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DARSTELLUNO
DER
FARBENLEHRE
UND
OPTISCHE STUDIEN
VON
H. W. Dovb.
MIT ZWEI LITHOGRAPHIRTFN TAFELN.
i
KJOUSCHK VBIKRHKVlCIla VOUBHALTIN.
BERLIN.
Verlag von G. W. F. Müller.
1853.
/Ar.*-. <i .
..- •
VORREDE.
Ich bin so häufig aufgefordert worden, die von mir im
Jahre 1836 veröffentlichte Darstellung der neuern Farben-
lehre, da sie ganz vergriffen, wiederum herauszugeben, dafs
ich diesem Wunsche hiermit entspreche. Der Abdruck ist
kein unveränderter, da neuere Untersuchungen einige Ge-
biete der Optik in der Zwischenzeit dem Verständnifs we-
sentlich näher geführt haben, und es sich nicht entschul-
digen liefse, auf indirecte Beweise zurückzugehen, wo es
gelungen ist, durch directe Versuche die Grundlagen der
Wellentheorie zu befestigen. Die populäre Darstellung eines
so reichen Gebietes von Erscheinungen, als wie sie die
Farbenlehre darbietet, ist so schwierig, dafs ich nicht hof-
fen darf, diese Schwierigkeiten vollständig überwunden zu
haben. Ich mufs daher auf die Nachsicht der Leser rechnen,
wie sie mir bei ähnlichen Bemühungen in Beziehung auf
Meteorologie, Akustik und Elektricitätslehre zu Theil ge-
worden ist. Die Berücksichtigung der von Goethe gegen
die Newton' sehe Vorstellung über die Natur des Weifs
erhobenen Einwürfe wird manchen jetzt als unnöthig er-
scheinen, da diese Bedenken als vollkommen beseitigt anzu-
IV
sehen seien. Dennoch habe ich sie unverändert aus dem
ersten Abdruck aufgenommen, da die Geschichte der Wissen-
schaft zeigt, dafs der consequenten Ableitung der optischen
Erscheinungen aus den Principien der Wellentheorie gegen-
über es zu allen Zeiten nicht an solchen fehlen wird, für
welche der Pater Castel eine gröfsere Autorität ist als
Huyghens, Newton, Fresnel und Frauenhofer.
Im zweiten Theile dieser Schrift habe ich die optischen
Untersuchungen zusammengestellt, welche ich seit einer
Reihe von Jahren in physikalischen Zeitschriften veröffent-
licht habe. Sie beziehen sich auf Stereoskopie, Polarisation
des Lichtes und subjective Farben. Da der von mir ange-
gebene Polarisationsapparat sich in den Händen vieler Phy-
siker befindet und auch jetzt noch besonders von Herrn
Langhoff in Berlin vielfach angefertigt wird, so habe ich
geglaubt, dafs eine genaue Beschreibung seiner Anwendung
zur Darstellung der Polarisationserscheinungen manchen
erwünscht sein werde. Dasselbe hoffe ich von den chro-
matischen Versuchen mit dem Stereoskop und der Hervor-
rufung des Glanzes aus der binocularen Combination nicht
glänzender Flächen, so wie von den Apparaten, durch
welche die subjectiven Farben in auffallender Intensität er-
regt werden. Dieser zweite Theü dient zu gleicher Zeit zur
Ergänzung des ersten, in welchem auf Einzelnheiten nicht
eingegangen werden konnte.
Berlin, 10. Mai 1853.
Dove.
INHALT.
Farbenlehre.
1 . Historische Einleitung p. 1 — 16.
Fortpflanzung des Lichtes augenblicklich nach Cartesius p. 1,
eine Zeit dauernd nach Römer p. 3, nach Bradley p. 4. Art der
Fortpflanzung wellenförmig nach Huyghens und Euler p. 6 u. 7.
Emanationssystem von Newton p. 7. Beugung nicht durch An-
ziehung hervorgerufen p. 8 — 10. Brechung ebensowenig p. 10 — 12.
Anerkennung der Wellentheorie p. 13 u. 14. Goethe's Farben-
lehre p. 15.
2. Einteilung der Körper in Beziehung auf das Licht
p. 16 — 19.
Leuchtende und dunkle p. 16, durchsichtige und undurchsichtige
p. 17, weifse, schwarze, farbige, graue p. 18. Polarisation und De-
polarisalion p. 19.
3. Eintheilung der Farben p. 20 — 56.
Physische und physiologische , permanente und apparente p. 20,
prismatische p. 20 , durch Interferenz p. 21 , durch Absorption p. 22,
homogene p. 23—29. Ergänzungsfarben p. 30. Grundfarben p. 30—33.
Gemischte p. 33 — 39. Newton'sche Ringe in homogener Beleuch-
tung p. 40 — 43. Farbenfolge in weifser p. 45. Anwandlungon p. 46.
Interferenz, beobachtet von Grimaldi p. 47; erläutert von Young
p. 48. Zusammenhang zwischen Wellenlänge und Anwandlung p. 49.
Farbenringe, erklärt von Hooke p. 51. Spiegelversuch von Fr es-
VI
nel p. 52. Dicke Platten p. 54. Gitter p. 55. Interferenz des polari-
sirten Lichtes p. 56.
4. Nähere Bestimmungen der Interferenz p. 57 — 99.
Analogien aus dem Gebiet der Akustik p. 57 — 66. Dauer des
Lichteindrucks p. 67. Nachwirkung p. 69 — 73. Unterschied in der
Entwickelung der Optik und Akustik p. 74. Bestimmung der Wellen-
länge in beiden Gebieten p. 74 ; für das Licht p. 75 — 77. Zusam-
menhang der Wellenlänge mit dem Brechungsverhältnifs p. 77. Grund-
bedingung Air die Bewegung des Lichtes in ein und in zwei Medien
p. 78 u. 79 ; langsamere Bewegung im stärker brechenden Mittel nach
Foucault und Fizeau p. 80 — 86; gleich für alle Farben im leeren
Räume p. 86 u. 87. Anzahl der Wellen in gegebener Zeit p. 88 u. 89.
Vergleichung mit den Schallschwingungen p. 96 — 99.
5. Gründe, dafs die Lichtschwingungen transversal
p. 94 — 135.
Entdeckung der Polarisation p. 94. Apparate p. 96 — 99. Un-
terscheidung polarisirten und unpolarisirten Lichtes p. 100 — 102.
Polarisationsebene p. 102. Drehung derselben p. 104— 107. Depo-
larisation p. 107. Eintheilung doppelbrechender Krystalle p. 109.
Künstliche Erzeugung der Doppelbrechung p. HO u. 111. Wellen-
fläche p. 113. Polarisationsfarben p. 114. Ableitung derselben p. 118
bis 123. Circulare und elliptische Polarisation p. 124 — 132. Erschei-
nungen im Bergkrystall p. 133; in Flüssigkeiten p. 134; elliptische
Polarisation auf Metallen p. 135.
6. Abhängigkeit des Farbeneindrucks von der Wellen-
länge p. 136—149.
Newton's Entdeckung p. 136; experimentelle Bestätigung p. 139 ;
durch Frauenhof er p. 140; experimentum crucis p. 141. Goethe's
Ableitung der prismatischen Farben p. 143. Achromasie p. 146. De-
finition des Weifs p. 147. Zerstreuung p. 149.
7. Absorptionsfarben p. 151 — 157.
Verschiedene Durchsichtigkeit für verschiedene Farben p. 151.
Opalescenz p. 152; dioptrische und katoptrische Absorption p. 152.
VII
Dichroismus p. 153. Entstehung der Linien im Gasspectrum p. 154.
Nachwirkung der Farbe auf die Netzhaut p. 157.
Optische Untersuchungen.
I. Stereoskopische Versuche p. 161 — 190.
Theorie des Binocularsehens p. 161— 163. Stereoskopische Er-
scheinungen ohne Anwendung eines Instruments p. 164 ; ejelopisches
Sehen p. 164. Erscheinungen am Hohlspiegel p. 165; convexe Reliefe
erscheinen niedriger als coneave p. 165. Combination weifser und
schwarzer und verschieden gefärbter Bilder im Stereoskop p. 166.
Nichtachromasie des Auges p. 174. Entstehung des Glanzes p. 177.
Ableitung der Irradiation p. 178. Die flatternden Herzen p. 182.
Ein flu fs der Helligkeit einer weifsen Beleuchtung auf die relative In-
tensität verschiedener Farben p. 183 — 189. Mangelnder Farbensinn
p. 189 - 190.
II. Stereoskopischc Apparate p. 190 — 201.
Das Spiegelprisma p. 190—192. Prismenstereoskop, bestehend
aus einem Prisma und einer Zeichnung p. 193, aus zwei Prismen und
zwei Zeichnungen p. 193, aus einem Prisma und zwei Zeichnungen
p. 195. Fernrohrstereoskop p. 196. Spiegelstereoskop für zwei Bilder
mit einem Metallspiegel oder Ablesungsprisma p. 196. Stereoskop
durch Doppelbrechung p. 197. Das Reversionsprisma p. 197 — 199.
Stereoskop daraus p. 199. Reversionsfernrohr p. 199 — 201.
IU. Polarisation des Lichtes p. 202 — 223.
Apparat für geradlinige, elliptische und circulare Polarisation
p. 202—213. Erscheinungen im rotirenden Apparate p. 213. Darstellung
des Weifs durch Uebereinand erlegen complementarer Bilder p. 219,
durch Uebereinanderlegen objeetiver und subjeetiver Farben p. 223.
Darstellung des Grau durch Absorption vermittelst farbiger Gläser p.223.
IV. Circularpolarisation des Lichtes p. 224 — 273.
Darstellung desselben durch geprefste Gläser p. 224 — 228 , durch
gektlhlte Gläser p. 228 — 230. Erscheinungen während des Erhitzens
VIII
•
und Abktihlens p. 230 — 233. Erscheinungen in verschiedenen Farben
des Spectrums p. 233. Farbenerscheinungen combinirter Krystalle im
weifsen Licht p. 235, in Zwillingen p. 236. Circularpolarisation durch
schwingende Klangscheiben p. 238. Unterschied zwischen Erwärmung
und Abkühlung p. 238. Erscheinungen gekühlter und geprefster Gläser
im circularen Licht p. 239. Elliptische Polarisation durch das Re-
versionsprisma p. 240. Unterscheidung positiver und negativer Kry-
stalle im circularen und elliptischen. Licht p. 242 — 247. Zusammen-
hang der optischen Eigenschaften der Bergkrystalle mit ihren äufsern
kryst allographischen Kennzeichen p. 247 — 260. Depolarisation des
Lichtes p. 260. Absorption des polarisirten Lichtes in doppelbrechen-
den Krystallen als Unterscheidungsmittel ein- und zweiachsiger Kry-
stalle p. 262—268. Methode, diese Absorption zu messen p. 269 — 273.
V. Versuche über subjeetive Farben p. 274 — 281.
Doppelbilder auf farbigen Gläsern p. 274 — 278. Subjeetive Far-
benerscheinungen bei einem Farbenkreisel p. 278 — 281. Scheiben
zur Darstellung subjeetiver Farben p. 281.
VI. Einzelne optische Notizen p. 283 — 287.
Versuche über Gitterfarben in Beziehung auf kleinere Höfe p. 283
bis 286. Stephanoskop p. 286. Optische Täuschung auf der Eisen-
bahn p. 287. Methode, die Absorption des Lichtes in farbigen Flüssig-
keiten zu bestimmen p. 287.
Die neuere Farbenlehre
mit
andern chromatischen Theorieen
verglichen.
Als Olav Römer ! ) am 9. November des Jahres 1676
die Bemerkung machte, dafs man die regelmäßig wieder-
kehrenden Verfinsterungen der Jupitersmonde eine Viertel-
stunde später wahrnehme, wenn die Sonne zwischen Jupiter
und Erde steht, als zu der Zeit, wo beide Planeten sich auf
derselben Seite der Sonne befinden, mufste die bisherige
Ansicht aufgegeben werden, dafs die Vermittelung zwischen
einem leuchtenden und einem beleuchteten Körper eine augen-
blickliche sei , ein wie bedeutender Raum auch beide trenne.
Es fiel demnach die Vorstellung weg , welche Descartes*)
sich darüber gebildet hatte. »Wenn man im Finstern mit
einem Stocke geht, sagt er, so fühlt «nan in der Hand
augenblicklich, wenn die Spitze des Stockes an einen Ge-
genstand stöfst. Dies wird das Fremdartige erklären, dafs
das Licht in einem Augenblicke Von der Sonne zu uns ge-
langt Denn um eine Vergleichung zu ziehen, setzt er hinzu,
wünsche ich, dafs du glaubst, das Licht sei nichts anderes
in den Körpern, welche leuchtend heifsen, als eine sehr
') Demonstration touchant le mouvement de la lumiere. Mem.
de Paris* 1. p. 214. u. 10. p. 575.
*) Dioptrique 1. 5.
1*
rasche und sehr lebhafte Bewegung, welche durch Vermit-
telung der Luft und der andern durchsichtigen Körper auf
eben die Art zu den Augen gelangt, wie die Bewegung oder
der Widerstand der Körper, welchen jener Blinde begegnet,
in die Hand .gelangt durch Vermittelung des Stockes , und
dies wird augenblicklich (?) sein, wäre auch der Zwischen-
raum gröfser, als von der Erde zum Himmel. Es ist daher
nicht nöthig, dafs etwas Materielles von den Objecten zu
unserm Auge gelange, so wie nichts von den Körpern,
welche der Blinde fühlt, in seine Hand kommt.« Bradley's
Entdeckung der Aberration ') am 20. December 1725 zeigte,
dafs das directe Licht der Fixsterne sich genau mit der-
selben Geschwindigkeit bewege, wie das reflectirte Sonnen-
licht der Jupitersmonde. Aus der Verfinsterung derselben
folgt nämlich, dafs das Licht den Zwischenraum zwischen
Sonne und Erde d. h. den Raum von 20,682329 Meilen in
493,19 Secunden durchläuft, also 41935 Meilen in einer
Secunde sich fortbewegt Die Geschwindigkeit des Lichtes
verhält sich demnach zu der Geschwindigkeit der Erde in
ihrer Bahn, wie der Halbmesser eines Kreises zu dem Bogen
von 20 Vi Secunde. Dies ist aber die sogenannte Abcrra-
tionsconstante d. k der Halbmesser des Kreises, welchen
Sterne am Pole der Ekliptik im Verlaufe eines Jahres um
ihren wahren Ort zu beschreiben scheinen. Da wir nun we-
gen der Bewegung der EHe das Fernrohr um die vorher
angegebene Anzahl Secunden vorneigen müssen, wenn wir
das Licht, welches ein solcher Stern uns zusendet, in dem-
selben richtig auffangen wollen, so erscheint der Stern uns
um so viel gegen den Punkt der Ekliptik, auf welchen zu
*
') Philos. Trans, abridg. vol. ß. p. 168.
unser Lauf gerichtet ist, vom Pole der Ekliptik weggerückt,
in der jährlichen Periode daher einen dem entsprechenden
Kreis zu beschreiben. Die Nothwendigkeit jenes Vorneigens
kann man sich durch ein naheliegendes Beispiel anschaulich
machen. Will man lothrecht herabfallende Regentropfen
durch die Achse eines engen Rohres fallen lassen, so mufs
man dieses lothrecht halten, wenn man an derselben Stelle
stehen bleibt. Lauft man hingegen mit einer bestimmten
Geschwindigkeit vorwärts, so mufs man, soll der Regen*
tropfen bei dem Durchfallen durch das Rohr in der Achse
desselben bleiben, und nicht an die Innenwand desselben
anschlagen, dasselbe um etwas vorneigen. Die Gröfse dieser
Neigung ist natürlich unabhängig von der Länge des Rohres
und bestimmt durch das Verhältnifs der Geschwindigkeit
des Fortschreitens zu der Geschwindigkeit des herabfallen-
den Regens. In diesem Beispiele stellt der das Rohr haltende
die um die Sonne sich bewegende Erde vor, die fallenden
Regentropfen repräsentiren das Licht, das Rohr endlich be-
zeichnet das Fernrohr des Beobachters. Da nun aus der
durch die Aberrationsconstante gegebenen Gröfse des Vor-
neigens des * Fernrohrs sich das Verhältnifs der Geschwin-
digkeit des Lichtes zu der Geschwindigkeit des Fortrückens
der Erde in ihrer Bahn ergiebt, diese letztere aber ander-
weitig bekannt ist, so läfst sich aus diesen beiden Gröfsen
indirect die Geschwindigkeit des Lichtes finden, während
Rom er' s Wahrnehmung sie direct ergiebt. Die Beantwor-
tung der Frage, wie man sich die auf diesem doppelten
Wege empirisch festgestellte unglaublich schnelle-Fortpflan*
zung des Lichtes vorzustellen habe, mufste von Einflufs in
den Untersuchungen werden, welche die Erscheinungen des
Lichtes sich zu ihrem Gegenstande machen.
6
Wenn ein Geschütz abgefeuert wird, so gehen davon
drei Dinge ans: die Kugel, der Schall und der Lichtblitz.
Die Kugel, welche in einer bestimmten Entfernung eine Mauer
trifft;, war früher am Geschütz, nicht so der Donner, welcher
als Echo von derselben Mauer abprallt. Der Knall schreitet
mit einer Geschwindigkeit fort, welche kein Sturmwind er-
reicht, trüge die Luft ihn uns zu, wer möchte ihrem An-
dränge widerstehen? Es ist vielmehr eine stets andere Luft-
masse, welche ihn erzeugt, es ist eine fortschreitende
Wirkung, nicht ein fortschreitender Körper. Wie ist es nun
mit dem Lichtblitze, verhält er sich wie der Schall, oder
wie die fortgeschleuderte Kugel? ist das Licht, welches ein
Spiegel reflectirt, einer elfenbeinernen Kugel zu vergleichen,
welche die Bande des Billards unter demselben Winkel zu-
rückschleudert, als der war, unter welchem sie anflog, oder
dem Echo, welches demselben Reflexionsgesetze folgt?
»Wenn wir die ungeheure Geschwindigkeit bedenken,
mit welcher sich das Licht nach allen Seiten verbreitet,
wenn wir uns erinnern, wie es sich an jeder Stelle kreuzt,
ohne sich zu stören, so können wir, meint Huyghens '),
unmöglich annehmen, dafs das Licht sich bewege wie ein
Pfeil, der die Luft durchschneidet. Seine Bewegung mufs
analog der des Schalles sein. Von dem Gerüche wissen wir,
fügt Euler 2 ) hinzu, dafs er vermittelt werde durch ma-
terielle, vom duftenden Körper verflüchtigte Theile. Bei
dem Hören sondert sich aber nichts von den Körpern ab,
bei dem Gefühl endlich berühren wir die Körper selbst. Die
Entfernung, in welcher wir die Gegenstände vermittelst der
Sinne wahrnehmen, ist bei dem Gefühl keine, bei dem Ge-
') Traite de la lumiere chap. 1.
2 ) Nova tkeoria lucis et colorum. Opusc. var. arg. 1746. p. 169.
ruch eine gelinge, bei dem Gehör eine bedeutende, die gröfste
aber beim Sehen. Wahrscheinlicher sei es also, dafs für
Gehör und Gesicht, als dafs für Geruch und Gesicht, die-
selbe Verbreitungsart stattfinde, dafs die sichtbaren Gegen-
stände sich nicht verhalten wie die duftenden, sondern eher
wie die tönenden. Doch sei zur Fortpflanzung des Lichtes,
analog der des Schalles, ein Aether nöthig, der alle Räume
erfülle, dieser aber undenkbar, weil die Himmelskörper in
ihm als widerstehendem Mittel sich bewegend retardirt wer-
den würden 1 ). Da aber jeder. Punkt des Universums er-
leuchtet werde durch die Lichtstrahlen der Gestirne, so er-
füllten die Anhänger der entgegengesetzten Ansicht ihren
Himmelsraum mit der Materie des Lichtes, setzten ihn also
ebenfalls erfüllt und zwar mit einer heftig bewegten Materie.«
Diese entgegengesetzte Ansicht wurde von Newton *)
vertheidigt. »Sollten nicht die Lichtstrahlen kleine Kör-
perchen sein vom leuchtenden Körper ausgesendet, fragt er;
denn solche Körperchen müfsten sich durch gleichförmige
Mittel in geraden Linien bewegen, ohne sich in den Schatten
hineinzubiegen, auf welche Art eben die Lichtstrahlen sich
fortpflanzen. Grimaldi habe gezeigt, dafs das Licht dicht
bei den Körpern vorbeigehend gebeugt werde, wie angezogen
von ihnen und zwar je näher, desto stärker, wie auch er
gefunden. Da nun die Beugung der Strahlen in der Luft ge-
schehe, noch entfernt von dem scharfen Rande des Körpers,
welcher sie beugt, so müsse das Licht, welches den Körper
trifft, gebeugt sein, ehe es denselben trifft. Aehnliches finde
') Bekanntlich hat Encke die Umlaufserscheinungen des nach
ihm benannten Kometen auf einen solchen Widerstand zurückgeführt.
9 ) Principia philosophia naturalis mathematica und Optics Hb. 3.
quaest. 29.
8
statt, wenn das Licht auf Glas falle. Die Brechung geschehe
daher nicht in dem Punkte, wo das Licht auffalle, sondern
allmählig durch eine continuirliche Beugung der Strahlen
halb ausserhalb halb innerhalb der Körper. Bewege sich
ein Körper durch zwei einander begrenzende Medien, welche
ihn anzögen , so erfolge sein Weg genau nach den Gesetzen
der Refraction und Reflexion, wie sie Snellius für das
Licht gegeben. Wolle er daher auch nicht darüber entschei-
den, ob die Lichtstrahlen Körper seien, oder nicht, so müsse
doch gesagt werden, dafs ihre Bahnen ganz mit den Tra-
jectorien der Körper übereinstimmten.«
Es ist etwas Eignes, wie die Natur oft auf einem be-
stimmten Gebiete den täuscht, welchem sie auf einem an-
dern ihre tiefsten Geheimnisse verräth. Von den Beugungs-
phänomenen entlehnte Newton die Gründe für die Materia-
lität des Lichtes, und diese Phänomene waren es, an welchen
Fresnel 1 ) neuerdings ihre Unhaltbarkeit erwies.
Gehen nämlich von den Rändern des beugenden Körpers
Anziehungs- oder Abstofsungskräfte aus, welche auf die
entfernter vorbeigehenden Lichttheilchen mit geringerer Ener-
gie wirken, als auf die näher vorbeistreifenden, so begreift
man wohl, wie in der vorher gleichförmig dichten Masse
derselben nun Verdichtungen oder Verdünnungen entstehen.
Die aus der sich nicht weit erstreckenden Wirkungssphäre
jener Ränder heraustretenden Lichttheilchen müfsten aber
dann in einem nach allen Seiten auf sie gleichwirkenden
Medium sich bewegend geradlinig fortschiefsen. Jene an
dem Rande der Schatten entstehenden, abwechselnd hellen
und dunkeln Streifen erweisen sich aber, werden sie in ver-
') Sur la lumiere. Supplement ä la traduction frangaise du
traite de chimie de Thomson. Paris 1822.
schiedenen Entfernungen vom schattenwerfenden Körper auf-
gefangen, als hyperbolisch gekrümmt, ein solcher heller
Streifen kann also nicht der sichtbare Weg derselben Licht-
theilchen sein. Aufserdem können die Kräfte, welche die
Beugung hervorbringen, nicht analog den Kräften sein, welche
die Brechung erzeugen, denn die Ablenkung eines aus der
Luft in das Innere eines durchsichtigen Körpers schief ein-
dringenden Strahles ist verschieden nach der verschiedenen
Natur dieses brechenden Körpers, während die Substanz, aus
welcher der Rand gebildet wird , an welchem die Beugungs-
erscheinungen hervortreten , auf diese gar keinen verändern-,
den Einflufs äufsert, wie quantitativ oder qualitativ ver-
schieden sie auch sei. Schon s'Gravesand bemerkte, dafs
die Natur oder die Dichtigkeit der beugenden Körper keinen
Einflufs auf die Beugungserscheinungen habe. Darauf haben
Malus und Berthollet diese wichtige Thatsache durch
Versuche festgestellt. Sie wendeten bei ihren Beugungsver-
suchen Platten von Elfenbein und von Metall an, fanden
aber keinen Unterschied. Mit gröfserer Schärfe wurde das-
selbe von Fresnel nachgewiesen. Er bedeckte einen un-
belegten Spiegel mit einer Schicht von Tusche, welche auf
feines Papier aufgetragen war, scrdafs das Ganze eine Dicke
von ]/ 10 Millimeter hatte: mit einem Federmesser wurden
darauf 2 Parallellinien gezogen und in dem Zwischenraum
Papier und Tusche sorgfältig weggenommen. Eine Spalte
von genau gleicher Weite gebildet aus 2 massiven Kupfer-
cylindern von 1 1 / 2 Centimeter Durchmesser gab aber mit
dem Mikrometer gemessen genau dieselbe Erweiterung des
durchstrahlenden Lichtes, als die erste. Um zu unterschei-
den, ob die Gestalt des Randes einen Einflufs auf die bei der
Beugung hervortretenden Lichtstreifen habe, nahm Fr es-
10
ncl 2 Stahlplatten, deren Rand zur Hälfte abgerundet, und
zur Hälfte zugeschärft war, und stellte den runden Theil
des einen Randes dem geschärften des andern gegenüber
und umgekehrt. Aber auch bei dieser verdoppelten Wirkung
erschienen die Lichtstreifen nicht mitten durchgebrochen,
sondern vollkommen gerade. Endlich hat Hai da t ') durch
Leiter, welche die beugende Spalte bildeten, kräftige clectrische
Batterien entladen, sie als Poldrähte galvanischer Ketten bis
zum Glühen erhitzt, durch Ansetzen kräftiger Magnete magne-
tisirt u. s. f. , ohne dafs bei Umkehrung der Polarität oder
überhaupt irgend ein Unterschied in den Beugungserscheinun-
gen sich wahrnehmen Ms.
Aber auch selbst die Erscheinungen der Brechung schei-
nen Gründe gegen das Emanationssystem zu enthalten. Da
nämlich die Brechung des Lichtes bei dem Eintritt desselben
aus einem durchsichtigen Medium in ein anderes nach beiden
Systemen dadurch entsteht, dafs das Licht sich in beiden
Medien mit ungleicher Geschwindigkeit fortbewegt, so wird
alles, was die Geschwindigkeit desselben innerhalb des einen
Mediums ändert, ohne auf die des andern Einflufs zu haben,
die Brechung verändern. Da nun nach dem Emanations-
systeme die Lichttheilchen gegen die Materie gravitiren, so
müfste die Masse des Körpers, welcher sie aussendet, einen
Einflufs haben auf die Geschwindigkeit, mit welcher sie fort-
geschleudert werden. Das Licht verschiedener Fixsterne
und der Planeten müfste also durch dasselbe Prisma ver-
schieden gebrochen werden. Daraufmachte im Jahr 1784
zuerst Mitchel *) aufmerksam. Diese Versuche sind nun
] ) Haldat extrait d'un memoire sur les causes de la diffraction.
Ann. de chim. et de phys. 41. p. 424.
a ) On the means of discovering the distance , magnitude etc. of
11
von Frauenhof er *) wirklich angestellt worden, nnd zwar
auf eine Weise, welche einen —^ betragenden Unterschied'
der ganzen Brechung hätten nachweisen müssen. Alle un-
tersuchten Fixsterne gaben aber dieselbe Brechbarkeit des
lichtes, als die Planeten, ein Resultat, welches vollkommen
mit der von Bradley aus den Aberrationserscheinungen
abgeleiteten Gleichheit der Geschwindigkeit des Lichtes der
verschiedenen Fixsterne übereinstimmt.
Bei der Darstellung physischer Erscheinungen bedürfen
wir, um sie uns und andern in ihrem Zusammenhange an-
schaulich zu machen, bestimmter theoretischer Vorstellun-
gen, durch welche wir das innerhalb eines Gebietes empirisch
Gefundene an Phänomene, die in andern Gebieten uns bereits
vertraut sind, anzuknüpfen suchen. In der Wahl dieser
Analogien kann ein Mißgriff stattfinden, es kann ein Pa-
rallelismus vermuthet werden, wo er nur scheinbar existirt,
thc ftxed stars in consequence of the diminution of the velocity of
their light, in case such a diminution should be found to take place
in any of them. Phil. Trans. 1784. p. 35.
') Gilb. Ann. 74. p. 375. Ein Flintglafe- Prisma, dessen Winkel
37* 40' betrug, bei welchem der einfallende Strahl mit dem aus-
fahrenden ohngefähr einen Winkel von 26* machte, und dessen
Breite 4 Zoll betrug, wurde vor das Objectiv eines Fernrohrs von
4 Zoll Oeffnung befestigt. An diesem Fernrohr war ein zweites
kleineres angebracht, dessen Achse mit der des ersten einen Winkel
von 26 * machte. Von zwei Beobachtern wurde nun von dem einen
der Antritt des Sterns am Faden des kleinern Fernrohrs ohne Prisma,
und von dem andern der Antritt einer festen Linie des Spectrums
an das Schraubenmikrometer im andern beobachtet, und dieselbe
Beobachtung ohne Aenderung des Mikrometers an einem anderen
Stern wiederholt. Ist bei Einstellung des Fadenkreuzes des kleineren
Fernrohres auf den Stern dieselbe Stelle des Spectrums am Mikro-
meter des größeren , so hat das Licht beider Gestirne gleiche Brech-
barkeit.
12
wiederum Zusammengehöriges auseinander gehalten wer-
den. Alle jene grofsen Massen des Sonnensystems hatten
sich unterworfen gezeigt den Gesetzen der Newtonschen
Gravitation; die bei schärferer Prüfling hervortretenden Ab-
weichungen von der einfachen Gestalt ihrer Bahnen, welche
Keppler ihnen zugeschrieben hatte, ergaben sich als noth-
w endige Folge ihrer gegenseitigen Anziehung; die grofsar-
tigen Oscillationen des Meeres in der Ebbe und Fluth er-
folgten nach denselben Gesetzen, wie die Schwingungen des
unscheinbaren Pendels, welches die Erde in die Lothlinie
zurückzuführen strebt Lag es nun nicht nahe anzunehmen,
dafs das Licht, welches jenen Körpern entströmt, ähnlicher
'Natur sei, dafs das Sonnentheilchen , welches an einem
terrestrischen Körper vorbeieilen will, in die anziehende
Wirkungssphäre desselben gelangend, umgelenkt wird, wie
der kometenartige Körper, welcher aus dem Weltenraume
in das Sonnensystem gelangend, sich von den anziehenden
Kräften desselben plötzlich erfafst fühlt und das einförmige
Geradeausgehen nun aufgeben mufs, welches ihm bei seiner
langen Reise durch die Intermundia bereits wie zur andern
Natur geworden war? Kann man sich wundern, dafs die
Physiker des vorigen Jahrhunderts glaubten , dafs , wer in
den weiten Räumen des Sonnensystems überall das Rechte
gefunden, es auch da erkannt haben möge, wo das Materielle
m unmittelbarer Nähe wirkt ?
Dem Impulse, welchen die Naturwissenschaften zur.
Zeit Newton's durch das Zusammenwirken jener grofsen
Talente erhielten, welche kurz vor ihm lebten, oder seine
Zeitgenossen waren, entspricht nicht ein eben so rascher
Fortschritt in der folgenden Periode. Es bedurfte einer Zeit»
jene Gedanken, welche in den verschiedenen Gebieten auf
13
eine so grofsartige Weise angeregt worden waren, zu ver-
arbeiten, sie im Detail der Erscheinungen zu rechtfertigen,
das skizzirte Schema durch den Inhalt zu erfüllen, welchen
schärfere Beobachtungen in immer größerem Reichthume
darboten. Der Entwickelungsgang einer Wissenschaft ist
einem Strome zu vergleichen. In seinem obern Laufe liegen
Thalweiten terrassenförmig übereinander, in denen er sich
oft ruhig zu einem See verbreitet, als hätte er alle Sehn-
sucht nach der Ebene verloren, deren Stufen er aber dann
in brausenden Stürzen, als wolle er das Versäumte wieder
nachholen, überspringt. Immer neue Hindernisse treten
hemmend seinem Laufe in der steilen Kluft entgegen, welche
spaltenartig beide Terrassen verbindet, aber nun tritt er in
die neue Thal Weitung, durch reiche Zuflüsse zum mächtigen
Strome erstarkt, würde er sich nicht mehr in das enge
Bette zwängen lassen, welches er auf der obern Stufe kaum
auszufüllen vermochte. Endlich unten angelangt, strömt er
in langsam abfallendem Längenthaie regelmäfsig weiter,
nicht mehr bestimmt durch seine Umgebungen, gräbt er
sich selbst sein Bett, um zuletzt mit den andern Strömen
in der gemeinsamen Weitung des Meeres sich zu vereinen.
Die Naturwissenschaften haben jetzt noch ganz den roman-
tischen Charakter ihres obern Laufes, während die vom
Alterthume überlieferten Disciplinen schon sehr die Einför-
migkeit der Ebene verrathen. Dies mag ein Vorzug der
letztern sein, aber es ist der wenig beneidenswerthe, welchen
das Alter vor der Jugend voraus hat.
Jener Uebergang aus einer Periode in die andere ist
eine Zeit des heftigsten Kampfes. Hartnäckiger wurde selten
einer gefochten , als der , aus welchem die neuere Optik in
unsern Tagen hervorgegangen ist. Wenn man bedenkt, dafs
14
Newton' s Emissionstheorie , welche Huyghen's Ent-
deckungen hatte vergessen machen, unerschüttert durch
Euler's 1 ) Angriffe noch inLaplace 9 ) und Biot*) die ent-
schiedensten Vertheidiger fand, wenn man sich daran er-
innert, dafs Malus, der Entdecker der Polarisation des
Lichtes, sich für sie entschied 4 ) und Brewster 5 ), an
dessen Namen sich alle empirischen Fortschritte der neuern
Optik knüpfen, zuletzt allein stehend, unwillig ausrief, er
wenigstens wolle nicht vor dem neuen Altäre der Wellen-
theorie knieen , so mufs man bedauern, dafs jener jugendliche
Kämpfer, welchem so Grofses gelang, dafs Fresnel nicht
mehr den Siegesruf seiner Partei hört, welcher sich in
Lame 's Worten 6 ): nous laisserons U parti ereduit au si-
lence eher eher une excuse de sa defaite dans le rare bonheur
de ses adversaires, fast höhnend ausspricht.
Wer sich auch nur oberflächlich mit der empirischen
Seite der Optik vertraut gemacht hat, mufs erstaunen, wenn
er hört, dafs die scheinbar unendliche Mannigfaltigkeit der
Erscheinungen sich zusammenfassen läfst unter dem ein-
fachen Gesichtspunkte , dafs der Eindruck des Lichtes durch
Schwingungen eines elastischen Mediums erregt werde, deren
Anzahl die Farbe bestimmt, von deren Weite die Helligkeit
') Lettres ä une princesse d'Allemagne sur differentes questions
de physique et de philosophie/
*) Sur le mouvement de la lumiere dans les corps diaphanes.
Mem. de llnstit. 1809. p. 300.
3 ) Traite de physique explrimentale et mathematique. 1816.
Tom. 4.
4 ) Theorie de la double refraction.
5 ) Observation on the absorption of specific rays in reference
to the undulatory theory of light. Edinb. andLond. Ph. Mag. 2. p. 360.
6 ) Cours de physique 2. p. 300.
15
abhängt, deren lineare, kreisförmige oder elliptische Gestalt
ihre Polarisation hervorbringt. Bei einer nähern Betrachtung
dessen, wovon jetzt im Reiche des Lichtes die Rede ist,
wird er einsehen, dafs das Vertrauen auf seine Verfassung
gerechtfertigt erscheint, denn diese besitzt Elasticität genug,
um neue Elemente in sich aufzunehmen , und eine hinlänglich
befestigte Grundlage, um nicht von ihnen überwältigt zu
werden. Er wird es dann auch begreiflich finden, dafs ein
Physiker die Frage, welcher jener beiden optischen Theorieen
er folge, überhört, da ihre Antwort sich von selbst versteht.
Aber nicht diese Frage ist es , zu deren Beantwortung
man in Deutschland aufgefordert wird. In den Worten : sind
Sie ein Anhänger der N e w t o n'schen oder der G o eth e'schen
Farbenlehre, glauben viele eine Zauberformel zu haben, um
sogleich zu entscheiden , ob der Gefragte » auch zu der Gilde
gehöre, welche den Unsinn nachbete, den man nun fast hun-
dert Jahre als Glaubensbekenntnifs wiederhole. « Soll man
Solchen Rede stehen, denen eben so wenig an der Wissen-
schaft liegt, als der Wissenschaft an ihnen? Als Talley-
rand nach der Julirevolution in London von einem Diploma-
ten gefragt wurde, was nun werden würde, Krieg oder
Frieden, sagte er in seiner treffenden Weise : ni Tun ni Pauire*
Dieselbe Antwort, doch in einem andern Sinne, pafst auf
jene Frage. Sie nicht mifsverstehen setzt aber voraus, dafs
man wisse, um was es sich in der Farbenlehre handelt.
Es giebt eine andere höchst achtungswerthe Klasse von
Fragern. Wenn man E ckermann's Gespräche mit Go ethe
liest, so fühlt man, dafs in Goethe's Persönlichkeit etwas
so Imponirendes und Hohes gelegen habe, dafs ihm ge-
genüber jeder Widerspruch verstummte. Auch aus der Ferne
hat er auf Viele so gewirkt Diese vergessen , dafs die Na«
16
tur immer Recht hat, wir ihr gegenüber uns aber häufig
irren, bald diese*, bald jener. Und kann man es ihnen ver-
argen, dafs sie sich gefangen geben in den Zauber der Dar-
stellung, wie er in der Farbenlehre herrscht? Giebt es ir-
gendwo anders einen Styl von so durchsichtiger Klarheit
und von so leidenschaftlicher Wärme, durchdringen sich wohl
anderswo so innig wie hier, jene scheinbar heterogenen
Elemente der Sprache, die im Werther und den Wahlver-
wandtschaften als gleich vollendete Extreme auseinander^
fallen? Was soll man diesen antworten, die nicht gern an
einem irre werden möchten, und doch zuletzt die Frage nicht
unterdrücken können: was halten Sie von der Goethe 'sehen
Farbenlehre?
Seit einiger Zeit ist es Sitte geworden, sich auch mit
dem gröfseren Publikum über physikalische Gegenstände zu
besprechen. An eine solche Unterhaltung macht man nicht
die strengen, wissenschaftlichen Anforderungen, als an ein
systematisches Werk. Daher scheinen mir Gelegenheits-
schriften geeignet dazu. Es giebt kein vortrefflicheres Mittel,
einen etwa dabei begangenen Fehler schneller in Vergessen-
heit zu bringen. Die kurze Darstellung der jetzigen Chro-
■
raatik, welche ich hier geben werde, macht keine weitem
Ansprüche.
In Beziehung auf das Wahrnehmen der Gegenstände
durch das Auge unterscheiden wir die Körper nach zwei
Klassen in selbstleuchtende, welche ohne V ermittelung
eines andern Körpers sichtbar sind, und in dunkle, welche
der Gegenwart eines Körpers der ersten Klasse bedürfen,
um wahrgenommen zu werden. In Gegenwart der stark
leuchtenden Körper verschwindet der Eindruck der schwächer
leuchtenden, wie wir am deutlichsten an den Sternen sehen,
17
die bei Tage nur durch lichtstarke Fernrohre sichtbar wer-
den, und an den phosphorescir enden Körpern, deren Anzahl
bei steigender Dunkelheit sich immer mehr vergrößert, so
dafs , wo wir klassificirend trennen , in der Wirklichkeit nur
ein allmähliger U ebergang stattfindet Aufser in Beziehung
auf die Helligkeit unterscheiden wir die selbstleuchtenden
Körper durch ihre Farbe. Schon die Fixsterne bieten darin
auffallende Contraste dar, gröfsere das elektrische Licht,
nach der Natur der Leiter, aus welchen es hervortritt, den
bedeutendsten die Flammen. Das bläuliche Licht einer Wein-
geistflamme wird blendend gelb, wenn der Docht derselben
mit Kochsalz eingerieben ist, intensiv roth durch Strontian,
grün durch Kupfersalze u. s. f. Der angenehme Eindruck
unserer künstlichen Feuerwerke beruht vorzugsweise auf
der geschickten Zusammenstellung und Aufeinanderfolge
solcher verschiedenfarbiger Beleuchtungen.
Das auf einen dunkeln Körper auffallende Licht kann,
wenn wir die Extreme betrachten, entweder ungehindert
durch den Körper hindurchgehen , oder ganz zurückgesendet
werden, oder vollkommen aufgehalten. Da keins dieser
Extreme in absoluter Strenge in der Natur vorkommt, so
wird stets einiges Licht in das Innere des Körpers eindringen,
einiges von seiner Oberfläche zurückkehren, endlich ein Theil
des auffallenden Lichtes durch Absorption für das Auge
verloren gehen. Alles das Auge wirklich treffende Licht
kommt daher entweder auf dioptrischem oder katoptri-
schem Wege in dasselbe, d. h. es durchstrahlt die
Körper oder wird von ihnen zurückgestrahlt. Durch-
scheinend heifst ein Körper, welcher nur in den dünnsten
Lamellen durchsichtig wird. Jeder durchsichtige Körper
wird, insofern er vom Lichte durchstrahlt wird, ein Mittel
2
18
oder ein Medium genannt. Ein absolut durchsichtiger
Körper würde gar keinen Schatten werfen und unsichtbar
sein. Bei dem Eintritte des Lichtes aus dem leeren Rautne
in einen durchsichtigen Körper, oder bei seinem Austritt
aus einem Medium in ein anderes, ändert es seine Richtung,
es wird gebrochen, wenn seine anfängliche Richtung
schief gegen die Trennungsfläche war. Das Hervortreten
einer Münze über den verdeckenden Rand des Gefäfses, auf
dessen Boden sie liegt, ehe Wasser eingefüllt wurde, die
Vergrößerung eines Eies in einem cylindrischen Glase voll
Wasser, die eigene Täuschung, dafs man in einem gläsernen
Würfel einen zweiten kleineren zu sehen glaubt, sind so
wie der Anblick des in das Wasser schief gehaltenen Stabes,
der gebrochen erscheint, bekannte hierher gehörige Erschei-
nungen. Wird das auffallende Licht vorwaltend nach Rich-
tungen zurückgeworfen, die in einer bestimmten Gesetz-
mäßigkeit auf einander folgen, wenn wir von einem Punkte
der Oberfläche zu dem zunächstfolgenden übergehen, so
nennen wir den Körper einen Spiegel. Nicht er ist sicht-
bar, sondern die Gegenstände, welche sich in ihm abbilden.
Eine ruhige Quecksilberfläche bietet davon das deutlichste
Beispiel dar. Wird hingegen das Licht gleichmäfsig nach
allen Richtungen verstreut und zwar unverändert in seiner
Farbe, nämlich weifses Licht weifs, rothes roth u. s. w.,
so heifst der Körper weifs. Wird hingegen von dem auf-
fallenden Lichte nichts zurückgespiegelt und nichts durch-
gelassen, so nennen wir den Körper schwarz. Ein voll-
kommen schwarzer Körper ist daher in jeder Beleuchtung
unsichtbar, wir schliefsen auf sein Vorhandensein nur da-
durch, dafs er uns andere Gegenstände verdeckt. Ein voll-
kommen weifser Körper erscheint hell in jeder Beleuchtung,
19
farbige Körper neben weifse gehalten, erscheinen bei be-
stimmten Beleuchtungen hell, bei andern dunkel, graue
bei allen Beleuchtungen dunkler als weifse, und heller als
schwarze. Diese Unterschiede sind gültig selbst für die In-
dividuen, welche bestimmte Farben nicht direct von einander
zu unterscheiden vermögen, ja sie geben diesen ein praktisches
Mittel an die Hand, ihrem mangelnden Färb ensinn nachzuhelfen.
Das directe Licht leuchtender Körper und das nach allen
Richtungen gleichmäfsig verstreute dunkler, durch welche
diese in irgend einer Beleuchtung sichtbar werden, unter-
scheidet sich von dem gespiegelten undurchsichtiger, und
dem durchgelassenen durchsichtiger bei gleicher Helle und
gleicher Farbe durch gewisse physikalische Eigenschaften,
welche man unter dem Namen der Polarisation zusam-
menfafst. Da nun der undurchsichtigste Körper in dünnen
Lamellen durchscheinend ist, der durchsichtigste doch in
grofsen Massen sichtbar wird, so kann man bei jedem nicht
selbstleuchtenden Körper das gespiegelte von dem in das
Innere eindringenden Licht unterscheiden. Stehen die Strahlen
dieser beiden Lichtmassen auf einander lothrecht, so sind
die Eigenschaften, welche das gespiegelte von dem directen
Licht unterscheiden , in gröfster Intensität vorhanden. Das
gespiegelte Licht heifst dann im Gegensatz des unpolari-
sirten directen vollständig polarisirt, in jedem an-
dern Falle theilweise polarisirt. Fällt polarisirtes
Licht auf eine rauhe Oberfläche, die es gleichmäfsig nach
allen Richtungen verstreut, so verliert es die durch die
Spiegelung oder Brechung erhaltenen Eigenschaften wieder,
es wird depolarisirt. Bei den durchsichtigen Körpern,
welche Doppelbilder hervorbringen, ist das Licht, welches
diese erzeugt, vollständig polarisirt, die beiden Bilder unter-
20
scheiden sich aber, wie bei einfach brechenden Körpern der
gespiegelte Strahl vom durchgelassenen, man nennt sie
rechtwinklich auf einander polarisirt, weil die-
selben physikalischen Eigenschaften sich bei ihnen in zwei
anf einander senkrechten, durch die Strahlen gelegten Ebenen
finden.
Fragen wir nach den Bedingungen , unter welchen am
Licht Farben hervortreten, so werden wir die physischen
Farben den physiologischen Farben gegenüberstellen,
jene objectiv gleichzeitig für jedes wahrnehmende Auge,
diese subjectiv im Organ eines bestimmten Individuums
mehr oder minder selbstständig entwickelt. Unter den phy-
sischen Farben werden wir die ursprünglichen, per-
manenten von den apparenten unterscheiden, jenach-
dem nämlich das farbige Licht direct von dem leuchtenden
Körper zum Auge gelangt, oder indirect. Das Licht der selbst-
leuchtenden Körper ist nämlich farbig und wird farbig.
Das Farbigwerden geschieht auf dreierlei Weise, durch
Brechung, Interferenz und Absorption. Die appa-
renten Farben d. h. die Farben, welche im Conflict leuch-
tender und beleuchteter Körper entstehen, zerfallen demnach
in drei Hauptklassen :
1. Prismatische oder Brechungsfarben. Hierzu
gehört das sogenannte prismatische Spectrum, subjectiv oder
objectiv betrachtet, d. h. unmittelbar durch das unbewaflhete
oder bewaflhete Auge aufgefangen, oder nachdem es vorher
auf eine rauhe Fläche geworfen, die durch Linsen entstehenden
Farben, der farbige Bogen, welcher in einem Reflexionsprisma
den Raum totaler Reflexion von dem der theilweisen trennt, die
schwachen Farben zwischen den gekreuzten Spiegeln eines
Polarisations - Apparates ohne zwischen gehaltene doppel-
21
brechende Platten, die Farben, welche durch wiederholte
Spiegelung an Metallen immer intensiver hervortreten, der
Haupt- und Nebenregenbogen, die grösseren Höfe.
2. Die Farben der Interferenz, welche in zwei
Hauptklassen zerfallen, jenachdem nämlich der Gangunter-
schied der zusammentreffenden Strahlen durch Ungleich-
heit in den Wegen hervorgebracht ist, welche die von
einem Punkte ausgehenden Strahlen durchliefen, um zu einem
Punkte zu gelangen, oder durch Ungleichheit der Ge-
schwindigkeit, mit welcher sie in einem doppeltbrechen-
den Mittel denselben Weg durchlaufen.
Zu der ersten Abtheilung gehören:
a) die Farben dünner Blättchen (epoptischeu) und
zwar: die Newtonschen Ringe, die Farbe der Seifen-
blasen, eines Oelbäutchens auf Wasser, einer ange-
hauchten Fläche durch Reflex gesehen, die Farben-
streifen an den Sprüngen des Gypses, Kalkspaths
und Glimmers, die Farben dünn ausgeblasenen Glases
und Collodiums, eines durch Wärinc oder galvanische
Niederschläge angelaufenen Metalls, die schillernden
Farben an den der Feuchtigkeit und Sonne ausge-
setzten Fensterscheiben, endlich die natürlichen Far-
ben mancher Körper, welche unter verschiedener
Neigung verschiedenfarbig erscheinen;
b) die Farben der doppelten Platten, nämlich un-
belegter und belegter Hohlspiegel mit auffangendem
Schirm, geneigter Glasplatten, die Farben des Fres-
nelschen Interferenzspiegels und Interferenzprismas,
endlich die Farben durch Interferenz des gespiegelten
Lichtes mit dem einen Spiegel direct vorbeigehenden,
wie in dem Versuch von Lloyd.
22
c) Beugungsfarben (paroptisch), die an Spinneweben
im Sonnenlicht, die Farbenstreifen am Schatten schma-
ler Körper in divergirendem Lichte, an einer engen
Spalte, an dioptrischen Gittern, die Höfe um eine
Flamme, welche durch ein mit feinem Pulver be-
streutes oder angehauchtes Glas betrachtet wird, die
kleinen Höfe um Sonne und Mond, die supernumerären
Bogen am Regenbogen;
d) irisirende oder Perlemutterfarben, die der
Reflexionsgitter, der Perlemutter und vielleicht man-
cher InsectenflügeL
Zu der zweiten Abtheilung gehören:
die Polarisationsfarben (entoptischen) in dop-
peltbrechenden Kry stallen, gekühlten und geprefsten
Gläsern, erhärtetem Gummi, den Augen gewisser
Fische und den circularpolarisirenden Flüssigkeiten,
ohne vorläufige Polarisation in den idiocyclopha-
nischen Zwillingskrystallen.
3. Die Farben der Absorption. Sie zerfallen in
zwei Klassen:
A. die des unpolarisirten Lichtes und zwar
d) die dioptrischen, der farbigen Gläser, der einfach
brechenden Krystalle, farbiger Flüssigkeiten und Gase;
b) die katoptrischen, Pigmente, natürliche Farben
der Körper;
B. die des polarisirten Lichtes, nämlich
die Farben der dichroitischen Krystalle.
Man hat mitunter die Farben der dritten Klasse als
körperliche Farben den prismatischen und Interferenz-
farben als flüchtigen gegenübergestellt, ja sogar verlangt,
dafs Schlüsse von den prismatischen Farben, als ent-
23
stehenden, nicht auszudehnen seien auf körperliche Far-
ben, als vorhandene. Wenn ich das intensive Roth der
Spitzen unserer Zündhölzchen oder den rothen Schnitt eines
Buches bei einer durch Kochsalz gelbgemachten Weingeist-
flamme betrachte , so sind sie vollkommen verlöscht, der
Schnitt des Buches erscheint nicht etwa orange, sondern
farblos, wie der Schnitt eines Buches, welcher gar nicht
angestrichen worden war. Wäre das Roth in dem vorher-
angegebenen Sinne eine vorhandene Farbe, so würde es
sich in der gelben Beleuchtung doch als roth geltend machen.
Das Roth entsteht erst in der weifsen Beleuchtung. Solche
Unterscheidungen, wie vorhandene und entstehende Farben,
sind auf dem naturhistorischen Standpunkte zu gebrauchen,
sie sind aber ganz unphysikalisch. Der Physiker fragt, wie
entstehen im Conflict der Beleuchtung und der Körper die
Farben? sie sind ihm ein Procefs, von welchem er sich
Rechenschaft abzulegen hat, nicht ein Product, welches
ihm überliefert wird.
Indem wir daher die Gesammtheit der Farbenerscheinun-
gen, welche nicht direct an der Beleuchtung hervortreten,
sondern erst durch Brechung, Interferenz oder Absorption
an ihnen hervorgerufen werden, unter dem Namen der ap-
parenten zusammenfassen, haben wir als Aufgabe der
Chromatik zugleich die Beantwortung der Frage ausge-
sprochen, wie wird das lacht an den Körpern und durch
die Körper farbig, und warum ist es auch ohne Yermittelung
nichtleuchtender Körper farbig.
Die ursprünglichen sowohl, als die apparenten Farben
sind entweder homogen oder nichthomogen.
Die Farbe eines leuchtenden Körpers heifst rein oder
homogen, wenn in ihrer Beleuchtung alle nichtleuchtenden
24
Körper nur Abwechselungen von gröberer oder geringerer
Helligkeit zeigen, ohne den Unterschied, welchen wir als
Farbcndiiferenz aussprechen. In einer rein rothen Beleuch-
tung verlöschen daher alle übrigen Farben, und zwar er-
scheinen in ihr die Körper am hellsten, welche in intensiv
weifser Beleuchtung weifs erscheinen oder mit demselben
Roth, wie jene rothe Flamme im Dunkel. Auf dieselbe Weise
heifst eine Flamme dichromatisch, in deren Beleuchtung
zwei im weifsen Lichte verschiedene Farben nicht ver-
löschen. Da nun in einer weifsen Beleuchtung alle Farben-
unterschiede am stärksten hervortreten, so wird zwischen
einer monochromatischen Flamme und einer weifsen der
größtmöglichste Unterschied stattfinden, ein Licht, je weifser
es wird , daher desto mehr von der Monochromasie sich ent-
fernen. Die Zwischenstufen zwischen dem monochroma-
tischen Lichte und dem weifsen werden durch die nichtho-
mogenen Farben gebildet. So viel monochromatische Farben
man unterscheidet, so viel Stufenleitern zum Weifsen wird
es daher geben. Die Farbe eines nichtleuchtenden Körpers
ist homogen , wenn sie nur in einer homogenen Beleuch-
tung nicht verlöscht, aber in allen übrigen. Ganz dieselben
Unterschiede lassen sich für durchsichtige Körper feststellen.
Ein rein ro thes Glas ist daher undurchsichtig für alle homogenen
Farben, roth ausgenommen, ein homogen gelbes für alle ho-
mogenen Farben, gelb ausgenommen u. s. f. Die Namen mo-
nochromatisch, dichromatisch u. §. f. haben für katoptrische
und dioptrische Farben demnach entsprechende Bedeutungen.
Das menschliche Auge besitzt nur in geringem Grade
die Fälligkeit, unmittelbar eine homogene Farbe voi* einer
nichthomogenen Farbe zu unterscheiden. Es bedarf daher
schärferer Prüfungsmittel , um darüber zu entscheiden, ob
25
eine Farbe homogen sei oder nicht Weifses Licht giebt»
den oben angegebenen Bedingungen unterworfen , zu den
lebhaftesten Farben Veranlassung. Farbiges Licht nun,
welches denselben Bedingungen des Experiments unterwor-
fen, nie zu einer neuen Farbe Veranlassung giebt, sondern
nur Abwechselungen von hell und dunkel zeigt, heifst ho-
mogen. Die verschiedenen Prüfungsmittel haben aber nicht
gleiche Schärfe. Ein leuchtender Körper, welchen man nach
seinem Verhalten bei der Darstellung der Beugungsfarben,
Gitterfarben , der Farben dünner Blättchen und der Polari-
sationsfarben, d. h. in Beziehung auf die sogenannten Far-
ben der Interferenz, homogen halten würde, erweist
sich, im Prisma betrachtet, oft noch vielfarbig. Auch be-
darf es einer Schärfung des blofsen Auges durch optische
Hülfsmittel, um selbst dann die hierbei möglichst vollkom-
mene Sicherheit zu erhalten. Diese Sicherheit ist aber den-
noch keine absolute, die dioptrischen Prüfungsmittel farbiger
Medien scheinen nämlich das Licht als nicht homogen nach-
zuweisen, welches nach der Aussage des Prisma vollkommen
homogen war.
Brewster 1 ) glaubt nämlich bewiesen zu haben, dafs
der Farbeneindruck des Spectrums durch das Zusammen-
wirken der drei Grundfarben: Blau, Gelb und Roth hervor-
gebracht werde, welche über den erleuchteten Raum in un-
gleicher Intensität verbreitet sind , deren Maximum sich aber
an verschiedenen Stellen findet. Bringt man das Spectrum
auf die Weise hervor, dafs man darin vermittelst eines
Fernrohrs die von Frauen hof er entdeckten dunkeln Linien
wahrnimmt, so galt jede der Nuancirungen dieser Farben-
') On a new analjsis of light, indicating three primary colours,
foruiing eoincident Spectra of cqual lengJh. Edinb. Trans. 12. p. 123.
26
folge als optisch homogen, weil es durch keinen Versuch
gelungen war, aus dem Lichte der Stelle, an welchem wir
jene Nuancirung wahrnehmen, einen andern Farbeneindruck
zu entwickeln, als den, welchen sie selbst hervorbringt
Brewster hat nun aber gefunden, dafs, wenn man die ver-
schiedenen Stellen dieses Spectrums der verdunkelnden Wir-
kung verschiedenfarbiger Medien unterwirft, man zuletzt
Lichteindrücke von ihnen erhält, in welchen das Auge nur
die Unterschiede der Helligkeit anerkennt, ohue sich einer
Farbendifferenz zwischen ihnen bewufst zu werden. In
dem Raum also, welchen wir als das reinste Gelb ansprechen,
kann durch farbige Gläser und durch Flüssigkeiten, welche
für gelbes Licht sich wie undurchsichtige Körper verhalten,
aber dem Roth und Blau durchgängig sind, zuletzt ein
schwaches Violett erzeugt werden, in dem blauen Räume
durch andere Medien ein schwaches Orange, in dem rothen
ein sehwaches Grün. Um das prismatische Gelb daher in
ein für alle Prüfungsmittel wahrhaft homogenes zu verwan-
deln, mufs es betrachtet werden durch ein Medium, welches
jenes schwache begleitende Violett vollständig unterdrückt
Gegen die Brewsterschen Versuche hat aber Helm-
hol tz geltend gemacht, dafs einige der auffallendsten seiner
Resultate von einer Vermischung des regelmäfsig gebroche-
nen Lichtes mit solchem herrühren, welches theils aufserhalb
theils innerhalb des Auges regelmäfsig zerstreut wird, und
dafs aufserdem die physiologischen Erscheinungen des Con-
trastes die Beurtheilung der Farbe beeinträchtigen, wenn
wir ein schwach erleuchtetes farbiges Feld neben einem sehr
viel helleren betrachten.
Bei dem Mangel der Unterscheidungsfähigkeit des Auges
und bei der geringen Anzahl der Bezeichnungen, welche die
27
Sprache für die Farbenunterschiede darbietet, wird es nicht
auffallen, dafs das Verschiedenartigste oft unter einem Na-
men zusammengefafst wird. Dies gilt nicht nur für die Far-
ben, sondern auch für das Weifs, von demPrevost sagt:
la blancheur riest qtfune Sensation relative ß (fest toujours
celle j que jait naitre la lumiere dominante. Monge hat
vollkommen Recht, dafs, wenn wir weifse Flächen und rothe
Flächen durch ein rein rothes Glas betrachten, wir diese
Flächen nicht roth sehen, sondern eher weifs nennen. Ist
es nun wohl auffallend, dafs wir die Flamme einer Wachs-
kerze, einer Gasflamme, das Tageslicht, bei heiterm und
bedecktem Himmel, Mittags und Morgens, jede allein ge-
sehen weifs nennen, während doch eine Gasflamme, auf den
weifsen Abendhimmel projicirt, vollkommen gelb erscheint,
ja ein Wachslicht sogar in das Gelbrothe zieht. Diese
bei oberflächlicher Betrachtung übersehenen Färbungen des
weifsen werden dem geübten Auge des Malers in dem Ein-
flufs der Beleuchtung auf die körperlichen Farben bemerklich.
Der blaue Himmel macht eine blaue Farbe stärker blau,
eine gelb grüne völlig grün, eine braunschwarze schwarz,
eine dunkelrothgelbe braun, eine rothe mehr oder minder
violett, während hingegen die Abendröthe das Blau in Pur-
pur, Gelb in Pomeranzengelb, Mennige in Zinnober ver-
wandelt, bei dem Lichte einer Wachskerze Blau und Grün
schon nahe aneinander treten. Treten nun solche Unter-
schiede bei Beleuchtungen hervor, die wir noch als farblose
ansprechen, so läfst sich noch weniger Bestimmtheit bei
der Bezeichnung der Farbe erwarten. Auch siebt man leicht
ein, dafs innerhalb der verschiedenen Gebiete der künstlerischen
Anwendung, der technischen Bereitung und der wissenschaft-
lichen Betrachtung der Farbe ein ganz verschiedener Sprach-
28
gebrauch, was die Bezeichnung betrifft, stattfinden wird.
Der Maler wird daher eine Farbe als rein bestimmen, welche
der Physiker als zusammengesetzt verwirft, und umgekehrt
wird der Physiker von reinen Farben sprechen, die der
Maler als gemischte bezeichnet Es wäre lächerlich, hier
den Ausspruch des einen dem andern als Autorität vorzu-
halten, denn dem an die Unmittelbarkeit der Natur gewie-
senen Maler ist von vornherein eine ganz andere Aufgabe
gestellt, als dem Naturforscher, welcher von der Beobachtung
zum Versuche weiter gehen mufs , da die natürlichen Com-
bi nationen der einfachen Elemente, welche er sucht, oft
nicht in der zu ihrer Bestimmung hinlänglichen Anzahl vor-
handen sind , er daher jenen natürlichen Verbindungen künst-
liche hinzufügen mufs. Aufserdem stellt der Maler alle von
ihm beobachteten Erscheinungen durch Pigmente dar, seine
praktische Thätigkeit bewegt sich also ganz im Reiche des
reflectirteu und zwar des nach allen Seiten hin gleichmäfsig'
verstreuten Lichtes. Die physikalische Beobachtung umfafst
aber ebenso das regelmässig gespiegelte und das gebrochene
Licht, welches sich von dem directen und gleichförmig zer-
streuten durch seine Polarisation unterscheidet, die durch
kein Pigment dargestellt werden kann. Es giebt daher in
der physikalischen Farbenlehre Unterschiede, welche ganz
aufserhalb der Sphäre der Malerei liegen.
Auch hier bietet die Klanglehre ganz analoge Erscheinun-
gen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dafs das, was wir Klang
nennen, durch kleinere Schwingungen eines tönenden Körpers
hervorgebracht wird, welche gleichzeitig mit den die Höhe
des Tones bestimmenden, allein deutlich wahrnehmbaren
Hauptschwingungen hervorgebracht werden, durch welche
ein Ton derselben Höhe, auf verschiedenen Instrumenten
29
erregt, sich als ein verschiedener kund giebt. Sowie nun
der praktische Musiker diese Modification des Klanges benutzt,
um in seinen Compositionen eine noch gröfsere Mannigfal-
tigkeit der Eindrücke hervorzubringen, als das blofse Höhen-
verhältnifs der Töne zu erzeugen vermag, ja oft einen be-
deutenden Effect dadurch erzielt, dafs er dieselbe Weise auf
verschiedenen Instrumenten nacheinander vortragen läfst,
so wird auch der Maler vorzugsweise auf dem Gebiete der
zusammengesetzten Farben sich bewegen, das, was wir
Farbenton nennen , daher ohngefahr dem Klange in der Musik
entsprechen. Bei der wissenschaftlichen Betrachtung des
Tones müssen aber jene Elemente auseinandergehalten wer-
den, wo es sich um Tonverhältnisse handelt, kann nicht
zugleich vom Klange die Rede sein, denn die Melodie ist unab-
hängig von dem Klange des Instruments, welches sie vor-
trägt Die wissenschaftliche Behandlung der Farben in der
Chromatik mufs ebenso die Schwingungsverhältnisse der
Netzhaut in ihrer gröfsten Einfachheit, d. h. bei homogenen
Farben untersuchen , um daraus erst die einer complicirteren
Periodicität beurtheüen zu können. Eine Farbenlehre, die
nicht zum Bedürfnifs der Homogeneität der Farben gekom-
men ist, ja wo dieses Bedürfnifs vorhanden ist, es nicht be-
greift oder vielmehr, wie die Goethe' sehe es durch »ge-
mahlte Newton'sche Mucken« verspottet, ist einer Akustik
zu vergleichen, in welcher von Tonverhältnissen nicht die •
Rede sein soll, oder in der es gleichgültig ist, ob die Tü£€^g£
rein oder unrein, es ist der Standpunkt äufserlicher Wahr-
nehmung, wo eben von Theorie noch gar nicht die Rede ist.
Ordnen wir eine Menge farbiger Wollen, farbiger Papiere,
oder bunter Gläser, durch welche eine weifse Grundlage hin-
durch wirkt so, dafs die neben einander hegenden Farben am
80
allmähligsten in einander übergehen, so werden sie sich in
einen Kreis zusammenschließen , in welchem Roth, Orange,
Gelb, Grün, Blau, Violett auf einander folgen, und wo das
Violette sich wiederum an das Rothe anschliefst. Diesen
Kreis hat zuerst Castel in seiner Optique des Couleurs an-
geordnet Sehr schön dargestellt findet er sich in Schiffer-
müll er' s Versuch eines Farbensystems p. 14. Wien 1772,
der darin 12 Nuancen unterscheidet, nämlich Blau, Meergrün,
Grün, Olivengrün, Gelb, Orange, Feuerroth, Roth, Car-
moisin, Veilchenroth, Veilchenblau, Feuerblau. Die diametral
einander gegenüberstehenden Farben sind Roth und Grün,
Blau und Orange , Gelb und Violett. Sie sind dem Maler als
Farben des Contrastes wichtig, ebenso bedeutend aber
dem Physiker, welcher sie Ergänzungsfarben nennt,
weil sie in den Interferenzerscheinungen sich immer an dem
Lichte zeigen, welches in gespiegeltes und gebrochenes oder
in doppeltgebrochenes zerfällt, und welche auch geforderte
Farben heifsen, weil sie in den physiologischen Far-
benerscheinungen, welche das Organ selbstständig ent-
wickelt, mit überraschender Energie hervortreten.
Bei dem Anblicke des Orange werden wir- unmittelbar
an die begrenzenden Farben Roth und Gelb erinnert, bei
dem Violett an Blau und Roth. Dies ist viel weniger bei
dem Grün der Fall, welches sich weit mehr als eine selbst-
• ständige Farbe geltend macht, und daher auch in den meisten
f^Sprachen neben Roth, Blau und Gelb einen eigenen Namen
erhalten hat, von Leonardo da Vinci auch neben jenen
drei Farben mit Weifs und Schwarz zu den einfachen Far-
ben gezählt wird. Da wir aber in der Technik häufig Grün
aus Blau und Gelb mischen, so wird man für die Pigmente
immer mit drei Grundfarben ausreichen, wie Tobias
31
Mayer im Jahre 1758 durch sein Farbendreieck erwies,
welches Lambert im Jahre 1772 durch Einfuhrung all-
mähliger Aufhellung vermittelst des Weifsen in eine Farben-
pyramide verwandelte.
Oefihen wir nun jene Farbenfolge zwischen Roth und
Violett, so erhalten wir die allmäligen Abstufungen des pris-
matischen Sonnenbildes, des sogenannten Spectrums.
Wie viel solcher Abstufungen in ihm unterschieden werden
sollen, wird immer mehr oder weniger willkürlich bleiben.
Lambert bemerkt in dieser Beziehung ganz richtig : »Daraus,
dafs die prismatischen Farben sich stufenweise ineinander
verlieren, folgt, dafs davon weder die sieben Newton'schen,
noch mehrere von Andern angegebene Farben sich als eigent-
liche Grundfarben ansehen lassen. Man kann diese Farben
nach allen ihren Mittelstufen im Cirkel herumlegen, weil
dann das Rothe an das Violette wieder anstöfst, und zu-
gleich zeigt, wie das Rothe sich nach und nach ins Blaue
zieht. Dies vermehrt einigermafsen die Schwierigkeit, die
wahren Grundfarben und ihre Anzahl zu bestimmen, weil
dabei weder Anfang noch Ende ist. Man findet aber ohne
Mühe, dafs man mit zwei Farben nicht ausreicht, sondern
das Rothe, das Blaue und das Gelbe genommen werden mufs.
Denn aus diesen ergeben sich die übrigen prismatischen
Farben. Roth und Gelb giebt alle Orangefarben, Gelb und
Blau giebt die grünen. Endlich mit Blau und Roth reicht
man für die Indigo-, Violett- und Purpurfarben aus.« .^Öp
Dafs von einer bestimmten Anzahl der Farben im pris-
matischen Bilde nicht die Rede sein könne, gehe, meint
d'Alembert, auch daraus hervor, dafs sich zwischen den
Farben des Spectrums dunkle Zwischenräume finden müfsten,
welche mit der Entfernung vom Prisma an Breite zunehmen
32
würden bei gleichbleibender Breite der hellen Farbenräume
(Opusc. 3. p. 393). Empirisch sucht dasselbe Rochon ')
zu beweisen, welcher das mit Fernröhren betrachtete
Spectrum -verschiedener Fixsterne als eine Lichtlinie ohne
irgend eine Unterbrechung sah. Auch war Newton selbst
so weit entfernt, die von ihm gemachte Unterscheidung
des Spectrums in sieben Abtheilungen als eine bestimmte,
über welche nicht hinausgegangen werden sollte, anzusehen,
dafs er ausdrücklich sagt: irnago isla composita est ex
Ulis aliisque innumeris intermediis circulis ordine
continuo inter duo rectüinea et parallela oblong ae solis
imaginis latera dispositis. Bei optischen Untersuchungen,
welche sich auf bestimmte Stellen des Spectrums beziehen,
bedarf es aber einer sie scharf bestimmenden Bezeichnung,
welche durch die von Frauenhofer entdeckten festen Li-
nien endlich sicherer erreicht wordeu ist, als durch die An-
gabe der Grenzen der verschiedenen Farben, welche New-
ton in diesem Falle wählte.
Unter der grofsen Anzahl dunkler Linien, welche in
dem Sonnenspectrum , durch welche brechende Substanz es
auch erzeugt sei, sich zeigen, zeichnen sich nämlich einige
durch ihre Stärke vor allen übrigen aus. Diese hat Frauen-
hofer durch die Buchstaben A. B. C. D. E. F. 6. H. be-
zeichnet. Alle neuern Messungen beziehen sich nun auf diese
festen Linien, da die Bezeichnung »im Roth, im Grün« etc.
egen der Breite des farbigen Raumes zu viel Unbestimmtheit
enthält, aufserdem die Fähigkeit der Farbenunterscheidung
bei verschiedenen Individuen höchst verschieden ist. Von
diesen Linien liegt A. so nahe an der äufsern schwachen
') Recherches sur la nature de la lumiere des Itoiles fixes, Re-
cueil de Mim. p. 13.
33
Grenze des Spectrums, dafs es selten zu Bestimmungen an-
gewendet werden kann, B. nicht weit vom Anfang des hellen
Roth in demselben, C. ohngefahr in der Mitte desselben,
D. eine Doppellinie im Orange, E. aus mehreren feinern Li-
nien bestehend in Grün, nicht weit von dem aus drei starken
schwarzen Linien, ungleichen Abstands, bestehendem &.,
F. eine starke einfache Linie im Blau, G. an der Grenze des
Indigo, nicht weit vom Violett, H. im Violett sehr kenntlich
durch einen eben so breiten dunkeln Streifen weiter nach
der Grenze des Violett hin, an dessen äufserster Grenze I.
schwach hervortritt.
Die Frage, durch die Mischung welcher Anzahl von
Grundfarben man die verschiedenen Nuancirungen der Far-
beneindrücke hervorbringen könne, ist eine ganz andere
Frage, als die, ob einer dieser verschiedenen Eindrücke durch
eine homogene, oder durch eine nicht homogene Farbe her-
vorgebracht werde. Die Mosaikarbeiter sortiren die Minera-
lien , welche sie bei ihren Zusammenstellungen gebrauchen,
in mehrere tausend Kästchen, ebenso ist es, wie wir oben
anführten, seit Auffindung der festen Linien des Spectrums
möglich geworden, die Schärfe der Bezeichnung innerhalb
desselben viel weiter als früher auszudehnen, indem man
jetzt mehrere hundert Stellen bezeichnen kann, wo Newton
nur sieben Abstufungen in* der Benennung unterschied. Jede
dieser Stellen kann homogen sein, ja es giebt Mittel, sie
wirklich homogen zu machen. Damit ist aber gar nicht ge-
sagt, dafs nicht derselbe Farbeneindruck durch eine ge-
mischte Farbe hervorgebracht werden könne, wie durch eine
homogene. Newton äufsert in einem Briefe an Oldenburg,
dafs, wenn aus der Reihe der prismatischen Farben zwei
nicht zu weit auseinander liegende gemischt werden, durch
34
ihre Vereinigung diejenige Farbe entstehe, welche in jener
Reihe mitten zwischen beiden liege. Ebenso fand Young,
dafs Gemische von prismatischem rothen und grünen Licht
vollkommen die Empfindung von Blau , Gemische von grünem
und von violettem Licht ebenso die Empfindung von Gelb
hervorbringen. Bei dem Streit über das prismatische Grün
hat man immer sich auf die Maler berufen, welche ein-
stimmig (wahrscheinlich wird Leonardo da Vinci nicht
zu den Malern gezählt) das Grün zusammengesetzt nennen,
hingegen Blau , Roth und Gelb als einfach bezeichnen. Man
hat aber dabei nicht berücksichtigt, dafs die Maler bei be-
stimmtem Roth, Blau und Gelb ebenso den Namen einfach
oder rein gebrauchen, wo sich selbst in ihrer Art des Her-
vorbringens dieses Farbeneindrucks leicht nachweisen läfst,
dafs derselbe vielfachfarbig zusammengesetzt ist. Das liegt,
obgleich es wohlweislich verschwiegen wird, so zu Tage,
dafs man von der Autorität der Maler zu der der Philo-
sophen übergegangen ist, nach deren Ausspruch es von vorn
herein widersinnig sei, zu behaupten, dafs ein Farbenein-
druck, von dem man nachweisen könne, dafs er durch einen
gemischten Eindruck oft erzeugt werde, je durch einen ein-
fachen hervorgebracht werde. Was nun die Richtigkeit
dieses Satzes betrifft, so widerlegt er sich vollständig in
dem nahen Gebiete des Tones.
Eine reine Quinte entsteht durch das Zusammenfallen
zweier Töne, von denen der eine in derselben Zeit die um-
gebende Luft zweimal verdünnt und verdichtet, während der
andere jedesmal drei solcher Verdünnungen und Verdichtun-
gen erzeugt. Die erste, dritte, fünfte etc. Verdichtung des
ersten Tones fallt demnach zusammen mit der ersten, vier*
ten , siebenten etc. Verdichtung des zweiten ; die Luft; in der
35
Nähe des Trommelfells wird dasselbe stärker bei den zusam-
menfallenden Schwingungen hineinbiegen , als bei den nicht
zusammenfallenden. Dieser stärkern Biegungen werden wir
uns als gehörter tieferer Octave des tiefern Tones bewufst,
da dies Zusammentreffen halb so oft geschieht, als die
Schwingungen dieses tiefern Tones, und dreimal weniger
häufig, als die des höhern. Dieser tiefere Tartini sehe
Ton wird in demselben Sinne als zusammengesetzt an-
gesehen werden, in welchem von dem nicht homogenen Grün
gesagt wird , dafs sein Eindruck erregt werde durch den zu-
sammenfallenden Eindruck des Blauen und Gelben, denn im
Sinne der neuern Wellentheorie ist das Bewufstwerden des
Gelben und des Blauen nichts anderes, als ein Bewufstwer-
den einer bestimmten, für beide verschiedenen Anzahl von
Schwingungen der Netzhaut. Nun wird aber wohl Niemand
leugnen , dafs ein Ton derselben Stärke (Helligkeit) und der-
selben Höhe (Farbe) durch Schwingungen einer einzigen
Saite hervorgebracht werden könne, dafs es also dasselbe C.
giebt einfach und zusammengesetzt Ist denn über-
haupt die Natur so arm, dafs sie nur einen Weg weifs,
ihre Zwecke zu erreichen?
Statt des Verlöschens einer homogenen Farbe in einer
anders farbigen homogenen Beleuchtung, sehen wir in
der Regel nur eine Modification des beleuchteten farbigen
Körpers durch die farbige Beleuchtung, denn die verschie-
denen Naturreiche bieten uns unmittelbar keine homogenen
Farben dar; die Mineralfarben, sowie die Farben, welche
die Vegetation und die Thierwelt in so unendlichem Reich-
thume entwickeln, sind im optischen Sinne zusammengesetzt.
Von den leuchtenden Körpern gilt dasselbe, so sehr auch
ein Element in der Regel vorwaltet. Es bedarf daher zur
36
Darstellung einer homogenen Farbe einer experimentalen
Beseitigung des andersfarbigen, denn wenn es sich um die
Natur des Rothen handelt, so mufs abgesehen werden, von
Allem, was nicht Roth ist. Das Beseitigen geschieht im
eigentlichsten Wortsinne in dem durch das Prisma oder
durch ein Drahtgitter hervorgebrachten Spectrum, insofern
nämlich hier das Verschiedenfarbige neben einander gelegt
wird, das Absehen hingegen durch Vernichten des Anders-
farbigen, welches wir durch Körper auffangen, die für dasselbe
undurchsichtig sind. Von diesen verschiedenen experimen-
talen Methoden der Darstellung homogenen Lichtes sind einige
erst neuerdings gefunden, manche der früher bekannten we-
sentlich verbessert worden. In Beziehung auf die Licht-
quellen zerfallen sie in zwei Klassen, je nachdem nämlich
die homogene Farbe am weifsen Licht entwickelt wird , oder
an dem bereits farbigen. Alle Versuche*, welche ein sehr
energisches Licht verlangen, werden vorzugsweise an ho-
mogenen Farben dargestellt, welche durch Brechung, Beugung
oder Absorption am Sonnenlicht hervortreten. Ueberhaupt
wird man weifses Licht als Quelle da wählen, wo man eine
Erscheinung in verschiedenen homogenen Beleuchtungen
neben einander betrachten will. Die häufige Bewölkung des
Himmels, das Fortrücken des prismatischen Sonnenbildes
während des Versuches, welches Messungen ohne An-
wendung eines Heliostaten, der das Sonnenbild fixirt, fast
unmöglich macht, beschränken aber die Anwendung der von
Newton stets gewählten Darstellung homogener Farben
durch das Prisma. Sie wird daher jetzt vorzugsweise nur
da angewendet, wo man messende Bestimmungen an die
festen Frauenhofe r' sehen Linien anknüpfen will. Die
von Frauenhof er eingeführte Anwendung langer Spalten
37
und cylindrischer Linsen statt kleiner runder Oeflhungen und
Convexlinsen, deren Newton sich bediente, die subjective
Beobachtung des durch einen Heliostat fixirten Spectrums
durch ein gutes achromatisches Fernrohr statt seiner ob-
jectiven Betrachtung mit blofsem Auge, endlich die grofsen
Vorzüge der Münchener Flintglafsprismen und Crownglas-
prismen vor den früher angewendeten besten englischen,
und die Vollendung der von Frauenhofe r verfertigten
Gitter haben es möglich gemacht, diesen Versuchen eine
Präcision zu geben, welche zu Fundamentalbestimmungen
geführt hat, deren die Theorie bedurfte, um die Fragen zur
Entscheidung zu bringen, zu deren Beantwortung früher
nicht einmal eine Aussicht vorhanden gewesen war. Abge-
sehen aber von dieser bei messenden Bestimmungen erfor-
derlichen äufsersten Genauigkeit, ist durch die Anwendung
farbiger Gläser, farbiger Flammen und ihre Combination die
Darstellung der Versuche in homogener Beleuchtung so er-
leichtert worden, dafs die Farbenlehre bei schärferer Be-
gründung zugleich zugänglicher geworden ist, ja man darf
die Hoffnung nicht aufgeben, dafs die jetzt gebräuchlichen
Bereitungsarten homogener Farben durch noch einfachere
werden ersetzt werden. Die eben besprochenen vorläufigen
Brechungs-, Beugungs- oder Absorptions versuche, welche
jeder genauem optischen Untersuchung vorangehen, sind
es nun aber vorzugsweise, welche als Taschenspieler-
Stückchen, als unnöthige Complicationen der Erscheinung,
verdächtig gemacht worden sind. Dafs man , wenn man den
Ton eines musikalischen Instrumentes beurtheilen will, sich
nicht in den Lärm der Strafse begiebt, wird jeder natürlich
finden: ist es denu so schwer zu begreifen, dafs, soll ein
Schwachleuchtendes beurtheüt werden, man in ein dunkles
38
Zimmer tritt, um das volle Tageslicht abzuwehren. Will
einer Gegenstände aus einander legen, so wird er, ist nur
ein geringer Raum vorhanden, sie schmal nehmen müssen,
sollen sie nicht über einander greifen. Braucht man nun
wohl ein Mathematiker zu sein, um den Grund einzusehen,
warum bei prismatischen Versuchen die Spalte, durch welche
das Licjit einfällt, keine grofse Breite haben darf?
Aber wozu diesen Weg durch Experimente, warum
bleibt ihr nicht stehen bei der einfachen Beobachtung, fragt
man. Die Antwort ist leicht. Ist ein Erkennen in irgend
einem andern Gebiet möglich ohne eine geistige Wiederge-
burt des Gegenstandes, den wir erst zertrümmern müssen,
um seine gelösten Glieder zu einem neuen Ganzen wieder
zu verbinden? Haben die Griechen, so vertraut mit der Er-
scheinung des Gewitters , wohl daran gelernt , was Electrici-
tät sei, erkannten sie etwa darin das Walten der tpvxq,
welche Thaies dem Bernsteine zuschrieb, oder fand nicht
erst Wall das Rechte? der, als er das erste knisternde
Fünkchen an einem geriebenen Körper bemerkte, ausrief:
dies scheint mir einigermafsen Donner und Blitz vorzustellen.
Erfährt man etwas Wesentliches vom Lichte, wenn man
starr in die Sonne sieht? Und was sind aufserdem unsere
complicirtesten Versuche anders, als Erscheinungen, welche
die Natur selbst hervorbringt? Ist nicht der Regenbogen
ein prismatischer Versuch, das Auge eine Camera obscura
mit einer aplanatischen Linse bester Form, die Perlenmutter-
muschel ein Reflexionsgitter, kann man die Augen nieder-
schlagen, ohne durch die dioptrischen Gitter der Augen-
wimpern Beugungsspectra zu erzeugen? Ist nicht in dem
blauen Himmelsgewölbe ein Polarisationsspiegel ausgespannt
von der mächtigsten Wirkung, ja hat nicht in den idio-
39
cyclophanischen Krystaüen die Natur die Gesetze der kry-
stallographischen Optik im voraas entwickelt, ehe noch ein
Auge sie wahrgenommen?
Diese Bemerkungen werden denen nicht überflüssig er-
scheinen, welchen bekannt ist, wie dem unbefangenen Publi-
kum gegenüber oft über das Bedeutendste abgesprochen
wird. Wenn wir Deutschen uns mit Recht etwas darauf
wissen, dafs die aus deutschen Werkstätten hervorgehenden
optischen Instrumente selbst auf den Sternwarten des Aus-
landes immer allgemeiner werden, so werden wir uns Fr auen-
hofer'n verpflichtet fühlen, und die vorbereitenden Ver-
suche über die festen Linien des Spectrums, welche dies
möglich gemacht haben, wenigstens als für die Praxis wichtig
anerkennen. Erinnern wir uns aber, dafs an diese Versuche
sich die theoretischen Untersuchungen anknüpften, durch
welche Cauchy die Dispersion endlich theoretisch abgeleitet
hat, dafs sie es sind, durch welche der Weg zur Erläuterung
der paradoxesten Absorptionserscheinungen durch Wre de
wenigstens entschieden angedeutet ist, so wird die Frage
erlaubt sein, ob denn wirklich » das ganze Kunststück dieses
Experiments darin bestehe, dafs zu den complicirten Be-
dingungen des Newton 'sehen Versuches noch ein Paar
hinzugefügt werden, wodurch das Hocuspocus sich noch
mehr verwickelt? ! )« Goethe sagt irgendwo: das schäd-
lichste Vorurtheil ist, dafs irgend eine Art Naturunter-
suchung mit dem Banne belegt werden könnte. Ob er sich
wohl dieser Worte erinnerte, als er jene schrieb? Doch ge-
nug zur Rechtfertigung unsers Weges. Wir wollen die Er-
scheinungen selbst reden lassen.
') Goethes Werke 50, p. 189.
40
Betrachten wir eine Weingeistflamme, deren Docht mit
Salz eingerieben ist, durch ein gleichseitiges Flintglasprisma,
so sehen wir an das vollkommen scharf begrenzte, abge-
lenkte Bild dieser Flamme eine breite , blaue Lichtmasse sich
anschliefsen, die an der Grenze des Gelben grün wird. Wir
halten ein braungelbes Glas vor dieses abgelenkte Bild oder
direct vor die Flamme, und sehen nun jene blaue Lichtmasse
nicht mehr; die durch das Prisma abgelenkte Flamme er-
scheint dem Auge ganz so einfach gelb und unverändert an
Gestalt, als die mit blofsem Auge betrachtete. Das Licht
dieser Flamme können wir verbunden mit jenem Glase mo-
nochromatisch nennen, denn die Feder eines ostindischen
Rahen, auf der einen Seite prachtvoll blau, auf der andern
intensiv roth, erscheint in seiner Beleuchtung so vollkommen
schwarz, dafs jeder, dem sie in die Hand gegeben wird,
eine schwarze Rabenfeder zu halten glaubt und seinen Augen
mifstraut, wenn er beim Anzünden eines Wachslichtes an
der gelben Flamme jenes glänzende Roth nun plötzlich auf-
flammen sieht. Ja es ist bei den eben anzuführenden Ver-
suchen das Vorhalten jenes Glases nicht einmal nöthig, das
directe Licht der Lampe zeigt schon die Erscheinungen in
voller Deutlichkeit. Betrachten wir eine Seifenblase in dieser
Beleuchtung , so sehen wir sie ganz bedeckt mit abwechselnd
hellen und dunkeln Streifen, die, je ruhiger die Blase steht,
sich der Kreisform immer mehr nähern, und sich auf den
Aufhängungspunkt als Mittelpunkt beziehen. Eine Seifen-
blase ist nichts anderes , als ein dünnes Wasserhäutchen
dessen Dicke am Aufhängungspunkte am geringsten ist.
Diese Dicke nimmt durch Abfliefsen so lange von oben nach
unten zu, bis das sich unten stets vergröfsernde Tröpfchen
zuletzt die Blase zerreifst. Scherben einer bis zum Zer-
41
springen aufgetriebenen Glasblase zeigen genau dieselbe Er-
scheinung. Legen wir auf ein Planglas eine schwach sphärisch
gekrümmte Linse , so begrenzen wir zwischen beiden Gläsern
eine Luftschicht, welche vom Berührungspunkte ab nach
aufsen hin regelmäßig an Dicke zunimmt. Die nun ent-
stehenden concentrischen Ringe sind vollkommene Kreise,
immer dichter und zarter, je weiter vom Mittelpunkt, einige
hundert unterscheidbar. Ist die obere Fläche cylindrisch,
so werden die dunkeln Streifen geradlinig, sie sind elliptisch,
wenn man eine sphärisch gekrümmte Linse mit einer cy-
lindrischen verbindet. Daraus folgt unmittelbar, dafs der
Abstand beider Gläser von einander in allen Punkten des-
selben dunkeln Streifens derselbe ist. Aus der bekannten
Krümmung des sphärischen Glases und dem Messen der
Durchmesser der dunkeln Kreise, läfst sich leicht bestimmen,
wie weit bei jedem einzelnen Streifen die Gläser von einander
abstehen. Dieser Abstand ist nämlich gleich dem Quadrate
des Halbmessers dieses dunkeln Ringes, dividirt durch den
Durchmesser der Krümmung des convexen Glases. Nennt
man nun den Abstand der Gläser im ersten dunkeln Ringe,
vom Mittelpunkte an gezählt, a, so ist dieser Abstand im
zweiten das Doppelte dieses a, im dritten das Dreifache u.s. f.,
im hundertsten Ringe das Hundertfache des ersten. In der
Mitte der hellen dazwischenliegenden Streifen sind hingegen
die Abstände l / % a, V, 0> V, a, 7 / 9 #, V, a u. s. f.
In Beziehung auf den Anblick der Ringe folgt daraus
unmittelbar, dafs die Quadrate der Halbmesser der auf einan-
der folgenden hellen Ringe sich wie die Zahlen 1. 3. 5. 7.
zu einander verhalten, die Quadrate der Halbmesser der
dunkeln Ringe hingegen, wie die Zahlen 0. 2. 4. 6. 8. Die
Ringe rücken daher, je weiter vom Mittelpunkt, desto näher
42
an einander. Bezeichnet man nämlich den Durchmesser des
ersten hellen Ringes in irgend einer homogenen Farbe mit 1,
so müssen die Abstände der einzelnen hellen Ringe von
einander die Unterschiede der Quadratwurzeln der auf einan-
der folgenden ungeraden Zahlen sein d.h. 0.73205, 0.50402,
0.40968, 0.35425, 0.31663, 0.28892, 0.26743. Bei
dem 5 Osten Ringe beträgt dieser Abstand nur noch 0.09902.
Wir betrachten nun dieselbe Erscheinung bei einer durch
Strontian roth gefärbten Flamme , die wir auf ähnliche Weise
einfarbig machen, endlich bei einer blauen. Die Erscheinung
ist ganz entsprechend der vorigen, aber mit dem Unter-
schiede, dafs im rothen Lichte die Ringe weiter sind, als
im gelben, im blauen enger. Das der Reihenfolge der na-
türlichen Zahlen entsprechende Verhältnifs der Abstände in
den auf einander folgenden Ringen bleibt hingegen dasselbe,
das Unterscheidende ist nur, dafs der Abstand des ersten
Ringes nicht a ist, sondern b, und dafs dies b kleiner ist
bei blauem Licht, als das a des gelben, und noch kleiner,
als die Einheit der rothen Ringe. Um diese Veränderungen
recht auffallend zu machen, erregen wir nun ein Spectrum
und bewegen die auf einander liegenden Gläser von dem
rothen Ende desselben allmählig zu den violetten hin. Die
Ringe verengern sich continuirlich. Bezeichnet d den Durch-
messer irgend eines hellen Ringes, also z. B. des lOten vom
Mittelpunkt an gerechnet, in dem äufsersten Roth des
Spectrums, so ist dieser Durchmesser an der Grenze des
Orange und Roth 0.96150, dieses d an der Grenze des
Orange und Gelb 0.94104, an der Grenze des Gelb und
Grün 0.90856, zwischen Grün und Blau 0.87358, zwischen
Blau und Indigo 0.84343, zwischen. Indigo und Violett
0.82548, an der äufsern Grenze des Violett endlich 0.79370.
43
Nennt man demnach 1. die Dicke der Luftschicht in dem
rothen Ringe, so ist diese für die auf einander folgenden
eben angeführten Stellen des Spectrums 0.9243, 0.8855,
0.8255, 0.7631, 0.7114, 0.6814, 0.6300, oder ausge-
drückt in Milliontheilen des englischen Zolles und gültig für
den ersten Ring 6.344, 5.866, 5.618, 5.237, 4.841,
4.513, 4.323, 3.997. Läfst man demnach das Spectrum
durch Drehung des Prismas über die auf einander gelegten
Gläser sich fortbewegen, so ziehen sich die Ringe in der
Weise zusammen, dafs im äufsersten Roth der innere Ring
bei einer Dicke von 6.344 Milliontheilen eines Zolles ent-
steht, im äufsersten Violett hingegen schon bei der Dicke
von 3.997. Endlich beleuchten wir die Ringe durch eine
dichromatische Flamme, d. h. wir lassen ein weifses Licht
durch ein starkes , mit Kobalt gefärbtes , tief violettes Glas
scheinen, welches, mit einem Prisma betrachtet, einen von
dem rothen Bude der Flamme durch einen breiten, schwarzen
Raum getrennten, blauen Fleck zeigt. Wir sehen nun dieselbe
mL«, *_!**. U. Rtassysta» gleich
mit dem blauen vor uns hätten, oder als wenn wir, indem
wir das eine System wahrnehmen , durch dasselbe hindurch
zugleich das andere erblickten. An manchen Stellen fallen
die rothen, hellen Ringe auf die dunkeln Streifen der blauen,
an andern die heuen Ringe beider über einander, wir sehen
daher Abwechselungen von rothen, blauen und schwarzen
Ringen mit allen Nuancirungen des dazwischenliegenden
Violetten. Endlich beleuchten wir unsern Apparat durch
eine weifse Flamme , und nun haben wir genau dieselbe Er-
scheinung, als wenn wir das, was wir nach einander sahen,
als wir den Apparat durch das Spectrum hindurchfuhrten,
gleichzeitig an derselben Stelle wahrnehmen, die Farben-
44
nuancen sind aber so mannigfach, dafs auch das geübteste
Auge jene einfache Folge nicht wieder heraus erkennen würde.
Dennoch können wir sie wieder darstellen. Halten wir näm-
lich vor das jene complicirte Erscheinung betrachtende Auge
ein einfach rothes Glas, so sehen wir wieder an derselben
Stelle genau dieselben Abwechselungen heller und dunkler
Ringe, wie bei der Beleuchtung der rothen Flamme, oder
im rothen Ende des Spectrums, und ganz dasselbe gilt für
jedes andere homogen farbige Medium, welches wir zwischen
dem Auge und den die Farbenringe erzeugenden Gläsern ein-
schalten.
Befindet sich zwischen den beiden Gläsern eine stärker
brechende Substanz als Licht, z. B. Wasser, so werden
die Ringe bei gleichbleibendem Abstände der Platten enger.
Man kann sich davon am einfachsten überzeugen, wenn man
die Planscheibe nur theilweise sehr wenig benetzt. Die Ringe
erscheinen dann da, wo das Wasser durch ein Luftbläschen
unterbrochen wird, plötzlich abgesetzt, und zwar entspricht
der Farbenbogen an dieser Stelle einem grösseren Radius.
Bei Luft und Wasser ist das Verhältnifs der Radien 8 : 7,
die gleiche Farbe gebenden Dicken der Luftschichten und
Wasserschichten verhalten sich daher wie 64:49, also nahe
wie 4:3, welches das Brechungs verhältnifs des Lichtes bei
seinem Austritt aus Luft in Wasser ist. Dieses von Newton
gefundene Gesetz gilt allgemein.
An den Stellen, wo wir im reflectirten Lichte dunkle
Streifen wahrnehmen, sehen wir helle im durchgelassenen
und umgekehrt. Bei weifsem Lichte sind die durchgelassenen
farbigen Ringe die complementaren der gespiegelten.
Die Farbenfolge der reflectirten Newton 'sehen Ringe
im weifsen Licht ist nach Newton und Biot folgende:
45
1. Schwarz, weifsliches Himmelblau, mattes Silberweifs,
Strohgelb, Orange, Roth von geranmm sanguineum.
2. Violett (Jod), Indigo, Kobaltblau, Grün (Aquamarin),
Citronengelb, Orange, Hellroth (ceilletde mai\ Blutroth.
3. Purpur (Flachsblüthe), Indigo, Berliner Blau, Gras-
grün, weifsliches Gelb, Rosenroth, bläuliches Roth.
4. Bläuliches Grün, Smaragdgrün, gelbliches Grün, blafs
Rosenroth.
5. Bläulich Grün, blafs Rosa.
6. Bläulich Grün, sehr blasses Rosa.
7. Sehr blasses bläulich Grün, und Rosa in Weifs über-
gehend.
Die Farbenfolge der durchgelassenen hingegen:
1. Weifs, gelbliches Roth, Schwarz, Violett, Blau.
2. Weifs, Gelb, Roth, Violett, Blau.
3. Grün, Gelb, Roth, bläulich Grün.
4. Roth, bläulich Grün.
5. Roth.
Da die durchgelassenen Ringe sehr viel schwächer sind,
als die reflectirten, so lassen sich in ihnen weniger Farben-
nuancen unterscheiden.
Da die Erscheinung dieselbe ist, wenn die Planscheibe
auf der sphärischen Linse liegt, wie wenn diese auf jener
sich befindet, so wollen wir zur deutlichen Uebersicht des
Phänomens die erste Ansicht wählen. Alles Licht, welches
aus der untern Fläche der Planscheibe in den Zwischenraum
dringt, mufs gleichartig sein, da es von derselben Quelle
ausgehend, auf seinem Wege denselben physikalischen Be-
dingungen unterworfen ist. Nachdem es aber diesen Zwischen-
raum durchlaufen hat (sei er von irgend einer Materie er-
füllt oder leer, wie unter der Luftpumpe), so zeigt sich
46
ein Unterschied im Lichte, je nachdem nämlich der durch-
laufene Raum um ein ungerades Vielfaches einer gewissen
Länge (V, a) gröfser ist, oder um ein gerades Vielfaches
derselben. Wie diese Erscheinung auch gedeutet werden
möge, das bleibt immer durch Erfahrung festgestellt, dafs
das Licht, wenn wir es uns als fortschreitend denken, jetzt
die Eigenschaft besitzt, etwas zu thun, dann das Entgegen-
gesetzte , dann wieder das Erste u. s. f. Die wiederkehrenden
gleichartigen Zustände und ihre zwischenfallenden Gegen-
sätze liegen bei den verschiedenen Farben um ungleiche
Grüfsen auseinander. Es mufs also irgend ein Zusammen-
hang stattfinden zwischen dieser Periodicität und dem Be-
wufstwerden des Eiudrucks einer bestimmten Farbe.
Newton fühlte wohl, welchen grofsen Fund er ge-
than, als er jene Beobachtung machte: Observavi circuloSj
quos exhibebat lumen rubrum manifeste majores esse quam
quos exhiber et lumen caeruleum acviolaceum, magnaque
voluptate perfusus, videbam eos dilatare aut contra-
here se gradatim, pro eo ac öolor luminis immutabatur *).
Man hört sehr oft die Bemerkung, dafs die Naturforscher
zu schnell von der Beobachtung der Phänomene zu ihrer
Erklärung übergehen, da doch ihre eigentliche Aufgabe nur
sei, die Grunderscheinungen als beobachtete Facta auszu-
sprechen. Wenn dies richtig ist, so hat Newton hier so
gehandelt. Er sagt: ich finde am Lichte periodische An-
wandlungen, in das Innere eines Körpers einzudringen, oder
von ihm reflectirt zu werden, er nennt sie so, sie sind ihm
•
Dispositionen, die er nicht weiter erläutert 8 ). Welche Früchte
') Optice libr. IL obs. §. 13.
a ) Ea autem actio sive dispositio ita propagatur, ut aequis
perpetuo intermittat et revertatur intervallis. Efficit enim in omni
47
bat diese Resignation getragen? Dafs Ignoranten, die nie
eins der Phänomene, von denen hier die Rede ist, gesehen
haben, ja nicht einmal davon gehört, über die Absurdität
der Annahme «solcher Anwandlungen von vorn herein mit-
leidig die Achseln zucken, ist ganz in der Ordnung, denn
dazu sind sie da, sich zur Freude und andern zum Amüse-
ment. Davon ist nicht die Rede. Dafs aber Newton ein
solches Problem ohne den Versuch einer Lösung seinen Nach-
folgern überliefs, war ein Unglück für die Wissenschaft. Wer
sollte sich an eine Aufgabe wagen, die er auf diese Weise
aufgegeben hatte? Thomas Young, dem Entzifferer der
Hieroglyphen, war es vorbehalten, auch dieses Räthsel zu
lösen.
Im Jahre 1665 sprach Grimaldi *) (Physico mathesis
de Lumine Coloribus et Mde prop. 22. p. 187.) zuerst
den kühnen Satz aus : » Licht hinzugefügt zu einer bereits
progressu suo, ut radius, certa interjecta distantia a prüna superficie
reflectatur ex secunda, idque aequalibus intervallis et per innumeras
vices. Denique, quoniam haec dispositio radii ita est comparata, ut
is reflectatur in distantiis 1. 3. 5. 7. 9. , transmittatur autem in distan-
tiis 0. 2. 4. 6. 8. 10., ideo dispositio ea, qua fit ut radius transmit-
tatur in distantiis 2. 4. 6., existünanda est reversio ejusdem dispo-
sitionis, quam habebat is initio in distantia 0., hoc est, cum transmitte-
retur per primam superficiem refringentem. Actio autem haec sive
dispositio, qualis tandem sit; utrum consistat in motu quodam cir-
culatorio, an vibratorio, radii ipsius vel etiam medii, an plane alia
aliqua ex causa pendeat, in id vero ego hie non inquiro. Satis ha-
bebo, ilhid ipsum jam invenisse. Optice libr. II. p. 3. prop. 12.
l ) Lumen aliquando per sui communicationem reddit obscuriorem
superficiem corporis aliunde ac prius illustratam. Haec propositio
paradoxum est, et ex terminis ipsis magnam prae se fert improba-
bilitatem, quia luminis est illustrare, non autem obscurare super-
ficiem corporis opaci, ad quam terminatur, et cui aliquo tandem
modo se communicat.
48
beleuchteten Fläche, macht diese mitunter dunkler, als vor-
her. Diese Behauptung, fugt er hinzu, scheint paradox, ja
in ihren Worten sogar eine grofse Unwahrscheinlichkeit zu
enthalten, weil eben das Wesen des Lichtes darin besteht,
die Oberfläche eines dunkeln Körpers, zu dem es gelangt,
und dem es sich auf irgend eine Weise mittheilt, zu er-
leuchten, nicht zu verdunkeln. Von ihr läfst sich aber der
sicherste und unleugbarste Beweis durch einen einfachen
Versuch geben, der aber von Niemand, so viel ich weifs,
bisher angestellt worden ist.« Anderthalb Jahrhunderte ver-
gingen, ehe es gelang, an die Stelle dieses »mitunter« die
Bedingungen anzugeben, unter welchen diese Verdunkelung
eintritt. Da zeigte im Jahre 1 802 Y o u n g l ) , dafs , wenn
Licht zu Licht hinzugefugt wird , dies nur dann eine im Ver-
hältnis beider Intensitäten gröfsere Helligkeit gebe, wenn
der Gangunterschied der beiden zusammentreffenden Strahlen
ein ganzes Vielfaches einer bestimmten Länge ist, dafs hin-
gegen, wenn derselbe ein ganzes Vielfaches der Hälfte dieser
Länge ist, beide Strahlen einander vollkommen auslöschen.
Diese für die verschiedenen homogenen Farben verschiedene
Länge heifst Wellenlänge oder Undulationslänge. Es
bedarf wohl kaum der Erwähnung, dafs das, was Newton
Anwandlungen genannt hat, mit dem, was die neuere Wellen-
lehre eine Viertel Undulation nennt, identisch ist, oder mit
andern Worten, dafs die Wellenlängen der verschiedenen
') An account of some cases of the production of colours.
Phil. Trans. 1822. »wherever two portions of the same light arrive
at the eye by different routes, either exactly or very nearly in the
same direction, the light becomes most intense, when the difference
of the routes is any multiple of a certain length, and least intense
in the intermediate State of the interfering portions; and this length
is different for light of different colours.«
49
Farben übereinkommen mit den vierfachen Längen der mV
Anwandinngen. Da nämlich Newton unter Anwandlungen
sowohl die Disposition zu leichterer Reflexion als zu leichterer
Refraction versteht, so tritt bei ihm die Rückkehr desselben
Zustandes ein, wenn das Lichttheilchen sich um die doppelte
Länge einer Anwandlung weiter bewegt hat. Da aber die
Interferenzerscheinungen bei den reflectirten Newton'schen
Ringen an der Vorderfläche der die Gläser trennenden Luft-
schicht entstehen, und zwar durch Zusammenwirken des
Lichtes, welches gar nicht in die Schicht eingedrungen ist,
und des Lichtes , welches von der untern Begrenzungsfläche
reflectirt, diese Schicht zweimal durchlaufen hat, so mufs
die periodische Wiederkehr desselben Zustandes die doppelte
von der sein, welche Newton ihr zugeschrieben hat, der
die Erscheinung nach einmaligem Durchgang des Lichtes
durch die Schicht an der Hinterfläche derselben untersuchte,
die Wellenlänge also das Vierfache der Anwandlung. Nach
den Messungen von Newton ist, wie (p. 43.) gezeigt wurde,
die Länge der Anwandlungen für das äufserste Roth 6.344,
für das äufserste Violett 3.997 Milliontheile eines englischen
Zolles. Die Newton'schen Messungen geben also für die
Farben an den Grenzen zwischen Roth , Orange, Gelb, Grün,
Blau, Indigo und Violett folgende Wellenlänge: 25.376,
23.464, 22.472, 20.948, 19.364, 18.052, 17.292,
15.988, vom Roth bis Violett, wofür wir später die neuern
schärfern Bestimmungen mittheilen werden.
Wenn man die ungeheure Kluft bedenkt, welche die An-
sichten der jetzigen Physiker über das Licht von den Vor-
stellungen trennt* welche sich Goethe darüber gebildet hatte,
so ist es um so erfreulicher anzuerkennen, dafs Goethe
Newton gegenüber eine dunkele Ahnung von dem Richtigen
fr*. .
p t."«.
■ *
50
hatte. Der Nerv seiner Betrachtung besteht in der Aner-
kennung von Doppelbildern und ihrer Wirkung auf einander.
Er beginnt damit, auf die beiden Bilder aufmerksam zu
machen , welche von der Vorder- und Hinterwand eines Spie-
gels entstehen, aber dies ist ihm nur ein Gleichnifs, ein
Analogem , um die prismatischen Versuche auf ein einfaches
Schema zurückzuführen. Young geht auch von denselben
Doppelbildern aus, aber er be weifst an ihnen das wahre
Urphänomen der optischen Erscheinungen: die
Interferenz, erzeigt, dafs an der Vorderfläche jener tren-
nenden Luftschicht darum Dunkel entsteht, weil das von
der Hinterfläche reflectirte Licht, zusammentreffend mit dem
von der Vorderfläche reflectirten, dieses auslöscht, dafs hin-
gegen beide ihre Wirkung addiren, wenn das Licht des Ne-
benbildes auf einem etwas längern Wege zu dem Lichte des
Hauptbildes gelangt. Dieses Aufeinanderwirken zweier Bilder
war, als Goethe seine Farbenlehre publicirte, das bereits
seit 8 Jahren innerhalb der Wissenschaft ausgesprochene,
wenn auch nicht am Detail aller Erscheinungen geltend ge-
machte Princip ; er stand also dem damaligen Entwicklungs-
gänge der Wissenschaft nicht so fern, als er glaubte; statt
sich aber ihm anzuschließen, oder wo möglich seiner zu be-
mächtigen, beruhigte er sich in der ewigen Wiederholung
seiner Erklärung der Himmelsbläue , deren Unrichtigkeit sich
beweisen läfst.
Es ist leicht einzusehen, dafs so wie die Interferenz-
phänomene des gespiegelten Lichtes in dem angeführten Ver-
suche durch das Zusammentreffen des äufserlich gespiegelten
Lichtes mit dem innerlich gespiegelten entstehen, so die des
durchgelassenen durch Zusammentreffen des direct hindurch-
gehenden mit dem zweimal innerlich gespiegelten bedingt
51
werden. Wegen der grofsen Verschiedenheit der Intensität
des direct durchgelassenen und des zweimal im Innern der
Schicht gespiegelten Lichtes kann die Interferenz hier nicht - ?
vollständig sein. Die im weifsen Licht durcbgelassenen Ringe
sind daher der Farbe nach complementar, der Intensität nach
aber sehr viel schwächer als die reflectirten. Es bedarf nur
noch des Beweises, dafs die periodischen Zustände des Lichtes
sich nicht auf Spiegelung und Brechung als Gegensätze be-
ziehen. Die Newton'sche Vorstellung der Anwandlungen
fällt weg , wenn die zusammentreffenden Lichtmengen ent-
weder beide gespiegelt, oder beide gebrochen sind, endlich
wenn directes mit gespiegeltem, oder gebrochenem zusam-
mentrifft, denn dann kann von einer Wahl des Lichtes
zwischen Spiegelung und Brechung nicht mehr die Rede sein.
Bei der Darstellung der Newton 'sehen Farbenringe,
deren richtiger Erklärung schon H o o k e ') nahe war — der
') On the colours observable in muscowy glass and other thin
bodies. Micrographia obs. IX. Nach Hooke entsteht der Eindruck
des Blau durch einen Impuls auf die Netzhaut, dessen schwächerer
Theil vorangeht, dessen stärkerer folgt, der des Roth hingegen
durch einen Impuls , bei welchem der stärkere Theil dem schwächern
vorangeht. Seine Erklärung ist nun folgende: fallt Licht auf einen
sehr dünnen durchsichtigen Körper mit zwei spiegelnden Flächen,
so wird ein Theil an der äufsern Fläche reflectirt, ein Theil an
der inner n , und kehrt nach zwei Brechungen ins Auge zurück. Da-
durch wird er geschwächt (a kind of fainter ray, whose pulse is
not only weaker by reason of the two refractions but by reason
of the time spent in passing and repassing between the two sur-
faces. Da dieser schwächere Impuls wegen der Nähe der beiden
reflectirenden Flächen so schnell dem stärkern von der Vorderfläche
folgt, dafs sie nicht von einander unterschieden werden können, so
erhält die Netzhaut einen Eindruck, wo der schwächere Theil dem
stärkeren folgt, wir also durch den optischen Nerv die Vorstellung
von Gelb. Wird hingegen die dünne Schicht allmählig dicker, so
4 # -
rt.
52
aber hier, wie anderwärts, seine dunkeln Vorstellungen von
Interferenz nicht bis zum klaren Bewufstsein durchzuarbeiten
vermochte und daher im Gebiete des Lichtes, wie in der
Mechanik des Himmels, sich stets von seinem Nebenbuhler
Newton verdunkelt sah — bei dieser Darstellung also lie-
gen die beiden Spiegel üb$r einander, so dafs das Licht,
um zum zweiten zu gelangen, den ersten durchdringen mufs.
Fresnel legt die beiden Spiegel in einem sehr stumpfen
Winkel neben einander '). Da Licht von einem ebenen
Spiegel so reflectirt wird, als wenn es von einem Punkt
ausginge, der so weit hinter dem Spiegel liegt, wie der
leuchtende Punkt vor ihm, so werden die von beiden Spiegeln
reflectirten Strahlen sich in Beziehung auf Länge und Rich-
tung so verhalten, wie die von zwei Punkten ausgehenden
Strahlen. Die Durchschnittspunkte der Strahlen zweier
ebenen Strahlenbüschel liegen aber in einer auf ihrer Ver-
bindungslinie senkrechten Geraden , wenn ihr Abstand von
beiden Punkten gleich ist, hingegen in Hyperbeln, wenn der
Unterschied der Abstände von beiden strahlenden Punkten
gleich ist. Bei dem Fresnel'schen Experimente sieht man
nun jene gerade Linie hell und zu beiden Seiten eingefafst
von abwechselnd dunkeln und hellen Hyperbeln, welche die
Orte jener Bilder zu ihren gemeinsamen Brennpunkten haben.
Der Unterschied der Abstände jedes Punktes einer solchen
nähert siefc der schwächere Impuls dem folgenden stärkern so, dafs
er diesem voranzugehen scheint und man sieht hlau (if the two
surfaces yet further removed asunder, then will the weaker impulse
be so far behind, that it will be more then half the distance, and
in this case it will rather seem to precede the following stronger
pulse, then to follow the preceding one, and consequently a blue
will be generated).
') Supplement ä la chimie de Thomson.
53
Hyperbel von jenen beiden Brennpunkten ist für die hellen
Hyperbeln ein ganzes Vielfaches der Wellenlänge der ange-
wendeten Farbe, für die dunkeln Hyperbeln hingegen ein
ganzes Vielfaches der halben Wellenlänge. Die Unterschiede
der einander schneidenden Strahlen in den auf einander fol-
genden Hyperbeln bilden also ebenso hier die Aufeinander-
folge der natürlichen Zahlen, wie bei den Newton' sehen
Farbenringen die Längenunterschiede der an der Vorderfläche
einander treffenden reflectirten Strahlen. Bedeckt man den
einen Spiegel, so verschwinden die entstandenen dunkeln
und hellen Linien oder am weifsen Licht die Farbensäume
vollkommen. Es bedarf also des Zusammentreffens von zwei
Lichtmassen zur Hervorbringung dieser Erscheinungen.
Grade so wie mit zwei Mengen gespiegelten Lichtes,
kann der Versuch auch mit zwei Mengen gebrochenen Lichtes
angestellt werden. Statt das Licht von einem sehr stumpfen
Winkelspiegel zu reflectiren, läfst man es durch ein sehr
stumpfes Prisma (ein Interferenzprisma) brechen, und somit
ist jene Fundamentaleigenschaft erwiesen.
Licht, welches vor einem Spiegel parallel vorbeigeht,
interferirt ganz ebenso mit dem sehr schief davon reflectir-
ten, nach den Versuchen von Lloyd ! ) und von Etting-
hausen 9 ).
Ist das dünne, durchsichtige Häutchen, welches den
untern Spiegel bedeckt, überall gleich dick, so ist die Farbe
überall gleich. Man sieht leicht, warum ein im weifsen Licht
intensiv rother Körper in einer andern Beleuchtung vollkom-
men dunkel erscheinen kann, wenn die. durchsichtige Schicht
grade die Dicke hat, für welche die einander schneidenden
') Trans, of the Irisch Acad. v. 17. 1834.
a ) p °gg- Ann. 45. p. 97.
54
rothen Strahlen coincidiren, d. h. ihre Helligkeit verstärken,
während sie für die andere Beleuchtung interferiren. Die
prachtvollen Farben, welche Nobili ') durch galvanisches
Anlaufen des Stahls hervorgebracht hat, gehören hierher.
Auch erklären sich auf ähnliche Weise, wie die Farben dünner
Blättchen, die Farben der sogenannten dicken Platten, wie
sie in den verschiedenen Combinationen von Spiegeln und
Gläsern bei den Versuchen von Newton*), dem Herzog
von Chaulness 8 ), Pouillet 4 ), Brewster 5 ) und Ba-
binet 6 ) hervortreten. Die Farben der dünnen Blättchen
ändern sich bei verändertem Sehewinkel, denn der Weg des
die durchsichtige Schicht durchlaufenden Lichtes vergröfsert
sich mit der Neigung. Diese Veränderung der Dicke kann
bei unverändertem Sehewinkel durch mechanischen Druck
hervorgebracht werden, wie man an den Farben sieht, welche
an Sprüngen im Glimmer, Gyps und Kalkspath in zarten
Bändern entstehen. Wird das Licht von einem Körper re-
flectirt, in dessen Oberfläche regelmäßig parallele Linien ein-
gerissen sind, so wird das aus den Thälern zurückkehrende
Licht einen längern Weg gemacht haben, als das von den
stehengebliebenen Rändern reflectirte. So entstehen die iri-
sirenden Farben der Perlenmutter. Sie lassen sich, ist
der Schnitt schief gegen die Lamellen geschehen, in schwar-
') Mem. ed Observation! 1. p. 18, 162, 189.
a ) Optic. 2. lib. 2. p. 4.
3 ) Observation sur quelques experiences de la 4 partie du 2 livre
de Foptique de Newton Mem. de Par. 1758. p. 130.
4 ) Elemens de physique 2. p. 478.
9 ) On a new species of coloured fringes produced by the reflection
of light between two plates of parallel glass of equal thickness.
Edinb. Phil. Trans. 1815.
6 ) Compt. rend. 7. p. 694. Pogg. Ann. 46. p. 472.
00
zem Siegellack abdrücken, weil man das künstliche Gitter
überträgt l ). Auf dieselbe Weise entstehen die prachtvollen
Farben irisirender Messingknöpfe, ein Stahlgitter ist nämlich
als Prägstock auf sie abgedrückt *).
Fällt das Licht durch feine Drahtgitter, so ist das ge-
rade hindurchgehende kürzer, als das, welches von den
Rändern sich verbreitet, da der gerade Weg directer ist, als
der gebrochene. So entstehen jene glänzenden Spectra, welche
Frauenhofer *) entdeckt und Schwerd 4 ) erläutert hat
Die hyperbolischen Streifen, welche vom Rande der Körper
aus ihren Schatten begleiten, gehören ebenfalls hierher. Die
Farbenfolge dieser Streifen ist
im ersten : Violett, Indigo, Blafsblau, Grün, Gelb, Roth ;
im zweiten: Blau, Gelb, Roth;
im dritten: Blafsblau, Blafsgelb, Blafsroth.
Bei Anwendung von homogenem Lichte sind die abwech-
selnd hellen und dunkeln Streifen am breitesten im rothen Licht,
am schmälsten im violetten. Fällt hingegen das Licht durch
eine enge Spalte, so sieht man das weifse Licht dieser Spalte
') Brewster: on new properties of light exhibited in the opti-
cal phenomena of mother of pearl, and other bodies to which the
superficial strueture of that substance can be communicated. Phil.
Trans. 1814. p. 397.
a ) On a new series of periodical colours produced bj the groo-
ved surfaces of metallic and transparent bodies. Ph. Tr. 1829. p. 301.
P. A. 18. p. 579. and Barton snr les nouvelles parures metalliques
Ann. de Ch. et de ph. 23. p. 110. Gilb. Ann. 74. p. 309.
3 ) Neue Modifikationen des Lichtes durch gegenseitige Einwirkung
und Beugung der Strahlen und Gesetze derselben. München, 1848. und
in Schumachers astronomischen Abhandlungen. Kurzer Bericht von den
Resultaten neuerer Versuche Über die Gesetze des Lichtes und die
Theorie desselben. Gilb. Ann. 74. p. 337.
4 ) Die Beugungserscheinungen aus den Fundamentalgesetzen der
Undulaüonstheorie analytisch entwickelt. Mannheim. 1835. 4.
56
durch Gelb in Orange übergehen, dnrch eine Anzahl Spectra,
die , je weiter sie abgelenkt sind, sich der Homogeneität im-
mer mehr nähern und an Helligkeit abnehmen, im ersten
Indigo , Blau, Grün, Gelb, Roth, im zweiten: Blau, Gelb,
Grün, Roth , im dritten: Grün, Roth u. s. f. Fällt das Licht
durch eine runde Oeffnung, so sieht man sie umgeben mit
Farbenringen, die Farbenfolge, genau die der Newton'schen
Farbenringe, ist ohne den schwarzen Centralfleck. Die ein-
fachste Art, diese Versuche anzustellen, ist folgende. Eine
innen durch schwarzen Lack geschwärzte Glasröhre wird
in die Sonne gelegt, und die darauf sich bildende Lichtlinie
mit zwei Stahlschneiden betrachtet, welche man vermittelst
einer Schraube einander beliebig nähern kann. Um die Far-
benringe zu erhalten, sticht man in ein Staniolblättchen ein
feines Loch und betrachtet durch dasselbe den Lichtpunkt
auf einer in der Sonne hegenden Thermometerkugel oder
einem mit Lack geschwärzten Uhrglase. Um die Erscheinun-
gen mit grösserer Schärfe zu beobachten, wendet man ein
Fernrohr an. Der von S c h w e r d angefertigte Apparat zeigt
sie in gröfster Vollendung. Dafs die Farbenphänomene, die
im Schatten eines Haares , oder feinen Drahtes hervortreten,
wenn diese im divergirenden Lichte betrachtet werden, nicht
gebeugtes Licht sind, wie Newton glaubte, sondern aus
dem Zusammenwirken zweier Lichter entstehen, geht daraus
klar hervor, dafs sie verschwinden, so wie ein Rand ver-
deckt wird. Sie verschieben sich, wenn man den einen Rand
durch eine durchsichtige Glasplatte verdeckt 1 ). Aus der Rich-
tung des Verschiebens kann man unmittelbar schliefsen, ob
die Geschwindigkeit des Lichtes im Glase gröfser oder kleiner
') Arago sur un pheViomene remarquable, qui s'observe dans
la diffraclion de la luiniere. Ann. de Chim. et de Phys. I. p. 199.
57
ist , als in der Luft. Nach der Emanationstheorie mufs das
erste Statt finden, denn das Licht wurde ja Anziehungs-
kräften unterworfen; nach der Wellentheorie ist das umge-
kehrte nothwendig. Der Versuch entscheidet für die kleinere
Geschwindigkeit Bei so entscheidenden Ergebnissen heifst
es wohl: nlfa/ut se rendre ä Veridmee.
Doppelt brechende Körper haben entweder eine Rich-
tung, oder zwei Richtungen, in welchen sie durchgehendes
Licht nicht verdoppeln. Jene heifsen einachsig, diese
zweiachsig. Polarisirtes Licht in dieser Richtung hin-
durchstrahlend und nach seinem Austritte den physikalischen
Bedingungen unterworfen, welche, wäre es unpolarisirt, es
polarisiren würden, entwickelt genau entsprechende Farben-
ringe, welche durch Interferenz der beiden Massen entstehen,
in welche das Licht durch Doppelbrechung zerfallen ist.
Vergleicht man die Farben , welche in diesem Falle Glimmer-
blätter von verschiedener Dicke geben, mit den Farben der
Seifenblasen, oder der Farbenringe , so findet man, dafs das
Verhältnils der Stärke des Glimmerblättchens, welches eine
bestimmte Farbe hervorbringt, zur Dicke der Luftschicht,
welche dieselbe Farbe reflectirt, stets dasselbe ist, welches
auch die Farbe sei, die entsteht \ Diese Bemerkung wird
hinreichen, auch ohne mathematische Ableitung, zu zeigen,
dafs hier dasselbe Princip wirksam ist Ehe wir aber in
das Gebiet der Polarisationserscheinungen eintreten, müssen
wir uns erst von der Interferenz selbst eine nähere Vorstel-
lung bilden.
Wenn ein Windhauch über ein Kornfeld streicht, so
sehen wir eine Welle über dasselbe fortschreiten. Dieses
') Biot Tratte de physique experimentale et mathematique 4.
p. 317.
58
Fortschreiten ist aber nur ein Schein, jeder Halm biegt sich
unter dem Drucke des Windes , einer nach dem andern , aber
er richtet sich sogleich wieder auf, um an derselben Stelle
das Spiel von Neuem zu beginnen. Ganz analog ist die Be-
wegung des Wassers , wenn wir auf einem ruhigen Wasser-
spiegel durch schnell an derselben Stelle hinter einander herab-
fallende Wassertropfen ein Wellensystem erregen, welches
vom Erschütterungspunkte aus in concentrischen Kreisen
sich verbreitet. So wie die Erregung über das Wasser fort-
schreitet, steigen die Tropfen im Wellenberge in die Höhe,
sie senken sich dann ins Wellenthal, wie die Pflöckchen eines
geöffneten Klaviers , wenn man mit der Hand schnell über
die Tasten fährt Erregt man von zwei Erschütterungs-
punkten aus gleichzeitig zwei Wellensysteme, so werden die
concentrisch kreisförmigen Wellen des einen die des andern
durchschneiden. Da, wo Wellenberge zusammenfallen, wird
das Auge eine doppelte Erhöhung wahrnehmen, an der Stelle
der zusammenfallenden Wellenthäler hingegen eine doppelte
Vertiefung. An manchen Stellen erscheint das Wasser weder
erhöbt noch vertieft; durch den ankommenden Wellenberg
des einen Systems wird nämlich das gleichzeitig vom andern
Erschütterungspunkte her entstehende Wellenthal genau aus-
gefüllt. Das Wasser ist an dieser Stelle vollkommen ruhig,
denn, wird ein Körper von zwei gleichen Impulsen gleich-
zeitig nach entgegengesetzten Richtungen getrieben , so weifs
er nicht, welchem er folgen soll, et bleibt also stehen. Jene
zusammenfallenden Wellenberge und jene zusammentreffen-
den Wellenthäler sind eine durch Coincidenz gesteigerte
Wirkung, jenes Aufhören dei Schwingung an andern Stellen,
wo Wellenberg und Wellenthal einander begegnet, eine durch
Interferenz aufgehobene. Verbinden wir die Punkte durch
59
Coincidenz gesteigerter Wellenbewegung, construiren wir
eben so die Rahelinien neu tralisirter , so sind sie hyperbolisch
gekrümmt Dies nimmt man auf das Deutlichste wahr, wenn
man, wie Weber 1 ) in Göttingen zuerst gezeigt hat, in
einem kreisförmigen oder elliptischen, mit Quecksilber ge-
füllten Gef äfse die von einem excentrischeu Punkte erregten
Wellen sich mit den vom Rande reflectirten durchschneiden
läfst. Auch finden sich in den periodischen Anschwellungen
des Meeres diesem Versuche entsprechende Beispiele. Stehen
Sonne, Mond und Erde in gerader Linie (bei Neumond und
Vollmond), so fällt die durch die Sonne erregte Fluthwelle
zusammen mit der des Mondes, bei den Quadraturen hin-
gegen füllt die durch die Sonne erregte Fluthwelle theilweise
das durch den Mond erregte Ebbethal aus. Die Fluthen der
Syzygien sind daher eine Erscheinung der Coincidenz, die
Fluthen der Quadraturen ein Beispiel theilweiser Interferenz.
Aber auch gleichzeitig zeigt das Meer Interferenzerscheinun-
gen. Die im atlantischen Oceane von SW. nach NO. herauf-
dringende Fluthwelle spaltet sich bei Landsend in zwei Wel-
len, von denen die eine durch den Kanal in die Nordsee dringt,
die andere den weiten Umweg um Schottland herum nimmt
und nun an der Ostküste Englands von Norden nach Süden
herabkommt. Beträgt die Verzögerung auf dem einen Wege
sechs Stunden, so wird an der Durchkreuzungsstelle das
Wasser gar nicht fluthen. Zöge man statt der von Whe-
vell construirten Linien gleicher Flutbzeit solche Linien auf-
gehobener Flutbhöhe , so würden dies wirkliche Interferenz-
linien werden.
Eine schwingende Saite stöfst die Luft fort nach der
Richtung bin, nach welcher sie sich biegt, während auf der
') Wellenlehre auf Experimente gegründet, Taf. VI.
60
concaven Seite sich die Luft verdünnt. Bei dem Hin- und
Herschwingen werden also Verdichtungen und Verdünnungen
abwechselnd auf einander folgen, welche, indem sie auf die
nebenliegenden Theilchen wirken, fortschreitende Wellen er-
zeugen. Da aber jedes Luftth eilchen, ehe es, von der Ruhe
an, einen gewissen Grad der Geschwindigkeit erreicht, alle
zwischenliegenden Stufen der Geschwindigkeit durchläuft,
bei jeder Stufe der Geschwindigkeit aber auf die benachbar-
ten, unbewegten, oder weniger bewegten Theilchen wirkt,
so werden zwischen den Stellen gröfster Verdichtung und
gröfster Verdünnung alle Mittelstufen der Dichtigkeit sich
finden. Die dichtesten Kugelschalen der fortschreitenden Ton-
wellen entsprechen den Wellenbergen der cylindrischen Was-
serwellen, die verdünnten Kugelschalen den Wellentbälern.
Die Schwingungen der Luftth eilchen sind aber longitudi-
nal, d. h. jedes Theilchen entfernt sich im Sinne der fort-
schreitenden Tonwelle vom Erschütterungspunkt und kehrt
dann zu seiner Stelle zurück, während bei den transver-
salen Wasserwellen der Tropfen sich auf der cylindrischen
Wand derselben auf und ab schiebt, ohne vom Mittelpunkte
des Wellensystems sich zu entfernen. Die Schnelligkeit, mit
welcher ein Lufttheilchen auf das daneben hegende wirkt,
ist natürlich unabhängig von der gröfsern oder geringern
Anzahl der Wiederholungen dieses Aktes; bei einer oft hin
und her schwingenden Saite werden daher die auf einander
folgenden Kugelschalen gröfster Verdichtung und Verdünnung
näher an einander liegen, als bei einer langsam schwingenden
Saite. Die Gröfse der Ausbiegung der Saite bestimmt hin-
gegen , wie vielmal dichter die Luft auf den dichtesten Kugel-
schalen ist, als auf den am stärksten verdünnten. So wie
wir daher an Wasserwellen die Höhe der Wellen von der
6t
Entfernung eines Weilenthaies vom andern unterscheiden
(was man im gewöhnlichen Leben Breite der Welle heilst,
nennt man in wissenschaftlichen Betrachtungen Wellenlänge),
so sondern wir bei den Tonwellen den Dichtigkeitsunterschied
von der Wellenlänge, d. h. von der schnelleren oder lang-
sameren Wiederkehr einer bestimmten Verdichtung. Jener
bestimmt die Stärke des Tones, diese die Höhe desselben.
Hohe Töne haben also kürzere Wellenlängen, als tiefe.
Befindet sich irgendwo in der Umgebung des tönenden Kör-
pers eine gespannte Membrane, so wird diese in isochrone
Schwingungen versetzt. Eine solche Membrane ist das Trom-
melfell des menschlichen Ohres. Der Gröfse der Einbiegun-
gen werden wir uns als Stärke des gehörten Tones bewufst,
der Anzahl derselben in einer gegebenen Zeit als seine Höhe.
Kann man nun wohl durch zusammenfallende Schwingungen
ebenso Stille erzeugen, als durch Uebereinanderlegen von
Wellenbergen und Wellenthälern Ruhe?
Erregt man auf einer centrisch eingespannten, quadra-
tischen Klangscheibe den Ton, durch welchen sich der darauf
gestreute Sand in ein diagonales Kreuz ordnet, so werden
von den vier dadurch gebildeten, dreieckigen Räumen die
einander gegenüberliegenden gleichzeitig nach derselben Seite
schwingen, während die neben einander liegenden stets gleich-
zeitig sich nach entgegengesetzten Richtungen bewegen. Hält
man nun eine in Form des Buchstaben Y gestaltete Röhre
so über die Scheibe, dafs die beiden gabelartigen Oeffhungeu
über die gegenüber stehenden, gleichartig schwingenden
Theile derselben zu stehen kommen, so geräth ein über die
Oeffnung des Stieles gespanntes Goldschlägerhäutchen in leb-
hafte Schwingungen, welche sich durch die Bewegung des
darauf gestreuten Sandes kundgeben. Hält man hingegen
62
jene beiden Oeffhungen über die neben einander liegenden
entgegengesetzt schwingenden Räume, so bleibt das Häntchen
in vollkommener Ruhe. Dieser von Hopkins ') neuerdings
angegebene Versuch erläutert die, vor langer Zeit von mir
gemachte Bemerkung, dafs, wenn man' die Klangscheibe bei
dem Ohre vorbeiführt, der Ton verschwindet, so wie man
aus dem auf einerlei Weise schwingenden Räume über die
trennende Sandlinie in den entgegengesetzt schwingenden
Raum übergeht. Das Goldschlägerhäutchen in dem Versuche
von Hopkins ist bei mir das Trommelfell selbst
Noch früher hatte Vieth gezeigt (eine kleine akustische
Entdeckung, Gilb. Ann. 17, p. 117.), dafs, wenn man das Ohr
bei der horizontal gehaltenen Scheibe vorbei herabfuhrt, der
Ton verschwindet in dem Augenblick, wo das Ohr in die
Ebene der Scheibe gelangt
Wir werden später die bekannte Erscheinung der
Schwebungen besprechen, welche durch zusammenfal-
lende Töne entstehen, und von Scheibler 9 ) an Stimmgabeln
ausführlich erörtert worden sind. Hier können wir noch
eines akustischen Versuches von Weber 8 ) in Göttingen ger
denken, wegen seines vollkommenen Parallelismus mit den
früher besprochenen, sogenannten Beugungsphänomenen.
Eine zum Tönen angeschlagene Stimmgabel setzt die Luft
in der Weise in Bewegung, dafs die nach Innen schlagenden
Zinken die Luft in dem Zwischenräume zu derselben Zeit
verdichten, wo die von Aufsen sie berührende Luft in den
') Ueber die Schwingungen der Luft in cylindrischen Röhren.
Pogg. Ann. 44, 246. Cambridge Trans. 5. p. 231.
a ) Der physikalische und musikalische Tonmesser. Essen 1834. 8.
3 ) Ueber Unterbrechung der Schallstrahlen in der, transversal
schwingende Stäbe und Gabeln umgebenden Luft.
63
von jenen verlassenen Raum eindringend sich verdünnt. Es
schreiten also rechtwinklig auf einander gleichzeitig Ver-
dichtungen und Verdünnungen fort, welche sich bei ihrem
Zusammentreffen so vollständig aufheben, dafs der Ton bei
der Drehung der Stimmgabel um ihre Achse viermal voll-
ständig verschwindet, wie man vielen Zuhörern gleichzeitig
zeigen kann, wenn man die Stimmgabel über einem abge-
stimmten Fläscbchen dreht. Die Flächen, in welchen der
Ton verschwindet, sind ebenfalls hyperbolisch gekrümmt,
genau so wie die Flächen, in welchen bei dem Fresn einsehen
Spiegelversuche das Licht verschwand.
Kane l ) hat auf Herschels Vorschlag eine Pfeife con-
struirt, welche sich, wie der eine Insel umströmende Flufs,
in zwei Arme theilt, die sich dann wieder vereinigen. Macht
man den Längenunterschied dieser beiden Arme so grofs,
dafs er gleich ist der halben Wellenlänge, eines Tons von
bestimmter Höbe, so verschwindet bei der Fortpflanzung
verschiedener Töne derselben Octave durch die Pfeife nur
dieser, kein anderer. Diese Erscheinung ist vollkommen
analog dem, was wir bei den Farben dünner Blätteben sahen,
nur geschah dort der Umweg durch das Hin und Her in der-
selben Schicht Weifses Licht verhielt sich dort, wie hier
das gleichzeitige Erregen vieler Töne, von denen einer in-
terferirt und daher verstummt, während die andern coinci-
diren und daher vernommen werden.
Wir haben bisher die akustischen Interferenzen eines
Tones mit sich selbst betrachtet, indem wir den Gangunter-
schied der sich durchschneidenden Wellen so einrichteten,
dafs Verdichtungen in dem einen Zuge mit Verdünnungen
') Case of interference of sound. Fifth Rep. of the Brit. Assoc.
1835. p. 13.
64
in dem andern und umgekehrt zusammenfielen. Wir können
aber auch einen gegenseitigen Einflufs von Tönen verschie-
dener Höhe dem Ohre bemerklich machen. Dies sind die
von Scheibler an Stimmgabeln anschaulich gemachten
Schwebungen.
Die Schläge zweier Uhren, von denen die eine richtige
Secunden schlägt, die andere in 99 Secunden einen Schlag
mehr macht, treffen alle 99 Secunden zusammen, und weichen
nach dem Zusammentreffen immer mehr von einander ab,
so dafs sie nach 50 Secunden am weitesten von einander ab-
stehen, worauf sie sich einander wieder immer mehr nähern.
Die Dauer eines Schlages der zweiten Uhr ist, da sie den
Zeitraum von 99 " in 100 Theile theüt, ••/,•• ", der Unter-
schied zwischen den ersten beiden Schlägen daher V l00 ,
zwischen den darauf folgenden 9 / 100 u. s. f., um welche die
langsam gehende Uhr hinter der schneller gehenden zurück-
bleibt. Da dieses Nachbleiben nach hundert Schlägen 10 7i »>
d. h. 1 Secunde beträgt, so wird der dann folgende Schlag
der Secundenuhr sich mit dem der schneller gehenden ver-
einigen, und die Erscheinung auf dieselbe Weise sich nun
wiederholen. Ebenso werden von Zeit zu Zeit die von zwei
nebeneinander nicht ganz gleich ertönenden Körpern aus-
gehenden Schallwellen, wenn sie zum Ohr gelangen, bald
zwischen einander fallen, bald zusammenfallen. Nur findet
der Unterschied statt, dafs die Pendelschläge der Uhren alle
von gleicher Beschaffenheit sind, und daher bei dem Zu-
sammenfallen immer einen stärkern Eindruck auf das Ohr
machen. Die Schwingungen der beiden tönenden Körper sind
dagegen abwechselnd, die Luft verdichtende und verdünnende,
und es findet daher nur abwechselnd ein stärkerer Eindruck
auf das Ohr statt, wenn nämlich Verdichtungen mit Verdich-
65
taugen , und Verdünnungen mit Verdünnungen zusammen-
fallen. Bei dem Zusammenfallen ungleichartiger Schwingun-
gen, der verdichtenden nämlich mit den verdünnenden, findet
nicht allein kein stärkerer Eindruck auf das Ohr statt, son-
dern der Eindruck, welchen sie einzeln gemacht haben wür-
den , hebt sich in ihrer Verbindung auf, so dafs für das Mir
eine Pause eintritt, die zwischen zwei verstärkte Eindrücke
in die Mitte fällt. Das Ohr hört daher halb so viel periodische
Anschwellungen des Tones, d. h. Schwebungen, als es
wahrnehmen würde , wenn kein Wechsel von verdünnenden
und verdichtenden Wellen stattfände. Die Zahl der Schwe-
bungen und Pausen zusammengenommen giebt daher an,
wie viel Schwingungen in einer bestimmten Zeit von dem
einen tönenden Körper mehr als von dem andern vollfuhrt
werden.
Schlägt man mit einem Stocke von Oben nach Unten
auf ein langes, straff gespanntes Seil, z. B. auf ein Tau,
an welchem eine Fähre über einen breiten FJufs geht, so
sieht man eine immer nach Unten gekehrt bleibende Aus-
biegung schnell dem andern Ufer zueilen, aber nach der
Reflexion am andern Ufer sogleich als eine nach Oben ge-
richtete Ausbiegung zurückkehren. Schickt man durch einen
zweiten ebenso gerichteten Schlag dieser ersten fortschrei-
tenden Welle eine zweite nach, so wird bei dem Begegnen
der reflectirten, nach Oben gebogenen Welle mit der direct
fortschreitenden, nach Unten gerichteten ein Ruhepunkt ent-
stehen, weil entgegengesetzte Kräfte gleichzeitig das Tau in
Bewegung zu setzen suchen. An diesem wie fest gewordenen
Punkte reflectiren sich die Wellen, wie vorher am Ufer.
Durch taktmäfsiges Aufeinanderfolgen der Schläge ist endlich
das ganze Tau in stehender Schwingung wie eine Schlank
66
geiiliuie gekrümmt, feste, ruhende Punkte zwischen entge-
gengesetzt schwingenden Theilen in vielfacher Aufeinander-
folge. Dies ist die Erscheinung einer zu Flageolettönen an-
geregten Saite mit ihren ruhenden Knotenpunkten. Von der
linearen Dimension der Saite zu der tönenden Klangscheibe
übergehend, müssen sich die Ruhepunkte in Ruhelinien ver-
wandeln und so sehen wir Chladni's Klangfiguren gleich-
sam vor unsern Augen entstehen.
Der vollkommene Parallelismus zwischen den Interferenz-
phänomenen der Wellenbewegung fester, flüssiger und luft-
förmiger Körper mit den Erscheinungen des Lichtes läfst
keinen Zweifel darüber, dafs die Fortpflanzung des letztern
ähnlicher Art sei. Dieselben Bedingungen, welche die be-
wegten Wasserwellen zur Ruhe bestimmen, erzeugen Stille
im Reiche des Tones, sie bedingen Dunkelheit im Elemente
des Lichtes. Auf diesem nächtig dunkeln Grunde treten aus
der Totalität des weifsen Lichtes die Farben hervor als ein
Schattiges, aber dieser Schatten ist selbst eine That des
Lichtes. So wie das Ohr sich der Schwingungen der regel-
mäfsig erschütterten Luft bewufst wird als eines Tones von
bestimmter Höhe, so sage ich: Blau, wenn meine Netzhaut
eine bestimmte Anzahl Schwingungen vollführt, Roth bei
einer andern Anzahl. Der andauernde Lichteindruck bei sich
schliefsendem Auge ist das Nach- oder Abklingen jener
Schwingungen, eine allmählige Wiederkehr zu der Ruhe,
deren wir uns als Dunkel bewufst sind. Das Element dieser
Erscheinungen hat man Aether genannt, und so ist die Physik
wieder zu der Vorstellung der Griechen zurückgekehrt; denn
zu den Repräsentanten des Starren , Flüssigen und Luftför-
migen in Erde, Wasser und Luft ist noch ein ätherisches
Element hinzugekommen, als dessen Repräsentanten wir das
67
Feuer nennen können , da Licht und Wärme seine Manifesta-
tionen sind. Aber in diesem scheinbar in sich zurückkehren-
den Kreislauf hat der menschliche Geist der Natur gegenüber
sich tiefer erfafst, bei gleicher Bezeichnung trennt die heutige
Physik von den Vorstellungen der Griechen die Kluft , welche
bewufstes Erkennen von träumendem Ahnen scheidet.
Wenn man in einem dunkeln Zimmer eine elektrisdlt
Flasche entladet, so sieht man die im Zimmer befindlichen
Gegenstände in voller Deutlichkeit, und dennoch ist die Dauer
dieser Erleuchtung so kurz, dafs auch der am schnellsten
bewegte Körper ruhend erscheint. Eine schwingende Saite
scheint von diesem electrischen Lichte beleuchtet in abge-
lenkter Stellung unbewegt, eine in schwarze und weifse
Sectoren getheilte Scheibe auf dem am schnellsten rotirenden
Kreisel still zu stehen, ein ausfliegender Wasserstrahl löst
sich hingegen in eine Aufeinanderfolge einzelner Tropfen auf.
Die Dauerlosigkeit, welche Wheatstone 1 ) auf diese Weise
am electrischen Lichte unserer Maschinen nachgewiesen hat,
gilt, wie ich gefanden habe *), ebenso von den scheinbar
viel länger anhaltendem Eindrucke flackernder Blitze. Sie
sind eine Anzahl schnell auf einander folgender getrennter
Entladungen, denn die rotirende Scheibe des Farbenkreisels
scheint während eines Blitzes schnell nach einander an ver-
schiedenen Stellen still zu stehen.
Betrachtet man von einem festen Punkte aus in einem
kleinen senkrecht gestellten Spiegel das Bild eines entfernten
Gegenstandes, so wird dieses Bild, wenn der Spiegel langsam
um seine senkrechte Achse gedreht wird, in entgegenge-
setzter Richtung mit doppelter Winkelgeschwindigkeit seine
') Pogg. Ann. 33, p. 508. und 34, p. 464.
a ) Pogg. Ann. 35, p. 380.
68
Stelle ändern, bis es aus dem Gesichtsfelde tritt Der Weg
eines leuchtenden Punktes in rascher Bewegung erscheint
aber wegen der Nachdauer des Lichteindruckes als eine zu-
sammenhängende Linie. Bei einer bestimmten Drehungsge-
schwindigkeit des Spiegels erblickt man also das Bild eines
Punktes in Gestalt eines leuchtenden Bogens , und da jeder
Gegenstand so weit hinter dem Spiegel erscheint, als er selbst
vor ihm ist , so wird dieser Bogen einem Kreise angehören,
dessen Halbmesser die Entfernung des leuchtenden Gegen-
standes vom Spiegel ist. Leuchtet der Punkt die Zeit über,
welche zwischen dem Eintritte seines Bildes in das Gesichts-
feld und dem Austritte desselben aus dem Gesichtsfelde ver-
geht, so wird der gesehene Lichtbogen kein Mafs für die
Dauer seines Lcuchtens sein. Fällt aber Anfang und Ende
des Leuchtens in die Zeit, wo das Bild des Punktes innerhalb
des Gesichtsfeldes erscheint, so wird die gemessene Gröfse
des Bogens ein Mafs der Lichtdauer werden. Bei 800 Um-
läufen des Spiegels in der Secunde erschien in den Versuchen
von Wheatstone dem dicht an den Spiegel gehaltenen
Auge ein in der Entfernung von 10 Fufs senkrecht herab-
schlagender Funke ohne Ausbreitung nach der Seite als
Lichtlinie, wie in einem ruhenden Spiegel. Da aber in dieser
Entfernung der Bogen eines halben Grades einem Zoll, ge-
sehen aus der Entfernung von 10 Fufs, entspricht, diese
Gröfse aber hätte wahrgenommen werden müssen , so konnte
die Lichtdauer des Funkens wegen der doppelten Drehungs-
geschwindigkeit des Bildes nicht , zz £ m = it ^ aoo Secunde
sei. Das Auge vermag also Gegenstände deutlich zu sehen,
welche eine kürzere Zeit als den millionsten Theil einer Se-
cunde beleuchtet wurden.
Dafs zwischen dem sinnlichen Eindruck und dem Be-
69
wufstwerden desselben aber eine Zeit verfliefse, scheint für
das Auge dadurch erwiesen zu sein, dafs verschiedene durch
häufige Beobachtungen hinlänglich geübte Beobachter die-
selbe Erscheinung nicht zu gleicher Zeit wahrgenommen zu
haben glauben. Der Unterschied der Zeit, welcher sich
zwischen den Angaben zweier Astronomen fand, welche ge-
meinschaftlich Sternbedeckungen beobachteten, ist nfinlich
für verschiedene Beobachtungen derselben gleich, verschieden
aber für verschiedene Individuen.
Hiermit scheint nun die bekannte Erfahrung zusammen-
zuhängen, dafs ein Eindruck auf das Auge noch fortdauert,
wenn die erregende Ursache bereits zu wirken aufgehört
hat, dafs wir also einer Zeit bedürfen , um uns bewufst zu
werden, dafs etwas jetzt ist und nicht mehr ist. Die Anzahl
der Eindrücke , deren wir uns in einer Secunde als auf einan-
der folgend bewufst werden , ist daher eine begrenzte. Eine
glühende Kohle erscheint als ein feuriger Kreis, wenn sie
7 V t Mal in der Secunde herumgeschwungen wird '). Wenn
wir also einen leuchtenden Gegenstand in einer Secunde
7 1 /, Mal an derselben Stelle sehen, so sehen wir ihn unun-
terbrochen an derselben. Diese Eindrücke verschwinden von
dem Maximum ihrer Stärke ab nicht plötzlich, sondern all-
mählig, so dafs es unmöglich ist, den Augenblick zu be-
stimmen, wann sie vollständig erlöschen. Giebt man nämlich
einem Stück weifsen Papiers eine Kreisbewegung, jedoch
keine so rasche, dafs ein vollständiger Kreis erscheint, so
scheint sich das Papier zu verlängern und , ohne am hintern
Ende scharf begrenzt zu sein, allmählig mit dem Grunde
zusammen zu fliefsen. Halten wir daher nur die Bedingung
') d'Arcy, memoire sur la dur^e de la Sensation de la vue in
Mem. de l'Acad. de Paris 1765.
70 ._
der Continuität fest, ohne ihre Gleichförmigkeit zu verlan-
gen , so entsteht schon bei einer viel weniger häufigen Wie-
derholung der Eindrücke das Bewufstsein einer ununter-
brochenen Dauer derselben. Am frappantesten sind in dieser
Beziehung die Erscheinungen des von Paris angegebenen
Thaumatrops.
* Auf einer rasch drehbaren Achse befindet sich ein Blatt,
auf dessen Vorderseite ein Kreis , auf der Hinterseite ein in
ihn passendes Dreieck gezeichnet ist. Bei rascher Drehung
sieht man das Dreieck in den Kreis eingeschrieben. Ebenso
lassen sich beliebige Figuren auf diese Weise aus ihren auf
Vorder- und Hinterfläche gezeichneten Theilen durch Drehung
zusammensetzen. Noch überraschender ist folgender Ver-
such. Eine kreisrunde Scheibe, auf welcher ringförmig Worte
geschrieben sind, wird horizontal befestigt Durch ihre durch-
bohrte Mitte geht die Achse einer Welle, welche darunter
sehr rasch gedreht werden kann. Am obern Ende dieser
Achse ist eine schwarze Scheibe befestigt, so grofs, als die
darunter liegende beschriebene, der sie parallel ist, und mit
einem Einschnitt versehen, welcher vermittelst eines Schie-
bers sich beliebig erweitern läfst. Man öffnet diesen so weit,
dafs von der darunter liegenden Schrift nur ein Buchstabe
gesehen wird. Dreht man nun die obere schwarze Scheibe
über der ruhenden weifsen, so werden nach einander alle
Buchstaben einzeln durch den Einschnitt sichtbar. Bei einer
bestimmten Drehungsgeschwindigkeit sieht man die Schrift
vollständig. Dieser Versuch bildet den unmittelbaren Ueber-
gang zu den merkwürdigen Täuschungen der stroboskopi-
schen Scheibe. Statt einer Oefihung , welche über verschie-
dene Buchstaben geht, läfst man verschiedene Oeflhungen
bei dem Auge vorbeigehen, und erblickt in dem vorgehaltenen
71
Spiegel die unter der jedesmal vorbeigehenden Oeffhung ge-
zeichnete Figur. Da nun diese Figuren die verschiedenen
Stadien der Bewegung eines Körpers darstellen , so glaubt
das Auge durch das Aneinanderreihen der schnell an der-
selben Stelle auf einanderfolgenden Eindrücke ein und den-
selben Körper in der Bewegung selbst begriffen zu sehen. 4
Rotirende Cylinder, auf ähnliche Weise durchbohrt, gewähren
den Vortheil , dafs die durch die Drehung an ihnen wahrzu-
nehmenden Erscheinungen von mehreren zugleich beobachtet
werden können, und zu ihrer Entstehung ein Spiegel nicht
erfordert wird.
Es giebt noch eine Menge anderer Erscheinungen, welche
auf dieser Eigenschaft des Auges, eine dauernde Nachwirkung
des empfangenen Eindrucks zu empfinden, beruhen. So ver-
schwinden die Speichen eines Rades bei rascher Drehung,
die bei der Ruhe unsichtbaren Wimpern der Infusorien werden
bewegt eine kleine sichtbare Fläche, eine tönende Saite er-
scheint als ein durch Rotation entstandener Körper und die
glänzenden Knöpfchen des Kaleidophon bilden in anmuthigen
Verschlingungen die mannigfachsten Figuren. Drehen sich
zwei in parallelen Ebenen befindliche helle, etwa aus weifsem
Papier geschnittene krumme Linien vor einem dunkeln Hin-
tergrunde mit grofser, aber in der Weise verschiedener Ge-
schwindigkeit, dafs die der einen ein ganzes Vielfaches der
Geschwindigkeit der andern ist , so entsteht aus den schein-
baren Durchschnittspunkten beider Linien das unbewegte
Bild einer dritten krummen Linie, welche dunkler ist, als
der wie mit einem Schleier überzogene Grund , auf welchem
sie erscheint, insofern das Auge nämlich an der deckenden
Stelle nur das Licht von der einen Linie empfängt , während
es an den übrigen Stellen in derselben Zeit jedesmal die
72
Eindrücke beider Curven nach einander erhält. Analog diesen
von Plateau angegebenen Erscheinungen sind die von Fa-
rad ay an den Zähnen paralleler Räder, die nach entgegen-
gesetzten Richtungen sich drehen, beobachteten Phänomene.
Ist die Geschwindigkeit des einen die doppelte der Geschwin-
digkeit des andern, so erscheint nach der Richtung der Achse
gesehen ein stehendes Rad mit der doppelten Anzahl der
Zähne. Ein einfaches Beispiel solcher ruhender Curven zeigt
sich auch bei der Vorrichtung der Centrifugalmaschine, duröh
welche man die Abplattung der Erde anschaulich macht
Die Zwischenräume der elastischen Bänder, welche bei der
Ruhe sphärische Zweiecke bilden, erscheinen als meridian-
artige helle Bänder bei der Rotation, entstehend durch den
Durchschnittspunkt eines Streifens, welcher dem Auge seine
convexe Seite zukehrt, mit einem, welcher die concave ihm
zuwendet. Rogets Bemerkung, dafs die Speichen eines
hinter einem ruhenden Gitter schnell dahin rollenden Rades
gekrümmt erscheinen, gab die Veranlassung zu der Auffin-
dung aller dieser so auffallenden optischen Täuschungen,
von welchen die überraschendsten die des Anorthoskops sind,
wo. man durch radiale Schnitte einer drehenden Scheibe nach
einer in entgegengesetztem Sinne schneller sich drehenden
sieht, und wo die auf derselben befindlichen stark verzeich-
neten Figuren in richtiger Gestalt, aber vervielfältigt, still zu
stehen scheinen.
Viele finden eine Schwierigkeit darin, etwas, was sie
ununterbrochen wahrnehmen, als eine periodische Wieder-
kehr getrennter Eindrücke anzuerkennen. Die eben ange-
führten Versuche sind daher wichtig, weü sie auf eine unab-
weisbare Art die Thatsache feststellen, dafs das scheinbar
continuirlichste Phänomen doch discontinuirlich sein kann.
. 73
Betrachtet man nämlich jene durch Rotation entstehenden
Phänomene bei dem momentanen Leuchten eines electrischen
Funkens oder durch die gleichweit abstehenden Oeflhungen
eines eben so schnell, als jene Körper rotiren, gedrehten
Rades, so sieht man dieselbe Erscheinung, als wenn jene
rotirenden Körper ruhen.
Durch die Sirene , durch .das Zählen der Schwebungen
gleichzeitig erregter Töne, deren Höhe etwas verschieden,
und andere Mittel hat man entschieden nachgewiesen, dafs
die Höhe der Töne durch Schwingungen bedingt wird , deren
Anzahl aber in einer Secunde nie lOOOOO erreicht. Das
Vernehmen eines Tones ist also das BewuTstwerden perio-
disch wiederkehrender Eindrücke , die Unterscheidung seiner
Höhe, ein mehr oder minder genaues Zählen derselben. Aus
den vorher angeführten Erscheinungen haben wir gefunden,
dafs das Auge kürzere Zeit, als den millionsten Theil einer
Secunde beleuchtet, doch Gegenstände der verschiedensten
Gestalt und Farbe deutlich sieht, dafs es einer meßbaren
Zeit bedarf, um sich bewußt zu werden, dafs es beleuchtet
wurde , endlich , dafs es eine periodische Wiederkehr gleich-
artiger Eindrücke als eine ununterbrochene Erscheinung wahr-
nimmt. Wird nun, wie es die Undulationstheorie, gestützt
auf die Interferenz erscheinungen, im Gegensatz des Newton-
schen Emanationssystems annimmt, der Eindruck des Lichtes
ebenfalls durch Schwingungen hervorgebracht, deren ver-
schiedene Anzahl den Farbenunterschied bedingt, so mufs
die absolute Anzahl derselben in einer Secunde sehr grofs
sein, da ein den millionsten Theil einer Secunde dauerndes
Leuchten hinreichte, die den Farbenunterschied bedingende
Verschiedenheit ihrer Anzahl zu deutlichem Bewufstsein zu
bringen.
74
Bei allen Berührungspunkten zwischen Optik und Akustik
wird sich daher doch in den Erscheinungen selbst ein erheb-
licher quantitativer Unterschied zeigen , auch tritt derselbe
in der Entwickelung beider Disciplinen deutlich hervor. In
beiden Gebieten sind es schwingende Körper, welche zunächst
ein sie umgebendes Medium in Bewegung versetzen, und
vermittelst desselben zuletzt unsere Organe zu isochronen
Schwingungen bestimmen. Es ist also eine dreifache Aufgabe
gegeben, nämlich zu untersuchen, wie schwingt der leuch-
tende oder tönende Körper, wie pflanzen sich diese Schwingun-
gen in den ihn umgebenden Medien fort, endlich, wie verhält
sich das schwingende Organ , um in uns das Bewufstwerden
eines sinnlichen Eindruckes hervorzurufen. Die Beantwortung
der letztern Aufgabe fällt der Physiologie anheim, die der
beiden andern der Physik. In ihre Beantwortung haben sich
Akustik und Optik in der Weise getheilt, dafs die erstere
fast allein sich mit den primären Schwingungen beschäftigt
hat, die letztere mit den fortpflanzenden. Die Optik bleibt
• jetzt noch eine präcise Antwort auf die Frage schuldig , wie
schwingt ein leuchtender Körper? während in der Aku-
stik sich nicht scharf ermitteln läfst, wie die Lufttheilchen
sich bewegen, wenn ein Ton aus der Ferne an unser Ohr
schlägt. Daher müssen wir oft aus dem einen Gebiet Vor-
stellungen entlehnen , um uns in dem andern zurechtzufinden.
Auf diese Weise leuchtet unmittelbar ein, dafs die Funda-
mentalbestimmung der Wellenlänge in beiden Gebieten auf
ganz verschiedene Weise erhalten worden ist. Unter Wellen*
länge verstanden wir die Strecke, bis zu welcher in dem
umgebenden Medium die secundäre Schwingung fortschreitet,
während der primär schwingende (also tönende oder leuch-
tende Körper) eine ganze Schwingung, d. h. einen Hin- und
75
Zurückgang vollendet. Diese Länge ist also abhängig von
der Schwingungsdauer der primären Schwiugung des tönen-
den oder leuchtenden Körpers, und von der Geschwindigkeit
der Fortpflanzung im umgebenden Medium. Die Wellenlänge
eines Tones hängt also ab von der Höhe des Tones und der
Schallgeschwindigkeit des fortpflanzenden Mediums, die Wel-
lenlänge des Lichtes von der Farbe des Lichtes und der
Brechkraft des von diesem Lichte durchstrahlten Mittels,
vorausgesetzt nämlich , dafs die Brechung durch den Unter-
schied der Geschwindigkeit hervorgebracht wird, mit welcher
das Licht die durchsichtigen Körper durchläuft, an deren
gemeinsamer Grenze es seine Richtung verändert. In der
Akustik hat man die Wellenlänge geschlossen aus der Be-
stimmung der Schwingungsanzahl eines Körpers, der einen
Ton von bestimmter Höhe giebt und aus der directen Messung
der Schallgeschwindigkeit, welche für Tone verschiedener
Höhe in demselben Medium dieselbe ist; in der Optik hat
man sie direct gemessen durch Verdoppelung des Längen-
überschusses eines mit einem andern interferirenden Strahles
von bestimmter homogener Farbe, wenn beide bei dem Zu-
sammentreffen einander auslöschen. In der Akustik ist daher
die Wellenlänge der fortpflanzenden Schwingungen, in der
Optik die Schwingungszahl des leuchtenden Körpers eine er-
schlossene.
Für die Wellenlängen der mit den Buchstaben B, C, D,
E, F, G, H bezeichneten Stellen des Spectrums hat Frau en-
hofer ') in Pariser Zollen folgende Gröfsen gegeben, welche
für Luft gelten:
') Kurzer Bericht von den Resultaten neuerer Versuche über
die Gesetze des Lichtes and die Theorie desselben. Gilb. Ann. 74,
p. 337.
76
B = 0.00002541
C = 0.00002422
D = 0.00002175
E = 0.00001945
F = 0.00001794
G = 0.00001587
H = 0.00001464.
Auf die Länge eines Pariser Zolles geben daher Schwin-
gungen :
bei B 39354
- C 41288
» D 45977
» E 51414
. F 55741
» G 63012
» H 68306.
Vergleicht man die Wellenlängen in verschiedenen Me-
dien, so mufs in denen , in welchen das Licht sich mit gerin-
gerer Geschwindigkeit fortpflanzt, dieselbe kleiner werden. In
Hundertmilliontheilen des Pariser Zolles ausgedrückt ist diese
für Luft, Wasser, Terpentinöl und Anisöl folgende '):
Luft
Wasser
Terpentinöl
Anisöl
B. . .
2541
1909
1730
1651
C. .
2422
1821
1648
1573
D. .
2175
1631
1475
1405
E. . .
1945
1368
1315
1249
F. . .
1794
1338
1208
1144
G. . .
1587
1181
1064
1003
H. . ,
1464
1082
973
909
Aehnliche Messungen hat nenerdings in Beziehung auf
Luft und Glas Nobert *) angestellt, er findet für die ver-
') Neue Modificationen des Lichtes durch gegenseitige Einwirkung
der Strahlen und Gesetze derselben. München 1818.
a ) Ueber -eine Glasplatte mit Theilungen zur Bestimmung der
Wellenlänge und relativen Geschwindigkeit des Lichtes in der Lull
und im Glase. Pogg. Ann. 85, p. 90.
11
schiedenen Farben des Spectrams folgende Werthe in Pariser
Linien :
sehr tief roth
tief roth .
hellorange
schwefelgelb ".
grün . . .
blaugrün
blau . . .
indigo . .
violett . .
tiefviolett
Luft
0.000338
0.000328
0.000281
0.000258
0.000234
0.000223
0.000211
0.000199
0.000187
0.000176
roth . . .
roth . . .
orange . .
brandgelb
grüngelb .
grün . . .
indigo . .
rothviolett
Glas
0.000199
0.000188
0.000177
0.000165
0.000153
0.000141
0.000130
0.000118
Mittel 0.0001589.
Mittel 0.0002435
Nun ist aber
0.0002435
= 1.525.
0.0001589
Dies war genau das Brechungsverhältnifs der angewen-
deten Glasplatte.
Aus allen diesen Versuchen geht also entschieden her-
vor, dafs die Wellenlängen in dem Medium, in welchem der
gebrochene Strahl dem Einfallsloth näher ist, sich verkürzen,
und zwar im Verhältnifs des Brechungsverhältnisses. Das
Brechungsverhältnifs lehrt uns zunächst die Richtung fin-
den, in welcher ein Strahl fortgeht, wenn er einen durch-
sichtigen Körper verläfst und in einen zweiten eindringt. In
der folgenden Figur stelle g h die
Grenze vor zwischen Luft und
Glas, ab sei die Richtung des
Strahles in der Luft, das Bre-
chungsverhältnifs 3:2. Verlän-
gern wir nun den Strahl ab in
das Glas hinein, z. B, bis c, und
theilen 6 c, so dafs be = */, der
Länge von bc ist, so finden wir unmittelbar die Richtung
78
des Strahles im Glase, wenn wir durch ' e ein Loth ei auf
die Grenze beider Medien gh fällen und den Punkt d be-
stimmen, in welchem ein mit bc beschriebener Kreis das
verlängerte Loth ei schneidet. Dann ist bd die Richtung
des Strahles im Glase. Durch die Messungen von Frauen-
hofer, Nobert und andern ergiebt sich, dafs in der Luft
auf die Strecke bc so viel Wellen gehn, als im Glase auf
die Strecke bf. Wäre also bc einen Pariser Zoll lang, das
einfallende Licht von rother Farbe , so würden in der Luft
39354 Schwingungen auf dieser Länge erfolgen, ebensoviel
im Glase auf die Länge &/, also 59031 im Glase auf einen
Zoll , während die Dauer jeder einzelnen Schwingung in bei-
den Medien dieselbe bleibt, oder, was dasselbe ist, die Farbe
sich nicht ändert.
Zwischen der geradlinigen Fortpflanzung des Lichtes,
dem Gesetz der Reflexion, dafs es unter dem Winkel vom
Spiegel zurückkehrt, unter dem es auffällt, und dem eben
ausgesprochenen Brechungsgesetz scheint zunächst kein Zu-
sammenhang stattzufinden, und doch sind alle drei Gesetze
nur besondere Fälle eines allgemeineren , des Gesetzes näm-
lich, dafs das Licht, um von einem leuchtenden Punkte zum
andern beleuchteten zu gelangen, auf directem Wege und
auf Umwegen die kürzeste Zeit gebraucht. Befinden sich
beide Punkte in demselben Mittel, so ist, da die Bewegung
des Lichtes eine gleichförmige , die gerade Linie der kürzeste
Weg zwischen beiden Punkten , in demselben Mittel bewegt
sich also das Licht geradlinig. Soll es aber, ehe es den
beleuchteten Punkt trifft, noch vorher an die Grenze des
Mediums gelangen, d. h. mit einem Spiegel in Berührung
kommen, so mufs es zwei gerade Linien beschreiben, deren
Summe die kleinste ist Ist nun (Fig. 2) a der leuchtende
79
Punkt, gh der Spiegel, und soll das Licht, ehe es nach/
gelangt, in irgend einem Punkte den Spiegel berühren, so
hat es zunächst die Wahl zwischen unendlich vielen Linien-
paaren, a cf, a bfj a df
und so fort. Es wählt die
kleinste Summe ab-\-bf 9
wo die Winkel, x und x x
einander gleich sind, die
^ Summe, welche nur ein-
mal vorkommt, während alle andern paarweise zu beiden
Seiten desselben liegen. Befindet sich aber a in einem an-
dern durchsichtigen Mittel als / (p. 77), d. h. soll das Licht
die Grenze des Mediums überschreiten, um in ein anderes
zu dringen, und bewegt sich das Licht im ersten Mittel
schneller als im zweiten, so würde, wenn es direct von
a nach/ hin sich bewegte, es zu lange im zweiten Mittel
sich aufhalten, und, wegen der geringeren Geschwindigkeit in
demselben, Zeit verlieren. Es macht daher einen Umweg, es
geht nach b hin und dann erst von b geradlinig nach/. Dieses
plötzliche Umbiegen an der Grenze nennen wir Brechung,
und das Gesetz derselben ist wiederum das, dafs das Licht
den Punkt b der Grenze beider Medien wählt, für welche
die Zeit, deren es bedarf, um die beiden Wege ab+bfzu
durchlaufen, am kleinsten ist. Da aber durch den leuchten-
den Punkt a und den beleuchteten / sich unendlich viele
Ebenen legen lassen, unsere Zeichnung aber nur für eine
Ebene gilt, so ist von selbst klar, dafs wir den Punkt c in
der Ebene wählen müssen , welche auf der spiegelnden oder
brechenden Fläche g h lothrecht steht. Wählten wir nämlich
eine andre Ebene, so würden beide Linien, ab und ö/, sich
bei der Protection auf die lothrechte Ebene verkürzen, die
80
zu dem Durchlaufen erforderliche Zeit also ebenfalls kleiner
werden. Da sie aber die kleinste sein soll, so erfolgt die
Spiegelung und Brechung stets in der lothrechten Ebene.
Die Annahme , dafs das Licht in dem dichtem Medium
sich langsamer bewegt, als in dem weniger dichten, er-
scheint also vollkommen naturgemäfs, denn sie vereinigt
unter einem allgemeineren Gesichtspunkt die scheinbar von
einander unabhängigen Erscheinungen der geradlinigen Fort-
pflanzung des Lichtes, der Spiegelung und Brechung. Sie
ist auch in der That jetzt nicht mehr eine Annahme, sondern
eine direct erwiesene physikalische Thatsache, seitdem es
gelungen ist, auf einer kurzen terrestrischen Standlinie zu
zeigen, dafs eine Fläche später beleuchtet wird, als das
Licht sich entzündet, welches sie erhellt.
Licht, welches von einem bestimmten Punkte aus gleiche
Wege mit ungleicher Geschwindigkeit durchläuft, kann für
jeden Punkt des Weges als zwei Lichtsignale betrachtet
werden, welche nach einander erfolgen. Ein schnell sich
um eine Achse drehender Spiegel hat in verschiedenen Zeit-
momenten eine verschiedene Stellung, wird also von jenen
Lichtsignalen in verschiedener Stellung getroffen. Von seiner
Stellung hängt aber die Richtung ab, nach welcher er das
Licht zurückstrahlt, das auf ihn fallt. Diese Richtung wird
daher eine verschiedene sein für zwei Lichtsignale, die von
demselben Punkt aus nach einander erregt werden. Denken
wir uns nun zwei gleich lange, horizontale Röhren über
einander, durch Spiegelscheiben an ihren Enden verschlossen,
die obere mit Luft, die untere mit Wasser gefüllt, vor dem
einen Ende derselben einen lothrechten Draht ausgespannt,
der plötzlich glüht, auf der andern Seite einen um eine
lothrechte Achse schnell rotirenden Spiegel. Bewegt sich das
81
Licht durch Luft schneller als durch Wasser, so wird ein
an der Stelle des Spiegels befindliches Auge den Draht durch
die mit Luft gefüllte Röhre früher glühen sehen, als durch
die Wasserröhre. Blickt das Auge aber nach dem Spiegel,
so wird dieser, wenn er von dem Licht durch die mit Luft
gefüllte Röhre getroffen wird, sich noch nicht so weit ge-
dreht haben, als wenn er von dem Licht beleuchtet wird,
welches die Wasserröhre durchdringt. Das letztere Bild wird
also nach einer andern Richtung gesehen werden, als das
erstere , die leuchtende Linie wird also abgesetzt erscheinen,
und zwar wird das Bild durch die Wasserröhre im Sinne
der Drehung mehr abgelenkt erscheinen, als das durch die
mit Luft gefüllte Röhre gesehene. Dies zeigt nun auch wirk-
lich der Versuch.
Vermittelst eines schnell rotirenden Spiegels hatte
Wheatstone bereits nachgewiesen, dafs der electrische
Funke in der unterbrochenen Mitte eines langen Drahtes
später erscheint, als der am Anfang und Ende desselben
überschlagende, und es lag daher nahe, dies auf die Messung
der Geschwindigkeit des Lichtes anzuwenden. Arago ^er-
örterte die Art, wie diese Versuche gemacht werden könn-
ten, ohne sie selbst anzustellen. Dies geschah erst durch
Foucault*). Bei seinen Versuchen fiel Licht durch eine
quadratische Oeffhung auf ein Stabgitter aus 1 1 senkrechten
Platindrähten und darauf auf eine achromatische Linse von
grofser Brennweite. Ehe das Bild dieses Gitters durch die
Linse zu Stande kommt, wird das Licht von dem rotirenden
s ) Systeme d'experiences a Faide duquel la theorie de Femission
et celle des ondes seront soumises a des preuves decisives. Ann. de
China, et Phys. 71 , p. 49.
a ) Compt. rendu 30, p. 551 und Pogg. Ann. 81 , p. 434.
6
82
Spiegel aufgefangen, so dafs das Bild also erst nach der
Reflexion von diesem Spiegel entsteht, wegen der ununter-
brochenen Aenderung der Stellung desselben aber mit grofser
Geschwindigkeit sich fortbewegt. In einer bestimmten Ent-
fernung von dem rotirenden Spiegel steht ein Hohlspiegel,
dessen Mittelpunkt auf der Drehungsachse des ebenen Spiegels
gelegen ist, und da vom Mittelpunkt einer Kugel ausgehende
Strahlen auf die Oberfläche desselben senkrecht auffallend
in sich reüectirt werden, so entsteht das Bild des Gitters,
wenn die vom ebenen, rotirenden Spiegel ausgesendeten
Strahlen den Hohlspiegel symmetrisch um die Achse dessel-
ben treffen, durch die in sich selbst zurückkehrenden Strahlen
an der Stelle des das Bild erzeugenden Gitters selbst, welches
nun durch ein schiefes Planglas seitlich gesgiegelt wird, um
beobachtet werden zu können, ohne das auf das Gitter auf-
fallende Licht zu verdecken.
Das von dem ebenen rotirenden Spiegel nach dem Hohl-
spiegel gesendete und in sich zurückkehrende Licht bedarf
zum Durchlaufen dieses doppelten Weges einer sehr kleinen
Zeit, welche verschieden ist, wenn in diesem Wege eine
Luft- oder eine Wasserstrecke eingeschaltet ist. Das von
dem Hohlspiegel zum ebenen Spiegel zurückgestrahlte Licht
triflfc also auf seinem Rückwege den ebenen Spiegel nicht
mehr in der Stellung, in dem es ihn verlassen, und in einer
desto. mehr geänderten, je längere Zeit zwischen Hin- und
Hergang verflofs. Bei dem Versuch von Foucault zeigte
sich nun , dafs die Stäbe des Gitters bei Beschleunigung der
Rotationsgeschwindigkeit, wenn sie durch beide untereinan-
der befindliche Röhren gesehen wurde, an der Grenze beider
Medien wie die Theilstriche eines Nonius durchschnitten,
wobei die Streifen der Wasserhälfte im Sinne der allgemeinen
83
Ablenkung voraus lagen. Daraus gebt hervor, dafs das Licht
im Wasser sich langsamer bewegt, als in der Luft. Mifst
man die Ablenkung des Bildes in Beziehung auf das bilder-
zeugende Gitter, so erhält man für jedes auffallende Me-
dium die absolute Geschwindigkeit des Lichtes in diesem
Medium, da, wenn die Umdrehung des Spiegels bekannt ist,
durch die Ablenkung des Bildes sich ergiebt, wie grofs die
Zeitdauer ist während des Hin- und Rückweges zwischen
ebenem und Hohlspiegel, deren Entfernung bekannt ist. Bei
diesen Versuchen geschah die Rotation des Spiegels durch
eine Dampfturbine, und konnte zwischen 30 und 800 Um-
läufen in der Secunde verändert werden.
Aehnliche Versuche sind mit demselben Erfolg gleich-
zeitig von Fizeau und Breguet angestellt worden ver-
mittelst eines Spiegels, welcher 500 Umläufe in der Secunde
machte. Bei diesen Versuchen waren die Strahlen des auf
den rotirendeu Spiegel fallenden Lichtes parallel, sie wurden
daher von einem festen ebenen Spiegel, nicht von einem
sphärischen, senkrecht in sich zurückgesendet.
Die in der Luft und dem Wasser durchlaufenen Strecken
waren äquivalent gewählt, d. h. die des Wassers im Ver-
hältnifs 3 : 4 kleiner als die in der Luft. Da nun das Brechungs-
verhältnifs aus Luft in Wasser 4:3, so mufste die durch
diese Strecken erfolgte Ablenkung dieselbe sein, während sie
nach dem Emanationssystem im Verhältnifs von 9:16 hätte
verschieden ausfallen müssen. Das Ergebnifs des Versuches
entschied durch die beobachtete Gleichheit der Ablenkung
für das Undulationssystem.
Da es wünschenswerth ist, überall wo es thunlich ist,
directe Methoden an die Stelle indirecter zu setzen, so möge
hier noch das von Fizeau angewendete Verfahren erwähnt
84
werden, auch ohne rotirenden Spiegel die Geschwindigkeit
des Lichtes auf der Erde zu messen. Bei dem Verfahren
von Bradley durch die Aberration des Fixsternlichtes ist
die Standlinie eine von ungemessener Gröfse, nämlich von
der Erde zu den Fixsternen, bei dem von Römer der Durch-
messer der Erdbahn von 40 Millionen Meilen, l>ei F i z e au be-
trug sie nur etwas mehr als eine deutsche Meile, nämlich
8633 Meter. In dieser Entfernung von einander, nämlich
in einem Hause von Suresnes und auf der Montmartre waren
zwei gleiche Fernröhre von 6 Centimeter Oeffhung .so auf-
gestellt, dafs ihre Achsen in eine gerade Linie fielen, während
ihre Objective einander zugekehrt waren. Da nun Strahlen,
welche parallel auf das Objectiv eines Fernrohrs fallen, im
Brennpunkt dieses Objectivs sich vereinigen, so werden
umgekehrt Strahlen, welche vom Brennpunkt des Objectivs
ausgehen, aus demselben parallel austreten.
Entzündet sich nun in dem Brennpunkt A des einen
Fernrohrs ein Licht, so werden die Strahlen desselben aus
dem Objectiv B desselben parallel austreten, auf das Ob-
jectiv b des zweiten Fernrohrs fallen und sich in dem Brenn-
punkt a dieses zweiten Fernrohrs vereinigen. Befindet sich
in dem Brennpunkt a dieses zweiten Fernrohrs ein ebener
Metallspiegel, senkrecht auf die Achse des Fernrohrs, seine
spiegelnde Seite dem Objectiv zugekehrt, so werden die von
diesem Spiegel reflectirten Strahlen genau so auf das Ob-
jectiv b fallen, als wenn sie von einem Licht im Brennpunkt
desselben ausgingen, also parallel austreten, ebenso auf das
Objectiv B des ersten Fernrohrs fallen, und sich in dem
Brennpunkt desselben A, von dem sie ursprünglich ausge-
gangen sind, wieder vereinigen. Ist nun das in diesem Brenn-
punkt erzeugte Licht ein in gleichen Intervallen intermit-
85
tirendes , so werden , weil eine Zeit vergeht während Hin-
und Herganges des Lichtes zwischen beiden Fernröhren, die
Intervalle des reflectirt zurückkehrenden Lichtes nicht mit
denen des direct ausgehenden zusammenfallen. Mifst man
die Verspätung desselben, so erhält man unmittelbar die
Zeit, welche das Licht braucht, den Abstand beider Fern-
röhre zweimal zu durchlaufen.
In dem Versuch von F i z e a u wurde das Intermittiren
des Lichtes dadurch hervorgebracht, dafs in dem Brennpunkt
A des ersten Fernrohrs sich der Umfang .eines mit 700 gleich-
weit abstehenden Zähnen besetzten Rades befand, welches
vermittelst eines Räderwerks schnell gedreht werden konnte.
In der Seitenwand des Fernrohrs befand sich eine Linse, in
der Achse desselben, zwischen dem Rade und dem Ocular
des Fernrohrs ein unter 45 Grad geneigtes durchsichtiges
Spiegelglas. Eine vor der Seitenlinse stehende Lampe sen-
dete ihre Strahlen so auf diesen geneigten Spiegel, dafsr ihre
Strahlen sich im Brennpunkt vereinigten, wenn sie durch
eine Lücke der Zähne hindurch gehen konnten. In diesem
Falle sah man bei stillstehendem Rade das Bild des Lichtes
im andern Fernrohr wie einen Stern. Bei einer bestimmten
Drehungsgeschwindigkeit verschwand hingegen das Licht,
bei doppelter erglänzte der Punkt von Neuem, um bei drei-
facher wieder zu verschwinden und so fort. Im ersten Falle,
nämlich dem des Verdunkeins, war die zum Durchlaufen
eines Abstandes von 17266 Metern nöthige Zeitdauer die
Zeit, welche vergeht, wenn das aus der Lücke austretende
Licht bei seiner Rückkehr durch den nächsten Zahn verdeckt
wird. Dies geschah bei 12,6 Umläufen in der Secunde. Da
nun bei einer Umdrehung die Zeit, welche nöthig ist, damit
ein Zahn an die Stelle der Lücke tritt, j~ Secuude ist, so
86
durchläuft das Licht den Raum von 17266 Meter in ^ Se-
cunde, also 304572240 Meter in einer Secunde, die deutsche
Meile zu 7408 Meter gerechnet, also 41114 Meilen.
Mit dem Fi zeau 'sehen Apparate könnte eine andre
wichtige Frage direct beantwortet werden, ob nämlich die
Geschwindigkeit des Lichtes in der Luft unabhängig ist von
seiner Schwiugungsdauer, d. h. ob verschiedenfarbiges Licht
bei gleicher Umdrehung des Rades verschwindet. Von dem
Schalle wissen wir, dafs hohe und tiefe Töne sich in der
Luft gleich schnell fortpflanzen. Wäre dies nicht der Fall,
so müfste bei jedem Musikstiick angegeben werden, aus
welcher Entfernung man es hören müsse. Gilt dies auch
für Licht? So lange directe Versuche fehlen, müssen wir
uns mit indirecten Prüfungen begnügen.
Wird die Vorstellung, dafs wir Weifs sehen, in uns
dadurch hervorgerufen, dafs unsere Netzhaut gleichzeitig
erregt wird von allen den Schwingungen, deren Periode
zwischen den beiden äufsersten Grenzen des Spectrums liegt,
so werden, wenn ein weifses Licht in grofser Entfernung
von uns verlöscht, und Licht verschiedener Schwingungs-
periode sich ungleich schnell fortpflanzt, im Uebergang des
Leuchtens des Weifsen zur Dunkelheit Farben hervor treten
müssen. Bewegten sich z. B. die Strahlen, deren Schwingungs-
dauer allein den Eindruck des Rothen machen, am langsam»
sten, so würden diese noch zum Auge gelangen, während
die andern bereits aufgehört haben, auf die Netzhaut zu
wirken. Wir würden daher das Weifs so erlöschen sehen,
als wenn das Spectrum mit einem von dem violetten nach
dem rothen Ende hin fortrückenden Schirm bedeckt würde,
und aus den unverdeckten Farben eine Mischung gebildet
würde. Dies zeigt sich aber nicht bei der Verfinsterung der
87
Jupitersmonde, sie verdunkeln sich plötzlich, ohne vor ihrem
Verschwinden farbig zu werden. Aus dieser Erscheinung
schlofs Muschenbroek '), dafs in dem Räume, welcher
die Erde vom Jupiter im weitesten Abstände trennt, eine
verschiedene Geschwindigkeit farbigen Lichtes nicht her-
vortritt.
Gegen diesen Beweis könnte eingewendet werden, dafs
er nicht direct von dem farbigen Licht, sondern von dem
weifsen entlehnt sei. Aber auch der directe Beweis ist gege-
ben. Da man nämlich unter den Fixsternen aufser den weifsen
auch rothe, gelbe, blaue und grüne unterscheidet, alle aber
dieselbe Aberrationsconstante geben, so folgt daraus dieselbe
Geschwindigkeit für alle Farben.
Auch der stärkste Lichtglanz vermag keinen unmittelbar
wahrnehmbaren mechanischen Effect hervorzubringen. Wenn
nun kleine Erschütterungen , um sinnlich wahrgenommen zu
werden, einer vielfachen Wiederholung bedürfen, wie unend-
lich grofs mufs die Anzahl der Schwingungen sein, welche
unsere Netzhaut erregen, um in uns die Vorstellung: »ich
sehe« hervorzurufen.
') Introduclio ad philosophiam naturalem §. 1813: quando sa-
tclles immergetur in umbram, radii rubri, utpote secundum aliquot
philosophos velocissimi, prius perveniunt ad terram, quibus reliqua
lux orbabitur, deinde quoque auranliis, postea flavis, tum plancta
speclaretur lurido vel caeruleo colore , et ita evanesceret ex conspcclu :
emergens satelles ex umbra, primo spectarelur colore rubro, tum
rubro et aurantio , tum rubro aurantio et flavo , tum rubro , aurantio,
flavo, viridi; tum rubro aurantio flavo, viridi, caeruleo, quibus ac-
cederet deinde color purpureus, violaceus ut ultimo spectaretur can-
didus, sie secundum aliorum eruditorum sententiam radii violacei
sint velocissimi, contrarius colorum ordo eril: sed ejusmodi varietas
non comparet; candidus apparet satelles, qui subit eclipsin, candidus
est cum emergit ex uinbra. (Skort's Beob. Phil. Trans. 48, p. 268. 779).
88
Aus den Wheatston'schen früher angeführten Ver-
suchen über die Lichtdauer electrischer Entladungen hatten
wir geschlossen, dafs die Zahl der Schwingungen nothwendig
die Zahl mehrerer Millionen in einer Secunde übertreffen mufs.
Werden wir uns nun wundern, dafs sie noch gröfser ist,
da sie nicht kleiner sein kann, als eine Zahl, die unsre ge-
wöhnlichen Vorstellungen schon weit übertrifft.
Zur Bestimmung der wirklichen Anzahl dieser Schwingun-
gen haben wir nun folgende Data:
Nach den Versuchen von Biot bewegt sich das Licht
in der Zeit, in welcher es in der Luft eine Million Meilen
durchläuft, im leeren Raum 294 Meilen weiter.
Die Wellenlängen des Lichtes sind also im leeren Raum
im Verhältnifs von 1000294 : 1000000 gröfser, als im
luftvollen. Für die mit den Buchstaben B,C,D,E,F,G,H,
bezeichneten Stellen des Spectrums würden sie also nach
den von Frauenhoferin der Luft angestellten Messungen
folgende Gröfsen für den leeren Raum ergeben :
Anzahl der Wellenlängen
auf einen Zoll
B 39342
C 41276
D 45963
E 51399
F 55725
G 62994
H 68286
auf eine geographische Meile
10784.000000
11315.000000
12599.000000
14089.000000
15275.000000
17268.000000
18719.000000
Die geographische Meile als fünfzehnter Theil des Erd-
äquators zu 22843,4 Pariser Fufs gerechnet. Nach den
neuesten Bestimmungen von Encke J ) ist die mittlere Ent-
fernung der Sonne von der Erde 20.686329 geographische
') Astronom. Jahrb. ftir 1852 p. 323.
89
Meilen. Wird dieser Raum in 493.2 Secunden vom Licht
durchlaufen, so ist der in einer Secunde zurückgelegte Weg
41935 geographische Meilen. Die Anzahl der Schwingungen,
in welche die Netzhaut innerhalb einer Secunde versetzt
wird, um die Farbe zum Bewufstsein zu bringen, welche
im Spectrum durch die Buchstaben B, C,Ü,E,F,G,H
bezeichnet wird, ist demnach folgende:
bei B, nahe dem rothen Ende 452.000000.000000
» C, im Roth 474.000000.000000
» D, im Orange 528.000000.000000
. E, im Grün 591.000000.000000
» F, im Blau 641.000000.000000
» G, im Indigo 724.000000.000000
» H, im Violett 785.000000.000000
Nach den mitHülfe Marloy es vonDespr etz l ) wieder-
holten Savart'schen Versuchen über die Grenze der Wahr-
nehmbarkeit der Töne entsteht der tiefste Ton, dessen Höhe
sich noch bestimmen läfst, durch sechzehn Einbiegungen
und Ausbiegungen des Trommelfells, oder durch 32 einfache
Schwingungen, der höchste überhaupt wahrnehmbare durch
73000 solcher Schwingungen, also durch 36500 Einbie-
gungen und eben so vielen Ausbiegungen des Trommelfells.
Bis zu 65536 einfachen Schwingungen oder 32768 Ton-
wellen in der Secunde ist es noch möglich, die Ton -Intervalle
zu bestimmen.
Die Geschwindigkeit des Schalls in der Luft steigt mit
der Wärme derselben, bei der mittleren Wärme von Berlin
beträgt sie nahe 1024 Fufs in der Secunde, die Wellenlänge
dieses tiefsten Tones ist daher dann 3 2 Fufs, die des höchsten
noch musikalisch bestimmbaren 2 V A Linien, des höchsten
überhaupt wahrnehmbaren etwa 2 Linien.
l ) Compte rendu 20, p. 1214. Pogg. Ann. 65. p. 440.
90
Aus diesen Bestimmungen folgt, dafs die Wellenlänge
der tiefsten Farbe über 500 Mal kleiner ist, als die Wellen-
länge des höchsten Tones, denn bei dem, jenseits B eben
aufdämmernden Roth gehen 39000 auf die Länge eines Zolls,
bei dem höchsten Ton nur 72. Nun bewegt sich aber der
Schall in der Luft so langsam, dafs er 10% Tage bedarf,
um die Strecke zu durchlaufen, welche das Licht in einer
Secunde durcheilt. Während ein von der Sonne ausgesen-
deter Lichtstrahl von einem terrestrischen Spiegel zurückge-
sendet in 16 Minuten nach derselben zurückkehrt, würde
ein Sonnenbewohner > wenn der Zwischenraum zwischen
Erde und Sonne mit Luft erfüllt wäre, die augenblicklich ge-
gebene Antwort auf eine an einen Erdbewohner gerichtete
Frage erst nach 29 Jahren erhalten.
Da nun das Licht ungeheure Abstände mit sehr kleinen
Schritten durcheilt, der Schall mit grofsen Schritten nur
langsam vorschreitet, so ist die Anzahl der Schritte beider
in derselben Zeit (die Schwingungen) so unendlich ver-
schieden.
Ist diese weite Kluft ganz unausgefüllt ? gewifs nicht,
denn jenseits des rothen Endes des Spectrums erregt das
Sonnenlicht noch eine merklich erhöhte Temperatur durch
Schwingungen , für welche unsere Netzhaut nicht anspricht,
welche aber für unser allgemeines Gefühl vorhanden sind.
Wäre es möglich , den Zwischenraum zwischen jenen beiden
Gebieten durch experimentale Uebergänge in der Erregung
zu vermitteln, so würde sich dies ohngefähr auf folgende
Weise in der Erscheinung darstellen *).
»In der Mitte eines grofsen Unstern Zimmers mag sich
ein Stab befinden, der in Schwingung versetzt ist, und es
! ) Ueber die Wirkungen aus der Ferne p. 17.
91
soll zugleich eine Vorrichtung vorhanden sein, die Geschwin-
digkeit dieser Schwingung fortwährend zu vermehren. Ich
trete in dieses Zimmer in dem Augenblick, wo der Stab
viermal schwingt. Weder Auge noch Ohr sagt mir etwas
von dem Vorhandensein dieses Stabes, nur die Hand, welche
seine Schläge fühlt, indem sie ihn berührt. Aber die
Schwingungen werden schneller, sie erreichen die Zahl 32
in der Secunde und ein tiefer Bafston schlägt an mein Ohr.
Der Ton erhöht sich fortwährend, er durchläuft alle Mittel-
stufen bis zum höchsten schrillenden Ton, aber nun sinkt
alles in die vorige Grabesstille zurück. Noch voll Erstaunen
über das, was ich hörte, fühle ich plötzlich von der Stelle
her eine angenehme Wärme sich strahlend verbreiten, so
behaglich, wie sie ein Kaminfeuer aussendet. Aber noch
bleibt alles dunkel. Doch die Schwingungen werden noch
schneller, ein schwaches rothes Licht dämmert auf, es wird,
immer lebhafter, der Stab glüht roth, dann wird er gelb
und durchläuft alle Farben, bis nach dem Violett alles wieder
in Nacht versinkt. So spricht die Natur zu verschiedenen
Sinnen zuerst ein leises , nur aus unmittelbarer Nähe ver-
nehmliches Wort, dann ruft sie mir lauter aus immer wei-
terer Ferne zu, endlich erreicht mich auf den Schwingen des
Lichts ihre Stimme aus unmefsbaren Weiten.«
Ist aber der Unterschied nur ein quantitativer, oder ist
die Art der Schwingungen in dem vermittelnden Medium
vielleicht eine andre. Dies führt uns zu der Frage, welcher
Art sind die fortschreitenden Schwingungen des Aethers,
transversal wie Wasserwellen oder, longitudinal, wie Ton-
wellen? ') Wenn man den ersten Schlag einem gespannten
! ) Diese als fortschreitend betrachtet. Die stehenden
Schwingungen der tönenden Körper können bekanntlich longitudinal,
92
Tau von Oben nach Unten giebt, den zweiten in einer hori-
zontalen Richtung, so wird die erste reflectirte Welle nicht
mit der zweiten, noch gerade fortschreitenden interferiren (da
die Impulse zwar noch gleich sind, aber nicht mehr nach
einander entgegengesetzten Richtungen wirken), sondern dem
Gesetze des Parallelogramms der Kräfte folgend eine diago-
nale Mittelkraft erzeugen. Zwei in derselben Ebene polari-
sirte Lichtmassen interferiren unter denselben Bedingungen,
unter welchen directes Licht interferirt; hingegen interferirt
auf einander senkrecht polarisirtes Licht unter diesen Be-
dingungen nicht. Sollte sich diese auffallende Erscheinung
nicht dadurch erklären, dafs bei gleichartig polarisirtem
Lichte die Querschwingungen in einer Ebene liegen, bei
dem in verschiedenen Ebenen polarisirten aber in verschie-
de n en Ebenen? Sollten nicht also überhaupt die Schwingun-
gen des Aethers transversal sein?
Die Richtung eines auf den Boden gestützten, ebenen
Brettes ist dadurch nicht vollkommen bestimmt, dafs man
seine Neigung gegen den Boden angiebt; die Durchschnitts-
liuie beider kann nämlich noch nach jedem beliebigen Punkte
des Horizontes gerichtet sein. Das Brett läfst sich daher
transversal, drehend und normal sein. Bei longitudinalen Schwin-
gungen verlängert und verkürzt sich ein cyündrischer Stab , mit Bei-
behaltung seiner geradlinigen Gestalt, bei transversalen biegt er
sich bei gleich bleibendem Abstände seiner Endpunkte, bei drehen-
den ändert er weder den Abstand derselben noch seine geradlinige
Gestalt, aber jede geradlinige Seitenlinie seiner cylindrischen Ober-
fläche wird abwechselnd eine rechts und eine links gewundene Spirale,
bei normalen Schwingungen endlich, fällt auch die letzte Verän-
derung fort, aber er ändert die Gröfse seines Querschnitts, verhält
sich also so, wie wenn er schnell hinter einander sich erwärmte und
abkühlte. Die den Ton fortpflanzenden Schwingungen sind hin-
gegen stets longiludinal.
93
bei gleich bleibender Neigung so drehen, dafs die Durch-
schnittslinie einen Kreis beschreibt. Bei dieser Drehung wird
es immer zwei, um eine halbe Drehung von einander ab-
stehende Lagen geben, in welchen die Durchschnittslinie die-
selbe Richtung hat, jede ihr im Räume parallele gerade Linie
also jener geneigten Ebene parallel ist. Läfst man einen
lothrecht gehaltenen Stab auf diese Ebene hinabfallen, so
wird derselbe bei der Drehung der Ebene diese immer unter
demselben Winkel treffen, er wird also bei dem Aufstofsen
auf diese Ebene sich immer auf dieselbe Weise in einer auf
ihr senkrechten Ebene abgleitend umbiegen. Ganz etwas
andres wird eintreten, wenn ein horizontal gehaltener Stab
hinabfällt. In den beiden Lagen der sich drehenden Ebene,
wo er ihr parallel ist, wird er mit allen Punkten gleichzeitig
auf die Ebene treffen, bei weiterer Drehung der Ebene wird
seine Neigung bis zu der darauf senkrechten Richtung immer
zunehmen, er sich selbst daher bei dem Auffallen immer
stärker umbiegen. » Und nun , möchte ich in der Weise des
Cartesius zu dem Leser sagen, wünsche ich, dafs du
glaubest, der horizontale Stab, den ich habe fallen lassen,
sei nichts andres, als die Schwingungsrichtung in einem
Strahle polarisirten Lichtes, jenes schiefe Brett ein gegen
ihn geneigter Spiegel, und du wirst den Grund einsehen,
warum dieses Licht in zwei Stellungen des geneigten Spiegels
nicht reflectirt wird (der Stab sich nicht umbiegt), warum
bei weiterer Drehung es in desto gröfserer Helligkeit reflectirt
wird, bis in der auf jener ersten senkrechten Stellung der
Reflexionsebene diese Helligkeit am gröfsten. Du wirst auch
einsehen, warum, wenn einer den fallenden Stab während
des Falles plötzlich dreht, nun bei einem andern Stadium
der Drehung des Brettes dieselben Erscheinungen eintreten
94
werden, warum also, wenn du ein die Schwingungsebene
des Lichtes änderndes Glimmerblättchen zwischen der po-
larisirenden Vorrichtung und dem analysirenden Spiegel ein-
schaltest, das vorher in einer bestimmten Stellung des Spie-
gels unsichtbare Licht plötzlich in allem Glänze wieder er-
scheint. Wenn aber dir einer einreden wollte, der Stab falle
lothrecht herunter, Huyghens habe es gesagt, auchEuler,
so weifs ich im Voraus, was du erwiedern wirst. Wie können
sie urth eilen? wirst du sagen, sie haben ja das schiefe Brett
nicht gesehn. Wer kann noch glauben, wenn er Malus Pola-
risationsapparat kennt, dafs das Licht longitudinal schwinge?
nein, es schwingt transversal.«
In dieser Beziehung ist auch Huyghens in der That
keine Autorität. Vermittelst seiner Theorie longitudinaler
Schwingungen hatte er zwar mehr enträthselt, als irgend
einer seiner Vorgänger, ja erfand da das Rechte, wo Newton
sich irrte, aber er gesteht selbst, dafs sie solche Erscheinungen
nicht zu erklären vermöge. Er kannte die Polarisation, ja er
ist der Entdecker derselben. Jeder Gegenstand erscheint durch
ein Kalkspathrhomboeder verdoppelt, durch zwei über einan-
der gelegte also im Allgemeinen vierfach. Legt man diese aber
so über einander, dafs sie in einer auf ihrer natürlichen Lage
rechtwinkligen sich kreuzen, so verschwinden zwei jener
vier Bilder. Das durch einen Ealkspath gegangene Licht hat
also eine Eigenschaft erhalten, die es wesentlich von dem
natürlichen unterscheidet. Hier zeigt sich nun Huyghens
als ächter Naturforscher, wahr und offen der Natur ge-
genüber. Nachdem er die Gesetze der Doppelbrechung im
Kalkspath aus den Principien der Wellentheorie vollständig
entwickelt und empirisch bewährt, so dafs alle spätem
Verfeinerungsmittel der Messung sie nur bestätigen konnten,
95
fügt er hinzu 1 ): »Ehe ich diese Schrift beende, will ich
noch eine merkwürdige Erscheinung erwähnen, die ich ent-
deckt habe, nachdem ich alles Obige geschrieben. Denn ob
ich gleich bisher ihren Grund nicht gefunden, so will ich
doch sie anzuführen nicht unterlassen, um Andern Gelegen-
heit zu geben, ihn zu suchen. Es scheint, nun nmfs noch
andre Suppositionen aufser denen machen, die ich ^nacht,
welche aber dennoch ihre Wahrscheinlichkeit nicht verlieren,
indem sie an so vielen Prüfungen sich bestätigt. Wie die
Erscheinung entsteht, das zu sagen, habe ich nichts bisher
gefunden, was mir genügte. Ich überlasse daher Andern
diese Untersuchung.« 120 Jahre später betrachtete ein
französischer Offizier die Fenster eines entfernten Hauses
durch einen Kalkspath. Eins derselben war von der Abend-
sonne scharf beschienen? Bei der Drehung des KalkspaAjM
verschwindet das Licht, als aber die Sonne weiter gerückt
es nicht mehr erhellt, verdoppelt sich das Fenster, wie jeder
andre Gegenstand. Das Licht hatte also durch Reflexion
dieselbe Eigenschaft erhalten, wie in Huyghens Versuche
das durch einen Kalkspath gegangene. So entdeckte Malus
die durch Reflexion entstehende Polarisation des Lichtes.
Spaltet man von einem Turmalinkrystalle zwei der
Achse *) parallele Platten, so sind sie, auf dieselbe Weise
wieder zusammengelegt, durchsichtig. Dreht man eine Platte
auf der andern, bis ihre Achsen sich rechtwinkelig kreuzen,
so werden sie absolut undurchsichtig 3 ), schiebt man aber
l ) TraUe* de la lumierc p. 88.
a ) Die Turmaline krystallisiren in länglichen Säulen. Die der
Länge dieser Säule parallele Richtung heifst die Achse des Krjstalls.
8 ) Diese Eigenschaft des Turmalin ist von Seebeck und Bio r
entdeckt. Ann. de Chim. 1815. May und Biot Traite de physique.
96
ein Glimmerblatt zwischen beide, wieder durchsichtig. Denkt
man sich Nadeln in ein Sieb geschüttet, in dessen Boden
lauter parallele Schlitze sich befinden, durch welche die
Nadeln hindurchfallen können, so werden alle hindurch fal-
lende parallel sein. Fängt man sie in einem zweiten, ganz
g&nlichfn Silke auf, so werden bei gleicher Lage desselben
die NaMn auch durch dieses hindurch fallen. Dreht man
hingegen das untere Sieb in seiner Ebene um einen Viertel-
kreis, so werden alle Nadeln liegen bleiben, sie würden je-
doch bei dieser Stellung des zweiten Siebes ebenfalls durch-
fallen, wenn sie während ihrer Bewegung zwischen dem
ersten und zweiten Siebe auf irgend eine andre Weise um
*ben so viel gedreht würden. Fielen die Nadeln in lothrechter
Lage herab , so würde eine Drehung der Siebe in ihrer Ebene
lMfeen Unterschied hervorbringen. 'Ich brauche wohl nicht
erst zu sagen, dafs die Siebe die Turmalinplatten bedeuten,
die Nadeln aber die Schwingungen vorstellen, welche nach
der einen Richtung des Körpers sich ungehindert fortpflanzen,
in der darauf senkrechten aber aufgehoben werden. Ich will
nur noch hinzufügen, dafs ein gewöhnlicher doppelt brechen-
der Körper einem Siebe zu vergleichen ist, welches zwei
auf einander senkrechte Systeme länglicher Oeffnungen ent-
hält, dafs er also zwei auf einander senkrecht polarisirte
Bilder gleicher Helligkeit giebt, welche sich so verhalten,
als wäre Licht durch zwei neben einander liegende Turmalin-
platten gegangen, deren Achsen aber einen rechten Winkel
mit einander bilden. Eine sehr dünne Turmalinplatte zeigt
auch wirklich beide Büder, bei zunehmender Dicke wird aber
eins derselben immer schwächer, bis es endlich vollkommen
verschwindet. Dies sieht man sehr deutlich, wenn man ein
Prisma von wenigen Graden aus einem Turmaline so schleift,
97
dafs die Kante des Prismas parallel ist der Achse des Kry-
stalls. Das Verlöschen des einen Bildes geschieht am schnell-
sten in den ledergelben, welche aber sehr selten sind. Darauf
folgen in Beziehung auf ihre polarisirende Wirkung die grünen
brasilianischen. Am wenigsten leisten die bläuü&en Tur-
maline. Schafft man auf irgend eine andere Weise in einem
doppelt brechenden Körper eins der Bilder fort, 1b erhält
man eine künstliche, dem Turmalin vollkommen analog
wirkende Vorrichtung. Bei den aus Kalkspath «zusammen-
gesetzten Nicol'schen Prismen wird das eine Bild durch
Spiegelung fortgeschafft, und man erhält so eine polarisirende
Vorrichtung, die vor den Turmahnen den grofsen Vorzug
hat, dafs sie vollkommen farblos ist, alle Farbenerscheimm»
gen der Polarisation daher in gröfster Reinheit darstellt. Da
nämlich der Canadabalatm ein Brechungsverhältnifs besitzt,
welches zwischen das des ordentlichen und des aufseftkr-
dentlichen Strahles des Kalkspaths fallt, so wird, wenn man
ein Kalkspathstück in zwei Hälften schneidet und die tren-
nenden spiegelnden Flächen mit Canadabalsam wieder zusam-
menkittet, der ordentliche Strahl wegen der geringeren Brech-
kraft des Canadabalsams bei einer bestimmten Neigung der
Fläche gegen die Richtung des Strahles total reflectirt,
während der aufs er ordentliche Strahl durch die Schicht hin-
durch in die zweite Hälfte eintritt *). Jeder polarisirende
Apparat besteht, wie es aus der vorigen Betrachtung erhellt,
aus zwei in ihrer Wirkung auf directes Licht vollkommen
') Nicol oq a method of so far increasing the divergency of
the two rays in calcareous spar, that only one image may be seen
at a time. Jameson Ediob. Journ. 20, p. 83, und Radicke de
phaenomenis quibusdam, quae prismata Nicoliana offerunt, de subsi-
diisque quibus quam optima construantur.
7
___ 98
gleichen Vorrichtungen , von denen die eine (das obere Sieb)
das direct einfallende Licht polarisirt (die vorher ungeordne-
ten Nadeln in parallele Richtungen ordnet) , die andre aber
das so polarisirte Licht analysirt, d. h. die Unterschiede
nachweist, welche dieses Licht von eben so einfallendem,
directem Lichte unterscheiden. Polarisirt wird aber directes
lacht dadurch, dafs es von einer nicht metallischen Substanz
unter dem Winkel reflectirt wird, bei welchem der in die
Substanz eindringende Theil desselben senkrecht steht auf
dem zurückgespiegelten, oder dafs es durch eine grofse An-
zahl Platten eines durchsichtigen, einfach brechenden Kör-
pers hindurchgeht (am besten eignet sich hierzu ein Satz
dünner, klarer Glasscneiben), endlich dadurch, dafs es durch
einen doppelt brechenden Körper hindurchgeht, bei welchem
nur eins der auf einander senkrechtpolarisirten Bilder sicht-
bar ist, weil sonst die von beiden entstehenden Erscheinun-
gen sich durch Uebereinandergreifen verwirren. Aus den
Combinationen dieser Vorrichtungen folgen neun verschie-
dene, in ihrer Wirkung aber vollkommen übereinstimmende
Apparate, indem man das auf eine dieser Arten polarisirte
Licht stets auf dreierlei Weisen analysiren kann '). Die
analysirende Vorrichtung mufs natürlich drehbar um den
polarisirten Strahl als Achse sein 9 ). Um aber zu entschei-
, ') In ihrer Zusammensetzung kommen diese Apparate aber auf
sechs zurück, nämlich: 2 Spiegel, 2 Turmalinplatten, 2 Glassätze,
1 Spiegel und 1 Turmalinplatte, 1 Spiegel und 1 Glassatz, 1 Tur-
malinplatte und 1 Glassatz.
a ) Bei dem Apparat von Guerard wirkt die spiegelnde Fläche
eines ruhenden Kegels wie der analysirende drehbare ebene Spiegel
bei den gewöhnlichen Apparaten von Biot und Seebeck. Dieser
Apparat ist besonders geeignet, um einer gröfsern Anzahl wenigstens
einige der Polarisationserscheinungen anschaulich zu machen. Der
99
den, ob Licht, von welchem man nicht weifs, ob es direct,
oder auf einem Umwege in das Auge gelangt, polarisirt sei,
bedarf man nur einer analysirenden Vorrichtung, welche
man vor dem Auge herumdreht; am besten leistet diesen
Dienst eine Turmalinplatte , oder ein Nicol'sches Prisma.
Aendert sich die Intensität des Lichtes bei dem Drehen gar
nicht, so ist es unpolarisirt; verschwindet es einmal voll-
kommen, so ist es vollständig polarisirt, hingegen th eilweise
polarisirt, wenn es bei dem Drehen Abwechselungen der
Helligkeit zeigt.
Man hat Polarisationsebene eines Strahles 1 ) die
durch denselben und durch die Achse einer Turmalinplatte
gerade Kegel aus schwarzem Glase steht lothrecht auf der Ebene
eines mit weifsem Papier überzogenen Brettes. Durch eine Oeffnung
im Laden des verfinsterten Zimmers fällt Sonnenlicht durch einen
Heliostaten in horizontaler Richtung parallel der Achse des Kegels
auf die Oberfläche desselben, und wird nun vollständig polarisirt
von der Fläche desselben auf das weifse Papier refleclirt, welches
gleichförmig erleuchtet erscheint. Schaltet man nun in den Weg
des auf den Kegel fallenden Lichtes einen Satz klarer Glasscheiben
ein, so wirkt der Kegel fiir das durch denselben polarisirte Licht
als analysirende Vorrichtung. Das Papier erscheint nun durch einen
schwarzen Durchmesser in 2 Hälften getheilt, von welchen aus die
Helligkeit bis zu einem darauf senkrechten Durchmesser, wo sie am
gröfsten ist, ununterbrochen zunimmt. Geht das Licht, ehe es auf
den Kegel fallt, noch durch eine senkrecht auf die Achse geschliffene
Bergkrystallplatte , so erscheint auf dem Kreise unmittelbar die Far-
benfolge, welche man bei dem gewöhnlichen Apparate nach einander
durch Drehung erhält.
') Unter Strahl verstehe ich, ohne Rücksicht auf irgend eine
Theorie, die durch zwei als undurchsichtig gedachte Punkte gegebene
Richtung, von welchen Punkten der eine den andern beschattet,
wenn sie beide gleichzeitig durch dasselbe Licht beleuchtet sind, dieses
Licht mag an sie direct, gespiegelt oder gebrochen gelangen. Wer
an solchen Abstraclionen Anstofs findet, nmfs sich auch darüber
100
gelegte Ebene genannt in der Lage dieser Platte, bei welcher
dieser Strahl verschwindet. In diesem Sinne nennt man die
Reflexionsebene des durch Spiegelung polarisirten Lichtes
die Polarisationsebene desselben, weil, soll es dem Auge
verschwinden, die Achse des ihm vorgehaltenen Turmalins
in dieser Ebene hegen mufs. In demselben Sinne ist das
durch einfache Brechung polarisirte Licht senkrecht auf jene
Ebene polarisirt.
Dafs die Erklärung des Regenbogens durch reflectirtes
Licht richtig sei, geht daraus hervor, dafs sein Liebt in
einer durch die Sonne gehenden Ebene polarisirt ist; denn
durch eine Turmalinplatte betrachtet, verschwindet er voll-
kommen, wenn die Achse derselben nach der Sonne weist,
während die Wolken, über welche er gespannt ist, bei der
Drehung ihre Helligkeit unverändert behalten. Das nach
allen Seiten gleichmäfsig verstreute Licht der Wolken ist
nämlich unpolarisirt, während wiederum das von dem blauen
Himmelsgewölbe regelmäfsig reflectirte in einer durch die
Sonne gehenden Ebene stark polarisirt ist. Darauf gründet
sich die Einrichtung einer Sonnenuhr, welche selbst dann
noch ihre Dienste verrichtet, wenn die Sonne bereits unter
den Horizont gesunken ist, die Dämmerung aber noch hell
genug, um Farben unterscheiden zu köunen. An der Spit&e
eines etwas abgekürzten Kegels befindet sich ein Nicol-
sches Prisma, durch welches ein dünnes Gypsplättchen be-
trachtet wird , welches auf der Mitte der Grundfläche des
Kegels aufgeklebt ist. Diese Grundfläche ist eine mit dem
beschweren, dafs man sagt, ein Stein fällt geradlinig herab, da er
doch im Fallen einen prismatischen Raum durchläuft. Ist aber das
Licht etwas anderes, als ein geradlinig Bewegtes? weifs nicht jedes
Kind, dafs man nicht um die Ecke sehen kann?
101
Kegel drehbare Glasscheibe über einer zweiten nicht drehba-
ren, auf deren Umfang die Stunden so eingravirt sind, dafs
zwölf in dem lothrechten Durchmesser liegt. Stellt man nun
den Kegel so auf, dafs die Achse desselben mit der Weltachse
zusammenfällt, so stellt der blaue Himmel einen Polarisations-
spiegel dar, dessen Reflexionsebene durch die Achse des In-
struments und die Sonne geht. Diese Reflexionsebene dreht
sich innerhalb 24 Stunden im ganzen Kreise herum. Das
Gypsplättchen ist nun so aufgeklebt, dafs, wenn der auf
der beweglichen Glasplatte befindliche Zeiger nach der Sonne
weist, es vollkommen farblos erscheint. Der Apparat wird
also so lange gedreht, bis dies erfolgt, und der Zeiger zeigt
dann die wahre Uhr zeit an. Das Licht der Cometen verhält
sich wie das des blauen Himmels, es ist polarisirt, also
reflectirt, das Licht der Fixsterne unpolarisirt. Hält man
über ein Buch eine durchsichtige Glastafel so, dafs sie das
Sonnenlicht stark reflectirt, so ist es unmöglich, wegen des
blendenden Lichtes , das Buch zu sehen. Durch einen Tur-
malin betrachtet, verschwindet das reflectirte Sonnenlicht,
und man liest die Schrift in voller Deutlichkeit. Betrachtet
man ein auf einem Metallspiegel liegendes farbiges Glas mit
blofsem Auge, so sieht man die Farbe nicht sehr lebhaft,
da das von der Vorderfläche des Glases reflectirte weifse
Licht den Eindruck des farbigen von der Hinterfläche zurück
gesendeten schwächt. Hält man aber vor das die farbige
Glasplatte unter dem Polarisationswinkel betrachtende Auge
ein Nicol'sches Prisma so, dafs das von der Vorderfläche
reflectirte Licht verschwindet, so tritt sogleich die Farbe
des Glases in voller Intensität hervor. Steuert ein Schiff
gerade der Sonne zu, so kann es, von dem Glänze geblendet,
nicht die Klippe wahrnehmen, welche dicht unter der Wasser-
•>
102
fläche ihm Untergang droht. Gebt dem wachthabenden Matro-
sen eine Turmalinplatte , und das Schiff ist gerettet.
Welche theoretische Vorstellungen man sich auch über
diese Erscheinungen bilden möge, so wird es immer, auch
abgesehen von praktischer Anwendung, als etwas Bedeu-
tendes erscheinen, dafs wir Mittel besitzen, einem Welt-
körper, welcher aus so grofser Ferne uns Licht zusendet,
in beweisen, dafs er nur mit erborgtem Glänze leuchtet.
Die Verderben drohende Cometenfackel, von welcher das Mit-
telalter fürchtete, sie werde die Welt entzünden, ist erloschen
vor dem mildern Lichte der Wissenschaft.
Die empirischen Kennzeichen eines polarisirten Strahles
können wir dadurch zusammenfassen, dafs wir sagen, es
lassen sich durch den Strahl zwei auf einander senkrechte
Ebenen legen mit entgegengesetzten Eigenschaften, die in
den zwischenfallenden Ebenen allmählig in einander über-
gehen. Wäre der Gegensatz zwischen jenen beiden Ebenen
ein qualitativer, so würden wir von zwei Polarisationsebenen
sprechen, wie wir bei den magnetischen und electrischen
Erscheinungen einander zwei Magnetismen und ebenso zwei
Electricitäten als Gegensätze gegenüber stellen. Dennoch hat
auch die auf die Polarisationsebene senkrechte Ebene einen be-
stimmten Namen erhalten; Fresnel hat sie Schwingungs-
ebene genannt, so dafs also die Polarisationsebene die nähere
theoretische Definition erhält, dafs sie die Ebene sei, gegen
welche die Schwingungen des Aethers lothrecht Statt finden.
Ist nun unpolarisirtes Licht ein solches, an welchem sich
keine bestimmte Polarisationsebene nachweisen läfst, so wird
dies nichts anderes heifsen, als im unpolarisirten Licht ge-
schehen die Schwingungen in allen möglichen auf den Strahl
senkrechten Richtungen, bald in dieser, bald in jener. Daraus
103
folgt ferner, dafs wenn Licht, welches in allen möglichen,
durch eine gerade Linie gelegten Ebenen polarisirt ist, in
einem Punkt zusammentrifft, dieser Punkt dieselben Erschei-
nungen darbieten wird, als wäre er von unpolarisirtem Lichte
beleuchtet. Dies habe ich dadurch erhalten, dafs ich Son-
nenlicht parallel der Achse auf die Innenfläche eiues abge-
kürzten gläsernen Hohlkegels fallen liefs, dessen Seitenfläche
mit der Achse denselben Winkel bildete, als der ist, untjfe^p
welchem das Licht auf die ebene, spiegelnde Glasfläche falkarr-
mufs, um vollständig polarisirt zu werden. Von der phy-
sikalischen Beschaffenheit eines solchen Strahles werden wir
uns demnach eine deutliche Vorstellung bilden, wenn wir
uns an jenes horizontal gespannte Tau erinnern und dasselbe
durch schnell auf einander folgende, auf die Länge des Taues
senkrechte Stöfse in fortschreitende Schwingungen versetzt,
diese Stöfse aber in allen möglichen Richtuugen gegen den
Horizont ihm ertheilt denken. Die Schwingungen dieses
Taues werden den Schwingungen eines polarisirten Strahles
entsprechen, wenn die auf einander folgenden Stöfse stets
auf dieselbe Weise gegen den Boden geneigt sind. Bei einem
polarisirten Strahle ist die Schwingungsebene an jeder Stelle
dieselbe, bei einem unpolarisirten stets eine andere. Die
Schwingungsrichtungen des erstem liegen sämmtlich in
einer Ebene, wie die Sprossen einer Leiter, während der
letztere einem Stamme zu vergleichen ist, dessen Aeste sich
horizontal nach allen Richtungen verbreiten. Jene Leiter,
deren Sprossen in einer Ebene liegen, verwandelt sich, geht
polarisirtes Licht durch die Achse eines Bergkrystalls , in
eine Wendeltreppe. Es giebt Bergkrystalle, welche in der
Neigung ihrer Begrenzungsflächen vollkommen übereinstim-
men, in der Aufeinanderfolge derselben sich aber so unter-
104
scheiden, wie die rechte Hand von der linken. Diese Krystalle
unterscheiden sich auch nun, wie Hers chel nachgewiesen
hat, durch den entgegengesetzten Sinn, in welchem sie die
Polarisationsebene drehen. In den Amethysten liegen, wie
Brewster ! ) gezeigt hat, Individuen beider Gattungen im
Sinne der Achse neben einander, an deren Begrenzungs-
stellen sich die Drehungen vollkommen aufheben. Endlich
es, wie ich gefunden habe '), krystallographisch un-
terscheidbare Bergkrystalle, in welchen jene Individuen im
Sinne der Achse hinter einander hegen, in welchen also die
Polarisationsebene sich zuerst in einem, dann im entgegen-
gesetzten Sinne dreht. Das äufsere Kennzeichen dieser
Krystalle ist entweder das Vorkommen von beiderlei Tra-
pezflächen an demselben Individuum, oder eine, besonders
bei den Dauphineer Bergkrystallen häufig sich zeigende Ab-
wechselung matter und spiegelnder Stellen auf den Pyramidal-
oder Säulenflächen der Krystalle, endlich die Abwechselung
schwach grün und roth gefärbter Stellen. Die optischen Er-
scheinungen dieser natürlichen Combinationen rechts und
links drehender Bergkrystalle sind später von Soleil künst-
lich nachgebildet worden, durch Verbindung zweier entge-
gengesetzt gerichteter Keile, von denen der eine aus einem
rechts, der andere aus einem links drehenden Individuum
geschnitten ist.
Vermag eine geringe Modification der Cohäsionsverhält-
nisse innerhalb derselben krystallinischen Substanz den Sinn
') On circular polarisation as exhibited in the optical structure
of the amethyst, with remarks on the distribution of colouring matter
in that mineral. Edinb. Trans. 9, p. 139.
3 ) Ueber den Zusammenhang der optischen Eigenschaften der
Bergkrystalle mit ihren äufsern krystallographischen Kennzeichen.
Pogg. Ann. 40, 607.
105
jener Drehung zu ändern, so werden wir im voraus ver-
muthen können, dafs an der Grenze zweier unkrystallinischen
Medien eine plötzliche Aenderung der Schwingungsebene sich
zeigen wird. Dies findet immer Statt, wenn die Polarisations-
ebene des polarisirt einfallenden Lichtes nicht mit der durch
den einfallenden, durch den gespiegelten und durch den ge-
brochenen Strahl gelegten Einfallsebene zusammen fällt.
Machen beide Ebenen einen Winkel mit einander, so zeigt
sich derselbe im gespiegelten Strahle kleiner, als im ein-
fallenden, im gebrochenen hingegen gröfser. Da nun die
nach allen möglichen, auf den Strahl senkrechten Richtungen
geschehenden Schwingungen des unpolarisirten Lichtes stets
auf zwei auf einander senkrechte Bewegungen zurückgeführt
werden können, oder mit andern Worten, da, erfahrungs-
mäfsig und nach diesen theoretischen Vorstellungen, unpo-
larisirtes Licht sich stets so verhält, wie zwei ungetrennte
gleiche Mengen auf einander senkrecht polarisirten Lichtes,
so erhält man eine sehr deutliche Anschauung des Actes der
Polarisation, in so fern durch die Reflexion die Neigung
jener beiden Polarisationsebenen sich vermindert, durch die
Brechung hingegen sich vergröfsert, bis nach einmaliger
oder vielfacher Wiederholung jener Ablenkung endlich beide
Schwingungsebenen in eine zusammenfallen. Dies Zusam-
menfallen tritt bei einmaliger Reflexion unter einem bestimm-
ten Winkel ein , welcher daher der Polarisationswinkel heifst,
unter andern Winkeln erst nach mehrfacher Reflexion *).
Durch einmalige Brechung kann es nie erreicht werden,
sondern nur durch vielfache Wiederholung der dabei eintre-
! ) Nach den Versuchen vonBrewster wird auf Glas, welches
das Licht nach einmaliger Reflexion unter dem Winkel von 56 ° 45 '
polarisirt, dieselbe Erscheinung hervorgebracht:
106
tenden kleinen Ablenkungen. Es bedarf daher einer gröfseru
Anzahl parallel hinter einander geschichteter , durchsichtiger
Scheiben, um das Licht zu polarisiren ! ). Da aber die Drehung
der Polarisationsebene mit der brechenden Kraft der ange-
wendeten Substanz zunimmt, so erreicht man bei stärker
brechenden Medien unter gleichem Einfallswinkel durch eine
geringere Anzahl Platten die vollständige Polarisation, welche
aber eigentlich auf diesem Wege in mathematischer Strenge
nie erreicht werden kann, für das wahrnehmende Auge aber
bei einer bestimmten Anzahl stets vorhanden ist. Bei senk-
rechter Incidenz fallen alle drei Strahlen zusammen; die
Richtung der stets lothrechten Einfallsebene ist daher be-
liebig, das gespiegelte und das gebrochene Licht deswegen
unpolarisirt.
Fällt intensives Sonnenlicht auf einen eben geschliffenen
Spiegel, so wird es zwar nach einer Richtung mit gröfster
Intensität reflectirt, man sieht aber auch nach andern
Richtungen einen hellen Fleck auf dem Spiegel. Dieses nach
durch 2 Reflexionen unter dem Winkel 50° 26' und 62° 30'
»3 » »SS
»4 » s s s
»0 » SM»
»6 » » » »
»# » »SS
».8 » s»s
') Wie mit zunehmender Schiefe der Säule von Glasscheiben
gegen das einfallende Licht die zur vollständigen Polarisation erfor-
derliche Anzahl derselben sich vermindert, geht aus folgenden Ver-
suchen von Brewster hervor, bei welchem der Gegenstand ein
10 bis 12 Fufs entferntes Wachslicht war:
Anzahl der Scheiben von Crownglas: 8, 12, 16, 21, 24, 27,
31, 35, 41, 47.
Einfallswinkel: 79° 11', 74° 0', 69° 4', 63° 21', 60° 8', 57 ° 10',
53° 28', 50° 5', 45° 35', 41° 41'.
46° 30'
s
65° 33'
43° 51'
*
67° 33'
41° 43'
»
69° 1'
40°
w
70° 9'
38° 33'
»
71° 5'
37° 20'
»
71° 51'
107
allen Seiten hin verstreute Licht zeigt sich mit einem Tur-
malin untersucht stets in der Reflexionsebene polarisirt, in
welcher man es grade wahrnimmt. Diese Erscheinung bildet
den vollkommenen Uebergang zu der Erklärung des Grundes,
warum rauhe Flächen das polarisirte Licht depolarisiren,
und directes Licht unpolarisirt verstreuen. Von der depola-
risirenden Wirkung rauher Flächen kann man sich ein-
fach überzeugen, wenn man das durch ein doppelbrechen-
des Prisma entstehende Spectrum zuerst unmittelbar oder,
nachdem es vorher auf eine rauhe Fläche gefallen war, *
durch eine Turmalinplatte oder ein Nicol'sches Prisma be-
trachtet. Im erstem Falle verschwindet nämlich bei der
Drehung der Turmalinplatte um einen Viertelkreis stets eins
der Bilder, diese sind also senkrecht auf einander polarisirt.
Werden hingegen beide auf eine weifse Wand oder einen
Bogen Papier projicirt, so behalten beide Bilder bei der
Drehung der Turmalinplatte unverändert ihre Helligkeit, sind
also unpolarisirt, und heifsen depolarisirt, weil das auf die
Wand auffallende Licht, wie der subjective Versuch beweist,
polarisirt war. Eben derselbe Unterschied zeigt sich zwischen
den unmittelbar mit dem Auge betrachteten, und den auf
eine Wand projicirten Ringsystemen, welche im polarisir-
ten Licht um die Achsen der Krystalle entstehen. Da nun
Pigmente Licht in das Auge senden, welches sich genau so
verhält, als das unregelmäfsig verstreute rauher Flächen,
so sieht man leicht, dafs es optische Erscheinungen giebt,
welche wesentlich verschieden sind von der treusten Nach-
bildung derselben durch Pigmente.
Bestände der Act des Polarisirens in einer Modification
einer longitudinalen Schwingung, so müfste auch die Art
der Erschütterung der Netzhaut eine verschiedene sein, je
108
nachdem sie durch polarisirtes oder durch unpolarisirtes
Licht hervorgebracht wird. Das wahrnehmende Auge müfste
sich also auch eines Unterschiedes zwischen beiden bewufst
werden. Bestände das Polarisiren im Sinne des Emanations-
systems in einem Anordnen bestimmt gestalteter Lichttheil-
chen, so würden im unpolarisirten Lichte andere Flächen
dieser Theilchen die Netzhaut berühren, als im polarisirten,
der Erfolg müfste daher derselbe, wie unter der vorigen An-
nahme seiu. Im Sinne der neuern Wellentheorie erschüttern
die der Netzhaut parallel laufenden Querschwingungen aber
alle auf gleiche Weise die Netzhaut. Das einzig Unterschei-
dende ist die Richtung dieser tangentialen Bewegung. Die
Kunst des Bauchredners überzeugt uns, wie wenig unser
Organ fähig ist, über die Richtung, von welcher aus das
Trommelfell erschüttert wird, zu urtheilen. Die Richtung
des Schallstrahles bei longitudinalen Schwingungen verhält
sich aber grade so, wie die durch die Polarisationsebene be-
stimmte Schwingungsrichtung innerhalb der Lichtwellen. Es
scheint daher natürlich, dafs das Auge im Allgemeinen weder
die Fähigkeit besitzt, die Richtung, in welcher polarisirtes
Licht polarisirt ist, zu unterscheiden, noch die, sich eines Un-
terschiedes zwischen polarisirtem und unpolarisirtem Lichte
bewufst zu werden. Die Netzhaut des dem Lichte zuge-
wendeten Auges fangt die Schwingungen so auf, wie sie
auf eine senkrecht gegen den Strahl gehaltene Glasplatte
fallen. In Beziehung auf diese verhält sich aber, wie wir
gesehen haben, polarisirtes und unpolarisirtes Licht vollkom-
men gleich. Das eben Gesagte würde in voller Strenge gel-
ten , wenn die durchsichtigen Medien des Auges , welche das
Licht durchstrahlt, ehe es die Netzhaut trifft, ohne alle po-
larisirende Wirkung wären. Dies ist aber wahrscheinlich
109
nicht der Fall, und so erklärt sich, dafs wenn man eine aus-
gedehnte Fläche polarisirten Lichtes, wie etwa den blauen
Bimmel, betrachtet, auf dieser in einer freilich für verschie-
dene Individuen sehr ungleichen Deutlichkeit die von Hai-
dinger zuerst wahrgenommenen gelblichen Büschel erschei-
nen, aus deren Richtung auf die Polarisationsebene des Lichtes
geschlossen werden kann ').
Bei doppelt brechenden einachsigen Körpern, in wel-
chen nur einer der beiden gebrochenen Strahlen, der soge-
nannte ordentliche, mit dem einfallenden und gespiegelten
in eine Ebene zusammenfällt, der andere hingegen, der so-
genannte außerordentliche, aus ihr heraustritt, werden
natürlich jene die Schwingungsrichtung ablenkenden Kräfte,
welche bei einfach brechenden Körpern nur von der Ein-
fallsebene ausgehen, noch durch die Lage des Hauptschnit-
tes bestimmt, d. h. durch die Lage einer Ebene, welche durch
die Richtung, in welcher sie das Licht nicht verdoppeln,
senkrecht auf die Einfallsfläche gelegt wird. Diese Bestim-
mungen sind in den zweiachsigen Kry stallen , in welchen
das Licht in zwei außerordentlichen Strahlen sich theilt,
noch allgemeiner, weil hier durch die zwei Richtungen, in
welchen sie das Licht nicht verdoppeln, aufser der durch
sie gelegten Ebene noch zwei andere bestimmt werden, welche
jene erste in den beiden Halbirungslinien des Winkels beider
Achsen senkrecht schneiden. Daher erklärt sich auch, warum
das durch Spiegelung von kiystallinischen Substanzen pola-
risierte Licht nicht immer in der Einfallsebene polarisirt ist,
und es ist das ein schöner Beleg dafür, dafs das bei der
Spiegelung scheinbar dem Körper nur äußerlich bleibende
') Ueber das directe Erkennen des polarisirten Lichtes und der
Lage der Polarisationsebene. Pogg. Ann. 63, p. 29.
HO
Licht, doch von der Gesammtheit der in ihm thätigen Cohä-
sionsverhältnisse ergriffen wird. Anderseits ist es aber auch
ein Beweis der hohen Vollendung unserer jetzigen Beobach-
tungsweise, dafs wir zum Lichte nicht nur sagen können,
du warst schon an einem Körper, sondern auch welcher
Art dieser Körper ist. So wird auf den Schwingen des
Lichtes das Unerreichbare zugänglich.
Nur doppelbrechende Körper geben im Polarisations-
apparate zu Farbenerscheinungen Veranlassung. Diese zu
übersehen, müfsen noch einige Worte über Doppelbrechung
gesagt werden.
Unkrystallisirte Substanzen, wie Glas, Gase und tropf-
bare Flüssigkeiten , ebenso Kry stalle des regulären Systems,
d. h. solche Kry stalle, deren Flächen um drei auf einander
senkrechte gleichartige Achsen symmetrisch vertheilt sind,
geben keine Doppelbilder. Temperaturveränderungen unter-
worfen, bleiben sie sich ähnlich, dehnen sich also nach allen
Richtungen gleichförmig aus. In tönende Schwingungen ver-
setzt, zeigen sie nach allen Seiten hin gleiche Elasticität.
Das Licht pflanzt sich in ihnen nach dem Gesetze von Snel-
1 i u s fort, d. h. nach allen Richtungen mit gleicher Geschwin-
digkeit: die Wellenfläche desselben ist daher eine Kugel.
Prefst man eine Glasscheibe in einer Schraube, so ver-
wandelt sie sich sogleich in einen doppelt brechenden Körper.
Sie giebt nun zwischen den Spiegeln des Polarisationsappa-
rates Farben, die sich symmetrisch um die Pressungsachse
ordnen. Erhitzt man ein Glas auf die Weise, dafs die Wärme
sich von einer der begrenzenden Flächen aus allmählig in
das Innere verbreitet , so treten analoge Erscheinungen her-
vor. Die ungleiche Ausdehnung der stärker und der weniger
erwärmten Theile bedingt hier die Spannung, welche dort
111
durch einseitige Pressung hervortrat. Ist der Körper überall
gleichmäfsig erhitzt, so verschwinden die Farben, eben so
bei dem gleichmäßigen Abkühlen. Geschieht aber dasselbe
ungleich, so fixirt sich jener Spannungsunterschied, gekühltes
Glas ist nun doppelbrechend. Die prachtvollen, ihrer Form
nach durch die Gestalt des Umfanges bestimmten Farben-
erscheinungen gekühlter Gläser sind von Brewster ') und
Seebeck*) im Jahre 1812 gleichzeitig entdeckt worden.
Eine gegen den polarisirten Strahl senkrecht gehaltene
Klangscheibe von Glas wirkt nicht auf das Licht, wenn sie
in transversale , der Richtung des Strahles parallele Schwin-
gungen versetzt wird. Zu longitudinalen Tönen erregt , also
in Querschwingungen in Beziehung auf die Richtung des
Strahles begriffen , ist sie ein doppelbrechender Körper. Man
verdankt Biot 8 ) diesen schönen Versuch.
Die Krystalle des zwei- und einachsigen oder rhom-
boedrischen und drei- und einachsigen oder pyramidalen
Systems, bei welchen eine Achse ungleichartig sich zwei
*) Result of some recent experiments od the properties impressed
lipon light bj the action of glass raised to different temperatures and
cooled under different circumstances. Ph. Tr. 1814, p. 436. — ad-
ditional observations on the optical properties and structure of heated
glass and unannealed glass drops. Ph. Tr. 1818, p. 1. — on new
properties of heat as exhibited in its propagation along plates of
glass. Ph. Tr. 1816, p. 46. — on the laws which regulate the distri-
bation of polarizing force in plates, tubes and cylinders of glass,
that have received the polarizing structure. Edinb. Trans. 8, p. 353.
*) Einige neue Versuche und Beobachtungen über Spiegelung
und Brechung des Lichtes. Schweigg. Journ. 7, p. 284, von den
entoptischen Farbenfiguren und den Bedingungen ihrer Bildung in
Gläsern.
3 ) Sur une nouvelle propriete physique , qui acquierent de verres,
quand elles executent des vibrations longitudinales. Ann. de Ch. et
de Ph. 13, p. 151.
112
oder drei auf ihr senkrechten , gleichartigen gegenüberstellt,
verdoppeln das Licht nach allen Richtungen, ausgenommen
nach der Richtung jener ungleichartigen Achse. Sie heifsen
daher optisch einachsig. Die in tönenden Schwingungen
sich aussprechende Elasticität ist in ihnen nach Savart's
Versuchen in allen auf jene Achse senkrechten Richtungen
gleich, aber zu- oder abnehmend nach der Achse hin, in
der sie also am gröfsten oder kleinsten wird. Dasselbe gilt
nach Mitscherlich von der Ausdehnung durch die Wärme.
Eine aus einem solchen Körper gefertigte Kugel bleibt daher,
einer höhern Temperatur ausgesetzt, nicht sphärisch, wie
bei Krystallen des vorigen Systems, sondern sie wird ein
Sphäroid, dessen verlängerte oder verkürzte Achse mit der
krystallographischen zusammenfällt. Die Fortpflanzungsge-
schwindigkeit des Lichtes von einem Punkte der Oberfläche
eines solchen Krystalls in das Innere wird für das unge-
wöhnlich gebrochene Licht nach dem Gesetze vonHuyghens
dargestellt durch ein um die Krystalüsationsachse als Achse
beschriebenes Sphäroid, und ist ein verlängertes in den so-
genannten positiven Krystallen, z. B. im Zircon, hingegen
abgeplattet in den negativen , wie im Kalkspath. Wie innig
die Wirkung krystallinischer Medien auf das Licht mit den
die äufsere Gestalt der Krystalle bedingenden Cohäsions-
kräften zusammenhängt, geht daraus hervor, dafs, wenn
durch gesteigerte Wärme die rhomboedrische Form des Kalk-
spaths sich der cubischen des regulären Systems immer
mehr anschliefst, die nach verschiedenen Richtungen ver-
schiedene Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes sich
auch fortwährend der Gleichheit nähert.
Alle Krystalle, deren Flächen um drei ungleichartige
Achsen symmetrisch vertheilt erscheinen, sind optisch
r*
113
zweiachsig, d. h. es giebt in ihnen zwei Richtungen, in
welchen sie Licht, welches sie durchstrahlt, nicht verdoppeln.
Obgleich die Elasticität derselben auf akustischem Wege bis-
her nicht direct untersucht worden ist , so ist doch empirisch
ermittelt, dafs ihre thermische Ausdehnung nach drei auf
einander senkrechten Richtungen verschieden ist, so dafs
eine aus einer solchen Substanz geschliffene" Kugel bei er-
höhter Temperatur sich in ein dreiachsiges Ellipsoid ver-
wandelt. Das Gesetz der Fortpflanzung des Lichtes in den-
selben ist durch F r esnel gegeben, unter der Voraussetzung
einer nach jenen drei Richtungen verschiedenen Elasticität.
Die Richtung und Polarisation beider durch Doppelbrechung
entstehenden Strahlen für jeden beliebigen Einfallswinkel wird
genau durch die Gestalt der Wellenfläche bestimmt, welche
Gestalt aufserdem zu dem sonderbaren Schlüsse führt, dafs
ein in einer bestimmten Richtung von Aufsen eintretender
und ein in einer bestimmten Richtung von Innen austretendem
Strahl, sich nicht in zwei Strahlen theilt, sondern sich in
einen Lichtkegel öffnet. Diese erst nach Fresnels Tode
von Hamilton an der Fresnel'schen Wellenfläche enjb-
deckte Eigenschaft ist durch Lloyds Versuche bestätigt
worden, und es ist dies eine der vielen am Lichte entdeckten
Eigenschaften , welche nur auf theoretischem Wege gefunden
werden konnten und ohne jenes aufs erordentliche Genie wohl
noch lange unbekannt geblieben wären. Man sieht aufser-
dem leicht, dafs das Fresnel'sche Gesetz in sich das von
Huyghens und Snellius als einfachere Fälle enthält,
d. h. dafs es sich in diese verwandelt, wenn die zuerst nach
den drei auf einander senkrechten Richtungen verschiedene
Elasticität nun in zweien und zuletzt in allen dreien gleich-
gesetzt wird. Die begleitenden physischen Erscheinungen
8
114
würden sein: das Zusammenfallen der beiden optischen Ach-
sen in eine und das endliche Verschwinden auch dieser, oder,
für die durch Doppelbrechung entstehenden Strahlen ausge-
sprochen, würde von den beiden außerordentlichen zuerst
einer sich in einen ordentlichen verwandeln, dann auch der
andre.
Polarisirtes die Achse durchlaufendes Licht giebt un-
mittelbar zu Farbenerscheinungen keine Veranlassung. Wird
es aber analysirt, so zeigen sich um die Achse einachsiger
Krystalle die Newton 'sehen Farbenringe vollkommen kreis-
förmig. Ist die analysirende Vorrichtung ein doppelt brechen-
der Körper, dessen Hauptschnitt mit der Polarisationsebene
zusammenfällt, so erscheinen neben einander die reflectirten
und die durchgelassenen New ton 'sehen Ringe, jene durch-
schnitten von einem schwarzen, diese von einem weifsen
Kreuze '), die Farben an allen Stellen vollkommen comple-
mentar. Da nun die farblose Platte vor jener Sonderung in
der weifsen Beleuchtung vollkommen weifs erschien, jetzt
aber, wo in dem einen Bilde weifs sich zeigt, dort schwarz
erscheint, hingegen, wo in dem einen Bilde eine bestimmte
Farbe bemerkt wird, auf dem andern die complementare sich
darstellt, so folgt entschieden, dafs die Farbe erzeugt wird
durch eine theilweise Verdunkelung des Weifsen, oder mit
andern Worten, dafs am Weifs nur dann Farbe hervortreten
kann, wenn der unterdrückte Theil des Weifsen, für sich
') Zwischen den Spiegeln mit gekreuzten Reflexionsebenen, oder
zwischen Tur malinen mit gekreuzten Achsen erscheint aliein das re-
flectirte System mit dem schwarzen Kreuze, dessen Arme jenen auf
einander senkrechten Richtungen entsprechen. Das weifse Kreuz wird
sichtbar, wenn die Reflexionsebenen der Spiegel oder die Achsen der
Turmaline zusammenfallen. Die Ringe sind dann die durchgelassenen
Newton'schen.
115
zur Erscheinung gebracht, selbst farbig, d. h. keine blofse
Verdunkelung ist.
Dieselbe Analyse kann noch auf eine auffallendere Weise
gemacht werden. Eine durchsichtige Glasplatte wird zuerst
lothrecht auf den polarisirten Strahl gehalten. Man sieht
dann die auf die Achse senkrecht geschliffene Krystallscheibe
vollkommen farblos. Nun neigt man allmählig die Platte
immer stärker gegen den Strahl, und zwar so, dafs seine Ein-
fallsebene mit der Reflexionsebene zusammenfällt. Sogleich
erblickt man bei dem Durchsehen durch die Platte das Ring-
system mit dem schwarzen Kreuze, bei dem Sehen auf die
Platte das complementare Ringsystem mit dem weifsen
Kreuze. Steht hingegen die Einfallsebene senkrecht auf der
Polarisationsebene, so sieht man nun durch Brechung das,
was man vorher durch Spiegelung wahrnahtn, und umge-
kehrt
Um die am ganzen Ringsysteme bemerkten Erscheinun-
gen für eine der Farben isolirt zu untersuchen, wählen wir
die lebhaften Farben, welche im Polarisationsapparate an
Glimmerblättern hervortreten.
Betrachtet man eine runde Oeflnung, welche von directem
weifsem Lichte beleuchtet ist, durch ein Kalkspathrhomboe-
der, so sieht man bei der Drehung desselben stets zwei Bilder
gleicher Helligkeit, von denen das eine um das andere sich
bewegt. Wo sie über einander greifen, ist die Helligkeit
doppelt, die beiden etwas ins Graue spielenden Bilder zeigen
sich daher hier vollkommen weifs. Beleuchtet man die Oeff-
nung nun durch polarisirtes Licht, so verschwindet bei jeder
Vierteldrehung abwechselnd eins der Bilder vollkommen und
durchläuft alle Zwischengrade der Helligkeit in einem vom
Drehungswinkel abhängigen Verhältnifs. Ist der Haupt-
es
116
schnitt daher um ein Achttheil eines Kreisumfanges von der
Polarisationsebene entfernt, so sind die beiden Bilder gleich
hell. Ich schalte nun ein Blatt zweiachsigen Glimmers senk-
recht auf den polarisirenden Strahl ein und drehe dasselbe
in seiner Ebene, bis beide Bilder so erscheinen, als wenn
das Glimmerblatt nicht da wäre ! ). Nun drehe ich die Platte
weiter, und beide Bilder erscheinen jetzt intensiv comple-
mentar gefärbt, da aber, wo sie über einander greifen, voll-
kommen weifs; verkleinere ich die Oeffnung so weit, dafs
die Bilder nicht mehr über einander greifen, oder schiebe ich
dieselbe Oeffnung weiter vom Auge fort, bis zuletzt beide
Bilder ganz aus einander treten, so sind beide durch und
durch complementar gefärbt. Diese Versuche zeigen also,
dafs ich dasselbe Licht theilen kann in zwei Mengen farblosen
Lichtes von gleicher und bis zum Verschwinden des einen
verschiedener Helligkeit, aufserdem aber auch in Farbe und
Farbe, und zwar beides, wenn dieselbe Beleuchtung hin-
durchscheint durch denselben durchsichtigen Körper, der
gegen das Licht immer auf gleiche Weise geneigt ist. Es
kann also nicht die Trübung als solche das Princip der Ent-
stehung der Farbe sein.
Was nun die Ableitung der um die Achse einachsiger
Krystalle entstehenden Farbenringe betrifft, so wird es ge-
nügen, zu bemerken, dafs die zum Krystallblättchen hinaus-
tretenden ordentlichen und aufserordentüchen Lichtbündel in
ihrem Gange genau um eben so viel verschieden sind, wie
die Strahlen, welche an der ersten und zweiten Fläche einer
! ) Die im Glimmer gesehenen Farben erscheinen noch lebhafter,
wenn man statt desselben in den Weg der polarisirt einfallenden
Lichtstrahlen eine sehr dünne Bergkrystallplatte einschaltet, so ge-
schliffen, dafs die Achse des Bergkrystalls in der Ebene der Platte liegt.
117
Luftschicht, welche dieselbe Farbe giebt, reflectirt werden.
So wie dort das stärker lichtbrechende Wasser an die Stelle
der Luft zwischen den Glasplatten eingeschaltet die Ringe
verengert, so geschieht hier dasselbe bei gröfserer, doppelt-
brechender Kraft des Krystallblättchens , d. h. bei gröfserer
Differenz der Fortpflanzungsgeschwindigkeit in der Achse
und in der auf ihr senkrechten Richtung. Bei gleicher Dicke
giebt daher eine Platte von Kalkspath viel engere Ringe , als
eine Platte von Beryl, Turmalin oder Zircon. Da bei zu-
nehmender Dicke der Platte der Gangunterschied der inter-
ferirenden Strahlen gröfser werden mufs, so verengern sich
in entsprechendem Verhältnisse die Ringe mit zunehmender
Dicke. Man kann also aus zwei Substanzen von ungleicher
Doppelbrechung, durch Wahl einer angemessenen Stärke,
Scheiben erhalten, welche gleichweite Ringe geben. Legt
man zwei solcher Platten von zwei negativen Krystallen zu-
sammen, so erhält man dieselbe Verengerung, als wenn
man jede Platte einzeln verdoppelt hätte. Dasselbe gilt für
zwei Platten positiver Kiystalle. Legt man aber die posi-
tive Platte auf die negative, so erscheinen beide zusammen
farblos.
Diese auffallende Erscheinung erklärt sich nach dem In-
terferenzprincipe sehr einfach dadurch, dafs der in dem ersten
Kiystalle zurückbleibende Strahl im zweiten um so viel be-
schleunigt wird, wie der im ersten vorschreitende im zwei-
ten verzögert wird, überall also Coincidenz eintritt, sämmt-
liche Interferenzfarben daher verschwinden. Da aber die
neben einander gehaltenen Platten ganz dieselben Farben-
eindrücke hervorbringen, so wird in der That Schwarz auf
Schwarz gelegt, Weifs auf Weifs, Roth auf Roth etc. und
das giebt Weifs.
118
Da senkrecht auf einander polarisirtes Licht nicht iiiter-
ferirt, diese Eigenschaft aber erhält, wenn es, vorher auf
eine Schwingungsebene zurückgeführt, nach der Trennung
wieder in eine zurückkehrt, so sieht man den Grund ein,
warum die durch Doppelbrechung entstehenden Interferenz-
phänomene nur dann eintreten, wenn polarisirt einfallendes
Licht nach seinem Austritt aus dem Krystalle analysirt
wird. Ebenso ist es klar, warum in der Polarisations-
ebene und senkrecht auf dieselbe ein farbloses Kreuz er-
scheint, da hier die Erscheinung unabhängig von der Wellen-
länge der einzelnen Farben wird, also für alle Coincidenz
oder Interferenz eintreten mufs, d. h. Weifs oder Schwarz
sich zeigt.
Schleift man eine Platte aus einem zweiachsigen Kry stalle
senkrecht auf die Halbirungslinie des Winkels, welchen beide
optische Achsen mit einander bilden, so erblickt man im Po-
larisationsapparate die Farbencurvfen als zwei von einander
völlig getrennte Systeme, um jene Achsen, wenn jener Winkel
nämlich, wie bei Arragonit und Topas, grofs ist, sieht sie
hingegen in Form einer liegenden Acht beide umschlingen,
wenn der Winkel klein ist, wie z. B. bei dem Salpeter. Von
der Regelmäfsigkeit der lemniscatenförmig gekrümmten, dun-
keln Interferenzlinien in der Beleuchtung einer homogenen,
gelben Flamme ist es schwer, sich ohne Anschauung eine
Vorstellung zu bilden ; man glaubt die mikroskopische Dar-
stellung des zartesten Organismus vor sich zu sehen. Beide
Ringsysteme zwischen den gekreuzten Turmalinen betrach-
tet, sind auch bei weifser Beleuchtung von dem Arme eines
schwarzen Kreuzes diametral durchschnitten, dessen anderer
Arm lothrecht in der Mitte zwischen beiden Systemen hin-
durchgeht. Auch hier sind diese dunkeln Büschel parallel
119
den Achsen der Turmaline. Dreht man die Platte in ihrer
Ebene, so löst sich das schwarze Kreuz in zwei getrennte
Hyperbeln auf. Da diese Farbencurven, so wie die hyper-
bolisch gekrümmten , welche in andern Richtungen des Kry-
stalls erscheinen, sich eben so, wie bei einachsigen Kry stal-
len, auf die Interferenz der beiden durch Doppelbrechung
getrennten Lichtmengen zurückfuhren lassen , so wollen wir
an ihnen nur nachweisen, wie die in weifser Beleuchtung
wahrgenommenen Erscheinungen nur zu enträthseln sind,
wenn wir sie vorher in homogener Beleuchtung untersucht
haben.
Betrachtet man das kreisförmige Ringsystem eines ein-
achsigen Krystalls in den verschiedenen homogenen Beleuch-
tungen des Spectrums, oder bei verschieden gefärbten Flam-
men, so sieht man ganz dieselben Veränderungen der Durch-
messer der Ringe, wie wir sie bei den reflectirten Newton -
sehen Ringen ausführlich besprochen haben. Das Centrum
aller Ringsysteme ist hier wie dort genau dasselbe, wie
man beim Einschalten eines durch Kobalt gefärbten Glases
an der prachtvollen Abwechselung intensiv rother, blauer,
violetter und schwarzer Ringe sieht, die Farbenfolge in
weifser Beleuchtung also in beiden Fällen vollkommen über-
einstimmend '). Bestimmt man hingegen für eine gegebene
Platte eines zweiachsigen Krystalles in einer bestimmten
*) Eine auffallende Abweichung von dieser Farbenfolge zeigt
sich in dem Apophyllit von Cipit in Tyrol, und dieser Krystall giebt
einen sehr überzeugenden Beleg dafür, dafs die an der hellen Stelle
zusammenfallenden Ringe der homogenen Farben Weifs erzeugen. Es
ist nämlich klar, dafs wenn die in den verschiedenen homogenen
Farben gesehenen Ringe genau gleichen Durchmesser hätten, in weifser
Beleuchtung nur Abwechselungen von weifsen und schwarzen Ringen
erscheinen müfsten. Diese Gleichheit ist nun, wie seine Beobachtung
*
120
homogenen Beleuchtung die Lage der Mittelpunkte der beiden
Ringsysteme, so findet man, dafs sie für eine andere Farbe
eine andere ist. Die für verschiedene Farben entstehenden
hellen und dunkeln Linien , von denen wir die erstem iso-
chromatische Curven nennen können, sind also con-
centrisch in einachsigen Krystallen, hingegen excentrisch in
zweiachsigen. Daraus folgt also, dafs die in weifser Beleuch-
tung erhaltene Farbenfolge der Ringsysteme zweiachsiger
Krystalle abweicht von der Farbenfolge der Newton'schen,
ja diese Abweichung ist oft so stark, dafs man einen Ring
ganz deutlich aus mehreren, verschiedenfarbigen Bogen, die
sich auf verschiedene Mittelpunkte beziehen, zusammenge-
setzt sieht. Diese in weifser Beleuchtung oft ganz den
Charakter der Regelmäfsigkeit verlierenden Erscheinungen
lösen sich bei Betrachtung in homogen farbiger Beleuchtung
in ihre einfach übersichtlichen Elemente auf. Denken wir
uns Licht in der Achse eines einachsigen Krystalles sich
fortbewegend nun durch eine Begrenzungsfläche dieses Kry-
stalles in die Luft austreten, so wird es, wenn diese senk-
recht auf der Achse steht, seine Richtung ungeändert fort-
setzen. Ist hingegen eine Platte eines zweiachsigen Krystalls
senkrecht auf die Halbirungslinie des Winkels zwischen bei-
den Achsen geschliffen, so wird das Licht, welches die ge-
in den homogenen Farben des Spectruins zeigt, bei dem Apophyilit
sehr nahe vorhanden, die Ringe im Grün sind etwas kleiner, als die
der übrigen Farben, die von Blau und Indigo genau gleich, die vom
Violett hingegen etwas gröfser als die vom Roth. Die Uebergänge
der weifsen in die schwarzen Ringe geschehen bei weifser Beleuchtung
durch gelbliches, grünes und dunkles Violett. Ihre Anzahl ist be-
deutend gröfser, als bei den die Farbenfolge der Newton'schen
Ringe befolgenden Krystallen, wovon der Grund unmittelbar einleuch-
tend ist.
121
gen die Austrittsfläche geneigten Achsen durchläuft, bei dem
Austritt in die Luft von der lothrechten Halbirungslinie ab
gebrochen werden. Man wird also , um das Ringsystem zu
sehen, schiefer als in der Richtung der Achsen auf die Aus-
trittsfläche sehen müssen oder, mit andern Worten, der
scheinbare Achsenwinkel wird gröfser sein als der wahre.
Dieser Unterschied ist so bedeutend, dafs nach Brewster
bei dem farblosen Topas der Winkel zwischen den wahren
Achsen 65° beträgt, während der scheinbare Winkel 121 °
16' ist
Nach ihren krystaüographischen Kennzeichen zerfallen
die optisch zweiachsigen Krystalle in drei Klassen, je nach-
dem von den drei ungleichartigen krystallographischen Ach-
sen jede lothrecht ist auf der durch die beiden andern be-
stimmten Ebene, oder eine oder kein e '). Bei den Kiystallen
der ersten Klasse liegen die den verschiedenen Farben ent-
sprechenden optischen Achsenpaare sämmtlich in einer Ebene
zu beiden Seiten einer gemeinsamen Halbirungslinie. Bei den
Kristallen des zweiten Systemes liegen hingegen jene Achsen-
paare entweder in verschiedenen Ebenen um dieselbe
Halbirungslinie, oder in einer Ebene um verschiedene
Halbirungslinien, bei dem dritten in verschiedenen Ebe-
nen um verschiedene Halbirungslinien. Während daher
in dem ersten, dem prismatischen Systeme, die Ringe,
welche die eine Achse umgeben, vollkommen übereinstimmen
mit denen, welche die andere Achse umschliefsen, und beide
von schwarzen Büscheln durchschnitten werden, sind in den
') Der erste Fall tritt ein bei den Krystallen des ein- und ein-
achsigen oder prismatischen Systems, der zweite hei denen des zwei-
und eingliedrigen oder hemiprismatischen, der dritte bei denen des ein-
und eingliedrigen oder tetartoprismatischen.
¥
122
beiden letzten Krystallisationssystemen, dem hemiprisma-
tischenund tetartoprismatischen, die Ringsysteme
beider Achsen unter einander verschieden, und werden von
verschiedenfarbigen Büscheln durchschnitten, von welcher
Erscheinung , die Nörrenberg entdeckt und Neumann
erläutert hat, der Gyps eins der schönsten Beispiele zeigt.
Von der im weifsen Lichte räthselhaften Complication
der Farbenfolge in den Ringen des Borax leuchtet sogleich der
Grund ein, wenn man sie durch ein, mittelst Kobalt gefärbtes
Glas betrachtet, welches die Mittelfarben des Spectrum ver-
löscht, während es durchsichtig ist für rothes und blaues
Licht. Man sieht dann vier Ringsysteme, nämlich zwei blaue
und zwei rothe. Verbindet man die Mittelpunkte der rothen
und ebenso die Mittelpunkte der blauen Ringe, so schneiden
sich diese Verbindungslinien. Im salpetersauern Quecksilber
liegen hingegen diese verschiedenen Systeme nicht diagonal
einander gegenüber, sondern neben einander, so dafs jene
Verbindungslinien sich nicht schneiden. Im Glauberit endlich
ist bei gewöhnlicher Temperatur der Winkel der Achsen im
rothen Lichte fünf Grad, in den darauf folgenden Farben
wird er immer kleiner, bis im violetten Lichte beide Achsen
zusammenfallen. Dieser Krystall zeigt also in einer be-
stimmten Beleuchtung die Ringsysteme eines zweiachsigen
Krystalls , in einer andern die eines einachsigen ; gewährt in
weifser Beleuchtung daher einen vollkommen anomalen An-
blick. Erkältet man den Krystall allmählig, so öffnen sich
die Winkel der einzelnen Achsenpaare immer mehr, so dafs
schon bei dem Frostpunkte der Krystall zweiachsig für alle
Farben wird. Erhöht man hingegen die Temperatur des
Kry Stalles, so fällt eines der Achsenpaare nach dem andern
zusammen und öffnet sich dann in einer auf seiner vorigen
123
senkrechten Ebene. Noch weit unter der Siedhitze des Was-
sers haben sich alle Achsen wieder geöffnet, die Aufeinander-
folge der einzelnen ist aber nun grade die umgekehrte der
früheren, die Farbenerscheinungen in weifser Beleuchtung
sind daher diesem entsprechend verändert ').
Wenn nun solchen Erscheinungen gegenüber die Phy-
siker, selbst nach dem Erscheinen von Goethe 's Farben-
lehre, sich nicht haben entschliefsen können, abzugehen von
der früher befolgten Weise, die Erscheinungen in homogener
Beleuchtung als Ausgangspunkt bei der Beurtheilung der
Phänomene in weifser Beleuchtung zu wählen, so möchte
doch wohl ein Zweifel erlaubt sein, ob, wie behauptet wor-
den ist, »der Grund darin gelegen habe, dafs die Gedanken-
losigkeit und Einfältigkeit, die man eingestehen sollte, gar
zu grofs war« *). Sollte sich nicht vielleicht nach den bisher
besprochenen Thatsachen auch selbst die Frage beantwor-
ten: »warum diese ungereimten Vorstellungen noch durch
die Polarisation des Lichtes, durch die wieder aufgenom-
menen Newton'schen Anwandlungen und weiteren meta-
physischen Gallimathias vermehrt worden?« Ein solcher,
25 Jahre nach Aufstellung des Princips der Interferenz,
welches jene Anwandlungen für immer beseitigte, wieder-
holter Ausspruch, zu einer Zeit gethan, wo Biot's Theorie
der polarisation mobile durch Fresnel bereits vollkommen
widerlegt war, mufs wenigstens als Anachronismus auffal-
len, oder erstreckt sich etwa »die Gründlichkeit der Goethe-
') Brewster account of a remarkable peculiarity in the structure
of Glauberite , which has one axis of double refraction for violet and
two for red light. Edinb. Trans. 11, p. 273. Pogg. Ann. 21, p. 607.
a ) Hegel Encyclopaedie der philosophischen Wissenschaften
p. 306.
124
sehen Beleuchtung dieser Finsternifs im Licht« auch auf die
entoptischen Farben, von denen gesagt wird, dafs man bei
ihrem Anblicke vor lauter Schauen und Bewundern gar nicht
zum Theoretisiren komme?
Durch die Annahme von Querschwingungen haben wir
uns in der wundervollen Mannigfaltigkeit der Polarisations-
erscheinungen zurecht gefunden und zugleich den Grund ein-
gesehen, warum senkrecht auf einander polarisirtes Licht
nicht interferirt. Wenn aber solche unter rechten Winkeln zu-
sammentreffende Schwingungen auch einander sich nicht auf-
heben können, so müssen sie doch eine bestimmte Wirkung
auf einander äufsern, von denen wir uns durch Betrachtung
verwandter Erscheinungen eine Anschauung bilden können.
Für die Schwingungen eines elastischen Mediums finden wir
aber als nächstes Analogon die Oscillationen einer Pendel-
kugel.
Bezeichnet von den drei auf einander folgenden Buch-
staben, a b c, b die Mitte der Schwingung, a und c die
Grenzen, so wird bei einer vollständigen Oscillation die Ge-
schwindigkeit von a nach b zunehmen, bis sie in b am
gröfsten ist, dann von b nach c abnehmen, wo sie Null
wird, hier sich die Bewegung umkehren, in b ein zweites
Maximum der Geschwindigkeit erreichen, welche wiederum
bei a Null wird, wo die Erscheinung sich wiederholt. Denkt
man sich nun der von a nach c hin- und wieder von c nach a
zurückschwingenden Kugel einen auf die Ebene der Schwin-
gung lothrechten, horizontalen Stofs ertheilt, dem gleich,
welcher zuerst das Pendel aus der Lothlinie entfernte, so
wird derselbe ihr die Geschwindigkeit mittheilen, welche sie
bei dem jedesmaligen Durchgange durch b in Folge des ersten
Impulses erhält. Die dadurch hervorgebrachte Bewegung
125
wird dann, wenn der Seitenstofs in den Stellungen ab c b
erfolgte, durch die folgenden Pfeile angedeutet:
a b c b
r / n\
Wäre die Kugel bei dem zweiten Stofse nicht schon in '
Schwingung gewesen, sondern in Ruhe, so würde dieselbe
in ganz dieselben Schwingungen versetzt worden sein , wie
die sind, welche sie vorher vollführte , der Unterschied wäre
nur, dafs beide Schwingungsebenen auf einander senkrecht
stehen würden. Hier haben wir also einen Körper gleich-
zeitig angeregt zu zwei gleichen, aber auf einander senk-
rechten Schwingungen, also den Fall des zusammentreffen-
den , geradlinig auf einander polarisirten Lichtes. Stellt man
den Versuch an, so wird man finden, dafs bei Ertheilung
des Stofses in der Stellung a die Kugel in Kreisschwingungen
von der Linken zur Rechten geräth. Trifft der Stofs die
Kugel in b, so wird eine geradlinige Schwingung entstehen,
deren Schwingungsebene um einen halben Rechten gegen die
frühere geneigt ist, trifft er sie hingegen in c, so entsteht
wieder eine Kreisbewegung, aber von der Rechten zur Linken.
Stöfst man die Kugel aber erst bei ihrer zweiten Ankunft in
b an, so wird eine geradlinige Schwingung entstehen und
zwar in einer um einen halben Rechten links geneigten Ebene,
also in einer auf jener vorher entstandenen Schwingungsebene
senkrechten Richtung. Der ertheilte Stofs ist nichts anders,
als der Zustand einer schwingenden Kugel in der Mitte ihrer
Schwingung. Dasselbe wird also eintreten, wenn die Kugel
gleichzeitig zu auf einander senkrechten Schwingungen an-
getrieben wird. Nennen wir die Zeit, welche verflossen ist,
wenn der von a ausgegangene Körper wieder nach a zurück-
126
kommt, eine ganze Schwingung, so wird bei seiner ersten
Ankunft in b ein Viertel dieser Zeit verflossen sein, bei seiner
Ankunft in c die Hälfte, bei seiner zweiten Ankunft in b drei
Viertel. Da nun die Anregung in der zweiten Schwingung
diejenige war, welche er nach einem Viertel seiner Schwin-
gungszeit erhält, so war der Unterschied beider zusammen-
treffenden Schwingungen: bei dem ersten Zusammentreffen
in 6 = 0, bei dem Zusammentreffen in c = 7 4 , beidem zwei-
ten Zusammentreffen in b = Vi , bei dem Zusammentreffen
in a endlich = Vi.
Wenden wir diese Betrachtungen nun auf unsern Fall
an, so folgt unmittelbar dieses. Zwei auf einander senkrecht
polarisirte Wellensysteme erzeugen bei ihrem Zusammen-
treffen, w T enn ihr Gangunterschied Null und wenn er eine,
halbe Welle ist, nicht Coincidenz und Interferenz, Hell und
Dunkel, sondern ein geradlinig polarisirtes Licht, dessen Po-
larisationsebene den Winkel zwischen jenen beiden Polari-
sationsebenen halbirt, und zwar, wenn dies Halbiren im
ersten Falle auf der linken Seite geschieht, dann im zweiten
Falle auf der rechten, und umgekehrt. Ist hingegen der
Gangunterschied beider Wellensysteme ein Viertel, oder drei
Viertel, so mufs Licht entstehen, welches weder die Eigen-
schaften des natürlichen, noch die des polarisirten hat. Es
versteht sich von selbst, dafs, so wie in unserm Beispiele
es vollkommen gleichgültig war, wie oft das Pendel schon
geschwungen hatte, ehe es den zweiten Stofs erhielt, es
eben so hier ohne Einflufs auf die Erscheinung ist, um wie
viel ganze Oscillationen sich beide Wellensysteme aufser-
dem unterscheiden. Es braucht wohl nicht erst angeführt
zu werden , dafs , wenn der zweite Stofs nicht an den Stellen
a, b und c ertheilt wird, sondern zwischen a und 6, oder
127
zwischen b und c, statt kreisförmiger Bewegungen alle zwi-
schen Kreis und gerade Linien fallenden Ellipsen entstehen
werden. Unterscheiden sich also die zusammentreffenden po-
larisirten Wellensysteme um einen Theil einer Schwingung,
welcher nicht grade ein Viertel ist, so wird das entstehende
Licht Eigenschaften haben, welche zwischen denen des po-
larisirten und denen jenes vorher erwähnten liegen, mit allen
verschiedenen Graden der Annäherung an das eine und an
das andre.
Durch diese theoretischen Betrachtungen wurde Fres-
nel zu dem Schlüsse geführt, dafs es aufser dem gewöhnlich
oder geradlinig polarisirten Lichte noch zwei andre Ar-
ten der Polarisation geben müsse, die circulare und die
elliptische. Bekanntlich wird Licht, wenn es schief aus
Glas oder Wasser in Luft austreten will, unter einem ge-
wissen Winkel ganz nach Innen reflectirt, so dafs die Tren-
nungsfläche dann ein vollkommener Spiegel wird, den man
bei optischen Instrumenten häufig unter dem Namen eines
Ablesungsprisma anwendet. Aus Interferenz versuchen hatte
Fresnel gefunden, dafs Licht, dessen Polarisationsebene
einen Winkel von 45 Grad mit der Einfallsebene macht, nach
einer solchen totalen Reflexion sich so verhielt, als bestände
es aus zwei gleichen Mengen auf einander senkrecht polari-
sirten Lichtes, von denen die eine um ein Achtel einer Un-
dulation hinter der andern zurückgeblieben ist. Es bedurfte
also zweier solcher Reflexionen, um den Unterschied auf 7 4
zu bringen, bei vieren mufste er Vi werden, bei sechs V 4 ,
endlich bei acht 1. Das Licht mufste also nach diesen ver-
schiedenen Reflexionen rechts - circular sein, linear, links-
circular und auf jenem linearen senkrecht linear. Die Er-
fahrung bestätigte, wie es sich von selbst versteht, alles,
-*28
^7*
was Fresnel vorher gesagt hatte. Ist der Winkel zwischen
Einfallsebene und Polarisationsebene ein anderer als 45 Grad,
so wird das Licht elliptisch.
Denkt man sich den Stab , durch welchen wir früher
die Schwingungsrichtung in einem linear polarisirten Strahle
bezeichneten, in einen horizontalen Kreis umgebogen , so
wird man einsehen, dafs die Drehung des schiefen Brettes
keinen Einflufs auf die Erscheinungen bei dem Auffallen dieses
Reifens mehr haben kann. In Beziehung auf den analysiren-
den Spiegel verhält sich daher circulares Licht wie unpola-
risirtes, d.h. es zeigt bei der Drehung desselben stets die-
selbe Helligkeit. Es unterscheidet sich aber dadurch von
demselben, dafs es in doppelt brechenden Körpern zu Far-
ben Veranlassung giebt. Verbindet man bei der polarisirenden
oder analysirenden Vorrichtung eines Polarisationsapparates
die lineare Polarisation mit der circularen und elliptischen,
so sieht man leicht, dafs die Anzahl der Combinationen sehr
mannigfach ist, die sich aber in einem Apparate vereinigen
lassen.
Circular polarisirtes Licht circular analysirt, zeigt um
die Achse eines einachsigen Krystalles die Newton 'sehen
Ringe, von keinem Kreuze durchschnitten. Geschieht hin-
gegen die Analyse linear, so sieht man eine Erscheinung,
von welcher man sich auf folgende Art eine Anschauung
bilden kann. Durchschneidet man die reflectirten Ringe mit
schwarzem Kreuz, ebenso die Ringe mit weifsem Kreuz in
die vier Quadranten; in welche sie durch die Kreuze selbst
zerfallen, so erhält man, wenn man den ersten und dritten
Quadranten des einen Systems mit dem zweiten und vierten
des andern verbindet, die Phänomene im rechts circularen
Lichte, hingegen im links circularen, wenn man den zweiten
129
und vierten Quadranten jenes Systems in derselben Ordnung
mit dem ersten und dritten dieses verbindet. Die Erschei-
nungen in den einander begrenzenden Quadranten sind daher
bei weifsem Lichte complementar, und man sieht deswegen
in homogener Beleuchtung die auffallende Erscheinung, dafs
das erste Viertel jedes Ringes hell ist, das zweite schwarz,
das dritte hell, das vierte schwarz, genau wie es die von
Airy l ) gegebene theoretische Untersuchung verlangt. Wie
wir früher gesehen haben, sind die bei linearer Polarisation
gesehenen Ringe um die Achse eines positiven Krystalles
ganz übereinstimmend mit denen eines negativen. Dies ist
nicht mehr der Fall bei circularem Lichte. Rechts circulares
Licht entwickelt nämlich um die Achse eines positiven Kry-
stalles dieselben Ringe, wie links circulares um die Achse
eines negativen, welchen aus der Theorie folgenden Schlufs
ich durch die Erfahrung bestätigt gefunden habe '). Das
von den einachsigen Krystallen gesagte gilt in gleicher Weise
von zweiachsigen. Bei circularer Polarisation und Analyse
erscheinen die isochromatischen Curven an Gestalt unver-
ändert, aber ohne durchschneidendes schwarzes Kreuz. Da,
wo in einem einachsigen Krystalle die Newton'schen re-
flectirten Ringe mit schwarzem Mittelpunkt gesehen werden,
erscheinen die beiden Mittelpunkte der Curven in zweiachsi-
gen Krystallen aber nicht als schwarze Punkte, sondern
wegen der verschiedenen Neigung der Achsen in verschie-
denen Farben als kleine Spectra analog einem auf weifsem
*) On the nature of the light in the two rays produced by tlie
double refraction of quartz. Cambr. Trans. 4, p. 79, 199. Pogg. Ann.
23 , p. 204.
2 ) Ueber den Unterschied positiver und negativer Krystalle bei
circularer und bei elliptischer Polarisation. Pogg. Ann. 40, 457.
9
130
Grunde durch ein Prisma gesehenen schwarzen Punkte. Von
den Erscheinungen bei linearer Polarisation und circularer
Analyse wird man sich unmittelbar eine Anschauung bilden,
wenn man sich die Ringsysteme bei gekreuzten Spiegeln
durch die Arme des schwarzen Kreuzes in vier Theile zer-
schnitten denkt, und die vier Quadranten sich eben so ver-
schoben denkt, als wir es bei den einachsigen eben be-
sprochen haben. Da nun rechts circulares Licht hier bei
gewissen Krystallen dieselben Verschiebungen hervorruft,
als links circulares in andern , so zerfallen die zweiachsigen
Krystalle in gleicher Weise wie die einachsigen, in positive
und negative. Auch bei den zweiachsigen Krystallen ist die
Anzahl der negativen gröfser, als die der positiven; von
erstem sind Arragonit und Salpeter bekannte Beispiele, hin-
gegen gehört der brasilianische Topas zu den positiven.
Die Ableitung der Farbenringe in Krystallen beruhte auf
der Bestimmung des Gangunterschiedes der durch Doppel-
brechung getrennten Strahlen. Bei einem sehr dünnen Kry-
stallblättchen kann dieser Unterschied grade 7 4 werden, und
darauf gründet sich das Verfahren von Airy ! ), mittelst
eines Glimmerblättchens, welches zwischen beide Spiegel
eingeschaltet wird, das Licht circular zu polarisiren. So
wie nun hier verschiedene Dicken einen verschiedenen Gang-
unterschied hervorbringen, so kann man bei derselben Stärke
des Blättchens durch Veränderung seiner doppelbrechenden
Kraft den Gangunterschied beider Strahlen verändern. Dies
habe ich durch allmähliges Erwärmen eines Glaswürfels er-
halten , den ich auf diese Weise aus einem einfach brechen-
den Körper in einen immer stärker doppelbrechenden ver-
*) On a new analyser of light. Cambr. Trans, und Pogg. Ann.
26, 140.
131
wandelte. Man sieht dabei an den regelmäfsigen Verän-
derungen des Ringsystemes die lineare, elliptische und circu-
lare Polarisation bei allmählig steigender Erwärmung durch
alle Zwischenstadien in einander übergehen, und man kann
sich von den diese Erscheinung bedingenden Schwingungen
ein deutliches Bild verschaffen, wenn man eine in ein glän-
zendes Knöpfchen endende Stahlnadel in einen Schraubstock
einspannt und durch zwei Stöfse zu elliptischen Schwingun-
gen bestimmt. Gehen diese durch die gerade Linie hin-
durch, so kehrt sich auch hier der Sinn der Schwingung so-
gleich um.
Da eine Platte von bestimmter Dicke für verschiedene
Wellenlängen nicht denselben Gangunterschied hervorbrin-
gen kann, so folgt, dafs, wenn derselbe bei einem dicken
Glimmerblättchen für das eine Ende des Spectrums eine ganze
Anzahl Undulationen ist, er nach der andern Grenze des
Spectrams hin diese Anzahl um % , V 4 , 1 übertreffen wird.
Dies führt zu dem Schlüsse, dafs, wenn man das Spectrum
über die polarisirende Vorrichtung hinwegfuhrt, das vom
schwarzen Kreuze durchschnittene Ringsystem der einen
Farbe sich in der andern in die scharf abgesetzten Bogen
des circularen Lichtes öflhen mufs , .darauf in ein Ringsystem
mit hellem Kreuz übergehen wird, bis es nach dem Durch-
gange durch die nach entgegengesetzter Richtung abge-
brochenen Bogen wieder zu der ersten Form zurückkehrt.
Alle bisher unmittelbar bemerkten Unterschiede der ein-
zelnen Farben sind, die Ringsysteme des Glauberit etwa
ausgenommen, nur quantitativ (ungleiche Weite der Ringe
bei Interferenzphänomenen, ungleiche Brechung durch das-
selbe Prisma, ungleiche Ablenkung bei Beugungsphänome-
nen, verschiedene Neigung der Farbenachsen, ungleiche
132
Drehung der Polarisationsebene im Bergkrystalle) hier müs-
sen wir aber ganz unähnliche Zeichnungen erwarten, so wie
die Farbe der Beleuchtung sich ändert. Die von mir ange-
stellten Versuche bestätigen aber auch hier vollkommen das,
was die theoretische Betrachtung hatte vorher sehen lassen l ).
Das Uebereinandergreifen dieser so verschieden gestalteten
Ringsysteme bei weifser Beleuchtung giebt natürlich einen
Reichthum von Farbenabwechselungen, den man sonst nur
in zweiachsigen Krystallen zu sehen gewohnt ist, der sich
aber, durch ein homogenes Glas betrachtet, ganz auf das
im Spectrum vorher Wahrgenommene wieder zurückfuhren
läfst. Um bei solchen Phänomenen an der wahren, einfachen
Natur des Weifsen nicht irre zu werden, mufs man sich
nur immer den schlagenden Gegenbeweis lebhaft vergegen-
wärtigen, »dafs hundert graue Pferde nicht einen einzigen
Schimmel machen« 2 ).
Eine auf die Achse senkrecht geschnittene Bergkrystall-
platte zeigt ein ganz andres Ringsystem als alle andern ein-
achsigen Krystalle. Die Ringe sind nur von einem grauen
Kreuze durchschnitten, dessen Arme nicht bis zur Mitte
reichen: Diese Mitte bildet ein farbiger Fleck. Dreht man die
analysirende Vorrichtung-, so verengern sich in einem rechts
gewundenen Bergkrystalle die Ringe bei derjenigen Drehung,
bei welcher sie sich bei einem links gewundenen erweitern.
In circularem Lichte erscheinen die Farbencurven als Spira-
len, in jenen nämlich rechts gewunden, in diesen links ge-
wunden. Die Drehung der Polarisationsebene ist verschieden
für die einzelnen Farben, daher ändert im weifsen Lichte
') Versuche über die Circularpolarisation des Lichtes. Pogg.
Ann. 35, p. 579.
a ) Goethes Werke 50, p. 190.
133
die Mitte stets dem entsprechend ihre Farbe. In einer ein
Millimeter dicken Platte beträgt diese Drehung nach den
Messungen von Biot:
im äußersten Roth IT 4964
an der Grenze zwischen Roth und Orange 20° 4798
» » • • Orange und Gelb 22° 3138
» » » » Gelb und Grün. . 25° 6752
» » » » Grün und Blau . 30° 0460
. . » » Blau und Indigo . 34° 5717
» » » » Indigo und Violett 37° 6829
im äufsersten Violett 44° 0827
und zwar ist sie in einer Platte eines rechts gewundenen
Bergkrystalls genau so grofs nach Rechts , als in einer gleich
dicken Platte eines links gewundenen Individuums nach Links.
Für die festen Linien B, C, D, E, F, G, findet Broch (Reper-
torium der Physik 7 , p. 1 1 5) folgende Werthe für eine ein
Millimeter dicke Platte:
B. .
. . 15° 30
C .
. . . 17° 24
D . .
. . 21° 67
E.
. . . 27° 46
F .
. . . 32° 50
G . .
. . 42° 20
Unter den aus der Verschiedenheit des Drehungswinkels
für die verschiedenen Farben bei weifser Beleuchtung resul-
tirenden Farben giebt es eine sehr charakteristische violette,
welche denUebergang vom reinen Blau zum Roth und Orange
bildet, deren Rotationswinkel daher leicht bestimmt werden
kann. Biot nennt sie teinte depassage. Alle im Bergkrystall
sich zeigenden Erscheinungen sind von Airy ! ) unter der
J ) On the nature of the light in the two rays produced by the
double refraction of quartz. Cambr. Trans. 4, p. 79, 199. Pogg.
Ann. 23 , p. 204.
134
Voraussetzung abgeleitet worden, dafs, wenn Licht senkrecht
auf die Achse des Kiystalls eintritt, die lineare Polarisation
desselben sich durch alle Uebergänge der elliptischen Po-
larisation in schiefern Richtungen , zuletzt in der Richtung
der Achse in circulare verwandle, und wirklich hat Fres-
nel l ) durch Combinationen von Bergkrystallstücken, deren
Achsen gleich gerichtet waren, Bilder erhalten, welche rechts
und links circular polarisirt sind. Einen bedeutenden Auf-
schlufs über die Natur besonders öliger Flüssigkeiten kann
man endlich dadurch hoffen, dafs viele derselben, nach
Biot's und Seebeck 's Entdeckung *), ähnliche Drehungs-
kräfte zeigen, wie der Bergkrystall, so dafs die Erscheinun
gen dieser Polarisation in der Zuckerfabrikation eine unmit-
telbar practische Anwendung gefunden haben 8 ). So wie wir
aber unkiystallinische Körper, wie Glas, durch Pressung,
schnelle Abkühlung und tönende Schwingungen in doppel-
brechende verwandeln, so ist es neuerdings Faraday 4 ) ge-
lungen, Körpern, welche unmittelbar die Polarisationsebene
nicht zu drehen vermögen, in drehende zu verwandeln.
Wasser, von einem electrischen Strome in einer rechts ge-
wundenen Spirale umflossen, verhält sich wie eine rechts
') Extrait «Tun memoire sur la double refraction particuliere que
präsente le cristal de röche dans la direction de son axe. Ann. de
Chim. et de Phys. 28, p. 247. Pogg. Ann. 21, p. 276.
2 ) Memoire sur les rotations que certaines substances inpriment
aux axes de polarisation des rayons lumineux. Mem. de l'Inst. de
l'Acad. 1818. p. 41.
8 ) Sur un caractere optique a l'aide duquel on reconnait im*
mediatement les sucs vegetaux, qui peuvent donner du sucre ana-
logue au sucre des Cannes, et ceux qui ne peuvent donner que du
sucre semblable au sucre # du raisin. Ann. de Chim. et de Phys. 52,
p. 58. Pogg. Ann. 28, p. 165.
4 ) Experimental researches in electricity, 19 series.
135
drehende Flüssigkeit, von einem links gewundenen umschlos-
sen, wie eine links drehende.
Geradlinig polarisirtes Licht endlich wird von Metallen
stets, wie Brewster 1 ) bewiesen hat, als elliptisch polari-
sirtes licht zurückgeworfen , directes ist nie nach einmaliger
Reflexion durch dieselben geradlinig polarisirt, sondern nur
annäherungsweise durch wiederholte Reflexionen. Hier er-
halten wir also unmittelbar durch die Reflexion einen Gang-
unterschied, wie wir ihn früher durch Einschalten eines
dünnen Glimmerblättchens erhielten, und es wird daher der
Grund einleuchten , warum das von Metallen reflectirte Licht
bei seiner Analyse durch eine geradlinig polarisirende Vor-
richtung, hier unmittelbar ohne Einschaltung eines Krystall-
blättchens, zu Farben Veranlassung giebt, warum endlich
im weifsen Lichte diese Farbenerscheinungen sehr stark mit
der Zahl der Reflexionen , sowohl was die Tiefe der Farben,
als was die Schnelligkeit ihres Wechsels betrifft, sich ver-
ändern. Aehnliche Phänomene, wie bei der Reflexion durch
Metalle, entstehen bei der Reflexion und Brechung durch
stark lichtbrechende Substanzen , z. B. durch den Diamanten,
und so wird das, was das Auge ahnungsvoll als ein sich
Unterscheidendes durch die Namen: metallischer Glanz, Glas-
glanz etc. bezeichnet, immer näher auf seine physikalischen
Gründe zurückgeführt.
Haben die bisherigen Betrachtungen gezeigt, dafs die
Wellentheorie nicht nur von sämmtlichen Erscheinungen der
Interferenz und Polarisation eine vollständige Rechenschaft
giebt, sondern dafs ihre Ergebnisse auch in genauem Ein-
') On the phenomena and laws of elliptic polarization as exhi-
bited in the action of metals lipon light. Ph. Tr. 1830. p. 28. Pogg.
Ann. 21, p. 219.
136
klänge stehen mit dem, was Thermik, Akustik und Kry-
stallographie auf ganz von optischen Untersuchungen unab-
hängigen Wegen gefunden, so bleibt die Frage noch zu beant-
worten, ob sie auch den prismatischen, den Absorptions-
und physiologischen Farben gegenüber sich bewährt.
Bekanntlich ist es Newton, welcher durch eine Reihe
entscheidender Versuche zuerst nachwies, dafs Licht von
verschiedener Wellenlänge durch dieselbe brechende Sub-
stanz ungleich abgelenkt wird. So nämlich mufs der Satz:
lumina, quae colore differunt, ea itidem refrangibilitatis
gradibus inter se differunt, ausgesprochen werden, um die
Zweideutigkeit des Wortes color zu beseitigen, welches die
Meinung veranlafst, es könne darunter eine Farbe verstan-
den werden, welche bei der rohsten Untersuchung sich schon
als zusammengesetzt erweist.
Ist ein durchsichtiger Körper durch parallele Flächen
begrenzt, entweder durch ebene, wie bei einer Planscheibe,
oder durch gekrümmte, wie bei einem Uhrglase, so ist die
Richtung und Farbe des Lichtes nach seinem Austritte un-
verändert Sind hingegen die Begrenzungsflächen an den
Punkten, an welchen das Licht eintritt, und an welchen es
austritt, gegen einander geneigt, so ist auch der austretende
Strahl geneigt gegen den eintretenden, und entweder gleich,
oder anders gefärbt, als der eintretende. Sind jene geneigten
Flächen eben, so heifst der Körper ein Prisma, sind sie
hingegen gekrümmt, eine Linse. Da aber die Erscheinun-
gen der Brechung durch das Einfallsloth bestimmt werden,
so kann man immer statt der gekrümmten Flächen die Be-
rührungsebenen an jenen Punkten substituiren, woraus her-
vorgeht, dafs die durch Linsen entstehenden Farben eine
Unterabtheilung der prismatischen sind.
137
Um die Richtungsverschiedenheit des aus dem Prisma
austretenden Lichtes und des auf dasselbe einfallenden am
übersichtlichsten zu machen, wollen wir Sonnen- oder Ta-
geslicht betrachten, welches durch eine beliebig begrenzte
Oeffnung willkürlicher Weite scheinend, auf einer beliebig
geneigten Tafel aufgefangen, stets eine senkrechte Projection
dieser Oeffnung darstellt. Das nach seinem Austritt aus dem
Prisma aufgefangene Licht kann nun entweder auch senk-
rechte, oder perspectivische Projectionen darstellen. Im er-
sten Falle bleibt der durch eine runde Oeffnung einfallende
Lichtcylinder ein Cylinder, im zweiten Falle öffnet er sich
in einen Kegel. Im ersten Falle ist also nur die Rede von
der Richtungsverschiedenheit der Achsen zweier Cylinder,
und diese nennt man Brechung, im zweiten, aufser von
der Richtungsverschiedenheit der Cylinder- und Kegelachse,
d. h. aufser von der Brechung, noch von dem Winkel an
der Spitze dieses Kegels: der Zerstreuung oder Disper-
sion. Jedesmal, wenn das Licht sich kegelförmig öffnet,
ist die Farbe des austretenden verschieden von der des ein-
fallenden, es mufs also die Formänderung des projicirten
Budes zusammenhangen mit der Färbung desselben. Um
aber die Vergleichung des austretenden Lichtes mit dem ein-
tretenden nicht durch unnöthige Unterschiede zu compliciren,
mufs die Achse des austretenden Lichtkegels so gegen die
Austrittsfläche des Prisma geneigt sein, als die Achse des
einfallenden Lichtcylinders gegen die Eintrittsfläche. Diese
Stellung des Prisma hat daher Newton stets gewählt. Was
von den objectiven Versuchen gesagt wird, gut auch von
den subjectiven, in welchen das Auge die auffangende Tafel
darstellt.
Hängt nun die Brechung des Lichtes von seiner Wellen-
138
länge ab, so wird ein Cylinder einfallenden, monochroma-
tischen Lichtes zu einem Cylinder gebrochenen, monochro-
matischen Lichtes Veranlassung geben, ein Cylinder des ein-
fallenden, dichromatischen Lichtes nach der Brechung in
zwei gegen einander geneigte Cylinder monochromatischen
Lichtes zerfallen u. s. f. Fällt also Licht ein, dessen Wellen-
länge innerhalb zweier Grenzen alle Mittelwerthe der Wellen-
länge enthält, so werden die entstehenden Cylinder in ihren
Neigungen allmählig in einander übergehen. Verhält sich
nun hier, wie bei sämmtlichen Interferenzphänomenen, zu-
sammenfallendes monochromatisches Licht aller Wellenlän-
gen wie weifses, so wird, wenn die auffangende Fläche
viele Cylinder durchschneidet, gemischte Farbe ja sogar
weifs erscheinen, und es ist daher unmittelbar klar, wie mit
Vergröfserung der Oeffnung jenes Ineinandergreifen der ver-
schiedenen Cylinder immer stärker wird, wie mit der Ent-
fernung vom Prisma dieses Ineinandergreifen bei gleichblei-
bender Weite sich vermindern mufs. Die Freude über das
Weifs des prismatischen Sonnenbildes bei grofser Oeffnung ')
oder nahe am Prisma ist also nichts anders, als das Ver-
gnügen darüber, die Gründe auch eingesehen zu haben,
warum Newton die Oeffnung klein gewählt hat, warum
er das Spectrum in einer bestimmten Entfernung aufgefan-
gen, warum endlich alles, was von homogenem Lichte ge-
sagt wird, nicht eintritt, wenn jene Bedingungen unab-
sichtlich oder absichtlich nicht erfüllt werden *).
! ) Separatio in marginibus imaginis perfecta est, verum in omni
parte imaginis inter ista latera lumen satis compositum est, quod si
jam circulorum illorum diametri, centrorum situ atque intervallis
nihil mutatis, diminui, possent, utique • permixtio ipsorum inter se
consimili proportione diminuerentur.
2 ) Qui ergo rem hoc modo consideraverit , is facile intelliget,
139
Newton's Beweise der ungleichen Brechbarkeit der ver-
schiedenen Farben beruhen darauf, dafs er nachweist: 1) dafs
sie neben einander vor der Brechung stehend nach ihr nicht
mehr neben einander sich befinden, 2) dafs sie nach einander
yor der Brechung an derselben Stelle sich befindend, nach
der Brechung nach einander an verschiedenen erscheinen,
3) dafs sie gleichzeitig an derselben Stelle vorhanden nach
der Brechung in der Brechungsebene unter einander liegen,
endlich 4) dafs sie von derselben Linse, unter gleichem Ein-
fallswinkel gebrochen, in verschiedenen Entfernungen sich
vereinen.
Was nun die prismatischen Farben betrifft, so hat
Goethe selbst die von Newton gefundenen Resultate nie
geleugnet, wenn aber eine Widerlegung durch Pigmente ge-
schehen soll, so mufs wenigstens die Absiebt vorhanden
sein, nicht so gemischte zu wählen, wie der blaue und rothe
Fleck auf der dritten Figurentafel der Farbenlehre. Die Ent-
deckung, dafs es gemischte Farben gebe, kommt 100 Jahre
zu spät, um auf Priorität Anspruch zu machen. Sie ist eben
so wenig neu, wie die des auf der gedrehten Farbenscheibe
entstehenden »niederträchtigen Grau,« da Lambert schon
1772 gezeigt hat, wie man aus Roth, Blau und Gelb sogar
Schwarz machen könne. Dafs aber die reineren Farben far-
biger Gläser und monochromatischer Flammen genau sich
verhalten wie die prismatischen Farben , wird wohl Niemand
leugnen, der sich durch Versuche selbst überzeugen will.
Was endlich den Einwurf betrifft, dafs man sich im Kreise
bewege, wenn man die Entstehung der prismatischen Farben
zurückführe auf die Erscheinungen, welche bereits durch
radiorum pertaixtionem eadem proportione diniinui, ac diametros cir-
culoram. Optice Hb. I, prop. 4, probl. 1.
140
ein Prisma erzeugte Farben nach ihrem Durchgange durch
ein zweites Prisma entwickeln, so ist dieser dadurch besei-
tigt, dafs man, wie Frauenhofer gezeigt hat, auf ganz
anderm Wege, nämlich durch dioptrische und Reflexions-
gitter, also ganz ohne Brechung, dasselbe Spectrum erhält,
welches nun, prismatisch untersucht, genau zu denselben
Ergebnissen führt. Von kleinen Oeffnungen, von der über-
sehenen Wirkung der Ränder noch zu sprechen , würde jetzt
wenigstens vollkommen lächerlich sein, seitdem wiederum
Frauenhofer nachgewiesen hat, dafs das Spectrum des
unter freiem Himmel betrachteten Abendsternes ganz diesel-
ben Eigenschaften hat, wie das in einer Spalte aus Sonnen-
licht erzeugte. Betrachtet man alle diese auf so verschie-
denen Wegen erhaltenen Spectra subjectiv durch ein achro-
matisches Fernrohr , so sieht man sie durchzogen von einer
grofsen Anzahl heller und dunkler, innerhalb des ganzen
Farbenraumes unregelmäfsig vertheilter Linien. Wendet man
hingegen ein minder vollkommenes, oder ein nicht achro-
matisches Fernrohr an, so sieht man diese Linien stets nur
in einer Farbe des Spectrums. Da man nun einen Gegen-
stand nur dann deutlich sieht, wenn das durch das Objectiv
entstandene Bild in den Brennpunkt des Oculars fällt, so ist
dadurch, dafs man das Ocular verschieben mufs, wenn man
in einer andern Farbe die Linien sehen will, streng erwiesen,
dafs dieselbe Linse verschiedenfarbiges Licht in verschie-
denen Entfernungen vereinigt, d. h. es verschieden durch
Brechung ablenkt. Marat, damals, als er seine Unter-
suchungen über das Licht schrieb, noch nicht so Terrorist
wie später, wo er wünschte, dafs Newton 's Bücher ver-
brannt werden möchten, nennt das Resultat dieses Ver-
suches, wenn es zu Gunsten Newton 's ausfiele, entschei-
141
dend. In Newton 's Versuche war, da er die dunkeln Li-
nien nicht kannte, der das Bild hervorbringende Gegenstand
eine vom Spectrum beleuchtete Druckschrift. Das Verschwin-
den derselben in blauer Beleuchtung, wenn sie im Roth sicht-
bar ist, erklärt Goethe durch die gröfsere Dunkelheit der
blauen Beleuchtung. Da er aber sagt, dafs er das Frauen-
hof er 'sehe Kunststück auch machen könne, so hat er sich
selbst überzeugen können , dafs die im Blau sichtbaren Li-
nien im Roth verschwinden, wenn das Ocular auf die ersten
eingestellt war. Wenn also Newton ein Vorwurf treffen
soll, so ist es der, dafs er mit einem unvollkommenen Ap-
parate das Rechte gefunden, während Goethe an die Stelle
eines richtig gedeuteten Phänomens eine nachweisbar falsche
Erklärung stellt. Der unter dem Namen experimentum crucis
bekannte fünfte New ton'sche Versuch, in welchem ein ho-
rizontales Spectrum durch ein horizontal gehaltenes Prisma
betrachtet, oder objeetiv dargestellt, sich diagonal verzieht,
ist übrigens schon so entscheidend, dafs dieses Resultat
nicht dadurch verdeckt wird, dafs es bei Goethe heifst,
das Spectrum erscheine völlig wie vorher, nur etwas vor-
wärts gebogen, denn die Veränderung ist genau gleich
der ursprünglichen Veränderung in der auf dieser senkrech-
ten Dimension. Wenn weiterhin ansdrücklich eingeschärft
wird, man müsse hiebei Prismen von wenigen Graden
anwenden, bei welchen natürlich die Ablenkung nicht be-
deutend sein kann, so wird man auch den Schlufs jenes
101. Paragraphen ohne weitern Commentar verstehen : » u n d
auf diese Weise vorbereitet, wird man sich überzeu-
gen, dafs Newton's Proposition keinesweges durch dieses
Experiment irgend ein Gewicht erhalten habe « *). Wem es
') Bei der Darstellung dieses Versuches, den eben Newton als
142
aber darum zu thun ist, unvorbereitet diese Proposition
zu prüfen, der halte ein durch Kobalt gefärbtes, tief violettes
Glas vor ein gewöhnliches Wachslicht, und betrachte diese
violette Flamme durch ein gleichseitiges Flintglasprisma« Er
kann dann selbst entscheiden, ob er das Blau durch einen
breiten, dunkeln Raum von dem Roth getrennt sieht, oder
nicht. Hier ist kein Rand, kein Farbengespenst (denn so
soll ja nun einmal Spectrum übersetzt werden), vor dem
man sich zu fürchten braucht, auch keine kleine Oeffnung 1 ).
entscheidend experimentum crucis nannte, Tafel II g, ist außerdem,
wie Goethe seihst eingesteht, die Zeichnung noch falsch; pag. 6
der Erklärung der Tafeln heifst es: »Nur ist hier in der Tafel der
Fehler, dafs das erscheinende Bild g nicht weit genug wegge-
rückt, und nicht breit genug gefärbt ist. Welches man sich
denken, oder auf einem besondern Blatt leicht verbessern kann«.
') Da so viel gegen kleine Oeffnungen polemisirt worden ist, so
ist durch eine falsche Zeichnung auf der ersten Farbentafel Goethe's
der Verdacht entstanden, es seien deswegen von ihm grofse gewählt,
weil man da nicht so deutlich wahrnehmen könne , dafs das Spectrum
unmöglich durch ein Doppelbild hervorgebracht werden kann. Ein
verdoppelter Kreis wird nämlich immer zwei Kreise mit zwei Ein-
schnitten geben. Der Umfang jedes durch eine runde Oeffnung ge-
bildeten prismatischen Farbenbildes von jeder beliebigen Gröfse be-
steht aber aus zwei Kreisbogen und aus ihren gemeinschaftlichen
geraden Tangenten. Da nun für ein gegebenes Prisma der Abstand
der beiden Mittelpunkte ein gegebener ist, so werden die Tangenten
bei Vergrößerung der Oeffnung immer weniger merklich. Dieser
Verdacht gegen Goethe ist aber ungerecht. Ich führe dies daher
blos deswegen an, weil viele, welche sich Anhänger der Goe the-
schen Farbenlehre nennen, die Unkenntnifs derselben und die der
Erscheinungen so weit treiben, dafs sie glauben, es sei hier von einer
Verdoppelung die Rede, im Sinne eines Nebeneinanderlegens von zwei
Bildern. Dafs dies nicht Goethe's Ansicht ist, geht aus der rich-
tigen Zeichnung des in der Diagonale verschobenen Quadrates hervor,
während bei den verdoppelten Kreisen allerdings die Tangenten nicht
sichtbar sind, also das Phänomen falsch dargestellt ist. Hegel sagt
143
Was also die Goethe'sche Ableitung der prismatischen
Farben betrifft, so ist sie kurz folgende. Dunkele Gegen-
stände, durch ein erleuchtetes Trübes gesehen, erscheinen
blau, z. B. die Berge und der Himmel durch die reine Luft
betrachtet, helle hingegen, durch ein Trübes gesehen, gelb,
in dieser Beziehung viel bestimmter: »dafs beim Prisma das Helle
über das Dunkele, oder umgekehrt, hergezogen wird, so dafs das
Helle eben so noch als Helles selbstständig durchwirkt, als es ge-
trübt an seiner Stelle bleibt und zugleich verrückt wird.« Die bei
Newton ruhend neben einander vorgestellten, unzähligen Bilder
sind also hier dargestellt als Stadien der Bewegung eines Bildes. Um
aber in die Goethe'sche Darstellung nicht etwas hineinzulegen, was
sie vielleicht nicht unmittelbar enthält, führe ich Goethe's Worte
selbst an: »In dem gegenwärtigen Falle, da wir von Farbenerschei-
nungen bei Gelegenheit der Refraction sprechen, kommt nur das be-
grenzt Gesehene, kommt nur das Bild in Betrachtung, denn das un-
begrenzt durch Refraction Gesehene zeigt keine Farbenerscheinungen.
Wir können aber die Bilder überhaupt zu nähern chromatischen Dar-
stellungen in primäre und secundäre Bilder eintheilen, nämlich 1. ur-
sprüngliche und abgelenkte, 2. directe und indirecte, 3. Hauptbilder
und Nebenbilder. Ein Nebenbild ist eine Art von Doppelbild,
nur dafs es sich von dem Hauptbilde nicht trennen läfst, ob es sich
gleich immer von demselben zu entfernen strebt. Von solchen ist
nun bei den prismatischen Erscheinungen die Rede. Das Büd wird
durcb Refraction verrückt, aber nicht vollkommen, nicht rein,
nicht scharf verrückt, sondern unvollkommen, dergestalt,
dafs ein Nebenbild entsteht. Es entsteht, wenn die Refraction auf
ein Büd wirkt, an dem Hauptbilde ein Nebenbild, und zwar scheint
es, dafs das wahrt Bild einigermafsen zurückbleibe und sich
dem Verrücken gleichsam widersetze. Das Kennzeichen des Neben-
bildes ist die Halbdurchsichtigkeit. Man denke sich daher in-
nerhalb eines durchsichtigen Mittels, dessen innere Anlage ist, nur
hajbdurchsichtig, nur durchscheinend zu werden (das Durchsichtige
selbst, empirisch betrachtet, ist schon der erste Grad des Trüben),
man denke sich innerhalb desselben ein halbdurchsichtiges Schein-
bild, so wird man dieses sogleich für ein trübes Bild ansprechen.
Und so lassen sich die Farben bei Gelegenheit der Refraction aus
144
wie die Sonne durch einen gewissen Grad Dünste gesehen.
Das Prisma erzeugt aber so vor einander schwebende Bilder,
die halb übereinandergreifend, auf der einen Seite den gelben,
auf der andern den blauen Rand hervorbringen. Hier nun
wird jeder Unbefangene zugeben, dafs in der Goethe'schen
Vorstellung immer nur zwei Farben entstehen können, nicht
drei '). Denn was heifst das, im Sinne der Theorie, das
der Lehre von den trüben Mitteln gar bequem ableiten. Denn wo
der voreilende Saum des trüben Nebenbildes sich vom Dunklen über
das Helle zieht, erscheint das Gelbe, umgekehrt wo eine helle Grenze
über die dunkle Umgebung hinaustritt, erscheint das Blaue. Die vor-
eilende Farbe ist immer die breitere (§. 230 — §. 240). Ob nun
diese Darstellung die sei, in welcher allein die Begriffsbestimmung
der Farbe auf die ihr gehörige sinnliche Weise ausgedrückt wird,
ist eine Frage, deren Beantwortung, der Wellentheorie gegenüber,
bis jetzt wenigstens noch nicht einmal versucht worden ist.
*) §. 801 sagt Goethe: »Gelb und Blau, welche wir als die
ersten und einfachsten Farben ansehen.... §. 802: Wenn beide
Mutter färben sich in der Mischung (zu Grün) genau das Gleich-
gewicht halten, so ruht das Auge und das Gemüth auf diesem Ge-
mischten wie auf einem Einfachen.... §. 792: Man denke sich
ein ganz reines Roth, einen vollkommen auf einer weifsen Porzelan-
schale aufgetrockneten Carmin. Wir haben diese Farbe ihrer hohen
Würde wegen manchmal Purpur genannt. Wer die prismatische Ent-
stehung des Purpurs kennt, der wird nicht paradox finden, wenn
wir behaupten, dafs diese Farbe theils actu, theils potentia alle
andern Farben enthalte. Hingegen heifst es aber §. 819: Gelb und
Blau ist die einfachste von solchen Zusammenstellungen. Man kann
sagen, es sei zu wenig in ihr, denn da ihr jede Spur von Roth
fehlt, so geht ihr zu viel von der Totalität ab.« Von Hooke end-
lich sagt Goethe in der Geschichte der Farbenlehre: »Seine Far-
benlehre ist freilich barok: Er nimmt nur zwei Farben an, Blau
und Roth.« Endlich §. 50: »Gelb fordert Violett, Orange das Blau,
Purpur das Grüne. So fordert die einfachere Farbe die zusammen-
gesetztere. « Hier ist also Purpur, welcher theils actu theils potentia alle
andern Farben enthält, einfacher gegen das zusammengesetztere Grün,
auf welchem das Auge und das Gemüth wie auf einem Einfachen ruht.
145
Gelb steigert sich allmählig zum Roth? Merkwürdiger Weise
sagt auch Goethe (696) »die Farbe stellt einen Gegensatz
dar, den wir eine Polarität nennen, und durch Plus oder
Minus recht gut bezeichnen ; « und nun folgen solche Gegen-
sätze: Gelb und Blau, Licht und Schatten, Hell und Dunkel,
Abstofsen und Anziehen, wo man denn billiger Weise nach
dem Rothen fragt. Denn wenn sich das Gelb zu dem Roth
steigert, warum steigert sich dann das Blau nicht auch.
Hegel nennt Grün die Vermischung des Gegensatzes des
Blauen und Gelben; Roth die Individualität desselben. Eine
Schwierigkeit auf diese Weise beseitigen, heifst sie aner-
kennen. Denn dafs deswegen, weil Roth die geforderte Farbe
des Granen ist, jenes als subjective Einheit des Blauen und
Gelben dem Grünen als blos äußerlicher Zusammensetzung
derselben gegenüber treten müsse, würde bei dem ganz
gleichen Verhalten des Violetten zum Gelben und des Orange
zum Blauen doch wohl nicht als ein Grund angegeben wer-
den können. Man hat der Newton 'sehen Farbentheorie
vorgeworfen, dafs sie nicht bestimmt angebe, wie viel Far-
ben es gebe. Von der Goethe 'sehen kann man aber sagen,
dafe sie nicht zu der Anzahl führt, die sie als die richtige
voraussetzt
Nach dem Gesetze der Reciprocität bleibt jede optische
Erscheinung dieselbe, wenn man sich vorstellt, das Licht
gehe den entgegengesetzten Weg. Fängt man daher in be-
liebiger Entfernung vom Prisma den aus ihm austretenden
farbigen Lichtkegel mit einem dem ersten gleichen, aber nicht
gleichartig, sondern symmetrisch gestellten Prisma auf, so
wird das aus diesem zweiten Prisma austretende licht ein
gerader Cylinder weifsen Lichtes werden, dessen Achse der
Achse des auf das erste Prisma einfallenden Cylinders pa-
10
146
rallel ist. Könnte man durch ein Prisma von stärker brechen-
der Substanz und kleinerem Winkel ein dem ersten ganz
entsprechendes Spectrum hervorbringen , so würde vollkom-
mene Achromasie ohne Aufhebung der Brechung möglich
sein. Dies ist aber, wie die secundären Spectra, welche
dann hervortreten, zeigen, nicht möglich, und in diesem
Sinne hatte Newton vollkommen Recht, dafs diese Achro-
masie, streng genommen, nicht möglich ist. Geirrt hat er
sich aber, und zwar bedeutend, dafs er sie auch nicht für
nahe erreichbar hielt. Die Behauptung aber, dafs Newton,
welcher auf vier verschiedene Arten ! ) Achromasie darstellte,
nach seiner Theorie sie für unmöglich erklärt, setzt Gläubige
voraus , wie sie wenigstens in der Sphäre des Naturstudiums
nicht vorausgesetzt werden dürfen.
Aber wie stellen wir uns vor, dafs divergirendes farbiges
Licht, wieder parallel gemacht, weifs werde? »Kann man
sich wirklich nicht stark genug über die Barbarei der Vor*
Stellung ausdrücken, dafs auch beim Licht nach der schlech-
testen Reflexionsform, der Zusammensetzung, gegriffen wor-
den ist?« *).
Werden auf einer Wasserfläche von vielen Erschütte-
') Aufs er den angegebenen nämlich: das Zusammenfallen der
äufsern Farbenringe bei auf einander gelegten Gläsern, die Vereini-
gung des prismatischen farbigen Lichtkegels zu Weife in dem Brenn-
punkt einer Linse, endlich das Erscheinen von Weifs an der Stelle
vieler paralleler Spectra, wenn die sie hervorbringenden Oeffhungen
schnell bewegt werden. Statt der mit Pigmenten bemalten, rotiren-
den Farbenscheibe hat Münchow das Prisma selbst oscilliren lassen.
Man sieht dann statt des berühmten Grau ein wirkliches Weifs. In
Beziehung auf die Darstellung des Weifs aus den complementaren
Polarisationsfarben siehe die spätere Abhandlung über die Erscheinun-
gen in rotirenden Polarisationsapparaten.
a ) Hegel, Encyclopädie p. 305.
147
rangspunkten aus Wellensysteme erregt, so zeigen dieselben,
nachdem sie sich durchkreuzt haben, dieselbe Regelmäßig-
keit, als wäre jedes allein erregt worden. Wie viel Töne
auch in einem vollstimmigen Concerte gleichzeitig erklingen,
keiner verwirrt den andern. Diese mperposition de petits
mouvementSj wie man sie nennt, bat man sich nicht so vor-
zustellen, als wenn das Lufttheilchen wirklich zugleich alle
die einzelnen Schwingungen vollständig ausführte, deren re-
gelmäßige Wiederholung in der nicht anderweitig erschüt-
terten Luft jeden einzelnen Ton hervorbringt. Es folgt viel-
mehr der Gesammtwirkung aller es gleichzeitig anregenden
Impulse in einer durch sie bestimmten mittleren Richtung.
Wollen wir uns aber seine Bewegung anschaulich machen,
so müssen wir sie in diese verschiedenen periodischen
Schwingungen zerlegen. Wenn wir also sagen, das Weifs
bestehe aus den homogenen Farben, so ist damit nur ge-
sagt, dafs die jedesmalige Bewegung des Aethers in Schwin-
gungen mit einer jenen Farben entsprechenden Periodicität
zerlegt werden könne. Ganz etwas ähnliches spreche ich
aus, wenn ich sage, die Planeten bewegen sich in Ellipsen
um die Sonne. Diefs ist nur wahr, abgesehen von den Stö-
rungen, d. h. unter der Voraussetzung, dafs jedesmal nur
ein Planet um die Sonne sich bewegend gedacht wird. Kein
Mensch hat aber bisher an diesem Ausdruck Anstofs gefun-
den. Weifses Licht unterscheidet sich daher von homogen-
farbigem nur durch eine complicirtere Periodicität seiner
Schwingungen, die aber, weil sie aus continuirlich in einan-
der Übergehenden Elementen besteht, in sich selbst ein ein-
facheres Gesetz ' darstellen kann, als das der Schwingungen
nicht homogener Farben, deren Spectra sich stets als discon-
tinuirlich, wenigstens in Beziehung auf Intensität, erwei-
10 •
148
sen 1 ). Iü diesem Sinne könnte man also sagen, weifses Licht
sei einfacher, als die gewöhnlichen Farben, hingegen wer-
den immer die homogenen Farben einfacher sein, als das
Weifs.
Dafs die prismatischen Farben dunkler sind, als das
Weifs , folgt einfach daraus , dafs dieselbe Lichtmenge kegel-
förmig sich erweiternd sich über immer gröfsere Flächen ver-
breitet, also an Helligkeit abnimmt. Nennt man aber die
Farben eine Verdunkelung des Lichtes, so ist das schon
eine petitio principii. Ein erwärmter Draht kommt zuerst
in das Rothglühen, dann erst glüht er weifs. Hier ein Trübes
annehmen, durch welches das weifse Licht allmählig hin-
durchleuchte, wäre doch zu willkürlich. Ist es nicht viel na-
türlicher, darin einen Effect anzuerkennen, der sich allmählig
zur Totalität steigert. Wenn es aber widersinnig sein soll,
anzunehmen, dafs das Licht aus Farben, d. h. aus Dunkel-
heiten, bestehe, so liegt das Barocke doch wohl nur im Aus-
drucke, der auf ein quantitatives Verhältnifs gar nicht pafst.
Wenn jemand einen Groschen besitzt, so wird man ihn
mit Recht arm nennen. Da aber das Vermögen eines Millio-
närs doch zuletzt aus einzelnen Groschen besteht, so könnte
man eben so sagen, der Reichthum jenes Mannes ist aus
lauter Armuth zusammengesetzt.
Wie hängt aber die Brechung mit der Wellenlänge zu-
sammen? Um dies zu erläutern, müssen wir zu einem schein-
bar sehr fernliegenden Gleichnifs unsere Zuflucht nehmen.
') Die vollständigsten Versuche hierüber haben angestellt: Her-
schel, on de absorption of ligbt by coloured media and on the co-
lours of the prismatic spectrum exhibited by certain flames. Edinb.
Phil. Trans. 9, pag. 445, und Brewster, description of a mo-
nochromatic lamp for microscopical purposes with remarks on the
absorption of the prismatic rays by coloured media ib. p. 433.
149
Wenn ein Reiterregiment, in einer Colonne auf ebenem
Boden trabend, plötzlich auf ein beackertes Feld kommt, auf
welchem die Pferde nur Schritt gehen können, so wird es,
wenn es schief gegen die Grenze des Feldes anreitet, un-
merklich schwenken. Der zuerst auf das Feld gelangende
Flügel wird nämlich schon Schritt reiten, wenn die Andern
noch auf dem ebenen Felde traben. Sind aber Alle auf dem
beackerten Felde angelangt, so ändert sich die Richtung nicht
weiter, nur bleibt das langsamere Fortrücken. Geschah das
Heranreiten aber senkrecht auf die Grenze beider Felder, so
wird die Richtung unverändert bleiben, aber das Regiment
so fortrücken, als wenn plötzlich Schritt commandirt worden
wäre. Stellt nun jenes Reiterregiment eine Lichtwelle vor,
das beackerte Feld ein dichteres Medium, z. B. Glas in Be-
ziehung auf Luft, so wird die Richtung eines Schritt reiten-
den Reiters den gebrochenen Strahl bezeichnen , die Richtung
eines trabenden hingegen den einfallenden. Bei senkrechter
Incidenz findet also keine Brechung statt, die Schwenkung
wächst mit der Neigung und im Verhältnisse des Unterschie-
des des Widerstandes, welchen beide Felder dem Fortrücken
entgegenstellen. Das aus der Veränderung der Richtung des
gebrochenen Strahls für verschiedene Einfallswinkel stets
auf dieselbe Weise sich ergebende Verhältnifs der Geschwin-
digkeiten hat man Brechungsverhältnifs genannt. Wir wollen
nun annehmen, dafs zwei Regimenter dicht hinter einander
reiten, das erste, ein Kürassierregiment, habe gröfsere Pferde,
das zweite, ein Husarenregiment, kleinere. Wäre der Acker
so bearbeitet, dafs die Furchen dem Ausschreiten der grofsen
Pferde entsprächen , so würden die kleineren Pferde , kürzer
ausschreitend, bald in eine Furche treten, bald auf eine
Erhöhung, der Acker würde also ihrem Fortschreiten ein
150
gröfseres Hindernifs entgegenstellen, als den grofsen Pferden.
Da nun die Schwenkung von diesem Widerstände abhängt,
so sieht man leicht, dafs die auf ebenem Felde parallelen
Colonnen im beackerten Felde nach verschiedenen Richtungen
fortschreiten werden. Bedeuten nun die Schritte der kleineren
Pferde die kürzeren Wellenlängen des blauen Lichtes, die
Schritte der gröfseren Pferde die längeren Wellenlängen des
rothen Lichtes, so sieht man leicht, warum blaues und rothes
•
Licht parallel einfallend durch die Brechung ungleich abge-
lenkt wird. Der Grund, warum bei senkrechter Incidenz,
so wie bei dem Durchgange durch eine Planscheibe keine
Farben entstehen, ist eben so einleuchtend. Da aber das
Brechungsverhältnifs das Verhältnifs der Geschwindigkeiten
in beiden Mitteln darstellt, so folgt daraus einfach, dafs die
Wellenlängen des Lichtes in zwei Medien in diesem Ver-
hältnisse zu einander stehen müssen, im dichteren Mittel
also stets kleiner sind, wie auch die Verengerung der Far-
benringe zeigte. Wellenlänge nämlich war ja nichts anderes,
als das. Fortschreiten der Erschütterung während der Zeit
einer ganzen Undulation. Diese Zeit bleibt in beiden Medien
dieselbe, der in dieser Zeit durchlaufene Weg wird also ver-
ändert, im Verhältnisse der veränderten Geschwindigkeit
Dafs das von Snellius gegebene Gesetz für die Bestim-
mung der Richtung des gebrochenen Strahles aus der jedes-
maligen Richtung des einfallenden zu demselben Geschwin-
digkeitsverhältnisse des Lichtes in beiden Medien führt, wie
das ist, welches aus der gemessenen Veränderung der Wellen-
längen in beideu Mitteln folgt, wenn Interferenzerscheinungen
nach einander zuerst in dem einen Mittel , dann in dem an-
dern hervorgebracht werden , ist eine Verknüpfung der Ei>
scheinungen der Brechung und der Interferenz, wie sie nur
151
in der Wellentheorie gegeben wird. Die empirische Ent-
deckung dieses Zusammenhanges gebührt Newton, aber in
seiner Vorstellung der Anwandlungen ist gar kein Grund ab-
zusehen, warum derselbe Statt findet. Die Dispersion des
Lichtes heifst von unserm Gesichtspunkte aus also nichts
anders, als dafs die Wellenlängen der verschiedenen Farben
nicht in gleichem Verhältnisse verkürzt werden, d. h. dafs
der Widerstand, welchen ein Körper der Fortpflanzung des
Lichtes entgegenstellt, abhängt von der Oscillationsdauer
der Schwingungen. So wie nun bei einer andern Entfernung
der Furchen jenes Feldes die Pferde, welche vorher stärker
aufgehalten wurden , nun schneller fortschreiten können , und
umgekehrt, die vorher schneller fortschreitenden mehr ver-
zögert werden, so ist eine Beschaffenheit des Materiellen
denkbar, wo die rothen Strahlen mehr gebrochen wer-
den, als die blauen. Dies scheint nach den Phänomenen
der elliptischen Polarisation bei den Metallen der Fall
zu sein.
Ein unüberwindlicher Widerstand für alle Arten von
Schwingungen würde den Fall vollständiger Absorption dar-
stellen, ein für bestimmte unbesiegbarer die Ab s o*r p t io n s -
färben erklären. Ein rothes Purpurglas ist für alle Theile
des Spectrums, aufser Roth, undurchsichtig, daher erscheint
es auch, von weifsem Lichte durchstrahlt, roth, ein violettes
verlöscht die Mitte des Spectrums, aber nicht seine Enden,
daher erscheint es auch in weifser Beleuchtung mit diesen
Farben. Zwei recht homogene, aber verschiedenfarbige Glä-
ser über einander gelegt, bringen daher eine Verdunkelung
hervor, welche in gar keinem Verhältnisse zu ihrer Durch-
sichtigkeit steht, weil das Licht, welches das eine durch-
drungen hat, von dem andern aufgehalten wird. Man sieht
■:. ■* '
152
auf diese Weise die Entstehung eines immer dunkler wer-
denden Grau, in welchem man keine Spur von Farbe wahr-
nimmt, obgleich die Gläser, welche es zusammen hervor-
bringen, einzeln die lebhaftesten Farben zeigen, durch pas-
send gewählte grüne und rothe Gläser z. B. die Sonne zu
einer weifsen Scheibe ohne allen Glanz verdunkelt. Hingegen
vermag Licht, welches eine dünne Schicht eines Körpers
von reiner Farbe durchdrungen hat, viel mächtigere dessel-
ben Mittels ohne sichtbare Schwächung zu durchstrahlen.
So sieht der Portwein in einem Glase so tief roth aus , als
im stärksten Theile der Flasche. Die alkoholische Auflösung
des grünen Farbestoffs der Pflanzen zeigt hingegen das Phä-
nomen der Opalescenz, oder unvollkommener Durchsich-
tigkeit, d. h. das durch sie gesehene ursprünglich weifse
Licht erscheint, mit Zunahme der Dicke der Schicht, stets
anders gefärbt, weil die für homogene Farben einzeln unter-
suchte Absorption sich auf alle erstreckt, aber mit verschie-
dener Energie, so dafs eine nach der andern verlischt. Diese
Erscheinung findet fast nie bei farbigen Gläsern statt, eben
so selten bei chemischen Lösungen, woraus unmittelbar folgt,
dafs Pflanienpigmente sämmtlich Grau enthalten müssen.
Allgemein also kann man die Entstehung der natürlichen
Farben darauf zurückführen, dafs man sagt: wenn Licht
in einen Körper dringt und vermöge Zurückwerfung, wie
bei den katoptrischen Farben, oder vermöge Durchlas-
sung, wie bei den dioptrischen Farben, in das Auge
gelangt, so wird ein Theil desselben, nämlich Licht von
bestimmter Wellenlänge, absorbirt, und die Farbe des Kör-
pers ist die aus allen nicht verloren gegangenen resultirende,
so dafs sie also die absorbirte zur Farbe der Beleuchtung t
ergänzt, demnach für weifse Beleuchtung ihre Ergänzungs-
■''■■f ■
153
färbe ist. Zum Hervortreten der Farbe gehört daher ein be-
stimmter Grad von Durchsichtigkeit; bei totaler Reflexion
entsteht hingegen nur die Farbe der Beleuchtung und der
Körper heifst dann weifs. Diese totale Reflexion tritt aber
am leichtesten ein , wenn das Licht aus einem dichten durch-
sichtigen Medium in ein dünneres austreten will. Soll sie
nach allen Richtungen geschehen, so müssen beide Medien
häufig mit einander abwechseln. Weifse Körper sind daher
ein inniges Gemenge von zwei durchsichtigen, welche recht
verschieden das Licht brechen. So bildet Luft und Wasser,
innig gemengt, Schaum und Wolken, Luft und Eis den
blendend weifsen Schnee, ein zerstofsener Bergkrystall wird
Sand, zerstampftes Glas bildet ein weifses Pulver. Hingegen
wird der undurchsichtige, weifse Hydrophan im Wasser
durchsichtig und farblos, weil beide gleiches Brechungsver-
hältnifs zeigen, geöltes Papier verliert mit steigender Durch-
sichtigkeit seine Weifse, die in der Kreide enthaltenen Kreide-
thierchen sondern sich von der gleichförmig schwach durch-
scheinenden Masse, wenn diese, von Kanadabalsam durch-
drungen, durchsichtig wird etc. Eine besondere Klasse der
dioptrischen Absorptionserscheinungen treten im polarisirten
Lichte hervor, ein Farbengegensatz nämlich in der Achse
und senkrecht auf dieselbe, von denen einige unter dem Na-
men des Dichroismus bekannt waren,, aber vor Ent-
deckung der Polarisation unverständlich bleiben mufsten.
Auch hier haben wir den Fall einer gleichmäfsig verdun-
kelnden Wirkung auf alle Theile des Spectrums im Tur-
malm, und ein bekanntes Beispiel einer uugleichmäfsigen am
Dichroit, der daher auch, aber in geringerem Grade, als
polarisirende Vorrichtung angewendet werden kann.
Läfst man weifses Licht durch eine Schicht Salpetergas
154
hiiidurchscheinen , so zeigt das Spectrum desselben mehrere
hundert dunkle Querlinien , vom Violett an abnehmend an
Schärfe und Dunkelheit nach dem Roth hin. Bei gröfserer
Dicke der Schicht werden die Striche im Violett immer brei-
ter, die im Roth deutlicher. Aehnlich, wie Verdichtung,
wirkt Erhitzung. Das vorher fast farblose Gas wird all-
mählig blutroth , zuletzt so schwarz , dafs nicht ein Strahl
der hellsten Sommersonne durchzudringen vermag. Erregt
man gleichzeitig übereinander das gewöhnliche Spectrum
uud das Gasspectrum, so zeigt sich zwischen beiden die
merkwürdigste Uebereinstimmung der Lage der Linien bei
ungleicher Stärke derselben. Analog den Wirkungen des
Salpetergases sind die des Jodgases und Bromgases , welche
gleichweit abstehende Linien zeigen. Die zuerst auf eiuen
geringeren Raum beschränkten Linien des Jodgases bereiten
vom blauen Ende fortschreitend die Absorption vor, die zu-
letzt alles verlöscht, einen geringen Theil des Rothen aus-
genommen. Da nun die Linien des Sonnenspectrums bei
einer ringförmigen Sonnenfinsternifs übereinstimmen mit den
bei voller Beleuchtung gesehenen, also nicht durch die Son-
nenatmosphäre entstehen können ! ) , da ferner bei niedrigem
') Der Sirius giebt ein Spectrum mit andern Linien als die des
Sonnenspectrums. Die Spectra vom Lichte des Mars und dem der
Venus enthalten dieselben festen Linien, wie das vom Sonnenlicht,
und genau an demselben Ort, wenigstens was die Linien D, E und F
betrifft, deren relative Lage bestimmt werden konnte. Im Spectrum
des Sirius konnten im Orange und Gelb keine festen Linien gesehen
werden, aber ein sehr starker Streifen im Grün, und zwei im Blau,
welche keiner der Linien im Planetenlicht ähnlich sind. Ganz damit
stimmt das Spectrum von Castor überein. Im Spectrum des Pollux
sind viele schwache Linien, welche wie die der Venus aussehen,
D genau an derselben Stelle wie bei Planetenlicht. D und b am
'^
155
Staude der Sonne im Blau und Roth Linien entstehen, welche
bei hohem Sonnenstande nicht bemerkt werden, so folgt
daraus, dafs, wenn die Luft in dünnen Schichten farblos er-
scheint, sie in mächtigen farbig werden mufs. Dafs die Sonne,
durch eine bedeutende Luftschicht scheinend, gelbroth er-
scheint, ist daher eben nicht schwer einzusehen. An einem
ganz heitern Tage des Sommers 1799 erhielt Hassenfratz
um die Mittagszeit ein Spectrum von 360 Millimeter Länge,
worin alle Farben vom Purpur bis zum Roth deutlich zu
erkennen waren. Bei dem Untergang der Sonne, als sie gelb
erschien, war das Spectrum viel kürzer, ein mehr oder we-
niger beträchtlicher Theil des Violett war verschwunden,
Spectrum der Capeila entsprechen der Lage im Sonnenspectrum. Im
Spectrum des Procyon erkennt man nur mit Mühe einige Linien
(Frauenhofer in Gilb. Ann. 74 p. 377). Das Spectrum des aus Queck-
silber gezogenen magnetoelectrischen oder galvanischen Funkens be-
steht aus zwei dicht zusammenliegenden orangefarbenen Linien, einer
hellgrünen, zwei bläulichgrünen dicht nebeneinander, einer sehr hell
purpurrothen und einer violetten. Damit übereinstimmende Resultate
gaben aus Zink, Kadmium, Zinn, Wismuth und Blei im geschmol-
zenen Zustande gezogene Funken , allein die Anzahl , Lage und Farbe
der Linien war bei jedem Metall eine andere. Die Spectra von Zink
und Kadmium enthalten eine rothe Linie, welche den andern Spectris
fehlt. Das Licht, welches diese Metalle bei ihrem Verbrennen in
Sauerstoff entwickeln, giebt ein ganz verschiedenes Spectrum, hin-
gegen wurde das des galvanischen Funkens nicht verändert, wenn
der Versuch unter der Luftpumpe, im Toricellischen Vacuum, in Sauer-
stoff, Kohlensäure oder anderen Gasarten angestellt wurde, woraus
hervorgeht, dafs das Licht nicht durch eine Verbrennung der Me-
talle entsteht. Die hellen Querlinien des electrischen Funkens , welche
Frauenhofer bereits beobachtet hat, sind nach Lage und Zahl
bei verschiedenen Metallen, aus welchen der Funke hervortritt, ver-
schieden. Läfst man den Funken zwischen Kugeln von verschiedenen
Metallen überspringen, so erblickt man gleichzeitig die Linien beider
Metalle (Wheatstone in Pogg. Ann. 36 p. 148).
156
ja fehlte wie der Purpur zuweilen gänzlich. Am 15. Januar
1801 war die Länge des Spectrums Mittags 185 Millimeter
lang, als die Sonne bei ihrem Untergang schön roth erschien
nur 70 Millimeter und nur Roth, Orange und Grün zu un-
terscheiden. Dafs dem Sonnenlicht bei dem Durchgange durch
die Atmosphäre, wenn es gelb, orange oder roth erscheint,
mehrere Farben entzogen werden, folge, bemerkt Has sen-
fratz, aus dem Anblicke des Regenbogens, welcher dann
nur Roth, Orange und Orün enthalte. Wäre die Trübung das
Princip , so könnte die Sonne doch wohl hinter einer Wolke
nicht vollkomraeu weifs erscheinen. Dafs wenigstens eine
Farbenerklärung, die auf die nähere Natur des Trüben keine
Rücksicht nimmt, unrichtig sei, geht schon aus der ein-
fachen Thatsache hervor, dafs absorbirende tropfbare Flüs-
sigkeiten bei Vergröfserung der Dicke der Schicht, welche
das Licht durchdringt, nie zu neuen Strichen Veranlassung
geben, dafs in diesen vielmehr die früheren bis zum Ver-
schwinden der Farbe unverändert bleiben, und zwar zeigt
sich dies selbst bei denen, welche im gasförmigen Zustande
die eben erwähnten Erscheinungen entwickeln.
„Die gleichweit abstehenden Linien des Spectrums des
Jodgases erinnern so unmittelbar an Interferenzerscheinun-
gen, dafs Wrede ganz mit dem Gasspectrum übereinstim-
mende Erscheinungen durch Interferenz hervorgebracht hat.
Eiu dünnes Glimmerblatt wird zu einem Cylinder umgebogen
und vermittelst der aus dem von der Vorder- und Hin-
terfläche reflectirten Kerzenlichte gebildeten Lichtlinie ein
Spectrum hervorgebracht, welches mit ganz schwarzen Li-
nien durchzogen erscheint, deren Anzahl mit der Dicke des
Blattes zunimmt. Dies sieht man am besten, wenn die
Flächen des Blättchens sich etwas gegen einander neigen.
157
Die Anzahl und der Abstand der Linien ändert sich dann
continuirlich, wenn man den Cylinder dreht. Läfst man das
Licht nach einander von zwei Cylindern reflectiren, so erhält
man Spectra mit zwei Reihen Absorptionen, deren Verhältnifs
durch Drehung beider Cylinderflächen verändert werden kann.
Hier also ist durch die Wellentheorie der Weg zur Erläu-
terung der Absorptionsfarben bereits eröffnet.
Dafs Körper eine bestimmte Art Schwingungen leichter
vollführen, als eine andere, entbehrt in andern Gebieten nicht
der Analogie, und so möchte die schöne, von Seebeck in
Goethe's Farbenlehre mitgetheilte Entdeckung, dafs ein im
blauen Lichte glühender Barytphosphor in gelber Beleuch-
tung wie eine ins Wasser getauchte Kohle erlischt, sich
wenigstens deuten lassen, da sie mit der Emissionstheorie
gar nicht vereinbar scheint.
Hier nun würde auch noch zu besprechen sein , wie die
zu Schwingungen angeregte Netzhaut allmählig zur Ruhe
zurückkehrt, oder wie sie sich verhält, im Ueb ergang aus
einer Schwingungsart in die andere. Dafs eine mechanische
Erschütterung in ihr auch Vibrationen erregen und daher
einen Lichteindruck hervorbringen könne, ist bekannt. Die
Entstehung der Complementarfarben bei den physiologischen
Erscheinungen läfst sich aber immer darauf zurückführen,
dafs die Netzhaut an den Stellen, wo sie lange Zeit einen Far-
beneindruck empfangen, oder eine Farbenreaction geäufsert,
auf einige Zeit unempfänglicher wird für diesen Eindruck,
oder für diese Reaction, hingegen empfänglicher für die
Schwingungen, welche sie vorher nicht vollführte *). Wer
') In den folgenden Abhandlungen werden hierher gehörige Ver-
suche ausführlicher besprochen werden.
158 _
lange Roth gesehen, wird in den darauf folgenden Vibratio-
nen seiner Netzhaut sich nicht der Periodicität bewirfst,
welche diese Farbe hervorruft, daher sieht er statt weifs
dann grün. Hier aber ist es, wo der Physiker den nähere
Belehrung Wünschenden an den Physiologen verweist.
.■*«•*.
Optische Untersuchungen^^
L Stereoskopische Versuche.
* fc
1. Theorie derselben.
»
Ua die Ansicht eines mit dem rechten Auge betrachteten
Objectes von drei Dimensionen, wenn dieses nicht zu entfernt
ist, eine andre ist als die mit dem linken Auge erhaltene, so
schlofs Wheatstone 1 ), dafs wir einen Körper als solchen sehen
mittelst zweier verschiedener Netzhautbilder. Diese Ueberlegung
führte ihn zu der Frage, was geschehen würde, wenn anstatt
des Objectes selbst die Projektionen seines Bildes auf eine ebene
Fläche, welche genau so nachgezeichnet wären, als sie einem
Auge allein erscheinen müssen, gleichzeitig jedem Auge darge-
boten würden. Diese Frage beantwortete das von ihm erfundene
Spiegelstereoskop durch die merkwürdige Erscheinung, dafs wir
statt der beiden Projectionen nun den Körper selbst sehen.
Gegen die Wheatston'sche Erklärung macht Bruecke*)
geltend, dafs das Urtheil über die Entfernung eines Gegenstandes,
wenn uns die perspectivischen Hülfsmittel für die Schätzung der-
selben abgehen, nur aus dem Bewufstsein der Convergenz der
Sehachsen sich bildet, unter der wir denselben sehen, die in
uns hervortretende Vorstellung, dafs das, was wir sehen, als
Körper erscheine , involvire daher das Factum , dafs verschiedene
') Od some remarkable and hitherto unobserved phenomena of bino-
cular vision Ph. Tr. 1838 p. 371.
') Müllers Archiv 1841, p. 459.
11
162
Punkte in dem Angeschauten unter verschiedener Sehweite ge-
sehen werden. Wir schliefseh daher aus der Veränderung der
Convergenzpunkte der Augenachsen auf einen Körper , indem wir
abwechselnd die näheren und die entfernteren Theile desselben
ins Auge fassen.
Dieselbe Ansicht hat Prevost in einer im Jahr 1842 vor
der SociSte de Physique de Geneve gelesenen Abhandlung: essai
sur la the'orie de la vision binoculaire, ausgesprochen. Er sagt:
dans la vision binoculaire, il arrive ordinairement que F attention
se porte presque exclusivement sur le point de Vespace que Von
fixe. C'est en fixant successivement et rapidement les differentes
parties des objets, que Von parvient ä reconnaitre leur figure
et leur position dans Vespace.
Auch hat sich schliesslich Brewster 1 ) für diese Ansicht
entschieden. Er sagt: »Betrachten wir mit einem Auge einen
Körper, z. B. eine sechsseitige Pyramide, deren Spitze dem
Auge zugekehrt ist, so erkennen wir mit einem Blick, dafs es
nicht eine Zeichnung, sondern eine wirklich körperliche Pyra-
mide ist. Wenn das Auge sich dem Scharfsehen der Spitze
anpafst, so werden alle entfernteren Punkte nicht scharf gesehen,
aber das Auge streift rasch über das Ganze hin, indem es sich
dem Scharfsehen der Grundfläche und der Seitenkanten anpafst,
und bei diesen aufeinander folgenden Bemühungen, einmal die
Pupille und die Augenbrauen zu contrahiren, um nahe Punkte
zu sehen, dann sie zu expandiren, um entferntere zu sehen, erhält
es eine Kenntnifs des gegenseitigen Abstandes der verschiedenen
Theile. Betrachten wir nun die Pyramide mit beiden Augen,
so wird, wenn wir die Entfernung der Spitze oder eines andern
Punktes zu schätzen suchen, die Convergenz beider Augen nach
diesem Punkt hin ein sichereres Urtheil darüber erlauben, als
mit einem Auge«. Genau wie Bruecke erklärt er nun das
Relief des Stereoskop ; verändern wir nämlich bei den gezeich-
neten Projectionen im Stereoskop die Augenachsen so , dafs wir
einen nähern Punkt ins Auge fassen, als die Zeichnungen, so
') On tbe law of visible position in Single and binocular vision and
on the representation of solid figures by tbe union of dissimilar plane
piclures on the relina. Edinb. Trans. 1843, p. 349.
163
werden die Projectionen der Spitze auf die Grundfläche bei einer
bestimmten Convergenz der Achsen sich decken, vermeiden wir
die Convergenz, so werden es die Grundflächen thun, es tritt
also aus dem continuirlichen Schwanken der Augenachsen hier
dieselbe Vorstellung hervor, als aus dem bei dem Betrachten
eines wirklichen Körpers.
In den Berichten der Berliner Akademie 1841 , p. 252 habe
ich Versuche beschrieben, welche mit der hier gegebenen Er-
klärung sich nur unter der Annahme vereinigen lassen, dafs die
oscillatorische Bewegung der Augenachsen so schnell erfolgt, dafs
sie in einer kürzern Zeit als der millionste Theil einer Secunde
ausgeführt wird. Ob dies wahrscheinlich sei, mögen die Phy-
siologen entscheiden.
In einem dunkeln Zimmer stellte ich ein gewöhnliches Spie-
gelstereoskop so auf, dafs die beiden Zeichnungen desselben von
einer Lampe gleich hell beschienen waren. An die Stelle der
Lampe wurde nun eine sich selbst entladende Lane'sche electrische
Flasche gestellt , welche bei gleichbleibendem Drehen der Electri-
sirmaschine stets nach bestimmten Zeitintervallen sich entlud.
Dadurch wurde es möglich, auf die momentane Erscheinung
sich vorzubereiten. Ich sowohl als Andre , denen ich diese Ver-
suche zeigte, sahen vollkommen deutlich das körperliche Relief,
mitunter aber auch die beiden Projectionen, aus denen es ent-
steht. Nach den Versuchen von Wheatstone ist die Dauer
des Leuchtens eines electrischen Funkens kürzer, als der zehn-
millionste Theil einer Secunde. Während dieser Zeit müfste
also der Convergenzwinkel der Augenachsen mindestens einmal
um mehr als vier Grad verändert werden.
Durch diese Versuche ist erwiesen, dafs wir während eines
Blitzes Körper als Körper sehen.
Betrachtet man den Reflex einer Lichtflamme in einem kreis-
förmig polirten Deckel, etwa dem des Objectivs eines Fernrohrs,
so sieht man bekanntlich eine Lichtlinie, je nach der Neigung
des Deckels entweder lothrecht oder sehr schief geneigt gegen
die Oberfläche desselben. Vertauscht man die Lichtflamme mit
dem Funken der sich entladenden ^lasche , so sieht man diese
stereoskopische Lichtlinie als Weg zweier Funken, die sich ent-
11*
164
weder im Durchschnittspunkt der Linie mit der Fläche des Deckels
in der Mitte desselben begegnen, also aufeinander zugehen, oder
von ihm nach entgegengesetzten Richtungen hin auszugehen schei-
nen. Die Erklärung liegt darin, dafs wir uns nach der zufälligen
Richtung der Augenachsen nicht der Beleuchtung des Randes in
demselben Moment bewufst werden, als der der Mitte. Dieser
Versuch scheint für einen Zustand der Ruhe des Auges während
des momentanen Leuchtens zu sprechen.
2. Stereoskopische Erscheinungen ohne An-
wendung eines besonderen Instrumentes.
1. Wenn zwei Personen mit auf einander gelegten Stirnen
einander in die Augen sehen, so gehen für jeden die Augen
des andern zuletzt in einem grofsen Auge in der Mitte der Stirn
zusammen.
2. Wer sich im Doppeltsehen geübt hat, kann die beiden
stereoskopischen Bilder neben einander legen, sie durch Doppelt-
sehen in einer Richtung, parallel der Verbindungslinie beider
Augen, in vier verwandeln, die beiden mittleren zum Decken
bringen und erhält dann das Relief in der Mitte zwischen seinen
beiden Projectionen. Einen sonderbaren Eindruck macht es, wenn
die Bilder sich zum Relief vereinigen. Es ist, als wenn sie,
so wie sie sehr nahe an einander gekommen sind, sich mit be-
schleunigter Geschwindigkeit anzögen.
3. Durch folgenden Versuch kann man sich überzeugen,
dafs nur bei binocularem Sehen das umgekehrte Bild im Hohl-
spiegel vor demselben erscheint. Man nähert einen an einem
Stift befestigten Ring, z. B. den einer B er zelius 'sehen Lampe,
dem Hohlspiegel so, bis beide durch einander hindurchgehen
und das vergröfserte Bild des Ringes zwischen dem Auge und
dem wirklichen Ringe steht. Schliefst man nun das linke Auge,
so tritt das Bild des Ringes augenblicklich hinter denselben
zurück. Der abgekürzte Hohlkegel, welcher dem Auge seine
Grundfläche zukehrte, wendet nun plötzlich ihm seine Schnitt-
fläche zu. Nähert man bei dem Sehen mit einem Auge die
165 •
Hand plötzlich dein Spiegel , so glaubt man allerdings auch mo-
nocular die Hand sich nähern zu sehen. Dies ist aber nur eine
bei schneller Bewegung eintretende Täuschung, da man sich
nicht vorstellen kann, dafs die an der Stelle bleibende Hand
gröfser wird.
Ich stellte eine kleine Gypsbüste so vor den schön ge-
schliffenen Hohlspiegel eines Amici'schen Mikroskops, dafs das
binocular gesehene umgekehrte Bild desselben in gleicher Gröfse
unmittelbar neben dieselbe fiel. Bei unverrückt bleibender Stellung
des rechten Auges schlofs sich das linke. Augenblicklich trat
das Bild in die Fläche des Spiegels zurück und erschien nun
viel gröfser, weil es, unter demselben Gesichtswinkel gesehen,
nun in gröfscrer Entfernung zu stehen schien.
Auf diese Weise erklärt sich, dafs bei Anwendung ste-
reoskopischer Apparate, besonders wenn man die Zeichnungen
aus gröfserer Entfernung betrachtet, bei Vertauschung beider
Projectionen mit einander convexe Reliefe weniger erhaben er-
scheinen als coneave. Man setzt nämlich die Ebene des Papiers,
auf welcher als Grundfläche die Zeichnung ausgeführt ist, in
beiden Fällen in gleiche Entfernung. Dafs dies der Grund der
Erscheinung sei, geht daraus hervor, dafs hierbei die Seiten-
flächen einer abgekürzten Pyramide weniger steil gegen die Grund-
fläche geneigt zu sein scheinen , wenn die Schnittfläche dem Auge
zugekehrt ist, als wenn man in die hohle Pyramide hinein zu
sehen glaubt. Da man nämlich die Schnittfläche in beiden Fällen
unter gleichem Sehwinkel sieht, im zweiten Falle sie weiter zu
sehen glaubt, so erregt sie die Vorstellung eines gröfsern in
gröfserer Entfernung gesehenen Schnittes. Deswegen erscheint
die Neigung vermindert.
Bei vergleichenden stereoskopischen Untersuchungen müssen
die Bilder stets in gleichbleibender Entfernung liegen. Man ver-
meidet dadurch die Gröfsenveränderungen , welche sogleich ein-
treten, wenn man das Relief in richtiger Entfernung erhalten
hat und indem man eine Zeichnung verschiebt und das An-
passungsvermögen des einen Auges ändert, das andre Auge
zwingt, ein gleiches zu thun. Als Kennzeichen einer guten
Combination kann es dienen, dafs wenn man den Kopf 4angsam
<
' 166
seitlich hin und her hewegt, das Relief in eine langsam schwin-
gende Bewegung versetzt wird.
3. Erscheinungen, wenn die beidenim Stereoskop
betrachteten Projectionen des Körpers ver-
schieden gefärbt sind.
Die Beschreibung, dessen, was man sieht, wenn man dem
rechten Auge eine andre Farbe darbietet als dem linken, fällt
bei verschiedenen Beobachtern sehr verschieden aus. Einige sehen
abwechselnd eine Farbe nach der andern, einige farbige Flecke
der einen neben farbigen Flecken der andern, endlich einige
die aus beiden Farben entstehende Mischungsfarbe. Streng ge-
nommen liegt in dieser Beschreibung das Gemeinsame, das alle
zugeben, dafs unter gewissen Bedingungen eine Combination
beider Farben möglich sei, denn das Nacheinander mufs einen
Durchgangspunkt haben, wo die abklingende Farbe eben so
stark wird, als die in das Bewufstsein tretende, das Nebenein-
ander mufs Stellen des Uebergangs haben, da die Flecke neben
einander sich nicht scharf gegen einander abgrenzen. Es sind
dies also dieselben Zustände, welche sich bei der dritten Art
auf längere Zeit hervorbringen lassen.
Dafs die durch Polarisation entstehenden Complementar-
farben, wenn sie gesondert den beiden Augen dargeboten wer-
den, sich zu Weifs neutralisiren, habe ich auf folgende Weise
erhalten '). In die Seitenwände eines Stereoskops gewöhnlicher
Construction wurden zwei grofse Löcher geschnitten, welche
einander beim Hineinsehen in die Spiegel deckten. Um diese
Oeflhungen durch volles Licht gleichförmig zu beleuchten, waren
aufserhalb dieser Oeflhungen drehbare Reflectoren, wie bei dem
Sonnenmikroskop angebracht. Die Spiegel des Stereoskops waren
unbelegte Polarisationsspiegel. Vor denselben befand sich eine
Vorrichtung nach Art einer Brille, in deren Oeffnungen zwei
Nicol'sche um ihre parallelen Achsen drehbare Prismen einge-
schraubt wurden. Ein in eine Ebene ausgespanntes Glimmerblatt
') Berichte der Berliner Akademie 1841 , p. 251.
167
wurde nun zwischen die Prismen und die Polarisationsspiegel
eingeschaltet. Standen die Polarisationsebenen beider Prismen
auf einander senkrecht, so erschien bei dem Schliefsen des linken
Auges für das rechte die complementare Farbe von der, welche
man beim Schliefsen des rechten Auges mit dem linken erblickte.
Bei dem Sehen mit beiden Augen erschien die Oeffnung farblos.
Für Complementarfarben gleicher Intensität ist es also gleich-
gültig, ob die Farben sich auf der Netzhaut eines Auges wirklich
decken, oder ob sie gesondert auf die Netzhäute beider Augen,
fallen.
Wendet man hingegen statt der Polarisationsfarben Pigmente
oder die Absorptionsfarben durchsichtiger Gläser an, so wird
man sich leicht nur des Farbeneindrucks des einen Auges be-
wirfst, besonders wenn die Intensität der den beiden Augen dar-
gebotenen Farben verschieden ist, während doch, wenn einem
Auge zwei Farben dargeboten werden, ihre Mischungsfarbe ge-
sehen wird, wie verschieden auch die Intensität der Componenten
sein mag. Es würde daraus folgen, dafs, wenn zwei Wellen-
systeme gleichzeitig eine Netzhaut erschüttern, wir uns des daraus
resultirenden Systems stets bewufst werden; afficiren hingegen
zwei Systeme gesondert beide Netzhäute, dies nur dann statt-
findet, wenn die Elongation der Schwingungen beider nahe gleich
oder nicht zu sehr verschieden ist. Im ersten Falle kann man
daher nicht das resultirende System in seine Componenten zer-
legen, indem man eine der Componenten absichtlich übersieht.
Im letztem Falle ist dies möglich, weil beide Systeme sich
faktisch nicht zu einem resultirenden combiniren.
Wirft man die durch Doppelbrechung entstandenen Spectra
eines gleichseitigen Bergkrystallprismas , dessen Kanten der Achse
parallel sind, auf eine weifse Wand, so sieht man da, wo das
violette Ende des einen Spectrums über das rothe Ende des
andern greift, eine sehr schöne Purpurfarbe entstehen, welche
sich in ihre Componenten zerlegen läfst, wenn man die unmit-
telbar mit dem Auge aufgefangenen Spectra durch ein Nicol-
sches Prisma analysirt, bei dessen Drehung einmal das Violett,
dann das Roth als senkrecht auf einander polarisirt verschwindet.
Wirft man hingegen das Spectrum eines gleichseitigen Flint-
168
glasprisma auf die Wand und betrachtet dasselbe durch ein gali-
läisches und astronomisches Fernrohr gleicher Vergrößerung,
von denen das eine vor das rechte, das andere vor das linke
Auge gehalten wird , und zwar so , dafs die Bilder einander in
umgekehrter Lage decken, so verschwindet das Violett in der
Weise gegen das Roth, dafs man sich des Eindrucks des letztern
an den Grenzen der beleuchteten Stelle allein bewufst wird,
wenn man mit beiden Augen gleich scharf sieht. Der Uebcr-
gang des Fcuerroth durch Purpur in Violett erscheint erst, wenn
man die Sehkraft des einen Auges absichtlich schärft, so dafs
von den einander deckenden Bildern das eine zuletzt ganz ver-
schwindet '). Auf diese Weise scheinen sich die verschiedenen
Ergebnisse zu erläutern, welche in den Angaben der Versuche
verschiedener Beobachter sich finden, welche ihren Augen ge-
sonderte Farbeneindrücke darbieten.
Alles bisher Gesagte gilt in Beziehung auf farbige Flächen.
Bei den nachfolgenden Versuchen *) waren hingegen die im Ste-
reoskop gesehenen Flächen in der Regel farblos, weifs oder
schwarz, die Umrisse der beiden Projectionen hingegen durch
verschiedenfarbige Linien dargestellt. Bevor wir aber zur Erör-
terung derselben übergehen, müssen wir vorher untersuchen,
was eintritt, wenn der Farbeneindruck für beide Augen der-
selbe ist.
Werden beiden Augen im Stereoskop dieselben Farben dar-
geboten, so combiniren sich diese in eben der Weise, als wenn
die Zeichnungen weifs auf schwarzem Grund oder schwarz auf
weifsem Grund ausgeführt sind. Für dioptrische Farben erhält
man dies am besten , wenn man die Zeichnung weifs auf schwar-
zem Grund ausführt und durch ein grofses beide Augen be-
deckendes Glas betrachtet. Für katoptrische Farben ist es am
besten, die Umrisse mit lebhaften Farben auf weifsem Grund
zu entwerfen.
Dasselbe gilt für subjeetive Farben. Betrachtet man durch
ein farbiges Glas bei vollkommncn Ausschlufs des diffusen Ta-
geslichts eine auf einem weifsen Bogen mit schwarzen Linien
') Berichte der Berliner Akademie 1850, p. 152.
•) Berichte der Berliner Akademie 1851 , p. 246.
169
ausgeführte Zeichnung, so sieht man das Relief mit schwarzen
Kanten in der durch das Glas hervorgerufenen farbigen Be-
leuchtung. Hält man hingegen das farbige Glas in einiger Ent-
fernung vom Auge, so dafs das weifee zerstreute Tageslicht
das Auge ebenfalls trifft, so erscheinen die schwarzen Linien
lebhaft subjectiv gefärbt und desto lebhafter, je länger man die
Zeichnung betrachtet, in einem durch Kobalt blau gefärbten
Glase roth, in einem rubinrothen Glase bläulich grün. Dieselbe
Färbung zeigt sich an den Kanten des Reliefs, wenn man mit
beiden Augen durch das farbige Glas in das Stereoskop sieht,
diese Linien mögen nun gerade oder gekrümmte sein.
Ich zeichnete nun auf weifsen Grund mit rothen Linien
die Projection einer Pyramide, welche ein convexes Relief dar-
stellte, und über derselben Grundfläche mit blauen Linien die
Projection einer gleichen Pyramide, welche bei stereoskopischer
Combination hohl erscheint. Das -zweite Blatt enthielt die ent-
sprechenden Projectionen mit denselben Farben. Hätten sich die
Eindrücke in gleicher Weise combiniren lassen als ihre beiden
Componenten, so hätte die senkrechte Achse der convexen rothen
Pyramide die Verlängerung gebildet der ebenfalls senkrechten
Achse der hohlen blauen Pyramide. Es ist aber hier unmöglich
ein Relief zu erhalten, man sieht stets einen von einem Sechs-
seit umschlossenen sechsseitigen Stern , dessen sämmtliche Linien
aus nebeneinander liegenden blauen und rothen Linien gebildet
sind. Hierbei tritt die sonderbare Erscheinung ein, dafs die
Ansicht mit einem Auge in viel höherem Grade den Eindruck
eines Körpers macht, als die mit zwei Augen, weil im ersteren
Falle zwei perspective Zeichnungen an einen Körper erinnern
und deswegen zwei schiefe Pyramiden nach entgegengesetzten
Seiten sich über die Grundfläche zu erheben scheinen, indem
die Farbe das Zusammengehörige in zwei Gruppen sondert. Be-
trachtete ich nun die im Stereoskop binocular gesehene compli-
cirte ebene Figur durch ein blaues Glas, so erschien die con-
vexe Pyramide gebildet durch rothe Linien, betrachtete ich sie
hingegen durch ein rothes Glas , so erschien die hohle Pyramide
gebildet durch blaue Linien. Im ersten Falle nämlich verschwan-
den die blauen Linien fast vollständig in einer blauen Beleuch-
170
tung, während die durch das blaue Glas absorbirten rothen
Linien wie schwarze wirkten und sich daher röthlich subjectiv
färbten, hingegen orange, wenn das blaue Glas durch Hinzu-
fügung eines schwach grünen prismatisch untersucht homogen
war. Im letzten Falle verschwanden die rothen in der rothen
Beleuchtung und die blauen Linien verbanden sich subjectiv ge-
färbt zu einem Relief. Die in der gleichfarbigen Beleuchtung
nicht vollkommen verschwindenden Linien lagen in beiden Fällen
gesondert in der Grundfläche der Pyramide neben einander.
Das Ergebnifs dieses Versuches ist merkwürdig. Jedem
Auge werden zwei Ansichten dargeboten und dadurch ist eine
doppelte Verbindung dieser vier Ansichten möglich. Hält das
Auge die Identität des Umrisses fest und bekümmert es sich
nicht um die Ungleichheit der Farbe, so mufs es zwei ebene
Darstellungen sehen aus verschiedenen Farben zusammengesetzt.
Das geschieht, wenn die Intensität der vier Bilder dieselbe ist.
Wird diese aber sehr ungleich in Beziehung auf das körperlich
zusammengehörige und das nicht dazu gehörige, so tritt die
Identität des Umrisses zurück gegen die Vorstellung des Reliefs.
Aus diesen Versuchen geht hervor, dafs die Anforderun-
gen, welche wir an die Vorstellung des Reliefs machen, strenger
sind, als die, welche bei den Beziehungen stattfinden, welche
in einer Ebene liegend vorgestellt werden. Dafür spricht auch
folgender Versuch. Ich zeichnete von einer sechsseitigen Pyra-
mide für ein Auge die Projection vollständig, für das andere
die Grundfläche und drei Seitenkanten und erhielt nur die halbe
Pyramide, die einzeln gebliebenen drei Seitenkanten lagen flach
auf dem Boden der Pyramide und erhoben sich erst, als die
entsprechenden in der andern Zeichnung hinzugefugt wurden.
Hingegen ergänzten sich die Grundkanten, wenn sie alternirend
in jeder der beiden Zeichnungen fehlten, zu einem gemeinsamen
Umrifs.
Dennoch kann auch der stereoskopischen Anschauung zu
Hülfe gekommen werden. Ich nahm ein Bergkrystallprisma, in
welchem, wenn es als Prismenstereoskop gebraucht wurde, also
das durch das Prisma gesehene Bild mit dem mit blofsem Auge
betrachteten combinirt wurde, zwei nahe neben einander liegende
171
Bilder gleicher Intensität erzeugt wurden. Es ist klar, dafs nur
eins dieser Bilder das mit blofsem Auge gesehene decken konnte.
Dennoch erschien das Relief sehr deutlich aber mit verdoppelten
Kanten , vielleicht deswegen , weil die Lichtstärke des mit blofsem
Auge gesehenen Bildes die Summe der Intensitäten der beiden
durch das Prisma gesehenen Bilder war.
Als Uebergang der Erscheinungen, welche sich zeigen, wenn
bei stereoskopischen Versuchen den beiden Augen verschiedene
Farben dargeboten werden, wollen wir zunächst untersuchen,
was eintritt, wenn weifs und schwarz stereoskopisch combinirt
werden.
Ich zeichnete die Projection für das eine Auge mit weifsen
Linien auf matt schwarzen Grund, für das andere Auge mit
schwarzen Linien auf weifsen Grund. Bei stereoskopischer Com-
bination erhält man einen höchst merkwürdigen Anblick. Das
Relief von grauen Flächen begrenzt, die wie Graphit glänzen,
zeigt Kanten, die ihrer ganzen Länge nach aus blendend weifsen
und tief schwarzen einander seitlich berührenden Linien begrenzt
sind. Liegt das schwarze Blatt mit den weifsen Linien vor dem
linken Auge, das Blatt mit den schwarzen Linien auf weifsem
Grund vor dem rechten, so liegen die weifsen Linien rechts
neben den schwarzen, vertauscht man die Blätter vor den Augen,
so kehrt sich auch die Anordnung der Linien um. Die seitliche
Verschiebung ist daher immer eine gekreuzte.
Genau wie Weifs und Schwarz verhalten sich Farbencom-
binationen unter einander und mit Weifs, sie mögen nun dioptrisch
oder katoptrisch hervorgebracht sein. Um die Combination dioptri-
scher Farben mit Weifs und dieser unter einander zu erhalten,
bedient man sich Zeichnungen, die mit weifsen Linien auf schwar-
zem Grund entworfen sind. Im ersten Falle hält man nur vor
das eine Auge ein farbiges Glas, im letzteren vor beide, aber
vor das eine Auge ein anders gefärbtes als vor das andere.
Den schönsten Anblick gewährt das Relief, wenn ein tief blaues
und rothes Glas combinirt werden. Das Relief erscheint in violet-
ter Beleuchtung mit prachtvollen aus rothen und blauen einander
parallel berührenden Linien bestehenden Kanten. Aber auch bei
einander nahe stehenden Farben bestehen die Kanten aus der
172
ganzen Länge nach einander berührenden Farben und zwar ist
die seitliche Verschiebung eine gekreuzte, d. h. die mit dem
linken Auge gesehene Farbe erscheint rechts > die mit dem rechten
Auge gesehene links.
Ganz analog sind die Erscheinungen bei der Combination
katoptrischer Farben. Hier werden die Umrisse auf weifsem
Grund mit fiir die beiden Augen verschiedenen Pigmenten aus-
geführt. Um dioptrische mit katoptrischen Farben zu combi-
niren, betrachtet man eine auf schwarzem Grund mit weifsen
Linien ausgeführte Zeichnung durch ein vor das eine Auge ge-
haltenes Glas, mit dem andern blofsen Auge eine mit farbigen
Linien auf weifsem Grund ausgeführte. Die Ergebnisse bei allen
diesen Versuchen sind dieselben.
Sehr merkwürdig sind folgende Erscheinungen , die ich eben
deswegen auch von andern Beobachtern mir habe durch Wie-
derholung mit gleichem Erfolg bestätigen lassen. Ich zeichnete
mit weifsen Linien auf schwarzen Grund über derselben Grund-
fläche die Projection einer convexen und coneaven Pyramide,
auf ein zweites Blatt nur die Projection derselben convexen
Pyramide fiir das linke Auge. Brachte ich nun das rubinrothe
Glas vor das linke Auge, während die erste Zeichnung sich
vor dem rechten Auge ohne Farbenglas befand, so erschien die
Pyramide und die Projection, aber es hing von meiner Willkür
ab, die Pyramide aus weifsen und rothen Kanten bestehend zu
sehen, und die Projection dann aus weifsen Linien, oder die
Pyramide mit weifsen Kanten und die Projection dann aus weifsen
und rothen Linien. Ich habe genau dieselben Resultate mit den
verschiedensten katoptrischen und dioptrischen Combinationen er-
halten. Es geht daraus hervor, dafs sich eine Projection als
Contour mit einer andern zum Relief verbinden kann, und mit
einer zweiten Projection als Farbe. Als Analogon dieses Ver-
suches in dem Sinne, dafs eine Zeichnung für zwei andere
die Rolle des entsprechenden Bildes übernimmt, kann der mit
dem Bergkrystallprisma angestellte pag. 170 erwähnte Versuch
gelten.
Dieselben Erscheinungen , welche wir mit objeetiven Farben
erhalten, zeigen sich auch mit subjeetiven. Die auf weifsem.
173
Grund mit schwarzen Linien ausgeführten Zeichnungen betrach-
tete ich im Stereoskop , indem ich vor das eine Auge das rubin-
rothe Glas hielt, vor das andere das durch Kobalt blau ge-
färbte, und zugleich beide Augen durch das diffuse weifse Ta-
geslicht treffen liefs. Auch hier bestanden alle Kanten des in
voller Deutlichkeit hervortretenden Reliefs aus zwei parallelen
ihrer ganzen Länge nach einander berührenden farbigen Linien,
bläulich grün und rotli, die durch den Gegensatz sehr lebhaft
erscheinen. Zweckmäfsig hierbei ist, wenn die Durchsichtigkeit
der Gläser sehr verschieden ist, diese Ungleichheit dadurch zu
compensiren, dafs man die durch das helle Glas gesehene Zeich-
nung verhältnifsmäfsig schwächer beleuchtet. Auch diese sub-
jeetiven Farben erschienen kreuzweise verschoben; h\elt man
nämlich das rubinrothe Glas vor das linke Auge, das blaue
vor das rothe, so erschienen die bläulich grünen Linien rechts
neben den rothen.
Ich zeichnete auf ein rothes und auf ein grünes Papier
mit schwarzen Linien die Projectioncn eines Körpers, wie sie
der Ansicht des rechten und linken Auges entsprechen. Im
Stereoskop gleichzeitig gesehen, erschien das Relief mit schwar-
zen Kanten auf fast farblosem Grunde. Betrachtete ich hingegen
dieses Relief durch ein vor beide Augen gehaltenes violettes
Glas, so erschien der Körper auf weifsem Grunde mit Kanten,
die aus hellblauen und dunkelbraunen einander berührenden Pa-
rallellinien zusammengesetzt waren. Auch in diesem Falle waren
die neben einander sichtbaren Farben die, welche man einzeln
erblickte, wenn man abwechselnd durch das violette Glas mit
dem einen oder mit dem andern Auge die Zeichnungen be-
trachtete.
Alle bisher beschriebenen chromatischen Versuche wurden
mit dem gewöhnlichen Wheatstone'schen Stereoskop und mit
gleichem Erfolge mit den von mir im Folgenden beschriebenen
verschiedenen Prismenstereoskopen angestellt. Sie können daher
weder durch die bei Spiegelungen belegter Glasflächen entstehen-
den Nebenbilder, noch durch Fehler der Zeichnungen erklärt
werden. Ihre Erklärung mufs daher in der Structur des Auges
selbst gesucht werden.
174
Dafs das Auge nicht vollkommen achromatisch ist, ist seit
Frauenhofers Untersuchungen anerkannt und durch spätere
Versuche bestätigt. Es giebt dafür einen sehr einfachen Beweis,
eine Beobachtung, die vor zwölf Jahren von Hrn. Plateau
und von mir unabhängig von einander gemacht wurde. Be-
trachtet man nämlich durch ein violettes Glas, welches bei prisma-
tischer Analyse die Enden des Spectrums hindurchläfst, dessen
Mitte aber verlöscht, eine Lichtflamme, so sieht man in der
Weite des deutlichen Sehens die Lichtflamme violett, in einer
gröfsern Entfernung eine rothe Flamme in einer gröfsern blauen,
welche nach allen Seiten hin die erste übergreift und desto brei-
ter umsäumt, je weiter die Lichtflamme sich vom Auge ent-
fernt, in gröfserer Nähe als die Sehweite hingegen die violette
Flamme von einem scharfen rothen Rand umsäumt. Aus einer
mittleren Entfernung sieht ein weitsichtiges Auge das letztere,
wenn ein kurzsichtiges das erstere wahrnimmt. Ich habe seit
dieser Zeit, um auf diese Weise die Sehweite zu prüfen, hun-
derte von Individuen untersucht, und nie ein Auge gefunden,
welches für alle Entfernungen der Bedingung der Achromasie
entspräche. Was für ein Auge hier gesagt wird, gilt ebenso,
wenn beide Augen durch dasselbe violette Glas die Lichtflamme
betrachten. Bekannt mit diesen Erscheinungen fiel es mir auf,
dafs ich bei der stereoskopischen Betrachtung weifser auf schwar-
zen Grund gezeichneter Umrisse, wenn sie durch farbige für
beide Augen verschiedene Gläser betrachtet werden, die Breite
der Farbensäume in demselben Verhältnifs sah, als bei den früheren
Versuchen mit der Lichtflamme diesseits und jenseits der mittleren
Sehweite, es lag daher nahe, in der Nichtachromasie des Auges
den Grund der erwähnten stereoskopischen Erscheinungen zu
suchen.
Ich betrachtete daher eine feine weifs auf schwarzem Grund
gezeichnete Linie nach einander mit den einzelnen oben ange-
wendeten farbigen Gläsern, und fand, dafs die Linie, um durch
das rothe Glas deutlich gesehen zu werden, weiter vom Auge
entfernt werden mufste, als bei Betrachtung durch das blaue.
Dies ist analog dem von Brewster (Report of the British
Assoc. 1848 p. 48) für Pigmente erhaltenen Ergebnifs. Ich
175
schichtete nun verschiedene aus einem dünnen Brett geschnittene
Vierecke von verschiedener Gröfse und mit lebhaften Farben ge-
malt so über einander, dafs sie im verjüngten Mafsstab trep-
penartig über einander lagen, indem die Ränder der untern
über die der darauf gelegten kleinern hervorragten. Solcher
Pyramiden wurden zwei neben einander gebildet, in denen die
gleich grofsen Stufen entgegengesetzt gefärbt waren, so dafs
die eine Pyramide mit einer blauen, die andere mit einer rothen
Grundfläche begann. Es erschien nun ein blaues Viereck über
einer rothen Grundfläche stets höher, als das rothe über der
blauen, so dafs bei weiterem Aufbau die Pyramiden einander
abwechselnd an Höhe übertrafen. Aus diesen Versuchen folgt,
dafs die Convergenzlinien beider Augen bei deutlichem Sehen
für rothes Licht einen spitzem Winkel bilden als für blaues.
Hält man daher vor beide Augen dasselbe farbige Glas, so wird
sich die Accommodation beider ändern müssen, wenn man mit der
Farbe des Glases wechselt. Für die, welche mit beiden Augen
gleich gut sehen, wird die Accommodation bei dem gewöhn-
lichen Sehen für beide Augen stets dieselbe sein, proportional
nämlich dem Winkel der Convergenzlinien beider Augen. Hält
nun ein solcher Beobachter vor das eine Auge ein farbiges Glas,
vor das andere Auge ein anderes farbiges , so stellt er den Augen
die Aufgabe, die gleiche Accommodation beider oder wenig-
stens das Verhältnifs derselben unter der Voraussetzung, dafs
sie für beide Augen nicht gleich sei, zu verändern, und da
dieser Aufgabe nicht genügt werden kann, so werden sich die
Bilder nicht decken, sondern aus sich kreuzenden Richtungen
auf eine Fläche projicirt werden, die nicht im Durchschnitts-
punkte beider Richtungen liegt; und in der That dieselben Er-
scheinungen wie im Stereoskop treten freilich weniger deutlich
auch bei gewöhnlichem binocularem Sehen eines mit weifsen Li-
nien auf schwarzem Grund gezeichneten Gegenstandes hervor,
nämlich ein paralleles Nebeneinanderlegen einander berührender
farbiger Linien, wenn man mit dem rechten Auge durch ein
Glas ihn betrachtet, dessen Farbe eine andere ist, als die des
Glases, durch welches er gleichzeitig mit dem linken Auge ge-
sehen wird.
176
Betrachtet man binocular mit blofsen Augen einen weifsen
Gegenstand oder überhaupt einen nicht monochromatischen, so
kann der Bedingung des deutlichen Sehens streng genommen
nicht durch einen Convergenzwinkel der Sehrichtungen beider
Augen entsprochen werden, sondern durch mehrere, im ersten
Falle durch eine Anzahl zwischen den Grenzen fiir die rothen
und blauen Strahlen. Man kann sich nun vorstellen,* dafs die
Augenachsen zwischen jenen Grenzen ununterbrochen oscilliren,
oder das sie innerhalb der Grenzen jenes lothrecht auf die Ver-
bindungslinie der Augen liegenden Spectrums, welches bei dem
Weifssehen der Bedingung der Deutlichkeit für alle homogenen
Farben entsprechen würde, auf einen bestimmten Punkt dieses
Spectrums gerichtet sind. Das letztere ist mir das Wahrschein-
liche, weil ich binocular eine Linie weifs sehe, wenn ein elektri-
scher Funke momentan das Dunkel erleuchtet und sie auch ste-
reoskopisch combiniren kann, die kurze Lichtdauer mir aber
die Möglichkeit einer Oscillation der Augenachsen während dieses
Leuchtens auszuschliefsen scheint. Durchschneidet man nun die
linksliegenden Schenkel der den einzelnen Farben entsprechenden
Convergenzlinien mit einem rothen Glase, die rechtsliegenden
mit einem blauen, welches wie das von mir angewandte bis
zum violetten Ende des Spectrums diaphan ist, so werden von
den Unksliegenden Schenkeln nur die rothen, von den rechts-
liegenden nur die blauen übrig bleiben, welche auf eine Ent-
fernung bezogen werden, die der mittleren Convergenz bei Be-
trachtung eines weifsen Gegenstandes entspricht. Nun ist es
aber äufserst wahrscheinlich, dafs diese Entfernung nicht in der
Mitte der Grenzen fiir die rothen und blauen Strahlen hegen
wird, sondern wegen der gröfsern Helligkeit der weniger brech-
baren mehr nach dem rothen Ende hin. Daher werden auf der
Projectionsebene sich die Strahlen kreuzen, wegen des breiten
Raumes am blauen Ende aber die blauen Linien breiter sein als
die rothen. Dies ist aber genau die Erscheinung, wie sie wirklich
gesehen wird.
Aus dem eben Erläuterten folgt, dafs man farbige Li-
nien neben einander, farbige Flächen vor einander
sehen wird. Dafür sprechen aber folgende Versuche:
ir
i77
4. Entstehung des Glanzes.
Ich hatte die Schnittfläche einer abgekürzten Pyramide in
einer Projection mit einem gesättigten Blau, in der andern mit
Gelb bedeckt. Wenn bei stereoskopischer Combination daraus
Grün entstand, so war es mir im Moment, wo dies eintrat,
als wenn ich durch die eine durchsichtig gewordene Farbe die
andere hindurchsehe. Dafs viele die Farben nur nach einander
sehen, entweder die eine oder die andere, liegt einfach darin,
dafs dieselben die Anpassung der Augen für beide Farben ab-
wechselnd ändern und sich nur der Grenzen dieser Aenderung,
nicht der Mittelstufen bewufst werden. Bei der Combination zu
Grün schien mir und Andern die Farbe wie mit einem Firnifs
bedeckt. Dieses Glänzendwerden der Mischung hatte auch Herr
Oertling bemerkt, als er verschieden gefärbte Zweiecke einer
nach Art eines Luftballons gemalten Halbkugel stercoskopisch
combinirte. Aber diese Erscheinungen sind so wenig auffallend,
dafs sie von vielen nicht gesehen werden. Betrachtet man hin-
gegen bei stereoskopischer Combination die gelb und blau ge-
malte Schnittfläche der Pyramide durch ein vor beide Augen
gehaltenes violettes Glas, so erscheint sie spiegelnd wie ein po-
lirtes Metall, für ein einzelnes Auge hingegen matt. Wahrschein-
lich bewirkt das violette Glas, dafs die beiden zusammentreten-
den Farben durch das ungleiche Absorptionsvermögen zu gleicher
Intensität gebracht werden.
Unter allen Fällen, wo eine Fläche glänzend erscheint, ist
es immer eine spiegelnde durchsichtige oder durchscheinende
Schicht von geringer Mächtigkeit, durch welche man hindurch
einen anderen Körper betrachtet. Es ist also äufserlich gespie-
geltes Licht in Verbindung mit innerlich gespiegeltem oder zer-
streutem, aus deren Zusammenwirkung die Vorstellung des Glanzes
entsteht. Dies steigert sich bei der Anzahl der Abwechselungen
beider Körper. Daher nimmt aufgeblätteter Glimmer Metallglanz
an, Sätze von Glasscheiben hingegen Perlmutterglanz. Die beiden
auf das Auge wirkenden Lichtmassen wirken auf dasselbe aus
verschiedenen Entfernungen. Indem nun das Auge sich dem
12
178
durch die durchsichtige Schicht gesehenen Körper anpafst, kann
das von der Oberfläche zurückspiegelnde Licht nicht deutlich
gesehen werden und das Bewufstwerden dieser undeutlich wahr-
genommenen Spiegelung erzeugt die Vorstellung des Glanzes.
Der Glanz ist daher stets im eigentlichen Sinne ein falscher,
ein Beiwerk, welches blenden kann, das aber, wenn wir es
beachten, die Sache auf die es ankommt, scharf ins Auge zu
fassen verhindert. Er verschwindet daher, wenn man die Spie-
gelung fortschafft, indem man unter dem Polarisationswinkel
durch ein Nicol'sches Prisma auf den Firnifs eines Gemäldes
sieht. Die Modificationen, welche durch den Reflex des Lichtes
der spiegelnden Flächen aus dem Gangunterschied zweier Licht-
mengen in Beziehung auf die daraus resultirenden Lichtschwingun-
gen entstehen, sind daher nicht die Ursachen des Glanzes, son-
dern vielmehr Nebenfolgen der Bedingungen, unter welchen er
überhaupt entsteht.
5. Ableitung der Irradiation.
Aus allen bisher erörterten Versuchen geht mit Entschie-
denheit hervor, dafs Weifs und Schwarz sich in Beziehung auf
das Auge genau so verhalten, wie zwei verschiedene Farben.
So wie die rothen und blauen Ränder bei dem stereoskopischen
Relief sich kreuzend neben einander legen, ebenso die weifsen
und schwarzen ; so wie blaue und rothe Flächen in einer violet-
ten Mischung zusammentreten, so weifse und schwarze in einer
grauen. Der Glanz, den die Farben bei ihrer stereoskopischen
Combination annehmen, tritt in noch viel höherem Grade bei
Weifs und Schwarz hervor. Er ist so entschieden, dafs einige,
denen ich diese Versuche zeigte, ihn mit Bleiglanz oder dem des
Zinns verglichen, obgleich die weifsen und schwarzen Flächen
selbst vollkommen matt waren. Nach der oben gegebenen Ab-
leitung des Glanzes mufs aber die eine Fläche vor der andern
erscheinen, die Sehweite also für sie verschieden sein. Durch
directe Versuche habe ich dies bei Schwarz und Weifs nicht
ermitteln können, und es geht eben daraus hervor, dafs die
hier befolgte experimentelle Methode feinere Unterschiede zu er-
179
kennen gestattet, als die unmittelbaren Anschauungen. Da nun
Schwarz und Weifs sich nur quantitativ unterscheiden als größt-
möglichste Unterschiede der Helligkeit, so ist das Analogon zu
den früheren Versuchen mit farbigen Beleuchtungen, (bei welchen
in blauer Beleuchtung Gegenstände, um deutlich gesehen zu wer-
den, näher gestellt werden müssen, als in rother) das Betrach-
ten der Gegenstände mit blofsen Augen in verschiedenen Zu-
ständen der Helligkeit. Die Pupille erweitert sich im Dunkel
und zieht sich bei wachsender Helligkeit zusammen, die Pupille
ist aber auch kleiner bei dem Betrachten naher Gegenstände,
als wenn man einen entfernten scharf beobachtet. Ein dunkler
Gegenstand wirtl also unter ähnlichen äufserlich sichtbaren Ver-
änderungen des Auges gesehen wie ein fernerer, ein weifser
wie ein näherer. In der Entfernung des deutlichen Sehens er-
scheint durch das violette Glas , welches die Enden des Spectrums
hindurchläfst aber seine Mitte verlöscht, eine Lichtflamme, ohne
Saum violett, d. h. die rothe Flamme so grofs wie die blaue. ,
Ebenso erscheint in der Entfernung des deutlichen Sehens ein
weifser Gegenstand so grofs wie ein schwarzer. In gröfserer
Entfernung umsäumt ein blauer Rand die rothe Flamme, d: h.
die blaue Flamme erscheint gröfser als die rothe. Ebenso er-
scheint der weifse Kreis auf schwarzem Grund jenseits der Weite
des deutlichen Sehens gröfser, als der schwarze auf weifsem
Grund. Die Erscheinungen der Irradiation sind also durch eine
Kette experimenteller Erfahrungen mit chromatischen Erscheinun-
gen verknüpft, die unmittelbar den Weg zu ihrer Erläuterung
geben. Sie finden ihre Erledigung in dem Satze, dafs für eine
gegebene Entfernung die Accommodation des Auges für weifse
Gegenstände eine andere ist als für schwarze.
Daraus, dafs auch bei monochromatischer Beleuchtung die
Erscheinungen der Irradiation wahrgenommen werden, zieht Pla-
teau gegen Arago den Schlufs: que s'ü faut admettre l'exi-
stence de Vaberration de r&frangibüiti dans Voeil on doit aJtr-
tribuer Virradiation ä une autre cause, et que Veffet de l'aber-
ration doit e*tre consideri comme entikrement masqud dans les
circonstcmces ordinaires paar la bände d'irradiation. Kommt
der Unterschied von Weife und Schwarz auf den eines Helleren
12*
180
und Dunkleren zurück, so versteht sich von selbst, dafs, was
für die Totalität aller Farben gilt, auch auf jede einzelne mo-
nochromatische Farbe seine Anwendung finden mufs. Da nun
aber Weifs und Schwarz sich in allen erörterten Versuchen genau
wie zwei verschieden brechbare Farben verhalten, so kann man,
um von sämmtlichen hier zur Sprache gekommenen Erscheinungen
sich Rechenschaft zu geben, folgenden Satz aussprechen: Die
Accommodation des Auges ändert. sich, wenn es dieselbe Farbe
in verschiedener Intensität sieht in derselben Weise, als wenn
es verschiedene Farben von gleicher Intensität betrachtet, und
zwar verhält sich das Hellere zum Dunkleren, wie eine mehr
brechbare Farbe zu einer weniger brechbaren.
Aus den erläuterten Thatsachcn folgen einige praktische
Regeln dafür, wie man Drucke einzurichten habe, um für das
Auge am angemessensten bei dem Lesen derselben zu sein. Es
ist unzweckmäfsig, wie es jetzt so häufig geschieht, in einen
x mit schwarzen Lettern auf weifsem Papier gedruckten Text Fi-
guren einzufügen, welche weifs auf schwarzem Grund ausge-
führt sind. Die dem Auge passendste Schrift würde blaue Lettern
auf weifsem Grund sein oder schwarze Lettern auf einem nach
dem rothen Ende des Spectrum hin hegenden, vielleicht einem
in das Orange ziehenden Gelb. Dafs ein im Alter weitsichtig
werdender die Convexbrille zuerst bei dem Lesen gebraucht,
hat nicht allein seinen Grund in der Kleinheit der Schrift, son-
dern auch in dem Verhalten des schwarzen Pigments und der
weifsen Grundlage zum Auge. Schwarze Lettern, welche die
Schrift als stark hervorspringend perspectivisch darstellen, sind
besonders unzweckmäfsig, da das Auge ein Zurücktreten der-
selben gegen die Grundlage verlangt nicht ein Hervortreten vor
dieselbe.
Das Wesentliche aller bisher besprochener Versuche über
das Binocularsehen der Farben beruht darauf, dafs ich farbige
Linien betrachtet habe statt farbiger Flächen. So wie die prisma-
tischen Erscheinungen nur klar wurden, als man kleine OeJFnungen
an die Stelle grofser setzte, aber nachdem das Spectrum einer
engen Spalte erörtert, sich leicht ableiten liefs, was in weiten
Spalten erfolgen werde, so erläutern sich in diesem Gebiet auch
181
jetzt, aber erst jetzt, früher bei dem binocularen Betrachten
verschieden gefärbter Flächen beobachtete Erscheinungen. Ueber
den Vortheil linearer Dimensionen daher noch einige Beispiele.
Durch ein violettes Glas erscheint, wie oben bemerkt wurde,
in der Weite des deutlichen Sehens eine Flamme violett, inner-
halb derselben eine blaue Flamme in einer rothen, jenseits der-
selben eine rothe in einer blauen. Viel schärfer und entschei-
dender sieht man diese Erscheinungen, besonders die erstere,
wenn man durch das Glas nach einer von einer hellen Flamme
beleuchteten Diffractionsschneide blickt.
Aufserhalb der Weite des deutlichen Sehens erscheint ein
Mikrometer von schwarzen Linien auf weifsem Grund wie ein
grauer, eins von weifsen Linien auf schwarzem Grund wie ein
heller Fleck. Betrachtet man das letztere, d. h. eine Reihe pa-
ralleler weifser Linien auf schwarzem Grund, durch ein blaues
Glas und geht mit dem Auge so weit zurück, bis das Gitter
durch das Zusammenlaufen der Linien als Fleck erscheint, so
sieht man es durch ein rothes Glas noch vollkommen als Gitter,
es wird bei erheblich gröfserer Entfernung erst ein Fleck. Auf
diese Weise sieht man äufserst leicht, dafs die Sehweite für
rothes Licht erheblich gröfser ist, als für blaues. Dafs die für
weifses Licht ebenfalls gröfser als die fiir blaues, ist eben so
deutlich zu sehen. Da es schwer ist, verschiedene Pigmente
von so gleicher Intensität zu wählen, dafs durch ihre binoculare
Verbindung Glanz entsteht, weifse und schwarze Flächen diesen
aber entschieden geben, so kann man auf folgende Weise far-
bigen Glanz leicht erhalten. Man verbindet im Stereoskop eine
Zeichnung von weifsen Linien auf schwarzein Grund mit einer
andern von schwarzen Linien auf weifsem Grund und betrachtet
sie durch ein vor beide Augen gehaltenes farbiges Glas. Bei
einem Rubinglas und heller Beleuchtung erscheint das Relief wie
von polirtem Kupfer. Man kann daraus schliefsen, dafs die für
Irradiation und Glanz früher erhaltenen Resultate für jede be-
liebige farbige Beleuchtung gültig sind.
Der Versuch von S eher f er, durch zwei kleine dicht neben
einander liegende üeflnungen einen schmalen Gegenstand in der
Weite des deutlichen Sehens einfach, diesseits derselben doppelt
182
zu sehen, gelingt für rothc und blaue Strahlen bei verschiedenen
Entfernungen, für erstere bei gröfserer, für letztere bei gerin-
gerer Entfernung. Am besten ist es, als Object eine stark be-
leuchtete Diffractionsschneide anzuwenden, welche man nach
einander mit einem rothen und blauen Glase verdeckt. Für
weifses Licht liegt die Entfernung zwischen beiden Grenzen.
Man kann die farbigen Gläser auch unmittelbar vor das Auge
halten, so dafs die kleinen Oeffnungen sich jenseits des Glases
befinden.
6. Flatternde Herzen.
Und so möge denn hier eine von der bisherigen abwei-
chende Erklärung der flatternden Herzen ihre Stelle finden. Dafs
ein grünes Bild auf rothem Grund rasch hin und her bewegt
auf dem Grunde zu schwanken scheint, und dafs diese Täuschung
4 vorzugsweise im indirecten Sehen stattfindet, könnte zu der Vor-
stellung fuhren, dafs es sich hier um complementare Farben han-
delt. Aber schon Wheatstone hat gezeigt, dafs ein rothes Herz
auf blauem Grund, oder ein blaues auf rothem lebhafter sich
bewegt, es ist also ein Phänomen der verschiedenen Brechung.
Nun erscheint aber, wie Brewster zuerst an geognostischen Char-
ten bemerkt hat, blau und roth nicht in einer Ebene, aus Grün-
den, die durch meine früheren stereoskopischen Versuche jetzt
vollkommen erhellen. Bewege ich nun das Blatt in seiner Ebene,
so beschreibt das Herz und der Grund gleichgrofse Tangenten
an Kreisen, deren Radien ich verschieden setze. Die Winkel-
geschwindigkeit des einen erscheint daher anders als die des
andern, beide Objecte, Bild und Grund, scheinen sich daher über
einander zu verschieben. Dabei wird natürlich vorausgesetzt,
dafs auch der Grund begrenzt sei, da, wenn er als ein unbe-
grenzter erscheint, seine Bewegung in seiner eigenen Ebene nicht
wahrgenommen wird. Dafs bei seitlicher Betrachtung das Phä-
nomen deutlicher hervortritt als bei senkrechter, hängt wahr-
scheinlich damit zusammen, dafs die in Beziehung auf das Auge
hier geltend gemachten Unterschiede der Farben dann noch ent-
sehr schief zur
183
Seite blicke, iu einem dunklen Zimmer eine enge von aufsen
hell beleuchtete Spalte mitunter als Spectrum, welches ich nie
bei senkrechter Betrachtung wahrgenommen habe. Aufserdem ist
aus leicht ersichtlichen Gründen die Differenz beider Bewegungen
auf einer eingebildeten Parallaxe beruhend bei seitlicher Betrach-
tung gröfser, so wie eine parallel mit sich hin und her bewegter
den Augen zugekehrter Stab seitlich betrachtet mehr zu schwan-
ken scheint als dann, wenn seine Bewegung um die Halbirungs-
linie der Sehelinien beider Augen geschieht.
Dafs wir das mit beiden Augen Gesehene auch bei dem Dop-
peltsehen auf eine bestimmte Entfernung projiciren, geht aus fol-
gendem Versuch hervor. Ich hatte früher die Beobachtung ge-
macht, ohne sie erklären zu können, dafs ich mitunter bei dem
Doppeltsehen einer geraden Linie das eine Bild als eine gerade
Linie, das andere als eine gebrochene oder gekrümmte sah. Ohne
behaupten zu wollen, dafs dies immer aus denselben Gründen
erfolgt, kann ich doch für besondere Fälle den Grund nachweisen.
Ich legte einen Bogen Papier, auf dem ich eine gerade Linie
gezeichnet, auf einen Tisch und betrachtete sie durch Doppel-
sehen als zwei gerade Linien. Ich krümmte nun den Bogen so,
dafs die Protection der geraden Linie auf dem Tisch fiir das eine
Auge eine gerade Linie blieb, für das andere eine gekrümmte
Linie wurde. Nun sah ich die eine Linie gerade, die andere
gekrümmt.
7. Einflufs der Helligkeit einer weifsen Be-
leuchtung auf die relative Intensität ver-
schiedener Farben 1 ).
Dafs Gelb und Roth dem Lichte näher, stehen, Blau dem
Dunkel, ist eine Grundanschauung, die sich durch die Farben-
vorstellungen des Alterthums hindurchzieht, die sich auch in un-
serer Sprache durch die Bezeichnung brennendes Roth, schreien-
des Gelb im Gegensatz zu tiefem Blau geltend macht. Photo-
metrische Versuche bestätigen dies, denn um auf einem Farben-
') Berichte der Berl. Akad. 1851 p. 69.
184
kreisel ein in der Mitte stehendes Violett oder Grün zu erhalten,
mufs man den rothen oder gelben Ausschnitt nach Plateaus Ver-
suchen viermal schmaler machen als den blauen. Einen noch
überzeugendem Beweis erhält man, wenn man die von Fech-
ner schwarz auf weifs aufgetragene Spirale in den beiden Far-
ben ausfuhrt, deren Mischung man prüfen will. Sucht man bei
der Rotation die Stelle auf, wo in dem allraähligen Uebergang
von Roth durch Violett zu Blau, oder von Blau durch Grün
zu Gelb die beiden zusammenwirkenden Farben einander genau
das Gleichgewicht halten, so findet man diese Stelle nie in der
Mitte des Halbmessers der Scheibe, sondern stets nach der Seite
des Blauen hin.
Mit diesen bekannten Erscheinungen steht eine andre schein-
bar in vollkommnem Widerspruch, von der ich mich nur erin-
nere, dafs sie indirect in der Optik zur Sprache gekommen ist.
Es ist mir oft aufgefallen, dafs wenn ich bei einbrechender Dun-
kelheit eine Gcmäldegallerie verliefs, und einen letzten flüchtigen
Blick auf die Bilder warf, rothe Gewänder mir schon vollkom-
men verdunkelt erschienen, während ein blaues noch in voller
Kraft der Farbe hervortrat. Ausübenden Künstlern ist in ihren
Ateliers die Erscheinung vollkommen bekannt, ich habe wenig-
stens bei Befragen derselben stets diese Beobachtung bestätigen
hören. Es schien mir wünschenswerth, zunächst die Thatsache
an homogenen Farben zu prüfen, um sie unabhängig von der
Unbestimmtheit zu machen, welche stets bei chromatischen Ver-
suchen mit Pigmenten obwaltet.
Wir haben oben gesehen, dafs wenn man vor das rechte
Auge ein farbiges Glas hält, vor das linke ein andersfarbiges,
und nun im Stereoskop die für das rechte und für das linke
Auge entworfene Projection eines Körpers mit weifsen Linien
auf schwarzen Grund ausgeführt beobachtet, das Relief in der
Mischungsfarbe erscheint, während alle Kanten aus getrennten
einander der Länge nach berührenden farbigen Linien bestehen.
Bei der Anwendung eines Glases, welches die blauen homogenen
Strahlen durchläfst, und eines andern, welches dasselbe für die
rothen thut, ist die Erscheinung am schönsten. Das von mir
angewendete blaue Glas macht bei hellem Tage den Eindruck
185
eines viel dunklern, da es das rothe um mehr als das zehnfache
an Dicke übertrifft. Bei zunehmender Dämmerung verschwinden
aber die rothen Kanten immer mehr, zuletzt sind sie kaum noch
sichtbar, doch noch so weit mitwirkend, dafs das Relief er-
scheint. Endlich aber verschwinden sie vollständig, so dafs man
statt des Reliefs nur die in blauen Linien ausgeführte Projection
sieht, welche der Ansicht des Auges entspricht, welches durch
das blaue Glas sieht. Legt man nun zwei rothe Gläser vor die
Oefihung des Stereoskops, so sieht man gar nichts, während bei
zwei blauen Gläsern das Relief deutlich in jetziger Jahreszeit
noch eine Viertelstunde wahrgenommen wird. Damit ist die That-
sache selbst streng erwiesen; wie erklärt sich nun, dafs die bei
heller Beleuchtung hellere Farbe in der Dämmerung früher ver-
schwindet als die weniger helle?
Bekanntlich gelangen nur unmittelbare Eindrücke auf die
Sinnesorgane zu unserm Bewufstsein, die schwächsten auf die-
selben wirkenden Bewegungen werden nicht mehr einzeln em-
pfunden, aber dann, wenn sie sich schnell gleichmäfsig wieder-
holen. Daraus ist deutlich, warum, um vernommen zu werden,
die Saiten des Contrebasses weiter schwingen müssen, als die
der Violine, da bei der geringen Anzahl der Schwingungen sie
energischer sein müssen, warum wir in höherem Tone sprechen,
wenn wir ohne grofse Anstrengung gehört werden wollen, warum,
wenn die tiefe durch das Sprachrohr verstärkte Stimme des See-
manns im Sturme verhallt, noch der schrillende Ton der Bots-
pfeife durch das Brausen der Wogen und das Geheul des Windes
hindurchdringt. Savart hat vermittelst der Speichensirene ge-
zeigt, dafs die Grenze der Wahrnehmbarkeit der Töne nach der
Tiefe hin durch die Stärke der Stöfse erweitert werden kann.
Die vollkommene Gleichartigkeit der Schwingungen bewirkt das
Summiren der Eindrücke am vollständigsten, indem die durch
ungleiche Schwingungsdauer entstehenden Interferenzen dann weg-
fallen. Diese Gleichförmigkeit bewirkt bei dem Tone die Rein-
heit, bei der Farbe die Homogenität. Das Blau verhält sich
aber zum Roth wie ein höherer Ton zu einem tiefern, bei dem
erstem sind die Schwingungen der Netzhaut häufiger als bei
dem letztern, wie die des Trommelfells zahlreicher bei höherem
186
Tone als bei tieferem. Da nun bei schwächer werdendem Tone
die Grenze der Wahrnehmbarkeit tiefer Töne abnimmt, so ist'
es vollkommen dem entsprechend, dafs bei abnehmender Hellig-
keit die Grenze der Wahrnehmung des Rothen sich ebenfalls
verengert. Die rothe Farbe wird daher bei schwacher Beleuch-
tung nicht mehr gesehen werden, während die grofse Anzahl
der Schwingungen bei blauem Licht dessen Wahrnehmbarkeit
länger erhält.
Auf diese Weise erkläre ich mir die wunderbare Erschei-
nung, über welche sich aber merkwürdiger Weise noch Niemand
gewundert hat, dafs bei dem schwachen Sternenlicht sich das
Blau des Himmels noch deutlich geltend macht.
Hiermit hängt die Erscheinung zusammen, dafs ein durch
eine enge Spalte entwickeltes prismatisches Spectrum bei inten-
sivem Licht die Farben nach dem rothen Ende hin verhältnifs-
mäfsig lebhafter entwickelt als nach dem violetten. Besonders
deutlich sieht man dies bei dichromatischen Medien, welche die
Enden des Spectrums hindurchlassen, indem sie seine Mitte ver-
löschen, wenn man die Intensität der getrennten Farben bei ver-
schiedener Helligkeit der Beleuchtung der Spalte mit einander
vergleicht. Aus demselben Grunde zieht ein violettes Glas bei
zunehmender Dämmerung immer mehr ins Blau. Der dunkle
Raum jenseits des rothen Endes des vollständigen Spectrums, in
welchem die Wärme ihr Maximum erreicht, würde wahrschein-
lich vollkommen sichtbar werden, wenn man die Intensität des
Sonnenlichtes durch Concentration bedeutend steigerte. Es wäre
dies der Savart'schc Versuch in Beziehung auf die Grenzen
der Sichtbarkeit tiefer Farben, wenn ich mich des Ausdrucks
bedienen darf. Wahrscheinlich gehören hierher die Versuche von
Brewster über die F r a u e n h o f c r 'sehen Linien in diesem Theilc
des Spectrums {Report ofthe Brit. Assoc. 1847 p. 33), obgleich
dort der Grund des Erscheinens nur der Beseitigung der sphä-
rischen Aberration, nicht der Lichtstärke des angewendeten Fern-
rohrs zugeschrieben scheint. In ähnlicher Weise erweitert sich
auch mit Steigerung der Helligkeit die Wirkung des Lichtes auf
eine jodirte Silberplatte jenseits des violetten Endes.
Nach Beendigung der im Vorhergehenden beschriebenen Ver-
187
suche fand ich in der Abhandlung von Seebeck über den bei
manchen Personen vorkommenden Mangel an Farbensinn (Pogg.
Ann. 42 p. 222) folgende Stelle: »in der Dämmerung verschwin-
den bekanntlich die wenigst brechbaren Strahlen zuerst aus dem
Lichte der Atmosphäre, wodurch die bekannten Aenderungen in
dem Ansehn der Farben entstehn.« Seebeck erklärt daher
diese Erscheinungen aus einer objectiven Veränderung der Farbe
der Beleuchtung. Dies geht deutlich daraus hervor, dafs er
(p. 224) bemerkt: »Von dem Dr. G. wird angeführt, dafs er
bei einiger Dunkelheit besser sehe, als andre Personen, die ihn
bei Tage an Gesichtsschärfe übertreffen. Ich vermuthe, dafs dies
von der Dämmerung zu verstehen ist, indem hier, wo die we-
nigst brechbaren Strahlen zuerst verschwinden, das Abnehmen
des Tageslichts den Augen der zweiten Klasse weniger empfind-
lich sein mufs, als denen der ersten Klasse und dem gewöhn-
lichen Auge.«
Was nun die bekannte Thatsache eines objectiven Fehlens
der am wenigsten brechbaren Strahlen betrifft, so ist es auffal-
lend, dafs ich sie in keiner Untersuchung über Dämmerung und
über Farbe des Himmels, die neuesten nicht ausgenommen, er-
wähnt finde. Seebeck sagt selbst, dafs das Himmelblau dem
Grau in der Dämmerung ziemlich ähnlich wird. Hassenfratz ')
fand die Länge des Spectrums bei hohem Sonnenstande 185 Mil-
limeter, bei Sonnenuntergang nur 70 und dabei fehlten die Strah-
len auf der blauen Seite so sehr, dafs das ganze Farbenbild nur
aus Roth, Orange und Grün bestand, und Kämtz erklärt 1 )
dies dadurch, dafs die blauen Strahlen auf dem langen Wege
durch die Atmosphäre verloren gegangen wären. Vorausgesetzt
nun auch, dafs blaues Licht in der Dämmerung überwiege, so
würde dies doch nicht stattfinden können bei einer vollkommen
gleichartigen weifsen Bedeckung des Himmels, wo nach allen
Theorien das Licht farblos reflectirt wird. Nun habe ich aber
meine Versuche an Tagen angestellt, wo der Himmel so gleich-
förmig bedeckt war, dafs mit dem empfindlichsten Apparate keine
Spur von Polarisation des Himmelslichtes sich zeigte, ja an Ta-
l ) Annal. de Chim. 66. p. 60.
') Meteorologie 3. p. 42.
188
gen, wo ein dichter Nebel die Luft gleichartig erfüllte. Um aber
jeden möglichen Zweifel zu beseitigen, habe ich die Versuche
um Mittag in einem künstlich verfinsterten Zimmer wiederholt.
Tritt man unmittelbar aus einem hell erleuchteten Zimmer
in ein stark verdunkeltes, und nähert sich der Stelle, wo das
Licht eintritt, so weit, dafs man das Blau erkennt, so erscheint
zunächst das Roth lebhafter. Das Auge verlangt nämlich dann
noch die Helligkeit, bei welcher das Roth überwiegt über das
Blau. Erst nach längerem Aufenthalt im Dunkeln ist die Netz-
haut so empfindlich, wie in der starken Dämmerung. Tritt man
nun so weit zurück von der Stelle, wo das Licht einfällt, dafs
das Blau noch deutlich erscheint, so ist das Roth vollständig
verschwunden. Hiebei ist es aber nicht möglich, das Wheat-
ston'sche Stereoskop mit Sicherheit anzuwenden, da es äufserst
schwierig ist, den beiden Flächen genau gleiche Beleuchtung zu
geben. Am besten erhält man die beschriebene Thatsache mit
einem Prismenstereoskop, oder wenn man nach einander eine mit
weifsen Strichen auf schwarzem Grund ausgeführte unverändert
liegende Zeichnung zuerst durch das blaue, dann durch das rothe
Glas betrachtet.
Hierher gehört auch die merkwürdige Thatsache, dafs, unter
vielen, denen ich gleichzeitig bei hellem Tage das Relief im
Stereoskop mit blauen und rothen Kanten durch die verschie-
denfarbigen Gläser zeigte, einer erklärte, dafs er nur die Zeich-
nung mit blauen Linien, nicht das Relief sähe, da er durch das
rothe Glas die Zeichnung gar nicht wahrnehme. Die Augen die-
ses Individuums verhielten sich also bei hellem Sonnenschein
wie die normalen Augen im schwachen Dämmerlicht.
Wenn aus unsern bisherigen Versuchen folgt, dafs das bei
heller Beleuchtung lebhaftere Roth gegen das schwächere Blau
zurücktritt, wenn die Dunkelheit zunimmt, so ist es nicht un-
möglich, dafs in voller Dunkelheit jenseits des violetten Endes
des Spectrums noch schwächere Schwingungen stattfinden, die,
wenn sie auch nicht von dem Auge empfunden werden, doch
eine jodirtc Silberplatte afficiren. Durch die Dauer und die grofse
Anzahl der Schwingungen würde sich erklären lassen, dafs eine
Wirkung auf einer Platte hervortritt, die auf der Netzhaut nicht
189
empfunden wird, weil wir das bewegliche Auge nicht so lange
und so stetig der summirenden Wirkung dieser kleinen Schwin-
gungen aussetzen können als die ruhende Silberplatte. Moser
sagt ausdrücklich, dafs das unsichtbare Licht zu dem sichtbaren
sich verhalte, wie das violette zum rothen und es scheint mir
nach dem hier Erörterten nicht einmal nöthig anzunehmen, dafs
diese Schwingungen von der Nervenhaut nicht empfunden wer-
den, weil sie von den Substanzen, welche vor ihr liegen, zu-
rückgehalten werden '). Senden alle Körper Licht aus, es mag
nun die Netzhaut afficiren oder nicht, so wird eine Beleuchtung
der letztern Klasse von Körpern durch eine der erstem nur stö-
rend wirken, denn wir verlangen dann von der Platte, dafs sie
gleichzeitig zwei Bilder darstelle, welches natürlich der Deut-
lichkeit Eintrag thun wird.
8. Mangelnder Farbensinn.
Seebeck hat gezeigt, dafs die zweite Klasse der mit man-
gelndem Farbensinn behafteten Individuen bei hellem Licht ohn-
gefähr die Erscheinungen sieht, welche ein farbengesundes Auge
in der Dämmerung wahrnimmt. Da die objeetive Erklärung nun
wegfallt, so bleibt nur eine subjeetive, d. h. die Annahme, dafs
die Netzhaut des gesunden Auges bei schwacher Beleuchtung
dem Zustande jenes krankhaften sich nähert.
Bei dem Interesse, welches die Arbeit von Seebeck bei
ihrem Erscheinen in mir erregte, war es mir wünschenswerth,
eine vollständige Anschauung dieser Eigentümlichkeit zu er-
halten. Seebeck hatte daher die Güte, mir ein Exemplar der-
selben zu geben, in welchem die verschiednen farbigen Papiere,
welche die Individuen als gleich ausgesucht hatten, in viele Rei-
hen je zwei neben einander geklebt sind. Nun stellte ich mir
die Frage, wenn ein Individuum ein lebhaftes Roth und Grün
als vollkommen gleich sieht, sieht es vielleicht das, was ein ge-
sundes Auge als Mittelfarbe aus beiden wahrnimmt. Wie aber
lallt diese Mittelfarbe aus? Dies erhält man sehr schön mittelst
') Ueber das Licht p. 18.
190
eines Prismenstereoskops. Bringt man die farbigen Papiere zum
Decken, so erscheinen die vorher so verschiedenen Papiere paar-
weise vollkommen gleichartig und in der Regel grau oder als
eine Schmutzfarbe. Auf diese Weise würde sich erklären, wie
eins der Individuen das reine Roth nicht besser als durch die
Farbe eines Esels zu bezeichnen wufste. Versuche mit wahren
complementaren Farben wären besonders interessant.
Schliefslich mag hier noch die Beobachtung eine Stelle finden,
dafs Individuen, welche bestimmte Farben nicht zu unterscheiden
vermögen, dennoch die für sie gleichen, aber für ein gesundes
Auge verschiedenen Farben aus ungleicher Entfernung deutlich
sehen. Ich habe mit ihnen die Versuche mit dem Deutlichsehen
eines weifsen schmalen Gegenstandes durch ein rothes und blaues
Glas mit demselben Erfolg angestellt, als mit denen, welche
die Farben vollkommen unterschieden.
II. Stereoskopische Apparate.
Bei der Anstellung der eben beschriebenen Versuche bin
ich auf die Construction mehrerer Stereoskope geführt worden,
welche auf einer Eigenschaft des gleichschenklichen Prismas be-
ruht, wenn der Winkel an der Spitze desselben kein sehr spitzer
ist. Eine Combination zweier solcher Prismen ist, so viel mir
bekannt worden ist, noch nie angewendet worden, und ich
habe daher derselben den Namen Reversionsprisma gegeben,
weil ein durch diese Combination gesehener Gegenstand nicht
wie ein Spiegelbild erscheint, sondern unverändert nur nach
der Stellung der Prismen gegeneinander in beliebig gegen den
gesehenen Gegenstand geneigter Lage, daher auch aufrecht und
vollständig umgekehrt.
1. Eigenschaften des directen Spiegelprismas.
Bezeichnet (Fig. 1) prs ein gleichschenkliges hier recht-
winkliges Prisma, ad, b d, cd in der lothrechten Ebene unter
191
verschiedenen Winkeln auf die Cathetenfläche pr so auffallende
Strahlen, dafs sie nach der Brechung in d respective in e } g,i
auf der Hypotenusenfläche total reflectirt werden, so werden
dieselben nach einer zweiten Brechung in den Punkten f,h,k
der Cathetenfläche rs austreten, und gegen diese daher auch
unter einander ebenso geneigt sein, als bei ihrem Eintritt ge-
gen pr und unter einander. Ein im Raum ay befindliches Auge
wird daher den Gegenstand durch das Prisma hindurch wie
von d aus sehen, nur in umgekehrter Lage und wie ein Spie-
gelbild verändert.
Da bei dem Eintritt parallele Strahlen es auch bei ihrem
Austritt sind, so ist die Bedingung der Achromasie in aller
Strenge erfüllt.
Ein in a befindlicher entfernter kleiner Kreis wird, da parallel
der Hypotenusenfläche auffallende Strahlen auch parallel derselben
austreten, für ein in a befindliches Auge an derselben Stelle
durch das Prisma gesehen erscheinen, als mit blofsem Auge
ohne Prisma.
Hält man nun das Prisma so vor das rechte Auge, dafs
die Hypotenusenfläche pu lothrecht steht, die Dreiecksfläche pts
horizontal , so wird das in a befindliche Auge in der Richtung
af das Spiegelbild des betrachteten Gegenstandes sehen, statt
des Gegenstandes.
Betrachtet man daher mit einem solchen Prisma einen in
Typen ausgeführten Drucksatz, so erscheint er wie eine wirkliche
Schrift. Ebenso erscheint eine auf einen lithographischen Stein
entworfene Zeichnung wie der spätere wirkliche Abdruck. Be-
trachtet man sich durch ein solches Prisma im Spiegel, so sieht
man sich nicht mehr als Spiegelbild, sondern durch doppelte
Umkehrung, wie man andern erscheint.
Da unter ad aus dem Raum M auf d auffallende Strahlen
bei dem Austritt aus rs in den Raum N gebrochen werden,
so haben wir in dem so angewendeten Prisma einen Spiegel,
in welchem wir auch hinter dem Spiegel befindliche Gegenstände
sehen können.
Dreht man das Prisma so um die Kante u$, dafs der in
der Figur mit dem Einfallsloth auf pr einen Winkel von 45°
192
machende Strahl ad seine Neigung gegen das Einfallsloth ver-
kleinert, so wird dasselbe für den austretenden stattfinden. Daraus
folgt, dafs das durch das Prisma gesehene Bild mit doppelter
Winkelgeschwindigkeit sich bewegt, als das Prisma; wird ad
lothrecht auf die Eintrittsfläche, so ist auch der austretende
Strahl es auf der Austrittsfläche. In diesem Falle verwandelt
sich das Spiegelprisma in das gewöhnliche Ablesungsprisma.
Blickt nun das rechte Auge durch das Prisma, das andre
neben der Hypotenusenfläche vorbei direct nach dem Gegenstande,
so wird durch Drehung des Prismas es leicht sein, das prisma-
tische Spiegelbild mit dem direct gesehenen zum Decken zu
bringen. Ebenso kann das Spiegelbild auch auf einen andern
direct gesehenen Gegenstand projicirt werden.
Dasselbe wird mit den zwei Spiegelbildern erhalten werden,
wenn jedes Auge für sich durch ein solches Prisma blickt, diese
Spiegelbilder mögen nun einem Gegenstande oder zweien an-
gehören.
Da nun die stereoskopischen Erscheinungen darauf beruhen,
dafs man glaubt, die für die beiden Augen entworfenen An-
sichten gingen von derselben Stelle des Raumes aus, so sieht
man unmittelbar ein, dafs man vermittelst des Spiegelprismas
diese Bedingung leicht erfüllen kann und zwar auf eine doppelte
Weise. Unterscheidet sich nämlich die Ansicht des Körpers ver-
mittelst des rechten Auges von der vermittelst des linken nur
so wie der Anblick des Gegenstandes von der seines Spiegel-
bildes, wie z. B. bei einer geraden, ganzen oder abgekürzten Pyra-
mide , einem Kegel , einem Krystalle des regulären Systems u. s. f.,
so kann man mit einer Zeichnung ausreichen, die man mit dem
einen blofsen Auge betrachtet und mit dem andern durch das
Prisma blickenden. Solche Zeichnungen können einfache Um-
kehrungen genannt werden im Gegensatz zu denen, bei welchen
die auf die Verbindungslinie beider Augen lothrecht durch die
Mitte des Körpers gelegte Ebene diesen nicht symmetrisch theüt.
Bei den letztern bringt man die Spiegelbilder beider Ansichten
durch zwei Prismen zum Decken.
Fig. 2 und Fig. 3 enthalten diese beiden Apparate, wie
sie vom Herrn Oertling für mich ausgeführt worden sind.
193
2. Prismenstereoskop, bestehend aus einem
Prisma und einer für ein Auge entworfenen
Zeichnung, Fig. 2.
An einem auf einem horizontalen Brett befestigten senk-
rechten 17" hohen Ständer ab ist ein 6" breiter Tisch ver-
schieblich, bestimmt die stereoskopische Zeichnung darauf zu
legen. Der Querarm ab trägt bei / das rechtwinklige in einer
lothrechten Ebene drehbare Prisma, dessen Hypotenuse 1 1 / % "
lang, und ist bei g durch ein rundes Loch durchbohrt, durch
welches man mit blofsem Auge blickt. In der Mitte zwischen
beiden ist der horizontale Arm rund ausgeschnitten, um für
die Nase Raum zu gewähren. Ueber / und g befinden sich zwei
in der horizontalen Ebene drehbare Ringe, in welche farbige
Gläser eingeschraubt werden, oder wenn man eine Vergröfserung
wünscht, dem entsprechende Gonvexlinsen. Dreht man die Zeich-
nung in ihrer Ebene um 180°, so verwandelt sich das convexe
Relief in ein coneaves, und umgekehrt. Ist der Gegenstand als
durchsichtig gedacht, bietet er dem Anblick daher eine äufsere
convexe und eine innere coneave Fläche, so vertauscht sich bei
dieser Drehung die Vorderfläche mit der Hinterfläche. Die hierbei
anzuwendenden Bilder müssen aber eben nur solche sein , welche
oben »einfache Umkehrungen« genannt wurden. Kehrt man das
Instrument so um, dafs das Prisma vor das rechte Auge zu
stehen kommt, statt vor das linke, so bleibt der Anblick des
Körpers derselbe, denn man hat ja, indem man die Ansichten
fiir beide Augen vertauschte, jede zugleich in ihrer Ebene um
180° gedreht. Zeichnungen von durchsichtig gedachten Körpern
müssen natürlich so gelegt werden, dafs die Flächen der con-
vexen Vorderfläche gröfser erscheinen, als die der coneaven Hin-
terfläche, weil diese als entfernter vorgestellt werden.
3. Prismenstereoskop, bestehend aus zwei
Prismen und zwei Zeichnungen.
Es ist Fig. 3 abgebildet. Die beiden in einer lothrechten
Ebene drehbaren Prismen mit einander zugekehrten Hypotenusen-
13
194
flachen sind hier an einem eben so hohen Stander als bei dem
vorigen befestigt, der sich oben gabelförmig öffnet. Der Tisch
ist 10" breit, da er zwei Zeichnungen aufzunehmen bestimmt
ist. Die farbigen Gläser befinden sich über den beiden Prismen
ebenfalls in horizontaler Ebene drehbar. Man kann dieses Ste-
reoskop auch wie das vorige brauchen, indem man mit dem
linken Auge durch das rechts stehende Prisma blickt und mit
dem rechten frei vorbei, oder mit dem rechten Auge durch das
links stehende Prisma und mit dem linken Auge frei vorbei.
Dieselbe Zeichnung giebt in dem einen Falle ein convexes, in
dem andern ein concaves Relief.
Dieses Stereoskop ist, wenn man gleichzeitig durch beide
Prismen sieht, für alle Projectionen brauchbar , sie mögen nun
einfache Umkehrenden von einander sein oder nicht. Doch tritt
natürlich bei der Anwendung nur eines Prismas die Beschrankung
auf einfache Projectionen ein.
Die hier beschriebenen beiden Stereoskope bieten den Vor-
theil dar, dafs man Zeichnungen von beliebiger Grofse anwen-
den kann, ja mir ist mit dem ersten der merkwürdige Versuch
gehingen, durch stereoskopische Combination zweier Korper eine
Ebene zu sehen. Ich betrachtete bei Beleuchtung einer Lampe
die sechsseitige Säule eines Holzmodells von Zinkvitriol mit dem
blofsen linken Auge und projicirte darauf das mit dem rechten
Auge durch das Prisma gesehene Bild desselben Modells. Hierbei
glich sich die verschiedene Beleuchtung der beiden Seitenflächen
gegenseitig so aus, dafs sie mit der Yorderflaehe in einer Ebene
zu liegen schienen.
Bei Bildern, welche mit weifsen Linien auf schwarzen Grund
gezeichnet sind, treten bei dem Wheatstone 'sehen Stereoskop
die durch Spiegelung von der unbelegten Yorderflaehe des Glases
entstehenden schwächern Xebenbtlder oft sichtbar neben dem von
der belegten llinterflache entstehenden Hauptbilde hervor. Die
Beseitigung derselben war durchaus nothwendig. um sicher zu
sein, dafs das Nebeneinanderlegen der farbigen Kanten bei dem
Anbück des Reliefs im Stereoskop nicht diesen Xebenbtldern
zuzuschreiben sei. Es miuste daher totale oder metaUische Re-
flexion angewendet werden. Aulsenleni kann der Verdacht ent-
195
stehen, dafs bei einer stereoskopischen Erscheinung, in welcher
die Conturen sich nicht vollständig decken, dies einer nicht
vollkommen richtig ausgeführten Zeichnung der Projection zu-
zuschreiben sei. Dies führte zu dem Wunsche, nur eine Zeichnung
anzuwenden.
In dem von Brewster im Report of ihe Britisch As-
sociation für 1849 pag. 6 beschriebenen Linsen -Stereoskop
wird das Decken der Bilder durch zwei Halblinsen hervorge-
bracht, welche als Prismen von kleinem Winkel wirken, und
daher in ihrer Ebene drehbar sind. Da bei diesen die Bedingung
der Achromasie nicht erfüllt ist, so war dies Princip bei den
von mir angestellten Untersuchungen am allerwenigsten anwendbar.
Das Brewster'sche Stereoskop unterscheidet sich aufserdem von
dem von mir angegebenen dadurch, dafs bei ihm die Zeichnung
links liegen mufs, welche bei mir rechts liegt. Nun sind aber
bei allen nach dem Brewster 'sehen Princip construirten , in
Handel gekommenen Apparaten die beiden Projectionen, sie mögen
nun Zeichnungen sein oder daguersche oder photographische Auf-
nahmen , im erstem Falle auf einem Blatte dargestellt , im letztern
auf einer Platte befestigt, und darin liegt unmittelbar der Beweis,
dafs keins dieser Daguerotype und keine der Zeichnungen mit
unsymmetrischen Ansichten für einen nach dem Princip des Pris-
menstereoskops construirten Apparat hat bestimmt sein können.
i
Da das Brewster'sche Linscnstereoskop auf Brechung in
Prismen von kleinem Winkel, das oben beschriebene Prismen-
stereoskop auf Reflexion in Prismen mit grofsem Winkel ge-
gründet ist, so hat Moigno im Kosmos für das letztere den
Namen stereoscope ä reflexion totale vorgeschlagen, welcher be-
zeichnender sein mag, aber mir zu lang scheint.
4. Prismenstereoskop mit einem Prisma und
zwei Zeichnungen.
Für Projectionen, welche nicht einfache Umkehrungen sind,
müssen nothwendig zwei Zeichnungen vorhanden sein, aber es
ist nicht nothwendig, zwei Prismen anzuwenden. Legt man
nämlich auf den Tisch des vorigen Instruments oder des ersten
13»
196
neben einander zwei unsymmetrische Zeichnungen, von welchen
die eine direct für das eine Auge entworfen ist, die andre hin-
gegen das gezeichnete Spiegelbild der für das andre Auge ent-
worfenen, so braucht man nur die erstere mit blofsem Auge
zu betrachten, die zweite durch das Spiegelprisma, um das
Relief zu erhalten.
5. Fernrohrstereoskop mit einer Zeichnung.
Man hält vor das eine Auge ein galiläisches , vor das andre
Auge ein astronomisches Fernrohr gleicher Vergröfserung und
bringt bei dem Betrachten einer symmetrischen Projection beide
Bilder zum Decken. Diese Methode bot sich mir zuerst dar,
um stereoskopische Erscheinungen mit einer Zeichnung zu er-
halten ').
6. Spiegelstereoskop für zwei Bilder mit einem
Metallspiegel oder Ablesungsprisma.
Der Apparat ist Fig. 4 abgebildet. Das Fufsgestell des-
selben besteht aus zwei Brettern, welche schlittenartig in einander
laufen, so dafs die Entfernung der beiden an ihren Enden be-
findlichen Ständer ab und cd verändert werden kann. Der
rechts stehende Ständer trägt einen viereckigen Rahmen, in
welchem die Zeichnung für das rechte Auge befindlich ist, die
in einem bei f befindlichen unter 45 " geneigten Metallspiegel
von 1 " Länge betrachtet wird oder in einem entsprechenden
Ablesungsprisma. Das linke Auge blickt bei e auf die horizontal
liegende Zeichnung auf dem an dem Ständer ab verschieblichen
Ständer. Dieser Apparat ist vorzugsweise zu den Versuchen
geeignet, bei welchen man Bilder ungleicher Gröfse combinirt.
Auch können die ihn anwenden, bei welchen die Sehweite beider
Augen sehr verschieden ist. Nur müssen dann die Zeichnungen
in einem der verschiedenen Sehweite entsprechenden Mafsstab
ausgeführt werden.
') Berichte der Berl. Akad. 1850 p. 152.
197
7. Stereoskop durch Doppelbrechung.
Man legt zwei Zeichnungen neben einander und betrachtet
die eine durch ein vor ein Auge gehaltenes doppelbrechendes
achromatisches Prisma, zugleich dieselben Zeichnungen mit blofsem
Auge. Man erhält durch Combination dann statt 6 Bilder 5 und
unter diesen ein körperliches. Dies gelingt aber nur schwierig.
Der Wunsch, mit einer Vorrichtung, welche vor ein Auge
gehalten wird, stereoskopische Combinationen auch unsymmetri-
scher Projectionen zu erhalten, führte mich zuletzt zur Con-
struction des Reversionsprisma.
8. Das Reversionsprisma.
Wir haben früher gesehn, dafs wenn die Hypotenusenfläche
eines einfachen gleichschenkligen Spiegelprismas (Fig. 1) horizontal
liegt, ein lothrechter Gegenstand lothrecht aber umgekehrt er-
scheint. Schneidet die Verlängerung der Hypotenusenfläche den
Gegenstand in einer horizontalen Linie, so erhält man also das
Bild dadurch, dafs man von allen Punkten des Gegenstandes
Lothe fallt, und sie um gleich viel unter die horizontale ver-
längert, die Endpunkte der Lothe sind die Bilder der entsprechen-
den Anfangspunkte.
Eine von der horizontalen Linie in der Mitte geschnittene
lothpechte Gerade deckt sich daher, durch das Prisma gesehen,
in umgekehrter Lage. Bei einer um 45 ° geneigten Geraden
steht hingegen das Bild lothrecht auf dem Gegenstand. Da nun,
wenn die vorher lothrechte Linie sich bei stehenbleibendem Prisma
in ihrer Ebene um 45 ' seitlich neigt, dies ebenso wirkt, als
wenn die Linie stehen bliebe und das Prisma um die Hypote-
nusenkante ps gedreht würde, so bewegt sich auch bei dieser
Drehung das Bild wie früher bei der Drehung um die Kante
U8 mit doppelter Winkelgeschwindigkeit als das gedrehte Prisma.
Da nun die aus dem ersten Prisma austretenden Strahlen
in Beziehung auf ein zweites Prisma als von einem Gegenstand
ausgehend betrachtet werden können, der an der Stelle des Bildes
198
liegt, so wird eine durch zwei hinter einander liegende Prismen,
deren Hypotcnusenflächen irgend einen Winkel mit einander bilden,
gesehene gerade Linien um das Doppelte dieses Winkels gedreht
erscheinen. Ist nämlich Fig. 5 ad diese Linie, ab die Durch-
schnittslinie der verlängerten Ilypotcnusenfläche des ersten Prismas
mit dem Gegenstand, ac die Durchschnittslinie der Hypotenu-
senflache des zweiten Prismas mit demselben Gegenstand, so
wird ad l das Bild der Linie ad sein, welches durch das erste
Prisma entsteht. Die aus diesem austretenden Strahlen fallen
also auf das zweite Prisma, als wenn sie von ad x ausgingen,
ihr Bild nach dem Austritt aus dem zweiten Prisma wird also
ad xl sein. Der Winkel dad lx ist aber das Doppelte von bac.
Daraus folgt:
Liegen die Ilypotenuscnflächen zweier gleicher Prismen in
einer Ebene, sind also ihre entsprechenden Kanten paarweise
parallel, so wird der Gegenstand durch beide unverändert er-
scheinen, da das zweite Prisma jede lothrechte Linie von Neuem
umkehrt, also die ursprüngliche Lage wieder herstellt. Wird
hingegen bei stehenbleibendem ersten Prisma das zweite um 90 °
um seine Hypotenusenkante gedreht (Fig. 6), hegt also die
Brechungsebene .des zweiten horizontal, die des ersten lothrecht,
so erscheint der Gegenstand vollständig umgekehrt. Das erste
Prisma kehrt ihn nämlich in Beziehung auf Oben und Unten
um, das zweite in Beziehung auf Rechts und Links. In der
Figur ist a vertical über c gedacht, b horizontal hinter c, dann
liegt beim Austritt a t vertical unter c l9 c x horizontal hinter b t .
Bilden hingegen (Fig. 7) die Brechungsebenen einen spitzen
Winkel miteinander, so liegt nun c x über a x und hinter 6 t ,
doch weder vertical über a l9 noch horizontal hinter c l . Da
man sich nun den Effect der doppelten Spiegelung einer be-
trachteten Ebene denken kann als eine 180 ' betragende Drehung
dieser Ebene zuerst um eine in ihr liegende Linie, dann um
eine zweite willkürlich gegen diese geneigte, so wird die Ansicht
dieser Ebene in Beziehung auf Gestalt und Gröfse dieselbe blei-
ben, ihre Lage aber eine schiefe geworden sein. DarauS folgt:
durch zwei beliebig gegen einander aufgestellte Prismen, deren
Hjpotenusenkanten eine gerade Linie bilden, erscheint der Ge-
199
genstand unverändert an Gestalt und Gröfse, aber um einen
Winkel gedreht, welcher doppelt so grofs als der ist, welchen
ihre Brechungsebenen mit einander machen. Dreht man hingegen
beide Prismen, in welchem Stadium der gegenseitigen Drehung
sie auch gegen einander stehen, gleichzeitig so um die Hypo-
tenusenkante, dafs ihre gegenseitige Lage dieselbe bleibt, also
beide mit gleicher Geschwindigkeit in gleichem Sinne, so bleibt
das Bild unverändert stehen ; denn da das Bild des ersten Prisma
sich mit doppelt so grofser Geschwindigkeit bewegt, als das
zweite Prisma, so eilt es diesem um der Drehungswinkel vor.
Ein Voreilen des Bildes ist aber einer Bewegung des zweiten
Prismas in entgegengesetztem Sinn zu vergleichen, diese fuhrt
also das Bild um denselben Winkel zurück, um welchen das erste
Prisma es vorführt.
9. Stereoskop aus einem Reversionsprisma mit
zwei Bildern.
Bleiben bei der Drehung des zweiten Prismas gegen das
erste die Hypotenusenkanten beider stets parallel, so wird ein
durch beide betrachteter Punkt bei dieser Drehung still zu stehn
scheinen, bilden sie hingegen einen Winkel mit einander, so
wird er bei der Drehung einen Kreis zu beschreiben scheinen.
Vermittelst eines solchen nicht centrirten Reversionsprismas können
nun leicht die beiden stereoskopischen Zeichnungen zum Decken
gebracht werden, wenn die eine mit blofscm Auge, die andre durch
das Reversionsprisma betrachtet wird. Dies gilt auch fiir nicht
symmetrische Projectionen, die aufserdem in einer Ebene jede
beliebige Lage gegen einander haben können, welche durch die
Stellung der Prismen in eine gleichartige verwandelt wird.
10. Reversionsfernrohr.
Schraubt man das genau centrirte Reversionsprisma vor
das Oqdar eines astronomischen Fernrohrs, so erhält man das
Reversionsfernrohr, welches die Eigentümlichkeit besitzt, dafs
man einen Gegenstand in jeder beliebigen Neigung gegen den
200
Horizont betrachten kann, und dafs dennoch der Gegenstand
stehen bleibt, wenn man das Fernrohr um seine Achse dreht.
Die Prismen sind in eine cylindrische Hülse gefafst, das zweite
gegen das erste drehbar. Der Umfang des drehbaren Stückes
ist wie der Kopf einer Mikrometerschraube in Grade getheilt,
und auf der cylindrischen Hülse des festen durch zwei gegenüber-
stehende Striche angegeben, wo die Brechungsebene des festen
Prismas liegt. Der Nullpunkt der drehbaren Theilung entspricht
der Brechungsebene des beweglichen Prismas. Machen die
Brechungsebenen den Winkel f , so ist das Fernrohr ein astro-
nomisches, hingegen ein terrestrisches, wenn die Brechungsebenen
auf einander lothrecht. Bilden sie hingegen einen spitzen Winkel,
so erscheint der Gegenstand um den doppelten Winkel geneigt.
Bei der Kürze des Prismenoculars ist ein so construirtes
terrestrisches Fernrohr viel kürzer als ein gewöhnliches, also
als Marine- oder Militärfernrohr zu empfehlen. Es ist wie ein
Blcndglas vor jedes astronomische Ocular aufzuschrauben; ich
habe dasselbe von Herrn Oertling ausgeführte Prismenocular
bei einem kleinen Theodolitfernrohr und bei einem Dollond von
4" Oeffnung angewendet. Soll es nur als terrestrisches Ocular
dienen, so ist es zweckmäfsig, die Prismen so zu befestigen,
dafs ihre Brechungsebenen ein für allemal einen rechten Winkel
mit einander machen. Das Fadenkreuz befindet sich im Brenn-
punkt des astronomischen Oculars. Bei Aufnahmen, bei welchen
Nummerp fahle abgelesen werden , hat es das Angenehme , die
Zahlen nicht umzukehren.
Um die Neigung einer im Gesichtsfeld des Fernrohrs ge-
sehene Linie, also z. B. einen Böschungswinkel zu messen, ver-
fahrt man auf folgende Art: man stellt im Fernrohr die Prismen
auf 90' ein, d. h. so, dafs der Gegenstand in seiner natür-
lichen Lage erscheint und dreht das Fernrohr um seine Achse,
bis der feste lothrechte Faden des Fadenkreuzes die Linie deckt,
deren Neigung man messen will. Man dreht nun das vordere
Prisma bis der Faden und der dadurch verdeckte Gegenstand
der Richtung eines vor dem Fernrohr frei aufgehängten # Lothes
entsprechen. Der Drehungswinkel ist die halbe Ergänzung des
gesuchten Neigungswinkels.
201
Man kann das Reversionsprisma auch im Fernrohr oder
vor dem Objectiv desselben anbringen und seine Gröfse so wählen,
dafs man durch die nicht bedeckten Theile des Objectivs die
Linie in unveränderter oder umgekehrter Lage sieht, wenn das
Fernrohr ein astronomisches ist, durch das gedrehte Prisma
hingegen in willkürlich geneigter Lage. Man bringt die beiden
Linien, deren Neigung man messen will, zur Coincidenz, nämlich
die eine durch den nicht verdeckten Theil des Objectivs gesehene
mit der andern durch das Reversionsprisma gesehenen. Ist das
Reversionsprisma im Innern des Fernrohrs, so hat das terrestrische
Fernrohr die Länge des astronomischen. Man verkürzt das ge-
wöhnliche terrestrische also um die ganze Länge des terrestrischen
Ocularansatzes. Soll es dann drehbar sein, so besteht die Röhre
des Fernrohrs aus zwei auf einander geschraubten Theilen, in
deren einem das veränderliche Prisma, im andern das bewegliche
ist. In einem Frauenhofer von 3" Oefihung erhielt ich ein sehr
schönes Bild.
Da bei allen gleichschenkligen Dreiecken die Bedingung einer
totalen Reflexion für nahe an der Grundlinie parallel derselben
auffallende Strahlen erfüllt wird, so gilt das bisher für ein
rechtwinkliges gleichschenkliches Dreieck Gesagte für alle gleich-
schenkligen. Aber natürlich nimmt die Anzahl der nach ein-
maliger Brechung noch die Grundfläche treffenden Strahlen immer
mehr ab, je spitzer der Winkel an der Spitze des Dreiecks ist.
Durch eine Zuschärfung des rechten Winkels nimmt die Länge
des Oculars ab und die Lichtstärke des reflectirten Strahles zu.
Der Lichtverlust selbst ist nicht erheblich, da hier vier Brechungs-
ebenen wie bei dem gewöhnlichen Ocular sind.
Die Anwendung des Reversionsprisma zur elliptischen Po-
larisation folgt weiter unten.
202
III. Polarisation des Lichtes.
1. Apparat für geradlinige, elliptische und cir-
culare Polarisation des Lichtes.
Die Anforderungen, welche man an einen zweckmäfsig
construirten Polarisationsapparat machen kann, sind folgende:
1. Dafs das Licht wirklich vollständig, nicht theilweise
polarisirt sei. Dies erhält man dadurch, dafs man das Licht
weder durch Spiegelung, noch durch einfache Brechung pola-
risirt, sondern durch Doppelbrechung.
2. Dafs der Apparat bei Tageslicht eben so bequem an-
wendbar sei, als bei Lampenlicht, und dafs er Lichtstärke genug
besitze, um bei einer monochromatischen Beleuchtung seine Zwecke
zu erfüllen.
3. Dafs man ihn an jeder Stelle eines Zimmers gleich gut
gebrauchen könne, welches dadurch erhalten wird, dafs man,
um die Erscheinungen wahrzunehmen, indem man in das Instru-
ment hineinblickt, zugleich nach der Lichtquelle sieht.
4. Dafs man die analysirende sowold als die polarisirende
Vorrichtung mit beliebiger Geschwindigkeit um die Achse des
Instruments drehen kann, ebenso die in dem Apparat betrach-
teten Scheiben.
5. Dafs man gekühlte und geprefste Gläser und parallel
der Achse gesclinittene Krystallscheiben , sowie circularpolari-
sirende Flüssigkeiten eben so gut untersuchen kann, als auf die
Achse senkrecht geschnittene Krystallscheiben, welche dicht an
der analysirenden Vorrichtung sich befinden.
6. Dafs die Polarisationsfarben vollkommen rein sind, d. h.
nicht durch dichroitische Absorption in einem nicht farblosen
Körper erhalten.
7. Dafs man die Ringsysteme stark und schwach doppel-
brechender Krystalle gleich gut darin beobachten kann.
8. Dafs man das linear polarisirte Licht sogleich in circu-
larcs oder elliptisches verwandeln kann.
203
9. Dafs min mit dem Apparat Messungen aasfuhren kann.
10. Dafs man in dem Apparat befindliche Gegenstande während
des Hineinblickens erwärmen, pressen, in tonende Vibrationen ver-
setzen oder von einem electrisehen Strome umfliefsen lassen kann.
11. Dafs man die durch Doppelbrechung erhaltene Polarisa-
tion und Analyse bequem durch eine vermittelst einfacher Brechung
oder Spiegelung erhaltene ersetzen kann.
Diesen Anforderungen habe ich auf folgende Weise zu ent-
sprechen gesucht ').
Auf einem gewöhnlichen dreibeinigen messingnen Fernrohr-
Stativ mit horizontaler und verticaler Bewegung, dessen Höhe,
da es eine Auszugsröhre enthält, vermittelst der Klemmschraube a
(Fig. S) von 16 bis 25 Zoll vergröfsert werden kann, ist in
einer Hülse h ein dreiseitiges, zwei Fufs langes, in Pariser Zoll
und Linien getheiltes messingnes Prisma bc verschieblich. Dieses
Prisma trägt 6 Schieber, *,, *„ *,, s 4 , * s , & t * welche sich
vermittelst Klemmschrauben an jeder beliebigen Stelle der Scale
Kuren lassen, und an welchen sich oben in Ringe endende
Stander befinden. Die Mittelpunkte sämmtlicher Ringe liegen in
einer dem dreiseitigen Prisma parallelen Geraden, welche die
optische Achse des Instruments ist. Von diesen 6 Schiebern trägt s t
die Collectivlinse p von 12 Zoll Brennweite und 3 Zoll Oüflhung,
* % die p olari sir ende Vorrichtung e, s s die analvsir ende d
aus einem Xicol'schen Prisma bestehende Vorrichtung.
Fällt paralleles Licht auf die Collectivlinse, so wird das
polarisirende Prisma im Brennpunkt desselben sich befinden
müssen, um alles auffallende Licht zu polarisiren: benutzt man
hingegen das Licht einer Lampe, so mufs es sich in der Ver-
einigungsweite der Strahlen befinden, welche divergirend auf
die Collectivlinse auflallen. Bei dem Einstellen verschiebt man
natürlich nicht das Xicolsche Prisma, sondern die Collectiv-
linse , bis das concentrirte Licht der Lampe grade in die Oeflhung
des Prismas fallt.
Um die Polarisationsebenen der beiden Prismen willkürlich
zu verändern, sind an den Ringen der Stander s % und s % ein-
*) Poggead. Ann. 35, p. 596. und Srientiie Memoire 1 p. 86.
204
getheilte Messingscheiben angebracht, auf welchen sich ein an
den Prismen angebrachter Zeiger bewegt, der, wenn er rück-
wärts über den Befestigungspunkt verlängert gedacht wird, mit
der kürzern Diagonale der rhombischen Grundfläche des Nicol-
schen Prismas zusammenfällt. Die Eintheilung des Kreises ist
so aufgetragen, dafs bei verticaler Stellung des Ständers die
# durch die Punkte f und 180 * gehende Gerade horizontal liegt.
Fig. 9 zeigt in halber Gröfse die Ansicht dieser Scheibe für
das polarisirende Prisma des Ständers s % . Die Theilung ist
dem bei d befindlichen Auge zugekehrt, die Scheibe selbst dient
zugleich, um fremdes Licht abzublenden, ihr Durchmesser be-
trägt daher 2'/ 4 Zoll. Die Kreistheilung des polarisirenden Pris-
mas befindet sich auf einem ringförmigen, durch zwei feste Durch-
messer in vier Quadranten getheilten Kreise (Fig. 10). Das Ni-
co l'sche Prisma a dreht sich auf einem Durchmesser bc, der
an seinen Enden Nonien trägt; vermittelst derselben wird der
direct in halbe Grade getheilte, 2 1 /, Zoll im Durchmesser hal-
tende Kreis in Minuten getheilt. In der Zeichnung des ganzen
Instruments (Fig. 8) ist diese Theilung weggelassen, da fiir
viele Beobachtungen eine getheilte Scheibe ausreicht.
Die die NicoPschen Prismen tragenden Ständer lassen
sich vermittelst eines Anschlags r (Fig. 9) horizontal und ver-
tical stellen, dasselbe gilt von dem Ständer s 3 . Bei heiterm
Wetter , wo das von dem Himmelsgewölbe reflectirte Licht bereits
mehr oder weniger stark polarisirt ist, richtet man das Instru-
ment wo möglich nach einer von der Sonne beleuchteten weifsen
Mauer. Will man aber das von dem Himmelsgewölbe reflectirte
Licht direct benutzen, und zwar in gröfstmöglichster Intensität,
so geschieht dies am einfachsten auf folgende Art: man dreht,
nachdem man das polarisirende Prisma mit seiner Scheibe hori-
zontal gelegt hat, das analysirende so lange, bis man in einer
im Ringe b des Ständers s 4 befindlichen, senkrecht auf die
Achse geschnittenen Kalkspathplatte das Ringsystem mit dem
schwarzen Kreuz erhält, stellt dann das polarisirende Prisma e
wieder vertical und dreht dasselbe so lange, bis man dieselbe
Erscheinung im Kalkspath wahrnimmt. Der Zeiger des polari-
sirenden Prismas e giebt dann die Richtung der Polarisationsebene
205
des einfallenden Lichtes und die Ringe erscheinen dann in größter
Klarheit.
Stellt man den Ständer des Instruments parallel der Welt-
achse, so weist der Zeiger des nach dem vorigen Verfahren
orientirten Prismas e nach der Sonne, die Theilung desselben
dient dann als Sonnenuhr, welche ihre Dienste auch noch in
der Dämmerung verrichtet.
Das von dem polarisirenden Prisma divergirend ausgehende
Licht wird zuerst von einer unter v angedeuteten Convexlinse
von 1 1 / % Zoll Brennweite , deren Entfernung von der Oefihung e
3 Zoll beträgt, und welche unmittelbar auf der Mitte der ge-
theilten Kreisscheibe befestigt ist, aufgefangen und fällt dann
auf die 3 Zoll entfernte Linie k von 1 1 / % oder kürzerer Brenn-
weite des Ständers s 3 . Von hier aus geht es durch den im
Ring l befindlichen, im polarisirten Lichte zu untersuchenden
Krystall des Ständers s 4 und nun in das analysirende Prisma rf,
in dessen unterm Ende eine unter u angedeutete Hohllinse von
4 bis 5 Zoll Brennweite eingeschraubt ist. Diese Linse kann
fiir weitsichtige weggelassen werden. Dem Ring l kann ver-
mittelst einer Kugelbewegung, welche in Fig. 8 dargestellt ist,
jede beliebige Neigung gegen die Achse des Instruments gegeben
werden. Noch bequemer ist der Fig. 11 vorgestellte, in dem
Ständer s 4 befestigte Krystallhalter top. Er ist in der Zeichnung
nicht eingestellt. Dies geschieht vermittelst des Stiftes rnn in
horizontaler, vermittelst des Stiftes op in lothrechter Richtung.
Da mw in der Hülse drehbar ist, so giebt man dem Krystall
die erforderliche Neigung gegen die optische Achse des Instru-
ments, ehe man ihn durch die Schraube o befestigt. Soll der
scheinbare Achsenwinkel bestimmt werden , so wird der Krystall
in dem Ständer Fig. 12 befestigt, der seitlich eine lothrechte
Kreistheilung ab trägt. Der hohle Ring cd steht lothrecht,
wenn der bei e auf dem heraufgebogenen Theile des Messing-
streifen ef gezogene Strich dem Nullpunkt der Theilung ent-
spricht. Will man aber zur Darstellung der isochromatischen
Curven zwei der Achse parallel geschnittene Krystallplatten oder
zwei gleich dicke Glimmerblätter combiniren, so geschieht dies
dadurch, dafs man dem Ring l (Fig. 8) zwei Schraubengewinde
206
giebt, so dafs die eine Platte auf der k zugewendeten Seite
eingeschraubt wird, die andre auf der / zugewendeten Seite.
Der Ring m (Fig. 8), nahe in der Brennweite von Ar, ist
zur Aufnahme gekühlter Gläser, Gypsblättchen und Amethyste
bestimmt. Diese gekühlten Gläser müssen, wenn sie ganz über-
sehen werden sollen, nicht grofs sein, etwa bis zu einem .halben
Zoll Durchmesser. Grofsc gekühlte Gläser, z. B. Glaskreuze
bis 2 1 /, Zoll Durchmesser, werden am besten in Licht be-
trachtet, welches durch Spiegelung oder einfache Brechung po-
larisirt ist. Sie werden in den Ring des Ständers s 6 einge-
setzt und durch das analysirende Prisma betrachtet, nachdem
das polarisircndc Prisma v und die Linse k zur Seite gebogen
sind, und die Ringe m und n aus iliren Ständern s z und s 4
herausgenommen worden. Um einen horizontalen Polarisations-
spiegel zu benutzen, ist über die drei Stücke des Charniers 9
auf der linken Seite der Fig. 8 ein Strich gezogen. Bilden die
Theilc dieses Striches eine gerade Linie, so ist die Stange bc
unter dem Polarisationswinkel gegen einen horizontalen Spiegel
geneigt. Bequemer ist es aber, ein für allemal einen schwarzen
Spiegel unter der entsprechenden Neigung auf einen Ring zu
befestigen, der auf der Collectivlinse p nach c hin sich auf-
schrauben läfst. Soll das Licht durch einfache Brechung po-
larisirt werden, so befestigt man vor der Objectivlinsc nach c
hin auf einem besondern Schieber einen Satz dünner Glasscheiben,
der in einem drehbaren Ringe, durch zwei Stifte befestigt, jede
beliebige Neigung annehmen kann. Soll das Licht durch Spie-
gelung analysirt werden, so dient dazu die Vorrichtung Fig. 13,
wo u die Hohllinse trägt wie in Fig 8. Für die Analyse durch
einfache Brechung ist es passend, einen kleinen Glassatz in eine
cylindrische Fassung, wie ein Nicol'sches Prisma, zu fassen.
Man erhält auf diese Weise alle möglichen Combinationen, nämlich:
1. zwei Nicol'sche Prismen,
2. ein Nicol'sches Prisma und einen ebenen Spiegel,
3. ein Nicol'sches Prisma und einen Glassatz,
4. zwei ebene Spiegel,
5. einen ebenen Spiegel und einen Glassalz,
6. zwei Glassätze.
207
Es kommt nun darauf an, die lineare Polarisation und
Analyse auf eine bequeme Art in circulare und elliptische
zu verwandeln. Dies geschieht auf folgende Art: die um die
Zapfen n und o drehbaren Arme / und g (Fig. 8) enthalten
Blättchen von zweiachsigem Glimmer, von der Dicke, dafs sie,
wenn sie aus der Lage, in welcher sie das lineare Licht un-
verändert lassen , um 45 Q links oder rechts von der Ebene der
primitiven Polarisation gedreht sind, zwischen den beiden durch
Doppelbrechung in diesen Blättchen entstehenden Strahlen gerade
einen Gangunterschied von 2 / 4 Undulation hervorbringen.
Liegen beide Blättchen zur Seite, so wird das geradlinig
polarisirte Licht geradlinig analysirt. Um geradlinig polarisirtes
Licht circular zu analysiren, wird / vorgelegt. Soll circular
polarisirtes Licht linear analysirt werden, so wird / zur Seite
gebogen und g vorgelegt. Beide Blättchen müssen wie in Fig. 8
vorliegen, wenn circular polarisirtes Licht circular analysirt werden
soll. Der Hauptschnitt des Glimmerblättchcns ist auf der Fassung
desselben angegeben. Läfst man ihn, statt den Punkten 45°
und 135° zu entsprechen, durch andere Theilungspunktc gehen,
so erhält man die Erscheinungen der elliptischen Polarisation,
und zwar alle Uebergänge des rechts circularcn durch rechts
elliptisches, lineares, links elliptisches in links circulares, wenn
das Blättchen in seiner Ebene von ff nach gg gedreht wird.
Um die Stellung des Glimmerblättchcns in den verschiedenen
Azimuthen der Drehung zu finden, projicirt man einen in der
Verlängerung von gg am Ring befindlichen Stift auf die Kreis-
theilung des polarisirenden Prismas.
Um gröfsere gekühlte Gläser im circular polarisirten oder
elliptischen Lichte zu untersuchen, spaltet man sich ein, einen
Gangunterschied von V 4 Welle gebendes Glimmerblatt von der
Gröfse der Oeffnung der Beleuchtungslinse und befestigt dasselbe
in einem auf dem Ständer s 6 drehbaren Ringe. Dieser Schieber
trägt daher zwei Ständer, q und r, den einen (q) zur Aufnahme
der gekühlten Gläser, den andern (r) zur Aufnahme des circular
polarisirenden Glimmerblatts unmittelbar hinter denselben.
Soll statt weifsen Lichtes einfarbiges oder dichromatisches
einfallen, so werden kleine Holzringe von i Zoll Durchmesser
208
mit farbigen Gläsern vor die Oeffnung des polarisirenden oder
analysirenden Prismas befestigt oder das Licht einer monochro-
matischen Lampe durch die Beleuchtungslinse auf der Oeffnung
des polarisirenden Prismas Concentrin. Bei Sonnenschein nimmt
man die Beleuchtungslinse herunter und wirft die Farben des
Spectrums nach einander durch Drehung eines guten Flintglas-
prismas direct auf die Oeffnung des polarisirenden Nicols. Wendet
man einen Spiegel an, so richtet man das Instrument, ehe er
auf die Belcuchtungslinse aufgeschraubt ist, nach der Lampe,
schraubt den Spiegel dann so auf dasselbe, dafs die Reflexions-
ebene horizontal hegt und dreht das Instrument um 90° um
das dreibeinige Stativ *).
Für Krystalle von schwacher doppelbrechender Kraft, wie
Bcryl, Turmalin, Bcrgkrystall u. s. w., wird die analysirende
') Die schönste Erscheinung zeigt eine mit Kochsalz oder salpeter-
saurem Natron gelb gefärbte Weingeistflamme. Die Verbindungscurven
zwischen den Ringsystemen des Arragonit erhält man am schärfsten, wenn
man linear einfallendes Licht elliptisch analysirt, also das Blättchen f
etwas in seiner Fassung dreht. Bei linearer Polarisation und circularer
Analyse setzen im Kalkspath die Quadranten der dunkeln Gurven plötzlich
in die der hellen ab. Die schönste Farbenerscheinung erhält man aher bei
Anwendung eines etwa zwei Linien dicken, durch Kobalt gefärbten Glases,
welches die Enden des Spectrums durchläfst, aber seine Mitte verlöscht.
Im Arragonit und Salpeter sieht man deutlich, dafs die rothen Achsen-
paare mit den blauen in einer Geraden liegen, der Winkel der erstem
aber kleiner als der der letztern ist, Bei circularer Polarisation und cir-
cularer Analyse, wo die Lemniscaten ohne schwarze Büschel erscheinen,
ebenfalls sehr bestimmt. Bei Baryt und kohlensaurem Blei scheiden sieh
die verschiedenfarbigen Ringsysteme deutlich. Beim Kalkspath tritt durch
das Coincidiren und Nebeneinanderlegen der für die verschiedenen Farben
concentrischen Kreise eine merkwürdige Abwechselung von Farben ein;
die beiden innern Ringe sind intensiv roth, getrennt durch einen tief
blauen Ring. Weiter folgt ein schwarzer und jenseits des dritten rothen
Ringes ein in das weifse ziehender hellblauer, dem dann mit rothen ab-
wechselnd violette folgen. Bei diesem Versuch mufs das Licht einer hellen
weifsen Flamme auf der Oeffnung des polarisirenden Nicol durch die Be-
leuchtungslinse concentrirt sein. Gombinirt man das violette Glas mit einem
Rubinglase und dann mit einem schwachgrünen, so erhält man homogene
rothe und blaue Beleuchtungen, und sieht in der zweiten die Ringsysteme
viel enger als in der ersten.
209
Vorrichtung durch ein polarisirendes Mikroskop ersetzt, und
zwar auf folgende Weise. Statt der Linse Ar wird in den Stän-
der * 3 eine stärker brechende Doppellinse eingeschraubt, die
man dadurch erhält, dafs man der umgekehrt eingesetzten Linse k
auf der dem Auge zugekehrten Seite eine planconvexe hinzu-
fügt, deren hinterer Krümmungshalbmesser 3 '"4 beträgt. Statt
des Nicol'schen Prismas in u wird eins angewendet zwischen
einer dem Auge zugewendeten Planconvexlinse von 3 '" 5 Krüm-
mungshalbmesser und einer Doppellinse, aus zwei planconvexen,
%"' von einander entfernten, bestehend, die in einer gemein-
samen Fassung befestigt sind und ihre convexen Seiten einander
zukehren. Der Krümmungsradius der dem Nicol nächsten Linse
ist 2 '"7, der der entfernteren 3 '"5.
Wesentliche Bedingungen für die gehörige Gröfse des Ge-
sichtsfeldes ohne Aifwendung des polarisirenden Mikroskops sind,
da(s die Fassungen der Nicol'schen Prismen nicht länger als
6 Linien sind, und das Glimmerblättchen der analysirenden Vor-
richtung dicht vor dem Nicol sich vorbei bewegt. In der Zeichnung
ist der deutlichem Ansicht wegen das Glimmerblättchen zu weit
vom Nicol entfernt. Wählt man statt der Nicol'schen Prismen
Turmalinplatten, so erhält man eine Vergröfserung des Gesichts-
feldes auf Kosten der Reinheit der Farben. An die Stelle der
Prismen werden für bestimmte Versuche doppelbrechende achro-
matisirte Prismen eingeschraubt.
Für circular polarisirende Flüssigkeiten werden alle Ständer
aufser s 9 und s 5 entfernt, und diese so weit auseinander ge-
stellt, dafs eine Röhre von hinlänglicher Länge zwischen ihnen
eingeschaltet werden kann.
Will man Gläser oder Krystalle erwärmen, so wird die
Stange bc um 120° gedreht und in die Fassung h eingesteckt.
Die optische Achse des Instruments liegt dann nicht über der
Stange, sondern neben derselben, so dafs die zu betrachtenden
Substanzen, auf einer Metallplatte stehend, durch eine darunter
befindliche Lampe erwärmt werden können.
Um die Ablenkung der Polarisationsebene durch einfache
Brechung zu erhalten , werden die refrangirenden Körper in den
Ständer s 9 gebracht. Die Ablenkung durch Reflexion kann,
14
210
wenn man die optische Achse des Instruments parallel erhalten
will, durch eine Anzahl grader vielfacher Reflexionen erhalten
werden. Es ist dann am bequemsten, den Ständer s x der Be-
leuchtungslinse und des polarisirenden Prismas s 9 so zu con-
struiren, dafs er sich erhöhen läfst, so dafs, wenn man die
Beleuchtungslinse und das polarisirende Prisma um gleich viel
erhöht, die Achse des aus der Beleuchtungslinse austretenden
und auf die Oeffnung des polarisirenden Nicols fallenden Licht-
kegels parallel mit sich in einer Ebene verschoben wird. Das
aus diesem Nicol austretende polarisirte Licht fallt dann auf ein
System zweier paralleler Metallspiegcl , ab und a l b l , die ihre
spiegelnden Seiten einander zukehren (Fig. 14) und durch An-
näherung an einander die doppelte Reflexion in eine vierfache,
sechsfache u. s. w. verwandeln. Diese beiden Spiegel sind um
eine horizontale Achse drehbar, wodurch e» möglich wird, den
Einfallswinkel des Lichtes auf dieselben beliebig zu verändern.
Bei dieser Drehung bleibt die zusammenfallende Reflexionsebene
beider Spiegel immer lothrecht, während die Drehung des po-
larisirenden Nicols das Azimuth des einfallenden Lichtes verän-
dert, dessen durch die Reflexion eingetretene Veränderung dann
vermittelst des analysirenden Nicols an der Kreistheilung desselben
gemessen oder ans den Farbenerscheinungen der in / befindlichen
Krystalle geschlossen wird.
Für eine ungrade Anzahl von Reflexionen müfste die Achse
an einer bestimmten Stelle eingebogen werden. Dies schien mir
nicht zweckmässig , da man die hierher gehörigen Erscheinungen
am einfachsten durch zwei Nicol'sche Prismen erhält, die sich
in einer lothrechten Ebene beliebig neigen lassen, also an einem
iothrechten Kreise verstellbar sind.
Um die einfachen In tensitäts versuche anzustellen, ist es
vortheilhaft, das Gesichtsfeld abzublenden. Dies geschieht durch
einen hohlen Cylinder von 1 Zoll Höhe, welcher auf das etwas
hervorstehende Ende der Fassung der Linse k nach rn hin auf-
geschraubt wird. Die Oeflhung der Blendung im Boden dieses
Cyiinders ist 1 l / a Linie. Dieser scharf begrenzte helle Kreis
giebt für diese Versuche ein sehr gutes Object ab. Dreht man
das analysirende Prisma in seiner Fassung, so erhält man die
211
Abnahme der Intensität nach dem Gesetz von Malus; legt man
eins der Glimmerhlättchcn vor, so bleibt bei der Drehung die
Intensität des Lichtes unverändert. Schraubt man statt des ana-
lysirenden Nie oTschen Prismas ein achromatisches, in gleicher
Fassung befindliches doppelbrechendes Prisma ein , so erhält man
die analogen Erscheinungen für beide Bilder. Dieselben Erschei-
nungen erhält man für das durch Reflexion polarisirte Licht,
wenn man die Linse k und das polarisirende Prisma / zur Seite
legt. Die Einfassung der Beleuchtungslinse dient dann als das
zu betrachtende Object. Will man das Gesichtsfeld verkleinern,
so setzt man in den Ständer s 6 eine Scheibe ein mit centraler
kreisförmiger Oeffnung. Durch Verschieben derselben an der
Scale ac gehen die Bilder dann vom Uebergreifen bis zur voll-
ständigen Trennung auseinander. Die Bilder erscheinen pracht-
voll complementar gefärbt, und wo sie über einander greifen,
weifs, wenn man an der Stelle des Glimmerblättchens / eine
sehr dünne, parallel der Achse geschliffene Bergkrystallplatte
einschaltet.
Ein in den Ring / eingeschraubtes doppelbrechendes Prisma
giebt, wenn das polarisirende Prisma e zur Seite gebogen, aber k
aufrecht und der Polarisationsspiegel nicht aufgesetzt ist, zwei
auf einander senkrecht polarisirte Bilder der auf der Linse k
aufgeschraubten Blendung, deren Intensitätsänderungen durch
Drehung des analysirenden Prismas u erhalten werden. Legt
man das Glimmerblättchen / vor, so werden die Bilder, wenn
der Hauptschnitt des doppelbrechenden Prismas lothrecht oder
horizontal liegt, rechts und links circular, und man erhält eine
Vorrichtung , welche in ihren Wirkungen übereinstimmt mit dem
von Fresnel angegebenen Apparate, welcher aus drei Berg-
krystallprismen, von welchen zwei einem rechts gewundenen
und das eine einem links gewundenen Krystall angehören, be-
steht. Bei Drehung des analysirenden Prismas behalten die Bilder
ihre Intensität unverändert. Ist das analysirende Prisma ebenfalls
ein doppelbrechendes, so bewegen sich bei der Drehung desselben,
wenn das Glimmerblatt zwischen liegt, zwei Bilder gleichblei-
bender Intensität um zwei feststehende mit derselben Eigen-
schaft.
14*
212
Schraubt man auf die durchgehende Fassung des analj-
Sirenden Prismas eine senkrecht auf die Achse geschnittene Kalk-
spathplatte, so erhält man, wenn in / das doppelbrechende Prisma
befindlich ist, in den getrennten circular polarisirten Räumen
die entsprechenden Modificationen des Ringsystems; befindet sich
hingegen im Ring / eine zweite ebenfalls auf die Achse senk-
recht geschnittene Platte von Kalkspath, so ist es leicht durch
Drehung dieses Ringes, diese genau mit der ersten zu centriren.
Auf diese Weise kann man, wenn in / ein Glimmerblatt von
bestimmter Dicke eingeschaltet wird, die Erscheinungen eines
Kalkspathzwillings nachbilden. Liegt/ zur Seite, so erhält man
bei Drehung des Ringes / die aus der Combination zweier nicht
centrirter Platten entstehenden isochromatischen Curven. Auf
ähnliche Weise kann man die Veränderung des Durchmessers
der Ringe erhalten, welche centrirte Platten geben, wenn sie
beide positiv und beide negativ , oder eine positiv und die andre
negativ ist.
Dem hier beschriebenen Polarisationsapparat können drei
Convexlinsen , eine Hohllinse und ein mikroskopisches Objectiv
beigegeben werden. Der Apparat dient dann als offnes Fernrohr
und offnes Mikroskop. Im ersten Falle ist die Beleuchtungslinse
das Objectiv, die Ständer s 9 , s 3 , ä 5 tragen die drei Convex-
linsen. Man schlägt, nachdem s t von s t um die Summe ihrer
Brennweiten entfernt, s z und s 5 um und erhält das astronomische
Fernrohr, welches bei dem Aufrichten von k und u sich in
ein terrestrisches verwandelt. In den Ring / setzt man ein Fa-
denkreuz ein. Trägt s t eine Hohllinse, so bildet es mit s t ein
galiläisches Fernrohr. Der Ständer * d trägt das mikroskopische
Object, wenn s t entfernt und s t die mikroskopische Linse ent-
hält. Das dann einfache Mikroskop verwandelt sich durch Hin-
zuiiigung einer Convexlinse als Collectiv in k und einer als
Ocular in u in ein zusammengesetztes.
Die Abänderung des Apparates, um ihn in Rotation um
seine Achse zu versetzen, ist aus Fig. 11 unmittelbar ersichtlich.
Statt der Ständer s % und s a werden zwei gleich hohe aufge-
setzt, in deren feststehenden Ringen hohle Rollen vermittelst
des Schnurlaufes eines Schwungrades mit zwei Rinnen in eine
213
schnelle Drehung versetzt werden können. Beide Rollen können
sich in gleichem Sinne drehen, aher auch durch Kreuzung der
einen Schnur in entgegengesetztem. In die hohlen Rollen können
auf beiden Seiten derselben NicoTsche Prismen oder Turma-
line, circular polarisirendc Glimmerblättchcn oder geschliffene
Bergkrystallplatten eingeschraubt werden. Das dreibeinige Stativ
des Apparates steht fest in drei Vertiefungen eines horizontalen
Brettes, auf welchem senkrecht das Schwungrad sich unmittel-
bar unter dem verschiebbaren Prisma bc befindet, so dafs der
Beobachter es bei dem Durchsehen durch die analy sirende Vor-
richtung bequem selbst drehen kann.
2. Erscheinungen im rotirenden Polarisations-
Apparate. (Pogg. Ann. 71, p. 97).
1. Das bei dem Stillstehen des polarisirenden Nicols voll-
ständig geradlinig polarisirte Licht verhält sich, so wie derselbe
in schnelle Drehung versetzt wird, ganz wie natürliches. Durch
ein doppelbrechendes Prisma untersucht, giebt es bei langsamer
Drehung desselben stets Bilder von gleicher Helligkeit. Die
intensive complementare Färbung der übergreifenden Ränder dieser
beiden Bilder bei Einschaltung eines Gypsblättchens , eines Glim-
mers oder einer dünnen Scheibe eines Bergkrystalls verschwindet
vollständig. Die bei langsamer Drehung der polarisirenden Vor-
richtung die Farben des Spectrums durchlaufende Mitte des
Ringsystems des Bergkrystalls erscheint bei schneller Drehung
vollkommen farblos, wobei es gleichgültig ist, ob der Krystall
ein rechts oder links gewundener ist, und in welchem Sinne
die Drehung geschieht.
2. Die complementaren Ringsysteme um die Achse sowohl
positiver als negativer einachsiger Krystalle neutralisiren sich
vollständig zu Weifs. Dies gilt in gleicher Weise von dem von
der Farbenfolge der Newton'schen Ringe so abweichenden
Ringsystem des Apophyllit. Die prachtvollen isochromatischen
Curven eines auf die Halbirungslinie der optischen Achsen senk-
recht geschliffenen Salpeters, Arragonits, Topases verschwinden
eben so vollständig, als die complicirten Systeme der Krystalle,
214
wo die für die verschiedenen Farben verschiedenen Achsenpaare
sehr ungleiche Neigung gegen dieselbe Halbirungslinie haben
(Seignettensalz) , oder in derselben Ebene um verschiedene Halbi-
rangslinien liegen (Gyps), oder endlich in verschiedenen Ebenen
um dieselbe Halbirungslinie (Borax). Dasselbe gilt, wenn, wie
bei dem Zucker, die Platte senkrecht auf eine optische Achse
geschliffen ist. Eben so verschwinden die durch ein liegendes
Kreuz durchschnittenen Farbencurven um die gemeinsame Hal-
birungslinie der Achsen gleich dicker combinirter Platten von Glim-
mer oder Arragonit, die geradlinigen Interferenzlinien combi-
nirter Compensationsplattcn von Bergkrystall, endlich sämmtliche
Farbenerscheinungen gekühlter und geprefster Gläser.
3. Von dem wirklichen Vorhandensein des Zustandes der
Polarisation einerseits und der Farbencurven andererseits kann
man sich, wie schnell auch die Drehung sein mag, leicht über-
zeugen. Man braucht nur an die Stelle der Lampe eine sich
selbst entladende Klei st 'sehe Flasche zu setzen, um den im
Dunkel rotirenden Nicol für einen Augenblick zu beleuchten und
die Rotation in scheinbare Ruhe zu verwandeln.
4. Bei monochromatischer Beleuchtung verschwinden die
dunkeln Interferenzlinien in einer gleichförmigen Färbung. Son-
dert man bei einem zweiachsigen Krystall vermittelst eines durch
Kobalt gefärbten Glases das rothe Ringsystem von dem violetten,
so verschwinden beide während der Drehung in einer unge-
sonderten Mischungsfarbe, wobei es gleichgültig ist, ob, wie
bei dem Salpeter, die rothen Achsen den kleineren Winkel bil-
den, oder wie bei dem kohlensauren Blei die violetten.
5. Alle Erscheinungen bleiben dieselben, wenn das aus
der rotirenden linear polarisirenden Vorrichtung austretende Licht
circular oder elliptisch analysirt wird.
6. Dasselbe gilt, wenn vor dem polarisirenden rotirenden
Nicol ein im Azimuth 45° circular polarisirendes Glimmerblättchen
fest aufgestellt ist.
7. Läfst man das aus dem rotirenden Nicol austretende
Licht auf einen Metallspiegel fallen, so verhält es sich nach der
Reflexion von demselben wie natürliches. Die in einer Kalk-
spathplatte bei langsamer Drehung des Nicols sichtbaren Ring-
215
sjsteme neutralisiren sich also bei schneller Drehung ebenfalls
zu Weifs.
8. Die Zwillingsverwachsungen der Krystalle geben zu
sehr verwickelten Farbenphänomenen Veranlassung. Besonders
schön sieht man dies an Kalkspathplatten , welche senkrecht ge-
schliffen sind auf die Achse des einschliefsenden Individuums.
Ich habe einige derselben früher künstlich nachgebildet, indem
ich zwischen zwei genau centrirte einfache Kalkspathplatten ein
Glimmerblättchen von bestimmter Dicke einschaltete (siehe Ab-
schnitt IV. 6). Da nun die natürlichen Zwillingsplatten bei
langsamer Drehung ihre Farbenerscheinungen ununterbrochen in
jedem Quadranten ändern, so fragte es sich, ob auch diese
verwickelten Farbenfiguren sich bei schneller Drehung zu Weifs
neutralisiren. Dies gelang bei einem natürlichen Zwilling, ob-
gleich % es äufserst schwierig ist, die Platte für diesen Zweck
vollständig zu centriren. Eine einfache Platte behält, wenn sie
auch nach so schnell zwischen den stehendbleibenden Nicol ge-
dreht wird, hingegen ihr Ringsystem unverändert.
Das Centriren mufs für die Nicol'schen Prismen ebenfalls
wenigstens in der Weise erfüllt sein, dafs man nicht über die
Grenzlinie des hellen und dunklen Raums abwechselnd hinweg-
sieht. Bei Turmalinen ist ein solches genaues Centriren viel
weniger nöthig.
9. Wenn die Drehungsgeschwindigkeit innerhalb jedes gan-
zen Umlaufs stetig zu- oder abnimmt, so treten die Phänomene
ein, welche theilweise polarisirtes Licht zeigt. Die Polarisations-
ebene desselben liegt in der Richtung des Minimums der Ge-
schwindigkeit.
10. Polarisirt man das auf den rotirenden Nicol einfallende
Licht durch Reflexion vollständig linear, so erscheint das aus
dem Nicol austretende Licht theilweise in der ursprünglichen
Ebene polarisirt. Der Grund ist leicht einzusehen. Stellt man
den analysirenden Nicol so, dafs man die reflectirten Newton-
schen Ringe von einem schwarzen Kreuz durchschnitten sieht,
ehe die Drehung beginnt, so nimmt die Helligkeit bei der Drehung
bis 90° fortwährend ab und wird dann Null, so dafs man
das Ringsystem mit weifsem Kreuz gar nicht erblickt. Bei
216
schneller Drehung sieht man daher ein Ringsystem mit schwarzem
Kreuz.
11. Dafs dies der Grund der Erscheinung ist, geht daraus
hervor, dafs, wenn man das auf den rotirenden Nicol einfallende
Licht circular polarisirt, man die Erscheinungen eines unpola-
risirt austretenden Lichtes erhält, ist hingegen das einfallende
Licht elliptisch polarisirt, eines sehr schwach theilweise pola-
risirten. Im ersten Falle kann man sich das circulare Licht be-
stehend vorstellen aus zwei Bündeln gleicher Intensität, die
rechtwinklig auf einander polarisirt sind, und in ihrem Gange
um den vierten Theil einer Undulation verschieden sind, im
letzten als zusammengesetzt aus circularem und linearem.
Die eben angeführten Versuche ') bilden den Uebergang zu
einer interessanten Reihe von Erscheinungen, welche ans der
Combination der Phänomene entstehen, welche bei der Rotation
als Resultante nicht weifses Licht geben, sondern die Erschei-
nungen des circularen, elliptischen und geradlinig pobrisirten
Lichts in ihren Verbindungen mit natürlichem.
12. Dreht man die linear polarisirende und analysirende
Vorrichtung mit gleicher Geschwindigkeit nach entgegengesetzter
Richtung, so sieht man das Ringsystera, welches man erhält,
wenn beide im Zustand der Ruhe im Azimuth 45° gegen einander
aufgestellt sind. Besonders deutlich zeigt sich dies bei monochro-
matischer Beleuchtung einer durch Kochsalz gelbgefärbten Wein-
geistflamme. Der Grund dieser im ersten Augenblick auffallen-
den Erscheinung erhellt sogleich, wenn man bedenkt, dafs,
wenn nur eine Vorrichtung rotirt, die analysirende oder die
polarisirende, bei einem ganzen Umlauf zwei Mal die Arme des
weifsen Kreuzes an dieselbe Stelle fallen als die des schwarzen,
und ebenso die dunkeln Interferenzlinien mit den hellen Coinci-
denzlinien nach einander genau an derselben Stelle wechseln.
Rotiren hingegen beide Vorrichtungen nach entgegengesetzter
Richtung, so fällt das Ringsystem mit dem weifsen Kreuz auf
die Punkte 0°, 90°, 180°, 210°, während das Ringsystem
') Eine nähere theoretische Ableitung derselben bat Stokes gegeben:
o» the composition and resolution of streams of polarized lightfrom
different sources. Trans, of the Cambr. Phil. Soc. vol. IX. p. III.
Ife
217
mit dem schwarzen Kreuz den Punkten 45°, 135°, 225°, 315°
entspricht. Da die hellen Arme des weifsen Kreuzes mit den
farbigen Zwischenräumen des dunkeln zusammenfallen, so addiren
sich die Eindrücke beider, und man erhält die angegebene Er-
scheinung. Ist die Umdrehungsgeschwindigkeit beider Rollen
genau dieselbe, so erscheint die Figur feststehend, ist sie hin-
gegen etwas verschieden, so dreht sich die Figur langsam, weil
die Coincidenzpunkte allmählig sich ändern.
13. Dreht man die linear polarisirende und analysirende
Vorrichtung schnell mit gleicher Geschwindigkeit nach derselben
RicbtaJBn$V so verwandelt sich das lineare Ringsystem in das,
welches man Erhält, wenn ohne Rotation circular polarisirtes
Licht circulat/Aalysirt wird. Stehen die Nicols vor Beginn
der jkhung »* dafs man im Kalkspath das schwarze Kreuz
siehtrIo erhalt man bei der Drehung die Newton 'sehen reflectir-
ten Ringe mit schwarzem Mittelpunkt ohne Kreuz, sieht man
hingegm fcei dem Zustand der Ruhe das weifse Kreuz , so er-
hält maö bei der Rotation die durchgelassenen Ringe mit weifsem
Mittelpunkt. Drehen sich die polarisirende und analysirende Vor-
richtung nicht mit gleicher Geschwindigkeit, so sieht man die
sonderbare Erscheinung, dafs die reflectirten Newton'schen
Ringe mit schwarzem Mittelpunkt und die durchgelassenen mit
weifsem Mittelpunkt fortwälzend in bestimmten Zeitintervallen
mit einander an derselben Stelle des Gesichtsfeldes abwechseln.
14. Dreht man die circular polarisirende Vorrichtung und
läfst die linear analysirende stehen, so erhält man bei jeder
Geschwindigkeit die in den Quadranten absetzenden Ringsysteme
genau so bei der Drehung als bei der Ruhe. Eben so hat es
keinen Einflufs auf die Erscheinung , ob eine circular polarisirende
und circular analysirende Vorrichtung in gleichem oder entge-
gengesetztem Sinne gedreht werden, oder beide stillstehen. Dies
ist eben das Charakteristische der Circularpolarisation. Dreht
man aber eine circularpolarisirende Vorrichtung in entgegenge-
setztem Sinne als die linearanalysirende , so erhält man schwächer
dieselbe Erscheinung, als wenn man eine linearpolarisirende und
linearanalysirende in entgegengesetzter Richtung dreht (12).
15. Läfst man die circularpolarisirende Vorrichtung stehen
*
218
und dreht die linearanal jsirende , so erhält man ein schwaches
Ringsystem ohne Kreuz mit einem grauen, von einem dunkleren
Kreise umgebenen Mittelpunkt. Der Sinn der Rotation ist dabei
gleichgültig.
16. Dreht man die circularpolarisirende Vorrichtung in dem-
selben Sinn wie die linearanalysirende, so erhält man dieselbe
Erscheinung schwächer, welche man sieht, wenn man eine linear-
polarisirende und eine linearanalysirende Vorrichtung in dem-
selben Sinne dreht, bei nicht gleicher Rotationsgeschwindigkeit
daher die alternirenden Ringsysteme (13).
17. Dreht man zwischen den stehenbleibenden Nifitts das
die circulare Polarisation im Azimuth 45 ° gebende Glimmer*
blättchen der polarisirenden Vorrichtung, so erhält man *1» Re-
sultante aller Erscheinungen des elliptischen, cireularen j||| ge»
radlinig polarisirten Lichtes, bei linearer Analyse die fifiehei-
nungen des theilweise geradlinig polarisirten Lichts«- bei circularer
Analyse die einer Mischung natürlichen und cireularen Lichtes,
d. h. im ersten Falle das Ringsystem mit einem dunkeln Kreuz,
im letzten die in den Quadranten verschobenen Ringe, aber
matt. Bei allen Versuchen waren die Nicols gekreuzt, ehe die
Rotation begann.
18. Es ist so schwierig, vermittelst eines Schnurlaufes
zwei Glimmerblättchen oder zwei Nicols entweder in eine genau
gleiche oder genau entgegengesetzte Drehungsgeschwindigkeit zu
versetzen, dafs bei den Versuchen, wo bei stehendbleibenden
Nicols die Glimmerblättchen rotiren, oder bei stehendbleibenden
Glimmerblättchen die Nicols, immer die Stellung der Blättchen
oder der Nicols gegen einander sich etwas veränderte, und daher
die Phänomene des elliptischen Lichtes sich stets mit denen des
cireularen vermischten. Für diese Erscheinung müfste daher die
Drehung durch Räderwerke geschehen.
19. Gekühlte Gläser zwischen feststehenden Nicols in ihrer
Ebene rotirend, neutralisiren sich eben so wenig zu Weifs, als
Platten zweiachsiger Krystalle, welche um die Halbirungslinie
ihrer optischen Achsen als Drehungsachse gedreht werden.
219
3. Darstellung des Weifs durch Uebereinander-
legen complementarer Bilder.
Während bei den bisherigen Versuchen die Vorstellung
des Weifs dadurch hervorgerufen wird, dafs die Netzhaut nach
einander den Eindruck complementarer Farben empfängt, kann
diese Vorstellung auch dadurch entstehen, dafs wir gleichzeitig
an derselben Stelle die complementaren Farben ununterbrochen
sehen. Die homogenen prismatischen Farben verhalten sich zu
den ttörefcien Pigmenten bei dem Uebereinanderlegen genau so
wie bei der Drehung. Eben so wenig wie auf dem gewöhn-
Hchen Farbenfareisel aus den bemalten Sectoren ein reines Weifs
entsttk, eben so wenig kann hier aus der innigen Mischung
fcrbigS Pulver dieses hervortreten. Aber so wie dort das
oscilürende Pritfma das Weifs wirklich darstellt, so tritt dies
eben so deutlich an den Stellen hervor, welche nach Aufsen
in weifser Beleuchtung den äufserten Ring der Newton'schen
Farbenringe begrenzen. Hier erscheint in homogener Beleuch-
tung noch eine Unzahl von hellen und dunkeln Ringen, und
es wäre widersinnig, die Erklärung, welche vollkommene Rechen-
schaft fiir die Farben der Mitte der Ringe giebt, deswegen auf-
zugeben, weil sie für die äufseren Ringe auf Weifs führt. Dasselbe
gilt fiir die in weifser Beleuchtung in einer bestimmten Ent-
fernung von der Mitte der isochromatischen Curven bei Polari-
sationsversuchen nicht sichtbaren Curven, die in homogener Be-
leuchtung mit der gröfsten Bestimmtheit hervortreten. Hieher
gehören auch die weifsen Ringe um die Achse des Apophyllit.
Versteht man unter prismatischer Achromasie alle die Me-
thoden, vermittelst deren durch Dispersion entwickelte Farben
wiederum in der Weise vereinigt werden, dafs sie den Eindruck
des Weifsen hervorrufen, so werden sie im Allgemeinen unter
folgende drei sich zusammenfassen lassen:
1. Die homogenen Farben treten durch Brechung noch
nicht vollständig aus einander, sondern fallen an bestimmten
Stellen noch über einander. Dies ist die weifse Mitte des Spectrums
einer grofsen Oefihung.
220
2. Die bereits getrennten homogenen Farben werden auf
irgend eine Weise sämmtlich auf dieselbe Stelle projicirt. Hieher
gehört:
a) Das Verfahren von Wünsch 1 ), die Spectra verschie-
dener Prismen, welche aus derselben Glassorte unter
gleichen Winkeln geschliffen sind, auf dieselbe Stelle zu
werfen.
b) Das in Pouillet traut, 2 edit, II, p. 294, beschriebene,
durch kleine Metallspiegel die verschiedenen Farben des-
selben Spectrums an einer Stelle zu vereinigen.
c) Dasselbe Verfahren vermittelst eines grofsen H#hty>iegel§
(Muschenbroek, Introd. ad ph. nat., §. 1917.)
d) Dasselbe vermittelst einer Sammellinse (Newton, Optice,
I. prop. V, theor. 4, exp. 10. J^
e) Der Newton'sche Versuch, die neben einanderfanfnden
.Spectra vieler parallelen Spalten durch Entfernen derselben
vom Prisma zum Decken zu bringen.
3. Die gegen einander geneigten Strahlen der verschiedenen
homogenen Farben werden parallel gemacht:
a) vollständig, indem zwei gleiche Prismen mit nach ent-
gegengesetzten Seiten gekehrten Winkeln die Wirkung
eines Parallelglases hervorbringen;
b) vollständig, indem man das objective, auf die Wand pro-
jicirte Spectrum subjecüv durch ein zweites gleiches Prisma
betrachtet, dessen Brechungswinkel nach derselben Seite
gekehrt ist (Newton, Optice, 1. II, prop. V, exp. 11),
oder indem man (Goethe, Farbenlehre I, S. 136) das-
selbe Prisma subjecüv benutzt, welches das objective
Spectrum erzeugt;
c) unvollständig durch achromatische Prismen und Objectiv-
linsen von verschiedenen Glassorten;
d) unvollständig durch achromatische Oculare, in welchen
die Wirkung einer biconvexen Linse ersetzt wird durch
zwei von einander getrennte Convexlinsen derselben Glas-
sorte.
') Versuche über die Farben des Lichtes, 1792.
221
Die dritte Methode unterscheidet sich von der zweiten da-
durch, dafs die Achromasie der zweiten nur am Kreuzungs-
punkte der Strahlen stattfindet, die der letzteren hingegen überall,
wo das austretende Licht aufgefangen wird.
Dieselben Methoden lassen sich ziemlich in gleicher Weise
für die Polarisationsfarben anwenden.
Der ersten Methode entspricht genau die weifse Mitte der
durch einen doppelbrechenden Körper nicht vollständig getrennten
Bilder einer von polarisirtem Licht beleuchteten Oeffnung, deren
getrennte Ränder nach Einschaltung eines Gypsplättchens mit
den lebhaftesten Complementarfarben erscheinen. Die Erscheinung
tritt in gleicher Weise, aber complicirter, an den vier Bildern
einer Oeffnung hervor, durch welche natürliches Licht einfallt
und im Innern eines Bergkrystallprismas total reflectirt wird,
wenn man das austretende Licht nach eingeschalteten Gyps-
plättchen durch einen Nicol analysirt.
Zu der zweiten Methode müssen alle die Fälle gerechnet
werden, wo von vier entstehenden Bildern zwei complementare
zusammenfallen, welche aber in der That bereits gesondert waren.
Am einfachsten erhält man dies, wenn man zwei gleich grofse
Längenspalten so vor einen doppelbrechenden Krystall aufstellt,
dafs die mittleren Bilder einander genau decken. Die bei Ein-
schaltung des Krystallplättchens complementar gefärbt im Nicol
erscheinenden Seitenbilder stehen gleich weit ab von dem weifs-
bleibenden Bilde in ihrer Mitte. Entfernt man sich etwas, so
löst sich diese sogleich in zwei complementare Bilder auf. Das-
selbe Phänomen zeigt sich deutlich in den idiocyclophanischen
Kry stallen, z. B. im Arragonit. Das eingeschlossene Krystail-
Individuum vertritt die Stelle des dünnen Plättchens , die hintere
Seite des umschliefsenden Individuums giebt die polarisirende
Vorrichtung, die andere die analysirende. Da diese aber selbst
zwei Bilder giebt, so bedarf es nur einer Oeffnung, die, durch
den Zwilling aus bestimmter Entfernung betrachtet, farblos in
der Mitte zweier complementar gefärbter Nebenbilder erscheint.
Da die krystallographischen Achsen beider Individuen parallel
liegen, so entsteht die Erscheinung einfach dadurch, dafs die
durch die optischen Achsen gelegte Ebene des inneren einen
ti^lf
222
Winkel bildet mit der durch die optischen Achsen des ein-
schliefsenden Individuums gelegten. Läfst man polarisirtes Licht
durch ein Gypsplättchen gehen, und fängt es dann auf einen
Hohlkegel auf, der natürliches, seiner Achse parallel einfallendes,
in allen Ebenen polarisiren würde, so ist das in einem Punkte
der Achse concentrirte Licht weifs. Dies ist das Analogon zu
dem prismatischen Weifs des Hohlspiegels.
Wenn das Wesen der dritten Methode prismatischer Achro-
masie darin besteht, dafs Farben, welche durch eine bestimmte
Vorrichtung entstanden sind, dadurch wieder verschwinden, dafs
dieselbe Vorrichtung in entgegengesetzter Weise auf diese entstan-
denen Farben wiederum angewendet wird, so giebt folgender Ver-
such aus dem Gebiete der Comp lernen tar färben dazu ein Analogon.
Das durch Reflexion von einem Spiegel vollständig pola-
risirte Licht ging zuerst durch ein gekühltes Glas und dann
durch zwei Glassätze hindurch, von denen die Brechungsebene
des einen in der Spiegelungsebene des polarisirenden Spiegels
lag, die des anderen senkrecht darauf. Wenn jede der beiden
analysirenden Vorrichtungen so gegen den einfallenden Strahl
geneigt ist, dafs sie einen unpolarisirt einfallenden gleich stark
polarisiren würde, so erscheint das gekühlte Glas vollkommen
farblos. Bei der geringsten Veränderung der einen oder der
andern Vorrichtung, entweder durch Neigung oder durch Hin-
zufügung einer neuen Glasscheibe, treten sogleich die comple-
mentaren Bilder hervor, je nachdem die eine oder die andere
analysirende Vorrichtung überwiegt. Dies giebt ein sehr ein-
faches Mittel ab, zwei auf einfache Brechung gegründete Po-
larisationsapparate in Beziehung auf ihre Wirksamkeit mit einan-
der zu vergleichen, und die von firewster aufgestellten Sätze
über Abhängigkeit der Polarisation von Anzahl der Scheiben,
Brechkraft derselben und Incidenz des Lichtes darzulegen.
Ich füge diesen Versuchen noch einige hinzu, welche, ob-
gleich nicht zur Polarisation gehörig, sich unmittelbar an die
vorhergehenden anschliefsen. Wie sich Complementarfarben er-
regt auf den Netzhäuten beider Augen verhalten, ist unter den
stereoskopischen Versuchen , pag. 111, bereits erwähnt worden.
Es mögen daher hier nur die folgenden noch eine Stelle finden.
223
4. Darstellung des Weifs durch Uebereinander-
legen objectiver und subjectiver Farben.
Auf das glänzende Knöpfchen eines Kaleidophon liefs ich
das Licht einer Kerze fallen und regulirte durch allmähliges
Schliefsen der Fensterladen das Tageslicht so, dafs neben dem
orangegelben, durch Reflex der Kerze entstehenden Lichtpunkt
ein gleich heller von weifsem Tageslicht fiel. Ich setzte nun
den Stab, welcher das Knöpfchen trug, in schwingende Be-
wegung, und erhielt auf diese Weise zwei genau gleiche Licht-
linien, eine objectiv orange, die andere prachtvoll blau subjectiv
gefärbt. Die Durchschnittspunkte dieser Curven schienen mir
nicht vollständig weifs, auch Hrn. Plateau nicht, dem ich
vor mehreren Jahren diesen Versuch zeigte, welchen Hr. Ra-
dicke, Optik, II, S. 456, bereits als von mir angestellt an-
geführt hat.
5. Darstellung des Grau durch Absorption ver-
mittelst gefärbter Gläser.
Es ist klar, dafs wenn man durch gleichmäfsige Absorption
der verschiedenen Theile des Spectrums auf weifses Licht wirkt,
das resultirende Licht ein getrübtes Weifs sein mufs. Dies habe
ich nie durch Combination zweier Gläser erhalten, aber sehr
gut durch Combination eines bläulichgrünen, gelben und violetten.
Bei Tage erscheint die Trübung durchaus farblos, so intensiv
auch die Färbung der einzelnen Gläser ist, bei dem Licht einer
Lampe zieht sie hingegen etwas in ein schmutziges Grün. Da
das Spectrum einer solchen Lampe ein anderes ist, als das des
weifsen Tageslichts, so mufs natürlich eine Combination, welche
für weifse Beleuchtung farblos ist, für eine gefärbte es zu sein
aufhören.
Die Versuche über circularc Polarisation wollen wir in einem
besondern Abschnitt von den bisherigen über lineare trennen.
224
IV. Versuche über Circularpolarisation des
Lichtes.
(Pogg. Ann. 35, p. 579).
1. Darstellung derselben durch geprefste Gläser.
Wenn zwei senkrecht auf einander polarisirte Wcllensysteme
gleicher Intensität, welche in derselben Richtung sich fortpflan-
zen, in ihrem Gange um eine ungerade Anzahl von Viertel-
undulationen sich unterscheiden, so werden die Theilchen in
dem daraus resultirenden Wellensysteme um ihre Gleichgewichts-
lage kleine Kreise, und zwar mit gleichförmiger Geschwindigkeit
beschreiben, d. h. das Licht wird circular polarisirt sein. Jedes
Mittel, diesen beiden Bedingungen zugleich zu genügen, nämlich
der der gleichen Intensität der auf einander senkrecht polari-
sirten Wellensysteme und der des bestimmten Gangunterschiedes
von einer ungeraden Anzahl von Yiertelundulaüonen , wird
daher eine Methode abgeben, das Licht circular zu polarisiren.
Fresnel und Airy haben auf verschiedenen Wegen dies
geleistet. Die dritte Art, welche ich hier auseinandersetzen werde,
ist in der Ausführung wenigstens eben so bequem als die bis-
herigen, giebt aufserdem näheren Aufschlufs über die Erschei-
nungen geprefster und gekühlter Gläser im polarisirten Lichte.
Der Bedingung der gleichen Intensität der senkrecht auf
einander polarisirten Systeme entspricht Fresnel dadurch, dafs
er das einfallende Licht in einer Ebene polarisirt, welche mit
der Ebene der totalen Reflexion in einem Glasparallelopiped einen
Winkel von 45° oder 135° macht. Die in der und senkrecht
auf die Reflexionsebene polarisirten Lichtmengen werden nämlich
dann nach der Fresnel'schen Intensitätsformel einander gleich.
Den Phasenunterschied von einer Viertelundulation erhält er
aber durch zweimalige totale Reflexion , weil nach einmaliger
unter den gegebenen Umständen die Vibrationsperioden der re-
flectirten Wellen nicht mehr eoineidiren, sondern einen Phasen-
unterschied von y § Undulation zeigen.
225
Airy's Verfahren beruht auf einem andern Princip. Be-
trachtet man ein parallel der Achse geschnittenes Blättchen eines
einachsigen Krystalls, dessen Achse mit der Polarisationsebene
des einfallenden Lichtes einen Winkel a macht, durch ein Kalk-
spathrhomboe'der^ dessen Hauptschnitt unter dem Winkel b ge-
gen die Ebene der primitiven Polarisation geneigt ist, so ist,
wenn Z, L die Intensitäten der beiden senkrecht auf einander
polarisirten Bilder bezeichnen, allgemein:
1^ = cos * b — sin 2 a sin 2 (a — b) cos * n ( — ^-—\
I t = sin*b-\-sin2a sin 2 (a — b) sin 9 n l — - — j ,
wo X die Undulationslänge für eine bestimmte Farbe , o — e der
Gangunterschied der beiden Strahlen und 1 die Intensität des
auf das Krystallblättchen senkrecht auffallenden polarisirten Lich-
tes bezeichnet. Läfst man nun die Achse des Blättchens einen
Winkel von 45 ° mit der Ebene der primitiven Polarisation
machen, d. h. setzt man a = 45°, so wird:
i = cos 9 b — cos 2 b cos * n l — ^— )
j£ = sin * b -+■ cos 2 b sin * n l — - — 1.
Kann man nun durch irgend ein Mittel den Gangunterschied
der beiden Strahlen einer ungeraden Anzahl von Viertel- Undu-
lationen gleich machen, so wird der zweiten Bedingung ent-
sprochen, zugleich aber auch der ersten, nämlich der der gleichen
Intensität. Setzt man nämlich:
•-.-[(^W
so wird:
J = cos " b — £ cos 2 b = i
J e = sin * b -+■ £ cos 2 b = i.
Der Gangunterschied o — e hängt von zwei Gröfsen ab, von
der Dicke des Blättchens, welcher er direct proportional
ist, und von dem Unterschied der Geschwindigkeiten
der beiden das Blättchen durchlaufenden Strahlen, d. h. von
den Constanten der Doppelbrechung.
15
226.
Das Verfahren von Airy besteht nun "darin, dafs er bei
gleichbleibender Doppelbrechung die Dicke des Blättchens durch
Spalten so lange ändert, bis der Gangunterschied beider Strahlen
gleich ist einem ungeraden Vielfachen von Viertel -Undulationen.
Da für den zweiachsigen Glimmer unter senkrechter Incidenz
dasselbe gilt wie für einen einachsigen Krystall, und er das
Spalten in gröfsere Blättchen am besten gestattet, so wird er
dazu vorzugsweise anwendbar sein. Ich ändere hingegen bei
gleichbleibender Dicke die Doppelbrechung der Substanz, bis
der verlangte Gangunterschied erhalten wird.
In einem Krystallblättchen durch Druck oder Temperatur-
änderung die Strahlenbrechung so abzuändern, dafs es bei einer
gegebenen Dicke die verlangte Wirkung äufsere, möchte in der
Anwendung keine bequeme Vorrichtung abgeben. Sehr leicht
ist es aber, einen unkrystallisirten Körper durch Druck oder
Abkühlung in einen doppelbrechenden zu verwandeln, welcher
grade die verlangte Wirkung äufsert.
In dem von Fresnel angegebenen, aus vier Prismen bestehen-
den Apparate, durch welchen die Doppelbrechung des geprefsten
Glases direct nachgewiesen wird, ist von den beiden entstehen-
den Bildern das eine parallel der Compressionsachse , das andre
senkrecht auf dieselbe polarisirt, woraus hervorgeht, dafs die
Achse der doppelten Strahlenbrechung mit der Compressions-
achse zusammenfallt. Wenn man eine quadratische oder kreis-
runde Glasscheibe daher so zusammendrückt, dafs die Com-
pressionsachse mit der Ebene der primitiven Polarisation einen
Winkel von 45° oder 135° macht, so wird das durch die Mitte
der Scheibe hindurchgehende Licht bei einem gewissen Grade
der Zusammendrückung circular polarisirt sein. Denken wir uns
nun eine Kreistheilung lothrecht auf den einfallenden Strahl so
gelegt, dafs die Polarisationsebene durch die Punkte 90° und
270° hindurchgeht, so zeigt, wenn die Compressionsachse durch
45° und 225° geht, eine senkrecht auf die Achse geschnittene
Kalkspathplatte in dem durch die Mitte des geprefsten Glases
gehenden Lichte statt des schwarzen Kreuzes die Ringe im zwei-
ten und vierten Quadranten (rechts oben und links unten) um
ein Viertelintervall vom Mittelpunkt fortgeschoben, im ersten
227
und dritten Quadranten hingegen (links oben und rechts unten)
dem Mittelpunkt um dieselbe Gröfse näher gerückt. Grade das
Umgekehrte findet statt, wenn die Compressionsachse durch die
Theihingspunkte 135° und 315" geht.
Man sieht hieraus, dafs die Winkel, welche in dem Fresnel-
schen Paralleüopiped die Ebene der zweimaligen totalen innern
Reflexion mit der Ebene der primitiven Polarisation macht, gleich
sein müssen den Winkeln, unter welchen die auf die Compres-
sionsachse lothrechte Ebene gegen die der primitiven Polarisa-
tion geneigt ist, wenn durch beide Vorrichtungen dieselben Er-
scheinungen hervorgebracht werden sollen.
Es bedarf nun weiter keiner besonderen Ableitung, dafs
bei einer ganzen Umdrehung der Platte in ihrer Ebene um
den lothrecht einfallenden Strahl als Drehungsachse das Licht
viermal geradlinig und viermal circular polarisirt sein wird, und
zwar geradlinig, wenn der Angriffspunkt der zusammenpressen-
den Sehraube in den Punkten 0°, 90°, 180°, 270° hegt, d. h.
wenn die Compressionsachse senkrecht auf der Ebene der pri-
mitiven Polarisation steht oder in ihr liegt, hingegen circular,
wenn jener Angriffspunkt den Theilungspunkten 45°, 135°,
225°, 315° entspricht, wobei 45° und 225°, so wie 135 f
und 315° gleiche Wirkung zeigen.
Combinirt man zwei geprefste Platten und zwei Turmalin-
platten so, dafs die auf einander senkrechten Compressionsachsen
der zwischen den gekreuzten Turmalinplatten befindlichen Glas-
platten mit deren Achsen Winkel von 45° bilden, so zeigt
eine zwischen die Glasplatten gelegte Kalkspathplatte die Ringe
ohne Kreuz mit dem schwarzen Fleck in der Mitte, hingegen
die complementaren, wenn man die Achsen der Turmaline oder
die Compressionsachsen der Glasplatten einander parallel macht.
Macht man eine Compressionsachse einer Turmalinplatte parallel,
so erhält man die Verschiebung der Ringe in den vier Quadranten
um ein Viertelintervall, die Erscheinung ist hierbei aber nicht
reeiprok, da hier eine ähnliche Umkehrung stattfindet als die,
welche eintritt, wenn man einen kreisförmig geschlossenen electri-
schen Strom von der entgegengesetzten Seite ansieht; der erste
und dritte Quadrant wird dann nämlich der zweite und vierte,
15*
228
lind umgekehrt. Macht man die Turmalinachsen und Compres-
sionsachsen sämmtlich einander parallel, so erhält man die Er-
scheinungen im linear polarisirten Lichte.
Stellt man eine bis zu einem gewissen Grade zusammen-
geprefste runde oder quadratische Glasscheibe so zwischen die
gekreuzten Spiegel, dafs die Compressionsachse mit einer der
Reflexionsebenen der Spiegel zusammenfällt, so erblickt man
auf ihr ein schwarzes Kreuz mit weifsen Räumen in den Ecken.
Untersucht man vermittelst der Kalkspathplatte diese vier weifsen
Räume, so findet man, dafs die derselben Diagonale angehörigen
sich gleich verhalten, aber entgegengesetzt den beiden weifsen
Räumen der andern, und zwar ist das aus ihnen austretende
Licht in der einen Diagonale rechts, in der andern links cir-
cular polarisirt. Daraus folgt unmittelbar, dafs wenn man die
Platte in ihrer Ebene um 90° dreht, alle weifsen Räume in
den Diagonalen ihre Wirkung grade vertauscht haben.
Die von mir bei diesen Versuchen angewendeten Platten
hatten einen Durchmesser von 1 1 l / f Linie und eine Dicke von
3*/ 4 Linie.
2. Darstellung der Circularpolarisation durch
gekühlte Gläser.
Einen Glaswürfel von 17 Linien Seite kühlte ich vorsichtig
so ab, dafs er zwischen den gekreuzten Spiegeln in der Mitte
ein dunkles Kreuz und in den vier Ecken nur das daran gren-
zende Weifs gab, wenn die Diagonalen der dem Auge zuge-
kehrten Fläche des Würfels Winkel von 45° mit der Polari-
sationsebene machen. Das Licht der vier weifsen Räume ver-
hielt sich grade so wie das Licht der vier weifsen Räume der
geprefsten Scheibe, wenn die Compressionsachse derselben in
der Polarisationsebene oder senkrecht auf sie lag. Durch ex-
centrische Drehung des Würfels, um den durch einen der weifsen
Räume senkrecht austretenden Strahl als Drehungsachse, ent-
stehen daher ähnliche Verwandlungen, indem bei 90° Drehung
die Diagonalen ihre Wirkung vertauschen. Statt den Würfel
zu drehen, kann man ihn, um dieselbe Veränderung zu er-
229
halten, auch so verschieben, dafs zwei der parallelen Seiten der
dem Auge zugekehrten Fläche senkrecht auf ihre Richtung sich
fortbewegen, während die beiden andern in ihrer eignen Ver-
längerung fortrücken. Man kommt hierbei aus dem weifsen
Räume der einen Diagonale in den der andern. Die Combina-
tionen zweier gekühlter Gläser, um circular polarisirtes Licht
circular zu analysiren, ergeben sich von selbst. Soll das Ring-
system ohne Kreuz mit dem schwarzen Fleck in der Mitte er-
halten werden, so combinirt man sie wie in Fig. 16.
Da es sehr schwierig ist, durch directe Versuche die Dop-
pelbrechung des gekühlten Glases nachzuweisen, und da sie in
der Theorie der sogenannten beweglichen Polarisation nicht
als eine nothwendige Folge seiner Farbenerscheinung im gerad-
linig polarisirten Licht angesehen wurde, so ist es wünschens-
werth, die Beweise, dafs diese Farben durch den Gangunter-
schied der das Glas durchlaufenden Strahlen entstehen, durch
neue Versuche zu verstärken. Die folgenden scheinen mir fiir
die Erklärung dieser Farben aus dem Interferenzprincip daher
nicht unwichtig.
Wenn ein im Azimuth 45° geradlinig polarisirter Strahl
nach zweimaliger totaler Reflexion im Innern eines F res n ei-
schen Parallellopiped zwischen den senkrecht auf einander po-
larisirten Lichtmengen gleicher Intensität einen Phasenunterschied
von ! / 4 Undulation zeigt, so wird dieser Unterschied nach vier-
maliger Reflexion '/, Undulation werden, der Strahl also wieder
geradlinig, aber senkrecht auf die Ebene der primitiven Polari-
sation polarisirt sein. Nach sechsmaliger Reflexion ist er wieder
circular, aber links, wenn er es bei zweimaliger rechts war,
weil das Azimuth des geradlinig polarisirt einfallenden Lichtes
jetzt —45° statt -4-45°, endlich wird nach achtmaliger Reflexion
die Ebene der wieder hergestellten Polarisation mit der der pri-
mitiven zusammenfallen. Die Erklärung der in den oben ange-
führten Versuchen beobachteten Erscheinungen der Circularpo-
larisation beruhte darauf, dafs durch Aenderung der Doppel-
brechung vermittelst einer bestimmten Wärmeverschiedenheit im
Innern des angewendeten Körpers, bei unveränderter Dicke des-
selben, der Gangunterschied der beiden Strahlen grade */ 4 Un-
230
dulation gleich gemacht wird. Ist diese Erklärung richtig, so
mufs man durch allmähliges Erwärmen genau dieselben Erschei-
nungen erhalten, als durch successive Reflexionen im Innern
Fresnel'scher Rhombogder, nur mit dem Unterschiede, dals
statt sprungweiser Verschiedenheit man hier einen continuirlichen
Uebergang durch alle Grade der elliptischen Polarisation zu er-
warten hat. Die Versuche bestätigen dies nun vollkommen.
Sie müssen natürlich im einfachen Lichte angestellt werden.
3. Erscheinung während des Erhitzens oder Ab-
kühlens der Gläser.
Der in dem vorhergehenden Abschnitt näher beschriebene
Apparat, Fig. 8, wurde nach einer monochromatischen gelben
Lampe gerichtet, so dals die in / befindliche, auf die Achse
senkrecht geschnittene Kalkspathplatte die schwarzen Ringe mit
dem dunkeln Kreuz in voller Deutlichkeit zeigte, wenn der
durch neues Erwärmen und Abkühlen zur vollkommenen Wir-
kungslosigkeit auf das polarisirte Licht gebrachte Glaswürfel vor
dem polarisirenden Nicol'schen Prisma, also zwischen k und o,
eingeschaltet wurde. Um ihn bequem über einer Lampe zu
erhitzen, war das dreiseitige Prisma bc 9 der Träger aller po-
larisirenden Vorrichtungen, so in seine Hülse gesteckt, dafs
diese nicht über, sondern neben der Stange sich befanden, man
mufs sich die Lage derselben in der Zeichnung daher um 120°
geändert denken. In dem Ring m war ein Faden ausgespannt,
um die Bewegung der Ringe vom Mittelpunkt weg oder zu
ihm hin leichter beobachten zu können.
Als die Lampe angezündet wurde, fing das schwarze Kreuz
an, sich sogleich in der Mitte zu öffnen, die Kreisbogen im
zweiten und vierten Quadranten entfernten sich vom Mittelpunkt,
während die des ersten und dritten sich näherten. Nach einiger
Zeit entsprachen die dunkeln Bogen der ungeraden Quadranten
genau den hellen Räumen der geraden, das Licht war circular
polarisirt, der Gangunterschied y 4 Undulation. Während dieses
Vorgangs war, aufser den schwarz bleibenden Punkten aus der
231
Mitte, das dunkle Kreuz immer heller geworden. Als es völlig
verschwunden war, hatten die Bogen, an ihren Enden sich
verkürzend, allmählig sich so fortbewegt, dafs die zwei von
dem Centrum ausgegangenen schwarzen Flecke mit den sich
nähernden Theilen aus den beiden andern Quadranten den durch
vier helle Zwischenräume getrennten innern Ring bildeten. Alle
übrigen Ringe verhielten sich eben so; die Kalkspathfigur hatte
sich also gerade so umgestaltet, als wenn das polarisirende Prisma
um 90° gedreht worden wäre, das Licht war also linear und
senkrecht auf die Ebene der primitiven Polarisation polarisirt,
der Gangunterschied der beiden Strahlen '/ 9 Undulation. Bei
weiterer Erwärmung, als der Gangunterschied */ 4 Undulationen
geworden, war das Licht wieder circular polarisirt, nur mit
dem Unterschiede, dafs nun die Ringe im ersten und dritten
Quadranten die nähern waren, die im zweiten und vierten die
entferntem, wobei die Richtung der Bewegung der Bogen in
den einzelnen Quadranten natürlich dieselbe blieb. Endlich als
der Gangunterschied eine ganze Undulation betrug, hatte sich
das weifse Kreuz wieder zu vollkommenem Schwarz verdunkelt;
die vorher getrennten Bogen schlössen sich zu ganzen Kreisen,
das Licht war nach derselben Richtung geradlinig polarisirt als
zu Anfang des Versuches. Nun wurde die Lampe entfernt,
und die entgegengesetzten Erscheinungen in regelmäfsiger Folge
während des Erkaltens beobachtet ').
Die Einwirkung des allmählig von Unten nach Oben sich
erwärmenden Glases auf das einfallende Licht ist demnach fol-
*) Ganz dieselbe Reihenfolge von Erscheinungen läfst sich natürlich
auch durch allmählig gesteigerten Druck und Nachlassen desselben hervor-
bringen. Bei den von mir angewandten Scheiben konnte ich diesen in
der Nahe des Angriffspunkts der Schraube aber nur bis zu einem Gang-
unterschied von y 4 Undulation treiben. Bei stärkerem Druck platzten die
Scheiben. Eben so ist es einleuchtend, dafs wenn man eine gekühlte
Glasscheibe, welche im weifsen Licht, vom Schwarz ausgehend, regel-
mäßige Farbenfolgen zeigt, einschaltet, im einfachen Licht in der Kalk-
spalhplatte dieselben Erscheinungen wahrgenommen werden, wenn man die
Platte vor der Oeffnung des polarisirenden Prismas langsam vorbei bewegt.
Die verschieden wirkenden Räume liegen, je dicker die Platte ist, einander
desto näher.
232
gende. Die zuerst geradlinig schwingenden Aethertheilchen fangen
an in Ellipsen sich zu öffnen, deren Excentricität immer mehr
abnimmt, bis sie Kreise werden. Die vorher gröfsere Achse
wird nun die kleinere, und umgekehrt. Mit zunehmender Ex*
centricität gehen die elliptischen Schwingungen in gerade über,
welche senkrecht auf den anfänglichen stehn. Während dieses
ganzen Vorganges änderte sich der Sinn der Schwingungen
nicht, war er von links nach rechts, so bleibt er es. So wie
aber die zweite geradlinige Schwingung in eine elliptische sich
öffnet, hat der Sinn der Bewegung sich umgekehrt, die Schwin-
gung geschieht nun von rechts nach links, wenn sie vorher
von links nach rechts geschah. Die Vibrationen gehen dann
durch kreisförmige wieder in die anfänglichen geraden über.
Das aus dem Würfel austretende Licht wurde nun dadurch,
dafs ein Glimmerblatt / von passender Dicke zwischen der Kalk-
spathplatte und dem analysirenden Prisma eingeschaltet wurde,
circular analysirt. Die Achse dieses Glimmerblattes lag so , dafs
die Bogenstücke im ersten und dritten Quadranten vom Mittel-
punkt entfernt waren, wenn der Würfel noch unerhitzt war,
die Wirkung desselben war also grade entgegengesetzt der
Wirkung des Würfels im ersten Stadium der Erwärmung. Wenn,
von diesem Punkte ausgehend, die Ringe ohne Kreuz mit dem
schwarzen Fleck in der Mitte sich gebildet hatten, so trennte
sich dieser bei steigender Wärme in zwei Flecke, welche sich
im zweiten und vierten Quadranten vom Mittelpunkt entfernten,
und, nachdem sie durch die Figur im circularen Lichte hin-
durchgegangen waren, sich mit den herankommenden Bogen aus
dem ersten und dritten Quadranten zu einem Kreis schlössen,
also das Ringsystem mit heller Mitte gaben, welches man durch
Drehung des polarisirenden Prisma um 90° gleich zu Anfang
erhalten haben würde. Die weiter dem Mittelpunkt zuschrei-
tenden Bogen aus dem ersten und dritten Quadranten bildeten
dann die entgegengesetzte circulare Figur, und vereinigten sich
zuletzt in der Mitte zu einem schwarzen Fleck, während alle
Bogen zu Kreisen sich schlössen. Man wird in diesem Vorgang
die früher beschriebenen Erscheinungen der linearen Analyse als
bedingendes Element leicht wieder erkennen, ohne dafs es nöthig
233
wäre, die Formänderung der Ringe, ehe sie in getrennte Bogen
aus einander brechen, näher zu beschreiben.
Circulares Licht einfallen lassen, heilst nichts anderes, als
zu dem durch den erhitzten Würfel hervorgebrachten Phasenunter-
schied eine constante Gröfse, nämlich oder
4 4
Undulationen hinzu addiren, d. h. den Ausgangspunkt des Ver-
suches ändern. Als ich daher zwischen dem polarisirenden Prisma
und dem erhitzten Würfel das Glimmerblättchen g einschaltete,
erhielt ich bei linearer Analyse die zuerst, bei circularer die
zuletzt beschriebenen Erscheinungen von einem anderen Aus-
gangspunkt beginnend.
4. Erscheinungen in den verschiedenen Farben
des Spectrums.
Die bisherigen Versuche wurden bei einfallendem einfachen
Lichte angestellt, dessen Wellenlänge X war. Für einen anderen
Theil des Spectrums hat aber X einen anderen Werth. Be-
zeichnen wir diesen mit X l9 so wird, wenn:
o — e = mX
o — e = m l X l
sein, also:
-m t = (o-e)(±-*).
in
' \X k t
Da y — t~ für eine bestimmte Substanz eine constante Gröfse
ist, so wird der Unterschied m — m x der Gröfse o — e pro-
portional sein. Daraus folgt also:
»Dafs, wenn für eine bestimmte Farbe das Licht durch
ein eingeschaltetes Erjstallblättchen circular polarisirt ist,
es für die anderen Farben linear und entgegengesetzt cir-
cular polarisirt sein kann, und dafs der Unterschied zwischen
den einzelnen Farben zunimmt mit der Dicke des Blättchens
und mit der Intensität der Doppelbrechung.«
Ist das auffallende Licht für die Mitte des Spectrums cir-
cular, so ist, wenn der Gangunterschied '/ 4 für diese Mitte,
234
auch für die äufsersten Grenzen des Spectrums das Licht noch
nicht linear. Ist es bei '/, Undulation Gangunterschied im Rothen
hier linear, so ist es im Blau circular. Bei */ 4 Gangunterschied
im Rothen wird es, wenn es hier rechts circular ist, im Blau
linear und im äufsersten Violett links circular. Lineares Licht
im Rothen durch den Gangunterschied 1, giebt links circulares
im Grün, senkrecht darauf lineares im Indigo und nähert sich
im äufsersten Violett dem rechts circularen, endlich links cir-
culares im Roth durch den Gangunterschied */ 4 giebt lineares
im Gelb, rechts circulares, wo das Blau in Indigo übergeht,
und darauf senkrecht lineares bei dem Beginn des Violett u. s. f.
Um dies durch Versuche zu prüfen, wurde ein gleich-
seitiges Prisma von Guinand'schem Flintglase so aufgestellt, dafs
nach Wegnahme der Collectivlinse p das rothe Ende des Spectrum
grade auf die Oeffnung e des polarisirendenNicol'schen Prismas
fiel. Hatte nun der Würfel bei allmähligem Erwärmen die Er-
scheinungen hervorgebracht, welche einem Gangunterschied von
V4» V»? V 4 Undulation entsprachen, so wurden die andern Far-
benstrahlen in die Achse des Polarisations- Apparates gebracht
und die Veränderung der Kalkspathfigur untersucht. Dies konnte
ohne Drehung des Prismas leicht erhalten werden, da vermit-
telst der Auszugsröhre die Höhe des Instruments, durch Be-
wegung der prismatischen Stange aber die Neigung desselben
beliebig geändert werden kann. Glimmerblätter von verschie-
dener Dicke wurden ebenso wie der erhitzte Würfel untersucht.
Am schönsten sieht man die Veränderungen, wenn man, vom
Violett anfangend , das Instrument in der Auszugsröhre langsam
durch die einzelnen Farben des Spectrums herabsinken läfst.
Die allmähligen Uebergänge sind von einem Ende desselben zum
andern, von dem Farbenunterschied abgesehen, genau dieselben
als die bei dem Erhitzen und Abkühlen des Würfels erhaltenen.
Ebenso sind die Erscheinungen , wenn man das auffallende
Licht durch ein vor dem Kalkspath eingeschaltetes Glimmerblatt
circular analysirt, den früher beschriebenen durchaus ähnlich.
Statt der einzelnen Theile des Spectrums kann man sich bei
diesen Versuchen natürlich auch monochromatischer Lampen oder
der Absorption durch farbige Gläser bedienen. Hat man durch
235
ein Blättchen von bestimmter Dicke in einer Farbe das Licht
circular polarisirt, so läfst sich dadurch nur bestimmen, ob der
Gangunterschied der beiden Strahlen — -p~ , oder ob er — - —
Undulation ist. Prüft man dasselbe Blättchen aber in den ver-
schiedenen Theilen des Spectrums, so erhält man nach den
eben erörterten Versuchen n selbst bestimmt. Es versteht sich
von selbst, dafs, wenn man durch Refraction Erscheinungen
der Circularpolarisation im weifsen Lichte erhalten will , es an-
zurathen ist, die Dicke des Blättchens oder die Härtung des
Glases so zu bestimmen, dafs der Gangunterschied für die mittle-
ren Strahlen l / 4 Undulation wird. Ich bediene mich zu dieser
Bestimmung einer durch Kochsalz oder salpctersaures Natron
gelb gefärbten Weingeistflamme.
5. Farbenerscheinungen combinirter Krystalle
im weifsen Licht.
Es ist nun leicht, sich von den complicirten Farbener-
scheinungen Rechenschaft zu geben, welche man erhält, wenn
man hinter einer senkrecht auf die Achse geschnittenen Krystall-
platte ein der Achse paralleles Krystallblättchen von beliebiger
Dicke einschaltet. Da nämlich für eine Farbe das Licht rechts
circular, für die andere links, für eine dazwischenliegende ge-
radlinig polarisirt wird, so werden die schwarzen Büschel an
ihren beiden Seiten sich verschieden färben, die Erscheinungen
in den geraden Quadranten sich wesentlich unterscheiden von
den in den ungeraden, die Farbenringe in beiden aber von der
Farbenfolge der Newton'schen Ringe wesentlich verschieden
sein. Aus den bekannten Werthen der Brechungsverhältnisse,
der Wellenlänge für die einzelnen Theile des Spectrums und
der Dicke des Blättchens läfst sich die Erscheinung vorher be-
stimmen; sie läfst sich aber auch empirisch nachweisen, wenn
man durch Aufsetzen der Collectivlinse p des Apparates das
Spectrum in der Oeffnung des polarisir enden Nicofschen Prisma e
zu Weifs concentrirt, eine Bestätigung, deren häufige Wiederholung
wegen der Lichtstärke des Apparates aber nicht zu empfehlen ist.
236
6. Farbenerscheinungen in Zwillingskrystallen.
Gehen wir von der künstlichen Combination zweier Krystalle
zu den in den zwillingsartigen Verwachsungen natürlich vor-
kommenden über, so haben wir diese in drei Klassen zu unter-
scheiden: entweder nämlich sind die Achsen der verbundenen
Individuen lothrecht auf einander , oder sie sind einander parallel,
oder machen irgend einen Winkel mit einander. Der Schnitt
soll immer senkrecht gelegt sein auf die Achse des einen Indi-
viduum. Der erste Fall gäbe unmittelbar die eben betrachteten
Erscheinungen, doch kommt er, so viel mir bekannt ist, bei
durchsichtigen Krystallen nicht vor, während der zweite nur bei
zweiachsigen Krystallen zu Farbenerscheinungen Veranlassung
geben kann. Ist nämlich, wie z. B. bei dem Arragonit, ein
sehr dünner Krystall in einem andern so eingewachsen, dafs seine
krystallographische Achse parallel liegt der des von ihm in zwei
Theile getheilten Krystalls, so werden diese, weil die optischen
Achsen dieser Lamelle merkliche, wenn auch kleine, Winkel
mit den Begrenzungsebenen machen , für das durch diese Achsen
gehende Licht als doppelbrechende Prismen wirken müssen, weil
ihre optischen Achsen nicht in der Ebene der Achsen der La-
melle liegen. Die nähere Construction dieser idiocyclophanischen
Krystalle d. Ji. natürlichen Polarisationsapparate, welche die Ring-
systeme wegen der Dünne der Lamelle in ungewöhnlicher Gröfse
und wegen der Schiefe der Austrittsfläche gegen ihre optischen
Achsen sehr verzogen zeigen, erhält man auf optischem Wege
dadurch, dafs man diese ohne vorläufige Polarisation gesehenen
Ringsysteme ihrer Gröfse und Lage nach mit denen vergleicht,
welche vorher geradlinig polarisirtes und ebenso nachher analy-
sirtes Licht um die optischen Achsen der einschliefsenden Indivi-
duen entwickelt, von denen das eine die polarisirende , das an-
dere die analysirende Vorrichtung abgiebt. Dafs dies letztere
der Fall sei, geht aufserdem daraus hervor, dafs, wenn man
einen Turmalin vor dem im natürlichen Lichte betrachteten
Krystall herumdreht, abwechselnd eins der Ringsysteme ohne
Formänderung verschwindet. Da aber die Erscheinung bei Um-
237
kehrung des Kiystalls dieselbe bleibt, so gilt dasselbe für das
polarisirende Prisma, womit auch die Intensitätsänderungen der
Ringe übereinstimmen, wenn man den Krystall mit blofsem Auge
in geradlinig polarisirtem Lichte betrachtet. Ein entscheidender
Beweis dafür, dafs das hintere Individuum geradlinig polarisirend
wirkt, liegt, wie mir scheint, aber darin, dafs die mit blofsem
Auge gesehenen Ringe , wenn man circulares Licht einfallen läfst,
nicht die Form annehmen, welche diesem entspricht.
Der dritte Fall, dafs die Achse des eingewachsenen Blätt-
chens unter irgend einem Winkel geneigt ist gegen die Achse
des einschliefsenden Kiystalls, ist auch für einachsige Krystalle
von Bedeutung. Die dadurch hervorgebrachte Modification des
Ringsystems um die Achse des einschliefsenden Krystalls mufs
übereinstimmen mit der in zwei genau centrirten Platten, wenn
zwischen ihnen ein Krystallblättchen von bestimmter Dicke ein-
geschaltet ist. Da man hier das Blättchen durch ein gleich
wirkendes eines andern Kiystalls ersetzen kann, so läfst sich
dieser Fall ohne Schwierigkeit nachconstruiren. Unter sieben,
eine Abweichung von dem gewöhnlichen Ringsystem zeigenden
Kalkspathplatten fand ich zwei, welche eine sehr regelmässige
Figur gaben, nämlich ein schwarzes Kreuz mit einander ab-
wechselnd berührenden Curven, welche mir Kreise und Lemnisca-
ten zu sein schienen; die innerste Curve war vollkommen zu
einer 8 geschlungen. Dreht man die Platte in ihrer Ebene, so
besteht der innere Theil des Ringsystems aus vier dreieckigen
Räumen. Ganz dieselben Erscheinungen erhielt ich, als ich
zwischen zwei genau centrirte, das regelmäfsige Ringsystem
gebende Platten ein Glimmerblatt von bestimmter Dicke einschal-
tete, und dasselbe in seiner Ebene drehte.
7. Versuche über Circularpolarisation durch
andre Modificationen.
Von krystallinischen Substanzen des regulären Systems habe
ich, in Beziehung auf die Wirkung ungleicher Temperaturver-
theilung im Innern des Körpers , nur Flufsspath untersucht. Das
hierbei angewandte Bruchstück war vollkommen farblos und
238
durchsichtig, l 1 /, Zoll lang und von Herrn Prof. Weifs mir
zu diesen Versuchen anvertraut. Bei einer Hitze, wo im Glas-
würfel der Gangunterschied */ 4 Undulation geworden war, zeigte
es durchaus keine Wirkung auf geradlinig polarisirtes Licht, ob-
gleich ich, um den Wärmeunterschied zu steigern, das obere Ende
desselben durch Schwefeläther fortwährend abkühlte, während
das untere auf der heifsen Stahlplatte stand ').
Transversal schwingende Klangscheiben wirkten weder auf
linear noch auf circular einfallendes Licht Bekanntlich hat aber
Biot durch Longitudinalschwingungen langer Glasstreifen einen
Lichtschein zwischen den gekreuzten Spiegeln erhalten. Obgleich
mir bei den in dieser Beziehung angestellten Versuchen das
Kreuz der Kalkspathfigur sich zu öffnen schien, so bedürfen
doch diese Versuche einer Wiederholung mit einem bessern
akustischen Apparat.
8. Unterschied der Wirkung eines sich erwär-
menden und sich abkühlenden Glases.
Zwei quadratische, 3 Linien dicke Scheiben von 11 '/ t
und 13 ! / 4 Linien Seite gaben bei dem Erhitzen zuerst rechts
circulares, dann geradlinig polarisirtes Licht, bei dem Abkühlen
aber, nachdem sie durch rechts circulares zum geradlinigen zu-
rückgekehrt waren, noch links circulares. Der Grund dieser
Erscheinung ist folgender. Das untere Ende der auf der heifsen
Stahlplatte erhitzten Glastafel erkaltet, wenn die Lampe weg-
genommen ist, schneller als das obere, welchem aufserdem von
dem unteren durch Leitung noch Wärme zugeführt wird. Nach
einiger Zeit wird daher die Mitte der Platte der wärmste Theil
derselben. Diese wärmere Stelle rückt, da das auf dem schnell
abgekühlten Wärmeleiter stehende untere Ende immer stärker
sich abkühlt, nach Oben, bis endlich die obere Ecke die wär-
mere wird. Dafs dies wirklich der Grund der Erscheinung sei,
sieht man, wenn man die sich abkühlende Scheibe zwischen
den gekreuzten Spiegeln betrachtet. Die vier weifsen Räume
>) Brewster sagt in Beziehung auf die Farben, welche Flufsspath
durch rasches Abkühlen erhält: Fluor Spar was very slighly affecttd.
239
der Diagonalen erlöschen nämlich nicht an der Stelle , an welcher
sie sich bildeten, vielmehr rücken die unteren nach Oben, so
dafs das dunkle Kreuz sich in zwei Parallelen verwandelt, welche
durch eine lothrechte Linie geschnitten werden. Endlich ver-
drängen die mittleren weifsen Räume die oberen, während die
von Unten neu hinzugetretenen die untere Stelle einnehmen.
Bei dem Erwärmen, wo der untere Theil der Platte immer die
höchste Wärme behielt, mufste natürlich der Fortgang der Er-
scheinungen einfacher sein.
Die Wirkung einer bestimmten Stelle eines gekühlten oder
gepreisten Glases als circular polarisirender Apparat in den ein-
zelnen Theilen des Spectrums giebt unmittelbar die Bestim-
mungselemente für die Farbe, mit welcher es im geradlinig po-
larisirten Lichte erscheint.
9. Erscheinungen gekühlter und geprefster
Gläser im circularen Licht.
Bei circularer Analyse verhalten sich volle gekühlte Cy-
linder wie Kalkspathplatten. Sie zeigen das Ringsystem ohne
Kreuz, bei linearer Analyse in den Quadranten verschoben. Eben
so verhalten sich die schroff abgesetzten dem innern schwarzen
Ringe concentrischen Farbenringe hohler Cylinder. Das Kreuz
in dreiseitigen Platten besteht aus vier schwarzen Punkten (bei
zwei auf einander gelegten Platten aus vier Dreiecken) , welche,
durch hellgraue Schatten verbunden, ein Y bilden. In sechs-
und achtseitigen Platten wird der schwarze Centralfleck ein
sechs- und achtseitiger Stern, während die Farben der Ecken
sich zu einer sehr regelmäfsigen Umschliefsung ordnen, beson-
ders wenn durch Drehung des analysirenden Prismas die Mitte
weifs wird. Die isochromatischen Linien rechtwinklig gekreuzter
parallelopipedischer Platten bleiben ihrer Form nach denen im
linearen Lichte gleich, welche erscheinen, wenn die Polarisations-
ebene den rechten Winkel zwischen den Platten halbirt. Alle
Figuren bleiben unverändert, wenn man die Gläser bei circu-
larer Polarisation und Analyse in ihrer Ebene dreht.
240
Durch ungleiche Abkühlung entstandene Unregelmässigkeiten
der Figuren zeigen sich im circularen Licht besonders bei dünnen
Platten, oft selbst bei denen, welche im linearen regelmäfsig er-
schienen, doch habe ich auch gerade das Entgegengesetzte, und
zwar bei einer sechsseitigen Platte, beobachtet.
Ein durch umwickelten Messingdraht zusammengeprefster
Cylinder ! ) verhielt sich wie ein gekühlter. Quadratische und
kreisförmige Platten diametral durch eine Schraube geprefst,
zeigen zwischen den an den Angriffspunkten der Schraube ent-
stehenden Ringen eine farbige Verbindung ohne Kreuz. Liegt
die Compressionsachse in der Polarisationsebene des geradlinig
polarisirt einfallenden Lichtes, so ist auch hier die Figur in
den Quadranten verschoben, wenn das Licht circular analy-
sirt wird.
10. Anwendung des Reversionsprismas zurDar-
stellung elliptischer und circularer Polari-
sation.
Das Fresnel'sche Parallelopiped bietet in der Anwendung
den Uebelstand dar, dafs der linear polarisirt einfallende Strahl
zwar parallel mit sich, aber nicht in seiner Verlängerung als
circular polarisirter austritt. Dieses Heraustreten aus der Achse
des Instruments ist ein wesentlich den Apparat complicirender
Umstand. Dieser Uebelstand wird beseitigt, wenn man, wie
Airy es gethan hat, ein Krystallblättchen so spaltet, dafs bei
Drehung in seiner Ebene der Gangunterschied beider auf einander
senkrecht polarisirter Strahlen die Grölse erhält, welche das
lineare Licht in die verschiedenen Arten des elliptischen und
circularen verwandelt. Denselben Zweck erhält man durch den
Babine t 'sehen Compensator, der aus zwei gegen einander ver-
schieblichen Bergkrystallkeilen besteht, welche zusammengelegt
ein rechtwinkliges Parallelopipedon darstellen, dessen einander
gegenüberstehende parallele Flächen eine Platte von veränderlicher
') Diese Anwendung der Weber'schen Pressungsmethode des Glases
auf Polarisationserscheinungen hat mir Herr Prof. Mitscherlich gezeigt,
f^ergl. Pogg. Annal. Bd. XX S. 1.)
241
Dicke darstellen. In dem einen der Keile ist die Achse parallel
der Schneide des Keils, in dem andern liegt sie hingegen senk-
recht auf diese Schneide in einer der Flächen, welche bei dem
Zusammenlegen beider Keile eine der Oberfläche der parallelo-
pipedischen Platte bilden. Man erhält hierdurch dasselbe Re-
sultat, welches wir oben durch Vorbeiführen eines geprefsten
oder schwach gekühlten Glases erhielten.
Auf folgende Weise kann man bei Anwendung des Fresnel-
schen Princips den Strahl in seiner eignen Verlängerung aus-
tretend erhalten. Schleift man ein gleichschenkliges Prisma so,
dafs der parallel der Grundfläche auf die Seitenfläche einfallende
Strahl nach seiner Brechung auf die Grundfläche unter dem
Winkel der totalen Reflexion auflallt, so wird der Gangunter-
schied zwischen den in der und senkrecht auf die Reflexions-
ebene polarisirten Lichtmengen hervorgebracht werden, welcher
einer einmaligen totalen Reflexion entspricht. Fällt die Brechungs-
ebene eines zweiten dem ersten gleichen Prisma mit der des
ersten zusammen, so wird sich der Gangunterschied beider ad-
diren. Stehen hingegen die Brechungsebenen beider Prismen
senkrecht auf einander, so wird der im ersten entstandene
Gangunterschied im zweiten aufgehoben. Schaltet man daher
ein so construirtes Reversionsprisma, in der Stellung der Pris-
men, wo es die Gegenstände vollständig umkehrt, in einen
linear polarisirenden Apparat ein, so wird dasselbe auf die Po-
larisation des Strahles keinen Einflufs äufsern. Dreht man hin-
gegen das eine Prisma so in seiner Fassung gegen das andre,
dafs die vorher auf einander senkrechten Brechungsebenen zuletzt
zusammenfallen, so wird ein im Azimuth 45° einfallender linearer
Strahl allmählig immer elliptischer werden und sich der Circular-
polarisation immer mehr nähern, welche bei dem Zusammen-
fallen nahe erreicht wird.
Fig. 15 stellt einen kleinen, aus einem einzigen Glasstück
bestehenden Apparat vor, welcher die Modificationen des Lichtes
durch Reflexionen vereinigt zeigt. Die einander parallelen Flächen
ad und bc stehen lothrecht auf den parallelen Flächen ac und
bd, hingegen ist ab gegen ad und cd gegen bd unter 45 f
geneigt. Senkrecht auf ad fallendes Licht wird daher, nachdem
16
242
es von ab und ed reflectirt worden, aus bd austreten. Die
den Raum totaler und theilweiser Reflexion begrenzenden pris-
matischen Bogen schneiden einander daher wie in der daneben
stehenden Zeichnung. Im Räume m ist das Licht nach zwei-
maliger totaler Reflexion unpolarisirt , in den Räumen o und n
senkrecht auf einander polarisirt, im Räume p hingegen theil-
weise polarisirt einfallendes Licht im Sinne der zweiten Reflexion
geändert. Das Licht des Raumes m unterscheidet sich von dem
aus einem Fresnel'schen Parallelopiped dadurch, dafs die Ebenen
der zweimaligen Reflexion lothrecht auf einander stehn, statt
dafs sie dort zusammenfallen.
11. Unterscheidungpositiver und negativerKry-
stalle im circularen und elliptischen Licht ').
a) Einachsige Krvstalle.
Betrachtet man eine auf die Achse senkrecht geschnittene
Platte eines negativen Krystalls in linear poUrisirtem Lichte,
welches man linear analysirt. so sieht man genau dieselben Er-
scheinungen, als die. welche eine ebenso geschnittene Platte
eines positiven Krvstalls unter denselben Bedingungen zeigt. Erst
wenn man zwei verschiedenen , einachsigen Krvstalien angehörige
Platten auf einander legt, kann man aus dem Verengern der
Ringe schliefsen. dafs beide gleichartig sind. d. h. beide positiv
oder beide negativ, aus dem Erweitern derselben hingegen, dafs
sie ungleichartig sind. d. h. der eine positiv, der andre negativ.
Wegen der Schwierigkeit des genauen Centrirens solcher Platten
hat das folgende Unterscheidungsmittel Vorzöge, indem die biofse
Ansicht der Platte in einem circular polarisirenden Apparate
unmittelbar darüber entscheidet, ob der Krvstall ein positiver
oder negativer ist. Dieses Unterscheidungsmhtel kann auf fol-
gende Weise ausgesprochen werden:
rechts circular einfallendes Licht bewirkt um die Achse
eines negativen Krvstalls. in darauf senkrecht geschnittenen
Platten linear anahrsirt. dieselben Erscheinungen als links
circular einbauendes Licht, eben so analysirt um die Achse
*> F*gg. Am. MK p. 437.
243
eines positiven Krystalls, und umgekehrt: links circular
einfallendes Licht in jenen dieselben Phänomene, als rechts
circular einfallendes in diesen. Derselbe Unterschied zeigt
sich, wenn linear einfallendes Licht circular analysirt wird.
Bezeichnet / die Intensität des von dem Zerlegungsspiegel
reflectirten Lichtes, welches irgendwie polarisirt in irgend einer
Richtung vorher durch eine Krystallplattc gegangen, auf die es
unter dem Winkel # fiel , so wird , wenn der Einfallswinkel #
klein ist, und man dann nach Airy *)
e=/ (-i-) ♦■•
setzt, wo — das Brechungsverhältnifs des ungewöhnlichen Strahls,
a
— das des gewöhnlichen in der auf die Achse lothrechten Ebene,
b
und I die Dicke der Platte, wenn c* die Intensität der ein-
fallenden Strahlen bezeichnet
* t
1 -+- cos 2ß cos2<p cos 2 (ß -*- a-hy)
cos 2 ß sin 2 ip sin 2 (ß -*- et -h (p)
In
— sin — sin 2ßsin2q>
in welcher Formel a der Winkel der Reflexionsebene des Zer-
legungsspiegels mit der Reflexionsebene des Polarisationsspiegels
ist, ß das Azimuth des zwischen diesem und der Krystallplatte
eingeschalteten FresneTschen Parallelopipeds von der ursprüng-
lichen Polarisationsebene an gezählt, ip der Winkel, welchen
der durch die Richtung des einfallenden Strahls gelegte Haupt-
schnitt des Krystalls mit der Polarisationsebene macht, und X
die Wellenlänge des Lichts in der Luft für eine bestimmte Farbe.
Da für negative Krystalle a gröfser als b ist, so wird fiir
diese positiv, dasselbe hingegen negativ für positive Krystalle,
in welchen a kleiner als b ist.
Für ß = o ist das einfallende Licht linear polarisirt. In
diesem Falle wird
') Pogg. Ann. 23, p. 228.
16*
244
I= — U+cos2<pco82{a + q>) + cos^0rin2<psin2(a+q>)\
welche Fonnel dieselbe bleibt, wenn das Zeichen von sich
ändert, woraus hervorgeht, dafs bei linearer Polarisation und
linearer Analyse positive und negative Krystalle sich gleich ver-
halten.
Setzt man hingegen ß = 45 f , so wird
I=C\i ~sin^0sin2 9 \
2 | X *}
hingegen für ß = 135*
c %
J = -i-j 1 + 8in — 0sin2q>\
Formeln, welche sich mit einander vertauschen, wenn man —
statt -+-0 schreibt, woraus unmittelbar folgt, dafs in positiven
Krystallen rechts circulares Licht eben so wirkt, als links cir-
culares in negativen und umgekehrt.
Daraus folgt also:
Geht die Reflexionsebene des Fresnel 'sehen Parallelopipeds
durch die Theilungspunkte 45* und 225', so sind in negativen
Krystallen die Farbencurven im zweiten und vierten Quadranten
(rechts oben und links unten) vom Mittelpunkt entfernt, im
ersten und dritten ihm genähert. Die schwarzen Flecke der
halbhellen Trennungsbüschel liegen im zweiten und vierten Qua-
dranten. In positiven Krystallen hingegen sind die Farbencurven
im zweiten und vierten Quadranten dem Mittelpunkt genähert,
im ersten und dritten von ihm entfernt, die schwarzen Flecke
liegen im zweiten und vierten Quadranten. Geht die Reflexions-
ebene des Fresnel'schen Rhomboeders durch die Theilungs-
punkte 135* und 315*, so treten die zuletzt beschriebenen Phä-
nomene in negativen Krystallen ein, die zuerst beschriebenen in
positiven. Alle Erscheinungen kehren sich genau um, wenn
lineares Licht circular analysirt wird.
Ist der Werth von ß kein ganzes Vielfaches von \n y
d. h. ist das einfallende Licht elliptisch polarisirt, so tritt eben-
falls ein Unterschied zwischen positiven und negativen Krystallen
ein, welcher, da die Erscheinungen im ersten Quadranten mit
245
denen im dritten, die im zweiten mit denen im vierten überein-
stimmen, sich unmittelbar übersehen läfst. Alle diese Folgen
der allgemeinen Gleichung stimmen vollkommen mit der Erfahrung
überein.
Im fünften Abschnitt pag. 285 wurden die Farbenerschei-
nungen combinirter Krystalle daraus abgeleitet, dafs das hinter
der auf die Achse senkrecht geschnittenen Krystallplatte einge-
schaltete dicke Glimmerblatt für eine bestimmte Farbe das Licht
circular, für eine andre elliptisch oder linear polarisirt. Es ist
nun klar, dafs auch für diese Phänomene für positive und ne-
gative Krystalle eine analoge Vertauschung, wie die bisher er-
örterte, stattfindet. Darauf kommt nun der Unterschied hinaus,
welchen Brewster als empirisches Unterscheidungsmittel nega-
tiver und positiver Krystalle empfiehlt. Er nimmt ein Gyps-
blättchen, welches z. B. das Roth der zweiten Ordnung giebt,
und untersucht, in welchem Quadranten dasselbe Roth durch
das Gypsblättchen verlöscht wird. Dieses Verfahren bietet bei
stark gefärbten Mineralien eine Schwierigkeit dar, von welcher
das obige frei ist.
Läfst man im Azimuth 4-45° oder —45* polarisirtes
Licht von einer Metallfläche unter ihrem Polarisationsmaximum
reflectiren, und dann durch die Krystallplatte hindurchgehen,
so entfernen sich die Farbencurvcn in einem positiven Krystall
vom Mittelpunkt, in welchem sie sich in einem negativen ihm
nähern.
In allen diesen Erscheinungen verhält sich das Ringsystem
gekühlter Glascylinder wie die Platte eines positiven Krystalls.
Dasselbe gilt von den Stellen des Amethyst, in welchen die
die Polarisationsebene des einfallenden Lichts rechts drehenden
Theile in die links drehenden übergehen, überhaupt in allen
Bergkrystallen , welche an bestimmten Stellen die Richtung der
Polarisationsebene unverändert lassen.
b) Zweiachsige Krystalle.
Betrachtet man zwischen den gekreuzten Spiegeln eine auf
die Halbirungslinie des spitzen Winkels der optischen Achsen
eines zweiachsigen Krystalls senkrecht geschnittene Platte, so
1 46 _
sieht man, wenn die optischen Achsen in einer der Reflexions-
ebenen liegen, die beiden sie einzeln umschliefsenden Ringsy-
steme durch die Arme eines schwarzen Kreuzes verbunden, welche
sich noch weit über sie hinaus erstrecken. Die beiden andern
auf dem erstem senkrechten Arme treffen die Ringsysteme nicht.
Durch dieses schwarze Kreuz wird also das Ganze in vier
gleiche Quadranten getheilt. Von den Erscheinungen im circu-
laren Licht, welches man linear analysirt, wird man sich leicht
eine Vorstellung bilden, wenn man sich die Ringe im ersten
und dritten Quadranten um ein halbes Intervall vom Mittelpunkte
des Kreuzes entfernt denkt, die im zweiten und vierten um
eben so viel ihni genähert, oder jene genähert und diese ent-
fernt, je nachdem nämlich das einfallende Licht rechts oder links
circular ist. Dies Verschieben sieht man am deutlichsten, wenn
man das vorher linear auffallende Licht dufch die verschiedenen
Grade des elliptischen allmählig in circulares übergehen läfst.
Das geschlossene Centralkreuz öffnet sich in immer mehr sich
aufhellende hyperbolische Aeste, welche im circularen Licht
zuletzt nur in den schwarzen Scheitelflecken zu erkennen sind,
die aber hier nicht durch Grau in Weifs übergehen, sondern
nach der einen Seite gelb, nach der andern blau gefärbt sind,
wie ein durch ein Prisma betrachteter schwarzer Fleck auf
weifsem Grund.
Analysirt man linear einfallendes Licht circular, so kehrt
sich die Erscheinung um, d. h. die Scheitel der hyperbolischen
Büschel liegen nun im zweiten und vierten Quadranten, wenn
sie vorher im ersten und dritten lagen.
So wie nun die positiven und negativen einachsigen Kry-
stalle in circular polarisirtem Licht sich dadurch von einander
unterscheiden, dafs, wenn in einem Krystalle der ersten Klasse
die Ringe im zweiten und vierten Quadranten sich dem Mittel-
punkte nähern, sie in einem der andern Klasse, bei eben so
auffallendem Lichte, sich von ihm entfernen, so zerfallen in Be-
ziehung auf das Auseinanderbrechen der beiden Ringsysteme in
Hälften und das Oeffnen des centralen Kreuzes in hyperbolische
Aeste , wenn das vorher linear einfallende Licht durch elliptisches
in circulares übergeht, die zweiachsigen Krystalle auf gleiche
247
Weise in zwei entsprechende Klassen, welche sich also dadurch
unterscheiden, dafs in denselben Quadranten für die eine Klasse
Annäherung der Farbencurven stattfindet, in welcher bei der
andern ein Entfernen beobachtet wird, welche beide Klassen
durch die Krystallc in einander übergehen, in welchen die opti-
schen Achsen auf einander senkrecht stehen.* Bezeiclmen wir
nun die vier Quadranten wie bei den einachsigen Krystallen,
so verhalten sich z. B. Glimmer, Talk, Arragonit, Salpeter
und Feldspath wie die negativ einachsigen Kalkspath, Beryll;
Turmalin und Idocras, hingegen Topas und Gyps wie der po-
sitive Zircon.
Analysirt man circular einfallendes Licht circular, so er-
hält man die Lemniscaten ohne Kreuz. Die Mittelpunkte der
Ringe erscheinen aber nicht als schwarze Punkte, sondern als
farbig verlaufende Flecke.
Die Farbenfolge dieser Centralflecke bestimmt sehr einfach,
ob die rothen oder blauen Achsen des Krystalls den kleinsten
Winkel mit einander machen. Das erstere ist bei dem Arragonit
und Salpeter, das letztere bei dem Topas und Glimmer der
Fall. Bei jenen wenden daher die Centralflecke ihre blauen
Enden einander zu, bei diesen die gelben.
12. Zusammenhang der optischen Eigenschaften
der Bergkrystalle mit ihren äufsern krystal-
lographischen Kennzeichen ! ).
Die Entdeckung von Bio{, dafs die Bergkrystalle in zwei
optisch verschiedene Klassen zerfallen, von denen die der einen
angehörigen Individuen die Polarisationsebene des ihre Achse
durchlaufenden Lichtes nach Rechts drehen, die der andern
nach links, ist von Hers che 1 und Brewster vervollständigt
worden, indem der erstere nachwies, dafs der Sinn, in welchem
die Trapezflächen an den plagiedrischen Bergkrystallen um diese
herumliegen, den Sinn jener Drehung bestimme; der letztere
aber zeigte , dafs im Amethyst rechts und links drehende Berg-
») Pogg. Ann. 40, pag. 607.
248
krystall- Individuen mit einander vereinigt sind. Dienachfolgen-
den Untersuchungen zeigen, dafs es aufser der Verbindung der
beiden optischen Klassen des Bergkrystalls im Amethyst noch
andere Verbindungen beider giebt, welche insofern von Interesse
sind, weil sie beweisen, dafs nicht nur die Neigung und Auf-
einanderfolge der#Flächen, sondern auch die physische Beschaffen-
heit derselben im innigsten Zusammenhange mit den Cohäsions-
verhältnissen steht, welche die Wirkung des Bergkrystalls auf
das Licht bedingen.
Da die krystallographischen Kennzeichen rechts und links
drehender Krystalle in den optischen Lehrbüchern sehr undeut-
lich beschrieben sind, da sogar in einigen die Krystalle rechts-
gewunden heifsen, welche in anderen linksgewunden genannt
werden, so werde ich zunächst die optischen Eigenschaften
der plagiedrischen Krystalle beschreiben.
Plagiedrische Krystalle (Fig. 17, 18).
Die plagiedrischen Krystalle unterscheiden sich dadurch,
dafs in manchen Individuen die Kantenzone ') a, J, c, rf, £, in
welcher die Trapezflächen 6, d liegen, von Links oben nach
Rechts unten geht (Fig. 17), in anderen Individuen von Rechts
oben nach Links unten (Fig. 18). In Individuen der ersten Art
(Fig. 17.) dreht sich die Polarisationsebene des einfallenden Lichtes,
je mehr sich der linear polarisirt einfallende Strahl dem Auge
nähert, immer mehr nach Links, d. h. die Durchschnittslinie
der ursprünglichen Polarisationsebene mit der Kreistheilung der
analysirenden Vorrichtung bewegt sich auf dieser entgegengesetzt
der Bewegung des Zeigers einer Uhr, wenn der Strahl immer
dickere Scheiben des Krystalls nach dem Auge hin durchläuft.
In Individuen der zweiten Art (Fig. 18) dreht sich hingegen die
Polarisationsebene des einfallenden Lichtes, je mehr sich der
Strahl dem Auge nähert, desto mehr nach Rechts, d. h. der
Durchschnitt der ursprünglichen Polarisationsebene mit der Kreis-
theilung der analysirenden Vorrichtung bewegt sich bei stets
sich vergrößernder Annäherung auf jener wie der Zeiger einer
') Bekanntlich werden die in Parallelen einander schneidenden Kry-
stallflächen als in einer Zone liegend betraehtet.
249
Uhr. Nennt man nun mit Biot jene Krystalle (Fig. 17) links
drehende, diese (Fig. 18) rechts drehende, so sieht man
leicht, dafs die durch die Richtung des Pfeils angegebene Drehung
der Polaris ations ebene stets in einem Sinne geschieht,
welcher entgegengesetzt dem ist, in welchem die Kan-
tenzone der Trapezflächen um den Krystall herum-
liegt.
Die weiteren optischen Unterscheidungsmittel der zwischen
gekreuzten Turmalinen oder Spiegeln beobachteten, auf die Achse
senkrecht geschnittenen Krystallplatten sind nun folgende:
1. Für links drehende Bergkrystalle.
a) Bei dem Linksdrehen ') der analysirenden Vorrichtung er-
weitern sich die Ringe, bei dem Rechtsdrehen verengen
sie sich.
b) Bei dem Linksdrehen der analysirenden Vorrichtung geht
in dünnen Platten die Mitte des bläulichen kurzarmigen
Kreuzes durch Violett in Gelb über.
c) Die analysirende Vorrichtung mufs links gedreht werden,
um bei aufeinandergelegten Platten dieselbe Centralfarbe
oder in einfachem Licht das kurzarmige schwarze Kreuz
zu erhalten, welche man vorher bei einer Platte erhielt.
d) Analysirt man circular in den Bergkrystall einfallendes
Licht nach seinem Austritt aus der Platte linear, so sieht
man die zwei in einander gewickelten, (Fig. 17 a) darge-
stellten, rechts gewundenen Spiralen, deren Anfangspunkte
aber bei entgegengesetzt circular einfallendem Lichte*) in
einer senkrechten, statt in einer lothrechten Linie liegen.
e) Analysirt man linear in den Bergkrystall einfallendes Licht
nach seinem Austritt aus der Platte circular, so sieht
man die zwei in einander gewickelten, (Fig. 186) darge-
stellten, links gewundenen Spiralen, deren Anfangspunkt
') Unter Linksdrehen verstehe ich, wie gebräuchlich, die Art, wie
man einen Schraubenzieher dreht, um eine Schraube herauszuziehen, unter
Rechtsdrehen die Bewegung des Schraubenziehers bei dem Befestigen der
Schraube.
•) Wenn das Rhomboeder im Azimuth — 45 # statt +45° liegt.
250
aber bei entgegengesetzt circular einfallendem Lichte in
einer senkrechten, statt in einer lothrechten Linie liegen.
/) Analysirt man circular einfallendes Licht circular und zwar
so, dafs die unter d und e beschriebenen Anfangspunkte
der Spiralen in einer lothrechten Linie liegen, und eine
Kalkspathplatte das Ringsystem mit schwarzem Central-
fleck ohne Kreuz zeigt, so erhält man ein Ringsystem
mit zwei schwarzen, innerhalb des innersten Ringes lie-
genden Centralflecken, welche in einem lothrechten Durch-
messer liegen (Fig. 23).
y) Sind die Anfangspunkte der Spiralen hingegen horizontal,
wie in Fig. 17 a und Fig. 18 6, wenn circulares Licht linear,
oder lineares circular analysirt wird, so sieht man die
schwarzen Centralflecke in einem horizontalen Durchmes-
ser (Fig. 23 b), wenn das circular einfallende Licht auch
circular analysirt wird.
2. Für rechts drehende Bergkryslalle.
a) Bei dem Linksdrehen der analysirenden Vorrichtung ver-
engen sich die Ringe, bei dem Rechtsdrehen erweitern
sie sich.
b) Bei dem Rechtsdrehen der analysirenden Vorrichtung geht
in dünnen Platten die Mitte des bläulichen kurzarmigen
Kreuzes durch Violett in Gelb über.
c) Die analysirende Vorrichtung mufs rechts gedreht werden,
um bei aufeinandergelegten Platten dieselbe Centralfarbe
oder in einfachem Licht das kurzarmige schwarze Kreuz
zu sehen, welche man vorher bei einer Platte erhielt.
d) Analysirt man circular in den Bergkrystall einfallendes
Licht nach seinem Austritt aus der Platte linear, so sieht
man die zwei (Fig. 18 b) dargestellten, in einander ge-
wickelten, links gewundenen Spiralen, und zwar deren
Anfangspunkte in einem horizontalen Durchmesser, wenn
der Anfangspunkt der rechts gewundenen Spiralen einer
links drehenden Platte bei eben so einfallendem Lichte in
einem lothrechten Durchmesser liegt, hingegen jene in einem
lothrechten , wenn diese in einem horizontalen sich zeigen.
251
e) Analysirt man linear in den Krystall einfallendes Licht
nach seinem Austritt aus der Platte circular, so sieht
man die (Fig. 17 a) dargestellten, rechts gewundenen Spi-
ralen, und zwar ihre Anfangspunkte in einem lothrechten
Durchmesser, wenn eine eben so betrachtete Platte eines
links drehenden Krystalls die Anfangspunkte ihrer Spiralen
horizontal giebt.
/) Analysirt man circular einfallendes Licht circular, so dafs
die unter d und e beschriebenen Anfangspunkte loth-
recht liegen, so erhält man das Ringsystem 23, hinge-
gen 23 i, wenn jene horizontal liegen. Daraus folgt also:
g) Bei circularer Polarisation und circularer Analyse liegen
in einer rechts drehenden Platte die Centralflecke stets
in einem Durchmesser, welcher senkrecht steht auf der
Verbindungslinie der schwarzen Flecke einer links drehen-
den Platte.
3. Combinirte Platten verschiedener Individuen.
Betrachtet man, wie Airy zuerst gezeigt hat, zwischen
den gekreuzten Turmalinen zwei gleich dicke Platten, die so
aufeinandergelegt sind, dafs die dem rechts drehenden Krystall
angehörige Platte der analysirenden Vorrichtung zugekehrt ist,
die dem links drehenden Individuum angehörige der polarisiren-
den Vorrichtung, so sieht man die (Fig. 20) dargestellten Spi-
ralen, hingegen die (Fig. 21) dargestellten, wenn die links
drehende Platte die dem Auge zunächstliegende ist.
Wir wenden uns nun zu den Erscheinungen der in der
Natur vorkommenden Combinationen.
4. Der Amethyst.
Brewster hat in seiner, an interessanten Beobachtungen
reichen Abhandlung über den Amethyst bereits angeführt, dafs
da, wo die die Polarisationsebene rechts drehenden Theile in
links drehende übergehen, ein Ringsystem mit schwarzem Kreuz
sich zeigt, wie im Kalkspath, wenn die Platte zwischen ge-
kreuzte Turmaline gebracht wird. Doch vermuthet er, weil
bei dem Drehen der Platte in ihrer Ebene sich das Kreuz in
252
zwei dunkle Hyperbeln öffnet, dafs hier der Krystall wie ein
optisch zweiachsiger wirke, dessen Achsen einen kleinen Winkel
mit einander machen.
Diese krystallographisch wenig wahrscheinliche Ansicht hat
auch wohl optisch viel von ihrem Gewichte verloren, seitdem
man durch Combination auf die Achse senkrecht geschnittener
Platten mit dünnen Krystalllamellen , d. h. wenn auf diese Weise
das auf jene Platten einfallende lineare Licht in circulares oder
elliptisches verwandelt wird, ganz analoge Fälle kennen gelernt
hat. Unter den von mir untersuchten Amethysten befand sich
einer, der die charakteristischen Phänomene der Streifung und
Abwechselung der Farbendreiecke in gröfster Vollendung zeigte,
und keinen Zweifel darüber liefs:
dafs an den Stellen, wo die rechts drehenden Theile in
die links drehenden übergehen , der Bergkrystall sich genau
wie ein einachsiger , und zwar wie ein positiver Krystall
verhält.
Bei dem Vorüberfuhren der Platte sieht man nämlich fol-
gende Erscheinungen:
a) Bei linearer Polarisation und Analyse:
Das gewöhnliche Ringsystem des Bergkrystalls mit farbiger
Mitte und hellgrauem bei dem ersten Ringe anfangenden
Kreuz, welches sich durch Rechtsdrehen der analysiren-
den Vorrichtung verengert, verwandelt sich in ein Ring-
system mit schwarzem Kreuz, dessen Arme in der Mitte
zusammenstofsen (Fig. 13), ehe es in ein zweites Ring-
system mit farbiger Mitte und hellgrauem Kreuz übergeht,
dessen Ringe bei dem Rechtsdrehen der analysirenden Vor-
richtung sich erweitern.
b) Bei circularer Polarisation und linearer Analyse:
Die rechts gewundenen Spiralen (Fig. 17 a) gehen, ehe sie
sich in die links gewundenen Spiralen (Fig. 18 b) ver-
wandeln, durch die Figur einachsiger Kry stalle mit den
in 4 Quadranten auseinander gebrochenen Ringen hin-
durch. Die Ringe sind in den Quadranten, wo sie bei
dem Beryll, Kalkspath, Turmalin und einachsigen Glim-
mer dem Mittelpunkt sich nähern, von diesem erfernt,
253
genau wie im Zircon, der Krystall also an dieser Stelle
positiv ').
c) Bei linearer Polarisation und circularer Analyse:
Die Erscheinungen sind die umgekehrten der vorigen, die
Anfangspunkte der entgegengesetzt laufenden Spiralen um
90° verschieden, und an den Uebergangsstellen die vorher
vom Mittelpunkt entfernten Quadranten diesem genähert.
d) Bei circularer Polarisation und Analyse:
Die Erscheinung tritt hier am auffallendsten hervor. Nach
dem oben unter g angeführten Unterscheidungsmittel liegen
nämlich, wenn ein gewöhnlicher einachsiger Krystall das
Ringsystem mit schwarzem Centralfleck zeigt, die beiden
Flecke in einer rechts drehenden Platte in einem Durch-
messer, welcher senkrecht auf der Verbindungslinie der
schwarzen Flecke einer links drehenden Platte steht. Geht
nun das links gewundene Individuum allmählig so in das
rechts gewundene über, dafs an einer bestimmten Stelle
beide einander genau das Gleichgewicht halten, und ver-
hält sich der Krystall an dieser Stelle wie ein gewöhn-
licher einachsiger Krystall, so werden die schwarzen Flecke
bei dem Vorüberführen der Platte sich einander allmählig
nähern, dann zusammenfallen und nachher in einem auf
dem ersten senkrechten Durchmesser wieder auseinander-
gehen. Diese in Fig. 23, 23 a, 23 6 dargestellte Er-
scheinung sieht man nun auch in voller Deutlichkeit.
5. Bergkrystalle , an denen rechte und linke Trapezflächen zusammen
vorkommen (Fig. 19).
Wegen der Seltenheit dieser Krystalle habe ich nur zwei
untersuchen können , welche der Berliner Königlichen Mineralien-
sammlung gehören, und von welchen Herr Professor Weifs
eine Platte abzuschneiden erlaubte. Der gröfsere derselben, dessen
Säulenflächen 10 Linien von einander abstanden, erschien zwischen
den Pyramidalflächen zwar wasserhell, gab aber nur eine im In-
nern sehr zerklüftet und wolkig erscheinende, 3 1 /, Linie dicke
') Gilberts Annalen, Bd. XXXX, S. 459.
254
Platte, der andere hingegen war in seiner, einen Zoll langen
aber schmaleren Säule vollkommen wasserhell. Die rechten und
linken Trapezflächen kamen bei dem ersteren an mehreren Säu-
lenflächen vor, bei den letzteren nur an einer.
Der trübe zeigte aufser der gewöhnlichen Bergkrystallfigur
eines links drehenden Individuums, welche an den scheinbar
homogensten Stellen und vorwaltend erschien, an mehreren Stellen
sehr deutlich die (Fig. 20) dargestellten Spiralen, welche sich
an einigen Stellen, ohne Umkehren der Platte, in die (Fig. 21)
dargestellten verwandelten, wenn die den Pyramidalflächen zu-
nächstliegende Fläche der Platte dem Polarisationsspiegel zuge-
kehrt wurde. War sie hingegen der analvsirenden Vorrichtung
zugewendet, so erschien Fig. 21 an vielen Stellen sehr deutlich,
hingegen Fig. 20 nur an einigen, und zwar nur als Uebergang
in die Figur eines gewöhnlichen einachsigen Krystalls, wie man
sie so häufig in den weniger regelmäfsigen Amethysten, be-
sonders den stark blauen sieht.
Der durchsichtige Krystall gab, aufser dem Ringsystem
eines rechts drehenden Bergkry Stalls , an zwei schmalen Stellen
am Rande das Ringsystem der einachsigen Kry stalle, und zwar
bei circularer Polarisation das eines positiven. An diesem Kry-
stall war die rechte Trapezfläche viel gröfser als die linke, bei
dem vorigen hingegen alle linken Trapezflächen gröfser als die
rechten. Nach den optischen Eigenschaften mufs man schliefsen,
dafs dort in einen ursprünglich links drehenden Krystall an
einzelnen Stellen rechts drehende Theile eingeschaltet sind, hier
hingegen in einen ursprünglich rechts drehenden links drehende
eingedrungen sind. Dies hängt vielleicht mit der gröfseren oder
geringeren Ausbildung der einen Art der Trapezflächen zusam-
men, welche in sofern ein Kennzeichen für die zu erwartenden
optischen Eigenschaften des Krystalls abgeben würde. Auflallend
wenigstens ist, dafs dort an keiner Stelle neben der Figur eines
links drehenden Individuums und den Uebergangsformen in der
Combination beider Arten auch die Figur eines rechts drehenden
Individuums sichtbar wird, hier neben der Figur eines rechts
drehenden Individuums und der Uebergangsformen eben so wenig
die eines rechts drehenden erscheint.
255
6. Bergkrystalle mit abwechselnd matten und glatten Stellen auf
den Pyramidal- und Säulenflächen.
Unter den Dauphincer Bergkrystallen findet man Individuen,
bei welchen matte und spiegelnde Stellen auf den Pyramidal-
flächen, und öfters auch auf den Säulenflächen so mit einander
abwechseln, dafs gewöhnlich eine ganz matte Fläche neben zwei
spiegelnden liegt, dann wieder eine matte folgt u. s. f., häufig
aber auch matte Stellen in die spiegelnden Flächen und umge-
kehrt spiegelnde in die matten übergreifen, so dafs auf einer
Fläche eine oder zwei Abwechselungen vorkommen, die durch
gerade oder krumme Linien begrenzt sind. Eine von einem
solchen Krystall abgeschnittene Platte gab, aufscr dem Ring-
system eines rechts drehenden Individuums, die Fig. 20 ge-
zeichneten Spiralen, welche bei dem Umkehren der Platte sich
in Fig. 21 verwandelten, sehr deutlich, und das Ringsystem
der gewöhnlichen einachsigen Krystalle mit schwarzem Kreuz.
Eine bereits geschliffene Platte mit matten und Spiegelnden
Abwechselungen auf den Säulenflächen zeigte, aufser dem Ring-
system eines links drehenden Bergkrystalls , das einachsige Sy-
stem positiver Krystalle, ohne alle Verzerrung, mit vollkommen
geschlossenem schwarzen Kreuz.
7. Untersuchung bereits geschliffener Platten, ohne krystallographische
Kennzeichen.
Man könnte vermuthen, dafs Scheiben, welche wolkige
Stellen enthalten, vorzugsweise zu den bisher betrachteten Klas-
sen gehören werden. Dies ist aber nicht immer der Fall. Es
giebt vollkommen durchsichtige Platten, welche an gewissen
Stellen sich wie positiv einachsige verhalten; hingegen Scheiben,
welche mit Wolken und Sprüngen scheinbar durchzogen, doch
in allen Theilen auf dieselbe Weise die Polarisationsebene des
einfallenden Lichtes drehen. Auch scheint die Gröfse der Kry-
stalle darauf keinen Einflufs zu üben. Eine 10 Linien dicke
Platte, deren gröfste Breite 3 Zoll, die kleinste 2 Zoll betrug,
drehte in allen Theilen, obgleich mit vielen wolkigen Stellen,
die Polarisationsebene noch links. Eine 14 Linien dicke, sehr
256
durchsichtige Scheibe Rauchtopas verhielt sich eben so, obgleich
sie einige , wenn auch kleine Trübungen zeigte. Hingegen finden
sich ganz gleichartig durchsichtige, kleine Scheiben optisch un-
gleichartig.
Es giebt ein sehr einfaches Mittel, solche Krystalle zu er-
kennen. Man beobachtet sie im polarisirten Licht aus der Weite
des deutlichen Sehens, wie ein gekühltes Glas. Erscheint die
Scheibe gleichmäfsig bei senkrechter Incidenz gefärbt, so ist
sie optisch homogen. Erblickt man hingegen zwischen den ge-
kreuzten Spiegeln an einer Stelle der Scheibe den farbigen Raum
durch einen dunkeln Raum mit hellen Streifen oder weifsen
Raum mit dunkeln Streifen begrenzt, oder erscheint zwischen
den Spiegeln mit zusammenfallenden Reflexionsebenen diese Stelle
wie ein in gewöhnlichem Lichte betrachtetes Stück Quarz, so
zeigt der Krystall an dieser Stelle im polarisirenden Mikroskope
eine Abweichung vom gewöhnlichen Ringsystem. Es ist dabei
merkwürdig, dafs wenigstens bei 11 von mir untersuchten Platten,
bei welchen die Gestalt und Gröfse dieser Stelle sehr verschie-
den sich zeigte, diese doch nie von dem farbigen Räume um-
schlossen wurde, sondern immer an den Grenzen der sechs-
seitigen Scheiben, und oft sehr regelmäfsig vertheilt, in diese
wie von Aufsen eindringend, erschien. Denkt man sich in das
begrenzende Sechseck ein ihm ähnliches mit parallelen Seiten
beschrieben, so erwies sich bei einer Scheibe der Zwischenraum
zwischen zwei Paaren der Seiten als die zusammengesetzte Stelle
des Krystalls scharf gegen den farbigen Raum sich abgrenzend.
Häufiger aber ist diese Grenze unregelmäfsig, sehr oft mit vielen
aus- und einspringenden Winkeln festungsartig gezeichnet. Da
dieser häufig sehr kleine Raum immer an der Grenze der Platte
sich findet, so wird der Krystall oft so gefafst, dafs sie ganz
abgeblendet wird, und man findet einen bisher für gleichartig
gehaltenen Krystall nach dem Entfernen der Blendung zusam-
mengesetzt.
Von fünf im Allgemeinen rechts drehenden Krystallen ga-
ben drei noch das Ringsystem einachsiger positiver Krystalle,
einer die combinirten Spiralen Fig. 20, und einer diese Spiralen
und das positive Ringsystem. Eben so zeigte eine sonst links
257
drehende vollkommen durchsichtige Platte die comhinirten Spi-
ralen und das positive einachsige System.
Bei allen Scheiben sind bei dem Umwenden der Platte die
Spiralen im entgegengesetzten Sinne gewickelt, d. h. Fig. 20
verwandelt sich in Fig. 21.
Sehr merkwürdig verhielt sich eine 4 Linien dicke Platte,
deren parallele Seiten etwa 8 Linien von einander entfernt waren.
Zwischen den gekreuzten Spiegeln betrachtet, erschien, wenn
die sechs aufeinanderfolgenden Seiten der Platte mit a, 6, c,
d, e, f bezeichnet werden, an drei aneinandergrenzenden Seiten,
a, b 9 c, die zusammengesetzte Stelle, welche an der mittelsten
Seite b breit in den farbigen Raum eingreift, an den beiden
andern a, c aber durch sehr feine parallele Streifen begrenzt
wurde. Der farbige Raum selbst, welcher noch etwas mehr
als V 4 der Scheibe einnahm, erschien durch breite, den drei
übrigen Seitenlinien, d, e, f genau parallele farbige Streifen
durchzogen , welche , während die dem zusammengesetzten Raum
gegenüberliegenden mit e parallelen Linien immer nach der Mitte
hin abnehmen, sich in Winkel verwandelten, deren Schenkel
den Seiten d, f parallel blieben. Diese Streifen erschienen aber
erst, wenn die Platte so weit geneigt wurde, dafs sie farblos
wurde, wobei die für das blofse Auge als Sprünge sich dar-
stellenden Stellen des Krvstalls ebenfalls in lebhaften, anders
gerichteten Streifen sich färbten.
Im polarisirenden Mikroskop untersucht, zeigten sich die
homogenen Stellen einem rechts drehenden Individuum angehörig.
Daneben erschien das gewöhnliche Ringsystem eines positiven
einachsigen Krystalls, aufserdem aber eine Figur, welche man
in Kalkspathszwillingen sehr häufig sieht. Denkt man sich die
vier Quadranten in Fig. 22 des gewöhnlichen Ringsystems mit
vier centralen Flecken, und den inneren Ring als aus vier gleichen,
aber mehr als einen Quadranten betragenden Kreisbogen zusam-
mengesetzt, so erhält man die eine Ansicht der Figur, welche
sich, bei Drehung der Platte in ihrer Ebene in ein Ringsystem
mit acht in einer Kreisperipherie herumliegenden, von einander
gleich weit abstehenden Flecken verwandelt. Diese Veränderungen
erschienen hier ebenfalls bei dem Drehen der Platte.
17
258
Herschel bemerkt, dafs die Anzahl der rechts drehenden
plagiedrischen Bcrgkrystalle geringer ist als die der links drehen-
den. Von den im Handel vorkommenden Platten, welche zu
Brillengläsern verschliffen werden, sind immer viel mehr links
drehende als rechts drehende. Es ist daher bemerkenswerth,
dafs unter 11 untersuchten Kry stallen, welche sich als zusam-
mengesetzte erwiesen, acht an den homogenen Stellen die Po-
larisationsebene nach Rechts drehten. Sollte sich dies durch
weitere Beobachtungen bestätigen, d. h. sollten sich viel eher
bei rechts drehenden Krvstallen zusammengesetzte Stellen finden
als bei links drehenden, so würde das Uebergewicht der Anzahl
der links drehenden über die nur rechts drehenden noch ver-
gröbert werden.
Alle bisher beschriebenen Phänomene, die des letzten Berg-
krystalls ausgenommen, erscheinen mehr oder minder deutlich
auch bei Amethysten, doch sind bei denselben die vier in einander
gewickelten Spiralen nie so deutlich, wie bei den Bergkrystallen,
wo sie oft so vollkommen erscheinen, als man sie nur durch
Combination gleich dicker , aber ungleichartiger Platten erhalten
kann. Hingegen erscheint das positive einachsige System im
Amethyst und Bergkrystall gleich deutlich. Daraus folgt un-
mittelbar, dafs im Amethyst die rechts und links drehenden
Theile im Sinne der Achse neben einander liegen; in den Berg-
krystallen hingegen, welche wir hier untersucht haben, in mehr
oder weniger gegen die Achse des Hauptkrystalls senkrechten
Schichten. Optisch analysot, bei senkrechter Incidenz, verhalten
sie sich daher wie hinter einander gelegte Platten, und des-
wegen findet bei dem Umkehren der Platte hier eine Umkehrung
der Erscheinung statt, was bei dem Amethyst nicht der Fall
ist. Bei dem Amethyst kann man daher auch die rechts und
links drehenden Stellen vollkommen gesondert untersuchen, es
finden sich eben deswegen immer beiderlei Ringsysteme in dem-
selben Individuum mit den Uebergangsformen zwischen densel-
ben. Bei den zusammengesetzten Bergkrystallen hingegen er-
scheint nur ein Ringsystem; das Vorhandensein des entgegen-
gesetzt drehenden kann nur optisch geschlossen, nicht isolirt
zur Erscheinung gebracht werden.
259
Das Gesammtresultat dieser Untersuchungen, deren Ver-
vollständigung durch weitere Prüfungen wünschenswerth sein
möchte, wäre demnach:
Die Ikrgkrystalle zerfallen optisch in drei Klassen:
i) in rechts drehende,
2) in links drehende,
3) in die Combination beider, und zwar:
a) rechtsdrehende mit Stellen, wo sie wie combinirte Platten
oder positive einachsige Krystalle sich verhalten,
b) linksdrehende mit Stellen , wo sie wie combinirte Platten
oder positive einachsige Krystalle sich verhalten,
c) Amethyste, welche an bestimmten Stellen sich wie rechts
drehende, an anderen wie links drehende, an den Ueber-
gangsstellen sich wie positive einachsige Krystalle ver-
halten.
Als seltnere Modificationen von a und b treten bei einigen
noch die Phänomene einachsiger Zwillinge hervor.
Das krystallographische Kennzeichen für i und 2 ist der
Sinn, in welchem die Kantenzone der Trapezflächen um den
Krystall herumliegt, Für a und b würden äufsere Kennzeichen
das Vorkommen von beiderlei Trapezflächen, und die Abwech-
selung matter und spiegelnder Stellen auf den Pyramidal- oder
Säulenflächen sein.
Die gegenseitige Lage und die Structur der drehenden und
nicht drehenden Stellen in den zusammengesetzten Individuen
scheint mir übrigens dafür zu sprechen, dafs die Eigenschaft
des Drehens der eigentlich normale Zustand des krystallisirten
Quarzes ist, und dafs die Stellen, wo er sich wie ein ge-
wöhnlich positiver Krystall verhält, ein erst hervorgebrachtes
Gleichgewicht zwischen entgegengesetzten Wirkungen darstellen.
Auch hat in der That später Soleil die hier beschrie-
benen natürlichen, zusammengesetzten Platten sehr schön nach-
gebildet, indem er zwei gleich dicke Platten, von denen die
eine einem rechts, die andre einem links drehenden Individuum
angehört, wie in Fig. 24 zusammenfügte. Da die Platten keil-
förmig zusammengefügt sind, so sieht man in der Mitte c eine
dunkle Linie, zu beiden Seiten begrenzt durch weifse Räume.
17 •
260
In dieser dunkeln Linie wird die Drehung nach Rechts grade
aufgehoben durch die Drehung nach Links, während zu beiden
Seiten die eine über die andre überwiegt. Bei einer bestimmten
Stellung des analysirenden Nicols erscheinen beide Platten gleich
gefärbt, wenn die Berührungskante derselben grade in der Re-
flexionsebene des polarisirenden Spiegels liegt. Bei Drehung
des Nicols nach rechts oder links vertauscht sich die Farben-
folge in der rechts und links drehenden Platte in genau gleicher
Weise.
13. Depolarisation des Lichtes.
Es ist bekannt, dafs wenn Sonnenlicht durch eine OeShung
auf eine noch so vollkommen spiegelnde Fläche fällt, man den
beleuchteten Fleck nicht nur in der Reflexionsebene wahrnimmt,
sondern auch in andern Ebenen. Während das Licht daher in
der Einfallsebene gröfstentheils gespiegelt ist, wird ein Theil
desselben in den andern Ebenen zerstreut. Von diesem zer-
streuten Licht hat Arago gezeigt, dafs es stets in der Ebene
polarisirt ist, in welcher es wahrgenommen wird. Fällt hin-
gegen natürliches Licht senkrecht auf eine rauhe Fläche, z. B. eine
weifse Wand, so wird es in allen Ebenen gleichmäfsig zerstreut,
in keiner regelmäfsig reflectirt, und zeigt keine Spur von Po-
larisation, welche erst immermehr hervortritt, je schiefer es
auf die rauhe Fläche einfällt. Das von einer spiegelnden Fläche
zerstreute Licht unterscheidet sich also von dem von einer rauhen
zerstreuten. Ist eine rauhe Fläche mit einer durchsichtigen spie-
gelnden bedeckt, so tritt dieser Unterschied deutlich hervor.
Betrachtet man zum Beispiel ein mit einem glänzenden Firnifs
überzogenes Gemälde mit einem NicoPschen Prisma, so ver-
schwindet der Glanz des Firnifs und man sieht in jeder Stellung
das Bild deutlich. Derselbe Unterschied rauher und spiegelnder
Flächen tritt hervor in ihren depolarisirenden Eigenschaften, wenn
man nämlich unter Depolarisation die Zurückfuhrung des pola-
risirten Lichtes auf den Zustand des natürlichen versteht. Läfst
•
man senkrecht auf eine rauhe Fläche, z. B. eine weifse Wand
oder einen Bogen Papier, geradlinig polarisirtes Licht fallen, so
zeigt es sich vollkommen depolarisirt. Am einfachsten sieht
261
man diese Erscheinung, wenn man die senkrecht auf einander
polarisirten Spectra eines Bergkrystallprismas auf eine solche
Fläche fallen läfst, und dafs aus dem Uebergreifen des violetten
Endes des einen über das rothe des andern resultirende Pur-
purroth mit einem Nicol'schen Prisma analysirt. Bei dem Drehen
desselben zeigt es nicht die geringste Farbenänderung. Diese
Depolarisation zeigt sich in gleicher Weise wenigstens fast eben
so stark auf der rauhen Innenfläche mit einem glatten Ueber-
zuge bekleideter Körper. Sie erstreckt sich bei senkrechter In-
cidenz auch auf das circulare und elliptische Licht. Ist hingegen
der auffangende Körper ein durchsichtiger oder undurchsichtiger
Spiegel (eine Glasscheibe, ein schwarzer Spiegel oder ein ebener
Metallspiegel), so zeigt sich das Licht, welches an dieser Fläche
zerstreut wird, in keiner Ebene vollständig depolarisirt.
Von diesen Versuchen, welche ich vor vierzehn Jahren der
Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin mittheilte , weifs
ich nicht, ob sie damals neu waren, oder in wiefern sie es
jetzt noch sind. Sie sollen hier nur den Uebergang bilden zu
Erscheinungen der Depolarisation, welche im Detail auf die sie
bedingenden Elemente zurückgeführt werden können.
Nach dem Gesetze der Reciprocität mufs, da natürliches,
auf einen doppelbrechenden Körper fallendes Licht in zwei gleiche
Mengen senkrecht auf einander polarisirten Lichtes getheilt aus-
tritt, die Vereinigung solcher gleichen Mengen unpolarisirtes
geben. Darüber sind alle Physiker einig, nicht aber darüber,
wie man sich natürliches Licht vorzustellen habe. Brewster
nimmt an, dafs im polarisirten Licht die Schwingungsrichtungen
in einer Ebene liegen, im theilweise polarisirten in zwei unter
einem spitzen Winkel gegen einander geneigten, im natürlichen
in zwei auf einander senkrecht stehenden, die meisten Physiker
hingegen, dafs im natürlichen Licht gleichviel Schwingungs-
richtungen in allen durch den Strahl gelegten Ebenen sich fin-
den, im theilweise polarisirten ungleich viele, im polarisirten
alle in eine Ebene fallen. Während Brewster seine Ansicht
durch seine umfassende Arbeit über theilweise Polarisation und
Compensation des polarisirten Lichtes zu bewähren gesucht hat,
mufs es auffallen, dafs man bisher nicht einmal versucht hat,
262
ein natürliches Licht nach der Definition in allen Ebenen gleich-
mäßig vertheilter Schwingungen herzustellen. Ich habe dies auf
folgende Weise versucht.
In eine 4'" dicke Glasplatte ab von 3" Durchmesser wurde
ein abgekürzter Hohlkegel cdf eingeschliffen, dessen kleinerer
Kreisschnitt cd etwa 14'" Durchmesser hatte, der grofsere 17'".
Die Grundflächen des Glases wurden um den Rand der Kreis-
schnitte mattgeschliffen und geschwärzt, und der grofsere Kreis-
schnitt mit einer Glasfläche ag bedeckt, auf welche ein kreis-
förmiges Staniolblatt von 14'" Durchmesser so aufgeklebt war,
dafs sein Mittelpunkt in die Achse des abgekürzten Kegels fiel.
Der Winkel des Kegels an der Spitze betrug 70* 50'. Kehrt
man diese Vorrichtung der Sonne zu, so dafs die Strahlen oe,
op, oc, od, or, of lothrecht auf die Grundfläche des Kegels
fallen, so werden sie in dem ringförmigen Zwischenräume elmf
zwischen dem Staniolblatt und der dunkeln Bekleidung der Scheibe
eindringen und auf die spiegelnde Fläche des Hohlkegels unter
30*25' geneigt treffen, daher in allen die Kegelfläche tangiren-
den Reflexionsebenen polarisirt werden und sich nach der Re-
flexion in den Punkten s, u, o der Achse kreuzen. Dieser kleine
Kreis fiel bei der angewendeten, von Herrn Oertling ausge-
führten Vorrichtung gerade in die Ebene der kleinen KegelöShung,
und wurde sichtbar, wenn man ihn hier mit einer weifsen Pa-
pierfläche auffing. Da wegen der depolarisirenden Wirkung
dieser rauhen Fläche das polarisirte Xicht depolarisirt werden
würde, so konnte nur untersucht werden, dafs es unpolarisirt
auffiel. Dies geschah dadurch, dafs vermittelst eines Satzes Glas-
scheiben das auf den Kegel auffallende Licht polarisirt wurde,
und zwischen dem Glassatze und dem Kegel ein Glimmerblatt
eingeschaltet wurde. Der Punkt blieb farblos.
•
14. Die Absorption des polarisirten Lichtes in
dopp elb rech en d en Kry st allen als Unterschei-
dungsmittel ein- und zweiachsigerKry stalle.
Da man einen einachsigen Krystall als einen zweiachsigen
ansehen kann, dessen optische Achsen zusammengefallen sind,
263
so ist unmittelbar klar, dafs die optischen Erscheinungen, welche
zweiachsige doppelbrechende Krystalle mit grofsem Achsenwinkel
zeigen, durch alle mögliche Mittelstufen in den Krystallen mit
kleinem Achsenwinkel in die einachsigen übergehen. Die expe-
rimentelle Beantwortung der Frage, ob ein Krystall ein ein-
oder zweiachsiger sei, bietet also desto gröfsere Schwierigkeiten
dar, je kleiner dieser Achsen winkel ist. Diesem Umstände ist
es zugeschrieben, dafs besonders bei den Glimmern viele später
als zweiachsig erkannt worden sind, welche früher als einachsig
galten. Ich habe für die Glimmer, glaube ich, darauf zuerst auf-
merksam gemacht, als ich vor zehn Jahren (Pogg. Ann. 58, p. 158)
zeigte, dafs ein Glimmer von Jefferron County, der nach der
Analyse von Meitzendorff wegen seines grofsen Magnesiage-
halts fiir einachsig gegolten hatte, zweiachsig sei. Ich untersuchte
damals eine grofse Anzahl in der Berliner Mineraliensammlung
befindlicher Glimmer, und fand dasselbe Resultat an vielen, welche
mir als einachsig übergeben worden waren. Dasselbe Ergebnifs
erhielt später Poggendorff an einem von H. Rose analysirten
Glimmer vom Beickalsee, der von Seebeck als einachsig be-
stimmt worden war, und neuerdings sind diese Beispiele durch
die Untersuchungen von Sil lim an und Senarmont wesentlich
vermehrt worden. Die Ansichten der Naturforscher sind daher
jetzt getheilt, einige nehmen an, dafs es überhaupt keine ein-
achsigen Glimmer gebe, sondern dafs die für einachsig geltenden
sämmtlich zweiachsige mit kleinen Winkeln sind, andre hinge-
gen, dafs die zweiachsigen mit kleinen Achsenwinkeln ursprünglich
einachsige waren, welche durch mechanische Einflüsse in den Zu-
stand zweiachsiger versetzt worden sind. So sagt Miller 1 ):
»einige Glimmerarten zeigen zwei optische Achsen, welche einen
sehr kleinen Winkel mit einander bilden. Möglicher Weise waren
dieselben in ihrem ursprünglichen Zustande einachsig. Die Tren-
nung der einzigen optischen Achse in zwei mag durch den Zu-
stand der Spannung entstanden sein, welcher in dem Krystall
durch das Trennen und Abspalten hervorgerufen wurde. Die
Ansicht von Senarmont*) ist eine andre. Nach ihm giebt es
') Phillips an elementary introduction to Mineralogy. Lond. 1852 p. 388.
') Ann. de Chim. et de Phys. 3 ser. 34 p. 171.
264
nur optisch zweiachsige Glimmer, aber die Ebenen, in welchen
sich die beiden Achsen öffnen, stehen, wie zuerst Sil lim an ')
gezeigt hat, in verschiedenen Glimmern auf einander senkrecht.
Dies komme daher, dafs die optischen Eigenschaften des Glim-
mers bedingt seien durch die verschiedene Mengung gewisser
isomorpher Verbindungen, welche entgegengesetzte optische Wir-
kung äufsern. Das Studium der optischen Erscheinungen des
Glimmers müsse daher zunächst an die Individuen angeknüpft
werden, welche als Extreme einander gegenüberstehen, d. h. welche
grofse Achsenwinkel in auf einander senkrechten Ebenen zeigen,
nicht aber an die sogenannten einachsigen, welche jene isomorphen
Verbindungen in optisch aequivalenter Gröfse enthalten.
Das gewöhnliche Verfahren, einen Glimmer optisch zu un-
tersuchen, besteht darin, dafs man die Gestalt der isochroma-
tischen Curven zu bestimmen sucht, und untersucht, ob das
schwarze Kreuz, welches die Ringe durchschneidet, bei dem
Drehen der Platte sich in hyperbolische Aeste öffnet oder nicht
Aber die bekannten Erscheinungen am Beryle zeigen, wie trü-
gerisch dieses Verfahren ist, und wir wissen, dafs das tissu
lamellaire, wie es Biot nennt, selbst Kry stallen die nicht dop-
pelbrechend sind, das Gepräge doppelbrechender aufdrückt. Bei
sehr dünnen Blättchen, in welchen das Ringsystem zu grofs
wird, um die Gestalt desselben zu untersuchen, habe ich es
vorteilhafter gefunden , eine auf die Achse senkrecht geschnittene
Kalkspathplatte im Polarisationsapparat zu betrachten, und zwi-
schen diese und den analysirenden Nicol das Glimmerblättchen
einzuschalten. Verändert sich die gesehene Figur des Kalkspaths
bei dem Drehen des Blättchens in seiner Ebene in die bekannte
Abänderung derselben, wenn lineares Licht in elliptisches ver-
wandelt wird, so gehört das Blättchen einem zweiachsigen Kry-
stall an unter der Voraussetzung, dafs die Ebene des Blättchens
lothrecht steht auf der Ebene des einfallenden Strahls. Da aber
die Blättchen oft gekrümmt sind, und sich, wenn sie spröde
sind, schwer in eine Ebene spannen lassen, so kann oft diese
letztere Bedingung nicht genau erfüllt werden, und indem die
Achse eines einachsigen Kry stalls bei der Drehung einen Kegel
Amer. Journ. of Science 2. ser. 10, p. 373.
265
beschreibt, statt sich in sich zu drehen, ein einachsiger Kry stall
für einen zweiachsigen angesehen werden. Diese Uebelstände
liefsen es mir lange wünschenswert^ erscheinen, ein andres
Verfahren fiir diese Unterbrechungen zu finden, und ich erhielt
dies in den dichroitischen Eigenschaften der farbigen KrystaUe,
bei denen eben wegen der Färbung des einfallenden Lichts jene
Verfahrungsmethoden die gröfste Schwierigkeit darboten.
Absorbirt ein KrystaU die beiden senkrecht auf einander
polarisirten Lichtmengen, in welche er das Licht durch Doppel-
brechung theilt, in ungleichem Grade, so werden die beiden
Bilder, wenn sie getrennt erscheinen, ungleiche Intensität haben,
sie werden zugleich gefärbt erscheinen, wenn die Absorption
von der Wellenlänge des einfallenden Lichtes abhängt. Für ge-
. ringe Unterschiede der Intensität ist das Auge aber wenig empfind-
lich, eben so wenig für geringe Farbenunterschiede. Diese Empfind-
lichkeit ist aber sehr grofs für das Wahrnehmen einer bestimmten
Gestalt, diese mag nun entweder als einfache Verdunkelung in
einer bestimmten Beleuchtung hervortreten , oder als ein Farben-
unterschied von derselben.
Linear polarisirtes Licht giebt in einem doppelbrechenden
Körper bekanntlich nur zu Farben Veranlassung, wenn es nach
seinem Austritt aus demselben analysirt wird, d. h. wenn es
den Bedingungen unterworfen wird, welche es, wenn es na-
türliches wäre, polarisiren würden. Diese Bedingungen sind:
Trennung durch Doppelbrechung, Trennung durch Spiegelung
und einfache Brechung, endlich ungleiche Absorption in den
Krystallen, die gewöhnlich dichroitische genannt werden. Daraus
geht hervor, dafs das Hervortreten einer Farbenfigur an der in
den Polarisationsapparat gehaltenen doppelbrechenden Platte einen
Rückschlufs auf die ungleiche Absorption des zur Analyse ange-
wendeten Minerals gestaltet, unter der Voraussetzung nämlich,
dafs jene beiden andern Arten der Entstehung vermieden wurden.
Das von mir angewendete Verfahren ist nun folgendes. In
einem gewöhnlichen Polarisationsapparat mit Spiegel wurde in
der Weite des deutlichen Sehens eine gekühlte quadratische Glas-
scheibe von 1 V, Zoll Seite aufgestellt und der analysirende Spiegel
fortgenommen. An der Stelle desselben wurde nun die zu un-
266
tersuchende Krystallplatte dicht vor das Auge gehalten und durch
dieselbe die gekühlte Glasplatte betrachtet. Dabei wird die Kry-
stallplatte so in ihrer Ebene gedreht, dafs sie bei dieser Drehung
senkrecht gegen den reflectirten Strahl bleibt und gesehn, ob
auf dem gekühlten Glase die Figur erscheint, welche bei der
Drehung um 90 Grad sich in die complementare verändern mufs.
Linear polarisirtes Licht, senkrecht auf eine Turmalinplatte
fallend, zeigt keine Veränderung seiner Intensität, wenn diese
Platte in ihrer Ebene gedreht wird, unter der Voraussetzung,
dafs die Platte senkrecht auf die Achse des Turmalins geschnitten
ist. Diese Veränderung tritt aber hervor, wenn die Achse in
der Platte geneigt gegen die parallele Vorder- und Hinterfläche
derselben ist, und am stärksten, wenn sie diesen Oberflächen
parallel ist. Daher sieht man, wenn diese Platte als analysirende m
Vorrichtung angewendet wird, im ersten Falle in dem gekühlten
Glase keine Farbenfigur, im zweiten sie hervortreten, im dritten
am deutlichsten werden. Dasselbe gilt von der braungelben
Varietät des Bergkrystalls , welche gewöhnlich Rauchtopas ge-
nannt wird. Selbst mehrere Zoll dicke Platten zeigen keine
Spur der Figur, wenn sie senkrecht auf die Achse geschnitten
sind, hingegen tritt diese äufserst lebhaft hervor, wenn man
durch die Seitenflächen des Krystalls nach dem gekühlten Glase
blickt. Babinet 1 ) hat bereits gezeigt, dafs der Rauchtopas
Licht, dessen Polarisationsebene senkrecht auf seiner Achse steht,
stärker absorbirt, als das, dessen Ebene damit zusammenfällt,
während bekanntlich bei dem Turmalin das Entgegengesetzte
stattfindet. Daher sieht man bei einem Turmalin auf der ge-
kühlten Glasplatte die Figur mit schwarzem Kreuz, wenn die
Achse desselben in der Reflexionsebene des polarisirenden Spiegels
liegt, hingen das weifse, wenn sie senkrecht darauf steht, bei
einem Rauchtopas hingegen das weifse Kreuz, wenn seine Achse
der Reflexionsebene parallel, und das schwarze, wenn sie darauf
lothrecht ist. Daher verdunkelt ein Rauchtopas einen Turmalin
viel stärker, wenn ihre Achsen parallel sind, als wenn sie sich
rechtwinklig kreuzen. Dies fuhrt zu der Annahme, zu der man
auch von vornherein aus theoretischen Gründen berechtigt war,
») Compt. rend. 7, p. 832.
26 7
dafs sowohl in den negativen als positiven einachsigen Kry stallen
die Absorption des polarisirten Lichtes längs der Achse dieselbe
ist, in welcher den durch dieselbe gelegten Ebenen das in der
Richtung der Achse einfallende Licht auch polarisirt sei, oder
mit andern Worten , dafs die auf Absorption gegründete polari-
sirende Wirkung in der Richtung der Achse bei einachsigen
Krvstallen Null ist.
Eine auf die Halbirungslinie des Winkels der optischen
Achsen senkrecht geschliffene Platte eines zweiachsigen Krystalls
zeigt Ungleichheiten der Absorption für Licht, welches in den
verschiedenen durch diese Halbirungslinie gelegten Ebenen po-
larisirt ist, und diese Unterschiede erreichen ihre Maxima in
der durch die optischen Achsen und lothrecht darauf gelegten
Ebene. Betrachtet man daher durch eine solche Platte als ana-
lysirende Vorrichtung das gekühlte Glas, so wird das Hervor-
treten der Farbenfigur auf derselben zunächst ein Beweis sein,
dafs der Krystall, aus dem sie genommen, ein zweiachsiger,
aus den beide Maximis der Deutlichkeit des Hervortretens der
entgegengesetzten Figuren zugleich sich die durch die optischen
Achsen und die darauf lothrechte Ebene bestimmen lassen. Diese
Untersuchungsart ist unabhängig von der Gröfse des Achsen-
winkels, denn wie klein diese auch sei, so wird doch dadurch
eine Ebene bestimmt. Sie läfst sich aufserdem auf die kleinsten
Blättchen anwenden, da diese unmittelbar vor das Auge ge-
halten werden und ist unabhängig von einer Beurtheilung eines
Farbenunterschiedes.
Betrachtet man durch eine dicke Scheibe des grofsplattigen
sibirischen Glimmers mit grofsem Achsenwinkel das gekühlte
Glas, so sieht man die Figur sehr deutlich, aber in andern
Farben, als durch die Analyse vermittelst Doppelbrechung oder
Spiegelung oder einfache Brechung. Fällt die durch die optische
Achse gelegte Ebene des analysirenden Glimmers mit der Re-
flexionsebene des polarisirenden Spiegels zusammen, so sieht man
das dunkle Kreuz, aber stark ins Röthliche ziehend, stehen hinge-
gen jene beiden Ebenen lothrecht auf einander, so erscheint das
helle Kreuz ziemlich weifs, die vier es begrenzenden Bogen aber
rosa (bei einigen zweiachsigen Glimmern gelblich). Man sieht
268
daher hier dieselben Linien roth, welche bei Anwendung eines
Dichroits als analysirende Vorrichtung tief blau erscheinen. Dieses
Roth ist eine objective Farbe, denn es verdunkelt sich durch ein
hinzugefugtes grünes Glas zu dunklem Grau, während vielleicht
das grünliche Weifs nur subjectiv gefärbt ist, da die letztere
Figur in der rotben Beleuchtung eines Ueberfangglases fast voll-
ständig verschwindet.
Ich untersuchte nun Glimmerarten mit kleinem Achsenwinkel,
welche früher als einachsige mir bezeichnet worden waren, einen
in dickern Schichten blutrothen in England ohne Angabe des
Fundorts gekauften, den tombacbraunen vom Baikalsee, grüne
Varietäten aus Sibirien, in gröfsern Dicken durchsichtig oder
sich bald mit zunehmender Dicke zu Schwarz verdunkelnd, einen
grünlichen von Monroe in Nordamerika, endlich einen etwas
ins Bläuliche ziehenden grünen von Schwarzenberg im Zillerthal.
Besonders in den beiden ersten tritt die rothgefärbte Figur äufserst
intensiv hervor, schwächer in den grünen Varietäten von Sibirien,
obgleich noch sehr deutlich, weniger in dem von Monroe, aber
nicht in dem von Schwarzenberg. Wenn nun auch das Fehlen
der polarisirenden Wirkung nicht als ein Beweis gelten kann,
dafs der untersuchte Krystall ein einachsiger sei, da sie vielleicht
dennoch bei gröfserer Dicke der Platte sichtbar werden würde,
so kann das Hervortreten derselben hingegen gewifs als ein Be-
weis angesehen werden, dafs derselbe ein zweiachsiger sei.
Es wäre nun sehr interessant zu wissen, ob die Unter-
schiede, welche Silliman in der Lage der Ebenen, in welcher
in Beziehung auf die Krystallgestalt die Achsen hegen fand,
auch für die Absorption des polarisirten Lichtes hervortreten.
Obgleich aus dem blofsen Anblick schon hervorgeht, dafs
die Stärke der Absorption des polarisirten Lichtes nicht von
der Gröfse des Achsenwinkels abhängt, so ist eine eigentliche
Vergleichung der Intensität der Wirkung doch nur durch mes-
sende Bestimmungen zu erhalten. Wegen des Mangels photo-
metrischer Methoden besonders bei Licht, dessen Farbe sich
ändert, kennt man aber weder das Gesetz, nach welchem die
Absorption des polarisirten Lichtes in einachsigen Krystallen mit
Vermehrung der Neigung gegen die Achse zunimmt, noch wie
269
sie sich vermehrt mit Zunahme der Dicke der durchstrahlten
Schicht, eben so wenig besitzt man Mittel, verschiedene Krystalle
bei gleicher Dicke der Platten und gleicher Lage derselben in
Beziehung auf die optische Achse oder die Halbirungslinie zweier
mit einander zu vergleichen. Das früher l ) (p. 222) von mir
angegebene Compensationsverfahren gestattet aber, diese Frage
zu beantworten.
Natürliches Licht, welches einen Krystall durchstrahlt, dessen
Absorption für ein in einer bestimmten Ebene polarisirtes Licht
gröfser ist, als für das darauf senkrechte, wird aus diesem im
Allgemeinen theilweise polarisirt austreten. Es wird daher in
natürliches Licht verwandelt werden, wenn die ungleich ge-
wordenen Mengen rechtwinklig auf einander polarisirten Lichtes
durch Unterdrückung des Ueberschusses gleich gemacht werden.
Ein solcher Krystall wird daher seine polarisirende Eigenschaft
oder, was dasselbe ist, seine Fähigkeit, als analysirende Vor-
richtung zu dienen, verlieren, wenn durch eine hinzugefügte
neue analysirende Vorrichtung eben so viel polarisirtes Licht
unterdrückt wird, als er als Ueberschufs hindurch liefs. Kann
man nun jene messen, so ist diese bestimmt.
Aus den theoretischen, durch Brewster's Messungen be-
stätigten Untersuchungen von Fresnel, über die Ablenkung
der Polarisationsebene des Lichtes, welches unter irgend einem
Winkel und in irgend welchem Azimuth polarisirt, eine durch-
sichtige Scheibe durchstrahlt, läfst sich bestimmen, welcher An-
theil polarisirten Lichtes- in dem aus der Glasplatte austretenden
Licht enthalten ist, welches als natürliches unter irgend. einem
Winkel auf dieselbe oder auf ein System paralleler Platten fiel.
Es ist daher klar, dafs man die Neigung oder die Zahl der
Scheiben eines polarisirenden Glassatzes so lange verändern kann,
bis er dieselbe polarisirende Wirkung hervorbringt, als vorher
der durch Absorption polarisirende Krystall. Von der Gleichheit
beider Wirkungen überzeugt man sich aber, wenn sie im ent-
gegengesetzten Sinne gleichzeitig wirkend einander neutralisiren.
Das Verfahren der Messung ist daher folgendes: Nachdem man
») Berichte der Berl. Akad. 1847, p. 71.
270
durch das dichroitische Mineral als analysirende Vorrichtung
das Maximum der Wirkung hervorgebracht hat, d. h. es so
lange in seiner Ebene gedreht, bis das Hervortreten der Farben-
figur auf dem gekühlten Glase in gröfster Deutlichkeit erfolgt,
welche, wenn die Lage der optischen Achsen bekannt ist, auch
unmittelbar bestimmt werden kann, bringt man zwischen dem-
selben und dem Auge den Glassatz an, und zwar zunächst in
der Stellung, in welcher er nicht auf das Licht polarisirend
wirkt, also lothrecht auf das von dem Polarisationsspiegel re-
fiectirte Licht. Wir wollen annehmen, dafs durch das analy-
sirende Mineral das helle Kreuz hervorgebracht sei, dann mute
bei der Drehung des Glassatzes die Brechungsebene desselben
stets mit der Reflexionsebene des Spiegels zusammenfallen, die
Drehung desselben also um eine auf diese Ebene lothrechte
Linie erfolgen. Es ist klar , dafs wenn die polarisirende Wirkung
des Glassatzes überwiegt, statt des hellen Kreuzes die Figur
mit dunklem Kreuze hervortreten wird, und dafs der Moment
des Ueberganges des hellen in das dunkle die Bestimmung für
die Intensität der durch den dichroitischen Krystall hervorge-
brachten Absorption giebt. Ich habe auf diese Weise gefunden,
dafs oft Glimmer mit kleinem Achsenwinkel bei gleicher Dicke
der Platte stärker polarisiren , als ebenfalls gefärbte mit grofsen
Achsenwinkeln.
Um für verschiedene Dicken der Platten desselben Minerals
die Absorption zu erhalten, schleift man bei harten Kry stallen,
wie z. B. Rauchtopas, aus der Säule desselben zwei gleiche
Prismen, welche keilförmig zu combinirten Platten zusammen-
gelegt werden, und deren parallele Flächen auf diese Weise
einen beliebigen Abstand von einander erhalten. Die zur Com-
pensation der Absorption durch die verschiedenen Dicken er-
forderlichen verschiedenen Neigungen des Glassatzes geben die
Bestimmung der Zunahme der Absorption mit wachsender Dicke.
Bei leicht spaltbaren Mineralen wie Glimmern erhält man die
erforderlichen Dicken durch Abspalten und Messung vermittelst
des Sphärometers. Die Abnahme der Absorption, wenn das
zuerst senkrecht auf die Achse einfallende Licht zuletzt dieser
parallel wird, kann nur an Krystallen studirt werden, deren
271
absorbirende Wirkung vollkommen symmetrisch um die Achse
vertheilt ist.
So unbekannt nämlich auch noch die Ursachen des Dichrois»
mus sind, so zeigt sich doch entschieden, dafs die Färbung der
Mineralien in innigem Zusammenhang steht mit ihrer Eigenschaft,
polarisirtes Licht nach verschiedenen Richtungen verschieden zu
absorbiren. Abgesehn nämlich davon, dafs in dieser Beziehung
z. B. verschiedene Individuen unter den Turmalinen sich so sehr
von einander unterscheiden, zeigt sich dies auch an einzelnen
Stellen desselben Individuums. Ich verdanke Herrn Darker in
London eine Turmalinplatte , welche aus einem Krystalle ge-
schnitten ist, dessen Säule, wie es häufig vorkommt, unten fast
vollkommen farblos erscheint, .von einer bestimmten Stelle aber
an immer tiefer violett wird. Die polarisirende Wirkung dieser
Platte nimmt nun von den hellen Stellen zu den violetten in
sehr auffallender Weise zu, und da die Grenze des Violett
schief gegen die Achse geneigt ist , so sieht man , dafs bei solchen
Krystall- Individuen die absorbirende Wirkung des polarisirten
Lichtes nicht symmetrisch um die Achse vertheilt ist, sondern
in verschiedenen durch die Achse gelegten Ebenen von verschieden
grofsen Maximis zu Null abnimmt.
Wäre es möglich, farblose Bergkrystalle künstlich durch
und durch zu färben, wie man es mit dem calcedonartigen
Quarze kann, so würde man vielleicht den Dichroismus künstlich
nachbilden können.
Brewster behauptet, er habe in farblosem Bergkrystall
dichroitische Wirkungen durch Anrufsen desselben hervorge-
bracht, das gewöhnliche Bild desselben wäre amethystfarben
geworden, das ungewöhnliche gelbbraun. Ich habe dies nicht
bestätigt gefunden. An einem farblosen Bergkrystall wurde eine
Seitenfläche angeschliffen, so dafs sie mit einer der polirten na-
türlichen Säulenflächen ein Prisma bildete, dessen Kante der
Achse parallel war und durch ein darauf gekittetes Glasprisma
die beiden Bilder nahe vollständig achromatisirt. Dieses achro-
matische Prisma wurde nun angerufst und durch dasselbe die
Spalte einer Diffractionsschneide betrachtet. Beide Bilder blieben
gleich gefärbt, mochte nun natürliches oder polarisirtes Licht
272
die Spalte beleuchten. Bei dem Drehen des Prismas verdunkelt
sich im letztern Falle das eine Bild, und dies kann möglicher-
weise dann suhjectiv gefärbt erscheinen. Auch kann ja ein
Berufsen keine andre Wirkung hervorbringen, als das auf den
farblos bleibenden Krystall fallende Licht färben, und so viel
ich sehe, könnte, wenn der Krystall verschieden farbiges Licht
ungleich absorbirte, es unmöglich farblos erscheinen. Auch zeigt
sich an angerufsten, der Achse parallel geschnittenen Bergkry-
stallscheiben keine Spur von ungleicher Absorption für Licht,
dessen Polarisationsebene der Achse parallel ist und dem, wo
diese senkrecht darauf steht, was bisher wenigstens das Kenn-
zeichen jedes Dichroismus gewesen ist. Eine tiefgelbe Glasscheibe
stark durch plötzliches Abkühlen gehärtet, so dafs auf ihr im
Polarisationsapparat die Farbenfigur sich sehr schön entwickelte,
zeigte als analysirende Vorrichtung keine absorbirende Wirkung.
Ich prefste sie durch eine Schraube zusammen und nun zeigte
sich eine Wirkung, aber bei näherer Untersuchung fand sich,
dafs sie wie ein Zwillingskrystall wirkte und dadurch zwei nahe
über einander liegende farbige complementare Bilder gab. Hier
war also nur ein scheinbarer Dichroismus künstlich erzeugt,
auch zeigte in der That ein gekühlter farbloser Glascylinder bei
dem Pressen dasselbe, nicht aber ein ungehärteter, wenn er
durch Pressen doppelbrechend gemacht wurde.
Diese Zwillingsbildungen treten sehr störend auf, wenn
man Arragonit und Diopsid auf ähnliche Weise untersucht wie
den Glimmer. Im Schwerspath und chromsauren Kali zeigen
sich die Wirkungen viel entschiedener, als im Salpeter, Eisen-
vitriol und Gyps. Im farblosen Topas aus Brasilien habe ich
senkrecht auf die Halbirungslinie der optischen Achsen keine
verschiedene Absorption bemerkt, die bei farbigen, wie im Beryle,
senkrecht auf die Achse der Säule deutlich hervortrat.
Der Parallelismus, der sich bisher zwischen den Absorptions-
erscheinungen des Lichtes und der strahlenden Wärme in Be-
ziehung auf Turmalin nach Forbes und Meli oni und Rauch-
topas nach Knoblauch 's Versuchen gezeigt hat, lä&t ver-
muthen , dafs sich derselbe auch für die Glimmer und andre Kry-
stalle nachweisen läfst. Die Nachweisung desselben in Beziehung
' 273
auf den Glimmer wäre interessant, weil auf diese Weise da-
durch nachgewiesen würde, dafs auch fiir die Erscheinungen
der Wärme die zweiachsigen Krystalle sich von den einachsigen
unterscheiden. Da nach den Untersuchungen von Si 11 im an
und Blake die Durchwärmigkeit verschiedener Glimmerarten
sehr verschieden ist, so zeigen sich für die Glimmer vielleicht
hier ähnliche Unterschiede, wie in Beziehung auf das Licht für
die Turmaline. Auch werden, wenn die Absorption von der
Wellenlänge abhängt, wie es schon von Forbes für die Tur-
maline nachgewiesen wurde, die optisch stark wirksamen viel*
leicht ganz andre sein, als die thermisch kräftig wirkenden.
Bei allen diesen Untersuchungen mufs aber die zu untersuchende
Platte so genau wie möglich senkrecht gegen den einfallenden
Strahl gehalten werden, da, wenn man den Krystall neigt, er
wie ein Glassatz polarisirend wirkt, und man daher die auf
Absorption gegründete polarisirende Wirkung eines Krystalls
durch Neigung compensiren oder steigern kann.
Die stärkste Licht polarisirende Wirkung habe ich unter den
zweiachsigen Krystallen an einer Platte von Zucker bemerkt, senk-
recht auf die Säulenflächen geschliffen, also parallel der einen
optischen Achse. Die Platte war zwischen Glasplatten durch
Canadabalsam befestigt, etwa V 3 Linie dick, der Zucker farblos
und die auf der Glasplatte entstehenden Farben so rein wie bei
der Analyse durch Spiegelung. Die auffallende Intensität der
Wirkung, mit Farblosigkeit des Krystalls verbunden, stellt diesen
Fall als einen bisher isolirten dar. Auch ist möglicherweise hier
eine andre Ursache mitwirkend. Betrachtete man nämlich durch
die Platte eine runde Oeffhung, so erschien dieselbe mit einem
diffusen Lichtschein umgeben. Es wäre also möglich, dafs hier
Zerstreuung statt Absorption wirkte.
18
274
V. Versuche über subjective Farben 1 ),
i. Doppelbilder auf farbigen Gläsern*).
Läfst man den Schatten eines schmalen, undurchsichtigen
Körpers, z. B. eines Stabes, von den Dimensionen eines dünnen
Bleistifts auf ein farbiges Glas fallen, welches mit seiner untern
Fläche auf einem ebenen Metallspiegel liegt oder unten mit Spie-
gelfolie belegt ist, so sieht man zwei lebhaft complementar ge-
färbte Bilder des Gegenstandes , das eine von viel tieferer Farbe
als die der unbeschatteten Theile des Glases, das andre comple-
mentar zu dieser Farbe. Die Entstehung dieser Farben ist von
Fechner näher erörtert worden. Die nachfolgenden Versuche
bezwecken auf eine möglichst directe Weise zu untersuchen,
welche Lichtmassen zusammenwirken, um diese Erscheinungen
hervorzurufen.
Bezeichnet (Fig. 26) cd den Querschnitt eines schmalen
undurchsichtigen Körpers, ab die Projection seines Schattens
auf die Vorderfläche des farbigen Glases, so sieht ein bei fn tl m tl
befindliches Auge an dieser Stelle nur das von der Hinterfläche
bei a t b x reflectirte Licht, also dieselbe Erscheinung, als wenn
Licht durch eine Spalte von der Breite cd gegangen wäre, und
durch eine Glasscheibe von der Dicke m l a l a, deren Mächtigkeit
für jeden gegebenen Einfallswinkel aus dem bekannten Brechungs-
verhältnifs des Glases sich unmittelbar bestimmen läfst. An der
Stelle ab ist aber aufserdem Licht abgehalten worden einzu-
dringen, die Stelle aß erhält also von der untern Fläche des
Glases kein Licht, ein in o l o l befindliches Auge sieht daher
in aß nur die von der Vorderfläche reflectirten Strahlen oa, oß.
An dieser Stelle erscheint daher ein zweites Bild, da alle übrigen
Stellen des Glases, ab ausgenommen, sowohl Licht von der
Vorderfläche als von der Hinterfläche ins Auge senden. Ist das
') Hierher gehören aufserdem die pag. 173 und pag. 218 angeführten
Versuche.
') Pogg. Ann. 45, p. 158.
275
einfallende Licht weifs, so sendet die Stelle aß daher weifses
Licht ins Auge, ab durch Absorption gefärbtes, die andern
Stellen eine Mischung beider. Es ist nun die Frage, welches
Licht zu der subjectiven complementaren Färbung von aß mit-
wirkt.
Hat das angewendete farbige Glas eine bedeutende Dicke,
so dafs beide Bilder weit aus einander treten, so ist es leicht,
einen undurchsichtigen Schirm in den Weg der reflectirten Strahlen
m tl m ll einzuschalten, so dafs ab verdeckt wird, während aß
sichtbar bleibt. Da die complementare Färbung dann sehr leb-
haft fortdauert, so ist klar, dafs der Anblick von ab nicht
wesentlich ist zur Hervorbringung des Farbeneindrucks von aß.
Betrachtet man aber unter dem Polarisationswinkel des ange-
wendeten Glases dasselbe mittelst eines Nicol'schen Prismas,
so wird das von der Vorderfläche des Glases reflectirte Licht
bei der Drehung desselben um seine Achse endlich völlig ver-
schwinden. In diesem Falle erhält man also von allen Theilen
des Glases dieselbe tiefe Farbe, als vorher von der Stelle ab
allein, daher verschwindet bei Anstellung des Versuches das
an dieser Stelle vorher sichtbare Bild vollkommen, vorausgesetzt
nämlich, dafs die Breite cd des Stäbchens nicht bedeutend sei,
weil sonst nicht für alle Theile der beschatteten Stelle der Be-
dingung des Polarisationswinkels genügt werden kann. Bei dem
Verschwinden von ab wird nun das vorher complementar ge-
färbte aß ein vollkommen farbloser dunkler Schatten. Dies ist
ein entscheidender Beweis dafür, dafs eine beschattete Stelle in
einer gleichförmig farbigen Beleuchtung nicht zu subjectiven Far-
ben Veranlassung giebt *).
') Bei solchen Versuchen geben Schatten ein bestimmteres Ergebnifs,
als schwarze Körper in einer gleichförmig farbigen Umgebung, weil die-
selben in der Regel noch gespiegeltes Licht ins Auge senden. Betrachtet
man z. B. einen schwarzen Druck auf einem ins Orange ziehenden gelben
Papier (z. B. die Apothekersignaturen von Hotop in Kassel) , so erscheinen
sie, wenn man den Reflex vermeidet, vollkommen schwarz bei senkrechtem
Daraufsehen. Hält man sie hingegen schief, so dafs das diffuse Tageslicht
von der etwas glänzenden Schrift reflectirt wird, so steigert sich die sub-
jeetive blaue Färbung so, dafs es zuletzt unmöglich wird, die Buchstaben
nicht für wirklich farbig zu halten. Ueberhaupt zerstreuen selbst rauhe
18*
276
Betrachtet man das auf einem grünen Glase entstehende
grüne Bild ab und rothe Bild aß durch ein homogen rothes
Glas, so verschwindet das rothe Bild a ß vollkommen, während
das grüne ab farblos dunkel wird. Eben so verschwindet auf
einem orangenen Glase das blaue Bild, wenn es durch ein rein
blaues Glas betrachtet wird, wobei das orangene Bild sich zu
einem schwarzen Schatten verdunkelt, endlich auf einem blauen
Glase das orangene Bild, wenn man es durch ein orangenes
Glas betrachtet, wobei das blaue schwarz wird. Dies Ver-
schwinden ist minder vollkommen, wenn man dieselben dioptrischen
Mittel, statt zwischen das Auge und das Glas einzuschalten, von
dem einfallenden Lichte, ehe es die spiegelnde Fläche erreicht,
durchstrahlen läfst. So auffallend diese Versuche bei dem ersten
Anblick erscheinen, so lassen sie sich doch auf ihre bedingen-
den Ursachen leicht zurückfuhren. Betrachtet man nämlich ein
auf dem Metallspiegel liegendes grünes Glas von recht reiner
Farbe durch ein Nicol'sches Prisma, so erscheint, wenn das
von der Vorderfläche reflectirte Licht fortgeschafft ist, die Farbe
des Glases durch alleinige Reflexion von der Hinterfläche in
überraschender Intensität. Betrachtet man dieses Grün aufserdem
noch durch ein rothes Glas, so erscheint die spiegelnde Glas-
tafel vollkommen schwarz. In den vorhergehenden Versuchen,
ohne Anwendung einer polarisirenden Vorrichtung, wurde das
von der Hinterfläche reflectirte Licht daher durch Absorption
vernichtet; man hatte hier also nur Licht von der Vorderfläche,
schwarze Flächen das Licht weniger als weifse, denn bei schiefer Incidenz
erhält man vom Sammet und von einer sorgfältig angerufsten nahen Me-
tallfläche noch Polarisationsfarben, welche man in einer mit Bleiweifs ge-
färbten kaum wahrnehmen kann. Am intensivsten tritt unter der Zusam-
menwirkung des Tageslichts und Gas oder Lampenlichts die blaue sub-
jectivc Farbe hervor, wenn bei der Dämmerung in einem Saale ein Kron-
leuchter angezündet wird, und man nun die sich allmäblig verdun-
kelnden Fenster ins Auge fafst, die zuletzt von tief blauem Glase zu sein
scheinen, bis beim vollkommnen Verschwinden des Tageslichts sie farblos
dunkel werden. Auf ähnliche Weise färben sich die dunkeln Interfereni-
curven in einen Polarisationsapparat, wenn man bei Tage sie in einer ho-
mogenen gelben Beleuchtung entwickelt, nicht aber wenn dies in einem
dunkeln Zimmer geschieht.
277
daher verhalten sich alle Theile der Glasoberfläche, ab ausge-
nommen, wie <*/&, welches deswegen verschwinden mufste. In
diesem Falle, wie in dem vorhergehenden erschien daher in
einer gleichförmig farbigen Beleuchtung keine subjective Färbung
des Schattens.
Von den Modificationen der Färbung beider Bilder, wenn
man nicht monochromatische Gläser anwendet, wird man sich
auf dem angegebenen Wege leicht Rechenschaft geben.
Um zu entscheiden, ob das von der Vorder- und Hinter-
fläche reflectirte Licht mit dem von der Hinterfläche allein zurück-
gesendeten intensiver gefärbten Lichte Veranlassung zu einer
subjectiven Färbung gebe , wurde eine runde Oeflhung in einem
Metallschirm in den Weg o l m ll der von dem farbigen Glase
reflectirten Strahlen eingeschaltet, und die so beleuchtete Oeflhung
durch ein doppelbrechendes achromatisches Prisma unter dem
Polarisationswinkel betrachtet. Bei der Stellung des Prismas,
wo das von der Vorderfläche gespiegelte Licht in dem einen
Bilde verschwindet, erhält man hier nur Licht von der Hinter-
fläche, im andern Bilde hingegen Licht von der Vorder- und
Hinterfläche. Bei Anwendung der verschiedenfarbigsten Gläser
erschien doch nie eine subjective Färbung, stets nur ein Unter-
schied gröfserer Intensität der Farbe, die aber bei Beleuchtung
durch blaues Himmelslicht sich dem entsprechend modificirte.
Um nun zu untersuchen, ob das von der Vorderfläche
reflectirte Licht, verglichen mit dem von der Hinterfläche ge-
spiegelten, Veranlassung zu subjeetiver Farbe werde, wurde
statt des undurchsichtigen Körpers cd eine ihm entsprechende
enge Spalte angewendet, durch welche das Licht einfiel, während
alle übrigen Theile des Glases beschattet waren, d. h. oo und
mm abgehalten. Man sieht nun an der Stelle ab Licht allein
von der Vorderfläche, an der Stelle aß Licht von der Hinter-
fläche, also jetzt bei aß dieselbe Erscheinung, als vorher bei ab
und umgekehrt. Die subjective Färbung des bei ab reflectirten
weifsen Lichtes ist noch vorhanden aber schwächer. Davon,
dafs sie subjeetiv sei, kann man sich überzeugen, wenn man
verschiedenfarbige Gläser neben einander auf denselben Metall-
spiegel legt, und nun mittelst eines stark brechenden Prismas
278
Spectra durch die Bilder erzeugt. Während nämlich die durch
Reflexion von der Hinterfläche bei aß erzeugten Spectra die
gröfsten Differenzen zeigen, je nachdem nämlich die Enden des
Spectrums durch Absorption angegriffen werden, oder bestimmte
Stellen innerhalb derselben, giebt das von der Vorderfläche der
verschiedenfarbigen Gläser bei ab reflectirte Licht, so verschie-
denfarbig es auch, direct gesehen, dem Auge, erscheint, doch
ganz übereinstimmende Spectra und zwar ohne Discontinuität
Aus den angeführten Versuchen folgt also, dafs die Färbung
des äufsern Bildes subjectiv sei , und zwar hervorgebracht durch
das Zusammenwirken des Gegensatzes zu dem innern Bilde und
zu dem Lichte, welches zugleich von Vorder- und Hinterfläche
in das Auge gelangt.
2. Subjective Farbenerscheinungen bei einem
Farbenkreisel und eine darauf gegründete
Methode, seine Umdrehungsgeschwindigkeit
zu bestimmen. (Pogg. Ann. 71 p. 112).
Bei dem Diploskop, welches Graf Schaffgotsch (Pogg.
Ann. Bd. 54, S. 193) beschrieben hat, wird eine in der Mitte
getheilte ruhende Scheibe, deren eine Hälfte roth, die andre
grün gefärbt ist, durch zwei vor die Augen gehaltene Röhren
so betrachtet, dafs das eine Auge nur rothes Licht erhält, das
andre nur grünes, und zwar so lange, bis sich der Eindruck
abstumpft. Setzt man dann die Scheibe in schnelle Drehung,
so sieht das Auge, welches Roth betrachtet hatte, nur Grün,
das, welches dem Grün zugewandt war, nur Roth. Für die
beiden nach einander sich nun dem Auge darbietenden Eindrücke
ist nämlich das Auge nicht mehr gleich empfänglich, abgestumpft
für den einen, und f nach der Ansicht einiger Physiker, doppelt
empfänglich für den Eindruck des Contrastes. Bei den folgen-
den Versuchen werden hingegen dem Auge zuerst zwei Farben
dargeboten, dann wird einem Theile der Netzhaut plötzlich der
Eindruck einer Farbe entzogen, und man sieht dann an dieser
Stelle die andre Farbe in gröfster Lebhaftigkeit.
279
Auf einen schnell rotirenden Farbenkreisel wurde eine Scheibe
gelegt, welche einen gelben und blauen Sector im Gröfsenver-
h'ältnifs von 1 :4 enthielt, um ein in der Mitte stehendes Grün
als Mittelfarbe zu geben. Ich bewegte nun ein dunkles Stäbchen
von der Dicke eines dünnen Bleistifts über die in gleichförmiger
Mischungsfarbe erscheinende Scheibe parallel mit sich selbst fort,
und sah den Stab als ein Stabgitter mit abwechselnd blauen
und gelben äufserst lebhaften gefärbten Speichen. Die gröfscre
Breite der gelben Speichen zeigt sogleich, dafs wenn der Stab
Blau verdeckt, man Gelb sieht, so wie er hingegen über Gelb
gelangt, Blau. Mit zunehmender Geschwindigkeit der Fortbe-
wegung des Stabes treten die Speichen weiter auseinander, welches
ebenfalls eintritt, wenn bei gleichbleibendem Fortrücken des Stabes
die Drehungsgeschwindigkeit des Kreisels abnimmt. Es ist nicht
schwer, die Anzahl der Speichen zu zählen, und da diese so
oft sich vervielfältigen als der Stab von einer Farbe zur andern
übergeht, so giebt die Anzahl der blauen Speichen, wenn nur
ein gelber Sector vorhanden ist, unmittelbar die Anzahl der
Umdrehungen des Kreisels in einer gegebenen Zeit. Umgekehrt
kann man aus der bekannten Rotationsgeschwindigkeit des Krei-
sels einen Rückschlufs machen auf die Geschwindigkeit eines
geradlinig fortrückenden Körpers.
Der Grund für die Vervielfältigung des Stabes ist von
Plateau aus dem Roget'schen Princip früher entwickelt wor-
den, die Anwendung auf Farben, so viel ich weifs, noch nicht
gemacht.
Die Wahl der Farben ist nicht gleichgültig, wie folgende
Vergleichung zeigt:
Schwarzer Stab
orange blau Mischung roth schwach sichtbar
roth grün - braun nicht
gelb roth - tief orange gut
blau roth - blau nicht :
weiß schwarz - fast weifs schwach
Weifser Stab
blau gelb schwach sichtbar
schwarz weifs nicht
280
blau roth nicht sichtbar
gelb roth schwach
roth grün nicht
blau orange nicht - •
Bei Schwarz und Weifs stört besonders das bei abneh-
mender Geschwindigkeit eintretende Fliinmern.
Bewegt man den Stab vor einer, nach Fechner's An-
gabe (Ann., Bd. 45, S. 227, Taf. Hl, Fig. 7), spiralförmig mit
zwei Farben bemalten rotirenden Scheibe vorbei, so scheinen
die Speichen des erscheinenden Gitters vom Rande nach der
Mitte zu sich büschelförmig zu erweitern.
Es ist klar, dafs ganz dieselbe Erscheinung sich zeigt,
wenn man, während der unbewegte Stab vor der rotirenden
sectorenweise bemalten Scheibe sich befindet, das Auge schnell
zur Seite bewegt, als wenn bei ruhendem Auge der Stab parallel
mit sich fortrückt. Ein solcher unbewegter Stab ist die senk-
rechte Achse des Kreisels. Bewegt man daher den Kopf rasch
zur Seite, so sieht man die Achse des Kreisels ebenfalls als
farbiges Stabgitter.
Auf einem andern Grund beruht folgende Erscheinung.
Bewegt man vor einer rotirenden sectorenweise bemalten Scheibe,
über welche kein Stift hervorragt, und welche man etwa aus
der Entfernung von 5 Fufs betrachtet, das Auge schnell zur
Seite, indem man mit dem Kopfe schüttelt, so sieht man die
Mischungsfarbe auf der Seite der Scheibe , welche sich in dem-
selben Sinne als der Kopf bewegt, in ihre Componenten auf-
lösen, weil zwischen dem bewegten Auge und der rotirenden
Scheibe zwar nicht relative Ruhe eintritt, doch eine Annäherung
an dieselbe. Bei einer Scheibe , bei welcher drei gelbe Sectoren
und drei blaue im Verhältnifs von 1:4 mit einander abwech-
selten, erschienen die Sectoren in der Weise verändert, als
wenn man einen Viaduct sähe, dessen Bögen gelb angestrichen
sind, während die Zwischenräume zwischen den Pfeilern tief
blau erschienen. Im Gegensatz der gewöhnlichen Darstellungsart
kann man dies eine subjective Focale nennen.
Auf solchen unbewufst erfolgenden schnellen Aenderungen
der Sehrichtung beruht es wahrscheinlich, wenn man aus der
281
Mischungsfarbe einer rotirenden Scheibe mitunter plötzlich die
componirenden Farben momentan hervorblitzen sieht.
3. Scheiben zur Darstellung subjectiver
Farben *).
Die bekannte Erfahrung, dafs, wenn man ein farbiges, vor
einen weifsen Grund gehaltenes Papier schnell vot diesem weg-
zieht, die bisher verdeckte Stelle in complementarer Färbung
erscheint, hat mich zu der Construction von Scheiben geführt,
welche die subjectiven Farben mit einer Lebhaftigkeit zeigen,
welche jeden überraschen wird, der die damit anzustellenden
Versuche zum* erstenmal sieht. Sie sind vorzugsweise geeignet,
einem grofsen Kreise von Zuhörern die Erscheinung zu zeigen.
Im 45. Bande von Pogg. Ann. p. 227 hat Fechner, um
Abstuningen reinen Graus zu erhalten, Scheiben construirt, in
welchen auf weifsem Grund eine schwarze Figur sich befindet,
deren Umfang eine archimedische Spirale ist. Er bemerkte dabei
subjective Farbenerscheinungen. Ich hatte zum Behuf meiner
Versuche für einen Farbenkreisel mir ähnliche Scheiben construirt,
in denen ganz auf dieselbe Weise , wie dort Weifs und Schwarz,
complementare Farben aufgetragen waren. Die dabei hervor-
tretenden Farben veranlassten mich nun, die einzelnen Farben
auf weifsem Grunde zu untersuchen.
Um die Erscheinung in einer lothrechten Ebene darzustellen,
habe ich sie auf ein von Herrn Grüel angegebenes freistehendes
Uhrwerk befestigt, welches in Figur 27 abgebildet ist. Die
verschiedenen Scheiben werden bei a vermittelst einer Klemm-
schraube befestigt, und durch eine Klemmschraube bei b die
.Drehungsgeschwindigkeit geregelt. Man läfst zuerst die Scheibe
eine längere Zeit schnell rotiren, so dafs sie gleichförmig ge-
färbt erscheint, und verlangsamt dann plötzlich die Bewegung,
wo auf dem weifsen Grunde, besonders wenn man schief gegen
die Scheibe blickt, die subjective Farbe in ungewöhnlicher Stärke
hervortritt, besonders wenn die Scheibe sich so dreht, dafs die
Spirale sich zu öffnen und dabei zu vergröfsern scheint.
') Pogg. Ann. 75, p. 52fc
282
Wenn man verschiedenen Individuen diese Versuche zeigt,
so ist es höchst auffallend, wie die Augen derselben für einen
bestimmten subjectiven Farbeneindruck besonders empfänglich
sind, für einen andern weit weniger. Das Urtheil, bei welcher
Farbe die complementare Färbung am lebhaftesten hervortritt,
fällt daher, wenn viele die Versuche gleichzeitig sehen, äufserst
verschieden aus. Auch ist die Drehungsgeschwindigkeit ver-
schieden, sie ist für das Maximum der Wirkung bei den we-
niger empfänglichen Augen gröfser als bei den sehr empfang«
liehen.
Ich habe noch andre Scheiben construirt, welche ebenfalls
die subjectiven Erscheinungen sehr schön zeigen. Auf schwarzem
Grunde werden zwischen zwei concentrischen Kreisen, deren
Mittelpunkt die Drehungsachse ist, Kreise gezeichnet, deren
Durchmesser der Abstand derselben, und die, indem sie die
concentrischen Kreise und sich selbst berühren, einen zusam-
menhängenden Ring bilden. Diese Kreise sind nun abwechselnd
farbig und weifs. Bei schneller Drehung stellt sich das Ganze
als ein gefärbter Ring dar, indem das beigemischte Weifs die
Intensität des Farbeneindrucks vermindert. So wie aber die
Drehung nachläfst, treten an den weifsen Kreisen die lebhaftesten
subjectiven Farben hervor.
Dabei zeigt sich eine sehr merkwürdige optische Täuschung.
Die Kreise erscheinen nämlich als schwache Ellipsen, deren Län-
genachse dem Drehungsmittelpunkt zugekehrt ist. Der Grund
ist der: man glaubt auf dem gegebenen Räume mehr Kreise zu
sehn, und sie erscheinen daher in der Richtung der Rotation
schmaler.
Bei allen diesen Versuchen kommt es auf die Wahl der
Farben sehr an, um die Erscheinung in grofser Deutlichkeit
zu zeigen. Sind die Farben rein, so zeigen diese Scheiben,
wenn man mehrere neben einander aufstellt, zugleich die Ab-
sorptionsphänomene in überraschender Deutlichkeit. Während
z. B. eine lebhafte Farbe durch ein anders gefärbtes Glas ge-
sehn, vollkommen schwarz wird, verschwindet hingegen die
Spiralfigur vollständig auf dem weifsen Grunde, wenn man die
Scheibe durch ein gleichgefärbtes Gifis betrachtet. Man glaubt
283
nur eine weifse Scheibe zu sehen mit der Färbung, die das
Glas dem weifsen Grund giebt.
Auf einem senkrechten Stativ, wie das Grüel'sche, kann
man auch Weifs durch dioptrische Farben darstellen. Ich wählte
drei lebhaft gefärbte kreisförmige Gläser, die sich genau zu
einem schwachen Grau neutralisiren. Sie wurden in dem con-
centrischen Ring in 3 Löcher so eingefügt, dafs sie die Ecken
eines gleichseitigen Dreiecks bildeten. Bei der Drehung der
Scheibe sieht man beim Durchblicken eine weifse Fläche farblos.
VI. Einzelne optische Notizen.
1. Versuche über Gitterfarben in Beziehung auf
kleinere Höfe 1 ).
Brewster und Frauenhofer haben Versuche ange-
stellt? die Bildung kleinerer Höfe zu erläutern. Brewster be-
netzte eine Glastafel mit einigen Tropfen einer gesättigten Auf-
lösung von Alaun, welche schnell zu kleinen, dem Auge kaum
sichtbaren Octaedern in verschiedenen Richtungen hegend kry-
stallisirte. Hielt er diese Tafel an das Auge und sah durch
dieselbe nach der Sonne oder nach einem Lichte, so beobachtete
er drei Lichtkreise in verschiedenen Entfernungen vom leuch-
tenden Körper. Frauenhofer legte eine Menge runder Sta-
niolblättchen von 0.007 franz. Zoll Durchmesser zwischen zwei
Plangläser, stellte diese lothrecht vor das Objectiv eines achro-
matischen Fernrohrs, und sah die runde Oeffnung am Heliostat
durch dieses Gitter mit drei Farbenringen umgeben , deren Halb-
messer für Roth 3' 15", 5' 58", 8' 41" waren, deren Diffe-
renzen also constant sind, wie es für so kleine Winkel nach
den Beugungsgesetzen sein mufs. Um zu untersuchen, ob Durch-
sichtigkeit der kleinen Objecte den Versuch abändere, wurden
Glaskügelchen auf ein horizontales Planglas gestreut. Das von
') Pogg. Ann. 26, p. 310.
284
der Oeffnung am Heliostat einfallende Licht ging, nachdem es
von einem unter 45° geneigten Spiegel nach Oben reflectirt
worden, durch das Planglas, und gelangte durch eine zweite
Reflexion von einem dem ersten parallelen Spiegel in das Ob-
jectiv des horizontal liegenden Fernrohrs. Die Erscheinung war
der vorigen ähnlich.
Wenn die Farben der kleineren Höfe Gitterfarben sind, so
mufs man durch niedergeschlagenen Wasserdampf dieselben Er-
scheinungen hervorbringen können, als durch Gitter. Da aber
die schönen Farbenringe, welche man um eine ferne Glasflamme
sieht, wenn man diese durch ein beschlagenes Glas betrachtet,
auch auf andre Weise als durch Beugung erklärt werden können,
so müssen die Versuche so eingerichtet werden, dafs sie jede
andre Erklärung ausschliefsen.
Ein quadratisches Glasgitter von 1140 Furchen auf den
Pariser Zoll, wurde dicht vor das Objectiv eines achromatischen
Taschenperspectivs gehalten, und mit diesem nach einer 30 bis
mehrere Hundert Fufs entfernten Lichtflamme gesehen. Die durch
die parallelen Streifen entstandenen Spectra erschienen einander
allmählig übergreifend als farbiges Kreuz von der Breite des
leuchtenden Objects. Die dem Objectiv zugekehrte nicht ge-
furchte Fläche wurde nun angehaucht und sogleich zeigte sich
die glänzende Erscheinung, welche Frauenhofe r auf der
sechsten Tafel seiner Gitterversuche abgebildet hat, mit 4 bis 5
Reihen der characteristisch verzogenen Seitenspectra. Die Er-
scheinung blieb dieselbe, wenn die angehauchte Fläche dem
Lichte zugekehrt wurde, die gefurchte dem Objectiv. Wurde
hingegen die gefurchte Fläche angehaucht, so verschwanden nicht
nur die Spectra zweiter Klasse , sondern auch das ursprüngliche
Farbenkreuz wurde fast vollkommen verdeckt. .
Um nun zu untersuchen, ob die verzogenen Spectra der
zweiten Klasse durch die ungleiche Ablenkung der Farben der
zuerst durch das Glasgitter entstandenen Spectra hervorgebracht
würden, wurde einfarbiges Licht angewendet. Eine Weingeist-
lampe, deren Docht mit Salz eingerieben war, und die durch
ein gleichseitiges Prisma von Guinandschem Flintglase betrachtet,
einen sehr intensiv blauen und violetten Saum zeigte, wurde
285
durch ein braungelbes Glas monochromatisirt. Statt verzogener
Seitenspectra erschienen nun beim Anhauchen Reihen von gleich-
weit von einander abstehenden gelblichen Lichtflammen, die re-
gelmäfsige Quadrate bildeten. Eben solche Reihen rother Licht-
flammen erschienen, wenn vor eine Gasflamme ein rothes Glas
gehalten wurde. Bei einer Flamme endlich, welche aufser Gelb
und Violett ein lebhaftes Grün im Spectrum zeigte, erschien
das Grün weniger abgelenkt als das Gelb, während das Violett
wegen Mangel an Helligkeit nicht bemerkt wurde. Ich glaube
kaum hinzufügen zu dürfen, dafs die Gestalt des betrachteten
Objects gleichgültig ist. Fällt das Licht durch eine runde Oeffnung,
so sieht man bei einfarbigem Licht Kreise in den Ecken des
Quadrats.
Hält man das quadratische Gitter unmittelbar vor das Auge
ohne Fernrohr, so erscheint das Farbenkreuz sehr ausgedehnt.
Dreht man das Gitter um einen der lothrechten Streifen, so
dafs die Ebene des Gitters immer lothrecht bleibt, so krümmt
sich der lothrechte Theil des Kreuzes. Dreht man es um einen
horizontalen Streifen, so krümmt sich der horizontale. Die
durch den Wasserdampf entstehenden Seitenspectra verhalten sich
nun ebenso. Bei der ersten Drehung nämlich krümmen sich
alle lothrechten Reihen, bei der zweiten alle horizontalen. Da
sie den durch das Glasgitter entstandenen parallel bleiben, so
ist dies ein neuer Beweis, dafs sie durch Ablenkung derselben
hervorgebracht werden.
Bei dem allmähligen Verschwinden des niedergeschlagenen
Wasserdampfes werden die ihn bildenden Wassertröpfchen
kleiner, ohne dafs ihr Abstand sich ändert, wovon man sich
durch Beobachtung unter einem Mikroskop überzeugen kann.
Der Ort, wo man durch Gitter eine bestimmte Farbe sieht
hängt nicht von der Gröfse der Zwischenräume ab, auch nicht
von der Breite der Furchen, sondern von der Summe beider.
Da diese hier unverändert bleibt, so ist klar, dafs die Spectra
ihre Stelle behalten müssen, wenn der Wasserdampf allmählig
verschwindet. Man sieht sie auch wirklich an derselben Stelle
verlöschen, an welcher sie bei dem Anhauchen sich bildeten.
Da man also durch Combination von einem Glasgitter und
286
Wasserdampf dieselben Erscheinungen wahrnimmt, als durch
Combination mehrerer Gitter unter einander, so zeigt dies, dafs
die durch den Wasserdampf allein entstehenden Farben Gitter-
farben sind.
Bedingung zum Gelingen des Versuches scheint zu sein,
dafs die auf einander senkrechten Striche des quadratischen
Gitters sich in einer Ebene befinden, denn als zwei aus 1000
parallelen Strichen auf den Zoll bestehende Gitter mit ihren
gefurchten Flächen so an einander gelegt wurden, dafs sie zu-
sammen ein quadratisches Gitter bildeten, erschienen beim An-
hauchen der Aufsenfläche keine Seitenspectra, welche aber so-
gleich mit einem Glasgitter wahrgenommen wurden, welche bei
gleichem Abstand der Flächen die auf einander senkrechten Striche
in derselben Ebene, nämlich seiner Oberfläche, enthielt.
Die Dicke der Gläser, auf welche diese drei Gitter einge-
rissen waren, betrug 4 Millimeter, die Platte des Gitters mit
1140 Furchen war 2, 5 Millimeter.
2. Beschreibung eines Stephanoskop.
Bei der grofsen Schwierigkeit, concentrische Kreislinien mit
einem Diamant in hinlänglicher Schärfe und Gleichförmigkeit
auf Glas zu ziehen, werden auf diese Weise construirte Stepha-
noskope immer mangelhaft. Man erhält die Höfe hingegen in
gröfster Reinheit, wenn man ein aus parallelen kurzen geraden
Linien (1200 auf den Zoll) bestehendes stark irisirendes Gitter,
wie sie Herr Oertling verfertigt, rasch in seiner Ebene dreht,
und durch das rotirende Gitter nach einer kleinen hell beleuch-
teten Oeffnung sieht. Man erhält in weifser Beleuchtung deutlich
acht rothe Ringe.
3. Optische Täuschung bei dem Fahren auf der
Eisenbahn.
Es ist eine bekannte Erfahrung, dafs die, welche zum
ersten Male auf einer Eisenbahn fahren, in der Regel darüber
erstaunen, wie klein die Gegenstände, bei denen sie vorbei-
287
fahren, z. B. Mensehen, Pferde, Gesträuche erscheinen. Der
Grund dieser Erscheinung liegt gewifs darin, dafs man die un-
gewohnte Geschwindigkeit des Fortrückens in horizontaler Rich-
tung mit der Vorstellung über die Höhe der Gegenstände com-
binirt, und diese daher als zu klein beurtheilt. Vor einigen
Jahren hatte ich Gelegenheit, die umgekehrte Beobachtung zu
machen. Ich fuhr durch ziemlich enge Durchschnitte des Kohlen-
gebirges in einen! grofsen Wagen, der nicht in Coupes abge-
theilt war. Nachdem ich die Augen lange auf die schnell vorüber-
fliegenden Gtbfrgswände gerichtet hatte, wandte ich sie zurück
auf die Inntidseite de» Wagens, der nun, indem ich zugleich *
noch dieWMfc im Auge behielt, den Eindruck eines hohen,
mit gewölbtem Dache versehenen Saales machte. Die Ablei-
tung dieser Täuschung aus demselben Princip bietet sich von
selbst dar.
4. Methode, die Absorption des Lichtes in far-
bigen Flüssigkeiten mit zunehmender Dicke
derselben zu untersuchen 1 ).
Bei den Untersuchungen der Absorptionserscheinungen in
farbigen Flüssigkeiten bedient man sich, um verschiedene Dicken
derselben zu erhalten , in der Regel eines durchbohrten massiven
Glasprismas mit an die Seiten desselben angelegten Spiegelschei-
ben. Da aber bei manchen Erscheinungen es wünschenswerth
ist, die absorbirende Wirkung ohne Erzeugung prismatischer
Farben zu erhalten , das Zusammenschieben zweier gleichen Keile
aber wegen der vielfachen Spiegelungen Schwierigkeiten dar-
bietet, so erscheint das folgende Verfahren mir in Untersuchun-
gen der Art Vorzüge zu gewähren, weil man die Schichten
der Flüssigkeit begrenzt erhält durch Ebenen, welche in mathe-
matischer Strenge parallel sind. Man giefst Quecksilber in ein
weites Gefäfs und darüber die zu untersuchende Flüssigkeit.
Schafft man nun vermittelst einer polarisirenden Vorrichtung
') Pogg. Ann. 45, 162.
288
das von der Vorderfläche gespiegelte Licjrt hinweg, so erhält
man das Licht in der Weise, als wenn es-tjne Planscheibe von
entsprechender Dicke durchdrungen hätte, ?die man durch wei-
teres Aufgiefsen beliebig verändern kann*. lUekerhaupt kann auf
diese Weise bei vielen Versuchen ein^belfgter Glasspiegel die
Stelle eines Metallspiegels vertreten.
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Nachweis der Figuren.
*
Tafel I.
Figur 1. Spiegelprisma p. 190.
2. Stereoskop mit einem Prisma und einer Zeichnung p. 193.
3. Stereoskop mit zwei Prismen und zwei Zeichnungen p. 193.
4. Stereoskop mit einem Spiegel und zwei Zeichnungen p. 196.
5. Drehung des Bildes bei der Drehung eines Reversionsprisina
p. 198.
- 6 u. 7. Reversionsprisma p. 198.
8. Polarisationsapparat p. 202.
- 9. Die polarisirende Vorrichtung desselben p. 203.
- 10. Die analysirende Vorrichtung desselben p. 204.
- 13. Die analjsirende durch Spiegelung p. 206.
• 15. Apparat um verschieden polarisirtes Licht zu erhalten p. 241.
- 16. Gekühltes Glas zur Circularpolarisation p. 229.
Tafel IL
Fig. 11. Rotirender Polarisationsapparat p. 212.
.- 12. Krystallhalter ftir zweiachsige Krystalle p. 205.
- 14. Metallspiegel zur elliptischen Polarisation p. 210.
- 17. Links drehende Bergkrystalle p. 248.
- 18. Rechts drehende Bergkrystalle p. 248.
- 19. Links und rechts drehende Bergkrystalle p. 249.
290
Fig. 17 a, 18 b, 20, 21, 23, 23 a, 23 b. Farbenerscheinungen im
Bergkrystall p. 249 — 251.
- 24. Nachbildung rechts und links drehender Platten von Soleil
p. 259.
- 25. Depolarisator p. 262.
- 26. Doppelbilder auf farbigen Gläsern p. 274.
- 27. Farbenscheiben zur Darstellung subjectiver Farben p. 281.
^ t
Namenregister zur Farbenlehre.
Airy 129. 130.
d'Alembert 31.
Arago 56 — 81.
d'Arcy 129.
Babinet 54.
Berthollet 9.
Biot 44. 111. 133. 134.
Bradley 4.
Breguet 83.
Brewster 14. 25. 54. 104. 106.
111. 121. 135.
Broch 133.
Cartesius 3.
Castel 30.
Cauchy 39.
Chaulness, Herzog von, 54.
Chladni 66.
Despretz 89.
Ettingshausen 53.
Euler 6.
Faraday 72. 134.
Fizeau 83.
Foucault 81.
Frauenhofer 11. 32. 37. 39. 55.
75. 140. 154.
Fresnel 8. 9. 52. 113. 127. 134.
Goethe 15. 29. 39. 49. 123. 132.
139. 142.
s'Gravesand 9.
Grimaldi 7. 47.
Guerard 98.
Haidinger 109.
Haldat 10.
Hamilton 113.
Hassenfratz 156.
Hegel 123. 145. 146.
Helmholtz 26.
Herschel 104. 148.
Hooke 51.
Hopkins 62.
Huyghens 6. 94. 112.
Kane 63.
Lame' 14.
Lambert 31. 139.
Lloyd 53. 113.
Malus 9. 95.
Marat 140.
Mayer, Tobias 31.
Mitschel 10.
Mitscherlich 112.
292
Mushenbroek 87.
Neumann 122.
Newton 7. 32. 33.
54. 136.
Nicol 97.
Nobili 54.
Nörrenberg 122.
Paris 70.
Plateau 72.
PouUlet 54.
Prevost 27.
Rochon 32.
Roemer 3.
Roget 72.
44. 46. 49.
Savart 112.
Scheibler 62. 64.
Schiffermüller 30.
Schwerd 55.
Seebeck 111. 134. 157.
Snellius 8.
Soleil 104.
Vieth 62.
Vinci, Leonardo da, 30.
Weber 59. 62.
Wheatstone 67. 155.
Wrede 39.
Young, Thomas, 34. 48. 50.
BERLIN, DRUCK VON GUSTAV SCHADE,
Oruuralrargerstr. 87.
MdL
liikÄTist von iRwhhSirbp.
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6. Prüfung be« äßodengarn« unb ber ffiollengetoebe auf eine Seimifdjung »on
©aumttjolle. — 7. Prüfung be« ©eibenfaben« ober ber feibenen ©etoebe aift
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§. 1. Einleitende Bemerkungen* —-£• 2. Die Methode der Untersuchun-
gen. — §. 3. Die chemischen Grundsriffe. — §. 4. J)ie Zellenmembran. —
§. 5. Das Protoplasma. — §. 6. Der Zellenkern. — §. 7. Der Primordial-
schlauch. — §. 8. Der Zellsaft und die in ihm enthaltenen Stoffe. —
§* 9. Das Entstehen der Pflanzenzelle. — §. 10. Zellenbildung ohne Thei-
lung des Primordialschlauches. — §. 11. Zellenbildung mit Theilung des
Primordialschlauches. — §. 12. Das Wachsthum der Zellenmembran. —
!{. 13. Die Pflanzenzellen mit einander verbunden. — §. 14. Die Interzel-
ularsubstanz. — §. 15. Das Interzellularsystem. — §. 16. Die Guticula. —
§. 17. Die Arten der Pflanzenzellen. — §. 18. Die Schwärmfäden der Kryp-
togamen. — §. 19. Die Sporen der Kryptogamen. — §. 20. Die Pollen-
körn er oder der Blüthenstaub der Phanerogimen. — §. 21. Die Zellen und
das Gewebe der Pilze und Flechten. — §. 22. Die Zellen und das Gewebe
der Algen. — §. 23. Das Parenchym und seine Zellen. — §. 24. Das Cam-
bium und seine Zellen. — §. 25. Die tiefilfse der Pflanzen. — § 26. Das
Holz und seine Zellen. — §. 27. Die Biitzellen. — §. 28. Die Oberhaut
der Gewächse. — §. 29. Die Spaltöffnung. — §. 30. Die appendiculären
Organe der Oberhaut. — §. 32. Der Verdickungsring. — §. 33. Die Gefäfs-
bündel im Allgemeinen. — §. 34. Die GefaTsbündel der Kryptogamen. —
§. 35. Die Gefäfsbündel der Monocotyledonen. — §. 36. Das GefaTsbündel
der Dicotyledonen. — §. 37. Stamm, Blatt, Wurzel, Knospe, Bliithe. —
§. 38. Das Wachsthum der Pflanzen. — §. 39. Das Wachsthum der höhe-
ren Kryptogamen. — §. 40. Das Wachsthum der Monocotyledonen. —
§. 41. Das Wachsthum der Dicotyledonen. — §. 42. Die Bewegung der
Protoplasma. — §. 43. Die Aufnahme der Stoffe und die Wege der Saft-
führung. — §. 44. Die Verarbeitung der aufgenommenen Stoffe durch die
Pflanzenzelle; — §. 45. Die Resorption. — §. 46. Die Secretion. —
§. 47. Die Fortpflanzung durch Brutzellen. — §. 48. Die Fortpflanzung
durch Sporen. — §. 49. Die Fortpflanzung durch Pollenschlauch und Em-
bryosack. — §. 50. Der Tod der Pflanzenzelle. — • A»hang, die Anwen-
dung der Polarisation auf die Pflanzenzelle 1 1 f lp UrfTi i ' Jjtel||L Tabellarische
Uebersicht der Anatomie des Holzes einiger (Sdflkfer9HBk Zusätze und
Verbesserungen. — Erklärung der Abbildungen* — AflHHtisches Sach-
register. — Alphabetisches Pflanzennamenregisttt^ — ^Bfpnabetisches Fi-
gurenregister.
Unterfud&ungen
iibn ben
43<m uttfr i>« Cnttotxkltmg ter ftaumtitfot.
©Ott
Dr. 3ol)anne3 $<mfietn.
Tlit aü)t UtfjcgtavfMtten Safeltt.
gt, 8. fo (7 V. Sogen £«*) 1853.
$rete n. 1 y 4 Xtyx.
3tt^alt*
I. allgemeine*.— 1. UeottfEdjt ber 8Knbenfc$f«ten. — 2. (Jrfie QnU
toicfhmg berfelben. — 3. (Spfoermte Tittb ^etfberma. — 4. $a* primäre fRinben*
parendjtym. — 5. 2)fe feeunbäre Ottnbt. — 6. $fe äBUbung ber 33orfe. —
II. 93efonbere$. — G(arafterfflff efojelner SWnbenarien aU SBefftiele:
1. ©fiume mit $eribermrinbe au* bett ©attunaen: Fagus, Viburnum, Acer,
Ulmus. — 2. S3äume mit ©djuWeitborfe au« ben ©attungen: Tilia, Juglans,
Populus, Quercus, Ulmus, Robinia, Syringa, Sambucus, Acer, Platanus,
Betula. — 3. ©efjöfye mit SRingelborfe avß bett ©attungen: Ribes, Vitis,
Gaprifolium, Clematis, Melaleuca. — III. ©efammtergebnf jj. — Jhirge
Sufammenfaffung ber aut bett Beobachtungen gefammeltett SRefultate nebfi gok
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