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Full text of "Der bienenkasten Sylviac und seine betriebsweise"

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ALBERT R. MANN 
LIBRARY 


New YorK STATE COLLEGES 
OF 
AGRICULTURE AND HOME ECONOMIcS 


AT 


CORNELL UNIVERSITY 


EVERETT FRANKLIN PHILLIPS 


BEEKEEPING LIBRARY 


Moderne Bienenzucht 
in Cinzeldarstellungen. 


dedes Rett bildet ein abgeschlossenes Werk und ist für sich käuflich. 
Herausgegeben von Carl Kriiger- Wi isdort (Mark). 


heft | 
Der Bienenkasten Sylviac 
und seine Betriebsweise. 


von Carl Krüger. Wünsdorf, 
Kreis Teltow v (Mark). 232 


Zweite n 


23ꝗ68ꝙꝭ&l heller. 


= Selbstverlag des Verfassers. = 


Von der ,Modernen Bienenzucht* sind bis jetzt folgende 


Mehr If 9 


Hefte erschienen: 


Heit I: 


Heft Il: 


Heft HI. 


Heft IV. 


Der Bienenkasten Sylviac und seine Betriebs- 
weise. Zweite Ausgabe. Von Carl Krüger, Wünsdorf, 
Kreis Teltow (Mark): Zu beziehen vom Verfasser. 
Preis franko 70 Pfg., auch in Briefmarken. 

Der Verfasser, in mehreren fremden Sprachen bewandert, 
bietet dem Leser hiermit ein neues System der Bienenzucht, eine 


neue Betriebsmethode, und einen neuen Bienenkasten. Diese 
Methode und der dazu gehörige Bienenkasten Sylviac sind die 


seit 1897 erprobte Erfindung eines französischen Imkers, Ober- és 


forstmeister a. D. Ch. dé Villeneuve. Im Bienenkasten Sylviac 
wird hauptsächlich auf Scheibenhonig in handlichen Einpfund-, 
rahmchen geimkert; jede Fütterung ist darin unnötig, die Wannen 
sind auf das geringste Mass beschränkt und weder Rauchgeber,, | 
noch Schleier sind erforderlich. : 


wy 


Die Geflügel-, Obst- und Bienenfarm, Von 
demselben. Zu beziehen vom Verfasser. Preis franko 
30 Pig., auch in Briefmarken. 


In dieser Schrift wird gezeigt, in welcher Art die genannten 


drei Zweige landwirtschaftlicher Tätigkeit miteinander sich ver- 
binden lassen und wie sie nutzbringend auszugestalten sind. Es 
werden darin mehrere neue beachtenswerte Gesichtspunkte aus des 
Verfassers eigener praktischer Erfahrung angeführt und werden 


dieselben allen denen von Nutzen sein, die sich für die Anlage- 
einer Farm für eines der drei Gebiete — Geflügel, Obst oder. 


Bienen — interessieren. 


W 


* 


Der Bienenkasten Sylviac und 
seine Betriebsweise. 


I. Die Misserfolge des modernen Mobilbetriebs. 


Vor zwei Menſchenaltern noch war in den deutſchen Landen nur 
ein Syſtem der Bienenzucht bekannt: der Betrieb mit feſtgebauten, 
unbeweglichen Waben (Stabilbetrieb) ſei es in Klotzbeuten, Körben 
oder Walzen. Dieſer Betrieb war einfach und leicht und verhältnis— 
mäßig auch ſicher, denn er beruhte im weſentlichen auf feſten Ueber— 
lieferungen vom Vater auf den Sohn, Ueberlieferungen, die in ihrer 
Geſamtheit eine achtbare Summe praktiſcher Erfahrungen darſtellen, 
wie ſie aus der landläufigen Tracht, Klima und Bienenart hervorge— 
pe waren und denen ſich die höchſt einfachen und billigen Körbe 
anpaßten. 

Die Körbe ſtellte ſich der Imker faſt ohne Koſten ſelbſt her, da 
er das Stroh aus ſeiner eigenen Wirtſchaft entnahm, und die einzelnen 
Völker darinnen hatten nur einen geringen materiellen Wert. Im 
Herbſt wurde daher „fett und mager“ dem Schwefelfaden geweiht, und 
nur diejenigen Völker ſtehen gelaſſen, welche Ausſicht auf eine gute 
Ueberwinterung boten. 

Die Erträge waren darum auch zufriedenſtellend für die dama⸗ 
ligen Verhältniſſe dort, wo nach der Schwarmzeit noch Spättracht 
vorhanden war. Im großen Durchſchnitt der Jahre mag der Ertrag 
pro Jahr und Standvolk 10 Pfund geweſen ſein. 

Dann kam der Mobilbetrieb auf. Dzierzon machte mit 
Wort und Schrift Propaganda für die Bienenkäſten mit beweglichen 
Waben und eine Reihe begabter und wortgewandter Imker folgte ihm 
darin: Kleine, Dathe, Vogel, Berlepſch und ſo viele andere. Es war 
ſchriftſtelleriſch und wiſſenſchaftlich betrachtet, eine glänzende 
Epoche in der Geſchichte der deutſchen Imkerei. In der Praxis 
ſelbſt ſtellte ſich die Sache vielfach anders. Man hatte, um dem 
Mobilbetrieb überall Eingaug zu verſchaffen, große Erträge in Aus⸗ 
ſicht geſtellt. Oft ſind ja ſolche auch erzielt worden; aber bemerkens⸗ 
wert bleibt es doch, daß ſelbſt ein fo gewandter Berufsimfer wie 
Gravenhorſt mehrere Jahre hindurch von ſeinen Mobilbeuten weniger 
Honig erntete, als von ſeinen Korbvölkern. Dies änderte ſich erſt, 


= Be 2: 


als er ſeinen Bogenſtülper erfunden und mit ihm ſich eingearbeitet 
hatte. Dabei iſt dieſer Bogenſtülper abweichend von allen übrigen 
Mobilbeuten konſtruiert und ähnelt eher dem Korbe. Was den Be⸗ 
trieb darin anbelangt, ſo äußerte ein kompetenter Bogenſtülper⸗Imker 
(ſolche werden immer ſeltener), daß nur 2% davon nach Gravenhorſt's 
Vorſchrift behandelt werden. 


Bekanntlich hat die deutſche Imkerei, anſtatt auch vom Auslande 
zu lernen, es vorgezogen ihre eigenen Wege zu wandeln, indem wir 
das ſchmale Normalmaß, und die von hinten zu behandelnden Käſten 
annahmen, während die übrigen Imker der ganzen Welt (ſelbſt Italien 
jetzt nicht mehr ausgenommen) das breite Langſtrothmaß annahmen, 
ſowie Käſten mit der Behandlung von oben. 


Wir gingen alſo unſeren eigenen Weg und die fremden Imker 
gingen den anderen, den ihnen ihr „Vater Langſtroth“ und ſeine be- 
redten Apoſtel (Dadant, Bertrand, Cowan) wieſen. Abgeſehen von 
dieſen zwei Unterſchieden wurden alle folgenden Errungenſchaften und 
Erfindungen gemeinſames Eigentum. Ich ſpreche von den Kunſtwaben, 
der Honigſchleuder, dem Abſperrgitter. Auffallenderweiſe hat nun gerade 
in Deutſchland, wo wir doch ein eigenes, nur für uns konſtruiertes 
Syſtem beſitzen, der Mobilbetrieb immer den ſchlechteſten Durchſchnitts— 
ertrag von allen Ländern der Erde gebracht. Trotz aller Hilfsmittel 
der modernen Bienenzucht haben wir ganze Provinzen, wo der Mobil— 
betrieb nicht mehr einbringt, als ehemals die Korbzucht. Ich verweiſe 
auf die ſüdliche Mark Brandenburg und das Großherzogtum Heſſen 
mit 10 Pfund Honig Durchſchnittsertrag pro Volk. Der Bezirks— 
verein VII (Frankfurt a. O.) erntete 1905 von 3428 Völkern, wovon 
nur 462 Körbe waren, 35688 Pfund Honig = 10 ½ Pfund und 
verbrauchte 30000 Pfund Zucker; bei dem Imkerverein Kreis Teltow 
wurden 1905 an Honig von 618 Mobil- und 57 Stabilvölkern 
8872 Pfund = 13 ½ Pfund pro Volk geerntet und 9834 Pfund 
Zucker verfüttert. 


Das iſt doch gewiß kein Geſchäft, nicht wahr? Die 8872 Pfund 
erntet allein (mit 100 Völkern in Langſtroth-Dadantkäſten) die 
italieniſche Bienenzüchterin Comteſſe Ricciardelli in Ravenna, während 
im Kreiſe Teltow ca. 80 Imker ſich in dieſen Ertrag teilen mußten. 
Dabei läßt jene ihren Bienen einen reichlichen Vorrat von Honig über 
egen während die deutſchen Imker ihre Völker auf Zucker zu ſetzen 
pflegen. N 

Durch die Werbearbeit der Bienenzuchtvereine ſind leider viele 
Leute Imker geworden, welche hierzu garnicht das Zeug haben. Sie 
kaufen zwar alle möglichen Geräte und ſind daher die beſten Kunden 
der Imkergerätefabrikanten, aber ſie gebrauchen ſie ohne Verſtändnis 
und daher auch ohne Nutzen. 


Unſere Mobilkäſten, fo wie wir ſie gebrauchen, find ohne die 
oben erwähnten Apparate nicht zu verwenden, und da der Durch— 
ſchnittsimker die Apparate nicht richtig anwendet, auch kein Syſtem 
dabei befolgt, ſo ſind Mißerfolge unausbleiblich. 


5 


Grundſätzlich habe ich gegen unſere fo höchſt verſchiedenartigen 
und mannigfaltigen Beuten und Syſteme nichts einzuwenden, ich er— 
kenne vielmehr gerne an, daß es genial ausgedachte Beuten ſind, welche 
in den Händen ihrer Erfinder ſich durchaus bewährten. Aber in den 
Händen gewöhnlicher Imker bringen fie die verſprochenen Erträge 
nicht. Daran iſt freilich der Imker ſchuld, aber doch nicht er allein. 
Je ſchwieriger die Behandlung iſt, je mehr Manipulationen er- 
forderlich ſind, um ſo eher muß man ſich auf Mißerfolge ge— 
faßt machen. 

Je einfacher der Betrieb iſt, je weniger Manipulationen er er— 
fordert, deſto mehr eignet er ſich für den Durchſchnitts— 
imker und für jede Gegend und Tracht, und deſto höher 
werden ſich auchſeine Durchſchnittserträgeſtellen gegenüber 
den anderen Bienenkäſten in denſelben Händen. 

Das wird wohl Widerſpruch erregen, aber es iſt doch wahr: 
Weniger Manipulationen bringen höhere Erträge. Ich möchte eine 
Erklärung verſuchen. 

Der moderne Mobilbetrieb hat es verlernt, mit den Bienen 
ſelbſt, mit ihren natürlichen Bedürfniſſen und Inſtinkten zu rechnen. 
Die Herrſchaft des Imkers über das Bienenvolk artet dabei in 
Tyrannei und Quälerei aus. Es iſt eine Herrſchaft der Gewalt und 
Willkür. Welche Kunſtgriffe werden angewendet, um die Königin zu 
einer größeren Eierlage zu reizen und nachher dieſe wieder einzu— 
ſchränken! Welche Kunſtgriffe um die Bienen in die Honigräume zu 
locken, ſo daß ſie ſelbſt die Schlitze des Abſperrgitters nicht ſcheuen! 
Anſtatt ſich zu fragen, warum die Bienen noch nicht in die 
Honigräume hinaufſteigen, ſucht man fie durch Manipulationen 
dazu zu zwingen. Der Menſch meint es in der Hand zu haben, durch 
eine Reihe von Kniffen die Tätigkeit und Triebe des Bienenvolkes 
zu leiten nach ſeinem eigenen Wohlgefallen, und deshalb unterläßt er 
es ſich über die Inſtinkte der Bienen zu unterrichten, über die Be— 
dingungen, unter denen fie ſich am beſten entwickeln, über die An⸗ 
forderungen, die ſie an ihre Wohnung ſtellen, und wie die Umſtände 
beſchaffen ſein ſollten, damit fie den höchſten Honigertrag bringen 
können. Gewiß gibt es genug Forſcher, die ſich ſolche Aufgaben ſtellen; 
aber man unterläßt es, die Konſequenzen für die Praxis daraus zu 
ziehen, die praktiſche Nutzanwendung zu machen. Der Schwarmtrieb 
wird nach Möglichkeit unterdrückt, anſtatt abgeleitet zu werden; 
der Bautrieb wird vernachläſſigt: Man hat ja in den Kunſtwaben 
ein beſſeres Baumaterial zur Hand; der Geſchlechtstrieb, der 
ſich in der Erbrütung von zahlreichen Drohnen äußert, wird als direkt 
verderblich angeſehen. 

In die Zwangsjacke eines engen Brutneſtes gepreßt, der Mög⸗ 
lichkeit der Erzeugung von zahlreichen Drohnen beraubt, ſeine Mutter 
hinter dem Abſperrgitter gefangen ſehend, Brutraum und Honigräume 
mit Kunſtwaben ausgeſtattet, ſollen ſolche Inſekten wie die Bienen 
ihr Höchſtes leiſten, will man ſie behandeln wie das Pferd, das Rind 
und andere Haustiere! 


Prey Gees 


Aber ſchon erheben ſich Stimmen die dagegen proteſtieren! 
Hören wir z. B. was J. Möhring in der „D. Ill. Bz.“ 1906 Heft 7 
ſchreibt: „Der wahre Lehrmeiſter der Bienenzüchter muß die Natur 
ſein und bleiben. Leider iſt aber der altbewährte Grundſatz: Alles 
nach Lauf und Ordnung der Natur! heute ſo manchem Imker verloren 
gegangen. Nur von Zeit zu Zeit, wenn über ſelbſtgewählte Wohnungen 
wilder Bienen, ihren großartigen Bau, ihren gewaltigen Honigvorrat 
berichtet wird, ſchüttelt mancher Imker ungläubig das Haupt. Ich 
ſelbſt hatte mehrere Male beim Fällen von Bäumen Gelegenheit, mich 
perſönlich von der Beſchaffenheit eines ſolchen Bienenvolkes zu über⸗ 
zeugen. Mit Bewunderung erfüllte mich der herrliche Bau, 
der nur verhältnismäßig wenig Drohnenwachs zeigte, dazu 
der große Honigvorrat. Es drängt ſich da unwillkürlich die 
Frage auf: Hätten ſich dieſe Naturvölker unter den Händen eines auf⸗ 
merkſamen praktiſchen Imkers (alſo eines Mobilimkers, der nach den 
Ueberlieferungen des modernen Mobilbetriebs imkert. D. Verf.) wohl 
auch ſo oder noch beſſer entwickelt? Ich möchte dies bezweifeln. — 
Und wenn nun gar Völker mit ſolchen gewaltigen Vorräten in Gegenden 
gefunden werden, in denen die Imker ſtets über Unrentabilität der 
Bienenzucht, über ſchlechte Trachtverhältniſſe klagen, fo iſt man faſt 
gezwungen anzunehmen, daß der Bien in der Freiheit ohne menſch⸗ 
liche Behandlung mehr Honig einſammelt, als bei uns auf dem 
Bienenſtande.“ 

Ferner ſchreibt Karl Mika im „D. Imker a. B.“: „Es iſt zufolge 
meiner längeren, gründlichen Beobachtung für den Imker nützlich zu 
wiſſen, daß bei ſonſt gleichen Umſtänden jene Völker am beſten ge- 
deihen, deren Brutneſt ſtets unaugerührt blieb. Sind ſeine Stöcke der 
geſtalt eingerichtet, daß im Herbſt eine Einengung nicht gut möglich, 
im Frühjahr eine Erweiterung nicht notwendig iſt, — das Volk muß 
fic) naturgemäß von ſelbſt entwickeln können — er ſeine züchteriſche 
Hilfe blos auf den Honigraum beſchränkt und im Brut⸗ 
raum ſich nichts zu ſchaffen macht, jo wird ihm die Entwicke⸗ 
lung und das Gedeihen in dieſen Stöcken — es iſt da auch großes 
Maß und Mobilbau im Sinne — die größte Freude bereiten 
und den größten Nutzen bringen.“ 

Auch Reidenbach in Rehborn warnt vor Einengen und Erweitern 
und ſchreibt: „Die geſundheitliche Behandlung der Bienen iſt durch 
die Einführung der Mobilbienenzucht ſchlechter geworden. 
Soll es wieder beſſer werden, ſo muß auch in den Kaſtenwohnungen 
das Brutneſt eine gewiſſe Stabilität bekommen, geräumig ſein und 
zu jeder Zeit die gleiche Anzahl Waben haben, um das 
Verengern und Erweitern zu vermeiden.“ 

Ebenſo ſchreibt Stachelhauſen in den Gleanings 1906 Seite 1011: 
„Der beſte Betrieb iſt, breite Waben in breitem Brutneſt zu verwenden, 
das Brutneſt garnicht zu berühren und die Waben nicht zu bewegen.“ 

Das ſind doch genug Zeugniſſe, genug gewichtige Stimmen, welche 
den modernen Mobilbetrieb eines gewiſſen Extrems beſchuldigen, eines 
zu weit getriebenen Exerzierens mit den Bataillonen in den Bienen⸗ 


= 


käſten. Der moderne Mobilimker behandelt die Bienen als wären fie 
unmündige Kinder, die fortwährend dumme Streiche machen und 
korrigiert werden müſſen, aus purer Dummheit und Eigenſinn Drohnen— 
wachs bauen und Drohnen erzeugen, im Frühjahr zu wenig und im 
Spätſommer zu viel Brut anſetzen, den Honig durchaus nicht da 
ablagern, wo ihn der Imker am bequemſten entnehmen kann, eigen— 
ſinnigerweiſe bauen wollen, wo ſie doch die ſchönſten Kunſtwaben vor 
der Naſe ſtehen haben, und ſtreiken, wenn ſie arbeiten ſollten u. a. m., 
ſo daß einem richtigen Bienenvater, der ſeine Lehrbücher und ſeine 
Bienenzeitungen redlich durchſtudierte, die Haare über ſolchen Un— 
verſtand zu Berge ſtehen und er ſchon bei 30—40 Völkern feine Un— 
maſſe Arbeit hat, das alles wieder in die gehörige Ordnung zu 
bringen. Freilich die Bienen find nicht wie der Menſch, mit Ber- 
nunft und gelehrtem Wiſſen begabt, wohl aber mit unfehlbarem 
Inſtinkt, der ſie unter den verſchiedenſten Umſtänden doch das 
Richtige treffen läßt. Namentlich verſtehen es die Bienen unſtreitig 
beſſer als der geſcheiteſte Imker, fic) ein angemeffenes Brutneſt zu 
bereiten und darin ihr Winterlager auf das zweckmäßigſte einzurichten. 
Und dies iſt von enormer Bedeutung für die Entwickelung des Bienen— 
volkes und für den Ertrag. Es muß daher mehr als bisher darauf 
Bedacht genommen werden, die Bienenkäſten ſowohl als auch den Betrieb 
darin ſo einzurichten, wie es der Natur der Bienen am beſten zuſagt. 


II. Der Simplismus. 


Die im vorigen Kapitel dargelegten Uebelſtände ſind, wie wir 
geſehen haben, von verſchiedenen Seiten anerkannt worden. Aber 
geſchehen iſt bei uns bisher wohl nichts, um ihnen abzuhelfen, ganz 
im Gegenteil ſind gerade in der neuſten Zeit die komplizierteſten 
Apparate und Methoden aufgetaucht, wobei z. B. das Brutneft furzer- 
hand zum Honigraum gemacht oder die Königin auf wenige Waben 
eingeengt wurde oder der Kanal des Flugloches ſo eingerichtet ward, 
daß die Bienen ſich zu ihrer Ueberraſchung ſtets im Honigraum wieder⸗ 
fanden, wenn ſie zu „Muttern“ zu kommen vermeinten. Das iſt ja 
alles ſehr intereſſant, es entfernt uns aber mehr und mehr vom 
Naturgemäßen und Einfachen. 


Von der ausländiſchen Imkerwelt unbeachtet und in Deutſchland 
gänzlich unbekannt, hat nun in Frankreich ein Imker, ein naturwiſſen⸗ 
ſchaftlich geſchulter, akademiſch gebildeter Mann es ſeit über zehn 
Jahren ſchon verſtanden, den Bienen ein angemeſſenes Heim zu bieten 
und darin anſehnliche Ernten zu machen, trotzdem er mit den Bienen 
weniger manipuliert als irgend ein anderer Imker, der bewegliche 
Rähmchen in Gebrauch hat. ‘ 

Diefer Mann nennt ſich in den Bienenzeitungen Sylvigc. Es 
iſt der franzöſiche Oberforſtmeiſter a. D. Ch. de Villeneuve in Sauvoy, 
Departement Meuſe, Frankreich, der unter obigem Pſeudonym ſchreibt. 
Herr de Villeneuve hat den von ihm erfundenen Bienenkaſten eben⸗ 


= 6, 


falls Sylviac getauft, fo daß derſelbe „Bienenkaſten Sylviac“ ge- 
nannt wird. Für deutſche Ohren mag das fremdartig klingen, aber, 
liebe Freunde, daran werden wir uns gewöhnen müſſen. Haben wir 
nicht in der Elektrizität, in der Arzneikunde pp. eine ganze Reihe 
der fremdartigſten Namen? 

Nachdem Herr de Villeneuve den Forſtdienſt verlaſſen, hatte er 
ſich auf ſein von den Vätern ererbtes Gut zurückgezogen und ſich dort 
— ſeit 1890 — der Bienenzucht ergeben. 1901 lernte ich ihn aus 
ſeinen Schriften kennen und bin ſeitdem in ſtetem, lebhaftem Brief— 
wechſel mit ihm geblieben. 

Als er anfing, Bienenzucht zu treiben, beſchloß er, ſich auch 
gründlich in der Bienenliteratur umzuſehen. Er hatte aber, damals 
ſchon in den 50er Jahren ſtehend, gleich von vornherein Gelegenheit, 
ſeine bisherigen Beobachtungen aus ſeiner Praxis als Forſtmann und 
Naturfreund damit zu vergleichen. Je mehr er aber ſich in die Lehr— 
bücher der Bienenzucht vertiefte, deſto weniger konnten ihm die Wider— 
ſprüche zwiſchen den einzelnen Autoren verborgen beiben. Außerdem 
fand er das Heer der Imker in zwei Lager geteilt, in Anhänger 
der alten Korbbienenzucht (Fixismus oder Stabilismus genannt) und 
Anhänger des Betriebes mit der beweglichen Wabe. (Mobilismus.) 
Jede Partei wirft der anderen Mängel und Irrtümer vor. In ſolchen 
Fällen entſcheidet am beſten die Erfahrung, und Sache der wiſſen— 
ſchaftlich geſchulten Imker iſt es, dieſe Erfahrungen zu kontrollieren, 
Experimente anzuſtellen. 

Herr de Villeneuve ging alſo zu Verſuchen über, wo er Zweifel 
hegte und unterzog ſich genauen und oft genug recht mühevollen Ex— 
perimenten mit einer Ausdauer, die allgemein Erſtaunen erregte. In 
dieſer Beziehung war er ſo hartnäckig, wie nur ein Deutſcher ſein 
könnte. Die Ergebniſſe ſeiner Forſchungen und Experimente hat er 
in einem 600 Seiten ſtarken Bande niedergelegt, dem , Guide pratique.“ 


Seinen Bienenkaſten und den Betrieb darin hat er in ein Syſtem 
zuſammengefaßt, das er Simplismus nennt, was Einfachheit 
bedeutet. Damit ſoll nicht nur geſagt ſein, daß dies Syſtem einfach 
ſei, ſondern Herr de Villeneuve will es hierdurch ſowohl vom Mo— 
bilismus als auch vom Fixismus genau unterſchieden wiſſen. Der 
Simplismus will ſich eben als eine ſelbſtändige Methode der Bienen 
behandlung zwiſchen beide ſtellen, und von jeder die Vorteile nehmen, 
dabei aber nach Möglichkeit ihr Nachteile zu vermeiden ſuchen. 

Die Grundzüge des Simplismus ſind folgende: 

1, Die naturgemäßeſte Bienenwohnung, welche die Bienen jeder 
anderen vorziehen, iſt der hohle Baum im Walde; dieſe Art von 
Wohnung müßten wir uns zum Vorbilde nehmen, wenn wir einem 
Schwarme ſeine Wohnung herrichten wollen — eine Beute alſo, die 
nach oben hin vergrößerbar iſt. Eine ſolche Beute beſtimmen wir 
zum Brutranm für das Bienenvolk und ſehen darauf, daß dieſelbe 
nicht unter 70 Liter beträgt. Der Raum muß nämlich genügend groß 
ſein, daß die Königin darin ihre Eier ohne Unterbrechung und ohne 
Einſchränkung ablegen kann. Jede Einſchränkung der Eierablage 


7 


von ſeiten des Imkers, in welcher Jahreszeit es auch ſei, iſt 
entweder ſchädlich oder unnötig. Die Königin legt im Maximum 
3000 Eier pro Tag; die Wintervorräte ſollen etwa 18 kg betragen. 
Eins ins andere gerechnet ergibt 40 Liter für die Brut und 30 Liter 
für die Vorräte. 

2. Dieſes Brutneſt von 70 Litern ſtatten wir mit 14 Rähmchen von 
33 33 em, Innenmaß aus. Die Brutwaben ſollen nämlich fo 
groß wie möglich ſein; damit ſie aber nicht herunterbrechen, erhalten 
die Rähmchen 11cm unter dem Rähmchenoberteil eine Quer- oder 
Verſtärkungsleiſte. 


Die Rähmchen werden (am Oberteil und an der Querleifte) 
nur mit Anfangsſtreifen ausgeſtattet. Wir bringen den 
Schwarm von oben hinein, ſchließen den Brutraum und laſſen das 
Volk in ſeiner neuen Wohnung bauen wo und wie es will, und 
ſehen nur darauf, daß die Waben genau ſenkrecht in den Rahmen— 
hölzern gebaut werden. 


Das erſte Jahr kommen wir dem Volke nach Möglichkeit mit 
Futter zu Hilfe und ſuchen das Bauen tunlichſt zu fördern; im zweiten 
Jahre helfen wir dem Volke nur, wenn es ſolcher Hilfe bedürſtig iſt. 
Sobald es aber ſein Neſt ausgebaut und mit hinreichenden Vorräten 
angefüllt hat — was ſchon im erſten Jahre der Fall ſein kann — 
überlaſſen wir es ſich ſelber und haben uns niemals mehr mit einer 
Fütterung zu befaſſen. 

3. Da wir das Brutneſt, ſtatt mit Kunſtwaben, nur mit An⸗ 
fängen ausgeſtattet, fo enthält es auch eine größere Anzahl Drohnen— 
zellen als ſonſt. Wir zerſtören ſie aber nicht, um nicht die von den 
Bienen ſelbſtgewollte Anordnung des Verhältniſſes zu ſtören, in dem 
die beiden Gattungen Zellen zu einander ſtehen. 


In dieſer Darlegung ſelbſt kann ich auf die Nützlichkeit 
oder Schädlichkeit der Drohnen leider nicht eingehen. Bemerken möchte 
ich aber, daß Drohnenbau im Brutneſt die Königin unten feſtzuhalten, 
Mangel daran ſie in die Honigräume zu treiben ſcheint. 


Wir entnehmen auch niemals Honigwaben aus dem Brutraum. 
Niemals werden ihrer zu viel darin ſein, wenn nur die Honigräume 
recht früh aufgeſetzt werden. Das Brutneft mit allem was darin iſt, 
ſoll den Bienen ausſchließlich gehören. Eingriffe in das Brutneſt 
würden das Bienenvolk wieder in einen unfertigen Zuſtand zurück⸗ 
werfen und dadurch ſeine volle Entwicklung verzögern. Das wäre eine 
Situation ähnlich derjenigen eines Staates, der ſeinen Goldvorrat 
exportiert. Er würde geſchwächt. Ohne die Gold- und Silberbarren der 
Bank von England wäre der großartige Aufſchwung des britiſchen 
Handels nicht möglich geweſen. Mit dem Bienenftaate iſt es ebenſo. Sein 
Goldvorrat, das iſt der Honig. Ein reicher Honigvorrat im Brut⸗ 
raum wirkt ermutigend und belebend auf das Bienenvolk, ſein Reichtum 
erlaubt ihm, eine zahlreiche Bevölkerung zu ernähren, es wächſt alſo 
an Zahl; die Tätigkeit darin wird erhöht, die Geſchäftigkeit geſteigert 
und neue Schätze werden über den alten aufgehäuft. 


* 


Kurzſichtig handelt daher derjenige Mobilimker, der das Bienen⸗ 
volk beſtändig unter dem Meſſer halten und alle Jahre beſchneiden 
will. Ein ſoches Volk macht ſeine beſtändige Aufſicht und Hülfe er⸗ 
forderlich, und durch eine ſolche Methode wird der Imker zu fort— 
währendem Arbeiten an ſeinen Stöcken gezwungen; unklug handelt 
derjenige, der alle Jahre das Brutneſt revidiert, die Drohnen- 
zellen zerſtört, Honigwaben aus dem Brutneft entnimmt, 
und letzteres beliebigeinengtund erweitert. Der ſchwache Schwarm 
im Walde, deſſen Leiſtungsfähigkeit und Honigreichtum Möhring be— 
wunderte — wer hat bei dieſem revidiert, ausgeſchnitten, eingeengt 
und erweitert? Nur allein der ungeſtörte Beſitz ſeiner Schätze hat 
ihn ſo machtvoll und reich gemacht. N 

4. Sobald alle Waben im Brutraum ausgebaut ſind — im 
günſtigen Falle kann das ſchon in der erſten Saiſou geſchehen ſein 
— werden bei Beginn der folgenden Saiſon die Aufſätze gegeben. 
Man verfährt dabei folgendermaßen: 

a) Jeder Aufſatz muß niedrig ſein (11,6 em) und warmhaltig 
ausgeſtattet, indem ſich um je zwei einfachwandige Aufſätze eine 
Enveloppe aus Brettern ſchließt. In den unterſten Aufſatz bringt 
man die halbvollendeten, ſowie zwar vollendete, aber nur wenig mit 
Honig gefüllte Honigrähmchen (Sections), und zwar nach franzöſiſchem 
Maße. Dieſelben find billiger als unſere deutſchen Sections, und 
zwar koſten fie 3½ Fr. per 100 Stück ab Frankreich. Ich kann fie 
ebenfalls liefern und nenne Preiſe auf Anfrage inkl. Zoll. 

In dieſem erſten Aufſatz arbeiten die Bienen ſchon frühzeitig, 
und es folgen die andern Aufſätze möglichſt bald, ohne die Honig— 
ablage abzuwarten. 

b) Die Aufſätze werden ſtets übereinander gegeben, alſo 
weder zwiſchen- noch untergeſetzt. 

c) Der erſte Aufſatz wird gegeben, wenn erfahrungsmäßig die 
Bauluſt zu erwachen beginnt. Manchmal gehen die Bienen gleich 
hinein, manchmal zögern ſie noch. Ob nun aber die Bienen hinein— 
gehen oder nicht — der Aufſatz bleibt. Abkühlend kann er nicht 
wirken, denn im Gegenſatz zu den ſonſt bei uns gebräuchlichen Honig— 
aufſätzen ſind die Sylviac'ſchen doppelwandig, und zudem wird ſtets 
der oberſte, noch leere, warmhaltig ausgeſtopft. 

cd) Der Honig in den Sections wird entweder als Scheiben⸗ 
honig verkauft in den Sectionsrähmchen, oder ausgeſchnitten. Das 
richtet ſich nach der Qualität der Honigboxes. In letzterem Fall 
läßt man einen kleinen Streifen ſtehen, an welchem die Bienen wieder 
weiter bauen können. Jedes Jahr haben die Bienen von neuem in 
den Aufſätzen zu bauen, mit Ausnahme des erſten, in welchen man, 
wie unter a erwähnt, die halbausgebauten und die ganz ausgebauten 
aber größtenteils leeren Sections bringt. 

. 5. Bei dieſer Methode iſt die Honigſchleuder vollſtändig über⸗ 
flüſſig und die Kunſtwabe ein Luxus. Herr de Villeneuve hat durch 
langjährige Beobachtungen feſtgeſtellt, daß wenn ſolche niedrige, 
warmhaltige Aufſätze gegeben werden, die Bienen ſtets genügend 


se er 


Zellen im voraus bauen. Mau wird überraſcht fein, zu ſehen, daß 
es den Bienen dabei niemals an Zellen mangelt, um ihre Honig— 
ſchätze aufzunehmen. 


Aber, wird man fragen: „Wenn die Bienen Zellen bauen, muß 
nicht der Ertrag an Honig darunter leiden?“ Darauf erwiedere ich: 
„Nein, das iſt nicht der Fall.“ Herr de Villeneuve ſchrieb mir dar— 
über: „Bei einem Brutraum von 70—80 Litern, vermeidet man, wenn 
er nur richtig eingerichtet iſt, die ganze Serie von Operationen der 
Mobilimker, das ganze Arſenal der imkerlichen Hilfsmittel wird ent— 
behrlich — und das iſt doch gewiß auch etwas — und man hat 
ebenſoviel Honig, guten reifen Honig, wie beim Mobilbetrieb und 
außerdem das Wachs noch obendrein. Ich kann mit ſolcher Be— 
ſtimmtheit beſonders nach den Erfahrungen reden, die ich 1904, wo 
ein ſehr gutes Bienenjahr war, gemacht habe. Bei Beginn der 
Saiſon hatte ich damals noch nicht 10m Bienenbau in den Auf— 
ſätzen gehabt und dennoch 55—65 kg in den Käſten von 80—90 
Liter geerntet.“ 

6. Er überläßt es auch den Bienen, ihre Königinnen zu erneuern 
und greift nur in Fällen von Weiſelloſigkeit ein. Er behauptet, daß die 
Völker ihre Königinnen viel öfter umweiſeln als man glaubt. Dieſe 
ſtillen Umweiſelungen ſind ſogar, ſeiner Meinung nach, die Regel. 
Daß er bei 20 bis 30 Völkern in 10 Jahren nur einen Fall der 
Weiſelloſigkeit mit den Bienenkäſten Sylviac erlebte, ſchreibt er 
hauptſächlich dem Umſtande zu, daß er dieſelben frei aufſtellt und zu— 
dem in Entfernungen von 2 m voneinander. 

7. Nicht die ſpekulative Dienen nicht die Manipulationen ſind 
die Hauptfaktoren, um ein Bienenvolk zu ſeiner vollſten Leiſtungs⸗ 
fähigkeit zu erheben, ſondern die Wärme. Nicht nur der Brutraum 
muß warmhaltig ſein, ſondern auch der Honigraum. Die Wärme 
veranlaßt das Bauen, ſie veranlaßt auch die Blumen, ihren Nektar 
zu ſpenden. Deshalb hängt der Ertrag an Honig in fo hohem Maße 
von einer warmen, möglichſt gleichmäßigen Temperatur ab. Die Wärme 
in den Honigräumen zuſammenzuhalten, dazu iſt der Bienenkaſten 
Sylviac am vorzüglichſten vor allen anderen eingerichtet, und darum 
bauen hier die Bienen viel mehr als in anderen Käſten, wo die Auf⸗ 
ſätze jeder Warmhaltigkeit entbehren. 

8. Was aber außerdem von beſonderer Bedeutung erſcheint, iſt 
die Art und Weiſe, wie die Verbindung zwiſchen Brut- und Honig⸗ 
raum eingerichtet iſt. Bekanntlich muß es verhindert werden, daß die 
Königin den letzeren betritt. Bis jetzt hat man ſich damit beholfen, 
ein Abſperrgitter zwiſchen zu legen. Dadurch wird die Königin wohl 
abgehalten (immer aber auch nicht). Doch auch die Arbeitsbienen 
empfinden dieſes Abſperrgitter als ein unbegemes Hindernis. Im Bienen⸗ 
kaſten Sylviac iſt ein anderes Syſtem, ein ſicheres und für die Bienen 
ſelbſt dennoch ohne jede Unbequemlichkeit. Schon allein hierdurch iſt 
der Bienenkaſten Sylviac von beſonderem Wert für jeden Imker, der 
erkannt hat, welche Unbequemlichkeiten und Mindererträge der Gebrauch 
des Abſperrgitters mit ſich bringt. 


die 165 mm lang, 110 mm hoch und 


III. Der Bienenkasten Sylviac und seine Einrichtung. 


In nachfolgenden Zeilen gibt Herr de Villeneuve eine Beſchreibung 
ſeiner Beute. N n : 

„Mein Bienenkaſten bezweckt, für immer die Notfütterung des 
darin befindlichen Volkes überflüſſig zu machen, ſobald dieſes 
ſämtliche Waben des Brutraumes ausgebaut hat, und alle Arbeiten 
des Imkers auf das geringſte Maß zu beſchränken. 

Dieſe in die Höhe vergrößerbare Wohnung beſteht aus einem 
Brutraum und mehreren niedrigen Honigaufſätzen. 

Der Brutraum nicht nur, auch die Aufſätze ſind doppelwandig. 

Der Brutraum enthält bei 90 Liter Inhalt 18 Quadratwaben 
pon ca. 33 X 33 cm Innenmaß. Er iſt im Lichten 36 cm breit, 
36 em hoch und 70. em lang. Bei 70 Liter Inhalt enthält er 14 
Waben und iſt im Lichten 53 cm lang. ; 

Eine der Schmalwände ift mit einem Glasfenſterchen verſehen 
(in der inneren Wand) und die Außenwand davor hat eine gleich 
große Oeffnung, die als Tür dient und dazu beſtimmt iſt, das Licht 
abzuhalten. Die Rähmchen ſelbſt können nur oben herausgenommen 
und eingehängt werden. 

Oben, direkt auf den Rähmchenoberteilen alſo ohne Zwiſchen⸗ 
raum für die Paſſage der Bienen, liegen Belagsbrettchen auf, möglichſt 
breit, und 10—12 mm dick. Die Länge beträgt 38 em. In dieſe 
Belagsbrettchen, genau über den Wabengaſſen, find Ausſchnitte aus— 
geſägt; fie ſind 30 em lang und 8— 10 mm breit. Die beim 
Ausſägen mit der Laubſäge erhaltenen kleinen Holzſtäbchen von der 
gleichen Länge und Breite heißen Clavettes. Mann hebe ſie ſorgſam 
auf, denn ſie dienen zum einſetzen und herausnehmen in die Ausſchnitte. 
See ift dann der Brutraum nach oben hin geſchloſſen oder 
geöffnet. 

Bei den Honigräumen iſt folgendes zu beachten: 

Die Honigaufſätze find alle in ganz den gleichen Dimenſionen 
hergeſtellt und meſſen in der Höhe 116 mm. 

Eine von den 4 Wänden (die hintere) iſt mit einem Glas— 
fenſterchen verſehen. Hierdurch kann man ohne Störung zu verurſachen, 
die Arbeit der Bienen beobachten. 

Die Aufſätze werden mit Benn med e en (Sections) ausgeſtattet, 

0 f 6 mm breit ſind, oder aber 
mit Doppelſections, 330 mm lang, ſonſt ebenſo breit und hoch. 
„Eine von den 4 Wänden iſt unten um 2 mm abgekürzt auf eine. 
Breite von 360 mm hin. Hierdurch entſteht ein Spalt, der dazu 
beſtimmt iſt, ein Sperrblech einzuſchieben, 353 inm breit, welches dem 
unteren Aufſatz als Deckel dient; auch ſperrt man hierdurch leicht und 
bequem — bei weggenommenen Clavetten — den Brutraum vom 
a fat ba ; 
an hat daher beim Aufſetzen oder Abnehmen der Honigaufſätze 
weder Rauch noch Schleier nötig.“ 5 eile 

Herr de Villeneuve hatte mir im Sommer 1906 einen Kaſten 

geſandt, der aber nur einfachwandig und mit 9 Rähmchen ausgeſtattet 


war, um mir das Syftem dieſer Art Käſten, beſonders aber die Art der 
Anfertigung, ihre Ausſtattung mit Veranda, Futterapparat, die Art 
der Aufſätze mit Sections und Doppelſections, vor allem aber die 
innere Einrichtung deutlich vor Augen zu führen. 

An der Hand dieſes Modelles habe ich doppelwandige Käſten zu 
14 Waben, alſo 70 Liter Inhalt, hergeſtellt und genaue Zeichnungen 
davon aufgenommen. 

Beides — Käſten und Zeichnungen — entſtanden im Zeitraum 
von mehreren Monaten unter dem ſteten Rat und der Anweiſung des 
franzöſiſchen Bienenzüchters. 

Dieſe von mir hergeſtellten Käſten haben (der Verſuche halber) 
teils ein bewegliches Bodenbrett, teils iſt daſſelbe feſt und beſteht 
dann aus untergenagelten Brettern. Für Imker, die in die Lage 
kommen, umziehen zu müſſen, iſt ein feſtes Bodenbrett empfehlenswerter, 
auch iſt es billiger. Ferner haben meine Käſten zum Teil ein Fenſter 
hinten, zum Teil auch nicht. 

Die 14 Waben ſtehen in Warmbau, das Flugloch befindet ſich 
alſo in der Schmalſeite, während bei 18 Waben Kaltbau angezeigt 
wäre. 

Bei 18 Waben müßten auch zwei Honigaufſätze nebeneinander 
geſtellt werden. 

Die Honigaufſätze ſind genau wie die franzöſiſchen: Sie beſtehen 
ans einfachwandigen Käſten von 116 mm Höhe, und um 2 Honig⸗ 
aufſätze kommt ein äußerer Holzkaſten, eine Art Enveloppe, 27 cm 
hoch, und darauf das übergreifende Dach mit einem Bord von 7 em 
Höhe, wovon 2½ cm über die Enveloppe oder bei abgenommenen 
Honigräumen, über den Brutkaſten ſelbſt geſtülpt werden. Das Dach 
wird mit Brettern abgedeckt und darüber entweder Zink, der rot an⸗ 
ee werden kann, oder Dachpappe oder noch beſſer Ruberoid 
genagelt. 

Das Flugloch iſt 36 em lang und etwa 1 em hoch. Davor iſt 
ein Vorraum — den ich Veranda nenne — 28 cm hoch, 10 cm tief 
und 47 cm breit, mit überſpringendem ſchrägen Dach. Sie dient 
dazu, Regen, Schnee, Wind und Mäuſe, auch Spechte abzuhalten, 
denn im Winter erhält ſie ein Vorſatzbrett, das nur ein kleines Flug⸗ 
löchlein für eine einzige Biene aufweiſt. Doch iſt unter dem Dach 
der Veranda ein Spalt von 1 cm Höhe der ganzen Länge nach gelaſſen, 
damit es innen niemals an friſcher Luft fehlt. 

Dieſe Käſten ſind zur Einzelaufſtellung beſtimmt, und erhält 
daher jeder einen Sockel von 50 — 60 cm Höhe, und wird außerdem 
etwa 16 cm unter dem Bodenbrett noch ein Bretterboden innerhalb 
des Sockels eingelaſſen, ſodaß zwiſchen dieſem Bretterboden und dem 
Bodenbrett des Kaſtens ein Hohlraum von 16 cm entſteht der im 
Winter warmhaltig angefüllt wird. 

Die Enveloppe der Aufſätze bleibt über Winter auf dem Brutraum 
(mit eingelegten Clavetten in den Deckbrettchen) und auch dieſe En⸗ 
veloppe wird dann warmhaltig ausgeſtopft. 8 ; 

Auf allen ſechs Seiten vor der Kälte geſchützt, vor den Mäuſen, 


a 


Spechten und Meiſen geſichert, der Fütterung von feiten des Imkers nicht 
bedürftig, mit dem lebhaften Anſtrich und den hohen Satteldächern 
ihrer Häuſer eine Zierde des Bienengartens, gehen darin die Bienen— 
völker ruhig dem langen deutſchen Winter entgegen, und haben 
ſie darin auch die beſte Gewähr eines guten Gedeihens, wie im 
nächſten Kapital noch beſonders gezeigt werden ſoll. 


IV. Die Behandlung der Bienen darin nach dem Simplismus. 


Nachdem ich in den vorſtehenden Kapiteln die Notwendigkeit 
eines größeren Brutueſtes nachgewieſen, gehe ich jetzt zur Darſtellung 
der Behandlung der Bienen in ſolchen Käſten über. Ich folge hierbei 
den Ausführungen, welche Herr de Villeneuve auf mein Erſuchen 
eigens für dieſes Büchlein verfaßt hat. Die Art und Weiſe der Be— 
handlung, vom Einſetzen des Schwarmes an, iſt darin ſo anſchaulich 
geſchildert, daß Mißgriffe hierbei garnicht möglich ſind. 

Herr de Villeneuve ſchreibt: 

Wir treten nunmehr ein in die Détails der Behandlung dieſes 
Bienenkaſtens. Sie umfaßt folgende Punkte: 

1. Das Beſetzen der Beute; 

2. Das Aufſetzen eines Honigraums; 
3. Die Honigentnahme; 

4. Die Einwinterung. 

Dies iſt das ganze Operationsgebiet des Simplismus in ſeiner 
Anwendung. 

1. Das Beſetzen der Beute. 

Richtwachs. Bevor der Schwarm eingeſetzt wird, müſſen wir 
die Rähmchen mit Richtwachs verſehen, und zwar ſowohl am Rähmchen⸗ 
oberteil als auch an der Querleiſte. Wir verwenden hierzu Kunſt⸗ 
wabenſtreifen, 2—3 cm breit und 32 cm lang. 
Hierzu bedient man ſich eines Anklebebrettchens, 12 mm ſtark, 
5 cm breit und ſchwach 33 cm lang. Ringsherum, auf der Unter 
ſeite, iſt ein Zlechſtreifen genagelt, der um 4 mm an den vier Seiten 
een Dies 1 le be Rähmchen gelegt, beides in 
eine Hand genommen, der Kunſtwabenſtreifen angeſetzt und mit flüſſigem 
Wachs auf beiden Seiten aufgelötet. ! 8 mn 

So ift der Kaſten zum Beſetzen hergerichtet. Er wird nunmehr 
auf den ihm beſtimmten Platz gebracht. Man nimmt die Clavetten 
heraus und ſtellt einen Honigaufſatz (für Doppelſections) der leer iſt, 
darauf. Dieſer Aufſatz ſoll den Schwarm aufnehmen. 

Einſetzen des Schwarms. Haben wir einen Schwarm er— 
halten, ſo warten wir bis gegen 6 Uhr des Abends, gegen Sonnen⸗ 
untergang. Wir öffnen das Fenſter des Brutraums und ſchließen 
das Flugloch, und ſchütten den Schwarm in den Honigaufſatz. Die 
Bienen ziehen ſich durch die Oeffnungen der Deckbretter in das Innere 
des Kaſtens hinab, was nur wenige Minuten, höchſtens ein Viertel⸗ 
ſtündchen dauert. Die wenigen noch verbleibenden Bienen auf den 


8 


Rähmchen⸗Oberteilen werden mit einer Feder durch die Oeffnungen 
hinunter gewiſcht, und der Aufſatz abgenommen. Daun können wir 
in aller Ruhe die Clavetten wieder einſetzen, wobei man auf die 
Nummern derſelben zu achten hat. Man deckt den Kaſten wieder mit 
ſeinem Dache und öffnet jetzt das Flugloch. 

Wenn das Jahr gut iſt, wird der Schwarm zum Herbſt genügend 
Waben gebaut und Vorräte eingetragen haben, ſodaß wir uns nicht 
um ihn zu ſorgen brauchen. Aber dies iſt eine Ausnahme in unſerem 
Klima. Wenn das Jahr weniger gut iſt, ſo ſind wir genötigt dem 
Schwarm durch Futtergeben zu Hilfe zu kommen. 

Fütterung des Schwarms. Es kann ſich ereignen, daß 
2—3 Tage nach Einſchlagen des Schwarmes für eine Reihe Tage 
ſchlechtes Wetter eintritt. Wir müſſen dann füttern wenn das Volk 
nicht verhungern ſoll. 


Durch das Fenſter des Brutraums vermögen wir zu erkennen, 
wo die Bienentraube ſich befindet. Zwei oder drei Clavetten werden 
unmittelbar über dieſer Gruppe entfernt; wenn wir behutſam ver— 
fahren, kommt keine Biene hervor. Ein Linnen wird über die Oeff— 
nungen gebreitet und etwas in dieſelben hineingedrückt. Mit kleinen 
Nägeln oder Nadeln wird das Linnen befeſtigt. 

Man gießt nun in die Rinnen, die wir gebildet haben, etwas 
Zuckerſyrup hinein, täglich etwa 30 gr pro Tauſend Bienen. Dieſe 
Flüſſigkeit ſickert ſachte durch und wird von den Bienen ſchnell auf— 
genommen. 

Dieſes Syſtem bleibt an Ort und Stelle wenn es dem Imker 
beliebt. Sind aber einige Waben gebaut und tritt gute Tracht ein, 
ſo entfernen wir es wieder und legen die Clavettes wieder ein. 

Vergeſſen wir aber nicht, daß wir dabei mit einer mäßigen 
Tracht rechnen. Einige Tage vor dem Ende einer ſolchen mäßigen 
Tracht müſſen wir daher noch weiter füttern. Wir machen das aber 
anders, und nicht weniger einfach. N 

Wir nehmen irgend eine Blechdoſe, die nicht höher als 5 em 
iſt, und ½ bis 1 Liter faſſen kann (ſog. Biskuitdoſen). Dahinein 
tun wir ein Stück Wabenhonig, und ſtülpen darüber ein kleines Kiſtchen 
ohne Boden und Deckel, etwa 32 cm lang. Dies Kiſtchen wird oben 
mit dem bekannten Maſchendrat für Bienenkäſtenfenſter abgedeckt. 

Um nun mit dieſem höchſt einfachen Apparat zu füttern, entfernen 
wir eine Clavette, gerade über dem Volke, und mit der Blechdoſe 
bedecken wir — bis auf 2 oder 3 em — die Oeffnung und ſtülpen 
darüber das Kiſtchen. So können keine Bienen entweichen und keine 
Näſcher eindringen. 

Nach einigen Stunden und ſelbſt erſt nach Tagen — je nach 
Wetter und Temperatur — eutſchließt ſich das Volk, den Honig aus 
der Doſe zu entnehmen und gewöhnt ſich ſchnell an dieſe Art Fütterung, 
wenn wir durch den Maſchendrat Zuckerſyrup in die leer gewordene 
Wabe träufeln, was wir ohne Umſtände und zu jeder Tageszeit tun 
können, ohne von einer Biene beläſtigt zu werden. 


. 


Der Honigaufſatz für Doppelſectionen ſchützt und erwärmt das 
Futter, da er oben und ringsherum mit Watte umgeben wird. 

Ife es fo kalt geworden, daß die Bienen nicht mehr uach oben 
ſteigen, ſo iſt der Winter da. Jetzt wird der Brutraum genügend mit 
Winterfutter verſehen ſein, da die Bienen ein paar Monate Zeit gehabt 
haben, ſich zu verproviantieren. 

Der Futterapparatbleibt nun an Ort und Stelle ſo 
lange bis die Bienen alle 14 Waben ihres Brutneſtes 
ausgebaut haben. Sind ſie ſo weit, ſo hat man ſich ihretwegen 
nicht mehr zu beunruhigen. Es werden ſtets genug Vorräte vorhanden 
ſein, nicht nur für die Ueberwinterung, ſondern überhaupt. 
Solange das Volk aber noch nicht ſo weit iſt, tut der Imker gut, 
zu füttern, doch ohne Uebertreibung. In ſchlechten Jahren kann 
ſolches 2 Jahre dauern. Es bleibt aber zu berückſichtigen, daß wir in 
der ganzen Zeit keine Manipulationen vorzunehmen brauchen und weder 
Rauch noch Schleier nötig haben. 


2. Das Beſetzen des Honigraums. 
Sift das Volk alſo fonftituiert, das Brutneſt eingerichtet und aus— 
geſtattet, ſo können wir daran denken, von ihm einen Ertrag zu ver— 
langen. Iſt das Jahr, wo wir den Schwarm einſchlugen, ſehr gut 
geweſen, ſo wird ſchon dies zweite Jahr Ertrag zu bringen haben. 
In gewöhnlichen Honigjahren äber würden wir uns zwei Jahre ge— 
dulden müſſen, und in ſchlechten ſogar drei.“ Wie dem auch ſei — 
der Brutraum iſt gefüllt. Der Erkräg kann beginnen, und es find 
die aufzuſetzenden Honigränme, welche denſelben liefern ſollen. 
Wann ſetzt man den erſten Honigraum auf? Wann man will; 
aber doch weder zu ſpät, noch auch viel zu früh. Ein zeitiges Auf— 
ſetzen bietet nichts Bedenkliches, da der Honigraum ja noch mit einer 
Enveloppe umgeben und der Zwiſchenraum, ſowie der Raum darüber 
mit Watte warmhaltig verpackt iſt. So ſinkt die Temperatur infolge 
= deffen im Brutraum nur etwa 1½ Grad C, was keine Nachteile mit 
„ ſich bringt, auch die Eierlage nicht herabmindert. 
10 Nehmen wir die Zeit vom 1. bis 15. April zum Aufſetzen an. 
Wir haben znerſt die Sectionen, einfache und doppelte, mit Anfängen 
auszuſtatten. Dieſelben können verſchieden geartet fein. Wir ſelbſt 
haben Anfänge von / cm Breite für das Praktiſchſte gefunden. 
Man kann den Aufſatz zu jeder Tageszeit aufſtellen und braucht 
weder Rauch noch Schleier dabei. Vorher ſind die Clavettes auszunehmen. 
Dies geſchieht bequem und einfach, ohne daß es Stiche gibt. 
Oeffnung des Brutraums. Die Clavettes ſind jetzt 
mehr oder minder verkittet. Man nimmt nun ein Stück Leinwand 
zur Hand, 36 cm breit und 60 cm lang, das um ein viereckiges 
Stäbchen von 10X10 mm Dicke angenagelt und eingewickelt ijt. Das 
Ende der Leinwand wird am oberen Rande des Brutraums leicht 
befeſtigt. Man wickelt nun die Leinwand nach und nach auf, nach 
Maßgabe, wie die Herausnahme der Clavetten fortſchreitet, ſodaß 
alſo jede blosgelegte Oeffnung ſofort von einem Stückchen der Leinwand 


sesso Sn ae 


bedeckt werden kann. Iſt die Leinwand ganz aufgerollt, fo wird das 
Stäbchen, worauf ſie genagelt iſt, am andern Ende des Kaſtens liegen, 
dort, wo auch die 2 mm hohe und 360 mm breite Spalte des Honig— 
aufſatzes ſich befindet. 

Die entnommenen Clavetten ſind, zu einem Bündel verpackt, 
ſorgfältig aufzubewahren. 


Iſt der Honigraum, ausgeſtattet mit den Sectionen, aufgeſetzt, 
fo wird die Leinwand durch den Spalt deſſelben, 3607 mm, heraus⸗ 
gezogen. Die Verbindung zwiſchen Brutraum und Aufſatz iſt ſomit 
1 f. und die Bienen ſteigen ſofort nach oben, falls es nicht zu 
alt iſt. 

Der Aufſatz wird mit einer Zinkplatte oben abgedeckt und darauf 
noch Watte gelegt. 

Soll ein zweiter Aufſatz gegeben werden, ſo wird derſelbe auf 
den erſten geſetzt, ebenfalls oben abgedeckt und nun die Ziukplatte 
zwiſchen beiden Aufſätzen nach hinten herausgezogen, ganz wie man 
zuerſt die Leinwand herausgezogen hat. Deshalb hat ja jeder Honig— 
raum die Wand hinten um 2 mm verkürzt. 

Ebenſo verfährt man für einen dritten ꝛc. Aufſatz. Wir kennen 
nichts Einfacheres. 

Der Imker tut gut, ſpäter denjenigen Aufſatz, welcher nur halb 
ausgebaute Sectionen aufweiſt, zurückzuſtellen, um ihn im nächſten 
Jahr als erſten zu geben. Wer aber erſt anfängt, nach dieſer 
Methode zu imkern, muß ſich mit Anfängen begnügen. 


3. Die Honigentnahme. 

Dieſelbe findet zu Beginn des Herbſtes ſtatt, früher oder ſpäter, 
wie es die Gegend angezeigt erſcheinen läßt, und an einem freund— 
lichen Tage, denn man muß beſtrebt ſein, ſo wenig Bienen dabei zu 
verlieren wie nur möglich. Die Honigaufſätze werden einzeln ab— 
genommen, dabei iſt keine Hülfe erforderlich. 

Am die Bienen in die Honigräume hin aufzubringen, haben 
wir uns der Wärme bedient; umgekehrt bedienen wir uns der Kälte 


um ſie wieder in den Brutraum hinunterſteigen zu laſſen. 


1 
29 


3 


a) 


der Käſten untereinander gelöſt zu haben. 


Die Tage ſind nun ſchon kühl und die Nächte oft recht kalt. 
Am Abend des Tages der Honigentuahme entfernen wir die Enveloppe 
der Aufſätze, und nehmen die Watteverpackung fort. Den Bienen 
wird es jetzt in den Aufſätzen zu kühl und ſie begeben ſich daher in 
den Brutraum, und am anderen Morgen zwiſchen 8 un r, nehmen 
Wir den oberſten Aufſatz ab, und bedecken den verbleibenden mit einer 


Serviette. . 
Es iſt zweckmäßig, am Abend vorher auch ſchon die Verkittungen 


Die wenigen Bienen, die ſich noch in den Aufſätzen befinden, 


nt ind leicht durch Klopfen vertrieben. 
Wir beeilen uns nunmehr, den Brutraum wieder zu ſchließen. 


„Dies iſt die einzige Operation, bei der wir uns des Rauches, 
ſowie Schleier und Handſchuhe bedienen. 


a {eee 


Die Clavetten, gut geſäubert, liegen zur Hand. 

Wir entfernen mit einem Ruck die Serviette. Mal ſind nur 
wenige Bienen darunter zu finden, mal auch wieder; Hunderte. n 

Man wiſcht ſie fort, hält in der einen Hand die Rauchmaſchine, 
und mit der andern wird mit einem beſonders angefertigtem Kratzeiſen 
jede Oeffnung der Deckbrettchen vom Kitt befreit, ſo daß die Cla⸗ 
vetten ſich leicht einſetzen laſſen. Iſt dies geſchehen, fo wird gelegentlich 
die Oberfläche der Deckbrettchen gereinigt. n 

Man nimmt nur immer einen Aufſatz ab, da zwei zu ſchwer wären. 


4. Die Einwinterung. 

Man kann ſie vornehmen ſobald man die Aufſätze abgenommen, 
und einen derſelben geleert hat. Letzterer wird dann auf den Brut— 
raum geſtellt, und mit Stroh und Watte ꝛc. gefüllt. Dadurch wird 
nach oben ein warmhaltiger Abſchluß erzielt, und gleichzeitig die Luft⸗ 
erueuerung ermöglicht, weil die Bienen die Clavetten im Herbſt nicht 
mehr verkitten. 

Sobald es kalt wird und die Ausflüge aufhören, wird das 
Wintervorſatzbrett der Veranda angebracht. 

Dies ſind, bis auf unweſentliche Einzelheiten, die Grundzüge der 
ii im Bienenkaſten Sylviac nach den Grundſätzen des Sim— 
plismus. 

Wie wir geſehen haben, gibt es hier kein Einengen und Er— 
weitern des Brutneſtes, wodurch der Raum ſoweit eingeengt werden 
ſoll, wie ihn der Schwarm ausgebaut hat (z. B. auf die Hälfte) 
keine Frühjahrs- und Herbſtreviſionen, die bei dem von uns gebrauchten 
Brutraum von 70 Liter auch völlig unnötig find, da die Vorräte 
darin ſtets ausreichend erſcheinen, und keine Serie von Manipulationen 
ſamt dem ganzen Arſenal von Bienenzuchtgerätſchaften, welche das 
charakteriſtiſche Merkmal des modernen Mobilbetriebes darſtellen. Wir 
dürfen daher behaupten, daß es eine neue Methode iſt, die wir dem 
Publikum bieten. 


V. Die Vorzüge des Bienenkasten Sylviac. 


Wie wir im zweiten Kapitel geſehen haben, baſiert der Sim— 
plismus auf der naturgemäßen Haltung und Pflege der Bienenvölker, 
und hierzu iſt keine Bienenwohnung geeigneter als eben die unſere, 
die ganz dem Syſtem des Simplismus gemäß eingerichtet iſt. 
Ueberblicken wir die Vorzüge dieſes Kaſtens, ſo finden wir 
folgende: 

1. Die leichte Behandlung. Hier iſt keine ſchwer ausführbare, 
nur auf dem Papier kinderleicht auszuführende Anweiſung zu befolgen 
und hier gibt es die wenigſten Manipulationen. Deshalb gibt es 
keine beffere Bienenwohnung für ſolche Imker, denen nur eine bez 
ſchränkte Zeit zu Gebote ſteht (Förſter, Lehrer, Chauſſeeaufſeher und 
andere Beamte, Geſchäftsleute, Handwerker, Landleute). In den 
wenigen Mußeſtunden, die er erübrigt, kann ein ſolcher dennoch eine 
größere Anzahl Bienenvölker bewirtſchaften als bei jedem anderen 


os ee 


Syſtem mit beweglichen Waben. Selbſt der Villenbeſitzer, der nur 
in der ſchönen Jahreszeit auf dem Lande wohnt, vermag einige 
Bienenkäſten in ſeinem Garten aufzuſtellen und ihnen die nötige Sorg⸗ 
falt angedeihen zu laſſen. Er iſt des Fütterns (das oft im März 
{cou erfolgen muß) enthoben, und er vermag im Sommer oder Herbſt 
zu verreiſen; er hat ſich um ſeine Bienen nicht zu ſorgen. 

2. Es iſt ein Vorteil, der regelmäßigen Fütterung im 
Herbſt und Frühjahr enthoben zu ſein, die der Mobilbetrieb ſonſt mit 
ſich bringt, da bei dieſem das Brutneſt eine Einengung im Herbſt 
und eine allmähliche Erweiterung im Frühjahr erfährt. Das große 
Brutneſt im Bienenkaſten Sylviac, wenn es unangetaſtet bleibt, 
ſichert die Exiſtenz des Bienenvolkes für eine ganze Reihe von Jahren, 
und veranlaßt die Bienen, ihre Tätigkeit in die Honigaufſätze zu ver⸗ 
legen. Wer aber anders handelt, und den Bienen zum Winter nur 
das Notwendige laſſen will, darf ſich nicht wundern, wenn er außer 
der ſteten Arbeit im Frühjahr auch noch häufig ganz unerwartet ſich 
genötigt ſieht, zu füttern; er darf ſich nicht wundern, wenn ſeine Er— 
träge hinter denen des Simpliſten zurückbleiben, weil dem Letzteren 
die Bienen in den Honigräumen bauen und Honig darin eintragen, 
während fie bei dem Erſteren genötigt find, erſt die Lücken im Brute 
neſte wieder auszufüllen. 

3. Das Unangenehmſte an der modernen Mobilbienenzucht iſt 
die Fütterung mit Zucker. Sie hat den kränkenden Verdacht des 
Betrügens auf die modernen Imker geworfen. Ueberlegen wir einmal: 
Zuerſt füttern wir die Schwärme (Juni) und unmittelbar darnach 
ſchleudern wir den Muttervölkern, die nicht geſchwärmt, den Honig 
aus, weil Schwarmzeit und Volltracht nahe beiſammen liegen. Im 
September füttern wir abermals, und darnach bringen wir den 
Scheibenhonig aus den Körben und den Heidehonig aus den Auf— 
ſätzen zu Markt. Ein ſolches Zuſammentreffen muß doch das Publikum 
kopfſcheu machen — und macht es auch tatſächlich kopfſcheu. Die 
Imker verſichern zwar alle mit großem Pathos, ihr Honig ſei reiner, 
natürlicher Bienenhonig; aber wenn einer von ihnen ſich genötigt 
ſieht, Honig ſelber zuzukaufen, dann iſt gerade ſein Mißtrauen am 
größten. Das Publikum kauft daher immer noch lieber den ſchlechten 
ausgelaſſenen Honig des Korbimkers, als den Schleuderhonig des 
Mobilimkers. 8 

4. Mit dem Bienenkaſten Sylviac erſpart der Simpliſte 
die Ausgabe für die Kunſtwaben, und erntet mehr Wachs. 
Wenn wir dieſe beiden Punkte in Betracht ziehen und berückſichtigen, 
daß er den einmal etablierten Muttervölkern keinen Zucker zu kaufen 
braucht, ſo leuchtet ein, daß der Reingewinn größer ſein muß 
bei dem Bienenkaſten Sylviac, als bei den Beuten anderer Syſteme. 

5. Der Bienenfaften Sylviac verhindert die Entſtehung der 
Faulbrut und leiſtet ihrer Ausbreitung keinen Vorſchub. Die Faul⸗ 
brut wird gerade durch den modernen Mobilbetrieb mit ſeinen Mani— 
pulationen und ſeiner Fütterung der Völker zu unpaſſenden Zeiten 
hervorgerufen, indem z. B. im Frühjahr durch die ſpekulative Fütterung 


die Inſtinkte der Bienen irre geleitet werden, fo daß fie den Brute 
anſatz zu frühzeitig ausdehnen. Auch durch Verwendung von Wachs 
unbekannten Urſprungs kann die Faulbrut auf dem Bienenſtande ein⸗ 
geſchleppt werden. 

6. Bei dem Bienenkaſten Sylviac iſt das Abſperrgitter eine 
überflüſſige Einrichtung. Das Abſperrgitter iſt und bleibt ein Hinder⸗ 
nis für die Bienen, in den Honigraum zu gehen, darüber hilft kein 
Ableugnen hinweg. Statt der Abſperrgitter hat unſer Bienenkaſten 
die Deckbrettchen mit den Clavetten. 

7. Die künſtlichen Mittelwände find im Bienenkaſten Sylviac 
auch nur reiner Luxus. Die Ausgabe dafür kann der Imker ſparen. 
Es gibt viele Imker, denen gerade das Ausſtatten der Rähmchen 
mit Kunſtwaben zu viel Umſtände macht, ganz abgeſehen von den 
Koſten und von den Unannehmlichkeiten, die es mit ſich bringen kann, 
einen ſtarken Schwarm auf ganze Mittelwände zu ſetzen. Mit dem 
Bienenkaſten Sylviac ift auch ſolchen Imkern gedient. Statt die 
Koſten für Mittelwände aufzuwenden, zieht es der Simpliſte vor, den 

Schwarm angemeſſen zu verſtärken; und der Schwarm mag ſo ſtark 
ſiin wie er will — die Naturwaben reißen nicht ab, fie bauſchen 
und dehnen ſich nicht. 

. 8. Und was nützen künſtliche Mittelwände in Gegenden, wo 
das Heidekraut wächſt? Was nützt da eine Honigſchleuder? In 
Gegenden mit Heidekraut kann vom Aufbewahren von leeren Waben 
aus einem Jahre ins andere keine Rede ſein. Der Heidehonig 
wird als Scheibenhonig am teuerſten bezahlt, ausgelaſſen 
aber iſt er einer der minderwertigſten Honigſorten. 
Scheibenhonig ſollte aber auch nicht die allerdünnſte künſtliche Mittel- 
wand haben. Der Simpliſte erntet im Bienenkaſten Sylviac den 
beſten, köſtlichſten Scheibenhonig, und bekommt ihn daher beſſer bezahlt. 


9. Pfarrer Ludwig in Herbsleben erklärte öffentlich, es gehe — 
und mit Unrecht — das Beſtreben der Bienenwohnungsfabrikanten 
dahin, die Käſten immer kleiner zu machen; der Preis falle nicht im 
gleichen Verhältnis, und die Herſtellung in den ſchmalen Dimen— 
ſionen ſei bedeutend billiger. Herr de Villeneuve aber macht darauf 
aufmerkſan, daß jedes Bienenvolk um ſo mehr produziere, 
je größer der ihm gegebene Brutraum ſei. Ein Volk in 
45 Liter produziert ½ mehr Honig als ein folded in 25 Liter. Für 
ſeine Gegend hat er 100 Liter noch rentabel gefunden: ich habe für 
unſere deutſche Verhältniſſen 70 Liter angenommen. Denn wir 
haben ſelten nur hohe Sommertemperaturen, und zudem iſt das Wetter 
bei uns ſehr veränderlich. Nehmen wir die allgemeine Behauptung 
als richtig an, eine Gegend könne nur einer beſchränkten Anzahl 
Bienenvölker Nahrung bieten, ſo muß uns doch daran liegen, daß 
jedes einzelne Volk ſein höchſtes und beſtes leiſten könne. Es 
iſt daher gewiß beſſer die Völker in großen, als in kleinen Beuten 
zu halten. 

10. In ſolchen großen Beuten iſt auch das Schwärmen viel 
ſeltener. Es iſt ohne Zweifel ein wahrer Spruch: Viele Schwärme, 


wenig Honig! Ein Amerikaner hat das noch draſtiſcher ausgedrückt, 
indem er ſagte: Das Schwärmen iſt für den Ertrag an Honig daſſelbe, 
was die Aufzucht von Kälbern für den Ertrag au Butter und Eiern. 
Der Bienenkaſten Sylviac hält das Schwärmen ſoweit hintenan, wie 
jede große Beute es eben vermag; infolge des frühzeitigen Aufſetzens 
doppelwandiger Honigräume — auch wieder eine ſeiner ſpeziellen 
oe — ſchwärmen die Bienen in die Honigauffage 
inein. 


11. Der Bienenkaſten Sylviac iſt ſolide und feſt gebaut. 
Er iſt, ſozuſagen, auf allen ſechs Seiten doppelwandig, und das 
Flugloch iſt für den Winter geſichert, ohne doch die friſche Luft ab— 
zuſperren. Es iſt alles ſolide, und geeignet, den Unbilden der Witterung 
zu trotzen. Dies iſt keine zugige Beute aus dünnen Brettchen, ſondern 
ſie iſt für den Freiſtand geeignet, und macht den koſtſpieligen Bienen— 
ſchuppen entbehrlich. 


12. Der Bienenkaſten Sylviac geht daher vom Vater auf den 
Sohn über, und kann von letzterem ohne viele Kenntniſſe bewirt— 
ſchaftet werden. Stirbt der Imker, ſo brauchen ſeine Witwe, ſeine 
Töchter die Bienen nicht zu verkaufen; ohne Rauch, ohne Schleier 
vermögen auch ſie die Bienenzucht zu betreiben, und das angelegte 
Kapital iſt nicht verloren. Dies bezüglich ſprach der Imker A. Tonelli 
in Coccaglio bei Brescia die ſchönen Worte: „Der Bienenkaſten 
Syviac ... hätte dann auch die gute Seite, daß der Bienen— 
ſtaud ein wirklich wertvoller Beſitz von bleibendem Werte für die 
Familie des Imkers ſein würde, vererbbar vom Vater auf den Sohn, 
während im Gegenteil mit dem modernen Betrieb der Bienenſtand 
nur einen auf die Perſon des Imkers begründeten Wert beſitzt; denn 
nur, wer die Betriebsweiſe verſteht und ſich dafür intereſſiert, kann einem 
modernen Mobilbienenſtande Ertrag abgewinnen. Und wenn nun der 
Imker aus irgend einem Grunde ſeine Bienen verlaſſen muß. .. 
ja, wenn er ſterben ſollte. . arme Bienen! Selbſt wenn man 
3 oder gar 4 Jahre warten müßte, ehe der Bienenkaſten Sylviac 
Ertrag gäbe, ſo wäre das noch nicht ſo ſchlimm. Iſt es bei den 
Weingärten nicht ebenſo der Fall? Aber einmal eingerichtet, hat 
man bei denſelben auch nur die etwa eingegangenen Weinſtöcke neu 
zu erſetzen.“ 


VI. Eine Mahnung. 


Wer nun, nachdem er die vorſtehenden Kapitel durchgeleſen hat, 
zu dem Entſchuße gekommen iſt, es mit dem Bienenkaſten Sylviac zu 
probieren, dem kann ich hierzu nur Glück wünſchen; hat doch ſelbſt 
ein Rauſchenfels anerkannt, daß der Bienenkaſten Sylviac ſich für 
meine arme Gegend, des heiligen Römiſchen Reiches Streuſandbüchſe, 
eigne. Und ich habe ihm hierauf erwiedert, daß dieſe Beute um ſo 
mehr noch für Gegenden mit mittelmäßiger und guter Tracht paſſe. 
Herr de Villeneuve aber bleibt dabei, daß ſie auch in Gegenden mit 
reicher Bienenweide hingehöre. 


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Es wäre aber bedauerlich, wenn Jemand nach den vorſtehenden 
Beſchreibungen, ohne erſt das Original geſehen oder ausprobiert zu 
haben, daran gehen wollte, ſich eine beliebige Beute mit „ähnlicher“ 
Einrichtung auszutifteln, dies und jenes an den Einzelheiten weglaſſen, 
und andere Einzelheiten an deren Stelle ſetzen wollte. Da können 
die Reſultate den Erwartungen unmöglich entſprechen. Syſtem und 
Kaſten ſind ein Werk aus einem Guß. Alles iſt ausprobiert, 
Alles iſt zweckentſprechend eingerichtet worden. Zwar weicht auch 
mein Kaſten in Aeußerlichkeiten von dem Originale ab, aber nichts 
iſt ohne Genehmigung meines franzöſiſchen Freundes geſchehen, und 
die weſeutlichen Teile: Clavetten, Aufſätze, Wintervorbau, Einrichtung, 
Fütterungsapparat, ſind genau nach den Originalen. 


Ich wünſche, daß dies Büchlein eine gute Aufnahme finden, und 
dem Werke des franzöſiſchen Bienenzüchters bei den deutſchen Imkern 
den Weg ebnen möge; ſollte dies der Fall ſein, ſo werde ich in dem 
nächſten Hefte die Selbſtanfertigung des Bienenkaſtens Sylviac an— 
ſchaulich zu ſchildern verſuchen. 

Der Hebung der deutſchen Bienenzucht ſind meine ſchwachen 
Kräfte vornehmlich gewidmet, ohne Eigenutz und ohne Hintergedanken. 
Mich für dieſe hohe Aufgabe intereſſiert zu haben, iſt auch mit das 
Werk Herrn de Villeneuve's der mir unermüdlich ſeine helfende 
Freundeshand gereicht hat, vergeſſend den Hader der Nationen unſerer 
beiden Länder, vergeſſend die Verſchiedenheit des Glaubens und den 
Unterſchied des Standes, denn, ſo ſchrieb er, die gemeinſame Liebe zur 
Biene iſt das Band, das Angehörige verſchiedener Nationen in Freund— 
ſchaft verbindet. 


VII. Eignet sich der Bienenkasten Sylviac für Deutschland? 


Als ich im Jahre 1907 die erſte Auflage dieſer Schrift heraus⸗ 
gab, da blieben die Anſichten nicht unbeachtet, die in Vorſtehenden 
entwickelt worden. Sie haben vielfache und begeiſterte Zuſtimmung 
gefunden, und das Büchlein iſt in alle Gauen unſeres Vaterlandes, 
auch nach Oeſterreich und Ungarn und bis an das Adriatiſche Meer 
gedrungen. Vom Bodenſee, vom Rhein, von der Memel und aus 
Schleswig⸗Holſtein erhielt ich Briefe mit näheren Erkundigungen. 
Aber im Allgemeinen verhielt man ſich dennoch ungläubig, mindeſtens 
aber abwartend. Iſt das ein Wunder? Wie Viele ſind nicht ſchon 
aufgetreten mit der Bekanntgabe einer neuen Bienenwohnung, und 
immer noch haben die Leute ſich enttäuſcht wieder abgewendet, die 
ihnen Anfangs Vertrauen entgegengebracht hatten. 

Man ſagte mir daher auch: „Ja, die Ideen des Simplismus, 
die Sie da entwickeln, ſind wohl recht ſchön, und in der Theorie auch 
ganz einleuchtend; aber wie ſtellt ſich die Sache in der Praxis bei 
uns in Deutſchland? Iſt nicht das Rähmchenmaaß für den Brutraum 
mit 33 K 33 cm im Lichten zu groß gewählt? Iſt nicht der Brutraum 
ſelbſt mit 14 bis 18 ſolcher Waben zu geräumig für unſere Verhält- 
niſſe? Wird es angehen, in Deutſchland, das ſo viel kälter iſt als 
Frankreich, wo Sylviac wohnt, alle Waben über Winter im Brutraum 
zu belaſſen? Wird nicht bei uns, mit unſern mageren Honigtrachten, 
aller Honig im Brutraum verbleiben, anſtatt in die Aufſätze getragen 
zu werden, und müßte daher nicht der Brutraum kleiner ſein, damit 
deſto mehr Honig nach oben kommt? Und dann, wird es möglich 
ſein, auch bei uns in Deutſchland den Honig in Einpfundwaben 
zu gewinnen, ohne eine beträchtliche Minderernte gegenüber dem 
Schleuderhonig, und endlich, was allen Ihren unbewieſenen Behaup⸗ 
tungen die Krone aufſetzt, können wir ſogar in den Honigräumen die 
Bienen an bloßen Anfängen bauen laſſen, ohne am Ertrag eine 
Einbuße zu erleiden, da doch ſelbſt die Amerikaner ihre Sections 
mit Kunſtwaben ausſtatten und dennoch eine Minderernte von ½ 
gegenüber dem Schleuderhonig conſtatiren? 

Demgegenüber ſei zunächſt darauf hingewieſen, daß das Departe - 
ment der Meuſe, wo Herr de Villeneuve lebt, noch vor 150 Jahren 
ein von Frankreich unabhängiger Staat war, und mit dem jetzigen 
deutſchen Lothringen das Herzogtum Lothringen bildete, mit Nancy 
als Hauptſtadt. Es iſt daher nicht ganz richtig, das ehemalige 
Herzogtum Lothringen in jeder Beziehung dem übrigen Frankreich 
gleich zu ſtellen. Die Nähe der Ardennen übt einen unverkennbaren 
klimatiſchen Einfluß aus, und muß das Klima von Sauvoy noch als 
beſonders rauh bezeichnet werden. Sauvoy, 6 km im Norden von 
Bar-le-duc, iſt durch ſeine Lage in einem von N. W. nach 8. O. 
ſtreichenden Tale klimatiſch jo ungünſtig geftellt, wie etwa Johann⸗ 
Georgenſtadt, das fog. Sächſiſche Sibirien, zu dem übrigen Sachſen. 


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Folgendes find die kälteſten und die heißeſten Temperaturen, 
ſowie die Monatsmittel (in Celſius) für Sauvoy: 


min. max. Mittel 
1905 Januar — 20,0 + 7,0 — 65 
1906 5 — 200 +100 — 5,0 
1905 Februar — 12,5 +100 — 15 
1906 — 15,5 +125 — 20 
1905 März — 75 +200 + 60 
1906 „ — 12,5 +200 + 4,0 
1905 April — 11,0 +230 + 60 
1906 „ — 9,5 +240 + 60 
1905 Mai — 60 +330 +135 
1906 „ — 40 +295 +130 
1905 Juni + 3,5 +810 +17,0 
1906 „ =v +345 +165 
1905 Juli +40 7350 4195 
1906 „ — 20 +345 +160 
1905 Auguſt +20 +8335 +180 
1906 „ — 05 +360 4175 
1905 September — 3,5 -+31,0 +135 
1906 ‘ — 65 +350 1145 
1905 Oktober — 110 77 140 + 15 
1906 N — 3,0 +230 -+10,0 
1905 November — 14,0 + 13,0 — 0,5 
1906 1 — 10,5 +180 + 2,0 
1905 Dezember — 10,5 + 10,5 0 
1906 f — 26,0 +80 — 90 


Man beachte bei dieſen Ziffern, daß von 24 Monaten nur drei 
ohne Nachtfröſte waren! Die Tagestemperaturen ſind in Sauvoy 
in allen Monaten höher als bei mir in Wünsdorf, aber gerade 
hierdurch werden dortſelbſt die rieſigen Extreme zwiſchen Nacht- und 
Tagestemperaturen hervorgerufen, während hier dieſe Spannung 
geringer iſt, alſo eine größere Gleichmäßigkeit herrſcht. Was dies in 
der Bienenzucht zu bedeuten hat, iſt noch lange nicht genug gewürdigt 
worden. Dieſe tiefen Temperaturen nötigten Herrn de Villeneuve 
geradezu, Brutraum und Aufſätze nach Möglichkeit warmhaltig aus⸗ 
zuſtatten. Herr de Villeneuve bemerkt daher mit Recht zu obiger 
Tabelle: „So kurz und unzulänglich dieſe Angaben auch ſind, ſie 
beweiſen, daß die Monate März und April, welche ſo mächtig auf 
die Entwickelung der Bienenvölker einwirken, in Wünsdorf wärmer 
und regelmäßiger ſind als in Sauvoy. Es iſt daher nicht überraſchend, 
daß in Wünsdorf die Schwärme mehrere Tage früher erſcheinen. 
Bezüglich der Behauptung, daß mein Syſtem ſich wohl für das ſchöne 
Weinland Frankreich eigne, daß es aber für das viel kältere Deutſch⸗ 
land nicht paſſe, iſt gerade das Gegenteil richtig. Der Simplismus 
iſt entſtanden in einer Gegend, deren Jahresdurchſchnittstemperatur 
um 2 Grad niedriger iſt als die der Umgegend von Berlin. 

„Der Bienenſtand in Sauvoy liegt in einem 500 bis 600 Meter 
breiten Tale, das von kleinen, 40 bis 50 Meter hohen Hügeln 
gebildet wird; die Abhänge derſelben ſind bewaldet, und die Höhen 
ſelbſt teils bewaldet, teils feldmäßig beſtellt. Der Boden iſt durchweg 
kalkig, ohne Lehm, wenig tiefgründig und wenig fruchtbar. In 
manchen Jahren wuchert dort der gelbe Steinklee (Melilot) in großen 


— 23 — 


Mengen auf den Ackern und iſt dann die Quelle einer ſehr ergiebigen 
Honigernte. Das ſchmale Tal, wo Sauvoy eingebettet liegt, beſteht 
aus Wieſengründen, wo ſehr viel Kleegrasgemenge zu finden iſt. 
Sowie dieſe Wieſen gemäht werden, iſt die Tracht für das ganze Jahr 
wie abgeſchnitten. Es iſt alſo eine reine Frühtrachtgegend, da es 
dort auch nur wenig Kaſtanien und Linden giebt.“ 

Wünsdorf dagegen liegt in einer nur ganz leicht gewellten 
flachen Gegend, 40 km ſüdlich von Berlin, in einer teils ſandigen, 
teils moraſtigen Gemarkung, ohne jeden Kalkgehalt. Das Dorf ift 
umgeben von Wäldern, Wieſen und Seen. Aber der Wald iſt arm⸗ 
ſeliger Kiefernwald ohne Unterholz, ohne Beerenfrüchte, ohne Farren⸗ 
kraut, arme Bauernhaide, von der alljährlich die Streu abgeharkt 
wird. Die Wieſen liegen im 8. des Dorfes zwiſchen und an den: 
Seen; ſie enthalten mehr ſaure als ſüße Gräſer. Ein Teil iſt zu 
Feld niedergelegt und wird mit Rüben, Hafer und Gerſte beſtellt. Die 
Wieſen bieten im Verein mit etwa 100 Akazien eine wertvolle 
Frühtracht, nachdem die Entwickelung der Völker durch den Pollen 
der Weiden und Schwarzpappeln und den Nektar der Obſtbäume 
und Beerenſträucher ſoweit gefördert iſt, als es die Temperatur im Früh⸗ 
jahr eben geſtattet. Der Acker iſt ſandig und wird mit Roggen, Kar⸗ 
toffeln und Lupinen beſtellt. Serradella bietet einige Nachtracht, ebenſo 
die Ackerwinde, während Kornblume und Hederich ſich nur wenig findet. 
Durch die Wieſen zieht ſich eine Chauſſee mit herrlichen jungen Linden dahin. 

Wenn nun der geneigte Leſer ſeine Gegend mit der von Sauvoy 
und von Wünsdorf vergleicht, ſo kann er ſich ganz gut ſagen, ob das, 
was in Wünsdorf möglich geweſen iſt, auch bei ihm möglich ſein 
wird, juſt ſo, wie mir Herr de Villeneuve 1905 ſchrieb: „Was in 
meiner Gegend möglich geweſen, muß auch in der Ihren möglich ſein.“ 

Die Jahre 1907 und 1908 werden mir daher immer denkwürdig 
bleiben, denn da habe ich die Probe auf das Exempel gemacht. Ich 
habe die Theorie meines Freundes von den Bienen in die Praxis um- 
ſetzen laſſen, und ſiehe — es hat geklappt. 


* *. 
* 

In den Jahren 1905 und 1906 hatte ich mehrfache Verſuche 
angeſtellt die Grundſätze des Simplismus auf unſere deutſchen Bienen⸗ 
käſten zu übertragen, aber der Erfolg blieb weit hinter meinen Er⸗ 
wartungen zurück. Es gehört nicht nur ein ſtarkes Volk, ſondern auch 
eine ſtarke Tracht dazu, um die Bienen zu bewegen, in den deutſchen 
Normalhalbrähmchen an Anfängen zu bauen. Ich kann deshalb nur 
vor ſolchen Verſuchen warnen. Herr de Villeneuve ſandte mir daher 
1906 einen Kaſten, der aber nur einfachwandig und nur mit 9 Brut⸗ 
rähmchen 33 433 cm ausgeſtattet war. Er betonte ausdrücklich, daß 
ſolche kleine und einfachwandige Beuten nur einen geringeren Ertrag 
gegenüber den großen, doppelwandigen liefern könnten, daß ich aber 
daran nicht nur das Syſtem der Clavetten und Aufſätze ſtudieren 
könne, ſondern auch den Ertrag in meiner milderen Gegend damit 
vergleichen ſolle. Er fügte noch zwei Aufſätze für einfache und 
doppelte Sections bei, ferner 100 neue Sektionsrähmchen, Veranda, 


Pe ee 


Futterapparat und alles was fonft dazu gehört — ein Geſchenk, das 
ich dankbar annahm, das ich ihm aber auch zu vergelten ſuchte, indem 
ich 10 Käſten danach bauen ließ, aber doppelwandig und zu je 
14 Bruträhmchen, und auch mit Enveloppe um die Honigaufſätze, ſo 
wie wir es in unſerem Briefwechſel hierüber feſtſtellten. 

Der erſte Schwarm, der Anfang 1907 auf meinem Stande fiel, 
wurde in die Sylviac-Originalbeute (die ich fortab den blauen Kaſten 
nennen werde) eingebracht. Er wog 1 Kg. Zum Einbringen be⸗ 
nutzte ich einen der beiden Aufſätze, denjenigen zu Doppelſektions. 
Dieſes ſind niedrige lange Honigrähmchen zu je 2 Pfund. Der leere 
Aufſatz wurde auf den Kaſten geſetzt, nachdem alle Clavetten heraus⸗ 
genommen waren, die Bienen aus dem Fangkorb hineingeſtoßen und 
die Blechtafel darüber gedeckt. Das Flugloch ließ ich zwar offen, 
öffnete aber das Fenſter, um Licht in den Brutraum fallen zu laſſen 
und erwartete mit Spannung das Hinunterſteigen des Schwarms 
durch die Oeffnungen. Aber eine geraume Weile verging und der 
Brutraum blieb leer. Ich hob die Blechtafel empor und ſah, daß 
die Bienen ſich in dem leeren Aufſatz an allen vier Wänden an⸗ 
geklammert hatten — dasſelbe Schauſpiel, das man nach Einfangen 
eines Schwarms auch im Korbe erblicken kann. Ich gab nun ein 
bischen Rauch und wiſchte die Bienen mit einem naſſen Gänſeflügel 
nach unten. Sobald erſt ein Teil unten war, ging alles von ſelbſt 
hinunter und ich konnte gemächlich die Clavetten wieder einſetzen. 
Dann packte ich den Aufſatz mit Watte und Zeitungspapier voll, legte 
den Deckel wieder auf und ſchloß das Fenſter. 

Herr de Villeneuve empfiehlt für ſolche Fälle Maſchendraht 
über den Aufſatz zu ſpannen und Rauch hindurch zu geben. 

In der Folge habe ich noch 7 Sylviackäſten bevölkert, und 
zwar ſtets in derſelben Weiſe, daß die Bienen, ſobald ſie im Fang⸗ 
korb ihre Traube gebildet hatten, in einen leeren Aufſatz ge— 
ſtoßen und dann mit dem Blech zugedeckt wurden. Da ich dann 
meiſtens noch zu Rauch und Gänſeflügel greifen mußte, ſo halte ich 
für beſſer, den Aufſatz mit einem Maſchendrahtrahmen zu bedecken 
und auch das Flugloch zu verengern, wenn nicht ganz zu verſchleißen. 

Am andern Tage konnte ich beim Schwarm im blauen Kaſten 
denn auch beobachten, daß die Bienen in den oberen Compartimenten 
11X33 cm bauten, und zwar füllte der Schwarm 6 oder 7 Com- 
partimente an. Als alle 9 fertig waren, begann der Bau der unteren 
Compartimente 22X33 em. Doch halten ſich die Bienen nicht immer, 
wie ich glaubte, an dieſen Vorgang, ſondern ſteigen in den Käſten mit 
14 Rähmchen ſchon nach unten, wenn oben noch 5 oder 6 Comparti- 
mente auszubauen wären. 

Meine Schwärme wogen 3150, 3650, 2500, 2000 gr. Unter 
1750 gr. bin ich nicht gekommen, ſondern habe ſchwächere Schwärme 
lieber in Körbe geworfen. Der Grund iſt nicht darin zu ſuchen, daß 
ſchwächere nicht auch in den Sylviac's u entwickeln könnten. Sie 
können es ganz gut und es brauchen durchaus nicht zwei oder drei 
zuſammengeworfen werden, wie behauptet worden iſt. Der ganze Bienen- 
ſtand in Sauvoy iſt durchſchnittlich aus Schwärmen von 600 bis 1500 gr 


a 


hervorgegangen. Aber bei Verſuchen will man doch fo ſchnell wie möglich 
vorwärts kommen, d. h. die Bienen in den Aufſätzen bauen ſehen. 

„Schwärme von 3150 gr und darüber bieten ſelbſt in dem ge⸗ 
räumigen Brutueſt meiner Bienenkäſten Sylviac einen imponierenden 
Aublick mit der ſchwarzen Maſſe Bienen, die in dem Raume hängt. 
Wie wenig es nötig iſt, ſolchen Schwärmen mit ganzem Bau zu Hilfe 
zu kommen, wie man mir ſo oft vorgeſchlagen hat, habe ich hier zu 
ſehen Gelegenheit gehabt. Bei meinem Imkerfreunde W. Wörner in 
Gau⸗Köngerhein, Rheinheſſen, war ein Schwarm von 4 Kilo nach 
8 Tagen faſt ans Fenſter gerückt. Ich ſage an und für ſich nichts 
gegen das Umlogieren von Brutwaben aus einem abgetrommelten 
Korb in einen Sylviackaſten. Wem es aber darum zu tun iſt, erſt 
einmal den ganzen Gang der Entwicklung zum mächtigen und leiſtungs⸗ 
fähigen Volke beobachtend zu verfolgen, der gebe nur Anfänge. 
Zwiſchen ausgebauten Waben dagegen verſchwinden 3—4 Kilo Bienen 
noch vollſtändig und dem Beobachter ſcheint es dann, als ſtocke das ganze 
Leben des Volkes. Er ſieht hinten nur leere Waben und vermag 
ſich für ein paar Wochen nicht recht für den Schwarm zu intereſſieren. 

Meinen Schwarm im blauen Kaſten habe ich denſelben Sommer 
1907 recht oft gefüttert, weil dies ſo bequem war. Ich brauchte nur 
den Deckel vom Aufſatz abzunehmen, die Watte emporzuheben und 
durch die Maſchen des Futterapparates Syrup einzugießen. Auch der 
Schwarm von 3150 gr (Nr. 1) erhielt ab und zu ein Futter. Hier ſtand 
der⸗FJutterapparat innerhalb der Enveloppe und brauchte ich nur die 
Tür derſelben zu öffnen oder aber das Dach nach vorwärts zu ſchieben, 
um mittels einer Weinflaſche den Syrup einzugießen. Der Schwarm 
von 3650 gr erhielt dieſen Sommer kein Futter, da ich von oben her 
verdeckelte Zellen im Brutraum bemerkte. Ebenſo fütterte ich von 
den andern fünf Schwärmen nur einen; ſie bauten trotzdem 5—9 Waben 
vollſtändig aus. Ich finde es entſchieden bemerkenswert, daß die 
Schwärme je nach ihrer Stärke mehrere Waben vollſtändig her⸗ 
unter bauen und die anderen Rähmchen für dies Jahr unbeachtet 
laſſen. In dieſem Umſtande ſehe ich einen gewichtigen Grund dafür, 
möglichſt ſtarke Schwärme zu verwenden, denn Nr. 1 baute alle 14 
Waben aus, Nr. 2 immerhin 12 Waben und die anderen im Ver⸗ 
hältnis. Je früher aber das Neſt ausgebaut iſt, um ſo eher kann 
man natürlich die Aufſätze geben (ſchon bei 12 Waben) und um ſo 
weniger Koſten hat man bezüglich Fütterung. Es iſt alſo ein reeller 
Vorteil, ſtarke Schwärme aufzuſtellen. . 

Leider mußte ich am 25. Auguſt 1907 Wünsdorf anf mehrere 
Monate verlaſſen und konnte erſt am 1. Februar 1908 zurückkehren. 
Der Herbſt war bis zum November milde und ſonnig geweſen und 
veranlaßte die Bienen zu ſteten Ausflügen. Herr de Villeneuve dagegen 
meldete Ruhe von ſeinem Bienenſtand, obgleich das Wetter in Sauvoy 
gleicherweiſe herrlich war. Die Urſache iſt wohl in der Verſchiedenheit 
der Bienenraſſen zu ſuchen. In Sauvoy lebt die alte einheimiſche 
ſchwarze Raſſe, die von Generation zu Generation ſich dort rein fort⸗ 
gepflanzt hat. Dieſe einheimiſche Bienenart iſt derjenigen ganz gleich, 
die der Redakteur Roth in ſeinem Blatte: „Die. Biene und ihre 


udt” im Septemberheft 1908 wie folgt lobt: „Die ſchwarzen Bienen 
1 ſchon 0 Juli das Brüten beizeiten eingeſchränkt und dadurch 
die knappen Vorräte geſpart. Dieſe haushälteriſche Eigenſchaft wird 
ihnen weitere Freunde zuführen.“ ; 

Dieſes Lob der ſchwarzen Biene kann Herr de Villeneuve auch 
für ſich in Anſpruch nehmen. Ich dagegen habe durch den Import 
von Staliener- und Banater⸗Schwärmen in den Jahren 1905 und 1906 
eine brütluſtigere Raſſe erhalten, die darum, weil ſie ſich der hieſigen 
Gegend, d. h. Klima und Tracht, uoch nicht völlig angepaßt hat, mit 
der Natur ihrer neuen Heimat noch nicht gleichen Schritt hält und 
nicht halten mag, da das ſüdliche Blut zu mächtig treibt. Die Brüt⸗ 
luſt bleibt alſo in dieſen Raſſen und ihren Kreuzungen länger lebendig, 
die einheimiſche ſchwarze Biene dagegen ſteht mit der deutſchen Natur 
in innigſten Zuſammenhang, ſie fühlt ihren Pulsſchlag und ſchafft ſich 
frühe ihr Winterlager und läßt ſich auch im heißen Juli dort wo die 
Natur keinen Honig mehr ſpendet zu keinen neuen großen Brutein⸗ 
ſchlägen mehr reizen. Ein Zeichen der beginnenden Winterruhe iſt 
ohne Zweifel das Abtreiben der Drohnen, das in Sauvoy ſchon Mitte 
Juli erfolgt, ſelbſt wenn ſich die Temperatur auf 34° C ſtellt. 

Die Folgen der warmen Herbſtwitterung waren für meinen 
Bienenſtand höchſt verderblich, denn als ich im Februar 1908 nach 
Wünsdorf zurückkehrte, waren von 33 Völkern und Schwärmen nur 
noch 12 am Leben. Von 8 Schwärmen in Sylviackäſten behielt ich 
nur 3, nämlich den blauen Kaſten, Nr. 1 von 3150 gr und Nr. 2 
vou 3650 gr Gewicht. Ich mußte nun natürlich die Ueberlebenden 
füttern. Ich hätte ſchon im Auguſt reichlich füttern ſollen. Daß ich 
es unterlaſſen, hatte ich nun ſo ſchmerzlich zu büßen. 

Die Brutneſter der fünf eingegangenen Schwärme in den Sylviacs 
wurden durchgeſehen. Nur ein Kaſten wies wirklich viel Drohnenbau 
auf; in zwei Käſten fand ich Weiſelzellen vor. Die oberen Compartimente 
11X33 waren faſt alle ſehr regelmäßig ausgebaut und hörten 8 mm 
vor der Verſtärkungsleiſte auf. Die Bienen konntendieſe 8 mm Zwiſchen⸗ 
raum benutzen als Durchgang von einer Wabe zur anderen und auf 
dieſe Weiſe dem Honig bequem nachrücken, ohne erſt die bekannten häßlichen 
Durchgangslöcher bohren zu müſſen, welche die Waben ſo verunſtalten. 
Ich fütterte meine drei Schwärme von Februar bis Mai, aber 
im Ganzen nur mäßig. Sowie der erſte Pollen und der erſte Nektar 
ſich zeigte, erſtarkten die Völker ſichtlich. Schon am 27. April hatte 
ich dem blauen Kaſten den erſten Aufſatz gegeben. Am 20 Mai er⸗ 
hielt Nr. 1 gleichfalls einen Aufſatz mit 24 tadelloſen franzöſiſchen 
Sektions gefüllt, die ſelbſtredend alle nur mit 8 mm breiten Anfangs⸗ 
ſtreifen verſehen worden waren. 

Die Aufſätze ſind aus vier Brettern, davon drei 116 mm breit, 
zuſammengenagelt; das hintere Brett iſt nur 114 mm breit, 
um unten den Spalt für das Abſperrblech frei zu laſſen. Dies 
hintere Brett hat einen Ausſchnitt, das Fenſter, welches ich innen mit 
Maſchendraht benagelte. Das ausgeſchnittene Brettchen paßt in die 
Oeffnung und dient als Tür, zum Einſetzen und Ausnehmen. Nach 
Wegnahme konnte ich durch die Drahtmaſchen die Bienen bei ihrer 


Arbeit in den Sections beobachten. Nur muß man ſich hüten, dies 
Türbrettchen zu dicht anzuſchieben, weil die Bienen es ſonſt feſt an den 
Maſchendraht ankleben und danach alle Maſchen zu verkleben ſuchen, 
ſo daß man um den Einblick kommt. Auch ſonſt erkenne ich es an, 
daß ich einen Fehler begangen habe, Maſchendraht ſtatt Fenſterglas 
zu verwenden. Am Fenſter entſtand Zug und infolgedeſſen wurden 
die dort befindlichen Sections teilweiſe mangelhaft ausgebaut, teil⸗ 
weiſe mangelhaft gefüllt und überhaupt mangelhaft verdeckelt. Der 
Raum zwiſchen Maſchendraht und Tür hat noch den Nachteil, daß ſich 
hier die Wachsmotten einniſten können, ohne daß die Bienen ſich 
wehren können. Ich rate alſo von Maſchendraht ab. 

In jedem Aufſatz meiner vierzehnrähmigen Käſten find, wie ge- 
ſagt 24 Sektions, und zwar in zwei Reihen von je 12 Sections; bei 
15 Brutrahmen ziehe ich aber doch 28 Sections für jeden Aufſatz vor. 
Es beſteht für mich nämlich kein Zweifel mehr darüber, daß man um 
ſo mehr fertig ausgebaute Einpfundrähmchen erzielt, je mehr Sections 
ſich in einem Aufſatz befinden und hat Herr de Villeneuve daher bei 
ſeinen achtzehnrähmigen Käſten in jedem Aufſatz nicht weniger als 
32 Sections und dennoch iſt dies den Bienen nicht zu viel. Er ſchrieb 
mir darüber: „Je mehr Sections der erſte Aufſatz enthält, um ſo 
größer iſt die Ausſicht, dieſelben auch ausgebaut zu ſehen und daß ſie 
ihre prächtige weiße Farbe behalten. Es iſt die Erfahrung von zehn 
Jahren, die mich dies hat erkennen laſſen. Verſuchen Sie es nur 
einmal mit kleineren Aufſätzen und dafür in größerer Zahl aufein— 
ander und ich ſage Ihnen gleich eine Verminderung des Honigertrages 
voraus. Ein Aufſatz mit 32 Sections iſt keineswegs zu lang, denn 
die Bienen zirkulieren auf den letzten Sections, die über Honigwaben 
im Brutraum ſtehen, genau ebenſo zahlreich wie auf den vorderſten 
oder denen in der Mitte und ich bin überzeugt, daß dies bei allen 
Bienenkäſten ſo ſein wird, die nach meiner Vorſchrift angefertigt und 
nicht einfachwandig, auch nicht ohne Enveloppe find.“ 

Da die Sections an allen vier Teilen rechts und links aus⸗ 
geſchnitten ſind, ſo können die Bienen durch vier Ausſchnitte, alſo von 
allen Seiten, von oben, von unten, von rechts und von links zu jeder 
Section gelangen; zudem bilden 12 bis 16 Sections einen viereckigen 
wagerechten Raum von 16 em Breite, 11 em Höhe und 42 bis 
56 em Länge. Man ſieht alſo, bei zwei Reihen in einem Aufſatz, 
durch das Fenſter in zwei ſolche Hohlräume hinein und kann be⸗ 
obachten, wie die Bienen durch die Oeffnungen der Deckbrettchen in 
die Sections gelangen, wie ſie erſt vereinzelt darin herumſpazieren 
und die Einrichtung zu prüfen ſcheinen, bis ſie an einem ſchönen Tage 
plötzlich zu Tauſenden darin hängen und als ein kleiner länglich ge⸗ 
ſtreckter Schwarm mit zauberhafter Schnelle zu bauen beginnen. Hier⸗ 
durch erkennt man die Ueberlegenheit ſolcher Sectionsreihen gegenüber 
den Halbetagen der Honigräume unferer deutſchen Käſten, die für eine 
ſo frühe Jahreszeit (April— Mai) noch zu hoch und daher zu kalt ſind, 
auch keine ſolche impoſante Maſſe Baubienen nach oben ſenden können. 
Man erkennt aber auch, welche ausſchlaggebende Bedeutung die warm⸗ 
haltige Verpackung beſitzt: Alſo um die Aufſätze eine Enveloppe und 


ean OS a 


in der Enveloppe wieder warmhaltiges Material (Holzwolle, Watte, 
Papier, Lumpen) dicht um die Aufſätze geſtopft. Man erkennt aber 
auch drittens, daß, je länger und breiter die Aufſätze find, um, ſo mehr 
Bienen hineingehen können und um ſo beſſer die Wärme der bauenden 
Bienentraube ausgenutzt wird. Es leuchtet daher ein, wie ſehr die 
16 cm breiten franzöſiſchen Sections den nur 11—12 em breiten, aber 
dickeren amerikaniſchen Sektions überlegen ſein müſſen. 

Die Sektions müſſen erſt zuſammengefaltet werden, da der 
Fabrikant, Albert Mathien in Chateaurour (Indre) fie, wie üblich, in 
Streifen ausgebreitet verſendet. Jeder Sectionsſtreifen iſt auf der 
inneren Seite mit drei Einſchnitten verſehen. Zum Zuſammenfalten 
der Enden iſt der Gebrauch von heißem Waſſer unbedingt erforderlich. 
Man nimmt jeweils die Hälfte der Sections eines Aufſatzes vor und 
feuchtet zuerſt bei allen die Einſchnitte auf der inneren Seite mit 
kochend heißem Waſſer an. Danach geſchieht dasſelbe auf der anderen 
Seite. Nun ergreift man wieder den erſten Streifen und biegt die 
Kanten vorſichtig um, die Schnitte nach innen, und zwar unter Ein⸗ 
tauchen in das kochend heiße Waſſer. Hierdurch allein wird ein Bruch 
vermieden. Hat man alle drei Kanten rechtwinklig umgebogen, ſo fügt 
man die beiden gezahnten Enden zuſammen. Sofort nachdem ein Rähmchen 
zuſammengeſtellt iſt wird es in den Aufſatz geſteckt, umdarin zu erkalten 
und ſeine gehörige Form bleibend zu behalten. Wenige Stunden ſpäter 
kann man mit dem Ankleben der Anfänge aus Kunſtwaben beginnen. 

Derart wird Aufſatz nach Aufſatz, mit Sections ausgeſtattet, 
aufeinander getürmt, um ſpäter verwendet zu werden, und iſt dies eine 
hübſche Arbeit für Mann und Frau an langen Winterabenden, ge- 
eignet die Langeweile zu vertreiben und die Herzen mit der Hoffnung 
auf ein geſegnetes Honigjahr zu erfüllen. Es empfiehlt ſich ferner 
den Aufſätzen Nummern zu geben, weil man dann bei der Ernte, die 
anch im Ganzen erfolgen kann, feſtzuſtellen vermag, welche Völker 
die beſten Sections hergeſtellt haben, welche Farbe die Verdeckelung 
hat und wieviel oder wenig Verkittung fie verwendet haben — Um- 
ſtände, die nach der individuellen Beſchaffenheit der Bienenvölker verſchieden 
ſind. So beſtätigen auch die Amerikaner ſchon längſt die Beobachtung 
Herrn de Villeneuve's, daß unſere ſchwarzen einheimiſchen Bienen die 
weißeſten Verdeckelungen liefern — eine Beobachtung, welche wir auch 
an den Haidhonigſcheiben, die ſo teuer bezalt werden, feſtſtellen können. 

Meine Bienen ließen ſich indeſſen Zeit, in die Aufſätze zu gehen. 
Der Urſachen davon waren mehrere. Erſtens waren ſie alte Schwärme 
vom vorigen Jahr und zweitens war dasſelbe ſo ſchlecht geweſen, daß von 
einem Honigvorrat im darauffolgenden Frühjahr (1908) keine Rede 
ſein konnte. Bei dem blauen Kaſten kam noch hinzu, daß die einfach⸗ 
wandigen Aufſätze ohne Enveloppe im Mai noch zu kalt zum bauen 
waren. Plötzlich — es war Mitte Juni und mitten in der Akazien⸗ 
blüte — wurde friſcher Nektar auf der hinterſten Brutwabe von Nr. 1 
ſichtbar und zu gleicher Zeit wurde oben der Aufſatz ſchwarz von 
Bienen. Eine freudige Bewegung bemächtigte ſich meiner: das Volk 
hatte von dem Aufſatze Beſitz genommen, es ſing an darin zu bauen. 
In dieſem, der von einer Enveloppe und einer Maſſe Zeitungspapier 


— 99 — 


wärmend umgeben war, gab es kein Zögern, gab es keine Rückſchläge, 
keinen Rückzug in kalten Nächten wie im blauen Kaſten, dai rai 
rückte der Bau nach dem Fenſter vor. Die beiden Endſektionen 
hier ſchienen allerdings nicht fertig werden zu wollen. Die Urſachen 
habe ich oben angegeben. Ich wartete mehrere Tage, es fand hier 
Ablagerung von Nektar ſtatt, aber die Sektions blieben nur halb aus⸗ 
gebaut. Ich hatte noch ein paar Aufſätze bereit, ſie warteten nur auf 
die Verwendung. So kam der 18. Juni heran; da hielt es mich nicht 
länger. Ich nahm von Nr. 1. das Dach ab und lüftete den Bled: 
deckel. Ah — welche Ueberraſchung für mich, als ich durch die Gin- 
ſchnitte der Sectionen die paraffinweißen Wäbchen ſchimmern ſah, die 
zum größten Teil verdeckelt waren. Getreu der Anweiſung de Ville- 
neuve’s wurde nun der zweite Aufſatz auf den erſten geſtellt, nicht 
etwa darunter, wie ſonſt bei uns in Deutſchland üblich. Dann legte 
ich das Blech darüber, ſtülpte die Enveloppe wieder über, legte die 
Verpackung wieder ein und ſetzte das Dach wieder auf. Mein Werk 
war getan, ohne daß eine Biene ſich aufgeregt hätte und ohne daß ich 
vom Rauch hätte Gebrauch machen müſſen. 


Schon am 24. Juni bauten die Bienen im zweiten Aufſatz, genau 
wie vorher den erſten aufüllend als zwei längliche Schwarmkörper. Am 
28. war dieſer Aufſatz ebenfalls ausgebaut und wieder waren es die 
zwei letzten Sektions am Drahtfenſter, die unbollendet und unver— 
deckelt blieben. Vom 1. Juli ab ſah ich täglich nach; ich hatte ge— 
hofft, daß wenigſtens im erſten Aufſatz die letzten Sections verdeckelt 
wurden. Das war aber ebenſowenig der Fall und am 5. Juli be⸗ 
ſchloß ich eine erneute Reviſion. Diesmal begleitete mich meine Gattin. 
Ich nahm abermals Dach, Zeitungspapier und Enveloppe ab und hatte 
nunmehr die beiden Aufſätze nackt vor mir. Ich machte hiervon eine 
photographiſche Aufnahme (Nr. 2 meiner Serie) und lüftete dann den 
Blechdeckel. Lauter verdeckelte paraffinweiße Waben lachten mir ent⸗ 
gegen. Es war mir eine innige Genugtuung, das erfreute, überraſchte 
Geſicht meiner Gattin zu ſehen; mittelſt eines Meißels hob ich den 
oberen Aufſatz ab, ſtellte ihn auf einen Schemel, legte den Blechdeckel 
auf den unteren Aufſatz und ſchloß den Kaſten wieder wie das erſte 
Mal. Den abgenommenen Honigraum aber, deſſen Bruttogewicht 
über die 15 Kilo hinausging, welche die Tafelwage höchſtens auf⸗ 
wies, brachte ich in einen dunklen Raum. Dort löſte ich die Sections 
aus den noch weichen Verkittungen, kehrte die noch daran haftenden 
Bienen ab und ſtellte fie in kleine Transport- und Aufbewahrungs⸗ 
kiſten für je 12 Sections. Binnen wenigen Tagen hatte ich alle 
Sections an die Sommergäſte verkauft. Ich war noch beſcheiden, als 
ich nur 1 Mark pro Stück forderte. Nachdem ich einige Tage ſpäter 
auch den erſten Aufſatz abgenommen, kam mir der Gedanke ein 
Kiſtchen nach Berlin zu einem Honighändler zu bringen und muß 
ich fagen, daß ich von demſelben mit großer Freude empfangen wurde. 
Der Preis von 1 Mark pro Stück wurde mir auſtandslos bewilligt. 
Im Geſpräch mit großen Delikateſſenhändlern, die auch Honig führten, 
überzeugte ich mich nachher, daß ſie alle 1 Mark ohne weiteres be⸗ 
willigen würden, und daß die Nachfrage nach Sections a 1 Pfund in 


— 30 — 


Berlin faſt unerſchöpflich iſt. Es iſt alfo hierdurch meinen Imker⸗ 
kollegen ene eden, auch Sectionshonig, wenn ſie ſolchen 
zu erzeugen beabſichtigen, ohne alle Umſtände direkt an Zwiſchen⸗ 
händler abzuſetzen, ohne noch ferner auf ihre Privatkundſchaft an⸗ 
gewieſen zu ſein. Von jenem denkwürdigen Tage ab habe ich alle 
Verſuche eingeſtellt, meinen Sectionshonig an Private und Sommer⸗ 
gäſte abzusetzen und jeden Verſuch, mich im Preiſe zu drücken, habe 
ich kalt lächelnd mit der Bemerkung abgelehnt, daß ich nicht auf den 
Verkauf im Hauſe angewieſen ſei. 2 

Dem Kaſten Nr. 1 gab ich nachher noch einen dritten Aufſatz. 

Dem blauen Kaſten entnahm ich im ganzen 12 gefüllte und 
verdeckelte Sections. Auch er baute einen zweiten Aufſatz teil⸗ 
weiſe aus. 5 ae 

Kaſten Nr. 2 erhielt nacheinander zwei Aufſätze. Hier iſt be⸗ 
merkenswert, daß das Volk im Vorjahre nur 12 Brutwaben ausgebaut 
hatte. Im Sommer 1908 baute es die dreizehnte aus und daneben 
2 Aufſätze 4 24 Sections. Den Aufſätzen entnahm ich 16 Sections, 
wovon ich drei wieder zurückgab. 

So hatte ich im Ganzen 66 Sections geerntet, davon 42 von 
Nr. 1, und noch fünf zurückgeſtellt.. Ausgebaut aber waren alle 
100 Sectionsrähmchen, die ich beſaß, dazu eine Anzahl Doppelſections 
(à 2 Pfund), zu denen ich in der Not gegriffen hatte. 

Erwähnen muß ich noch, daß das Jahr 1908 für meine Gegend 
noch lange kein beſonders gutes war, denn zwei Schwärme von je 
1250 gr bauten nur, der eine 8, der andere 4 Brutwaben, und beide 
mußten gefüttert werden. Die Tracht aus der Linde war nur knapp. 
Hätte ich im Juli noch gute Tracht gehabt, ſo würde ich noch mindeſtens 
20 Sections pro Volk mehr geerntet haben, ebenſo wenn das Jahr 
1907 die Bruträume ſchon gefüllt gehabt hätte. Es iſt wenigſtens 
aber hierdurch bewieſen, daß man nicht ſchlecht fährt bei einer Methode, 
welche das Hauptgewicht darauf legt, den Bienen ein zweckmäßiges 
Heim zu geben und ſie darin ſich naturgemäß entwickeln zu laſſen. 

Es iſt alſo bewieſen: . 

1. daß das Rähmchenmaß 33X33 nicht zu groß iſt, 
daß der Brutraum mit 14 Waben nicht zu geräumig iſt, 
daß wir alle Waben über Winter im Brutraum belaſſen können, 
. daß keineswegs, ſelbſt bei mittelmäßiger Tracht, aller Honig 

im Brutraum verbleibt, ſondern auch nach oben getragen wird, 
bevor der Brutraum vollſtändig ausgebaut iſt, 

5. daß es auch bei uns möglich iſt, Honig in Sections zu 

gewinnen ohne Minderernte gegenüber dem Schleuderhonig 
und endlich, 55 i 
6. daß wir die Bienen in dieſen Sections auch an bloßen An⸗ 
fängen bauen laſſen können, da ſie ſtets im Vorrat bauen und 
mehr Sections bauen, als ſie Honig eintragen können. 

Es möge deshalb ein jeder, der von der Mobilbienenzucht nicht 
befriedigt worden iſt, einmal einen Verſuch mit dem Simplismus und 
den Bienenkäſten Sylviac machen. Er wird ſehen, daß ſeine 


Er 


Schwärme, geſtützt auf Pollentracht neben Honigtracht 
reſp. neben Zuckerfütterung, den Brutraum je nach ihrer 
Stärke ausbauen und, ſobald ſie den Brutranm ausgebaut und einiger⸗ 
maßen mit Honig gefüllt, ohne Zögern in die warmhaltigen Aufſätze 
gehen, und er wird konſtatieren können, daß ſolche Völker, erſt einmal 
ſoweit gebracht, an ſeinen Beutel gar keine und an ſeine Arbeitszeit ganz 
unerhebliche Anſprüche mehr ſtellen, ſondern aus eigener Kraft ſich am 
Leben erhalten und ihrem Herrn und Meiſter auch einen Ueberſchuß ab⸗ 
geben können und daß der Reingewinn nicht geringer iſt, ſondern eher 
höher, als bei der Mobilbienenzucht, weil ſelbſt in ungünſtigen Gegenden 
und Jahren doch Wachs geerntet wird und die Fütterung fortfällt. 


VIII. Der Frühjahrshonig und der Sommerhonig. 


Ein Imkerfreund ſchrieb mir, daß es doch ſchade ſein würde um 
den prachtvollen Frühjahrshonig aus Akazien und Wieſenblumen, aus 
Esparſette etc. wenn derſelbe von den Bienen in den noch leeren 
Brutraum ſtatt in die Aufſätze eingetragen und dann über Winter 
verzehrt werde, und dann abermals Frühjahrshonig das Brutneſt fülle, 
ſo daß dem Imker nur der nachher eingetragene Honig verbliebe. Der 
Frühjahrshonig ſei ja bekanntlich der feinſte und jeder Imker ſei 
beſtrebt, ſolchen für ſich zu gewinnen und den Bienen dafür den 
dunkleren Sommerhonig zu belaſſen. 

In dieſer Bemerkung iſt wieder einmal zu erkennen, wie ſehr 
Theorie und Praxis in der Imkerei doch von einander abweichen, denn 
die Erfahrung mit dem Frühjahrshonig hat mich eines ganz Andern 
belehrt. Es iſt überhaupt falſch, ſeine Meinungen und Urteile auf 
einem Gebiete, welches, wie das der Bienenzucht, ein ſo eminent 
praktiſches iſt, nach Theorien, ſtatt nach Erfahrungen zu bilden. Bei 
dem Bienenkaſten Sylviac zudem, und bei dem Simplismus, womit 
uns in der Praxis etwas Neues geboten wird, müſſen wir auch erſt 
neue Erfahrungen ſammeln. Nachdem ich im erſten Teile dieſes 
Büchleins die Theorien und Lehrſätze des Simplismus glaube genügend 
dargelegt zu haben, bin ich beſtrebt, die Behandlung des Bienenkaſtens 
Sylviac nach den von mir ſelbſt gemachten Erfahrungen darzulegen, 
und kann ich dann der Hoffnung Raum geben, daß annähernd dieſelben 
Erfahrungen auch anderwärts gemacht werden, abgeſehen davon, daß 
in Gegenden mit beſſerer Tracht als die meine iſt, die Erfahrungen 
noch günſtigere als bei mir ſein werden. N 

Was nun den Frühjahrshonig anbelangt, ſo trifft obige Behaup⸗ 
tung, derſelbe würde im Brutneſt verbleiben, nur auf die Schwärme 
zu, welche entweder daſſelbe noch nicht vollſtändig ausgebaut, oder 
noch keine Aufſätze erhalten haben. Man könnte den Schwärmen 
wohl dieſen Honig entnehmen und ihnen Zuckerſyrup dafür einfüttern, 
wie das leider ein Imkerfreund von mir gemacht hat. Ich aber 
mache ſeine Methode nicht mit, und ich vermute ſogar, daß er ſie nicht 
zum zweiten Male wiederholen wird. „Um ſich einbilden zu können, 
ſchrieb mir Herr de Villeneuve, daß das Volk durch Zuckerſyrup gar 
keinen Schaden nehme, muß man ja nicht die geringſte Kenntnis der Phy⸗ 
ſiologie der Biene beſitzen. Nur mit gutem und reichlichem 


eg: pee 


onig hat man auch ſtarke und fleißige Völker. Es iſt dies 
hs 10 1 Kapital und zudem eine der beſten Kapitalsanlagen. 
Verſuchen Sie, und Sie werden mir beiſtimmen. 

Ein zweckmäßig conſtruirter Bienenkaſten, ein tadelloſes lebens⸗ 
fähiges Bienenvolk, und reichliche Vorräte an gutem Honig, das ſind 
die drei unentbehrlichen Grundlagen einer gedeihlichen Bienenzucht. 
Ich werde nachher auf dte Freudenſteinſche Zuckerfütterungstheorie zu 
ſprechen kommen n 

Herr de Villeneuve ſchreibt dann weiter: „Sobald aber das 
Volk konſtituirt und ſein Brutraum ausgebaut iſt, dann iſt obiger 
Vorwurf völlig unbegründet. Das Volk hat auf den vorderen zwölf 
Waben meiſtens Brut, es iſt alſo nicht dort, wo es ſeinen Frühjahrs⸗ 
honig ablagert, ſondern in die nach hinten folgenden Waben, welche 
dem Imker zur Verfügung ſtehen, wenn er die Blechtafel bei der 
Ernte von oben her einſchiebt. Folgendes Verfahren iſt hierbei an- 
gängig: „In jedes hintere Bruträhmchen kann er drei Doppelſections 
einfügen, ſie ausbauen laſſen, und im Oktober oder September durch 
6 Sections erſetzen, die in den Aufſätzen ausgebaut waren, und er 
hat im nächſten Jahre wieder Frühjahrshonig zu ſeiner Verfügung.“ 

Dennoch entuimmt Herr de Villeneuve ſeit langer Zeit keinen 
Honig mehr aus dem Brutneſt und ich bin gleich von Anfang an 
ſeinem Beiſpiele gefolgt. Die obige Anweiſung ſoll alſo nur auf die 
Möglichkeit einer Entnahme des Frühjarshonigs hinweiſen. Zwei 
Gründe ſind es, die mich abgehalten haben. Erſtens der Umſtand, 
daß die Bienen, wenn mau ihnen die hinteren Waben entnimmt und 
ausſchleudert oder durch Sectious erſetzt, dieſe Waben alsdann zuerſt 
wieder anfüllen müſſen, ehe fie in die Aufſätze gehen, fo daß dadurch 
das hinaufſteigen der Bienen zum Ausbauen der Sections verzögert 
und verſpätet wird, zum Nachteil der ganzen Ernte in den Aufſätzen, 
ein Nachteil, der beſonders in Gegenden mit Frühtracht bedenklich 
in die Wagſchale fällt. Hier kann ein ſolches Vorgehen die ganze 
Ernte in Frage ſtellen. Zweitens die Beobachtung, daß die Bienen 
um ſo mehr in die Aufſätze hinauftragen, je reicher ihr Brutneſt ver⸗ 
proviantiert iſt. Denn wenn man 3. B. die drei hintern Waben 
fortnimmt, ſo nimmt man ihnen damit mindeſtens 18 Pfund Honig 
fort, und ſie müſſen den übrigen Honig des Brutneſtes über Winter 
verbrauchen. Sie haben alſo auch an ihren Sitz im Frühjahr, zu 
Häupten ihrer Brut, erſt wieder Honig einzutragen, alsdann die hin⸗ 
teren Waben reſp. Sctions zu füllen, und tragen demgemäß ſpäter 
erſt in die Aufſätze ein. Laſſe ich ihnen aber allen Honig, ſo beſteht 
die Hoffnung für mich, daß ſie die hinteren Reſervevorräte dazu ver⸗ 
wenden, jedem Mangel an Honig in der Nähe ihrer Brut zu begegnen, 
daß ſie daher viel früher nach oben gehen, weil ſich unten die Brut — 
dank den reichen Vorräten — raſch ausdehnt. Dies iſt ſo wahr, daß 
man gerade bei einem reich gefüllten Brutneſt auf eine reiche Honig⸗ 
ernte in den Aufſfätzen hoffen darf, und bei einem minder gefüllten 
auf eine mindere Ernte gefaßt ſein muß — der Zuſtand des Volkes 
ſelbſt nicht in Betracht gezogen, der alle Vorausſagungen angenehm 
oder unangenehm enttäuſchen kann. Es darf daher nicht unter Ziel 


fein, allen erreichbaren oder uns überflüſſig erſcheinenden Honig aus 
dem Brutneſte zu entnehmen, ſondern daß daſſelbe noch im Frühjahr 
reiche Vorräte aufweiſen ſollte. 

Ein anderer Imker, Herr Pfarrer Hoffmann — Glindow, kam 
hingegen auf dem Sommerhonig zu ſprechen und fragte: (Prakt. 
Wegweiſer für Bienenzüchter, Auguſt 1907) „Und ſoll denn auch der 
Honig darin bleiben, der ungeſund iſt, verzuckerter Honig, Blatthonig, 
Honig vom Rohr, von der Haide?“ Sicher geht der geehrte Imker⸗ 
freund in ſeiner Beſorgnis zu weit, denn wenn ſolche Gefahren ſo 
allgemein zu befürchten wären, fo gäbe es läugſt keine Bienen mehr. 
Ich leugne es nicht, eine ſolche Gefahr, durch ſchädlichen Honig über 
Winter Völker zu verlieren, beſteht tatſächlich, aber 1. nur für kleine 
Beuten, denn in dem großen und unberührten Brutraum des Bienen- 
kaſten Sylviac iſt eben von allen Honigarten etwas vorhanden, 
die Bienen ſind alſo nicht auf eine Honigart allein angewieſen; und 
2. nur für Beuten ohne abnehmbare Honigräume, wo alſo 
Honigraum und Brutraum nur eine unbeſtimmte, leicht verwiſchbare 
Grenze haben. In ſolchen Lagerbeuten greift der Imker leicht zu 
tief in den Brutraum mit hinein, und dieſe leergeſchleuderten Waben 
in der Nähe des Winterſitzes werden dann auch am erſten mit dem 
ſchädlichen Fichten⸗ reſp. Haidehonig angefüllt. Im Bienenkaſten 
Sylviac aber iſt es anders. Hier geht der Fichtenhonig, der den 
Bienen fo leicht die Ruhr verurſacht, ganz ebenſo wie der Haidehonig 
zum allergrößten Teile mit in die Aufſätze und kann daher abgenommen 
werden, ohne daß wir in das Brutneſt zu greifen brauchen. Eine 
Beobachtung, die ich kürzlich gemacht habe, beſtätigt dies. Bekannt⸗ 
lich werden die großen Rähmchen des Brutraums durch eine Verſtär⸗ 
kungsleiſte in ein oberes Compartiment von 11433 em und in ein 
unteres von 22 c 33 cm getrennt: 


38 em 
[== — 3 
5 
(>) 
= A 
. 
i>) 
8 
a 
a 
33 cm 


Die Wabe im oberen Compartiment nun macht in 8 mm Gnt- 
fernung von der Verſtärkungsleiſte A Halt. Hierdurch würde, wie 
ein trefflicher Beobachter mir erklärte, das Aufſteigen der Königin, 
wenigſtens in einem ſchwachem Volke erſchwert, während ein 
ſtarkes Volk in ſeinem Gewimmel durch ſeine Leiber eine lebendige 
Brücke für die Königin bildet. Auf jeden Fall trägt die Verſtärkungs⸗ 
leiſte A dazu bei, daß faſt ſtets der Honig mehr in den oberen 
Compartimenten anfgeſpeichert wird. Nimmt gegen den Herbſt hin 
der Umfang des Brutkörpers ab, ſo werden zuerſt dieſe kleinen Com⸗ 


— 34 — 


partimente mit dem Honig angefüllt, der zur Winternahrung dienen 
ſoll, und dieſer Honig — dieſe Beobachtung habe ich gemacht — wird 
aus den hinteren Waben entnommen. Mein Volk in Nr. 1, das 
mir im Jahre 1908 ganze 42 Sections gegeben mit einem Gewicht 
von 50 Pfund, was eine erſtaunliche Ernte in meiner armen Gegend 
darſtellt, hatte auch alle hintern Waben, die gänzlich von Honig 
entblößt waren, ſchon im Vorſommer gefüllt und verdeckelt. Im 
September 1908 wurden auf der letzten, total verdeckelten Wabe am 
Fenſter, welche im Sommer bis Ende Auguſt, trotz der enormen 
Volksmaſſe, unberührt geblieben war, täglich einige Zellen entbdecelt . 
und geleert, und Ende deffelben Monats war die vordem 6 Pfund 
ſchwere Honigwabe total entleert. Dieſer Honig iſt alſo umge⸗ 
tragen worden und zwar in die Nähe des Winterſitzes. Dieſer 
köſtliche, heilſame und geſunde Akazien-und Wieſenhonig wird dem 
Volke alſo als Winternahrung dienen. Angeſichts der Tatſache, daß 
dieſes Volk einen halben Centner Honig in die Sections getragen 
hatte, trift alſo die Behauptung auch nicht zu, daß die Bienen auf 
Sommerhonig allein oder zum größten Teil überwintern würden. 
Deßhalb bin ich auch der vollen Zuverſicht, daß jede Art Sommer— 
honig, alſo auch der Fichten- und der Haidehonig, nur zu einem 
geringen Bruchteil im Winterneſte aufgeſtapelt wird, und daß daher 
in Gegenden, wo ſolche Honigarten eine Gefahr für die Bienenzucht. 
bedeuten, gerade mit dem Bienenkaſten Sylviac umfangreichere Verſuche 
angeſtellt werden ſollten, ebenſo wie in den Rapsgegenden. 


Deshalb eben, weil eine ſolche Gefahr für die in Sylviacs 
gehaltenen Bienenvölker, wie ich zuverſichtlich behaupte, nicht beſteht, 
iſt die Freudenſteinſche Zuckerfütterung für uns überflüſſig, während 
ſie bei kleineren Bruträumen faſt eine Notwendigkeit ſein kann. Es 
iſt dies auch ein Grund mehr, der für die großen Bruträume ſpricht. 
Bekanntlich wird in armen Gegenden, die Bienenzucht noch nach dem 
Grundſatze betrieben: „Nimm allen Honig, den du kriegen kannſt, 
und ſetze deine Völker dafür auf Zucker. Denn wenn du ihnen allen 
Honig im Brutraum läſſeſt, ſo ernteſt du im beſten Falle nur wenig 
Honig, meiſt aber gar nichts. So aber ernteſt du 10, vielleicht auch 
20 Pfund und fütterſt dafür regelmäßig ebenſo viel Zucker ein.“ 
Dieſes Verfahren iſt aber ein zweiſchneidiges Schwert, inſofern, als 
man dabei ſtark auf gute Jahre rechnen muß, und dennoch freſſen 
im allgemeinen die ſchlechten Jahre die Reinerträge der gu- 
ten Jahre wieder auf und die Notfütterung mit Zucker wird 
ein ſtehendes Übel. Die Bienenzucht nach dem Simplismus be⸗ 
ſeitigt vorerſt dieſes ſtehende Übel alljährlich ſich wiederholender 
Zuckerfütterungen; ferner aber erſtarken bei ihr die Bienenvölker ganz 
anders eben weil ſie auf reichlichem Honigvorrat ſitzen. Es iſt ja 
gar kein Zweifel darüber, daß der Honig in ſeinem Nährwert weit 
uber dem Zucker ſteht, und daß eine ſpekulative Fütterung mit dem 
letzterem nicht ſo wirkſam iſt wie das einfache Vorhandenſein eines 
reichen Honigvorrats. „Wir leben, ſchreibt Gerſtung (Bienenzucht in 
Theorie nud Praxis, April 1908) noch immer der Überzeugung, daß 
die Zuckerbienenzucht Bienen und Bienenzüchter verdirbt.“ Und der 


— 35 — 


Amerikaner Doolittle ſchreibt (Gleanings 1908 Seite 1120): „Ich 
habe die ſpekulative Zuckerfütterung im Frühjahr oft verſucht, indem 
ich eine Anzahl Völker damit fütterte und daneben eine ebenſolche 
Anzahl ebenſo ſtarker Völker, aber mit reichem Honigvorrat, aufſtellte, 
und ich finde, daß letztere die beſten Reſulate ergeben. Wenn der 
natürliche Pollen (der beſte Stimulant in Verbindung mit rei⸗ 
chen Honigvorrat) einkommt, 37 Tage bevor die Honigtracht beginnt, 
und keine Unterbrechung erfährt, welchen Nutzen hat es da, noch 
verdünnten Honigſyrup aufzufüttern?“ Louis Scholl in Texas ſchreibt 
über den Nutzen großer Honigvorräte (Gleanings 1908 Seite 872): „Wenn 
man die verſchiedenen Bienenſtände durchmuſtert, findet man, daß die 
ſtärkſten und fleißigſten Völker ſolche ſind, welche reiche Vorräte 
beſitzen. Dieſe haben viel zu tun mit der Volksſtärke, denn ſie üben 
einen belebenden Einfluß aus und befördern den Brutanſatz; 
ein Volk ohne dieſe reichen Vorräte beginnt die Brut zwar ebenſo 
früh, gibt aber bald das Mitrennen auf und bleibt zurück.“ Herr 
de Villeneuve führt ein anderes gewichtiges Argument zugunſten 
des Honigs an. Er ſchreibt: „In welcher Proportion iſt das nähren⸗ 
de Princip im Zucker geringer als im reifen Honig? Ich weiß es 
nicht, und niemand hat es näher beſtimmt, aber ich weiß, nach erperi- 
mentalen, wiſſenſchaftlichen Studien, daß ein Liter Zuckerſyrup während 
ſeiner Abſorption 5 Grad Celſius Wärme weniger entwickelt 
als der Honig. Für jeden, der die Wichtigkeit der Wärme für den 
Brutanſatz würdigen gelernt hat, iſt damit ſchon die Minderwertigkeit 
des Syſtems Frendenſtein gegenüber demjenigen Syſtem gegeben, das 
dem Bienenvolk ſeine natürliche Nahrung beläßt.“ 

Kein Wunder daher, daß bei der Methode des Simplismus die 
Völker auch in ärmeren Gegenden Erträge bringen, die man vorher, 
in anbetracht der großen Bruträume und der großen Bruträhmchen, 
gar nicht erwartet hatte. f 

Daß der Sommerhonig minderwertig ſei gegenüber dem Früh⸗ 
jahrshonig, dieſe Behauptung gilt ſchlechterdings in unſerm Falle 
auch nicht mehr, eher möchte ich das Gegenteil behaupten, ſo ſehr 
dies auch den bisherigen Erfahrungen ſchnurſtracks gegenüberſteht. 
Aber meine Erfahrungen ſind eben andere. Zuächſt erntet der 
Sylviac⸗Imker ſeinen Honig in den herrlichen und handlichen Sections 
und verkauft dieſe ſo, wie ſie ſind, zu einem hohen Preiſe, während 
der Mobilimker ſeine Waben ausſchleudern muß, weil er ſie zu ſeinem 
Betriebe nicht entbehren kann, und nun die Erfahrung machen muß, 
daß ſein Honig verſchieden in Farbe und Aroma ausfällt und daher 
verſchieden bewertet wird. Zu einem guten Preiſe, der denjenigen 
der Sections erreicht, wird er uur ſeine allerbeſte Sorte los, die 
andern Sorten bringen nur geringe Preiſe. Meine Sections aber 
werden mir alle aus den Händen geriſſen und gerade von den Händ— 
lern. Für dieſe macht es gar keinen Unterſchied, ob ich ihnen Früh⸗ 
jahrs⸗ oder Sommerhonig bringe. Ja, ich behaupte und will es 
beweiſen, daß letzterer ſich noch beſſer für die Sections eignet, weil 
er dicker iſt, während der Frühjahrshonig, wenn er gleich nach der 
Verdeckelung aus den Aufſätzen genommen wird, erſt zu flüſſig unter 


ai BG = 


dem Meffer iſt und danach ſchnell verzuckert. Der beſte, reifſte, aro⸗ 
matiſchſte Honig iſt ohne Zweifel derjenige, der im September erſt 
geerntet wird. Man wird es mir nicht glauben, man muß ihn eben 
probiert haben, um zu wiffen, welch' fades Zeug der Schleuderhonig 
daneben iſt. Durch das längere Verbleiben auf den Bruträumen 
verbeſſert ſich der Sectionshonig von Woche zu Woche. Die Ver⸗ 
deckelungen, anfangs ſo dünn, daß ein Fliegenſtich ſie öffnet, werden 
von den Bienen verdickt und daher noch mehr gegen ungünſtige 
Einflüſſe von Luft und Feuchtigkeit abgeſchloſſen. Selbſt der Früh⸗ 
jahrshoͤnig, wenn über dem Brutraum belaſſen, verzuckert nicht ſo 
ſchnell wie im Magazin des Honighändlers und der Sommerhonig ift 
von prachtvollerer, geſättigterer Farbe, von erleſenem Aroma und 
hochfeinem Geſchmack. Wenn man ſolche Waben mit dem Meſſer 
ſchneidet, kommen wenige Tropfen langſam und dickflüſſig heraus. Es 
wird deshalb nichts verloren und nur gewonnen, wenn die Aufſätze 
recht lange auf den Bruträumen belaſſen werden. Die Ernte iſt 
alſo nicht an einen kurzen Zeitraum gebunden und braucht nicht 
im Galopp abgetan zu werden. Man braucht daher auch nicht ſeinen 
Honig, aus Furcht, daß er kandiere, zu verſchleudern. Nach Maßgabe 
der einlaufenden Beſtellungen nimmt man die Aufſätze ab, tut die 
unvollendeten Sections in einen beſonderen Aufſatz und gibt dieſen 
einem Volke, das noch nicht ſeine Honigräume bezogen hat. Später 
geerntete Sections enthalten zwar gelblichere, aber feſtere Verdeckelung 
und dickeren Honig, an Konſiſtenz dem teuer bezahlten Haid— 
ſcheibenhonig nahezu gleich, aber ohne ſeinen kratzenden Geſchmack, 
der nicht jedermanns Sache iſt. Er iſt ein ebenbürtiger Konkurrent 
deſſelben, aber mehr noch: der neue, konſiſtente Sectionshonig, 
Septemberernte, iſt noch eine Seltenheit auf dem deutſchen 
Honigmarkte. W. Z. Hutchinſon in Michigan, U. S. A. 
ſchreibt: „Ein anderer Grund, warum ich einen guten Preis für 
meinen Honig verlange, iſt die Art und Weiſe, wie er gewonnen 
wird. Er wird noch für Wochen auf den Bruträumen gelaſſen, 
nachdem er verdeckelt worden iſt und hierdurch erhält er jene Reife, 
jenen ſüßen vollen Geſchmack, dieſe Dicke, dieſe reiche Köſtlichkeit (that 
finish, that smooth, oily richness, that thick, rich oblicionsnes), 
welche auf keinem andern Wege erreicht werden kann.“ N 
Da wird man es gewiß begreifen, daß mein Herz vor Freude 
und Dankbarkeit Herrn de Villeneuve gegenüber erfüllt iſt, dem 
genialen franzöſiſchen Imker, dem wiſſenſchaftlich geſchulten Forſcher, 
dem Manne voller unbeſtechlicher Wahrhaftigkeit, der unbeirrt 
durch Zurufe von rechts und links mit eiſerner Geduld der Bienenzucht 
ſeit 18 Jahren ſeine beſten Kräfte gewidmet hat. Man wird es mir 
daher vielleicht auch nicht verübeln, daß ich meine Bruſt ſchwellen 
fühle in dem freudigen Bewußtſein, durch Eingehen in die Gedanken⸗ 
welt meines franzöſiſchen Freundes mittels eines unterbrochenen Brief⸗ 
wechſels, wie er in ſolcher Vollſtändigkeit wohl ſelten iſt, der deutſchen 
Imkerwelt einen Dienſt geleiſtet und ihr die Bahn gewieſen zu haben, 
auf der ſie Erfolge erringen kann, welche ihr keine Zuckerhonig— 
fabrikanten und keine Honigfälſcher— ſtreitig machen können. 


Kritiken von Helft l. 


Carl Krüger gilt längst in Imkerkreisen als hervorragender Fachmann. 
Mit einer glänzenden Darstellungsweise verbindet er eine scharfe Beobachtungs- 
gabe und einen aufs Praktische gerichteten Sinn. Wir empfehlen vorliegende 
Schrift bestens. (Bohnenstengel, Pommerscher Ratgeber.) 


Ihre Broschüre habe ich mit vielem Interesse gelesen. Ob Ihre Ansichten, 
die ja manches für sich haben, zum Durchbruch kommen, wird die Zukunft 
lehren. Beachtenswert sind sie jedenfalls. Ihr Unternehmen betr. „Moderne 


Bienenzucht“ verdient Anerkennung und Unterstützung. 
Seeholz (Schleswig-Holstein). H. Theen. 


„Zurück zur natürlichen Betriebsweise!“ Das ist die Parole, die ich 
jedem Bienenzüchter zurufen möchte. Mit Recht. sagen Sie, dass die heutige 
-Bienenzucht in falsche Bahnen gekommen ist. Hier in den Alpen trifft man 


oft Bienenvölker in hohlen Bäumen und Felsenhöhlen, da sieht man feine Wunder. 
J. v. in Oesterreich. 


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Seit wie lange ich lhnen meinen Dank für die übersandte Broschüre 
schulde, weiss ich nicht; bündig, überzeugend und sehr schön und fliessend ge- 
schrieben, wird das Heft nicht verfehlen, anregend zu wirken. Was über den 
Mobilbetrieb (Kap. I) gesagt ist, wird für Deutschland schon zutreffen. Not- 
fütterung im Herbst und eventl. im Frühjahr, die als besonderer Nachteil des- 
selben hervorgehoben wird, ist bei uns in Italien selbst in mageren Jahren 
unnötig. Ich wünsche Ihnen aus vollem Herzen einen recht glücklichen Erfolg 
Ihres Unternehmens. ö 

(Andrea Ritter von Rauschenfels, Redakteur des Apicoltore, Milano.) 


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Wer einen unmittelbaren Einblick in das Streben und. Forschen Sylviacs 
gewinnen will, dem sei, falls er der französischen Sprache mächtig ist, dessen 
bedeutendes Werk empfohlen, der * 


Guide prafique 
de l’Apicultgur amateur. 


Dasselbe umfasst 600 Seiten und kostet nur 4 Mark bei franko Zusendung. 


Dieses gross angelegte Werk zerfällt in zwei Teile. 
Der erste Teil enthält vier Abschnitte, nämlich: 
L’Abeille. — La Ruche. — Les Operations. — Le Miei. 


Darin wird auf 826 Seiten der Charakter und das Temperament, die Er- 
nährung, die Wohnung und das Arbeiten der Bienen geschildert, die Anfertigung 
des Bienenkastens Sylviac (mit vielen Illustrationen aller einzelnen Teile) dann 
die Manipulationen vom Einsetzen des Schwarms an und die Entwickelung 
desselben darin. Endlich wird über den Honig und die daraus zu gewinnenden 
Produkte ausführlich gesprochen. 


Der zweite Teil enthält die Darlegung der Studien und Experimente 
Sylviacs, — eine Darlegung, die ihresgleichen in der Bienenliteratur nicht mehr 
hat, darunter die hochwichtige grosse Arbeit: La chaleur dans les ruches et les 
consequences de ses variations. Darin wird über, den Einfluss doppelwandiger 
und dünnwandiger Beuten, über den Einfluss der Temperatur auf Ueberwinterung 
und Brutansatz gesprochen; eine andere wichtige Studie ist der Wachsab- 
sonderung und der angeblichen Ruhe der Bienen zum Zweek derselben gewidmet. 


In diesem Buche werden manche Irrtümer der bisherigen Lehren auf- 
gedeckt; es hat bei jedem, der es gelesen, Bewunderung hervorgerufen. So 
schrieb zB, einer derselben: „Keiner unserer Imkerschriftsteller ist bisher so. 
wie Sylviac in den Kern jeder Frage mit solcher Pracision und Genauigkeit ein- 
gedrungen. Man kann mit vollem Recht sagen, dass seine naturgeschichtlichen 
Aufsätze das Werk eines Belesenen, eines Gelehrten seien, besonders aber 
eines Forschers, dem eine seltene Ausdauer eignet und der jedem 
Ding auf den Grund gehen will. Er hält nicht inne vor den Worten der 
Autoritäten, die als ein Evangelium zu betrachten wären, er will sie selber nach- 
prüfen und wenn sie seinen Experimenten widersprechen, dem was er persönlich 
entdeckte, so scheut er sich doch trotz seiner Bescheidenheit nicht, zu sagen: 
Das ist ein Irrtum! Er ist also auch ein unabhängiger Charakter. 


Druck Alb. Messerschmidt, Spandau. 


Photomount Cornell University Library 
Pamphlet — 
inder 
Gaylord Bros., Inc, Sylviac und sein 
Makers 
Syracuse, N. v. iil ll 
PAT. JAN 21. 1908 


— 


mann 


DATE DUE 


DEMCO 38-297