angestellt, wo Diphtherieerkrankungen nicht vorgekommen waren.
In der hiesigen Frauenklinik sind Diphtheriefalle oder gar Haus- und
Saalinfektionen seit langem nicht mehr beobachtet worden, so daB es
sich in meinen Fallen um ein Untersuchungsmaterial handelt, das sich
von dem der meisten anderen Untersucher sehr wesentlich unterscheidet.
Ich gl'aube daher, aus meinen Ergebnissen, sowie aus den analogen Be-
funden von Lonne, Meyeringh u. a. den SchluB ziehen zu durfen,
daB in diphtheriefreier Umgebung und in diphtheriefreier Zeit weder
die weibliche Vagina noch die Nasenschleimhaut des Neugeborenen einen
Schlupfwinkel fur den Diphtheriebazillus darstellt, wo er sich etwa mit
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Tsukahara, Vorkommen von Di.-Bazill. in d. Scheide von Gebarenden usw. 373
besonderer Haufigkeit einnistet. Handelt es sich dagegen um Oertlich-
keiten, wo die Diphtherie in starker Ausbreitung aufgetreten ist, wo
also erfahrungsgemaB auch sonst eine groBere Zahl von Bazillentr&gern
zu finden ist, so wird man sich nicht wundern konnen, wenfl gelegent-
lich die Nase des Neugeborenen und S&uglings und selbst die miitter-
liche Vagina in einem mehr oder minder hohen Prozentsatze der Ffille
mit Diphtheriebazillen behaftet ist. Es ist, mit anderen Worten, unter
solchen VerhSltnissen das Auftreten der Diphtheriebazillen bei Mutter
und Saugling, auf der Schleimhaut der Vagina bzw. in der Nase, nur
eine Teilerscheinung und ein Spezialfall der Bazillentragerschaft, wie
wir sie in der Umgebung von Diphtherief&llen so gut wie regelmaBig
feststellen konnen. Daraufhin nun aber zu behaupten, daB Diphtherie¬
bazillen in der miitterlichen Vagina und auf der Nasenschleimhaut des
Neugeborenen mit besonderer Vorliebe parasitieren, ist gewiB unberech-
tigt. Es ist ebenso unberechtigt, als wenn man etwa auf Grund der
Tatsache, daB z. B. durch Umgebungsuntersuchungen in Schulklassen aus
AnlaB einer Klassenepidemie gewohnlich eine Anzahl von gesunden Ba¬
zillentragern ermittelt wird, nun erkiaren wollte, der Diphtheriebazillus
sei ein h&ufiger Parasit der Rachenschleimhaut von gesunden Schulkindern.
Er ist es eben nur dann, wenn eine besondere Infektionsgelegenheit
vorgelegen hat, und auch dann nur fur kurze Zeit, und ganz die gleichen
Verhaltnisse durften ftir die uns hier interessierende Frage in Betracht
kommen. Es wurde bei dieser Auffassung demnach die Bazillentrager-
schaft oder auch die Diphtherieinfektion der Neugeborenen immer nur
da zustande kommen, wo Gelegenheit zur Infektion von auBen gegeben
ist; wo diese Gelegenheit fehlt, also in einem diphtheriefreien Bezirke,
bleibt auch die Nase des Neugeborenen frei von Diphtheriebazillen, und
das gleiche gilt von der miitterlichen Vagina. Daraus wiirde aber weiter
folgen, daB der Kampf gegen die Diphtherie der Neugeborenen und
Sauglinge, speziell in Frauenkliniken und ahnlichen Anstalten, sich der
bekannten und bewahrten prophylaktischen MaBnabmen zu bedienen
hatte, die uns iiberhaupt fiir die Diphtheriebekampfung zur Verfiigung
stehen und die darauf hinauslaufen, die Einschleppung und Ausbreitung
des Diphtheriebazillus n.ach Kraften zu verhiiten. Der Diphtherieerreger
ist auch bei Neugeborenen nicht „ubiquitar“ vorhanden und die Bazillen-
tragerschaft absolut keine integrierende biologische Eigenschaft dieser
jiingsten Kinder. Eine Infektion wahrend der Gebu'rt von der miitter-
lichen Vagina aus kann gewiB einmal stattfinden, und man wird auch
diese Moglichkeit zu berucksichtigen haben. Wie hoch eine solche Ge-
fahr einzusch&tzen ist, dariiber geben die bisherigen Erfahrungen frei-
lich wenig AufschluB. Die Untersuchungen von Kir stein, der wolil
als erster die Bedeutung dieses Infektionsweges hervorgehoben hat,
scheinen dafur zu sprechen, daB es sich doch immer nur um ein relativ
seltenes Vorkommnis handelt, und die Tatsache, daB diphtherieahnliche
Bakterien nach meinen Beobachtungen auch nicht leicht von der mfltter-
lichen Vagina auf die Nasenschleimhaut des Sauglings tlbergehen, laBt
gewisse Rfickschlflsse auf ein ahnliches Verhalten der echten Loeffler-
Bazillen zu.
Zusammenfassung.
1) In 60 Fallen wurde bei Mutter und Neugeborenem auf Di¬
phtheriebazillen gefahndet. Als Untersuchungsmaterial dienten Proben
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von der Schleimhaut der mutterlichen Vulva und Vagina sowie von der
kindlichen Nasenschleirahaut. Niem als konnten echte Diphtherie-
bazillen, nachgewiesen werden, auch nicht bei wieder-
holter Untersuchung. Die Untersuchungen wurden in diphtherie-
freier Zeit und Umgebung ausgefuhrt.
2) Dagegen wurden diphtheroide Bakterien auf der miltterlichen
Vagina und in der Nase des Neugeborenen llmal nachgewiesen. Ihre
Unterscheidung von den echten Loeffler-Bazillen gelang in jedem
Falle durch genaue biologische Priifung der Reinkultur. Der Nachweis
von echten Diphtheriebazillen an den genannten Stellen kann nur dann
als erbracht angesehen werden. wenn die Identifizierung der Diphtherie¬
bazillen mit Hilfe der anerkannten kulturellen und tierexperimentellen
Methoden erfolgt ist; das mikroskopische Pr¶t allein reicht in diesen
Fallen nicht aus und fiihrt zu Irrtiiraern.
3) Diphtherieerkrankung und Diphtheriebazillentragerschaft von Neu¬
geborenen beruhen offenbar auf Infektion nach der Geburt durch Kranke
oder Bazillentrager. Eine Infektion w8.hr end der Geburt von der
Schleimhaut der mutterlichen Vagina aus dilrfte nur selten stattfinden;
in diphtheriefreier Umgebung kommt dieser Infektionsmodus anscheinend
iiberhaupt nicht in Betracht.
Litaratnr.
Broer, Zentralbl. f. Gyn. 1919. — Bourut, Obst^t. 1911. Nr. 10. — Bumm,
Zeitschr. f. Geburtsh. Bd. 33. 1895. — Cuthbertson, Journ. of Americ. med. Assoc.
Vol. 51. 1908. — Freund, Zentralbl. f. Gyn. 1919. S. 77. — Haupt, Med. Klin. 1921.
— Hollatz, Zentralbl. f. Gyn. 1920. — Kirstein. ebenda. 1918. — Kritzler,
Zeitschr. f. Geb. u. Gyn. Bd. 84. 1921. — Kiister, Handb. Kolle-Wassermann,
2. Aufl. Bd. 6. 1913. — Land6, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 86. 1917. — Lembke,
Zentralbl. f. Gyn. 1919. 8. 399. — Lietz, Monatsschr. f. Geb. u. Gyn. Bd. 52. 1920.
— Lonne, Med. Klin. 1919. — Lonne u. Schugt, Zentralbl. f. Gvn. 1922. —
Lonne u. Meyeringh, ebenda. 1920. — Loewenthal, Schweiz, med. Wochenschr.
1920. — Roethler, Dtsch. med. Wochenschr. 1910. — Schoedel, Jahrb. f. Kinder-
heilkunde. Bd. 96. 1921. — Wauschkuhn, Zentralbl. f. Gyn. 1920. — Wiegels,
ebenda. 1919.
"Nachdruck verboten.
Die Kombination der Sachs-Georgi-Reaktion (S.-G.-R)
und der Dritten Modifikation der Meinicke-Reaktion
(D.-M.-R.) bei der Serodiagnostik der Lues.
[Aus der Serologischen Abteilung des Instituts „Robert Koch“
(Abteilungsdirektor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. R. Otto).]
Von Dr. W. F. Winkler, Assistenten am Institut.
Das bisherige Ergebnis unserer Nachpriifungen (1) der Luesflockungs-
reaktionen war, dafi wir keine von ihnen als einen vollwertigen Ersatz
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Winkler, Die Kombination der Sachs-Georgi-Reaktion usw.
375
fur die Wa.-R. anerkennen konnteD. Es hatte sich gezeigt, dafi man
mit der „3. Modifikation der M e i n i c k e - Reaktion 44 zwar ganz selten
unspezifische Reaktionen erhielt, dafur war aber auch die Zahl der bei
sicberer Lues positiv reagierenden Sera geringer als bei der Wa.-R.
Die „Sachs-Georgi-Reaktion“ gab ihrerseits im allgemeinen mehr
positive Ausschlage als die D.-M.-R. und auch mehr als die Wa.-R., aber
diese Sch&rfe war mit einer gewissen Gefahr unspezifischer Reaktionen,
z. B. bei den Seren von Tuberkulosen, verbunden. Diese Gefahr war
auch bei den neueren Verfahren der S.-G.-R. nicht ganz behoben. Es
lag nahe, an eine Kombination beider Flockungsmethoden zu denken,
urn so beider Vor- und Nachteile auszugleichen. Stern (2) versuchte
diesen Weg, indem er S.-G.-R. und D.-M.-R. unter geringer Aenderung
der Technik dieser Reaktionen zusammen in einem Versuchsrohrchen
verlaufen lieB. Er will auf diese Weise zu guten Ergebnissen gekommen
sein. Auf Vorschlag von Herrn Geheimrat Otto wShlte ich einen anderen
Weg. Indem wir bei der getrennten Anwendung beider Methoden blieben,
stellten wir nach dem Ausfall beider Reaktionen die serologische Dia¬
gnose. Dabei beriicksichtigten wir in ahnlicher Weise, wie es die staat-
liche Vorschrift fur die Wa.-R. fordert, im einzelnen Falle die klinische
Anamnese. Wie aus dem folgenden Schema ersichtlich ist, lautete
also unsere Diagnose: positiv, schwach positiv, zweifelhaft, nicht glatt
negativ Oder negativ, je nach dem Ausfall beider Reaktionen und der
Anamnese.
Ausfall der
Klinische Anamnese
Serologische Diagnose
S.-G.-R.
D.-M.-R.
+ 1 )
+
L + *)
positiv
+
+
0
„
+
+
±
L +
0
schwach positiv
zweifelhaft
+
+
—
L +
0
schwach positiv
zweifelhaft
±
±
+
+
L +
0
schwach positiv
zweifelhaft
±
±
L +
nicht glatt negativ
±
i
0
negativ
nicht glatt negativ
±
—
L +
—
0
negativ
—
+
L +
schwach positiv
zweitelhaft
—
+
0
—
L +
nicht glatt negativ
—
±
0
negativ
—
—
L +
»
—
—
0
V
1) + = deutliche Flockung. 2) L -(- = Lues zugegeben.
± = undeutliche Flockung. 0 => angeblich keine Lues.
— = keine Flockung.
Die D.-M.-R. wurde nach der Originalvorschrift, die S.-G.-R. mit erhbhter Seruru-
konzentration (1: 6j und erhbhtem Kochsalzgchalt (1,5 Proz.), wie es sich uns bewiihrt
hatte, angesetzt. Die Reaktionen wurden nach 18—24-stflnd. Aufenthalt im Brutschrank
abgelesen und darauf die Diagnosen abgegeben.
Wir liefien aufierdem die Rohrchen bei der D.-M.-R. noch weitere 24 Std. bei 20°
lauf dem Brutschranke) stehen und lasen darauf ein 2. Mai ab, um die giinstigen Er-
(olge, die Jantzen (3), Epstein und Paul (4) u. a. mit diesem Verfahren erzielt
haben, nachzupriifen. Wir fanden dabei, da6 in 12,7 Proz. der Untersuchungen nach
48 Std. die Flockung verstarkt, oder (allerdings selten und dann nur in geringem Grade)
nca aufgetreten war. UDter Berucksichtigung dieser spateren Ablesung wfiren unsere
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376
Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
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Ergebnisse, da unspezifische Flockungen nicht eintraten, fur die Prazipitationsreaktionen
etwas giinatiger ausgefallen. Allein 2,5 Proz. als „8chwach positiv“ bezeichnete Sera
hiitten dann die serologische Diagnose „positiv“ bekommen, 0,7 Proz. wiiren ,,positiv* 1
Btatt „zweifelhaft“ gewesen und 0,3 Proz. „zweifelhaft“ stall ,negativ“. Dieser Besse-
rung der Ergebnisse steht allerdings der Nachteil gegeniiber, daB die Abgabe des Unter-
suchungsergebnisses um 2 Tage gegeniiber der Wa.-R. verzogert wird.
Stellen wir nun zunachst die Flockungsergebnisse, die wir
mit eigenen (nach den vorliegenden Anweisungen hergestellten) Ex-
trakten erzielten, denen, die wir mit Originalextrakten erhalten
haben, gegeniiber, so ergibt sich folgendes Bild beziiglich des Ausfalles
der Reaktion bei den beiden Methoden:
Es waren S.-G.-R. und D.-M.-R.:
iibereinstimmend positiv mit eigenen Extr. 1 ) 31,2%, mit Originalextr. 8 ) 24,2%
negativ
„ zweifelhaft „
different ,,
Bei sicher Lues waren:
S.-G.-R. positiv oder zweifelhaft „
D.-M.-R.
48,2
3,0 I,,
17,6
38,2
38,9
>> }
»> t
47,9
0,9 „
27,0 „
39,7 „
34,3 „
Bei sicherer Lues wirkte also unser Mein icke-Extrakt starker
als der Originalextrakt, dagegen stand unser Sachs-Georgi-Extrakt
dem Originalextrakt etwas nach.
Die Ergebnisse der beiden Flockungsreaktionen differierten bei un-
seren Extrakten um 17,6 Proz., bei den aus Frankfurt a. M. bzw. Hagen
i. W. bezogenen Originalextrakten um 27,0 Proz.
Ein Teil der differenten Sera (bei den Originalextrakten fiber die
H&lfte) war bei der S.-G.-R. positiv getlockt. Die endgiiltige Dia¬
gnose „positiv“ wurde aber — siehe obiges Schema — auf Grund des
Ausfalles beider Methoden nur dann gestellt, wenn in der Auamnese eine
Lues vorlag, wahrend im anderen Falle das Urteil auf Grund des nega-
tiven oder zweifelhaften Ausfalles der D.-M.-R. auf zweifelhaft abge-
schwacht wurde. In gleicher Weise wurde bei positivem Ausfalle der
D.-M.-R. und negativem oder zweifelhaftem Ergebnis der S.-G.-R. ver-
fahren.
Es ist uns auf diese Weise gelungen, falsche positive
Diagnosen zu vermeiden. Soweit wir sichere und eine Lues aus-
schlieBende klinische Angaben erhalten haben, lagen in 6 Fallen un-
spezifische Reaktionen nach Sachs-Georgi vor (2 mit eigenen.
4 mit Originalextrakten). Auf Grund des oben erwiihnten Schemas haben
wir aber nur die Diagnose „zweifelhaft“ abgegeben. Es handeltesich
dabei um je einen Kranken mit Coxitis, K r a t z e, schwerer
Stomatitis, Ulcera mollia und um2PatientenmitLungen-
tuberkulose. Umgekehrt reagierte das Blut eines Kran¬
ken mit spezifischen Erosionen am Penis, indolenten
Drtisen. Angina undFieber mit derD.-M.-R. positiv; da aber
die S.-G.-R. negativ ausfiel, lautete unsere serologische Diagnose wiederuni
nur „zweifelhaft“.
In anderen Fallen wurde durch unser Beurteilungsverfahren ver-
hindert, daB wir die immerhin beunruhigende Diagnose „zweifelhaft“
abgaben in Fallen, wo sicher keine Lues vorlag. In diesen Fallen
war meist auch die Wa.-R. negativ. Die Sera, bei denen die
1) Bei der Untersuchung von 500 Seren.
2 „ „ „ „ 1000 „ .
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378
Centralbl f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
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stellen, ohne daB hier damit diese Kombination als Ersatz der Wa.-R.
empfohlen werden soil.
Literatnr.
1) Blumenthal, Med. Klin. 1919. Nr. 31; Papamarku, ebenda. 1920. Nr. 36;
Winkler, ebenda. 1921. Nr. 19 u. 51; 1922. Nr. 4. — 2) Miinchen. med. Wochenschr.
1921. Nr. 49. — 3) Zeitschr. f. Immunitatef. Bd. 33. H. 2. — 4) Med. Klin. 1921.
Nr. 29. u. 30.
Nachdruck verboten.
Bemerkungen zu den Ausftihrungen ron Herrn Dr. Pardi „Ueber
die Natur der leukozytfiren Einsckliissc bei Encephalitis lethargica‘\
(Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. Heft 6.)
Von Prof. Dr. Hilgermann, Saarbriicken.
Was die Prioritatsansprtiche von Herrn Dr. Pardi bezfiglich der
Feststellung vorgenannter Gebilde anbetrifft, so scheint Herr Dr. Pardi
ganz iibersehen zu haben, daB unsere von ihm angefiihrte Arbeit (Centralbl.
f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. H. 5) eine zweite Mitteilung ist und als
solche auch ausdriicklich bezeichnet wurde. Bereits am 1. Mfirz 1920
habe ich in der Sitzung der Mikrobiologischen Gesellschaft in Berlin
iiber unsere Befunde berichtet (Referat hieriiber Berl. klin. Wochenschr.
1920. Nr. 38. S. 905.) Eine 1. ausffihrliche Arbeit erschien in Nr. 16
des Jahrg. 1920 (April) der Med. Klinik. Diese Veroffentlichungen sind
mithin vor dem 9. Juli 1920 erfolgt, an welchem Tage Herr Dr. Pardi
zum 1. Mai gemfiB seiner Angabe fiber seine Befunde berichtete, Tat-
sachen, die der Herr Verfasser iibersehen hat, resp. die ihm nicht be-
kannt gewesen sind. Damit haben die Prioritfitsansprfiche von Herrn Dr.
Pardi ihre Erledigung gefunden.
Ferner dfirften im Gegensatz zu Herrn Dr. Pardi, welcher teils
blaBblau gefarbe, teils verschwommen und undeutlich aussehende Ge¬
bilde beobachtete und diese als Plasmaentartungen der Leukozyten ge-
deutet wissen will, die von uns beschriebenen Gebilde 1 ) 2 ) 3 ) sowohl be-
zfiglich ihrer Formen im ungefarbten als geffirbten Prfiparat mit gut
differenziertem Plasma und Chromatin als auch bezfiglicb ihrer Ent-
wicklung und auf Grund der Tierversuche als selbstandige Erregerart
anzusprechen sein. Derartige regelmfifiig geformte Korperchen mit dif¬
ferenziertem Plasma und Chromatin sind fibrigens auch von Levaditi
bei der Encephalitis lethargica beobachtet worden.
So eindeutig, wie Herr Dr. Pardi in seinem Sinne diese Be-
obachtungen zu erklaren sucht, dfirfte die Losung dieser Frage doch
nicht sein. Erst umfassende wissenschaftliche Forschungen werden die
erforderliche Ivlfirung bringen konnen.
1) Med. Kl. 1920. Nr. 16.
2) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. 1921. Heft 5.
3) Med. Kl. 1922. Nr. 1.
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r die Benennung dea Schweinecoccids.
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'►oh
Nacihdruak verboten.
Ueber die Benennung des Schweinecoccids.
Von Otto Nieschnlz.
Wahrend bis zum Beginn des vorigen Jahres fiber das Schweine-
coccid so gut wie nichts bekannt war, erschien dann teilweise kurz
hintereinander eine Anzahl von Veroffentlichungen, die etwas Verwirrung
in die Benennung dieses Parasiten gebracht haben, so daB eine kurze
Klarstellung der Verhfiltnisse zweckmaBig erscheint, zumal eine dies-
bezugliche belangreiche Arbeit als hollfindische Dissertation der Auf-
merksamkeit leicht entgehen kfinnte.
In Neveu-Lemaire (1912) finden wir das Schweinecoccid als
Eimeria jalina bezeichnet. Irgendwelche nfihere Angaben fehlen
dabei. Der Name stammt von Perroncito (1902). Diese Original-
besehreibung war mir nicht zugfinglich; in einer spfiteren Arbeit des-
selben Forschers fand ich aber seine frflheren Angaben wiederholt. Es
handelt sich urn einen Parasiten, der beim Menschen, Schwein und Meer-
schweinchen angetroffen wurde. Beschreibung und Abbildungen lassen
erkennen, daB eine Verwechselung mit Blastocystis vorgelegen hat,
eine Ansicht, die ebenfalls |rumpt (nach Cauchemez 1921) kfirzlich
ausgesprochen hat.
Die ersten genaueren Angaben fiber das Schweinecoccid verdanken
wir Douwes, Dissertation vom 19. Jan. 1921. Auf Grund der betracht-
lichen Unterschiede in der OocystengrfiBe — 50 X 35 n und 18—24 X
15—20 (j. — glaubt er, auf das Vorkommen von 2 verschiedenen Spezies
schlieBen zu kfinnen. Der kleineren Art gab er den Namen Eimeria
debliecki.
Krediet nahm in seiner Dissertation vom 28. Jan. 1921 die Be-
zeichnung E. jalina wieder auf, ohne Kenntnis der Untersuchungen
von Perroncito. Seine Angabe, daB das Schweinecoccid bei der
Sporulation zunachst 2 und dann erst 4 Sporoblasten ausbildet, dflrfte
kaum zutreffend sein.
N oiler benannte in einem Vortrage am 7. Dez. 1920, dessen Re-
ferat im Februar 1921 im Druck erschien, dies Coccid E. suis. Er
glaubt, daB sein Coccid der kleineren Form von Douwes, also der
E. debliecki, entspricht.
SchlieBlich wfihlte Cauchemez noch im Dezember 1921, anscheinend
ohne die eben angeftihrte Literatur zu kennen, den Namen E. brumpti.
Welcher Name ist nun nach den Regeln der zoologischen Nomenklatur
der gflltige? E. brumpti Cauchemez scheidet zunfichst zweifelsohne aus.
Ebenso muB E. suisNoller gegenfiber E. debliecki Douwes und
E. jalina Perroncito emend. Krediet zurficktreten, da diese alteren
Datums sind, weil nach dem Prioritfitsgesetz der Tag der Ausgabe der
gedruckten Arbeit und nicht des mfindlichen Vortrages maBgebend ist.
Von E. debliecki und E. jalina emend. Krediet hat erstere eine
Prioritfit von 9 Tagen.
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380
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origii 1 '
f H Jt
5.
Da, wie eingangs erwahnt, bei E. (Co c 0 ^ e ^ a )) jalina Perroncito
eine Verwechselung mit Blastocystis s bleibt als gflltiger
Name fur das Schweinecoccid Eimerla deuiiecki Douwes, unter
welchem es zum 1. Male unverkennbar beschrieben wurde. Dieser Name
bleibt auch bestehen, wenn es sich nur um eine Art, entgegen der An-
nahme von Douwes, handeln sollte. Stellt es sich bei weiteren Unter¬
suchungen heraus, daB wirklich 2 Arten vorkommen, so wflrde es zweck-
maBig sein, fur die noch unbenannte Art einen der schon bestehenden
Namen zu wahlen, anstatt die Literatur noch mit einem weiteren zu
bereichern.
"1
Literatur.
Cauchemez, L., Frequence de la coccidie du pore (E. brumpti n. sp.) en
France. (Bull. Soc. Path. exot. T. 14. 1921. p. 645—648.) — Douwes, J., Bijdrage
tot de kennis van enkele darmprotozoen der huisdieren in het bijzonder bij schaap en
varken. [Inaug.-Diss.] Utrecht 1921. — Krediet, G., Over het vorkommen van proto-
zoen-cysten en ontwikkelingsvormen van coccidien in den darm van mensch en enkele
dieren. [Inaug.-Diss.] Leiden. (Tijdschr. v. vergl. Geneesk. Nieuwe reeks. Bd. 1. 1921.
p. 95—154.) — Neveu-Lemaire, M., Parasitologie des animaux domestique. Paris
1912. — Noiler, W., Ueber einige wenig bekannte Darmprotozoen des Menschen und
ihre niichsten Verwandten. (Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. Bd. 25. 1921. S. 32, 33 u.
35—46.) — Perroncito, E., I parassiti dell’uomo e degli animali. 2. Aufl. Mai-
land 1902. — Ders., La malattia aei minatori. Turin 1909. p. 283—285.
Nachdruck verboten.
Der Einfluss der ultravioletten Stfahlen auf Antikorper
in vitro.
[Aus der bakteriologischen Abteilung des Reichs-Gesundheitsamtes
(Direktor: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Haendel; Laborat.-Vorst.: Oberreg.-
Rat Prof. Dr. L. Lange).]
Von Dr. Georg Heuer.
Mit 3 Kurven im Text.
Im AnschluB an Untersuchungen iiber die Einwirkung der ultra¬
violetten Strahlen auf Antikorper in vitro, die ich in Gemeinschaft
mit Potthoff veroffentlicht habe (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 88.
S. 299), habe ich den Einflufi der ultravioletten Strahlen auf spezifische
Antikdrper in vitro untersucht. Meine Untersuchungen sollten die
Wirkung der ultravioletten Strahlen auf Agglutinine, Bakteriolysine,
haraolytische Ambozeptoren und anhangsweise auch auf Meerschweinchen-
Komplement und Hammelblutkorperchen priifen.
Die Veranlassung zu diesen Untersuchungen gab mir die Be-
obachtung, daB die Agglutinine aus dem Blut mit ultraviolettem Licht
bestrahlter Tiere viel schneller als aus dem Blute unbestrahlter Tiere
schwinden. Eine direkte zerstorende Wirkung der ultravioletten Strahlen
auf die Antikorper im Blute ist wohl auszuschliefien, vielmehr muB der
Riickgang des Gehalts an Antikorpern wohl auf Beeinflussung des Stoflf-
wechsels der Tiere zuriickgefiihrt werden.
Die Unmoglichkeit einer direkten Einwirkung der ultravioletten Strahlen auf das
Blut lebender Tiere geht auch aus den Untersuchungen von Mme. V. Henri, Victor
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Heuer, EinfluB der ultravioletten Strahlen auf Antikorper in vitro. 381
Henri et Ren6 W urmser hervor (Compt. rend. Soc. Biol. 1912. T. 2. p. 319 „Etude
quantitative de l’absorption des rayons ultraviolets par l'albumine d’oeuf et le s6rum u ).
lliese Autoren haben in ihrer Arbeit festgestellt, dab die ultravioletten Strahlen schon
durch eine auflerst dtinne Schicht EiweiB, deren Dichte nur einige tausendstel Milli¬
meter betragt, festgehalten werden.
Diese Feststellnng gab mir auch Veranlassung, samtliche Sera, die
ich dem ultravioletten Lichte aussetzte, von vornherein niclit nur un-
verdiinnt, sondern auch in Verdiinnungen mit physiologischer Kochsalz-
losung zu bestrahlen. Die auf gleichem Gebiet liegenden Arbeiten von
Baroni und Jonesco-Mihaiesti 1 ), die auch Toxine gepriift haben,
und von Abelin und Stinner 2 3 * * ) gaben einen Hinweis, in welcher Rich-
tung Ergebnisse der Versuche zu erwarten waren. Erwahnen mochte
ich auch noch die Arbeit von V. Scaffidi (Biochera. Zeitschr. Bd. 69.
1915. S. 162), die mir erst bei der Niedersclirift bekannt wurde.
I. Die Versuchsauordnung bei der Bestrahlung spezifischen, ag-
glutinierenden Serums war folgende:
Als Lichtquelle fur die ultravioletten Strahlen diente eine von der
Hanauer Quarzlampengesellschaft freundlichst zur Verffigung gestellte
kleine Laboratoriumsquarzlampe (filr Gleichstrom 110 V.) 8 ). Das Serum
wurde in einem offenen, planen Glasschalchen (Durchm. 3 cm) in einer
Menge von 0,5 ccm, so dafl die Schichthbhe ca. 0,07 cm betrug, in 10 cm
Entfernung senkrecht unter dem QuarzkOrper bestrahlt. Um den Ein-
tluB der durch die Lampe erzeugten W&rme (wiihrend der Bestrahlung
W’urde in 10 cm Entfernung eine Temperatur von durchschnittlich 39° C
erreicht) und des durch die ultravioletten Strahlen gebildeten Ozons aus-
zuschalten, wurde zur Kontrolle gleichartiges Serum denselben Be-
dingungen, nur unter Ausschaltung der ultravioletten Strahlen, unter-
worfen, indem die ultravioletten Strahlen durch eine diinne Glasplatte
von 9 X 12 cm, die etwa in der Mitte zwischen dem das Serum ent-
haltenden Sch&lchen und dem Quarzkorper an einem Stativ angebracht
war, zuriickgehalten wurden. Der EintluB der Warrae (Priifung durch
Thermometer) und des Ozons blieb der gleiche wie bei dem bestrahlten
Serum.
Die Dauer der Bestrahlung wahrte 1, 2, 4, 8, 10, 20, 40 und 60 Min.
Bestrahlt wurden auf diese Weise agglutinierendes Typhus-Eselserum,
Cholera-Eselserum und Paratyphus B-Eselserum, und zwar wurden die
Sera unverdflnnt und in Verdiinnungen mit physiol. KochsalzlSsung
1 : 100 und 1:1000 dem EinfluB der ultravioletten Strahlen ausgesetzt.
Der Gehalt der Sera an Agglutininen vor und nach der Bestrahlung
wurde durch Bestimmung des Agglutinationstiters gegen einen dem
spezifischen Serum entsprechenden Bakterienstaram festgestellt.
Eine Beeinflussung der unverdiinnten Sera durch die ultra¬
violetten Strahlen war in keinem Falle, auch nicht bei einer Bestrahlungs-
dauer von 60 Min., zu ermitteln, wie nach den oben angefuhrten Unter-
suchungen von Henri, Henri und Wurmser ja auch zu erwarten
war. Die Agglutinationstiter hatten die gleichen Werte nach den ver-
schiedenen Bestrahlungszeiten wie die der Kontrollsera. Erst die Be¬
strahlung der 1:100 und 1 :1000 mit physiol. Kochsalzlosung verdiinnten
1) Compt. rend. Soc. Biol. 1910. T. 1. p. 393.
2) Zeitschr. f. Immunitatsf. Abt. I. Orig. Bd 19. 1918. S. 1, und Bd. 20. 1914. S. 598.
3) Fur Teil III wurde die wesentlich ffroliere *kiinstliche Hohensonne" dee Lichter-
felder Krankenhausee benutzt. Fiir die lieDenewurdige Erlaubnis hierzu bin ich Herrn
Prof. Rautenberg zu groflem Danke verpflichtet.
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Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Originate. Bd. 88. Heft 5.
Sera zeigte eine Beeinflussung der Agglutinine durch die ultravioletten
Strahlen.
W&hrend die Kontrollsera dauernd, trotz der eventuell moglichen
Beeinflussung durch Warme und Ozon, einen konstanten Titerwert auf-
„ wiesen, war bei den bestrahlten Seren
ein mit der Bestrahlungsdauer zuneh-
mender Riickgang des Agglutininge-
halts festzustellen.
Die beigegebene graphische Dar-
stellung *) veranschaulicht die Wirkung
der ultravioletten Strahlen und die
Abh&ngigkeit dieser Wirkung einer-
seits von der Verdiinnung der Sera
und andererseits von der Bestrahlungs¬
dauer.
Aus der graphischen Darstellung
der Wirkung der ultravioletten Strah¬
len auf das Typhus-Eselserum
ist zu ersehen, dafi das unverdiinnt
bestrahlte Serum wahrend der ganzen
Bestrahlungsdauer bis 60 Min. (ebenso
wie das Kontrollserum, das, wie oben
erwahnt, deu gleichen Bedingungen
wie das bestrahlte Serum, nur unter
Ausschaltung der ultravioletten Strah¬
len, unterworfen war) seinen anf&ng-
lichen Titerwert behait, also von den
ultravioletten Strahlen nicht feststell-
bar beeinfluBt wird. Bei dem 1 :100
verdiinnt bestrahlten Typhus-Esel¬
serum tritt ein ziemlich gleichm&Biger
Abfall des Titerwertes meist um einen
Verdtinnungsgrad der geometrischen
Reihe mit dem Faktor 1 / 2 bei den auf-
einander folgenden Bestrahlungszeiten
ein; nur in der Bestrahlungszeit
zwischen 8 und 10 Min. ist kein er-
kennbarer Riickgang des Titers zu
verzeichnen. Nach einer Bestrah¬
lungsdauer von 40 Min. war noch ein
Titer von 1:200 in meinem speziel-
len Fall gefunden; bei der nachsten
untersuchten Bestrahlungsdauer von
60 Min. ist der Titerwert gleich 0 ge-
setzt, da in der Ausgangsverdunnung
1 :100 keine Agglutination mehr zu
erkennen war. Es konnte aber nur
festgestellt werden, daB bei der Ver-
diinnung 1:100 keine Agglutination mehr auftrat. Da einerseits von
Volk und Eisen berg (vgl. auch meine Untersuchungen Zeitschr.
1) Die graphische Darstellung wurde der grbfieren Uebersichtliehkeit halber an
Stelle der sonst iiblichen zahlenmafiigen Titerangaben gewahlt, da die verschiedenen
Ausgangstiterwerte der einzelnen Sera das BUd zu sehr verwirrt hatten.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
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1 ccm natiirlich nur 0,001—0,0005—0,0001. Bei der Bestrahlung des
unverdiinnten Serums und ebenso bei den einzelnen Kontrollseren war
kein EinfluB der ultravioletten Strahlen festzustellen. Das Verhaltnis
der Vibrionen zu den Granulis und Bakterienschatten betrug bei der
Menge spezifischen Serums 0,01, 1:5, bei 0,005 1:3, bei 0,001 1 :2, bei
0,0005 1:1 und bei 0,0001 2 :1, bei der Komplementkontrolle 2 :1.
Dagegen zerstorten die ultravioletten Strahlen die Bakteriolysine bei
Bestrahlung der 1 : 100 und 1:1000 mit physiol. Kochsalzlosung ver-
diinnten Sera schon nach 1 Min. ganzlich, so dafi die Anzahl unver-
sehrter Vibrionen zu den Granula und Bakterienschatten sich wie 2:1
verhielt. Also wirkten nach der Bestrahlung der verdunnten Sera nicht
mehr die spezifischen Bakteriolysine der Sera, sondern die bakteriziden
Anteile des Komplements, denn in der Komplementkontrolle war das
Verhaltnis der Vibrionen zu den Granula und Bakterienschatten eben-
falls 2:1.
III. Ferner habe ich den EinfluB der ultravioletten Strahlen auf
die einzelnen Faktoren der Hamolyse von Hammelblutkorperchen
untersucht, namlich die Wirkung auf den hamolytischen Ambo-
zeptor, Meerschweinchen-Komplement und Hammelblut¬
korperchen. Die bisher innegehaltene Versuchsanordnung hatte ich
dahin abgeandert, daB ich die zu untersuchenden Fliissigkeiten in
20 cm Entfernung senkrecht unter dem Quarzkorper in einem planen
Glasschalchen, dessen Durchmesser 5 cm und daher die Schichthohe
bei einer Fliissigkeitsmenge von 4 ccm 2 mm betrug, 10, 20, 40 und
60 Min. bestrahlte. In der schon bei den vorhergehenden Untersuchungen
angewendeten Weise wurde durch Kontrollen der EinfluB der Erwarmung
und des Ozons ausgeschaltet.
Das hfimolytische Ambozeptoren enthaltende Kaninchenserum wurde
unverdtinnt und mit physiol. Kochsalzlosung 1:100 und 1: 1000 ver-
diinnt dem EinfluB der ultravioletten Strahlen ausgesetzt. Die Wirkung
der Bestrahlung auf die Ambozeptoren wurde durch Austitrierung des
Ambozeptorgehalts des verwendeten spezifischen Kaninchenserums im
hfimolytischen Versuch bei konstanter, optimaler Verdiinnung des Kom-
plements und der Hammelblutkorperchen gepriift. Eine Bestrahlungs-
dauer von 60 Min. vermochte nicht die Ambozeptoren des in unver-
diinntem Zustande bestrahlten Serums zu zerstoren. Der Titer des un-
verdflnnt bestrahlten Serums war der gleiche wie der des Kontrollserums,
das ebenfalls 60 Min. der von der Quarzlampe ausgehenden Warme
und dem durch die ultravioletten Strahlen gebildeten Ozon ausgesetzt
worden war.
Eine Bestrahlungsdauer von 10 Min. geniigte dagegen. in den Ver-
dfinnungen des ambozeptorhaltigen Serums 1:100 und 1:1000 die vor-
handenen Ambozeptoren zu zerstoren, so daB im hamolytischen Versuch
keine Losung der Hammelblutkorperchen mehr eintrat. Die Kontroll-
sera hatten den urspriinglichen Titer.
Das Meerschweinchenkomplement bestrahlte ich von vorn-
herein gleich in den Verdiinnungen mit physiol. Kochsalzlosung 1:10,
1:15 und 1:20. Die Wirkung der ultravioletten Strahlen auf das Meer¬
schweinchenkomplement wurde durch Austitrierung des Komplements
im hamolytischen Versuch bei konstanter, optimaler Verdiinnung des
Ambozeptors und der Hammelblutkorperchen gepriift.
Bei den wie sonst angesetzten Kontrollen war eine vollige Losung
der Hammelblutkorperchen nur bei der Verdiinnung des Komplements
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Heuer, EinfluB der ultravioletten Strahlen auf Antikorper in vitro. 385
1:10 und 1 :15 eingetreten, bei der Verdiinnung 1 :20 war die Losung
unvollst&ndig. Nach 5 Min. Bestrahlungsdauer waren die Losungsver-
haltnisse bei den verschiedenen Verdiinnungen des Kompleraents noch
genau die gleichen wie bei den Kontrollsera, w&hrend nach 10 Min.
langer Bestrahlung bei keiner der bestrahlten Komplementverdiinnungen
eine Blutkorperchenlosung mehr eintrat. Das Meerschweinchen-Kom-
plement war also bei einer 10-proz. Verdiinnung und einer Schichthbhe
von 2 mm nach 10 Min. Bestrahlung durch die ultravioletten Strahlen
unwirksam geworden.
Bei der Untersuchung des Einflusses der ultravioletten Strahlen auf
Hammelblutkorperchen benutzte ich die im hamolytischen Versuch
gebrauchliche 5-proz. Aufschwemmuirg gewaschener Hammelblutkorper¬
chen in Kochsalzlosung. Um ein gegenseitiges Beschatten zu vermeiden,
bestrahlte ich die Blutkorperchen 20 cm von dem Quarzkdrper entfernt
in einer planen Schale von 10 cm Durchmesser, so daB die Schichthohe
bei 4 ccm Blutkbrperchenaufschwemmung 0,5 mm betrug. Ferner wurden
die Blutkbrperchen wkhrend der Bestrahlung dauernd geschiittelt, so
daB auch auf diese Weise die Mflglichkeit des gegenseitigen Sichbeschattens
der Blutkbrperchen herabgesetzt wurde. Eine gleiche Blutkorperauf-
schwemmung, die denselben Bedingungen wie die bestrahlte, nur unter
Ausschaltung der ultravioletten Strahlen unterworfen wurde, benutzte
ich als Kontrolle. Nach einer Bestrahlungszeit von 10 Min. waren die
bestrahlten Blutkorperchen zerstbrt, so daB sich der BlutfarbstofF in der
Kochsalzlosung gelbst hatte, und die ganze L6sung lackfarben geworden
war. Dabei war ein Umschlag in die braune Methamoglobinf&rbung
deutlich (Reduktion). Mit einem Taschenspektralapparat untersucht,
waren die beiden Absorptionsstreifen des Oxyh&moglobins nahezu ver-
schwunden. Eine weitere Prufung im hamolytischen Versuch war also
unmoglich. Die Bestrahlungskontrolle dagegen zeigte keine Beeinflussung
dnrch Erwfirmung und Ozon. Die BlutkOrperchenaufschwemmung war
nicht gelost, also deckfarben, und im hamolytischen Versuch war jenseits
der Titergrenze des Ambozeptors und des Komplements keine Lbsung
der Blutkorperchen mehr eingetreten.
Bei der zusammenfassenden Betrachtung der in meinen Unter-
suchungen gewonnenen Ergebnisse mochte ich auf die schon oben er-
w&hnten Arbeiten von Baroni und Jonesco-Mihaiesti und Abelin
and Stiner n&her eingehen.
Die Anordnung der Versuche in der Arbeit von Baroni und
Jonesco-Mihaiesti weicht sowohl hinsichtlich der Kontrolle des
Einflusses der Bestrahlungsw&rme wie des durch die ultravioletten
Strahlen gebildeten Ozons als auch bei der Bestrahlung durch die
Strahlenquelle selbst, hinsichtlich der Entfernung der untersuchten Sera
von der Quarzlampe und der Menge des bestrahlten Serums von der
von mir befolgten Methode ab. Ebensolche Unterschiede bestehen
zwischen Abelins und Stiners Arbeiten und meinen Untersuchungen.
In Bezug auf die Ausschaltung von WBrme und OzoneinfluB ist die
von Abelin und Stiner benutzte Apparatur — Verwendung eines
Unterwasserbrenners, Bestrahlung des Materials in von flieBendem
Wasser umspiilten, fflr ultraviolette Strahlen durchlkssigen, geschlossenen
Quarzgef&Ben — wohl ideal zu nennen, aber infolge der hohen Kosten
zurzeit nicht verfflgbar.
Baroni und Jonesco-Mihaiesti kontrollierten den EinfluB der
Warme und des Ozons durch Parallelversuche, indem sie die Sera in
Erste Abt. Orig. Bd. 88. Heft 5. 25
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386 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
geschlossenen Quarzschalchen und in auf Eis stehenden Gef&Ben be-
strahlten.
Die Vorkehrungen, die Nebeneinfliisse bei der Bestrahlung mit
ultraviolettem Lichte auszuschalten, weichen also in den erw&hnten Ar-
beiten bedeutend voneinander ab und beide sind wiederum von der in
meinen Untersuchungen geiibten Methode verschieden; alle haben aber
die Erkenntnis der reinen Wirkung der ultravioletten Strahlen zum Ziel.
Dagegen sind die folgenden Unterschiede der Versuchsanordnung
unbedingt von EinfluB auf die Endergebnisse:
Die Benutzung von Quecksilberdampf-Quarzlampen verschiedener
Systeme hat zur Folge, daB bei den Versuchen jeweils verschiedene
Quantit&ten ultravioletter Strahlen zur Verwendung gelangen. Ferner
sind bei den Bestrahlungen verschiedene Entfernungen des Materials,
das den ultravioletten Strahlen ausgesetzt wurde, von der Strahlenquelle
gewahlt worden. Wenn man beriicksichtigt, daB die Intensitat der Be-
Autor
Baroni u. Jo-
neeco -Mibai-
Abeli n
u. Stiner
V. Scaffidi
Heuer
esti
Quarzlampe
System Nogier-
l riquet M. 5
,kunstl. Hohen-
Lampe
Heraeus
110 V., 4 Amp.
(nicht angegeben)
sonne“ (Hanau)
110 V. bzw. 220 V.
Abstand
16,5 cm
0 cm
15 cm
10 cm bzw. 20 cm
Schichthohe
0,18 cm
6 mm u. 2 mm
1 cm
0,07 cm bzw. 2 mm
I. Agglutinine
unverdiinnt
oo' (Typhus),
oo' (Cholera),
oo' (Para B)
1:100
32'—36'(Typhus),
18'—20' (Cholera)
—
—
60' (Tvphue),
40' (Cholera).
20' (Para B)
1:1000
—
—
—
40' (Tvphus),
8' (Cholera),
8' (Para B)
II. Bakteriolysine
unverdiinnt
—
—
—
oo' (Cholera)
1:100
7,5'—9' (Cholera)
—
—
1' *
1:1000
—
—
—
1' „
III. Hamolytischer
Ambozeptor
unverdiinnt
oc
1:10
1 :100
oo', nur bei nie-
drigem Titer
Vernichtung
10'
240' .geringe
Abnahme“
30' Verzogerung
4,5'—5'
, 10'
der Hamolyse“
1:1000
—
—
60' B Stillstand u
10'
Komplement
der Hamolyse
unverdiinnt
o
CM
J
-\
rH
10'—15' (2 mm)
—
—
1:4
—
30' (6 mm)
—
—
1:10
3'—4,5'
5' (2 mm)
60'—80'
10'
1: 15
—
—
—
lO'
1:100
40''—60"
1' (2 mm)
—
Hammelblut-
10' Hamolvse
kbrperchen
(Reduktion zu
Methamoglobin)
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Spat, Zur Frage der Koktostabilitat gebundener Immunkorper.
387
strahlung uragekehrt proportional dem Quadrat der Entfernung ist, er-
kennt man, daB gegebenenfalls schon kleine Unterschiede in der Ent¬
fernung zwischen Lichtquelle und bestrahltem Material groBe Wirkungs-
differenzen zur Folge haben konnen. Weiterhin muB der Dispersitatsgrad
und die Schiehthobe des bestrahlten Materials, die die ultravioletten
Strahlen zu durchdringen haben, in Rechnung gestellt werden.
Die Tab ell e, in der neben den Befunden der friiheren Autoren auch
meine eigenen Ergebnisse iibersichtlich zusammengestellt sind, zeigt,
wie sehr im einzelnen die Zahlen von einander abweichen.
In den wesentlichen Punkten stimmmen aber die Arbeiten raeiner
Vorganger und meine Befunde iiberein: Eine Wirkung auf Anti-
korper wird nur dann erzielt, wenn diese in Verdiin-
nungen den Strahlen ausgesetzt werden. Die Schnellig-
keit der Wirkung steigt mit dem Verdiinnungsgrad.
Eines besonderen Hinweises bedtirfen meine Feststellungen, daB
1) die Agglutinine fur Cholera und Paratyphus B weniger wider-
standsfahig sind als die fur Typhus;
2) die Bakteriolysine bedeutend weniger widerstandsfahig als die
Agglutinine sind (auch, 1:100 verdiinnt, die h&molytischen Ambozep-
toren).
Fur beide Feststellungen finden sich bei Baroni und Jonesco-
Mihaiesti entsprechende Ergebnisse.
Dieses verschiedene Verhalten der Agglutinine untereinander und der
Agglutinine und Bakteriolysine ist insofern von besonderem Interesse,
als man daraus vielleicht auf Verschiedenheiten in der Konstitution der
Agglutinine hinsichtlich Lipoid- und EiweiBgehalt und namentlich auch
auf entsprechende Unterschiede der Agglutinine gegenuber den Bak-
teriolysinen schlieBen kann.
Naohdruck verboten.
Zur Frage der Koktostabilitatt gebundener Immunkorper.
[Aus der internen Abteilung des Werksspitales der Prager Eisen-Industrie-
Gesellschaft in Kladno.]
Zweite Mitteilung.
Von Privatdozent Dr. Wilhelm Spftt.
Nachstehende Untersuchungen sollen keine neuen Beweise fur die
in Rede stehende Frage der HitzebestSndigkeit gebundener Immunkorper
bringen, sondern die Ursache der diametral entgegengesetzten Befunde
aufklfiren, welche bisher von den einzelnen Autoren erhoben wurden.
Zwei Meinungen stehen einander gegeniibcr: Friedberger und Pinczower
kommen auf Grand entsprechender Untersuchungen zuna Schlusse, dafi die an Bakterien
gebundenen Immunkorper hitzebestandig seien, denn .-tie konnten nachweisen, daB mit
Agglutininen maximal sensibilisierte und nachher gekochte Typhusbazillen nicht mehr
imatande sind, einer Iramunserumverdiinnung nachweisbare Mengen von Typhus-
agglutininen zu entzichen.
Auf Grand theoretiecher Erwagungen, auf die hier nicht naher eingegangen werden
soil, wurden die von Friedberger und Pinczower aus ihren Untersuchungsergeb-
niasen gezogenen Schlusse von Bessau angezweifelt und in einer groBen Reihe von
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388
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Versuchen dargetan, daS die gebundenen Immunkorper schon durch ein '/ 4 -stund.
Kochen regelmafiig und mit Sicherheit zeretort wurden. Bessaus Versuche wurden
mittels der Komplementbindungsmethode durchgefuhrt, und es wurde durch Kumagai
gegeu ihn der Eiuwand erhoben, dafi in seinen Versuchen wohl die komplementbindende
Gruppe der Immunkorper durch das Kochen zerstort, dafi aber fiir die Zerstorung der
haptophoren Gruppen xein Beweis erbracht worden ist. Diesen Einwand konnte aber
Bessau in einer weiteren Untersuchungsreihe restlos entkraftigen. Ebenso konnte
Spat in entsprechenden Untersuchungen, gleichfails auf dem Wege der Komplement-
bindungsmethode, die Zerstorung beider Gruppen des Immunkorpers, sowohl der
komplementbindenden, als auch der haptophoren, durch Kochen nachweisen. Zu den
gleichen Erbegnissen gelangte in der jiingst veroffentlichten Arbeit Gutfeld 1 ).
In der Zeitschr. f. Immunitatsforsch. erschien nun eine neue Arbeit
aus dera Institute Friedbergers von ArthurLange,inderdie Frage
noch einmal aufgerollt wird und durch neue Untersuchungen abermals
die Hitzebest&udigkeit der gebundenen Immunkorper demonstriert werden
soli. Da die Arbeiten aus dem Institute Friedbergers stets technisch
einwandfrei sind, zweifelten wir keinen Augenblick an der Richtigkeit
der einzelnen Untersuchungsergebnisse, und unsere Nachpriifung der be-
trelfenden Befunde hat lediglich den Zweck, die Ursachen der abweichen-
den Resultate aus dem Institute Friedbergers gegeniiber denjenigen
der ubrigen Untersucher aufzudecken.
Vbrerst wollen wir noch auf die im Nachtrage zu seiner Arbeit
vorgebrachten Bemerkungen Langes zu unseren Untersuchungen ein-
gehen.
Lange betont, ebenso wie fruher schon Kumagai, daB bei den
Untersuchungen mittels der Komplementbindungsmethode auch die zyto-
phile Gruppe beriicksichtigt werden miisse, fiigt aber hinzu: „allerdings
glaubt Spat, durch seine Versuche auch die Thermolabilitat der haptophoren
Gruppe des komplementbindenden Antikorpers gezeigt zu haben“. Das
stimmt, denn wir haben durch eine eigene Kontrollreihe das Verhalten
der haptophoren Gruppe gezeigt, Lange spricht sich aber diesbeziiglich
nicht weiter aus, ob er diesen Befunden zustimmt oder sie anzweifelt.
Wenn Lange fiberdies in meinen Untersuchungen beanstandet, daB die
Bakterien nur 1- hochstens 2mal sensibilisiert wurden, wahrend in den
analogen Versuchen von Lange und seinen Vorgangern die Sensibilisie-
rung oft 10—llmal erfolgte, so ist dieser Einwand vollkommen haltlos.
Nicht auf die Zahl der Sensibilisierungen kommt es in diesen Unter¬
suchungen an, sondern einzig und allein darauf, daB die Bakterien tat-
sachlich maximal beladen sind. Dies ist aber nicht, wie Lange glauben
machen will, durch die Zahl der Sensibilisierungen ersichtlich und be-
wiesen, sondern durch die entsprechenden Kontrollen. In unseren
Kontrollen ist aber die maximale Beladung der Bakterien klar demon¬
striert 2 ). Denn die beladenen Bakterien vermogen aus einer Immun-
serumverdiinnung nicht die geringsten Spuren von Immunkorpern mehr
zu entziehen. Unsere Untersuchungen kdnnen daher, entgegen der Be-
hauptung Arthur Langes, entschieden als Beweismaterial fur das vor-
liegende Problem^ verwendet werden.
Im ubrigen konnen wir schon an dieser Stelle vorgreifend hervor-
heben, daB gerade die vielen Sensibilisierungen und das wiederholte
1) Der Einwand G utfelds gegen unsere Auffassung der Immunkorper als Fermente
besteht nicht zu Recht. Denn das Gesetz der Multipla gilt nur fur die Toxine, nicht
aber fiir die ubrigen Immunstoffe.
2 ) Es ist wohl iiberfliissig, zu erwahnen, dafi jeder einzelne Versuch nicht einmal,
sondern wiederholt und stets mit demselben Resultate ausgefuhrt wurde. Wir betonen
dies nur mit Rucksicht auf eine diesbeziigliche Bemerkung Langes.
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Spiit, Zur Frage der Koktostabilitat gebundener Innnunkorper.
389
damit verbundene Waschen und Zentrifugieren der Bakterien zu den ab-
weichenden Befunden und irrtiimlichen SehluBfolgerungen Langes ge-
fuhrt haben. '
Lange ist namlich von einem Irrtum ausgegangen. Er schreibt
wortlich: „Nach den neueren Untersuchungen von Weil und Felix
wissen wir zwar, daB speziell bei den X-Stammen thermostabile neben
thermolabilen Rezeptoren vorkommen, doch sind die Differenzen selbst
bei den X-Stammen nicht so eklatant, urn die auffallenden Befunde
Bessa us gerade mit dem Stamm ,Bock‘ gegenuber anderen zu erklaren,
und beiTyphus ist iiberhaupt sine derartige regelmaBige
Verteilung im Rezeptorenapparat wie bei X-Stammen
noeh nicht beobachtet worden 1 ).“ Dieser Ausspruch erscheint
uns um so auffallender, als es gerade Friedberger war (vgl.
seine „Hygiene im Weltkriege"), der als erster die auBerordentlicbe Be-
deutung der Entdeckung der 0- und H-Rezeptoren erkannte und in
seinem Institute nachgepriift und bestatigt hat. Der Ausspruch Langes
besteht daher nicht zu Recht, denn die Differenzen zwischen den thermo¬
labilen und thermostabilen Rezeptoren der X-Stamme sind sehr eklatant,
und den Doppeltypus der Rezeptoren in der Typhus-Paratyphus-Gruppe
haben Weil und Felix, trotz der komplizierten Verhaitnisse und unter
Ueberwindung bedeutender technischer Versuchsschwierigkeiten, in geist-
voller Weise nachgewiesen. Die Unkenntnis dieser Tatsachen hat Lange,
trotz sicher einwandfrei durchgefuhrter Versuche, zu den irrtiimlichen
SehluBfolgerungen gefiihrt, und wir werden aus den weiteren
Ausfuhrungen ersehen, daB eine Versuchsreihe seiner Arbeit (Tab. VII)
gerade das Gegenteil von dem beweist, was er beweisen will. Gerade
der in Tab. VII niedergelegte Versuch Langes hat uns mit aller Deutlich-
keit gezeigt, daB seine SehluBfolgerungen irrtiimlich sind, und uns gleich-
zeitig die Ursache der entgegengesetzten Resultate der iibrigen Versuche
aufgedeckt.
Es hatte eigentlich vollkommen geniigt, auf diese Tabelle hinzu-
weisen, wo die Differenzen zwischen den mit der 0- und der H-Form des
X-Stammes erhobenen Befunden eine so deutliche Sprache sprechen —
zugunsten unserer Auffassung und gegen die Auffassung Langes,
aber wir unterzogen uns der Miihe, auch an einem Beispiele der Typhus-
gruppe das gleiche Verhalten experimentell zum Ausdrucke zu bringen.
Die genaue Analyse aller diesen Gegenstand behandelnden Arbeiten
zeigt, daB die Meinungsverschiedenheiten bzw. die differenten Befunde
nur deshalb entstehen konnten und muBten, weil das Problem zufallig.
an Typhusbazillen beobachtet wurde. Die gleiche Versuchsanordnung
mit Bakterien, die keine doppelten Rezeptoren besitzen, hatte mit der
allergrbBten Sicherheit, da die Arbeitstechnik sowohl im Institute Fried-
bergers als auch bei Bessau iiber alien Zweifel steht und absolut
richtig ist, vollkommen iibereinstiminende Ergebnisse gezeitigt. Nun
waren die Versuche doch mit Typhusbazillen durchgeftihrt, uberdies zu-
meist mittels Agglutination, bei welcher der Unterschied zwischen den
thermolabilen und thermostabilen (klein- und grobflockigen) Rezeptoren
besonders scharf in Erscheinung tritt. Die diesbezflglichen Arbeiten von
Friedberger und Pinczower, Bessau und Kumagai sind lange
vor dem Kriege entstanden, also noch zur Zeit vor der Entdeckung der
differenten Rezeptorentypen. Die Arbeit Arthur Langes ist aber
1) Im Original nicht geeperrt gedruckt.
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jiingsten Datums und durfte diese Verhaltnisse nicht iibersehen, und
zwar um so weniger, als schon friiher Schiff aus dem gleichen Institute
die minutiosen Differenzen der Doppelrezeptoren genau studiert hat und
geradezu die Forderung aussprach, daB bei derartigen Untersuchungen
in Zukunft niemals dieser Doppelcharakter unberucksichtigt bleiben darf.
Nun liegen aber die Verhaltnisse folgendermaBen: Durch Braun
und Schafer ist klargelegt worden, daB die thermolabilen Rezeptoren
(H-Form) mit den Geifieln in inniger Beziehung stehen. Es ist also
naheliegend, daran zu denken, daB neben der spezifischen Besetzung
der labilen Rezeptoren durch die Agglutinine (Sensibilisierung) auch
jede beliebige Schadigung der GeiBeln einen Verlust
der Bindungsfahigkeit der Bakterien verursachen kann.
Bei dieser Annahme drangt sich sofort der Gedanke auf, daB das mehr-
malige Waschen, welches nachgewiesenermaBen (Eisler und Si 1 ber¬
st e i n) zu einer hochgradigen mechanischen Abtrennung und LosreiBung
der GeiBeln fiihrt, die labilen Rezeptoren deterioriert, und daB schon
dieser Umstand allein die Bindungsfahigkeit der so behandelten Typhus-
bazillen fflr die grobflockigen Agglutinine, die die Hauptmasse der Typhus-
agglutinine ausmachen, vernichtet.
In Beziehung auf die Versuchsanordnung von Arthur Lange muB
man daher annehmen, daB gerade die so zahlreich vorgenommenen
Sensibilisierungen (und die damit verbundenen Waschungen und
Zentrifugierungen), auf die er gegeniiber den Arbeiten anderer Autoren
ein so groBes Gewicht legt, zu einer quantitativ starken LosreiBung
und Schadigung der GeiBeln und daher zu einem Verluste
der Bindungsfahigkeit der Typhusbazillen gefiihrt und zu
dem irrtiimlichen Schlusse verleitet haben, die fehlende Bindung ware
auf die Kochbestandigkeit der gebundenen Agglutinine zuruckzufuhren.
Unsere Versuchsanordnung war also lediglich darauf gerichtet, die
Richtigkeit obiger Erwagungen an einem Beispiel der Typhusgruppe
nachzuweisen.
Vorversuche.
Mit unserem Typhugimmunserum wurde der eigene Typhusstamm,
ferner derselbe Stamm 30 Min. auf 100° erhitzt, endlich ein Gartner-
Stamm agglutiniert (Tab. 1).
Tabelle 1.
Typhusbazillen
Gartner-
Bazillen
Typhusbazillen 30 Min.
auf 100* erhitzt
0,02
ccm
+ + +
4* + +
+ + +
0,01
+ + +
+ + +
+ + +
0,005
+ + +
+ +
+ +
0,001
ft
+ + +
+
+
0,0005
0,0001
ff
+ + +
4-4-4-
±
y>
i r i
0,00005
>»
++
nur feinflockig
0,00001
+
grob- (und fein-)
flockig
Unser Typhusimmunserum agglutiniert also den eigenen Stamm bis
0,00001 ccm, und zwar grob- und kleinflockig, dagegen denselbeu
Stamm, der 30 Min. auf 100° erhitzt wurde, und ebenso den Stamm
Gartner bis 0,0005 ccm nur feinflockig. Es ist daher aus dieser
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Spat, Zur Frage der Koktoatabilitat gebundener ImmunkSrper.
391
Untersuchungsreihe ersichtlich, wofern noch iiberhaupt ein neuer Beweis
notwendig war, dafi, entgegen der Anschauung Langes, die Doppelnatur
der Rezeptoren auch bei der Typhusgruppe ganz eklatant ist.
In einer weiteren Untersuchungsreihe wurden Typhusbazillenemul-
sionen 15 Min., 1 und 2 Std. auf 100° erhitzt und mit den erhitzten
Bakterien Bindungsversuche ausgefiihrt. Es zeigte sich aus alien Ver-
suchen ubereinstimmend, dafi die auf 100° erhitzten Bakterien die Bindungs-
fahigkeit sehr wesentlich eingebiifit haben. Dabei ist darauf hinzuweisen,
was schon Weil und Felix betont haben, dafi ein Vi-stfind. Kochen
nicht immer geniigt, um die Bindungsf&higkeit zu zerstbren, wozu oft
ein 1—2-stund. Erhitzen notwendig ist. Der Mangel der Differenz in
der Bindungsfahigkeit gekochter Typhusbazillen bei Lange (Tab. Ill)
dflrfte sicher darauf zuriickzufiihren sein.
Haupttersuch.
Von je 3 Agarkulturen des Typhusstammes wurden Bazillenemulsionen
hergestellt. Zur Emulsion I wurden 0,2 ccm Typhusimmunserum zu-
gesetzt, 1—lVs Std. bei 37° sensibilisiert und dann zentrifugiert. Diese
Sensibilisierung wurde 4mal vorgenommen. Der Abgufi nach der vierten
Sensibilisierung (Abgufi 1—4) wurde aufgehoben und zur Agglutionation
mit Typhus und Gartner verwendet, um die maximale Beladung der
Bakterien zu demonstrieren. DieEmulsionenll und III wurden
nicht sensibilisiert, aber zu gleicher Zeit mit der Emul¬
sion I nach deren jeder Sensibilisierung gewaschen und zentri¬
fugiert. Sodann wurde Emulsion I und II 1 / i Std. bei 100° in
einem Wasserbade® erhitzt. Nach dem Abzentrifugieren wurden die
Bakteriensatze aller Emulsionen mit je 5 ccm einer Typhusimmunserum-
verdflnnung (1:100) versetzt und l 1 /* Std. bei 37° unter hSufigem Schutteln
sensibilisiert. Nach dem neuerlichen Abzentrifugieren wurden alle Ab-
giisse, sowie der bereits erwahnte Abgufi 1—4 zur Agglutination mit
Typhus und G&rtner-Bazillen verwendet (Tab. 2).
Tabelle 2.
Reihel. Abgufi 1. Bakterien 4mal Reihe 2. AbgufiII. Bakterien nicht
sensibilisiert, 5mal gewaschen und zentri- sensibilisiert, 5mal gewaschen und zentri¬
fugiert, auf 100° erhitzt. fugiert, auf 100® erhitzt.
a) Typhus¬
bazillen
b) Gartner-
Bazillen
a) Typhus¬
bazillen
b) Gartner-
Bazillen
0,01
ccm
+ + +
0,01
ccm
+ + +
+
0,005
fl
+ + +
negativ
0,005
>»
+ + +
negativ
0,001
+ + +
0,001
+ + +
0,0005
+ + +
V
0,0005
11
+ + +
n
0,0001
+ +
0,0001
+ + +
0,00005
+ +
0,00005
+ +
0.00001
V
grob- (und fein-)
flockig
n
kleinflockig
0,00001
+
grob und klein¬
flockig
TT
kleinflockig
Resultat:
Die Reihe 1, Abgufi I besagt: Die mit Agglutininen maximal be-
ladenen, sodann 1 / i Std. auf 100° erhitzten Typhusbazillen sind nach
dieser Erhitzung noch befahigt, aus einer frischen Immunserumverdtinnung
neuerdings Immunstoffe zu entziehen. Dieser Umstand ist jedoch nur
aus der Kolonne b) Gfirtner zu ersehen, in welcher ausschliefilich die
kleinflockigen Agglutinine zur Geltung kommen. In der Kolonne
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392
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
Reihe 3. AbguS III. Bakterien Reihe 4. Abgufi I—4 nach der
nicht zentrifugiert, 5mal gewaschen, nicht vierten Sensibilisierung der Emulsion I.
erhitzt.
a) Typhus-
bazillen
b)Gartner-
Bazilleu
a) Typhus-
bazillen
b) Gartner-
B&zillen
0,01
ccm
+ + +
di
0,01
ccm
+ + +
+ + +
0,005
+ + +
negativ
0,005
+ + +
+ + +
0,001
+ + +
0,001
+ + +
+
0,0005
+ + +
71
0,0005
+ + +
0,0001
11
+ + +
V
0,0001
a
+ + +
negativ
0,00005
+
0,00005
+ + +
0,00001
11
i
grob- (und fein-)
flockig
71
feinflockig
0,00001
ii
+
grob- (und fein-;
flockig
feinflockig
Reihe 5. Natives Serum — Kontrolte.
a) Typhusbazillen
b) Gartner-
Bazillen
0,01
ccm
+ + +
+ + +
0,005
+ + +
+ + +
0,001
+ + +
+
0,0005
+ + +
0,0001
71
+ + +
negativ
0,00005
+ + +
0,00001
71
+
grob- (und fein-)flockig
71
kleinflockig
a) Typhus ist eine Abschwachung des Agglutinationsvermogens fast nicht
zu konstatieren.
Diese Reihe 1 ist der Hauptteil des Versuches. Sie entscheidet die
Frage der Koktostabilit&t gebundener Immunkorper in der Kolonne b)
zugunsten der Annahme von Bessau, Split und Gutfeld, in der
Kolonne a) scheinbar zugunsten der Anschauung von Friedberger
und Pinczower, Kumagai und Arthur Lange. Scheinbar nur,
dies deraonstrieren die Ergebnisse der tibrigen Versuchsreihen. Die im
Vergleiche zur Kontrolle rait dem unbehandelten Serum fast voile Ag-
glutinationskraft des Abgusses I gegenuber Typhusbazillen darf namlich
nicht als Ausdruck der Thermoresistenz der gebundenen Immunkorper
angesehen werden, wonach die maximal beladenen Bakterien nicht mehr
imstande w&ren, weitere Agglutininmengen zu binden, sondern ist auf die
Tatsache zuriickzufiihren, dafi durch das wiederholte Waschen und Zentri-
fugieren die GeiBeln stark geschddigt und in weiterer Konsequenz —
im Sinne der obigen Erwagungen — auch die bindenden Gruppen fur
die grobflockige Agglutination zerstort wurden. Die derart behandelten
Bakterien konnten daher nach Verlust der Hauptmasse der labilen Re-
zeptoren aus der Immunserumverbindung nur die kleinflockenden Ag-
glutinine herausbinden. Deshalb sehen wir in der Kolonne a) fast
ungeschwachte Agglutinationskraft, dagegen eine starke Herabsetzung der-
selben in der Kolonne b), wo nur die kleinflockige Agglutination in Er-
scheinung treten kann.
DaB diese Erklarung richtig ist, zeigt die Reihe 2, wo die Bakterien
nicht beladen waren und trotzdem in der Kolonne a) das Immunserum
unbeeinflufit lassen. Das Unvermogen, aus der Immunseruraverdiinnung
den Immunkorper zu binden, kann in dieser Reihe, da eine Sensibilisierung
nicht vorhergegangen ist, nur auf das viele Waschen und Zentrifugieren
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Spat, Zur Frage der Koktostabilitat gebundener Immunkorper.
393
zurfickgeffihrt werden; dabei ist zu bemerken, daB wir nur 5mal ge-
waschen und zentrifugiert haben, Arthur Lange aber sogar llmal.
Es ist klar, daB dadurch sfimtliche labile Rezeptoren zerstort wurden.
DaB dabei ferner die Erhitzung auf 100° nicht das MaBgebende,
sondern ganz ohne Belang ist, zeigt die Reihe, wo die Emulsionen flber-
haupt nicht erhitzt wurden, und lediglich die mechanische Sch&digung
der GeiBeln und somit der labilen Rezeptoren angenommen werden darf.
Die Ergebnisse dieser Reihe stimraen mit denjenigen der Reihe 1 und 2
prinzipiell vollkommen fiberein.
Die Reihe 4 (AbguB 1—4) demonstriert die maximale Beladung der
Bakterien der Reihe 1 nach der 4. Sensibilisierung.
Zusammenfassung.
Die obigen Versuche erklfiren in der Frage der Thermoresistenz
gebundener Immunkfirper die Ursache der diametral entgegengesetzten
Ergebnisse bei den einzelnen Autoren. Die gebundenen Immun¬
korper sind nichthitzebestfindig. (Bessau,Spat,Gutfeld.)
Die Annahme der Hitzebestandigkeit durch Friedberger und Pin-
czower, Kumagai und neuerdings durch Arthur Lange, die sich
auf die experimentell nachgewiesene Bindungsunfahigkeit sensibilisierter
und erhitzter Bakterien sttitzt, besteht nicht zu Recht, der Verlust des
Bindungsvermogens ist nicht die Folge der Erhitzung.
Bei Bakterien mit einfachen Rezeptoren kommt es
nach entsprechender Behandlung zu keinem Verluste des
Bindungsvermogens, auch nicht beiArthurLange (Tab. VII
seiner Arbeit, O-Form des X-Stammes).
Bei den Typhusbazillen, bei denen, entgegen der Be-
hauptung Langes, der Doppelcharakter der Rezeptoren
schon lange nachgewiesen ist(Weil und Felix), kommt der
Verlust des Bindungsvermogens nur gegenfiber den la¬
bilen (grobflockigen), aber nicht gegen uber den stabilen (fein-
flockigen) Rezeptoren zum Vorschein.
Die entgegengesetzten Befunde und SchluBfolgerun-
gen in dieser Frage sind demnach auf die Nichtberfick-
sichtigung des Doppelcharakters der Rezeptoren zurfick-
zuffihr en.
Literatur.
Bessau , Die gebundenen Antikorper sind nicht hitzebestandig. (Centralbl. f. Bakt.
Abt. I. Orig. Bd. 83.) — Braun u. Schafer, Berlin, klin. Wocnenschr. 1919. Nr. 18.
— Eisler u. Silberstein, Beitrage zur Bakterienagglutination. (Zeitschr. f. Hyg.
Rd. 93. 1921. H. 2 u. 3.) — Friedberger u. Pinczower, Ueber die Thermoresistenz
der an die Antigene gebundenen Antikorper. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 45.)
— Gutfeld, Die Hitzebestandigkeit gebundener Antikorper. Hamolysinstudien I.
(Zeitschr. f. Immunitatsforsch. Orig. Bd. 33. H. 3.) — Kumagai, Zur Frage der Hitze¬
bestandigkeit der gebundenen Antikorper. (Ebenda. Bd. 14.) — Lange, Arthur, Zur
Frage der gebundenen Antikorper. (Ebenda. Bd. 32. H. 5.) — Spat, Zur Frage
der Koktostabilitat gebundener Immunkorper. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86.
H. 3.) — Weil u. Felix, Ueber den Doppeltvpua der Rezeptoren in der Typhus-
I'aratyphusgruppe. (Zeitschr. f. Immunitatsforsch. Orig. Bd. 29. 1920. H. 1/2.)
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394
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
Nachdruck verbo&en.
Die Bakterienagglutination im erkrankten Blute.
[Aus der medizinischen Klinik der Universitat Koln, Augustahospital
(Direktor: Prof. Dr. Kulbs).]
Von Dr. Josef Vorschutz, Assistent der Klinik.
In einer friiheren Arbeit „Untersuchungen iiber Agglutination und Sedimentieruug
von Bakterien“ hatte ich feststellen konnen, dafi Gravidenserum in 46,2 Proz. der
Falle Flexner-, Y-Coli- und Ruhrbazillen agglutinierte in Verdiinnungen mindestens
1:100. Loewenthal und Bertkau, die als erste in Konigsberg und dann auch in
Berlin typische Ruhragglutinationen mit Y T -Bazillen festgestellt hatten, konnten damals
fur Typhus- und Para B-Bazillen keinen positiven Ausfall der Widal-Reaktion erheben.
Loewenthal hat dann spater in seinen Erklarungsversuchen zur angefiihrten Arbeit
festgestellt, daS nicht duren Kalk-Kieselsaure- oder Lipoidstoffwechsel die Agglutination
bedingt ist. In jungter Zeit erschien wiederum eine Arbeit iiber Agglutination des
Bchwangerenserums mit Y-Ruhr-Bazillen von Hausherr, der an 100 Seren typische
Agglutinationen in 37 Proz. der Falle festgestellt hat. Auch hat Hausherr vereinzelt
Agglutinationen mit Shiga-Kruse- und mit Typhusbazillen bekommen in Verdiin-
nungen 1:50, seltener 1:100. Ich hatte in meiner oben erwahnten Arbeit die Ham-
und Bakterienagglutination ate auf denselben physiko-chemischen Momenten beruhend,
niimlich auf der Vermehrung der Globuline im Serum, ate hochstwahrscheinlich hin-
gestellt. Auf der chir. Abteilung des St. Josephs-Hospitals Elberfeld habe ich gernein-
sam mit dem dortigen Loiter (Dr. Job. Vorschutz) an zahlreichem Material die
Identitat der Blut- und Bakterienagglutination festgestellt, die Globuline nach der
Mikrokjeldahlmethode (Bang) bestimmt und gefunden, dafi im erkrankten Blute, haupt-
sachlich bei Osteomyelitiden, Sepsisfallen, Krebskranken und Empyemen der Globulin-
gehalt bis zu 90 Proz. betragen kann (vgl. dazu die Arbeit „Die Bedeutuug der Hain-
und Bakterienagglutinationen im erkrankten Blute 11 ) (Mitteil. aus den Grenzgebieten
der inneren Medizin und Chirurgie 1922). Normal ist del* Albumingehalt im Serum
65 Proz., der Globulingehalt also 35 Proz. Nach unseren Befunden steigen die Glo¬
buline auf Kosten der Albumiue an. Unsere Globulinbestimmungen bezogen sich an-
fangs nur auf Hiimagglutinationen, aber da wir sahen, dafi durch Infektion ver-
andertes Blut eine grofiere Senkungsgeschwiudigkeit besafi ate Gravidenblut, so lag
es nahe, nun mit solchen Seren von hohem Globulingehalt auch die Gruber-
Widal-Reaktion anzusetzen, um zu ersehen, ob nicht durch solehe Seren Typhus-
und Para B-Bazillen agglutiniert wurden. In meiner ersten diesbezuglichen Arbeit
wurden durch Schwangerenserum keine Typhus- und Para B-Bazillen agglutiniert,
hochstens schwach in Verdiinnungen 1:50. Unsere Vermutungen bezuglich des positiven
Ausfalles der Widal-Reaktion im Infektionsblute mit Typhus- und Para B-Bazillen
bestiitigten sich, denn wir konnten an diesen Seren positive Agglutinationen in Ver-
diinnungen bis 1:200 feststellen, sowohl mit Para-B- wie mit Typhusbazillen. Bevor
wir jedesmal eine Widal-Reaktion ansetzten, wurde die Hamagglutination mit dem
betreffenden Blute gepriift, und diese erwies sich ate vollstiindig parallelgehend der
Bakterienagglutination. Da sich unser Bakterieuagglutinationsmaterial aber zu klein
erwies, um es zu veroffentlichen, so habe ich an hiesiger Klinik meine Versuehe fort-
gesetzt und will sie nun insgesamt mit den Befunden aus Elberfeld veroffentlichen.
Bevor ich aber auf meine Versuehe eingehe, will ich aus Arbeiten von Autoren
berichten, die sich mit EiweiBkolloiden, Bakterien- und Blutkorperehenzellen in phy-
sikalisch-chemisehem Sinne beschaftigt. haben. Hober sagt in seinem Buche „Phy-
sikalische Chemie der Zellen und Gewebe“ (Kapitel „Agglutination“), die Agglutinine
gehoren zu den Kolloiden und ihre Fixierung an die Oberflache, beispielsweise von
Bakterien, entspricht quantitativ einem Adsorptionsphanomen. Dabei kommt es wahr-
scheinlich zu einer Art Gerinnung oder sonst einer Befestigung der Zeiloberflache,
welche die Bakterien den Suspensionskolloiden ahulicher macht ate den hydrophilen
Kolloiden. Erfolgt nun dieser Prozefi der Beladung der Bakterien mit dem Agglutinin wie
gewohnlich im Immunserum, so kann man beobachten, wie sich die Bakterien zu Klumpen
zusammenballen, agglutinieren. Bordet fand aber, dafi, wenn die Bakterien in einer
salzfreien Losung mit Agglutinin zusammengebracht werden, die Adsorption zwar auch
stattfindet, dafi (hr aber keine Agglutination nachfolgt; diese tritt erst ein, wenn Salz
zugesetzt wird. Der Vorgang der gewohnlichen Agglutination setzt sich also aus zwei
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Vorschiitz, Die Bakterienagglutination im erkrankten Blute.
395
Phasen zugammen, einer, in der durch die Agglutinationsadsorption die hydrophilkolloiden
Zellen in Suspensionskolloide umgebildet werden, und einer, in der das Suspensions-
kolloid durch die anweeenden Salze ausgeflockt wird. Ein Analogon zur 1. Phase kann
man, wie Porges gezeigt hat, dadurch schaffen, daB man die Bakteriensuspension einfach
erhitzt. Der Flockungsvorgang verlauft nun genau so wie bei der gewohnlichen Fallung
eines Suspensionskolloids, a. h. eine Ionsorte ist vorherrschend wirksam, und zwar sind
es die Kationen, weil die Zellen, wohl der Konstitution ihrer Plasmahaut, aus den
anodischen Kolloiden Lezithin, Choleeterin und Eiweifi entsprechen, selbst anodisch
negativ geladen sind, wie dies fur Blutkorperchen (Hober), Bakterien (Bechhold,
Cernovodeanu und Henri), Spermatozoen (Lillie) gezeigt worden ist. Hober
sagt dann ferner, dafi auch die Zellen wie die Teilchen in einer suspensionskolloiden
Ldsung umgeladen und dafl zweitens auch Zellen nicht blofi, von lonen, sondern auch
von Kolloiden zur Flockung gebracht werden konnen. Die Umladung von Zellen ist
von Hober an Erythrozyten und Hefezellen, an Bakterien von Teague und Buxton
bewieseu worden. Hober fand z. B., daB gewohnlich negativ geladene Blutkorperchen
dnrch kleine Mengen von H Ag -f -f Cu + + oder Fe + + -f kathodisch zu machen sind.
Die Fallbarkeit von Zellsuspensionen durch Zusatze von suspensionskolloiden Losungen
ist namenthch von Landsteiner und Jagic beobachtet worden. So bringen z. B.
die positiven Kolloide von Fe(OH),, Cr(OEf),, Nachtblau die Blutkorperchen zur Se-
dimentierung. Hober hat kiirzlich in einer von mir veroffentlichten Arbeit „Ruhestrom
und Durchlassigkeit 11 (1. Mitteilung) neue Agglutinationsversuche der roten Blutkorper¬
chen mit Farbbasen demonstriert und weist somit nach, dafi die roten Blutkorperchen
durch Rhodamin S, Malachitgriin, Brillantkresylblau und Methylengriin agglutiniert
und sedimentiert werden. Durch diese Versuche wird einerseits die Umladung der
Zellen bewiesen, andererseits die Agglutination als Auflockungsvorgang angesprochen.
Setzt man nun zu einer Losung amphoteren Eiweifies Siiure oder Lauge hinzu, so nimmt
es positive bzw. negative Ladungen auf, die aber sofort unter dem EinfluB von Elektro-
lyten kataphoretiscn ins Gegenteil umschlagen. Die meisten Suspensionen EiweiB,
Lezithin, Kohle, die sonst zur Anode wandern, gehen unter Ansauerung zur Kathode,
und ebenso konnen 3wertige Kationen A1++ und Fe + + + sie leicht positivieren.
Da nun dieGlobulineansichsauerenCharakterhaben,
so ist es verstSndlich, daB durch sie einerseits und die
entgegengesetzt geladenen Zellen andererseits die Ag¬
glutination zustande kommt.
Vorversuche.
Es kam nun fiir raich darauf an, zuniichst einmal die geeigneten
Sera anzusetzen, denn ich wollte nicht Seren zu Bakterienagglunationen
beniitzen, um statistisch daraus nieine Schlflsse zu ziehen, sondern be-
diente mich jedesmal vorher zur Prufung auf Eignung des betreffenden
Serums der HSmagglutination. Zur Hamagglutination nahm ich 1 ccm
Serum -f- 0,3 ccm Blutkorperchen, die Sedimentierrbhrchen waren 5 mm
breit und fafiten etwa 2 ccm Inhalt. Die Fallstrecken der roten Blut¬
korperchen wurden mit Zirkel und MaBstab gemessen. Blute von einer
Senkungsdauer der Blutkbrperchen von iiber 25 Min. hinaus wurden
nicht genommen. Am besten eignen sich Sera von 15—10 Min. Senkungs-
zeit, doch letztere sind selten. Ein Typhusserum, das einen Typhus-
'Vidal von 1:200 positiv aufweist, hamagglutiniert in 17—10 Min. Die
Gruber-Widal-Reaktion wurde in den iiblichen Verdunnungeu 1:50,
1:100, 1:200 angesetzt; als vollstiindig wurde eine Agglutination an-
gesehen, wenn die Agglutination mit Paratyphus-B- oder Typhusbazillen
1:50 positiv ausfiel. Einen Teil meiner Befunde hat mir das bakterio-
logische Universitats-Institut Koln geliefert, dem ich dcrartige Sera zur
Untersuchung schickte; ich selbst habe dann auch dieselben Stiimme von
dort wieder bezogen und habe mit solchen SchrSgagarkulturen, die
hochstens 24 Std. alt waren, Bakterienaufschw'emmungen von 0,85 Proz.
gemacht und mit diesen meine Sera agglutiniert. Meine Befunde sind
iibereinstimmend mit denen des bakteriologischen Institutes. Zur ge-
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origiuale. Bd. 88. Heft 5.
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naueren Feststellung der Agglutination bediente ich mich des Agglutino-
skops von Kuhn-Woithe. Nun hatte ich friiher auch mit Cholera-,
Flexner-, Y-, Gartner-, Breslau-, Shiga- und Co 1 i- Bazillen Agglu-
tinationsversuche angestellt und eine Reihe, entsprechend der negativen
Ladung der Bakterien, aufgestellt. In dieser Arbeit fehlen mir die Cholera-
bazillen, da mir letztere auf Gruud einer ministeriellen Yerfugung an
die Klinik nicht verabfolgt werden durften. Es kamen 52 Sera zur Unter-
suchung, Infektionskrankheiten aller Art, im subakuten und chronischen
Stadium, ebenso auch Krebskrankenblut. Samtliche Sera waren vorher
h&magglutiniert worden, und, entsprechend dem Ausfall der Hamagglu-
tination, erhielt ich W i d a 1 - Reaktionen je nach der Art der Globulin-
konzentrationen einerseits und der Bakterienladung andererseits. Was
die Globulinbestimmung anbetrifft, so mochte ich hinzufiigen, daB ich
nicht die 3 Globulinkorper einzeln bestimmt habe, sonderu immer den
Gesamtglobulingehalt. Ich will nicht s&mtliche 52 Falle demonstrieren.
sondern nur ein Dutzend.
Hamaggl.
Flexner
Y psilon
Coli
1) Lungentub.
24 Min.
1:100
1:100 +
1 : 100 +
2) Magen-Ca.
25 „
1:200 ±
1:200 ±
1 :200 +
3) Lungen-Ca.
20 „
1:200 +
1:200 ±
1 :200 +
4) Typnusabd.
14 „
1:200+ +
1:200+ +
1:200 + + +
5) Lungentub.
16 „
1:200 +
1:200 +
1 :200 +
6) Puerperalsepsis
14 „
1:200 +
1:200 +
1 :200 +
7) Grippe, Pneumonie, Sepsis
15 „
1:200 +
1:200 +
1 :200 +
8) Osteomyelitis, Mischinfekt.
13 „
1 :200+ +
1:200 +
1:200 + +
9) Lungengangriin
17 >.
1 :200 +
1:200 +
1 :200 +
10) Rippencaries
25 „
•
11) Lues + +
20 „
1:200 ±
1:200 ±
.
12) Pleuritisexsudation
12 „
1:100+ +
1:200+ +
1:200+ + +
Zu der Tabelle mochte ich noch hinzufiigen, daB mit den betreffenden
Bakterienst&mmeu, deren Felder bei einzelnen Seren freigelassen wurden.
keine Untersuchungen angestellt worden sind. Mir kam es hauptsachlich
darauf an, eine Typhus- oder Paratyphusagglutination nachzuweisen. da
ich aus deren positivem Ausfall einmal die Globulinkonzentration, dann
aber auch die verschiedene quantitative negative Ladung fur das Zu-
standekommen der Agglutination verantwortlich machen konnte. Wir
sehen nun aus den Ergebnissen der Tabelle, daB es immer auf den Grad
der Globulinmengen zunachst ankommt, entsprechend der Hiimaggluti-
nationszeit, daB aber trotzdem nicht alle Bakterien gleichmiiBig ver-
klumpt werden. Letzterer Umstand liegt, wie bereits hervorgehoben.
an der verschiedenen Ladung der Bakterienstamme. Mit Lanthannitrat,
das infolge seines 3-wertigen Rations sich sehr gut zu Umladungszwecken
eignet, hatte ich friiher meine 10 Bakterienstamme umgeladen und konnte
feststellen, daB am ehesten Cholera, dann Coli-, Flexner-, Y bei
Lanthannitrat noch umgeladen wurden, dann folgten die anderen
ZUUU
Stain me in
m
1000 '
wiihrend die Fleischvergifter sich erst bei
m
200
umladen
lieBen. Die 4 ersten Stamme agglutinierten damals auch das Gravideu-
serum, alle anderen kaum oder gar nicht. Heute, nachdem ich Sera
mit hoherer Globulinkonzentration gefunden habe, als das Schwangeren-
serum aufweist, ist es mir klar, daB die Bakterien, entsprechend ihrer
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Vorschutz, Die Bakterienagglutination im erkrankten Blute.
397
Negativitat, nur umgeladen und agglutiniert werden konnen, und mochte
daher sagen, daB der Para B-Bazillus sich noch eher als der Typhus-
bazillus umladen laBt, dann folgen die Bakterien der Reihe nach Para
Shiga, Gartner, Breslau. Im AnschluB an diese meine letzteren’
Befunde, daB Gartner und Breslau eine so groBe Negativitat besitzen,
hielt es Prof. Bitter (Kiel, Hygien. Institut) damals fur wichtig genug,
in einer Inaugural-Dissertation 50 Stamme von G&rtner und Breslau
und ebenfalls 50 Stamme von Para B-Bazillen durch kiinstliche Lanthan-
agglutination untersuchen zu lassen, da beziiglich des Agglutinations-
titers zwischen Para B- und G&rtner-Bazillus Meinungsverschieden-
heiten herrschten und immer noch herrschen. Die Doktorarbeit ist leider
nicht veroffentlicht worden. Aber ich weiB, daB in einem hohen Prozent-
satz der G&rtner-Bazillus sehr viel schlechter agglutiniert wurde als
der Para B-Bazillus, so daB nun ein neues physikalisch-chemisches Unter-
scheidungsmerkmal zwischen den beiden Bakterienarten resultierte. Ich
hatte von jeder Bakterienart nur 1 Stamm untersucht, war mir aber
Para B
Typhus
Paratyphus
Gartner
Breslau
Shiga
1:50 +
1:50
r
’
•
1:100 +
1:100 ±
.
1:200 +
1:100 +
1:50 +
1:100+ +
1:100 +
1:50 ±
1:200 +
1:100+ +
1:100 +
1:50 +
1:50 +
1:50 +
1:200 +
1 :100 +
1:100 ±
1:50 +
1:50 +
1:50 +
1:200+ +
1:200 ±
1:100 +
1:50 +
1:50 +
1;100 ±
1:200 +
1:200 ±
.
.
1:100 ±
1:50 +
.
•
1:100 ±
1:50 ±
.
.
1:200 +
1:200 ±
1 :100 +
1:50 +
1:59 +
1:100 +
wohlbewuBt, daB verschiedene Stamme ein und derselben Spezies ver-
schieden empfindlich sind, wie das in neuerer Zeit Eisenberg iiber
die entwicklungshemmende Wirkung von Salzen, Sauren und anderen
Chemikalien dargelegt hat. Hausherr hat z. B. mit 3 Y-St&mmen
Schwangerensera agglutiniert und konnte dabei feststellen, daB der eine
von den dreien weit besser agglutiniert. Hausherr hat sogar mit
SJiiga - Bazillen in Verdiinnungen 1:100 noch Agglutination beim
Schwangerenserum bekommen, eine Tatsache, die wiederum daftir spricht,
daB dieser Shiga-K r use-Stamra von dem meinen sehr verschieden ist.
Hausherr hat sowohl nach 2-stund. wie nach 24-stiind. Brutschrank-
zeit Ablesungen gemacht und findet in letzterem Falle viel stfirkere Ag-
glutinationen; das habe ich auch getan, aber solche Resultate kann man
zur Diagnostik einer Spezifitiit wohl nicht verweuden. Ich habe fruher
in meiner Ruhestromarbeit (1. Mitteilung) zur Beurteilung des Ent-
stehens von Ruhestromen durch Einwirkung von Farbbasen auf die
Muskelzelle auch Opalinen mit derartigen Farbstoffen versetzt und konnte
unter dem Mikroskop allmahlich L&hmung, d. h. Stillegung der Be-
wegungen, und dann Agglutination feststellen. In der 2. Mitteilung iiber
Ruhestrom und Durchlassigkeit mit Alkaloidsalzen hatte ich ebenfalls
einen positiven Ruhestrom der Muskelzelle konstatieren konnen, der wohl
im Sinne eines Demarkationsstromes aufzufassen ist. Analog diesen
Agglutinationsversuchen mit Opalinen durch Farbbasen versuchte ich
nun, Bakterien mit einem Alkaloidsalz, dem Chininhydrochloricum, zu
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398
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
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agglutinieren. Das Chinin ist infolge seines hohen Dispersit&tsgrades
sehr stark bakterizid und totet Bakterien und Staphylokokken sehr schnell
ab, letztere sogar noch in einer Verdiinnung 1:80000. Ich nakm
9 Stamme, die rair zur Verfiigung standen, und setzte von einer 1-proz.
Losung lmal 0,2, dann 0,1 can Chininhydrochl. (gelost in NaCl 0,85 Proz.)
zu 0,9 resp. 0,8 ccm Bakterienaufschwemmungen zu und bekam auf
diese Weise starke Agglutinationen mit alien Stammen, in der groBeren
Chininverdiinnung entsprechend schwBchere, bei Para A, Shiga, Gart¬
ner und Breslau traten in diesen schwacheren Verdiinnungen gar keine
Agglutinationen mehr auf. Ich mochte daher die Bakterienreihe noch
einrnal ihrer verschiedenen Agglutinabilit&t und elektrischen Ladung
entsprechend aufstellen: Coli, Flexner, Y, Para B, Typhus, Para A,
Shiga, Gartner, Breslau. Wie bereits hervorgehoben, hangt die
Agglutination einrnal von der Globulinmenge, andermal auch von der
Ladung der Bakterien ab. Die Globulinkonzentration steigert sich aber
bei einer frischen Infektion von Tag zu Tag und liefert erst in sub-
akutem und chronischem Stadium die ausreichenden Globulinmengen
zum positiven Ausfall der Gruber-Widal-Reaktion. Ist die Infektion
noch nicht subakut, oder leicht, so bekommen wir niemals Typhusagglu-
tinationen, wohl aber Agglutinationen mit Y- und Flexu er-Bazillen,
in Verdiinnungen 1 :100 schon sehr leicht auch bei leichten Infektionen.
A us meinem Material, das als geeignet ausgesucht ist infolge der vor-
angegangenen Hamagglutination, ersieht man, daB hier keine Typhus-
infektionen vorher stattgefunden batten. Die Globulinvermehrung be-
ruht jedesmal auf schwerer Infektion oder Krebserkrankung. Fiir die
Richtigkeit dieser Behauptung verweise ich auf Fall 4 der Tabelle. Der
Pat. litt namlich an Abdominaltyphus, zeigte aber 3 Tage nachdem er
bei uns eingeliefert war, einen negativen Widal; 14 Tage sp&ter war
der Widal stark positiv, wie aus der Tabelle hervorgeht. Wie aus
diesem Fall zu ersehen, geht die Globulinbildung ganz allmahlich vor
sich und es werden keineswegs nur Typhusbazillen, sondern auch andere
Bakterien agglutiniert. Derartige Mitagglutinationen von Para B-Bazillen
bei Typhuserkrankungen sind uns ja bereits langst unter dera Namen
von Paragglutinationen bekannt. Die Shiga-Kruse-Ruhr und der
Typhus scheinen wegen ihrer sehr giftigen, endotoxinhaltigen Bakterien
besonders dazu geeignet zu sein, die Albumine in Globulin umzuwandeln.
wie wir in eingangs erwahnter Arbeit durch Messung des Stickst#
gehaltes von Albumin und Globulin feststellen konnten. Wahrend sonst
die Albuminine 65 Proz., die Globuline 35 Proz. betragen im normalen
Serum, erhalt man bei schweren Infektionskrankheiten genau das uin-
gekehrte Bild, oder der Globulingehalt betr> gar bis zu 90 Proz.
Einen Fall von schwerem Abdomininaltyphus mochte ich hier anfiihren;
die Pat. hatte 2mal einen Typhus-W idal: 1:200 stark positiv, ^ Jahr
spater, nachdem die Pat. schon 4 Wochen wieder umherging, nahm ich
eine Nachuntersuchung des Blutes vor. Jetzt war der Typhus-Widal
noch 1:50 schwach positiv, der Para B-Widal 1:100 schwach positiv.
Es liandelt sich aber bei der Pat. um einen echten Abdominaltyphus.
nicht um eine Para B-Infektion, wie man aus dem Ausfall der Widal -
Reaktion entnehmen konnte. Daraus ersieht man einrnal, daB der Para
B-Bazillus leichter agglutiniert wird als der Typhusbazillus, dann aber
auch, daB sich die Globulinmengen allmahlich zuriickbilden, wenn der
Organismus ihrer nicht mehr bedarf. DaB die Agglutination im er-
krankten Blute, sowohl die Ham- wie auch die Bakterienagglutination
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Vorschiitz, Die Bakterienagglutination im erkrankten Blute.
399
durch die Globuline bedingt ist, ergibt sich aus einem einfachen Ver-
suche: Man niramt Blut von einem Pat., stellt einen Teil vielleicht
10 Std. auf Eis, nicht nur in den Eisschrank, den anderen Teil nicht;
das Eisserum ergibt dann keine Agglutination, wahrend das andere, je
nach seinem Globulingehalt, Agglutination ergibt. Hieraus lafit sich er-
sehen, daB 1) in auf Eis gestellten Seren die Globuline ausfallen, 2) aber
auch, daB man kein Serum auf Eis stellen soli, wenn es zur Widal-
Reaktion verwandt werden soli. Es ist ferner eine bekannte Tatsache
gewesen, daB es unspezifische Agglutinationen gibt mit normalen Seris,
d. h. daB normale Sera in schwhcheren Verdiinuungen 1:10 oder 1:20
positive Agglutinationen ergeben konnen. Die Ursache hierfQr liegt
wohl in der starkeren Globulinkonzentration; in Verdiinnungen 1:100
und 1 : 200 reichen natiirlich die Globulinmengen normaler Sera nicht
mehr aus, um die Bakterien zu agglutinieren, zumal da die einzelnen
Arten noch verschieden negativ geladen sind und insofern grofiere Glo¬
bulinmengen zur Verklumpung benbtigen. DaB auch Staphylokokken
agglutiniert werden, dariiber haben v. Fellenberg und Doll Ver-
suche mit Gravidenserum angesetzt und gefunden, daB von 26 Seren
25 in Konzentrationen 1 :200, ja sogar bis 1:2000 agglutiniert werden.
Die genannten Autoren haben dann, ebenso wie ich, mit Coli-Bazillen
Agglutinationen angesetzt und nur 6mal auf 26 Sera Agglutinationen in
Verdiinnungen 1:100 oder holier gefunden. Ich hatte Stamme, die gut
agglutiniert wurden, was aber bei Coli-Bazillen, die sehr variabel sind,
nichts besagt.
Man kbnnte mir nun mit Recht entgegenhalten, die betreffenden Pat.
seien kurz vorher schutzgeimpft, oder eine andere Infektion wirke im
Sinne einer anamnestischen Serumreaktion. Die Pat., deren Blut ich
untersucht habe, hatten nie einen Typhus, oder eine Ruhr- oder gar eine
Fleischvergiftung durchgemacht; sie litten an Infektionen, die mit all-
miihlicher Globulinvermehrung einhergingen, wie man bei mehrmaliger
Agglutinationspriifung deutlich feststellen konnte. DieHamagglutinationen
wurden an einigen Pat. in Intervallen von 8—10 Tagen angesetzt und
es konnte auf diese Weise eine allmahliche Steigerung des Globulin-
gehaltes und somit eine verstarkte Ham- und Bakterienagglutination
festgestellt werden. DaB die H&magglutination durch die Globuline be¬
dingt ist, dafflr sprechen noch Versuche von Schiff und Roser, die
unabhiingig von der Erforschung des Agglutinationsphanomens Serum-
fraktionen an Sauglingen mit dem Refraktometer (Pulferich) vor-
genommen haben. Sie fanden, daB Sauglinge etwa 90 Proz. Albumine
und nur 10 Proz. Globuline aufweisen, wahrend Sauglinge mit kon-
genitaler Lues, Tb., Pneumonie, Furunkulose bis 90 Proz. Globuline auf¬
weisen kbnneu. Sauglinge mit einem derartigen erhohten Globulingehalt
ergeben wiederum starke Hamagglutination, so daB GySrgy aus dieser
Tatsache ein Diagnostikum bei S&uglingen filr kongenitale Lues heraus-
gearbeitet hat. Es ist eine bekannte Tatsache, daB Nabelschnurblut
keine Agglutination ergibt, wahrend Schwangcrenblut gut agglutiniert;
wir finden nun die Erklarung fiir diesen negativen Ausfall beim fotaleu
Blute in dem geringen Globulingehalt. Loeper und Ton net endlich
haben den Globulingehalt bei Krebskranken (Carcinom) festgestellt, und
fanden den Globulingehalt bis zu 75 Proz. erhoht. Da nun CarcinomatOse
ebenfalls gut hamagglutinieren und die Hiimagglutination identisch mit
der Bakterienagglutination ist, so liefern diese Feststellungen wiederum
den Beweis daftir, daB die Bakterienagglutination durch die Globulinver-
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mehrung bedingt ist. Ferner ist an dem Kieler physiologischen Institut von
Hober, F& h r h u s und Linzenmeier stets der Gedanke ausgesprochen
worden, daB es sich bei der Hamagglutination um ein Globulin handele;
Fahraus hat dann auch spater selbst die Globulinvermehrung chemisch
festgestellt. Wenn nun daher krebskranke, tuberkulose, uberhaupt alle
mit Entziindung einhergehenden Seren, haupts&chlich Entztindungen mit
Exsudatbildung, Typhus-, Ruhr- und Fleischvergifter W i d a 1 - Reaktionen
ergeben, so ist es meines Erachtens fur den Kliniker iiberfltissig, Serum
zwecks Typhus- oder Ruhrdiagnose zu W i d a 1 - Reaktionen anzusetzen,
nachdem wir gesehen haben, daB selbst schwangere Frauen schon einen
positiven Ruhr-Widal, hie und da auch eine positive Typhus- bzw.
Paratyphus-Agglutination ergeben konnen, jedoch nur in etwa 46 Proz.
der F&lle. Auffallig ist es, daB diejenigen Frauen, die die Schwanger-
schaft schlecht vertragen, nicht Globulinbildner sind; hieraus lieBe sich
vielleicht der Gedanke folgern, daB Frauen mit hohen Globulinvermeh-
rungen Schwangerschaftsinfektionen, wie vor allem Puerperalsepsis, besser
tiberstehen oder iiberhaupt nur iiberstehen infolge ihres hohen Globulin-
gehaltes. Hiermit ist auch vielleicht in Zusammenhang zu bringen, dafi
frische Typhusf&lle anfangs positiven Blutbazillenbefund ergeben, aber
negative Widal-Reaktion, spater ist es genau umgekehrt. Inwieweit
nun eine spezifische Widal- Reaktion mit den genannten Bakterienarten
in Frage kommt und wie sich spezifische Reaktionen von meinen Ag-
glutinationen, wie ich sie hier dargelegt habe, unterscheiden, vermag
ich nicht zu entscheiden; fur mich steht fest, daB diese Agglutinations-
erscheinungen an die Globuline gebunden sind und daB sie bei ihrem Aus-
fall auch nicht stattfinden. Die Hamagglutination beruht auf denselben
physiko-chemischen Vorgangen wie die besagten Bakterienagglutinationen.
SchlieBlich sei noch darauf hingewiesen, daB Typhuskrankenblut mit posi-
tivem Ausfall der W i d a 1 - Reaktion auch schnelle Sedimentationen der
roten Blutkorperchen ergibt. Fur den Kliniker kommt daher zwecks
Diagnostik bei dunklen Fallen neben den klinischen Symptomen einer
Ruhr oder eines Typhus nur der kulturelle Bakteriennachweis in Frage.
Zusaramenfassung.
1) An 52 Patientenseris, die gut hamagglutinieren, tritt die Typhus-,
Para-B-, Ruhr- und auch Fleischvergifter-W i d a 1 - Reaktion ein. — 2) Die
Breslau- und Gartner-Bazillen tragen die grQBte negative Laduug,
ein neues physiko-chemisches Moment zur Unterscheidung von Para-B¬
und Fleischvergifterbazillen. — 3) Durch Behandlung der Bakterien mit
Chinin. hydrochl. tritt vollstandige Agglutination aller Bakterien ein. —
4) Das Zustandekommen der Agglutination ist abhangig von der Globulin-
konzentration. — 5) Die Hamagglutination ist identisch der Bakterien-
agglutination. — 6) Durch Aufbewahren des Serums auf Eis fallen die
Globuline aus, die Agglutination kommt nicht zustande. — 7) Das typhose
Blut ergibt sowohl Widal-Reaktion als auch rasche Hamagglutination.
— 8) Zur Feststellung eines Typhus oder einer Ruhr kann die Widal-
Reaktion nicbt als sicheres Diagnostikum herangezogen werden, da oben
besagte Krankheiten auch Typhus- oder Ruhr-Widal-Reaktionen er¬
geben. Neben klinischen Symptomen kommt nur der kulturelle Nach-
weis von Bakterien in Frage.
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A del man u, Tuschekult#methode und Teilungsvorgange bei Bakterien. 401
Zum Schlusse spreche ich dem Direktor des hygienischen Institutes,
Herrn Professor Dr. Muller, fiir die Ueberlassung der BakterienstSmme
meinen verbindlichsten Dank aus.
Literatur.
Bechhold, Zeitschr. f. phys. Chem. Bd. 48. 1904. S. 885. — Bordet, Ann.
Instit. Pasteur. T. 13. 1899. p.225. — Cernowodeanu u. Henri, Compt. rend. Soc.
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iiber gesamte Physiol. II. 8. 178. — v. Fellenberg u. Doll, Zeitschr. f. Geburtsh.
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Chemie der Zelle u. Gewebe. — Derselbe, Pfliigers Arch. Bd. 101. 1904. 8. 607;
1904. S. 196. — Derselbe, Hamburg. Tagung der Dtsch. Phys. Ges. 1920; siehe Ber.
iib. d. ges. Physiol. Bd. 2. 8.178. — Landsteineru. Jagic, Wien. klin. Wochenschr.
1904. Nr. 3; ferner Miinchen. med. Wochenschr. 1904. S. 27. — Lillie, Amer. Journ.
of Physiol. Vol. 8. 1903. p. 273. — Linzenmeier, Pfliigers Arch. Bd. 181. 1920. —
Derselbe, Ibid. Bd. 166. 1921. — Derselbe, Biochem. Zeitschr. Bd. 86. 1918. —
Loeper u. Tonnet, La predominance de la globuline dans le s6rum des canc6reux.
(Progr. mdd. T. 47. 1920. p. 397. — Loewenthal u. Bertkau, Centralbl. f. Bakt.
Abt. I. Orig. Bd. 83. 1919. — Loewenthal, Zeitschr. f. Immunitatsforsch. Bd. 30.
1920. — Schiff u. Roser, Monatsschr. f. Kinderheilk. Bd. 19. 1920. 8. 15—20. —
Teagne u. Buxton, Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 57. 1906. 8.76. — Vorschiitz,
Jos., Untersuch. iiber Agglutination u. Sediment, von Bakterien. Pfliigers Arch. Bd. 186.
1921. H. 4—6. — Derselbe, Ruhestrom und Durchlassigkeit. Pfliigers. Arch. Bd. 189.
H. 4—6. — Derselbe, Ruhestrom u. Durchlassigkeit. II. Mitt. — Vorschiitz,
Joh. u. J o 8 ., Die Bedeutung der Ham- und Bakterienagglutination im erkrankten Blut.
(Mitt. a. d. Grenzgeb. d. inn. Med. u. Chir. 1922.)
Naohdruok verboton.
Tuschekulturmethode und Teilungsvorgange bei Bakterien.
[Aus dem Hygienischen Institut der Universitat Kiel (Direktor: Prof.
Dr. K. KiBkalt).]
Von Leonid Adelmann.
Mit 7 Abbildungen ira Text.
Kisskalt gab 1918 eine Tuscheinethode>) an, am Teilungsvorgange
bei Bakterien auf festem Nahrboden gut sichtbar zu machen. Die von
KiBkalt und Ber end an Diphtheroiden 1 2 3 ) erzielten Resultate schienen
geeignet zu sein, diese Methode technisch weiter auszubauen uud sie
zum Studium der Morphologie und Physiologie von Bakterien, insbesondere
von Schraubenbakterien, brauchbar zu machen. Dieser Anregung KiB-
kalts folgend, befaBt sich der I. Teil der Arbeit mit der Technik der
Tuschekulturmethode, der II. Teil mit einigen damit erzielten Rosultaten.
I.
FuBend auf Burris Tuschepunktmethode*), die zur Isolierung von Bakterien aus
finer einzigen Zelle dient, modifizierte KiBkalt diese Methode folgendermalien: Er
1) Fischer, KurzgefaBte Anleitung zu den wichtigeren hygienischen und bakterio-
logischen Untersuchungen. 3. Auflage, bearbeitet von KiBkalt. Berlin 1918.
2) KiBkalt, K., u. Ber end, Untersuchungen iiber die Gruppe der Diphthe¬
roiden (Corynebakterien). Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 81. 8. 444.
3) Burri, K., Das Tuscheverfahren. Jena, G. Fischer, 1909.
Knt* Abt. Orig. B< 1 . 88. Heft 5. 26
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402 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. OrigidMe. Bd. 88. Heft 5..
verstrich moglichst diiun eine Oese voll von Agar, der auf 60° abgekiihlt wurde, auf
einem Deckglaschen. Nach dem Erstarren des Agars wurde ein Tropfen konzentrierter
Tusche, die mil Diphtheriebazillen infiziert war, mit einer schwach gebogenen Platin-
nadel auf der Oberflache des Agars verstrichen. Das so vorbereitete Deckglaschen wurde
unter Vaselineverschlufi auf einem hohlen Objekttrager montiert. War die Agarschicht
diinn ') genug ausgebreitet und die Kultur schnell angelegt. und montiert, so resultierte
ein Bild, das die Diphtheroiden hell auf dunkel getontem Grunde zeigte und ihre Be-
obachtung im heizbaren Mikroskopschrank ohne jede Anstrengung fur das Auge zulieC.
In der Schnelligkeit des Arbeitens liegt aber auch eine gewisse Schwierigkeit der
Methode, weil die diinn verstrichene Agarschicht dazu neigt, schnell auszutrocknen.
Dazu kommt noch eine oft beobachtete, unangenehme Eigenschaft des Agars, welche
ein Ausflocken der Tusche bewirkt, eine Erscheinung, auf die Burri 3 ) bereits hin-
gedeutet hat und die zu beseitigen ich vor Kenntnisnahme der Originalarbeit Burris
lange Zeit vergeblich versuchte.
Auch O. Schubert 3 ) bediente sich der Burrischen Tuschepunktmethode, um
Koloniebildungen von Bakterien zu beobachten. Abweichend von Burri, lafit er
auf einem Objekttrager Agar erstarren, den er mit infizierter Tusche punktweise be-
impft. Die auf Agar abgesetzten Tuschepunkte bedeckt er dabei nicht mit einem Deck¬
glaschen, er beobachtet vielmehr seine Kulturen nur mit einem starken Trockensystem.
Um ein allzu schnelles Eintrocknen der Agarschicht zu vermeiden, ist Schubert ge-
zwungen, nach kurzer Beobachtungszeit den Objekttrager in eine feuchte Kammer zu
verbringen. Es ist mir unverstandlich geblieben, auf welche Weise es Schubert ge-
lungen sein mag, die Tuschescheibchen moglichst homogen auf dem Agar abzusetzen,
um klare Bilder zu erhalten, die nach meinen Erfahrungen nur unter ganz bestimmten,
fur viele Bakterien ungiinstigen Bedingungen erzielt werden konnen. Dariiber weiter
unten. Schubert gibt, um das Eintrocknen der Agarschicht zu vermeiden, eine
2. Methode an. Er lafit in der Delle eines hohlen Objekttragers den Agar erstarren,
dessen Oberflache er mit infizierter Tusche beimpft. Hierauf wird ein Deckglaschen
unter Paraffinverschlufi derart aufgelegt, dafi es wohl einen luftdichten Abscnlufi be¬
wirkt, aber zwischen ihm und dem Nanrboden eine diinne Luftschicht freiliifit, um ein
ungehindertes Wachstum der Kolonien zu gewahrleisten. Ee lassen sich bei dieser An-
ordnung ebenfalls nur Trockensysteme mit grofiem, freiem Objektabstand und wohl kaum
eine Oelimmersion verwenden.
Seine 3. Methode ist identisch mit der von Kifikalt eingangs angegebenen, ohne
dafi iibrigens Schubert dessen Arbeit erwahnt.
Anfangs richtete auch ich mich nach den ublichen Vorschriften Burris
und stellte von dem Ausgangsmaterial 4 ), in welchem ich vorher im Dunkel-
feld Spirochaten (Spir. pseudoicterogenes und plicatilis) be¬
obachtet hatte, geeignete Verdiinnungen in Tusche her und beimpfte
damit eine Nahrgelatineplatte. Da das Material arm an Spirochaten
war und die U n ger m an n sche 5 ) Anreicherungsmethode mir damals aus
Mangel an sterilem Kaninchenserum miBlungen war, sah ich naturgemaB
nur in den allerwenigsten Tuschescheibchen Spirochaten liegen, die sehr
bald von Wasserbakterien iiberwuchert wurden und so der weiteren Be-
obachtung sich entzogen. Eine Vermehrung der Spirochaten konnte ich
nicht feststellen.
Da das Beimpfen der Platte nach Burri immerhin mit einigen Um-
standlichkeiten verkniipft ist und es nicht darauf ankam, Reinkulturen
aus Einzelzellen zu gewinnen, ging ich von der strengen Vorschrift
Burris ab und stellte die Plattentuschekulturen folgenderm Ben her:
Ich verrieb Bakterienmaterial auf einem Deckglaschen mit einem Tropfen
Tusche, die vorher im Verhaltnis 1:4 mit Wasser verdiinnt wurde, und
1) Aus optischen Griinden, weil bei zu dicker Schicht die Bakterien, wegen des
kurzen, freien Objektabstandes der Oelimmersion unsichtbar bleiben.
2) Burri, K., Das Tusche-Verfahren. S. 30.
3) Schubert, Ueber Koloniebildung von Bakterien. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I.
Orig. Bd. 84. 1921. H. 1.)
4) Algenbelag aus einem zementierten, grofien Wasserbassin des Werkes Ravens-
berg in Kiel.
5) Ungermann, E. Mitteil. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamt. 1919.
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Ad el man n, Tuschekulturmethode und Teilungsrorgange bei Bakterien. 403
verstrich diesen Tropfen moglichst gleichmaBig mit einer leicht gebogenen
Platinnadel. Dann setzte ich das Deckglaschen mit einer Kante auf
eine Gelatineplatte auf und lieB es vorsichtig mit der Schichtseite nacli
unten auf die Platte falleu. Wenn sich auch die Tusche nach dieser
Methode nicht auf der ganzen Flache gleichmaBig verteilt, so findet man
doch bei der folgenden mikroskopischen Betrachtung der Kultur geniigend
viele Stellen, an denen die Bakterienzellen klar aus dem Untergrunde
sich herausheben. Nach etwa 4-6 Std. beginnen die Zellen sich zu teilen.
Im weiteren Verlauf muBte ich jedoch feststellen, daB auf Gelatineplatten
die Kolonien sich sehr bald nach wenigen Generationen unterhalb der
Tuscheschicht x ) verbreiteteu und sich immer mehr der Beobachtung ent-
zogen. und daB bewegliche Bakterien auf Gelatine leicht zur Bewegungs-
losigkeit verurteilt wurden.
Dies und die Unmoglichkeit, die Tuschekulturen bei hoheren Tem-
peraturen als 22° zu beobachten, gab AnlaB, von Gelatineplatten abzu-
sehen und Versuche mit Agarplatten anzustellen. Dabei stellten sich
die schon erwahnten Schwierigkeiten ein. Kommt Tusche mit Agar in
Beriihrung, so flockt die Tusche aus. Die Kohlenstoffpartikelchen, die
vorher in ultramikroskopischer Kleinheit in der LOsung verteilt waren,
schlieBen sich meist zu groBeren Verbanden zusammen und bilden grflbere
Korner, die die kleineren Zellformen iiberdecken und einen unruhigen
Untergrund ergeben. Nur auf folgende, wenig befriedigende Weise gelang
es. einigermaBen brauchbare Bilder zu erzielen, indem ich die Tusche-
kultur erst auf einer Gelatineplatte anlegte und nach einigen Sekunden
auf eine Agarplatte flbertrug, oder indem ich die infizierte, diinn aus-
gestrichene Tuscheschicht auf dem Deckglaschen kurz antrocknen lieB
und dann erst auf die Agarplatte auflegte. Auch ein scharfes Trocknen
der Oberflache der Agarplatte im Exsikkator fiihrte mitunter zum Ziel.
Doch werden in alien 3 Fallen die Wachstumsbedingungen fflr empfind-
liche Bakterion bedeutend verschlechtert. Es ist bedauerlich, daB diese
Eigenschaft des Agars seine Verwendung fur die meisten Falle aus-
schlieBt. Versuche, den Prozentgehalt des Agars zu andern, verschiedene
Zusatze, wie Gelatine, Zucker, Gummi, ergaben ein gleiches negatives
Resultat. Es sind jedoch weitere Versuche im Gange, um dieses Problem
zu losen, es werden insbesondere Versuche mit kolloidalen Farbstoffen
an Stelle von Tusche gemacht.
Gelingt es selten einmal, eine gute Stelle zu finden, und beobachtet
man die Entwicklung von Kolonien, so kann man eine gute Eigenschaft
der frischen AgaroberMche feststellen: die Kolonien bleiben langere Zeit
bis zum Rande sichtbar. Sie haben nicht die Tendenz, unterhalb der
Tuscheschicht zu wachsen, die Tusche bleibt auf frisch hergestellten
flatten flflssig und wird von den Bakterien beiseite geschoben. Auch
konnen sich viele bewegliche Bakterien in der fliissig bleibenden Tusche
bewegen.
Ich fand nun im (Menschen-)Serum, welches ich nach Vorschlag von
KiBkalt bei 70° C durchsichtig erstarren lieB, einen sehr geeigneten
Nahrboden fflr die Tuschekulturmethode. Das Serum vereinigt den Vor-
teil der Gelatine hinsichtlich der guten Verteilung der Tusche und den
vorher erwahnten Vorzug des Agars. Je nach der Dauer der Behandlung
des Serums im Thermostaten erreicht man einen trockenen Nahrboden,
auf dem die Bakterien, gut fixiert, schfln klar aus dem Tuscheuntergrunde
1) Siehe auch: Burri, Das Tuacheverfahren.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
hervorleuchten, oder einen feuchten, nicht vollkommen fest erstarrten
Boden, auf dem die Tusche sich allerdings nicht ganz so klar verteilt,
aber dafiir den Bakterien groBere Bewegungsfreiheit und schnelleres Wachs-
tum erlaubt 1 ). Ich bevorzuge meistens eine Serumplatte, die in der
Giite zwischen beiden steht und nach folgendem Verfahren hergestellt
wird:
12—15 ccm Serum werden in eine 10 cm im Durchm. messende
Petri-Schale mit moglichst planem Boden gegossen, damit die Serum-
schicht tiberall gleichmafiig dick wird und die Schalen nicht auf dem
Mikroskoptisch bei der folgenden Beobachtung wackeln. Die Schalen
werden bedeckt in den zunachst noch kalten Thermoschrank gestellt. Der
Dreiflammen-Bunsen-Brenner wird so einreguliert, daB die Temperatur
pro Min. etwa um 1 Grad zunimmt. Nach etwa 50—55 Min. muB die
Temperatur auf 70° gestiegen sein und 1—D/2 Std. lang dabei gehalten
werden. Hohere Temperaturen als 70° bewirken, daB das Serum un-
durchsichtig wird. Die fertige Serumplatte muB moglichst klar sein.
Sie darf in der Durchsicht nur schwach opak sein. Mit einer sterilen
Nadel beruhrt, muB die Oberflache die Elastizitat einer frischen 2-proz.
Agarplatte zeigen. LaBt sich die Nadel wie in eine frisch gegossene
10-proz. Gelatineplatte eindrucken, dann verbringe man die Serumplatte
noch einmal fur V 4 — x / 2 Std. in den Warmeschrank.
Leider sind die Eigenschaften des Serums hinsichtlich der Erstarrungs-
zeit nicht immer einheitlich, so daB eine strengere Vorschrift nicht ge-
geben werden kann. Ziegenserum, das einige Male zur Verfiigung stand,
zeigt meistens eine gute Oberflache nach dem Erstarren, dagegen weist
Rinderserum eine sonderbare grieBliche Oberflache auf, auf der die Tusche
sich schlecht verteilt. Eine unangenehme Eigenschaft des Menschen-
serums muB noch erwahnt werden: Man findet auf der Oberflache haufig
mikroskopisch fein verteilte Fett- oder Schleimtropfchen, die aus der
Tuscheschicht als hellgianzende, runde oder zerkluftete Gebilde hervor-
treten und Anfangern leicht Amoben, Kokken und Stabchen vortauscheu,
doch lernt man sehr bald diese Gebilde von Bakterien zu unterscheiden,
da sie meistens eine leichte graue Tonung und Brownsche Molekular-
bewegung der Tuscheteilchen zeigen. Bei denBeobachtungenmuB
man jedoch immer sich dieMoglichkeit vorAugen halten,
daB diese Gebilde zu versehiedenen Tauschungen AnlaB
geben konnen. Es gelingt, die Fetttropfchen durch 2maliges Abspiilen
mit 2—3 ccm Aether oder Chloroform und nachfolgendes Verdunsten-
lassen wahrend 2 Std. zum groBten Teil von der Platte zu beseitigen,
nur muB man beachten, daB durch dieses Verfahren die Oberflache etwas
trockener wird. Das Menschenserum war wassermann-negatives Serum
aus dem hiesigen Untersuchungsaint. Es war sehr haufig verunreinigt.
Doch spielte diese Veruureinigung fur die Methode meistens eine unter-
geordnete Rolle; sie zeigte sich einmal sogar unentbehrlich, well eine
Mundspirochate auf sterilem Nahrboden sich ohne die Tatigkeit fremder
Bakterien nicht zu entwickeln vermochte.
Zur Anlage von Tuschekulturen benutze ich in der Regel Deck-
giaschen von 18 X 18 mm. Auf ein steriles Deckgiaschen verbringe man
bei richtig abgestimmtem Serum ein Tropfchen 1:1 mit Wassser ver-
diinnter Tusche, bei sehr trockenem Serum 2 Tropfen derselben Ver-
1) Auf feuchten Serumplatten erscheinen die Bakterien erst nach 5—10 Min. klar
aus dem Tuschegrund.
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Adelmann, Tuschekulturmethode und Teilungsvorgange bei Bakterien. 405
diinnung und bei relativ feuchtem Serum 1 Tropfen unverdiinnter Burri-
Tusche. Die Platinose hat einen Durchmesser von 2 mm. Wird Material
festem N&hrboden entnommen, so diirfen nur kleinste Spuren im Tusche-
tropfen verrieben werden. Bei der Entnahme von Bakterienmaterial rnit
einer Platinose aus waBrigen Suspensionen, insbesondere bakterienarmen
Fliissigkeiten, ist es n5tig, mit unverdiinnter Tusche zu arbeiten, da die
Tusche durch den Tropfen verdiinnt wird. In der Durchsicht soli der
Ausstrich eine mittelbraune Tonung haben. Dabei ist zu beachten, dafi
stark salzige, saure Oder stark alkalisch reagierende Fliissigkeiten 1 )
(z. B. Jauche) die Tusche zum Ausflocken bringen, daher geeignete Ver-
diinnungen vorher anstellen oder nur Spuren von der Flussigkeit in die
Tusche verbringen. Die ausgestrichenen DeckgBLschen legt man mit der
notigen Vorsicht auf die Oberflache der Serumplatte und vermeide Luft-
blasen miteinzuschlieBen. Derart hergestellte „Platten-Tuschekulturen u
werden sofort auf ihre Brauchbarkeit mit der Oelimmersion untersucht.
Hat man eine interessante Stelle gefunden, die man langere Zeit zu be-
obachten wiinscht, so bleibt die Schale gleich unter dem Mikroskop. Nur
benutze man die Vorsicht, wenn die Zimmerluft sehr trocken ist, oder
wenn man bei Bruttemperatur arbeitet, neben die Tuschekultur von Zeit zu
Zeit einen Tropfen Wasser zu setzen. Doch vermeide man, daB das
Wasser den Deckglasrand benetze. Ein Streifen von FlieBpapier, das man
auf die Serumplatte.auflegt und mit Wasser benetzt, erflillt den gleichen
Zweck besser. Die angelegten Kulturen sind mehr oder weniger anaerob;
nach den R&ndern zu nimmt der Sauerstoffgehalt zu. Durch die Wahl
der DeckglasgrSBe hat man es in der Hand, die Kultur dem Sauerstoff-
bedurfnis anzupassen. Soil der Sauerstoff noch besser ferngehalten werden,
dann iibergieBe man die ganze Platte mit Paraffinbl, das auch das Deck-
glaschen bedeckt 2 ). (Vorher das Zedernol mit einem Tropfen Xylol und
FlieBpapier entfernen.) An Stelle des Zedernols tritt hier das Paraffin-
ol als Immersionsol, das allerdings die Abbildungsgflte der Optik in
etwas herabsetzt, da die Brechungsindices von _ ^ a . r ^ D ^ . s j c i) ver .
Zedernol
halten wie
1,4805
1,51 1
Die Verschlechterung liiBt sich jedoch noch er-
tragen.
Die infizierte Tusche braucht nicht immer auf dem Deckglascheu
verstrichen zu werden. Man kann ebenso gut eine Oese voll konzentrierter
Tusche auf der Serumplatte absetzen und mit einem kleinen Drigalski-
Spatel, den man sich aus einer Kapillare anfertigt, oder mit der schmalen
geschliffenen Kante eines Objekttragers verstreichen. Oft kann es bei
aeroben Kulturen vorteilhaft sein, auf der Serumplatte nach dem iiblichen
Verfahren mit einer Platinnadel oder einem kleinen Drigalski-Spatel
einen Ausstrich anzulegen, den man erst nach mehreren Stunden mit
einem mit steriler Tusche bestrichenen Deckgliischen bedeckt. Die so
hergestellten Praparate sind meistens ganz besonders klar und deutlich,
weil die Tuscheschicht sehr gleichmSBig verteilt liegt. Das Absetzen
von stark infizierten Tuschepunkten mit einer Zeichenfeder nach dem
Verfahren von Burri hatte eventuell den Vorteil, daB man bestimmte
Stellen markieren und leichter auffinden kann. Haben sich Kolonien von
1) Auch Verunreinigungen (lurch Gelatine- und Agarbestandteile bewirken ein
Augflocken.
1) Dadurch wird auch ein Austrocknen der Schicht vermieden.
2) En/.vklopadie der mikroskop. Technik.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 5.
der gesuchten Bakterienart entwickelt, dann lassen sich Klatschpraparatc
herstellen, sobald man das Deckgl&schen vorsichtig mit einer Pinzette
vom N&hrboden abhebt, mit Formalin oder Osmium rSuchert und trockuen
laBt. Eine nachtragliche Farbung 1 ) mit 1:5 verdiinntem Karbolfuchsin
oder nach Giemsa liefert oft sehr instruktive Bilder. Von sehr feuchtem
Serum miBlingen mitunter DauerprSparate.
Sollten jedocli streng aerobe oder anaerobe Verhaltnisse geschaffen
werden, dann muB man auf die allererste Methode von KiBkalt zu-
rtickgreifen. Gelatine oder Agar erstarren ohne jede Schwierigkeiten
auf dem Deckglaschen, bei Serum gelingt dies nicht ohne weiteres, weil
das Serum bei 70° kugelformig erstarrt und vom Rande aus eintrocknet.
LaBt man das Serum in einer groBen, feuchten Kammer 2 ) erstarren, so
kann dieser Fehler vermieden werden. Wie schon friiher erwahnt,
mflssen aus optischen Grunden Deckglaschen und Nahrboden moglichst
dtinn sein. Beides darf zusammen 0,18 mm nicht iiberschreiten. Man
beobachtet hierbei die Bakterien durch das Deckglaschen und den Nahr¬
boden hindurch. Oft sind nur wenige Stellen brauchbar. Fur Anaerobier
verwendet man an Stelle des gewohnlichen hohlen Objekttragers eine
«- -20
Fig. 1. Fig. 2. Spatel aus Aluminiumblech.
Schultzesche Kammer 3 ), in deren vertiefte Rinne das sauerstoff-
absorbierende Mittel, ein Tropfen konzentrierte PyrogallussSure und ein
Tropfen Kalilauge, gebracht wird. Da der Platz zwischen Deckglas und
Boden bei der Schultzeschen Kammer fiir die folgende Methode zu
knapp bemessen ist, habe ich eine geeignete Kammer 4 ) angefertigt, deren
Einzelheiten aus Fig. 1 zu ersehen sind.
Mit Vorteil habe ich ferner eine Ab&nderung, „die h&ngende Tusche-
kultur“, getroffen, die optisch einwandsfreieres Beobachten und ein ruhiges
Arbeiten gestattet. Fiir diese Methode wird die obige Kammer und ein
diinnwandiges Messingrohr von 10 mm Durchm., z. B. die Schutzlnilse
eines Fieberthermometers oder ein Korkbohrer von gleichem Durch-
messer, benotigt. Ferner stellt man sich einen geeigneten schmalen
Spatel her, z. B. aus 1,5—2 mm dickem Albuminiumblech, das man an
einem Eude platthammert, moglichst diinu zufeilt und ihm eine Form
nach Fig. 2 gibt. Mit dem in der Flamme sterilisierten Rohr sticht
1) Burri, a. a. O. S. 34.
2) Auf Vorschlag von KiBkalt.
3) Kaiser, W., Technik des modernen Mikroskops. Wien 1906. S. 361.
4) Es ist moglich, daB eine iihnliche Kammer von anderer 8eite schon angegeben
worden ist.
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A cl e 1 m a n n, Tuschekulturmethode und Teilungsvorgange bei Bakterien. 407
man aus einer ca. 1—1,5 mm dicken Serumplatte (Gelatine Oder Agar)
ein rundes Scheibchen aus, das man mit dem sterilisierten Spatel heraus-
hebt und vorlaufig, vor Verunreinigung geschiitzt, in der Petri-Schale
zugedeckt liegen laBt. Dann umrandet man die Oeffnung der Rammer
mit einem Vaselinewall und bringt in die Mitte eines groBen Deckglases
von ca. 24 X 24 mm Flache einen Tropfen konzentrierter B urri-Tusche,
in welchem man eine Spur von Bakterienmaterial verreibt und auf eine
Flache von 8 mm Durchm. verstreicbt. Dann holt man den Spatel mit
dem Serumplkttchen hervor, erhitzt eine Nadel und beruhrt damit die
Kante des Scheibchens, welches an der Nadel haften bleibt, zieht sie
mit der Nadel ab, l&Bt sie auf die Tuscheflache fallen und lost schlieBlich
das Scheibchen mit dem Spatel von der Nadel ab. Sollte die Tusche
in der Mitte des Scheibchens zusammenlaufen, dann laBt sie sich durch
leichten Druck mit dem Spatel Oder der Nadel etwas gleichm&Biger ver-
teilen. Das Deckglas mit dem runden Scheibchen nach unten, das durch
Adhasion haften bleibt, wird auf die Rammer gelegt, in deren Rinne
bei Anaerobiern je 1 Tropfen Pyrogalluslosung und Ralilauge neben-
einander gesetzt werden. Liegt das Deckglas gut abgedichtet auf der
Kammer, dann neigt man letztere vorsichtig, bis die beiden Tropfen
zusammenlaufen*). Fig. 3 zeigt einen
Schnitt durch eine hangende Tusche-
kultur.
Bei dem geringen Luftvolumen der
Kammer (etwa 0,6—0,8 ccm) und der
geringen Dicke des Scheibchens wird der
Sauerstoff schnell absorbiert. Anderseits
ist zu erwarten, daB luftliebende Bak¬
terien durch die Serumschicht hindurch
geniigend Sauerstoff erhalten, wenn man
die Sauerstoff absorbierende Mischung
weglaBt. Wird die Rammer bei hoheren
Temperaturen gehalten, z. B. in dem
heizbaren Mikroskopschrank, dann emp-
fiehlt es sich, die Rknder des Deckglaschens mit Paraffin (Schmelzpuukt
60—70°) oder mit Deckglaskitt nach Rronig 1 2 ) zu uinranden, urn zu
verhindern, daB bei groBen Temperaturschwankungen Luft durch den
iiussig gewordenen VaselineverschluB in die Rammer ein- oder austritt.
Bei der hSngenden Tuschekultur erfolgt die Beobachtung mit der
Oelimmersion nur durch das Deckglas hindurch. Die Bakterien liegen
in der Tuscheschicht zwischen Deckglas und Nahrboden; man hat also
ein ebenso gutes optisches Bild wie bei der Plattentuschekultur, auBer-
dem ist diese Methode sparsam im Gebrauch.
Fflr das Arbeiten mit Tuschekulturen mogen noch einige Hinweise
gegeben werden, die der Erfahrung entspringen und unnotigen Zeitauf-
wand und Miihe ersparen sollen:
1) Man untersuche auch die Nachbarschaft des Deckglslschens, in-
dem man ein mit Tusche bestrichenes kleines Deckglaschen neben das
erste legt. Aerobe Spirillen, Vibrionen und Spirochiiten verlassen mit-
unter die Tuschekultur und verbreiten sich, makroskopisch oft unsichtbar,
mit grofier Geschwindigkeit in deren Nachbarschaft. Auf diese Weise
1) Kolle u. Wassermann, Anaerobe Kultnren. Bd. 1.
2) Enzyklopadie d. mikrosk. Technik. 1910. S. 205.
Fig. 3. Hangende Tuschekultur.
a — Objekttrager (Messing), b =
PyTogallussaure und Kalilauge, rf =
rundes Deckglaschen, 15 mm, D =
Deckglaschen 24 X 24 mm, V —
Vaselineverschlufi, t = Tusche¬
schicht, s = Seru mscheibchen.
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Centralbl. f. Bafet. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
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gelangen mir Klatschprhparate einer Mundspirochate (Spiroch. recta)
fast rein, ferner die Reinkultur eines neuen Spirillum kiliense aus
Abwasserschlamm, beides auf Serumplatten. — 2) Sollte die Tusche-
schicht einmal zu diinn geraten sein, oder aerobe Bakterien Neigung
zeigen, infolge von O-Mangel zu erstarren, dann verstreicht man auf
einer neuen Stelle der Serumplatte einen Tropfen konzentrierte Tusche
mit einem kleinen Drigalski-Spatel und iibertr> darauf schnell das
alte Deckglaschen. — 3) Klatschpraparate miBlingen mitunter auf Serum-
boden bei vorausgegangenem kr&ftigen Wachstum oder bei verfliissigenden
Bakterien, zum mindesten bekommt man nicht die charakteristische
Kulturform auf das Deckglaschen, weil die Bakterien beim Abheben des
Deckglaschens leicht disloziert werden. Man versuche, ein 2. und 3.
Klatschpriparat von derselben Stelle anzufertigen. — 4) Nach der Be-
obachtung mit einer Oelimmersion empfiehlt es sich, sofort auf das
Deckglaschen einen Tropfen Xylol zu geben und diesen Tropfen mit diinnem
Filtrierpapier aufzusaugen. BelaBt man das Zedernol auf dem GlGschen,
dann bildet das verdunstende Wasser aus dem N&hrboden eine zahe
Emulsion mit dem Zedernol, das sich mit Xylol viel schwieriger be-
seitigen l&Bt. — 5) Zwecks spaterer Beobachtung stelle man die Serum¬
platte mit dem Deckel nach unten weg. Bei hoher Zimmertemp. und
bei 37° im Thermostaten ist es vorteilhaft, in dem Deckel ein Stuck
angefeuchtetes Filtrierpapier unterzubringen, das man von Zeit zu Zeit
wieder frisch anfeuchtet. Auch stelle man ein otfenes Schalchen mit
Wasser in den Thermostaten. Bei langer andauernden Pausen durfte
ein VerschluB mit Plastilin zu empfehlen sein. — 6) Man hiite sich, das
Deckglaschen, insbesondere auf Gelatineplatten, zu verschieben, weil das
Bild darunter leidet. — 7) Man wahle Deckglaschen, die nicht dicker
sind als 0,17 mm. Bei dickeren Glasern ist das Pr¶t leicht ge-
fahrdet. — 8) HSngende Tuschekulturen miBlingen oft bei Bakterien,
die das Serum verflussigen; der N3.hrboden fiillt ab. Auch bei feuchtem
Serum im Thermoschrank geschieht es mitunter, daB die Tuscheschicht
durch Kondenswasser verdtinnt wird und an den Rand abflieBt. Hier-
durch wird der Kontrast des Bildes verschlechtert. Trockener Serumboden
zeigt diesen Fehler nicht in dem MaBe. — 9) Das Abimpfen einer Roh-
kultur erfolgt auf folgende Weise: Man hebt das Deckglaschen von der
Platte ab und fugt je 1 Tropfen sterilen Wassers oder physiol. NaCl-
Losung schnell erst auf die Tuscheseite des Deckglaschens und dann
auf die vorher bedeckt gewesene Stelle der Platte. Von beiden Stellen
impft man ab, da die gesuchten Kulturen bei Serum mitunter nicht
am Deckglaschen haften bleiben und man nicht weiB, wo die gesuchten
Bakterien sich befinden. — 10) Mitunter gerat das Serum in der Durch-
sicht nicht nach Wunsch, dann geniigt oft nicht das Tageslicht fur die
Beobachtung der Kulturen. Man inuB dann zu kunstlichem Licht greifen.
Eine mattierte 70 Watt Spiraldrahtlampe hat mir gute Dienste geleistet.
— 11) Da die Abbildung der Lichtquelle bei hochwertigen Kondensoren,
z. B. bei dem aplauat. achromatischen Kondensor von Leitz, 1,2 mm
iiber der Oberflache des Objekttisches erfolgt, die Nahrbodenoberflache
aber etwa 4—5 mm uber der Tischkante sich befindet, so wird der di-
vergente Lichtkegel oft nicht genugend das Objekt beleuchten, deswegen
ist zu empfehlen, statt mit dem planen mit dem hohlen Spiegel zu
arbeiten, der etwas mehr Licht liefert. Kondensoren mit langer Brenn-
weite geben viel mehr Licht her.
Die Vorteile, die die Tuschekulturen bieten, sind folgende:
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Ad elm an n, Tuschekulturmethode und Teilungsvorgange bei Bakterien. 409
1) Die Beobachtung erfolgt ohne jede Anstrenguug fur das Auge
selbst bei st&rkster VergrbBerung mit der Oelimmersion, kr&ftiges Licht
vorausgesetzt. Die bisher viel gebrauchte Methode der Beobachtung im
b&ngenden Tropfen bei zugezogener Blende ist ffir die Dauer sehr er-
mfldend. — 2) Die Bakterien konnen unter aeroben und anaeroben Ver-
haltnissen auf festem Nahrboden beobachtet werden. Erstarrtes Serum
kommt als ganz besonders geeigneter Boden fur eine grofie Anzahl von
Bakterien in Betracht, deren Bewegungsmodus mit in den Kreis der
Beobachtung eingeschlossen werden soil. — 3) Auf Serumboden wird
die Beweglichkeit der Bakterien nicht in dem MaBe herabgesetzt, wie
bei Gelatine. Die optische Abbildung ist einwandsfrei, weil die Bakterien
nur durch das Deckgl&schen betrachtet werden. Die Bakterien liegen
praktisch immer in derselben Ebene. Man braucht nicht zu befflrchten,
daB sie, wie im hSngenden Tropfen Oder bei einem Dunkelfeldprdparat,
im ungeeigneten Moment untertauchen und sich so der Beobachtung
entziehen. — 4) Man kann die Entwicklungsstadien viele Stunden bis
tagelang verfolgen und die Vorgange mit dem Zeichenapparat nach-
zeichnen oder auf photographischem Wege festhalten, wobei sehr kon-
trastreiche Bilder hergestellt werden konnen. — 5) Nach dieser Methode
lassen sich leicht Fruhdiagnosen feststellen, ob ein Bakterium auf dem
gew&hlten Nahrboden sich zu entwickeln vermag. Mitunter kann das
wertvoll werden beim Studium mit Spirochaten, die haufig lange Ent-
wicklungszeiten haben. Insbesondere kann die Methode die Entscheidung
beschleunigen, ob bestimmte Zusatze zum Nahrboden fflr das Wachstum
der betreffenden Bakterien geeignet sind.
II.
Im folgenden sollen einige Resultate mitgeteilt werden, die nach
der Tuschekulturmethode erhalten wurden. Sie machen keinen Anspruch
auf Vollstandigkeit, weil es in der Hauptsache darauf ankam, die Brauch-
barkeit der Methode an einer Anzahl Bakterien auszuprobieren.
1) Der Hirnwindungsbazillus. Das Wachstum des Hirn-
windungsbazillus wurde aus einer Zelle auf Agar bei Bruttemperatur
verfolgt. (Es gelang, eine brauchbare Stelle in der Tuscheschicht auf
Agar zu finden.) Alle 5—10 Min. erfolgten Liingenmessungen. Der
Bazillus zeigt ein bipolares Spitzenwachstum. Das Auftreten von Scheide-
wSnden in der wachsenden Zelle l&Bt sich deutlich erkennen. Die Scheide-
wand tritt nicht immer in der Mitte der Mutterzelle auf 1 2 ). Trfigt man
die Gesamtlange des Fadens in Abhdngigkeit von der Wachstumszeit
in ein Koordinatensystem ab, so kann man die interessante Tatsache fest¬
stellen, daB kurz nach dem Entstehen einer Scheidewand ein be-
schleunigtes Wachstum auftritt. Bemerkenswert ist auch die Bildung
von parallel laufenden Scheinfiden. Ein Faden wdchst mit einer ge-
wissen Geschwindigkeit, bis das eine Ende auf ein Ilindernis stbBt. Es
tritt an einer Stelle des Fadens eine Stauchung*) auf, und es folgt ein
Zerbrechen an dieser Stelle; die beiden Teilstiicke schieben sich anein-
ander vorbei und wachsen jedes fur sich dicht nebeneinander weiter,
bis eine erneute Stauchung und Zerbrechen eintritt. Je nach den Wider-
1) Benecke, W., Bnu und Ijeben an Bakterien. Leipzig u. Berlin, Teubner,
1912. S. 157. B. bezeichnet eine ahnliche Erscheinung, die von S wellengrebel bei
It a c. maximus buccal is (Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 16. 1906. S. 614) bc-
obachtet wurde, als terminales Wachstum.
2) Siehe auch 0. Schubert, a. a. O.
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410 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
stSnden tritt eine mehr minder starke Biegung der Scheinfaden ein. die
sich zu regelmhBig angeordneten Windungen lagern und schlieBlich ein
Bild ergeben, das zum Namen Hirnwindungsbazillus fiihrte.
2) Proteus vulgaris. Die von Schubert 1 2 ) initgeteilten Er-
gebnisse iiber Proteus X19 kann ich auch fur Proteus vulgaris
bestdtigen, der ebenfalls Spiralen und kurze Scheinfaden (Ketten) bildet.
(Tuschekultur auf Serumplatte.)
3) Corynebacterium diphtheriae. Die von KiBkalt und
Berend beobachtete Knickstellung bei Di.-Bazillen nach erfolgter Teilung
wurde an den Randpartien von Di.-Kolonien beobachtet. Die Di-Bazillen
wurden auf Agar ausgestrichen, bei 37 0 Temp, bebriitet und erst nack
ca. 24 Std. mit einem mit Tusche versehenen Deckgiaschen bedeckt und
im heizbaren Mikroskopschrank beobachtet.
4) Knickstellung bei einem Wasserbakterium. Tusche¬
kultur auf Serumboden aus faulendem SiiBwasser angelegt.
Ein mir unbekannter Bazillus von 3—4 /x Lange mit etwas ver-
jiingten Enden, gewohnlich als Doppelzelle auftretend, zeigte einen ahn-
lichen Teilungsvorgang, wie die Di-Bazillen. Bei einer Zelle, Fig. 4,
konnte ich die merkwiirdige Beobachtung machen, daB zunachst, nach
erfolgter Streckung, das Stabchen einknickte und fast zu einem rechten
Winkel sich bog. Offenbar miBlang aber eine Trennung der beiden
Tochterzellen, denn die Schenkel des Winkels fingen an, sich wieder
auszustrecken und nach der anderen
Seite sich durchzubiegen. Nach
kurzer Zeit brach das Stabchen ent-
zwei, worauf erst die eine, dann die
andere Tochterzelle fortschwamm.
Man kdnnte, wenn aus einigen weni-
gen Beobachtungen Schliisse gezogen werden diirfen, daraus entnehmen,
daB die Knickstellung eingenommen wird, um die Trennung der Tochter¬
zellen durch eine Hebelwirkung zu befordern. H&ufig sieht man auch
Spirillen z ) Knickstellungen wahrend des Teilungsvorganges einnehmen.
5) Spirochaeta recta Gerber (buccalis?). Eine Tusche¬
kultur, aus dem Eiter einer leichten Alveolarpyorrhoe stammend, wurde
auf einer, durch Bakterien verunreinigten Serumplatte angelegt. Sie
zeigte nach etwa 24 Std. eine typische flexible Spirochate in lebhaftester
Entwicklung. Zwischen den Kolonien verschiedener Eitererreger be-
wegten sich die Spirochaten in flottestem Tempo schlangenartig vor und
zurfick. Sie hatten mit der steifen, gedrechselten Schraubenbewegung
der Spir. dentium nichts gemein, lieBen aber auch die typische form-
veranderliche 3 ) und schraubende Bewegung der Spir. buccalis ver-
missen. Spirillum sputigenum, das wesentlich dicker ist, kam
nicht in Frage.
Die sehr unregelmaBigen, teils flachen, teils zerknitterten Windungen
treten nur im Leben auf. Im Klatschpraparat sieht man bei vereinzelt
liegenden Zellen wenig davon; hier treten nur gestreckte Oder schwach
gebogene und gekrummte Formen auf. Liegen die Zellen dicht neben-
einander, dann sieht man starke. Verschlingungen (Fig. 5). Bei der
auBerordentlichen Beweglichkeit der Recta kann man von einer Kolonie-
1) Schubert, O., a. a. O.
2) Benecke, Bau und Leben der Bakterien. Leipzig u. Berlin (Teubner) 1912.
S. 158.
-3) Aliihlens, P., u. Hartmann, Zeitschr. f. Hyg. 1906. S. 94.
IK(I>»
Fig. 4. Knickstellung wahrend der
Teilung bei einem Wasserbazillus.
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Ad el m an n, TuBchekuIturmethode und Teiluugsvorgange bei Bakterien. 411
und Randbildung der Kolonie unter dera Deckglas selbst schlecht sprechen.
Hochstens in der Umgebung des Deckglaschens, wo bei einigermaBen
feuchtera Zustande des Nahrbodens die Spirochaten sich ausbreiten, kann
man mit der Lupe bei streifender Beleuchtung ein auBerst zartes, am
Rande zerkliiftetes Hautchen sehen, das die Spirochaten fast in Rein-
kultur enthait. Nach etwa 2 Tagen bedeckte die Kolonie eine Oberflache
von 3X3 qcm. An den Randpartien konnte man Einrollungen be-
obachten. Der Nachweis der Ausbreitung gelang durch Zufall, als in
der Nachbarschaft eine neue Tuschekultur angelegt wurde.
Der Nahrboden war durch die Verunreinigung von Begleitbakterien
leicht peptonisiert. Aus dem Auftreten der Recta auBerhalb des Deck¬
glaschens kann geschlossen werden, daB sie aerob wachst. Leider miB-
lang ein Ueberimpfen von reinem Material auf steriles Serum. Die
Kulturen gingen nicht an. Nur 3mal noch gelang es kurze Zeit nach-
her, im Februar 1920, die Recta
frisch zu kultivieren, einmal davon
auf sterilem Rinderserum, wobei
aber Begleitbakterien mit iiberge-
impft wurden, seitdem nicht wieder.
Die Kulturen gingen bei Bruttem-
peratur und bei Zimmertemperatur
an. Es wurde versucht, aus dem
ersten Nahrboden ein spezifisches
Begleitbakterium zu isolieren, in
dessen Gesellschaft ich hoffte, die
Recta wieder zum Angehen zu
bringen, aber auch diese Versuche
und andere mit verschiedenen Zu-
satzen*) zum Serum, wie Sublimat,
Natriurasulfid, Zitronensaure; 1 2 ), Pep-
ton, Pepsin und a. m., schlugen
fehl. Dies ist auch die Ursache,
daB das Studium der Recta nur
sehr lflckenhaft sein konnte. Doch
gelang es, verschiedene Dauerpra-
parate anzufertigen. TDie Lange be-
tragt in lebhaft sich teilenden Kulturen ca. 10—20 (U, nach einem Klatsch-
praparat gemessen meistens 10 u, seltener 5 und 15 /ti . Offenbar wird
durch das Abheben des Deckglaschens der lockere Zusammenhalt bei
den vorher beobachteten langeren Zellen (bis 20 //) oft zerstort, eine
Erscheinung, die icfr auch oft bei Spirillenkulturen beobachten konnte.
Die Dicke betragt bei nach G i e m s a 3 ) gefarbten Praparaten ca. 0,25 n,
bei Zi ehl- Fuchsinpraparaten ca. 0,25—0,3 // und bei in Tusche gelagerten
Zellen ca. 0,4 /i. Der Bau der Spirochate entspricht am ehesten der
Spirochaeta recta Gerber 4 ), der eine Lange von 7— 10 n und
Fig. 5. Spirochaeta recta.
Klatschpraparat von einer Plattentusche-
kultur mit Fuchsin nachgefarbt. Apochr.
2 mm num. Ap. 1,3 und Komp. Ok. 6 von
E. Leitz lOCXj/l.
■
1) Auf Anregung von KiBkalt. .
2) ZitronenBaure scheint die Beweglichkeit der Mundbakterien langere Zeit auf-
recht zu erhalten, ohne sie jedoch zur Teilung zu veranlaasen.
3) GiemsaB Azurgemisch fiir Spirochaten (in Kapseln) von Dr. Hoi born,
Leipzig.
4) Gande, Die Spirochfiten der Mundhdhle, 1919. — Gerber, Centralbl. f. Bakt.
Bd. 56. 1900. H. 5 u. 6. — Nach einer ZusammenBtellung aus E. Beyer, Die Spiro-
chatoeen der Mundhdhle. [DisBert.] Kiel.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
eine Dicke von 0,33 /.i angibt und die flache Wellung, gestreckte Form,
seitliche Kriimmungen und Windungen hervorhebt.
Die Recta l&Bt sich nach Giemsa-Romanowsky farben, wobei
man vorteilhaft nach dem Vorgang von Marg. Zuelzer 1 ) 5 Tropfen
1-proz. Kaliumkarbonatlosung auf 25 ccm der verdunnten Giemsa-
Losung (15 Tropfen Giemsa auf 25 ccm dest. Wasser) zusetzt. Dauer
12—24 Std. event, im Thermostaten. Nicht ganz so distinkt, aber schneller
und intensiver, wirkt frische, 1:10 verdiinnte Karbol-Fuchsinfarbung,
die man kalt etwa 15 Min., oder schwach angewSrmt etwa 5 Min. auf
dem Deckglaschen beliiBt. Vor der Fiirbung werden die Deckglaschen
schnell Formalin- oder Osmiumdampfen ausgesetzt und nach dem Trocknen
event, lmal durch die Flamme gezogen.
Im Giemsa- Praparat sieht man 3—8 schwach rot gef&rbte Kornchen
im schwach rotviolett gef&rbten Protoplasten liegen. Die in Tusche ge-
lagerten, nach Giemsa oder Ziehl-Fuchsin 2 ) gefarbten Zellen zeigen
einen gefSrbten Protoplasten in einer ungefarbten Hiille (Periplast) liegen.
Daher ist auch die Differenz in den Dickenmessungen erklarlich. Der
Periplast scheint klebriger Natur zu sein. Das ging aus der Beobachtung
von lebenden Kulturen hervor, in der man sehr oft sehen konnte, dab
2 sich begegnende Spirochaten nur in der L&ngsrichtung voneinander
loskommen konnten, eine Erscheinung, wie bei zwei feuchten Glasplatten,
die nur in Richtung ihrer Ebene voneinander getrennt werden konnen.
Das grolite Interesse muBte der Teilungsvorgang erwecken. Trotz
lebhaftester Bewegung der Spirochaten konnte etwa 12—15mal einwands-
frei beobachtet werden, daB die Spirochaeta recta sich nur quer
teilt, und zwar wiihrend der Bewegung. Beobachtet man eine etwa
20 n lange Zelle, wobei man vorteilhaft sich eines im Objekttisch ein-
gebauten Kreuztisches bedient, so sieht man sie plotzlich wahrend der
Bewegung auseinanderreifien, worauf jeder einzelne Teil sich in ent-
gegengesetzter Richtung weiterbewegt. Die Spirochaeta recta bietet
also ein neues Argument gegen die L&ngsteilung bei Spirochaten, die
von manchen Forschern vertreten wird. Ich habe vergeblich bei mog-
lichst dicken Zellen nach einer Langsteilung gesucht 3 ). Auch die von
Schaudinn, Hoffmann, v. Prowazek, Hartmann u. a. bei Buc¬
cal is als undulierende Membran gedeuteten und als Beweis fur die
Protozoennatur der Spirochaten gehaltenen Periplastanhiinge sowie GeiBel-
tatigkeit habe ich bei Recta ebensowenig erkennen konnen wie eine
Langsteilung.
Es fehlen die von M. Zuelzer 4 ) aufgestellten Merkmale fur das
Genus der echten Spirochaeta (Ehrenberg), die nach ihr, auBer der
Querteilung und Volutinkornern einen Achsenfaden und einen schraubigen
Protoplasten besitzen miifite, Eigenschaften, die sie bei mehreren Species
der Spir. p 1 icati 1 is, ferner bei Spir. icterogenes 5 ), pseudo-
icterogenes 6 ) und recurrentis festgestellt hat. Trotzdem soil, so-
jange die unter dem Namen Spirochaeta laufenden verschiedeuen
1) Zuelzer, Marg., Beitrage zur Kenntnis der Morphologie und Entwicklung
der Weilschen Spirochaeta. (Arb. a. d. K. Gesundheitsamt. Bd. 51. 1918. H. 1.
2) Nach der Bitterachen Kapseldaratellung. Siehe auch Gins, Kolle u.
Wassermann. Bd. 1. S. 346.
3j Wie v. Prowazek, Siebert, Schaudinn u. andere.
4) Zuelzer, Ueber Biologie und Morphologie der SiiBwasserspirochaten. (V r erhandl.
d. VIII. intern. Kongr. Graz 1910. S. 436.)
5) Zuelzer, M., siehe fruher.
6) Uhlenhuth u. M. Zuelzer, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 85. H. 6/7
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Adelmann, Tuschekulturmethode and Teilungsvorgange bei Bakterien. 413
flexiblen, sctiraubigen, aalartigen unci peitschenformigen Organismen all-
gemein nicht naher voneinander unterschieden werden, die Recta als
Spirochaeta bezeichnet bleiben. Dies gilt auch fur die unter 6 be-
obachtete Spirochaeta agilis.
Die bisherigen Befunde, insbesondere die Querteilung, sprechen sehr
fiir die pflanzliche, bakterielle Natur der Recta.
6) Spirochaeta agilis. Ausgangsmaterial: Grundschlamrn von
der Iltisbriicke an der Kieler Forde. Schwacher Geruch von Schwefel-
wasserstoff.
Auf einer Serumplatte, der aus anderen Grunden 0,1 Proz. Natriura-
sulfid zugesetzt war, entwickelte sich eine Spirochate von dem Typus
der Spirochaeta recta, der sie in ihrer Bewegungsart durchaus
Shnelte, nur waren ihre Bewegungen viel behender. Sie unterscheidet
sich von jener dadurch, daB die Teilung in der Ruhelage stattfindet,
bei der Recta dagegen wahrend der B ewe gun g. Auch hier konnten
typische Schraubengange nicht beobachtet werden. Nur schwer last sich
das muntere Treiben der Spirochaeta agilis schildern. Mit fabel-
hafter Behendigkeit bewegen sich die Zellen schlangenartig, bald vor-
wartsschiefiend, bald ruckwartseilend. Mit groBer Geschicklichkeit wird
hier ein Hindernis, eine Bakterienzelle Oder ein Detrituskorn umgangen,
dort stoBt eine Spirochate auf eine Genossin, mit der sie Seite an Seite
eilenden Laufs eine kurze Strecke zuriicklegt, um bald durch ein Hin¬
dernis voneinander getrennt zu werden. Oft wird der Eindruck erweckt,
als ob sie sich der Lange nach teilt, doch ist das ein Irrtum. Denn
verfolgt man eine Spirochate langere Zeit, dann kann man sehen, wie
ihr Lauf allmahlich langsamer wird; sie pendelt um einige Teiliangen
hin und her, ermattet ganz, der Teilungsakt beginnt. Die Zelle ist zu
klein, um die Vorgange der Teilung in den Einzelstadien genau ver-
folgen zu konnen. Nach einer kurzen Spanne Zeit, etwa 5 Min., sieht
man in der Mitte eine Furche sich ausbilden, die immer deutlicher wird.
Ein schwacher Knick entsteht an der Teilstelle. Auffallend ist es, daB
die eine Haifte schwach gekrummt, die andere gestreckt ist. Nach
weiteren 4 Min. ist die Teilung vollendet. In Abstanden von ca. 3 Min.
bewegt sich zuerst die gestreckte und dann der schwach gekriimmte
Teil; also auch Spirochaeta agilis teilt sich quer. Die Lange
betragt durchschnittlich nach der Teilung 6—9 /t, vor der Teilung wurden
Langen zwischen 15 n und 20 /.i gemessen. Da die Begleitbakterieu den
Kulturboden bereits stark abgebaut hatten, mifilang es leider, von dieser
Spirochate ein Klatschpraparat herzustellen; ebenso miBlang ein Ueber-
impfen. Seitdem wurde sie nur lmal noch beobachtet. Zum Unter-
schied von Spirochaeta recta soli diese Spirochate als Spirochaeta
agilis wegen ihrer groBen Beweglichkeit bezeichnet werden.
7) Bacillus maximus fusiformis. Die in der menschlicheu
Mundhbhle vorkommenden, 3—4 fusiformen Bazillen werden von Plaut 1 )
eingeteilt in groBe, mittelgroBe und kleine Formen; die letzteren sollen
nach seiner Ansicht mit dem Spirillum sputigenum identisch sein,
eine Ansicht, der man sich schwer anschlieBen kann 2 ). Bac. fusi¬
form is maximus ist offenbar mit den grbBten, von Plaut erwahnten
identisch. Vorliegende Beobachtnng soli die Niltzlichkeit der Tusche-
kulturmethode fiir morphologische und Bewegungsstudien zeigen:
1) Plaut, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 44. S. 311.
2 ) Muhlens, Ueber die Zuchtung von anaeroben Mikroorganismen der Mund-
h6hle. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 48.)
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414 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
Das Material von Bac. fusiformis maximus entstammt einer
mehrere Jahre bestehenden Alveolarpyorrhoe. Durch leichten Druck auf
das Zahnfleich wurde der Eiter an die Oberflache befordert, eine Spur
davon mit einer sterilen Nadel entnommen und mit einem Tropfen Tusche,
1:1 verdiinnt, auf einem Deckglfischen ausgestrichen. Ein Zusatz von
0,05—0,1 Proz. Zitronensfiure zum Serumboden scheint die Bewegungs-
dauer des Bazillus zu verlangern. Die frisch angelegte Kultur wurde
sofort mit einer ca. 800-fachen VergroBerung untersucht.
Unter vielen Leukozyten und Zahnspirochaten, wie Sp. buccalis,
dentium (seltener), sieht man oft 2, 3, manches Mai 4 verschiedene
fusiforme Bazillen, unter denen der Bac. fusiformis maximus durch
seine GroBe und Beweglichkeit auffallt. Nicht selten sieht man auch
Scheinfaden von 35—50 /n Lange mit syminetrischen oder auch unsym-
metrischen Teilungsfugen.
Gestalt: Die Gestalt der Einzelzelle fihnelt sehr derjenigen einer
plattgedriickten Banane. Der Querschnitt ist elliptisch. Die beiden
Durchmesser der Ellipse verhalten sich wie 1:1,5 —2. Die Zelle als
Einzelindividuum kommt relativ selten vor; sie hat ein spitzes und ein
stumpfes Ende. Viel hfiufiger treten Doppelzellen auf, bei denen die
stumpfen Enden zusammenliegen. Die Lange der Einzelzelle betragt
8—9 ju, die der Doppelzellen 16—18 f.i. Die Breite wurde zu 1,4—1,6 /n
bestimmt. Die Zelle weist eine doppelte Krfimmung auf, eine seitliche,
die starker ausgebildet ist, und eine schwfichere, die dazu senkrecht steht.
Im Protoplasten sieht man haufig hellgianzende Volutinkdmer 1 ),
offers jedoch Vakuolen, die im gefarbten Fuchsinpraparat mitunter direkt
Sporenkapseln vortauschen. Im gefarbten Tuschepraparat lafit sich eine
den Protoplasten umgebende Hfille erkennen.
GeiBeln: Der Bac. maximus fusiformis besitzt stark ent-
wickelte peritriche GeiBeln; polare GeiBeln fehlen. Die GeiBeln lassen
sich nach Zettnow leicht darstellen; sie sind nicht so dicht wie z. B.
bei Proteus vulgaris, vermutlich weil die GeiBeln meistens zu Z6pfen
verklebt sind.
In der Tuschekultur erkennt man das Vorhandensein kraftiger GeiBeln
an den aufgewirbelten Tuscheteilchen sowohl in der Ruhe als auch
wahrend der Bewegung. An den Scheinfaden von 35—50 n Lange gelingt
es nur selten, GeiBeln zu sehen.
GeiBelbewegung in der Ruhe: Man hat haufig den Anblick,
dafi trotz der Ruhelage des Bazillus seine GeiBeln heftig schlagen. Oflfen-
bar werden dadurch Nahrstoffe herangeholt und Ausscheidungsprodukte
fortgeschafft. Es war mir lange unerkiarlich, warum der Bazillus sich
trotzdem nicht vom Platze bewegte, den er vorher wiederholt passiert
hatte. SchlieBlich fand ich eine Erklarung bei der Betrachtung der auf¬
gewirbelten Tuscheteilchen, die auf der einen Seite nach hinten, auf der
anderen Seite nach vorn geschleudert wurden (s. Fig. 6 schematised).
Die resultierende Bewegung in der Langsrichtung muB dann natiirlich
gleich Null sein, wenn die GeiBeln beiderseits mit der gleichen Kraft
schlagen; es bleibt noch festzustellen, wodurch das entstehende Dreh-
moment, dessen Richtung durch die gebogenen Pfeile angedeutet sein
mag, aufgehoben wird. Mitunter konnte beobachtet werden, daB die
eine Seite kraftiger schlug. Die GeiBeln arbeiten fast immer lateral
ausgebreitet, doch mitunter wurde beobachtet, daB sie fiber der Korper-
1) Mayer, A., Die Zelle der Bakterien. Jena (G. Fischer) 1912.
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Adel man n, Tuschekulturmethode und Teilungsvorgange bei Bakterien. 415
flSche zusaramengeklappt schlagen. Sie scheinen dann auch kflrzer zu
sein, was vielleicht mit einem jiingeren Stadium erklart werden kann.
Die GeiBeln miissen mit wunderbarer Rhythmik schlagen. Man kann
es sowohl bei Zellen in Ruhelage mit umgeklappten GeiBeln als auch
bei Zellen in Bewegung mit seitlich schlagenden GeiBeln bei giinstiger
Beleuchtung sehen. In beiden Fallen entsteht ein optischer Effekt, wie
wenn ein fortschreitender Wellenzug von der Spitze nach dem stumpfen
Ende hin wandert. Man muB au ein wogendes Kornfeld denken. Wellen-
berg und Wellental sind deutlich zu erkennen. Es kommen ca. 6 Wellen-
berge auf 10 /n Lange, entsprechend einer Welleniange A = 1,6 /u, die
mit einer Geschwindigkeit von c = 3 /.i pro Sek. wandern (in einem
anderen Falle schatzungsweise 5mal so schnell). Die Periodenzahl n der
c 3 it/
GeiBeln ergibt sich nach der Beziehung n = = ca. 2 pro Sek.
K 1,6/i
(im anderen Falle 10 pro Sek.).
Der gleiche optische Effekt kommt auch haufig bei sich bewegenden
Bazillen zustande. Auch hier gewinnt man den Eindruck eines fort-
schreitenden Wellenzuges, der von vorn nach hinten, entgegengesetzt
der Bewegungsrichtung, verlSuft.
Man sieht an den Langsseiten in gleichmaBigen Abstanden wan-
dernde Hfigel. Aus den sinusformig gewellten GeiBeln am KSrperende
lafit sich vermuten, daB auch jede
GeiBel eine sinoidale Wellenbewe-
gung ausfuhrt. Wenn die einzel-
nen GeiBeln auBerdem verschiedene
Phasen haben, dann ist auch der
optische Effekt eines wogenden
Kornfeldes erkiarlich. Wahrend
der Schwimmbewegung liegen die
vorderen GeiBeln dem Zelleibe an
oder sind in ihrer Tatigkeit unsicht-
bar, nur die GeiBeln des letzten
Viertels sieht man in heftiger Be¬
wegung; man ist leicht geneigt, das hintere Ende wegen der schein-
baren Verbreiterung ftir stuinpf zu halten; bei Richtungsanderungen
kann man sich vom Gegenteil iiberzeugen.
Aus der Ruhelage setzt sich der Bazillus ohne erkennbare Ursache
pl6tzlich in Bewegung. Im allgemeinen wird eine Bewegungsrichtung
bevorzugt; nur selten, wenn uniiberwindliche Hindernisse sich entgegen-
stellen, wird die Richtung geandert. Bei Doppelzellen ist die Richtungs-
anderung etwas haufiger als bei Einzelzellen.
Sehr haufig beobachtet man, wie der Bazillus mit groBer Geschwindig¬
keit von etwa 10—20 pro Sek., Kreisbahnen von 10—20 Durch-
raesser beschreibt. Die Neigung, Kreisbahnen auf festen Nahrboden zu
beschreiben, hangt offenbar mit der gekriimmten Gestalt zusammen.
Wahrend der Kreisbewegung zeigt der Bazillus stets die Breitseite dem
Beobachter dar. PlOtzlich jedoch veriaBt die Zelle ihre gewohnte Bahn
and schwimmt in leicht geschwungenen BSgen geradeaus. Die Erschei-
nung kann nur dadurch erklart werden, daB die Zelle ihre laterale KrUm-
mung verandern kann, oder daB die Zelle in seitlicher (oft beobach-
teter) Schwimmlage wegen der geringeren ventralen Krtlmmung flachere
Bahnen beschreiben muB.
Bac. maximua fusifor-
; a deutet die Bewegungs-
richtung der Tuscheteilchen an, b das ent-
stehende Drehmoment, das durch unbe-
kannte Wirkung aufgehoben wird.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
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Schwierig sind die mitunter beobachteten Drusen- Oder Nesterbil-
dungen zu erklaren, die man in frisch angelegten Tuschekulturen, aber
auch in Ausstrichpraparaten beobachten kann. Die fusiformen Bazillen
sind urn einen unsichtbaren Mittelpunkt regelmaSig wie eine Quaste an-
geordnet und bestehen gewohnlich nur aus Doppelzellen, die oft heftig
mit ihren GeiCeln schlagen und dem Beschauer meistens die Schmalseite
zukehren. Oft sind sie an einem Strange, dessen Natur ebenso schwer
zu deuten ist, aufgereiht. Man konnte das Gebilde fast mit einem
Bananenfruchtzweige vergleichen. Der genannte Strang hat meistens
eine faserige Struktur, ist zum Teil durchsichtig und ist mit stark licht-
brechenden Kornern bedeckt.
Ein derartiges Nest wurde bei Zimmertemperatur in einer Tusche-
kultur langere Zeit beobachtet. Das Nest bestand aus etwa 100 Zellen
in der oben skizzierten Quastenform. Die Schmalseiten waren dem Be¬
schauer zugekehrt, die Geifieln schlugen heftig, ohne dad zun&chst irgend-
eine Bewegung im Gebilde festzustellen war. Doch plotzlich trennt sich
eine Zelle aus dem Verbande und
schwimmt in einem grdBeren Bogen
fort, kehrt aber wieder auf dera-
selben Wege zurfick und versucht,
sich wieder einzureihen, was ihr je-
doch nicht gelingt.
Mehrere andere Zellen ver-
lassen ihren Platz und kehren
zuriick oder suchen sich andere
Wege, aber sie schwimmen kaum
aus dem Gesichtsfelde heraus,
schlieBlich hat ungefahr die Halfte
aller Zellen ihren Platz verlassen.
Sie liegen verstreut da, die GeiBeln
horen allmahlich auf, sich zu be-
wegen. Die Kultur ist nach etwa
einer Stunde erstarrt.
Teilung: Eine Querteilung
von Doppelzellen wurde nur 2mal
beobachtet; sie scheint wahrend der
Bewegung zu erfolgen (unsicher!), doch ist es nicht ausgeschlossen, daB
auch in der Ruhe Teilungen oder Zerfallen von fertig gebildeten Faden
vorkommt.
Wachstum: Der Bac. fus. maximus wurde beim Wachsen
unter anaeroben Verhaltnissen unter Paraffiniiberschichtung und bei
Bruttemperatur beobachtet. Seine Entwicklung war ziemlich kummerlich.
Er bildete ScheinfSden von ca. 50—100/t Lange, die nicht weiterwuchsen.
Im Gegensatz hierzu wuchs ein anderer, etwas kleinerer fusiformer Ba-
zillus viel besser in sehr charakteristischer Form, die man als Besen-
form bezeichnen konnte.
8) Spirillen. Ganz besonders aussichtsreich erscheint die Tusche-
kulturmethode zum Studium und unter anderem auch zur Reinkultur von
Spirillen zu sein, wenn man sich der Eigenschaft vieler aerober Spi¬
rillen und Vibrionen (zum Teil auch Spirochaten) bedient, die sich auf
feuchlem, besser noch auf durch Begleitbakterien schwach peptonisierten
Serumboden mit grofier Geschwindigkeit verbreiten. In Tuschekulturen
wird man haufig beobachten, daB luftliebende Bakterien nach 1 oder
Fig. 7. Spirillum kiliense. Er-
starrte aber noch lebende Tuschekultur.
Apoch. 2 mm num. Ap. 1,3. Komp.-Ok. 6.
1000 / 1 .
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Arndt, Zur Technik der Amobenziichtung.
417
2 Tagen in der Mitte des Deckgl&schens erstarren, nach dem Rande zu
und dartiber hinaus aber sich stark verraehren. Schraubenbakterien
verbreiten sich nun im allgemeinen viel schneller als Kokken und Stab-
chen, deswegen kann man sie oft in Reinkultur im Abstande von
etwa 5—10 mm und mehr vom Rande anderer Kolonien abimpfen. Sie
bilden auBerordentlich zarte Hautchen, die mit bloBem Auge und in der
Durchsicht nicht zu erkennen und hfichstens bei schrag auffallendem
Lichte zu sehen sind. Oft verbreiten sich die Spirillen erst nach einigen
Tagen. Um ein Austrocknen der Platten zu vermeiden, sind alle ange-
gebenen MaBregeln zu ergreifen. Es gelang auf diese Weise z. B.,
einen unbekannten Vibrio aus der Mundhfihle, Spirillum undula,
und ein sehr kleines, neues Spirillum kiliense aus Schlamm von
der Iltisbrflcke zu isolieren und auf Agar sp&ter weiterzukultivieren.
UeberSpir. kiliense soli spater NSberes berichtet werden. In Fig. 7
wird ein Bild davon wiedergegeben, das von einer erstarrten Tusche-
kultur aufgenommen wurde.
Vorstehende Arbeit wurde im Herbst 1920 begonnen und im Mfirz
1922 zu einem gewissen AbschluB gebracht. Die Moglichkeit hierzu und
alle Hilfsmittel verdanke ich dem freundlichen Entgegenkommen meines
Lehrers Herrn Prof. K. KiBkalt, dem ich an dieser Stelle filr das
Interesse und seine vielen Anregungen meinen besten Dank ausspreche.
Kiel im Marz 1922.
Naohdruck verboten.
Zur Technik der Amobenziichtung.
[Aus dem Institut filr Schiffs- und Tropenkrankheiten, Hamburg
(Direktor: Obermedizinalrat Prof. Dr. Nocht).]
Von Arthur Arndt, Hamburg.
Systematische Untersuchungen tiber Amoben stellten mich vor die
Aufgabe, alle AmObenarten, die mir in die HSnde kamen, und die von
den verschiedensten Fundorten stammten, in Kultur zu bringen. Nun
sind ja gute Zflchtungsmethoden fiir AmSben seit langer Zeit bekannt;
allein ein Ueberblick fiber die Literatur lehrt, daB es sich bei den ge-
zfichteten Arten meist um kleinere Formen handelt (im Mittel 20—30 //),
wfihrend fiber 50 f.i groBe Amfiben nur ganz ausnahmsweise mit Erfolg
gezflchtet wurden. Auffallend ist ferner, daB die in neuerer Zeit ge-
zflchteten und zytologisch genauer untersuchten Formen zur Hauptsache
Vertreter der Gattnng Vahlkamfia Chatton resp. Naegleria Alexeieff
emend. Calkins waren, wahrend die Zahl der untersuchten Arten von
Hartmannella Alexeieff vergleichsweise gering ist. Nach meinen Er-
fahrungen tibertrifft die letztere Gattung hinsichtlich des Artreichtums
die erstgenannten. Allerdings bot die Zflchtung dieser zum Teil 100
bis 200 n groBen Formen auf festen Nfihrboden im Anfang nicht uner-
hebliche Schwierigkeiten, die mich nfitigten, die gebrfiuchlichen Methoden
mehr oder weniger zu veriindern. Ich gebe im folgenden eine Ueber-
sicht fiber mit gutem Erfolg 1 ) angewandte Zfichtungsverfahren, ohne
1) Biaher sind mehr ala 80 verschiedene Amobenarten und 12 Thekamobenarten
auf festen NahrbOden geziichtet worden.
Erite Abt Orig. Bd. 88 Heft 5. 27
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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
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,auf die Literatur zu diesem Punkte einzugehen, die an anderer Stelle
ausfuhrliche Berucksichtigung erfahren wird. Da es fiir die zytologische
Untersuchung im allgemeinen notig ist, mit artreinen Amdbenkulturen
zu arbeiten, stelle ich die Methoden zur Erzielung derartiger Kulturen
in den Mittelpunkt meiner Darstellung.
Ich unterscheide drei Gruppen von Methoden zur Anlegung von
artreinen Kulturen: 1) Einzellverfahren, 2) selektive Verfahren, 3) An-
reicherungsverfahren.
1) Einzellverfahren: Bei der Anlage von Kulturen von einer
Zelle aus kann man auf verschiedene Weise vorgehen.
a) Man verreibt wenig Amoben- oder Amobenzystenmaterial in einem
grofien Tropfen Wasser, saugt durch kurzes Eintauchen einer Kapillare
etwas Fliissigkeit ab und bringt sie in einen frischen Tropfen. Dann
fangt man wieder ab usw., bis man mit Sicherheit nur noch ein ein-
ziges Tier im Tropfen hat, das dann mit einer neuen Kapillare auf die
Kulturplatte iibertragen wird. Sorgfaltige mikroskopische Kontrolle ist
nattirlich notwendig. Sie wird erleichtert dadurch, daB man die spateren
Tropfen nur so groB wahlt, daB sie nicht fiber das Gesichtsfeld eines
schwachen Trockensystems hinausgehen. Ferner ist es zweckmaBig, nicht
zu feine Kapillaren zu verwenden und sie beim Eintauchen moglichst
steil zum Objekttrager zu halten, damit in jedem Falle mfiglichst wenig
Wasser eindringt. Am besten stellt man sich die Kapillaren unmittelbar
vor dem Gebrauch durch Ausziehen einer Glasrohre in der gewfinschten
Weite selbst her. Dadurch wird dann gleichzeitig sauberes Arbeiten
ermoglicht. Man benutzt jede Kapillare nur einmal, da die Tiere leicht
ankleben, und da immer etwas Fliissigkeit haften bleibt.
b) Isoliert auf einer Kulturplatte liegende Amoben lassen sich durch
Herausstechen des betreffenden Agarstfickchens leicht auf eine neue
Platte iibertragen. Dazu bedient man sich am besten eines kleinen
Skalpells oder einer Lanzettnadel, die man durch Abbrennen mit Alkobol
sterilisiert. Man kann dabei auch so verfahren, daB man eine geeignet
liegende Amobe durch Entfernen der bewachsenen Agarflfiche, durch
Abgrenzung mit antiseptischer Vaseline, durch entsprechendes Einstecken
eines Deckgl&schens vollig von den anderen Tieren der Kultur isoliert
und erst nach stattgehabter Vermehrung die Uebertragung vornimmt.
Wendet man Punktimpfung an, so finden sich auf 2—4 Tage alten
Agarplatten meist einzelne Amoben, die weit genug auf die Platte vor-
gekrochen sind, um ihre bequeme Isolierung in der angegebenen Weise
zu gestatten.
c) Durch Auftupfen mit einer Platinose oder besser mit dem knopf-
formigen Ende einer zugeschmolzenen feinen Kapillare nimmt man von
der Amobenkultur moglichst wenig Tiere ab und zieht damit ohne auf-
zudriicken auf der frischen Platte einen kurzen Stricli, der eine bequeme
Uebersicht gestattet (1—2 cm). Findet man darin ein einzelnes Tier,
das in geniigendem Abstande von den anderen liegt, so entfernt man
die fibrigen Teile des Impfstrichs durch Herausstechen des Agars. Dies
Verfahren ist besonders dann angebracht, wenn es sich darum handelt,
eine bestimmte Amobenart aus einer Mischkultur herauszuziichten. Ge-
wisse Amobenarten z. B., die sich immer nur an der Stelle des stark-
sten Bakterienwachstums aufhalten und nie den Impfstrich verlassen,
konnen auf diese Weise am besten rein erhalten werden. Es gelingt
meist ohne grofie Schwierigkeit, unter dem Mikroskop mit einer zuge¬
schmolzenen Kapillare die gewiinschte Amobe resp. Zyste aus dem Impf-
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Arndt, Zur Technik der Amobenziichtung.
419
strich herauszuziehen und sie auf diese Weise zu isolieren, wenn es
nicht schon bei der Uebertragung gegluckt ist, sie in eine isolierte Lage
zu bringen.
Neuere Autoren haben dem Einzellverfahren groBen und, wie mir
scheint, unangemessenen Wert beigelegt, und ihre Wertung der Arbeiten
anderer Autoren zum Teil davon abhangig gemacbt, ob diese Autoren
mit artreinen Kulturen, die von Einzellkulturen ihren Ausgang nahmen,
gearbeitet haben. Meine Erfahrungen haben mich zu dem SchluB ge-
fuhrt, daB die Anlage von Einzellkulturen zur Erzielung artreiner Stamrae
nur in den seltensten Fallen notig ist. Die einzelnen Amobenarten
bieten ftir den Geflbten hinreichende Unterschiede, um ein glattes Aus-
einanderhalten zu ermoglichen. Andererseits wird auch das Einzellver¬
fahren in der Hand eines ungeiibten Oder unkritischen Bearbeiters stets
zu zweifelhaften Resultaten fiihren. Daneben ist zu bemerken, daB dies
Verfahren erhebliche Nachteile hat. Zunachst ist es trotz scheinbarer Ein-
fachheit recht umstandlich und erfordert immerhin ein gewisses tech-
nisches Geschick. AuBerdem ist seine Anwendung oft schwierig Oder
unmoglich. Das gilt vor allem fflr die Faile, wo man eine vorliegende
Amobenart, von der nur eine geringe Zahl von Individuen, vielleicht
nur eins, vorhanden ist, zfichten will. Die meisten mittelgroBen bis
groBen Amoben des SiiBwassers z. B., die infolge ihrer GroBe leicht zu
isolieren sind, gehen bei direkter EinzelubertraguDg aus dem Ursprungs-
medium auf das Kulturmedium fast stets ein, wahrend es mit anderen
Methoden leicht gelingt, sie reinzuzflchten. Ebenso vertragen die
meisten Hartmannella-Arten, die im tibrigen gut ztichtbar sind, die
Einzelflbertragung auf frischen Nahrboden nicht Oder nur unter gewissen
Bedingungen, die zu ermitteln nicht immer leicht sein wird. Meist fallen
sie dem relativ reichlichen Bakterienwachstura auf der frischen Platte
zum Opfer. Zufallserfolge sind natiirlicb nicht ausgeschlossen. Gerade
da also, wo es sich darum handelt, eine bestimmte Amobe oder alle
AmSben aus einem vorliegenden Ausgangsmaterial herauszuzflchten, ver-
sagt das Einzellveriahren. Hat man dagegen eine Art einmal kultiviert,
so kann man gewohnlich — nicht immer — auf die unter b) angegebene
Weise eine Einzellkultur anlegen. Mir hat in alien Fallen die zyto-
logische Untersuchung solcher Einzellstamme stets nur die Artreinheit
der Kulturen, aus denen das isolierte Individuum stammte, bestatigt.
2) Selective Verfahren. Die hierher gehorigen Reinziichtungs-
methoden beruhen auf der Verschiedenartigkeit der Amobenarten in
bezug auf ihre optimalen Lebensbedingungen. Man kann geradezu von
physiologischen Artcharakteren sprechen. Nun hat man es ja in der
Hand, die Kulturbedingungen in der mannigfaltigsten Weise zu ver-
andern: Das Kulturmedium kann fliissig oder fest sein; im letzteren
Falle laBt sich der Konsistenzgrad innerhalb weiter Grenzen abandern;
die Nahrung kann hinsichtlich der Art und Menge beliebig verandert
werden, durch Wahl starkerer oder schwacherer Nahrlosungen und durch
Ztichtung mit verschiedenen Bakterienarten; der Grad der Alkaleszenz
resp. Aziditat (gewisse Ambbenarten gedeihen auch auf saueren Nahr-
bbden gut), der von groBem EinfluB auf das Wachstum ist, kann ver¬
andert werden; schlieBlich spielt auch der allgemeine Charakter der
Nahrlosungen in vielen Fallen eine Rolle. Es ist oft nicht gleichgtlltig,
ob man Bouillon, Heuinfus, Pferdekotdekokt, filtriertes Teichwasser u. a. m.
als Nahrlosung gebraucht, selbst wenn das Bakterienwachstum keine
wesentlichen Unterschiede zeigt. Als weiterer Faktor kommt dann noch
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
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die Temperatur in Betracht. — Es zeigt sich, dafi sich auf Nahrboden, die
hinreichende Unterschiede der gekennzeichneten Art aufweisen, Faunen
entwickeln, die in ihrera Geprage erheblich voneinander abweichen. Ab-
weichungen finden sich einmal hinsichtlich der zur Entwicklung resp.
Vermehrung gelangenden Arten, dann aber vor alien Dingen hinsichtlich
der Individuenzahl der vertretenen Arten. Es kommt naturlich viel auf
den Artreichtum des Ausgangsmaterials an. Je mehr Arten dies von
vornherein enthalt, um so starker treten die Unterschiede in den Kul-
turen hervor. Man findet, dafi die verschiedenen Medien verschiedene
Arten zur Vorherrschaft gelangen lassen. Damit ist uns ein Mittel ge-
geben, auf bequeme Weise eine ganze Reihe von Amobenarten reinzu-
ziichten. Es ist nur notig, wiederholt in kurzen Abst&nden (1—3 Tage)
auf dem gleichen Nahrboden weiterzuimpfen. Auf jeder folgenden Platte
andert sich das Zahlenverh<nis der Individuen zugunsten der domi-
nierenden Art, so dafi auf der 3.—4. Platte rait Sicherheit Bezirke vor-
kommen, die ausschliefilich von Individuen dieser Art bevolkert sind.
Nahrboden, die fiir die Anwendung dieses Verfahrens geeignet sind,
lassen sich leicht herstellen. Ich benutzte fiir meine Versuche die fol¬
genden: Liebig-Bouillonagar, von verschiedenem Bouillongehalt, Heu-
infus und Strohinfusagar (100 g Heu oder Stroh mit 1 1 dest. oder Lei-
tungswasser autkochen, filtrieren), Amobenagar nach Musgrave und
Clegg Knop-Agar und Wasseragar (dest. Wasser, Leitungswasser,
Teichwasser) mit einem Agargehalt von 0,5—3 Proz. Hervorragend
gute Dienste leistete mir bei der Ziichtung der Formen aus Staub und
Kot der Pferdekotagar nach N o 11 e r (500 g Pferdekot mit 1 — 21
Wasser kochen, unter Druck Filtrieren, 1—2 Proz. Agar). Erhatjedoch
den Nachteil, dafi er sich nicht gleichmafiig herstellen lkfit. Ein Teil
der Nahrboden wurde mit Fadenagar angesetzt, der saure Reaktion zeigte
und nach Bedarf mit Natronlauge neutralisiert resp. alkalisiert wurde.
Durch Mischen der genannten Agarsorten in verschiedenen Verh<nissen
stellte ich mir Nahrboden von beliebigem Nahrstoffgehalt, Konsistenz-
und Alkaleszenzgrad her.
Bei der Anwendung des selektiven Verfahrens spielen noch einige
Faktoren eine wichtige Rolle, die bisher nicht beriicksichtigt worden
sind: 1) die Dauer der vegetativen Aktivitat, d. h. die Zeit, die von der
Ueberimpfung bis zur Enzystierung der Amoben vergeht, 2) die Ver¬
na ehrungsrate, 3) das Wanderbediirfnis und die Wandergeschwindigkeit;
diesen „inneren“ Faktoren steht ein weiterer „aufierer“ gegenuber; die
Art der gebotenen Bakteriennahrung. Es ist von vornherein klar,
dafi der letztere wie alle „aufieren u Faktoren, den Wirkungsgrad der
„inneren“ Faktoren bis zu einem gewissen Grade beeinflussen wird.
Es ist eine allgemeine Erfahruug, dafi Amoben, insbesondere Vahl-
kampfien, die bisher am haufigsten untersucht worden sind, sich einige
Zeit nach der Uebertragung auf eine frische Platte enzystieren. Man
hat im allgemeinen angenommen, dafi die Enzystierung infolge von
Nahrungsmangel stattfande. Das ist nur in beschranktem Umfange giiltig.
Einmal zeigen Kulturversuche, dafi von Amobenarten, die mit dem
gleichen Bakterium geziichtet werden, die eine schneller zur Enzystierung
schreitet als die andere; auf der anderen Seite enzystiert sich die gleiche
Form aucli nach kurzer Zeit, wenn ihr bei reiner Ziichtung auf einem
Nahrboden, der starkere Bakterienentwicklung gestattet, noch reichliche
Nahrung zur Verfugung steht. Das geschieht auch, wenn den Amoben
die Moglichkeit gegeben ist, auf unbewachsene Strecken der Agarfliiche
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Arndt, Zur Technik der Amobenzuchtung.
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auszuwandern, so daB also das Ueberhandnehmen der Stoffwechsel-
produkte, dem mehrfach ein groBer EinfluB auf das Eintreten der En-
zystierung zugeschrieben worden ist, zur Erklarung nicht ausreicht. Wir
haben es hier zweifellos mit einem inneren Faktor zu tun, der selbst-
verstandlich in seinem Wirkungsgrade von auBeren Faktoren beeinfluBt
wird. Dieser „Enzystierungsfaktor“ nun spielt beim selektiven Verfahren
insofern eine Rolle, als er die Mdglichkeit an die Hand gibt, Arten zu
trennen, die sich auf dem gleichen Nahrboden in annahernd gleicher
Weise entwickeln. Wartet man die Enzystierung der einen Art ab, und
beimpft dann eine neue Platte, so erhait die unenzystierte Art einen
Entwicklungsvorsprung, den man mit Erfolg ausnutzen kann. — In
gleicher Weise kann man auch von einem „Exzystierungsfaktor“ sprechen,
wenn man darunter die Gesaratheit der inneren Bedingungen versteht,
die das schnellere oder langsamere Verlassen der Zyste nack der Ueber-
tragung auf frischen Nahrboden bewirken. Dieser Faktor laBt sich
gleichfalls mit Erfolg ausnutzen. Man muB dazu mbglichst kurze Zeit
— es handelt sich da manchmal nur um Unterschiede von Stunden —
nach dem Ausschliipfen der ersten Tiere abimpfen, und darauf achten,
daB man nur freie Tiere iibertragt. Das laBt sich unter dem Mikroskop
leicht bewerkstelligen, wenn eine Art vorliegt, die aus dem Impfstrich
auswandert. Sonst kommt man auf diese Weise nicht zum Ziele.
Die Vermehrungsrate (der Reproduktionsfaktor) ist nattirlick auch
von ausschlaggebendem EinfluB auf den Erfolg des selektiven Verfahrens.
Doch ist dieser EinfluB mehr ein negativer. Kleinere Amdben iiber-
wuchern — wenigstens in den ersten Tagen nach Anlegung der Kultur
— infolge ihrer stSrkeren Vermehrung groBere Arten auch dann, wenn
der Nahrboden ihnen keineswegs die gflnstigsten Lebensbedingungen bietet.
Erleichtert wird die Reinzilchtung nach dem selektiven Verfahren
durch die Wirkung des dritten der genannten inneren Faktoren. Man
konnte diesen „Bewegungsfaktor“ als „animalen“ Faktor den beiden
anderen als „vegetativen“ Faktoren gegenuberstellen. Platten, die mit
einem Material, das verschiedene Amobenarten enthalt, beimpft sind
(Punkt- oder Strichimpfung) zeigen ein ganz verschiedenes Bevblkerungs-
verhaltnis, je nachdem, ob man die Impfstelle, Stellen in der Nahe der-
selben oder am Rande der Platte betrachtet (hinreichende Verschieden-
heit der Arten vorausgesetzt). Es kommt dabei wieder viel auf die
Zeit an, die seit der Beschickung der Platte vergangen ist. Man findet
die am schnellsten kriechende Art am Rande am zahlreichsten vertreten,
die am langsamsten oder gar nicht wandernde Art im Impfstrich. Je
nachdem, von welcher Stelle man abimpft, wird die eine oder die andere
Art auf der neuen Platte dominieren. Am leichtesten ist naturgemaB
die Art rein zu erhalten, die am schnellsten wandert.
Bei der Amflbenziichtung spielt nicht nur die Menge der als Nahrung
dienenden Bakterien eine Rolle, sondern auch die Art derselben. Wir
werden erwarten konnen, daB sich auch beim Reinztichten ein EinfluB
der Bakterienarten geltend machen wird. Es ist anzunehmen — genauere
Untersuchungen dariiber liegen noch nicht vor — daB die Schnelligkeit
des Ausschlflpfens, die Dauer der vegetativen Aktivitat und die Ver¬
mehrungsrate von der Art der Bakterien, mit denen die AmSben ge-
zQchtet werden, in geringerem oder starkerem MaBe abhangen. Ich
selbst habe keine diesbezflglichen Versuche angestellt, und meine beim
Reinztichten gemachten Erfahrungen gestatten mir nicht, bestimmte An-
gaben dartiber zu machen, ob und in welchem MaBe solche Einflilsse
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vorhanden sind. Die Ambben sind ja stets von Bakterien begleitet, die
nicht beliebig durch andere ersetzt werden konnen. Dagegen ergab
sich, daB die Kriechgeschwindigkeit ganz hervorragend durch Bakterien
beeinfluBt werden kann. Zieht man in einiger Entfernung vom Amoben-
impfstrich einen Bakterienimpfstrich, so zeigt sich, daB gewisse Amoben-
arten ein erhohtes Wandertempo einschlagen. Es kann vorkommen, daB
eine unter gewohnlichen Bedingungen langsamer kriechende Art eine
normalerweise schnellere flberholt. Es scheint jedoch, daB die schnellere
Fortbewegung in vielen Fallen nur darauf zuriickzufiihren ist, daB die
Ambben anstatt im Zickzackkurs nun in gerader Richtung wandern.
Besonders bemerkenswert ist, daB zuweilen eine glatte Trennung zweier
Ambbenarten dadurch gelingt, daB man parallel zu einem frischen
Amobenimpfstrich in nicht zu grofier Entfernung mit Yerschiedenen
Bakterienarten Impfstriche zieht. Es kommt dann vor, daB die eine Art
nach der einen Seite, die andere nach der entgegengesetzten hin weg-
wandert, so daB man sie nach dem Passieren der Bakterienimpfstriche
rein iibertragen kann. Es ware interessant nachzuprufen, ob man durch
chemische Reagentien ahnliche Wirkungen hervorrufen kann.
3)Anreicherungsverfahren. Bei grbBeren Ambben ist es oft
nicht moglich, mit den unter 1) und 2) angegebenen Methoden Rein-
kulturen zu erhalten, einmal darum, weil ihre Teilungsrate gegenuber
den kleineren Formen recht gering ist, zum anderen deshalb, weil einige
von ihnen flberhaupt nicht bei reiner Bakteriennahrung gedeihen. Da
kommt man dann auf die Weise zum Ziele, daB man die st&rkere Ver-
mehrung der gewiinschten Ainobenart auf der alten Platte abwartet und
dann eine moglichst groBe Zahl von Individuen dieser Art auf eine neue
Platte iibertrkgt. Das geschieht am einfachsten durch Abkratzen einer
geeigneten Stelle mit einem Deckglas, das man in die frische Kultur-
platte einsteckt. Ausstreichen empfiehlt sich nicht. Bei mehrfacher
Wiederholung hat die Amobe bald eine zahlenmaBige Ueberlegenheit
erlangt. Auf sp&teren Platten findet man sie stellenweise rein und kann
sie dann, wenn man vorsichtig zu Werke geht (Abimpfung unter dera
Mikroskop) leicht rein auf einen geeigneten Nahrboden iibertragen. Er-
leichtert wird die Reinziichtung dieser grbBeren Formen dadurch, daB
sie meist starker wandern als die kleineren Arten. Man verwendet am
besten Nahrbbden, die nicht allzuviel Nahrstoffe enthalteu, da auf die
angegebene Weise stets sehr viele Bakterien mit iibertragen werden,
die durch starkere Wucherung schadlich wirken konnen.
GroBere Ambben zilchtet man zusammen mit einer kleineren Art,
die als Nahrung dient, gleichzeitig aber auch ein Ueberhandnehmen der
Bakterien verhindert. Man wahlt am besten eine zystenbildende Art,
da Zysten leichter aufgenommen werden als freie Tiere. Ebenso ge-
eignet sind kleinere Thekamobenarten.
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Comberg, Die Ureache der Gram - Veranderlichkeit anaerober Bakterien. 423
. Nachdruak verbot«n.
Ueber die Ursache der Gram-Veranderlichkeit anaerober
Bakterien.
[Aus dem Hygienischen Institut der University Freiberg i. B.
(Direktor: Prof. M. Hahn)].
Von Dr. Maria Coinberg, Vol.-Ass. am Institut.
Das Verhalten der Bakterien in bezug auf ihre G r a m - Farbbarkeit
und die Ursachen derselben sind im letzten Jahrzehnt Gegenstand vieler
Untersuchungen gewesen, da sich dabei Unterschiede herausgestellt haben,
die fiber die bloBe farberische Differenzierung weit kinausgehen.
Die Geeichtspunkte, unter denen diese Untersuchungen vorgenommen wurden, sind
ebenso verschiedene wie die darauf sich stiitzenden Theonen. Die einen Autoren nehmen
eine besondere chemische Verbindung als Ursache der Gram-Festigkeit an (Unna),
wahrend andere (Fischer) sie rein physikalisch auf eine grofiere Dichte und Substanz-
reichtum der Bakterien zuriickfiihrten. Brudny fand Unterschiede in der Plasmolysier-
barkeit iibereinstimmend mit dem farberischen Verhalten, Ei sen berg erklarte die
Gram-Festigkeit aus einer grofleren Durchlassigkeit des Ektoplasmas fiir Farbstoffe,
nahm also im Gegenteil eine geringere Substanzdichte der Gram - positiven an.
Deussen kam auf Grund eingenender mit verschiedenem Material angestellter Unter¬
suchungen zu dem Ergebuis, dad nukleinartige Stoffe Triiger der Gram-Festigkeit in
den Bakterienleibern sind und hat neuerdings G r a m - negative durch Einbringen von
Nukleinen und nukleinartigen Stoffen in Gram-Positive umwandeln kdnnen. Eine
ganz andersartige Beleuchtung erfuhr die Auffassung der G r a m - Farbbarkeit schon
durch Untersuchungen von Kruse, Burgers, Schreiber und Scheermann fiber
die Einwirkung von 1-proz. Kalilauge und Trypsinferment. Sie fanden einen durch-
gehenden Unterschied, die Gram-negativen wurden gelSst, wahrend die Positiven un-
verandert blieben. Der Umstand, dau sich diese Resultate iinderteu, wenn mit vorher
nicht erhitzten Bakterienaufschwemmungen gearbeitet wurde, brachte die genannten
Autoren auf die Annahme eines in diesem Falle mitwirkenden autolytischen Fermentes;
auch Hottinger gelangt in einer neueren Arbeit zu dem rein theoretischen
Schlufi, dafi das Gram-Negativwerden alter positiver Bakterienkulturen auf Peptoni-
sation durch Fermente zurfickzufiihren sei. Experimentelle Resultate fehlen bei ihm.
Bewiesen war also durch die bisherigen Versucne fiber die etwaige Mitwirkung auto-
lvtischer Fermente noch nicht viel.
Im Folgenden wurde nun versucht, der Frage nach dem Vorhanden-
sein eines autolytischen Fermentes in alten Gram-negativ gewordenen
Kulturen und der Natur und den Bedingungen seiner Wirksamkeit nfiher
zu treten. Zur Untersuchung wurden verschiedene anaerobe Bakterien-
arten aus der Gruppe der pathogenen Gasbazillen verwendet; sie schienen
trotz der Schwierigkeiten der Zfichtung wegen ihrer bekannten Gram-
Lability gerade ffir diesen Zweck besonders geeignet: Rauschbrand,
malignes Oedem und ein als Gasbrandbazillus bezeichneter Stamm der
Sammlung, der in seinen morphologischen Eigenschaften mit dem Frfin kel-
schen Gasbazillus fibereinstimmte, sich von diesem aber durch die fehlende
Tierpathogenitfit unterschied.
Als Methode der Gram-FSrbung
wurde die tibliche bentitzt: Es wurde mit Anilinwassergentianaviolett
jeweils genau 5 Min. geffirbt, 2 Min. mit Jodjodkali behandelt und die
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424
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
Differenzierung in sehr oft erneuertem Alkohol sofort dann beendet,
wenn makroskopisch keine blauen Farbstoffwolken mehr abgingen. Mit
Fuchsin wurde in verdunnter Lfisung 2 Min. nachgeffirbt. Um der Farbe-
resultate dieser ganz gleichmaBig behandelten Objekte aber ganz sicher
zu sein, wurde getrennt, aber auf dem gleichen Objekttrager mit dem
untersuchten Prfiparat je ein kleiner Ausstrich von Staphylokokken und
Coli aus j unger Kultur mitgeffirbt und nur solche Praparate ausgewertet,
in denen sich diese als deutlich positiv und negativ erwiesen. Dabei
wurden die Pr¶te nur der Lufttrocknung, nicht der Fixierung und
Ffirbung durch Erhitzen unterzogen, um dadurch nicht etwa Aenderung
der osmotischen Verhfiltnisse im Bakterienleib und damit unsichere Ffirbe-
resultate zu bekommen, wie es auch Deussen erwahnt.
G ra m -Verbalten der Eulturcn.
Zunfichst wurden aus Sammlungskulturen des Instituts Gasbrand-
bazillus und malignes Oedem in Stichkulturen mit Traubenzuckeragar,
aufierdem in Ascites-Bouillon, Ascites-Traubenzuckerbouillon fiberimpft,
die festen Kulturen wurden mit Agar, die fliissigen mit Paraffin fiber-
schichtet und bebriitet. Makroskopisch wurde Wachstum nach 2—8 Tagen,
beim Gasbrandbazillus unter starker Gasentwicklung, beobachtet. Ffirbbar
nach Gram erwiesen sich:
nach Tagen
5—10 ccm
Trauben-
zucker-Agar
5—10 ccm
Ascites-
Bouillon
5—10 ccm
Ascites-
Traubenzucker-
Bouillon
Malienes f *2
+ + +
+ + +
+ + +
OX { 18 - 2 0
+-
+ + +
+ + +
—
+ +(+)
+ + +
f 5, 7, 9, 12,18
+ + +
+ + +
+ + +
Gasbrand \
vom 9. Tage ver-
unreinigt
l 20, 30
+-
+ + +
« iii
In den festen Nahrboden wurden die Bazillen des malignen Oedems
ebenso wie die des Gasbrand nach 18—20 Tagen fiberwiegend negativ.
In flfissigem Nfihrsubstrat wurde dagegen eine Aenderung der Gram-
Farbbarkeit in dieser Kulturreihe nicht beobachtet. Die 2. Reihe wurde
deshalb mit reichlicher Menge Bouillon (50 ccm) im Erlenmeyer-
Kolben angelegt. Die Resultate wahrend 1 1 / 2 monatiger Bebrfitung waren:
nach Tagen
5-10
ccm
5—10 ccm Ascites-
Ascites-Bouillon
Traubenz.-Bouillon
(
2, 12,
15
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
Malignes 1
Oedem |
17
+ + +
+ + +
+ + +
+ + —
21
+ + +
+ + +
+ + +
+-
i
40
+ + +
+ + +
+ + +
—
Gasbrand j
2, 12, 15
17, 21, 40
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
Gram-negative St&bchen des malignen Oedems wurden in einer
einzelnen Kultur in Traubenzucker-Bouillon mit Asciteszusatzes beobachtet
nach rund 20 Tagen Bebrfitung. Die fibrigen gleichen und die in ein-
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Co mb erg, Die Ursache der Gram-Veranderlichkeit anaerober Bakterien. 425
facher Ascites-Bouillon angelegten Kulturen des malignen Oedems blieben
positiv. Auch negative Gasbrandbazillen in fliissigem Substrat wurden
niemals beobachtet. Es darf aber trotzdem wohl angenommen werden,
daB auch in fliissigem Nahrboden Gram-negative Bakterien auftreten,
jedenfalls unterliegt aber dort das wirksame Agens ungiinstigeren Be-
dingungen, als l&ngs des Stichkanals in festem Material, wo es gewisser-
mafien konzentriert einwirken kann.
Yersuche mit Extrakten Oder G r a m - negatlven.
Uni aus den festen, G r a m - negativ gewordenen Kulturen das far
die F&rbbarkeitsilnderung wirksame Agens zu gewinnen und in seiner
Wirkung auf Gram-positive zu untersuchen, wurde folgende Anordnung
eingehalten. Eine negative Kultur wurde mit.einer physiologischen Koch-
salzlosung steril verrieben und die dickfliissige Lflsung 10 Min. lang
scharf zentrifugiert. Die Agartrilmmer setzten sich dann rein ab, die
darflberstehende Fliissigkeit wurde, urn sie bakterienfrei zu erhalten,
stets durch Chamberland-Kerzen filtriert, auf ihre Sterilit&t kontrol-
liert, danach dieser Extrakt positiven Kulturen der homologen Oder hetero-
logen Bakterienart zugesetzt und seine Einwirkung auf die Farbbarkeit
derselben geprtlft.
Versuc h I.
Steriler Kulturenextrakt aus 11 malignem Oedem 1 32 Tage alt,
2) Gaabrand / Gram-negativ.
Suspensionsfliissigkeit je 15 ccm Kochsalzlosung
Impfkultureu 1) malignes Oedem \ in Traubenzucker - Bouillon
ca. 5 ccm 2) Gaabrand f 3 Tage alt, Gram-positiv
3) Staphylokokken dto. in Bouillon
1 Kulturrohrchen auf je 2 ccm Extrakt.
G r a m - F arbbarkeit
nach Tagen
Mit Extrakt
aus malign.
Oedem
Mit Extrakt
aus Gasbr.-
bazillus
Kontrolle ohne
Extrakt, bloS
Verdiinnung in
NaCl
Malignes \ \
Oeaem 1 g
+-
+-
+ + +
+-
+ + —
+ + +
+ + +
+ + +
Gasbrand- ( I
bazillus | g
+ + +
+-
+ + +
keine Nega-
tiven mehr
+ + +
+-
+ + +
zerfallene
Stabchen
+ + +
+ + +
+ + +
tSST { 1, 3, 6
+ + +
+ + +
+ + +
Gasbrandbazillen sowohl als malignes Oedem in flussigen Nahrboden
werden mit dem Extrakt der homologen und heterologen Art am 3. Tage
negativ. Auf Staphylokokken wird dagegen eine Wirkung des Extraktes
im Sinne einer Aenderung der Gram-Farbbarkeit nicht beobachtet.
Die Kontrollen ohne Extraktzusatz bleiben positiv. Nach 6 Tagen wurde
eine Zunahme der nach 3 Tagen nur mehr vereinzelt vorhandenen
G ram-positiven beobachtet. Diese zunachst (lberraschende Tatsache
wurde als Sekundarkultur der eingebrachten Bakterien bewertet. Zur
Vermeidung dieser Moglichkeit wurden in der Folge die VersuchsrOhrchen
mit Toluol iiberschichtet, um die Bakterien am weiteren Wachstum zu
hindern.
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426
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
Versuch II.
Steriler Kulturextrakt: aufl malign. Oedem in Traubenzuckeragar, 32 Tage alt,
gramnegativ.
Suspensionsmittel: Physiol. Kochsalzlosung 15 ccm, davon je 2,5 ccm beimpft.
Impfkulturen: a) 0,5 ccm Traubenzuckerbouillonkultur von malign. Oedem, 4 Tage
alt, grampositiv;
b) dasselbe hoch mit Toluol iiberschichtet;
c) 0,5 ccm Aufschwemmung einer 3 Tage alten, grampositiven Traubenzuckeragar-
kultur von malign. Oedem (1 Kultur mit 10 ccm Kochsalzlosung aufgeschwemmt);
d) dasselbe in Toluol iiberschichtet;
e) \ eutsprechend verdiinnte Impfkulturen ohne Extraktzusatz, iiberschichtet mit
f) J Toluol.
Gram - Resultste:
nach Tagen
a
b
c
d
e
f
1
+++
+ —
+ + -
+ +( + )
+ +
++ (+)=
3
+(+)
+-
+ + +
+( + )-
H- +
++
5
+ —
—
+ —
(+)--
++
+ + unbestimmte
Farbuug
7
—
—
—
+.4-
++
+ +
9
•
vers port
i
•
Toluol ver-
dunstet
*
In den mit Toluol iiberschichteten Rohrchen wurde am friihesten
Eintreten der gramnegativen F&rbung beobachtet. Die in Bouillon ge-
ziichteten Bakterien anderten ihre Farbbarkeit etwas spater, als die aus
fester Kultur entnommenen, doch ist dieser Zeitunterschied unbedeutend.
Eine Einwirkung des Toluols allein im chemischen Sinne auf die Gram -
farbbarkeit war den Kontrollen zufolge nicht festzustellen, auch konnten
Angaben dafiir in der Literatur nicht gefunden werden. Danach haben
also das Toluol und der WachstumsprozeB als solche mit der Gram-
Veranderlichkeit nichts zu tun, eher die durch Toluol hervorgerufene
Entwicklungshemmung bzw. Abtotung.
Versuch III.
Steriler Kulturextrakt: aus malign. Oedem in Traubenzuckeragar 18 Tage alt,
gramnegativ.
Suspensionsfliissigkeit: Physiol. Kochsalzlosung 20 ccm.
Impfkultur: malign. Oedem in Ascites-Bouillon, grampositiv, je 3 ccm Extrakt
auf 0,5 ccm Kultur iiberschichtet mit Toluol; a) im Eisschrank, b) bei Zimmertempe-
ratur (ca. 25°), c) im Brutschrank, d) */, Std. auf 70° erhitzt, e) 10 Min. auf 100° er-
hitzt, f) Kontrolle: 0,5 ccm Impfkultur mit 3 ccm NaCl-Losung verdiinnt
Gram -Resultate:
nach Tagen
a
b
c
d
e
f
1
+ + +
+ 4-
+ + +
+ + +
+++
+++
3
+ + +
_j—j-
+ —
+ + +
+++
+++
5
+ + +
+ —
—
++ +
+++
+++
7
+ + +
-j
Sporen ver-
s port
+ + +
+++
+++
9
+ + +
(+)--
(+)- :
versport
+++
+++
Die Aenderung der Gram
- Farbbarkeit trat bei der hohen Sommer-
temperatur des Zimmers fast gleichzeitig mit der des Versuchsmaterials
im Brutschrank auf. In den auf 70° und 100° erhitzten Extrakten
wurden negative Bakterien nicht beobachtet zu den Zeiten, wo in den
unerhitzten bereits eine Aenderung der Farbbarkeit eintraf. Auf weitere
Tage konnte die Beobachtung sich wegen der Versporung nicht er-
strecken. Nach 9 Tagen wurde Rohrchen a aus dem Eisschrank ge-
nommen und weiterhin bei 37 0 bebriitet.
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Com berg, Die Ursache der Gram -Veranderlichkeit anaerober Bakterien. 427
Gram-Farbbarkeit: nach 1 Tag + +
„ ,2 Tagen -j-Sporen
„ „ 3 , vers port.
Es traten also nach 2 Tagen bis dahin nicht beobachtete Negative auf,
leider auch Versporung. Fflr das fflr die Fflrbbarkeitsflnderung wirk-
same Agens scheint sorait der fflr die Fermente allgemeine Satz zu
gelten, daB die Schnelligkeit ihrer Wirkung durch TemperaturerhShung
gesteigert wird. Bei der niedrigen Temperatur des Eisschrankes ist
eine Abnahme der Aktivitflt anzunehmen, die sich in einer Verlang-
samung des autolytischen Prozesses fluBert.
Versuch IV.
Steriler Kulturextrakt aue fliissiger Ascites-Traubenzuckerbouillonkultur, 20 Tage
alt (6 ccm) von malign. Oedem, gramnegativ. Direkt filtriert, da von 1,5 cem Extrakt
auf 1,5 ccm Kultur.
Impfkultur: eine gleiche, junge, noch grampositive Kultur. a) im Eisscbrank,
b) bei Zimmertemperatur (iiber 25°), c) im Brutschrank, d) l /» Std. auf 70°, e) 10 Min.
auf 100°, f) Kontrolle: 1,5 ccm Bouillon ohne Extrakt beimpft, uberschichtet mit ToluoL
Gram-Resultate: nach 1, 3, 5, 7, 9 Tagen stets + +.
Der Extrakt aus einer flflssigen, gramnegativen Knltur, der einzigen,
die beobachtet wurde, zeigte keinen EinfluB auf die G r a m - FSrbbarkeit.
Es ist wohl, wie frflher gesagt, anzunehmen, daB die betreffenden auto¬
lytischen Fermente nur in so geringer Menge in der flflssigen Kultur
enthalten waren, daB sie nunmehr, noch stark verdflnnt, keine Wirkung
mehr zeigen. Fflr die Auswertung der Versnche muB nochmals gesagt
werden, daB der Bakterienextrakt jedesmal auf seine Sterilit&t durch
Priiparat und Bouillonkultur, auf seine Reaktion durch Lackmuspapier
geprflft wurde. Durch das Filter etwa passierte Stflbchen fanden sich
nicht darin, die Reaktion war jedesmal neutral.
Leider vertrug fflr weitere geplante Versuche das Ausgangsmaterial
die weitere Ueberimpfung nicht mehr, wohl infolge zu hohen Alters.
Die schon ohnehin schwer zflchtbaren Anaerobier wuchsen jetzt nur so
spflrlich, daB ihre Menge fflr die Gewinnung von Extrakt ungenflgend
blieb. Zufallig bekamen wir von tierflrztlicher Seite frisches Material
von einem an Rauschbrand verendeten Rinde, mit dem die Unter-
suchungen fortgesetzt werden konnten. Ein gespritztes Meerschweinchen
ging nach 24 Std. ein mit hochgradigem Emphysem, vielfache HSmor-
rhagien, teigigen Gewebsschwellungen, bis zu erbsengroBen Gasblasen
in der Subkutis, h&morrhagischen Ergttssen in die Kflrperhflhlen. Bazillen
gut nach Gram fflrbbar, aus direktem Gewebsabstrich im hflngenden
Tropfen wenig beweglich.
Resultate der Reinkultur:
1) Agar: Wachstum, nach 24 Std. maflige Gasbildung.
Gram- Farbbarkeit: nach 6 Tagen -|-
, 8 „-
2) Traubenzuckeragar: Wachstum mit guter Gasbildung.
Gram-Farbbarkeit: nach 4 Tagen -
1> 6 T! +4-
I) 8 n 4 -
, 10 „-
3) Bouillon mit und ohne Traubenzucker, und
4) Asziteszusatz, zunachst kein Wachstum (erst spater in 2. und 3. Kultur) erzielt.
Versuch V.
Steriler Kulturextrakt aus Rauschbrand in Traubenzuckeragar, 10 Tage alt,
gramnegativ.
Suspensionsflussigkeit: 30 ccm Kochsalzlosung.
Impfkultur je 2 ccm 1 Tag alte, grampositive Rauschbrandkultur auf je 4 ccm
Extrakt.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
1) In einfacher Boillon,
2 )
3 )
4)
5)
6 )
in Aszites-Bouillon,
Traubenzuckerbouillon,
in
Kontrollen: 2 ccm entsprechende Kultur in 4 ccm Bouillon (wie 1—3) ohne
Extrakt gebracht.
Samtliche Rohrchen mit Toluol iiberschichtet und bebriitet.
Gram- Farbbarkeit:
nach Tagen
R1
R2
R3
R4
R5
R 6
1
+ + +
+ + —
+ + +
+ + +
+ + +
-+
2
+ + +
H-
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
3
+ + —
(+)—
+ -1-
4- 4- +
4- 4- 4-
+ —+
4
+-
+ —
(+)(+)-
+ + +
++—
+ + +
5
—
—
(+)(+)-
+ + +
H—1-
+ + —
6
(+)-
+ —
[( +) = UE
(+) -i
ibestimmte I
Garbling).
(+)(+)-
H-
Bei diesem Versuch trat eine Aenderung der Gram-Farbbarkeit
nach 2—4 Tagen ein, am schnellsten bei dem Impfmaterial mit Aszites,
zuletzt bei Traubenzuckerzusatz. Vielleicht geben die darin enthaltenen
kleinen SSuremengen ungiinstigere Wirkungsbedingungen fiir das auto-
lytische Ferment. Negative St&bchen in den Kontrollen fanden sich auch,
doch erst um Tage sp&ter als in dem entsprechenden Extraktrohrchen.
Versuch VI (unvollstandig).
Steriler Kulturextrakt: Traubenzuckeragarkultur von Rauschbrand, 10 Tage alt,
gramnegativ (Stichkultur, ca. 5 ccm).
Suspensionsfliissigkeit: Aqua dest. 30 ccm.
Impfkultur: 1—6 wie bei Versuch V.
Ein Rohrchen von ca. 4 ccm auf 4 ccm Extrakt, iiberschichtet mit Toluol.
Gram- Resultate:
nach Tagen
R1
R 2
R 3
R 4
R5
R6
1
(+) + +
—
+ + —
+ +
+ +
+ +
2
+ -
- J
O
+ +
O
+ +
0 = zu wenig Stabchen im Ausstrich.
Dieser Versuch konnte aus SuBeren Griinden nicht beendet werden,
ohnehin storte die geringe Menge des Impfmaterials dieBeobachtung. Er ist
nur der so schnell beginnenden negativen Gram -Resultate halber mitgeteilt.
Versuch VII.
Steriler Kulturextrakt: aus Rauschbrand (Agarstich), ca. 5 ccm, 1 Monat alt,
gramnegativ, verrieben in 30 ccm Kochsalzlosung, iiberschichtet mit Toluol.
Impfkultur: Rauschbrandkultur, 3 Tage alt, grampositiv, iiberschichtet mit Toluol.
a) In Bouillon:
1) in den unerhitzten Extrakt gebracht,
2) Extrakt, 'L Std. auf 56° erhitzt,
3) Extrakt, 10 Min. auf 60° erhitzt.
b) In Aszites-Bouillon:
1 ) 1
2) [ Extrakt wie bei a) vorbehandelt.
3) j
c) In Traubenzuckerbouillon:
Extrakt wie bei a) vorbehandelt.
Gram-Resultate.
n. Tagen
a 1
a 2
a 3
b 1
b 2
b 3
c 1
c2
c3
1
+ + +
+ + +
0
+ —
+
+
0
+
+ +
3
+ —
+ + +
+ + +
—
0
0
+
+
+ +
5
+ —
+-
+ + +
—
0
+
0
+ +
+ +
7
+ —
—
+ + +
—
o
+
0
+ +
+ +
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Comberg, Die Ursaehe der Gram-Veranderlichkeit anaerober Bakterien. 429
Auf Zusatz des auf 60° vorerhitzten Extraktes war eine Aenderung
der Gram-F&rbbarkeit nicht zu beobachten, was mit der schon oben
erwahnten Tatsache, daB das autolytische Ferment durch Erhitzen auf
60—70° seine Wirksamkeit verliert, fibereinstimmt. Bei welcher Tem-
peratur das Optimum liegt, lafit sich aus diesem Versuch noch nicht
sagen, da das Grara-Negativwerden bei Zimmertemperatur und mit
einem vorher auf 56° erhitzten Extrakt im gleichen Zeitintervall eintrat.
Ein letzter Versuch, der mit Rauschbrandextrakt aus flfissigem Sub-
strat angestellt wurde, vermochte darfiber keinen AufschluB zu geben,
da dieser fibereinstimmend mit Versuch 4 keine fermentative Wirkung
zeigte (Versuch VIII).
Alle beobachteten Eigenschaften des Bakterienextraktes, seine Wirk¬
samkeit besonders unter den Bedingungen des festen Nfihrbodens, seine
Spezifitat, seine Abhfingigkeit von der Temperatur, sein Verhalten gegen-
iiber Toluol sprechen fiir seine enzymatische Natur. Es ist anzunehmen,
daB dieses Enzym die nukleinartigen Stoffe des Bakterienleibes so ab-
baut, daB daraus keine Aenderung der Farbbarkeit resultiert, wahrschein-
lich in der Bildung niedermolekularer G ra m - negativer Verbindungen.
Gewifi spielen aber ffir die Wirkung des Enzyms auch Unterschiede in
der Struktur der G r a m - positiven eine Rolle, in der Art, daB diese
feiner, gelockerter werden, und wie Hottinger annimmt, ein hOherer
Dispersitfitsgrad der Teilchen und damit Gram - Negativity eintritt.
Im einzelnen scheinen die Vorgange, woffir ja auch die eingangs be-
richteten Resultate verschiedenartiger Untersuchungen sprechen, sehr
verwickelt zu sein. Die hier berichteten sollen an neuem Material
eventuell noch naher untersucht werden. Auch Untersuchungen fiber
Aerobier mit labilem Gram-Verhalten sind im Gange.
Zusammenfassung.
1) Das schwankende Verhalten der untersuchten anaeroben Bak¬
terien aus der Gruppe der pathogenen Gasbrandbazillen in bezug auf
die Gram-Ffirbung machte sich in festen Kulturen mit und ohne
Traubenzuckerzusatz geltend, die nach rund 14Tagen negativ wurden.
Nur ausnahmsweise zeigte sich die Erscheinung auch in alten flfissigen
Kulturen mit Aszites- und Traubenzuckerzusatz bei malignem Oedem
und Rauschbrand, im fibrigen in flfissigen Kulturen nicht.
2) Sterile Extrakte aus festen Kulturen der genannten Anaerobier,
mit frischen, Gram- positiven Bakterien der homologen und hetero-
logen Art aus flfissigem Nahrsubstrat beimpft, wiesen schon nach
1—3 Tagen zahlreiche negative Exemplare auf. SpSter wurde eine
Sekundfirkultur wieder G r a m - positiv.
3) Das Gram-negativ werden vollzieht sich auch dann, wenn
mit Toluol fiberschichtet wird, ebenso mit Erhitzen des Extraktes auf
56° V* Std.
4) Dagegen scheint eine Erhitzung auf 60—7 0° (10 Min.) die
Wirksamkeit des Extraktes aufzuheben.
5) Nach diesem ist anzunehmen, daB das Gram-nega-
tivwerden der Anafirobier auf der Gegenwart eines auto-
tytischen Enzyms beruht, das sowohl von ihnen ausge-
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430 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 5.
sondert wird, wie auch aus ihrera Leibe extrahiertwerden
kanu. Die Menge des Enzyras scheint in flussigen'Kulturen nnr so
gering bzw. das Enzym so verdiinnt zu sein, daB die Wirkung sich
schon wahrend des Wachstums der Kultur erschOpft und mit dem ste-
rilen Filtrat nicht mehr nachweisbar ist.
I>iteratnr.
Brudny, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 21. 1908.— Deusen, Zeitschr. f. Hyg.
Bd. 85. 1918. — Ders., ebenda. Bd. 93. 1921. — Eisenberg, Centralbl. f. Bakt. Abt. I.
Orig. Bd. 71. 1913. — Fischer, Fixierung, Farbung und Bau des Protoplasmae.
Jena (Fischer) 1899. — Hottinger, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 76. 1915.
— Kruse, Allg. Mikrobiologie. 1910. — Ders., Miinchen. med. Wochenschr. 1910.
H. 13. — Burgers, Schreiber u. Scheermann, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 70. 1912.
— Unna, Monatsh. f. Dermat. Erg.-Heft. 1887.
Nachdruck verboten.
Binokulares Plattenkulturmikroskop.
[Aus dem Bakteriologischen Untersuchungsamt der Stadt Altona (Elbe)
(Dr. J. ZeiBler).]
Von Johannes ZeiBler.
Mit 1 Tafel.
Zur vollen Ausnutzung des von R. Koch in die Bakteriologie ein-
gefiihrten Plattenkulturverfahrens ist die Betrachtung der in oder auf
den Kulturplatten gewachsenen Bakterienkolonien mittels Lupe oder Mi-
kroskop schon lange als Bediirfnis empfunden und auch ausgefuhrt worden.
Die einfachste Vorrichtung dafur ist die Monokellupe (Carl Zeifl, Jena,
Druckschrift „Med 63“). Sie gibt nur eine sehr geringe VergroSerung, schaltet das
binokulare (plastische) Sehen aus, und ihre Benutzung bringt in vielen Fallen kaum
einen Vorteil vor der binokularen Besichtigung mit unbewaffneten Augen.
Die Besichtigung der Plattenkulturen mit den schwiichsten Objektiven der ge-
wohnlichen Mikroskope gibt nur bei durchfallendem Lichte ausreichende Bilder.
Fiir die Musterung bei auffallendem Lichte kann sie auBer dem im folgenden Absatz
angefiihrten Grunde wegen zu geringer Lichtstarke nicht ernsthaft in Frage kommen.
Im iibrigen schlieOt schon der wegen der kurzen Brennweite geringe Abstand der Ob-
jektive von der Kulturplatte ein bequemes und dabei sicher einwandfreies Arbeiten beim
Abstechen von Kolonien aus.
Das Impfpult nach Christensen (Carl ZeiB, Jena, Druckschrift „Med
108*) erlaubt die Anwendung von mono- und binokularen Fernrohrlupen mit bis 30-
facher VergroOerung. Fiir die Betrachtung in durchfallendem Lichte ist es ein brauch-
bares Instrument. Fiir die Betrachtung in auffallendem Lichte ist es dagegen so gut
wie unbrauchbar, weil bei ihm der Trager der Kulturschale, die Tischplatte, in horizon-
taler Lage festliegt und nicht die zur Variierung des Auffallwinkels des Lichtes unbe-
dingt notwendigen, oft recht ausgiebigen Neigungen nach alien Richtungen zulaSt.
In dieser Beziehung ist auch das mit einem kleinen Kugeltisch ausgerustete groBe
Praparierstati v von P. Mayer (Carl ZeiB, Jena, Druckschrift „Mikro 270 1 *) nur
ein unzureichender Notbehelf, aenn die Schnittfliiche seines Kugeltisches hat einen so
kleinen Durchinesser, daB Petri-Schalen auf ihr nicht so weit verschoben werden
konnen, daB bei Mittelatellung des Lupentragers ( ? Saule tt ) jeder Punkt der Petri-
Schale in die optischen Achsen des Lupenpaares geriickt werden kann. Es fehlt ferner
eine brauchbare Vorrichtung zum Festhalten der Petri-Schale auf dem Kugeltische,
und schlieBlich lafit dieser zu kleine Kugeltisch mit dem fehlenden Plattenhalter wegen
seines iiber den Umfang der Kugel hinausragenden Randes und wegen der zu engen
Oeffnung im Haupttisch die Schragneigung nicht in dem fur viele FaTle unumganglich
notwendigen Grade zu. Fiir Drigal ski - Schalen ist das groBe Praparierstati v
von Mayer mit seinem kleinen Kugeltisch iiberhaupt nicht zu verwenden.
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ZeiBler, Binokulares Plattenkulturmikroskop.
431
Die Fortschritte der BakterienziichtuDg seit der Einfuhrung des
Plattenkulturverfahrens haben es mit sich gebracht, daB die urspriing-
liche Form der Kulturplatte, die durchsichtige Gelatineplatte, im allge-
meinen, und fflr viele Zwecke vollstandig, zugunsten leistungsfahigerer
und meist mehr Oder weniger undurchsichtiger Kulturplatten in den
Hintergrund getreten ist. Zudem werden diese komplizierter zusammen-
gesetzten Nahrboden meist durch Bestreichen ihrer Oberfl&che beimpft.
Das gilt, um nur 2 Beispiele anzuftihren, sowohl fiir die Differential-
nkhrboden zur Typhus-, Ruhr-, Choleradiagnose (Drigalski-Con-
radi-, Endo-,GaBner-,Dieudonn6-Platten) wie fur die Blutagar-
platten (Schottmiiller) zur Kokkendifferenzierung und fiir dieTrauben-
zuckerblutagarplatten (Zeifiler) zur Differenzierung der Anaerobier.
Bei einem ffir die eben genannten Zwecke ausreichenden Platten¬
kulturmikroskop muB bzw. miissen 1) binokulares Sehen mit geniigender
VergroBerung und Lichtstarke moglich sein, 2) der Abstand zwischen
den Objektiven und der Kulturplatte fiir bequemes und doch sicher ein-
wandfreies Abimpfen ausreichen, 3) die OberflSche des Plattentisches
nach alien Richtungen hin bis zu 45° geneigt werden konnen, ohne daB
ilir Mittelpunkt seine Lage irgendwie andert, 4) die Oberfl&che des
Plattentisches so groB sein, daB eine Drigalski-Schale bequem auf
ihr Platz hat, 5) a) bei in Mittelstellung feststehender Lupe durch Ver-
schiebung des Schalenhalters nach jeder Seite um eine Durchmesserl&nge
der Kulturschale in Verbindung mit Rotation der Kulturschale auf dem
Schalenhalter Oder b) durch Querverschiebung der binokularen Lupe um
V 2 Durchmesseriange der Kulturschale nach beiden Seiten in Verbindung
mit Rotation der Kulturschale auf der Tischplatte jeder Punkt der letz-
teren in die optischen Achsen des Lupenpaares gebracht werden kdnnen,
6) auswechselbare Halter fiir D r i g a 1 s k i - Schalen und fiir P e t r i -Schalen
aufgesetzt werden kbnnen, welche die Kulturschalen auch bei maximaler
Neigung des Tisches in der ihnen gegebenen Lage halten ohne Behinde-
rung ihrer Rotation, 7) bequeme Handstiitzen angebracht werden konnen.
Unter Beriicksichtigung der vorstehend aufgefiihrlen Bedurfnisse hat
mir die Firma Carl ZeiB, Jena, unter wesentlicher Mitwirkung des
Leiters ihrer Hamburger Filiale, Herrn Martini, ein „Binokulares
Plattenkulturmikroskop“ konstruiert:
In einem guBeisernen FuB (Fig. 1) ist eine kreisrunde Oeffnung an¬
gebracht zur Aufnahme des Kugeltisches. — Die eine Kante des
guBeisernen FuBes tragt eine Gleitschiene fiir den Lupentr&ger.
— 2 andere, einander gegeniiberliegende Kanten enthalten je 2 kleine
Locher zur Aufnahme entsprechender Zapfen des vertikalen Brettes der
entsprechenden Handsttitze.
Der Kugeltisch kann, in der ringfbrmigen Oeffnung des guBeisernen
FuBes ruhend, beliebig gekippt werden, so daB die Tischplatte nach alien
Richtungen hin bis zu 45° geneigt werden kann, ohne daB dabei ihr
Mittelpunkt aus seiner Lage gebracht wird. — Auf die Peripherie der
Tischplatte des Kugeltisches kann ein Ring von 22 cm Durchmesser
aufgesetzt werden als Halter fiir D rigalski - Schalen. Dieser Ring
halt Drigalski-Schalen in der ihnen gegebenen Lage auch bei maxi¬
maler Schragstellung der Tischplatte. Die Rotation der Drigalski-
Schalen hindert er nicht. Die Tischplatte des Kugeltisches tragt, in
gerader Linie von Peripherie zu Peripherie durch ihren Mittelpunkt ge-
ftlhrt, eine Furche als Gleitschiene fur einen mit Schwalbenschwanz-
schlitten versehenen, tellerfbrmigen Schalenhalter von etwa 10cm
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 5.
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Durchmesser fiir Petri-Schalen. Dieser tellerfbrmige Schalenhalter
halt Petri-Schalen in der ihnen gegebenen Lage auch bei maxiraaler
Schragstellung der Tischplatte. Die Rotation der Petri-Schalen hin-
dert er nicht.
Die Einstellung der Bakterienkolonien in die optischen Achsen des
Lupenpaares erfolgt bei Petri-Schalen durch Verschieben des teller-
fSrmigen Schalenhalters in der (am besten sagittal zum Untersucher
eingestellten) Furche in der Tischplatte des Kugeltisches in Verbindung
mit Rotation der Petri-Schale im tellerformigen Schalenhalter (Fig. 2,
3, 4), bei Drigalski-Schalen durch seitliche Verschiebung des Lupen-
tr&gers auf seiner Gleitschiene am guBeisernen FuB in Verbindung mit
Rotation der Drigal ski-Schale auf der mit dem 22 cm Ring armierten
Tischplatte des Kugeltisches (Fig. 5, 6).
Alles weitere zeigen die Abbildungen.
Fig. 7 zeigt die dem groBen PrSparierstativ von P. Mayer (Carl
ZeiB, Jena, Druckschrift „Mikro 270“, Fig. 3) entsprechende Einrichtung
fur die Betrachtung von Plattenkulturen bei durchfallendem Licht.
Die Kombination Objektivpaar (a 2 ) mit Okularpaar 2 bieten bei 23-
facher, vollkommen ausreichender VergroBerung geniigende LichtstSrke.
In 5-jahr. taglichen Gebrauch hat sich, zunSchst in weniger voll-
kommener Gestalt, das „BinokularePlattenkulturmikroskop“
bewahrt und ist mir ein unentbehrliches Hilfsmittel geworden 1 ). Seine
Leistung fiir die Differenzierung von Kolonien und fur ihre Priifung auf
Reinheit kann nur beurteilen, wer das Instrument aus eigener praktischer
Erfahrung kennt.
1) Fraenkel, Eugen, und Zeifiler, Johannes. Die Differenzierung patho-
f ener Anaerobier. (Miinchen. med. Wochenschr. 1919. Nr. 2.) — Zeifiler, Johannes,
lenschliche Wundinfcktionen und Tierseuchen. (Zeitschr. f. Infektionskrankh. d. Haus-
tiere. Bd. 21. 1920. H. 1 u. 2.) — Monographic Richard Schoetz. Berlin 1920. —
Becker, L., Die Anaerobenflora des Meerschweinchenkadavers und ihre Bedeutung
fiir die Rauschbranddiagnose durch den Tierversuch am Meerschwein. (Zeitschr. f.
Infektionskrankh. d. Haustiere. Bd. 23. 1922. H. 1.)
Inhalt.
Adelmann, Leonid, Tuschekulturmethode
und Teilungsvorgange bei Bakterien. Mit
7 Abbildungen im Text, 8. 401.
Arndt, Arthur, Zur Technik der Amoben-
zuchtung, 8. 417.
Comberg, Maria, Ueber die Ursache der
Gram - Veriinderlichkeit anaerober Bak¬
terien, S. 423.
Heuer, Georg, Der Einflufi der ultravio-
letten Strahlen auf Antikorper in vitro.
Mit 3 Kurven im Text, S. 380.
Heymann, Bruno, Zum 40-jahrigen Ge-
denktage der Entdeckung des Tuberkel-
bacillus. Ansprache, gehalten in der
Berliner Mikrobiologischen Gesellschaft
am 24. Marz 1922, §. 337.
Hilgermann, Bemerkungen zu den Aus-
fiihrungen von Herrn Dr. Pardi: „Ueber
die Natur der leukozytaren Einschliisse
bei Encephalitis lethargica". (Centralbl.
f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. H. 6.), S.378.
Hintae, K., u. Xuhne, H,., Zur Frage der
Umwandlung hamolytischer Strepto-
kokken in die grun wachsende Form.
Mit 2 Abbildungen im Text, S. 352.
Nieschuls, Otto, Ueber die Benenuung
des Schweinecoccids, S. 379.
Schumacher, J., Welche chemische Sub-
stanz baut die Polkornchen des Di-
phtheriebazillus auf?, 8. 362.
Sp&t, Wilhelm, Zur Frage der Kokto-
stabilitat gebundener Immunkorper,
8. 387.
Tsukahara, X., Untersuchungen fiber das
Vorkoiumen von Diphthenebazillen in
der Scheide von Gebarenden und Woch-
nerinnen sowie bei Neugeborenen, 8. 366.
Vorschfita, Josef, Die Bakterienagglu-
tination im erkrankten Blute, 8. 394.
Winkler, W. F., Die Kombination der
Sachs-Georgi-Reaktion (S-G.-R)
und der Dritten Modifikation der Mei-
n i c k e - Reaktion (D.-M.-R.) bei der Sero-
diagnostik der Dues, S. 374.
Zeifiler, Johannes, Binokulares Piatten-
kulturmikroskop. Mit 1 Tafel, S. 430.
Frommannscbe Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena.
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Fig. 3.
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Centralbl. f. fiakt etc. I. AbL Originate. Id. 88. Heft 8.
Ausgegeben am 8. August 1922.
Nachdruck verboten.
Bin neuer elektiver Mhrboden fiir Choleravibrionen.
[Aus dem Institut fiir Hygiene und Bakteriologie der Medizinischen
Hochschule in Kanazawa, Japan.]
Von Prof. Dr. H. Kodama.
Ich mfichte hier einen elektiven Nahrboden fiir Choleravibrionen
empfehlen, der auf dem Prinzip der Verzuckerung der Starke durch das
diastatische Ferment der Choleravibrionen beruht. Die Darstellung des
Nahrbodens ist folgende:
A. 100 ccm 3-proz. Lackmus-Neutralagar, 1 ccm 10-proz. Sodalosung,
0,5 ccm gesattigter, alkoholischer Fuchsinlosung, 2,5 ccm frisch bereiteter
10-proz. Natriumsulfitlosung, 3 g in 5 ccm Wasser gut verteilter Kartoffel-
starke werden 30 Min. lang zusammen im Dampftopf gekocht.
B. Zu 100 ccm einer mit Wasser 5-fach verdOnnten Rinderserum-
15sung wird 1 ccm einer 10-proz. NaOH-Losung zugesetzt und dies
30 Min. lang im Dampftopf gekocht.
C. Man mischt 2 Teile der Losung A und 1 Teil der Losung B
gut miteinander, verteilt diese in vorher sterilisierte Reagensrohrchen und
sterilisiert diese an 3 aufeinanderfolgenden Tagen je */* Std. im Dampftopf.
D. Dies Gemisch wird in Petri-Schale abgegossen; dabei muB
man dafiir sorgen, dafi die Starke gleichm&Big in der Schale verteilt
wird. AuBerdem muB die Oberflache des Agar trocken sein, wie im
allgemeinen bei Agarplatten.
Die Choleravibrionen beginnen in obigen, weiBgetriibten Platten nach
einer Ziichtung von ca. 7 Std. bei 37 0 C Kolonien zu bilden, und zwar
nur weiBe. Nach einer weiteren Ziichtung von 3—9 Std. jedoch bilden
sich aus diesen weiBen Kolonien immer 2 Arten charakteristischer,
intensiv rot gefarbter Kolonien.
Die 1., groBere Art ist iiber die Oberflache der Platte nicht erhaben,
der Rand unregelmaBig, der Durchmesser betragt etwa 0,3—0,7 cm.
Die 2. Art ist fiber der Oberflache der Platte deutlich erhaben, der Rand
scharf begrenzt und der Durchmesser betrfigt ca. 0,1—0,2 cm.
Wenn man diese 2 Arten von Kolonien in der Platte bei durch-
scheinendem Licht makroskopisch betrachtet, so laBt sich in der Um-
gebung aller Kolonien eine breitere, klare Hofbildung deutlich erkennen.
AuBerdem sei noch bemerkt, dafi die Choleravabrionen in obengenannten
Platten immer viel mehr Kolonien der 1. Art bilden als der 2. Wenn
man die Ausstrichprfiparate aus den oben beschriebenen 2 Arten von
Kolonien mit verdtinnter Karbol-Fuchsinlosung farbt und morphologisch
untersucht, so tindet man in manchen Kolonien nur typische Komma-
formen, in manchen aber neben diesen typischen, durch die Fuchsin-
lOsung gleichmaBig geffirbten Kommaformen, in deren Leib sich haufig
ein vakuolenahnlicher, ungeffirbter Teil befindet, noch eine andere,
2—3mal groBere Kommaform, die durch die Fuchsinlfisung nur sehr
Em* Abt. Grig. Bd. 88. Heft 6. 28
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Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 6.
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schwach geffirbt ist und innerhalb ihrer Leibes hfiufig ein tiefrot geffirbtes,
kernfihnliches Kfirperchen erkennen lfiBt.
Die 2., runde Rotkolonie ist auch als Material fiir den orientierenden
Agglutinationsversuch sehr geeignet; dagegen ist die 1. Art etwas un-
gflnstig, weil diese Kolonien sich nicht fiber die Oberflache des Nfihr-
bodens erheben.
Im Kartoffelstfirke-Fuchsin-Rinderserumnfihrboden bilden Typhus-
bazillen, Paratyphusbazillen A und B, Bacterium coli, Bac. dysen-
teriae Shiga-Kruse, Bac. dysenteriae Flexner, Milzbrand-
bazillen, Staphlococcus pyogenes aureus, Rohhefe usw. bei einer
Zfichtung von 16—24 Std. nur weiBe Kolonien, nie aber rote. Dagegen
bilden die Choleravibrionen immer und die cholerafihnlichen Vibrionen
(von Metschnikoff, Deneke und Finkler-Prior) die oben be-
schriebenen, charakteristischen Kolonien.
Im normalen Kot sclten, haufiger bei der Diarrhoe vorkommende
Proteus-Arten bilden in diesem Nfihrboden eine ganz choleraahnliche
Rotkolonie mit Hof. Diese Proteusarten sind aber auf der Agar-
oberflfiche ohne Auslfiufer und Hauchbildung.
AuBerdem bilden noch im normalen Kot oft vorkommende, nicht
pathogene Diplokokken in diesem Nfihrboden rundliche, intensiv rot
geffirbte Kolonien; aber in der Umgebung dieser Kolonien findet keine
Hofbildung statt. Hierdurch unterscheiden sich die Kolonien dieser
Diplokokken von denen der Choleravibrionen.
Wenn man einen Nfihrboden verwendet, der an Stelle der Kartoffel-
stfirke eine gleiche Menge Weizenstfirke von Merk enthfilt, so ergibt
die Zfichtung der Choleravibrionen das gleiche Resultat wie im Kartoffel-
st&rke-Nfihrboden; aber doch zeigt sich eine gewisse Difterenz, indem
namlich bei der Zfichtung im Weizenstfirke-Nahrboden die Zahl der oben
beschriebenen 2. Art von Rotkolonien viel groBer ist als die der 1. Art.
Auch tritt die Rotffirbung einige Stunden spfiter auf (d. h. erst etwa
24 Std. nach der Aussaat) und die Hofbildung um die Kolonien ist
etwas schmaler. Die Erklarung dieser Differenzen ist mir unmoglich;
ich kann nicht sagen, ob das von den Choleravibrionen produzierte,
diastatische Ferment auf die WeizenstSrke schwerer einwirkt, oder ob
dieser Nahrboden der Choleravibrionen ungfinstiger ist als der Kartoffel-
stfirke.
Wenn man statt der Kartoffelstarke die gleiche Menge der loslichen
Stfirke von Merk verwendet, so ergeben sich bei Zfichtung der Cholera¬
vibrionen noch Shnliche, ja noch bessere Resultate als mit dem Kartoffel-
starke-Nahrboden. Die Choleravibrionen bilden namlich auf diesen fast
klaren Platten immer nur erhabene, runde, intensiv rot geffirbte Kolonien
(2. Art Rotkolonien), aber nie die nicht erhabenen, groBeren Kolonien
(1. Art). AuBerdem lfiBt sich bei durchscheinendem Licht eine breitere,
klare, deutliche Hofbildung in der Umgebung der Kolonien erkennen.
Deswegen mochte ich den Ifislichen Starke-Fuchsin-Rinderserum-Nfihr-
boden als den elektivsten Choleranfihrboden empfehlen.
Setzt man endlich dem Nfihrboden statt Kartoffelstfirke die gleiche
Menge Dextrin zu, so bilden die Choleravibrionen auf diesen sogenannten
Dextrin-Fuchsin-Rinderserumplatten nur erhabene, runde, intensiv rot
geffirbte Kolonien. Da sich aber in der Umgebung dieser Kolonien keine
Hofbildung zeigt, konnen sie von den Rotkolonien der oben erwfihnten,
nicht pathogenen Diplokokken nicht unterschieden werden.
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Bitter, Unterscheidung d. Erreger v. Enteritis- u. Paratyphueerkrankungen. 435
SchluB.
Ich raSchte als neuen, elektiven NShrboden fiir Choleravibrionen
besonders meinen loslichen StSrke (von Merk) -Fuchsin-Rinderserum-
N&hrboden und auBerdem auch den Kartoffelstarke-Fuchsin-Rinderserum-
NShrboden empfehlen. Auch ergibt der Dextrin-Fuchsin-Rinderserum-
N&hrboden ziemlich gute Resultate.
Literatur.
Aronson, Dtsch. med. Woehenschr. 1915. 8. 1027. — Baerthlein u. Gilde-
meister, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 76. 1915. — Crendiroponlo und
Panayaotatou, ebenda. Bd. 55. 1910. — Dieudonn4, ebenda. Bd. 50. 1909. —
Ffigner. ebenda. Bd. 74. 1914. — Gaehtgens, ebenda. Bd. 78. 1916. — Hacbla
u. Holobut, ebenda. Bd. 52. 1909. — Heim, ebenda. Bd. 30. 1901; Bd. 53. 1910. —
Hofer u. Hororki, ebenda. Bd. 71. 1913. — Huntemiiller, ebenda. Bd. 50. 1919.
— Kabeshitna, ebenda. Bd. 70. 1913. — Krombholz u. Kulka, ebenda. Bd. 62.
1912. — Laubenheimer, ebenda. Bd. 52. 1909. — Lingelheim, ebenda. Bd. 76.
1915. — Neufeld u. Woithe, Arb. a. d. k. Gesundheitsa. Bd. 33. 1910. — Pergola,
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 60. 1911. — Pilon, ebenda. Bd. 60. 1911. —
Prausnitz, ebenda. Bd. 9. 1891; Berlin, klin. Woehenschr. 1905. Nr. 19; Munchen.
med. Woehenschr. 1905. Nr. 48. — Raadt, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 65.
1912. — Sgalitzer u. Lowy, ebenda. Bd. 69. 1913. — Signorelli, ebenda. Bd.66.
1912. — StockeB u. Hochtel, ebenda. Bd. 69. 1913. — Teruuchi u. Hida, ebenda.
Bd. 63. 1912.
Tfaohdrwdc verboten.
Zur Unterscheidung der Erreger von Enteritis- und Para-
typhuserkrankungen.
[Aus dem Hygienischen Institut in Kiel (Direktor: Prof. D. KiBkalt).]
Von Prof. Dr. Ludwig Bitter.
Mit 1 Abbildung im Text.
Seit meinen letzten Veroffentlichungen (1—4) zu dieser Frage sind
mehrere Arbeiten erschienen, in denen verschiedene gewichtige G r fl n d e
fQr die Differenzierung der Erreger von Enteritis und
Paratyphus angegeben werden. Insbesondere besch&ftigen sich diese
Arbeiten mit der Trennung von Paratyphus B und Enteritis Breslau,
bzw. mit der Unterscheidung der Erreger dieser Krankheiten.
Zum Teil stellen sie Bestatigungen eines oder mehrerer der von mir erneut zu-
eammengefaflten, erweiterten und vermehrten (Epidemiologie, Dauerausscheider) Ge-
sichtspunkte dar, zum Teil bringen die Autoren auch neue, die Ansichten von B.
Fiscner, Reiner Muller, G. W agner und mir bekraftigende Tatsachen. Sehitten-
belm (5) kommt vom klinischen und epidemiologischen Standpunkte zu dem
Schlufi, dafl die Enteritis Breslau scharf vom Paratyphus B zu trennen ist. Seine Griinde,
die er an der Hand von trefflichen Krankengeschichten auffiihrt, miissen meiner Meinung
nach dem Kliniker durchaus einleuchtenn erscheinen. Manteufel und Beger (6)
kommen durch ihre Cas tellau ischen Absattigungs versuche an monovalenten
Eselseren zu dem bei vielfacher Wiederholung immer gleichbleibenden Ergebnis, dnfi
Berologisch in der Paratyphus B-Familie 2 weitere Gruppen, die noch nicht allgemeine
Anerkennung geniefien, abzutrennen sind, namlich die Typen Pestifer und BreBlau.
Hinsichtlich dee letzteren Typus sagen sie: „Es hat danach den Anschein, dafi den
von Bitter auf kultureilem Wege differenzierten Typen auch kennzeichnende Ver-
echicdenheiten am Rezeptorenbau zukommen." Die von mir in Uebereinstimmung mit
28*
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436
(Jentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 6.
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B. Fischer, Reiner Muller usw. betonten kulturellen und einfachen agglutinatori-
schen Unterscheidungsmerkmale des Bact. paratyphi B und des Bact. enteritidis
Breslau haben sie aagegen weder bei ihren zahlreichen Sammlungskulturen, noch bei
einer Reihe ihnen von mir zur Verfugung gestellten Stiimmen meiner Sammlung ein-
wandfrei bestatigen konnen. Fiitterungsversuche an weiBen Mausen ruit ihren Sanini-
lungskulturen, die, wie Herr Reg.-Rat Manteufel mir mitzuteilen die Liebenswiirdig-
keit hatte, zum Teil schon sehr alt sind, und die deshalb selbstverstandlich ein un-
sicheres Ergebnis zeitigen miissen, haben sie offenbar nicht angestellt.
Gegeniiber dem noch etwas abwartenden Urteil von Manteufel und Beger:
„Es hat also nach den bisherigen Untersuchungen tatsachlich den Anschein, dad den
von Bitter zusammengefaBten Unterscheidungsmerkmalen gewisse Berologische Diffe-
renzierungsmoglichkeiten entsprechen. Immerhin sind wir nicht der Ansicht, dad ein
giiltiger Beweis dafiir bereits erbracht ist und halten eine weitere Bearbeitung dieser
Frage fur notwendig“, kommt Schiff (7) zu einem durchaus eindeutigen Unter,-
suchungsergebnis. Schiff hat in umfangreichen Versuchen den Rezeptoren-
apparat der Paratyphus B- und Enteritis Breslaubakterien nach dem von Weil und
Felix ausgearbeiteten Yerfahren gepriift. Mit Hilfe dieser Rezeptorenanalyse, die be-
kanntlich den Doppeltypus der tnermostabilen und thermolabilen Rezeptoren beriick-
sichtigt, kommt er zu dem SchluB, daO, zwischen den echten Paratyphus B-Bakterien
und den I* leischvergiftern der Paratyphusgruppe vom Typus Breslau regelmaflig sero-
logische Unterschiede bestehen. Gleich sind nach seinen Untersuchungeu die therino-
atabilen und ein Teil der thermolabilen Rezeptoren, wahrend ein anderer Teil der
thermolabilen durchaus verschieden ist.
Wolf Gartner (8) hat im Untersuchungsamt fiir ansteckende Krankheiten am
Hygienischen Institut in Kiel umfassende biachforschungen iiber die Klinik, path.
Anatomie und Epidemiologie der in der Literatur niedergelegten Fiille von Para¬
typhus und Enteritis angestellt. Er hat ferner gemeinschaftlich mit mir das biologische
und einfache serologische Verhalten einer groBen Reihe von noch erhaltlichen Erregeru
von Paratyphus B- und Enteritiserkrankungen, soweit sie in der Literatur als durch
Paratyphus B-Bakterien hervorgerufeu bezeichnet wurden, gepriift. Er kommt zu dem
Resultat: „Sowohl die Klinik, die anatomische Pathologie, als auch die Epidemiologie
und die Bakteriologie lassen eine Trennung des Paratyphus B abdominalis (Schott-
miiller) von der Gastroenteritis paratyphosa B wiinschenswert erscheinen. Die hier
besonders interessierende Bakteriologie luBt eine Trennung sowohl im Wachstum (Wall-
bildung, Gelatinestrich) als auch durch die spezifische Agglutination, die Mausepatho-
f enitat, die Toxizitat und wahrscheinlich auch durch die Immunitatsverhaltnisse er-
ennen.“
Verwunderlich erschien mir der Uinstand, daS ebensowenig wie Manteufel und
Beger, Schiff, von denen letzterer auBer einer Reihe von mir identifizierter Stamrne,
die auch Manteufel besaB, sogar ein hochwertiges spezifisches Agglutinationsserum
mit dem von mir gefundenen Titer 1 :100(XX) bzw. 1 :200000 ohne Glyzerinzusatz in
Handen hatte, weder die kulturellen noch die einfachen agglutinatorischen Unterschiede
zwischen Paratyphus B- und Enteritisbakterien finden konnte. Futterungsversuche
scheint Schiff 60 wenig wie Manteufel und Beger angestellt zu haben.
Ich habe mich zur Kliirung dieser Unstimmigkeit an Herrn Ober-
regierungsrat Manteufel gewendet und ihn gebeten, mir moglichst viele
seiner Sammlungskulturen, die er und Beger nach dem Ausfall des
Castellanischen Abs&ttigungsversuches unter die Typen Paratyphus B
und Enteritjs Breslau eingruppiert hatten, zu senden. Die Kulturen
sollten nur Nummern, aber keine naheren Bezeichnungen tragen. Durch das
freundliche Entgegenkommen von Herrn Oberregierungsrat Manteufel
kam ich in den Besitz von 22 SchrSgagarkulturen, die mit den Num-
mern I—XXII bezeichnet waren. Diese Kulturen, die am 7. und 8. April
in Kiel eintrafen, habe ich sofort nach ihrer Ankunft auf neuen Scbrag-
agar 2mal ubertragen. Weiterhin habe ich von jeder Kultur auf eine
ganze Chinablauagarschale einen Strich und einen grofien Punkt gesetzt
und in je einem Gelatinerohrchen eine Strichkultur angelegt. Ferner
wurde zur Prilfung der Reinheit der iibersandten Kulturen mit wenig ,
Material eine gut verteilte Oberflachenaussaat auf Chinablaumalachit-
griinagar gemacht. Am folgenden Tage wurde von dieser Oberfliichen- :
aussaat je eine mir besonders charakteristisch erscheinende Kolonie
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Bitter, Unterscheidung d. Erreger d. Enteritis- u. Paratyphuserkrankungen. 437
abgestochen auf folgende Niihrbbden: 1) SchrSgagar, 2) Neutralrot-
traubenzuckeragar, 3) Peptonwasser, 4) Chinablaumolke. Das Indolbil-
dungsvermbgen in Peptonwasser wurde nach 24-stiind. Bebriitung rnit
dem Ehrlichschen Reagens gepriift. Es war bei keinem Stamme
vorhanden. Das Gasbildungs- und Reduktionsvermogen in Neutralrot-
traubenzuckeragar wurde 3 Tage lang beobachtet. Dabei stellte sich,
wie gleich hier mitgeteilt werden mag, heraus, daB der Stamm XVII
kein Gas aus Traubenzucker zu bilden vermochte, wkhrend sich im
iibrigen alle Stamme regelrecht verhielten. Diese letzte Beobachtung
wurde in mehrfachen verschiedenartigen Kontrollversuchen immer wieder-
holt. Die Chinablaumolken wurden nach 24-stiind. Bebriitung betrachtet
und dann weiter bebrutet, bis bei alien nach spStestens 10 Tagen der
charakteristische Farbumschlag in Weill festgestellt werden konnte. Das
eine frisch angelegte SchragagarrOhrchen wurde nach 24-stiind. Be¬
briitung mit 10 ccm physiol. Kochsalzlosung abgeschwemmt, die Ab-
schwemmung durch ein Papierfilter filtriert und in jede Abschwemmung
ein 3 g schweres Stiickchen altes Brot fiir V* Std. gelegt. Diese Brot-
stiickchen wurden an je eine ausgewachsene Maus verfiittert. Die
2. Schr&gagarkultur wurde nach 24-stiind. Aufenthalt im Brutschrank zu
Agglutinationszwecken verwendet. Das Agglutinationsergebnis dieser
Kultur wurde am nSchsten Tage kontrolliert durch das Resultat der
Agglutination, die mit den Bakterien, welche auf der Schragagarkultur
von der Oberflachenaussaat auf Chinablaumalachitgrunagar gewachsen
waren, erzielt wurde. AuBerdem wurde eine 3. Agglutinationskontrolle
bei den Stammen gewonnen, die nach dem Tode der verfiitterten Ver-
suchstiere aus ihrem steril entnommenen Herzblut wieder geziichtet
werden konnten. Der Einfachheit halber habe ich den von den einzelnen
Stammen nach 2 Std. bei 37° erreichten Agglutinationswert in Prozent
des Agglutinationstiters meiner polyvalenten Sera bezeichnet. Diese
Sera wurden mit je 6 agglutinatorisch besonders charakteristischen
Stammen durch 4malige Injektion eines weiblichen gutgenahrten Kanin-
chens gewonnen. Sie waren zu gleichen Teilen mit Glyzerin versetzt (9)
und agglutinierten die in den letzten Monaten von mir besonders reich-
lich isolierten Paratyphus B- und Enteritis Breslaustamme durchschnitt-
lich in einer Verdflnnung 1:100 000. Es bedeutet also z. B. 50 Proz.
= 1 :50 000. Die Striche und Punkte auf den Chinablauplatten wurden
24 Std. bebrutet und dann nach weiterem 24-stiind. Aufenthalt bei Zim-
mertemperatur im auffallenden und durchfallenden Lichte (Einzelheiten
siehe Gartner) mit bloBem Auge beobachtet. Daneben wurden sie
mit schwacher VergroBerung unter dem Mikroskop betrachtet. Die Ge-
latinestriche sind bis 'zum 3. Mai in einem gewbhnlichen Schranlc bei
wechselnder Zimmertemperatur aufbewahrt und taglich angesehen worden.
Die Einzelheiten ergeben sich aus nachstehender Tab. I.
Die Agglutination der 1. von mir angelegten Schragagarkulturen
ergab insofern bei 2 Stammen ein nicht ganz einwandfreies Resultat,
als diese Spontanagglutination zeigten. Das lag, wie mir die
Priifung der Kolonien von den Oberflachenaussaaten bewies, nicht an
der mangelhaften Reinheit der Stamme, sondern an diesen selbst. Trotz
der Spontanagglutination war es mir aber doch moglich, die 2 Stamme
rein agglutinatorisch als Breslaubakterien zu identifizieren. Ich kann
daher sagen, daB ich 24 Std. nach Ankunft der Kulturen mit meinen
Seren agglutinatorisch die Unterscheidung von Breslau- und Paratyphus
B-Bakterien in fflr mich und meine Mitarbeiter eindeutiger Weise durch-
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438 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6.
Tabelle I.
Nr. dee
Stamm es
Wallbildung
Gelatine-
etrich am
Mausepathogenitat
Agglutination mit po-
lyvalentem Serum,
Titer 1:100 000
Diagnose
8. 4.
Parat.
B
Ent.
Breslau
Typhus
I.
fehlt
saf tig 3. 5.
gefiittert 7. 4. f 18. 4.
Herzblut: Breslau
100%, Parat. B 10 %
2%
50%
1:1000—
Breslau
II.
fehlt
trocken 3. 5.
gefiittert 7. 4. f 13. 4.
Herzblut: Breslau
100%, Parat. B50%
<20 „
50 „
1 :1000-
Breslau
III.
fehlt
trocken 3. 5.
gefiittert 7.4., lebt 15.5.
2 „
10 „
1:1000—
Breslau
IV.
nach 24 h Zim-
mertemperatur
deutlich
gerutacht
16. 4.
gefiittert 7.4., lebt 15.5.
50 „
20 „
1:1000—
Paraty. B
V.
nach 24 h Zim-
mertemperatur
deutlich
gerutscht
16. 4.
gefiittert 7.4., lebt 15.6.
50 „
10 „
1:1000—
Paraty. B
VI.
nach 24 h Zim¬
mer temperatur
deutlich
rahmartig,
dicker Tropf.
3. 5.
gefiittert 7.4., lebt 15.5.
50 „
10 „
1:1000—
Paraty. B
VII.
fehlt
ziemlich saf-
tig 3. 5.
gefiittert 8.4., lebt 15.5.
10 „
10—20
%
1:1000-
Breslau
VIII.
nach 24 b Zim¬
mer temperatur
deutlich
rahmartig,
dicker Tropf.
3. 5.
gefiittert 8.4., lebt 15.5.
100 „
10%
1: l000i
Paraty. B
IX.
nach 24 h Zim-
mertemperatur
zart, mikrosk.
deutlich
rahmartig,
kleiner Tropf.
3. 5.
gef uttert 8.4., lebt 15.5.
100 „
20 „
1:1000—
Paraty.B
X.
fehlt
saftig 3. 5.
gefiittert 8.4., lebt 15.5.
< 5,,
50 „
1:1000-
Breslau
XI.
fehlt
ziemlich saf¬
tig 3. 5.
gefiittert 8.4., lebt 15.5.
< 5 „
20 „
1:1000-
Breslau
XII.
fehlt
ziemlich saf¬
tig
gefiittert 8. 4., + 20. 4.
Herzblut: steril
50 „
50-
100%
1:1000-
Breslau
XIII.
nach 48 h Zim¬
mer temperatur
deutlich
gerutscht
3. 5.
gefiittert 8.4., lebt 15.5.
50 „
5 „
1:1000—
Par a ty. B
XIV.
fehlt
ziemlich saf¬
tig 3. 5.
gefiittert 8. 4., f 14. 4.
Herzblut: Breslau>
100 %, Paratv. B <
50 %
2 »
50 „
1:1000—
Breslau
XV.
fehlt
ziemlich saf¬
tig 3. 5.
gefiittert 8. 4., + 17. 4.
Herzblut: Breslau
50 %, Paraty. B 20°/ 0
20 „
40 „
1:1000-
Breslau
XVI.
fehlt
ziemlich
trocken 3. 5.
gefiittert 10.4., + 19.4.
Herzblut: Breslau
10 %, Paraty. B 5 %
5„
10 „
1:1000-
Breslau
XVII.
nach 48 h Zim-
mertemperatur
sehr zart, mi-
kroskopisch
deutlich
rahmartig,
kleiner Tropf.
3. 5.
gefiittert 10. 4., + 11.5.
Herzblut: Breslau
100°/,, Parat.B 10 %
100 „
<50 „
1:1000—
Paraty. B
non gaeofpr-
man-
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r
Bitter, Unterscheidung d. Erreger d. Enteritis- u. Paratyphuserkrankungen. 439
Nr. des
Stamm es
Wallbildung
Gelatine-
strieh am
8. 4.
Alausepathogenitat
Agglutination mit po-
lyvalentem Serum,
Titer 1:100 000
Diagnose
Parat.
B
I Ent.
Breslau
Typhus
XVIII.
fehlt
trocken
3. 5.
gefuttert 10.4., +20.4.
Herzblut: Breslau
100%, Parat. B 20 %
2 Vo ! 50°/o
etwas Spon-
tanagglut.
1:1000±
Breslau
XIX.
nach 48 h Zim¬
mertemperatur
deutlich
gerutscht
16. 4.
gefuttert 10.4., lebt 15.5.
100%
50%
1:1000—
Paraty. B
XX.
fehlt
ziemlich
trocken 3. 6.
gefuttert 10.4., lebt 15.5.
2 „
20 „
.1:1000±
Breslau
XXI.
fehlt
trocken
3. 5.
gefuttert 10.4., lebt 15.5.
1 ,,
etwas S
20 „
•pontan-
1:1000±
Breslau
XXII.
fehlt
trocken
3. 5.
gefuttert 10. 4., + 16. 4.
Herzblut: Breslau
100 %> Parat. B <
2 %
5%
50%
1:1000-
Breslau
fiihren konnte. Ich will beraerken, daB ich die Beurteilung der Agglu¬
tination mit bloBem Auge nach 2-stiind. BebrQtung vorgenommen und
mein Urteil dann durch das einer erfahrenen Laborantin und mit Hilfe
des Agglutinoskops kontrolliert habe.
Von den von mir als Paratyphus B angesprochenen 2 StSmmen
zeigten 6 das Phanomen der Wallbildung schon nach insgesamt 48 Std.
dem unbewaffneten Auge mit groBer Deutlichkeit. Nur die StQmme IX
und XVII bildeten auch bei lSngerer Aufbewahrung Wfille, die nur
mikroskopisch mit absoluter Sicherheit als solche zu erkennen waren.
Immerhin waren sie nicht so undeutlich, daB man sie nicht bei genauer
Betrachtung mit bloBem Auge, besonders auch im durchfallenden Lichte,
hatte wahrnehmen konnen. Im Gegenteil, die beiden Schalen waren
von mir als „wahrscheinlich positiv“ bezeichnet worden; meine Mit-
arbeiter sonderten sie ebenfalls aus den iibrigen Kulturschalen mit einer
ahnlichen Diagnose aus, und die dann erfolgende mikroskopische Durch-
musterung zeigte uns, daB wir richtig gesehen hatten. Das mikroskopi¬
sche Aussehen der Waile ist ungemein charakteristisch. Die grobe,
radiSre Strichelung im Bereiche der Wallzone ist in die Augen springend.
Es empfiehlt sich selbstverstandlich, bei einem guten Wallbildner, der
nach der BebrQtung nur etwa 16—18 Std. bei Zimmertemperatur ge-
standen hat, sich erstmalig dieses Bild zu betrachten und einzupr&gen.
GQrtner und ich haben bei unseren DurchprQfungen alter Labora-
toriumsstamme die Ueberzeugung gewonnen, daB das Wallbildungs-
phanomen bei Paratyphus B-Bakterien sicher nur selten im Laufe der
Jahre vollig zu verschwinden pflegt. Anders liegen die Verhaitnisse,
wie ja bekannt, bei Gartner-Bakterien. So sicher man auch bei ihnen
gleich nach der ZQchtung aus dem Menschen- oder TierkQrper die Waile
sieht, so unzuverlassig ist dieses Kulturmerkmal bei alten Laboratoriums-
stfimmen.
Fast parallel mit dem WallbildungsvermQgen lauft das Verhalten
der Wallbildner in ihrem Wachstum auf dem Gelatinestrich. Breslau-
bakterien wachsen auf ihm in alien Uebergangen von „ganz trocken u zu
„sehr saftig u . Paratyphusbakterien und Gar tner-Stamme aber zeigen,
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440
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6.
falls sie das Wallbildungsvermogen nicht ganz eingebiiBt haben, dicke,
rahmartige Auflagerungen. Beginnt man den Strich, wie das zur Pru-
fung des nun zu beschreibenden Phknomens notwendig ist, etwa 1 cm
vom Grunde des SchrSggelatinerohrchens entfernt, so „rutschen“ gute
Wallbildner in der Regel sp&testens nach 8-tagig. Aufenthalt der Kultur
bei Zimmertemperatur auf den Boden des Rohrchens herab. Bakterien,
die durch langere Fortzilchtung ihr Wallbildungsvermogen mehr oder
weniger verloren haben, rutschen nicht mehr, bilden aber unten am Be-
ginne des Striches einen mehr oder weniger dicken, deutlich sichtbaren
Tropfen oder Wulst. Von den 8 von mir als Paratyphus B-Bakterien
angesprochenen Stammen bildeten 6, wie gesagt, noch sehr deutliche Walle.
4 von ihnen „rutschten“ auf der Gelatine, 3 hatten einen dicken Tropfen
und nur bei 1 war dieser Tropfen, wenn auch deutlich, so doch verhalt-
nism&Big klein. Die ganze rahmartige Konsistenz der Kulturmasse aber
und insbesondere der Vergleich mit den anderen, nicht „rutschenden“,
trocken bis saftig wachsenden Breslaukulturen lieB den gesuchten Unter-
schied deutlich in die Augen springen. Es erscheint mit merkwurdig,
daB dieses von B. Fischer vor langer Zeit beschriebene Ph&nomen, auf
das wir Kieler immer und immer wieder hingewiesen haben, so wenig
Beachtung gefunden hat. Ich habe es nicht fur unnotig gehalten, an
dieser Stelle nochmals so eingehend tiber seine Einzelheiten zu berichten.
Von den gefiitterten Hausen sind insgesamt 9 gestorben. Keine verendete spater
als 12 Tage nach der Fiitterung, mit Ausnanme der Maus XVII, die vom 1. Tage nach
der Fiitterung an krankelte, am 12. Tage schwer krank erschien, sich dann aber wieder
erholte und schlieBlich nach 30 Tagen zugrunde ging Bei ihrer Sektion wurde aus
dem Herzblute ein Bakterium geziichtet, das sicher nicht mit dem verfiitterten identisch
war und von mir nach seinem kulturellen und agglutinatorischen Verhalten als ein
echtes Breslaubakterium mit hochster Agglutinabilitat (fiber 100 Proz.) angesprochen
werden muBte. Der verfiitterte Stamm XVII war, wie aus meiner Tabelle hervorgeht,
ein Paratyphus B-Stamm, der mikroskopisch sichere Walle bildete, kein Gas aus
Traubenzucker entwickelte und von meinem Paratyphus B-Serum mindestens um 50 Proz.
besser agglutiniert wurde, als von meinem Breslauserum. Diese Maus ist also nach
meiner Ueberzeugung nicht an den verfiitterten Mikroorganismen gestorben, sondern
an einer anderen Krankheit, die die Invasion von Breslaubakterien, die sich ja im
Mause- und Battendarm so haufig saprophytisch lebend finden, ermoglichte. Aehnliche
Beobachtungen hat man schon ofters gemacht, und ich will nur darauf hinweisen, daB
ich im vorigen Jahre gesehen habe, wie eine ganze Reihe von unvorsichtig mit groBen
Mengen abgetfiteter Stavhylokokken geimpften gesunden weiBen Mausen mit dem bakte-
riologischen Befund ^Breslau-Sepsis u zugrunde gingen. Die nicht geimpften Versuchs-
tiere gleicher Herkunft blieben gesund.
Die nach 12 Tagen gestorbene Maus XII enthielt in ihrem Herzblut trotz Auf-
bewahrung des Herzens in Galle (48 Stunden bei 37°) keine Bakterien. Sowohl die
direkten wie die Galleaussaaten waren dauernd steril. Aus dem Herzblut der iibrigen
7 Mause wurde das verfiitterte Bacterium mit seinen kulturellen und agglutinatorischen
Eigenschaften ohne Gallekultur in groBen Mengen reingeziichtet. Die Agglutinabilitat
hatte sich bei den meisten dieser aus dem Herzblut geziicnteten Stamme, z. T. weaentlich,
f ehoben, ein Umstand, auf den ich noch zuriickkommen werde. Nur diese 7 Tiere also
onnte ich als der Intoxikation bzw. Infektion mit den verfiitterten Bakterien erlegen
bezeichnen. Die iibrigen Stamme, die ich fiir Breslaubakterien hielt, hatten demnach
offenbar ihre Toxizitat eingebiiBt. In jeder Gruppe (Paratyphus B und Enteritis Breslau)
ist ein Tier gestorben, dessen Tod nicht auf die verfiitterten Bakterien bezogen werden
konnte. Dieser Umstand mahnt zur vorsicht-igen und kritischen Beurteilung der
Fiitterungsversuche!
Auf Grund der mitgeteilten Befunde schickte ich am 4. Mai an
Herrn Oberregierungsrat Manteufel folgende Uebersicht:
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Bitter, Unterscheidung d. Erreger d. Enteritis- u. Paratyphuserkrankungen. 441
Tabelle II‘).
1. Paratyphus B mit guten Wallen, auf Gelatine rutschend, nicht fiitterungs-
pathogen fiir Mause, Agglutination mit polyvalenten Seren spricht fiir Paratyphus B.
IV 50 Proz. 20 Proz.
V 50 „ 10 „
XIII 50 B 5 „
XIX 100 , 50 „
la. Paratyphus B mit deutlichen Wallen, die aber zarter sind als bei 1., und
znm Teil nur mikroskopisch sicher zu sehen waren, auf Gelatine nicht mehr rutschend,
aber rahmartig wachsend, nicht fiitterungspathogen fiir Mause, Agglutination mit poly¬
valenten Seren spricht fiir Paratyphus B:
VI 50 Proz. 10 Proz.
VIII 100 „ 10 „
IX 100 „ 20 „
XVII 100 „ <50 Proz. non gasoformans.
2. Breslau ohne Walle, auf Gelatine nicht rutschend; fiitterungspathogen fiir
Mause, Agglutination mit polyvalenten Seren spricht fiir Breslau.
I 2 Proz. 50 Proz.
50 „
50 „
40 „
50 „ (etwas Spoutanagglutination)
50 „
II 20
XIV 2 „
XV 20 „
XV1I1 2 „
XXII 5 Proz.
2a. Breslau ohne Walle, auf Gelatine nicht rutschend, nicht fiitterungspathogen
fur Mause, Agglutination mit polyvalenten Seren spricht fur Breslau:
X 5 Proz. 50 Proz.
XI 5 , 20 „
XII 50 „ 50-100 Proz.
XX 2 , 20 Proz.
XXI 1 „ 20 „ (etwas Spontanagglutination)
2b. Ohne Wiille, auf Gelatine nicht rutschend; gefutterte Maus stirbt nach 9 Tagen.
Kultur- und aus den Organen geziichtete Bakterien werden von Paratyphus B- und
Breslau-Serum wenig beeinfluflt.
XVI 5 Proz. (10 Proz.)
2c. Ohne Walle, auf Gelatine nicht rutschend, nicht fiitterungspathogen fiir die
Mans, Agglutination durch Paratyphus B- und Breslau-Serum schwach.
Ill 2 Proz. 10 Proz.
VII 10 n 10-20 Proz.
Tabelle III.
1. IV. ParatyphuB B (Bitter Originalstamm No. 400)
V. „ B ( „ „ „ 500)
XIII. „ B Tietz
XIX. „ B Nagel.
la. VI. Paratyphus B (Bitter Originalstamm No. 600)
VIII. „ B Schottmuller
IX. „ B H ell wig
. XVII. „ B Kantjes.
2. I. Bact. enter. Breslau (Bitter Originalstamm D)
II ( E)
XIV. Paratyphus B (Breslau) Ueberruhr 1648
XV. „ B „ „ 1664
XVIII. „ B „ Barth
XXII. „ B „ Gangraenosa.
2a. X. Paratyphus B (Breslau) Kaensche 2b. XVI. Paratyphus B (Breslau) Busse.
XI. „ B „ Meirelbeck
XII. „ B „ Breslau 2c. III. Bact. enter. Breslau (Bitter
XX. „ B „ Storch Originalstamm F)
XXI. „ B „ Lange. VII. Paratyphus B 1.
1) Die Prozentzahlen hinter den Nummern bedeuten die erreichten Agglutinalions-
werte mit Paratyphus B- und Breslauserum.
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442
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6.
Die Eingruppierung, die Manteufel und Beger durch ihre Ca¬
ste ilanischen Abs&ttigungsversuche getroffen batten, ist aus der eben-
falls mitgeteilten, mir auf meinen Bericht von Manteufel freundlichst
zugesaudten Zusammenstellung zu entnehmen. Manteufel schreibt
mir dazu: „Da unsere Sammlungsstamme alle die Bezeichnung P.T. B.
tragen, habe ich bei den Kulturen, die wir als Fleischvergifter ansehen,
in Klammern (Breslau) hinzugefugt. Eine Unstimmigkeit scheint mir nur
beim Stamm P.T. B. I vorzuliegen (No. VII in Hirer Gruppe 2c), den
wir ftir einen Paratyphus B halten, wShrend Sie ihn als Breslau anzu-
sprechen neigen. u Ueber die Herkunft dieses Stammes, wie tiberhaupt
der meisten iibrigen konnte Manteufel mir leider keine nahere An-
gaben machen. Es bleibt weiteren feineren serologischen Untersuchungen
in Absattigungsversuchen unter Umstanden mit Beriicksichtigung der
feineren Differenzierung des Rezeptorenapparates nach Weil und Felix
vorbehalten, zu entscheiden, ob Manteufel hinsichtlich dieses einen
strittigen Stammes das Richtige getroffen hat oder ich. Jedenfalls zeichnet
er sich durch eine recht niedrige Agglutinabilitat aus, die allerdings von
2 Breslaustammen, von denen der eine vor einem Jahre etwa noch eine
sehr gute Agglutinabilitat besaB (III, siehe unten), noch iiberholt wurde.
Alles in allem sind Manteufel und ich der Ansicht, daB durch diesen
Versuch die MSglichkeit der kulturellen und einfachen serologischen
Differenzierung von Paratyphus B- und Breslaubakterien erwiesen ist,
und ich glaube den bfindigen Beweis erbracht zu haben,
daB unsere Kieler und insbesondere meine eigenen, an
mehr als 1000 Paratyphus B- und mehreren 100 En teritis-
stammen gewonnenen Erfahrungen nicht auf Zufailig-
keiten oder auf Sinnestauschung beruhen. Ich habe nach
wie vor die Ueberzeugung, daB diese Unteischeidungsmerkmale in jedein
Laboratorium leicht zu sehen sind, und daB ihre Beachtung zu einer
Trennung der Aetiologie von Paratyphus und Enteritis fuhren muB.
Aber auch nach anderer Richtung hin scheint mir der angestellte
Versuch recht interessant und lehrreich zu sein. Sieht man sich die
Agglutinationswerte, die die Paratyphen mit meinem polyvalenten Serum
erreichten, an, so wird man finden, daB keiner unter ihnen ist — von
dem strittigen Stamm VII sehe ich ab — der nicht mindestens bis zu
50 Proz. agglutiniert wurde. Unter den Breslaustammen fallen die hohen
Agglutinationswerte in Gruppe 2 auf. Keiner unter ihnen wird unter
40 Proz. agglutiniert. Samtliche sind noch futterungspathogen. In
Gruppe 2a ist der durchschnittliche Agglutinationswert schon geringer,
in 2b und 2c sehr gering. Futterungspathogen ist von den Stammen
mit niedrigem Agglutionswert nur ein einziger, wahrend die 6 mit dem
durchschnittlichen hochsten Agglutinationswert die hochste Mausepatho-
genitat zeigen. Wohlverstanden, sind diese Agglutinationswerte nach
dem Befunde eingetragen, der an den Bakterien erhoben wurde, die noch
nicht den Tierkdrper passiert hatten. Sehen wir uns in Tab. I die
Agglutinationswerte an, die von den aus dem Herzblut der verendeten
Tiere gezuchteten erreicht wurden, so konnen wir im allgemeinen eine
deutliche Steigerung wahrnehmen.
Stamm I steigt von 2 und 50 Proz. auf 10 und 100 Proz., II von < 20 und 50 Proz.
auf 50 und 100 Proz., XIV von 2 und 50 Proz. auf < 50 und > 100 Proz., XV von
20 und 40 Proz. auf 20 und 50 Proz., XVIII von 2 und 50 Proz. auf 20 und 100 Proz..
und XXII von 5 und 50 Proz. auf < 2 und 100 Proz. Gleich schlecht agglutinabel
bleibt Stamm XVI.
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Bitter, Unterscheidung d. Erreger d. Enteritis- u. Paratyphuserkrankungen. 443
Es ist eine bekannte Tatsache, daB die Virulenz der Enteritis-
stamme durch die Tierpassage gehoben werden kann. Wenn wir
nun sehen, daB die durchschnittlich hochst agglutinablen St&mme die
durchschnittlich hochste Tierpathogenitat zeigen und andererseits in fast
alien Fallen die futterungspathogenen Bakterien ihre Agglutinabilitat mit
dem spezifischen Serum durch die Tierpassage vergroBern, so denkt man
unwillkfirlich an einen Zusammenhang. Gestiitzt wird dieser Gedanke
noch durch Beachtung des Umstandes, daB Stamm III in Gruppe 2c,
der urspriinglich in meinen Versuchen fiitterungspathogen war und noch
vor etwa 1 Jahre, wie ich bestimmt weifi, durch Breslauserum hoch
agglutiniert wurde, jetzt einen so niedrigen Agglutinationswert hat und
nicht mehr fiitterungspathogen ist. Demgegentiber muB man bei den
Paratyphus B-Stammen, die s&mtlich einen hohen Agglutinationswert
mit polyvalentem Serum haben, daran denken, daB sie in dieser Hinsicht
sich ahnlich wie Typhusbakterien verhalten. Bekanntlich verlieren die
Typhusstamme ihre Pathogenitat bei Fortzuchtung auf kiinstlichen Nahr-
bOden meistens nicht. Laboratorium sinfektionen mit solchen
lange fortgeziichteten Stammen sind keine Seltenheit. Ich selbst habe
mehrere derartige gesehen und kann insbesondere fur eine, die bei der
Herstellung von Typhusimpfstoff sich bei uns ereignete, und aufier-
ordentlich schwer verlief, den Beweis liefern, daB sie mit einem be-
stimmten Stamme, der sich durch auffailig zartes Wachstum und die
Bildung von seltsamen Involutionsformen auszeichnete, zustande ge-
kommen ist. Die betreffende Laborantin hatte sich beim Abschwemmen
von Kulturen gerade dieses Stammes etwas von der Aufschwemmung
ins Gesicht gespritzt. Sie kam sofort zu mir, meldete den Vorfall mit
genauen Angaben, wurde auBerlich mit Sublimatlosung desinfiziert und
spfilte den Mund mit 70-proz. Alkohol. Nach 14 Tagen erkrankte sie
an Typhus. Aus dem Blute und aus den Fazes habe ich den Stamm,
den ich mit Sicherheit identifiziert zu haben glaube, wieder geziichtet.
Auch 2 Paratyphus B-Infektionen habe ich gesehen, die meiner Meinung
nach auf Laboratoriumsstamme zurflckgefuhrt werden miissen. In der
fraglichen Zeit waren Paratyphus B-Bakterien bei uns nicht isoliert;
aber zur Prufung der eingesandten Blutproben nach Widal wurde
regelmaBig neben 2 Typhusstammen auch 1 Paratyphusstamm verwendet.
Es ist erwiesen, daB die beiden Laborantinnen einige Wochen vor ihrer
Erkrankung die regelmaBige Uebertragung und Abschwemmung der
Kulturen zu Agglutinationszwecken besorgt haben. — Es ist nicht von
der Hand zu weisen, daB der klinischen Aehnlichkeit der Paratyphus B-
Erkrankungen mit denen an echtem Typhus abdominalis eine Aehnlich¬
keit der Erreger hinsichtlich der Dauerhaftigkeit ihrer Virulenz auf
. kiinstlichen Nahrbbden entspricht. Die oben angefiihrten Beobachtungen
fiber Zusammenhang der Virulenz und Agglutinabilitat bei den Breslau-
bakterien und die H8he der letzteren bei den alten, von mir gepriiften
Paratyphus B-Stammen kfinnte wohl ftir die Richtigkeit der mitgeteilten
Ueberlegung sprechen und ein weiterer Gesichtspunkt fOr die Abtren-
nung der Enteritiserreger von denen des Paratyphus sein.
Wenn ich in meinen frttheren Veroffentlichungen, in Uebereinstim-
mung mit B. Fischer und Reiner Muller, behauptet habe, daB wir
noch nie ein Breslaubakterium gesehen hatten, das Waile bildete, so
kann ich diese Behauptung jetzt nicht mehr aufrecht erhalten. Am 4.
und 5. Marz d. J. wurde bekannt, daB in Osnabrfick (Stadtkreis) eine
groBe Reihe von Personen nach dem Genusse von Pferdefleisch (vor-
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444 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6.
zugsweise Hackfleisch), welches entweder roh oder gebraten verzehrt
wurde, erkrankt war. Polizeilich gemeldet sind insgesamt 176 Er-
krankungen, doch soil ihre Zahl nach personlicher Mitteilung des Stadt-
medizinalrates an mich wohl 300—400 betragen haben. Die Krankheit,
die 4—10 Stunden nach dem Genusse des Fleisches einsetzte, aufierte
sich mit Erbrechen, Durchfailen, Kopfschmerzen, Fieber und allgemeinem
Schlechtbefinden. Die Schwere des Krankheitszustandes war bei den
einzelnen verschieden. Bei vielen Personen waren die Erscheinungen
recht bedrohlich. 2 Personen sind der Vergiftung erlegen. Typhose
Krankheitsbilder sind, wie mir der Stadtarzt und mehrere andere viel-
beschaftigte Aerzte wiederholt versichert haben, nicht zur Beobachtung
gekommen. Auch die schwerer erkrankten Patienten waren nach Ablauf
1 Woche als gesund, wenn auch teilweise noch als schwach zu bezeichnen.
Das Fieber soil ira allgemeinen nicht iiber 3 Tage angehalten haben.
Das Pferdefleisch stammte von einera wegen einer „Geschwulst“ (nach
anderer Aussage „AbszeB“) am Mastdarm notgeschlachteten Tiere, das
langere Zeit in tierarztlicher Behandlung gewesen war. Der behandelnde
Tierarzt soli das Fleisch untersucht und als geeignet zum GenuB abge-
stempelt haben. Diese Angaben des Schlachters scheinen sich nach per-
sonlichen Erkundigungen von mir durchaus zu bestatigen. Ich brauche
an dieser Stelle wohl nicht wieder einmal zu betonen, wie leicht durch
die Einfiihrung der obligatorischen bakteriologischen Fleischbeschau bei
alien Tieren, die wegen einer in das Wurzelgebiet der Fleischvergiftungen
gehorenden Krankheit (StandfuB, 10) notgeschlachtet sind, diese
Massenerkrankung vermieden ware. Man denke an den groBen wirt-
schaftlichen Verlust durch die vielen Krankheitstage usw. und an die
verhaltnism&Big geringen Kosten der bakteriologischen Fleischbeschau
und ihrer Folgen! In den am 4. Marz in der Schlachterei beschlag-
nahmten Resten des Hackfleisches wurden im Medizinaluntersuchungsamt
in Miiuster „Paratyphus B-Bakterien* nachgewiesen. Gleichzeitig mit
den nach Miinster gesandten Proben wurde vom Stadtarzt in Osnabruck
eine Probe nach Kiel an das Untersuchungsamt fur ansteckende Krank-
heiten geschickt. Aus dieser Probe konnte ich nach Verlauf von 36 Std.
einwandfrei Breslaubakterien isolieren. Sie wuchsen aus den auf Chinablau-
malachitgrunagar ausgestrichenen Fleischteilchen gemeinsam mit gewohn-
lichen Coli-Bakterien in ungeheurer Menge. Die Bakterien der ver-
dachtigen Kolonien verhielten sich auf der Reihe (Peptonwasser,
Neutralrottraubenzuckeragar, Chinablaumolke) regelrecht, und wurden
folgendermaBen durch unsere Sera (Titer 1:100000) agglutiniert. Typhus
1 Proz. —, Gartner 2 Proz. +, Parat. B < 50 Proz., Breslau 200 Proz.
Die am 7. Marz mit Fleisch gefutterte Maus hatte am 13. Marz heftigen
Durchfall, am 14. erlag sie ihrer Krankheit; wahrend die Kultur aus
ihrem Herzblut nicht gelang, wurden aus Milz und Leber Bakterien ge-
ziichtet, die sich wie die aus dem Fleische isolierten verhielten. Auf
der Originalschale (Fleisch) zeigte nach 48 Std. keine Kolonie, auch
mikroskopisch, die Andeutung eines Walles, dagegen konnten wir nach 72
und besser noch nach 96 Std. — also 3 Tage Aufenthalt bei Zimmer-
temperatur — einzelne Kolonien finden, die uns bei der Besichtigung
mit bloBem Auge verdachtig erschienen und mikroskopisch deutlich, wenn
auch zart, die charakteristische radiare Strichelung in der Randzone er-
kennen lieBen. Neben diesen wenigen Kolonien waren viele einzeln-
stehende vorhanden, die das Phanomen nicht zeigten, sondern den aus-
gesprochen gelappten und zarten Rand, den man gewohnlich, ahnlich wie
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Bitter, Unterscheidung d. Erreger d. Enteritis- u. Paratyphuserkrankungen. 445
bei Slteren Typhuskolonien, auch bei Breslaukolonien mikroskopisch
beobachtet, aufwiesen. Agglutinatorisch verhielten sich die Bakterien
der wallbildenden Kolonie genau wie die der nicht wallbildenden. Sie
zeichneten sich also durch sehr hohe Agglutinationswerte aus: Para-
typhus B < 50 Proz., Breslau 200 Proz. Mit Reinkulturaufschwemmung
von Wallbildnern und Nichtwallbildnern wurde am 11. Marz erneut je
1 Maus geftittert. Maus I (Wall) starb schon am 16. M&rz. Im Herz-
blut*fand sich Reinkultur von kulturell regelrechten Bakterien mit dem
Agglutinationswert Para B < 50 Proz., Breslau 200 Proz. Maus II
(ohne Wall) starb am 17. Marz. Die aus ihrem Herzblut rein geziichteten
Mikroorganismen verhielten sich genau wie die aus I isolierten. Weder
an den Strichen und Punkten, die wir von den Wallbildnern der Original-
aussaat anlegten, noch bei denen, die von den Herzblutbakterien von
Maus I und II staminten, haben wir in mehrfachen Versuchen jemals
wieder die Andeutung einer Wallbildung zu Gesichte bekommen konnen.
Wir haben von wallbildenden und nicht wallbildenden Kolonien bzw.
aus ihnen abgeimpften Kulturen mit und ohne Mausepassage immer
wieder Striche und Punkte angelegt, doch stets mit dem gleichen nega-
tiven Ergebnis.
Es hat nach dieser Beobachtung den Anschein, als ob ausnahms-
weise und ganz vorfibergehend die Breslaubakterien auch eine
Andeutung von Schleimwallen zeigen konnen. Die Wichtigkeit dieses
von uns in Kiel immer wieder betonten Kulturmerkmals fur die Unter¬
scheidung von Paratyphus B- und Breslaubakterien wird durch diese
seltene Einzelbeobachtung aber sicher ebensowenig verringert, wie das
Kulturmerkmal der ganzen Enteritis - Paratyphusgruppe, aus Trauben-
zucker Gas zu bilden, durch die vereinzelten Befunde von Oette,
G. Wagner usw. bezfiglich des Vorkommens von Bacterium para¬
typhi B non gasoformans an fundamentalem Wert verliert. — Wo-
mit die Wallbildung in diesem Falle zusammenh&ngt, ist nicht klar er-
sichtlich, wahrscheinlich wie das Wallbildungsvermogen der Paratyphus B-,
GSrtner-, Pestifer und Paratyphus C-Bakterien (siehe unten) mit
dem Aufenthalt im Tier- oder Men schenkor per. Ich habe
hinsichtlich der Streptokokken an anderer Stelle darauf hingewiesen (20),
daB es eine merkwfirdige Erscheinung ist, daB eine bestimmte Lo-
kalisation dieser Erreger bestimmten Wachstumseigentfim-
lichkeiten zu entsprechen scheint. Auf serosen Hauten, im Gehirn,
in der Pleura usw. bilden die Streptokokken im allgemeinen gem
Schleim und wachsen dementsprechend auf den frischen Kulturen.
Ein Teil dieser Streptokokken beh< dieses Wachstum als dauernde
Eigenschaft bei (z. B. Streptococcus mucosus Schottmfiller,
Streptococcus mucosus haemolyticus, Pneumococcus), ein
anderer schlfigt sehr bald auch bei Tierpassage nach subkutaner Impfung
in den Typus der Gruppe zuriick, die wir als Streptococcus pyo¬
genes zu bezeichnen pflegen. Insbesondere erscheint es auffallig, daB
die exquisiten Erreger der genuinen Pneumonie alle dauernd starke
Schleim- bzw. Kapselbildner sind (Pneumococcus, Streptococcus
mucocus, Bact. Fried lander). Man komrat auf den Gedanken,
daB dieses Schleimbildungsvermfigen die Mikroorganismen zur Ansied-
lung in den Lungen, die fiber besondere Schutzkrfifte verffigen dfirften,
erst befahigt. Die bekannten Tatsachen beztiglich des Zusamrnenhanges
von Virulenz und Kapselbildungsvermogen bei Milzbrandbazillen passeu
auch hierher. Von den gewohnlich nicht schleimbildenden Mikroorga-
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446 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6.
nisraen siedeln sich dann primar nur diejenigen an, welche dieses Ver-
mbgen, sei es auch nur eiue Zeitlang, erlangen konnen. Es ist unnotig zu
sagen, daB auch noch andere Eigentiimlichkeiten, wie z. B. die Hiille der
Tuberkuloseerreger, diese Ansiedelungsbegiinstigung in bestimmten Or-
ganen gewahren kann. Nach dem Gesagten konnte man daran denken,
daB das Wallbildungsvermogen mit bestimmter Lokalisation der ver-
schiedenen Augehorigen der Paratyphusgruppe im erkrankten Menscken
Oder Tiere vielleicht in Zusaminenhang zu bringen ware. Da *diese
Lokalisation der Enteritisbakterien im tierischen Korper eine recht ver-
schiedene sein kann, so glaube ich nicht, daB diese Ueberlegung ganz
von der Hand zu weisen ist.
Wolf Gartner hat auf S. 517 seiner Arbeit erwahnt, daB Vor-
schiitz (11) Unterschiede in der Agglutinabilitat von Paratyphus B- und
Enteritisbakterien (Breslau und Gartner) durch Lanthannitrat
in den Verdiinnungen m/200 bis m/1000 gefunden habe. Diese Befunde,
die Vorschtitz an je einem von mir ihm iibergebenen Stamm erhoben
hat, habe ich in umfassenden Versuchen nachpriifen lassen. Langen-
buch (12) hat an je 20 Breslau- und Paratyphus B-Stammen fest-
gestellt, daB durch die „elektrische Agglutination 1 * sich zwar im all¬
gem einen eine Unterscheidung in dem Sinne ermoglichen laBt, dail
Paratyphus B-Bakterien durch hohere Mol.-Verdiinnungen agglutiniert
werden als Breslaubakterien. Fiir den Einzelfall kann man aber
diese Agglutinationsunterschiede nicht als ausschlaggebend be-
trachten. Dasselbe gilt von den wenigen, von Langenbuch gepruften
Gartner-Stammen. Da nun aber die von Langenbuch untersuchten
Stamme teilweise schon langer fortgeztichtet waren, habe ich in Gemein-
schaft mit Hiilsmann (13) nochmals die in den letzten 2 Jahren von
mir isolierten 10 Breslau- und 3 Gartner-Stamme, die zum Teil
von Gruppen- und gewaltigen Massenerkrankungen herriihren, auf ihre
Agglutinationsfahigkeit durch Lanthannitrat untersucht. Auch die von
Manteufel mir iiberlassenen Stamme haben wir in den Kreis unserer
Priifungen einbezogen. Das Ergebnis war jedoch wieder durchaus
schwankend. Viele Stamme wurden durch Lanthannitrat ebenso hoch
und vielleicht noch hoher beeinfluBt, wie die zur Kontrolle mitagglu-
tinierten alten und frischen Paratyphus B-Kulturen. Meine nach den
ersten Ergebnissen entstandene Meinung, daB die „elektrische Agglu¬
tination 44 Unterschiede in dem Sinne vielleicht ermSglichte, daB die ein
hitzebestandiges fiir Mause fiitterungspathogenes Toxin bildenden mensch-
lichen Krankheitserreger von den ahnlichen, die ein solches Toxin nicht
produzieren, abzutrennen seien, hat sich nicht bewahrheitet. Fiitterungs-
pathogene Breslau- und Gartner-Stamme wurden durch Lanthan¬
nitrat stellenweise besser oder ebensogut agglutiniert, wie nicht fiitte-
rungspathogene oder wie Paratyphus B-Bakterien. Worauf der in die
Augen fallende Unterschied in der Agglutinabilitat einzelner sogenannter
Fleischvergifter und anderer Darmbakterien und Krankheitserreger durch
Lanthannitratverdunnungen beruht, ist demnach nicht klar. Sicher
scheint mir, daB die „elektrische Agglutination 44 etwas durchaus anderes
ist, als die biologische durch Immunitatsvorgange bedingte. Die Spe-
zifitat der letzteren spricht wohl am deutlichsten fur diese Ansicht.
Zur Erklarung des Agglutinationsphanomens, das wir
Bakteriologen zu sehen gewohnt sind, diirfte der Unterschied in der
elektrischen Ladung der Komponenten wohl nicht ausreichen.
Trotz der in der Literatur niedergelegten Mitteilungen liber die
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Bitter, Unterscheidung d. Erreger d. Enteritis- u. Paratyphuserkrankungen. 447
Verbreitungsart des Paratyphus B und fiber die Eigentfimlichkeiten
der Enteritiserkrankungen, die nur selten Oder gar nicht zu direkten
Kontaktinfektionen Veranlassung geben und im Gegensatz zu den
erstgenannten Erkrankungen den Menschen nicht zum Daueraus-
scheider machen, fehlt bislang ein sicherer Bericht dariiber, daB eine
groBe Paratyphus B-Epidemie, in deren Verlaufe unzweifelhafte Kon¬
taktinfektionen vorkamen und in der alle Falle ausnahmslos unter dem
Bilde einer typhosen Erkrankung verliefen, durch ein Nahrungs-
mittel hervorgerufen wurde. Ich mochte im folgenden iiber eine solche
Epidemie berichten, die an 100 Erkrankungen umfaBte, auBer den Kon¬
taktinfektionen durch den GenuB infizierter Milch bedingt war und
auf eine Paratyphus B-Dauerausscheiderin mit aller Sicherheit zurtick-
geffihrt werden konnte. Icb gebe in folgendem in etwas gekiirzter Form
den Bericht wieder,- den ich an das Gesundheitsamt in Eutin fiber den
Ausfall meiner an Ort und Stelle angestellten Ermittelungen am 4. Juli
1921 gesandt habe.
„Mitte Juni fiel im Untersuchuugsamt fiir ansteckende Krankheiten ein haufiges
Vorkommen von bakteriologischen Paratyphus B-Befunden auf, die aus Material er-
boben wurden, das aus Eutin zur Untersuchung auf Unterleibstyphus eingesandt war.
Auffallig erschien weiterhin erstens das im allgemeinen jugendliche Alter der Patienten
und dann der Umetand, dafi die auf den Begleitscheinen angegebenen Erkrankungstage
immer fur eine Reihe von Kranken zusammenfielen, so dafi man an einen explosions-
artigen Ausbruch der Epidemie dachte. Man hatte unwillkiirlich den Eindruck, als
wenn sich eine grofiere Anzahl von Personen, deren Wohnungen ziemlich weit ausein-
ander liegen konnten, bei einer bestimmten Gelegenheit oder an einer alien zugang-
lichen Infektionsquelle gemeinsam infiziert hatte. Da es sich aufierdem immer bei alien
Befunden urn das wohlcharakterisierte Paratyphus B-Bakterium handelte und nicht etwa
f elegentlich ein Typhusbakterium als Krankneitserreger festgestellt wurde, so wurde
iese Annahme einer gemeinschaftlichen Infektionsquelle noch gestiitzt. Nach Rfick-
sprache mit Herrn Dr. W. aus E., der die grofite Zahl von positiv befundenen Proben
eingesandt hatte, entschlofi ich mich, der Epidemie personlicn in E. nachzugehen. Am
25. Juni habe ich in E. gemeinschaftlich mit Dr. W., der auf Grund seiner bei der
Epidemie gemachten Erfahrungen zu ahnlichen Schlussen gekommen war wie ich, Er¬
mittelungen fiber die Infektionsquelle angestellt.
2 Termine sind bislang autierst markant fiir den Krankheitsbeginn yon Patienten-
gruppen. Der 1. liegt etwa am 6., der 2. am 14. Juni. Die Lokalisation der Seuche
Folgt im wesentlichen einem Strafienzuge, namlich der VVeberstrafie, von der Eisenbahn-
brticke beginnend, und der Ltibeckerstrafie. Aber auch am Ihlpohl war eine etwa am
6. ausgebrochene Familienerkrankung zu verzeichnen. Neuerdings sind auch Erkran¬
kungen in der Holstenstrafie und Kielerstrafie vorgekommen.
Alle Patienten bezogen ihre Milch entweder vom Bauhof. und zwar von dem tag-
lich fahrenden Milchwagen dieser Meierei, oder von dem an der Ecke der Weberstrafie
und Lubeckerstrafie wonnenden Milchhandler und Schlachter G. Z. B. konnte fest¬
gestellt werden, dafi die Familie des Sattlermeisters M., die am Ihlpohl wohnt, morgens
Ihre Milch weder vom Bauhof noch von G. entnimmt, abends dagegen fast regelmafiig
Milch von G. bekommt, die nach Angabe des Sattlermeisters von semen Sfihnen in den
vergangenen warmen Tagen der letzten Mai- und 1. Junihalfte gerne in ungekochtem
Zustande getrunken sei. M. selber trinkt nach seiner Angabe keine Milch. Er ist
bislang gesund geblieben, wahrend seine Frau und 3 seiner Sohne, wie bakteriologisch
festgestellt ist, ebenso wie seine verheiratete Tochter, an Paratyphus etwa am 6. Juni
erkrankt sind. In manchen Familien konnte festgestellt werden, dafi die Herrschaft
gesund blieb und vorzugsweise Dienstboten und Kinder erkrankten. Das vorzugsweise
Erkranken von Kindern und weiblichen Personen bei Milchcpidemien ist eine seit
langerer Zeit bekannte Tatsache.
Auffallig erschien, dafi von zwei Milchstellen die Quelle der Infektion ausgehen
sollte. Eine Anzahl von Personen hatte, wie gesagt, nur vom Bauhof, eine andere nur
von G. Milch bezogen. Auf Befragen hat G. Herrn Dr. W. und mir nun aber er-
klart, dafi er regelmafiig die Milch, die er nicht verkauft, zum Bauhof liefert, wo die-
selbe verbuttert wird. Der Vorgang gestaltet sich folgendermafien: Wenn der Milch¬
wagen des Bauhofes von seiner Fahrt in die Stadt mit leeren Kannen zurfickkommt,
so nimmt er bei G. eine Kanne Milch mit und liifit daffir eine seiner leeren Kannen,
die am Morgen mit Verkaufsrailch geffillt gewesen ist, zuriick. Die Infektion der Ver-
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kaufsmilch kann nun auf zweierlei Weise erfolgen: 1. Angenommen G. oder ein Mit-
glied seiner Familie ist ein Paratyphusdauerausscheider, so konnen Krankheitskeime
m die zum Verbuttern bestimmte Milch, die nach dem Bauhofe geliefert wird, gelangen.
Die Gefahr, dafi die Bakterien, selbst wenn sie sich in dieser Milch erheblich verniehren,
zu Massenerkrankungen nach dem Genufi der aus ihr hergestellten Butter fiihreD, halte
ich fur verschwindend klein. Massenerkrankungen an Typhus und Paratyphus, bei
denen Butter als Infektionsquelle festgestellt werden konnte, sind bislang mit einwand-
freier BegriinduDg in Deutschland nicht beschrieben worden. Es diirfte das vielleicht
mit dem hohen Gehalt der Butter an Bakterien zusammenhangen, deren Anwesenheit
oder deren Stoffwechselprodukte Typhus- und Paratyphus bakterien schlechte Existenz-
bedingpmgen gewahren. Wenn man aber auch die Butter ausschaltet, so liegt die Mog-
lichkeit vor, dafi in dem Milcbgefafl, das die Milch von G. enthielt, in welcher sich be-
sonders an warmen Tagen bei mehrstiindigem Stehen im Hause des G. und wahrend
des Transportes zum Bauhof die vielleicht nur sparlich hineingelangten Paratyphus
B-Bakterien stark vermehrt haben konnen, einige Krankheitserreger trotz sorgfaltigen
Spulens auf dem Bauhofe zuriick bleiben. Kommt dann am anderen Morgen die fur
den Stadtverkauf bestimmte Milch in dieses Gefafl, und ist es genugend warm, 60
konDen sich wiederum diese sparlich zuriickgebliebenen Bakterien in einigen Stunden
derartig vermehren, dafi der Genufi dieser Milch, besonders auch wenn sie in den Haus-
haltern wieder einige Zeit in ungekochtem Zustande stehen bleibt oder nur mangelhaft
erhitzt wird, Paratyphuserkrankungen zu bewirken imstande ist.
2. Angenommen, unter dem Melk- oder Meiereipersonal des Bauhofes befande sich
ein Paratyphus B-Dauerausscheider, so konnte sich die Infektion der Milch des G. in
ahnlicher Weise, wie oben geschildert, vollziehen.
Wichtig ist es, im Auge zu behalten, dafi Dauerausscheider von Paratyphus
B-Bakterien keine deutlich in die Erscheinung tretende Erkrankung an Paratyphus
durchgemacht zu haben brauchen. Auch bei der Eutiner Epidemie ist es gelungen,
einen Patienten nachtraglich ausfindig zu machen (Sohn des Sattlers M.), der nur
voriibergehend an leichtereu Darmstorungen litt, und zwar um den 6. Juni herum, und
doch, wie eine Untersuchung seines Blutserums zeigte, zweifellos einen Paratyphus
durchgemacht hat. Ich verfiige iiber mehrere Falle, in denen ich gerade solche leicht
erkrankten Personen zu Dauerausscheidern von Paratyphus B-Bakterien durch lange
Zeit werden sah. Es ist also sehr wohl moglich, dafi G. oder einer seiner Haushalts-
mitglieder Dauerausscheider ist, um so raehr, als ja im vorigen Jahre in E. schon ein
f ehauftes Auftreten von Paratyphus B-ErkrankuDgen, und zwar gerade in der Gegend
Veberstrafie, Liibeckerstrafle, Weidestrafle, Elisabethstrafie, festgestellt werden konnte.
Aber auch auf dem Bauhofe konnte unter dem Melk- und Meiereipersonal ein Dauer¬
ausscheider zu finden sein.
Meines Erachtens ist es notwendig, um ein weiteres Umsichgreifen der Epidemie auf
dem bisherigen Wege zu verhiiten, durch systematische Untersuchung von Blut-, Stuhl-
und Urinproben festzustellen, 1. ob G. oder eine Person seines Haushalts Daueraus¬
scheider ist, 2. ob unter dem Melkpersonal des Bauhofes sich ein solcher befindet,
3. ob unter den Meiereipersonen des Bauhofes einer gefunden werden kann. Auf die
Unterscheidung des Melk- und Meiereipersonals ware deshalb Wert zu legen, weil die
eventuellen Mafinahmen zur Beseitigung der Gefahr einer Infektion der Milch sich da-
nach richten konnten, ob der Dauerausscheider beim Meiken oder in der Meierei be-
schaftigt ist. Grofier Wert ist auch auf die Einsendung von Blut von alien in Betracht
kommenden Personen zu legen. Sollten sich aus den Blutproben, die in jedem Falle
zuerst oder gemeinsam mit der 1. Stuhl- und Urinprobe eingeschickt werden miifiten,
bestimmte Anhaltspunkte ergeben, so wiirde ich unter Umstanden bei einzelnen Per¬
sonen eine haufigere Untersuchung von Stuhl und Urin veranlaesen. Zum Schlusse
ist hervorzuheben, dafi sich der explosionsartige Charakter der Krankheit wahrschein-
lich allmahlich auch bei Nichtbeseitigung der Infektionsauelle verwischen wird und
dafi nach Aufspiirung und Beseitigung der gemeinsamen Infektionsquelle wahrschein-
lich immer noch einige Falle sich ereignen werden. Beides ist auf die von den Er¬
krankten ausgehenden Kontaktinfektionen zuriickzufuhren. u
Die im vorstehenden gewunschte Einsendung von Blutproben
zurErmittelung von Dauerausscheidern hat sich mir in einer
Reihe von Epidemien gliinzend bewahrt. Wenn man zuerst die Blut¬
proben untersucht, und nur von denjenigen Personen, die zweifelhafte
oder sichere Agglutinationswerte geben, Stuhl- und Urinproben ein-
fordert und solche Proben beim Fehlschlagen der ersten Ztichtungs-
versuche unter Umstanden in langeren Zeitabstanden immer wieder ver-
langt und untersucht, dann findet man mit ziemlicher Sicherheit die
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Bitter, Unterecheidung d. Erreger v. Enteritis- u. Paratvphuserkranbungen. 449
Daueransscheider heraus. Ich halte die bis jetzt iibliche Methode, bei
systematischen DurchuDtersuchungen 1, 2 Oder 3mal Sfuhl- und Urin-
proben von den in Betracht koramenden Personen zu untersuchen, f(ir
Zeit- und Materialverschwendung. Aufierdem bleibt das Verfahren un-
sicher. VerfShrt man so, wie oben angegeben, so wird man meistens
mit absolut geringeren Zahlen von Stuhluntersuchungen zum Ziele ge-
langen. Dieselbe Ueberlegung durfte auch fur Ruhrausscheider zu Recht
bestehen, wahrend bei der Cholera wohl die bekannte „Gruppenunter-
suchung 11 das Beste ist.
Trotz des besonderen Hinweises in meinern Berichte auf die Familie
des Schlachtermeisters G. lieB das Medizinalamt in E. die Durchunter-
suchungen in der umgekehrten Reihenfolge vornehmen, also zunachst
das ganze ziemlich groBe Personal der Meierei untersuchen. SSmtliche
Befunde waren negativ. Erst auf nochmalige dringliche telephonische
Anfrage meinerseits kamen Blutproben von G., Frau G. und ihrer
Tochter. Das Serum von Frau G. agglutinierte Paratyphus B-Bakterien
noch in einer Verdiinnung 1:200 stark. Die Seren von Vater und
Tochter agglutinierten Typhus- und Paratyphusbakterien gar nicht. Aus
dem daraufhin sofort angeforderten Stuhl der Frau erschienen fast in
Reinkultur grofie, farblose Kolonien auf Chinablaumalachitgriinagar, die
nachtraglich schbne Schleimwalle bildeten und durch Paratyphus B-Serum
bis zum Endtiter agglutiniert wurden. Aus dem Urin wurden keine
Paratyphusbakterien geziichtet. Die bis zum 26. August 8mal wieder-
holten Untersuchungen der Frau G. hatten immer das gleiche Ergebnis.
Es war jedesmal die ungeheure Menge der Paratyphuskolonien neben
nur wenigen Coli-Kolonien auffallig. Frau G. war angeblich nicht er-
krankt gewesen. Sie ware demnach als Bazillentr&gerin anzusprechen.
Ich neige jedoch zu der Ansicht, daB sie sich bei den Paratyphuserkran-
kungen im Jahre vorher infiziert hatte, aber nur leicht erkrankte. Eine
scharfe Trennung von Dauerausscheidern und Bazillentragern ist bei
den typhosen Erkrankungen sehr schwer. Ob es wirkliche Bazillen-
trager bei diesen Erkrankungen gibt, erscheint mir zweifelhaft, wahrend
sie bei Diphtherie und Meningitis epidemica z. B. sicher hBufig sind.
Erwfihnen mochte ich noch, daB die Nachforschungen in E. dadurch
bis zu einem gewissen Grade erschwert wurden, weil mir bekannt war,
daB in der vorjahrigen Epidemie ein 40-jahriger Mann, der ebenfalls
Milchhandel trieb, zum Dauerausscheider geworden war. Er erkrankte
im Dezember 1920 und schied bis zum 12. MSrz 21 nachweislich aus.
Nach diesem Termine habe ich seinen Stuhl immer wieder untersucht,
ohne einmal Bakterien zu finden. Im Juni war der Agglutinationstiter
seines Serums von 1:5000 im Marz auf 1:100 gefallen. AuBerdem
muBte ich mich in E. sehr bald davon uberzeugen, daB seine kleine
Milchhandlung als Infektionsquelle nicht in Betracht kommen konnte. —
Objektivitat ist fflr die Aufspflrung von Dauerausscheidern die erste
Vorbedingung! — Die durch unsere gesetzlichen Bestimmungen
in PreuBen und wohl in den meisten Bundesstaaten manchmal schwierige
Ausschaltung von Dauerausscheidern als Infektionsquelle gestaltete sich
in diesem Falle besonders einfach. G. verkaufte auf gUtliches Zureden
seine Ktihe und gab damit den ganzen Milchhandel auf. Die sehr in-
telligente Frau befolgte die ihr angeratenen Desinfektionsvorschriften be-
ziiglich ihrer Abgtinge, des Abortes und ihrer Person offenbar tadellos,
und damit erlosch die Epidemie Ende Juli, die bis zu ihrer Entdeckung
als Dauerausscheiderin schubweise insgesamt liber 90 Personen ergriffen
Erate Abt. Orig. Bd. 88 . Heft 6. 29
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450
CentralbL f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6.
hatte, als solche. Meine Voraussage, daB noch einzelne Kontaktinfektionen
nach dieser Zeit sich ereignen wurden, hat sich erfflllt. Bis in don
Dezember hinein sind vereinzelte Paratyphus B-Erkrankungen in E.
bakteriologisch festzustellen gewesen. Havemann (14) hat der Frage
dieser Kontaktinfektionen in seiner Arbeit besondere Aufmerksamkeit
geschenkt, und ich will einige von seinen Fallen, die sich nach der Ver-
stopfung der Infektionsquelle, wie gesagt vereinzelt, ereigneten, hier an-
fiihren.
In der zweiten Halfte des August beispielsweise wurden 5 Paratyphuserkrankungen
festgestellt, von denen 4 weit ab vom verseuchten StraOenzuge lagen. Genaueres uoer
das Zustandekommen dieser Infektionen konnen wir allerdings nicht angeben. Sicher
ist nur das eine, daB alle o Patienten weder Milch vom Bauhof, noch von G. bekommen
hatten, wahrend in der Bliitezeit der Epidemie alle Haushalter, in denen Erkrankungen
vorkamen, wenigstens voriibergehend, manchmal nur einmal, von einer dieser beiuen
Stellen Milch bezogen hatten. Mitte Juli erkrankte ein Kind der Familie Sch. Die
Eltern des Kindes waren 3—4 Wochen vorher leicht krank gewesen, ohne daB jedoch
damals die Diagnose Paratyphus gestellt worden war. Erst durch die Erkrankung des
Kindes wurde ein Paratyphus der Eltern in Betracht gezogen, und tatsachlich konnte
dann durch die serologische und bakteriologische Untersuchung festgestellt werden, daB
beide an Paratyphus B erkrankt gewesen waren. Auch das Kind litt an einem bak¬
teriologisch sicherem Paratyphus B. Ende Juni erkrankte der Beamte E. an bakterio¬
logisch geklartem Paratyphus, 4 Wochen spater nach Verstopfung der Infektionsquelle
erkrankte die Mutter dieses jungen Mannes, bei der ebenfalls bakteriologisch Para¬
typhus festgestellt wurde. Die Mutter hatte sich jedenfalls bei der Pflege ihres Sohnes
infiziert. In der Familie H. erkrankte Anfang Juli ein Familienmitglied an sicherem
Paratyphus. 3 Wochen spater die 16-jahrige Tochter des Hauses ebenfalls. Eine
Milchinfektion war in diesem Falle so wenig wie bei den vorhergehenden nachzuweisen.
An dieser Stelle mochto ich darauf hinweisen, daB die Vermutung
Gartners, die Inkubation beim echten Paratyphus B betrage nur
4—6 Tage, mir nicht das Richtige zu treffen scheint. Wohl glaube ich,
daB bei der Aufnahme inassiver Dosen von Paratyphus B-Bakterien die
Inkubation eine sehr kurze sein kann und sogar unter Umstiinden nur
wenige Stunden betr> aber bei der Infektion mit wenigen Keimen
scheint sie mir, wie die von mir beobachteten Kontaktfalle lehren, ebenso
wie beim Typhus wohl bis zu 3 Wochen betragen zu konnen.
Wenn nach den wiederholt von mir gegebenen Darstellungen und
nach den neueren Mitteilungen in der Literatur eine Trennung der
Paratyphus -Erkrankungen von solchen an Enteritis klinisch w ii n -
schenswert und die Unterscheidung ihrer Erreger bakterio¬
logisch und serologisch durchaus mbglich ist, so erscheint es an-
gebracht, diesem Unterschiede durch dieBenennung der Krankheiten
und ihrer Erreger Rechnung zu tragen. Bei dieser Benennung hat nun
aber meiner Meinung nach derKlinikerdasersteWort. Es fuhrt
zu unhaltbaren Zustanden und zu grenzenlosen Verwirrungen, wenn
Krankheitserreger, auch wenn sie biologisch nahe verwandt sind, wegen
dieser biologischen Verwandtschaft gleiche oder ganz fihnliche Namen
tragen sollen, trotzdem sie ganz verschiedene Krankheiten machen. Wenn
der Kliniker wohlcharakterisierte Krankheiten unterscheiden kann und
sie dementsprechend als typhose oder enteritische bezeichnet, so muB der
Bakteriologe dem Rechnung tragen. Das ist bei anderen Krankheiten
bislang auch der Fall gewesen. Nicht nur dem Studierenden der Medi-
zin, sondem auch dem erfahrenen Arzte wird im gegenteiligeu Falle
eine manchmal unuberwindbare Schwierigkeit geschaffen. Unsere
krankheitserregenden Bakterien soil en , so weit sie trenn-
bar sind, den Namen der Krankheit, die sie hervorrufen,
tragen! Deshalb ist es wohl angebracht, von nun an zwischen Bac-
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Bitter, Unterscheidung d. Erreger v. Enteritis- u. Paratvphuserkrankungen. 451
teriura enteritidis und Bacterium paratyphi zuunterscheiden.
— Es laBt sich nicht leugnen, daB der von mir geschilderte, ursprung-
liche Standpunkt der Bakteriologie durch die Forschungen und For-
schungsergebnisse gerade bezuglich der Paratypkusgruppe stark ins
Wanken gekommen ist. Das Bestreben, die Angehorigen dieser zahl-
reiche Abarten bildenden Familie, die ich fast rait der Familie „Brassica“
hdherer Pflanzen vergleichen mochte, unter einen Hut zu bringen, hat
dahin geflihrt, immer mehr Bakterien als Paratyphusbakterien zu be-
zeichnen, trotzdem sie in ihrer Wirkung auf den Menschen und das Tier
ganz verschieden sind.
Ich mochte vorschlagen, folgende Benennungen vor-
zunehmen: 1. Bacterium paratyphi A (Brion-Kayser).
2. Bacterium paratyphi B (Schottmiiller). 3. Bacterium
enteritidis Breslau (Flugge-Kaensche sive Aertryk).
4. Bacterium enteritidisG&rtner. 5. Bacterium paratyphiC
(Neukirch). 6. Bacterium enteritidis Bernhardt.
Die Bezeichnung „Paratyphus C“ ist bereits von Uhlenhuth und
Hubener und von Kruse vergeben, kann aber, wie ich mit Man-
tenfel und Beger vermute, in ihrer bisherigen Bedeutung nur zu
Verwirrungen AnlaB geben. Kruse versteht unter Paratyphus C-Bak-
terien diejenigen, die bisher mit Paratyphus B zusammengeworfen
wurden, sich aber durch weniger umfassende Agglutinine (nach Selter)
von letzteren unterscheiden. Uhlenhuth und Hiibener dagegen
verstehen unter Paratyphus C-Bakterien alle diejenigen Angehdrigen der
Typhas-Coligruppe, die sich kulturell wie Paratyphus B-Bakterien ver-
halten, aber serologisch grobe Abweichungen von diesem Typus zeigen.
Unter Paratyphus C-Bakterien mochte ich die Erreger jener immer
unter schwersten typhosen oder ruhrahnlichen Erscheinungeu verlaufen-
den Erkrankung verstehen, die Neukirch (15) zuerst in Erzindjan be-
obachtete, und deren Vorkommen im Orient in der Folgezeit von mehreren
Autoren sichergestellt ist. Es handelt sich, wie gesagt, um eine unter
ausgesprochen typhosen Erscheinungen verlaufende schwere Erkrankung,
bei deren Uebertragung das Tier, insbesondere das Schwein, wie Neu¬
kirch eigens betont, keine Rolle spielt. Diese letzte Feststellung ist
deshalb von weittragender Bedeutung, weil das Bacterium Erzindjan
eine nahe Verwandtschaft zur Pestifer-Gruppe und insbesondere zu der
von Glasser-Voidagsen beschriebenen Abart haben soli. Die neuen
Untersuchungen von Manteufel, Zschucke und Beger (16) haben
indes gezeigt, daB das, was Neukirch in seiner Originalarbeit ange-
geben hatte, durchaus richtig ist. Die Erzindjanstamme verhalten sich
kulturell vollstandig wie Angehorige der Paratyphus B- bzw. der Pesti¬
fer-Gruppe. Sie bilden sogar, frisch isoliert, sch5ne Schleimwalle auf
den Kulturschalen. Ich selbst habe die Originalst&mme Neukirchs
zuerst in H&nden gehabt, sie nach ihrem kulturellen Verhalten fiir An-
gehSrige der Paratyphusgruppe erkl&rt, aber serologisch sie wegen Mangel
an Pestifer-Serum nicht einzuordnen vermocht.
Demgegenuber verhalten sich die Erreger der von Bernhardt (17)
im Jahre 1913 beschriebenen typischen Enteritisfiille, die nach dem Ge-
nuB von Fleisch (unsicher, ob Rind- oder Schweinetleisch) auftraten,
kulturell etwas anderes. Sie bilden zwar aus Traubenzucker Gas, redu-
zieren Neutralrot, bringen aber die Lackmusmolke bzw. Chinablaumolke
nicht immer zur Trflbung und zum „Umschlage“ in der Farbe. In dieser
Hinsicht stimmen sie mit den echten GlUsser-Voldagsen-Bakterien
29*
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Centr&lbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6.
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iiberein, die diesbeziiglich auch gewisse Verschiedenheiten zeigen. Man-
teufel und seine Mitarbeiter haben serologisch nachweisen kQnnen, daB
die Erzindjanstamme mehr zum Typus des charakteristischen Pestifer
(Kunzendorf). hinneigen, als die Bernhardt-Stamme, die serologisch
mit dem Glasser-Voldagsen-Typ identisch sein diirften.
Wir sehen also, daB auch in der viel umstrittenen Pestifer-Gruppe,
die von Manteufel unter dem Gesamtnamen „Gruppe Salmon-
Smith“ zusammengefaBt wird, sich je 1 Erreger von typhosen und
enteritischen menschlichen Erkrankungen findet. Diese Erkrankungen
scheinen bei uns selten zu sein. Zwar sind die Enteritiden von Bern¬
hardt in PreuBen vorgekommen, von den typhosen Erkrankungen Neu-
kirchs ist aber erst durch die Erfahrungen des Weltkrieges Kunde zu
uns gedrungen. Allerdings scheint es festzustehen, daB in der Tiirkei
diese Krankheit an den verschiedensten Orten auftritt und unter Um-
st&nden zahlreiche Todesopfer verlangt. Diese Tatsache kann uns nicht
sonderlich befremden, wenn wir bedenken, daB auch weiteste Gebiete
unseres Vaterlandes von echten Paratyphus B- und insbesondere Para-
typhus A-Infektionen bislang verschont blieben. In Schleswig-Holstein
z. B. habe ich noch keinen sicheren autochthon entstandenen Fall von
Paratyphus A gesehen, und die nicht wenigen im Verlaufe des Krieges
eingeschleppten Falle (s. G. Wagner, 18) sind ohne erkennbare Folgen
fur die iibrige Bevolkerung verlaufen.
Tabelle IV.
Bact. Friedliinder
Bact. lactifl aerogenes
Bact. „coli commune"
Bact. coli ohne Milch- 1
zuckerzerlegungsvermogen
Bact. ent. Breslau
Bact. paratyphi B
Bact. ent. Gartner
Bact. suipestifer
Bact. paratyphi C
Bact. ent. Bernhardt j
Bact. paratyphi A
Bact. des Ferkeltyphus
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Beweglichkeit
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Umschlag
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+
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—
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—
±
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Bitter, Unterscheidung d. Erreger v Enteritis- u. Paratyphuserkrankungen. 453
Die Schwierigkeiten der sicheren Abtrennung von den einzelnen
AngehSrigen der an Abarten ungeheuer reichen Ruhr-Typhus-Coli-
Gruppe scheinen mir teilweise mit darin zu liegen, daB man bislang sich
keine geniigend einleuchtende Vorstellung von dem Entwicklungswege
dieser gewaltigen Gruppe zu macken versucht hat. Mit der einfachen
Vorstellung einer Linear- Oder FlSchenentwicklung kommen wir hier
ganz zweifellos nicht aus. Ich will versuchen, in folgendem ein Bild
von der zyklischen Entwicklung zu geben, die, wie ich glaube,
wohl in dieser Gruppe sich vielleicht ereignet hat und weiterhin sich
ereignen diirfte. Die Tabelle IV enthalt eine Reihe von Hauptvertretern
der genannten Gruppe mit ihren markantesten biologischen Eigenschaften,
insbesondere sind diechemischenLeistungen beriicksichtigt. Man
kann, wenn man die Tabelle aufmerksam betrachtet, sich des Eindruckes
nicht erwehren, daB die einzelnen aufgefiihrten Vertreter letzten Endes
mit ihren Eigenschaften auf einem Kreise stehen. Wachstum, Beweg-
lichkeit, Milchsaure- und Indolbildungsvermdgen, ferner das Verhalten
in Chinablaumolke kehren am SchluB der Gruppe iiber starke Ab-
'weichungen immer mehr Oder weniger vollst&ndig zu ihrem Ausgangs-
punkte zurfick. Schwer einzuordnen ist in dieses Schema allein das
Bact. paratyphi A. Wohin es genau gehdrt, ist auch hinsichtlich
seines serologischen Verhaltens, wie wir weiter unten sehen werden,
nicht leicht zu sagen. An der Hand des vorstehenden Schemas ist es
aber im allgemeinen leicht, Bakterien, die ich nicht aufgefuhrt habe, an
eine passende Stelle einzuordnen, z. B. Bacterium typhi g a Hi¬
na r u m (Pfeiler, 19).
Tabelle V.
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Walle
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Mitagglutination
artner, Hflhner-
typhus
Typhus
nterit. Bernhard
iraty. C, Pestifer
rkeltyphus, Para-
phus C, Pestifer
rkelty.,Ent Bern-
hard, Pestifer
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Centr&lbl. I. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 8.
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Es ware nun falsch, anzunehmen, daB die angenonnnene Kreis-
entwicklung wfirtlich zu verstehen ware. Auf dem Kreisbogen der
Ruhr-Typhus-C ol i-Gruppe stehen eigentlich nur wenige markante Ver-
treter direkt. Ueber dem Kreise kann man sich einen Kegel denken,
an dessen Spitze vielleicht ein Bact. coli steht. Die Familien, die
wir innerhalb der Gruppe abtrennen konnen, bewegen sich, wie ich
versuchen will, an dem Beispiele der Paratyphusuntergruppe zu zeigen,
ebenfalls auf einem Kreisbogen, bzw. einem Kegel und wir konnen
wenigstens einen Coli-, Typhus-Paratyphus- und Ruhrunterkreis unter-
scheiden. Die Spitzen der Kegel fiber den 3 Unterkreisen stoBen oben
in einem Punkte zusammen. Wichtig zu sein scheint mir der Gesichts-
punkt, daB die Entwickelung der Ausgangsbakterien mindestens in 3
Richtungen, wie das der Stellung auf einem Kegelmantel entspricht, vor
sich gehen kann. Nur durch diese Betrachtung konnen wir einigermaBen
Klarheit in die schwierigen verwandtschaftlichen Verhaltnisse gerade der
Paratyphusuntergruppe bringen. Projiziert man die Stellung der ein-
zelnen Bakterien auf dem Kegelmantel auf einen Kreis, dann wfirde
beispielsweise links die Suipestifer-Gruppe, und rechts die Gruppe
Breslau, Para B-, G&rtner stehen. Die
mitgeteilte V. Tabelle zeigt die Verhfiltnisse
am deutlichsten, und aus ihr werden auch
die verwickelten serologischen Beziehungen
der einzelnen Vertreter untereinander einiger¬
maBen plausibel. Nur das Bacterium pa¬
ratyphi A laBt sich auch hier schwer ein-
ordnen, was aber, wenn man die verschiedenen
Anreicherungsmoglichkeiten auf und in einem
Kegel bedenkt, nicht verwunderlich ist. Sero-
logisch gehort es zum Bacterium typhi,
nach seinem kulturellen Verhalten muBte es
auf dem gedachten Kreise eigentlich einen
etwas anderen Platz einnehmen. Sieht man
aber von diesem Bacterium paratyphi A ab, so ist im tibrigen
das System durchaus folgenchtig in serologischer und kultureller Be-
ziehung. Was aber am auffalligsten erscheint, ist der Umstand, daB
jeder Erreger einer typhosen Erkrankung einen solchen von einer Eu-
teritiserkrankung neben sich oder in seiner Niihe stehen hat. Dabei
lasse ich es dahingestellt, ob das Bacterium typhi tatsachlich auf
dem Unterkreise der Paratyphusfamilie steht, oder nur ganz in seiner
Nahe im Bereiche des Hauptkreises zu finden ist.
Ich will bemerken, daB ich das kulturelle und serologische Ver¬
halten von mehreren der genannten Bakterien nicht selbst geprfift,
sondern lediglich aus der Literatur entnommen habe. Die vonPfeiler
abgetrennten Typen „Ferkeltyphus“ und „Hfihnertyphus“ passen auBer-
ordentlich gut in das geschilderte System hinein. Hinsichtlich des
Bacterium suipestifer (Typus Kunzendorf) mochte ich bemerken,
daB von insgesamt 7 Stammen, von denen ich 6 der Liebenswfirdigkeit
Manteufels verdanke, und einen aus dem hiesigen Tierseucheninstitut,
ganz frisch aus dem Darm eines pestkranken Schweines isoliert, zur
naheren Bestimmung erhalten habe, sfiratliche mit einer Ausnahme
deutliche Schleimwalle bildeten. Die eine Ausnahme betrifft eineu
Stamm aus dem Reichsgesundheitsamte, der wohl, wie dessen meisten
fibrigen Sammlungskulturen, ziemlich alt sein dtirfte und das Wall-
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v. Gutfeld, Typhus- und Choleratrockenimpfstoffe.
455
bilduugsvermogen daher eingebfiBt hat. Ausgezeichnet paflt hierzu die
Mitteiluog Neukirchs, daB seine Erzindjan-Stamme sich bei ihrer
Isolierung aus dem Korper der Erkrankten auf der Chinablauagarschale
nachtrSglich rait schonen Schleimwallen umgaben.
Literatur.
1—4) Bitter, Ludwig, Zeistchr. f. Hyg. Bd. 90. S. 387; Centralbl. f. Bakt.
Abt. I. Orig. Bd. 85. 8. 110; Ebenda, Beiheft 8. 88*; Mfincheu. med. Wochenschr.,
1919; Ebenda 1920. — 5) Schittenhelm, A., Ueber Infektionen mit Bacillus
enteritidis Breslau. (Munchen. med. Wochenschr. 1920. S. 1309.) — 6) Manteufel u.
Beger, Weitere Untersuchungen zur Paratvphusfrage usw. (Centralbl. f. Bakt Abt. 1.
Orig. Bd. 87. S. 161. — 7) Schiff, F., Untersuchungen fiber den Rezeptorenapparat
in der Paratyphusgruppe. (Zeitschr. f. Immunitiitsf. Orig. Bd.33. 8.511. —8) Gartner,
W., Kann der Paratyphus B abdominalis in kiinischer, pathologisch-anatomischer, epi-
demiologischer und bakteriologischer Hinsicht von der sogenannten Gastroenteritis para-
typhosa B abgetrennt werden ? (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. S. 486. —
9) Bitter, L., Die Konservierung von agglutinierenden und hamolvsierenden Seren.
(Ibid. Bd. 87. 8. 560.) — 10) Stand full, Bakteriologische Fleischbeschau. Berlin
(Rich. Bchoetz) 1922. — 11) Vorschfitz, Pflfigers Arch. Bd. 186. S. 295. — 12) Langen -
buch, C., Die Unterscheidung von Enteritis- und Paratyphus B-Bakterien aurch
Lantbanagglutination. [Inaug.-Dissert.l Kiel 1920. 13) Hulsmann, Ueber die Brauch-
barkeit der Lanthanagglutination zur Unterscheidung von Bakterien der Paratyphus-
Enteritisgruppe. flnaug.-Dissert.] Kiel 1922.— 14) Uavemann, E, Ueber eine Milch-
epidemie von Paratyphus B. flnaug.-Dissert.] Kiel 1922. — 15) Neukirch, P., Ueber
E typhusahnliche Bakterien im Blute bei ruhrartigen Erkrankungen in der Tfirkei.
lin. klin. Wochenschr. 1917. No. 15.) — Ders., Ueber menschllche Erkrankungen
h Bazillen der Glasser-Voldagsen-Gruppe in der Tfirkei. (Zeitschr. f. Hyg.
Bd. 79. S. 65.) — 16) Manteufel, Zschucke u. Beger, Systematische Unter¬
suchungen an Kulturen der Hogcholeragruppe usw. (Centralbl. f. Bakt. Ab. 1. Orig.
Bd. 86. S. 214.) 17) Bernhard, G., Beitrag zur Frage der Fleischvergifter. (Zeitschr.
f. Hyg. Bd. 73. S. 65. — 18) Wagner, G., Beitrage zur Epidemiologie und Bakterio-
logie aes Paratyphus A usw. (Ibid. Bd. 90 8. 39.) — 19) Pfeiler, W., Beitrag zur
Kasuistik des Hfihnertyphus. (Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. Bd. 30. 8. 267.) —
20) Bitter, L., Eine ungewohnliche Art von Streptococcus mucosus. (Dtsch. med.
Wochenschr. 1922.)
Naohdruck verbotm.
Ueber die Herstellung, Priifung und Yerwendbarkeit halt-
barer Typhus- und Cboleraimpfstoffe (Trockenimpfstoffe).
[Aus dem hygienisch-bakteriologischen Institut des Hauptgesundheits-
amtes der Stadt Berlin.]
Von Dr. Fritz von ftutfcld.
Die Veroffentlichungen von Chiba (1, 2) geben mir Veranlassung,
fiber Versuche mit Trockenimpfstoffen zu berichten, die im Februar 1919
begonnen wurden. Ich kann mich auf eine kurze Mitteilung beschr&nken,
zumal ich die Ergebnisse von Chiba bestfitigen kann, und dieser Autor
auch die wichtigste Literatur anfuhrt.
Den Plan, der den nachstehend geschilderten Untersuchungen zu-
grunde liegt, hatte ich bereits Ende 1914 gefaBt. Veranlassung gab die
im Felde in groBtem MaBstabe durchgeffihrte Schutzimpfung gegen
Typhus und Cholera. Hierbei batten sich mir zwei MiBstfinde gezeigt.
Es war Vorschrift, daB die erste Schutzimpfung gegen Typhus durch drei-
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456
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6.
malige, die gegen Cholera durch zweiraalige Einspritzung zu erfolgen
hatte. Die erstmalige Immunisierung gegen Typhus und Cholera erfor-
derte also 5 Injektionen, von denen je 2 durch einen Zwischenraum von
mindestens 5—6 Tagen getrennt waren. Abgesehen von der Lange der
Zeit, die bei diesem Verfahren aufgewendet werden mufite, bis zum Ab-
schluB der Immunisierung, war es besonders fflr den Truppenarzt sehr
schwierig, ja manchmal unmoglich, s&mtliche Angehorige des Truppen-
teils durchzuimpfen, da ein funfmaliges Erscheinen der Mannschaften
zur Impfung haufig aus militarischen Grunden undurchfiihrbar war.
Eine Methode, bei der sicli sowohl die Zeitdauer bis zum AbschluB der
Impfungen als auch die Zahl der Injektionen vermindern lieB, war die
gleichzeitige Immunisierung gegen Typhus und Cholera mittels Misch-
Impfstoffes.
Diese Methode ist denn auch im Verlaufe des Krieges von mehreren
Autoren — es seien nur Weber (3), Danila (4), Combiescu und
Ba 11eanu (5), Tarassewitsch, Alexina, Glotova und Fedoro-
vitsch (6) genannt — mit gunstigem Erfolge angewendet worden.
Der zweite MiBstand war die begrenzte Verwendbarkeitsdauer der
Irapfstoffe. Die Begrenzung war eine doppelte. Zu frische Impfstoffe
verursachten unangenehme Nebenerscheinungen, zu alte waren wirkungs-
los. Nebenbei sei auch erw&hnt, daB die Form des Impfstoffes (in
Flaschen abgefiillte Aufschwemmungen) fur l&ngeren Transport nicht
besonders gilnstig war, da sie viel Raum beansprucht, und die Flaschen
stoBsicher verpackt werden miissen.
Urn die geschilderten MiBstande zu beseitigen, begann ich im An-
fang 1919 mit der Darstellung von Impfstoffen gegen Typhus und Cholera
mittels getrockneter Bakterien 1 ).
I. Darstellung der Impfstoffe.
a) gegen Typhus.
24-std. Typhus-Massenkulturen auf Agar werden mit moglichst wenig
sterilem destill. Wasser abgeschwemmt und wahrend l 1 /* Std. im Wasser-
bad bei 56° gehalten. Von der erhitzten Aufschwemmung wird eine
Sterilit&tsprufung angelegt. Ein Vergleich der abgetoteten Aufschwem-
muug mit einer Testaufschwemmung zeigt,'uin wieviel mal dichter die
frisch hergestellte Abschwemmung, also wie stark sie zum Gebrauch zu
verdiinnen ist. Die Aufschwemmung wird im Faust-Heimschen Apparat
bei 37 0 eingedampft. Der vollkommen trockene Riickstand wird in sterilen
Morsern zerrieben und bei Zimmertemp. aufbewahrt. Zum Gebrauch wird
der Trockenrilckstand entweder abgewogen und mit der erforderlichen
Menge 0,5-proz. karbolisierter Kochsalzlosung aufgeschwemmt, oder eine
beliebige Menge des Trockenriickstandes wird mit karbolisierter Koch¬
salzlosung aufgeschwemmt und diese Aufschwemmung mit einer Test-
Emulsion verglichen und danach eingestellt. Von der gebrauchsfertigen
Aufschwemmung wird nochmals eine Sterilit&tspriifung gemacht. Um
eine gleichm&Bige Emulsion zu erhalten, wird das trockene Material
entweder zunachst mit einer geringen Menge Fliissigkeit angeriihrt und
allmahlich zum erforderlichen Volumen aufgefiillt, oder das trockne Pulver
wird in einer Flasche mit Glasperlen mit der Aufschwemmungsflussig-
keit kurze Zeit von Hand geschiittelt.
1) Vergl. hierzu auch Loeffler, D. m. W. 1904 und Friedberger und Mo-
reachi, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 39.
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v. Gutfeld, Typhus- uud Cholera-Trockenimpfstoffe.
457
b) gegen Cholera.
Die Darstellungsweise ist dieselbe wie bei Typhus mit dem Unterschied,
daB die Abtotungsdauer nur 1 Std. bei 56° betr>.
II. Yersuchc mit dem frisch hcrgestellten Impfstoff.
Zu diesen Versuchen wurden von dem trockenen Pulver einige Tage
nach dessen Herstellung bereitete Aufschwemmungen benutzt.
a) Nachweis antikorperbindender Eigenschaften.
1) mit Typhusimpfstoff. Der Trockenimpfstoff wird im Vergleich
mit einem drei Monate alten gewohnlichen Impfstoff an einem Typhus-
immunserum und an Normalserum gepriift. Resultat: Beide Impfstoffe
haben bei mehrfacher Priifuug im Komplementbindungsversuch ann&hernd
die gleiche antigene Eigenschaft.
2) mit Choleraimpfstoff. Die Vergleichsprflfung eines frisch her-
gestellten Trockenimpfstoffes mit einem 5 Monate alten, gewbhnlichen
Choleraimpfstoff ergibt koine wesentlichen Unterschiede im Komplement¬
bindungsversuch.
b) Nachweis antikorperbildender Eigenschaften.
1) mit Typhusimpfstoff. Sowohl bei Meerschweinchen als auch bei
Kaninchen wurde durch mehrfache Injektionen des aufgeschwemmten
Trockenimpfstoffes Agglutininbildung erzeugt; bei 2 Kaninchen, deren
eines mit Trockenimpfstoff, w&hrend das andere mit gewohnlichem Impf¬
stoffe immunisiert wurde, erreichte der Agglutinintiter bei gleichartiger
Vorbehandlung im Laufe von 3V 2 Wochen den Wert von 1:30000.
2) mit Choleraimpfstoff. Auch in diesen Versuchen wurden be-
trachliche Agglutininwerte bei Kaninchen erzeugt. Die Resultate der
Immunisierung mit den beiden verschiedenartig hergestellten Antigenen
(Trockenimpfstoff bezw. gewohnlicher Impfstoff) waren einander sehr
ahnlich.
3) mit gemischtera Impfstoff. Gleiche Teile von Aufschwemmungen
des Typhus- und des Choleratrockenimpfstoffes wurden gemischt. Ein
Kaninchen erhielt mehrere Injektionen der Mischung; am SchluB der
Behandlung waren die Titer fiir Typhus 1:6000, ffir Cholera 1:2000.
III. Versuche mit abgelagertem Impfstoff.
Das trockene Pulver aus Typhus- und Cholerabazillen wurde in
Glasflaschen bei Ziminertemperatur aufbewahrt und nach einer Lagerzeit
von etwa 2V 2 Jahren einer erneuten PrQfung unterzogen.
a) Mikroskopische Untersuchung. Von dem trockenen
Pulver wurden im September 1921 Aufschwemmungen hergestellt und
im hSngenden Tropfen sowie im gefSrbten Pr¶t untersucht. Wie
nach der Art der Darstellung zu erwarten war, lieBen die Praparate so¬
wohl vom Typhus- als auch vom Choleratrockenimpfstoflf in der Haupt-
sache nur amorphe Massen bzw. Bakterientrummer erkennen. Aus den
Untersuchungen von Jotten (7) geht hervor, daB Choleraimpfstoffe
(nach dem bisher gebrauchlichen Verfahren als Aufschwemmung herge¬
stellt und aufbewahrt) „im allgemeinen erst nach 72 Jahr erhebliche
morphologische Ver&nderungen ihrer Keime aufweisen“. Im Gegensatz
dazu treten „beim Typhusimpfstoff die destruierenden Veranderungen an
den Keimen schon wahrend der Herstellung" ein. Diese Verknderungen
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der abgetoteten Typhus- und Cholerakeime sind auf den EinfluB auto-
lytischer Fermente zuriickzufiihren, die nach J6tten ihre Wirkung auf
die Typhusbazillen schon w&hrend der Impfstoffherstellung, auf Cholera-
yibrionen erst im Laufe einiger Monate ausiiben.
Die Bakterientriimmer, die man in den nach dem oben beschriebenen
Verfahren bereiteten Impfstoffen findet, sind, wie schon bemerkt, durch
die mechanische Zerkleinerung des Trockenguts, nicht aber
(beim Choleratrockenimpfstoff) durch Autolyse entstanden, da die
Autolyse des vollig trockenen Materials unmoglich ist. Es ist also von
vornherein zu erwarten, daB das Trockenpulver diejenigen Eigenschaften,
die es gleich nach seiner Herstellung hat, wenn ihm die MQglichkeit zur
Zersetzung und dadurch bedingten Aenderung seiner Eigenschaften eben
infolge des Trockenzustandes fehlt, unbegrenzt wie unmittelbar nach
seiner Herstellung behalten wird. Der Beweis fiir diese Annahme wurde
durch die nachfolgend beschriebenen Versuche gefUhrt.
In Uebereinstimmung mit Jotten (1. c.) konnte ich feststellen, daB
die mikroskopische Untersuchung eines Impfstoffes weder iiber seinen
Wert als Impfstoff, noch fiir seine Haltbarkeit eine Handhabe bieten
kann. Nur die biologischen Methoden kbnnen Antwort auf diese Fragen
geben. Die Eigenschaften des Trockenimpfstoffes wurden daher in ver-
schiedener Weise gepriift.
b) Sterilitatspriifung. Bei sachgemaBer Aufbewahrung in ver-
schlossener Flasche ist das Sterilbleiben des Trockenimpfstoffes selbst-
verstiindlich. Durch besondere PrQfung habe ich mich von dieser Tat-
sache iiberzeugt.
c) Nachweisantik5rperbindenderEigenschaften. l)mit
Typhusimpfstoff. Austitrierung einer Aufschwemmung des 27 2 Jahre
gelagerten Trockenimpfstoffes gegen mehrere Typhusimmunseren und
Normalseren ergab bei sSmtlichen Immunseren komplette Hemmung,
bei den Normalseren vbllige HBmolyse bei Verwendung ungef&hr gleicher
Antigenmengen wie 2 1 / i Jahre zuvor.
2) Mit Choleraimpfstoff. Mit einem 2V 4 Jahre alten Cholera¬
trockenimpfstoff angestellte Komplementbindungsversuche zeigten kom¬
plette Hemmungen mit Choleraimmunseren bei Verwendung der gleichen
Antigenmengen wie 2 x / 4 Jahre zuvor.
Sowohl das Typhus- als auch das Choleratrocken-
pulver hat seine spezifischen antigenen Eigenschaften,
die im Komplementbindungsversuch nachweisbar sind,
nach 2 1 /*- bzw. 2 1 / 1 -j&hriger Lagerung bewahrt.
djNachweisantikorperbildenderEigenschaften. 1) mit
Typhusimpfstoff. 3 Kaninchen, deren Agglutinintiter fiir Typhus¬
bazillen 1:80, <1:10, <1:20 betr>, werden mit einem Typhustrocken-
impfstoff, der im Febr. 1919 hergestellt und am 13. Sept. 1921 zum Ge-
brauch aufgeschwemmt wurde, immunisiert. Nach 1-maliger Injektion
von 2 ccm intravenos bzw. 4 ccm intraperitoneal sind die Agglutinintiter
1:1600, 1:1600, 1:400.
2) Mit Choleraimpfstoff. 3 Kaninchen mit dem Agglutinin¬
titer fiir Cholera 1:50, <1:5, <1:5 werden mit Choleratrockenimpfstoff,
der im Mai 1919 hergestellt und am 17. Aug. 1921 aufgeschwemmt wurde,
immunisiert. Sie erhalten s&mtlich 2mal je 1 ccm intravenos. 8 Tage
nach der 1. Injektion ist der Titer 1:800, 1:400, 1:200 ; 8 Tage nach
der 2. Injektion 1:1600, 1:800, 1:800.
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URBANA-CHAMPAI6N
v. Gutfeld, Typhus- und Uholera-Trockenimpfstoffe.
459
Bei diesen 3 Tieren wurde auch im Plattenversuch der bakterizide
Titer bestimmt; zum Vergleich diente das Seram eines unbehandelten
normalen ftaninchens. Die Titerhohe betrug: 1:500, 1:10000, 1:1000,
Kontrolltier 1:50. Die Unterschiede zwischen den behandelten Tieren
und dem Kontrolltier sind so betr&chtlich, daB man von einer deutlichen
Steigerung des bakteriziden Titers zu sprechen berechtigt ist.
e) Versuche an Menschen. Diese Versuche, die aus SuCeren
Grunden nur an kleinem Material (Laboratoriumspersonal) vorgenommen
werden konnten, hatten vornehmlich den Zweck, festzustellen, wie die
Injektionen vertragen werden. Bei der auBerordentlichen Verschiedenheit
der Bildungsfahigkeit von Antikorpern bei verschiedenen Individuen babe
ich in dieser Richtung nur orientierende Versuche angestellt, die eine
Titersteigerung ergaben. Nachdem ich zuerst an mir selbst festgestellt
hatte, dad die subkutane Injektion von 1,0—1,5 ccm Trockenimpfstoff-
aufschwemmung nur an der Injektionsstelle und nur am Tage der In¬
jektion ein geringes Spannungsgeftihl hervorruft, das in keiner Weise
an der Verrichtung der gewohnten Besch&ftigungen hindert, haben sich
noch einige Personen der Impfung unterzogen. Samtliche Injektionen
mit Typhus- und Choleratrockenimpfstoff wurden, abgesehen von ge-
ringem Spannungsgefilhl an der Stelle der Einspritzung, vollig reak-
tionslos vertragen.
IV. Besondere Eigenschaften und Anvrendungsgebiet.
Die Herstellungsweise der Typhus- und Choleratrockenimpfstoffe im
groBen ist nicht schwieriger als die der bisher gebrauchlichen Bazillen-
aufschwemmungen. Ebensowenig tritt eine Verteuerung durch geringere
Ausbeute oder kostspielige Chemikalien ein. Der fertige Impfstoff ist
bei sachgemaBer Herstellung frei von fremden Keimen; er enthalt nur
die zur Immunisierung notwendigen abgetbteten Keime in mechauisch
zerkleinertem Zustande. Die Impfstoffe lassen sich multivalent herstellen.
Der fertige Trockenimpfstoff behait die Eigenschaften, die er unmittelbar
nach der Herstellung aufweist, anscheinend unbegrenzte Zeit in unver-
mindertem MaBe. Er nimmt nur einen ganz geringen Raum ein (von
1 g Trockenpulver erhalt man schatzungsweise 1 1 gebrauchsfertigen
Impfstoff). Die Bedeutung dieser Tatsache ffir den Transport (Expe-
ditionen, Tropen) ist einleuchtend. Die Fertigstellung zum Gebrauch
geschieht durch Aufschwemmen in karbolisierter Kochsalzlbsung. Die
Antigenmenge ist durch Abwagen genau meBbar. Die Injektion des
Impfstoffes wird ohne Beschwerden vertragen.
Zusammenfassung.
Typhus- und Choleratrockenimpfstoffe, die durch Trocknung der ab-
getfiteten Bakterien im Faust-Heimschen Apparat bei 37° hergestellt
sind, behalten anscheinend durch unbegrenzte Zeit ihre antigene Wirk-
samkeit. Die Injektion dieser Impfstoffe zeitigte bei den Versuchsper-
sonen keine unangenehmen Nebenerscheinungen.
Uteratur.
1) Chiba, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 88. H. 1. — 2) Ders., Ebenda. —
3) Weber, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 82. — 4) Danila, Compt. rend. soc. de biol. 1915. —
5) Combiescu u. Balteanu, Ebenda. 1916. — 6) Tarassowitsch, Alexina,
Glotova u. Fedorovitsch, Ebenda 1916; (ref. in Centrablbl. f. Bakt. Abt. I. Ref.
Bd. 67. No. 4—6). — 7) Jot ten, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 83.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 6.
Nachdruck verboten.
Ueber die kulturelle und serologische Unterscheidung des
Bacillus breslaviensis vom Paratyphus B-Bazillus.
[Aus der Untersuchungsabteilung (Leiter: Prof. Dr. C. Prausnitz) des
Hygienischen Institutes der University Breslau (Direktor: Geh. Med.-
Rat Prof. Dr. R. Pfeiffer).]
Von Dr. Leo Olitzki.
Den Nachweis der ursachlichen Bedeutung bestimmter Bakterien fiir die Fleisch-
vergiftungen erbrachte zuerst A. Gartner 1888 duroh Isolierung des nach ihm be-
nannten Bac. enteritidis aus der Milz einer notgeschlachteten und der Milz einer
an Fleischvergiftung verstorbenen Person. Spater sind in einer Reihe von ahnlicben
Erkrankungen Bazillen gefunden wordcn, die mit deni Gartner-Bazillus identisch
Oder ihm nahe verwandt waren.
1899 und 1900 zuchtete Schottmfiller bei typhusahnlichen Erkrankungen in
Hamburg aus dem Blute einen Bazillus, den er Bacillus paratyphi B nannte, und
welcher auch mit dem Gartner-Bazillus gewisse Aehnlichkeit aufwies.
Der Frage der Beziehung zwischen den Erregern der Fleischvergiftungen und dem
Paratyphus B-Bazillus wurde zuerst von Trautmann niiher getreten. Die von ihm
mit hochwertigen, agglutinierenden Seren angestellten Untersuchungen sowie die spateren
Untersuchungen von Uhlenhuth u. a. zeigten, dafi bei epidemischen Fleischvergif¬
tungen, die unter dem Bilde der akuten Gastroenteritis verlaufen, mindestens 2 Tvpen
von Bazillen vorkommen, namlich der Gartner-Bazillus und der im Fluggescnen
Institut von Kaensche zuerst isolierte Bac. breslaviensis; letzterer war jedoch,
auch agglutinatorisch, vom Bac. paratyphi B damals nicht zu unterscheiden.
Im Laufe der folgenden Zeit wurde aber von mehreren Autoren iiber kulturelle
und serologische Unterschiede zwischen Paratyphus B-Bazillus und Bac. breslavi¬
ensis berichtet.
Reiner Muller machte darauf aufmerksam, daS die von v. Drigalski und
Conradi beschriebene Schleimwallbildung nur beim echten Paratyphus B-Bazillus vor-
kommt, bei Breslaviensis-Stammen aber fehlt. Bei letzteren 8 trim men aber fehlt
auch nach R. Muller die Knopfbildung auf Raffinoseagar, welche bei echten Para¬
typhus B-Stammen regelmiiBig vorhanden ist.
B. Fischer gab als weiteres Merkmal der echten Paratyphus B-Stamme an, daB
sie auf Gelatine ein iippiges, schleimiges Wachstum zeigen, welches bei den Bresla¬
viensis-Stammen fehlt.
Bitter tritt fiir eine vollstandige Trennung des Bac. breslaviensis vom Bac.
paratyphi B ein. Merkmale des Bac. breslaviensis sind nach ihm aufter dem
Fehlen aer Knopfbildung auf Raffinoseagar Fehlen der Schleimwallbildung auf Agar,
Fehlen des rahmigen Wachstums auf Gelatine noch fernerhin seine hohere BeeinfluB-
barkeit durch Breslavienis-Serum und seine Pathogenitat fiir Mause beim Fiitte-
rungsversuche (Tod der Tiere innerhalb von 10 Tagen).
Auch durch den klinischen Verlauf unterscheiden sich nach Bitter Bac. bres¬
laviensis und Bac. paratyphi B vollkommen. Niemals wurde. eine Nahrungs-
mittelvergiftung unter gastroenteritischen Erscheinungen durch einen echten Paratyphus
B-Bazillus hervorgerufen; iiberall wo Paratyphus B isoliert wurde, lautete die klinische
Diagnose: Paratyphus; iiberall, wo Bac. breslaviensis isoliert wurde: Enteritis
acuta.
Auch W. Gartner tritt auf Grund der klinischen und kulturellen Verschieden-
heiten und auf Grund des deutlichen Unterschiedes der BeeinfluBbarkeit der Paratyphus
B- und Breslaviensis -Stiimme in hochwertigen Paratyphus B- und Breslaviensis-
Seren fiir eine vollstandige Trennung des ^Paratyphus B“ von der ^Gastroenteritis para-
typhosa“ ein, welche nur durch Bac. breslaviensis verursacht wird. Er schlagt fur
die verschiedenen Arten der Gastroenteritis nach ihrer Aetiologie folgende Namen vor:
Gastroenteritis Breslau (Aetiologie: Bac. breslaviensis) und Gastroenteritis Gartner
(Aetiologie: Bac. enteritidis Gartner).
Mehrere Autoren (Bock, Bonhoff, Fornet und Levy, Citron, Spat, Va-
gedes u a.) haben sich des Cas tellan ischen Absattigungsversuches zur Uuter-
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Olitzki, Unterscheidung d. Bac. breslaviensis vom Paratyphus B-Bazillus. 401
echeidung der zur Gruppe des Paratyphus B gehorigen Stamme bedient. Leider sind
alle diese Versuche iniiner nur mit Absiittigung eines Serums mit eiuem, hochstens
mit 2 Stammen gemacht worden, auch sind die kulturellen, klinischen und morpho-
logischen Unterschiede der verwandten Stamme nicht beriicksichtigt worden.
Uhlenhuth und Hiibener halten daher die von den anderen Autoren gefun-
denen GesetzmaBigkeiten fiir Zufallsbefunde und berichten, daS sie selbst nach zahl-
reichen Untersuchungen keine GesetzmaBigkeiten gefunden hatten.
Dennoch laSt sich aus den zahlreichen Versuchen von Bock, Bonhoff u. a.
erkennen, dafi die zur Gruppe des Paratyphus B gehorigen Stamme in der Hauptsache
in 2 Gruppen zerfailen: Die einen verhalten sich zusammen mit den Tierstammen im
Paratyphus B-Serum wie in einem heterologen Serum, die anderen verhalten sich da-
gegen in einem Paratyphus B-Serum wie in einem homologen, in einem Tierstamm-
serum wie in einem heterologen Serum. Zu der 1. Gruppe gehoren u. a. der Stamm
„Kaensche“ von der Breslauer Fleischvergiftung, der Bazillus der Tempelhofer Mehl-
speisenvegiftung und der Fleischvergifter „Brux“').
Ich habe auf Anregung von Herrn Prof. Dr. C. Prausnitz die
in der Sammlung des Hygienischen Institutes der Universitat zu Breslau
befindlichen Stamme auf ihr kulturelles und agglutinatorisches Verhalten
hin untersucht. Die zur Untersuchung verwendeten Kulturen stammen
aus folgenden Quellen:
Stamm 1—4 (Sammlungsnr.: B 634, B 462, B 2108, B 2071) sind bei typhusartigen
Erkrankungen aus dem Stuhl gezuchtet worden, und zwar Stamm 1, 3 und 4 1020,
Stamm 2 1921.
Stamm 5 (Sammlungszeichen: B Bock) ruhrt her von einer Untersuchungsreihe
von Fazes von einem Falle von echten Paratyphus. (Nach Angabe von Herrn Oberreg.
Medizinalrat Dr. Bock 1906.)
Stamm 6 (Sammlungszeichen: B Abortus). Von einem seuchenhaften Abortus
einer Stute im Felde gezuchtet von Herrn Prof. Dr. Oettinger.
Stamm 7 (Sammlungsnr. B 179) wurde aus dem Urin gezuchtet bei einer Erkran-
kung, welche klinisch schwer zu beurteilen ist, da sie sowohl Symptome eines Para¬
typhus als auch einer akuten Gastroenteritis aufweist. Die Krankengeschichte sei daher
im Folgenden kurz wiedergegeben:
Wenzel-Hancke-Krankenhaus Breslau. Pat. Kathe K., geb. 5. Marz 1905.
Beginn der Erkrankung am 2. Mai 1921 plotzlich mit Schuttelfrost, Erbrechen, Fieber,
Kopfschmerz und Durchfall. Bei der Aufnahme am 4. Mai 1921 ist Pat. benommcn.
Temp. 39,7° C. Puls 119, weich, klein, keine Roseolen, aber Hautblutungen an den
Unterschenkeln, Milz nicht vergrofiert. Stuhl: Durchfall bis 3mal taglich. Urin: Al¬
bumen + . Viele granulierte und hyaline Zylinder, wenig Erythro- und Leukozyten.
„Paratyphus B“, am 0. Mai im Urin -f, im Stuhl —. Blut: Leukozyten 8900, Widal
am 12. Mai Paratyphus B 1 :1920. Langsamer Abfall der Temperatur, die erst am
10. Mai normal wird. Stuhl bis zum 19. Mai durchfallig. Unnbefund am 20. Mai
normal. Entlassung am 2. Juni 1921.
Stamm 8 (Sammlungsnr. B 333) staramt von einer akut iiber wenige Tage hin ver-
laufenden, mit heftigen Durchfiillen einhergehenden todlichen Erkrankung im Mai 1920.
Der Stuhl wurde als choleraverdiichtig eingesandt; die Untersuchung ergab: Bazillen
aus der Paratyphus B-Gruppe.
Stamm 9 (Sammlungsnr. Breslaviensis 460) ist aus dem Stuhl eines iihnlichen
Falles von Choleraverdacht 1920 gezuchtet und als Bac. breslaviensis identifiziert
worden.
Stamm 10 (Sammlungsnr. B 1771) stammt aus dem Stuhl, Stamm 11 (Sammlungsnr.
B 1783) aus dem Blute eines weiteren, innerhalb von 4 Tagen todlich verlaufenden
Falles von Gastroenteritis (wahrscheinlich durch Genufi von Leberwurst bedingt).
Stamm 12 (Sammlungsnr. B 1592) aus dem Stuhle eines 14 Mon. alten Kindes,
welches 1921 an einer 3—4 Tage anhaltenden, fieberhaften, mit zahlreichen schleimigen
Durchfiillen einhergehenden Erkrankung plotzlich erkrankt war. Die fur Paratyphus
bei Siiuglingen charakteristischen Karpopedalspasmen fehlten. Der behandelnde Arzt
hattc auf Grund der klinischen Beobachtung zunikhst die Diagnose ,,Ruhr“ gestellt.
Stamm 13 (Sammlungszeichen Breslaviensis alt) ist der urspriinglich von
Kaensche isolicrte, im Institut fortgeziichtete Bac. breslaviensis.
Stamm 14 (Sammlungszeichen G a rtn er - Berlin), ein zum Vergleiche herange-
zogener Stamm von Bac. enteritidis Gartner stammt aus Berlin.
1) Erst nach AbschluS meiner Untersuchungen erhielt ich Kenntnis von der Ar¬
beit von Manteufel und Beger, die in wesentlichen Punkten zu iihnlichen Ergeb-
nissen kommen.
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Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Originate. Bd. 88. Heft 6.
1. Agglutinatorische Untcrsuchungen.
Durch Injektion steigender Dosen abgetoteter Kultur von Stamm 9
(Breslavien sis 460) wurde ein hochwertiges Bre si avion sis-Ka-
ninchenserum (Titer 1:5120) hergestellt. Das zu den Untersuchungen
verwendete Paratyphus B-Serum (Titer 1:10240) stammt aus dem Reichs-
gesundheitsamte, desgleichen das Gartner-Serum (Titer 1:5120, Esel-
Sera).
Tabelle I.
Nr.
KliniBches Bild
Titergrenze der Agglutination mit
Gartner-
Serum
Breslarien-
8 i s - Serum
Paratyphus
B-Serum
i.
Paratyphus
1:640
1:1280
1:10240
2.
*
1:320
1:1280
1:15 360
3.
1:640
1:1280
1 :10 240
4.
1:640
1: 640
1:10240
5.
1:320
1:2560
1 =10240
6.
Seuchenhafter Abortus
1 : 640
1: 2f,60
1:10240
7.
Erkrankung nicht klassifizierbar
1:320
1:2560
1:10240
8.
Akute Gastroenteritis
1:320
1:1280
1: 5120
9.
1:320
1:5120
1:10240
10.
1:320
1:2566
1: 5120
11.
1:640
1:2560
1: 5120
12.
Cholera infantum
1:640
1:2560
1: 5120
13.
Fleischvergiftung (Kaensche)
1:320
1:5120
1: 5120
14.
Gastroenteritis (Gartner)
1:5120
1: 640
1: 2560
•
Tab. I zeigt, wie zu erwarten war, dafi alle Stfimme 1—13 mit dem
Gkrtner-Bazillus nur entfernt verwandt sind; sie werden vom Gart¬
ner-Serum (Titer 1:5120) nur bis zur Verdiinnung von hSchstens 1:640
agglutiniert, wahrend der Gartn er-Stamm von Breslavien sis-Se¬
rum (1:5120) nur bis 1:640, und vom Paratyphus B-Serum (1:10240)
nur bis 1:2560 agglutiniert wird.
Die Kulturen von Paratyphusfallen, bis auf Stamm 5 werden im
Breslavien sis-Serum etwas schwacher agglutiniert als die Kulturen
aus Gastroenteritisfallen. Umgekehrt werden die Gastroenteritiskulturen
(Nr. 8—13) in ihrer Mehrzahl durch das Paratyphus B-Serum etwas
weniger beeinfluBt als die Paratyphusstamme. Eine klare Entscheidung
konnte aber erst vom Castellanischen Absattigungsversuch erwartet
werden.
Technik: Die 1:20 verdunnten Sera wurden bei 37 °C 1V 2 —2 Std.
mit den betreffenden Kulturen so oft behandelt, bis sie nach erfolgter
Abzentrifugierung der zugesetzten Kultur fflr den verwendeten Stamm
bei keiner Verdiinnung mehr Agglutinine zeigten.
Der Absattigungsversuch ergab Folgendes:
Breslavien sis-Serum, erschopft mit einem Gastroenteritisstamm,
war seines Agglutinationsvermogens fur alle 14 Stamme beraubt Der
Versuch wurde mit 4 Staramen (Nr. 9, 10, 11 und 13) mit gleichem Er-
gebnis ausgefiihrt.
Breslaviensis -Serum, erschopft mit einem von einer paratyphus-
artigen Erkrankung herruhrenden Stamm, agglutinierte fast unabge-
schwacht die Gastroenteritisstamme 9 — 13, aber keinen der Paratyphus
B-Stamme 1—4. Der Versuch wurde mit 3 Stammen (Nr. 1, 3 und 4)
mit gleichem Ergebnis ausgefiihrt.
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- — -. — m. »
Olitzki, Unterscheidung d. Bac. breslaviensis vom Paratyphus B-Bazillus. 463
Paratyphus B-Serum, behandelt mit einem Paratyphusstamm (Nr. 1),
war fur alle 14 Stamme seines AgglutinationsvermSgens beraubt.
Paratyphus B-Serum, behandelt mit einem Gastroenteritisstamm
(Nr. 9), agglutinierte fast unabgeschwacht die Paratyphusstfimme Nr. 1
bis 4, aber keinen der Gastroenteritisstamme Nr. 9—13.
Dadurch scheinen also 2 in ihrem Rezeptorenapparat streng ver-
schiedene Typen unterscheidbar zu sein.
Aber es zeigte sich, daB zwischen diesen beiden extremen Typen
Uebergangsstamme existieren; es sind dies die Kulturen Nr. 5—8; eine
Kultur von Paratyphus (Nr. 5), eine von Abortus der Stute (Nr. 6), eine
von einem klinisch zweifelhaften Falle(Nr. 7) und eine von einer schweren,
choleraahnlichen Gastroenteritis (Nr. 8).
Wurde das Breslaviensis- Oder Paratyphus B-Serum mit dem
ihm homologen Stamm abgesattigt, so war das Agglutinationsvermogen,
wie erwahnt, fiir alle 14 Stamme, also auch fflr Nr. 5—8, erloschen;
aber auch bei Absattigung des Serums mit einem heterologen Stamme
(Paratyphus B-Serum mit Bac. breslaviensis, oder Breslavien¬
sis-Serum mit Bac. paratyphi B) zeigten die vier „Uebergangs-
st&mme“ eine erhebliche Abschwachung ihrer Agglutination, meistens
sogar bis zum vollstandigen Erlflschen. Diese Stamme scheinen also
sowohl mit dem Paratyphus B-Bazillus, als auch mit dem Bac. bres¬
laviensis gemeinsame Rezeptoren zu haben.
Nunmehr wurden sowohl das Breslaviensis-Serum, wie das Para¬
typhus B Serum mit den Uebergangsstammen abgesattigt.
Das Breslaviensis-Serum verlor hierbei samtliche Agglutinine
fiir die Paratyphusstamme (Nr. 1—4) und Uebergangsstamme (Nr. 5—8);
agglutinierte aber samtliche Breslaviensis - Stamme (Nr. 9—13) weiter,
jedoch mit starker Abschwachung. Der Versuch wurde mit 3 „Ueber-
gangsstammen“ (Nr. 5, 7 und 8) ausgefflhrt und verlief in jedem Falle
gleicbsinnig.
Komplizierter verlief der Versuch mit dem durch die Uebergangs-
stfimme Nr. 5 und 7 erschopften Paratyphus B-Serum. Das mit Stamm 5
behandelte Serum biiBte dabei das Agglutinationsvermdgen fflr alle
14 Stamme ein. Das mit Stamm 7 behandelte Serum verlor nur sein
Agglutinationsvermflgen gegenflber den Breslaviensis - Stammen
(Nr. 9—13) und den beiden Uebergangsstammen Nr. 7 und 8, wahrend
die Paratyphus B-Stamme Nr. 1—4 und die Uebergangsstamme Nr. 5
und 6, allerdings mit erheblicher Abschwachung, weiter agglutiniert
wurden. Die Uebergangsstamme Nr. 5 und 6 verhielten sich also hier¬
bei wie Paratyphus B-Stamme, die Uebergangsstamme Nr. 7 und 8 wie
Breslaviensis-Stamme. Auch die kulturelle Untersuchung hat, wie
spater ausgefflhrt wird, die nahere Verwandtschaft von Stamm 5 und 6
mit dem Paratyphus B-Bazillus und von Stamm 7 und 8 mit dem Bac.
breslaviensis bestatigt.
Bei alien diesen Versuchen bestand immerhin die Mflglichkeit, daB
durch die bei der Immunisierung der Tiere getibte mehrfache Einspritzung
einer Kultur Gruppenagglutinine entstanden sein konnten, welche die
scharfe Unterscheidung verwischt hatten. Urn diesem Einwand zu be-
gegnen, wurden 2 Kaninchen, das eine mit Stamm 9, das andere mit
Stamm 1, einmalig mit Vi oo Oese 20-stand., bei 56 °C abgetoteter Agar-
kultur intravenbs geimpft. Entblutung nach 10 Tagen. Aber das Er-
gebnis der mit diesen Seren gemachten Versuche ist das gleiche:
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464
Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6.
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Breslaviensis (Nr. 9)-Serum (Titer 1:640), erschopft mit Bac.
breslaviensis und ebenso Paratyphus B (Nr. 1)-Serum (Titer 1:1280),
erschopft mit Bac. paratyphi B, sind fiir alle Stamme restlos er-
schdpft. Hingegen agglutinieren Breslavien sis-Serum, erschopft mit
Paratyphus B, und Paratyphus B-Serum, erschfjpft mit Bac. bres¬
laviensis, die ihnen homologen Stamme fast unabgeschwacht, die Ueber-
gangsstamme mit sehr starker Abschwachung, zum Teil gar nicht, die
heterologen Stamme uberhaupt nicht.
Wir sehen also 2 in sich ziemlich abgeschlossene Typen, den Bac.
breslaviensis und den Bac. paratyphi B; aber zwischen ihnen
stehen „Uebergangsstamme u , die teils von klinischem Paratyphus (Nr. 5),
teils von Gastroenteritis (Nr. 8), aber auch von seuchenhaftem Abortus
einer Stute (Nr. 6) und einem klinisch unklaren Fall (Nr. 7) gezuchtet
wurden und die mit beiden Typen ausgepragte Verwandtschaft zeigen.
Absolut scharf dagegen unterscheiden sich alle 13 Stamme vom
Bac. en teritidis Gartner. Wurde Gar tner-Serum mit einem Para¬
typhus B-, Breslaviensis- oder Uebergangsstamm abgesattigt (Nr. 1,
7 und 9), so agglutinierte es danach keinen der 13 Stamme, hingegen
unabgeschwacht den Gartner-Stamm Nr. 14; mit letzteren abgesattigt,
agglutinierte es weder die 13 Stamme, noch den Gartner-Stamm.
Paratyphus B-Serum, erschopft mit dem Gar tn er-Stamm (Nr. 14),
agglutinierte alle 13 Stamme unabgeschwacht, aber nicht mehr den
Gartner-Stamm.
Alle 13 Stamme (Paratyphus B, Breslaviensis- und Uebergangs-
stamme) zeigten sich also gegenfiber dem Gar tner-Serum wie hetero-
loge Stain me, desgleichen der Gartner-Stamm gegeniiber dem Para¬
typhus B-Serum.
Das gesetzmfiBige Verhalten der einzelnen Stamme beim Absatti-
gungsversuche ware auf folgende Art zu erkiaren:
Bei der Immunisierung eines Tieres mit einem bestimmten Stamme
werden 2 Arten von Agglutininen gebildet:
1) Streng-artspezifische Agglutinine, welche nur von einem dem
Serum homologen Stamme gebunden werden konnen, niemals aber von
einem heterologen Stamme.
2) Verwandtschaftsagglutinine, welche sowohl von einem dem Serum
homologen, als auch von einem heterologen Stamme gebunden werden
konnen, und zwar in um so starkerem MaBe, als der zugesetzte Stamm
mit dem diesem Serum homologen Stamme nfilief verwandt ist.
So wurden sich also bei der Immunisierung mit Bac. bresla¬
viensis sowohl Breslaviensis-Agglutinine bilden, als auch Ver¬
wandtschaftsagglutinine, die mit Bac. breslaviensis und mit Bac.
paratyphi B reagieren. Wird ein solches Serum mit Paratyphus B
abgesattigt, so wilrde es nur die Verwandtschaftsagglutinine verlieren;
wird es aber mit Bac. breslaviensis abgesattigt, so mtiBte es samt-
liche Agglutinine verlieren, und das Entsprechende ware der Fall, wenn
wir mit Bac. paratyphi B immunisieren.
Sehr nahe verwandte Stamme wurden auch die artspezifischen Agglu¬
tinine des ihnen verwandten Stammes binden konnen.
So ware z. B. das Verhalten der „Uebergangsstfimme“ dadurch zu
erkiaren, daB sie sowohl fur die artspezifischen Agglutinine des Bac.
breslaviensis, als auch des Bac. paratyphi B Rezeptoren be-
safien.
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Olitzki, Unterscheidung d. Bac. breslaviensis vom Paratyphus B-Bazilius. 465
Tabelle II.
a) Castellanischer Versuch mit Breslavien si s-Serum.
Nr.
der Stamme
Titergrenzen bei Agglutination mit Breslavien sis-Serum, abge-
sattigt mit
Paraty. B-Stammcn I Uebergangsstammen I Breslaviensis-Stamme
isstammen Breslaviensis-Stamm
’ j 8~ 9. 10. | 11. | 13.
ill
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1:40 , 0 1:640
1:40 0 1:128
1:40 1: 320 1:40
0 0 0
5.
7.
8.
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
1:640
1:160
1:5120
1:320
1:80
1: I2b0
1:320
1:80
1 : 1280
1:160
1 :320
1 :640
1:2560
1:160
1 :5120
0
0
0
14. 0
Tabelle III.
b) Castellan ischer Versuch mit Paratyphus B- und Gartner-Serum.
Nr. ,
der Stamme
Titergrenzen bei Agglutination mit
Paratyphus B-Serum, abgesattigt
mit Stamm
4. 1
Titergrenzen bei Agglutination
mit Gartner-Serum, abge¬
sattigt mit Stamm
i . ®
i s>§
Ill
i ® S
-•s a
«
0 0 1:1280 1: 5120 ! 1: 5 120
0 0 1:1280 1:5120 1:10 240
0 0 1:1280 1:5150 1:10240
0 0 1:2560 1: 5120 1:10 240
0 0 1:320 0 1:5120
0 0 1:160 1:640 1:2 560
0 0 0 0 1:5 120
0 0 0 0 1:2 560
0 0 0 0 1:2 560
0 0 0 0 1:5 120
0 0 0 0 1:5 120
0 0 0 0 1:2 560
0 0 0 0 1:640
1: 5120 1: 5120
2. Morphologlsche und kulturelle Unterschledc.
Morphologisch zeigten die Stamme keine Verschiedenhe
gegen zeigte die kulturelle Untersuchung folgendes:
Samtliche Stamme, welche von typhusahnlichen ErkranI
stammten und im Absattigungsversuche sich als echte Pa
£ntl Abt. Orig. Bd. 88. Heft 6. c
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6.
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Stfimrae erwiesen hatten (Nr. 1—4), zeigten die Erscheinung der Wall-
bildung auf Agar. Die Wallbildung fehlte bei samtlichen Bresla-
vien sis-St&mmen (Nr. 9—13). Von den UebergangsstSmmen bildeten
die Stamme Nr. 5 und 6 (Paratyphus und Abortus) Schleimwalle, aber
nicht die Stamme Nr. 7 und 8 (unklarer Fall und Gastroenteritis). Auch
hierdurch zeigt sicli, dafi von den Uebergangsstammen Nr. 5 und 6 mit
dem Bac. paratyphi B, Nr. 7 und 8 mit dem Bac. breslaviensis
n&her verwandt sind.
Der Gartner-Stamm (Nr. 14) bildete ebenfalls Walle.
Sehr schbn war die Wallbildung auf Endo-Agar zu beobachten.
Nach 1-tSg. Bebrfltung bei 37° C und 5-tSg. Aufenthalt bei Zimmer -
temperatur zeigte das Zentrum der Kolonien eine rote Fkrbung. die bei
einigen Stammen leuchtend rot bis fast dunkelrot war und sich scharf
von dem etwa 1 mm uberragenden, rotlich-weiBen Scbleimwall abhob.
Weniger charakteristisch waren die Unterschiede des Wachstums
auf Gelatinestrichkulturen. Alle Stamme, welche auf Agar Walle bil¬
deten, zeigten auf Gelatine ein iippiges, rahmiges Wachstum. Hingegen
zeigten keineswegs alle Breslaviensis-Stamme (Nr. 9—13) und
Breslaviensis-ahnlichen Uebergangsstamme (Nr. 7 — 8) das von
Fischer geforderte trockene, sparliche Wachstum; bei 4 Stammen
(Nr. 7, 8. 9 und 13) war ein sehr deutlicher Unterschied wahrnehmbar,
und das Wachstum konnte als „trocken“ Oder „fast trocken“ bezeichnet
werden; hingegen war bei den 3 anderen Stammen (Nr. 10, 11 und 12)
ein augenfailiger, sehr starker Unterschied gegenuber den Paratyphus
B-Stammen nicht festzustellen.
3. Tterversuche.
Ungebrauchte Mause wurden 7 Tage lang taglich mit je einer 24-
stund. Schragagaraufschwemmung in 6 ccm physiol. NaCl-LSsung, die
mit Brotkrumen zu einem Brei verrieben wurde, gefiittert.
Die mit Bac. breslaviensis (St. 9 und 11) behandelten Tiere starben am 7.
bzw. 12. Tage.
Deegleichen starben samtliche Tiere, die mit Uebergangsstammen behandelt waren,
und zwar: das mit Nr. 5 behandelte Tier am 7. Tage, das mit Nr. 6 behandelte Tier
am 12. Tage, das mit Nr. 7 behandelte Tier am 7. Tage und das mit Nr. 8 behandelte
Tier am 9. Tage.
Hingegen blieben samtliche Tiere am Leben (Beobachtung bis zum 20. Tage),
welche mit Paratyphus B-Stammen (Nr. 1—4) und mit dem G&rtner-Stamme (Nr. 14)
gefiittert worden waren.
Bei den gestorbenen Tieren waren die Bazillen in Milz, Leber und
Herzblut mikroskopisch und kulturell nachweisbar. Bei Beurteilung des
Tierversuches muB freillch beriicksichtigt werden, daB ein Teil der ver-
wendeten Kulturen ziemlich lange auf kOnstlichen NfLhrboden fortge-
zflchtet war.
Zusammenfassung.
1) Es wurden untersucht 5 Kulturen von klinischem Paratyphus
(Nr. 1—5), 1 Kultur von Abortus einer Stute (Nr. 6), 1 Kultur von
einem klinisch zwischen Paratyphus und akuter Gastroenteritis stehenden
Fall (Nr. 7) und 6 Kulturen von akuten gastroenteritischen Erkran-
kungen (Nr. 8—13). Ferner wurde zum Vergleiche ein Gartner-
Stamm (Nr. 14) herangezogen.
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Otto u. Chou, Die Widerstandsfahigkeit des Fleckfiebervirus usw. 467
2) Agglutinatorisch konnten unter Anwendung des Castellani-
schen Versuches 4 von den 5 Kulturen aus Paratyphus auf der einen
Seite (Nr. 1—4) und 5 von den 6 Kultnren aus Gastroenteritis auf der
anderen Seite (Nr. 9—13) als scharf unterschiedene Typen festgestellt
werden. Die iibrigen 4 Stamme (Nr. 5—8) nelimen eine Zwischenstel-
lung ein, sie zeigen sowohl Verwandtschaft mit dem Paratyphus B-Typus
(Nr. 1—4) als auch mit dem Breslaviensis-Typus (Nr. 9—13).
3) Bei den kulturellen Untersuchungen zeigte sich als deutlichstes
Unterscheidungsmerkmal die Bildung von Schleimw&llen, die von sfimt-
lichen Stammen vom Paratyphus B-Typus (Nr. 1—4), aber von keinem
Breslaviensis-Stamm (Nr. 9—13), gebildet wurden. Von den Ueber-
gangsstammen verhielten sich 2 Stamme (Nr. 5 und 6) wie Paratyphus
B und 2 Stamme (Nr. 7 und 8) wie Bac. breslaviensis.
4) Bei der Ffltterung mit den Kulturen konnten Mause durch Bres¬
laviensis- und Uebergangsstamme (Nr. 5—13) getdtet werden (Tod
bis spatestens am 12. Tage), nicht aber durch Paratyphus B-Stamme
(Nr. 1-4).
5) Agglutinatorisch zeigte sich der Bac. enteritidis Gartner als
ein von alien anderen untersuchten Bazillen vollkommen verschiedener,
fester Typus. Kultnrell und im Mauseffitterungsversuche zeigte er die
Eigenschaften des Paratyphus B-Bazillus (deutliche Wallbildung, keine
Pathogenitat).
Uteratur.
Bitter, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 90. 1920. S. 387.— Bock, Arb. aus dem Kaiserl.
Gesundheitsa. Bd. 24. 1906. 8. 238. — Bonhoff, Arch. f. Hyg. Bd. 50. 1904. S. 222.
— Citron, J., Zeitschr. f. Hyg. Bd. 53. 1906. S. 159. — Conradi, v. Drigalski
u. Jurgens, ebenda. Bd. 42. 1903. S. 141. — Fischer, B., ebenda. Bd. 39. 1902.
8. 447. — Fornet u. Levy, Diese Zeitschr. Abt. I. Orig. Bd. 41. 8. 168. — Gart¬
ner, A., Bresl. arztl. Wochenschr. Jg. 22. 1888. Nr. 21. zitiert nach Kolle-Wasser-
mann. 2. Aufl. Bd. 2. — Gartner, W., Diese Zeitschr. Abt. I. Orig. Bd. 87. 1921.
8. 487. — Kaensche, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 22. 1806. 8. 53. — Manteufcl, P„ u.
Beger, H., Diese Zeitschr. Abt. I. Orig. Bd. 87. 8. 161. — Muller, R., Dtsch.
mea. Wochenschr. 1910. S. 2387. — Schottmiiller, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 36. 1901.
8. 368. — 8pat, Berlin, klin. Wochenschr. 1910. S. 775. — Trautmann, Zeitschr.
f. Hyg. Bd. 35. 1900. S. 139. — Dhlenhuth u. Hubcner, Handb. d. path. Mikro-
orgaiiismen. Bd. 3. 1913. — Vagedes, Klin. Jahrb. 1905. 8. 517.
Nachdruck verboten.
Ueber die Widerstandsfahigkeit des Fleckfiebervirus
im Meerschwemchengehirn.
[Aus dem Institut fflr Infektionskrankheiten „Robert Koch u (Serologische
Abteilung: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. R. Otto).]
Von R. Otto und C. C. Chou (Shanghai).
Verschiedene Autoren, zuerst Nicolle und Blaizot (Compt. rend. Acad. Scienc.
T. 161. Iwl5) haben nachgewiesen, dafi beim flcckfieberinfizierten Meerschweinchen das
Virus sich nicht nur im Bint, sondern auch in den Organen beiindet. Nicolle und
30*
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468
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origiuale. Bd. 88. Heft 6.
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seine Mitarbeiter fanden es besonders im Gehirn und in den Nebennieren. Aber auch
in anderen Organen ist e« vorhauden, und so konuten Otto und Dietrich ('Centralbl.
f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 82. 1918), die Infektion auch mit Leber-, Milz- una Lungen-
aufschwemmungen von Tier zu Tier iibertragen.
Die Untersuchungen von Landeteiner und Hausmann (Med. Klin. 1918),
Doerr und Pick (Wien. klin. Wochenschr. 1918) sowie von Otto und Fapamarku
(Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 84. 1920) haben gelehrt, daB die Passage von Tier
zu Tier mittels Gehirnemulsion in der Tat sehr sicher gelingt.
Bei anderen Versuchen von Otto und Papamarku (Dtsch. med. Wochenschr.
1920), die einige Chemikalien auf ihre Wirksamkeit gegenfiber dem Fleckfiebervirus
priiften, ergab sich nun, daB sich bei der Infektion der Kontrolltiere die Gehirnemulsion
in einigen Versuchen schon nach 24-stiind. Stehen bei Zimmertemp. avirulent envies.
Diese Beobachtung stand zwar im Einklang mit Beobachtungen von Bocha-Lima
(Lubarsch-Ostertag, Jahrg. 19), nachdenen auch Aufschwemmungen von Lausevirus
nach 24-stiind. Stehen bei Zimmertemp. (20° C) nicht mehr infektios waren; 6ie gaben
uns aber die Veranlassung, die Frage der Haltbarkeit des Virus in den Gehirnauf-
schwemmungen naher zu prfifen, zumal fiber diesen Punkt wenig experimentelle Tat-
sachen vorliegen.
Die groBe Mehrzahl der Untersuchungen, welche fiber die Haltbarkeit des Fleck¬
fiebervirus angestellt sind, beziehen sich auf das Blut (bzw. Blutserum) Fleckfieber-
kranker oder mit Virus infizierter Tiere. Wir wollen hier kurz die nach dieser Richtung
hin vorliegenden Resultate wiedergeben, indem wir dem oben angeffihrten Referate
Rocha-Limas folgen. Danach war in einem Versuche von Nicolle, Conor und
Blaizot das Blutserum eines kranken Affen noch nach 9 Std. Stehenlassen bei + 12°
infektios. Nach Angaben Hamdis bheb das Blut fleckfieberkranker Menschen bei
+ 5° wahrend 30 Sta. virulent. 2 nach dem Gefrierenlassen 25 Std. bzw. 8 Tage bei
0* aufbewahrte Blutproben erzeugten in Versuchen von Goldberger und Anderson
bei Affen typisches Fleckfieber. Nach 15-tagig. Aufbewahrung bei 0° wirkte dasselbe
Blut weder krankmachend noch immunisierend. Me. Campbell erzielte bei 2 Rhesus-
Affen keine Reaktion nach intraperitonealer Einspritzung von 10 ccm Blut, das 15 Tage
auf Eis gestanden hatte. Nach Nicolle und Blaizot blieb die krankmachende
Eigenschaft des Blutes mindestens 6 Tage im Eisschrank erhalten. Auch 2 Tage bei
37“ aufbewahrt, war das Blut in einem Versuch derselben Autoren noch virulent.
Nach Hamdi genfigt ein 42-stfind. Stehenlassen des virulenten Blutes in Eis oder
Schnee, um dasselbe unschiidlich zu machen. Gefroren gewesenes Blut (24 Std. bei starker
Kalte) erzeugte keine Krankheit, wohl aber noch Blut, das 30 Std. im Eisschrank bei
+ 5° gestanden hatte. Hingegen fanden Anderson und Rosenau (Hyg. Labor.
Bull. 86. 1912), daB das Virus nach Frierenlassen und Aufbewahrung bei 0“ C min¬
destens 8 Tage virulent blieb, aber nach 15 Tagen nicht mehr infizierte. Eingehendere
Versuche sind fiber die Einwirkung der Hitze auf das Virus angestellt. Es sei hier
aber nur kurz erwahnt, daB hohere Temperaturen (fiber 55°) das Virus schnell abtoten,
ohne daB wir naher auf die Abtotung des Virus durch Hitze eingehen wollen.
Neuerdings hat nun noch Olitzki (Journ. of exper. Med. Bd. 35. 1922) fest-
gestellt, daB die Haltbarkeit des Virus (Blut fiebernder, infizierter Tiere) in Zfichtungs-
versuchen bei 37 0 C unter anaeroben und aeroben Bedingungen in wenigen Tagen zu-
r unde geht. Nach seinen Befunden hielt es sich in Fleiscnbrfihe aerob 5 Tage, anaerob
Tage; in normalem Kaninchenserum aerob 5 Tage, anaerob 1 Tag; in verdfinntem
norm. Pferdeserum aerob 5 Tage, anaerob 1 Tag; in menschlicher Ascitesflfissigkeit aerob
3 Tage, anaerob 2 Tage und im Smith■ Noguchi-Nahrboden 1 Tag.
Was nun die Haltbarkeit des Virus in Gehirnemulsion be-
trifft, so liegen dariiber nur wenige Angaben vor.
Land Steiner und Hausmann berichten, daB 1-tiig. Aufbewahrung bei Zimmer-
temperatur in einem Versuch (2 Meerschweinchen) die Virulenz nicht aufgehoben hatte.
Beide Tiere erkrankten. Auch 6 Tage langes Aufbewahren bei 0° hatte keine Auf-
hebung der Infektiositat zur Folge. Dagegen erkrankten 2 Meerschweinchen, die mit
14 Tage lang bei 0“ aufbewahrter Gehirnemulsion gespritzt waren, nicht. Bei der Nach-
prfifung reagierte das eine Tier typisch, das andere nicht deutlich.
Otto und Papamarku (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 84. 1920) fauden
in einem Falle, bei dem das Gehirn 7 Tage im Eisschrank aufbewahrt war, eine er-
loschene Infektiositat.
Unsere neueren Versuche wurden in der Weise angestellt, daB wir
mit Fleckfiebervirus infizierte Meerschweinchen am 2.—3. Fiebertage
tbteten, ihnen das Gehirn entnahmen und es mit 15 ccm physiol. Koch-
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Otto u. Chou, Die Widerstandsfahigkeit des Fleckfiebervirus usw. 469
salzlOsung verrieben. Mit dieser Emulsion wurden sodann sofort 2 Meer¬
schweinchen mit je 1 ccm ip. infiziert. Der Rest der Emulsion wurde
(in den einzelnen Versuchen) bei verschieden hohen Temperaturen und
verschieden lange Zeit aufbewahrt und dann davon gleichfalls Meer-
schweinchen mit 1 ccm ip. infiziert. Bei einem Teil der Versuche er-
folgte noch Zusatz yon normalem Meerschweinchenserum zu der Emulsion,
und zwar auf 1 ccm Gehirnemulsion 0,2 ccm Serum. Von dieser
Mischung erhielten dann die Tiere nach verschieden langem Stehenlassen
bei +8°, 4-20° und +37° C 1,2 ccm ip. Das Serum war in einem
der Versuche vorher bei 56° C inaktiviert (Versuch Meerschweinchen 4067).
Der Verlauf der Versuche ist aus der folgenden Tabelle ersichtlich.
+ bedeutet: typische Fieberreaktion
+ i „ : bei der Nachprufung ,immun“
— i „ : „ „ jf „n icht immun“
— . : keine Fieberreaktion.
Tabelle I.
Versuche fiber die Infektiositat von Fleckfiebergehirnemulsion
(Meerschweinchen).
Art der Auf¬
bewahrung,
Die Infektion erfolgte
(die einzelnen Versuchstiere sind durch Nummern bezeichnet)
nach
Emulsion
sofort
24 Std.
(1 Tag)
48 Std.
(2 Tagen)
72 Std.
(3 Tagen)
96 Std.
(4 Tagen)
120 Std.
(5 Tagen)
144 Std.
(6 Tagen)
168 Std.
(7 Tagen)
240 Std.
(10 Tag.)
Eisschrank
Kontr. +
n +
3667 +
3668 +
3690 +
*
4055 +
3694 +,
+ i.
3732-
3733 —,
— i.
4075 —
— i.
3703—(?),
+ i*
3734 -,
— i.
3706 —,
— i.
+ Serum
» +
•
•
•
3928 +
•
4015 +
4058 +
+ i.
Zimmertemp.
Kontr. +
•
3677 +,
+ i.
3678 +,
+ i*
3681 —,
— i.
4074 —
— i.?
•
•
•
+ Serum
v +
•
■
•
3929 +
•
4054 +
•
57°
Kontr. +
» +
4047 +
4065 —
3676 —
— i.
3679 —
3680 —
•
+ 1.
•
•
+ Serum
9 +
4050 —
4066 +
+ i-
4067 +
+ i*
4053—?
— i.
3937 —
getrocknet (wie
bei Wutdurch
Aufhangen
fiber Aetzkali)
3670 —
— i.
3671 —
— i.
Das Resultat unserer Versuche lftBt sich folgendermaBen zusammen-
fassen:
Im Eisschrank (etwa +8° C) hielt sich die Gehirnemulsion
sicher 4 Tage lang infektios. Nach dieser Zeit war ihre Virulenz
schwankend. In einzelnen Fallen hielt sie sich noch 5 bzw. 7 Tage.
So erkrankte von 2 Meerschweinchen, die mit 5 Tage alter Emulsion
behandelt waren, 1 typisch (bei Nachprlifung immun), wahrend das
andere nicht erkrankte, auch spater sich nicht immun erwies. Nach
7 Tage langer Aufbewahrung trat bei keinem Tiere typisches Fieber
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CentralbL f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6.
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auf, eins der Tiere erwies sich aber sp&ter (bei wiederholter Nach-
priifung) als immun.
Durch Serumzusatz wurde die Haltbarkeit erhbht. Noch nach
10 Tage langer Aufbewahrung erzeugte dann die Emulsion typisches
Fieber, wenn auch nach verlangerter Inkubationszeit (11 Tage statt 6) 1 ).
Bei Zimmertemperatur (etwa +20° C) hielt sich das Virus
in der Gehirnemulsion nur 3 Tage, aber bei Serumzusatz wieder
mindestens 6 Tage.
Im Brutschrank (-(-37° C) war die Gehirnemulsion niemals
linger als 24 Std. infektiSs. Serumzusatz verbesserte die Erhaltung
der Ansteckungsf&higkeit nicht sicher.
In 2 Versuchen, bei denen das Gehirn in toto (ahnlich wie das
Riickenmark beim Lyssavirus) iiber Aetzkali bei 22 0 C aufbewahrt wurde,
war seine Virulenz nach 48 bzw. 72 Std. erloschen. Die Infektion der
Meerschweinchen wurde in der Weise vorgenommen, daB das getrocknete
Gehirn mit 15 ccm NaCl-Losung verrieben und davon 1 ccm den Meer¬
schweinchen ip. injiziert wurde.
Das Fleckfiebervirus zeigte also in der Gehirnemulsion
eine ganz bestimmte Widerstandsf&higkeit, die von der Temperatur, bei
der die Emulsion aufbewahrt wird, abhSngt. Sie erhoht sich bei -f 8 0
und 20° C nach Serumzusatz.
Dieser Befund gab uns die Veranlassung, in einigen wenigen Ver¬
suchen auch die Widerstandsfahigkeit der X19-Bazillen,
die ja von einigen Autoren immer noch als die Erreger des Fleckfiebers
angesprochen werden, unter ahnlichenBedingungen zu priifen.
Da das Gehirn mit X 19-Bazillen infizierter Tiere zu solchen Versuchen nicht
benutzt werden konnte, so behalfen wir uns in der Weise, dafi wir normales Gehirn
mit X 19-Aufschwemmungen emulgierten, und zwar verrieben wir das Gehirn eines
normalen Meerschweinchens ieweils mit 15 ccm physiol. NaCl-Losung, in die vorher
5 Oesen einer frischen, 24 Sta. alten X 19-Kultur fein verteilt waren. Diese Emulsionen
wurden teils sofort, teils nach verschieden langer Aufbewahrung bei +8°, +20° und
+ 37 0 C aufbewahrt, und dann (nachdem vorhcrige Priifung auf etwaige bakterielle
Verunreinigung nur die Anwesenheit von X-Bazillen ergeben hatte) Meerschweinchen
ip. injiziert (1 ccm = 1 / a Oese im Anfangsversuch).
Der Verlauf der Versuche ist aus der folgenden Tabelle II ersichtlich.
Aus den Versuchen mit den X 19-Bazillen ist folgendes zu entnehmen:
1 ccm der Proteus-Bazillen-Gehirnemulsion (im Anfangsgemisch
= 1 / s Oese) totete in der Regel Meerschweinchen in 24 Std. Auf die
Pathogenitat der X-Bazillen fiir Meerschweinchen hat bereits Dietrich
(Dtsch. med. Wochenschr. 1916) hingewiesen. Er fand, daB sich im
Tierversuch kein wesentlicher Unterschied zwischen dem von uns ge-
priiften X 19-Stamm und dem zum Vergleich herangezogenen Vulgar is-
Stamm bestand. 1 / 2 Oese 24-stiind. Kultur von beiden Stammen totete
bei intraperitonealer Injektion regelm&Big Meerschweinchen innerhalb
24 Std.; die O-Form scheint fur Meerschweinchen noch wirksamer zu
sein als die H-Form.
Nach der Aufbewahrung im Eisschrank enthielten die mit
H- und O-Formen angelegten Gehirnemulsionen noch nach 10 Tagen
1) In Uebereinstimmung mit Doerr und Pick hatten Otto und Papamarku
gefunden, daB die Inkubationszeit in weiten Grenzen von der Infektionsdosis (gepriift
wurde 0,5 bis 0,01 g Gehirn) unabhangig ist. Wir konnten indessen spater in 1 Falle,
bei dem das eine Meerschweinchen mit 0,2, das audere mit 0,002 g infiziert war, eine
Verlangerung der Inkubation von 6 Tagen auf 16 Tage beobachten. Das Tier fieberte
5 Tage und erwies sich spater immun. Vgl. Beobachtungen von Weil, Breinl und
Gruschka (Wien. klin. Wochenschr. 1921).
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Otto u. Chou, Die Widerstandsfahigkeit des Fleckfiebervirus usw. 471
Tabelle II.
Versuche fiber die Virulen zerhaltung von X 19-Bazillen, die mit einer
Emulsion von norm. Meerschweinchengehirn verrieben aufbewahrt
wurden,
rt der Auf-
ewahrung
Die Injektion erfolgte nach
sofort
24 Std.
48 Std.
72 Std.
96 Std. |
120 Std. j
144 Std.
168 Std.
240 Std.
ontrollen
sofort)
3844 lebt,
— i.fl.
3848 +.
3831 +i
*
•
•
•
*
•
isschrank
I-Form
•
3846 lebt
3841 f,
•
3839 f.
3835 f,
•
3870 f,
)-Form
4068 f.
•
•
•
•
*
4027 f,
immertemp.
3-Form
•
3845 f,
3840 f,
3838 lebt,
— i.fl.
3834 t,
3833 f,
*
3988 t,
3-Form
•
•
•
•
•
4023 +!
•
•
•
r # H-Form
•
•
3847 f.
3842 lebt,
-i. fl.
4069 f.
*
3837 +.
3836 lebt
— i. fl.
3832 +l
•
•
*
3-Form
.
.
.
4022 f,
.
.
.
.
Zeichenerklarung: f, = tot nach 1 Tag; —i. fl. = nicht immun gegen Fleckfiebervirus.
in Massen Proteus X-Bazillen und tOteten die Meerschweinchen davon
noch prompt.
Nach der Aufbewahrung bei Zimmertemperatur war die
Emulsion, aus der sich mflhelos die Proteus-Bazillen zllchten liellen,
gleichfalls noch nach 5 bzw. 10 Tagen wirksam, also zu Zeiten, wo das
Fleckfiebergehirn sicher avirulent ist.
Auch durch Aufbewahrung bei 37° litt die Virulenz der
Gehirnemulsion bis zu 3 bzw. 5 Tagen meist nicht, w&hrend sich die
Gehirnemulsion des Fleckfiebermeerschweinchens hSchstens 24 Std. viru¬
lent erhielt.
Die O-Form verhielt sich wie die H-Form.
Die wenigen nach der Injektion mit X 19-Proteus-Gehirnemulsion
mit dem Leben davongekommenen Meerschweinchen zeigten keine
Immunitat gegen dieNachprflfung mit Fleckfiebervirus.
Ebensowenig einige mit nicht todlichen Dosen derO-Forra
(Vs Oese subkutan) infizierte Meerschweinchen.
Auch diese Versuche sprechen gegen die atiologische Bedeutung
der X 19-Bazillen. Die Widerstandsfahigkeit des Fleckfiebervirus in
Gehirnemulsionen ist ganz verschieden von der der X-Bazillen.
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472
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6.
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Nachdruck terboten.
Die Rauschbranddiagnose durch einen komplizierten Tier-
versuch, dargestellt an einem Falle aus der Praxis.
[VeterinSranstalt der Universitat Jena (Direktor: Geh. Reg.-Rat Prof.
Dr. Hobstetter), Tierseuchenstelle (Leiter: Prof. Dr. Pfeiler).]
Von W. Pfeiler und Y. Goerttler.
In groBeren Versuchsreihen, die an anderer Stelle veroffentlicht
werden sollen, ist durch uns festgestellt worden, daB sich Rausch-
brand und rauschbrandahnliche Erkrankungen in einem
komplizierten Tierversuche mit Sicherheit voneinander
unterscheiden lassen: Meerschweinchen, die mit Toxin von Rausch-
brandkulturen bzw. von Kulturen rauschbrandahnlicher Mikroorganismen
immunisiert worden sind, erweisen sich nSmlich nur gegen eine Infektion
mit Bakterien der gleichen Art geschiitzt. Beispielsweise verleiht die
Behandlung mit Rauschbrandtoxin nur Immunitat gegen Rauschbrand,
nicht etwa auch Schutz gegen die nachfolgende Infektion mit Bazillen
vom Typus Ghon-Sachs. Nach ihrem Verhalten gegeniiber toxin-
immunisierten Meerschweinchen sind auf Grund unserer Versuche, so-
weit sie schon jetzt ein Urteil gestatten, die folgenden 4 Arten zu unter¬
scheiden :
1) die echten Rauschbrandst&mme (Typus „Kitt“ und
„Foth“),
2) die Bazillen vom Typus „Gh on-Sachs 11 ,
3) die zu Hiblers „Art XI“ gehorigen Bazillen,
4) die dem „malignen Oedem Koch nahestehenden Ba¬
zillen “ (v. Hibler).
Moglicherweise werden sich bei weiterer Ausdehnung unserer immer-
hin noch in den Anfangen stehenden Untersuchungen andere Gruppie-
rungen bzw. Zusammenfassungen ergeben.
In der bakteriologischen Abteilung der Tierseuchenstelle Jena werden,
seitdem die fur unsere Fragestellung entscheidenden wissenschaftlichen
Versuche ausgefiihrt worden sind, fur die Untersuchung von Rausch-
brandmaterial aus der Praxis stets mehrere Paare immunisierter Meer¬
schweinchen vorratig gehalten. Das eine dieser Tiere ist gegen Rausch¬
brand immunisiert, das andere mit einem polyvalenten Toxin der Arten
2, 3 und 4 yorbehandelt. Beide Tiere werden mit dem verd&chtigen
Material infiziert. Stirbt das mit polyvalentem Toxin, nicht dagegen
das gegen Rauschbrand immunisierte Tier, dann liegt Rauschbrand
vor; bleibt dagegen jenes Tier am Leben (und das gegen Rauschbrand
immune Tier verendet), so handelt es sich nicht um Rauschbrand, son-
dern um eine rauschbrandahnliche Erkrankung.
Einer der kiirzlich in der Tierseuchenstelle zur Untersuchung ge-
kommenen Falle soli das Wesen und den Wert der Diagnosestellung auf
diesem von uns eingeschlagenen Wege naher erlautern. Das hier beschrie-
bene Verfahren hat sich in 10 anderen Fallen praktisch bestens bewahrt.
Durch den Bezirkstierarzt W. zu D. wurden Fleischteile einer Kuh
des Besitzers P. 0. in 0. eingesandt: beigefiigt war, zufolge einer mit
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Pfeiler u. Goerttler, Rauschbranddiagnoae durch Tierversuch. 473
den bearateten TierSrzten zur Unterstiitzung unserer Versuche getroffenen
Verabredung, der Metatarsalknochen des Tieres (nach ebenfalls an
der Anstalt ausgefuhrten Versuchen sind beiAnaerobeninfektionen
im Knochenmark die Erreger stets, und zwar so gut wie
immer in Reinkultur, enthalten).
Die Fleischteile waren schwarzrot gef&rbt, zeigten kleine Gasbl&s-
chen, beim Dariiberstreichen war leichtes Knistern wahrzunehmen. Der
Geruch war nicht leicht zu definieren, jedenfalls war es kein fflr Rausch-
brand angeblich typischer Buttersauregeruch. Das Knochenmark zeigte
keine Veranderungen.
Im Ausstrich waren sowohl im Fleisch als im Knochenmark ein-
zeln liegende, grampositive, ziemlich plumpe Stabchen
nachzuweisen. Vereinzelt fanden sich Blahformen, sowie Stabchen
mit mittel- und endst&ndigen Sporen. Auf die Anlage von
Kulturen aus den Fleischteilen wurde mit Riicksicht auf unsere bei den
frfiheren Versuchen gemachten Erfahrungen verzichtet.
Dagegen wurde aus dem Knochenmark eine Leberbouillonkultur an-
gelegt und mit einer aus kleinen FleischstQckchen hergestellten auf 70° C
5 Min. lang erhitzten Emulsion ein Paar in der beschriebenen Weise
immunisiertei Meerschweinchen infiziert. Gleichzeitig wurde mit der-
selben Emulsion eine gesunde, nicht immunisierte Maus gespritzt.
Am folgenden Tage war die Maus und das eine der beiden Meer¬
schweinchen verendet. Sektionsbefund der Maus: An der Innenflache
der Hinterschenkel war die Unterhaut blutig-seros infiltriert. Die Bauch-
hohle enthielt eine geringe Menge der gleichen Fliissigkeit. Die Organe
der Bauch- und Brusthohle waren ohne Veranderungen. Im Ausstrich
fanden sich an der Impfstelle und in alien Organen die schon in den
eingesandten Fleischteilen festgestellten Stabchen mit Sporen. Auf der
Leberzwerchfellfiache und in der Bauchhbhle lagen die Stab¬
chen teilweise in kurzen Verbanden von etwa 4 Stiick. Aus
der Leberzwerchfellfiache wurden Kulturen in Hirnbrei und Leberbouillon
angelegt.
Von den beiden Meerschweinchen war das mit Rausch brand-
toxin behandelte Tier am Leben und vollstandig munter. Auch
war an der Impfstelle keinerlei Anschwellung und Schmerzhaftigkeit
nachzuweisen.
Das mit polyvalentem Toxin immunisierte Tier dagegen
war gestorben. Das Kadaver war stark aufgetrieben. Beim Streichen
fiber die Bauchdecken hQrte und fiihlte man deutliches Knistern. Die
Unterhaut in der Umgebung der Impfstellen und am Bauch war schwarz¬
rot gefarbt, maBig feucht und mit Gasblasen durchsetzt. Die Impfstelle
zeigte eine morsche und zundrige Beschaffenheit. In der Bauchhohle
war eine kleine Menge blutig-seroser FlQssigkeit vorhanden, die Darm-
gefiifie waren stark injiziert. Unter dem Peritoneum waren in der
Nierengegend mehrere groBe Gasblasen sichtbar.
Mikroskopisch fanden sich in alien Organen grampositive sporen-
bildende Stabchen. Auf der Leberzwerchfellfiache waren neben einzeln
liegenden Stabchen nur kurze Verbande festzustellen.
Die von dieser Stelle sowie die aus der gleichen Stelle bei der
Maus und die aus dem Knochenmark der Kuh direkt angelegten
Kulturen — auch letztere erwiesen sich als rein — zeigten ein tiber-
einstimmendes Verhalten: Hirnbrei blieb unverandert, starke
Gasbildung; in Leberbouillon ebenfalls neben Triibung
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reichliche Gasproduktion. In Kulturausstrichen wurden viele
Bl&hformen und einzelne St&bchen mit Granuloseinfil-
tration und Sporenbildung angetroffen.
Die ermittelten Bakterien waren auf Grund der an ihnen festge-
stellten Merkmale als Rauschbrand vom Typus „Kitt“ anzusprechen.
Gegen die Diagnose Rauschbrand sprach bis zu einem gewissen Grade
der Tod der Maus; denn M&use sind haufig refraktSr gegen Rausch-
brandinfektionen.
Fiir Rauschbrand sprach die fehlende Verbandbildung auf
den Serosen der Impftiere und das WeiBbleiben des Hirn-
breis, vor allem aber der Tod des gegen rauschbrand&hnliche
Mikroben imraunisierten und dasUeberleben des gegen
den Typus „Kitt-Foth“ mit Toxin vorbehandelten Tieres.
Bei einem einfachen, d. h. in unserem Sinne „nicht komplizierten“,
Infektionsversuch hatte die Diagnose „Rauschbrand“ nicht so schnell
gestellt werden kbnnen, weil es unter Umst&nden lSngere Zeit dauert,
bis sich der Himbrei schwarzt und in unserem Falle infolge der Be-
nutzung immunisierter Meerschweinchen fiir die Zwecke der Diagnose-
stellung das Ergebnis sofort zutage trat. Ohne unseren komplizierten
Tierversuch ware die Entscheidung, ob es sich um Rauschbrand- Oder
Bazillen von Hi biers „Art XI“ handelte, lSngere Zeit offen geblieben;
im vorliegenden Falle konnte diagnostisch rasch und sicher entschieden
werden, da das mit Toxin von Hi biers „Art XI“ immunisierte Tier
verendet war.
Der im Vorstehenden gewiesene Weg scheint uns geeignet, die
schwierige Frage der Diagnosestellung (Entschadigungsfrage!) bei Rausch¬
brand einer Ldsung entgegenzufiihren.
Nachdruck verboten.
Kritische und experimentelle Beitrage zur Bakteriologie
des Geburtsrauschbrandes beim Rinde.
[Aus dem Stadtischen Schlachthof GieBen (Direktor: Dr. Modde) und
dem Hygienischen Institut der Universit&t GieBen (Direktor: Prof.
Dr. Gotschlich).]
Von Erich Levens, Tierarzt aus Goch (Rhld.):
I. LIteraturiibersicht.
Die durch Infektion mit pathogenen Anaeroben im Anschlufi an die Geburt her-
vorgerufenen Erkrankungen dee Kindes werden herkommlicherweise mit dem ^>amen
Geburtsrauschbrand belegt, weil die pathologisch-anatomiscben Veranderungen denen
des Rauschbrandes gleich oder doch sehr annlich sind. Gerecbtfertigt diirfte obige
Bezeichnung wohl nur fiir die durch den echten Kauscbbrandbazillus im AnschluB an
die Geburt hervorgerufene Krankheit sein. Manche Autoren, wie unter anderen Al¬
brecht (2), Kitt (21), v. Werdt(30), ziehen daher andere Bezeichnungeu, wie puer-
perale Septikamie, puerperales malignes Oedem usw., vor. Klinisch untert-cheidet sich
der sogenannte Geburtsrauschbrand vom echten Rauschbrand meist dadurch, dafi er
nicht an die bestimmten Rauschbrandgegenden gebunden ist, sondern iiberall vor-
komrnt; auch sind altere Tiere in gleichem Mafie empfanglich wie jiingere. Bei den in
der Literatur verzeichneten bakteriologischen Untersuchungen iiber die Aetiologie
konnten, wie bereits oben angedeutet, verschiedene Anaeroben als Erreger festgestellt
werden.
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Levens, Beitrage zur Bakteriologie des Geburtsrauschbrandes beim Rinde. 475
Die ersten Tierimpfungsversuche und mikroskopischen Untersuchungen machte
Horne (20) 1895. Sein Material stammte von Kiihen, 'die an tvpischem Geburta-
rauschbrand erkrankt waren. Er fand bei den mikroskopischen Untersuchungen von
Ausstrichen aus der Muskulatur und Oedemfluaaigkeit zahlreiche kurze und langere,
teils aehr lange Stabchen, die etwas diinner als Milzbrandbazillen waren, und von denen
einzelne Sporen trugen. Mit der Oederafliisaigkeit geimpfte Mause und Meerschwein-
chen verendeten ohne Auenahme nach 24 8td. In der Oedemfliisaigkeit an der I^eber-
oberflache und auf dem Peritoneum fanden sich in grofier Zahl Oedembazillen, die
Eigenbewegung besafien und zu kiirzeren und langeren gewundenen Faden vereinigt
waren. Ihre Grofie war aehr verschieden. Die Infektion liefi sich im Tierversuch von
einem Tiere auf das andere iibertragen und ergab den gleichen Befund.
Treffliche Arbeiten iiber die Aetiologie des sogenannten Geburtsrauschbrandes hat
Carl (5, 6, 7) veroffentlicht. Er hat genaue bakteriologische Untersuchungen an den
infolge dieeer Krankheit verendeten Tieren vorgenommen und konnte durch Ziichtung
und Impfung in den 4 untersuchten Fallen den Bazillus des malignen Oedems als Er-
reger nachweisen. Bei seinen Untersuchungen hat er alle differentialdiagnostischen
Mittel berficksichtigt, die damals in Betracht kommen konnten (Ziichtung auf Nahr-
boden nach v. Hi bier, Pathogenitat, Fadenbildung im Tierkorper usw.).
Kitt (21) sagt beziiglich der Aetiologie des Geburtsrauschbrandes: Abgesehen da-
von, daS es ganz gut denkbar ist, daS auch echter Rauschbrand als puerperale Infek¬
tion auftreten kann, gibt es wahrscheinlich noch spezielle, der Rauschbrandbazillen-
oder Oedembazillengruppe nahestehende, aber nicht damit identische Keime von gleicher
pathogener Wirkung. Ein solcher ist z. B. der von Kerry und Novy gefundene
Bacillus oedematis thermophilus.
Auch Glage (10) sagt, dafi neben Infektionen mit dem Bacillus des malignen
Oedems und Varietaten desselben echte Rauschbrandfalle und Gasphlegmonen vor-
kommen.
Eingehende bakteriologische und serologische Studien fiber Geburtsrauschbrand,
echten Rauschbrand und Infektionen mit kettenbildenden Bakterien hat Markoff (26)
angestellt. Von den 4 von ihm gezfichteten sogenannten Rauschbrandstammen konnte
er einen auf Grand der kulturellen Eigenscharten sowie durch Tierversuch und durch
Agglutination (mit Rauschbrandseram positiv in Verdfinnung 1 :2560) einwandfrei mit
dem echten Rauschbrand identifizieren. Der zweite zeigte bei der Ziichtung sowie bei
den Tierversuchen die typischen Eigenschaften des KochBchen Oedembazillus. Die
2 fibrigen Stamme D und E bezeichnet er als nahe verwandt mit dem Bazillus des
malignen Oedems und des Rauschbrandes. Sie unterschieden sich von den Kochschen
Oedembazillen dadureh, dafi sie in Agarkulturen weniger Gas bildeten, das einen kaeigen
Geruch besafi, saure Reaktion der Milch und des Hirnbreies bewirkten und letztereu
nicht schwarzten. Wahrscheinlich sind diese Stamme mit dem Ghon-Sachs schen
Bazillus identisch. Im Tierversuch erwiesen sich Kaninchen als sehr widerstandsfahig
S egen die Infektion. Markoff kommt zu dem Schlufi, dafi die unter dem Begrirr
ieburtsrauschbrand verstandene Krankheit nicht von einer einzelnen Art, sondern von
einer Gruppe verwandter, aber differenter Anaeroben hervorgerufen wird. „Es kann der
Geburtsrauschbrand 11 , so sagt er, „ebensogut als tvpische Rauschbrandinfektion wie als
typisches malignes Oedem auftreten, aber auch Varietaten dee malignen Oedems dar-
Btellen.“ Bei den Tierversuchen sei folgendes zu beachten: ^Geburtsrauschbrand totet
ohne Ausnahme junge und alte Meerschweinchen, ebenso Mause. Der Rauschbrand
totet im geraden Gegcnsatz uur alte Meerschweinchen und zeigt sich in manchen Stam-
men pathogen fur Mause und Kaninchen, das maligne Oedem t8tet alle Tiere ohne
Ausnahme. 11
Grosso (14) schreibt in seiner Arbeit fiber die Unterscheidungsmerkmale zwischen
Rauschbrand, malignem Oedem und Bradsotbazillen, dafi er bei einer an septischer
Metritis verendeten Kuh einen Bazillus gefunden hat, den er einwandfrei mit dem Ba¬
cillus oedematis maligni identifizieren konnte.
v. Hi bier (18) hat den Ghon-Sachs schen Bazillus aus der rechten Schulter-
muskulatur einer 4-jahr. Kuh gezfichtet, die 8 Tage nach einem Abortus wegen Ver-
dachts auf Rauschbrand notgeschlachtet worden war. Das Tier hatte an der rechten
Schulter eine deutliche. flache, ausgebreitete, elastische Geschwulst. Beim Betasten der-
selben war ein deutlich knisterndes, blasiges Geriiusch horbar. Die bakteriologische
Untersuchung wurde erst vorgenommen, nachdem das Tier verscharrt und am 6. Tage
wieder ausgegraben war. Unter diesen Verhaltnissen erscheint es jedoch nicht einwand¬
frei festgestellt, dafi es sich tatsachlich um eine Infektion mit jenem Anaeroben von
den Geburtswegen aus handelt. Derselbe Verf. hat aus dem getrockneten Muskel eines
Rindes, das an puerperaler Septikamie zugrande gegangen war, den Kochschen Oedem¬
bazillus isoliert.
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Wulff (31) hat mehrere Falle von Geburtsrauschbrand bakteriologisch untersucht
und festgestellt, dafl der Erreger nicht der echte Rauschbrandbazillus iat, sondern zur
Gruppe aer verbandbildenden Bakterien (Baz. des mal. Oedems) gehort. Seine Stamme
waren Behr pathogen fiir Meerschweinchen und zeigten starke Fadenbildung im Tier-
korper. In den Kulturen, die einen stinkenden Geruch hatten, bildeten sie reichlich
Gas, in Organbouillon vvuchsen sie zu Faden aus. Die Kolonien zeigten wurzelformige
Aualaufe. Die Agglutination unit Kaninchen-Rauschbrandimmunserum hatte ein nega¬
tives Ergebnis. Leider hat der Verf. seine Bazillen nicht auf v. Hibler-Nahrboden
geziichtet.
Der Italiener Maja (25) hat bei einera Falle von Beptischer Metritis als Erreger
den echten Rauschbrandbazillus gefunden. Nach Grosso (14) ist von ihm die Identi-
fizierung jedoch nur auf unvollkommene Weise geschehen.
Foth (9) erwahnt in seiner Rauschbrandarbeit einen Fall von echtem Rauschbrand
mit ausgebreiteten, tvpischen Veranderungen, der 3 Tage naeh der normalen Geburt
auftrat. Er rat jedoch zur Vorsicht bei der Beurteilung ahnlicher Falle.
Nach Diedrichs (28) kommt in den ersten Tagen nach der Geburt Rauschbrand
vor, der mit dem sogenannten Geburtsrauschbrand aber nicht identisch ist. Ob hier
die Infektion, so sagt er weiter, von den Geburtswegen ausgeht oder von anderen
Korperstellen, und ob das Auftreten nach der Geburt zufallig ist, ist noch unent-
schieden. In der Gebiirmutterwand sind in diesen Fallen jedenfaUs Rauschbrandbazillen
in grofier Zahl gefunden worden.
Uebrigens scheint auch beim Menschen vereinzelt durch Infektion mit Anaeroben
vom Uterus her ein Oedem vorzukommen. In einem von Bremer (4) mitgeteilten
Falle trat bei einer Frau, die sich durch Einfiihren von Instrumenten in den Uterus
die Frucht abzutreiben pflegte, nach einem derartigen Versuch eine knisternde An-
schwellung der rechten Thoraxhalfte und des rechten Oberarmes ein, aus der sich bei
Punktion eine seros-blutige Flussigkeit sowie nach Schwefelwassertoff riechendes Gas
entleerte. Bei der Sektion wurden in dem veranderten Gewebe K o c h sche Oedem- so¬
wie Pseudoodembazillen festgestelit.
Nach den literarischen Angaben wurden also als Erreger des soge¬
nannten Geburtsrauschbrandes in Betracht kommen: Der echte Rausch¬
brandbazillus, der Ghon-Sachssche Bazillus, der Novysche Bazillus,
sowie der Koch sche Oederabazillus und eventuell die Mark off schen
Bazillen (Stamm D und E).
DifFereiitialdiagnostische Gesiclitspunkte.
Was die Differentialdiagnose der verschiedenen Arten der Anaeroben anbelangt,
so bietet hierfiir der mikroskopische Befund kaum typische Anhaltspunkte. Wichtiger
sind in dieser Hinsicht schon die kulturellen Unterschiede, obwohl auch sie nicht iminer
zuverliissig sind. So sagt z. B. Kitt (22), daB es rauschbrandahnliche Erkrankungen
gibt, deren Erreger mit dem echten Rauschbrandbazillus so iibereinstimmen, dafi man
sie weder mikroskopisch noch kulturell noch durch den Tierversuch davon unterscheideo
kann, und die allenfails nur durch den Serumimmunisierungsversuch vom Rauschbrand
getrennt werden konnen. v. Hibler (18) teilt die Anaeroben nach ihrern Verhalten
gegeniiber Gehirnnahrboden in 2 groBe Gruppen. Die eine, zu der unter anderen der
Koch sche Oedembazillus gehort, erzeugt in den Kulturen Schwefelwasserstoff und
Alkali, und der Gehirnbrei wird infolge Bildung von Schwefeleisens geschwarzt. Die
andere Gruppe, zu der unter anderen der Rauschbrandbazillus, der Novysche, der
Ghon-Sachssche Bazillus gehbrt, bewirkt umgekehrt saure Reaktion und der Ge¬
hirnbrei bleibt in der Farbe unveriindert. Nach Fraenkel (11) und van Heels-
bergen (16) ist dieses Unterscheidungsmerkmal nicht zuverlassig. Fraenkel bat
nachweisen konnen, daB manche Stamme von Kochschen Oedembazillen keinen
Schwefelwasserstoff bilden. Bei der Ziichtung in Gehirnbrei ist noch zu beachten, daB
der Rauschbrandbazillus ohne weiteres und durchweg reichlich Sporen bildet, der N ovv-
sche Bazillus hingegen nur, wenn der Hirnbrei durch Sodalosung alkalisch gemacht ist.
Weiter ist das Verhalten bei Wachstum in Milch von Bcdeutung. Es kommt
hier darauf an, ob Milch zur Gerinnung gebracht, und ob das niedergeschlagene Kaseiu
peptonisiert wird. Letzteres soil nach v. Hibler bei der einen Gruppe (Rauschbrand¬
bazillus) nicht, bei der Oedembazillengruppe dagegen stets der Fall sein. Auch das
friihe oder spate Eintreten der Gerinnung ist differentialdiagnostisch verwertet worden.
indem namlich die erste Gruppe diese Veranderung in der Milch langsam, der Oedem¬
bazillus dagegen schneller hervorrufen soil (van Heelsbergen, 16).
Einen w'eiteren Unterschied bietet nach v. Hibler die Ziichtung auf erstarrtem
Blutserum. Der Kochsche Oedembazillus lost (peptonisiert) namlich dasselbe, der
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Levens, Beitrage zur Bakteriologie des Geburtsrauschbrandes beim Rinde. 477
Rauschbrandbazillus, der Novysche und der Ghon-Sachssche Bazillus dagcgen nicht.
Bei letzteren soli ferner der Geruch der Kulturen ein sauerlicher oder sauerlich-brenz-
licher sein, bei ersterem ein fauliger, mehr oder weniger stinkender.
Was die Formen der Kolonien anbelangt, so sollen sie beim Rauschbrand- und
beim Novyschen Bazillus gescblossen sein und nie wurzelformige Auslaufe zeigen; da-
gegen sind die Kolonien des Oedem- und des Ghon - Sachsschen Bazillus verzweigt
und verastelt. Auch die Resistenz der Sporen ist bei den verschiedenen Arten eine ver-
schiedene. So wird z. B. von v. Hibler (19) und v. Werdt(30) angegeben, dafi die
Rauschbrandsporen beim Einwirken einer Temperatur von 97—98° C in 6 Min. abge-
totet werden, wahrend die Sporen des Novyschen, des Ghon-Sachsechen und des
Kochschen Oedembazillus diese Temperatur */, Std. und lunger vertragen sollen.
Von Wichtigkeit ist weiterhin die Vergarune der verschiedenen Zuckerarten. So
vergart z. B. der Kochsche Oedembazillus keine Laktose, der Kauschbrandbazillus da¬
gegen wohl. Nach Grassberger und Schattenfroh (13) ist ferner beim Oedem¬
bazillus die Garung bei Zfichtung in zuckerhaltiger Bouillon nicht bo stark wie beim
Rauschbrand. Bei letzterem fehlte unter den Giirungsprodukten Alkohol, wahrend sie
ihn beim Oedembazillus stets nachweisen konnten. Sie legen diesem Nachweis grofle
Bedeutung bei. Auch andere Autoren bezeichnen ihn ala aifferentialdiagnostisch sehr
wichtig (Gutzeit, 12; Lehmann-Neumann, 24).
Ein sehr wichtiges Hilfsmittel fiir die Differentialdiagnose sind die Tierversuche.
Hier ist besonders die Art des Wachstums der Bazillen von grofiter Bedeutung. Der
Rauschbrandbazillus bildet im Tierkorper keine Faden. Der Kochsche Oedembazillus
dagegen und der Ghon-Sachssche Bazillus wachsen zu Ketten und Schleifen aus,
besonders auf dem Peritoneum und der Leberoberflache. Der Novysche Bazillus bildet
wie der Fraenkelsche paarige, nicht fadige Verbande (v. Hibler, 19).
Ueber den Wert der Rauschbranddiagnose durch Untersuchung der Galle gehen
die Ansichten der einzelnen Autoren auseinander. Nach Arloing, Cornevin et
Thomas (3) und nach Kitt (21, 23) sollen sich die Rauschbrandbazillen besonders
reichlich in der Galle finden. Nach v. Hibler (17) trifft man die Oedembazilleu und
Gasphlegmonebazillen bzw. Faden nie in der GaJle der Meerschweinchen an. W u 1 f f
(31) tritt auf Grund eingehender Untersuchungen dieser Ansicht ebenfalls entgegen und
bezeichnet die Untersuchung der Galle als unbrauchbar fur die Rauschbranddiagnose.
Auch die Unterschiede in der Pathogenitat fiir die einzelnen Arten von Versuchs-
tieren bieten fiir die Differentialdiagnose einige Anhaltspunkte. Fiir Rauschbrand sind
Kaninchen meist unempfanglich, ferner Geflugel, nach Markoff (26) auch junge Meer¬
schweinchen. Grosso (14) fand weiBe Mause ziemlich resistent gegen Rauschbrand-
infektion. Aehnlich verhalt sich der Bazillus von Ghon-Sachs. Der Kochsche
Oedem- und der Novysche Bazillus sind dagegen fur alle diese Tiere pathogen. Nach
den Untersuchungen von Grosso (14) konnen wir jedoch diese Differenzen in der
Pathogenitat fiir die kleinen Laboratoriumstiere in diagnostischer Beziehung nicht allzu
sehr hoch einschatzen.
Bei der Verschiedenheit der Ansichten fiber den differentialdiagnosti-
schen Wert der kulturellen Eigenschaften sowie des tierpathogenen Ver-
haltens ist von allergroBter Bedeutung die Identifizierung die Agglu¬
tination ebenso wie die passive Tierimraunisierung mit spezifischem
Serum. Prfizipitation und Komplementbindung ergeben keine oder doch
nicht strong spezifische Ausschliige (Grosso, 14), Markoff, 26), wfih-
rend allerdings MieBner und Lange (27) von gtinstigeren Resultaten
berichten.
Zusammenstellung der differentialdiagnostisch wichtigen Eigen¬
schaften der bisher als Erreger des Geburtsrauschbrandes erkannten
Anaeroben:
Rauschbrandbazillus: Resistenz der Sporen gering, Kulturen nicht Btinkend,
Kolonien geschlossen, Siiurebildung (vor allem in Hirnbrei und Milch), Gehirnbrei nicht
geschwarzt, starke Sporenbildung, in Milch langsame Gerinnung, keine Peptonisierung
des ausgefallten Kaseins, Blutserum nicht verfliissigt, keine Bilaung von Aethylalkohol
aus Traubcnzucker, Laktosevergarung, keine Fadenbildung in Organbouillon, auch
im Tierkorper nur einzelne Bazulen, keine Fadenbildung, pathogen ffir Rinder, Meer¬
schweinchen, Mause, wenig fiir Kaninchen, nicht fiir Geflugel.
Novyscher Bazillus: Resistenz der Sporen erheblich, Kulturen nicht stin-
kend, doch nach Buttersaure riechend, Kolonien geschlossen, Saurebildung (vor allem
in Hirnbrei und Milch), Gehirnbrei nicht geschwarzt, geringe Sporenbildung, in Milch
langsame Gerinnung, keine Peptonisierung, Blutserum nicht verfliissigt, keine Faden-
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Ceniralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originals. Bd. 88. Heft 6.
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bildung in Kulturen, im Tierkorper paarige, nicht fadige Verbande, pathogen fiir alle
oben genannten Tiergattungen.
Ghon-Sachsscher Bazillus: Resistenz der Sporen gering, Kulturen nicht
stinkend, Kolonien verzweigt, Saurebilduug (vor allem in Hirnbrei und Milch), Gehim-
brei nicht geschwarzt, in Milch langsame Gerinnung, keine Peptonisierung, Blutserum
nicht verflussigt, Bildung von Aethylalkohol aus Traubenzucker, Fadenbildung im Tier¬
korper, Pathogenitat wie beim Rauschbrandbazillus.
Markoff D und E: Resistenz der Sporen gering, Kulturen nicht stinkend, ge-
echlosseue Kolonien, Saurebildung (vor allem in Hirnbrei und Milch), Gehirnbrei nicht
geschwarzt, in Milch langsame Gerinnung, keine Peptonisierung, Blutserum nicht ver-
flussigt, Fadenbildung im Tierkorper, etwa6 starker pathogen als Rauschbrand.
Bacillus oedematis maligni: Sporen sehr resistent, Kolonien verzweigt,
Kulturen stinkend, Alkalibildung, Gehirnbrei geschwarzt, in Milch Gerinnung, Pep¬
tonisierung des Kaseins, Blutserum verflussigt, Bildung von Aethylalkohol aus Trauben¬
zucker, keine Laktosevergiirung, Fadenbildung im Tierkorper, pathogen fiir alle ge¬
nannten Tiere.
II. Eigene Untersuchungen.
Das Material zu meinen Untersuchungen, das mir von Herrn
Schlachthofdirektor Dr. M o d d e in Giefien in liebenswiirdigster Weise
zur VerfUgung gestellt wurde, stammt von einer notgeschlachteten Kuh.
Anamnese: Die uugefahr 6 Jahre alte Kuh wurde 4 Tage nach dera Kalben
notgeschlachtet. Die Geburt selbst war normal verlaufen, jedoch zeigte das Tier nach-
her starkes Drangen, Festliegen nnd krampfartige Erscheinungen. Die Eihaute waren
bis auf Reste im Uterusgrund abgegangen. Bei der gleich nach der Schlachtung vor-
genommenen Fleischbeschau wuraen aufier geringgradiger Schwellung der Milz und
einer Endometritis keinerlei krankhafte Veranderungen festgestellt. Eine Verletzung
der Geburtswege war nicht nachweisbar. Der Tierkorper wurde darauf in Vierteln mit
einem Teil der Eingeweide (Herz, Lunge, Nieren) nach dem stadtischen Schlachthofe
in Giefien gebracht und einer nochmaligen Untersuchung unterworfen. Bemerken
mochte ich noch, dafi die iibrigen Kiihe des Stalles, aus dem das Tier stammte, zu der-
selben Zeit abortierten. Die naheren Ursachen hierfur habe ich nicht in Erfahrung
bringen konnen.
Der pathologisch-anatomische Befund, der am Schlachthofe festgestellt
wurde, ist folgender: Die Kuh ist mittelmafiig genahrt, ungefahr 6 Jahre alt. Die
Ausblutung ist gut. Lunge, Bronchialdriisen und Herz, sowie die Nieren zeigen keinerlei
krankhafte Veranderungen. Auch die Muskulatur zeigt keine Abweichungen bis auf
den linken Hinterschenkel. Hier ist sie in der Nahe der Kniefalte dunkelrot verfarbt.
Besonders deutlich tritt die Verfarbung an der distalen Halfte der Glutaen das Quadri¬
ceps femuris, sowie am Vastus medialis und Gracilis hervor. Auf Anschuitt zeigen
sich im interstitiellen Bindegewebe in geringem MaSe kleine Gasblaschen. An das Ohr
gehalten, hort man bei Druck auf die Muskulatur ein leises Knistern. Der Geruch ist
an diesem Hinterviertel etwas dumpfig, wahrend er an den iibrigen Teilen normal ist.
Die regionaren Lymphdriisen zeigen keine Veranderungen.
Das Fleisch blieb darauf im Kiihlhause des Schlachthofes bei einer
Temperatur von 2—3° C hangen. Der abnorme Geruch des linken
Hinterschenkels wurde allmahlich stSrker und war nach einigen Tagen
auch beim Anschnitt der Muskulatur des rechten Hinterschenkels wahr-
nehmbar.
Der obige Befund rechtfertigte den Verdacht auf Rauschbrand, bzw.,
da die Erkrankung im AnschluB an die Geburt eintrat, auf sogenannten
Geburtsrauschbrand, zumal bei der mikroskopischen Untersuchung der
aus der erkrankten Muskulatur gemachten Ausstriche den Rauschbrand-
bazillen iihnliche Stabchen mit teils mittel-, teils endst&ndigen Sporen
ergab. Bazillenfaden fanden sich nicht.
Die histologische Untersuchung, die ich Herrn Geh. Medizinalrat Prof.
Dr. 011 verdanke, ergab folgenden Befund: Die Gewebsstuckchen aus der Muskulatur
wurden in 10-proz. Forinollosung fixiert, in Gelloidin eingebettet und mikrotomiert. Die
Schnitte sind hierauf in Weigertscher Beize und nach van Gieson gefarbt und in
Kanadabalsam eingeschlossen worden. Bei der mikroskopischen Untersuchung zeigte
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Levens, Beitrage zur Bakteriologie dee Geburtarauachbrandes beim Riude. 479
aich, daS die Muskelfasern vollkommen erhalten waren und keinerlei Abweichungen an
der gut erhaltcnen Querstreifung noch an den Kernen oder dem Sarkolemm ermittelt
werden konnten. Die Muskelfasern lagen dicht zu Biindeln zuaammen, die nur da aua-
einander gewichen waren, wo daa Interstitium reichlicher durch lockere Bindegewebs-
ziige entwickelt war. Hier waren Liicken durch Ansammlung von Gaa.
Es laBt sich nach diesem Befunde nicht sagen, ob bei der Gasent-
wicklung Bestandteile der kontraktilen Substanz oder nur solche des
Interstitiums abgebaut wurden. Immerhin ist es nicht ausgeschlossen,
daB Gas durch das Sarkolemm w&hrend der Entwicklung nach dem Inter¬
stitium diffundiert ist, ohne sichtbare Veranderungen zu hinterlassen.
Zum Zwecke der bakteriologischen Untersuchung habe
ich auBer aus der erkrankten Muskulatur und den Kniefaltendriisen ent-
sprechend den von v. Ostertag (29) fiir die Probeentnahme bei der
bakteriologischen Fleischbeschau gemachten Angaben aus den Beugern
bzw. Streckern der einen Korperh&lfte Fleischwtirfel, aus der anderen
KOrperhaifte zwei Lymphdriisen sowie ein Stock Niere genommen. Die
Leber stand mir zwecks eventueller Untersuchung der Galle leider nicht
mehr zur Verfiigung.
Da inzwischen die Sporenbildung weiter fortgeschritten war, habe
ich durch einfaches Erhitzen von in Agar versenkten Fleischstuckchen
Reinkulturen erzielt. Die Resistenz der Sporen gegen Hitze war fol-
gende (in Traubenzuckeragar):
Dauer des Erhitzens in Minuten
Hohe der Teraperatur C
Wachstum
5
100
nein
10
90
ja
15
90
nein
25
80
ja
30
80
nein
30
70
ja
Der aus der erkrankten Muskulatur geztichtete Bazillus hat eine
LSnge von 3—4 /x, ist also etwas kurzer als der Rauschbrandbazillus,
w&hrend er ihm an Dicke gleichkommt (0,5 - 0,7). Die GrbBenverb<-
nisse schwanken jedoch in den einzelnen Kulturen. Die Bazillen sind
an den Enden nicht so scharf abgesetzt wie die Rauschbrandbazillen,
besitzen geringe Eigenbewegung und zahlreiche peritrich angeordnete
GeiBeln. Bei der Sporenforin kommen mittel- und endstSndige Sporen
in gleichem MaBe vor. Dazwischen linden sich alle Uebergange von
der Wetzstein- zur Keulenform. Die GroBe der Sporen ist ungef&hr
folgende: 2—3 u lang, ca. 2 (x breit.
Die Bazillen fanden sich nur in der Muskulatur der Hinterschenkel,
in der Muskulatur der VordergliedmaBen, sowie in den Lymphknoten
und der Niere konnte ich sie weder mikroskopisch noch kulturell nach-
weisen.
Die Untersuchungen ergaben, daB ich es mit einem obligaten An-
aeroben zu tun hatte. Seine Ziichtung gelang nur bei Temperaturen
von 25° C an. Bei 22° C habe ich weder auf Gelatine noch Trauben¬
zuckeragar, noch erstarrtem Rinderblutserum Wachstum erhalten.
Das Verhalten auf den einzelnen NShrbbden war folgendes:
Agar: Stichkultur (mit Agar iiberschichtet): Stichkanal zu einem triiben, durch-
echeinenden Bande ausgewachsen. Wolkige Triibung in der nachsten Umgebung. Keine
Gasbildung.
Platte (Saucrstoffabschlufl durch Pyrogallol nach Lentz): Grauweifie, durch-
scheinende, ausgebreitete Auflagerungen. Bei schwacher Vergrofierung geschlossene
oder lappig verzweigte Kolonien, keine wurzelformigen Ausliiufe.
Im mikroskopmchen Bilde keine Faden. Sporenbildung.
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Traubenzuckeragar: Stichkultur (mit Agar iiberachichtet): Deppigea Wache-
tum. Stichkanal durch Gasbildung etwaa erweitert und mit truber von Gaablaschen
durchsetzter Fliieaigkeit angefiillt. Wolkige Tiiibung in der Umgebung. Agar durch
zahlreiche Gaabiasen zerkliiftet und auseinander geriasen. (Schiittelkultur in hoher
Schicht): Grauweifie, geachloaeene, linaenformige Kolonien. Agar durch zahlreiche Gas-
blasen zerkliiftet.
Platte (nach Lentz): Weifilichgraue, auagebreitete, durchaichtige Auflagerungen.
Keine wurzelformigen Aualaufe. Geruch der Kulturen schwach eauerlich. Im raikro-
ekopiachen Praparat einzelne Bazillen oder kiirzere und langere gewundene Faden.
Sehr wenig Neigung zur Sporenbildung.
Rinderblutserum (bei 68“ C eratarrt): Stichkultur (Serum mit Agar iiber-
achichtet): Stichkanal zu einem dunklen undurchaichtigen Bande auagewacheen, teilweiae
zu einer liingeren Gaablaae erweitert. Serum vereinzelt mit Gaablaachen durchaetzt.
Schiittelkultur (vor dem Eratarren mit Sporen beimpft): Trubung dea Seruma bis zur
volligen Undurchaichtigkeit (Koagulation); Durchaetzung mit einzelnen Gaablaschen.
Platte (nach Lentz): Grauweifie, durchscheinende, achleimartige Auflagerungen
mit dichteren Stellen und vereinzelten Gaablaachen.
Verfliiasigung dea Serums trat nirgendwo ein. Keine nach Faulnia riechende
Kulturen. Geruch schwach nach Buttersaure. Keine Faden-, dagegen atarke Sporen-
bildung.
Rinderblutaerumagar (1:1): Stichkultur (mit Agar iiberachichtet): Sehr
geringe Gasbildung. Stichkanal zu einem triiben, durchacheinenden Bande ausge-
wachaen. Wolkige Triibung in nachater Umgebung. Keine Faden. Sporenbildung.
Rinderblutaerum-Traubenzuckeragar (1:1): Stichkultur: Starke Gasbildung.
Nahrboden zerkliiftet und auaeinandergerissen. Stichkanal mit Gaablaachen angefiillt
und wolkig getriibt. Platte (nach Lentz): Weifilichgraue, triibe Auflagerungen. Ziem-
lich starker Butteraauregeruch. Faden- und keine Sporenbildung. — Gehirnbrei
(nach v. Hibler, 18) ohne Sauerstoffabschlufl; doch an Stelle von Menschengehirn
Rindergehirn): Geringe Gasbildung. Farbe dea Nahrbodena unverandert. Reaktion
schwach aauer. Ueberhaupt schwachea Wachstum. Sporenbildung. Resistenz der im
Nahrboden suapendierten Sporen gering (Abtotung durch 5 Min. langes Erhitzen auf
100® C). — Gehirnbreiagar (1:1): Schiittelkultur: Gasbildung. Keine Schwarz-
farbung. Sporenbildung. — Milch [nach v. Hibler (18): Vollmilch ohne Sauerstoff-
ab-chlufi]: Schwachea Wachstum. Sehr langsame Gerinnung (erst nach 6—7 Tagen).
Keine merkliche Gasbildung. Das niedergeschlagene Kasein wird uicht peptonisiert.
Saure Reaktion. — Kartoffel (Kartoffelstiickchen mit Wasser uberschichtet, ohne
SaueratoffabschluS): Sehr geringgradige Gasbildung. Allmahliche Triibung dea Wassera.
Truber Belag der Kartoffelstiickchen. Wenig Neigung zur Sporenbildung. — Trauben-
zuckerbouillon (2 Proz., Sauerstoffabschlufi durah Pyrogallol): Schwachea Wachs¬
tum. Keine merkliche Triibung. Gasbildung. — Eisenbouillon [nach Hata (15)
ohne Sauerstoffabschlufi]: Kaum merkliche Trubung der Bouillon. Neigung zur Sporen¬
bildung gering. — Organbouillon [nach Smith-Tarozzi fl5) ohne Saueratoff-
abachlufll: Kaum memiche Triibung der Bouillon. Keine Faaen-, dagegen starke
Sporenbildung.
Entwicklung von Faulnisgeruch war auf keinein Nahrboden zu kon-
statieren. Bemerkenswert ist der EinfluB des Nahrbodens auf die
Wachstumsform. Wie aus der obigen Zusammenstellung ersichtlich ist,
trat bei kohlehydratreichen Nahrboden ein Auswachsen zu Faden und
keine Sporenbildung, bei kohlehydratarmen und eiweiBreichen Nahrboden
keine Faden-, dafiir aber Sporenbildung ein. Es scheint also das Vor-
handensein von Kohlehydraten die Sporenbildung gehemmt zu haben,
und zwar auch in eiweiBreichen Nahrboden, wie die Zuchtung auf Rinder-
blutserum-Traubenzuckeragar ergab. Andererseits konnte ich aber auch
in kohlehydratarmen Nahrboden einen gunstigen EinfluB auf die Sporen¬
bildung feststellen, wenn der Nahrboden eiweiBreich war. Ein ahnliches
Verhalten konnten Conradi und Biel in g (8) in den von ihnen unter-
suchten Stammen des Kochschen Oedembazillus, des Rauschbrand-
bazillus, de3 Bac. phleg. emphys. Fraenkel und ihres eigenen Gas-
brandbazillus feststellen. Sie unterscheiden den vegetativen Formen-
kreis A bei Zuchtung auf Traubenzuckeragar und den sporogenen
Formenkreis B bei Zuchtung auf erstarrtem Blutserum. Meine Beob-
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Levens, Be it rage zur Bakteriologie des Geburtsrauachbrandes beim Riade. 481
achtungen stimmen aber insofern nicht mit denen von Conradi und
Bieling iiberein, als ich auch bei der vegetativen Form Beweglichkeit
und GeiBeln feststellen konnte und die sporogene Form keine Neigung
zur Fadenbildung zeigte.
Ferner bildete der Bazillus S&ure, was ich noch besonders durch
Zflchtung auf Maltoselackmusagar nachweisen konnte. Beziiglich der
VergSrungsfahigkeit fur einzelne Zuckerarten habe ich feststellen kdnnen,
daB Lavulose, Dextrose, Saccharose, Maltose und auch Laktose vergoren
werden. Bei der Dextroseverg&rung konnte ich unter den Garungs-
produkten (nach Destination der Bouillon) in dem Destillat nach Zusatz
von Jod und Alkali Spuren von Aethylalkohol nachweisen (deutlicher
Geruch nach Jodoform).
Tierversuch.
Zum Impfen diente mir eine 4 Tage alte Traubenzuckeragarkultur,
die zerkleinert und mit 8—10 ccm Bouillon iibergossen war. Geimpft
habe ich je 1 Kaninchen subkutan und intramuskulBr, je 1 Meerschwein-
chen subkutan, intraperitonoal und intramuskular, und zwar mit je 1 ccm
der Bouillon, ferner 2 Mause mit je V* ccm. Keines der Tiere erlag
jedoch der Infektion. Die mikroskopische Untersuchung der Bouillon
ergab, daB sich darin die Bazillen massenhaft fanden. Ferner habe ich
1 Meerschweinchen und 1 Maus in der Weise geimpft, daB ich ihnen
kleine Stiickchen einer 3 Tage alten Traubenzuckeragarkultur sowie
mehrere Oesen des getrtibten Kondenswassers unter die Haut brachte.
Aber auch diese Tiere verendeten nicht. Da ich annahm, daB die Viru-
lenz durch die Zuchtung gelitten habe, nahm ich zur Impfung getrock-
nete mit Sporen durchsetzte Muskulatur der erkrankt geweseneu Kuh,
verrieb ein erbsengroBes Stiick mit etwas physiologischer Kochsalzlosung,
erhitzte 15 Min. auf 65° C und impfte hiermit eine Maus, indem ich
ihr mehrere zerriebene Fleischsttickchen unter die Haut brachte. Aber
auch dieses Tier blieb am Leben. Aus der zur Impfung der letzten
Maus benutzten Muskulatur habe ich zur Kontrolle Traubenzuckeragar-
kulturen angelegt und Wachstum erhalten, ein Zeichen, daB die Sporen
nicht abgetStet waren. Ich hatte es also mit einem Anaeroben zu tun,
der fflr die gewohnlichen Versuchstiere nicht pathogen ist. Leider war
es mir dadurch nicht moglich, die differentialdiagnostisch wichtige Frage
zu entscheiden, ob der Bazillus im Tierkorper zu F&den auswBchst oder
nicht.
Ferner habe ich Fiitterungsversuche mit infiziertera Fleisch bei
MSusen gemacht, und zwar zunachst bei 2 weiBen MBusen. Zur Kon¬
trolle fiitterte ich zugleich eine dritte weiBe Maus mit nicht infiziertem
Fleisch. Es verendete von den ersten eine, ferner aber auch die Kon-
trollmaus. Anscheinend war der Tod unter dem EinfluB der Fleisch-
ffltterung eingetreten, zumal die Sektion der verendeten Maus keine An-
haltspunkte far eine Giftwirkung der in Frage kommenden Bazillen er¬
gab. Da graue MBuse gegentiber Fleischfiitterung als widerstandsfiihiger
gelten, wiederholte ich den Versuch mit dieseu. Ich erhielt genau das-
selbe Resultat. Zwick und Weichel (32) haben nachweisen konnen.
daB beim Verfiittern von gesundem Fleisch an M&use der Tod der Tiere
unter dem EinfluB dieser Fiitterung eintritt. Die normalerweise im
Darm dieser Tiere vorhandenen Enteritisbazillen steigem bei Fleisch-
nahrung des Tieres ihre Giftwirkung dermaBen, daB sie pathogen wirken.
Ente Abt. Orig. Bd. 88. Heft «. 31
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 6.
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Vcrlialtcn gegeniibcr echtcrn Rauschbraiid.
SchlieBlich habe ich noch das Verhalten des geztichteten Stammes
gegenuber echtem Rauschbrand untersucht. Die Agglutination mit
Rauschbrandserum ergab ein negatives Resultat. Verwendet babe ich
das Rauschbrandserum der Hochster Farbwerke.
Im vorliegenden Falle handelt es sich urn einen Anaeroben, der
kulturell dem echten Rauschbrandbazillus seiir nahe steht, sich aber von
ihm durch folgende 3 Punkte unterscheidet: 1) Alkoholbildung aus Dex¬
trose, 2) negativer Ausfall der Agglutination mit spezifischem Serum,
3) Fehlen der Pathogenitkt gegenuber den gebrauchlichen Versuchstieren.
Bei der Entscheidung, um welche Art der Anaeroben es sich handelt,
sind mehrere Moglichkeiten in Betracht zu ziehen. Es ist dabei zu be-
achten, dafi, wie bereits oben erw&hnt, die kulturellen Merkmale der
einzelnen Arten nicht streng voneinander getrennt werden konnen, son-
dern vielfach ineinander iibergehen. Der gezuchtete Stamm kann zu-
n&chst ein abgeschwachter, nicht agglutinierender Rauschbrandstamm sein,
der durch Variation in geringem MaBe die Fahigkeit erlangt hat, aus
Dextrose Aethylalkohol zu bilden. Ferner konnte er mit dem Ghon-
Sachsschen Bazillus identisch sein, von dem er sich auBer dem Fehlen
der Pathogenit&t gegenuber den gebrSuchlichen Versuchstieren nur da-
durch unterscheidet, daB seine Kolonien geschlossen sind und keine
wurzelfbrmigen Auslaufe besitzen. Auch konnte eine Uebereinstimmung
mit den Markoffschen Bazillen (Stamm D und E) in Frage kommen,
wenn diese uberhaupt als selbstkndigfe Art anzusprechen sind, und nicht,
wie bereits oben angedeutet, mit dem Ghon-Sachsschen Bazillus
identisch sind. Auch in diesem Falle muBte der von mir gezuchtete
Stamm in hohem MaBe abgeschwScht sein, da Markoff seine Stknime
als noch etwas starker pathogen wie den Rauschbrandbazillus schildert.
SchlieBlich ware auch noch die Mdglichkeit in Betracht zu ziehen, daB
es sich um eine neue, bzw. um eine bisher nicht beschriebene Art Oder
wenigstens um eine neue Variet&t handelt.
Was die Bezeichnung Geburtsrauschbrand anbelangt, so ist sie als
unberechtigt und irrefuhrend zu verwerfen, da als Erreger nur in wenigen
Fallen der echte Rauschbrandbazillus auftritt. Auch die Benennung
puerperale Septik&mie ist nicht angebracht, da sie zu allgemein gehalten
ist. Es kommen im AnschluB an die Geburt Septikamien vor, bei denen
die pathologisch-anatomischen Verknderungen denen des RauschbraDdes
durchaus nicht khnlich sind, und fur die andere nicht anaerobe Bak-
terien als Erreger in Frage kommen. Eine Benennung wie puerperales
malignes Oedem trifft auch nicht das Richtige, da sie nur einen Teil der
unter Geburtsrauschbrand verstandenen Erkrankungen bezeichnet. Am
besten ware es vielleicht, die Bezeichnung Geburtsrauschbrand durch
puerperale Gasodeminfektion zu ersetzen.
Zum SchluB spreche ich Herrn Schlachthofdirektor Dr. Modde so-
wie Herrn Prof. Dr. Gotschlich und Herrn Privatdozent Dr. Hun te¬
rn iiller fiir die rege Unterstutzung, die sie mir zuteil werden liefien,
meinen herzlichsten Dank aus.
Z>iteratnrverzeichniB.
1) Abel, Bakteriol. Tasehenbuch. 21. Aufl. 1918. — 2) Albrecht, Ein Fall von
Geburtsrauschbrand. (Wochenschr. f. Tierheilk. 1897. 8. 479.) — 3) Arloing, Cor-
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Becker, Der Genitalapparat der Pferdebandwiirmer.
483
□ evin et Thommas, Le charbon symptomatique du boeuf. (Zit. nach Wulff, 31.)
— 4) Bremer, Malignat Oedema and fat embolism. (Amer. Journ. of med. Scienc.
Vol. 95. p. 594; zit. nach Fraenkel (11). — 5) Carl, Zur Aetiologie des sog. Ge-
burtsrauschbrandes. (Dtsch. tierarztl. Wochenschr. Bd. 3. S. 353.) — 6) Ders., Zur
Aetiologie des sog. Geburtsrauschbrandes. [Inaug.-Diss.] Bern 1903. — 7) Ders., Ma-
lignes Oedem bei Haustieren. (Kolle-Wassermann. 2. Aufl. 1912. S. 865.) —
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med. Wochenschr. 1916. S. 133, 178, 1023, 1068, 1561, 1608.) — 9) Both, Die Dia¬
gnose des Rauschbrandes. (Zeitschr. f. Infektionskr, usw. der Haust. 1909. S. 206.) —
10) Glage, Compendium d. angew. Bakteriol. f. Tierarzte. 2. Aufl. 1913. — 11) Fraen¬
kel, Anaerobe Wundinfektionen. (Ergebn. d. Hyg., Bakt., Immunitatsf. u. exper.
Ther. Bd. 2. 1917. S. 376.) — 12) Gutzeit, Rauschbrand und malignes Oedem in
differentialdiagnostischer Beziehung. (Oesterr. Monatsh. f. Tierheilk. Jahrg. 27. S. 455.)
— 13) Grassberger-Schattenfroh, Ueber Buttersiiurevergarung. (Arch. f. Hyg.
Bd. 48. S. 1.) — 14) Grosso, Weitere Untersuchungen iiber die Unterscheidungs-
merkmale zwischen Rauschbrand-, malignem Oedem- und Bradsotbazillen. (Centralbl.
f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 70. S. 156.) — 15) Hata, Einfache Methoden zur aeroben
Kultivierung der Anaeroben. (Centralbl. f. Bakt. usw. Bd. 46. S. 539.) — 16) van
Heelsbergen, Boutvuur-, maligne Oedem- en Gasbrandbazillen. (Tijdschr. v. Dier-
geneeskunde. 1919. D. 46. Afl. 6. 8.153.)— 17) v. Hi bier, Untersuchungen iiber die
pathogenen Anaeroben. 1908. — 18) Ders., Beitrage zur Kenntnis der durch anaerobe
Spaltpilze erzeugfen Infektionskrankheiten der Tiere und des Menschen. (Centralbl. f.
Bakt. Abt. 1. Ba. 25. S. 513.) — 19) Ders., Rauschbrand. (Kolle-Wassermann.
2. Aufl. Bd. 4. S. 788.) — 20) Horne, Malignes Oedem beim Rinde. (Berlin, tierarztl.
Wochenschr. 1895. S. 409.) — 21) Kitt, BakterienkuDde und pathologische Mikro-
skopie fur Tierarzte. 5. Aufl. — 22) Ders., Rauschbrandschutzimpfung. (Zeitschr. f.
Infektionskr. d. Haust. Bd. 9. S. 109.) — 23) Ders., Neues iiber Rauschbrand. (Mo-
natshefte f. prakt. Tierheilk. 1902. 8. 186.) — 24) Lehmann-Neumann, Atlas und
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(Clinica Vet 1911. p. 198.) — 26) Markoff, Vergleichende bakteriologische und sero-
logische Studien iiber Rauschbrand und Pseudorauschbrand. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I.
Orig. Bd. 60. S. 188.) — 27) Mieflner u. Lange, Der Nachweis des Rauschbrandes
mittels der Prazipitationsmethode. (Dtsch. tierarztl. Wochenschr. 1914. 8. 657.) — 28)
Nevermann, Veroffentl. a, d. Jahresveterinarber. f. 1909. T. I. 8. 25. —29) Oster-
tag, Handbuch der Fleischbeschau. 6. Auf. — 30) v. Werdt, Malignes Oedem.
(Kolle-Wassermann. 2. Aufl. Bd. 4. 8. 837.) — 31) Wulff, Ueber Rauschbrand
und rauschbrandahnliche Erankungen. II. (Dtsch. tierarztl. Wochenschr. 1912. 8. 689.)
— 32) Zwick, Zur Frage des Vorkommens von Enteritisbazillen in Pokelfleischwaren.
(Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 44. Beih. 8. 134.)
Nachdruck verboten.
Der Genitalapparat der Pferdebandwiirmer.
[Aus dem Zool. Institut der Landesuniversit&t GieBen.]
Von Dr. Rudolf Becker in Uelzen.
Mit 1 Abbildung im Text.
Allgemeines.
In Einklang roit der auBeren Gestalt der Proglottiden und dem
eigentiimlichen Modus der Begattung steht bei den Anoplocephala-
Arten der besondere Bau des Geschlechtsapparates. Die Entwicklung
dieses Organkomplexes, wie sie sich bei den vordersten Proglottiden
anfangend, in rascherem Ablauf als bei anderen Cestoden nach hinten
zu fortschreitend verfolgen lfiBt, hatffirAnoplocephala magna eine
eingehendere Bearbeitung durch BalB (1908) erfahren, ebenso haben
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6.
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Kahane (1880) und Zschokke (1888) ftir die beiden anderen Arten
einige diesbeziigliche Angaben gemacht.
Aus diesem Grunde werde ich mich im folgenden auf eine mehr
vergleichend-anatomische Darstellung des fertig ent-
wickelten Genitaltraktus beschranken konnen. Ein solcher findet
sich nur in den auf dem Hohepunkte der geschlechtlichen Entwicklung
stehenden Gliedem, wobei das m&nnliche Geschlecht stets um eine Pro¬
glottis Oder um einige wenige Proglottiden im Vorsprung ist gegenfiber
dem weiblichen (Protandrie). Schon auBerlich erkennt man diese Zone
daran, daB am linken (genitalen) Seitenrande des Bandwurmes, ein
wenig hinter der Mitte eines jeden Gliedes, ein Teil des Cirrusapparates
aus der duBeren Geschlechtsoffnung herausragt, wahrend die inneren
Genitalien, von der dorsalen und ventralen Transversalmuskulatur des
Korpers fest umschlossen, in dem Parenchymgewebe der sogenannten
Markschicht eingebettet liegen. In jedem Gliede ist ein einziges zwitt-
riges System vorhanden, abgesehen von den „interkalierten“ Gliedem,
wo der Genitalapparat teilweise oder ganz felilen kann. Vollige Sterilit&t
findet man ferner regelmSBig in den Endproglottiden, d. h. den letzten
Gliedem vollstSndiger Exemplare sowie bei Anoplocephala per-
foliata nicht selten auf groBeren Proglottidenstrecken, ja es werden
bier ab und zu vollkommen sterile ausgewachsene Tiere, d. h. solche ohne
eine Spur vom Geschlechtsapparat, angetroffen.
Der Genitalporus.
Anoplocephala magna. — Etwa vom 70. bis zum 120. Gliede
mittelgroBer Exemplare kann man die vorgestiilpten Cirri oder Penes
gerade eben mit bloBem Auge als feine, nahezu 1 mm lange Faden am
linken Seitenrande wahrnehmen. Bei genauerer Untersuchung erkennt
man, daB die beiden Geschlechtern gemeinsame, rundliche Ausmiindung
des Begattungsapparates nach auBen, der sogenannte Genitalporus
(Porus genitalis) auf einer kleinen, je nach dem Grade der Ausstfilpung
des Cirrusbeutels verschieden gestalteten, halbkugeligen oder kugeligen
VorwQlbung der Korperoberfiache, ein wenig hinter der Mitte des Glied-
randes gelegen ist. Scheibel (1895) hat hingegen keine derartige
Genitalpapille (Papilla genitalis) wahrgenommen.
In Gliedern mit nicht ausgestiilptem Cirrus fiihrt die genannte
Oeffnung in einen gemeinsamen trichterformigen Vorraum von etwa 30 u
Langen- und 10 —12^ Querdurchmesser, der auch als Genitalkloake
(oder Atrium genitale) bezeichnet wird. Hier mtinden in einem ganz
minimalen Abstande hintereinander beide Geschlechter, vorn der Cirrus-
apparat, hinten der Vaginalkanal, dieser etwas mehr der Ventralflache,
jener mehr der dorsalen Korperoberfiache zugewandt. Da sich die auBere
Cuticula scheinbar in die Geschlechtskloake fortsetzt — in Wahrheit
haben beide ihre selbstandige Entwicklung und treten erst sekund&r
miteinander in ununterbrochenen Zusammenhang, wieBalB (1908) und
Schaefer (1913) hier ausdriicklich festgestellt haben — so ist das
Atrium in seiner ganzen Ausdehnung von einer einzigen kutikularen
Mem bran ausgekleidet. Beachtenswert sind ferner zahlreiche Muskel-
fasern, welche, in der Langsrichtung des Cirrusbeutels verlaufend, sich
an der Peripherie des Atriums unter der Cuticula ansetzen und auf dem
Hohepunkt der geschlechtlichen TStigkeit durcli Kontraktion den Porus
erweitern und den Cirrusapparat nach auBen umstiilpen, so daB er als
eine verschieden lange, ungefahr 18—20 ii dicke Rohre aus dem Porus
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Becker, Der Genitalapparat der Pferdcbandwiirmer.
485
herausragt. Gleichzeitig ist der Sphincter cloacalis, der Antagonist
des Dilatators, erschlafft. Es ist dies ein schmaler Muskelring, dessen
Fasern in der Wand des Porus selbst liegen und seinen Eingang ver-
schlieCen konnen.
Anoplocephala perfoliata. — An jungen Proglottiden und
an solchen ohne Genitalapparat ist nichts von einem Genitalporus zu
sehen. Deutlich wird diese Oeffnung erst bei Gliedern mit ausgestlilptem
Cirrusapparat, wo man eine schlauchartige Vorwolbung der Proglottis
Oder gar eine Umbiegung dieses Teiles nach hinten zu wahrnehmen kann.
Dieses Gebilde kann so das D/s-fache der Lange eines Gliedes erreichen
und zeigt an seinem peripheren Ende den ausgestreckten Cirrusfaden.
Einen solchen Zustand traf ich meist beim 10. bis 21. Gliede an, an den
Gliedern dahinter war der genitale Seitenrand wieder genau so beschaffen
wie der agenitale, nur eine kleine Einkerbung lieB noch die Stelle des
frtiheren Einganges zum Atriumtrichter erkennen, der hier an seiner
weitesten Stelle 16 /<, im Maximum aber kurz vor Beginn der Geschlechts-
tatigkeit einen Durchmesser von 42:28 /j. haben kann.
Kahane meint, durch seine Untersuchung den Bautypus der Ge-
schlechtsorgane fiir kurzgliederige Tanien mit querverlaufendem Uterus
endgflltig festgelegt zu haben. Vor allem betont er die Tatsache, daB
im Gegensatz zu dem Verhalten bei langgliedrigen Tanien beide Ge-
schlechtswege nicht hintereinander, sondern nebeneinander (bei reifen
Gliedern wenigstens), d. h. dorsal und ventral in der gleichen Qerschnitts-
ebene in das Atrium ausmflnden. Es ist dies jedoch kein allgemeiu fflr
Anoplocephalen geltendes Merkmal, wie Kahane annimmt, denn
fflr A. mamillana trifft es nicht zu, auch habe ich bei A. perfoliata
die beiden Mflndungen oft genug schrflg, also mehr hintereinander liegen
sehen.
Anoplocephala mamillana. — Die beschriebene Ausstttlpung
des Cirrus erfolgt schon am 6. oder 7. Gliede und erstreckt sich meistens
bis zum 13. Gliede. Es sind ziemlich weite, ruude Genitaloffnungen vor-
handen, welche jede in ein gerflumiges, mehr oder weniger kugeliges
Atrium fflhren, dessen Ausdehnung je nach dem Kontraktionszustande
ganz verschieden ist, z. B. 100:16 /< oder 80:50 /t (Lange zu Breiten-
durchmesser), in letzterem Falle weist die Cuticularwand zahlreiche Falten
auf. Die am Grunde des Vorhofes auf einer kleinen („inneren“) Papille
gelegenen Eingange in Cirrusbeutel und Vagina sind beide ein wenig
dorsalwarts von der Medianebene des Kflrpers orientiert, so daB die mit
einem starken Sphinkter versehene Cirrusoffnung direkt vor dem mit
einer sehr dicken Cuticula ausgekleideten Vaginaeingang gelegen ist,
und zwar auf der Hohe der genannten Papille, welche sich bei der Aus-
stfllpung des Cirrusapparates als erstes durch den Genitalporus nach
auBen vorwfllbt. Im weiteren Verlaufe tritt noch ein groBer Teil des
Cirrusbeutels selbst nach auBen, wodurch entweder ein glockenformiges
Gebilde mit fadenformigem Cirrus an der Spitze entsteht oder der ganze
distale Abschnitt herausgestfllpt erscheint, so daB er das Bild eines
langen Schlauches von dreifacher Proglottidenl&nge gew&hrt. Dieser
l&uft peripher allmflhlich in eine gleichmSBig feine, mit Stacheln besetzte
Spitze aus. Das Eigentflmlichste aber ist seine Krtimmung nach rflck-
wflrts, welche den Cirrus unfehlbar zur Vagina des nachstfolgenden, also
etwas fllteren Gliedes leitet, so daB hier die Begattung vollzogen
werden kann, wie ich es tatsachlich beobachtet habe, wflhrend Zschokke
eine Selbstbefruchtung ohne Immissio cirri (Autofoecundatio) als wahr-
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486 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 6.
scheinlich annahm. N&heres hiertiber habe ich bereits fruher mitgeteilt
(diese Zeitschr. Bd. 84. 1920. S. 537—539). (Fig. 1.)
Der mitnnllche Genitalapparat.
Der m&nnliche Teil des Genitalapparates setzt sich zusammen aus den
das Sperma erzeugenden Hodenblaschen mit ihren ableitenden Kan&len,
Vasa efferentia und Vas deferens, sowie dem der Begattung dienenden
Cirrusbeutel nebst Cirrus.
Die Hoden und ihre Ausfiihrwege.
Anoplocephala magna. — Die mannlichen Generationsorgane
erscheinen in den geschlechtsreifen Gliedern als ein Komplex von zahl-
reichen runden bis ovalen Biaschen von durchscbnittlich 60—80 p. Durch-
messer. Jedes Hodenblaschen (t) ist mit einer diinnen, weniger gut
farbbaren Hiillmembran ausgestattet und wird auBerdem durch einzelne
Fig. 1. Der Genitalapparat von Anoplocephala magna (Abildgaard), Schema
nach BalB.
dorsoventrale Muskelfasern, deren Myoblasten in den verbleibenden
Liicken liegen, von seinen Nachbarn geschieden. In der Mittelschicht
des Korpers nehmen die Bl&schen, wenn auch nicht ausschlieBlicb, so
doch vorwiegend die dorsale Halfte ein. Nach der Mitte des Gliedes
zu sind sie viel sp&rlicher, besonders da, wo sie an die weiblichen Or-
gane grenzen, ura ventral ganz zu verschwinden. Ferner ist hinsichtlich
ihrer Lage zu beachten, daB die Hoden nicht wie bei A. perfoliata
und mam ill ana von den Geschlechtsmiindungen abgewandt, sondern
zu einem Drittel ungefahr zwischen diesen und dem Receptaculum se-
minis liegen, wahrend die iibrigen zwei Drittel agenital gelagert sind.
Die A n z a h 1 der Hodenblaschen unterliegt groBeren Schwankungen
und soli bei anderen Cestoden nach Angabe mancher Autoren schwer
bestimmbar sein, was mir jedoch an sagittalen Schnittserien von 10 p.
Dicke, wo immer nur wenige Bl&schen gleichzeitig auf dem Schnitt liegen,
ziemlich miihelos gelang. Man braucht nur auf die gegenseitige Lage
der Hoden, auf ihre Anzahl und auf das Hinzutreten neuer in den auf-
einander folgenden Schnitten einer Serie zu achten und neu hinzu-
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Becker, Der Genitalapparat der Pferdebandwiirmer.
487
kommende fortlaufend zu addieren, so wird sich die Anzahl derselben mit
hinreichender Genauigkeit ergeben, zumal diese von Proglottis zu Pro¬
glottis nach hinten zu allmahlich abnimmt. Ich zahlte am 120. Gliede
eines Exemplares 179, am folgenden Gliede 163 Blfischen, bei einem
anderen Exemplar am 130. Gliede noch 216 Hodenblaschen.
Das Innere der Hoden wird von den Spermatozoon eingenommen,
die man in den verschiedensten Entwicklungsstufen antrifft. Anfangs
liegen im ganzen Blaschen gleichmaBig verteilt kleine runde Zellen mit
einem dunklen Kern, die alle gleich groB sind (etwa 6 bezw. 2,5 p. Durch-
messer). In den folgenden Proglottiden weitet sich im Zentrum ein
Hohlraum aus; die runden Zellen gruppieren sich in dfinner Schicht an
der Wand. Plotzlich zeigen letztere ein lebhaftes Wachstum, sie werden
zu 10 p. groBen polygonalen Zellen umgewandelt, welche einen hellen,
kornigen Kern (4 p.) und ein schwach farbbares Protoplasma enthalten.
Ihre Anordnung ist ziemlich regellos. Im weiteren Verlaufe teilt sich
der groBe Kern in zahlreiche kleine Kerne, die zu Spermakernen werden,
w&hrend das Plasma zu groBen Ballen verschmilzt, welche von der Peri¬
pherie aus balbkugelig in das Lumen des Blfischens vorspringen und so
Slteren Forschern Septen vorgetauscht haben. Auf ihnen sitzen die
Spermatozoen in verschiedenen Entwicklungsstadien mit dem Schwanz-
fa den gegen das Zentrum der Hohlung gerichtet, wahrend der Kern-
oder Kopfteil der Merabran dicht anliegt. In ganz reifen Blaschen
liegen zwischen den Brocken und Kornchen der zerfallenden Proto-
plasmaklumpen unzahlige fertige Geschlechtsprodukte, wie wir sie iiber&ll
in den Ausffibrgfingen, in der Vesicula seminalis und im Receptaculum
seminis als lockige Strange Oder einzelne Biindel antreffen, welche aus
lauter feinen ca. 20 f.i langen Fadchen bestehen, mit einem sehr kleinen
dunkelgefarbten Kopf und einem fast kreisformig gebogenen hellen
Schwanzfaden.
Jedes Hodenblaschen sitzt an seinem Ausfflhrungsgang wie eine Beere
an ihrem Stiel. Die Umhfillungsmembran des Blaschens geht dabei als
Wandung auf das Vas efferens (ef) fiber, doch besteht ein Unter-
schied insofern, als nunmehr der sonst strukturlosen Membran vereinzelt
sehr kleine rundliche Kerne anliegen. Das Lumen der durchweg gerade
verlaufenden Kanfile betrfigt nach S cheibel (p. 23) etwa 2 p.; im Innern
sieht man oft lfinglichovale Spermaballen liegen. Anordnung und Lange
der Vasa efferentia sind abhfingig von der Lage und Verteilung der
Hoden. Demnach finden wir bei A. magna ebenso wie bei A. per-
foliata die Ausffihrungskanfile der Hoden gleichfalls nach dem dorsalen
Kande (des Querschnittbildes) gerichtet, und zwar unmittelbar unter den
Transversalmuskeln, indem sie schrSg gegen den Genitalrand ziehen und
in das Vas deferens einmfinden. Ich habe vielfach Anastomosen der
Kanale, sowie gleichzeitiges Einmfinden von zwei Hodenblaschen in das
gleiche Vas efferens beobachtet, aber nichts von einer direkt „netzffirmigen
Anordnung 14 (Scheibel) anzutreffen vermocht.
Die Sammlung der einzelnen Kanaichen geschieht durch den Samen-
leiter (Vas deferens, vd), welcher sich als ein verschieden weiter, etwas
geschlfingelt verlaufender Kanal von 10 |x Durchmesser darstellt. An¬
fangs verlauft er allerdings fast genau gerade am dorsalen Gliedrande, un¬
mittelbar unter der Transversalmuskulatur dahin, bis zu etwa einem Drittel
der Gliedbreite vom Genitalrande ab gerechnet. Dabei liegt er dorsal
von Uterus und Receptaculum seminis, gleich weit vom vorderen und
hinteren Gliedende entfernt. Nunmehr beginnt sich der Kanal zu
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schlfingeln und schlieBlich zu erweitern, es entsteht ein groBerer Hohl-
raum, die Vesicula seminalis (vs), welche demnach als eine Er-
weiterung des Samenleiters zu betrachten ist. Die Saraenblase bildet
eine lange kreisformige Schleife, die sich von hinten her iiber den proxi-
malen Abschnitt des Cirrusbeutels heriiberlegt. Die Innenwand des Vas
deferens ist in ihrem proximalen Abschnitt elastisch und strukturlos.
Man findet hier einzelne Spermatozoenanh&ufungen, in der Saraenblaise
hingegen sammeln sich grOBere Ballen und ovale Patronen an. Dieser
distale Teil, iusbcsondere die Vesicula, zeichnet sich durch das Vor-
kommen einer deutlichen, wenn auch nur sehr feinen L&ngsmuskellage
aus, welche bis in den Cirrus verl&uft und nach auBen zu in gewissen
Abst&nden die zugehdrigen Myoblasten (10 jj. groB) tr>. AuBen liegen
dem Samenleiter in seinera ganzen distalen Verlaufe viele spindelformige
Zellen in einfacher, senkrecht gestellter Schicht auf. An der Vesicula
seminalis, deren Form und Grofie je nach dem Fiillungsgrade erhebliche
Schwankungen erleiden — 60 jx ist etwa die mittlere Gr5Be — rucken
die ebengenannten Zellen mehr Oder weniger weit auseinander. Ueber
ihre physiologische Bedeutung herrscht noch Unklarheit, BalB halt sie
fiir wirkliche Prostatazellen, wahrend Braun in ihnen die Matrixzellen
der Cuticula, also deren Subcuticula vermutet.
Anoplocephala perfoliata. — Die ovalen Hodenblaschen
haben einen Durchmesser von 60:50 |i. Ihre Anzahl schatze ich, nach
der oben angegebenen Methode berechnet, auf 30 bis 40. Sie sind durch
dorsoventrale Muskeln voneinander getrennt und liegen in einfacher,
transversaler Schichtung vorwiegend im dorsalen Markraum des Gliedes,
so daB man hier wohl von einer „mannlichen Gliedhalfte“ sprechen kann
im Gegensatz zu der ventralen weiblichen, was Ivahane (p. 214) be-
sonders betont.
Der Inhalt der von einer homogenen Membran umgrenzten Biaschen,
die Spermatozoen, erscheinen nur in den vollreifen Gliedern in typischer
Gestalt als 15 /< lange, fadenformige, stark zusammengerollte Gebilde
mit einem dunkelgefarbten Kopfabschnitt. In den jiingeren Gliedern
findet man alle Stadien der Spermiogenese vor: die groBten Zellen sind
etwa 6 n groB, ihre Kerne 3 f.i ; sie liegen ziemlich locker, wahrend die
kleineren sich mehr zusammenhSufen und von einem zarten Protoplasma-
mantel umhiillt werden, der immer mehr zerf&llt, wahrend im Innern
des Blaschens ein mit reifen Spermien erfullter Raurn entsteht. Einzel-
heiten in der Entwicklung sind im iibrigen schwer festzustellen, da schon
im 12. Gliede hinter der ersten Anlage der Hoden ihr ausschlieBlicher
Inhalt aus fertigem Sperma besteht.
Aus der Hiillmembran jedes Blaschens geht ein Vas efferens hervor,
welches ohne Verzweigung direkt zum Samenleiter fiihrt. Dieser zieht
transversal durch die dorsale Proglottishalfte und nimmt von beiden
Seiten her ziemlich gleichmaBig die kurzen Vasa efferentia auf. Ka-
hane gebraucht fiir ihre Anordnung auf dem Querschnitt das Bild eines
gefiederten Blattes, da die feinen kernlosen Kanalchen von 1,5 /ti Lumen-
weite verhaltnismaBig kurz sind.
Das Vas deferens hat bei A. perfoliata einen vollkommen ge-
raden Verlauf, parallel und nahe dem vorderen Gliedrande, ohne im
proximalen Teil eine Windung zu beschreiben. Es ist ungef&hr 8 /<
weit. Schon Kahane hat aus histologischen Grfinden zwei Abschnitte
unterschieden, denn der distale, zur Samenblase fiihrende Teil besitzt
Ring- und Langsmuskeln, aber keine deutliche Epithellage, wie sie dem
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zwischen den Hodenbiaschen gelegenen Teil zukommt, vielleicht ist sie
auch durch die fiillenden Spermamassen ganz plattgedriickt. Die distale
Ausweitnng des Samenleiters zur Samenblase hat die Gestalt zweier
Kegel, welche mit den Grundfl&chen zusammenstoBen; sie kann in ge-
fulltem Zustande einen L&ngendurchmesser von 100 n erreichen und
zeigt natiirlich die gleichen Elemente wie der eigentliche Samenleiter:
feine Ring- und Langsmuskeln sowie nach auBen davon sehr kleinkernige
Zellen, wohl die zugehorigen Myoblasten; sog. „Prostatazellen“ fehlen.
Anoplocephala mamillana. — Schon in den ersten Gliedern
hinter dem Skolex sind die Hodenbiaschen als Zellgruppen nachzuweisen,
welche sich auf die von den Begattungsorganen abgewandte Seite des
Korpers beschrSnken. Den Hbhepunkt in der Entwicklung erreichen sie
in den Gliedern 7—10; dort treten sie als eiformige Blaschen von
100:50 jit Oder 75:60 /.i GroBendurchmesser in Erscheinung. In dem
genannten Raume liegen sie so dicht gedrangt, daB fiir Parenchym und
GefaBanastoraose nur wenig Platz tibrig bleibt. Von Glied 13 — 16 an
vollzieht sich die Reduktion der Hoden. Sie haben ihren Dienst erfullt
und miissen der Ausbreitung anderer Organe Platz machen; man findet
also nur noch vereinzelte Blaschen mit wenig Inhalt vor.
Die Anzahl der Hoden schatzt Zschokke auf 60—100, er diirfte
damit ungefahr das Richtige getroffen haben. Ich fand bei meinen
Zahlungen in soeben geschlechtsreifen Gliedern 82, in den iibernachsten
64 Hoden. Um die homogene Hiille legen sich auch hier dorsoventrale
Muskeln von auBen herum, welche sowohl eine Sonderung der einzelnen
Blaschen bewirken als auch bei der Entleerung ihres Inhaltes eine Rolle
spielen kSnnen. Dieser Inhalt ist ganz entsprechend beschaffen wie bei
den anderen Arten. In jungen Gliedern liegen in den noch kugelrunden
Blaschen Zellen mit sehr dunklem Kern und kornigem Plasma. Bald
bilden sich HohlrSume, mit kornigen Massen gefiiilt, wahrend an der
Wand typische Zellen sitzen. In noch etwas alteren Gliedern trifft man
10 /it groBe Zellen von Spindelgestalt mit 4 /t groBem Kern an, auch
ist ein deutliches Kernkorperchen erkennbar, zugleich hat das Blaschen
seinen groBten Umfang angenommen. In diesein Augenblick beginnt
der Zerfall, den man in ein und demselben Blaschen in verschiedenen
Graden gleichzeitig beobachten kann. Die Zwischenwande sind zum Teil
verschwunden; in einer fadigen Plasmamasse liegen viele dunkle Kerne,
welche noch dunklere Kornchen (Nukleolen) enthalten, alle verschieden
grofi, teils in Gruppen, teils einzeln; auch Kernteilungen lassen sich an
den groBen Zellen wahrnehmen. Das Endprodukt aller dieser Vorgange
ist wiederum der Spermafaden mit seinem dunklen Kopfteil, nur erfolgt
hier die Umwandlung mit ganz rapider Schnelligkeit, so daB sich in den
abfiihrenden Wegen neben einzelnen Faden schon patronenartig zu-
saramengeballte Spermamassen vorfinden, wie man sie sonst erst in der
Vesicula an trifft.
Die Vasa efferentia sind auBerst feine Kanale von mehr als 200 /t
Lange und leicht geschiangeltem Verlauf. Besonders zahlreich mflnden
sie am proximalen Endteil des Vas deferens, so daB Zschokke den
Vergleich mit einer einfachen Traube macht.
Der proximale Abschnitt des Samenleiters, welcher in seinem ge-
raden Verlauf durch das Hodenfeld die Vasa efferentia aufnimmt, be-
sitzt aufier der homogenen Wand einzelne kleinkernige Zellen; er ist 8 ^
weit, wahrend der distale Abschnitt durch das Vorhandensein von deut-
lichen Langsmuskeln nebst Myoblasten ausgezeichnet ist. Dieser Ab-
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schnitt hat einen gewundenen Verlauf, er biegt dabei ganz unvermittelt
nach rfickwfirts um und verl&uft nun in entgegengesetzter Richtung ein
Stiick weit dahin, bis er unter fihnlicher Knickung wiederum die ur-
spriingliche Richtung erlangt hat, weshalb Zschokke von einem von
oben nach unten zusammengedrfickten Z spricht. Dabei ist der Kanal
von vorn-oben nach hinten-unten gelangt und hat sich allmfihlich zu
einer spindelformigen, je nach dem Ffillungsgrade verschieden groBen
(30:50// im Durchschnitt, 80:120// im Maximum) Samenblase erweitert.
Kurz vor dem Eintritt in den Cirrusbeutel verengert sich der Samen-
leiter wieder.
Cirrusbeutel und Cirrus.
Anoplocephala magna. — Die Fortsetzung des Samenleiters
bzw. der Samenblase, der Cirruskanal, wird bei den Cestoden von
einem muskulosen Sack, dem Cirrusbeutel ( crb ), umhtillt, dessen
Lage, Gestalt und GroBe jeweils nach dem Kontraktionszustande des
Organes selbst bzw. der betreffenden Proglottis erheblichen Schwankungen
unterliegen kann. Im allgemeinen haben wir es mit einem umfangreichen
spindelfbrmigen Gebilde zu tun, das, vom Genitalrande aus gerechnet,
um etwa ein Viertel der Gliedbreite Oder mehr in transversaler Richtung
nach innen zu bis fiber die Hauptl&ngsnerven der gleichen Seite hinaus
vordringt. Als Lfinge des Cirrusbeutels habe ich beispielsweise in einer
ausgewachsenen Proglottis 2,14 mm, als Breite ca. 150 // gemessen,
wiihrend andererseits Scheibel (S. 24) das Verh<nis von Lange zu
Breite mit 4 :1 angibt.
Das Lumen variiert ebenfalls mit dem Kontraktionszustande; man
findet nach Scheibel eine HOhle vor, welche durch zwei wulstartige
Verdickungen der Ringmuskulatur in drei Abteilungen zerlegt wird.
Die dem Genitalrande zunfichst gelegene Abteilung ist langgestreckt
konisch, die beiden anderen sind mehr eiformig; die innerste (proximale)
ist die groflte. Die distale Portion enthfilt lauter flaschenformige Drfisen-
zellen, deren lange fadenfOrmige Ausfflhrgfinge, zu Bfindeln vereinigt,
samtlich nach dem Genitalrande gerichtet sind. Diese Angaben treffen
nur in beschranktem MaBe zu. Zunfichst ist immer der Entwicklungs-
zustand des Organs ins Auge zu fassen, denn bei noch nicht in Tatigkeit
getretenem Cirrusapparate liegen die Verhfiltnisse etwas anders. Der
Cirrusbeutel ist mehr langgestreckt, so daB eine mittlere Abteilung fiber-
haupt nicht hervortritt, auch ist die vordere oftmals ebenso groB wie die
hintere, andere Male fehlt sie auch ganz.
Der Hauptbestandteil des Cirrusbeutels ist seine machtig ausge-
bildete Muskulatur mit ihren 2 Schichten: aufien liegt die Lfings-
muskulatur, welche sich auch auf den Cirrus und in entgegengesetzter
Richtung auf das Vas deferens erstreckt, innen liegt eine doppelt bis
dreifach so machtige zirkulfire Schicht. Erstere hatte z. B. 12 //,
letztere 38 // Durchmesser, so daB die gauze Muskelwand 50 // stark
war. Eine direkte Beziehung zur allgemeinen Korpermuskulatur laBt
sich ffir diese Muskeln nicht ermitteln.
Nach innen von den Ringmuskeln, der homogenen Abgrenzung un-
mittelbar anliegend, ist eine bei vollentwickeltem Genitale sehr ausge-
breitete Schicht von kleinen lfinglich-ovalen Kernen vorhanden. Nach
auBen sitzt dem Cirrusbeutel eine blasse Zellschicht auf. Diese Zellen
sind 8—10 // groB, blasenformig und oft gestielt, ihr runder KOrper miBt
4 //, es sind dies gewiB die Myoblasteu des Cirrusbeutels, denn Drfisen
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kommen nicht in Frage, weil man keine Ausfiihrwege findet, Als weitere
Umhiillung zeigt sich peripher von diesen Zellen eine breite belle Zone,
welche ein groBmaschiges Fasergerflst mit vereinzelten Spindelzellen dar-
stellt. Hier lassen sich wegen der auffallenden Zellarmut besonders leicht
die Wimperzellen der Exkretionsorgane nachweisen. Dieses „Gallert-
gewebe“ wird ringsum durch einen einfachen Muskelmantel aus
Dorsoventral- nnd Transversalfasern abgegrenzt, welcher, im weiteren
Umkreise der Papille entspringend, in ziemlick betrSclitlichem Abstande
den Cirrusbeutel sowie die distalen Geschlechtswege, das Receptaculum
und die Vesicula umhullt, bis er in die vordere Proglottisbegrenzung aus-
lauft, wahrend die hintere yon Dorsoventralmuskeln allein gebildet wird.
Eine wesentliche Aufgabe der Muskulatur durfte es sein, im gegebenen
Moment den gesamten Cirrusapparat aus dem weit geoffneten Porus zu
drangen, indem etwaige schadigende Druckwirkungen dieses Gewaltaktes
durch das sehr nachgiebige (gallertige) Zwischengewebe paralysiert werden.
Fiir letzteres hat Schaefer die treffende Bezeichnung „Polstermassen
des Cirrusbeutels“. Schon die geringgradigen Bewegungen des Cirrus,
das Strecken bei der Erektion sowie das Zuriickziehen nach der Kopu-
lation, gehen in diesem Gewebe mflhelos von statten. Die Retraktion
diirfte wohl durch die T&tigkeit der Eigenmuskulatur des Cirrus bzw.
des Vas deferens erfolgen.
Was die „Prostatazellen“ Scheibels anbetrifft, welche im
distalen Abschnitt der Cirrusbeutelhohle vorkommen, so scheint ihr
Ckarakter in der Tat ein driisiger zu sein. Auch ich habe eine Anzahl
zu Bflndeln vereinigter Ausftihrungsg&nge an ihnen gefunden, die samt-
lich nach dem Genitalrande gerichtet sind, wahrend man im proximalen
Abschnitt der H6hle nur feine Muskelfasern vorfindet, welche aus dem
Cirrusbeutel entspringen.
Die eigentliche Fortsetzung des Vas deferens ist der Cirrus (cr)
selbst oder vielmehr dessen proximaler Teil, der enge Ductus oja-
culatorius, welcher in seinem feineren Bau durch nichts vom Samen-
leiter verschieden ist. Dagegen ist die Lumenwandung des distalen Ab-
schnittes mit zahlreichen Iiakchen besetzt, die etwas nach vorn ge-
bogen, in gleichen Abstanden reihenweise angeordnet sind. Es ist dies
der als Penis fungierende Teil des Begattungsapparates. Wenn die be-
treffende Proglottis ihre voile Geschlechtsreife erlaugt hat, wird dieser
als erstes aus der Kloake herausgestulpt, wobei nattirlich die Spitzen
des Hakenbesatzes wie Widerhaken nach riickwarts gerichtet werden.
Unter der hakentragenden Cuticula liegt eine Langsmuskelschicht,
welche sich auch auf den inneren Abschnitt fortsetzt, so daB die Wand
etwa 8 /t stark wird. Diese Wand wird im proximalen Teil sehr dehnbar
und besitzt ein mehr oder weniger hohes Epithel, unter welchem die
Langsfasern verlaufen; auch vereinzelte Ringmuskeln sind nachzuweisen,
welche die Fortbewegung des Spermas unterstiitzen dflrften. In un-
fertigem Zustande ist der Cirrus leicht geschiangelt; sein Inneres laBt
schon die Stacheln und Leisten erkennen, welche sich von beiden Seiten
her fast berOhren, wahrend spaterhin im Innern eine 50 /< weite Blase
entsteht und nur noch eben die Wandleisten erkennbar bleiben. Der
axiale Kanal ist verhaltnismafiig eng (4 fi) und weist in seinem mittleren
Teil, etwas distal gegen den Hauptiangsnerven zu, eine Besonderheit im
Bau auf, welche zuerst von BalB als eine Art „Ventilvorrichtung“ be-
schrieben wurde. Es ist ein Klappenapparat, der das Cirrusrohr
in seinem Verlauf an dieser Stelle unterbricht, so daB der~Cirrus bei
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der Begattung nur bis hierher in die Vagina eindringen kann. Die
Innenwand erscheint wie zerteilt und biegt sich von beiden Seiten her
wie 2 Sperrhaken in das Lumen hinein vor, so dafi eine Strecke weit
nur ein feiner Spalt als Durchgang offen bleibt.
Anoplocephala perfoliata. — Nachdem der Cirrus gerad-
linig durch die proximale Wand des Muskelsackes getreten ist, liegt er
in raehrere Windungen aufgerollt in dem lockeren Zwischengewebe, jedoch
nicht ganz unabhfingig, wie Kahanemeint. Bei geschlechtsreifen Glie-
dern streckt er sich mehr in die LSnge, indem der hintere Abschnitt,
der Ductus ejaculatorius, keulenformig (bis 40 [x) anschwillt und sich
dabei mit teils locker geballten, teils einzeln gruppierten Spermafaden
anfiillt, wahrend der nach aufien belegene Abschnitt infolge des durch
das „Ventil“ regulierten Spermadurchtrittes unverandert seine Weite von
4 [i behalt. Diese Vorrichtung ist ebenso gebaut wie bei A. magna.
Zschokke hat zuerst die histologischen Details am Cirrus klargestellt.
Dieser ist innen von einer Cuticula ausgekleidet, welche reihenweise an-
geordnete Stacheln tragt. Im proximalen Abschnitt werden diese mehr
leistenartig verdickt und allm&hlich undeutlicher; am „Ventil“ beriihren
sich die Leisten von beiden Seiten des engen Spaltes nahezu. Nach
innen von der Cuticula folgt die Muskularis als eine etwa 4 [x starke Schicht
von Fasern, die in der Ilauptsache die Langsrichtung einnehmen, also
transversal verlaufen, nach aufien davon kommen auch zirkulare Fasern
vereinzelt vor. Nunmehr folgt erne Zellschicht mit ovalen, mehr abge-
platteten Kernen, welche in dem erweiterten Teile weit auseinander liegen.
Den ganzen Umkreis des Cirrus erfiillt ein weitmaschiges Gewebe, in
welchem man einzelne schrfig nach hinten an den Cirrusbeutel ziehende
Muskelfasern erkennen kann. Der Cirrusbeutel ist nicht viel kfirzer als
bei A. magna. Er erreicht fast 2 mm, seine Breite ist natfirlich ge-
ringer — etwa 100 p.. Die Muskelwandung ist nur 12, hochstens 20 pc
dick. Diese Muskulatur besteht aus aufieren LSngsfasern und sehr krfif-
tigen inneren Ringfasern, auf diese legt sich innen eine Epithelschicht,
welche derjenigen des Cirrus fihnlich sieht. Wahrend die Ringfasern
gegen den Porus zu allmahlich aufhfiren, bilden die Langsmuskeln im
Umkreise der Genitalpapille Verlangerungen, welche hier inserieren und
zugleich mit der Erweiterung des Porus genitalis ein Hervorstiilpen des
Cirrusapparates herbeifiihren konnen. In entgegengesetzter Richtung
schlagen sich die Verlangerungen dieser Muskulatur auf Cirrus und Vas
deferens fiber. Peripher habe ich bei A. perfoliata gar keine Myo-
blasten mehr erkennen konnen, welche man sonst regelmfifiig antrifft.
Dagegen fand ich bei einem Exemplar innerhalb der Ringmuskeln drei
dunkelgeffirbte Kfirper vereinzelt liegen. Sie waren viel grofier als Zell-
kerne, ob sie von Konkrementbildungen oder von eingedrungenen Para-
siten herrtihrten, lieB sich nicht feststellen. Im distalen Abschnitt des
Cirrusbeutels kommen gleichfalls bfindelartig angehaufte Zellgruppen
mit fadenformigen Ausftihrungsgangen vor.
An oplocephala mamillana. — Der fiberall gleichmaBig gebaute
Cirrus trfigt ziemlich lange Hakchen, die in gleichen Abstanden und
schrag verlaufenden Spiralreihen auf der dunkel gefarbten homogenen
Cuticula angeordnet sind. Letztere ist nur 1 fx stark. Durch einen
schmalen hellen Saum getrennt, liegt nach einwarts die aus Langsfasern
bestehende Muskularis und darauf folgt, dem Lumen des Cirruskanales
zugekehrt, ein niedriges Epithel aus platten Zellen mit ovalem Kern. Die
ganze Wand hat 10 [t Stfirke, das Lumen 7 jx. Der Ductus ejaculatorius
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ist weiter, er erreicht manchmal 40 p. und enthalt oft Sperma, welches
durch das Ventil portionsweise abgegeben wird. Ini iibrigen ist der Bau
dieses Organes, wie er oben beschrieben wurde. Die Cuticulastacheln
sind hier durch breite Leisten ersetzt. Der Cirrus liegt vorerst in leichter
Schl&ngelung, spater streckt er sich in der LSngsrichtung. Er ist eben-
falls von einera weitmaschigen Gewebe umgeben, welches spindelfbrmige
(Parenchym-)Zellen enthalt; Muskelfasern habe ich darin trotz spezifischer
F&rbungsmethoden nicht angetroffen.
Die Muskelhiille des Beutels hingegen ist sehr stark entwickelt,
so daB die MaBe hinter den beiden anderen Arten kaum zuriickbleiben.
Im kontrahierten Zustand habe ich eine L&nge von 1,8 mm gemessen,
die Breite kann 180 p. erreichen. Zschokke stellte fest, daB dieses
Organ die Halfte der Gliedhohe und etwa ein Fiinftel der Breite ein-
nimmt. Die Dicke der Muskelwand sch&tze ich auf 25 p., wobei 5 p. auf
die SuBere Langsmuskulatur, 20 p. auf die inneren Ringfasern entfallen.
Die letzteren sind mehrfach ins Innere vorgebuchtet, so daB der Hohl-
raum in drei Kammern von runder Oder ovaler Gestalt zerlegt wird.
Die Innenwand des Cirrusbeutels ist rings mit flachen polygonalen Epithel-
zellen belegt.
Der weibliche Genitalapparat.
Die Bestandteile des weiblicheD Geschlechtsapparates sind folgende:
Vagina nebst Receptaculum seminis, die verschiedenen Genitaldrflsen
sowie das zugehorige System der Ausftihrwege, als Endstadium resultiert
der mit Embryonen gefiillte Uterus.
Vagina und Receptaculum seminis.
Anoplocephala magna. — Analog den anatomischen Verhait-
nissen am Cirrusapparat kann man an der Vagina (vy) ebenfalls zwei
Abschnitte unterscheiden: einen SuBeren (distalen), dem Begattungsakt
dienenden und einen inneren (proximalen), welcher das aufgenommene
Sperma in das Receptaculum seminis weiterleitet. Die marginale Aus-
miindung der Vagina in den hinteren Teil des gemeinsamen Atriums er-
folgt, wie oben beschrieben wurde, nicht unmittelbar hinter der Cirrus-
offnung, sondern etwas mehr der Ventralfl&che zugekehrt. Anfangs sehr
eng, erweitert sich der Kanal ein wenig und verl&uft nun in querer
Richtung parallel zum Cirrusbeutel direkt hinter diesem.
Der erste Abschnitt ist von Antang an mit einem s tarken Muskel-
belag ausgestattet, vor allem sind viele transversale Fasern vorhanden,
welche von Ringfasern durchkreuzt, sich teilweise auch noch auf den
hinteren Teil der Vagina fortsetzen. Peripher liegt dem ca 12 p. dicken
Muskelmantel eine einschichtige Lage kubischer oder ovaler mit zahl-
reichen Plasmaforts&tzen versehener Zellen auf, welche ihrer Form und
Grofle nach als My o bias ten zu deuten sind. Das ganze Organ hat
ungefahr 60 p. Langendurchinesser und ist in dem gleichen „Gallert-
gewebe“ eingebettet wie der Cirrusbeutel. Das Lumen des Vaginal-
trichters wechselt je nach der Entwicklungsstufe der betreffenden Pro-
glottis. Bei vollentwickelten Gliedern habe ich einen lichten Durchmesser
bis zu 8 p, ermittelt, in jungen Gliedern ist er bedeutend enger und
oftmals korkzieherartig gewunden, in einer dicht anliegenden Muskel-
hulle gelegen. Im Innern dieses Kanales erkennt man leicht die feine
parallele Strichelung, richtiger Cilienbildung derCuticula, welche ins-
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gesamt 4 p. stark ist. Mit weiterschreitender Entwicklung verschwinden
die Schraubenwindungen der Cuticula, nur die leistenartigen Ver-
dickungen bleiben darin auch weiterhin noch mehr Oder weniger deut-
lich erhalten, wenn schon das Receptaculum mit Sperina gefQllt ist.
Noch spater ist sogar der muskulfise Teil der Vagina an seinem hinteren
Ende mit Sperma vollgepfropft, so daB er Spindelform annimmt.
Der Uebergang zum proximalen Abschnitt der Vagina ist zuerst
etwa 120 p. weit, indem er sich aber dem dorsalen Rande des Mittel-
feldes n&hert, weitet er sich immer mehr aus zu einem langen wurst-
artigen Gebilde, welches nunmehr in einigen schwachen Windungeu
schrag nach der Mitte der Proglottis geht, urn sich in seinem End-
abschnitt zu einem eiformigen SpermabehSlter, dem Receptaculum
seminis ( rs ), aufzubl&hen. Dieses berfihrt schlieBlich den ventralen
Rand des Mittelfeldes, sein Querdurchmesser iiberschreitet also 1 mm.
Wahrend sich die Cuticula auf den inneren Vaginaabschnitt fortsetzt,
ist sie im Receptaculum wegen der starken Druckspannung kaum noch
deutlich. Ferner befinden sich im Innern zahlreiche spindelformige
Zellen mit 4 p. groBen Kernen, welche bei st&rkerer Ffillung der ein-
zelnen Abschnitte abgeplattet werden und dann entsprechend weiter aus-
einanderriicken als in den engeren Teilen. Auch vereinzelte Langs-
muskeln habe ich unter der Cuticula noch wahrgenommen, die erst mit
deni Uebergang in das Receptaculum verschwinden. Im Innenraum
desselben liegen die Spermamassen entweder als einzelne Faden isoliert
oder zu verschieden groBen wetzsteinformigen Patronen vereinigt.
Median ffihrt der Samenbehalter in den engen, cilientragenden
Samengang (sg), indem sich dessen einschichtiges, kubisches Epithel
eine kurze Strecke weit in das Receptaculum fortsetzt, gleichsam sich
fiber die Wandzellen des hinteren Pols hinfiberschiebend, weiterhin findet
man solche Zellen nicht mehr.
Anoplocephala perfoliata. — Auch hier liegt im Genital-
atrium die Oeffnung der Vagina ventral nach hinten zu vom Cirrus-
eingang. Von dort verlauft der Vaginalkanal im allgemeinen parallel
zur Langsachse des Cirrusbeutels. Nach kurzem geraden Lauf erfolgt
eine betrfichtliche Erweiterung und zugleich eine Drehung der Langs¬
achse in dorsolateraler Richtung, so daB das nun entstandene spindel-
fdrmige Receptaculum seminis in einem auBen und vorn offenen Winkel
von der ursprfinglichen Richtung der Vagina abgebogen ist. Median
verlauft ein enger Kanal, der Samengang, der sich weiterhin mit dem
Keimgang vereinigt.
Vagina und Receptaculum bilden ein einheitliches Ganzes, an welchem
man histologisch zwei Abschnitte unterscheiden muB, einen distalen
muskulosen und einen proximalen Teil. Die Muskulatur der Vagina ist
nicht besonders kraftig entwickelt (nur einige /t stark), zu innerst sind
wenige Ringfasern, auBen Lfingsmuskeln in dtinner Schicht vorhanden.
Die innere Auskleidung des 10—30 n weiten Kanales geschieht durch
eine leistentragende Cuticula, unter welcher im proximalen Abschnitt
deutliche Epithelzellen liegen. Kahane hat die Chitinleisten nicht ge-
sehen, weist aber (S. 228) auf einen analogen Befund von Sommer
bei anderen Tanien hin, halt also ihr Vorkommen auch bei A. per¬
foliata ftir wahrscheinlich. Nach auBen von der Muskulatur sind groBe,
spindelformige Myoblasten um Vagina und Receptaculum gelagcrt. Die
Weite des Receptaculums schwankt zwischen 70 /ti in leerem und 150 u
in geftilltem Zustande. Das Sperma hat hier die Gestalt von linsen-
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formigen Patronen Oder festen Ballen, was schon Kahane auffiel. Der
Samengang besitzt ein einfaches Wimperepithel, welches auf oben be-
schriebene Weise in das Receptaculum iibergeht, ferner L&ngsmuskeln
und Myoblasten.
Anoplocephala maraillana. — Die Vagina mundet als ein min-
destens 6 fx weiter Kanal hinter dem Cirrus in die Geschlechtskloake;
ihr Gesamtdurchmesser betragt 25 (.i. Nur am Eingang verengert, bildet
sie nach einer leicht bauchigen Erweiterung ein gleichbleibendes, etwas
gekrfimrates Rohr mit dicker Cuticularwand. Der nach auBen gerichtete
Cilienbesatz ist sehr stark ausgeprfigt, als Grundlage ftir ihn kommen
Epithelzeilen in Betracht, deren Kerne in jungeren Gliedern als feine
Punktreihe unter der Cuticula sichtbar sind. Nun folgt zunachst eine
feine L&ngsmuskulatur, dann eine etwas st&rkere Ringfaserlage, die zu-
sammen eine Dicke von 4 /t repr&sentieren; ganz auBen liegen eben-
solche Myoblasten, wie sie den Cirrusbeutel umhiillen.
Im proximalen Abschnitt besteht die epitheliale Wandbekleidung
aus Spindelzellen, wie sie sich mehr verstreut auch in dem stark er-
weiterten Teil, im Receptaculum seminis, vorlinden. Die GroBe dieses
Behalters betragt in gefiilltem Zustande etwa 90 :50 (Lange zu Breite);
es ist also eine ovale (oder birnformige) Blase, welche den mittleren
Raum der Proglottis zwischen Cirrusbeutel und Keimstdcken einnimmt,
davor liegt das Vas deferens, dahinter Teile des Dotterstockes. Muskel-
bekleidung (allerdings sind nur LSngsfasern deutlich) und Wimperung
fehlen auch hier nicht. Das Sperma liegt dicht geballt, jedoch sind
seine Elemente noch deutlich erkennbar. Am proximalen Pol des Re-
ceptaculums erfolgt der Uebergang in den mit hohem Wimperepithel
ausgekleideten Samengang, dessen Langsmuskeln ohne Unterbrechung
weiterlaufen.
Die weiblichen Genitaldrilsen (Eierstock, Dotterstock,
Schalendrfise).
Anoplocephala magna. — Das Ovarium (ov) baut sich aus
zahlreichen blinden Schlfiuchen auf, welche durch ihren Ausfiihrungs-
gang und die eingeschobenen Driisen (Dotterstock und Schalendriise) in
zwei ungleiche Portionen geteilt werden und im Querschnittsbilde mit
ihrer Basis dem ventralen Rande der Proglottis benachbart sind. Die
kleirlere Portion ist dem Genitalrande zugewandt, w&hrend die groBere
median vom Dotterstock gelegen ist. Durch Zahlung ermittelte ich 80
bis 120 Blindschl&uche, von ersteren 20—30, von letzteren 60 —90. Die
einzelnen ungefahr 90 /.i breiten Schliiuche sind an ihrem blinden Ende
etwas breiter. Sie verlaufen in dorsoventraler Richtung einander parallel
zu einer langen Reihe gruppiert und fiihren s&mtlich am ventralen Rande
in den zweiarmigen Sammelgang {oil). Ihre Sonderung voneinander
erfolgt durch einzelne Dorsoventralfasern, indem sich diese an
ihre Wandung legen. Letzteres ist eine feine kernlose Membran; wenn
Scheibel (S. 27) Kerne erwahnt, so vermute ich eine Verwechslung
mit Muskelquerschnitten. Der Inhalt der Eierstockfollikel besteht aus
Eizellen, welche sich aus kleinen (5 /*, Kern 2 /.i) dicht verteilten
Zellen durch ZusammenflieBen des Protoplasmas entwickelt haben, so
daB die fertigen Eizellen sich sowohl durch ihre betrSchtliche GroBe von
12 n, als auch durch ihren bltischenformigen, 8 f.i groBen Kern aus-
zeichnen. Letzterer ist in einem kornigen, blassen Plasmaleib gelegen,
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6.
auBerdem laBt sich darin zuweilen ein typischer, dunkel gefSrbter, runder
Nucleolus feststellen, wie er auch im fertigen Ei angetroffen wird. Mit
dem Weitertransport der Eier entsteht nun im Innern der Schlauche
kein leerer Hohlraum, die Wandung faltet sich vielmehr, bis schlieBlich
aller Raum durch die Uteruserweiterungen in Anspruch genommen wird.
Der Dotterstock ist am meisten dem hinteren Gliedrande zu-
gekehrt. Er liegt in der N&he des Receptaculums und zerfallt in zahl-
reiche halbkugelige Lappen, welche an ihrer Basis miteinander in Ver-
bindung stehen. Insgesamt mogen 25—30 solcher Foilik el vorhanden
sein. Ihre Wandung besteht gleichfalls aus einer homogenen Membran,
auch hier hat Scheibel Kerne vermutet. Der Inhalt der hohlen Fol-
likel setzt sich aus unzahligen, bis 5 /u groBen Dotterzellkugeln
zusammen, denen ein halbmondformiger Kern (1,5 ju) aufliegt. Oft
sind die gelben Dottermassen zu groBen Klumpen bzw. Ballen vereinigt
und bilden eine eigentiimlich fettartig glanzende Masse, in welcher die
Kerne gleichmaBig eingelagert sind, umgeben von einem schmalen
helleren Hof. Die Trennung der einzelnen Follikel besorgt ebenfalls
die Dorsoventralmuskulatur des Korpers.
Die dritte Genitaldriise ist die Schaleudriise ( Sckd ), ein Organ,
welches nahezu im Zentrum des Gliedes gelegen ist, rings umschlossen
von Dotterstock, Eierstock uud Receptaculum. Es ist ein kugeliger
Zellhaufen von 90—100 (.i Durchmesser, welcher das Ovidukt in seinem
Endteil rings umhiillt und sein Sekret aus langgestielten flaschen-
fOrmigen Zellen direkt in diesen Kanal leitet. Die Zellen sind etwa
15 |U lang und besitzen ein hell-opakes Protoplasma sowie einen ahnlich
gestalteten Kern von 5 /.i GroBe. Sammelgange sind nicht aufzufinden.
Man sieht besonders auf Quer- und Fl&chenschnitten, wie das hier durch-
tretende Ovidukt bauchig ausgeweitet ist. Bemerkenswert sind ferner
kleinkernige Zellen, welche in mehreren Reihen den Eileiter konzentrisch
umgeben und somit Schalendriisenzelleu und Eileiterepithel trennen.
Scheibel (S. 29) vermutet schon das Vorkommen dieser 3 /.i groBen
Zellen mit ihren 1,5 n groBen Kernen. Ich halte sie fur Myoblasten
der Eileitermuskulatur.
Anoplocephala perfoliata. — Die Anzahl der 0varialschlSuche
betrSgt 70—100, davon gehoren ungefahr 50—80 zur medianen, 20—30
zur lateralen Gruppe; sie sind bis zu 150 f.i lang und erreichen jede
einen Querdurchmesser von 40 //. Innen liegen einzelne kleine ovale
Zellen mit deutlich gefarbtem Kern der diinnen, strukturloseh Wand
unmittelbar an, wiihrend sich in dem inneren Hohlraum groBe kugelige
Eizellen in verschiedenen Reifezustanden vorfinden; die kleinsten sind
6 n, die grSBten bis zu 15 groB, ihre Kerne 3—6 fx mit deutlichen
Nukleolen. Die Anordnung der Parallelschlauche ist ahnlich derjenigen
bei A. magna, also senkrecht zu dem am ventralen Gliedrande inner-
halb der Transversalmuskulatur hinlaufenden Sammelkanal, den Ovarial-
gang, dessen Wandung die gleiche Beschaffenheit wie diese besitzt. In
diesem Kanal kann man haufig groBere Eiballen antreflfen.
Die 5 — 8 Lappen des Dotterstockes werden durch dorsoventrale
Muskeln in weitere halbkugelige Lappchen zerteilt. Eine zarte homo¬
gene Membran bildet ihre Hiille, wahrend der Inhalt aus stark licht-
brechenden, 6 n groBen Dotterkugeln besteht, denen je ein 3 ^ groBer
Kern anliegt.
Kahane hat die Schalendriise kaum richtig erkannt. Das 70 bis
100 /t groBe Zellkouglomerat umhiillt den Eileiter median vom Recepta-
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Becker, Der Genitalapparat der Pferdebandwurmer.
497
culum kugelartig. Die eigentlichen Driisenzellen sind 10 /i groB, flaschen-
formig, im Querschnitt polygonal, so daB ein rundes Maschennetz ent-
steht, in welchem l&ngliche, etwas eckige Kerne von 4 /< GrbBe vor-
kommen, welche von einem silbergl&nzenden Plasma umgeben sind. In¬
mitten der Druse liegt das Ovidukt mit seinem hohen, rundkernigen
Zylinderepithel und der umgebenden Ringmuskulatur, dazwischen noch
eine einfache Schicht kleiner Myoblasten von 4 n GrbBe (Kerne 2 /<).
Anoplocephala mamillana. — Fur die Form des Eierstockes
gebraucht Zschokke das Bild eines Fachers, welcher mit seiner Basis
den hinteren Rand der Proglottis beriihrt, an seine Peripherie grenzen
Cirrusbeutel, Vesicula seminalis, Vas deferens und Hoden, wahrend
Dotterstock und Schalendruse im Zentrum liegen. Es sind im ganzen
etwa 20—30 Blindschlauche von 200— 350 p Lange und 50 /u mittlerer
Breite vorhanden, die sich im Fundusteil etwas erweitern, an der Basis
verengern, wo dann die Vereinigung in den transversalen Sammelgang
erfolgt. Die Histologie der Schlauche zeigt nichts Besonderes. In einer
homogenen Membran liegen Keimzellen auf verschiedener Entwicklungs-
stufe, je nach dem Alter der betreffenden Proglottis, doch schon vom
22. Gliede an sind sie durch beschalte Eier verdrangt. Die grSfiten
Eizellen messen 20 im Durchmesser, ihr Kern bis zu 10 //; das
Plasma ist blaB und kornig, es enthalt Chromosomen und Mitosen.
Am meisten ventral von alien Drtisen liegt der kompakte, nieren-
formige Dotterstock. Er hat 300 /t Durchmesser, wird peripher von
Eierstockschlauchen uberragt, lateral grenzt er mit seiner homogenen
Wand an das Receptaculum seminis. Die Dotterkugeln sind 6 /u groB,
stark lichtbrechend, gelblich-braun gef&rbt und haben einen Kern von
2,5 j u, welcher sich durch einen halbmondformigen hellen Hof vom
Dotter abhebt. Auch groBere Zusammenballungen von Dotter und
isolierte Kerne findet man ofters.
Die Schalendruse hat bis 120 ii Durchmesser insgesamt und setzt
sich aus 10 /.i groBen Spindelzellen von polygonalem Querschnitt zu-
sammen. Ihre runden Kerne sind fast 5 /t groB. Auf Querschnitten
sieht man, daB der von den Zellen kranzartig umgebene Eileiter durch
Muskulatur betrSchtlich verdickt ist. Die Myoblasten, welche nach auBen
folgen, sind 4 groB, ihre Kerne 2 u.
Das System der weiblichen Ausfflhrwege.
Anoplocephala magna. — Alle Organe des weiblichen Genital-
apparates stehen durch ein kompliziertes System von Leitwegen mit-
einander in Verbindung. Wegen Einzelheiten flber Lage, Verlauf und
Bauart kfinnen vor allem Querschnittserien guten AufschluB geben. Das
Receptaculum seminis befordert seinen Inhalt, das Sperma, durch den
Samengang ( sg ) zu dem vom Ovarium kommenden Keimleiter (A7).
Von dieser Stelle an heiBt der gemeinsame Kanal „Befruchtungs-
kanal“ ( Bk ), da hier die Vereinigung von Ei- und Samenzelle vor sich
gehen diirfte, eine andere Benennung ist Ootyp. Nunmehr zieht dieser
Gang quer durch die Schalendriise, zugleich den Ausfilhrungsgang des
Dotterstockes, den von diesem in dorsaler Richtung abgehenden kurzen
Dottergang ( Dt) in sich aufnehmend, und ffihrt schlieBlich als ge-
rader U ter in g an g {vy) die fertigen, mit reichlichem Dottermaterial
ausgestatteten und beschalten Eier zum Uterus ( i<t ).
Unmittelbar an der Grenze von Mark- und Rinderschicht, und zwar
im mittleren Teil der Ventralfl&che der Proglottis, findet die Vereinigung
Erste Abt. Orig. Bd. 88. Heft 6. 32
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498 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6.
der beiderseitigen Eierstocksgfinge ( nd ) statt. Hier liegt auch das dorsal
aufsteigende, etwas erweiterte Anfangsstilck des Keimleiters als ein innen
trichterffirmiges, dorsal halbkugelig gewolbtes Muskelorgan, das man den
„Schluckapparat u ( Sch ) genannt hat. Die physiologische Aufgabe
des Schluckapparates besteht darin, aus dem Eierstock aktiv die Eizellen
in den GSngen weiterzubefordern, etwa nach Art einer Saug- und Druck-
pumpe, bis sie in den Uterus gelangen. Der Eileiter ist von einem ein-
fachen Epithel (4 //, Kerne 2 //) ausgekleidet und mit Eizellen locker
angefiillt, seine Wand ist im iibrigen nur schwach rauskulos. Der
Schluckapparat hingegen besteht aus zwei starken Muskelwfinden, denen
von auBen her Myoblasten, d. h. Zellen von 3 (.i Grofle (Kerne 1,5 /<),
von innen Epithelzellen mit einer deutlich verstSrkten Innenmembran
aufliegen. Die Muskulatur (2—3 /.i) hat wiederum zwei Schichten, eine
fiuBere LSngs- und eine ziemlich kraftige, innere Ringfaserlage. Die
Lfingsmuskeln setzen sich fiber das ganze Gangsystem fort, welches zum
groBen Teile zwischen den beiden Hauptlappen des Dotterstockes ein-
geschlossen wird, von hier an ist ferner ein gegen den Uterus gerichteter
Cilienbesatz an der Innenwand der GSnge deutlich erkennbar. Ein
Kanallumen bleibt dazwischen kaum mehr erhalten.
Der vom Receptaculum kommende Samengang (Ductus spermaticus)
besitzt als innere Auskleidung die auch diesem in frfiherem Stadium
zukommende Epithelschicht. Die Uebergangsstelle ist sehr eng, wie
ein Ventil, dann erfolgt eine geringe Erweiterung des Kanales. Seine
Muskulatur geht als Fortsetzung aus der groBen Blase hervor, auch
Myoblasten fehlen nicht, ferner ist an der Innenwand ein Cilienbesatz
anzutreffen. Der Verlauf des Kanales ist zunfichst rein transversal,
dann bildet er am hinteren Rande des Receptaculums eine kleine rtick-
lfiufige Schleife, danach geht er am medialen Rande dorsalwfirts bis er
den Keimleiter erreicht hat.
Der Dottergang zeigt ganz fihnliche Bau- und GroBenverhaltnisse
wie die anderen Gfinge; er mtindet noch innerhalb der Schalendrfise in
den Befruchtungskanal. Der vereinigte Kanal geht nunmehr dorsal, bis
er unter leicht trichterformiger Erweiterung vom mittleren Teil des
Uterus aufgenommen wird, ohne daB eine scharfe Grenze in der Epithel-
wand deutlich wird.
Anoplocephala perfoliata. — Kahane hat noch kein klares
Bild von dem Verlauf der Gonodukte, denn S. 233 z. B. spricht er von
einem „Schalendrflsengang, der mit dem Samentaschengang in den ver-
einigten Eierstocksgang mflndet“. Tats&chlich findet sich in dem zwischen
Receptaculum und Dotterstock eingeschlossenen Raum ein dem obigen
vfillig entsprechendes Gangsystem. Der Schluckapparat hat eine Lfinge
von 30 n, eine Maximalbreite von 20 //, das Lumen der Kanalc betragt
hier unverandert 3 //, die Muskelwand jedoch wird bis zu 6 n stark.
Das Epithel ist das gleiche wie im Ovidukt, aufierdem liegt noch auBer-
halb der LSngsmuskulatur eine einfache Schicht von Myoblasten. Der
Samengang besitzt ein ausgesprochenes Wimperepithel mit 4 /u langen
Cilien, runden Kernen und dunklem Plasma, aufierdem feine Langs-
fasern. In seinem kurzen Verlaufe gelangt er ebenfalls mit einer leichten
Schlingenbildung zum Befruchtungskanal.
Anoplocephala mamillana. — Auf die getrennten Ausmfin-
dungen der einzelnen Drfisen in den Eileiter hat schon Zschokke
aufmerksam gemacht. Der grofite Teil der Gfinge verlfiuft in der Quer-
ebene, doch konnte ich keine wesentlichen Abweichungen gegenfiber
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Becker, Der Genitalapparat der Pferdebandwiirmer.
499
den beiden anderen Arten feststellen, selbst die MaBe fiir den Schluck-
apparat stimmen uberein; die Form dieses Organes erscheint allerdings
mehr langlich, was moglicherweise durch den jeweiligen Muskelzustand
bedingt sein konnte. Das Gangepithel ist fiberall von derselben Be-
schaffenheit, 4 // hoch (Kerne 2 /r); die Cilien des Epithels sind 3
lang, die Myoblasten auBerhalb der Lfingsmuskulatur ungeffihr ebenso groB.
Uterus und Eier.
Anoplocephala magna. — In ungeffilltem Zustande besteht
der Uterus aus einer einfachen Rohre, welche aus einera soliden Zell-
strang hervorgegangen ist. Er durchzieht den mittleren Teil der Pro¬
glottis in querer Richtung, nahe am Cirrusbeutel beginnend, bis zu den
HauptlfingsgeffiBen der Gegenseite. Das Rohr hat etwa 70 ft Durch-
messer und ist von einer diinnen Mem bran sowie von einer E p i t h e 1 -
tapete ausgekleidet, welche aus rundlichen Oder kubischen, 4 ft groBen
Zellen mit verhfiltnismfifiig groBeu Kernen aufgebaut wird und noch eine
schwache Ringmuskulatur sowie lockeres Bindegewebe (Scheibel) be-
deckt. Mit zunehmendem Fiillungsgrad des Uterus wird das Epithel
flacher, die Entfernung der Zellen voneinander groBer. Der In halt
besteht aus befruchteten Eiern und Embryonen. Diese weiten das Lumen
immer mehr aus, so daB der Querdurchmesser bald 200 ft Uberschreitet.
Zuerst zeigen sich halbkugelige Ausbuchtungen, die immer linger werden
und schliefilich zu beiden Seiten des ursprfinglichen Uterusrohres fiber
50 lange Blindschlauche bilden und damit fast den ganzen Raum
des Gliedes ausffillen. Die Trennungswande zwischen den Schlfiuchen
werden ganz dunn und enthalten moistens nur noch ExkretionsgeffiBe
und degenerierte Muskelfasern, die fibrigen Organe — ausgenommen
Cirrusbeutel und Receptaculum seminis — haben sich inzwischen langst
ruckgebildet.
Die Eier der Anoplocephala -Arten hat schon Wed 1 (1855) ge-
nauer untersucht. Ffir E. Blanchard (1848) ist die verschiedene Be-
schaffenheit der Eier ein Hauptgrund mit zur Abtrennung der Gattung
Anoplocephala von der groBen Gattung Taenia gewesen.
Leuckart wollte sogar eine Artdiagnostik auf die feineren Unterschiede
der verschiedenen Cestodeneier basieren, andererseits hat aberMoniez
(1891) darauf hingewiesen, daB z. B. auf ihre fiuBere Gestalt (speziell
bei Anoplocephalen) kein allzu groBes Gewicht zu legen ist, weil po-
lyedrische und sphfirische Formen unmittelbar nebeneinander vorkommen.
Bei Anoplocephala magna liegen die bereits in Entwicklung
begriffenen Eier in groBer Anzahl fast gleichmfiBig verteilt in den Aus¬
buchtungen des Uterus, dessen Wandungen nunmehr septenartig in den
Innenraum der reifen Proglottiden vorspringen. Die Eier haben eine
ovale, bisweilen polyedrische Gestalt, sind etwa 70—80 groB und be-
stehen aus den Eihfillen, dem Dotter und dem Embryo.
Die farblose Schale, welche von den Schalendrfisen abgesondert
wurde, ist sehr hinffillig und bald vollig verschwunden, urn so mehr treten
dann die 3, oft stark gefalteten Embryonalhfillen in Erscheinung.
Die fiuBere Hfille ist fest und dick, die mittlere meist in Falten gelegt
und dicht an die erste angeheftet, wfihrend die innerste einen oder zwei
Embryonen umhflllt. Sie trfigt an dem einen Pol einen kurzen Stachel,
an dem anderen ein Paar Haken von 6—8 ft Lange, die wie ein Vogel-
schnabel mit ihren Spitzen konvergieren, sich im fibrigen aber nicht be-
rflhren. Dies ist der „birnformige Apparat“ der Autoren. Im
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 6.
Innern dieser stark farbbaren Schale liegt eine kornige, abgeplattete
Masse, der in Dotterkornchen eingeschlossene Embryo von etwa 8 /<
Langendurchmesser. Auch zwischen auBerer und mittlerer Hfille trifft
man stets einzelne Dottergranula an. Am Embryo gewahrt man die
6 Embryonalkakchen, welche zuerst von Dujardin (1845) be-
obachtet wurden, wahrend Wedl (1855) als erster den birnformigen
Apparat beschrieb.
Das weitere Schicksal der Embryonen ist uns noch gfinzlich unbe-
kannt, da wir fiber die Entwicklung der Pferdetanien absolut nichts wissen,
nicht einmal einen Zwischenwirt kennen, wiewohl ein solcher zweifels-
ohne in Frage kommt. Vielleicht haben alle 3 Arten sogar den gleichen
Zwischenwirt, das auffallend haufige Vorkommen mehrerer Arten gleich-
zeitig deutet darauf bin (vgl. Schwallenberg 1869, Graf 1904,
Larisch 1917, Becker 1920).
Anoplocephala perfoliata. — Das ungeftillte Uterusrohr ist
etwa 16 /i breit; seine Epithelien sind 5 // hoch bei einer KerngroBe
von 2,5 ft. SchlieBlich wird aber die fortschreitende Anfflllung mit Ge-
schlechtsprodukten so stark, daB man auBer einzelnen Parenchymzacken,
welche wie die Knocheninseln bei einer Karies (Kahane) hervorragen,
keine Struktur mehr an der zusammenhangenden Uterushohle wahr-
nehmen kann.
Die reifen Eier haben entweder langlich-ovale Gestalt (Lange 70,
Breite 65 ft) Oder sie sind tetraedrisch (78:50 /<)• Diese Form dtirfte
wohl weniger durch Schrumpfung als durch gegenseitige Abplattung der
im geffillten Uterus stark zusammengedrfickten Eier entstanden sein,
denn Dujardin fand sie auch bei frischen Objekten, was Kahane
(p. 226) ausdrticklich betont, ohne selbst Untersuchungen anzustellen.
Wedl hat die 3 Embryonalhfillen sowie die AnhSnge richtig erkannt.
Die fiuBerste, feste Schale ist glfinzend und oft in der Lfingsrichtung
gefaltet; die mittlere feine Hfille liegt ihr dicht an, wfihrend die innerste
lebhafte Ffirbung und den typischen birnformigen Apparat aufweist.
Hier sind die beiden Spitzen des einen Pols etwa 16 // Iang; am ent-
gegengesetzten Ende befindet sich ebenfalls ein feiner Stachel. Der
12 ft groBe Embryo mit 6 Embroyonalhakchen und vielen Dotterkugeln
schimmert deutlich durch die innere Hfille hindurch.
Anoplocephala mam ill ana. — Die Wandzellen des primaren
Uterus sind 6 /< hoch, ihr Kern miBt 3,5 ft. Indem sich die Epithelien
abplatten und ihre Kerne auseinanderrficken, erscheint die homogene
Membran sowie die schwache Muskularis noch mehr gespanut. Die
Ausweitungen des Uterus beginnen etwa am 16. Gliede in der Weise,
daB 36—42 Blindsacke in 2 Reihen von dem zentralen Hohlraum ab-
zweigen. Der Druck der Embryonen vernichtet bald alle feineren
Strukturen.
Trotz der geringen GroBe der Art sind ihre Eier keineswegs kleiner.
Ffir ovale Formen fand ich 70:65 ft, wahrend Zschokke 88:50—60//
angibt, was auf verschieden starken Druckverhaltnissen im Innern des
Uterus beruht; auch kommen Tetraeder von 70:40 ft vor. Von den
3 Hfillen liegt die mittlere, stark gefaltete, immer dicht an der SuBeren,
wahrend sich die dunkle Innenhaut (18 /< Durchmesser) eng urn den
12 ft groBen Embryo legt. Die beiden langen Spitzen des birnformigen
Apparates messen fast 30 //. Der Embryo ist von Dotter umgeben,
doch kommen, wie Zschokke betont, schon zwischen der inneren und
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Simons, Saprophytische Oscillarien des Menschen und der Tiere.
501
mittleren Htille Dotterkugeln vor, ferner liegen an dem einen Pol des
Embryo paarweise angeordnet die 6 Hakchen.
Literatur (Erganzungen).
Becker, R., a) Die auflere Gestalt der Pferdebandwiirmer. (Centralbl. f. Bakt.
Abt. I. Orig. Bd. 87. 1921. S. 110—118. Lit.). — Ders., b) Weitere Beitriige zur
Anatomic der Pferdebandwiirmer. (Ebenda S. 216—227.) — Deiner, E., Anatomie
der Anoplocephala latissima n. sp. (Arb. Zool. Inst. Wien. Bd. 19. 1911. S. 347—372. —
Wedl, K., Zur Ovologie und Embryologie der Helminthen. (Sitzungsber. K. u. K.
Akad. d. Wissensch. Wien. Math.-naturw. Kl. Bd. 16. 1855. S. 371—395.)
Nachdruck verboten.
Saprophytische Oscillarien des Menschen und der Tiere.
[Aus dem Hygienischen Institut der Universittit Koln (Direktor: Prof.
Dr. Reiner Mtiller).]
Von Dr. phil. nat. Hcllmuth Simons, Dtisseldorf.
Mit 3 Abbildungen im Text.
In den nachstehenden Zeilen wird fiber eine Gruppe von Mikro-
organismen berichtet, die wohl jedem Protistenforscher und Botaniker
bekannt sind. Die medizinischen Bakteriologen, Tierarzte und Zoopara-
sitologen aber, die hauptsfichlich als Leser der I. Abteilung dieses Central-
blatts in Betracht kommen, beachten diese Organismen im allgemeinen
nicht. Sie sollen, trotzdem sie eigentlich botanische Objekte sind, hier
besprochen werden, weil einige Saprophyten des Menschen und der
Tiere sind und damit ein allgemeines Interesse des Leserkreises der
I. Abteilung beanspruchen dtirften.
Die systematische Stellung dieser Organismen sei kurz vorausgeschickt.
Die Oscillarien gehQrcn zu den Thalluspflanzeu, und zwar in die Klassc der
Schizophyten oder Spaltalgen. Die Schizophyten teilt man nach Miehe und Olt-
manns in 2 Gruppen, Cyanophyceen oder Blaualgen, und Trichobakteriaceen oder
Fadenbaktcrien auf.
Die Oscillarien bilden eine Familie der Blaualgen, die ihren Namen wegen des
blaugriinen Farbstoffs der Protoplasten tragen. Die Blaualgen sind in zahlreichen
Arten fiber die ganze Erde verbreitet und bewohnen die Gewasser, feuchten Schlamm-
boden, feuchte Felsen und Baumrinden, die sie als gallertige Massen oder feinfadige
Ueberzfige bedecken. Die Vermehrung geschieht ausschliefilich rein vegetativ durcn
Zellteilung; manche Arten bilden Sporen als Dauerzustande.
In Anpassung an ihre schmarotzende Lebensweise haben die sapro-
phytischen Formen, im Gegensatz zu ihren freilebenden Verwandten,
ihren blaugriinen Farbstoff fast oder ganz eingebtidt. Aus dem gleichen
Grunde ist hier vermutlich auch der chromosomenahnliche Gebilde ent-
haltende Zentralkfirper, den man als Zellkern gedeutet hat, verloren
gegangen. Die farblosen Oscillarien, insbesondere die hier zu be-
sprechenden Formen, leiten zu den Fadenbakterien vora Typus der
Beggiatoaceen fiber, mit denen sie sehr eng verwandt sind. .
I. Oscillospira Gulcllermondi (Chatton et Ptfrard, 1913) =
Oscillaria caviae (Simons, 1920).
1920 verfiffentlichte ich Untersuchungen fiber eine farblose sapro¬
phytische Oscillarie aus dem Blinddarm des Meerschweinchens. Ich
wandte inich damals an namhafte Cyanophj'ceenforscher, wie Harder
(Wflrzburg) und Gtinther Schmid (Halle) so wie verschiedene andere
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502 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 6.
Fachbotaniker (Jost, Kniep, Lieske), ob sie bei ihren Forschungen
oder in der Literatur schon diesen Organismen begegnet seien. Ueber-
einstiramend erhielt icb die Antwort, daB ihnen die Organismen nicht
bekannt seien (vgl. z. B. Harders Referat liber meine Arbeit). Aus
diesem Grunde schlug ich fur diese Cyanophyceen die vorl&ufige Be-
zeichnung Oscillaria caviae vor.
Gelegentlich brieflicher Diskussionen macbte mich nun der Wiener
Protophytenforscher Dr. SchuBnig liebenswiirdigerweise darauf auf-
merksam, daB vermutlich meine Oscillaria caviae mit der 1913 von
Chatton und P6rard entdeckten Oscillospira Guiellermondi
identisch und mir auch wohl die Endosporenbildung dieser Spezies ent-
gangen sei. Durcb Vergleich mit der Arbeit der beiden Franzosen konnte
ich in der Tat die Identitat feststellen. Demnach gebuhrt dem Namen
Oscillospira Guiellermondi die Prioritat. Immerhin glaube ich,
durch Auffindung der irisblendartigen Teilung, der Hormogonien und ihrer
Minimalwerte, durch die rein elektive Darstellbarkeit der Faden mittels
der Safranin-Lichtgriinmethode, Beschreibung und FMrbbarkeit der Schleim-
hiillen, Biologie der Algen in den einzelnen Darmabschnitten sowie durch
einige mikrochemische Reaktionen einen Beitrag zur Kenntnis dieser
interessanten Form geliefert zu haben.
Man wird mein Versehen wohl verzeihen, zumal die Arbeit schon
1919 niedergeschrieben wurde, zu einer Zeit, wo die Literaturbeschaffung
und das Referatenwesen in Deutschland noch sehr im argen lag. Jetzt,
nachdem mir der Name der franzosischen Autoren bekannt war, entsann
ich mich wieder, daB deren Arbeit im Referatenteil dieser Zeitschrift
(Bd. 61. 1914. S. 213) durch Gildemeister erwahnt worden war. Ich
hielt aber die dort beschriebene Cyanophycee fur eine andere Spezies,
da bei ihr Endosporen beschrieben wurden und ich damals nichts Der-
artiges gefunden hatte. Den deutschen Cyanophyceenforschern ist auch
wohl durch die Kriegsverhaitnisse die Arbeit der beiden Franzosen wahr-
scheinlich ganz entgangen.
Auf die Mitteilung von Herrn Dr. SchuBnig hin habe ich dann
nochmals in meinen frilheren Praparaten nach Sporen gesucht und nach
sorgfaltigstem Durchkreuzen von 9 Praparaten im ganzen nur 3 sporen-
ahnliche Stadien gefunden. Herr Dr. Gunther Schmid in Halle
durchsuchte 2 neuere Praparate ohne eine Sporulation zu finden, wahrend
Herr Dr. SchuBnig (laut Brief) in eigenen Praparaten dagegen fast
samtliche Sporulationsstadien verfolgen konnte.
Chatton uudPdrard schreiben, daB sporenfuhrende Faden niemals
zahlreich vorhanden sind. In meinem damaligen Material mussen die
Sporen aber liberaus selten gewesen sein; nur so ist es erklarlich,
daB den anderen Untersuchern und mir die Sporulation ganz entgangen ist.
Allerdings muB ich noch gestehen, daB mir beim ADblick der Ab-
bildung von Chatton und P6rard gelinde Zweifel aufstiegen, ob hier
nicht statt der Sporen vielleicht irgendwelche Kunstprodukte voriagen.
Deswegen setzte ich mich mit Herrn Prof. Pascher (Prag) in Ver-
bindung, der vor kurzem meine Arbeit im Arch. f. Protistenk. Bd. 43.
1921 referiert und ebenfalls eine Identitat mit Oscillospira Guiel¬
lermondi vermutet hatte. Auch er stand dieser Endosporenfrage zum
mindesten noch unsicher gegeniiber.
Fur die Meerschweinchen hatte ich friiher (a. a. 0. S. 362) das
Vorhandensein von Sporen als wahrscheinlich vermutet, ohne sie damals
jedoch gesehen zu haben. Harder war aber hier anderer Ansicht, da
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-fc t
Simone, Saprophytieche Oecillarien des Menechen und der Tiere.
505
er wohl nach den bei der Mehrzahl der botanischen Cytologen herr-
schenden Vorstellungen den Standpunkt vertrat, daB Oscillarien keine
Sporen besitzen. Andererseits gibt es, wie rair Herr Dr. G. Schmid
freundlichst mitteilt, in der Literatur (Hansgirg, Macchiati) noch
n;cht bestfitigte Angaben iiber Sporulation bei Oscillarien.
In der Sporenfrage konnte ich nun fiir 0sci 11 ospira Guiel-
lermondi jtingst durch einen gliicklichen Fund im Kolner Hygieni-
schen Institut entscheidendes Material beibringen. Bei einem Meer-
schweinchen, das Unmengen Oscillarien im Blinddarm fflhrte, fand ich
im NativprSparat etwa 1 / a der Individuen mit sicheren Sporen.
Sie waren stark lichtbrechend und lagen meist etwa in der Mitte der
Faden Oder nur wenig davon entfernt; selten safien sie am Fadenende,
den Kappenzellen fast unmittelbar benachbart. Die Sporen kamen ganz
tlberwiegend nur in der Einzahl vor; nur tiberaus selten sah ich in Ueber-
einstimmung mit den franzosischen Autoren Faden mit zwei Sporen.
Die Form der Sporen ist ellipsoidisch (ca. 2,5:4 /.i), sie ffillen etwa
*/ s des Fadendurchmessers aus und sind mit ihrer langen Achse in die
Langsricbtung des Fadens eingestellt oder nur sehr wenig gegen die
Fadenrichtung geneigt; Chat ton und Pdrard beschrieben diese Ver-
haitnisse genau so. Leider konnte ich das wertvolle Material nicht zyto-
logisch brauchbar fixieren, weil die erforderlichen Reagenzien nicht
schnell genug zu beschaffen waren. An einem nach Giemsa gefarbten
Trockenausstrich habe ich mich aber nochmals von dem Vorhandensein
echter Sporen in verschiedenen Entwicklungsstufen iiberzeugt. Damit
waren die Befunde von Chat ton und Perard zweifelsfrei bestatigt,
und es gewinnen so indirekt auch die Angaben von Hansgirg und
Macchiati iiber Sporen anderer Oscillarien sehr an Wahrscheinlichkeit.
Es ist also nicht richtig, wenn die beiden Franzosen schreiben:
„Les filaments sporulds ne sont jamais nombreux“, sondern das trifft
wohl nur fiir die Mehrzahl der F&lle, aber durchaus nicht immer zu.
Wodurch in meinera Fall die Sporenbildung derart krfiftig angeregt
wurde, vermag ich nicht sicher anzugeben. Das Meerschweinchen war
bei einem Diphtherietoxinversuch verendet; vielleicht hat das Toxin Oder
seine Einwirkung auf den Darm die Sporenbildung der Oscillarien angeregt 1
DaB die fiir Oscillarien bisher wohl uniibertroffen hohe Beweg-
lichkeit 1 ) der Oscillospira-Faden durchaus nicht immer vorhanden
ist, war mir, wie schon den franzosischen Untersuchern, bald nach meiner
fruheren Arbeit ebenfalls oft aufgefallen. Gleich ihnen fand ich Tiere,
deren Faden und Hormogonien sich nur wenig beweglich zeigten oder
vollig regungslos verharrten. In diesem Zusammenhang sei noch eine
interessante Beobachtung mitgeteilt. Als ich wahrend meiner Unter-
suchungen fiber Selenomonas palpitans Kot mit Meerschweinchen-
blut mischte, ffihrten die Oscillo spira-Faden sehr heftige, etwa 1 /* Min.
dauernde Zuckungen und Knickungen aus und blieben dann fiir immer
unbeweglich; vermutlich waren sie abgestorben. Diese Erscheinung lieB
sich aber nur an solchen Individuen nachweisen, die im Kot, mit
Rin ger-L8sung verdflnnt, allein schon beweglich waren. Bei Ffiden,
die sich in verdflnntem Kot unbeweglich zeigten, konnte ich auch durch
Blutzusatz keine Bewegung hervorrufen.
In der Arbeit von Chatton und Pdrard ist gfinzlich falsch der
Satz: „Nous n’avons pas colord les cils“. Das dflrfte ihnen auch un-
1) Ich sah Faden, die sich mit ungefahr */,—*/, der Geschwindigkeit mancher
Infuaorien (etwa Opalina ranarum) fortbewegtenI
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moglich sein, da Oscillarien uberhaupt keine Cilien haben. Die Vor-
stellung cilientragender Oscillarien geht auf falsche Beobachtungen von
Phillips zuriick, wie Giinther Schmid erst kiirzlich zeigte. Os-
cillospira besitzt aber, wie ich schon damals nachwies, eine sehr dicke
Schleimhtille, und dies deutet darauf hin, daB es sich um eine sogenannte
sekretorische Ortsbewegung handelt, die man wohl heute fast allgemein
als Bewegungsart. der Cyanophyceenfaden erkannt hat.
Oscillospira Guiellermondi soil nach Angabe der franzfisi-
schen Forscher entweder homogenes oder fein granuliertes Plasma ohne
irgendwelche anderen Einschliisse besitzen. Ich selbst habe neuerdings
unter streng isotonischen Bedingungen (Untersuchung in unverdiinntem,
aber von Natur aus breiigem Kot sofort nach dem Tode) wiederum auf
dem Bau des Plasmas geachtet und habe bei Oelimmersion stets nur rein
homogenes Plasma gesehen. Dagegen ist das Plasma^granuliert oder mit
feinen Vakuolen durchsetzt, wenn der Kot durch Eintrocknung hypertonisch
wird; hierzu geniigt schon eine sehr geringe Hypertonie. Ueberhaupt fallt
bei Oscillospira die auBerordentliche Empfindlichkeit gegeniiber ge-
ringen osmotischen Aenderungen des umgebenden Mediums auf. Die
Fig. 4 von Chatton und P6rard stellt somit ein Kunstprodukt dar.
Manchmal allerdings sieht man F&den mit Vakuolen, die aber, wie
gleich gezeigt wird, keine Kunstprodukte sind. Statt mehrerer sehr
feiner Vakuolen sieht man hier eine fast oder genau zentral in den Zell-
kammern gelegene, kleine Vakuole, und es fallt sofort auf, daB die typische
Kammerung der Faden durch Querwlinde beinahe oder schon ganz ver-
schwunden ist. Dies diirfte wohl ein sehr friihes Stadium der Sporen-
bildung sein. Betrachtet man nSmlich die Fig. 5 von Chatton und
P6rard, die sie als „6bauche de la spore 44 bezeichnen, so erscheint
ein Zusammenhang mit dem von mir beobachteten Stadium sehr nahe-
liegend. Die Autoren bilden hier ein Fadenstiick ab, das ebenfalls keine
Kammerung zeigt und dessen Wande einen unregelmaBig gezackten,
hellen Hohlraum umschlieBen. Diese Vorstufe der Sporenbildung ist
sicher etwas alter als das von mir in vivo beobachtete, da der helle
Hohlraum schon bedeutend groBer ist. Das von mir gesehene Stadium
ist aber wohl auch nicht das jiingste, denn als solches muB man doch ziem-
lich sicher erste Andeutungen einer Auflosung von Querwandmembranen
erwarten; die Auflosung dtirfte sehr wahrscheinlich zentral beginnen und
sich dann nach alien Seiten bis nahe dem Fadenrande fortsetzen.
Fur die Systematik ist nach freundlicher Mitteilung von Schmid
wichtig, daB die Breite ein und desselben Fadens variiert, so daB Os¬
cillospira Guiellermondi normalerweise ein stumpfes und ein
verschmalertes Ende aufweist. Ein zahlenmaBiges Beispiel fur solche
Verschmalerung, in unregelmaBigen Abst&nden gemessen, ist nach seinen
Messungen z. B.: 4,24, 3,71, 3,18, 2,12 u (Basis der Endzelle).
II. Simonsfella MUllcrl (G. Schmid, 1922) in der MundhOhle
des Mensciieii.
Reiner Muller beobachtete 1906 im Rachenschleim eines diphtherisch
erkrankten Huhns, sodann im Zahnbelag und Speichel des Menschen
Mikroorganismen, die er provisorisch als „Scheibenbakterien u bezeichnete.
Er beschrieb sie 1911 als „eigentfimliche, dicke stabchenformige Gebilde,
1) G. Schmid hat solche niedrigen osmotischen Werte und damit zusammen-
hangende hohe Kontraktilitat auch bei anderen Oscillarien gefunden und wird demnachst
daruber berichten.
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Simons, Saprophytische Oscillarien des Menschen und der Tiere. 5Q5
die sich aus Scheiben zusammensetzen, die Bandwurmgliedern Oder Seg-
menten von Insektenlarven gleichen. Jedes Segment zeigt in der Mitte
1 oder 2 dunkler gef&rbte Korner.“ Muller hielt es fiir fraglich, ob
es uberhaupt Bakterien seien.
Dieser Zweifel war durchaus berechtigt, denn als Herr Prof. Muller
die grofie Liebenswurdigkeit besaB, mir eines seiner Originalpraparate
von Menschenspeichel zu zeigen, erkannte ich in diesen sofort Cyano-
phyceen vom Typus der Oscillarien.
Untersuchung meines Speichels und zablreicher anderer Personen
zeigte, daB die Oscillarien dort ziemlich h&ufig vorkommen (ca. 30 bis
40 Proz.). Allerdings stammten diese Speichelproben alle aus normalen
oder ann&hernd normalen Mundhdblen. In ausgesprochen pathologischen
Fallen (Stomatitis, Gingivitis, Abszesse), wenn zahlreiche Leukozyten und
Spirochaten sowie Unmassen von Bakterien vorbanden sind, kommen
die Oscillarien fast nie und dann wenig zahlreich vor (nur 2—4 Proz.).
Offenbar schaffen die Stoffwechselprodukte dieser Flora pathogener Mund-
hohlen ungunstige Lebensbedingungen fur die Oscillarien.
Der Entdecker, Herr Prof. Reiner Miiller, hat mir von seinen
damaligen Untersuchungen noch folgende Aufzeicbnungen freundlichst
zur Verfiigung gestellt:
„Zum Auftinden der Mikroorganismen genfigt ein Ausstrichpriiparat, getrocknet,
fiber der Flamme fixiert und mit Methylenblau gefarbt. Besonders leicht findet man
sie, neben Leptothrix buccalis usw., wenn man den Mundspeichel morgens gleich
nach dem Erwachen zur Untersuchung entnimmt; bisweilen liegen sie dann in kolonien-
artigen Anhaufungen, 50—100 Stfick zusammen, in dem Speichelschleim. 8ehr viele
Oscillarien wurden neben anderen Mundkeimen einmal bei einem Studenten einige Tage
nach einer Zahnextraktion in der ausheilenden Zahnalveole gefunden. Eine Rein-
zuchtung ist nicht gelungen; jedoch wurde in einer Aussaat von Rachenschleim eines
an Geflugeldiphtherie erkrankten Huhns auf Blutagar (10 Proz. Ziegenblut) im Brut-
schrank an einigen Stellen innerhalb eines zusammenhangenden Rasens von Bakterien-
kolonien eine so betrachtliche Masse der „ Scheiben bakterien" gefunden, daB sie sich
ohne Zweifel stark auf dem kunstlichen Nahrboden in Symbiose mit Bakterien ver-
mehrt haben mull ten. Die noch heute (1922) vorliegenden Kultur-Ausstrichpraparate
lassen beim Vergleichen mit den Rachenschleimpraparaten keine andere Erklarung zu.
Bei diesen auBerhalb des Korpers gewachsenen Formen war die Zahl der Scheiben
oft groBer, die Gliederbreite (senkrecht zur Fadenachse) ungleichmaBiger als bei den
im Mundspeichel gefundenen; einzelne Glieder nehmen die Farbe (Fuchsm) verschieden
stark auf. Eine Zettnowsche GeiBelfarbung, an sich gut gelungen, zeigte keine
GeiBeln. — Fiir die jetzige Deutung der Mikroben als Cvanophyceen scheint es mir
von Bedeutung zu sein, aaB ich damals, Juni 1900, in Kiel notiert habe, daB diese
Stellen symbiontischer Vermehrung auf Blutagar grunlich gefarbt waren, und zwar
die recht fippigc Kulturmasse selbst, nicht nur (wie etwa bei Pneumokokken) der blut-
haltige Nahrboden durch Methamoglobinbildung. Es wurde dann versucht, von diesen
grfinlichen Wachstumsherden auf neuem Blutagar gleicher Art Reinkulturen zu er-
zielen; es gelang nicht, vermutlich deswegen, wen ffir Einzelkolonien gewisse organische
Nahrstoffe oder eine Herabsetzung der Sauerstoffspannung fehlten, wie sie im Munde
oder bei Symbiose mit Bakterien gegeben sind."
Bisher habe ich die medizinisch-bakteriologische Literatur vergeblich
daraufhin untersucht, ob vor oder nach der Entdeckung der Mtlller-
schen „Scheibenbakterien u diese schon von anderen Untersuchern unter
irgend welchem Namen beschrieben worden sind. Vor 1916 dtirfte wohl
auch von ausl&ndischer Seite nichts dariiber mitgeteilt worden sein, da
Brailovsky-Lounkewitsch in seiner neueren ausfflhrlichen Be-
arbeitung der Mikrobenflora des Speichels von Neugeborenen, Kindem
und Erwachsenen dort nichts von solchen Organismen erw&hnt hat. Die
Dissertation „Les bact^ries de la bouche“ von Gustave Rap pin,
Paris 1881, war mir nicht zug&nglich; man darf aber wohl annehmen,
daB auch er nichts von Oscillarien-ahnlichen Organismen gesehen hat,
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da Brailovsky-[Lounkewitsch nichts dariiber angibt. Im Re-
feratenteil dieses Centralblattes finde ich bis zur neuesten Zeit ebenfalls
nichts dariiber veroffentlicht. Nachdem ich erkannt hatte, dafi die
Miillerschen Mikroben zu den Cyanophyceen gehbren, wandte ich mich
an den schon weiter oben genannten Spezialforscher G. Schmid, dem
raeine PrSparate vorlagen. Er war so freundlich, die Organismen ein-
gehend zu studieren, und er bestatigte mir ihre Zugehorigkeit zu den
Oscillarien. In der botanisch-bakteriologischen Literatur sind nach seiner
Angabe solche Organismen bisher nicht bekannt geworden. Wie ich aus
einer freundlichen Mitteilung von Prof. Pascher (Prag) entnehme, hat
er bei seinen Studien iiber Soor gelegentlich Oscillarien-ahnliche Orga¬
nismen gesehen, ohne aber weiteres dariiber zu veroffentlichen.
System atisch reiht er diese Oscillarien in eine neue Gattung Sim on-
si el la ein. Fur diese Ehrung meines Namens sei ihm hiermit bestens
gedankt. Die Species ist nach ihrem ersten Entdecker Reiner Mil Her
benannt, so dafi die neue Oscillarie also Simonsiella Miilleri heifit.
Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3.
Fig. 1. Simonsiella Miilleri aus Menschenspeichel; bei a eine Hormogooie.
Feuchte Boraxmethylenblaumethode. Vergr. 1000X.
Fig. 2. Simonsiella Miilleri. GroSere Kolonie auf einer Mundhohlenepi-
thelzelle; K = Kern der Epithelzelle. Vergr. 300 X-
Fig. 3. Simonsiella filiformis aus Schweinespeichel. Vergr. 1000X-
Die Faden von S. Miilleri sind 3 —16 lang (haufigster Mittel-
wert 10 n) und haben eine grofite Breite von 2—3,2 fi (haufigster Mittel-
wert 2,3 /.i). Der Faden ist gegen die Enden stumpf verschmaiert. Die
Endzellen des Fadens, wegen ihrer Form auch Kappenzellen genannt,
sind breit abgerundet und ohne besondere Erscheinungen. Wie sich
aus den eben mitgeteilten MaBen ergibt, haben wir es mit kurzen, ge-
drungenen Faden zu tun. Meist sind sie gerade gestaltet, nur ver-
langerte Faden zeigen eine leichte Gesamtkriimmung. Unterschiedslos
weist jeder -Faden mehr Oder weniger ausgepragte, regelmaBige Ein-
schniirungen auf. Die Faden sind stets in zwei Segmente geteilt,
manchmal auch in vier Oder mehr. Die Segmente liihren stets 4 Zellen
bzw. Zellpaare oder die doppelte Anzahl davon. Auf diese Weise ent-
steht eine Gliederung nach Art eines Insektenleibes, wie schon Reiner
Muller treffend bemerkte. Diese Segmentierung ist die Vorbereitung
zu der bei vielen Cyanophyceen iiblichen Hormogonienbildung*
d. h. ein bruchstiickartiger Zerfall der Faden (Fig. 1). Indem die Hormo-
gonien wieder zu neuen Faden auswachsen, sorgen sie fur rasche Yer-
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Simons, Saprophytische Oscillarien des Menschen und der Tiere.
507
breitung der Art. Der Minimallfingenwert einer Hormogonie von S.
Mulleri betragt ungefahr 3 /<. Die Langs wand der Faden ist glatt,
d. h. da, wo Querwfinde ansetzen, sind keine Einschniirungen vorhanden.
Die Zellen der Faden sind fiuBerst flach gebaut und gewohnlich
Vs—V 4 so lang wie breit [Breite 2—3 n, LSnge 0,4—0,7 ,u (Mittel 0,5 /u)].
Irgendwelche Inhaltsbestandteile konnte ich ebenso wie Herr Dr. Schmid
nicht feststellen. Wenn nun trotzdem Muller „damals in der Mitte
jedes Segmentes 1—2 dunkle Korner u beschrieb, so beruht das auf einer
Tauschung, die auf folgende recht interessante Tatsachen der Zellteilung
zurfickzufuhren ist. Die Teilung der Zellen geht nfimlich wie bei alien
Cyanophyceen so vor sich, daB von der Mitte der Langswand ein Ring
irisblendenartig in das Zellinnere hineinw&chst, um durch zunehmende
Verbreitung schlieBlich eine neue Querwand herzustellen. Nun f&rbt
sich der Protoplast der Zelle sehr intensiv mit Borax-Methylenblau, die
Quer- und Lfingsmembranen aber nehmen den Farbstoff nur wenig auf.
Differenziert man ein solches nach den fiblichen bakteriologischen Me-
thoden hergestelltes Trockenpraparat einige Sekunden mit 70- und 96-proz.
Alkohol, geht dann durch absoluten Alkohol in Xylol fiber und bettet in
Kanadabalsam 1 2 ) ein, so bleiben die Protoplasten noch geffirbt, die Mem-
branen dagegen sind farblos. In derartigen Prfiparaten finden sich
Faden mit und ohne dunklen Protoplastzonen, die fast die ganze Breite
des Fadens einnehmen und alle Uebergange bis zu solchen, wo die blaue
Zone bis auf einen mehr Oder minder punktformigen Bezirk eingeengt
ist. Letzteres Bild tauschte Mfiller „dunklere K5rner“ vor; ist eine
sehr schmale Protoplastzone durch ungefarbte Lticken unterbrochen, so
erscheinen „die K6rner u verdoppelt *)•
Aus diesem Verhalten der dunkelblau gefarbten Protoplastzonen
kann man dann direkt auf den Teilungszustand der Zellen schlieBen,
worin mir auch Herr Dr. Schmid auf Grund meiner Prfiparate und
Mikrophotogramme durchaus zustimmt. Da die Quermembranen sich
ja, wie eben erwfihnt, entweder nur schwach oder gar nicht mit Methylen-
blau anffirben, so beweiseu breite dunkelblaue Protoplastzonen gerade
beginnendes Vordringen einer neuen Quermembran; schmale
Oder punktformige Zonen dagegen deuten auf alt ere oder fast
fertige Querwfinde hin. Dementsprechend sind Zellen ohne Methylen-
blauzonen, d. h. hellem Protoplast hinsichtlich der Teilung als im Ruhe-
zustand befindlich zu betrachten. Besonders schon lassen sich diese
Verhaitnisse an Mikrophotogrammen studieren, weil hier die angefflhrten
neuen Querwfinde als scharfe schwarze Linien auf dem Negativ er¬
scheinen, wahrend die Positivbilder dort farblose Streifen zeigen. Bei
Oscillospira Guiellermondi liegen die ffirberischen Verhaitnisse
anders, weil sie Borax-Methylenblau schlecht annimmt. Hier leistet die
besten Dienste B6hmers Alaunhfimatoxylin. Diese Blaualge verhait
sich aber dem Farbstoff gegenflber genau umgekehrt wie Simonsiella
Mfilleri, da sich alte und neue Quermembranen stfirker mit dem
Farbstoff impragnieren als der Protoplast. Infolgedessen entspricht das
photographische Negativ von Sim on si el la dem Positiv von Oscillo¬
spira und umgekehrt. Herr Dr. Schmid wird unter Benutzung meiner
1) Diese Methode war von mir schon friiher zur sicheren Darsteilung von Halb-
monden bei Malaria im dicken Tropfen angegeben wordeu (Berlin, klin. Wochenschr.
1919. Nr. 43/44.)
2) R6mige Inhaltsbestandteile des Protoplasten konnen oft auch durch zuffillig
aufgelagerte Kurzstabchen und Kokken vorgetauscht werden.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 6.
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Mikrophotogramme diese interessanten Verhfiltnisse im Archiv fur Pro-
tistenkunde demnfichst noch eingebender besprechen.
Schleimhiillen sind gleich anderen Oscillatorien beiS. Mfilleri
ebenfalls vorhanden, aber weit zarter und ffirberisch viel schwerer dar-
stellbar als z. B. bei Oscillospira Guiellermondi. Sehr hfiufig
sieht man Ffiden, deren Schleimhullenperipherie ganz mit daran fest-
geklebten Bakterien besetzt ist.
SiraonsiellaMtilleri ffirbt sich mit L u g o 1 scher und Chlorzink-
jodlosung nicht violett wie die Oscillospira, sondern gelb, woraus
man wohl auf tiberwiegendes Vorkommen glykogenartiger Kohlehydrate
schlieBen darf.
Ini Gegensatz zu Oscillospira Guiellermondi ffirbt sich diese
Alge nur sehr schwach mit Safranin.
Der Fundort dieser Alge ist die menschliche Mundhohle. Man
beobachtet sie sowohl im Sediment des Speichels als auch in Abstrichen
der Wangen-, Gaumen-, Rachen- und Mundbodenschleimhaut. Mit ge-
ringen Ausnahmen findet man die Ffiden den Epithelzellen — meist den
abgestorbenen — aufgelagert; nur ziemlich selten trifft man freiliegende
Exemplare an. Das beruht wohl darauf, daB die Ffiden durch den aus-
geschiedenen Schleim an den Epithelien ankleben und dieser offenbar
eine sehr groBe Klebekraft besitzt, denn durch Klopfen auf das Deck-
glas kann man nur sehr schwer, oft gar nicht, die Ffiden yon den Epi¬
thelien loslfisen. Es sei hier vermerkt, daB die Ffiden, besonders die
kurzen Stticke und die Hormogonien, bei sehr intensiver Methylenblau-
fiirbung auf den ersten Blick sehr den lfinglichen Kernen zerfallender
Mundschleimhautepithelzellen fihneln konnen; bei nfiherem Hinsehen ffillt
aber sofort die charakteristische enge Querstreifung der Ffiden ins Auge.
Geradezu unverstfindlich erscheint es daher, daB ein sonst so aufmerk-
samer und grfindlicher Sputumforscher wie W. Miller diese Organismen
vollig fibersehen konnte, ganz zu schweigen von den nacn Tausenden
zfihlenden Untersuchern von Sputumprfiparaten auf Tuberkelbazillen, bei
denen ja meist das zur Darstellung dieser Oscillarien so gtinstige Me-
thylenblau als Gegenffirbung benutzt wird!
Die Ernfihrung der Ffiden geht wohl sicher auf osmotischem Wege,
im wesentlichen durch die Zerfallsprodukte der Schleimhautepithelien, von
statten, sonst wfire es nicht verstfindlich, daB man manchmal nach 50—100
und melir Ffiden zfihlende Kolonien gerade hier antrifft (Fig. 2).
Irgendwelche Beweglichkeit konnte bei S. Mfllleri nicht be¬
obachtet werden. Das stimmt, wie mir Herr Dr. Schmid versichert,
ganz mit dem Verhalten der freilebenden Verwandten tiberein, wo auch
diejenigen Arten, welche an standig bewegten Orten (Wasserffillen,
Mfihlengerinnseln etc.) vorkommen, nur wenig oder gar nicht beweglich
sind; und auch in der Mundhohle haben wir ja durch die ununter-
brochene Speichelabsonderung einen dauernd bewegten Fltissigkeitsstrom.
Eine pathogene Bedeutung kommt Simonsiella Mfllleri wohl
nicht zu. Sie ist ein harmloser Saprophyt, wie das schou weiter oben er-
wfihnte flberwiegende Vorkommen in vollig normalen Mundhohlen beweist.
III. Simonsiella Miillerl aus Hausticren.
In der Mundhohle vom Pferd, Rind, Schwein, Ziege und Schaf sah
ich ebenfalls Oscillarienffiden vom Typus der S. Mfllleri. Sie waren
in jedem der untersuchten Tiere, und zwar in alien daraufhin durch-
musterten Ausstrichen vorhanden; demnach scheint es sich um recht
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Simons, Saprophytische Oscillarien des Menschen und der Tiere.
509
hfiufige Saprophyten zu handeln. Die untersuchten Wirtstiere zeigten
keine Verfinderungen der Mundhdhle Oder andere Krankheitszeichen.
IV. Simonsiclla crassa (G. Schmid 1922).
In Ausstrichen des Mundschleims waren in alien Prfiparaten sowohl
von Schmid als auch mir auffallend breite, nach dem Typus der S.
Miilleri gebaute Faden aufgefallen, die ersterer vorlfiufig ffir eine neue
Spezies halt. S. crassa neigt in beiden Wirteu zur Koloniebildung
auf den Epithelien ahnlich der S. Miilleri des Menschen; die Indi-
viduenzahl ist aber hier weit geringer. Harmlose Saprophyten.
V. Simonsiclla filiformis (G. Schmid 1922).
Eine sehr auffallende Form, die ich im Mundschleim von Pferd,
Rind, Schwein, Schaf und Ziege entdeckte. Die Filiform is-Faden
sind nach Ansicht von Schmid wohl Bruchstiicke eines langen Fadens,
der an den verschiedenen Stellen seines Verlaufes eine sehr wechselnde
Breite hat. Die Faden laufen verschmaiert in eine Spitze aus. M8g-
licherweise liegt hier eine ganz neue Gattung vor. Da aber voriaufig
der Verdacht nahe liegt, daB S. Miilleri der Hormogonienzustand von
S. filiformisi st, soli der Typus filiformis einstweilen in Gattung
Simonsiella eingereiht werden, bis durch Kulturversuche hierflber
Klarheit besteht (Fig. 3).
VI. Simonsiellen aus Iltihnern.
In G r a m - Praparaten, die Prof. Muller 1906 von einer Blutagar-
kultur (10 Proz. Ziegenblut) des Rachenschleims an Geflfigeldiphtherie
erkrankter Htihner angefertigt hatte, fanden sich ebenfalls groBe Massen
einer neuen Oscillarienart. Sie wurde bei nachtraglich vorgenommener
Umfarbung mit Boraxmethylenblau besonders gut dargestellt. Die Faden
besitzen ungefahr den Bau und die GroBe von Simonsiella Mulleri.
Auffallig war die Bildung sehr zahlreicher, auBerordentlich kleiner Hor-
mogonien. In dieser Tatsache glaubt Dr. Schmid nach seinen Erfah-
rungen bei grfinen Oscillarien ein Zeichen ungiinstiger Lebensbedingungen
zu erblicken, nicht etwa eine eigentliche Degeneration. Es lag in diesen
Blutagarausstrichen schon beinahe eine Reinkultur vor, in dem die Bak-
terien gegeniiber den Algenfaden an Zahl ganz besonders zurtlcktraten
und in vielen Gesichtsfeldern sich sogar flberhaupt keine Bakterien
fanden (vgl. auBerdem weiter oben die Ausffihrungen von Prof. Muller).
Sehr wahrscheinlich liegt auch hier wieder ein neuer Vertreter der Gat¬
tung Simonsiella vor, den Dr. Schmid spater noch naher unter-
suchen wird.
AuBer diesen ungefahr nach dem Typus der Simonsiella Mfllleri
gebauten Faden fand ich neuerdings im Rachenschleim normaler Htihner
noch eine nach dem Typus der S. filiformis gebaute Art.
Soweit meine Notizen flber diese neuen farblosen Oscillarien, die
hauptsachlich dazu dienen sollten, den Lesern dieser I. Abteilung, falls
sie bei ihren Untersuchungen einmal diesen eigentflmlichen Organismen
begegnen, eine kurze Aufkiarung fiber deren Systematik und Morpho¬
logic zu geben. Wer sich ffir diese Organismengruppe vom Standpunkte
des Protistenforschers weiter interessiert, wird darflbcr alles Nfihere in
einer zytologisch, systematisch und phylogenetisch ausftihrlichen Abhand-
lung von Herrn Dr. Schmid in den nfichten Heften des Arch. f. Pro-
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510 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6.
tistenkunde finden. Dort wird auch noch fiber neue Blaualgen aus dem
Mund von Esel, Elefant, Nilpferd, Affe u. a. berichtet werden.
Am Schlusse dieser Ausffihrungen mochte ich es nicht versaumen,
Herrn Prof. Reiner Mfiller ffir seine liebenswfirdige Bereitwilligkeit,
mit der er mir seine Prfiparate und die Mittel seines Instituts zur Ver-
ffigung stellte und seine Unterstfitzung bei der Herstellung der Mikro-
photogramme und Herrn Privatdozent Dr. Gfinther Schmid ffir seine
groBe Mfihe bei der Durchsicht meiner Prfiparate sowie zahlreiche Lite-
raturangaben und Anregungen bestens zu danken.
Xiiteratnr.
Breilovsky-Lounkevitsch, W. A., Contribution 4 l’6tude de la flore micro-
bienne habituelle de la bouche normale (nouveau-n^s, enfants, adults). (Ann. de I’lnst.
Pasteur. T. 29. 1915. p. 379.) — Chatton, E., et Pdrard, Ch., Schizophvtes du
caecum du cobaye. I. Oscillospira Guiellermondi n. g. et n. sp. tCompt. rend.
Soc. de Biol. Paris 1913. p. 1159—1162.) — Harder, R., Referat fiber die Arbeit von
H. Simons. (Zeitschr. f. Botan. 1920. S. 682—683.) — Muller, Reiner, Zur Stel-
lung der Krankheitserreger im Natursystem. (Mfinchen. med. Wochenschr. 1911. S. 227.)
— Phillips, O. P., A comparative study of the cytology and movements of the
Cyanophyceae. (Contrib. Univers. of Pennsylvania. Vol. 2. 1903. Nr. 3.) — Schmid,
Gfinther, Ueber Organisation und Schleimbildung bei Oscillatoria Jenensis und das
Bewegungsverhalten kUnstlicher Teilstficke. (Jahrb. wise. Bot. Bd. 60. 1921.)— Simons,
Hellmuth, Eine saprophytische Oscillarie im Darm dee Meerschweinchens. (Centralbl.
f. Bakt. Abt. II. Bd. 50. 1920. S. 352.) — Ders., Ueber Selenomonas palpitans
n. sp. (Ebenda. Bd. 87. 1921. H. 1.)
Naohdruok verboten.
Zur farberischen Darstellung der Kapselbakterien.
[Aus dem Institut ffir Hygiene und Bakteriologie der Universitfit Bonn
(Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. R. O. Neumann).]
Von Privatdozent Dr. F. W. Bach.
Die von Gins 1 ) angegebene Darstellung der bekapselten Bakterien
durch Verreiben in Tusche und nachfolgender Ffirbung mit Karbol*
thionin (oder auch mit anderen, sonst fiblichen Farben, wie Fuchsin usw.)
veranlafit mich, folgendes von mir verwendetes Verfahren bekannt zu
geben:
Es handelt sich hierbei urn 2 miteinander kombinierte Verfahren:
1) um die von Benian 2 ) ffir die Darstellung von Spirochaten ange¬
gebene Negativfarbung mit Kongorot-Salzsfiurealkohol und 2) um ein
von Hibma 3 ) zur gleicbzeitigen Entfarbung und Farbung von Tuberkel-
bazillenprfiparaten verwendetes Wasserblau- Salzsfiurealkoholverfahren.
Da Wasserblau ein Farbstoff ist, der bei Anwesenheit von Salzsaure
und Alkohol alle Bakterien gut farbt, so wird bei der Kombination
beider Verfahren einzeitig eine Negativ- und Positivfarbung erzielt.
Im einzelnen gestaltet sich die Farbung folgendermaBen: Das be-
treffende Bakterienkulturmaterial wird in fiblicher Weise auf dem Ob-
1) Gins, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 52. 1909. S. 620.
2) Zit. nach Edm. Hofmann, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. 1921.
S. 134.
3) Hibma, Dtsch. tierarztL Wochenschr. 1921. S. 43.
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A tan ns off, Ein neues Reagenzglas.
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jekttr&ger in einem Tropfchen Wasser aufgeschweramt und mit einem
(ebensogroBen) Trfipfchen einer 2-proz. wfisserigen Kongorotlosung gleich-
rafiBig dflnn verrieben. Nach dem Lufttrockenwerden wird das
Prfiparat mit einem Gemisch von Wasserblaulosung und Salzsaurealko-
hol fibergossen (10 ccm 1-proz. wfisserige Lfisung von Wasserblan
(Grfibler) + 100 ccm einer Mischung von 3 ccm Salzs&ure und 97 ccm
Alcoh. abs.). Nach kurzer Einwirkung lfiBt man die Farbe ablaufen
(kann wieder verwendet werden), ohne daB man mit Wasser spfilt,
sondern lfiBt nur lufttrocken werden. Durch dieses Verfahren wird das
Kongorot unter dem EinfluB der SalzsSure blau und fest und die in
der Kapsel liegenden Bakterien werden vom Wasser blau gefarbt.
In erster Linie eignet sich Kulturmaterial fur die F&rbung. Mit
den bekannten Kapselbildnern (z. B. Bact. pneumoniae Friedl.,
Sarcina (Micr.) tetragena u. a.) bekommt man auBerordentlich
schfine Bilder. Vorsicht ist bei der Beurteilung der mit Vertretern
der Nichtsporentrager hergestellten PrSparate geboten wegen des Auf-
tretens von Retraktionszonen, die Kapseln vort&uschen konnen. Bei
der Kokken-, Sporentrager-, Vibrionengruppe ist dies nach meinen Be-
obachtungen kaum oder nur sehr geringgradig der Fall. Die Kontrak-
tilitat des Bakterienkorpers gewisser Arten (ich lasse dahiDgestellt, ob
es sich in alien Fallen urn eine ektoplasmatische Schleimschicht handelt)
ist bei der beschriebenen Farbung besonders gut zu beobachten, Bilder*
wie die von Heim 1 ) verfiffentlichten, finden sich in auBerordentlicher
Scharfe wiedergegeben. Soweit diese Erscheinung ein Nachteil ist, teilt
das Verfahren ihn aber auch mit der von Gins beschriebenen Tusche-
methode.
Nach drunk verboten.
Ein neues Reagenzglas.
[Aus dem Phytopathologischen Institut Wageningen, Holland.]
Von Dr. D. Atanasoff.
Mit 1 Abbildung im Text.
Die kurzen Ausfiihrungen Fornets*) und KaSpareks 8 ) fiber die
von ihnen gebrauchten neuen Reagenzglaser veranlassen mich, hier ein
anderes Reagenzglas zu beschreiben, das ich mir vor mehreren Jahren
machen lieB und das sich als sehr praktisch und nfltzlich erwiesen hat 4 ).
Bei den Kulturen von Mikroorganismon, besonders von Pilzen, be-
gegnet man oft Schwierigkeiten, weil die Kulturen zu schnell austrocknen,
gewfihnlich lange bevor sich die ganze Entwicklungsgeschichte des be-
treffenden Organismus vollzogen hat, u. a. noch vor Bildung und Reifung
von Fruchtkorpern. In Bakterienkulturen h5rt das Wachstum bald auf,
1) Heim, Lehrb. d. Bakteriol. 5. Aufl. 1918. S. 172.
2) For net, W., Ein praktisch es Reagenzglas. (Centralbl. f. Bakt. Abt I. Orig.
Bd. 86. 8. 606-608)
3) Kasparek, T., Bemerkungen zum Artikel n Ein praktischcs Reagenzglas”.
(Ebenda. Bd. 87. 1921. 8. 319 - 320)
4) Atanasoff, D., Fusarium-blight (scab) of wheat and other cereals. (Journ.
of Agric. Res. Vol. 20. 1920. p. 1-32. fig. 2.)
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512
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 6.
oft wegen AnhSufung voo Toxinen, selbst in ganz frischen und jungen
Kulturen. Um diese beiden Nachteile beseitigen zu konnen, war es
nOtig, ein besonderes Reagenzglas raachen zu lassen, welches im 1. Fall
die Kulturen fflr lange Zeit, wenn ndtig selbst l&nger als 1 Jahr, feucht
halt und im 2. Fall durch Diffusion die schnelle An-
hdufung von Toxinen unmbglich macht.
Das Reagenzglas besteht aus einem gewohnlichen
Reagenzglas, an dessen unterem Ende ein birnfor-
miges Glas mit der Spitze nach unten angebracht ist,
wie es die Figur zeigt. Fiillt man das Reagenzglas zu
Vs mit Wasser, so daB die Birne ganz voll ist, so
sinkt das Wasser aus der Birne in die Rohre uur
so schnell, als es aus letzterer verdampft. Will man
nun Pilze zuchten, so bringt man, wie es jetzt iiblich
ist, in jedes Glas ein oder mehrere Krautstengel, Baum-
astchen oder Stuckchen Holz. Die Glaser werden mit
Watte zugestopft und sterilisiert. Wird fiir die Ste¬
rilisation ein Autoklav gebraucht, so muB man den
Dampf nach der Sterilisation allmahlich abschlieBen,
weil eine rapide Erniedrigung des Druckes das Wasser
aus der Birne nach der RShre zieht. Wiinscht man
Pilze oder Bakterien auf Agarn&hrboden zu zuchten, so
fiillt man die Birnen der Reagenzglaser mit Wasser, ebenso die Rohrchen
bis an die Birnenoffnung; auf den Boden des Reagenzglases legt man
etwas Watte, die bis iiber die Birndffnung reichen muB, die Reagenz¬
glaser werden dann mit Watte zugestopft und sterilisiert. In die so
vorbereiteten Reagenzglaser gieBt man dann den notigen Nahrboden ein
und lafit sie schief liegen, bis der Nahrboden hart wird. So gefullte
Reagenzglaser gebraucht man weiter wie die gewohnlichen Reagenz¬
glaser. Man kann sie auf gewohnliche Reagenzglasstander stellen, nur
ist es nbtig, daB die Locher des Standers etwas breiter sind. Die R6hre
des Glases wird von unten nach oben durch das Loch gesteckt und
das Glas dann in den Reagenzglasstander gebracht.
Etwas grofiere Vorsicht ist notig beim Arbeiten mit diesen Glasern,
demgegenfiber steht aber der groBe Vorteil, daB man nach dem Impfen
keine Arbeit mehr hat und daB man solche Kulturen ohne weiteres
monate, ja selbst jahrelang stehen lassen kann.
Inhalt.
Atanasoff, A., Ein neues Reagenzglas. Levens, Erich, Kritische und experimen-
Mit 1 Abbildung im Text, S. 511. telle Beitrage zur Bakteriologie des Ge-
Bach, P. W., Zur farberischen Darstel- burtsrauBchbrandes beim Rinde, S. 474.
lung der Kapselbakterien, S. 510. Olitzki, Leo, Ueber die kulturelle und sero-
Becker, Rudolf, Der Genitalapparat der logische Unterscheidung des Bacillus
Pferdebandwiirmer. Mit 1 Abbildung breslaviensis vom Paratyphus fi¬
lm Text, S. 483. Bazillus, S. 460.
Bitter, Ludwig, Zur Unterscheidung der Otto, R., u. Chou, C. C., Ueber dieWider-
Erreger vou Enteritis- und Paratyphus- standsfiihigkeit des Fleckfiebervirus im
erkrankungen. Mit 1 Abbildung im Text, Meerschweinchengehirn, S. 467.
S. 435. Pfeiler, W., u Goerttler, V., Die Rausch-
v. Gutfeld, Pritz, Ueber die Herstellung, branddiagnose durch einen komplizierten
Priifung und Verwcndbarkeit haltbarer Tierversuch, dargestellt an einem Falle
Typhus- und Choleraimpfstoffe (Trocken- aus der Praxis, S. 472.
impfstoffe), S. 455. Simons, Hellmuth, Saprophytische Oscil-
Kodama, H., Ein neuer elektiver Niihr- larien des Menschen und der Tiere. Mit
boden fiir Choleravibrionen, S. 433. 3 Abbildungen im Text, S. 501.
Frommannscho Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena.
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Centralbl. f. Bakt etc. I. Hist. Originate. Bd. 88. Heft IjO.
Ausgegeben am 1. September 1922.
Eine neue biologische Reaktion der Choleravibrionen.
[Aus dem Institut fur Hygiene und Bakteriologie der Medizinischen
Hochschule in Kanazawa, Japan.]
Von H. Kodaina und H. Takeda.
Obwohl schon friiher einige Forscher fiber die Produktion des dia-
statischen Fermentes der Choleravibrionen (Bitter), der Milzbrand-
Arten der Bakterien
Triibungs-
grad der
Kultur-
Menge der
Starke in
vitro
Farbe und Niederschlag der Kultur-
fliissigkeit nach Zusatz der Lugol-
schen Losung
fliissigkeit
nach 30 Min.
nach 24 Std.
_
7-stiind. Kulturen
a
+ +
deutlich ver-
mindert
violelt und ohne
Niederschlag
violett und ohne
Niederschlag
b
V
B
dgl.
violettblau und ge-
ringer Nieder-
schlag
Choleravibrionen
c
99
99
braunlichschwarz
und ohne Nieder-
Bchlag
violett und ohne
Niederschlag
d
99
99
violettschwarz und
ohne Niederschlag
dgl.
e
99
99
braunlichschwarz
und ohne Nieder¬
schlag
weifi und ohne
Niederschlag
V. Metschnikoff
99
unverandert
Liefblau und ohne
Niederschlag
tiefblau und weniger
Niederschlag
V. Finkler-Prior
„
»>
dgl.
Niederschlag
V. Deneke
”
II
Niederschlag (?)
dgl.
Typhusbazillus '
99
99
dgl.
M
Paratyphusbazillus A
99
”
99
99
B
99
99
»»
99
Bact. coli
99
99
99
99
Bac. dysenteriae
Shiga- Kruse
+
99
99
99
Bac. dysenteriae
Flexner
M
99
99
99
Staphylococcus
pyogenus aureus
+ +
99
99
99
Miizbrandbazillus
klar
99
99
Heubazillus
+
99
99
99
Rohhefe
klar
9*
99
99
Kontrolle (Nahrfliissig-
keit)
II
99
99
Krjto Abt. Orift. BJ. 88.
lleft 7/8.
33
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514
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
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bazillen (Maunius), der Tuberkelbazillen (Fermi) usw. berichtet
haben, ist dieses Ferment doch bisher nodi nicht fur die Differential-
diagnose der Bakterien verwendet worden. Zum Zweck letzterer haben
wir folgende Versuche angestellt fiber: •
1) Zusammensetzung des Nahrbodens: Pepton (Witte) 1 g, Kar-
toffelstfirke 0,5 g, 10-proz. Sodalosung 2 ccm, Wasser 100 ccm. Je
5 ccm obiger Nfihrlfisung wurden in sterilisierte Rohrchen abgeffillt und
an 2 oder 3 aufeinanderfolgenden Tagen sterilisiert.
2) Als Reagens diente Lugolsche LSsung (Jod 1 g, Jodkali 2 g,
Wasser 100 ccm).
3) Von den zu untersucbenden Bakterien wurde aus den Agarkul-
turen je 1 Platindraht in 5 ccm der obigen Nahrlosung ausgesat und
bei 37 0 C kultiviert. Nach 7, 24, 48 Std. und nach 1 Wocke wurde die
Verminderung der auf dem Boden des Reagensglfischens befindlichen
Starke gemessen und nach Zusatz von je 5 ccm Lugolscher Losung
die Veranderung der Farbe beobachtet. Die Ergebnisse unserer Ver¬
suche sind in vorstehender Tabelle zusammengestellt:
1
Arten der Bakterien
Triibungs-
grad der
Kultur-
fliissigkeit
Menge der
Starke in
vitro
Farbe und h)iederschlag der Kultur-
fliissigkeit nach Zusatz der Lugol-
» schen Losung
nach 30 Min. nach 24 Std.
24-8tiind. Kulturen
a
+ + +
fast ver-
gelb und ohne Nie-
weifi und ohne Nie-
schwuuden
derschlag
derschlag
b
>1
dgl.
dgl.
c
braun und ohne Nie-
Choleravibrionen
derschlag
d
gelb und ohne Nie-
derschlag
e
11
11
dgl.
9
V. Metsehnikoff
deutlich ver-
violettschwarz und
violettblau und ohne
mindert
ohne Niederschlag
Niederschlag
V. Fi nkler-Prior
11
dgl.
dgl.
dgl.
V. Denekg
11
unveriindert
Niederschlag
Niederschlag
Typhusbazillus
11
r»
dgl.
dgl.
Paratyphusbazillus A
11
T1
9
9
11
B
11
9
9
9
Bact. coli
11
9
9
9
Bac. dysenteriae
Shiga-KruBe
+ +
9
9
9
Bac. dysenteriae
Flexner
>»
V
9
9
Staphylococcus
pyogenes aureus
+ + +
9
9
9
Milzbrandbazillus
klar
9
9
V
Heubazillus
+ +
9
9
9
Rohhefe
klar
»
9
9
Kontrolle (Nahrfliissig-
keit)
11
„
9
9
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Kodama u. Takeda, Eine neue biologische Reaktion der Choleravibrionen. 515
Art der Bakterien
Triibungs-
grad der
Kultur-
Menge der
Starke in
vitro
Farbe und Niederschlag der Kultur-
fliiseigkeit nach Zusatz der Lugol-
Bchen Losung
flussigkeit
nach 30 Min.
nach 24 Std.
2-tag. Kulturen
a
+ + +
fast ver-
schminden
gelb und ohne Nie¬
derschlag
weiS und ohne Nie¬
derschlag
Choleravibrionen
b
c
II
i*
dgl.
9
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V
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V. Metschnikoff
tt
n
dunkelbraun und
ohne Niederschlag
tt
V. Finkler-Prior
tt
tt
violettschwarz und
ohne Niederschlag
violettblau und ohne
Niederschlag
V. Den eke
it
unverandert
Niederschlag
Niederschlag
Typhusbazillus
a
dgl.
dgl.
dgl.
Paratyphusbazillus
A.
tt
II
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tt
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Bact. coli
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n
Bac. d ysen teriae
Shiga-Kruse
11
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tt
Bac. dysen teriae
Flexner
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S taphylococcus
pyogenes aureus
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MilzbrandbazilluR
klar
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Heubazillus
+ + +
»
V
Rohhefe
klar
7)
V
Kontrolle (Nahrfliissig-
keii)
II
n
ft
3-tag. Kulturen
a
+ + +
fast ver-
braun undohneNie-
weifl und ohne Nie¬
schwunden
derschlag
derschlag
b
11
dgl.
gelb und ohne Nie¬
dgl.
Choleravibrionen
derschlag
c
n
It
dgl.
II
d
it
tt
II
II
e
11
II
”
II
V. Metschnikoff
11
II
braun und ohne Nie¬
II
derschlag
V. Finkler-Prior
++
It
dgl.
II
V. Den eke
+++
wenig ver- j
Niederschlag
Niederechlag
mindert
33*
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516
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 7/8.
Arten der Bakterien
Triibungs-
grad der
Kultur-
Menge der
Starke in
vitro
Farbe und Niederechlag der Kultur-
flu8sigkeit nach Zusatz der Lugol-
»chen Losung
fliissigkeit
| nach 30 Min.
nach 24 Std.
Typhusbazillus
tt
unverandert
Niederechlag
Niederechlag
Paratyphusbazillus A
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dgl.
dgl.
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9
Bact. coli
it
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9
Bac. dysenteriae
Shiga-KruBe
+
n
n
9
Bac. dysenteriae
Flexner
+ +
9
9
9
Btaphylococcus
pyogenes aureus
+ + +
V
9
9
Milzbrandbnzillus
klar
n
9
9
Heubazillus
+ + +
n
9
9
Rohhefe
klar
9
9
9
Kontrolle (Nahrfliissig-
keit)
>»
9
9
9
4-tag. Kulturen
a
+ + +
fast ver-
schwunden
gelb und ohne Nie¬
derechlag
weifi und ohne Nie¬
derechlag
Choleravibrionen
b
c
II
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dgl.
II
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It
d
rt
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V. Metschnikoff
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V. Finkler-Prior
+
It
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tt
V. Den eke
+ +
wenig ver-
mindert
Niederechlag
Niederechlag
Typhu8bazillu8
+ + +
unverandert
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dgl.
Paratyphuabazillus
A
tt
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M
II
B
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II
tt
Bact. coli
it
wenig ver-
mindert
II
tt
Bac. dysenteriae
Shiga-Kruse
+
unverandert
tt
It
Bac. d ysen teri ae
Flexner
+ +
It
tt
I*
Staphylococcus
pyogenes aureus
+ + +
tt
tt
tt
Milzbrandbazillus
klar
deutlich ver-
mindert
braunlichschwarz
und ohne Nieder-
schlag
Niederechlag
braun undohneNie-
derechlag
Heubazillus
+ + +
wenig ver-
mindert
Niederechlag
Rohhefe
klar
unverandert
dgl.
dgl.
Kontrolle (Nahrfliissig-
keit)
»
tt
»»
tt
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URBANA-CHAMPAI6N
Kodama u. Takeda, Eine neue biologische Reaktion der Choleravibrionen. 517
Arten der Bakterien
Trubungs-
grad der
Kultur-
flussigkeit
Menge der
Starke in
vitro
Farbe und Niederschlag der Kultur-
flussigkeit nach Zusatz der Lugol-
schen Lbsung
nach 30 Min.
nach 24 Std.
7-tag. Kulturen
a
+
fast ver-
braun undohneNie-
weifi und ohne Nie¬
schwunden
derschlag
derschlag
b
tt
dgl.
dgl.
dgl.
c
gelb und ohne Nie¬
Choleravibrionen j
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derschlag
d
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braun und ohne Nie¬
tt
derschlag
V. Metschnikoff
M
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ohne Niederschlag
V. Finkler-Prior
>•
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gelb und ohne Nie¬
tt
derschlag
V. Deneke
+ +
deutlich ver-
violettschwarz und
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nundert
ohne Niederschlag
Typhusbazillus
+
unverandert
Niederschlag
Niederschlag
Paratyphusbazillus A
+
ft
dgl.
dgl.
„ B
+ + +
ty
yy
Bact. coli
ft
wenig ver-
tiefblau und ohne
tiefblau und ohne
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Niederschlag
Niederschlag
Bac. dysenteriae
Shiga-Kruse
+
unverandert
Niederschlag
Niederschlag
Bac. dysenteriae
Flexner
+
>»
dgl.
dgl.
Staphylococcus
pyogenes aureus
+ + +
tt
yy
»>
Milzbrandbazillus
klar
fast ver-
dunkelbraun und
dunkelbraun und
schwunden
ohne Niederschlag
ohne Niederschlag
Heubazillus
+ + +
dgl.
tiefblau und ohne
weiO und ohne Nie¬
Niederschlag
derschlag
Rohhefe
klar
unverandert
Niederschlag
N iederschlag
Kontrolle (Nahrfliissig-
keit)
i
>t
yy
dgl.
dgl.
Anmerkungen:
1) Der Niederschlag besteht aua tiefblau gefarbten Starkekfirnchen. 2) Die iiber
24 Std. alte Cboleravibrionenkultur wird stets spezifisch gelb gefarbt, selbst bei Zusatz
von 10—15 ccm Lugolscher Lfisung.
Wie die Tabelle zeigt, wurde bei den Choleravibrionen die Starke
am st&rksten uingewandelt, bei den choleraShnlichen Vibrionen etwas
schw&cher, bei den Milzbrand-. Coli- und Heubazillen nur sehr wenig;
andere Bazillen aber entfalteten Gberhaupt keine Wirkung in dieser
Richtung. Auch beginnt die Starkeumwandlung bei den Choleravibrionen
schon nach 4—5 Std. Selbst, wenn man zu 5 ccm der keimfreien
Flflssigkeit einer 24-stflnd. Pepton- Oder Bouillonkultur der Cholera¬
vibrionen 0,2—1,0 ccm einer 0,1-proz. Starkeemulsion zusetzte und bei
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518
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
37° C ca. 2 Std. stehen lieB, wurde die Umwandlung der St&rke beob-
achtet.
S c h 1 u B.
Die Untersuchung versckiedener pathogener und nicht pathogener
Bakterien hat ergeben, daB Choleravibrionen die Starke am st&rksten,
cholera&hnliche Vibrionen (von Finkler und Prior, Metschnikoff
und Den eke) weniger stark, Milzbrand-, Heu- und Coli-Bazillen nur
selir schwach umsetzen; bei anderen Bakterien aber zeigt sich diese
Wirkung nicht. Wenn man deshalb eine Probe von choleraverdSch-
tigem Kot in Starke - Pepton - Wasser 7—24 Std. lang kultiviert, und
wenn sich dann bei Zusatz von Lugolscher Losung die Flussigkeit
gelb f&rbt, so kann man das Vorhandensein von Choleravibrionen ver-
muten.
Xiiteratur.
Bitter, Arch. f. Hyg. Bd. 5. 1886. — Eijkman, Centralbl. f. Bakt. Abt. I.
Bd. 1. 1901. — Fermi, Arch. f. Hyg. Bd. 10. 1890. — Maumus, Compt. rend. Soc.
biol. 1893. p. 107. — Went, Sitzungsber. d. K&nigl. Akad. d. Wissensch. zu Amster¬
dam. Febr. 1910.
Nachdruck- cerboten.
Atypischer Paratyplius beim Huhn.
[Aus der veterinar-bakteriologischen Untersuchungsstelle der polit. Landes-
verwaltung fur Schlesien bei der Prosektur des Landeskrankenhauses in
Troppau.)
Von Staatsveterin&r Dr. med. vet. E. Jaimschke, Troppau.
Im Laufe von 14 Tagen nach Durchfiihrung der Tuberkulinkehl-
lappenprobe in einem Gefliigelbestande durch den Verf. gingen 2 Hiihner
ein, welche nicht reagiert hatten und von denen 1 zur Untersuchung
eingeliefert wurde. Der Sektionsbefund war hinsichtlich Tuberkulose
ganzlich negativ, es zeigten lediglich die parenchymatosen Organe geringe
Schwellung und der Vorderdann in ziemlicher Ausdehnung graugrline
Verfarbung (Zersetzung von Hamorrhagien).
Aus Herzblut und Leber wurde ein gramnegatives, unbewegliches
St&bchen geziichtet, das auf der Con rad i- Drigal ski-Platte in zart-
blauen Kolonien, auf der Gassnerschen Metachromgelb-Wasserblauplatte
mit gelblicher Aufliellung des Nahrbodens wachst und in den verschie-
denen Lackmus-Zucker-Nutroselosungen nach Barsiekow
folgendes Verhalten zeigt: Mannit, nach 24 Stunden: Rotung und Ge-
rinnung, Traubenzucker, nach 24 Stunden: Rotung und Gerinnung;
Milchzucker, nach 24 Stunden:' leichte Trubung, auch spiiterhin keine
Riitung und Gerinnung; Rohrzucker, nach 24 Stunden: wie Milchzucker;
Maltose, nach 24 Stunden: Rotung, Gerinnung.
Lackmusmolke wird geriitet, ohne daB innerhalb 1 Woche ein
Farbenumschlag erfolgt.
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Januschke, Atypischer Paratyphus beim Huhn.
519
In Neutralrotagar tritt Gasbildung, sowie gelbgriinliche Aufhellung
(Fluoreszenz) auf.
Im Agglutinationsversuch wird der Stamm durch Gartner-Serum 1 )
vom Esel (Titer 1:5000) in einer Verdiinnung von 1:100 ±, durch
Para-B-Eselserum *) (Titer 1:6000) bis zur Verdiinnung 1:400 +, in der
Verdiinnung 1:800 ± agglutiniert; er wird durcb Grazer Gefliigelcholera-
Hiihnertyphus-Immunserum iiberhaupt nicht beeinfluBt, dagegen durch
Typhusserum (Titer 1:6000) bis zur Verdiinnung 1:200 +, 1:400 ±
agglutiniert.
Eine Taube, mit V 2 Oese Kultur intramuskular geimpft, bleibt ge :
sund, eine Maus, mit derselben Dose intraperitoneal injiziert, stirbt inner-
halb 24 Std. Bei der Sektion besteht leichter Milztumor, mikroskopisch
lassen sich in alien Organen zahlreiche, plumpe, gramnegative, bipolar-
gefarbte Kurzstabchen nachweisen, die die Gassnerplatte aufhellen, sich
also hierin identisch mit der Injektionskultur erweisen.
Mit Riicksicht auf die Unbeweglichkeit des Bakteriums ergeben sich
bei der Artbestimmung desselben einige Zweifel; insbesondere im Hin-
blick auf den von Pfeiler beschriebenen Huhnertyphus war eine weitere
PrOfung des Stammes wiinschenswert. Auf meine Bitte iibermittelte mir
Herr Prof. Dr. med. vet. Pfeiler giitigerweise sowohl einen Original-
Hiihnertyphusstamm „Myszki u , wie eine Phiole agglutinierendes Hiihner-
typhusserum.
Der Hiihnertyphusstamm Myszki wurde durch das agglutinierende
Hiihnertyphusserum (Titer 1:2000) bis zur VerdiiDnung 1:800 + + und
1:1600 ±, der eigene Stamm, der nach seinem Herkunftsort Leitersdorf
benannt sei, dagegen iiberhaupt nicht agglutiniert.
In Lackrouszuckernutroselosung verhielt sich der Stamm Myszki
folgendermafien: Manuit, nach 24 Std.: Rotung, Triibung, nach4Tagen:
Gerinnung; Traubenzucker, nach 24 Std.: Gerinnung; Milchzucker, nach
24 Std.: leichte Triibung, nach 4Tagen: leichte Triibung, nach 9Tagen:
schwache Rotung; Rohrzucker, nach 24 Std.: leichte Triibung, nach
4 Tagen: ganz schwache Rotung, nach 9 Tagen: starkere Rotung; Maltose,
nach 24 Std.: R6tung. nach 9 Tagen: Rotung; Lackmusmolke zeigt nach
24 Std. Rotung, welche dauernd bleibt.
Der Hiihnertyphusstanm Myszki unterscheidet sich also zunSchst
durch seine relativ hohe Agglutination durch spezitisches Serum von dem
Stamm Leitersdorf, der nicht beeinfluBt wurde. (Von Typhus unter¬
scheidet sich der Stamm Myszki nach 24 Std. lediglich durch die Rotung
der Maltose-Nutroselosung, die bei Typhus nicht auftritt.)
Es war also zun&cht erwiesen, daB der Pfeilersche Hiihnertyphus
nicht vorlag. Das Verhalten d^s Stammes Leitersdorf in den 5 auf-
gezahlten Barsiekowschen LackmuszuckernutroselOsungen und in
Lackmusmolke stimmt mit dem Verhalten des echten Paratyphus B und
der Pseudodysenteribazillen vom Typus Flexner vollig iiberein. Die
Zerkliiftung und griingelbliche Aufhellung von Neutralrotagar ist jedoch
lediglich ein Merkmal von Paratyphus B, w&hrend die FI ex ner-Bazillen
diesen Nahrboden unveriindert lassen. Andererseits ist der Stamm Leiters¬
dorf im Gegensatz zur Paratyphusgruppfi gleich den Ruhrbazillen un-
beweglich und behait diese Eigenschaft auch bei Zdchtung in flttssigen
NShrmedien. Die Agglutination durch Para-B-Serum erfolgte, obwohl
1) Aus der Veteriniirabteiiung des Reichsgesundheitsamts durch giitige Verraitt-
limg von Herrn Reg.-Rat Dr. med. vet. Zeller.
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520 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
von alien gepriiften Seren am hbchsten, weitaus nicht bis znr Titergrenze.
Es wurde daher noch die AgglutinabilitSt des Stammes durch Dysenterie-
Flexner-Serum (Titer 1:4000) gepruft. Er blieb in s&mtlichen Ver-
diinnungen von 1:50—1:3200 unbeeinfluBt.
Nach den Literaturangaben wurde der Bac. paratypbosusB als
Krankheitserreger bei Gansen (Pfeiler, Manninger, Reinhardt),
Tauben und Enten (Reinhardt, Manninger, Zingle), Kanarien-
vogeln (Joest, Pfeiler) und TruthOhnern (Pfaff) und in einem (von
Pfeiler und Rehse beschriebenen) sporadischen Falle auch beim Huhn
gefunden. Nicht in alien Fallen ist die Beweglichkeit der herausge-
ziichteten Bazillen ausdrficklich erw&hnt. Nach Pfeiler handelt es sich
bei alien Tierinfektionen mit Bazillen aus der Paratyphusgruppe — aus-
genommen den Bac. typhi gallinarum — um bewegliche Formen.
Pfaff weist jedoch darauf hin, daft die Erreger der von Dodd als Para-
typhusinfektion beschriebenen Truthiihnerseuche unbeweglich waren.
Der vorstehend beschriebene Stamm Leitersdorf ist hier anzureihen
und nach seinen Eigenschaften mit Riicksicht auf die fehlende Beweglichkeit
als ein atypischer Bac. paratyphi B zu bezeichnen; es durfte berechtigt
sein, diese Abweichung als Uebergangserscheinung zur Gruppe der
Pseudodysenteriebazillen aufzufassen.
Schlieftlich sind noch einige Bemerkungen uber den urs&chlichen
Zusammenhang zwischen den gefundenen Bazillen und dem Tode des
Huhnes am Platze. Der Annahme einer postmortalen Einwanderung
der Stabchen steht zunachst das Fehlen jeder anderen Krankheits- und
Todesursache, dann die in der kalten Jahreszeit (Anfang Febr. 1922)
innerhalb 24 Std. nach dem Tode durchgefuhrte Sektion, der pathologisch-
anatomische Befund einer Enteritis mit septikamischen Erscheinungen
und die Gewinnung einer Reinkultur aus dem Herzblut, sowie zum Teil
auch die erwiesene Pathogenitat der isolierten Bazillen fur weifte Miiuse
entgegen. Allerdings trat die Infektion nur sporadisch auf und da der
erste der beiden eingangs erw&hnten Todesf&lle nicht zur Untersuchung ge-
langte, kann nicht behauptet werden, daft er auf die gleiche Ursaclie
zuruckzufiihren sei. YVeitere Todesf&lle traten nicht auf. Es gelingt
jedoch auch experimentell ein Infektion des Haushuhnes mit Paratyphus B
nicht oder nur schwer (Reinhold, Pfeiler und Rehse, Pfaff) und
Pfeiler u. Rehse haben beziiglich ihrer ebenfalls nur sporadischen
Beobachtung einer echten Paratyphus-B-Infektion beim Huhn dieMeinung
ausgesprochen, das die Infektion spontan infolge einer Schadigung der
Widerstandsffthigkeit zustande gekommen ist. Vielleicht kann in dem vor¬
stehend beschriebenen Fall die erfolgte Tuberkulinisierung als dieses
schadigende und die verrautlich vom Darm aus erfolgte Infektion aus-
losende Moment gelten.
Zusammenfassung.
Aus Herzblut und Leber eines sporadisch eingegangenen Haushuhnes
wurde ein gramnegatives Stabchen isoliert, daft sich auf der Drigalski-
Conradischen Blau- und der Gassnerschen Griinplatte, sowie in
Mannit-, Trauben-, Milch-, Rohr- und Malzzuckernutroselosung und Lack-
musmolke wie der Bac. paratyphosus B oder der Bac. dysen-
teriae Flexner verhalt, sich aber von jenem durch die raangelnde
Eigenbewegung, von diesem durch Gas- und Fluoreszenzbildung in Neutral-
rotagar unterscheidet. Durch Para-B-Serum wird der Stamm bis zur
Verdiinnung 1:400 deutlich agglutiniert, durch Dysenterie-Flexner-Serum
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Shiga, Zur Frage der Aetiologie der Ozana.
521
nicht beeinfluBt. Er kann, wahrend beim Bac. gallinarum Pfeiler
die Verwandtschaft zum echten Typhusbazillus mehr hervortritt, als
Uebergangsform von den Paratyphus- zu den Pseudo-
dysenteriebazillen gelten.
Die vereinzelte Infektion ist moglicherweise auf die vorhergegangene
Tuberkulinisierung als das schadigende und auslosende Moment zuriick-
zuflihren.
Fur die Durchfuhrung der Untersuchung standen mir die Arbeits-
behelfe der Prosektur zur Verfiigung, wofur ich dem Prosektor Herrn
Dozenten Dr. med. Materna auch hier verbindlichsten Dank ausspreche.
Liter ator.
Pfeiler, Durch Paratyphazeen bedingte Tierkrankheiten. (Weichardte Ergebn. d.
Hyg. etc. 1919. Bd. 3.) — Ders., Tierpathogene Erreger der Paratyphusgruppe. (Fried-
berger-Pfeiffer, Lehrb. d. Mikrobiol. 1918. Bd. 2.) — Pfeiler u. Stand fuss, Kasuistische
hakteriol., path.-anat., sowie experiro. Untersuchungen iiber H iihnertyphus. (Arch. f. w.
u. pr. Tierheilk. Bd. 45. 1919. H. 3/4.) — Pfeiler u. Rehse, Ueber das Vorkommen
der Bakterien aus der Gruppe der Fleischvergifter bei Vogeln. Paratyphus-B-lnfektiou
beim Huhu. Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Grig. Bd. 68. 1913. H. 2.) — Lerche, Zwei
Falle von atypischem Paratyphus bei Huhnern (Pfeilers Hiihnertyphus). (Dtsch. tier-
arztl. Wo. 1921. Nr. 21.) — Pfaff, Eine Truthiihnerseuehe mit Paratyphusbefund.
(Ztschr. f. Infektkrkh. etc. d. Haust. Bd. 22. 1921. H. 3/4.) — Kruse, Ruhrbazillen.
(Friedberger-Pfeiffer, Lehrb. d. Mikrobiol. Bd. 2. 1918.)
Nachdntck verboten.
Zur Frage der Aetiologie der Ozana.
[Aus dem staatlichen Serotherapeutischen Institute in Wien.]
Von Dr. med. Mitsuo Shiga, Kobe, Japan.
Wenn auch der klinische Begiff der genuinen Ozana heute mehr oder
weniger gekl&rt erscheint, besteht im Gegensatze dazu liber die Aetio-
logio dieser Erkrankung, deren vorwiegende Symptome durch Schwund
der dunnen Nasenknochen, durch den spezifischen Fotor, die dicken,
grunlichen, stinkenden Krusten und Borken charakterisi&rt sind, noch
vollige Unklarheit, Oder besser gesagt, es ist zu keiner Uebereinstimmung
in den Auffassungen gekommen. in neuester Zeit tritt allerdings die
Auffassung immer mehr in den Vordergrund, daB die genuine Oziina
doch eine Infektionskrankheit sei, verursacht durch spezifische Erreger,
die wahrscheinlich gleichzeitig auch die Ursache des flir die Oziina so
charakteristischen iiblen Geruches seien. Es wiirde zu weit fGhren, alle
verschiedenen Theorien Uber die Entstehung der OzSna hier anzufiihren.
Diesbezuglich sei auf die verschiedenen Arbeiten, besonders jene von GroUkopf-
A lexander und Hofer, hingewiesen und hier nur kurz auf jene Theorien eingegangen,
die sich rait der Ozana als einer Infektionskrankheit beschaftigen. Als erster hat be-
kanntlich L6wenberg einen Bacillus mucosus beschrieben, der die Ursache der
Ozanaerkrankungen sein soli, und der gleiche Bazillus wurde spater auch von Abel
aufgefunden und als Bacillus mucosus ozaenae bezeichnet. Im wesentlichen
charakterisiert sich dieser Bazillus Lo wen berg- Abel als eine Varietat des Fried-
landerschen Bazillus, mit alien wesentlichen und wicbtigen C'harakteren desselben.
Dieser Bazillus hat aber nach Angabe der Autoren mit dem widrigen Fotor und mit
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522
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
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der Krustenbildung als solcher unmittelbar nichts zu tun. Diese beiden Krankheits-
erscheinungen seien mehr oder weniger verursacht durch Begleitbakterien, die sekundar
das im Gefolge der Atrophie der Schleimhaute auftretende zahe Sekret unter Gestank
zersetzen. Nur in eiuem einzigen Falle wird von einein spateren Nachuntersucher,
Cozzolino, dieser Geruch auch in Kulturen des B. mucosus Abel-Lowenberg
gofunden, doch sind diese Angabeu vbllig vereinzelt geblieben. Die Richtigkeit der
Auffassung, dafi die Ozana eine Infektionskrankheit sei, wurde aber am wahrschein-
lichsten durch die von Perez erhobeneu Befunde gemacht, die Lhrer Wichtigkeit halber
in Kurze hier wiedergegeben seien.
Perez fand boi Untersuchungen der Ozana neben einer Reihe von Bakterien und
Kokkenarteu ein kleines Stabchen, das er Coccobacillus foetidus nannte. Er
charakterisiert seinen Mikroorgauismus ira wesentiichen als grainnegativ, unbeweglich,
von Gestalt eines Coccobacillus, der auf Agar auch zu langeren Formen anwachst,
also polymorph und im allgemeinen leicht auf den allgemeinen Nahrboden zu ziichten
ist. Er triibt die Bouillon ohne Hautchenbildung und bildet Iudol. Auf Agarplatten
erscheinen die Kolonien teds klein, opak, tiefer liegend, teils rund, durchscheinend bis
weidlich an der Oberflache. Das Wachstum auf der Gelatine ist sehr zart, Verfliissigung
tritt niemals ein. Auf der Kartoffel wachst der Bazillus gut, ebenso auf erstarrtem
Serum. Die Milch wird niemals koaguliert, ofters tritt Alkalibildung in Erscheinung.
Harn wird unter Bildung von Ammoniak zersetzt, und in fliissigen Kulturen findet sicn
stets der fiir die Ozana so charakteristische Gestank.
Dieser Coccobacillus ist fiir Meerschweinchen und Mause pathogen, die Er-
krankung verliiuft bei intraperitonealer oder iutraveuoser Injektion unter dem Bilde
einer hiimorrhagischen Septikamie. Eine ganz besondere Empfindlichkeit zeigt das
Kaninchen. Bei subkutaner Injektion entstehen schwere Abszesse, am Ohr injiziert,
breitet sich die Infektion erysipelartig aus, und bei intravenoser Einverleibung sehen
wir Erscheinungen auftreten, die auBerordentlich charakteristisch sind. Es tritt zunachst
eine starke, eitrige Sekretion aus der Nase auf, die bei richtiger Wahl der Dosis der
Injektion und damit zusammenhangender laugerer Dauer der Erkrankuug zum kon-
sekutiven volligen Schwund dcs Knochengeriistes der vorderen Nasenmuschel fiihrt.
In diesem Sekrete laSt sich der Coccosbacillus hiiufig, oft sogar in lleinkulturen,
nachweisen. Er wird also sozusageu durch die Nasenschleimhaut ausgeschieden, was
Hofer als Rhinophilie bezeichnet.
Haufig treten eigenturaliche bilateral-symmetrische Nekrosen an beiden Ohren auf
und die Tiere magern trotz erhalteuer FreSlust. crheblich ab, bis sie dann der friihzeitig
fortschreitenden Kachesie erliegen. Sterben auf grofiere Dosen die Tiere frtiher, dann
findet man nur Pericarditis mit Exsudat, Kongestion der Lungen und Ekchymoseu in
der Trachea. Manchmal kommt es zu AbszeSbildungen mit Fistelgangen auf dem
Nasenriicken.
Perez, der eine grofie Anzahl von ozanakranken Menschen und auch verschiedene
Tiere, die mit dem Menschen in unmittelbarer Beruhrung stehen, untersuchte, fand
seinen Bazillus immer nur bei der ausgesprochenen, klinisch sichergestellten Erkraukung,
die durch Atrophie der Schleimhaute und den spezifischen Fotor charakterisiert war,
und auffallenderweise auch im Sekret und Speichel des gesunden Hundes.
Aus den zahlreichen Ergebnissen seiner Untersuchungen sucht Perez den Nach-
weis zu erbringen, daB die Erkraukung, besonders in ein- und derselben Familie, durch
innigen Kontakt (Contagion familiale ou affectueuse) der Familienmitglieder, aber auch
direkt durch Uebertragung vom Hunde zustandekomme, also eine Infektionskrankheit
sui generis sei. Den haufigen Befund des Bacillus Abel-Lowenberg erkliirt
Perez zufolge einer Art Symbiose, die diesen Bazillus mit dem von ihtn als Erreger
der Ozana beschriebenen vergesellschaftet und verbindet.
Perez weiet ausdriicklich auf die grofien Schwierigkeiten hin, die sich der Zuch-
tung entgegenstellen, insbesondere durch das Vorkommen gewisser Bakterien in der
Nase, die bei nicht exakter und genauester Untersuchung leicht zu Fehldiagnosen
fiihren kdnnen.
Die Perezschen Untersuchungsergebnisse wurden eingehend von Hofer nach-
gepriift, und nicht nur deren Richtigkeit bestatigt, sondern auch in weitgehendstem
Ma6e noch erganzt. Hofer, der in der Lage war, diese Frage sowohl klinisch, bak-
teriologiseh als tierexperimentell zu priifen, ist dadurch heute neben Perez zum wieh-
tigsten Verfechter der infektiosen Aetiologie der Oziina und des Perezschen Bazillus
geworden.
Abgesehen von den Gegnern der Infektionstheorie, die die Ursache der Ozana auf
eine Trophoneurose, angeborene MiSbildung oder auf hereditare Lues zuriickfuhren, hat
die Perez-Hofersche Infektionstheorie mit dem spezifischen Erreger, dem Cocco¬
bacillus foetidus. auch unter den Anhangern der Infektionstheorie Widerspruch
hervorgerufen. Von iiltereu Untersuchern erblicken Pes und Gradenigo, ferner
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Shiga, Zur Frage der Aetiologie der OzaDa.
523
della Vedova und Belfanti, Griinwald und Waldmann in den von ihnen
geziichteten Pseudodiphtherie- oder Proteuebazillen die atiologische Ursache der Ozana,
und andere Forscher wieder halten den Perez eehen Coccobacillu6 fiir eine Varietat
des B. mu cos us oder B. proteus, kurz, es besteht auch unter den Anhangern der
Infektionstheorie keine eiDheitliche Auffaesung.
Deshalb war es wohl von Wert, dieser Frage neuerlich naherzutreten
und das mir so reichlich zur Verfugung stehende Material auszunutzen.
Es liegt in der Natur der Sache, daB ich bei meinen Untersuchungen
zunachst die Angaben von Perez und Hofer nachzupriifen bestrebt
war und darauf hinzielte, den Coccobacillus foetidus in seiner
Aetiologie zu erforschen, weil von den Ergebnissen aller Autoren die
von Perez inir als die abgeschlossensten und ausfiihrlichsten erschienen.
Denn der von ihm gefundene Erreger soli nicht nur Trager des spezi-
fischen Fotors der Ozana sein, sondern auch in dem empfSnglichen
Versuchstiere, dem Kaninchen, eine der Ozana analoge Krankheit her-
vorrufen. Die dagegen vorgebrachten Einwendungen und Ablehnungen,
wenn sie bloB deshalb erfolgten, weil diese Versuche, wenn sie gelingen,
in der Nase niemals zu Krusten- und Borkenbildung wie beim Menschen
fiihren, sind von der Hand zu weisen, da wir ja geniigend menschliche
Erkrankungen kennen, die, auf das Tier iibertragen, langst nicht so
weitgehende Uebereinstimmuug bringen, wie gerade die mit dem Perez-
schen Bazillus beschriebene und experimented erzeugte Rhinitis der
Kaninchen.
Den eigenen Versuchen will ich noch vorausschicken, daB ich eine
Reihe seinerzeit von Perez und Hofer geztichteter Stamme nach-
gepriift habe und im wesentlichen alle von diesen Autoren gemachten
Angaben iiber die Morphologie, Biologie und kulturellen Eigenschaften
dieser Stamme best&tigen kann.
Eigcne Untersuchungen.
Im Verlauf von 8 Mon. habe ich eine groBe Anzahl von OzSna-
fallen, die mir von der hiesigen Universit&tsklinik von Prof. Hajek,
und der Poliklinik von Prof. Marschik zur Verfugung gestellt wurden,
ferner sogenannte Grenzf&lle, Koryzen und chronischen Atrophien etc.,
untersucht.
Ich hielt mich zunSchst streng an die von Perez und Hofer an-
gegebene Technik, die wegen der grofien Aehnlichkeit der Agarkulturen
des Coccob. Perez und des B. mucosus darin besteht, moglichst
viele einzelstehende Kolonien der Platte abzuimpfen, die so angelegten
Bouillonrohrchen auf Geruch zu priifen und die typisch ricchenden
Kulturen dann mit spezifischem Immunserum nach der Hoferschen
Methodik zu identifizieren,
Trotz groBen Aufwandes an Zeit und Material konnte ich anfangs
zu gar keinem befriedigenden Ergebnis gelangen; in der weitaus iiber-
wiegenden Mehrzahl erwiesen sich die so gewonnenen Kulturen als B.
mucosus Abel. Gelegentliche Befunde waren uberdies Staphylo¬
coccus albus, aureus, Micrococcus tetragenus, catarrhalis,
Streptokokken, G ram-positive Bazillen, Subtilis, Mesentericus,
Pyocyaneus, Proteus, Liquefaciens, Paracoli und Coli;
Pseudodiphtheriebazillen wurden ebenfalls, aber nur ganz vereinzelt, ge-
funden, im Gegensatze zu anderen Angaben.
Ausdriicklich sei festgestellt, daB ich das Vorkommen des B. m u c o s u s
Abel in Uebereinstimmung mit den Angaben von Thost wiederholt
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524 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
auch bei anderen Erkrankungen der Nase, wie einfachen Rhinitiden,
Nasendiphtherien etc., also bei Erkrankungen, bei denen kein Verdacht auf
Ozana vorlag, im Sekrete feststellen konnte, doch babe ich nicht gepruft,
ob diese Personen mit Ozanakrankeu in Kontakt gestanden batten, was
nach der Perezschen Theorie die Ursache fiir diese Befunde sein soil.
Ich habe mich dann dem Tierversuche zugewendet, in der Hoffnuug,
auf diese Weise nach dem von Perez und Hofer empfohlenen Ver-
fahren, aus den eitrigeu Sekreten der Nase den Coccobacillus zfichten
zu konnen. Derartige eitrige Katarrhe bei den Versuchstieren habe
ich wiederholt durch Einspritzung von Bouillonmischkulturen aus Ozana-
krusten erzielen konnen, aber die Isolierung des Perezschen Bazillus
ist mir zunachst (allerdings in einer sehr beschrankten Versuchsreihe)
nicht gelungen.
Da ich in diesen Nasensekreten wiederholt auf einen dem Abel-
Lfiwenberg nahestehenden Ivapselbazillus gestoBen bin, so muBte ich
annehmen, daB entweder die Kanincheunase auch fiir den Abel-Lowen-
bergschen Bazillus nach intravenoser Injektion durchgiingig sei, oder
aber, daB hier im Augenblicke des Auftretens entziindlicher Vorgange
eine rasche sekundare Vermehrung eines dem B. mucosus Abel nahe¬
stehenden Bakteriums stattfinde. Um diese Frage zu entscheiden, haben
wir einige Kaninchen zuerst mit B. mucosus zu immunisieren versucht
und ihnen dann erst die Ozanamischkultur eingespritzt, in der Hoffnung,
daB auf diese Weise die Ausscheidung des Abel-Lowenbergschen
Bazillus durch die Nasenmuscheln verhindert werde. Diese Versuche
haben aber kein eindeutiges Resultat ergeben, sie mfiBten erst an einem
viel groBeren Tiermaterial, als es mir zur Verffigung stand, durchgepriift
werden. Doch kann ich erganzend hinzufugen, daB einerseits mit Ileiu-
kulturen des B. mucosus Abel-Lowenberg eitrige Rhinitiden beim
Kaninchen nicht erzeugt werden konnen, und daB anderereits die Vor-
untersuchung, ob dieses Bakterium in der gesunden Kaninchennase
vorhanden ist Oder nicht, auf groBe Schwierigkeiten stoBt, weil es
sehr schwer ist, jederzeit die entsprechende Menge geeigneten Nasen-
sekretes vom Versuchstiere zu bekommen, Ich bin daran gegangen,
einen Nahrboden ausfindig zu inachen, der bei der Unterdrfickung des
B. mucosus doch dem Coccobacillus Perez gute Wachstums-
moglichkeiten bieten sollte. In dieser Beziehung war es naheliegend,
zunachst die Angaben Ilofers fiber die gfinstigen Erfolge mit Arsen
nachzuprfifen. Zu diesem Zwecke habe ich Reinkulturen von Cocco¬
bacillus Perez und B. mucosus gemischt und von diesen Mischungeu
jeweils 1 Oese in Bouillon fibertragen, der in verschiedenen Mengen
Arsen in Form von Tinct. Fowleri zugesetzt war. Ich konnte tatsach-
lich auf diese Weise, wenn ich die Rohrchen 24 Std. bebrtitet hatte,
ganz in Uebereinstimmung mit den Befunden Hofers, den Perezschen
Bazillus in Reinkultur gewinnen.
Es war also das Wachstum des B. mucosus vollkommen unter-
drfickt, jenes des Coccobacillus Perez aber elektiv begiinstigt
worden. Diese Ergebnisse veranlaBten mich, den Coccobacillus
Perez und B. Lowenberg-Abel bezfiglich ihrer Wachstumsverhfilt-
nisse getrennt und fiir sich auf Nahrboden zu untersuchen. denen ver-
schiedene Substanzen zugesetzt waren. Hierfiber gibt Tab. I. AufschluG,
deren Durchsicht ergibt, daB auBer dem Arsen auch Phosphor und wein-
saures, antimonsaures Kalium das Wachstum des B. mucosus, im Ver-
gleich mit Perez, ganz wesentlich beeintrachtigen. Dagegen zeigten
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525
Tabelle I
zeigt die Wachstumsverhaltnisse von Coccobac. ozaena foetidus Perez und
B. mucosus Abel-Lowenberg naeh Zusatz verschiedener Substanzen zum Nahrboden.
Name
Menge in Tropfi
en auf
je
der beigefiigten
Substanz
Bakterienstamm
9 ccm bouillon
1
! 3
L ?
4
1 5
Arsen
Abel-Lowenberg
±
_
_
_
.
Tinct. Fowleri
Coccobac. Perez
+ +
+
—
—
Phosphor-
Abel-Lowenberg
—
—
—
—
—
saure
Coccobac. Perez
+
—
—
—
—
weinsaures antimon-
Abel-Lowenberg
—
—
—
—
saures Kali
Coccobac. Perez
+ +
++
++
+
+
10-proz. Weinsaure
Abel-Lowenberg
Coccobac. Perez
+'
+
+
+
—
—
—
10-proz. weinsaures
Abel-Lowenberg
+' +
■ ++
++
+
±
Natrium
Coccobac. Perez
+ +
++
+
±
—
Normal milchsaure
Abel-Lowenberg
+ +
++
+
±
—
Losung
Coccobac. Perez
+ +
+
+
—
—
Normal-
Abel-Lowenberg
+
—
—
—
—
Ameisensaure
Coccobac. Perez
+
—
—
—
—
10-proz. Zitronen-
Abel-Lowenberg
+ +
++
+
±
—
saure
Coccobac. Perez
+ +
+
+
—
—
10-proz. Benzoesaure
Abel-Lowenberg
Coccobac. Perez
+ +
l + +
++
++
+
+
+
+
+
+
10 Harnsaure
Abel-Lowenberg
1 + +
++
+ +
+ +
+ +
Coccobac. Perez
' + +
+ -f
++
+ +
+ +
10 Harnsaure und je
Abel-Lowenberg
—
—
—
—
—
2 Tropfen Kal. tartarat.
Coccobac. Perez
+
+
+
+
+
keinen besonders differenten EinfluB in dieser Richtung weinsaures
Natrium, ferner Wein-, Milch-, Zitronen-, Benzoe- und HarnsSure.
Ich habe mehrere Male OzSnakrusten in Bouillon aufgefangen, denen,
entsprechend den Ergebnissen meiner Vorversuche, Arsen, Phosphor und
Brechweinstein zugesetzt war, und konnte dadurch stets das Wachstum
von B. mucosus ausschalten. Dennoch wurde ich auf diese Weise
zunachst nicht in die Lage versetzt, den von Perez beschriebenen
Coccobacillus zu isolieren, resp. die erhaltenen Kolonien, die sich
hilufig als Coccobazillen reprSsentierten, und den charakteristischen Geruch
entwickelten, durch die Agglutination als solche mit dein Perezschen
Bazillus identifizieren zu konnen. Deshalb versuchte ich die Niihrboden
weiter zu verbessern, indem ich nach weiteren kulturellen Unter-
schieden zwischen dem Coccobacillus Perez und B. mucosus
suchte. Hieruber gibt Tab. II AufschluB, aus der man ersieht, daB bei
Verwendung der Barsiekowschen Nahrboden sich Unterschiede beider
Stamme vorwiegend im Verhalten gegen Mannitzucker zeigen, weniger
gegen Maltose, die auch von Perez-Stammen, wenn auch nicht regel-
maBig, so doch manchmal, unter Rotfarbung zerlegt wird.
Als ich in systematischer Folge daran ging, Ozauasekrete auf Mannit¬
zucker- Arsenplatten, denen Lackmusmolke zugesetzt war, zu untersuchen,
fanden sich ofters Kolonien vor, welche den Mannitzucker nicht angriffen,
Coccobazillen vorstellten und, in Bouillon tlbertragen, den typischen Ge-
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Onginale. Bd. 88. Heft 7/8.
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6-wertig.
Alkohol
5-w.
Alkoh.
4-w.
Aik.
3-w.
Aik.
Polys.
Tri-
S.
Di.-S.
Mono-
sacchar.
Zuckerarten
Molke
Dulzit
Mannit
Sorbit
Xylose
Arabinose
Erythrit
Glyzerin
Dextrin
Innulin
Starke
Glykogen
Baffinose
Sr gp
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Oziina Perez
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Abel-Low.
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B. Fried-
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rot triib
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koaguliert
rot
koaguliert
B. proteus
ziegelrot
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B. lactis
capsulat
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4 URBANA-CHAMPAIGN
- - - —- -
Shiga, Zur Frage der Aetiologie der Ozaua.
527
stank der Ozana wiedergaben, aber beweglich waren und mit dem Iramun-
serum der Perez -St&mme nicht agglutinierten. Ich war zuerst der An-
sicht, unreine Kolonien vor rair zu haben, konnte aber trotz diesbezug-
licher Beratlhungen den Perezschen Coccobacillus darans nicht
isolieren. Auf derartige groBte Schwierigkeiten, den Bacillus Perez
aus Mischkulturen rein zu ztichten, hatte Hofer schon mehrmals ver-
wiesen, und auch die Isolierungsversuche durch den Tierversuch bieten
fiir die Gewinnung von Reinkulturen keine absolute Gew&hr, selbst dann
nicht, wenn die charakteristische Eiterung eingetreten und im Sekrete der
Coccobacillus nachweisbar ist; dazu kommen die erheblichen Kosten,
die heute jeder derartige Versuch verursacht. Deshalb versuchte ich
noch,. weitere NShrbbden herzustellen, auf denen die Trennung der Cocco-
bazillen Perez gegeniiber den Begleitbakterien besser durchfiihrbar ware.
Ich versuchte tellursaures Natrium und fiigte i J 2 ccm ein 1-proz. L6sung
10 ccm Bouillon Oder Agar zu; die Vorversuche ergaben, besonders bei
weiterer Zugabe von 1 Proz. Traubenzucker, daB der Coccobacillus
Perez stets gut und mit tief schwarzer Farbe wBchst, dagegen die
Gruppe der Friedl&nder- Bazillen entweder gar nicht zur Entwicklung
gelangt, oder wenn, das Wachstum niemals unter Schwarzffirbung des
N&hrbodens erfolgt; es tritt hbchstens eine VerfSrbung ins Br&unliche bis
Schw&rzlich-braune auf, auch in Tellurbouillon, in welcher der Cocco¬
bacillus Perez innerhalb von 24—48 Std. einen tiefschwarzen Boden-
satz bildet.
Trotz dieser giinstigen Ergebnisse der Vorversuche gelangte ich aber
auch mit diesem N&hrboden nicht zu dem gewiinschten Resultate, ent¬
weder, weil wieder die gefundenen Coccobazillen sich als inagglutinabel,
und beweglich erwiesen, oder aber, weil die Kolonie gegeniiber ebenfalls
schwarzwachsenden Kokken und einigen Stiibchenarten nicht dieselbe
Differenzierung erlaubten, wie gegeniiber B. mucosus. Andere Ver-
suche mit Natrium stibicum und Natrium selenicura fiihrten zu keinem
brauchbaren Resultat, ergaben auch keinerlei tellur&hnliche Wirkung auf
die Wachstumsverhfiltnisse des Coccobacillus Perez gegeniiber dem
B. mucosus.
Wenn ich aus den Ergebnissen dieser Versuche SchluBfolgerungen
ziehe, so waren es zun&chst die, daB Coccobacillus Perez und
B. Abel nicht nur in der Morphologie, sondern auch in ihrem kulturellen
Verhalten (die Agarplatte ausgenommen) gar nichs Gemeinschaftliches
miteinander aufweisen und daB alle dahingehenden Behauptungen vbllig
jeder berechtigten Grundlage entbehren. Ich habe nicht nur 10 typische
von Perez und Hofer geziichtete Bacillus foetidus-Stiimme gegen
ebensoviele Mucosus -St&mme verglichen, sondern habe auch die ein-
zelnen Stamme untereinander vergleichend gepriift und dabei festgestellt,
daB jeder einzelne Stamm der Gruppe Perez alle ihm zugeschriebenen
charakteristischen Merkmale wiedergibt und daB kein einziger von den
iibrigen wesentlich differiert. Diese Merkmale sind gegeniiber dem
Kapselbacillus Abel-Lowenberg nach dem Vorausgeschickten aber
so wesentlich und durchgreifend, daB es uns unverstiindlich erscheint,
wie man ihn als eine Varietiit des letzteren hinstellen konnte. Ich kon-
statierte ferner, daB unter etwa 50 von mir aus der Nase isolierten
Kapselbazillen keine einzige der tlflssigen Kulturen den typischen Gestank
der Oz&na zu reproduzieren vermochte, wogegen ihn die meisten der
Laboratoriumsstamme des Coccobacillus Perez auch heute noch
wiedergeben.
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528 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. $8. Heft 7/8.
Ich habe die Absicht, in einer spateren Arbeit ausffihrlicher fiber
die aus der Nase zu zfichtenden Kapselbazillen vom Typus Abel-
Lowenberg zu berichten, weil ich auf Grund meiner Vorstudien zur
Ueberzeugung gelangt bin, dafi wir hier keineswegs eine einheitlicbe
Gruppe vor uns haben konnen.
Aus meinen zahlreichen und vorstehend nur kurz wiedergegeben
Untersuchungen muBte ich dann weiterhin den SchluB ziehen, daB der
Coccobacillus foetidus Perez-Hofer entweder nicht jene Rolle
in der Aetiologie der Ozfina spielen konne, die ihm von seinen Autoren
zugeschrieben wird, oder aber daB seine Zuchtung auf so enorme
Schwierigkeiten stoBt, die weit jene von Hofer angegebenen fibertreffen.
Die Angabe Hofers, daB er haufig Kulturen in der Hand gehabt
habe, die sich bei der Agglutination als Mischkulturen erwiesen hatten
und daB es ihm trotzdem nicht gelungen sei, durch wiederholte Um-
zfichtungsversuche den Coccobacillus Perez daraus zu isolieren,
blieb auffallend und hatte mich beeinfluBt.
Da ich aber andererseits durch verschiedene Zfichtungsverfahren in
ca. 18 von 22 Fallen Coccobazillen isoliert hatte, die dem Perezschen
Bazillus in vieler Hinsicht entsprachen, insbesondere in flfissigen Kulturen
den typischen Gestank der OzSnakranken wiedergaben und durch die
Agglutination mit Perez-Immunserum nicht zu identifizieren waren,
wurde ich zu der Annahme gedrangt, daB entweder neben dem Cocco¬
bacillus Perez noch andere Bazillen Trager dieses Geruches seien,
oder aber daB es sich in der Aetiologie der Ozana urn eine Gruppe
von Bazillen handeln konnte, deren Charakterisierung und gemeinsame
Zugehfirigkeit mehr durch morphologische, kulturelle und biologische
Eigenschaften gegeben und erwiesen werden konne, als durch serolo-
gische Behelfe. Ffir diese letztere Annahme lagen ja genfigend Er-
fahrungen vor, besonders und am bekanntesten aus der Coli-Gruppe,
ferner aus der Gruppe der hamorhagischen SeptikSmieereger, bei den
Gartner- Bazillen und aus der Proteus- Gruppe und vielleicht nicht in
letzter Linie auch bei den Dysenteriebazillen.
Vorerst muBte ich aber doch dem merkwtirdigen Probleme der dem
Perezbazillus zugeschriebenen Symbiose mit anderen Bakterien
nfihertreten, und habe deshalb eine Anzahl der von mir durch ver¬
schiedene Zfichtungsverfahren erhaitenen, fotid riechenden Kulturen
nochmals einer exakten und eingehenden Nachuntersuchung unterzogen,
zu welchem Zwecke ich mich der alten Methode des Gelatineplatten-
verfahrens bediente, einerseits, weil ja die Gelatine Unterschiede im
Aussehen der Kulturen unvergleichlich besser zum Ausdruck bringt,
als die Agarplatte dies jemals imstande ware, und andererseits, weil
auch biologische AeuBerungen, wie beispielsweise gewisse fermentative,
peptonisierende Eigenschaften der Kultur, hier unverkennbar zum Aus¬
druck gelangen konnen.
Schon eine einfache Gegenfiberstellung der Perezschen Cocco-
Bazillen und jener des B. mucosus Abel lassen, im Gegensatz zur
Agarplatte, auf Gelatine zwischen beiden Kolonien so deutliche Unter¬
schiede erkennen, daB es mir nunmehr unverstandlich erscheint, warum
man bei alien spateren Untersuchungen von Ozanasekreten, die in der
Literatur wiedergegeben sind, fast durchweg und unter AuBerachtlassung
der Angaben Abels, Lowenbergs, Thosts etc. die Prfifung auf
Gelatineplatten unterlassen hat.
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Shiga, Zur Frage der Aetiologie der Ozana.
529
Als ich eine Reihe meiner Coccobacillenstamme auf Gelatine priifte,
fand ich zunachst bei der Mehrzahl derselben vorwiegend langsam ver-
fliissigende Kolonien vor, daneben aber auch solche. die die Gelatine
zunfichst uicht peptonisierten, vielmehr als auBerst zarte Kolonien wuchsen,
im Aussehen ahnlich den Kolonien des Perezschen Bazillus.
Wenn ich derartige, isoliert stehende Kolonien verimpfte, und neuer-
lich aus der so gewonnenen Bouillonkultur Gelatineplatten goB, so zeigten
sich zu meiner groBten Ueberraschung auf solchen Platten immer wieder
verfliissigende und nicht verfliissigende, oder nur ganz langsam nach
Tagen einsinkende Kolonien.
Es war nun mein begreifliches Bestreben, verfliissigende und nicht
verfliissigende Kolonien, die diese Eigenschaft bei mehrmaliger Passage
als konstantes Merkmal aufwiesen, voneinander zu trennen und in ihrem
gegenseitigen Verhalten zueinander zu priifen. Die Tatsache, daB die
Bouillonkulturen beider Arten stets den eigenartigen OzSnageruch wieder-
geben, hatte ich schon vorher festgestellt, und es blieb mir nur noch
die Sicherstellung iibrig, daB nicht etwa in den verfliissigenden Kolonien
(symbiontisch) Stabchen der anderen, nicht verfliissigenden Art ent- *
halten wSren.
Solche Kulturen habe ich deshalb vielmals durch Gelatineplatten
geschickt und schliefilich tatsSchlich einige Stfimme erhalten, die kon-
stant auf der Gelatineplatte jegliches peptonisierende Ferment vermissen
lassen.
Der nachste Schritt war, daB ich mir rait diesen Stfimraen ent-
sprechend agglutinierende Immunsera herstellte und kreuzweise diese
Stfimme untereinander agglutinierte. Dabei ergab sich die auffallende
und interessante Tatsache, daB die Immunsera der verfliissigenden und
nicht verfliissigenden Stfimme sich in den meisten Fallen gegenseitig,
und z war bis zur Titergrenze agglutinieren, dagegen den Coccobacillus
foetidus Perez agglutinatorisch ebensowenig beeinflussen, wie dessen
Immunserum sie selbst (s. Tab. III).
Die nunmehr ermittelte Tatsache, daB eine groBere Zahl meiner Ge¬
latine Iverflflssigenden und die nicht verfliissigenden Bazillen unterein¬
ander agglutinieren, daB beide in der Bouillonkultur den typischen Ge-
stank der Ozana wiedergeben und daB sie relativ haufig im Sekret der
Oz3nakranken gefunden werden, legte die Vermutung nahe, daB wir hier
eine Gruppe von Bakterien vor uns haben, die allem Anscheine nach
doch in einer gewissen Beziehung zu dieser Erkrankung stehen diirfte.
Aus diesem Grunde habe ich eine groBere Anzahl der von mir ge-
ziichteten Stamme eingehender untersucht und die Ergebnisse mit dem
von Perez erhobenen Befunde verglichen, woriiber ich im Nachfolgen-
den berichte:
Das von mir gefundene Stabchen ist in den meisten Fallen gut be-
weglich, doch finden sich auch Kulturen, in denen die Stabchen unbe-
weglich zu sein scheinen, und erst nach langerer und autmerksamerer
Betrachtung sieht man an dem einen oder anderen Stabchen Beweglich-
keit auftreten, ganz ahnlich, wie dies PI as say in neuester Zeit fur die
Pas teurella-Gruppe festgestellt hat, und Aehnliches scheint auch fiir
den von Perez gefundenen Coccobacillus zu gelten.
Das Stabchen ist ausnahmslos gramnegativ, ist polymorph und re-
prasentiert sich moistens aus Kulturen von der Agarplatte als Cocco¬
bacillus, doch finden sich darunter eingestreut auch langere Formen,
manchmal Faden, so daB man ebenso, wie dies Perez und Hofer f(lr
F,r»te Abt. Orig. Bd. 88. Heft 7/8. 34
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530 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
Tabelle III.
Angabeiiber Verfliissigung
der Gelatine
Bezeichnung der Stamme
Nr.
Immunserum
Ozana von
Perez Stamm
Baumruck
Immunserum
Ozana von
Perez Stamm
Amon
1 Immunserum
Lothobac. v.
Stamm 19.
Gel. verfliiss.
Immunserum
Stamm von
Nr. 22. Gelat.
nicht verfliiss.
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6 V. deutlich
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8 V. deutlich
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17 V. deutlich
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20 V. deutlich
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21 V. deutlich
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Ozana Perez orig.
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—
1 —
—
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ihre Kolonien angeben, auch bier haufig den Eindruck erhalt, als hStte
man keine Reinkultur vor sich.
Kapseln oder Sporen werden menials gebildet; das Wachstum er-
folgt auf alien kiinstlichen NahrbOden gut, nur auf der natiirlich sauren,
sowie auf der alkalischen Kartoffel ist es im allgemeinen behindert und
weiter zart und farblos, wie bei den Angehorigen der Pasteurella-
Gruppe.
Die Bouillon wird gleichmaBig getriibt, meist ohne H&utchenbildung,
oder es ist nur eine zarte Andeutung eines solchen vorhanden. Die
Bouillonkulturen zeigen den gleichen, an Ozana erinnernden Gestank,
wie Coccobacillus Perez. Indol wird nachweisbar gebildet, wenn
auch die Reaktion nicht immer sebr ausgepragt ist. Auf der Agarplatte
wachst der Bacillus Shnlich dem Bacillus Perez als rundliche, offers
flache, glanzende Kolonie mit manchmal leicht zackigem Rande, ohne
daB dieses Merkmal konstant und zur Abgrenzung gegenliber den Ko¬
lonien des Bacillus Abel-Lowenberg verwertbar ware.
Auf Urin- oder harnsaurehaltigen, besonders in fliissigen N&hrboden
tritt, wie bei Coccobacillus Perez ammoniakalische Zersetzung und
Geruch nach Mauseharn auf.
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Shiga, Zur Frage der Aetiologie der Ozana.
531
Die Milch bleibt entweder vollig unverandert, oder nach mehreren
Tagen, oft erst nach 1—2 Wochen, tritt Alkalibildung ein, der Peptoni-
sierung und vollige Aufhellung folgen kann. Diese Alkalibildung be-
obachtete auch Perez, wenn sie auch nie so weitgehend war, daB sie
zur vdlligen Peptonisierung fiihrte, und es scheint, als ob unsere nicht
verfliissigenden Stamme Nr. 5, 6, 12, 16 und 22 sich in dieser Beziehung
analog dem Coccobacillus Perez verhalten, da sie auch noch nach
3-wochiger Beobachtungszeit die Milch bis auf leicht alkalische Reaktion
vollig unveriindert liefien. Je starker die Stamme Gelatine verfliissigen,
desto rascher scheinen sie die Milch zu peptonisieren, und umgekehrt;
nicht verfliissigende lassen die Milch unverandert
Auf der Gelatineplatte wachst der Bazillus als auBerst zarte, durch-
scheinende Kolonie manchmal mit zackigem Rande. Die Oberflache ist
glatt oder gleicht haufig jener eines durchsichtigen, hdckerigen Tropf-
steines. Manchmal konnen diese Kolonien mehr coliahnlich aussehen,
doch ist dieser Typus selten, und es fehlt dann die Nabenbildung. Sehr
haufig beginnen die Kolonien auf der Gelatine nach 48—3mal 24 Std.
langsam einzusinken, ohne zunachst ihr charakteristisches Aussehen zu
dndern. Mit fortschreitendem Einsinken andert sich dann auch die
Struktur der Kolonien; sie bekommen ein Aussehen, wie ein Tuch, das
im Winde flattert, scheinen fahnen- oder segelfetzenartig und, wenn sich
einmal eine ausgesprochene Schale gebildet hat, dann verschwindet auch
das vorher so charakteristische Aussehen spurlos. Die dritte Moglichkeit,
bei verstarktem Peptonisierungsvermogen, laBt die Kolonien schon zu
Beginn als uncharakteristische, schusselartige Verfltissigung erscheinen,
jedoch findet sich auch dann nur am tiefsten Punkte derselben der
Bakterienhaufen in Form einer rundlichen Scheibe, und die verfliissigte
Zone bleibt klar und ungetrubt, im Gegensatze zu den meisten anderen
vulgaren, die Gelatine verfliissigenden Bakterienarten, wie z. B. Pro¬
teus, Liquefaciens etc. Ganz analog findet auch im Gelatinestich
die Verfliissigung nur von der Oberflache aus, und zwar wieder schflssel-
artig, dann erst in breiter Zone von oben nach unten fortschreitend,
nicht aber vom Stichkanal selbst aus statt, ohne daB es etwa zu jenen
schlauch- oder strumpfartigen Verflflssigungsformep, wie etwa bei Ba¬
cillus Proteus oder vielen Coccenarten kommen wiirde. Auch auf
der Gelatineplatte selbst scheinen die tiefer liegenden, rundlichen,
opakeren Kolonien nicht zu verfliissigen und dieses Vermogen erst zu
gewinnen, wenn sie, nahe der Oberflache gelegen, diese durchbrochen
haben.
Trauben- und Milchzuckeragar werden inkonstant vergoren, wie
dies Hofer auch fur Coccobacillus Perez angibt. Die Unter-
suchung auf den Barsieko wschen Nahrbdden gibt konstant Saure-
bildung aus Traubenzucker unter Rotfarbung, die nur selten bis zur
Koagulation fortschreitet. Milchzucker wird niemals zersetzt. Nach
Tagen tritt bei einzelnen Stammen leichte Alkaleszenz auf. Ebenso wird
auch Mannitzucker, was als charakteristisch hervorgehoben sei, niemals
angegriffen, Maltose und Saccharose werden dagegen inkonstant gerotet,
selten koaguliert, Lackmusmolke gerdtet. Spater tritt ofter ein Umschlag
ins Blaue ein, oder sie bleibt unverandert neutral.
Wie wir aus Tab. IV durch Gegenllberstellung der von mir einerseits,
Perez und Hofer andererseits geziichteten Stammen ersehen kdnnen,
deckt sich das kulturelle Verhalten beider Stamme auf den Spezialnahr-
34 *
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532
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
Tabelle IV.
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—
rotlich
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—
—
—
boden und es laBt sich nirgends ein wesentlich differentes Verlialten
feststellen.
Auf Drigalski- und Endo-Platten wiichst der Bazilius gleich dem Perez-
schen Ozanabazillus ohne Farbenumschlag.
Was die Pathogenitat dieses Coccobacillus betrifft, so zeigt sich auch hier
wieder eine weitgehende Uebereinstimraung mit den Angaben von Perez. Als geradezu
klassiBches Versuchstier fur Ozanainfektion hat Perez das Kaninchen anerkannt, deni
einzigen Versuchstiere, bei dera sich nach intravenoser Injektion von Mischkulturen des
Coccobacillus foetidus Perez jene charakteristischen Veriinderungen in dem
knochernen Geriist der Nasenknochen auspragen, ahnliche Erscheinungen, wie sie die
menschliche Erkrankung zur Folge zu haben scheint. Schon kurze Zeit nach der In-
fektion erhielt Perez und ebenso Hofer eitrige Sekretion aus der Kaninchennase,
gefolgt von Atrophie der Schleimhaut und konsekutiver Einschmelzung besonders der
vorderen Nasenmuschel, und in sehr vielen Fallen gelang es diesen Autoren, aus dem
eitrigen Sekret den Coccobacillus foetidus zu ziichten. Besonders geeignet sind
fur diese Versuche nach den Angaben von Perez und Hofer kleine und jugendliche
Tiere, dagegen geben groBe und altere Tiere diese Reaktiou entweder gar nicht oder
viel schlechter wieder. Hofer bezeichnet diese scheinbare Affinitat des Perezschen
Coccobacillus zur Kaninchennase als Rhinophilie; sie soil fiir den Coccobacillus
foetidus ozaenae nach Perez und Hofer spezifisch sein. Diese Angaben blieben
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* Shiga, Zur Frage der Aetiologie der Ozana. 533
allerdings nicht unwidersprochen, insbesondere negieren Neufeld, Amersbach und
Konigsfeld diese Rhiuophilie, besonders Amersbach bezweifelt sie deshalb, weil
er diese Reaktioii auch naeh Injektion von Coli-Bazillen und B. pyogenes bovis
auftreten sah.
Slavtscheff jedoch bestatigt im allgenieinen die Angaben von Perez, findet
aber aufier in der hiase auch Ausscheidung der Coccobacillen in dem Darm der
Versuchstiere. Schon Hofer hat seinerzeit selbet angegeben, dafl er init einem aus
der Nase Ozanakranker geziichteten Coli-Stamm durch intravenose Injektion eine
starke entziindliche Reaktion der Nasenschleimhaut mit verstiirkter Sekretion hervor-
rufen konnte, daS diese aber nicht jenen spezifischen Charakter mit nachfolgcnder
Antrophie hatte, vielmehr nur einen voriibergehenden Zustaud darstellte. Ich habe eine
grofiere Anzahl von Bouillonmischkulturen aus Ozauakrusten, ferner von Reinkulturen
tier von mir geziichteten, fotid riechenden, Gelatine verfliissigenden und nichtveriliissigen-
deu Bazillen jungen Kaninchen injiziert und in der Mehrzahl der Falle gleichsinnige
positive Resultate erzielt.
Injiziert man von solchen Reinkulturen 2—3 Tage alte Bouillon-
kulturen in Men gen von 1 / 2 — 1 ocm in eine der beiden Ohrvenen, so
tritt meistens nach 24—48 Std. eine deutliche, eitrige Sekretion aus der
Nase auf, und in einer groBeren Zahl der Falle findet man den injizierten
Bazillus im Sekrete wieder. Dieser eitrige Katarrh halt, wenn die Tiere
iiberleben, durch Tage, ja durch liingere Zeit an, und wenn die Tiere
innerhalb dieser Zeit sterben, dann zeigt sich in der Regel bei der
Sektion in den Nasenmuscheln folgendes Bild:
Bei den in den ersten Tagen gestorbeneu Kaninchen sind die vorderen
Nasenmuscheln stark hyper&misch, die Schleimhaut sukkulent und auf-
gelockert, zwischen den einzelnen Lamellen und im unteren Nasengang
findet sich dicker, rahmiger Eiter in wechselnder Menge. Die auBeren
Nasengiinge sind leicht gerotet, die Haare in der Umgebung naB und
verklebt. Dauert die Erkrankung langer, 1—2 Wochen, dann finden wir
ofters neben der Hyper&mie eine deutliche Erweichung bis zur teilweisen
Einschmelzung der Lamellen der vorderen Nasenmuscheln. Immer aber
trifft man auf Tiere, die iiberleben und bei welchen die eitrige Sekretion
nach mehreren Tagen zum Stillstand kommt, und dann findet man an
den getoteten Tieren keine anormalen Verhaltnisse vor. Diese negativen
Befuude diirften in der Individualitat des jeweiligen Versuchstieres ge-
legen sein, und in der Virulenz des injizierten Stammes ihre Erkl&rung
finden.
Eine h&ufig zu beobachtende, wichtige und schon von Perez be-
obachtete Tatsache ist die folgende: Mehrere Tage nach der intravenbsen
Injektion treten an beiden Ohren am Ende Knickungen auf, die Ohren
sehen an den Spitzen wie abgebogen und gekr&uselt aus, und in extremen
Fallen kommt es am marginalen Rande oder den Spitzen zu Nekrosen,
die entweder an diesen Stellen zu pergamentartiger Eintrocknung, ja bis
zu vdlligen Substanzverlusten fuhren konnen und ein Bild darbieten, als
als hatte man mit dem Locheisen ein Stuck Knorpel ausgestanzt. Bei
einem Kaninchen sahen wir ganz symmetrisch an beiden Ohren Ge-
schwiirsbildung mit gewulsteten, aufgeworfenen Randern, jedoch ohne
jegliche Eiterung, auftreten. In einem anderen Falle eine hellergroBe,
pergamentartige Eintrocknung und bei einem (iberlebenden Tier einen
ebenso groBen, zwickelartigen, vollkommenen Substanzverlust, wahrend
der Rand des anderen Ohres zahlreiche kleinere, korrespondierende
Nekrosen aufwies. Gewohnlich sieht man als Vorlaufer der nachfolgenden
Nekrosen an gewissen Stellen der Arterien und Venen des Ohres blutige
Imbibitionen des umgebenden Gewebes auftreten, so daB man zunkchst
an toxische Schadigung der GefaBwand und konsekutive Trombenbildung
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I
534 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 7/8.
denken mult. Diese Annahme gewinnt an Wahrscheinlichkeit,
da, wie wir sp&ter sehen werden, in den Kulturen sich
ein Gift nachweisen 1 & B t, das wir als ein gefaBschadigen-
des ansehen miissen.
Diese auffallenden und sehr h&ufig symmetrisch an beiden Ohren
auftretenden Nekrosen, die zuerst schon von Perez beobachtet und
beschrieben worden sind, scheinen mir besonders wichtig und charak-
teristisch zu sein, und es ist mir nicht bekannt, daB ahnliche
Erscheinungen bei Injektion mit anderen Bakterien-
stfimmen beobachtet oder beschrieben worden waren.
Dagegen wird Schorf- oder Nekrosenbilduug direkt an der Injektions-
stelle selbst, insbesondere dann, wenn die Injektion nicht in die Vene,
sondern auch in das umgebende Zellgewebe erfolgte, fitters beobachtet.
Aber diese Erscheinung hat mit der eben beschriebenen
in VVirklichkeit nichts gemeinsam, da sie hauptsachlich
durch das bilaterale, symmetrise he Auftreten und fern
von der Injektionsstelle charakterisiert ist. Es scheint, als
ob die GefaBe fiber knorpeiigen Organen eine Art locus minoris re-
sistentiae waren, und dfirfte die an den Ohrknorpeln beobachtete Nekrose
wohl ohne Zwang in die direkte Relation zu der von Hofer und Perez
und teilweise auch von mir beohachteteu Einschmelzung der Nasenknorpel,
resp. der Muscheln, gebracht werden dfirfen. Ilandelt es sich tatsfichlich
um eine gefaBschadigende Wirkung, die wiederum besonders fiber knor¬
peiigen Organen oder in den BlutgeffiBen des Periostes in Erscheinung
tritt, dann wfirde sich damit manches ffir die Pathologie der Ozana
erklaren.
Was die sonstige Pathologie betrifft, so kann ich in dieser Be-
ziehung nach Injektionen mit dem von mir gezfichteten Bazillus dasselbe
Krankheitsbild und den Sektionsbefund erheben, wie dieses bereits von
Perez ffir seinen Coccobacillus beschrieben wurde. Wenn die Ver-
suchstiere der Infektion nicht innerhalb weniger Tage erliegen, so sterben
sie doch meisteus nach mehreren Tagen unter ganz betrachtlicher Ab-
magerung, oft trotz erhaltener FreBlust. Die Sektion frfihverstorbener
Tiere ergibt fast immer reichliches Exsudat im Perikard, Kougestion der
Lunge; in der Schleimhaut der Trachea sieht man zahlreiche Ekchymosen
und allgemeine Hyperfimie, wogegen die fibrigen Organe normale Ver-
haltnisse aufweisen; nur hin und wieder findet sich maBiges Exsudat in
Brust- und Bauchhfihle, einzelne Darmschlingen oder Drfisen sind stark
injiziert. Bei Tieren, die nach 1 Woche oder noch spater sterben, ist
der Sektionsbefund, wenn man von den Reaktionen in der Nase absieht,
meist fiberhaupt ein vfillig negativer.
Die Agglutination zur Identifizierung des Perezschen Bazillus
wurde zuerst in weitgehendstem MaBe von Hofer verwendet. Aber
schon die Nachuntersucher, und spater Hofer selbst, haben auf Gruml
ihrer Ergebnisse der Meinung Ausdruck verliehen, daB ihre Verwendung
zur Agnoszierung, ob ein gefundener Stamm Coccobacillus foetidus
sei oder nicht, vielleicht nicht ausreichend sein, ja sogar insofern einen
FehlschluB nach sich ziehen kfinne, weil mfiglicherweise hier Verhfiltnisse
vorliegen, wie wir sie ja von anderen Bakteriengruppen kennen. Ich
mfichte in dieser Beziehung ganz besonders auf die Verhaltnisse in der
Coli-Gruppe, in der P asteure 11 a-Gruppe und auf die diesbezfiglichen
Untersuchungen von Busson hinweisen, ferner auf die allbekannte
Tatsache, die uns die groBen Schwierigkeiten offenbart, echte Gfirtner-
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Shiga, Zur Frage der Aetiologie der Ozana. 535
Bazillen durch die Agglutination zugehoriger Sera zu identifizieren, und
andererseits wieder ihr fast absolut refrakt&res Verhalten gegen Para-
typhus B-Serum, deren allernfichste Verwandte sie doch sind, und deren
Zusammengehorigkeit in eine groBe gemeinsame Familie wohl niemand
mehr anzweifelt.
Ueber SuBerst interessante analoge Verh<nisse in dieser Beziehung
beriehten in neuester Zeit Aoki und Iizuka iiber agglutinatorische
Einteilung der Proteusbazillen, ferner Aoki fiber denselben Gegen-
stand bei Dysenteriebazillen. In beiden Fallen gelang der Nachweis,
daB in diesen Gruppen als kulturell gleiche Oder auf Grund fermentativer
Eigenschaften in Unterarten abgeteilte Stfimme sich bei durchgeffihrter
Kreuzagglutination so vollkommen verschieden in bezug auf ilire ag¬
glutinatorische Zusammengehorigkeit voneinander verhielten, daB die
Frage aufgeworfen werden konnte, ob nicht bei diesen Gruppeu bei Auf-
stellung von Untergruppen mehr die Agglutinationsverhaltnisse, als die
kulturellen und fermentativen Eigenschaften heranzuziehen seien, weil
beide ganz verschiedene Resultate geben konnen.
In dieser Beleuchtung sieht die Tatsache, daB der von mir ge-
zfichtete Bazillus, resp. dessen Immunserum, die uns zur Verffigung
stehenden Coccobacillus-Stfimme Perez-Hofer wenig oder gar
nicht beeinliuBt, wie umgekehrt durch deren Immunserum nicht bcein-
fluBt werden, ganz anders aus, weil sie alle nur durch ein ihnen zu-
gehoriges Serum identifiziert wurden, und wir dflrfen vielleicht an-
nehmen, daB sich hier 2 verwandte Untergruppen einer Art gegenfiber-
stehen, deren fermentative Eigenschaften Schwankungen unterworfen
sind, die sich aber agglutinatorisch scharf trennen lassen. Arbeitet man
also bei Untersuchung auch von typischer Ozana, bei Tdentifizierung der
erhaltenen Coccobazillen, nur mit einem bestimmten agglutinierenden
Serum, wie Hofer dies durchffihrte, dann wird man eben immer nur
die Angehorigen dieser einen bestimmten und agglutinatorisch abge-
grenzten Unterart auffinden, alle nicht agglutinierenden Schwesterstamme
aber tibersehen.
Auffallend und vielleicht im Sinne der neuesten Ergebnisse der
Kreuzagglutination finden sich auf den Agarplatten, die noch die Misch-
kulturen von frischen Ozanafalleh enthalten, haufig Kolonien, die an-
ffinglich entweder mit Perezserum oder auch mit meinem Immunserum
eine oft betrachtliche Mitagglutination zeigen, die aber bei Reinzfichtung
und langerer Kultivierung wieder verschwindet. Auch habe ich eine
Reihe von Stammen, die kulturell den die Gelatine verflfissigendeu und
nicht verflfissigenden identisch sind, gezfichtet, die aber agglutinatorisch
weder vom Perez-Serum, noch vom Serum ineines Coccobacillu s
beeinfluBt werden. Ich vermute, gestfitzt auf die Befundo bei Coli und
von Busson ffir hfimorrhagische Septikfimie, ferner auf jene von Aoki
und Iizuka ffir Proteus- und Dysenteriestfimme, daB in der Gruppe
des Coccobacillus foetidus ozaenae die Agglutination keine
artspezifische Reaktion bedeutet. Ich werde spfiter an einem reicheren
Material dieser Frage nahertreten, urn zu sehen, ob meine Vermutuug
richtig ist, die ich vorlfiufig zunfichst darauf aufbaue, daB man aus der
Nase Ozfinakranker Stiimme zfichten kann, die kulturell ahnliches oder
gleiches Verhalten mit dem Bacillus Perez abgeben, die in der
Bouillon den charakteristischen Gestank hervorrufen und in der Kanin-
chennase und am Ohre jene Veranderungen erzeugen, -die Perez und
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
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Hofer als charakteristisch ansehen und die trotzdem vom Immunserum
der Coccobazillen Perez-Hofer nicht beeinfluBt werden.
AuBerdem fand ich auf der Agarplatte frisch angelegter Kulturen
haufig Kolonien von Paracoli - oder Coli-Stammen, ferner von Kokken,
die von dem Perez-Immunserum mit dem Titer 2000 oft in 2—400-
facher Verdunnung agglutiniert werden, eine Erscheinung, auf die ich
zufdllig kam, als ich nocli auf die Separierung der Coccobazillen von
der Agarplatte nach dem Verfahren von Hofer vorzunehmen versuchte,
indent ich ziemlich wahllos moglichst viele Kolonien abimpfte und durch
Agglutination zu identifizieren versuchte.
Diese Agglutination erhait sich an solchen Stammen nur ganz wenige
Generationen hindurch, verliert sich meist vollkommen und bietet uns
so das typische Bild einer Paragglutination. Diese haufig zu beobach-
tende Paragglutination aber laBt wiederum vermuten, daB die kranke
Ozananase doch reichlich Stoffwechselprodukte vom Coccobacillus
Perez-Hofer und seiner Schwesterstamme enthalten miisse, sonst
kdnnte sie nicht relativ so haufig beobachtet werden.
Aehnliche Paragglutination mit Perez-Immunserum ist auch an
dein von ntir geziichteten, in einer agglutinatorisch abgeschlossenen
Schwestergruppe zusammengefaBten Stammen gar nicht selten zu be-
obachten, verliert sich aber ebenso, wie bei den anderen.
Hofer und Sternberg haben in einer groBeren Serie das Blut-
serum von Ozanakranken, von gesunden und solchen Menschen, die an
sonstigen und katarrhalen Erkrankungen der Nase leiden, auf das Vor-
handensein von Agglutininen gegen den Coccobacillus Perez-
Hofer untersucht und gefunden, daB dieser Coccobacillus vom
Serum ozanakranker Menschen in ca. 60 Proz. der Falle agglutiniert
wird. Sie erblicken deshalb in dieser Reaktion nicht nur einen neuer-
lichen Beweis fur die atiologische Bedeutung des Coccobacillus
foetidus ozaenae zur Erkrankung, sondern sie sehen darin auch
einen praktisch gut brauchbaren, diagnostischen Behelf. Ich habe des
ofteren solche Patientensera untersucht und dabei gefunden, daB tat-
sachlich in einer gewissen Anzahl von Fallen Coccobacillus Perez
agglutiniert wird. Dabei zeigte sich hin und wieder die auffallende Er¬
scheinung, daB die beiden dazu verwendeten Hofer-St&mme namens
Baum ruck und Steffi, deren Immunserum sie gegenseitig bis zur
Titergrenze agglutinierten, von den Patientenseris verschieden agglutiniert
werden. Man sieht manchmal ein Patientenserum, das mit dem Stamm
Steffi und Baumruck gepruft wird und in einer Verdunnung 1:20 kein
positives Ergebnis fur Steffi zeigt, den Stamm Baumruck aber bis
1:80 agglutinieren. Gleichzeitig fand sich in diesem Falle ausgesprochene
Agglutination, gegen meinen von Immunserum Perez nicht agglu¬
tinierten Stamm 6.
Der von mir geziichtete Bazillus wird zwar seltener vom Patienten¬
serum agglutiniert, doch glaube ich, daB auch hier Verhaltnisse vorliegen,
die noch weiterer Studien bediirfen. Am ehesten diirfte eine KlSrung
eintreten, wenn man eininal an einer groBeren Serie von Patienten die
Agglutination besonders mit den autogenen neben anderen Stammen
und in Form von Kreuzagglutination vornehmen wiirde.
Hofer hat angegeben, daB der Coccobacillus Perez lijsliche
Gifte ausscheide, die durch Filtration aus der fliissigen Kultur zu trennen
sind. Ich habe deshalb in dieser Richtung Vorstudien auch mit den
von mir geziichteten, Gelatine verfiiissigenden und nicht vertiiissigenden
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Shiga, Zur Frage der Aetiologie der Ozana.
537
Bazillen unternomraen und gefunden, daB in den durch Reich el-Kerzen
filtrierten Bouillonkulturen Gifte enthalten sind, die in Mengen von 2 bis
3 ccm intravends injiziert, das Kaninchen in kurzer Zeit zu tdten ver-
mdgen, wobei sich abermals ein negativer Sektionsbefund ergibt, aus-
genoramen jenen der Nase und der oberen Luftwege. Die Schleimhaute
der Nasenmuscheln, insbesondere der vorderen, sind hfiufig so stark
hyperamisch, daB sie sich als blutrote Gebilde v^n den flbrigen Partien
deutlich unterscheiden, ja es findet sich in der Nase manchesinal fliis-
siges Blut vor und es kann sogar dazu koramen, daB die Tiere vor
dem Tode direkt aus der Nase zu bluten beginnen. Die Schleimhaut
der Trachea ist ebenfalls stark hyperamisch und mit zahlreichen Ek-
chymosen bedeckt.
Subkutan einverleibt, ist dieses Gift viel weniger wirksam, zuinindest
scheint es in der Allgemeinwirkung stark einzubflBen. Die Sektion er¬
gibt aber (iberall, wo eine subkutane Injektion vorgenoramen wurde,
Blutaustritte in das Unterhautzellgewebe.
Hofer war der erste, der in die OzSnatherapie die Vakzinebehand-
lung einfflhrte^ und neben allgemein giinstigen Erfolgen sogar tiber ein-
zelne Faile von vollkommener Heilung berichten konnte. Diese giinstigen
Erfolge Hofers haben in der Folge bereits von vielen Autoren ihre
Bestatigung gefunden, obgleich manche Kliniker dieser Vakzinebehand-
lung nicht jene Spezifitat zulegen wollen, die ihr Hofer zubilligte, viel-
mehr behaupten, daB ihre Wirkung innerhalb des Rahniens der un-
spezifischen EiweiBtherapie falle. Ich selbst habe aus meinen verfliissigen-
den und nicht verflilssigenden Stammen Vakzine bereiten lassen, doch
liegen bisher noch nicht genQgend Resultate vor, die es erlauben wtirden,
die wenigen guten, bisher damit erzielten Resultate zu verallgerneinern.
Wenn ich die Ergebnisse aller meiner Versuche zusammenfasse, so
glaube ich sagen zu diirfen, daB der von mir gefundene Bazillus dem
von Perez entdeckten und von Hofer eingehend bearbeiteten Cocco-
bacillus foetidus ozaenae sehr nahesteht und wahrscheinlich mit
ihm in eine Gruppe einzureihen ware.
Er erzeugt, wie dieser, in fliissigen Kulturen jenen
charakteristischen Gestank, zersetzt Harnstoff, verhait
sich auf alien speziellen Nahrboden diesem gleich und
unterscheidet sich vorwiegend nur durch sein fermen-
tatives und agglutinatorisches Verhalten. Da ich aber selbst
unter meinen Stammen, die als agglutinatorische Gruppe gut zusammen-
fafibar sind, solche fand, welche die Gelatine nicht verfliissigen, und solche,
denen dieses Vermdgen zukommt, ebenso wie ich Stamme fand, welche
die Milch nach Wochen unverandert lieBen, und andere wieder, welche
sie peptonisieren, so darf ich wohl mit Recht annehmen, daB dieses
gegenteilige Verhalten keine wesentlichen Unterschiede bedeuten darf,
sondern daB es sich vielmehr um fermentative Eigenschaften handelt,
die nicht konstant sind, und verloren gehen, ja vielleicht auch wieder-
erworben werden kdnnen. Das Gleiche gilt auch von der Unbeweglich-
keit 1 ), die ja Hofer selbst schon als nicht konstant fur Perez- Stamme
fand.
Einen weiteren und mir sehr wichtig erscheinenden Grund fur die
Zugehorigkeit beider Stamme in eine grSBere Gruppe erblicke ich neben
1) Inzwischen kounte ich die Begeifielung der OrigiDalstarome Perez-Hofer
einwandfrei feetatellen.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
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der durch Tierversuche erzielten nasalen Reaktion in der merkwurdigen
und haufig symmetrisch auftretenden Nekrotisierung ganzer Knorpelteile
des Ohres, die stets, und dies ist wesentlich, ohne Eiterung vor sich
gehen. Ich lege auf diese haufig symmetrisch auftretende Gangran oder
Nekrose deshalb ein besonderes Gewicht, weil ich selbst in Ueberein-
stimmung mit Hofer und mit anderen Autoren nasale Reaktion auch
nach intravenfiser Injection von Coli- oder Paracoli-Stammen ein-
treten sah. Wenn auch diese nasalen Reaktionen in meinen Versuchen
nicht fiber das Stadium starker Hyperfimie der Nasenmuscheln hinaus-
gingen, so hat diese Tatsache an sich schon genfigend Angriffspunkte
geboten. In keinem einzigen darauf hinzielenden Tierversuche mit
anderen Bazillen finde ich aber von den Autoren derartige Gangranen
an den Ohren erwahnt, die sicherlich nicht batten fiber-
sehen werden konnen, wenn sie vorhanden gewesen wfiren.
Ich mochte mich am Schlusse noch mit jenem Teile der Literatur
beschfiftigen, soweit er sich mit der Ozfina vom Standpunkt der In-
fektioustheorie aus beschaftigt, ohne jene Theorien zu beriihren, die der
Ozana eine andere Aetiologie zuschreiben.
Bekanntlich wurden Bakterien, die zur Ozana in atiologischer Be-
ziehung stehen sollen, von Lowenberg und Klamann, Hajek und
Thost, de Simony und Hilbert, ferner von della Vedova und
Belfan ti, von Pes und Gradenigo aufgefunden. Von diesen wiederum
hat sich hauptsachlieh der Bac. Abel-Lowenberg als wahrschein-
lichster Erreger in den Vordergrund geschoben. Demgegentiber kann
ich feststellen, daB in flfissigen Kulturen des Abel-Lowenbergschen
Bacillus mucosus jener charakteristische Gestank nicht uachzuweisen
ist, und daB es uns nicht gelungen ist, mit den Reinkulturen dieses Ba¬
zillus tierexperimentell jene nasalen und nekrotisierenden Verfinderungen
hervorzurufen, wie ich sie mit den Coccobacillen der Perez-Gruppe
erzielen konnte.
Die Ansicht Burghardts und 0ppikofers, daB der Perezsche
Bazillus eine Mutation der Untergruppe der Friedlander-Gruppe dar-
stelle, muB ich auf Grund meiner Untersuchungsergebnisse als vollig
unmotiviert abweisen. Bezfiglich des Einwandes von ihrer Seite, daB
der Perezsche Bazillus zur Ozana deshalb nicht in atiologischer Be-
ziehung stehen konne, weil ihre, mit den von Perez geztichteten Stfiminen
durchgeffihrten Tierexperimente keine positiven Ergebnisse hatten, und
sie auch den typischen Gestank in den Kulturen nicht nachweisen
konnten, schlieBe ich mich den Hoferschen Gegenargumenten an.
Was schlieBlich den von Hofer gepragten Ausdruck und Begriff
der Rhinophilie, unter dem in erster Linie die spezifische Atrophie, in
zweiter Linie die bevorzugte Ausscheidung der Coccobacillen in die Nase,
also fiberhaupt die im Vordergrunde stehende nasale Reaktion gemeint
ist, betrifft, so wird dies von Greif, besonders auch von Neufeld
angezweifelt, ebenso wie die Atrophie der Nasenmuscheln, obgleich
Neufeld die Ausscheidung der Bazillen in die Nase nachweisen kann.
Ich glaube, daB diese Frage besser geklfirt werden wird,
wenn weitere Versuche mit den nun schon einmal nach-
gewiesenen Giften durchgefiihrt sind, denn nach unseren
Vorversuchen scheint die erste Wirkung auf das GeffiB-
system, insbesondere auf die GefaBe der Schleimhaut der
Nasenmuscheln eine durch Gifte bedingte zu sein.
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Toyoda, Ueber die Serumfeetigkeit dee Typhusbazillus.
539
Bestatigt wurden die Perez-Hoferschen Befunde vor alien Dingen
von Slavtscheff und Saffranek, Hans Key-Aberg, und Greif
konnte in 20 Proz. seiner Untersuchungen den Perezschen Bazillus
auffinden und im Tierversuche aus der Nase ziichten. Salomonsen
verwies als erster auf die Unzulanglichkeit der Zuchtungsergebnisse mit
dem Hoferschen Immunserum, was ich bestatige. Vbllig ablehnend
verhalten sich gegen die Hoferschen Befunde Amersbach und
Konigsfeld, die niemals den Perezschen Bazillus aus den Ozana-
kulturen nachweisen konnten, und die im Tierversuche den charakte-
ristischen Fbtor und die Borkenbildung, die fiir sie das Stigma der
Kardinalsymptome ist, vermissen.
Auf die Haltlosigkeit der Forderung einer solchen restlosen Re-
produktion einer menschlichen Erkrankung im Tierexperiment habe ich
schon fruher verwiesen. Sollte aber der von mir beschriebene Bazillus
nun eine wesentliche Erweiterung der Perez-Hoferschen Befunde be-
deuten, insofern, daB wir bei der OzSna eine Gruppe von fotid riechenden,
kulturell ahnlichen Bazillen vor uns haben, dann erklart sich auch,
warum viele Untersucher, die sich streng an die Angaben Hofers,
mit seinem Immunserum zu identifizieren, gehalten haben, so haufig
negative Resultate bekommen haben. Die von mir konstatierte Fahigkeit
einzelner Stamme dieser eventuellen Gruppe, Gelatine und Milch anders
zu beeinflussen, als der Coccobacillus Perez (iibrigens gibt auch
Perez schon Alkalisierung der Milch an), wurde es wiederum erklarlich
erscheinen lassen, weshalb andere Untersucher ihre fbtid riechenden,
aus Ozana gezuchteten Baziilen nicht identifizieren konnten.
Ich bin eben beschaftigt, die Stellung dieser ganzen Bazillengruppen
zum Systeme der Bakteriengruppen naher zu untersuchen, urn sie gegen
andere Gruppen entsprechend zu begrenzen, insbesondere gegeniiber der
Proteus-Gruppe, und werde dariiber berichten.
Ich benutze gleichzeitig die Gelogenheit, Herrn Oberinspektor des
Institutes, Privatdozenten Dr. B. Busson, unter dessen Anleitung die
Untersuchungen durchgefuhrt wurden, meinen aufrichtigsten Dank aus-
zusprechen.
A 'achdruck verboten
Ueber die Serumfestigkeit des Typhusbazillus.
[Aus dem Laborat. der Nippon med. Hochschule zu Mukden.]
Von Prof. Dr. Ilidezo Toyoda.
Das Zustandekommen der Serumfestigkeit bei Trypanosomen haben
Ehrlich und seine Mitarbeiter in der Weise erklart, daB eine ursprung-
liche Gruppe „A“ von Rezeptoren der Trypanosomen verschwindet, an
deren Stelle eine neue Gruppe „B U tritt.
Ueber das Zustandekommen der Serumfestigkeit bei Recurrens-
spirochaten habe ich in einer Arbeit ktlrzlich dargetan. daB es sich um
kein Zurucktreten ihrer ursprtinglichen Rezeptoren handelt, sondern nur
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um das verminderte Verraogen der Rezeptoren, wodurch das Wesen des
Rezidivs und der Heilung des Ruckfallfiebers leicht erklart wird.
Mit der Serumfeatigkeit des Typhusbazillus haben sich bereits viele Autoren,
Courmont(l), Bail, Rod et, Wen y, Sacqu6p6e, Rehus.Kirstein, Bail (2),
Bail UDdRubritius (3), Walker und Ainly (4), Muller (5), Tsuda (6), Braun
und Feiler (7), Feiler (8), Rosenthal (9), Friedberger und Moreschi (10),
Besserer und Jaff6 (11), Sch 1 em m er (12) usw. beschaltigt. Das Prinzip derselben
wird allgemein so aufgefafit, dafl es sich um ein Zuriicktreten der Rezeptoren des Bazillus
handelt, wahrend neue Rezeptoren zum Ersatz nicht gebildet werden. Wenn man aber
mit dem serumfesten Stamm Tiere immunisiert, erhalt man ein gegeu serumempfmd-
liche Typhusbazillen wirkendes Serum. Nach der genannten Hypothese ist diese Tat-
sache inaes schwer verstandlich. Friedberger und Moreschi meinen nun, dafi die
die Antikorper bindenden Rezeptoreu nicht mit den die Antikorper bildenden identisch
sind. Dagegen nimmt Schlemmer an, dafl auch ein verhaltnismaflig serumfester
Stamm immer noch einige rezeptorentragende Individuen besitzt, die zur Antikbrper-
bildung vollkommen ausreichen.
Das Problem kann somit, wie aus Obigem hervorgeht, noch nicht als gelost an-
gesehen werden. Ich habe deshalb zu seiner Klarung folgende Untersuchungen aus-
gefiihrt.
I. Der zu diescr Arbeit benutzte serumfeste Typhusstamui.
Der Stamm wurde aus dem Blut eines Patienten Endo geziichtet.
Das morphologische und kulturelle Verhalten des Stammes stimmt ganz
mit dem des Typhusbazillus uberein, wahrend sein serologisches Ver¬
halten eine auffallende Abweichung von der Norm aufweist. Der Stamm
ist sehr unempfindlich gegeu agglutinierende und bakterizide AntikQrper,
so daB er von Immunserum mit einem Agglutinationstiter von 1:3000
bis 1: 6000 nach 3 Std. fast gar nicht und nach 24 Std. erst bis 1:400
bzw. 1:800 unvollstandig agglutiniert wurde; der Stamm wurde ferner
durch ein bakterizides Typhusserum nur in starken Konzentrationen be-
einfludt. Das Serum eines mit dem Stamm immunisierten Kaninchens
wirkt jedoch einem normalen Typhusstamm gegentiber agglutinierend
und bakterizid eben so stark wie das Serum eines mit normalen Typhus-
stammen immunisierten Kaninchens, wahrend es dem homologen Stamm
gegeniiber nur geringfiigige Wirkung zeigt. Somit ist es sicher, daS
die in Frage stehende Kultur als ein serumfester Typhusbazillus an-
zusprechen ist.
II. Absorptlonsrersuehe mit Stamm Endo.
A. Agglutininabsorptionsversuch. Versuche mit serum¬
festen Typhusbazillen wurden schon von Friedberger und Moreschi,
Mfl 11 er und Schlemmer usw. ausgefiihrt; dabei wurde beobachtet, daft
der serumfeste Bazillus die Agglutinine sehr schwer absorbiert. Deswegen
vermuteten die Autoren Rezeptorenschwund an dem Stamm. Zu den
bisherigen derartigen Versuchen wurde eine 1- bis 2-stiind. Absorptions-
behandlung allgemein ausgeubt. Wenn eine auffallende Verzogerung
der Bindungszeit bei serumfesten Bazillen infolge der Abschwachung
der Bindungskraft vor sich gegangen ist, wird die obige Behandlungs-
zeit unzureichend sein. Aus diesem Grunde habe ich zundchst die Be-
ziehung der Zeit und nachher die Beziehung der Bazillenmenge zur
Antikorperabsorption mit serumfesten und serumempfindlichen Stammen
vergleichend untersucht.
Go, gle
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Toyoda, Ueber die Serumfestigkeit des Typhusbazillus.
541
1. Verhalten der Zeit zur Agglutininabsorption.
a) Versuch mit Kullurbazillen.
1) Zu den Versuchen wurden 2 Immunsera benutzt: Das eine
wurde von einem Kaninchen, das mit dem serumempfindlichen Stamm N
immunisiert wurde, gewonnen; es agglutinierte den homologen
Stamm N bis 1: 1600. Das andere wurde von einem Kaninchen, das
mit den serumfesten Stamm Endo immunisiert wurde, gewonnen; es
agglutinierte den serumempfindlichen Stamm bis 1:3200, dagegen den
homologen nur unvollstandig bis 1:400.
2) Die zur Absorption benutzten Typhusstfimme waren die beiden
obigen, die auf Agar im Verlaufe einer Nacht gezfichtet wurden.
3) Absorptionsmethode. 0,1 ccm eines Serums wurde mit 4,9 ccm
KochsalzlSsung versetzt, dann wurden darin 30 mg Bazillen aufge-
schwemmt. Die Probe wurde eine bestimmte Zeit bei 37° gehalten,
zwischendurch einige Male geschiittelt und alsdann gchnell innerhalb
40—50 Min. abzentrifogiert. Die Agglutinationskraft der klaren Flussig-
keit wurde an den beiden genannten St&mmen gepriift. Die Resultate
wurden erstmalig nach 3-stiind. Aufenthalt der RShrchen bei 37°, dann
nach 20-stiind. Aufenthalt bei Zimmertemp. abgelesen. Als Kontrollen
dienten Sera, die auf 1:50 verdilnnt und sodann 4 Std. lang bei 37 0
gehalten wurden.
Tabelle I.
Agglutininabsorption des mit dem serumempfindlichen Stamm ge-
wonnenen Serums durch den serumfesten Stamm Endo.
Dauer der Absorption
20 Min
1 Std.
2 Std.
fieobachtung nach
3 Std.
20 Std.
3 Std.
20 Std.
3 Std.
20 Std.
Stamm Endo
1:100-
11:
100 —
1:100 —
1:100 —
1:100 —
1:100 —
Stamm N
1:200 +
1:
800 +
1:100 ±
1:800 +
1:100 —
1:200 +
Dauer der Absorption
3 Std.
4 Std.
unabsorbiertee
Serum
Beobachtung nach
3 Std.
I 20 Std.
3 Std.
20 Std.
3 Std.
20 Std.
Stamm Endo
1:100-
1 1:
100 —
1:100 —
1:100 —
1:100 —
1:200 +
Stamm N
1:100 —
11:
200 +
1:100 —
1:100 +
1:1600 +
1:1600 +
Resultat: Der serumfeste Stamm Endo absorbiert die Agglu-
tinine im heterogenen Serum bei 20 Min. Oder 1 Std. wShrender Bin-
dung nur in sehr geringer Menge, die Absorption nimmt jedoch bei
lfingerer Bindung derart zu, dafl die Agglutinine nach 4-stfind. Behand-
lung fast komplett absorbiert sind.
Tabelle II.
Agglutininabsorption des mit dem serumempfindlichen Stamm ge-
wonnenen Serums durch den homologen Stamm.
Dauer der Absorption
20 Min.
1 Std.
unabsorbiertee
Serum
Beobachtung nach
3 Std.
20 Std.
3 Std. |
20 Std.
3 Std.
20 Std.
Stamm Endo
100 —
100 —
100 —
100 —
100 —
200 ±
Ausgangsstamm N
100 —
100 —
100 —
100 —
1600 +
1600 +
Resultat: Der serumempfindliche Stamm absorbiert die homo¬
logen Agglutinine schon nach 20 Min. langer Behandlung komplett.
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Tabelle III.
Agglutininabsorption dee mit dem serumfesten Stamm gewonnenen
Serums durch den homologen Stamm.
Dauer der Absorption
3 Std. absorbiertes
Serum
unabsorbiertes
Serum
Beobachtung nach
3 Std.
20 Std.
3 Std.
20 Std.
Stamm Endo
100 —
100 -
100 —
400 +
Ausgangsstamm N
100 —
200 +
800 +
1600 +
Resultat: Der serumfeste Stamm Endo absorbiert die Agglutinine
im homologen Serum nach 3-sttind. Behandlung so stark, daB das ab-
sorbierte Serum den homologen Stamm nicht und den heterogenen auch
nur bis 1: 200 agglutiniert.
b) Versuch mit in der Bauch hohle geziichteten
B a z i 11 e n.
Aus den vorgehenden Versuchen ist ersichtlich, daG die serumfesten
Kulturbazillen fast komplette Absorptionsf&higkeit gegenuber den Agglu-
tininen besitzen, wenn auch eine deutlich verzogerte Bindungszeit her-
vorgetreten ist. Die Bazillen waren aber keine vollstandig serumfesten,
deswegen wurden zu den folgeuden Versuchen in der Bauchhohle ge-
zuchtete Bazillen, die vollstandig serumfest geworden waren, heran-
gezogen.
Der serumfeste Stamm Endo wurde von Meerschweinchen zu Meer-
schweinchen 3mal uberimpft. Nach dem Tode des letzten Tieres wurde
die intraperitoneale Fliissigkeit unter Zusatz von Natriumcitratlosung
kraftig zentrifugiert. Die iiber dem Sediment befindliche klare Fliissig-
keit wurde abpipettiert, das Sediment in einer maBigen Menge physiol.
Kochsalzlosung aufgeschwemmt und in der Zentrifuge vorsichtig zentri¬
fugiert, uni die Blutzellen auszuschleudern. Die weiBliche, stark ge-
trilbte obere Flussigkeit, in der sich zahlreiche Bazillen befanden, wurde
dann mit einer Spritze aufgesogen. Dies wurde 3—4mal wiederholt;
alsdann wurden alle Flussigkeiten gemischt und nunmehr noch einmal
stark zentrifugiert, um die Bazillen konzentriert zu erhalten. 4 Oesen
des Bazillensediments wurden in 3 ccm eines 50mal verdunnten Endo-
Stammserums aufgeschwemmt, damit die Absorption vor sich ginge.
Tabelle
IV.
Art der Sera
das 4 Std. absor-
bierte
das unabsorbierte
Beobachtung nach
3 Std.
20 Std.
3 Std.
J 20 Std.
Ausgangsstamm N
100 —
400 ±
800 +
j 1600 +
iutraperiton. Baz.
100 —
100 —
100 —
100 —
Resultat: Die vollstandig serumfest gemachten Bazillen besitzen
gleichfalls das Vermogen, einen groBen Teil der Agglutinine zu absor-
bieren, brauchen aber dazu 4 Std.
2. V erhalten der Bazillen menge bei der Absorption.
Als Immunserum wurde zum Versuche das mit dem serumempfind-
lichen Stamm gewonnene Serum und als Bazillen zur Absorption die
beiden Stamrae, der serumfeste und der serumempfindliche, benutzt. Zu
je 0,1 ccm des Serums wurden je 4,9 ccm Kochsalzlosung zugesetzt.
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Toyoda, Ueber die Serumfestigkeit des Typhusbazillus.
543
alsdann verschiedene Bazillenmengen, und zwar 5, 3, 2 und 1 mg, da-
mit vermischt. Die Gemische wurden 4 Std. bei 37 0 gehalten. Die Resul-
tate sind in folgender Tabelle zusammengestellt.
Tabelle V.
Art der Sera
Bazillenmenge
zur Absorption
3eobachtung
aach
?tamra Endo
Ausgangs-
stamm N
das mit dem serumfesten
Stamm absorbierte
das mit dem serumempfindlichen
Stamm absorbierte
5 mg
3 Std.
100 -
20 Std.
3 mg
5 mg
3 Std.
100 — 100 —
100 — 100 +| 100 +
20 Std. 3 Std. 20 Std.
100 — 1100 - 100 -
i '
800+| 100 - 100 +
2 mg
3 Std.
100 —
100 +
20 Std.
100 —
200 +
1 mg
3 Std.
100 —
200 +
20 Std
100 —
400 +
das un-
absorbierte
(Kontrolle)
3 Std.
100 —
800 +
20 Std.
100 +
3200+
Resultat: Das Absorptionsvermogen beider St&mme verh< sich
ungefahr wie 5 mg: 2 mg, 3 mg: 1 mg; d. h. der serumfeste Stamm
zeigt in 2-, 3- oder 5mal groBerer Menge das fast gleiche VermOgen.
Danach hat es den Anschein, als ob noch mehr Zeit zur Absorption
erforderlich ist, falls die Bazillenmenge gering ist; deshalb wurde ein
17-stund. Absorptionsversuch angestellt (s. Tab. VI).
Tabelle VI.
Art der Sera
Bazillenmenge
zur Absorption
Beobachtung
nach
Stamm Endo
Ausgangs-
stamm N
das mit dem serumfesten
Stamm absorbierte
3 mg
3 Std.
100 -
100 —
20 Std.
100 -
200 +
1 mg
3 Std. j20Std.
100—1 100 —
100 — 800 +
das mit dem serumempfind¬
lichen Stamm absorbierte
100 -
mg
1 i
mg
(Koni
20 Std.
3 Std.
20 Std.
3 Std.
- 100-
100-
100 —
100-
-400 +
100 +
800 +
1 -
800 +
das un-
absorbierte
120 Std.
200 +
1000+
Beinerkung. Das Kontrollserum wurde 50mal verdunnt und dann 17 Std.
bei 37° gehalten.
Resultat: Die beiden St&mme lieferten fast die gleichen Ergebnisse:
Der serumfeste Stamm absorbierte bei 17-stiind. Bindung sogar etwas
besser als der serumempfindliche.
Dali das Agglutininabsorptionsvermogen des serumfesten Stammes
von den mit ihm vermischten serumempfindlichen Bazillen kaum be-
einfluBt wird, ist daraus ersichtlich, daB erstens die beiden Stamme bei
der sehr langen Absorptionsbehandlung fast gleiche BindungsfShigkeit
zeigen, daB zweitens die intraperitonealen E n d o- Bazillen. die fast voll-
stSndig serumfest geworden waren, eine ebenso gute Absorptionsfahigkeit
besitzen, und daB drittens die beiden Stamme in ihren antigenen Eigen-
schaften, die im letzten Abschnitt IV naher beschrieben werden. fast keinen
Unterschied beobachten lassen.
Nun miissen wir annehmen, daB das AgglutinationsphSnomen nicht
durch eine Reaktion entsteht, die durch die Verbindung von Bazillen
und Agglutininen unmittelbar hervorgerufen wird, sondern sekundar durch
eine Aenderung des physikalischen Zustandes der Bazillen, welche als
Wirkung der Agglutinine anzusehen ist. Aus diesem Grunde kommen
wir hinsichtlich des Prinzips des Zustandekommens der Agglutinations-
festigkeit zu der SchluBfolgerung, daB der physikalische Zustand serum-
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544 Centr&lbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
fester Bazillen derart ist, daB er sich unter der Wirkung der Agglutinine
nur schwer verandert. Wenn man das Wesen so erklart, ist die Ag-
glutininbildungsfahigkeit der serumfesten Bazillen sehr leicht verstandlich
denn eine Veriinderung beztiglich ihrer Rezeptorenkonstitution hat nicht
stattgefunden; die Bazillen besitzen sogar noch das BindungsvermSgen
ihrer Rezeptoren, wenn auch unter zeitlichen Verzogerungen. Dafi
Typhusbazillen infolge gauz einfaqher pbysikalischer Behandlung auch
inagglutinabel werden und trotzdem das Bindungsvermfjgen der Rezep¬
toren behalten, ist schon lange durch die Erhitzungsversuche von Eisen-
berg und Volk bekannt.
B. Bakterioly sin absorption sversuch.
Friedberger und Moreschi, Schlemmer u. a. wiesen eine
Verminderung bzw. ein volliges Verschwinden der Bakteriolysine im
BiDdungsversuch bei serumfesten Bazillen nach und folgerten hieraus,
daB der bakteriolysinfeste Stamm seine Rezeptoren eingebflBt bat. Hier
machte ich, um das Verhalten der Zeit zur Absorption festzustellen,
folgenden Versuch: 0,1 ccm des mit dem serumfesten Stamm gewonneuen
Serums wurde mit 4,9 ccm Kochsalzlosung versetzt, dann darin 30 mg
Bazillen einer 18-stiind. Agarkultur aufgeschwemmt und 20 Min. bzw.
4 Std. bei 37° gehalten. Das absorbierte Serum wurde auf seine Schutz-
kraft gegen die Infektion des serumempfindlichen Stammes N untersucht.
Die Ergebnisse wurden durch Leben bzw. Tod der Tiere in 24 Std. nach
der Impfung festgestellt.
Tabelle VII.
Bakteriolysinabsorptionsversuch in seinem Verbaltnisse zur Zeit.
das mit dem serumfesten das mit dem das unabsorbierte Serum
Stamm absorbierte serumempf.
Stamm ab¬
sorbierte
20 Minuten 4 Stunden 20 Minuten (Kontrolle)
262 265 267 263 252 267 260 252 285 260
0,01 0,001 0,01 0,001 0,01 0,001 0,01 0,001 0,0002 —
4 mg 4 mg 4 mg 4 mg 4 mg 4 mg 4 mg 4 mg 4 mg 4 mg
lebt tot tot tot tot tot lebt lebt tot tot
-^5
Result at: Der serumfeste Stamm absorbiert die Bakteriolysine
innerhalb von 20 Min. nur unvollst&ndig und erst in 4 Std. fast voll-
standig, w&hrend der serumempfindliche schon nach 20 Min. die kom-
plette Absorption zeigt.
Daraus ist ersichtlich, daB auch der bakteriolysinfeste Stamm seine
Bindungsfahigkeit mit den Bakteriolysinen fast vollst&ndig bebait, aller-
dings geht der Bindungsvorgang langsam vor sich, wie dies in gleicher
Weise bei der Agglutininfestigkeit beobachtet wurde. Die Richtigkeit
der Tatsache wird noch dadurch bestatigt, daB man die Antikorper mit
den durch kontinuierliche Tierpassagen fast vollstSndig fest gemachten
Bazillen auch absorbieren kann, und daB der serumfeste Stamm vergleichs-
weise als Antigen mit dem serumempfindlichen ebensogut einwirken
kann, wie das in den folgenden Abschnitten auseinandergesetzt ist. Wir
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Art der Sera
Zeitdauer zur
Absorption
Meerschw. - Kor-
pergewichting
Serummenge
in ccm
Bazillenmenge
zur Infektion
Resultate
Toyoda, Ueber die Serumfestigkeit des Typhusbazillus.
545
mflssen also annehraen, daB das bakteriolytische Ph&nomen ein solches
ist, welches nicht immer hervortritt, wenn auch die 3 Komponenten,
Bazillus, bakteriolytischer Ambozeptor und Komplement, in einer Ver-
bindung zusammen kommen, sondern daB die Bazillen selbst eine physi-
kalische Eigenschaft, die von den Bakteriolysinen leicht gelbst wird, auf-
weisen mflssen. Auf Grund dessen kommen wir hinsichtlich des Zustande-
kommens der Bakteriolysinfestigkeit zu der SchluBfolgerung, daB dieserum-
festen Bazillen an sich eine physikalische Eigenschaft, die gegen die
Wirkung der Immunkorper widerstandsfflhig ist, so daB sie vor dem Tod
schfltzen kann, vermehrt haben. Dadurch ist es auch leicht erklarlich,
daB der serumfeste Stamm die betreffenden Antikflrper im Tierkorper
bilden kann.
III. Untersuchung mit kiinstlich serumfest gemachten St&mmen.
Die Untersuchung wurde angestellt, um zu erfahren, ob kflnstlich
serumfest gemachte Bazillen die gleiche Eigenschaft wie natfirlich serum¬
feste Stamme besitzen.
A. Agglutininabsorptionsversuch: Zum Versuch wurden 2
serumempfindliche Stamme von Meerschweinchen zu Meerschweinchen
3mal intraperitoneal fortgepflanzt. Die Bazillen in der Peritonealflflssig-
keit des letzten Tieres wurden nach der schon erw&hnten Methode (siehe
Abschn. II, lb) gesammelt und moglichst rein durch Zentrifugieren dar-
gestellt. Die tierischen Bazillen werden auffallend inagglutinabel: z. B.
zeigten die tierischen Bazillen des Stammes N keine Agglutination durch
das homologe Serum nach 3-stflnd. Beobachtung und nach 20 Std. erst
bei 1 :200, wahrend der unvorbehandelte Ausgangsstamm schon nach
3 Std. bis 1 :1600 agglutiniert wurde. Die tierischen Bazillen des
Stammes H zeigten keine Agglutination gegen das N-Stammserum selbst
nach 20stfind. Beobachtung, wahrend der Ausgangsstamm eine positive
Reaktion bis auf 1 :800 aufwies. '
Der Absorptionsversuch wurde so angestellt, daB zu je 15 mg der
tierischen Bazillen 2,5 ccm Kochsalzlosung und 0,05 ccm Immunserum
(N-Stamm) zugefflgt und dann wahrend einer bestimmten Zeit auf 37°
gehalten wurde.
Tabelle VIII.
Agglutininabsorptionsversuch mit tierischen Bazillen N.
Art der Sera
Beobachtung nach
Ausgangsstamm N
das 20 Min. ab-
das 1 Std. ab-
das unabsorbierte
sorbierte
sorbierte
3 Std.
20 Std.
3 Std.
20 Std.
3 Std.
20 Std.
100 —
200 +
100-
400 +
1600 +
3200 +
Resultat: Die tierischen Bazillen des Stammes N absorbieren die
Agglutinine nach lstflnd. Behandlung noch unvollstandig, der Ausgangs¬
stamm dagegen schon nach 20 Min. vollstandig (s. Tab. II).
Tabelle IX.
Agglntininabsorptionsrersuch mit tierischen Bazillen des Stammes H.
Art der Sera
das 20 Min. ab-
Borbierte
das 1 Std. ab-
sorbierte
das unabsorbierte
Beobachtung nach
3 Std.
20 Std.
3 Std.
20 Std.
3 Std.
20 Std.
Ausgangsstamm N
100 —
100 —
100 —
100 —
800 +
1600 +
Ausgangsstamm H
100-
100 —
100 —
100 —
800 +
800 +
trrtc Abt. Ong. Bd. H8 Heft 7/8. 35
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546
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7 8.
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Result at: Man kann bei den tierischen Bazillen des Stammes H
weder eine Verminderung der Agglutininbindungskraft noch eine Ver-
liingerung der Bindungszeit beobachten, wahrend sie vollstandige Bak-
terizidiefestigkeit besitzen.
B. Bakteriolysinabsorptions versuch: Zu dem Versuch
wurden die 2 erwahnten Stamme und das En do-Stamm-Immunserum
benutzt. Gewinnung der tierischen Bazillen und Absorptionstechnik
wie vorher.
Tabelle X.
Bakteriolysinabsorptions versuch mit den tierischen Bazillen des
Btammee N.
Art der Sera
das 20 Min
. ab-
das
1 Std.
ab-
das unabsorbierte
sorbierte
sorbierte
(Kontrolle)
Meersch w. - Korper-
1
gewicht in g
265
270
270
265
270
270
272
270
255
270
Serummenge in ccra
0,02
0,01
0,001
0,02
0,01
0,001
0,01
0,001
0,0002
—
Ausgangsstamm N
zur Infizierung
4 mg
4 mg
4 mg
[ 4 mg
4 mg
4 mg
4 mg
4 mg
4 mg
4 mg
Ergebnisse
lebt
lebt
tot
] tot
tot
tot
lebt
lebt
tot
tot
Resultat: Die tierischen Bazillen des Stammes N absorbieren die
Bakteriolysine erst nach einer lstiind. Behandlung vollst&ndig, der Aus-
gangsstamm dagegen schon nach einer 20 Min. wahrenden Behandlung
(s. fab. VII).
Tabelle XI.
Bakteriolysinabsorptionsversuch mit den tierischen Bazillen des
Stammes H.
Art der Sera
das 20 Min. absorbierte
das 1 Std. absorbierte
Meerschw.-Korpergewicht in g
260
280
280
250
250
260
Serummenge in ccm
0,02
0,01
—
0,02
0,01
—
Ausgangsstamm N zur Infiz.
4 mg
4 mg
4 mg
4 mg
4 mg
4 mg
Ergebnisse
tot
tot
tot
tot
tot
tot
Bemerkung: Kontrolle steht in Tab. X.
Re suit at: Die tierischen Bazillen H absorbieren die Bakterio¬
lysine schon innerhalb 20 Min. komplett.
Die Resultate fiihren uns zu dem SchluB, dafi die kiinstlich aus-
gebildeten serumfesten Bazillen auch das Bindungsvermogen fur deren
Antikorper besitzen, wie es bei dem natiirlich ausgebildeten Stamm be-
obachtet wurde. Aber es ist verwunderlich, dafi die tierischen Bazillen
des Stammes H keine Verzogerung der Bindungszeit zeigen, wahrend
sie bei den anderen deutlich beobachtet wurde, wie bei dem Endo-
Stamm. Es ist wohl wahrscheinlich, dafi die Verzogerung der Stabilitat
der Festigkeit entsprecheud ist.
IV. VergleiehendeUntersuchung der antigenen Wirkung der Stiiminc.
A. Versuch mit Kulturbazillen: Zum Versuch wurden 18-
stiind. Agarkulturen vom Endo- und N-Stamm benutzt. Die Bazillen
wurden genau gewogen, aufgeschweramt und bei 60° 30 Min. erhitzt.
4 Kaninchen mit fast gleichem Korpergewicht wurden ausgewahlt; der
Halfte von ihnen wurden je ’/mo m g und der anderen HSlfte je y 600 mg
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Toyoda, Ueber die Serumfestigkeit des Typhusbazillus.
547
Bazillen intravends eingespritzt. Am 8. Tage nach der Impfung wurden
die Kaninchen entblutet. Agglutinationstiter der Sera wird in Tab. XII
verglichen.
Tabelle XII.
Eingeapritzte Bazillenmenge
1/
/100
1 mg
1/
1 600
Beobachtung nach
3 Std.
20 Std.
3 Std. 1
Endo- Stamm-Immunsera
800 +
3200 +
400 +
N-Stamm-Immunsera
800 +
3200 +
200 +
mg
20 Std.
800 +
400 +
Resultat: Der serumfeste Stamm brachte als Antigen etwas
besseren Erfolg als der serumempfindliche.
B. Versuch mit den in einerTierbauchhohle gezuch-
teten Bazillen. Bazillen Endo in einer Meerschweinchenbauchhohle
wunlen nach der schon erwahnten Methode angesammelt uud benutzt.
Zur Kontrolle wurde eine Agarkultur des Stammes N benutzt. Die
Bazillen wurden bei 60° 30 Min. erhitzt. 8 Kaninchen mit fast gleichem
Korpergewicht wurden ausgewahlt, von ihnen erhielten 4 je Vioo m g und
4 je Vsoo mg.tierische Bazillen des Endo-Stammes bzw. Bazillen des
des Stammes N intravenos eingespritzt. Am 8. Tage nach der Impfung
wurden die Kaninchen entblutet. Die Agglutinationswirkung der Sera
wurde mit den Kulturbazillen N untersucht. Die Resultate sind in
Tab. XIII vergleichend zusammengestellt.
Tabelle XIII.
Eingespritzte Bazillenmenge
Bcobachtung nach
Endo-Stamra-Immunsera: Nr. 1
Nr. 2
N-Stamm-Immunsera: Nr. 1
Nr. 2
i/
hoc
mg
1 /
/s 00
mg
3 Std.
20 Std.
3 Std.
20 Std
800 +
800
+
400 +
400 +
800 +
800
+
400 +
800 +
800 +
800
+
400 +
800 +
800 +
1600
+
400 +
800 +
Resultat: Zwischen den beiden Bazillen kann man iin allgemeinen
keinen groBen Unterschied hinsichtlich der antigenen Wirkung beobachten.
Unfraglich gibt es unter ihnen einen kleinen Unterschied in bezug
auf den Agglutinationstiter, aber das liegt wohl an der individuellen
Verschiedenheit der Tiere. DaB der serumfeste Stamm fast die gleiche
Wirkung als Antigen wie der serumempfindliche besitzt, kann ein Grund
sein, die Annahme, nach welcher die Antikdrperbildung mit der Wirkung
der in einem serumfesten Stamme mit vorhandenen serumempfindlichen
Bazillen erkldrt wird, auszuschlieBen.
Zusammenfassung.
Bei der Serumfestigkeit des Typhusbazillus handelt es sich nicht
um eine Veranderung seiner Rezeptorenkonstruktion, sondern urn eine
vermehrte physikalische Resistenz, auf die von den Agglutininen oder
Bakteriolysinen nicht leicht eingewirkt werden kann, wenn auch die Ba¬
zillen mit den Antikorpern verankert werden. Deshalb kfinnen serumfeste
Bazillen die betreflfenden Antikdrper hervorrufen, wfthrend die Zeitdauer
zur Verbindung mit ihnen groBe Unterschiede aufweist. Ein aus dem
Blute eines Typhuskranken gewonnener serumfester Stamm, der durch
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548
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
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Ziichtung auf kiinstlichen NSbrboden in seiner Eigenschaft nicht be-
einfluBt wurde, zeigte eine sehr erheblicbe Verlangerung der Bindungs-
zeit, andere, kiinstlich ausgebildete serumfeste St&mme wiesen dagegen
nur eine geringe oder gar keine Verzogerung auf.
Literatur.
1) Zitiert nach For net, Handb. v. Kolle-Wassermann. 2. Aufl. Bd. 3. 8.851. —
2) Bail, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 30. .901. — 3) Bail und Rubritius,
Ebenda. Orig. Bd. 43. 1907. — 4) Walker und Ain ley, Ebenda. Abt. 1. Ref. Bd. 32.
1902. 8.115. — 5) Muller, Mfinch. med. W. 1903. — 6) Tzuda, Centralbl. f. Bakt.
Abt. I. Orig. Bd. 48. 1909. — 7) Braun und Feiler, Ztschr. f. Immunitatsf. Orig.
Bd. 21. 1914. — 8) Feiler, Ebenda. Bd. 24. 1916. — 9) Rosenthal, Centralbl. f.
Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 70. 1920. S. 158. — 10) Friedberger und Moreschi, Berl.
kl. W. 1905. — 11) Besser und Jaff6, Dtech. med. W. 1905. — 12) Schlemmer,
Ztschr. f. Immunitatsf. Orig. Bd. 9, 1911. — 13) Ehrlich, Miinch. med. W. 1909.
— 14) Toyoda, The Kitjsato Arch, of exper. Med. Vol. 4. 1920. Nr. 1. — 15) Eisen-
berg und Volk, Ztschr. f. Hyg. Bd. 40. 1902. — 16) Fornet, Immunitat bei Typhus.
Handb. v. Kolle-Wassermann. 2. Aufl. Bd. 3. S. 837. — 17) Paltauf, Agglutination.
Ebenda. Bd. 2. S. 483.
Nachdruck verboien
TJntersuchungen zur Aetiologie und Biologie der Tumoren.
XXIV. Mitteilung').
Die Biologie der Coccidien mit Beriicksichtigung der Tumor-
pathologie.
Von Dr. E. Saul, Berlin.
Mit 18 Abbildungen im Text.
Bernhard Fischer 2 ) veroffentlichte 1906, daB durch subkutane
Injektion von Oleum olivarum am Ohre des Kaninchens betrachtliche
'Wucherungen der Hautepithelien hervorgerufen werden kbnnen. Er
scbildert sein Versuchsergebnis, wie folgt:
„F.inige Wochen nach der subkutanen Injektion von Oleum olivarum kann man
an der daruberliegenden Epithelschicht eine nicht unbetrachtliche Verdickung nach-
weisen, mit tiefer Aussprossung der Epithelzapfen.“ Dem Hautkrebs ahnliche Wuche¬
rungen traten in diesen Versuchen auf, wenn Fischer dem Oleum olivarum den Fett-
farbstoff „8charlach R u hinzufiigte. Er deutete die in Rede stehenden Epithelproliferationen
als chemotaktische Wirkung des subkutan injizierten Oleum olivarum. Bezugnehmend
auf die Experimente Fiscpers bekundete v. Hansem an n 3 ), dafi Substanzen, wie
das mit „8charlach R u gesiittigte Oleum olivarum, fiir die Geschwulstentstehung aus-
schlaggebend sind, und dafi sie, dauernd produziert, die Malignitat auslosen konnen.
DemnMchst zeigten Jores 4 ) und Stahr s ), dafi in den Versuchen Fischers eine
spezifische Wirkung auf die Hautepithelien des Kaninchenohres nicht vorlag, daS viel-
mehr die betreffenden Epithelwucherungen auch an der Riickenhaut des Hundes (Jores)
und an der Bauchhaut weifier Mause (Stahr) durch subkutane Injektion von Oleum
olivarum hervorgerufen werden konnen. — Darauf publizierten Wacker* 1 ) und
Schmincke fi ), da8 auch nach subkutaner Injektion von p-Oxybuttersaure, von Oel-
iyVgl7Ceutralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 85. 1920 usw.
2) Munch, med. Woc.henschr. 1906. Nr. 42.
3) Zeit.schr. f. Krebsforseh. Bd. 5. 1905. 8. 520.
4) Miinch. med. Wochenschr. 1907. Nr. 18.
5) Ebenda. 1907. Nr. 42.
6) Ebenda. 1911. Nr. 30 u. 31.
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Saul, Untersuchungen zur Aetiologie und Biologie dor Tumoren.
549
saure, von Eleidinsaure, von Amidoazobenzol, Amidoazotoluol, Paratoluidin und
a-Naphthylamin an der Injektionsstelle Wucherungen der Hautepithelien entstehen. —
Endlich veroffentlichten Stoeber 1 ) und Wacker 1 ), daB die Wirkung, die das Oleum
olivarum gegenuber den Hautepithelien besitzt, eine machtige Steigerung erfahrt, wenn
as, gemischt mit Substanzen, die wir regelmiifiig unter den Zersetzungsprodukten der
EiweiBkorper finden, wie Indol und Scatol, dem Kaninchenohr subkutan injiziert wird.
Wie Stoeber und Wacker bekunden, gleichen die Wucherungen der Hautepithelien,
die auf diese Welse erzielt werden, dem Plattenepithelzellenkrebs derartig, daB eine
Unterscheidung von diesem auch dem gewiegtesten Kenner maligner Epithelwucherungen
unmoglich wira.— Wahrend nun Fischer annahm, daB das Oleum olivarum durch
Chemotaxis auf die Hautepithelien wirke, gelangte Jores zu der Auffassung, daB in
den Versuchen Fischers nicht eine chemotaktische Wirkung, sondern eine primare
Schadigung der regioniiren Hautepithelien vorlag, und daB die sekundar auftretenden
Epithelproliferatiouen als Ersatzwucherungen im Sinne Weigerts zu deuten seieri.
Die in den Versuchen Fischers beobachtete starke Verhornung der regionaren Haut¬
epithelien betrachtete Jores als Symptom ihrer primaren Schadigung.
Gegenuber der Kontroverse Fischer-Jores schien es mir von
Interesse, die Wirkung des Oleum olivarum an Protozoen zu priifen.
Als Testobjekt wkhlte ich die Coccidien, weil sie Eigenschaften von
Metazoenzellen und von Protozoen in sich vereinigen : Ebenso wie
Metazoenzellen, konnen die Coccidien sich in Reihen anordnen und sich
gegenseitig abplatteu; ebenso wie Metazoenzellen, konnen die Coccidien-
Fig. 1. Fig. 2 .
herde im Organismus ihres Wirtes infiltrierend wachsen; ebenso wie
die Geschlechtszellen von Metazoen, sind die Coccidien geschlechtlicher
und ungeschlechtlicher Entwicklungserregung tahig.
Bei der Feststellung, in welcher Weise die Coccidien gegen Oleum
olivarum reagieren, lieB ich das letztere 48 Std. auf die Coccidien ein-
wirken. Die Testobjekte wurden teils bei Ziminertemperatur, teils bei
Bruttemperatur gehalten. Die Versuchsergebnisse mochte ich an der
Hand der folgenden Photogramme schildern.
Fig. 1. Coccidium cuniculi, wahrend 48 Std. in Oleum oli¬
varum kultiviert. Zimmertemperatur. VergroBerung 1:500.
Unter Einwirkung des Oleum olivarum sind die Binnenkorper des
Coccidiums total zerstort, wShrend der Kontur desselben im wesentlichen
intakt erscheint; es ist also diejenige Art des Zelltodes eingetreten, die
Virchow als Zellnekrose bezeichnete, d. h. Zelltod mit Erhaltung der
Zellform.
Fig. 2. Coccidium cuniculi, wahrend 48 Std. in Oleum oli¬
varum kultiviert. Bruttemperatur. VergroBerung 1: 250.
Bei gleichzeitiger Einwirkung der Bruttemperatur hat das Oleum oli-
1) Munch, med. Wochenschr. 1910. Nr. 18.
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
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varum sowohl die Binnenkdrper als auch die Konturen der Coccidien ver-
nichtet. Die Hiillen der Coccidien sind zerrissen, die Binnenkorper in das
umgebende Medium ausgetreten und nicht mehr nachweisbar. Bei gleich-
zeitiger Einwirkung der Bruttemperatur hat also das Oleum olivarum
diejenige Art des Zelltodes herbeigefiihrt, die Virchow als Nekrobiose
bezeichnete, d. h. Zelltod mit Zerstorung der Zellform.
Die Wirkungen des Oleum olivarum konnen nach diesen Ergeb-
nissen die Auffassung stutzen, daB in den Experimenten Fischers
eine primare Schadigung der regionaren Hautepithelien vorlag, und daB
die sekundar auftretenden Epithelproliferationen als Ersatzwucherungen
zu deuten sind, wie zuerst Jores bekundet hat.
Da nach den Untersuchungen von Hurthle 1 2 ) und Rohmann*)
das Blut Fettkorper, und zwar Cholesterinfette enthalt, so war es von
Interesse, festzustellen, welche Wirkung Blut gegeniiber den Coccidien
entfaltet. Ich w&hlte fur die Versuche das Blut des gegen Coccidium
cuniculi immunen Meerschweinchens und das Blut des fur dasselbe emp-
fanglichen Kaninchens.
Fig. 3. Fig. 4.
Fig. 3. Coccidium cuniculi, wiihrend 48 Std. in defibriniertem
Meerschweinchenblut kultiviert. Zimmertemperatur. VergroBerung 1:500.
Unter Einwirkung des Meerschweinchenblutes sind die Binnenkorper
der Coccidien zerstort; sie erscheinen in kugelformigen Resten an der
Peripherie der Coccidienschale. Die Konturen der Coccidien sind intakt.
Es handelt sich also um Zelltod mit Erhaltung der Zellform (Zellnekrose).
Fig. 4. Coccidium cuniculi, wiihrend 48 Std. in defibriniertem
Meerschweinchenblut kultiviert. Bruttemperatur. VergroBerung 1 :250.
Bei gleichzeitiger Einwirkung der Bruttemperatur sind durch das
Meerschweinchenblut sowohl die Binnenkorper als auch die Konturen
der Coccidien vernichtet worden. Es handelt sich also um Zelltod mit
Zerstorung der Zellform (Nekrobiose). Die Reste der zerstorten Coc¬
cidien zeigen inyeline Pseudopodienbildung, wie wir sie gelegentlich auch
bei nekrobiotischem Zerfall der Metazoenzellen wahrnehmen.
Ich komme nun zu den Wirkungen, uie das Blut des fur Coc¬
cidium cuniculi empfanglichen Kaninchens gegeniiber den Coccidien
entfaltet.
1) Zeitschr. f. physiol. Chetnie. Bd. 21. 1895.
2) Berlin, klin. Wochenschr. 1912. Nr. 42.
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Saul, Untersuchungen zur Aetiologie und Biologie der Tumoren.
551
Fig.-5. Coccidium cuniculi, wahrend 48 Std. in defibriniertem
Kaninchenblut kultiviert. Zimmertemperatur. VergroBerung 1:1000.
Im Gesichtsfeld erschei-
nen zwei Coccidien. Das
eiue Coccidium (a) zeigt ■ v !£ 4
weder Entwicklungspha.no-
mene
Sporozoiten, zwischen ihnen
ronten, den „nucl6usdereli- M
quat“ der franzosischen Au-
toren. An den Sporozoiten 15. * * *y/
unterscheidet man den *5**/ * / v
Schwanz fast homogen. Da
die Genese der Sporozoiten '
erfahrungsgemaBniemalsim b H
Organismus des mit Cocci- j,- lg 5
dien infizierten Tieres er-
folgt, sondern nur in der AuBenwelt, so miissen die Sporozoiten wahrend
der Kultivierung der Coccidien im Kaninchenblut entstanden sein. Es
liegt jedoch bei ihrer
Entwicklung eineMiB-
bildung per defectum
per excessum vor *-\
eine MiBbildung per
defectum insofern, als *gflt > V r^Tf, .,
anstatt 8, nur 2 Sporo- v**j§\'V"ic58Klk
zoitenentstandensind, . 1 V 1 -
und insofern, als die {0} f L>.fY, < V
Sjiorozoiten einer um- >
hullenden Sporo-
cystenmembran er-
mangeln, so daB sie M
freiin den Binnenraum ,/v \\ ' v ’ r /
desCoccidiumshinein- ^ *«,
ragen. Eine MiBbil- V
dung per
zeigt das Coccidium
b insofern, als die
Sporozoiten der
zwischen ihnen
gende RestkQrper au-
Berordentlich groB Fig. u.
entwickelt sind.
Fig. 6. Coccidium cuniculi, wahrend 48 Std. in defibriniertem
Kaninchenblut kultiviert. Zimmertemperatur. VergrfiBerung 1 :2500.
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552 Central bl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
Das Plasma des Coccidiums hat sich kugelfomig geballt und ein
Chromidialpartikel ausgestoBen. Die biologische Bedeutung dieses Vor-
ganges ist von Fall zu Fall verschieden; sie kann auf vegetativem oder
sexuellem Gebiete liegen. In dem vorliegenden Falle handelt es sich
um die letztere EventualitSt, deun aus dem aus-
gestoBenen Chromidialpartikel entwickeln sich, wie
die Abbildung lehrt, spermatozoide Mikrogameten.
Fig. 7. Coccidium cuniculi, wahrend
48 Std. in defibriniertem Kaninchenblut kultiviert.
Zimmertemperatur. VergroBerung 1 : 1000.
Die Abbildung zeigt diejenige Entwicklungs-
phase der spermatozoiden Mikrogameten, in der
sie, losgelost von dem ausgestoBenen Chromidial¬
partikel, dem sie entstammen, frei im Binnenraum
die Coccidiums liegen.
Fig. 8. Coccidium cuniculi, wahrend
48 Std. in defibriniertem Kaninchenblut kultiviert. Zimmertemperatur.
VergroBerung 1:1000.
Neben dem Plasma des Coccidiums erscheinen spermatozoide
Mikrogameten. Das Chromidialpartikel, aus dem sie hervorgingen, ist
in dieser Phase ihrer
Entwicklung nicht
nachweisbar. Man
unterscheidet an den
spermatozoiden Mi¬
krogameten, ebenso
wie an den Sperm a-
tozoen der Metazoen,
das Spitzenstiick, den
, spindelfbrmigen Kopf,
das Mittelstiick, den
Schwanz und die bei-
den GeiBeln. — Es ist
hervorzuheben, daB
der in den Figuren 6,
7, 8 dargestelite Mo¬
dus der Mikrogameten-
bildung, wie er sich
vollzieht, wenn die
Coccidien in Kanin¬
chenblut kultiviert
werden, bisher nie-
malsbeobachtet wurde.
Seit den Untersuch-
ungen Schaudinns 1 ) gilt vielmehr als erwiesen, daB die Teilung des
Coccidienkernes regelm&Big der Genese der Mikrogameten vorangeht,
und daB die Zahl der Kernteile mit der Zahl der sp&ter im Coccidium
auftretenden Mikrogameten iibereinstimmt.
Fig. 9. Coccidium cuniculi, wahrend 48 Std. in defibriniertem
Kaninchenblut kultiviert. Bruttemperatur. VergroBerung 1 : 1000.
1) Schaudinn, Untersuchungen fiber den Generationswechsel bei Coccidien.
(Zool. Jahrb. Abt. f. Anat. Bd. 13. 1900. 8. 239 ff.).
Fig. 7.
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Saul, Untersuchungeu zur Aetiologie und Biologie der Tumoren.
553
Der Sporont des Coccidiums ist in normaler Weise geteilt, die
Teilstflcke um den Restkorper des Sporonten gruppiert. In den fol-
genden Phasen der Entwicklung gehen aus den Teilstiicken des Sporonten
Sporozysten und Sporozoiten hervor. Die Sporozysten und Sporozoiten
sind Charakteristika der weiblichen Coccidien.
Bei den in den Fig. 6 — 9 dargestellten Coccidien ist eine sch&dliche
Wirkung des Kaninchenblutes, in dem sie kultiviert wurden, nicht nach-
weisbar. Zum Vergleich mit der in Fig. 5 abgebildeten MiBbildung per
defectum und per excessum eines in Kaninchenblut kultivierten weib¬
lichen Coccidiums moge die folgende Abbildung dienen.
Fig. 10. Cocoidium cuniculi, w&hrend 48 Std. in Aqua fon-
tana kultiviert. Zimmertemperatur. VergroBerung 1: 1000. Erfahrungs-
gemSB stellt Aqua fontana ein Medium dar, das fiir die Zfichtung der
Coccidien adSquat ist.
Wie die Abbildung lehrt, haben sich in dem Coccidium 4 nor-
male Sporozysten entwickelt. In jeder Sporozyste erscheinen je 2 Sporo¬
zoiten, zwischen ihnen je 1 Restkorper. Bezflglich der Sporozysten-
membran, welche die Sporozoiten umhflllt, und bezuglich der Schale des
Fig. 9. Fig. 10.
Coccidiums ist zu bemerken, daB sie im DuoUenum des infizierten Tieres
zur Auflosung gelangen, nachdem die Coccidien mit der Nahrung auf-
genommen wurden. Nach Untersuchungen Metzners 1 ) kommt fiir
diese auflosende Wirkung hauptsachlich das in das Duodenum flieBende
Pankreassekret 2 ) in Frage. Die von ihren Hiillen befreiten Sporozoiten
dringen in die Darmepithelien und Gallengangsepithelien. Innerhalb der
Epithelien gehen aus den Sporozoiten die jungen Coccidien hervor.
Ich komme nun zu der oft diskutierten Frage: Welche Bedeutung
besitzen die Coccidien fiir die Tumoratiologie? As.kanazy 3 ), Mar¬
ch and 4 ) und R. Pfeiffer 5 ) berichten iibereinstimraend, daB das Coc¬
cidium cuniculi Gallengangsadenome hervorruft, eine Behauptung,
1) Arch. f. Protistenk. Bd. 2. 1903.
2) Die Fie. 5—9 lehren, daB dae Kaninchenblut keine auflosende Wirkung gegen-
iiber den Coccidien besitzt. Da an die Auflosung der Coccidienschale die Iufektiositat
der Coccidien gekniipft ist, so wird erkliirlich, daB es R. Pfeiffer nicht gelane, die
Coccidiose auf dem Blutwege exjterimentell hervorzurufen, obgleich er gelegentlich ko-
lossale Mengen von Coccidien in die Blutbahn der Kaninchen injizierte.
3) Lehrb. d. patholog. Anat., herausgeg. von L. Aschoff. Bd. 1. 1913.
4) Handb. d. allgen). Pathol. Bd. 1. 1908.
5) Die Coccidienkrankheit der Kaninchen. Berlin 1892.
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554
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 7/8.
die dadurch an Bedeutung gewinnt, daB nach den Untersuchungen von
Goldzieher 1 ) und von v. Bokay 1 ) hyperplastische Wucherungen
der Gallengange eine wesentliche Vorbedingung fur die Genese des
Leberkarzinoms sind. Mar chan d (1. c.) schildert die bei der
Lebercoccidiose in Betracht kommenden Befunde, wie folgt: „Eine
wichtige Frage, die uiit der toxischen Wirkung der Para-
siten zusammenh&ngt, betrifft. die durch diese veran-
laBten Wucherungsprozesse im Gewebe-„Durch die
Anwesenheit von Parasiten konnen ansehnliche epithe-
liale Wucherungen erzeugt werden. Dahin gehen die bei
Kaninchen hSufig vor kommenden papdll&ren Wuche¬
rungen der GallengAnge, bei Invasion der Zylinderepi-
thelien durch Coccidiutn oviform e. Die Wucherung des
Epithels zieht die desBindegewebes nach sich Gegen-
tiber dieser Bekundung Marchands ist hervorzuheben, daB die Coc-
cidien wahrend ihres intraepithelialen Parasitisinus auf die Epithelien
der Gallenwege nicht proliferierend, sondern destruierend wirken, wie
Fig. 11. Fig. 12.
ich in Uebereinstimmung mit Lubarsch 2 ) bekunden kann. Im Uebrigen
dtirfen wir gemaB den Befunden, die durch die folgenden Abbildungen
erlautert werden, voraussetzen, daB die bei der Lebercoccidiose auf-
tretenden Gallengangsadenome durch Stoffwechselprodukte von Coccidien
hervorgerufen werden, die nach ZerstQrung der Gallengangsmucosa in
das periportale Bindegewebe der Leber gelangt sind. Auch hier ver-
ursachen die Coccidien in der nachsten Umgebung Zellzerstorung, wah-
rend sie in der weiteren Umgebung, — wo ihre Stoffwechselprodukte
in geringerer Konzentration wirken, — hyperplastische Wucherungen des
periportalen Bindegewebes und adenomatSse Wucherungen der Gallen¬
gangsmucosa veranlassen. Diese Prozesse entsprechen dem biologischen
Grundgesetz von Pfluger und Arndt, welches lehrt, daB ein und
dasselbe Agens, je nach seiner St&rke, sowohl destruierend wie stimu¬
li Virchows Arch. Bd. 203. 1911. — Die Feststellungen von Goldzieher uud
von v. Bokay beziehen sich auf die Humanpathologie. Beziiglich der Veterinarpatho-
logie ist zu bemerken, daB die Gallengangsadenome der Kaninchen erfahruogsgemafi
niemals mit Leberkarzinom kombiniert sind.
2) Lubarsch, Pathologische Anatomie und Krebsforschung. Wiesbaden 1902
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Saul, Untersuchungen zur Aetiologie und Biologie der Tumoren.
555
lierend wirken kann. Die betreffenden Befunde mochte ich an der
Hand der folgenden Abbildungen schildern.
Fig. 11. Schnittpraparat einer Kaninchenleber. Fall von Coccidiose.
Gie m sa-Farbung. VergroBerung 1:40.
Das Gesichtsfeld zeigt 4 Coccidienkolonien, die sich in Lficken des
periportalen Bindegewebes entwickelt haben. Aehnlich wie die Eier ge-
schwulsterregender Tiere, — Helminthen, Milben, Wespen, -- kcinnen die
Coccidien durch ihre Stoffwechselprodukte sowohl destruierend, als auch
proliferierend auf benachbarte Gewebe wirken, wie bereits erwahnt wurde.
Ihr physiologisches Analogon finden diese Prozesse bei der Graviditat;
denn an der Stelle, wo das befruchtete Ovulum der Uteruswand anliegt,
verfallt nach den Untersuchungen von Graf Spee 1 ) die Uterusmucosa
der Auflosung; wahrend in der weiteren Umgebung die Stoffwechsel-
produkte des befruchteten Ovulums die hyperplastischen und hyper-
trophischen Prozesse des Uterus und seiner Adnexe herbeifiihren, welche
die Graviditat begleiten.
Fig. 12. Schnittpraparat einer Kaninchenleber. Fall von Coccidiose.
Giemsa-Farbung. VergroBerung 1:200.
Fig. 13. Fig. 14.
In einer breiten Liicke des periportalen Bindegewebes liegt eine
Coccidienkolonie. Die Coccidien sind in regelraaBigen Reihen angeordnet
und so dicht gelagert, daB sie, ahnlich wie Epithelien, sich gegenseitig
abplatten und polyedrische Formen gewinnen.
Fig. 13. Schnittpraparat einer Kaninchenleber. Fall von Coccidiose.
Gie ms a-Farbung. VergroBerung 1:40.
Im periportalen Bindegewebe der Leber erscheint eine dreikamme-
rige, zystische Hohle. Unter Einwirkung der Stoffwechselprodukte der
Coccidien ist die Auflosung des periportalen Bindegewebes derart fort-
geschritten, daB die einzelnen Coccidienherde nur noch durch schmale
Bindegewebssepten gegeneinander begrenzt sind. Wenn dieser Auf-
lOsungsprozeB weiter fortschreitet, so werden schlieBlich auch die Wan-
dungen der Gallengange, die an die Coccidienherde des periportalen
Bindegewebes grenzen, der Auflosung verfallen, so daB Kommunikationen
zwischen den Coccidienherden und dem Lumen der angrenzenden Gallen¬
gange entstehen. Diese Eventualitat ist besonders deshalb in Betracht
zu ziehen, weil die Gallengange der Leber eine Lamina basalis nicht
1) Anat. Anz. 1896. S. 132 ff.
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556 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 88 . Heft 7 / 8 .
besitzen. Nacli eingetretener Kommunikation konnen die Coccidienherde
des periportalen Bindegewebes sich in die angrenzenden Gallengange
entleeren. In alien Fallen, wo Gallengangsadenome Coccidien enthalten
darf in Betracht gezogen werden, daB derartige Kommunikationen be-
stehen. Es gelingt jedoch nicht, sie anatomisch nachzuweisen. Birch-
Hirschfeld 1 ) erw&hnt lediglich Ulzerationen der Gallengange, die er
im Gefolge der Lebercoccidiose beobachtet hat.
Fig. 14. Schnittpraparat einer Kaninchenleber. Fall von Coccidiose.
VergroBerung 1:50.
In dem Lumen eines Gallengangsadenoms liegen zahlreiche Coc¬
cidien. Die Coccidien sind Gewebsparasiten; sie konnen daher in dem
Lumen .normaler oder adenomatos entarteter Gallengange sich nicht ver-
mehren. GemaB den vorangegangenen
Darlegungen darf angenommen wer-
den, daB die in dem abgebildeten
Gallengangsadenom erscheinenden
Coccidienmassen von einem oder meh-
reren Coccidienherden des periportalen
Bindegewebes stammen, die mit dem
Gallengangsadenom kommunizierten.
— Im Uebrigen ist zu bemerken, daB
die Entwicklung der im Gefolge der
Lebercoccidiose auftretenden Gallen¬
gangsadenome von der Menge der
Coccidien, die in ihrem Lumen er-
scheinen, vollig unabhangig ist. Es
kann der Fall eintreten, daB die Ent-
Fig. 15. wicklung der Gallengangsadenome sich
als sehr erheblich erweist, obgleich
nur wenige Coccidien in ihrem Lumen gefunden werden. Ich hebe dies
deshalb hervor, weil Lubarsch-) bekundet, daB die bei der Lebercoc¬
cidiose auftretenden Gallengangsadenome durch mechanische Wirkungen
der Coccidienmassen, welche die Gallengange anfiillen, verursacht werden.
Fig. 15. Schnittpraparat einer Kaninchenleber. Fall von Coccidiose.
VergroBerung 1:100. (Nach R. Peiffer.) 3 )
In der Publikation Pfeiffers ist diese Abbildung folgendermaBen
erklart:
S. 18: „Der Inhalt der Coccidienherde wird dargestellt von vielfach
verzweigten, baumformig sich ausdehnenden, mit Epithel bekleideten
Zotten, ... die Zotten bestehen aus einem bindegewebigen Stroma, auf
welchem Zylinderepithelien aufsitzen. Wendet man starke Vergr6Be-
rungen an, so sieht man, daB die groBe Mehrzahl der Epithelien Para-
siten beherbergt.“ Da Pfeiffer das betreffende Praparat nur in
schwacher VergrbBerung dargestellt hat, so ist es unmoglich, seine Be-
hauptung nachzuprufen, daB die groBe Mehrzahl der Epithelien des in
Fig. 15 dargestellten Gallengangsadenoms Coccidien beherbergte. Dem-
gegeniiber darf ich hervorheben, daB ich die Epithelien der bei der
Lebercoccidiose beobachteten Gallengangsadenome frei von Coccidien
gefunden habe.
1) Birch-Hirschfeld, Lehrb. d. pathol. Anat. Leipzig 1897. S. 409.
2) Lubarsch, Pathol. Anat. und Krebsforschung. Wiesbaden 1902. 8. 25.
3) Pfeiffer, It., Die Coccidienkrankheit der Kaninchen. Berlin 1892.
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Saul, Untersuchungen zur Aetiologie und Biologie der Tumoren.
557
Die fur die Lebercoccidiose gegebenen Darlegungen mochte ich
durch die Schilderung von Befunden ergfinzen, die auf die Darmcoccidiose
Bezug haben.
Fig. 16. Schnittpr¶t eines Froschdarmes. Fall von Coccidiose.
HSmatoxylin-Eosinffirbung. VergroBerung 1 : 500.
Die Epithelien der Darmmucosa sind mit jungen, runden Coccidien
angefiillt. In diesem Stadium der Darmcoccidiose kann nicht nachge-
wiesen werden, daB die in den Darmepithelien vegetierenden Coccidien
eine Sch&digung ihrer Wirtszellen herbeigefiihrt haben. Es scheint da-
her in dieser Phase der Infektion eine vollkommene Symbiose zwischen
den Coccidien und ihren epithelialen Wirtszellen zu bestehen.
Fig. 17. SchnittprSparat eines Froschdarmes. Fall von Coccidiose.
Hamatoxylin-Eosinffirbung. VergroBerung 1: 50.
Wie die Abbildung lehrt, hat sich
im submukSsen Bindegewebe des
Darmes ein groBer Coccidienherd ent-
wickelt. An dem Orte desselben
zeigt die Darmmucosa einen umffing-
lichen Defekt. Dieses Ulcus diirfte
dadurch hervorgerufen sein, daB die
primar mit Coccidien infizierten
Fig. 16.
Fig. 17.
Mucosaepithelien zerfallen sind. Nach Zerstorung der Darmmucosa ge-
langten die Coccidien in die Submucosa. Hier liegen sie in einer
zystischen II5hle, die otfenbar dadurch entstand, daB die Coccidien ver-
moge ihrer Stoffwechselprodukte das angrenzende submukose Binde¬
gewebe aufgelost haben. In der weiteren Umgebung, — wo die Stoff¬
wechselprodukte der Coccidien in geringerer Konzentration wirkten, —
verursachten sie adenomatose Wucherungen der Darmmucosa. Die sub-
mukosen Coccidienherde des Darmes verhalten sich also zu den Darm-
adenomen, wie die Coccidienherde des periportalen Bindegewebes der
Leber zu den Gallengangsadenomen. Die Epithelien der im Gefolge der
Darmcoccidiose auftretenden Darmadenome habe ich, ebenso wie die
Epithelien der bei der Lebercoccidiose beobachteten Gallengangsade-
nome, frei von Coccidien gefunden. Diese Erfahrung ist dadurch zu er-
klfiren, daB die Coccidien nur in der Entwicklungsform der Sporozoiten
in Epithelien eindringen konnen. Die Sporozoiten entstehen aber nie-
mals im Organism us des mit Coccidien infizierten Tieres, sondern nur
in der Au Ben welt, wie bereits erwShnt wurde. Im Organismus ihres
Wirtes vermehren sich die Coccidien nicht auf dem Wege der Sporo-
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558 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
zoitenbildung, sondern nur durch direkte Teilung, wie zuerst R. Pfeiffer 1 )
gezeigt hat.
Fig. 18. Schnittpraparat eines Froschdarms. Fall von Coccidiose.
Hamatoxylin-Eosinfarbung. VergroBerung 1 : 50.
Wie in den Coccidienherden des periportalen Bindegewebes der
Leber, so sind in den submukosen Coccidienherden des Darmes die
Coccidien, bei vorgeschrittenem Alter
der Herde, nur locker miteinander
vereinigt; sie fallen daher leicht aus
der H6hle, in der sie lagern. An
der Peripherie des submukflsen Coc-
cidienherdes erscheinen umfangliche,
adenomatose, von Coccidien freie
Wucherungen der Darmmucosa. Die
in Fig. 17 und 18 dargestellten Coc-
cidienherde sind nur noch durch
geringe Teile des submukdseu Binde¬
gewebes gegen das Darmluinen be-
greuzt. Wenn unter Einwirkung der
Stoffwechselprodukte der Coccidien
die Auflosung des submukfisen Binde¬
gewebes weiter fortschreitet, so wer-
den schlieBlich die submukosen Coc-
cidieuherde der Darmwand mit dem
Darmlumen kommunizieren, so daB
sich die Coccidien in den Darm ent-
leeren und mit den Faeces in die
AuBenwelt gelangen konnen.
Die geschilderten Befunde lehren, daB die Coccidien, ebenso wie die
Helminthen, Milben, Tuberkelbazillen, Syphilisspirochaten und andere
parasitare Tumorerreger nur als extrazellulSre Parasiten fflr die
Tumoratiologie in Frage kommen. Wahrend ihres intraepithelialen Para-
sitismus rufen die Coccidien nicht Epithelproliferation, sondern Epithel-
zerstorung hervor. Die Pathologie der Coccidiose lehrt also aufs neue,
daB Parasiten, die als Tumorerreger wirken, auBerhalb der proliferierenden
Tumorzellen zu suchen sind. Die von Billroth*) und v. Leyden 3 )
propagierte Hypothese, daB fur die Aetiologie der Carcinome intrazellulare
Parasiten in Betracht kommen, hat die Forschung als irrtumlich erkannt.
Fig. 18.
Nachdruok verboten.
Ueber den Doderleinschen Scheidenbazillus.
[Mitteilungen aus dem hygienisch-bakteriologischen Institut der Univer-
sitat Erlangen.]
Von Dr. Wilhelm Rother, Assistenten am Institut.
In meiner Dissertation (1921) liabe ich iiber die Form und die
Lebenseigenschaften des D8derleinschen Scheidenbazillus ausfiihrlich
1) iTcTs. 9 ff.
2) Billroth, Ueber die Eiuwirkungen lebender Pflanzen- und Tierzellen aufein-
ander. Wien 1890. 3) Zeitschr. r. klin. Med. Bd. 43. 1901.
Gch gle
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— — — —--— -w— nrJ
Rother, Ueber den Doderleinschen Scheidenbazillus.
559
berichtet. Die Ergebnisse, ergS.nzt durch die noch weiter fortgefiihrten
Untersuchungen, sind folgende:
Die geiBellosen Stabchen sind im Ausstrich aus dem Scheidensekret
mittelgroB und grampositiv; in der Kultur oft zu Scheinfaden vereinigt,
unter denen gramunbestandige Abschnitte und Involutionsformen vor-
koramen. Aus der Scheide entnommen, wachsen sie mit und ohne Luft-
zutritt. Sie entwickeln sich nicht bei Zimmertemperatur. Gelatine wird
nicht verfliissigt, Gas und Indol nicht gebildet.
Nahrbriihe wird trtib. Es entsteht Wandbelag und sp&ter Boden-
satz. Zuckerzusatz ist dem Wachstum gflnstig. Am besten wkchst der
Bazillus in Leber-Leber-Nahrbrflhe, die in der Regel von Natur aus viel
Zucker enthait, und auf Nahragar, der mit Leberbrfihe bereitet ist.
Die Kolonien auf Nahragar zeigen fadige Auslaufer, die besonders
bei Slteren Stfimmen auch fehlen konnen.
Zugabe von Serum oder Aszitesflflssigkeit fordert das Wachstum
nur dann, wenn Glykogen in dem Nahrmittel vorhanden ist (s. u.).
Der Bazillus vertragt Austrocknung im Exsikkator. An Seidenffiden
angetrocknet, ist er nach 12 Mon. noch entwickelungsfahig.
Die Reaktion der Nahrmittel kann schwach alkalisch eingestellt sein,
z. B. auf 60 Proz. zum Phenolphtaleinpunkt. Die fQr das Wachstum
noch giinstige Breite ist groB. Der Bacillus vaginae geht noch auf
NahrbSden, die bis zum Phenolphtaleinpunkt und etwas darOber alkali-
siert sind, wenn auch diirftig, an und w&chst nicht minder auf saueren
Nahrmitteln, die bis unter den Lackmuspunkt gesBuert sind.
Die Nahrlosungen dflrfen nicht zu stark verdiinnt werden. In Ver-
dGnnungen, wo Streptokokken noch gut wachsen, entwickelt sich der
Bacillus vaginae oft nicht mehr.
Er ist ein starker Saurebildner. In zuckerhaltiger N&hrflflssigkeit
wurde bis 150 ccm NormalsSure (auf 1 1) titriert. Durch diese starke
Saurebildung tQtet er vorher, gleichzeitig oder nachtr&glich (Abstlnde
12—24 Std.) in die Kulturflilssigkeit eingeimpfte Staphylo-, Streptokokken
und Coli-Bazillen ab.
Die Widerstandsfahigkeit gegen hbhere Warmegrade wurde bei
3 Stammen groBer gefunden, als vielen anderen nicht sporenbildenden
Bakterien eigen ist. 3 Stamme starben im Wasserbad von 60° binnen
20 Min. ab; 3 andere hielten bis 6 Min. bei 70° aus.
In meiner Dissertation hatte ich (wie schon vorher P. Zweifel)
angenommen, daB der Bacillus vaginae unmittelbar aus Glykogen
Saure zu bilden vermag. Lesser wies auf Anregung Beckers tat-
sachlich Glykogen in der Scheidenschleimhaut nach. Den gleichen Be-
fund erhob spater Looser. Auch sollen nach Driessen die Drflsen
des Uterus wahrend der Schwangerschaft und wahrend der Menstruation
Glykogen absondern.
Eine Nachprflfung unterblieb bisher, da mir Glykogen nicht zur
Verfflgung stand. Dies war jetzt der Fall, und es zeigte sich bei der
weiteren Untersuchung, daB die Scheidenbazillen unmittelbar aus Gly¬
kogen Saure nicht zu bilden vermSgen. In glykogenhaltiger Nahrbriihe
(1 Proz.), die keinen Zucker enthielt (Garprobe!), konnte nach mehr-
tagigem Aufenthalt im Brutschrank Saurebildung nicht nachgewiesen
werden. Die Glykogenreaktion blieb unverandert bestehen. Eine Saure¬
bildung fand erst statt, wenn das Glykogen abgebaut war. Ein dazu
notiges diastatisches Ferment ist im Blut vorhanden, von dem es nach
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560
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
Oppenheimer in andere Korperfliissigkeiten, wie auch in Aszites-
flfissigkeit iibergeht. Letzteren Befund konnte ich bestatigen.
Wahrscheinlich wird in den Driisen des Uterus wahrend der Men¬
struation durch die gesteigerte Blutzufuhr Glykogen zu Traubenzucker
abgebaut, der dann in die Scheide gelangt. Aehnlich wird es sich mit
den Glykogendepots der Scheidenschleimhaut verhalten. Durch das aus
den Venengetiechten wahrend der Schwangerschaft austretende Trans-
sudat wird das in den Zellen aufgespeicherte Glykogeu in Traubenzucker
Gbergefuhrt.
Literatur.
Becker, G., Ztschr. f. Geb. u. Gynak. Bd. 64.1909. 8. 326. — Dries sen, L. F.,
Zentralbl. f. Gynak. Bd. 35. 1911. S. 1308. — Loeser, A., Ibid. Bd. 44. 1920. 8. 326. —
Oppenheimer, U., Die Fermente und ihre Wirkungen. 4. Aufl. 1913 — Rother, \V.,
Untersuchungen iiber den Doderleinschen Scheidenbazillus. [Inaug.-Dissert.] Er¬
langen 1921. — Zweifel, P., Arch. f. Gynak. Bd. 86. 1908. 8. 564.
Nachdrudk verbotan.
Ueber den Glykogengehalt von Nahrmitteln.
[Mitteilungen aus dem hygienisch-bakteriologischen Institut der Univer-
sitat Erlangen.]
Von Dr. Wilhelm Rother, Assistenten am Institut.
AnlaB zu meiner Untersuchung gab erne Niihrgelatine, die in flussigem
Zustande nach Klarung mit EiweiB klar war, aber bei Erstarrung sich
stark trtibte. Bei erneuter Erhitzung verschwand die Trubung, um beim
Erstarren wiederzukehren.
Das verwendete Fleischwasser war opalisierend wie Glykogen-
lbsungen, mit denen rch damals arbeitete. Die Glykogenreaktion war
sowohl im Fleischwasser als auch in der daraus bereiteten Gelatine stark
positiv.
Einer Probe Gelatine wurde nun Speichel zugesetzt, der Glykogen
abbaut. Nach 1-std. Bebrutung bei 37° war die Glykogenreaktion
negativ, die Gelatine wurde nach nochmaliger Abkochung und Filtration
klar und blieb so. Das gleiche Ergebnis wurde durch Zugabe von Blut-
serum nach 24-std. Bebrutung erzielt.
Aus dem Pferdefleischwasser wurde nochmals Nahrbruhe und Nahr-
gelatine mit folgenden Ergebnissen hergestellt:
Nahrmittel
| Glvkogen-
j reaktion
Beschaffen-
heit
Klarung mit Eiweifi
Behandlung
m. Speichel
Glykogen¬
reaktion
Nahrbruhe
Nahrgelatine
positiv
opaleszeut
stark triib
echwache Trubung
in fliissigem Zustande
klar, nach Erstarrung
starke Trubung
klar
negativ
T1
In Agar war eine wesentliche Aufhellung niebt festzustellen, wenn
die zur Bereitung verwendete Nahrbriihe vorher mit Speichel behandelt
wurde. Dies laBt sich darauf zuriickfubren, daB eine Agarabkochung
nach dem Erkalten nie ganz klar wird.
Nahrmittel, die aus Fleisch von einem anderen Pferd bereitet wurden,
verhielten sich ahnlich. Die Glykogenreaktion war bei dieser Briihe nur
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Rother, Ueber den Glykogengehnlt von Nahrmitteln.
561
schwach positiv, die Triibung der mit ihr angefertigten N&hrgelatine
unerheblich, aber deutlich wahrnehmbar. In der aus dem Rilckstand
nach Hottinger mit Pankreatin hergestellten Verdauungsbriihe war
die Glykogenreaktion negativ. Damit bereitete Mhrgelatine trubte sich
bei Erstarrung nicht. Ein Kontrollversuch ergab, dad Pankreatin tierische
Starke in kurzer Zeit abbaut.
Erfahrungsgemad zeigen aus Leber bereitete N&hrmittel meistens
Opaleszenz Oder auch schwache Trtibungen. Beides ist nach meinen
Untersuchungen durch Glykogen verursacht.
Heim bringt in seinem Lehrbuch der Bakteriologie folgende Be-
obachtungen:
„Unter Umstflnden hat die Zugabe von Eiweid gerade den gegen-
teiligen Erfolg und es entstehen beim Kochen erst recht starke, nicht
abfiltrierbare, milchig-schleimige Triibungen.*
„Es kaun auch der Fall eintreten, dad die Kochprobe, sei es die mit,
sei es die ohne Eiweidzusatz, ein scheinbar klares Filtrat ergibt, dad
sich dieses Filtrat aber beim Erkalten, wenn auch zunkchst nur in ganz
geringem Grade, triibt.*
Treten Triibungen dieser Art bei der Bereitung von Nahrmitteln
auf, so kann Glykogen die Ursache sein. Fiir den Abbau kommen
Speichel, Pankreatin, Blutserum oder Aszitesfliissigkeit in Betracht. In
Hottinger-Verdauungsbriihe konnen demnach durch Glykogen bedingte
Triibungen nicht auftreten.
Einen Hinweis auf das Vorhandensein von tierischer St&rke gibt
die Opaleszenz von Nahrfliissigkeiten. Ist der Gehalt betriichtlicher, so
kann auch eine madige Triibung bestehen.
Will man die Glykogenreaktion ausfuhren, so ist die Einstellung
der Probe auf den Lackmuspunkt erforderlich. Bei sauerer Reaktion
entstehen sonst bei Zusatz von Jod-Jod-Kalium Niederschlage, bei al-
kalischer wird die Lugol-Losung entfarbt. Die Reaktion fiihrt man
zweckmadig in kleineren RShrchen aus (1 ccm der Fliissigkeit und 2—3
Tropfen Jod-Jod-Kaliumlosung). Ist Glykogen vorhanden, so tritt Rot-
braunfarbung auf. Es empfiehlt sich, gleichzeitig auch einer Probe
N&hrfliissigkeit Lugol-Losung zuzusetzen, nachdem sie mit Speichel
behandelt worden ist. Hier kommt dann nur die Eigenfarbe des Jod-
Jod-Kaliums zur Geltung.
Zur Priifung auf Klarbarkeit bringt man eine Probe, mit Speichel
oder Pankreatin versetzt, auf 1 / 2 Std. in den Brutschrank. Die Reaktion
darf nicht zu sauer sein. Filtriert die Probe nach Aufkochung klar, so
kann die ganze Menge auf die gleiche Weise behandelt werden. Bei
grbderen Mengen verwende man Pankreatin, da der Vorgang zu lange
dauert, wenn eine ausreichende Menge Speichel nicht zur Verfiigung steht.
Fallen Triibungen erst spSter auf, so kann z. B. die fertige Nahr-
gelatine noch geklart werden. Pankreatin darf hier nicht verwandt
werden, da es die Gelatine verdQssigt. Handelt es sich urn griiflere
Mengen, so empfiehlt sich der Zusatz von Blutserum oder Aszitesfliissig¬
keit, deren Fermentwirkung vorher gepriift wurde, im VerhSltnis 1: 10.
Die Mischung wird dann 1—2 Tage in den Brutschrank gebracht (Ach-
tung auf Sterilitilt!).
Blutserum und Aszitesfliissigkeit, die bei 56° sterilisiert wurden,
behielten nach meinen Versuchen die Fermentwirkung bei, wenn sie
auch gegenilber frischem Blutserum bzw. Aszitesfliissigkeit etwas ver-
langsamt war.
Erste Abt. Orig. Bd. 68 Heft 7y8. 3b
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*
562 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 7/8.
Theob. Smith hat auf die Abh&ngigkeit des natiirlichen Zucker-
gehaltes der Nfihrmittel von dem Liegenlassen des Fleisches hingewiesen.
Er fand in 3 Fallen, dafi Rindfleisch gleich nach dem Schlachten zucker-
freie Brfihe ergab. Wurde Fleisch von den gleichen Tieren iiber Nacbt
im Eisschrank aufbewahrt, so enthielt die Abkochung Zucker. DaB dieser
durch fermentativen Abbau des Glykogens entstanden war, erwfihnt
Smith nicht.
Da das Glykogen im Fleisch allmkhlich in Zucker verwandelt wird,
kann in Nahrlosungen von Natur aus gleichzeitig Glykogen und Zucker
vorhanden sein. Will man den Zuckergehalt im GSrrfihrchen mit PreB-
hefe bestimmen, so muB das Glykogen vorher auf andere Weise abgebaut
sein, da die Hefe nicht nur Zucker, sondern auch tierische Starke verg&rt.
Zusammenfassung.
Triibungen in N&hrmitteln, die sich durch EiweiBklarung nicht be-
seitigen lassen, konnen durch Glykogen bedingt sein. Dieses kann durch
Zusatz von Speichel, Pankreatin, Blutserum Oder Aszitesfliissigkeit mit
nachfolgender Bebriitung beseitigt werden.
Iiiteratnr.
Heim, L., Lehrburch d. Bakteriol. 6. Aufl. 1922. — Oppenheimer, C., Die
Fermente und ihre Wirkungen. 4. Aufl. 1913. — Smith, Theobald, Centralbl. f.
Bakt. 1895. S. 1.
Nachdruck verboten.
Ueber die bakterizide und entwicklungshemmende Kraft des
Aethers.
Ein Beitrag zur Frage der Aetherbehandlung der Peritonitis.
[Aus der chirurgischen Universitfitsklinik in Basel (Chefarzt: Professor
Dr. G. Hotz).]
Von Dr. med. Claus W. Jungeblut.
Beim Studium der Literatur fiber die Behandlung chirurgischer
Erkrankungen der Bauchorgane mit Aethereingiefiungen in die Abdominal-
hohle macht sich neben der Ffille ausffihrlicher Auseinandersetzungen
chirurgischer Autoren fiber den praktisch-klinischen Wert dieser Methode
der Mangel an experimentellen Untersuchungen fiber die theoretischen
Vorbedingungen bemerkbar. Der Weg, auf dem die Chirurgie zur Ein-
ffihrung dieser Behandlung in die Therapie gelangte, war ja auch ein rein
empirischer, die Entwicklung der ganzen Frage also eigentlich eine um-
gekehrte: Klinische Anwendung ging einer experimentellen Erprobung
und Auswertung voran. Aus diesem Verhaltnis erklfiren sich vielleicht
zum Teil die divergierenden Meinungen der einzelnen Autoren, indem dem
Aether je nach Verschiedenheit der Auffassungen und des Temperaments,
verschiedene, nicht nfiher prazisierte Eigenschaften bei der Beeinflussung
des Krankheitsprozesses beigemessen werden. Es erscheint darum wfin-
schenswert, daB auch einmal die rein theoretischen Grundlagen ffir dieses
Verfahren einer systematischen Untersuchung unterzogen werden und
die so erhaltenen Ergebnisse dann zusammen mit den schon bestehenden
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Jungeblut, Bakterizide und entwicklungshemmende Kraft dea Aethers. 563
klinischen Erfahrungen fiber die Leistungsfahigkeit dieser Behandlung
unter Berficksichtigung der evtl. spater auftretenden Folgeerscheinungen
(Adhfisionsbildung, Strangulationsileus etc.) zur definitiven Entscheidung
fiber Wert oder Unwert der Aetherbehandlung herangezogen werden.
Die eine Seite dieser Prfifung ist die rein bakteriologische, die
andere liegt in der Analyse der mannigfechen biologischen Vorgfinge
(HyperSmie, Anregung der Peristaltik durch den thermischen Reiz, Leuko-
zytose und Heranschaffung von Iramunkorpern, Verminderung der Re¬
sorption sfahigkeit des Peritoueums fflr die gebildeten toxischen Stoffe
durch den Zustand einer reaktiven Entztindung etc.) Im folgenden will
ich versuchen, die bakteriologische Seite dieser Frage einer Prfifung zu
unterziehen. In dem Gesagten liegt bereits die Aufgabe und die Be-
grenzung dieser Arbeit. Meine Versuche sind bloB Versuche in vitro,
die nicht mit den variablen Bedingungen rechnen konnen, die im lebenden
Organismus vorhanden sind. Wenn ich mir aber auch fiber die rela¬
tive Unzulfinglichkeit meiner Ergebnisse, gerade aus diesem Grunde,
vollkommen klar bin, glaube ich doch, durch die Ausschaltung dieses
bislang nicht nfiher geprfiften und daher ganz verschieden interpretierten,
rein theoretischen Faktors aus dem ganzen Fragenkomplex etwas raehr
Klarheit in die Situation zu bringen.
Ein Ueberblick fiber die betreffende chirurgische und bakteriologische Literatur
zeigt unter den vereinzelten Arbeiten, die in diesem Zusammenhang von Wert sind, die
widersprechendsten Ansichten. Nach Robert Koch werden Milzbrandbazillen durch
Aethereinwirkung erst nach 15-tagig. Einwirkung getotet. Behring gibt die Hemmungs-
konzentration gegenfiber Milzbrandbazillen im Blutserum auf mehr als 1 °/ # an. St ad ler
bezeichnet die entwicklungshemmende Wirkung des Aethers als ziemlich gering. B. col i
hemmt der Aether in Konzentration von 2—3 %, wahrend gegenfiber Staphylokokken
in gesattigter Aether-Bouillonlosung keine konstante Totalhemmung eintritt. Heim hebt
die Machtlosigkeit des Aethers una Chloroforms den Milzbrandsporen gegenfiber hervor,
welche gar nicht oder erst nach vielen Tagen zugrunde gehen solien. Nach Pergola
dagegen totet der Aethylather in kurzer Zeit viele vegetative Forroen ab und in Ver-
bindung mit Erhitzung auf 45° C fur 1 Std. auch den Staphylococcus aureus,
den Pergola ffir einen der widerstandsfahigsten Keime erklart. Rouquier und
Iricoire fanden bei ihren Untersuchungen, dafl Aether eine ganze Reihe Bakterien
(Pyocyaneus, Proteus, Prodigiosus, Shiga-Kruse, Flexner, Menin^o-
kokken) bereits nach 1 Std. abtotet, andere dagegen, wie Diphtheriebazillen, B. faecalis ,
B. Strong und Pneumobazillen erst nach 1—24 Std. Ffir B. coli, Strepto- und
Staphylokokken war mehrtagige Einwirkung notwendig, Pneumokokken und gewisse
sporenbildende Anaerobier wuraen auch nach raehr als 10 Tagen nicht beeinflufit. Prel 1
wandte den Aether als indifferentes bakterien-abtotendes Mit tel erfolgreich bei Coli-
Bouillonkulturen an. Tomarkin fand bei der Prfifung von Konservierungsmitteln
ffir Lymphe, dafl dem Aether auch bei kurz dauernder Einwirkung bedeutende ent¬
wicklungshemmende und bakterientotende Eigenschaften innewohnen. Fornet benutzte
diese Eigenschaft des Aethers, um durch Schfitteln der Lymphe damit zur Abtdtung
der Begleitbakterien und zu einer Reinkultur des Pockenerregers zu gelangen. Bei einer
Nachprfifung der Fornetschen Aethervakzine fand Voigt, dafl die Keimfreiheit der
Aetherlymphe nach Abdunsten des Aethers leicht wieder verloren gehen kann, woraus
wohl hervorgeht, dafl es sich hier mehr um Entwicklungshemmung handelt als um
wirkliche Abtfitung. Nach Fan tozzi sind Kulturen von Pyocyaneus und Staphylo¬
coccus albus und aureus nach einer Aethereinwirkung von 20 Min. nicht mehr
entwicklunpfiihig, und ferner geht aus den Versuchen von Sigwart hervor, dafl
Bouillonkulturen von Streptokokken und Milzbrandbazillen durch Actherdampfe nach
4 Min. abgetotet wurden. Durch Vergleich dieser Resultate kommt Lienhard zu dem
Schlufl: ,,Es scheint, dafl selbst in vitro die bakterizide Kraft des Aethers eine ge-
ringe, zum mindesten eine wechselnde ist.“ Die folgenden Versuche werden zeigen, wie
weit meine Ergebnisse die Richtigkeit dieses Satzes lllustrieren.
Bei der Einwirkung eines Desinfektionsmittels auf Bakterien unter-
scheidet man zwischen Abtfitung und Entwicklungshemmung. Dabei
handelt es nicht etwa um 2 nur graduell verschiedene Vorgange, sondern,
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564
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
wie Stadler richtig bemerkt, „ist die letztere nicht als der Initialeffekt
einer bakteriziden Zellaffektion aufzufassen, sondern als eine unabh&ngige
Parallelerscheinung. Sie stellt einen stationSren, reversiblen Zustaud
dar, im Gegensatz zu der progressiven, irreversiblen ZustandsSnderung
bei der bakteriziden Einwirkung.“ Meine Arbeit behandelt daher die
bakterizide und entwicklungshemmende Kraft des Aethers in 2 getrennten
Abschnitten. Au3 diesen beiden Komponenten wird sich schlieBlich eine
etwaige therapeutische Wirksainkeit des Aethers zusamraensetzen miissen.
Bei der AbschMzung eines bakterientotenden Mittels spielen Konzen-
tration und Dauer der Einwirkung bei gleichen verirapften Bakterien-
mengen die Hauptrolle. Andere Faktoren haben demgegeniiber geringere
Bedeutung, auf die ich am SchluB der Arbeit nSher eingehen werde.
Wichtig ist hier bloB noeh die Temperatur, bei der die Einwirkung des
Desinfektionsmittel stattfindet. Denn nach Stadler macht sich die
Temperatur in der Weise geltend, „daB im Temperaturoptimum, wo die
Wachstumsenergie am grofiten ist, hemmende Einfliisse den geringsten
Elfekt hervorbringen, w&hrend sie nach oben und unten an Wirksamkeit
zunehmen u . DaB dieses Gesetz nur fur entwicklungshemmende Einfliisse
Giiltigkeit besitzt, und bei der bakteriziden Einwirkung im Gegenteil
mit steigender Temperatur ein gleichmaBiges Steigen des Desinfektions-
wertes zu beobachten ist, wird auch durch meine Untersuchung best&tigt.
Ich mochte hier gleich erwahnen, daB das leitende Motiv der Arbeit
war, die Aethereinwirkung auf Bakterien nur unter solchen Verh<nissen
zu studieren, die bei der Anwendung des Aethers bei chirurgischen
Operationen vorliegen, und nur solche Ergebnisse festzustellen, aus denen
sich Schlilsse iiber die therapeutische Leistungsfahigkeit der Methode
ziehen lassen. Insofern war ich bei Festsetzung der Versuchstem-
peratur von vornherein gezwungen, im allgemeinen eine Temperatur
von 37 0 C als der Korpertemperatur entsprechend zu wahlen, wenn ich
damit auch gerade die theoretisch nicht optimalen Bedingungen fur einen
guten Desinfektionswert hatte. Von den beiden anderen Variablen, Kon-
zentration und Dauer der Einwirkung, war ferner in diesem Zusammen-
liang hauptsSchlich die letztere von entscheidender Bedeutung. Denn
fiir den Chirurgen ist es von groBtem Interesse, ob es bei Anwendung
groBer Mengen von Aether (hierbei ist praktisch in der Dosierung ein
ziemlich groBer Spielraum moglich und man wird von vornherein lieber
mit maximalen Mengen arbeiten, da eine Berechnung genau abgestufter
Konzentrationen bei Unkenntnis der quantitativen Verh<nisse der bak-
teriellen Infektion nur approximative Werte ergeben konnte) gelingt,
eine ausgebildete oder beginnende Bakterieninvasion fiir kiirzere Zeit so
lange erfolgreich aufzuhalten, bis der Organismus durch Vermehrung
eigener Kampfmittel geniigend Zeit findet, sich gegen die Infektions-
erreger zu wehren. Es kam also hier darauf an, unter mdglichst wech-
selnden Versuchsbedingungen die bakterizide und entwicklungshemmende
Kraft des Aethers gegeniiber den Bakterien zu untersuchen, die als die
verbreitetsten Erreger der Peritonitis angetroffen werden. Meine Unter-
suchungen erstrecken sich daher nur auf die praktisch wirklich in Be-
tracht kommenden Keime und lassen die tiblichen Testbakterien (Pyo-
cyaneus, Milzbrand etc.) ganz unberiicksichtigt. Die Versuchsanord-
nungen wurden ferner so gewShlt, wie sie den bei der Operation vor-
handenen Bedingungen am ehesten zu entsprechen schienen.
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Jungeblut, Bakterizide und eutwickluDgshemmende Kraft dee Aethers. 565
I. Teil!).
Versuche iiber die bakterizide Kraft des Aethers.
Wenn man bedenkt, daB der Aether bei einem Siedepunkt, der nur
wenige Grade von der Korpertemperatur entfernt ist (ca. 35 0 C), in
groBeren Mengen in die Bauchhohle eingegossen, in der die Durch-
schnittstemperatur durch die entstehende Verdunstungskaite vielleicht
noch um einige Grade erniedrigt ist, in tiiissigen wie in dampffbrmigen
Anteilen zur Geltung kommen muB, wird man bei einer experimentellen
Untersuchung, die vergleichbare Resultate liefern soil, keine scharfe
Grenze ziehen konnen zwischen Anwendung des Aethers als Flussig-
keit und als Dampf. Bei Wahl einer Versuchstemp. von 37 0 C wird eben
der Aether, wie in praxi, in beiden Aggregatzustanden zugleich wirksam
sein. Immerhin wurden die ersten orientierenden Versuche, um etwa
vorhandene Unterschiede zu konstatieren, sowohl bei 37 0 C (wo die
Bakterien also vorwiegend AetherdSmpfen ausgesetzt waren), als auch
bei Zimraertemp. angestellt; im letzteren Falle muBte der Aether, ab-
gesehen von der durch die Fliichtigkeit des Stoffes gebildeten Dampf-
menge, hauptsSchlich als Flussigkeit einwirken. Da ich sowohl mit Bak¬
terien im fliissigen Medium als auch auf festen N&hrbflden arbeitete,
ergeben sich 2 Reihen, die ich zur besseren Uebersicht getrennt be-
trachten will. Die Briicke zwischen beiden Versuchsreihen wird ge-
schlagen durch die Tatsache, daB selbst auf Agar- und Gelatineoberflache-
kulturen die betreffenden Bakterien sich innerhalb einer Fltissigkeitshiille
befinden. Dampfe und Fliissigkeiten werden also hier wie dort ent-
sprechend ihrer Absorptionskonzentration resp. ihrem LosungsvermSgen
einwirken, welche beiden GroBen nach Stadler filr das gleiche fliissige
Medium, mit dem sie chemisch nicht reagieren, in einem bestimmten
physikalischen Verhaltnisse stehen.
Zur Verwendung kam nur chemisch absolut reiner Aether (Aether
puriss. pro narcosi). Die Nahrfliissigkeit war Fleischwasserbouillon mit
1 % Peptonzusatz und reagierte schwach alkalisch, der Agar war wie
iiblich hergestellt worden. Gepriift wurden B.coli, hamolytische Strepto-
kokken, Staphylococcus alb us und aureus und gelegentlich auch
Pneumokokken. Die verwandten Kulturen waren vorher genau kulturell
und mikroskopisch auf ihre Reinheit untersucht. Eine Virulenzpriifung
in Tierversuch hatte nicht stattgefunden, aber alle Kulturen waren ziem-
lich frisch aus dem Korper geziichtet, so daB noch keine wesentliche
Alteration durch langeres Wachstum auf kiinstlichen Laboratoriums-
nahrbbden eingetreten sein konnte. Ich mochte noch erw&hnen, daB ich
im Laufe der Arbeit meine Strepto-, Pneumo- und Staphylokokkenstamme
probeweise 2mal gewechselt habe, dem Einwand begegnen zu konnen,
daB ich zufdllig StSmme mit besonderer Resistenz in Jl&nden hatte. Da
keine Unterschiede festgestellt werden konnten, geschah die Notierung
einheitlich. Die Streptokokken stammten von einer Sepsis und einem
Erysipel, die Staphylokokken aus AbszeBeiter, die Pneumokokken aus
pneumonischem Sputum; B. coli wurde doppelt gepriift, indem sowohl
ein aus Fazes isolierter Stamm, als ein von einer Cystitis herriihrender
pathogener Stamm zur Verwendung gelangten.
1) Um durch grdBere Ven*uchsanzahl moglieh6t richtige Mittclwerte erhaltcn zu
kdnneD, wurden alle Vcn»uehc doppelt angestellt, von deuen l'raulein I). Blom, Bern,
liebenswiirdigerweise die eine parnllele Halfte ausfiihrte, wofiir ihr an dieser Stelle beatens
gedankt sei.
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566
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
1. Reihe. Versuche im fliissigen Medium.
Zu 24-stiind. Bouillonkulturen von Pneumokokken x ), B. coli, Strepto-
kokken, Staphylocccus albus und aureus in einer Menge von je
9 ccm im Reagenzglas, wurden Zusatze von 1 ccm Aether gegeben, so daB
das Desinfektionsmittel in einer Konzentration von 1:10 einwirkte. Wenn
man die Loslichkeit des Aethers mit Sigwart zu etwa 8 Proz. an-
nimmt, dilrfte diese Konzentration also schon jenseits der oberen Grenze
einer ges&ttigten Losung liegen. Die so beschickteu Rohrchen wurden
gut umgeschiittelt, um eine moglichst gute Verteilung des Aethers in
der Bouillon zu erreichen, und mit einem Gummistopfen verschlossen,
um nicht unkontrollierbare Anteile des Aetherzusatzes in Dampfform zu
verlieren. Nach verschiedenen Zeiten wurde auf SchrSgagar J ) und Bouillon
abgeimpft (1—2 Oesen); gewachsene Kolonien wurden mikroskopisch
identifiziert. Die Bezeichnung der Wachstumsintensit&t geschieht durch
folgende Zeichen:-}- + + sehr starkes iippiges Wachstum, -f- -f- mittel-
maBig gewachsen, -f- schlecht gewachsen, — steril. Dieser ganze Ver-
such wurde in 2 parallelen Serien angestellt, indem die Rohrchen w&hrend
der Versuchsdauer einmal bei Zimmertemperatur und einmal bei Brut-
temperatur gehalten wurden.
Tabelle I.
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N-S
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temperat.
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++ +
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+++
+++
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+++
30'
+++
1 ++
++++++
+ + + + + +
GO'
++
+++
++
+ +
+ + +
+ + +
60'
+++
+++
+ + | + + +
+ + + , + + -r
120'
++
++
+++
+ +
+ + +
++ +
120'
+++
+++
+ + + I + +
+ + + , + + +
3 St.
++
++
+ +
+ +
+ + +
+ + +
3 St.
++
+++
+ + + +
+ + + > + + +
24 St.
+
+
+
+
+ +
+++
24 St.
+
++
! + 1 +
+ + + + + +
Kontrollen ohne Aether: + + + iiberall.
Das Ergebnis, das in vorstehender Tabelle niedergelegt ist, zeigt,
daB in diesem Versuche unterschiedslos, selbst durch stundenlange Aether -
einwirkung, keine Abtbtung der gepriiften Bakterien zu erreichen ist.
Mit zunehinender Einwirkungsdauer war nur geringe Abnahme der
WachstumsintensitSt hie und da festzustellen; ebenso waren nur ganz
geringe quantitative Unterschiede zwischen den beiden verschiedenen
Versuchstemperaturen vorhanden, indem die abgeimpften Kulturen im
zweiten Versuch etwas uppiger zu wachsen schienen.
Die Griinde fur dieses negative Ergebnis konnten zweierlei sein:
Einmal war die angewandte Konzentration keine ausreichende und zweitens
war die OberflSche im Reagenzglas eine zu kleine, um eine geniigende
Beruhrungsflache der beiden, sich schlecht mischenden Fliissigkeiten zu
ermoglichen; der UeberschuB des Aethers, der iiber die in einer ge-
sattigten LSsung enthaltene Menge hinausging, hatte sich als klare Schicht
oben abgesetzt. Diesen beiden Bedingungen tr> die folgende Versuchs-
1) Pneumokokken wurden in Serumbouillonkulturen mit auf Blutag&r verwandt.
2) Fur Pneumokokken und Streptokokken sind die Zeichen + + + , + -f, + natux-
lich nur ate relative Werte zu betrachten, die das eingetretene Wachstum als im Ver-
haltnis zum maximalen Wachstum der betreffenden Bakterienart iiberhaupt kennzeichnen
sol ten.
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Jungeblut, Bakterizide und entwicklungshemmende Kraft des Aethers. 567
anordnung Rechnung: In steriler Petri-Schale wurden gleiche Teile
Aether mit gleichen Teilen 24-stiind. Bouillonkulturen (je 5 und 5 ccm)
von Staphylo-, Strepto-, Pneumokokken und B. coli durch langeres Ura-
riihren mit sterilem Glasstab innig. gemischt; dann wurde der Deckel
der Schale aufgesetzt. Auch dieser Versuch wurde sowohl bei Brut- wie
bei Zimmertemperatur angestellt. Die Abimpfung nach verschiedenen
Zeiten ergibt folgendes Bild:
Tabelle II (bei Bruttemperatur).
Zeit
bei 37°
i—1
1
Strepto-
kokken
Pneumo¬
kokken
Staph.
alb.
iLb
5 i
02
a; ^
1 -
B. coli I
s §
is o
Xi-“
Pneumo¬
kokken
Staph.
alb.
ILh
30
5'
+ +
+ 4~
+ +
+++
+++
5'
1 + +
++
+ +
+ + +
+ + +
15'
—
—
+
4~ “f - ca. 80 Kol.
+ +
15'
+
+
+
+ + +
+ + +
30'
—
—
—
+ ca. 60 Kol.
+4-
30'
+
+
+
+ +
+ +
60'
—
—
— s
-f ca. 30 Kol.
+
60'
—
—
- 1
*+* +
+ +
120'
—
—
—
-(- ca. 20 Kol.
1 120'
—
—
—
+ +
+ +
24 Std.
—
—
—
—
+ 2 K.
24 Std.
_
—
—
■f
+
!
Einz. K.
3 Kol.
E
Is ist auffallend
1, wie sich hierbei das Resultat von Grund aus ,
Sndert,
obwohl doch durch den nur lose der Schale aufsitzenden Deckel kein
sicherer AbschluB gegen Entweichen von Aetherd&mpfen bei 37 0 vorlag.
Dieses Defizit wurde aber wahrscheinlich kompensiert durch das Vor-
handensein einer stets frischen, wirksamen Aethermenge, die ja weit ilber
das in einer gesattigten Losung enthaltene MaB hinausging. Abgesehen
von der maximalen Aethermenge, diirften hier die Verhaltnisse mutatis
mutandis vielleicht noch am ehesten den Bedingungen einer drainierten
Abdominalhohle entsprechen. Zum gleichen Effekt in praxi wfirden aber
eben Aethermengen gehoren, die die Grenze der praktischen Anwendungs-
moglichkeit bei weitera ubersteigen. Betrachten wir jetzt die Ergebnisse
im einzelnen, so zeigt sich, daB B. coli und Streptokokken nach 15-min.
Aethereinwirkung, Pneumokokken nach 30-min. Einwirkung bei 37°
sicher abgetotet waren; eine nahere Bestimmung der unteren Zeitgrenze
wurde nicht versucht. Staphylokokken waren dagegen nach 2-stflnd.
Einwirkung, wenn auch vermindert, noch lebensf&hig, und zeigten selbst
nach 24-stiind. Einwirkung in einem Falle noch isoliertes Wachstum
auf Agar. Es ist allerdings zu berucksichtigen, daB nach 24 Std. wohl
der groBte Teil des Aethers durch Verdunstung verloren gegangen sein
dflrfte. Der gleiche Versuch bei Zimmertemperatur zeigt eine bedeutend
geringere bakterizide Kraft des Aethers, indem hierbei B. coli, Strepto-
und Pneumokokken einer 1-stiind. Aethereinwirkung bedurften zur vOlligen
Abtotung. Die Verminderung der Wachstumsintensit&t mit zunehmender
Zeitdauer war filr Staphylokokken ebenfalls eine geringere, und auch hier
wurden nach 24-stiind. Aethereinwirkung noch einzelne Kolonien auf
den iiberimpften Agarrohrchen festgestellt.
Die so erhaltenen Resultate wurden noch durch eine andere Ver-
suchsreihe (mit geringfugigen Unterschieden) bestatigt, in der statt
24-stiind. Bouillonkultur die Aufschwemmung eines 24-stiind. Agarrasens
der betreffenden Bakterien in physiol. Kochsalzlflsung als Testmaterial
verwandt wurde. Wieder wurden gleiche Teile NaCl-Aufschwenimung
und Aether in steriler Schale gut durchgemischt und das Resultat der
Aethereinwirkung durch Abimpfen auf Bouillon und Schragagar nach
verschiedenen Zeiten bei 37° und Zimmertemperatur, wie folgt, bestimmt:
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568
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
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Tabelle III.
Zeit
bei 37°
Coli I
Coli II
Q c
*5 O)
r> ^
QJ JjS
is o
Pneumo¬
kokken
Staph.
alb.
Staph.
aur.
Zeit bei
Zimmer-
temperat.
Coli I
Coli II
Strepto¬
kokken
Pneumo¬
kokken
Staph.
alb.
_
* 2
w a
3Q
5'
+ +
+
++
+
+ ++
+++
5'
+ +
+
++
+ +
+ + +
++ +
15'
—
—
—
—
+ + +
++ +
15'
+
+
+
+
+++
30'
—
—
—
—
+ +
++
30'
—
—
+ ++ |
+++
60'
—
—
— ^
—
+ +
++
60'
—
—
+ +
++
120'
—
- |
—
—
+
+
120'
—
—
—
—
+ +
++
24Std.
- 1
—
—
—
—
—
24 Std.
—
—
—
+
—
Kontrollen ohne Aether: + + + iiberall.
Der Vergleich der Tab. Ill mit der vorhergehenden Tab. II zeigt
eine deutliche, wenn auch geringe Zunahme der bakteriziden Kraft des
Aethers; bei 37° war die Abtbtung von Pneumokokken bereits nach
15 Min. erfolgt, und Stapbylokokken waren nach 24-stund. Aetherein-
wirkung sicher nicht mehr entwicklungsfahig. Der Vergleich beider
Tabellen unter sich bestatigt die bereits friiher gefundene Tatsache einer
zunehmenden bakteriziden Kraft mit hoherer Temperatur. Es lafit sich
daher annehmen, daB diese Erscheinung nicht auf einem Zufall beruht,
sondern durch die in der Einleitung erwahnte GesetzmaBigkeit bedingt
ist. Dabei ist vielleicht die Sumniierung von Aetberdampf und Flussig-
keit bei 37 0 am Zustandekommen eines groBeren bakteriziden Gesamt-
effekts auch noch beteiligt. Was jetzt die an sich hoher gefundene
bakterizide Kraft des Aethers im letzten Versuche betrifft, so findet
sie ihre Erklarung in der von Ficker und anderen festgestellten Tat¬
sache. daB Bakterien in eiweiBhaltigen Medien gegenfiber schadigenden
Einilussen chemischer und physikalischer Natur weit resistenter sind als
in w&sserigen und physiol. Kochsalzlosungen. Bei Uebertragung dieser
Erfahrung auf die Praxis wiirde sich also fiir die Bakterien, die sich
im Abdomen ja in dem sehr eiweiBhaltigen Peritonealexsudat befinden,
eine Tab. II entsprechende Resistenz ergeben und fur ihre Aether-
empfindlichkeit die dort gefundenen Resultate zutreffen.
Ich bin mir nun ganz klar, daB die besprochenen Versuchsanordnungen
keine genauen quantitativen Verhaltnisse priifen, indem Aether hierbei
sowohl als Dampf wie als Fliissigkeit in einzeln nicht n&her bestimmten
Mengen zur Einwirkung gelangte; der Zweck des Versuches war aber
eben nicht die rein platonische, mit alien physikalischen Kautelen aus-
gefiihrte Auswertung der untersten Grenze der desinfektorischen Wirk-
samkeit des Aethers auf Bakterien im allgemeinen, sondern ich wollte
sehen, ob bei Uebertragung der Bedingungen, wie sie wohl in der Bauch-
hohle wahrend und nach der Operation herrschen mogen, auf den Ver-
such von einer nennenswerten bakteriziden Kraft des Aethers gesprochen
werden kann.
Urn nun aber eine (mit Ausnahme allerdings einer hoher gewahlten
Temperatur) noch weitgehendere Imitation der Verhaltnisse zu schatfen,
unter denen der Aether auf die infizierten Baucheingeweide wirken mag
und zugleich eine Analogie der Sigwartschen Versuche herzustellen,
die zu so iiberraschend optimistischen Resultaten gefiihrt hatten (Ab-
totung 24-stiind. Bouillonkulturen von Streptokokken durch Einleiten
45° C heiBer Aetherdampfe, wahrend einer max. Zeit von 4 Min.), habe
ich noch folgeude Versuchsanordnung aufgestellt: Aetherdampfe, in einem
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Jungeblut, Bakterizide and entwicklungaheinmeude Kraft des Aethers. 569
im 43° C heiBen Wasserbad stehenden Kolbchen entwickelt, wurden
durch ein U-formig gebogenes Glasrohr in einen mit doppelt durch-
bohrten Gummistopfen verschlossenen, grfiBeren Erlenmeyer-Kolben
bis zura Grund eingeleitet. Durch die 2. Oeffnung des Stopfens fuhrte
ein Glasrohr die Dfimpfe wieder ins Freie. In dem Stopfen war ferner
an seiner unteren Flfiche ein kleiner Haken eingescbraubt worden. An
diesem Haken konnte ein ca. 5X3 cm messendes Mullappchen an
einem kurzen Bfindchen aufgehfingt werden, so daB es also vollig frei in
der Mitte des Kolbens, umgeben von einer Aetheratmosphare, schwebte.
Der Versuchskolben mit dem Mullappchen war vorher sterilisiert
worden. Jetzt wurden die sterilen Mullappchen in getrennten Ver-
suchen mit 24-stfind. Bouillonkultur von B. coli, Strepto- und Staphylo-
kokken getrankt, in den Apparat vorsichtig eingehangt, und nun der
Wirkung der stromenden Aetherdampfe ausgesetzt. Nach verschiedenen
Zeiten wurden die Lappchen nach Oeffnen des Kolbens mit steriler
Pinzette vorsichtig vom Haken abgehoben und in ein KQlbchen mit
steriler Bouillon gebracht, so daB die Nfihrflfissigkeit die Lappchen voll-
kommen bespQlte. Gleichzeitig wurde noch mit der Platinfise etwas
Fliissigkeit vom Gewebe abgestreift und auf Schragagar verimpft. Meine
Beobachtungen daruber sind in folgender Tabelle niedergelegt:
Tabelle IV.
Zeit
Coli I
Coli 11
Streptokokken
Staph, aur.
5'
+
+ +
+
+ + +
10'
—
—
—
+ +
15'
—
—
+ +
30'
—
—
—
Es zeigt sich, daB auch in diesem Versuch eine Abtotung von Strepto-
kokken und B. coli nach 5 Min. nicht zu erreichen ist, dagegen waren
die mit Strepto- und Coli-Bouillon getrankten Lappchen nach Belassen
von 10 Min. in der Aetheratmosphare steril. Staphylokokken dagegen
waren nach 30-min. Durchleitung von Aetherdampfen immer noch nicht
abgetfitet. In diesem Versuche kamen groBe Mengen Aether zur An-
wendung, die eine Ausdehnung des Versuchs auf langere Zeit von selbst
verboten. In meinem Apparat waren nach 15 Min. ca. 50 g Aether
verdampft. Das ableitende Rohr sorgte dafflr, daB im Versuchskolben
kein erheblicher Ueberdruck entstand. Die erhaltenen Resultate nahern
sich denen Sigwarts, wenn auch nicht in vollem Umfang. Ein Lapp¬
chen, das mit Bouillonkulturen von B. coli, Strepto- und Staphylo¬
kokken gleichzeitig getrankt war, also eine Mischinfektion nachahmte,
bewirkte nach 10-min. Aethereinwirkung in Bestatigung der genannten
Versuche nur Wachstum von Staphylokokken in der verimpften Bouillon.
Diese letzteren Bakterien stellen also in alien Versuchen unter den ge-
prfiften die resistentesten Keime dar, deren Abtfitung durch Aether man
praktisch wohl kaum erwarten darf.
Die erwahnten Resultate, die immerhin ahnlich wie die von Sig-
wart lauten, (iberraschen nicht durch ihren im Vergleich zu meinen
frfiheren Versuchen gfinstigeren Ausfall, wenn man bedenkt, daB hier
wie dort Aetherdampfe von fiber 40° C (45° C resp. 43° C) auf die
Bakterien einwirkten, also durch ihre erheblich hflhere Temperatur und
sicher auch bedeutend grSBere Spannung dem Desinfektionsoptimum
jedenfalls wesentlich naherkamen. Entscheiden lfiBt sich hierbei aller-
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dings nicht, wie die Verteilung der desinfektorischen Wirkung auf die
hohe, dem Bakterienwachstum bereits schadliche Temperatur und die
spezifische Aethereinwirkung zu denken ware; es ware immerhin moglich,
daB bei diesera Versuche chemische und physikalische Momente von
Bedeutung sind. Man darf sich aber, wenn man aus diesen Resultaten
praktische Konsequenzen ziehen wollte; nicht verhehlen, daB die be-
treffende Versuclisanordnung, die den hochsten bakteriziden Efl'ekt unter
alien anderen erzielte, mit einem Aequivalent in der Praxis nicht rechnen
kann, da wir eben in der Bauchhohle keine so hohen Temperaturen
haben. Wie wesentlich der Desinfektionswert der Aetherdampfe bei
ahnlicher Versuchsanordnung mit tieferer, dem Bakterienwachstum
gunstigerer Temperatur heruntergeht, wird deutlich durch folgenden
Versuch bewiesen:
Die gleichen sterilisierten Stofflappchen wurden nach ihrer Trankung
mit 24-stund. Bouillonkultur von B. coli, Strepto- und Staphylokokken
unter eine ca. 6000 ccm fassenden Glasglocke in passender Weise auf-
gehBngt und AetherdSmpfen ausgesetzt, die von einer am Boden be-
findlichen Schale mit Aether aufstiegen. Das Ganze wurde bei 37° ge-
halten. Die Abimpfung nach verschiedenen Zeiten gibt folgendes Bild:
Tabelle V.
Zeit
Coli I
Coli II
Streptokokken
Staph, alb.
Staph, aur.
5'
-f 4*
+ +
+
+ + +
+ + +
15'
+
+
+
+ ++
+ + +
30'
—
—
+ + +
+ +
60'
—
—
—
+ +
+ 4-
Da ich in meiner Versuchsanordnung von Tab. IV die ceteris paribus
intensivst mogliche Aetherdampfeinwirkung auf Bakterien erblickte, die
dennoch unter 10 Min. zu keiner Abtotung der gepriiften Bakterien
fiihrte, lag es nahe, die Sigwartschen Versuche nochmals anzustellen,
weil sich nach dem Mitgeteilten voraussehen lieB, daB ich sie nicht be-
st&tigt finden wOrde. Eine Nachpriifung der ebenfalls so giinstig aus-
gefalienen Fantozzischen Resultate konnte ich leider nicht vornehmen,
da mir die betreffende Arbeit nicht im Original zugangig war und das
Referat dariiber im Z. f. Chir. nahere Einzelheiten flber die bei diesen
Untersuchungen hochwichtige Versuchanor^nung vermissen laBt. Bei
der Wiederholung der Sigwartschen Versuche hielt ich mich genau
an den vom Autor selbst angegebenen Gang der Untersuchung: „Aus
einem mit 5 ccm Aether gefiillten, mit durchlochtem Gummistopfen ver-
schlossenen Reagenzglas fiihrte ein fl-formig gebogenes Glasrohrchen in
das Reagenzglas mit 24-stiind. Boullonkultur (in meinem Versuche
wurden B. coli, Strepto- und Staphylokokken gepriift) bis zum Grunde
des Rohrchens. Das IvulturrQhrchen bleibt zum Entweichen der Aether¬
dampfe offen. Halt man nun das Aetherrohrchen in Wasser von 45 °,
so beginnt der Aether stark zu sieden (nach meinen Erfahrungen ist
es vorteilhaft, einige Glasperlen hinzuzugeben, um einen Siedeverzug zu
vermeiden), die Aetherdampfe werden durch die Glasrohre in das Kultur-
rohrchen getrieben und steigen vom Boden der Bouillonkultur in Blasen
auf. Dabei wird die Bouillon schnell mit Aether gesSttigt. Diese Sat-
tigung ist bei Zimmertemp. des Versuches und Erwarmung des Aethers
auf 45° in 1—1V 2 Min. erfolgt, was sich durch die Bildung einer
Aetherschicht iiber der Bouillon anzeigt. Von nun an bleibt der Sat-
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Jungeblut, Bakterizide und entwicklungshemmende Kraft des Aethers. 571
tigungsgrad der Bouillon konstant, denn mehr als 8 Proz. werden nicht
aufgenommen. In 4 Min. hatten l 1 /* can Aether die Bouillon in Dampf-
form durchstrfimt, was an deni Aetherrohrchen abgelesen werden konnte.
Nach AbschluB des Versuches wurde mit steriler Pipette eine groBere
Menge Bouillon weiter auf Bouillon iiberimpft. Ich konnte feststellen,
daB nach 4 Min. Aethereinwirkung von 4 Rfihrchen nur 1 nach 3 Tagen
lebende Streptokokken zeigte.“ Soweit Sigwart. Meine Beobachtungen
fiber den gleichen Versuch lauten, wie folgt:
Tabelle VI.
Zeit
B. coli
Streptokokken
Staph', aur.
1. Versuch |
2. Versuch
1. Versuch
2. Versuch
1. Versuch
2. Versuch
3'
+ +,
+ +
+ +
+ +
+ + +
+ + +
5'
+ +
+
+
+
+ + +
+ + +
8'
+
—
—
+
+ +
+ + +
10'
—
—
—
+
+ +
Dieser Versuch wurde 2mal ausgeffihrt und doch zeigte sich bei
beiden Malen, daB eine sichere Abtotung von B. coli und Streptokokken
erst nach 10 Min. langem Einleiten der Aetherdfimpfe zu erreichen war.
Staphylokokken hingegen blieben wahrend der angegebenen Zeit vom
Aether unbeeinfluBt, abgesehen von einer geringgradigen Sch&digung der
Wachstumsintensit&t. Ich kann mir nicht erklfiren, warum meine Er-
gebnisse von den Sigwartschen Resultaten abweichen, da genau nach
der gleichen Versuchsanordnung vorgegangen wurde. Immerhin aber
bestfitigen sie den Befund von Tab. IV und erhohen damit die Walir-
scheiulichkeit, daB es bei Temperaturen, die 45° C nicht flbersteigen,
mit beliebig groBen Mengen Aether in Flflssigkeits- oder Dampfform
nicht gelingt, Streptokokken und B. coli in 24-std. Kultur in ktirzerer
Zeit als 10 Min. mit Sicherheit abzutoten.
I
2. Reihe. Versuche mit festem Substrat.
Die in der 1. Versuchsreihe erhaltenen Resultate bedurften noch
einer Erganzung in dem Sinne, daB noch die Resistenz der geprtiften
Bakterien bei einer Versuchsanordnung untersucht wurde, wobei das
Testmaterial sich auf festem Substrat befand. Die Methode der An-
trocknung der Bakterien an Seidenfiiden, die sich ffir andere Desinfektions-
versuche so gut bewfihrt hat, konnte hier nicht in Betracht kommen,
weil die dort gegebenen Voraussetzungen gar nicht im Bereich der hier
zu prfifenden Frage liegen. Hingegen konnte die feuchte Obertlache von
Schrfigagarkulturen sehr wohl als Teil einer infizierten Organflilche gelten.
Die mit Fibrin belegte Serosa der Darmschlingen konnte diesen Ver-
gleich vielleicht annahernd aushalten. Ferner war von vornherein an-
zunehmen, daB Versuche, in denen mit festen Bakteriennahrbfiden ge-
arbeitet wurde, hinsichtlich der Reaktion zwischen Aetherdampf und
Bakterien einfachere und darum auch mit der Praxis gut vergleichbare
Resultate liefern wflrden. Denn es wfirde wohl schwerfallen, eine Ana¬
logic der in Tab. VI angewandten Versuchsanordnung zu den praktisch
vorhandenen Verh<nissen zu konstruieren. Hier aber lag eine ziemlich
groBe, gleichmfiBig infizierte Flfiche vor, von nicht zu groBer Schichtdicke,
auf der der Aetherhauch bei 37° resp. der Aetherdampf bei 45° fiberall
unterschiedslos einwirken mUBte. Der einfachste Versuch lag in der
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Wiederholung yon Tab. I, nur mit dem Unterschiede, daB hier gut
gewachsene 24-std. Schragagarkulturen gebraucht wurden. Erwahnen
mochte ich noch, daB der zugesetzte 1 ccm Aether, der sich allerdings
mit ' dem Kondenswasser mischte, durch mehrfaches Schutteln des
Rohrchens moglichst gleichmafiig iiber die Agarflache verteilt wurde; die
Rohrchen wurden dann in schrager Stellung gehalten, so daB die spatere
Abimpfung wirklich von einer mit Aether benetzten Fiache geschah.
Die Ergebnisse dieses Versuches unterscheiden sich von denen der Tab. I
nur ganz unwesentlich. Immerhin konnte in diesem Versuch durch
24-std. Aethereinwirkung bei 37° eine sichere Abtotung von B. coli
und Pneumokokken erzielt werden, wahrend Streptokokken nach der
gleichen Zeit noch isoliertes Wachstum zeigten. Staphylokokken schienen
nur ganz wenig geschadigt in ihrer Wachstumsintensitat.
Nach dem negativen Ausfall dieser Versuche lag es nahe, mit der
Aethermenge einmal bis zum absoluten Maximum heraufiugehen, das
im betreffenden Versuche moglich war. Zu diesem Zwecke wurden
24-std. Schragagarkulturen bis zu 2 /s Hohe des Reagenzglases mit Aether
aufgefiillt, so daB der ganze Bakterienrasen vollstandig mit Aether be-
deckt war, die Kulturen also sozusagen mit Aether ersauft waren. Die
Bakterien ordnen sich hier hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit gegenfiber
der Aethereinwirkung bei 37° in folgender Reihenfolge: Pneumokokken
nach 15 Min. abgetotet, Coli und Streptokokken sicher erst nach 1-std.
Einwirkung, Staphylococcus albus und aureus selbst nach 2-std.
Aethereinwirkung unvermindert entwicklungsfahig. Dieser Versuch wurde
nicht auf langere Zeitdauer ausgedehnt, weil sowieso mit zunehmender
Zeit mit einem erheblichen Ueberdruck von Aetherdampfen in den mit
Gummistopfen verschlossenen Reagenzglasern gerechnet werden miiBte,
wodurch wieder ein neuer zu berucksichtigender Faktor in das Ver-
suchssystem hineingeraten ware.
Stellen wir die obenstehenden Ergebnisse schlieBlich noch in Parallele
zu Tab. II, so zeigt dieser Versuch eine vermehrte Resistenz von B.
coli und eine verminderte fur Pneumokokken.
Um nun noch den Ausfall bei reiner Aetherdampfeinwirkung fest-
zustellen, ohne den Nahrboden mit Aetherfiiissigkeit selbst zusammen-
zubringen, wurde in 24-std. Schragagarkulturen ein Wattebausch ge-
geben, der mit 1 ccm Aether getrankt war, und das Rohrchen dann wie
iiblich mit Gummistopfen verschlossen. Der Aetherbausch war ganz im
oberen Teil des Rohrchens. Nach verschiedenen Zeiten bei 37° wurde
abgeimpft. Beim Oeffnen des Rohrchens war jedesmal ein leiser Puff
horbar, und oft wurde der Wattebausch herausgeschleudert, ein Beweis
dafiir, daB sich Aetherdampfe in hinreichender Menge gebildet haben
muBten; dabei flihlte sich der Aetherbausch noch nach 30 Min. feucht
an, so daB immer noch ein Reservoir zur Entwicklung neuer Dainpfe
zur Verfugung stehen muBte. Ueber die erhaltenen Resultate gibt
folgende Tabelle AufschluB:
Tabelle VII.
Zeit
Coli I
Coli II
Pneumokokken
Streptokokken
Staph, alb.
Staph, aur.
5'
4“ +
+ +
+ +
+ +
+ + +
+ + +
15'
1 + +
+ +
+
+ +
+ + +
+ + +
30'
+ +
+ +
+
+
+ + +
+ + 4"
(SO'
+
+
+
+
+ +
+ +
120'
+
+
+
+
+4*
+ +
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r **•
Jungeblut, Bakterizide und entwicklungshemmende Kraft des Aethers. 573
Diese Tabelle lehrt in deutlicher Uebereinstimmung mit den voraus-
gegangenen Versuchen, daB Aether, sei es nun in Dampf- Oder Fltissig-
keitsform, in der angewandten Menge und Temperatur nicht imstande ist,
die gepriiften Bakterien selbst nach mehrstiindiger Einwirkung abzutoten,
es sei denn, man ginge mit der Aethermenge bis zum absoluten Maximum
herauf (vgl. Tab. II). Als sichtbarer Ausdruck der stattgekabten Aether-
einwirkung laBt sich nur eine geringe schadigende Beeinflussung der
Wachstumsintensitat fiir B. coli, Strepto- und Pneumokokken feststellen.
Dies Verhalten ist urn so auffalliger, als von anderen organischen Ver-
bindungen, die dem Aether chemisch nicht so fern stehen (Chloroform,
Formaldehyd), eine gute Desinfektionswirkung durch Dampfe bekannt ist.
Nach diesen negativen Resultaten blieb noch iibrig, die bereits in
der 1. Versuchsreihe der Arbeit gemachte Feststellung nochmals mit
Bakteaien auf festem Nahrboden nachzuprufen, namlich daB auBer einer
Erhohung der Aetherquantitat der bakterizide Effekt durch Wahl einer
hbheren Temperatur ganz erheblich zunimmt. Die Natur des festen
Bakteriensubstrats bot fur einen Versuch mit heiBen Aetherdampfen die
besten Chancen. Ich habe daher noch 24-stiind. Schragagarkulturen der
Einwirkung von Aetherdampfen von ca. 45° C Temperatur ausgesetzt,
derart, daB das Kulturrohrchen mit der Oeffnung nach unten in einem
Stativ befestigt war und nun durch ein Glasrbhrchen, das bis zum Grund
des Kulturglases reichte, Aetherdampfe eingeleitet wurden, die in einem
Wasserbad von 45° C analog der schon bei Tab. VI gebrauchten Ver-
suchsanordnung entwickelt wurden. Das Resultat der Ueberimpfungen
stellt sich, wie folgt, dar:
Tabelle VIII.
Zeit
Streptok.
Staph, alb.
Staph, aur.
3'
++
+ + +
+ + +
5'
+ +
++
+ + +
+ + +
10'
4 -
+
+ +
+ +
15'
± iaolierte
Kol.
± iaolierte
Kol.
+
+ +
Die hier erhaltenen Resultate zeigen zwar eine deutlich starkere
Wirkung des Aethers, als sie in Versuchen bei niedrigerer Temperatur
beobachtet wurde, erreichen aber bei weitem nicht die Werte, die in
Parallelversuchen mit flussigem Nahrsubstrat festgestellt werden konnten.
Nach 15 Min. langem Einwirken von Aetherdampfen waren samtliche
Kulturen noch entwicklungsfahig, wenn auch in sehr reduziertem MaBe.
Hierbei machen sich also hauptsachlich Einfliisse von entwicklungs-
hemmender Natur bemerkbar. Nach der progressiven Abnahme der
Wachstumsintensitat zu schlieBen, ware es nach langerer Einwirkungs-
dauer sicher noch zur definitiven Abtotung gekommen, aber eine Aus-
dehnung des Versuchs in dieser Form auf langere Zeit verbot sich durch
die groBen Aethermengen, die hierbei verbraucht wurden.
Der Vergleich der 1. Versuchsreihe mit der 2. zeigt also eine
deutliche Uebereinstimmung der Resultate, bis auf die Versuche mit
45° heiBen Aetherdampfen. Wenn man sich aber die weit intensivere
Art des Einwirkens der Aetherdampfe in Bouillon, bei der es mit jeder
aufsteigenden Blase zu einer vollstandigen Durchschiittelung der ganzen
Kulturtliissigkeit kommt, vorstellt, und mit dem bloB hauchartigen Ueber-
streichen einer Agarflache vergleicht, die als solche keine Lasion ihrer
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574 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. K8. Heft 7/8.
Koharenz erleidet, ist solche Differenz der Versuchsergebnisse wohl ver-
stdndlich. Im Ubrigen scheint aus der Summe ineiner Versuche hervor-
zugehen, daB der Aethylather erst bei hoberer Temperatur, nach relativ
langen Zeiten, und erst in groBen Konzentrationen eine ausgesprochene
bakterizide Kraft gegen die gewohnlichsten Erreger der Peritonitis hat.
Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, ist wohl von einer die In-
fektion durch Bakterienabtotung giinstig beeinflussenden Wirkung bei
diffuser ausgebildeter Peritonitis, zumal bei Gegenwart von Staphylo-
kokken, nicht allzuviel zu erhoffen. Iinmerhin machen sicli beim Aether
deutliche entwicklungshemmende Eigenschaften bemerkbar, die im 2. Teil
dieser Arbeit eingehender untersucht werden sollen.
II. Tell.
Versuche liber die entwicklungshemmende Kraft
des Aethers.
Um das Bild der antibakteriellen Wirkung des Aethers in Dampf-
und in fliissiger Form zu vervollstandigen, fehlten auBer den im I. Teil
der Arbeit ausgefiihrten Versuchen, in denen das Desinfektionsmittel
stets gegen ausgewachsene 24-stiind. Kulturen angewandt und der bakteri¬
zide Wert des Aethers festgestellt wurde, noch einige Untersuchungen
fiber die schwacheren Grade einer antibakteriellen Wirkung des Aethers
gegenfiber den Erregern der Peritonitis, die in dem hemmenden EinfluB
auf die Entwicklung frisch beimpfter Kulturen ihren Ausdruck f&nde.
In der Eipleitung ist bereits auseinandergesetzt worden, daB Entwick-
lungshemmung und Desinfektion als 2 vollig getrennte, dem Wesen nach
ganz verschiedene Erscheinungen des Schadigungsprozesses von Bakterien
durch zugesetzte Mittel gelten mfissen. Dieser Unterschied macht sich
z. B. beim Formaldehyd auBerordentlich deutlich bemerkbar. WShrend
seine entwicklungshemmende Kraft sehr stark ist (in einer Verdfinnung
von 1:5000 tritt kein Wachstum von Staphylokokken mehr ein) besitzt es
eine auffallend geringe bakterizide Wirkung, so daB eine 1-proz. Losung
erst in 45 Min., eine 10-proz. Losung erst in 24 Std. abtotend wirkt
(Blum). Wenn diese beiden Eigenschaften eines antibakteriellen Mittels
auch auseinander gehalten werden miissen, so ist es doch klar, daB Ab-
totung aus der Entwicklungshemmung hervorgehen und durch die gleichen
Mittel wie diese bewirkt werden kann, einmal durch verldngerte Dauer
der Einwirkung, und dann durch konzentriertere und energischere An-
wendung. Wenn ferner durch Vermehrung dieser beiden Faktoren der
entwicklungshemmende Effekt in einen bakteriziden fibergeht, ist ferner
zu berucksichtigen, daB in frisch beimpften Kulturen die Bakterien sich
im Zustande einer verdiinnteren Emulsion befinden und wegen ihrer
dadurch verminderten Resistenz einem schiidlichen Angriff eher erliegen
als im konzentrierten 24-stiind. Milieu (Ficker). Die geringere Einsaat
der frischbeimpften Kulturen endlich erklart natiirlich ohne weiteres die
hinsichtlich ihres absoluten VVertes von den im 24-stiind. Milieu gefun-
denen Resultaten abweichenden Desinfektionswerte, hindert aber anderer-
seits nicht an der Aufrechterhaltung der Unterscheidung zwischen beiden
Arten der Bakterienschfidigung als 2 prinzipiell und nicht nur relativ
verschiedene Vorgange. Die frisch beim pfte Kultur zeigt eben wShrend
der Kontaktdauer von Bakterien und Desinfektionsmittel — und noch
gewisse Zeit dariiber hinaus — unter Umstanden deutlich hemmende
Beeintlussung der Wachstumsenergie (ohne Abtotung), die bei dichteren
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Ju n gebl u t, Bakterizide und entwicklungshemmende Kraft des Aethers. 575
Bakteriensuspensionen sich der Beobachtung entziehen muB, weil hier
die groBe Keimzahl die Verteilung der Desinfektionswirkung auf die
einzelnen Individuen verwischt. Ich mbchte hier den Begriff Entwick-
lungshemmung aus praktischen Griinden im Sinne von Robert
Koch anwenden als die Bezeichnung ftir die totale Wachstumsunter-
driickung der Bakterien. Deshalb unterscheide ich absichtlich nicht im
einzelnen zwischen initialer, partieller und totaler Entwicklungshem-
mung; aus den gleichen Griinden habe ich ferner nicht mit quantitativ
genau abgestuften Konzentrationen gearbeitet. Speziell bei Einwirken
des Aethers in Dampfform wurden nicht genau abgeinessene Dampf-
mengen angewandt. Es muBte mir also hierbei groBtenteils entgehen,
ob die Entwicklungshemmung mit steigender Konzentration und Zeit-
dauer in gleichmiiBig ansteigender Kurve zunimmt, oder ob in Ueber-
einstimmung mit der pharmakologischen Wirkung des Aethers dem
Stadium der Lahmung eine Phase der Erregung vorausgeht. Diesen
Faktor konnte ich aber getrost vernachlassigen, da ich von vornherein
mit relativ sehr groBen Aethermengen arbeitete, die diese subtilere
Wirkung eo ipso illusorisch machen muBten. Wie bei den Versuchen
im I. Teil der Arbeit, war auch im II. Teil das leitende Motiv, die
Aethereinwirkung auf Bakterien nur unter solchen Verhiiltnissen zu
studieren, die bei Anwendung des Aethers in der Chirurgie vorliegen.
Nachdem die bakterizide Kraft des Aethers durch die vorangegangenen
Versuche als ziemlich gering befunden wurde und damit der antibakterielle
Wert der AethereingieBung bei ausgebildeter Peritonitis als sehr zweifel-
haft erscheinen muBte, sollte hier festgestellt werden, ob nicht in Fallen
von beginnender Peritonitis, in denen eine geringe Anzahl Keime vor-
handen ist (ich denke hier ebenfalls an die von Sig w ar t zitierten FSlle
von Ueberschwemmung des Abdomens durch verdiichtiges Fruchtwasser
bei der Sectio caesarea und ahnliche Moglichkeiten der Keimverschmierung
im abdominalen Operationsgebiet) es gelingt, durch energische prophy-
laktische Aetherbehandlung die Vermehrung der Keime erfolgreich so-
lange aufzuhalten, bis der Organismus durch Vermehrung der eigenen
Kampfmittel in Stand gesetzt ist, sich gegen die Infektionserreger zu
wehren.
Ueber Entwicklungshemmung durch Aethyiather findet sich auBer
einem von Sig wart im Verlaufe seiner bereits zitierten Arbeit ge-
machten Versuch nur noch eine Angabe von Stadler. Er fand, daB
der Aether in Konzentration von 3 Proz. B. coli vollstandig hemmt,
wahrend gegeniiber Staphylokokken keine konstante Totalhemmung zu
beobachten ist.
Die Versuche uber Entwicklungshemmung wurden wieder an Kulturen
im fliissigen Medium und auf festem Niihrboden vorgenominen, nur mit
dem Unterschied, daB diesmal frisch beimpfte Kulturen zur Anwendung
kamen. Vor Anstellung dieser Versuche muBte ich noch die GewiBheit
haben, daB der zugesetzte Aether den Nahrboden hinsichtlich seiner
chemischen Zusammensetzung unbeeintluBt lafit; nach Stadler verhait
sich der Aether in dieser Beziehung rein bakteriotrop. Es ergeben sich
somit wieder zwei Versuchsreihen, die getrennt besprochen werden sollen.
t
I. Reihe. Versuche im fliissigen Medium.
Diese Versuche mogen gerade mit einer Wiederholung der Stadler-
schen Versuche beginnen. Zu Mengen von je 9,9—9,0 ccm Bouillon
wurden Zusatze von 0,1—1,0 ccm Aether gegeben. In diese Mischung
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. A
7/8.
wurde dann in parallelen Serien eim
Streptokokken, Staphylokokken, Pr.
B. coli fein verrieben, etwa in dp*
bazillen bei der Widalschen Prob
mfiglichst gleichmSBige Verteilung d ,
figagarkultur von
.rumbouillon) und
dbuug der Typbus-
tnerdurch sollte eine
^iterien rait _ leichen Angriffs-
punkten ffir den zugesetzten Aether erziel werden. Der Befund am Kultur-
rohrchen wurde nach 24 Std. bei 37 0 abgelesen; zu gleicher Zeit wurde
1 Oese davon auf Schragagar ausgestrichen, urn festzustellen, ob der ent-
wicklungshemmende Effekt bereits zum bakteriziden vorgeschritten wfire.
Diese Notierung geschah nach abermals 24 Std. Dabei spielt diese Unter-
suchung nach 24 Std. fur die Festlegung des Begriffs „Entwicklungs-
hemmung“ die Hauptrolle, weil sie allein AufschluB fiber die Natur der
erlittenen Schfidigung der Bakterien gibt. Die unter dieser Kolonne
notierten Ergebnisse zeigen bei alien Tabellen deutlich, daB die in der
Ausgangskultur nicht mehr wachsenden Keime bei Uebertragung in ein
neues Medium noch lange entwicklungsffihig sind, bis es endlich doch
zum definitiven Absterben kommt. Der Abstand zwischen Entwicklungs-
hemmung und Abtotung ist jedoch, um es vorwegzunehmen, beim Aether
so groB, daB die geringere Keimzahl in den frischbeimpften Kulturen
nicht zur Erklarung ffir den Unterschied der in 24-sttind. und frisch¬
beimpften Kulturen gefundenen Werte ausreicht.
Tabelle IX.
Proz.
B. coli
Fazes
Strepto¬
kokken
Staph.
albus
Staph.
aureus
B. coli
Urin
24 Std. |
48 Std.
| 24 Std. |
48 Std.
24 Std. |
48 Std.
24 Std.
! 48 Std.
24 Std.j48Std.
i
Proz.
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
+ +-F
+ + +
+ + +
+ + +
+++
2
+ +
+ + +
+ +
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
+ +
+++
3
+ + +
+ + +
+ +
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
+ +
++
4
T J
+ +
+ + +
+
+ +
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
+
++
5
»
+ +
+ +
+ +
+ + +
+ + +
+ + +
+ + +
—
+
6
V
+
—
+
+ + +
+ + +
+ +
+ + +
—
+
7
V
—
+
—
+
+ +
1 + + +
+ +
+ + +
— !
—
8
*
—
+
—
—
+ +
!+++
+ +
+ + +
—
—
9
V
—
—
—
—
—
+++
±
+ + +
—
—
10
V
—
—
—
—
! ++
+
+ +
—
—
Es zeigt sich, daB B. coli und Streptokokken sicher erst in 5—6-
proz. Lfisungen, Pneumokokken erst in 8-proz. Lfisungen vollstandig ge-
hemmt werden, wahrend ffir Staphylokokken keine sichere Totalhemmung
zu beobachten ist.
In einem folgenden Versuche sollte die reine Aetherdampfwirkung
beztiglich ihrer entwicklungshemmenden Eigenschaften untersucht werden.
Dies geschah in analoger Weise wie bei Tab. VII. Es zeigte sich nach
mehrsttindiger Einwirkung bei 37° und Zimmertemperatur keinerlei un-
giinstige Wachstumsbeeinflussung der frischbeimpften Bouillonrohrchen.
Da bei diesem Versuche die Versuchsanordnung augenscheinlich eine
unzureichende war, lfiBt sich hieraus kein SchluB ziehen. Hingegen
konnten frischbeimpfte Bouillonkulturen sehr wohl zur Feststellung der
Wirksamkeit heiBer Aetherdampfe dienen.
Wie schon frtiher bei Tab. VI beschrieben, wurden ca. 45° beiBe
Aetherdampfe in frischbeimpfte Bouillonkulturen von B. coli, Strepto-
und Staphylokokken verschieden lange Zeiten eingeleitet, und die
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Jungeblu 1 ’ ^akterizide unt * entw ’ c \luDgshemmende Kraft des Aethers. 577
Rohrchen auf bei 370 kontrolliert, zu gleicher
Zeit eine gioBert" { ht T /issigkeit auf SchrSgagar ubertragen,
und die erhalteneii _*. -.^tisehen *”K en ^ er Tabelle niedergelegt:
1 a oelle X.
Zeit
B.
coli
Streptokokken
Staphylococcus albus
24 Std.
48 Std.
24 Std.
48 Std.
24 Std.
48 Std.
S'
±
+
±
—
+
+ +
5'
+
—
—
—
+
8 '
—
—
—
—
—
—
15'
—
—
—
—
—
—
Hierbei zeigt sich deutlich, daB bei Wahl einer hoheren Versuchs-
temperatur den Aetherdampfen eine ausgesprochene entwicklungshem-
mende F'ahigkeit zukommt, die allerdings in diesem Versuche nahe an
Abtotung heranreicht. In Kontrollen ohne Aether wuchsen die betref-
fenden Bakterien bei gleicher Teinperatur sehr wohl, wenn auch etwas
eingeschrankt, so daB der Hauptanteil der Wachsturnsverminderung sicher
auf die Aetherwirkung zuriickzufiihren ist. Welche wichtige Rolle aber
die Versuchsteraperatur liber sowohl wie unter 37° spielt, wird sich
erst an den Versuchen auf festen Nahrboden ndher zeigen.
II. Reihe. Versuche auf festen Nahrboden.
Fiir die ersten Versuche wurde zu frischbeimpften Schragagar-
kulturen von B. coli, Strepto- und Staphylokokken ein Zusatz von
Aether (ca. 1—2 ccm) gegeben und die Rohrchen dann in schrdger
Stellung gehalten, so daB ca. 2 / s des Nahrbodens von Aether besptilt war.
Die Rohrchen wurden dann verschieden lange Zeiten bei Ziminertemp.
und bei 37° gehalten, der Aether dann fortgegossen und die Rohrchen
darauf in den Brutschrank verbracht. Die Ablesung der Resultate am
nachsten Tage zeigte dort, wo der Aether hinreichend lange eingewirkt
hatte, eine ausgesparte, nicht bewachsene Stelle auf deni Schragagar,
wahrend im oberen Drittel, wo Aetherfliissigkeit den Nahrboden nicht
mehr vollstandig bedeckte, einzelne Kolonien angegangen waren. Die
Einschatzung der Resultate geschah nach jenem ausgesparten Fleck, die
Abimpfung von ebendort. Die einzelnen angegangenen Kolonien im
oberen Drittel des Rbhrchens zeigen, daB Aetherdampfe allein bei
Teniperaturen bis zu 37° keine deutlich ausgesprochene entwicklungs-
Jiemmende Kraft besitzen, wenngleich ihnen ein gewisser schadigender
EinfluB auf die Wachstumsintensitat nicht abgesprochen werden soil.
Tabelle XI (bei Zimmertemperatur).
Zeit
1
Pneumo-
kokken
B. coli
(Fazes)
Strepto-
kokken
Staphylococcus
albus
Staphylococcus
aureus
24 Std. 48Std.
24 Std.
48 Std.
24 Std.
48 Std.
24 Std.
48 Std.
24 Std.
48 Std.
5'
_
±
+
+ +
—
+
+ +
+ + +
+ +
+ + +
15'
—
—
—
+ +
—
+
±
+ + +
—
+ +
30'
—
- '
—
+
—
—
—
+ +
+ +
60'
—
—
—
—
—
—
—
+ +
—
2 Std.
—
—
—
—
—
—
—
+
—
—
24 „
—
—
—
—
—
_
—
—
—
—
Erste Abt. Orig. Bd. 88 . lleft 7, 8. 3 i
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 7/8.
Tabelle XII bei Brutteraperatur).
Zeit
Pneumo-
B. coli
Strepto-
Staphylococcus
Staphylococcus
kokken
(Faeces)
kokken
|
albus
aureus
24 Std. 148 Std. j
24 Std. 48 Std.
24 Std.
48 Std.
: 24 Std.
! 48 Std. |
24 Std. |
48 Std.
5'
+
+
±
+ +
+ +
+ +
+ + +
+ + +
+ + +
15'
—
—
+
+ 4"
—
+
+ +
+ + +
+ +
+ + +
30'
—
—
—
++
_ 1
—
—
+ +
+
+ + +
60'
—
—
—
+
—
—
+ +
—
■ +
2 Std.
24 ,
—
—
—
—
—
Der Vergleich beider Tabellen zeigt einheitlich eine st&rkere Ent-
wicklungsheinmung bei Zimmerterap. als bei Bruttemp., und hiermit do-
kumentiert sich deutlich die Abhangigkeit der Entwicklungshemmung
von der Temperatur in dem sckon friiher erw&hnten Sinne. Bei reiner
Aetherdampfwirkung tritt dieses Verhalten nicht so deutlich hervor, weil
Aetherdampfe bei niedrigeren Temperaturen als 40° keine ausgesprockene
entwicklungshemmende Kraft besitzen: Frisch beirapfte Schragagar-
kulturen von B. coli, Strepto- und Staphylokokkeu mit Aetherbausch
im Halse des Rohrchens zeigten bei Zimmertemp. wie bei 37 °, ahnlich
wie der mit Bouillon angestellte Versuch, nur eine geringgradige
Wachstumsschadigung, die sich bei beiden Temperaturen kaum dififeren-
zieren lieB. Hingegen steigt die entwicklungshemmende Kraft der
Aetherdampfe ganz bedeutend mit Temperaturen iiber 40°, wie aus
folgendem Versuche hervorgeht: In frisch beimpfte Schragagarkulturen
von B. coli, Strepto- und Staphylokokken wurden ca. 45° heiBe Aether¬
dampfe eingeleitet in der Weise, daB die Rohrchen wie bei Tab. VIII
behandelt wurden. Wie aus folgender Tabelle hervorgeht, wurde das
Wachstum von B. coli und Streptokokken in der Ausgangskultur bereits
nach 8 Min. Einleitung vollstandig unterdriickt, und selbst so resistente
Keime wie Staphylokken wuchsen einmal bereits nach 10 Min., ein ander-
mal dagegen erst nach 15 Min. nur noch in isolierten Kolonien. DaB
zwischen verschiedenen Staphylokokkenstammen hinsichtlich ihrer Re-
sistenz gegen schadigende Einflusse groBe individuelle Schwankungen
bestehen, hat schon Sam ter bei Priifung einer groBeren Anzahl Sta-
phylokokkenstamme festgestellt.
Tabelle XIII.
Zeit
B.
coli
Streptokokken
Staph, albus
Staph, aureus
24 Std.
48 Std.
24 Std.
48 Std.;
24 Std.
48 Std.
24 Std.
48 Std.
3'
+
+ +
4"
+ +
+ +
+ + +
+ +
+ + +
5'
+ +
isolierte Kol.
+ +
+ +
+ +
+ +
+ + +
8'
—
+ +
—
+
+
+ +
+
+ +
10 '
—
+
—
! +
isolierte Kol.
+ +
+
+ +
15'
—
-t
—
—
—
| +
isolierte Kol.
+ 4-
Wie aus den Abimpfungen nach 24 Std. hervorgeht, waren die
Bakterien bis zu 10 Min. Aetherdampfeinleitung nicht abgetotet, sondern
in ihrer Entwicklung nur voriibergehend gehemmt; dies Verhalten
scheint, weil es auch durch die vorangehenden Versuche bestatigt wird,
das Charakteristische der Aetherwirkung auf Bakterien auszumachen.
Die Werte fur die entwicklungshemmende Kraft des Aethers siud
also ziemlich betrachtliche und stellen sich bei Vergleich mit der Tem-
peraturskala im allgemeinen als eine parabelformige Kurve dar, die
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-- —*“•* " m
Jungeblut, Bakterizide und entwicklungshemmcnde Kraft des Aethers. 579
ihren tiefsten Stand bei Brutteinp. erreicht, wahrend sie bei Teraperaturen
ober- und unterhalb in mehr Oder weniger gleichmSBigera Steigen be-
griffen ist. FUr die Entfaltung der entwicklungsheinmenden Kraft des
Aethers ergeben sich somit leider bei Korpertemperatur theoretisch
nicht die gUnstigsten Reaktionsbedingungen; dieser Tatsache ist aber
wohl praktisch unter Beriicksichtigung des auBerordentlich komplizierten
Vorgangs der Aetherwirkung im lebenden Organismus, der diesen Nach-
teil vielleicht durch andere Faktoren kompensiert, keine allzugroBe Be-
deutung beizumessen.
Urn schliefilich noch Anhaltspunkte fiir eine eventuelle Fernwirkung
auf die Umgebung zu gewinnen, wurde in die Mitte von frischbeimpften
Staphylokokken - Plattenkulturen ein Aetherbausch gegeben und die be-
schickte Platte zugedeckt im Brutschrank gelassen. Nach Ablauf von
24 Std. war wohl der unter dem Bausch liegende Fleck unbewachsen
geblieben, hingegen ging das Wachstum von der Peripherie iiberall in
gleichmaBiger Starke in die unbeeinfluBt gebliebene Randzone normalen
Wachstums Uber. Zum SchluB mUchte ich noch einen ahnlichen Versuch
von Si gw art erw&hnen: Er benutzte in einer anderen Versuchsreihe
Agarschiittelkulturen, welche aus einer 24-std. Milzbrandbouillonkultur
hergestellt waren. „Hierbei wurde heiBer Aetherdampf nur Uber die
Agaroberflache geleitet und dabei das Agarrohrchen mit der Oeffnung
nach abwarts gehalten, so daB kein sich kondensierender Aether mit dem
Agar in Bertihrung kam, sondern nur ein Aetherhauch uber die Ober¬
flache des Agars strich. Wenn Aetherdampf 4 Min. lang Uber die Ober¬
flache des Agars geleitet wurde, zeigte sich kein Oberfl&chenwachstum
mehr, und das Wachstum der Milzbrandkolonien begann in samtlichen
Rohrchen erst in einer Tiefe von l / 2 — s / 4 cm in scharfer Grenze, wahrend
bei dem Kontrollrohrchen die gauze Oberflache mit einem Rasen bedeckt
war. Wenn die AetherdUmpfe nur 3 Min. einwirkten, wuchsen die Ko-
lonien auch noch an der Oberflache. Bei Einwirkung von 7 Min. be¬
gann das Wachstum erst in einer Tiefe von 2—3 ccm, auch nach Tagen
zeigte sich kein neues Wachstum in den oberen Schichten des Agars,
ein Zeichen, daB das Wachstum nicht nur gehemmt, sondern abgetStet
war. u Hierzu paBt allerdings schlecht die Angabe von R. Koch, und
auch andere Autoren fanden geringere Werte fUr die Wirkung des
Aethers gegenflber Milzbrandbazillen.
Vor Einschatzung meiner Versuchsresultate will ich noch einige
Punkte streifen, die ev. Ausgangspunkt fur praktische Bedenken werden
kdnnten. Es ware mbglich, daB die Verwendung optimaler Nahrboden,
wie solche von Supfle und Dengler und neuerdings wieder von
Br. Lange gefordert werden, zur Nachkultur bei Desinfektionspriifungen
die erhaltenen Ergebnisse raodifizieren konnten. Eine solche Aenderung
aber wUrde ja nur eine gleichmaBige quantitative Verschiebung der
Versuchsresultate ergeben, und keine qualitative Aenderung bedeuten
kftnnen. Ferner ware mUglich, daB der Aether bei den damit behandelten
Bakterien neben dem schadigenden EinfluB auf die Vermehrungsfahigkeit
noch eine Abschwachung der Pathogenitat hervorruft, wio dies von
anderen schadigenden EinflUssen chemischer und physikalischer Natur
bekannt ist. Ein solches Verhalten ware noch an Tierversuchen genauer
nachzuprUfen, als es bislang geschehen ist. FUr den Tuberkelbazillus
hat Connio festgestellt, daB, wahrend verschieden lange Zeit erhitzte
Tuberkelbazillen noch in Dosen von 2—3 mg intravenos injiziert zur
Erzielung einer tUdlich verlaufenden ToxUrnie beim Meerschweinchen
37*
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580
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
geniigen, von mit Aether und Alkohol vorbehandelten Bazillen dagegen
zum gleichen Effekt 5 eg erforderlich waren. Eine neuere Beobachtung
von Alivisatos zeigt ferner, daB das „Virus tixe u der Lyssa durch
Aetherbehandlung in seiner Toxizitat ganz erheblich abgeschwacht werden,
ja durch 140-std. Einwirkung sogar vollstandig vernichtet werden kann.
Virus fixe (Hirn), das 72—84 Std. in Aether gelegen hat, wird vorn
Menschen ohne Schaden vertragen und verursacht noch eine auBer-
ordeutlich rasch und intensiv eintretende Immunit&t. In diesem Zu-
sainmenhang mochte ich noch erwfihnen, daB mir bei mit Aether vor-
behaudelten Coli-Bakterien oft ein in nachster Generation auftretendes
schleimiges Wachstum auf Agar aufgefallen ist, eine Tatsache, die viel-
leicht als Degenerationserscheinung vielleicht auch als Andeutung eines
im Sinne d’Herelies aufgetretenen Coli-Lysats aufzufassen ist.
Betrachten wir schlieBlich die gefundenen Resultate in Gegeniiber-
stellung mit der Theorie der Desinfektionswirkung, so ist beim Aether
der groBe Abstand zwischen der bakterizid und entwicklungshemmend
wirkenden Dosis auffallig. GewiB laBt sich durch lSngere Einwirkuugs-
dauer und groBere Qantit&ten der entwicklungshemmende Effekt in den
bakteriziden iiberfiihren, aber die zu der einen und anderen Wirkung
notigen Aethermengen sind doch quantitativ so verschieden, daB man
fur beide Prozesse wohl eine besondere Wirkungsweise des Aethers an-
nehmen muB. Die gewohnlichen Desinfektionsmittel, anorganisebe (Metall-
salze und Sauren) und organische (Phenole, Farbstoffe etc.) wirken
bakterizid durch die Verankerung ihrer Giftwirkung in den fur die Er-
haltung der Lebensfiihigkeit wichtigeu Kolloiden des Bakterienproto-
plasmas; dabei wirken diese in Losungen parallel der Dissoziation
ihrer wirksamen Ionen, jene durch ihre primare Giftigkeit, die an ge-
wisse chemisch wohldefinierte Gruppen im Molekiil gebunden ist. Die
Konzentrationen zwischen Entwicklungshemmung und Abtotung stelleu
sich meist als eine zusammenhangende, gleichmaBig fortschreitende Reihe
dar, abgesehen von gewissen sekundaren Eigentiimlichkeiten der Bakterien-
zelle, wie Ueberempfindlichkeit (Schnabel) und Festigkeit, so daB man
deswegen im allgemeinen Entwicklungshemmung und Abtbtung nicht
so scharf trennt. So meint auch Neufeld, daB fur viele Desinfektions¬
mittel bei gleichen Versuchsbedingungen Abtotung und Entwickluugs-
hemmung praktisch identisch seien. Wenn beim Aether eine priinfire
Giftigkeit wegen der ganz geringen bakteriziden Wirkung wohl nur in
beschriinktem MaBe vorhanden ist, sofern sie iiberhaupt existiert, tritt
zur Erkl&rung seiner ausgesprochenen entwicklungshemmenden Kraft
hierbei augenscheinlich eine ganz andere Art der Einwirkung in den
Vordergrund. Fur die Pharmakologie sind die Gesetze der Narkose-
wirkung von Overton u. a. ausfiihrlich formuliert worden. Bei Ueber-
tragung des dort Gefundenen auf die Bakteriologie wiirde sich fur den
Aether eine durch seine hohe Lipoidloslichkeit gegebene Wirkung voraus-
setzen lassen. Diese Wirkung auf die Bakterienzelle findet ihren bak-
teriologischen Ausdruck wohl in der Entwicklungshemmung. Die mit
Aether beladene Zellmembran, die durch ihren hohen Lipoidgehalt walir-
scheinlich besondere Affinitat zum Aether hat, wirkt gewissermaBen wie
eine Blockade fur alle, Leben und damit Fortpflanzung garantierenden
Einfiiisse. Dauert dieser Zustand lange genug an, so kommt es zum
definitiven Absterben der Zelle; bei kiirzerer Einwirkungsdauer bildet
sich eben jene reversible, voriibergehende Schadigung der Bakterienzelle
aus, die sich in der Entwicklungshemmung auBert. Bei anderen Chemi-
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JungebLut, Bakterizide und entwickiungshemraende Kraft des Aethers. 581
kalien mit fihnlichen physikalischen Eigenschaften, die dem Aether auch
cheniisch nahestehen, scheint der gleiche Desinfektionsmodus vorzuliegen.
So hat z. B. Stadler fur das Chloroform im Vergleich zu seiner
bakteriziden Kraft ziemlich hohe entwicklungshemmende Werte fest-
gestellt; ganz besonders aber fur eine atherahnliche Verbindung, das
/OC 2 H 5
Acetal: CH S CH<( . Infolgedessen ware der Aether, dank seiner
X OC 2 H 5
starken entwicklungshemmenden Kraft, als ein gutes Antiseptikum, aber
mangels Vorhandenseins einer primaren Aviditat fur die Chemorezeptoren
der Bakterienzelle als ein schlechtes Desinfiziens zu bezeichnen.
In gewissem Gegensatz zu diesen Voraussetzungen und auch zu den
schon zitierten Resultaten von Connio stehen Befunde von de Witt
und Sherman iiber die Beeintiussung von Tuberkelbazillen durch
Aether und andere lipoidlosliche Substanzen. Diese Autoren fanden
namlich, daB Aether, Aceton und Chloroform keine oder nur sehr geringe
tuberkulozide Kraft besitzen, wahrend man gerade wegen des hohen
Fettgehalts des Tuberkelbazillus eine sehr intensive antibakterielle Be-
einflussung voraussetzen sollte. 0,5-proz. Aether-, Aceton-, Toluol- und
Chloroformlosungen wirkten im Reagenzglas und im Tierversuch nicht
abtotend auf Tuberkelbazillen. Dabei ware allerdings einmal zu beriick-
sichtigen, daB die angewandten Ivouzentrationen wohl kaum geniigend
hohe sein diirften, und ferner, daB aus dieser Arbeit nicht geniigend
deutlich hervorgeht, ob auch auf Entwicklungshemmung geachtet wurde.
An einer Stelle (S. 253) heiBt es allerdings, daB die Reagenzglaskulturen
nur geringes Wachstum zeigten und trotzdem die damit geimpften Tiere
an lokaler und generalisierter Tuberkulose erkrankten. Versuche mit
fettldslichen Farbstoffen, die der gleiche Autor, Sherman in einer
anderen Arbeit anfuhrt, zeigten, daB Tuberkelbazillen oft damit nicht
gefilrbt werden konnten, wahrend nicht-fettlosliche Farbstoffe oline
Schwierigkeit eindrangen. Rosen au ferner bezweifelt ganz allgemein,
daB die Fettsubstanzen den Tuberkelbazillus gegen auBere EinHiisse
schiitzen, und auch Benia ns fand z. B. das Toluol fur wirksam als
tuberkulozides Mittel. Die hieruber gefuudenen Resultate und Ansichten
gehen also scheinbar noch auseinander, und es ware zu wiinschen, daB
bei solchen Versuchen kiinftig mehr die reine Entwicklungshemmung
beriicksichtigt wiirde. So hat allgemein Biirgi recht, wenn er meint,
die Beziehung zwischen Fettloslichkeit und desintizierender Kraft sei
noch nicht bewiesen. DaB aber hinsichtlich der Entwicklungshemmung
die Lipoidloslichkeit eines Desinfektionsmittels eine wichtige Rolle
spielt scheint, wenigstens was den Aether anbetritft, aus den vor-
liegenden Untersuchungen hervorzugehen. Es ist wahrscheinlich, daB
es sich hierbei urn den Vorgang der einfachen Lflsung der lipoiden
Subfetanzen in der Zellmembran handelt, wodurch sich die Ent¬
wicklungshemmung hinsichtlich ihres biochemischen Mechanismus als prin-
zipiell verschieden von der Abtotung prSsentieren wiirde, bei der vorwie-
gend die chemische oder physikalische Einwirkung (Adsorption, Diffusion,
echte chemische Bindung oder EiweiBprSzipitation) auf das Bakte-
rienprotoplasma eine Bedeutung hat. Es ware schlieBlich inter-
essant, festzustellen, ob sich durch Kombination geeigneter lipoidloslicher
Substanzen (Toluol, Schwefelkohlenstoff usw.) der entwicklungshemmende
Effekt in analoger Weise potenzieren liiBt, wie dies von Biirgi fiir die
pharmakologische Wirkung der Narcotica gefunden wurde, und ich be-
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582
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
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halte mir vor, in einer spkteren Publikation noch auf diese Frage
zuriickzukommen. Dabei mflfiten die kombinierten Mittel verschiedenen
chemischen Gruppen angehoren in Analogie zu Biirgis Versuchen, der
feststellte, daB Potenzierung der uarkotischen Wirkung nur dann ein-
tritt, wenn die Koinbinationsglieder aus 2 pharmakologisch verschiedenen
Gruppen starnmen. Dieselbe GesetzmaBigkeit hat auch Tsuzuki ge-
funden, hiusichtlich der desinfektorischen Wirksainkeit bei der Prufung
verschiedener Chemikalien fur eine Kombinationstherapie von Trypano-
someninfektionen.
Was fallt nun aus dieseu Versuchen fur die Chirurgie ab? Bei
einer Zusaminenfassung rneiner Erfahrungen iiber die antibakterielle
Wirkung des Aethers komme ich zu folgendem Ergebnis: Wenn ich
auch die bakterizide Kraft des Aethers gegeniiberdenEr-
regern der Peritonitis als sehr gering, resp. unter den
im Organism us gegebenen Bedingungen, soweit nicht
noch indirekte Faktoren mitspielen, praktisch als nicht
vorhanden betrachte, so sehe ich doch in der Verwertung
der bedeutenden entwicklungshemmenden Eigenschaften
des Aethers, bei drohender und beginnender Peritonitis,
als AethereingieBung ins Abdomen ein wirksaines Mittel
zur Aufhaltung der bakteriellen Infektion und eine wert-
volle Erganzung unserer chirurgisch - therapeutischen
Methoden zur Bekampfung dieser Krankheit.
Literatur.
1) Koch, Robert, Ueber Desinfektion. (Mitteil. a. d. k. Gesundheitsamt. Bd. 1.)
— 2) Behring, Bekampfung d. Infektiouskrankh. Leipzig 1S94. —3) Heim, Lehrb.
d. Bakt. Stuttgart 1898. — 4) Stadler, Arch. f. Hyg. Bd. 73. 1911. — 5) Pergola,
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 41. — 6) Rouquier u. Tricoire, Ebeuda. Abt. 1.
Ref. Bd. 71. 1921. — 7) Prell, Ztschr. f. Hyg. Bd. 88. 1919. — 8) Tomarkin u.
Serebren ikoff, Arch. f. Schiffa- u. Tropenkrankh. Bd. 14. 1910. — 9)Fornet,
Berl. kl. Wo. 1913. Nr. 40. — 10) Voigt, Dtseh. med. Wo. 1915. 8. 35. — 11) Fan-
tozzi, Centralbl. f. Chir. Ref. 1920. — 12) Sigwart, Arch. f. Gyn. 1918. S. 247. —
13) Lienhardt, Schweiz, med. Wo. 1921. No. 29. — 14) Ficker, Ztschr. f. Hyg.
Bd. 29. — 15) Blum, Dtseh. med. Wo. 1914. — 16) Sam ter, Arb. a. d. Inst. z. Er-
forschg. d. Infektionskrankh. hrsgeg. von W. Kolle. Bern 1908. — 17) Siipfle und
Dengler, Arch. f. Hyg. Bd. 85. 1916. — 18) Lange, Ztschr. f. Hyg. Bd. 94. 1921.
— 19) Connio, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 65. 1917. — 20) de Witt und
Sherman, Journ. of Infect. Dis. Vol. 15. 1914. — 21) Benians, Ztschr. f. Chemo-
thernp. 1913. — 22) Overton, Studien iiber die Narkose. Jena 1907. — 23) Biirgi,
Dtseh. med. Wo. 1910. Nr. 1 u. 2. — 24) Tzuzuki, Ztschr. f. Hyg. Bd. (>8. 1911. —
25) Sherman, Journ. of Infect. Dis. Vol. 12. 1913. — 26) Biirgi, Handb. d. path.
Mikroorg. v. Kolle-Wassermann. Bd. 3. 1912. — 27) Rosenau, Bull. Hyg. Labor.
U. S. P. H. 1909. Nr. 57. — 28) Neufeld und Karlbaum, Ztschr. f. Hyg. Bd. 91.
1921. — 29) Alivisatos, Dtseh. med. Wo. 1922. Nr. 9. — 30) Schnabel, Dtseh.
med. Wo. 1922. Nr. 20.
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Haj6s, Zur Frage der wachfctumshemmenden Wirkung von Bouillonkulturen. 583
Nachdmck verboten.
Beitrage zur Frage der wachstumshemmenden Wirkung
von Bouillonkulturen.
[Aus der III. med. Klinik der Universitfit in Budapest (Direktor:
Prof. Baron A. v. Kordnyi).]
Von Dr. K. llajds.
Die praktisch und theoretisch aufierordentlich wichtigen Befunde von
d’Herelle wurden auch von uns nachgeprfift und das Vorkommen von
Fazesextraktbakteriophagen bestatigt. Die von uns gefundenen Bakterio-
phagen richteten sich nur gegen atoxische Dysenteriebazillen, gegen Y-
und Flexner-Stfimme, weitere Untersuchungen fiber diese Frage sind
im Gauge.
An dieser Stelle soli fiber Untersuchungen berichtet werden, welche
auf Veranlassung von Professor von Kordnyi ausgeftihrt wurden. Im
Zusammenhange mit der Bakteriophagenfrage sollten schon frfiher be-
kannte Befunde fiber die Erschfipfung eines Nahrbodens Oder die Bakterien-
autotoxine untersucht werden, urn zu bestimmen, ob sie nicht in irgend-
einem Zusammenhange mit dera d’Herel leschen Bakteriophagen stehen.
Die von Eijkman, Conradi und K u r pj u we it etc. beschriebenen
Autotoxine der Bakterien, welche angeblich eine der Karbolsfiure nahe-
stehende antiseptische Wirkung haben, konnten von vielen anderen
Forschern, wie Manteufel, Oebius etc., nicht bestatigt werden. Auch
eine Erschfipfung von Nahrsubstanzen der Nfihrboden wurde nicht ge-
nfigend erwiesen.
Die Angaben fiber die Reaktionsdnderung des Nahrbodens sind nicht
einheitlich. Kruse und Pan sin i konnten durch Herstellung der ur-
sprfinglichen Reaktion die wachstumshemmende Wirkung des Nahrbodens
fur Pneumokokken aufheben.
Ich arbeitete mit Bouillonkulturen verschiedener B. typhi abd.-, B.
paratyphi B-, B. paratyphi A-, B. coli commune-Stammen, wor-
unter auch frisch vom Stuhle gezfichtete Typhus- und Coli-Stamme
waren. Die 48 Std. alten Kulturen wurden scharf abzentrifugiert, die
Bouillon solange 48stfindl. mit dein homologen Stamm beimpft und immer
nach 48 Std. abzentrifugiert, bis die Bouillon keine Trfibung, d. h. kein
sichtbares Wachstum, mehr zeigte, was mit ca. 4—6 Ueberimpfungen,
also in 12 — 14 Tagen, erreicht wurde.
Die Wasserstoffzahl der Ausgangsnahrtlfissigkeit betrug p» = 7.6 bis
7.8. nach der Indikatormethode von Michaelis gemessen.
Auf diese Weise wird eine klare Flfissigkeit erhalten, in welcher
die homologen Bakterien sichtlich nicht zum Wachsen kommen. Nach-
stehend werden die Resultate zusammengestellt, welche die Untersuchung
der erschopften NahrdUssigkeit ergeben hat.
1) Es zeigte sich, dad die wachstumshemmende Fabigkeit keine spo-
zifische ist; sie bezieht sich nicht nur auf den homologen Stamm, sondern
auch auf ihm biologisch uahestehende andere Bakterienarten, so z. B.
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7
584 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
hemmt die Typhusbouillon die Paratyphus-, Coli- und Dysenteriebazillen,
natiirlich nicbt in demselben Grade, dagegen war kein heminender Ein-
fluB, wie aus der Literatur bekannt ist, gegen Sub til is, gewisse
Proteus-Arten und gegen Staphylokokken mit den oben erwahnten
Bouillonkulturen zu verzeichnen.
2) Die erschopfte Bouillon ist nicbt keimtotend, sondern wirkt
nur wachstuinshemmend. In die erschopfte Bouillon geimpfte Keiine
zeigten kein Wachstum, konnten aber auch nach 72stiind. Stebenlassen
wieder herausgeziichtet werdeu.
3) Die erschopfte Bouillon zeigte sich im Tierversuch fiir Meer-
schweinchen unschadlich, Meerschweinchen von 250 g Gewicht vertrugen
eine bis 10 ccm intraperitoneal gegebene Menge ohne Schaden. Wenn
in die erschopfte Bouillon der homologe Stamm suspendiert gegeben
wurde, so ging das Tier ein; es waren also keine schiitzenden Substanzen
vorhanden.
4) Versuche mit der erschopften Bouillon nach der von d’Herelle
angegebenen Technik zeigten, genau so wie mit FMzesextrakten ausgefuhrt,
daB diese Bouillon keine bakteriophagen Eigenschaften besitzt.
Plattenversuche, die sogenannte taches vierges, zeigten, daB zwar
auf der Betropfungsstelle der Platte kein so dichtes Wachstum zu sehen
war, wie an den iibrigen Stellen, aber das von bier entnommene Material
zeigte bei weiterer Priifung gar keine bakteriophagen Eigenschaften.
5) Es handelt sich bier nicht nur allein um eine Erschopfung des
Nahrbodens, da die vollstSndige Regeneration der Bouillon nur in einem
Verhaltnis von 2 Teilen friscber Bouillon zu 1 Teil erschopfter gelingt.
Kontrollversuche beweisen, daB die gepriiften Bakterien in einem Nahr-
medium von einigen Tropfen frischer Bouillon auf 10 ccm neutr. physiol.
Kochsalzlosung sclion ein sichtbares Wachstum zeigen. 10 Tropfen er¬
schopfter auf 10 ccm frischer Bouillon zeigen sclion sichtbare Wacbstums-
hemmung.
6) Durch das Becholdsche Ultrafilter filtrierte, erschopfte Bouillon
zeigte sowohl im Rest wie auch im Ultrafiltrat die beschriebenen wachstums-
hemmenden Eigenschaften.
7) Die Reaktion der Ausgangsnahrfliissigkeit war, wie schon erwabnt,
von einer Wasserstoffionenkonzentration p H =7.6 und 7.8.
In erschopfter Bouillon wurden folgende Wasserstoffzahlen mit der
Indikatorenmethode ermittelt:
B. typhi abd. Ph = 7.6—7.4—7.6; B. coli comm. p H = 7.8
bis 8.0; B. paratyphi B. Ph = 8.0—8.2; B. paratyphi A. p H =
7.8—8.0.
Es ist daraus ersichtlich, daB sich die Reaktion nicht sehr geandert
hat und kaum das pn - Optimum der uutersuchten Bakterien uberschritt.
Der n by fand als Wachstumsoptimum und Wachstumsgrenze (ge-
messen mit der Indikatorenmethode nach Sorensen) fiir Typhus
Ph = 6.2—7.0—7.6, fur coli pn = 4.4—6.5—7.8, fiir Paratyphus B.
p H = 4.5—6.8—8.0, fiir Paratyphus A. p H = 4.5—6.7—7.8 uudSchoeu-
liolz und Meyer fanden fur Typhusbazillen in der Galle als Optimum
eine pn = 6.8—7.0, als Grenzwerte p H = 5.0—8.6.
8) Die hemmende Wirkung der Bouillon wird durch Erhitzen auf
100° C nicht wesentlich beeinfluBt. Fraktioniertes Sterilisieren auf 60° C
hatte gar keinen EinfluB gehabt.
Aus den oben angefiihrten Ergebnissen kann angenommen werden,
daB die wachstumsverhindernde Eigenschaft der so vorbehandelten Bouillon
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Ishiwara, Eine praktische Agglutinationemethode usw.
585
auf gewisse tliermostabile Stoffwechselprodukte zuruckzu-
fiihren ist, wie dies auch schon friiher von einigen Autoren behauptet
wurde. Das Vorhandensein von Autotoxinen ist nicht bewiesen. Die
auf die angefflhrte Weise erhaltenen hemmenden Substanzen haben mit
den von d’Herelle beschriebenen Bakteriophagen nichts Gemeinschaft-
liches.
Li ter at or.
Con radi-Kurpjuweit, Munch, med. Wochenschr. 1905. S. 1761. — Dernby,
Kongr. Centralbl. f. inn. Med. Bd. 18. 8. 438. — Eijkman, Centralbl. f. Bakt.
Abt. I. Orig. Bd. 37. S. 436. — Gotschlich, Kolle-Wassermann. Hdb. d.
path. Mikr. 2. Aufl. Bd. 1. — d’Herelle, Conipt. rend. boc. de biol.; ref. Kongr.
Centralbl. f. inn. Med. Bd. 18—21. — K ruse - Pan a i n i, Zeitschr. f. Hyg. Ib9l
8. 278. — Manteufel, Berlin, klin. Worhenechr. 1006. S. 313. — Michaelie,
Dtsch. med. Wochenschr. 1921. 8. 465, 673. — Oebius, Med. Kl. 1906. Mr. 23.
— Schoenholz-M ever, Kongr. Centralbl. f. inn. Med. Bd. 19. 8. 219.
Nachdruok verbolen
Eine praktische Agglutinationsmethode nnd liber die Agglu-
tinationserscheinung in verschiedenen Gasatmospharen.
[Aus deni Hygienischen Institut der Universitat zu Tokio.]
Von Dozent Dr. Fnsao Ishiwara.
Mit 1 Abbildung im Text.
I. Eine praktische Agglutinationsmethode.
Setzt man Agglutinationsreaktionen mittels der Proscherschen
Blockschalchenmethode an, so erhiilt man schneller deutliche Anschlage,
als bei dem gewohnlichen Verfahren ini Reagenzglasc. W&hrend bei
ersterer schon nach 2 Std. die Agglutinatiouserscheinung vollendet ist.
ist dies bei der iiblichen Technik erst nach 24 Std. der Fall. VVeit
schneller alter, als in den Blockschalchen geht die Reaktion im hangendeu
Tropfen v % or sich; mit dieser Methode dauert sie nur cinige Minuten.
Worin der Grund fiir diese Unterschiede liegt, konnte ich bei sorg-
Uebersicht 1.
Agglutiiiationsgeschwindigkeit in verschiedenen Mengen gleichstark verdiinnten
Typhusimmunserums.
Fliissigkeitsmenge (auCer 3 ohne Er- |_ _ Serumverdiinnung
warmung in Zimmertemperatur gelegt)
1 : 100
1 :1000
1 :10 000
Es dauerte bis zum Eiutritt der Reaktion
1) 1 l’latinbse
5 Min.
12 Min.
25 Min.
2) 0,1 ccm
6
12 „
30 „
3) 0,1 ccm (erwarmt und dann in Zim¬
mertemperatur)
2 „
5 „
13 „
4) 0,3 ccm
O K
It
40 „
45 „
5)0,6 „
35 „
50 „
1 8td. 15 Min.
6) 1,0 „
50 „
1 8td. 15 Min. |
1 „ 30 „
Demnach agglutiniert 0,1 cent Fliissigkeit 7-fach schneller nls l,0ccm; wenn man
dieselbe erwiirmt, bo geht sie 20mal schneller.
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586
Centraibl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 7/8.
Uebersicht 2.
Agglutinationsgeschwindigkeit in verschiedenen Tiefen, aber sonst gleich groBen Mengen
gleich stark verdiinnten Typhusimmunserums (1:200).
Die Tiefe von 0,5 ccm Losung
2,0 mm
1,2 mm
Die Zeit bis zum Auftreten der Agglu¬
tination
18 Min.
7 Min.
faltigen Untersuchungen hieriiber feststellen; sie hangen in hohera MaBe
ab von der Menge der Fliissigkeit und auch ihrer Tiefe, auBerdem noch
von der Teniperatur derselben, und zwar derart, daB die Reaktion bei
Erwarmung der agglutinierenden Fliissigkeit in dem Blockschalchen auf-
fallig schnell eintrat. Zura Beweise hierfiir mogen die vorstehenden
Uebersichteu dienen.
Hierauf versuchte ich, ob auch die Tiefe der gleichmengigen Losung
rait der Schnelligkeit der Agglutinationsreaktion in Beziehung steht.
Hiernach dart' die Losung nicht tief, sondern muB seicht sein; d. h.
ihre Oberflliche muB sich moglichst weit ausdehnen. Ich mochte ferner
noch hervorheben, daB die Agglutination immer von dem Rande der
Losungsoberflache aus aufzutreten beginnt; so daB mir aus alledem der
i n in tv v m
Kontroll. Serumverdunnung
1 • 25 1-50 - 1:100 1-200 1:500
SchluB berechtigt erscheint, daB die Agglutinationsreaktion eine Be¬
ziehung zur Oberflachenspannung haben muB.
Die praktischen Folgerungen ftir eine forzierte Agglutinationsmethode
werden also dahin lauten, daB 1) die Fliissigkeitsmenge mogliohst gering,
2) ihre Tiefe moglichst seicht, 3) ihre Teniperatur ca. 45° C sein soil.
In diesem Sinne habe ich eine Agglutinationsplatte *) herstellen
- lassen. Die gliiserne Platte ist 18 cm lang und 3,8 cm breit und hat
6 kreisrunde Vertiefungen von je 2,7 cm Durchmesser und 2,5 mm zen-
traler Tiefe. Zum Ansetzen der Reaktion dient eine 0,3 ccm fassende
Pipette mit Einteilung in 0,1 ccm. In Ermangelung derselben kann man
auch statt 0,1 ccm 3 Trbpfchen aus einer Glaskapillare brauchen. Das
zu untersuchende Serum muB vorher im Verhaltnis von 1:25 verdiinnt
werden. Die Ausfuhrungsweise ist aus folgendem ersichtlich (Fig. 1):
Entsprechend der beigefiigten Zeichnung fiillt man Vertiefung I, III,
IV, V mit je 0,2 ccm NaCl (0,85-proz.), VI mit 0,3 ccm NaCl und Ver¬
tiefung II, III mit je 0,2 ccm Serum (1 :25). Alsdann mischt man in
Vertiefung III die beiden Losungen von NaCl und Serum gut durch,
nimmt mit einer Pipette 0,2 ccm und bringt dasselbe in IV; hier wird
es wieder gut gemischt und 0,2 ccm davon in V getan; von diesem legt
man 0,2 ccm in VI; aus dem letzteren werden 0,3 ccm fortgenommen.
so daB man in alien Vertiefungen 0,2 ccm Fliissigkeit hat. Wenn man
1) Erhiiltlich bei Paul Altmnnn, Berlin, Luisenstr. 47.
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Ishiwara, Eine praktische Agglutinationsmethode usw.
587
will, kann man auch auf dieselbe Weise noch weitere 1:1000, 1:2000,
1:5000, 1:10 000 Serumverdiinnungen herstellen.
Zu diesen Serumverdiinnungen setzt man je 1 Tropfchen der Bak-
terienaufschwemmung hinzu, die pro 1 ccm Kochsalzlosung 5 Platinosen
Reinkultur in guter Durchmischung enthalten muB. Die so vorbereitete
Agglutinationsplatte wird nun unter leichtem Schfitteln so hoch fiber
der freien Flamme erwarmt, wie es die Haut vertrfigt. Geschieht dies
1 Min. lang, so sieht man nach 3 Min. die Agglutination erscheiuen,
und zwar schon bei Zimmertemperatur. Es ist nicht notig, die Platte
in den Brfitofen zu bringen. Nach 30 Min. ist die Reaktion voll-
standig beendet und erfahrt bei lfingerem Liegen keine Steigerung. Um
das Resultat abzulesen, betrachtet man die Platte unter leichtem Schfit-
teln auf dunklem Untergrunde und sieht alsdann den flockigen Nieder-
schlag. Spontane Agglutination kommt hierbei auch vor, aber diese wird
durch Umruhren mit der Platinose sogleich homogenisiert. Eine mikro-
skopische Untersuchung ist in den meisten Fallen nicht nfitig. Zum
Vergleich der bisher fiblichen und meiner Methode gebe ich noch die
nachstehende Tabelle:
Die Zeit
bin zum
Eintritt d.
Reaktion
Serumverdunnung des ParatyphueimmuDserums
1 :25
1:50 1:1001:200,1:5001:1000
ll:20001 :5000;
1 = 10000
In gewohnl. (
4 Std.
+
+
+
+
_
—
_
_
_
Reagenzrbhr-)
6 *
+
+
+
+
+
+
+
+
—
chen im Ofen l
+
+
+
+
+
+
+
+
—
Auf Aggluti- [
2 Min.
+
+
+
+
+
+
—
—
—
nationsplatte 1
8 ,
+
+
+
+
+
+
+
—
—
erwarmt |
13 n
+
+
+
+
+
+
+
+
—
Diese Methode habe ich in Japan vor 6 Jahren ausgegeben (Tokio
Igakkai. Bd. 13. p. 29), wo sie allgemein mit guten Erfolgen in Ge-
brauch ist.
II. Die Agglutinationserschelnung in verschiedencn Gasatmosphttren.
Prfischer nimmt an, der Grund der beschleunigten Agglutinations-
reaktion bei der Blockschfilchenmethode liege in der durch die groBere
Obertifiche bedingten besseren Berfihrung mit dem Sauerstoff. Beim
Studium der Literatur fiel mir auf, daB bisher Untersuchungen fiber die
Agglutination in verschiedenen Gasatomen vollig fehlen. Ich habe daher
diesbezfigliche Versuche angestellt.
Zu diesem Zwecke habe ich mir H,, CO,, H,S, 0„ N, selbst che-
misch frisch hergestellt und mittels Kapillarrohrchen in agglutinierende
Flfissigkeit (ca. 2 ccm) enthaltende Reagenzrohrchen 5 Min. eingeleitet
und dann mit Gummistopfen schnell verschlossen.
Stickstoffgas habe ich nach Knappscher Methode hergestellt. Die
Versuche wurden mit Typhus-, Paratypbus-, Ruhr- und Choleraserum
angestellt. Weitere Einzelteile sowie die Ergebnisse sind aus den Ta-
bellen ersichtlich.
Ausdrflcklich mochte ich noch bemerken, daB zwar manche Stfimme
von Paratyphus A, B, Coli, Staph, alb., citr., wenn man sie in Koch¬
salzlosung ohne Agglutinin aufschwemmt und in Stickstoffgas einlegt,
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588
Centralbl. f. Eakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
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Tabelle I.
Tabelle II.
Agglutinationsversuch mit Paratyph us i m m u n seru m.
agglutiniert werden, aber nur in auBerst langer Zeit, tvoriiber die fol-
gende Tabelle AufschluB gibt:
a
s s
*T3
§°
Typhus
bazillen-
s famine
Para-
t-yphus-
bazillus A
Para-
typhus-
baziilus B
cC
-a
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holera-
vibr io
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9
24
4* — —
+ + -
+ -
—
—
—
—
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i
I _
48
—
+ + -
+ -
—
—
+
—
+
—
SchlieBlich babe ich nocb versucht, die Wirkung des Sauerstoffs aus-
zuschalten, indent ich stark reduzierende Mittel [z. B. Na 2 S (0,02-proz.),
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urbana : x;hampaign mi ^
Klein, Zur Frage der Oarungsagglutination.
589
Na 2 SO., (0,05-proz.), Na 2 S 2 0 3 (0,05-proz.) (NH 4 ) 2 S, (0,05-proz.), Platin-
schwamm, Meerschweinchenleber] zusetzte. Doch ergab dies kein Re-
sultat.
Es hat sich also ergeben, daB die Agglutination in Sauerstoff dop-
pelt so langsani, in Wasserstotfgas, KohlensSure oder Schwefelwasser-
. stoff dagegen doppelt so schnell als in der Luft vor sich geht, aber ganz
besonders schnell in Stickstoffgas. So erschien sie schon in einer Ver-
diinnung von 1:50 000, in 1 Std. in N 2 , wiihrend dies bei der gewohn-
lichen Methode erst nach 5 Std. geschah; ferner zeigt die Tabelle, daB
in Stickstoff auch der Agglutinationstiter 100 000-fach holier liegt als
sonst. Diese Versuche haben ergeben, daB der Sauerstoff in der Luft
die Agglutination lienimt, wahrend der Stickstoff sie auffallend be-
schleunigt.
Sperrt man die atmospharische Luft durch Ueberschichtung mit
fliissigem Paraffin (7* cm hoch) fiber der zu agglutinierenden Flfissig-
keit) ab, so verlauft die Agglutination doppelt so schnell als bei an-
deren forzierten Methoden, wie Gefrier- oder Erwarmungsverfahren.
Dies bewahrt sich auch bei Zimmertemperatur. Ferner prfifte ich, ob
auch alte, nur noch langsam reagierende Sera zu schnellerer Reaktion
auf diese Weise angeregt werden konnen.
Pnratyphusimrounserum vor 6 Jahren.
a a
Serum verdiinnung
4)
G ^
c O
g 5
s
8
s
25
g
8
O
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z.
Gewohnliche
3
6
24
—
—
—
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—
—
—
—
Methode im .
Ofen
+
+
+
+
_
_
_
_
_
_
48
+
+
+
+
+
+
+
+
—
—
Paraffiniiber-
3
+
+
+
_
_
_
_
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schichtet in
f>
+
+
+
+
_
—
—
—
Zimmer-
24
+
+
+
+
+
+
+
+
_
—
t emperatur
48
+
+
+
+
+
+
+
+
—
—
Nachdruck verboten.
Zur Frage der Garungsagglutination.
[Aus dem Rakteriologischen Institut in Kiew.]
Von Dr. II. Klein.
In einer fruheren Mitteilung haben wir gezeigt'). daB die Vertreter
der Coli-Typhusgruppe (B. typhi, B. paratyphi B., B. coli und
B. paracoli) in geeigueten NShrbOden mit Glukose und Lackmus (nach
Barsiekow-Hiss) chemisch agglutinierende Substanzen zu bilden im-
stande sind. Nach 24—48-stfind. Verweilen im Brutschrank tritt eine aus-
gesprochene Agglutination der genannten Bakterien infolge der dadurch
1) Klein u. Slesarewski, Ueber Agglutination bei Garungen von Kohlehydraten.
(Centralbl. f. Bakt. Abt. i. Orig. Bd. 88. H. 2.)
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590
Centralbl. f. Biikt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
gebildeten Stoffwechselprodukte, vermutlich Sauren, ein. Ohne jeglichen
Zusatz von Antikorpern oder kiinstlich hergestellten Saurelosungen von
einer bestiminten Wasserstoffionenkonzentration gelangen die genannten
Bakterienarten in ihren eigenen fliissigen Nahrmedien dank der iknen
innewohnenden Lebenstatigkeit zu einer selbstandigen Agglutination,
welche als eine Saureagglutination nach Michael is 1 ) zu erklaren ist.
In der vorliegenden Mitteilung wollen wir beweisen, dafi nicht nur
bei der C o 1 i -Typhusgruppe, sondern auch bei vielen anderen Bakterien¬
arten, wie B. dysenteriae, B. Proteus, Staphylococcus pyo¬
genes aureus, Vibrio cholerae, als Resultat der Zersetzung von
Kohlehydraten regelmaBig eine deutliche Agglutination, welche mikro-
und inakroskopisch der spezifischen Shnlich ist, beobachtet werden kann.
Folgende Eigenschaften unterscheiden diese V r erklumpung der Bak-
terien von der Saureagglutination nach Mich a el is und berechtigen da-
zu, die erstgenannte rait als Garungsagglutination zu bezeichnen:
1) Die Garungsagglutination kommt regelmaBig bei den Garungs-
prozessen vor. Wahrend die Saureagglutination eine kiinstliche Er-
scheinung ist, welche nach dem Zusatz von Sauren einer bestiminten
H-Konzentration eintritt, stellt die Garungsagglutination einen natiir-
lichen Lebensvorgang dar, welcher die Garungen der Kohlehydrate be-
gleitet, und die Bakterien selber erzeugen die zu ilirer Agglutination
erforderliche Wasserstoffionenkonzentration.
2) Bei der Garungsagglutination agglutinierten sich unsere samt-
lichen Coli-Stamme immer, wogegen bei der Saureagglutination nach
Michaelis die B. coli-Stamme sich gar nicht agglutinieren konnen 2 ).
Neuere Untersuchungen ergeben, daB einige Coli-Stamme die Saure¬
agglutination zeigen, wahrend in der iiberwiegenden Mehrzahl B. coli
nicht saureagglutinabel ist. Bis 100° erhitzte Coli-Stamme aggluti¬
nieren sich besser.
3) Die Dysenteriekulturen zeigen eine deutliche Garungsagglutination,
wahrend bei der Saureagglutination nach Michaelis B. dysenteriae
nicht agglutiniert.
Die Methode der Beobachtung der Garungsagglutination ist sehr
einfach: Am besten ist der Barsiekowsche Nahrboden nach Hiss
geeignet: Wasser 100,0, Pepton W r itte 1,0, Kochsalz 0,5, mit Zusatz
von 2,0 Traubenzucker (sterilisiert im Kochschen Apparat 3mal je
15 Min.). Der Versuch wird in gewohnlichen Rohrchen angestellt; ins-
besondere legen wir Wert darauf, daB zu kleinen Mengen des fliissigen
Nahrbodens (zu 1—2 ccm) relativ groBe Massen lebensfahiger Bakterien
zugesetzt werden (V 4 Agarkultur in 0,25 ccm aufgeschwemmt). Bei
dieser Versuchsanordnung tritt eine auBerst lebhafte fermentative Tatig-
keit der Bakterien ein und die betreffende Zuckerart wird sehr rasch
vergoren -).
Das Optimum der Konzentration der Glukose war in unseren Unter¬
suchungen 2 Proz. Bei 0,5 Proz. war die Garungsagglutination infolge
der kleineren Mengen der gebildeten Sauren nicht so deutlich aus-
gesprochen.
Am besten werden die Typhuskulturen agglutiniert. Auch haben
sich bei unseren Untersuchungen alle erprobten 16 Coli- und Para-
coli-Stamme als sehr gut agglutinabel erwiesen.
1) Michaelis, Die Wa^serstoffionenkonzentratioo. 1914. S. 79.
2) Klein, Zur Beobachtung der Zersetzung von Kohlehydraten. (Centralbl. f.
Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 63. H. 4/6.)
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Klein, Zur Frage der Garungsagglutination.
55-1
Staphylokokken. Die Staphylokokken agglutinieren sich vor-
trefflich, und zwar fast so gut, wie die Typhuskulturen. Die Aggluti¬
nation tritt gewohnlich in Glukosepeptonwasser + Azolitmin (oder Lack-
mus) nach 48 Std. ein, oft auch schneller, und zwar nach 18—24 Std.
Die Resultate sind aus den folgenden Versuchen ersichtlich, welche wir
hier aus den vielen von uns angestellten Versuchsreihen geben:
Versuch I. 21. Sept. 1919. Die Garungsagglutination wurde mit 5 Kulturen
von Staphylococcus pyogenes aureus (Nr. 1, 2, 3, 4, 5) angestellt in ROhrchen
mit: 1) Glukosepeptonwasser -f Azolitmin’), 2) Glukosepeptonwasser, 3) Peptonwasser
+ Azolitmin, 4) Peptonwasser. Nach 2 Tagen (23. Sept. 1919) konnte man eine aus-
gesprochene makro- und mikroskopische Garungsagglutination beobachten.
Die Stamme Nr. 1, 2, 4, 5 zeigten in Glukosepeptonwasser + Azolitmin eine
stark positive Agglutination ( + + +)> bei der Kultur Nr. 3 war das Besultat positiv
(++). In Glukosepeptonwasser ohne Azolitmin war das Resultat bei alien 5 Stammen
positiv (++). In alien Kontrollrohrchen ohne Glukose (Peptonwasser + Azolitmin,
Peptonwasser) keine Agglutination.
Versuch II. 8. Sept. 1919. Die Garungsagglutination wurde bei derselbeu
Versuchsanordnung mit 4 Staphylokokkenstammen angestellt. Nach 2 Tagen (10. Sept..
1919) war folgendes Resultat zu bemerken: Die Stamme Nr. 2, 3, 4 zeigten eine deut-
liche Agglutination ( + + +) in Glukosepeptonwasser + Lackmus, bei Stamm Nr. 1 war
die Agglutination (++)■ In den Kontrollrohrchen ohne Glukose (Peptonwasser -f Lack¬
mus und Peptonwasser) keine Agglutination. — Die Staphylokokken agglutinieren sich
deutlich, und zwar nicht nur in Glukose enthaltenden Nahrboden, sondern auch in
Lackmuspeptonwasser mit Lavulose.
Vers uch III. 21. Sept. 1919. Die 5 Staphylokokkenstamme wurden auf Lackmus¬
peptonwasser mit Lavulose gepriift. 23. Sept. 1919 konnte man in alien Rohrchen eine
ausgesprochene, wenn auch schwachere, Agglutination bemerken. Bei Stamm Nr. 2 war
die Agglutination (+ + + ), bei den Stammen Nr. 1 und Nr. 4 (++). bei den Stammen
Nr. 3 und Nr. 5 (+).
Im ganzen haben wir 13 Stamme von Staphyl. pyog. aureus
gepriift und in vielen Versuchsreihen dasselbe Resultat erhalten. Mit
den Stammen von Staphyl. pyog. albus haben wir aber keine end-
giiltigen Resultate erzielt.
Dysenteriekulturen. 6 Dysenteriekulturen (Shiga-Kruse) verschiedener
Herkunft wurden (15. Dez. 1918) auf Glukosepeptonwasser + Azolitmin und Glukose¬
peptonwasser gepriift und bei alien 6 war die Garungsagglutination auf Glukosepepton-
wasser -f Azolitmin schwaCh positiv, auf Glukosepeptonwasser 2mal schwach positiv
und 4mal negativ. Die beschle'unigende Wirkung der Lackmuelosung auf die Agglutination
tritt in diesen Versuchen deutlich zutage. Die relativ schwache Garungsagglutination
soli von dem schwachen Garungsverraogen der Dysenteriekulturen abhiingig sein.
Proteusstamme. 4 von uns gepriifte Proteus-Stamme (19X2,
19X, Kohler und Brest) haben sich bei unseren Untersuchungen als
sehr gut agglutinabel gezeigt.
ll.Okt. 1919 wurden diese Stamme in Glukosepeptonwasser -f Lackmus in Glukose¬
peptonwasser in Peptonwasser + Lackmus und in Peptonwasser gepriift. Nach 2—3
Tagen war in beiden ersteren Nahrmedien in alien Rohrchen eine vortreffliche Ag¬
glutination zu bemerken, in alien Kontrollrohrchen aber keine.
Cholerakulturen. Eine ganz besondere Stellung nehmen die
Cholerakulturen ein:
24. Jan. 1919 wurden 7, aus der letzten Choleraepidemie in Kiew geziichtete
Cholerastarame (Nr. 8, 53, 5, 39, 7, M 1 , M’) in Glukosepeptonwasser + Azolitmin und
in Glukosepeptonwasser gepriift. Am folgenden Tago hat sich der Farbenton dee
Azolitmins in Blau geandert; nach 2 Tagen war nur bei den Stammen M 1 und 7 eine
sehr schwache Agglutination zu bemerken (±). 28. Jan. 1919 hat sich wiederum der
Farbenton des Azolitmins in Rot geiindert, und bei alien Cholerakulturen konnte
man eine deutlich ausgesprochene Agglutination beobachten. Bei den Stammen Nr. 8,
53, 39, 7, M‘, M* war die Agglutination (+ + +), bei Stamm Nr. 5 (+). In Glukose¬
peptonwasser ohne Azolitmin waren die Resultate bedeutend schwacher (2mal negativ,
4mal eine schwache Agglutination). In alien Kontrollrohrchen ohne Glukose keine
Agglutination.
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592
Centralbl. f. Bat. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
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Aehnliche Resultate ergaben un»ere Versuche uoch mit 8 Choleras turnmen. Im
ganzen haben wir 15 Cholera^tainme mit denselben Resultaten untersucht.
In vorliegemler Mitteilung sind die Resultate unserer Uutersuchungen
mit 38 Kulturen beschrieben: 13 Kultureu von Staphylokokken, 4 B. dys-
enteriae, 6 B. Proteus, 19X, 15 Vibrio cholerae; in alien
diesen Versuchen konnten wir betnerken, daB die Garungsagglutination
schneller eintritt, wenn der Nahrboden auBer Glukose noch 5—6-proz.
Lackmuslosung bzw. Azolitmin enthalt.
Die Resultate sind aus deu Angaben von 106 Eiuzelversuchen er-
sichtlich:
Zahl der Versuche Agglutination
+++ ++ + ± —
Pepton + Glukose + Lackmus 53 14 16 8 3 6
Pepton + Glukose 53 8 12 7 4 14
DaB der Zusatz von Lackmus (bzw. Azolitmin) auf die Garungs¬
agglutination eine beschleunigeude Wirkung ausiibt. ist aus den obigen
106 sowie aus unseren friiheren 182 Eiuzelversuchen klar zu ersehen.
Die verklumpteu Bakterienhaufchen sehen makro- und inikroskopisch
rotlich aus, was durcli die Adsorption der Lackmuslosung durch die
Bakterieu zu erklaren ist. Vielleicht werden auf diese Weise die Bakterieu-
zellen empfindlicher gegen die Wirkung der Siiuren gemacht. — In unserer
vorigen Mitteilung haben wir auch die Vermutung ausgesprochen, daB
die sogenannte „spontane u Agglutination teilweise als eine Garungs¬
agglutination zu erkliiren ist.
Wir stellen uns vor, daB Kohlehydrate in kleinen Mengen zufallig
in einem gewohnlichen Nahrboden enthalten sind; dann ist die Mtiglich-
keit zu einer Spontanagglutination gegeben, weun in diesem N&hrboderi
garungsfahige Bakterien wachsen. Jedenfalls bieten unsere Beobachtungen
in einigen Fallen gewisse Hinweise fiir eine solche Erkliirung der Spontan¬
agglutination.
Fasssen wir alle in dieser Mitteilung (sowie in unserer vorigen) be-
schriebenen Versuche iiber die Garungsagglutination zusammen, so kommen
wir zu folgenden SchluBfolgerungen:
1) AuBer B. coli und paracoli, B. typhi, B. paratyphi B
und B. enteritidis ist die Garungsagglutination auch bei Staphylo¬
kokken, Proteus 19X, B. dysenteriae, Vibrio cholerae deutlich
ausgesprochen. Die Agglutination tritt gewohnlich nach 1—2 Tagen ein;
eine besondere Stellung nehmen die Cholerakulturen ein, bei welchen
die Garungsagglutination nach 4 Tagen eintritt.
2) Wiihrend bei der Saureagglutination nach Michaelis B. coli-
Kulturen und B. dysenteriae sich in der Mehrzahl der Fiille tiber-
haupt nicht agglutinieren, ist die Garungsagglutination bei alien von uns
untersuchten Coli-Stammen deutlich ausgesprochen. Dieses Verhalten
kounte bei mehrmaliger Wiederholung der Versuche bestatigt werden.
Die Dysenteriekulturen zeigen eine deutliche, weun auch verhaltnismaBig
schwachere Garungsagglutination.
3) Die Garungsagglutination tritt nicht nur in fliissigen Niihrmedien
mit Glukose, sondern auch mit Lavulose ein.
4) In Glukosepeptouwasser mit Zusatz von Lackmus (bzw. Azolitmin)
agglutinieren sich auch die Staphylokokken, B. Proteus, B. dysun¬
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Reichert, Konservierung von Blutproben zur VVasserm an n-Reaktion. 593
teriae, Vibrio cholerae (sowie die Coli-Typhusgruppe) bedeutend
besser, als in Glukosepeptonwasser ohne Lackmus. Es sind dabei weniger
negative und mehr stark positive Resultate zu beobachten, als ohne
Lackmus. Der agglutinierte Bodensatz und die einzelnen Bakterien-
haufchen sind braunlich-rot gefSrbt und iiberhaupt viel deutlicher aus-
gesprochen.
5) Die Garungsagglutination ist eine konstante Erscheinung, welche
die Garungsprozesse begleitet und in Glukose enthaltenden Nahrbbden
stets zu beobachten isu Bakterien aus den verschiedensten Gruppeu
scheinen infolge Zersetzung von Kohlehydraten die zu ihrer Agglutination
erforderliche Siiurekonzentration zu erzeugen.
Nachdruck verboten.
Ueber die Konservierung von Blutproben zur Was ser¬
in an nschen Reaktion.
[Aus dem Hygienischen Institut der University Jena.]
Von Dr. Fr. Reichert.
Das Arbeiten solcher Wassermanu -Laboratorien, denen viele
Seren von auswarts zugehen, ist erheblich dadurch erschwert, daB ein
nicht geringer Prozentsatz dieser Seren in untauglichem Zustand ein-
trifft. Wir muBten 1921 bei unseren 2972G Proben auf WaR. 4,9 Proz.,
d. h. 1466 Seren, als unbrauchbar zuriickstellen. Ueberwiegend war der
Grund fur diese Unverwertbarkeit Zersetzung durch bakterielle Infektion.
Die bakterielle Wirkung erweist sich naturgemSB um so verhangnisvoller,
je lknger die Seren unterwegs sind und je hbher die Teiuperatur beim
Transport ist. Wagner errechnete fiir den Jahresbericht unseres Bak-
teriologischen Instituts von 1920, daB bei den Proben, die aus einer
Entfernung von 30 km von Jena kamen, 87 verdorben waren, wShrend
bei denen, die aus einer Entfernung von iiber 60 km kamen, 268 zer-
setzt waren. Wir beobachteten 1921, daB in den Wintermonaten 2,6 Proz.
und in den Sommermonateu 7,8 Proz. verdorbene Seren einliefen.
Irgendwelche Augaben darflber, wie diese Sera vor Fauluis zu
schiitzen seien, sind bisher nicht bekannt geworden. Neuere Kon-
servierungsversuche erstrecken sich nur auf agglutinierende, pra-
zipitierende und bakteriolytische Sera. Bitter hat Glyzerin verwandt
und Stra Binann Yatren. AuBerdem versuchte Ulert, Pockenlymphe
mit Akridinfarbstoffen haltbar zu machen.
Wir befanden uns daher bei Beginn unserer Versuche zur Kon¬
servierung von Blutproben zur WaR. auf ganz unerforschtem Boden.
Zuerst tauchte hier die Frage auf, ob zur Konservierung der Wa.-Seren
die Verhinderung des Bakterienwachstums allein ausreicht, oder ob aucli
bei sterilen Seren noch Umsetzungen irgendwelcher Art stattfinden
kOnnen, die die sehr emplindliche WaR. zu stbren vermbgen. Hatte
doch Bachmann festgestellt, daB EiweiBabbauprodukte die Reaktion
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594
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
eines Serums nach der saueren Seite hin verandern, wodurch anti-
komplementare KrSfte wirksam werden. Wir fanden aber, daB die Frage
der Zersetzbarkeit steriler Seren durch die Arbeiten von Abderhalden,
Hirsch und Bachmann gelost war, welche iibereinstiramend jede
Autolyse in sterilen Seren verneinen.
Wir konnten mithin bei Anwendung eines stark bakteriziden Korpers
auf Erfolg hoffen und versuchten das Trypatiavin. Dieser FarbstolT
wurde gewahlt, weil er ein Antiseptikum ist, dessen desinfizierende
Kraft in eiweiBhaltigen Losungen nicht nachlaBt. Er ist also frei von
einem Uebelstand, der vielen bakteriziden Chemikalien anhaftet.
Unsere Versuche zur Konservierung der Seren bauten sich nun
folgendermaBen aufeinander auf:
1) ermittelten wir die niedrigste Konzentration des Trypaflavins im
Blutserum, die noch mit Sicherheit eine Bakterienentwicklung verhindert;
2) erprobten wir Seren, denen Trypaflavin in solchen Mengen, die
der niedrigsten entwicklungshemmenden naheliegen, zugesetzt war, auf
ihre Eignung fur die WaR.;
3) stellten wir die Zeitdauer fest, wShrend welcher die bei 2) als
brauchbar gefundenen Trypatiavinmengen auf das Serum wirken kdnnen,
ohne dafi seine Brauchbarkeit fur die WaR. leidet.
4) setzten wir zu Blutproben unmittelbar nach der Entnahme aus
der Vene die bei 2) und 3) als brauchbar gefundenen Trypaflavindoseu
hinzu und stellten fest, wie lange diese Sera eine unverknderte WaR.
geben. Wir behandelten sie mithin ebenso, wie die Anwendung des
Trypaflavins in der Praxis erfolgen soil.
Die unter Nr. 1 genannten Versuche wurden so ausgefiihrt, daB wir
beliebige Blutseren zusammengossen und dem Gemisch fallende Mengen
von Trypaflavin zusetzten. Die Abstufungen erfolgten von 1:1000 bis
1:25000. Diese Farbstoflserumgemische wurden mit reichlichen Mengeu
von Coli und Kartoffelbazillen beimpft und bei 37° aufbewahrt. Bis
zu einer Verdiinnung des Trypaflavins von 1:20000 blieb bei dieser
Versuchsanordnung jede Bakterienvermehrung aus. Die Priifung auf
Wachstum geschah durch tagliches Anlegen von Praparaten.
Nunmehr wurden Serumproben, die wahllos unter den jeweils ein-
gegangenen herausgegriffen wurden, ohne Riicksicht darauf, ob sie klar,
fetthaltig, ikterisch oder hamolytisch waren, nach dem Inaktivieren mit
Trypaflavin 1:15000 versetzt und dann damit die WaR. angestellt. Auf
diese Weise wurden an 14 verschiedenen Untersuchungstagen je 18 bis
20 Sera, in Summa 319 Sera, untersucht, mit denen selbstverst&ndlich
gleichzeitig die WaR. ohne Trypaflavinzusatz ausgefiihrt wurde. Die
Uebereinstimmung zwischen den trypaflavinhaltigen und den trypaflaviu-
freien Seren war sehr weitgehend. Sie war vollkommen in 97,4 Proz.
9 Abweichungen ergaben sich. Sie bestanden darin, daB 3mal das
Trypanflavinserum Eigenhemmung bewirkte, 4mal statt ± ein ++ ergab,
lmal statt 4—|—|—|- ein -(-+ und lmal statt 4—f- ein ±. Diese Ab¬
weichungen sind so gering, daB sie zweifellos innerhalb der unvermeid-
baren Versuchsfehlergrenzen der WaR. liegen, und daB wir somit die
Uebereinstimmung zwischen trypaflavinhaltigen und trypaflavinfreien
Seren praktisch als vollkommen bezeichnen konnen.
Nach diesen giinstigen Ergebnissen konnten wir einen Schritt weiter
gehen. Wir gossen Sera, die als gleichmaBig stark wassermann-positiv
befunden waren, zusammen, wobei wieder keine Riicksicht darauf ge-
noramen wurde, ob sie klar, fetthaltig ikterisch oder hamolytisch waren,
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Reichert, Konservierung von Blutproben zur Was Berman n-Reaktion. 595
und versetzten sie mit Trypaflavin 1:15000. Diese Mischseren wurden
mit paraffinierten Wattestopfen verschlossen und bei 37° aufbewahrt.
AuBerdem wurde mit ihnen fortlaufend in Abstanden von 3—4 Tagen
die WaR. wiederholt und deren Ausfall mit der ersten ohne Trypafiavin-
zusatz vorgenommenen verglichen. Auf diese Art kamen 41 Misch-
sera, die sich aus ca. 180 Einzelseris zusammensetzten, zur Unter-
suchung. Der Ausfall der Versuche soil zunachst an 3 typischen Proben,
die sich verschieden stark positiv nach Wasserinann verhielten,
demonstriert werden.
Tabelle I.
Serum Nr. 25
WaR. positiv + + + +
angef. 29. April
Serum Nr. 36
WaR. positiv 4-4-4-
angef. 10. Mai
Serum Nr. 44
WaR. positiv -t- 4-
anger. 17. Mai
Datum der
Untersuchungen
Ergebnis
Datum der
Untersuchungen
Ergebnis
Datum der
Untersuchungen
Ergebnis
3. Mai
4 +
13. Mai
3 +
20. Mai
2 +
6 . „
4 +
17. „
3 +
24. „
2 4-
10 . „
4 +
20 . „
3 +
31.
2 +
13. „
4 4-
24. „
3 +
3. Juni
—
17. „
4 +
31. „
2 +
20 . „
4 4-
3. Juni
2 +
24. „
4 +
27. „
4 +
31. „
4 +
3. Juni
4 +
9. „
2 +
Erste Starting
Erste Storung
Erste Stiirung
am 40. Tag
am 21. Tag
am 16. Tag
Die Sera zeigen nach verschieden langer Zeit die erste Aenderung
ihres Verhaltens nach Wassermann. Diese Abweichung besteht bei
den vorgefiihrten Beispielen jedesmal in einein Schwacherwerden der
Tabelle II.
S g
u fc
fcOD
WaR.
ohne
Trp. ,
Erste Ab¬
weichung des
Trp.-Serums
am . . Tag
S 2
-3 a
»J
WaR.
ohne
Trp.
Erste Ab¬
weichung des
Trp- Serums
am . . Tag
Nr. des
Serums
WaR.
ohne
Trp.
Erste Ab¬
weichung des
Trp.-Serums
am .. Tag
1
4
4-
21 .
28
4
+
21 .
36
3
+
14.
o
4
+
18.
29
4
+
28.
14
2
4-
14.
3
4
4-
43.
30
4
4-
28.
15
2
4-
14.
4
4
+
17.
31
4
+
14.
32
2
4-
14.
5
4
4-
30.
34
4
+
28.
33
2
4-
14.
7
4
+
16.
35
4
+
24.
40
2
4-
21 .
9
4
+
49.
37
4
+
28.
41
2
4-
18.
11
4
+
42.
38
4
+
24.
44
2
4-
14.
16
4
4-
28.
39
4
+
14.
45
2
4-
14.
17
4
4-
42.
43
4
+
16.
48
2
4-
14.
22
4
+
35.
46
4
4-
21 .
49
2
4-
14.
23
24
4
4
4-
4-
28.
21 .
47
50
4
4
+
4-
14.
21 .
Sa. = 41
Erste Storung
25
4
4-
40.
51
4
4-
28.
= 29
tag
26
4
4-
24.
Ifach pos. =
14—49
9
= 11
14-21
3
»
= 1
14
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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bel. 88. Heft 7/8.
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Reaktion. Sie kann aber auch ira plotzlichen Auftreten einer Eigen-
kemmuug Oder in Abschwachung und Eigenhemmung bestehen. — Es
soil nun der Ausfall aller 41 Mischseren tabellarisch deinonstriert werden.
Die Tabelle zeigt, daB bei den 29 Mischseren aus 4fach positiven
Seren die 1. Storung nach 14—49 Tagen auftritt. Woher dieser ge-
waltige Zeitunterschied komnit, daruber konnen wir nichts Genaues an-
geben. Wir nehmen an, daB der Was se r in a n n-Korper nicht stabil
ist, sondern nach einer gewissen Zeit uuwirksani zu werden beginnt.
Die Zeitunterschiede ira Versagen der Seren wiirdeu dann nur der Aus-
druck fur die verschiedenen Mengen des Was ser m an n -Kbrpers sein.
die sich in den betreffenden Seren bel'anden. Die Reaktion andert sich
dann, wenn er so weit umgewandelt ist, daB die Reste nicht mehr den
Grad der Heinmung zu erzeugeu vermogen, wie ihn die Erstuntersuchung
ergab. Die dann oft auftretende Eigenhemmung ist vielleicht die Folge
solcher Umwandlung. Jedenfalls beweist diese sich allmahlich heraus-
bildende Serumeigentiimlichkeit, daB Stoffe iin Serum entstanden sind,
die vorher fehlten. Fur diese Auffassung der Ursachlichkeit von Urn-
wandlungsprodukten des Wa.-Korpers fur die hier zu beobachtende
Eigenhemmung spricht auch der Umstand, daB wir eine Eigenhemmung
bei trypatlavinhaltigen nach Wa.-negativen Seren nie beobachteten, wie
spiiter gezeigt werden wird. Die 2fach positiven Seren ergaben die
1. Abweichung nach 14—21 Tagen, d. h. durchschuittlich fruiter. — Das
Wesentliche dieser Versuchsreihe ist nun das, daB wir ein konstantes
Verhalten aller konservierten Mischseren bis zu einent Zeitpunkt, der
zwischen dem 11. und 14. Tag nach Zusatz des Trypaflavins liegt, er-
weisen konuten.
Wir kommen zur 4. Versuchsreihe. Hier wurden selbst entnommene
Blutproben sofort nach der Eutnahme mit Trypaflavin 1:15000 versetzt
und mit dem Serum derselben fortlaufend die WaR. angestellt. Die
Inaktivierung geschah jedosmal vor Anstellung der Reaktion. Eine
gleichzeitig entnommene Biutprobe, die ohne Trypaflavinzusatz blieb,
diente als Kontrolle. Eine Tabelle zeigt zunachst die Ergebnisse von
3 typischen Seren.
Tabelle III.
Ser.
K 38
Ser.
K1 38
Ser.
K. 29
WaR. positiv + + + +
WaR. p
09itiv -f-f-
WaR.
negativ
angef.
16. Mai
angef.
16. Mai
angef. 29. Marz
Datum
Datum
Datum
der Unter-
Ergebnis
der Unter-
Ergebnis
der LTnter-
Ergebnis
suchungen
suchungen
suchungen
20. Mai
4 +
20. Mai
2 +
1. April
_
24. „
4 +
24. ,.
2 +
5. „
—
31. „
4 +
31.
2 +
8. .,
—
3. Juni
4 +
3. Juni
2 +
12. „
—
9. „
4 +
9. „
—
15. „
—
21. „
—
20. „
—
Unveriindert bis
Erste Storung
Unverandert bis
zum 25. Tag.
am 25, Tag
zum 28. Tag.
Material ver-
Material ver-
braucht.
braucht.
Das 4fach positive Serum bleibt unveriindert, solange das Material
reicht, d. h. bis zunt 25. Tag. Der Tag der 1. Storung muB also spiiter
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URBANA-CHA MPAION , , J
Reichert, Konservierung von Blutproben zur Was ser m an n-Reaktiou. f>97
angenommen werden. Das 2fach positive Serum zeigt die 1. Abweichung
am 25. Tag. Das negative Serum bleibt bis zum Verbrauch unverandert.
Die nachste Tabelle zeigt tibersichtlich das Ergebnis der 25 unter-
suchten Blutproben:
Tabelle IV.
oc ®
J a
K'Jl
WaR.
ohne
Trp.
Erste Ab¬
weichung des
Trp.-Serunis
am .. Tag
Is
u fe
WaR.
ohne
Tip.
Erste Ab¬
weichung des
Trp.-Serums
am . . Tag
N 32
4 +
16
19/9
21
25 Proben:
W 32
4 +
16
P. A.
31
Erste Storung
B 32
4 +
24
Bi 8
—
26
Tag
K 32
4 +
24
20/90
—
28
4 + = 7 16— ?
B 38
4 +
18
20/89
—
26
3+ = 2 15—16
K 38
4 +
25
20/177
—
21
2 + = 2 18-25
R 38
4 +
25
21/70
—
28
negativ = 14 Alle unverandert
18/41
3 +
15
21/100
—
18
bis zum Verbrauch
St 32
3 +
16
V 29
—
28
des Serums.
K138
2 +
25
26/86
—
23
G 38
2 +
18
26/87
—
23
Die fettged ruck ten blieben bis
18/40
—
18
K 29
—
28
zum Tag dee Verbrauchs des Ma-
19/8
—
21
terials unverandert.
Ihre 1. Rubrik enthSlt die Nummer des Serums, die 2. den Ausfall
der WaR. ohne Trypaflavinzusatz, die 3. gibt den Tag an, an welchem
das trypaflavinhaltige Serum die 1. Abweichung vom trypaflavinfreien
zeigt. Die lettgedruckten sind solche, die bis zum Verbrauch unver¬
andert blieben. Die Storung im Ausfall tritt auch bier wieder als Ab-
nalime der Starke, als Eigenhemmung oder als die Kombination beider
Phanomene auf. — 4fach positiv sind bier 7 Proben. Sie zeigen die
1. Storung nach 1G Tagen bis zu einem Termin, der iiber den 25. Tag
hinaus liegt. Er lieB sich nicht ermitteln, da die beiden betreft'enden
Sera K 38 und R 38 am 25. Tag verbraucht waren. — Die beiden
2fach positiven Proben lassen die 1. Abweichung nach 18—25 Tagen
erkennen. — 14 Proben sind nach Wassermann negativ. Diese
bleibeu samtlich unverandert, solange das Material reicht. Moglicher-
weise bleiben sie also ad infinitum brauchbar. Ich weise bier nochmals
darauf bin, daB diese negativen Proben niemals Eigenhemmung zeigen,
die wir bei den positiven Seris in ca. 40 Proz. der Fiille beobachteten.
Es sei hinzugeffigt, daB auch die Reaktionen nach Sachs-Georgi und
Meinecke (D.M.) mit den angegebenen Trypaflavindosen im Serum
ausgefiihrt werden kbnnen.
Diese Ergebnisse stimmen weitgehend mit den beiden Mischseren ge-
wonnenen iiberein. Wir konnen auf Grund der beiden letzten Versuehs-
reihen mithin behaupten, daB Wa-positive Blutseren, mit Trypaflavin
1 : 15000 versetzt, auch bei starker bakterieller Verunreinigung und
Brutschranktemperatur noch 12—14 Tage nach der Entnahme eine un-
verlinderte WaR. ergeben. Wa-negative Seren scheinen mit Trypaflavin
konserviert unbegrenzt haltbar zu sein.
Filr die Praxis wilrde dies Resultat zur Ueberwindung aller anfangs
besprochenen Schwierigkeiten ausreichen. Nehmen wir an, daB eine un-
steril entnommene Blutprobe vor der Absendung 3 Tage beim Arzt steht,
dann 3 Tage unterwegs ist und dann noch 5 Tage im Laboratorium
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598 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
steht, ehe die Reaktion ausgefiihrt werden kann, wobei die ganze Zeit
eine Teraperatur von 37° herrscht, so muB sie unter Trypaflavinschutz
noch eine einwandfreie Reaktion geben. Ohne Trypaflavin ware sie unter
nicht anniihernd so schlechten Bedingungen langst verdorben.
Das Verfahren scheint uns mithin reif, in der Praxis weiter erprobt
zu werden. Wir denken uns die Ausfuhrung, so, daB wir den Aerzten
Trypaflavinldsungen in Starke von 1:750 in Tropfflaschen zusenden.
Der Einsender braucht dann nur zu je 1 ccm Blut 1 Tropfen der Losung
hinzuzufiigen. Da auch noch etwas stSrkere Konzentrationen des Trypa-
flavins etwa bis 1:12000 die WaR. nicht storen — wie uns diesbeziig-
liclie Versuche lehrten — so ist es nicht schlimm, wenn zufallig ein
Tropfen Farblosung zuviel in die Blutprobe fallt. Die Abraessung des
Blutes geschieht wohl am einfachsten so, daB der Arzt zuerst 10 ccm
Wasser in sein VersandgefaB einfiillt, das GefaB damit graduiert und
dann das Blut bis zur Marke einlaufen lafit. Die minimale Menge
Wassers, die an der Glaswand haften bleibt, ist nach unseren Fest-
stellungen ohne EinfluB auf die Reaktion. Gleichzeitig muBten wir dann
noch eine Blutprobe ohne Trypaflavin erhalten. Hierbei konnen zunachst
nur Aerzte in Jena oder solche aus nachster Umgebung mitarbeiten,
damit wir sicher sind, daB die trypaflavinfreien Proben durch die sommer-
liche WSrme wShrend des Transportes nicht gelitten haben und so als
einwandfreie Kontrolle brauchbar sind.
AuBerdem bietet unsere Methode Vorteile fur solche WaR.-Labora-
torien, die nicht flber ausreichende Eismengen zum Schutz ihrer Seren
vor der sommerlichen Temperatur verfiigen. Sie brauchen statt Kalt-
stellen die einlaufenden Seren nur rait der angegebenen Trypaflavin-
menge zu versetzen. Ferner bietet das Verfahren auch neue experi-
mentelle Moglichkeiten, sofern der Versuch erfordert, dasselbe Serum
oder dasselbe Serumgemisch langere Zeit wiederholt nach Was ser¬
in an n zu untersuchen. Wir hoffen, daB auch auf diesem Wege unsere
Methode nachgepriift werden wird.
Liter aturverieichnis.
Abderhalden, Die Abwehrfermeute. Berlin (Springer) 1911. — B&chmann,
Serologische Studien mit dem Interferometer. (Ztschr. f. Immunitatsf. Bd. 33. S. 551.)
— Bitter, Konservierung von Seren mit Glyzerin. (Zentralbl. f. Bakt. Bd. 87. S. 560. —
Hirsch, Fermentstudien. Jena (Fischer) 1917. — Strafimann, Dtsch. med.
Wochenschr. 1922. S. 5(30. — Wagner, Hyg. Rudsch. 1921. S. 673. — Bachmann,
Zeitschr. f. Immunitatsf. Bd. 33. S. 233.
Nachdruch verboten.
Eine kritische Bemerknng zur Sulfltentfarbung des
Tuberkelbazillus.
[Arbeit aus dem Chemisch-Bakteriologischen Laboratorium von Dr.
v. Bergen in Leysin.]
Von Dr. ing. J. von Bergen, Leysin, Mont Choisi.
In der Bakteriologie hat wohl keine mikrochemische Untersuchungs-
methode so zahlreiche Modifikationen erfahren, wie die Ziehlsche zur
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LIRE'A -H-__ _
v. Bergen, Kritische Bemerkung zur Sulfitentfarbung des Tuberkelbazillus. 599
Dififerenzierung der Tuberkelbazillen. Diese Methode wurde vor mehr
als V* Jahrhundert, in Abanderung der Ehrlichschen FSrbeweise, ein-
geffihrt und hat sich bis heute in der Neelsenschen Modifikation be-
wahrt und gegenfiber alien anderen, ob es sich nun urn bloBe Abfinde-
rungen Oder Neuerungen handelt, behauptet. Erst durch die Arbeiten
von K on rich (1) scheint. die Ziehl-Neelsensche Technik etwas an
Boden verlieren zu wollen. Verschiedene Autoren, wie Spreitzer (2),
Bender (3), Bernb 1 um (4), Mazza und Nino (5), welche die Kon-
richsche Modifikation nachgepriift haben, kommen einstimmig zu einem
Schlusse in anerkennendem und empfehlendem Sinne.
Was die Sulfitentfarbung betrifft, so ist diese schon lange vor der
Publikation Ron rich s zur Dififerenzierung der Tuberkelbazillen ange-
wandt worden, allerdings kombiniert mit dem Alkoholbad. Wir erinnern
nur an die Arbeiten Ehrlichs, Besangon und deJong, Cal¬
mettes u. a. m. Auch wir gebrauchten Natriumsulfit schon seit einer
Reihe von Jahren in unserem Laboratorium zur EntfSrbung von Fuchsin,
und zwar konzentrierte Losungen zum Entfernen von Fuchsinflecken
und schwfichere zur Dififerenzierung von Tuberkelbazillen, letztere in
Verbindung mit 60-proz. Alkohol. W r ir konnten aber, im Vergleich mit
verdiinnter Salpetersaure als Entffirbungsmittel, keine Vorteile finden
und gaben diese Methode, von Einzelfallen abgesehen, wieder auf. Erst
auf die Empfehlung einer Autoritat, wie Calmette, nahmen wir die
Sulfitdiflferenzierung, in 1-proz. Losung wieder auf, und als etwas sp&ter
die Ron rich sche Publikation herauskam, schien uns die ganze Frage
einer nochmaligen Priifung wert.
Wir gingen dabei folgendermaBen vor: zur Entfarbung wurden 1-
und 10-proz. Losungen von Natriumsulfit (Natrium sulfurosum purum,
siccum) hergestellt. Als Farbfliissigkeit diente eine 10-proz. alkoholische
Losung von Fuchsin Grfibler (das salzsaure Salz der Rosanilinbase
mit 1 Aequivalent S&ure) in 5-proz. Phenolwasser 1 :10. Urn ein stets
gleichmfiBiges Farbmaterial .zur Hand zu haben, bereiten wir uns sowohl
die alkoholischen Losungen (durch Rochen am RfickfluBkfihler), als auch
die Rarbolfuchsinlosung selbst zu. Wir stellen diese letzte Lfisung nur
in kleinen Mengen, gewohnlich jeden Tag frisch her. Vor dem FSrben
wird die Lfisung erwSrmt, urn eventuell suspendierte Farbstoflfteilchen
wieder in Losung zu bringen. Gefarbt wurde, der Rftrze halber, fiber
freier Flamme bis zum Sieden der Farbfliissigkeit. Nach dem AbgieBen
des Farbstoflfes und nach dem Erkalten des ObjekttrSgers wird dieser,
ohne Wasserspfllung, in die Sulfitlfisung gebracht. Zur Dififerenzierung
wurden nun 2 verschiedene Wege eingeschlagen, einmal Entffirben in
1- und 10-proz. Sulfitlfisung ohne Alkohol und das andere Mai gleiche
Entfarbung, aber Nachbehandeln mittels 60-proz. Alkohol.
Es wfirde zuviel Raum einnehmen, die Resultate unserer zahlreichen
Versuche hier in extenso folgen zu lassen. Wir mfissen uns daher mit
einer kurzen Uebersicht begnfigen. Unsere Versuche erstrecken sich
auf folgendes Bazillenmaterial:
a) Tuberkelbazillen:
Tuberkelbazillen aus Auswurf, Urin, Fazes, Abwasser etc. — Tu¬
berkelbazillen verschiedener Herkunft nach Antiforminanreicherung. —
Tuberkelbazillen Typus humanus-Reinkultur, dann sog. homogene Rul-
turen von Prof. Courmont, Fisch- und Froschtuberkelbazillen.
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000 Ceutralbl. f, Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 88. Heft 7/8.
b) andere saurefeste St&nime:
Smegmabazillen in Iieinkulturen, Smegmabazillen aus Urin.— Saure¬
feste Bazillen Stamm „Tobler IV U .
Urn unter moglichst gleichartigen Bedinguugen zu arbeiten, wurden
von dem obigen Material mehrere Ausstriche auf ein und denselben
Objekttrkger lixiert; z. B. neben tuberkulosem Auswurf, Tuberkelbazillen
in Reinkultur, Smegma aus Urin, ein saurefester Stamm etc. etc. Wir
fiirbten und differenzierten so unter absolut gleichen Bedingungen und
die Resultate waren streng miteinander vergleicbbar. Gefarbt wurde
mit maximaler Intensitiit, dann erfolgte, wie oben erwahnt, Difi'eren-
zierung. 1) mit 1 und 10-proz. Natriumsulfitlbsung und 2) mit 1- und
10-proz. Natriumsulfitlosung mit GO-proz. Alkoholbehandlung.
Wir begannen mit einer 1 Min. dauernden Sultitbehandlung und
steigerten die Entf&rbungszeit bis auf 90 Std., d. h. ca. 4 Tage. Die
eine Serie der gefarbten Ausstriche wurde nacli dem Sulfitbade mit
Wasser abgesptilt, mit Methylenblau l ) nachgefarbt und untersucht; die
andere nach der Sulfitentfarbung mit Aethylalkohol behandelt. Und zwar
wurden die Praparate so lange im Alkohol gelassen, bis sie vollkommen
farblos erschienen; dies nahm, je nach der vorausgegangenen kiirzeren
Oder liingeren Sultitbehandlung, verschieden lange Zeit in Anspruch (bei
1 Min. Verweilen im Sulfitbade z. B. 2—4 Min.). Die in iiblicher Weise
mit Karbolfuehsin gefarbten Tuberkelbazillen erwiesen sich gegeniiber
Natriumsulfitlosungen sehr widerstandsfahig. Die bis zu 90 Std. im
Sulfitbade verweilenden Bazillen waren noch gefarbt, allerdings ziemlich
blaB, aber immerhin noch deutlich erkenubar. Wird nur mit Sulfit dif-
ferenziert, so nimmt die Entfarbung langere Zeit in Anspruch. Uni ein
vollkommen klares, durchsichtiges und farbloses Praparat zu erhalten,
muB die Sulfitlosung iiber V 2 Std. einwirken. Bei kiirzerer Entfarbungs-
zeit wird beim Abspiilen mit Wasser der rote Farbstoff zum Teil regene-
riert. Diese Rotfarbung verstarkt sich beim Trocknen noch ganz be-
deutend und wirkt auf die Gegenfarbung (besonders bei Malachitgrun)
sehr storend.
Bedeutend bessere Resultate werden erzielt, wenn nach der Sulfit-
behandlung ein 60-proz. Alkoholbad eingeschaltet wird. Es geniigt dann,
den gefarbten Ausstrich einige Sekunden in die Sulfitlbsung zu taucheu,
uni nachher im Alkoholbade eine vollkommene Entfarbung zu erzielen.
Im Gegensatz zu den nur mit Sulfit entfarbten Prfiparaten, verschwindet
eine Ieichte Rosafarhung beim Abspiilen mit Wasser. Auch beim Trocknen
kommt dieselbe nicht mehr zum Vorschein. Wichtig scheint mir, zu
zu erwahnen, daB alle diese Ergebnisse sich auf ganz frischbereitete
Natriumsulfitlosungen beziehen. Der groBe Nachteil der Methode ist
nun der, daB die wasserigen Sulfitlosungen sehr schnell ihren Gehalt an
sclnvefliger Siiure andern, oder, mit anderen Worten, daB das Sulfit zu
Sulfat ox} r diert wird und dadurch die Entfarbungskraft einbfiBt. 2 Bei-
spiele mogen dies erlautern.
Eine Lftsung von 4.408 g SOj entspr. 8,67 g Na,SO a ,
batte am 4. Tage noch 1,802 „ „
„ 5. „ 0 „ „ ; oder eine Losung von
22.08 „ „ enUpr. 43,3 g Na,80,,
.» .. 4. „ „ 7,500 „ „
und „ 5. „ „ 0,208 „ „
1) Malachitgrun als (Jegenfarbe bietet gegeniiber der von uns angewandten Lopung
von Loeff Ierschem Methylenblau (in 4-facher Verdiinnung) keine Vorteile.
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v. Bergen, Kritische Bemerkung zur Sulfitentfarbung des Tuberkelbazillue. 601
Die Zersetzung ist sorait eine sehr rasche. Die Mitteilung von
Mazza und Nino, wonach solche Losungen nicht langer als 4 Tage
gebrauchsfahig bleiben, ist vollauf gerechtfertigt; wir mbchten noch
weiter gehen und sagen, daB der Sulfitlosung iiberhaupt nur eine prak-
tische Bedeutung zukommt, wenn diese taglich frisch hergestellt wird.
Als weiterer Nachteil kommt ferner dazu, daB auch Natriumsulfit als
Substanz kein bestandiger Korper ist, sondern leicht, verwittert (oxy-
diert) und man somit nie genau weiB, ob die hergestellte Lbsung der
gewiinschten Konzentration entspricht. (Vorausgesetzt, daB man den
S0 2 -Gehalt nicht titrimetrisch rait Jodlosung bestimmen will.)
Was die Entf&rbungskraft von Sulfitlosungen gegeniiber Kaltbliiter-
tuberkelbazillen und anderen saurefesten Bakterien betrifft, so erwiesen
sich auch diese Mikroorganismen als weitgehend sulfitresistent. Abge-
sehen von einer mehrstiindigen Einwirkungsdauer, die in der Praxis
kaum in Betracht kommt, war in keinem Falle eine vollkommene Ent-
fSrbung zu erzielen. Am empfindlichsten zeigen sich Froschtuberkel-
und Smegmabazillen aus Urin. Der Auffassung Mazza und Ninos
kbnnen wir nicht beipflichten. Mikrochemisch ist eine Differentialdia-
gnose der verschiedenen saurefesten Bazillen nicht einwandfrei durch-
zufiihren, ganz besonders aber nicht mit Sulfit, mit oder ohne Alkohol-
behandlung.
Gestiitzt auf unsere Versuche, kommen wir zu folgender SchluB-
folgerung:
Die von K on rich angegebenen ftesultate der modifizierten Ziehl-
N e e 1 s e n schen Methode konnen wir insoweit bestatigen, daB es mbglich
ist, die mit Karbolfuchsin geffirbten Tuberkelbazillen nur rait 10-proz.
Natriumsulfitlbsung zu entfiirben; die Entfarbungszeit dauert aber sehr
lange. Bessere Resultate werden erzielt mit einer kombinierten Sulfit-
alkoholbehandlung. Wir sind der Ansicht, daB frisch bereitete LOsuugen
in Konzentrationen von 1 —10 Proz. in Verbindung mit 60-proz. Alko-
hol ebenso leistungsfahig sind, wie z. B. verdiinnte H,S0 4 , HC1 oder
UNO,. Die Sulfitenfarbung ist weniger brutal, d. h. die histologischen
Feinheiten eines PrSparates oder eines Schnittes bleiben ganz unbeein-
fluBt. Wenn wir gleichwohl die Sulfitenfarbung ablehnen, so ist es
einzig und allein aus dem Grunde, daB Natriumsulfit, speziell in wasse-
rigen Losungen, ein sehr unbestandiger Kbrper ist, so daB zu den un-
kontrollierbaren Unterschieden in den physikalischen Bedingungen der
F&rbungstechnik ein weiterer kommt: die groBe Inkonstanz der Ent-
farbungsfliissigkeit.
Wir begreifen die Motive, die Konrich veranlaBten, die Alkohol-
behandlung wegzulassen; wir miisseu aber, vom bakteriologischen Stand-
punkte, eine Methode ablehnen, die, allein aus okonomischen GrOnden,
eine Verschlechterung erfahren hatte. Um wirklich einwandfrei gefarbte
Ausstriche zu erhalten, ist sowohl die Saure als auch der Alkohol zur
Differenzierung nbtig. Wir haben wahrend der letzten 12 Jahro, in
welchen wir uns fast ausschlieBlich mit der bakteriologischen Diagnostik
der Tuberkulose beschaftigten, Gelegenheit, alle Neuerungen, besonders
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602 OentralbL f. Bakt. etc. i. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
auf mikrochemischem Gebiete, nachzupriifen und kommen einmal mehr
zu dem SchluB, daB der Ziehl-Neelsenschen Technik immer noch
der Vorrang zukommt.
Die Worte L 6 wen steins (9), „die beherrschende Methode, die
die Grundlage der Tuberkulosediagnose vorlaufig bleiben muB, ist die
Ziekl-Neelsensche; sie liefert die einwandfreiesten Bilder und ist
auch am handlicksten u , machen auch wir zu den unsrigen.
• Literatur.
1) Konrich, Eine neue Farbung fiir Tuberkelbazillen. (Dtseh. med. Wochensehr.
1920.) — 2) Spreitzer, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. H. 6.) — 3) Ben der,
ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 86. H. 6.) — 4) Bernblum, ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 87.)
— 5) Mazza u. Nino, Prensa med. argentina. 1921, zit. n. Bull, de l’lnst. Pasteur.
T. 20. No. 7.) — 6) Ehrlich, zit. n. Kolle u. Wassermann. Bd. 5. — 7) Bezan-
con et de Jong, Traits de l’examen du crachat. — 8) Calmette, L’infection bacil-
laire et la tuberculoae etc. Paris (Masson & Cie.) 1920. — 9) Lowenstein, Vorlesungen
iib. Bakteriol., Immunitat, spezif. Diagnostik u. Therapie der Tuberkuloec. Jena (G.
Fischer) 1920.
Inhalt.
v. Bergen, J., Eine kritische Bemerkung
zur Bulfitentfiirbung des Tuberkelbazil-
lus, B. 598.
Hajds, K., Beitrage zur Frage der wachs-
tumshemmenden Wirkung von Bouillon-
kulturen, B. 583.
Ishiwara, Fnsao, Eine praktische Agglu-
tinationsmethode und iiber die Agglu-
tinationserscheinung in verschiedenen
Gasatmospharen. Mit 1 Abbildung im
Text, S. 585.
Jannechke, E., Atypischer Paratyphus
beirn Huhn, S. 518.
Jnngeblut, Clans W., Ueber die bakteri-
zide und entwicklungshemmende Kraft
des Aethers. Ein Beitrag zur Frage der
Aetherbehandlung der Peritonitis, S. 562.
Klein, B., Zur Frage der Garungsagglu-
tination, S. 589.
Kodama, H., u. Takeda, H., Eine neue
biologische Beaktion der Cholera vibrio-
lien, B. 513.
Reichert, Fr., Ueber die Konservierung
von Blutproben zur Wassermann-
schen Reaktion, S. 593.
Bother, Wilhelm, Ueber den D5der-
leinschen Scheidenbazillus, S. 558.
— —, Ueber den Glykogengehalt von
Nahrmitteln, S. 560.
Saul, E„ Untersuchungen zur Aetiolojpe
und Bioiogie der Tumoren. XXIV. Mit-
teilung. Die Bioiogie der Coccidien mit
Beriicksichtigung der Tumorpathologie.
Mit 18 Abbildungen im Text, S. 548.
Shiga, Mitsno, Zur Frage der Aetiologie
der Ozana, S. 521.
Toyoda, Hidezo, Ueber die Serumfestig-
keit des Typhusbazillus, B. 539.
Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) iu Jena.
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URB A NA_CHA MPAIGN^
Inhaltsverzeichnis
I. Verzcichnis der in Band 88 entlialtenen Arbclten.
Adelmann, Leonid, Tuachekulturmelhode
und Teilungsvorgange bei Bakterien. 401
Aoki, K., u. Honda, M., Ueber die hiimo-
lytische Wirkung dee Magensaftea der
Seideuraupen 140
-Ueber die immunisatorische Spezi-
fitat dea Magenaaftea der Seidenraupen
und ihre Beziehung zu den anderen Ge-
weben. 135
Arndt, Arthur, Zur Technik der Amoben-
ziichtung. 417
AtunaaolT, A., Ein neuea Reagenzglas. 511
Bach, F. W., Bemerkunpen zu dem Ar-
tikel „Universalpipette fiir aerol. Arbeiten
(8peziell fiir W ass erneann-Untersuch-
ungen rait '/« Dosen)“ von Dr. Georg
Blumenthal. 255
—. Zur farberischen Daratellung derKapael-
bakterien. 510
Bachmann, W., Ein Fall von Aktinomyces-
Varietat. ’ 6
Becker. Kudolf, Der Genitalapparat der
Pferdebandwiirmer. 483
v. Bergen, J., Eine kritiache Bemerkung
zur Sulfitenfarbuug dea Tuberkelbazillua.
598
Bien, Z., Die Saureagglutiuation der Weil-
Felixschen X-Stamme. 177
Bitter, Ludwig, Zur Unterscheidung der
Erreger von Enteritis- und Paratyphus-
erkrankungen. " 435
Boskainp, Erwin, Uelier Bau, Lebenaweiae
und ayatematiache Steilung von Seleno-
monas palpitanH ^imona), 58
Chiba, 8 ., Die Verwendung der trockenen
Hitze bei der Heratellung von Vakzinen
(Typhus-, Dyaenteriebakterien und Cho-
leravibrioncn). 79
-, Ueber die Verwendung von Salzen
und Zucker zur Heratellung von Typhus-
trockenvakzin. 76
Chou, C. (X, a. Otto, II.
Coniberg, Maria, Ueber die Uraache der
Gra m - Veranderlichkeit anaerobor Bak¬
terien. 423
Eckstein, Fritz, Beitrage zur Kenntnia
der Btechmiickenparasiten. 128
Epstein, H., Ueber eine neue Methode der
Blutzellen- und Blutparasitenfarbung.
Vorlaufige Mitteiluug. 165
ErisniHiin, Hermann, a. Frei, Walter.
Frcl, Waiter, u. Erismann, Herniann,
Beitrage zur Theorie der Bakterienfil-
tration. 306
Freund, Ferdinand, Ueber eine durch ein
anaerobes Bakterium hervorgerufene Me¬
ningitis. Ein Beitrag zur Bakteriologie
der pathog. Anaerobier. 9
Gerluch, F., Uebertragung der Immunitat
einea Geflugelcholeraserurnpferdes auf das
Fohlen. 39
Gersbach, A Hons, Der Nachweia fakaler
Wasaerverunreinigung mittels der Indol-
probe. 145
—, Ueber die Wendigkeit der Kolonie-
auslaufer dea Bacillus mycoidea. („Iao-
nierie" bei Bakterien.). 89
Gina, II. A, Mikroskopiache Befunde bei
experimcnteller Maul- und Klauenaeuche.
265
—, u. Welter, R., Ueber experimentelle
Maul- und Klauenaeuche. 180
Goerttler, \’., a. Pfeiler, W.
v. Gutfeld, Fritz, Ueber die Heratellung,
Priifuug und Verwendbarkeit- haltbarer
Typhus- und Choleraimpfatoffe (Trocken-
impfatoffo). 455
liage, Zur Frage dea Vorkommens autoch-
thoner Amobenruhr in Deutschland (nach
Stuhluntersuchungen in Thiiringen). 107
llajos, K., Beitrage zur Frage der wachs-
tumahemmenden Wirkung von Bouillon-
kulturen. 583
Heuer, G., s. PottholT, P.
Heuer, Georg, Dor EintluB der ultravio-
letten Strahlen auf Antikfirper in vitro.
380
Ucymann, Bruno, Zum 40-jahrigen Ge-
denktage der Entdeckung dea Tuberkel
bazillua. Ansprache, gehalten in der
Berliner Mikrooiologiachen Gesellachaft
am 24. Marz 1922. 337
Iiilgermanti, Bemerkungen zu den Aus-
fuhrungen von Herrn Dr. Par d i: „Ueber
die Natur der leukozytiiren Einschliisae
bei Encephalitis lethnrgica". (Centralbl.
f. Bakt. Abt. I. Grig. Bd. 87. H. 6.). 378
Hintze, K., u. Kiihne, It., Zur Frage der
Umwandlung hamolytischer Strepto-
kokken in die griin wachsende Form. 352
Hoefer, P. A., Uober die Verweudbarkeit
pbysiknlischer Method en zur Unter-
suchuug des Bakterienwachstums und
der dabei auftretenden Veranderungen
in fliisaigen NiihrbOden. 171
Honda, M., a. Aoki, K.
Ishiwarn. Fusao, Eine praktische Agglu-
tinationsmethode und iiber die Aggluti-
nntionserscheinung in verschiedenen Gaa-
atmospbaren. 585
Jantischke, E., Atypischer Paratvphus
beim Hubn. 518
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604
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
Jungeblut, Claus, W., Ueber die bakteri-
zide und entwicklungshemmende Kraft
des Aethers. Ein Beitrag zur Frage der
Aetherbehandlung der Peritonitis. 562
Klarenbeek, A., Die Kaniuchentrepone-
mose. 3. Mitteilung. 73
Klein, B., Zur Frage der Giirungsagglu-
tination. 589
—, u. Slesarewski, W., Ueber Aggluti¬
nation bei Garungen von Kohlehvdraten.
143
Kodama, H., Ein neuer elektiver Nahr-
boden fiir Choleravibrionen. 433
—, u. Takcda, II.. Erne neue biologische
Reaktion der Choleravibrionen 513
Konr&di, Daniel, Die Virulenz der Ce-
rebrospinalflussigkeit bei der mensch-
lichen Wut. 113
Kotl&n. A., Giardien (Laiublien) in Vogeln.
54
KUline, R.. s. Hlnt/.e, K.
Kuhn, Phllalethes, Untersuchungen iiber
die Fliegcnplage in Deutschland. 186
Levens, Erich, Kritische und experimen-
telle Beitriige zur Bakteriologie des Ge-
burtsrauschbrandes beim Rinde. 474
van Loghem, J. J. Aenderungen bei Bak-
terien, aufgefaSt als adaptative und re¬
gressive Aenderungen wahrend der indi-
viduellen Existenz. 257
LSwi, Emil, Ueber die Benennung des Bac.
crassus Lipsch., seine Stellung im System
und Allgemeines iiber Nomenklatur und
Systeinatik. 1
Luhinski, Herbert, Die Sterilitat des zur
Pasteurschen Schutzimpfung verwen-
deten Kaninchenriickenmarkes. 43
Mail 1 , Shin, Experimentelle Versuche bei
Goldfischen (Carassius auratus) mitsaure-
festen Bazillen. 28
Martini, E., Die Eidonomie der Floho, als
Beweis fiir ihre stammesgeschichtliche
Herkunft. 205
Muyeda, Tomosuke, Ueber die Vuzin-
festigkeit der Staphylokokken und ihre
Beziehung zum Staphylolysin. 222
Nieschulz, Otto, Ueber die Benennung
des Schweinecoccids. 379
Olitzki, Leo, Ueber die knlturelle und sero-
logische Unterscheidung des Bacillus
breslaviensis voin Paratyphus B-Bazillus.
460
Opitz, Hans, Immunisierungsversuchegegen
Diphtherie beim Menschen. 262
Otto R., u. Chou, C. C., Ueber die Wider-
standsfahigkeit des Fleckfiebervirus im
Meerschweinchengehirn. 467
Pfeiier, ff., Kasuistische Mitteilungen iiber
ein anscheinendes Versagen der Bayer
205-Behaudlung bei an natiirlieher Be-
schiilseuche leiaenden Pferden. 48
—, u. Goerttler, V., Die Itnusehbrand-
diagnose durch einen komplizierten Tier-
versuch, dargestellt an einem Falle aus
der Praxis. 472
PottholT, P., u. Heuer, G., Der EinfluS
der ultravioletten Strahlen auf die Anti-
korper in vivo. 299
Reichert, Fr., Ueber die Konservieru ng
von Blutproben zur Wassermann-
schen Reaktion. 598
Rene V., Ueber eine neue Modifikation
der Spirochatenfarbungsmethode. 174
van Riemsdijk, M., Ueber einen neuen,
einfachen Sauerstolfindikator fiir die
Ziichtung von anaeroben Bakterien und
die Kultur von Anaerobionten im allge-
meinen. 229
Rotber, Wilhelm, Ueber den Doderlein-
schen Scheidenbazillus. 558
—, Ueber den Glykogengehalt von Nahr-
mitteln. • 560
Salus, Gottlieb, Zur Phenol- und Indol-
bildung durch Bakterien und zum Nach-
weis dieser Korper in Kulturen. 103
Sasakawa, Maseo, Zur Systeraatik patho-
gener und parasitischer Hefen, Mor-
phologisch-biochemische Studie. 269
Saul, E., Untersuchungen zur Aetiologie
und Biologie der Tumoreu. XXIV. Mit¬
teilung. Die Biologie der Coccidien mit
Beriicksichtiguug dor Tumorpathologie.
448
Scheunert, Artlmr, u. Sehieblich, Martin,
Studien iiber die Magendarmfiora poly-
neuritischerTauben und die Bildunganti-
neuritischen Vitamins durch Darmbak-
terien. 290
-, Ueber die Magendarra flora der Haus-
taube. 122
Sehieblich, Martin, s. Scheunert, Arthur.
Schmidt, Ludwig, Ueber das Verhalten
von Keimen auf der auSeren Haut gegen-
iiber ultraviolettem Lichte. 286
Schumacher, J., VVelche chemische Sub-
stanz baut die Polkornchen dee Di-
phtheriebazillus auf?. 362
Seiffert, W., Vergleichende Farbeversuche
an lebenden und toten Bakterien. 151
Shiga, Mitsuo, Zur Frage der Aetiologie
der Ozana. 521
Simons, Hellinuth, Saprophvtische Oscil-
larion des Menschen und der Tiere. 501
Slesarewski, W., a. Klein, B.
Split, Wilhelm, Zur Frage der Kokto-
stabilitat gebundener immunkorper. 387
Toyoda, llidezo, Ueber die Serumfestig-
keit des Typhusbazillus. 539
Trawihski, Alfred, Ueber eine durch die
Stabchen aus der Gartner-Gruppe her-
vorgerufene Meerschweinchenepidemie,
mit besonderer Berucksichtigungder Mor¬
phologic u. Biologie dieser Stiibchen. 24
Trocstcr, C., Verfahren zum Zahlen ab-
getoteter Bak ter i en in Aufsch vvem mun gen.
252
Tsukahara, I., Untersuchungen uber das
Vorkommen von Diphtheriebazillen in
der Scheide von Gebiirenden und W6ch-
nerinnen sowie bei Neugeborenen. 366
Unna, P. G., Das Wesen der Giemsa-
Farbung. 159
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I n halts verzeichn is.
605
Vierllngr, K., Lackmusmolke aus Mager-
milchpulver. 93
—, Zum Ersatz der Lugolschen Losung
bei der Gram -Farbung. 169
Yorsehlitz, Josef, Die Bakterienaggluti-
nation im erkrankten Blute. 394
Weber, R. s. Gins, H. A.
Welse, Kurt, Bioskopische Methoden im Rea-
genzglase fur deu Nachweis der Lebena-
fahigkeit eines Gewebes, insbesondere der
Mausetumoren und ihre Verwendung fiir
die Analyse der Strahlenwirkung. 115
Winkler, W. F., Die Kombination der
fc>achs-Georgi-Reaktion (S.-G.-R.)
und der Dritten Modifikation der Mei-
n icke- Reaktion (D.-M.-R.) bei der Sero-
diagnostik der Lues. 374
Zeililer, Johannes, Binokulares Platten-
kulturraikroskop. 430
Zorn, Weiner, Die quantitative Ueberlegen-
heit der Leuchtbildmethode nach Hoff¬
mann, gegeniiber der Hellfeldbetrach-
tung von Tbc.-Bazillen. 95
II. Sacliverzeiclitiis.
Actinomyces-Varietat. 6
Aether, bakterizide und entwicklungshem-
mende Kraft. 562
Agglutination bei Garungen von Kohlc-
hydraten. 143
— im erkrankten Blut. 394
— in verschiedenen Gasatmospharen. 585
Agglutinationsmethode, praktische. 585
Amobenruhr, Vorkomm. in Deutschland. 107
Amobenziichtung, Technik. 417
Anaerobier, Gram-Veranderlichkeit 423
—, Kultur derselben. 229
—, pathogene, Bakleriologie. 9
Anoplocephala magna, Genitalapparat. 483
— mamillana, Genitalapparat. 483
— perfoliata, Genitalapparat. 483
Antikorper, EinfluB ultravioletter Strahlen.
299. 380
Bacillus brcslaviensis, Unterscheidung vom
Bac. paratyphi B. 460
— crassus Lipschiitz, Stellung im System. 1
— mycoides, Wendigkeit der Kolonieaus-
laufer. 97
Bakterien, adaptative und regressive Aende-
i ungen. 257
— der Haut, Verhalten gegen ultraviolettes
Licht. 286
Bakterienfiltration, Theorie. 306
Bakterienwachstum, Untersuchung mittels
physikalischer Methoden. 171
Bakterienzahlung. 252
Band wiirmer der Pferde, Genitalapparat. 483
Bayer 205, Behandlung der Beschalseuche. 48
Beschalseuehe, Behandl. mit Bayer 205. 48
Blut, Konservierung 593
Rlutzellen, Fiirbung. 164
Bouillonkulturen, wachstumhemmendeW'ir-
kung. 583
Fiirbeversuche an lebenden und toten Bak¬
terien. 151
Farbung v. Blutzellen u. Blutparasiten. 164
— Kapselbakterien. 510
— Spirochaten, neue Modifikation. 174
— Tuberkelbazillen 598
Filtration von Bakterien, Theorie 306
Fischtuberkelbazillen. 29
Fleckfiebervirus im Meerschweinchengehirn,
Resistenz. 466
Fliegenplage in Deutschland. 186
Flohe, Eidonomie. 205
Gefliigelcholera. 39
Geburtsrauschbrand, Bakteriologie. 474
Gewebe, Nachweis der Lebensfiihigkeit. 115
Giardien. 54
Giemsa, Farbung, Wesen. 159
Glykogengehalt von Nahrmitteln. 560
Gram-P'arbungbei anaeroben Bakterien. 423
—, Ersatz der Lugolschen Losung. 169
Haustaube, Magendarmflora. 123
Hefen, Systematik pathogener und para-
sitischer. 269
HellfeldbetrachtungvonTuberkelbazilen. 95
d’Herellescher Bakteriophage. 583
Impfstoffe, Trocken-, Herstellung. 76. 79.
455
Immunkorper, gebundene, Koktoslabilitat.
387
Indolbildnng durch Bakterien,Nachweis. 103
Indolprobe, Nachweis bei lakaler Wasser-
verunreinigung. 145
Kaninchentreponemose. 73
Kapselbakterien, Farbung. 510
Kohlehydrate, Agglutination bei Garungen.
143
Choleratrockenimpfstoff, Herstellung. 79.455
Choleravibrionen, elektiver NahrbocTen. 433
—, neue biologische Reaktion. 513
Cocciden, Tumorpathologie. 548
Diphtheric, Immunisierung. 262
Diphtheriebazillus, Polkornchen. 362
—, Vorkomnien. 366
Doderleins Scheidenbazillus. 558
Eimeria debliecki Douwes 379
Encephalitis lethargica. 378
Enteritiserreger, Unterscheidung von Para-
typhuserregern. 435
Koktostabilitiit gebund. Immunkorper. 387
Konservierung von Blutprobcn. 593
Kultur von anneroben Bakterien. 229
Lackmusmolke aus Magermilchpulver. 93
Lamblien. 54
Leprabazillen, V T ersuche bei Goldfischen. 36
Leuchtbildmethode nach Hoffmann. 95
Licht, ultraviolettes, EinfluB auf Anti-
korper. 299. 380
—, —, Verhalten von Keimen. 286
Lugolschc Fxisung, Ersatz bei der Gram-
farbung. 169.
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606
Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt.
Originate. Bd. 88. Heft 7/8.
Magerrailchpulver fur Lackmusmolke. 93
Miiusetumoren. 115
Maul- und Klauenseuche, experimen telle. 180
— —, Zelleinschliisse. 265
Meinickereaktion bei Syphilis. 374
Meningitis, hervorgerufen durch anaerobe
Bakterien. 9
Meerschweinchen-Epidemie durch Gartner-
24
430
133
560
501
501
501
521
Parasiten, Blut-, Fiirbung. 164
— der Stechmiicken. 128
Paratyphus, atypischer, beim Huhn 518
Paratyphuserreger, Unterscheidung. 435.460
Pasteureche Scnutzimpfung. 43
Peritonitis, Aetherbehandlung. 562
Pferdebandwiirmer, Genitalapparat. 483
Phenolbildung durch Bakterien, Nachweis.
103
bazillen.
Mikroskop, Plattenkultur-.
Monostomum ellipticum Rud.
Nahrmittel, Glykogengehalt.
Oscillaria caviae.
Oscillarien, saprophytische
Oscillospira Guiellermondi
Ozaena, Aetiologie.
Pipette, Universal-, fur Wassermann-Unter
suchungen. 255
Plattenkulturmikroskop, binokulares. 430
Pneuraonoeces variegatus Rud. 133
Polyneuritis der Tauben. 290
Rauschbraud, Diagnose 472
—, Geburts-, Bakteriologie. 474
Reagenzglas, neues. 511
Ruhr, Araoben-, Vorkommen in Deutsch¬
land. 107
Ruhrtrockenvakzine, Herstellung. 79
Sachs Georgi-Reaktion bei Syphilis. 374
Siiureagglutination der Weil-Felixschen X-
Stainme. 177
Saurefeste Bazillen, Versuche bei Gold-
fischen. 34
Scheidenbazillus. 558
, Schweinecoccid, Benennung. 379
Seidenraupen, hiimolytische Wirkung des
Magensaftes. 140
—, immunisat. Spezifitiit d. Magensaftes. 135
Selemonas palpitans (Simons). 58
Serodiagnostik der Syphilis. 374
Serumfestigkeit des Typhusbazillus. 539
Simonsiella crassa. 509
Simonsiella filiformis. 509
— Miilleri. 504
Spirochaeta cuniculi. 73
Spirochatenfarbung, neueModifikation. 174
Staphvlokokken, Vuzinfestigkeit. 222
Stechmuckenparasiten. 128
Strahleu, ultraviolette, EinfluS auf Anti-
korper. 380
—, —, EinfluS auf Hautkeime. 286
Streptokokken.Um wandlung hamoly tischer.
352
Taube, Hans-, Magendarmflora. 123
—, polyneuritische, Magendarmflora. 290
Treponema cuniculi. 73
Tuberkelbazillen, Fisch, Versuche bei Gold-
fischen. 29
—, Hellfeld- und Leuchtbildmethode. 95
—, Sulfitentfarbung. 598
—, 40-jiihriger Gedenktag der Entdeckung.
337
Tumoren, Aetiologie und Biologie. 548
—, Mause-. 115
Tuschekulturmethode. 401
Typhusbazillus, Serumfestigkeit. 539
Tvphustrockenimpfstoff, Herstellung. 76.
79. 455
Ultraviolette Strahlen, EinfluB auf Anti-
korper. 299. 380
-, Verhalten von Hautkeimen. 280
Vakzine, Herstellung von Choleratrocken-.
79
—, Herstellung von Ruhrtrocken-. 79
—, Herstellung von Ty^hustrocken-. 76. 79
Variability der Bakterien. 257
Vibrio cholerae s. Choleravibrionen.
Vuzinfestigkeit von Staphylokokken. 222
Wachstum der Bakterien, Untersuchung
mittels physikalischer Methoden. 171
Wassermann-Reaktion, Konservierung von
Blutproben. 593
Wasserverunreinigung, fakale, Nachweis.
145
Weil-Felixsche X-Stamme, Saureaggluti-
nation. 177
Widal-Reaktion, Unbrauchbarkeit bei Ty¬
phus und Ruhr 394
Wut, Schutzimpfung- 43
X-Stamme, Saureagglutination. 177
Zahlen von Bakterien. 252
Ziichtung von anaeroben Bakterien. 229
III. Verzeichnla
Agglutinationsmethode. 586
Aktinomycesvarietat. 7
Anaerobenziichtung. 231. 241. 242. 246.
249. 251
Anaerobes Bakterium, als Erreger einer
Meningitis (Taf.) 24
Anoplocephala inagna, Genitalapparat. 486
Coccidium cuniculi. 549—558
Flohe, Eidonomie. 210
Giardien. 55
Hefen, Systematik pathogener. (Taf.) 285
Maul- u. Klauenseuche, Zelleinschliisse. 267
— —, Zelleinschliisse. (Taf.) 269
der Abbildungeu.
Paratyphuserreger, Unterscheidung. 454
Plattenkulturmikroskop, binokulares. (Taf^
Reagenzglas, neues. 512
Selemonas palpitans. 67
-(Taf.) 72
Simonsiellen. 500
Stechmuckenparasiten. 131
— (Taf.) 135
Streptokokken, Umwandlung. 360
Tuschekulturmethode undTeiiungsvorgange
bei Bakterien. 406. 407. 410. 411. 415.
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