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Full text of "Das Weltall 11.1910-11"

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E zs e "bh — SW? 


UNIVERSITY OF CALIFORNIA, SANTA 


DUT 


3 2106 02070 6666 


—— 


ET I Sn a il 


‘Das Weltall 


illustrierte Zeitschrift für Astronomie und 


eavavavavavara verwandte Gebiete. eeraa 


Herausgegeben unter Mitwirkung zahlreicher Fachgenossen 


von 


Dr. F.S. Archenhold, 


Direktor der Treptow-Sternwarte. 


„Was die Natur tief im Verborgnen 
schafft, mup mir entschleierl und ent- 
siegell werden.“ (Schiller.) 


11. Jahrgang 
Oktober 1910 bis September 1911. 


Mit 15 Beilagen und 203 Abbildungen. 


UI ke aa NS 


ONS 


Verlag der Treptow-Sternwarte 
Treptow - Berlin. 


1397/3 


Alle Rechte vorbehalten. 


Emit Ureyer s Buchdruckerei, Berlin S, W 


DAS WELTALL. 


11. Jahrgang. 


Mitarbeiter. 


(Die Klammer bei der Seitenzahl zeigt an, daß der Artikel vom Verfasser nicht unterschrieben ist.) 


Seite 
Archenhold, Dr. F. S., 10, 17, 23, 28, 35, 40, (42), 
45, (58), 61, 71, 100, 104. 105, 115, 117, 120, 
121, 128, 130, 136, 139, 168, 173, 175, (176), 
177, 190, 204, (219), 231, 234, (235), 237, 246, 
961, (267, 268), (282), 283, 294, 296, 301, 310, 
311, (314), 315, 317, (322), 324, (328), 337, 338, 

343, (344), 345, 349, 353, 356, 357, 361 


Baumann, Adrian . 347 
Clemens, Dr. H. . . . 193 
Engler, Geh. Rat, Prof. Dr. . 363 


Fenyi, J.. . ras eo ber Aë A a e 


Fritsche, Dr. H. e Ge at nd DR 
Ginzel, Prof. F. K. : 161, 185, 268 
Günther, F., Distrikts-Ingenieur . . 119 
Habenicht, H.. ENEE . 42 
Haber, Prof. F. . . . . . 2 2 2 020.0 . 368 


2 ED ee Ee 


Seite 
Haken, Dr. Werner 90,182, 220, 235,240, 253, 276, 329, 359 


Henning, Dr. F. l gé el 
Kekule von Stradonitz, Dr. Stephan . 216, 308 
Krebs, Wilhelm . HEH 21, 285 
Larkin, Edgar Lucian . 203 
Lau, H. E. . 269 
Linke, Felix . 118 
Lukács, Ernst . . a ee ce 87 
Lysakowski, Karl von ; 107, 127 


Mecklenburg, Werner 29, 47, 63, 83, 220, 316, 359 


Verzeichnis der Abbildungen. 


; Seite 
Beobachtung einer Eruption auf der Sonnen- 
scheibe (6 Fig.) . . . - 7 
Der gestirnte Himmel im Monat November 1910 
(3 Fig.) : 11 
Der Eulennebel im groten Bären 13 


32 


Einiges von den flüssigen Krystallen :3 Fig) 
Der gestirnte Himmel im Monat Dezember 1910 


(3 Fig.) 35 
Modell cines Ringnebels i 3 . 37 
Die Stellung unseres Sonnensystems B tind d. 

Globular-Sternhaufen A zur Milchstrabe C in 

unserm galaktischen System h a. eSB 
Stellung unseres galaktischen Systems G unter 

den planetarischen Urnebeln ; 37 
Der Komet 1823 mit seinen anomalen Schweifen 

i. J. 1824 (4 Fig.) 40 
Nordlicht am 3. Nov 1899 . 46 
Nordlicht am 7 Nov. 1899 . 47 
Zähigkeit des p-Azoxyanisols als Funktion der 

Temperatur nach Schenck . g 50 
Zahigkeit derp-Methoxyzimmtsäure als F Hiktiön 

der Temperatur nach Schenck . 50 
Zähigkeit des p-Azoxybenzoésaureaethylesters 

als Funktion der Temperatur nach Schenck 50 
Die fließenden Krystalle des p-Azoxybenzoé- 

säureaethylesters nach Vorländer 53 


| 
| 


Niessl, Prof. G. v. . 4l 
Osthoff, H. 1, 19 
Passarge, Hans . er tee ee em ee y A 93 
Peppler, Wilhelm ........ 200 7 
Schindler, Robert . ..... .. . 209, 225 
Stempell, Leutnant G. von. .... 34, 282 
Seite 
Die fließenden Krystalle des ölsauren Ammo- 
niums nach Vorländer 54 
Linsenförmiger Krystall des Cholesterylbenzoats 
nach Lehmann J 54 
Abbildung eines Kry stalltropfens in der ersten 
Hauptlage nach Lehmann 55 
Zwischenstadien eines aus der disten in die 
zweite Hauptlage sich drehenden Krystall. 
tropfens nach Lehmann . 55 
Abbildung eines Krystalltropfens in der zweiten 
Hauptlage nach Lehmann 55 
Darstellung eines Tropfens in der Gesten Haupt 
lage bei der Betrachtung im ee 
Lichte nach Lehmann e er a DO 
Deformation eines Krystalles von ge e 
benzoüösäureaethylesterbeim Zusammentreffen 
mit einer Luftblase nach Lehmann 56 
Verschmelzung zweier Krystalle des p-Azoxy- 
benzoésaureacthylesters nach Lehmann . 56 
Darstellung einiger durch Verschmelzung zweier 
Krystalltropfen in der ersten Hauptlage ent- 
standener Gebilde nach Lehmann 57 
Gewaltsame Zerteilung eines Krystalltropfens 
in zwei kleine Krystalltropfen nach Lehmann 57 


Mondring mit Nebenmonden. Beobachtet von 
Fridtjof Nansen in der Polarnacht am 24. No- 


vember 1893 . 2 2 2 2 e 63 


Seite 
Einiges von den flüssigen Krystallen (3 Fig.) 
Umwandlungspunkt Së ër e NO 
Enantiatropie, Monotropie 67 
Der gestirnte Himmel im Monat jaur 1911 
(3 Fig.) . 72 
Neuer Ellipsograph (3 Fig.) A 87 
Eine neue Methode zur Erforschung des Erd-. 
innern (2 Fig.) : 90 
Der gestirnte Himmel im: Monat Februar 1911 
(3 Fig.) Er . . 100 
Sternhaufen Messier 3 in en ‚Tagdhunden.. . 100 
Komet Brooks 1889 V und seine vier Begleit- 
kometen . . 105 
Das Kaspische Meer und das alte Flußbett des 
Amu-Darja . e , 111 
Der Aralsee und die Ricitupess eränderungen 
im Laufe des Flusses Amu-Darja . 111 
Der neue Stern in der Eidechse (Nova Lacertae 
136, 1910) und seine Umgebung . . . 116 
Die Entstehung, Entwicklung und Auflésung 
dreier Wasserhosen in der Singapore-Strabeam 
6. Oktober 1909 in der Zeit von 1” 30 ™ - 50™ 124 
Der gestirnte Himmel im Monat März 1911 
(3 Fig) . ; e 131 
Denkmal von johannes Hev düs . . 139 
Hevelius Sternwarte „Stellaeburgum“ in Danzig 140 
Großes Fernrohr Hevelius vor den Toren 
Danzigs . SM g a ee e E 
Titelbild, aus: Hevelius „Prodromus Astro- 
nomiae“, 1690 142 
Der Drache (Draco) e . 143 
Der Sobieskische Schild ‚Sentum Sobiesii) 143 
Wassermann (Aquarius) er . 144 
Fuhrmann (Auriga) 1 EECH , 144 
Der große Bär (Ursae Major) ... . . 145 
Die Jagdhunde (Canes Venatici) . 145 
Centaur (Centaurus) und siidliches Kreuz (Crux 146 
Orion . 146 
Johannes Hevelius nach den Gemälde von 
Daniel Schulz : u te AT 
Der siidliche Sternenhimmel ‘ . 148, 149 
Hevelius und sein Gehiilfe bei der Beobachtung 
der Sonnenfinsternis im Jahre 1661 150 
Johannes Hevelius und seine Frau bei der Be- 
obachtung am großen Quadranten . . 151 
Sonnenflecken im Jahre 1625 . : . 153 
Anblick des Vollmonds nach einer Zeichnung 
von Hevelius . 153 
Verschiedene Kometen aus den fahren 1577 
1590, 1607, 1618, 1647 und 1652, letzterer von 
Hevelius selbst beobachtet . . 155 
Der Komet 1661 inseiner Abnahme vom3. Februar 
bis zum 28. März von Hevelius beobachtet 155 
Der große Komet vom 2. Dezember 1680 bis 
zum %. Januar 1651, von Hevelius in Danzig 
beobachtet . 155 
Johannes Hevelius . 159 


IV 


æ MM M E ea aeg y hg cc geb ps ca EES 


Seite 
Die arabischen, indischen und chinesischen 

Mondstationen . 165 
Der gestirnte Himmel im "Monat April 1911 

(3 Fig.) : . 169 
Komet 18861. März 31. 1130”. März 31, 

115 15™ bis LU 20™. April 1, 8° 40” bis 

9" 30™. . 174 
Die Titanbanden im ve Teile des GE 

der Sonnenflecken und des elektrischen 

Flammenbogens . . ....... . ITR 
Die Spektren von Sonne, Procyon, y Cygni, 

Capella, Arktur und Beteigeuze . . 179 
Das Spektrum der Sonne und eines GER 

fleckes in der Region der b-Linien . . 180 
Das Spektrum der Sonne und der Sterne 

u Geminorum und 132 Schjellerup . 181 
Das Aronsche Chromoskop .6 Fig.) . 182 
Personifizierung der 27 nakshatra nach Dar- 

stellungen auf Ceylon . 186 
Hindu-Zodiakus Choultry . 189 
Das 27füßige Newtonische Spiegelteleskop zu 

Lilienthal . 198 
Das 26fübßige Sniegelteleskop von Schrader 

unweit Wien . 200 
Der gestirnte Himmel im Monat Mai 1011 (3 Fi ie ) 205 
Venus oder der vermeintliche Komet . 207 
Zur Genesis des Mondes (11 Fig.) . 209 
Super- Exlibris des Louis- Henri de Lomenie, 

Grafen von Brienne f . 217 
Der gestirnte Himmel im Monat jui. 1911 

(3 Fig.) . 231 
Der Doppelncbel im Bootes e v 231 
Zodiakallicht und Komet 1910a, 1910 enna 

3° 72 10". . 239 
Uber elektrische Strahlen (2 Pig.) 2 . 240 
Über elektrische Strahlen (7 Fig.) . . 253 
Der gestirnte Himmel im Monat Juli 1911 (3 Fi ig.) 261 
Der rote Fleck. 1881, Juli 7, 3" 4™ morgens, 

1881, September 21, 4" 35™. . 270 
Jupiter mit schrägen Streifen. 1904, Dezbr. 13, 

6" 55™ abends, 1906, Januar 15, 7" om abds. As, 
Der Schleier (1904 - 1906). 1904, Dezember 16, 

6" 47™ abends, 1906, Februar 12, 6" 5y™ 

abends i Bie ot oo cae ee wa Woes 
Der rote Fleck mit der Bai. 1883, Januar 31, 

7° 30" abends, 1883, Januar 31, 8" 28" 

abends. ir. ee i 205 
Über elektrische Strahlen (6 Fig) . : 276 
ODE des Halleyschen Kometen 16. Mai 1910, 

4" morgens 283 
Größte Sonnenflec kenere toi 1908. iig T. ou 286 
Schematische Darstellung der Vorgänge der 

Sonnentätigkeit am 17.,18. Juli 1907 9RN 
Tiefenunterschiede von Sonnenflecken zusam- 

mengesetzter Gruppen und andere Ausbruchs- 

erscheinungen der Sonne ; 290 
Der Ursprung des Sexagesimalsy dee 294 
Verlauf der Polbewegung von 1900 bis 1911 296 


NV 


Seite e Seite 
Der gestirnte Himmel im Monat August 1911 Lauf des Kometen Brooks 1911c vom 1. bis 
(3 Fig) a. e æa soeg e w alt 15. September 1911... . . 338 
Der dunkele Ring des Gen . . . . . . 304 | Lauf des Kometen Brooks 1911 € c vom e Sep- 
tember bis 15. Oktober . . . ... . . 346 


Die Exlibris in der „Selenographia“ des 


Hevelius der Bibliothek der Treptow-Stern- Karte des a des Halleyschen Kometen für 
warte (2 Hei... agent EE eg deg 
. "Der gestirnte Himmel im Monat Oktober 1911 
Der gestirnte Himmel im Monat September 1911 Brig)... 353 
(3 Fig) ee aa rer 324 | Lauf des Kometen Soe 1911 1 vom 1. bi 
Über die Entwicklung des Baues der optischen | 23. Oktober. — Lauf der Feuerkugel vom 
Instrumente (9 Fig.) . . 2 2 . , 829 20. September 1911. . . 2 2 20 . 362 


Verzeichnis der Beilagen. 


Heft Heft 
Über den Einfluß der Sonne auf die Erde. Ptolemäus, Alphons und Arzachel. — Theo- 
Cirruswolken: 1885, Januar 17. — 1906, Sep- philus, Cyrillus und Catharina. — Copernikus. 
tember 16 — 1906, Juli 15. — 1902, April 26. — Cassini und Aristoteles. — Apenninen, 
— 1903, Mai27. — 1903, August 8. — 1906, Archimedes, Aristillus und Autolycus. . . 15 
Oktober 15. — 1906, Juli 15. (8 Fig) . . . 1 | Das große Fernrohr der N na 
Über ausgedehnte Sonnenfleckengruppen und und die neue Plattform . . . ET 


Fackeln am 29. September, 1. und 2. Ok- 

tober 1910 . . . . 2 
Nordlicht am 25. Dezember 1899, 191,5 —Nord- 

lichtkrone am 25. Dezember 1899, 201P 


Pourtraict Of the New Wonderful Suen ae 
from the 12‘ of January 1664. Delineation 
of a Marvellons New Blazing Star ... from 


th 5 
— Nordlicht am 26. Januar 1900. (3 Fig) . 4 the 12 of January, 1664 ee, 2 
Parelia, cum arcubus coloratis visa in Misnia Der Halleysche Komet vor und nach der Bce- 


l , h 
ad Albim, Anno 1578. die 18. Februarij. . 5 | &gegnung mit der Erde 1910, Juni 6. 8 
Eine mehrfache Wasserhose im sicilianischen WID e, Juni UE 
Meere, beobachtet von Kapitan Cabbage am 1910, Mai 1. 15 42-16 5 . 1910, Mai 5. 


27. Juni 1827 in der Nähe von Stromboli . 9 am... 
Johannes Hevelius (geboren am 28. Januar 1611, Neues Verzeichnis von alten Komcteneinblatt- 
gestorben am 28. Januar 1687) . . . . 10 drucken. Der Halleysche Komet im Jahre 
Petavius und Wrottesley. — Clavius und Tycho: 684 in den Plejaden. Der Halleysche Komet 
— Triesnecker, Ukert und Horrocks. — | im Jahre 837, 1066, 1301, 1456, 1531, 1607 . 23 
Be en oe 
Inhaltsverzeichnis. 
Seite Seite 
Über den Einfluß der Sonne auf die Erde. Von Wandlungen und Ziele der Wettervoraussage. 
H Osthoff. (Mit einer Beilage) . . . . 1, 19 Wilhelm Peppler, Öffentliche Wetterdienst- 
Beobachtung einer Eruption auf der Sonnen- stelle Gießen . . . 2 2 2 2 ee ee 7 
scheibe. Von J. Fenyi, S. J. Direktor des Neuer Ellipsograph. (D. R. P. 218013). Von 


Haynald-Observatoriums in Kalocsa 

Über ausgedehnte Sonnenfleckengruppen und 
Fackeln am 29. September und 1. und 2. Ok- 
tober 1910. Von Dr. F. S. Archenhold. (Mit 


Ernst Lükäczı eu s we a ET 
Das Wesen der Gravitation im Sonnensystem. 

Von Hans Passarge, Königsberg i. Pr. . . 93 
Zur Wiederentdeckung des Kometen Brooks 


einer Doppel-Beilage) . . . 17 . : 
Zur Frage EE Von Wilhelm LOIN: VON Dr PiS Archennold. i ee 

Krebs, Großflottbek . . . . oi | Der Aralsee und die Richtungsveränderungen 
Finiges von den flüssigen Kesställen: “on im Laufe des Flusses Amu-Darja. Von Karl 

Werner Mecklenburg . . . . . 29. 47, 63, 83 von Lysakowski. . . . . 107 
Weitere Mitteilungen über den Veränderlichen Die Entdeckung eines neuen Sterns im Stern- 

ô, Lyrae. Von Leutnant G. von Stempell . 34 bilde der Eidechse. Von Dr. F. S. Archenhold 115 
Über Nordlichter in der Polarregion Von Dr. Mehrfache Wasserhosen. Von Dr. F. S. Archen- 

F. S. Archenhold. (Mit einer Beilage) . . 45 hold. (Mit einer Beilage) . . . . 121 
Nebensonnen mit farbigen Bogen. Von Dr. F. Erdbeben im russischen Turkestan. Von Karl 


S. Archenhold. (Mit einer Beilage) . . . 61 von Lysakowsky, Odessa ee II 


Bestimmung der Sonnenrotation aus der Be- 
wegung der Fackeln in den Jahren 1906 
bis 1908. Von Dr. F. S. Archenhold 


Johannes Hevelius. Ein Gedenkblatt zum 300. Ge- 
burtstage. Von Dr. F. S. Archenhold (Mit 
einer Beilage) . A 

Die Mondstationen. Von Prof. F. K Einzel 161, 


Neuere Untersuchungen über den chemischen 
Ursprung verschiedener Linien im Sonnen- 
spektrum und in Sternspektren. Von Dr. F. 
S. Archenhold : e 

Das Aronsche Chromoskop. Con Dr. W. Haken 

G. J. F. Schrader und seine Spiegclteleskope. 
Von Dr. H. Clemens . 

Der Zauber in der Perspektive des großen 
Orionnebels. Von Edgar Lucian Larkin, 
Direktor des Mount Lowe-Observatoriums, 
Kalifornien . : 

Zur Genesis des Mondes. Von Robert Schindler. 
.(Mit einer Doppelbeilage) 209, 


Das Exemplar der ,Selenographia* des Hevelius 
in der Bibliothek der Treptow-Sternwarte. 
Bemerkungen vom bibliophilen Standpunkte 
aus. Von Dr. Stephan Kekule von Stradonitz 


Ober die Brownsche Molekularbewegung. Von 
Dr. F. Henning 
Das Zodiakallicht. 
Ober elektrische Strahlen. Von Dr. W. Haken 
240, 253, 
Das Schicksal der Planeten. Von Dr. F. S. 
Archenhold . 
Der Planet Jupiter. Nach den Entersneliuneen 


von Prof. Lohse. Von H E. Lau 


Tiefenunterschiede von Sonnenflecken zusam- 
mengesetzter Gruppen und andere Ausbruchs- 
erscheinungen derSonne. Von WilhelmKrebs, 
Großflottbek : : 

Der Ursprung des Sesagesimalsystens 
Dr. F. S. Archenhold . l 

Drei Aufsätze von Heinrich Schwabe aus den 
Jahre 1852 über Saturn, die veränderlichen 
Sterne und die kleinen Planeten. Von Dr. 
F. S. Archenhold ; 

Die Exlibris in der -Seiendgraphia® des Hev dis 
der Bibliothek der Treptow-Sternwarte. (Er- 
gänzungen zu 1911, S. 216ff ) Von Dr. Stephan 
Kekule von Stradonitz A 

Williamina Fleming}. Von Dr F.S. EE 

Über den Sterakultus der Pani-Indianer. Von 
Dr. F. S. Archenhold . e 

Über spektroskopische und visuelle Bohne: 
sterne. Von Dr. F. S. Archenhold . 

Die Bewegung des Sonnensystems? 

Über die Entwicklung des Baues der een 
Instrumente. Von Dr. Werner Haken 


Von Dr. ES 
(Mit einer Beilage) 


Von 


Der neue Komet Brooks 1911c. 
Archenhold. 


Von Dr. F. S. Archenhold 2 


, Alt 


Scite 


128 


285 


. 294 


. 301 


. 308 


310 


. dtl 


. 317 


H 322 


ra | 


VI 


| 


Neues Verzcichnis von alten Kometencinblatt- 


drucken. Von F. S. Archenhold. (Mit einer 
Beilage und einer Doppelbeilage) . 338, 

Neues vom Kometen Brooks 1911c. Von Dr. 
F. S. Archenhold 


Das Schicksal der Planeten von Seet Arche 


Seite 


349 


WER 


nius. Kritik von Adrian Baumann, Zürich 347 

Die drei neuen Kometen Brooks 1911c, Qué- 
nisset 1911f und Beliawsky 1911g. Von Dr. 

F. S Archenhold soy a. e eS L 

Zerfallsprozesse in der Natur. Auszug aus 
einem Vortrag von Gch. Rat Prof Dr. Engler- 

Karlsruhe auf der Naturforscherversammlung 
in Karlsruhe 1911 . 363 

Elektronenemission bei hemischen Reaktionen. 
Auszug aus einem Vortrag von Prof. F. Haber- 
Karlsruhe auf der Naturforscherversammlung 
in Karlsruhe 1911 , 368 

Aus dem Leserkreise. 
Einige Beobachtungen des Johannesburger 
Kometen . 218 
„Alondmeteore“ 22) 
Der gestirnte Himmel. 

Im Monat November 1910 10 
- - Dezember - 35 
- - wee 1911 . a 
- - “ebruar - . 100 
- - März - . 130 
- - April - . 168 
- - Mai - . 204 
- - Juni - . 231 
- - Juli - . 261 
- - August - . 296 
- - September - . 324 
- - Oktober - . 353 


Kleine Mitteilungen. 
Beobachtung einer Feuerkugel 16. — Die Ent- 
deckung eines neuen Sterns 23. Die 
säcularen Änderungen der erdmagnetischen 
Elemente 24. — Uber die Temperatur der 
Sonne und Sterne 2s. Über die Licht- 
veränderung gewisser Satelliten in unserm 
Planetensystem CH. .— Neue Fernrohre für 
das Sproul-Observatorium in Swarthmore 
(Pennsylvanien) 28. — Eine definitive Bahn- 
bestimmung des Kometen 1823: 40. — Neue 
Bahnbestimmungen von September-Meteoren 
41. — Uber Sonuentlecken und Witterung 42. 
— Eis- und Wetterbericht von dem Nordatl 
Ozean und Europa 42. Uber die vierte 
Versammlung der internationalen Vereinigung 
für kooperative Sunnenforschung 42. 
Wiederentdeckung des periodischen Kometen 
Faye (1910e Cerulli) 58. — Beobachtung der 
hellen Planeten am Tage 58. — Scebeben im 
Bismarck-Archipel 58. — Eine neue Methode 
zur Erforschung des Erdinnern 90. — Bec- 
obachtung einer glänzenden Feuerkugel am 
13. Dezember 1910 in Dortmund 104. — Die 


VII 


Seite 
Entdeckung eines Veränderlichen oder eines 
neuen Sterns in den Fischen 117. — Die 
»Vermondung* der Erde und der Planeten 
118. — Todesfall 119. — Die Farben der 
Sterne im Orionnebel 186. — Uber die natür- 
liche und künstliche Brandzone der Meteor- 
eisen 136. — Ein Meteorstein 136. — Der 
Komet 1886 I 173 - Uber die Bahn einiger 
spektroskopischer Doppelsterne 175. — Über 
die eruptive Tätigkeit des Vesuvs im Monat 
Mai 1910: 175. — Das Technikum Mittweida 176. 
— Die Darstellung von metallischem Radium 
190. — Die Verbreitung der Funkentelegraphie 
191. — Über Erdbeben in Österreich im Mai 
1910: 191. — Über die Eigenbewegung der 
Fixsterne 219. — Uber die Elemente des 
Thuliums 220. — Zwei neue kleine Planeten 234. 
— Beobachtungen von Feuerkugeln aus dem 
Leserkreise 235 — Der Apex der Sonnen- 
bewegung 267. — Uber den spektroskopischen 
Doppelstern o Persei 267 — Der Halleysche 
Komet 268. — Die Störungen des Roten 
Fleckes 282. — Beobachtung einer Feuer- 
kugel 282. — Komet Halley am 16. Mai 1910 


2x3. — Ernennungen 283. — Ein neuer 
Komet 1911b (Kiess) 314. — Der rote 
Fleck 314. — Der Rote Fleck im Jahre 


1909 314. — Neue Geschwindigkeitsbestim- 
mungen der Heliumsterne von Campbell 
315. — Dunkle Massen im Weltraume 315. — 
Der Veränderliche S Arae 315 — Die inneren 
Schleier der Sonnenflecke 315. — Das Tech- 
nische Museum für Industrie und Gewerbe- 
in Wien 315 — Mars im Jahre !909 in Trans- 
vaal 32s. — Martin Kelloggstiftung für die 
Lick-Sternwarte 328. — Über die Entwicklung 
der kosmischen Nebel 343. — Die Konstitution 
der Jupiterstreifen 344. Eine große 
Wasserhose 344. — Eine bemerkenswerte 
Feuerkugel 356. Die 83. Versammlung 
Deutscher Naturforscher und Ärzte 356. — 
Die Deutsche Meteorologische Gesellschaft 
356. 


— 


Bucherschau. 


Mascart, Jean, Astronome ... Le tremblement 
de terre en Bretagne. Paris 1910 . 

Deutscher Photographen - Kalender für 1911. 
Herausgeg. von K. Schwier. Weimar 1911 104 

Mecklenburg, Werner, Dieexperimentelle Grund- 


59 


legung der Atomistik. Jena 1910 . 120 
Lemme, Albert, Eine neue Vulkan- und Welt- 
entstehungstheorie. Eßlingen a. N. 197 


Seite 
Grebe, Dr. L., Spektroskopie. Leipzig 1910 . 192 
Pokrowski, Prof. K., Publikationen der Kaiser- 


lichen Universitätssternwarte zu Jurjew 
(Dorpat). Dorpat 1910 e <- 192 
Helm, Georg, Die Grundlehren der höheren 
Mathematik. Leipzig 1910 . . 220 
Börnstein, B., und Marckwald, W., Sichtbare | 
und unsichtbare Strahlen. Zweite AURIGE: 
Leipzig 1910 . R . 220 
Auerbach, Felix, Geschichtstafeln der Physik. 
Leipzig 1910 . . ... . 235 


Annales of l'observatoire aval de Belgique 1910 236 
Bulletins of Laws Observatory. Publications 
of the University of Missouri . ; . 236 
Warren, William Fairfield. The earliest Cos- 
mologies. New-York, Cincinnati 1910. . 268 
Annuaire astronomique pour 1912. Publié par 
G. Lecointe J . 284 
Stavenhagen, W., Haupimanns a. D., Zur Fertig- 
stellung der Karte des Deutschen Reiches. 
Wien 1911 . A 
Stavenhagen, Die Karte und. der Kavallerie 
offizier. Wien 1911 . 
Stavenhagen, Über die Bedeutung der Militär- 
geographie. Wien 1910 . e 
Righi, Augusto, Kometen und Elektronen. 
Leipzig 1911 A 
Ostwald, Wilhelm, Sprache und Verkehr. 
Leipzig 1911 
Rusch, Franz, Einimelsbeobachlungen 
bloßem Auge Teubner, 1911.. 
Carthaus, Dr. Emil: Die klimatischen Verhält- 
nisse der geologischen Vorzeit, vom Prac- 
cambrium an bis zur Jetztzeit und ihr Ein- 
fluß auf die Entwicklung der Haupttypen des 
Tier- und Pflanzenreiches. Berliu 1910. . 
Lehmann, O. Die neue Welt der flüssigen 
Krystalle und ihre Bedeutung für Physik, 
Chemie, Technik und Biologie Leipzig, 
1911 , 35% 
Konderef, J. P. Lapane sme des sarees et 
des lentilles elliptiques et hyperboliques. . 359 
Gleichen, Dr. Alexander: Dle Theorie der mo- 
dernen optischen Instrumente. Stuttgart, 1911. 
Jahrbuch der Motorluftschiff - Studiengesell- 
| schaft. Vierter Band 1910 bis 1911. Berlin. 


at 


mm a nn nn Eee en la ab Fr E an u rl En a ee ae nm 


359 
360 
| Bücheranzeigen: 236, 284, 300, 344. 

59, 176. 


| 
| Briefkasten: 


| Fehlerberichtigung: 20s. 


EN 


Vill 


Sach- und Namenregister. 


Seite 
Abbe: a eee 2 He S 124, 334 
Absorption der Kathoden- 
Strahlen: s 4: 4 = 2% 4% 45 
ATK CM: Sa ee oo Se 105, 318 
Aldebaran ........ 168 
Alpol San ae sea ie ces Bie eg 305 
Amalgam ........ 190 
Amorphe Gebilde... . . 31 
Amu-Darja, Richtungsverän- 
derungen des Flusses. . 107 
Änderung der Wetterlagen 79 


Anderungstendenz d. Wetter- 


lagen Gë Ze Kg. ya E 3 79 
ma Andromedae ...... 175 
Annales de l'observatoire 

royale de Belgique . . . 236 


Annuaire astronomique pour 
19125 2 u 2 SS 284 
Apex der Sonnenbewegung 
l’Aplanétisme des surfaces 267 
t Aquilae 175 
Araber ie 426 ne 
Aralsee u. die Richtungsver- 


e eè e t'o òè òo oò% e o 


änderungen des Amu-Darja 107 
ArktUr oc e Gs a, es Se en 177 
Aronsches Chromoskop . . 182 


Arrhenius 243, 246, 347, 364 
Asphalt ......... 29 
Atmosphäre, Dove 81 
Atmosphär. Erscheinungen 61 
Atomistik, experimentelle 
Grundlegung . ... . . 120 
Auerbach, F.. . . . . . . 235 
Babylonier, Sexayesimal- 
SYSIEIM 32.0 4.5 2 EE 294 
— Sternkenntnis . 168 
Bahnbestimmung des Ko- 
meten 1823. ...... 40 
— neue, von September- 
Meteoren. ....... 41 
Baikalsee ........ 110 
Baker nd. S234 e Bae te He 318 
Barnard ....... 106, 117 
Bau der optischen Instru- 
WENE u, ae a 329 
Baxandall . ....... 181 
Beliawsky ......2.. 361 
Bellatrix Guat 2, Se ce & 180 
Bere, De Aa as a 107 
Beteigeuze e, 179 


Bewegung d. Sonnensystems 
Bibliothek d Treptow-Stern- 


Warte u se G 216, 308 
Biot e os 8 hw ee a 184 
birotationstheorie . . . . . 94 


Seite 
Bohlin . . 2 a.a ea Re 11 
Bootes . . . 2 2 2 220. 231 


Börnstein und Marckwald . 220 


Brander AN 4 440% 194 
Brandzone der Meteoreisen, 
natürliche und künstliche 136 
Braunsche Röhre... . . 257 
Breithaupt ........ 29 
Briefe an und über Hevelius 152 
Brooks . 100, 105, 337, 345, 361 
Brounow , . . 2.2... . 79 
Brownsche Molekularbewe- 
SUNG «62s 6 ore EE 221 
Bulletins of Laws Observa- 
EEN e 2: Se eo Ss 236 
Burns, Ke ........ 136 
Caesa o 6.2 84 6 42% 161 
Cag x see aa 45 
Campbell. ........ 315 
Capea. = 4 4. 8 we ade 177 
Carthaus, Emil ...... 357 
Cassegrainscher Reflektor . 193 
Cassiopeia .......-. 305 
Cerulli a. % # = 2% 58, 100 
Chandler © o o o nae Ze 106 
Chemie: 
Amalgam ....... 190 
Atomistik ....... 120 
Brownsche Molekularbe- 
wegung ....... 221 
Chemischer Ursprung ver- 
schied. Linien im Sonnen- 
spektrum und in Stern- 
spektren . . . 2.2... 177 
Chinesen. ........ 166 
Chromoskop, Aronsches . . 182 
EES Ae 8 tb 5 
Class, 2... 8.00% 242 
Cosmologies, earliest . . . 268 
Coulomb: — Ze & 4% 4% 244 
CONG lr er e Sas A 190 
51. Cygni, e 2. oe g 175 
Dalton. EN oes 221 
Dana aena Bei 2 aea 210 
Darstellung v. metallischem 
Radium w 3.20%: % 190 
Darwin ....... 118, 261 
Daubrée ......... 136 
Deutsche Meteorologische 


Gesellschaft ...... 356 
Deutscher Photographen- 


Kalender für 1911 . 104 
Dichtigkeit der Planeten 94 
— der Sonne. ..... 97 


Beite 
Dollondscher Refraktor . . 197 
Doppelnebel im Bootes . . 231 
Doppelsterne: 
Entwicklung ...... 261 
oPersei...... - . 207 
Spektroskopische und vi- 
suelle ...... 175, 317 
DOVE p 4.6 2 o 4 © RS Hl 
Draperscher Katalog 133 | 
Earliest Cosmologies . . . 268 
Easton. c & 2% Sse Se 3 10 
Ebbe und Flut...... 118 
Ebel. sso. na aan A 337 
Eberhard. ........ 117 
Eigenbewegung der Sterne 
204, 219 
Einblattdrucke ...... 61 
Einfluß der Sonne auf die 
Erde +... 2.2.8 & A 1, 19 


Eis-u. Wetterberichtvon dem 
Nordatl.Ozean und Europa 42 


Ekholm ......... 80 
Elektr. Strahlen . 240, 253, 276 
Elektrolyse... aaa. 253 
Elektronen ...... 254, 316 
Elektronenemission . . . . 368 
Elektroskop ....... 278 
Elemente des Thuliums . . 220 
Ellipsograph, neuer. . . H 
Enckescher Komet . 100 
Engelhardt. ....... 322 
Entdeckung eines neuen 
SternS . © : 2 #2... 23 
— in der Eidechse . . . 115 
— in den Fischen . 117 
Entwicklung der Doppel- 
sterne u: ee eS) 261 
— der kosmischen Nebel 343 
Erathostenes ...... - 204 
Erdbeben: 


im russischen Turkestan 127 
in Osterreich im Mai 1910 191 
Tremblement de terre en 


Bretagne . 3.2.6 d e 59 
Erdbebenwellen. . - , . 90 
Erde 93. 99, 248, 347 


— Einfluß der Sonne.. I 
— Erforschung d. Innern 90 


— Vermondung . 118 
Erdmagnetische Elemente . 24 
Erdmagnetismus, säkulare 

Änderungen . . 2... 24 
Erdöl: ee x at Boe a ae 25309 


Erforschung des Erdinnern 90 
— der russischen Seen . 107 


Ernennungen: 
Oppenheim, S. 
Schumann, Richard. . . 


Eruptiona d.Sonnenscheibe 7 
ESPI pa zur as ie 115 
Eulennebel im gr. Bären 13 
Exlibris in der „Selenogra- 
phia“ des Hevelius . 216, 308 
Wanye Se Er 173 
Faraday 6. éi ‘ee ww BS 244 
— -Maxwellsche Theorie . 245 
Farben der Sterne im Orion- 
Nebel. cea 40S: mer. 136 
HAVOC es & m ao. 9. 3% 100, 126 
== (1910 8) d Aw. wes 58 
Fernrohre, neue ..... 28 
Feuerkugel 16, 104, 235, 282, 356 
Feuersee auf Hawai . 210 
Finley, J. P. ....... 125 
Fixsterne: . 
Eigenbewegung - . . . . 219 
Wie stellt man Helligkeits- 
messungenan. .... 59 
Flammenbogen . . .... 178 
Fleming, Williamina + . 310 
Fletcher, Alice C.. .... 311 
Fließende Krystalle. . . . 29 
Flora u. Fauna des Aralsees 114 
Flüssige Krystalle 29, 358 
Fraunhofer. ..... 130, 303 
Fraunhofersche Linien . 184 
Funkentelegraphie, Die Ver- 
breitung ....... - 191 
Galilei. -. 2. 22 2220. 98 
Gambart ......... 41 
Gaußsche Theorie . 333 
Genesis des Mondes . 209, 225 
Geographie: 
Aralsee und die Richtungs- 
veränderungen des Amu- 
Darja =... Bk eS 107 
Baikalsee . ...... 110 
Berg, LE sr. a8... 4% 107 
Karte d. Deutsch. Reiches 284 
Kaspisches Meer . . 111 
Massais ........ 35 
Reclus, Elisée ..... 110 
Oxus, Fluß . ...... 113 
Pani-Indianer. ..... 311 
BE wo Sn 2 od 8 114 
Geologie: 
Klim. Verh. d geol. Vorzeit 367 
Geschichte der Astronomie: 
Araber......... 166 
Babylonier ....... 168 
Chinesen. . . . 2... 166 
Earliest Cosmologies 268 


| 
| 
| 


Seite 
Erathostenes ...... 204 
Galilei ......... 98 


Hevelius, Ein Gedenkblatt 
zum 300. Geburtstage . 139 


Inder An Ge ee 166 
Kepler ie Dër #3: e, aS 119 
Mondstationen ..... 161 
Nebensonnen mit farbigen 
Bögen: — u s ewa & % 61 
Sonnenverehrung d. Wad- 
schagga ...... 35, 71 


Sternkultus d.Pani-Indianer 311 
Geschichtstafeln der Physik 235 
Geschwindigkeitsbestimmun- 

gen der Heliumsterne. . 315 
Gestirnter Himmel im Monat: 


November 1910. .... 10 
Dezember - ..... 35 
Januar 19115. 0 71 
Februar e e Wwe 100 
Marz See Woa 130 
April Ee ee 168 
Mai We da en te oe 204 
Juni Sr, Grete bag 231 
Juli TEE ee ER: 261 
August En ae E eeh 296 
September - ..... 324 
Oktober ee ee 353 
Gewitterbildung ..... 80 
GUL Za 3. & a Ge A A 18 
Glas 2 ce Se a a ert, A 31 
Gleichen, A ....... 359 
Gravitation, Newtonsche 94 
— im Sonnensystem 93 
Grebe 64-8 444% *# &4 192 
Gregorianische Kalender- 
reform . 2.3%, 4c a she: #44 161 


Grundlegung der Atomistik 120 


Günther, L.T ...... 119 
Hake, Freiherr v.. .... 361 
Hale 4%. aala 20, 43, 171 
 Hallevscher Komet . . 268, 349 
— — am 16. Mai 1910 . 283 
— Medaille ...... 92 
Haloerscheinung u d. Sonne 61 
Helligkeitsmessungen ant ix- 
sternmen . www we es 59 
Hellmann ........ 42 
Helm; G... 2% 2.80% 220 
Hennig... A 8... SS 126 
- Henricus, M... & % 61 
Herschel. . .. . 12, 193, 303 
EE, 2,8 a a E 95 
' Hevelius: 
Briefe an und über ihn . 152 
Gedenkblatt zum 300 Ge- 
burtstage. . 2.2.2... 139 


| 


| 
| 


1 


Seite 

Literatur. ....... 160 

Werke s o e e aom e 158 

Selenographia . . 216. 308 
Himmelsbeobachtungen mit 

bloßem Auge . . 357 


Himmelserscheinungen, 
Nebensonnenm.farb.Bogen 61 


Hnatek. 2.2.2.2. 320°. 40 
Hoffmeister. ....... 238 
HOP PC 4.4. a a ee A 295 
Huggins ........-. 180 
Huygens 2-2. baa er 3 240 
Hydrologie des Aralsees . 109 
Inder ..... PET 166 
Instrumente: 
— auf dem Mount Wilson 42 
Bau na Se ee ee 329 
Ellipsograph ...... 87 
Hevelius........ 150 
Mikroskop ....... 334 
Reflektor . ....... 183 
Refraktor ....... 183 
Spiegelteleskope . .193 336 
Internationale Vereinigung 
für kooperative Sonnen- 
forschung, 4. Vers.-. . . 42 
Jahrbuch d. Motorluftschiff- 
Studienges. , . . 360 
Johannesburger Komet . . 218 
Jupiter. .. ana‘ 98, 269 
Atmosphäre ...... 246 
CSC 275 
Flecken . 20, 270, 282, 314 
Schleier ........ 273 
Streifen, Konstitution . . 344 
Jurjew, Publikationen . . . 192 
JUSE, E EENEG 368 
Kalziumdämpfe im Weltall 324 
Kant-Laplacesche Theorie. 95 
Kaspisches Meer . ‚1 
Kathodenstrahlen . . . 45, 253 
Kelloggstiftung für die Lick- 
Sternwarte . . . 328 
Kepler . 119, 139 
Kewitsch . 294 
Kieß . ; er 3 E | 
Kilimandscharo, Sonnen- 
verehrung am .35, U 
Klimatische Verhältnisseder 
geologischen Vorzeit . . 357 
Klimatologie des Aralsees . 109 
Kobold . , 345 
Kohle . 365 
Kometen: 
— und Elektronen . , 310 
Aitken . 105 
Barnard . . 106 


Seite 
Beliawsky . E . 361 
Brooks 100. 105, 337, 345. 361 
Cerulli . 100 
Encke . . 100 
Faye 1910e 58, 100 
Halley . 92, 268, 283, 349 
Johannesburger . . 218 
Kieß 1911b . 314 
Periodische d. J. 1911 . 100 
Quenisset . 361 
Tempelscher . 100 
Wilson . 105 
Zodiakallicht . . 239 
1823, Bahnbestimmung 40 
18861. i a welts 
Kometeneinblattdrucke, 
neues Verzeichnis . 328, 349 
Konderef, J.P., l’aplanctisme 
des surfaces . . . 359 
Konstanten der Himmels- 
körper, Tabelle 248 
Konstellationen 16, 40, 75. 103 
135, 173, 208, 234, 266. 299, 
328, 356 
Konstitution der Jupiter- 
streifen. . . 344 
Korn, Dr.. . - . . 361 
Kosmischer Nebel ° 343 
Krystalle: 
flüssige . . 29, 47, 358 
fließende >. 47 
Allgemeines 63, 183 
Landolt e . . 870 
Lau, H. E. 314, 322 
Lehmann, O.. 48, 358 
Lemme . . 192 
Leonhard . 45 
Licht 182 


Lichtveranderung Bewisser 


Satelliten 28 
Lick-Sternwarte, Kellogg: 
stiftung . e, ar 2328 
Linien. Fraunhofersche . 184 
— Neumannsche 136 
Linsen . 335, 359 
Literatur über Hevelius und 
seine Werke . . 160 
Lockyer. . 1, 170 
Lohse . 269 
Löwy , 90 
Ludendorff . 267 
Luftdruck . A 80 
Luftmangel auf dem Monde 225 


ô, Lyrae 


Mantel oder Schale der Pla- 
neten i 
Mareebenen des Mondes 


. 213 


34 


o4 


Gi 


Seite | 

Mars . 93, 96, 247, 328, 347 

— Kanäle . , 348 
Mascart, J. 59 
Massais . 35 
Masse 95 
Massen i. Weltraume: dunkle 315 
Materie, Konstitution . . 241 
Mathematik: 

Grundlehren . 220 

Unterrichtskurse . 44 
Maxwell 30, 245 
Mecklenburg, W . 120 
Merkur . 99 


Messier 3in den Jagdhunden 100 
Meteore: 
Bahnbestimmungen von 
September-Meteoren . 
Feuerkugeln, Beobachtun- 
gen 16, 104, 235, 282, 356 
Mondmeteore . . 229 
Meteoreisen, natürliche und 
künstliche Brandzone . 


41 


, 136 


| Meteorologische Gesellschaft 356 


a ee 


Meteorologie: 
Anderungstendenz 
Wetterlagen 79 
Aralsee u. seine Umgebung 109 
Atmosphärische Erschei- 


der 


nungen 61 
Cirren ... 5 
Einfluß der Sanne auf die 
Erde in 2, 19 
Eis- u. Wetterbericht vom 
Nordatlant Ozean und 
Europa 42 
Gewitterbildung . 80 
Moderne Wetterprognostik (7 
Sonnenflecke u. Witterung 42 
Temperaturverhältnisse 
auf der Erdoberfläche . 78 
Wettervoraussage, Wand- 
lungen und Ziele 717 
Zyklone . 78 
Meteorstein 136 
Meyer, Lothar 365 
Mikroskop . . . 334 
Milchstraße 37, 3.3 

— neue Theorie. . 10 
Mineralogie: 

Flüssige Krystalle . 29 

— Oktaéder 48 
Mittweida. Technikum 176 


Moderne Wetterprognostik . 77 
Molekularbewegung, Brown- 


sche . 221 
Mond: 

Allgemeines 93, 96, 209, 347 

Atmosphäre . 247 


gen = — 


nn nr A E EE LE rer 
mg E EE 


Seite 
Erhebungen . 210 
Genesis . . 209, 225 
Höfe und Ringe . 61 


Lauf 13, 38, 73. 102, 134, 
171, 206, 233, 265, 299, 327 


Neison . 226 
Puisseux . 168 
Topographie . 226 
Mondfinsternis, totale 14 
Mondmeteore , . . 229 
Mondstationen . 161, 185 
— arabische . . 165 
— chinesische . 165 
— indische . 165 
— Ursprung . . . 166 
Motorluftschiff-Studienges., 
Jahrbuch . . 360 
Mount Wilson 42 
Nansen. . 63 
Naturforscherv creaming 356 
Natur, Zerfallprozesse . 363 
Nebel, kosmischer . . 343 
Nebenmonde . ; 6l 
Nebensonnen mit Gate 
Bogen 61 
Neison : ; . 226 ` 
Neptun, Atmosphäre A , 246 
Neumannsche Linien . . 136 
Newton . e , . 336 
Newtonsche Gravitation. 94 
—_ Men . 198 
Niejahr . . 123 
Niessl . 41 
Noël . . 193 
Nölke, Fr. . : . 343 
Nordlichter in der Polar. 
region 45 
Nordmann . 28 
Nova Lacertae . . 115 
— 134, 1910 Piscium . . 117 
— Sagittarii 23 
Oppenheim, S . 283 
Optik: 
Instrumente, Bau . 329, 359 
Instrumente. Theorie . . 359 
Verhalten der Krystalle 
gegen das Licht . 32 
Zerlegung des Lichts. . 182 
Orion . 155 
Orionnebel, ashen der 
Sterne . 136 
— Perspektive , 203 
Ostwald, W. . . 316 
Oxus, Fluß . 113 


Pani - Indianer, Sternkultus 311 
Pendulationstheorie 21 


Seite 
Perin ée, 4 . 256 
Periodische Kometen d. J. 
1911: a... % . 100 
Perspektive des großen“ 
Orionnebels . 203 
Physik: 
Faraday-Maxwellsche 
Theorie . EE 
Geschichtstafeln . . . 235 
Kathodenstrahlen . 253 
Röntgenstrahlen . . 256 
Pickering . 132, 310 
Planeten: 
Beobachtung am Tage . 58 
Erde 99, 347 
Jupiter . 20, 98, 269 


Lauf 15, 39, 73, 103, 135, 172 

207, 233, 266, 299, 327, 355 
Mantel oder Schale . . 94 
Mars . . 93, 328, 347 
Merkur und Venus. . . 99 
Schicksal der Planeten 246, 347 
Schwabe: UberSaturn und 

die kleinen Planeten . 301 


Venus . . . . . . 99, 118 
Vermondung . . 118 
Zwei neue kleine . 234 
Poincaré . . 2 2 . . . 261 
Pokrowski. . . . . 192 
Polarexpedition 1899—1900 45 
Polarlichter . . . . . 46 


Polhöhenschwankung von 
1900—1911. i 

Publikationen der Kais. Uni- 
versitäts - Sternwarte ` zu 


Jurjew ..... . . 192 
Puiseux ...... . 168 
Putland, J. 308 
Quarz ...... . . 184 
Quecksilber . . . . . . 190 
Quénisset . . . . . . . 361 
Badium, metallisches 190 
Reaktion, chem. . 368 
Reclus, Elisée . . . . . 110 
Reflektor . . . . . . 193 

— Cassegrainscher . . 193 
Refraktor . . . > a 198 

— Dollondectier: . e 197 
Rigel . . ..... . 180 
Righi, A. . 276, 316 
Röntgen ` . . 256 
Röntgenstrahlen . . 256 
Roter Fleck im Jupiter 270, 282 
Rusch, Franz . . . . . 357 
Dest SC we E 264 
Rutherford’ ... . 280 


XI 


Seite 

Säkulare Änderungen der 
erdmagnetisch. Elemente 24 
Satelliten, Lichtveränderung 28 


Satum . . . 301 
Atmosphäre , . 246 
Dunkeler Ring . . . . 303 

Schiaparelli 99, 225, 348 

Schicksal der Planeten 246, 347 

Schiffskreisel . . . . . 21 


Schleier der Sonnenflecken 315 
Schlesinger . . . .175, 
Schlick. . . së 22 
Schrader, Biographie . , . 195 

— u.seineSpiegelteleskope 193 


Schröter . . . . . . . 194 
Schumann, R. d . . 283 
Schwabe, H.. . . . . . 301 
Schwarzschild . . . . . 42 
Schwefel . . 2. 22.2. 31 
Secchi . . . . . . . . 130 
See .... . . 28 
Seebeben im Bismarck: 
Archipel . . . . 58 
Seen, Erforschung der rus- 
sischen . . . . 107 
Selenographia des Hev elius 216 
— Exlibris 3 . 308 
Sexagesimalsystem, Ur- 
sprung 2 . 294 
Sichtbare und unsichtbare 
Strahlen. . TEE 
Sieberg. . . .... .191 
Sonne . ir e 248 
Bewegung . . . . . . 267 
Dichtigkeit . . .. . 97 


Einfluß auf die Erde . . 1 
Eruption auf der Sonnen- 
scheibe ...... 7 


Höfe und Ringe. . . . 61 


InternationaleVereinigung 
für Sonnenforschung, 
4. Vers.. .. 42 
Lauf 13, 38, 73, 102, 134, 
171, 206, 233, 265, 299, 


327, 354 
Stellung unter den Sternen 168 
Temperatur . . . . 28 
Zöllner... . a 97 


Sonnenfackeln, Bestimmung 
der Rotation aus der Be- 


wegung . 128 
Sonnenfinsternis 

partielle. . . ... . 14 

totale am 28. IV. . . . 171 
Sonnenflecke l 

— und Witterung . . . 42 


Bedeutungsvolle Erschei- 
nung e- a ss ee 0 


Seite 

Beobachtungen . 1, 7, 302 
Gruppen und Fackeln am 
29. Sept. und am 1. und 

2. Okt. 1910 . . . 1% 


Haloerscheinung . . . 61 
Innere Schleier . . . . 315 
Spektra . . . . , 20 


-~ Zusammengesetzte Grup- 
pen und andere Aus- 
bruchserscheinungen 

Sonnenrotation,Bestimmung 

aus der Bewegung der 
Fackeln 1906—1908 . . 128 


Sonnenspektrum . . . . 9 
Sonnensystem 
Bewegung . 322 


Wesen der Gravitation . 93 
Sonnenverehrung der Wad- 


schagga. . . . . 35, Tl 
Spektralfarben . . . . . 182 
Spektren: 
— der Sterne . . . . 130 
Chemischer Ursprung ver- 
schiedener Linien . . 177 
Nova Lacertae . . . . 117 
Secchi . e . 130 
Sonne... 77 
Stellung der Sonne unter 
den Sternen . . . . 168 
Tabelle . . .... . 181 
Titanbande . . ...178 
Spektroskop von Hilger . 7 
Spektroskopie . . . 182, 192 


Spektroskopische Doppel- 
sterne,überihreBahn 175, 267 
Spektroskopische u. visuelle 


Doppelsterne . . . . . 317 
Spiegelteleskope . 336 
— Schraders. . . . . 193 
— Newtonische . . . . 198 
Sprache und Verkehr . . 316 
Sproul-Observatorium: . . 28 
Stavenhagen, W. 284 
Sterne: 
Aldebaran. . . . . . 168 
wz Andromedae . . . . 175 
t Aquilae .... . . 105 
s-Arae ...... . 316 
Arktur ... . 177 


Bedeckungen 15. 38, 73, 
103, 134, 207, 233, 266, 


299, 354 
Bellatrix . . . . . . 180 
Beteigeuze. . . . 179 
‘Bilder 12, 37, 101, 133, 298, 326 
Capella... . . . 177 
57 Cygni. . « . . 2 . 17 
Doppelsterne . . . . . 261 


Seite 
Eigenbewegung . . 204, 219 
Farben . 136 
Geschwindigkeitsbestim- 
mungen der Helium- 
sterne . ‚315 
| Helligkeitsmessungen an 
Fixsternen 59 
ô Lyrae f 34 
Nova Lacertae 136, "1910 115 
— 134, 1910 Piscium . . 117 
— Sagittarii Nr. 2. 23 
Orion . ‘ . 185 
o Persei . . 267 
Rigel . CH . 180 
Spektroskopische u. visu- 
suelle Doppelsterne . 317 
Stellung der Sonne unter 
den Sternen . 168 
Temperatur 28 
€ Ursae Majoris . . 175, 180 
Veränderliche . 301 
Sternhaufen Messier. . . 3 
— in den Jagdhunden . 100 
Sternkultus d. Pani-Indianer 311 
Sternspektren . 130, 324 
Stickstofflinien . 180 
Stiftung, Martin Kellogg- 
für die Lick-Sternwarte . 328 
Stoney . 249 
Störungen des Roten Fleckes 282 
Stundeneinteilung . , . 294 
Strahlen und Rillen des 
Mondes . . 226 
Strahlen: 
Elektrische . . 240, 253, 276 
Kathodenstrahlen . 253 
Röntgen . . 256 
Sichtbare u. unsichtbare 220 
Tabelle der Konstanten der 
Himmelskörper . 248 
Technikum Mittweida . 176 
Technisches Museum für In- 
dustrie und Gewerbe in 
Wien . . 316 


All 


Seite 
Teer . f , 30 
Tempelscher Komet . 100 


Temperatur der Sonne und 


Sterne . . 28 
Theorie der optischen In- 
strumente 359 
Thomson, J. J. 257 
Thulium , . 220 
Tictenunterschiede - von 
Sonnenflecken . 285 
Titanbande . . . . 178 
Topographie des Mondes 226 
Treptow-Sternwarte 
Astronomischer Vortrags- 
zyklus . . . 1%6 
Bibliothek . . 216, 308 
Einblattdrucke . . . . 61 
Halley-Kometen-Medaille 92 
Mathematische und astro- 
nomische Unterrichts- 
kurse . 44 
Tromben . 121 
Undulationstheorie 240 
Uranus, Atmosphäre . 246 
€ Ursae Majoris . . 175, 180 
Ursprung des Sexagesimal- 
systems . 294 
Uzboi . 114 
Venus ....... 99 
— oder der vermeintliche 
Komet . 207 
Venusrotation . 118 
Venussichel . 249 
Verbreitung der Funken- 
telegraphie . : . 191 
Verlauf d. Polhöhenschwan- 
kung von 1900—1911 . . 296 
„vermondung“ der Erde u. 
der Planeten . . 118 
VersammlungDeutscherNa- 
turforscher und Ärzte . 356 
Versamml. d Meteorol, Ges. 356 


Verzeichnis von alten Ko- 
meteneinblattdrucken 338, 349 


KAAS > 


Seite 


Vesuv, eruptive Tätigkeit . 175 
Vorlander . 64 


Vulkanismus: 
Tätigkeit des Vesuvs im 


Mai 1910. . .15 
Vulkanismus und Welt- 
entstehungstheorie 192 


Wadschagga . . . . 35, 7 

Warren, W. F. 8 

Wasserhosen = 2 O 
— im sicilianischen Meere 121 
Entstehung, Entwicklung 


und Auflösung . 124 
Wassermangel auf dem 
Monde 228 
Weber, A.. . 167 
Weiß, E. . 219 
Welt der flüssigen Krystalle 358 
Weltall . . 343 
— EE Wolken 
von Kalziumdämpfen . 324 
Weltentstehungstheorie . . 192 
Werke von J. Hevelius . . 158 
Wetterbericht vom Nordatl. 
Ozean und Europa 42 
Wettervoraussage, Wand- 
lungen und Ziele . . . 77 
Whitney . . . 167 
Wiederentdeckung Kö- 
meten Brooks 18$89V . . 105 
Wien . 315 
Wilkens, A. . 267 
Williams . 282 
Wilsing. Br te del 
Wilson . . 105, 257 
Wolf . « 1, 116, 285 
Zauber in der Perspektive 
des großen Orionnebels . 213 
Zeemann 20 


Zertaliprozessse in d. Natur 363 


Zinn . , 20 
Zodiakallicht . . 237 
Zöllner . . 2. 2 2.2.2.9 
Zyklone | 78 


Beilage zur illustrierten Zeitschrift fir Astronomie und verwandte Gebiete 
„DAS WELTALL“, Jahrg. 11, Heft 1. 


(Zu H. Osthoff: „Über den Einfluß der Sonne auf die Erde“.) 


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Fig. 1. 1885, Januar 17. 


Fig 2. 1906, September 16. 


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Fig. 4. 1902, April 26. 


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Fig. 9. 


Fig. 6. 


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1903, Mai 27. 
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1903, August 8. 


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NW. 


Fig. 7. 1906, Oktober 15 


Fig. 8. 1906, Juli 15. 


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DAS WELTALL 


Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete. 


Herausgegeben von 
Dr. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 1. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1910 Oktober 1. 
Treptow-Berlin. 


Diese Zettschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Treplow-Sternwarte, Trepiow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalten (Post- 

Zeilungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pie. — Anseigen-Gebühren: I Seite 80.— MR., (ix Seile 45.— 
1/, Seite 25.—, Us Seite 15.—, yg Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewicht. 


: INHALT 
- 1. Uber den Einfluß der Sonne auf die Erde. Von 3. Der gestirnte Himmel im Monat November 1910. 
H. Osthoff. (Mit einer Beilage) . . . : 2 2... 1 Von Dr. F. S. Archenhold . . . .... 2... 10 
2. Beobachtung einer Eruption auf der Sonnenscheibe. 4. Kleine Mitteilungen: Beobachlung einer Feucrkugel 16 
Von J. Fenyi, S. J. Direktor des Haynald-Observa- Nachdruck verboten. 
toriums in Kalocsa . . . » 2 2 2 0 22 we o’ 7 Auszüge nur mit genauer (Juellenangabo gestattet. 


ber den Einfluss der Sonne auf die Erde. 
Von H. Osthoff. 
(Mit einer Beilage.) 


De das gesamte Leben auf der Erde, alles was Bewegung und Veränderung 
aufweist, von der Sonne abhängt und ohne ihre wohltätigen Strahlen in 
Todesstarre verfallen würde, ist eine alte Wahrheit. Und soweit menschliche 
Überlieferung reicht, bot sich kein Anlaß, an der Gleichmäßigkeit der SEH 
die uns die Sonne zu teil werden läßt, zu zweifeln. 

Als nach der Entdeckung der 11jahrigen Sonnenfleckenperiode der mit ihr 
vollig parallel verlaufende Gang der erdmagnetischen Elemente im Jahre 1852 
durch Lamont, Sabine und Wolf nachgewiesen war, lag zum ersten Mal die 
Tatsache einer Veränderlichkeit der Sonnenstrahlung vor, und damit begannen 
allgemein die Versuche, die Unregelmäßigkeiten im Verlaufe von allen möglichen 
irdischen Naturerscheinungen gleichfalls auf die wechselnde Menge der Sonnen- 
flecken zurückzuführen. Man wollte die Einwirkung der Sonne im einzelnen 
nachweisen. 

Beobachtungen über die Sonnenflecken finden sich zwar schon im Jahre 
1610, aber erst von 1833, von Schwabes Auftreten an, sind die Flecken syste- 
matisch beobachtet worden, und erst von dieser Zeit an sind die über sie vor- 
liegenden Daten zuverlässig genug, um Untersuchungen über ihre Periodizität 
den erforderlichen Grad von Sicherheit zu gewähren. R. Wolf konnte zwar von 
1749 an die Relativzahlen berechnen, aber doch nur mit graphischer Überbrückung 
einiger Lücken. 

Zahlreich ausgeführte Untersuchungen erwiesen sämtlich die 11 jährige 
Fleckenperiode als vorhanden, außer ihr aber noch andere. Schon Wolf selbst 
ermittelte aus dem ganzen Material noch eine 55,5jährige Periode, die das Fünf- 
fache der gewöhnlichen von 11,1 Jahren ist. Ferner vermutete er noch Neben- 
perioden von 8!/, und 10 Jahren. William Lockyer fand aus den Relativ- 


— ? — 


zahlen der 66 Jahre von 1833 bis 1900 außer der 11jahrigen eine Periode von 
ungefähr 35 Jahren, die sich auch im Wechsel der Häufigkeit der Polarlichter 
und der magnetischen Stürme ausprägt und auch mit Brūckners 35jahrigen 
Klimaschwankungen übereinstimmt. Nichtsdestoweniger ist ein Mitwirken des 
Zufalls beim Zustandekommen dieser großen Periode nicht ausgeschlossen, denn 
der Beobachtungszeitraum für sie ist zu kurz. 

Trotzdem die Relativzahlen vor 1833 der erforderlichen Sicherheit ermangeln, 
verwendete alsdann A. Schuster doch alle bis 1749 zurückreichenden Daten zu 
einer neuen Untersuchung, die ihm eine Periode von 4,8 Jahren lieferte, die sich 
den ganzen Zeitraum hindurch sogar beständiger erwies, als die 11jährige 
Hauptperiode. Außer diesen beiden ermittelte er noch eine von 8,3 Jahren. Man 
kann diese drei Perioden als Teile einer großen von 33,4 Jahren ansehen. 
Vielleicht ist noch eine vierte angedeutet im Betrage von 13,6 Jahren. 

Zahllos sind nun die Forschungen nach einem Zusammenhange des 11jährigen 
Hauptwechsels der Anzahl der Sonnenflecke mit dem Verlauf von Wind und 
Wetter, mit dem Luftdruck, der Temperatur, der Regenmenge, der Bewölkung, 
der Stürme usw. Aber der Erfolg dieser endlosen Bemühungen ist höchst 
gering. Das hat seinen Grund darin, daß der Einfluß der direkten Sonnen- 
strahlung sich mit lokalen irdischen Einwirkungen mischt. Beschränkt man die 
Untersuchung auf einen einzigen Ort oder ein einzelnes Land, so steht man 
vor der eigenartigen Tatsache, daß sich die Witterung an weit von einander 
entfernten Gegenden oft geradezu entgegengesetzt verhält. Leidet z. B. Europa 
unter einem kalten und nassen Sommer, kann es in Nordamerika heiß und 
trocken sein. Die Voraussetzung eines die ganze Erde gleichzeitig und gleich- 
sinnig treffenden kosmischen Einflusses trifft nicht zu. Immer gibt es Orte, an 
denen irgend ein unbekannter Umstand die anderwärts gefundene Wirkung der 
Sonne ins Gegenteil verkehrt. Man ist daher niemals sicher, ob ein heraus- 
gerechneter gleichsinniger Verlauf der Sonnenfleckenmenge mit irdischen Vor- 
gängen auf Zufall beruht oder nicht. 

Dazu kommt es dann bei solchen Untersuchungen noch viel auf die Länge 
der Beobachtungsreihe an, nicht minder auch auf die Art und Weise der Be- 
arbeitung. Das ersieht man ja schon aus den verschiedenen Ergebnissen 
der Untersuchungen über die Periode der Sonnenflecken seitens verschiedener 
Autoren. 

Was die der Erde von der Sonne zugesandte Wärme betrifft, so ist nach 
Köppen, Nordmann u.a. in den Tropen, in denen sich alle meteorologischen 
Vorgänge am reinsten abspielen, die Temperatur niedriger zur Zeit der größten 
Fleckenmenge. Aber der ganze Unterschied beläuft sich nur auf rund !/,°. 
Für mittlere und höhere geographische Breiten zeigt sich gar kein bestimmter 
Zusammenhang, die Ergebnisse widersprechen sich für verschiedene Örtlichkeiten. 
Wenden wir uns von den wenig erfolgreichen Bemühungen der Meteorologen 
zu den astronomischen Beobachtungen, so erlangen wir ebenfalls keine sichere 
Auskunft darüber, zu welcher Zeit die Sonne eine größere oder geringere Wärme- 
menge aussendet als im Durchschnitt. Die beiden Lockyer schließen aus den 
Spektren der Sonnenflecke auf eine gesteigerte Wärmestrahlung, andere Forscher 
halten die Flecken ihrer Spektren wegen umgekehrt für Gebiete erniedrigter 
Temperatur und lassen gerade die Zeit der Sonnenfleckenmaxima als die einer 
verringerten Wärmestrahlung gelten. Beide Anschauungen haben ihre An- 
hänger. Daß sich als Folge einer gesteigerten Wärmestrahlung der Sonne 


eine verminderte Temperatur in den Tropen der Erde ergeben kann, wird 
der durch die Wärme gesteigerten Verdunstung des Wassers zugeschrieben. 
Die Verdunstung hat ihrerseits vermehrte Wolkenbildung mit Regen im 
Gefolge und der Regen vermindert seinerseits wieder die Temperatur. 
Nun ist aber auch durch direkte Messungen eine Erniedrigung der Tempe- 
ratur innerhalb der Flecken selbst nachgewiesen. Vorausgesetzt, daß 
dabei nicht irgend ein Fehler begangen ist, könnten doch die zugleich mit 
den Flecken zunehmenden Begleiterscheinungen, die Protuberanzen oder 
die Fackeln, oder infolge der gewaltigen Umwälzungen die ganze Photo- 
sphäre, wieder die Wärme vermehren. Dadurch würde ein Ausgleich herbei- 
geführt sein. 

Ähnlich widerspruchsvoll sind auch die Untersuchungen über die Regen- 
menge, die Bewölkung und dergleichen ausgefallen. Stets gibt es Ausnahme- 
gebiete, auf die ein anderweit nachgewiesener Zusammenhang zwischen Sonnen- 
flecken und Wind und Wetter nicht zutrifft. Die Zusammenfassung der Beob- 
achtungen vieler Orte zu Mittelwerten ist deshalb ebenso wenig sicher, wie die 
Beschränkung auf einen einzelnen, weil sich dabei die Überschreitungen der 
Mittelwerte im ganzen wieder ausgleichen können. 

Jedenfalls aber ist die 11jahrige Schwankung der Witterungselemente so 
unbedeutend, daß die verschiedenen Klimate durch sie in keiner Weise berührt 
werden. Ist es nieht sonderbar, daß die recht sicher zu erkennende 11jährige 
Fleckenperiode in den meteorologischen Beobachtungen kaum nachzuweisen ist? 
Da könnte man den Glauben an einen Wechsel des Einflusses der Sonne auf 
unser Wetter im einzelnen überhaupt verlieren und annehmen, daß die Licht- 
und Wärmestrahlung der Tagesherrscherin sich stets gleichbleibt. Und doch 
hat Brückner eine 35jährige Schwankung von Temperatur und Niederschlag 
nachweisen können (allerdings auch nicht ohne Ausnahmefälle), eine Periode, 
die in der Anzahl der Sonnenflecken gegen die 11jährige zurücktritt. Möglicher- 
weise wird auch sie in der Zukunft nicht bestätigt. 

Vielleicht sind die Sonnenflecke dabei garnicht das eigentlich Wirksame, 
als das sie uns wegen ihrer auffälligen Dunkelheit auf der hellen Sonnenober- 
fläche erscheinen. 

Man hat nun auch andere Vorkommnisse auf der Erde auf die wechselnde 
Menge der Sonnenflecke zurückzuführen gesucht, sobald sich solche Ereignisse 
öfter wiederholten. Das sind z. B. Zeiten der Hungersnot in Indien, große Heu- 
schreckenschwärme, ergiebige Heringsfänge u. a.m. Die Sonne wurde ebenso 
für sogenannte „Hitzewellen“ verantwortlich gemacht, wie man andrerseits in 
den „Eisheiligen“ des Mai eine 11jährige Periode und deshalb einen Zusammen- 
hang mit den Sonnenflecken erkennen wollte. Flammarion läßt sogar die 
Brutzeit der Sperlinge und die Rückkehr der Zugvögel von der Sonne abhängig 
sein. Schließlich ist es soweit gekommen, daß alle möglichen Unglücksfälle, wie 
Dynamit- und Pulverexplosionen, dem unmittelbaren Einflusse des Tagesgestirns 
zugeschrieben wurden, sobald sich zufällig zu gleicher Zeit Flecke zeigten. Wie 
im Mittelalter die Kometen, so beschuldigt man heute die Sonne aller möglichen 
Schandtaten. 

Nun besteht eine Fernwirkung der Sonne in andrer Art mit deutlich aus- 
geprägtem Wechsel ihrer Stärke aber doch. Es ist der zweifellos sicher nach- 
gewiesene Zusammenhang der Menge der Sonnenflecke mit den Veränderungen 
des Erdmagnetismus und der Häufigkeit der Polarlichter. 


HN SE 
Die Magnetnadel verhält sich niemals vollständig ruhig, und der Gang der 
_ Veränderungen schmiegt sich in 11jähriger Periode so genau der Sonnenflecken- 
kurve an, daß R. Wolf einen einfachen mathematischen Ausdruck hat angeben 
können, nach dem man die Größe der einen der beiden Erscheinungen aus der 
andern berechnen kann. Dieser mehr oder weniger regelmäßige Verlauf der 
erdmagnetischen Variationen wird aber gelegentlich durch plötzlich eintretende 
Störungen unterbrochen. Wenn sich nun auch oft genug ein unverkennbares 
Zusammentreffen einer magnetischen Störung mit dem Auftreten eines großen 
Sonnenflecks nachweisen ließ, besonders auffällig dann, wenn die Sonnenober- 
fläche sonst ziemlich fleckenfrei gewesen war, so übt doch keineswegs jeder 
große -Sonnenfleck eine solche Wirkung aus, und dieses Ausbleiben einer 
magnetischen Störung hatte bereits vielfach zu Zweifeln an der Wirksamkeit 
der Sonnenflecke überhaupt geführt. Da zeigte Maunder durch eine Unter- 
suchung der größeren in Greenwich beobachteten magnetischen Störungen, daß 
in ihrem Auftreten die synodische 27tagliche Rotation der Sonne zum Vorschein 
kommt (d. i. diejenige, nach deren Ablauf die Sonne wieder dieselbe Stelle der 
Erde zuwendet, während sonst keine einzige andere Zwischenzeit sich wieder- 
holte. Er behauptete daraufhin, daß die Störungen jedesmal dann von einem 
Sonnenfleck verursacht würden, wenn dieser sich nahe dem Zentralmeridian auf 
der Sonnenscheibe befinde. Das kann sich bei mehreren Umdrehungen der 
Sonne wiederholen, auch wenn der Fleck inzwischen verschwunden sein sollte. 
Außerdem erstreckt sich diese Wirkung nicht nach allen Seiten, wie sich die 
‚Lichtstrahlen ausbreiten, sondern nur in einer bestimmten Richtung. Von dem 
Sonnenfleck geht ein schmales Strahlenbündel aus, das sich mit der Sonne dreht 
und nur, wenn es dabei die Erde trifft, eine Störung des Erdmagnetismus ver- 
ursacht. Daher kann mancher Sonnenfleck vorübergehen, ohne sich auf Erden 
irgendwie bemerkbar zu machen. Wenn auch Maunder mit diesen Anschauungen 
keineswegs zuerst auftrat oder allein stand!), so stellte er doch die verwickelte 
Sache, gestützt auf die Greenwicher Beobachtungen, zum ersten Mal eingehend dar. 

Solche Strahlenart, die sich nicht in Kugelwellen allseitig, sondern in gerad- 
linigen, ziemlich schmalen Bündeln ausbreitet, kennen wir heute aus Experimental- 
untersuchungen in den Kathodenstrahlen. 

Mehrere Forscher nehmen an, daß die Sonne mit diesen Strahlen feine 
Teilchen, die sogenannten Ionen, elektrisierte Atome, aussendet, die, sobald sie 
die Erde erreichen, die magnetischen Störungen und die Polarlichter verursachen. 
Jedenfalls sind es die ultravioletten Strahlen der Sonne, die in den höchsten, 
Stark verdünnten Schichten der Erdatmosphäre lonisation zustande bringen 
können und dadurch die Luft selbst elektrisch leitend machen. 

WasdiePolarlichteranbelangt,sovermochteFritz imJahre 1862denschon früher 
vermuteten Zusammenhang mit der Menge der Sonnenflecke festzustellen. Auch 
sie befolgen eine 11jährige Periode in Glanz und Häufigkeit, wenn auch deren 
Verlauf nicht so deutlich zutage tritt, wie der der Variationen des Erdmagnetismus. 

Es ist mir nun gelungen, noch ein anderes irdisches Objekt ausfindig zu 
machen, das gleichfalls einem Einflusse der direkten Sonnenstrahlung unterliegt, 
und zwar sind das die Cirruswolken. 


1) S. u. a. Archenhold, „Sonnenflecke, Erdstréme und Nordlichter“, im „Weltall“ Jg. 4, S. 71, 
und Jg.7, S. 157. Auf der Naturforscher-Versammlung zu Frankfurt a. M. 1896 und später in Karlsbad 
1902 hat Dir. Archenhold die Ansicht ausgesprochen, daß aus dem Innern der Sonnenflecken 
elektrische Strahlen auf die Erde gesandt werden. 


ii 


Die Cirren sind die höchsten aller Wolken; sie schweben in Höhen von 
durchschnittlich 10 km, können daher wegen der dort herrschenden niedrigen 
Temperatur nur aus Eisnadeln zusammengesetzt sein. Ihre oft so eigen- 
artige Figur weicht von der der massigen Schichten und Ballen der tiefer 
schwebenden Wasserdampfwolken meistens auffallend ab und zeigt sich ähnlich 
Palmbäumen, Federn, Roßschweifen u. dgl. Man kann sie auch mit den Eis- 
blumen an der Fensterscheibe vergleichen. Während sich die Gestalt der untern 
Wolken genügend durch das Walten und Mischen von Luftströmungen — ver- 
schieden an Temperatur und Feuchtigkeit — erklären lassen, ist das bei den 
Cirren nicht immer der Fall, daher denn noch vor einigen Jahren sich einer 
unserer angesehensten Meteorologen dahin aussprechen konnte, er wisse für die 
Formen der Cirruswolken keine rechte Erklärung. 

Im Jahre 1883 lockte mich zum erstenmal der Anblick der damals wunder- 
voll zart und oft symmetrisch gefügten fadenförmigen Cirren, mich näher mit 
ihnen zu beschäftigen, um einen Zusammenhang zwischen bestimmten Formen 
und dem kommenden Wetter ausfindig zu machen. Der Erfolg blieb jedoch aus. 
Da fiel mir mehrere Jahre später das andauernd unscheinbare Aussehen der 
Federwolken auf. Sie erschienen grob und breit und es fehlte das fadenförmige 
Gefüge. Eine daraufhin erfolgte Durchsicht meiner Beobachtungen ließ einen 
deutlichen parallelen Gang der Cirrusgestaltung mit der Sonnentätigkeit 
erkennen, der von den weiteren, bis heute gesammelten Erfahrungen bestätigt 
worden ist. 

Wenn die Wolken überhaupt einer direkten Einwirkung der Sonnenstrahlen 
unterworfen sind, wird sich das am deutlichsten in den Cirren kund tun müssen, 
weil in ihrem Reiche die Luft sehr verdünnt ist, daher von den Strahlen der 
Sonne mehr durchdrungen (leichter ionisiert) wird und sodann, weil sie wegen 
ihrer Höhe dem störenden Einflusse der Erdoberfläche entrückt sind. Bei dem. 
untersten Gewölk ist oft genug eine Abhängigkeit von den Bodenverhältnissen, 
Gewässern, Bergen deutlich wahrnehmbar. 

Nach meinen Wahrnehmungen lassen sich wohl die Grundformen der Cirren 
durch das Walten von Luftströmungen und Luftmischungen deuten. Aber zeit- 
weilig werden sie durch den Einfluß derjenigen Strahlung mehr in Fäden auf- 
gelöst und dadurch zierlicher gestaltet, die von der Sonne zur Zeit der Flecken- 
maxima ausgesandt wird. (Fig. 1, 2, 3 unserer Beilage.) ‘Da die neugebildeten 
Cirren oft nach kürzerer oder längerer Zeit das Zierliche verlieren, zu breiten, 
verschwommenen Flächen zusammenfließen, so kann man auch sagen: Die 
breitflächigen, groben Formen ohne zierliche Einzelheiten (Fig. 4, 5 und 6 unserer 
Beilage) sind jederzeit zu sehen, die symmetrisch fadenförmigen Gestalten hin- 
gegen nur während der Zeit größerer Tätigkeit der Sonne. Davon abgesehen ist 
die Menge der Cirruswolken in jedem Jahre durchschnittlich die gleiche. 

Zu den auffallendsten Bildungen unter ihnen gehören die sog. Polarbanden, 
die langen Streifen, die, in Wahrheit parallel neben einander, am Himmels- 
gewölbe in zwei einander entgegengesetzten Punkten zusammen zu laufen 
scheinen. Ihr eigenartiges Gefüge zeigt sich in seiner vollkommensten Aus- 
bildung nur selten, zur Zeit der größten Sonnentätigkeit. Es besteht aus einem 
schmalen, schnurgeraden Rückgrat, das 180° lang sein kann und an beiden 
Seiten entweder im rechten oder im spitzen Winkel angesetzte lange Fäden oder 
sonstige Anhängsel trägt. Diese Polarbanden scheinen von allen Cirruswolken 
die größten Höhen im Luftmeer inne zu haben. 


Das Langstreifige an sich ist unter den Cirren jederzeit zu finden, aber es 
ist wahrend der Sonnenfleckenminima schlicht verlaufend, breit, verschwommen, 
ohne die zierlichen Fadenbildungen. Die Seitenauslaufer sind, wenn vorhanden, 
breitzackig. 

Es wirde jedenfalls etwas zur Erkenntnis dieser ratselhaften Bander bei- 
tragen, wenn man ihre Entstehung verfolgen könnte. So vielfach ich Augen, 
zeuge der Entwicklung von Cirruswolken aller Art gewesen bin, ist es mir doch 
noch nicht vergönnt gewesen, echte Polarbanden am blauen Himmel auftauchen 
zu sehen, wohl aber ähnliche Formen. Was die langen,. schlichten Fäden und 
Streifen betrifft, so habe ich feststellen können, daß sie der Länge nach schnell 
aufschießen. Aber wie verhält es sich, wenn diese Streifen mit beiderseits ab- 
stehenden Querfäden ausgestattet sind? Kurze Bänder mit Seitenanhängseln 
(in der äußeren Form Palmbäumen gleichend), die ich hatte entstehen sehen, 
bildeten sich so, daß zuerst der Hauptstreif, der Stamm, auftauchte und alsdann 
diesem nach und nach an beiden Seiten Verzweigungen entquollen. Ähnlich 
könnte man den Vorgang auch bei den 180° langen Polarbanden erwarten. Am 
15. Oktober 1906 bezog sich der Himmel aus Nordwesten her rasch mit langen, 
dünnen, schlichten Fäden, die übereinstimmend von Nordwest nach Südost lagen. 
Alsdann bildeten sich überall senkrecht zu ihnen (also Nordost bis Südwest) 
gerichtete lange und breite Bänder anscheinend dadurch aus, daß die langen, 
dünnen Fäden sich genau an denselben Stellen verdickten (Fig. 7 unserer Bei- 
lage). Hier waren die breiten, dicken, im Nordost und Südwest konvergierenden 
Bänder trotz ihrer Auffälligkeit nicht das Ursprüngliche, sondern eine Folge- 
erscheinung, wahrscheinlich Wogenwolken. 

Die geradlinig fadenförmigen Cirren bieten überhaupt mit ihren rätselhaften 
Vorgängen der Beobachtung ein dankbares Feld, und man sollte sie verfolgen 
wie die Polarlichterscheinungen. Die beiderseits vom Rückgrat abstehenden 
Fäden können sich z. B. in ihrer Richtung verlängern. Ein paarmal habe ich 
geschen, daß die rechtwinklig am Mittelstreif sitzenden Seitenfäden sich nach 
einiger Zeit schief zu ihm gestellt hatten. Wirkung der Perspektive war dabei 
ausgeschlossen, weil sich weder mein Standpunkt, noch Lage und Höhe des 
Streifens geändert hatten. 

Am 15. Juli 1906 verfolgte ich ein nur kurzes, dickes Band, anscheinend 
aus zusammengedrängten Schäfchenwolken bestehend, sicher überhaupt nicht 
cirrös. Da begannen die einzelnen Teile des Bandes zu einer gleichmäßigen, 
einen Grad breiten Fläche zusammenzufließen, und an beiden Längsseiten bil- 
dete sich ein Gekräusel zarter Fäden aus (Fig. 8 unserer Beilage), obere Wolke). 
Aus diesem Fadengewirr zogen sich hierauf an beiden Seiten des Bandes senk- 
recht abstehende gradlinige Fäden heraus, zugleich verdunstete das ursprüngliche 
Band, bis an seine Stelle ein echter Cirrusstreif, aus querliegenden Fäden be- 
stehend (Fig. 8 unserer Beilage, untere Wolke), getreten war. Solche Verände- 
rungen, denen ich noch andere hinzufügen könnte, allein durch Luftströmungen 
erklären zu wollen, dürfte schwer fallen. (Schluß folgt.) 


se 


E Se 


Réebachtonä einer Eruption auf der Sonnenscheibe. 
Von J. Fényi, S. J. Direktor des Haynald-Observatoriums in Kalocsa. 


Rn für die Theorie der Protuberanzen bedeutungsvolle Erscheinung zeigte 
sich über dem großen Sonnenfleck, welcher am 5. August 1908 18° östlich 
vom Zentralmeridian der Sonne in der heliographischen Breite von + 11°,2 und 
der Länge 357°,5 (nach den Konstanten von Greenwich) stand. Um 25 55m mittlere 
Zeit von Greenwich untersuchte ich den Fleck im Spektroskop und bemerkte 
über dem Kern desselben eine ungewöhnlich lebhafte Umkehrung, das ist Auf- 
hellung der H,-Linie. Beistehende Skizze (Fig. 1) zeigt den Sonnenfleck, wie 
er mit dem Helioskop gezeichnet wurde, mit der Bezeichnung der größeren Kerne. 
Der mit a bezeichnete zeigte keine Umkehrung; über b war sie sehr hell; von 
c zeigte der in der Zeichnung untere breite Teil ebenfalls lebhafte Umkehrung. 
Ich öffnete nun etwas den Spalt und wandte ein schwaches Blendglas an, um 
die allzugroße Helligkeit so weit abzuschwächen, daß Helligkeitsunterschiede 
wahrzunehmen waren. Ich konnte so in der Weise, wie man die Protuberanzen 
am Sonnenrande beobachtet, das ganze leuchtende Gebilde sehen; eserschien 
als ein schwaches Wölkchen von der in 
Fig. 2 dargestellten Form. Zu solchen 
Beobachtungen ist natürlich eine sehr 
große Dispersion notwendig. Das be- 
nützte Spektroskop ist ein automatisches 
von Hilger, in welchem der Strahl 
6 Prismen zweimal durchläuft; die Dis- 
persion entspricht 10 Flintglasprismen ` 
von 60° Prismenwinkel. Um 3" 17™ fand 
ich die Umkehrung außerordentlich 
hell; viel heller, als die Photo- 
sphäre, deren Spektrum im Gesichts- 7 =j 
felde unmittelbar an die H,-Linie an- Fig. 1. Fig. 3. 
grenzte und So eine exakte photometrische 
Vergleichung gestattete. Der enge Spalt zeigte die in Fig.3 dargestellte Form; 
links von der Mitte ragten zwei Lichtkegel durch Verschiebung des Spektral- 
lichtes gegen rot und gegen blau ein wenig tiber den Spalt hinaus; die Enden 
der Linie waren beiderseits verbreitert und etwas verwaschen. Ich öffnete nun 
wiederum den Spalt und konnte mit Blendglas die nun schon größere Form, 
wie sie in Fig. 4 dargestellt ist, sehr klar und deutlich überblicken. Diese 
Form erweiterte sich nun sehr rasch: 35 26” skizzierte ich die in Fig. 5 dar- 
' gestellte Form, in welcher das mit einem Pfeil bezeichnete flammenförmige 
Stück mit außerordentlicher Helligkeit hervorstach. Das Gebilde war nun schon 
so groß geworden, daß es nicht mehr anging, den Spalt so weit zu Öffnen, 
daß man das Ganze überblicken konnte; ich bestimmte die Ausdehnung in 
OW-Richtung mittels Durchgang durch den Spalt und fand 71” geozentrisch, 
fast 5° auf der Kugel, ungefähr die Größe des Sonnenfleckes mit seinem Halb- 
schatten. 4h 5m war die Umkehrung noch immer sichtbar. Sie war aber sehr 
zusammengeschwunden, ohne besondere Helligkeit. Eine Umkehrung war auch 
am nächsten Tage noch zu sehen, aber nur von gewöhnlicher Art. 

Derartige Umkehrungen der Hydrogeniumlinien werden überhaupt nur in 
der Nähe von Sonnenflecken oder doch auf Fleckenherden beobachtet, wenn 


lig. 2 


— 8 — 


wir unter letzteren das Gebiet um den Fleck herum verstehen, wo die zer- 
streuten Fackeln ein erregtes Feld erkennen lassen!). Sie werden wohl einfach 
daraus erklärt, daß sich an diesen Stellen eruptive Protuberanzen auf die 
Sonnenscheibe projizieren, welche ja ebenfalls nur neben Sonnenflecken oder 
auf dem gestörten Gebiete um diese herum vorkommen, 


age am Sonnenrande durch ihre überraschende Intensität 
GE den Ubergang eines Fleckes kennzeichnen, wenn sich 
Fig. 4. derselbe im Zustand seiner Entwicklung befindet. 


Der am 5. August 1908 beobachtete Fleck befand 
sich in stürmischer Entwicklung: er hatte nicht nur 


stückelter Kern war auch so raschen Veränderungen 


hie seit seinem Eintritt an Größe zugenommen, sein zer- 


~ 


unterworfen, daB zwei am 3. August im Zeitintervall von 
nur 1b 40™ angefertigte Zeichnungen die Identität 
der Stücke nur unsicher erkennen ließen. An der Stelle seines Eintrittes auf 
die Scheibe wurde am 30. Juli 1908 eine sehr zierliche, aus hell leuchtenden Strahlen 
bestehende Protuberanz (Fig. 6) beobachtet, welche mit einer Basis von 5° sich genau 
über dem Fleck in der Höhe von 88” zusammen wölbte. In beistehender Fig. 6 
ist auch der Fleck an der betreffenden Stelle eingezeichnet, wie er am 31. Juli beob- 
achtet wurde; am 30.war er noch nicht sichtbar. Ähnliche helle Strahlen wurden schon 
am 29.Juli 1908 angetroffen, welche aber nur mit 38“ über den Rand hervorragten. 
Das Zustandekommen 
Fig. 6. solcher Umkehrungen er- 
gg" scheint hiermit genügsam 
erklärt zu sein; es ist nicht 
notwendig, besondere über 
dem Fleck schwebende heiße 
Hydrogeniummassen anzu- 
nehmen, welche etwa aus 
dem Kern empordringen 
sollten. 
Von besonderer Be- 
deutung ist aber die große 


Fig. 5. 


85° 


90 Jul: haus, Helligkeit, drei- bis viermal 
heller als die Photosphäre, 
108" die in vorliegendem Falle 


beobachtet wurde. Nach ge- 
wissen Theorien sollte das 
Licht der Protuberanzen nur? 
das durch normale oder 
anormale Brechung oder so- 
genannte Spiegelung abge- 
lenkte Licht der Chromo- 
y sphäre oder Photosphäre 
h e 3 sein. Dann ist es aber 

a7 5m. 108 SC 
cru (uer vollends unmöglich, daß 
eine Protuberanz jemals in 


"e 


1) Uber Erscheinungen derselben Art wurde Mitteilung gemacht in „Memorie della sociéta 
degli Spettroscopisti italiani“ Vol. XX, p. 161 und Vol. XXVIII, p. 109. 


Se 20: he 
ihrer Lichtfarbe heller erscheine, als die Photosphäre selbst. Ich erinnere hierbei 
an das optische Gesetz, nach welchem durch kein optisches System, d.i. durch 
keinerlei Spiegelung oder Brechung, die Flächenhelligkeit eines Gegenstandes 
erhöht werden kann. 

In ähnlicher Weise erscheint auch eine andere Erklärung unhaltbar, 
welche in den Protuberanzen nur ein Aufflammen stehender Massen — ohne 
Massenbewegung — sehen will, das dadurch zustande kommt, daß infolge 
lokaler Abkühlung oder anderswie allmählich oder plötzlich chemische Verbin- 
dungen eintreten. Es kann doch auch in diesem Falle keine höhere Temperatur 
erzeugt werden als die der Dissoziation selbst. Die dissoziierten Massen über 
der Photosphäre können wiederum nicht heißer angenommen werden als die 
Photosphäre, weil sonst die Sonne nach innen kälter werden müßte. 

Die größere Helligkeit solcher Protuberanzen wird hingegen ganz leicht 
erklärt, ergibt sich selbst als eine Notwendigkeit bei der bisher wohl allgemein 
herrschenden Ansicht, daß die eruptiven Protuberanzen aus größeren Tiefen 
der Sonne hervordringen, demnach Gasmassen von viel höherer Temperatur 
sind, als die Photosphäre besitzt. Das Intensitätsspektrum der Gase entspricht 
ebenfalls der Energiekurve des schwarzen Körpers. Glühendes Hydrogenium 
muß in der ihm eigentümlichen Lichtfarbe, in der Linie H,, ebenso hell 
leuchten wie ein schwarzer Körper gleicher Temperatur in derselben Lichtfarbe. 
Hat also das Hydrogenium höhere Temperatur als die Photosphäre, so wird es 
auch in seiner Lichtfarbe H, heller strahlen. Wollen wir die obige Schätzung: 
„viermal heller“ als richtig betrachten und die physiologische Helligkeit als 
Maß der Temperatur annehmen, so wäre die Temperatur der eruptiven Pro- 
tuberanz über dem Sonnenfleck 24000° gewesen, wenn der Photosphäre 6000° 
zugeschrieben wird. Diese Temperatur wäre noch von derselben Größe, wie 
die 30000°, die ich für die eruptive Protuberanz vom 1. Juli 1900 aus der 
Schnelligkeit der Auflösung berechnet habe. Die relative Helligkeit mag aller- 
dings in etwas erhöht werden durch den Umstand, daß die höher reichenden 
Protuberanzen der Absorption durch die niedrigeren Schichten entzogen sind. 
Allein der ganze Überschuß der Helligkeit kann daraus nicht erklärt werden, 
weil in dieser Annahme alle Protuberanzen, die doch immer weit über die 
Chromosphäre emporragen, heller sein müßten. | ' 

Der Sonnenfleck, über welchem sich die besprochene Erscheinung abspielte, 
zeigte noch ein interessantes Verhalten, das hier kurz erwähnt werden möge, 
obwohl es mit dem Gesagten nicht in engem Zusammenhange steht. 

Es fand nämlich dreimal kurz nacheinander an derselben Stelle der Sonne, 
genau unter derselben heliographischen Länge und, in Hinsicht auf die Aus- 
dehnung des Fleckes, auch derselben Breite eine Fleckenbildung statt. Am 
4. Juli trat ein schon behofter Fleck auf die Scheibe, der sich auf der Rück- 
seite gebildet hatte, mit der Breite +10°,8 und der Länge 355°,9. Er zerfiel in 
drei Stück, welche auseinander traten, und löste sich bis 13. Juli noch auf der 
Scheibe auf. Beim Austritt dieser Stelle am 17. Juli war auch keinerlei Er- 
scheinung im Spektroskope zu sehen. Es bildete sich aber auf der Rückseite 
wieder ein Fleck genau an derselben Stelle und erschien am 30. Juli am Ost- 
rande als großer Fleck; es ist der große Fleck, über welchem die Protuberanz 
auf der Sonnenscheibe sichtbar war. Die Breite war etwas größer: + 11°,2, die 
Länge wiederum 357°,5; die Kerne gingen wieder auseinander und der Fleck 
trat am 12. August am Westrande aus mit der größeren Breite 13°,6 und löste 


kt, GÉIE = 


sich auf der Rückseite auf, denn am 28. August erschien kein Fleck mehr am 


. Ostrande. Am 30. August bildete sich aber auf der Scheibe an derselben Stelle ` 
mut 357°,5 Lange und der noch größeren Breite 16°,2 wiederum ein Fleck; 


auch dieser léste sich bis zum 8. September noch auf der Scheibe auf. Auch 
dieser Umstand, daß an derselben Stelle wiederholt ein Fleck sich bildete, 
spricht vielmehr dafür, daß die Ursachen der Sonnenflecken, sowie die der 
damit eng verbundenen eruptiven Protuberanzen, in größeren Tiefen der Sonne 
liegen müssen und nicht in den oberflächlichen, durch zufällige Strömungen ge- 
störten Schichten zu suchen sind. 


SS 


Der Sestirnte Himmel im Monat November 1910. 
Von Dr. F.S. Archenhold. 


Eine neue Theorie der MilchstraBe. 


B: der allabendlichen Beobachtung des Sternenhimmels fällt jedem Laien besonders 
in den mondscheinlosen Nächten jenes zarte, milchige breite Band am Himmel auf, 
das die Sternensphäre in zwei fast gleich große Teile trennt und das seit Alters her die 
Frage anregt, wie erklärt sich dieser vielfach geästelte und an manchen Stellen bis zu einer 
ansehnlichen Breite (35°) anschwellende Himmelsstrom, „Milchstraße“ genannt, deren nörd- 
licher Pol im Haar der Berenice liegt? Im Sternbilde des Schwans setzt eine große 
Gabelung ein, die sich auf der südlichen Halbkugel bis zum Sternbilde des Winkelmaßes 
(nahe bei dem Centauren) über 110° weit forterstreckt. Noch an vielen andern Stellen 
zeigt die Milchstraße eine verwickelte kontrastreiche Struktur, wir brauchen nur an die 
beiden dunklen Räume, die sogenannten „Kohlensäcke“, zu erinnern, die eine Erklärung 
dieses verwickelten, unregelmäßig begrenzten Bandes, dessen weißlicher Schimmer in 
den modernen Fernrohren sich sofort in ungezählte Sterne auflöst, noch schwieriger 
gestaltet. 

Es kommt noch hinzu, daß das Fernrohr, wenn es dem Zuge der Milchstraße folgt, 
auf eine große Zahl von „Sternhaufen“ stößt, die an andern Stellen des Himmels nur 
höchst selten auftreten. Von 1000 Sternhaufen finden sich allein 900 in dem Bereich 
der Milchstraße und die übrigen 100 liegen auf dem ganzen übrigen großen Teil des 
nördlichen und südlichen Himmels verteilt. 

Welchen tiefen Eindruck die Milchstraße auch auf die naiven Naturvölker macht, 
beweisen die mannigfachen Erklärungsversuche derselben in ihren Mythen und Sagen. 
Der wilde Stamm der Massais in den ostafrikanischen Steppen glaubt beispielsweise, 
daB die Kinder ihres Schöpfers, Ngais, auf der MilchstraBe als helle Sterne einher- 
wandern und das Tun und Treiben der Menschen überwachen, und daß die beiden 
Kohlensäcke in der Milchstraße zwei Seen seien, in denen die Rinderherden Gottes getränkt 
werden. Auch die schöne Sage der Griechen, daß Herkules, der Sohn des Zeus und der 
Königin Alkmene, der von seinem Vater an die Brust der Gottgemahlin Hera gelegt wurde, 
um ihm Unsterblichkeit zu verleihen, von ihr vor Schmerz abgeschüttelt sei und daher 
die herausgespritzte Milch den weißen Gürtel am Himmel erzeugt habe, beweist, daß 
schon in den frühesten Zeiten der Milchstraße große Beachtung geschenkt worden ist. 
Die moderne Wissenschaft sieht nach den schönen Erklärungsversuchen von Easton!) 
in der MilchstraBe einen großen Spiralnebel,?) dessen Ebene mit Ausnahme einiger 
heraustretender Windungen, die gleichzeitig die verschiedenen Verästelungen erklären, 
im Zuge der Milchstraße selbst liegt. Die größere Breite der Milchstraße auf der einen Seite 


1) Vergl. „Das Weltall“ Jg. 1, S. 61: „Eine neue Theorie der Milchstraße“. Hier ist auch (S. 64) 
eine Abbildung des Spiralnebels wiedergegeben. 
2) Vergl. „Das Weltall“ Jg. 6, S. 132; Jg. 7, S.59 und 345; Jg. 8, S. 130. 


= de 


kann hierbei sehr gut dadurch erklärt werden, daß unser Sonnensystem nicht genau im Zen- 
trum dieses Spiralnebels steht, sondern etwas nach der Seite hin, die breiter erscheint. Von 
einem weit entfernten Standpunkte des Weltalls aus würde unsere Milchstraße den Anblick 
eines Spiralnebels ergeben, so wie umgekehrt nach dieser Erklärung die Tausende von 
Spiralnebelwelten als große Milchsraßensysteme im Kosmos aufzufassen sind. Die in der 
Milchstraße selbstdicht gedrängten Haufen werdenhierbei wohl am besten als dichtereStellen, 


Der Sternenhimmel am 1. November 1910, abends 10 Uhr. 


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(Polhöhe 521/40) 


sogenannte Knoten, des einstigen Spiralnebels_ angesehen. Gegen diese Spiraltheorie der 
MilchstraBe wendet sich nun Professor Bohlin. Er fand bei der Zusammenstellung der 
Nebel und Sternhaufen, daß die von William Herschel „Globular Clusters“ benannten 
Sternhaufen, die, von kugelförmiger Gestalt, tausende von kleinen winzigen Sternen ent- 
halten und eine starke Konzentration nach dem Zentrum hin zeigen, eine ganz bevor- 
zugte Stelle einnehmen. Als Bohlin dieses Material bearbeitete, zeigte sich, daß sich 
diese Sternhaufen weder gleichmäßig über die Himmelskugel verteilen noch wie die 


— 12 — 


Sterne sich längs der MilchstraBe anhäufen, sondern daß sie sich auf einer großen Fläche 
ausdehnen, deren Zentrum auf der südlichen Halbkugel im Sternbilde des Teleskopes 
(Rekt. 17h 40m Dekl. — 35°) liegt. Diese kugelförmigen Sternhaufen sind nun als das 
Zentrum der Milchstraße anzusehen, deren seitliche merkwürdige Lage sich perspektivisch 
sofort erklärt, wenn wir, wie bei der früheren Annahme, unser Planetensystem seitlich 
außerhalb dieses kugelförmigen Sternhaufensystems verlegen. Die Milchstraße selbst 
faßt Bohlin als einen großen Ringnebel auf, dessen Zentrum eben diese kugelförmigen 
Sternhaufen bilden. Hiermit steht in Übereinstimmung, daß wir bei vielen Ringnebeln 
Konzentrationsstellen finden, die nach dem Befunde der spektroskopischen Untersuchungen 
weder Sterne noch Nebel sein können (Vergl. die Abbildung des Ringnebels in der Leyer, 
„Weltall“ Jg. 10, Heft 23). Die Bildung solcher Ringnebel leitet nun Bohlin von den 
planetarischen Nebeln ab. Solche planetarischen Nebel haben wir uns als rotierende 
leuchtende Kugelschalen, in ihrem ursprünglichen Zustande rein gasförmig, vorzustellen. 
Im Verlaufe ihrer Entwicklung zerfallen sie; an ihren eingestürzten Polen bilden sich 
die Spiralnebel und an ihrem Äquator die Ringnebel mit oft deutlich hervortretenden 
Kernen. Die geborstene Schale unseres planetarischen Nebels würde die großen An- 
häufungen von Spiralnebeln an den Polen erklären, während die Milchstraße selbst als 
der bei der Entwicklung des kugelförmigen planetarischen Nebels im Äquator entstandene 
ringförmige Gürtel (Ringnebel) aufzufassen ist. Die verschiedenen Äste der MilchstraBe 
erklären sich durch Risse in dem sich weiter kondensierenden Ringnebel. In Überein- 
stimmung mit dieser Erklärung müssen wir den verhältnismäßig nahen Stand des 
Andromedanebels von uns, nur 80 Lichtjahre, ansehen. Wären die Spiralnebel selb- 
ständige MilchstraBensysteme, so müßte der spiralige Andromedanebel unmeßbar weit 
von uns entfernt sein. 

| Die Sterne. : 


Unsere Karte Fig. 1 gibt den Stand der Sterne für den 1. November abends 10 Uhr, 
den 15. abends 9 Uhr, den 1. Dezember abends 8 Uhr usw. wieder. Die MilchstraBe 
schneidet den Verbindungsbogen zwischen dem Nord- und Südpol, den sogenannten 
Meridian, um diese Zeit senkrecht, sodaß ihre beiden Schnittpunkte mit dem Horizont 
den Ost- und Westpunkt angeben. Die Kassiopeja steht genau im Zenit. 

Als Bayer seinen Atlas im Jahre 1601 veröffentlichte und die Sterne in jedem 
Sternenbilde der Helligkeit nach mit dem griechischen Alphabet a, 8, y usw. bezeichnete, 
war a Kass. naturgemäß noch der hellste; heute ist es y Kass. Er ist 2,0. Größe, wo- 
hingegen £ und « jetzt beide gleich hell und nur 2,3. Größe sind. Außerdem ist «æ Kass. 
noch als veränderlich erkannt worden, seine Helligkeit kann bis auf 2,8. Größe herab- 
sinken. Eine Periode der Lichtveränderung hat man bis jetzt noch nicht feststellen 
können; er gehört zu den unregelmäßig Veränderlichen. Kass. steht verhältnismäßig 
nahe, seine Entfernung beträgt nur 22 Lichtjahre, sie ist also nur fünfmal so weit, wie der 
uns nächste Stern, der hellste im Centauern, « Centauri, der nur 4,3 Lichtjahre von uns 
entfernt ist. Es gibt noch 2 schwächere Sterne in der Kassiopeja, die uns verhältnismäßig 
nahe stehen; das ist 7 Kass. mit 18 Lichtjahren und pø Kass. mit 25 Lichtjahren. n Kass. 
(Rekt. = 04 42m, Dekl. = + 57°11’) gehört zu den schon in kleineren Fernrohren leicht 
trennbaren Doppelsternen. Der Hauptstern ist 4. Größe und von gelber Farbe. In 
einem Abstand von 5,8” steht der rosenrote Begleiter 7,5. Größe, der, nach einer Bahn- 
bestimmung von Doberck im Jahre 1900, in 328 Jahren einen vollen Umlauf um den 
Hauptstern vollendet. Die Gesamtmasse des Systems beträgt 8 Sonnenmassen, und zwar 
ist der Hauptstern 6!/,, der Begleiter 11/, Sonnenmassen groß. Die Distanz hat sich seit 
dem Jahre 1832 bis zum Jahre 1900 von 9,7“ auf 5,2“ verringert. Seit dem Jahre 1900 
nimmt sie wieder zu und wird im Jahre 1913 6“ und im Jahre 1915 6,1” betragen. 

Wenden wir uns von der hochstehenden Kassiopeja nach Norden, so treffen wir 
zunächst auf den Polarstern, der auch ein schon in kleinen Fernrohren leicht erkennbarer 
Doppelstern ist und von William Herschel im Jahre 1779 entdeckt wurde. In unserm 
Treptower Fernrohr können wir diesen Begleiter bequem am Tage sehen. Der Abstand 


DE qo". 25 


des Polarsterns vom wirklichen Pol beträgt jetzt nur noch 1° 10’, wohingegen er im 
Jahre 1880 1° 20’ vom Pol abstand; im Jahre 2000 wird er genau in der Verlängerung 
der Erdaxe stehen. Die Distanz des Begleiters beträgt 18”,2 und erscheint fast unver- 
änderlich, wohingegen der Positionswinkel seit dem Jahre 1865 von 211° auf 216° bis 
-jetzt zugenommen hat. Der Hauptstern ist von Campbell als ein spektroskopischer 
Doppelstern erkannt worden. Mit dem Fernrohr läßt er sich nicht in zwei Sterne trennen. 
Die kurze Periode von 4 Tagen, welche für die Bewegung von Campbell bestimmt 
worden ist, deutet auf ein nahes Zusammenstehen dieser beiden Hauptsterne hin. 
Weiter nach Norden finden wir die beiden hellsten Sterne im großen Bären, o und £, 
von denen der letztere auch als ein spektroskopischer Doppelstern festgestellt worden 
ist. Jedoch stellt sich hier die Periode auf 27 Tage. Zwischen £ und y finden wir im 
groBen Bären den berühmten Eulennebel (Rekt. 119m, Dekl. + 55° 34’). Wir haben im 
Jahrgang 10, Heft 23, unserer Zeitschrift auf Seite 350 eine eingehende Beschreibung 


3s 


wg 


Pe 3 Der Eulennebel im großen Bären (Messier 97.) 
nach einer Photographie von Keeler am 28. März 1910. 


und mehrere Abbildungen dieses Nebels von Rosse, Barnard und Ritchey gegeben. 
Wir weisen hier noch darauf hin, daß auch Keeler mit dem Crossley Reflektor auf der 
Lick-Sternwarte diesen Nebel am 28. März 1900 bei einer vierstündigen Expositionszeit 
photographiert hat. Aus dem Vergleich der oben stehenden Photographie (Fig.2) mit der 
von Ritchey vom 9. Februar 1910 (vergl. Beilage Jg. 10, Heft 23) können wir eine 
Bestätigung für die interessanten Änderungen in diesem Nebel gegen die früheren Ab- 
bildungen konstatieren. 

Wegen des hohen Standes des Perseus werden auch die Lichtminima des ver- 
änderlichen Algols im November zu folgenden Zeiten günstig zu beobachten sein. 


2. November 105 abends 22. November 11h abends 

5. - 6h - 25. - 8h - 

17. - 65 morgens 28. - 5h nachmittags 
20. - 3h - 


Der Leonidensternschnuppenschwarm, der immer in der Zeit vom 14. bis 
16. November seine größte Entfaltung erreicht, wird wegen des Mondes, am 17. November 
haben wir Vollmond, diesmal nur sehr ungünstig zu beobachten sein. 


Der Lauf von Sonne und Mond. 


Die Sonne hat wiederum ihr Aussehen verändert, es sind eine größere Zahl von 
Fleckengruppen sichtbar geworden, deren Auftreten, trotz des herrschenden Minimums, 


Lauf von Sonne, Mond und den Planete l 


Han 


S = Sonne. M = Mond. Me = Merkur V = Venus. Ma= Mar 


auf eine erhöhte Tätigkeit schließen läßt. Die Lage der Sonne im Tierkreis ist wiederum 
für den 1., 15. und 30. November in unsere Karte 3b eingetragen. Wir sehen, daß sie 
im Laufe des Monats um 7?/,° in ihrer Bahn sinkt. In folgender Tabelle geben wir ihre 
Deklination, ihre Auf- und Untergangszeiten für Berlin und ihre größte Höhe um die 
Mittagszeit wieder: 


Sonne Deklination . Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshöhe 
November 1. +, 14% 14° qh 5m morgens 4b 36m abends 231/,° 
- 15. — 18° 20° qh 31m - 4h 12m - 19?/, ° 
- 30. — 21° 33/ qh 55m - 3b 55m - 16? 


Partielle Sonnenfinsternis. | 
Am 1. November 1910 findet eine partielle Sonnenfinsternis statt, die in Berlin 
und Europa unsichtbar, jedoch im nordöstlichen Asien, in Japan, auf der Nordwestspitze 
Amerikas und in der mittleren nördlichen Hälfte des stillen Ozeans zu beobachten sein wird. 


Der Mond ist mit seinen Phasengestalten in unsere Karten 3a und 3b von zwei 
zu zwei Tagen für die Mitternachtszeit eingetragen. Seine Hauptphasen fallen auf 
folgende Zeiten: 


Neumond: Nov. 2. 35 morg. Vollmond: Nov. 17. (bh morg. 
Erstes Viertel: - 10. 61/,k morg. Letztes Viertel: - 23. 7b abends. 


Totale Mondfinsternis. 

Am 16. November ist eine totale Mondfinsternis in Berlin sichtbar, sie wird in 
ganz Europa, in Asien, mit Ausnahme der östlicher gelegenen Gebiete, im indischen 
Ozean und in Amerika zu beobachten sein. Wir geben hier die Hauptphasen in mittel- 
europäischer Zeit an: 

Erste Berührung des Mondes mit dem Halbschatten der Erde 105 45m,6 abends. 
Erste Berührung des Mondes mit dem Kernschatten der Erde 11 44 ‚1 abends. 
Besinn Ger Totallat oes o 3:4 8: Se e >) H St DO morgens: 
Mitte der Finsternis ` — «4 3 Ee AN ed AS gz a a A St Sot 
Ende der Totalitat . e 46 ,8 morgens, 
Letzte Berührung des Mondes mit dem Kernschatten der Erde 57 ,7 morgens. 
Letzte Berührung des Mondes mit dem Halbschatten der Erde 56 ‚2 morgens 
am 17. November. 

Die größte Phase der Verfinsterung beträgt in Teilen des Monddurchmessers 
1,13, die Berührungsstellen liegen 94° beim Eintritt und 227° beim Austritt vom nörd- 
lichsten Punkte der Mondscheibe ab. 


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„für den Monat November 1910. 
Fig. ša. Nachdruck verboten. 


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J = Jupiter. Sa = Saturn. U = Uranus. N = Neptun. 


Im Monat November finden 4 Sternbedeckungen statt: 


| Eintritt |Win- 


Austritt |Win- 
| M. E. Z. | kel 


Gr Rekt. | Dekl. M. E. Z. | kel 


4,0 22h 45m | — 14° Ai 7h 55m8 | 290 


Bürg. Tag Name Bemerkung 


| 


265° | Mond im Meridian 


Nov. 11. t? Aquarii 


abends abends 7h 30m abends 

- 14 uœ Piscium | 56,0 | 1h25m| + 5°41‘) 10b59m,4 | 71° | Oh 4m,8 | 2220| Mond im Meridian 
abends Noe th 9h 56m abends 

- 17. 13 Tauri 5,5 | 3h 37m| + 19925’; 6h 40m 4 | 950 | 7b 28m 4| 239%°| Monduntergang 
morgens ~ | 8h0m morgens 

- 17. v! Tauri 4,6 | 4b 21m | + 220 37°| ob 42m,6 | 49° |10h43m,0| 267°| Mond im Meridian 


abends Oh 48m früh Nov. 18. 


Die Planeten. 

Merkur (Feld 145 bis 175) ist während des ganzen Monats wegen seiner großen 
Sonnennähe unsichtbar. 

Venus (Feld 14 bis 16'/,4) ist nur noch in den ersten Tagen des Monats !/, Stunde 
lang zu beobachten. Am 3. November 10 Uhr vormittags tritt sie in Konjunktion mit 
Merkur und steht 10' nördlich von demselben, sodaß beide Planeten zugleich im Ge- 
sichtsfelde eines kleinen Fernrohrs zu sehen sind. Da die Venus am 26. November in 
obere Konjunktion mit der Sonne EEN so ist sie dann auch im Fernrohr our schwer 
zu beobachten. 

Mars (Feld 133/,5 bis 154) ist zu Anfang des Monats nur ganz kurze Zeit am süd- 
östlichen Morgenhimmel sichtbar, jedoch am Ende des Monats schon 2, Stunde lang zu 
beobachten, da die Sonne immer weiter von ihm abrückt. Am 4. November nachmittags 
3 Uhr tritt er in Konjunktion mit Jupiter und zwar steht Jupiter 34’ nördlich von Mars. 
Am 27. September, als der Mars in Konjunktinn mit der Sonne stand, war er noch 
395 Millionen km von der Erde entfernt; am 1. November 1910 beträgt die Entfernung 
385 Millionen km. Am 17. November 1911 wird der Mars der Erde wieder am nächsten 
stehen, alsdann beträgt seine Entfernung nur 76!/, Millionen km. Er wird dann fast 
23° über dem Äquator stehen, während er jetzt 10° unter dem Äquator steht. Bei seiner 
letzten Erdnähe am 18. September 1909 betrug seine Entfernung nur 58 Millionen km. 
Damals jedoch stand der Mars fast 4° unter dem Aquator, sodaß er sich selbst in seiner 
größten Höhe immer nur wenig über den Horizont erhob. Bei seiner bevorstehenden 


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Erdnähe steht er 26'/,° höher als im Jahre 1909, sodaß trotz der größeren Entfernung 
ein gutes Bild zu erwarten ist. 

Jupiter (Feld 133/,5 bis 14") ist zu Anfang des Monats am östlichen Himmel nur 
ganz kurze Zeit vor Tagesanbruch zu sehen, wird jedoch am Ende des Monats schon 
zwei Stunden vor der Sonne zu beobachten sein. Er kommt am 28. November, abends 
10 Uhr in Konjunktion mit dem Mond. An manchen Orten der Erde findet sogar eine 
Bedeckung statt. Am 19. Oktober stand er am weitesten von der Erde ab und zwar 
963 Mill. km. Jetzt rückt er der Erde immer näher und wird am 30. November nur 
noch 932 Mill. km von der Erde entfernt sein. 

Saturn (Feld 25) ist zu Anfang des Monats während der ganzen Nacht zu be- 
obachten, geht jedoch Mitte des Monats bereits vor Tagesanbruch unter, seine Sichtbar- 
keit beträgt immerhin noch 12 Stunden und Ende des Monats noch 11 Stunden. Er tritt 
am 15. November nachmittags 3 Uhr in Konjunktion mit dem Monde und wird teilweise 
auch von demselben bedeckt und zwar so, daß seine Bedeckung an manchen Orten zu 
beobachten ist. Er stand am 27. Oktober der Erde am nächsten, seine Entfernung 
betrug 1230 Millionen km. Am 30. November rückt er in eine Entfernung von 1260 
Millionen km. Es sind jetzt deutlich zwei Äquatorialstreifen in unserm Fernrohr, in dem 
er allabendlich gezeigt wird, auf ihm zu beobachten und eine interessante Färbung sowohl 
am Südpol wie in der Gegend zwischen den beiden dunklen Streifen. 

Uranus (Feld 191/,5) ist nur einige Stunden nach Sonnenuntergang in geringer 
Höhe über dem Horizont zu beobachten und verschwindet im nächsten Monat ganz in 
den Strahlen der Sonne. 

Neptun (Feld 7!/,b) ist von abends 10 Uhr an wegen seines hohen Standes in 
größeren Fernrohren jetzt sehr günstig zu beobachten. Sein einziger Mond, der sich in 
5 Tagen und 21 Stunden um den Neptun herumbewegt, ist in 16” Abstand vom Neptun, 
aber nur in größten Fernrohren, aufzufinden. 


Bemerkenswerte Konstellationen: 
4h morgens Jupiter in Konjunktion mit dem Monde. 
. 115 vormittags Merkur in Konjunktion mit dem Monde. 


Novbr. 1 
1 

- 1, 145 nachmittags Venus in Konjunktion mit dem Monde. 
1 
3 


. Partielle Sonnenfinsternis, unsichtbar in Europa. 

. 10h wi Merkur in Konjunktion mit der Venus (Venus 10‘ nördlich vom 
erkur). 

- 4, 3h ee Mars in Konjunktion mit dem Jupiter (Jupiter 34' nördlich vom 

ars). 

- 12. 35 nachmittags Merkur in oberer Konjunktion mit der Sonne. 

- 15. 35 nachmittags Saturn in Konjunktion mit dem Monde (Bedeckung). 

- 16. Sichtbare totale Mondfinsternis, Beginn 11h 44", Ende Nov. 17. morgens 2h 56m, 

- 22. 4h morgens Merkur in Sonnenferne. 

- 26. 2 nachmittags Venus in oberer Konjunktion mit der Sonne. 

- 28. 105 abends Jupiter in Konjunktion mit dem Monde (Bedeckung). 

- 29. 115 abends Mars in Konjunktion mit dem Monde. 


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Kleine Mitteilangen. 

Beobachtung einer Feuerkugel. Freiherr E. v. Hake, Hasperde, Hannover, teilt uns mit, 
daß er am 26. September 1910 bei sehr klarem Sternenhimmel um 8 Uhr 13 Minuten ein sehr helles 
leuchtendes Meteor beobachtet habe, das in der Nahe von «Bootes aufzuflammen schien und in der 
Richtung von zBootes weiter marschierte. Den Punkt des Erlöschens konnte der Beobachter nicht 
wahrnehmen, da Bäume ihn verdeckten. Die Sichtbarkeitsdauer betrug "LG bis ?/, Sekunden. Die 
. Farbe des Meteors war intensiv blaugrün, und zwar so, daß anfangs die blaue Farbe vorzuherrschen 
schien, am Ende der Beobachtung dagegen die grüne Farbe mehr hervortrat. — Sollten noch andere 
Abonnenten die Erscheinung beobachtet haben, so wären wir für eine Mitteilung dankbar. 


Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F. 8. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


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Doppel-Beilage zur illustrierten Zeitschrift für Astronomie uni: 


(Zu Dr. F.S. Archenhold: „Über ausgedehnte Sonnenfleckengr: 


becob. 79/0 Sept. 29.v. 4"30”7- 35” 


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Treptow -Sternwarte 


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d verwandte Gebiete „DAS WELTALL“, Jahrg. 11, Heft 2. 


ıppen und Fackeln am 29. September und 1. und 2. Oktober 1910.“) 


beob. 1910 Octbr.2..3”457.— 50” 


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DAS WELTALL 


Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete. 


Herausgegeben von 
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 2. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1910 Oktober 15.. 


Berlin-Treptow. 


Dieze Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treplow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postansialten (Posi- 

Zeilungslisie alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pie — Anzeigen-Gebühren: I Seite 80.— MR., ju Seite 45.— 
1/, Seite 25.—, 1/g Seite 15.—, Un Sette 8.—. Bei Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewicht. 


INHALT 

1. Über ausgedehnte Sonnenfleckengruppen und Fackeln 4. Kleine Mitteilungen: Die Entdeckung eines neuen 
am 29. September und 1. und 2. Oktober 1910. Von Sterns. — Die säcularen Änderungen der erdmagne- 
Dr. F. S. Archenhold. (Mit einer Duppel-Beilage). . 17 tischen Elemente. — Uber die Temperatur der Sonne 

2. Über den Einfluß der Sonne auf die Erde Von und Sterne. — Über die Lichlveränderung gewisser 
H. Osthoff. (Schuß) s 6 6. 2 2 2 2 en ne. 19 Satelliten in unserm Planetensystem. — Neue Fern- 

3. Zur Frage der Pendulationstheorie. Von Wilhelm rohre für das Sproul-Observatorium in Swarthmore 
Krebs, GroBflottbeR . . 2. 2 2 2 we ww ee 21 (Pennsylvanien) . 2 2 2 220. Fe er a re De 23 

Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer (Quellenangabe gestattet. 


(Über ausSedehnte SonnenfleckenSruppen und Fackeln 


am 29. September und 1. und 2. Oktober 129; 
Von Dr. F. S. Archenhold. 


(Mit einer Doppel-Beilage.) 


e wir wissen, daß sich in den Sonnenflecken interessante elektrische 
Strahlungen bilden können, die, wenn sie unsre Erde treffen, sowohl diese 
selbst als auch die atmosphärische Hülle in starker Weise beeinflussen, gewinnt 
die Verfolgung der Sonnenfleckengruppen immer mehr an Bedeutung. Die auf 
unserer Doppelbeilage wiedergegebene Sonnenfleckengruppe A ist schon deshalb 
von besonderem Interesse, da sie eine der größten ist, welche seit dem Jahre 1905 
auf der Sonnenscheibe erschienen sind. Sie konnte gerade noch von Beobachtern, 
die scharfe Augen besitzen, durch ein angeschwärztes Glas mit bloßem Auge 
auf der Sonnenscheibe gesehen werden. 

Wir bekommen eine richtige Vorstellung von der Längenausdehnung dieser 
Fleckengruppe A, wenn wir die in dem gleichen Maßstabe eingezeichnete Erde 
auf unserer Beilage mit derselben vergleichen. Letztere hat in Wirklich- 
keit einen Aquatoreal-Durchmesser von 12755 km, und da die Sonnenflecken- 
gruppe annähernd 16 mal so lang erschien, so hatte sie eine Mindestausdehnung 
von über 200000 km. Natürlich erscheinen die Flecken am Rande durch die 
perspektivische Wirkung bedeutend verkürzt, so daß sie in Wirklichkeit viel größer 
sind als die direkte Beobachtung erkennen läßt. Die Lage GE großen Sonnen- 
fleckengruppe A am 29. September 1910 nachm. Ah 35" und am 2. Oktober nachm. 
3h 53™ auf der Sonnenscheibe ist, wie ich sie mit dem Sucher des großen 
Treptower Refraktors gezeichnet habe, auch auf der Beilage wiedergegeben und 
daneben im kleinen Maßstabe die Erde, die in diesem Falle wie ein kleiner 
Punkt erscheint. Wir schen die Wanderung der Gruppe 4 in diesen wenigen 
Tagen vom östlichen Rande bis zur Mitte der Sonnenscheibe. Während am 


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= 18 = 


29. September außer der großen Gruppe A cine sehr schwache, nur kleine Kerne 
enthaltende Gruppe B und ein größerer Sonnenfleck C mit großem Kern und 
Hof sichtbar war, ist am 1. und 2. Oktober die Gruppe B auch im großen Fern- 
rohr unsichtbar gewesen; mit andern Worten: sie hatte sich aufgelöst. Die 
Gruppe C zeigte in ihrem Kern am 29. September nachm. Ah 40™ deutlich den 
Beginn einer Trennung. An diesem Tage waren in ihrer näheren Umgebung 
noch keine Fackeln zu sehen!), wohingegen am 1. und 2. Oktober sehr 
schöne Fackelgruppen in der Nähe dieses Fleckes auftraten, die auch auf Photo- 
graphien, welche ich bei einer Exposition von nur Lann Sekunde mit unserm 
großen Fernrohr im Brennpunkt gemacht habe, sehr gut zu erkennen sind. 
Der Durchmesser der ganzen Sonnenscheibe auf diesen Photographicen, die für 
spätere Ausmessungen der Lage der einzelnen Flecken ein gutes Material er- 
geben werden, beträgt 19,3 cm. Ein Abzug von einer dieser Aufnahmen ist im 
„Astronomischen Museum“ der Treptow-Sternwarte ausgehängt. Ihre Reproduk- 
tion würde zu große Kosten verursachen und auch nicht die Fleckengruppen so 
groß erkennen lassen, wie unsere Zeichnungen, da bei diesen der Durchmesser 
der Sonne auf dem Projektionsschirm, auf dem sie angefertigt sind, 120 cm beträgt. 

Eine genaue Beschreibung der Vorrichtung, welche an unserem Fernrohr 
angebracht ist, um die Sonne auf dem Projektionsschirm zu beobachten, ist in 
meinen früheren Publikationen bereits gegeben. Vgl. Jg. 3, Seite 57. Inbezug 
auf interessante Änderungen, die ich schon früher in den Sonnenflecken be- 
obachtet habe, vergl. auch noch: „Über eine ausgedehnte Sonnenfleckengruppe 
in hoher heliozentrischer Breite am 5. März 1902*, Jg. 2, Seite 149. „Über eine 
Sonnenfleckengruppe in hoher Breite, 1902, Nov. 21.—25.*, Jg. 3, Seite 57. „Mehrere 
größere Sonnenfleckengruppen vom 22. bis 29. März 1903“, Jg. 3, Seite 203. 
,sonnenflecken, Erdströme und Nordlichter“, Jg. 4, Seite 71. „Die vier Sonnen- 
fleckengruppen am 9. Februar 1905“, Jg. 5, Seite 183. „Der große Sonnenfleck‘“, 
Jg. 5, Seite 214. „Über die großen Sonnenfleckengruppen am 12., 15. und 18. Februar 
und das Nordlicht vom 9. Februar 1907“, Jg. 7, Seite 157. 

Es mögen noch einige Angaben hier folgen über das Aussehen der einzelnen 
Fleckengruppen. In der Gruppe A zählte ich am 29. September von Ah 30” bis 
35™ nachm. 46 Kernflecken und 5 in der Zeichnung erkennbare Höfe, während 
im Sucher nur drei kleine Flecken um diese Zeit an derselben Stelle zu sehen 
waren. Am 1. Oktober nachm. 4b 15" bis 20” betrug die Zahl der Kern- 
flecken in dieser Gruppe 58 und 9 Höfe waren zu sehen, die auch in unserer 
Doppelbeillage wiedergegeben sind. Am 2. Oktober nachm. Ah 45" bis 50" 
zählte ich noch 56 Kerne und 7 hofartige Erscheinungen. Die vielfachen Ver- 
änderungen, welche in dieser Hauptgruppe aufgetreten sind, lassen sich ja ohne 
weiteres durch Vergleich dieser Zeichnungen erkennen. Die starke Bewölkung 
am 30. September und nach dem 2. Oktober vereitelte die weitere Verfolgung 
dieser interessanten Gruppe. Die Gruppe B, die am 29. September nachm. Ah 45” 
von mir gezeichnet wurde, enthielt 11 ganz kleine Kernflecken ohne jede Hof- 
erscheinung. Sie hatte sich, wie schon erwähnt, in den nächsten Tagen völlig 
aufgelöst, was gerade bei so isoliert auftretenden Kernflecken ja schr häufig 
der Fall ist. 


1) Ich bemerkte unmittelbar am Rande in einer Entfernung von 2 cm gerade in der Richtung 
der sogenannten täglichen Bewegung zwei intensiv helle kleine Fackeln. Des Raumes wegen konnten 
sie auf der Tafel nicht reproduziert werden, aber in der Originalzeichnung ist ihre genaue Lage 
vermerkt. 


De, CO 


Gber den Einfluss der Sonne auf die Erde. 


Von H. Osthoff. 
(Schluß.) 


Gainne herrschen über den Ursprung der Cirruswolken noch Ver- 
mutungen. Aber da waltet kein Geheimnis. Es ist sicher, daß sie jeder 
herannahenden barometrischen Depression entströmen und ihr vorausziehen. 
Daneben entstammen manche im Sommer den Gewitterwolken. Endlich aber 
auch läßt sich unzweifelhaft die Neubildung von Cirren — nicht nur einzelner, 
sondern ganzer Decken — am blauen Himmel über uns verfolgen. Daß dies 
nicht allgemein bekannt ist, kann nur an der Art und Weise liegen, wie man 
beobachtet. Sich bildende Federwolken nehmen im allgemeinen langsam Ge- 
stalt an mit Ausnahme der fadenförmigen Streifen. Wenn ich diese auftauchen 
sah, schossen sie — wie schon erwähnt — der Länge nach mit einer fast blitz- 
ähnlichen Schnelligkeit über den Himmel, die bei der Berechnung eine wahre 
Geschwindigkeit von mehreren Kilometern in der Sekunde ergibt. Ein auf- 
merksamer Beobachter kann nun allerdings binnen wenigen Minuten den 
Himmel auch mit unterm dicken Gewölk sich beziehen sehen. Es genügt, auf 
die bekannte Wahrnehmung von John Herschel zu verweisen, der in der 
Nacht des 19. April 1827 am klaren Himmel ein Stratusgewölk sich im Osten 
bilden sah, das gegen den westlichen Horizont vorrückte und binnen 8 Minuten 
den ganzen Himmel einnahm. Das war, wie in allen ähnlichen Fällen, natürlich 
nicht die Bewegung der Wolkendecke, sondern es war die so schnell fort- 
schreitende Verdichtung des unsichtbaren Wasserdampfes zu sichtbaren Wolken. 
Der eigentliche Fortzug, das Schwimmen der Wolken auf einer Luftströmung, 
ist verschieden davon. Ratselhaft aber wird jener Vorgang, wenn er bei den 
Cirren in schnurgrader langer Fadenform plötzlich mit einem Ruck vor sich 
geht. Ohne Zweifel ist auch das nur ein Kondensationsvorgang. Aber warum 
so rasend schnell und warum in Linienform? | 
Unwillkürlich denkt man dabei an das Aufschießen der Nordlichtstrahlen, 
wie ja überhaupt die äußere Ähnlichkeit der Polarlichter und der Cirruswolken 
oft überraschend groß ist. Tatsächlich haben manche Beobachter eine unmittel- 
bare Verbindung zwischen Cirren und Nordlichtern geschen. Die Angaben da- 
rüber lauten zu bestimmt und sind von so eingehenden Schilderungen begleitet, 
daß ein Zweifel ausgeschlossen ist. A. von Humboldt hielt auf Grund seiner 
Erfahrungen die in Reihen geordneten feinsten Schäfchenwolken für die Träger 
des Lichts. Abercromby sah am 3. September 1885 bei den Lofoten eine 
dünne Dunstschicht, „zu strukturlos, um Cirrus genannt zu werden“, in Ver- 
bindung mit einem Nordlicht. Viele Beobachter fanden die Lichtstrahlen dann 
am lebhaftesten, wenn ein blasser Cirrusdunst den Himmel bedeckte, so dünn, 
daß er sich nur durch optische Erscheinungen um den Mond verriet. Wiederum 
hielten andere die langen Polarbanden für das dem Nordlicht zugrunde lie- 
gende Gerüst. Nicht selten fanden sich bei Tagesanbruch Cirruswolken von 
gleicher Gestalt vor, wie sie an derselben Stelle nachts das Polarlicht gezeigt 
hatte. Aus diesen verschiedenen Mitteilungen folgt, daß es auf die Gestalt 
der Cirren nicht anzukommen scheint, und das ist klar, wenn man die oft 
schnellen Formänderungen kennt, denen sie unterliegen. | 
Nun sind aber diese den Zusammenhang beider Erscheinungen betonenden 
Angaben von andern Beobachtern bestritten worden; nach ihnen soll die Ver- 


— %ğ — 


bindung gar nicht bestehen. Der Widerspruch läßt sich wahrscheinlich durch 
Berücksichtigung des Jahres des Sonnenfleckenzyklus oder der Relativzahl 
lösen. Wenn zur Zeit der Fleckenmaxima die Polarlichter häufiger sind, kann 
auch häufiger ein zufälliges Zusammentreffen mit gerade vorhandenen Cirrus- 
wolken eintreten. 

Die Cirruswolken ahmen die Polarlichter oft genug nach, ohne daß sich 
eine Lichterscheinung zeigt. Und während diese sich nur in der Richtung 
zum magnetischen Pol am stärksten entwickelt und die Scheitel der Licht- 
bögen stets die bestimmte Lage zu ihm besitzen, sind die Cirren an keine 
bestimmte Stelle des Himmels gebunden. Auch geht ihnen die innere Be- 
weglichkeit ab, welche die Polarlichter aufweisen. Allerdings gilt alles das 
nur von unsern geographischen Breiten, über denen auch die Höhenlage beider 
Erscheinungen sehr verschieden ist. Wenn die Cirren 9 bis 12 km hoch über 
dem Erdboden schweben, ist die Höhe der Polarlichter nach einigen hundert 
Kilometern zu bemessen. Aber in den Polargegenden spielen sich die Licht- 
erscheinungen in bedeutend geringeren Erhebungen ab, ja sie können sich 
dort unmittelbar über dem Erdboden entwickeln. Und gerade aus den Polar- 
gebieten stammen viele Berichte über die enge Verbindung zwischen Cirrus- 
gewölk und Polarlichtern. | 

Wie sich aus Versuchen ergeben hat, ist das Polarlicht ein durch Kathoden- 
strahlung hervorgerufenes elektrisches Leuchten der Luft, bei dem außer der 
Sonne als Hauptursache doch auch der Magnetismus der Erde durch Ausstrahlung 
nach dem Himmelsraum mitbeteiligt zu sein scheint. Wenn dieselbe Sonnen- 
strahlung auch dem Eisstaub in der Luft von ihrer Kraft mitteilt, ihn ionisiert 
und elektrisch leitend macht, könnte er die den Lichterscheinungen äußerlich 
gleichenden Formen annehmen und beide könnten gleichzeitig nebeneinander 
bestehen, ohne aber sonst etwas mit einander zu tun zu haben. 

Übrigens ist ein ähnlicher Formenwechsel, wie ihn die irdischen Cirrus- 
wolken durchmachen, seit längerer Zeit schon an den Flecken auf der Ober- 
fläche des Planeten Jupiter bekannt. Diese erscheinen in 11jähriger Periode 
abwechselnd zierlicher und mannigfaltiger und dann wieder schwächer ausgeprägt. 

Soweit es sich um die Aussendung einer zeitweise verstärkten Strahlenart 
handelt, die auf Polarlichter, Erdmagnetismus und Cirruswolken wechselnde 
Wirkung ausübt, ist am dirckten Einfluß der Sonnenflecke auf die Erde nicht 
zu zweifeln. 

Was aber die Erreger dieser Wirkungen eigentlich sind, wissen wir nicht 
sicher. Es ist auch noch nicht entschieden, ob die Fleckenperioden von außen, 
etwa durch die Planeten oder Meteorschwärme angeregt werden, oder ob die 
Anregung aus dem Innern des Sonnenkörpers selbst kommt. Beide Ansichten 
haben ihre Verfechter. 

Im Spektrum der Sonnenflecken erblickt man die Fraunhoferschen Linien 
verbreitert und verstärkt, außerdem treten auch neue Bänder auf. Aber neben 
verstärkten Linien werden andere blasser, ja die Wasserstofflinien können sogar 
hell erscheinen. Vor kurzem ist es Hale gelungen, im Spektrum der Sonnen- 
flecken den „Zeemanschen Effekte („Weltall* I, 77) aufzufinden. Zeeman 
hatte die Entdeckung gemacht, daß unter dem Einflusse magnetischer 
Kräfte die Linien eines Spektrums sieh nicht nur verbreitern, sondern bei 
stärkerer magnetischer Einwirkung sich spalten, verdoppeln oder weiter teilen. 
Durch Hales Wahrnehmung ist nun nicht nur ein Beitrag zur Erklärung der 


as: Of as 


Spektra der Sonnenflecken geliefert, sondern es ist damit der Nachweis erbracht, 
daß die Flecke magnetische Kraftfelder sind und sich wie Magnete verhalten 
müssen, wodurch weiter die aus den wahrnehmbaren Wirkungen geschlossene 
elektromagnetische Strahlung der Sonne auf eine bestimmte Quelle zurückgeführt 
wird. Die Ursache dieser magnetischen Kraitfelder wird wahrscheinlich in den 
gewaltigen Wasserstoffwirbeln um die Sonnenflecke liegen, die Hale in Sonnen- 
aufnahmen im roten Wasserstofflicht gefunden hat. 

Man pflegte bisher das Fleckenspektrum durch eine Zunahme der Absorption 
zu erklären, die ihrerseits die beste Erklärung durch eine Temperaturabnahme 
der Gase innerhalb der Flecken findet. Schon längst war man auf eine gewisse 
Übereinstimmung dieses Spektrums — wenn von Einzelheiten abgesehen wird — 
mit dem der Sterne vom Spektraltypus Hla aufmerksam geworden. Zu diesem 
gehören die orangefarbenen Sterne wie Beteigeuze im Orion, ferner auch viele 
veränderliche mit langer Periode, unter denen Mira im Walfisch der bekannteste 
ist, der zugleich als Vorbild dieser Klasse dienen kann. 

Da lag die Hypothese nahe, den Lichtwechsel dieser Sterne durch eine 
wechselnde Menge ähnlicher Flecken zu erklären, wie sie unsere Sonne zeigt. 
Man sah die Flecken als „Abkühlungsprodukte“ an — nach Belieben als Wolken 
oder Schlacken. Wenn die veränderlichen Sterne sich in ihrer geringsten 
Helligkeit befinden, würden sie am stärksten von Flecken bedeckt sein. Um- 
gekehrt erklärte man auch die Sonne ihrer wechselnden Fleckenmenge wegen 
für einen veränderlichen Stern mit 11jähriger Periode. Die Bildung solcher 
Abkühlungserzeugnisse auf einem Fixstern wäre als Zeichen des Alters zu deuten. 
Die Temperatur des Sterns nimmt ab, die Folge davon sind chemische Ver- 
bindungen der Gase in seiner Atmosphäre, begleitet von Absorptionserscheinungen, 
die das Licht zu dämpfen beginnen. Die rötliche Farbe erinnert dazu an einen 
von früherer Weibglut bereits bis zur Rotglut abgekühlten Körper. Im Wider- 
spruch damit steht aber die Tatsache, daß unsere Sonne gerade dann, wenn sie 
von der größten Fleckenmenge bedeckt ist, ihre größte Tätigkeit entwickelt, 
ganz abgeschen davon, daß zur sclben Zeit weder eine Abnahme des Tageslichts 
zu bemerken, noch eine Temperaturabnahme auf Erden mit Sicherheit nachzu- 
weisen ist. Je mehr Flecken, desto mehr und desto gewaltigere Umwälzungen 
im Innern des Sonnenkörpers, für uns in Fackeln und Protuberanzen, Gasaus- 
brüchen aus dem Sonneninnern, sichtbar. Die Folge davon sind Einwirkungen 
auf den Erdmagnetismus, die Polarlichter und Cirruswolken. 

Die größte Kraftentfaltung der Sonne gerade zu dieser Zeit verträgt sich 
aber schlecht mit der Annahme, die in den Flecken ein Zeichen von Alters- 
schwäche sieht. 


WW 


Zur Frage der Pendulationstheorie.’) 


Von Wilhelm Krebs, Großflottbek. 


Me Hinweis auf die mechanische Begründung des pendelnden Ausweichens 
eines rotierenden Systems, im besonderen des Schiffskreisels, ist Lesern, 
die sich in die Kreiseltheorie nicht eingearbeitet haben, nicht verständlich ge- 
worden. Leider hatte die Redaktion des „Weltall“ meine ausführliche Dar- 
legung der einschlägigen Punkte abgeschnitten und außerdem auch das Zitat 


1) Vergl. auch „Das Weltall“ Jg. 10, S. 115, 145 und 204. 


— 2 — 


dieser Darlegung, in Dr. Völlers Münchener Halbmonatschrift „Natur und 
Kultur“ vom 15. Januar 1910 durch eine andere Anmerkung ersetzt. 

Ich lasse deshalb die einschlägige Stelle wörtlich folgen: 

„Alle Räderdampfer zeigen bei aufmerksamer Beobachtung eine Reihe 
von Erscheinungen, die den Gesetzen der Schlingerbewegungen scheinbar 
widersprechen. Dahin gehört zunächst ihr beträchtliches seitliches Neigen beim 
Überlegen des Ruders. Die hierbei auftretenden Neigungen sind wesentlich 
größer als durch die Zentrifugalkräfte erklärlich erscheint. Die Räderdampfer 
zeigen ferner in der Fahrt eine merklich größere Periode (Verlangsamung:!) der 
Schlingerbewegungen als bei stillstehender Maschine, und sie rollen im all- 
gemeinen weniger als Schraubendampfer von ähnlichen Verhältnissen. Besonders 
der zuletzt erwähnte Umstand ist eine allseitig anerkannte Tatsache, weshalb 
Räderdampfer vielfach auch da noch verwendet werden, wo es längst vorteil- 
haft gewesen wäre, sie durch Schraubenschiffe zu ersetzen. Die Räderdampfer 
zeigen außerdem, wenn sic dem Seegang ausgesetzt sind, ein pendelndes Ab- 
weichen vom geraden Kurs, das man gewöhnlich dadurch erklärt, daß bald das 
eine und bald das andere Rad tiefer in die See eintaucht und so das Fahrzeug 
von der geraden Linie ablenkt.“ 

Das sind, mit den eigenen Worten des Erfinders, zitiert aus einer Ver- 
öffentlichung im Jahrgang 1906 der „Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure“, 
die Beobachtungen, die dem jetzigen Ehren-Doktor-Ingenieur der Technischen 
Hochschule, dem Hamburger Schiffbausachverständigen Otto Schlick, die 
Keime geschenkt haben zur Erfindung des nach ihm benannten Schiffskreisels. 

Eines der Kreiselgesetze besagt, daß die Achse eines rotierenden Kreises 
jeder Ablenkung Widerstand leistet. Die Räder eines Raddampfers wirken wie 
ein Doppelkreisel. Aus den erwähnten Unarten der Raddampfer konnte so- 
gleich eine Einschränkung gefolgert werden. 

Die Ebene jeden Rades steht senkrecht zu der Horizontalebene des Dampfers. 
Außer diesen beiden ist noch eine dritte, auf ihnen senkrechte Ebene möglich, der 
der Querschnitt des Schiffes angehört. Jene Unarten kommen darauf hinaus, daß 
eine Bewegung in dieser Querrichtung — das Rollen des Schiffes — den Kurs 
ändert, und daß umgekehrt eine Kursänderung eine dem Rollen entsprechende 
Neigung zur Folge hat. Der Scharfblick des Erfinders Schlick erkannte, daß das 
Kreiselgesetz gebunden ist an die Möglichkeit des Ausweichens in der 
dritten senkrechten Ebene, wenn man als erste die Rotationsebene, als zweite 
und dritte den Quer- und den Horizontalschnitt des Schiffes auffaßt. Der Versuch 
brachte die volle Bestätiguug des Schlusses. Ein Kreisel, der nieht in ent- 
sprechender Weise ausweichen kann, Jeistet keinen Widerstand mehr, sondern 
überschlägt sich beim Versuche des Umlegens. 

Erst durch diese Entdeckung wurde die Vergeblichkeit früherer Versuche 
erklärt, durch einen Rotationsapparat Fahrzeuge gegen Rollbewegungen zu 
schützen. Der Schlicksche Schiffskreisel ist deshalb in eine Kapsel eingebaut, 
die um eine, zur Rotationsachse selbst senkrechte Achse drehbar ist. Aus 
praktischen Gründen sind diese Richtungen so gewählt, daß jene eigentliche 
Kreiscelachse im Schiff von oben nach unten, diese Achse für die ausweichende 
Drehung dagegen von rechts nach links — von Steuer- nach Backbord — ge- 
richtet ist. Beide Drehungen, die der Rotation und die des Ausweichens, 
finden demnach in Längsrichtungen des Schiffes statt, die zueinander senk- 
recht stechen. 


me 28 ==. 


Doch ist auch damit der volle Erfolg noch nicht erreicht. Wie bei den 
gewöhnlichen Raddampfern wird durch diese Anordnung die Rollbewegung 
zwar verlangsamt, also gemildert, aber nicht aufgehoben. Auch das wurde 
durch den wissenschaftlichen Versuch bestätigt. Ein Kreisel wurde in einen 
beweglichen Rahmen gespannt und dieser mit einem Pendel verbunden. Durch 
die Rotation des Kreisels wurden die Pendelschläge verlangsamt. Eingeschränkt 
bis nahe zum vollen Verschwinden wurden sie erst dann, wenn die aus- 
weichende Bewegung durch dämpfende Bremsung erschwert wurde. Die Er- 
klärung ist, daß die Pendelbewegung — beim Schiff also die Rollbewegung — 
sich in die ausweichende Drehung umsetzt. Diese verlängert nur die Schwin- 
gungen und verlangsamt sie, solange sie ungestört bleibt. Durch Dämpfen 
wird die ausweichende Drehung aber in Wärme umgesetzt. Durch solches 
Verschwinden dieser mechanischen Bewegung wird dann auch die Rollbewegung, 
die den Anlaß gab, auf Nimmerwiederkehr vernichtet. — Soweit das Zitat. 

Das pendelnde Ausweichen eines rotierenden Systems, beim Neigen seiner 
Axe, ist demnach durch die Kreiselversuche und durch den Schiffskreisel des 
Herrn Dr. ing. Schlick aufs neue, erwiesen. Ts ist sogar der Kern der 
genialen Erfindung des Schiffskreisels. Seine Anwendung auf die rotierende 
Erde in der Form der Pendulations-Theorie der Herren Reibisch und Simroth 
ist also durchaus berechtigt. ` 

Eine wissenschaftliche Diskussion über Ansichten, die auf vollkommene 
Verkennung jener Tatsache und auf eine durchaus verkehrte Darstellung der 
Arbeit des Schiffskreisels hinauslaufen, ist unmöglich. Ihr Ausbleiben ist also 
nicht als Zustimmung aufzufassen. | 


Großflottbek, März 24. 1910. 


a. E 

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a& KEE EE SEIEN RER, Co x OT 

R NA NAN AN ANA NAN AN, INT NA - N. E 
FSEecssseccssese<ssssscee<gggeeessesiesiege<sssesseceeeseccee se 


Die Entdeckung cines neuen Sterns im Sternbilde des Schützen ist auf telegraphischem 
Wege aus Cambridge, Mass., der Kieler Zentralstelle gemeldet worden. Dieser neue Stern ist nach- 
träglich auf einer Platte vom 31. Mai 1910 von Frau Fleming entdeckt worden. Damals war der 
Stern 7. Größe, also hell genug, um schon mit einem kleineren Fernrohr gesehen werden zu können. 
Seine Position ist: Rektaszension = 17" 52™ 15° und Deklination = —27° 32.2‘. Er steht unweit 
des hellen Sternes y im Schützen und befindet sich wie fast alle neuen Sterne in der Milchstraße. 
Er hat die Bezeichnung Nova Sagittarii Nr.2 bekommen. Es war auch Frau Fleming, der die 
Entdeckung von Nova Sagittarii Nr. 1 im März 1899 gelungen ist und zwar auf einer Photographie, 
die bereits ein Jahr zuvor in Arequipa aufgenommen worden war. 

In früheren Zeiten wurden nur solche neuen Sterne entdeckt, deren Aufflammen aus dem 
Dunkel der Nacht schon mit unbewaffnetem Auge wahrgenommen werden konnten. Zu den be- 
kanntesten Erscheinungen dieser plötzlich auftauchenden Gestirne gehört der Tychonische aus dem 
Jahre 1572, welcher oberhalb der Cassiopeja stand und noch heller als der Sirius war. Die Nova 
Persei, welche am 21. Februar 1901!) zuerst von Anderson geschen worden ist, hat durch die im 
6. Jahrgang unserer Zeitschrift, Seite 24, abgebildeten Nebel, die sich um diesen neuen Stern aus- 
breiteten, die frühere Annahme zur Gewißheit gemacht, daß das Aufleuchten* dieser interessanten 
Gebilde dadurch hervorgerufen wird, daß dunkle abgekühlte Welten beim Durchmarsch durch 
kosmische Nebel zum Wiederaufglühen gebracht werden. So erklären sich auch die hellen Linien, 
welche zumeist in dem Spektrum der neuen Sterne geschen werden. r. S. A. 


1) Vgl. F. S. Archenhold: Jg. 1, S. 93: Der neue Stern im Perscus; Jg. 6, S. 171: Der neus 
Stern Nr. 2 im Adler 1905; Jg. 1, S. 108, 132, 222; Jg. 6, S. 64, 145. 


ee" "E a 


Die säcularen Aenderungen der erdmagaetischen Elemente von Dr. H Fritsche. (Aus- 
zug vom Verfasser). In der vorliegenden Publikation') habe ich versucht, die säcularen Aenderungen 
der erdmagnetischen Elemente fiir alle Zeiten naherungsweise zu bestimmen, insbesondere fir die 
Jahrhunderte vor der Epoche 1550 n. Chr., von denen wir fast gar keine Nachrichten über den Erd- 
magnetismus besitzen, indem Beobachtungen der Deklination erst um ca. 1500 n. Chr. beginnen. 
Ich ging davon aus, daß die Erde, was ihre Gestalt, Zusammensetzung, Temperatur etc. anbetrifft, 
seit vielen tausend Jahren. im großen und ganzen sich wenig verändert hat, und bewies an der 
Hand meiner früheren Publikationen dies speziell für den Erdmagnetismus während der Beobach- 
tungsperiode 1550 bis 1900, wobei ich auch an. den von mir sehr wahrscheinlich gemachten Satz 
erinnerte, daß seine Säcularvariation von Wanderungen der Wärme in der Erdrinde herrühre, und 
kam zu dem Schlusse, daß die erdmagnetischen Elemente in sehr verwickelter Weise, unperiodisch, 
wellenförmig im Laufe der Jahrhunderte hin und her schwanken und nach langen Zeiträumen zu 
denselben oder nahe denselben Werten zurückkehren, weshalb man fast immer nur einen mittleren, 
genäherten, nicht exakt den wahren Wert der Säcularvariation bestimmen kann. 


Da für eine bestimmte Epoche die erdmagnetischen Elemente, welche wir an einer unbe- 
grenzten Zahl von Orten an der Erdoberfläche beobachten können, von den Coefficienten g h der 
Theorie, deren Anzahl eine beschränkte, 46, ist, abhängen, so teilte ich letztere in drei Gruppen von 
24, 9 und 13 Gliedern und stellte die erste Gruppe durch eine 500jährige, die zweite durch eine 
700jährige und die dritte durch eine 900jährige Periode dar. Dazu bediente ich mich der Formel (1) 
g oder h = p% + ol cost‘ + q"’sint‘ + p® cos2t‘ fiir g und h der 500- und 900jährigen Periode, 
und der Formel (2) g oder h=p"® + p” cost + q sint+qsin2t' für die g und h der 700- 
jährigen Periode; worin p und q konstante, von der Zeit unabhängige, aus den gegebenen Werten 
gh der 8 Epochen 1550, 1600, 1650, 1700, 1780, 1842, 1885 und 1900 abzuleitende Größen bedeuten 
und t’ = resp. t, Së t, oder ot Grad, wenn t die Zahl der Jahre, von der Epoche + 1575 als 
Anfang gerechnet. Hieraus folgt, daß dieselben erdmagnetischen Elemente — nämlich das Potential 
P, der ideale Maguetismus F, die nördliche Componente X, die westliche Y, die vertikale Com- 
ponente Z, die Deklination J, die Inklination i, die horizontale Intensität T und die ganze Intensität 
I — erst nach Verlauf von 5.7.900 oder 31500 Jahren in derselben Reihenfolge wiederkehren. 


Es sind also die verhältnismäßig kurzen Perioden von 500, 700 und 900 Jahren der Coefficienten 
gh der Theorie von mir dazu benutzt, um die daraus sich ergebenden Elemente PFXYZsiTI 
in langjähriger Periode darzustellen, etwa wie Ptolemäus sich der Epicyclen — an deren Realität 
er wohl selbst nicht geglaubt hat — bediente, um die verwickelten Bewegungen der Planeten 
approximativ zu bestimmen. 


Die Verteilung der 46 Coefficienten g h der Theorie in die genannten 3 Gruppen habe ich 
derart vorgenommen, daß die die ganze Periode umfassenden Werte der Funktionen g und h über die 
Grenzen der während des Zeitraumes 1550 bis 1900 beobachteten g und h möglichst wenig hinaus- 
gingen. Dies ersieht man aus Tafel (1) und den Tafeln (le (Die (10)& der vorliegenden Publikation, 
wo die Größen g und h für alle Zeiten t der drei Perioden, nach obigen Formeln (1) und (2) be- 
rechnet, angegeben sind. 

Aus (ie, (9)a und (10)« habe ich sodann die 46 Werte g h der 27 Epochen: — 2700, — 1100, 
— 900, — 700, — 560, — 300, — 100, + 100, + 300, + 500, + 700, + 900, + 1000, + 1100, + 1200, 
+ 1300, + 1400, + 1500, + 1550, + 1600, + 1650, + 1700, + 1780, + 1842, + 1885, + 1900 und 
+ 1925 interpoliert und damit für die Breiten $ = + 50°,2 + 45°,2 + 40°.2 + 350,2 + 30%2 + 20°1 und 
0° die nördliche Componente X, die westliche Y und vertikale Z als Funktionen der Länge A be- 
rechnet, nämlich: 


X=k + k cos 1 +K, sin, +k, cos22+K,sin2)...... + k,cos 521 + K; sin 57 
Y= l cos 2 + L, sin +L cos27,+L,sin2j...... + l cos 52 + L; sind} 
Z= m, +m, cos A + M, sin +m, cos 23 +M,sin24...... +m; cos 52 + M; sin54 


wo kim KLM nur von g abhängen. 


Mit Hilfe dieser Gleichungen habe ich nun endlich die Deklinationen 4, die Inklinationen i 
und die Intensitäten T und I abgeleitet für Südostasien und das Mittelmeergebiet, von denen uns 


') Dr. H. Fritsche. Die säcularen Aenderungen der erdmagnetischen Elemente. Mit 4 Iso- 
gonenkarten des Mittclmeergebietes für die Epochen 1200, 1300, 1400 und 1500. Riga 1910, gedruckt 
in der Müllerschen Buchdruckerei (Herderplatz Nr. 1). 


ur (208 


Nachrichten, wenn auch sehr spärliche, über den Erdmagnetismus aus Zeiten vor + 1500 über- 
kommen sind, 

Im chinesischen Reiche, wo der Kompaß schon um 1100 v. Chr., vielleicht schon viel früher, 
bekannt war, dürfte die Deklination nie bedeutende numerische Werte erreicht haben, da die Chi- 
nesen, welche auch bei bedecktem Himmel über die 4 Himmelsgegenden NOS W gut orientiert sind, 
sie beim Bau der Häuser stets berücksichtigen, die Wegrichtung danach angeben etc., große Ab- 
weichungen der Kompaßnadel von der Südrichtung gewiß bemerkt und in ihrer Literatur überliefert 
hätten. Dies stimmt auch mit der folgenden von mir berechneten Tafel (3), welche ich aus Tafel (14) 
p. 13 meiner Arbeit, entlehnt habe: 


Tafel (3). Deklination J. 


Epoche Breite p = + 40°,2 p = + 2001 p = 00 
Länge A= 105° | 120° 105° | 1209 105° 1200 

—2700 —19,27 —0°.46' 

—1100 +5 .59 +29 

— 700 —2 42 +3 .51 

— 100 +4 Ap +3 18 

+ 300 +6 .53 . 

+1100 

+1200 

+1300 

+ 1550 

+1600 

+1650 .32 

+1700 +1.19 0.0 | +0.1 

+1780 —0 .22 +1.33 | —0 .48 

+1842 —1.0 +2.18 | —1 20 

+ 1885 —0 .46 +3 .24 | —1 36 


Grade und Minuten der Deklination ð der Tafel (3) sind durch Punkte getrennt. 


Im Nordosten des eigentlichen Chinas war also d vorwiegend stets westlich und zu Peking 
in den Jahrhunderten n. Chr. immer westlich, um das Jahr + 1150 gleich +6° und um + 1300 gleich 
+ 12%, während die Chinesen um + 1150 in China (wo?) 8 = + 15° beobachtet haben, wie der 
Sinologe Klaproth berichtet! 

Was ferner die Deklination im Mittelmeergebiet anbetrifft, so habe ich in der körliegenden 
Arbeit zwei ausführliche Tafeln (19) und (20) pag. 17 und 18 für die Breiten $ = + 5002, + 450,2, 
+ 400,2, + 350,2, + 30°,2 und Längen A = 0°, 70,5, 15°, 220,5, 30°, 370,5, für 21 Epochen zwischen 
+ 1000 und + 1925 gegeben, wovon ich hier nur die 7 Epochen zwischen den Jahren + 1200 und 
+ 1500 in der Tafel (4) mitteilen werde. 


Tafel (4). Deklination d in Graden und Zehntel-Graden. 


Breite y= + 502 2 Breite p = n 45°. 2 
Epochel à = 0°| 70.5 | 15° | 220,5 370.5 [EpochelA = 0°! 7.5 | 15° | 2205 | 30° | 3705 
+ 1200 |+ 3°.1 — 1°5 — 5°.6 |— 9.0 |}—11°.8 —14°.0 | +1200 |+ 39.8 |— 09.3 \— 39.8 !— 60.8 |— 99.3 |—11°.3 


+1250 |— 1.6 |— 6.3 —10 2 |—18 .2 |—15 .5 |-17..1|+1250 |— 0 3 |— 4.5 |— 7.9 |-10 5 |—12 .3 |—13 .3 
+1300 |— 5 .2|— 9 8 |—13 .6 |—16 .2 |—17.8|—18 .4 | +1300 |— 3.6 — 7.7 1-10 .9 j- 13 1 |—14 3 |—14 5 
+1350 |— 8.5 |—12 .9 |—16 .0 —17 8 |—18 .4 |—18 0 | +1350 |— 6 .9 |—10 8 |—13 5 —15 .0 |—15 .2 ;—14 .2 
£1400 11 114.9 .2 —18 2 |—17 5 |—15 -3 | +1400 |— 9.5 12.9 |- 15 0 |—15 6 —14 .9 |— 12.8 
+1450 --12 .7|—15 8 |—17 .3 |—17 .1 |—15 .4 |—12 .2 | +1450 |—11 .0 |—14 0 |—15 4 |—15 .1 |—13 .2|— 9.7 
+1500 |—13 .1 |—15 .6 |-16 3 ---15 .0 |-11.9 |— 7.0] +1500 |—11 6 |-13..8 |—14 4 |—13 2 |- 10 4|- 6.0 
Breite pọ = + 40°.2° p = + 35°2 
+1200 |+ 49.4 + 0°.7 Z 20.5 |— 50.2 |— 70.4 |— 80.9 [+1200| +4°.9 + 12.6 |— 10.3 |— 30.8 — 509] — 70.5 
+1250 |+ 0.7 — 3.0 |— 6.0 j~ 8 .3'— 9.9 |—10 .8 | +1250] +1.6 — 18 — 4.5|— 6.6 - 8.0; -8 8 
+1300 |— 2.2 '— 5.8 ;— 8.8 |- 10.8 |—11 .7 |—11 .6 |+1300| —1.0 — 4.5j- 7.1 8 8 — 95) 9.2 
+1350 |- 5.4 - 90-11 „4 |—12 7-12 8-11 .8 | +1350| — 4.1 1— 7.5 |— 9.7.—10.8 -10.8| —9 .7 
41400 |— 8.01-11 3|-13 .2 —13 .7 i—12 .9 |-10 8|+1400| —6 .7 |— 9.8 |-11.6 ER -11.3) —9 2 
+1450 | - 9 .6 —12 .3 —13 .6 —13 3—11 .7 ;— 8.8 | +1450| —8 .5 |—11 .1 |—12 3|-12.0.-10.4| —7 .5 
+1500 |—10 .2 |-12.3,—12.8|—11.8 — 9.2 |— 5 .1]+4+1500] —9 1 |—11 .0 |—11.5|-10. 5 |— 8.1| —4.3 


— 2X% — 


Tafel (4). Deklination ð in Graden und Zehntel-Graden. 


p = + 300.2 


Epoche 150 mun" mmm l! "Toon 
41200 | $523 | +23 | — 008 | — 26 | 95 | - 6 
+1250 | 424 | -0O7 ,—32:—51 | —63 —69 
+1300 0.0 —3 .3 = 6.7,—72 At —ī 2 
+50 | -239 eGo) tt dt |280 
AAO bt, en 10 Lett ër 0 
+1450 | -7.2 | -98 ,—-11.0 | —10.6 > —8 9 | -5.9 
+1500 | —7.9 | = ey ea ee 


Die Deklinationen de der Tafel (20), welcher die vorstehende Tafel (4) entnommen ist, lassen 
sich leicht darstellen als Funktion der Zeit in SOOjahriger Periode durch eine Reihe mit nur 5 Gliedern 
von der Form de = pl) + pl) cos t+ q sin t+ pe) cos 2t’+q%) sin 2 (wo t = 09.45, t das 
Jahr in der Periode von S00 Jahren und p q konstante, von t unabhängige Größen); welche Formel, 
wenn man dr mit den in der folgenden Tafel (5) gegebenen numerischen Werten p q berechnet, 
von den Tafelwerten (20) oder (4) durchschnittlich nur um + 0%8 abweicht. Man darf dies als 
eine Bestätigung der in (20) und (4) enthaltenen, vermittelst der drei Perioden der Coefficienten g h 
von 500, 700 und 900 Jahren abgeleiteten Deklinationswerte betrachten. 


Tafel (5). py in Graden und Bruchteilen ven Graden, 


LängeA = 30° 
Anfangsepoche + 1120, 
wo t=0 ist. 


Länge A = 00 


Länge A = 15° 
Anfangsepoche + 1270 


Anfangsepoche + 1175 


Breite p = + 5002 + 402 + 3092 fy = +5082 4 4002 +4 302 [p= +5002 44002 + 302 
po) H mat + 3010 Tl 31T 09T + (Ant Än — 22.19 — 09.05 
po f= 2.26 — 2.24 — 1864 4.34 +3.64 +3.204 4.05 +3.50 + 3.09 
(UU 16.02 =—14.25 —12.47|—15.52 —13.57T —12 20|—13.47 —11.57 —10 .32 
p> j- 0.97 — 1.20 — 1.577 - 1.95 — 2.67 — 35|- 0.12 — 1.65 — 2.52 
ui j+ 2.50 + 2.62 + 2.40|— 0.30 +0.22 4+ 0407-020 — 0.17 — 0.1% 


Die Differenzen zwischen den höchst spärlichen Angaben inbetreff der beobachteten Dekli- 
nation vor der Epoche + 1500 oder zwischen ð» und der von mir berechneten de sind folgende: 


dr — dt 
ðb beobachtet von Columbus im Jahre 1492 bei der Insel Corvo + 195 
ð» nach Angabe von P.de Maricourt in Italien (Rom?) im Jahre 1269 —1.% 
Ob, e P „ zu Paris, im Jahre 1269 . . +25 
Mittel de — di = 722.2, während ich 
für die zahlreichen Messungen der 5 Epochen 1550, 1600, 1650, 1700 und 1780 dr — db = + Ur, 


also nur "/, Grad weniger erhielt. 


Was nun die italienischen Seekarten des Mittelalters (Portolanen) anbelangt, so sind sie, nach 
den Forschungen der Geographen sehr wahrscheinlich im 13. Jahrhundert entstanden, waren Ende 
desselben definitiv ausgebildet mit Hilfe des um ca. 1200 n. Chr. in Gebrauch gekommenen Kom- 
passes, und die Karten des Mittelmeergebietes späterer Zeiten, bis etwa 1600, sind bloße Kopien 
der von 1300 ohne wesentliche Veränderungen. Nach den von mir berechneten Tafeln der Deklination 
[cf. Tafel (4) und (20)] fand im Mittelmeergebiet um das Jahr 1400 ein langdauerndes Maximum der 
östlichen Deklination ð, ca. — 15° statt, so daß sich d von 1300 bis 1500 sehr wenig änderte: wo- 
durch es erklärlich wird, daß nach dem 13. Jahrhundert auf den Seekarten keine wesentlichen Ver- 
besserungen vorgenommen wurden. Professor K. Kretschmer hat seinem im vorigen Jahre cr- 
schienenen Werke. betitelt: „Die italienische Portolane des Mittelalters“ (Berlin 1909), die Kopie einer 
italienischen Seekarte aus der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts beigegeben. Nahe ihrer Mitte ist 
eine Kompaß-Strichrose mit 16 Durchmessern gezeichnet, die untereinander alle einen Winkel von 
II, Grad bilden und sich über die ganze Karte, auf welcher weder Meridiane noch Breitenkreise 
aufgetragen. erstrecken. Einer dieser Durchmesser geht durch das Zentrum c der Strichrose und 
durch den Mittelpunkt d des nördlich über c stehenden Sternes « und außerdem sind in Abständen 
von 79 mm im Osten und Westen von dc sieben zu dc parallele Gerade von N nach S über die 
ganze Karte ausgezogen. Ich habe nun angenommen, daß diese 8 unter sich parallele gerade 
Linien, wovon eine d e, durch den Stern » geht. die Richtung der Kompaßnadel repräsentieren und 
daß diese Richtung bei der Konstruktion der Karte als überall gleich vorausgesetzt wurde. Mit 


— 7 — 


Hilfe des Stielerschen Atlas und der Küsten der Inseln und des Festlandes habe ich 3 möglichst 
richtige Parallelkreise auf die mittelalterliche Karte aufgetragen: im westlichen Mittelmeer unter der 
Breite P = + 40° und Längen 4 = ( bis 15° E. v. Gr: im östlichen Mittelmeer von A 15° bis 40° für 
p = + 35° und im Schwarzen Meer unter der Breite + 45°, und habe die Senkrechten auf diese 
3 Parallelkreise als astronomische Meridiane betrachtet. Es ergab sich, daß auf der Portolane die 
Deklination dk überall östlich, negativ war. 

Die folgende Tafel enthält die Werte von ðk, sowie die von mir berechneten dr der Epoche 
+1300, der Zeit der Ausbildung der Portolane. 


Länge = | o 5O 100° 150 A=15° 21° 26° 30° 350 1A om 870E. v. Gr. 
arte dk —2°.5 — 4.5 —6°.0 —6°.5 | - 80.5 — 100.6 — 120.0 —132.0 — 139.0) —1300 —14°.0 
Rechnung dr !—1.2 —4 .6 —6 .8 —8 8 -7.1—- 85 —- 91— 9.5— 9.3 —14.4 —145 
F13-01-08-237147 21729735737 14 — 05 


Die Differenz dr — ók ist also im Mittel aller 11 Werte nur + 10.8. 

Nach Steger, welcher eine Anzahl mittelalterlicher Kompaßkarten mit Meridianen und Parallel- 
kreisen versah, ist der Orientierungsfehler im westlichen Teile des Mittelmeeres 6° bis 7°, im Tyr- 
rhenischen Meer 8 bis 9 Grad und im Levantemeer bis 110. Dies stimmt also hinreichend genau’ 
mit meinen Rechnungen. 

Zum Schlusse meiner Arbeit bringe ich in den acht Tafeln (23) bis (30) die erdmagnetischen 
Elemente X Y Z 6 i TI zur Epoche 1925 für die ganze Erdoberfläche, berechnet in Länge und 
Breite von 10 zu 10 Grad mit den Werten der Coefficienten g h der Theorie, welche ich auf Grund 
der 3 Perioden 500, 700 und 900 Jahre für g h gefunden habe; und außerdem habe ich vier 
Isogonenkarten des Mittelmeergebietes für die Epochen 1200, 1300, 1400 und 1500 dem Werke 
angefügt. 

Von besonderem Interesse dürfte die folgende Zusammenstellnng (6) der Coordinaten $ und 
4 der magnetischen Erdpole sein, wie sie sich nach meinen Rechnungen ergeben. 


Tafel (6. 


Südpol 
Breite p | Länge A 
— 759.5 160°.0 


Nordpol 
Breite p | Länge 4 


—80 A 209 A 
— HU .4 202 .0 
— 77.8 155 0 
- 75 0 162 0 


+80°.0 100°.0 | — 699.0 158°.0 
+76 .3 241.9 | —8l 4 205 .5 
+78 NM 239 0 | —81 3 190 .5 
+80 .2 248 .8 | —80.5 180 0 

155 .2 


+1300 
+1550 
+1600 
+1650 
+1700 


Die Werte der ersten 6 Epochen und die der Epoche + 1925 sind mittelst der 3 Perioden 500, 
700 und 900 Jahre der Coefficienten g h abgeleitet, die übrigen meinen früher publizierten Schriften 
entnommen. Hiernach variierte die Lage (y, A) der beiden erdmagnetischen Pole im Laufe der 
4625 Jahre — vom Jahre — 2700 bis +1925 — welche obige Tafel (6) umfaßt, zwischen nachstehenden 
Grenzen: 
Nordlichste Lage d.magn.Nordpols$ = + 879.0 Epoche + 700, d.magn Südpols p = — 69°.0Epoche + 1300 
Siidlichste , , , » f=+68.0 , +10, ,» sw P=—8l4 » +1550 


Westlichste Lage d. magn. NordpolsA = 100°.0Epoche + 1300, d.magn. Südpols? = 1440.6 Epoche + 1780 
Qestlichste , , , « 2=2665 , + 10,, , „ A=209.0 „ —1100 


Ss OR). se š 


Die Schwankungen in der Position des magnetischen Nordpols betrugen demnach im Maximum 
in Breite Jy = 190.0 in Länge 44 = 166,°5, die des magnetischen Südpols 4 p = 1294 und 4A 
= 64,4, waren also, ähnlich wie die jährlichen Temperaturschwankungen der Luft am Nordpol be- 
deutend größer als am Südpol. Endlich ist noch bemerkenswert, daß um das Jahr 2700 vor Christus 
beide magnetischen Erdpole sehr nahe dieselbe Lage hatten wie in der Jetztzeit, um 1900. 


x + 
* 


Uber die Temperatur der Sonne und Sterne stellte M. Nordmann an der Sternwarte zu 
Paris neueste photometrische Messungen an. Nach zunehmender Temperatur geordnet ergibt sich 
folgendes Bild: 


Temperatur Temperatur 
Stern Grad Stern Grad 
o im Perseus. . . . 2870 WORE 0: we es ae ee y 12 200 
E - Cepheus . . . . 4260 8&8 im Perseus... . 13 300 
ô - Cepheus . . . 48550 y in der Leier . . . 14 500 
Sonne ..... . 65820 ` e im Perseus... . 15 200 
y im Schwan. . . . 5620 ô - Perseus. ... 18 500 
ð - Cepheus . . . 6900 2 - Stier. . . . „über 40000 
Polarstern . . . . . 8200 


Bei diesen hohen Temperaturen ist die jüngst geprägte Bezeichnung „Sternöfen“ für solche 
heißen Sonnen nicht ohne Berechtigung. 


* x 
* 


Uber die Lichtveränderung gewisser Satelliten in unserm Planetensystem stellt See 
eine neue Hypothese (A. N. 4448) auf, da die bisherigen Erklärungsversuche nicht befriedigend aus- 
gefallen sind. Die Entfernungen der Monde sind mit Ausnahme unseres eigenen Mondes so groß, 
daß größere Einzelheiten auf der Oberfläche derselben nicht beobachtet werden können. Aus ihrer 
Lichtschwankung lassen sich jedoch gewisse Schlüsse ziehen. Es ist anzunehmen, daß die kleinen 
Monde durch Gezeitenwirkung ihres Planeten sehr bald.ihre Axendrehung verloren haben. Ein 
besonders auffälliges Beispiel für die Veränderung der Helligkeit bietet der Saturnsmond Japetus 
dar. Schon bald nach seiner Entdeckung von Cassini im Jahre 1671 war er so schwach, daß er 
einige Jahre als verloren galt. William Herschel bestätigte die spätere Beobachtung Cassinis, 
daß dieser Mond in der einen Hälfte seiner Bahn regelmäßig unsichtbar wurde, was See damit 
erklärt, daß dieser Satellit dem Saturn immer, wie unser Mond der Erde, dasselbe Gesicht zeigt und 
daß die eine Hälfte viel dunkler als die andere ist. Die dunklere Hälfte besteht hiernach aus so- 
genannten Meeresflächen, deren Boden das Licht nicht so stark reflektiert wie die andere Seite. 

Auch bei den andern Saturnsatelliten, ebenso wie bei den Jupitertrabanten, fällt die Beziehung 
der Helligkeitsschwankungen zu den Stellungen der Satelliten in ihrer Bahn auf und zwar ist diese 
Beziehung um so stärker ausgeprägt, je kleiner der Abstand von den Planeten ist. Guthnick 
nimmt an, daß eine starke Abweichung von der Kugelgestalt bei einer Erklärung der Helligkeits- 
schwankung der Satelliten eine gewisse Rolle spielt. Es müssen weitere Beobachtungen abgewartet 
werden, bevor eine alle Beobachtungen befriedigende Erklärung dieser hochinteressanten Licht- 
veränderlichkeit der Satelliten gegeben werden kann. 


* x 
* 


Neue Fernrohre für das Sproul-Observatorium in Swarthmore (Pennsylvanien) sind 
vom Staatssenator W. C. Sproul in Cester, Pa. und Herrn Stephen Loines in New-York gestiftet 
worden. Is handelt sich um einen 24zölligen Refraktor, der in den Brashearschen Werkstätten in 
Allegheny angefertigt wird, und um einen neuen Reflektor. Der Direktor des Observatoriums 
LA Miller, Professor der Astronomie am Swarthmore College, ist besonders bekannt wegen seiner 
Doppelsternmessungen und Sternschnuppenbeobachtungen. Miller hat schon mit dem früher von 
W. C. Sprove der Sternwarte geschenkten Brashearschen neunzölligen photographischen Doppelt- ` 
refraktor sehr schöne Aufnahmen des Kometen Morehouse erhalten, die die Sprengung des Schweifes 
dieses Kometen in zwei Teile am 15. Oktober 1908 deutlich erkennen lassen. Auch hat Miller in 
seiner früheren Stellung als Direktor der Kirkwood-Sternwarte in Bloomington Gelegenheit gehabt, 
mit dem dortigen 12zölligen Refraktor zahlreiche Doppelsternmessungen anzustellen und auch schöne 
Photographien vom Monde und von Nebelflecken anzufertigen, sodaß die neuen Instrumente in die 
Hände eines erfahrenen Beobachters gelangen. F.S. A. 


Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F. S. Archenhold, Berlin-Treptow, für den Inseratenteil: M. Wuttig. Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW, 


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Ilustrierte Zeitschrift für Astronomie.und verwandte 
Herausgegeben von | 
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 3. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1910 November 1. 
d Berlin-Treptow. KEE 


Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnemenispreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Trepiow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post- 

Zeitungsliste alphabetisch eingeordnel). Einzelne Nummer 60 Pie. — Anseigen-Gebühren: 1 Seile 80.— Mk., Uu Seile 45.— 
Ma Seite 25.—, 1/ Seite 15.—, yg Seile 8—. Bet Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewicht. 


INHALT 

1. Einiges von den flüssigen Krystallen. Von Dr. Werner September -Meteoren — Über Sonnenflecken und 

- Mecklenburg. » 2 2 we rennen 29 Witterung — Eis- und Wetterbericht von dem Nordatl. 

2. Weitere Mitteilungen über den Veränderlichen de Lyrae. - Osean und Europa. — Über die vierte Versammlung 
Von Leutnant G. von Stempel . . . . » 2... 34 der internationalen Vereinigung für kooperative 

3. Der gestirnte Himmel im Monat Desember 1910. Von Sonnenforschung . , . = 2 2 ss le... 40 
Dr. F. S. Archenhold. . 2. 6 2 2 2 220.0... 35 | 5. Mathematische und astronomische Unterrichiskurse 

4. Kleine Mitteilungen: Eine definitive Bahnbestimmung von Doc. Dr. F. S. Archenhold, Direktor der deeg 
des Kometen 1823. — Neue Bahnbestimmungen von ` ` Sternwarte. . . 2 2 2 1 + 2 © ww oť .. . . 4 


Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet. 


Einiges don den flüssigen Krystallen. 


Von Werner Mecklenburg. 


Einleitung. 


Wy ein fester Körper ist, das glaubt ein Jeder zu wissen, und doch gibt ` 
es Fälle, in denen man sich mit Recht fragen muß, ob ein Körper, der 
einem vorliegt, tatsächlich das Prädikat „fest“ verdient. So sei z.B. an den in 
der Natur vorkommenden Asphalt erinnert: Manche Asphaltsorten machen, wenn 
man sie sieht und befühlt, durchaus den Eindruck von festen Stoffen. Breit- 
haupt hat die Härte von Asphalten bestimmt; sie schwankte bei dem von ihm 
untersuchten Proben zwischen 2 und 4, d.h. der Asphalt war so hart, er setzte 
dem Eindringen eines festen Körpers einen so großen Widerstand entgegen, 
wie der Gips mit der Härte 2, eine Kupfermünze mit der Härte 3 oder gar der 
Flußspath mit der Härte 4. Der berühmte Asphalt- oder Pechsee von La Brea 
auf der Insel Trinidad, ein großer kreisförmiger See, dessen Durchmesser etwa 
eine halbe Meile beträgt, wird folgendermaßen beschrieben!): „Man denke sich 
einen See inmitten eines holsteinischen Torfmoores, man ersetze in der Phantasie 
das Wasser durch eine rötlichbraune zähe Flüssigkeit, die in einem ewigen 
langsamen Sieden und Brodeln begriffen ist und auf deren Oberfläche kleinere‘ 
und größere Inseln von bereits in der Erstarrung begriffenem Erdpech treiben; 
rund herum eine Zone von hartem, beschreitbarem, aber noch eindrucksfähigem, 
mit der Hacke zu bearbeitendem Asphalt, der wieder etwas weiter nach außen 
vom See steinhart wird.“ Der Asphalt ist also offenbar bei gewöhnlicher Tem- 
peratur durchaus als fester Körper zu bezeichnen. Und doch, läßt man. ein Stück 
dieses harten Asphalts längere Zeit liegen, so sieht man, wie die vorher scharfen 


1) Zitiert nach Köhler: Chemie und Technologie der natürlichen und künstlichen Asphalte. | 
Braunschweig 1904, S. 24. 


ds G0 ee 


Kanten der Bruchflache sich allmählich abrunden, wie das ganze Stick unter 
der Wirkung der Schwerkraft allmählich nach den Seiten hin auseinander- 
lauft und auf der Unterlage schließlich wie etwa ein Wassertropfen eine ganz 
flache Scheibe bildet. Diese Erscheinungen sind nun wieder mit dem Begriff 
eines festen Körpers nicht vereinbar, Ferner kann man, worauf schon 
Maxwell die Aufmerksamkeit gelenkt hat, den harten, festen Asphalt mit 
steigenden Mengen des zähflüssigen Teers mischen; man erhält dann Stoffe, 
deren Festigkeit, Härte und Flüssigkeitsgrad zwischen denen des Asphalts und 
des Teers liegen, und verdünnt man endlich den Teer mit Benzol, so kommt 
man mit wachsendem Benzolgehalt zu immer leichter beweglichen Flüssigkeiten 
Kurz, nicht nur können wir nicht mit Bestimmtheit sagen,- ob der Asphalt fest 
oder flüssig ist, sondern wir können auch alle möglichen Übergänge zwischen 
dem uns in erster Linie doch als fest erscheinenden Asphalt und so leicht be- 
weglichen Flüssigkeiten wie dem Benzol verwirklichen. Ähnliche Beobachtungen 
können wir an dem gewöhnlichen Glase machen: Erwärmen wir das un- 
zweifelhaft feste, harte Glas, so wird es mit steigender Temperatur: weicher 
und weicher und geht allmählich in eine tropfenbildende Flüssigkeit über. 
Also auch hier wieder die Unmöglichkeit, die Grenze zwischen fest und flüssig 
anzugeben. 

Aus dem Gesagten darf man nun aber keineswegs den Schluß ziehen, daß 
der Übergang aus dem festen in den flüssigen Aggregatzustand immer allmählich 
oder kontinuierlich erfolge, im Gegenteil, in den meisten Fällen geschieht die 
Umwandlung eines festen Stoffes in einen flüssigen oder umgekehrt plötzlich 
Erhitzen wir z. B. metallisches Zinn, so behält es bis 232° seine Festigkeit, und 
bei 232° wird es auf einmal flüssig. Wir sagen, das Zinn schmilzt bei 232° und 
nennen die Temperatur, bei der es schmilzt, seinen Schmelzpunkt. Wir können 
demnach die festen Stoffe — das Wort „fest“ im gewöhnlichen Sinne des Wortes 
genommen — in zwei Klassen einteilen; in die eine Klasse gehören die Stoffe, 
die sich beim Erhitzen allmählich, und in die andere die, die sich beim 
Erhitzen plötzlich in Flüssigkeiten verwandeln. Die Stoffe der einen Klasse 
haben einen wohl definierten Schmelzpunkt, die der anderen nicht. Die 
weitere Untersuchung hat nun ergeben, daß der Unterschied zwischen den 
Stoffen mit, und denen ohne bestimmten Schmelzpunkt mit einem anderen 
wichtigen Unterschiede zwischen den beiden festen Stoffarten zusammenfällt: 
alle Stoffe, welche im festen Zustande krystallisiert sind, haben 
einen Schmelzpunkt, alle Stoffe, die im festen Zustande amorph sind 
haben keinen Schmelzpunkt. | 

Beispiele für krystallisierte Stoffe bilden der gewöhnliche Zucker oder das 
Kochsalz; ein Beispiel für den amorphen Zustand ist das Glas, der Asphalt oder 
der sogenannte Kandiszucker, der in bestimmter Weise aus dem krystallisierten 
Zucker hergestellt werden kann. Nun ist in den meisten Fällen die Ent- 
scheidung, ob ein Stoff krystallisiert ist, d. h. ob er Krystalle bildet, ziemlich 
leicht, aber trotzdem bietet die Aufstellung einer richtigen Definition des Be- 
griffes Krystall nicht unbeträchtliche Schwierigkeiten. In der Tat sind schon 
sehr viele Definitionen für den Krystallbegriff aufgestellt worden, ohne daß sich 
jedoch vollkommene Einigkeit bisher hätte erzielen lassen. Was uns bei der 
Betrachtung eines Musterkrystalles zunächst in die Augen fällt, ist die Be- 
grenzung durch ebene Flächen, die zu einem regelmäßigen Polyeder angeordnet 
sind. Indessen können wir die polyedrische ebenflächige Begrenzung allein 


— 31 — 


keineswegs zur Grundlage der Definition machen, denn wenn wir z. B. ein 
schönes Oktaeder aus Glas schneiden, so haben wir damit noch keineswegs aus 
dem Glase einen Krystall gemacht. Ein richtiger Krystall unterscheidet sich 
von einem Stück Glas, dem wir dieselbe äußere Form gegeben haben; vielmehr 
dadurch, daß erstens die äußere Form des Krystalles wesentlich durch seine 
stoffliche Natur bedingt ist — die äußere Form eines Krystalles ist eine Funktion 
seiner chemischen Zusammensetzung —, und zweitens dadurch, daß die Eigen- 
schaften eines Krystalles, so seine Härte, sein Verhalten gegen das Licht, 
gegen die Wärme, gegen elektrische oder magnetische Einflüsse, seine Festig- 
keit und Elastizität usw. von der Richtung abhängen: Parallele Flächen eines 
Krystalls, mögen sie nun natürlichen oder künstlichen Ursprunges sein, ver- 
halten sich gegen alle äußeren Kräfte gleich, während beliebige nicht parallele 
Flächen ein verschiedenes Verhalten zeigen. 

Wir wollen daher die Krystalle als Körper definieren, deren 
von ihrer chemischen Natur abhängige Eigenschaften ganz oder nur 
zum Teil eine Funktion der Richtung sind. 

Aus der vorstehenden Definition darf man nun aber nicht etwa den Schluß 
ziehen, als ob durch die chemische Natur eines Stoffes allein die Art seines 
Aggregatzustandes vollständig bestimmt sei. Im Gegenteil, man weiß bereits seit 
langem, daß eine und dieselbe chemische Substanz in verschiedenen Krystall- 
formen und außerdem auch noch amorph vorkommen kann, eine Erscheinung, 
die man als Polymorphie bezeichnet und die durchaus nicht etwa als eine Aus- 
nahme anzusehen ist, sondern vielmehr die Regel zu bilden scheint. Als Bei- 
spiele für Polymorphie seien der rhombisch und monoklin krystallisierende 
Schwefel, der Kohlenstoff, der als Diamant regulär, als Graphit hexagonal 
krystallisiert und in der gewöhnlichen Kohle, wie im Ruß oder in der Zucker- 
kohle, amorph ist, das Calciumcarbonat CaCO,, das als Aragonit rhombisch, als 
Kalkspath hexagonal krystallisiert, das Kieselsäureanhydrid SiO,, das als Quarz 
hexagonale, als Tridymit rhombische und als Christobolit reguläre Krystalle 
bildet, hier angeführt. Amorphe Gebilde entstehen fast immer nur dann, wenn 
ein geschmolzener Stoff sehr rasch abgekühlt wird; sie sind gewöhnlich unbe- 
ständig und wandeln sich daher, wenn auch oft nur sehr langsam, in 
krystallisierte Stoffe um. So wird z. B. das gewöhnliche Glas im Laufe der 
Jahrhunderte infolge von Krystallisation trübe und undurchsichtig, und in der 
zu einer glasklaren festen Masse erstarrten Lava bilden sich mit der Zeit 
schöne Krystalle von Feldspat, Augit, Leucit usw.!) Welche Krystallform ein 
chemischer Stoff annimmt, hängt vor allen Dingen auch von der Temperatur ab. 
Der bei etwa 116° schmelzende Schwefel erstarrt oberhalb 95,5° in monoklinen, 
unterhalb 95,5° in rhombischen Krystallen. Zwischen 95,5° und dem Schmelz- 
punkt ist der Schwefel nur in seiner monoklinen, unterhalb 95,5° nur in 
seiner rhombischen Form beständig. Erhitzen wir rhombische Schwefelkrystalle 
über 95,5%, so wandeln sie sich bei dieser Temperatur plötzlich in monokline 
Krystalle um, und umgekehrt gehen monokline Schwefelkrystalle beim Ab- 
kühlen in dem Augenblick, wo sie die Temperatur von 95,5° überschreiten, in 
rhombische Krystalle über. Die beiden Krystallformen des Schwefels sind also 
durch eine Umwandlungstemperatur oder durch einen Umwandlungspunkt von 


1) Vergl. die anregende und geistvolle Arbeit von Salvador Calderön „Über das Streben 
zum molekularen Gleichgewicht in der Mineralwelt“; Naturw. Wochenschrift, N. F., Bd. VI, a 341 
bis 346 (1907). 


ei E 


einander getrennt. Analoge Umwandlungspunkte, die ebenso wie die Schmelz- 
punkte (d. h. die Umwandlungspunkte krystallisiert — flüssig) vollkommen kon- 
stante und für die betreffenden Stoffe charakteristische Werte darstellen, finden 
wir auch bei den anderen krystallisierten polymorphen Stoffen. So sind von 
dem Ammoniumnitrat NH,NO, vier verschiedene Krystallformen, eine 3-rhom- 
bische, eine a-rhombische, eine rhomboédrisch-hexagonale und eine reguläre 
bekannt, deren Umwandlungspunkte in derselben Reihenfolge bei 35°, bei 83° 
und bei 125° liegen. Der Salpeter erleidet eine Umwandlung bei 129° und das 
Zinn eine solche bei 20°. | 
Während wir die Einteilung der Krystalle in die verschiedenen Krystall- 
systeme hier übergehen, wollen wir der wichtigsten Eigenschaft der Krystalle, 
ihrem Verhalten gegen das Licht, einige Worte widmen. Im allgemeinen wird 
das Licht, wenn es in verschiedenen Richtungen den Krystall durchsetzt, ver- 
schieden stark gebrochen. Die Krystalle, deren Brechungsvermögen von der 
Richtung abhängt — und dies ist die Mehrzahl der Krystalle — werden als 
anisotrope Krystalle bezeichnet; ihnen stehen die isotropen Krystalle gegenüber, 
bei denen ein Lichtstrahl stets die gleiche Brechung erfährt, in welcher Richtung 
er auch in den Krystall eintreten mag. Alle anisotropen Krystalle zeigen das 
von Malus an dem isländischen Doppelspath entdeckte Phänomen der Doppel- 
brechung, d. h. ein in beliebiger Richtung in den Krystall eintretender Licht- 
strahl wird in zwei Lichtstrahlen zerlegt. Diese beiden Lichtstrahlen unter- 
scheiden sich in einem wichtigen Punkte von 
dem gewöhnlichen Lichte, sie sind polarisiert. B Ze 
# Licht ist bekanntlich eine Wellenbewegung im i g 
Ather, und zwar schwingen die einzelnen Ather- 
À teilchen senkrecht zu der Richtung, in der sich 
der Lichtstrahl selbst fort- 4 
pflanzt. Denken wir uns also 
C A A, A, A, A, einen gerade auf uns zukom- 
menden Lichtstrahl, der die 
ADD.I Abb. 2. Ebene der Zeichnung (Abb. 1) Abb. 3. 
| in einem Punkte A durch- 
schneidet, so schwingt das in A selbst befindliche Atherteilchen in der 
Ebene der Zeichnung etwa in der Richtung des Pfeiles, d. h. es geht aus der 
Ruhelage A auf geradem Wege nach B, kehrt dort um, schwingt über A hinaus 
nach C macht dort wieder kehrt, und pendelt nun auf der Geraden BAC hin 
und her. Wenn nun ein Lichtstrahl sich, wie es Abb. 2 andeutet, von A nach 
A,, A, usw., hier also in der Ebene der Zeichnung fortpflanzt, und A, A,, A, usw. 
die einzelnen schwingenden Ätherteilchen darstellen, so sind die Richtungen, in 
der die einzelnen Teilchen schwingen, im allgemeinen nicht parallel, obwohl sie 
alle senkrecht zur Linie A, A,, A, ... A, liegen. Liegt z.B. die Schwingungs- 
linie BAC des Teilchens A in der Ebene der Zeichnung, so würden die des Teilchens 
A,, Ay, As... An — wir wollen sie analog mit B, A, Cis B,A,C,... Da Ann 
bezeichnen — schräg durch die Ebene der Zeichnung hindurchgehen, und zwar 
würden die Winkel, unter denen sie dies tun, alle möglichen Werte zwischen 
O und 180° haben. Würden wir also den Lichtstrahl, ebenso wie es in Fig. 1 
geschehen ist, von vorn betrachten, so würden wir die einzelnen Schwingungs- 
linien, wenn wir sie uns auf die Ebene der Fig. 3 projiziert denken — in Wirk- 
lichkeit liegt ja nur A selbst in der Ebene der Zeichnung, A,, A, usw. liegen 


Gei: ZE Sei 


vor oder hinter ihr — als Stern erblicken, dessen Mittelpunkt die bei der Pro- 
jektion zu dem Punkte A zusammengeschrumpfte Fortpflanzungsrichtung des 
Lichtstrahles bildet. Ein polarisierter Lichtstrahl unterscheidet sich nun von 
einem gewöhnlichen Lichtstrahl dadurch, daß die Schwingungslinien sämtlicher 
Teilchen parallel sind, d. h. das sämtliche Teilchen in derselben Ebene schwingen. 
Würden wir also den polarisierten Lichtstrahl ebenso projizieren, wie wir in 
Fig. 3 einen gewöhnlichen Lichtstrahl projiziert haben, so würden wir nur die 
Schwingungslinie B A C des Teilchens A sehen, denn diese würde uns alle da- 
hinter liegenden Schwingungslinien verdecken. 

Nach dieser Abschweifung kehren wir zu dem Hauptthema der Einleitung 
zurück. Wir hatten die festen Stoffe in zwei Arten eingeteilt, in die krystalli- 
sierten, d. h. diejenigen, die im festen Zustande Krystalle bilden und die zu 
ihnen im Gegensatze stehenden amorphen Stoffe. Da die amorphen Stoffe 
ihrem ganzen Verhalten nach mit den Flüssigkeiten sehr nahe verwandt sind 
und sich von ihnen nicht klar trennen lassen, so rechnet man sie zur Zeit 
nach dem Vorgange von Ostwald in der Regel zu den Flüssigkeiten, indem 
man sagt, sie seien Flüssigkeiten von großer innerer Reibung. Mag diese Art 
und Weise streng wissenschaftlich auch berechtigt sein, so widerstrebt es doch 
der täglichen Anwendung der Worte „fest“ und „flüssig“, feste amorphe Stoffe, 
wie etwa das Glas, als flüssig zu bezeichnen, und es ist daher zweckmäßiger, 
das Wort „fest“ bei wissenschaftlichen Erwägungen überhaupt zu vermeiden 
und anstelle der alten Einteilung fest, flüssig, gasförmig eine neue Einteilung 
einzuführen. Die Stoffe zerfallen zunächst in krystallisierte und in amorphe 
Stoffe; die krystallisierten Stoffe werden ihrerseits nach den verschiedenen 
streng von einander getrennten Krystallsystemen eingeteilt, während sich eine 
weitere Einteilung der amorphen Stoffe, da zwischen ihnen alle möglichen 
Übergänge bestehen, nicht durchführen läßt. An die Stelle der drei alten 
Aggregatzustände sind also jetzt zwei Aggregatzustände getreten, indem die gas- 
förmigen,!) flüssigen und amorphen festen Stoffe als amorphe zusammengefaßt 
werden, während die verschiedenen krystallisierten festen Stoffe nunmehr eine 
Gruppe für sich bilden. 


Neue Aggregatzustände 


_ Krystallisiert Amorph 
(Die einzelnen Krystallsysteme). (Feste amorphe Stoffe, Flüssigkeiten, Gase). 


Es ist zweifellos, daß diese Neueinteilung mit dem Verhalten der ver- 
schiedenen Stoffe sehr viel besser harmoniert als die alte Einteilung, jedoch 
muß es dahingestellt bleiben, ob sie sich auch für die Zukunft wird aufrecht 
erhalten lassen. (Fortsetzung folgt) ` ` 


1) Die kontinuierlichen Übergänge zwischen flüssig und gasförmig lassen sich — darauf sei 
hier der Vollständigkeit wegen kurz hingewiesen — bei der sogenannten kritischen Temperatur 
leicht bewirken. 


en E e 


Weitere Mitteilungen über den Weranderlichen 4, Joyrae. 


Bach meiner letzten Veröffentlichung über die Beobachtung des Veränder- 
lichen ð, Lyrae im „Weltall“, Jg. 9, Heft 13, habe ich die Untersuchung 
über den Lichtwechsel weiter fortgesetzt und gestatte ich mir, darüber zu be- 
richten. Wenn a. a. O. ich mit einiger Zurückhaltung die Veränderlichkeit des 
Sternes nur als mutmaßlich hinstellen mußte, haben sich seitdem dank der 
gütigen Mitarbeit verschiedener Fachgenossen die Argumente einer wirklichen 
Veränderlichkeit derartig gesteigert, daß ich mit großer Freude wohl aussprechen 
darf, die Veränderlichkeit von d, Lyrae entdeckt zu haben. Einen eingehenden 
Bericht veröffentlichte ich in den „Mitteilungen der V. A. P., Jahrgang XX, 
Heft 2, worin ich die mir zur Verfügung gestellten Beobachtungsreihen anderer 
Beobachter einer kurzen Kritik unterwarf und mit den meinigen in Vergleich 
setzte Da die genannte Zeitschrift allgemein zugänglich ist, verweise ich 
betreffs Einzelheiten auf dieselbe!) und möchte ich mich hier nur auf einen 
Überblick beschränken und diesem dann meine neuesten Beobachtungen und 
Berechnungen folgen lassen. 


Nach dem hohen Maximum Anfang April 1908 von 8,4 Einheiten trat im 
Oktober 1908 ein flaches Minimum (7,3 Einheiten), dem dann im Mai 1909 ein 
Maximum (8,4 Einheiten) folgte. Nachdem nach geringen Schwankungen ein 
noch höheres Maximum von 8,5 Einheiten im August 1909 erreicht war, senkte 
sich die Kurve allmählich zu einem deutlicher ausgeprägten Minimum, das mit 
7,1 Einheiten Anfang 1910 eintrat. Darauf hob sie sich wieder zu einem Ende 
Mai 1910 eintretenden Maximum (8,3 Einheiten), und nun ging es stufenweise 
abwärts zu einem ausgesprochenen Minimum, das wahrscheinlich bis auf den 
heutigen Tag noch nicht erreicht ist. Bis jetzt ist die Kurve unter geringen 
Zuckungen von 8,3 auf 5,9 Einheiten herabgesunken und verharrt von Ende 
September 1910 bis zur letzten Beobachtungsmittelerrechnung Mitte Oktober 
in dieser Höhe. Ich würde cs mit Freuden begrüßen, wenn andere Beobachter 
von d Lyrae dies Minimum bestätigen könnten, denn im Vergleich zu $ und 
n Lyrae — die ich als Vergleichssterne neben e und u Lyrae benutze — hat 
der Stern ganz augenscheinlich an Helligkeit abgenommen. 


Im übrigen ergaben die Gegenüberstellungen der Beobachtungen der 
Herren Professor Dr. Plassmann in Münster, Felix de Roy in Antwerpen, 
stud. phil. Hornig in Breslau mit den meinigen folgende Gleichheiten der 
Maxima und Minima von d, Lyrac bis zum Jahre 1910: 


Maxima: 
Plassmann — von Stempell | Hornig — von Stempell | Plassmann — de Roy 
1906, Mai; 1906, Juni; | 1909, Sept.; 1909, August; | 1909, Juni; 1909, Juni; 
Minima: 


Plassmann — von Stempell 
1905, September; 1905, Oktober; 


1906, August; 1906, September; 
1908, Februar; 1908, Marz; 
September. Oktober. 


1) Von den noch vorhandenen Sonderabzügen bin ich gern bereit, Interessenten auf ihren 
Wunsch ein Exemplar kostenfrei zur Verfügung zu stellen. 


— = 


Zum Schluß erlaube ich mir noch zu bemerken, daß Herr Professor 
Dr. Wolfer, Direktor der Sternwarte Zürich, sich mir in freundlichster und 
dankenswerter Weise angeboten hat, den Lichtwechsel von d, Lyrae auf photo- 
graphischem Wege zu überwachen. 


Charlottenburg, 1910, Oktober 21. _ Leutnant G. von Stempell. 
Rönnestraße 7. | 


Der Sestirnte Himmel im Monat Dezember 1910. 
Von Dr. F. S. Archenhold. 


Die Sonnenverehrung der Wadschagga am Kilimandscharo. 


Wd im Monat Dezember in unseren Breiten die Sonne am niedrigsten steht, und 
wir durch die geringe Höhe (14°), die die Sonne selbst um die Mittagszeit erreicht, 
die gewohnten Wohltaten ihrer Licht- und Wärmespendung fast entbehren müssen, dann 
steht sie in den Äquatorialgegenden, obgleich sie dort auch am 22. Dezember nur ihre 
geringste Höhe um die Mittagszeit hat, immer noch 66!/,° über dem Horizonte, sodaß 
es in diesen Gegenden heißer ist, als bei uns selbst am 21. Juni, an welchem Tage sie 
in ihrem Höhepunkt (61°) den Meridian durchschreitet. Es ist daher erklärlich, daß die 
Ureinwohner am Kilimandscharo, der nur 3° 7’ südlich vom Aquator liegt, als Symbol der 
Gottheit ihrer Naturreligion die Sonne gewählt haben. | 

Bei den Wadschaggas ist der Name für „Gott“ derselbe wie der für „Sonne“, = „iruva“. 
Gleich den Massais, welche auch die Höhen des Kilimandscharo durchstreifen und die 
umliegenden Steppen bewohnen, begrüßen noch heute die Wadschaggas die aufgehende 
Sonne, indem sie nach ihrer Art ihr viermal entgegenspucken und das kurze Gebet aus- 
sprechen: „oh, iruva, schütze mich und die meinen“! Beim Sonnenuntergang sprechen 
sie: „Jetzt gibt Herr Sonne seiner Frau, dem Monde, den Schild“, indem er aus seinem 
Familienleben sich erinnert, daß die Frau dem heimkehrenden Krieger den Schild ab- 
nimmt. Wenn die niedergehende Sonne Wasser zieht, so sagen sie: „Die Sonne streckt 
die Arme herab, um sich beim Niedersteigen darauf zu stützen“; oder „Die Sonne hebt 
ihr Essen empor“. Wenn die Sonne im Zenit steht und eine Zeit lang noch in der- 
selben Höhe verweilt, so sprechen sie: „Die Sonne läßt sich auf das Tragkissen nieder“, 
so wie ein müder Lastträger sich ein wenig ausruht. Nach ihrer Anschauung wohnen 
am Ende der Welt fern im Osten Leute, die den Schlaf nicht kennen, deren 
Hauptaufgabe darin besteht, die Sonne zu behüten, damit sie nicht von den Vögeln ge- 
fressen wird, während sie unter der Erde entlang läuft, um im Osten wieder empor zu 
steigen. Sowie die Indianer den Wohnplatz des Großen Geistes auf die Sonne verlegen, 
so erinnert auch die Bezeichnung „iruve-u“ (bei Gott) an eine ähnliche Anschauung der 
Wadschaggas. Später wurde jedoch der Sitz ihres Gottes an alle Stellen des Himmels 
verlegt, sodaß „iruva“* auch gleichbedeutend mit dem ganzen Himmelsgewölbe ist. 
Manche Erzählungen der Wadschaggas lassen erkennen, welches Wundervermögen sie 
ihrem Sonnengotte zutrauen. So steigt ein Häuptling, dem nur Mädchen beschieden sind, 
empor zur Sonne, um sich einen Sohn zu erflehen. In einer anderen Erzählung wird 
berichtet, wie ein Mann, der auf die Gottsuche bis ans Ende der Welt ging, dorthin, wo 
Erde und Himmel an einander stoßen, schließlich in der Morgenfrühe auf einer schönen 
Wiese sich befand, nahende Schritte hörte und einen gewaltigen Glanz sah. „Er fürchtete 
sich und versteckte sich im niedrigen Gehölz. Viele Männer sah er da kommen, die 
waren sehr schön und mitten unter ihnen war ein Mann größer als alle anderen, der 
trug ein sehr helles Kleid und er leuchtete wie Feuer.“ Die Augen des Suchenden aber 
wurden geblendet, sodaß er nicht mehr sehen konnte. Wir verdanken B. Gutmann 
die Wiedergabe dieser interessanten Erzählungen (Globus, Bd. 96 No. 7). 


== BE ce 


Auch dem Monde wird Verehrung zuteil. Der Tag, an dem die schmale Mondsichel 
nach Sonnenuntergang wieder am westlichen Himmel sichtbar wird, gilt bei den 
Wadschaggas als besonders glückbringend. An diesem Tage richtet er sein Gebet auch 
an den Mond. Er stellt sich auf einen Hügel, spuckt dem Monde viermal entgegen, indem 
er deutlich bis vier zählt und so betet: „Mein Mond, gib mir Frieden, gib mir Speise, 


Der Sternenhimmel am 1. Dezember 1910, abends 10 Uhr. 
Fig. 1. 


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H Cé s ` ~ e 23 Ber A 
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(Polhöh e 52,10) 


bringe mir Glück, halte alle Händel von mir fern“. Auch wird der Mond um Vernichtung 
eines. persönlichen Feindes angegangen. Das Rachegebet lautet: „Mond, ich bitte dich, 
brich ihm Hals und Nacken!“ 

Wir haben schon früher eingehend erörtert, wie bei den Babyloniern ein Gestirnsdienst, 
eingerichtet war und die Wochentage der Sonne, dem Monde und den damals bekannten 
fünf Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn geweiht waren. Siehe „Weltall“ 


— 3%. — 


Jg. 3 Heft 8. „Warum machten die Babylonier den Saturnstag, Sonnabend, zum Ruhetag?“ 
und Jg. 4 Heft 1: „Bilder aus der Astrologie“. Wenn auch nicht bei allen Völkern eine 
so konsequente Durchführung des Einflusses der Gestirne wie bei den Babyloniern sich 
herausgebildet hat, so sind doch bei fast allen Naturvölkern deutliche Spuren der 
 Gestirnsverehrung nachzuweisen. 
Die Sterne. po on er 

Unsere Karte Fig.1 gibt den Stand der Sterne für den 1. Dezember abends 10 Uhr, 


den 15. Dezember abends 9 Uhr, den 1. Januar SSES 8 Uhr und so fort wieder. Die 
MilchstraBe durchschneidet im 


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Dezember noch den Scheitel- Ke SE 
: punkt, hat jedoch ihre Lage 8 Ee = 
gegen den Monat November ` ` ` SP > in We 
` verschoben, indem sie nun- | E B a 
` mehr im Ostsüdosten und West- Se | = IE 
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Fig. 2. : ld, 7 er > ei 
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Modell eines Ringnebels. | d SCH BS ar Te, 
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südwesten den Horizont be | x eg E E Er 
rührt. Nach der Anschauung ` '——--—-—— --— — 
von Bohlin (vergl. „Weltall“ | Fig. 3. 


Jg. 11 S. 10) ist unsere Milch- Die Stellung unseres Sonnensystems B und der Globular- 
straße ein groBer Ringnebel Sternhaufen A zur Milchstraße C in unserm galaktischen 


(Fig. 2), der ats Uberbleibsel System. 

eines planetarischen Urnebels anzusehen ist und aus dessen Zerfall unser ,Galaktisches 
System“ entstanden ist. Die Stellung unseres Sonnensystems zur MilchstraBe und inner- 
halb des ganzen galaktischen Systems wird durch folgende schematische Darstellung 


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G © © è "o 
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“ = © 6 Si 
Fig. 4. 


Stellung unseres galaktischen Systems G unter den planetarischen Urnebeln. 


wiedergegeben. (Fig. 3.) A ist dabei das Centrum des planetarischen Urnebels und 
besteht nach Bohlin‘) aus den merkwürdigen kugelförmigen Sternhaufen. B deutet 
die Stellung unserer Sonne an, die ein Stern ist wie die vielen anderen tausende von 


1) Karl Bohlin; On the galactic System with regard to its structure, origin and ralations 
in space. 


Lauf von Sonne, Mond und den Planeten 


167 


. Se ur Soe: | 
: Si ën ee, 2 
KC SE SL 


S = Sonne. M = Mond. Me = Merkur V = Venus. Ma = Mars. 


Sternen, welche naturgemäß am zahlreichsten in der MilchstraBe auftreten. Jeder 
planetarische Urnebel ist wiederum nach dieser Anschauung der Erzeuger eines galaktischen 
Systems, das wir naturgemäß in seinen Einzelheiten nicht mehr erkennen können. Es 
läßt sich jedoch aus der Verteilung der planetarischen Nebel im Raume schließen, daß 
sie eine Schicht von beträchtlicher Breite und Dicke bilden. Unser galaktisches System 
steht in dieser Schicht der planetarischen Urnebel etwas seitlich und entgegengesetzt 
der Richtung, die auf das Sternbild des Schwans zugeht. (Fig. 4.) Durch diese besondere 
Stellung unsres galaktischen Systems erklärt sich die Anhäufung von hellen planetarischen 
Nebeln am Himmel in der Gegend des Schwans und aus der Tendenz der planetarischen 
Nebel, sich etwas häufiger in der Nähe der Milchstraße anzufinden, kann auf die in Fig. 4 
abgebildete Schichtung geschlossen werden. 


Der Lauf von Sonne und Mond. 

Die Sonne rückt im Monat Dezember aus dem Sternbilde des Skorpions in das 
des Schützen und erreicht am 21. Dezember ihren tiefsten Stand am Himmel. (Fig. 5b.) 
Ihr Lauf ist für den 1., 15. und 31. in unsere Karte 5b eingezeichnet. In der folgenden 
Tabelle geben wir die Auf- und Untergangszeiten und die größte Höhe der Sonne um die 
Mittagszeit für Berlin wieder: 


Sonne | Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang se 
Dezember 1. —21° 43° qh 56m morgens 35 54m nachm. 15?/,° 
- 15. — 23° 15° 8b 13m - 3h 50m - e 
- 31. — 23° 9 8h 20m - 3b 58m - 141), ° 


Der Mond ist wieder fiir den 1., 3., 5. usw. mit seinen Phasengestalten in unsere 
Karten 5a und 5b fiir die Mitternachtszeit eingetragen. Seine Hauptphasen fallen auf 
folgende Daten: 


Neumond: Dez. 1. 101/,h abends Vollmond: Dez. 16. 125 mittags 
Erstes Viertel: - 9. 8h ` - Letztes Viertel: - 23. 11!/,h vormittags 
Neumond: - 31. 51/,5 nachmittags. 


Im Monat Dezember finden 3 Sternbedeckungen statt: 


Be Tag | Name  |Gr.| Rekt | Dep | Eintritt |Win- | Austritt |Win-| pem BS 


| | f | M. E. Z. | kel | M. E. Z. | kel 


4h 21m,0 | 169 | 4b 54m,8 296° | Sonnenuntergang 


Dez. 14. 13 Tauri | 5,5 | 3h 37m 
abends | | abends | 3h 49m 


+ 19° 25° 


fir den Monat Dezember 1910. 


J = Jupiter. 


Dez. 16 139 Tauri 


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Fig. 5a. Nachdruck verboten. 


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Sa = Saturn. U = Uranus. N = Neptun. 


Win- 
kel 


Austritt 
M. E. Z. 


Eintritt 


M. E. Z. Bemerkung 


5,4 | 5h 52m | -+ 25°57'| 6b5m,0 | 87° | 6h57m,0] 258°) Mondaufgang 


abends abends 3b 31m nachm. 
- 24. y Virginis 3,0 12h 37m | — 00957’) 1b 30m,8 |1429 | 2b 30m,8| 279°) Mondaufgang 
morgens morgens 0h 34m morgens 


Die Planeten. 


Merkur (Feld 17!/,b bis 205) ist in der zweiten Hälfte des Monats am südwestlichen 
Abendhimmel für kurze Zeit sichtbar, da er alsdann erst um 5 Uhr untergeht. Am 
2. Dezember tritt er in Konjunktion mit dem Monde; am 24. befindet er sich in seiner 
größten östlichen Elongation fast 20° ab von der Sonne und am 26. steht er um Mitter- 
nacht 36’ südlich vom Uranus. 


Venus (Feld 161/,5 bis 19!/,h) ist während des ganzen Monats unsichtbar. 


Mars (Feld 15h bis 16!/,b) ist zu Anfang des Monats ?/, Stunden lang am Morgen- 
himmel zuletzt bereits 1!/, Stunden lang sichtbar, da die Sonne immer weiter von ihm 
abriickt. Am 28. Dezember abends 11b tritt er in Konjunktion mit dem Monde. | 


Jupiter (Feld 14!/,$ bis 141/,5) ist zu Anfang des Monats 21/, Stunden, um die Mitte 
d. M. 3 und am Ende bereits 4 Stunden lang am Morgenhimmel sichtbar. Er tritt am 
26. Dezember 35 nachmittags in Konjunktion mit dem Monde und zwar so, daß an 
manchen Orten der Erde eine Bedeckung stattfindet. Er rückt der Erde jetzt immer 
näher und steht am 1. Dezember 930 Millionen km von uns entfernt, 


Saturn (Feld 2b) ist zu Anfang des Monats nur noch 10!/, Stunden und am Ende 
des Monats nur noch 9 Stunden lang am Abendhimmel sichtbar. Er tritt am 12. Dezember 
115 abends in Konjunktion mit dem Monde und zwar so, daß an manchen Orten der 
Erde eine Bedeckung stattfindet. Am 1. Dezember steht er in einer Entfernung von 
1260 Millionen km von der Erde. Da seine Ringe sich immer weiter öffnen, so bietet er 
jetzt in unserm großen Treptower Fernrohr mit seinen deutlich hervortretenden dunklen 
rötlich gefärbten Athmosphärenstreifen einen interessanten Anblick dar. 


Uranus (Feld 193/,5) ist wegen seines nahen Standes bei der Sonne im Monat 
Dezember nicht mehr günstig zu beobachten. 


— 40 — 


Neptun (Feld "hu ist im Monat Dezember besonders günstig zu beobachten, da 
er der Sonne gerade gegenüber steht und um Mitternacht eine große Höhe über dem 
Horizonte erreicht. 


Bemerkenswerte Konstellationen: 


Dezbr. 2. 25 morgens Venus in Konjunktion mit dem Monde. 
- 2, 115 abends Merkur in Konjunktion mit dem Monde. 
-- 12. 115 abends Saturn in Konjunktion mit dem Monde. Bedeckung. f 
- 22. 6b nachmittags Sonne im Zeichen des Steinbocks. Wintersanfang. 
- 24. 75 abends Merkur in größter östlicher Elongation (19° 54 '). 
- 26. 3b nachmittags Jupiter in Konjunktion mit dem Monde (Bedeckung). 
- 26. mitternacht Merkur in Konjunktion mit Uranus (Merkur 36' südlich). 
- <28. 114 abends- Mars in Konjunktion mit dem Monde. 


FERNER Cé < e egg | GE 
` A 
+ 


SE SE 


K 


Eine definitive Bahnbestimmung des Kometen 1823 ist von Adolph Hnatek der Wiener 
Akademie der Wissenschaften überreicht worden. Dieser Komet ist in den letzten Tagen des 
Monats Dezember 1823, kurze Zeit nach seiner Sonnennähe fast gleichzeitig von mehreren Personen 
mit freiem Auge gesehen worden. Er gewann später besonderes Interesse dadurch, daß er in der 
Zeit vom 22. bis 31. Januar 1824 außer dem gewöhnlichen, von der Sonne abgekehrten Schweif, 
einen Zweiten gegen die Sonne gerichteten Schweif entwickelte Nach dem 31. Januar hatte der 
Komet wieder sein gewöhnliches Aussehen, nahm immer mehr und mehr an Helligkeit ab, sodaß 
genaue Lagebestimmungen des Kometen bereits am 31. März 1824 — die letzte Beobachtung rührt 
von Knorre in Nicolajew her — ihr Ende fanden. 


Der Komet 1823 mit seinen anomalen Schweifen im Jahre_1824, 
gezeichnet von Harding. 


1824 Januar 23 abends 10° . Januar 24 abend 7” Januar 27 abends 8® Januar 31 abends ?® 


Draco 


a 


+ * 


Fig. 1 Fig. 2 Fig.3 | Fig. 4 


Bode hat in seinem ,Astronomischen Jahrbuch für 1826“ Zeichnungen von diesem Kometen 
von Harding veröffentlicht, die wir hier wiedergeben: Harding hat den anomalen Schweif 
zuerst am 23. Januar und zwar in fast gleicher Helligkeit wie den der Sonne abgewandten gesehen. 
Es blieb ihm unerklärlich, daß er am 22. Januar, an welchem Tage einer Zeitungsnachricht zufolge 
in Berlin der anomale Schweif schon mit einem kleinen Taschenperspektiv gesehen worden ist, keine 
Spur davon bemerkt hat, obgleich er den Kometen zur Zeit beobachtet und auch die Lage und Ge- 
stalt des gewöhnlichen Schweifes aufgezeichnet hat. Am 23. Januar erschienen ihm beide Schweife 
sehr hell, sodaß sie mit bloßem Auge wahrgenommen werden konnten. Der Komet hatte das Aus- 
sehen des bekannten Nebelflecks in der Andromeda. Der anomale Schweif war 4'/,°, der gewöhnliche 
31/,0 lang. (Fig.1.) Am 24. Januar erschien der anomale Schweif 7° lang — die wahre Länge 
betrug 1780000 km — aber er war kaum halb so breit wie der gewöhnliche Schweif, dessen Länge 
41/,° betrug. (Fig.2.) Der Kern erschien so hell wie der in der Nähe befindliche Stern «Draconis. 


— 41 — 


Am 27. Januar bildeten beide Schweife mit einander einen Winkel von etwa 170° (Fig.3.) Am 
28. Januar konnte Harding, obgleich es sehr klar war, von dem anomalen Schweife nichts bemerken. 
Am 31. Januar sah er den anomalen Schweif wieder. und zwar bildete derselbe diesmal mit dem 
gewöhnlichen einen Winkel von beiläufig 138'/,°. (Fig. 4.) 

„Gambart in Marseille hat die doppelte Schweifbildung wohl am eingchendsten. beobachtet 
und gleichzeitig versucht, aus seinen Beobachtungen eine Erklärung dafür zu finden. Er knüpft 
zunächst daran an, daß die Erde gerade in den letzten Tagen des Januar 1824 die Bahnebene des 
Kometen passiert hat, und erörtert. zuerst die Möglichkeit, daß das Phänomen vielleicht nur eine 
Folge der Perspektive gewesen sein könne. Nimmt man nämlich an, daß der Schweif des Kometen 
überhaupt eine fächerförmige Gestalt von großem Öffnungswinkel (etwa 120°) gehabt hatte, so konnte 
man grade zu der Zeit, wo die Erde durch die Bahnebene des Kometen ging, auf die Spitze des 
Fächers sehen und daher den Schweif selbst zu beiden Seiten des Kometenkopfes erblicken. Unter 
diesen Umständen mußte natürlich einer der beiden Schweifteile von der Sonne abgewendet, der 
andere ihr zugekehrt erscheinen. Es blieb aber noch zu erwägen, ob die dabei erforderliche Be- 
dingung, daß die Ebene durch Schweif, Kometenkopf und Sonne für beide Schweife dieselbe sei, 
erfüllt war: Das scheint nun nach Gambart’s Untersuchungen nicht immer der Fall gewesen zu 
sein. Der zweite Schweif scheint sogar ziemlich beträchtliche Schwankungen ausgeführt zu haben 
und Gambart schließt daher, daß derselbe tatsächlich ein reelles Gebilde gewesen sei.“ 


Olbers nahm zuerst an, daß solche anomale Schweife nur nach dem Durchgang des Kometen 
durch seine Sonnennähe auftreten können, jedoch wurde von Schiaparelli beim Kometen 1862111, 
dem Erzeuger des periodischen Auguststernschnuppenschwarmes, der sogenannten Perseiden, ein 
anomaler Schweif schon vor seiner Sonnennähe beobachtet. Kirch wieder sah bei dem berühmten 
Kometen 1680 am 28. und 29. Dezember alten Styles einen mehrere Grade langen. gegen die Sonne 
gerichteten Schweif, während der Komet schon am 18. Dezember seine Sonnennähe passiert hatte. 

Hnatek hat aus dem reichen Beobachtungsmaterial — es liegen 800 genaue Positions- 
bestimmungen vor — zuerst als Bahn des Kometen eine Ellipse und 9764 Jahre Umlaufszeit gefunden, 
die wohl nur als Rechenresultat aufgefaßt werden konnte. Hnatek führte daher noch eine zweite 
Berechnung durch unter der Annahme, daß die Bahn eine Parabel sei. Die daraus folgende Bahn 
kann als definitiv angesehen werden, da sie in befriedigender Weise das gesamte Beobachtungs- 
material darstellt. | | D Dr. F. S. Archenhold. 


a 
x 


Neue Bahnbestimmungen von September-Meteoren veröffentlicht Professor G. von Niessl, 
wortiber in dem Anzeiger der Wiener Akademie der Wissenschaften, Jg. 1910, No. 19, folgendes be- 
richtet wird: 

Anläßlich eines am 10. September 1905, 9° 50™ mittl. Wiener Zeit benbachteien hellen Meteors 
lief bei der k. k. Universitätssternwarte in Wien sehr reiches Nachrichtenmaterial ein, das in nach. 
träglichen Messungen durch den damaligen EE Herrn SE 
Dr. H. Ducke, wichtige Ergänzungen fand. . , 


Bei der genaueren Sichtung war zu erkennen, daß diese sammlung von Beobachtungen sich 
auf mehrere Feuerkugeln bezieht, die in der Zeit zwischen 9 und 10" abends wahrgenommen wurden. 
Für drei derselben gelang es, Radiationspunkt und Bahnlage ea 


Die bei weitem größte Anzahl der Berichte galt jedoch dem um 9” som beobachteten Meteor 
aus dem Radianten in a = 318°, ô = + 33° Das früheste Aufleuchten desselben ergab sich 217 km 
über der Gegend von Megyer Uröni, unweit Budapest, die schließliche Hemmung 37,7 km hoch westlich 
von N. Oroszi im Neograder Komitat. Die Bahn war 1° östlich von Süd gegen den Eudpunkt ge- 
richtet und 75° gegen den Horizont geneigt. Für die heliozentrische Geschwindigkeit wurde 53,5 km 
gefunden. Die genauen Angaben des Herrn Dr. Ducke über seine eigene Beobachtung erweisen 
bemerkenswerte Unterschiede zwischen der Geschwindigkeit in den EE und nn atmo- 
sphärischen Schichten. | 


Die KE Anzahl der Beobachtungen desselben Abends. vereinigt sich auf einen Fall 
um ungefähr 9® 34” mittl. Wiener Zeit aus einem Radianten in «= 285°, d = + 48° Die Höhen über 
der Erdoberfläche ergaben sich für das Aufleuchten zu 235 km, für die Hemmung zu 61 km. Die 
Bahn war aus 8° nördlich von West gerichtet, 710 gegen den Horizont des in der Gegend von Rutka 
im Sohler Komitat gelegenen Endpunktes geneigt. Für die heliozentrische Geschwindigkeit wäre 
nach .den betreffenden Angaben 2 km zu nehmen. 


Eine dritte, beiläufig um 9” 30” m. Wiener Zeit auch in Griechenland beobachtete E E 
kam aus dem Strahlungspunkt in æ = 70°, d = + 42°, und eine Schätzung der heliozentrischen. Ge- 


ao AD Hs 


schwindigkeit lieferte 61 km. Der nicht genau nachweisbare Endpunkt befand sich weit südlich, 


ungefähr 61 km über dem Tyrrhenischen Meere, östlich von Sardinien. 

Überdies enthält dieses Material noch einige beiläufige Beobachtungen, welche auf einen Fall 
in Südböhmen hindeuten. 

Hinsichtlich eines Meteors am 18. September 1905, 7" 7,8” m. e. Z., liegen wenige, aber sehr 
gute Beobachtungen vor. Dessen Strahlungspunkt war in « = 35,6°, ó = + 26,30, der Hemmungs- 
punkt 28,6 km über der Gegend von St. Lorenzen in Kärnten, wohin die Bahn aus 55,9 ° östlich von 
Nord unter 4,8° Neigung gegen den Horizont gerichtet war. Die sehr verläßlichen Angaben des 
Herrn Universitätsassistenten Dr, Edmund Weiß lassen eine erhebliche Verminderung der Ge- 
schwindigkeit im letzten Teile der Bahn erkennen. 

Die Untersuchung wurde endlich auch auf das in wenig verschiedener Knotenlänge am 
18. September 1908, gh 10” m. e Z., beobachtete Meteor ausgedehnt. Sie lieferte für dessen 
Radiationspunkt a = 0°, d= + 44% Die Strahlungspunkte dieser beiden zuletzt erwähnten Fälle 
sind ohne Zweifel nicht identisch. R 

Li 

Uber Sonnenflecken und Witterung berichtet Krü ger in der „Naturwissenschaftl. Rund- 
schau“ vom 16. Juni 1910. Bis jetzt wußte man, daß in den Jahren der Fleckenminima ein Maximum 
der Wärme eintritt und umgekehrt. Zugleich aber wurde festgestellt, daß die Sonne zur Zeit der 
Fleckenmaxima am heißesten ist; dadurch ergab sich der Widerspruch, daß bei der kältesten Witte- 
rung die Sonne am wärmsten ist. Um diesen Widerspruch zu lösen, mußten die Niederschläge 
genau untersucht werden. G. Hellmann machte schon früher darauf aufmerksam, daß der Zu- 
sammenhang zwischen Sonnenflecken und Wetter in verschiedenen Orten verschieden ist. Er unter- 
suchte die Regenmengen von über 30 Stationen aus fast ganz Europa für die fünf Sonnenflecken- 
zyklen von 1851 bis 1905 und fand, daß der Zusammenhang zwischen Niederschlagsmenge und 
Sonnenfleckenhäufigkeit regional verläuft. Infolge des Fortschreitens nasser und trockener Jahre 
. von Süden nach Norden verschieben sich die Regenmaxima und -minima im Sonnenfleckenzyklus. 
Bei der Mehrzahl der Stationen zeigen sich im allgemeinen während eines Zyklus zwei Maxima des 
Regenfalls. Die Sonnenflecke erreichen ihr Minimum zur Zeit des Maximums vom Regen. — Es 
. wäre ferner zu untersuchen, wie die Häufigkeit der Gewitter, des Hagelfalls, der Erdbeben usw. mit 
der Häufigkeit der Sonnenflecken im Zusammenhang steht. 


* Li 
x 


Eis- und Wetterbericht von dem Nordatl. Ozean und Europa. Sowohl die gleichmäßige 
Temperaturverteilung im Golfstrom, eine Folge des diesjährigen Eismangels bei Neufundland, als die 
im vergangenen Sommer zwischen dem Nordkap und Spitzbergen eingetroffenen außergewöhnlich 
großen Treibeismassen lassen nach unserer Theorie) auf ungewöhnlich strenge und anhaltende 
Kälte während des bevorstehenden Winters in Europa schließen. Der Mangel an Temperaturgegen- 
sätzen im Golfstrom gibt wenig Veranlassung zu tiefen, zugkräftigen nordatlantischen Minima, und 
die Eismassen beim Nordkap begünstigen die Ausbreitung des sibirischen Hochdruck- und Kälte- 
gebiets nach Westen. In Mitteleuropa setzen strenge Winter vielfach zu Ende November oder Anfang 
Dezember nach einem Neu- oder Vollmondtermin mit beträchtlichen Niederschlägen und unmittelbar 
darauffolgender Ostluft und Kälte ein. Sollte sich der bevorstehende Winter nicht beträchtlich kälter 
als der langjährige Durchschnitt gestalten, so wäre der Beweis geliefert, daß ich den Einfluß der 
Treibeis- und Temperaturschwankungen im nordatlantischen Ozean auf unser Klima überschätzt 
hätte, und daß meine bisherigen Treffer auf Zufall beruhten. Ich würde dann meine Eis- und Wetter- 
berichte definitiv einstellen, da sie keinen erkennbaren praktischen Wert besäßen. 

H. Habenicht, 


x * 
x 


Über die vierte Versammlung der internationalen Vereinigung für kooperative 
Sonnenforschung, die vom 27. August bis 3. September 1910 in Pasadena und auf dem Mount 
Wilson unter Teilnahme von 85 Astrophysikern stattfand, berichtet Professor Schwarzschild in 
den „Astron. Nachr.“ 4443 folgendes: 

Die Instrumente. Auf dem Mount Wilson sind drei Instrumente in voller Tätigkeit. Der 
täglichen Aufnahme der Sonne gewidmet ist das Snow-Teleskop, ein Cölostat mit horizontal 
liegendem Fernrohr von 18 m Brennweite. Feinere Untersuchungen an der Sonne erfolgen mittels 
des wirksameren und dabei in der Konstruktion sehr einfachen sogenannten „kleinen“ Turmteleskops. 
Hier befindet sich der Cölostat auf einem eisernen Gerüst von 18 m Höhe. Das Gerüst umschließt 
ein vertikales Fernrohr von 18 m Brennweite. Darunter in einem Schacht befinden sich ein 
Spektrograph und ein Spektroheliograph von 9 m Brennweite. 


gegen WER ER M mmm 


wurd, eS 

Der Photographie des Himmels und der Spektralanalyse der Sterne dient der Reflektor von 
150 cm Spiegeldurchmesser. Die Lichtfülle und Bildschärfe dieses Instruments wird durch die Tat- 
sache gekennzeichnet, daß der Stern 1830 Groombridge der Größe 6,5 bei einer Exposition, von 15m 
mit einem 1 Prismenspekirographen von 40 cm Brennweite des Kollimators und der Kamera ein 
gutes Spektrum gibt. 

In den nächsten Monaten geht das „große“ Turmteleskop der Vollendung entgegen. Der 
Heliostat ist bereits auf dem 50 m hohen Turme aufgestellt und ein Schacht von 25 m Tiefe zur 
Aufnahme der Spektrographen ausgemauert. 

In der Werkstatt von Pasadena ist die Schleifmaschine für den projektierten Spiegel von 
250 cm Durchmesser zur Arbeit bereit. Die von den Werken zu St. Gobain gelieferte Glasscheibe 
von diesem Durchmesser wird zurzeit probeweise angeschliffen. | 


Aus den wissenschaftlichen Mitteilungen. Wie Prof. Hale in seiner Einführungsrede 
mitteilte, hat das genauere Studium des magnetischen Feldes der Sonnenflecken ergeben, daß sich 
zu einem Fleck, der einen positiv magnetischen Pol darstellt, vielfach die negativen Pole in Gestalt 
eines oder mehrerer benachbarter Flecken nachweisen lassen. Auch die Drehung der Polarisations- 
ebene in den Flecken ist in einzelnen Fällen sehr deutlich. 

Herr Abbot, dessen bolographisches Observatorium sich dicht bei der Sternwarte am Süd- 
abhang des Mount Wilson befindet, gibt als zurzeit besten Wert der Solarkonstante 1,92 Kalorien 
an. Die Schwankungen der Tageswerte sind klein, selten die Grenzen 1,90 und 1 ‚95 überschreitend, 
scheinen aber nach der Übereinstimmung der Stationen Washington, Mount Wilson, Mount Whitney 
solaren Ursprungs. Andere unabhängige Stationen sind dringend erwünscht, auch empfiehlt sich 
eine häufigere Kontrolle des Intensitätsabfalls längs des Radius der Sonnenscheibe. 

Veranlaßt durch die Mißstimmigkeiten, die sich bei Ableitung der Eigenbewegung der Sonne 
aus den Radialgeschwindigkeiten der Orionsterne ergaben (Frost und Kapteyn, „Astrophysical 
Journal“, Vol. 32, p. 83), hat Professor Kapteyn die Eigenbewegungen der Orionsterne auf Grund 
des Boss’schen Katalogs einer besonderen Untersuchung unterzogen. Er findet einen gemeinsamen 
Konvergenzpunkt für 90°, aller Orionsterne im Gebiete: 12h bis 18h RA., 0° bis — 60° Dekl. und 
einen andern gemeinsamen Konvergenzpunkt für 95°/, der Orionsterne im Gebiet: 2h 50m bis 
4h 30m RA, + 15° bis + 55° Dekl. Es sind damit also zwei neue sehr ausgedehnte Sternströme 
von der Art der Hyaden und der Bärensterne aufgefunden. 

Herr Deslandres bezeichnet als Hauptresultat seiner Registrierungen der Radialgeschwindig- 
keit des Calciums auf der Sonne, daß die dunklen Massen aufsteigen, die hellen absteigen. 

Aus den Resolutionen: Für die 50 Standards 2. Ordnung im Wellenlängengebiet 4282 bis 
6494 A E. wird das Mittel aus den drei Bestimmungen von Fabry und Buisson, Pfund und 
Eversheim angenommen. Die Zahlen werden demnächst im „Astrophysical Journal“ veröffentlicht. 

Als weitere Standards 2. Ordnung werden in der Nähe von à = 5800 A E., wo die Eisenlinien 
nicht zahlreich genug sind, Bariumlinien empfohlen. 

Die Bestimmung der Standards 3. Ordnung und anderer Spektren im Anschluß an die neuen 
Standards ist von möglichst vielen Seiten erwünscht. Die — vom Rowlandschen Wert abweichende — 
Einheit des neuen Systems soll durch I. A. (Internationales Angström) bezeichnet werden. 

_ Die visuellen Beobachtungen des Sonnenspektrums haben bisher zwar nur eine unerwartete 
Konstanz und Einheitlichkeit des Fleckenspektrums bei den verwandten Dispersionen erkennen 
lassen, doch sollen dieselben über eine volle Fleckenperiode fortgesetzt werden. 

Die Positionswinkel am Sonnenrande werden zukünftig allgemein — auch von den bisher 
umgekehrt zählenden italienischen Astronomen — im Sinne Nord Ost-Süd-West gezählt. 

Zum Studium der Sonnenrotation, die nach Elementen getrennt durchgeführt werden muß, 
übernahmen sechs Beobachter je eine bestimmte Strecke des Sonnenspektrums. 


Die Vereinigung hat ferner beschlossen, ihr Arbeitsgebiet künftig auf Astrophysik im all- 
gemeinen auszudehnen, und hat bereits eine Kommission ernannt, die sich mit der Frage der 
Klassifikation der Sternspektren beschäftigen soll. Als Versammlungsort für das Jahr 1913 wurde 
Bonn gewählt. 


* 


Die nebenher tagende Kommission für Sterngrößen der photographischen Himmelskarte 
einigte sich auf den Vorschlag, daß für die Sterne vom Spektraltypus A, der Harvarder Klassi- 
fikation und von der Sterngröße 5,5—6,5 photographische und visuelle Sterngröße im Mittel gleich 
zu setzen sei, wobei die visuellen Größen nach der Harvardskala zu zählen sind. Die Harvard- 
sternwarte übernimmt die Festlegung absoluter photographischer Sterngrößen für 24 Sequenzen in 
jeder Zone der photographischen Himmelskarte. 


Se, SE 


Mathematische und astronomische Gnterrichtskurse ` 

von Doc. Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. S 

Im neuen Hörsaal der Treptow - Sternwarte, Treptow bei Berlin, Alt-Treptow 1 | 
ep Dienstags 6—7 Uhr abends. Beginn: 10. Januar 1911. 29 

: | Einführung in die höhere Mathematik. 


Funktionentheorie und Differentialrechnung. 
' A. Funktionentheorie. Begriff der Funktion, ihre geometrische Darstellung. — Grenz- 
_ begriffe. — Binomischer Lehrsatz. ` i | 
B. Differentialrechnung. Begriff des Differentialquotienten und der Stetigkeit. — 


Differentiation der verschiedenen Funktionen. — Lineare, trigonometrische und Kreisfunktionen 
— Differentiation von Funktionen mit zwei Veränderlichen. — Anwendungen aus der Astronomie 
und Physik. 


Die Mathematik wird nach eigener Methode so vorgelragen, daß die praktischen An- 
wendungen von der ersten Stunde an zu ihrem Rechte kommen. 

Die Hörerkarten sind schon zum ersten Vortrage mitzubringen m jedesmal als au: 
weis vorsusergen. Ä | 


Ki 


‘Horgebihr für den zehnstiindigen Kursus 6 M., für Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 4,50 M. 


Astronomie fiir Jedermann. 


Mit Lichtbildern, Demonstrationen und praktischen SE auf der Plattform der 
Treptow- Sternwarte. 


Gw: Montags 9—10 Uhr abends. Beginn: 9. Januar. zu 
Zwei kleinere Fernrohre stehen vor und nach dem Vortrage zur freien Mart e 


Die Sternbilder und Anleitung zu ihrer Auffindung. 
Sonne und Mond. 

Unser Planetensystem. 

Kometen und Sternschnuppen. 

Unser Wissen von den Sternenwelten. 

MilchstraBe und Nebelgestirne. 

Sternhaufen, veränderliche und neue Sterne. 

. Astronomie mit dem Opernglas und kleinen Fernrohren. 
Sonnen- und Mondfinsternisse. 

Unsere Erde als Planet. 


mare ann 


ke 
> 


Die Hörerkarten sind schon zum ersten Vortrage orined und jedesmal als Aus- 
weis vorz uzeigen. 


Hor gebühr fiir den EE Kursus 5 M., fiir Mitglieder, Studenten, Penre etc. 3,50 M, 


— Über die Bestimmung der Zeit und ihre Weitergabe. 


Mit Lichtbildern, ‘Demonstrationen und praktischen Übungen auf der Plattform der 
Treptow-Sternxarte. 


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Begriff von Raum und Zeit. — Die ersten Zeitmesser. — Sonnenuhren. — Die verschiedenen 
Zeitarten. — Präzisionsuhren und ihre Vergleichung. — Die Erde als Uhr. — Die verschiedenen 
Methoden der Zeitbestimmung. — Zeitbestimmung im Luftschiff. — Die telegraphische Weitergabe 
der Zeit. — Normaluhren und Zentraluhren. — Die Zeitsignale vom Eiffelturm und Norddeich mittels 
Wellentelegraphie. — Zukunft der Zeitverwaltung. 

"Die Hörerkarten sind schon sum ersten Vortrage mitzubringen und jedesmal als Aus 
weis vorsuselgen. 


Hörgehühr für den sehnstündigen Kursus 7 M., für Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 5,50 M. 


Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.8. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


Beilage zur illustrierten Zeitschrift far Astronomie und verwandte Gebicte 
„DAS WELTALL“, Jahrg. 11, Heft 4. 


(Zu Dr. F. 8. Archenhold: ,Uber Nordlichter in der Polarregion“.) 


Fig. A. 


Fig. B. 


Fig. C. 
Nordlicht am 26. Januar 1900. 


Digitized by Google 


DAS WELTALL 


Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete. 


Herausgegeben von 
Dr. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 4. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1910 November 15. 
Berlin-Treptow. 


Diese Zeitschrift erscheint zweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalten (Post- 

Zeilungsliste alphabetisch eingeordnet). Einzelne Nummer 60 Pjg. — Anseigen-Gebtihren: 1 Seite 80.— MR., 1), Seite 45.— 
1/, Seite 25.—, 1/, Seite 15.—, 1/4, Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewicht. 


INHALT 
1. Uber Nordlichter in der Polarregion. Von Dr. F. S. 4. Bücherschau: Jean Mascart, Astronome de l Observa- 
Archenhold. (Mit einer Beilage). . . x - 2... . 45 toire de Paris, Le tremblement de terre en Bretagne . 59 
2. Einiges von den flüssigen Hrystallen. Von Dr. Werner 5. Briefkasten. .. e Be Bh oe ër e 59 
Mecklenburg. (Fortsetzung). . 2. . 1. : © © © ee 47 6. Mathematische und astronomische Unterrichtskurse _ 
3. Kleine Mitteilungen: Wiederentdeckung des periodi- von Doc. Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow- 
schen Kometen Faye (1910e Cerulli). — Beobachtung Siernwarle. 2. 2 2 2 2 Eu IER ea eh 60 
der hellen Planeten am Tage. — Seebeben im Bis- Nachdruck verboten. | 
marck-Archipel. e s. 2 2 6 © ee ee we ew 58 Auszuge nur mit genauer Quellenangabe gestattet. 


ber Nordlichter in der Polarregion. 


Von Dr. F. S. Archenhold. 
(Mit einer Beilage.) 


D“ der Polarexpedition des Herzogs der Abruzzen hat Major Cagni!) in der 
Zeit vom 13. September 1899 bis zum 30. Januar 1900 Gelegenheit gehabt, 
in der Teplitz-Bai zahlreiche Nordlichter zu beobachten, von denen einige sehr inter- 
essante seltene Formen darbieten, die wir hier im Bilde wiedergeben wollen. Zuvor 
möchte ich jedoch darauf hinweisen, daß durch den Zusammenhang der Nordlichter 
mit den Sonnenflecken?) die Theorie immer mehr gestützt wird, daß die Nordlichter 
Erscheinungen sind, die erst durch die von der Sonne ausgesandten Kathoden- 
strahlen in unserer Atmosphäre sichtbar werden. Die Nordlichter finden ihr 
Ende dort, wo die Kathodenstrahlen durch unsere Atmosphäre völlig absorbiert 
werden. Lenhard, der zuerst im Laboratorium die Kathodenstrahlen aus 
einem Aluminiumfenster in die Luft hineingeführt hat, hat sich auch besonders 
mit der Absorption derselben durch die Luft beschäftigt und neuerdings in den 
Sitzungsberichten der Heidelberger Akademie der Wissenschaften auf die große 
Ladung der von der Sonne ausgehenden Strahlungen hingewiesen. Es muß 
sich um schnellere Strahlen handeln, als es die g-Strahlen des Radiums sind. 
Er spricht die Meinung aus, daß auf der Sonne radioaktive Stoffe vorhanden 
sein müssen, und vielleicht aus dem Sonneninnern durch die dort herrschenden 
gewaltigen Drucke bei ihrem Austritt an die Oberfläche der Sonne zur Bildung 


1) Die wissenschaftlichen Beobachtungen dieser Expedition sind in einem von der Verlags- 
buchhandlung Ulrico Hoepli in Mailand vorzüglich ausgestatteten Werke unter dem Titel: „Osser- 
vazioni scientifiche eseguite durante la spedizione polare di S. A. R. Luigi Amadeo di Savoia, Duca 
degli Abruzzi 1899 bis 1900“ herausgegeben. 

2) Vergl. F. S. Archenhold, ,Sonnenflecken, Erdströme und Nordlichter“, „Das Weltall“, 
Jahrg. 4, Seite 71 und Jahrg. 7, Seite 157.) 


DEE EE 


von Atomen führen, die bei ihrem Zerfall die Quelle der die Nordlichter verur- 
sachenden Strahlen bilden und voraussichtlich starker radioaktiv sind als die 
Uranatome. In bezug auf eine Erklärung der einzelnen Strahlen der Nordlichter 
verweisen wir unsere Leser noch auf die Abhandlung von C.Störmer: „Neuere 
norwegische Untersuchungen über die Natur der Polarlichter‘, „Das Weltall“, 
Jahrg. 9, Seite 129 u. £. 

Wir wenden uns jetzt den erwähnten Nordlichtern zu. Major Cagni beob- 
achtete u. a. in der Teplitz-Bai (nördl. Breite = 81° 47’ 26“ Lange = 352m 9,*7) am 
13. September 1899 im Westen einen weißlichen runden Streifen, der regen- 
bogenförmig von Nordnordwest nach Südsüdost gerichtet war. Am 3. November 
trat ein Nordlicht auf, das schnellen Änderungen unterworfen war und zuletzt 
die in Fig. 1 wiedergegebene Gestalt zeigte, die deutlich erkennen läßt, daß die 
Kathodenstrahlen in unserer Atmosphäre verschiedene, oft übereinander ge- 
lagerte Schichten durchlaufen. Am 7. November ging ein Nordlichtstrahl von 
Denebola durch den zweiten Stern im großen Bären, Benetnasch, bis zum Stern- 
bilde des Pegasus als ein halbrunder Streifen, mit seiner konvexen Seite nach 


Fig. 1. : Nordlicht am 3. November 1899. 


Südost gerichtet. Gleichzeitig versilberten sich die Wolken im Nordosten durch 
ein Nordlicht, das sich bald zu einem prächtigen Ringe formte, dessen Achse 
durch die Plejaden ging. (Fig. 2.) 

Eine Viertelstunde später verschwand der Ring, indem er sich länglich in 
der Richtung des Windes auszog. 

Am 25. Dezember trat um 19'/, ein Nordlicht auf, das zuerst die Form 
von elliptischen, sich konzentrisch einschließenden, in der Mitte ein wenig ein- 
gedrückten Bändern annahm, die allmählich bis zum Zenit stiegen (Beilage Fig. A). 
Fast ein Drittel des ganzen Himmelsgewölbes war von dieser Lichterscheinung 
bedeckt. Um 20!/," nahm die Erscheinung an Intensität ab und bildete sich in 
die Gestalt einer Nordlichtkrone um, deren Zentrum genau im Zenit lag und 
sich von hier gegen Südosten strahlenförmig ausbreitete (Beilage Fig. B). All- 
mählich wurden die Streifen schwächer, sodaß um 21® nur noch Spuren der- 
selben zu sehen waren. Um 21!/," war das ganze Phänomen bereits ver- 
schwunden. 

Am 26. Januar 1900 scho ein prachtvolles Nordlicht um 215 von Nordosten 
durch die beiden oberen Sterne des großen Bären halbkreisförmig gegen den Polar- 
stern, durchlief die Zwillinge und endete 30° über dem Horizonte im Südwesten 


= AT 


(Beilage Fig. C). Es zerfiel bald in drei fast parallele Streifen und begann sich 
unter ständiger Helligkeitszunahme wie. eine Schlange zu bewegen. In der ` 
Mitte löste sich der Streifen in einen Nebel auf, nur feine weiße Körner zurück- 
lassend, die wie phosphoreszierender Sand, der vom Winde bewegt wird, 
leuchteten. Die strahlenden Körner unterschieden sich kaum von Sternen erster 
Größe. Um 9!/," traten erst zwei und dann drei konzentrische nach Norden 
konkav geformte Bänder auf; eine halbe Stunde später war die ganze Erscheinung 
verschwunden. 

Je größer die Zahl der einzelnen Beobachtungen der Nordlichter wird, um 
so besser läßt sich der Zusammenhang derselben mit den Sonnenflecken stu- 
dieren; insbesondere, wenn unsere Polarexpeditionen sich mit photographischen 
Apparaten ausrüsten, die dann Höhenbestimmungen der Polarlichter dadurch 
gestatten, daß an zwei, nicht zu weit von einander entfernten Punkten, 5 bis 
10 km, gleichzeitige photographische Aufnahmen gemacht werden; durch die 
sich mitphotographierenden Sterne, unter Berücksichtigung der Aufstellungs- 
punkte und sonstigen Konstanten der Apparate usw., ließe sich eine Höhen- 


Fig. 2. Nordlicht am 7. November 1899. 


bestimmung für die einzelnen Nordlichterscheinungen erzielen, wie es Carl 
Störmer jüngst auf einer Expedition in Bossekop gezeigt hat. Die Höhen der 
von Störmer photographierten Polarlichter betrugen 50, 120, 166 und 190 km über 
der Erdoberfläche, während Paulsen im Jahre 1884 aus seinen Messungen in 
dem grönländischen Küstenorte Godthaab als größte Höhe nur 68 km ge- 
funden hatte. app 


Einiges Von den flüssigen Krystallen. 


Von Werner Mecklenburg. 
(Fortsetzung ) 


Die fließenden und die flüssigen Krystalle. 

Eine bei der Betrachtung besonders deutlich in das Bewußtsein tre- 
tende Eigenschaft der Krystalle ist ihre große Starrheit. Allerdings sind schon 
seit langem Erscheinungen bekannt, nämlich die Erscheinungen der Biegsamkeit, 
welche auf minder große Starrheit deutlich hinweisen. So unterscheidet der 
Mineraloge die elastisch biegsamen Krystalle, wie etwa den Glimmer, dessen 


— 48 — 


_ Krystalle sich ohne Schwierigkeit biegen lassen, aber nach Aufhören der wirk- 
samen Kraft wieder ihre ursprüngliche Form annehmen, von den gemein bieg- 
samen Krystallen, deren Elastizität so gering ist, daß sie, wenn sie einmal 
deformiert sind, dauernd deformiert bleiben; als Beispiel dafür seien Talk oder 
Chlorit angeführt. Indessen tritt ein so betrachtlicher Grad der Biegsamkeit nur 
selten und nur bei den in sehr dünnen Blattchen oder Nadeln krystallisierenden 
Stoffen auf; auch sind die Kräfte, die bei der Deformation aufgewendet werden 
müssen, wenn man erstens die große Dünnheit der Krystalle und zweitens 
die bei den Versuchen in Frage kommende Hebelwirkung berücksichtigt, tat- 
sächlich nicht so gering, wie man zunächst vielleicht meinen möchte. Diese 
Erfahrungen ließen daher, so interessant und wichtig sie auch waren, doch 
keineswegs die Möglichkeit von so wenig starren Krystallen voraussetzen, daß 
sie nicht nur weich oder plastisch, sondern sogar flüssig erscheinen würden. 

Das große Verdienst, durch seine Arbeiten die allgemeine Aufmerksamkeit 
auf die weichen und flüssigen Krystalle gelenkt und dadurch außerordentlich 
anregend gewirkt zu haben, kommt dem Professor der Physik an der tech- 
nischen Hochschule in Karlsruhe Dr. O. Lehmann zu. 

Das erste Beispiel für sehr weiche Krystalle hat Lehmann schon im 
Jahre 1877 am Jodsilber aufgefunden. Wird das hexagonal krystallisierende 
Jodsilber erhitzt, so geht es bei 146° in eine andere Krystallform, nämlich in ` 
reguläre Oktaöder über, aber diese Oktaéder sind so weich und werden, wenn 
sie aneinander stoßen, so leicht deformiert, daß ein Aggregat von ihnen ur- 
sprünglich für eine trübe Flüssigkeit gehalten wurde. Eine eingehendere 
Untersuchung der weichen und der flüssigen Krystalle konnte erst einsetzen, 
nachdem durch neuere Entdeckungen auf dem Gebiete der organischen Chemie 
eine größere Reihe von Substanzen gewonnen worden waren, die als geeignetes 
Versuchsmaterial dienen konnten. Diese neue Periode in der Geschichte der 
flüssigen Krystalle setzte im Jahre 1883 ein, nachdem Reinitzer in Wien das 
Cholesterylbenzoat, eine organische Substanz von ziemlich komplizierter, bis 
jetzt noch nicht mit Sicherheit ermittelter Struktur, dargestellt und sie Lehmann 
zur näheren Untersuchung übergeben hatte. Nun folgte weiter die Entdeckung 
der weichen Krystalle der ölsauren Salze, dann die der Azoxyverbindungen und 
schließlich die systematische Aufsuchung und Auffindung krystallinisch flüssiger 
Substanzen durch Vorländer. Besonders durch die Arbeiten von Vorländer 
ist die Zahl der weiche oder flüssige Krystalle liefernden Stoffe außerordentlich 
vergrößert worden; wir kennen jetzt über 250 verschiedene Substanzen, die die 
merkwürdigen Erscheinungen zeigen. 

Während die meisten krystallisierten Substanzen, sofern sie beim Erhitzen 
keine Zersetzung erleiden und auch sonstige störende Nebenerscheinungen 
nicht auftreten, bei einer bestimmten Temperatur, dem Schmelzpunkt, aus dem 
festen in den flüssigen Zustand übergehen, zeigte das Cholesterylbenzoat ge- 
wissermaßen einen doppelten Schmelzpunkt. Bei 145,5° schmilzt es zu einer 
trüben, aber völlig flüssigen Flüssigkeit, die bei 178,5° plötzlich klar wird. 
Beim Abkühlen wird die klare Schmelze, sowie die Temperatur 178,5 erreicht 
hat, plötzlich trübe, bleibt aber vollkommen flüssig und nimmt erst bei 145,5° 
die feste Form an. Die trübe Flüssigkeit zeigt bei der Untersuchung im Pola- 
risationsmikroskop starke Doppelbrechung. In der folgenden Tabelle ist eine 
Reihe von Substanzen aufgeführt, die sich ähnlich verhalten. In der ersten 
Reihe steht der Name der Substanz, in der zweiten Reihe die Strukturformel, 


DEE, SE 


in der dritten Reihe der Schmelzpunkt, d. h. die Temperatur, bei der der Über- 
gang fest — trübe Flüssigkeit erfolgt, und in der vierten Reihe der Klärungs- 
punkt. 


Name Formel Schmelzpunkt Klärungspunkt 
Cholesterylbenzoat . C3H,;.0.C0.C,H; 145,5 ° 178,5 0 
p-Azoxyanisol . . . CH,.0.C,H, — N — N — C, H, . O . CH; 116 178 

O 
p-Azoxyphenetol . . C,H,.0.C,H,—N—N—C,H,.0.C,H; 137,5 168 
O 
p-Azoxyanisolphenetol CH, . O.C H; — N — N — C; H, . O . C, H; 93,5 149,6 
o 
Azin des p E Oxaethyl- C, H, e O D Ce H, D CH Gë N 172 199 
benzaldehyds . . . C, H,.0.C,H,. CH—N 
p-Methoxyzimtsäure . CH,.0.C,H,.CH = CH. COOH 170 187,5 
Kondensationsprodukt Cs H,.N = CH.C, H; ) 234 260 
aus Benzaldehyd und 
Benzidin . a Gee C,H,.N = CH. C, H; 
p-Azoxybenzoťsäure- p N.C, H,. CO, C, H; 113,5 120,5 
Aethylester š 


N.C, H, . CO, C, H, 


Erhitzt man eine größere Menge (etwa 100 g) einer dieser Substanzen auf 
eine Temperatur, die zwischen dem Schmelz- und dem Klärungspunkt liegt, so 
erhălt man, wie bereits gesagt worden ist, eine trūbe, undurchsichtige Masse, 
die in weiten Gefäßen eine vollständig horizontale Oberfläche, in engeren Röhren 
einen konkaven Meniskus bildet. Der Grad der Beweglichkeit oder Zähigkeit 
der Schmelzen ist besonders von Schenck und seinen Schülern ermittelt 
worden. Bezeichnet man die Zāhigkeit des Wassers bei 0° mit 100, so liegen 
die Zahigkeiten der triben Schmelzen von 


Cholesterylbenzoat . . . . . . . zwischen 893 und 621 
p-Azoxybenzoésdureaethylester . . - 856 - 471 
p-Azoxyanisolphenetol . . ... - 171 - 11 
p-Azoxyanisol ........ - 148 - 128 
p-Methoxyzimtsdure. : ..... - 106 - 91 
p-Azoxyphenetol . . ...... - "H - 66 


Es gibt also krystallinisch-flüssige Stoffe, deren Zähigkeit etwa der des 
Olivenöls entspricht, und ebenso solche, die viel leichter beweglich als Wasser 
sind. Mit steigender Temperatur nimmt die Zähigkeit einer Flüssigkeit stark ab, 
die oberen Werte der kleinen Tabelle entsprechen also den Beobachtungen bei 
niedriger, die unteren Werte bei höherer Temperatur. Demnach wäre zu er- 
warten, daß bei weiterem Erhitzen der Schmelzen über den Klärungspunkt hinaus 
die Zähigkeit kleiner wäre, als unterhalb desselben. In einigen Fällen, z. B. 
beim p-Azoxybenzoösäureaethylester und beim Cholesterylbenzoat ist es auch 
tatsächlich so, in der beträchtlichen Mehrzahl der Fälle aber nimmt die Zähig- 
keit, beim Überschreiten des Klärungspunktes plötzlich stark zu, d. h. die 
isotrope Flüssigkeit ist, obwohl sie bei höherer Temperatur existiert als 
die anisotrope Schmelze, schwerer beweglich als diese, ein schr über- 
raschendes Resultat, das besonders deutlich wird, wenn man die nebenstehenden, 
die tatsächlichen Verhältnisse allerdings nicht ganz richtig wiedergebenden 


— 50 ` 


Diagramme betrachtet, in denen die Zahigkeit als Ordinate, die Temperatur als 
Abszisse eingetragen ist und der auf der Abszisse senkrecht stehende Pfeil die 
Klarungstemperatur angibt; die beiden 
ersten Diagramme zeigen die in Wirk- 
lichkeit allerdings nicht so plötzlich ver- 
laufende Zunahme der Zähigkeit, während 
das dritte Diagramm ein Beispiel für den 
an erster Stelle erwähnten, weniger 
häufigen Fall darstellt. 

Von den Messungen physikalischer 
Größen seien hier noch die Wärme- 
tönungen beim Verflüssigungs- und beim 
Klärungspunkte besprochen. Wenn ein 
krystallisierter Stoff schmilzt, d. h. in 
den amorphen Zustand übergeht, so 
wird bekanntlich eine gewisse Wärme- 
menge, die sogenannte Schmelzwärme, 
gebunden, und dieselbe Wärmemenge 
wird frei, wenn dieselbe Menge desselben 
Stoffes umgekehrt wieder aus dem amor- 


4480 ” 


n-Azoxyanisol 


100 110 120 130 140 150 
Abb. 4. phen in den krystallisierten Zustand 
Zähigkeit des p-Azoxyanisols als Funktion übergeht. Verwandelt sich zum Beispiel 
der Temperatur nach Schenck. 1 g Wasser von 0° in 1g Eis von der- 
selben Temperatur, so werden 80 kleine 
x Kalorien frei, und wenn 1 g Eis von 
í 
ed n- Methuxy- geg zr-Azox yben zoë- 


zīimmtsaure saurcathylester 


150 


130 


110 


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Ton its 
90 BER Ser een 
160 770 180 190 200 210 
Abb. 5. Abb. 6. 
Zahigkeit der p-Methoxyzimmtsäure als Funktion Zähigkeit des p-Azoxybenzoésaureaethylesters 


der Temperatur nach Schenck. als Funktion der Temperatur nach Schenck. 


a. SE 


0° zu 1 g Wasser von 0° schmilzt, so erheischt der Vorgang dieselbe Wärme- 
menge von 80 Kalorien. Ganz analoge Vorgange spielen sich bei der poly- 
morphen Umwandlung ab: der Schmelzwärme beim Schmelzen entspricht die 
Umwandlungswärme bei der polymorphen Umwandlung In der folgenden 
Tabelle sind einige Schmelz- und Umwandlungswärmen angegeben; die Werte 
beziehen sich auf je ein Grammmolekül der betreffenden Substanz und auf große 


Kalorien: 


Schmelzwärmen: Umwandlungswärmen: 
Aluminium. . . 2... . 6,5 Kal. Schwefel monoklin — rhombisch . . . . . 0,08 Kal. 
Biel a. A @ & mt: Jl e Kohlenstoff-Graphit—» Diamant. . . . . . 0,50 - 
Jode e a. e A eg de Quecksilberjodit H,J grüngelb — gelb . . . 015 - 
Kupfer . ...... . 27 - Quecksilbersulfid HS amorph — krystallisiert 03 - 
Zink ... °’... 18 - Ammoniumnitrat 
Bleichlorid Pb CL . . . . 58 - ß8-rhombisch — a-rhombisch . . . . . . 0,40 - 
Wasser HO ..... . 1,4 - «-rhombisch — rhomboédrisch . . . . . 0,43 - 
Salpeter KNO. . . . . . 4,9 - rhomboédrisch — regulär . . . . . . . 0,95 - 
Schwefelsäure KSO, . . . 2,4 - Calciumcarbonat 
Essigsäure . . . . . . . 26 - Aragonit — Kalkspath ........04 - 
Stearinsäure C,,H;,0, . . . 13,5 - Glukose C,H,,0, 

Benzol . .... a... 23 = GEF e e e RE Ge e e e e OD = 
p-Bromphenol. . . . . . 30 - Vm p oa tke Se Se ae are er OOT = 
Diphenylamin. . ... . 40 - 
Nitrobenzol. . .... . 2,% - 
Phenylessigsdure. . . . . 35 - 
p-Toluidin . . . .... 88 - 


Die Wärmetönungen beim Schmelz- und beim Klärungspunkt bei den 
weichen und flüssigen Krystallen sind von Schenck und seinen Schülern und 
von anderen Forschern gemessen worden und haben zu den in der folgenden 
Tabelle zusammengestellten Ergebnissen geführt. 


Substanz: Verflüssigungswärme: Klärungswärme: 
p-Azoxyanisol 7,48 Kal. 0,181 Kal. 
p-Azoxyanisolphenetol 3,65 - 0,291 - 
p-Azoxyphenetol 6,01 - 0,458 - 
p-Methoxyzimtsäure _ 0,623 - 
p-Azoxybenzoésdureaethylester . — 5,335 - 
Cholesterylbenzoat — 0,130 - 


- Betrachtet man die beiden vorstehenden Tabellen, so bemerkt man eine 
sehr interessante Tatsache: Im allgemeinen ist der Übergang krystallisiert — 
flüssig mit einem beträchtlichen Wärmeeffekt verbunden, während bei poly- 
morphen Umwandlungen innerhalb des festen Zustandes nur geringe Wärme- 
tönungen auftreten; die Schmelzwärmen sind viel größer als die Umwandlungs- 
wärmen. Bei den weichen und fließenden Krystallen haben wir das umgekehrte 
Bild: Der Übergang von den festen zu den weichen oder flüssigen krystalli- 
nischen Stoffen, also der Übergang von einer krystallisierten Form in die andere, 
der der polymorphen Umwandlung entspricht, zeigt eine verhältnismäßig große 
Wärmetönung, die von derselben Größenordnung ist wie die gewöhnliche 
Schmelzwärme. Die Klärungswärme hingegen, die als Übergang fest — amorph- 
flüssig der Schmelzwärme entspricht, ist in der Regel sehr klein; in der Größen- 
ordnung folgt sie der Umwandlungswärme bei den gewöhnlichen polymorphen 
Umwandlungen. Die Folgerung, die wir aus dem Gesagten ziehen müssen, ist 


eer, EE, eg 


die, daß die weich und die flüssig krystallinischen Stoffe ihrem Energie- 
inhalte nach den eigentlichen Flüssigkeiten in der Tat sehr nahe und zwar 
näher als den gewöhnlichen festen Krystallen stehen, ein nach Ansicht des 
Berichterstatters sehr wesentliches Ergebnis, dessen Prüfung an weiterem 
Material dringend wünschenswert wäre. 

Das bis jetzt Gesagte bezieht sich auf die trüben Flüssigkeiten, die als 
Aggregate von weichen und flüssigen Krystallen aufzufassen sind. Als besonders 
wesentlich für das Studium der weichen und flüssigen Krystalle mußte aber die 
Isolierung einzelner Krvstallindividuen erscheinen, und in der Tat sind auch 
die interessantesten Beobachtungen an diesen gemacht worden. Bevor wir 
uns jedoch deren Besprechung zuwenden, wollen wir uns kurz die Er- 
scheinungen an sehr kleinen Flüssigkeitsmengen in die Erinnerung zurück- 
rufen. 

Kleine Flüssigkeitsmengen nehmen bekanntlich infolge einer auf ihre 
Oberfläche wirkenden Kraft, der sogenannten „Oberflächenspannung“, Kugelform 
an. Die Oberflachenspannung sucht nämlich die Oberfläche der Flüssigkeit so 
klein wie irgend möglich zu machen, und die Kugel ist gerade derjenige Körper, 
der von allen Körpern mit demselben Rauminhalt die kleinste Oberfläche hat. 
Vollen Erfolg hat die Obertlächenenergie allerdings nur dann, wenn ihr nicht 
andere Kräfte allzu hindernd in den Weg treten. So zeigen z. B. größere 
Flüssigkeitsmengen die charakteristische Kugelgestalt nicht mehr, weil die 
Schwere die gesamte Masse so tief wie möglich zieht, und bei festen Flüssig- 
keiten, d. h. bei festen amorphen Körpern, fehlt die für die gewöhnlichen 
Flüssigkeiten charakteristische leichte Verschicbbarkeit der einzelnen Teilchen, 
sodaß diese der Oberflächenspannung nicht mehr so leicht zu folgen im Stande 
sind. Gleichwohl ist die Wirkung der Oberflächenspannung auch bei festen 
amorphen Stoffen unverkennbar, denn bei sorgfältiger Beobachtung erkennt man 
z. B. leicht, daß die scharfen Spitzen und Kanten von festem Asphalt sich mit 
der Zeit abrunden: der größte Feind der scharfen Spitzen und Kanten ist in der 
Tat die Oberflächenspannung. Etwas anders als bei den festen amorphen 
Stoffen liegen die Verhältnisse bei den krystallisierten Körpern. Während ein 
amorpher Stoff, wenn er durch ein geeignetes Mittel, etwa indem man ihn in 
einer Flüssigkeit von demselben spezifischen Gewicht suspendiert, von der 
Wirkung der Schwerkraft frei gemacht wird, mit der Zeit stets Kugelgestalt an- 
nehmen wird, mag dies auch infolge der schweren Verschiebbarkeit der 
Teilchen sehr lange dauern, wirkt bei einem krystallisierten Stoff die 


Tendenz, eine bestimmte charakteristische Form, die Krystallform, anzunehmen, ` 


der Ausbildung der Kugelform entgegen. Bei den gewöhnlichen Krvstallen sind 
nun die der Oberflachenspannung hindernd entgegentretenden Kräfte, einerseits 
das Bestreben die Krystallform anzunehmen, und andrerseits die schwere Ver- 
schiebbarkeit der Teilchen, die Starrheit des Krystalls, im Verhältnis zu ihr so 
stark, daß die Wirkung der Oberflächenspannung praktisch kaum merklich in 
Frage kommt. Es wäre aber falsch, aus dieser Tatsache den Schluß zu ziehen, 
daß die Oberflachenspannung sich auf die amorphen Stoffe beschränke, 
denn zu einer derartigen Beschränkung liegt kein einziger stichhaltiger Grund 
vor, und die Beobachtungen an den weichen Krystallen widersprechen ihr sogar. 

Denken wir uns jetzt einen Krystall, dem die Krvstallisationskraft zwar die 
übliche von Spitzen, Kanten und ebenen Flächen begrenzte äußere Form zu 
geben sucht, dessen Teilchen sich aber trotzdem ohne große Schwierigkeit in 


E oe 


jeder Richtung verschieben lassen, also einen in allen Richtungen nur wenig 
starren Krystall. Welchen Einfluß wird die Oberflachenspannung auf ihn aus- 
üben? Die Beantwortung der Frage bietet keine Schwierigkeiten. Die Krystal- 
lisationskraft strebt zu einem normalen Krystall, die Oberflächenenergie zu 
einem kugeligen Gebilde hin, und da beide Kräfte, dank der zur Voraussetzung 
genommenen Beweglichkeit der Teilchen, frei gegeneinander wirken können, so 
wird das Ergebnis ein Gleichgewichtszustand sein. Ist die Krystallisations- 
kraft sehr groß gegenüber der Oberflachenspannung, so wird durch diese der 
normale Krystall nur an den Ecken und Kanten ein wenig abgerundet werden. 
Je größer aber die Oberflächenenergie gegenüber der Krystallisationskraft wird, 
um so mehr wird sich die Form des Gebildes der Kugel nähern, und schließlich 
wird der Krystall äußerlich vollkommen zur Kugel werden. Äußerlich, aber 
nicht im Innern! Denn die Oberflachenenergie wirkt nur an der Oberfläche, 
aber nicht im Innern. Im Innern des Gebildes kann die Krystallisationskraft 
ungehindert von der Oberflachenenergie freischaltend die Moleküle in be- 
stimmter symmetrischer Weise anordnen: Die Kugel hat im Innern durchaus die 
für den Krystall charakteristische Anordnung der Moleküle behalten, sie ist trotz 
ihrer äußeren Form immer noch ein Krystall, zeigt also z. B. Doppelbrechung 
des Lichts usw. | 

Die neueren Entdeckungen, die den Gegenstand dieser Mitteilung bilden, 
haben nun gezeigt, daß die Gebilde, deren Möglichkeit wir soeben theoretisch ab- 
geleitet haben, tatsächlich existieren: Es sind das die fließenden und die flüssigen 
Krystalle, wobei wir nach dem Vorgange von Lehmann unter fließenden Krystallen 
solche verstehen, bei denen die Formkraft stärker als die Oberflächenspannung ist, 
sodaß auch äußerlich noch die eigentliche Krystallform zu erkennen ist, nur daß 
die Ecken und Kanten durch die Oberflächenenergie bereits abgerundet sind, 
während wir als flüssige Krystalle die bezeichnen, bei denen der überwiegende 
Einfluß der Oberflachenspannung die Deformation des Krystalls zur Kugel, zu 
einem „Krystalltropfen“, erzwungen hat. Ein prinzipieller Unterschied zwischen 
fließenden und flüssigen krystallen 


besteht also nicht, der Unterschied og Pen d Ag s ee RR en TE 
zwischen ihnen ist nur graduell. un” IE a E | 
D . e . > & ke th d Ce . ' A. 
Die Isolierung einzelner fließen- |f ees J A á "e 
der und flüssiger Krystalle aus den {f 7 d Le 


_ Aggregaten weicher Krystalle, von 
denen wir weiter oben gesprochen 
haben, gelang Lehmann dadurch, 
daß er kleine Mengen der trüben Flüs- 
sigkeiten in geeigneten Lösungsmitteln, 
Olivenöl, Glyzerin, Petroleum, Kolo- 
phonium usw., suspendierte und sic 
dann mikroskopisch untersuchte. 

Als Beispiel für fließende Kry- Abb. 7. 
stalle mag hier der p-Azoxybenzo¢saure- Die fließenden Krystalle des p-Azoxybenzot- 
aethylester angeführt werden: In SE 
einem geeigneten Lösungsmittel aufge- 
schlämmt bildet der p-Azoxybenzoüösäureaethylester lange dünne nadelförmige 
Krystalle, bei denen durch die Wirkung der Oberflächenspannung die Spitzen 
und Kanten bereits etwas abgerundet sind. „Man kann förmlich greifbar wahr- 


z bi 


nehmen“, sagt Lehmann, „daß der einzelne Krystall gewissermaßen in eine 
elastisch gespannte Oberflachenhaut eingeschlossen ist, welche ihn zur Kugel zu 
deformieren sucht, woran sie aber durch die widerstehende Kraft der Elastizität 
gehindert wird.“ An der richtigen Krystallnatur dieser Nadeln ist nicht zu 
zweifeln, denn sie lassen eine Reihe charakteristischer Krystalleigenschaften 
deutlich erkennen. Sie zeigen Doppelbrechung und besitzen einen wohl aus- 
geprägten Dichroismus, da sie in polarisiertem Lichte, je nach der Richtung, in 
der das Licht sie durchsetzt, verschiedenfarbig, teils gelb, teils farblos er- 
scheinen. In der nebenstehenden Abb.7 sind die Stäbchen abgebildet. 

Analoge Erscheinungen 
treten bei dem ölsauren Am- 
monium auf, dessen fließende 
Krystalle in der Abb. 8 abge- 
bildet sind, aber hier tritt der 
Einfluß der Oberflachenspan- 
nung noch stärker als bei den 
Krystallen des p-Azoxybenzoč- 
saureaethylesters in Wirk- 
samkeit. „Die Flächen und 
Kanten sind stark gerundet“, 
sagt Lehmann, „sodaß hier- 
nach eine nähere Bestimmung 
der Form nicht wohl möglich 
ist. Der Querschnitt erscheint 
in der Regel nahezu kreis- 
förmig, doch glaube ich in ein- 

Abb. 8. zelnen Fällen. deutlich\beob- 

Die fließenden Krystalle des ölsauren Ammoniums achtet zu haben, daß er in 

BON Wirklichkeit sechseckig ist, daß 

somit die Krystalle wahrschein- 

lich als sehr steile hexagonale Pyramiden zu betrachten sind.“ Beim ölsauren Ammo- 

nium haben sich auch, ein weiterer Beweis für die Krystallnatur der Gebilde, 

Ätzfiguren beobachten lassen, d. h. es wird bei sehr schwacher Einwirkung eines 

Lösungsmittels auf eine Krystallfläche diese nicht gleichmäßig angegriffen, son- 

dern es bilden sich auf ihr kleine, charakteristische Figuren aus, die entweder | 

besonders leicht oder besonders schwer angreifbaren Partien 

a> entsprechen und deren Form und Anordnung mit dem vorliegen- 
den Krystallsystem in engster Beziehung stehen. 

_ Abb. 9. Als Mittelglied zwischen den fließenden und den flüssigen 

Kaas Krystallen kann das Cholesterylbenzoat angeführt werden. Wie 

Cholesteryl- aus der Abb. 9 hervorgeht, sind die einzelnen Krystalle ei- oder 

er linsenförmig gestaltet; von der geraden Begrenzung sind nur 

noch zwei Kanten übrig geblieben, die allein auch äußerlich 

noch an die durch die Erscheinungen der Polarisation erweisbare Krystallnatur 

des Gebildes erinnern. 

Die ersten Beispiele von wirklich flüssigen Krystallen, d. h. solchen 
Krystallen, die unter dem Einfluß der Oberflächenspannung Kugelform annehmen, 
ohne dadurch ihre Krystallnatur einzubüßen, sind von Gattermann entdeckt 
und von Lehmann näher untersucht worden: es waren das p-Azoxyanisol, das 


gen EE eg 


p-Azoxyphenetol und das p-Azoxyanisolphenetol. Die Eigenschaften der nach 
dem weiter oben angedeuteten Verfahren isolierten kugelförmigen Einzel- 
krystalle oder Krystalltropfen beschreibt Lehmann folgendermaßen: „Im 
Gegensatz zu den zusammenhängenden Massen, welche stets Aggregate vieler 
Individuen sind, erscheinen die isolierten einfachen Krystalltropfen nicht trübe, 
sondern durchaus klar. Von den gewöhnlichen Flüssigkeitströpfchen lassen sie 
sich ohne weiteres dadurch ben ist (vergl. Fig. 10). Un- 
unterscheiden, daß sie im In- möglich ist es aber, Krystall- 
nern eine eigentümliche Schatt- individuen mit polyedrischer 
tierung zeigen, nämlich, falls Umgrenzung oder auch nur 
sie sich in dem Zwischenraum eine Andeutung einer solchen 
zwischen Objekttrager und Ss zu erhalten.“ Dreht sich ein 
Deckglas frei bewegen können Abb. 10. flüssiger Krystall, der den 


und die Temperaturdifferenz Abbildung eines dunklen Punkt in der Mitte 
ee Krystalltropfens : e 2 5 
oben und unten möglichst ge- in "` der ersten zeigt, in der strömenden Füs- 
ring ist, einen dunklen ... ange nach sigkeit um eine horizontale 
Punkt in der Mitte, welcher er Axe um 90°, so bietet er, wie 


von einem grauen Hof umge- die Abb. 11 bis 16 zeigen, ein 
anderes Bild, nämlich das Bild einer auf der Kante stehenden, die Oberfläche der 
Kugel gerade berührenden Linse. Die Lage,die derKrystalltropfen gerade hat,wenn 
das erste Bild erscheint, bezeichnet Lehmann als erste Hauptlage und unter- 


Abb. 11. Abb. 12. Abb. 13. Abb. 14. Abb. 15. 


Zwischenstadien eines aus der ersten in die zweite Hauptlage sich drehenden Krystalltropfens 
nach Lehmann. 


scheidet sie von der zweiten Hauptlage, die dem Linsenbild entspricht. Be- 
trachtet man die in der ersten Hauptlage befindlichen Tropfen im polarisierten 
Lichte, so erkennt man, wie die nebenstehende Abb. 17 andeutet, daß die vier 
Sektoren verschieden gefärbt sind, und zwar 
besitzen je zwei gegenüber liegende Sektoren 
dieselbe Farbe: Die Krystalltropfen zeigen 
also die bei Krystallen sehr häufig auftre- 
tende Erscheinung des Dichroismus. 

Bringt man einen in der ersten Haupt- 
Abb. 16. lage befindlichen Krystalltropfen in ein starkes 
en magnetisches Feld, so sucht er die zweite en nn 
in der zweiten Hauptlage anzunehmen, ebenfalls ein Beweis ersten Hauptlagebei 
ge de für die Anisotropie der Tropfen. | ran 
Nachdem wir uns einen kurzen Über- nach Lehmann. 

blick über die Erscheinungsreihe fließen- 
der Krystall — flüssiger Krystall verschafft haben, wollen wir, indem wir 
wegen der vielen beobachteten und nur schwer genauer zu erklärenden Einzel- 
heiten auf die am Schlusse dieses Berichtes angeführte Literatur verweisen, 

nur noch einige besonders interessante Phänomene schildern. 


E en 


Ein hübsches Beispiel für die fast schon flüssige Natur der flieBenden 
Krystalle, oder mit anderen Worten für den großen Einfluß, den die Oberflächen- 
spannung auf die Krystalle ausübt, bieten Beobachtungen, die an den flieBenden 
Krystallnadeln des p-Azoxybenzoösäureaethylesters gemacht worden sind: 
Kommt eine der Krystallnadeln dieses Esters in der Flüssigkeit mit einer Luft- 
blase so zusammen, daß die Spitze des Krystalles senkrecht zu deren Ober- 
fläche steht, so erleidet der Krystall eine merkwürdige Veränderung. An der 
Berührungsfläche fängt er an, sich zu verbreitern, während die Masse des 
Krystalls nachrückt, und schließlich wird aus ihm eine Pyramide, deren konkave 
Basis auf der Luftblase ruht. Die nebenstehenden Abb. 18a—d verdeutlichen 
das Gesagte. Bei dieser Formveränderung behält der Krystall, wie Lehmann 
ausdrücklich betont, seine Krystallnatur: „Die Ausbreitung und Verzerrung des 
Krystalles erfolgt derart, daß die Auslöschungsvorrichtungen überall senkrecht 
zur Oberfläche der Blase stehen und ebenso die Streifung, welche stets der 
Längsrichtung der Krystalle entspricht.“ Diese Erscheinung ist allgemein: 
deformiert man einen weichen oder flüssigen Krystall, zerrt man etwa einen 


Ee A 
E 


a 


Abb. 18. Abb. 19. 
Deformation eines Krystalles von p-Azoxybenzoösäure- Verschmelzung zweier Krystalle 
aethylester beim Zusammentreffen mit einer Luftblase des p-Azoxybenzoésadureaethyl- 


nach Lehmann. esters nach Lehmann. 


fließend weichen Krystall von ölsaurem Ammonium senkrecht zur Längsrichtung, 
so sucht er seine innere Struktur so gut wie möglich zu bewahren oder sie, 
wenn er sie durch einen allzu stürmischen Angriff verloren hat, so schnell wie 
möglich wiederzugewinnen. 

Besonders eigenartige Phänomene treten auf, wenn zwei fließende oder 
flüssige Krystalle zusammenstoßen. Als Beispiel mögen hier zunächst wieder 
Beobachtungen am p-Azoxybenzoésaureaethylester angeführt werden. Die vor- 
stehende Abb. 19 gibt ein typisches Bild der Beobachtungen: Treffen die Nadeln 
a und 6 oder a und c so, wie es die Figur zeigt, schräg zusammen, so drehen 
sich im Augenblicke der Berührung die Nadeln mit außerordentlicher Ge- 
schwindigkeit so, daß sie parallel sind, und verschmelzen nunmehr zu einem 
einzigen an der Verbindungsstelle verdickten Krystall, der sich bei der optischen 
Untersuchung als vollkommen einheitlich erweist. Treffen hingegen die beiden 
Krystalle nicht schief, sondern genau rechtwinklig aufeinander, so wachsen sie 
zwar auch zusammen, aber sie bilden in diesem Falle nicht ein einheitliches 
Ganzes, sondern einen Zwilling, dessen beide Komponenten etwa im polarisierten 
Lichte betrachtet verschiedene Färbung zeigen. 


e: ER as 


Auch die Verschmelzung zweier. flüssiger Krystalle oder zweier Krystall- 
tropfen erfolgt, wie ja nicht anders zu erwarten ist, in streng regelmäßiger 
Weise, und zwar so, daß in den beiden Hälften des neugebildeten großen 
Tropfens die eigentümliche Struktur der Komponenten erhalten bleibt. Die ent- 


` Abb. 20. Abb. 22. Abb. 23. 


Darstellung einiger durch Verschmelzung zweier Krystalltropfen in der ersten Hauptlage 
entstandener Gebilde nach Lehmann. 


stehenden Strukturen stellen sich verschieden dar, je nachdem die Verschmel- 
zung in der ersten oder in der zweiten Hauptlage erfolgt. Einige häufigere Bei- 
spiele sind in den nebenstehenden Abb. 20 bis 27 wiedergegeben, von denen die 
vier ersten einer Vereinigung in der ersten, die anderen einer solchen in der 


zweiten Hauptlage entsprechen. Auch kompliziertere Fälle sind von Lehmann 


Abb. 25 Abb. 26. Abb. 27. 
Darstellung einiger durch Verschmelzung zweier Krystalltropfen in der zweiten Hauptlage 
entstandenen Gebilde nach Lehmann. 


oft beobachtet worden. Alle diese Gebilde aber, die aus zwei oder, falls mehr 
als zwei Tropfen zusammengetreten sind, aus mehreren Teilen bestehen, sind 
wenig beständig: schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit treten Umlagerungen 
ein, die schließlich zu einem homogenen Krystalltropfen führen. 

Bruchstücke eines gewöhnlichen starren Krystalls ergänzen sich in über- 
sättigter Lösung bekanntlich wieder zu vollen Krystallen. Diese Tendenz, voll- 
ständige Krystalle zu bilden, be- 
sitzen auch die fließenden und die 
flüssigen Krystalle. Die neben- 
stehende Abb. 28, in der die Zer- 
teilung eines verzerrten flüssigen 
Krystalls und die Ergänzung der 
Bruchstücke zu zwei vollständigen 


Krystallen schematisch wiederge- 
geben ist, erläutern das Gesagte 


zur Genüge. — 

Das Vorstehende gibt nur einen kleinen Bruchteil der vielen verschieden- 
artigen, oft sehr komplizierten Erscheinungen wieder, die an den fließenden und 
den flüssigen Krystallen beobachtet worden sind. Alle diejenigen, die sich mit 
dem in der Tat sehr reizvollen Gebiete näher beschäftigen wollen, seien auf 


Abb. 28. ` 


Gewaltsame Zerteilung eines Krystalltropfens in zwei 
kleine Krystalltropfen nach Lehmann. 


— 5 ` 


die am Schlusse angeführten Sammelarbeiten, in denen sie alle nötigen Literatu r- 
angaben finden werden, und vor allen Dingen auf die Natur selbst hingewiesen. 
Geeignete Apparate zur subjektiven Beobachtung und zur Projektion der merk- 
würdigen Phänomene sind von angesehenen Firmen, von denen hier besonders 
Voigt und Hochgesang (R. Brunnée) in Göttingen für einfache und Carl 
Zeiß in Jena für vollkommene Einrichtungen genannt werden mögen, konstruiert 
worden. Anweisungen zur Herstellung der wichtigsten Präparate findet man 
außer in der Originalliteratur in dem am Schlusse dieses Aufsatzes angeführten 
Werke von Schenck; jedoch sind die Präparate auch zu verhältnismäßig 
billigen Preisen im Handel, etwa bei C. A. F. Kahlbaum in Berlin oder 
E. Merck in Darmstadt, zu haben, (Fortsetzung folgt.) 


333333333333333333333333333333333333333333333 


scheint und der nach einer brieflichen Nachricht von Prof. Berberich und einer Bahnbestimmung 
von Herrn Ebell in A. N. 4456 mit dem periodischen Kometen identisch ist, den Faye im Jahre 1843 
in Paris am 22. November entdeckt hat. Die erste elliptische Bahn dieses Kometen ist zurzeit von 
Goldschmidt in Göttingen berechnet; nach seiner ersten Wiedererscheinung im Jahre 1851 und 
der zweiten im Jahre 1858 bat Möller eine neue Bearbeitung des Kometen unternommen und dabei 
auch die Frage des Einflusses eines widerstehenden Mittels auf den Lauf dieses Kometen eingehend 
untersucht. Der Komet, welcher eine Umlaufzeit von 7'/; Jahren hat, konnte auf Grund dieser Vor- 
ausberechnung im Jahre 1865, 1873, 1880, 1888 und 1895 wieder beobachtet werden. Die jetzige 
Erscheinung ist die hellste und günstigste seit der Entdeckung des Kometen im Jahre 1843. Seine 
Helligkeit nimmt allmählich ab und ist am 1. Dezember gleich der eines Sternes 10,4. Größe, 
am 5. Dezember 10,5. Größe. Er steht am 31. Dezember in Rekt. = 3° 46" 40° und Dekl. = + 3° 
30.7. Der Fayesche Komet hat bereits am 23. Oktober 1910 seine Sonnennähe passiert und stand 
damals 247 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Am 5. Dezember ist er bereits in eine 
Entfernung von 308 Millionen Kilometer von der Sonne gerückt. Von der Erde steht er an diesem 
Tage nur 168 Millionen Kilometer ab und ist während der ganzen Nacht bequem zu beobachten. Er steht 
alsdann nahe dem kleinen Stern u im Stier und bildet mit den beiden Sternen v und o des Stiers 
ein gleichschenkliches Dreieck. Seine Ausdehnung ist etwa 1’ und sein Kern erscheint etwas 
granuliert, was von Barnard als eine besondere Eigentümlichkeit der kurzperiodischen Kometen 
angesehen wird. $ ý * 


Fir die Beobachtung der hellen Planeten am Tage finden wir eine Anleitung von 
J. Stoben in den Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie (1910, Heft IV, S.192). Be- 
sonders häufig wird von Schiffen aus die Beobachtung von Jupiter und Venus unternommen. Man 
berechnet dazu für den betreffenden Ort Höhe und Azimut des Gestirns und stellt den gewöhnlichen 
Oktanten für Nachtbeobachtung mit Doppelglas auf diese Höhe ein Dann echt man nach dem 
Kompaß in die Richtung des errechneten Azimuts und sucht mit dem senkrecht vor den Augen 
gehaltenen Instrument die Kimm ab. Sehr bald erscheint die Venus im Spiegel, da sie sich am 
hellen Mittag als blitzende Silberkugel darstellt. Die Gestirne am Himmel direkt aufzusuchen ist 


wohl in den seltensten Fällen möglich. 


* * 
+ 


Seebeben im Bismarck-Archipel wurden in der Zeit von September bis Dezember 1909 
beobachtet. Laut Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie (Heft VII, 1910, S. 383) 
wurden Seebeben im Friedrich-Wilhelm-Hafen am 6. September und im Matupi-Hafen am 18. November 
und 8. Dezember 1909 wahrgenommen. Am längsten dauerte das Seebeben vom 8. Dezember, es 
konnten gegen 2 Uhr mittags im ganzen 8 Stöße festgestellt werden, von denen die längste Er- 
schütterung 30 Sek. dauerte. Das Schiff „Planet“, von dem der Bericht stammt, wurde so stark 
erschüttert, daß sogar die Mannschaft an Deck glaubte, es wäre etwas besonderes vorgefallen. Der 


— 59 — 


Kompaß schlug um !/, Strich aus. Dieselben Beobachtungen wurden auch von „Cormoran“ gemacht, 
die zu jener Zeit ebenfalls im Hafen von Matupi lag. 

„Planet“ berichtet ferner von einem starken Seebeben in Matupi in der Nacht vom 24. zum 
25. Februar 1910. Ohne vorherige Anzeichen setzte es um 12" 52™ mit einem 4 Sekunden langen 
Stoß ein, der den Eindruck hervorrief, als ob das Schiff eine Kollision erlitten hätte oder aufgelaufen 
wäre. Eine Minute später folgte ein weiterer Stoß von 6 Sekunden. Der Kompaß zeigte einen 
Ausschlag von 4 Strichen. Zu gleicher Zeit machte sich ein starker Schwefelgeruch bemerkbar. 
Am Lande verspürte man das Seebeben sehr stark, ia den Häusern stürzten sogar Gegenstände herab. 


a 00. 


Jean Mascart, Astronome de l'Observatoire de Paris, Le tremblement de terre en 
Bretagne (5. Aoüt 1909), Paris 1910, 17 Seiten. I 

Diese Broschüre enthält mehr als ihr Titel anzeigt: Der Autor behandelt darin nicht nur das 
Erdbeben in der Bretagne vom 5. August 1909, sondern bringt auch einige zeitgenössische Berichte. 
über früher stattgefundene Erdbeben, so über das berühmte Erdbeben in Lissabon am 1. November 1755, 
das u. a. einen unauslöschlichen Eindruck auf Goethe in seiner Kindheit gemacht hatte. 

Am 5. August 1909 hörte man in Brest gegen 3 Uhr nachmittags plötzlich eine heftige 
Detonation; ohne an ein Erdbeben zu denken, hielt man sie für eine Explosion in einer chemischen 
Fabrik, an einigen Stellen der Stadt sogar nur für das Rollen eines schweren Wagens. Die eigentliche 
Erschütterung begann um 3® 11™ und dauerte ungefähr 3 Sekunden lang. Die Barometerkurve wies 
Ausschläge jedoch schon um 11" morgens und 1" 45” mittags auf, blieb dann aber bis um 3° 11" 
unverändert. Ein Barometer in der Marine-Präfektur wurde so heftig erschüttert, daß die Tinte das 
ganze Blatt befleckte und die Kurve verwischt wurde. Das Bureau der transatlantischen Kabel notierte 
3 Stöße, der erste, der heftigste, dauerte 1 Sekunde, der zweite, der etwas schwächere, dauerte 
ungefähr 3 Sekunden, der dritte dauerte, stetig anwachsend, fast 9 Sekunden. Das Erdbeben verursachte 
keinen Schaden, nur auf Place Sadi Carnot wurden Gegenstände umgestürzt und Scheiben zertrümmert. 

Der Verfasser ist gegen jede vulkanische Erklärung dieses Erdbebens, da es in der Bretagne 
niemals Vulkane gegeben hat. Bis jetzt ist überhaupt der notwendige Zusammenhang zwischen 
Erdbeben? und vulkanischen Ausbrüchen noch keineswegs als bewiesen zu betrachten. 


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M. W. aus Berlin. Frage 1. Wie stellt man Helligkeitsmessungen an Fixsternen an? 

_ Helligkeitsmessungen werden mit Hilfe von Photometern (Lichtmessern) vorgenommen. Die 
wichtigsten in Betracht kommenden Photometer sind das Steinheilsche Prismenphotometer, das 
Zöllnersche Astrophotometer und das Glaskeilphotometer. Das Steinheilsche Instrument hat ein 
geteiltes Objektiv, vor jeder Hälfte desselben befindet sich ein Prisma, deren eines auf eine variable 
Lichtquelle einzustellen ist, während das andere auf die verschiedenen Sterne gerichtet wird. Sind 
beide Hälften gleich hell, so kann man die entsprechende Helligkeit ablesen. Bequemer in seiner 
Art, aber theoretisch schwieriger ist das Zöllnersche Instrument, daß sich die Eigenschaft des 
polarisierten Lichtes zu Nutze macht. 

Das Prinzip beider Instrumente ist dasselbe wie es in den phy sikalischen Meßmethoden im 
physikalischen Praktikum vorgenommen wird. 

Frage 2 Bei welcher Vergrößerung sind Jupiter und Saturnsatelliten zu sehen? 

Diese Frage ist viel zu allgemein gestellt. Mit den einfachsten Vergrößerungen etwa 3 bis 
5fach kann man die Jupitermonde 1, 2 und 3 sehen, zu Jupitermond 4 gehört eine stärkere Ver- 
größerung. Jupitermond 5 ist mit den bis jetzt stärksten Vergrößerungen nur bei Abblendung der 
Jupiterscheibe zu sehen, die anderen Monde sind nur auf photographischem Wege zu ermitteln und 
dem Auge verschlossen. Die Jupitermonde 1 bis 4 sind in den Größenordnungen 6 bis 7, die 5 bis 
8 sind in den Größenordnungen 13 bis 17. Der größte Saturnmond Titan ist ein Stern von der 
Helligkeit 9,4 der schwächste 17,5. Größe. 


— 60 — 


‚Mathematische und astronomische Gnterrichtskurse 
von Doc. Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 
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— Differentiation von Funktionen mit zwei Veränderlichen. — Anwendungen aus der Astronomie 
und Physik. 


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weis vorzuzeigen. | 


Hörgebiühr für den zehnstündigen Kursus 5 M., für Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 3,50 M. 


EIER 


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Die Hörerkartın sind schon sium ersten Vortrage mitzubringen und jedesmal als Aus- 
weis vorzuseigen. 


Hörgebiühr für den zehnslündigen Kursus 7 M., für Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 6,50 M. 


Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow, für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


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Mifnia ad Albim, Anno 1578 die 18. 


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A Idimus en iterum geminos fulgefcere 
S e ey Soles, 
Wat Horridadue aduerfo pralia Marte 
el geri 3 


Vidimus in coelo diros arfiffe Cometas, 
Atgalia irati triftia figna Dei, 
CHRISTE Dei fili, coeleftis imago Parentis, 
Fulgur, de Patris lumine Jumen, honor, 
O Sol lufticiz, Rerum natura fatifcit, 
Dum grauiter mundum curua fenedta premit, 
Multa fecutur& monftrantur figna ruing, 
Quz finem præ fe prodigiofa ferunt, 
Perpetuz his que funtauror& nuncia vitæ, 
Qui tua conftanti pectore iufla colunt. 
Venturz his trifti portendunt omine clades, 
Qui te contemnunt, & tua iuffa,Deus. 
Ceelitus obfigna nobis oracula Legis, 
Noftro Euangelij dogmata corde liga. 
Quz Patris € gremio nobis arcana tulifti, 
Quz monftrant vera fola falutis iter. 
F range potens Sathanam,fzuos compefce Tyrannos, 
Hoftibus & cun&is inijce frena tuis. 
Neblafphema cohors, prohibe, conuicia iactet, 
Infertosquetibi nos tua dextra tegat. 
Nofter es Emmanuel, nobifcum CHRISTE maneto. 
Nos verbi zternum lux tua clara regat. 
Sunt tenebræ finete, nobis da CHRISTE precamur 
Noticiam Patris, noticiamque tui. 
Denig nos facias animis concordibus omnes 
Vnanimi laudes ore fonare tuas. 


M. Martinus Henricus Profeffor Ebrxx 


linguæ in Academia Vitebergenfi. 
Vuitebergx excudcbant Clemens Schleich & Antonius Schone. 


Beilage zur illustrierten Zeitschrift „Das Weltall“. 


CS 


Illustrierte Zeitschrift fiir Astronomie und verwandte Gebiete. 


Herausgegeben von 
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 5. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1910 Dezember 1, 
Berlin-Treptow. | 
Diese Zeitschrift erscheint zweimal im Monat. — <Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 


durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treplow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post- 
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pjg. — Anseigen-Gebühren: 1 Seite 80.— MR., 1, Seite 45.— 
1/, Seite 25.—, 1/, Seite 15.—, (iw Seite 8—. Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewicht. 


INHALT 
3. Der gestirnte Himmel im Monat Januar 1911. Von 
1. Nebensonnen mit farbigen Bogen. Von Dr. FS Dr. F.S.Archenhold ....... «ee eee 71 
Archenhold. (Mit einer Beilage). . . «+. + + + + 61 | 4. Mathematische und astronomische Untervichtskurse 
2. Einiges von den flüssigen Krystallen. Von Dr. Werner von Doc. Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow- 
Mecklenburg. (Fortsetzung). >... : ee... 63 Sternwarte, a0. e BR ee a Re eR eG 76 


Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet. _ 


Nebensonnen mit farbigen Jgogen. 
Von Dr. F. S. Archenhold. 
(Mit einer Beilage.) 


Gassentich der Zusammenstellung der Einblattdrucke von Kometen- 
erscheinungen für die Ausstellung, welche bei der Erdnähe des Halleyschen 
Kometen in den Räumen der Treptow-Sternwarte veranstaltet worden ist, fand ich 
einen interessanten alten Einblattdruck von einerHaloerscheinung umdieSonne, die 
am 18. Februar 1578 in Meißen a. E. beobachtet worden ist und von Martinus 
Henricus, dem Professor der hebräischen Sprache an der Universität Witten- 
berg, in Gedichtform beschrieben und bei Clemens Schleich & Antonius 
Schöne zu Wittenberg gedruckt wurde. In der Zeit, als der herrschende 
Wunder- und Aberglauben allerorten eine weite Verbreitung fand, war es nur 
konsequent, auch die atmosphärischen und kosmischen Erscheinungen als über- 
natürlich anzusehen. Wir verstehen daher, daß jedesmal, wenn eine solche 
außerordentliche Erscheinung auftrat, zahlreiche Flugblätter mit kurzen Be- 
schreibungen in Gestalt von Einblattdrucken oder sogenannte Prognostika große 
Verbreitung fanden und oft die Angst, welche das Volk bei der Beobachtung 
solcher Erscheinungen befiel, erhöhten und wissenschaftlich zu begründen ver- 
suchten. In einer Publikation über die Kometeneinblattdrucke werden die 
hauptsächlichsten diesbezüglichen Blätter in einem besonderen Werke ver- 
öffentlicht werden. 

Bei den atmosphärischen Erscheinungen fanden insbesonders die Sonnen- 
und Mondhöfe und Ringe, wie auch die Nebensonnen und Nebenmonde, 
insgesamt auch Haloerscheinungen genannt, besondere Beachtung. Die Neben- 
monde wurden „Paraselenae“, die Nebensonnen „Parhelia“ oder „Parelia“ 
genannt. Das uns vorlicgende Blatt zeigt Nebensonnen, „Parelia* genannt, 
mit farbigen Bogen. 


=. R 


Wir geben hier diesen interessanten Einblattdruck in gleicher Größe auf 
unserer Beilage wieder und fügen gleichzeitig eine Übersetzung des lateinischen 
Gedichtes, welches Martinus Henricus auf diese Nebensonne verfaßt hat, bei: 


Nebensonnen mit farbigen Bogen. 
Beobachtet in Meissen a. Elbe am 18. Februar 1578. 


De sehen wir auf einmal zwei Sonnen am Himmel erglanzen; 
Wir sehen, wie dem Mars gegenüber schreckliche Schlachten geschlagen werden, 
Wir sehen, wie am Himmel unheilvolle Kometen entflammen, 
Und andere betriibende Zeichen des Zornes Gottes. 
Christus, Du Sohn Gottes, Du Ebenbild Deines himmlischen Vaters, 
Du blinkender Glanz, Licht vom Lichte des Vaters, Du Gott der Ehre! 
Du Sonne (Lustitiae)? die irdische Natur geht dem Verfall entgegen, 
Während das sorgenvolle Alter schwer auf der Erde lastet. 
Vielerlei Zeichen erscheinen von dem kommenden Untergang, 
Die seltsam das Ende vor sich hertragen. 
Denen, die beständigen Herzens Deine Befehle ehren, 
Denen sind dies immerwährende Vorboten des jüngsten Gerichtes; 
Denen aber, die Dich verachten und Deine Befehle, o Gott, 
Denen steht durch dieses traurige Zeichen kommendes Unglück bevor. 
Der himmlische Vater möge uns die Weissagungen des Gesetzes fest in den Sinn prägen, 
Er möge die Lehren seines Evangeliums eng mit unserm Herzen verbinden. 
Du hast uns aus dem Schoße des Vaters diese Geheimnisse gebracht; 
Sie zeigen uns den einzigen Weg, der zum wahren Heile führt 
Vernichte mit Deiner Macht den Satan, und unterdrücke die grausamen Tyrannen, 
Lege Zügel an Deinen Feinden, und denen, die mit ihnen gemeinsame Sache machen. 
Verhindere, daß Dich die Menge lästert und Schmähreden schleudert 
Möge uns, die Dir dienen, Deine Rechte behüten. 
Unser bist Du, o Friedefürst, bleibe bei uns, o Christus! 
Uns regiere in Ewigkeit das helle Licht Deines Wortes. 
In Finsternis wandeln wir ohne Dich, Christus. 
Wir bitten Dich, gib, daß wir Deinen Vater erkennen und Dich. 
Endlich aber verleihe uns, daß wir alle gemeinsamen Herzens und aus einem Munde 
Dein Lob erschallen lassen können. 


M. Martinus Henricus, 
Professor der Hebräischen Sprache an der Akademie Wittenberg. 
(In Wittenberg gestochen von Clemens Schleich & Antonius Schöne.) 


In Hellmanns Repertorium der deutschen Meteorologie 1883 finden wir 
Seite 685 eine Literaturzusammenstellung solcher beobachteten Nebenmonde und 
Sonnen, worunter auch das abgebildete Blatt erwähnt ist. In einer besonderen 
Publikation „Wetterprognosen und Wetterberichte des 15. und 16. Jahrhunderts‘ 
hat Hellmann einen Nebensonneneinblattdruck vom Jahre 1509 und ein Halo- 
phänomen vom Jahre 1551 reproduziert. Das erstere ist Samstag vor Weih- 
nachten 1509 zu Prugk bei München geschen worden. Das Originalblatt be- 
findet sich in der Kgl. Hof- und Staatsbibliothek zu München und dürfte wohl 
der erste Einblattdruck sein, welcher diese Materie behandelt. Das zweite am 
21. März 1551 zu Wittenberg gesehene Halophänomen ist nach den Beobach- 
tungen von Paul Eber, der auch eine erste gute Beschreibung eines Nordlichts 
vom 3. März 1562 in deutscher Sprache gegeben hat, schon in guter Ausführung 
und genauer Auffassung der Naturerscheinung wiedergegeben. Wie solche Er- 
scheinungen durch Beugung oder durch Brechung und Reflexion der Licht- 
strahlen in der Lufthülle unserer Erde entstehen, hat Sieberg in einem be- 


DC E 


sonderen Artikel im dritten Jahrgang unserer Zeitschrift „Über ringförmige Ge- 
bilde um Sonne und Mond, sowie verwandte athmosphärisch-optische Er- 
scheinungen“ beschrieben. Hier findet der Leser auch einige erklärende Ab- 
bildungen solcher Haloerscheinungen.?) 

Wir geben hier zum Schluß noch einen Mondring mit Nebenmonden (Fig. 1) 
nach einer Aquarellskizze von Fridtjof Nansen wieder, die derselbe in seinem 
berühmten Werke „In Nacht und Eis“ beschrieben hat. In der Polarnacht am 
24. November 1893, in der Nansen diese Haloerscheinung beobachtet hat, stand 
der Mond so niedrig, daß der Ring den Horizont berührte. Der untere Teil 


Fig. 1. Mondring mit Nebenmonden. 
Beobachtet von Fridtjof Nansen in der Polarnacht am 24. November 1893. 


zeigte eine stark gelbe Färbung, die später in Rot und Blau überging. Ähn- 
liche Farben traten, wenn auch schwächer, an den Nebenmonden auf; oben am 
Ring zeigte sich noch ein umgekehrter Lichtbogen und dort, wo der Ring und 
die vom Mond ausgehende vertikale Achse den Horizont traf, entstanden helle 
Lichtfelder. In der horizontalen Achse des Mondes waren an der Seite, wie 
unsere Abbildung zeigt, auch noch schwache Lichtstreifen zu erkennen. Die 
Ringgebilde werden hauptsächlich durch die Strahlenbrechung des Lichts 
in den kleinen, in unserer Luft schwebenden Eiskrystallen erzeugt und 
zeigen sich daher im hohen Norden besonders häufig und in stark aus- 


geprägter Weise. MR 


Biniges Von den flüssigen Krystallen. 


Von Werner Mecklenburg. 
(Fortsetzung.) 
Allgemeines. 

Die Zahl der krystallisierten Stoffe der organischen Chemie ist außer- 
ordentlich groß, aber es ist bei der Fülle der Erscheinungen bisher noch nicht 
gelungen, allgemeine Gesetzmäßigkeiten ausfindig zu machen, die den zweifel- 
los vorhandenen Zusammenhang zwischen der chemischen Konstitution, d. h. 


- 1) Vergl. auch den Artikel von W. Krebs, Jahrgang 2, Heft 24, sowie „Weltall“ Jahrgang 10, 
Heft 13 und Heft 20. 


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der Art und Weise, ‘wie sich die Atome zum Molekül angeordnet haben, und 
der Krystallform regeln. Wohl aber kann der organische Chemiker in vielen 
Fällen mit ziemlich großer Sicherheit nur auf Grund der Kenntnis der Struktur- 
formel einer Verbindung allgemein sagen, ob der in Frage kommende Stoff eine 
Flüssigkeit ist, oder ob er Krystalle bildet. Für das Studium der fließenden und 
flüssigen Krystalle insbesondere war nun natürlich die Frage von : großer 
Wichtigkeit, ob sich auch Beziehungen zwischen chemischer Konstitution und 
der Bildung fließender oder flüssiger Krystalle würden feststellen lassen, denn 
wenn es gelang derartige Beziehungen zu entdecken, so war damit die systema- 
tische Aufsuchung der eigenartigen Stoffe ermöglicht, und man war bei ihrer 
Auffindung nicht mehr auf den Zufall angewiesen. Die Beantwortung verdanken 
wir den schönen Arbeiten von Prof. Vorländer in Halle: 

„Die Beziehungen zur chemischen Konstitution,“ sagt Vorländer, „sind so 
einfach, daß man jetzt krystallinisch-flissige Substanzen in beliebiger Anzahl 
synthetisch darzustellen vermag, während man noch vor einigen Jahren nur 
wenige Vertreter kannte. Das Resultat der chemischen Untersuchungen läßt 
sich in dem Satze zusammenfassen: Der krystallinisch-flüssige aniso- 
trope Zustand wird durch eine möglichst lineare Struktur der Mole- 
küle hervorgerufen. Doch nicht jedes linear gebaute Molekül ist im flüssigen 
Zustande krystallinisch. Wie überall auf solchem Gebiete physikalischer und 
chemischer Eigenschaften treffen auch hier mehrere Umstände zusammen. Wir 
finden im günstigsten Falle einige den Zustand beeinflussende Faktoren heraus, 
doch es fehlt die Kenntnis, wie die Faktoren miteinander wirken.“ 

Eine lineare Struktur, im Sinne der Strukturformeln der organischen Chemie, 
besitzen unter den aliphatischen Verbindungen z.B. die Ölsäure 


CH,.CH,.CH,.CH,.CH,.CH,.CH,.CH,.CH = CH CH, CH CH CH. CH. CH. CH, COOH 


und ihre Salze und unter den zyklischen Verbindungen z. B. die para-Substitu- 
tionsprodukte des Benzols. Die Struktur des Benzols C,H, wird bekanntlich 
durch das folgende Bild 
CH = CH 
SS Q 
CH oder kurz durch ein Sechseck wiedergegeben) in dem jede 
So ee / Ecke eine CH-Gruppe repräsentiert. 


Die Wasserstoffatome können durch andere Atome oder Atomgruppen er- 
setzt werden, und zwar kann man für den besonders wichtigen Fall, daß gleich- 
zeitig zwei Wasserstoffatome ersetzt sind, also für den Fall der Disubstitutions- 
produkte, drei verschiedene Arten der Substitution, die ortho-, die meta- und die 
para-Substitution, unterscheiden. In der ortho-Stellung liegen die beiden er- 
setzten H-Atome unmittelbar nebeneinander, in der meta-Stellung sind sie durch 
eine CH-Gruppe getrennt und in der para-Stellung endlich liegen sie einander 
gegenüber. Denken wir uns z.B. zwei Wasserstoffatome des Benzols durch je 
eine Amidogruppe NH, ersetzt, so erhalten wir die sogenannten Phenylen- 
diamine, und zwar je nach der Stellung die folgenden Stoffe: 


NH, NH, 
WZ OS HS HL“ N oder NH,Z 
EE BW oder NH > NH, > oder NH, 2 NH. NH, 
— Ai Tu TI gg 
identisch identisch p-Phenylendiamin 


o-Phenylendiamin m-Phenylendiamin 


HE ` E 


Einen linearen, d. h. einen möglichst gestreckten Bau, besitzen nun offen- 
bar gerade die p-Substitutionsprodukte, und gerade bei ihnen finden wir die 
liquokrystallinen Eigenschaften. In der folgenden Tabelle sind die wichtigsten 
Atomgruppen, die als Substituenten in p-Stellung fließende und flüssige Krystalle 
bilden, zusammengestellt: 


Stickstofffreie Atomgruppen: Stickstoffhaltige Atomgruppen: 
—0--CH, —N:N— 
— 0— C,H, . —N-N— 
— 0 — C,H, No/ 
— O0 — CO — CH, SC:N 
— 0— CO — C,H, E e, d 
— O — CO — C,H, No 
— 0 — CO, CH, — C:N 
_ Gm C0,C,H, — NH, 
"gës T 
— CH, = N(CH), 
— CO,H i 
—C:C.CO,H 
— C:C.CO,;R 
— CO—CH, 

—C:C—-CO—R 
—C:C— 
—C:C- 

— Cl 

— Br 


Durch Kombination der angegebenen Gruppen kann natürlich eine sehr 
große Anzahl von Verbindungen mit liquokrystallinen Eigenschaften gewonnen 
werden. | | 

Außer der p-Stellung ist noch von Wichtigkeit die An- oder Abwesenheit 
tautomeren Wasserstoffs und der Sättigungsgrad des Moleküls. Tautomerie, d.h. 
die Erscheinung, daß ein H-Atom nicht an ein einziges anderes Atom fest ge- 
bunden ist, sondern zwischen zwei Atomen hin und herpendelt, verhindert das 
Auftreten fließender oder flüssiger Krystalle; wird aber der Wasserstoff durch 
eine Atomgruppe ersetzt, die nunmehr an dem einen der beiden Atome fest- 
haftet, zwischen denen der Wasserstoff hin- und herschwankte, so verschwindet 
der störende Einfluß. Was den Sättigungsgrad der Moleküle anbelangt, so wird 
durch doppelte Bindungen die Tendenz zur Bildung fließender und flüssiger 
Krystalle entschieden begünstigt. Die Wirkung der in der obenstehenden 
Tabelle angegebenen Substituenten mit Doppelbindung 


—N=N-,—N7o, ~C=0, —C=C— usw. 


ist viel stärker, als die der gesättigten Substituenten 
— CH,, — CH(CH,),, Cl, Br usw. 


Allerdings fehlt es bis jetzt an einem Maßstabe, mit dessen Hilfe man den 
Krystallflüssigkeitswert eindeutig bestimmen könnte, aber es ist doch möglich, 
das soeben Gesagte zu erhärten. Weiter oben war bereits darauf hingewiesen 
worden, daß der Verflüssigkeitspunkt, d. h. diejenige Temperatur, bei der die feste 
Phase in die krystallinisch-flüssige Phase übergeht, das vollkommene Analogon 
zu den gewöhnlichen Umwandlungspunkten darstellt, bei denen bei polymorphen 


EN ake 


Stoffen, die eine Krystallform in die andere übergeht. Dies mag hier etwas näher 
ausgeführt werden. 

Ein Umwandlungspunkt ist ein Temperaturpunkt, bei dem die beiden in 
Frage kommenden Krystallarten, die beiden „festen Phasen“, mit einander im 
Gleichgewichte sind. In gleicher Weise sind beim Klärungspunkte die beiden 
Phasen, die feste krystallinische und die flüssige krystallinische Phase, mitein- 
ander im Gleichgewicht. Nun ist die Grundbedingung für die Existenz eines 

echten Gleichgewichtes die, daß beide Phasen den 
7 gleichen Dampfdruck haben. Dies zeigt das neben- 
stehende Diagramm (Abb. 30), in dem die Dampf- 
drucke der beiden Phasen I und II als Funktion 
der Temperatur eingetragen sind. Bei der Tem- 
peratur A hat II einen größeren Dampfdruck als I; 
wenn wir also in einem geschlossenen Gefäß 
nebeneinander eine gewisse Menge von I und von 
II haben, so wird, da II den größeren Dampfdruck 
hat und der von II ausgehende Dampf mit dem 


Umwandlung 


Damptdruck 


pe 


: | von I ausgehenden Dampf identisch ist, die ganze 
Temperatur Menge II allmählich verdampfen und sich der 
Abb. 30. ursprünglichen Menge I in Form von I zugesellen, 
Umwandlungspunkt. d. h. II ist neben I unbeständig — ein ganz 


allgemeines Resultat: von zwei verschiedenen 
polymorphen Modifikationen derselben Substanz ist stets diejenige, die den 
größeren Dampfdruck hat, gegenüber derjenigen mit dem kleineren 
Dampfdruck unbeständig. Bei der Temperatur B haben I und II denselben 
Dampfdruck, keine der beiden Modifikationen ist vor der anderen bevorzugt, 
beide sind gleich beständig. Steigt die Temperatur über B hinaus, so kehren 
sich die Verhältnisse um, I ist aus demselben Grunde, aus dem es unterhalb von 
B die beständige Modifikation darstellte, jetzt — etwa bei C — zur unbeständigen 
Modifikation geworden. | 
Zu eigenartigen Schlüssen gelangt man nun, wenn man das Diagramm noch 
durch die Dampfdruckkurve der amorphen geschmolzenen Substanz ergänzt. 
Nach dem Gesagten muß als Schmelzpunkt eines Stoffes die Temperatur de- 
finiert werden, bei der die feste (krystallisierte) Phase mit der amorph-flüssigen 
Phase im Gleichgewicht ist, d. h. bei der beide Phasen denselben Dampfdruck 
haben. Ein allgemeines Gesetz über die relative Lage der Dampfdruckkurve 
der amorphen Flüssigkeit, insbesondere darüber, ob sie die Dampfdruckkurven 
der beiden polymorphen Modifikationen oberhalb oder unterhalb des Umwand- 
lungspunktes B schneidet, existiert nicht; beide Fälle sind möglich. Beide Fälle 
sind in den nebenstehenden Abb. 31 u. 32 zeichnerisch wiedergegeben. II? resp. 
UI ist die Dampfdruckkurve der Flüssigkeit. Im Falle. III schneidet die Dampf- 
druckkurve der Flüssigkeit die Dampfdruckkurven der beiden festen Formen 
oberhalb des Umwandlungspunktes in D? resp. E?. Gehen wir jetzt von nied- 
riger Temperatur, etwa von der Temperatur A, aus und erwärmen den Stoff all- 
mählich, so beobachten wir folgendes: Bei Beginn des Versuches liegt der 
Stoff in der Modifikation I vor, bei der Temperatur B geht die Modifikation I in 
die Modifikation II über und bei ‚der Temperatur Fè endlich schmilzt der Stoff 
zu der amorphen Flüssigkeit Ila- Lassen wir jetzt die Schmelze erkalten, so 
erstarrt die Flüssigkeit bei der Temperatur E? zu der festen Modifikation U, und 


ee Be 


diese wandelt sich beim Umwandlungspunkt B in die ursprüngliche feste Modi- 
fikation I um. Wesentlich anders wird der Vorgang, wenn die Dampfdruck- 
kurve II® der amorphen Flüssigkeit die Kurven I und II unterhalb der Um- 
wandlungstemperatur B, etwa bei Dh und E°, schneidet. Gehen wir wieder von 
der tiefen Temperatur A aus und erwärmen, so schmilzt die Modifikation I, ohne 
sich vorher in die Modifikation II zu verwandeln, und kühlen wir umgekehrt die 
amorphe Schmelze III langsam wieder ab, so scheidet sich sofort wieder I ab. 
II ist also überhaupt ausgeschaltet Oder mit anderen Worten: In dem zuerst 
betrachteten Falle, dem Falle der ,Enantiotropie‘, hat jede Phase, I, II und 
III Temperatur, ein Gebiet, in dem sie beständiger als die beiden anderen Phasen 
ist, denn unterhalb der Temperatur B ist I, zwischen B und ŒF? ist I und ober- 
halb Fə ist II am beständigsten. Im zweiten Falle hingegen, dem Falle der 
,» Monotropie‘, gibt es, wenigstens unter den gerade herrschenden Versuchs- 
bedingungen, kein Temperaturgebiet, in dem II die beständigste Phase darstellt: 
unterhalb D® ist I, oberhalb Dh III am beständigsten. 


Lnantotropte I 
x v4 x 
X Wik S 
e N 
RS) | I 
S á N 
S| 7° co N 
Y Dob 
S\7 E S 
4 ‘A B iJa pa 
Temperatur Temperatur 
Abb. 31. Abb. 32. 
Enantiotropie. = Monotropie. 


Hiernach könnte es scheinen, als ob II im Falle von Monotropie überhaupt 
nicht entstehen könnte, d. h. daß der zweite der oben besprochenen Fälle nur 
eine theoretische Fiktion wäre, die praktisch nicht realisierbar sei. Diese An- 
sicht macht indessen zwei Voraussetzungen, nämlich erstens die, daß jede, 
direkte Umwandlung immer nur in der Richtung von der stabilen zur weniger 
stabilen Form gehen kann, und zweitens dic, daß diese direkte Umwandlung 
immer und beim: Überschreiten des Umwandlungspunktes sofort eintritt. Von 
diesen beiden Voraussetzungen ist die erste richtig, die zweite falsch. Zwar 
erfolgt eine Umwandlung immer nur so, daß sich aus dem weniger Beständigen 
das Beständigere bildet, aber die Geschwindigkeit, mit der die Umwandlung 
stattfindet, kann sehr verschiedene Werte haben. So ist z.B. das gewöhnliche 
Glas, wie es im Haushalte gebraucht wird, nicht beständig, sondern wandelt 
sich langsam in eine andere — krystallinische — Modifikation um. Diese Um- 
wandlung geht aber so langsam vor sich, daß die amorphe Form scheinbar voll- 
kommen beständig ist; nur wenn wir Hunderte von Jahren alte Glassachen be- 
trachten, erkennen wir die stattfindende Umwandlung an der Trübung, die das 
ursprünglich vollkommen klare und durchsichtige Glas erlitten hat. Der 
Zustand, in dem sich an sich instabile Stoffe befinden, die infolge der Lang- 


— 68 — 


samkeit, mit der der Ubergang in die eigentlich stabile Form vor sich geht, als 
stabil erscheinen, wird als ,metastabiler* Zustand bezeichnet. 

Betrachten wir jetzt noch einmal die Abbildung 32, so erkennen wir ohne 
weiteres das Prinzip, dessen Anwendung uns zur Darstellung der instabilen 
Form II führt. Wenn wir, von der amorphen Schmelze ausgehend, die Um- 
wandlungstemperatur D’ erreichen, hier aber die Umwandlungsgeschwindigkeit 
so gering ist, daß, noch ehe die Umwandlung eingetreten ist, die Temperatur 
bereits weiter bis ER gesunken ist, so wird sich, falls die Umwandlungs- 
geschwindigkeit IN — II groß genug ist, bei dieser Temperatur die Modifikation II 
bilden, obwohl sie weniger beständig als I ist. Die weitere Umwandlung der 
metastabilen Modifikation II in die stabile Modifikation I kann je nach den be- 
sonderen Verhältnissen mit größerer oder kleinerer Geschwindigkeit verlaufen. 
Ist die Umwandlungsgeschwindigkeit II — I in diesem Fall auch sehr gering, so 
wird II sogar, obwohl instabil, doch als durchaus stabil erscheinen, d.h. es ist 
metastabil. | 

Im Falle von Monotropie kann die Umwandlung immer nur in einem 
Sinne, nämlich in der Richtung IT —I vor sich gehen, während im Falle der 
Enantiotropie die Umwandlung, je nachdem wir uns unterhalb oder oberhalb 
des Umwandlungspunktes befinden, entweder in der Richtung II — I oder in 
der Richtung I — II verlaufen kann. Rein theoretisch betrachtet würde auch 
bei der Monotropie eine Umwandlung I — II möglich sein, nämlich dann, wenn 
es gelänge, die Modifikation I bis über den Umwandlungspunkt B zu erwärmen, 
ohne daß die Schmelzung bei der Temperatur D einträte. Dieser theoretisch 
denkbare Fall hat sich praktisch bisher nicht verwirklichen lassen, weil sich die 
Umwandlungsgeschwindigkeit fest-krystallisiert — amorph-flüssig in allen bisher 
untersuchten Fällen als schr groß erwiesen hat. 

Betrachten wir jetzt von den neuen Gesichtspunkten aus die Verhältnisse 
bei den fließenden und flüssigen Krystallen, so finden wir Fälle, in denen die 
krystallinisch-flüssige Phase innerhalb eines bestimmten Temperaturgebietes am 
beständigsten ist, in denen also sowohl die Umwandlung krystallinisch-fest — 
krystallinisch-flüssig als auch dicjenige krystallinisch-flissig — amorph-flüssig 
umkehrbar ist, d. h. Fälle von Enantiotropie. Außerdem aber finden wir auch 
sehr viele Fälle von Monotropie, in denen die krystallinisch-flüssige Phase nie- 
mals stabil, sondern immer nur metastabil ist. Im Falle von Monotropie tritt 
dann beim Erwärmen der krystallinisch-festen Phase niemals die krystallinisch- 
flüssige Phase als Übergang zur amorphen Flüssigkeit auf, wohl aber läßt sie sich 
durch Abkühlung der amorphen Flüssigkeit unter den Verflüssigungspunkt 
unter Umständen nachweisen. Der Erfolg hängt indessen hier vielfach vom 
Zufall ab. 

Der günstige Einfluß, den das Vorhandensein von doppelten Bindungen im 
Molekül auf das Auftreten von nicht-starren Krystallen ausübt, läßt sich nun 
ziemlich leicht dadurch erkennen, daß Moleküle ohne liquokrystalline Eigen- 
schaften durch Einführung einer Doppelbindung monotrop oder gar enantiotrop- 
krystallinisch-flüssig werden oder daß nur monotrop-krystallinisch-flüssige Sub- 
stanzen, in denen die krystallinisch-flüssige Phase kein Gebiet vollkommener 
Beständigkeit hat, durch das Hinzutreten von Doppelbindungen enantiotrop-liquo- 
krystallinisch werden, zweifellos eine Steigerung der Stabilität der krystallinisch- 
flüssigen Phase. Wird andrerseits die Doppelbindung durch Addition von 
Wasserstoff, Brom oder dergleichen wieder aufgehoben, so wird dadurch der 


ei 6 


vorher vorhandene Zustand wieder hergestellt. Die Wirksamkeit der gesättigten 
Substituenten wie CH,, Cl, Br usw. ist, worauf bereits hingewiesen wurde, viel 
schwächer. 

Ebenso wie bekanntlich die Umwandlungs- und Schmelzpunkte werden 
auch die Verflüssigungspunkte durch Hinzufügung andrer Stoffe verschoben. 
Besonders interessant ist es, daß bei manchen Stoffen, ebenso wie bisweilen 
mehrere krystallinisch - feste Phasen auftreten, auch mehrere krystallinisch- 
flüssige Phasen beobachtet worden sind. So werden die Verhältnisse bei dem 
von F.M. Jaeger hergestellten und von Lehmann genauer untersuchten Cho- 
lesterincaprinat, dem Cholesterinester der Caprinsäure, folgendermaßen be- 
schrieben: „Kühlt man die isotrope Schmelze ab, so entsteht bei 90,6° die 
fließend-krystallinische Modifikation I, welche nur geringe Doppelbrechung be- 
besitzt und relativ leichtflüssig ist. Sie erstarrt normal bei 82,2° und entsteht 
auch bei dieser Temperatur beim Wiedererwärmen der festen Krystalle. Ähnlich 
wie eine isotrope Schmelze läßt sie sich aber auch unterkühlen und geht dann 
etwa bei 77,4° in die stärker doppelbrechende, in größeren Individuen auf- 
tretende und wesentlich zähere Modifikation II über. Umgekehrt verwandelt 
sich diese hem Wiedererwärmen bei derselben Temperatur (77,4) zurück in die 
Modifikation I. Letztere ist somit zwischen 90,6° und 82,2° enantiotrop in bezug 
auf die feste Modifikation zwischen 82,2° und 77,4°, aber monotrop in bezug auf 
die feste und enantiotrop in bezug auf die fließend-krystallinische Modifikation II. 
Diese ist unterhalb 77,4° enantiotrop in bezug auf Modifikation I, aber monotrop 
in bezug auf die feste Modifikation. Die etwas komplizierte Sachlage wird 
übersichtlicher, wenn wir sie mit Vorländer, nach dem auch das Zitat gegeben 
ist, in folgender Zeichnung veranschaulichen, in der die Doppelpfeile Enantio- 
tropie, die einfachen Pfeile Monotropie anzeigen: 


90,6° 82,2° 
Amorph-flüssig 7? krystallinisch-flüssig I 7? krystallinisch-fest 


77,4° \\ krystallinisch-flüssig I / 
Noch viel komplizierter liegen die Dinge bei dem von Vorländer ent- 
deckten p-Azozimisäureaethylester 
C,H,0,C.CH.CH.C,H,.N:N.C,H,.CH:CH.CO,C,H, ` 

wie das nachstehende Schema zeigt: 

krystallinisch-flüssig I 7? krystallinisch-fest I 

Amorph-flüssig d IS: 
krystallinisch-flüssig I 7? krystallinisch-fest IH 


N krystallinisch-fest U 7 


Die Existenz der monotropen Modifikationen krystallinisch-flüssiger Stoffe 
stellt keineswegs den niedrigsten Beständigkeitsgrad dieser Gebilde überhaupt 
dar. Lehmann hat vielmehr in einer wichtigen Arbeit nachgewiesen, daß es 
Stoffe gibt, die, ohne selbst eine krystallinisch-flüssige Phase zu besitzen, 
fließende oder flüssige Krystalle bilden, sobald zwei von ihnen mit einander ge- 
mischt werden. So zeigen die p-Azophenolacther, wie das p-Azophenetol und 
das p-Azoanisol 


C,H,O.C,H,.N:N.C,H,.OC,H, und CH,O.C,H,.N:N.C,H,. OCH, 


— Ww — 


im Gegensatz zu den p-Azoxyphenolaethern, dem p-Azoxyphenetol und dem 
p-Azoxyanisol 
C,H,O.C,H, N.N.C,H,.OC,H, und CH,O.C,H,.N.N.C,H,. OCH,, 
ee Sar 

o o 
liguokrystalline Eigenschaften wenig oder garnicht, wohl aber treten diese 
hervor, sowie man etwa eine Mischung von p-Azophenetol mit p-Azoanisol her- 
stellt. Ein andres Beispiel liefert die Anisalpropionsäure 


CH, .0.C,H,CH: CH . CH, . CO,H. 


Wenn man die rohe Anisalpropionsäure aus Wasser umkrystallisiert, so erhält 
man aus den ersten Auszügen mit wenig heißem Wasser eine krystallinisch- 
flüssige Säure, welche anfangs für eine einheitliche Verbindung gehalten wurde, 
da sie auch nach wiederholtem Umkrystallisieren aus Wasser ihre Eigen- 
schaften behielt; doch ergab sich bald, daß die Säure nur im unreinen Zu- 
stande krystallinisch-flüssig blieb und aus einer Mischung von Anissäure (Schmelz- 


punkt 184°) 
CH, . O . C,H, . CO,H 


und Anisalpropionsäure (Schmelzpunkt 154°) bestand, von denen jede allein 
nicht krystallinisch-flüssig ist. Stellt man sich durch Verreiben abgewogener 
Mengen der beiden Säuren Mischungen verschiedenen Gehaltes her, so findet 
man das Säuregemisch innerhalb weiter Grenzen krystallinisch-flüssig, am voll- 
ständigsten zwischen 65 °/, der einen und der andern Saure..... Das krystal- 
linisch-flissige Gemenge hat je nach Darstellung einen variabelen Schmelzpunkt 
und kann dadurch leicht von einer reinen Substanz unterschieden werden.“ 
Weitere Versuche von Vorländer und Gahren haben zu dem Ergebnis ge- 
führt, daß das Auftreten krystallinisch-flüssiger Phasen in Gemischen nicht sehr 
häufig ist, und daß zu ihrer Entstehung nicht notwendig beide Komponenten 
„liquo-krystallinisch konstituiert“* sein müssen, sondern daß eine derartige Kon- 
stitution nur bei der einen Komponente vorliegen muß, womit jedoch nicht ge- 
sagt sein soll, daß die Konstitution der zweiten Komponente unerheblich für das 
Zustandekommen der Erscheinung wäre. 

Die Feststellung der Tatsache, daß durch Mischung nicht liquo-krystal- 
linischer Stoffe krystallinisch-flüssige Phasen gebildet werden können, schien 
für die Theorie der flüssigen Krystalle von großer Bedeutung zu werden. Das 
Auftreten der trüben Schmelzen hatte die Vermutung nahegelegt, daß es sich 
hierbei nicht um chemisch-reine homogene Stoffe, sondern vielmehr um in- 
homogene Gemische, um Emulsionen, handelt. Diese Ansicht, die zuerst von 
Quincke ausgesprochen, später, in etwas anderer Form, besonders energisch 
von Tammann vertreten, von Lehmann, Schenck und Vorländer ebenso 
energisch bekämpft worden ist, führte zunächst zur Prüfung der Frage, ob die 
krystallinisch-flüssige Phasen bildenden Stoffe durch irgend welche Fremdstoffe 
verunreinigt seien. Die zahlreichen Versuche, die sich mit der Beantwortung 
dieser wichtigen Frage beschäftigt haben, haben übereinstimmend das Ergebnis 
gehabt, daß das Vorhandensein von Verunreinigungen in keinem Falle, in dem 
die Prüfung mit genügender Sorgfalt vorgenommen worden ist, nachgewiesen 
werden konnte. Der Reindarstellung der Stoffe auf chemischem Wege haf be- 
sonders Schenck große Aufmerksamkeit gewidmet; manche Stoffe, so das p-Az- 
oxyanisol, hat er auf verschiedenem Wege gewonnen und dadurch nachgewiesen, 


2 ZE" 


daß Verunreinigungen, deren Existenz durch die besondere Methode der Her- 
stellung bedingt sein könnte, die fraglichen Erscheinungen nicht verursachen; 
auch fand er, daß die typischen Phänomene, die an den liquo-krystallinen 
Phasen beobachtet werden, um so deutlicher hervortreten, je sorgfältiger er die 
Präparate reinigte. Außer chemischen Methoden stehen zur Reinigung trüber 
Flüssigkeiten, bei denen die Trübung durch winzig kleine feste oder flüssige 
in der Flüssigkeit schwimmende Teilchen verursacht wird, vor allen Dingen 
noch zwei physikalische Methoden zur Verfügung: Trübe Flüssigkeiten können 
entweder dadurch, daß man sie zentrifugiert, oder durch die sogenannte elek- 
trische Kataphorese, d. h. dadurch, daß man einen hochgespannten elektrischen 
Strom durch sie hindurchgehen läßt, der die suspendierten Teilchen mit sich 
fortführt, geklärt werden. Alle Versuche aber, die Klärung der krystallinisch- 
flüssigen Phasen durch Zentrifugieren (Schenck, Coehn) oder durch Kata- 
phorese (Coehn, Bredig und v. Schukowsky) zu erreichen, sind vollkommen 
negativ ausgefallen. 

Nun liegt aber noch eine andere Möglichkeit vor, die zu berücksichtigen 
ist. Es wäre an sich nicht unmöglich, daß die liquo-krystallinen Stoffe durch- 
aus chemisch rein sind, daß sie aber unter Zersetzung schmelzen, indem sie 
beim Schmelzpunkt in zwei verschiedene miteinander nicht vollständig misch- 
bare Stoffe übergehen, die aber bei einer etwas höheren Temperatur (dem 
„Klärungspunkt“) vollständig mischbar werden. Ein solcher Stoff liegt im Di- 
bromtrichlorphosphor PC1,Br, vor. Die einheitlichen (festen) Krystalle dieser 
interessanten Verbindung schmelzen bei 35°, indem sich nicht eine, sondern 
zwei miteinander nicht mischbare Flüssigkeiten bilden, eine Lösung von Phos- 
phortrichlorid in Brom und eine Lösung von Brom in Phosphortrichlorid. Er- ` 
wärmt man höher, so nimmt einerseits die Löslichkeit von Brom in Phosphor- 
trichlorid und andrerseits die von Phosphortrichlorid in Brom zu, und bei 
einer bestimmten Temperatur, dem kritischen Punkt, werden beide Flüssig- 
keiten identisch und mischen sich darum vollkommen, d. h. es tritt Klärung 
ein. Ähnliche Erscheinungen zeigen das Bromhydrat und das Chlorhydrat. 


(Schluß folgt.) 


WW 


Der Sestirnte Himmel im Monat Januar 191. 
Von Dr. F. S. Archenhold. 


Wi haben in dem gestirnten Himmel fiir Monat Dezember 1910 (Seite 35 dieses 
Jahrgangs) auf die groBe Rolle hingewiesen, die die Sonne in der Gottesidee der 
Wadschaggas einnimmt. Wir wollen hier, den Untersuchungen Gutmanns (Globus, 
Bd. 96 No. 8) folgend, ergänzend mitteilen, daß dieser Volksstamm von jedem, der leicht 
Eingang und Aufnahme bei allen Leuten findet, kurz der durch sein angenehmes Wesen 
auf den ersten Blick gefällt, sagen: „irúva ankúnda“, „Die Sonne hat ihn lieb“. In einem 
ihrer Lieder heißt es: „Seht die Sterne, droben bei Gott wird Recht gesprochen.“ Er 
sieht, wie sich die kleinen Sterne oft um einen größeren gruppieren und so denkt er an 
das sich ihm täglich darbietende Bild seiner Rechtsversammlungen, bei denen sich um 
den Häuptling die unruhige Menge der sich bekämpfenden Parteien schart. Wenn es 
ihnen schlecht ergeht oder wenn sie Veranlassung haben, Gottes Gunst und Hilfe 
besonders zu gewinnen, so bringen sie Opfer dar, stets wenn die Sonne im Zenit steht. 


aes) MD: ep 


Diese Opferung unterscheidet sich von der, die sie ihren Ahnen darbringen, dadurch, 
daß das Opfertier restlos aufgezehrt werden muß. Sie sprechen hierbei nur ein kurzes 
Gebet: „Gott errette mich und meine Kinder!“ Während jetzt zumeist Haustiere geopfert 
werden, fielen auch früher Menschen zum Opfer. So wird von einem schönen Mädchen 
erzählt, „Gott begehrte sie zum Eigentum.“ Als das Opfer nicht gleich gebracht wurde, 
sandte Gott eine große Hitze und sagte: „Bevor ihr mir nicht dieses Mädchen übergebt, 


Der Sternenhimmel am 1. Januar 1911, abends 10 Uhr. 
Fig. 1. 


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(Polhöhe 521/2% 


werde ich keinen Regen bringen.“ Es ist besonders interessant, daß schließlich die 
Großmutter des Mädchens dasselbe rettete, indem sie ein Lamm zum Opfer brachte, das 
auch angenommen wurde. | 

In der mittleren Landschaft des Kilimandscharo findet sich auch die Meinung, daß 
die Häuptlinge nach ihrem Tode zur Sonne emporsteigen, während die übrigen Menschen 
alle unter die Erde gehen. In einem interessanten Rätselspiel heißt es von der Sonne 
„Sie ist Häuptling über die ganze Erde.“ Himmelsmenschen wurden auch die ersten 


u SB) se 


Europäer genannt, die den Wadschaggas zu Gesicht kamen, Rebmann 1848 und Von 
der Decken 1861. Obgleich man den Missionar Rebmann völlig ausraubte, wagte man 
nicht, ihn zu töten. Der Häuptling sagte: „Er ist ein Kind Gottes, tötet ihn nicht, 
vergießt nicht sein Blut in meinem Lande.“ Die weiße Hautfarbe und die unbekannte 
Herkunft rettete die ersten Europäer vor sicherem Untergang. Erst als die Wadschaggas 
erfuhren, daß der Weiße nicht ein Kind der Sonne, sondern ein Erdgeborener sei, wie 
sie, wagten sie auch, ihn zu töten. | 


Der Lauf von Sonne und Mond. 


Die Sonne rückt im Monat Januar aus dem Sternbilde des Schützen in das des 
Steinbocks. Sie steigt in diesem Monat schon um 5!/,° höher. Ihre Stellung im Tier- 
kreis ist in unsre Karte 2b wiederum für den 1., 15 und 31. Januar eingezeichnet. In 
folgender Tabelle geben wir ihre Deklination, ihre Auf- und Untergangszeiten und ihren 
höchsten Stand um die Mittagszeit für Berlin wieder. 


Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshöhe 
Januar 1. —23° 5 8b 19m morgens 3b 59m nachm. 141/, 0 
- 15. — 21° 17 8h 12m - 4h 18m - 161/,° 
- 31. — 17° 37° ‚7b 52m - 4h 46m - 20° 


Der Mond ist fiir den 1., 3., 5. usw. mit seinen Phasengestalten in unsre Karten 
Fig. 2a und 2b eingetragen. Seine Hauptphasen fallen auf folgende Tage: 


Erstes Viertel: Jan. 8 7!/,h vormittags. Letztes Viertel: Jan. 22. 71/,5 vormittags. 
Vollmond: - 14. 11!/,h abends. Neumond: - 30. 103/,5 vormittags. 


Im Monat Januar finden folgende 6 Sternbedeckungen statt: 


Eintritt Austritt |Win- 


M. E. Z. 


3b 22m 1 
nachm. 


| 
Rekt. | 


u Piscium |5,0/.1b26m 4 Dou: 


Dekl. Bemerkung 


70° | 4b 27m,3 221°! Sonnenuntergang 
4h 8m nachm. 


„11. 13 Tauri 5,5 3h 37m | + 19° 25’) 3h 39m,3 | 129° | 45 10m,7 | 2060| Monduntergang 

morgens 4h 22m morgens 

ill: v Tauri 4,6: 4h21m | + 22037°| Th27m 4 | 920 | 8h3im,2 | 225°) Mond im Merid. 
abends 9h 8m abends 

» 13. 139 Tauri 5,4) 55 52m + 25°67‘; 6b 44m,2 | 88° | 7h 30m,2 | 273°; Monduntergang 


morgens , 7h 16™ morgens 
„2L d Virginis A3 Dh 5m |— 50 4’) 1b 52m9 | 1860 | 2b 26m,5 | 243° Mondaufgang 2'/, 
| morgens Stunden v. Einir. 
26: A Ophiuchi | 5,0 17h 10m | — 26° 23°! Oh 44,8 | 950 | 8h 2m,6 | 293 | Mondaufgang 
| morgens 5b 31m morgens 


Die Planeten. 


Merkur (Feld 205 bis 195) steht zu Anfang des Jahres im Sternbilde des Schützen. 
Er kann in der zweiten Hälfte des Januar etwa !/, Stunde lang im Südosten am Morgen- 
himmel gesehen werden. Am 2. Januar tritt er morgens in Konjunktion mit dem Monde 
und steht am 5. Januar in Sonnennähe und morgens 4 Uhr zugleich in Konjunktion mit 
Uranus, und zwar steht Merkur 1° 57’ nördlich von Uranus, wie wir in Feld 205 unsrer 
Karte 2b sehen können. Am Abend desselben Tages tritt er noch in Konjunktion mit 
der Venus und steht 2° 49' nördlich von derselben. Am 28. Januar, morgens 6 Uhr, 
tritt er noch einmal in Konjunktion mit dem Monde, und zwar ist er dann oberhalb der 
schmalen Mondsichel zu sehen. | 

Venus (Feld 19!/,h bis 22h) ist in den ersten Tagen des Monats nur wenige Minuten 
als Abendstern sichtbar, jedoch wächst die Dauer ihrer Sichtbarkeit bis Ende des Monats 
auf 3/, Stunden an. Sie tritt am 1. Januar in Konjunktion mit dem Monde, am 6. in 


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kt: 46h 


S =Sonne. M = Mond. Me = Merkur. V = Venus. Ma = Mars. | 


Konjunktion mit Uranus und zwar steht sie nur 41‘ südlich von Uranus. Am 31. Januar 
tritt sie um 4h nachmittags wiederum in Konjunktion mit dem Monde. Die große Dichte 
der sie umhüllenden Atmosphäre gestattet uns keinen Blick auf ihre Oberfläche, jedoch 
glaubt man, aus dem unregelmäßigen Rande, der bei der Sichelgestalt besonders deutlich 
hervortritt, auf die Anwesenheit hoher Berge schließen zu dürfen. In unserm großen 
Fernrohr ist der Anblick dieser Beleuchtungsgrenze auf der Venus noch besonders 
interessant durch die Dämmerungszone, die sich oft farbig grade bei schmaler Sichel 
der Venus besonders deutlich erkennen läßt. " 


Mars (Feld 16!/,h bis 18h) rückt immer mehr aus den Strahlen der Sonne heraus 
und geht schon 2 Stunden vor der Sonne auf, so daß die Dauer seiner Sichtbarkeit 
bereits auf 1!/, Stunden ansteigt. Am 26. Januar, abends 11h tritt er in Konjunktion mit 
dem Monde. Er erscheint dem bloßen Auge in starkem roten Lichte. Die Beobach- 
tungen seiner Oberfläche haben ergeben, daß er unserer Erde nicht unähnlich ist. Wie 
schon früher erwähnt, kommt er am 25. November 1911 in Erdnähe und seine Entfernung 
beträgt dann nur 76 Millionen km. 


Jupiter (Feld 14!/,b bis 14°/, ") ist zuerst 4 Stunden und zuletzt bereits 5!/, Stunden 
lang am Morgenhimmel sichtbar. Am 23. tritt er in Konjunktion mit dem Monde, wie 
wir aus unsrer Karte 2b, Feld 14!/, entnehmen können. Die wolkenähnlichen parallelen 
Streifen, welche häufig mit hellen und dunklen Flecken durchsetzt sind, ändern recht 
schnell ihr Aussehen und ihre Stellung zu einander, so daB vom Jupiter nicht wie vom 
Mars eine Karte entworfen werden kann, sondern die Zeichnungen von Abend zu Abend 
ein verändertes Aussehen zeigen. Wir müssen annehmen, daß seine Oberfläche sich 
noch in glühendem Zustande befindet. Die Kenntnis der ihn umkreisenden Monde ist 
durch die Entdeckungen der letzten Jahre besonders erweitert worden. Es sind 8 Satel- 
liten, die in wechselvollem Spiel ihren Umlauf vollführen, bekannt. 


Saturn (Feld 2b) ist zu Anfang des Monats 9 Stunden und zuletzt nur noch Gil, 
Stunden lang sichtbar. Er tritt am 9. in Konjunktion mit dem Monde. Außer den 40 
Monden, welche ihn in je bis 400 Tagen umkreisen, ist er noch von einem flachen System 
von Ringen, die aus einer zahllosen Schar von kleinen Körperchen bestehen, umgeben. Je 
nach der Stellung der Erde zu der Ebene dieses Ringsystems ist dasselbe mehr oder 
weniger deutlich zu erkennen. In diesem Jahre ist die südliche Fläche des Ringes uns 
zugewandt. Der Planet hält sich während des ganzen Jahres im Sternbilde des Widders auf. 


‘fir den Monat Januar 1911. 


J = Jupiter. 


Fig. 2a. Nachdruck verboten. 


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£ | Enta. v. Ze ZA Archenhold, 
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Sa = Saturn. U= Uranus. N - Neptun. 


Uranus (Feld 493/,5) ist während des ganzen Monats wegen seines nahen Standes 
zur Sonne unsichtbar. 


Neptun (Feld "bh ist im Monat Januar wegen seiner großen Höhe sehr günstig 
zu beobachten, er wird freilich nie dem bloßen Auge sichtbar, da er nur die Helligkeit 
eines Sternes 8. Größe erreicht. In unserem Treptower Fernrohr können wir den 
Planeten als eine kleine mattleuchtende Scheibe von grünlicher Färbung erkennen. Sein 
einziger Mond, der ihn in 5 Tagen und 21 Stunden umkreist und nur 356 000 km von 
ihm entfernt ist, zeigt eine rückläufige Bewegung, d h. er bewegt sich von Ost nach 
West um seinen Planeten herum. Auch ist die große Neigung seiner Bahnebene zum 
Neptunsäquator besonders auffällig. 


Bemerkenswerte Konstellationen: 


Januar 1. 115 vormittags Venus in Konjunktion mit dem Monde. 
- 2. 15 morgens Merkur in Konjunktion mit dem Monde. 

4h nachmittags Sonne in Erdnähe. 

3h morgens Merkur in Sonnennähe. 

4h morgens Merkur in Konjunktion mit Uranus, Merkur 1° 57’ nördlich von 
Uranus. 

- .5. Th abends Merkur in Konjunktion mit der Venus, Merkur 20 49' nördlich von 

der Venus. 

- 6. 6 morgens Venus in Konjunktion mit Uranus, Venus 41’ südlich von Uranus. 

- 7. 2 nachmittags Venus in Sonnenferne. 

- 9. 6b vormittags Saturn io Konjunktion mit dem Monde. 

- 10. 115 vormittags Merkur in unterer Konjunktion mit der Sonne. 

- 11. 1 nachmittags Neptun in Opposition zur Sonne. 

- 16. 2 nachmittags Uranus in Konjunktion mit der Sonne. 

- 23. 7 morgens Jupiter in Konjunktion mit dem Monde. 

- 26. 115 abends Mars in Konjunktion mit dem Monde. 

- 28. 6 morgens Merkur in Konjunktion mit dem Monde. 

- 31. 45 nachmittags Venus in Konjunktion mit dem Monde. 


SS 


Mathematische und astronomische Gnterrichtskurse 
von Doc. Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 
Im gegen Hörsaal der Treptow - Sternwarte, Treptow bei Berlin, Alt- Treptow 1 
gp: Dienstags 6—7 Uhr abends. Beginn: 10. Januar 1911. wu 
Einführung in die höhere Mathematik. 


Funktionentheorie und Differentialrechnung. 


A. Funktionentheorie. Begriff der Funktion, ihre geometrische Darstellung. — Grenz- 
begriffe. — Binomischer Lehrsatz. 
B. Differentialrechnung. Begriff des Differentialquotienten und der Stetigxeit. — 


Differentiation der verschiedenen Funktionen. — Lineare, trigonometrische und Kreisfunktionen 
— Differentiation von Funktionen mit zwei Veränderlichen. — Anwendungen aus der Astronomie 
und Physik. 


Die Mathematik wird nach eigener Methode so vorgetragen, daß die praktischen An- 
wendungen von der ersten Stunde an zu ihrem Rechte kommen. 

Die Hörerkarten sind schon zum ersten Vortrage mitzubringen und jedesmal als Aus- 
weis vorzuzeigen. 


Hörgebühr für den zehnstündigen Kursus 6 M., für Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 4,50 M. 


Astronomie für Jedermann. 


Mit Lichtbildern, Demonstrationen und praktischen Uebungen auf der Plattform der 
Treptow- Sternwarte. 


gw: Montags 9—10 Uhr abends. Beginn: 9. Januar. 29 
Zwei kleinere Fernrohre stehen vor und nach dem Vortrage zur freien Verfügung. 


. Die Sternbilder und Anleitung zu ihrer Auffindung. 
Sonne und Mond. 

. Unser Planetensystem. 

Kometen und Sternschnuppen. 

Unser Wissen von den Sternenwelten. 

MilchstraBe und Nebelgestirne. 

Sternhaufen, veränderliche und neue Sterne. 
Astronomie mit dem Opernglas und kleinen Fernrohren. 
Sonnen- und Mondfinsternisse. 

. Unsere Erde als Planet. 


Die Hörerkarten sind schon zum ersten Vortrage mitzubringen und jedesmal als Aus- 
weis vorzuzeigen. 


Hörgebühr für den zehnstündigen Kursus 5 M., fiir Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 3,50 M. 


Sees er AON > 


keck 


Uber die Bestimmung der Zeit und ihre Weitergabe. 


Mit Lichtbildern, Demonstrationen und praktischen Ubungen auf der Plattform der 
Treptow-Sternwarte. 


ges Dienstags 8—9 Uhr abends. Beginn: 10. Januar. 29 


Begriff von Raum und Zeit. — Die ersten Zeitmesser. — Sonnenuhren. — Die verschiedenen 
Zeitarten. — Präzisionsuhren und ihre Vergleichung. — Die Erde als Uhr. — Die verschiedenen 
Methoden der Zeitbestimmung. — Zeitbestimmung im Luftschiff. — Die telegraphische Weitergabe 
der Zeit. — Normaluhren und Zentraluhren. — Die Zeitsignale von Norddeich und vom Eiffelturm 
mittels Wellentelegraphie. — Zukunft der Zeitverwaltung. 

Die Hörerkarten sind schon zum ersten Vortrage mitzubringen und jedesmal als Aus- 
weis vorzuseigen. 


Hörgebühr für den zehnstündigen Kursus 7 M., für Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 5,50 M. 


Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.8. Archenhold, Berlin-Treptow, für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


DAS WELTALE 


Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Ge 


Herausgegeben von 
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 6. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1910 Dezember 15, 
Berlin-Treptow. 


Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Posianstalien (Post- 

Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pjg. — Anseigen-Gebühren: I Seite 80.— MR., Uu Seite 45.— 
1/, Seite 25.—, lla Seite 15.—. Un Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewicht. 


INHALT 
1. Wandlungen und Ziele der Wellervoraussage. Von 4. Kleine Mitteilungen: Eine neue Methode zur Er- 
Wilhelm Peppler, Oeffentliche Wetterdienststelle Gießen 77 forschung des Erdinnern . . . » 2 2 2 ew we 90 
2. Einiges von den flüssigen Krystallen. Von Dr. Werner 5. Mathematische und astronomische Unlerrichiskurse 
Mecklenburg. (Schuß) . -» 00 0. 83 von Doc. Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow- 
3. Neuer Ellipsograph. (D.R.P. 218013.) Von Ernst Sternwarte. > 20 rn 91 
tege u ae ig ES Be, a E 87 | 


Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet. 


Wandlungen und Ziele der WetterVoraussage. 


Wilhelm Peppler, Öffentliche Wetterdienststelle Gießen. 


We man von den wenig erfolgreichen Bestrebungen absieht, eine Wetter- 
prognose auf theoretischem oder statistischem Wege für lange Zeit- 
räume, Monate oder Jahreszeiten zu begründen, beschränkt sich die moderne 
Wettervoraussage auf die Prognostik des recht kurzen Intervalls von 24 bis 48 
Stunden; nur in Ausnahmefällen ist es möglich, mit genügender Sicherheit 
längere Witterungsperioden im voraus zu erkennen. Die moderne Prognostik 
beruht auf der synoptischen Methode, die die Witterungsverhältnisse über einem 
bestimmten Teil der Erdoberfläche im Zusammenhange betrachtet, indem sie 
eine große Zahl von Simultanbeobachtungen auf den bekannten Wetterkarten 
zu einem übersichtlichen Bilde vereinigt. Die Witterung an einem bestimmten 
Orte steht dabei immer in einem mehr oder weniger deutlichen Zusammen- 
hange mit den Gebieten hohen und tiefen Baronieterstandes, die die Witterung 
und ihren Wechsel als primäre Faktoren bestimmen. Die Prognose ist daher 
im wesentlichen eine Luftdruckprognose, indem auf Grund von Erfahrungstat- 
sachen und einem geringen Vorrat theoretischer Hilfsmittel auf die Ver- 
lagerung der Hoch- und Tiefdruckgebiete und schließlich auf die davon ab- 
hängigen Witterungsverhältnisse geschlossen wird. 

Die zu Anfang des vorigen Jahrhunderts begründete synoptische Mete- 
orologie ist durch umfassende Untersuchungen bis zur gegenwärtigen Zeit zu 
einem gewissen Grad der Vollkommenheit gefördert worden, ohne daß das 
Problem der Wetterprognose für kurze Intervalle eine endliche Lösung gefunden 
hat. Auch die größte persönliche Erfahrung und praktische Kleinarbeit vermag 
die Grenze nicht zu überbrücken, die durch den jeweiligen Stand des gesamten 
meteorologischen Wissens gesetzt ist. Der weitere Ausbau der synoptischen 
Meteorologie hat gezeigt, daß diese Grenze bald erreicht war; die gewonnenen 


Resultate der ausgedehnten und langwierigen Untersuchungen über die Wetter- 
lagen und ihre Beziehungen zur Witterung, die meist auf statistischem Wege 
erfolgten, haben wohl großen theoretischen und klimatischen Wert, sind aber 
von geringem Nutzen für die Prognostik gewesen, was in dem Wesen ee 
Statistik begründet ist. Ä 

Die Resultate lassen sich auf die Erkenntnis der Zusstraßen der baro- 
metrischen Minima und der Witterungs- und Luftdrucktypen reduzieren. Die 
Zugstraßen stellen Zonen größter Frequenz der Minima dar, die sich auf ihnen 
in west-östlicher oder durch die Luftdruckverteilung geänderter Richtung mit 
Vorliebe bewegen. Die praktische Meteorologie hat aber damit recht wenig an- 
fangen können, da der für die Prognose daraus erwachsende Wahrscheinlich- 
keitswert nur wenig die Schwelle der praktischen Nutzbarkeit überschreitet. Die 
Zugstraßen sind eben nicht als Straßen aufzufassen, auf denen sich ausschließ- 
lich die barometrischen Minima bewegen, sondern sie stellen Zonen größter 
Zyklonenfrequenz dar. Im einzelnen Falle hat man keine Anhaltspunkte, welche 
Bahn eine Zyklone einschlagen würde, sodaß man auf den sehr einfachen Er- 
fahrungssatz angewiesen ist, daß sich die Zyklonen im allgemeinen den Iso- 
baren der allgemeinen Luftdruckverteilung entlang bewegen und die Temperatur- 
verhältnisse auf der Erdoberfläche die daraus folgende Bahn in geringem Maße 
zu variieren bestrebt sind. Davon aber gab es zahlreiche Abweichungen, die 
zunächst unerklärlich blieben und zu Fehlprognosen führten. Auch hat das 
genauere Studium der Wetterlagen zur Genüge bewiesen, daß die die Witterung 
bestimmenden Faktoren nicht allein die großen Zyklonen und Antizyklonen sind, 
sondern daß die sekundären Isobarenformen, Teiltiefs, Druckfurchen, Hochdruck- 
rücken usw. eine fast noch größere Rolle spielen, denn sie sind in der Regel 
von viel ausgeprägteren Witterungsvorgängen begleitet. Gerade die flachen 
Teiltiefs, die auf der Wetterkarte wenig hervortreten, bringen in Mitteleuropa 
oft ungewöhnliche Regenfälle und Hochwasser. Für die Prognose sind diese 
Tatsachen sehr ungünstig, denn die sekundären Isobarenformen entstehen rasch 
und oft unerwartet, sind schr veränderlich und schlagen Bahnen ein, die schwer 
vorauszubestimmen sind. Man findet dabei alle möglichen Formen der Ent- 
stehung und Bewegung von Teiltiefs. Man hat sich daran gewöhnt, die Teil- 
tiefs als sekundäre Wirbel der Hauptzyklone aufzufassen, die sich in dem 
Luftstrom der letzteren wie Wellen bewegen und ihr Zentrum teilweise um- 
kreisen, cine Form, in der sie auch nicht selten auftreten. Aber von größerer 
Bedeutung sind die sekundären Zyklonen, die in keiner Abhängigkeit von einer 
Hauptzyklone stehen; offenbar sind hier mächtigere äußere Faktoren in der 
freien Atmosphäre wirksam. Zahlreiche Teiltiefs entstehen als harmlose Aus- 
laufer einer großen Zyklone, und bilden sich in wenigen Stunden zu gewaltigen 
Stürmen aus, während die Zyklone selber erlischt. Hier ließe sich eine ganze 
Reihe anderer Probleme andeuten, die darauf hinweisen, daß zahlreiche noch 
unbekannte Faktoren wirksam sein müssen, die scheinbar ohne jede Gesetz- 
mäßigkeit schalten. Der praktische Meteorologe weiß, daß darin zum größten 
Teil die Gründe dafür zu suchen sind, daß unsere Prognose mit kaum mehr als 
80 °/, Treffsicherheit rechnen kann. 

Wenn es bis heute auf Grund der Wetterkarte schwer ist, die genaue 
Bahn einer Zyklone nach bestimmten Erfahrungssätzen vorauszubestimmen, so 
ist dies noch viel weniger auf theoretischem Wege möglich. Alle die Be- 
zichungen, die man zwischen der Bewegung der Zyklonen und den Temperatur, 


| a 
und Luftdruckverhältnissen an der Erdoberfläche gefunden hat, besitzen sehr 
geringen prognostischen Wert, und noch vergeblicher sind heute die Bestrebungen, 
das Problem der Wettervoraussage mathematisch anzufassen. Wir kennen die 
Faktoren, die in diese Rechnung eingehen, kaum. 

Bei Beurteilung der modernen Wetterprognostik darf man nicht vergessen, 
daß dem praktischen Meteorologen eine eigentümliche Gesetzmäßigkeit der 
Witterungsverhältnisse zur Seite steht, deren genaue Kenntnis die Voraussage 
erleichtert. Es ist dies die deutlich ausgeprägte Erhaltungstendenz der Witterung. 
Wer blindlings im Vertrauen darauf prognostizieren würde, hätte schon eine 
Treffsicherheit von ca. 70 ®/,. Alle Witterungsumschläge würden ihm dabei 
freilich entgehen. Diese Art zu prophezeien ist natürlich keine Wettervoraus- 
sage. Aber es steckt in jeder Prognose, sowohl der auf lokale Anzeichen ge- 
gründeten des Landmannes, wie der des geschulten wissenschaftlichen Prognosti- 
kers ein Rest von blindem Vertrauen auf das Gesetz der Erhaltungstendenz, 
der um so größer ist, je weniger Erfahrung und wissenschaftliche Gründlichkeit 
der Wetterprognostiker besitzt. | 

Trotzdem hat das wissenschaftliche Studium dieser Erhaltungstendenz der 
Witterung die Prognostik gefördert. Bei bestimmten Wetterlagen ermöglicht oft 
die Kenntnis der für Witterungsperioden längerer Dauer charakteristischen An- 
zeichen eine Prognose auf mehrere Tage; ihre Treffsicherheit ist, wenn die 
Voraussage nur in sicheren Fällen gestellt wird, ebenso groß wie die der täg- 
lichen Wetterprognose. Es ist eben viel leichter, die Fortdauer einer bestimmten 
Witterung richtig vorauszuerkennen als einen Wetterstvrz. Doch gehört in 
allen Fällen für eine solche Prognose für mehrere Tage eine lange Erfahrung 
und große Kenntnis der Wetterlagen, und der Anfänger in der praktischen 
‘ Meteorologie ist daher allzuoft gezwungen, Prognosen ins Blaue hinein auf- 
zustellen. 

Die Methode der Voraussage selber hat sich nur wenig geändert, und es 
ist in der synoptischen Meteorologie vielfach eine Stagnation eingetreten. Bei 
dem ständigen Gebrauch der Wetterkarte hat man teilweise vergessen, daß sie 
nur die Witterungszustände am Grund des Luftmeeres und nur die zu einem 
bestimmten Zeitpunkt fixierten darstellt. Die Beachtung gerade dieser beiden 
Gesichtspunkte ist aber schr notwendig, um die Wetterprognostik vorwärts zu 
bringen. Der praktische Meteorologe hat sich daran gewöhnt, die Tief- und 
Hochdruckgebiete als fertige, wirbelähnliche Gebilde anzusehen, die mit einer 
gewissen Konstanz sich bilden und bewegen, und er gründet darauf seine 
Prognose. Dabei übersieht er aber fast völlig die zeitlichen Änderungen der 
Wetterlagen. Um die Mängel der im Laufe der Jahre schematisierten Prognosen- 
methode zu beseitigen, bedurfte es entweder neuer besserer Methoden oder 
neuer Anregungen von Seiten der Theorie und der mittlerweile stark aufge- 
blühten Meteorologie der freien Atmosphäre. Auf jedem der drei Prinzipien sind 
Anzeichen dafür vorhanden, daß sie die Wettervoraussage erheblich zu fördern 
vermögen. | 

Der erste merkbare Schritt in der Verbesserung der Prognostik wurde von 
der Praxis selbst getan, und zwar durch das methodische Studium der Ände- 
rungstendenz der Wetterlagen, besonders erwies sich die Differentiation 
des Luftdrucks erfolgreich, die sowohl in mathematischer wie in synoptischer 
Form Gegenstand interessanter Untersuchungen wurde. Zum erstenmale hat 
der russische Meteorologe P. Brounow im Jahre 1873 auf die Beziehungen auf- 


— 80 — 


merksam gemacht, die zwischen der Bahn der barometrischen Minima und den 
Gebieten fallenden und steigenden Barometers bestehen und ihren Wert 
für die -Prognose erkannt. Seine Studien gerieten aber in Vergessenheit, da 
man damit nichts anzufangen wußte. Neuerdings ist aber die Anderungstendenz 
des Luftdrucks, besonders von N. Ekholm und dem Verfasser wieder für die 
Wettervoraussage bearbeitet worden. 

Wenn man auf eine Wetterkarte nicht die jeweiligen Barometerstände, 
sondern die Luftdruckanderungen, etwa seit den letzten 12 Stunden, aufträgt, 
erhält man Linien und Gebiete größter Barometeränderung, die von ersteren 
umschlossen werden, ähnlich den Isobaren und den Hoch- und Tiefdruck- 
gebieten. 

Man unterscheidet auf der Karte dann immer Gebiete, über denen das 
Barometer gesunken, und solche, über denen es gestiegen ist. Diese baro- 
metrischen Fall- und Steigegebiete führen ähnliche Verlagerungen und Be- 
wegungen aus wie die Zyklonen; wie diese ziehen sie vorwiegend in westöstlicher 
Richtung. Es spricht sich so bei den meisten Wetterlagen deutlich aus, daß 
der Verlauf der atmosphärischen Störung ein wellenartiger') ist, indem mit großer 
Regelmäßigkeit barometrischer Wellenberg (Steigegebiet des Luftdrucks) und 
Wellental (Fallgebiet des Luftdrucks) aufeinanderfolgen. Diese Verhältnisse 
sind am besten ausgeprägt bei den großen zyklonalen Witterungsperioden der ` 
kalten Jahreszeit, wenn der Luftdruck von niederen nach höheren Breiten 
abnimmt. Dann wandern mit außerordentlicher Geschwindigkeit die Luftdruck- 
wellen im Isobarenfelde von Westen nach Osten und sind von tiefen Zyklonen 
gefolgt. Aber auch bei ruhigem Hochdruckwetter über Deutschland sind fast 
immer solche Wellenzüge des Luftdruckes zu beobachten, die rasch vorüber- 
ziehen, oft ohne jede Störung der Witterung. Die Vorgänge, die sich beim 
Vorübergang eines barometrischen Fallgebietes in der Wetterlage abspielen, 
sind derart, daß das Fallgebiet der Zyklone unmittelbar vorauseilt, sie aber 
meist nach einer bestimmten Zeit hinter sich zurückläßt. Im Rücken der 
Zyklone folgt das Steigegebiet, das meist von einem rasch wandernden Hoch- 
druckrücken begleitet ist. Der prognostische Wert liegt darin, daß die Luft- 
druckwellen die die Wetterlage beherrschenden Faktoren sind und viel ein- 
deutiger sich bestimmen lassen. Es hat sich herausgestellt, daß der größte Teil 
der Teiltiefs und sekundären Zyklonen von rasch wandernden Luftdruckwellen 
erzeugt wird, und gerade dadurch ist die Prognostik gefördert worden; außer- 
dem werden zahlreiche Wetterlagen erst verständlich, wenn man sie an der Hand 
der zugehörigen Luftdruckwellen untersucht. Die interessanten Wetterlagen, 
wo flache Teiltiefs sich zu mächtigen Stürmen entwickeln oder Sturmwirbel sich 
rasch verflachen, finden leicht in dem Verhalten der Druckwellen ihre Deutung. 
Auch die Prognostik der Gewitter wird dadurch gefördert, denn ein großer Teil 
derselben entsteht nicht ausschließlich durch die örtlichen thermischen Verhält- 
nisse, sondern der Impuls zur Gewitterbildung wird meist durch flache Luft- 
druckwellen gegeben, die vom Ozean gegen das: Festland wandern. Es ist 
unmöglich, ausführlich auf die Förderung einzugehen, die die praktische Mete- 
orologie durch die beschriebene Methode erfahren hat. Zumal da dieses 
Forschungsgebiet noch nicht abgeschlossen ist. Es dürfte Aussicht vorhanden 


1) Ohne hier und im nachfolgenden die Luftdruck- und Temperaturwellen als Wellen in rein, 
physikalischem Sinne definieren zu wollen. 


DEE ` E 


sein, aus den zeitlichen Druckänderungen Gesetze herauszuschälen, die auch 
die Prognostik für längere Zeiträume fördern. Alle Anzeichen sprechen dafür, 
daß die Luftdruckwellen eine sehr allgemeine Erscheinung in der Atmosphäre 
sind und daß sie eine bestimmte Rolle in der Zirkulation des Luftmeeres spielen. 
Dafür spricht die überraschende Übereinstimmung der Luftdruckwellen in den 
höheren Breiten der Nord- und Südhalbkugel. Jedenfalls sind die Luftdruck- 
wellen der Ausdruck einer Störungsform der Atmosphäre, in der sich vielleicht 
wertvolle Perioden auffinden lassen. 

Die in der praktischen Meteorologie seit längerer Zeit mit prognostischem 
Erfolg angewandte Methode der Luftdruckwellen hat neuerdings auch eine 
thermodynamische Begründung gefunden. Bei dem Studium der Thermik der 
Zyklonen und Anticyklonen war man darauf aufmerksam geworden, daß man 
zwischen kalten und warmen Zyklonen und Anticyklonen wohl unterscheiden 
muß. Seither hatte man angenommen, daß der Luftkörper der Antikyklonen 
überhaupt wärmer sei als der der Zyklonen. Doch haben die neueren Unter- 
suchungen gelehrt, daß dies nur für die großen stationären Antizyklonen, die 
man zum Unterschied dynamische nennen könnte, gilt; in ihnen werden die 
aus höheren Schichten herabziehenden Luftmassen dynamisch erwärmt. Ander- 
seits kann in stationären Zyklonen der Luftkörper relativ kalt sein. Fundamental 
unterscheiden sich davon die rasch wandernden Zyklonen und Antizyklonen. 
Der Luftkörper der ersteren ist relativ warm, der der letzteren relativ kalt, oder 
mit andern Worten, die beweglichen Zyklonen setzen sich aus warmen, die 
beweglichen Antizyklonen aus kalten Luftströmen zusammen. Man nähert sich 
damit wieder etwas der alten Doveschen Ansicht, die lange Zeit für überwunden 
galt. Dove erklärte die atmosphärischen Störungen im wesentlichen aus dem 
Kampf horizontaler Polar- und Äquatorialströmungen. 

Diese fundamentalen Unterschiede zwischen den beweglichen und statio- 
nären Luftdruckformen zwingen dazu, auf die Beziehungen einzugehen, die 
zwischen den Temperaturverhältnissen der freien Atmosphäre und den Luft- 
druckwellen an der Erdoberfläche bestehen. Es ist ohne weiteres klar, daß jede 
stärkere Druckänderung, die am Erdboden beobachtet wird, durch eine ent- 
sprechende Änderung der Temperatur in den darüberlagernden Luftschichten 
zustande kommt. Sinkt die Temperatur einer Luftsäule über einem Punkt der 
Erdoberfläche, so muß hier der Luftdruck steigen, fällt sie, so muß der Luft- 
druck sinken, oder mit andern Worten, unter vorüberziehenden kalten Luft- 
strömen sinkt das Barometer, unter warmen steigt es. Daß diese Verhältnisse 
tatsächlich in der Atmosphäre bestehen, hat zuerst Ekholm nachgewiesen. Er 
fand, daß die an der Erdoberfläche beobachteten Luftdruckwellen von Temperatur- 
wellen in der freien Atmosphäre begleitet wurden. Neuerdings hat Trabert 
diese Beziehungen eingehend an Hand der aerologischen Beobachtungen des 
Lindenberger aeronautischen Observatoriums untersucht. Dadurch ist eine neue 
Grundlage für das Studium der synoptischen Meteorologie und der Physik der 
freien Atmosphäre geschaffen. Dabei wird natürlich die Wetterkarte immer als 
Unterlage dienen müssen, auf die man die in der freien Atmosphäre herr- 
schenden Verhältnisse bezieht. 

Freilich ist zunächst die Zahl der Aerolagischen Stationen, die die Witte- 
rungsverhältnisse in der freien Atmosphäre erforschen, noch zu gering. Im 
Deutschen Reiche sind im Augenblick deren vier vorhanden: Lindenberg bei 
Berlin, Großborstel bei Hamburg, Straßburg i. E. und Friedrichshafen, außer 


DEE BO en 


einigen wenigen andern Einrichtungen, die noch keine vollwertigen aerologischen 
Stationen zu nennen sind. Täglich werden an den erwähnten Stationen acrolo- 
gische Sondierungen der freien Atmosphäre mit Drachen oder Fesselballons aus- 
geführt. Die Beobachtungen geben über Temperatur, Feuchtigkeits- und Wind- 
yerhaltnisse in verschiedenen Höhen Aufschluß. Aber sie vermögen nur die 
unteren Schichten, im Maximum bis 5000 m Höhe, zu erforschen. Ein täglicher 
Wetternachrichtendienst würde sich also auf die untersten, im Maximum bis 
5000 m reichenden Luftschichten, erstrecken. Für die Erforschung größerer 
Höhen kommen nur die Registrierballons in Betracht, deren Resultate erst nach- 
traglich verwendbar sind, und allenfalls Sondierungen mit kleinen mit Wasser- 
stoff gefüllten Gummiballons. Aber diese geben nur über die Windrichtung 
und Stärke und nicht über die so wichtigen Temperafurverhältnisse Aufschluß, 
und sind nur bei klarem Wetter möglich. Man hat von meteorologischer Seite 
schon mehrmals vorgeschlagen, ständige Pilotstationen in größerer Zahl, 20 bis 
30, einzurichten, die jeden Morgen die Luftströmungen der freien Atmosphäre 
sondieren und ihre Resultate an die Wetterdienststellen übersenden. Da die 
Pilotmethode recht einfach und billig ist, würden der Durchführung des Planes 
keine unüberwindlichen Schwierigkeiten im Wege stehen. Zahlreiche simultane 
über ganz Deutschland verteilte Pilotbeobachtungen wären sehr wohl im Stande, 
unsere Wetterkarten in der Vertikalen zu ergänzen und ein rohes Bild über 
die Luftdruckverteilung in den verschiedenen Niveaus zu geben. Da die Winde 
in der freien Atmosphäre ungefähr den Isobaren entlang wehen, geben die 
Windrichtungen der verschiedenen Stationen ein Bild der Luftdruckverteilung. 
Ohne Zweifel wäre für die Prognose schon dadurch manches gewonnen, aber 
man darf den Wert der Pilotstationen für die Wettervoraussage nicht über- 
schätzen. Wir wissen bis jetzt recht wenig über die Beziehungen zwischen dem 
Oben und Unten in der Atmosphäre, und es bedürfte erst langer Erfahrung und 
grundlegender Untersuchungen über die Beziehungen der Wetterlagen zu der 
Meteorologie der freien Atmosphäre. Es müssen erst Gesetzmäßigkeiten und ` 
theoretische Grundlagen hier geschaffen werden. Erst dann wird die Prognose 
nennenswerten Vorteil von der Aerologie haben. Aber jedenfalls liegt hier die 
Zukunft der Wetterprognose. 

Hier eröffnet sich ein großes Arbeitsgebiet, eine völlige Neuwertung der 
synoptischen Meteorologie. Diese Arbeiten würden natürlich am vorteilhaftesten 
von den Wetterdienststellen und den dort arbeitenden Meteorologen geleitet, 
die durch die stetige Übung mit den Wetterlagen am besten vertraut sind. Zur 
Verwirklichung dieser Ideen bedarf es in erster Linie eines geeigneten Ausbaus 
der Wetterdienststellen; es müssen ihnen die Forschungsergebnisse der Wissen- 
schaft zugänglich gemacht und zahlreichere wissenschaftliche Arbeitskräfte zur 
Verfügung gestellt werden. Es wäre im Interesse des Fortschrittes der Prognostik 
sehr zu bedauern, wenn die Dienststellen des öffentlichen Wetterdienstes zu 
Wetterkarten-Geschäftsstellen und popularisierenden Instituten herabsänken, 
deren Energie der praktische Betrieb völlig absorbiert; sie müssen selber die 
Möglichkeit haben, wissenschaftlich zu forschen, damit ihre eigenen Forschungs- 
ergebnisse und die Resultate der theoretischen und methodischen Meteorologie 
dauernd verschmelzen. Das ist nur möglich, wenn sich die Regierungen der 
Bundesstaaten endlich entschließen, den Wetterdienst zu stabilisieren und ihn 
stärker zu fördern, als dies bisher geschehen ist. 


E 


— 8 — 


Binides von den flüssiden Krystallen. 


Von Werner Mecklenburg. 
(Schluß.) 


Fi cine Emulsionen, mögen sie nun auf dem üblichen mechanischen Wege oder 
chemisch durch Schmelzen wohldefinierter reiner Verbindungen, wie dem 
Dibromtrichlorphosphor, gewonnen sein, zeigen in der Tat manche Analogien 
zu den Erscheinungen, die bei den flüssigen Krystallen beobachtet worden 
sind. So besitzen sie die Fähigkeit, das Licht zu polarisieren; auch lassen sie 
unter Umständen Pleochroismus erkennen. Andrerseits aber kann man bei 
ihnen doch keineswegs alle die Beobachtungen, besonders nicht die kompli- 
zierten optischen Beobachtungen wiederfinden, die an den liquo-krystallinen und , 
auch an den gewöhnlichen festen Krystallen gemacht worden sind. Die Ent- 
stehung liquo-krystalliner Stoffe durch Mischung nicht-liquo-krystalliner Ver- 
bindungen, von der weiter oben berichtet worden ist, kann auch nicht zugunsten 
der Emulsionstheorie angeführt werden, da zunächst erst nachgewiesen werden 
müßte, daß es sich bei ihnen tatsächlich um Emulsionen handelt. Andrerseits 
kann das Auftreten der flüssigen Krystalle unter diesen Bedingungen darum 
nicht so sehr überraschen, weil in ihnen an sich äußerst wenig beständige 
polymorphe Modifikationen des betreffenden Stoffes vorliegen, und auch sonst 
vielfach beobachtet worden ist, daß an sich sehr unbeständige oder überhaupt 
nicht existenzfähige Krystallformen durch Hinzufügung von gewissen Bei- 
mengungen beständig werden, und weil gerade die flüssigen Krystalle ein 
großes Lösungsvermögen für andere Krystalle, eine starke Tendenz zur Bildung 
von Mischkrystallen besitzen. Kurz, nach Ansicht des Berichterstatters ist die 
Emulsionstheorie der flüssigen Krystalle bis jetzt nicht nur nicht genügend be- 
gründet, sondern sie ist nach dem Gesagten nicht einmal imstande, die an 
den flüssigen Krystallen beobachteten Erscheinungen zu erklären. Sie muß 
also bei dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse als unzulänglich ab- 
gelehnt werden. Ob sie, weiter ausgebildet, bessere Dienste wird leisten können, 
mag dahingestellt bleiben. 

Die der Emulsionstheorie gegenüberstehende Theorie legt den Hauptwert 
auf die Analogie der Erscheinungen bei festen und flüssigen Krystallen: „Alle 
wesentlichen Kennzeichen der festen Krystalle“, so faßt Vorländer die Er- 
gebnisse seiner Arbeiten zusammen, „starke Doppelbrechung, schwarze Kreuze, 
Achsenbilder, Pleochroismus, Wachstum, Gestalt und Auslöschungsrichtung (Auf- 
treten von Ätzfiguren; Referent) sind bei den flüssigen Krystallen vorhanden, 
fehlen aber (wenigstens zum Teil; Referent) den Emulsionen.“ Die innere 
Struktur der vollständig flüssigen Krystalle, der Krystalltropfen, ist ihrem Wesen 
nach gleichwertig mit der Struktur der gewöhnlichen starren Krystalle. Zwischen 
beiden Erscheinungsformen der krystallisierten Materie, den starren und den 
flüssigen Krystallen, die, sobald sie einen bemerkenswerten Grad von Weich- 
heit haben, als fließende Krystalle bezeichnet werden, existieren alle möglichen 
Übergänge. Gerade die Existenz von Übergängen ist im Sinne dieser Theorie 
durchaus verständlich, während sie der Emulsionstheorie darum große Schwierig- 
keiten bereitet, weil sie sie zur Errichtung einer Scheidewand dort zwingt, wo 
in der Natur keine ist. 

Die Freunde der Emulsionstheorie haben den Einwand erhoben, daß eine 
vollkommen homogene reine chemische Substanz im flüssigen Zustande ganz 


— 84 — 


klar durchsichtig sein müsse, daß also die trüben Schmelzen der flüssigen 
Krystalle nicht durchaus homogen sein könnten; die Trübheit der Schmelzen 
bildete für die Emulsionstheorie den Ausgangspunkt und die stärkste Stütze. 
Nun war allerdings bis zur Entdeckung der liquo-krystallinen Stoffe die klare 
Durchsichtigkeit chemisch reiner Flüssigkeiten eine selbstverständliche, ja fast 
dogmatische Forderung, die aber doch den neuartigen Tatsachen gegenüber 
nicht aufrecht erhalten werden kann. Eine liquo-krystalline Schmelze ist als 
ein Aggregat von einzelnen liquo-krystallinen Krystallen anzusehen. Die ein- 
zelnen liquo-krystallinen Krystalle, die Krystalltropfen, sind, wie Lehmann 
durch ihre Isolierung gezeigt hat, vollkommen klar und homogen. Ein Aggregat 
von diesen Krystalltropfen aber muß trübe erscheinen, weil die verschiedenen 
Krystalltropfen nicht schön geordnet nebeneinander, sondern wirr durcheinander 
liegen, sodaß das Licht auf seinem Wege durch das Aggregat Partien von 
wechselndem Brechungsexponenten passieren muß und dadurch innerhalb des 
Aggregats eine Reflexion erleidet. Demnach ist also die Trübung der krystal- 
linisch-flüssigen Phasen nur auf ihre unregelmäßige Anordnung zurückzuführen, 
und darum müßte, falls es gelänge, die einzelnen Krystalle parallel zu richten, 
die Schmelze klar werden. Dies Experimentum crucis ist nun in der Tat von 
Vorländer ausgeführt worden: „Durch gelindes Hin- und Herschieben des ' 
Deckglases kann man die flüssigen Stäbchen vieler Ester, z. B. Anisalamino- 
zimtsäureester und Aethoxybenzalaminozimtsäureester, parallel stellen und auf- 
richten, und dadurch die trüben Flüssigkeiten in klare Flüssigkeiten verwandeln.“ 
In derartig künstlich geklärten liquo-krystallinen Flüssigkeiten sind die ein- 
zelnen Krystalle so gestellt, daß ihre optischen Axen, in deren Richtung be- 
kanntlich keine Doppelbrechung auftritt, senkrecht zu Objektträger und Deck- 
gläschen stehen, sodaß die Flüssigkeit keine Doppelbrechung mehr zeigt, also 
nicht mehr anisotrop, sondern isotrop erscheint. Diese künstliche Isotropie wird 
von Lehmann als „Pseudoisotropie“ bezeichnet.!) 

Wie weit in einem Aggregat flüssiger Krystalle die Individualität der ein- - 
zelnen Krystalle erhalten ist, läßt sich aus den bisherigen Beobachtungen nicht 
mit Sicherheit erschließen. Es erscheint jedoch zweifellos, daß, da die Starr- 
heit, die bei den festen Krystallen die Erhaltung der Individualität in hohem 
Maße begünstigt, hier fehlt, der Einfluß der von den Nachbarkrystallen und 
allgemein von der Umgebung ausgehenden Störungen ziemlich weitgeht, 
so daß die Auffassung eines Aggregats flüssiger Krystalle als eines Ge- 
menges von mehr oder minder gut ausgebildeten Individuen mit ciner 
amorphen Masse ungeordneter Moleküle der Wirklichkeit vielleicht nahe 
kommen dürfte. 

Diese Idee ist in allgemeiner Weise von E. Bose entwickelt worden. 
Während in der üblichen kinetischen Theorie der Wärme die Moleküle als 
Kugeln angeschen werden, geht Bose, indem er sich auf die Entdeckung 
Vorländers vom Zusammenhange zwischen der Bildung liquo-krystallischer 
Phasen und der chemischen Konstitution stützt, von der Voraussetzung aus, 
daß die Moleküle nicht Kugeln, sondern langgestreckte Gebilde, in einfachster 
Form zweiachsiger Rotationsellipsoide, darstellen. In ihnen sind also nicht 
mehr wie bei den kugelförmigen Molekülen alle Richtungen gleichwertig, son- 


1) Daß die Gebilde tatsächlich doch anisotrop sind, läßt sich durch Beobachtung im konver- 
genten polarisierten Licht nachweisen. 


— 85 — 


dern eine Richtung erweist sich als bevorzugt. Ist nun die Entfernung der 
Mittelpunkte der einzelnen Moleküle von einander kleiner, als der halben Längs- 
achse des Ellipsoides entspricht, so können sich die Moleküle nicht mehr frei 
bewegen, sondern hindern sich gegenseitig, und ihre Längsachsen werden an- 
nähernd parallele Richtung annehmen. Alle Moleküle mit parallelen Längs- 
achsen bilden einen Molekülschwarm. Treten derartige Molekülschwärme in 
einer Flüssigkeit auf, so verliert die Flüssigkeit ihre homogene und isotrope 
Struktur und nimmt eine anisotrope Struktur an, sie wird zur krystallinischen 
Flüssigkeit. Der Klärungspunkt wäre nach dieser Auffassung als die Tempera- 
turgrenze anzusehen, oberhalb deren die Molekülschwärme unbeständig sind. 
Ob und inwieweit diese Theorie ohne allzu viele Hilfshypothesen den Erschei- 
nungen gerecht werden wird, läßt sich zurzeit nicht mit Sicherheit entscheiden; 
dem Berichterstatter scheint es aber keineswegs ausgeschlössen zu sein, daß 
sie für das Verständnis der krystallinischen Flüssigkeiten größere Bedeutung 
gewinnen wird. 

Zum Schluß mögen noch einige Worte über die Frage gesagt werden, ob 
denn die einzelnen flüssigen Krystalle, die Krystalltropfen, wirklich noch die 
Bezeichnung „Krystalle“ verdienen. Zu ihrer Beantwortung müssen wir nun 
vor allen Dingen die Definition eines Krystalles in die Erinnerung zurückrufen. 
Ein Krystall ist ein Körper, dessen von der chemischen Natur abhängige Eigen- 
schaften ganz oder teilweise eine Funktion der Richtung sind. Diese Definition 
gilt zweifellos auch für die flüssigen Krystalle, wenn wir von der sekundären 
Wirkung absehen, die die Oberflächenspannung auf die Gebilde ausübt. Sehen 
wir aber von dieser sekundären Wirkung nicht ab, berücksichtigen wir also die 
Erscheinung, daß der Krystall in der Nähe seiner Oberfläche deformiert wird, 
sodaß seine Eigenschaften nicht allein mehr von der Richtung, sondern auch 
von der Entfernung der in Frage kommenden Teile von der Oberfläche ab- 
hängen, so werden wir für einen flüssigen Krystall, sofern wir streng urteilen, 
die Bezeichnung Krystall nicht mehr gelten lassen. Daher empfiehlt es sich 
vielleicht, die liquo-krystallinen Gebilde nach einem Vorschlage von Riecke 
als „anisotrope Flüssigkeiten‘ zu bezeichnen, wobei man sich jedoch stets ver- 
gegenwärtigen muß, daß zwischen den gewöhnlichen festen Krystallen und 
den am leichtesten beweglichen anisotropen Flüssigkeiten ein wesentlicher 
Unterschied nicht besteht, daß Übergangsformen zwischen ihnen existieren, die 
das Ziehen einer Grenzlinie unmöglich machen, denn die Anisotropie be- 
ruht in allen diesen Fällen auf einer inneren, als Funktion der chemischen Zu- 
sammensetzung auftretenden eigentümlichen Struktur. Verfolgen wir diesen 
Gedanken, zu dem uns das Studium der flüssigen Krystalle geführt hat, weiter, 
so gelangen wir in konsequenter Weise zu einer neuen Einteilung der Zustände, 
in denen die Materie erscheinen kann, indem wir in der früher gegebenen Ein- 
teilung den Begriff ,krystallisiert‘, durch den etwas weiteren Begriff „an- 
isotrop“, dieses Wort im weitesten Sinne, also nicht etwa nur im optischen 
Sinne genommen, :und den Begriff „amorph* durch den Begriff „isotrop“ er- 
setzen. Die weitere Einteilung würde dann so zu geschehen haben, daß man 
bei den anisotropen Stoffen zunächst die verschiedenen Krystallsysteme, 
zwischen denen Übergänge nicht bekannt sind, unterscheidet, und innerhalb 
jedes einzelnen Krystallsystems die Stoffe nach dem Flüssigkeitsgrade an- 
ordnet. Die isotropen Stoffe werden nur nach ihrer Beweglichkeit oder Fluidität 
aneinander gereiht. 


— 88 — 


Es ist aber noch ein anderer Gesichtspunkt möglich, der nach Ansicht des 
Berichterstatters den realen Tatsachen am besten gerecht wird. Die Betrach- 
tungen über die Aggregate flüssiger Krystalle hatten uns zu der Auffassung ge- 
führt, daß die krystallinischen Flüssigkeiten aus anisotropen Komplexen be- 
stehen, zwischen denen sich Moleküle von geringerer Regelmäßigkeit in der 
Anordnung befinden. Bei den Aggregaten fester Krystalle sind alle Moleküle 
geordnet, bei den fließenden Krystallen ist die Anordnung der zwischen den 
einzelnen Krystallzentren befindlichen Moleküle weniger streng, und noch 
weniger Ordnung herrscht bei den Aggregaten der eigentlichen flüssigen 
Krystalle. Ob wir bei diesen letzten bereits bei dem geringen Grade von Ord- 
nung angelangt sind, den Bose in seiner Theorie der Molekülschwärme für die 
krystallinischen Flüssigkeiten annimmt, mag dahingestellt sein, jedenfalls muß 
die Möglichkeit durchaus zugegeben werden, daß es von den flüssigen Krystallen 
bis zu den amorphen Flüssigkeiten mit dauernd abnehmender Tendenz zur 
Ausbildung strenger Molekülanordnungen über immer labiler werdende Molekül- 
schwärme hinweg alle möglichen Übergänge gibt, d. h. daß ein prinzipieller 
Gegensatz zwischen anisotropen und isotropen Stoffen in der Natur tatsächlich 
nicht existiert. Diese Auffassung läßt sich auch strenger und freier von hypo- 
thetischen Voraussetzungen allgemein energetisch oder thermodynamisch ab- 
leiten, indem man neben den Begriff der chemischen Affinität, die bekanntlich 
durch die maximale Arbeit gemessen wird, die der chemische Vorgang zu 
leisten vermag, den Begriff der Krystallaffinität stellt und die Krystallaffinität 
durch die maximale Arbeit mißt, die bei dem isothermen Übergange des 
amorphen in den krystallisierten Stoff geleistet werden kann. Gerade so, wie 
nun die chemische Affinität vom Werte Null bis zu sehr hohen Werten steigen 
kann, müssen wir auch für die Krystallaffinität zwischen den hohen Werten, 
wie sie bei den festen Krystallen in Frage kommen, und dem Werte Null alle 
Zwischenwerte als möglich annehmen. Demnach wären die Zustände der 
Materie ganz anders einzuteilen. Die prinzipielle Unterscheidung zwischen iso- 
tropen und anisotropen Stoffen würde fortfallen und die Einteilung nur nach 
den einzelnen Krystallsystemen, zwischen denen direkte Übergänge bis jetzt 
nicht bekannt sind, geschehen; innerhalb der einzelnen Krystallsysteme würde 
als Einteilungsgrund die Krystallaffinität dienen. Wir kämen also zu folgender, 
für jedes einzelne Krystallsystem geltenden Reihe: 


Fester Krystall — fließender Krystall — flüssiger Krystall — amorphe Flüssigkeit, 


zwischen deren einzelnen Gliedern alle möglichen Übergänge anzunehmen sind. 

Wie dem auch sei: nach Ansicht des Berichterstatters ist für die Lehre 
von den Krystallen die bisher kaum noch in Angriff genommene Messung der 
Krystallaffinität in dem oben definierten Sinne die wichtigste Aufgabe der Zu- 
kunft. Von ihrer Lösung können wir die größten Fortschritte in der Erkenntnis 
der Natur mit Sicherheit erwarten. 


* * 
x 
Die Literatur über die flüssigen Krystalle ist außerordentlich reich. An 
erster Stelle ist hier die wundervoll ausgestattete Monographie von 
O. Lehmann: Flüssige Krystalle sowie Elastizität von Krystallen im allge- 


meinen, molekulare Umlagerungen und Aggregatszustandsänderungen, 
Leipzig 1904, | 


=. BT 22 


zu nennen, ein Werk, das eine sehr reiche, in Ermangelung eines alphabetischen 
Sachregisters aber unübersehbare Fülle von Einzelheiten enthält und für jeden, 
der sich für die Probleme der Krystallbildung interessiert, unentbehrlich ist. 

Eine Ergänzung des Lehmann’schen Werkes mit besonderer Berücksich- 
tigung der physikalisch-chemischen Seite stellt das Werk von 

R. Schenck: Krystallinische SSES und flüssige Krystalle, Leipzig 

1905, 
dar, in der vor allen Dingen die Originalarbeiten des Verfassers und seiner 
Schüler, aber der Vollständigkeit wegen auch die wichtigsten Ergebnisse der 
Untersuchungen von Lehmann u. a. zusammengefaßt sind. Eine neuere zu- 
sammenfassende Darstellung hat Schenck vor einiger Zeit unter dem Titel 
„Bericht über die neueren Untersuchungen der krystallinischen Pinssig kerten 

im Jahrb. d. Rad. u. Elektronik, Bd. VI, S. 572 bis 639, publiziert. 

Eine wertvolle Übersicht, in der der Hauptwert auf die Chemie der liquo- 
krystallinen Stoffegelegt ist, verdanken wir 

D. Vorlander: Krystallinisch-flüssige Substanzen: Stuttgart 1908. 
AuBer diesen zusammenfassenden Arbeiten liegen sehr viele Originalarbeiten 
vor, die in der Hauptsache während der letzten 10 Jahre in den Annalen der 
Physik, in den Berichten der Deutschen Chemischen Gesellschaft, in der Zeit- 
schrift für physikalische Chemie und in der Physikalischen Zeitschrift veröffent- 
licht sind. Referate über jede einzelne Arbeit findet man im Chemischen 
Centralblatt. 

AR 


Neuer Bllipso$raph. 
(D. R. P. 218013.) 
[H tipsograph oder Ellipsenzirkel nennen wir ein Instrument zum Zeichnen von Ellipsen, 
deren Größe und Achsenverhältnis innerhalb gewisser Grenzen beliebig ist. 
Die mathematischen Gesetze, auf denen die Konstruktion dieser Ellipsenzirkel 
beruht, sind verschieden; hauptsächlich kommen aber zwei in Betracht. Das eine Gesetz 


"e 


ist: ,Bei einer Ellipse ist die Summe zweier Leitstrahlen stets gleich der großen, Achse, 
das heißt r, +r,=2a.“ Das zweite Gesetz lautet: „Sind M und N die Punkte einer 
geraden Linie, welche Punkte sich ständig auf den Schenkeln eines Rechteckes bewegen, 


— BB — 


so beschreibt ein beliebiger Punkt dieser Geraden eine Ellipse. Im speziellen Fall, 
welchen Fig. 1a veranschaulicht, wurde MN der Differenz der halben großen und halben 
kleinen Achse gleich gemacht, während Punkt P so gewählt wurde, daß NP gleich der 
halben großen Achse ist“. 

Ist nämlich in Fig. 1a 


die große Achse = 2a, die kleine = 2b, also AO=OB=PN =a; 
CO = OD = PM = b; so ist = sin a, 4 = cos a und da sin? a + cos? « = 1 


2 2 
mithin = + 7, = 1. 


Dies ist die Gleichung der Ellipse, bezogen auf ihre Hauptachsen. Ein in P be- 
festigter Zeichenstift beschreibt also eine Ellipse. Ebenso kann die Richtigkeit 
des Lehrsatzes bewiesen werden, wenn sich P innerhalb MN befindet (und MN =a+ b 
= MP + PN ist). ) 

Praktisch verwertbar, zum Konstruieren von Ellipsenzirkeln, ist nur das letztere 
Gesetz, da die auf Grundlage anderer mathematischen Gesetze beruhenden Ellipso- 

graphen, z. B. auf der Grundlage der Hypocykloiden 

etc. viel zu kompliziert und daher zu praktisch wenig 
verwertbaren Instrumenten führen. 


Die neueste Erfindung auf diesem Gebiete (D.R.P. 
218013) betrifft einen Ellipsographen, welcher bei ein- 
facher aber kräftiger Bauart in einem Zuge vollstän- 
dige Kreise oder Ellipsen zeichnet, deren Durchmesser 
in den weitesten Grenzen wechseln kann (1.5 bis 50 cm), 
im Gegensatz zu den bekannten ähnlichen Vorrich- 
tungen, welche entweder nur halbe Ellipsen von be- 
liebigen Durchmessern, oder wohl ganze Ellipsen, aber 
nur innerhalb gewisser Durchmessergrenzen zeichnen 
können. 


Ein besonderer Vorteil des Ellipsographen ist, 
daß die Führungen der als kreisförmige Teller aus- 
gebildeten Führungsblöcke übereinander in verschie- 
denen Ebenen liegen, wodurch einmal für die Führungs- 
teller die führungslose Stelle beseitigt wird und wo- 
durch zweitens bei Abschrägung der zu den Führungs- 
tellern führenden Stifte gemäß Fig. 2 es ermöglicht 
wird, Ellipsen mit ganz besonders kleiner Exzentrizität 
bezw. Kreise zu zeichnen. 


Auf der Zeichnung ist ein Ausführungsbeispiel 
in Fig. 1 schaubildlich dargestellt, während die Fig. 2 
eine Einzelheit veranschaulicht. 


Auf dem mit vier kreuzweise gegenüberstehenden 
Nadeln 1 versehenem Fuße 2 ist fest, jedoch leicht 
lösbar die Versteifungsplatte 3 aufgesetzt, welche die 
einander im rechten Winkel kreuzenden Führungen 4,4; 
bezw: 6,6, trägt, deren Führungsflächen 5, bezw. 7,7, 
in zwei übereinander liegenden horizontalen Ebenen 
verlaufen. 

Die Stange 10 trägt den festen Block 11, und den mittels Stellschraube _feststell- 
baren Block 15, deren halbrunde, mit den flachen Seiten einander zugewandten fest- 
stehenden Zapfen 12, bezw. 16 (Fig. 2) zwischen den Führungen 6,6 bezw. 4.4 nach unten 
ragen und an ihrem freien Ende die unter die Führungsflächen 7,7 bezw. 5,5 greifenden 


— 9 — 


Führungsrollen 13 bezw. 17 tragen. Die Führungsrolle 17 ist mit einem bis zum Zapfen 
reichenden Ausschnitt 18 versehen, so daß man Block 15 so weit an Block 11 zu schieben 
kann, daß ihre halbrunden Zapfen aneinander liegen und einen Rundzapfen bilden, in 
welchem Fall = 0 ist, und der Ellipsograph konzentrische Kreise zeichnet. 

Die Stange 10 trägt ferner den verschiebbaren Block 25, in dessen senkrechtem 
Arme 26 der Reißfederhalter 27 verschiebbar gelagert ist. Der Arm 26 ist von solcher 
Länge, daß die Reißfeder 28 gegebenenfalls frei unter dem Tische 3 kreisen kann. Sollen 
große Ellipsen gezeichnet werden, so wird der Halter 27 verkehrt in 26 eingesetzt, oder 
Block 25 im Horizontalen um 180° verdreht auf der Stange 10 befestigt. Es ist ersicht- 
lich, daß die untere Grenze der möglichen Figurengröße durch den Umfang des aus- 
wechselbaren Fußes 2, die obere Grenze nur durch die Summe der Länge der Stangen 10 
und 27 bestimmt ist. Bei Benutzung wird der Ellipsograph derart aufgestellt, daß die 
kreuzweise sich gegenüberstehenden Nadeln 1 des Fußes 2 über dem vorgezeichneten 
kleinen und großen Durchmesser in das Reißbrett eindringen. Da die Führungen 4,4 
bezw. 6,6 parallel zu den durch je zwei gegenüberliegende Nadeln des Fußes bestimmten 
Linien sind, ist der Ellipsograph nunmehr orientiert, indem nun Führung 4,4 über der 
großen, Führung 6,6 über der kleinen Achse zu liegen kommt. Beim Zeichnen kleinerer 
Ellipsen genügt der in der Figur dargestellte kleine Fuß zur pünklichen Einstellung, 
während man bei größeren Ellipsen zweierlei Vorrichtungen behufs genauer Einstellung 
anwenden kann, entweder wird der Fuß 2, welcher z. B. mittels einer vierkantigen Hülse 
auf einem zentralen Vierkant der Platte 3 befestigt ist, gegen einen größeren umgetauscht, 
dessen Nadeln in entsprechend größerem Abstande von einander angeordnet sind und 
somit eine pünktlichere Einstellung über den Durchmessern ermöglichen, oder auf der 
Stange 10 wird, zur Feststellung derselben über den Führungen während der Einstellung, 
eine umklappbare, zwischen die Führungsstangen greifende Zunge angebracht, welche 
ein genaues Einstellen der Reißfeder über dem großen bezw. kleinen Durchmesser er- 
möglicht. Nun wird Stange 10 soweit verdreht (in der Figur nach rechts), daß der 
Block 11 in die Kreuzung der Führungen und demgemäß die Stange 10 parallel zu der 
Führung 4,4 steht, worauf man nach Lösen der Schrauben 29 oder 30 die Spitze der 
Reißfeder auf das Ende der großen Achse einstellt und die gelöste Schraube wieder 
anzieht. Wird nun die Stange 10 um 90° nach rechts gedreht, so kommt Zapfen 16 des 
Blockes 15 in die Kreuzung der Führungen, und die Stange 10 wird parallel zur Führung 6,6 
liegen. In dieser Stellung wird die Stellschraube 19 des Blockes 15 gelöst, und die 
Stange 10 im Block 15 soweit nach rechts oder links verschoben, daß die Spitze der 
ReiBfeder auf dem Ende des kleinen Durchmessers ruht. Nach Anziehen der Schraube 19 
ist nun der Apparat gebrauchsfertig und wird durch Herumführen der Stange 10 um 
360° betätigt. 

Der neue Ellipsograph zeichnet sich andern ähnlichen Apparaten gegenüber durch 
einfache Konstruktion, leichte Handhabung, Möglichkeit der Änderung der Figurengröße 
in weiten Grenzen, und des Ziehens der Figuren ohne Absetzen aus. 

Man kann den Apparat auch mit verschiedenen Vervollkommnungen versehen, z. B. 
man kann die Reißfeder mit vertikaler Federung versehen und dieselbe auf einfache 
Weise höher stellen, in dieser Stellung fixieren und bei dem Zeichnen der Ellipse wieder 
senken, und die feine Einstellung durch eine horizontale Stellschraube bewirken, außer- 
dem werden an dem Fuße 2 die Nadeln auswechselbar angeordnet usw. 

Der Zweck dieser Vorrichtung ist, daB sie bei verhältnismäßig niedrigen Her- 
stellungskosten und einfacher Handhabung die unpraktischen krummen Lineale voll- 
ständig entbehrlich macht, was nicht nur eine große Zeitersparnis, sondern auch eine 
schönere und genauere Ausführung der Zeichnung gewährleistet. 


E 


Ernst Lukács. 


—, = 


- Kleine Mitteilangen. 

Eine neue Methode zur Erforschung des Erdinnern auf elektrodynamischem Wege teilen 
die Herren Löwy und Leimbach in der physikalischen Zeitschrift mit. Unsere Kenntnis über die 
Beschaffenheit der Erde unterhalb einer Schicht von etwa 3 km ist eine außerordentlich beschränkte, 
da man direkt noch nicht tiefer in den Boden eindringen und somit die aufgestellten geologischen 
Schlüsse bestätigen konnte. Erst neuerdings ist durch die großen Fortschritte der Seismologie auf 
Grund der Beobachtung von Erdbebenwellen eine direkte Methode geschaffen worden, um die 
elastischen Eigenschaften der einzelnen Schichten bis zu den größten Tiefen zu erforschen, wie 
Wiechert und Geiger in einer neueren Arbeit darlegen. Die Möglichkeit, die Erdbebenwellen zu 
- diesem Zweck zu benutzen, beruht darauf, daß die vom Erdbebenherd ausgehenden Wellenzüge 
durch die Form der einzelnen Schichtungen und deren elastische Eigenschaften modifiziert werden 
und infolgedessen an den einzelnen seismographischen Stationen in verschiedener Weise zur Beob- 
achtung gelangen. Vergleicht man dann die von dem gleichen Beben herrührenden Aufzeichnungen 
der einzelnen Beobachtungsstationen, so läßt sich daraus ein Schluß über Zahl und Beschaffenheit 
der Schichten ziehen, ein Verfahren, das natürlich um so größere Genauigkeit gewinnt, je mehr 
Material man bei der Auswertung heranziehen kann. 

Auf ganz andrer Grundlage beruht nun die von Löwy und Leimbach vorgeschlagene Methode, 
nämlich auf der Beobachtung elektromagnetischer Wellen, die das Erdreich durchdrungen haben. 
Die elektrischen Wellen pflanzen sich ja mit Lichtgeschwindigkeit in dem von Materie nicht erfüllten 
Raum fort, werden auch durch die Materie selbst bei ihrer Ausbreitung nicht allzu sehr geschwächt, 
nur darf die betreffende Materie kein guter Leiter für Elektrizität sein, denn dann werden die 
Wellen völlig verschluckt. Man ist nun von vornherein geneigt, die Erde als einen guten elektrischen 
Leiter zu betrachten und zu meinen, daß die Wellen sehr bald vom Boden absorbiert werden 
müßten; das trifft auch sicher für feuchtes Erdreich zu; bei Benutzung von trockenen Strecken, 


Fig. ı. Fig. 2. 


z. B., Wüstenstrecken ist das durchaus nicht der Fall, und gerade hier dürfte diese Methode die größte 
Aussicht auf Erfolg haben. Die Anwendung der Methode besteht entweder in Beobachtung der Reflexion 
oder der Absorption der elektrischen Wellen. Zur Veranschaulichung der ersten Art diene Fig. 1. 
AB sei hier der Sender der elektromagnetischen Wellen, die sich durch das Erdreich fortpflanzen; 
befindet sich in M eine relativ gut leitende Schicht, so werden sie hier wie Lichtstrahlen. reflektiert 
und gelangen in der Empfangsantenne A'B: zur Beobachtung. Als solche reflektierenden Schichten 
kommen in erster Linie Erzlager, Kohlenflöze und Grundwasserspiegel in Betracht. Die Rauheit 
dieser Flächen kommt praktisch kaum in Frage, da für das Zustandekommen der Reflexion die 
Unebenheiten nur klein gegen die benutzte Wellenlänge sein müssen, man anderseits die Wellen- 
längen beliebig groß wählen kann, so daß Risse und Spalten von einigen Metern gar keine Rolle 
spielen. Während der Meßbereich dieser Methode sich bis auf etwa 1 km erstrecken dürfte, erlaubt 
die zweite in wesentlich größere Tiefen einzudringen. Diese Anordnung besteht darin, daß man 
drei Bohrlöcher verwendet, von denen das mittelste zur Aufnahme des Senders, die beiden seitlichen 
für Unterbringung zweier ganz gleichgebauter Empfänger dienen, wie Fig. 2 ergibt. Beobachtet 
man nun gleichzeitig an beiden Empfängern, so werden die von S ausgehenden Wellenringe den 
Empfänger E, wesentlich schwächer erregen als E,, wenn zwischen S und E, absorbierende, also 
relativ gut leitende Schichten eingelagert sind, solche zwischen E, und S jedoch fehlen. Beide 
Versuchsanordnungen haben die Verfasser mit zufriedenstellenden Ergebnissen geprüft. Wichtig ist 
vor allen Dingen, dieses Verfahren in möglichst trockenem Boden anzuwenden, und da kämen 
in erster Linie die großen afrikanischen Wüsten in Betracht, in denen man auf diese Weise etwa 
vorhandenes Wasser entdecken und so auch diese jetzt völlig brach liegenden Striche der Bebauung 
zugänglich machen könnte. Das wäre eine Anwendungsart dieses Verfahrens, das enorme kultu- 
relle Werte schaffen könnte. Es ist zu hoffen, daß es einmal in großem Stil zu diesem Zweck zur 


Durchführung gelangt. W. H. 
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F. S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 


Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


Mathematische und astronomische Gnterrichtskurse 


von Doc. Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 
Im. nduen Hörsaal der Treptow - Sternwarte, Treptow bei Berlin, Alt- Treptow. 1 


wi Dienstags 6—7 Uhr abends. Beginn: 10. Januar 1911. eg 


Einführung in die höhere Mathematik. 


Funktionentheorie und Differentialrechnung. 


l A. Fugktionentheorie. Begriff der Funktion, ihre geometrische parsteluug: — Grenz- 
begriffe. — Binomischer Lehrsatz. 

B. Differentialrechnung. Begriff des Differentialquotienten und der Stetigzeit. — 
Differentiation der verschiedenen Funktionen. — Lineare, trigonometrische und Kreisfunktionen 
— Differentiation von Funktionen mit zwei Veränderlichen. — Anwendungen aus der Astronomie 
und Physik. 

Die Mathematik wird nach eigener Methode so vorgetragen, daß die praktischen An- 
wendungen von der ersten Stunde an su ihrem Rechte kommen. 

Die Hörerkarten sind schon zum ersten Vorinage mitzubringen und jedesmal als Aus- 
weis vorsuseigen. 


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Die Sternbilder und Anleitung zu ihrer Auffindung. 
Sonne und Mond. 

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Kometen und Sternschnuppen. 

Unser Wissen von den Sternenwelten. 

Milchstraße und Nebelgestirne. 

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Astronomie mit dem Opernglas und kleinen Fernrohren. 
Sonnen- und Mondfinsternisse. 

Unsere Erde als Planet. 


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O DOON Ppa o N H 


æn 


Über die Bestimmung der Zeit und ihre Weitergabe. 


Mit Lichtbildern, Demonstrationen und praktischen Übungen auf der Plattform der 
Treptow-Sternwarte. 


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Begriff von Raum und Zeit. — Die ersten Zeitmesser. — Sonnenuhren. — Die verschiederen 
Zeitarten. — Präzisionsuhren und ihre Vergleichung. — Die Erde als Uhr. — Die verschiedenen 
Methoden der Zeitbestimmung. — Zeitbestimmung im Luftschiff. — Die telegraphische Weitergabe 
der Zeit. — Normaluhren und Zentraluhren. — Die Zeitsignale von Norddeich und vom Eiffelturm 
mittels Welentelegraphie. — Zukunft der Zeitverwaltung. 

Die Hörerkarten sind schon zum ersten Vortrage mitzubringen und jedesmal als Aus- 
weis vorzuzeigen. g 


Hörgebühr für den sehnstündigen Kursus 7 M., für Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 5,50 M. 


ie Halley-Kometen-Metlaille 


Herausgegeben zur Förderung wissenschaftlicher Arbeiten auf der Treptow - Sternwarte. 


A A 
Vorderseite: Porträt Edmund Halleys, des ersten Berechners des nach ihm benannten 
Kometen. Text der Innenfläche: EDMUND / HALLEY /1656/1742 (E. Torff). Text auf dem 
umschlieĝenden Rand: ZUR ERINNERUNG A. D. ERSCHEINEN D. HALLEYSCHEN KO- 
METEN. 1910. U. Z. FOERDERUNG WISSENSCHAFTLICHER ARBEITEN DER TREP- 
TOW:STERNWARTE * Unter dem Porträt: * HALLEY BESIEGTE DIE KOMETENFURCHT* 


Rückseite: Die neuerbaute Treptow-Sternwarte mit dem großen Fernrohr, welches auf 
den Kometen bei seinem Stand am 18. Mai gerichtet ist. Darüber der Horizont mit dem 
Sternbild und der Laufbahn des Kometen in der Zeit vom 5. bis 30. Mai nach der von 
Dr. F. S. Archenhold ausgeführten Berechnung. Auf dem tellerförmigen Rand in wage- 
rechter Anordnung folgender Text. 

/ DAS ERSCHEINEN DES HALLEYSCHEN KOMETEN / V. JAHRE 210 V. CHR. B. 1010 N. CHR A 
SEINER SONNENNAEHE / N. DR. ES ARCHENHOLD / dann die Erscheinungsdaten: 15. MAI 240 V. 
CHR. / 20. MAI 163 / 15. AUG. 87 / 8. OKT. 11 / 26. JAN. 66 / 25. MAERZ 141 / 6. APRIL 218 / 7. APRIL 295 

1. NOV. éch 3. JULI 451 / NOV. 520 / OKT. 608 OKT. 684 / 11. JUNI 760 / 1. MAERZ 837 / APRIL 912 N. 


CHR. / 12. SEPT 989 / 1. APRIL 1068 / 19. APRIL 1145 / 22 AUG. 1222 / 23. OKT. 1801 / 9. NOV. 1878 / 8 JUNI 
1456 / 26. AUG. 1531 / 27. OKT. 1607 / 14. SEPT. 1682 / 18. MAERZ 1759 / 16. NOV. 1835 / 20. APRIL 1910. 


Unter dem Gebäude steht in vertiefter Schrift / DIE TREPTOW : STERNWARTE / während 

der übrige freie Raum zur Aufnahme des Namens des mit der Medaille beliehenen resp. 

desjenigen, der die große Medaille zu dem festgesetzten „Wissenschaft-Förderungspreis“ 
erwirbt, bestimmt ist. | 


Ausführender Künstler: E. Torff. Ausführende Prägeanstalt: Awes - Münze, Berlin. 


Die Medaille wird in zwei Größen ausgegeben und zwar für die Allgemeinheit: 
28mm groß in Bronze, zu 2,— M. p. Stück - 28mm groß in Silber, zu 5,— M. p. Stück 
auf Wunsch auch mit Oese und Ring als Anhänger. Die Größe eignet sich für die im 
Handel gebräuchlichen Broschenfassungen für Tubiläumsgeldstücke. Diese sind bei 

jedem Juwelier erhältlich. 


Für die Förderer und Freunde der Treptow - Sternwarte: 

60 mm groß in Bronze . . . zu 650,— M. p. Stück 

60 mm groß in massiv Silber . zu 500,— M. p. Stück 

60 mm groß in massiv Gold . zu 3000,— M. p. Stück. 
Die Preise verstehen sich einschließlich Gravur resp. Prägung des Namens des Käufers und Etui — 
Die Erwerber dieser Medaillen werden ala Förderer wissenschaftlicher Arbeiten der Treptow - Sternwarte 

betrachtet. — Die Medaillen sind nur von der Treptow -Sternwarte zu beziehen. ; 
Direktion der Treptow-Sternwarte. 


Bestellungen nimmt entgegen der 


Verlag der Treptow - Sternwarte + Berlin - Treptow. 


DAS WELTA 


Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete. 


Herausgegeben von 
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 7. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 Januar 1. 
i Berlin-Treptow. | 
Diese Zeitschrift erscheint zweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) Nano. 


durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treplow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post- 
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pjg. — Anseigen-Gebühren: I Seite 80.— MR., 1/, Seite 45.— 
1/, Seite 25.—, lg Seite 15.—, Up Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewicht. 


INHALT 
1. Das Wesen der Gravitation im Sonnensystem. Von 3. Kleine Mitteilungen: Beobachlung einer glänzenden 
Hans Passarge, Königsberg i. Pr.. . . 1. 2... 93 Feuerkugel am 18. Dezember 1910 in Dortmund. . 104 
2. Der gestirnte Himmel im Monat Februar 1911. Von 4. Bücherschau: Deutscher Pholographen - Kalender. 
Dr. F. S. Archenhold. . ..... H ee Sle as 100 | Taschenbuch und Almanach für 1911... ... 104 
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet. 


Das Wesen der Gravitation im Sonnensystem. 
Von Hans Passarge, Königsberg i. Pr. 


SS weit Einwände erhoben worden sind gegen die Theorie der Schwere auf 
den Planeten Venus, Erde und Mars und auf dem Mond der Erde, wie sie 
in Nummer 18 und 19 des „Weltall“, Jahrg. 10 vorgetragen wurde, laufen sie 
im wesentlichen entweder darauf hinaus, daß die ziffernmäßige Übereinstimmung 
in den Werten G und 2C, m der Erde (G, ist die auf die reine Wegstrecke 
reduzierte Schwerkraft am Äquator, m die Masse = 1 und C, die Sekunden- 
geschwindigkeit eines Punktes am Äquator aus der Erdrotation) nicht ganz voll- 
kommen sei, oder, wenn die vollkommene Übereinstimmung zugegeben wird, 
daß sie auf einem Zufall beruhe und cine wirkliche Ursache der Überein- 
stimmung nicht zugrunde liege. Dieser letztere Einwand wäre gewiß stich- 
haltig, wenn nicht eben das Ergebnis der Berechnungen für Mars und Mond 
genau dem für Erde entspräche. Die entscheidende Gleichung lautet auch nicht 


3 o 
Go = 2 V Cm, die nur für Erde und annähernd für Mars richtig ware, sondern 
3 


V Cm sin » oder G29) 22 oo 
worin G, den auf die reine Wegstrecke reduzierten Wert von g., d. h. der 
wirklich beobachteten Schwerkraft am Äquator, r den Aquatorialen Radius des 
Planeten, m die Masse im Verhaltnis zur Erde, T die Rotationsdauer in Stern- 
zeit und » den spitzen Winkel bedeutet, unter dem die Axen der beiden Ro- 
tationen einander schneiden. Fir Mars weicht dieser Winkel, wie schon in dem 
ersten Aufsatz gezeigt wurde, nicht erheblich von dem für Erde ab; deshalb 
ist die annähernde Übereinstimmung vorhanden, wenn auch der Winkel » über- 
haupt nicht berücksichtigt wird. 

Was den Einwand betrifft, die ziffernmäßige Übereinstimmung zwischen G,’ 
und 2Cm der Erde sei nicht ganz vollkommen, so scheint er auf den ersten 


Go =: 


(e 


= yp es 


Blick zuzutreffen, denn nach den neuesten Ermittelungen Helmerts ist g, 
= 9,78030 Meter und hieraus G, = 9,76074, nicht aber 9,7616, wie von uns zugrunde 
gelegt wurde. Das geschah indesen nur, um die ganze Betrachtung nicht von 
vornherein zu komplizieren; in Wirklichkeit muß nämlich nicht vom Wert für 
g, sondern von dem für El: ausgegangen werden, da ja nach unserer 
Birotationstheorie, wie man sie wohl nennen darf, die Äquatorebene der 
Innenrotation gegen die Äquatorebene der Außenrotation um den Winkel 
y= 14,°4776 geneigt ist. Die Schwere unter der Breite 14,0 4776 ist aber 9,78116 
und auf die reine Wegstrecke reduziert 9,7616. Die vollkommene Uberein- 
stimmung ist also tatsächlich vorhanden. 

Was indessen allen bereits erhobenen und allen künftigen Einwänden 
gegen die Richtigkeit der Birotationstheorie den Boden entzieht, ist dieses: 
die Birotationstheorie, übertragen auf das Verhältnis der Schwer- 
kräfte je zweier Planeten gegen einander erweist sich als voll- 
kommen in Übereinstimmung mit der Newtonschen Gravitation, 
deren mathematische Richtigkeit doch von keiner Seite angefochten wird, für 
deren physikalischen Inhalt es aber bisher an jeder befriedigenden Erklärung 
gefehlt hat. 

Der Beweis läßt sich auf ganz elementarem Wege führen: 

Ist (r—e) =D die Differenz zwischen dem Radius der äußeren und dem 
der inneren Rotation, also die Mächtigkeit oder Dicke der Planetenschale oder 
des Planetenmantels am Äquator, und setzt man nach der Birotationstheorie 


_ 16a rmsin»v 


1. G? i 
[2 T 
dann ist Ä 
A 16rzDmsinv 
2. G = —_ ; 
T 3 
dividiert man 1 durch 2, dann erhält man: 
2_ E e 
3. G =p oder D= as. 


Die Mächtigkeit der Planetenschale ist also gleich dem Quotienten aus 
Radius und dem Quadrat der auf die reine Wegstrecke reduzierten Schwerkraft. 
Sollen nun die Werte für die G zweier Planeten in Beziehung zu ‘ein- 
ander gebracht und auf die D zurückgeführt werden, so ist noch der Wert d, 
also die Dichtigkeit der Planeten im Verhältnis zur Erde, zu berücksichtigen, 
wenn Übereinstimmung mit der Gleichung für die Newtonsche Gravitation 
stattfinden soll, welche lautet: 
4. d‘r’g = dıg‘. 
Wir schreiben also nach der Birotationstheorie: 
5. DdG=Dd’G': 


die auf den reinen Wegstrecken reduzierten Schwerkräfte sind umgekehrt pro- 
portional den Produkten aus Mächtigkeit und Dichte; denn setzt man in 5 den 
Wert für D aus 3 ein, dann erhält man 
rd _ rd 
GG’ 
d. h. die Gleichung der Newtonschen Gravitation: 
d'r'g = drg’. 


ee E 


Es ist also Ubereinstimmung vorhanden zwischen der Gleichung der New- 
tonschen Gravitation und der Gleichung der Birotationstheorie bis auf den im 
Prinzip vorläufig unerheblichen Unterschied zwischen g und G, dem wirklich be- 
obachteten Wert der Schwere, der das Vorhandensein einer Schwerkraft zur 
Voraussetzung hat und dem auf die reine Wegstrecke reduzierten Wert der 
Schwere, der das Vorhandensein einer „Kraft“ nicht voraussetzt, vielmehr an- 
nimmt, daß eine Bewegung überall nur aus einer anderen Bewegung abzuleiten 
sei. Diese letztere Anschauungsweise steht vollkommen in Einklang mit der 
Hertzschen Mechanik. Die „verborgenen Massen‘ und „verborgenen Be- 
wegungen“, die Heinrich Hertz in seinen „Prinzipien der Mechanik“ als eine 
Hypothese einführt, um über den mystischen Begriff „Kraft“ und über den ganz 
besonders mystischen Begriff ,Fernkraft* hinwegzukommen, sie sind tatsächlich 
vorhanden. Das ganze Erdinnere ist eine verborgene Masse und die rückläufige 
Rotation des Erdinneren ist eine verborgene Bewegung; der freie Fall aber der ma- 
teriellen Körper vollzieht sich auf der Diagonale des Kräfteparallelogramms, dessen 
beide Komponenten innere und äußere Rotation der Erde sind. So auch bei allen 
anderen Planeten und, wie weiter unten gezeigt werden soll, auch bei der Sonne. 

Im Lichte der Birotationstheorie verliert die Anziehungskraft eines Him- 
melskörpers alles Geheimnisvolle, das ihr so lange anhaftet, als man annimmt, 
daß lediglich die „Masse“ an sich als eine Grundeigenschaft der Materie die 
Ursache der Schwere oder der Anziehungskraft sei. Man hat für den Begriff 
„Masse“ heute noch keine andere Definition als die von Newton eingeführte, 
wonach Masse das Produkt von Volumen und Dichtigkeit ist. Unter dieser 
Definition besteht der Begriff „Masse“ bei rein mathematischer Behandlung 
auch wirklich alle Proben; die Definition versagt aber sofort, sobald wir einmal 
den Versuch machen, ihr einen physikalischen Inhalt zu geben. Die Masse 
als Produkt von Volumen und Dichtigkeit ist also nur ein mathematisches 
Vehikel, und in Wirklichkeit kann eine Definition überhaupt nicht gegeben 
werden, so lange Masse als die Ursache a priori einer Anziehung oder all- 
gemein einer Kraft gelten soll. 

Der Ausgangspunkt für die Birotationstheorie ist übrigens nicht, wie es 
nach jener ersten noch unvolikommenen Darstellung im „Weltall“ den Anschein 
haben könnte, die ziffernmäßige Übereinstimmung zwischen den Werten für 
G. und 2C,m der Erde gewesen. Vielmehr kam der erste Anstoß aus Be- 
trachtungen ganz anderer Art, nämlich aus solchen über die Kant-Laplacesche 
Nebulartheorie. Kant hat in seiner „Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie 
des Himmels“ ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er die Neigung der Ro- 
tationsaxen der Planeten gegen die Ebenen ihrer Bahnen als einen Wider- 
spruch gegen seine Theorie erkenne und von seiner Theorie gefordert, daß, 
wenn sie vollkommen genügen soll, aus ihr sich auch die Neigungen der Axen 
erklären lassen müßten. Die Kant-Laplacesche Theorie. wäre also im Sinne 
ihres ersten Urhebers und auch den menschlichen Denkgesetzen gemäß voll- 
kommen, wenn .eben die Rotationsaxen der Planeten senkrecht zur Ebene des 
Sonnenäquators ständen. Dieser Forderung genügt aber die Voraussetzung der 
Birotationstheorie: die Axen der inneren Rotationen der Planeten Merkur, 
Venus, Erde und Mars stehen senkrecht zur Ebene des Sonnenäquators. 

Der Beweis für die Richtigkeit der Birotationstheorie läßt sich nun auch 
ohne Berufung auf die Newtonsche Gravitation aus den Voraussetzungen der 
Birotationstheorie selbst auf folgendem Wege ableiten. 


QB: ees 


Es muß sich aus sämtlichen Bestimmungsstücken für die G,? je zweier 
Himmelskörper eine richtige Proportion ergeben, wenn die Theorie richtig ist. 
Die Indices E und L mögen die Bestimmungsstücke für Erde und Mond an- 
zeigen, dann ist nach Gleichung 1: 


Te Geg? YE ME sin VE 


a ei — 1) 


Tt GL? rp (Mg + mi) sin rL 


was man auch schreiben kann: 
Te GE? rL (meg + mL) sin Ss Pa Th GL’ re Mg sin VR. 


Die Zahlenwerte sind: 


Erde: 


Te = 86 164 Sek. 
Ge=9,7616 Meter 
re = 6 378 200 - 


Mg = 1,00000 


vg = 14°,4776 


Mond: 
TL = 2 354 143,5 Sck.?) 
GL = 1,63 478 Meter 


rL = 1740000 - 
(mg + mı,) = 1,01 234 
v = 69,67 


Zur Ausrechnung bedienen wir uns fünfstelliger Logarithmen und finden: 


log Te = 4,93 533 

- Geg? = 2,96 856 

- rn = 6,24055 

log (meg + mz) = 0,00 538 


log sin r, = 0,06 502—1 
13,21 484 


log Ti = 6,37 183 
- Gr? = 0,64 039 


= IE = 6,80 469 
- me = 0,00 000 

log sin rg= 0,39 793 —1 
13,21 484 


Also vollkommene Übereinstimmung. Die Werte für Mars sind: 


Tu = 88 402 Sek., Gu = 3,667, rm = 3 371 COO Meter, my = 0,1035, vu = 149,07. 
Setzt man wie oben die Logarithmen der Werte für Erde und Mars ein, dann 


erhält man: 
log Tr barge 4,93 533 
- Gy? = 2,96 856 
- Ty = 6,52 782 


- mm = 0,01 494— 1 
log sin Var = 0,39 036 — 1 
12,84 201 


log Tu = 4,94 646 
- Gy? = 1,69 293 


- Yg= 6,80 469 
= Mg = 0,00 000 
log sin rg = 0,39 793 -1 
12,84 201 


Also auch hier vollkommene Übereinstimmung, die sich auch bei Mars 


und Mond wic folgt ergibt: 


log Tx = 4,94 646 

- Gar? = 1,69 293 

- Ty, = 6,24 055 

log (ny + mı) = 0,00 538 


- sin rg = 0,06 502—1 


11,95 034 


log Tr = 6,37 183 
- Gr? = 0,64 039 
- YM = 6,52 182 
- My = 0,01 424—1 


I) Die Masse des Mondes muß gleich me Em gesetzt werden, weil sich Erde und Mond 


zusammen als ein System um die Sonne bewegen. 


*) Eine siderische Lunation. 


E Ges 


Indessen auch jetzt noch waren Zweifel an der Richtigkeit der Birotations- 
theorie am Platze, wenn es nicht gelingen sollte, sie für die Anziehungskraft 
der Sonne bestätigt zu finden. | 

Aus der Newtonschen Gravitation ergibt sich als mittlere Dichtigkeit der 
Sonne im Verhältnis zur Erde der Wert 0,255, und allgemein geht die Ansicht 
der Astronomen dahin, daß dieser geringen Dichtigkeit nur ein gasförmiger 
Zustand der Sonnenmasse entsprechen kann. Die Tatsache, daß das Sonnen- 
spektrum diskontinuierlich ist, zwingt aber weiter zu der Annahme, daß nur 
der Sonnenkern aus glühenden Gasen besteht, daß dieser Kern aber umhüllt 
ist von einem Mantel von niedrigerer Temperatur und wahrscheinlich größerer 
Dichtigkeit. Darauf baut sich die Zöllnersche Sonnentheorie auf. Man kann 
also, ohne mit den Beobachtungen in Widerspruch zu kommen, den dichteren 
Sonnenmantel als das Ergebnis einer beginnenden Abkühlung des ganzen 
Sonnenballs verstehen, die aber natürlich noch bei weitem nicht so vorge- 
schritten ist wie etwa bei den inneren Planeten, vielleicht jedoch dem Ab- 
kühlungsprozeß bei Jupiter entfernt verglichen werden mag. Von vornherein 
und auf allgemeine Überlegung hin wird man dem Sonnenmantel eine im Ver- 
haltnis zum Sonnenhalbmesser nur geringe Mächtigkeit (Dicke) zusprechen 
können, eine so geringe Mächtigkeit, daß die Verschiedenheit in den Dichtig- 
keiten von Mantel und Kern für die Berechnung der Gesamtdichtigkeit 
der Sonne garnicht in Betracht kommt. Wenden wir die Birotationstheorie 
auf die Sonne an, so ergibt sich in der Tat aus Gleichung 3 die Mäch- 
tigkeit des Mantels zu nur 9653 Meter, d. h. die Mächtigkeit des Mantels 
ist rund = 39 36 e des Sonnenhalbmessers. Daß diese Berechnung richtig ist, 
ergibt sich sofort aus der Gleichung 5: DdG = D‘d‘g‘, worin die ungestrichenen 
Buchstaben Mächtigkeit, Dichtigkeit und Schwere auf der Erde, die gestrichenen 
die auf der Sonne bezeichnen mögen. Hiernach ist nämlich d'= 0,2527, was 
genügend mit der Berechnung der mittleren Sonnendichte aus der New- 
tonschen Gravitation übereinstimmt. 

Für die Bestimmung des Winkels » der Sonne, des Winkels also, unter 
dem sich die Axe des rotierenden Sonnenkerns mit der Axe des entgegen- 
gerichtet rotierenden Sonnenmantels schneidet, gibt es natürlich keinen äußeren 
Anhalt; nur aus allgemeinen Erwägungen können wir schließen, daß der Winkel 
nicht sehr groß ist, und ihn im Vertrauen auf die Richtigkeit der Birotations- 
theorie aus der Gleichung berechnen: 
l6armsiny ` 

T . T3 
wir finden, wenn wir eine Sonnenrotation T zu 25,4 Sterntagen, den Wert für G 
zu 268,4 und den fiir r zu 695 450 000 Meter setzen: »=0°,2t (log sin » =0,57192 — 3). 
Machen wir die gleiche Zusammenstellung wie oben jetzt für Sonne und Erde, 
so finden wir bei Anwendung fünfstelliger Logarithmen, und indem wir uns des 
Index S für Sonne und E für Erde bedienen: 


G? = 


log Tr = 4,93 533 log Ts = 6,34 016 
- Ge? = 2,96 856 - Gy? = 7,28 643 
- Ts = 8,84 227 - Ces 6,80 469 
- ms=5,51113 - me» = 0,00 000 
log sin rg = 0,57 192-3 log sin rg = 0,39 793 — 1 


19,82 921 19,82921 


= OR, e 


Die gleiche vollkommene Übereinstimmung findet sich auch weiterhin. 
Hier sei die Rechnung nur noch für Sonne und Mars zusammengestellt: 


log Ts = 6,34 016 log Tu = 4,94 646 
- Gs = 7,28 643 - Gum? = 1,69 293 
- rm = 6,52 782 | - Is = 8,84 227 
- my = 0,01 494-1 - ms=551 113 | 
log sin vu = 0,39536 — 1 log sin vs = 0,57 192 - 3 
18,56 471 Ä . 18,56 471 


Es mag schließlich noch Jupiter herangezogen werden. Die Umdrehungs- 
zeit dieses Planeten ist Tj = 9 Stunden 55,5 Minuten = 35 662,5 Sekunden Stern- 
zeit. Den Winkel » bestimmen wir wie oben bei der Sonne und finden ihn 
zwischen 0°,02 und 0°,03 (log sin » = 0,67559- 4), die Masse des Jupiter m; = 309,81 


im Verhältnis zur Erde, die Schwere Gj = 24,45. Für Sonne und Jupiter ergibt sich: ` 


log Ts = 6,34 016 log Ty = 4,55 221 
- Gs? = 7,28 643 - Gj = 4,16 484 
- ry = 7,84 911 - Yg = 8,84 227 
- my = 2,49 108 - ms= 5,51113 
log sin ry = 0,67 559—4 log sin vs = 0,57 192 —3 
20,64 237 20,64.237 


Endlich Erde und Jupiter: 


log Tr= 4,93 533 log Ty = 4,55 221 
- Gg? = 2,96 856 - Gj? = 4,16 484 
- ry =7,54911 - Yg= 6,80 469 
- my = 2,49 108 - Me = 0,00 000 
log sin vu = 0,67 559-4 log sin rg = 0,39 793—1 
14,91 967 14,91 967 


Die Folgerungen, die sich aus der Birotationstheorie ergeben, einiger- 
maßen erschöpfend zu ziehen, würde hier zu weit führen; aber soviel darf ge- 
sagt werden, daß man ihre Bedeutung nicht leicht zu hoch anschlagen wird. 
Für heute können wir uns auf einige Schlußbemerkungen allgemeiner Art be- 
schränken und zusammenfassend sagen: | 

Alle Mitglieder des Sonnensystems, den Zentralkörper selbst 
einbegriffen, nicht aber wohl die Kometen mit geschlossener ellip- 
tischer Bahn, haben eine zwiefache Rotation: eine äußere des Mantels 
oder der Schale, die sich rechtläufig vollzieht, und cine innere des kerns, die 
sich rückläufig vollzieht um eine Axe, die mit der Axc der äußeren Rotation 
einen gewissen Winkel bildet. Die Außere Rotation der Sonne wie der Planeten 
und der Monde ist als eine rezente Erscheinung innerhalb der Gesamtentwicke- 
lungsgeschichte dieser Himmelskörper und als eine Reaktionsbewegung gegen 
die ursprünglich einzige Rotation zu verstehen, die heute die innere ist. Die 
auf diesen Himmelskörpern wirkende Schwere oder Anziehung, deren reinste 
Ausdrucksforn für den Planeten Erde sich uns als den freien Fall der mate- 
riellen Körper nach den Gesetzen Galileis darstellt, wirkt auf der Resultierenden 
und als Resultierende aus den beiden Rotationen als ein Vorgang rein mecha- 
nischer Natur. 


Die Birotationstheorie setzt nicht etwa eine Leugnung der Richtigkeit der 
Newtonschen Gravitation voraus, sie deckt sich vielmehr mit der mathema- 
tischen Seite der Newtonschen Gravitation und gibt ihr einen physikalischen 
Inhalt, an dem es bisher gefehlt hat. Nur dadurch unterscheidet sich die Biro- 
tationstheorie von der Newtonschen Gravitation, daß sie als Ausgangspunkt 
nicht die wirklich beobachtete Schwere annimmt, sondern die reine Wegstrecke, 
die sich als Sekundengeschwindigkeit der Fallbewegung ergeben würde, wenn 
diese selbst ohne Beschleunigung erfolgte: 


G= 2 ( § — 0,001 g). 


Der Begriff „Kraft“ fällt bei der Birotationstheorie überhaupt aus, ganz im 
Sinne der Hertzschen Mechanik; wenn er gleichwohl in dieser Darstellung an- 
gewandt ist, so ist er nur als eine Hilfsvorstellung zu verstehen, deren wir uns 
aus Gründen der wissenschaftlichen Ökonomie mit dem Vorbehalt bedienen, 
allemal da, wo von Kraft die Rede ist, darunter eine zusammengesetzte Be- 
wegung zu verstehen, bei deren Zerlegung wir auf gleichförmige (beschleuni- 
gungslose) Bewegungen stoßen würden. 


Etwas Ähnliches gilt von dem Begriff Masse. Im Lichte der Birotations- 
theorie erhält dieser Begriff seine wirkliche Bedeutung zurück, nämlich die 
eines rein mathematischen Vehikels, einer Hilfsvorstellung also, der irgend- 
welche „Kraft“ folgerichtig nicht beigelegt werden kann. 


Das Vorhandensein der von Heinrich Hertz in seinen „Prinzipien der 
Mechanik“ geforderten „verborgenen Bewegungen“ und „verborgenen Massen“ 
ist durch die Birotationstheorie erhärtet. 


Aus der Birotationstheorie ergibt sich, daß die Vermutung Schiaparellis, 
die beiden unteren Planeten Merkur und Venus hätten eine Rotation, die mit 
. dem Umlauf um die Sonne identisch ist, es bestehe also zwischen ihnen und 
der Sonne ein ähnliches Verhältnis wie zwischen Mond und Erde, für Venus 
bestimmt nicht, für Merkur bedingt richtig ist. 


Auf die rein logisch-mathematische Erklärung für die Identität von Mond- 
umlauf und Mondrotation, die sich aus der Birotationstheorie ergibt, war schon 
in dem früheren Aufsatz (Weltall X, 19 S. 286 f.) hingewiesen worden. Des- 
gleichen auf die Erklärung der Diskrepanz in den Werten für die Erdabplattung, 
die aus geodatischen und die aus Pendelmessungen gewonnen werden (ebenda 
18 S. 273). | 

Die besondere Anwendung der Birotationstheorie auf den Planeten Erde 
eröffnet die Aussicht auf genügende Erklärung einer Reihe geophysikalischer 
Erscheinungen, für die es bisher an einer solchen Erklärung gefehlt hat, nämlich 
der regelmäßigen Variationen der normalen erdmagnetischen „Kraft“ (im Sinne 
von Bezolds), da wahrscheinlich die Axe der inneren Erdrotation identisch ist 
mit der erdmagnetischen Axe (Weltall X, 19 S. 285): 


der Länge des Sekundenpendels, die sich aus der Birotationstheorie nach 
dem Radius der inneren Rotation der Erde bestimmt: 


` 2 or 0 TG 
L 5 Coe) Der, za ara 
2 > i -162m sinr 


= ro ` r § 378 200: 
40 000 000 ’ ER 


— 100 — 


der regelmäßigen elliptischen Bewegung mit ostwestlich gerichteter großer 
Axe des nur scheinbar im Zustande der Ruhe befindlichen Pendels von 
erheblicher Fadenlänge (Günther, Geophysik 2. Aufl., Bd. I, S. 273); 
endlich | 

der südlichen Abweichung des freien Falls. 


Das bedeutet indessen nur eine rhapsodische Auslese aus den Folgerungen, 
die sich nach der Birotationstheorie ergeben. Es ist keine Vermessenheit, zu 
sagen, daß die Birotationstheorie dereinst den Schlüssel an die Hand geben 
wird, der viele bisher versperrte Pforten der Erkenntnis öffnet. 


AR 


Der Sestirnte Himmel im Monat Februar 191. 
Von Dr. F. S. Archenhold. 


Die periodischen Kometen des Jahres 1911. 


Von den vier periodischen Kometen, deren Wiederkehr für das Jahr 1911 voraus- 
berechnet worden ist, ist der Komet Faye, der zuletzt im März 1896 gesehen wurde und 
eine Umlaufszeit von 7,6 Jahren besitzt, bereits am 8. November 1910 von Dr. Cerulli 
entdeckt worden (vgl. Weltall XI. S. 58). Seine frühe Entdeckung ist den überaus 
günstigen Sichtbarkeitsverhältnissen seines diesmaligen Wiedererscheinens zuzuschreiben. 
Ebenso ist auch der Komet Brooks, welcher eine Umlaufszeit von 7,1 Jahren hat, 
schon am 28. September 1910 wieder aufgefunden worden. Der Enckesche Komet, 
mit einer Umlaufszeit von 3,3 Jahren, ist zuletzt im Jahre 1908 gesehen worden. Der 
damals von Wolff auf der photographischen Platte am 2. Januar aufgefundene und 
bis zum 19. Januar verfolgte Komet lief jedoch anders, als die Vorausberechnung 
für den Enckeschen Kometen ergeben hatte. Letzterer wurde dann am 27. Mai 
1908 mit sehr verringerter Helligkeit und starker Abweichung von. dem vorausberech- 
neten Orte an einer anderen Stelle auf- ` 
gefunden, sodaß die Vermutung nahe 
liegt, daB der Enckesche Komet sich 
geteilt hat. 

Wir haben bereits an anderer 
Stelle über die früheren Erscheinungen 
des Enckeschen Kometen berichtet. 
Er ist im Jahre 1786 zuerst gesehen 
und 28mal in seiner Erdnähe mit 
Sicherheit beobachtet worden. Seine 
bevorstehende Wiederkehr wird uns 
voraussichtlich über die vermuteten 
Änderungen seines Laufes und Aus- 
sehens den gewünschten Aufschluß 
geben. 

Der erste Tempelsche Komet, 
welcher eine Umlaufszeit von 6 Jahren 
besitzt und zuletzt im Mai 1897 gesehen 
worden ist, ist am 3. April 1867 ent- 
deckt worden und auch 1873 und 1879 
nach der vorausberechneten Umlaufs- 
zeit jedesmal wiedergekehrt; dann 


Sternhaufen Messier 3 in den_Jagdhunden. d 
N G. C. 5272. hatte jedoch Jupiter seine Bahn gestört 


- 101 — 


und seine Sichtbarkeitsverhältnisse ungünstiger gestaltet, sodaß es nur noch einmal, 
im Jahre 1897, gelang, ihn wiederzusehen. Wir haben schon früher einmal eine Zu- 
sammenstellung aller bisher bekannten periodischen Kometen gegeben (vgl.Weltall I, S.132). 


Die Sterne. 


Unsere Sternkarte, die für den 1. Februar abends 10 Uhr entworfen ist, gilt auch 
für den 15. Februar abends 9 Uhr, den 1. März abends 8 Uhr und so fort. Das be- 
merkenswerte Wintergestirn, der Orion, steht bereits in früher Abendstunde im Meridian 


Der Sternenhimmel am 1. Februar 1911, abends 10 Uhr. 
Fig. 1. 


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Sud + 


(Polhöhe 521/6 


und wird bald wieder nur kurze Zeit vor seinem Untergange am westlichen Himmel zu 
beobachten sein. An den Stellen, an denen der Meridian abends 10 Uhr den Horizont 
trifft, finden wir im Süden das Sternbild des Großen Hundes mit dem hellsten Stern am 
Himmel, dem Sirius, und im Norden die Leier mit dem hellen Stern Vega. Eins der 


Lauf von Sonne, Mond und den Planeten 


» ej 
Cer ma 


ne ao 
Gr. 


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Mächt"? 


Arctur 


| O ptik ` Mat ) 
"wa? e . i Skorp!%% 
2 e í . wi YA BAA ell 


| ; | 
x Formalkarıt S | = Te = E 
27h ZA ( 49h EA 46h 


S = Sonne. M = Mond. Me = Merkur. V = Venus. 


schönsten Objekte im Sternbilde des Großen Hundes ist der Sternhaufen, welcher in 
Rekt. 65 42m und in Dekl. —20° 37° steht und schon in kleinen Fernrohren gut zu trennen 
ist, da er aus Sternen 8. Größe besteht. Noch eine zweite Gruppe von freilich 
schwächeren Sternen 9. bis 12. Größe steht bei Rekt. 72 12™ und Dekl. —15° 25° in- der 
Nähe einer dichten Stelle der MilchstraBe im gleichen Sternbilde. Diese Gruppe ist im 
Jahre 1785 zuerst von Caroline Herschel gesehen worden. Ein ebenso bemerkens- 
werter Sternhaufen steht im südlichen Teile der Jagdhunde, welche wir auf unsrer 
Sternkarte zwischen den Deichselsternen des Großen Bären und dem Haar der Berenice 
finden. Er ist neuerdings mit dem Crossley-Reflector photographiert worden (vgl. 
Fig. 3). Während er in kleineren Fernrohren kugelförmig und aus Hunderten von dicht 
zusammengedrängten Sternen zu bestehen scheint, sieht man in größeren Fernrohren 
tausende von Sternen in der Mitte und außerdem noch strablenförmige Ausläufer dieses 
Sternhaufens, die sich bis zum Rande des Gesichtsfeldes erstrecken. In dem Verzeichnis 
von Messier trägt er die Bezeichnung 3 und im neuen Generalkatalog die Nummer 5272. 
Unsere Abbildung (S. 100) zeigt diesen Sternhaufen bei 1!/,stündiger Expositionszeit und 
rührt vom 22. Mai 1900 her. Während die Jagdhunde am östlichen Teil des Himmels 
stehen, finden wir um dieselbe Zeit in annähernd gleicher Höhe am westlichen Himmel 
das Sternbild des Perseus mit dem veränderlichen Sterne Algol. Jedesınal, wenn der 
dunkle Begleiter sich zwischen unser Auge und den Algol schiebt, tritt ein sogenanntes 
Minimum ein, von denen vier im Monat Februar günstig zu beobachten sind: 
Februar 11. 6" morgens, Februar 16. 125 mitternachts, 
- 14. 3h - - 19. 9b abends. 


Der Lauf von Sonne und Mond. 


Die Sonne steht, wie aus unserer Karte 2b zu ersehen ist, anfangs des Monats 
Februar im Sternbilde des Steinbocks und riickt im Laufe des Monats in das des Wasser- 
manns. Ihre Höhe beträgt am Schlusse des Monats schon 29°, sodaß auch die Tages- 
länge eine ganz beträchtliche ist. In folgender Tabelle geben wir ihren Stand sowie 
ihre Auf- und Untergangszeiten für den 1., 15. und 28. Februar wieder. 


Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshöhe 
Februar 1. 10921? 75 50m morgens 4b 48m nachm. 201/, ° 
- 19. = 12258 Th 25m - hb 15m - E E 


- 28. — 8° 18" Gh57m žě - nh Aën ` 2011, ° 


Ma = Mars. 


für den Monat Februar 1911. 


J = Jupiter. 


Fig. 2a. Nachdruck verboten. 


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z U 2h 4 n 0 h 


Sa = Saturn. U= Uranus. N = Neptun. 


Der Mond ist wiederum für den 1., 3., 5. usw. mit seinen Phasengestalten in 
unsre Karten Fig. 2a und 2b eingetragen. Im Monat Februar fallen seine Hauptphasen 
auf folgende Tage: 


Erstes Viertel: Febr. 6. 4!/p nachmittags. Letztes Viertel: Febr. 21. 4!/,5 vormittags. 
Vollmond: - 13.11!/,h vormittags. Neumond: - 28. nach Mittern. 


Im Monat Februar finden nur 2 nn statt: 


Bürg. Tag | ee Name | Ge Rekt. Dekl. Eintritt |Win- 


| = E. Z. | kel 


kel Bemerkung 


es Austritt EE Win- 


Febr. 7 A! Sagittarii 4,6! 3h 59m | 4 210 bo: Oh 34™,8 | 26° | Th29m,2 | 2900| Mond im Merid. 
abends 7h 59m 
n 23. X Sagittarii Ya 17h 42m | — 27048‘) 6h 30m,9 | 123° | 6b 45m,5 | 2609; Mondaufgang 


| | 
Die Planeten. 

Merkur (Feld 19h bis 213/,") ist nur noch kurze Zeit zu Anfang des Monats sichtbar 
und verschwindet dann in den Strahlen der Sonne. Er steht am 2. Februar in größter 
westlicher Abweichung von der Sonne (25° 17') und am 10 6b nachmittags in Konjunktion 
mit Uranus und am 27. nachm. in Konjunktion mit dem Monde. 

Venus (Feld 225 bis O®) rückt allmählich immer weiter von der Sonne ab, sodaß 
ihre Sichtbarkeit wieder zunimmt und sie am Ende des Monats 1'/, Stunden lang zu 
beobachten ist. 

Mars (Feld 18" bis 19!/, ott am 24. Februar um Mitternacht in Konjunktion mit 
dem Monde, ist jedoch wegen seines tiefen südlichen Standes nur 1 Stunde lang am 
Morgenhimmel sichtbar. 

Jupiter (Feld 14°/,") tritt am 19. Februar abends in Konjunktion mit dem Monde 
und wird Ende des Monats bereits 6 Stunden lang am Morgenhimmel zu beobachten sein. 

Saturn (Feld 2b) tritt am 5. Februar in Konjunktion mit dem Monde. Die Dauer 
seiner Sichtbarkeit nimmt am Ende des Monats bis auf 3 Stunden ab, sodaß er bereits 
im Frühjahr in den Strahlen der Sonne für längere Zeit verschwinden wird. 

Uranus (Feld 204) ist Ende des Monats auf kurze Zeit am Morgenhimmel sichtbar. 

Neptun (Feld 71/,5) ist wegen seines hohen Standes noch 9 Stunden lang nach 
Sonnenuntergang im Sternbilde der Zwillinge zu beobachten. 


4h 24m morgens 


— 104 — 


Bemerkenswerte Konstellationen: 
Februar 2. 3 nachmittags Merkur in größter westlicher Abweichung 25° 17. 
- 5. 2h nachmittags Saturn in Konjunktion mit dem Monde. 


- 10. 6 nachmittags Merkur in Konjunktion mit Uranus, Merkur 5° nördlich von 
Uranus. 


- 16. 35 nachmittags Mars in Konjunktion mit 6 Sagittarii Mars 2° 53° nördlich 
vom Stern. 


- 18. 3b morgens Merkur in Sonnennähe. 

- 19. 7b abends Jupiter in Konjunktion mit dem Monde. 

- 24. mitternacht Mars in Konjunktion mit dem Monde. 

- 27. 3b nachmittags Merkur in Konjunktion mit dem Monde. 
ZIZIIIIIIIIIII3I3II3II3I33333333 333333333333 III 333333 


Se Kleine Mitteilungen. 
VENEN a anaee 


Beobachtung einer glänzenden Feuerkugel am 13. Dezember 1910 in Dortmund. Der 
Kgl. Landmesser Schiller beobachtete am 13. Dezember 1910 6" 53" M. E. Z. ein helles Meteor, 
das sich bald zu einer wunderbaren Erscheinung von etwa 5’ Durchmesser entwickelte. Es er- 
strablte in intensiv weißem Lichte. Kurz vor dem Verlöschen splitterten große Stücke ab, die 
einen Schweif von 4 bis 5° Länge bildeten, der noch fast 2 Sckunden nach dem Verlöschen des 
Meteors seine Sichtbarkeit behielt. Eine Detonation war trotz angestrengten Lauschens nicht zu 
hören; allerdings war in nicht zu großer Entfernung lebhaftes Wagenfahren. Herr Landmesser 
Schiller gibt folgende genauen Daten, die es wünschenswert machen, das auch von anderer Seite 
Mitteilungen über die Beobachtung dieser Feuerkugel einlaufen, um eine sichere Bahnbestimmung 
vornehmen zu können. 
Beobachtungsort: Breite = 51° 30° 30” nördl. Br. Länge = 70 28‘ 52" östl. Gr. 
Beobachtungszeit: 1910 Dez. 13 oh 537 M. E. Zt. 
Aufflammungspunkt: etwa d = + 7°; a = 22h g0" 
Erster Hemmungspunkt: d = 20" 50™ (ziemlich unsicher) 
Verlöschungspunkt: ô = + 30; a = 20" 05" 
Zeitdauer der Erscheinung etwa 4-5°. 
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Deutscher Photographen - Kalender. Taschenbuch und Almanach für 1911. Her- 
ausgegeben von K. Schwier. 30. Jahrgang. In 2 Teilen. Mit einem Eisenbahnkärtchen nnd zwei 
Kunstbeilagen. Preis: beide Teile zusammen bezogen M. 3,—, jeder Teil einzeln je M. 2,—. Ver- 
lag der Deutschen Photographen-Zeitung (Karl Schwier), Weimar. 

Wie alljährlich, so ist auch dieses Mal zu Anfang des Monats Dezember der erste Teil des 
Deutschen Photographen-Kalenders für das Jahr 1911 in starkem Leinenband gebunden erschienen. 
Er ist wie üblich mit einem Eisenbahnkärtchen von Deutschland versehen und enthält außerdem 
2 vorzüglich ausgeführte Kunstbeilagen. 

Die erste Hälfte des vorliegenden Teiles enthält wie üblich Kalendarium mit Notizblättern, 
denen dieses Mal auch die täglichen Sonnen- und Mond-Auf- und Untergänge beigesetzt sind, so- 
dann verschiedene Tabellen über Maße, Gewichte, statistische Nachrichten und vorzüglich bear- 
beitete chemische und optische Tabellen. — Die zweite Hälfte gibt nicht weniger als 670 Rezepte 
für alle möglichen photographischen Vorkommnisse. Auch die neueren katalytischen Verfahren 
der Neuen Photographischen Gesellschaft sind eingehend behandelt 

Der Kalender ist ein anerkannt unentbehrliches Taschenbuch für alle Photographie betrei- 
benden Personen und wird von praktischen und wissenschaftlichen Photographen stets gern benutzt. 
kr kann durch jede Buchhandlung bezogen werden. — Der II. Teil, der besonders statistische 
Nachrichten und ein ausgezeichnetes Bezugsquellenverzeichnis enthält, erscheint bis zum Monat 
März dieses Jahres. 


da 


Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F. S. Archenhold, Berlin-Treptow, für den Inseratenteil: M.Wutlig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


DAS WELTALL ` 


Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete 


Herausgegeben von _ 
Dr. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 8. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Zweites e 
Berlin-Treptow. 


Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post- 

Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einzelne Nummer 60 Pjg. — Anseigen-Gebühren: 1 Seite 80.— MR., 1/, Seite 45.— 
1/, Seite 25.—, 1/, Seite 15.—, yg Seite 8—. Bei Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewicht. 


INHALT 

1. Zur Wiederentdeckung des Komelen Brooks 1889 V 4. Kleine Mitteilungen: Die Entdeckung eines Ver- 
Von Dr. F. S. Archenhold. . . . . 2: 2 ev... 105 änderlichen oder eines neuen Sternes in den Fischen. 

2. Der Aralsee und die Richtungsverdnderungen im — Die ,,Vermondung der Erde und der Planeten. — 
Laufe des Flusses Amu-Darja. Von Prof. Karl Todesfall uer 5 0 De RE. ain iu he AS. hee gt BE ee 117 
von Lysakowski. . . 2220000. - 107 | 5. Bücherschau: Werner Mecklenburg, Die experimen- 

3. Die Entdeckung eines neuen Sterns im Sternbilde telle Grundlegung der Atomistik . . 2 2.2... 120 
der Eidechse. Von Dr. F. S. Archenhold . . . . - 115 


Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet. 


Zur Wiederentdeckungd des Kometen Brooks 1889V. 


Von Dr. F.S. Archenhold. 


N: Geschichte dieses auf der Licksternwarte von Aitken und Wilson am 
28. September 1910 im Sternbilde des Schützen wieder aufgefundenen Ko- 
meten Brooks 1889V (Rekt. = 198 47m 51°, Dekl. = 28° 8‘ 39”) ist von größtem 


Komet Brooks 1889V und seine vier Begleitkometen. 


Interesse. Er gehört zu den Kometen der sogenannten Jupiterfamilie, das will 
sagen, daß er vom Jupiter für unser Planetensystem eingefangen worden ist. 
Ferner hat er sich gleich dem,Bielaschen Kometen unter den Augen der Astro- 


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Kéi ! 


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— 106 — 


nomen in mehrere Teile zerlegt. Bald nach seiner ersten Entdeckung, die 
Brooks am 6. Juli 1889 auf dem Smith-Observatorium in Geneva N.-Y. gelang, 
erregte es große Aufmerksamkeit, daß die Begleitkometen, welche Barnard 
entdeckt hatte, merkwürdige Lichtschwankungen ausführten — bald erblaßte 
der eine, bald der andere. Es erschien noch besonders rätselhaft, daß der 
Komet, wie Chandler rechnerisch nachgewiesen hatte, bis zum Jahre 1886 
eine Umlaufszeit von 27 Jahren hatte, daß er jedoch zur Zeit seiner Entdeckung 
im Jahre 1889 zur Vollendung eines vollen Umlaufs um die Sonne nur 7 Jahre 
1 Monat und 1 Woche gebrauchte. 

Chandler erkannte weiter, daß diese merkwürdige Bahnumgestaltung da- 
durch hervorgerufen war, daß der Komet ganz nahe bei Jupiter --- womöglich 
unter Berührung der Oberfläche dieses Planeten — vorübergegangen war und 
sich noch drei Tage lang in dem System der Jupitermonde aufgehalten hatte. 
Chandler machte es auch wahrscheinlich, daß die 27jährige Periode bis zum 
Jahre 1779 zurückreiche, und damals auch der Komet durch ein Zusammen- 
treffen mit Jupiter aus einem kurzperiodischen erst in einen langperiodischen 
umgewandelt wurde. Chandlers Rechnung ergab weiter, daß — um den Ko- 
meten noch merkwürdiger zu machen — die neue Bahn nur bis zum Jahre 1921 
anhalten würde, und daß dann wieder große Überraschungen bei einer Be- 
gegnung mit Jupiter zu erwarten seien. 

Der Komet Brooks hatte bei seiner Auffindung einen Durchmesser von einer 
Bogenminute und war 11. Größe. Die Barnardsche Entdeckung von Begleitern 
des Kometen Anfangs August 1889 ist von Charlois und Bigourdan Ende 
August bestätigt worden. Leizterer hat rückwärts unter der Voraussetzung, 
daß die Zunahme des Abstandes des einen Begleitkometen proportional der Zeit 
vor sich gehe, die Trennung desselben vom Hauptkometen für den 15. April 1889 
berechnet, etwa 4 Monate vor dem Durchgange durch die Sonnennähe. Nach 
dieser Messung hat der Abstand des Kometen vom 4. bis 30. August von 267“ 
auf 331° zugenommen. Der erste und zweite Begleitkomet liegen in der direkten 

Verlängerung des Hauptkometen und zeigen Schweifansätze, wohingegen der 
_ dritte und vierte Begleitkomet ein mehr nebelartiges Aussehen zeigen. (Siehe 
unsere Abbildung.) In allen vier Begleitkometen ist eine sternartige Ver- 
dichtung gesehen worden. Spitaler konnte den ersten Begleiter am 21. Oktober 
nur noch mit großer Mühe zeitweilig als ein schwaches Nebelchen mit einem 
zuweilen darin aufblitzenden Kern wahrnehmen. Einen Tag später war er gar 
nicht mehr zu sehen, obgleich der Luftzustand ein sehr guter war. Der zweite 
Begleiter hatte jedoch an Helligkeit bedeutend zugenommen. Sein Kern glich 
einem Stern 12. Größe und war von einer weißlichen Koma von beiläufig 150‘ 
Durchmesser umgeben. Er stand schon 360% vom Hauptkometen ab. Es ist 
interessant, daß der erste Begleitkomet am 5. September von Barnard nur wie 
ein großer, ungemein blasser und verschwommener Nebel beschrieben wird, der 
sich bald darauf völlig auflöste. Dasselbe Schicksal erlitt der zweite Begleit- 
komet, aber erst nachdem er am 31. August heller geworden war als der Haupt- 
komet. Am 25. November verschwand dieser zweite Begleitkomet sogar aus 
dem Gesichtsfelde des 36-Zöllers der Licksternwarte. und war somit auch dem 
Schicksal der Unsichtbarkeit verfallen. Es ist wohl verständlich, daß die merk- 
würdigen Lichtschwankungen der Begleitkometen zurzeit großes Aufsehen er- 
regten. Obgleich solche Lichtschwankungen noch mehrfach beobachtet worden 
sind, läßt sich eine befriedigende Erklärung hierfür noch nicht geben, jedoch 


— 107 — 


halte ich es nicht für unwahrscheinlich, daß Vorgänge auf der Sonne cine große 
Rolle dabei spielen. | 

Auch der Hauptkomet erblaßte immer mehr, jedoch gelang es Barnard, 
ihn infolge der günstigen Bahnlage nach einer Ephemeride von Berberich am 
22. November 1890 wieder aufzufinden und ihn bis zum 13. Januar 1891 fünfmal 
zu beobachten, als der Komet nur noch ein schwaches kleines Scheibchen von 
6 bis 10° Durchmesser und etwa 17. Größe war. Barnard zählt es zu den 
schwierigsten Objekten, die er jemals am Himmel beobachtet hat. Nach der 
Bahnbestimmung von Bauschinger betrug an diesem letzten Beobachtungs- 
tage, also am 13. Januar 1891, die Entfernung des Kometen von der Sonne 3,8, 
von der Erde 2,8, wenn wir die bekannte Entfernung Erde—Sonne als Einheit 
nehmen. Die Sichtbarkeitsdauer des Kometen wurde durch diese letzte Beob- 
achtung, da er am 6. Juli 1889 entdeckt wurde, auf 556 Tage gebracht. 

Bei der nächsten Wiederkehr des Kometen im Jahre 1896 war nur ein ein- 
facher Komet zu sehen, der aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem Haupt- 
kometen vom Jahre 1889 identisch war. Es sei daran erinnert, daß der Komet 
Brooks im Jahre 1886 so dicht am Jupiter vorbeimarschiert ist, daß er dessen 
Oberfläche gestreift hat, worauf wohl die Umgestaltung seiner Bahn wie auch 
das spätere Abmarschieren der Begleitkometen zurückzuführen ist. Die inneren 
Kräfte des Kometen haben wohl nicht ausgereicht, um die verschiedenen Wir- 
kungen der anziehenden Kräfte des Jupiters auf die einzelnen Teile des Ko- 
meten auszugleichen. 

Auch bei seiner letzten Wiederkehr im Jahre 1903 sind cbensowenig wie 
im Jahre 1896 die Nebenkometen gesehen worden, obgleich ihn Aitken bereits 
am 19. August 1902 im Sternbilde der südlichen Fische auf Grund der Bau- 
schingerschen Bahnbestimmung, die auf 445 vorhandenen Beobachtungen fuBte 
und die Störungen von Jupiter, Saturn und Erde berücksichtigte, aufgefunden 
hatte. Auch bei seiner diesmaligen Wiederkehr hat man bisher vergeblich nach 
Begleitkometen Ausschau gehalten, so daß wohl vermutet werden kann, daß 
diese sich weiter aufgelöst bezw. besondere Bahnen im Weltall eingeschlagen 
haben, die sie nicht wieder in die Nähe der Erde zurückführen. 


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Der Aralsee und die RichtungsVeränderungen im Joaufe des Flusses 
Amu-Darja. 


Von Karl von Lysakowski. 


m Jahrbuche für 1908 der turkestanischen Abteilung der Kaiserlich russischen 

geographischen Gesellschaft erschien ein sehr ausführliches Werk von L. Berg 
über den Aralsee. Trotzdem die Erforschung der russischen Seen im letzten 
Jahrzehnt zu einer großen und bedeutenden Entwicklung gelangt ist, hatten wir 
bis dahin keine ausführliche Monographie über die vaterländische Limnologie. 
In der ausländischen Literatur sind nur zwei derartige Werke vorhanden: eine 
Monographie in drei Banden von Professor Forel über den Genfer See und cine 
ausführliche Beschreibung des ungarischen Balaton-Sees (Platten-See). Letzteres 
Werk ist die Gesamtarbeit einer ganzen Reihe von Forschern und Fachgelehrten. 
Die Arbeit von L. Berg ist der erste Versuch einer ausführlichen Beschreibung 
eines der größten und bedeutendsten Becken RuBlands in physikalischer und geo- 


— 108 — 


graphischer Hinsicht; dieses Werk hat einen um so größeren Wert, als es keine 
Kompilationsarbeit, sondern eine ausführliche Beschreibung der eigenen Beob- 
achtungen und Erforschungen des Verfassers ist. Es ist vorzüglich durchgearbeitet 
und in der Darstellung sehr klar; man bemerkt sofort, daß der Verfasser mit 
der Literatur des Gegenstandes, den er behandelt, völlig vertraut ist. Das Buch 
ist illustriert und enthält 78 Klischees, 6 Tafeln sowie 2 geographische Karten. 
Den verschiedenen Teilen der Limnologie entsprechend, ist es in 10 Kapitel 
eingeteilt. | | 

Im ersten Kapitel schildert der Verfasser kurz die Geschichte der den 
Aralsee betreffenden Forschungen. Die erste Erwähnung des Aralsees finden 
wir bei dem arabischen Schriftsteller Ibn-Ruste, der im 10. Jahrhundert nach 
Christi lebte; den alten Griechen und Römern scheint der See unbekannt gewesen 
zu sein. Auch die erste geographische Karte des Sees datiert vom 10. Jahrhundert 
nach Christi und ist von dem arabischen Geographen Istarchi gemacht worden. 
Im Jahre 1339 erwähnt Kasuvingi, daß ein Teil der Gewässer des Flusses 
Amu-Darja seinen Lauf in der Richtung nach dem Kaspischen Meere nähmen. 
Ganz interessante Mitteilungen enthält ein Werk des Geographen Remezoff vom 
Jahre 1701. Der Feldzug von Berkowitsh (1715 bis 1717) nach Khiwa trug viel dazu 
bei, unsere Kenntnisse von dieser Gegend zu vermehren. Die erste offizielle 
russische Aufnahme einer Karte des Aralsees ist im Jahre 1740 von Muraview 
gemacht worden. Im 19. Jahrhundert besuchten den Aralsee Graf Berg, 
Nikiforow, Butenew, Butakow, Sievertzew, Barbot-de-Marny, Alenitzine, 
Tillo, Dorandta, Schultz, Abich, K. Schmidt u. a. 

Im zweiten Kapitel behandelt der Verfasser die Topographie und Hydro- 
graphie des Aralsees. Es befinden sich an dem Aralsee drei Forschungsstationen, 
eine in Kara-Kamak, gegründet von Graf Tillo (1874), die zweite von L. Berg 
auf dem Felsen Tokpakaulie errichtet, und eine dritte Station, die den Namen 
Aralsee trägt und in der sich ein Limnograph befindet, der im Jahre 1905 dort 
aufgestellt wurde. Die absolute Höhe des Wasserspiegels des Aralsees beträgt 
50 m, und die Grundfläche hat nach den Berechnnngen von Schokalski und 
Tillo nach der 100-Werstkarte des Generalstabes eine Ausdehnung von 
- 67820 qkm, während die Oberfläche nach den Messungen von Berg mit den 
Inseln 64490 qkm, ohne Inseln 63270 qkm groß ist. Also übertrifft der Aralsee 
an Größe alle andern Seen der Welt mit Ausnahme des Kaspischen Meeres und 
des Oberen Sees in Nordamerika. Die größte Länge des Sees beträgt 428 km, 
die größte Tiefe 68 m und die durchschnittliche Tiefe 16 m. Im Verhältnis zur 
Oberflachenausdehnung ist die Tiefe sehr unbedeutend. Die Oberfläche des 
Aralsees ist 110 mal so groß wie die des Genfer Sees, aber an Wassermasse 
übertrifft er ihn nur 11 mal. 

Im mittleren Teile des Sees schwankt die Tiefe zwischen 20 und 28 m; 
Tiefen von mehr als 30 m ziehen sich in einem schmalen Streifen in einer 
Ausdehnung von 100 Seemeilen längs des westlichen Ufers entlang. Das ganze 
Seebecken erreicht 1835 000 ykm; allein die Oberfläche des Teils des Bassins, 
der unmittelbar mit seinen Gewässern den Aralsee enthält, übertrifft 
nicht 600000 qkm (einschließlich der Oberfläche des Sees selbst); die Flüsse Amu- 
Darja und Syr-Darja bringen zusammen ungefähr 2500 cbm Wasser pro Sekunde. 

Im dritten Kapitel ist die Morphologie der Ufer dargelegt. Nach den 
Beobachtungen von Berg gehört das westliche Ufer zu der Art der ebenen 
Ufer, das nördliche zu der der ruderschaufelartigen, weil schmale Landstrecken, 


— 109 — 


die die Form einer Ruderschaufel haben, in den See einschneiden. Das süd- 
liche Ufer ist gemischter Art. Am östlichen Ufer finden wir eine besondere 
Art Uferbuchten der sogenannten aralischen Art, die sich durch eine An- 
zahl Buchten, die in ein unbevölkertes Land eindringen, kennzeichnet. Nach 
der Meinung des Verfassers rührt diese Eigenart des Ufers von der Ausdehnung 
des Sees infolge der Erhöhung seines Wasserspiegels an einem Orte, der vom 
Winde erodiert wird, her. Die von den Flüssen mitgebrachten Ablagerungen, 
34,26 Mill. Kubikmeter pro Jahr, können das ganze Kesseltal des Aralsees nach 
29 100 Jahren anfüllen. Die infolge der Ablagerung des Schlammes unvermeid- 
liche Erhöhung des Wasserspiegels, 0,5 mm pro Jahr, muß nach einem Verlaufe 
von 8000 Jahren 4 m betragen. | 

Im vierten Kapitel behandelt der Verfasser die Klimatologie des Aral- 
sees und seiner Umgebung. Die durchschnittliche Jahrestemperatur ist in Kisil- 
dschar (an der Mündung des Flusses Syr-Darja) 7,6% Im Monat Juli steigt sie 
auf 25,3%, im Monat Februar fällt sie bis auf — 25° Die Anzahl der bewölkten 
Tage ist unbedeutend. Nebel kommt selten vor, die Niederschläge erreichen 
108 mm pro Jahr. Im Sommer sind NW.- und W.-Winde vorwiegend, zu andern 
Jahreszeiten solche aus NO. Nach den Beobachtungen, die in Kazalinsk (1885 
bis 1899) gemacht worden sind, ist die durchschnittliche jährliche Verdunstung 
1020 mm, die durchschnittliche jährliche Niederschlagshöhe 122 mm, das Ver- 
haltnis der Niederschläge zur Verdunstung also wie 1: 8,4. In den feuchten 
Jahren ist der Unterschied geringer (1896 1: 4,8), in den trockenen bedeutender 
(1893 1: 13,9). 

Fünftes Kapitel. Hydrologie. Die eigentümliche Zusammensetzung des 
Wassers, die ganz derjenigen des Kaspischen Meeres gleicht, der Reichtum an 
Sulfaten und der Mangel an Chloriden ist das charakteristische Kennzeichen 
des Wassers dieses Sees. Das Schwarze Meer enthält im Gegensatz hierzu 
schwach salzhaltiges Meerwasser. Infolgedessen betrachtet der Verfasser den 
Aralsee und das Kaspische Meer als Seen und nicht als Meere. 

Der Salzgehalt auf der Oberfläche erreicht 1,03°/,, das spezifische Gewicht 
ist 1,0086. Ein schwächerer Salzgehalt des Wassers längs des westlichen Ufers 
laßt sich durch eine Strömung erklären, die, von der Mündung des Flusses Amu 
ausgehend, sich nach Norden richtet. Das spezifische Gewicht in einer Tiefe 
von 61 m ist 1,0097. Die höchste Temperatur, die auf der Oberfläche in der 
Mitte des Sees beobachtet wurde, ist 27,8%, die täglichen Schwankungen sind 
0,8 bis 12°. Im Sommer ist die Temperatur des Wassers sowohl am Tage als 
auch in der Nacht immer geringer als die umgebende Luft; der Aralsee übt 
eine mäßigende Wirkung auf das Klima der Ufer aus. Der See friert jedes 
Jahr in seinem nordöstlichen Teile zu und bleibt in manchen Jahren 160 Tage 
zugefroren; die Dicke des Eises übersteigt jedoch nicht ?/, m. Nach Ansicht 
des Verfassers nähert sich der Aralsce auch nach den Temperaturbestimmungen 
in der Tiefe mehr dem Typus der Süßwasserseen. Die Tiefentemperaturen 
sind sehr verschieden; im Juli und August finden wir folgende Temperaturen: ` 


Tiefe Temperatur 


10 m 10,7° 
20 - 5,5 
40 - 1,6 


60 - 1,0 


— 110 — 


Das Sinken der Temperatur mit der Tiefe ist schr ungleichmäßig. Der 
sogenannte Temperatursprung ist an manchen Stellen sehr scharf ausgeprägt. 
Am 11. August beobachtete der Verfasser die folgende Verteilung der Tem- 
peratur des Wassers in der Tiefe: 

0 m 16 m 16,5 m 17 m 
22,6° 17,8° . 16,9° 4,8° 

Es findet sich also auf einer Strecke von '/, m ein Unterschied in der 
Temperatur des Wassers von 12°, woraus zu schließen ist, daß die Temperatur 
mit der Tiefe um 0,24° pro Zentimeter fällt. Nach L. Berg ist dies das 
rascheste Sinken der Temperatur, das überhaupt auf der Welt beobachtet worden 
ist. Aber nach den Beobachtungen von Kuznefzow, der den Baikalsee in 
Sibirien in den Jahren 1902, 1907 und 1908 besuchte, soll dort der Temperatur- 
sturz nicht geringer, vielleicht sogar schärfer ausgeprägt sein als in dem Aral- 
see. Die Temperatur soll mit jedem Zentimeter um 1° sinken. Zu Zeiten wurde 
auch ein unbedeutendes Steigen der Temperatur mit der Tiefe beobachtet 
(1902 bis 1903). 

Die Durchsichtigkeit des Wassers des Aralsees ist bis zu einer Tiefe 
von 24 m schr stark. Seine Färbung in der Mitte des Sees ist dunkelblau 
(IH. Stufe, Forel). 

Im sechsten Kapitel betrachtet der Verfasser die Veränderungen des 
Wasserspiegels und die Strömungen des Aralsees. Die jährlichen Schwan- 
kungen des Wasserspiegels sind unbedeutend (im Jahre 1903 0,34 m). Das 
Maximum fällt in die zweite Hälfte des Sommers oder in den Septembermonat, 
das Minimum in den Monat November, wenn man nach den Ergebnissen einer 
geringen Anzahl von Beobachtungen urteilen darf. Dagegen ist die tägliche 
Amplitude sehr bedeutend. Von der Mündung des Flusses Amu-Darja aus- 
gehend, ist eine Strömung längs des westlichen Ufers in nördlicher Richtung 
zu beobachten, und von der Mündung des Flusses Syr-Darja aus geht eine 
solche längs des östlichen Ufers nach Süden; auf diese Weise kann in dem 
Aralsee eine Rundströmung des Wassers in der Richtung der Uhrzeiger be- 
obachtet werden. Nach langjährigen Beobachtungen wechseln bei dem Aralsee 
Perioden hohen Wasserstandes mit Perioden niederen Wasserstandes. Dasselbe 
ist auch bei manchen andern Seen Zentralasiens und Sibiriens der Fall. Die 
Daten, die der Verfasser zusammenbrachte, geben uns einen Begriff von der 
Veränderlichkeit des Wasserspiegels seit dem Jahre 1780. Im Jahre 1785 war 
der Wasserspiegel sehr hoch, in den Jahren 1820 bis 1830 war er niedrig, in 
den Jahren 1835 bis 1850 wieder hoch; im Jahre 1870 trat ein kleines Maximum 
ein, im Jahre 1850 wieder ein Minimum, im Jahre 1885 bemerkte man wieder 
eine Erhöhung des Wasserspiegels, die noch jetzt anhält und (1885 bis 1908) 
3 m betrug. Die Schwankungen des Wasserspiegels des Aralsees stimmen mit 
denen mancher andern Seen Turkestans und Sibiriens überein. Das Studium 
der historischen Geographie Turkestans führte den Verfasser zum Schlusse, 
daß sich seit historischen Zeiten das Klima Turkestans nicht bedeutend ver- 
ändert hat. Infolgedessen muß man die Ansicht einer fortschreitenden Aus- 
trocknung Zentralasiens, die so lange unter den russischen Gelehrten bestand 
und noch heute unter manchen europäischen Gelehrten besteht, ganz aufgeben. 

In der berühmten Geographie von Elisee Reclus finden wir über diese 
Schwankungen folgendes: „Es ist leicht zu verstehen, daß der Wasserspiegel 
des Aralsees öfters während der Jahrhunderte schwankte, da zu dem Klima 


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Der Aralsee und die Richtungsveränderungen im Laufe des Flusses Amu-Darja. 


- 13 — 


infolge von Schwankungen in der Niederschlagsmenge und der Pflanzenwelt 
auch die Richtungsänderung des Oxus!) hinzukam. Wenn auch zahlreiche 
Anzeichen, und namentlich Niveaulinien auf den westlichen Abhängen, 
bezeugen, daß der Wasserspiegel zu einer früheren Periode viel höher stand 
als jetzt, so gibt es auch wieder andere, die beweisen, daß der Wasserspiegel 
in einer früheren Epoche viel niedriger gestanden haben muß als heutzutage. 
Es hat also der Wasserspiegel des Sees bald zu- und bald abgenommen, seit- 
dem der Mensch seine Ufer bewohnt. Man hat diesen See auch Meer genannt, 
eine Bezeichnung, die er weniger seiner Tiefe als seiner Ausdehnung wegen 
verdient. Der See hängt hauptsächlich von den zwei Hauptflissen, die sich in 
ihn ergießen, dem Amu und dem Syr-Darja, ab. Sollten diese Flüsse sich 
wieder einmal dem Kaspischen Meere zuwenden, so würde der Aralsee im Laufe 
mehrerer Jahre fast austrocknen. Es ist jetzt ganz bestimmt bewiesen, daß der 
Fluß Amu-Darja zweimal den Aralsee verließ, um ins Kaspische Meer zu münden, 
und es ist unzweifelhaft, daß im Laufe der Geschichte der Aralsee manch- 
mal nur den Anblick eines kleinen Sees bot. Diese merkwürdigen Änderungen 
können bis jetzt nicht völlig erklärt werden. Manche Gelehrte behaupten, daß 
zwischen zwei Maxima und zwei Minima eine Periode von 33 Jahren liegt, aber 
die letzten Forschungen haben diese Angaben nicht einwandfrei bestätigt. 

Die großen Veränderungen in der Richtung des Flusses Oxus seit histo- 
rischen Zeiten gehören zu den bedeutendsten Ereignissen der Physiographie, 
und man kann mit ihnen nur die Veränderungen, die im Laufe des Hoang-ho 
vorkommen, vergleichen. Von der Mitte des 13. Jahrhunderts bis zur Mitte des 
16. war der Fluß Amu-Darja ein Zufluß des Kaspischen Meeres, aber zweimal 
seit der Zeit der alten griechischen Geschichtsschreiber veränderte er seine 
Richtung zum Kaspischen Mcere und floß dem Aralsee zu. 

Zu Strabons Zeit mündete der Oxus in das Kaspische Meer, so daß der 
Handelsverkehr der Bewohner der Ufer des Schwarzen Meeres mit Indien ver- 
mittelst dieses Flusses getrieben wurde. Nach Alexanders Eroberungen, nach 
der Gründung der griechischen Staaten am Oxus und der Erforschung des 
östlichen Ufers des Kaspischen Meeres scheint ein Irrtum in unseren Kennt- 
nissen vom Laufe des Amu Darja ausgeschlossen, aber zur Zeit der ersten 
arabischen und türkischen Geschichtschreiber hatte sich dieser Fluß schon 
nach Norden gewendet und mündete in den Aralsee. Alle arabischen Urkunden 
dieser Zeit bezeugen es unzweideutig. Im XIII. Jahrhundert nahm der Amu 
Darja seinen Lauf wieder nach dem Kaspischen Meere, wohin ihn eine ziemlich 
bedeutende Senkung des Erdbodens führte. Dieser Abhang fällt ungefähr um 
-14 cm pro Kilometer; aber um die Mitte des XVI. Jahrhunderts wendet sich 
der Fluß wieder nach Norden, dem Aralsee zu. 

Diese Änderungen wurden von einer ganzen Reihe Gelehrter nicht an- 
erkannt und nur wenige geographische Fragen verursachten einen solchen 
Streit. Man leugnete sogar das Faktum, daß der Oxus zur Zeit der alten 
Griechen ins Kaspische Meer miindete; man behauptete, daß das alte Flußbett 
nur zu geologischen Zeiten existiert hat und daß nur damals der Fluß durch 
dasselbe floß. Aber die historischen Urkunden sind doch vorhanden. Die be- 
stimmten historischen Zeugnisse, die von Rawlinson, Yule und Brunn an- 
geführt sind, lassen keinen Zweifel darüber. Man kennt nur nicht genau das 


1) Der alte Name des Amu-Darja. 


— 14 — 


Datum der Umkehr des Oxus nach dem Aralsce. Jedenfalls floß der Oxus 
nicht mehr ins Kaspische Meer, als der englische Reisende Jenkinson im 
Jahre 1559 Turkestan besuchte; aber er bewässerte noch die westlich von 
Kunio-Urgendj gelegenen Gegenden. Nach dem Zeugnisse von Abdu-Gazi, Khan 
von Urgendi, wendete sich der Oxus allmählich nach Osten und floß im 
Jahre 1575 schon in den Aralsee. Er erzählt von Veränderungen, die dieser 
Richtungswechsel in der Landwirtschaft verursachte. 

Als Muraview im Jahre 1819 einen Teil des ehemaligen Flußbettes fand, 
wurde seine Entdeckung mit Mißtrauen aufgenommen; aber Vambery, Ka- 
relin und andere Reisende bestätigten seine Angaben. — Als im Jahre 1871 zum 
Feldzug nach Khiva gerüstet wurde, wurden von Stebnitzki Forschungen unter- 
nommen, die von der ehemaligen Mündung 300 km nach dem inneren Tur- 
kestan hinauf führten, Gluckowski erforschte das Flußbett bei Khiva und Lu- 
pandin im mittleren Teile. Auf diese Weise konnte eine genaue Karte des 
ehemaligen Amu-Darja wieder hergestellt werden. Das verlassene Flußbett, 
das eine durchschnittliche Breite von I km aufweist, ist so genau zu erkennen, 
als wenn es eben erst vom Wasser des Flusses verlassen worden wäre. Die 
Turkmenen zeigen noch heutzutage die Bewässerungskanäle die vom Oxus 
stammten. 

Dieses verlassene Flußbett wird jetzt allgemein ,Uzboi* genannt. Der 
Uzboi fängt etwas östlich von dem Delta des Amu-Darja an und wendet sich 
nach dem Doppel-See Sari-Kamisch. Nach diesem Doppelsee, der einst ein 
ganzes System von Seen bildete und dessen Wasser vor den hydrographischen 
Arbeiten der Russen viel salziger war als Mcereswasser, nimmt der „Uzboi“ 
eine südliche Richtung an, um die Anhöhen von Ust-Urt zu umgehen; später 
wendet er sich nach Osten und erreicht den Balchan - Busen, der am süd- 
östlichen Ufer des Kaspischen Meeres gelegen ist. Die Länge des Uzboi 
von dem gegenwärtigen Flußbette des Amu-Darja bis zu seiner ehemaligen 
Mündung im Kaspischen Meere beträgt 900 km. Die Trümmer der Städte, die 
man an dem Ufern des Uzboi findet, namentlich zwischen dem Amu-Darja und 
dem Sori-Kanisch, gehören zwei verschiedenen Perioden an, die den beiden, 
zu denen der Fluß Oxus ins Kaspische Meer floß, entsprechen. Die Ruinen 
beweisen einen viel höheren Kulturzustand als denjenigen der späteren Städte. 

Diese Veränderungen in der Richtung des Oxus sind in geologisch-geo- 
graphischer Hinsicht höchst merkwürdig und konnten bis jetzt in keiner Weise 
erklärt werden. 

Im siebenten Kapitel gibt der Verfasser eine Beschreibung der Ab- 
lagerungen auf dem Grunde. Aus der biologischen Karte, die er beigelegt hat, 
kann man klar erkennen, daß Sandablagerungen ungefähr bis zu einer Tiefe 
von 10 m reichen. Alles andere ist mit grauem Schlamm bedeckt; nur in der 
größten Tiefe, am westlichen Ufer, findet man schwarzen Schlamm. 

Im achten Kapitel betrachtet der Verfasser die Flora und die Fauna 
der Gegend. Es sind in dem Aralsee nur 157 Pflanzenarten gefunden worden. 
Das Vorhandensein von Chaetoteros, Coscinodiscus und Acttinoptychus ist charak- 
teristisch. Von Mollusken hat man nur 7 Arten gefunden, 18 Arten Fische und 
eine Amfipode. Das läßt sich dadurch erklären, dab der Aralsce, ehe seine 
Gewässer durch den Amu- Darja in Verbindung mit dem Kaspischen Meere 
standen, ein Süßwassersee war und später durch das Salzwasser alle die Lebe- 
wesen verschwanden, die sich den neuen Lebensbedingungen nicht anpassen 


- 15 — 


konnten. Die Fauna das Aralsees besteht aus endemischen Arten, "die auch 
dem Kaspischen Meere eigen sind und aus solchen, die sich in anderen Seen 
und -Meeren befinden. 7 

Im neunten Kapitel behandelt der Verfasser die geologische Struktur 
der Ufer des Aralsees. Man trifft hier Formationen verschiedener geologischer 
Perioden. So befinden sich hier Oberjura und Kreideformationen, tertiäre 
nummulitische Kalksteine und quaternäre Ablagerungen. Diese dem Kaspischen 
Meere und dem Aralsee gemeinsamen Gesteine führten den Verfasser auf den 
Gedanken, daß zu einer weitzurückliegenden geologischen Aral - Kaspischen 
Periode die beiden Meere in Verbindung standen. Das Sinken des Wasser- 
spiegels des Kaspischen Meeres hatte zur Folge, daß der Aralsee sich später 
in einen Süßwassersee verwandelte. Später, aber doch noch zu vorhistorischen 
Zeiten, fing der Aralsee an auszutrocknen und sich allmählich in ein salz- 
haltiges Becken zu verwandeln. Die historischen Angaben beweisen, wie 
schon erwähnt worden ist, daß seit der Hälfte des XII. bis zur Mitte des 
XVI. Jahrhunderts die Gewässer des Flusses Amu-Darja ins Kaspische Meer 
mündeten:! die Ursache davon ist wahrscheinlich eine Zunahme der atmo- 
sphärischen Niederschläge gewesen. Das Entstehen des Aralsees ist wohl 
tektonisch; das Kesseltal hat sich wahrscheinlich am Ende der Miocanperiode 
gebildet. 

Wie schon gesagt, ist das von Berg gesammelte Material sehr inter- 
essant und reichhaltig. Es ist sehr sorgfältig und peinlich analysiert worden, 
und der Verfasser hat alles mit großer Sorgfalt untersucht. Nur an wenigen 
Stellen sind seine Angaben nicht ganz genau, und ces sind nicht alle Beweise 
und Schlüsse genügend begründet. ` 


Die Entdeckung eines neuen Sterns im Sternbilde der Bidechse. 
u Von Dr. F. S. Archenhold. 


m 31. Dezember 1910 erhielt die astronomische Zentralstelle in Kiel aus 

Greenwich ein Telegramm, Espin in Towlaw habe in Rekt. 22" 32m 98,5 und 

in Dekl. + 52° 15° 21” einen neuen Stern entdeckt, der 8. Größe sei und dessen 

Spektrum helle Linien zeige. Professor Wolf in Heidelberg konnte feststellen, 

daß diese Nova bereits auf den Platten früherer Jahre als ein Stern 12. bis 13. 
Größe vorhanden war. 

K. Graff fand auf der Bergedorfer Sternwarte am 2. Januar 1911 beim Ein- 
stellen dieser Espinschen Nova den Stern im 9!/, zölligen Aquatoreal auffallend 
hell und von eigenartiger Rosafarbe ähnlich wie die Nova Persei im Mai 1901. Im 
Heustreuschen Okularspektroskop war je eine helle Linie im Rot und im Blau 
zu erkennen; eine weitere Aufhellung lag im gelben und violetten Teile des 
Spektrums, wohingegen eine stärkere Absorption im Orange und jenseits der 
F-Linie bemerkbar war. Die Helligkeitsschätzung ergab für die Nova 6,8. Größe. 
Da der Stern der 137. veränderliche ist, der im Jahre 1910 entdeckt worden 
ist, so hat er die Bezeichnung „Nova Lacertae 137. 1910“ erhalten. Die 
Eidechse liegt zwischen den größeren Sternbildern Schwan, Andromeda und 
Cassiopeja, und zwar findet man den Ort des neuen Sterns am besten, indem man 


— 116 — 


von den beiden hellen Sternen y, $ in der Cassiopeja ausgeht und den zwischen 
ihnen liegenden Abstand nach dem Schwan zu verdoppelt. 

Das Towlaw Observatorium in der Grafschaft Durham in England ist in 
Wolsingham 1885 begründet worden und erst drei Jahre später nach Towlaw, 
welches 302 m über dem Meere liegt, verlegt worden. Espin beschäftigt sich 
hauptsächlich mit der Beobachtung von veränderlichen Sternen und mit solchen 
Sternen, die besonders eigentümliche Spektren zeigen, was zumeist bei den 
neuen und veränderlichen Sternen der Fall ist. Wir finden in den A. N. No. 4466 
eine Aufnahme von Professor Wolf, die er in der einzigen halben Stunde, die 


Der neue Stern in der Eidechse (Nova Lacertae 136, 1910) und seine Umgebung. 


es seit Wochen klar war, mit seinem Reflektor erhalten hat (s. Abbildung). Das 
Instrument war wegen einer vorangegangenen Reparatur nicht gut im Focus, die 
Aufnahme geschah 1911 Januar 2 von 9" 4,1” bis 35,1”. Der neue Stern selbst 
liegt im Zentrum der Aufnahme, und alle Sterne, welche in der Bonner Durch- 
musterung sich vorfinden, sind auf der Reproduktion dadurch kenntlich gemacht, 
daß sie einen wagerechten Strich zeigen. Nahe der Nova liegt rechts oben 
der Stern der Bonner Durchmusterung + 51°3420. Seine Helligkeit ist 
8,3. Größe, woraus hervorgeht, daß die Nova selbst auch am 4. Januar noch be- 


— 17 — 


deutend heller war. Die kleinsten Sterne, welche auf der Photographie wieder- 
gegeben sind, dürften der 15. oder 16. Größe angehören. Nach dem Platten- 
material der Königsstuhl-Sternwarte ist die Gegend i. J. 1894 am 9. und 11. Januar 
2 Stunden 30 Minuten mit einem Sechszéller belichtet und am 15. Juli im Jahre 
1904 3 Stunden 46 Min. photographiert worden. An dem Orte des neuen Sternes 
stand damals ein Stern 12. bis 13. Größe, der hiernach die jetzige Katastrophe 
erlebt haben muß. 

Auch hat Prof. Barnard den neuen Stern auf 4 Aufnahmen nachträglich 
aufgefunden als einen Stern 14. Größe und zwar auf Photographien aus den 
Jahren 1893, 1907 und 1909 Aug. 22 und 24. Im 40-Zöller der Yerkes-Sternwarte 
zeigte die „Nova Lacertae“ ebenso wie die „Nova Geminorum“ zwei verschiedene 
um 8 mm auseinanderliegende Bilder. Das eine der Bilder liegt im gewöhn- 
lichen Brennpunkte und ist nur wenig gefärbt; das andere, scharfe ist karminrot 
und liegt 8 mm weit vom Objektiv ab. Es wird sehr wahrscheinlich von der 
hellen He-Wasserstofflinie erzeugt. | | 

Millosevich schätzte den Stern am 10. Januar nur noch 7,4. Größe. Pro- 
fessor Eberhard und Dr. Münch haben in Potsdam am 6., 7. und 8. Januar 
auf allen Spektralaufnahmen außer einigen schwächeren Linien besonders die 
sehr breiten und hellen Wasserstofflinien He bis Hn und ein sehr helles Band 
bei A 4654 erhalten. An der brechbareren Seite von Hy zeigte sich deutlich ein 
breites Absorptionsband. Bei 4 4056 lag eine kräftige Emissionslinie und in 
der Nachbarschaft bei d 4045 eine ebenso deutliche Absorptionslinie. Die Kal- 
ziumlinie (K-Linie) schien ganz schwach als Emissionslinie angedeutet zu sein. 

Wir haben schon des öfteren!) darauf hingewiesen, daß das Aufleuchten 
neuer Sterne zumeist durch das Zusammenstoßen abgekühlter Welten mit kos- 
mischen Nebeln verursacht wird und daß die hellen Linien von den eingeleiteten 
Glühprozessen beredtes Zeugnis ablegen. 


Die Entdeckung eines Veränderlichen oder eines neuen Sterns in den Fischen (Nova 
134, 1910 Piscium) wird vom Herrn Ernst in den A. N. 4165 gemeldet. Bei der Vergleichung von 
Aufnahmen kleiner Planeten zeigte es sich, daß ein Stern zehnter Größe Rekt. oh 277 3, Dekl. = 
+ 9° 30’ (Epoche 1855,0) auf einer neuen Aufnahme fehlte, jedoch auf zwei Platten einer solchen vom 
13. September 1907, die gleichzeitig mit einem Sechszöller aufgenommen worden sind, vorhanden war. 
Die zweite Aufnahme ist viermal solange exponiert wie die erste; trotzdem hat das fragliche Objekt 
auf der kürzer exponierten Platte die Helligkeit eines Sterns 8,8. Größe, auf der viermal so lange 
exponierten Platte nur die Helligkeit 10. Größe. Es ist also wahrscheinlich, daß der Stern während 
der Aufnahme an Helligkeit stark abgenommen hat, vielleicht sogar unsichtbar geworden ist. Die 
Form der beiden Bilder läßt es kaum zweifelhaft erscheinen, daß das photographische Objekt ein 
Stern war. Da es sich um eine Gegend am Himmel handelt (in der Nähe von 42 Piscium), die 
wohl auch an anderen Sternwarten häufig photographiert wird, so darf man weitere Aufschlüsse 
erwarten, nachdem die entsprechenden Aufnahmen untersucht sind. Der Stern fehlt auf allen an- 
deren vorhandenen Platten — es sind 18 der Zahl nach —, welche in Heidelberg vom 21. Oktober 1894 
bis 1. Oktober 1910 mit einer Expositionsdauer von einer Stunde bis zwei Stunden und 60 Minuten 
auf der Heidelberger Sternwarte gemacht worden sind. F.S.A. 


1) Vergl. „Der neue Stern im Perseus von F. S. Archenhold im „Weltall“ Jg. 1, S. 93. Weitere 
Mitteilungen über andere neue Sterne im Jg. 1, S. 108, 132, 222. Jg. 6, S. 64, 145, 171. Jg. 11, S. 23. 
Nova Sagittarii Nr. 2. 


— 18 — 


Die „Vermondung‘“ der Erde und der Planeten Fine Möglichkeit, durch welche der 
Bestand des Sonnensystems gefährdet wird, ist die sogen. „L.unarisierung“ des Planeten, was man 
als „Vermondung“ bezeichnen könnte. Es ist darunter zu verstehen, daß die Planeten, und als 
typischer von ihnen die Erde, in den Zustand des Mondes kommen, mechanisch sowohl wie auch 
physisch, der Körperbeschaffenheit nach. 


Wir alle kennen die Erscheinung der Ebbe und Flut, der Gezeiten. Sie besteht darin, daß 
der Mond und auch die Sonne das Wasser zu sich heranziehen, also besonders an denjenigen 
Stellen der Erde aufbäufen, die diesem Himmelskörper jeweils am nächsten stehen. Da sich nun 
aber die Erde dabei um ihre Achse dreht, so rollt sie gewissermaßen unter den entstehenden Flut- 
bergen immerwährend dahin. Die Gestaltung der zusammenhängenden Ländermassen (Kontinente) 
und der Inseln aber stellen sich den Flutbergen entgegen. Die Flut schlägt an sie an und bricht 
sich, muß seitlich ausweichen, um dem Monde oder der Sonne zu folgen. Diese ewige Arbeit des 
Anschlagens und der Reibung der Flutberge an der Erde hemmt diese naturgemäß in ihrer täg- 
lichen Umdrehung. Diese muß daher langsamer werden und schließlich ganz aufhören. Die Flut 
wirkt also wie ein Bremsschuh. Diese Bremswirkung muß auch auf die Umdrehung der Erde einen 
Einfluß haben; sie muß die Umdrehung der Erde verlangsamen, wie die Bremse das Rollen 
des Rades verlangsamt. Das heißt nichts anderes, als daß der Tag an Länge anwachsen 
muß, denn die Tageslänge wird ja durch die Umdrehung der Erde um ihre eigene Achse bestimmt. 
Das Bestreben der Gezeiten geht dahin, die Umdrehung der Erde um die eigene Achse so zu ver- 
langsamen, daß sie gleich einem Umschwung um die Sonne wird, daß also der Erdentag gleich 
einem Jahre wird. 

Macht man sich an einer kleinen Zeichnung klar, wie sich dann die Dinge gestalten müssen, 
so erkennt man, daß die Erde in diesem Endzustand gerade eine Umdrehung vollendet, wenn sie 
einmal auch um die Sonne gelaufen ist, d. h. die Erde kehrt dann der Sonne immer dieselbe Seite 
zu. Dieser Zustand besteht schon beim Monde in bezug auf die Erde. Der Mond kehrt der Erde 
immer dieselbe Seite zu, sodaß wir nur diese eine Seite kennen, die andere nicht. Der Umlauf des 
Mondes um die Erde stimmt also mit der Drehung um seine Achse überein. Nun ist zwar die 
Erde für den Mond Zentralkörper, sie ist aber nicht Licht- und Wärmequelle, wenigstens nicht in 
erheblichem Maße. Für den Mond ist vielmehr auch die Sonne Licht und Wärmequelle. 


Anders bei der Erde. Für diese ist die Sonne nicht bloß Licht- und Wärmequelle, sondern 
auch Zentralkörper. Wenn die Erde der Sonne also immerwährend dieselbe Seite zukehrt, so 
empfängt nur diese Licht und Wärme von der Sonne, die abgekehrte Seite jedoch nichts von 
beiden. Jahraus, jahrein würde also die Sonne auf diese Seite der Erde herniederbrennen und eine 
Hitze erzeugen, die weit über diejenige des siedenden Wassers hinausgeht. Ein Leben wäre auf 
dieser Seite der Erde damit unmöglich. Aber auch auf der andern Seite könnten wir keinen Tag zu- 
bringen, denn hier müßte eine unerträgliche Kälte herrschen, die keinen Pflanzenwuchs dulden 
würde. Die Kälte würde wahrscheinlich unter derjenigen der flüssigen Luft liegen, also unter 
200°. Das bedingte noch ein anderes. Der Luftmantel der Erde würde hier nämlich verschwinden 
müssen Denn wenn die Temperatur dort so tief ist, daß sie unterhalb des Verflüssigungspunktes 
der Luft liegt, so muß sich die Luft dort verdichten und sich als Flüssigkeit niederschlagen. Damit 
würde aber Luft von der andern Seite der Erde nachströmen, sich abkühlen und sich ebenfalls 
verflüssigen. Dieser Vorgang würde solange anhalten, bis alle Luft verflüssigt wäre. Ihres Luft- 
mantels wäre dann die Erde beraubt. Aus diesen wie auch aus anderen Gründen könnten also auf 
ihr Geschöpfe nicht mehr existieren. 


Es ist hier der Ort darauf hinzuweisen, daß durch die letztere Betrachtung die Frage der 
Venusrotation eine überraschende Aufklärung erfährt. Wir wissen, daß die Venus eine Atmosphäre 
besitzt. Das könnte aber nicht der Fall sein, wenn sie keine Axenrotation besäße, denn sonst hätten 
sich die dortigen Luftgase längst verflüssigt oder gar verfestigt, in derselben Weise, wie soeben 
dargetan. Die Untersuchungen Schiaparellis aber ließen nur die beiden Möglichkeiten offen, ent- 
weder Rotation der Venus innerhalb ihrer Umlaufsperiode um die Sonne oder Rotationsdauer von 
etwa einem Erdentage. Den ersteren Fall schließen die physikalischen Umstände aus, es bleibt 
nur der zweite. Die Lehrbücher können auf diese Weise registrieren: Venus dreht sich um ihre 
Axe in ungefähr einem Erdentage. — 


Der Astronom Darwin schloß aus den Tatsachen der Gezeitenerscheinungen, daß die Erde 
einstmals eine viel kürzere Umdrehungsdauer besessen haben muß. Robert Maver, der Entdecker 
des Satzes von der Erhaltung der Energie und der englische Astronom Adams sowie Leverrier, 
die theoretischen Entdecker des Planeten Neptun, haben ausgerechnet. in welchem Maße die Um- 
drehung der Erde durch die Bremswirkung der Gezeiten vermindert wird. Der eine fand 0,0498 Sekunden, 


— 19 — 


der andere 0,01197 Sekunden innerhalb von 2000 Jahren. Dieser Betrag ist so klein, daß wir ihn 
bisher durch die Messung nicht nachzuweisen vermochten Daß eine solche Verzögerung aber 
vorhanden ist, ist zweifellos: denn irgendwo muß die Bremswirkung wieder zum Vorschein kommen. 
Rechnet man mit dem kleinen Betrag, so findet man, daß diese Verzögerung in 


2000 : 0,01197 = 200 000 000 : 1197 : 167 000 


Jahren eine Sekunde beträgt. Soll also die Umdrehungszeit gleich der Umlaufszeit um die Sonne 
sein, so muß eine Verlangsamung um 364 Tage eintreten. Ein Tag hat nun 24 x 60 x 60 = 86400 Se- 
kunden; 364 Tage also 86 400 x 364 = 31449600 Sekunden. Die Verlangsamung um eine Sekunde 
dauert 167 000 Jahre, die um 31 449 600 Sekunden soviel mal mehr, das sind rund.5'/, Billionen Jahre 
oder legen wir den viermal größeren Betrag zugrunde, so würde dieser Zustand schon nach 1", Billionen 
Jahrem eintreten. Dabei ist zu bedenken, daß sich die Zeit noch verlängert, weil ja die ee ts 
Rotation den Endzustand hinausziehen muß. 

So lange aber spendet die Sonne nicht ihre Wärme und ihr Licht! Bis dahin ist beides so 
stark geschwächt, daß die Lebewelt aus diesem Grunde nicht mehr zu existieren vermöchte. 

Was der Erde recht ist, ist jedem andern Planeten billig... Auch bei ihnen allen muß dieser 
Zustand eintreten, wenn auch in noch so langer Zeit. Beim Merkur scheint das schon jetzt bereits 
der Fall zu sein, bei der Venus sicher nicht, denn dieser Planet besitzt noch eine Atmosphäre, die 
er nach unseren früheren Ausführungen schon längst verloren hätte, wenn seine Rotationszeit 
gleich seiner Umlaufszeit um die Sonne wäre. Tritt also nicht der Fall eines Zusammenstoßes der 
Sonne mit einem andern Sterne ein, bei welcher Gelegenheit das ganze System unterginge, so 
werden die Planeten einer nach dem andern lunarisiert. Vorher aber wird die Sonne ihren Schein 
verloren und ihre wärmespendende Kraft eingebüßt haben. Alles im Sonnensystem wird tot da- 
liegen und das System als tote, abgestorbene Welt durch den Weltraum fliegen. Aus dieser Starre 
kann es nur durch eine Zusammenstoßkatastrophe zu neuem Leben erweckt werden. 

Was uns auf den ersten Anblick so fürchterlich erscheinen muß, die Vernichtung der Sonne 
und ihres Systems durch einen Zusammenstoß mit einem andern gleichartigen Körper, wird so zu 
einer Notwendigkeit, wenn neue Lebensbedingungen geschaffen werden sollen. So erfährt die Sage 
von dem in Flammen sterbenden Phönix eine wissenschaftliche Auferstehung. 

Felix Linke. 
* * 
* 

Todesfall. Am 12. Dezember v. J. starb unser Mitarbeiter der Direktor Ludwig Günther 
in Fürstenwalde a.Sp. Günther hat sich durch seine gründlichen Forschungen auf verschiedenen 
astronomischen Gebieten, namentlich aber durch seine unermiidlichen Studien der Lebensschicksale 
und des Wirkens des großen Astronomen und Geisteshelden Johannes Kepler einen geachteten 
Namen in astronomischen Kreisen erworben. 

Einen großen Teil seines Lebens hat Günther der Keplerforschung gewidmet und in allen 
seinen Schriften begegnet man einer seinem großen Vorbilde Kepler verwandten Seele, die nıit 
feinem Verständnis und großer Liebe den oft sehr schwierigen Pfaden des berühmten Astronomen 
folgt. Außer zahlreichen größeren und kleineren Abhandlungen und Artikeln namentlich in den 
„Mitteilungen der V. A. P.“, im „Weltall“, „Sirius“ und anderen Zeitschriften veröffentlichte er an 
größeren Werken: „Keplers Traum vom Mond (bei B G. Teubner, Leipzig 1898); „Kepler und 
die Theologie“ (bei Al. Töpelmann, Gießen 1905); „Ein Hexenprozeß, ein Kapitel aus der Geschichte 
des dunkelsten Aberglaubens“, in dem nach dem Aktenmaterial der Hexenprozeß von Keplers 
Mutter dargestellt wird (bei Al. Töpelmann, Gießen 1906) und endlich „Die Mechanik des Weltalls, eine 
volkstümliche Darstellung der Lebensarbeit Keplers“ (bei B. G. Teubner, Leipzig 1909). 

In den letzten Jahren beschäftigten den Verstorbenen noch verschiedene Entwürfe, so be- 
sonders ein populärer Sternkatalog mit Anweisungen zur sicheren Auffindung der Sterne am 
Himmelsgewölbe und ferner eine sehr interessante Arbeit über das Verhältnis Keplers zu 
Wallenstein. Leider konnten diese Arbeiten nicht zur Vollendung gelangen, weil Günther 
durch andauernde Krankheit, die nun auch seinen Tod herbeigeführt hat, daran verhindert wurde. 


Günther wurde am 15. Januar 1846 zu Güstrow i. Mecklb. geboren. Nach Absolvierung 
des dortigen Realgymnasiums, wo er schon durch vorzügliche Lehrer, besonders den Mathematiker 
H. Seeger, zur Astronomie angeregt wurde, erlernte er in Neuruppin den praktischen Maschinen- 
bau, besuchte alsdann mehrere Jahre die damalige Königl. Gewerbeakademie in Berlin und das 
Polytechnikum in Hannover und war darauf in verschiedenen größeren Maschinenfabriken als 
Ingenieur tätig. Nachdem er im deutsch-französischen Krieg an den Schlachten von Vionville, 
Mars-la-Tour und Gravelotte und anderen Gefechten ruhmreichen Anteil genommen hatte, setzte 
Günther seine Tätigkeit als Maschineningenieur fort gründete später in Neustadt i. Mecklb. 


— 120 — 


eine Stärkefabrik uud war auch in mehreren großen Zucker- und Sirupsfabriken als Direktor tätig. 
Inzwischen schon hatte Günther sich vielfach und eifrigst mit astronomischen Studien uud haupt- 
sächlich mit den Werken Keplers beschäftigt, bis er vor ca. 10 Jahren seine berufliche Tätigkeit 
ganz aufgab, seinen Wohnsitz nach Fürstenwalde verlegte und sich von nun an fast ausschließlich 
seiner Lieblingsbeschäftigung, der Astronomie, widmete. 

Der Tod hat zu frühzeitig dem stillen Forscher und edlen Menschen die Feder aus der 
fleißigen Hand genommen. Auf dem Friedhofe zu Fürstenwalde liegt er begraben. 

F. Günther, Distrikts-Ingenieur. 


$Bücherschau. SE | 8 
3333333333333 333333333333333333333333333333333333393333 


Werner Mecklenburg, Die experimentelle Grundlegung der Atomistik. Jena, Verlag 
von Gustav Fischer, 1910. VIH + 143 Seiten mit einer Tafel. Preis geheftet 2,50 M. 

Wir müssen dem Verfasser, der durch seine zusammenhängenden Berichte den Lesern des 
„Weltalls“ schon lange bekannt ist, dankbar sein, daß er in der vorliegenden Schrift unter Beifügung 
eines Verzeichnisses der wichtigsten Originalliteratur so bedeutende Fragen in elementarer Weise 
behandelt hat. 

Der wesentliche Inhalt des Buches ist etwa folgender: Die selbstverständliche Forderung der 
Atomtheorie, daß die gemeinhin als homogene Gebilde angesehenen echten Lösungen, wie z.B. eine 
Kochsalzlösung, tatsächlich heterogen sein müssen, wird nicht nur durch das Vorhandensein 
kontinuierlicher Übergänge von den zweifellos heterogenen Suspensionen, in denen das bloße Auge 
oder das Mikroskop einzelne Teilchen in einer homogen erscheinenden Grundmasse erkennen kann, 
über die kolloidalen Lösungen mit kleiner und kleiner werdenden und zuletzt die Grenze der Sicht- 
barkeit überschreitenden Teilchen zu den echten Lösungen, sondern auch durch besondere direkte 
Versuche mechanischer und optischer Natur als richtig erwiesen. Über die absolute Größe der 
Atome und Moleküle sind wir zuerst durch die Untersuchungen zur kinetischen Gastheorie unter- 
richtet worden; sie ergaben, daß ein Grammolekül oder Mol!) eines Stoffes 7.10% einzelne Moleküle 
enthält, eine für das menschliche Vorstellungsvermögene unfaßbar große Zahl. Diese Ergebnisse 
konnten jedoch, so wichtig und interessant sie auch waren, nicht befriedigen, solange es keine 
Möglichkeit zur Prüfung ihrer Richtigkeit gab. In den zwei letzten Jahren ist es nun gelungen, auf 
ganz anderen Wegen noch Kenntnis von den absoluten Dimensionen der Atome und Moleküle zu 
erlangen. Theoretische und experimentelle Arbeiten über die sogenannte Brown’sche Bewegung, 
jenes eigentümliche zitternde Hinundher, das unabhängig von äußeren Energiequellen alle winzig 
kleinen Teilchen in einem praktisch homogenen Medium, so z. B. Rauchpartikeln in Luft, zeigen, 
haben erwiesen, daß diese jahrzehntelang rätselhaft erschienene Bewegung ein vollkommenes 
Analogon zu der von der kinetischen Gastheorie vorausgesetzten Bewegung der Gasmoleküle darstellt 
und daß beide Bewegungen denselben Gesetzen gehorchen, und es ward möglich, aus den experimen- 
tellen Ergebnissen, die an der Brown’schen Bewegung erlangt waren, die Loschmidt’sche Zahl, 
d. h. die bereits erwähnte absolute Zahl der in einem Mol eines beliebigen Stoffes vorhandenen 
einzelnen Moleküle zu berechnen. Das Ergebnis war 7,15.10°, eine mit dem aus der kinelischen 
Gastheorie abgeleiteten Wert überraschend gut übereinstimmende Zahl. Und zu dem ganz ähnlichen 
Werte 6,19.1023 endlich führte auch die Lehre von den Elektronen?), deren Deduktionen eine ganz 
besondere Sicherheit zu haben schienen. Neuere Forschungen von Ehrenhaft in Wien aber lassen 
manche wichtige Grundlage der Elektronentheorie unsicher erscheinen, sodaß es angezeigt erscheint, 
der von der Elektronik gelieferten Zahl nur die Bedeutung einer Größenordnung zuzuschreiben und 
die größere Sicherheit im Absolutwerte der auf den anderen Wegen erlangten um etwa 15 °/, höheren 
Zahl beizumessen. Wie dem auch sei, jedenfalls ist durch die Untersuchungen der letzten Jahre 
die Lehre von den Atomen und Molekülen, die ja für die Chemie der Gegenwart ein unentbehrliches 
Hilfsmittel ist, auf eine wesentlich festere Basis gestellt worden, als sie bisher besaß, und das muß 
als ein außerordentlich wertvoller Fortschritt der exakten Wissenschaft bezeichnet werden. 


1) Zum Begriff des Grammolcküls oder Mols vergl. „Weltall“, Jg. X, S. 136 (Anmerkung); 1909/10. 
2) Vgl. Weltall, Jg. VIII, S. 206; 1907/8. 


Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


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DAS WELTALL | 


[Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete. 


Herausgegeben von 
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 9. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Erstes Februarheft), 
Berlin-Treptow. 


Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland.16.— Mark) franko 
durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treplow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalten (Post, 
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pie — Anseigen-Gebtihren: I Seile 80.— MR., Uu Seite 45.— 


LU, Seite 25.—, Ma Srite 15.—. Uu Seite 8 — Bei Wiederholungen Rahatt - Beilngen nach Gewicht. 
INHALT 
1. Mehrfache Wasserhosen. Von Dr. F. S. Archenhold. 4. Der gestirnte Himmel im Monat März 1911. Von 
(Mil einer Beilage). s.. 2 © v2 en we 121 Dr. F.S Archenhold .. 2 2 2 2 2 2 2 2 2 0.0 130 
2. Erdbeben im russischen Turkestan. Von Prof. Karl 5. Kleine Milleilungen: Die Farben der Slerne im 
von Lysakowsky, Odessa. . .» 00. . . 127 Orionnebel. — Uber die nalürliche und künstliche 
3. Bestimmung der Sonnenrolation aus der Bewegung Brandzone der Meteoreisen — Ein Meteorstein. . . 136 
der Fackeln in den Juhren 1906 bis 1908 . . . . 128 
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet. 


Kichrfache Wasserhosen. 


Von Dr. F. S. Archenhold. 
(Mit einer Beilage.) 


(e ruhiger und stark erwärmter Luft bilden sich oft, zumeist als eine 
Wirkung aufsteigender Luftströmungen, Windhosen, Wasserhosen oder 
auch Sandhosen, die in den romanischen Ländern gewöhnlich mit dem Namen 
„Iromben“ belegt werden, weil sie oft eine trompetenartige Form haben. Sie 
entstehen fast ausschließlich in heißer Jahreszeit. \Venn sie nicht bis auf den 
Boden hinunter reichen, dann rufen sie nur eigenartige Wolkenbildungen hervor, 
treiben also ihr Spiel nur im Wasserdampf. Wenn sie jedoch über sandige 
Gegenden hinwegfahren, so wirbeln sie gewaltige Staubmassen empor. Ziehen 
sie über Flüsse, Seen oder Meere hinweg, so wirbeln in ihre Trichter gewaltige 
Wassermassen hinein. Wir sehen auf einer alten Abbildung, die wir hier in 
der Beilage wiedergeben, eine Reihe solcher Wasserhosen, wie sie vom Kapitän 
Cabbage im sicilianischen Meere in der Nahe des Kraters Stromboli am 27. Juni 
1827 von der Brigantine le Portia beobachtet und von L. Mazzara gezeichnet 
worden sind. Das Schiff hielt gerade den kurs auf diese Tromben, die es sehr 
stark bedrohten. Unsere Beilage hat nur !/ der Größe der Originallithographice, 
deren genaue Unterschrift wir hier wieder geben: 


„Phénomène de Trombes Marines, observé dans la mer de Sicile, en 
vue de Stromboli, le 27 Juin 1827, et dessiné par L. Massara, a bord du Bri- 
gantin le Portia, capitaine Cabbage, au moment ou le navire fait feu sur la 
trombe qui le menacait de plus pres.“ — St. Aulaire d'après le dessin de 
L. Mazzara. — Lith. de Engelmann, rue du Faub. Montmartre No. 6. 


Ich habe das interessante Blatt gelegentlich für unser Museum erworben, 
ohne daß mir bis jetzt eine Beschreibung des Phänomens in der Literatur be- 
kannt geworden ist. 


— 122 — 


Wir finden jedoch oft eingehende Beschreibungen von Wasserhosen, so 
besonders einige in der „Meteor. Zeitschrift“, die wir hier auszugsweise wieder- 
geben wollen. 

So schreibt H. Seemann, daß die Annahme, dic Herr Professor Reye in 
seinem Werke „Die Wirbelstürme, Tornados und Wettersäulen“ über die 
Bildung von Wasserhosen vertritt, nämlich, daß sie hauptsächlich an wind- 
stillen, heißen Tagen auftreten, nicht den Tatsachen entspricht: im Gegenteil, 
bei böigem Wetter und umlaufenden Winden werden sie z B. im Calmen-Gürtel 
des Äquators am allerhäufigsten gesehen. Seemann hat in der Singapore- 
straße 5 oder 6 Wasserhosen im Septembermonat zu gleicher Zeit beobachtet, 
während der Wind fortwährend seine Richtung änderte und der Himmel voller 
schwarzer Wolken hing. 

Die von ihm geführte Bark „Eduard“ befand sich am 11. April 1877 im 
südindischen Ozean auf 7° südl. Breite und 85° östl. Länge auf der Rückreise 
von Bassein. Der Wind war in den letzten Tagen nordöstlich, Stärke 4, ge- 
wesen, er wurde dann flauer bis Stärke 3, während die Luft stark bewölkt war. 
Um 2 Uhr nachmittags ging der Wind nach NW und frischte auf; er befand 
sich in einer Seemeile Entfernung von einem englischen Vollschiff, mit dem 
signalisiert war. Eine schwarze Wolke kam von SO gegen den Wind auf. Um 
2!/, blies der Wind aus dieser heranrückenden Wolke mit starkem Regen fast 
urplötzlich, so daß sie alle Segel back und Wind recht von vorne aus SO 
bekamen. Plötzlich bildete sich ca. 300 Schritte hinter ihnen eine prone Wasser- 
hose und gleich darauf ging der Wind wieder auf NW. 

Die Wasserhose war in ihrer Grundflache jedenfalls 30 bis 40 Schritte 
breit und reichte als schmale Säule sehr hoch hinauf in die Wolken. Sie hatten 
frischen NW-Wind und sahen, wie die an Größe immer mehr zunehmende 
Wasserhose, deren Sausen und Geräusch sie deutlich hören konnten, schnell 
auf sie zukam, also nur allein noch unter dem Einfluß des NW-Windes stand. 
Das Wasser kochte und zischte in fußhohen, kleinen, spitzen Wellen empor, es 
war ein Sausen wie beim schwersten Platzregen. Die Wolke, in welche die 
Wasserhose hineinreichte, war rabenschwarz. Die Wassermassen strömten in 
größter Schnelligkeit in Windungen um einen hellen Streifen hinauf. Dieser 
helle Streifen war scharf begrenzt von unten bis oben zu verfolgen; es wird 
ein wasserfreier Raum gewesen sein. Unterdessen hatte sich die Wasserhose 
auf 100 Schritt dem Schiffe genähert, da bog erst die Wolke nach Westen ab 
und allmählich zog die ganze Erscheinung dicht hinter dem Schiffe weg nach 
Westen zu. Die Wasserhose blieb ungefähr noch eine Stunde nach Westen zu 
sichtbar. 

P. Niejahr schreibt auch in der „Meteor. Zeitschrift“, Bd. 3, 1885: „In der 
Gegend über dem Golfstrom, besonders an der Grenze des Nordostpassats, 
beobachtet man oft die Entstehung von Wasserhosen, die sich mit auf- 
kommenden langgestreckten Böenwolken, Wolkengürteln oder auch unvollständig 
entwickelten Regenböen an deren Unterkante bilden und auf mehreren Stellen 
trichterförmige Spitzen nach unten hin absenken, welche sich zuweilen, nach- 
dem sie sich einige Grade von der Wolke entfernt, wieder hinaufziehen oder 
auch ganz oder teilweise die Meeresfläche erreichen und dann als Wasserhosen 
vielen Schaden anrichten können. Noch zu Anfang des Jahres 1885 wurde die 
Rostocker Bark „Ceylon“ durch eine Wasserhose über dem Golfstrom teilweise 
entmastet und dabei der Steuermann getötet. 


— 13 — 


Die Ausbildung dieser Phänomene geschieht gewöhnlich sehr schnell; 
geht sie in nächster Umgebung des Schiffes vor sich, so steht man solchen 
Naturgewalten hilflos gegenüber“. : 

Uber eine Wasserhose, die er auf der Reise von Newcastle nach Santos 
sah, schreibt Niejahr folgendes: „Um 1?/, Uhr kam eine größere Wolkenmasse 
(Gürtel) von vorne auf, womit der Wind von SW zu W abschralte. In Lee, 
von uns etwa 2 Seemeilen entfernt, bildete sich eine Wasserhose von 1 Grad 
Breite bei 25° Wolkenhöhe, 5 Grad nach unten ausgedehnt, lebhafte Wolken- 
drehung (Gewölk nicht ganz dunkel) mit den Zeigern der Uhr deutlich wahr- 
nehmbar. Windhose über dem Meere darunter, wobei besonders die nördliche 
Seite des Phänomens am meisten Wasserstaub aufwirbelte. Sonst existierte 
keine sichtbare Verbindung mit der Trichterspitze und dem Meere Nach 
10 Minuten war alles vorüber, und aus dem Wolkengürtel entwickelten sich 
nach einer halben Stunde Nimbi mit konzentrierten Regenstreifen, wobei der 
Wolkengürtel oben noch im Zusammenhang blieb.“ 

Über eine- Wasserhose von seltener Form schreibt Colladon in „La 
Nature“ (18. Jahrg. S. 273): Sie wird in Genf oft beobachtet und kann zu jeder 
Zeit hervorgerufen werden. An der hydraulischen Maschine ist ein Wehr an- 
gebracht, dessen Teile einzeln versenkt werden können. Läßt man nun die 
mittleren Schleusen herab, während die an den Seiten offen bleiben, so entsteht 
auf jeder Seite eine Trombe mit der breiten Trichteröffnung nach unten. Fluß- 
aufwärts entstehen beiderseits horizontale zylindrische Ansätze; sie haben die 
Neigung, sich in eine horizontale Röhre zu vereinigen und eine „Wasser- 
schlange“ zu bilden; so haben die Genfer die Erscheinung benannt. Der hori- 
zontale zylindrische Teil der Trombe, welcher an den offenen Schleusen aus- 
mündet, schwankt etwa innerhalb der Breite von einem Meter, sein Durch- 
messer ist der ganzen Lange nach gleich groß: er kann einmal unter 1 cm 
betragen, zuweilen aber auch 10 cm und mehr. Die Röhre kann bis 15 m 
lang sein. 

Faye behauptete gerade das Gegenteil, daß Wasserhosen immer absteigend 
sind und die breite Trichteröffnung nach oben haben müssen, worüber z. Zt. 
heftige Fehden stattfanden. 

Uber eine Wasserhose, die einem Schiffe von 561 Reg.-Tons-Raumgehalt 
ernstlichen Schaden zufügte, sind F. Raspe folgende Mitteilungen zugegangen: 
„Die auf der Reise von Antwerpen nach Philadelphia begriffene Rostocker Bark 
„Ceylon“, Kapitän Niemann, befand sich am 10. April 1885 ungefähr in 31° Nord- 
breite und 71° Westlange. Am Tage herrschte schönes Wetter; gegen Abend 
zog ein Gewitter herauf. Der Schiffer ließ deshalb alle Segel, mit Ausnahme 
der Ober- und Untermarssegel festmachen und abends 8 Uhr, da die Luft ein 
immer drohenderes Aussehen gewann, auch die Obermarssegel einnehmen. 
Das Wetter fing bereits an, sich wieder aufzuklären, als gegen 9 Uhr eine 
markierte dunkle Wolke im Westen sichtbar wurde. Man hielt sie anfangs für 
ein fremdes Schiff; als die Erscheinung jedoch der Bark näher kam und die 
Gestalt eines Trichters annahm, wurde sie als eine Wasserhose erkannt. Die 
Segel waren, wie bemerkt, sämtlich fest und daher ein Entrinnen des Schiffes 
unmöglich. Gleich darauf wurde das Schiff an der Backbordseite von der 
Wirbelsäule ergriffen und hart nach Steuerbord tibergeschlagen. Das Fahrzeug 
kam so schief zu liegen, daß die Spitzen der Raaen fast das Wasser berührten. 
Der Vorderteil tauchte tief unter. Gleichzeitig wurde das Schiff selbst, wie der 


— 124 — 


Mann am Ruder beobachtete, von NNW nach SSE herumgedreht und dann mit 
einer solchen Gewalt auf die Backbordseite geworfen, daß Groß- und Besanmast 
über Bord gingen. — Der ganze Vorgang soll etwa zwei Minuten gedauert haben. 

Über die Entstehungsursache der Wasserhosen ist man auch heute noch 
ungenügend aufgeklärt. Als Vorläufer derselben wird gewöhnlich schwüle, 
drückende Luft mit nachfolgendem Gewitter angegeben. Die meisten wurden 
bei sehr böigem Wetter ange- 
troffen und selbst in orkanarti- ww WERTE 3 
gen Stürmen sind Wasserhosen er | 
beobachtet worden. Ze" D 

Der amerikanische Meteoro- 
loge Cleveland Abbe hat wah- 
rend einer Expedition auf. der Le 
.Pensacola“ sehr eifrige Unter- | 
suchungen angestellt. Er beob- 
achtete, wie sich Wasserhosen 
bei sonnenklarem Wetter in einer 
plötzlich aufkommenden Regen- 
böe bildeten. Die Regenwolke 
war im westlichen Teil einer 
Cumuluswolke, die aus losem, 
niedrigem Gewölk bestand. Das 
Eigentümlichste der ganzen Er- 
scheinung lag darin, daß Wasser- 
hosen auf der von der Sonne 
beschienenen Seite der Wolke 
auftraten, während sich auf der 
andern Seite keine zeigten. Abbe 
führt das Entstehen dieser 
Wasserhosen auf einen beson- 
deren aufsteigenden Luftstrom 
infolge der größeren Erwärmung 
zurück, der hier durch die 
größere Leichtigkeit eines Teiles 
der Wolke verursacht wurde. 
Er sagt dazu folgendes: 

„Es ist klar, daß zur Bil- | x | 
dung des von der Wolke herab- Em "ZS 2: ee 


hängenden Teiles der Wasser- Die Entstehung, Entwicklung und Auflösung dreier Wasser- 
hose ein stärkerer Luftwirbel not- der Zeit von 


wendig ist als zur Bildung des aus 

Schaum, Wasserdunst und Tropfen bestehenden Wirbels an der Meeroberfläche. 
In den meisten Fällen entstanden letztere früher als die charakteristische 
Wolkenbildung der Wasserhose, aber es wurde nichts bemerkt, woraus sich 
hätte schließen lassen, daß eine aufwärts stattfindende Bewegung an der Meer- 
oberfläche begann und das Seewasser in die Wolken gelangte. Die empor- 
gerissenen Wassertropfen wurden, nachdem sie höchstens 30 m Höhe erreicht 
hatten, aus dem Wirbel herausgeschleudert und fielen hinab auf den von weitem 
einer Schüssel gleichenden Wasserwirbel.“ 


—— (u mg 


— 12 — 


Kapitan Allen vom amcrikanischen Dampfer „Santiago“ beobachtete am 
29. April 1889 nördlich von Royal Isl. (Bahamainseln) eine Wasserhose, welche 
sich ihm näherte und ca. 30 m vom Schiffe entfernt auseinanderriß. Der 
Dampfer passierte darauf den Außenrand der Wasserhose, deren Durchmesser 
60 bis 70 m betragen mochte. Beim Passieren wurde festgestellt, daß das 
Innere der W asserhose hohl war und daß sich das Wasser kreisförmig darum 
bewegte, und zwar von W nach 


EL = | = | O, also gegen die Sonne. Eine 
a: er andere Beobachtung von Kapitän 
Le y Lehmann vom Schiff „Sama- 

| \ > ' rang“ ergibt, das die Drehung 


| D - von links nach rechts, also mit 
| der Sonne, erfolgte. 

| Ob die Art der Fortbewegung 

— el CP meee SS nn — Te von bestimmten Gesetzen ab- 

= ger: SSL I eig hängig ist, ist ebenfalls noch 

eee nicht aufgeklärt. Nach dem 

amerikanischen Meteorologen J.P. 

Finley soll die Fortbewegung 


TE S > * ire et A ie 
ST. | Y `" aler Tornados von W nach O 
j erfolgen, so daß man sich west- 
| ( | lich davon immer in Sicherheit 
( befindet. In der Auffassung, daß 
| \ Wirbelwinde und \Vasserhosen 


ein und dieselbe Erscheinung 
seien, müßte sich dies auch auf 
die Fortbewegung der Wasser- 
hosen anwenden lassen; dies 
scheint aber nicht zutreffend zu 
ee a sein, Abbe hat z. B. während 
| A — vn einer Fahrt auf der „Pensacola“ 
| | bei seinen Beobachtungen im 

| Golfstromgebiet festgestellt, daß 
| ' alle Wasserhosen sich von SO 

nach NW fortbewegen. 

St te ee Aus einer anderen Mittei- 
S lung von Kapitan J. Stricker 
geht jedoch hervor, daß nicht 


hosen in der Singapore - Strale am 6. Oktober 1909 in jede Wasserhose eine vernich- 


1" 30” 


— 50", tende Wirkung ausübt. Am 

12. Mai gegen 8 Uhr morgens 
bei leichter nordwestlicher Brise kam eine Nebelwolke in NW auf, an 
welcher man anfänglich nichts Auffälliges entdeckte. Nachdem dicse Wolke 
etwa 30 Minuten in einer Höhe von 45° über dem Horizont anscheinend 
unbeweglich gestanden hatte, entwickelten sich jedoch aus ihr acht 
Wasserhosen. Um einer Berührung mit denselben aus dem Wege zu gehen. 
hielt man nach O ab. Es wurde aber windstill und eine der Wasserhosen zog 
an der Steuerbordseite über das Heck hinweg, ohne irgend welchen Schaden 
anzurichten. 


— 126 — 


In den „Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie 1910“ ver- 
öffentlicht der 2. Offizier an Bord D. S. Silesia, O. Hennig, interessante Be- 
obachtungen über die Entstehung, Entwickelung und Auflösung dreier Wasser- 
hosen im Zeitraum von 20 Minuten. Am 6. Oktober 1909 um 1 Uhr verließ sein 
Schiff den Hafen von Singapore und war in der Singaporestraße auf 1° 16’ nördl. 
Breite und 104 0‘ östl. Länge, als um 1 Uhr 10 Min. eine Gewitterböe aus rw. 
SSO aufkam, deren größte Regenmasse achteraus blieb. Aus dem nach östlicher 
Richtung sich erstreckenden Ausläufer der großen Regenwolke bildete sich zu- 
nächst eine Wasserhose im Zeitraum von 3 Minuten, gepeilt rw. SO und lief 
diese nach ONO etwa 15 Seemeilen in der Stunde. (Fig. I) 


Um 1 Uhr 35 Min. bildeten sich im gleichen Zeitraum zwei Wasserhosen, 
deren Entfernungen von der mittleren Wasserhose gleich waren, etwa 15° aus- 
einander. (lig. II.) 

Die mittlere Wasserhose überholte jedoch die vordere und schien diese 
durch den Luftdruck der überholenden Wasserhose in ihrer östlichen Fahrt 
unterbrochen zu werden. Der Rüssel der am östlichsten stehenden Wasserhose 
brach in der Mitte durch, und die untere Hälfte fiel zu Wasser, wogegen die 
obere Hälfte in die Wolke zurückgezogen wurde. (Fig. III.) 

Im Rüssel der westlich stehenden Wasscrhose, die mit gleicher Geschwin- 
digkeit die östliche Richtung beibehielt, bildete sich eine rechtsdrehende, spiral- 
förmige Schleife. (Fig. IV.) 

Um 1 Uhr 45 Min. brach auch der Rüssel der Wasserhose am oberen Ende 
ab und verfiel in sich selbst. (Fig. V.) 


Die zuerst entstandene Wasserhose behielt die östliche Richtung mit noch 
größerer Geschwindigkeit bei, indem der Rüssel in schlangenförmiger Bewegung 
mit dem unteren Ende voranlief. Um 1 Uhr 40 Min. zerfiel auch diese Wasser- 
hose in sich selbst. (Fig. VI.) 


Die Rüssel der drei Wasserhosen gingen rechtwinklig von der Unterkante 
der Wolke trichterförmig nach unten, bewegten sich schlangenförmig bis zur 
Oberfläche des Wassers und endeten hier in eine 5° hohe, rechtsrotierende 
Wasserwolke. Es erschien, als ob dies Wasser an der rechten Seite des Rüssels 
von der Wolke nach unten in die Wasserwolke fiel und an der linken Seite aus 
derselben nach oben gezogen wurde; letzteres sah so aus, als ob aus einem 
aufrechtstehenden Wasserschlauch das Wasser nach oben getrieben wurde. 


Fahrzeuge mit vollen Segeln befanden sich in der Nähe der Wasserhosen, 
deren Besatzungen hierüber aber absolut nicht besorgt zu sein schienen, denn 
die Fahrzeuge behielten ihren östlichen Kurs bei, ohne kleine Segel zu machen, 
ein Zeichen, daß dort Windrichtung und Windstärke konstant blieben. 


Zur Zeit der Beobachtung war die Windrichtung an Bord SSO Stärke ?°/,, 
der Stand des Barometers während der ganzen Beobachtungszeit konstant 
761.2 mm und die Lufttemperatur 32.5° C., Wassertemperatur 28.5° C. 


Zum Schlusse verweisen wir noch außer auf das bereits erwähnte Spezialwerk 
von Reye, das eine eingehende Schilderung der Wasserhose vom 10. Juni 1858 
zu Königswinter a. Rh. giebt, auf zwei französische Schriften von Weyher 
„Sur les Tourbillons, Trombes, Tempötes et Spheres Tournautes“, welcher auch 
interessante Experimente zur Erzeugung künstlicher Wasserhosen bespricht, und 
von Faye, „Nouvelle Etude sur les Tempétes, cyclones, Trombes ou Tornados‘, 
der seine Theorie, daß die Tromben absteigende Luftströmungen seien, verteidigt. 


= AE e " 


Der Astronom hat an diesen merkwirdigen Erscheinungen!) deshalb ein 
besonderes Interesse, weil mannigfache Vorgänge auf unserer Sonne, sowohl 
in den Flecken, wie Fackeln und Protuberanzen nicht nur ihrer äußeren Form 
nach, sondern auch in bezug auf ihr plötzliches Auftreten und die schnellen 
Veränderungen an diese Erscheinungen anklingen. 


Erdbeben im russischen @urkestan. 
Von Karl von Lysakowsky, Odessa. 


DE Gegenden des Kaukasus, des russischen Turkestans, Persiens und deren 
Nachbargebicte gehören zu den Teilen unsrer Erde, die am häufigsten von 
Beben heimgesucht werden. Seit dem Erdbeben von Wernyi im Jahre 1887 
gab es eine ganze Reihe von Beben, deren Intensität 10° der Rossi-Forelschen 
Skala betrug. So wurde nach dem Erdbeben von Krasnowodsk im Jahre 1895 
das ganze Aussehen der betroffenen Gegenden verändert. Es bildeten sich große 
Spalten und die Menschen wurden nach den Erzählungen der Eingeborenen in 
die Luft geschleudert. Zu den bedeutendsten Beben, die in den letzten 20 Jahren 
hier vorgekommen sind, gehören die von Wernyi, vom See Issyk-Kul und von 
Andijan, die im folgenden kurz beschrieben werden sollen. 

Die Erdbeben in der Umgegend von Wernyi kamen bis zum Jahre 1890 
sehr häufig vor, waren von großer Heftigkeit und wiederholten sich sonderbarer 
Weise in regelmäßigen Perioden. Sie entstammten einer der das Land durch- 
ziehenden Bergketten, und zogen schwächere Beben nach sich, die allmählich 
nachließen, bis es nach 2 Jahren wieder zu einer größeren Katastrophe kam. 
Das Beben vom Jahre 1807 soll furchtbares Unheil angerichtet haben. Damals 
bildete sich neben dem heutigen Bjelovodsk ein neuer See. 1858 ist ein großer 
Teil Taschkents durch ein sehr heftiges Beben zerstört worden. 1883 bis 1890 
sind folgende Beben aufgetreten: Im Tale Tchonisk stellten sich am 4. August 
1885 Erdveränderungen ein, die von dem Alexander-Gebirge ausgingen. Am ` 
22. Juni 1887 wurde Wernyi fast völlig durch ein Erdbeben zerstört, das vom 
nördlichen Alatau-Gebirge kam. Am 13. Juli 1889 trat im Tale Tshilik ein fürch- 
terliches Erdbeben längs des Sees Issik Kul auf, das vom Berg Talgar herkam, 
wo sich die beiden Zweige des Alatau-Gebirges schneiden. Das Erdbeben von 
Wernyi erreichte die Intensitätsskala 10 und viele Menschen wurden getötet. 

Insbesonders über das Beben vom See Issik Kul im Jahre 1889 hat die 
russische geographische Gesellschaft durch Aussendung von Fragebogen manche 
interessanten Einzelheiten gesammelt. Es traten damals viele neue Spalten in 
der Nähe des Sees Issik Kul auf, die manchmal eine Länge von einem km er- 
reichten und 3 m breit waren. Die Tiefe war eine so bedeutende, daß man selbst 
mit langen Stangen den Grund nicht erreichen konnte. Mehrere Flüsse verän- 
derten die Richtung ihres Laufes und ganze Flußufer stürzten ein. Auf der im 
letzten Hefte unseres Weltalls Seite 107 befindlichen unteren Karte ist auch der 
See Issik Kul und die von den Beben betroffene Gegend verzeichnet. 

Das schwerste Beben aber war das vom 16. Dezember 1902, das um 9 Uhr 
morgens die Stadt Andijan heimsuchte. Weder im russischen noch im ein- 


ii 


1) Vergleiche auch „Weltall“, Jg. 5, Heft 5, Prof. v. Lysakowski, „Der Cyklon von Moskau 
am 16./29. Juni 1904“. Jg. 5, Heft9, Krebs, „Tornados“ und Jg. 6, Heft 18, Krebs, „Neuere Tornados’, 


— 123 — 


heimischen Viertel blicb auch nur ein Wohnhaus unbeschädigt. Der Hauptstoß 
wurde um 7°/, Uhr abends beobachtet, jedoch wiederholten sich die Stöße noch 
einmal am nächsten Tage um 11 Uhr morgens und 4 Uhr nachmittags. Das 
Epizentrum lag nur 7 km von Andijan ab. Hier bildete sich eine große Spalte, 
aus der hohe Wassersäulen, Sand etc. emporgeschleudert wurden. Die Mu- 
hamedaner litten besonders stark, da sie fast alle infolge einer schlaflosen Nacht, 
die sie wegen eincs Festtages mit Betübungen verbracht hatten, in ihren Betten 
lagen und vom Beben überrascht wurden. Die russische Kirche, welche aus 
gebrannten Ziegelsteinen aufgebaut war, blieb allein unbeschädigt. 7000 Menschen 
verloren ihr Leben bei dieser Katastrophe und 100 000 Russen und Einheimische 
wurden obdachlos. Der Materialverlust wurde auf 2 Millionen Rubel geschätzt, 
32000 Hauser wurden vernichtet. Die Erdstöße hielten noch bis zum 25. Dezember 
an. An jenem Tage, vormittags 11 Uhr, wurde noch ein intensiver vertikaler 
Stoß beobachtet, der die liegengebliebenen Dachziegel herunter warf. Auch in 
der Umgebung von Andijan sind fast alle Fabriken und Hüttenwerke zerstört 
worden. Die Zerstörung war so gründlich, daß alle Einwohner von Andijan nach 
Margelan auswandern mußten. Von den vielen sonstigen Katastrophen des 
Jahres 1902, wie das Erdbeben von Chemaha am 12. Februar, wobei 4500 Menschen 
zugrunde gingen und 5000 Häuser zerstört wurden, der Ausbruch des Mont Pelé 
auf der Insel Martinique am 8. Mai, das Erdbeben von Kaschgar am 22. August, 
war das von Andijan wohl die fürchterlichste. Es wurde eigentlich nur von den 
Krakatoa-Beben im Jahre 1889 und von dem Lissaboner im Jahre 1757 übertroffen. 
Es sind noch die großen turkestanischen Erdbeben, das von Karatag und 
Kafiristan, zu erwähnen, wodurch ein großer Teil des russischen Turkestans, 
der Bucharei und des Khanats Hissar zerstört wurden. Sie sind jedoch schon 
im $. Jahrgang Heft 13 dieser Zeitschrift ausführlich beschrieben, sodaß sich ein 
näheres Eingehen darauf erübrigt. Seit dieser Zeit ist ein zeitweiliger Ruhc- 
zustand in dieser Gegend eingetreten, und es sind bis zum 4. Januar 1911 keine 
intensiven Erdbeben vorgekommen. An diesem Tage trat wieder ein heftiges 
Beben auf, über das noch fortgesetzt Berichte einlaufen, und das in einem 
besonderen Aufsatze beschrieben werden soll. 


Bestimmung der Sonnenrotation aus der Pewegung der Fackeln in 
den Jahren 1906 bis 1908. 


(Free berichtet im Dezemberheft 1910 des „Astrophysical Journal“ über 
seine Versuche, aus einer Reihe von Sonnenaufnahmen aus den Jahren 
1906 bis 1908 die Bewegung der Fackeln auf der Sonnenscheibe und aus dieser 
die Rotation der Sonne abzuleiten. Bis dahin lagen nur zwei solcher Versuche 
vor, die jedoch zu widersprechenden Resultaten geführt haben. Wilsing be- 
rechnete aus der Bewegung der Fackeln, daß die Rotation für alle Breiten der 
Sonne gleichmäßig verlief, wohingegen Stratonoff eine schnellere Bewegung 
am Aquator ableitete. 

Es war keine einfache Aufgabe, aus dem Beobachtungsmaterial die geeigneten 
Platten herauszufinden. Um dieselbe Fackel auch sicher identifizieren zu können, 
wurden zwei Photographien ausgesucht, zwischen deren Aufnahme annähernd 
24 Stunden lagen und die eine möglichst scharf begrenzte Fackel aus einer 


— 129 — 


bestimmten Gruppe heraus erkennen ließen. Mit Hilfe einer Lupe wurden dann 
die gefundenen identischen Fackeln auf Celluloidpapier, das über die Sonnen- 
negative gelegt war, mit roter Tinte eingezeichnet. Die Identifikation ist deshalb 
besonders schwer, weil die Beobachtung sich zumeist nur nach der Ähnlichkeit 
im Aussehen der Fackeln richten kann und nur gelegentlich noch benachbarte 
Flecken einen Anhalt bieten. Die Schwierigkeiten wachsen auch noch dadurch, 
daß die Fackeln ja nur in der Nähe des Randes liegen und daß sie auch oft 
sehr schnell ihre Form ändern, sodaß hierdurch die Einstellung des Schwerpunktes 
der Fackel noch besonders mühsam ist. Es hat daher die spätere Messung 
sehr oft ergeben, daß die beiden Fackeln nicht identisch sein konnten; es sei 
denn, daß die Fackel eine besonders große Eigenbewegung in den 24 Stunden 
gemacht habe. 

Die heliographische Länge und Breite der einzelnen Gebilde wurde durch 
Auflegung einer Karte, welche in Band 4 der Annalen des Observatoriums von 
Z6-sc in Shanghai beschrieben ist, abgelesen. Der Fehler der einzelnen Messung 
dürfte auf diese Weise unter !/,° bleiben, was in Bezug auf die schnellen Ge- 
staltsänderungen der Fackeln wohl ausreicht. Es wurden im ganzen 1144 Platten 
ausgemessen und es ergab sich folgendes Resultat: 


Die tägliche Rotation einer Sonnenfackel war am Äquator zweifelsohne am 
größten. Die gefundenen Zahlen hierfür geben wir in folgender Tabelle: 


Breitenzonen Zahl Tägl. sid. Rotation 
auf der Sonne d. beob. Fackeln einer Fackel 

Zwischen +- 30° und + 25° 42 | 13°,90 
+25 + 20 97 14 ‚17 
+20 +15 TI 14,21 
+15 + 10 3il 14,28 
+ 10 + 5 312 14 A0 
+5 0) 101 14 ‚45 
0 =: y7 14 ,53 
— D ~- 10 249 14 ,42 
— 10 — 15 375 14 A0 
— 15 359 14 ,26 
=20 — 25 222 14 ‚21 
-- 29  - Au 104 14 ‚05 


Wir schen aus dieser Tabelle, daß die Geschwindigkeitszunahme der Fackeln 
von 30° bis zum Äquator eine ganz regelmäßige ist; auch zeigt sich, daß die 
Differenz zwischen der nördlichen und südlichen Halbkugel in der Geschwindigkeit 
keine zufällige sein kann, denn alle Werte sind auf der südlichen Halbkugel 
größer als die entsprechenden auf der nördlichen Halbkugel. Es macht sich aber 
auch noch ein anderer Unterschied bemerkbar, nämlich, daß die Geschwindigkeits- 
änderungen auf der nördlichen Halbkugel mit zunehmender Breite schneller vor 
sich gehen, als auf der südlichen. Die größte Geschwindigkeit liegt einige Grad 
südlich vom Aquator, jedoch ist dieses Resultat zweifelhaft, da in der Nahe des 
Äquators eine geringere Zahl von Fackeln beobachtet worden ist. 

Wenn beide Zonen der nördlichen und südlichen Halbkugel vereinigt werden, 
so erhält man folgende Zahlen: 


— 130 — 


Breitenzonen 
auf der Sonne 


Tag! sid. Rotation Rotationsperiode der 
der Fackeln Fackeln in Tagen 


Zwischen 0° und 5° 14,50 24,836 
5 10 14 ‚44 24,937 

10 15 14 ‚34 25,125 

15 20 14 ‚24 25,288 

20 25 14 ‚20 25,357 

25 30 14 ‚01 25,712 


Wir schen hieraus, daß die Fackeln in der Zone zwischen 25 und 30° Breite 
zu einer Rotation fast einen ganzen Tag mehr Zeit gebrauchen als am Äquator. 

Aus einem Vergleich der Beobachtungen Chevaliers auf dem chinesischen 
Observatorium Zô-sé mit denen von Stratonoff vom Observatorium in Pulkowa 
geht hervor, daß beide eine Geschwindigkeitsabnahme in höheren Breiten fest- 
stellen. Dem steht jedoch ein früheres Resultat von Wilsing auf dem Pots- 
damer Observatorium entgegen. 

Es ist auch noch interessant, die Rotation der Sonnenflecken, die in tieferen 
Schichten der Photosphäre liegen, mit der der Fackeln, die in höheren Schichten 
lagern, zu vergleichen, Es stellt sich hierbei heraus, daß die Bewegungen der 
Fackeln nicht viel von denen der Flecke abweichen, ja, daß sie sich genau nach 
einer Formel bewegen, die Maunder für die Sonnenflecke aufgestellt hat. 

Es dürfte weiter interessant sein, die Rotation der Fackeln noch mit der 
der Floccoli, welche von Hale und Fox zuerst bestimmt ist, zu vergleichen. 
Wenn auch beide wieder eine Zunahme der Rotation am Aquator zeigen, so 
scheint es jedoch, daß die Floccolischicht sich in der Nähe des Aquators etwas 
schneller bewegt als in höheren Breiten. Es wird interessant sein, diese Unter- ` 
suchungen nach einigen Jahren zu wiederholen, um zu sehen, ob vielleicht eine 
Änderung der Rotationsbewegung in den einzelnen Schichten der Sonne mit der 
Periode der Sonnenfleckentätigkeit auftritt. F. S. Archenhold. 


WW 


Der Sestirnte Himmel im Monat März 191. 


Von Dr. F. S. Archenhold. 


Die Spektren der Sterne. 


Bei der Bedeutung, welche heute die spektroskopische Untersuchung der Sterne 
fiir die Entdeckung neuer, enger Doppelsterne, fiir die Feststellung der Bewegung der 
Sterne in unserer Gesichtslinie wie für Temperatur- und Dichtebestimmungen gewonnen 
hat, dürfte es zweckdienlich sein, hier einiges über die Einteilung der Sternspektren 
mitzuteilen. Eine nur oberflächliche Beobachtung läßt schon auffallende Unterschiede 
der Spektren erkennen, die sich in verwirrendster Weise vermehren, sobald man auf 
Einzelheiten sich einläßt. Daher ist eine Klassifizierung der Sternspektren vonnöten. 
Fraunhofer hat zuerst den Versuch zu einer solchen Einteilung der Sternspektren gemacht, 
indem er drei Klassen aufstellte und als ihre Hauptvertreter Sirius, Capella und Beteigeuze 
anfiihrte. Die Fraunhofersche Einteilung wurde später durch Secchi umgeändert, 
der folgende fünf Klassen unterschied. 

Die erste Klasse umfaßt die weißen und blauen Sterne (Sirius, Altair etc.). 
Das Spektrum enthält hauptsächlich vier schwarze Linien, eine im Rot und im Grünblau 
und zwei im Violett. Sie gehören alle dem Wasserstoff an. Fast die Hälfte aller Sterne 
zählt zu dieser ersten Secchischen Klasse. 


— 131 — 


Zur zweiten Klasse gehören die gelben Sterne (Capella, Pollux etc.) Ihr Spektrum 
enthält feine schwarze Linien und gleicht fast vollständig dem unserer Sonne, die auch 
ein gelber Stern ist. | 


In der dritten Klasse findet man die roten und orange gefärbten Sterne ` 


(Beteigeuze, « Herkulis etc.). Ihr Spektrum besteht aus feinen schwarzen Linien und breiten 
dunklen Streifen, die sich zum Teil übereinander lagern. Die ersteren liegen auf der 
blauen, die anderen mehr auf der roten Seite. 


Der Sternenhimmel am 1. März 1911, abends 10 Uhr. 
Fig. 1. 


SPP 4 O A] ass aoe 


$ "e 
Sg % 
e N 


Ne 
marie 
GO 4 


Walfisch 
af. 


2 
N 
w 

= 

Ge 

“ 


(Polhöhe 521/46) 


Die vierte Klasse enthält die blutroten Sterne. Hier sind die Linien nach der 
roten Seite scharf begrenzt und werden mehr nach dem Violetten hin breiter. 

Die fünfte Klasse enthält nur einige wenige Sterne, die ein direktes Wasser- 
stoffspektrum geben (wie A Lyrae, y Cassiopejae). 

Zu einer neuen Einteilung der Sternspektren schritt E. C. Pickering als er im 
Draperschen Katalog der Harvard - Sternwarte die dort veröffentlichten Spektren von 


20" Agh 


4a" 12N 


æ For nal hart 2. A ri tares 


Zah Jan 20h qor ‘4gh ‘47r 


S = Sonne M = Mond. Me = Merkur. V = Venus. 


10351 Sternen zu ordnen hatte. Es wurden mit einem photographischen Objektiv von 
20 cm Offnung und 115 cm Brennweite dadurch, daB ein Prisma vor das Objektiv gesetzt 
war, statt der punktförmigen Bilder immer gleich die Spektren enthalten. Es wurde der 
ganze Himmel bis zu den Sternen 25° südlicher Deklination in dieser Weise spektroskopisch 
durchmustert. Die verschiedenen Pickeringschen Klassen sind mit A bis Q bezeichnet. 

A enthält alle Sterne, deren Spektren nur Wasserstofflinien zeigen. 

B. Außer den Wasserstofflinien treten noch andere Linien auf; besonders die von 
der Wellenlänge 402,6 uu und 447,1 wu. Hierzu gehören viele Sterne im Orion und im 
großen Bären. 

C. Die Wasserstofflinien G und h erscheinen doppelt, sonst genau wie A. 

D. Genau wie A, nur treten noch helle breite Banden auf. 

E. Nur die Linien F, H und K sind sichtbar. 

F. Ein Spektrum wie bei A, nur daß die G- und h-Linie schwach und die K-Linie 
stark auftritt. 

G. Es treten noch andere Linien hinzu. 

H. Ähnelt dem Spektrum der Klasse F, nur daß die Intensität des Spektrums schnell 
bei den Wellenlängen, die kleiner als 431 uu sind, abnimmt. 

I. Wie H, nur sind noch weitere dunkle Linien sichtbar. 

K. Wie H, nur treten noch dunkle Banden hinzu. 

L. Andere Varietäten der Klasse H. 

M. Die Strahlen von größerer Wellenlänge als 476,2 uw erscheinen bedeutend 
schwächer als die von kleinerer Wellenlänge. 

N. Ist für die roten Sterne reserviert, die freilich im Draperschen Katalog nicht 
vorkonmen, da sie nicht hell genug sind. 

O. Umfaßt die Sterne, die hauptsächlich aus hellen Linien bestehen, wie die, die 
von Rayet entdeckt sind. | 

P. Umfaßt die Spektren aller planetarischen Nebel. 

Q. Alle Spektren, die nicht in den obigen Klassen unterzubringen sind. 

Hiernach entsprechen die Pickeringschen Klassen A bis D dem ersten Secchischen 
Typus. E bis L dem zweiten, M dem dritten, N dem vierten und O, P, Q Spektren, 
welche bei Secchi nicht vorkommen. Pickering!) hat noch auf Grund des Materials 


1) Annals of Harvard College. Bd. 26, Kap 8. 


Ma = Mars. 


fur den Monat Marz 1911. 


Fig. 2a. Nachdruck verboten. 


J = Jupiter. 


e CA PR AN -3 
— 


Oh Ah on 


Sa = Saturn. U= Uranus. N = Neptun. 


in diesem Draperschen Katalog über die scheinbare Verteilung der Spektralklassen 


am Himmel interessante Untersuchungen angestellt und gefunden, daß die Spektralklassen 


A und B besonders häufig in der Milchstraße vorkommen. Boraston!) hat noch weiter 
gefunden, daß Klasse B besonders stark im Schützen vorkommt und daß diese Stern- 
gruppe auch eine gemeinsame Eigenbewegung zeigt, die gerade der Sonne entgegen- 
gesetzt gerichtet ist, sodaß sie sich auf das Sternbild des Orions zu bewegt. Ebenso 
scheint eine Gruppe von 150 schwachen Sternen zwischen Leyer und Herkules wiederum 
eine besondere Bewegung zu vollführen. 

Zöllner hat zuerst die Ansicht ausgesprochen, daß die gelben und roten Sterne 
nur verschiedene Abkühlungsstufen der weißen Sterne darstellen, woraufhin H. C. Vogel 
eine andere Klassifikation vorgenommen hat, die die verschiedenen Entwicklungsstadien 
der Sterne darstellt: 

Klasse I. Sterne, deren Glühzustand noch ein sehr hoher ist, sodaß die in ihren 
Atmosphären enthaltenen Metalldämpfe nur eine geringe Absorption ausüben. Es treten 


. entweder keine oder nur sehr zarte Linien im Spektrum auf (weiße Sterne). 


Klasse II. Sterne mit kräftigen Absorptionslinien (gelbe Sterne wie unsere Sonne). 

Klasse III. Sterne, deren Hitze schon so weit gesunken ist, daß Verbindungen 
der Stoffe in ihren Atmosphären sich bilden können, die breite Absorptionsstreifen 
hervorrufen (rote Sterne). Bei den einzelnen Klassen werden dann noch Unterabteilungen 
vorgenommen. 

Lockyer teilt die Sternspektren auf Grund seiner Ansicht, daß alle Körper im 
Weltenraume aus meteoritischen Dämpfen und Meteoren sich zusammensetzen, in sieben 
verschiedene Gruppen, von denen die erste Kometen und Nebelflecken enthält, deren 
Spektrum nur helle Linien darbietet, und deren letzte siebente alle dunklen Körper umfaßt. 

Aus dem angeführten ist wohl ohne weiteres ersichtlich, daß sich eine strenge 
Vergleichung zwischen den Spektralklassen der einzelnen Autoren nur schwer durch- 
führen läßt. 

Die Sterne. 


Unsere Sternkarte gibt den Sternenhimmel am 1. März abends 10 Uhr wieder, gilt 
auch für den 15. März abends 9 Uhr, den 1. April abends 8 Uhr u. s. f. Der Meridian 
läuft vom Südpunkte des Himmels durch die Wasserschlange zwischen den Zwillingen und 


1) Astronomy and Astrophysics. Bd. 12, Seite 57. 


E |) GE 


dem Löwen entlang durch die vorderen Tatzensterne des großen Bären und den Polar- 
stern parallel zu den beiden hellsten Sternen des Cepheus hin zum Nordpunkte des Hori- 
zontes, wo noch gerade einige Sterne des Schwans sichtbar sind. Aus den Spektro- 
grammen des Sternes 57 Cygni, der 4,7. Größe ist, hat Baker auf dem Allegheny-Obser- 
vatorium in Pittsburgh aus drei Heliumlinien, zwei Wasserstofflinien und einer Magnesiumlinie 
festgestellt, daß der Stern aus zwei Sternen besteht, die in 2,8546 Tagen um einander 
laufen. Bei dem veränderlichen Stern Algol können wir den Umlauf des dunkleren Be- 
gleiters um den Hauptstern sechsmal im Monat März an folgenden Tagen beobachten. 


März 6. 5h morgens, März 14. 7b abends, 
- 9 Qh - - 29. 3b morgens, 
- 11. 105 abends, - 31. mitternacht. 


Das Zodiakallicht wird vom 15. Februar bis zum 2. März und vom 16. bis 31. März 
am Westhimmel, nach Beendigung der Abenddämmerung, als eine mattleuchtende, schief 
zum Horizont gerichtete Pyramide zu sehen sein, insofern kein künstliches, störendes Licht 
den Horizont aufhellt. 


Der Lauf von Sonne und Mond. 


Die Sonne steht zu Anfang des Monats März im Sternbilde des Wassermanns und 
rückt, wie wir aus unserer Karte 2a ersehen, im Laufe des Monats in das der Fische. 
Hierbei durchschneidet sie am 21. März den Äquator, den sogenannten Frühlingspunkt. 
In diesem Moment stimmt die Sternzeit mit der mittleren Sonnenzeit überein. Obgleich 
in diesem Schnittpunkte des Äquators und der Ekliptik kein heller Stern steht, ist es 
doch einer der wichtigsten Punkte am Himmel, da immer, wenn dieser Punkt durch den 
Meridian .zieht, der Sterntag in dem betreffenden Momente vollendet ist, bezw. von neuem 
zu zählen angefangen wird. Wie wir auch aus unseren Karten ersehen, steht deshalb an 
dieser Stelle Ob und von hier aus werden auch die Rektascensionen der Sterne gezählt, 
sodaß beispielsweise die Sterne des Orions eine Rektascension haben, die zwischen 5h 
und 6b liegt; die Sterne des kleinen Hundes zwischen 7° und 85 u. s.f. Die Ekliptik hat 
schon in den frühesten Zeiten die Aufmerksamkeit der Beobachter auf sich gelenkt, da 
sie auch die Wandelbahn für die Planeten ist. Heute liegt der Frühlingspunkt in den 
Fischen, während er früher im Widder lag und 2151 Jahre zuvor im Stier, ebensolange 
vorher in den Zwillingen u. s. f., sodaß im Laufe von 25800 Jahren alle Sternbilder der 
Ekliptik einmal zu Frühlingssternen werden. 

Infolge des Umlaufes der Erde um die Sonne rückt letztere im Laufe eines Jahres 
einmal in eins der 12 Tierkreisbilder und wiederum infolge des täglichen Umschwunges 
der Erde um ibre Achse rückt jedes Tierkreisbild im Laufe eines Tages einmal in den 
Meridian. Aus folgender Tabelle geht hervor, daB sich die Mittagshöhe der Sonne während 
des Monats März um 12° hebt. 


Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshdhe 
März 1. — 7° 55° 65 55™ morgens 5b 41™ nachm. 291/, 0 
- 15. — 2° 29 6b 23m - Gh 7m - 35 ° 
- 3L + 3° 49° jh 45m - 6b 35m - 41!/,° 


Der Mond ist für den 1., 3., 5. u. s. f. wiederum in unsere Karten 2a und 2b mit 
seinen sich ändernden Phasengestalten eingetragen. Seine Hauptphasen fallen auf fol- 


gende Daten: 
Neumond: März 1. (Uh morgens. 


Erstes Viertel: März 7. Mitternacht. Letztes Viertel: März 21. 1!/,b morgens. 
Vollmond: - 15.15 morgens. Neumond: - 30. 1?/,b nachmittags. 


Im Monat März finden drei Sternbedeckungen statt, von denen jedoch bei der 
ersten nur der Eintritt, bei der zweiten nur der Austritt bei uns zu beobachten ist. 


— 135 — 


Win- | Austritt |Win- | 
kel | M. E. Z. | kel | 


Eintritt 
M. E. Z. 


Bürg. Tag Name ee Rekt. | Dekl. 


Bemerkung 


März 7. | Ar Tauri 4,6 | 3h 5gm | + 21050. Dir 53m,9 56° | 1b 38m,7 | 2840| Monduntergang 
: | | morgens | morgens ih 22m morgens 

» 16 | d Virginis 4,3 13h 5Bmi— 5° 4° 7bh15m5 103° Bh 10,7 | 3149) Mondaufgang 

| | abends | abends | 8h 3m abends 

go 21: 22 Scorpii | 5,0 16h 25m — 24055°; 1h50m,1 | 1270 3h 3m,7 _ 279°; Mondaufgang 

| | morgens | EES | 1h 1m morgens 


Die Planeten. 


Merkur (Feld 21%/, bis 14/, 5) bleibt wegen seines nahen Standes zur Sonne während 
des ganzen Monats unsichtbar. | 

Venus (Feld 1/," bis 2!/,5) ist zuerst schon 1!/, Stunden und am Ende des Monats 
2'/, Stunden lang am Abendhimmel sichtbar. In der Zeit, in der die Venus aus den 
Strahlen der Sonne heraustritt, wird sie sehr oft von allen denen, die nicht an die Venus 
denken, als ein angeblich neuer Stern entdeckt. Es ist dies die Zeit, in der ich stets 
auf eine Reihe von Zuschriften rechnen kann, in denen von einem Stern berichtet wird, 
der vorher nicht an dieser Stelle war und auffallend hell sei. Da die Venus oft durch 
die Dünste des Horizonts ein verschwommenes Aussehen hat, wird auch von einem Schweif- 
ansatz berichtet, der sie zu einem neuen Kometen stempelt. Die Venus steht am 2. März 
abends 7 Uhr in Konjunktion mit dem Monde und am 29. März, 7b morgens, in Konjunk- 
tion mit Saturn und zwar steht die Venus 2° 24' nördlich vom Saturn. 

Mars (Feld 19'/," bis 21 b) tritt am 11. März in Konjunktion mit Uranus, sodaß beide 
zusammen in einem Opernglase gesehen werden können, da Uranus nur 23° nördlich 
vom Mars steht Freilich sind beide nur am Morgenhimmel !/, Stunde lang vor Sonnen- 
aufgang sichtbar. 

Jupiter (Feld 143/,") ist in rückläufiger Bewegung und tritt am 19. März in Konjunk- 
tion ınit dem Monde. Er geht bereits vor Mitternacht auf, ist am Ende des Monats schon 
7 Stunden lang am Nachthimmel sichtbar. 

Saturn (Feld 21/,5) wird in der Dauer seiner Sichtbarkeit immer mehr gekürzt, 
dadurch, daß die Sonne in seine Nähe rückt, sodaß er am Ende des Monats nur eine 
Stunde lang am Abendhimmel zu sehen ist. 

Uranus (Feld 20) ist schon mehrere Stunden lang am Morgenhimmel sichtbar. 

Neptun (Feld 71/,5) ist wegen seines hohen Standes noch 7!/, Stunden lang am 
Abendhimmel zu beobachten. 


Bemerkenswerte Konstellationen: 


März 2. 7 abends Venus in Konjunktion mit dem Monde. 
- 4. 11 abends Saturn in Konjunktion mit dem Monde. 
- 11. 10 vormittags Mars in Konjunktion mit Uranus. Mars 23' südlich von Uranus. 
- 19. 35 morgens Juviter in Konjunktion mit dem Monde. 
- 20. 25 nachmittags Merkur in oberer Konjunktion mit der Sonne. 
- 21. 7h abends Sonne im Zeichen des Widders. Frühlingsanfang. 
- 26. 1 morgens Mars in Konjunktion mit dem Monde. 


- 29. Tb morgens Venus in Konjunktion mit Saturn. Venus 2° 24' nördlich von 
Saturn. 


morgens Merkur in Konjunktion mit dem Monde. 


ME 


Lg 
bei 


- 31. 8 


Die Farben der Sterne im Orionnebel. Herr K. Burns teilt in den „Publ. of the astron, 
Soc. of the Pacific vol. 22“ mit, daß er versucht hat, die von Curtis mit dem Croßley-Reflektor der 
Lick-Sternwarte gemachten Aufnahmen, die auf gewöhnlichen oder auf farbenempfindlichen Platten 
unter Benutzung eines Gelbfilters hergestellt sind, zu Farbenbestimmungen der Sterne im Orionnebel 
zu benutzen. Es braucht wohl nicht erwähnt zu werden, daß die roten und. gelben Sterne auf den 
farbenempfindlichen, und die blauen Sterne auf den gewöhnlichen Platten heller erscheinen, sodaß 
die Größenunterschiede der einzelnen Sterne auf den verschiedenen Plattensorten einen Matstab für 
die Farbentönung des Sternes also auch für seinen Spektraltypus abgeben können. Es stellte sich 
heraus, daß die meisten Sterne, von 146 allein 125, gleicher Farbe und zwar blaue Sterne waren. 
Die Größen der einzelnen Sterne wurden abgeleitet von den bekannten Größen der Vergleichssterne 
des veränderlichen T Orionis. Da jedoch bei allen Sternen, deren Spektra im Orionnebel untersucht 
waren, nur der blaue Typus sich vorfindet, so mußte man noch andere Platten zur Hilfe nehmen, und 
zwar wählte man Aufnahmen vom Ringnebel in der Leyer, die unter den gleichen Bedingungen her- 
gestellt waren. Hier fanden sich auch drei schwache Sterne vom Spektraltypus A, F und Ma. Bei 
den Sternen des Orionnebels stellte sich eine geringe Farbenveränderung mit der größeren Dichte 
der sie umgebenden Nebelmasse heraus, sodaß es nicht unwahrscheinlich ist, daß die Absorption der 
Nebelmassen an der Veränderung die Schuld trägt. Die nebelfreien Stellen euthalten überhaupt nur 
wenige Sterne und ausschließlich solche, deren Färbung normal ist, sodaß es wahrscheinlich ist, dab 
fast alle Sterne dieses Gebiets auch wirklich physisch mit den Nebelmassen verbunden sind. Es hat 
sich noch bei der Untersuchung der Platten ergeben, daß etwa 20 veränderliche Sterne unter ihnen 
vorkommen, sodaß die schon früher ausgesprochene Vermutung, dali die Veränderlichen besonders 
häufig in Nebelwelten und Sternhaufen vorkommen, sich auch hier bestätigt. Jedoch sind in diesem 
Falle die gefundenen Veränderlichen nicht wie zumeist rot gefärbt, sondern von blauer Farbe, sodat 
sie auch wahrscheinlich eine recht kurze Periode ihrer Veränderlichkeit zeigen werden. 

F. S. Archenhold. 
Ki $ x b 

Uber die natiirliche und kiinstliche Brandzone der Meteoreisen und das Verhalten der 
Neumannschen Linien im erhitzten Kamacit haben F. Berwerth und G. Tammann der Königl. 
Akademie der Wissenschaften in Wien eine Abhandlung überreicht, die interressante Beobachtungen 
über Veränderungen des Kamacites von Mount Joy bei Erhitzung enthalten; sie hängen von der 
Zeit und der Temperatur ab. So war bei 700° Erhitzung und 240 Sekunden Branddauer die Ver- 
änderung unvollständig, desgleichen bei 820° Temperatur und 20 Sekunden und 900° Temperatur und 
1 Sekunde Branddauer; wohingegen bei 11009 Temperatur bereits bei 2 Sekunden und bei 12009 
Temperatur schon bei 1 Sekunde Branddauer die Veränderungen vollständig auftraten. Weiter fanden 
sie, daß die Kluftnetze zwischen den abgekörnten Teilen nicht wie die Neumannschen Linien durch 
mechanische Beanspruchung entstanden sein können. 

Beobachtungen über die Breite der natürlichen Brandzonen haben ergeben, daß die Behauptung 
von Brezina, wonach die Breite der Brandzonen umgekehrt proportinal dem Gewichte des Meteo- 
riten sei, nicht richtig und dieser Zusammenhang auch aus der Theorie der Wärmeleitung theoretisch 
nicht zu erwarten ist. Da ferner die Brandzonen an den vertieften Stellen der Oberfläche stets die 
kleinste Breite besitzen, also Stellen der schwächsten Öberflächenerhitzung sind, so beweist auch 
diese Beobachtung die Unrichtigkeit der Daubreeschen Piezoglyptentheorie. 

Schließlich werden Versuche über die Herstellung einer künstlichen Brandzone mitgeteilt. 
Mittels Anwendung des Knallgasgebläses wurde eine den natürlichen Verhältnissen vollkommen ent- 
sprechende künstliche Brandzone am Kamacit des Meteoreisens von Mount Joy erzielt. 


Kr Ki 
* 


Ein Meteorstein, der in dem Meteorkrater, 8 km siidlich von der Sunhhine-Station der Atchison, 
Topeka und Santa Fe-Bahn im Coconino-Distrikt in Arizona gefunden worden ist, und dessen Gewicht 
92 kg beträgt, ist von W. H. Crocker der Lick-Sternwarte geschenkt und dort in der Haupthalle 
aufgestellt worden. 


Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW, 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


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„Das Weltall“, Jg. 11, Heft 10. Aus dem .Asironomischen Museum“ der Treptow- Sternwarte. 


Johannes Hevelius. 
(Geboren am 28 Januar 1611, gestorben am 28, Januar 1687.) 


DAS WELTALL 


[Illustrierte Zeitschrift für 


Herausgegeben von 


Astronomie und verwandte Gebiete. 


Dr. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 10. 


Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. 


Verlag der Treptow-Sternwarte, 


Berlin-Treptow. 


1911 (Zweites Februarheft). 


— Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 


durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalten (Post- 
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einzelne Nummer 60 Pie. — Anseigen-Gebtihren: 1 Seite 80.— MS. Vg Seite 45.— 


1/, Seite 25.—, '/, Seite 15.—, (iw Seite 8.—. 


Johannes Hevelius. 


Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewicht. 


Ein Gedenkblatt zum 300. Geburtstage. 


Von Dr. F. S. Archenhold. 


(Mit einer Beilage.) 


bh dem gleichen Jahre, in dem der große Meister Kepler zum ersten Male die 
Gesetze für die Lichtbrechung in Glaslinsen in seiner berühmten „Dioptrik“ 
aufstellte und das astronomische Fernrohr in seiner einfachsten Gestalt beschrieb, 


10 Jahre nach dem Tode 
des berühmten dänischen 
Beobachters Tycho Bra- 
he, wurde in Danzig am 
28. Januar 1611 dem Braue- 
reibesitzer Abraham He- 
velke und dessen Ehe- 
frau Cordula, aus dem 
Geschlechte Hecker, ein 
Sohn Johannes geboren, 
der unter den schwierig- 
sten Umständen zu einer 
Zeit, als die Kriegsfurie 
des dreißigjährigen Un- 
friedens 
Fluren verödete und ge- 


radezu lähmend auf kün-. 


ste und Wissenschaften 
wirkte, jede freie Stunde 
seines Lebens der Astro- 
nomie weihte Mit wel- 
chem Erfolge, wollen wir 
im folgenden schildern, 
jedoch zuvor aus seiner 
Jugend- und Bildungszeit 


Deutschlands 


Abbildung 1. 


Denkmal 


von Johannes Hevelius. 


alles das mitteilen, was 
uns das so merkwürdige 
Wirken dieses Mannes 
verständlicher machen 
wird und dazu beitragen 
dürfte, unsere Sympathie 
und Bewunderung für ihn 
zu erhöhen. Ein Mann, 
der zeitlebens den Beruf 
eines Bierbrauers und 
Ratsherren gewissenhaft 
ausfüllte und doch Zeit 
fand, ein großes Werk 
über den Mond!) zu 
schreiben, das neben vie- 
len zahlreichen Einzel- 
darstellungen die erste 
vollständige Mondkarte 
enthält, der einen wert- 
vollen Fixsternkatalog mit 
1564 Örtern und einen 
Sternatlas mit prachtvol- 
len Bildern auch des süd- 
lichen Himmels veröffent- 
lichte, der 4 Kometen, 


1) Wir geben am Schluß ein Verzeichnis aller Werke von Hevelius und über Hevelius 


wieder, die uns zugänglich waren. 


— 140 — 


die vom Jahre 1652, 1661, 1664 und 1677 entdeckte und den von 
1672 so genau beobachtete, daß Berberich aus diesen Beobachtungen eine 
definitive Bahn ableiten konnte, der die Periode des veränderlichen Sternes 
„Mira“, des ,Wunderbaren* im Walfisch, zu 11 Monaten bestimmte, den Abstand 
des berühmten Doppelsternpaares 61 Cygni zuerst maß, tausende von Mond- 
kratern, Sonnenflecken, Jupiter-, Venus- und Merkurs-Beobachtungen etc. auf 
seiner selbsterbauten „Stellaeburgum“ mit selbstkonstruierten Instrumenten an- 
stellte, verdient es, das wir seiner noch heute gedenken. 

Auszüge von Briefen, welche an und über Hevelius geschrieben worden 
sind, und die wir weiter unten (S. 152) abdrucken, spiegeln, wenn auch im Style 
der damaligen Zeit in überschwenglicher Weise, die Wertschätzung seiner Zeit- 
genossen wieder. 


Abbildung 2. 


EEN SEH SC? e Aa 
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£2 227, “Ao Liht 
“ 


‘ Aus: Hevelius, „Machinae coelestis“ 1673. 
Hevelius Sternwarte „Stellaeburgum“ in Danzig. 


Aus der frühesten Jugendzeit Johannes ist uns nur wenig bekannt, Er 
war der Erstgeborene und hatte noch 6 Schwestern und 3 Brüder, von denen 
ihn nur die jüngste Schwester überlebte. Er wurde von seinem Vater zu einem 
praktischen Berufe bestimmt und, weil damals Danzig zum Königreich Polen!) 
gehörte, schon mit 14 Jahren nach Gondecz, unweit Bromberg, geschickt, um 
die polnische Sprache zu erlernen. Nach seiner Rückkehr trat er bei einem 
Kaufmann als Lehrling ein. Aber seine Neigung zu den Wissenschaften ver- 
anlaßte seine Eltern, ihn 1627 auf das akademische Gymnasium zu schicken, 
wo er fleißig insbesondere mathematische Vorlesungen hörte, obgleich er sich 
eigentlich nur mit Rechtswissenschaft und Literatur, um später Ratsherr werden 


d Danzig behielt bei der ersten Teilung Polens 1772 zwar noch seine Freiheit, war aber 
schon von preußischem Gebiet völlig umschlossen und fiel erst bei der zweiten Teilung endgiltig 
an Preußen. Hevelius ist aber nachweislich deutscher Abstammung, was schon aus den ver- 
schiedenen Schreibweisen seines Namens, Hövelcke, Hövelius, Hewelcke (eigentlich Hügelchen), 
hervorgelit. Danzig ist auch der Geburtsort von Fahrenheit, v. Archenholtz, Chodowiecki, 
Johanna Schopenhauer u. a. 


= 141 — 


zu können, beschäftigen sollte. Es war besonders der bekannte Mathematiker 
und Astronom Peter Crüger (Krüger), der ihn für die Astronomie begeisterte. 
Crüger war ein treuer Anhänger der Lehre des Kopernikus und trug auch 
schon die neuen Himmelsgesetze des großen Kepler seinen Schülern vor. 
Sein im Jahre 1630 in Breslau veröffentlichtes Werk „Frag und Antwort, 
darinnen die aller kunstreichsten und tiefsten Geheimnisse d. Astronomie usw. 
dermussen deutlich u. verständlich ausgeführt sind, dass dieselben beydes von 
Gelehrten und Ungelehrten gar leicht können gefasst und begriffen werden“ fand 


Abbildung 3. 


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Aus: 'Hevelius. „Machinae coelestis“ 1673. 
GroBes Fernrohr von Hevelius vor den Toren Danzigs. 


große Verbreitung. Hevelius durfte als sein Lieblingsschüler ihm bei der 
Konstruktion von Sonnenuhren, Himmelsgloben und Armilarsphären, beim 
Linsenschleifen und bei sonstigen mechanischen Arbeiten behilflich sein und 
erhielt so zum großen Nutzen seiner späteren Beschäftigung eine große Fertig- 
keit in der Behandlung des Holzes, wie auch der Metalle, im Kupferstechen und 
anderen mechanischen Künsten. 

Soweit es der damals traurige Zustand der akademischen Instrumente zuließ, 
half Hevelius seinem Lehrer mit jugendlichem Enthusiasmus bei seinen astro- 
nomischen Beobachtungen. In der Frauengasse in Danzig, wo Peter Crüger 


allerlei wunderbare Instrumente und Sammlungen untergebracht hatte, waren 
oft Lehrer und Schüler in trautem Zwiegespräch bis in die frühen Morgenstunden 
beisammen, um theoretisch und praktisch ihrer Lieblingswissenschaft obzuliegen. 
Auf Wunsch seiner Eltern, die die astronomischen Neigungen ihres Sohnes nicht 
gern sahen, trat Hevelius eine mehrjährige Reise (1630—34) ins Ausland an 
und kehrte so zum Studium der Rechts- und Verwaltungswissenschaften zurück. 
Er besuchte nacheinander Holland, wo er ein Jahr lang auf der Universität zu 
Leyden studierte, England, Frankreich, wo er allerwärts in Berührung mit 
bedeutenden Männern, wie Frist, Wallis, Gassendi und vielen anderen, kam. 
Er hatte noch die Absicht, in Italien Galilei aufzusuchen, als er im Jahre 1634, 
nach vierjähriger Abwesenheit, von seinen Eltern nach Danzig zurückberufen 


Abbildung 4. 


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KS 


Titelbild, aus: Hevelius „Prodromus Astronomiae“, 1690. 


wurde. Hier lebte er sich schnell in den Brauereibetrieb seines Vaters ein und 
heiratete am 21. Mai 1635 Katharina, die Tochter eines angesehenen und wohl- 
habenden Kaufherrn, Johann Rebeschke. Es hatte den Anschein, als ob die 
Liebe zur Astronomie in dem jungen Manne ganz erstorben ware, doch trat im 
Mai 1639 ein völliger Umschlag ein, nachdem sein Freund und ehemaliger Lehrer, 
den er wenige Tage vor seinem Tode besuchte, ihn inständig gebeten hatte, sich 
doch ja wieder der Astronomie zuzuwenden. Diese Bitte des Sterbenden machte 
einen so tiefen Eindruck auf Hevelius, daß er von nun an seine ganze freie 
Zeit zum Bau von Instrumenten und zu astronomischen Beobachtungen ver- 
wendete. Trotzdem vernachlässigte er seinen Beruf und die Ehrenämter, die 
er inne hatte, in keiner Weise, sodaß man mit Recht von ihm sagte: „Den Wissen- 
schaften lag er ob, als ob er nichts weiter zu tun hatte; und den städtischen 


Abbildung 5. 


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DËS — — EN — — —_— EH ER = ER EZ? _— ER — = — — o- EE? = DE? EEN EI EH — — = — — EH — ca — =- ER EN 


Der Drache (Draco). Aus: Hevelius, „Prodromus“ 1690. 


Abbildung 6. 


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$; ër, = Gedam nuper ! hi ° | 
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Abbildung 7. 


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Wassermann (Aquarius). Aus: Hevelius, „Prodromus“ 1690. 


Abbildung 8. 


Fuhrmann (Auriga). Aus: Hevelius, „Prodromus“ 1690 


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Abbildung 9. 


Der große Bar (Ursa Major). Aus: Hevelius, „Prodromus“ 1690. 


Abbildung 10. 


Die Jagdhunde (Canes Venatici). Aus: Hevelius, „Prodromus“ 1690. 


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Abbildung 11. 


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CENTAURUS. 


Centaur (Centaurus) und südliches Kreuz (Crux). Aus; Hevelius, „Prodromus“ 1690. 


Abbildung 12. 


Orion. Aus: Hevelius, „Prodromus“ 1690. 


Google 


— 147 — 


Amtern und seinen Freunden widmete er sich so, als wenn er von Wissenschaflen 
garnichts verstünde“. Er war im Jahre 1641 in die Schöppenbank und 1651 in 
den Rat der Altenstadt Danzig gewahlt worden. 

Im Jahre 1639 beobachtete er sehr sorgfaltig die totale Sonnenfinsternis am 
1. Juni und nachdem er eine Reihe astronomischer Instrumente beschafft und zum 
Teil selbst erbaut hatte, errichtete er 1641, gleichzeitig mit der Übernahme des 
Schöppenamtes, auf seinen drei nebeneinander liegenden Häusern in der „Pfeffer- 
stadt“ eine Sternwarte, die er „Stellaeburgum* benannte. (Abbildung 1.) 


Abbildung 13. 


Johannes Hevelius 
nach dem Gemälde von Daniel Schulz. 
Das Original befindet sich in der Stadtbibliothek zu Danzig. 


Da die Häuser gleiche Firstenhöhe hatten, ließ er über diese hinweg eine 
Plattform in Gestalt eines Rechtecks von 1259 Quadratfuß Flachenraum, welche 
rings mit einem Geländer umgeben war, auf einem einfachen Unterbaue auf- 
führen. Auf derselben befand sich ein Drehpavillon für einen Quadranten und 
ein anderer für einen neuen sechsfüßigen Sextanten, zwischen beiden ein dritter 
Pavillon zum Aufenthalt des Astronomen. Die Aussicht von der Sternwarte 
war ganz frei und bei der reizenden Umgebung von Danzig sehr schön; im 
Norden und Osten erblickte man die Weichsel, die Festung Weichselmünde, 
das Meer und am äußersten Horizont die Halbinsel Hela. Im Süden und Westen 
sah man die Stadt, die Nehrung und die Hügel gegen Uhra und Langfuhr. Die 


Lage wurde kaum von Tycho 
Brahes Uranienburg über- 
troffen, die jener mit Unter- 
stützung des Königs von Dane- 
mark auf der Insel Hveen 
am Sunde errichtet hatte. 

Die ersten Fernrohre He- 
velius besaßen nur eine 
Lange von 1'/, bis 4 m und 
die Rohre selbst waren aus 
Pappe angefertigt. Als He- 
velius mehr Übung im Glas- 
schleifen erlangte, erbaute er 
Fernrohre bis 10 m Länge und 
machte die Rohre aus Holz 
oder verzinntem Eisenblech. 
Das Objektivende wurde an 
einem Geländer, vermittelst 
einer Stange durch Rollen und 
Stricke auf- und niederbewegt, 
und das Okularende durch 
eine gezackte Stange erhöht 
oder erniedrigt. Das größte 
Fernrohr, welches er noch auf 
seiner ,Stellaeburgum* errich- 
ten konnte, hatte eine Länge 
von 18 m: dieses Fernrohr 
mußte jedoch für jede Beob- 
achtung besonders aufgestellt 
werden und ist deshalb sehr 
selten in Anwendung gekom- 
men. Zuletzt baute Hevelius 
ein Riesenfernrohr von 45 m 
Länge, das an einem Mast von 
27 m Höhe vermittelst Flaschen- 
zug emporgezogen wurde. Das 
Objektiv, welches von dem 
Optiker Buratini in Warschau 
geschliffen war und sich gegen- 
wärtig noch in Danzig befindet, 
wurde in diesem Falle mit 
dem Okular nicht mehr durch 
cine geschlossene Röhre ver- 
bunden, sondern nur durch ein 
versteiftes Brett, welches an 
der Seite kreisrunde Öffnungen 
trug; dieses große Fernrohr 
(vergl. Abb. 3) erregte zurzeit 
großes Aufsehen; es war je- 


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e KS, CH Le Auge Produ ü gleich zahlreiche Stricke die 
SC? | Zeie U Los Ba Zeta, up Biegung des Rohres aufzu- 
À n heben versuchten. 
Hevelius hatte in seinen 
Häusern auch eine Druckerei 
eingerichtet. Er begnügte sich 
nicht damit, die Zeichnungen 
selbst zu entwerfen, sondern 
er stach sie auch in Kupfer- 
platten. Von dieser seiner 
Kunst legen unsere Abbildung 
4, das Titelblatt aus Hevelius 
reich ausgestattetem Werke: 
„Prodromus astronomiae“, wel- 
ches 1690 aus seinen nach- 
gelassenen Schriften von seiner 
Frau herausgegeben wurde und 
der prachtvolle Sternatlas, den 
Hevelius auch eigenhändig 
entworfen, beredtes Zeugnis 
ab. Wir geben einige dieser 
Sternbilder in Abb. 5 bis 12 
wieder. Hierunter befinden 
sich auch zwei der neu von 
Hevelius eingeführten Stern- 
bilder, Der Sobieskische 
Schild (Abb 6), ein Ehren- 
denkmal für seinen Gönner 
Johann III, König von Polen, 
der aus der Sobieskischen 
Familie stammte, und die bei- 
den Jagdhunde Asterion und 
Chara (Abb. 10), die dem 
Bootes, dem Treiber des 
großen Bären, von Hevelius 
als Hilfe beigegeben wurden. 
Der kleine Löwe, Leo minor, 
und der Luchs, Lyux, ver- 
danken auch ihre Versetzung 
an den Himmel Hevelius. 
Wir finden sie als Neben- 
figuren in Abb. 9 und 8. Das 
letztere Sternbild wird nur aus 
ganz kleinen Sternen gebildet. 
Get die nur von sehr scharfen 
e pas Augen gesehen werden können. 


he Sternenhimmel. Aus: Hevelius, „Prodromus“ 1690. 


— 150 — 


Der Atlas enthält auch eine sehr schöne Darstellung des südlichen Sternen- 
himmels (Abb. 14), bei der Hevelius ein Verzeichnis von Halley benutzen 
konnte (vergl. Halleys Brief vom 11. Nov. 1678, S. 157). 


Bei allen seinen 
Beobachtungen be- 
nutzte Hevelius 
selbstgefertigte In- 
strumente. Vergleicht 
man die Winkelmes- 
ser des Hevelius mit 
denen Tychos, so 
wird man zugestehen 
müssen, daß Heve- 
lius mehrere wesent- 
liche Verbesserungen 
daran angebracht hat, 
die er selbst erfun- 
den und meist, was 
die feinere Arbeit, na- 
mentlich die Teilung 
anbetrifft, mit eigener 
Hand ausgeführt hat. 
Die Verbesserungen 
betreffen 1. die über- 
aus leichte Beweg- 
barkeit der großen, 
schwerenInstrumente, 
welche er durch ge- 
schickte Benutzung 
von Rollen, Gegen- 
gewichten, Hebeln, 
Zahn und Trieb und 
durch richtige Ver- 
teilung der Last er- 
zielte: 2. die sichere 
und leichte Einstel- 
lung des ganzen In- 
struments und na- 
mentlich der Alhidade 
durch Anwendung von 
Stell», Druck- und 
Korrektionsschrauben 


Abbildung 15. 


Aus: Hevelius, „Machinae coelestis“ 1673. 


Hevelius und sein Gehülfe bei der Beobachtung der Sonnenfinsternis 
im Jahre 1661. 


und durch Gewichte und Gegengewichte: 3. die möglichst genaue Einteilung 
des Limbus mit Anwendung des Nonius und einer Mikrometerschraube; 
4. die sinnreiche Einrichtung der Diopter, ebenso wohl des Objektiv- als 
des Okular-Diopters; 5. die Vorrichtung, daß der Beobachter selbst bei vertikaler 
Stellung der Alhidade noch mit aller Bequemlichkeit observieren konnte, und 
6. die Einrichtung des Drehpavillons. — Von Scheiner, der zur Beobachtung 
der Sonne ein Heliotrop und Helioskop erfunden hatte, entlehnte er das letztere, 


— 151 — 


vereinfachte es aber und verbesserte es wesentlich. Mit einem solchen Instru- 
ment beobachtete er auch die Sonnenfinsternis im Jahre 1661 (Abb. 15), indem 
er das Sonnenbild durch ein Fernrohr in ein verdunkeltes Zimmer auf Papier 
` Abbildung 16. fallen ließ, das er 
vermittelst einer Stan- 
ge immer senkrecht 
zur Fernrohrachse zu 
halten verstand. Wenn 
sein Gehilfe ander- 
weitig beschäftigt war, 
unterstützte ihn seine 
Frau bei den astro- 
nomischen Beobach- 
tungen (Abb. 16). 
Kein Beobach- 
tungsgebiet blieb He- 
velius fremd. In 
den Jahren 1642 bis 
1645 zeichnete er eif- 
rig Sonnenflecke und 
sammelte zum Ver- 
gleich frühere Dar- 
stellungen (Abb. 17). 
Die zahlreichen Ta- 
feln der ,Selenogra- 
phia“, seines Haupt- 
werkes über den Mond, 
zeugen (Abb. 18) von 
seinem zeichneri- 
schen Geschick und 
seinem unermiid- 
lichen Eifer. In Paris 
habe ich zufällig ein 
Exemplar dieses Wer- 
kes aufgefunden, das 
ein vorzügliches Por- 
trait von Hevelius 
und eine eigenhän- 
dige Widmung des 
Verfassers an Louis 
Aus: Hevelius, „Machinae coelestis“ Pars I. 1673 Henri de Lomenie, 
Johannes Hevelius und seine Frau bei der Beobachtung Graf von Brienne 
am großen Quadranten. R : 
enthalt. Wir geben 
sie in Abbildung 22 hier wieder. Das Buch. bildet jetzt eine Zierde unserer 
Bibliothek. Das Wappen des Herzogs ist in Gold, als ein Super-Exlibris ') 


1) Dr. Kekule von Stradonitz, der sich speziell mit den Super-Exlibris beschäftigt, wird 
dieses kostbare Stück noch besonders vom bibliophilen Standpunkte aus behandeln; das Buch 
enthält noch zwei Exlibris von John Putland und einem Unbekannten. Die Bibliothek des Grafen 
von Brienne ist am 24. April 1724 bei James Woodman in London zur Auktion gelangt. 


— 162 — 


(AuBenpressung) auf den Umschlag gepreßt. Ein anderes Werk Hevelius 
die ,Cometographia‘, enthält prachtvolle Darstellungen von Kometen (Abb. 19 
und 20). Auch finden wir solche in dem berühmten Buche „Das Stufenjahr“ 
(Abb. 21), sein letztes Werk, das er noch eigenhändig in Diuck geben konnte. 

Das Leben Hevelius blieb nicht frei von Prüfungen; im Jahre 1662, als 
seine Beobachtung des Merkurdurchganges ihm viele Ehrungen von Akademien 
und Universitäten einbrachte, traf ihn durch den Tod seiner Gattin ein harter 
Schicksalsschlag. 

Er heiratete ein zweites Mal am 3. Februar 1663 die schöne I6jährige 
Tochter eines angesehenen Danziger Kaufmannes Elisabeth Koopmann, die 
ihm eine treue Gehilfin, auch bei seinen Beobachtungen wurde. Nun konnte 
Hevelius sich immer mehr seinen Beobachtungen widmen, zumal König 
Johann III. ihm 1677 eine jährliche Pension von 1000 Gulden aussetzte. Zwei 
Jahre später wurde Hevelius von einem neuen Schicksalsschlage getroffen: 
als er außerhalb der Stadt auf scinem Landhause weilte, wurden seine Sternwarte 
(Abb, 2) nebst Bibliothek, Druckerei, wie auch seine noch unveröffentlichten 
Schriften in Asche gelegt. Gerettet wurden nur u. a. die Keplerschen Hand- 
schriften, welche Hevelius auf seiner Reise von dem Sohne Keplers gekauft 
hatte, eine große Anzahl seiner Kupferplatten und 15 Bände der an ihn ge- 
richteten Briefe, von denen wir hier einige wiedergeben. Der größte Teil der 
„Machinae coelestis, Pars posterior‘ ging mit in den Flammen unter, daher ist 
dieses Werk besonders selten. Hevelius ließ jedoch den Mut nicht sinken und 
erbaute mit Unterstützung seiner vielen Freunde und Gönner eine neue Sternwarte. 
Unter der Nachwirkung jenes Unglückes und der angestrengten Beobachtungs- 
tätigkeit ließen seine Kräfte immer mehr nach, und an seinem Geburtstage, den 
28. Januar 1687 starb Hevelius mit dem Bewußtsein, daß sein wissenschaft- 
licher Nachlaß in den Händen seiner Frau gut aufgehoben sei. 

Während das der „Selenographia“ vorgesetzte Bildnis, welches von Twen- 
husen gemalt und von Falck gestochen war (Abb. 22), Hevelius im kräftigen 
Mannesalter darstellt, zeigt uns das in unserer Beilage wiedergegebene, dem 
„Prodromus astronomiae“ vorgedruckte Bild, das von A. Stech gemalt und von 
Lambertus Visscher gestochen worden ist, Hevelius im Alter von 70 Jahren. 
Es existiert noch ein drittes Gemälde von Daniel Schulz, das Hevelius in 
sitzender Stellung neben einem Himmelsglobus wiedergibt (Abb. 13). Auch zwei 
Medaillen sind Hevelius zu Ehren geprägt worden. Ein Denkmal (Abb. 1) ist 
ihm gelegentlich seines hundertjährigen Todestages von dem letzten König der 
Polen, Stanislaus Augustus in Danzig errichtet worden. Noch länger als 
dieses werden seine Werke und astronomischen Beobachtungen den spätesten 
Geschlechtern seinen Ruhm verkünden. -- 


` 
— 


DAC | Auszüge von Briefen an und über Hevelius. ID, 


Petrus Gassendi schreibt: 24. März 1644. 
An den hochberühmten und hochweisen Joh. Hev. in Danzig, 
Schöppen der Altstadt daselbst. 
Sie haben mir, hochberühmter Mann, eine so außerordentliche 
Freundlichkeit bewiesen, daß es über mein Vermögen geht, mich würdig 
dankbar zu zeigen. Sie selbst haben mir Anieil an Ihrer Freundschaft ge- 


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Aus: Hevelius, „Cometographia“ 1668. 


Abbildung 17. Sonnenflecken im Jahre 1625. 


Aus: Hevelius, „Selenographia“ 1047. 


Abbildung 18. Anblick des Vollmonds nach einer Zeichnung SR ius. 
Digitized by Ogle 


— 14 — 


geben, um die ich viel mehr hatte werben müssen, und haben mir freiwillig 
geschenkt, was ich zu verlangen nicht den Mut gehabt haben würde... 
GroBen Dank schulde ich Ihnen fiir die so herrliche Darstellung 
der Sonne mit ihren Flecken, und freue mich, daß Sie ein so treff- 
liches Fernrohr besi zen und eine Methode anwenden, die weit bequemer als 
die Scheiner’sche ist: daß Sie sich nicht bloß so vortrefflicher Augen er- 
freuen, welche man recht eigentlich Luchsaugen nennen könnte, sondern auch 
einer so kunstgeiibten Hand, daB die Darstellung garnicht besser gemacht 
werden kann. Deshalb willige ich nicht bloßein,sondern fordere 
Sie sogar auf, sovielich vermag, daß Sie die Beschreibung 
des Mondes, die ich mir vorgenommen, zu Tage fördern. 
Denn, während ich, ohne Geschicklichkeit zum Zeichnen, 
mich fremder Hände habe bedienen müssen, können Sie 
bei Ihrer seltenen Begabung sich der eigenen bedienen, 
um die Gegenstände zu zeichnen, und was die Hauptsache 
ist, in Kupfer zu stechen.... 


Petrus Gassendi: 


Paris, den 24. Oktober 1647. 

Jetzt erst habe ich Ihre Sendung erhalten, und sogleich die Exemplare 
an Mersenne, Robervall und Boulliau übergeben; für das mir be- 
stimmte sage ich Ihnen meinen verbindlichsten Dank. Sobald ich es vom 
Buchbinder zurück hatte, kamen Freunde, die es sich ausbaten, um es zu 
studieren, sodaß ich selbst es noch kaum habe ordentlich ansehen können. 
Auch aus der oberflächlichen Betrachtung meine ich erkannt zu haben, daß 
es ein Werk ist, würdig bis auf die späte Nachwelt zu 
kommen, und geeignet, Ihrem Namen Dauer zu verleihen, 
solange es eine Wissenschaft geben wird. Was Sie darin über 
mich sagen, nehme ich mit schuldigem Danke auf, und halte es wert als cinen 
Beweis Ihrer besonderen Freundschaft für mich. 


Akademie zu Oxford: 
18. November 1650. 

Endlich haben wir hocherfreut Ihre Mondbeschreibung empfangen, eine 
Gabe Ihres gelehrten Geistes und des Himmels zugleich: 
sie hat, wie gebührend, eine Hauptstelle in der berühmten Bodlejani schen 
Bibliothek erhalten, als ein des großen Vaters würdiger Nach- 
wuchs, worin wir mit Freuden den raschen und hohen Geist erkennen, 
den wir einst leiblich unter uns sahen. Wir wünschen Ihnen Glück, hoch- 
verehrter Mann, daß Sie, beider Leitung Ihrer Stadt betraut, in 
unserer geschäftereichen und für Wissenschaften nicht 
sonderlich günstigen Zeit MuBe gefunden haben, mit dem 
Himmel einen Verkehr zu unterhalten, wobei Sie den Weg 
weisen, wie das blöde Auge sich zu den Sternen erheben 
und verkünden mag, was außerhalb der Grenzen der Natur 
geschieht...Wirgewöhnlichen Gelehrten begnügen uns meistens 
mit herkömmlichen Wahrheiten und kleben an dem von unseren Vorfahren 
längst Aufgefundenen; Sie aber, nicht zufrieden mit gewöhn- 
lichem Ruhme, haben die Grenzen der Wissenschaften er- 


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Abbildung 20. 


Abbildung 19. 


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Aus: Hovelius, .Cometographia™ 1668. Aus: Hevelius ,Cometographia“ 1608. 
Der Komet 1661 in seiner Abnahme vom 


Verschiedene Kometen aus den Jahren 157%, 
1590, 160%, 1618, 1647 und 1652, letzterer von 3, Februar bis zum 28. März von Hevelius 
(Hevelius selbst beobachtet beobachtet. 


Abbildung 21. 


ef ë/ Comete 


Annus Climactericus* 1685. 


Aus: Hevelilius, a 
81, von Hevelius in Danzig beobachtet. 


Der große Komet vom 2, Dezember 1680 bis zum q. Januar 16 


— 156 — 


weitert, haben durch verehrungswiirdige und wunderbare 
Kunst den Mond uns vor Augen gestellt, undihn gleichsam 
zur Erde hinabgezogen.... 


Prokanzler und Senat der Universität Cambridge: 
16. Dezember 1649. 

.... Ihre Selenographie ist ein ungewöhnlicher Beweis Ihrer Freund. 
lichkeit, wie Ihrer Gelehrsamkeit. .... Wir hegten nicht geringe Hoffnungen; 
Sie haben dieselben weit übertroffen. ... Sie schenken uns hier eine 
neue Welt, die die gescheuten Leute in alter Zeit nur durch Zaubergesänge 
angeblich herabbrachten; in einer Weise, als wären Ihnen die himm- 
lischen Körper ebenso bekannt, wie uns sonst der Erdball, 
auf dem wir stehen ... Die Mondscheibe erläutern Sie uns besonders trefflich 
und heben an der Géttin Luna, was kein Endymion je zu kénnen hoffte, alle 
Flecken und Mäler hervor..... Sie allein haben uns dies neue himm- 
lische Amerika entdeckt und beschrieben. . .. Wir stellen Ihre Seleono- 
graphie unter die Schätze der Bibliothek und weihen sie an unserm 
Teile der Unsterblichkeit. So werden spate Enkel er- 
kennen, wieviel sie Ihrer Gelehrsamkeit schuldig sind.... 


Stanislaus Lubieniecki an Joh. von Rautenstein: 


| Hamburg, 20. Juni 1665. 

... Mich wundert, daß Heinsius mich mit dem großen 
Hevelius vergleicht.... Übrigens stehe ich vor Hevelius 
alsvordem Homer unserer heutigen Astronomen auf, und 
sehe, daß auch sonst ausgezeichnete Astronomen ihm die 
Palme reichen. 


Jean Dominique Cassini: 
Paris, 23. Juli 1669. 

(Dank für die Cometographia.) Dies Werk steigert die bisher von mir 
gehegte Bewunderung für Sie; es zeigt sich darin außer der unvergleichlichen 
Sorgfalt auch die hohe Auffassung der Kometentheorie und der Erforschung 
der inneren Beschaffenheit dieser rätselhaften Himmelskörper. Ich wünsche 
Ihnen Glück zur Vollendung dieses großen und für die Ewigkeit be- 
stimmten Werkes..... Je großartiger unsere neue Sternwarte durch 
des Königs Gnade werden soll, um so mehr Zeit braucht sie zur Vollendung; 
solange wir noch keinen geeigneten Ort zu Beobachtungen haben, können 
unsIhre Beobachtungen gar sehr zur Hülfe kommen.... 


Stanisl. Lubieniecki: 
Hamburg, 22. Dezember 1673. 

ENEE Ich habe mich nicht geirrt, groBer Hevelis, als ich Dich in 
meinem „Theatrum Cometicum® einen zweiten Hipparch nannte, der zu 
unserer Zeit gleichsam vom Himmelherabgesendet sei. Diese 
ganz vortreffliche Beschreibung der himmlischen Maschinen und Gestirne.....: 
beweisen, daB Du ein Mann vom Himmel und ein wahrer Be- 
wohner des Himmelsbist..... 


-— 


— 157 — 


Jean Picard: 
Paris, 2. November 1674. 

.... Ich kann es garnicht sagen, mit welcher innigen Herzens- 
freude und Bewunderung ich dies außerordentliche Denk- 
mal Ihrer Gelehrsamkeit, Ihres Fleißes, Ihres Scharfsinnes, Ihrer Genauigkeit 
und Feinheit und Ihres erhabenen Sinnes für astronomische Untersuchungen 
betrachtet habe. Durch Vereinigung aller jener Vorzüge sind 
Sie sich allein genug in der Tätigkeit, die sonst ohne gemeinsames 
Wirken gelehrter Männer und Freigibigkeit hoher Gönner kaum ordentlich 
geübt werden kann. ..... | 


John Flamsteed: 
ZZ Greenwich, 20. Juli 1677. 

Aus Ihrer Antwort auf meinen Brief sehe ich mit außerordentlichem 
Vergnügen, daß derselbe nicht nur Ihr Mißvergnügen beseitigt, sondern mir 
auch Ihre Freundschaft erworben hat, die mir erwünschter 
und lieber ist als irgend Etwas in der Welt. Immer habe ich 
nach der Freundschaft gelehrter Männer gestrebt, aber nach der Ihrigen 
besonders; denn aus Ihren Werken habe ich Sie längst als einen Mann 
kennen gelernt, der nicht obenhin, nicht bloß aus eitlem Haschen 
nach Ruhm, sondern um der Nachwelt zu nützen und 
wenigerbegabten Forschern beizuspringen, diese Wissen- 
schaft mit ungewöhnlichen Kosten und.nicht geringeren 
körperlichen und geistigen Anstrengungen betrieben hat. 
',... Gott schütze Ihr Leben und Ihre Gesundheit, der Sie die Zierde 
und Stütze der Astronomie sind. 


Edmund Halley: 
Oxford, 11. November 1678. 


Aus Ihrem durch Freund Flamsteed erhaltenen Briefe ersehe ich 
Ihren Wunsch, mein Verzeichnis antarktischer Sterne zu haben. Ich sende 
es Ihnen sofort hiermit, und bin erfreut, mir bei der Gelegenheit die Freund- 
schaft eines so ausgezeichneten Mannes erwerben zu kénnen.... 
Wollen Sie den Katalog benutzen und ihn in Ihren Arbeiten mit heraus- 
geben, so werden Sie mich sehr verbinden und meine Liebe zu Ihnen und zur 
Astronomie noch mehr entzünden; denn auf diese Art wird mein Name unter 
Ihren unsterblichen Werken dem Geschicke der Ver- 
gessenheit entrissen und bei später Nachwelt bekannt 
werden. So Gott will, gedenke ich nächstens nach Danzig zu reisen, um den 
bei allen Gelehrten berühmten Mann, den ich nicht ohne 
Eiferder Nachahmung verehre, persönlich kennen zu lernen, Ihre 
Instrumente und Ihre Beobachtungsweise in Augenschein zu nehmen und 
mich mit Ihnen über den weiteren Fortschritt der Astronomie zu be- 
sprechen. 


Edmund Halley: 
Danzig, 8. Juli 1679. 


2.2... Daß ich mit solchem Wohlwollen und solcher Freundlichkeit 
bei Ihnen aufgenommen bin, daß Sie mir mit solcher Zuvorkommenheit und 
Rückhaltlosigkeit Ihre sämtlichen astronomischen Instrumente gezeigt haben, 


— 158 ` 


und daB es mir so oft gestattet wurde, bei Ihren Beobachtungen zugegen zu 
sein, rechne ich mir zum besonderen Glücke an, und kann mir zu meiner 
Reise in hohem Grade Glück wünschen. ... Freiwillig lege ich Zeugnis 
ab für die unglaubliche Zuverlassigkeit Ihrer Instrumente 
gegenalle die, welche künftig die Richtigkeit Ihrer Beob- 
achtungen bezweifeln möchten. Ich weiß nicht, ob meine 
Freude oder meine Bewunderung größerist..... Ich bitte Gott 
inbrünstig, daß er Sie noch lange im Besitze leiblicher und geistiger Kräfte 
erhalte, damit Sie noch lange der gelehrten Welt nützen, und spät erst 
inden Himmel zurückkehren mögen. 


Verzeichnis der Werke von Johannes Hevelius. By) Verzeichnis der Werke von Johannes Hevelius. [EEN 


Hevel, Johann [Hevelius, Hewelcke:] Selenographia: sive Lunae Descriptio; atque 
Accurata ... delineatio. In qua simul caeterorum omnium Planetarum nativa facies, variaeque ob- 
servationes, praesertim autem Macularum Solarium, atique Jovialium, Tubospicillo acquisitae figuris... 
incisis, sub aspectum ponuntur: .. . Addita est, lentes expoliendi nova ratio; ... 112 Tafeln, 14 ff. 
+ 563 S. fol. Gedani, 1647. 

— E.rcellentissimo ... Dn. Laurentio Eichstadio, ... Johannes Hevelius. S. [Eclipsis Solis 
observata Gedani Anno a nato Christo 1649. die 4. Novembris, st. Greg]. 1 Tafel, 2 ff. fol. [Ge- 
dani, 1650]. | 

— Illustribus Viris, Petro Gassendo E Ismaeli Bullialdo, Philosophis ac Mathematicis nostri 
seculi summis ... Johannes Hevelius S. [Dabam Gedani è museo meo, Anno Salutis 1652, die 10. Julij, 
st. n]. Tafel 4 ff. fol. [Gedani, 1652 


— Epistolae II. Prior: De Motu Lunae Libratorio, in certas Tabulas redacto. .. . Posterior: 
De utriusqué Luminaris defectu Anni 1654. 1 Tafel, 72 S. fol. Gedani 1654. 


— Dissertatio, De Nativa Saturni Facie, ejusq, variis phasibus, certa periodo redeuntibvs. 
Cui Addita est, tam Eclipseos Solaris anni 1656 Observatio, quam Diametri Solis apparentis accu- 
rata dimensio. 4 ff. 6 Tafeln + 40 S. und 11 S. unpaginiert. fol. Gedani, 1656. 


— Mercurius In Sole visus Gedani, Anno Christiano MDCLXI, ... Cui annexa est, Venus 
In Sole pariter visa, Anno 1639, . .. Liverpoliae, a Jeremia Horroxio: . .. Quibus accedit . . his- 
toriola, Novae illius, ac mirae Stellae in collo Ceti, ... Nec non genuina delineatio Paraselenarum, 
& Pareliorum ... 10 Tafeln, 3 ff. + 181 S. fol. Gedani, 1662. 


— Prodromus Cometicus, Quo Historia, Cometae Anno 1664 exorti Cursum, Faciesq;... 
exhibitur. 4 Tafeln, 64 S. fol. Gedani, 1665. 


— Descriptio Comelae Anno M.DC.LXV. exorti... . Cui addita est Mantissa Prodromi 
Cometici, Observationes omnes prioris Cometae MDCLXIV . . exhibens. 4 Tafeln, 188 S. fol. Ge- 
dani, 1666. 

— Cometographia, Totam Naturam Cometarum; Utpote Sedem ... Parallaxes ... exhibens. ... 
Accessit, Omnium Cometarum, . . . Historia, . . . 38 Tafeln, 18 ff. + 913 S. + 22 ff. fol. Gedani, 1668. 


— Machinae coelestis, Pars Prior, Organographiam, sive Instrumentorum Astronomicorum 
omnium, quibus Auctor hactenus Sidera rimatus, ac dimensus est, Accuratam Delineationem, et 
Descriptionem, Plurinus Iconibus, aeri incisis, illustratam & exornatam, exhibens: Cum Aliis quebus- 
dam, tam jucundis, quam scitu dignis, ad Mechanicam, Opticamque Artem pertinentibus; Inprimis, 
De Maximorum Tuborum Constructione, & commodissima Directione; Nec Non Nova ac Facillima 
Leutes quasvis, exsectiorubus Conicis, expoliendi Ratione. 30 Tafeln, 10 u. 464 S. fol. Gedani, 1673. 


— Machinae coelestis Pars Posterior, Rerum Uranicarum Osbservaliones, Tam Eclipsium 
Luminarium, quam Occultatiorum Planetarum, & Fixarum, Nec non Altitudium Meridianarum So- 
larium, Solstitiorum, & Aequinoctiorum; Una cum Reliquorum Planetarum, Fixarumq; omnium 
` hactenus cognitarum, Globisq; adscriptarum, acquc ac plurimarum hucusy: ignotarum Observatis; 
Pariter quoad Distantias, Altudines Meridianos, & Declinationes; Additis Junumeris aliis natatu 


Abbildung 22. 


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Ms Mae SEE SCH SER Ké 

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BBeilage zur „Selenographia“, 


Johannes Hevelius. 


Taf fer A< Ge chee hofia sad Cy: AR ONT ©) BEE? 
Conk Dr Brreuav A e M RS, sch nu Arg’ wë Wee AA conf Ly, = Siih; 
o¢ mandahy uge Korgar ge AN p4 Navarra BCE dfr ary rts; 
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ar felicitati oh fhaie ae” f 
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Danrfe, fe VE e ie? 
ap Jo Ar Ca $. 


— 160 — 


dignissimis, atqué ad Astronomiam excolendam maxime spectantibus rebus, Plurimorum amorum, 
sumnis vigiliis, in de fessoque labore, ex ipso acthere haustas, permultisqué Jconibus, Auctoris 
manu, aeri incisis, illustratas, & exornatas, Tribus libris, exhibens. 2 Bde., 42 Tafeln, 66 und 840 S 
u. 72 u. 447 S. fol. 1 Portrait, 1 Titelblatt. Gedani, 1679. 


— Annus climactericus, sive rerum uranicarum observationum annus quadragesimus nonus; 
exhibens Diversas Occultationes, tam Planetarum, quam Fixarum post editam Machinam Coelestem: 
nec non Plurimas Altitudines Meridianas Solis, ac Distantias Planetarum, Fixarumque, ... & con- 
tinuatione Historiae novae Stellae in Collo Ceti, ... 7 Tafeln, 66 ff. + 196 S. fol. Gedani, 1685. 


— Firmamentum Soblesctanum, sive Uranographia, totum coelum stellatum, utpote tam 
qvodlibet sidus qvam omnes et singulas stellas secundum genuinas earum magnitudines, nudo oculo, 
et olim jam cognitas. et nuper primum detectas, accuratissimisqve organis rite observatas, exhibens, 
Et quidem quodvis Sidus in peculiari Tabella, in plano descriptum, . . . 57 Tafeln, 21 S. fol. Gedani, 1690 


— Prodromus astronomiae, Evhibens Fundamenta, quae tam ad novum plane & correc- 
tiorem Stellarum Fixarum Catalogum construcndum, quàm ad omnium Planetarum Tabulas corri- 
gendas omnimode spectant; ... Quibus additus est uterq Catalogus stellarum fixarum, .. . Por- 
trait, 2 Tafeln, 1 f. + 350 S. + 1 f. Gedani, 1690. 


Beziat, L.C., La vie et les travaux de J: Hévelius. Rome (Bulletino di Bibliografia Matemat.) 1876. 
116 S. 

Hooke, R., Animadversions on the first part of the Machina Coelestis. London 1674. (Ein ge- 
hassiger Angriff.) 

Olhoff, J E, Exerpta ex literis illustrium et clarissim. virorum ad Hevelium perscriptis. Danzig 1683. 
211 S. 

Schmieden, J. E., Cenotaphium 1687. 18 S. 

Barth, A., Leichensermon bei der Beerdigung. Danzig 1689. 

Lengnich, K. B, Heveliusanekdoten und -Nachrichten. Danzig 1780. 142 S. 

Blech, E. Ph., Rede bei der Gedächtnisfeier Hevelii. Danzig 1787. 

Westphal, J. H, Leben und Studien und Schriften von Hevelius Königsberg 1820. 122 S. 

Brandstäter, F. A, Hevelius. Danzig 1861. 64 S. 

Seidemann, G. A., Hevelius. Zittau. 40 S. 

Prince, C. L., The illustrated account given by Hevelius in his Machina Coelestis of the method 
of mounting his Telescopes and erecting an Observatory. (Crowborough) 1882. 80 S. with 
portrait and 8 Tafeln. 

Bernoullis Reisen durch Brandenburg. Pommern ...io den Jahren 1777 u. 1778. 1. Band. 
Leipzig 1779. 

Monatliche Korrespondenz, herausg von Zach. Band 8, S. 30: Etwas von Hevelius u. Har- 
riots Handschriften. S. 362; 403: Cher Hevels gelehrten Nachlaß von Bernoulli u. S. 474. 

Littrow, C. L. v, Ober Hevels Wahrnehmungen der Mehrheit von Kometenkernen. Astronom. 
Nachr. Bd. 24, S. 191. 

Astronom. Nachrichten, verschiedene kleinere Notizen über Hevel: Bd. 23, S. 111. — Bd 21, 
S. 34 bis 36. — Bd. 24, S. 297. — Bd 26, S. 289 — Bd 31, S. 356. — Bd. 38. S. 109. — 
Bd. 11. S. 59 bis 61. — Bd. 10, S. 202. — Bd. 12, S. 63. — Bd. 15, S. 1, 166 bis 67. 

Hevel., J.. Beobachtung des Merkurdurchgangs im Jahre 1661. A.N. Bd. 10, S. 202. 

— Über das Aussehen des Halleyschen Kometen im Jahre 1692. A.N. Bd. 12, S. 59. 

— (Lettre concernant les manuscrits de Jean Kepler) Londres, Philos. Transaci. 1674; 27. 

_ Letter containing a narrative of Dr. Wasmuth about a new astronomico-chronological 
work nor by him preparing. Londres, Philos Transact 1674; 74. 

— Letter concerning ... the present appearance of the planet Saturn. Londres, Philos. 
Transact. 1670; 2087. 

— Facies Saturni A. 1671 d. 11. et 12. Sept. st. n. observata Gedani. Londres, Philos. 
Transact. 1671; 3032. 


weg e 


Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F. 8S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M.Wuttig, Berlin SW 


Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


Herausgegeben von 
Dr. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 11. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Erstes Marzheft). 
Berlin-Treptow. | 


Diese Zeitschrifi erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis Jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) dee 

durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (. 

Zettungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pie. — Anseigen-Gebühren: 1 Seite 80.— Mk., A SE cz _ 
1/, Seile 25.—, Uh Seile 15.—, Uu Seile 8.—. Bei Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewich 


INHALT 
1. Die Mondstationen. Von Prof. F. K.Ginsel. . . . 161 Über die eruptive Tätigkeit des Vesuvs im Monat 
2. Der gestirnte Himmel im Monat April 1911. Von Mai 1910. — Das Technikum Mittweida `, . . . . 173 
Dr. F. S. Archenhold . -. . 2 2 2 200000 168 | 4. Zehnstündiger astronomischer Vortragscyklus . . . 176 
3. Kleine Mitteilungen: Der Komet 1886I. — Über 5. Briefkasten o... 1 1 ee ee we ee _. « 176 


die Bahn einiger spektroskopischer Doppelsterne. — 
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet. 


Die Kondstationen. 
Von Prof. F. K. Ginzel. 


d keete gegenwärtige Zeitrechnung beruht gänzlich auf der Lange des tro- 
pischen Sonnenjahres. Wir kennen diese Lange und ihre langsame 
Veränderung so genau, daß wir die Mittel in der Hand haben, unser 
rechnerisches Jahr, d. h. die ihm durch die gregorianische Kalenderreform 
gegebene Gestalt, beliebig genau verbessern zu können. Die Erkenntnis jener 
mittleren tropischen Jahreslänge wurde von der Menschheit erst nach einem 
sehr langen Entwicklungsprozesse erlangt. Vor der 1582 durch Papst Gregor XII. 
ausgeführten Reform rechnete Europa seit 1600 Jahren nach dem von Julius 
Caesar (46 v. Chr.) eingeführten Sonnenjahre, welches durchschnittlich 3651/, Tage 
faßte, wodurch also jedes Jahr einen Fehler von 11 Min. 14 Sek. übrig ließ. Trotz 
dieses Fehlers des julianischen Jahres war Caesars Reform eine große Tat, da 
sie den Bruch mit der alten Jahrform bedeutete, welche bis dahin das Altertum 
beherrscht hatte. Diese Jahrform, das Lunisolarjahr (auch gebundenes Mond- 
jahr genannt), hat zur Grundlage nicht nur die Bewegung der Sonne, sondern haupt- 
sächlich jene des Mondes. Der Anfang der Monate ist in dieser Jahrform an 
die Lichtphasen des Mondes geknüpft, und zwar an das Neulicht, d. h. an den 
Abend, an welchem nach Neumond zum erstenmal wieder die feine Mondsichel 
tief am Westhimmel für das freie Auge sichtbar wird. Die Erneuerung der 
Lichtgestalten des Mondes findet nach je einem synodischen Monat von etwa 
29!/, Tagen statt und das Mondjahr hat danach 354 oder 355 Tage. Die alten 
Völker waren aber genötigt, bei ihrer Zeitrechnung auch auf die Jahreszeiten, 
also auf die Sonnenbewegung, Rücksicht zu nehmen, nicht allein, weil die Zeit- 
rechnung ihnen die Zeit der Aussaat und Ernte der Feldfrüchte, der Arbeiten 
auf dem Felde usw. ungefähr anzeigen sollte, sondern weil die Religion ihnen 
bestimmte Feste zudiktierte, welche wegen der Art der dabei darzubringenden 
Opfergaben immer nur an festen Zeitstellen der Jahreszeiten gefeiert werden 


— 162 — 


konnten. Aber die genauere Lange des synodischen Monats blieb den alten 
Völkern lange unbekannt; sie mußten sich mit Näherungen begnügen. Noch 
viel weniger gelang ihnen die Ermittelung eines ungefähr zutreffenden Wertes 
des Sonnenjahrs; erst um die Zeit des Eudoxos (4. Jahrh. v. Chr.) verbreitete 
sich in der alten Welt die Annahme, welche späterhin Caesar benützte, daß 
das Sonnenjahr 365!/, Tage habe. Man trachtete nun das um 11 Tage gegen 
das Sonnenjahr kürzere Mondjahr in der Weise mit der Rückkehr der Jahres- 
zeiten in Übereinstimmung zu bringen, daß man innerhalb gewisser Zyklen 
eine Anzahl von Schaltjahren zu 384 Tagen einlegte. Die Ermittlung der ge- 
eignetsten dieser Zyklen, welche also den kommensurablen Verhältnissen der 
Sonnen- und Mondbewegung zugleich gerecht werden, hat den antiken Völkern 
ungemeine Mühe gemacht. Solche Zyklen sehen wir bei den Römern und 
Griechen im Gebrauch, bei den ersteren seit der Zeit König Numas, bei den 
anderen seit dem Gesetzgeber Solon; allein die Römer sind damit in ihrer 
Zeitrechnung nicht weit gekommen und die Griechen erhielten erst ziemlich 
spat durch Verbesserung der Zyklen ein ungefähr zutreffendes Lunisolarjahr. 
Die anderen Völker des Altertums machten meistenteils noch langsamere 
Fortschritte. Die Juden begnügten sich bis in Christi Zeit mit der Bestimmung 
des Jahresanfangs durch direkte Beobachtung des Neulichts und mit willkür- 
licher Einschaltung von Mondmonaten im Lunisolarjahre. Die Inder kamen 
erst in nachchristlicher Zeit und die Chinesen gar erst am Ausgang des Mittel- 
alters zu einem erträglichen Lunisolarjahre. Eine Ausnahme machen die astro- 
nomisch sehr begabten Babylonier, welche wenigstens seit dem 4. Jahrh. v. Chr. 
ein zyklisch richtig geordnetes Lunisolarjahr besaßen.!) Der Zustand der Zeit- 
rechnung vor der Auffindung der regelrechten Schaltung vermittelst Zyklen 
war bei den alten Völkern selbstverständlich sehr primitiv. Man half sich — 
wie die Zeitrechnung bei den Römern vor Numa, bei den Griechen vor Solon, 
bei den Babyloniern vor Kambyses zeigt — so gut man es verstand, mit der 
Schaltung nach Bedarf, d. h. man legte den Schaltmonat ein oder ließ ihn 
weg, je nachdem man ein Nachbleiben oder Vorauseilen des Mondjahres gegen 
die Jahreszeiten (Sonnenstände) bemerkte. Die, wie man sieht, allmähliche 
Entwicklung des Lunisolarjahrs setzt voraus, daß die Anfänge selbst in ge- 
schichtlich für uns weit zurückliegenden Epochen zu Suchen sind. Schon sehr 
früh muß man die Eignung des Mondes zur Zeitmessung erkannt haben. Die 
vier ununterbrochen einander folgenden Mondphasen sind so eindruckvolle und 
für jedermann wahrnehmbare Himmelszeichen, daß sie sich für die Zeitmessung 
von selbst darboten. Man brauchte nur die Tage abzuzählen, die zwischen den 
Phasen, z. B. zwischen 2 Vollmonden oder 2 Neulichtabenden enthalten zu sein 
schienen, um zu einem ungefähren Begriff des synodischen Monats zu kommen. 
Dazu brauchte man weder Astronomie noch sonstige Gelehrsamkeit. Ebenso 
unmittelbar war eine andere Beobachtung zu machen, welche zur Kenntnis der 
ungefähren Länge des siderischen Monats führte. Der Mond bleibt, nachdem 
er nach Neulicht wieder als Sichel sichtbar geworden, auf seinem scheinbaren 
Himmelslaufe von einem Abend zum andern um mehr als eine Stunde gegen 
die Sterne zurück. Er kommt also jeden Abend in die Nähe anderer Sterne, 
bis sich nach 27!/, Tagen, einem siderischen Monat, derselbe Lauf, natürlich 


1) Bei den Ägyptern führten die regelmäßig sich erneuernden Nilüberschwemmungen zum 
Gebrauch des Sonnenjahrs, aber erst seit dem 3. Jahrh. v. Chr. gaben sie dem Sonnenjahr eine 
Länge von 365!,, Tagen. | 


— 18 — 


nur ungefähr wiederholt. So z. B. stand der Mond am 17. Februar 1910 nahe 

beim Sterne Aldebaran (Stier), blieb aber bald im Orion zurück, erreichte am 
20. die Zwillinge, am 23. den Löwen usw. und kam erst wieder am 16. März, 
also nach 27 Tagen, in die Nachbarschaft von Aldebaran. Man konnte also 
durch fortgesetzte Beobachtung des Himmels rohe Werte sowohl für den syno- 
dischen wie für den siderischen Monat kennen lernen. Auf den: Anfangs- 
stufen der Zeitrechnung konnte man sogar von dieser Kenntnis des siderischen 
Monats Gebrauch machen.!) Da sich der Mond von der Ekliptik nicht weit 
entfernt, auch seine Entfernung vom Aquator in feste, allerdings weitere 
Grenzen (bis etwa 27° nördlich und südlich) eingeschlossen ist, so geht er 
während seiner siderischen Umläufe von Zeit zu Zeit immer wieder zwischen 
denselben Sternen hindurch, er kommt also oft in die Sterngruppen, die er 
vorher durchlief und scheint so einzelne Sterngegenden mit seinem Besuche 
auszuzeichnen. Diese einfache Beobachtung gab den Völkern schon in sehr 
früher Zeit den Anlaß zur Bildung von Mondstationen. Man suchte die 
Sterngegenden, in die der Mond während der 27 Tage seines siderischen 
Umlaufs nach und nach eintrat, in der Erinnerung festzuhalten, indem man die 
auffälligeren Sterne auf seinem Wege in Gruppen zusammenfaßte, mit Namen 
benannte und als Häuser, Aufenthaltsorte, Gemächer, Lagerstätten oder Ruhe- 
punkte des Mondes ansah. 

Im antiken Europa kommen diese Mondstationen in der: Überlieferung nicht 
vor, vielmehr ist Asien ihre Heimstätte, welches ja auch die Wiege des Luni- 
solarjahres war. Besonders in der Literatur der Inder, Chinesen und Araber 
treten die Mondstationen auf; bei den Indern haben sie die Gesamtbezeichnung 
nakshatra, bei den Chinesen heißen sie sieu, bei den Arabern menäzil. Die 
Angaben, aus welchen Sternen sich die einzelnen Stationen zusammensetzen, 
sind in der Literatur dieser Völker zerstreut und bei ein und demselben Volke 
öfters schwankend; die Bestimmung der Sterne ist in älterer Zeit von Le Gentil, 
Colebrooke, Biot, Whitney, in neuerer von A. Weber, G. Schlegel, 
F. Hommel vorgenommen worden. Als Namen der Stationen werden bei den 
Indern, Chinesen und Arabern 27 und 28 angegeben; sie haben betreff ein und 
derselben Station bei den drei Völkern ganz verschiedene Bedeutung und können, 
besonders die indischen, nur zum Teil erklärt werden. Die indischen, chinesischen 
und arabischen Mondstationen sind nicht überall identisch, d.h. nicht überall 
auf die gleichen Hauptsterne sich beziehend, sondern sie zeigen verschiedene 
bemerkenswerte Abweichungen, auf die ich noch zu sprechen komme. Die 
Stationen können daher nur mehr astrognostisch, in Beziehung auf dieselbe 
Himmelsgegend mit einander verglichen werden. In der folgenden Vergleichung 
setze ich die ungefähr zu einander gehörenden Stationen auf dieselbe Zeile und 
gebe die beiläufige Bedeutung der Namen an; bei den indischen Stationen sind 
die Namen als älteste, die in der heiligen Veda-Literatur der Inder vorkommen; 
zu verstehen: | 

1) Die auf Nord-Sumatra von den Atchinesen jetzt noch gebrauchte “Kenongrechnung gibt 
Zeugnis von der Anwendung des siderischen Mondmonats. Jedes Zusammentreffen der jungen 
Neumondsichel mit dem Hauptstern des Skorpions heißt ein Kenong. Die Atchinesen rechnen auf 
jedes Jahr 13 oder 14 Kenong; sie schalten 1 Kenong je nach Bedarf aus, um mit dem Sonnen- 
jahre (besser gesagt, Naturjahre) in halbweger Übereinstimmung zu bleiben. Die Länge des Sonnen- 
jahrs ist ihnen selbstverständlich unbekannt; aber die Beobachtung des Wiederkehrs der Aufgänge 


der Plejaden, des Orion und des SE geniigt ihnen, um den SES: Ablauf des Jahres zu 
erkennen, 


Arabische. Indische. , _ Chinesische. 
1. as-saratani. 27." asvini (Rosselenker).”} 16. leu (Schnitterin). 
2. al-butain (Bäuchlein). 28. bharani (die Fortführen- 1%. wei (Korngefäß). 
den). 
3. at-turaija (Plejaden). 1. krittika (die Verfloch- 18. mao (untergehende 
tenen) Plejaden. Sonne). | 
4. al-dabaran. 2. rohini (die rote, aufstei- 19. pi (Jagdnetz). 
gende). 
5. al-hak‘a. 3. mrigasiras (Haupt des 20. tsui (Mund des Kriegers). 
Rehs, Antilope). 
6. al-han‘a. 4. ardra (die feuchte). 21. ts’en (der Erhabene). 
7. ad-dira‘u. 5. punarvasu (die wieder 22. tsing (Brunnen). 
gut machende). l 
8. an-natra. 6. pushya (das nährende 23. kuei (die Manen). 
| oder Heilgestirn). = 
9. at-tarf (Auge) des Löwen. 7. aslesha (die Umschlin- 24. lieu (Weide, Bambus). 
genden). 
10. al-gabha (Stirn) des 8. magha (die mächtige). 25. sing (Stern). 
Löwen. 
11. az-zubra (Mähne). 9. pürva-phälguni (die erste 26. tschang (Fangnetz). 
schimmernde). 
12. as-sarfa (Wende). 10. uttara-phälguni (die 27. yi (Flügel). 
zweite schimmernde). 
13. al-awwa (die kläffende 11. hastä (die Hand). 28. tschen (Wagen). 
Hündin). 
14. as-simäk (Himmelshöhe). 12. chitr& (die wunderbare, 1. kio (Horn) des Drachen. 
| glänzende). 
15. al-ghafr (Decke). 13. sväti (das Schwert, Hals- 2. k'ang (Hals) des Drachen. 
band?). 
16. az-zubanay (die Scheren 14. visakha (die zweizinkige, 3. ti (Grund, Brust) des 
des Skorpions). gabelförmige). Drachen. 
17. al-iklil (Krone). 15. anurädhä (die Heilbrin- 4. fang (Haus). 
gende, günstige). 
18. al-kalb (Herz) des Skor- 16. jyeshtha (die älteste?). 5. sin (Herz) des Drachen. 
pions. 
19. as-shaula (Schwanz) des 17. mülam (die Wurzel, der 6. wei (Schwanz) des. 
Skorpions. Ursprung). Drachen. 
20. an-na’ajim (die Strauße). 18. pürva-shädhäs (die ersten 7. ki (Mistgefäß). 
unbesiegten). 
21. al-baldah (Land, Gegend). 19. uttara-shadhas (d. zweiten 8. teu (Scheffel). 
unbesiegten). 
22. sa‘d ad-däbih (Glücks- 20. abhijit (die siegreiche, 9. niai (Ochs). 
stern des Schlächters). erobernde). 
23. said bula‘ (Glücksstern 21. sravana (?) 10. niü (Jungfrau). 
des Verschlingers). 
24. said as sund (Glücksstern 22. sravishtha (die ruhm- 11. hit! (Grabhügel). 
der Glückssterne). reichste). i 
25. sa‘d al-ahbija (Glücks- 23. satahhishaj (?). 12. wei (Giebel). 
stern der Zelte). 
26. al-fargh al-awwal (erster 24. pürva-bhädra-padäs 13. schi (Feueraltar). 
Henkel desSchöpfeimers). (erster Glücksschritt). 
27. al-fargh al-tani (zweiter 25. uttara-bhädra-padäs 14. pi (Mauer). 
Henkel). (zweiter Gliicksschritt), 
28. batn al-hüt (Bauch des 26. revati (die reiche). 15. kuei (Sandale). 


Fisches). 


— 14 — 


Aus der Karte (Fig. 1) kann man die Lage der Mondstationen ersehen. Die 
arabischen Stationen sind auf derselben durch Ziffern mit eckigen Klammern 
(z. B. [3]), die chinesischen durch gewöhnliche Ziffern (z. B. 3), die indischen mit 


— 165 — 


römischen (z. B. III) bezeichnet. Man erkennt leicht, daß die in der ersten Zeile 
der obigen Zusammenstellung aufgeführten drei mit einander identisch sind, da 
alle drei Mondhäuser [1], XX VI, 16, von denselben Sternen a, 8, y Arietis (Widder) 
gebildet werden. Die Karte läßt gleichzeitig, da sie für die Zeit um 4000 v. Chr. 
‚entworfen ist, die große Veränderung in der Lage der Sternbilder durch die 
Präzession gegen die Jetztzeit übersehen. Betreff der Zählung resp. Numerierung 


Die Mondstationen 
um 4000 v. Chr. 


Schwan 


g eh 
di dA SS EEE W kg 
"mg 


"H (2) (3)---erabische Manzil, 
I II III--indische Nakshatra, 
1 2 3- chinesische Siu. 


Fig. 1. 
Die arabischen, indischen und chinesischen Mondstationen. 


der Mondhäuser bemerkt man aus dem obigen Verzeichnis sofort einen ver- 
schiedenen Anfangspunkt: die chinesischen sieu gehen vom 1.kio, d.i. dem 
hellen Hauptstern der Jungfrau (Spica = « Virginis), aus, während das erste der 
arabischen menäzil, nämlich saratan, in den Widder fällt; das erste indische 
nakshatra ist dagegen die Plejadengruppe krittika. Der letzterwahnte Anfang 
der indischen Reihe, mit krittika, ist der uralte und ursprüngliche in der vedischen 


— 166 — 


Literatur, die Texte der späteren Zeit beginnen dagegen die Reihe mit XXVI 
revati (¢ Piscium) resp. mit XXVII asvini ($, y Arietis). Ferner kennt die alt- 
vedische Zeit nur 27 nakshatra, ein 28. Mondhaus, nämlich XX. abhijit (die Sterne 
der Leyer), wurde später eingeschoben und erscheint erst allmählich in 
den Texten. Berücksichtigt man diese Einschiebung und jenen jüngeren An- 
fang, so kann man Asvini die Bezeichnung I geben, und die indische Reihe 
läuft dann mit der arabischen der Numerierung nach vollkommen parallel. 
Die Kenntnis der Mondstationen findet sich aber nicht bloß in Arabien, Indien und 
China vor. In Vorderasien, südlich von Mesopotamien, und anderwärts 
sind Spuren eines alten Mondkultus vorhanden. Die Harraniter (bei denen 
sich die alte Mondreligion am längsten erhielt), feierten noch bis zum 
12. Jahrhundert an jedem 27. Tage des Mondmonats einen Gedächtnistag des 
siderischen Mondumlaufs, indem sie zum Tempel gingen und dem Sin (das 
ist der Mondgott) ein Brandopfer brachten; auch hatten sie ein 2Ttägiges ` 
Fasten mit Mysterien und Opfern am Schlusse desselben. Es wäre danach 
möglich, daß die Harraniter sich für jeden Tag des siderischen Mondlaufs eine 
Station, also 27 oder 28 im ganzen, gebildet hatten. Auch die Juden des Alter- 
tums scheinen in gewisser Zeit Kenntnis von den Mondstationen gehabt zu 
haben, wie sie überhaupt in ihrer Zeitrechnung von der Annahme manches 
fremden und „heidnischen“ nicht frei geblieben sind. Im II. Buch der Könige 
(23, 5) wenigstens wird Josias gepriesen, daß er „die Räucherer des Baal, der 
Sonne und des Mondes, der mazzalöt und alles Heeres des Himmels“ verjagt 
habe. Die mazzalöt können nur eine besondere Art von Sternen vorstellen, und 
es ist sehr wahrscheinlich, daß es sich hier um dieselbe Bezeichnung handelt, 
die wir später im Koran der Araber, derselben Wurzel entspringend, als manzil 
(Plural menäzil) = Mondstationen, wiederfinden.!) Ferner kannten die Parsen 
(der altpersischen Zeit) die Mondstationen: in dem etwa im 8. Jahrh. n. Chr. ge- 
schriebenen Bundehesh werden die 12 Zodiakalzeichen aufgezählt und „die von 
Anfang in 28 Haufen (Khürdak) zu zählenden Sterne‘. Die Namen, welche für 
letztere angegeben werden, sind entstellt überliefert und ihrer Bedeutung nach 
zum Teil unbekannt, einige deuten auf Tiere, Geräte und anderes; ziemlich 
sicher scheint die Deutung des Namens der 3. Station parviz auf parvin (Ple- 
jaden), den gleichwertigen indischen krittika. Danach würden also die Mond- 
häuser der Parsen mit derselben Station wie die der Inder, (s. oben), 4svini an- 
gefangen haben. | 
Woher stammen nun die Mondstationen? Hat eines der drei Völker, bei 
denen sie direkt nachweisbar sind, den Arabern, Chinesen und Indern, hierin 
die Priorität, oder ist eine ältere gemeinsame Quelle als Ursprung anzunehmen? 
Die bezüglichen Fragen sind bis in die neueste Zeit besprochen worden. 
J. B. Biot sah als Ursprungsland China an. Schon unter Yao (2357 v. Chr.) 
sollen die Chinesen 24 Sterne ausgewählt haben, um die Meridiandurchgänge 
der Äquinoktial- und Solstizialpunkte zu fixieren; die Zahl dieser Sterne soll um 
1100 v. Chr. auf 28 erhöht worden sein, wobei man besonders auf Sterne in der 
Nähe des Äquators Rücksicht nahm. Die Inder hätten dieses System akzeptiert, 
aber mit ungleichen Entfernungen der Mondstationen untereinander ausgestattet. 


1) In der arabischen Zeit scheinen den Juden die schon längst von ihnen vergessenen Mond- 
stationen wieder durch arabische Werke bekannt geworden zu sein, da Saadia Gaon (9. Jahrh. 
n. Chr.) angibt: „Der Mond geht einen längeren oder kürzeren Weg nach einer der 28 Stationen, 
die wir kennen und mit Namen benennen.“ 


— 167 — 


Whitney fand schon ziemliche Bedenken in der unmittelbaren Identifizierung 
der chinesischen und indischen Mondstationen und machte darauf aufmerksam, 
daß 11 von den indischen nakshatra eine selbständige Entwicklung haben 
müßten; als Ursprungsland nahm er, auf Biot’s Darstellungen fußend, ebenfalls 
China an; von dort hätten sich die Stationen über Persien nach Arabien ver- 
breitet und von da erst nach Indien. L. A. Sedillot dagegen suchte den Aus- 
gangspunkt in Arabien. Zwar haben China und Indien schon in sehr alter Zeit 
einen Mondzodiakus gehabt, aber erst mit der Entwicklung der arabischen 
Astronomie sei dieser ausgestaltet worden; in Indien komme dabei griechisches 
oder babylonisches Wissen mit in Betracht. Diese Ansichten fallen in eine Zeit, 
in welcher man vor dem angeblich hohen Stande der Astronomie des chine- 
sischen Altertums noch, besonderen Respekt hatte und in welcher anderseits die 
Kenntnis der Vedaliteratur der Inder noch auf einen kleinen Kreis von Sanskrit- 
gelehrten beschränkt war. Der Berliner Sanskritist A. Weber zeigte 1860/61 
aus einer 'genauen Darlegung des Vorkommens der nakshatra in den Veda- 
schriften zum ersten Mal das hohe Alter der indischen Mondstationen und die 
völlige Haltlosigkeit der Biot’schen Hypothese. Er wies aus der Literatur der 
Chinesen nach, daß sich in China die Mondstationen nicht bis Yao, sondern 
nur bis etwa 250 v. Chr. zurück verfolgen lassen. In den ganz verschiedenen 
Zählungsweisen der chinesischen und der indischen Reihe erkannte er einen 
bedeutsamen Hinweis auf die völlig verschiedene Entstehungszeit beider: die 
chinesischen sieu fangen mit 1.kio (Spica) an, und dieses Zeichen entspricht 
etwa der Stelle des Herbstäquinoktiums (September) zur Zeit der Han-Dynastie; 
die nakshatra der Vedazeit gehen dagegen von I. krittika, den Plejaden aus, 
einem in der Nähe des alten Frühjahräquinoktiums gelegenen Punkte (s. Karte). 
Da der chinesische Jahresanfang im Lauf der Zeit mehrfach verändert und zu- 
letzt, unter den Han, auf das Zeichen des Wassermanns gebracht wurde, so ist 
das ein Hinweis, daß die chinesische Reihe, oder wenigstens das Arrangement 
derselben, wie wir es aus der Literatur kennen, kurz vor der Han-Zeit ge- 
bildet worden sein muß, womit die oben bemerkte Entstehungszeit, das 3. Jahrh. 
v. Chr., übereinstimmt. Schließlich neigte A. Weber zu der Annahme, daß die 
Mondstationen wohl einen gemeinsamen Ursprung haben könnten, der in 
einer alten, vorderasiatischen Quelle liege. Zu dieser Vermutung wurde er 
geführt durch die chinesische Angabe, daß der längste Tag 60 Khe oder 14 Std. 
24 Min. sei, durch die weitere der indischen Astronomen, daß der längste Tag 
18 muhurta d. i. ebenfalls 14 Std. 24 Min. betrage, und durch Ptolemaios, 
welcher für Babylon den längsten Tag gleichfalls mit 14 Std. 25 Min. angibt. 
Trotz der beträchtlich verschiedenen Breiten Chinas und Indiens wird also eine 
Länge für den längsten Tag angegeben, die nur für die Breite von Babylonien 
oder für das Hochland Kaschmir stimmt. Diese Tatsache weise auf babylo- 
nischen Ursprung gewisser Elemente in der chinesischen und indischen Astro- 
nomie. Die Angabe des Ptolemaios hat seither durch F. X. Kugler eine un- 
erwartete Bestätigung erhalten, indem dieser aus keilinschriftlichen Angaben 
babylonischer Tafeln des 3. Jahrh. v. Chr. berechnete, daß man in der Tat für 
Babylon den längsten Tag zu 14 Std. 24 Min. angenommen hat. Da anderseits 
die altvedische Literatur — welche schon die nakshatra namhaft macht — eine 
auffällige Unkenntnis des gestirnten Himmels verrät, so ist für die neuere 
Forschung die Möglichkeit näher gerückt worden, ob nicht die indischen, chine- 
sischen und arabischen Mondstationen ihrem Ursprunge nach auf Babylonien 


— 168 — 


zurück zu führen sind. Ein direkter Nachweis dafür aus der Sternkenntnis der 
Babylonier, für welche uns derzeit eine Fülle von Material zu Gebote steht, ist 
indes bisher nicht gelungen. Epping hat zwar den Gebrauch von 36 Kon- 
stellationen bei den Babyloniern nachgewiesen, und Hommel bemühte sich 
daraus die 28 Mondstationen abzuleiten, jedoch ist diese Ableitung eine nur 
‚künstliche. Mehr Gewicht hat Hommels Nachweis, daß die babylonischen 
Namen von etwa 14 Sterngruppen auffällige Verwandschaft mit den späteren 
arabischen Namen der menäzil haben, und daß die babylonische Gesamt- 
bezeichnung mazzaltu stark an die arabische menäzil erinnert. Die Frage des 
gemeinsamen Ursprungs der Mondstationen in Vorderasien harrt noch der Bei- 
bringung ausreichenden archäologischen Materials. Aber sie hat entschieden 
Wahrscheinlichkeit für sich. In der Ausbildung der Systeme sind Arabien, 
China und Indien ihre eigenen Wege gegangen. Bei den Arabern schließen 
sich die Stationen enger an die Ekliptik an als bei den andern, Sie sind wahr- 
scheinlich das jüngste unter den drei Systemen; die chinesischen sieu sind 
erheblich älter, vermutlich älter als das 3 Jahrh. v. Chr. (A. Weber), da 
wir offenbar nur ihre spätere Organisierung, nicht ihre ursprüngliche 
kennen; das älteste a aber nn unbestritten die indischen 
nakshatra. | (Schluß folgt.) 


Der sestirnte Himmel im Monat April 1911. 
Von Dr. F. S. Archenhold. 


Die Stellung der Sonne unter den Sternen. 


Der bekannte Mondforscher Puiseux untersucht in der „Scientia“, in wieweit die 
Sonne und der größte Teile der Fixsterne zu einer großen Familie gehört, und was sich 
über deren Vergangenheit und künftige Entwicklung auf Grund moderner Untersuchungen 
insbesondere spektroskopischer Beobachtungen, schon heute aussagen läßt. Es sind 
Sterne aufgefunden worden, deren Masse der unserer Sonne völlig gleichkommt, und 
eine große Zahl anderer, die ihr quantitativ weit überlegen sind. So konnte bei dem 
Stern Beta im Fuhrmann und Xi im Großen Bären mit großer Sicherheit aus den 
spektroskopischen Beobachtungen abgeleitet werden, daß ihre Massen mindestens das 
Vierfache der Sonne betragen. Ja, Nordmann hat mit Hilfe einer neuen photometri- 
schen Methode auch den Durchmesser einiger Sterne bestimmt. Er findet beispielsweise, 
daB Aldebaran ein Riese unter den Sternen ist. Er übertrifft unsere Sonne im Ver- 
hältnis noch mehr an Größe wie unsere Sonne den Jupiter, der hellste Stern des Himmels, 
Sirius wurde hingegen nur ein wenig größer als unsere Sonne befunden. Zeigt der Stern 
noch in regelmäßigen Zwischenräumen eine Lichtveränderung wie Algol im Perseus, so ist 
es möglich, aus der Kurve der Lichtintensität und den spektroskopischen Linienverschiebun- 
gen zu verschiedenen Zeiten festzustellen, daß das Sternensystem aus zwei Kugeln besteht. 
Beim Algol beträgt die Masse des Hauptsterns */,, die Masse des Begleiters nur 2/, der 
Sonnenmasse, beide zusammen erreichen also noch nicht die Sonnenmasse; jedoch ist 
ihre Gesamtstrahlung viel größer als die der Sonne. Ihre Durchmesser ließen sich zu 
1 700 000 und 1 330000 km bestimmen. Wir sehen hieraus, da unsere Sonne 1 380 000 km 
groß ist, daß sie nur um 50000 km den Begleiter im Algolsystem überragt. 

Die Entfernung der Mittelpunkte der beiden Körper beträgt noch keine 5 000 000 km 
und der geringste Abstand ihrer Oberflächen noch keine 3000000 km. Nach diesen 
Dimensionen zu urteilen, muß der Zustand der Algolsonne und ihres Begleiters, die beide 
nur 1/,, unserer Sonnendichte haben, von dem unserer Sonne durchaus verschieden sein. 
Gibt es nun Sterne, die unserer Sonne ähnlich sind? Es sind nach Gould 500 der 


— 169 — 


schönsten Sterne, welche als zur Familie der Sonne gehörig betrachtet werden können, 
alles helle Sterne, die längs eines Kreises liegen, der weitab von der Milchstraße steht. 
Diese Sterne müssen erstens eine bestimmte jährliche Parallaxe, zweitens eine kleine 
radiale Geschwindigkeit, drittens eine unserem Sonnensystem ähnliche Bewegung in einer 
Ebene zeigen und viertens ein Spektrum besitzen, welches im ganzen und im einzelnen 
dem unserer Sonne entspricht. Von den bisher beobachteten Spektren der Sterne weisen 


Der Sternenhimmel am 1. April 1911, abends 10 Uhr. 
Fig. 1. 


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Ekliptik 


(Polhöhe 52!/,° 


mindestens !/,, höchstens !/, ein der Sonne ganz ähnliches Spektrum auf, wenn wir nur 
die Sterne 1. bis A Größe berücksichtigen. Dieser Prozentsatz [nimmt jedoch in dem 
Maße ab, wie wir die entfernteren schwächeren Sterne, hinzunehmen. Das Gemeinsame 
der sonnenähnlichen Sternspektren ist größte Intensität im gelben Teile des Spektrums; 
die metallischen Linien sind zahlreich und stark ausgeprägt. Die im blauen Ende des 
Spektrums liegenden am besten sichtbaren Linien sind die des Calciums und Eisens. 


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H = Sonne. M = Mond. Me = Merkur. V = Venus. 


Die Heliumlinien sind entweder schwach oder gar nicht vorhanden. Man sieht fast gar 
keine Absorptionsbänder, abgesehen natürlich von denen, die durch unsere Erdatmosphäre 
hervorgerufen werden, und die schwächer werden, je höher der Beobachtungsort liegt, 
wodurch sie von den in den Sternen vorkommenden Linien sofort zu trennen sind. 
Diese gelben Sonnensterne gehören sowohl bei Secchi wie bei Vogel zur zweiten Klasse. 
Sie verraten sich auch noch durch ihre große Eigenbewegung und große jährliche 
Parallaxe, wodurch auch ihre nahe Stellung zur Sonne angedeutet ist. Die Sterne in 
der Milchstreße und in ihrer Nähe gehören zur ersten Spektralklasse, den weißen Sternen. 
(Vgl. Das Weltall, Jg. 11, S. 130 u. f.) Am geringsten ist die dritte Klasse derSterne, die mehr 
rötlichen mit starken Absorptionsstreifen, vertreten. Sie machen noch nicht den 10. Teil 
unter den Sternen aus, die heller als 7. Größe sind. Es ist interessant, daß unsere Sonne 
. selbst in ihren Flecken ein ähnliches Spektrum zeigt, so daß anzunehmen ist, daß sich 
unsere Sonne aus einem gelben Stern in einen roten verwandeln wird, falls eine größere 
Zunahme der Flecken eintreten sollte Manche Sterne zeigen nun neben den dunklen 
Linien noch helle in ihrem Spektrum, wie besonders die Wolf Rayet’schen Sterne und 
der Eta Argus-Stern, die entweder von Wasserstoff, Helium oder noch unbekannten Elemen- 
ten herrühren. Es ist die Frage, ob wir es hier mit dem Beginn einer Glut oder ihrem 
Erlöschen zu tun haben. Für Laplace wäre die Antwort nicht zweifelhaft gewesen. 
Da er eine fortdauernde Erkaltung der Körper annimmt, verleiht er seinem Urnebel die 
größte Temperatur. Nach unserer heutigen Auffassung ist dies nicht mehr notwendig. 
Wir wissen, daß gerade bei der Kondensierung einer großen Nebelmasse eine solche 
Hitze frei wird, daß nicht nur die Wirkung der Strahlung aufgehoben wird, sondern sogar 
die gesamte Temperatur sich erhöhen kann. Ein Sternsystem kann daher heißer und 
kälter werden. 

Zu welcher Klasse gehört nun unsere Sonne? 

Nach der Hypothese von Sir Norman Lockyer, die zwar vielfach angefeindet wird, 
hätte jeder Stern folgende Etappen durchzumachen: Nebelstern, neuer Stern (mit hellen 
Linien), rötlicher Stern (Klasse 3a), gelber Sonnenstern, weißer Stern, rötlicher Stern 
(Klasse 3b), erloschener Stern und völlig erstarrter Stern. In diesen Entwicklungsstadien 
stellen die weißen Sterne das Temperaturmaximum dar. Die durch das Zusammenziehen 
des Körpers entstehende Wärme kann sich noch weiter erhöhen, ist dann aber nicht 
mehr imstande, die durch die Ausstrahlung entstandene Hitze wieder zu ersetzen, so 
daß die Gesamttemperatur des Himmelskörpers von nun an wieder geringer wird. Wenn 


sms 77; 


Ma = Mars. 


fiir den Monat April 1911. 
Fig. 2a. Nachdruck verboten. 


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J= Jupiter. Sa = Saturn. U = Uranus. N = Neptun. 


der erloschene Stern an seiner Oberfläche durch Explosion oder durch Zusammenstoß 
einen Meteorstrom erzeugt, so beginnt der Kreislauf wieder von neuem. Da der Zustand 
der Sonnensterne zweimal durchlaufen wird, so haben wir nach dieser Theorie die 
Wahl, für unsere Sonne im Augenblick die Phase der Erwärmung oder der Erkaltung 
anzunehmen. | 

Das seltene Vorkommen der Sterne der zweiten Etappe der Lockyerschen Ent- 
wicklung hat zu besonders scharfer Kritik herausgefordert. Hale bestreitet überhaupt 
die Voraussetzung einer einheitlichen Entwicklungshypothese für alle Sterne. Für ihn 
gibt es Einflüsse der Umgebung, welche uns noch nicht bekannt sind, die jedoch z. B. 
den einheitlichen Zustand der Sterne in der Gruppe der Plejaden, des Orions und des 
Andromeda-Nebels erklären. Das eigenartige Vorkommen der Sterne mit hellen Linien 
und der neuen Sterne in der Milchstraße erscheinen als weitere Beweise für die Abhängig- 
keit des Zustandes der Sterne von ihrer Verteilung im Raume. Daß andrerseits auch 
die alte Laplacesche Anschauung von dem allmählichen Erkalten aller Sterne nicht zu- 
treffend sein kann, geht schon aus dem Umstande hervor, daß man dunkle Massen in 
größerer Zahl im Weltall nicht nachweisen kann. 


Der Lauf von Sonne und Mond. 

Die Sonne rückt im April vom Sternbilde des Widders in das des Stiers. Ihre 
Stellung in der Ekliptik ist wieder für den 1., 15. und 30. April in unsere Karte 2a ein- 
gezeichnet. Aus folgender Tabelle geht hervor, daß ihre Mittagshöhe sich während des 
Monats um 10!/,° vergrößert. 


Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshöhe 
April 1. + 4° 12° 55 43m morgens 65 36m nachm. 413/, 0 

- 15. + 90 27 5b jim - qh im - 47 ° 

- 30. + 14° 30° 4h 40m - Th 27m - dÉ P 


Eine totale Sonnenfinsternis findet am 28. April statt Sie wird als solche nur 
im Stillen Ozean sichtbar sein. Ihre Maximaldauer beträgt bm und zwar in der Mitte des 
Stillen Ozeans bei den Dudoza-Inseln. An den beiden Endpunkten der Totalitätslinie 
in Ost-Australien, wo die Verfinsterung gerade bei Sonnenaufgang, wie unweit der 
Südspitze von Nordamerika, woselbst die Verfinsterung bei Sonnenuntergang sichtbar 
ist, beträgt die Dauer 2!/,n. Von diesen beiden Endpunkten an bis zu den Dudoza- 
Inseln nimmt die Dauer der Verfinsterung allmählich zu. Als partielle Verfinste- 


— 172 — 


rung wird sie in der östlichen Hälfte Australiens und Neu-Guinea, sowie in Neu. 
seeland in den Vormittagsstunden und in der südlichen Hälfte Nordamerikas in den 
Abendstunden sichtbar sein. In Washington wird an der untergehenden Sonne noch ein 
kleiner Teil der Scheibe verfinstert gesehen werden können. 

Der Mond ist wiederum für den 1., 3., 5. u. s. f. in unsere Karten 2a und 2b mit 
seinen Phasengestalten eingetragen. 

Seine Hauptphasen fallen im Monat April auf folgende Daten: 


Erstes Viertel: April 6. 75 vormittags. Letztes Viertel: April 21. 11/,h abends. 
Vollmond: - 13. 3!/,P nachmittags. Neumond: - 28. 111/,5 abends. 


Im Monat April findet keine Sternbedeckung statt. 


Die Planeten. 


Merkur (Feld 1!/,b bis 3b) wird zu Anfang des Monats am Abendhimmel wieder 
sichtbar. Die Dauer seiner Sichtbarkeit steigt bis zur Mitte des Monats nahezu auf eine 
Stunde. Am 15. bildet Merkur mit den Plejaden und der Venus ein spitzwinkliges und 
mit den Plejaden und dem roten Aldebaran im Stier ein gleichschenkliges Dreieck, in 
dessen Mitte gerade die Venus steht. Am Ende des Monats wird der Planet wieder un- 
sichtbar, da die Sonne ihn alsdann erreicht. Seine Phasengestalt nimmt während des 
Monats ständig ab. Sein scheinbarer Durchmesser ist am 1. des Monats 46 und 
am 30. 114. 

Venus (Feld 2!/,b bis 55) ist zu Anfang des Monats schon 2!/, und zuletzt 3 Stunden 
lang als hell leuchtender, auffälliger Abendstern sichtbar. Am 1. April wird es ein be- 
merkenswerter Anblick sein, wenn die Venus oberhalb der jungen Mondsichel am Abend- 
himmel erstrahlt und in der Nähe beider der Saturn zu sehen ist. (Vgl. Feld 21/,h.) 
Am Schluß des Monats ist nur 2 der Scheibe beleuchtet. Die Phasengestalt nimmt 
noch bis zum 13. September zu. Ihr scheinbarer Durchmesser steigt vom 1. des Monats 
von 12,3 auf 14” am Schlusse des Monats. 

Mars (Feld 21 b bis 221/, 5) ist während des ganzen Monats kaum eine Viertelstunde 
lang am Morgenhimmel sichtbar. Er tritt am 24. in Konjunktion mit dem Mond. Der 
scheinbare Marsdurchmesser nimmt während des Monats von 6” auf 6,6 zu. 

Jupiter (Feld 14°/, $ bis 14!/, h) ist von der Mitte des Monats an während der ganzen 
Nacht sichtbar. Der Planet befindet sich während des ganzen Jahres im Sternbilde der 
Waage, ist seit Anfang März rückläufig geworden und wird erst wieder anfangs Juli 
rechtläufig. Am 1. Mai steht Jupiter der Erde am nächsten und in Opposition mit der 
Sonne. Seinen größten Abstand von der Erde erreicht er erst wieder Mitte November, 
gerade wenn der Mars in Erdnähe rückt. In der größten Erdnähe beträgt die Ent- 
fernung des Jupiters von der Erde 658 Millionen Kilometer. Auf seiner Oberfläche 
sind die in Gestalt und Farbe sich stets ändernden, mit dem Aquator zumeist parallel 
verlaufenden Streifen sichtbar, welche von ebenso schnell sich ändernden helleren und 
dunkleren Flecken durchsetzt sind und Zeugnis von den gewaltigen Umwälzungen in der 
noch heißen Lufthülle dieses größten Planeten ablegen. Einige dieser Gebilde, ins- 
besondere der rote Fleck aus dem Jahre 1874, der heute noch zu sehen ist, haben eine 
lange Sichtbarkeitsdauer, so daß sie ein vorzügliches Mittel abgeben, durch die Ab- 
zählung der Zeit, die zwischen zwei Durchgängen durch die Mitte der Jupiterscheibe 
verstreicht, die Umdrehungsdauer des Jupiters selbst zu bestimmen. Sie beträgt 
nur 9 Stunden 55 Minuten. Der scheinbare Durchmesser des Jupiter nimmt von 41”,2 
auf 42,6 während des Monats zu. 

Saturn (Feld 2!/,b bis 21/, >) steht während des ganzen Jahres im Sternbilde des 
Widders, tritt zweimal in diesem Monat, am 1. und 29. April mit dem Monde in Kon- 
junktion und verschwindet, nachdem er mit seinem Ringsystem während des ganzen 
Winters ein schönes Beobachtungsobjekt war, von der Mitte des Monats an auf längere Zeit 
in den Strahlen der Sonne. Von den 10 Monden, die ihn umkreisen, ist nur der hellste, 
Titan, lichtstark genug, um schon in kleineren Fernrohren gesehen werden zu können. 


= j — 


Er gebraucht 16 Tage zu einem vollen Umlauf um .den Saturn. Sein Durchmesser ist 
4000 km groß, wohingegen der dritte Jupitermond 5400 km mißt, so daß dieser bereits 
wegen seiner Größe von scharfen Augen unter günstigen Umständen ohne Fernrohr ge- 
sehen werden kann. Der Durchmesser unseres Mondes beträgt nur 3480 km. Würde Titan 
uns ebenso nahe stehen wie dieser, so würden wir ihn um 5 Bogenminuten größer sehen 
als unseren Mond. Auch auf dem Saturn sind in größeren Fernrohren schwache dunkle 
Streifen in der Äquatorgegend zu bemerken, jedoch viel seltener scharf begrenzte Flecke. 
Wegen der farbenreinen Abbildung, die unser Treptower Fernrohr gibt, können wir 
auch sehr deutlich eine rote Färbung auf diesen Saturnsgebilden wahrnehmen und daraus 
schließen, daß auch die Atmosphäre dieses Planeten noch hohe Temperaturen, etwa 
200 bis 250° besitzt. Der scheinbare Durchmesser des Saturns nimmt, da dieser Planet 
sich jetzt von uns entfernt, von 15,5 auf 15,3 ab. | 


Uranus (Feld 205) ist nur kurze Zeit am Morgenhimmel sichtbar. Er zeigt selbst 
in den größeren Fernrohren nur ein kleines Scheibchen von blau-grünlicher Färbung 
und von 3*,4 Durchmesser. Nur in den allergrößten Fernrohren sind auf seiner Ober- 
fläche dunkler und heller gefärbte Flecken zu beobachten, deren Verfolgung jedoch bis- 
her nicht möglich war, so daß wir über die Dauer seiner Axendrehung noch im Un- 
klaren sind. Trotz seiner gewaltigen Entfernung von uns, 2900 Millionen Kilometer, sind 
schon 4 Monde bei ihm entdeckt worden, die sich in 2!/, bis 13!/, Tagen um ihren Pla- 
neten bewegen und die Eigentümlichkeit besitzen, daß sie in nahezu senkrechten Bahnen 
von Osten nach Westen ihren Umlauf vollführen. Eine solche Bewegung ist nur noch 
bei dem Saturnsmonde mit Sicherheit festgestellt worden. Während !des ganzen Jahres 
steht Uranus im Sternbilde des Schützen. 


Neptun (Feld 71/,5) ist im Monat April noch 6 Stunden lang am Abendhimmel 
zu beobachten. Galle, welcher ihn zuerst am 23. September 1846 gesehen hat, ist im 
vorigen Jahre gestorben. Sein geistiger Entdecker Leverrier der aus den Ablenkungen, 
welche Uranus in seinem Laufe durch die Anziehungskraft des Neptuns erlitten hat, den 
Ort dieses entferntesten Planeten vorausberechnet hat, ist gerade vor 100 Jahren geboren 
worden und im Jahre 1877 gestorben. — Der größte Durchmesser dieses Grenzwärters 
unseres Planetensystems beträgt nur 2*,6. Bisher konnte nur ein Mond in seiner Nähe 
gesehen werden, der in 5 Tagen 21 Stunden in einer Entfernung von nur 356 000 km 
seinen Planeten umkreist. 


Bemerkenswerte Konstellationen: 


April 1. mittags Saturn in Konjunktion mit dem Monde. 
- 1. 65 abends Venus in Konjunktion mit dem Monde. 
- 15. 4% morgens Merkur in seiner größten östlichen Abweichung von der 
Sonne 19° 42°, 
- 15. 6 morgens Jupiter in Konjunktion mit dem Monde. 
- 24. 2h morgens Mars in Konjunktion mit dem Monde. 
- 28. 2h morgens Totale Sonnenfinsternis. In Europa unsichtbar. 
- 29. 4h morgens Saturn in Konjunktion mit dem Monde. 
- 29. 3h nachm. Merkur in Konjunktion mit dem Monde. 


Der Komet 1886 I, der,am 1. Dezember 1885 in Paris von Fabry als schwacher Nebel 
entdeckt worden ist und Anfang April um die Zeit seiner Sonnennähe mit einem 5 Grad langen 
Schweif mit bloßem Auge zu sehen war, zeigte, wie Arthur Stentzel mitteilt, interessante Er- 


— 14 — 


scheinungen, die mit denen des Brooksschen Kometen 1889 V') zwar große Ähnlichkeit hatten, aber 
auf ganz andere physikalische Ursachen zurückzuführen sind. 

Dieses Gestirn ging am 6. April 1886 durch das Perihel und näherte sich nachher im nieder- 
steigenden Knoten einem Punkte der Erdbahn bis auf 0,2 Erdbahnradien, den die Erde nur 2'/, Tage 
vorber berührt hatte. Die Helligkeit des Kometen stieg deshalb zu dieser Zeit sehr bedeutend und 
machte ihn zu einem sehr auffallenden Objekt. Der stark leuchtende Schweif zeigte zunächst, wie im 
allgemeinen, überhaupt keine besondere Abweichung von der regelmäßigen Form und erschien auch 
am Abend des 31. März durchaus normal (Fig. 1). Doch plötzlich, um 11" 15", bot er im Fern- 
rohre einen höchst merkwürdigen Anblick dar: der Schweif erschien etwa bei zwei Drittel 
seiner Länge völlig abgebrochen und setzte sich erst nach einer schwarzen Lücke wieder fort. Der 
Himmel war während des ganzen Abends vollkommen sternenklar, und der Zufall wollte es, daß 
unmittelbar neben der eigentümlichen Lücke ein ziemlich heller Stern stand (Fig. 2). Eine den 
 Schweif an der unterbrochenen Stelle verdeckende Masse, etwa ein Wolkenstreif, konnte also nicht 


Komet 18861. 


Gezeichnet von Arthur Stentzel. 


Fig. 1. | Fig. 2. Fig. 3. 
März 31, 11P 30%. März 31, 115 15™ bis 11" 20”. April 1, 8? 40” bis 9" 30™. 
Sterndurchgang D 0™ bis 9" 1™. | 


vorhanden sein, die Lücke war vielmehr reell. Indessen schon nach 5 Minuten, um 11" 20” war die 
Unterbrechung verschwunden, der Schweif zeigte wieder sein vorheriges normales Aussehen (Fig. 1). 
Noch sonderbarer war der Vorgang am folgenden Abend. Von 8° 40° bis 9" 30% erschien der 
Schweif sogar in vier gesonderte Stücke getrennt: der Kopf besaß nur einen kurzen, sehr hellen 
Schweifansatz, diesem folgte nach einer schwarzen Lücke ein etwa ebenso langes Schweifstück, 
diesem ebenfalls nach einer Lücke ein kurzes matteres Stück, nnd nach einer dritten, der größten, 
Lücke, schloß ein längliches Wölkchen den Schweif ab. Dadurch, daß dieses letzte offenbar nur der 
einen Seite des Schweifes angehörte, während die andere dunkel blieb, erhielt der Schweif eine 
stark gekrümmte Form, die in Wirklichkeit (als er wieder lückenlos erschien) nicht vorhanden war. 
Daß es sich hier weder um eine subjektive Täuschung, noch um eine materielle Verdeckung 
handelte, bewies ein Stern, der die erste Lücke in ungeschwächtem Glanze passierte (Fig. 3). 
Stentzel führt diese Erscheinung auf das elektrische Verhalten der Schweifteilchen zurück 
und vermutet in den Lücken indifferente Stellen, wie sie zwei- oder mehrpolige Magnete zeigen; 
die lichtaussendenden (elektrisch schwingenden) Schweifteile wären dann gewissermaßen als „Folge- 
pole“ aufzufassen. 


1) Vergleiche Dr. F. S. Archenhold, Zur Wiederentdeckung des Kometen Brooks 1889 V. 
„Das Weltall“, Jg. 11, S. 106. 


— 17% — 


Auf der Nordhalbkugel konnte der Komet nour bis zum 28. April beobachtet werden, auf der 
südlichen Halbkugel sah man ihn vom 1. Mai an mit einem 9 Grad langen Schweif. Die letzte 
Beobachtung gelang Finlay im Fernrohr am Kap der guten Hoffnung am 30. Juli 1886. 

= š j F. S. A. 

- Über die Bahn einiger spektroskopischer Doppelsterne finden wir in den Publikationen 
des Allegheny Observatoriums der Universität zu Pittsburg (Vol. II No.5 bis 8) interessante Mit- 
teilungen. 

1. Der Stern 30 H. Ursae Majoris (Rekt. = 10°17’, Dekl. = + 66° 4‘), wurde im Jahre 1909 
von Frank Schlesinger und Robert Baker als doppelt erkannt. Das Spektrum ist vom Typus A 
und hat große Ähnlichkeit mit dem Spektrum der Wega. Es wurden 50 Spektrogramme, die mit 
dem Mellon-Spektrographen in den Jahren 1908 bis 1910 auf den Lumiéreschen Sigmaplatten her- 
gestellt waren, untersucht und zwar, die Calciumlinie 393,38 wu, die beiden Wasserstofflinien 
410,19 pu und 434,06 uw und die Magnesiumlinie 448,14 uu. Die Platte wurde durchschnittlich, da 
der Stern nur 5,1. Größe ist, 50 Minuten lang exponiert; man fand für die Periode des Umlaufs 
des Doppelsternpaares 11,5832 Tage. 

2. Die Duplizität der Spektrallinien des Sternes 57 Cygni (Rekt. = 20°50’, Dekl. = +44°0') 
wurde im Jahre 1903 von Frost und Adams zuerst aufgefunden (Astrophysical Journal XVII S. 881). 
Die Spektren gehören zum Typus B 3, sind einander sehr ähnlich und fast gleich hell. Es wurden 
von Baker 30 Spektrogramme, die im Jahre 1909 auch mit dem Mellon-Spektrographen gemacht 
waren, zur Messung benutzt und zwar drei Heliumlinien 402,64 uu, 438,81 uu und 447,17 uw; die 
beiden Wasserstofflinien 410,19 uu und 434,06 uu und die Magnesiumlinie 448,14 uw. Es ergibt 
sich eine Periode von nur 2,8546 Tagen. Es scheint so, als ob die Maße der beiden Sterne fast 
gleich sind. 

3. Baker hat auch den Stern t Aquilae (Rekt. = 20" 6‘, Dekl. = —1° 7‘), der schon früher 
von Deslandres im Jahre 1901 beobachtet war (Bulletin astronomique XX S. 29), neu untersucht 
umd eine Periode von 17,1245 Tagen festgestellt; jedoch scheint die Periode um 0,072 Tage jährlich 
veränderlich zu sein. Da der Stern hell genug, ist auch später die Anwendung dreier Prismen 
möglich, und da das Spektrum eine Reihe von feinen metallischen Linien enthält, so wird man über 
dieses interessante Sternsystem bald noch näheres erfahren und die Widersprüche erklären, welche 
sich zwischen den Deslandreschen und den Bakerschen Beobachtungen gezeigt haben, und so 
feststellen können, ob die Periode in Wirklichkeit konstant oder veränderlich ist. 

4. Der Stern m Andromedae ıRekt. = 0° 32’, Dekl. = +33° 10°) ist von F. C. Jordan 
durch Ausmessungen von 111 Platten, die auch mit dem Mellon-Spektrographen von August 1907 
bis Oktober 1909 gemacht worden sind, untersucht und eine Periode von 143,67 Tagen abgeleitet. 
Die Veränderlichkeit des Spektrums wurde schon von Frost und Adams im Jahre 1903 entdeckt. 
Das Spektrum gehört dem Typus B3 an und zeigt gut ausmeßbare scharfe Linien bis auf die 
Wasserstofflinien. 

Es konnten 11 Linien zur Ausmessung benutzt werden. 1 Calciumlinie = 393,37 uu, 6 Helium- 
linien = 400,94 Du, 402,64 uw, 412,10 wu, 414,40 um, 438,81 pu, 447,16 wu, zwei Wasserstoff- 
linien = 410,19 ww, 434,06 we, 1 Kohlenstofflinie = 426,74 wu und 1 Titaniumlinie = 448,15 uu 

Von besonderem Interesse ist, daß dieser Doppelstern ein Heliumstern mit langer Periode ist. 

In der Tabelle der Heliumsterne, die in dem 2. Katalog der spektroskopischen Doppelsterne 
(Lick Observ., Bulletin S. 36) veröffentlicht ist, ist eine große Lücke zwischen den kurzen- und den 
langperiodischen, denn die kürzesten der letzteren haben eine Periode von 117 Tagen, während die 
kurzperiodischen Sterne alle unter 1 Monat Umlaufszeit haben. Außerdem ist es noch bemerkenswert, 
daß die kurzperiodischen im Durchschnitt 8,38 Tage und eine Excentrizität von 0,19 haben. Die lang- 
periodischen haben 147,1 Tage und eine Exzentrizität von 0,41, das heißt, die Abnahme der Fx- 
zentrizität mit der Umlaufszeit ist deutlich zu erkennen. 

Die Exzentrizität von æ Andromedae beträgt 0,58, und es zeigt sich hier auch wieder ein Wachsen 
der Exzentrizität mit der langen Periode, Nur drei der Heliumsterne, deren Umlaufszeit gerade 
zwischen 20 und 30 Tagen liegt, machen eine Ausnahme, ihre Exzentrizität ist noch größer und be- 
trägt 0,61. Sollten noch andere Sterne aufgefunden werden, die bei ähnlicher Periode eine ebenso 
hohe Exzentrizität zeigen, so dürfte sich eine besondere Untersuchung dieser Gruppen anempfehlen. 

a e F. S. Archenhold. 


* 
Uber die eruptive Tätigkeit des Vesuvs im Monat Mai 1910 berichtet Prof. Alfano über 
seine Beobachtungen vom Observatorium „Pio X“ in Valle di Pompei aus, wie folgt: 
Mai 1. weißlicher Rauch aus dem südwestlichen und nordöstlichen Teile des Kraters. Mai 6. 
und 7. viel Dampf im Innern des Kraters, namentlich im Südwesten. Mai 7. und 8. desgleichen; dazu 


— 1% — 


noch grauer Rauch im Nordosten. Mai 12. und 13. wenig Dampf aus dem Rande des Kraters. Mai 
15., 16., 20, 23., 24., 29.—31. wenig weißer Dampf aus SW. Mai 22. dichter weißer Rauch im Krater. 
Mai 25. viel schwärzlicher Rauch. Ganz frei von Dämpfen war der Berg bloß vom 17. -19. Mai. 
Dagegen durch Wolkenbedeckung der Beobachtung entzogen am 2.—5., 10., 11., 14., 21. 27. und 
28. Mai. * * 


* 

Das Technikum Mittweida ist ein unter Staatsaufsicht stehendes, höheres technisches Institut 
zur Ausbildung von Elektro- und Maschinen-Ingenieuren, Technikern und Werkmeistern und zählt 
jährlich ca. 2 bis 3000 Studierende. Der Unterricht sowohl in der Elektrotechnik als auch im 
Maschinenbau wurde in den letzten Jahren erheblich erweitert und wird durch die reichhaltigen 
Sammlungen, Laboratorien für Elektrotechnik und Maschinenbau, Werkstätten und Maschinenanlagen 
usw. sehr wirksam unterstützt. Das Sommersemester beginnt am 20. April 1911, und es finden die 
Aufnahmen für den am 30. März beginnenden, unentgeltlichen Vorkursus von Mitte März an wochen- 
täglich statt. Ausführliches Programm mit Bericht wird kostenlos vom Sekretariat des Technikum 
Mittweida (Königreich Sachsen) abgegeben In den mit der Anstalt verbundenen, ca. 3000 qm be- 
baute Grundfläche umfassenden Lehr-Fabrikwerkstätten finden Praktikanten zur praktischen Aus- 
bildung Aufnahme. Auf allen bisher beschickten Ausstellungen erhielten das Technikum Mittweida 
bezw. seine Präzisions-Werkstätten hervorragende Auszeichnungen. Industrie- und Gewerbe-Aus- 
stellung Plauen: die Ausstellungsmedaille der Stadt Plauen „für hervorragende Leistungen“. Industrie- 
und Gewerbe-Ausstellung Leipzig: die Königl. Staatsmedaille „für hervorragende Leistungen im 
technischen Unterrichtswesen“. Industrieausstellung Zwickau: die goldene Medaille „für hervor- 
ragende Leistungen“. Internationale Weltausstellung Lüttich: den Prix d’honneur. 


Zehnstündider astronomischer Vortraßscyklus: 


Die Bewohnbarkeit der Welten. 


Mit Lichtbilder n, Demonstrationen und praktischen Uebungen auf der Plattform der 
Treptow - Sternwarte. 


von Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow - Sternwarte. 

Im neuen Hörsaal der Treptow - Sternwarte, Treptow bei Berlin, Alt- Treptow 1. 
gw: Montags 9—10 Uhr abends. Beginn: 24. April. wg 

Zwei kleinere Fernrohre stehen vor und nach dem Vortrage zur freien Verfügung. 


Einleitung: Geschichte der Bewohnbarkeitsfrage. 

Lebensbedingungen auf den Himmelskörpern. 

Die Beschaffenheit der Sonne. 

Merkur und Venus, Gleichheit von Tag und Nacht. 

Dauer der Jahreszeiten auf dem Mars, Kanäle und Eisfelder. 

. Jupiter und seine Monde. 

. Jahreslänge auf dem Saturn, das Ringsystem, die 10 großen Monde. 

. Uranus und Neptun, Oberfläche und Färbung. 

Planetenartige Begleiter im Kosmos. Die Vielheit der Welten. 

Praktische Übungen in der Beobachtung von Planeten und Aufsuchung der Sternbilder. 


Die Hörerkarten sind schon zum ersten Vortrage mitzubringen und al als Aus- 
weis vorsuseigen. 


Hörgebühr für den sehnstiindigen Kursus 6 M., für Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 4,50 er 


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H. A. in B. Auf Ihre Anfrage, welche Lehrbiicher in elementarer Weise in die Differential- 
und Integralrechnung einführen, teilen wir Ihnen mit, daß in Betracht kommen: „Kurze Einleitung 
in die Differential- und Integralrechnung“ von J. Fisher, Leipzig, 1904; „Gemeinverständliche erste 
Einführung in die Höhere Mathematik“ von H. Leschanowsky, Wien, 1907; „Die Anfangsgründe 
der Differential- und Integralrechnung’ von R. Schroeder, Leipzig, 1905. 


Fur die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.B. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


DAS WE LALL 


Herausgegeben von 
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 12. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Zweites Marzheft), 
Berlin-Treptow. 


Diese Zeitschrift erscheint zweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Treplow-Siernwarte, Treplow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalten (Post- 

Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einzelne Nummer 60 Pie, — Anzeigen-Gebühren: 1 Seite 80.— MR., 1j} Seite 45.— 
1, Seite 25.—, Lis Seite 15.—, Un Seite 8—. Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewicht. 


INHALT 

1. Neuere Untersuchungen über den chemischen Ursprung lelcgraphie. — Über das Erdbeben in Österreich im 
verschiedener Linien im Sonnenspekirum und in Mai 1910. o.s‘ We OS Ae ee 190 
Slernspektren. Von Dr. F. 8. Archenhold . . . . 177 | 5. Bücherschau: Eine neue Vulkan- und Weltent- 

2. Das Aronsche Chromoskop. Von Dr. W. Haken . 182 stehungslheorie. — Spektroskopie von Dr. L. Grebe. 

3. Die Mondslalionen. Von Prof. F. K. Ginzel (Schluß) 185 — Publikationen (vorin. Beobachtungen) der Kaiser- 

4. Kleine Mitteilungen: Die Darstellung von melalli- lichen Universiläts-Sternwarle zu Jurjew (Dorpat) . 192 
schen Radium. — Die Verbreitung der Funken- 

Nachdruck verboten. — Auszügo nur mit genauor Quellenangabe gestattet. 


Neuere Untersuchungen über den chemischen Grsprung Verschiedener 


hinien im Sonnenspektrum und in Sternspektren. 
Von Dr. F. S. Archenhold. 


TD) Hauptassistent des „Solar Physics Observatory“, Baxandall, in South- 
Kensington, das, von Sir Norman Lockyer schon seit vielen Jahren ge- 
leitet, wertvolle Beiträge zur Sonnenphysik liefert, und um dessen Verlegung 
aus London heraus sich ein großer Streit entwickelt hat, veröffentlicht unter 
obigem Titel sechs verschiedene Untersuchungen, deren Hauptergebnisse wir 
hier mitteilen wollen. Die benutzten Sternspektren und Laboratoriumsauf- 
nahmen sind hauptsächlich von Butler gemacht, die Sternphotogramme rühren 
von verschiedenen Mitgliedern des Observatoriums her. 

Zuerst wird das Spektrum der Sonnenchromosphare und einiger Stern- 
spektren mit dem der Sonnenflecke verglichen. Die Arbeit ist vor 7 Jahren in 
Kensington begonnen worden. Inzwischen wurden auch auf der Mount Wilson- 
Sternwarte ähnliche Untersuchungen angestellt, mit denen die Kensington- 
Resultate jetzt verglichen werden können. Es sind insbesondere bei diesem 
Vergleiche die Spektren von Capella und Arktur herangezogen worden. 
Während das Spektrum der Capella dem Sonnenspektrum schr ähnlich ist, 
sind im Spektrum von Arktur besonders Vanadium- und Titanlinien aufge- 
funden worden, welche nur in dem Sonnenfleckenspektrum schr stark vorkommen. 
Wir geben hier als Beispiel das Spektrum eines Sonnenfleckes im roten Teile 
nach Hale und Adams wieder, in welchem besonders die Linie 7054,6 kräftig 
hervortritt. Als Vergleich ist darunter das Titanspektrum im elcktrischen 
Flammenbogen abgebildet; da in diesem die Linien hell sind, so ist eine nega- 
tive Kopie abgedruckt. (Abb. 1.) Es hat sich weiter herausgestellt, daß dic 
Dämpfe in den Sonnenflecken, in der Sonnenphotosphäre und in der 
absorbierenden Atmosphäre des Arkturs sich fast unter gleichen Be- 


— 17% — 


dingungen der Temperatur und elektrischen Ladung vorfinden. Der Ver- 
gleich des Spektrums der Sonne selbst mit der Capella ergab, daß in 
den Temperaturverhältnissen der absorbierenden Dämpfe dieser: beiden 
Körper nur sehr geringe Unterschiede vorhanden sein können. Die starken 
Eisenlinien von 4045 bis 4072 und zwischen 4383 und +4415 sind in Capella 
ein wenig schmaler als in der Sonne, woraus geschlossen werden kann, daß 
die Temperatur der Capella etwas höher sein muß, als die der Sonne. Dic 
Intensitätsänderungen einiger anderer Linien weisen auch darauf hin, daß die 
Capella ein wenig heißer als die Sonne ist. Es sind besonders die Scandium 
und Proto-Titanlinien, welche bei Capella etwas stärker entwickelt sind. Wir 
geben hier die Spektren von Sonne, Capella und gleichzeitig von Procyon, 
yCygni, Arktur und Beteigeuze nach Huggins wieder (Abb. 2). Aus 
dem Studium des Arkturspektrums von Baxandall') sowohl wie von Adams 
hat sich in übereinstimmender Weise ergeben, daß erstens die stärkeren Linien 
in den Sonnenflecken auch im Arkturspektrum stärker auftreten und zweitens, 
daß die Linien des Vanadiums und Titans sich immer unter den am meisten 
verstärkten Linien vorfinden. Drittens stellte sich heraus, daß die Temperatur 


Abb. 1. 
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Die Titanbanden im roten Teile des Spektrums der Sonnenflecken (oben) 
und des elektrischen Flammenbogens (unten). 


von Arktur niedriger als die der Sonnc ist. Mit steigender Temperatur werden 
die Eisenlinien schwächer und die Wasserstofflinien stärker in den Stern- 
spektren. Es zeigt sich, daß im Arktur die Eisenlinie 4326 deutlich stärker 
als die Wasserstofflinie Hy ist, und umgekehrt in der Sonne die Wasserstoff- 
linie Hy die stärkere ist. Weiter hat der Vergleich ergeben, daß die absor- 
bierenden Dämpfe in dem Kern der Sonnenflecken annähernd sich unter den- 
selben Temperaturbedingungen befinden müssen, wie die absorbierenden Dämpfe 
der Arkturhülle. Hieraus kann weiter geschlossen werden, daß, wie schon 
gezeigt, die Temperatur des Arkturs niedriger als die unserer Sonne ist und 
daß auch die Dämpfe der Sonnenflecken niedriger als ihre Umgebung sind 
und daß es somit auch wahrscheinlich ist, daß auf dem Arktur die Flecken 


') Vgl. Baxandall: „Researches on the chemical origin of various lines in solar and stellar 
spectra“; Hale, Adams und Gale. „Preliminary paper on the cause of the characteristic pheno- 
mena of sun-spot spectra‘. Astrophys. Journal Bd. 24, Seite 185. („Second paper . .“ Bd. 25. Seite 15.) 
Adams: „Sun-spot lines in the spectrum of Arcturus“. Astrophys. Journal Bd. 24, Seite 69. 
Adams: „Preliminary catalogue of lines affected in sun-spots“. Astrophys. Journal Bd. 27. Seite 45. 


— 19 — 


viel zahlreicher vorkommen als auf unserer Sonne. Den Unterschied des 
Spektrums der Sonne und eines Fleckes in der Region der b-Linien zeigt uns 
Abbildung 3 

Weiter ist wohl anzunehmen, daß die Capella, welche im Augenblicke eine 
höhere Temperatur als die Sonne hat, auch weniger Flecke zeigen wird. 
Werden noch die Spektren der kälteren Sterne, Secchis 3. und 4. Klasse, (die 
dem Antares und der Fischgruppe der Kensington-Einteilung entsprechen) zum 


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Die Spektren von Sonne, Procyon, y Cygni, Capella, Arktur und Beteigeuze. 


Vergleich herangezogen, insbesondere das Spektrum von «Orionis, welches 
Pickering tabuliert hat, so stellt sich heraus, daß unter 79 Linien 45 dem 
Eisen, 25 dem Titan, 13 dem Chrom und 9 dem Vanadium zugehören und dai 
infolgedessen der Stern, der den Namen Beteigeuze trägt, weit fleckenreicher 
sein muß als Arktur. Die Zunahme der Absorptionslinien bei dem Stern- 
spektrum von u Geminorum, Typus 3, bis zum Spektrum des Sternes 132 Schjelle- 
rup, Typus 4, ist verhältnismäßig geringer als vom Sonnen- zum Arktur- 
spektrum. (Vgl. Abb. 4) Schon früher wurde gezeigt, daß das Spektrum 


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Sonne 


Capella 


— 180 — 


der Chromosphäre der Sonne schr stark den Sternspektren yCygni und Procyon 
ähnelt, hauptsächlich inbezug auf die metallischen Linien. 

Unter den heißeren Sternen nimmt eUrsae Majoris eine besondere Stellung 
ein. Beim Vergleiche seines Spektrums mit dem des Sirius stellte sich heraus, 
daß die Linien des Protochroms im Spektrums von ¿Ursae Majoris deutlicher hervor- 
traten als in dem irgend eines anderen Sterns, woraus aber noch nicht geschlossen 
werden darf, daß die Atmosphäre mehr Chromdämpfe enthält als die andern 
Sternatmosphären, sondern daß vielleicht der spezielle Temperatur- oder elek- 
trische Zustand des Dampfes in eUrsae Majoris dies Auftreten des Protochroms 
mehr begünstigt als der anderer Sterne. 

Das Auftreten von Stickstofflinien in den Sternspektren ist bereits im 
Jahre 1899 im Kensington-Laboratorium bei ¿Orionis entdeckt worden. Die 
stärksten Linien des Stickstoffs bei 3395 und 4631 treten in Sternen auf, welche 
ungefähr die Temperatur des hellsten Sterns im Kreuz, « Crucis, besitzen. Sie 
sind auch mit Sicherheit im Spektrum des Rigel und in ¢Orions nachgewiesen.) 


Abb. 3. 
5134 5151 b, bp b, b, 
| | | | | | 


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| | | 


Das Spektrum der Sonne und eines Sonnenfleckes in der Region der b-Linien. 


Sir David Gill hat im Jahre 1899?) festgestellt, daß in dem Spektrum von 
£Crucis die stärkeren Sauerstofflinien auftreten, zum mindesten die zwischen 
4250 und 4575, ohne jedoch die Stickstofflinien, die zweifelsohne in diesem 
Sterne auch vorkommen, aufzufinden. Schon vorher hatte Sir William 
Huggins das Vorhandensein von Sauerstoff in den Sternen entdeckt; be- 
sonders in den Heliumsternen Bellatrix und Rigel, und zugleich erkannt, 
daß die in diesen Sternen vorkommende Linie 3905 auf das Vorhandensein 
von Stickstoff zurückzuführen ist. In Kensington sind dann noch im Bellatrix- 
spektrum die Linien 4237, 4242 und 4631 als Stickstoff erkannt worden. Eine 
ausführliche Tabelle gibt alle die Stickstofflinien wieder, welche in £, y, x, ¢, § 
und : Orions aufgefunden sind. Einige dieser Stickstofflinien sind verhältnis- 
mäßig scharf, andere wieder stark verschwommen. Es ist von besonderem 
Interesse, daß die Schärfe und Verschwommenheit im Laboratorium in gleicher 
Weise auftritt wie in den Sternspektren. 

1) „On the Order of Appearance of Chemical Substances at different Stellar Temperatures“. 
Roy. Soc. Proc., Bd. 64, Seite 39s. 

2) „On the Presence of Oxygen in the Atmospheres of certain Fixed Stars“. Roy. Soc. Proc. 
Bd. 65, Seite 203. 


Sonne 


Sunnen- 
fleck 


— 181 — 


Baxandall gibt zum Schluß noch eine wertvolle Tabelle aller scharfen 
Linien in den Sternspektren, welche sich für die so wichtigen Geschwindig- 
keitsmessungen besonders gut eignen. Eine andere Tabelle enthält alle am 
Himmel aufgefundenen Linien, welche bisher noch nicht mit Sicherheit mit ir- 
dischen Elementen identifiziert werden konnten. Alle Spektroskopiker, welche 
die Spektren seltener Elemente im Laboratorium untersuchen, sollten in diese 
Tabelle Einsicht nehmen, um sich zu vergewissern, ob nicht vielleicht einige 
der noch unbekannten Linien in den Sternspektren mit den von ihnen gefundenen 
Linien identisch sind. Die Wellenlängen der unbekannten Linien liegen 
zwischen 3860 und 5304 und finden sich hauptsächlich im Spektrum von Dencb, 
e Ursae Majoris, «Orionis, «Andromedae, © Aurigae, ¢Puppis und in unserer 


Sonne. 


Sonne 
(Klasse Il) 


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(Klasse Ill) 


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(Klasse IV) 


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Das Spektrum der Sonne (Klasse II).und der ‚Sterne;“# Geminorum (Klasse II) 
und 132 Schjellerup (Klasse IV). 


Niemand konnte annehmen, daß die spektrale Zerlegung des Lichtes uns 
so wichtige Einblicke in die Natur der Gestirne verschaffen würde. Freilich 
müssen die Spektrogramme der schwachen Sterne selbst in den lichtstärksten 
Fernrohren oft mehrere Nächte hintereinander auf die Platte wirken, um uns 
die chemische Beschaffenheit der Lichtquelle zu verraten. Manche Aufnahmen 
brauchen eine 24stündige Expositionszeit. Besonders interessant sind die 
früher unerklärt gebliebenen Abweichungen im Aussehen der Spektren. (Über 
die verschiedenen Arten der Sternspektren sind unsere Leser in einem früheren 
Artikel von mir im „Weltall“, Jg. 11, Seite 130 orientiert worden.) So erschien 
der helle Spektralgrund des Stern Pegasi nicht gleichmäßig hell, was jetzt 
dadurch erklärt werden kann, daß ePegasi noch ein unfertiger Stern in gasartigem 
Zustande ist der in der Mitte des Spektrums breite Emissionsbänder einer 
heißeren Region zeigt, über welche sich breite Absorptionsstreifen der kühleren 


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— 182 — 


Außengebiete lagern. Auch können Wirbel, die im Innern dieses Gestirns auf- 
treten, dem Spektrum einen unbestimmten Charakter geben. 

Exner und Haschek haben beim Arktur und Pollux die vermeintliche 
Calciumlinie als eine kräftige Linie des seltenen Elementes Europium erkannt 
und Sir Norman Lockyer hat das Auftreten des Schwefels im Spektrum des 
Rigel zum ersten Male in einem Gestirnsspektrum festgestellt. Neuerdings 
hat Nordmann durch photometrische Vergleichung der Spektren bei vielen 
Sternen die Temperatur bestimmt; so beim Polarstern auf 8200°, beim Algol 
auf 13 300°, beim Stern A im Stier auf über 40000° Fast alle in den letzten 
Jahren im Laboratorium entdeckten neuen Elemente können auch in den 
Spektren der Sterne nachgewiesen werden, wodurch die Annahme, daß die 
Materie, welche zum Aufbau der vielen Millionen Sonnen im Weltall benutzt 
worden ist, auch das Material für die Zusammensetzung unserer Sonne und 
ihrer Planeten abgegeben hat, zur Gewißheit wird. 


Das Aronsche Chromoskop. 

FR eranntticn gibt die Zerlegung des Lichts durch ein Glasprisma darüber 

Aufschluß, daß fast jeder Körper mit Farben leuchtet, die durchaus nicht 
im physikalischen Sinne homogen sind, sondern sich in Wirklichkeit aus ciner 
größeren oder kleineren Zahl von Grundfarben zusammensetzen. So wird das 
uns weiß erscheinende Tageslicht durch das Prisma in ein farbiges Band auf- 
gelöst, das sämtliche Spektralfarben in kontinuierlichem Übergang von Rot bis 
Violett enthält. Durch die Spektroskopie ist es möglich geworden, sich in 
diesem Bereich der Spektralfarben mit außerordentlicher Genauigkeit zu orien- 
tieren; denn jeder einzelnen Spektralfarbe entspricht ja cine ganz bestimmte 


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Fig. 1 
Wellenlänge, beispielsweise kommt der Linie B eine Wellenlänge von 
0,000 687 mm, der Linie E, eine solche von 0,000 527, der Linie F die von 
0,000 486, der Linie H die von 0,000 397 mm zu. Aus Fig. 1 ist die Lage dieser 
Linien im Spektrum ersichtlich, ihre Bezeichnung stammt von Frauenhofer 
her. Wenn es nun auf diesem Wege möglich geworden ist, jedes der achtzig 
Grundelemente durch das Auftreten einer oder mehrerer charakteristischer 
Linien im Spektralapparat mit aller Sicherheit sowohl einzeln als auch in den 
Verbindungen zu erkennen, so hat es andererseits ein großes praktisches 
Interesse für viele Zweige der Industrie, ein genaues Maß für die zahlreichen 
Mischfarben zu besitzen, die man nun durch die Kombination der Spektral- 
farben hervorrufen kann und den betreffenden Farbenton stets mit möglichster 


Genauigkeit zu reproduzieren. Die Möglichkeit der Konstruktion eines solchen 
Apparats ergibt sich durch die Färbung, die Plattchen aus Gips oder Quarz im 


— 183 — 


polarisierten Licht zeigen. Das linear polarisierte Licht, das hier allein in Be- 
tracht kommt, unterscheidet sich von dem natürlichen dadurch, daß die Schwin- 
gungen in einer bestimmten Richtung senkrecht zum Lichtstrahl vor sich 
gehen, während im natürlichen Licht keine Richtung bevorzugt ist. Diesen 
Unterschied kann man etwa durch 
Fig. 2 veranschaulichen. Bei linear 4 
polarisiertem Licht erfolgen die Schwin- 
gungen stets in der Richtung a—b — 
der betreffende Lichtstrahl geht durch 
o senkrecht zur Zeichnungsebene — 
andere Schwingungen sind unmöglich, 
während im natürlichen Licht diese 
Schwingungen gleichmäßig nach allen 
Richtungen erfolgen. Es ist nun durch 
verschiedene Versuchsanordnungen mög- Fiat. 
lich, aus natirlichem Licht linear pola- I 
risiertes herzustellen, unter anderm auch Linear pola- Natürliches Licht. 

> : risiertes Licht. 
durch Verwendung gewisser Krystalle. 
Diese Krystalle, von denen sich der Kalkspat am besten zu diesen Zwecken 
eignet, besitzen die Eigenschaft, das auffallende Licht nicht gleichmäßig hin- 
durchzulassen, sondern nur solches, dessen Schwingungen in einer bestimmten, 
ausgezeichneten Ebene und einer zu dieser senkrecht stehenden erfolgen. 
Man kann bewirken, daß nur das Licht einer dieser beiden Schwingungsrich- 
tungen zur Geltung kommt und hat dann lincar polarisiertes Licht hergestellt. 
Zwei derartige Krystalle lassen sich in der Weise verwenden, daß man den 
einen zur Polarisation des Lichts benutzt, den andern dagegen zur Unter- 
suchung des Schwingungsunterschiedes des austretenden Lichtes. Denn werden 


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Fig. 4, 


beide Krystalle so orientiert, daß die betreffenden Schwingungsebenen des 
Lichts parallel stehen, so wird das aus dem ersten Krystall austretende linear 
polarisierte Licht auch den zweiten ungeschwächt durchsetzen, dagegen von 
dem zweiten Krystall nicht mehr hindurchgelassen werden, wenn die be- 
treffenden Ebenen aufeinander senkrecht stehen. Dreht man also das in Fig. 3 
mit A bezeichnete Prisma aus der parallelen Stellung um einem rechten Winkel, 
so wird uns das Gesichtsfeld völlig dunkel erscheinen, dreht man weiter, so 


— 184 — 


hellt es sich wieder auf, erreicht bei abermals 90° maximale Helligkeit, ver- 
dunkelt sich dann wieder bis zur nächsten Drehung um 90°, hellt sich wieder 
auf usw. Der Quarz besitzt nun die eigentümliche Eigenschaft, unter der Ein- 
wirkung solchen linear polarisierten zusammengesetzten Lichts ganz bestimmte 
Färbungen hervorzurufen, und zwar ist diese Färbung abhängig von der 
Stellung der Schwingungsebene des Polarisators zu der des Analysators. Bei 
Anwendung weißen Lichts ergeben sich z.B. nach Biots Messungen die Farben 
Rot Orange Gelb Grün — Blau Indigo Violett 
für den Winkel 15,30° 17,24 24° 28° 33% 38° 41° 
zwischen diesen beiden Ebenen für eine 
Quarzplatte von 1 mm Dicke. Es würde zu 
weit führen, auf die Theorie dieser. Er- 
scheinung näher einzugehen, nur soviel sei 
bemerkt, daß die auftretenden Farbentöne 
außer von dem Winkel, den die Schwingungs- 
cbene der beiden Krystalle mit einander 
bilden, noch von der Dicke der benutzten 
Quarzplatte abhängen. Diese Eigenschaft des 
Quarzes hat nun Arons zur Konstruktion 
eines Chromoskops benutzt. Das Prinzip der 
Anordnung besteht darin, daß er Quarzplatten 
verschiedener, genau bekannter Dicke in 
den Strahlengang zwischen Analysator und 
Polarisator, Fig. 4, einschaltet. Durch An- 
wendung von scchs Quarzplatten von der 
Dicke !/, Y., 1, 2, 4 und 8 mm lassen sich dann durch Ubereinanderlegen die 
denkbar reichhaltigsten Farbennüancen herstellen, die sich nun durch zwei Be- 
stimmungsstärken, nämlich die Dicke 
des verwandten Plattensatzes und den 
Winkel des Analysators, mit völliger Ge- 
nauigkeit festlegen lassen. Eine Dar- 
stellung der Erscheinung für 6 mm 
Quarzdicke gibt Fig. 5. An der Peri- 
pherie des Kreises sind die Winkel für 
die verschiedenen Lagen des Analy- 
satorwinkels von 10 zu 10° aufgetragen. 
Die charakteristischen Grenzen der ein- 
zelnen Farben liegen zwischen den 
Frauenhoferschen Linien A bis H, wie 
die Figur ebenfalls zeigt, die entsprechen- 
den Farben sind zwischen ihnen zur 
Orientierung eingetragen. Die in den 
inneren Kreis eingezeichnete Doppel- 
kurve stellt eine Schablone dar, die die 
Stärke der einzelnen Farbenanteile in 
- den entsprechenden Sektoren cr- 
kennen läßt. 


Fig. 6 zeigt eine Ansicht des Appa- 
rats, auf dessen konstruktive Einzel- 


— 18 — 


heiten hier nicht näher eingegangen werden kann. Das obere Ende trägt den 
Polarisator; hinter diesem lassen sich durch Einschieben der in der Figur her- 
vortretenden Messingplatten — scitlich von dem rechteckigen Kasten — dic ver- 
schicdenen Quarzdicken herstellen; am unteren Ende sitzt das Analysator-Nikol, 
dessen Stellung sich auf der Kreisteilung ablesen läßt. 

Die Farben im Chromoskop sind natirlich bedingt durch die zur Be- 
leuchtung dienende Lichtquelle: sie werden sich beispielsweise im Quccksilber- 
licht ganz anders ergeben als in diffusem Tageslicht. Eine Übersicht über das 
ganze Gebiet der unzähligen Farbennüancen zu geben, ist naturgemäß sehr 
schwierig. Nur so viel sei erwähnt, daß sich bei jeder Quarzplattendicke eine 
ganz besonders auffällige Farbenänderung von einer bläulichen zu einer röt- 
lichen Nüance zeigt, der natürlich ein charakterischer ,Analysator-Winkel* ent- 
spricht; diesen wird man dann zweckmäßig zum Ausgang der weiteren Unter- 
suchung wählen. f 

Es liegt auf der Hand, daß dieser Apparat für die mannigfachen Zwecke 
des Kunstgewerbes von großer Bedeutung ist, da man jeden nur denkbaren 
Farbenton durch Angabe der Quarzplattendicke und des Analysatorwinkels „ab- 
solut“ festlegen kann. Erforderlich ist allerdings noch, eine zweckmäßige Uber- 
sicht der einzelnen Farbenabstufungen zu geben und vor allem eine geeignete 
Auswahl der wichtigsten und ihrer Bezeichnung. Es wäre außcrordentlich 
wünschenswert, daß Maler und Theoretiker des Kunstgewerbes sich der Lösung 
dieser Aufgabe unterziehen; dann wäre durch das Chromoskop diesem Mangel, 
der sich bisher auf vielen Gebieten, nicht allein denen der Farbenindustrie, 
empfindlich fühlbar gemacht hat, völlige Abhilfe geschaffen. 


3e 


Die Mondstationen. 


Von Prof. F. K. Ginzel. 
(SchluB.) 


Dr. W. Haken. 


VE auf einige Abweichungen der drei Systeme gegen einander sei aufmerk- 
sam gemacht. Die arabischen Stationen liegen, wie schon betont, ziemlich 
konsequent längs der Ekliptik, dem ungefähren Wege des Mondes (s. Karte Fig. 1); 
eine Ausnahme machen nur (26) erster fargh, (27) zweiter fargh und (28) al-hüt, 
welche auf dem Aquator liegen; diese Abweichung haben sie aber mit den 
indischen XXIV, NAV und dem chinesischen 15. kuei gemeinsam. Die indischen 
nakshatra weisen mehrere völlig selbständige Anordnungen auf. Vor allem die 
Einbeziehung von Arktur (XIM sväti) und Wega (XX abhijit), zwei weit vom 
Mondwege abgelegenen Sternbildern, in die Mondstationen: bei abhijit ist die 
Aufnahme noch halbweg erklärlich, da diese Station eben später in die 27-Reihe 
eingeschoben wurde, um 28 Glieder zu erhalten: auch der Name des Regenten 
von abhijit, nämlich brahman, deutet auf spätere Zutat, da die Namen der 
übrigen nakshatra-Regenten viel älteren Ursprungs sind. Die Lage von XXVI re- 
vati (¢Piscium) ist insofern erklärlich, da dieser kleine Stern für die altindische 
Astronomie von Bedeutung war: denn yon diesem Punkte aus wurden die 
Längen der Planeten gerechnet und ein neues Zeitalter begann, als die Sonne 
dort den Frühlingspunkt inne hatte. Daß man den vom Mondwege ziemlich 
entfernten Orion (s. Karte, unten links) unter die Mondhäuser brachte, und 


XXVIII XXVII 


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nach Darstellungen auf Ceylon. 


— 188 — 


zwar dic Inder den Kopf des Orion, die Chinesen aber das ganze Sternbild 
(21.ts’en), hat wahrscheinlich in mythologischen Begriffen seine Ursache: Orion 
war bei diesen Völkern der „gewaltige Jäger“, der „große Krieger“; cin solcher 
Herr mußte auch seinen Platz bekommen. Auffällig weit von der Ekliptik 
schweifen verschiedene chinesische Stationen ab, welche deutlich auf das Be- 
streben hinweisen, ihr System auf den Aquator zu gründen. Dies gilt namentlich 
von den sicu 24 lieu, 25 sing, 26 tschang und 27 yi, welche zur Zeit der Han- 
Dynastie (1. oder 2. Jahrh. v. Chr.), der vermutlichen Epoche der Organisation 
der chinesischen Mondhäuser, ganz auf dem Aquator lagen (gegenwärtig liegen 
sie beträchtlich südlich vom letzteren). Eine solche Vergleichung der Varianten, 
von welcher hier nur Andeutungen gegeben werden können, ist auch Bedingung 
bei den Untersuchungen über die Prioritätsfrage, natürlich nur dann, wenn 
diese mit dem nötigen Rüstzeug der zeitrechnerischen, astrologischen und 
mythologischen Kenntnis und nicht zuletzt der sprachlichen begonnen wird. 
Daß man dabei leicht auf eine schiefe Ebene rutschen kann, zeigt der in 
neuester Zeit von L. de Saussure unternommene Versuch, den chinesischen 
sieu wieder die Priorität unter den Mondstationen zuwenden zu wollen; diese 
Hypothese ist als unmöglich von H. Oldenberg abgelehnt worden. 

Bei keinem Volke haben die Mondhäuser solchen Einfluß sowohl auf den 
Kalender wie auf das Privatleben gewonnen wie bei den Indern. Die Grihya- 
Sütra (die Hausregeln der alten Vedaschriften) geben schon allerlei Anweisungen, 
wie man sich den Wirkungen des Mondes auf seinem Wege gegenüber zu ver- 
halten habe. Unter einem bösen nakshatra geboren worden zu sein, ist eine 
schlimme Sache; daher muß allmonatlich nach der Geburt eines Sprößlings ein 
Gebet mit Opfer an die einzelnen nakshatra gerichtet werden, bis alle Mond- 
stationen angefleht worden sind. Die erste Namengebung des Knaben muß mit 
Beziehung auf die nakshatra gewählt werden, bis das Kind seinen öffentlichen, 
mit Zustimmung der Priester erteilten Namen bekommt. Hochzeiten sollen 
unter günstigen nakshatra, wie im Nill svati, bei bestimmten Vollmonden ab- 
gehalten werden. Der Totenfeier sind jene Mondstationen günstig, die den 
Vorfahren heilig sind, wie XllIsväti und XII chitra. Der Beginn des Studiums 
der heiligen Vedabücher soll anfangs der Regenzeit, wenn die Stationen XI hasta 
oder XXI sravana eintreten, stattfinden. Der Anfang der Felderbestellung, die 
Grundsteinlegung eines Hauses, der Antritt einer Kasteiung, sogar das Haar- 
schneiden sind an bestimmte nakshatra geknüpft. Als günstige Stationen gelten 
im allgemeinen die ersten 14, d.h. in die „lichte“ Hälfte des Monats (vom Neu- 
monde bis zum Vollmonde) fallenden, jedoch stehen darunter auch einige un- 
günstige. Jedes nakshatra hat seinen besonderen Einfluß, namentlich je nach 
seiner zeitlichen Stellung am Himmel. Ein glückverheißendes Mondhaus ist 
z. B. Hrohini; durch dieses wird man reich an Geld und Gut und an Nach- 
kommenschaft usw. Die nakshatra haben auch ihr Geschlecht: zum größten 
Teile sind sie weiblich, entsprechend der Legende, daß sie die Frauen des 
Mondes vorstellen; jedoch finden sich etwa 5 männliche und neutrale darunter. 
Jedes Mondhaus hat seinen Regenten: I. krittika den Regenten der heiligen 
Feuer, Il. rohini den Oberherrn aller Wesen, prajapati, III. mrigasiras den 
Saft der heiligen Somapflanze (zu den Mondopfern) u. s. f£ Diese alten An- 
schauungen haben sich im Laufe der Zeit vielfach gewandelt, bestehen aber 
im Prinzipe noch fort. Auch die Personifizierung der nakshatra, die Art der 
den einzelnen zugedachten Embleme usw. ist eine andere geworden. Fig. 2 


— 189 — 


zeigt die Personifizierung der 27 nakshatra, wie sie (aus mittelalterlicher Zcit) 
in Tempeln auf Ceylon vorkommt. Die Reihe beginnt, wie man sieht, mit 
äsvini (XXVII), läuft oben bis XI, dann unten bis XXVI zurück: das später 
von den Indern eingeschobene Mondhaus abhijit (XX) fehlt in der Reihe. Jeder 
Regent hat als Emblem ein Tier zur Begleitung. Bei Vlläsleshä sicht man, 


daß. dasselbe noch ganz unter der alten Anschauung 
personifiziert ist: der Regent war die Schlange, darum 
erscheint im Bilde der Gott mit einer Schlange. 
Wie anderwärts personifiziert wurde, davon gibt 
Fig. 3 eine Vorstellung; dort ist aus einer nakshatra- 
Reihe in einer siwaitischen Pagode von Trichinopoly 
der böse Genius XXIII satabhishaj mit Stute und 
Rabe hervorgehoben. Eine Personifizierung durch die 
Tiere allein zeigt Fig. 4, ein Hinduzodiakus aus Choultry 
(Südosiküste Indiens). Die 28 Mondhäuser laufen dort 


Fig. 3. 
Das nakshitra XXIII in einer 
Pagode von Trichinopoly. 


in der äußeren Reihe der Vierecke herum, die innere Reihe von 12 Vierecken 
stellt den Zodiakus (die 12 Tierkreiszeichen) dar, die 8 geometrischen Figuren 


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Fig. 4. Hindu-Zodiakus Choultry. 


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mit den Wagen sind die 6 Planeten und die beiden Mondknoten rahu und ketu 
(in welchen Pankten die letztgenannten Damone lauern, um Sonne oder Mond 
bei Sonnen- resp. Mondfinsternissen zu verschlingen). — Man würde aber fehl 
gehen mit der Annahme, daß die nakshatra bloß eine solche astrologische 
Spielerei abgeben. Vielmehr bilden sie in der Hinduzeitrechnung ein so wich- 
tiges Glied wie in unserm Kalender das Datum oder die Woche Wie wichtig 
sie sind, geht schon daraus hervor, daß aus den 28 Namen der Stationen die 
Namen der Monate des indischen Jahres ausgewählt worden sind: chaitra, vai- 
sakha, jyeshtha, ashadha usw. Ferner hat man die Jahre des sog. 12jährigen 
Jupiterzyklus — einer Periode, nach der datiert wird — nach nakshatra-Namen 
benannt. Die indischen astronomischen Werke lehren in umständlicher Weise 
die Zeit des Mondeintritts in die nakshatra zu berechnen und bei öffentlichen 
Akten, Schenkungen, Verträgen usw. wird die Datierung nach nakshatras be- 
nützt. Es heißt z. B., daß eine Schenkung im 155. Jahre der Sri-Harsha-Ara 
(761 n. Chr.) bei einem bestimmten tithi,!) unter dem Mondhause rohini, in der 
dunklen Hälfte des Monats äshädha stattgefunden habe. Man sicht daraus, daß 
die indische Art, ein Datum auszudrücken, zwar umständlicher, aber eigentlich 
genauer ist als unsere. — Die Chinesen benützen ihre sieu in ähnlicher, wenn 
auch bei weitem nicht in so systematischer Weise bei der Angabe von Er- 
eignissen. Im Heu-han-schu heißt es z. B. betreff der Sonnenfinsternis vom 
30. April 40 n. Chr., es sei „im Gemache der untergehenden Sonne bei 7 Grad‘ 
gewesen, das ist in der Station 18 mao (Plejaden). Um 40 n. Chr. stand die 
Station mao bei 29° Rektaszension, also die Sonne (7° entfernt) bei 36° Die 
Nachrechnung mit modernen Sonnentafeln gibt 35° Rektaszension. — Bei den 
Arabern sind die Mondstationen kein Aggregat der Zeitrechnung geworden. 
Aber sie wurden im Volke wenigstens zu rohen Bestimmungen (die vormoham- 
medanische Zeitrechnung war sehr primitiv) benützt. Um die Zeit von Hand- 
lungen zu erkennen, die an ein und dieselbe Jahreszeit gebunden waren, achtete 
man auf die jährliche Rückkehr der Sternbilder und auf die Auf- und Unter- 
gänge gewisser Mondstationen. 


Die Darstellung von metallischem Radium ist Frau Curie und ihrem treuen Mitarbeiter 
Debierne auf elektrischem Wege gelungen. Das so merkwürdige Element Radium kannte man bisher 
nur in seinen Verbindungen mit Chlor oder Brom. Nach einem Vortrage. den Mme. Curie auf dem 
internationalen Kongresse für Radiologie und Elektrizität zu Brüssel gehalten hat, wurde zur Ab- 
scheidung des metallischen Radiums eine reine Radiumchloridlösung, als Kathode (Quecksilber, als 
Anode Platiniridium angewendet. 

Das so gewonnene Amalgam zersetzt sehr heftig Wasser. Es wurde getrocknet und das Queck- 
silber, zur Vermeidung von Oxydation, in cinem Wasserstoffstrome aus dem Amalgam abdestilliert. 
Der Druck des Wasserstoffes mußte höher sein als jener des gesättigten Quecksilberdampfes, auch 
war ein besonderes Verfahren zur Herstellung des Wasserstoffes nötig, "nachdem der durch die ge- 
wöhnlichen Methoden gewonnene Wasserdampf das Amalgam und das Metall angreift. 

Die Destillation wurde sehr langsam durchgeführt. Die Hauptmenge des Quecksilbers destillierte 
bei 270° C. über, wobei das anfangs flüssige Amalgam fest wurde, um bei weiterer Erhöhung der 


1) tithi ist der dreibigste Teit der Zeit zwischen den Eintritten zweier Neumonde. Ihre Be- 
rechnung bildet einen wichtigen Teil bei der Datierung resp. beim Entwurfe des Kalenders. 


— 191 — 


Temperatur auf 700° C. wieder zu schmeizen; das Metall begann sich sodann zu verflüchtigen und 
die Quarzrohrwände anzugreifen. In dem Schiffchen, in welchen: das Amalgam in die Quarzröhre 
eingebracht werden war, befand sich fast reines Radium von glänzendem metallischen Aussehen. 
An der Luft wird das Radiummetall schwarz, es zersetzt Wasser sehr kräftig. 

Die Destillation war aus einem reinen, vorher in Wasserstoff reduzierten Eisenschiffchen vor- 
genommen worden. Das metallische Radium haftete sehr fest an dem Eisen und mußte mit einem 
kleinen Meißel von diesem abgetrennt werden. Auf weißem Papier erzeugte das Radium einen 
schwarzen Fleck; es besitzt die seiner Menge entsprechende Radioaktivität. 

E. Ebler gelang die Darstellung des Metallischen Radiums jetzt noch auf anderm Wege. 
Er benutzte die Stickstoffwasserstoffsäure, die mit den Erdalkalien Salze bildet, die beim Erhitzen 
in Metall und Stickstoff zerfallen. 9P%oiges Radium - Bariumbromid wurde in stickstoffwasser- 
stoffsaures Salz umgewandelt, aus dem sich bei 180-250 Grad die Metalle Barium und Radium 
ausschieden. | 

Für die Messung der Radioaktivität überhaupt wurde kürzlich von Rutherford vorgeschlagen. 
ein internationales radioaktives Einheitsmaß festzustellen; für dieses kam der Name Curie in 
Betracht. F. S. A. 

* : * 
* 

Die Verbreitung der Funkentelegraphie hat ein Bericht zum Gegenstande der Erörte- 
rungen, den das Internationale Bureau der Telegraphenverwaltungen in Bern vor kurzem heraus- 
gegeben hat. Bis zum 15. März 1910 sind über 1000 Funkentelegraphenanlagen aufgeführt worden, 
von denen auf Großbritannien 311, Deutschland 279, Frankreich 167, Italien 36, Holland 20. 
Schweden 27, Österreich und Brasilien je 23, Dänemark 21, Japan und Norwegen je 17, Rußland 13, 
Belgien 11, Chile 10, Spanien 7, Rumänien 6, Portugal 5, Mexiko und Westindien je 4 usw. ent- 
fallen. Die größte Verbreitung hat dabei das deutsche Telefunkensystem mit 327 Anlagen. Es 
folgen Marconi mit 233, das englische System Lodge mit 15, das französische Rochfort mit 4 An- 
lagen, während 398 Anlagen aus unbekannten oder verschiedenen Systemen aufgeführt werden. Die 
vom Internationalen Bureau der Telegraphenverwaltungen herausgegebene Übersicht ist aber nicht 
vollständig, denn es fehlen insonderheit die Vereinigten Staaten von Amerika — dort ist die Funken- 
telegraphie außerordehtlich stark verbreitet — sowie sämtliche Militär- und Marineanlagen. Allein 
die Deutsche Telefunkengesellschaft hat schon 196 feste Landanlagen, 410 Anlagen für Kriegs- 
schiffe, 31 für Handelsschiffe, 63 fahrbare und 37 tragbare Militäranlagen geliefert. 


* * 
x 


Uber Erdbeben in Osterreich im Mai 1910 berichtet Sieberg in der ,Monatlichen Uber- 
sicht über die seismische Tätigkeit der Erdrinde“, die nach den der Kaiserl. Hauptstation für Erd- 
bebenforschung in Straßburg i. E. zugehenden Nachrichten zusammengestellt wird. 

Dieses Beben wurde am 11. Mai 1910 in Nieder-, Oberösterreich, Steiermark, Mähren und 
Böhmen bis zu den ungarischen Grenzgebieten hin verspürt. Es trat um 21h 18m ein und konnte 
bis nach Straßburg hin instrumentell verfolgt werden. Das Beben war im Semmering- und Wechsel- 
Gebiete, namentlich aber im Gloggnitz, am stärksten; hier fielen sogar Bilder und Figuren von den 
Wänden, Geschirre wurden durcheinander gerüttelt und in vielen Häusern entstanden Risse in den 
Mauern, was etwa dem 6.—7. Grade der Bebenintensitätsskala entspricht. Der Hauptherd des Bebens 
fällt also in die von Prof. Sueb schon seit langem erwiesene Erdbebenlinie, die sogenannte Mürz- 
linie, eine stark ausgeprägte Tiefenlinie der Erdrinde. Von hier aus wurde die seismische Energie 
auch auf die sogenannte Thermenlinie übertragen, die mit scharfem Abbruch des östlichen Teiles der 
nördlichen Kalkalpen gegen die inneralpine Senkung von Wien zusammenfallt. Es ist daher nicht 
verwunderlich, dal das Beben auch in Wien ziemlich stark auftrat. In mäbiger Stärke griff es auch 
auf ungarisches Gebiet über. Prof. Trabert glaubt, dab die ganz abnormen Witterungsverhältnisse, 
die um die Zeit des Bebens geherrscht haben, darauf hindeuten, daß die wohl schon reife tektonische 
Spannung im FErdbebengebiete durch einen steilen barometrischen Gradienten ausgelöst sei. Am 
12. Mai um Oh 45m gab es noch einige leichte Erschütterungen in Niederösterreich zu Sieding. 
Trattenbach und Stixenstein. 

Fine eingehende Beschreibung dieses Erdbebens wird sich erst ermöglichen lassen, wenn alle 
wissenschaftlichen Berichte von den verschiedenen seismischen Stationen in Österreich vorliegen. 

F. S. A. 


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— 192 — 


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Eine neue Vulkan- und Weltentstehungstheorie von Albert Lemme. Preis M. —,50. 
Verlag von Wilhelm Langguth, FBlingen a. N. 


Der Verfasser, der sich mit seinen Ausführungen auf die neuesten Entdeckungen der Wissen- 
schaft stützt, führt den Vulkanismus auf chemische Prozesse in der Erdrinde zurück und 
kommt dann in seinen weiteren Folgerungen bezüglich des Zustandes unserer Erde zu dem Schluß, 
daß diese nicht in der Erkaltung, sondern gerade umgekehrt, in der langsam fortschreitenden Er- 
wärmung begriffen sei. Damit stellt er sich allerdings in einen direkten Gegensatz zu dem, was 
die Wissenschaft auf dem Gebiete der Geologie bisher gelehrt hat. Die Broschüre ist ein teilweis 
berichtigter, in übersichtlicher Form gefaßter Auszug des von demselben Verfasser veröffentlichten 
Buches „Eine neue Vulkantheorie“ (Wilh. Langguth, M. 2,—). Sie ist bestimmt, seine Ideen 
in weiteren Kreisen bekannt zu machen. 


x y * 
Spektroskopie von Dr. L. Grebe, Assistent am Physikal. Institut der Universität Bonn. 
Mit 62 Figuren im Text und auf 2 Doppeltafeln. Aus Natur und Geisteswelt, Sammlung wissen- 
schaftlich-gemeinverständlicher Darstellungen. 284. Band. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig, 1910. 


Die Darstellung der Spektroskopie in populärer Weise kann als woblgelungen hingestellt werden. 
Sie zergliedert sich in die vier Hauptabschnitte: Geschichte der Spektroskopie — Spektroskopische 
Apparate — Methodenergebnisse spektroskopischer Forschung — und Anwendung der Spektros- 
kopie. Letztere zerfällt wieder: 1. in die Astrophysik: Das Sonnenspektrum im allgemeinen — 
Die Spektren einzelner Teile der Sonne — Die Spektren der Sterne — Spektroskopische Messung 
der Bewegung an Himmelskörpern. — 2. in sonstige Anwendung der Spektroskopie: Messung hoher 
Temperaturen — Spektroskopie und Beleuchtungstechnik. Zum Schluß gibt der Verfasser einige 
Anwendungen der Spektroskopie auf verschiedenen Gebieten. 


D 
* * 


Publikationen (vorm. Beobachtuagen) der Kaiscrlichen Universitäts-Sternwarte zu 
Jurjew (Dorpat). Herausgegeben von Prof. K. Pokrowski, Direktor der Sternwarte. Dorpat, 1910. 


Wir geben hier den Inhalt von Heft III des 21. Bandes wieder. A. Orloff: Neue Formeln zur 
Bahnbestimmung der Kometenschweifmaterie nebst Anwendung auf den Kometen 1908c (Morehouse) 
(Russisch. — A. Orloff: Die Bestimmung der Masse des Systems Erde - Mond aus geodätischen 
Messungen (Russisch), — E. Schoenberg: Die Methode gleicher Zenitdistanzen symmetrisch zum 
ersten Vertikal und ihre Anwendung zur Bestimmung der Polhöhe von Dorpat im Frühjahr 1909 
(Deutsch). Die Polhöhe ist für 1909,33 auf 58° 22° 47*.14-+0*.02 bestimmt worden. 


Der 22. Band enthält: Bearbeitung der von W.Struve am Dollondschen Durchgangsinstrument 
der Dorpater-Sternwarte während der Jahre 1818 bis 1822 angestellten Beobachtungen ausgeführt durch 
L. Struve. Angabe des Inhalts: I. Die Beobachtungen des Jahres 1882. II. Die Einzelpositionen. 
III. Die Instrumentalconstante N. IV. Die Uhrcorrectionen. V. Katalog der Rectascensionen von 1716 
Sternen für die Epoche 1820,0, nach den Beobachtungen von W. Struve. VI. Beschreibung der 
Bearbeitung — Historisches — Das Instrument und der Beobachtungsraum — Die Fadendistanzen 
— Die mitfleren Fehler der beobachteten Fadenantritte — Die seitliche Biegung des Fernrohrs — 
Der Collimationsfehler — Erste Berechnung der N und der Uhrcorrectionen — Die zur Berechnung 
der definitiven Uhrcorrectionen benutzten Sternpaare und Fundamentalsterne — Die bei der Aus- 
gleichungsrechnung benutzten Formeln — Die Rectascensionsdifferenzen der Steropaare — Unter- 
suchungen über die Instrumentalconstante N — Untersuchungen über systematische Unterschiede 
zwischen den Beobachtungen zu beiden Seiten des Zenits — Die mittleren Fehler und Gewichte der 
Uhrcorrectionen — Ableitung der definitiven Rectascensionen der zur Bestimmung der Uhrcorrectionen 
dienenden Sterne — Ableitung der Rectascensionen der Polsterne — Unterschied zwischen den 
Beobachtungen in beiden Culminationen. 


Fur die Schriftleitung verantwortlich; Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


DAS WELTA 


Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwaande í KH 


Herausgegeben von EH 
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 
ll. Jahrgang, Heft 13. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Erstes Aprilhefı) 


Berlin-Treptow. 


Diese Zeitschrift erscheint zweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Treptow-Slernwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post- 

Zeilungsliste alphabetisch eingeordnet). Einzelne Nummer 60 Pis. — Anzeigen-Gebühren: I Seite 80.— Mk.. ue Seite 45.— 
H, Seite 25.—, In Seite 15. —. Ua Seite 8 — Bei Wiederholungen Rahatt - Reilagen nach Gewichi 


INHALT 
1. G. J. F. Schrader und seine Npiegelteleskope. Von 3. Der gestirnte Himmel im Monat Mai 1911. Von 
Dr. H. Clemens. . » 2 we te - . 193 Dr. F. 8. Archenhold. . . 2.2 2 222202. 204 
2. Der Zauber in der Perspeklive des Einen Orion- 4. Fehlerberichligung. e, , . 208 
nebels. Von Edgar Lucian Larkin, Direktor des Nachdruck verboten. 
Mount Lowe-Observatoriums, Kalifornien. e . 203 Auszüge nur mit genauer (Quellenangabe gestaltet 


G. J. F. Schrader und seine Spiegelteleskope. 


Von Dr. H. Clemens. 


N: allgemeine Anwendung, welche in neuerer Zeit der bisher gegen den 
Refraktor etwas zurücktretende Retlektor wieder zu finden beginnt, recht- 
fertigt den Versuch, im nachfolgenden eine wenig gekannte Episode aus 
der Geschichte desselben in Deutschland zur Kenntnis weiterer Kreise zu 
bringen. | 

Die außerordentlichen Entdeckungen, die der geniale Wilhelm Herschel 
dank der bis dahin unerhörten Schärfe und Lichtfülle seiner Spiegelteleskope 
Schlag auf, Schlag am Himmel machte, regten damals in der ganzen gebildeten 
Welt den Wunsch an, im Besitze gleich mächtiger Hilfsmittel die neuen Wunder 
zu schauen und womöglich ähnliche Erfolge zu erringen. Es erfolgte eine plötz- 
liche und allgemeine Zunahme des Interesses für astronomische Beobachtungen, 
und bald konnte Herschel den überaus zahlreichen Bestellungen auf Teleskope 
von seiner Hand, die aus aller Herren Ländern bei ihm einliefen, kaum noch 
entsprechen, obgleich die Zahl der von ihm gelieferten Spiegel in die Hunderte 
ging. Zugleich wurden an mehreren Orten mit großem Eifer Versuche unter- 
nommen, in der Anfertigung derartiger Instrumente das große Vorbild zu cr- 
reichen oder gar zu übertreffen, vor allem in Deutschland und Frankreich. 


In Frankreich hatte bereits 1772 ein gewisser Noël auf Kosten Ludwigs XV., 
der mehr als 500 000 Lires dafür hergegeben haben soll, einen Cassegrain- 
schen Reflektor von 24’ Brennweite und 221/,“ Öffnung zustande gebracht, der 
unter den Herrschaften am Hofe zu Versailles viel Aufschen erregte. Wie es 
aber um die optischen Eigenschaften dieser Röhre stand, beweist wohl am besten 
der Umstand, daß Lalande vom Verfertiger nicht die Erlaubnis erhalten konnte, 
dadurch einmal den Jupiter anzuschauen. „Denn,“ sagte Noël, „wenn Sie das 


— 194 — 


Teleskop gut finden, vermehren Sie meinen Kredit nicht, da ich so schon alles 
erhalte, was ich verlange; finden Sie es aber schlecht, so können Sie mir viel 
schaden.“ Es war offenbar cin Instrument von der nicht ganz seltenen Art, die 
mehr zum Ansehen als zum Durchsehen bestimmt ist, und kam in wissen- 
schaftlicher Beziehung jedenfalls nicht in Frage. — Nach Herschels Auftreten 
gab sich besonders Lalande unendliche Mühe, England zu übertrumpfen. Mit 
Hilfe von Rochon und Carrochez wurde zunächst dieses Noëlsche Instrument 
—- Noël selbst war inzwischen verstorben — wieder vorgenommen und mög- 
lichst verbessert, und bald ging es an den Bau neuer von ähnlichen Dimen- 
sionen. Aus der Durchsicht der zahlreichen Notizen, mit denen Lalande u.a. 
in seinem ausgebreiteten Briefwechsel über seine Bestrebungen und Erfolge 
nicht sparsam ist, erhellt jedoch für den unbefangenen Leser, daß keiner der 
Versuche wirklich das gewünschte Resultat gezeitigt hat. Trotz der bedeutenden 
staatlichen Mittel, die zur Verfügung standen, kam kein größeres Spiegelfern- 
rohr zustande, das den Vergleich mit den englischen irgendwie ausgehalten 
hätte. Teils mag die Ursache in der damaligen Überhäufung der französischen 
Astronomen mit anderen wichtigen Arbeiten liegen, teils mochten die unruhigen 
Zeiten dem Auftreten von Männern zuwider sein, die, wie fast 100 Jahre später 
ebendort bei der Konstruktion der photographischen Refraktoren die Gebrüder 
Henry, die erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse mit einem 
ungewöhnlichen Maße von Ausdauer und Beharrlichkeit verbanden; nicht zum 
mindesten aber verführte der Wunsch, sogleich Niedagewesenes zu schaffen, 
zu Phantastereien. Anders darf man wohl den Plan, einen Reflektor von 60‘ 
Brennweite und 6° Öffnung -- Herschels als Frucht allmählich steigender Ent- 
wicklung entstandenes Riesenteleskop hatte 40° bezw. 4° — mit einem Spiegel 
aus Platin zu bauen, angesichts des damaligen Standes der ganzen Technik 
nicht bezeichnen. 

In Deutschland hatten bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts herum 
beachtenswerte Versuche stattgefunden, leistungsfähige Spiegelteleskope herzu- 
stellen. Der sächsische Erbmarschall Graf v. Loeser brachte solche von 7‘ 
Brennweite und etwa 9” Öffnung zustande, die immerhin brauchbar gewesen zu 
sein scheinen, wenn auch die darüber vorliegenden Angaben zur Beurteilung 
ihrer Leistungsfähigkeit nicht ausreichen. Ebenso fertigte der rühmlichst be- 
kannte Augsburger Mechaniker Brander solche bis zu 4’ Brennweite an, die 
er mit seinen geschätzten Glasmikrometern versah. Vielleicht bringt das der 
Geschichte der Optik und Mechanik jetzt von verschiedenen Seiten dargebrachte 
lebhaftere Interesse eines oder das andere dieser alten Werke wieder zum Vor- 
schein. Einen gewaltigen Aufschwung aber nahm dieser Zweig der praktischen 
Optik auch hier infolge von Herschels Auftreten, und zwar ohne jede staat- 
liche Unterstützung durch den Eifer, die Opferwilligkeit und die Geschicklich- 
keit zweier für die Wissenschaft begeisterter Männer, des Oberamtmanns 
Schröter zu Lilienthal bei Bremen und des Professors Schrader in Kiel. Wah- 
rend aber Schröters Bestrebungen und Erfolge bei Mit- und Nachwelt die ver- 
diente Würdigung fanden, ist das Andenken an den nicht minder wichtigen An- 
teil Schraders selbst in Fachkreisen gänzlich verblaßt. Es erscheint daher als 
eine Pflicht der Billigkeit, wenn wir im Folgenden etwas näher auf denselben 
eingehen und die sehr zerstreuten Nachrichten über den merkwürdigen Mann. 
soweit sich dieselben aufspüren ließen. zu einem neuen, wenn auch lücken- 
haften Gesamtbilde vereinigen. 


— 195 — 


Gottlieb Johann Friedrich Schrader wurde am 23. September 1762!) 
zu Salzdahlunr als Sohn des damaligen Herzoglich braunschweigischen Salzver- 
walters (wie wir jetzt deutsch sagen „Salinendircktors*) Burchard Johann 
Heinrich Schrader geboren. Den Keim seiner späteren Vorliebe für Technik 
und Mechanik hat der Knabe wohl schon im Elternhause empfangen, denn 
Schrader (der Vater), der später Besitzer des Salzwerks zu Oldesloe war, 
wirkte selbst in dieser Richtung und legte z B. der Gesellschaft der Wissen- 
schaften zu Göttingen eine mit Beifall aufgenommene Schrift über die Verbesse- 
rung des Gradierens vor. Schrader der Jüngere, wie unser Held meist zum 
Unterschiede von einem 12 Jahre älteren, als Professor der Rechte in Kiel zu 
großem Ansehen gelangten Bruder genannt wurde, war nach Vollendung seines 
Studiums zunächst 1783 bis 1787 Lehrer am Carolinum zu Braunschweig, habi- 
litierte sich 1791 als Privatdozent in Kiel, wohin 1789 auch Vater und Bruder 
übergesiedelt waren, und lehrte bis 1798 an der Universitat Mathematik und 
Physik. Ostern 1798 folgte er einem Rufe als Professor und Aufseher des 
physikalischen Apparates der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu 
Petersburg, vertauschte diese Stelle später mit der eines Gcehilfen des Pro- 
fessors am pädagogischen Institut und lebte seit 1817 daselbst als Privatmann. 
Einsilbigkeit und Zurückgezogenheit scheinen von Anfang an in seinem \Vesen 
gelegen zu haben und durch eine früh sich einstellende Schwerhörigkeit zuletzt 
bis zu völliger Menschenscheu gesteigert zu sein. 

Literarisch betätigte sich Schrader bereits früh. Außer einem „Grundriß 
der Elementar-Naturlehre nach den neuesten Entdeckungen“ (Hamburg 1797), 
der mehrere Auflagen erlebte, sei hier nur erwähnt sein „Versuch einer neuen 
Theorie der Elektrizität, welche auf Grundsätzen des neuen Systems der Chemie 
beruht“ (Altona 1796). Die großartigen Entdeckungen auf dem Gebiete einer- 
seits der Elektrizität durch Galvani und seine Nachfolger, andererseits der 
Chemie durch Lavoisier, Scheele, Priestley u.a.m. hatten damals einen Zu- 
stand sich förmlich überstürzenden Fortschritts gezeitigt, der mit dem in jüngster 
Zeit durch das Auffinden neuer Strahlungen und neuer wunderbarer Elemente 
geschaffenen füglich in Parallele gestellt werden kann. Es galt, wie jetzt durch 
die Ionentheorie, die chaotische Fülle der Erscheinungen von einem Gesichts- 
punkte aus in Ordnung und Verbindung zu bringen. Der Versuch Schraders 
sei hier nur deshalb erwähnt, weil er beweist, daß seinem Urheber auch das 
Bedürfnis spekulativer Erkenntnis nicht fremd war und er nicht etwa in mecha- 
nischer Tätigkeit völlig aufging. 

Im Winter 1791/92 begann Schrader seine Versuche in der Herstellung 
von Teleskopspiegeln. Obwohl ihm jede Kenntnis des praktischen Verfahrens 
beim Gießen und Schleifen zunächst abging, gelang es seinem unverdrossenen 
Eifer doch bald, der Schwierigkeiten Herr zu werden. Schon im Frühjahr 1792 
vermochte er einige wohlgelungene Spiegel als Beweis seiner Geschicklichkeit 
aufzuweisen. Das nächst Erforderliche war nun, durch Verbindung mit einer 
Sternwarte das Erreichte nutzbar zu machen und für weitere Fortschritte Richt- 
punkte zu erhalten. In Kiel selbst stand es gegen Ende des 18. Jahrhunderts 
mit der ausübenden Astronomie recht kümmerlich. Es gab zwar Dozenten für 


2 ‘ 


1) Die in allen Lebensbeschreibungen, u. a. auch in Poggendorfs biographischem Lexikon sich 
findenden Angaben 1762 Sept 11 und 1763 Sept. 17 sind beide falsch. Ich verdanke die oben an- 
geführte richtige Herrn Pastor Försterling in Salzdahlum. der auf meine Bitte die Freundlichkeit 
hatte, das Kirchenbuch nachzuschlagen. 


— 196 — 


dieses Fach und ein Turm auf der Vorderseite des Schlosses war zu astrono- 
mischen Beobachtungen eingerichtet, aber wie ein Durchreisender erzählt, „riet 
die Baufälligkeit desselben, lieber auf glatter Erde zu bleiben“. Die Förderung, 
die von dieser Seite nicht zu erwarten war, suchte und fand Schrader in 
Lilienthal. | 

Hier, am Ufer der still das Teufelsmoor durchschleichenden Wörpe, hatte 
der churfürstlich hannoversche Oberamtmann Johann Hieronymus Schröter 
seit zehn Jahren mit einer Begeisterung und Opferwilligkeit, die ihresgleichen 
sucht, der Himmelsforschung eine Stätte errichtet, welche damals die Blicke der 
gebildeten Welt ebenso auf diesen abgelegenen Erdenwinkel zog, wie es in 
neuester Zeit durch die künstlerische Eigenart der im benachbarten Worpswede 
blühenden Malerkolonie geschieht. Ein höchst anziehendes Bild von dem Treiben 
auf der Lilienthaler Sternwarte, wo der gestrenge Herr Oberamtmann am Tage 
gestiefelt und gespornt seinen juristischen Berufsgeschäften, seiner Landwirt- 
schaft und der Urbarmachung des Moores nachging, um die Nächte dem Studium 
des Himmels zu weihen, vermittelt uns ein Aufsatz von Schumacher!), auf 
den hiermit verwiesen sei. Hier sei daraus nur noch des bedeutsamen Ein- 
flusses gedacht, den der im benachbarten Bremen wohnende Olbers durch Rat 
und Tat auf die Lilienthaler astronomischen Arbeiten ausübte. 

Schröter besaß bereits in zwei Teleskopen von Ai und 7‘ Brennweite aus 
den Meisterhänden Herschels selbst Instrumente von optischer Kraft, wie sie 
zur Zeit kein anderer Astronom in Deutschland aufzuweisen hatte. Während 
nun aber eben damals Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Herschel, 
besonders über Venusbeobachtungen, in ihm den Wunsch erregten, noch kräf- 
tigere Sehwerkzeuge zu besitzen, so hinderten doch gerade sie deren weiteren 
Bezug aus derselben Quelle, ganz abgeschen von den Kosten, die schon für 
den Siebenfüßer mehr wie #00 Taler betragen hatten und bei größeren Ab- 
messungen die Mittel eines Privatmanns überstiegen. Für den Lilienthaler 
Astronomen konnte also nichts erwünschter sein als die Nachricht, die ihm 
Schrader alsbald von seinen erfolgreichen Bemühungen auf diesem Felde 
machte, und er lud ihn sofort ein, dieselben in Lilienthal unter seiner Beihilfe 
in ausgedehnterem Maße fortzusetzen. Im Frühjahr 1792 erhielt Schrader, der 
zur selben Zeit zum außerordentlichen Professor ernannt war, von der dänischen 
Regierung den nötigen Urlaub und eine Reiseunterstützung von 2v0 Talern und 
hielt Anfang Mai seinen Einzug in das Amtshaus an der Worpe. 

Nun entwickelte sich hier in wirklich beispiellos kurzer Zeit eine optische 
Werkstätte, die weit über Deutschlands Grenzen hinaus gerechtfertigtes Auf- 
sehen erregte. Unterstützt von Schröter und dessen Gärtner Harm Gefkens, 
einem technischen Original, brachte Schrader in den nächsten Monaten in 
schneller Steigerung eine Reihe von Spiegeln für Teleskope von 7, 10, 12 und 
13 Fuß Länge zustande, die sofort auf ihre Brauchbarkeit geprüft wurden. Ein 
Teleskop von 7 Fuß mit Spiegel von Gol" Durchmesser behielt Schröter selbst, 
ein gleiches kaufte auf das Gutachten von Olbers hin alsbald die Museums- 
gesellschaft in Bremen für 320 Taler, das zwölffüßige kam im nächsten Jahre 
für 1200 Taler an die Sternwarte in Kopenhagen, die damals noch auf dem be- 
kannten runden Turm untergebracht war, und das dreizehnfüßige wieder von 
91/44” Öffnung bildete lange Zeit das Lieblingsinstrument Schröters, seinen 


1) Herm. A. Schumacher: Die Lilienthaler Sternwarte. Festschrift zur Feier des fünfund- 
zwanzigjährigen Bestehens des naturwissenschaftlichen Vereins zu Bremen. S. 39 bis 170. Bremen 189. 


— 19% — 


„teleskopischen Koloß, den größten und stärksten in Deutschland’, wie er in 
seiner Herzensfreude Anfang 1793 an Bode schreibt. Eine Vergleichung mit 
einem Dollondschen Refraktor von 3°/,“ Öffnung und 10° Brennweite ergab 
einige Jahre später, daß dieser sich zum Reflektor verhielt „wie Dämmerung 
zum hellen Tage‘. 

Aber noch che dieser ganz vollendet war und noch während der Anwesen- 
heit Schraders, die sich bis Anfang 1793 hinzog, gingen die beiden Unermüd- 
lichen an die Konstruktion eines alle genannten weit in den Schatten stellenden 
Instrumentes. „Nach verschiedenen, mit beträchtlichen Kosten verbundenen 
Versuchen,“ schreibt Schröter in dem oben erwähnten Briefe an Bode, .istin 
Lilienthal der Guß cines 24-füßigen Spiegels, von einem dauerhaften und 
schönen Metall, gegen 181/,” engl. im Durchmesser und etwa einundeinhalb 
Zentner schwer, zustande gebracht und sehr gut gelungen. Fünf\Wochen lang ist er 
fast Tag und Nacht in seiner Figur aus dem Groben bearbeitet und wird seit.ein paar 
Tagen in seinem zweckmäßig und zuverlässig vorgerichteten Maschinenwerke 
lavigiret. Indes sind die Kosten für einen Privatmann zu beträchtlich und ich 
werde die weitere Bearbeitung sehr langsam fortgehen lassen.“ Diese ange- 
sichts der offenbar ganz bedeutenden im Jahre 1792 von Schröter aufgewendcten 
Mittel höchst plausible Rücksicht auf den Geldbeutel scheint indessen sehr bald 
gegen das Verlangen, das Instrument vollendet zu besitzen, in den Hintergrund 
getreten zu sein, denn Ende 1793 war das Werk so weit vorgeschritten, daß die 
ersten Beobachtungen damit beginnen konnten. Ein zweiter Spiegel von 27‘ 
Brennweite zur Auswechselung kam bald darauf hinzu und der Übereinstimmung 
wegen wurde auch der erste nochmals umgeschliffen und auf dieselbe Fokal- 
länge gebracht. Der Beschreibung dieses Telescopium Newtonianum XXVII 
pedum constructum Lilienthalii 1793!) von Schröter ist umseitige Abbildung 
(Fig.1) entnommen. Es ist über hundert Jahre das größte Spiegelteleskop geblieben, 
das jemals in Deutschland aufgestellt wurde, und erst 1906 durch das auf dem 
astrophysikalischen Institut Königstuhl bei Heidelberg aufgestellte von 72 cm 
Spiegelöffnung und der den Anforderungen der Neuzeit entsprechenden geringen 
Brennweite von 2,52 m aus der Werkstätte von Zeif in Jena von diesem Range 
verdrängt worden. 

Zum Verständnis wird es genügen, darauf hinzuweisen, daß die beiden 
oberen, mehrfach miteinander verbundenen und eine Plattform bildenden Quer- 
balken sich um eine feste, in dem turmartigen Gebäude stehende eichene Trag- 
säule, an der oben auch die Pendeluhr ihren Stand gefunden hat, im Azimut 
drehen lassen, wobei ihr weit hinausragendes linkes Ende von einem auf kreis- 
förmiger Bahn fahrbaren Gerüst unterstützt wird. Zwischen zwei schräg herab- 
gehenden parallelen Streben auf dieser Seite laßt sich das den Spiegel ent- 
haltende, durch Gegengewichte an Seilen fast ausbalanzierte Ende des Fern- 
rohrs mittelst eines Flaschenzuges im Groben heben und senken. Das Okular- 
ende ruht auf einer Säule auf der Plattform, welche Schraubenvorrichtungen 
zu seiner senkrechten und wagerechten Feinbewegung besitzt. Die beiden 
Haufen Ziegelsteine auf der rechten Seite der oberen Querbalken dienen dazu, 
den Schwerpunkt des Ganzen möglichst in die mittlere Tragsäule zu verlegen 
und das Fahrgerüst zu entlasten. In dem kleinen Häuschen findet der horizontal 
in das Okular schauende Beobachter einigen Schutz gegen den Wind. 


1) Joh. Hier. Schröter, Aphroditographische Fragmente. Helmstedt 1796. 


- 198 — 


Das Aufschen, das dieses Riesenteleskop machte, war groß, und, wenn wir 
billig sein wollen, durchaus gerechtfertigt. Mochte es später bei der Anwendung 
nicht die Erwartungen erfüllen, die darauf gesetzt waren, so ist dieses Schicksal 
noch manchem Riesenfernrohr älterer und neuerer Zeit widerfahren. Die 
Schwierigkeit, mit einem nach unserer heutigen Anschauung so ungefügen Ge- 
rüst im Klima der Nordsecküste unter freiem Himmel zu beobachten, mochte 
den Gewinn, den seine optische Kraft bot, illusorisch machen, sie gibt uns aber 
kein Recht, diese optische Leistungsfähigkeit, die es nach dem Zeugnis des 
nichts weniger wie selbstzufriedenen oder ruhmredigen Schröter bei seiner 
Fertigstellung besaß, anzuzweifeln. „Nach wiederholten Versuchen‘, schreibt 
er, „ist die Gestalt des Spiegels so genau gelungen, daß Rand- und Kernstrahlen 
pünktlich in Eins zusammenfallen.* Der Fortschritt von den ersten durchaus 
dilettantischen Versuchen Schraders im Winter 1791/2 bis zur vorläufigen 


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Fig. 1. Das 27-füßige Newtonische Spiegelteleskop zu Lilienthal. 


Fertigstellung des Instruments Ende 1793 und zur endgültigen im Mai 179+ ist 
derartig rapid, daß er allen Beteiligten zur höchsten Ehre gereichen muß. Mit 
Recht hat daher auch einer der beiden Spiegel von 48 cm Durchmesser, die 
später an die Göttinger Sternwarte kamen, in letzter Zeit einen Platz im Museum 
von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik zu München gefunden. 

Während Schröter und sein getreuer Gefken ihre von Schrader ge- 
weckten Fertigkeiten im Schleifen und Polieren des großen Spiegels übten, war 


jener selbst wieder in sein Amt nach Kiel zurückgekehrt. Zwar hätte Schröter 


bald darauf seine Hilfe gern wieder gehabt und versuchte die Mitwirkung von 
Olbers zu gewinnen, um die finanziellen Schwierigkeiten, unter denen der 
Kieler Professor litt, zu heben, allein Olbers verhielt sich recht zurückhaltend. 
„Was den Vorschlag betrifft“, schreibt er zurück, „dem Herrn Professor pekuniär 


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— 199 - 


noch gemeinschaftlich zu helfen, so gestehe ich Ihnen, daß ich bei ihm das Geld 
keineswegs für sehr sicher halte, da die Geldnot 1796 bei ihm noch ebenso groß 
sein wird wie jetzt. Sind Sie indeß doch der Meinung, ihm 50 Thlr. darleihen 
zu wollen, so will ich 50 Thir. mit hergeben und die 100 vorschießen; haben Sie 
aber von seiner Sicherheit Opinion, so cavieren Sie für die 100 Thlr., ich will 
sie gern ohne Zinsen auf 2 Jahre an Schrader leihen.“ Aus der Sache ist, 
wie es scheint, nichts geworden. 

In Kiel setzte Schrader seine Anfertigung von Teleskopen fort und scheint 
damit ziemlichen Absatz gehabt zu haben. Das Berliner astronomische Jahrbuch 
für 1796 enthält eine Art Preisliste seiner Instrumente, die etwa für 1793 gilt. 
Danach kostete 1. ein zweifüßiges von 2'/,” engl. Öffnung mit vollständigen 
Okularen 90 Thlr., 2. ein dreifüßiges von 3!/,“ Öffnung nebst 6 Okularen 150 Thir., 
3. ein vierfüßiges von 4!/,” Öffnung 280 Thlr., 4. ein siebenfüßiges von 6'/,“ 
Öffnung 400 Thir.; Stativ und Rohr aus Mahagoniholz, Einrichtung nach Newton. 
Ein bemerkenswerter Fortschritt scheint ihm dabei bald in der Vergrößerung 
des Verhältnisses von Öffnung zu Brennweite gelungen zu sein. Während die 
eben erwähnten Ausmessungen noch das damals allgemein, auch von Herschel 
innegchaltene Verhältnis aufweisen, kündigt Schrader 1794 Teleskope von 
6'/,“ Öffnung und nur 4° Länge bezw. Brennweite an, die noch eine dreihundert- 
fache Vergrößerung geben sollten, und macht in einem Briefe an Bode auf die 
bei dieser Konstruktion sehr gesteigerte Schwierigkeit in der genauen Form- 
gebung des Spiegels aufmerksam. Vielleicht kommt eines dieser Instrumente 
noch einmal zum Vorschein. 

In befremdlichem Widerspruch zu der oben angedeuteten Geldnot Schraders 
steht nun ein recht kostspieliges Unternehmen von ihm, das er bald nach seinem 
Scheiden aus Lilienthal in Angriff genommen haben muß. Er baute nämlich 
seinerseits in Kiel ebenfalls ein Riesenteleskop, und zwar ungefähr von 
denselben Dimensionen wie das Schrötersche. Bereits 1794 gab er eine Be- 
schreibung!) davon heraus, der umseitige Abbildung (Fig. 2) entnommen ist. 
Ihr seien hier nur einige Worte zur Erläuterung des auch in Fachkreisen fast 
völlig verschollenen Werkes beigefügt. 

Das vielfach verstrebte und in sich verbundene untere Balkengerüst trägt 
ein sechseckiges „Kabinet“ H, um den damaligen Ausdruck zu gebrauchen, 
welches sich mit Hilfe des durch Haspel n gedrehten Triebes g und des fest- 
liegenden großen Zahnkranzes in Azimut drehen läßt. Die ganze Last der Vor- 
richtung ruht dabei auf dem metallenen Lager c, in das der untere, ebenfalls 
metallene Endzapfen der zentralen Tragsäule bb eingreift. Das drehbare 
Häuschen trägt links das Newtonsche Teleskop mit seiner Maschinerie, wobei 
nach der von Herschel stammenden, wie wir sahen, auch von Schröter über- 
nommenen und überhaupt damals allgemein angewandten Einrichtung die grobe 
Einstellung in Höhe durch Heben und Senken des Spiegelendes des Fernrohrs 
in einer Schienenführung mittels Flaschenzugs erfolgte (siehe die Winde ff), 
während die feinere durch eine sauber gearbeitete Zahnstangenwinde, eine so- 
genannte Wagenwinde geschah, die das offene Ende des Rohres stützte und 
vom Beobachter in situ vor dem Okular betätigt werden konnte. Ein Horizontal- 
support auf dieser Winde gestattete zugleich die Feinbewegung in Azimut. Die 
zu dem oben beschriebenen Schröterschen Reflektor gehörige Vorrichtung 


1) Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte, VII. Heft 4, 1794. 


— 20 — 


dieser Art, wahrscheinlich aus der Werkstatte von Drechsel in Hannover, be- 
findet sich noch auf der Göttinger Sternwarte. Ihre höchst saubere Ausführung 
wie ihr durchaus sanfter Hang lassen nichts zu wünschen übrig und beweisen, 
daß da, wo es darauf ankam, auch bei diesen so cyklopisch anmutenden Mecha- 
nismen die Feinmechanik ihr Recht fand. Doch zurück zu dem Schraderschen 
Reflektor. Der Beobachter saß also oben auf der umgitterten Plattform und 
blickte horizontal in das auf der Rückseite des Rohres zu denkende Trans- 
versalokular: unmittelbar zu seiner Rechten befanden sich Feinbewegung d in 
Azimut und Höhe, dicht hinter ihm die grobe Einstellung in Höhe t£, und nur, 


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Fig. 2. Das 26-füßige Spiegelteleskop von Schrader unweit Kiel. 


wenn die horizontale Feinbewegung zu Ende ging, was im ungiinstigsten Falle 
nach etwa einer Viertelstunde eintrat, hatte er sie zurückzuschrauben und seinen 
Sitz zu verlassen, um am Haspel v die ganze Maschinerie im Azimut nachzu- 
drehen. 

In ganz geschickter Weise sind hier die oben zur Plattform führende Treppe 
und der Balkon FF, die sich beide mit dem Oberteil H drehen, als Gegen- 
gewicht gegen das Fernrohr und sein Traggerüst benutzt. Der rechts herab- 
hängende Strick dient nur dazu, bei Nichtgebrauch das Oberteil gegen eine un- 
erwünschte Drehung durch den Wind zu sichern und es in einer zugänglichen 
Stellung in bezug auf die feste untere Treppe zu erhalten. Bemerkt sei übrigens, 


— 21 — 


daß sich der dazu gehörige Reflektor von 26‘ Fokallänge zur Zeit der Beschrei- 
bung 1794 noch nicht an seinem Orte befand, sondern vorläufig durch einen 
kleineren, aber immerhin recht stattlichen von 13” Öffnung und 16‘ Lange ver- 
treten wurde. 

In mechanischer Beziehung scheint die Schradersche Bauart des Be- 
obachtungsgerüstes, bei der offenbar die bereits vielfach bewährte Konstruktion 
der holländischen Windmühlen zugrunde liegt, vor der Schröterschen den 
Vorzug zu verdienen. Die ganze Anordnung ist gedrungencr und symmetrischer, 
und die Übertragung der ganzen Last auf das einzige, leicht in Ordnung zu 
haltende Lager c mußte die Beweglichkeit erhöhen und die Hilfe eines Dieners 
entbehrlich machen, soweit man auf diese bei der Bewegung solcher Massen 
überhaupt verzichten kann. Auf die handliche Anordnung der zur Beobachtung 
erforderlichen Bewegungsmechanismen ist bereits hingewiesen; sie leistete 
wirklich alles, was man damals von kleinen Instrumenten her gewohnt war und 
für größere als wünschenswert ansah. 

Wo hat nun aber dieses Instrument gestanden? Von welcher Seite sind 
seinem Erbauer, der mit den Gütern, die Rost und Motten fressen, nur spärlich 
bedacht war, die doch offenbar recht beträchtlichen Mittel zu seiner Errichtung 
zugeflossen? Und was ist schließlich aus ihm geworden? Auf alle diese Fragen 
war eine Antwort bisher nicht zu ermitteln. Daß das Instrument in der an- 
gegebenen Gestalt wirklich existiert hat und nicht etwa bloßer Entwurf geblieben 
ist, ist sicher. Die in Kiel selbst in einer verbreiteten Provinz-Zeitschrift er- 
schienene Beschreibung Schraders spricht davon als von einer vollendeten 
Tatsache, und das gleiche geschieht bei allen Erwähnungen, die das Werk in 
der Literatur fand. Nachfragen aber, die vor einigen Jahren in den sich für 
die Orts- und Gelchrtengeschichte Kiels interessierenden Kreisen stattfanden, 
blieben ohne Ergebnis. Niemand wußte etwas davon. Die auf der Abbildung 
sichtbare Landschaft hat keine besonderen Kennzeichen, aus denen man auf 
den Aufnahmeort schließen könnte, und über das schließliche Schicksal des 
doch auch einem weiteren Publikum auffallenden und schenswürdigen Bauwerks 
schweigt die Geschichte gänzlich. _ 

Unter diesen Umständen mag die folgende Erwähnung Schraders und 
seiner Kieler Tätigkeit seitens eines unbefangenen Zeitgenossen, die einzige 
auf Augenschein beruhende, die sich finden ließ, an Interesse gewinnen, wenn 
auch zweifelhaft erscheint, ob in ihr von dem großen Teleskop die Rede ist. 
Der Verfasser!) machte Ende August 1797 einen Abstecher von Hamburg nach 
Kiel, um gelehrte Freundschaft zu besuchen. „Nachmittags“, schreibt er, 
„speisten wir bei einem der reichsten Kaufleute in kiel auf seinem, an der 
inneren Bucht des Hafens romantisch gelegenen Gartenhause An Schüsseln 
und Bäuchen für die Schüsseln fehlte es hier durchaus nicht. Es war, wie man 
es sonst in Hamburg nannte, ein Bullengelag, d. h. wo bloße Männer gebeten 
waren. Man ließ sich die geräucherten und frischen Speisen, die See- und 
Landdelikatessen so zu Mund und Magen gehen, daß Kopf und Herz dabei völlig 
in Ruhestand gesetzt zu sein schienen. Wenn eine Tracht Schüsseln vorbei 
war, lüfteten sich die Gäste durch einen Spaziergang in den Garten und setzten 
sich dann mit erneuter EBkraft wieder an die Arbeit. Nach Tische gab ein 


t) „Böttiger. Literarisches Leben auf der Universität Kiel 1797“ in „Überlieferungen zur 
Geschichte. Literatur und Kunst der Vor- und Mitwelt*, herausgegeben von F. A. Ebert. 2. Bd.. 
1. Stück, Dresden 1827. 


— 202 + 


Dollondscher Tubus, der auf dem Altan aufgerichtet stand, zu folgender Dis- 
kussion Veranlassung. Dem Gartenhause gegenüber, am jenseitigen Ufer des 
Hafens, liegen kleine Meiereien und reizende Landwohnungen unter Eichen- 
gruppen und malerischem Gehölze eingebusemt. Die Kieler haben da Sommer- 
wohnungen und die ganze Gegend heißt Dorfgarten. Hier ragte um etwas tiefer 
hinab ein viereckigtes, turmartiges Gebäude hervor, das durch seine Bauart und 
einen Apparat von Instrumenten, der sich durchs Fernrohr darauf entdecken 
ließ, sogleich meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen mußte. Einige Beistchende 
konnten mir anfangs gar keinen Bescheid geben. Endlich kamen mehrere, und 
da hieß es denn: da wohne der Instrumentenmacher Schrader, ein gar künst- 
licher Mann. Nun bemerkte einer als eine wahre Sonderbarkeit, daß dieser 
Schrader sogar selbst durch diese Instrumente die Sterne angucke und in einer 
Art von Hängematte oft ganze Nächte auf diesem Turme — den Namen Obser- 
ratorium kannte Niemand — zubrächte. Dies konnte ein großer Teil der Gesell- 
schaft gar nicht glauben. Andere schüttelten die Köpfe und meinten, das wäre 
ein wunderlicher Appetit! Einer, ein freundliches, fettes Männchen, in einer 
roten Weste und grünen Reithosen, nahm sich sogar auf der Stelle vor, seinen 
Freund Schrader, den er doch mehrmals besucht und nichts davon erzählen 
gehört habe, bei einer solchen nächtlichen Himmelscontemplation einmal zu 
überraschen. So wird der berühmte Astronom Schrader in Kiel, seinem Wohn- 
orte, gekannt! Wie gerne wäre ich zu ihm hinübergeschifft, aber jede Minute 
war schon berechnet.“ 

Unter dem „Dorfgarten“ ist der jetzige Vorort Gaarden zu verstehen. Die 
dem Erzähler so malerisch erscheinende Gegend wird heute von den gewaltigen 
Anlagen der Kruppschen Germaniawerft und der Kaiserlichen Werft cin- 
genommen, und wo Schrader seinem für seine Kieler Freunde so befremdlichen 
Hange für nächtliche Himmelsbeobachtungen nachhing, tönt nun der Klang der 
Hämmer und das Sausen der Maschinen. Von den Beobachtungsergebnissen 
Schraders ist übrigens nichts in die Öffentlichkeit gelangt. 

Die Berufung in die mit 1500 Rubeln dotierte Stellung eines wissenschaft- 
lichen Beamten der Akademie in Petersburg mochte für Schrader vom wirt- 
schaftlichen Standpunkte aus eine Wohltat sein, für seine selbständigen wissen- 
schaftlichen Bestrebungen bedeutete sie zunächst den Abschluß. Erst 1819, als 
er in den Ruhestand getreten war, finden sich wieder in Scherers Nordischen 
Annalen der Chemie einige Arbeiten von ihm, die aber das pharmazeutisch- 
technische Gebiet betreffen und uns hier weniger interessieren. Über seine 
ferneren Lebensumstände war nichts Genaueres zu ermitteln, selbst sein Todes- 
jahr ist unbekannt. 

Bei dem Erwachen eines allgemeinen historischen Interesses für die Me- 
chanik dürften die, wie wir sahen, erfolgreichen Bestrebungen Schraders in 
der Verfertigung von Spiegelteleskopen einiger Aufmerksamkeit wert sein. Diese 
kleine Anerkennung dem stillen Kieler Gelehrten zu verschaffen, war der Be- 
weggrund zu der vorliegenden Schilderung dieser Episode aus der Geschichte 
der praktischen Optik in Deutschland. 


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— 203 — 


Der Zauber in der Perspektive des Srossen Orionnebels.’) 


Von Edgar Lucian Larkin, 
Direktor des Mount Lowe-Observatoriums, Kalifornien. 


T° Parallaxe des Mittelpunktes des großen Orionnebels beträgt sicher 
wenigstens In, Daher muß man seine Entfernung von der Sonne und 
Erde rund zu 8 Quadrillionen Kilometer annehmen. Man denke sich einen kreis 
von 15‘ Durchmesser um die mittlere Region des Nebels nahe des Trapezes 
gezogen, dann würde dieser Durchmesser nahezu 25 Billionen Kilometer groß 
sein. Mit dem 60zölligen Spiegel der Carnegie-Sternwarte auf dem Mount Wilson 
‚hat man durch lange Expositionszeit eine Reihe ganz hervorragender Photo- 
graphien des Zentrums dieses wunderbaren Nebels erhalten. 

Die Negative sind vergrößert und als Diapositive in den Rahmen der Türe 
einer Kammer gebracht worden, die 16 16kerzige, weißglühende Birnen, dicht 
zusammenstehend und in einem vierreihigen (Quadrat angeordnet, ent- 
hält. Der Beobachter steht in einem großen verdunkelten Zimmer, 2 bis 5 m 
entfernt, und dreht das elektrische Licht hinter der Platte an. Ein Anblick 
himmlischer Schönheit und Pracht bietet sich nun dem überraschten Auge dar. 
Kein menschliches Auge hat jemals etwas geschant, das sich mit diesem An- 
blick interstellarer Tiefe messen könnte. Seit meiner Jugend habe ich den 
Orionnebel mit Bewunderung betrachtet, die sich mit den Jahren immer mehr 
steigerte; aber niemals habe ich ihn perspektivisch gesehen, niemals die herr- 
lichen Bilder geahnt, die sich hinter der anscheinend flachen Oberfläche ver- 
bergen. Nun enthüllt uns diese wunderbare Photographie, daß die Mitte des Nebels 
die Öffnung einer riesenhaften Höhle ist, deren Wandungen von leuchtender, 
glänzender Materie gebildet, sich bis zu einem weit entfernten Endpunkt er- 
strecken. Die Öffnung dieser Nebelhöhle ist unregelmäßig, auch die wunder- 
baren Wände und Seiten, Boden und Decke zeigen unregelmäßige Umrisse. 
Keine Messung der möglichen Tiefe dieser Höhle im Weltall, ihres Bodens, der 
kosmischen Wandungen kann hier vorgenommen werden. Das tiefe, weite, zer- 
rissene, unregelmäßige und wilde Innere kann nur mit dem Geiste, nicht mit 
dem Mikrometer gemessen werden; aber wenn man annimmt, daß der Abgrund 
dreimal so groß wie der Durchmesser der Öffnung ist, so würde die Tiefe 
200 Trillionen Kilometer betragen, das ist der Abstand des Sirius vom Sonnen- 
system. Eine Reihe von 3000 Ringen mit je einem Durchmesser gleich der 
Neptunsbahn könnten sich in dem mächtigen Raume dieser Lücke bewegen 
oder auch 90000 aneinandergelegte Kreise, jeder in der Größe der Erdbahn. 
Tausende von Sonnensystemen wie das unsrige könnten reichlich Platz in der 
weiten Ausdehnung dieser Höhle finden. Aber in ihr herrscht keine Dunkel- 
heit, sondern überall ist Licht. Die Wände erglühen und leuchten in einem 
Glanz, der jede Vorstellung übertrifft und nicht beschrieben werden kann. 
Millionen winziger glitzernder Pünktchen, kosmische Diamanten, schmücken alle 
Teile des gigantischen Innern. Die Wandungen verschieben sich nach innen 
und außen, was ihnen den Anblick von Pfeilern und Säulen verleiht. Mag 
dieser Nebel nun der größte im Weltall oder mit vielen andern vergleichbar 
sein: hier auf dem Gipfel des Mount Lowe, wenn der Regen jede Spur von 
Staub niedergeschlagen hat und kein Wasserdampf in der Atmosphäre vor- 
handen ist, dann zeigt der 16z6llige Refraktor, daß das ganze Sternbild des 


1) Aus dem englischen Manuskript übersetzt. Die Redaktion. 


— 204 — 


Orion wie in glanzende und leuchtende Nebelmasse getaucht erscheint. Es ist 
etwas heller als der helle Hintergrund des Himmels, da das ganze Sternbild 
in eine Nebelhülle gebettet ist, mit Ausnahme der verhältnismäßig kleinen Dunkel- 
räume, der wenigen Stellen, an denen die Licht ausströmende Materie fehlt. 
Daher ist es ganz klar, daß der bei weitem größere Teil der vorhandenen Ma- 
terie sich noch nicht zu Welten und glühenden Sonnen verdichtet hat. Die 
ungeheure Höhle im Orion ist das bemerkenswerteste Objekt im Bereich der 
Himmelsphotographie. Die Wissenschaft ist noch nicht imstande, uns Auf- 
schlüsse zu geben, wie Gas, Nebelmasse, dünne Materie, Staubteilchen und 
ähnliches dieses wunderbare Licht aus starrer Leere bei absolutem Nullpunkt, 
das ist — 274°, aussenden können, wofern ein solcher Zustand überhaupt existiert. 
Es ist bis jetzt weder das kosmische Licht des Himmelsgrundes und der Nebel- 
welten erklärt, noch sein Ursprung enthüllt worden. 


Der Ssestirnte Mimmel im Monat Mai loll. 
Von Dr. F.S. Archenhold. 
Eigenbewegung der Sterne. 


Die Stellung der Sterne zueinander erscheint dem unbewaffneten Auge unver- 
änderlich.. Würde Erathostenes heute seine Beobachtungen in Syene wiederholen 


können, so würde er die meisten Sterne in derselben Stellung wie vor 2000 Jahren vor- ` 


finden. Das Sternbild des Orion, die Plejaden und viele andere haben ihren Ort am 
Himmel nicht verändert. Der verfeinerten Meßmethode der modernen Instrumente ist es je- 
doch zu danken, daß wir heute schon die Eigenbewegung von einer großen Zahl von Sternen 
bestimmen können. Ja, einige Sterne haben eine so große Eigenbewegung, wie beispiels- 
weise Arktur, der hellste Stern im Bootes, daß, wenn Hipparch ihn heute nach seinem 
Katalog aufsuchen wollte, er ihn schon um 231. Vollmondbreiten von seinem früheren 
Orte abstehend finden würde. Halley war der erste, der auf Grund der Vergleichungen 
der neueren Sternörter mit den im Almagest mitgeteilten eine Ortsveränderung einiger 
Fixsterne feststellen konnte. Der erste genaue Katalog von Sternen mit starker l:igen- 
bewegung ist der sogenannte Aboer Katalog von 560 Sternen, welchen Argelander zu 
Anfang des 19. Jahrhunderts zusammenstellte. Mädler verdanken wir alsdann durch 
seine eingehende Bearbeitung der 3200 Sterne des berühmten Bradleyschen Verzeich- 
nisses die umfassendste Kenntnis der Eigenbewegungen BoB hat in seinem im Jahre 1910 
erschienenen „Vorläufigen Generalkatalog* Angaben über die Eigenbewegung von 
6158 Sternen machen können. Für das Doppelsternsystem 61 Cygni ist eine jährliche 
Eigenbewegung von 5,2 festgestellt worden. 


0 Eridami. 4. Größe, hat 4%,1, 
« Centauri. u Ae - e "SE 
« Bootes (Arktur) . 1. - e OS. 
3Hydrae ee - e EE 
Cel s 2 a e oy. = - 179. 


Die durchschnittliche Eigenbewegung der Bradleyschen Sterne nimmt mit der 
Helligkeit ziemlich stark ab. Neuerdings ist von Burnham freilich ein schwacher Stern 
im Sternbilde der Lever mit verhältnismäßig großer Eigenbewegung aufgefunden worden, 
was darauf schließen läßt, daß dieser Stern uns verhältnismäßig nahe steht. Kapteyn 
ist zu dem interessanten Resultat gekommen, daß die Sterne mit großer Ligenbewegung 
sich gleichmäßig über den Himmel verteilen und nicht die Milehstraße bevorzugen, wie 
wir es von den Sternen im allgemeinen und von den neuen Sternen im besonderen 


`- 


— 20 — 


wissen. Weiter verdanken wir ihm cine interessante Beziehung zwischen der Größe der 
Kigenbewegung und der Spektralklasse der Sterne. Die Sterne mit starker Eigenbewegung 
überwiegen in der zweiten Spektralklasse, der auch unsere Sonne angehört. Entweder 
bewegen sich diese Sterne schneller oder sie sind uns näher als die der ersten Klasse. 
Hierbei müssen wir annehmen, daß die Eigenbewegung ganz gradlinig vor sich gehe, so 
daß wir sagen können, daß die Sterne sich nicht in geschlossenen Bahnen bewegen. 


Der Sternenhimmel am 1. Mai 1911, abends 10 Uhr. 
Fig. 1. 


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(Polhého 521/4°) 


Besonders bemerkenswert ist es, daß manche Sterngruppen eine gleichmäßige 
Eigenbewegung sowohl der Größe als auch der Richtung nach erkennen lassen. So konnte 
dies bei den Sternen der Hvaden nachgewiesen werden. Während diese heute für uns 
noch eine weit ausgedehnte Sterngruppe bilden, werden sie in 65 Millionen Jahren, 
wenn ihre Eigenbewegng inzwischen sich nicht ändert, für uns einen dichten Sternhaufen 
von nur 20° Durchmesser bilden. Es ist noch eine andere zusammengehörige Gruppe 
mit gleicher Eigenbewegung in den Sternen A y, ô, & ¢ Ursae majoris, Sirius, Gemma, 


— 206 — 


Lauf von Sonne, Mond und den Planctcı | 


Fig. 2b. 
24h an” 22" 21n 20" igh Eh Kë EM 
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24n 23n Hrn C A 20 n 49h EA ‘ATW 6h ish 14h 45h 17" k 


S = Sonne. M = Mond Me = Merkur. V = Venus. Ma = Mar. 


g Aurigae, 37 und 78 Ursae majoris, s Leonis und Groombridge 1930 bekannt geworden. 
Sie bewegen sich auf den Punkt des Himmels zu, der bei Rekt. = 309° und Dekl. = 
—-42° liegt. Die Geschwindigkeit des ganzen Systems im Raume beträgt etwa 19 km in 
der Sekunde. (Vergl. „Weltall“, Jahrg. 6, S. 140.) Ähnliche gemeinsame Eigenbewegungen 
zeigen noch die Sterne der Plejadengruppe und einige andere. Wir dürfen vermuten, 
daß es noch viele solcher schnell wandernden Sterne am Himmel gibt, deren Eigen- 
bewegung uns selbst die feinsten Instrumente nicht verraten, weil die Sterne ungezählte 
Lichtjahre von uns entfernt stehen und daher selbst große l:igenbewegungen während der 
kurzen Spanne Zeit, in der wir genaue Beobachtungen auf der Erde angestellt haben, 
noch nicht in Ortsveränderungen zum Ausdruck kommen konnten. Würden wir ein 
einziges gutes Sternverzeichnis aus der letzten Eiszeit besitzen, so könnten wir sicherlich 
die Eigenbewegung von noch vielen Tausenden von Sternen feststellen. 

Das Spektroskop hat uns erst gelehrt, auch die Bewegung der Sterne auf uns zu 
und von uns fort im sogenannten Visionsradius kennen zu lernen. Diese Bewegung 
gibt in Verbindung mit der durch das Fernrohr festzustellenden seitlichen Eigenbewegung 
der Sterne erst deren wirkliche im Raume. 


Der Lauf von Sonne und Mond. 


Die Sonne, die vom Sternbilde des Widders in das des Stiers eintritt. ist wieder 
für den 1., 15. und 31. Mai in unsere Karte 2a eingezeichnet. Ihre Fleckentätigkeit ist 
jetzt sehr gering. Ihre Mittagshöhe steigt während des Monats um fast 7°, wie aus 
folgender Tabelle hervorgeht: 


Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshöhe 
Mai 1. + 11° 59° 4h 37m morgens 75 28m nachm. Pea 

- 15. +189 39°’ 4h 12m - 7h 5jm - 561/0 

- Al. + 21° 48° db 52m - 8h 4m - SE 


Die Hauptphasen des Mondes, die in unsere Karten 2a und 2b fiir die Mitter- 
nachtszeit eingezeichnet sind, fallen auf folgende Daten: 


Erstes Viertel: Mai 5. 2b nachmittags. Letztes Viertel: Mai 21. 10''," vormittags. 
Vollmond: - 13. 7h morgens. Neumond: - 28, 714b vormittags. 


ir den Monat Mai 1911, 


Fig. 24. Nachdruck verboten. 
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. 4 n 41 10% "or " gh Kap "an 6 An ah z h on 3 an on 


J= Jupiter. Sa = Saturn. U = Uranus. N = Neptun. 


Im Monat Mai findet eine Sternbedeckung statt. 


| intritt Win- Austritt | Win- 
üre. | : a TR | | Bemerkun 
Preise, Damen ate Beben SD Li E Z | kel ; M. E. Z. | kel | e 
Mai 13. | t Librae | 4,6 | 15h 7m | — 190 27°: 4h 0m9 1230 bb Gm 


4h gm 


| 272°, Monduntergang 
| | | 


Die Planeten. 

Merkur (Feld 2!/," bis äh bleibt während des ganzen Monats für das unbewaffnete 
Auge unsichtbar. Jedoch kann er mit dem großen Treptower Fernrohr von Mitte des 
Monats an bequem am Tage gesehen werden. Sein Durchmesser beträgt zu Anfang des 
Monats 11,4 und am Ende 8⁄4. Am 5. Mai "bh abends steht er zwischen Sonne und 
Erde, so daß seine unbeleuchtete 
Seite der Erde zugekehrt ist. Die 
Sichtbarkeit nimmt aber schnell 
wieder zu, so daß am 31. Mai 
bereits 0,4 der Fläche wieder be- 
leuchtet ist. Die Leuchtkraft des 
Merkurs ist am 31. Mai 33 mal so 
stark als am 6. Mai. 

Venus (Feld 55 bis 71/, P) ist 
zu Anfang des Monats 3 Stunden 
lang und am Ende 211. Stunden 
am Abendhimmel als hellleuchten- 
der Stern zu sehen. Ihre Leucht- 
kraft nimmt während des Monats 
fast um die Hälfte zu, obgleich 
am Schlusse des Monats nur noch 
?/, der Scheibe beleuchtet ist. Ihr 
Durchmesser hat die Größe von 
1171” am 1. und von 172 am 
of. Mai. Am 1. Mai steht sie in (Aus dem ,,Astronomischen Museum“ der Treptow-Sternwarte.) 
Konjunktion mit dem Monde und Fig.3. Venus oder der vermeintliche Komet. 


— 28 — 


am 30. mit Neptun und zwar steht sie fast 5° nördlich vom Neptun. (Vergl. Karte 2a, 
Feld 7!/,®) Sie wird als Abendstern am 10. August ihren größten Glanz erreichen. 
Wenn sie in der Nähe des Horizontes durch die Dünste unserer Atmosphäre länglich 
erscheint, wird sie sehr oft als ein Komet angesehen, wie dies auch gelegentlich des 
Erscheinens des Halleyschen Kometen im vergangenen Jahre wiederholt geschehen ist. 
Ein interessanter Kupferstrich, den wir hier wiedergeben (Fig. 3), ist im Jahre 1795 von 
Berthet in Paris für die National-Bibliothek ausgeführt worden und gibt eine Scene 
wieder, in der die Venus als der Komet angesehen wird, der Ende des 18. Jahrhunderts 
ganz Paris in Aufregung versetzte, da sich an seine Erscheinung eine Voraussage des 
Weltuntergangs knüpfte. Es ist interessant, daß der Stich auch nebenbei noch eine 
Änderung der Damenmode illustriert. 

Sehr oft auch wird die Venus als ein neuer Stern entdeckt, und zwar dann, wenn 
sie, nachdem sie einige Zeit unsichtbar gewesen war, wieder aus den Strahlen der 
Sonne heraustritt. In diesem Jahre wird dies Ende August der Fall sein. Ihre Helligkeit 
nimmt dann in kurzer Zeit um den achtfachen Betrag zu. Ist es während der kurzen 
Dauer der Lichtzunahme bewölkt, so tritt sie plötzlich als ein sehr auffälliges Objekt 
am Himmel auf. | | 

Mars (Feld 22h bis 24h). Seine Sichtbarkeit nimmt wieder etwas zu und beträgt 
Ende des Monats !/, Stunde am Morgenhimmel. Sein Durchmesser steigt von 6,6 auf 7,5. 

Jupiter (Feld 14!/, » bis 14!/,") kommt am 1. Mai in Opposition zur Sonne und ist 
daher während der ganzen Nacht am Himmel zu beobachten. Sein Durchmesser ist am 
1. Mai mit 42,6 am größten und geht dann bis Ende des Monats auf 41,4 herab. Seine 
größte Höhe im Meridian beträgt nur 24°, da er am 1. Mai 13!/,° südliche Deklination 
hat. Am 12. Mai steht er in Konjunktion mit dem Monde. Der sechste Jupitersmond 
hat am 8. Mai gleiche Rektascension mit Jupiter und steht in Deklination 21!/,‘ südlicher, 
so daß er in lichtstarken Fernrohren bei Abblendung des Jupiters selbst aufzufinden sein wird. 

Saturn (Feld 2';,h bis 2°/,b) kommt am 1. Mai in Konjunktion mit der Sonne und 
bleibt daher während des ganzen Monats unsichtbar. Er tritt erst wieder Ende Juni am 
Morgenhimmel aus den Strahlen der Sonne heraus. 

Uranus (Feld 204) ist am Morgenhimmel im Fernrohr nur noch kurze Zeit zu sehen. 

Neptun (Feld 7!/,b) ist zu Anfang des Monats 6 Stunden und zuletzt noch 4 Stunden 
lang am Abendhimmel zu beobachten. Sein Durchmesser beträgt nur 2,5. Er kommt 
am 30. Mai in Konjunktion mit der Venus, und zwar steht er 5° südlich von der Venus. 
Der einzige Neptunsmond, welcher in 5 Tagen 21 Stunden seinen Planeten umkreist, 
steht während des ganzen Jahres nur 16” von ihm ab. 


Bemerkenswerte Konstellationen: 

Mai 1. b morgens Jupiter in Opposition mit der Sonne. 

- 1. 7" morgens Saturn in Konjunktion mit der Sonne. 

- 1. 2b nachm. Venus in Konjunktion mit dem Monde. 

- 5. 7b abends Merkur in unterer Konjunktion mit der Sonne. 

- 10. mittags Merkur in Konjunktion mit Saturn. Merkur 1° 11’ nördlich vom Saturn. 
- 12. 6% morgens Jupiter in Konjunktion mit dem Monde. 

- 25. 3h morgens Mars in Konjunktion mit dem Monde. 

- 26. 6 abends Merkur in Konjunktion mit dem Monde. 

- 26. 8) abends Saturn in Konjunktion mit dem Monde. 

- 299. Ah morgens Merkur in Konjunktion mit Saturn. Merkur 1° 55° südlich vom Saturn. 
- 30. 4ħ morgens Venus in Konjunktion mit Neptun. Venus 2°5% nördlich vom Neptun. 
- 31. 6h morgens Venus in Konjunktion mit dem Monde. 

3 
Fehlerberichtigung. Das Weltall Jg. 9, Seite 231. Lies stets d’Argenlieu statt d’Argeulieu 

und Reihe 14 von unten lies C (Ceta) statt G im großen Bären. Jg. 11, Seite 128, Reihe 22, lies 
Krakatoa- Ausbruch im August 1883 und von dem Lissaboner Beben am 1. 11. 1755 statt Krakatoa- 
Beben im Jahre 1889 und von dem Lissaboner im Jahre 1757. 


Für die Schrittleitung verantwortlich: Dr. F.8. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


DAS WELTALL 


[llustrierte Zeitschrift fiir Astronomie und verwandte Gebiete. - - 
Herausgegeben von 
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 14. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Zweites Aprilheft). 
Berlin-Treptow. 


Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko _ 

durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post- 

Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einzelne Nummer 60 Pie. — Anseigen-Gebühren: I Seite 80.— MK. fy Seite 45.— 
1, Seite 25.—, 1/, Seite 15.—, Uu Seite 8—. Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewicht. 


INHALT 
I. Zur Genesis des Mondes. Von Robert Schindler. . 209 | 4. Kleine Milteilungen: Uber die Eigenbewegung der 
2. Das Exemplar der „Selenographia“ des Hevelius in Fixsterne. — Über die Elemente des Thuliums. . . 219 
der Bibliothek der Treptow-Sternwarle. Bemerkungen 5. Bücherschau: Georg Helm, Die Grundlehren der 
vom bibliophilen Standpunkte aus. Von Dr. Stephan höheren Mathematik. — B. Bornstein und W. Marck- 
Kekule von Stradonits . . 2. . 2 2 2 2 eee 216 wald, Sichtbare und unsichtbare Strahlen . . . . 220 
3. Aus dem Leserkreise: Einige Beobachtungen des Nachdruck verboten. 
Johannesburger Kometen . . . » 2 «© 2.2... 218 | Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet. 


Zur Genesis des Mondes. 
Von Robert Schindler. 


1. Allgemeines. 


Der Mond ist das einzige Gestirn des Himmels, welches uns mit optischen 
Hilfsmitteln einen weitgehenden Einblick in seine Oberflachenbeschaffenheit ge- 
stattet. Trotz all dieser Beobachtungsmöglichkeit haben sich die Forscher über 
die Natur dieses Planeten noch nicht einigen können, und wenn wir uns fragen, 
ob dies überhaupt jemals eintreffen werde, so glaubt der Schreibende aus Er- 
fahrungen auf einem der Wissenschaft weniger zugänglichen Gebiete, daß bei 
vielseitiger Aufklärung die Überzeugung sich selbst Bahn brechen werde. 

Die vielen Versuche, durch das Studium von analogen Zuständen in der 
irdischen Natur oder mit Hilfe der Mathematik der Erklärung der Mondober- 
fläche beizukommen, haben zu den verschiedenartigsten Resultaten geführt und 
damit bewiesen, daß weder die Kenntnis der Erdoberfläche noch die Mathematik 
ausreichend sind, die Rätsel des Mondes zu lösen. Bessere Anhaltspunkte 
haben praktische Versuche geliefert, obwohl auch diese Resultate infolge ganz 
verschiedener Grundideen oft einander diametral gegenüberstehen. Bezüglich 
der Mondgebilde lassen sich die verschiedenen Ansichten hauptsächlich in fol- 
genden 7 Hypothesen unterbringen: 1. Die Auftriebe gasiger und glühend 
flüssiger Massen sowie deren zerstörende Ausbreitung, 2. der Auswurf loser 
Massen und Ringbildung in bestimmter Entfernung, 3. die Krater- und Wall- 
bildungen durch Meteoraufstürze, 4. der Einsturz aufgetürmter Pyramidenkegel 
bis auf den Rest des Walles, 5. die glühend flüssigen Auftriebe infolge von 
Mondrindenbewegungen, 6. die totale Vereisung der Mondoberfläche und 7. die 
Erzeugung der runden Gebilde durch Wirbelwinde. 

Fast allgemein ist man heute darüber einig, daß der Mond die Oberflächen- 
abkühlung bedeutend früher vollendete als die Erde. Die Gründe der Kurz- 
lebigkeit dieses kleinen Planeten gipfeln darin, daß, wie uns die Sonne belehrt, 


— 210 — 


Masse und Lebensdauer der Gestirne in einem gewissen Sinne proportional 
sind. Da auch die Zusammensetzung der kosmischen Massen des Mondes 
und der Erde kaum sehr verschieden sein kann und anderseits der Mond ein 
tiefstarres Gewölbe bildet, das sich ohne eine Katastrophe durch äußere Ein- 
wirkung nicht mehr verkleinern kann, so wird dereinst nach gänzlicher Durch- 
kühlung des Planeten im Innern ein Hohlraum entstehen, welcher dem 
spezifischen Mindergewicht der Erde gegenüber proportional sein wird. 

Die nun folgenden Ausführungen gehen von der Voraussetzung aus, daß 
der Mond zur Zeit der Entstehung der Oberflachengebilde sich an der Ober- 
fläche im Stadium der Erstarrung, in der Tiefe im flüssigen und im Kern im 
überhitzten gasförmigen Zustande befunden habe. Die Masse der starren Mond- 
rinde sowie der glühendflüssigen Auftriebe scheinen die Eigenschaften des 
zähen Glasflusses aufzuweisen, welche Masse durch expandierende Gase aus 
dem Innern über die Oberfläche hinaufgetrieben wurden. Von einer geologischen 
Schichtenfolge wie bei der Erde kann daher beim Mond nicht die Rede sein, 
vielmehr präsentiert sich derselbe in seinem Urzustande, welcher durch gewalt- 
same Abkühlung dieses kleinen Planeten herbeigeführt wurde, von welchem 
Zeitpunkte an die Entstehung neuer Erhebungen total ausgeschlossen erscheint. 
Es liegt somit in der Natur der Sache, daß wir auf der Erde meistens vergeb- 
lich nach analogen Zuständen suchen, da nur ganz vereinzelte Stellen zu 
schwachen Vergleichen herangezogen werden können. 


2. Die Monderhebungen. 


Die Theorie der glühendflüssigen Auftriebe ist eine der ältesten und hat 
neben Hooke, R. Falb, Dana, P. Lehmann und anderen hauptsächlich 
durch die Experimente von Ebert die maßgebendste Begründung gefunden. 
Auch der Verfasser hatte die Ursache der feuerflüssigen Auftriebe seit vielen 
Jahren in Gicßereien zu beobachten Gelegenheit gehabt und eine kleine Schrift 
unter dem Titel „Die Mechanik des Mondes“ verfaßt, welche auf den Stern- 
warten zu finden ist und dort eine gute Aufnahme gefunden hat. 

Außer den durch Dana an dem Feuersce auf Hawai gemachten Beobach- 
tungen scheint neben den Experimenten, wie solche von Ebert und dem Ver- 
fasser ausgeführt wurden, die Eisengießerei der einzige Ort zu sein, welcher 
einigermaßen geeignet ist, das Wesen der feuerflüssigen Auftriebe zu studieren. 
An gleicher Stelle kann man auch beobachten, wie bestehende Gebilde durch 
Anwesenheit feuerflüssiger Massen wieder zerstört werden können, worauf wir 
bei der Besprechung der Ausbreitung der Meere wieder zurückkommen. Wer 
Gelegenheit hat, entweder durch häufigen Besuch in Gießereien oder durch Ex- 
perimente wie Ebert und der Verfasser seine Kenntnisse in bezug auf flüssige 
Auftriebe zu erweitern, dürfte bezüglich der Entstehung der Mondgebilde schr 
bald zu einer überzeugenden Ansicht gelangen. Wenn jemand die Erhebungen 
auf dem Monde beobachtet, so muß ihm sofort auffallen, daß mit Ausnahme einiger 
Bergrücken alle eine mehr oder weniger rundliche Grundrißform haben, welche 
darauf hindeutet, daß dieselben durch die Wirkungen zentraler Kräfte ent- 
standen sind. Als solche Kräfte kommen in erster Linie die expandierenden 
Gase in Betracht, welche durch Tausende von Öffnungen zum Auspuff kamen. 
Allerdings haben auch Magmaauftriebe zur Bildung von großen Höhenzügen, 
wie den Apenninen und Karpaten, stattgefunden, bei welchen die Wirkung der 
Gase meistens nur an einer großen Menge Beulen oder Gaseinschlüssen zu er- 


- 21 — 


kennen ist, welche die starr gewordene Oberfläche nicht mehr zu durchdringen 
vermochten. 

Von den offenen runden Gebilden kann man unterscheiden: Wallebenen, 
Krater, Wallkrater, Blasenkrater und Gruben, unter welchen Bezeichnungen es 
keine scharfen Grenzen gibt, nur sei bemerkt, daß Blasenkrater und Gruben 
kleinere Objekte darstellen und ohne Magmazufuhr entstanden sind, während 
es Krater gibt, bei welchen riesige Magmaaufschüttungen nachgewiesen werden 
können. Das Interesse der Forscher dreht sich hauptsächlich um die Frage, 
wie die gemeinhin als Krater bezeichneten Gebilde entstanden sind. 

Wohl mag anfänglich, als die Mondrinde noch nicht sehr fest war, die 
Schwindung oder Zusammenziehung zu den Auftricben von Bergrücken Ver- 
anlassung gegeben haben, bei den Wällen und Kratern ist jedoch das Spiel der 
expandierenden Gase mit dem flüssigen Magma als die einzige Ursache ihrer 
Entstehung anzusehen. Diese Stoßwirkungen auspuffender Gase auf glühend- 
flüssige Massen sind den EisengieBern zur Genüge bekannt, da dieselben be- 
ständig mit den Gefahren der Gasstauungen zu rechnen haben. Der Schrei- 
bende hat versuchsweise einen Gießermeister in dieser Richtung sondiert und 
demselben Photographien von Mondgebilden vorgelegt mit der Frage, ob er 
glaube, daß diese Krater durch die StoBwirkung glühendflüssiger Auftriebe ent- 
standen sein können, worauf, wie vorauszuschen, für diejenigen, welche in 
diesem Falle der Theorie der glühendflüssigen Auftriebe nicht zu folgen ver- 
mögen, nur ein mitleidiges Lächeln übrig blieb. Jedenfalls wäre es schr wün- 
schenswert, wenn die Zweifler sich mit tüchtigen Gießern oder Gießereitechnikern 
über diese Frage möglichst gründlich auseinandersetzen würden. 

Um einmal eine Anzahl Gießer mit dem Wesen der Mondoberflache bekannt 
zu machen, hat der Verfasser denselben einen Vortrag gehalten, welcher zu 
nachstehender Resolution Veranlassung gab: 


Resolution. 


Die unterzeichneten FisengieBer sind nach Anhörung eines am 
19. Februar 1911 in der Aula des städt. Schulhauses auf der Musegg in 
Luzern, durch Herrn Robert Schindler, Gründer und Aufsichtsrat 
der Maschinenfabrik Schindler & Cie., abgehaltenen Vortrages über: 
I. Populäre Astronomie, II. Die Selenologie und der Eisen- 
gießer einstimmig zu folgender Resolution gelangt: | 

1. Die verschiedenen Anzeichen deuten darauf hin, daß die Mond- 
oberfläche von glasartiger Struktur ist und muß dieselbe in den Mare- 
ebenen durch zusammengeschwemmte schaumige Verunreinigungen, wie 
solche bei jedem Schmelzflusse vorkommen, bedeckt sein. 

2. Die Entstehung aller Gebilde auf der Mondoberfläche, sowie die 
Vernichtung solcher Gebilde durch neue Auftricbe und Ausbreitung der 
Massen in den Mareebenen, sind mit absoluter Sicherheit als die Folgen 
gasiger und glühendflüssiger Auftriebe zu erkennen und vom 
Standpunkte des Eisengießers bis in die Details zwanglos zu erklären. 

Luzern, den 3. März 1911. 


Die Eisengießer der Maschinenfabriken 
A.-G. Schindler & Cie. in Luzern, 
A.-G. Th. Bell & Cie in Kriens. 


(Es folgen die Unterschriften.) 


— 212 — 


Wenn auch diese aus Erfahrungen sich ergebende Erklarung, nur von 
meistens intelligenten Arbeitern und Meistern herrührt, so ist dieselbe nicht 
weniger beachtenswert als mancher Erklärungsversuch, wo entweder die höhere 
Mathematik oder das Teleskop auf Grund irgend einer fantasievollen Annahme 
das letzte Wort hatte. Ä 

Für die Erklärung der nicht magmaführenden Blasenkrater und Gruben 
hat der Verfasser in den Fig. 1 und 2 zwei Exempel gewählt, welche schr viel 
Beifall gefunden haben. Das cine ist ein vergrößertes Stückchen Brotrinde, 
das andere ein Siegel. In beiden Fällen zeigt sich deutlich, wie zähe Massen 
durch auspuffende Gase Anlaß zu Grubenbildung geben können. Auch treten 
hei Fig. 2 einige Beulenauftricbe deutlich hervor, wie solche auf dem Monde so 

| massenhaft vorkommen. Charakteristisch 


Fig. 1. Fig. 2. 


tiefen, glänzenden Mulden und das Fehlen von ausgeworfenem Magma auf der 
Außenböschung, welches man besonders auf den dunklen Mareebenen als hellere 
Masse sofort erkennen würde. 

Zur Demonstration in bezug auf die Stoßwirkung warmflüssiger Massen 
hat der Verfasser zwei Apparate hergestellt, wovon Fig. 3 für die mittleren 
und großen und Fig. 4 für die kleinsten Auftriebe bestimmt ist. Zu diesen 
Versuchen werden gelochte Wachsscheiben verwendet und der durch eine 
Gas- oder Spiritusflamme erwärmte Wachsinhalt des Zylinders mit Hebel 
und Piston stoßweise auf die Oberfläche der Wachsscheibe gedrückt. Je 
nach Masse, Schnelligkeit, Temperatur und Dauerwirkung hat man es in der 
Hand, große oder kleine Gebilde zu erzeugen. In den Fig. 5 bis 11 sind einige 
Versuche dargestellt, welche geeignet sind, das mechanische Prinzip der flüssigen 
Auftricbe leichter zum Verständnis zu bringen. 


x 


für die Blasenkrater sind die relativ 


e ~ 


— 


— 23 — 


Die meisten größeren Gebilde auf dem Monde haben innerhalb der Wille 
den ursprünglichen Boden durch das andauernde Spiel mit glühendflüssigen 
Massen wieder aufgeweicht und muldenartig vertieft. Durch Abkühlung wurde 
den Aufwerfungen der Massen ein Ziel 
gesetzt und die Austrittsöffnungen 
sickerten zu. Die letzten ersterbenden 
Auftriebe zeigen häufig: Sickerkegel, 


Fig. 3. Fig. 4. 


welche oft mehrmals auszubrechen versuchten, jedoch infolge Abkühlung nic- 
mals die Höhe des umgebenden Walles zu erreichen vermochten. In den meisten 
Fällen waren damit die Auftriebe in der Mitte abgeschlossen, jedoch nicht für 
den umgebenden Wall. Viele Anzeichen sprechen dafür, daß die Mondober- 
fläche eine glasartige Sprödigkeit besitzt. Da die Wärmezunahme in den Wällen 
von der Krone nach unten zum Quer- 
schnitt der Massen proportional 
war, konnten die Kronen der fort- 
schreitenden Abkühlung nicht 
standhalten, sondern es mußten 
Querrisse entstehen, welche viel- 
fach zur Bildung der sogenannten 
Wallkrater Veranlassung gaben. 
Über diese Krater wurde schon von 
Franz in seinem Buche „Der Mond‘ 
bemerkt: „Nie kommt es vor, daß 
ein Wallkrater vom Walle unter- 
brochen wird, was doch ebenso gut 
möglich wäre.“ Diese Unmöglich- 
keit hat ihren Grund darin, daß die 
Zerreißung der Wallkrone und teilweise Niederschmelzung des Walles der 
Neubildung des Kraters vorausging. 


3. Die Mareebenen. 
Der Mond war vor der Entstehung der Meere reicher an größeren Wall- 
gebilden. Mit zunehmender Abkühlung wurden die freien Öffnungen weniger 
und an Stelle des gasförmigen trat infolge der Abkühlung mehr der flüssige 


— 214 — 


Auftrieb, welcher durch seine Menge die Bildung der Meere herbeiführte. Das 
Magma dieser Meere ist mit einer den meisten Schmelzflüssen eigenen schwim- 
menden Decke oder Lava gänzlich überdeckt, einer dunklen Schicht, deren 
Mächtigkeit vielleicht nur nach Metern zählt und mit einer Schaumdecke zu 
vergleichen ist. | 


Vig. 6. Vig. 7. 


lig. S. Fig. 9. 


Fig. 10. | Fig. 11. 


Mit der Ausbreitung dieser Meere wurden, so lange die Wärme ausreichte, 
alle Hindernisse durch Unterschmelzung ganz oder teilweise beseitigt, wovon 


eine Menge zum Teil niedergeschmolzener Kraterwälle und insbesondere die- 


Apenninen interessante Aufschlüsse geben. Der tatsächliche Vorgang der teil- 
weisen Zerstörung der Apenninen mag geeignet sein, darüber Zweifel auf- 
kommen zu lassen, dabei darf jedoch nicht vergessen werden, daß gerade im 


— 215 — 


Innern des gewaltigen Gebirges dic Temperatur noch eine sehr hohe gewesen 
sein muß. Obwohl der SchmelzfluB des Meeres die zwar riesigen abgestirzten 
Felsen nicht mehr zu verflüssigen vermochte, hat die Unterschmelzung der 
Apenninen, wie die rundliche Bucht beweist, gleich der Ausbreitung der Meere 
in anderen Gegenden keinen anormalen Verlauf genommen. Auf dieselbe 
Weise sind eine Menge großer und kleiner Walle vernichtet worden, von 
welchen man vielfach die Vorstellung hat, daß dieselben in die Meere ver- 
sunken wären, zu welcher Auffassung zugegeben werden muß, daß ein unter- 
schmolzener sich auflösender Körper genau dic Erscheinung des Versinkens 
darstellt. 

Obwohl die Meeresufer nicht in der Weise, wie die vernichteten Wälle den 
Anschein geben, versunken sind, so darf nach den Untersuchungen von Franz 
doch angenommen werden, daß nach seiner Niveaukarte die starren, krater- 
reichen Gegenden der Schwindung mehr Widerstand geleistet haben und höher 
geblieben sind als die mit Magma überströmten Maregegenden, welche im auf- 
geweichten Zustande der Senkung durch Schwindung leichter zu folgen ver- 
mochten. Die Temperaturabnahme hat jeweilen das Zerstörungswerk zum Still- 
stande gebracht, so daß man besonders gegen den Nordpol Ruinen in allen 
möglichen Stadien der Vernichtung findet, während die unversehrt ausschenden 
Gebilde in den Mareebenen später entstanden sind, worauf an der Hand ge- 
eigneter Bilder in der Fortsetzung zurückgekommen werden soll. 


4. Strahlen und Rillen. 


Wie beim Aufbau der Krater und der Ausbreitung der Meere waren der 
Schmelzfluß und die Gase auch die Ursachen der Strahlen und Rillen. 

Was uns der Mond mit seinen Strahlensystemen zeigt, kann dem nach- 
lässigen oder unachtsamen Gießer infolge explosiven Speiens der Formen täg- 
lich passieren. Es ist das Signal, daß die Gase sich nur mehr durch den ex- 
plosiblen Auftricb des Eisens aus der Form entfernen können. Auf dieselbe 
Weise sind die Strahlensysteme auf dem Monde entstanden, als die Gase und 
Magma nur mehr gewaltsam durch wenige Öffnungen die Oberfläche erreichten. 

Zu diesen Krateröffnungen gehörten, wie an den Ausfurchungen der Außen- 
böschungen sowie an der Umgebung infolge Massenausschüttungen leicht zu 
erkennen ist, die Krater Kopernikus, Kepler, Aristarchus, Autolycus, 
Aristoteles, Langrenus, Petavius und einige andere, während Tycho mit 
seinem riesigen Strahlensystem als wahrscheinlich letzter tätiger Krater unter 
sehr hohem Druck eine gewaltige Menge Strahlen über einen großen Teil der 
Mondfläche ausbreitete. 

Während zur Beobachtung der Erhebungen die Phasen des Mondes die 
beste Gelegenheit bieten, bedarf man für die Strahlen die volle Belichtung. 
Die bessere Sichtbarkeit der Strahlen unter einem spitzen Winkel zur Sonne 
hat ihren Grund in der schimmernden Durchsplitterung der rasch abgekühlten 
Massen, dieser ünmerklich geringen Auftragung, weshalb die Strahlen bei Voll- 
mond am besten beobachtet werden können. 

Die Entstehung der Rillen läuft in der Hauptsache auf Schwindung hinaus, 
obwohl Temperaturwechsel auch Spannungsrisse erzeugt haben muß. 

Der Mond hat sich, wie jeder Mangel von Verwerfung zeigt, mit der gänz- 
lichen Oberflächenabkühlung gar nicht mehr verkleinern können. Wenn daher 
dort lange, Berg und Tal durchsetzende Rillen und Risse vorhanden sind, so 


— 216 — 


bedeuten dieselben weniger Schwindungs- als Spannungsrisse und sind daher 
trotz ihrer großen Länge, wegen relativ geringer Öffnung für uns weniger gut 
sichtbar, als die bekannten Schwindungsrisse. Die Sichtbarkeit der Rillen hängt 
hauptsächlich von der Größe des Absturzes nachgerutschter Massen ab, was am 
auffälligsten bei der Hyginus- und der Ariadaeus-Rille zu finden ist, bei welchen 
die teilweise Ausfüllung teleskopisch wahrnehmbar ist. 

Die riesigen Felsen, welche bei den Apenninen abstürzten, zeigen, daß die 
Massen in der Tiefe weniger zerrissen waren, während man weiß, daß sowohl 
durch die intensive Abkühlung, als auch die synodischen Temperatur- 
schwankungen die äußersten Mondschichten vielfach zerrissen sein müssen. 
Zieht man in Betracht, daß Glasfluß ein guter Wärmeleiter und der synodische 
Temperaturwechsel kein gerade plötzlicher ist, so dürfte nach grober Schätzung 
die Blockgröße auf der Mondoberfläche zwischen Kubikfuß und Kubikmeter 
liegen und ist seit ferner Urzeit konstant, so daß das Sprichwort vom Zahn der 
Zeit infolge Anpassung an die Temperaturschwankung und dem Mangel einer 
aktiven erodierenden Atmosphäre für die Mondoberfläche keine Geltung hat. 


(Schluß folgt.) 


Das Exemplar der ,,Selenographia’ des Hevelius in der Bibliothek 
der ®reptow- Sternwarte. 
Bemerkungen vom bibliophilen Standpunkte aus. 


Von Dr. Stephan Kekule von Stradonitz. 


pee sein Super-Exlibris, ein in Gold in das Leder des Vorderdeckels auf- 
gepreßtes Wappen, außerdem durch die Widmung von der Hand des 
Hevelius, die Archenhold a. a. O. bereits abgebildet hat!) kennzeichnet 
sich das in Rede stehende Exemplar als ein Stück aus dem Besitze des Louis- 
Henri de Lomenie, Comte de Brienne. Das Super-Exlibris ist so, wie es auf 
dem Bande ist, in dem bekannten „Nouvel Armorial du Bibliophile’ von Joannis 
Guigard, Bd. 2, Paris 1890, S. 327, abgebildet, und da es eines der beiden 
Super-Exlibris ist, die fast die sämtlichen Bücher tragen, die der genannte 
Bichersammler besessen hat, so kann damit als erwiesen angesehen werden, 
daß er das, ihm von Hevelius gewidmete Exemplar der „Selenographia“ wahr- 
scheinlich selbst hat einbinden, jedenfalls selbst erst mit der „Außenpressung*, 
dem Super-Exlibris, versehen lassen. 

Louis-Henri de Lomenie, Graf von Brienne, war ein eifriger Bibliophile. 
Schon sein Vater, Henri-Auguste de Lomenie, Comte de Brienne (7 1666), 
und sein Großvater Antoine de Lomenie rk 1638) waren dieses gewesen. Der 
Titel „Comte de Brienne” ist, nebenbei bemerkt, durch Henri-Auguste infolge 
von dessen Ehe mit Louise de Béon de Luxembourg de Brienne erheiratet 
worden. Als beider Sohn ist Louis-Henri am 13. Januar 1636 geboren. Den 
berühmten .Fonds Brienne“ des Antoine, nämlich dessen Handschriften- 
sammlung, jetzt in der Bibliotheque Nationale, hatte Henri-Auguste, um dem 
allmächtigen Kardinal Richelieu zu gefallen, für ca. 180000 fres. (nach heu- 
tivem Geldeswert: damals: 36000 livres) an diesen verkauft. Louis-Henri 


t) Zu vergl. der Aufsatz „Johannes Hevelius* von Dr. Archenhold in Heft 10 des 
Weltall} 1911 (zweites Februarheft). insbes. S. 151. Abb. 22. 


erbte von Vater und Großvater somit von der großartigen Handschriftensammlung 
des Großvaters so gut wie nichts und von der Büchersammlung beider nicht 
viel, desto mehr aber war ihm die Eigenschaft, ein ,Bibliophile* zu sein, an- 
geboren. Während seines Lebens hat er eine Büchersammlung zusammen- 
getragen, die ihm erweislich etwa 80000 livres, also rund +00 000 frcs. nach 
heutigem Geldeswert, gekostet hatte. Die äußere Lebensgeschichte des Mannes 
ist völlig romanhaft. Bis 1663 hat er, wie es scheint, seinen Vater in der Aus- 
übung der Geschäfte eines Staatssckretärs vertreten. In dieser Eigenschaft hat 
er auch im Juni 1660 der Hochzeit König Ludwigs XIV. in San Juan de Luz 
beigewohnt. Aus irgend einer geheimen Ursache, die man nicht kennt, trat er 
1664 plötzlich zum geistlichen Stande über wahrscheinlich infolge eines König- 
lichen Befehls, dessen Ur- 
sache unbekannt ist. 1667 
wurde er Sub-Diacon. Nach 
einer Zeit wahrer oder er- 
heuchelterInbrunst verliebte 
er sich 1670 in eine Schrift- 
stellerin und führte mit 
dieser bis 1673 im Ausland 
ein unordentliches und An- 
sto erregendes Leben. 1674 
wurde er zurückberufen und 
nacheinander in die Klöster 
Saint - Germain - des - Pres, 
Saint-Benoit-sur-Loire und 
Saint- Lazare eingesperrt 
(1674 bis 1692), wo man thn 
der Außenwelt gegenüber 
für verrückt ausgab, bis er 
durch Richterspruch vom 
17. Juni 1692 scine Freiheit 
erhielt. 1696 wurde er in- 
folge einer „lettre de 
cachet“ in die Abtei Saint- 
Scverin zu Chäteau-Laudon 
gesteckt und ist daselbst Super - Exlibris des Louis-Henri de L.omenie. 
am 14. April 1698 gestorben. Grafen von Brienne. 

Er hat zahlreiche Werke 

verfaßt: über seine Reisen, über seine Gemäldesammlung, über die franzö- 
sische Versbildung; man hat von ihm geistliche Dichtungen, die zu Paris 
im Jahre 1671 in drei Duodez-Bänden erschienen und zu denen La Fontaine 
das Widmungsgedicht zu Ehren des Prinzen von Conti verfaßte. Seine 
„Mémoires“, erschienen 1720 zu Paris in zwei Duodez-Banden, seine „Mémoires 
inédits“, erschienen zu Paris im Jahre 1828 in zwei Oktav-Bänden, endlich der 
»waschechte Roman, oder geheime Geschichte des Jansenismus“, der noch un- 
veröffentlicht ist, beweisen zweifellos, daß er geistig völlig gesund und höchstens 
von Charakter ein ,Entgleister- war. Seine Bibliothek ging auf seinen Sohn 
Louis-Henri den Jüngeren fr 1743) über, der dafür aber gar keine Liebhaberei 
besaß, und sie in London am 24. April 1724 durch den bekannten Antiquar 


James Woodman verkaufen ließ. Infolge dieser Veräußerung gehören Bande 
aus der Bibliothek Lomeénie de Brienne — weitaus zum größten Teil übrigens 
von dem bekannten Dussieux gebunden — zu den geschätztesten bibliophilen 
Seltenheiten, namentlich in Frankreich. 

Das in dem Super-Exlibris dargestellte Wappen enthält nachfolgende Bilder: 

1. einen von zwei Löwen gehaltenen, gevierteilten, mit einem Herzschild 
belegten Schild: z 

2. darüber eine elfzackige Krone, überhöht von 

3. einem Helm mit Helmschmuck. 

Das erste und vierte, rote Feld des Schildes enthält je zwei schreitende 
Kühe mit goldenen Hörnern, Hufen, Halsbändern und Glocken (Béon) und 
das zweite und dritte, silberne Feld des Schildes je einen aufrechten: blau- 
bezungten, gold-bewehrten und -gekrönten Löwen mit doppeltem Schweif 
(Luxembourg). Der Hauptschild enthält im goldenen Felde einen grünen Baum, 
dessen Wurzeln auf einer roten Scheibe stehen: im blauen .Schildeshaupt* dazu 
drei silberne Rauten (Lomenie). Das Helmkleinod ist das in der heraldischen 
Fachwelt weltbekannte der Loméniec: die „Schöne Melusine“ im Bade. 

. Da Hevelius seine Widmung am 10. April 1655 geschrieben hat, fällt diese 
Gabe des Verfassers in die Zeit der amtlichen Laufbahn des Empfängers. 


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Einiĝe JSeobachtungen des Johannesburger Kometen. 


err W. Hinz, 2. Offizier S. S. Samland, Red Star Line, Antwerpen, schickt 

uns von seiner Secreise einige Beobachtungen des Johannesburger Kometen, 
die er während der Fahrt bei schr klarem Wetter gemacht hat. Er schreibt: 

„Am 19. Januar 1910 verließen wir New-York. Wir hatten wolkiges und 
schönes, klares Wetter. | 

Am 20. abends sahen wir etwa 7° über dem westlichen Horizont einen 
Kometen von erstklassiger Helle. Der Schweif war ca. 2 bis 3° lang, nach oben 
(Zenit) zeigend und etwas südlich abgebogen. Der Schweif verlief in eine etwas 
nördlichere Deklination und größere Rektaszension als der Kopf. 

Um ca. 6" 8" p. m. = 10° 35” mittlerer Greenwichzeit in einer ungefähren 
wahren Amplitude von W. 18° S. ging der Komet unter. Die Schiffsposition zu 
dieser Zeit war 40° 15° N. und 66° 42° W. Ein genaues Beobachten war ob dor 
mit Wolken bedeckten Kimm unmöglich. 

Ungefähre Position des Kometen 20° 53" Rekt 13" 39° S. Dekl. 

Am 21. um 5" 40" p. m = 9b 44m 30° m. G. Z. in 40° 27° N. und 61°24 W. beob- 
achtete bei klarem Wetter die Höhe des Kometen 6° 225 Azimut N. 110° W. 
Rekt. = 20" 54" 19° Dekl. 10° 46° S. 

Der Komet erschien an diesem Abend schwächer, ungefähr in der Licht- 
stärke eines Gestirns zweiter Größe. Der Schweif ungefähr wie am Abend 
vorher. 

Am 22. abends um oh 107 p m. = 9" 51" 49° m. G. Z. in 40° 42’ N. und 55° 28’ W. 
hometenhéhe 3° 9° Azm. N. 103° W. Rekt. = 20" pom 10° Dekl. = 7° 44° S. Der 
Schweif war ca. 5° lang sichtbar und wieder nach links abgebogen. 


— 219 — 


Am 23. abends um Dh 53™ = 9» 15™ 16° m. G. Z. in 40° 59’ N. und 49° 59° W.. 

Höhe des Kometen = 7° 43° w. Azm. = N. 106° W. Rekt. = 21" 8™ 13° Dekl. 
= 6°46'S. | 

Der Schweif war an diesem Abend schlecht sichtbar. Lichtstärke ungefähr 
zweiter Größe. 

Am 24. um 55 59" p. m. = 8" 57™ 33° m. G. Z. in 42°00’ N. und 44° 35‘ W. 

Höhe des Kometen 7° 45‘,5 w. Azm. N. 104° W. Rekt. = 212 13" 6° Dekl. = 5° 2’ S. 

Der Schweif des Kometen war an diesem Abend ungefähr 15° lang, stand 
ziemlich senkrecht zum Horizonte, am oberen Ende vielleicht etwas nach Süden 
abgebogen. Der Schweif des Kometen bildete somit mit dem Äquator einen 
Winkel von ungefähr 40°. 

Am 25. abends war der Himmel bedeckt, sahen daher den Kometen nicht. 

Am 26. sahen wir den Kometen wieder; da es aber wolkiges Wetter war 
und sich oft bezog, nur für kurze Zeit. Um 6" 6m p. m. = 8 18m 12° m. G. Z. beob- 
achtete die Höhe 7° 47‘,5, wahres Azm. N. 102° W. Rekt. = 215 22™ 558 Dekl. = 
2° 37,5. Der Schweif war ob der Wolken nur 2 bis 3° lang sichtbar. Schiffsort: 
45° 58° N. und 33° 6! W. | 

Am 27. abends sahen wir den Kometen nur für kurze Zeit und schwach. . 
Der Schweif war an diesem Abend ca. 50° lang und endete mit einem starken 
südlichen Bogen in der Nähe des Planeten Saturn. N 

Am 28. abends sahen wir den Kometen für kurze Zeit mit einem ungefähr. 
30° langen Schweife, welcher wie am vorhergehenden Abend stark nach Süden 
abgebogen war. 

Am 29. Januar sah ich den Kometen sehr schwach ohne merklichen Schweif, 
weil noch zu hell. Spater sah ich nur noch das Ende cines langen, schwachen 
Schweifes; der Komet selber war von Wolken bedeckt. Später habe ich den 
Kometen nicht mehr gesehen. Es schien aber, daß er bei allen späteren 
Beobachtungen schwächer war.“ 


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Uber die Eigenbewegung der Fixsterne') hat Hofrat E. Weiß eine Abhandlung von 
Professor S. Oppenheim der Wiener Akademie der Wissenschaften überreicht und dazu bemerkt: 
„In den letzten Jahren sind in den Eigenbewegungen der Fixsterne systematische Gesetzmäßigkeiten 
erkannt worden, die darauf hinzudeuten scheinen, daß die Fixsterne nicht alle einem einzigen, sondern 
mehreren Sternsystemen angehören. In dieser Beziehung hat speziel Kapteyn die Hypothese auf- 
gestellt, daß das Sternenheer aus zwei Schwärmen bestehe, deren Bewegungen ganz unabhängig von- 
einander vor sich gehen, und Eddington diese Annahmen mathematisch zu begründen gesucht. 
Demgegenüber stellte Schwarzschild die Hypothese auf, daß das Sternsystem eine Art krystal- 
linische Struktur besitze und in ihm die Geschwindigkeiten der Bewegung von drei Hauptachsen be- 
dingt werden wie die Lichtgeschwindigkeit in einem Krystall. Es gelang ihm auch die Lage dreier 
solcher Achsen mit genügender Annäherung festzulegen. Außerdem hat aber Gylden darauf aufmerk- 
sam gemacht, daß die beobachteten Erscheinungen sich einfach auch dadurch erklären lassen, daß 
wir die Bewegungen nicht vom Zentralpunkte aus, sondern von einem Körper sehen, der sich selbst 
um ihn bewegt. Es sei dieselbe Erscheinung wie die, von der Erde aus geschen, so verwickelten 
Bewegungen der Asteroiden. 

Oppenheim untersucht nun, gestützt auf das über die Eigenbewegungen der Fixsterne vor- 
handene Material, eingehend diese drei verschiedenen Hypothesen mittels Fourrierscher Reihen und 
gelangt dabei zu folgenden Resultaten: 


` mu Vergl. „Weltall“, Jahrg. 11, Seite 294. 


1. Die Teilung des ganzen Systems der Fixsterne in einzelne Schwärme mit verschiedenen Be- 
wegungsrichtungen cbenso wie die Annahme eines krystallinischen Baues, in dem die Geschwindig- 
keitsausbreitung nach verschiedenen Richtungen eine verschiedene ist, ist zur Erklärung der in den 
Spezialbewegungen der Sterne nachgewiesenen Gesetzmäßigkeiteu weder notwendig noch gerechtfertigt. 

2. Die harmonische Analyse der Eigenbewegungen der Sterne, sowohl was ihre Größe anlangt, 
als auch was rein statistische Abzählungen der Sterne im Verhältnis zum Positionswinkel der Eigen- 
bewegungen betrifft, führt vielmehr zu der Vorstellung, daß die konstatierten Gesetzmäßigkeiten den 
gleichen Charakter zeigen wie jene, die sich im geozentrischen Laufe der kleinen Planeten konstatieren 
lassen. 

3. Die Frage, ob durch diese Vorstellung allein der Beweis dafür erbracht ist, daß sich so wie 
die Planeten auch die Sterne in geschlossenen Bahnen um einen Zentralkörper oder Zentralpunkt be- 


wegen, bleibt noch offen.“ * 
* * 


Über die Elemente des Thuliums hat Freiherr Auer von Welsbach schon früher im Wiener 
Akademischen Anzeiger No. 27 1908 berichtet. Er fand drei verschiedene Elemente In neueren Unter- 
suchungen hat er nun festgestellt, daß das interessanteste von diesen Tu II ist, für das der Name 
Thulium belassen wurde, weil es viele der charakteristischen Merkmale besitzt, die man bisher dem 
mit Thulium bezeichneten Gemenge zugeschrieben hat. 

Die Salze dieses Elementes sind bei Tageslicht blaß grünlichgelb, bei Lampenlicht, in welchem 
die roten Strahlen vorherrschen, smaragdgrün. Diese Farbe ist nahezu komplementär mit der Farbe 
der Erbiumsalze, woraus sich erklärt, daß man die Thuliumsalze, die stets nur erbiumhältig erhalten 
.worden waren, für farblos hielt. 


ER 


Leger e I 


Georg Helm, Die Grundlehren der höheren Mathematik. Leipzig, Akademische Ver- 
lagsgesellschaft m. b. H. 1910. XV und 419 Seiten mit 337 Figuren im Text. Preis geheftet 12 M., 
gebunden 13 M. 

Seit dem Jahre 1906 wird von dem Verf. an der Technischen Hochschule in Dresden eine 
einheitliche Vorlesung über höhere Mathematik gehalten, die, sich über vier Semester erstreckend, 
alle für ein gedeihliches Studium der gesamten technischen Mechanik, der Elektro- und Thermo- 
dynamik erforderlichen Gebiete der analytischen Geometrie, Differential- und Integralrechnung umfaßt. 
Der wesentliche Inhalt dieser Vorlesung ist in dem vorliegenden Buche niedergelegt, das allerdiugs 
kein Lehrbuch sein, sondern dazu dienen soll, die in der Vorlesung gewonnenen Begriffe und Methoden 
für den späteren Gebrauch bei Wiederholungen und Anwendungen sicherzustellen. Das vielfach 
durch Anwendungen der theoretisch gewonnenen Begriffe auf die Probleme der Praxis belebte Werk 
erscheint geeignet, seinen Zweck ausgezeichnet zu erfüllen. | 

Clausthal i. H. Werner Mecklenburg. 


* * 
* 


B. Börnstein und W. Marckwald, Sichtbare uad unsichtbare Strahlen. Zweite Auflage. 
(Aus Natur und Geisteswelt. Teubner, Leipzig 1910.) 

Unter diesem Titel bringen die Verfasser eine Reihe von Abhandlungen, die in aHgemein- 
verständlicher Form die verschiedenen Strahlungsprobleme behandeln. Das erste Kapitel schildert 
die charakteristischen Kennzeichen der Strahlen, ihre Wellenlänge, Geschwindigkeit, Brechung, 
Interferenz und Beugung. Das zweite Kapitel beschäftigt sich eingehend mit den Schallquellen und 
den durch sie hervorgerufenen Erscheinungen. Das dritte handelt von den Lichtstrahlen, schildert 
ausführlich die optischen Vorgänge auf Grund der Wellennatur des Lichts. Im vierten Kapitel 
wird das Zustandekommen der unmittelbar nicht wahrnehmbaren Strahlungsarten auseinandergesetzt, 
die ultrarote, ultraviolette und Röntgenstrahlung eingehend besprochen. Dann werden die Strahlen 
elektrischer Kraft und die auf ihnen berubende drahtlose Telegraphie behandelt. Das letzte Kapitel 
beschäftigt sich mit den Strahlungsarten der radioaktiven Stoffe und deren Wirkungsweise in aus- 
führlichem Maße. Besonders hervorzuheben ist die reiche Ausstattung des Bändchens mit zahl- 
reichen Illustrationen, die das Verständnis der klaren Darstellung noch mehr erhöhen. Jedem, der 
sich über dieses interessante Gebiet informieren will, kann die Schrift nur dringend empfohlen 
werden. W. H. 


Für die Schriflleitung verantwortlich: Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


| AS WEI] A L e SCH E 

EE 

[llustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete 
| Herausgegeben von 


Dr. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 15. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Erstes Maiheft). 
Berlin-Treptow. 


Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnemenispreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalten (Post- 

Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pjg. — Anseigen-Gebühren: 1 Seite 80.— Mk. \/, Seite 45.— 
1/, Seite 25.—, 1/5 Seite 15.—, tha Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewicht. 


INHALT 
1. Uber die Brownsche Molekularbewegung. Von Dr. 5. Kleine Mitteilungen: Zwei neue kleine Planeten. — 
F. Hennig 2 ho wur eR ‘Ń‘ 221 Beobachtungen von Feuerkugeln aus dem Leserkreise 234 
2. Zur Genesis des Mondes. Von Robert Schindler. 6. Bücherschau: Geschichistafeln der Physik. — Annales 
(Schluß) Mit einer Doppelbeilage . . . . . . . 225 de Tobservatoire royal de Belgique. — Bulletins of 
3. Aus dent Leserkreise: „Mondmeleore‘ ..... . 229 Laws Observatory. Publications of the University of 
4. Der gestirnte Himmel im Monat Juni 1911. Von Missouri. — Bei der Redaktion eingegangene Bücher 235 
Dr. F. S. Archenhold. . . 2 2 2 2 2000. 231 


Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet. 


Über die Brownsche Molekularbeweĝang. 


Von Dr. F. Henning. 


Wen die exakten Naturwissenschaften sich nur darauf beschränkten, alle 
Erscheinungen zu beschreiben, so würden sie nichts als ein unentwirr- 
bares und nutzloses Chaos von Tatsachen aufhäufen können. Erst die Theorie, 
auch wenn sie auf den schwankenden Boden einer Hypothese gebaut 
ist, bietet die höhere Warte, von der aus die Resultate des experimen- 
tierenden Forschers mit geringer Mühe überblickt werden können und von wo 
aus ein tieferer Einblick in die Geheimnisse der Natur möglich ist. 

Eine der ältesten Hypothesen, die auf dem Boden der Chemie erwuchs, ist 
die Annahme gewisser kleinster Teilchen, der Moleküle und Atome, aus denen 
jede Masse, sei sie fest, flüssig oder gasförmig, bestehend gedacht wird. Den 
Molekülen werden ganz bestimmte Eigenschaften zugeschrieben. Fußend auf 
wohlüberlegten Versuchen sprach bereits vor 100 Jahren Dalton die Vermutung 
aus, daß irgend zwei Gase von gleicher Temperatur und gleichem Druck gleich 
viel Moleküle im Kubikzentimeter enthalten. Diese Zahl, welche wir weiter 
unten kennen lernen werden, möge mit n bezeichnet werden. Bei den Gasen 
liegen die Verhältnisse am einfachsten, da hier die Moleküle im Gegensatz zu 
den flüssigen und festen Körpern so weit voneinander entfernt sind, daß sie 
aufeinander fast gar keine Fernkräfte ausüben. Darum hat die Molekulartheorie 
auch auf diesem Gebiet die reichsten Früchte geerntet. Hier wurde die Er- 
kenntnis gewonnen, daß die Moleküle bei ihrer dauernden Bewegung häufig wie 
Billardkugeln zusammenprallen und daß die Energie, die in der Bewegung eines 
Moleküls enthalten ist, zwar in jedem Augenblick wechselt, da das Teilchen 
je nach den erlittenen Stößen seine Geschwindigkeit verändert, daß aber der 
über eine längere Zeit genommene Mittelwert seiner Bewegungsenergie für alle 
Moleküle derselbe ist, wenn nur die Temperatur die gleiche bleibt. Ändert sich 
die Temperatur, so ändert sich auch die mittlere Energie E Diese ist stets 


proportional der sogenannten absoluten Temperatur T, die sich von der gewöhn- 
lichen nach der Celsiusskala gemessenen Temperatur ¢ durch ein additives 
Glied unterscheidet, indem man setzt: T = ¢+ 273. Bezeichnen wir mit o einen 
Proportionalitätsfaktor, so ist also E = a«a T. Der Faktor a ist in der Molekular- 
physik von der größten Wichtigkeit. Er ist nicht nur derselbe für alle Moleküle 
desselben Gases, sondern auch für jedes Molekül irgend eines sich in gas- 
förmigem Zustand befindlichen chemischen Elementes. Aber noch mehr, 
van tHoff konnte aus Beobachtungen an verdünnten Lösungen, also z. B. an 
einer Lösung von etwas Zucker in Wasser schließen, daß die Moleküle des 
gelösten Stoffes sich ganz den Gesetzen für gasförmige Körper fügen und daß 
insbesondere für dieselben genau wie vorher E = «aT ist. Nur ein kleiner 
Schritt weiter führt zu der Vorstellung, daß alle Moleküle der Flüssigkeit, gleich- 
gültig, ob sie dem gelösten Stoff (Zucker) oder dem Lösungsmittel (Wasser) ange- 
hören, dieselbe mittlere Bewegungsenergie E besitzen. Das Zuckermolekül ist 
nun schon verhältnismäßig recht groß; es besteht aus 45 Atomen. Die Gesetz- 
mäßigkeit muß aber auch Gültigkeit behalten für noch größere Moleküle, ja 
selbst für Molekülkomplexe, die wir so groß wählen können, daß sie dem mensch- 
lichen Auge sichtbar werden. | 

Die Verwirklichung eines solchen Versuches könnte uns eine Bestätigung 
für das wirkliche Vorhandensein der Moleküle sein. Wir müssen hier indessen 
eines bedenken: mit dem Auge können wir nicht die Energie der Teilchen 
wahrnehmen, sondern nur ihre Bewegung und ihre Geschwindigkeit messen. 
Die Energie E stellt sich dar als das halbe Produkt aus der Masse des Teilchens 
und dem Quadrat seiner Geschwindigkeit. Wenn nun E für alle Teilchen den- 
selben Wert hat, so ist die Geschwindigkeit um so größer, d. h. die Bewegung 
um so heftiger, je kleiner die Masse des Teilchens ist. Wir dürfen also keine 
zu großen Molekularkomplexe für die Beobachtung wählen, da sonst die zu 
erwartende Berechnung so klein sein wird, daß wir sie nicht messend verfolgen 
können. 

Es ist glücklicherweise gelungen, auf der goldenen Mittelstraße zum Ziel zu 
gelangen. Die Prüfung der Molekulartheorie hat auf diesem Wege stattfinden 
können und hat zu einer glänzenden Bestätigung geführt. Es mag auf diese 
Untersuchungen, die am eingehendsten von dem französischen Forscher Perrin 
durchgeführt sind, etwas näher eingegangen werden. Perrin hat seine hierauf 
bezüglichen Arbeiten in einem kleinen sehr lesenswerten Buch" zusammengefaßt, 
das im vorigen Jahr in deutscher Übersetzung erschien und der vorliegenden 
Betrachtung mehrfach zugrunde gelegt ist. 

Wenn man Wasser in ein Gefäß gießt, so bemerkt man, daß die Flüssigkeit 
nach einiger Zeit völlig zur Ruhe gelangt. Das unbewaffnete Auge nimmt keine 
Bewegung mehr wahr. Blickt man aber durch ein stark vergrößerndes Mikro- 
skop, so sieht man bei guter Beleuchtung, daß sich in dem Wasser enthaltene 
Staubteilchen noch bewegen und diese Bewegung dauert an, ohne jemals zur 
Ruhe zu kommen. Diese Erscheinung heißt nach ihrem Entdecker Brown, der 
sie im Jahre 1827 zuerst wahrnahm, aber noch nicht erklärte, die Brownsche 
Bewegung. .Auf den ersten Blick erscheint es, als wenn wir hier eine Tatsache 
vor uns hätten, die mit unseren physikalischen Grundgesetzen in Widerspruch 
stände. Jede uns sonst bekannte Bewegung kommt nach gewisser Zeit infolge 


ı) Die Brownsche Bewegung und die wahre Existenz der Moleküle von J. Perrin. Sonder- 
ausgabe aus „Kolloidchemische Beihefte“, herausgegeben von Wo. Ostwald, Dresden 1910. 84 S. 


— 2233 — 


von Reibung zur Ruhe, während sich die Energie der Bewegung in Wärme 
verwandelt, und hier soll die Bewegung immerfort dauern, so daß wir unwill- 
kürlich an das perpetuum mobile erinnert werden. Sehen wir aber näher zu, 
so schwinden alle Bedenken, denn die Molekulartheorie hat ja gerade zu der 
Annahme geführt, daß Wärme nichts anderes ist als Energie, die in der un- 
regelmäßigen Bewegung der kleinsten Teilchen enthalten ist. Beim perpetuum 
mobile handelt es sich im Gegensatz hierzu um eine geordnete Bewegung, die 
etwa in gewissen Perioden Geschwindigkeiten in ganz bestimmter Richtung 
besitzt, die also prinzipiell verschieden ist von der Wärmebewegung. Aus jeder 
geordneten Bewegung kann man nutzbare Arbeit gewinnen. Dasselbe gilt nicht 
von der ungeordneten Bewegung. Freilich kann auch sie Arbeit leisten, doch 
dauernd nur dann, wenn sich gleichzeitig andere Vorgänge abspielen, die denGewinn 
an Arbeit wieder völlig illusorisch machen. Wir dürfen nun nicht mehr sagen, 
daß jede Bewegung infolge von Reibungswiderständen unter Entwicklung von 
Wärme mit der Zeit zur Ruhe kommt, sondern, daß jede geordnete Bewegung 
sich nach und nach in eine ungeordnete verwandelt. 

Den von Brown zuerst beobachteten Vorgang können wir dem Verständnis 
noch auf etwas anderem Wege näher bringen. Denken wir uns einen verhält- 
nismäßig großen festen Körper, etwa einen Würfel von 1 mm Seitenlänge, in 
eine Flüssigkeit von gleicher Dichte geworfen, so daß der Würfel mitten in der 
Flüssigkeit schwebt, dann wird er nach einiger Zeit für den Beobachter völlig 
zur Ruhe zu kommen scheinen. Auf alle Flächen des Würfels prallen eine 
große Anzahl Moleküle auf, von denen jedes einzelne zwar sehr verschiedene 
Energie besitzt, aber nimmt man den Mittelwert von den Stoßkräften, die alle 
auf eine Seitenfläche auftreffenden Moleküle ausüben, so ist derselbe für alle - 
Flächen sehr nahe der gleiche, so daß keine sichtbare Bewegung des Würfels 
resultiert. Denken wir uns aber den Körper 10000 mal kleiner, so daß er im 
Mikroskop noch gut wahrnehmbar ist, dann treffen auf jede Fläche schon so 
wenig Moleküle auf, daß der Mittelwert ihrer Stoßkraft nicht mehr dauernd der- 
selbe ist und auch für die verschiedenen Flächen sich unterscheidet, ‚so daß 
eine sichtbare Bewegung der Körper zustande kommt. 

Die Bedeutung der Brownschen Bewegung wurde erst seit dem Jahre 1838 
erkannt, nachdem der französische Forscher Gouy durch sehr sorgfältige Ver- 
suche nachgewiesen hatte, daß sie einzig und allein durch Stöße der Moleküle 
zu erklären sei. Gouy fand die Brownsche Bewegung bei Nacht und in 
einem tiefen Stollen ebenso stark wie bei Tage und an der Oberfläche der Erde, 
woraus zu schließen ist, daß sie nicht etwa durch bisher unbekannte von der 
Sonne ausgesandte Strahlen hervorgerufen wird. Auch verdankt sie ihre Ursache 
nicht etwa Strömungen, die infolge von Temperaturunterschieden in der Flüssig- 
keit auftreten. Allerdings läßt sich die Brownsche Bewegung nur durch gute 
Beleuchtung sichtbar machen, der man aber fast alle Wärmewirkung nehmen 
kann. Auch hat verschiedenfarbiges Licht keine Unterschiede erkennen lassen. 
Es ist also kein Zweifel daran möglich, daß die Brownsche Entdeckung uns 
sichtbare Kunde gibt von der Existenz der Moleküle und ihrer Bewegung und 
somit die ursprüngliche Hypothese von der atomistischen Struktur der Materie 
zur völligen Gewißheit erhebt. 

Nun ist es naheliegend zu fragen, ob uns die Brownsche Bewegung nicht 
auch Auskunft über gewisse Eigenschaften der Moleküle erteilen kann, über 
ihren Durchmesser, ihre Anzahl n im Kubikzentimeter und die Konstante a. 


— 224 — 


Die ungefähre Größe dieser Zahlen ist schon unter Annahme einiger Hilfshypo- 
thesen bestimmt worden, aber es war zu hoffen, durch direkte Beobachtungen 
mit dem Auge beträchtlich genauere Werte zu erhalten. Dies ist in der Tat 
Perrin, dem Verfasser der eben erwähnten Schrift, durch sinnreich ausgedachte 
Versuche glänzend gelungen. Exakte Messungen waren nur zu erwarten, wenn 
sich die in der Flüssigkeit schwimmenden Teilchen alle kugelförmig und von 
gleichem Durchmesser herstellen ließen, da nur dann die nötigen Rechnungen 
mit genügender Genauigkeit durchführbar sind. Diese Forderung erfüllte Perrin, 
indem er nach einem Zentrifugierverfahren, das hier nicht näher beschrieben 
werden soll, aus Emulsion von Gummigutti (einer gelben Wasserfarbe) oder Mastix 
(einem Pflanzensaft, der zur Bereitung von Firnis dient) kugelförmige Teilchen 
von sehr nahe gleichem aber beliebigem Durchmesser aussondern konnte. Für 
die Beobachtung eignen sich am besten Durchmesser von !/,ooo bis Yıoooo MM. 
Leider ist es nicht möglich, die Geschwindigkeit, mit der diese Teilchen die 
Brownsche Bewegung ausführen, direkt zu bestimmen, da die von ihnen be- 
schriebene Bahn so viele und schnelle Richtungsänderungen erleidet, daß sie 
mit dem Auge nicht verfolgt werden können. Wohl aber kann man feststellen, 
wie viel Zeit ein Teilchen braucht, um sich von einem Punkt, den es in einem 
gewissen Moment einnahm, um ein gewisses Stück zu entfernen. Nach einer 
genialen Überlegung Einsteins genügt die Beobachtung dieser Größe zur Auf- 
findung der Zahl n. Das Auge kann uns aber noch andere wertvolle Aufschlüsse 
liefern. Wenn man das Gesichtsfeld des Mikroskops durch ein feines Loch 
sehr verringert, so ist es möglich, die dauernd wechselnde Anzahl der Teilchen, 
die in einem Moment sichtbar sind, zu zählen. Man muß indessen den Versuch 
so einrichten, daß man nicht mehr als 5 oder 6 Teilchen gleichzeitig sieht, da 
sonst die Zählung nicht schnell genug erfolgen kann. Wiederholt man diese 
Operation etwa hundertmal und nimmt man das arithmetische Mittel aller Einzel- 
zahlen, so erhält man eine Größe, die mit erheblicher Genauigkeit die Teilchen- 
dichte an der betreffenden Stelle angibt, auf die das Mikroskop gerichtet ist. 
Durch Verstellen des Mikroskops kann man bewirken, daß man nun die Teil- 
chen etwa in einer tieferen Schicht deutlich sieht. Bestimmt man auch hier 
die Dichte, so findet man eine Zahl, die größer ist als die vorherige. Die so 
ermittelte Veränderung der Teilchendichte mit der Höhe, liefert ein anderes 
Mittel zur Bestimmung von n. 

Perrin findet n = 315.10", d.h. die Anzahl der Moleküle, die bei 0° und 
1 Atm. Druck in 1 ccm vorhanden sind, ist gegeben durch die Zahl 315, an die 
noch 17 Nullen zu hängen sind. Die in nahem Zusammenhang mit n stehende 
Größe «, welche mit der absoluten Temperatur multipliziert, die mittlere Be- 


wegungsenergie eines Moleküls darstellt, wird zu TZ Kalorien gefunden, was 


‚10% 
bedeutet, daß die gesamte Bewegungsenergie von 9. 10° Molekülen, die sich 
auf 0°C. befinden, gleich derjenigen Energie ist, die man nötig hat, um 1 g 
Wasser um 1° zu erwärmen. Lange bekannte Formeln stellen die Brücke her, 
um aus n oder a die Durchmesser der kugelförmig angenommenen Molcküle 
auszurechnen. Hierfür ergeben sich äußerst kleine Zahlen. Drücken wir sie 
nicht in Zentimetern aus, sondern in einer Einheit, die 1.10° mal kleiner ist, so 
findet Perrin für Helium 1,7, Quecksilber 1,8, Wasserstoff 2,0, Sauerstoff 2,6, 
Stickstoff 2,7. Um uns von diesen Dimensionen ein ungefähres Bild zu machen, 
können wir uns vorstellen, daß sich der Größe nach ein Molekül etwa zu einem 
Tennisball verhält, wie ein Tennisball zu der Erdkugel. 


— 2098 — 


Aur Genesis des Mondes. 
Von Robert Schindler. 
(SchluB.) 


(Mit einer Doppelbeilage.) 


5. Der Mangel an Wasser und Luft. 


Wer die Genesis des Mondes genauer studiert, dem muß es klar werden 
daß eine Zeit kommen mußte, wo infolge fortschreitender Abkühlung, unzählige 
Gasblasen von riesigen Dimensionen die äußerste Mondrinde nicht mehr zu 
durchdringen vermochten, so daß durch viele Beulen auf der Oberfläche, eine 
Menge Stellen solcher Gaseinschlüsse zu erkennen sind. Ferner kann kaum 
ein Zweifel darüber bestehen, daß neben den teleskopisch sichtbaren Rissen in 
der glasartigen, gewaltsam abgekühlten Mondrinde, naturgemäß sich bis in 
Tiefen von mehreren Kilometern kleinere Risse befinden müssen, so daß die 
durch Blasen gebildeten Hohlräume nach verschiedenen Richtungen mit der 
Oberfläche Verbindungen haben. Jeder, der mit dem Glasflusse, seiner Be- 
handlung und besonders der unerlässlichen künstlichen Abkühlung in der 
Glasfabrikation vertraut ist, kann über diese Vorgänge mehr aus Erfahrung 
sprechen. | 

Die zirka 81mal geringere Wassermenge des Mondes gegenüber der 
der Erde, hat also in den Blasenhohlräumen unter der Mondoberfläche reichlich 
Platz gefunden, sonst müßten sich während der 14tagigen Belichtungsdauer, 
Dampf- und Wolkenbildungen bemerkbar machen, welche der Beobachtung un- 
möglich hätten entgehen können. Dieser Zustand unter der Mondoberfläche 
steht also im strikten Gegensatze mit den Zuständen in unserer Erdrinde, bei der 
in bedeutenden Tiefen gar keine und in geringeren Tiefen wohl Hohlräume aber 
niemals blasenartiger Natur zu treffen sind, da so etwas weder in den Sediment- 
ablagerungen noch in den aus der Tiefe dislozierten Eruptivmassen möglich 
wäre. Es ist sonderbar, daß es immer noch Gelehrte gibt, deren Bestreben 
dahin geht, für die Analogien des Mondes und der Erde Beweise zu erbringen, 
während diese Gestirne in Bezug auf Maße, Lebensdauer und Aufbau durchaus 
verschieden sind, wie das bezüglich der internen und externen Wasserhaltung 
beider Gestirne nicht weniger der Fall ist. Es dürfte demnach ziemlich zu- 
treffend sein, wenn man bezüglich der Wasserfrage sagt: „bei richtigem Ver- 
ständnis für die Genesis des Mondes ergibt sich die Lösung der Wasserfrage 
von selbst.“ | | 

Bevor wir uns mit der Atmosphärenfrage des Mondes befassen, wollen wir 
vorab die Rotationsfrage der Venus zu Rate ziehen. Im Jahre 1889 überraschte 
Schiaparelli die Astronomen durch die Mitteilung, daß nach seinen acht- 
jährigen Beobachtungen, der Merkur in 88 Tagen sich um seine Achse drehe ' 
und gleichzeitig einen Umlauf um die Sonne vollende. Später äußerte er sich, 
daß dieser synchrone Zustand, bei dem die Achsendrehung und der synodische Um- 
lauf zusammenfallen wie beim Erdmond und Merkur, auch bei der Venus vör- 
handen sei, und sich in 225 Tagen vollziehe. Dieser Ansicht haben sich damals 
Perrotin, Terby, Vogel, Holden, Lowell und andere angeschlossen. Heute 
hat.es den Anschein, daß die große Mehrzahl der Astronomen, gleich den vielen 
älteren Gelehrten des 19. Jahrhunderts, der Venus eine Rotationsdauer von zirka 
23,5 Stunden zuschreiben. 


- 26 — 


In diesem Jahrgange „Das Weltall“, Heft 8, schreibt Felix Linke 
über „Die ‚Vermondung‘ der Erde und der Planeten“. Der Verfasser 
kommt darin in Bezug auf die Frage der Venusrotation zu dem einfachen 
Schluß, daß die Venus sich wie die Erde, in Rotation befinden müsse, da 
sie eine bedeutende Atmosphäre besitze, welche sich andernfalls auf der 
Nachtseite infolge großer Kälte (zirka 250°), gänzlich verflüssigen, und ebenso 
die Verflüssigung der nachströmenden Atmosphäre der Vorderseite zur Folge 
haben müßte. Diese sehr wahrscheinlich richtige Annahme, läßt mit ziem- 
licher Sicherheit darauf schließen, daß beim Monde die ohnedies schwache 
Atmosphäre, längst vor der Verlangsamung bis zur Zwangsläufigkeit, als 
Kondensprodukt, durch die vielen Mondspalten den Weg in das Innere des 
Mondes fand. | 

Der Mond kann wegen der Temperaturextreme und des Mangels an Wasser 
auch unmöglich eine Vegetation irgend welcher Art besitzen, während es ander- 
seits eher als möglich erscheint, daß Ursprung und Entwicklung alles vegeta- 
bilischen und animalischen Lebens unter dem Einflusse von Wasser zustande 
gekommen ist, oder mit anderen Worten, daß eine organische Entwicklung 
ohne Feuchtigkeit nicht möglich ist, wobei zuträgliche Temperaturen ein Haupt- 
erfordernis bilden. 


6. Zur Topographie des Mondes. 


Der große Mondforscher Neison sagt in seinem bedeutenden Werke über 
den Mond (1881, Seite 28): „Der allgemeine Eindruck der die Mondoberfläche 
bildenden Formationen deutet auf gänzliche Unähnlichkeit mit denjenigen der 
Erde“. Das ist eine Äußerung, welcher jeder zustimmen muß, der sich mit der 
Genesis der Mondoberfläche eingehend befaßt hat, und besonders dann, wenn 
er von der Richtigkeit der gasigen und glühendflüssigen Auftriebe überzeugt 
ist. Zur besseren Erklärung jener Vorgänge hat der Verfasser nachstehende 
Mondbilder aus dem Pariser Mondatlas verkleinert aufgenommen. Wie bei 
Sonnen- und Planetenbildern üblich, sind auch diese nach der Erscheinung im 
umkehrenden Fernrohr dargestellt. 

In Fig. 1 unserer Doppelbeilage finden wir oben links den Petavius, ein 
großes Gebilde von zirka 125 km Durchmesser. Man erkennt sofort, daß es 
sich hier um einen doppelten Rand handelt, wie wenn man zwei passende 
Teller aufeinander legt, von welchen der innere einen klaffenden Riß aufweist, 
welcher von Schröter entdeckt wurde. Es befinden sich jedoch dort noch 
andere Risse, welche auf dem Bilde nicht sichtbar sind, dieselben wurden von 
Gaudibert und Nielsen aufgefunden, wovon eine besonders gute Darstellung 
Nielsen im „Sirius“ gebracht hat. Besonders die untere Umgebung des 
Walles zeigt, daß das dort aus großen Höhen niedergeplätscherte Magma die 
Außenböschung gewaltig ausgefurcht hat, so daß die doppelte Wand gegen Nord- 
west angeschmolzen und verschweißt wurde. Der äußere Wall war ursprünglich 
wie allgemein ein regelmäßiges Gebilde bis es zusinterte. Durch Abkühlung wurde 
auch die Zusinterung wieder zerrissen, die Stichflammen austretender Gase 
weichten den Schlund wieder auf, worauf die Tätigkeit von neuem begann, 
was vorab die Bildung der zweiten Tellerform zur Folge hatte. Durch höheren 
Gasdruck und Magmazufuhr wurde der Schlot ein heftiger „Speier“. Die fort- 
geschrittene Abkühlung der Unterlage sowie die Kälte von außen, haben den 
neuen Aufguß zersprengt, welcher Vorgang durch das stärkere, linsenförmig 


— 27 — 


aufgesickerte Wärmezentrum begünstigt wurde. Gegen die Mitte konnte sich 
die Spalte erst durch die später nachfolgende Abkühlung erweitern. Wie die 
damaligen Versuche, in der Mitte von neuem auszubrechen, durch äußere Ab- 
kühlung unterdrückt wurden, zeigt eine große Gruppe von kleinen Sickerkegeln, 
wie solche bei vielen Objekten deutlich zu erkennen sind. Der Petavius ist 
für solche Studien eines der interessantesten Mondgebilde Durch Rißbildung 
auf dem Fuße der Außenböschung entstand der Wrottesley, wobei ein kleiner 
Teil des Petaviuswalles abgeschmolzen wurde. 

In Fig. 2 sehen wir oben den Clavius, welcher die komplizierteste Wall- 
ebene des Mondes bildet und 228 km Durchmesser hat. Wenn sich Wallkrater 
bilden wie hier zwei auffällige vorhanden sind, so hat dies seinen Grund darin, 
daß an der Wallkrone, wo die Abkühlung am größten war, die Masse am 
kleinsten ist, weshalb radiale Risse den Stichflammen den Weg öffnen, worauf 
die Abschmelzung und Kraterbildung beginnt. Das geübte Auge erkennt sofort, 
daß diese Gegend nach der Bildung des Clavius und vor der Bildung des Tycho, 
unten links, durch eine diagonale Überflutung verwüstet wurde, und alle 
kleineren Krater durch ihre Vollkommenheit an den Rändern als neue Blasen- 
krater deutlich zu erkennen sind. Ganz im Gegensatze zum Petavius, bei 
welchem das ausgespritzte Magma mehr auf die Böschung fiel, hat der Tycho 
sein Magma unter riesigem Druck tausende von Kilometer weit nach allen 
Seiten fortgespieen, so daß in seiner Nahe kein Magma niederstürzte. Nach 
dem Auswurf zu schließen, dürfte Tycho der letzte der speienden Krater ge- 
wesen sein. 

In Fig. 3 findet man oben rechts Ruinen eines Walles, welcher sich in 
Fig. 4 unten links wiederholt, woraus sich der Zusammenhang beider Bilder 
ergibt. Hier bietet sich Gelegenheit, auf den großen Unterschied der Zer- 
störungen aufmerksam zu machen, welche infolge Überflutung durch Strömungen 
oder langsamer Ausbreitung glühendflüssiger Massen zur Marebildung ent- 
standen sind. Strömungen, wie dieselben auf beiden Bildern ersichtlich sind, 
hatten eine kurze Dauer, weshalb dieselben ruinenhaft verwüsteten, und in den 
zurückgelassenen Flächen viele und große Risse zeigen, weil die Zeit nicht 
ausreichte, die Flächen dieser Gegenden genügend zu erwärmen. Durch die 
Ausbreitung der Mareebenen sind im Gegenteil eher Runzeln entstanden, weil 
die genügende Erwärmung der Unterlage treibend wirkte und die Zeitdauer 
hinreichte, die Aufschüttung mit der Unterlage homogen zu verbinden. Es 
würden demnach die runzeligen Flächen mehr den Namen Mare verdienen, wie 
es tatsächlich zu sein scheint, während den stark mit Rissen durchsetzten 
Flächen eher der Name Palus (Sumpf) zukäme. In Bezug auf das gesagte ist 
es z.B. nicht richtig, daß man dem großartigen Mare Imbrium bei seiner im- 
posanten runden Ausdehnung, in dem schönen Bogen Eratosthenes, Apenninen, 
Capine, Plato, einen Palus Nebularum untergeordnet hat, welcher Irrtum durch 
die bei Vollmond hervortretende Beleuchtung der Ausschüttung des Autolycus 
entstanden sein muß. E 

Die nach der Uberflutung entstandenen Gebilde der Fig. 3 und 4 sind 
sämtlich Blasenkrater und als vollkommene Objekte leicht zu erkennen. 
Schon 1884 schrieb P. Lehmann: „Man kann im Einklang mit dem Ergebnis 
neuerer experimenteller Forschungen die eigentümlichen Oberflachenbildungen 
des Mondes bezeichnen als Blasenbildungen, welche durch das Entweichen 
innerer Gase verursacht wurden.“ Daß er damit, inbezug auf die Gebilde bis 


— 28 — 


mittlere Größe recht hatte, ist heute für den Schreibenden ein überwundener 
Standpunkt, Im Jahre 1890 wurde die Blasenbildung, in den Annalen der Physik 
und Chemie S. 361 von Ebert zu den sehr hypothetischen und weit hergeholten 
Annahmen gezählt, während in Wirklichkeit wie früher schon bemerkt, alle 
Gebilde auf dem Monde inklusive Strahlenbildungen, durch das Spiel glühend- 
flüssiger Massen infolge Auftrieb und Expansion glühender Gase entstanden 
sind. Als schöne Blasenkrater zeigen sich in Fig. 3 Ukert, Triesnecker und 
Horrocks und in Fig. 4 Mösting, Lalande und Herschel. 

Der Umstand, daß manche Wälle nicht kreisrund sind, hat mitunter zur 
Ansicht geführt, daß die Genesis der Wallbildung Neigung für polygonale Formen 
gehabt habe. Natürlich können ungleiche Temperaturwiderstände oder ältere 
Gebilde Veranlassung zum unrund werden, gegeben haben, die Grundform ist 
jedoch naturgemäß rund. Wie jedoch Zerstörungen durch Überflutung von Wall- 
ebenen solchen Wällen eine Sechseckform geben können, das beweist Fig. 4 besser 
als die scheinbar beste Theorie. Wie man am Fuße des Bildes sieht, hat die 
Überflutung und Zerstörung in der ganzen Breite stattgefunden. Durch die 
inneren und äußeren Widerstände und Abschmelzungen der Wälle Arzachel, 
Alphons und Ptolemäus, wurde denselben eine veränderte Form gegeben. Oben 
neben dem Arzachel befinden sich, einige später entstandene Blasenkrater. Der: 
Strom nahm seinen Weg teils mitten durch und teils links am Arzachel vorbei, 
zerstörte den oberen und unteren Wall desselben und ebenso den oberen 
und den mit dem Ptolemäus gemeinschaftlichen Wall des Alphons. Die Strömung 
. links vom Arzachel führte teils in den Alphons und teils außen herum über 
den Wall des Ptolemäus an dessen unterem Ende, wo sich damals noch kein Blasen- 
krater befand, sich die charakteristische Spitzenbresche des Sechseckes bildete. 
Links und rechts an den Flanken, ist die Geraderichtung durch die Strömung 
bis zu einem gegebenen Widerstandswinkel von ca. 60°, beim Alphons und 
noch besser. beim Ptolemäus, gut zu erkennen. Sehr schön sind auch die 
rechisseitigen Überläufe mit ihren Furchen auf der Außenböschung dieser beiden ` 
Wälle zu verfolgen. Diese Wälle müssen vor der Ausfüllung durch den Strom 
bedeutend tiefer gewesen sein. Die beiden Wälle, die unterhalb befindlichen 
Ruinen und dazwischen der neu erstandene Herschel, bilden einen großartig 
interessanten Kontrast. Die Katastrophe muß von ganz kurzer Dauer gewesen 
. sein, da sonst die kleinen Ruinen nicht mehr vorhanden wären. Damit hofft 
der Schreibende die Ansichten über polygonale Grundformen der Krater und 
Wälle genügend widerlegt zu haben. 

In Fig. 5 befindet sich links. das typische Mare Nectaris, in welches der 
Fracastor fast zur Hälfte eingeschmolzen ist. Auf der andern Seite oben be- 
findet sich ein beleuchtetes Band, welches sich schließlich doch noch als eine 
einzigartige Verwerfung herausstellen dürfte, während sonst im allgemeinen 
keine Anzeichen von Verwerfungen auf dem Monde vorhanden sind. Auch hier 
ist eine Strömung durch die Wälle von Catharina und Cyrillus nach unten zu 
bemerken. Bezeichnend für die Wallbildungen ist, wie der Theophilus den 
Wall des Cyrillus weggeschmolzen und sich tiefer als dieser eingebettet hat. 
Auf dem Grunde des Theophilus sind in der Mitte eine Menge Ausbruchsver- 
suche, als durch Abkühlung unterdrückte Aufsickerungen zu erkennen. 

Der Copernikus in Fig. 6 bedarf eigentlich keiner weitläufigen Erklärung 
mehr, er spricht als wuchtiger Speier selbst. Die blätterartige Innenwand zeigt, 
daß öftere und große Massenausschüttungen stattgefunden haben müssen, wo- 


Doppel-Beilage zur illustrierten Zeitschrift für Astronomie un: 
(Zu Robert Schindler: „ 


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Clavius 
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3 Triesnecker, Ukert und Horrocks 4. Ptolemäus, Alphons und Arzachel. 


t4 verwandte Gebiete „DAS WELTALL“, Jahrg. 11, Heft 15. 


ute Die Genesis des Mondes.“) 


“casto 
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1— Autolyeus 
<—?2 


7. Cassini und Aristoteles. 8. Apenninen, Archimedes, Aristillus und) Autolycus. 


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— 29 — 


rüber die Außenböschungen mit ihren Ausfurchungen deutlich Auskunft geben, 
obwohl das Magma oft auf viele hundert Kilometer weit fortgeschleudert wurde. 
Die Vernichtung von Gebilden in der Umgebung muß bedeutend gewesen 
sein. Von der unteren linken Ecke aufwärts erkennt man einen halb zuge- 
sinterten RiB. 

In Fig. 7 sehen wir unten links einen Teil des großen Speiers Aristo- 
teles, welcher zum großen Teil das Mare Frigoris gebildet und damit die Ruinen 
der Metongegend verschuldet haben dürfte. An der rechten unteren Ecke be- 
findet sich das große Quertal der Alpen, welches zweifellos von einem Streif- 
schuß von einem über 10 km großen Himmelskörper herrührt, aus einer Zeit, 
wo die Oberfläche zur Deformation noch plastisch genug war. Spätere Auf- 
stürze sind nur noch in den dunklen Mareebenen als helle Flecken, wie von 
splitterigen Zermalmungen herrührend, zu erkennen. Die Gebirgsgegend über 
dem Quertal ist mit Blasenbuckeln ganz. übersät. Oberhalb befindet sich der 
durch seine schönen Innenkrater bekannte Cassini; links davon der durch- 
furchte Kaukasus, welcher vor der Vereinigung der Mare Imbrium und Sereni- 
tatis, mit den Apenninen (Fig. 8) ein einziges großes Gebirge bildete. Die obere 
Ecke rechts zeigt in dieser Beleuchtung wie unrichtig es war, diesen Teil des 
Mare Imbrium als Palus nebularum zu bezeichnen. 


In Fig. 8 haben wir unten den Speier Autolycus, welcher durch das ver- 
spritzte Magma bei hoher Beleuchtung zu der Auffassung eines Palus nebularum 
führte, da diese Gegend dann heller erscheint. Aristillus oberhalb ist ein 
Blasenkrater und steht nur in einer hellen Gegend nicht ganz aufgelöster 
Apenninenmassen. Da der große Archimedes oben eine Bresche hat, dürfte 
derselbe als durchgekühlte Masse vor der Zerstörung der Apenninen bestanden 
haben. Da im Innern der Apenninen noch große Wärme vorhanden gewesen 


sein muß, ging die Unterschmelzung leicht vonstatten, zur Wiedereinschmelzung 


der abgestürzten Felsen reichte jedoch die Temperatur des sich ausbreitenden 
Schmelzflusses nicht mehr aus, wie aus dem Bilde leicht zu ersehen ist. Es 
‚ scheint als ob man die Blöcke rechts von Bradley nur wieder in die Nischen 
der Abbruchstellen hineinstellen könnte. Die Apenninen bilden einen der inter- 
essantesten Teile des Mondes. 


Aus obigen Ausführungen möge der Leser selbst ermessen, wic weit 


sich durch Erfahrungen, Versuche, Studien und Beobachtung, die Genesis des 


Mondes nachweisen läßt. 


„Aondmeteore“. 


err W. Spill veröffentlichte in Heft 3 des 7. Jahrganges dieser Zeitschrift 
einen Artikel, in dem er Beobachtungen schildert, die er von „Mond- 
meteoren* gemacht haben will. Meteore auf dem Monde werden wohl nicht zu 
den Seltenheiten gehören, doch, damit sie von uns, zumal mit so geringen 
optischen Mitteln, wie Herr W. Spill sie anwendet, wahrgenommen werden 
können, müssen ihre Dimensionen enorm groß sein. 


— 230 — 


| Mit einem Fernrohr von 55facher Vergrößerung, wie es Herr W. Spill 
benutzt, ist es uns nur möglich, auf dem Monde Flächen zu unterscheiden, 
deren Durchmesser im Minimum 2050 m beträgt, und zwar nur unter den 
günstigsten atmosphärischen Bedingungen, da unser Auge Gegenstände, deren 
Gesichtswinkel unter eine Minute herabsinkt, nicht mehr zu unterscheiden 
vermag, und gerade unter diesem Winkel erscheint uns in oben erwähntem 
Fernrohr der Durchmesser jener Fläche auf dem Monde. Es ist auch wohl 
nicht anzunehmen, daß die Helligkeit der ,Mondmeteore* die des Mondes in 
dem Maße überstiegen hat, daß ähnliche Erscheinungen hätten eintreten können, 
wie sie etwa bei Anwendung der Dunkelfeldbeleuchtung in einem Mikroskop 
eintreten, wo uns Gegenstände, deren scheinbarer Durchmesser unter dem an- 
gularen Gesichtswinkel liegt, eben des Kontrastes wegen als helle Körper auf 
dunklem Grunde erscheinen. (Die Tatsache, daß wir die Fixsterne, obwohl ihr 
scheinbarer Durchmesser keinen meßbaren Winkel darstellt, dennoch sehen 
können, läßt sich allein auf diese Weise, durch bloßen Kontrast zwischen Hell 
‘und Dunkel, nicht erklären, hier spielen noch Beugungserscheinungen mit.) 
Rechnen wir aber wirklich mit einem solchen Kontrast, obwohl wir ihn kaum 
in Betracht zu ziehen brauchen und lassen wir den „Meteoren“ im Minimum 
einen wahren Durchmesser von 1500 m zukommen. Mit welcher Geschwin- 
digkeit müßten sich diese „Weltkörperchen‘, man könnte sie fast mit den 
Planetoiden vergleichen, nach den Beobachtungen von Herrn W. Spill bewegen? 
Es sind nicht weniger als 1800 km, die dieselben in dem kurzen Verlauf einer 
Zeitsekunde zurücklegen müssen, ja das „Meteor“ No. 4 muß — nach der 
Zeichnung zu urteilen — den Rekord von 2000 km aufstellen. Die irdischen 
Meteore, die in Höhen von ca. 90 bis 130 km aufleuchten, besitzen dagegen bei 
ihrem Eintritt in unsere Atmosphäre nur die bescheidene Geschwindigkeit von 
20 bis 70 km pro Sekunde (Mébius). Und nun noch ein Drittes. Die Atmo- 
späre unseres Mondes, wenn eine solche überhaupt existiert, besitzt eine so 
geringe Dichte, nach Annahme einiger Autoritäten etwa nur 1/5. bis 3/35), der 
unserer Atmosphäre, daß die Reibung der ,Meteore“ an ihr, trotz der un- 
geheuren Geschwindigkeit derselben, nicht hinreichen würde, dieselbe in Rot-, 
geschweige denn in Weißglut zu versetzen. Es wäre also überhaupt nicht 
möglich, daß „Meteore“ von obigen Dimensionen auf dem Monde aufleuchten 
könnten. Herr W. Spill kann also keine „Mondmeteore“ gesehen haben. 

Ich will in folgenden Zeilen eine Erklärung geben, wie das Phänomen der 
„Mondmeteore“ möglicherweise entstanden sein kann. Es kommt beim Beob- 
achten am Fernrohr sehr leicht vor, auch der Mikroskopiker wird sich dessen 
erinnern können, daß sich besonders bei der Beobachtung sehr heller Objekte 
das verkleinerte Bild des Objektes, welches — ähnlich dem Sonnenbild auf 
einer glänzenden Kugel — auf dem Augapfel des Beobachters entsteht, sich in 
einer der Okularlinsen spiegelt und daß auf diese Weise wohl „Mondmeteore‘ 
entstehen können, die bei unvollkommener Achromatisierung des Instrumentes 
auch wohl als „Kugel mit opalisierendem Glanze“ erscheinen können. Am 
häufigsten mag diese Erscheinung bei Beobachtern vorkommen, die ein Augen- 
glas tragen, da hier die Zahl der reflektierenden Flächen noch größer ist. Aus 
eigener Erfahrung kann ich hier nicht sprechen, da ich kein Glas trage. Der 
geübte Beobachter bemerkt diese Störungen nicht mehr, sie sind ihm zur Ge- 
wohnheit geworden. Max Robitzsch, stud. rer. nat. 


— 231 — 


Der Sestirnte Himmel im Monat Juni 1911. 
| Von Dr. F. S. Archenhold. 


Die Sterne. 


Unsere Sternkarte gibt den Sternenhimmel für den 1. Juni abends 10 Uhr, den 
15. Juni abends 9 Uhr, den 1. Juli abends 8 Uhr usw. wieder. Der Meridian durch- 
schneidet von Norden beginnend das Sternbild des Perseus, den kleinen Bären, den 
Drachen, Bootes, die Wage und erreicht endlich zwischen dem Scorpion und Centaur den 
Südpunkt. Im Osten steht der helle Atair im Adler und im Westen der rötliche Regulus 
über dem Horizonte. Die Milchstraße ist nicht nur wegen der großen Helligkeit der 
Nächte, sondern insbesondere auch wegen ihrer tiefen Lage nur ungünstig zu beob- 
achten. Das Sternbild der Jungfrau hat bereits den Meridian überschritten, jedoch fällt 
der hellste Stern in ihm, die Spica, noch besonders auf. Die Chinesen zählten ihre Mond- 
stationen von ihr an und die Araber verlegten die 14. Mondstation in sie. In der Jung- 
. frau steht auch eins der interessante- 
sten mehrfachen Sternsysteme am 
ganzen Himmel, Gamma Virginis. 
(Rect. 125 35m 378 Dekl. —0° 47° für 
1880.) In kleineren Fernrohren er- 
kennt man nur zwei Sterne dieses 
Systems, die beide gleich hell sind, 
3. Größe und jetzt eine Distanz von 
6,2 haben. Der Positionswinkel beträgt 
328°. Gamma Virginis gehört zu den 
am längsten bekannten Doppelsternen, 
da sie schon über 200 Jahre beob- 
achtet wird. Die Komponenten haben 
eine gemeinsame Eigenbewegung von 
0,59 in Richtung 272%. Die Umlaufs- 
zeit beträgt 194 Jahre. Einen dritten 
Stern 11,6 Größe fand man im Jahre 
1880 in einer Distanz von 103” und 
88° Positionswinkel und 1889 wurde noch 
ein schwacher vierter Stern 14,5. Größe 
in einer Distanz von 53” und 159° 
Der Doppelnebel im Bootes. Positionswinkel mit dem Lick-Refraktor 
(H. II 751—752. N.G.C. 5857, 5859.) hinzu entdeckt. Infolge der starken 
Exzentrizitat der Bahn kann der 
Hauptbegleiter sich dem MHauptsterne so sehr nähern, daß beide kaum zu 
trennen sind, wie dies im Jahre 1836 der Fall war. Die Distanz betrug damals 
nur 03. Jetzt sind sie bequem in jedem schwachen Fernrohr zu trennen, 
während sie damals zu den schwierigsten Objekten gehörten. Sie scheinen 
auch einer periodisch auftretenden schwachen Helligkeitsschwankung unterworfen 
zu sein. | 
Höher als die Jungfrau steht noch der Bootes am Himmel, dessen hellster Stern, 
der Arktur, kurz vor 10 Uhr gerade im Meridian steht. Aus ihm hat Herschel im 
Jahre 1717 zuerst die Eigenbewegung der Fixsterne abgeleitet. Er steht von uns in 
einer Entfernung von 26 Lichtjahren, nähert sich uns aber mit einer ungefähren Ge- 
schwindigkeit von 70 km in der Sekunde, sodaß er im Laufe der Jahrtausende immer 
heller wird. Für kleinere Fernrohre ist der Doppelstern Delta in Rekt. 15b 11m, Dekl. 
33° 46% leicht zu trennen. Der Hauptstern, von gelber Farbe, ist 3,2. Größe, der Begleiter, 
von blauer Farbe, ist 7,4. Größe. Ihre Distanz beträgt 105”. Es konnte auch ein inter- 


essanter Doppelnebel in diesem Sternbilde festgestellt werden, von dem wir umstehend 
eine Abbildung nach einer Photographie mit dem Crossley-Reflektor!) wiedergeben. 

Die umstehende Aufnahme rührt vom 31. Mai 1900 her und ist 2!/, Stunden lang 
exponiert worden. Die Position des Hauptnebels beträgt für 1900 Rekt. 155 2m 55s, 
Dekl. + 19° 58’ 56°. Dieser Doppelnebel ist zuerst von John Herschel beobachtet und 


Der Sternenhimmel am 1. Juni 1911, abends 10 Uhr. 
Fig. 1. | 


aly 


Mh 


pion | Centaur 
EL tS Areh ohola 3 AG 
DR aaan ude eg 


(Polhöhe 521/5 


gezeichnet worden; jedoch sieht man auf der Zeichnung gar keine Einzelheiten, insbe- 
sonders nicht den schönen Ring um den Hauptnebel, der auf unserer Abbildung gut zu 
sehen ist. Später hat ihn Lord Rosse vom Jahre 1848 bis 1872 verschiedentlich beob- 
achtet und auch schon mit mehr Einzelheiten gezeichnet. Es wird der Zukunft vorbe- 
halten bleiben, auch in Doppelnebeln mit Sicherheit Bewegungen nachzuweisen, die 
durch einzelne Beobachtungen bereits angedeutet sind. 


1) Vgl. „Weltall“, Jahrg. 9, Heft 20: „Photographische Aufnahmen zweier Sternhaufen mit 
dem Crossley-Reflektor.“ 


Ba m 


— 233 — 


Der Lauf von Sonne und Mond. 


Die Sonne tritt aus dem Zeichen der Zwillinge in das des Krebses. Am 22. Juni, 
3 Uhr vormittags ist Sommers-Anfang. An diesem Tage erreicht mittags die Sonne 
ihren höchsten Stand während des ganzen Jahres, ein Tag, der in der Frühgeschichte 
der meisten Völker ein großer Festtag war. Wir haben schon früher eingehend über 
die Sonnenverehrung berichtet. Der große ausgetretene Zugangsweg, welcher zu dem 
alten Sonnentempel von Stonehenge bei Amsbury in England gerade in der Richtung führt, 
in der an diesem längsten Tage die Sonne vom Innern des Tempels aus gesehen sich über 
den Horizont erhebt, zeugt von der Massenverehrung der Sonne, die bei dem Wiederaufbau 
von Stonehenge im 18. Jahrhundert v. Chr. wohl ihren Höhepunkt erreicht hat. Der 
Lauf der Sonne für Monat Juni ist in unsere Karte (Fig. 2a) eingetragen. Andere 
wissenswerte Daten gibt uns die folgende Tabelle: 


Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshdhe 
Juni 1. + 21° 56’ 34 51m morgens 8b 15m abends 591/, © 
- 15. + 23° 17° 3b 45m - 8hb 27m - 603/, ° 
- 30. + 23° 14° 3h 49m - 8h 30m - 603/,° 


Der Mond ist mit seinen Phasengestalten wiederum in unsere Karten 2a und 2b 
fiir die Mitternachtszeit des 1., 3., 5. usw. eingetragen. Seine Hauptphasen fallen auf 
folgende Tage: ) 


Erstes Viertel: Juni 3. 115 abends. Letztes Viertel: Juni 19. 105 abends. 
Vollmond: - 11. 11babends. Neumond: - 26. 2b nachm. 


Im Monat Juni findet eine Sternbedeckung statt: 


Bürg. Tag .| Rekt. Bemerkung 


OR 11m,9 e IS 
Juni 10. | 22 Scorpii | 5,01161 25m|—240 58° | 11b 9m,7 | 74° | morgens | 3230 Mond im Meridian 
| Juni 11. | 11h 18m 


Die Planeten. 


Merkur (Feld 3b bis 61/,5) erreicht seine größte westliche Abweichung am 1. Juni, ist 
jedoch wegen seines tiefen Standes nur schwer aufzufinden. Sein Durchmesser beträgt 
zu Anfang des Monats 8",2 am Ende nur ht Er ist am 1. Juni fast voll beleuchtet. 


Venus (Feld 71/,5 bis 93/,5) ist Mitte des Monats 2 Stunden, am Ende nur noch 
1!/, Stunden als Abendstern am nordwestlichen Himmel sichtbar. Der beleuchtete Teil 
ihrer Scheibe nimmt von 0,65 auf 0,53 ab. Am 29. Juni tritt sie in Konjunktion mit 
dem Monde und auch in die Nähe von Regulus, des hellsten Sternes im Löwen. Trotz der 
Abnahme der beleuchteten Scheibe nimmt sie noch an Helligkeit zu, da sie der Erde 
immer näher rückt. 

Mars (Feld Oh bis 1'/,®). ist am Ende des Monats 1!/, Stunden lang am Morgen- 
himmel sichtbar und tritt auf die nördliche Seite des Äquators. Sein Durchmesser nimmt 
von 7",5 auf 8”,6 zu. Am 28. Juni tritt er in Konjunktion mit dem Monde. 

Jupiter (Feld 14!/, 5) ist während des ersten Drittels des Monats noch während der 
ganzen Nacht sichtbar; am Ende des Monats jedoch nur noch 2!/, Stunden. Sein Durch- 
messer nimmt von 41,4 auf 38,6 ab. 

Saturn (Feld 23/,5 bis 3b) wird erst von der Mitte des Monats an am östlichen 
Himmel sichtbar. Sein Durchmesser nimmt von 15”,5 auf 16’,0 zu. Am 23. Juni steht 
er gerade in Konjunktion mit dem Monde und zwar steht er südlich von ihm. | 

Uranus (Feld 205) ist in großen Fernrohren trotz seines tiefen Standes zu be- 
obachten. Sein Durchmesser beträgt 3,5. 


16" 
Gemina 


+20° 


iz 
= | 
ei Mar kab | 


©- 
l 


Lauf von Sonne, Mond und den Planeten 
| 


! Antares 
x Formal heart SE 


San IS 


En am 


S =Sonne. M = Mond. Me = Merkur. V = Venus. 


Neptun (Feld 7}/,5) bleibt wegen seiner Sonnennähe während des ganzen Monats 
unsichtbar. 


Bemerkenswerte Konstellationen: 


Juni 1. 6" abends Merkur in größter westlicher Abweichung von der Sonne = 24° 30’. 
- 8. 65 morgens Jupiter in Konjunktion mit dem Monde. 
- 21. 2b morgens Mars in Konjunktion mit dem Monde. 
- 22. 35 nachmittags Sonne im Krebs; Sommersanfang. 
- 23. mittags Saturn in Konjunktion mit dem Monde. 
- 25. 10h abends Merkur in Konjunktion mit dem Monde. 
-.29. 6b nachm. Venus in Konjunktion mit dem Monde. 


ZALZA 0 
GALA GE JP ae A AA Ss 
Ga <A P KA 
Le KKKS ONIA P, ev 
NA xi ee CH 


El 


Zwei neue kleine Planeten sind laut Telegramm an die „Astronomische Zentralstelle“ in 
Kiel auf dem Transvaal-Observatorium gelegentlich des Versuches, den achten Jupiters-Satelliten zu 
photographieren, in der Nähe dieses Planeten aufgefunden worden. Der erste steht in Rectascension 
14b 41m und in Deklination — 12° 34’, der zweite in Rectascension 14h 48m und in Deklination 
— 15° 18’. Es sind dies die ersten kleinen Planeten, welche auf einer Sternwarte der südlicher Halbkugel 
entdeckt worden sind. In Amerika sind 100, in Asien 6, in Europa alle übrigen 595 entdeckt worden. 
Über die Entfernungen, Abstände von der Sonne und Durchmesser dieser kleinen Himmelskörper haben 
wir schon früher!) eingehend berichtet. Die bisherigen — schon über 700 der Zahl nach — sind in 
folgenden Zeiträumen aufgefunden worden: 


1801—50 = 13 1851—90 = 83 
1851—60 = 49 1891—1900 = 161 
1861—70 = 50 1900 —1910 = 238 
1871—80 = 107 


F. S. Archenhold. 
') Vergl. Archenhold, „Die kleinen Planeten“. Das Weltall, Jg. 10, S. 355. 


Ma = Mars. 


ir den Monat Juni 1911. 


Fig. 2a. Nachdruck verboten. 
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J = Jupiter. 


Sa = Saturn. U= Uranus. N = Neptun. 


Beobachtungen von Feuerkugeln aus dem Leserkreise. Am 6. Februar 1910 sahen die 
Herren Hintz und Berlt um 1 Uhr nachts in der Stephanstraße in Südende ein sehr helles rot- 
grünes Licht, das etwa 3 bis 4 Sekunden dauerte. Der südliche Himmel leuchtete ganz hell auf; 
man hätte sogar auf der Straße lesen können. Der Schein wurde ebenfalls von Herrn stud. jur. Bender 
und der Familie Nieke gesehen. Da gerade regnerisches Wetter war, vermutet Herr Hintz, daß 
der Schein von einem Meteore herrührte, der hinter den Wolken aufleuchtete. 

Am 10. November 1910 beobachtete Herr Dr. Curt Bading zu Wilmersdorf um 9" 52” eine 

Sternschnuppe 4. Größe, die zwischen e und £ Cephei aufleuchtete und nahe bei d Ursae minoris 
erlosch. Zwei Minuten später erschien ein prachtvolles grünweißes Meteor in der Gegend zwischen 
g und y Cephei, das 3 oder 4 Sekunden aufleuchtete und in der Nähe von £ Draconis erlosch. 
S Ein sehr schénes Meteor von der Helligkeit der Capella wurde ferner am 26. März 1911 um 
5" 7” von Herrn Henkel zu Beetz (Osthavelland) gesehen. Der Anfang der Flugbahn lag zwischen 
« Andromedae und y Pegasi, das Ende nahe bei « Aquilae. Die Flugdauer betrug 7°. Es war ein 
lautes Zischen wahrnehmbar. 

Schließlich hat Herr Dr. med. Weibel zu Worb-Dorf am 29. März 1911, morgens 2" 56” eine 
7 Sekunden lange sichtbare Sternschnuppe von gelber Farbe beobachtet. Die Flugbahn begann bei 
Spica, ging dann nahe südlich von Jupiter vorüber und endigte bei A Scorpii. 

Aus den eingesandten Skizzen lassen sich folgende Anfangs- bezw. Endpunkte ableiten: 


1 Meteor von Bading Ant 314° + 67° Ende 286° + 84° 
2 Meteor von Bading 325 + 76 259 +55 
Meteor von Henkel 6 +24 295 + 77ih. 


Geschichtstafeln der Physik von Felix Auerbach. Leipzig 1910. Joh. Ambr. Barth. 

Mit diesem Nachschlagewerk schafft Verfasser einem schon lange empfundenen Mangel in 
sehr glücklicher Weise Abhilfe. Zunächst werden in chronologischer Reihenfolge alle wichtigen 
Fortschritte der Physik unter Angabe des Jahres und des Urhebers seit der ältesten Zeit bis zum 
Jahre 1900 in sehr gründlicher Weise aufgeführt und ermöglichen eine sehr schnelle Orientierung. 
Nicht minder nützlich ist die zweite Tafel, die ebenfalls nach den Jahren geordnet, die wichtigsten 
physikalischen Schriften bis zur neuesten Zeit bringt. Dann folgt ein Verzeichnis ausgewählter 


— 236 — 


Physiker mit Angabe ihres Geburts- und Todesjahres. Ein alphabetisches Register von Tafel I 
ermöglicht ein schnelles Zurechtfinden in den Arbeiten der einzelnen Autoren, so daß der Zweck 
des Buches in sehr glücklicher Weise erfüllt wird. W. H. 
* . + 
* 

Annales de l’observatoire royal de Belgique, tome XIII, fasc. I (1910). 

1. Catalogue de 3553 étoiles de repére de la zone + 21° + 22° pour la Carte photographique 
du ciel, dressé par Phillippot et Delporte. 

Das Verzeichnis von mittleren Ortern fiir 1900,0 ist in der üblichen Form angeordnet. Stern- 
grüßen nach A. G. Wir finden in der Einleitung: Eine Beschreibung der Instrumente, Darlegung 
der Beobachtungsmethode und Reduction. Angaben über die mittleren Fehler bei Auge, Ohr und 
Chronograph, sowie über die m. F. der Katalogörter. Resultate der einzelnen Beobachtungen. 

2. Carte photographique du ciel, zone + 21° + 22° ascensions droites moyennes de 1481 etoiles 
de repére réduites par M. Dolvosal d’aprés ses observations faites a Uccle a la lunette méridienne 
de Gambey de 1902 a 1905. 

Eine Darlegung der Reduktion wird als Einleitung gegeben. Im Verzeichnisse finden wir die 
Ergebnisse der Einzelbeobachtungen nach Rectascensionen geordnet. 

* x 
: + 

Bulletins of Laws Observatory. Publications of the University of Missouri. No.1 bis 16. 
Wir führen aus dem Inhalt hier nur kurz an: l 

1. Observations and elements of Comet 1902b (Perrine) mit Bemerkungen über Leuschner's 
„short Method“. 

2. Observations of Comets (1902 b, 1903 a, 1902 d, 1904 a |Brooks]). 

3. Observations of Comet 1904 a (Brooks). 

4. Observations of Comet 1904e (Borrelly); Photometric observations of Nova Geminorum 
March 31 to April 30, 1903; Special time signals from the U. S. Naval Observatory. 

5. The Polaris vertical cercle method of determining time and azimuth. 

6. The Algol variable 188, 1904 Draconis. 

7. Photometric investigations. (The disc photometer; The wedge photometer; — Beschreibung 
und Untersuchungen tiber die Instrumente. 

8. General remarks concerning variable star observations; A New variable 88, 1906 Lacertae 
(mit Lichtkurve); Preliminary results for v Lacertae (110, 1904); The variable v Vulpeculae (4, 1904); 
Preliminary note on variable 108, 1905 Capricorni. 

9. The Algol variable RR Draconis (188, 1904) [mit Lichtkurve]; The Algol variable 121, 
1906 Draconis. 

10. Preliminary results (for 64, 1905 Cassiopeia, 65, 1905 Cassiopeia, 190, 1904 Cassiopeia, 
RW Cassiopeia, RV Andromeda, RV Persei, RV Tauri, RR Camelopardalis, Y Ursae majoris, RY Ophi- 
uchi; RZ Ophiuchi; RS Draconis; X Lyra; UV Cygni; U Vulpeculae (mit Lichtkurve); X Vulpeculae; 
W Vulpeculae; RR Delphini; VX Cygni; TX Cygni; VY Cygni; YY Cygni: SS Cygni; VZ Cygni (mit 
Lichtkurve): 70, 1905 Pegasi; 88, 1906 Lacertae; RZAndromedae; SS Andromedae; RU Aquarii; 
RS Cassiopeiae; RS Cassiopeiae; 52, 1906 Andromedae; RS Andromedae; 53, 1906 Andromedae. 

11. The variable RS Cassiopeiae. — Umfassende Diskussion von Beobachtungen aus 1906—7 mit 
Lichtkurve. 

12. Finding ephimerides for Comet 1894 IV Swift (für die Erscheinung 1907). 

13. The Zöllner Photometer (Beschreibung und Tafeln für die Umrechnung der Kreisablesungen in 
Sterngrößen); The Crawford Telescope (ein 4'/, Zöller); The variabel X Lacertae, U Lacertae (Lichtkurve). 

14. The variable RV Tauri (Lichtkurve vom £ Lyra-Typus). 

15. The Algolvariable RW Monocerotis (24, 1907): zwei Notizen über RS Bootis, 43, 1907 Dra- 
conis und 44, 1907 Ursae maioris. 

16. The long period Algol variable RZ Ophiuchi (Lichtkurve mit flachen Mininum); Notiz betr. 
SW Andromedae. = e S 

Bei der Redaktion cingegangene Bucher. 

Surya, G. W., Okkulte Astrophysik oder kann die Wissenschaft den Lauf der Ge- 
stirne erklären? Ein Versuch. Brosch. M. 1.50. 

Voll, Dr. med. Adam, Die Wünschelrute und der siderische Pendel. Ein Versuch zu 
einer praktisch-wissenschaftlichen Studie. Mit 17 Abb. Brosch. M. 1.60, geb. M. 2.40. 

Prasad, Rama, Die feineren Naturkräfte und die Wissenschaft des Atems. Aus 
dem Sanskrit-Original übersetzt. Ins Deutsche übertragen von Heinz Widtmann. Brosch. M. 3.—, 
geb. M. 4.—. Leipzig, sämtlich aus dem Verlag von Max Altmann, 1910. 


Für die Schriflleitung verantwortlich: Dr. F.8. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Iuseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


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DAS WELTALL ` 


wer 
illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Za. 
Herausgegeben von 
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


IL Jahrgang, Heft 16. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Zweites Maiheft). 
Berlin-Treptow. 


Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Tveptow-Siternwarte, Treplow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post- 

Zettungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pie — Anseigen-Gebühren: I Seite 80.— Mk., 1l} Seite 45.— 
1/, Seite 25.—, 1/, Seite 15.—, Yıs Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewichi. 


INHALT 
1. Das Zodiakallicht. Von Dr. F. S. Archenhold . 237 8. Das Schicksal der Planeten. Von Dr F. S. 
2. Über elektrische Strahlen. Von Dr. W. Haken . . 240 Archenhold. . : 2: 2: 2 2 ew tw we wt re. 246 


Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestaltet 


Das Zodiakallicht. 


Von Dr. F. S. Archenhold. 


I unseren Breiten erscheint das Zodiakal- oder Tierkreislicht als cine 
zarte schwache Lichtpyramide, die am besten mit unbewaffnetem Auge an 
Orten beobachtet wird, deren Horizont weder durch Staubteilchen getrübt ist, 
noch durch künstliches Licht erhellt wird. Es handelt sich hier um einen 
äußerst lichtschwachen, vom Horizonte pyramidenförmig aufsteigenden Licht- 
schimmer, der kurz vor’Sonnenaufgang am Osthimmel und kurz nach Sonnen- 
untergang am Westhimmel sich je nach der Stellung der Ekliptik unter ver- 
schiedenem Winkel gegen den Horizont bis zu der Gegend der Plejaden hin 
erstreckt. Von hohen Bergen aus oder in den Tropengegenden, unter günstigen 
Umständen auch in unseren Breiten, erkennt man noch einen wesentlich 
schwächeren und nicht so ausgedehnten Lichtschimmer der Sonne gegenüber, 
den sogenannten Gegenschein. Ist die Atmosphäre besonders dunstfrei, so 
kann man sogar auch noch eine zarte Verbindung des pyramidenförmigen 
Zodiakallichts mit dem Gegenschein, der zuerst von Alexander v. Humboldt 
1803 beobachtet worden ist, längs der ganzen Ekliptik verfolgen. 

Zahlreiche photographische Aufnahmen des Zodiakallichtes, die von Prof. 
Wolf mit einem ungewöhnlich lichtstarken Objektiv (Quarzlinse von 37 mm, 
Öffnung und nur 25 mm Brennweite), dem sogenannten Schnittphotometer, her- 
gestellt sind (vergl. „Das Weltall“, Jg. 1, S. 70), haben ergeben, daß die Haupt- 
achse des Zodiakallichtes nicht genau in der Ekliptik, sondern um einen Winkel 
von 7° gegen diese verschoben ist, so daß die Hypothese an Wahrscheinlichkeit 
gewinnt, daß der Ring des Zodiakallichtes in der Ebene des Sonnenäquators 
gelagert ist. Marchand hatte schon vorher auf dem Pic du Midi durch eine 
Reihe zuverlässiger Beobachtungen ableiten können, daß die Achse des Zodiakal- 
lichtes nahe einem größten Kreise liegt, der gegen die Ekliptik 6 bis 7° geneigt 
ist und dessen aufsteigender Knoten die Lange von 70° besitzt. Da nun die 
Neigung des Sonnendquators gegen die Ekliptik auch 70° beträgt und der auf- 


— 235 — 


steigende Knoten der Ebene des Sonnenaquators eine Länge von etwa 74° hat, 
so ist es wahrscheinlich, daß die Achse des Zodiakallichtes mit der Ebene des 
Sonnenäquators zusammenfällt. In diesem Falle dürfte man annehmen, daß die 
Masse des Zodiakallichtes in einem früheren Entwicklungsstadium der Sonne 
von dieser am Aquator abgeschleudert worden ist. Uber die Natur der Teilchen, 
die das Zodiakallicht erzeugen, ist bestimmtes noch nicht auszusagen. Die 
spektroskopischen Untersuchungen haben nur mit Sicherheit ergeben. dab das 
Spektrum dem Sonnenspektrum ähnlich ist und daß die sogenannte helle Nord- 
lichtlinie im gelbgrünen auch hier sich bemerkbar macht. Dieses letztere wird 
aber sehr wahrscheinlich nicht von dem Zodiakallicht selbst herrühren, sondern 
von Nordlichtern, die zufällig an der gleichen Stelle mit dem Zodiakallicht sicht- 
bar waren. 

Die schon von Cassini Ende des 17. Jahrhunderts beobachteten Hellig- 
keitsschwankungen können vorläufig noch nicht als reell angesehen werden, 
sondern dürften voraussichtlich eine hinreichende Erklärung in der verschiede- 
nen Durchsichtigkeit unserer Atmosphäre selbst finden. Ob das Leuchten des 
Zodiakallichtes allein auf zurückgeworfene Sonnenstrahlen zurückzuführen ist 
oder ob die elektrischen Wirkungen der Sonnenflecke auch einen wesentlichen 
Anteil haben, kann auch noch nicht festgestellt werden. Es ist zunächst von großer 
Wichtigkeit, daß recht viele Beobachtungen des Zodiakallichtes angestellt 
werden; hierbei dürften auch die immer häufiger werdenden Ballonfahrten von 
großem Vorteil sein. Unsere Leser finden im ersten Jahrgang unserer Zeit- 
schrift S. 69 die Abbildung eines Zodiakallichtes vom 15. November 1898, das 
A. Hansky ge:egentlich einer nächtlichen Ballonfahrt, die zwecks Beobachtung 
der Leonidensternschnuppen’ von Paris aus unternommen war, gezeichnet. hat. 
Um diese Zeit ist das Zodiakallicht von den unteren Luftschichten aus nur 
schwer sichtbar. Es hatte die Gestalt eines Konus, dessen Achse gegen den 
hellsten Stern im Löwen, gegen Regulus, gerichtet war und war in der Mitte 
heller als die hellsten Stellen der Milchstraße. Die Basis war etwa 15° bis 20° 
breit und stand im Sternbild der Jungfrau. Die Gesamtlänge des Konus von 
der Sonne aus gerechnet betrug etwa 60° bis "un 

Neuerdings hat C. Hoffmeister in Sonneberg in Thüringen, dessen öst- 
liche Länge von Greenwich 11° 10⁄5 und dessen geographische Breite 50° 21⁄5 
beträgt, das Zodiakallicht des öfteren beobachtet und in den A. N. No. 4484 ver- 
öffentlicht Mit freundlicher Erlaubnis des Herrn Professor Kobold geben wir 
nebenstehend die Hoffmeistersche Beobachtung des Zodiakallichtes vom 
3. Februar 1910 mit dem in unmittelbarer Nähe stehenden Johannisburger Ko- 
meten 1910a wieder. Die Spitze des Lichtkegels lag im \Widder etwa 3° west- 
lich vom Mars; die Spitze des hellsten Teiles wurde von Saturn eingenommen. 
Die genaue Feststellung der an sich schon undeutlichen Begrenzungslinie im 
N. W. wurde durch den Schweif des Kometen 1910a erschwert. Im S. W. war 
eine plötzliche Abstufung vorhanden, indem sich an den hellen Teil nur ein 
wenige Grade breiter Streifen matteren Lichtes anschloß. Die Intensität des 
Zodiakallichtes war schr beträchtlich und übertraf die Milchstraße bedeutend an 
Helligkeit. Der Kometenschweif war deutlich bis zum hellsten ‚Stern der 
Andromeda e zu erkennen. Am H. Februar hatte die Intensität des Zodia- 
kallichtes schon stark abgenommen; ebenso machte auch die Erscheinung am 
5. März in ihrer Gesamtheit einen mehr verschwommenen Eindruck als am 
3. Februar. 


— 239 — 


Es wäre sehr erwünscht, wenn sich verschiedene Beobachter vereinen 
würden, um das Zodiakallicht zu gleicher Zeit nach einem vorher verabredeten 
Beobachtungsschema aufzuzeichnen und so die durch atmosphärische Verhält- 
nisse verursachte Abweichung in der Lichtverteilung des Zodiakallichtes deutlich 
erkennen zu können Es dürfte hierbei empfehlenswert sein, um jedes kiümst- 
liche Licht von den Augen fern zu halten, bei der Bestimmung der Grenzen 
des Zodiakallichtes, einen Pappzylinder zu benutzen, der innen geschwärzt ist, 
so wie es Heis zuerst getan hat. Es genügt, wenn der Zylinder einen Durch- 
messer und eine Länge von etwa 30 cm besitzt. 


Zebiakallicht und Jlomet 19100. 1910 febuar Ai Orb. 
Jonnaberg : A: 1100's, P + S0%215 Deotachter : 4 Hvffmuo Let 


Insbesondere wird es wichtig sein, festzustellen, ob mit der Rotation der 
Sonnenflecken, den elektrischen Stérungszentren auf der Sonne, Aufhellungen 
innerhalb des Tierkreisringes Hand in Hand gehen Es wird sich auf diese 
Weise am besten die Hypothese prüfen lassen, ob das Zodiakallicht durch 
schwache, winzige kleine Körperchen verursacht wird, die in der Ebene der 
Erdbahn bezw. in der Ebene des Aquators der Sonne, diese umkreisen und bis 
wie weit sich dieser ratsclhafte Leuchtring erstreckt. 


M 


— 20 — 


(ber elektrische Strahlen. 


Von Dr. W. Haken. 


Wem wir die historische Entwickelung eines Gebiets der exakten Wissen- 
schaften verfolgen, so können wir sehr häufig die Beobachtung machen, 
daß schon verhältnismäßig frühzeitig Vermutungen über das Wesen eines Vor- 
ganges aufgestellt wurden, die man als mit der Erfahrung nicht im Einklang 
stehend wieder aufgab, andere anscheinend besser begründete Hypothesen 
traten an die Stelle der früheren, aber dann führten doch bestimmte Er- 
scheinungen mit zwingender Notwendigkeit dazu, auf die ersten Vorstellungen 
zurückzugreifen; und durch die Verschmelzung dieser ursprünglichen mit den 
neueren Hypothesen wurde dann der Grundstein zu einem neuen Gebäude 
wissenschaftlicher Forschung gelegt. Sehr deutlich können wir diesen Verlauf 
an den verschiedenen Phasen wahrnehmen, die der Begriff der Strahlung im 
Laufe der Zeit bis zu dem heutigen Standpunkt durchgemacht hat. Die ur- 
sprüngliche und wohl dem unbefangenen Beobachter sich meist aufdrängende 
Vorstellung über das Wesen der Strahlen war die, daß von dem strahlenden 
Körper winzig kleine unwägbare Teilchen fortgeschleudert würden und nun die 
verschiedensten Wirkungen, sei es den Lichteindruck im Auge, sei es die Tem- 
peraturerhöhung der bestrahlten Fläche, hervorrufen sollten. Aber im Laufe der 
weiteren Forschung kam man zu Tatsachen, die mit dieser eben gekennzeich- 
neten „Emissionshypothese“ nicht in Einklang zu bringen waren. Infolgedessen 
mußte diese Vorstellung aufgegeben und eine neue Hypothese an ihre Stelle 
gesetzt werden, die die beobachteten Erscheinungen widerspruchsfrei darzustellen 
gestatte. Eine solche Hypothese wurde nun durch die von Huygens begründete 
„Undulationstheorie“* geboten; sie steht im direkten Gegensatz zu der anderen 
Vorstellung und beruht auf der Annahme, daß die Strahlung durch eine Wellen- 
bewegung, deren Mechanismus einstweilen dahingestellt blieb, zustande käme, 
und in der Tat ließen sich alle Vorgänge ohne Widerspruch mit der Erfahrung 
auf Grund dieser Hypothese erklären. Eine ganz besondere Stütze erfuhr die 
Undulationstheorie Ende des vorigen Jahrhunderts noch dadurch, daß sich auch 
die Existenz elektromagnetischer Schwingungen im Raum zweifellos feststellen 
ließ, ja daß sogar Licht- und Wärmestrahlung in letzter Linie nichts anderes 
als elektromagnetische Schwingungen seien. Alle weiteren Untersuchungen 
bestätigen diese Auffassung aufs Glänzendste, ein Zweifel an ihrer Richtigkeit 
ist jetzt nicht mehr möglich. Man machte nun die verschiedenartigsten 
Versuche, auch die höchst eigenartigen Leuchterscheinungen in stark 
verdünnten Gasen auf Grund dieser Theorie zu erklären, und gerade dadurch 
wurde das Studium dieses Gebiets, von dem die folgenden Ausführungen han- 
deln sollen, zu einem außerordentlich interessanten. Aber es reichte, wie wir 
sehen werden, zur Erklärung der hier auftretenden Erscheinungen die Undu- 
lationstheorie nicht aus, man war genötigt auf die Emissionstheorie in gewissem 
Sinne zurückzugreifen und auf diese Weise entstand nun die Theorie, die so- 
wohl das Gebiet der elektrischen Strahlen sowie das vieler anderen physika-. 
lischer und chemischer Vorgänge, die bisher in keinem unmittelbaren Zusammen- 
hang zu stehen schienen, umfaßt, die sogenannte Elektronentheorie, deren Kon- 
sequenzen bisher in der Erfahrung volle Bestätigung gefunden haben. 

Im 5. Jahrgang des „Weltall“ sind von Herrn Dr. Mecklenburg die 
Grundlagen der Elektronentheorie bereits ausführlich geschildert worden, 


— 241 — ` 


ich will jedoch auch an dieser Stelle ihre Grundzüge kurz erörtern, da sie 
mit den zu besprechenden Erscheinungen gerade im innigsten Zusammenhang 
stehen. | 

Die Frage nach der Konstitution der Materie beschäftigte bereits seit den 
ältesten Zeiten den forschenden Menschengeist; schon die griechischen Natur- 
philosophen stellten die verschiedenartigsten Vermutungen über den Aufbau 
der uns umgebenden Körperwelt auf und gelangten zu der Auffassung, daß 
sämtlichen Körpern bestimmte Bausteine zugrunde liegen müßten, deren ver- 
schiedenartiger Anordnung und jeweiligen Zustandsbedingungen die mannig- 
faltigen Naturgebilde ihre Entstehung verdanken sollten. Bekanntlich steht ja 
auch die moderne Chemie auf einem ganz ähnlichen Standpunkt, allerdings 
sind ihre Grundlagen durchaus nicht reine Spekulation, wie die der griechischen 
Naturphilosophen, sondern beruhen auf einer sicheren experimentellen Grund- 
lage, die einzig und allein als Basis für eine Disziplin der exakten Naturwissen- 
schaften dienen kann. 

Nach der Atomtheorie setzen sich die einzelnen Körper aus Molekül- 
komplexen zusammen, die Moleküle selbst sind wieder aus Grundelementen, den 
Atomen aufgebaut. Die Atome sollen die kleinsten, in der Natur vorkommenden 
Teilchen der Grundelemente, deren Zahl zurzeit etwa 80 beträgt, sein. Zur 
Kenntnis dieser Grundelemente gelangte man dadurch, daß man durch die ver- 
schiedenartigsten chemischen und physikalischen Prozesse eine immer weiter 
gehende Trennung der einzelnen Substanzen vornahm; die schließlich zurück- 
bleibenden, auf keinem Wege weiter trennbaren und in ihren chemischen und 
physikalischen Eigenschaften genau charakterisierten Bestandteile nannte man 
die den Körpern zugrunde liegenden Elemente. Indem man nun weiter die Ver- 
hältnisse genauer untersuchte, unter denen die Grundstoffe untereinander zu 
Verbindungen zusammentreten können, gelangte man bald zu der Erkenntnis, 
daß die Mengen der miteinander reagierenden Stoffe für das Zustandekommen 
einer vollständigen Verbindung von wesentlicher Bedeutung sind. Beispiels- 
weise kann sich eine ganz bestimmte Menge Natrium (z. B. 23 Gramm) nur 
mit einer ganz bestimmten Menge Chlor (35,4 Gramm) vollständig zu Kochsalz 
umsetzen und ähnliche Verhältnisse gelten ausnahmslos für alle anderen 
chemischen Vorgänge Man könnte nun irgend eine Substanz, deren Ver- 
bindungsprozesse mit anderen Substanzen leicht quantitativ zu verfolgen sind, 
wählen, und auf diese Weise die Verbindungsverhältnisse aller andern Körper 
ermitteln. Benutzt man z B. für diese Reaktion jedesmal 1 Gramm Wasser- 
stoff, so findet man, daß 35,4 Gramm Cl, 80 Gramm Br, 126 Gramm J erforderlich 
sind, um sich mit dem 1 Gramm Wasserstoff vollkommen zu Chlorwasserstoff, 
Bromwasserstoff, Jodwasserstoff umzusetzen. Auf diese Weise gelangt man zu 
den sogenannten (relativen) Atomgewichten der Elemente, Zahlen, die angeben, 
in welchen Gewichtsverhältnissen die Bildung der Moleküle aus den Atomen 
der Elemente erfolgt. Hier tritt nun aber noch eine Vieldeutigkeit dadurch auf, 
daß oft nicht eine einzige Verbindung zwischen zwei Elementen besteht, sondern 
nach Maßgabe der mitwirkenden Massen mehrere Verbindungen zustande 
kommen können. So können durch das Zusammentreten von Kohlenstoff und 
Sauerstoff zwei verschiedene Körper entstehen, Kohlenoxyd (CO) und Kohlen- 
säure (CO,), aber es hat sich bei allen derartigen Verbindungen gezeigt, daß die 
an der Reaktion beteiligten Mengen in sehr einfachen rationalen Verhältnissen 
zu einander stehen; so besteht Kohlenoxyd aus 12 Teilen C und 16 Teilen O, 


— 242 — 


Kohlensäure aus 12 Teilen C und 32 Teilen O, letztere Verbindung enthält also 
gerade die doppelte Menge an Sauerstoff wie Kohlenoxyd. Auf Grund dieser 
Eigenschaften der Elemente miteinander in verschiedenen Verhältnissen rea- 
gieren zu können, spricht man von einer bestimmten chemischen Wertigkeit 
oder Valenz eines Elements. Um ein Maß für die Wertigkeit zu gewinnen, 
hat man das Wasserstoffatom zugrunde gelegt; so bezeichnet man ein Element 
als vierwertig, wenn es in einem Molekül 4 Wasserstoffatome zu ersetzen ver- 
mag. Die Wertigkeit der einzelnen Elemente geht nun aber nicht ins Unge- 
messene, sondern es bestehen auch hier bestimmte Grenzen, ebenso wie die 
Atomgewichte anscheinend eine gewisse obere Grenze nicht überschreiten können. 
Man ist nun durch die zahlreichen langjährigen Untersuchungen dazu gekommen, 
zwischen Atomgewicht und Wertigkeit eine ganz bestimmte Beziehung heraus- 
zufinden, die Lothar Meyer und Mendelejeff zur Aufstellung des perio- 
dischen Systems der Elemente führte. Ordnet man die Elemente nach stei- 
gendem Atomgewicht, so findet man, daß in ganz bestimmten Abständen Ele- 
mente auftreten, die dieselbe Wertigkeit besitzen, und zwar weisen weiterhin 
die Elemente derselben Wertigkeit wiederum untereinander ähnliche chemische 
Eigenschaften auf. 

So ist dann die Wertigkeit eines Elements in hohem Grade durch den 
Platz gegeben, den es im periodischen System einnimmt und aus dieser „natür- 
lichen“ Einteilung der Elemente scheint wieder notwendig zu folgen, daß die 
Atome verschiedenartige Gefüge und Verdichtungszustandé ein und desselben 
Urstoffs seien, nur unter der Annahme eines solchen Urstoffs erscheint die Ab- 
hängigkeit der Eigenschaften der Elemente von der Größe der Atomgewichte 
verständlich. Es ist daher nicht verwunderlich, daß man bald nach der Auf- 
stellung der ersten Atomgewichtstafeln derartige Beziehungen von ciner Grund- 
substanz zu finden glaubte und so war es vor allem am Anfang des vorigen 
Jahrhunderts die Proutsche Hypothese, die die Vermutung aussprach, daß alle 
Atomgewichte einfache Vielfache von dem des Wasserstoffs seien, die einzelnen 
Elemente stellten also verschiedene Verdichtungszustände dieses Grund- ` 
elements’ dar. Aber die weiteren sehr eingehenden Untersuchungen haben 
dieser Hypothese jeden tatsächlichen Untergrund entzogen, so daß sie als nicht 
zutreffend aufgegeben werden mußte. 

Eine wesentliche Erweiterung unserer Kenntnis von der Konstitution der 
Materie wurde dann durch das Studium der elektrolytischen Vorgänge ermög- 
licht. Löst man ein Salz in einer Flüssigkeit und läßt einen elektrischen Strom 
in die Lösung treten, so zeigt sich, daß sich die Bestandteile des Salzes an den 
Eintrittsstellen des Stromes, den sogenannten Elektroden, abscheiden. Diese Er- 
scheinung widerspruchsfrei zu deuten, war recht schwierig, und es hat lange 
gedauert, bis man zu einer klaren Anschauung gelangte. Die Elektrolyse, deren 
Grundlagen von Clausius und Arrhenius gelegt wurden, trägt einen recht 
eigenartigen Charakter. Es haben sich jedoch alle Konsequenzen dieser Theorie 
aufs glänzendste bestätigt und ihre Richtigkeit zweifelsfrei festgestellt. Haben 
wir z.B. eine Lösung von Silbernitrat der elektrolytischen Zerlegung unter- 
worfen, so bemerken wir, daß sich der eine Bestandteil, das Silber, an der 
negativen Elektrode, der Kathode, abscheidet (Fig. 1), während der andere an der 
Anode frei wird. Die Moleküle des Silbernitrats bestehen also aus zwei Teilen, der 
eine wird von der Anode, der andere von der Kathode angezogen; wir müssen 
also annehmen, daß beide Teile selbst entgegengesetzte elektrische Ladungen 


— 243 — 


tragen. Es wäre ja nun möglich, daß durch den Strom selbst die Ladungen 
hervorgerufen werden, die dann beim Unterbrechen des Stromes wieder ver- 
schwinden; es zeigt sich jedoch, daß dies nicht der Fall ist, sondern, daß in 
der verdünnten Lösung eines Salzes tatsächlich elektrische Ladungen unab- 
-hängig von allen äußeren Einwirkungen vorhan- | 
den sind. Faraday hatte nun bereits gefunden, 
daß die durch den elektrischen Strom ausge- Kathode Anode 
schiedenen Substanzmengen in ganz bestimmten — ua e+ 
Verhältnissen zueinander stehen, nämlich in den- 
selben, wie die chemischen Verbindungsgewichte. 
Dadurch kamen Clausius und Arrhenius zu der 
Annahme, daß jedes Atom mit einer bestimmten 
Elektrizitätsmenge verbunden wäre, und zwar 
sollen die Atome der einwertigen Substanzen 
eine Einheitsladung, die zweiwertigen zwei 
Einheitsladungen, die dreiwertigen drei usw. Fig. 1. 
tragen. Da ferner die Moleküle nach außen 
neutral erscheinen, so mußte man positive und negative Ladungen für 
die einzelnen Atomgruppen annehmen, z. B muß man in dem Molekül CuSO, 
Kupfersulfat, dem Kupfer zwei positive, dem Säureradikal SO, zwei negative 
Einheitsladungen zuschreiben; beim Zusammentritt beider haben wir es dann 
mit einem neutralen Molekül zu tun, da sich die entgegengesetzten Elektrizitäts- 
arten aufheben. Wird nun eine Substanz in Wasser gelöst, so sollen nach 
Arrhenius die Moleküle die Fähigkeit besitzen, teilweise in ihre negativ und 
positiv geladenen Bestandteile zu zerfallen, und der Vorgang der Elektrolyse 
spielt sich dann so ab, daß die positiven Teilchen von der negativen Elektrode, 
der Kathode, die negativen von der Anode angezogen werden. Auf diese Weise 
tritt eine dauernde Wanderung beider Arten in der Flüssigkeit ein, die so lange 
dauert, bis alle Teilchen an die Elektroden geschafft sind. Diesen positiv und 
negativ geladenen Atomen resp. Atomgruppen hat man den Namen Ionen ge- 
geben. | 

Eine wichtige Frage war nun die nach der Größe der von den Ionen mit- 
geführten elektrischen Ladung. Gerade so wie wir nicht direkt die Größe der 
Atome bestimmen können, sondern nur die Gewichtsverhältnisse, in denen sie 
in den einzelnen Molekülen auftreten, so kann man auch nicht direkt den Wert 
der Ionenladung angeben, wohl aber das Verhältnis von Ladung zur Masse der 
einzelnen Ionen feststellen. Die von den Ionen pro Sekunde transportierte 
Elektrizität, den Strom, kann man ja direkt messen, ebenso die abgeschiedene 
Menge; das Verhältnis beider gibt dann auch ohne weiteres das Verhältnis 
von Ladung zur Masse des einzelnen Atoms an. Diese Bestimmung von 
Ladung 
Masse 
trischen Entladungen in Gasen von fundamentaler Bedeutung, da erst durch sie 
eine klare und sichere Erkenntnis der hier vorliegenden scheinbar so 
außerordentlich komplizierten Verhältnisse möglich wurde. Diese Unter- 
suchungen führten nun zu dem Ergebnis, daß das mit der geringsten 


‚Stlbernitratlosung 


(<) ist sowohl für die Elektrolyse wie auch ganz besonders für die elek- 


Masse begabte Atom, Wasserstoff, den größten Wert fir besitzt, für alle 


anderen Körper ergaben sich kleinere Werte, die zueinander in umgekchrtem 


et DIR Sass 


Verhältnis wie die chemischen Aquivalente stehen, und dieses Resultat führte 
dann zu der schon erwähnten Annahme, daß die einzelnen Ionen mit einer oder ` 
entsprechend ihrer Wertigkeit, mit mehreren Einheitsladungen behaftet wären. 
Man könnte demnach die Größe dieser Einheitsladung, die elektrisches Ele- 
mentarquantum genannt wird, berechnen, wenn man nur die Größe eines 
einzigen Atoms, z. B. die des Wasserstoffatoms, kennen würde. Diese Größe 
kann man nun mit großer Wahrscheinlichkeit nach der kinetischen Gastheorie 


| -2 TEE 
bestimmen (etwa 1,6 10 Zei und dadurch ergibt sich fir das Elementarquantum 


der Wert von 2° 0 elektromagnetischen Einheiten. 

Somit führen die elektrolytischen Untersuchungen zu dem außerordentlich 
wichtigen Resultat, daß auch die Elektrizität nicht bis zu unendlich kleinen 
Werten wirken kann, sondern daß auch ihr eine gewisse atomistische Struktur 


eigentümlich ist. Die Größe von 2° to elektromagnetischen Einheiten ist der 
kleinste in der Natur überhaupt mögliche Wert der elektrischen Ladung; das ` 
Elementarquantum ist gewissermaßen das Atom der Elektrizität. Aber nicht nur für 
die elektrolytische Leitung ergibt sich auf dieserGrundlage eine völlig befriedigende 
Erklärung, sondern auch die mannigfachen Erscheinungen auf dem Gebiete der 
elektrischen Strahlen sind durch den weiteren Ausbau dieser Grundanschauungen 
der elektrolytischen Theorie auf einem anscheinend so verwickelten Wege dem’ 
Verständnis wesentlich näher gerückt worden. 

Schon Mitte des vorigen Jahrhunderts beobachtete man, daß auch Gase, 
besonders in stark verdünntem Zustande, ein gewisses Leitvermögen für den 
elektrischen Strom zeigen und daß in ihnen je nach der Stromstärke und dem 
Grade der Verdünnung die verschiedenartigsten Leuchterscheinungen auftreten 
können. Diese Verhältnisse einwandsfrei zu deuten und sie vor allem mit den 
Anschauungen über das Wesen der Elektrizität in Einklang zu bringen, machte 
äußerst zahlreiche Untersuchungen notwendig, und erst vor verhältnismäßig 
kurzer Zeit ist es gelungen, eine Theorie aufzustellen, die alle Erscheinungen 
dieses Gebiets einwandfrei zu deuten gestattet und wie gesagt durch das 
Studium der elektrolytischen Vorgänge veranlaßt wurde. Die Schwierigkeit, in 
die Erscheinungen der Elektrolyse, wie die der Gasentladungen einen klaren 
Einblick zu gewinnen, beruhte in erster Linie auf den Vorstellungen, die man 
sich über die Wirkungsweise der elektrischen Körper bildete, und die im Laufe 
der Zeit mannigfaltige Wandlungen erfuhren. Das erste Gesetz über die von 
elektrischen Körpern ausgeübten Kräfte wurde bekanntlich von Coulomb auf- 
gestellt; es ist dem Newtonschen Gravitationsgesetze völlig analog und sagt aus, 
daß zwei Elektrizitätsmengen aufeinander mit Kräften wirken, die dem Quadrat 
ihres gegenseitigen Abstandes umgekehrt proportional sind. Diese Analogie mit 
dem allgemeinen Gravitationsgesetz legte es natürlich nahe, auch die Elektrizität 
als matericlles, an den elektrischen Körpern haftendes Gebilde, „Fluidum“, aufzu- 
fassen, wie man ja auch in der damaligen Zeit die Wärme als ein Fluidum ansah. 
Die elektrischen Körper mußten also nach dieser Anschauung genau wie die 
Massen im Raume durch unmittelbare Fernwirkung auf einander wirken. Da man 
nun bei den elektrischen Körpern nicht nur Anziehung, sondern auch Abstoßung 
beobachtete, nahm man zur Erklärung ein negatives und ein positives elek- 
trisches Fluidum an, dergestalt, daß gleichartige Elektrizitäten sich anziehen, 
ungleichnamige sich abstoßen sollten. Eine gewaltige Anderung erfuhr die Vor- 
stellung über die Wirkung der Elektrizität durch die Arbeiten Faradays und 


— 245 — 


Maxwells. Faraday wies nach, daß bei den elektrischen Erscheinungen 
das umgebende Medium von fundamentaler Bedeutung ist. Er schloß aus 
seinen Untersuchungen, daß der sogenannte elektrische Zustand der Körper 
durch einen eigentümlichen Zwangszustand ihrer unmittelbaren Umgebung her- 
vorgerufen ‘sei; das umgebende Medium ist der Sitz der elektrischen Kraft, die 
an den Körpern beobachteten Erscheinungen sind nur die Wirkungen des elek- 
trischen Feldes. Die Fig. 2 soll zur weiteren Erklärung dieser Annahme dienen. 
Es treten Zug- und Druckkräfte in der Umgebung der magnetischen oder elek- 
trischen Körper auf, die an den betreffenden Körpern angreifen und unmittelbar 
die beobachteten Verschiebungen hervorrufen, und zwar findet die Stärke dieser 
Kräfte eine sehr klare Darstellung durch den Begriff der Kraftlinien, indem von 
dem betreffenden Körper eine um so größere Anzahl von Kraftlinien ausgeht, 
je stärker das von ihm erzeugte elektrische oder magnetische Feld ist, d. h. 
also, je stärker er elektrisiert oder magnetisiert ist. 

Dieser Begriff des elektrischen Feldes erwies sich als außerordentlich 
anschaulich. Vermochte man doch mit seiner Hilfe nicht nur die Erscheinungen 
der Elektrostatik, sondern auch 
die des Elektromagnetismus 
restlos zu erklären. Diese Auf- 
fassung von der Elektrizität 
führte dann auch zu der An- , 
nahme, daß die elektrische - 

Erregung nicht an allen noch 
so entfernten Punkten gleich- 
zeitig auftreten könne, son- 
dern daß sie sich mit einer 
bestimmten Geschwindigkeit 
im Raume fortpflanze. Faraday vermutete bereits, daß diese Geschwindig- 
keit gleich der Lichtgeschwindigkeit sein würde. Seine Theorie, die von Max- 
well in mathematische Form gebracht und wesentlich erweitert wurde, fand 
dann später durch die klassischen Herz schen Versuche über elektromagneti- 
sche Schwingungen ihre glänzende Bestätigung. Herz stellte die Existenz elek- 
trischer Wellen im freien Raum zweifellos fest und wies nach, daß sie sich 
tatsächlich mit Lichtgeschwindigkeit fortpflanzen. Als letzter Schlußstein der 
Faraday-Maxwell’schen Theorie ergab sich schließlich die vollkommene 
Identität von Licht. Wärme- und elektromagnetischen Strahlen. Es gibt 
zwischen diesen drei Schwingungsarten keine Grenzen, eine greift in die 
andere über, ihr Mechanismus ist vollkommen derselbe, sie unterscheiden 
sich nur durch die Schwingungszahl. Somit erschien der Beweis für die 
Richtigkeit der Faradayschen Auffassung, daß die Elektrizität allein 
im Äther ihren Sitz habe, vollkommen bestätigt zu sein. Nur die Erschei- 
nung der Elektrolyse und die der elektrischen Entladungen wollten sich 
dieser genialen Theorie nicht fügen und trotz der mannigfaltigsten Versuche, 
diese Erscheinungen durch eine Wellenhypothese zu erklären, hat man doch zu 
der Vorstellung greifen müssen, daß gewisse Elektrizitätsarten von atomistischer 
Struktur die Ursache dieser Erscheinungen seien, wie bereits vorhin angedeutet 
wurde. In der Tat wurde diese Auffassung durch die Untersuchung der 
Kathodenstrahlen und den Zeemanneffekt mit zwingender Notwendigkeit herbei- 
geführt. Auf diesem Wege bildete sich nun die moderne Theorie vom Wesen 


Fig. 2. 


— 246 — 


der Elektrizität, die Elektronentheorie, die gewissermaßen cine Verschmelzung 
der alten auf dem Coulombschen Gesetz fußenden Anschauung und der Fara- 
day-Maxwellschen Theorie darstellt; und zwar ist diese Auffassung nicht 
eine durch mehr oder weniger willkürliche Annahmen entstandene, sondern sie 
hat sich als notwendige Konsequenz der Forschungsergebnisse der letzten Jahre 
ergeben. (Schluß folgt.) 


se 


Das Schicksal der Planeten. 


De bekannte schwedische Physiker Svante Arrhenius hat in Erweiterung 
eines früheren Aufsatzes über die Atmosphäre der Planeten neuerdings 
ein Buch über das Schicksal der Planeten') bei der Akademischen Verlags- 
gesellschaft in Leipzig erscheinen lassen, dessen Inhalt wir hier im Auszug 
wiedergeben: Im Anfangsstadium waren alle Planeten, so wie es unsere Sonne 
noch jetzt ist, gasförmig. Auch die Atmosphären von Jupiter und Saturn sind 
noch heute glühend, da wir in unserem Treptower Fernrohr rote und gelbe 
Wolkenstreifen und Flecken auf ihnen sehen. Ebenso ist es wahrscheinlich, daß 
die beiden äußersten Planeten Uranus und Neptun, entsprechend ihrer geringen 
Dichte, noch heiße Atmosphären haben. Wegen der Schwerewirkung nimmt die 
Dichte der Gase in den äußeren Schichten sehr schnell nach innen zu, bis sie 
so groß ist, daß die Kompressibilität äußerst gering wird und das Gas sich fast 
wie ein fester Körper verhält. So ist es zu erklären, daß auf der Sonne, trotz 
ihres gasförmigen Zustandes, sich Flecke länger als ein Jahr halten und der 
rote Fleck auf dem Jupiter sich sogar seit 1878 erhalten konnte. Der Übergang 
in der Dichte zwischen verschiedenen Schichten ist natürlich ein kontinuierlicher, 
wohingegen bei wirklichen Atmosphären über einem festen oder flüssigen Kern 
die Dichte in verschiedenen Tiefen an der unteren Begrenzung der Atmosphäre 
sich sprungweise ändert. Svante Arrhenius schreibt: 

„Sind andere Planeten aus demselben Hauptmaterial, schweren Metallen, 
ihren Oxyden, Silikaten, Karbonaten, Hydraten und etwa Hydrosulfiden der 
leichten Metalle, einschließlich Aluminium und Wasserstoff aufgebaut, wie unsre 
Erde, was ja in höchstem Grade wahrscheinlich ist, so ist für die Möglichkeit 
der Existenz von Lebewesen eine feste Erdkruste Bedingung. Denn der Schmelz- 
punkt dieser Materialien liegt so hoch, wenigstens über 1000° daß noch weit 
unter ihrem Erstarrungspunkt Lebewesen nicht wohl gedeihen können. Das 
Leben ist an das Vorhandensein sehr weitgehend zusammengesetzter und des- 
halb recht unbeständiger Kohlenstoffverbindungen geknüpft, die sicherlich schon 
bei viel tieferen Temperaturen als 1000° zugrunde gehen. — Man hat sich 
mitunter vorgestellt, daß Silizium den Kohlenstoff in diesen Verbindungen ver- 
treten könnte, wovon man jedoch kein Beispiel besitzt. Die komplizierteren 
Siliziumverbindungen scheinen auch im allgemeinen viel weniger stabil zu scin 
als die entsprechenden Kohlenstoffverbindungen. Sfliziumverbindungen, welche 
als Bestandteile des Protoplasmas an Stelle der Kohlenstoffverbindungen_ ein- 
treten könnten, sind gänzlich unbekannt und vermutlich unter keinen äußeren 
Bedingungen stabil. Wir wollen also diese und ähnliche Phantasien ganz außer 
Rechnung lassen, bis eine Andeutung von ihrer Wahrscheinlichkeit vorliegt. — 


1) Svante Arrhenius, Leipzig 1911, Akademische Verlagsgesellschaft m. b. H. (Auch zu 
beziehen durch den Verlag der Treptow-Sternwarte gegen Einsendung von 1,35 M.) 


— 47 — 


Die genannten Kohlenstoffverbindungen sind schon unter dem Siedepunkt des 
Wassers unbeständig, die Eiweißstoffe gerinnen schon bei etwa 55 bis 60 ® lang- 
sam. Jedenfalls müssen wir annehmen, daß sie oberhalb der kritischen 
Temperatur des Wassers, 365°C, nicht vorkommen können. Es muß also 
auch die Bedingung für die Kondensation von Wasser, d. h. für die Bildung 
von Wasseransammlungen, vorhanden sein. Da aber eine freie Wasserfläche 
ohne Wasserdampf von wenigstens 4,6 mm Druck nicht stabil ist, so schließt 
schon das Vorhandensein von Wasserflächen auch dasjenige einer Atmosphäre 
ein. Wenn Sauerstoff, wie die Biologen behaupten, für die Unterhaltung des 
Lebens unentbehrlich ist, so können wir an Stelle einer festen Erdkruste eine 
Sauerstoff enthaltende Atmosphäre als Bedingung einsetzen, und da Sauerstoff 
aus unten näher ausgeführten Gründen ohne feste Erdkruste in der Luft nicht 
vorkommen kann, so lassen sich die Bedingungen für die Existenz von Lebe- 
wesen in die des Vorhandenseins einer sauerstoffhaltigen Atmosphäre zu- 
sammenfassen. 

Nur diejenigen Planeten, welche eine wirkliche Atmosphäre besitzen, 
können lebendige Wesen beherbergen. Gerade aus diesem Grunde ist die 
Atmosphäre der Planeten von ganz außerordentlichem Interesse. Es handelt 
sich um das Problem, um welches die edelsten Persönlichkeiten der Mensch- 
heit seit dem grauen Altertum ihre schönsten Träume gesponnen haben 
und dessen Auslegung in freimütigem Sinne Giordano Bruno auf den Scheiter- 
haufen brachte. 

Haben also die Planeten ohne feste Kruste oder flüssige Oberflächenschicht 
keine Atmosphäre, so ist die Anzahl der einen Luftkreis besitzenden Planeten 
stark beschränkt. In unserem Sonnensystem, dessen Planeten die einzigen uns 
bekannten sind, gehören nur die vier inneren Planeten: Merkur, Venus, Erde 
und Mars, zu dieser Kategorie, sowie die zwischen Mars und Jupiter kreisenden 
kleinen Planeten, die vermutlich ebenfalls mit einer festen Kruste versehen 
sind. Von diesen.allen sind aber aller Wahrscheinlichkeit nach nur drei, nämlich 
außer der Erde noch Venus und Mars, wirklich mit Atmosphären begabt. Merkur 
verhält sich etwa wie der Mond. Er besitzt wie dieser nahezu dieselbe geringe 
Fähigkeit, Licht zu reflektieren — Diese Fähigkeit wird Albedo — „die 
Weiße“ — genannt und ist in die unten aufgeführte Tabelle einiger wichtigen 
Eigenschaften der Planeten eingetragen. Die Albedo dieser beiden Himmels- 
körper beträgt nur 0,14 bezw. 0,13, dagegen diejenige des Mars 0,22 und der 
Venus 0,76. Vom Monde wissen wir, daß er jetzt keine Atmosphäre besitzt, und 
dies ist wahrscheinlich auch beim Merkur der Fall. Dagegen scheint die Atmo- 
sphäre der Venus derjenigen der Erde sehr ähnlich zu sein. Die Luftmasse 
des Mars ist der geringen Albedo entsprechend sehr dünn. Lowell nimmt an, 
daß der Mars, nach der Albedo zu urteilen, nur 22°/, so viel Luft über jedem 
Quadratmeter besitzt wie die Erde. Diese Schätzung ist höchst unsicher. Denn 
die Albedo hängt hauptsächlich mit dem Vorkommen von Wolken zusammen, 
deren Albedo ohne Zweifel nahezu ebenso groß ist, wie diejenige von frisch 
gefallenem Schnee, die von Zöllner zu 0,80 bestimmt worden ist und innerhalb 
der Beobachtungsfehler mit der Albedo der Venus übereinstimmt. Hieraus 
können wir wohl schließen, daß die Venus gänzlich von Wolken eingehüllt ist 
Die Albedo der Erde können wir folgendermaßen schätzen. 52°/, der Erdober- 
fläche sind wolkenbedeckt. Der Staub in der Atmosphäre nimmt nach meiner 
Berechnung von Langleys Messungen etwa 30 °/, der Sonnenstrahlung weg, von 


— 248 — 


welchen die Halfte zum Himmel reflektiert wird. For das Licht der Sonne ist 
die Ziffer etwa doppelt so groß. Von den 40°/, Licht, welche die Erdoberfläche 
erreichen, werden etwa 13°, (wie beim Mond) reflektiert und von diesen 
erreichen 0,7 Teile die obere Grenze der Atmosphäre. Die Totalsumme ist also 
0,52 . 0,5 + 0,48 (0,30 + 0,13 . 0,40 . 0,70) = 0,57. Die Albedo der Erde ist also 
derjenigen der Venus stark unterlegen, trotzdem steht sie dieser etwa doppelt 
so nahe als dem Mars. Ohne Wolkenbedeckung wäre die Albedo der Erde 0,34, 
also um 0,21 über derjenigen des atmosphärenfreien Mondes, während die Albedo 
vom Mars (ohne Wolkenbedeckung) nur um 0,09 diejenige des Mondes übertrifft. 
Unter der Annahme, daß die Eigenschaften des Maıs-Staubes dieselben sind wie 


Tabelle der wichtigsten Konstanten der Himmelskörper 
im Sonnensystem. 


| Um ooo n 


| Ent- | Mittl. e | TE Exzen- 

Himmels- fernung; spezif. a Umdreh- nn R TE asa © trizität 
körper von der| Ge- messer | U28SZeit| Sonne der 

' Sonne | wicht Bahn 


| 


H 

Sonne 0,00 | 1,403 | 696098 | 24,844 = — | 332750,0 Së 

Merkur 0,39 | 3,09 2175 | 87974 | 0,24 | 0,14 0,0224 | 0,20561 
Venus 0,72 | 514 6091 , 23,358 0,61 | 0,76 0,815 | 0,00682 
Erde 1,00 | 553 63711). 23,946 10 | — 1.000 | 0,01675 
Mond 100 | 33L ' 1740 ` 27,324 1,00 | 0,18 | 0,0123 ` 0,05491 
Mars 1,52 | 400 ` 3366 | 24.62h 188 | 022 | 0,1080 | 0,09331 
Jupiter 520 | 135 | 69449 992 : 1187 | 0,62 | 3177 | 004825 
Saturn 955 | 0,71 | 57635 | 1027 29,47 | 0,72 95,1 0,05606 
Uranus 1922 | 221 | 21101 | unbek. | 8402 | 060 | 146 | 0,04704 
Neptun 30,12 | 2,42 | 21643 | unbek. | 164,80 | 0,52 | 172 0,00853 

} 


| 
Die Entfernung der Erde von der Sonne (als 1 oben gesetzt) beträgt 149,5 Millionen km, 
die Masse der Erde ist 5985 Trillionen (5985 . 10'8) metrische Tonnen. 


dic des Staubes in der Erdluft, kommt man zu dem Schluß, daß die Luft auf 
dem Mars etwa halb (0,46) so viel Staub als die irdische Luft enthält. Viel 
weiter kann man nicht kommen, jedenfalls sind alle Mars-Beobachter darüber 
einig, daß die Lufthülle dieses Planeten nur ein Bruchteil derjenigen unserer 
Erde ist; die Lowellsche Schätzung entspricht einigermaßen der allgemeinen 
Meinung. 

Man könnte sich wohl darüber wundern, warum die äußeren Planeten nicht 
ebensoviel Licht wie eine Wolke oder wie frischer Schnee reflektieren, da alles, 
was wir auf ihnen beobachten können, doch nur Wolken sind. Die Antwort ist, 
daß, nach den Beobachtungen von Slipher, diese Planeten, und besonders 
Uranus und Neptun, in ihrer Lufthülle stark absorbierende Gase, meistens 
unbekannter Art, besitzen, die das von den Wolken zurückgeworfene Licht be- 
deutend herabsetzen. Bekanntlich ist die dunkle rötliche Färbung vom Jupiter 
bedeutend heller in Sonnenfleckenjahren als sonst, was auf eine stärkere Aus- 
bildung der höheren Wolken bei großer Sonnentätigkeit zurückgeführt wird" 
Eine ähnliche Zunahme der höheren irdischen Wolken mit der Anzahl der 
Sonnenflecken ist wohlbekannt und wird als Folge der von der eruptiven 
Tätigkeit der Sonne abhängigen Menge von ausgestoßenem Sonnenstaub 
betrachtet. 


1) Im Original steht irrtümlich 63705. 
2) Unsere Leser finden über diese Frage eingehende Mitteilungen von Osthoff im „Weltall“ 
Jg. 11. S.1, in dem Artikel: „Über den Einfluß der Sonne auf die Erde“. 


— 249 — 


Schon seit langem ist eine Erklärung für die Abwesenheit eines Luft- 
kreises auf dem Monde gegeben worden. Ritter hat in seinen klassischen 
Untersuchungen über gasförmige Himmelskörper (1878 bis 1882) gezeigt, daß der 
Mond wegen der lebhaften Bewegungen der Wasserstoffmolekeln keine solchen 
an seine kleine Masse zu fesseln vermag. Dasselbe gilt auch für andere Gase, 
die nicht allzu schwer sind, beispielsweise für die gewöhnlichen Gase der Luft. 
Johnstone Stoney hat diese Ansicht weiter entwickelt und darauf  hinge- 
wiesen, daß im allgemeinen die uns bekannten Himmelskörper um so weniger 
Gas in ihrer Umgebung besitzen, je geringer die Schwerkraft auf ihnen ist. 
Aus diesem Grunde müssen wir annehmen, daß die kleinen Planeten, von 
welchen keiner den Mond in bezug auf Größe erreicht, ebenfalls ohne Lufthülle 
sind. Was den Merkur anbetrifft, so ist die Schwere an seiner Oberfläche nicht 
völlig anderthalbmal größer als an der Mondoberflache; es gilt demnach ohne 
Zweifel in bezug auf seine Fähigkeit, Gase zu fesseln, dasselbe wie für den 
Mond. Es kommt aber noch ein anderer Umstand hinzu. Aus guten Gründen 
glaubt man, daß der Merkur immer dieselbe Seite der Sonne zukehrt. Dem- 
zufolge besitzt die dunkle Seite dieses Planeten, welche gegen den Himmels- ` 
raum strahlt, dieselbe Temperatur wie dieser, vielleicht etwa 50° über dem 
absoluten Nullpunkt. Alle Gase, ausgenommen Helium und Wasserstoff, müssen 
sich dahin kondensieren und zu gewaltigen Eismassen gefrieren. Helium und 
Wasserstoff aber sind gerade so leicht, daß sie nach Stoneys Hypothese längst 
verschwunden sein müßten. Folglich kann es keine Gase auf dem Merkur 
geben, auch keine schweren. Ähnliches gilt für den Mond, der eine so lange 
Nacht ('/, Monat) hat, daß der kälteste Punkt der Nachtseite wohl Zeit hat, seine 
Temperatur fast auf die Temperatur des Himmelsraumes herabzusetzen. Man 
könnte danach erwarten, daß gerade beim Hineintreten eines Punktes auf der 
Mondoberfläche in das Sonnenlicht Spuren von kondensierten Dämpfen in Form 
von Reif sichtbar werden würden. Solche Beobachtungen werden wohl bisweilen 
gemeldet, sie sind aber sehr zweifelhaft. Jedenfalls kommt keine merkliche 
Menge von Dämpfen vor. | 

Wenn es nun richtig wäre, wie es von verschiedenen Beobachtern ange- 
geben wird, daß die Venus immer dieselbe Seite der Sonne zukehrt, so müßte 
man erwarten, daß die Verhältnisse daselbst denjenigen auf dem Merkur ähnlich 
wären, d. h. es könnte keine merkliche Atmosphäre bestehen. Dagegen ist man 
allgemein darüber einig, daß die Venus eine dichte Atmosphäre besitzt; die 
Strahlenbrechung darin ist so groß, daß die Hörner der Venussichel normaler 
Weise weniger als 180° voneinander entfernt liegen und bisweilen sogar ver- 
schmelzen, so daß der Planet wie ein Lichtring erscheint. Da aber nach 
Stoney das geringe Vorkommen von Helium in der Erdatmosphäre, trotz 
stetiger Zufuhr aus den Quellen, auf dem Verschwinden dieses Gases aus der 
Luft beruht, so müßte man ähnliches für die Venus erwarten, besonders da die 
Schwere daselbst um ein Fünftel geringer als auf der Erde ist. Dazu käme 
noch, daß der wärmste Punkt der Oberfläche der Venus, wenn diese immer 
dieselbe Seite der Sonne zukehrte, eine Temperatur von über 200° C. besitzen 
würde, was das Verschwinden der leichten Gase außerordentlich fördern würde. 
Es kann demnach Helium und ebenfalls Wasserstoff nicht in nennenswerter 
Menge auf der Venus vorkommen. Die anderen Gase sind zu leicht kondensicr- 
bar, um auf der stets dunklen Seite eines Planeten vorkommen zu können. Darum 
muß die Venus eine Achsendrehung von kurzer Zeit (etwa 24 Stunden) haben. 


— 20 — 


Vom Mars wissen wir durch direkte Beobachtung, daß er Reif oder Schnee 
an den Polen hat, was nur mit dem Vorhandensein einer Atmosphäre vereinbar 
ist. Außerdem hat man Spuren von Wolken und Nebel in der Marsatmosphäre 
und Sandstürme auf dem Mars mit Sicherheit beobachtet. 

So viel wissen wir also mit recht großer Sicherheit über das Vorhandensein 
von Atmosphären der Planeten in unserem Sonnensystem. Ohne Zweifel gibt 
es in der Nahe von anderen Sonnen ähnliche mit Atmosphäre versehene 
Planeten, obgleich wir keine solchen kennen Die sogenannten dunklen Be- 
gleiter, welche in der Nähe von verschiedenen Sternen wegen ihrer Bewegungen 
oder Helligkeitsveränderungen angenommen werden, sind so groß, daß sie wohl 
durch und durch gasförmig sind, wie die großen Planeten in unserem Sonnen- 
system; wir können also keine eigentliche Atmosphäre, noch lebende Wesen 
auf ihnen vermuten.“ 

Der Wasserdampfgehalt auf unseren beiden Nachbarplaneten ist wesentlich 
anders als auf unserer Erde. Wenn man die Sonnenstrahlung und die Ab- 
schwächung durch Wolken berücksichtigt, so müssen wir schließen, daß der 
Wasserdampfgehalt auf der Venus 20 mal größer ist als auf der Erde, und daß 
er auf dem Mars, dessen Oberfläche wir sehen können, außerordentlich wenig 
vertreten ist. Wir sind zu diesem Schluß berechtigt, weil die Atmosphären 
unserer Nachbarplaneten wahrscheinlich ebenso konstituiert sind wie die unserer 
Erde. Vorhanden gewesener Sauerstoff hat sich bei dem Entwickelungsprozc# 
mit dem Wasserstoff verbunden; der in der Luft noch befindliche Sauerstoff kann 
auf unserer Erde durch die Wirkung der Pflanzen aus Kohlensäure entstanden sein, 
als sich also schon eine feste Kruste gebildet hatte. Nach Arrhenius wurden 
alle Gase mit zunehmender Abkühlung aus den sauren Silikatmassen ausge- 
schieden und gaben Wasserdampf sowie Kohlensäure an die Gashülle der Erde 
ab. Außerdem können wir mit einer Zufuhr von Stickstoff in Form von Cyan- 
verbindungen aus dem Erdinnern rechnen, die sich in der kühlen Atmosphäre 
zersetzen. Der Wasserdampf verdichtete sich nun zu Ozeanwasser und die 
Kohlensäure wurde zu Kohle und Sauerstoff umgesetzt. Diese Vorgänge ver- 
ringern sich, je dicker die Kruste wird, und der Zufluß von Wasser und Kohlen- 
säure wird außerdem durch die Verwitterung beeinträchtigt. Die Verwitterung 
würde allein genügen, die Kohlensäure der Luft in etwa 1400 Jahren zu ver- 
brauchen, wenn keine Zufuhr vom Erdinneren stattfände Die vulkanischen 
Erscheinungen werden aber auch durch die ,Verpanzerung* der Erde aufhören, 
die Temperatur wird sinken und die Verwitterung viel langsamer erfolgen; da- 
durch wird ein Versiegen des Weltmeers herbeigeführt und unsere Verhältnisse 
werden denen des Mars ähnlich werden. Der Planet wird einer Wüste gleichen, 
die Höhen und die Tiefen werden durch den Wüstensand ausgeglichen und die 
Spalten von Salzseen ausgefüllt. Die herunterstürzenden Meteoriten werden 
oxydiert und bedecken die Oberfläche des sterbenden Planeten mit einer ocker- 
farbenen Schicht von Eisenoxyd. Mit der schwindenden Hydrosphäre und Atmo- 
sphäre eilt der Planet einem Zustand entgegen, wie er jetzt auf dem Mond zu 
finden ist. Auch der Mond besaß eine Gashülle, auch er zeigte in einem späteren 
Stadium „Kanäle“; das beweisen die sogenannten Strahlensysteme!?), und die 
letzten Gase in der Lufthülle verschwinden gänzlich durch die Molekular- 
bewegung oder durch Kondensation an den kältesten Stellen der Mondober- 


') Die Kanäle auf dem Mars treffen immer auf einen See oder andern Kanal, wohingegen 
die Mondstrablen im Kontinent enden, daher trifft der Vergleich nicht ganz zu. Der Referent. 


— zm = 


— 21 — 


fläche. Diese allgemeine Abkühlung geht auf der Erde viel langsamer vor sich, 
da der Mond doppelt so hohe Temperatur und sechsmal geringere Schwerkraft 
besitzt. Trotzdem wir eine geringe Abnahme der Wärme konstatieren können, 
ist im großen und ganzen seit dem ersten Auftreten des Menschen die Temperatur 
ziemlich konstant geblieben. Nach der, wie wir heute mit Sicherheit annehmen 
können, dreimaligen Eiszeit, finden wir jedes Mal einen ungeheuren Pflanzen- 
wuchs und dementsprechend eine ziemlich hohe Temperatur. Wir leben jetzt in 
einer Übergangszeit, in der zuweilen diese, zuweilen jene Temperatur vorherrscht. 
Die Feuchtigkeit, die früher über den ganzen Planeten verteilt war, finden wir 
heute nur noch in den Tropen stark ausgeprägt; dort ist kein starker Wechsel 
in der Temperatur, weil die dichten, schützenden Wolkenmassen einen ziemlichen ` 
Ausgleich, auch zwischen verschiedenen Breitegraden, bewirken. Daher finden 

wir in der prähistorischen Zeit Tiere, die über den ganzen Planeten verbreitet 
waren. Der Feuchtigkeit in früheren Zeiten wird die Trockenheit in der Zukunft 
entsprechen, die wir heute in ausgedehnten Wüsten schon vorfinden. Hier ist der 
Temperaturunterschied wegen der fehlenden Wolken sehr groß: Felsen zer- 
bersten, die vorhandene Feuchtigkeit dringt in die Risse ein, friert in der Nacht 
und sprengt Blöcke ab. So geht der Zerstörungsprozeß immer weiter vor sich. 
Der herumwirbelnde Dünensand wird nach Regenfällen talabwärts geführt, das 
Wasser verdunstet, der zurückbleibende Schlamm trocknet aus und wird im 
Innern stark salzig. Dieser sogenannte Kevir wird durch die stete Salzzufuhr 
der Flüsse und durch die Verdunstung immer salzhaltiger; er ist im Innern 
feucht und von einer halbtrockenen Tonschicht umgeben. Nach Regen ver- 
wandelt sich das Ganze in Schlick, der sich mit der Zeit verfestigen und mit 
Flugsand bedecken wird, bis er sich allmählich in eine Sandwüste umgewandelt 
hat. Kein Leben herrscht in dieser Einöde; „man ist in diesen Gegenden Zeuge 
des beginnenden Todeskampfes des Planeten,* und man kann sich dann unge- 
fähr die Verhältnisse auf dem Mars vorstellen. Die spektroskopischen Unter- 
suchungen von Campbell bestätigten den geringen Wasserdampf in der Mars- 
luft, 0,4 g Wasserdampf pro Kubikmeter, und daraus schließt man auf eine 
mittlere Temperatur von — 37° C. Das nicht verbrauchte Wasser hat sich zu Eis 
verdichtet oder mit Sand gemischt und bildet so eine Art Gestein. Eigentliche 
Meere und Flüsse gibt es deshalb nicht auf dem Mars. Der häufig vorkommende 
Wüstensand bringt die Herausmodellierung des Mars-„Antlitzes* hervor, umso 
mehr, da- der Schrumpfungsprozeß des glühenden Marsinnern noch immer an- 
dauert. Durch diese Wirksamkeit entweichen viele Gase, die sich im Erdboden 
kondensieren, neue Salzmengen bilden und sich so zu einem undurchdringlichen 
Boden verdichten; oder es entstehen größere Salzseen, die schließlich aus- 
frieren. Der Wüstenstaub verdeckt diese Salzseen, wie man deutlich aus der 
roten Wüstenfarbe erkennen kann, und man sieht auch im Sommer, wenn die 
Seen wieder teilweise auftauen, die dunkle Farbe der Tümpel. Die Sonnen- 
wärme dringt namentlich bis zu den Polen, bei denen man ein Schmelzen des 
Eises beobachten kann. Jetzt findet naturgemäß ein Austausch der heißeren 
mit der kälteren Zone statt, die großen Salzseen tauen immer weiter auf und 
nchmen einen blaugrünen Ton an. Der Südpol wird von vielen Wasserläufen 
umgeben, deren Salz vom Staub ausgelaugt ist, die im Winter zusammen- 
schrumpfen und von dem naheliegenden Festland nicht zu unterscheiden sind. 
Die Seesysteme sind ebenso schachbrettförmig angelegt wie die Bajirs in der 
Tschertschenwüste und bilden die sogenannten Kanäle, deren Bilder wegen der 


— 262 — 


mangelnden optischen Hilfsmittel zu Linien znsammenschmelzen. Das Flußbett 
entspricht offenbar den tiefsten Stellen in der Tschertschenwüste, das Wasser 
sammelt sich deshalb in seiner Nähe an. Die Marskanäle, die den Bruchlinien 
der Kruste folgen, vereinigen sich in Seen, in früheren Einsturzbetten. Die 
Verhältnisse, die wir jetzt auf dem Mars, der dieselben Eigenschaften der 
Materie aufweist, beobachten, werden später auf unserer Erde zu finden sein, 
und nach noch größerer Luftabnahme können wir die weitere Entwickelung uns 
am Mond veranschaulichen. Die tiefer liegenden Meere sind wahrscheinlich 
Senkungsgebiete, die bei der Abkühlung einstürzten und den inneren Kraterwall 
mit in die Tiefe zogen. Die großen Krater sind vielleicht zu einer Zeit ent- 
standen, da die Mondkruste schon sehr dick geworden war und der Mond eine 
geringere Schwerkraft als die Erde besitzt. Die sogenannten ,Perlenschnire‘, 
die stets jüngeren Datums sind, erinnern sehr an dic kleinen Krater auf Island. 
Die Strahlensysteme, die wir auch auf dem Mond wahrnehmen, sind alte Risse, 
die in früherer Zeit mit Vulkanasche gefüllt wurden. Im großen und ganzen 
ähnelt der Mond den Gebilden, die wir auf dem Mars finden, nur mit dem Unter- 
schied, daß die Luftmenge geschwunden ist und keine merklichen Gasaus- 
scheidungen mehr vorkommen. Der Mond besteht aus fast der gleichen Prozent- 
anzahl von Silikaten wie die Erde, was schon aus seinem Ursprung hervorgeht. 
Fassen wir die obigen Ausführungen zusammen, so ergibt sich folgendes Bild: 
Nach der Abkühlung des Magmas bildete sich eine feste Oberfläche; aus dem 
Inneren stiegen Wasserdampf und Kohlensäure zu den höchsten Schichten der 
Atmosphäre auf und in den darüber liegenden Teilen entstanden durch photo- 
chemische Reaktionen Sauerstoff und Kohlenstoff. Die Wasserstoffgase wurden 
durch den Sauerstoff allmählich verbrannt, so daß nur noch träge Gase, wie 
Stickstoff, übrig blieben. Durch Spalten in der Kruste wurden Wasserdampf 
und Kohlensäure in den Luftkreis geführt; die Entwicklung schreitet immer 
weiter vor, der Wasserdampf kondensiert sich zum Weltmeer, die Kohlensäure 
geht in den Verwitterungsprozeß ein und wird von Schalentieren als Calcium- 
karbonat abgesetzt. Zugleich schwemmt das Wasser Sand und Ton zum Meere 
hinunter und starke Schichten von sedimentären Gesteinen entstehen auf diese 
Weise. Wasser und Kohlensäure wird durch die Verwitterung vermindert; die 
Oberfläche verwandelt sich in eine Wüste: der Sauerstoff verbindet sich mit 
dem Stickstoff zu Nitraten und verbraucht sich ebenso wie der Stickstoff; die 
Temperaturunterschiede werden immer größer, und die letzten Gase verschwinden 
zufolge der Molekularbewegung Der Himmelskörper bleibt tot und unveränder- 
lich. Diesen Entwicklungsgang werden alle Planeten nehmen; vielleicht wird 
auf kurze Zeit Leben aufblühen und sich entfalten, um dann doch wieder in 
die dunkle Nacht des Vergessens zurückzusinken. Der Mars ist in seiner Ent- 
wickelung schon weiter vorgeschritten als unsere Erde. Die Venus, der Lieb- 
lingsplanet der Babylonier, Istar, d. h. Himmelskönigin, strahlt noch in 
hoffnungsreicher Jugend, ihr wird einstens nach dem Verfall der Erde die stolze 
Rolle als Führerin der Planeten zufallen Die Lebensentwickelung auf den 
entferntesten Planeten Uranus und Neptun wird immer durch ihre große Ent- 
fernung von der Licht- und Wärmespenderin, der Sonne, zu leiden haben. 

Die vielen Millionen Jahre ungewöhnlich günstiger Lebensbedingungen, die 
gerade der Erde noch bevorstehen, berechtigen die Menschheit einer überaus 
elanzvollen Entwickelung entgegenschen zu dürfen, da doch schon die letzten 
Jahrhunderte gewaltige Fortschritte gezeitigt haben. Dr. F. S. Archenhold. 


SE 
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


DAS WELTALL: 


e e e e | x 77 e R E 
Illustrierte Zeitschrift fiir Astronomie und verwandte Gebi eta, the 
Herausgegeben von 
Dr. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 17. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Erstes Juniheft). 
Berlin-Treptow. 


Diese Zeitschrift erscheint zweimal im Monat. — Abonnemenispreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Trepiow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post- 

Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pie. — Anseigen-Gebühren: 1 Seite 80.— MR., 1/, Seite 45.— 
1/, Seite 25.—, 1/, Seite 15.—, ji Seite 8—. Bei Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewicht. 


INHALT 
, 3. Kleine Mitleilungen: Der Apex der Sonnenbewegung. 
1. Über elektrische Strahlen. Von Dr. W. Haken. (Fort- — Uber den spektroskopischen Doppelstern oPersei. 
selzung) © 6 6 ee ee ee eee ee ee 253 — Der Halleysche Komet . . . - . 2 2 2 2 0. 267 
2. Der gestirnte Himmel im Monat Juli 1911. Von 4. Bücherschau: William Fairfield Warren, The earliest 
Dr. F. S. Archenhold . . » 2». 2 20.220. 261 Cosmologies. . 2... 0 nr re. 268 


Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet 


(über elektrische Strahlen. 


Von Dr. W. Haken. 
(Fortsetzung.) 


WV: bereits erwähnt, ließen sich die Erscheinungen der Elektrolyse in 
keiner anderen Weise widerspruchsfrei deuten, als daß man sie durch 
elektrisch geladene Körperchen, die Ionen, hervorgerufen ansah, und die elek- 
trischen Entladungen führten dann schließlich ebenfalls zu einer ähnlichen Auf- 
fassung, aber mit einem sehr wesentlichen Unterschiede. Die elektrolytische 
Theorie steht auf dem Standpunkt, daß die Ionen den Elektrizitätstransport in 
der Flüssigkeit vermitteln; wir sahen bereits, wie der sich hier ergebende Wert 
= (Ses zur Bestimmung des Elemementarquantums benutzt werden kann, 
m \ Masse 

und erwähnten, daß der größte Wert für das Element mit kleinstem Atom- 


gewicht, den Wasserstoff, gefunden wurde, — = 10000 elektromagnet. Einheiten. 


Das eingehende Studium der Kathodenstrahlen führte nun zu ganz ähnlichen Ergeb- 
nissen, nämlich daß diese Strahlen durch Körperchen gebildet werden, für die 


ebenfalls ein bestimmtes Verhältnis z charakteristisch ist, das aber überraschen- 


der Weise noch 2000mal so groß war als das für Wasserstoff gefundene, und 
es fragte sich, wodurch dieser Unterschied zu erklären wäre; die naheliegendste 
Annahme wäre ja nun zunächst die, daß der elektrische Leitungsstrom in Gasen 
gerade so wie der in verdünnten Lösungen durch geladene Atome bedingt sei, 
nur müßte dann in den Gasen, wenn beispielsweise die Entladung sich in H, 
abspielt, das Wasserstoffatom eine 2000mal größere elektrische Ladung tragen 


als bei der Elektrolyse, um den Wert £ = 2.107 zu erklären; man könnte jedoch 


auch andererseits annehmen, daß die die Kathodenstrahlen bildenden Teilchen 


— 24 — 


ebenfalls nur mit einem einzigen Elementarquantum ausgestattet wären, ihre 
Masse aber wäre dann noch um 20.0mal geringer als die des Wasserstoffatoms. 
In der Tat führten nur sehr gewichtige Gründe zu der letzten Annahme. Was 
sollte das nun aber für ein merkwürdiges neues Element sein, dessen Atom- 
gewicht nach dieser Auffassung noch um so viel kleiner als das leichteste bisher 
bekannte Element wäre? Die weiteren Untersuchungen hierüber zeigten dann 
mit großer Wahrscheinlichkeit, daß wir es hier mit dem Auftreten von freien 
Elementarquanten zu tun haben, also mit Elektrizitätsatomen, die nicht mehr 
an ein materielles Substrat gebunden sind, sondern als völlig selbständige Ge- 
bilde für sich existieren. Diesen freien Elementarquanten hat man den Namen 
Elektronen gegeben, und von ihnen hat auch die hier besprochene Theorie ihren 
Namen. Man lernte nun auch bald andere sehr wichtige Unterscheidungsmerk- 
male für diese Gebilde kennen. Es zeigte sich, daß ihre Geschwindigkeit 
millionenmal so groß ist wie die der elektrolytischen Ionen, fast die größte über- 
haupt mögliche Geschwindigkeit, die Lichtgeschwindigkeit, erreichen kann, und 
daß sie infolge dieser großen Geschwindigkeit die Fähigkeit besitzen ein elektro- 
magnetisches Feld zu erzeugen. Bekanntlich finden wir, wenn wir die Er- 
scheinungen der ruhenden Elektrizität, z. B. die einer elektrischen Kugel, unter- 
suchen, keine Spur von einer Einwirkung der Kugel auf die Magnetnadel. Ganz 
anders aber werden die Verhältnisse, wenn wir zu dem Gebiet der bewegten 
Elektrizität übergehen, also irgendwie einen elekrischen Strom erzeugen; in 
diesem Fall bemerken wir, daß dieser Strom stets von einem magnetischen 
Felde begleitet ist, dessen Stärke einzig und allein durch die Stärke des elek- 
trischen Stromes bedingt ist. Wir könnten nun auch versuchen, einen solchen 
elektrischen Strom durch eine sehr schnelle Bewegung der elektrisch geladenen 
Kugel hervorzurufen, und untersuchen, ob dann wohl eine Ablenkung der Magnet- 
nadel eintritt. Dieser Versuch ist tatsächlich von Rowland und Cremieu aus- 
geführt worden und zwar mit positivem Erfolg. Eine sehr schnell bewegte 
elektrische Ladung besitzt tatsächlich dieselben charakteristischen Eigenschaften 
wie ein elektrischer Strom, wir können uns also umgekehrt einen solchen auch 
aus sich sehr schnell bewegenden Elcktrizitätsteilchen bestehend denken. 

Da nun die Elektrolyse und die Erscheinungen der elektrischen Entladungen 
notwendigerweise zu der Annahme einer atomistischen Struktur der Elektrizität 
führen, andererseits aber auch die Erscheinungen des Elektromagnetismus 
widerspruchslos als von sehr schnell bewegten elektrischen Teilchen herrührend 
angeschen werden können, so hat man konsequenter Weise diese Ergebnisse 
miteinander zur Elektronentheorie vereinigt und nimmt auf Grund dieser 
Anschauung an, daß jede Elcktrizitätsströmung, wie sie auch entstehen möge, 
durch Elektronen resp. Ionen vermittelt wird. Nun hat sich bisher nur die freie 
Existenz negativer Elektronen nachweisen lassen, während der Nachweis für 
das Vorkommen freier positiver Elektronen bisher nicht erbracht werden konnte. 
Daher kam man zu der Vorstellung, daß jedes neutrale Atom resp. Atom- 
komplex mit einer bestimmten Zahl negativer Elektronen verbunden wäre, deren 
negative Ladung durch die entgegengesctzte positive des Restatoms kompen- 
siert werden sollte. Verliert ein Atom irgendwie ein oder mehrere Elek- 
tronen, so erscheint es als positives Ion, nimmt es dagegen noch ein oder 
mehrere negative Elektronen auf, so hat man es mit einem negativen Ion zu 
tun. Auf diese Weise wären dann auch die Ionen in letzter Linie durch die 
Existenz freier negativer Elektronen bedingt. Um nun die Erscheinungen der 


— 25 — 


elektrischen Entladungen von diesen Gesichtspunkten aus zu deuten, müssen 
wir noch eine Wirkung der Elektronen berücksichtigen, nämlich die, welche sie 
beim Zusammenprall mit einem Atom resp. Molekül ausüben. Erfolgt dieser 
Zusammenstoß mit großer Geschwindigkeit, so wird die lebendige Kraft des 
Elektrons plötzlich frei und kann bei genügender Intensität die Spaltung des 
neutralen Atoms in ein negatives Elektron und positives Ion bewirken. Dies 
ist eine der hauptsächlichsten lonisierungsmöglichkeiten bei Gasentladungen, 
und zwar ist diese Stoßionisation stets von einer Lichtentwickelung begleitet. 
Es ist leicht einzusehen, daß bei der gewaltigen Erschütterung, die ein Atom bei 
Abgabe eines Elektrons erleidet, alle in ihm verbleibenden Elektronen eine 
plötzliche Störung erfahren, zu Schwingungen angeregt werden und somit we- 
nigstens für kurze Zeit zu Emissionszentren für elektromagnetische Wellen, 
also auch Lichtwellen, werden. Das Leuchten der elektrischen Entladungen 
und das Bogenlicht haben tatsächlich in diesem Vorgang ihre Ursache. 

Die Erscheinungen der elektrischen Strahlen spielen sich nun auf Grund 
dieser Anschauungen in folgender Weise ab Bringen wir eine Entladungs- 
röhre mit einer Luftpumpe in Verbindung und evakuieren wir sie unter An- 
legung genügend hoher Spannungen, so beobachtet man bei einem Druck von 
etwa 1 mm Quecksilber die in Fig. 3 dargestellten Erscheinungen. Wir müssen 
uns vorstellen, daß ganz analog wie in | 
verdünnten Lösungen so auch in ver- Kathode ——— SE Anode 
dünnten Gasen positive und negative me EE = Nr 
Ionen vorhanden sind, die sich teilweise FE) 
neu bilden, sich auch teilweise neutrali- EE 7 


f 
sieren, so daß ein mehr oder weniger a 6 c d 
stabiles Gleichgewicht entsteht. Erregen Fig. 3. 


wir nun ein elektrisches Feld, so 

werden gleichzeitig die positiven Ionen zur Kathode, die negativen zur Anode 
wandern, dort ihre Ladungen abgeben und so wieder zu einem neutralen Körper 
werden. Wählen wir die Spannungsdifferenz stark genug, so werden aus der 
Kathode Elektronen herausgeschleudert werden können, und zwar mit erheb- 
licher Geschwindigkeit. Diese von der Kathode fortgeschleuderten Elektronen 
rufen ein von der Kathode ausgehendes Strahlenbündel hervor, das wegen 
seines Ursprungs den Namen Kathodenstrahlen erhalten hat. Ihre lebendige 
Kraft wird groß genug sein, um beim Zusammenstoß mit neutralen Molekülen 
Ionisation hervorzurufen; durch diese Stoßionisation wird eine Leuchterscheinung 
zu Tage treten können, und tatsächlich beobachtet man unmittelbar an der Ober- 
fläche der Kathode eine helle Lichtschicht (Stelle a in der Figur). Durch den Zu- 
sammenprall mit den neutralen Molekülen haben die Elektronen natürlich erheblich 
an Geschwindigkeit eingebüßt und werden daher erst eine gewiße Strecke zurück- 
legen müssen, bis ihre kinetische Energie groß genug geworden ist, um von neuem ` 
Ionisation hervorzurufen. Dadurch entsteht dann wieder ein zweiter leuchtender 
Bezirk (b in der Figur), von dem ersten durch ein dunkles Gebiet getrennt. Die 
durch den Stoß frei gewordenen Elektronen vereinen sich nun mit den ursprüng- 
lichen und setzen mit diesen gemeinsam den von der Kathode abgewandten Weg 
fort. Jetzt durchlaufen die Elektronen eine verhältnismäßig lange Strecke, den 
Faradayschen dunklen Raum (c in der Figur) bis sie wieder im Stande sind, 
eine ionisierende Wirkung auszuüben und das sogenannte positive Licht (d in 
der Figur) zu bilden. 


— 266 — 


Verfolgen wir nun weiter die Wirkung der Kathodenstrahlen, so beobachten 
wir, daß bei genügend hohem Vakuum die positive Lichtsäule immer mehr zu- 
rücktritt und das betreffende Gefäß mit grünlichem Licht erfüllt ist, die gegen- 
überliegende Glaswand wird zu lebhafter Fluoreszenz erregt. Bringt man einen 
Metallkörper in den Strahlengang, so wirft er einen deutlichen Schatten, ein 
klarer Beweis, daß die Kathodenstrahlen den Körper nicht zu durchdringen 

vermögen. Ferner zeigte Crooks bereits die drehende Wirkung, die die Ka- 
 thodenstrahlen auf ein leicht bewegliches Rädchen ausüben können, ferner 
können die Kathodenstrahlen durch geeignete Anordnung der Elektroden außer- 
ordentlich hohe Wärmegrade erzeugen, sogar Platin zum Schmelzen bringen. 
Diese Erscheinungen ließen sich schon schwer mit einer Auffassung der Ka- 
thodenstrahlen als Schwingungsvorgänge vereinigen, ausschlaggebend aber 
waren die Versuche Perins, der die Kathodenstrahlen auf einen in der Ent- 
ladungsröhre angeordneten Käfig wirken ließ. und feststellte, daß der Käfig 
dabei negativ geladen wurde, ein deutlicher Beweis dafür, daß man es hier mit 
der Abschleuderung negativ geladener Körperchen 
zu tun hatte. Es war das das erste Anzeichen für 
die tatsächliche Existenz strahlender Materie. 

Was wird nun aus den Kathodenstrahlen, 
wenn sie auf einen Körper treffen? Geben sie 
ihm restlos ihre negative Ladung ab oder bringen 
sie vielleicht sekundäre Effekte, ähnlich der be- 
reits geschilderten ionisierenden Wirkung hervor? 
Man hat tatsächlich das Auftreten sekundärer 
Strahlen feststellen können, und zwar eine Art’ 
Reflexion der Kathodenstrahlen; denn die ausge- 
sandten Strahlen zeigen ebenfalls negative Ladung, 
sind aber von geringerer Intensität und Geschwin- 
digkeit, sonst jedoch den Kathodenstrahlen völlig 
gleichwertig. 

Röntgen machte nun die Entdeckung, daß 
von der durch die Kathodenstrahlen zur Fluo- 
reszenz erregten Glaswand nicht allein Strahlen 
ins Innere der Röhre reflektiert werden, son- 
dern daß auch eine prinzipiell verschiedene 
Strahlenart von der Glaswand ausgesandt wird. Die Wirkungsweise der Röntgen- 
strahlen ist ja zu bekannt, als daß ich auf sie hier noch näher einzugehen 
brauchte. Sie besitzen ein außerordentlich großes Durchdringungsvermögen, 
das für die dichteren Körper schwächer ist als für die weniger dichten. Darauf 
beruht die Möglichkeit, photographische Aufnahmen von röntgendurchstrahlten 
Körpern zu machen. In Fig. 4 ist eine Röntgendurchleuchtung wiedergegeben. 

Die Natur der Röntgenstrahlen ist bisher noch nicht mit Sicherheit fest- 
gestellt. Jedenfalls bestehen sie nicht in periodischen Ätherschwingungen wie 
die Lichtwellen, führen aber auch keine nachweisbare Ladung mit sich, wodurch 
ihr materieller Ursprung sichergestellt wäre. Die plausibelste und zurzeit von 
den meisten Physikern vertretene Ansicht ist die, daß durch das Auftreffen der 
Elektronen auf einen Körper plötzliche und sehr intensive Ätherimpulse ent- 
stehen, die die Röntgenstrahlen bilden; sie beständen also aus einer Folge 
solcher Impulse, nicht aber aus periodischen Schwingungen. 


Fig. 4. 


— 27 — 


So erklart die Elektronentheorie in zufriedenstellender Weise diese merk- 
würdige Erscheinung der Kathodenstrahlen, zeigt, daß sie negative Ladung mit 
sich führen und wie ein elektrischer Strom ebenfalls ein Magnetfeld erzeugen 
müssen. Man darf daher erwarten, daß durch Erregung elektrischer und mag- 
netischer Felder auch umgekehrt auf die Kathodenstrahlen eine Wirkung aus- 
geübt wird, und das ist in der Tat der Fall. Gerade der Nachweis dieser Wirkung 
bildet die beste Stütze für die Richtigkeit unserer Auffassung über das: Wesen 
der Elektronen, und auf ihr beruhen die interessantesten und glänzendsten 
Resultate des Studiums über die Strahlung der Materie. 

Diese Erscheinungen lassen sich am besten an der Braunschen Röhre 
untersuchen, wie sie in Fig. 5 und 6 wiedergegeben ist. In einer auf etwa 
Ia mm Druck evakuierten Röhre ist vor der 
Kathode eine mit einer Öffnung versehene Alu- 
miniumscheibe angebracht, sodaß von hier aus 
ein feines Kathodenstrahlbündel ausgeht. Die 
Kathodenstrahlen fallen auf den Fluoreszenz- 
schirm und erzeugen hier einen deutlich sicht- 
baren Fleck. Nähert man der in Betrieb ge- 
setzten Röhre einen Magneten, so beobachtet 
, man eine Ablenkung der Strahlen in demselben 
_ Sinne, als wenn sie aus einem entsprechenden 
biegsamenStromfaden beständen. Für die elektro- 
statische Ablenkung ist im inneren der Röhre 
noch ein Plattenpaar angebracht, zwischen dem ein elektrisches Feld erzeugt 
werden kann. Die Ablenkung entspricht in diesem Fall auch wieder vollkommen 
der Auffassung der Kathodenstrahlen als einer elektrischen Strömung. Man 
kann nun die Intensität des zur Ablenkung benutzten magnetischen und elek- 
trischen Feldes genau bestimmen, ebenso die Spannungsdifferenz an den Enden 
der Röhre und die erhaltene Ablenkung messen. Die Beziehungen zwischen 


diesen Größen führen dann zu dem wiederholt erwähnten Wert = für die Ka- 


thodenstrahlen, der zu 2.107 elektromagnetische Einheiten ermittelt wurde. 
Wilson und J.J. Thomson stellten dann durch weitere Versuche direkt fest, 
daß die Kathodenstrahlen tatsächlich ebenfalls ein Elementarquantum mit sich 
führen, und dieses wichtige Resultat führte zu dem Schluß, daß die Kathoden- 
strahlen durch freie negative Elementarquanten, Elektronen, gebildet wurden. 
Wie steht es nun aber mit den Trägern dieser elektrischen Grundladung selbst, 
welche Vorstellung müssen wir uns von ihrer Masse machen? Ihre Masse ist 
ja nach diesen Ergebnissen 2000mal kleiner als die des Wasserstoffatoms, aber 
weitere Untersuchungen zeigten, daß diese Masse nicht konstant ist, sondern 
sich als abhängig von der Geschwindigkeit erweist, mit der die Elektronen sich 
bewegen. Dieses Resultat muß auf den ersten Blick sehr befremdend er- 
scheinen, ist doch gerade das Gesetz von der Konstanz der Masse eine der 
fundamentalsten physikalischen Grundaxiomen. Erklärlich wird jedoch diese 
Erscheinung, wenn man berücksichtigt, daß man es hier mit außerordentlich 
schnell bewegten elektrischen Ladungen zu tun hat. Es läßt sich in der Tat 
nachweisen, daß, wenn ein geladener Körper sich mit großer Geschwindigkeit 
bewegt, auch sein Trägheitswiderstand ein größerer ist, als wenn er keine Ladung 
besitzt. Diese Zunahme an Trägheitswiderstand besteht aber nicht in einem 


— 268 — 


Wachsen an mechanischer Masse, sondern ist rein elektromagnetischen Ur- 
sprungs, da ja ein geladener mit einer gewissen Geschwindigkeit sich be- 
wegender Körper ein Magnetfeld um sich erzeugt und dieses Magnetfeld einen 
hemmenden Einfluß auf ein Wachsen der Geschwindigkeit ausübt. Diese zu- 
erst von Kaufmann an den $-Strahlen angestellten Versuche, zu denen in 
letzter Zeit noch eine Reihe anderer getreten sind, führen somit zu dem höchst 
merkwürdigen Resultat, daß die Masse der Elektronen ganz oder doch wenigstens 
zum größten Teil nicht in mechanischer Masse besteht, sondern rein oz 
magnetischer Natur ist. 

Die Hauptkennzeichen der Kathodenstrahlen bestehen also darin, daß sie 
durch negative Elektronen gebildet werden, die sich mit einer der Licht- 
geschwindigkeit sehr nahe kommenden von der Kathode zur Anode bewegen; 
sie besitzen in hohem Maße die Eigenschaft, beim Zusammenstoß mit den neu- 
tralen Molekülen des Gases diese in zwei entgegengesctzt elektrische Teile zu 
spalten, d. h. das Gas durch Stoß zu ionisieren, cin Vorgang, der von einer leb- 
haften Leuchterscheinung begleitet ist. Ist das Gas, in dem die Entladungen 
vor sich gehen, sehr stark verdünnt, so rufen die Kathodenstrahlen ein sehr in- 
tensives Fluoreszenzlicht der der Kathode gegenüberliegenden Glaswand hervor 
beim Auftreffen auf einen Körper erzeugen sie ferner 
Sekundärstrahlen, gewissermaßen neue Kathoden- 
strahlen, die nur. geringere Geschwindigkeit als die 
ursprünglichen besitzen. Ferner sind sie noch im- 
stande, einen ganz andersartigen Strahlungstyp beim 
Aufprallen auf ein Hindernis hervorzurufen, die 
Röntgenstrahlen, die selbst aller Wahrscheinlichkeit 
nach in Ätherimpulsen bestechen. 

Nachdem das Auftreten negativer Strahlen in den 
Entladungsröhren einwandsfrei nachgewiesen war, cr- 

schien die Existenz positiver 
Strahlen sehr wahrscheinlich, 
und es gelang gleichfalls ihr 
Vorhandensein in verschiede- 
nen Formen nachzuweisen. 

Wie schon mehrfach er- 
wähnt, rufen die Kathoden- 
strahlen durch den Zusammenstoß mit neutralen Molekülen eine Zerlegung 
dieser in negative Elektronen und positive Ionen hervor, die abgespaltenen 
negativen Elektronen werden von den kathodenstrahlen mit fortgerissen, während 
die zurückbleibenden positiven Ionen von der Kathode angezogen werden und 
auf sie zueilen. Goldstein gelang es zuerst, diese positiven Strahlen einer ein- 
gehenden Prüfung zugänglich zu machen, indem er die Kathode in den mittleren 
Teil des Entladungsrohrs verlegte und diese Kathode mehrfach durchbohrte. 
Dann beobachtet man bei genügend hoher Verdünnung, wie von den „Kanälen“ 
der Kathode ein rötliches Strahlenbündel auszugehen scheint, wie Fig. 7 an- 
deutet. Infolge dieses ihres scheinbaren Ursprungs erhielten diese Strahlen 
den Namen Kanalstrahlen. Erst kürzlich hat Goldstein!) andere einfachere 
Formen der Kathode angegeben, die das Auftreten dieser positiven Strahlenart 


Fig. 7 


') Goldstein, Verhandlungen der Deutschen physikalischen Gesellschaft 1910. 


— 29 — 


ebenfalls zu erkennen gestatten. Fig. 8 zeigt deutlich das Auftreten der 
Kanalstrahlbündel BB zu beiden Seiten der als Kathode dienenden Drähte. 
Um den Charakter dieser Strahlung festzustellen, bediente man sich 
ganz derselben Methode, die auch beim Studium der Kathodenstrahlen 
angewandt wurde, also der elektromagnetischen und elektrostatischen 
Ablenkung. Das Resultat dieser Untersuchungen war, daß die Kanal- 
strahlen tatsächlich positive Ladung mit sich führen, doch daß der für sie 


charakteristische Wert = ca. 10? elektromagnetische Einheiten betrug, keines- 


falls aber größer war, so daß die Kanalstrahlen als positive Ionen gekenn- 
zeichnet sind. Über die Konstitution dieser Strahlen stellte J. J. Thomson 
sehr eingehende Untersuchungen an und gelangte zu dem beachtenswerten Er- 
gebnis, daß sie in sehr stark verdinnten Gasen aus Teilchen mit Massen von 
zweierlei Größe beständen, nämlich aus Massen von der Größe des Wasser- 
stoffatoms und von doppelter Größe. Hieraus zog J. J. Thomson den Schluß, 
daß die Kanalstrahlen aus positiv geladenen Wasserstoffatomen und Helium- 
atomen bestanden, welch letztere mit einer doppelten Ladung ausgestattet waren, 
sie wären dann mit denjenigen Ionen identisch, aus denen nach der jetzigen 
Auffassung die «-Strahlen der radioaktiven Substanzen bestehen. Doch scheint 
diese Auffassung bisher nicht genügend experimentell gestützt, um als Tatsache 
gelten zu können, wenn sie auch große Wahrscheinlichkeit für sich hat. Ferner 
hat man beobachtet, daß auch sogenannte rückläufige positive Strahlen in den 
Entladungsröhren auftreten, die sich in umgekehrter Richtung von der Kathode 
fortbewegen. Ihre Entstehungsmöglichkeit ist eine noch durchaus nicht ent- 
schiedene Frage, man kann nur sagen, daß sie von positiven Ionen ge- 
bildet werden, die von der Kathode zurückprallen, höchstwahrscheinlich 
infolge des starken Freiwerdens dieser Ionenart in der zweiten negativen 
Schicht. 

Wenn man die Entladungserscheinungen in verdünnten Gasen, besonders 
unter bestimmten Versuchsbedingungen, aufmerksam verfolgt, so bemerkt man, 
daß die Verschiedenheiten der Erscheinungen in der unmittelbaren Nähe beider 
Elektroden durchaus nicht so tiefgehend sind, wie es zunächst den Anschein 
hat. So besteht ebenfalls ein dunkler Anodenraum, der dem Kathodenraum 
schr ähnlich, wenn auch weit weniger ausgeprägt ist, und so läßt sich denn 
auch die Existenz von Anodenstrahlen denken, die 
ganz ähnliche Wirkungen wie die Kathodenstrahlen 
auszuüben imstande sind. Schon früher hatte man 
mehrere, wenn auch unsichere Anzeichen für diese 
Strahlenart gehabt, aber erst kürzlich ist es Gehrke 
und Reichenheim gelungen, eine Methode zu 
finden, die Anodenstrahlen in den üblichen Ent- 
ladungsröhren deutlich sichtbar zu machen. Sie 
verwenden hierzu eine Röhre von der Form Fig. 9. 
An der Stelle A ist eine Paste aufgetragen, die aus einem Gemisch eines geschmol- 
zenen Alkalisalzes und Graphitpulver besteht und durch einen Draht positiv geladen 
werden kann, dic Kathode befindet sich bei C. Von A geht dann ein Strahlen- 
bündel aus, das sich durch elektrische und magnetische Ablenkungen sowie 
durch spektroskopische Untersuchung als ein Strom von positiven Ionen des in 
der Anode enthaltenen Alkalimetalls ergibt. Nicht nur dadurch unterscheiden 


— 260 — 


sich die Kanal- und Anodenstrahlen wesentlich von den Kathodenstrahlen, daß 
sie aus einer Ionenstranlung bestehen, sondern infolge ihrer Entstehungsweise 
legen sie ihren Weg teils als positive Ionen teils als neutrale Moleküle zurück; 
ein weiterer sehr wesentlicher Unterschied besteht ferner in den von ihnen her- 
vorgerufenen Leuchterscheinungen Ihr Licht kommt nämlich nicht durch Stoß- 
ionisation zustande, sondern sie sind, wie Stark entdeckte, von selbst leuchtend, 
bewegen sich also wie Lichtquellen im Raum. Denn betrachtet man das von 
ihnen ausgehende Licht im Spektroskop, so treten die charakteristischen Spektral- 
linien des betreffenden Gases, jn dem die Entladung vor sich geht, auf, aber sie 
erscheinen verbreitert und je nach der Richtung des Spektroskops nach der 
violetten oder roten Seite verschoben. Die sich hierauf gründende Methode, 
ihre Geschwindigkeit zu bestimmen, beruht also auf dem Dopplerschen Prinzip, 
das ja in der Astronomie zur Bestimmung der Eigengeschwindigkeit von 
Sternen eine so ausgedehnte Anwendung gefunden hat. Das Resultat dieser 
Untersuchungen war, daß sich ein Teil dieser positiven Strahlen nur mit ge- 
ringer Geschwindigkeit bewegt, ein anderer aber mit recht erheblicher, der an 
die der Kathodenstrahlen heranreicht. | 

Das Studium der bei den Gasentladungen beteiligten positiven Strahlen 
hat also ergeben, daß sie jedenfalls von positiven Ionen gebildet werden, deren 
Masse unter allen Umständen mindestens von der Größe des Wasserstoffatoms 
ist. Wie steht es nun mit den positiven Elektronen? Sollte es nicht ebenso 
wie negative auch positive Elektronen geben? Allerdings schienen einige Beob- 
achtungsresultate von Lilienfeld und Becquerel auf die Existenz von posi- 
tiven Ionen hinzudeuten. Aber diese Ergebnisse lassen teils auch eine andere 
Deutung zu, teils waren die betreffenden Versuchsbedingungen zu kompliziert, 
um mit Sicherheit die Existenz auch dieser Strahlenart behaupten zu können. 
Allerdings gibt es auch verschiedene eigenartige Erscheinungen beim Einwirken 
eines starken Magnetfeldes auf stromdurchflossene Leiter, die nach dem heutigen 
Stande der Forschung nur durch die Strömung positiver Elektronen erklärlich 
scheinen, aber ein zwingender Beweis für ihr Vorhandensein ist bisher nicht 
erbracht, und es bleibt dies einstweilen noch eine offene Frage. 

Aber man bedarf garnicht des Nachweises positiver Elcktronen, um die 
elektromagnetischen Erscheinungen vom Standpunkt der Elektronentheorie, bis 
auf die cbenerwähnten vorläufig noch ungeklärten Verhältnisse, befriedigend 
darstellen zu können, sondern es läßt sich zeigen, daß tatsächlich die Existenz 
der negativen Elektronen vollkommen ausreichend ist, und von diesem unita- 
rischen Gesichtspunkt aus hat dann auch H. A. Lorentz die Elektronentheorie 
durchgebildet. 

Jedenfalls spielen die negativen Elektronen, wie wir gesehen haben, eine 
außerordentlich bevorzugte Rolle, nicht allein bei den Gasentladungen, sondern 
vor allem auch im Gebiet der Optik. Daher erklärt sich auch die schon vorhin 
erwähnte Auffassung, daß in letzter Instanz die Atome selbst durch verschiedene 
Konfigurationen negativer Elcktronen gebildet würden, und dieser Annahme wird 
durch die Ergebnisse der radioaktiven Forschung eine gewichtige Stütze ver- 
liehen; wie aber auch die weitere Untersuchung über die Frage nach den posi- 
tiven Elektronen ausfallen mag, die fundamentale Bedeutung der negativen 
Elektronen kann in keiner Weise erschüttert werden. (Schluß folgt.) 


WW 


— 261 — 


Der Sestirnte Mimmel im Monat Juli 1911. 
Von Dr. F. S. Archenhold. 


Die Entwicklung der Doppelsterne. 


Unter den Problemen der Kosmogonie hat die Entwicklung der Doppelsterne erst in 
der neuesten Zeit die genügende Beachtung gefunden. Die älteren Anschaungen, wie 
die Kant-Laplaceschen, sind ausschließlich den im Sonnensystem beobachteten Ver- 
hältnissen angepaßt, wo wir einen überwiegenden Zentralkörper mit ganz kleinen Be- 
gleitern finden. Auf die Verhältnisse in den Doppelsternsystemen lassen sich indessen 
diese Anschauungen garnicht übertragen; nach den neueren Untersuchungen bestehen 
die meisten Doppelsterne aus zwei Körpern von derselben Masse und Farbe, und es 
geht hieraus schon deutlich hervor, daB der Entwicklungsgang bei den Doppelsternen 
ein ganz anderer ist. Die neueren Untersuchungen über die Gleichgewichtsfiguren von 
Flüssigkeiten haben indessen schon etwas Licht auf die Entwicklung dieser prachtvollen 
Sonnensysteme geworfen. 

Wie bekannt hat schon Maclaurin gezeigt, daß eine schnell rotierende Flüssig- 
_keitsmasse sich stark abplatten muß; wenn eine solche Masse sich durch Abkühlung 
zusammenzieht, wird die Rotation schneller und zuletzt werden vom Äquator Teilchen 
abgeschleudert. Diese Abtrennung hat Plateau durch Versuche mit Öltropfen nach- 
ahmen können (obgleich die wirkenden Kräfte andere sindı und man hat daher den 
Schluß gezogen, daß eine rotierende flüssige Masse immer solche Äquatorringe abscheiden 
müsse, obgleich die Sache noch nicht mathematisch festgestellt worden ist. Auf diese 
Weise würde sich vielleicht die Entwicklung des Sonnensystems erklären lassen, mit 
den beobachteten Verhältnissen in den Doppelsternen sind sie aber ganz unvereinbar. 

Jacobi hat indessen gezeigt, daB es gewisse Ausnahmefälle gibt, die für. das 
Studium der Doppelsterne von der größten Bedeutung sind. Er hat gefunden, daß eine 
rotierende Flüssigkeitsmasse unter gewissen Umständen eine unsymmetrische Figur an- 
nehmen kann, indem der „Äquator“ elliptisch werden kann (Ellipsoide mit drei Achsen). 
Poincare hat die hierdurch aufgeworfene Frage weiter verfolgt, er hat dadurch — 
gleichzeitig mit Darwin — die für die Doppelsterne astronomisch wichtige Entdeckung 
gemacht, daß es auch „birnenförmige“ Gleichgewichtsfiguren gibt. Das ursprüngliche 
Ellipsoid verlängert sich in einer bestimmten Richtung zu einer Beule, als ob sich die 
Masse bei größerer Geschwindigkeit in zwei gleich große Komponenten teilen würde. 
Wir können hieraus vielleicht den Schluß ziehen, daß eine flüssige inkompressible Masse 
sich in zwei Massen von derselben Größenordnung teilen werde. 

Die Untersuchungen von Poincare verfolgen die Entwicklung der Nebel von dem 
Urzustande bis zu der kritischen Periode, wo die Teilung vorbereitet wird. Die Unter- 
suchungen Darwins verfolgen dagegen die Entwicklung rückwärts; er geht von dem 
gegenwärtigen Zustande der Doppelsterne aus und versucht durch numerische Rechnung 
die Entwicklung des Systems rückwärts zu verfolgen. Aber auch seine Untersuchungen 
reichen nicht bis zur Trennung zurück. Zwischen der Phase, wo die Untersuchungen 
Poincares abbrechen, und derjenigen, wo die Untersuchungen von Darwin eingreifen, 
besteht also eine Lücke, die bisher noch nicht ausgefüllt worden ist, und es ist sogar 
die Vermutung ausgesprochen worden, daß die „Birne“ Poincares vielleicht sich gar- 
nicht in den Darwinschen Doppelstern überführen läßt, sondern daß vielmehr die „Birne“ 
sich in einzelne Molekeln auflösen wird. 

Die Untersuchungen Poincares und Darwins sind nur als Lösungen einer be- 
stimmten mathematischen Aufgabe zu betrachten; ihre Voraussetzungen entsprechen 
durchaus nicht der wahren Konstitution der Gasnebel bezw. der Doppelsterne In der 
Analyse werden die Nebel als inkompressible und homogene Massen betrachtet; die 
wirklichen Nebelflecke sind aber äußerst kompressibel und besitzen sehr dichte Kerne. 
Es bleibt daher noch immer eine offene Frage, in welcher Weise eine rotierende Gas- 
masse, die sich durch Wärmeabgabe zusammenzieht, zerfällt. 


— 262 — 


Die Untersuchungen über die Gleichgewichtsfiguren von solchen Gasmassen sind 
leider äußerst kompliziert, und es ist noch niemandem gelungen, eine allgemeine Lösung 
dieser für das Studium der Doppelsterne so wichtigen Frage zu geben. Indessen ist es 
doch möglich, eine annähernd richtige Lösung zu erhalten, wenn man sich auf Gaskugeln 
beschränkt, deren Verhältnisse sich nur wenig von den oben erwähnten idealen entfernen, 
und in der neuesten Zeit ist mehrfach der Versuch gemacht worden, den Übergang von den 
„idealen“ auf die tatsächlichen im Weltenraume herrschenden Verhältnisse zu machen. 
Über diese Versuche, die zunächst mehr Spekulationen als Resultate exakter Unter- 
suchungen sind, verbreitet sich Henry Norris Russel in einer Abhandlung über den 
Ursprung der Doppelsterne im Astrophysical Journal, April 1910. 


Über die Gleichgewichtsfiguren von rotierenden Gasmassen wissen wir einerseits, 
daß die Abplattung durch das Vorhandensein eines centralen Kerns verringert 
wird, wodurch die Auflösung der Masse verhindert wird. Auf der anderen Seite hat in- 
dessen Jeans!) gezeigt, daß die Kompressibilität der Gase im entgegengesetzten Sinne 
wirken müsse, indem die äußersten Schichten die „Birnenform“ annehmen; die Tiefe der 
Einschnürung bei gegebener Rotationszeit usw. wird daher natürlich sowohl von der Dichte- 
als der Temperaturzunahme innerhalb der Gasmasse abhängen. Da die Untersuchungen 
über die späteren Phasen der Entwicklung eines solchen Systemes nicht mathematisch 
durchgeführt worden sind, bleibt leider noch eine große Unsicherheit über die wahre 
Entwicklung einer unter Wärmeabgabe rotierenden Gasmasse. Darwin selbst meint 
in seinem Werke (The Genesis of double stars 19(9): 

„Ursprünglich muß der Stern einfach gewesen sein, er muß sich dann ausgebreitet 
und eine langsame Rotation angenommen haben. In diesem Zustande muß die Schicht 
von gleicher Dichtigkeit von planetarischer Form gewesen sein. In dem Maße, wie sich 
der Stern abkühlte und zusammenzog, muß die Rotationsachse geschwankt haben eben 
durch die Wirkung der Gravitation und vielleicht auch durch die zunehmende Schnelligkeit 
derselben. Die Schicht von gleicher Dichtigkeit mußte dann birnenförmig werden und 
sich später wie eine Sanduhr zusammenziehen, mehr im Inneren als im Äußeren. 
Die Zusammenziehungen der auf einanderfolgenden Schichten, fangen dann von innen 
nach außen zu platzen an, und wenn dann schließlich dieser Prozeß bis zum Schluß 
vor sich gegangen ist, haben wir die beiden Sterne, wie sie von Roberts und von 
anderen geschildert werden.“ 

Chamberlin dagegen spricht die Änstehi aus, daß bei gesteigerter Rotations- 
geschwindigkeit die Gaskugeln ihrem äquatorialen Teile Molekel nach Molekel abgeben 
müssen, und ebenso meint Moulton, daß cine große Gefahr vorhanden sei, daß die „Birne“ 
sich in zahlreiche kleine Massen auflöst, woraus er u. a. folgert, daB die Doppelsterne 
sich aus Nebeln mit mehreren Kernen entwickelt haben müssen, falls sie überhaupt von 
Nebeln erzeugt worden sind. Aus diesen abweichenden Anschauungen hervorragender 
Forscher geht schon hervor, daß die Theorie hier auf unsicherem Boden steht; die 
Analyse liegt noch wie ein unbekanntes Nebelland vor uns. 

Unter diesen Verhältnissen, sagt Roberts, muß die Entscheidung weiteren Beobach- 
tungen überlassen werden. Die Konstitution der sehr engen Doppelsterne, die sich durch 
periodische Lichtschwankungen verraten, liefert keinen Probierstein; nur die Tatsache, 
daß die Masse der beiden Komponenten gewöhnlich von derselben Ordnung ist, spricht 
zu gunsten der Darwinschen Spaltungstheorie. Wenn wir aber zu den mehrfachen 
Sternen übergehen, wird die Sachlage eine andere. 

Es scheint a priori unmöglich, daß mehrfache Systeme, die sich von unabhängigen 
Kernen ausgebildet haben, bestimmte Beziehungen zwischen Distanzen und Maßen zeigen 
sollten. Wir müssen vielmehr eine rein zufällige Gruppierung erwarten. Nach der 
Darwinschen Theorie müssen dagegen bestimmte Relationen vorhanden sein, denn die 
Entwicklung der mehrfachen Sterne muß nach dieser Theorie nach festen dynamischen 
Gesetzen fortschreiten, und wir müssen daher (trotz der zahlreichen Abweichungen, die 


') Philos. Trans A. 199. S. 1-53 (1902). 


— 23 — 


durch Spezialfälle der Störungen entstehen können) in dem gegenwärtigen Zustande der 
mehrfachen Sterne noch die Spuren dieser Gesetzmäßigkeiten nachweisen können. 

Wenn ein Nebel in zwei Komponente zerfallen ist, erzeugt der Hauptstern sofort 
eine enorme Flutwelle auf der Oberfläche des Begleiters und umgekehrt. Wenn die 
Massen sich zusammenziehen, wird ihre Rotation schneller werden und die Gezeiten 
werden nach und nach die Energie der Rotation in Umlaufsenergie umsetzen. Dasselbe 
Spiel wiederholt sich, wenn der Begleiter sich teilt. 


Der Sternenhimmel am 1. Juli 1911, abends 10 Uhr. 
Fig. 1. 


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(Polhöhe 521/,¢) 


Aus dem Umstande, daß die Bewegungs - Energie des Systems vor und nach den 
Teilungen dieselbe sein muB, ergeben sich dann gewisse Beziehungen zwischen den 
Distanzen der beiden Paare. Russel findet, daß die Distanz s, der beiden Komponenten 
des Begleiters etwa 10mal kleiner sein muß, als die Distanz s, von dem Hauptstern. Dies 
liefert uns ein Mittel zur PANNE der Spaltungstheorie, und Russel findet in der Tat, 


daß die Häufigkeit der Werte = — bei 74 dreifachen Systemen sehr gut mit seinen Angaben 
übereinstimmen, wie folgende Tabelle zeigt: 


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5 
kl 


ah 
12 


S = Sonne. M = Mond. Me = Merkur. V = Venus. Ma = Mars. 


SS), Beobachtung Theorie 

Ueber 0,4 1 1 
0,4 bis 0,30 2 2 
0,3 - 0,20 3 é 
02 - 0,15 5 4,5 
0,15 - 0,10 8 9,5 
0,10 - 0,05 17,5 16 
0,05 - 0,025 14,5 | 8 
unter 0,025 13 1 


Die Verteilung stimmt also gut mit Russels Theorie überein. 

Aus der Spaltungstheorie folgt ferner, daß alle drei Komponenten sich in derselben 
Richtung bewegen müssen. Von der Erde gesehen, müssen daher die Bahnbewegungen im 
allgemeinen auch in demselben Sinne gehen; da jedoch die Bahnebenen nicht zusammen- 
zufallen brauchen, können die Ebenen auch auf entgegengesetzte Seiten von der Erde ge- 
sehen fallen und die Komponenten daher scheinbar in entgegengesetztem Sinne laufen. 
Unter den 8 dreifachen Paaren, bei denen alle drei Sterne merkbare Bewegungen haben, 
laufen die Komponenten in demselben Sinne bei 7, eine Tatsache, die ebenfalls zu Gunsten 
der Spaltungstheorie spricht. 

Da die Spaltungstheorie also Tatsachen erklärt, welche der „Zerstäubungs- 
theorie“ (Moulton) große Schwierigkeiten bereiten, dürfte es sich lohnen, auch die 
Argumente gegen diese Spaltungstlieorie näher zu betrachten. 

| Über die Stabilität solcher geteilten Massen, deren Existenz hier postuliert worden 

ist, besitzen wir keine theoretischen Kenntnisse wegen der Schwierigkeit der Analyse. 
Russel meint jedoch, daß die schon vorhandenen Tatsachen es wahrscheinlich machen, 
daß „Birnenformen“ von kompressiblen Gasen stabil sein können. Hierfür sprechen 
u. a. die Untersuchungen über ß-Lyra. Wir können daher die Stabilität als gesichert 
ansehen, bis das Gegenteil ınathematisch bewiesen wird. 

Chamberlins ‚loss of gas“ findet wohl statt, aber dann müßten gerade Helium 
und Wasserstoff, die leichtesten Gase, am ersten verschwinden. Die spektroscopischen 
Beobachtungen von $-Lyrae lehren uns aber gerade, daß dieser Stern sehr reich an He 
und H ist. Die Tatsache, daß Wasserstoff nie in den Sternspektren fehlt, zeigt, daß der 
vermutete Verlust an Gas keine Rolle in der Entwicklung der Sterne spielt; denn wäre 
der Wasserstoff im Äquator abgeschleudert, müßten seine Linien bei fast allen Sternen fehlen. 


„l für den Monat Juli 1911. 
| Fig. 2a. Nachdruck verboten. 


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J = Jupiter. Sa = Saturn. U = Uranus. N = Neptun. 


Gegen die Spaltungstheorie hat Moulton den Einwurf gemacht, daß die reinen 
Doppelsterne gegenwärtig eine große Dichte besitzen, weshalb sie eine enorme Kontraktion 
erlitten haben müßten. Mit dieser Kontraktion wäre aber eine Zunahme der Rotations- 
geschwindigkeit verbunden, welche die schon gefährliche Tendenz zur Spaltung steigern 
müßte. Die Ungleichheit ist daher vorhanden, daß die „Birne“ nach der Teilung in 
zahlreiche Fragmente zerfällt. 

Herr Russel bemerkt hierzu, daß die Vorgänge in erster Linie von der Dichte der 
Gase abhängen. Nun gibt es bei gleicher Dichte und Rotationszeit mehrere Gleich- 
gewichtsfiguren; z. B. ist das dreiaxige Ellipsoid, gerade bevor es in Birnenform übergeht, 
so stark abgeplattet, daB seine große Axe 2,90 mal größer ist, als seine kürzeste, die 
Rotationsaxe; aber bei derselben Dichte und Rotationszeit gibt es noch eine zweite, sehr 
stabile Gleichgewichtsfigur, ein zweiaxiges Ellipsoid, dessen Aquatorialradius 1,42 mal 
größer als sein Polarradius ist. Bei gleicher Masse will das Sphäroid, wie Russel zeigt, 
erst die ellopsoidale Figur annehmen, wenn seine Dichte 22 mal größer geworden ist. 

Dieser Fall erinnert an die Verhältnisse bei der Spaltung. Vor der Spaltung ist 
die ganze Masse einer „Sanduhr“ ähnlich; nach der Spaltung teilt sie sich in zwei 
eiförmige Massen. Die Dichte und Rotationszeiten sind praktisch unverändert. Da die 
Sanduhrfigur das größte Moment besitzt, müssen die Eierfiguren eine frühere Phase 
darstellen und sich viel mehr verdichten, bevor sie sich teilen als die Sanduhrfiguren. 

Russel meint sogar, daß die Dichte so groß sein muß, daß die Gesetze der Gase 
ungültig werden. Bei der Teilung muß die Dichte viel kleiner als amtosphärische Luft 
gewesen sein. 

Die weiten unregelmäßigen Sterngruppen innerhalb der großen Nebel, wie z. B. das 
Trapez im Orion, mögen vielleicht durch die „Kerntheorie* erklärt werden. Die Haupt- 
masse der Doppelsterne müssen aber, wie die statistische Prüfung der dreifachen Sterne 
zeigt, sich durch wiederholte Teilung gebildet haben, und diese Spaltungstheorie können 
wir als eine „Arbeitshypothese“ benutzen, solange dieselbe nicht durch neue Be- 
obachtungen bezw. theoretische Tatsachen widerlegt wird. Ja, die Spaltungstheorie allein 
gibt uns eine ausreichende Erklärung für die Bildung der mehrfachen Sternsysteme. 


Der Lauf von Sonne und Mond. 


Die Sonne ist wieder für den 1., 15. und 31. Juli in unsere Karte 2a eingezeichnet. 
Andere wissenswerte Daten gibt uns folgende Tafel: 


20° 


— 266 — 


Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshdhe 
Juli 1. + 23° 11’ 35 49m morgens 86 30m abends 601/,° 

- 15. + 21° 41’ 4b 3m - 8b 21 - 591/, 

- $i. + 18° 30’ 4b 25m - Th 59m - 56° 


Mond. Die Hauptphasen des Mondes, dessen Lauf für die Mitternacht des 1., 3, 
5. usw. wieder in unsere Karten 2a und 2b eingetragen ist, fallen auf folgende Tage: 
Erstes Viertel: Juli 3. 10b morgens. Letztes Viertel: Juli 19. 6b morgens. 
Vollmond: - 11. 2" nachm. Neumond: - 25. Ob abends. 


Im Monat Juli findet eine Sternbedeckung statt: 


| | | | ntergang 
D D oe D 3h 44m5 | | 4h 24m 1 D Led N 
Juli 12 w Sagittarii 5,0 119h 50m | —260 32 morgens | 6° | morgens pons E 


Die Planeten. 


Merkur (Feld 61/,5 bis 10'/, 5) steht am 4. Juli in oberer Konjunktion mit der Sonne, 
ist also voll beleuchtet. Der Durchmesser beträgt zu Anfang des Monats 5” am Ende 6,1. 
Am 27. Juli steht Merkur in Konjunktion mit dem Monde und am 29. 10’. nördlich von 
Regulus. Wegen seiner großen Sonnennähe bleibt er für das unbewaffnete Auge 
unsichtbar. 

Venus (Feld 9°/,b bis 11!/,5) ist zu Anfang des Monats 1!/, Stunden und zuletzt nur 
noch eine Stunde als Abendstern am Westhimmel sichtbar. Ihr beleuchteter Teil nimmt 
von 0,53 bis 0,34 ab. Ihr Durchmesser nimmt von 22',5 auf 32,9 zu. Am 6. Juli steht sie 
37‘ nördlich von Regulus und am 7. Juli erreicht sie ihre größte östliche Abweichung von der 
Sonne (45° 29‘); am 28. Juli tritt sie in Konjunktion mit dem Monde. In unserem großen 
Fernrohr kann die Venus auch jetzt am Tage in großer Höhe beobachtet werden, und 
es ist hierbei von großem Vorteil, daß bei der Besichtigung der Venus mit unserem 
großen Fernrohr nicht die Temperaturdifferenzen, die bei anderen Fernröhren zwischen 
der in der Kuppel befindlichen Luft und der Außenluft hervortreten, das Bild verzerren. 
Jeder Beobachter, der mit kleineren Fernrohren die Venus zumeist unruhig sieht, ist 
über unser außerordentlich ruhiges Bild erstaunt. | 

Mars (Feld 1'/,h bis 21/,b) geht schon vor Mitternacht auf. Die Dauer seiner 
Sichtbarkeit beträgt am Ende des Monats bereits 4 Stunden; sein Durchmesser wächst 
von 8",7 auf 10”. An seinem Südpol ist trotz seiner großen Entfernung eine mächtige 
Eiskalotte jetzt gut sichtbar. Am 19. Juli tritt der Mars in Konjunktion mit dem Monde. 

Jupiter (Feld 141/,5) ist wegen seines südlichen Standes immer schlechter zu 
beobachten; am Ende des Monats beträgt die Dauer seiner Sichtbarkeit nur noch 
1!/, Stunden nach Sonnenuntergang. Sein Durchmesser nimmt von 38,5 auf 35,3 ab. 
Am 5. Juli wird der Mond gerade in der Mitte zwischen Jupiter und Spica, dem hellsten 
Stern in der Jungfrau, stehen. 

Saturn (Feld 3 bis 3'/,) ist anfangs nur 3/, Stunden, am Ende 3!/, Stunden lang 
am Morgenhimmel zu beobachten. Sein Durchmesser nimmt von 16” auf 17”,7 während 
des Monats zu. Am 20. Juli bilden Mond, Plejaden und Saturn eine ähnlich interessante, 
bemerkenswerte Konstellation wie am 5. Juli Jupiter, Mond und Spica. 

Uranus (Feld 20") ist während der ganzen Nacht zu beobachten. Sein Durchmesser 
beträgt 3,6. 

Neptun (Feld 7'/,5) ist während des ganzen Monats auch für die großen Fernrohre 
unsichtbar, da er am 14. Juli in Konjunktion mit der Sonne steht. 


Bemerkenswerte Konstellationen: 


Juli 1. 10" abends Mars in Sonnennähe. 
- 5. 10b vorm. Jupiter in Konjunktion mit dem Monde. 


— 267 — 


Juli 6. 35 morgens Venus 37’ nördlich von Regulus. 

- 7. 4b nachm. Venus in ihrer größten östlichen Abweichung (45° 29°). 
- 8 35 nachm. Merkur 2° 19’ nördlich von Neptun. 

- 14. 108 abends Neptun in Konjunktion mit der Sonne. 

- 19. 8 abends Mars in Konjunktion mit dem Monde. 

- 20. Mitternacht Saturn in Konjunktion mit dem Monde. 

- 21. 7b vorm. Uranus in Opposition mit der Sonne. 

- 27. Dh vorm. Merkur in Konjunktion mit dem Monde. 

- 28. 10b abends Venus in Konjunktion mit dem Monde. 

-.29. 3b nachm. Merkur 10’ nördlich von Regulus. 


— aC GE 


LAVA O LT LML MEM 
Kleine Mitteilungen. 1 2 25 


A SE VOLL LO AZ Se LOLS. ER OOK OK ORO OKO 


CECEEEEECEECEEEEEEEEECEECECECEECEEECECECEECCEEE ECE Ee 


Der Apex der Sonnenbewegung ist von A. Wilkens neuerdings aus den Eigenbewegungen 
von 620 meist lichtschwachen Sternen abgeleitet (A. N. 4499). Die untersuchten Sterne sind im 
Jahre 1905 bis 1906 am Repsoldschen Meridiankreise der v. Kuffoerschen Sternwarte zwischen 
29° 50° und 35° 10’ nördlicher Deklination beobachtet worden; die Eigenbewegungen lassen sich aus 
den vor etwa 35 Jahren angestellten Leidener Meridianbeobachtungen ableiten. Da Herr Wilkens 
in sein Arbeitsprogramm nur Sterne, bei denen die Leidener Beobachtungen um mehr als 6” von 
den alten Bessel’schen abweichen, aufgenommen hat, besitzen seine Sterne, trotz ihrer Licht- 
schwäche, meist größere Eigenbewegungen; bei 180 Sternen betragen die Eigenbewegungen mehr 
als 10” im Jahrhundert. 


Herr Wilkens findet, daß die vorhandenen Gesetzmäßigkeiten in der Verteilung der Eigen- 
bewegungen seiner Sterne sich allein durch die Bewegung des Sonnensystems erklären lassen. Als 
Apex der Sonnenbewegung findet er Rectasc. = 286°, Dekl. + 37° in guter Übereinstimmung mit 
anderen modernen Bestimmungen. Unsere Sonne bewegt sich hiernach gegen einen Punkt in der 
Nähe von Lyrae. 


* x 
* 


Über den spektroskopischen Doppelstern o Persei macht Prof. Ludendorff in den 
A. N. 4500 eine bemerkenswerte Mitteilung. Dieser Stern ist besonders dadurch interessant, daß die 
beiden Kalciumlinien H und K nicht an den periodischen Verschiebungen der übrigen Linien teil- 
nehmen, sondera vielmehr eine konstante Geschwindigkeit ergeben, die gleich derjenigen des Schwer- 
punktes des Systems ist. 


Die Neubestimmung der Bahn von o Persei durch Jordan hat nun zu dem auffallenden Er- 
gebnisse geführt, daß die Geschwindigkeit des Schwerpunktes gegenwärtig + 18 km beträgt, während 
Vogel im Jahre 1903 dafür — 3 km erhielt. Es wäre hiernach denkbar, daß ein dritter Körper im 
System o Persei vorhanden wäre, dessen Vorhandensein das abweichende Verhalten der Kalcium- 
linien erklären könnte. 


Herr Ludendorff hat daher die Vogel’schen Platten unter Anwendung eines Reversions- 
prismas neu vermessen, wodurch die persönlichen Auffassungsfehler, die bei den verwaschenen 
Spektrallinien der Sterne des Oriontypus sehr groß sein können, unschädlich gemacht werden. Das 
Resultat war ein überraschendes; Herr Ludendorff findet die Geschwindigkeit des Schwerpunktes 
zu + 9 km, so daß auf eine Veränderlichkeit der Schwerpunktsbewegung nicht geschlossen werden 
darf. Herr Ludendorff meint vielmehr, daß die große Abweichung zwischen Vogel und Jordan 
sich dadurch erklärt, daß Vogel die Platten nur in einer Lage gemessen hat. 


Die Ludendorff’sche Neubearbeitung der Potsdamer Spektogramme von o Persei zeigt 
somit, daß die Schwerpunktsbewegung nicht veränderlich ist Auch bei d Orionis, bei dem sich die 
K-Linie ebenso zu verhalten scheint, wie bei o Persei, läßt sich eine Veränderlichkeit der Bewegung 
nicht nachweisen. Man wird daher gut tun, weitere Beobachtungsresultate abzuwarten, ehe man 
Hypothesen zur Erklärung des eigentümlichen Verhaltens der Kalciumlinien aufstellt. 


— 268 — 


Der Halleysche Komet ist gegenwärtig nach Barnards Beobachtungen selbst am Yerkes 
40-Zöller ein ziemlich schwieriges Objekt. Seine Gesamthelligkeit ist nur 15. Größe. Der Komet 
stand bei den letzten Beobachtungen Barnards (Ende April) im südwestlichen Teile des Sextanten. 


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JSiicherschau. x 
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William Fairfield Warren, The earliest Cosmologies. New-York-Cincinnati 1910. 

Der Verfasser gibt in diesem Buche eine Übersicht betreffs der Vorstellungen, welche sich die 
antiken Völker, insbesonders die orientalischen, über die Stellung der Erde im Weltr.ıume, über das 
Himmelsgewölbe usw. gemacht haben. Das Material zu dieser Arbeit bilden die Sagentraditionen 
und die uns in den heiligen Büchern, anderweitigen Literaturresten und in den Denkmälern der 
Völker erhaltenen Weltanschauungen und Vorstellungen. Die Richtigkeit dieser Rekonstruktion des 
Weltbildes der alten Völker hängt ganz von jenen Materialien ab. Die Überlieferung ist aber viel- 
fach nur dürftig; die Begriffe der Alten müssen meist erst durch Interpretation aus dem Materiale 
abgeleitet werden; hierzu kommt noch die Schwierigkeit, daß es oft kaum möglich ist, die Zeitepoche 
zu bestimmen, aus welcher die Weltvorstellungen bei den einzelnen Völkern herrühren. Die Re- 
konstruktion des Weltbildes der alten Völker ist daher ein wissenschaftliches Wagnis, für welches 
sich als Resultat nur eine Wahrscheinlichkeit, nicht aber die Gewißheit, angeben läßt. Noch mib- 
licher wird ein solcher Versuch, wenn nicht bloß das jedesmalige antike Weltbild hergestellt, sondern 
auch noch der gegenseitige Zusammenhang der Weltbilder, eventuell deren Entwicklung aus einer 
gemeinsamen Quelle, dargetan werden soll An diese Schwierigkeiten möchte ich den Leser erinnern, 
wenn er das Buch Warrens zur Hand nimmt. Er wird dann den sehr geschickten Darstellungen 
des Verfassers mit Interesse folgen, sich aber auch hier und da die Frage vorlegen, ob der Zustand 
des uns derzeit zu Gebote stehenden Materials die Schlüsse völlig verbürgt, die der Verfasser in 
seinem Buche zieht. — Den Anfang macht das Weltbild der antiken Juden, für welches als Quelle 
freilich nicht viel mehr als die biblischen Bücher vorhanden sind. Nachdem der Verfasser hier auch 
die von Schiaparelli (in dessen „Astronomie des alten Testaments“) aufgestellte Ansicht berührt 
hat, wendet er sich zum Weltbilde der Babylonier. Aus dem wenigen Materiale, was Winckler, 
Hommel, Sayce u. a. hierüber haben finden können, läßt sich ungefähr ersehen, daß das baby- 
lonische Weltbild die Erde im Zentrum der Welt annahm; die Erde wurde in eine obere und untere 
Hälfte geteilt; sieben Sphären, bestimmten Göttern geweiht, umgeben konzentrisch die Erde. die 
äußerste Sphäre der Welt (Anu und Ea geweiht) stellt der Fixsternhimmel vor. Gewisse Eigentümlich- 
keiten. die sich im Weltbilde der Juden vorfinden, scheinen auf einen chemaligen, also sehr alten 
Zusammenhang der kosmischen Vorstellungen zwischen den Babyloniern (oder einer Urquelle) und 
Juden hinzudeuten. Spuren dieses vielleicht semitisch allgemeineren Weltbildes sieht der Verfasser 
noch in den rabbinistischen Schriften, wie der Erwähnung des siebenfachen Himmels und der sieben- 
stufigen Hölle. Masperos Weltbild der alten Ägypter (die Welt als vierseitiges Prisma, mit den 
vier Weltecken, Sonnenjahrpunkten und der Himmelssphära) hält der Verfasser nicht für zutreffend, 
neigt vielmehr zu einer mit dem babylonischen Himmelsbilde verwandten Auffassung, für welche 
auch Ansichten von Lepsius, Roth und Steindorff zu sprechen scheinen. Betreffs der Werke 
Homers hat der Verfasser nachgewiesen, daß bei den Griechen im Zeitalter des Homer die Erde 
keineswegs als eine flache Scheibe angesehen wurde; vielmehr ergibt sich aus Homers Schriften 
ein dem babylonischen ähnliches Weltbild: eine freischwebende Erde mit Ober- und Unterwelt, auf- 
rechte Weltaxe, Mehrheit um die Erde wandelnder Welten, Welt- und Erdozean u. a. Aus dem für 
die Hindu in Betracht kommenden Material, besonders den Schriften der Veda-Zeit, schließt der Ver- 
fasser, daß trotz der selbständigen Form des indischen Weltbildes einige vorderasiatische Züge darin 
nicht zu verkennen sind. Die Anschauung der Buddhisten über das Universum schließt sich — mit 
einigen Abweichungen, die der Verfasser notiert — unmittelbar an das Hindusystem an. Im weiteren 
Inhalt des Buches beschäftigt sich der Verfasser mit einer neuen Erklärung des altägyptischen 
(kosmologischen) Begriffs „Tuat“, mit der Zusammenstellung der noch der Aufklärung oder weiteren 
Erforschung bedürftigen Weltbild-Probleme und in einigen Anhängen mit Spezialgegenständen, wie 
mit der Frage über die Lage des Totenreichs bei Homer, mit dem ,Weltbaum* der germanischen 
Mythologie, dem „Sonnentor“ der Babylonier und Ägypter u. a. F. K. Ginzel 


Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F. 8. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


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Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte G 
Herausgegeben von 
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


LL. Jahrgang, Heft 18. Verlag der Treptow-Sternwarte, "1911 (Zweites Juniheft). 
Berlin-Treptow. 


Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnemenispreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Trepiow-Siernwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post- 

Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pie. — Anseigen-Gebühren: 1 Seite 80.— Mk., lJa Seite 45.— 
1/4 Seite 25.—, 1/, Seite 15.—, Le Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewicht. 


INHALT 
I. Der Planet Jupiter. Nach den Untersuchungen von EE pee ee 
Prof. Lohse. Von H. E. Lau 269 | Stavenhagen, W., Hauptmann a. D., Berlin, 1. Zur 
` i Kee Seed Geet Ferligstellung der Karte des Deutschen Reiches. Der- 
2. Überelektrische Strahlen. Von Dr. W. Haken. (Schluß) 276 selbe: 2. Die Karle und der Kavallerieoffisier. Der- 


3. Kleine Mitteilungen: Die Störungen des Roten Fleckes selbe: 3. Über die Bedeutung der Militärgeographie. 
— Beobachlung einer Feuerkugel. — Komet Halley — Bei der Redaklion eingegangene Bücher. — Neu 
am 16. Mai 1910. — Ernennungen ....... 282 erschienene Kataloge. . . . . .. 2: 2 2 eee 284 


Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet 


Der Planet Jupiter. 
Nach den Untersuchungen von Prof. Lohse. 
Von H.E.Lau. 


U: den großen Planeten gibt es keinen anderen, dessen Oberfläche in 
kleinen Fernrohren so viele Einzelheiten zeigt, wie der „Riesenplanet“ 
unseres Sonnensystems, der Jupiter. Die Geschichte der Jupiterforschung be- 
ginnt daher sofort nach der Erfindung des Fernrohrs; im Gegensatz zu den 
frühesten Venusbeobachtungen haben die ältesten Jupiterbeobachtungen ein 
Bild des Riesenplaneten geliefert, das auch noch heute in seinen Hauptzügen 
als richtig erkannt wird. 

Schon die alten mangelhaften Fernrohre von Zucchi (1630), Fontana und 
Grimaldi stellten die Hauptstreifen des Jupiters deutlich dar, und wenige Jahr- 
zehnte später erkannte Hooke (1664) schon Flecke auf dem Jupiter. Die erste 
genauere Untersuchung verdanken wir dem berühmten D. Cassini. Es gelang 
ihm außer den beiden Hauptstreifen noch vier feinere in größeren Breiten zu 
erkennen; auch entdeckte er zuerst die Abplattung des Jupiters Aus seinen 
Beobachtungen der dunklen Flecke bestimmte Cassini die Rotationszeit des 
Planeten zu 9" 56”; aus den hellen Wolken der Äquatorzone fand er dagegen 
yb 50™. Aus diesem Ergebnisse ging hervor, daß die Flecke keine festen Ge- 
bilde sein konnten; selbst der große „Dauerfleck“ (tache permanente), der bis 
1713 verfolgt wurde, zeigte unregelmäßige Eigenbewegung. Die späteren Beob- 
achtungen von Messier, Schröter und W. Herschel bestätigten im all- 
gemeinen die Cassinischen Resultate, ohne wesentlich Neues hinzuzufügen. 

Unter den Jupiterbeobachtern der Folgezeit sind besonders zu erwähnen 
Gruithäusen, der die hellen Lichtpunkte, die in gewissen Streifen immer vor- 
handen sind, entdeckte, Schwabe, der zuerst die „rifts“ (hellen Risse) der 


— 270 — 


Hauptstreifen und die große Ähnlichkeit der kleineren Flecke mit den Kern- 
flecken der Sonne bemerkte, und Mädler, der die erste genaue Bestimmung 
der Rotationszeit lieferte. Aus diesen Beobachtungen ging im allgemeinen 
hervor, daß die Flecken und Streifen des Jupiters außerordentlich veränderlich 
sind, und die meisten Astronomen meinten daher, daß es eigentlich keinen 
Zweck habe, so viele Zeit auf diese vermeintlichen „Wolken“ zu verschwenden, 
da man doch nie daraus Aufschlüsse über die physischen Verhältnisse im Innern 
des Riesenplaneten erhalten würde. 

Im Jahre 1878 erschien indessen auf der südlichen Halbkugel des Jupiters 
ein ovaler, intensiv rot gefärbter Fleck von etwa +41 000 km Durchmesser. Das 
Entstehen dieses „Roten Fleckes“ (Fig. 1 u. 2) mußte ein reges Interesse für die 
Untersuchungen über Jupiter hervorrufen. So wurden völlig neue Aussichten für die 
Erforschung der physischen Beschaffenheit des Planeten eröffnet. Im „Roten 
Fleck“ sahen die meisten Astronomen wohl einen ungeheueren, von leichten 
 \Wolkenschleiern bedeckten Lavasee, aber diese Anschauung erwies sich bald 


Der rote Fleck 


(nach Lohse). 


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Fig. 1. Fig. 2 
1x81 Juli 7. gb 4™ morgens. 1831 September 21. ` AN 35". 


als ungenügend: Die Rotationszeit des „Roten Fleckes* wurde stark veränder- 
lich gefunden, was mit dem obigen Erklärungsvermerk in Widerspruch stand. 
So wurde eine Menge von schwierigen Fragen aufgeworfen, die nur durch 
systematische Jupiterbeobachtungen gelöst werden konnten. 

Seit dem Jahre 1878 ist daher sehr vieles auf dem Gebiete der Jupiter- 
forschung geschehen. Die Arbeiten von Hough, Denning, Pritchard, Noble, 
Williams, Barnard, Bredichin, Phillips, Brenner, Antoniadi, Fauth, 
Rheden, Sola und viele andere haben bekanntlich die merkwürdigsten Tat- 
sachen ans Licht gebracht. Die bisherigen Untersuchungen beruhen leider 
meist auf Schätzungen, die — wie Schmidt und Phillips nachgewiesen — 
mit enormen persönlichen Fehlern behaftet sind; auch sind viele wichtige Beob- 
achtungen zufällig von Astronomen gemacht, die sich nur gelegentlich mit dem 
Jupiter beschäftigten. Es dürfte daher eine sehr schwierige Aufgabe sein, aus 
diesen zahllosen Fragmenten ein einheitliches Ganzes darzustellen; be- 
sonders gilt dies für die ältesten Beobachtungen des „Roten Fleckes“, die ja 
bei der Prüfung der verschiedenen Theorien von der größten Bedeutung sein 
werden. i 


E ME 


Bei dieser Sachlage haben die Jupiter-Forscher mit Ungeduld auf die Ver- 
öffentlichung der von Professor Lohse in den Jahren 1879 bis 1909 am Pots- 
damer 11 Zöller ausgeführten Jupiterbeobachtungen gewartet. In diesem langen 
Zeitraume hat Prof. Lohse andauernd eine große Zahl von Zeichnungen und 
Mikrometermessungen ausgeführt; diese umfassenden Untersuchungen liegen 
nun endlich vor in einem stattlichen Bande von 182 Seiten Text mit 12 Tafeln. 
Wegen der hervorragenden Bedeutung dieses Werkes werden wir im Folgenden 
eine ausführliche Übersicht über den reichhaltigen Inhalt des Lohseschen 
Werkes geben. l 

Die Oberfläche des Jupiters, sagt Lohse, erscheint bei fortgesetzten Beob- 
achtungen sehr veränderlich. Die gewaltigen Dampf- oder Gasmassen, welche 
die sichtbare Oberfläche des Planeten bilden, sind offenbar kräftigen Wärme- 
wirkungen aus dem Innern ausgesetzt. Bisweilen sieht man rotglihende Massen 
hervorbrechen, deren abweichende Bewegungen verraten, daß sie aus Tiefen 
kommen, wo ganz andere Bewegungsverhältnisse herrschen. Die Massen, welche 
hierbei in Bewegung gesetzt werden, sind von riesigen Dimensionen; selbst 
die kleinsten Flecke, die wir auf dem Jupiter wahrnehmen können, die hell- 
glänzenden Wölkchen der südlichen Halbkugel, sind von der Größe der Jupiter- 
trabanten. Ä 

Bei dieser Größe der tätigen Kräfte, meint Prof. Lohse, dürfte die wech- 
selnde Tätigkeit im Innern des Planeten eine entsprechende Expansion der ge- 
waltigen Gaskugel hervorrufen können. Auch wäre es möglich, daß der starke 
Auftrieb vom Innern in gewissen Gegenden des Planeten, wo die Streifen und 
Flecke vom aufsteigenden Gasstrome weggestoßen werden, örtliche Deformationen 
hervorrufen könnte; ja Prof. Lohse hält es nicht für ausgeschlossen, daß der 
Riesenplanet noch gegenwärtig eine unregelmäßige (dreiachsige) Gestalt als Über- 
bleibsel aus der Vorzeit haben könnte. 

In den Jahren 1891 bis 1909 hat Prof. Lohse daher eine große Reihe von 
Mikrometermessungen ausgeführt. Die Bearbeitung zeigt, daß die örtlichen 
Abweichungen höchstens 0,1 bis 0 ‘2 betragen können und ferner, daß von 
einer dreiachsigen.Gestalt keine Rede sein kann. Die Lohseschen Messungen 
zeigen — abgeschen von einer zeitlichen Zunahme der beiden Durchmesser, 
die Prof. Lohse auf eine Abnahme seiner Sehschärfe zurückführt —, nur kleine 
Schwankungen und es scheint somit, daß der Riesenplanet sich gegenwärtig in 
verhältnismäßiger Ruhe befindet und daß keine Abnormitäten mehr an seine 
stürmische Vorzeit erinnern. 

Die Richtigkeit seiner Bestimmungen der Jupiterdurchmesser hat Professor 
Lohse durch Untersuchungen an einem Modell geprüft. Auf dem Turm der 
Garnisonkirche zu Potsdam wurde eine Scheibe befestigt, deren bekannter 
Durchmesser von Prof. Lohse dann durch Mikrometermessungen am tl Zöller 
bestimmt wurde. Aus diesen Versuchen meint Prof. Lohse schließen zu dürfen, 
daß die persönlichen Fehler seiner Messungen nicht 0,1 übersteigen können. 
Im Mittel findet Lohse: 


Aquatorialdurchmesser des Jupiters = 38,345 
Polardurchmesser - - = 36,031. 


Sein Wert der Abplattung des Jupiters 1:16,58 stimmt innerhalb der 
Beobachtungsfehler mit dem aus den Störungen des 5. Trabanten abgeleiteten 
Wert überein. 


— 22 — 


Die starke Abplattung des Jupiters rührt bekanntlich von der schnellen Um- 
drehung des Planeten her. Eine andere Erscheinung, die auch hiermit zu- 
sammenhängt, ist die Streifenbildung. Die zahlreichen Streifen sind fast immer 
mit dem Jupiteräquator parallel; wenn ausnahmsweise schräge Streifen (Fig. 3 u. 4) 
auftreten, stellen sie sich nach kurzer Zeit mit den übrigen wieder parallel ein. 
Die Lage der Jupiterstreifen kann daher für die Bestimmung der Stellung der 
Rotationsaxe des Planeten benutzt werden. Aus seinen Messungen der Positions- 
winkel der Streifen aus den Jahren 1891 bis 1908 findet Lohse, daß die Polar- 
achse des Jupiter gegen einen Punkt des Nordhimmel’ gerichtet ist, dessen 
Rekt. = 267°,30, Dekl. = + 64°,65 beträgt. Dieser "Punkt liegt im Sternbilde 
des Drachen, in der Nähe des Sternes ¢, der also als „Polarstern“ des Jupiters 
angesehen werden kann. 

Die Anordnung der Jupiterstreifen zeigt eine gewisse Regelmäßigkeit. 
Obgleich Prof. Lohse im Laufe seiner langjährigen Beobachtungen Streifen in 
fast allen Breiten bis + 50° Breite gesehen hat, gibt es doch auf dem Jupiter 


Jupiter mit schrägen Streifen 
(nach Lohse). 


Fig. 3. Fig. 4. 
1904 Dezember 13. 6" 55” abends. 1906 Januar 15. 7? 8” abends. 


gewisse Zonen, wo die Fleckentätigkeit am größten ist. Aus seinen 600 Mikro- 
metermessungen, die hauptsächlich aus den Jahren 1891 bis 1909 stammen, findet 
l.ohse, daß auf beiden Halbkugeln ausgesprochene Maxima von 8°, 20° und 30° 
Breite vorhanden sind. Besonders die beiden Maxima in + 8° und — 8° Breite 
sind sehr ausgesprochen; man sicht dort fast immer zwei kräftige Streifen von 
rotbrauner Farbe, die die helle Äquatorzone begrenzen. Die großen Schwankungen 
in der Lage der Streifen können nicht als Beobachtungsfehler erklärt werden; 
sie müssen vielmehr durch langsame, dauernde Verschiebungen der Tätigkeits- 
zonen bedingt sein. 

Den Farbenänderungen der Streifen hat Prof. Lohse große Aufmerk- 
samkeit gewidmet. Seine Beobachtungen bestätigen den Farbenwechsel von 
rotbraun bis braungrau; auch die feuerrote oder dunkelrote Farbe der äquator- 
nahen Ränder der beiden Hauptstreifen hat er erkannt. Der angebliche perio- 
dische Farbenwechsel der Hauptstreifen wird entschieden widerlegt; überhaupt 
scheint die Streifenentwicklung auf Jupiter nach Lohses Beobachtungen nur 
durch die Tätigkeit im Innern bedingt zu sein. 


— 23 — 


Die größeren Streifen scheinen nach Lohses Beobachtungen jeder einen 
bestimmten Fleckentypus zu besitzen. In der hellen Aquatorzone treten un- 
geheuere weiße, eiförmige Wolken auf; in 20° bis 30° Breite sind dagegen kleine 
hellglanzende Wölkchen sehr häufig, während der nördliche Äquatorstreifen 
durch kleine tiefrote „Striche“ charakterisiert wird. Die großen eiförmigen 
Hecke sind nur von kurzer Dauer, die kleinen Lichtpunkte können dagegen oft 
jahrelang verfolgt werden. Auffallend ist es, daß beide Typen nach Lohses 
Beobachtungen in gewissen Jahren wie 1882, 1894 und 1906 — also in der Nahe 
der Maxima der Sonnenflecke — besonders häufig waren. 

Bei der Berechnung seiner Fleckenbeobachtungen hat Prof. Lohse die 
Positionen auf ein gewisses Normalsystem bezogen, das der Rotationszeit 
Dh 55m 41° entspricht. Dieser Wert ist aus den älteren Beobachtungen des 
„Roten Fleckes“ abgeleitet worden. Da die übrigen Flecke jedoch eine kürzere 
Rotationszeit ergeben, eilen sie immer dem „Roten Fleck“ voraus, und ihre 
jovigraphischen Längen nehmen daher fortwährend ab. Aus Lohses Flecken- 


Der Schleier (1904 bis 1906) 
(nach Lohse). 


"së ee 


Fig. 5. Fig. 6. 
1904 Dezember 16. 6" 47™ abends. 1906 Februar 12. 6" 59™ abends. 


beobachtungen ergeben sich nun folgende Mittelwerte der taglichen Bewegung 
der verschiedenen Fleckentypen: 


Fleckentypus Breite e H 
Weiße Wolken . . . 0° — 8°16 3 
Helle Flecken. . . . +8° `. — 6°05 3 
Rote „Striche“ . . . +10° bis +15° = 9° 27 d 
Lichtpunkte .... + 20° — 0521 5 
Lichtpunkte ... . — 26° — 0°,55 11 


Aus dieser Tafel ist zunächst ersichtlich, daß eine einfache Beziehung 
zwischen der Geschwindigkeit und der Breite der Flecke nicht besteht. Prof. 
Lohse meint jedoch, daß eine mathematisch ausdrückbare Abhängigkeit nach- 
gewiesen werden könnte, wenn es gelingt festzustellen, zu welchen Schichten 
der Gashülle die vorhandenen Fleckentypen gehören. Wenn man Flecken aus 
allen Schichten zusammenfaßt, kommt man allerdings zu dem Schluß, daß ein 
plötzlicher Sprung in der Rotationszeit zwischen 8° und 10° Breite stattfindet. 


— 24 — 


Besonders ist die große Geschwindigkeit der weißen Wolken in der 
Äquatorzone auffallend. Diese Wolken machen in kaum 6 Wochen eine ganze 
Reise um die Jupiterwelt, während die Lichtpunkte auf der südlichen Halbkugel 
diese Reise erst in zwei Jahren vollführen. Wenn nun diese Wölkchen sich zu- 
fällig in derselben Breite wie z. B der „Rote Fleck“ befinden, müssen sie alle 
zwei Jahre über oder unter ihm vorbeigehen, und diese Vorübergänge dürften uns 
wohl einen Einblick in die eigenartigen Verhältnisse des „Roten Fleckes~ 
gestatten. 

Im Jahre 1901 bildete sich nun gerade in dieser Breite ein dunkler Fleck, 
der sich nach und nach zu einem ungeheueren Streifen entwickelte. Es war die 
berühmte „South tropical disturbance‘, die von den deutschen Beobachtern 
kurz als „Schleier“ bezeichnet wird. 

Diesen Schleier (Fig. 5 u. 6) hat Prof. Lohse seit 1004 verfolgt. Aus seinen 
Beobachtungen geht hervor, daß der „Rote Fleck” während der Vorübergänge des 
Schleiers unsichtbar wird. An seinem Orte sieht man einen grau-weißen Fleck, 
während er sonst als schwach lachsrotes Oval erscheint. Auch hat Prof. Lohse 
während der Vorübergänge mehrfach helle Punkte über dem „Roten Flecken“ 
gesehen. Er erklärt die Unsichtbarkeit des Schleiers in folgender Weise: Aus 
dem „Roten Flecke“ strömen fortwährend heiße Gasmassen, welche die grauen 
Massen des Schleiers erhitzen und teilweise auseinander treiben, bis sie sich auf 
der anderen Seite des „Roten Fleckes* wieder kondensieren. Diese Auffassung 
erklärt in ungezwungener Weise das Aussehen der Gegend des „Roten Fleckes* 
während der Vorübergänge des Schleiers. 

Die großen Störungen, welche Phillips u. a. in der Bewegung des Schleiers 
gefunden haben, sind in Prof. Lohses Beobachtungen nur schwach angedeutet. 
Dieses Ergebnis dürfte indessen auf der ungünstigen Verteilung der Potsdamer 
Beobachtungen beruhen; in der Nähe der Vorübergänge führt Lohse überhaupt 
nur drei Beobachtungen an, die er wegen ihrer großen Abweichung von den 
übrigen als unsicher verwirft. Die Frage nach den Störungen des Schleiers 
bezw. des „Roten Fleckes“ muß daher wohl noch als eine offene bezeichnet 
werden. | 

Den „Roten Fleck“ hat Lohse seit dem Jahre 1878 mit der größten Aus- 
dauer verfolgt. Seine sorgfältigen Zeichnungen lassen verschiedene Phasen in der 
Entwickelung des Fleckes erkennen. Im Jahre 1881 lag der „Rote Fleck“ in einer 
hellen Zone. 1882 breitete der südliche Äquatorstreifen sich gegen Süden aus 
und bildete eine merkwürdige Bucht am Ostende des „Roten Fleckes“. In den 
Jahren 1883 bis 1884 bildete der Streifen eine dunkle Umrahmung um den 
„Roten Fleck“, der im Innern einer „Bai“ zu liegen schien (Fig. 7 u. 8). In den 
Jahren 1885 bis 1894 nahm die Gegend ihr altes Aussehen an, aber seit dem Jahre 
1896 hat sich die „Bai“ aufs neue gebildet. Im Aussehen des Fleckes sind 
ebenfalls große Veränderungen eingetreten. Im Jahre 1881 erschien er noch als 
ein rötliches Oval. In der Folgezeit war er kaum zu erkennen; scine Farbe 
war gelblich, in den späteren Jahren (nach 1895) sogar mattgrau. Der „Rote 
Fleck“, besonders seine Osthälfte, erschien häufig mit hellen Flecken bedeckt, 
seine Form war häufig unregelmäßig, ja bisweilen schien der ganze Fleck schräg 
gestellt zu sein. 

Die Bewegungen des „Roten Fleckes* hat Prof. Lohse sehr eingehend auf 
Grund eigener und fremder Beobachtungen untersucht. Aus den Ergebnissen 
dieser mühevollen Arbeit können wir hier nur die wichtigsten wiedergeben. 


— 2735 — 


Nach Lohse nahm. die jovicentrische Lange des „Roten Fleckes“ in den Jahren 
1878 bis 1892 von 250° bis 0° ab. Dann kehrte der Fleck um und wanderte 
gegen Osten, bis er 1901 eine Lange von 50° erreichte. Seitdem geht der Fleck 
wieder gegen Westen; gegenwärtig befindet er sich in der Nähe des Null- 
meridians. Die Bewegung des „Roten Fleckes* ist somit ganz unregelmäßig, 
und kein mathematischer Ausdruck vermag seine rätselhaften Wanderungen 
darzustellen. 

Den neueren Anschauungen über den „Roten Fleck“ kann Lohse, wie er 
sagt, nur mit Widerstreben zustimmen. Da er die Störungen des „Roten 
Fleckes“ durch den Schleier — die bekanntlich die Grundlage der neueren Auf- 
fassung bilden — nicht erkannt hat, so liegt allerdings für ihn kein Grund vor, 
die alten Anschauungen aufzugeben. Nach Lohse befindet sich der „Rote 
Fleck“ in den tieferen Schichten der Atmosphäre des Planeten; die heißen Gas- 
massen, welche fortwährend vom „Roten Flecke“ aufströmen, treiben die über- 
lagernden Wolkenstreifen auseinander und eröffnen uns somit einen Einblick 


Der rote Fleck mit der Bai 
(nach Lohse). 


Sa IES ie. wn oe OPE 4. P 


Fig. 7. | Fig. 8. 
1883 Januar 31. 7° 30™ abends. 1883 Januar 31. 8" 28” abends. 


ins Innere des Planeten. Diese Annahme erklärt sehr schön die Beständigkeit 
der großen Einbuchtung, im südlichen Aquatorstreifen, welche den „Roten Fleck“ 
umschließt; auch wird dadurch das rätselhafte Verschwinden des Schleiers 
während seiner Vorübergänge am „Roten Fleck“ in ungezwungener Weise 
erklärt. | 

Durch die neuesten Untersuchungen über den „Roten Fleck“ ist das ganze 
Studium indessen wieder so in Fluß gekommen, daß es wohl vorläufig keinen 
Zweck hat, auf den vorliegenden Tatsachen eine Jupitertheorie aufbauen zu 
wollen. Die Hauptsache ist jetzt, daß die Jupiterbeobachtungen mit der größten 
Ausdauer und Sorgfalt fortgesetzt werden. Bei den theoretischen Unter- 
suchungen wird man aber immer auf die Beobachtungen aus den ersten Phasen 
der Entwickelung des „Roten Fleckes“ zurückgreifen müssen. Aus dieser Zeit 
besitzen wir sonst keine im wissenschaftlichen Sinne systematischen Beob- 
achtungen, und Prof. Lohse hat daher durch seine 30 jährigen Beobachtungen 
für die Jupiterforschung einen Beitrag geliefert, dem noch kein zweiter an die 
Seite gestellt werden kann. one 


— 276 — 


über elektrische Strahlen. 


Von Dr. W. Haken. 
(Schluß.) 


Inden wir somit über die Strahlen negativer Elektronen und positiver Ionen 
eine genaue Kenntnis besitzen, während das Vorhandensein positiver Elektronen 
noch unentschieden ist, so können wir uns von vornherein sehr wohl noch ver- 
schiedene andere Strahlungsarten vorstellen, z. B. Strahlen von neutralen Atomen 
und Molekülen oder negativen Ionen. In der Tat werden derartige Annahmen 
durch die höchst bemerkenswerte Tatsache sehr nahe gelegt, daß beispielsweise 
eine Strahlungsart der radioaktiven Substanzen, die «-Strahlen, nur dann nach- 
weisbar ist, wenn ihre Geschwindigkeit oberhalb eines bestimmten Schwellen- 
wertes liegt, es könnte also sehr wohl Körper geben, die dauernd eine materielle 
Strahlung emittieren, ohne daß wir beim gegenwärtigen Stande der experi- 
mentellen Forschungsmethode die geringsten Anzeichen für ihre Existenz haben. 
Was speziell die Strahlung nicht elektrischer Teilchen betrifft, so hat das ein- 
gehende Studium der Kanalstrahlen zu der Erkenntnis geführt, daß diese ihren 
Weg teils als neutrale Moleküle teils als positive Ionen zurücklegen, indem 
zeitweilig ihre positive Ladung durch das Zusammentreffen mit negativen 
Elektronen kompensiert werden kann. Schon hieraus geht hervor, daß 
die Verkettung eines negativen Elektrons mit einem positiven Ion zu 
einem neutralen Molekül durchaus nicht immer eine sehr innige zu sein 
braucht, es lassen sich vielmehr gewisse Übergangsformen zwischen der 
völligen Lostrennung eines negativen Elektrons aus dem Atomverband 
einerseits und seinem völligen Aufgehen in diesem andererseits denken. 
Eine derartige Vorstellung hat nun neuerdings Righi zur Erklärung 
verschiedener eigenartiger Vorgänge in Entladungsröhren unter Einwirkung 
magnetischer Felder benutzt. Schon von Plücker, Hittorf und mehreren 
anderen Physikern waren merkwürdige Entladungserscheinungen im Magnet- 
felde beobachtet worden. Die Kathodenstrahlen zeigten einen spiral- 
förmigen Verlauf, wenn das magnetische Feld in die Richtung ihrer ursprüng- 
lichen Bahn fiel, gleichzeitig beobachtete man auch ein Lichtbündel, das sich 
längs einer magnetischen Kraftlinie verteilte. Diese Erscheinungen glaubte 
man zunächst einzig und allein den Kathodenstrahlen zuschreiben zu können, 
die sich um die magnetischen Kraftlinien drehen müssen, wie sich ein strom- 
durchflossener biegsamer Leiter um einen Magnetstab windet. Aber ver- 
schiedene Untersuchungen von Birkeland und Villard ließen doch das Auf- 
treten neuer Strahlungsarten als sehr wahrscheinlich erscheinen, wenn es ihnen 
auch nicht gelang, ihren Charakter zweifelsfrei festzustellen. Diese Versuche 
hat nun Righi weiter fortgesetzt und ist dabei zu sehr interessanten Resultaten 
gekommen, die das Vorhandensein einer neuen Strahlenart, die er „magnetische 
Strahlen“ nennt, im höchsten Maße wahrscheinlich machen. 

Nach Righi entstehen diese Strahlen durch das Zusammentreten eines 
positiven Ions und negativen Elektrons zu einem nach außen neutral er- 
scheinenden System, und zwar so, daß beide kreisende Bewegungen umeinander 
ausführen, und da die Masse eines Ions fast 2000mal so groß ist als die des 
Elektrons, so wird die Bewegung ganz ähnlich der eines Planeten oder Kometen 
um die Sonne sein (Fig. 10). Eine wesentliche Bedingung für das Zustande- 
kommen und die Existenzfähigkeit dieser Doppelsternsysteme positives Ion- 


— 27 — 


negatives Elektron ist das Vorhandensein und die Starke eines magnetischen 
Feldes, daher erhielten diese Gebilde den Namen magnetische Strahlen. Es 
würde zu weit führen, auf die sehr umfangreichen Untersuchungen, die aus- 
führlich in dem Werke Righi’s „strahlende Materie und magnetische Strahlen‘ 
im Verlage von Grimme & Tromel, Leipzig, geschildert sind, näher einzugehen, 
nur die wichtigsten Ergebnisse möchte ich kurz hervorheben. 

Wie wir bereits gesehen hatten, gehen von der Kathode E 
nicht allein die Kathodenstrahlen aus, sondern auch rückläufige 
positive Strahlen treten hier auf; es war daher zu erwarten, daß 
sich unter der Wirkung eines magnetischen Feldes hier am ersten 
die vermuteten Doppelsternsysteme würden bilden können. Eine 
der zahlreichen Versuchsanordnungen Righis ist in Fig. 11 
wiedergegeben. Die Kathode liegt bei B, die Anode bei D, E 
ist der Elektromagnet, dessen Feld in weiten Grenzen verändert 
werden konnte. JZ ist eine durch das metallene Gehäuse abcd 
geschützte Platte, die von der Röhre isoliert mit einem Elektro- Fig. 10. 
meter verbunden wurde. Wurde die Röhre nun bis auf '/,, mm 
Quecksilbersäule evakuiert, B mit dem negativen, D mit dem positiven Pol einer 
Influenzmaschine verbunden und die Stärke des magnetischen Feldes mehr und 
mehr gesteigert, so tritt plötzlich außer den ge- 
wöhnlichen Entladungserscheinungen ein neuer 
Lichtstrahl auf, der bei noch größer werdender 
magnetischer Feldstärke wieder verschwindet, und 
dies sind nach Righi die magnetischen Strahlen. 
Er suchte nun festzustellen, ob diese Strahlen- 
gattung elektrische Ladungen mit sich führt, und 
dazu diente die isolierte Aluminiumscheibe S. 
Diese Scheibe wurde zunächst, als sie nur von 
Kathodenstrahlen getroffen wurde, negativ aufgeladen, durfte jedoch keine Ladung 
zeigen, wenn sie von den magnetischen Strahlen getroffen wurde Hierfür 
fanden sich tatsächlich deutliche Anzeichen, so daß ihr neutraler Charakter 
dadurch erwiesen und das von Righi gegebene Modell dieser Verkettung beide 
Strahlenarten als tatsächlich existierend angesehen werden kann. 

Die elektrischen Strahlen sind jedoch durchaus nicht an engbegrenzte, ab- 
geschlossene Räume gebunden, sondern im Laufe der neueren Untersuchungen 
fand man überraschender Weise deutliche Anzeichen für ihre Existenz auch 
unter gewöhnlichen Verhältnissen, ein Befund, der speziell in den letzten Jahren 
vollkommen sicher gestellt wurde. Und zwar waren es hier in erster Linie die 
radioaktiven Erscheinungen, die zu diesem Ergebnis führten. Die radioaktiven 
Substanzen verdankten ja dadurch ihre Entdeckung, daß sie ohne jeden äußeren 
Einfluß eine Schwärzung der photographischen Platte bewirkten, mithin also 
dauernd eine unsichtbare Strahlung emittieren mußten. Es zeigte sich weiter, 
daß diese Strahlung eine außerordentlich durchdringende war: Körper, die das 
sichtbare und ultraviolette Licht vollkommen aufhielten, bildeten für sie ab- 
solut kein Hindernis. Die Figur 12 zeigt eine derartige Schwärzung einer 
Platte, die in wenigen Minuten mit einem Radiumpräparat erhalten wurde. 
Das Gewebe und die Schlüssel waren auf eine photographische Platte gelegt 
und in eine Pappschachtel völlig lichtdicht abgeschlossen. Sehr deutlich zeigt 
sich die verschiedenartige Durchdringungsfähigkeit für die beiden verschiedenen 


£iektromelter d Eltktrome one? 


Erde 


eg 


Sonde nag magn Strahlen 
Fig. 11. 


e 978 = 


Stoffe. Diese Eigenschaft von auBerordentlich starker Durchdringungsfahigkeit, 
war aber nur bei einer Strahlenart, den Röntgenstrahlen, bekannt, und so ver- 
mutete man logischer Weise, daß die ausgesandte Strahlenart eine der Röntgen- 
strahlung verwandte sei. Der elektrische Charakter wurde jedoch vor allem 
durch ihre Wirkung auf das Elek- 
troskop sicher gestellt. Denn nähert 
man eine radioaktive Substanz 
einem geladenen Elektroskop, so 
fallen die Blättchen des Instruments 
je nach der Stärke des verwandten 
Präparats mehr oder weniger schnell 
zusammen, das Elektroskop wird 
also entladen. Diese entladende 
Wirkung kann aber kaum anders 
gedeutet werden, als daß die 
Strahlung der Substanz die Luft 
ionisiert, d. h. die neutralen Luft- 
moleküle in positiv und negativ ge- 
ladene Ionen zerlegt. Wird nun 
- das Elektroskop beispielsweise po- 
Fig. 12. sitiv geladen, so wird die positive 
Elektrizität die negativen Luft- 
-ionen anziehen, dadurch aber immer mehr den positiven Überschuß verringern, 
also das Instrument mit der Zeit völlig entladen. Genau in derselben Weise 
wirken aber auch die Röntgenstrahlen. Noch viel tiefer gelang es in das Wesen 
dieser Strahlungsart einzudringen, als man, genau wie bei den Kathoden- und 
Anodenstrahlen, den Versuch machte, sie durch elektrische oder magnetische 
Felder zu beeinflussen. Und hierbei zeigte sich nun merkwürdiger Weise, daß 
das tatsächlich der Fall war. Die schematische Versuchsanordnung ist in Fig. 13 
wiedergegeben. Der Bleiklotz 
B besitzt eine die radioaktive 
Substanz enthaltende Höhlung; 
infolgedessen geht ein dünnes 
Strahlenbündel nach oben und 
bewirkt bei der skizzierten 
Stellung der photographischen 
Platte eine vertikal verlaufende oi 
Schwärzung. Erregt man ein KE 
starkes Magnetfeld in der un- Fig. 13. 
mittelbaren Nahe des Präparats 

und wiederholt den Versuch, so sieht man, daß außer dem vertikalen 
Strahlenbündel sich auch noch zwei seitliche auf der Platte abgebildet haben, 
also ein sicherer Beweis, daß die angewandte Strahlung nicht einheitlich sein 
kann, sondern aus mindestens drei verschiedenartigen Gruppen besteht. Stellt 
man nun den Versuch in ganz derselben Weise unter Benutzung eines elek- 
trischen Feldes an, so ergibt sich, daß ein Teil des Bündels von der positiv 
geladenen Platte, Fig. 14, der andere von der negativen angezogen wird, ein 
unabgelenkter Teil aber auch hier bestchen bleibt. Das sind aber ganz dieselben 
Resultate, die wir bereits beim Studium der Kathoden-, Anoden- und Röntgen- 


— 279 — 


strahlen angetroffen haben. Die negativen Kathodenstrahlen wurden ja von der 
positiven Platte, die positiven Anodenstrahlen von der negativ geladenen Platte an- 
gezogen, die Röntgenstrahlen hingegen durch keine noch so starken magnetischen 
oder elektrischen Felder abgelenkt. Demnach mußte man in diesem Falle an- 
nehmen, daß hier ebenfalls diese drei Strahlenarten vorliegen, und zwar werden 
merkwürdigerweise alle drei gleichzeitig von radioaktiven Substanzen emittiert. 
Ganz ähnlich wie bei den in evakuierten Röhren erzeugten Strahlen wurde nun 
auch hier das charakteristische Verhältnis EE 
| Masse 
sich in der Tat, daß die negative Radiostrahlung, die man ß-Strahlen genannt 
hat, auch in dieser Beziehung den Kathodenstrahlen vollkommen entspricht, 
die positiven Strahlen, «-Strahlen genannt, sich genau wie Anodenstrahlen ver- 
halten, die y-Strahlen hingegen dieselben Eigenschaften wie die Röntgenstrahlen 
aufweisen. Somit sind die radioaktiven Substanzen dadurch gekennzeichnet, 
daß sie sowohl freie negative Elektronen, die #-Strahlen, als auch positiv 
geladene Atome, die «a-Strahlen, aussenden, außerdem aber auch eine Art 
Röntgenstrahlung, die y-Strahlung, ständig ohne jede äußere Energiezufuhr 
abgeben. i 
Doch sind diese drei radioaktiven Strahlenarten nicht nur durch die eben 
skizzierte verschiedene Ablenkbarkeit durch magnetische und elektrische Felder 
charakterisiert, sondern besitzen noch andere sehr charakteristische Unter- 
scheidungsmerkmale in ihrem stark verschiedenen Durchdringungsvermögen. 
Es ist in höchstem Maße wahrscheinlich, daß diese Radioelemente, wenigstens 
gleich nach ihrer Abscheidung aus der Muttersubstanz, entweder nur «- oder 
nur -Strahlen aussenden; die auftretenden y-Strahlen werden, wie man annimmt, 
erst indirekt durch die $-Strahlen erzeugt, genau so wie auch die Röntgen- 
strahlen erst ihre Entstehung dem Aufprall der Kathodenstrahlen auf. ein 
Hindernis verdanken. Alle drei Strahlenarten üben jedoch die.schon erwähnte 
entladende Wirkung auf ein Elektroskop aus. Speziell durch die große Ver- 
feinerung dieser MeBmethode ist das Studium der radioaktiven Erscheinungen 
zur heutigen Vollkommenheit gelangt. Holt man nun eine allein «-Strahlen ab- 
gebende Substanz, beispielsweise Polonium, in ein Stück Papier, so bemerkt 
man, daß die entladende Wirkung auf das Elektroskop vollkommen aufhört, 
d. h. also, das Papier läßt die «-Strahlen nicht mehr hindurch. Unternimmt 
man denselben Versuch mit einer f-Strahlen abgebenden Substanz, so tritt die 
Entladung des Elektroskops in ungeschwächter Weise ein. Erst die Benutzung 
dichterer Schichten hat eine Abnahme der Ionisationsfähigkeit zur Folge und 
erlischt schließlich völlig. Aber auch wenn die -Strahlen bereits in der um- 
hüllenden Materie vollkommen stecken bleiben, so gehen doch noch die 
y-Strahlen, auch wieder völlig den Röntgenstrahlen ähnlich, durch die Hülle 
hindurch und sind außerhalb dieser noch durch ihre Wirkung nachweisbar. 
Erst bei wesentlicher Steigerung der Schichtdicke werden auch sie abgeschnitten. 
So hat man zum Studium der einzelnen Strahlen durch diese verschiedene 
Absorbierbarkeit ein recht bequemes Mittel in der Hand. Durch Einhüllen der 
betreffenden Substanz in Aluminiumfolie von einigen Zehntelmillimetern Dicke 
hält man die Wirkung der u-Strahlen völlig zurück, durch einen Mantel aus 
etwa 5 mm starkem Blei schließt man auch die f-Strahlen aus; es bleiben dann 
nur noch die etwa vorhandenen y-Strahlen übrig. Dabei ist noch zu bemerken, 
daß ein prinzipieller Unterschied in der Art der Absorption zwischen den 


untersucht, und es zeigte 


— 2830 — 


a-Strahlen einerseits, den $- und y-Strahlen andererseits, besteht. Auch sind die 
«-Strahlen der einzelnen Radioelemente durch ganz bestimmte Reichweiten 
charakterisiert, worauf hier jedoch nicht näher eingegangen werden kann. 
Indem nun diese Strahlenarten ununterbrochen ohne jeden äußeren Energie- 
ersatz von den radioaktiven Substanzen ausgesandt werden, und zwar mit einer 
sehr beträchtlichen Geschwindigkeit, so leisten sie hierdurch eine ganz bestimmte 
Arbeit. Die Energiemenge eines bewegten Körpers ist aber gegeben durch das 
halbe Produkt aus seiner Masse und dem Quadrat seiner Geschwindigkeit, und 
da man nun beide Größen bestimmen konnte, so läßt sich die von jedem a- und 
6-Teilchen mitgeführte Energie berechnen; sie beträgt für die «-Strahlen etwa 


: -10 
DEELER EEN >» D . 
100000 8 000 000 000 oder 1,25.10 PS., so besitzt ein 

-15 


«-Teilchen die Arbeitsfähigkeit von 1,25. 10 PS., also ungefähr von einer 
tausendbillionstel Pferdekraft. Das ist nun ein ganz außerordentlich geringer 
Betrag; bedenkt man jedoch, daß ein Milligramm Radium in jeder Sekunde 
3400000 «-Teilchen erzeugt, so erhält man für die von einem Gramm Radium 


4 
100000 PS., also 


eine immerhin recht beträchtliche Größe. Die Energie derselben Zahl von 
-Teilchen ist um !/,, kleiner. Der bei weitem größte Anteil an der radioaktiven 
Energie kommt also den a-Strahlen zu, etwa 80°/, der ge- 
samten Leistung. Hierüber gibt das von Rutherford auf- 
gestellte Schema eine sehr anschauliche Vorstellung (Fig. 15). 
Infolge ihrer etwa 2000 mal größeren Masse überragen die 
«-Teilchen trotz ihrer geringeren Geschwindigkeit die gleichen 
an Arbeitsfähigkeit ganz wesentlich. 

.Weiter stellte sich dann heraus, daß diese Energieabgabe der Radio- 
elemente nicht ununterbrochen fortdauert, sondern allmählich, bei den einen 
fast unmerklich langsam, bei den andern erheblich schneller abnimmt, daß 
die gewaltige Produktion von Arbeit überhaupt Hand in Hand geht mit der Um- 
wandlung der radioaktiven Elemente. Am besten wird dies wohl aus der Um- 
wandlung klar, die das Radium selbst im Laufe der Zeiten erleidet. Ruther- 
ford und Soddy beobachteten nämlich, daß das Radium ständig von einer 
gewissen Gasart begleitet wäre, der sie den Namen Emanation gaben. Es gelang 
diesen Forschern eine hinreichende Menge dieses Gases aufzufangen, um seine 
Eigenschaften genauer prüfen zu können, und da zeigte sich dann, daß dieses 
Gas vollkommen die Eigenschaften eines radioaktiven Körpers besaß, «-Strahlen 
aussandte, fluorescierende Substanzen aufleuchten ließ, auch bei spektro- 
skopischer Untersuchung ein ganz charakteristisches Spektrum zeigte. Dem- 
nach können wir uns diesen radioaktiven Prozeß darstellen durch die Figur: 
Aber die Radioaktivität dieses Gases blieb nicht konstant, 
sondern nahm mehr und mehr ab, nach Verlauf eines Monats 
war sie völlig verschwunden; gleichzeitig aber trat in dem 
Gefäß ein neues Gas auf; es war Helium, wie das Spektro- 
skop deutlich zeigte. Man wird nun zu der Annahme neigen, daß sich die 
Emanation unter Verlust ihrer radioaktiven Eigenschaften in Helium umsetzt, 
das ist jedoch nicht der Fall, denn man bemerkte bei näherer Untersuchung, 
daß sehr wohl noch eine radioaktive Substanz in dem Gefäß vorhanden ist, 
zwar nicht mehr in Gasform, sondern als fester Niederschlag auf den Wänden: 


erg oder da lerg = ca. 


pro Sekunde geleistete Arbeit den Betrag von 34000) erg oder ca. 


Fig. 15. 


we 


— 


Ra dium Fmanatı.. 


— 31 — 


Sie wird Radium A genannt, die nächste Stufe in der weiteren Umwandlung 
des Radiums Woher kommt aber nun das Helium? Diese Frage hat eine 
ganz außerordentlich überraschende Beantwortung gefunden. 

Wir wissen ja, daß Radium auch «-Teilchen ständig in großer Zahl abgibt 
und hatten bereits geschen, daß die a-Strahlen vollkommen den positiven 


| e 
Anodenstrahlen entsprechen, also auch vor allem durch einen Wert von 


charakterisiert sind, der keinesfalls größer als der des Wasserstoffes ist. Die 
näheren Untersuchungen hierüber lieferten nun mit großer Übereinstimmung 
das interressante Resultat, daß die «-Teilchen mit Massen begabt sind, die 
genau der Masse eines Heliumatoms entsprechen, es sind positiv geladene 
Heliumatome. Und diese Tatsache führte nun zu der weiteren Hypothese, daß 
das bei der Umwandlung des Radiums auftretende Helium gebildet wird durch 
die «-Strahlen, die ihre positive Ladung verloren haben. Durch diese An- 
nahme wird aber unsere Einsicht in das Wesen der radioaktiven Prozesse ganz 
außerordentlich erweitert. Denn wenn jedes Radiumatom einen a-Strahl aus- 
sendet, mithin ein Heliumatom abgibt, so muß ja sein Atomgewicht um das des 
Heliums sinken. Dieses beträgt aber 4, und somit können wir die Umwandlung 


des Radiums jetzt symbolisch so andeuten u or. Helium Aus Radium mit 
m ; 
dem Atomgewicht 226 entstehen also zwei neue Elemente: die Emanation 
vom Atomgewicht 222 und Helium. Aber wie wir gesehen haben, ist auch die 
Emanation nicht beständig, sondern 
setzt sich wieder in einen neuen 
radioaktiven Körper um, auch de 3 Baie 
wieder unter Verlust eines Helium- als SE + Br Ben A D) 
atoms, und so geht es fort. Wir 4 
sehen also, daß sich das Atom- Ze Lage ce ong Ge = radium X 
gewicht in dieser Weise ständig F 13 
um 4 verringern muß. Die Tabelle 
gibt hierüber sehr deutlich Auf- 
schluß; jedesmal wenn von einer S Sey Zeg Se? D. cl Pasties 
radioaktiven Substanz a-Strahlen 83 Tage Ar Miederschiag eg: eme 
ausgehen, verringert sich das Atom- sais Seco ert > 


gewicht um 4 Einheiten. Vom Uran 7 engt 2 
geht es über Radium und dessen FR 0) — ER 
Umwandlungsprodukte bis zum Po- Hmmm Pama "Delt 
lonium mit dem Atomgewicht 210. | tee EE e? S 
Der nächste Schritt führt dann zu | 7 "ër 
einem Körper, dessen Atomgewicht 
uns wohl bekannt ist, es ist das Blei Eine direkte Umwandlung des Poloniums 
hat sich bei der Kürze der bisherigen Beobachtungszeit in Blei noch nicht fest- 
stellen lassen, doch haben sich sehr viele gewichtige Anhaltspunkte dafür 
ergeben, daß tatsächlich im Schoß der Erde eine derartige Umwandlung seit 
Millionen Jahren stattgefunden hat und dauernd stattfindet, doch würde es zu 
weit führen, hierauf näher einzugehen. 

Wir sehen also, eine wie tiefgehende Bedeutung den elektrischen Strahlen 
bei diesen radioaktiven Umwandlungen zukommt, und es kann keinem Zweifel 


hadivw f 
Ee 


— 299 — 


unterliegen, daß man durch ihr weiteres Studium immer tiefer in viele uns einst- 
weilen noch rätselhafte Vorgänge wird eindringen können. Speziell auf kos- 
mischem Gebiete sind ja schon die ersten Anfänge mit überraschendem Erfolg 
gemacht worden; die Theorie des Zeemanneffekts auf Grund der Annahme freier 
Elektronen in den leuchtenden Gasen, deren Schwingungen durch magnetische 
Felder beschleunigt bezw. verzögert werden, und somit die beobachtete Ver- 
schiebung der Spektrallinien hervorbringen, und die Erklärung des Nordlichtes 
durch elektrische Strahlen, die von der Sonne ausgehend in den obersten 
Schichten der Atmosphäre diese eigenartigen Leuchterscheinungen erzeugen. 
Doch ist speziell hierüber im „Weltall“!) bereits ausführlich berichtet worden, 
sodaß ich hierauf nicht näher einzugehen brauche. 


ee Gee me EEE 


user | 


Die Störungen des Roten Fleckes. Die starke westliche Bewegung des Roten Fleckes, die 
neuerdings von J. Phillips entdeckt wurde, ist jetzt schon von anderen Beobachtern bestätigt 
worden. Aus den Beobachtungen von Stanley Williams (6'/,zélligen Spiegel), Kritzinger (Ber- 
liner 9 Zöller), Lau (8zölligen Spiegel) und Archenhold (Treptower 26 Zöller) ergeben sich im 
Mittel für 1911 Mai 27. die Länge des Roten Fleckes zu 332%. Der Durchmesser des Roten Fleckes 
beträgt noch immer 349; seine Ausdehnung scheint somit durch die starke Bewegung von mehr als 
30° in nur 11 Monaten garnicht beeinflußt zu sein, 


Wiliams findet, daß der Rote Fleck jetzt wieder rötlich geworden ist; auch der helle 
„Kanal“, welcher ihn von den umgebenden Äquatorstreifen trennt, ist jetzt sehr hell und deutlich 
geworden. 

Nach Kritzingers Ephemeride („A. N.“ 4502) passiert der Rote Fleck den Centralmeridian 
zu folgenden Zeiten (M. E. Z.): 


1911 Juli 2.10" 36% Juli 11. 12" pp Juli 19. ob 35™ Juli 28. (Oh Am 


4.12 15 12. 8 50 21. 11 14 29. 7 56 
5. 8 7 14. 10 30 23. 12 53 31. 9 31 
7. 9 40 16.12 9 24. 8 45 Aug. 2.11 10 
9.11 19 1%. 8:1 26. 10 25 5. 8 41 


Der „Schleier“ passiert nach den Treptower Beobachtungen den Centralmeridian 5 Stunden 
vor oder nach dem Roten Fleck, also etwa zu folgenden Zeiten: 


1911 Juli 1. 10" Juli 6. 9° Juli 18. ah Juli 27. 11” 
3. 11 8. 10 20. 10 30. 9 
4. 7 13. 10 22. 12 Aug. 1. 10 
5. 13 15. 11 25. 10 4, 8 
* Li 


A 


Beobachtung einer Feuerkugel. Die Mitteilung des Freiherrn E. von Hake in Heft 1 des 
laufenden Jabrgangs über die Beobachtung einer Feuerkugel am 26. September 1910 veranlaßt mich 
zu dem Bericht, daß am 27. September 1910 9" 52™ ebenfalls ein großes Meteor erschien, das 
ich vom Bahnhof Charlottenburg-Berlin beobachtete. Ich bemerkte dasselbe erst wenige Sekunden 
vor seinem Verschwinden. Sein sehr rascher Flug war von Süden nach Westen gerichtet, die Bahn 
lag südlich des Sternes @-Aquilae. An Glanz die Helligkeit des Sirius übertreffend, war es weiß- 
glutfarbig, zeigte keine Schweifbildung, verschwand aber unter Funkensprühen. G. von... 


1) 9. Jahrgang. S. 120ff. 


— 23 — 


Komet Halley am 16. Mai 1910. : 

Im Bulletin der Sternwarte zu Zö-se ver- 
öffentlicht Chevalier die Ergebnisse der 
Beobachtungen während des Vorüberganges 
des Kometen Halley am 19. Mai 1910 Auf 
der Sonnenscheibe konnte am Fernrohr 
überhaupt nichts gesehen werden, obgleich 
der Kern am 16. Mai 15“ groß war. Auf 
den photographischen Aufnahmen sind in 
der Nähe des großen Sonneufleckes noch 
Poren von 1“ Durchmesser sichtbar, an der 
bezeichneten Stelle des Kernes dagegen 
nichts. Die magnetischen Beobachtungen 
vom 17. bis 19. Mai ergaben nur eine fast 
unmerkliche Störung während des Vorüber- 
ganges. 

Chevalier gibt die beistehende Abbildung 
des Kopfes des Halleyschen Kometen am 
16. Mai 1910, 4 Uhr morgens 

(Man vergleiche die Abbildungen im 
„Weltall“ J. 10, S. 340: Dr. F. S. Archen- 
hold: ‚Der Halleysche Komet im Monat Mat 7) 

Über die lonisation der Atmosphäre in 
Jekaterinoslaw während des Durchganges des 
Halleyschen Kometen schreibt I.v Kotelow e 
in den „Verhandlungen der Deutschen 
physikalischen Gesellschaft im Jahre 1911*, 
daß ein Maximum der beobachteten Kurve 
angenähert mit der Konjunktion des Kometen 
mit der Erde zusammenfällt. Zum Schluß 
sei noch darauf hingewiesen, daß auch A. Wigand in Halle mit dem Zerstreuungsapparat von 
Elster und Geitel Störungen der Ionisation der Atmosphäre beobachtet hat während derselben 
Zeit, wie in Jekaterinoslaw; ferner hat Prof. Amaduzzi nach Angabe von Prof. A. Righi ebenfalls 
mit dem Elster-Geitelschen Apparat die Störungen der Ionisation erhalten Ein solcher Parallelismus 
der Störung der Ionisation der Atmosphäre in Bologna, Jekaterinoslaw und Halle an drei sowohl 
klimatisch wie topographisch so verschiedenen Punkten gibt uns einiges Recht, für diese Erscheinung 
eine Ursache der kusmischen Natur zu vermuten und sie folgerecht der Ladung durch den Halleyschen 


Kometen zuzuschreiben. F.S. Archenhold. 


* x 
* 


Kopf des Halleyschen Kometen 
16. Mai 1910, 45 morgens. 


8 Ernennungen. 


Professor Dr. S. Oppenheim, der bisher als Privatdozent für Astronomie an der deutschen 
Universität und gleichzeitig als Professor an der Staatsrealschule in Prag gewirkt hat, ist zum 
ordentlichen Professor der Astronomie an die Universität in Wien berufen worden. Prof. Oppen- 
heim ist am 15. November 1857 zu Braunfels in Mähren geboren. Er arbeitete von 1881—1887 an 
der Universitäts-Sternwarte und dann als Observator an der Kuffnerschen Privat-Sternwarte in 
Wien. Seit 1902 wirkte er als Privatdozent an der Prager Universität mit dem Titel eines auber- 
ordentlichen Professors. In den Astronomischen Nachrichten hat er die Bahnbestimmung der 
Kometen 1846 VIII, 1881 VIII und 1886 IV angegeben. Auf der Kuffnerschen Sternwarte hat er 
hauptsächlich Planeten und Kometen beobachtet und auch die Rotation und Präzession eines 
flüssigen Sphäroides veröffentlicht. 

Der ordentliche Professor für Vermessungskunde an der Technischen Hochschule in Aachen 
Dr. Richard Schumann ist als ordentlicher Professor für höhere Geodäsie und sphärische 
Astronomie an der Technischen Hochschule zu Wien ernannt worden. 


ME 


Ke, 
An 


Annuaire astronomique pour 1912. Publie par G. Lecointe Das kleine Jahrbuch der 
Brüsseler Sternwarte gibt auf 467 Seiten außer den gewöhnlichen Ephemeriden von Sonne, Mond, 
Planeten, Fixsternen, Finsternissen, Sternbedeckungen, Gezeiten, einer umfangreichen Sammlung von 
astronomischen und magnetischen Tafeln eine sehr wertvolle Übersicht der Fortschritte der Astronomie 
und der Astrophysik im Jahre 1909 von Prof. Stroobant. Es werden behandelt: die Untersuchungen 
über die Sonne ıFleckentätigkeit, Spektralanalyse Korona, Sonnenparallaxe), die großen Planeten 
(Mars, Jupiter, Trabantenentdeckungen), Kometen (darunter ein 65 Seiten fassender Bericht über den 
Halleyschen), Fixsterne (neue Kataloge, Entdeckungen von Veränderlichen, spektroskopische und 
visuelle Doppelsterne, Sternfarben, Absorption im Weltraume, Parallaxen, Eigenbewegungen, Stern- 
haufen) und Geodäsie (Polhöhenschwankung). 

* * 
® 

Stavenhagen, W., Hauptmann a. D (Berlin), 1. Zur Fertigstellung der Karte des 
Deutschen Reiches. 1:100000. Sonderabdruck aus „Danzers Armee-Zeitung“ 1911. Wien, Druck 
und Verlag Helios 1911. Preis geh. M. 0,50. 

Derselbe. 2. bie Karte und der Kavallericoffizier. Sonderabdruck aus „Kavalleristische 
Monatshefte“. Wien, Druck und Verlag Helios 1911. Preis geh. M. 0,50. | 

Derselbe. 3. Ueber die Bedeutung der Militärgeographie. Sonderabdruck aus: „Danzers 
Armee-Zeitung‘‘ 1910. Wien, Druck und Verlag Helios. 1910. Preis M. 0,50 

Diese drei bemerkenswerten Themen zeigen in ihrem Inhalt die vielseitige Wirksamkeit des 
Herrn Verfassers auf dem von ihm wieder neu angeregten wichtigen Gebiet der Militär- 
geographie sowie auf dem der Kartograpbie, und sie bieten auch für dieLeser unserer Zeitschrift manches 
Interessante. Die genannten beiden Wissenschaften benutzen auch die Astronomie als Hilfsmittel für 
militärische und geodätische Zwecke. Siehe auch W. Stavenhagen: „Über Himmelsbeobachtungen 
in militärischer Beleuchtung“. 2. verbesserte Auflage. Taschenformat, Heft 17 unserer Sonderhefte. 
Preis M. 1,50. i $ * 

Bei der Redaktion cingegangene Bücher. 

Giese, Fritz, Die Lehre von den Gedankenwelten Brosch. M. —.80. 

Sigerus, Robert, Die Telepathie, Telästhesie, Telenergie, Mentalsuggestion, 
magische Gedankenubertragung usw. — Gemeinverstandl Studie über Geschichte, Wesen, Auf- 
treten, Erklärung und Wichtigkeit der telepathischen Vorgänge. Brosch. M. 2. —. 

Mitraton, Gott-Menschentum. Den Freien und Führern gewidmet. Brosch M. —,50. 
Leipzig, sämtlich aus dem Verlag von Max Altmann, 1910. É 

* * 
* 
Neu erschienene Kataloge. 

1. Gustav Heyde, mathem.-mechan Institut und optische Präzisions-Werkstätten, Dresden-A. 
Friedrichstr. 18. Preisliste V. Teil-Maschinen und Hilfsinstrumente. 

In diesem Katalog befindet sich eine eingehende Beschreibung der selbsttätigen Kreis-Teil- 
maschine nach dem System von Gustav Heyde mit erläuternden Figuren des vertikalen und horizontalen 
Reisserwerkes, der selbsttätigen Ausschaltvorrichtung. sowie der Zahlen-Schreibapparate. Ebenso 
interessiert die Abbildung des Apparates zur Untersuchung geteilter Kreise, welche nach Angaben 
von Professor Dr. Bruns konstruiert worden ist, wie auch ein Apparat zum Aufziehen von Spinn- 
faden auf Diaphragmen für Fernrohre. 

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Der neue Katalog behandelt photographische Objektive, u. a.: Serie Triplar 1:3, 8, Unofocal 
1:4, 5, Orthostigmat 1:6. 8, neue lichtstarke Orthostigmat-Sätze und unter seinen optischen Hilfs- 
apparaten, Vergrößerungs-Systeme für Tele-Aufnahmen. Tele-Vorsteck-Linsen, Prismen, Spiegel, Cuvetten. 
Gelbscheiben, Lupen zum Einstellen und Moment-Verschlüsse verzeichnet und abgebildet. 

3. Allgem. Elektr.-Ges., Abteilung für Schiffbau und Heerwesen. Katalog für Schein- 
werfer mit Zeiß-Spiegel. Berlin, Friedrich-Karl-Ufer 2-4. 

4. Emil Busch, A-G., „Lichtbild“, Optische Industrie. Rathenow. Preisliste für Projektions- 
Objektive: Objektive für Vergrößerungs-Apparate, Kondensoren 
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 

Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


DAS WE LIAL 


Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte 


Herausgegeben von 
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 19. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Erstes Juliheft). 
Berlin-Treptow. 


Diese Zaischrifli erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Trepiow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post- 

Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pig. — Anseigen-Gebtihren: 1 Seite 80.— MR., h Seite 45.— 
LU, Seile 25.—, (Uh Seite 15.—, lhg Seile 8.—. Bei Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewicht 


INHALT 
1. Tiefenunterschiede von Sonnenflecken zusammen- 3. Der gestirnte Himmel im Monat August 1911. Von 
gesetster Gruppen und andere Ausbruchserschei- Dr. F. S. Archenhold . . . . 2. 2 2 2200. 296 
nungen der Sonne. Von Wilhelm Krebs, Großflollbek 285 4. Bücherschau: Bei der Redaklion eingegangene 
2. Der Ursprung des Sexagesimalsystems. Von Dr. Bücher. rn 300 
F. S. Archenhold . . . . 2» 2 2 ww te we ee ‘e 294 


Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet. 


Giefenunterschiede Yon Sonnenflecken zusammengesetater Gruppen 
und andere Ausbruchserscheinunden der Sonne. 
Von Wilhelm Krebs, Großflottbek. 


Br neue Errungenschaft der Photographie ist die stereoskopische und 
photogrammetrische Feststellung von Tiefenunterschieden beobachteter Er- 
scheinungen. Auf der Grundlage von Abschnitten der Erdbahn hat sie sich 
auch in den Weltenraum gewagt. Die Stereogramme von den der Erde näheren 
Außenplaneten, die cinem der Schöpfer jener neuen Methoden, Dr. K. Pulfrich 
in Jena, zu danken sind, dürfen wohl auf allgemeine Bekanntheit rechnen. Ähn- 
liches ist von Dr. Pulfrich selbst und ferner von dem Besitzer der Sonnen- 
warte zu Kassel, Herrn E. Stephani, mit der Sonne versucht worden. Tat- 
sächlich stellte sich, bei gleichzeitiger Betrachtung von ungefähr um Tages- 
frist auseinanderliegenden Bildern, der Sonnenball in plastischer Rundung dar. 
Vor allem ließen die Flecken mancher Gruppen Tiefenunterschiede erkennen. 
Doch vermochte Professor M. Wolf in Heidelberg solche Tiefenunterschiede 
stercoskopisch auch an Fixsternen festzustellen, die eine starke relative Orts- 
veränderung besitzen'). Die Meinung wiegt deshalb in fachastronomischen 
Kreisen noch vor, daß jene Tiefenunterschiede zwischen Sonnenflecken eben- 
falls nur scheinbar sind, und daß sie von einer selbständigen oder vielmehr 
einer von der Regel abweichenden Bewegung einzelner Flecken herrühren. 
Professor M. Wolf ist, wie er mir bei Gelegenheit einer auf der Naturforscher- 
versammlung 1907 zu Dresden verstatteten Unterredung versicherte, allerdings 
selbst nicht dieser Meinung. Bei Sonnenflecken ist er geneigt, tatsächliche Tiefen- 
unterschiede zuzugeben. 


1) „Astronomische Nachrichten“, Kiel, Nr. 4101. 


— 286 — 


Die Streitfrage beschäftigte mich selbst aus einem besonderen Grunde. 
Wiederholt war mir, schon bei mäßiger teleskopischer Vergrößerung von Flecken- 
gruppen, der Eindruck geworden, die Flecken lägen in verschiedener Höhe. 
Erklären kann ich ihn höchstens daraus, daß meine Augen in besonders hohem 
Grade farbenempfindlich sind. In dieser Beziehung sei gestattet, auf meine 
Beobachtung an der grünen Strahlung und ferner von Blitzfärbungen hinzu- 
weisen, von denen die ersteren aus der Meteorologischen Zeitschrift in Professor 
S. Günther’s Handbuch der Geophysik übergegangen sind’). Durch die 
stärkere Absorption in tieferen Schichten der Atmo- oder Chromosphäre der 
Sonne stellen sich bei verschiedener Tiefenlage zweifellos auch Färbungsunter- 
schiede gleichmäßig abgeblendeter Sonnenflecken ein. 

Der Eindruck drängte sich zunächst dann auf, wenn die Flecken benach- 
barter Gruppen in Doppelreihen standen, deren eine gleichmäßig tiefer als die 
andere zu liegen schien. Das war in sehr ausgeprägter Weise der Fall am 
Vormittage des 22. Januar 1904. Ich beobachtete damals eine solche Doppel- 
reihe in mittleren Südbreiten der Sonne. Die Doppelreihe wurde gebildet 
von drei in einer Linie nebeneinander stehenden Fleckengruppen, deren öst- 
lichste und mittlere je drei, deren westlichste je zwei kräftige Flecken erkennen 
ließ. Die Flecken der einen Querreihe verhielten sich für meine Augen sehr 
deutlich zueinander wie die Wurzeln zu den Gipfeln von Bäumen oder wie 
Krater zu über ihnen schwebenden Ausbruchswolken oder wie die unteren zu 
den oberen Enden von Schuß- oder Einschlagskanälen. Der Eindruck war so 
überzeugend, daß, entsprechend dem Grundsatz: Direkte Beobachtung geht 
über die Theorie — ich mich versucht fühlte, trotz Einstellung des Okulars auf 
Unendlich, die beim Mikroskopieren übliche Suche nach verschiedenen optischen 
Ebenen anzustellen. Zwei am gleichen Vormittage an das Fernrohr gebetene 
Mitglieder der Deutschen Seewarte, mit 
deren kleinen Refraktoren jene Beob- 
achtung gemacht worden war, vermoch- 
ten allerdings verschiedene Höhenlagen 
der beiden Fleckenreihen nicht zu er- 
kennen. | 

Noch überzeugender stellte sich 
bei der einfachen teleskopischen Beob- 
achtung der Eindruck von Tiefenunter- 
schieden heraus, wenn sich zusammen- 
hängende, streifige Partien von Flecken- 

Abb. 1. substanz, durchsetzt von Fleckenreihen, 
Größte Sonnenfleckengruppe von 1908, Aug. 7, über andere, mehr oder weniger flächen- 
7 M.E.Z. Nach teleskopischer Beobachtung haft ausgebreitete Partien legten. In 
zu Großflottbek gezeichnet im Maßstab 1 mm = b Ta; ; 
4700 km von Wilhelm Krebs. esonders ausgeprägter Weise trat dieser 
Eindruck entgegen an den großen 
Fleckengruppen der ersten August- und der zweiten Novemberwoche 1908. 
Abb. 1 gibt eine Zeichnung wieder, die bei direkter, mit etwa 40facher Ver- 
größerung ausgeführter Fernrohrbeobachtung entworfen ist. Sie betraf die 
westlichste und größte der Sonnenfleckengruppen vom 7. August 1908 gegen 
7 Uhr MEZ. vormittags. Für den Nachweis der Tiefenunterschiede genügt der 


W. 


') A. a. O., Stuttgart 1899, Bd. 2, S. 145, 161. 


— 237 — 


an zwei Stellen sehr deutliche Zusammenhang der «-förmig gekrümmten 
Schlieren (Abb. 2 a und b.) Es kommt dabei nicht darauf an, ob diese Schlieren 
die übrige Fleckenmasse verdecken oder ob sie umgekehrt von ihr verdeckt 
werden. Doch spricht der Augenschein sehr für den ersteren Fall, also für ein 
Herausschießen der Schlieren aus der Photosphäre nach außen, wenn nicht für 
ein Hineinschießen von außen. | 

Der große, exzentrisch umhofte Fleck, in dem bei b die südöstliche, und die 
gerundete kleine Fleckengruppe, in der bei a die nordwestliche dieser Schlieren 
endeten, wurden ganz augenscheinlich von der Sonnenoberfläche aus in den 
Weltraum geschleudert, fast parallel dem Äquator der Sonne. Sie vollführten 
beide dabei eine Rotation, vermutlich durch den schlierenförmigen Schweif, den 
sie hinterließen. Diese Rotation führte von Norden über Osten nach Süden. 
Für die Südhalbkugel, der die ganze Gruppe angehörte, war sie deshalb deutlich 
zyklonal, während sonst an Sonnenflecken antizyklonale Rotationen häufiger 
sind. Es liegt nahe, jene von dieser Regel abweichende Rotationsrichtung mit 
einer Ausbruchnatur der Schlierengebilde in Zusammenhang zu bringen. Denn 
nach neueren Beobachtungen an Erdkatastrophen haben sich antizyklonale 
Wirbeltendenzen mit Einbrüchen, zyklonale mit Ausbrüchen oder Aufstauchungen 
verbunden erwiesen!). Für die ungewöhnliche Heftigkeit der Sonnentätigkeit, 
die auch demnach wohl vulkanisch als Ausbruchstätigkeit zu erklären ist, sprach 
in der gleichen Epoche das Schicksal der Fleckengruppe selbst. Es spielte sich 
unter der Kontrolle menschlicher Beobachtung ziemlich vollständig auf der dies- 
seitigen Halbkugel des Sonnenballes ab. Der Direktor der Sternwarte von 
Cartuja, Pater R.Garrido, bringt über die Sonnenfleckengruppe im Doppelhefte 
9/10 des „Bulletin de la société belge d'astronomie“ 1908 neben einer Photo- 
graphie vom 7. August eine Mitteilung, deren wichtigste Sätze in getreuer Über- 
setzung lauten: 

„Am 30. Juli stellte sie sich vor in der Form eines doppelten, geteilten 
Fleckes Von da an entwickelte sie sich mehr und mehr. Ihre Ausdehnung 
beim Kreuzen des Mittelmeridians betrug etwa 0,001161 der ganzen Halbkugel. 
Von diesem Tage an verkleinerte sie sich mehr und mehr, um schließlich 
nicht mehr als ein nebelhafter Kern zu sein bei ihrem Verschwinden.“ 

Diese letzte Bemerkung erscheint zwar nach meinen eigenen Beobach- 
tungen etwas übertrieben. Am Vortage des Entschwindens, dem 10. August 1908, 
vermochte ich selbst noch 15 Flecken in dieser Gruppe zu zählen. Auch kehrte 
seit dem 25. August, diesseits des östlichen Sonnenrandes sichtbar, in ungefähr 
der gleichen heliographischen Lage ein ansehnlicher, mehrkerniger Fleck wieder, 
der vom 29. August an durch Schlierenausbrüche wieder eine Gruppenbildung 
einleitete. Aber die starke Abnahme der Gruppe nach dem 7. August kann auch 
ich bestatigen. Sie ging ferner hervor aus der Reihe photographischer Auf- 
nahmen der Herren Stephani und Henze, die von dem erstgenannten auf der Ver- 
Sammlung deutscher Naturforscher und Arzte zuCöln inLichtbildern gezeigt wurden. 
Es lag demnach ein neuer Fall vor der raschen Zerstörung einer großen Sonnen- 
fleckengruppe durch ungewöhnlich gesteigerte Sonnentätigkeit, die, unabhängig 


1) Vgl. W. Krebs, Das Erdbeben vom 14. Januar 1907 und seine Begleiterscheinungen, „Das 
Weltall“, Jahrg. 9, S 103. Derselbe über Ausbruchserscheinungen auf der Sonne in „Ver- 
handlungen Deutscher Naturforscher etc. zu Salzburg“ 1909 II, I, S. 24, in „Physikalische Zeitschrift“ 
11, S. 241, in Dr. Völler’s „Natur und Kultur“ VII, S. 678 u. fgde. über Drehungsgesetz bei Wirbeln 
in „Physikalische Zeitschrift“ 10, S. 1022. 


— 238 — 


von der Zerstérung selbst, aus besonders auffallenden Vorgangen erschlossen 
werden konnte. — Einen früheren, sehr ähnlichen Zusammenhang, vom 17. Juli 
1907, hatte ich selbst auf der gleichen Versammlung mitgeteilt. Die auffallenden 


Abb. 2. 


Schematische Darstellung der Vorgänge der Sonnentätigkeit am 17./18. Juli 1907. 

Oben: Aufnahme der Sonnenflecken zu Großflottbek 1907, Juli 17., 2" 40” bis 50" MEI Am Rande 
die nach der spektrographischen Aufnahme zu South Kensington zusammengestellten Ring- 
systeme am gleichen Tage, 1907, Juli 17., 4" 24™ M.E. Z. 

Unten: Aufnahme der Sunnenflecken zu Großflottbek 1907, Juli 18, 12" 45" bis 1? M.E.Z. 


— 239 — 


Vorgänge waren hier nicht allein Wirbelerscheinungen innerhalb einer cbenfalls 
überaus großen Fleckengruppe, sondern vor allem auch die in South Kensington bei 
London und auf Mount Wilson in Nordamerika spektrographisch aufgenommenen 
Ringsysteme aus photosphärischem Material, die von mir im „Archiv für Optik“ 
1908 beschrieben sind. Über den Südostrand der scheinbaren Sonnenscheibe 
hinaus projizierten sie sich bis zur Entfernung von mehr als 5‘, also mehr als 
200000 Kilometer, eine Höhe, die durch die wahrscheinliche Annahme einer 
Elevation des Ausbruchs aus der optischen Ebene dieser Scheibe schon verviel- 
facht wird. (Abb. 2a.) 

Eine weitere, sehr große Wahrscheinlichkeit besteht aber dafür, daß der 
Herd dieses ungewöhnlichen Sonnenausbruches nahe der scheinbaren Sonnen- 
mitte, doch noch im gleichen südöstlichen Quadranten der Scheibe lag. Denn 
hier befand sich an dem denkwürdigen 17. Juli 1907 jene riesenhafte Sonnen- 
fleckengruppe mit deutlichen Anzeichen von Wirbelbewegungen. Es war tat- 
sächlich diejenige Gruppe, die seit der vorhergehenden 26tägigen Epoche des 
Juni 1907 die Stelle höchstgesteigerter Tätigkeit auf der Sonne markiert hatte, 
wenn anders ein Signal maximaler Art auf ein Maximum dieser Tätigkeit zu 
schließen gestattet. Dazu kam endlich und vor allem dasselbe, was der Flecken- 
gruppe vom 7. August 1908 geschehen ist. Anstatt der großen Fleckengruppe 
des 17. Juli 1907, gelangte am 18. Juli 1907 ein Gebilde zur Beobachtung, das 
nur noch aus dem großen Kopffleck jener Gruppe und sonst lediglich aus 
einigen strichartig angeordneten Reihen kleiner Flecken und Poren bestand. 
Die große Fleckengruppe des 17. Juli 1907 war demnach einer weitgehenden 
Zerstörung verfallen. Diese Zerstörung geschah innerhalb Tagesfrist, genauer 
innerhalb der 22 Stunden, die zwischen der Aufnahme des 17. und des 18. Juli 
1907 lagen. Sie entfiel in den gleichen Zeitraum, in dem auch jene seltsamen 
Ringerscheinungen photosphärischer Herkunft zur spektrographischen Aufnahme 
gelangt waren. Es liegt außerordentlich nahe, die beiden ungewöhnlichen Er- 
eignisse in inneren Zusammenhang zu bringen. Dann enthüllt sich aber dieser 
Vorgang der Sonnentätigkeit als eine Ausbruchserscheinung ganz ungeheuer- 
licher Art. Die sichtbare Reichweite dieses Ausbruches darf auf 1 bis 2 Mill. 
Kilometer eingeschätzt werden, wenn als Herd der Ringbildung die in der Bild- 
ebene 700000 bis 900000 Kilometer entfernte Stelle der Sonnenfleckengruppe und 
außerdem noch eine angemessene Elevation, aus der Bildebene heraus, ange- 
nommen wird. 

Die Größenordnung einer solchen, den Sonnendurchmesser übertreffenden 
Reichweite, bei Sonnenausbrüchen aus der Photosphäre, verliert an Unwahr- 
scheinlichkeit schon bei Berücksichtigung der Koronastrahlen zur Zeit ge- 
steigerter Sonnentatigkeit. Bei der Beobachtung der Sonnenfinsternis des 
30: August 1905 wurde zu Suk Ahras cin solcher Strahl bis zum vierfachen des 
Sonnendurchmessers, also auf mehr als 5,5 Millionen Kilometer, verfolgt. In 
meinem, im Juniheft 1906 der „Deutschen Rundschau für Geographie und Sta- 
tistik“ veröffentlichten Berichte über die hamburgischen Unternehmungen zur 
Beobachtung dieser Sonnenfinsternis habe ich, in Übereinstimmung mit 
Dr. M. W. Meyer, der ähnliches damals in Assuan beobachtet hatte, diesen 
Koronastrahl in Zusammenhang gebracht mit einer beschränkten Stelle erhöhter 
Sonnentatigkeit, die am Südostrande durch einen Sonnenfleck signalisiert war. 

Aber auch im eigentlichen Bereiche der Photosphäre selbst findet sich An- 
halt für die Möglichkeit von Sonnenausbrüchen so ungeheurer Art. Im „Archiv 


— 2900 — 


der Optik“ 1908 und in Nr. 4267 der „Astronomischen Nachrichten“ habe ich 
Berechnungen veröffentlicht über Tiefenunterschiede der Sonnenflecken einer 
Gruppe, die am 4., 5. und 6. Juli 1906 auf der diesseitigen Hälfte des Sonnen- 
balles in ihren mittleren Längen vorüberzog. Sie erstreckten sich über acht 
Fleckenstellen einer sehr ausgebreiteten Gruppe, die von Tag zu Tag in ost- 
westlicher Richtung näher aneinander oder weiter auseinander rückten. Daß 
diese relativen Eigenbewegungen auf die perspektivischen Folgen von Tiefen- 
unterschieden zu deuten seien, dafür sprach schon der einheitliche stereosko- 
pische Eindruck, den ein vom 4. und 5. Juli zusammengestelltes Bilderpaar her- 
vorrief. Es war ein Verdienst des eingangs erwähnten Herrn E. Stephani, 
zuerst auf diesen stereoskopischen Eindruck hingewiesen zu haben. Die end- 
gültigen Messungen und Berechnungen wurden freilich nicht an den scharfen 
aber kleinen Photographien Herrn Stephani’s, sondern an den ungleich 
größeren Solar Transparencies des Greenwich Observatory vorgenommen, 
die von diesem mit höchst anerkennenswerter Liberalität zur Verfügung ge- 
stellt wurden. Beiden Stellen, dem Greenwich Observatory und der Kasseler 
Sonnenwarte, sei auch an dieser Stelle für die gelieferten wertvollen Materialien 
der schuldige Dank abgestattet. 

Die Tiefenberechnung ging von der naheliegenden stereographischen Be- 
trachtung aus, daß die Unterschiede der Fleckenentfernung von einer Tagfahrt 
zur anderen in festem Verhältnis zu einer verschiedenen Höhenlage der Flecken 
stehen müsse, Das Verhältnis muß ferner mit dem übereinstimmen, in welchem 
die inzwischen von der Erde zurückgelegte Wegstrecke zu ihrer Entfernung von 
der Sonne stand. 

Geometrisch läßt sich dieser Vergleich durch Abb. 3 ausdrücken, arith- 
methisch durch die Proportion o:H=S:E. In ihr bedeutet e den zwischen 
jedem Paare von Flecken durch Messung festgestellten Unterschied ihrer Ent- 


S 


Wës 2 


kee, 
Æ 


Abb. 3. 


fernungen, H den gesuchten Tiefenunterschied, S die von der Erde zurückgelegte 
Strecke, E die Entfernung der Erde von der Sonne, angesetzt zu 149,5 Millionen 
Kilometer. Von diesen Werten sind, außer E, S und o bekannt, weil sie durch 
Messung oder Berechnung direkt bestimmt werden können. Der gesuchte 
Tiefenunterschied je zweier Sonnenflecken der Gruppe ergibt sich demzufolge 
E / 
/S. 
Die Benennung der Fleckenstellen ist gemäß der folgenden Zusammen- 
stellung gewählt: 


f e d 


aus der Formel H = ø 


— 291 — 


Von ihnen war der nordwestliche Fleck a nicht allein durch seine Größe 
ausgezeichnet; er war auch der älteste Fleck der Gruppe, die sich erst in den 
Tagen des Vorüberganges, vom 2. Juli 1906 an, entwickelt hatte. Er war 
drittens der einzige Fleck, neben g oder A, der bei der Verabschiedung am 
westlichen Sonnenrande, am 10. Juli 1906, noch sichtbar blieb. Man hat ein 
Recht, ihn schon aus diesen Gründen als Hauptfleck der ganzen Gruppe zu be- 
zeichnen. Sehr bedeutsam muß es deshalb erscheinen, daß die stereo- 
graphische Berechnung bei beiden bearbeiteten Tagfahrten von 1906 Juli 4./5. 
und 5./6., ihn als den tiefstgelegenen Fleck der ganzen achtstelligen Gruppe aus- 
wies. Wegen der Berechnung selbst verweise ich auf die erwähnten Veröffent- 
lichungen, besonders auf die im „Archiv für Optik“ 1908. In der folgenden 
Tabelle sind nur die Endergebnisse zusammengestellt, die Niveaulagen der 
sieben Fleckenstellen b bis A über jenem als Hauptfleck charakterisierten 
Sonnenfleck a. Die einzige Abweichung, bei A in der ersten Reihe, wird hin- 
reichend erklärt durch den Einfluß der Perspektive bei diesem, am 4. und 
5. Juli noch sehr nahe dem Ostrand stehenden Sonnenfleck, der erst am 
5. Juli annähernd in das Niveau der mittleren Sonnenlängen emportauchte. 


Niveauhöhen der kleineren Sonnenflecken über a 
in 1000 Kilometern. 


Flecken berechnet 1906, Juli 4./5. 1906, Juli 5./6. H-Zunahme 

aus H H vom 4./5. zum 5./6. 
b ab 1881 1117 — 104 
e be 1215 1718 503 
d cd 970 1421 451 
f af 730 237 — 493 
£ ce 427 | 770 343 
C bc 249 D33 25-4 
h gh — 50 178 228 
a — 0 () — 


Die größte dieser Höhen H, die von bübera, reicht also nahe an 2 Millionen 
Kilometer heran. Die kleine Abnahme, die sie aufweist, um 104000 Kilometer, 
etwa 6 Prozent, fällt in Betracht der Fehlerquellen wenig ins Gewicht. Sie kann 
auch dynamisch aus dem Widerstreit zwischen Wurfkraft und Massenanziehung 
erklärt werden. Größer ist die Abnahme bei f, um 493000 Kilometer, nahezu 
10 Prozent der Höhe bei der ersten Tagfahrt. Aber bei f, als dem westlichsten 
Fleck der ganzen Gruppe, kommt dieselbe starke Fehlerquelle der Perspektive 
wie bei dem Ostlichsten Fleck A, natürlich umgekehrt, zur Geltung. Bei der 
sehr symmetrischen Lage der drei Tagesbilder, vom 4, 5. und 6. Juli, zum 
Mittelmeridian erscheint es statthaft, eine durchschnittliche Höhenzunahme der 
sieben Flecken über a zu ermitteln. Sie ergibt sich zu 202000 Kilometer oder 
23 Prozent. 

Bei so außerordentlich großen Niveauverschiedenheiten, besonders wenn 
ihnen Ausbruchserscheinungen oder überhaupt rasche Änderungen der Niveau- 
lagen zugrunde liegen, muß berücksichtigt werden, daß rotierende Gegenstände, 
in höhere Niveaus gelangt, langsamer, in tiefere Niveaus gelangt, schneller 
fortschreiten, als das dortige Rotationsmoment erfordert. Ausbrüche und 


— 292 — 


Rotation bieten die wahrscheinlichste Annahme fiir die oben rechnerisch fest- 
gelegten Höhenunterschiede. Kommen nicht noch besondere Eigenschaften der 
Mechanik auf der Sonne dazu, wofür kein sicherer Anhalt Reese so ist jene 
Rücksicht bei diesen Berechnungen nicht zu umgehen. 

Deshalb sind von mir in den angegebenen Abhandlungen die Berechnungen 
noch einmal ausgeführt, unter Anwendung einer Formel, die jene Änderungen 
des Geschwindigkeitsverhältnisses mit der Höhe berücksichtigt. Die neue Formel 
ergab sich in sehr einfacher Weise aus der Überlegung, daß der gemessene 
Unterschied der Fleckenabstände von Tag zu Tag o dann nicht allein vom ein- 
fachen Höhenverhältnis des jeweilig betrachteten Fleckenpaares abhängt, also 


nicht allein gleich zu setzen ist KS , sondern daß ein Teil von ihm von der 
durch das Steigen oder Sinken um den Betrag H bedingte Geschwindigkeits- 
Änderung abhängt. Für diesen Teil ergibt sich aber die Proportion 
o,:vt = Hr 
In ihr bedeutet r den Halbmesser der Sonne = 700000 km und vt die Rota- 
tionsgeschwindigkeit im Bereiche der leuchtenden Sonnenoberflache: v multipli- 
ziert mit dem Zeitunterschied t. o wird dann = vt =. Das neue ø setzt sich 
demzufolge aus dem alten und dem neuen Rechnungsgliede zusammen zu 
S vt 
, S vt 
Daraus ergibt sich H = el +") oder 


rE 
rs+vtE` 
Nach dieser Formel ist dann die neue Tabelle berechnet. 


H =o 


Niveauhöhen der kleineren Sonnenflecken über a in 1000 km, unter 
Berücksichtigung der Änderung der Geschwindigkeitsverhältnisse 
mit dem Niveau. 


Flecken berechnet aus 1906, Juli 4./5. 1906, Juli 5./6. Zunahme 
H H 
b ab 137 129 — 8 
e be 88 124 36 
d cd 70 113 43 
f af 53 17 — 36 
g cg 31 56 25 
c bc 18 39 21 
h gh — 3 13 16 
a — d 0 — 


Die Größenordnung ist bei diesen Niveau-Unterschieden auf weniger als 
ljo herabgemindert. Sonst kehren dieselben Verhältnisse wieder wie in der 
andern Tabelle, besonders bei den Flecken b und f. Die Zunahme des durch- 
schnittlichen Niveauunterschieds der sieben Flecken gegen a beträgt noch etwas 
mehr als 27 %/. 

Ob man nach der einen oder andern Rechnungsweise geht, immer erweist 
sich das Niveauverhaltnis jedes der sieben kleineren Flecken zu a als im 


— 293 — 


wesentlichen gleich von einer Tagfahrt zur andern. Nieveauunterschiede des- 
halb als tatsächlich bestehend anzunehmen, liegt unvergleichlich viel näher als 
die andere Erklärung, daß diese so regelmäßigen Niveauunterschiede lediglich 
vorgetäuscht werden durch ein System entsprechender Eigenbewegungen im 
gleichen Niveau. Denn dieses System würde ganz unglaublich verwickelt sein 
müssen. 

Im Blick auf die Änderung der Geschwindigkeiten mit dem Niveau fordern 
die Schlieren der Fleckengruppe in Abb. 1 zu genauerer Betrachtung heraus. 
Ihre Hauptrichtung nahe parallel dem Aquator der Sonne, von der Hauptmasse 
der Gruppe aus nach Osten, steht durchaus im Einklang mit der Forderung, die 
sich aus der, an den Sonnenflecken und mit dem Spektroskop nachgewiesene 
Rotation des leuchtenden Sonnenballes von Osten nach Westen, ergibt. Das oben 
schon angewandte Verhältnis oe : vt = H:r würde eine genaue Berechnung der von 
diesen Ausbrüchen erreichten Höhen H über die Photosphäre gestatten, wenn 
vt bekannt wäre. Aus meinen eigenen Aufnahmen kann ich zunächst entnehmen, 
daß jedenfalls am Vortage, August 6. 1908, gegen 6!/, Uhr abends der mittel- 
europäischen Zeit an den westlichen Ausgangsstellen der Schliere 6 noch nichts, 
an denen der Schliere a höchstens eine Andeutung sichtbar war. Die 121}, 
Stunden, die zwischen beiden Aufnahmen liegen, liefern ein vt, das gestattet, 
ein Mindestmaß der beiden Ausbruchshöhen zu erreichen. Diese vorläufige 
Berechnung ist von mir ausgeführt. Unter Berücksichtigung der heliograpischen 
Länge und Breite der Sonnenfleckengruppe, ergab sie wieder enorme Beträge 
für die Höhen H, bis zu denen die Schlieren hinaufreichten. Um lediglich in- 
folge der ihrem photosphärischen Ausgangspunkte entsprechenden Rotations- 
geschwindigkeit nach Osten’ zurückgeblieben zu sein, müßten die Endflecke 
bei a um mehr als 556000, bei 6 sogar um mehr als 708000 km emporge- 
stiegen sein. (Vgl. meine genauere Darstellung in No. 4349 der Astron. Nach- 
richten.) | 

Hoffentlich existieren noch Photographien dieser merkwürdigen Sonnen- 
fleckengruppe aus zwischenliegenden Phasen, die gestatten, dieses vorläufige 
Ergebnis zu einem endgültigen zu gestalten. Besonders wertvoll freilich würden 
spektrographische Aufnahmen jenseits des Sonnenrandes sein. Denn die ge- 
schilderten Vorgänge an der größeren Gruppe, besonders ihre starke Abnahme, 
nach dem 7. August 1908, ließen wieder auf die seltsame Erscheinung von 
Halbringen und Ringen aus photosphärischem Material im Gebiet der Korona 
vermuten. Ein am 8.. August 1908 deshalb an das Londoner Solar Observatory 
von mir gerichtetes Telegramm war leider vergeblich, da dieses Observatorium 
am 8. und 9. August (Sonnabend und Sonntag) geschlossen war. Doch braucht 
die Hoffnung nicht aufgegeben zu werden, daß ein glückhafter Zufall die damals 
‚beabsichtigte Kontrolle gewährt.) 


1) Diese, im November 1908 bei der letzten Durchsicht dieser Arbeit ausgesprochene Erwartung 
ist inzwischen erfüllt. In No. 4344 der Astronomischen Nachrichten konnte ich über ringförmige 
Protuberanzen im August 1908 berichten, die ich der Güte des Professor A. Ricco (R. Osservatorio 
di Catania) verdanke. Von 14 dieser, von mir .auf Wirbelringe gedeuteten Randerscheinungen 
konnten dort 7 direkt, 6 indirekt mit jenem Felde hochgesteigerter Sonnentätigkeit von August 1908 
in Zusammenhang gebracht werden. 

WW 


— 294 — 


Der (rsprung des SeXasesimalsystems. 

Hi vor kurzem hatte man noch keine befriedigende Erklärung für den Ursprung 

des Sexagesimalsystems, d. h. der Stundeneinteilung in 60 Minuten und 
60 Sekunden in der Zeitrechnung, so wie der 60 Bogenminuten und 60 Bogen- 
sekunden in der kreisteilung. Die erste Erklärung, die dafür gegeben wurde, 
war eine astronomische. Danach sollten die Babylonier das Jahr in 360 Tage 
und dementsprechend die vermeintliche Sonnenbahn, den Kreis, in 360 Grade 
eingeteilt haben. Es war das Verdienst von Kewitsch, diese Ansicht widerlegt 
zu haben. Die Babylonier hatten zwar ein 360 tägiges Jahr, doch war dies bei 
dem an den Geldverkehr so gewöhnten Volke das sogenannte „Bankjahr‘“. 
Es herrschte die Sitte, daß nur an 360 Tagen des Jahres Zinsen gezahlt wurden; 
die übrigen 5 Tage galten als ein Geschenk des Lichtgottes Marduk und wurden 
als Festtage begangen. Außerdem ist es höchst unwahrscheinlich, daß gerade 
die Babylonier, die in der Astronomie sehr bewandert waren, das Jahr in 
360 Tage eingeteilt haben sollten, eine Einteilung, die schon während eines 
Menschenalters zu einer völligen Verschiebung der Jahreszeiten führen mußte. 

Kewitsch gibt nun für die 60-Teilung eine arithmetische Erklärung. Be- 
kanntlich haben nicht alle Völker unser Dezimalsystem der Zahlen. Der Natur- 
mensch gebraucht zum Zählen die Hand, und daher ist auf der primitivsten 
Kulturstufe das 5-System natürlich. Kewitsch führt einen Volksstamm in 
Labrador an, der bis 6 zählt; was darüber geht, ist unzählbar. Ebenso 
haben die Bolaner in Afrika Reste eines 6-Systems, wonach 7 = 6 +1; 12 = 
2.6 usw. ist. In Indien gibt es ein besonderes Wort für „Sechsheit“, das wahr- 
scheinlich aus Babylon stammt. Bei diesem Zählprinzip ergeben die Finger 
der linken Hand 1 bis 5, für 6 wird die ganze Hand ausgestreckt. Die beiden 
ausgestreckten Hände ergeben dann 6.6 = 36, dreimal ausgestreckte Hand 
= 6° = 216 usw. Dieses 6-System könnte auch die Einteilung in 60 plausibel 
machen. 

Nun gibt der Hamburger Hoppe (im Archiv der Mathematik und Physik 
Bd. 15 H. 4) eine neue Erklärung für das Sexagesimalsystem, und zwar ist sie 
im Gegensatz zu den zwei oben angeführten, eine geometrische. Seiner An- 
sicht nach ist das Zahlensystem der Babylonier durchaus dezimal gewesen, wie 
die Keilinschriften beweisen. 

Wenn im alten Babylon die Zahl 6 für ein Maß existiert hat, so kann sie 
nur eine Bedeutung für gewisse Handelsobjekte gehabt haben, etwa wie bei uns 
Mandel oder Schock gebrauchen. 

Ebenso elementar wie das Bedürfnis nach Zahlen ist das der Festlegung 
einer Richtung. Aus dem Unterschiede zweier Richtungslinien kommt man als- 
dann zu dem Begriffe des Winkels. Am leichtesten läßt sich der rechte Winkel 
festlegen, da er schon durch das Lot gegeben wird. Drei gleiche Stäbe bilden, 
zusammengelegt, ein Dreieck mit drei gleichen Winkeln. 6 solche Winkel neben- 
einander gelegt, füllen die ganze Ebene aus, und so erscheint es natürlich, daß ein 
Volk, welches für das Zählen sich des Dezimalsystems bediente und als Winkel- 
einheit den Winkel des gleichseitigen Dreiecks benutzte, zu dem Sexagesimal- 
system kommen mußte. Teilte man den 60. Teil nach dem Dezimalsystem 
weiter, so kam man auf den 600. Teil, das Ner der Babylonier; teilte man den 
60. Teil wieder in 60, so ergab sich der 360. Teil oder das Sar. 

Diese Auffassung hatte mit dem Kreis nichts zu tun und konnte entstanden 
sein, lange noch bevor man den Zirkel kannte. Erst bei fortschreitender Kultur 


— 295 — 


konnte die 60-Teilung auf astronomische und geometrische Aufgaben übertragen 
werden. So sieht man auch, daß der Kreis verhältnismäßig spät in den Dar- 
stellungen der Babylonier auftritt, dagegen kommt ein Winkel durch die 


6 Winkel des gleichseitigen Dreiecks ausgedrückt d ziemlich früh vor. Man 
fand geometrische Figuren zu Wahrsagezwecken, die aber keine Kreise auf- 
weisen, sondern nur geradlinige Figuren, wie z. B. die folgende: 


Hoppe deutet das untere Dreieck a dieser Figur als ein Winkelmaß mit 
dem Normalwinkel von 60° und hält den unten angebrachten Bogen für einen 
Handgriff zum Hantieren mit dem Maße. Das andere obere Dreieck b, das nur 
unvollkommen vorhanden ist, stellt vielleicht einen rechten Winkel dar. Wo 
in Babylon ein Kreis in Verbindung mit Winkeln auftritt, findet man die Scchs- 
teilung. In Ägypten und Griechenland hatte das Rad des Kriegswagens 4 Speichen 
da hier der rechte Winkel Normalmaß war, in Babylon dagegen 6 und später 
wird in Ägypten das Rad mit 6 Speichen als babylonisches Rad eingeführt. 
Nur den Babyloniern war es auch möglich, schon ziemlich früh die Dreiteilung 
des rechten Winkels zu finden, wie Smith durch eine aufgefundene Tafel nach- 
gewiesen hat. 

Eine Folge dieser Winkelmessung war für die Babylonier auch die Ein- 
teilung des Tages in 60 Stunden. Man denke sich die Zeit durch eine Sonnen- 
uhr, durch einen in der Erde senkrecht steckenden Stab, gemessen. Der Schatten 
beschreibt hierbei keinen Kreis, sondern eine ungeschlossene Bahn, die Stunden 
werden durch die Winkelunterschiede gemessen. Denkt man sich die ganze 
Ebene in 60 Teile geteilt, entsprechend der 6-Teilung der Ebene in gleiche 
Winkel und der weiteren Teilung nach dem Dezimalsystem, so kommt man zu 
60 Etappen für den Stand des Schattens, wodurch die 60 Stunden markiert 
werden. | 

Diese 60 Stunden-Einteilung des Tages ging von Babylon nach Indien über 
und hat sich sogar bis jetzt noch bei einigen Bergvölkern Indiens erhalten, deren 
Bildung einen Rest der vor mehreren tausend Jahren von Babylonien nach 
Osten ausgebreiteten Kultur darstellt. H.von Schlagintweit hat der Münchener 
Akademie eine Uhr mit 60 Stunden für den Tag übergeben, die er bei diesen 
Völkern vorfand. Bei diesen Bergvölkern spielt auch der Begriff der „Sechsheit“ 
eine Rolle als Inbegriff der Vollkommenheit, das ist ja der Begriff des Winkels, 
der die ganze Ebene ausfillt. Aus der Sechsteilung der Ebene erklärt sich 
auch der Umstand, daß die Babylonier die Windrose nicht in 32 Teile teilten wie 
wir, sondern in 36. Aus der Verbindung der Winkelteilung und des Dezimal- 
systems ergab sich danach die Einteilung des Kreises in 360 gleiche Teile als 
natürliche Folge. F. S. Archenhold. 


ME 


— 296 — 


Der Sestirnte Himmel im Monat August 1911. 


Von Dr. F. S. Archenhold. 
Der Verlauf der Polhöhenschwankung von 1900 bis 1911. 


m Jahre 1888 gelang es Professor Küstner, dem jetzigen Direktor der Bonner Stern- 
warte, gelegentlich seiner Beobachtungen zur Bestimmung der Abberationskonstante 
die schon früher von Bessel vermuteten kleinen Schwankungen der Rotationsachse 

der Erde mit Sicherheit festzustellen. Der erste, der darauf hingewiesen hat, daß die 
Drehungsachse der Erde durch Veränderungen der Massenverteilung auf der Oberfläche 
Schwankungen erleiden muß, war der große Mathematiker Euler; der Ausschlagswinkel 
ist natürlich nur ein äußerst geringer, es handelt sich im Maximum um eine halbe 
Bogensekunde. Das entspricht in Wirklichkeit einer Palhöhenverschiebung von 15 m. 
Um diese kleinen Schwankungen mit Sicherheit nachweisen zu können, ist ein inter- 


-0%0 


+020 +00 000 O10 -020 -030 o. 
-040 


0 00 


+040 
*030 Y +030 wu "eg 0.00 -0% -0.20 -0.0 yY -040 


Verlauf der Polbewegung von 1900 bis 1911. 


nationaler Breitendienst eingerichtet worden, dessen Resultate von Herrn Professor 
Albrecht vom geodätischen Institut zu Potsdam regelmäßig bearbeitet werden und für 
die obigen Jahre in den A. N. 4504 veröffentlicht worden sind. Wir geben vorstehend 
eine Tafel wieder, welche den gefundenen Verlauf der Polhöhenbewegung für die Zeit 
von 1900 bis 1911 deutlich erkennen läßt. Unsere Zeitschrift (Jg. 1, S. 43) enthält in dem 
Artikel „Verlauf der Polschwankungen von 1890 bis 1900“ eine ähnliche Karte für die 
frühere Zeit. Aus der obigen Darstellung geht hervor, daß die Schwankungen im Jahre 
1910 noch mehr zugenommen und einen Betrag erreicht haben, wie solcher noch nicht 
beobachtet worden ist. Der früher gemessene größte Wert der Polschwankung betrug 
im Jahre 1903 nur 0,2, während er im Jahre 1910 auf 0,32 angewachsen ist. Hieraus 


— 297 — 


ist schon zu ersehen, daB die Polkurve durch eine einfache mathematische Formel nicht 
darstellbar ist und daB außer den regelmäßig wirkenden Ursachen, wie die Ansammlung 
von Schnee und Eis am Nord- und Südpol, die Massenverschiebung durch Ebbe und 
Flut etc., noch anderweitige unregelmäßige Ursachen vorhanden sein müssen, die bisher 
der Rechnung noch nicht zugänglich waren. An Beobachtungen sind während des Jahres 
1910 auf den verschiedenen Stationen und zwar auf dem Nordparallel in + 39° 8° Breite, 


Der Sternenhimmel am 1. August 1911, abends 10 Uhr. 
Fig. 1. 


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Vu 
ce 
3 
$ 


(Polhöhe 521/,%) 


angestellt worden in Mizusawa von Prof. Dr. H. Kimura und Dr. M. Hashimoto = 
2140 Sternpaare, in Tschardjui von Oberstleutnant A. Ausan bis zum Mai und Kapitän 
Kremljakow vom Mai ab = 2031 Sternpaare, in Carloforte von Dr. G. A. Favaro und 
Dr. F. Chionio 2996 = Sternpaare, in Gaithersburg von Dr.Frank, E. RoB und Dr. Walter 
N. RoB = 1671 Sternpaare, in Cincinnati von Prof. Dr. J. G. Porter, sowie Dr. De Lisle 
Stewart bis zum Juni und Dr. E. J. Yowell vom Juli ab = 1262 Sternpaare und in Ukiah 
von Dr. James D. Maddrill = 1249 Sternpaare. 


ig 


+10 Markab 


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Lo 


'47h 46h 15h 


S = Sonne. M = Mond. Me = Merkur. V = Venus. Ma = Mars 


Die Beobachtungen auf dem Südparallel in — 31° 55’, umfaBten ebenso wie im 
Vorjahre nur solche auf der argentinischen Station Oncativo: von Herrn Aguilar 
311 Sternpaare und von den Herren Furque und Gomez 576 Sternpaare. Es ist dann 
später eine neue Station in Johannesburg (Transvaal) in —26° 11‘ Breite hinzugetreten. 
Hier wurden in sechs Monaten 2380 Sternpaare von Mrs. Abbott und Mr. E. A. Innes 
beobachtet. | 

Sieberg hat schon früher den gegenwärtigen Stand der Frage nach den Beziehungen 
zwischen Polschwankungen und Erdbeben behandelt. (Weltall Jg. 5, S. 43.) Milne neigt 
der Ansicht zu, daß die Größe der Breitenschwankungen, besonders aber ihre schnellen 
Richtungsänderungen auf die Bebentätigkeit einen unmittelbaren Einfluß ausüben. 

Da bei vielen astronomischen Beobachtungen die Polhöhe des Beobachtungsortes 
eine große Rolle spielt, so geht schon hieraus hervor, wie wichtig die ständige weitere 
Überwachung dieser kleinen Schwankungen der Erdachse für einen geregelten wissen- 
schaftlichen -Dienst in der Astronomie ist. Es kann der internationalen Erdmessung nicht 
genug gedankt werden, daß sie die Mittel verfügbar gemacht hat, um an verschiedenen 
Orten für die nächsten Jahre diese mit großem Eifer begonnenen Beobachtungen 


fortzusetzen. 
Die Sterne. 


Unsere Karte, Fig. 1, gibt den Stand der Sterne für den 1. August abends 104, für 
den 15. August abends Oh und für den 1. September abends 85 usw. wieder. Um diese 
Zeit zieht der Meridian von Süden nach dem hellsten Stern im Schützen zwischen Adler 
und Schlangenträger zur Wega hin und dann durch den Zenit weiter zum kleinen Bären, 
den Drachen durchziehend zum Nordpunkt, in dessen Nähe alsdann die Capella leuchtet. 
Um diese Zeit umlagern auch die Sternbilder des Schwans, der Leyer und des Herkules 
den Zenit. 8 im Schwan, Albireo genannt, ist ein sehr schöner Doppelstern 3. und 3,5. Größe. 
Der Hauptstern von rötlicher Farbe verändert diese ein wenig, wohingegen der blaue 
Begleiter in seiner Farbe unverändert erscheint. Auch d im Schwan, der im Jahre 1738 
von ‚Herschel als doppelt. erkannt wurde, besitzt als Hauptstern einen solchen 
3.Größe und grünlicher Färbung; der Begleiter ist 8. Größe und aschfarben. In der Leyer 
ist Wega selbst spektroskopisch doppelt, und auch der zweithellste Stern $ hat nach 
Burnham fünf Begleiter und ist selbst veränderlich. Unter den Nebeln ist der zwischen 
f und y stehende berühmte Ringnebel in der Leyer, der einzige in diesem Sternbilde, 
der in kleineren Fernrohren den Beobachtern noch zugänglich ist. In Jg. 9 finden die 
Leser des „Weltall“, S. 279, eine eingehende Beschreibung und Abbildung dieses Nebels, 


ur den Monat August 1911. 


J] = Jupiter. 


Fig. 2a. 'Nachdruck verboten. 


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Sa = Saturn. U = Uranus. N = Neptun. 


- wie er den Besuchern der Treptow-Sternwarte mit dem großen Fernrohr in den Sommer- 


monaten hoch oben im Zenit erscheint. 


Der Lauf von Sonne und Mond. 
Die Sonne ist für den 1., 15. und 31. August in unsere Karte 2a eingetragen. 
Sie geht vom Sternbilde der Zwillinge in das des Löwen über und sinkt bereits während 
des Monats in ihrer Bahn um 10!/,°, sodaß sich gegen Ende des Monats die Abnahme 
der Tage bereits stark bemerkbar macht. Folgende Tabelle gibt uns andere wissens- 
werte Daten: 


Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshdhe 
Aug, 1. +18° 16° 4b 27m morgens 75 58m abends 553/,° 

- 15. + 14° 21° 4h 50m - 7h 32m Ce 513/,° 

- 31. + 8° 59° 5b 16m - 6h 57m - 461/,0 


Der Mond ist mit seinen Phasengestalten von zwei zu zwei Tagen wieder in unsere 
Karten 2a und 2b eingetragen. Die Hauptphasen fallen auf folgende Tage: 


Erstes Viertel: Aug. 1. 12h Mitternacht Letztes Viertel: Aug. 17. 15 nachm. 
Vollmond: - 10. 4b morgens Neumond: - 24. 55 morgens 
Erstes Viertel: Aug. 31. 5b nachm. 


Im Monat August findet eine Sternbedeckung statt: 


Win- | Austritt |Win- Bemerkung 


| Eintritt 
SES | M. E. Z. | kel L E. Z. | kel | 


Birg. Tag | Name 


tergan 
ee h 33m3 | Ap 13m5 | neergang 
Aug. 10. | 33 Capricorni 5,5 21h 19m L Ae 14m 3 10° | * , 295° des Mondes 

g | p | | morgens | | morgens | Äh ton mien ve 


Die Planeten. 


Merkur (Feld 10!/,5 bis 11!/,h) erreicht am 13. August seine größte östliche 
Elongation und steht am 25. August in der Nahe des Mondes. Der beleuchtete Teil 
nimmt von 0,62 bis 0,14 ab, der Durchmesser hingegen nimmt von 6,2 bis 10,1 zu. 
Mit unbewaffnetem Auge ist Merkur während des ganzen Monats nicht zu sehen. Strobant 
hat aus Beobachtungen des Merkurdurchganges vom 14. November 1907 den Durchmesser 
des Planeten zu 4464 km bestimmt. Er ist nicht viel größer als der Durchmesser 
(3480 km) unseres. Mondes. | 


Venus (Feld 111/,5 bis 11?/,®) erreicht am 11. August ihren größten Glanz und steht 
am 13. 5° südlich von £ in der Jungfrau; am 26. tritt sie in Konjunktion mit dem Monde. 
Ihr beleuchteter Teil nimmt von 0,34 bis auf 0,08 ab, sodaß sie am Schluß des Monats 
als schmale Sichel erscheint. Ihr Durchmesser nimmt von 34” auf 54" zu. Kurz nach 
ihrem größten Glanze verschwindet sie in den Strahlen der Sonne, da sie selbst umkehrt 
(siehe Feld 11'/, »), die Sonne ihr aber näher rückt. | 

Mars (Feld 2}/, bis 3°/,») ist zuletzt schon 61/, Stunden lang sichtbar. Er steht 
am 17. August um 5h morgens 22° nördlich vom Saturn; vier Stunden später geht der 
Mond 4° nördlich an ihm vorbei. Diese Konjunktion findet gerade auf der Grenze zwischen 
Stier und Widder unweit der Plejaden statt (siehe Feld 35 bis 45). Aitken hat neuer- 
dings den Äquatorialdurchmesser vom Mars 7034 km und den Polardurchmesser 6252 km 
groß gefunden, was eine Abplattung von 1:100 bedeuten würde. Die Umlaufszeit der 
beiden Marsmonde beträgt 75 39m 138,8 (Phobos) und 805 7m Die 0 (Deimos). Sie werden 
im Monat November, wenn der Mars der Erde am nächsten steht, in einer Entfernung 
von 25” (Phobus) und 62” (Deimos) und unter einem Positionswinkel von 53° vom Mars 
aufzufinden sein, sodaß es dann möglich sein wird, sie mit großen Fernrohren zu 
photographieren. 

Jupiter (Feld 14!/,h bis 141/,®) ist am Ende des Monats nur noch eine Stunde lang 
vor seinem Untergange am Westhimmel zu sehen, sein Durchmesser nimmt von 35,2 
auf 32”,5 ab; er rückt aus dem Sternbild der Jungfrau in das der Wage und steht am 
1. und 29. August in Konjunktion mit dem Monde. 

Saturn (Feld 31/,®) ist anfangs nur 3'/, Stunden, zuletzt aber fast 7 Stunden lang 
sichtbar. Sein Durchmesser nimmt von 16,8 auf 17,7 zu. Er bildet am 17. August 
eine interessante Konstellation mit dem Mars und dem Monde (Feld 3!/,b). 

Uranus (Feld 20-4) ist während der ganzen Nacht im Schützen zu beobachten. 
Sein Durchmesser beträgt 3,6. 

Neptun (Feld 7'/,") steht während des ganzen Monats der Sonne zu nahe, um 
beobachtet werden zu können. 


Bemerkenswerte Konstellationen: 
Aug. 1. 8» abends Jupiter in Konjunktion mit dem Monde. 
- 11. 10b vormittags Venus im größten Glanze. 
=- 13. 105 vormittags Merkur in seiner größten östlichen Abweichung (27° 25%. 
- 17. 5h morgens Mars 22° nördlich von Saturn. | 
- 17. 9% morgens Mars und Saturn in Konjunktion mit dem Monde. 
- 25. b nachmittags Merkur in Konjunktion mit dem Monde. 
- 26. 1b morgens Venus in Konjunktion mit dem Monde. 
- 29. 11h vormittags Jupiter in Konjunktion mit dem Monde. 


38 
j3ücherschau. 


Bei der Redaktion eingegangene Bücher. 


Münch, Dr. Peter, Lehrbuch der Physik. In zwei Teilen neu bearb. von Dr. Heinrich 
Lüdtke, Prof. am Reform-Realgymnasium zu Altona. 1. Teil: Vorbereitender Lehrgang. Mit einem 
Anhange: Von den chemischen Erscheinungen. 12. verb. Aufl. Mit 213 in den Text gedruckten 
Abbildungen. Gr. 8° (12, 182 S.). Freiburg im Br., Herdersche Verlagsbuchhandlung 1911. M. 2,—; 
geb. in Leinwand M. 2,50. | 

Deutsches Meteorologisches Jahrbuch für 1909. Aachen. Hersg. im Auftrage der Stadt- 
verwaltung von P. Polis, Direktor, Jg. 15. Karlsruhe, in Kommissionsverlag der G. Braunschen 
Hofdruckerei 1911. 

Rudolph, Prof. Dr. H., Die Stellung der Physik und Naturphilosopbie zur Welt- 
ätherfrage. Berlin, Allgemeine medizinische Verlagsanstalt, G. m. b. H., 1911, brosch. 0,80 M. 

Brester, J, A. Du Soleil et de ses Rayons Beta et Gamma qui causent nos Aurores 
polaires, les Protuberances et la Couronne solaire et les Queues des Cometes. La Have, 
W. P. Van Stockum et Fils, 1911. 


Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.8. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


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DAS WELTAL 


Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete. 


Herausgegeben von 
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 20. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Zweites Juliheft). 
Berlin-Treptow. 


Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementsprets jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Trepiow-Siernwarle, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalten (Post- 

Zeilungsliste albhabelisch eingeordnet) Einzelne Nummer 60 Pip. — Anseigen-Gebühren: 1 Seite 80.— MR., if, Seite 45.— 
1/, Seite 25.—, (in Seite 15 —. lha Seite 8 — Bei Wiederholungen Rabatt. - Beilagen nach Gewicht. 


INHALT 
1. Drei Auf älze von Heinrich Schwabe aus dem Jahre 5. Kleine Mitteilungen: Ein neuer Komet 1911b (Hiess). 
1852 über Saturn, die verdnderlichen Sterne und die — Der Rote Fleck im Jahre 1909. — Neue Geschwin- 
kleinen Planeten. Von Dr. F. S. Archenhold . . . 301 digkeitsbestimmungen der Heliumslerne von Cump- 
2. Die Exlibris in der ,,Selenographia des Hevelius der bell. — Dunkle Massen im Weltraume. — Der Ver- 
Bibliothek der Treptow - Sternwarte (Ergänzungen dinderliche S-Arae. — Die inneren Schleier der 
zu 1911, S. 216 f). Von Dr. Stephan Kekule von | Sonnenflvcke — Das Technische Museum für In- 
Stradonilz2z . 6 6 6 2 2 2 20 ne. ve go 308 dustrie und Gewerbe in Wien. . . . 2 2 2 2.02. 314 
3 Williamina Fleming r Von Dr. F. S. Archenhold 810 | 6. Bücherschau: Augusto Righi, Kometen und Elek- 
4. Über den Sternkultus der Pani-Indianer. Von Dr. . tronen. — Wilhelm Ostwald, Sprache und Verkehr 316 
F. S. Archenhold . . 2 2 2 2 ew nn. 311 
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet 


Drei Aufsätze von Heinrich Schwabe aus dem Jahre 1852. 


über Saturn, die Veränderlichen Sterne und die kleinen Planeten. 
Von Dr. F. S Archenhold. 


A: dem Nachlasse des Hofapothekers Heinrich Schwabe in Dessau erhielt 
unsere Sternwarte durch die freundliche Vermittlung unseres Mitglieds, 
Seiner Hoheit Prinz Aribert von Anhalt, drei Manuskripte, die ich im fol- 
genden veröffentliche, da insbesonders die Zeichnung des Saturns auch heute 
noch nicht des Interesses entbehrt. Schwabe kann als ein leuchtendes Bei- 
spiel dafür hingestellt werden, was ein Laie auf dem Gebiete der Astronomie 
zu leisten vermag, wenn er es versteht, für sein Fernrohr erreichbare Beobach- 
tungsobjekte auszuwählen. | 

Wir verdanken Heinrich Schwabe die Entdeckung der zehnjährigen 
Periode der Sonnenflecken, der Exzentrizität des Saturnringes und interessante 
Beobachtungen über die physische Beschaffenheit des Halley schen Kometen 
im Jahre 1835. Wegen der Entdeckung der Sonnenfleckenperiode wurde 
Schwabe im Jahre 1857 von der Kgl. Astronomischen Gesellschaft zu London 
die goldene Medaille verliehen. Bei dieser Gelegenheit hob der Präsident mit 
Recht hervor, daß es schon von großem Mute gezeugt hätte, sich ein Arbeits- 
gebiet zu wählen, welches bis dahin nicht nur vernachlässigt wurde, sondern 
welches nach Aussagen von Cassini, Lalande, Delambre und vielen anderen 
maßgebenden Gelehrten gar keine Aussicht auf erfolgreiche Bearbeitung bot. 
Allen damaligen Beobachtern erschien die Zahl sowohl wie die Form der Sonnen- 
flecke regellos. Daher zögerte Schwabe auch sehr lange mit der Veröffent- 
lichung seiner Entdeckung. Er zählte vom Jahre 1826 bis 1843 die Sonnen- 


fleckengruppen fast täglich und wagte dann auch nur schüchtern darauf hinzu-: 


weisen, daß ein Vergleich der Zahl der Gruppen in den verschiedenen Jahren 


— 302 — á 


ergibt, daß alle 5 Jahre eine große Zahl solcher Flecken (Maximum) eintritt und 
nach weiteren 5 Jahren die Sonne fast frei von Flecken ist (Minimum). Es ist 
bemerkenswert, daß von dieser Entdeckung auch dann noch keine Notiz ge- 
nommen wurde, als im Jahre 1844 und in den folgenden die Periodizitat der 
Sonnenflecken durch weitere Beobachtungen Schwabes bestätigt wurde. Nur 
Julius Schmidt nahm ähnliche Beobachtungen auf; aber erst dadurch, daß 
"Alexander von Humboldt im Jahre 1851 im dritten Bande des „Kosmos“ die 
Aufmerksamkeit auf die Schwabe sche Entdeckung lenkte, fand sie Beachtung 
größerer Kreise. Rudolf Wolf in Zürich sammelte alsbald die gesamten Be- 
obachtungen der Sonnenflecke seit Entdeckung des Fernrohrs (1610) und konnte 
an dieser großen Zahl von Sonnenfleckenzeichnungen die Periodizität bestätigen; 
nur fand er statt der Schwabe’schen 10jährigen Periode eine solche von 
11 Jahren. 

Heute nimmt die Beobachtung der Sonnenflecke nicht nur im Arbeits- 
programm der Greenwicher Sternwarte einen großen Raum ein, sondern es sind 
viele Sonnenwarten begründet worden, um den Zusammenhang von Sonnen- 
flecken mit anderen Erscheinungen, insbesonders mit erdmagnetischen und 
atmosphärischen, wie Nordlichtern usw., aufzuklären. | 

Erst in jüngster Zeit ist man auch auf einen Zusammenhang der 
Sonnenflecken mit der Gestalt der Korona aufmerksam geworden. In den Jahren 
der Sonnenfleckenminima ist die Korona zumeist in der Richtung des Sonnen- 
aquators mehrere Millionen Kilometer weit zu verfolgen, während sie zusammen- 
schrumpft und sich gleichmäßig um den Sonnenkörper verteilt, wenn ein Maximum 
von Sonnenflecken vorhanden ist.!) Da wir die Sonnenkorona nur während einer 
totalen Sonnenfinsternis zu Gesicht bekommen und eine solche verhältnismäßig 
selten und nur während weniger Minuten zu beobachten ist — haben wir doch in 
den letzten 20 Jahren durch Expeditionen im ganzen nur !/, Stunde Gelegenheit 
gehabt, die Korona zu beobachten bezw. zu photographieren, — so ist es nicht 
verwunderlich, daß dieser Zusammenhang erst so spät entdeckt worden ist. Es 
ist auch sicher, daß sich die Koronastrahlen in Wirklichkeit viel weiter in den 
Raum hinein erstrecken, als wir sie wahrnehmen, so daß es nicht unmöglich ist, 
daß sie zu Zeiten der Sonnenfleckenminima bis zur Erde reichen und auf diese 
Weise einen direkten Einfluß auf manche Erscheinungen der Erde gewinnen 
können. | 

Aus der Verfolgung der Sonnenflecke ergab sich nicht nur die allgemeine 
Rotationsdauer der Sonne zu 25 Tagen, sondern auch die interessante Tatsache, 
daß die Teile in der Nähe des Äquators schneller rotieren als in der Nähe des: 
Pols, so daß damit die alte Herschel’sche Annahme von dem festen Sonnen- 
körper für immer umgestoßen wurde. 

Heinrich Schwabe hat sein ganzes Leben in Dessau zugebracht. Er ist 
am 25. Oktober 1789 geboren und am 11. April 1875 verstorben. Neben seinen 
größeren Arbeiten hat er noch zahlreiche Notizen über Nebensonnen, Nord- 
lichter, Eisblumen, Bildung von Tau und Höhenrauch und regelmäßige meteoro- 
logische Beobachtungen veröffentlicht. Seine botanischen Studien hat er in 
seiner „Flora von Anhalt“ (1865) zusammengefaßt. Wie weit die astronomischen 


1) Vgl. die Abbildungen der Korona während der totalen Sonnenfinsternisse von 1900 und 1905. 
„Weltall“ Jg.1 S. 40/41: F.S. Archenhold, Die Beobachtung der totalen Sonnenfinsternis am 28. Mai 
1900 in Bouzareah bei Algier, und Jg.5 S.415: F. S. Archenhold, Vorläufige Mitteilung über 
unsere Beobachtung der totalen Sonnenfinsternis am 30. August 1905 in Burgos. 


— 303 — 


Interessen Schwabes reichen, mögen die hier folgenden Abdrucke der drci 
Manuskripte über Saturn, veränderliche Sterne und kleine Planeten dartun. Sie 
geben uns auch ein Bild von den Kenntnissen, die im Jahre 1852 über diese 
drei verschiedenen Gebiete vorhanden waren. 


Der dunkele Ring des Saturn. 
(20. April 1852.) 


Nachdem Dominikus Cassini 1671 die erste Spur des Saturn-Ringes und 
William Herschel seine große Theilung entdeckt hatten, so gelang das erst 
1837 Encke durch die wesentlichen Verbesserungen der Fernrohre eine zweite 
Theilung auf dem äußern Ringe wahrzunehmen, so daß der helle Ring als ein 
dreifacher angesehen werden muß. Die Herschelsche Theilung, die früher 
‘nur mit den besten Instrumenten gesehen werden konnte, stellt sich jetzt in 
einem 3!/, f. Fernrohr von Fraunhofer ziemlich deutlich dar und mit meinem 
6 ff. 216, 288, 324 u. 360 m. V. kann ich nicht nur diese mit der größten Schärfe, 
sondern auch die bei weitem feinere Enckesche, diese jedoch nur als eine 
feine Linie in den Enden der Nasen, erkennen. Die nähere Beschreibung dieser 
drei Ringe wird die beiliegende Zeichnung hinreichend erläutern und ich er- 
wähne hierbei nur die Resultate der neusten Messungen ihrer Dimensionen. 

Der äußerste Ring mit Inbegriff der Enckeschen Theilung hat eine Breite 
von 1927 Meilen, die Theilungslinie selbst kann ihrer Feinheit wegen auf 
129 Meilen Breite nur geschätzt werden, da bei der Enfernung des Saturn schon 
80) Meilen nur eine Secunde groß erscheinen und folglich eine Messung nicht 
angewendet werden kann. Der zweite Ring ist 3722 Meilen und die zwischen 
beiden befindliche Trennung 387, der ganze helle Ring mithin 6074 Meilen breit. 
Seine Dicke ist so gering, daß sie nach einer Schätzung kaum 100 Meilen be- 
tragen kann. 

Im Jahre 1851 wurde vom Lord Rosse und dem Astronom Lassell mit 
einem 50 füß. Spiegelteleskop noch ein vierter Ring bemerkt, der sich zwischen 
dem alten dreifachen und der Kugel befindet. Ich habe bis jetzt keine wissen- 
schaftliche Nachricht von der genauern Beschreibung gefunden und ich muß 
mich daher auf meine eigenen Beobachtungen beschränken, die freilich nur mit 
einem 6 f. Fraunhoferschen doch vorzüglich guten Fernrohr gemacht werden 
konnten. Schon im Jahre 1826, wo ich mit meinem 3'/, ff. 168 m. V. die Excen- 
tricität der Kugel im Ringe entdeckte, bemerkte ich zugleich, daß die dunkeln 
Zwischenräume zu beiden Seiten der Kugel, bei ihrer veränderlichen Größe 
auch eine verschiedene Schwärze zeigten, und daß namentlich am häufigsten 
der westliche Zwischenraum eine geringere Schwärze hatte als der östliche; ich 
machte dieses in unsern Zeitschriften, bei denen ich Mitarbeiter war, z. B. in 
Kastners Archiv, Schweigger-Seidtls Journal und den Astronomischen Nachrichten 
bekannt; diese Beobachtungen blieben jedoch ohne alle Beachtung bis zur Ent- 
deckung des dunkeln Ringes und nun zeigt es sich, daß meine frühere Beob- 
achtung nicht nur mit dem Dasein dieses Ringes, sondern auch mit meiner 
folgenden Beobachtung, daß er in der westlichen Nase deutlicher hervortritt, 
recht gut übereinstimmt. 

Am 10. October 1851 bemerkte ich diesen dunkeln Ring, den die Entdecker 
sehr ungeeignet Schleier nennen, zum erstenmal mit großer Deutlichkeit in 
meinem DH 288 m. V.; ich benutzte eine der wenigen günstigen Abende des 


— 54 — 


Herbstes und Winters zu genauern Beobachtungen, deren Resultat ich hier 
mittheile. u 

Der dunkele Ring erscheint in einem sehr matten Lichte und in Gestalt 
einer Wulst oder eines Walles, an dem innern Rande des innersten hellen 
Ringes, sein schwaches Licht verliert sich so wohl nach der Kugel als auch 
nach dem hellen Ringe zu in die dunkelste Schwärze. In der westlichen Nase 
sehe ich ihn stets etwas breiter und deutlicher als in der östlichen, jedoch 
treten oft Änderungen hierin ein, die ich mit der größern oder geringern 
günstigen Beschaffenheit unserer Atmosphäre nicht vereinbar finde. Am ge- 
wöhnlichsten scheint er mir bei der westlichen Nase ungefär den dritten Theil 
des dunkeln Zwischenraumes in der Breite einzunehmen, da nun dieser ungefär 
3600 Meilen beträgt, so würde der dunkele Ring hier ungefär 1200 breit sein 


Eine wirkliche Messung war wegen der verwaschenen Grenzen unmöglich. Seine 
Veränderlichkeit, wenn sie sich bestätigen sollte, vorzüglich aber seine geringe 
Lichtstärke deutet darauf hin, daß das Material, woraus es besteht, nie anders 
als das des hellen Ringes sein muß und daß dieser letzte durch seinen starken 
Glanz, welcher den des Ringes übertrifft und durch die schwarzen scharfen 
Schatten, die er auf die Kugel wirft und von ihr empfängt, auf ein nasses 
Material hinweist, während der des dunkeln Ringes nur eine wolkenartige Masse 
anzudeuten scheint. Diese Vermuthungen gründen sich allerdings nur auf Ana- 
logien, die jedoch dadurch einigen Werth erhalten, daß der vollständigste Beweis 
geführt werden kann, daß der Ring den Gesetzen der Schwere unterliegt und 
daß folglich auch sein Material dem unserer Erde ähnlich sein muß. Wie weit 
diese Ähnlichkeit geht, läßt sich freilich nicht darthun. I. F.H.Schwabe. 


Über die veränderlichen Sterne. 
(14. Juli 1852.) 


Unter diesem Namen begreift man diejenigen Fixsterne, welche einen 
veränderlichen Glanz oder da man bis jetzt nur nach dem Glanze die schein- 
bare Größe bestimmt, eine veränderliche Größe zeigen. Bis jetzt sind nur 
1s Sterne bekannt, welche diese Veränderlichkeit haben und von diesen wenigen 


— 305 — 


sind nur folgende theils wegen der genauen Bestimmung ihrer Periode, theils 
wegen der Auffalligkeit ihrer Erscheinung bemerkenswerth. 

1. Algol (6-Persei): Im Kopf der Medusa. Von allen andern veränderlichen 
Sternen unterscheidet er sich dadurch, daß er fast die ganze Periode hindurch in 
ungeschwächtem Glanze leuchtet und nur 8 Stunden lang eine Verdunkelung 
erleidet. Die Abnahme währt 4 Stunden, das kleinste Licht etwa 18 Minuten und 
die Zunahme abermals nahe 4 Stunden. Seine Periode wurde von Wurm be- 
stimmt und scheint selbst in den Sekunden sicher, sie beträgt 2 Tage 20 Stunden 
48 Minuten und 57,9 Sekunden, so daß er jährlich 127 Perioden durchmacht. 
Er ist ein Stern zweiter Größe und bleibt im seinem schwächsten Licht noch 
SE 

2. Mira Ceti (o Ceti, im Kopf des Walfisches). In seinem Maximo erreicht 
er bald die 2’. bald die 3’. Größe und nimmt bis zur 11‘. ab, d. h. er wird dem 
unbewaffneten Auge unsichtbar. Er behält stets ein röthliches Licht und hat 
einen kleinen Begleiter, 11’. Größe, dessen Licht unveränderlich ist. Seine 
Periode währt 332,04 Tage. Er braucht 40 Tage um von der 6’. Größe, wo er 
dem unbewaffneten Auge sichtbar wird, bis zu seinem Maximum zu wachsen, 
hingegen 66 Tage um wieder bis zur 6’. Größe abzunehmen. Da seine Periode 
vom Erdjahre nicht sehr abweicht, so kann er einige Jahre nacheinander dem 
bloßen Auge unsichtbar bleiben; denn vom April bis Juli ist er der Nähe der 
Sonne wegen unsichtbar, was 3 bis 4 Jahre nacheinander geschieht. 

3. Ras algethi («-Herculis). Seine Veränderlichkeit ist nur gering, er nimmt 
von der 3‘. bis 4‘. Größe ab. Seine Abnahme währt 52, seine Zunahme 43 Tage. 
Seine Periode beträgt 95 Tage. Dieser rothe Doppelstern hat einen blauen Be- 
gleiter, der ebenfalls veränderlich ist. Zu Herschels Zeit nahm er 39 Tage zu 
und 22 ab. Ä 

4. n-Aquilae. Seine Periode beträgt 7! Ah 13’ 30”. Theilt man diese 
nach 4 Phasen ein, nämlich: kleinstes Licht, mittleres im Zunehmen, größtes, 
mittleres im Abnehmen, so findet sich, daß die von der 3‘. zur 4‘. Phase 80 Stunden, 
während jeder der übrigen 3 Zeiträume 31 Stunden beträgt. 

Bei den meisten dieser Sterne scheint die Veränderlichkeit selbst wieder 
veränderlich, daß die Zunahme schneller als die Abnahme erfolgt und daß, 
Algol ausgenommen, alle veränderlichen Sterne in ihrem Minimo längere Zeit 
verweilen als in ihrem Maximo. 

Hierher gehören nun noch einige plötzlich erschienene und meist wieder 
verschwundene Sterne. 

1. Im Jahre 1572 sah Tycho in der Cassiopeia einen überaus hellen Stern, 
auf den er durch einen Zusammenlauf des erstaunten Volkes aufmerksam ge- 
macht wurde. Er übertraf an Glanz alle Fixsterne, selbst Venus, so daß er recht 
gut bei Sonnenschein gesehen werden konnte. Im folgenden Jahre nahm sein 
Licht ab und 1574 verschwand er ganz und ist mit den später entdeckten und 
selbst mit den jetzigen besten Fernrohren ist diesem Stern nicht wieder aufzu- 
finden. In derselben Gegend soll 1260 und 945 ein neuer Stern erschienen 
sein, was eine Periode von 315 und 312 Jahre wahrscheinlich macht. 

Im Jahre 1600 sah Kepler im Schwan einen neuen Stern 1’. Größe. Nach- 
dem er 19 Jahre lang unverändert nach Art und Glanz beobachtet wurde, nahm 
er plötzlich ab und verschwand 1621. Cassini und Hevel sahen ihn 1655 wieder 
als einen Stern 3°. Größe, er nahm dann bis zur 6‘. Größe ab, worin er bis jetzt 


beharrt. 


— 306 — 


Kepler sah 1601 im Fuße des Ophiuchus einen neuen Stern, der heller als 
alle Sterne 1‘. Größe wurde, der aber schon 1605 spurlos verschwand. 

Im Jahre 1670 entdeckte Anthelm am Kopfe des Fuchs einen neuen Stern 
3’. Größe, er und Hevel beobachteten ihn von Juni bis August, wo er ver- 
schwand. Im März 1671 zeigte er sich als Stern 4’. Größe wieder, verschwand 
dann aber fiir immer. 

John Herschel sah 1837 December 15. am Cap. d. g. H. den Stern »-Argo, 
der bis zum November 1837 als ein Stern 2. Größe unverändert geblieben war, 
unerwartet in der ersten Größe. Bis zur Mitte des Januar 1838 nahm er an 
Glanz beständig zu, so daß er «-Centauri gleich kam und Arctur übertraf. Bald 
darauf nahm er wieder ab. 

Zur Erklärung der erwähnten Erscheinungen sind zwei Hypothesen aufge- 
stellt, die deswegen einige Wahrscheinlichkeit für sich haben, weil sie in unserm 
Sonnensystem durch Revolutions- und Rotations-Bewegung Analogien finden. 
Bei der ersten muß man sich vorstellen, daß der Fixstern nur von einer Seite, 
vielleicht nur von einem Punkt seiner Oberfläche aus ein starkes Licht aus- 
strömt, während die übrigen Theile entweder sehr schwach oder gar nicht 
leuchten. Wo die Veränderlichkeit nur gering ist, kann man auch annehmen, 
daß die eine Seite blos mit zahlreicheren Flecken, gleich denen unserer Sonne, 
besetzt ist als die andere. Sind diese Flecken in sich selbst veränderlich, 
so kommt nur eine schwankende oder gar keine bestimmte Periode heraus. Bei 
der zweiten Hypothese muß man annehmen, daß ein oder mehrere Trabanten 
sich in einer Ebene bewegen, welche durch unser Sonnensystem geht und daß 
ihre Größe sehr beträchtlich ist. Dem Gesetze der Schwere würde es sogar 
nicht entgegen sein, wenn das Volumen eines umlaufenden Körpers größer als 
das der centralen wäre, weil die Masse des letztern weit überwiegend sein 
könnte. Auch könnte der Fall gedacht werden, daß ein selbstleuchtender Körper 
um einen größeren dunkelen centralen seine Bahn beschriebe. Eine dritte Hypo- 
these, welche die Erklärung der Veränderlichkeit erklären soll, ist zwar dadurch 
aufgestellt, daß der Stern eine Linsenform habe und so rotire, daß die Kante 
mit der breiten Fläche der Linse abwechsele. Allein hierzu findet sich keine 
Analogie, so daß die Hypothese wohl möglich, aber nicht wahrscheinlich wäre. 

_ Die erste Hypothese dürfte bei den meisten periodisch veränderlichen 
Sternen die angemessenste sein, wobei die oft beträchtlich schnellere Zunahme 
des Lichtes. gegen die Abnahme desselben nicht erklärt. Die zweite scheint 
bei Algol am nächsten zu kommen; ist sie die richtige, so beobachten wir alle 
69 Stunden eine Algolfinsternis, bewirkt durch einen dunkeln Körper der etwa 
S Stunden gebraucht, um in seiner Bahn eine Strecke zurückzulegen, welche 
der Summe seines eigenen und des Algoldurchmessers gleich ist. Die schnell 
erschienenen und schnell für immer verschwundenen Körper lassen sich nach 
diesen beiden Hypothesen schwieriger oder nicht erklären; das Auflodern in 
Flammen würde nur eine sehr gezwungene Erklärung sein. I. F. H. Schwabe. 


Über die 18 kleinen Planeten zwischen Mars und Jupiter. 
(14. Juli 1852.) 
Obgleich ich schon mehrere Vorträge über dieses Thema und namentlich 


vor kurzer Zeit gehalten habe, so hat man doch in dieser kurzen Zeit nicht nur 
wieder drei neue hierzugehörige Planeten entdeckt, sondern auch die Elemente 


— 307 — 


der meisten verbessert, wodurch ich auf ein Resultat kam, das ich in meinen 
letzten Vorträgen über diese merkwürdigen Weltkörper schon dadurch aus- 
drückte, daß man sie in zwei Hauptgruppen eintheilen könnte, von denen die 
erste die kleinen Planeten enthält, welche dem Mars näher stehen und die 
zweite aber nur zwei begreift, welche sich dem Jupiter mehr nähern. Die ver- 
besserten Bahnelemente und die hinzugekommenen Planeten widersprechen der 
obigen Eintheilung in zwei Gruppen nicht, sondern berichtigen sie besser, aber 
von einem andern Gesichtspunkte aus, der mir bei der jetzigen Zusammen- 
stellung dieser 18 Planeten als sehr merkwürdig aufgefallen ist. Mir waren 
von jeher die höchst sonderbaren Verschlingungen ihrer Bahnen bemerkens- 
werth, vorzüglich aus dem Grunde, daß die großen Störungen, die sie gegen- 
seitig auf sich ausüben, in ihren Bahnen große Unregelmäßigkeiten verur- 
sachen, die aber sich als notwendig zu ihrer Erhaltung herausstellen und zu 
der Entdeckung führen, daß die Bahnen theils sich ganz einfach umschließen, 
theils in einander eingreifen. Hierauf gründe ich nun die Modifikation der schon 
früheren Einteilung in zwei Hauptgruppen. | 

Stellt man- sich nämlich die Bahnen dieser kleinen Planeten materiell, z. B. 
aus Draht konstruirt, vor, so findet sich, daß diese Drahtbahnen theilweis wie 
Glieder einer Kette zusammenhängen und keins heraus genommen werden 
kann, ohne daß sie nicht eins oder mehrere mit sich fortreißt. Durch Rechnung 
kann ich dieses nur bei 15 Bahnen nachweisen, weil die Bahnelemente der 
Thetis und Psyche noch zu unvollständig und die erst vor einigen Tagen aufge- 
fundenen noch unbenannten Planeten gar nicht bekannt sind. 


Juno greift ein in: Hebe, Pallas, Egeria, Parthenope, Asträa, Metis, Vesta, 
Victoria, Ceres, Eunomia, Irene, 
ist isolirt von: Hygiea, Iris, Flora. 
Iris greift ein in: Flora, Metis, Vesta, Irene, Hebe, Parthenope, Victoria, Egeria, 
Pallas, Hygiea, 
ist isolirt von: Juno, Ceres, Asträa, Eunomia. 
Victoria greift ein in: Juno, Hebe, Egeria, Pallas, Parthenope, Asträa, Iris, 
Metis, Flora, Vesta, 
ist isolirt von: Eunomia, Irene, Ceres, Hygiea. 
Asträa greift ein in: Flora, Vesta, Metis, Irene, Juno, Hebe, Victoria, Eunomia, 
Egeria, Parthenope, 
ist isolirt von: Ceres, Iris, Pallas, Hygiea. 
Hebe greift ein in: Egeria, Pallas, Asträa, Juno, Iris, Vesta, Victoria, Ceres, 
Irene, 
ist isolirt von: Hygiea, Parthenope, Flora, Eunomia. 
Parthonope greift ein in: Asträa, Flora, Vesta, Irene, Iris, Juno, Victoria, 
Eunomia, Pallas, | 
ist isolirt von: Metis, Ceres, Hebe, Egeria, Hygiea. 
Metis greift ein in: Flora, Vesta, Egeria, Victoria,.Hebe, Juno, Pallas, Asträa, 
Iris, 
ist isolirt von: Irene, Ceres, Eunomia, Hygiea, Parthenope. 
Flora greift ein in: Vesta, Irene, Victoria, Egeria, Pallas, Parthenope, Asträa, 
Iris, Metis, 
ist isolirt von: Ceres, Hebe, Juno, Eunomia, Hygiea, 


— 308 — 


Vesta greift ein in: Hebe, Juno, Victoria, Eunomia, Parthenope, Asträa, Iris, 
Metis, Flora, 
ist isolirt von: Irene, Ceres, Egeria, Pallas, Hygiea. 
Irene greift ein in: Ceres, Hebe, Egeria, Juno, Pallas, Parthenope, Asträa, Iris, 
Flora, 
ist isolirt von: Eunomia, Hygiea, Metis, Vesta, Victoria. 
Egeria greift ein in: Asträa, Iris, Metis, Flora, Victoria, Juno, Hebe, Eunomia, 
Irene, 
ist isolirt von: Pallas, Hygiea, Parthenope, Vesta, Ceres. 
Pallas greift ein in: Parthenope, Iris, Metis, Flora, Victoria, Juno, Hebe, Eunomia, 
Irene, 
ist isolirt von: Hygiea, Asträa, Vesta, Ceres, Egeria. 
Eunomia greift ein in: Juno, Egeria, Pallas, Vesta, Parthenope, Asträa, 
ist isolirt von: Hebe, Hygiea, Iris, Metis, Flora, Victoria, Irene, Ceres. 
Ceres greift ein in: Hebe, Juno, 
ist isolirt von: Egeria, Eunomia, Pallas, Hygiea, Parthenope, Asträa, Iris, 
Metis, Flora, Vesta, Victoria, Irene. 
Hygiea greift ein in: Iris, 
ist isolirt von: Victoria, Eunomia, Parthenope, Asträa, Metis, Flora, Vesta, 
Irene, Ceres, Juno, Hebe, Egeria, Pallas. 


WE 


Die Exlibris in der ,,Selenographia’ des Hevelius der Bibliothek 
der ®reptoWw- Sternwarte. 
(Ergänzungen zu 1911, S. 216 ff.) 
Von Dr. Stephan Kekule von Stradonitz. 


A dem Super - Exlibris (Außenpressung), das ich a. a. O. beschrieben 
habe, ist der Einband des Exemplares der „Selenographia“, auf dessen 
Besitz die Bibliothek der Treptow-Sternwarte stolz sein kann, auf dem Innen- 
deckel noch mit zwei Exlibris (Bucheignerzeichen) ausgestattet, deren Be- 
stimmung einigermaßen schwierig war, weil es sich um die Exlibris englischer 
Besitzer handelt. 

Infolge des äußerst dürftigen Bestandes an englischen genealogisch- 
heraldischen Nachschlagewerken in den großen öffentlichen Bibliotheken Berlins 
gelang mir die Bestimmung hier am Ort nur teilweise und ich mußte mich erst 
nach England wenden. Mein verehrter Freund und Fachgenosse Charles von 
Hofmann in London (Sohn des berühmten Chemikers August Wilhelm v.H,, 
der seinerseits mit meinem Vater befreundet war), hat mir geholfen, und ich 
bin nunmehr in der Lage, ein sicheres Ergebnis vorzulegen. 

Das erste der beiden Exlibris (siche die Abbildung 1) kennzeichnet sich 
durch die Unterschrift als dasjenige eines John Putland. Durch das Wappen 
gelang es unschwer, nicht nur den Namen, sondern auch die Persönlichkeit 
festzustellen. 

Es handelt sich um John Putland, einem Irischen Gentleman, wohnhaft 
in Dublin, geboren 1709, vermählt am 22. Juli 1738 mit Katharina, des Sir 
Emanuel Moore, Baronet, Tochter und Erbin. Mr. Putland starb im Jahre 1773. 


I. F. H. Schwabe. 


— 309 — 


Der Sitz der Familie war später Bray Head, Co. Wicklow. (Burke, History of 
the Landed Gentry of Great Britain and Ireland, 9. Aufl., London 1898, Bd. I, 
S. 379 des Teiles ,Irland*.) ) 

Da Burke a. a. O. das Wappen nicht beschreibt, kann man annehmen, 
daß es sich um ein wenig bekanntes Exlibris handelt. 

Das Wappen zeigt im blauen Felde einen 
Schrägbalken, begleitet von zwei sogenannten 
Sporenrädern, die ohne Zweifel silbern sind. Der 
Schragbalken ist golden und mit drei eigentüm- Ag 
lichen Figuren belegt, die der Bestimmung spotten. *®& 
Sie stellen augenscheinlich ein altes Gerät dar, 
aber welches? Der Schrägbalken hat übrigens d 
auch „gewellte“ und nicht gerade Ränder. Der 
»Crest* auf dem Schilde ist durch ein Elefanten- 
haupt gebildet. Die Wappendevise lautet: „Deus 
astra regit“. 

Das zweite der beiden Exlibris (siehe die 
Abbildung 2) ist nach der ganzen Art der Zeich- 


nung das zeitlich jüngere. Seine vier Felder (von Zéi SL. Vo ; 
denen je das 1. und 4. sowie das 2. und 3. unter Go Sr LÉI 

T S87 A 
sich gleich sind) und zwei Helme erwecken auf e hn LS LOE 


den ersten Blick die Vermutung, daß es sich 
um die Verbindung des Wappens von zwei 
Geschlechtern handelt Den ersten Bestandteil dieses Doppelwappens 
(1. und 4. Feld): mit dem „geschachten“ Schrägbalken und den beiden Quer- 
balken darunter, mit dem Bären als „Crest“, gelang es leicht, als das Wappen 
des Geschlechtes Lee of Hartwell zu ermitteln. Den zweiten Bestandteil 
(2. und 3. Feld) ergaben die Ermittelungen meines 
Freundes Charles von Hofmann als das 
Wappen der Familie Fiott. Das der „Landed 
Gentry of Great Britain“ angehörige Geschlecht 
„Lee of Hartwell“ findet sich bei Burke a a.O., 
Bd. I, S. 879 behandelt. Aus diesem Geschlechte 
stammte William Lee, + 1776, dessen Tochter 
Harriet sich mit John Fiott vermahlte. Wil- 
liam Lee war der Sohn von Sir William Lec, 
Lord-Oberrichter von England und Geh Rat, 
Harriet also die Enkelin dieses hervorragenden 
Juristen. Sir William Lee war der zweite 
Sohn von Sir Thomas Lee, Baronet, Harrict 
also dieses Baronets Urenkelin. 
Harriet Lee hatte von ihrem Gemahle 
Abb. 2. John Fiott einen Sohn; John Fiott, geb. 1783, 
April 28. Dieser, Dr. der Rechte und Friedens- 
richter, John Fiott nahm infolge Testamentes seines Mutterbruders William 
Lee zunächst den Namen Lee an und erbte von Sir George Lec, Baronet, 
dem 6. und letzten Baronet aus dem Geschlechte, im Jahre 1827 auch die große 
Besitzung Hartwell. Infolge beider Umstände nahm er zu dem Wappen Fiott 
auch das Wappen Lee an und verband beide in folgender Form: 


Abt. 1. 


— 310 — 


1. und 4. Feld: Lee. Im Schilde zwei goldene Querbalken in Blau, darüber 
ein von Gold und Rot .geschachter“ Schragbalken. Crest: ein schreitender 
schwarzer Bär mit silbernem Maulkorb und silberner Kette daran, die sich über 
den Rücken schlingt. 

2. und 3. Feld: Fiott. Im Schilde ein goldener „Sparren“, begleitet von 
drei goldenen Rauten in Blau; der Sparren an seiner Spitze belegt mit einem - 
schwarzen Anker. Crest: ein „wachsendes“ silbernes Roß, an der Schulter mit 
einer gleichfarbigen, heraldischen Lilie (als Linienbeizeichen) belegt. Die 
Wappendevise lautet: „Verum atque decens“. John Lee alias Fiott starb 1866. 

Es ist hiernach sein Exlibris, das sich in der „Selenographia“ in Treptow 
befindet. Es mag noch erwähnt werden, daß die Lee eine uralte Familie sind, 
die ihren Besitz Hartwell usw. seit 1268 in ununterbrochenem Besitz 
gehabt hat. — 

Habent sua fata libelli! 

Im vorliegenden Falle hat die Wappenkunde geholfen, den ersten Besitzer 
des in Rede stehenden Exemplares des seltenen Buches und die Umstände zu 
erkennen, in denen er es binden ließ; (s. oben, S. 216 ff.) sodann von den späteren 
Besitzern noch zwei. Waren diese Feststellungen zwar auch gerade nicht von 
sehr großer Bedeutung, so konnten sie doch den methodischen Weg zeigen, 
auf dem Heraldik und Genealogie zur Lösung mancher Einzelfragen herangezogen 
werden können. Die Darlegung dieser Methode einmal vor einem naturwissen- 
schaftlichen Leserkreise war der Zweck dieser Zeilen. 


se 


Williamina Fleming t. 


You Amerika kommt die Nachricht, daß Frau Williamina Fleming, welche 
im Jahre 1857 in Dundee in Schottland geboren wurde und vor mehr als 
30 Jahren zunächst als einfache Gehilfin der astronomischen Berechnungen von 
Pickering an der Harvard-Sternwarte in Boston beschäftigt wurde, nach 
längerer Krankheit am 21. Mai 1911 gestorben ist. 

Professor E. Pickering hatte es verstanden, das Spektroskop und die 
photographische Platte bei den groBen Fragen, die damals nach dem Alter und 
der Beschaffenheit der Sterne auftauchten, in geschickter Weise zu verwenden. 
Im Jahre 1882 begann Pickering in systematischer Weise den Himmel abzu- 
suchen. Seine Arbeiten konnten aber erst in größerem Maßstabe durchgeführt 
werden, als ihm durch den Edelmut von Frau Henry Draper Mittel hierzu zur 
Verfügung gestellt wurden, die sie bis heute jährlich wieder gewährt hat. Nun 
konnte jede klare Nacht zu photographischen Aufnahmen verwandt werden. Nach 
einem von Pickering entworfenen Plane wurden Photographien gemacht, die 
nach ihrer Entwicklung in die Hände von Frau Fleming kamen. Ihrer 
glänzenden Befähigung war es vorbehalten, zu einer Zeit, als von vielen Fach- 
genossen diese Arbeiten mit großem Zweifel aufgenommen wurden, eine große 
Zahl von veränderlichen und neuen Sternen auf den Harvard-Photographien zu 
entdecken. Dadurch, daß ein Prisma vor das Objcktiv-Glas des Teleskops 
gesetzt war, wurde das Licht eines jeden photographierten Sternes in ein kleines 
Band ausgezogen, das sofort den Spektral -Charakter verriet. Waren helle 
Linien sichtbar, so wurde dadurch angezeigt, daß es ein neuer Stern sein 
konnte. Durch Aufnahmen ohne Prismen, die zu dem Zwecke einer ständigen 


— 311 — 


Uberwachung des ganzen Himmels angefertigt waren, konnte dann zumeist weiter 
entschieden werden, ob der Stern wirklich ein neuer war, oder ob er zu den 
selteneren Sternen gehört, die helle Linien enthalten. 

Wenn auch zunächst die photographischen Entdeckungen Frau Flemings 
in den Fachkatalogen nicht aufgenommen wurden, so zweifelte sie nicht an der 
Realität ihrer Entdeckungen und prüfte weiter Tag für Tag mit dem ver- 
größernden Okular in der Hand das sich immer mehr ansammelnde Platten- 
material. Noch zwei Wochen vor ihrem Tode hat sie einen Band Harvard- 
Annalen fertig stellen können, der in einer Liste alle die interessanten Objekte 
vereinigt, die durch besondere Spektren sich auszeichnen und auf den Harvard- 
Photographien von ihr aufgefunden worden sind. Hierin sind alle gasigen 
Nebelsterne, die helle Wasserstofflinien zeigen, Sterne des 5. Spektraltypus, 
veränderliche Sterne und neue Sterne vereinigt. 

Schon ihre frühere Arbeit „Der Draper-Katalog der Sternspektren‘, der 
10 351 Sternspektren enthält, fand den Beifall ihrer Fachgenossen und bleibt 
als erster Versuch, einen Einblick in die Beschaffenheit der Sterne zu geben, 
von großer Bedeutung. Williamina Fleming hat über 300 veränderliche und 
10 neue Sterne aufgefunden. 

Im Jahre 1897 wurde sie offiziell zum Kurator der astronomischen Photo- 
graphien der Harvard-Sternwarte ernannt, wodurch sie Vorsteher der eigen- 
artigen Bibliothek wurde, die über 200000 photographische Platten enthält. 
Ihrem Organisationstalent ist es zu verdanken, daß diese gewaltige Zahl von 
Himmelsdokumenten in jedem Augenblick bei Bekanntwerden neuer Objekte 
danach befragt werden kann, welche Zeit der Stern gebraucht hat, eine gewisse 
Helligkeit zu erreichen und wann er zum ersten Male eine Spur auf der Platte 
zurückgelassen hat. Unsere Leser finden in den letzten Jahrgängen des 
» Weltalls* manche eingehende Beschreibung der Fleming’schen Entdeckungen. 

In Anerkennung ihrer hervorragenden Leistungen wurde sie im Jahre 1906 
zum Auswärtigen Mitglied der Royal Astronomical Society zu London ernannt 
und bald darauf auch zum Ehrenmitgliede der astronomischen Abteilung des 
Wellesley-College. 

Ich erinnere mich stets gerne der interessanten Stunden, die ich in ihrem 
Reiche unter ihrer und Professor Pickerings Führung verleben durfte. 


F. S. Archenhold. 
W 


(Über den Sternkultus der Pani-kndianer. 


TD weitreichenden Handelswege Amerikas erstrecken sich von den Aquatorial- 
gegenden bis zu den nördlichen und südlichen Polarkreisen. Langs dieser 
Wege brachten die Handeltreibenden nicht nur ihre Waren, sondern auch die 
Kunde von Riten, Sitten, Mythen und Volkssagen, welche sich mehr oder weniger 
veränderten, von Stamm zu Stamm. Daher kann man wohl sagen, daß kein 
Stamm des westlichen Erdteils völlig abseits der anderen Stämme steht, oder 
unbeeinflußt in bezug auf seine Organisation, Kultur oder Volkssagen geblieben 
ist. Dieses Netz des Austausches, das sich über das ganze Land spannt, er- 
schwert die Arbeiten der ethnologischen Forschung. 

Als Alice C. Fletcher vor einigen 20 Jahren bei den Omaha und anderen 
Stämmen der Sioux-Sprachengruppe Studien machte, fand sie Anzeichen dafür, 


— 3312 — 


daß der Panistamm viel zur Verbreitung gewisser Kulten unter seinen Nachbarn 
beigetragen habe und daß dieser Stamm die alten Zeremonien noch in allen 
ihren Einzelheiten besitzt. Obgleich ihr der Weg zur Beobachtung und Fest- 
legung dieser Zeremonien zu jener Zeit durch einige alte Omahahäuptlinge, die 
in engen freundschaftlichen Beziehungen zu den Pani standen, geebnet schien, 
wurde ihr durch Umstände, die sie nicht kennen lernte, der Eintritt in das Pani- 
lager versagt. Trotzdem ist es ihr später gelungen, genaue Berichte!) der 
Zeremonien und des damit zusammenhängenden Rituels durch alte eingeweihte 
Panileute zu erhalten. | 

Die Sprache der Pani gehört dem Caddostamm an. Als die weiße Rasse 
dem Volke zuerst begegnete, lebte es nahe des Plattenflusses, im jetzigen Staate 
Nebraska. Vor ungefähr 30 Jahren zog der Stamm, der aus vier Zweigen besteht, 
von dort nach dem nordöstlichen Oklahoma, wo er jetzt noch lebt. 

Diese Zweige bauten ihre Niederlassungen in bestimmter geographischer 
Beziehung zu einander. Der Skidizweig befand sich immer im Westen der 
anderen. Wir wollen hier eine kurze Skizze der Organisation und des Kultus 
dieses Zweiges geben. Der Skidizweig wurde in verschiedene Dörfer geteilt, 
von denen jedes heilige Symbole besaß, die in einem Schrein aufbewahrt wurden. 
Für jeden Schrein waren eigene Zeremonien und Riten vorgeschrieben. Die 
heiligen Symbole, ihr zeremonieller Gebrauch und die Weisen, die vorgetragen 
oder gesungen wurden, sollen nun den verschiedenen Dörfern durch ebenso 
viele Sterne übergeben worden sein. Der Schrein erhielt den Namen des Sternes 
und nach dem Schrein wurde wiederum das ganze Dorf benannt. \Wenn noch 
ein zweiter Name im Gebrauch war, stand er entweder mit dem Inhalt des 
Schreins oder mit der geographischen Lage des Ortes im Zusammenhang. 

Fünf Dörfer bildeten die Hauptgruppe deren Lage durch die Stellung der 
Sterne bestimmt wurde, die ihre Symbole waren. 

Um diese Mittelgruppe lagerten sich die anderen Dörfer, jedes genau nach 
dem Sterne seines Schreins orientiert, so daß die Dörfer der Skidileute ein 
genaues Bild der Konstellation am Himmel wiedergaben. 

In der Mittelgruppe hatte der Schrein des westlichen Dorfes die Führung 
der religiösen Riten, und zwar begannen seine Zeremonien, sobald im Frühling 
der erste Donner gehört wurde. Bis auf zwei nahmen alle Dörfer in einer be- 
stimmten Reihenfolge an der Leitung der Zeremonien teil. 

Der Schrein des westlichen Dorfes eröffnete nicht nur die Festlichkeiten 
des Jahres, sondern es wurden auch einige seiner rituellen Gesänge zu Beginn 
der Zeremonien der anderen Dörfer wiederholt. Der westliche Schrein hatte 
nichts mit Tagesangelegenheiten zu tun, oder das Volk mußte sich im tiefsten 
Elend befinden. 

Die Zeremonien der anderen vier Hauptdörfer bezogen sich auf Angelegen- 
heiten des Stammes, wie Jagen, Pflanzen und Ernten, die Erteilung von Ehren 
an Krieger und die Einsetzung von Häuptlingen. Die Führerschaft dieser 
Schreine wechselte nach bestimmten Gesetzen. Der des Dorfes im Nord- 
westen war der Leiter für das erste Jahr, d.h. für einen Winter und einen 
Sommer, worauf die Führung im nächsten Jahr auf das Dorf im Südosten, dann 
im Südwesten und zuletzt auf den Schrein des nordöstlichen Dorfes überging. 
Es gelangte also die Führerschaft alle 4 Jahre wieder an denselben Schrein. 


1) Vergl. Alice C. Fletcher: Star cult among the Pawnee — a preliminary report. (American 
Anthropologist (N. S. Vol. 4). 


— 313 — 


So wurden nach dem indianischen Berichterstatter „die Skidis durch die 
Sterne organisiert, in Familien und Lager geteilt und belehrt, wie sie leben und 
ihre Zeremonien vollführen müßten. Die Schreine der vier führenden Dörfer 
wurden durch die vier Leitsterne bestimmt. Der Schrein des westlichen Dorfes 
stammt jedoch von Tiräwa, der über allen Sternen steht, sodaß auch dieser 
Schrein höher als die anderen von den Sternen gegebenen steht. Tiräwa sandte 
diesen Schrein durch den Stern im Westen. Der Schrein sollte jedoch nicht 
diesen Stern, sondern Tirawa selbst, versinnbildlichen, der allem, was unter 
diesem Stern stand, die Macht verlieh, den Dingen Leben zu geben, das Volk 
zu regieren und ihm Wissen zu verleihen. Tiräwa, „Vater“, war zuerst mächtig 
über Alles und Allem, der Vater aller Dinge. Dann kamen die geringeren oder 
Untermächte. Diese wurden als Sterne an den Himmel versetzt. Dann wurden 
alle Dinge gemacht und Männer und Frauen erschaffen. Die Zeremonien der 
Schreine spiegeln die Schöpfungsgeschichte, die Einsetzung der Familie und die 
Schaffung der Riten wieder, durch welche der Mensch an seine Abhängigkeit 
von Tirawa, den er um Nahrung bitten muß, erinnert wurde.“ 

Eine der Grundlehren dieser Zeremonien ist die Annahme des Dualismus 
im Weltall. Jedes Ding ist entweder männlich oder weiblich. Diese beiden 
Prinzipien waren für den Bestand aller Dinge nötig Der Osten war weiblich, 
der Westen männlich; der Süden männlich, der Norden weiblich; das obere 
war männlich, das untere weiblich. Daher waren alle Sterne im Osten männlich 
und alle Sterne im Westen weiblich. Diese Eigenschaft wurde auch auf die 
Schreine übertragen. Der des Westens war weiblich, ebenso auch der des nord- 
westlichen gelben Sterns, des ersten der Führerschaft; der nächste war der 
Schrein des roten männlichen Sterns im Südosten. Dann kam die Führung an 
den weißen weiblichen Stern im Südwesten und im nächsten Jahre ging diese auf 
den schwarzen männlichen Stern im Nordosten über. Diese diagonal gelegenen 
Sterne nannte man auch „Pare“. Die Sorge um die Schreine wurde einer 
Frau; die Kenntnis ihres Inhalts, ihrer Zeremonien und Riten einem Manne 
übertragen. 

Durch die Zeremonien des Sterns im Westen ging die lebenspendende 
Kraft des Tiräwa-Vaters in alle lebenden Wesen über. Auf die Zeremonien 
dieses Sterns folgten die des Schreins, der in dem Jahre gerade die Führer- 
schaft hatte. Im allgemeinen ging die Reihenfolge von West nach Ost und 
schloß mit den Zeremonien des Schreins des Morgensterns, die in einem Opfer 
gipfelten als Symbol für die Verbindung des Ostens und Westens, des oberen 
und unteren, wodurch die Dauer und Fruchtbarkeit aller lebenden Dinge ge- 
währleistet ward. 

Außer diesen 5 Hauptschreinen gab es noch mehrere, die, obwohl sie auch 
ihre Herkunft von Sternen ableiteten, nicht an der Führerschaft teilnahmen. 
Diese befaßten sich mehr mit gewöhnlichen Dingen, hatten ihre besonderen Riten 
mit bemerkenswerten Waffenspielen, wodurch die Pani berühmt geworden sind. 

Der Einfluß des Sternkultus zeigte sich auch in dem Bau der Erdhöhlen 
der Pani. Der kreisförmige Flur ihrer Wohnung stellte die Erde dar und das 
kuppelförmige Dach den gewölbten Himmel. Die 4 Pfeiler, die das Rahmenwerk 
des Daches stützten, bedeuteten die 4 Sterne der führenden Lager und waren 
gelegentlich mit ihren vier bezüglichen Farben bemalt. Der Platz für den 
Schrein befand sich im Westen in Übereinstimmung mit der Stellung des west- 
lichen Sterns. 


— 314 — 


Die hervorragenden Riten, die sich an den Bau dieser Erdhöhlen anschließen, 
sowie ihr mannigfaltiger Symbolismus, die Zeremonien, die sich auf andere 
Sterne beziehen, von denen man annahm, daß sie einen Einfluß auf das Leben 
des Volkes ausübten, müssen noch weiter studiert werden. Von den Sternen, 
die die Lage und Zeremonien der Dörfer bedingen, können die Skidi nur noch 
den Nordstern (welcher Zeremonien, die sich auf die Häuptlinge beziehen, ver- 
langt), und den Morgenstern identifizieren. Die Mittelgruppe, die 4 führenden 
Sterne, scheinen auf die 4 Körpersterne des großen Bären zu deuten, aber wenn 
diese Beziehung jemals bestanden hat, scheint sie jetzt vergessen worden zu sein. 

Die Tatsache, daß die Kenntnis der Sterne, welche einen so sichtbaren 
Einfluß ausübten, verloren gehen konnte, beweist, daß wir es hier mit den Über- 
resten eines alten und tiefgewurzelten Kultus zu tun haben, dessen völlige Auf- 
hellung uns noch weitere Einblicke in die Beziehungen gewähren wird, die 
zwischen dem Tun und Denken der Naturvölker und den Sternen bestanden. 

Dr. F. S. Archenhold. 


333333333333333333333333333333333333333333333 3333333333333 


2222| Kleine Mitteilungen. 
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Ein neuer Komet 1911b (Kiess) ist am 6. Juli auf der Licksternwarte entdeckt worden und 
jetzt mit bloBem Auge sichtbar. Seine Bahn ähnelt der des Kometen 1790I. Dieser Komet erreicht 
seine größte Helligkeit Mitte August und ist am Morgenhimmel jetzt mit bloßem Auge zu schen, 
am besten auf der Südhalbkugel. Seine Stellung ist nach Kobold 


am 3. Aug. a = 3" 49” 45° d=+249 5,6 9. Aug. a = 3? 12™ 59° ó= + 139 29,3 
5. „ 40 8 +21 29,4 ll. „ 2 52 46 +r 2r 
es 28 15 18 6,0 13. ,, 25 14 — —2 1,6 


Hiernach rückt der Komet in der Richtung von den Pleyaden nach dem Saturn zu immer 
weiter nach Siiden und wird heller. S 
* 

Der Rote Fleck, der nun seit 1878 eine der markantesten Gebilde der Jupiteroberfläche 
bildet, hat wiederum eine sehr beträchtliche Störung erlitten. Nach den Beobachtungen des Herrn 
Phillips (A. N. 4498) war seine Länge im April 1911 nur 332°; der Fleck hat sich also in den 
letzten 10 Monaten um volle 30° verschoben. Im Aussehen des Roten Fleckes sind ebenfalls durch- 
greifende Änderungen eingetreten; am großen Fernrohr der Treptow-Sternwarte erscheint die Gegend 
des Roten Fleckes mit einem braunen Schleier bedeckt. | 

Der Rote Fleck im Jahre 1909. In den A. N. 4509 veröffentlicht H. E. Lau seine am 
Zehnzöller der Kopenhagener Urania- SE arte während der Opposition 1909 ausgeführten Mikro- 
metermessungen auf Jupiter. 

Der berühmte Rote Fleck war nur einmal, am 19. März, als eine schwach lachsrote Ellipse 
im Innern der „Bai“ sichtbar. Im April konnte der Rote Fleck selbst bei guten Bildern nie erkannt 
werden; im Innern der „Bai“ war vielmehr ein grauer, nebcliger Streifen zu sehen. Im Mai verlor 
die „Bai“ ihre elliptische Gestalt. Der Beobachter bemerkte eine Einschnürung in der Mitte; an 
dem Westende erschien dagegen ein heller Streifen, der weit über das dunkle Material des süd- 
tropischen Streifens hinausragte. Während dieser sonderbaren Gestaltveränderungen wanderte die 
„Bai“ fortwährend gegen Westen; die Abnahme der Länge betrug für das Westende der „Bai“ in 
zwei Monaten (19. März bis 21. Mai) 10°, für das Ostende 8°. 

Bei den ersten Beobachtungen des Roten Fleckes am 19. März hatte der Voraierkang des 
südtropischen ,Schleiers* bereits begonnen. Nach Laus Angaben scheint ein Teil des Schleiers 
südlich um den Roten Fleck gegangen zu sein. Im südtropischen Streifen (in 28.05 südl. Breite) 
wurden mehrere Knoten bemerkt, welche durch den Roten Fleck gegen Süden abgelenkt wurden 
und dann nach der Konjunktion weiter gegen Westen liefen, wo sie (nach Laus Meinung) die auch 
früher gesehenen Erhebungen an der Südseite des genannten Streifens bilden. 


— 316 — 


In der hellen Zone, in welcher der Schleier liegt, wurde am 19. Marz an dem Westrande des 
Roten Fleckes eine hellbraune, raurhäbnliche Masse gesehen, die jedoch die starke westliche Be- 
wegung des Schleiers nicht teilte. Dagegen erschien am 4. Mai an derselben Stelle eine fast 
schwarze Masse, die sich schnell gegen Westen bewegte und dessen Westende durch einen großen 
hellen Fleck markiert wurde, dessen Aussehen an den früher im Kopfe des Schleiers gesehenen 
hellen Fleck erinnerte, 

Da die dunklen Knoten auf der Südseite des Roten Fleckes nach dem Vorübergang sich nicht 
gegen Norden wandten, sondern weiter nach Westen liefen, können sie kaum zur Bildung der im 
Mai gesehenen schwarzen Masse beigetragen haben, und Lau meint daher, daß diese schwarze 
Masse gerade der Anfang des Schleiers ist, der nach dem Vorübergang wieder unter den grauen 
Wolken der „Bai“ hervortaucht. Da der Schleier im Mai über 100° lang war, konnte das Ostende 
noch immer gemessen werden; seine tägliche Bewegung betrug — 0.057. 

Die mattweißen Wolken, welche 1905 bis 1906 in der Äquatorzone so zahlreich auftraten, 
fehlten 1909 gänzlich; ebenso waren die südtropischen Lichtpunkte nur schwach entwickelt. 


* * 
* 


Neue Geschwindigkeitsbestimmungen der Heliumsterne von Campbell. Bei der Bear- 
arbeitung der auf der Lick-Sternwarte gemachten Messungen von Radialgeschwindigkeiten von 
1047 Sternen hat W. W. Campbell eine sehr merkwiirdige Entdeckung gemacht, die er in den 
„Publ. of the Astron. Society of the Pacific“ Vol. 23, S. 85 bis 108 veröffentlicht. 

Er findet nämlich, daß die Messungen der Geschwindigkeiten der Heliumsterne mit einem 
konstanten Fehler von +5 km behaftet sind. Da die Lickmessungen mit denen der übrigen Stern- 
warten gut übereinstimmen, muß die Ursache in den zugrunde gelegten Wellenlängen der Helium- 
linien gesucht werden. Campbell meint, daß entweder die schwächeren Komponenten der Helium- 
linien, die bekanntlich immer paarweise auftreten, in den Sternspektren kräftiger sind, oder daß die 
Heliumlinien durch hohen Druck in den Gashüllen der Sterne gegen Rot verschoben sind. Aus 
seinen Messungen findet Campbell z. B., daß die Hauptsterne im Orion sich im Mittel um + 22km 
von der Sonne entfernen, während der große Orionnebel, der doch wohl damit physisch verbunden 
ist, nur +17 km gibt. Durch diese Entdeckung Campbells werden die Hypothesen Kapteyns 
von der Existenz zweier „Ströme“ von Heliumsternen wohl hinfällig. Dagegen findet Campbell. 
daß die Radialgeschwindigkeiten nicht nur der Orionsterne, sondern auch des ersten Typus in der 
Milchstraße größer sind als außerhalb. 

Aus seinen Beobachtungen von 1047 Sternen findet Campbell als Position des Apex der 
Sonnenbewegung Rektasc. = 272°, DTekl. = + 28° und die Geschwindigkeit der Sonne zu rund 20 km. 
* x 

. * 

Dunkle Massen im Weltraume. In No.5 des,, Transvaal Observatory Circulars‘ diskutiert Jnnes 
die leere Himmelsgegend um S-Coronae australis und äußert die Vermutung, daß die scheinbare 
Leere durch ein absorbierendes Medium, welches das Licht der Sterne verschluckt, hervorgebracht 
wird. Jnnes und Worsell finden in dieser Gegend eine Fläche von 25 Bogenminuten Durchmesser, 
wo in einem 9-Zöller überhaupt keine Sterne sichtbar sind. Einige Sterne in der Nachbarschaft sind von 
Nebel umgeben. Gerade an der Grenze dieser Gegend steht ein Sternchen, das nach Worsell, 
Beobachtungen von 11,0 bis 12,2 Gr. schwankt und in den Jahren 1899 bis 1901 unsichtbar war, — 


nach Meinung der Beobachter — wegen einer Ausdehnung des vermeintlichen dunklen Stoffes. 
der sich gegenwärtig von ihm zurückzieht. 
* * 


* 

Der Veränderliche S-Arae. In „Transvaal Circular“ No.5 publiziert Jnnes seine Beobach- 
tungen von dem Veränderlichen S-Arae (1900,0 Rekt. 17" 51” 27°, Dekl. —- 49° 25°). Jnnes findet, 
daß dieser Stern zu den „veränderlichen Sternhaufen gehört; die Periode beträgt nur 10» 50m 43s. 
Die Helligkeit schwankt von 8,9 bis 9,5 Grad. Im Minimum ist er 3 Stunden stationär; dann nimmt 
die Helligkeit plötzlich bis 8,9 zu und fällt dann langsam wieder bis 9,5. 

* * 
. œ 

Die inneren Schleier der Sonnenflecke. Nach Beobachtungen von Maggini am 35cm 
Calverschen Spiegel der Florentiner Sternwarte entstehen die schwachen Schleier im Innern der 
Kerne der Sonnenflecke durch Ausbriiche von leuchtenden Streifen (jets brillants), die von der 
inneren Seite der Penumbra in den Kern hineinschießen und sich dort in eine Wolke auflösen. Die 
Kerne der Sonnenflecke (außerhalb der Schleier) findet er lila gefärbt. 

Li * 
* 

Das Techaische Museum für Industrie und Gewe: be in Wien veröffentlicht soeben einen 

künstlerisch ausgestatteten Aufruf, dem wir entnehmen, daß das sechzigjährige Regierungsjubiläum 


— 316 — 


Seiner Majestät des Kaiser Franz Josef I. der österreichischen Industrie den Anlaß bot, unter Mit- 
wirkung des Staates und der Stadt Wien dieses neue Museum zu errichten. Das eine Fläche von 
20 009 Quadratmetern bedeckende Museumsgebäude, dessen Grundsteinlegung am 2%. Juni 1909 erfolgte. 
wird nun bald vollendet sein Das Technische Museum soll die Entwicklung der industriellen und 
gewerblichen Arbeit und die Großtaten der Technik in geschichtlicher Reihenfolge aufzeigen; es will 
aber auch den technischen Leistungen unserer Zeit gerecht werden und durch periodische Fach- 
ausstellungen die Fortschritte auf diesem Gebiete fördern. Kein schweigendes Museum soll erstehen, 
sondern eine lebende, der Allgemeinheit gewidmete Bildungsstätte, die die wissenschaftlichen Voraus- 
setzungen und die wirtschaftlichen Ziele der Technik laut verkündet. Ein ansehnlicher Sammlungs- 
bestand ist bereits gesichert, denn die Einverleibung umfangreicher und wertvoller staatlicher 
Sammlungen. die bisher zerstreut angeordnet waren, steht unmittelbar bevor. Noch fehlen aber viele 
Glieder in der Kette der technischen Entwicklung. deshalb ergeht an die Vertreter der technischen 
Wissenschaft, der Industrie und des Gewerbes der Ruf, an dem groen Werke mitzuarbeiten und 
ihm bei der Beschaffung und Auswahl der Museumsobjekte ihre Unterstützung angedeihen zu lassen. 
Alle Gegenstände die die technische Arbeit in ihren Voraussetzungen, an ihren Mitteln und durch 
ihre Wirkungen zu verstehen lehren, sind als Sachspenden geeignet. Zur vorläufigen Aufbewahrung 
und Sichtung der einlangenden Sachspenden hat die Staatsverwaltung geräumige Hallen in der 


Rotunde im k. k. Prater bereit gestellt. F.S. Archenhold. 
VENZYZNYZNZNZNZNZNZ 

f KARLS È 

D ews G 


Augusto Righi, Kometen und Elektronen. Aus dem Italienischen übersetzt von Max 
Ikle. 64 Seiten. Akademische Verlagsgesellschaft, Leipzig 1911. Preis geh. 3 Mk. 

In der vorliegenden Schrift, die wie so viele andere Werke über die Kometen ihr Erscheinen 
dem Auftreten des Halley’schen Kometen zu verdanken hat, legt der durch seine Leistungen 
auf dem Gebiete der Physik weit bekannte Verfasser seine Anschauungen über die Konstitution der 
Kometenschweife dar. Im wesentiichen schließt sich Righi den den Lesern dieser Zeitschrift nicht 
mehr fremden Auffassungen von Arrhenius an. aber er ergänzt sie in recht anregender und in- 
teressanter Weise durch Betrachtungen über die in den Kometenschweifen zweifellos sich ab- 
spielenden Vorgänge elektrischer Natur. Die Righi’sche Theorie hat sehr viel für sich, da sie sich 
auf Tatsachen der Experimentalphysik stützt, deren Anwendung auf die Kometen, soweit der 
Referent sehen kann, keinem prinzipiellen Einwande unterliegt. 

Die Lektüre des Büchleins kann auch den Lesern des „Weltalls“, die keine speziellen Vor- 
kenntnisse besitzen. warm empfohlen werden. 


* * 


x 
Wilhelm Ostwald, Sprache und Verkehr. Leipzig 1911, Akademische Verlagsgesellschaft 
m. b. H. 51 Seiten i 

© Vor etwas mehr als einem Jahre wurden unsere Leser (Jg. 10, S. 120) in einer Besprechung des 
von Couturat, Jespersen, Lorenz, Ostwald und Pfaundler unter dem Titel „Weltsprache 
und Wissenschaft“ (Jena 1909) herausgegebenen Büchleins auf die wichtige Angelegenheit der 
Schaffung einer Hilfssprache „Ido“ hingewiesen, die dazu bestimmt ist, den von Tag zu Tag 
wachsenden internationalen Verkehr zu erleichtern und damit auch zu fördern. 

In der Zwischenzeit ist, besonders Dank der zielbewußten Tätigkeit von Wilhelm Ostwald, 
die Frage der Weltsprache wesentlich weiter entwickelt worden: Am 27. Februar 1911 hat im GroBrats- 
saale des Rathauses zu Bern in der Schweiz die Gründung eines „Verbandes zur Schaffung eines 
internationalen Weltsprachamtes” stattgefunden, dessen Aufgabe darin besteht, alle Vorarbeiten zu 
erledigen, die erforderlich sind, daß eine Staatsregierung — dies wird vermutlich die der Schweiz 
sein — die nötigen diplomatischen Schritte tut, um eine internationale Konferenz zusammentreten 
zu lassen, die sich mit der Frage der Einführung einer internationalen Hilfssprache zu befassen 
hätte. Die Weltsprachenangelegenheit wird also offiziell. 

Die vorliegende kleine Broschüre enthält einen Vortrag, den Ostwald unmittelbar nach der 
Gründung des Verbandes gehalten hat, und dürfte durch die enfache und schlichte, aber immer 
interessante Art der Darstellung recht geeignet sein, das Interesse an der Weltsprache in immer 
weitere Kreise zu tragen. Werner Mecklenburg. 


Fur die Schrittleitung verantwortlich: Dr BLS. Archenbold, Bourlin-Treptow; für den loseratenioil: M. Wuttig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


„Das Weltali“, Jg. 11, Heft 21. 


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_Das große Fernrohr der Treptow-Sternwarte und die neue Plattform. 


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DAS WELTALL 


Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete. 


Herausgegeben von 
Dr. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


ll. Jahrgang, Heft 21 Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Erstes Augustheft). 
Berlin-Treptow. 


Diese Zeischrift erscheint sweimal im Monat. —. Abonnementspres jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treplow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post- 

Zeitungsliste alphahetisch eingeordnet), Einzelne Nummer 60 Pje. — Anzeigen-Gebühren: 1 Seite 80.— MR.. Lu Seite 45.— 
1/, Seite 25.—. Uu Seite 15 —, U, Seite 8— Bei Wiederholungen Rahatt Beilngen nach Gewicht. 


INHALT 


| 3. Der gestirnte Himmel im Monat September 1911. 


1. Über spektroskopische und visuelle Doppelsterne. Von Dr. F. S Archenhold. (Mit einer Beilage) . . 324 


Von Dr. F. S. Archenhold. . . . 6 1 se ee 317 | 4. Kleine Mitteilungen: Mars im Jahre 1909 in Trans- 
2. Die Bewegung des Sonnensystems . 2... 1... 322 | vaal.— Marlin Kelloggstiftung für die Lick-Sternwarte 328 
Nachäruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet 


(ber spektroskopische und Visuelle Doppelsterne. 
Von Dr. F. S Archenhold. 


k den letzten Jahren ist eine so große Reihe von Entdeckungen auf dem Ge- 
biete der kurzperiodischen Doppelsterne, der sogenannten spektroskopischen 
Doppelsterne, gemacht worden, daß es sich jetzt schon verlohnt, allgemeine 
Fragen aufzuwerfen nach den Verhältnissen in diesen interessanten Systemen, 
die in Verbindung mit den schon seit Jahrhunderten studierten weiteren Doppel- 
sternsystemen, den sogenannten visuellen, deren einzelne Komponenten 
so weit von einander stehen, daß sie sich in den Fernrohren noch trennen 
lassen, zu Gesichtspunkten führen können, welche uns in die Bahnverhältnisse 
der Sternenwelten interessante Einblicke gestatten. Es besteht in bezug auf die 
Länge der Umlaufszeiten ein großer Unterschied zwischen den visuellen und 
spektroskopischen Doppelsternen. Es gehört bei den visuellen Doppelsternen ` 
zu den Ausnahmen, wenn die Umlaufsperiode einer vollen Bahn kleiner ist als 
10 Jahre, und bei den spektroskopischen Doppelsternen gibt es wiederum nur 
wenige, deren Umlaufszeit länger als ein Jahr dauert. Die meisten spektrosko- 
pischen Doppelsterne, von denen der erste im Jahre 1889 von Edward Picke- 
ring entdeckt worden ist — es war ¢ Ursae majoris — durchlaufen in wenigen 
Tagen ihre volle Bahn. Wenn auch bisher noch keiner der spektroskopischen 
Doppelsterne visuell hat getrennt werden können, — die Berichte, daß Capella in 
großen Fernrohren elliptisch aussähe, beziehungsweise eben noch getrennt werden 
könnte, haben sich nicht bestätigt, — so ist es in Zukunft nicht ausgeschlossen, 
daß spektroskopische Doppelsterne als visuelle bestätigt werden können, zumal 
die Entfernung mancher spektroskopischer Doppelsterne schon jetzt als die der 
Erde von der Sonne übertreffend bekannt ist. 

Das System Sirius war als visueller Doppelstcrn mit einer Periode von 
49 Jahren schon länger bekannt, Neuerdings hat sich Sirius selbst als ein 


— AIR ` — 


spektroskopischer Doppelstern erwiesen. Wir sehen hieraus, daß zwischen 
beiden Arten von Doppelsternen prinzipielle Unterschiede nicht bestehen. 

Obgleich bisher keine hundert spektroskopische Doppelsternpaare bekannt 
sind, haben es Frank Schlesinger und Robert Baker unternommen, die 
Resultate nach allgemeinen Gesichtspunkten zu ordnen !) 

Im folgenden machen wir unsere Leser mit diesen Untersuchungen be- 
kannt: Unter den 63 mit Sicherheit bestimmten spektroskopischen Doppelstern- 
bahnen sind 11 veränderliche Sterne vom Delta Cephei Typus vertreten; das 
sind kurz veränderliche Sterne, bei denen die Dauer des abnehmenden Lichtes 
geringer als die des zunehmenden Lichtes ist. Es ist eine interessante Tat- 
sache, daß die veränderlichen Sterne der Delta Cephei-Klasse sich alle bisher 
als spektroskopische Doppelsterne erwiesen haben, und die genaueren Unter- 
suchungen haben es außer Zweifel gestellt, daß ihre Lichtveränderung in ur- 
sächlichem Zusammenhang mit dem Umlauf des Begleiters steht. 

Weiter enthält die Liste 6 veränderliche Sterne vom Algol-Typus, deren 
Lichtschwankung bekanntlich durch Verfinsterung, die der Vorübergang eines 
dunklen Begleiters hervorruft, erklärt werden kann. 

Von den visuellen Doppelsternen konnten bisher 53 genaue Bahnbestim- 
mungen berechnet werden. Diese sind von Professor Aitken im Jahre 1905 in 
einer Liste vereinigt, die 17 Doppelsterne enthält, deren Umlaufszeit zwischen 
105 und 347 Jahren liegt. Da die visuellen Doppelsterne schon seit mehreren 
Jahrhunderten beobachtet werden und ihre Zahl jetzt bereits gegen 15000 beträgt, 
so muß es im ersten Augenblick auffallen, daß nur so wenige Bahnen genau 
bestimmt werden konnten, während bereits 63 spektroskopische Doppel- 
sternbahnen bekannt sind, obgleich noch keine 23 Jahre seit Entdeckung 
des ersten spektroskopischen Doppelsternes vergangen sind. Es findet 
dieses seine Erklärung darin, daß bei dem kurzen Umlauf der spektro- 
skopischen Doppelsterne nur eine kurze Zeit nötig ist, um zur Berechnung 
der Bahnen die genügende Unterlage zu erhalten, wohingegen im Laufe 
eines Jahrhunderts oft nur erst ein kleines Stück der Bahn des visuellen 
Doppelsternpaares beobachtet werden kann, welches keine sicheren Schlüsse 
auf den Verlauf der ganzen Bahn gestattet. Im folgenden werden nun einige 
der gefundenen Resultate mitgeteilt. 

Die Größe der Exzentrizität. 

Es ist nun von besonderem Interesse, daß die Verteilung der Exzentrizität, 
das ist eines der wichtigsten Stücke der Bahnelemente?) ganz bestimmte Be- 
ziehungen zu den spektroskopischen, visuellen und Cephei-Bahnen er- 
kennen läßt. 


') Vgl. Publications of the Allegheny-Observatory Vol. 1 Nr. 21 und Miscellaneous scientific 
papers of the Allegheny-Obs. New Ser. Nr. 4. 

2) Unter Exzentrizität einer Ellipse verstehen wir das Verhältnis des Abstandes eines Brenn- 
punktes der Ellipse vom Mittelpunkt zu der halben größten Achse der Ellipse. Diese Exzentrizität 
schwankt zwischen 0 und 1; wenn der Stern seine Bahn in einem Kreise vollführt, so fällt der 
Brennpunkt der Ellipse in den Mittelpunkt des Kreises, und die Exzentrizität wird 0, wenn die Ellipse 
ganz flach wird und zuletzt mit einer geraden Linie zusammenfällt, sodaß die kleine Achse der 
Ellipse gleich 0 wird. wird die Exzentrizität gleich 1. Es ist dieses auch aus der Formel zu erkennen: 


H D NEE a?— b? H e H D D D 
Exzentrizitat = ec = y ‚wobei a = grobe Achse und b = kleine Achse der Ellipse ist. Hier- 
a 


aus geht hervor, daß die Exzentrizitat ohne weiteres ein bequemes Maß ist für die Größe der 
Krümmung der Babn. 


— 819 — 


Exzentrizität . . . . . . 0,0-0,10 0,10—0,19 0,20—0,29 0,30—0,39 0,40—0,49 
Spektrosk. Doppelsterne. . 24 9 41 3 4 
Visuelle Doppelsterne . . d 3 3 9 - 44 
Delta Cephei Veränderliche 0 2 2: 4 3 
Exzentrizität . . . . . . 0,50—0,59 0,60—0,69 0,70—0,79 0,80—0,89 0,90—1 
Spektrosk. Doppelsterne. . 4 2 2 1 0 
Visuelle Doppelsterne . . 10 5 4 4 1 
Delta Cephei Veränderliche 0 d d 0 0 


Wir sehen aus dieser Tafel, daß die meisten spektroskopischen Doppel- 
sterne eine geringe Exzentrizität haben, abgesehen von den é-Cephei Veränder- 
lichen, welche mit den 53 visuellen Doppelsternen in Aitkens Katalog in bezug 
auf ihre Exzentrizität korrespondieren. ` Sie zeigen einen besonderen Hang zur 
Exzentrizität zwischen 0,30 und 0,60; die kreisrunden Bahnen sind bei ihnen 
ebenso selten, wie die stark elliptischen. Es geht hieraus hervor, daß die 
spektroskopischen Doppelsterne, abgesehen von dem é-Cephei-Typus, der Mehr- 
zahl nach fast kreisrunde Bahnen beschreiben. Es ist noch besonders zu be- 
merken, daß alle 6 Algol Veränderlichen Bahnen beschreiben, deren Exzen- 
trizität unter 0,1 liegt. 


Wenn wir alle D enden: unter Fortlassung der 
Cephei Veränderlichen nach ihrer Umlaufszeit ordnen und daneben die ent- 
sprechende Exzentrizität schreiben, so stellt sich ein enger Zusammenhang 
zwischen diesen beiden Elementen heraus. Von 21 spektroskopischen Doppel- 
sternen, deren Umlaufszeit 6 Tage nicht überschreitet, hat nur ein einziger eine 
größere Exzentrizität als 0,10. Diese Ausnahme bildet der Polarstern mit einer 
Periode von vier Tagen und einer Exzentrizität von 0,20. Andererseits ist das 
einzige Paar unter 16 spektroskopischen Doppelsternen, deren Periode größer als 
21 Tage ist, das System Capella, welches eine kleine Exzentrizität, nur 0,02, 
hat. Die 11 d-Cephei Veränderlichen unterscheiden sich wieder von den an- 
deren spektroskopischen Doppelsternen dadurch, daß im Durchschnitt ihre Ex- 
zentrizität 0,31 beträgt, während ihre Umlaufszeit im Durchschnitt nur 7,3 Tage 
ausmacht. Wenn wir hingegen die 53 Bahnen der visuellen Doppelsternsysteme 
nach zunehmender Periode ordnen und sie in Gruppen von je 10 einteilen, so 
.sehen wir, daß mit fortschreitender Zunahme der Exzentrizitat auch ihre Um- 
laufszeit zunimmt. 


Mittlere Mittlere 
Visuelle Doppelsterne p,zentrizität Umlaufszeit 
- 1—10 0,44 20 Jahre 
11—20 0,43 42 - 
21—30 0,51 GE 
31—40 0,53 104 - 
41—50 0,56 201 - 
51—53 0,60 827 - 


Diese Neigung der visuellen Doppelsterne, bei größerer Exzentrizitat auch 
eine größere Umlaufszeit zu zeigen, halten Schlesinger und Baker für reell. 
Wenn sowohl für die spektroskopischen wie für die visuellen Doppelsterne eine 
Tabelle aufgestellt wird, wiederum unter Ausschluß der Cephei Veränderlichen 
und der letzten drei visuellen Doppelsterne mit langer Periode, deren Bahnen 
noch etwas unsicher sind, so entstehen folgende Resultate: 


H 


g i o Mittlere Mittlere 
Exzentrizitat  Umilaufszeit 
25 'spektroskopische Doppelsterne mit kurzer Periode . 0,07 4 Tage ` 
25 > - ©- mit langer Periode . ~- 0,35 129 - id 
25 visuelle Doppelsterne mit kurzer Periode . . . . 0,45 36, Jahre, 
25 - - — mit langer Periode. . . . . 0,54. +, 136 - 


Die eigenartige Beziehung, daß. ‚langperiodische visuelle EES eine 
gréBere Exzentrizitat haben als die kurzperiodischen, ist bereits 1877 von 
Doberck erkannt worden. 


Die Verteilung der Lange des Periastrons. 1) 


Barr hat zuerst im Jahre 1908 die Aufmerksamkeit auf die sonderbare , Tat- 
sache gelenkt, daß unter den damals bekannten 30 spektroskopischen Doppel» 
sternen nur bei 3 die Länge des Periastrons 180° überschritt. Schlesinger 
und Baker haben hingegen festgestellt, daB bei den neuerdings berechneten 
Bahnen die Barrsche Eigentümlichkeit nicht auftritt. In 36 Fällen beträgt die 
Länge des Periastrons weniger als 180°, in 19 Fällen mehr als 180° und in einem 
Falle ist sie = 180°. Ä | 7 


Das Vorhandensein und der Charakter des Nebenspektrums 


Wahrend in dem ersten spektroskopischen Doppelstern C Ursae Majoris ane 
Spektrum beider Komponenten deutlich sichtbar war, ist in den Spektrogrammen 
der späteren spektroskopischen Doppelsterne nur das Spektrum. der. helleren 
Komponenten sichtbar gewesen, sodaß zuerst angenommen wurde, daß die 
zweiten Komponenten zumeist sehr dunkel seien. Neuere Untersuchungen 
haben jedoch ergeben, daß bei 18 spektroskopischen Doppelsternen das Neben- | 
spektrum gesehen werden kann und daß wohl noch bei vielen der übrig- 
bleibenden spektroskopischen Doppelsterne nur die geringe Empfindlichkeit der 
benutzten Platten, beziehungsweise die geringe Größe der Linienverschiebung 
eine Sichtbarkeit des Spektrums des Begleiters verhindert hat. Es. ist be- 
merkenswert, daß in 13 Fällen, in denen das sehwächere Spektrum gemessen 
werden konnte, es ein fast genaues Abbild des helleren war. Besonders ist 
dieses Ichinohe bei dem Stern 7 Virginis aufgefallen. Die Identität der 
Spektren geht soweit, daß sie sich auch nicht in einer Linie von einander unter- 
scheiden; die Spektren gehören alle dem ersten Spektraltypus an. 


E i 
Die relative Masse der beiden Komponenten. 


Es ist möglich geworden,. aus den Messungen der spektroskopischen Doppel- 
sterne in Allegheny die Masse des Begleiters in Einheiten des größten Sterns 
anzugeben. Hierbei stellt sich heraus, daß immer die hellere Komponente auch 
die größere Masse besitzt. Die gefundenen Zahlen hierfür sind folgende: 


1) Periastron heißt derjenige Punkt in einer Doppelsternbabn, in welchem der Begleiter dem 
im Brennpunkt der Bahn stehenden Hauptstern am nächsten ist. Periastron entspricht dem Perihel 


im Planetensystem, das ist der Punkt eines Planeten in seiner Bahn, in welchem derselbe der Sonne 
am nächsten steht. 


KH 
— 


Masse des . 
Begleiters, wenn 
die Masse des 


921 


„Masse des 


Begleiter, wenn 


die Masse des 


S Stern: größten Sternes ` SE größten Sternes 
A i gleich 1 gesetzt . gleich 1 geset. | 
. v Andromeda . . . om `. t Großer Bar. . . . 0,99 
o, Perseus. .... O81 - a Jungfrau. . . . . 0,61 
«Fuhrmann . . .. 0,81 e Herkules . .:. . 0,68 
“ q Orton. ©... 0,95 u Herkules . . . . 0,40 — 
y Orion: . . .. . 0,76 : 0 Adler. . ..... 0,89 
ß Fuhrmann `, . . . 0,99 — 57Schwan..... 0,96 ` 
-.o Löwe. ! . . .....0,86 2Eidechse . . . . 0,81 
n Jungfrau. .°. . . 0,70 | | | 


Die Masse EN D E E Doppelsterne im 1 Vergleich 
: zur Sonnenmasse. 


D ; gibt Sege wenig spektroskopische Doppelsterne, für welche die set 
Masse im Vergleich zur Sonne sich angeben läßt: Die Geschwindigkeits- | 
messungen genügen allein nicht, die Neigung der Bahn zu bestimmen. Wir 

Masse 
(sinus der Neigung)” 


Wenn nur ein Spektrum meßbär ist, können wir auch nichts über. die 
relative Masse aussagen, sondern wir können nur eine gewisse Funktion der 
Summe der beiden Massen angeben. In allen den Fällen, in denen durch einen 
Vorübergang die Lichtveränderung hervorgerufen wird, können wir annehmen, 
daß die Neigung fast 90° ist und alsdann die Masse berechnen. Wenn nun in 
solchen Veränderlichen noch beide Komponenten getrennt gemessen werden 
können, so kann man auch die einzelne Masse aus der Summe der beiden 
Massen bestimmen. Von diesen, dem f-Lyrae-Typus angehörigen Veränder- 
lichen sind nur vier hell genug, um diese Trennung vornehmen zu können. Es 
hat sich in allen diesen Fällen herausgestellt, daß die Durchschnittsmasse jeder 
Komponente mehrmals größer ist als die Masse der Sonne; einige von ihnen 
haben noch eine tausendmal größere Masse. Die d-Cephei Veränderlichen haben 
jedoch fast alle die gleiche. Masse und gehören auch fast alle demselben 
Spektrum an. iEs liegt somit nach der Pickeringschen Einteilung: zwischen 
F und G (Vgl.’„Weltall“ Jg. 11, S. 132). = Ä 

Wir geben zum Schluß (siehe, Seite 322) hier noch ein Verzeichnis aller 


spektroskopischen Doppelsterne bis auf die Neuzeit, das von Ludendorff 
zusammengestellt worden ist. 


können. nur das Verhältnis bestimmen: 


Aus den Untersüchungen von Schlesinger und Baker geht somit hervor, daß ` 
trotz des verhältnismäßig geringen Materials der bis jetzt vorliegenden visuellen 
und spektroskopischen Doppelsternbahnbestimmungen schon mancher interessante 
Einblick in diese Welten-gewonnen werden kann. Es steht aber außer Zweifel, 
daß erst noch weitere Beobachtungsreihen abgewartet werden müssen, bevor 
wir dese werden zwingen können, uns Gewisses über die frühere Entwickelung 
dieser Doppelsternsysteme zu verraten. | 


— 32 — 


Verzeichnis der spektroskopischen Doppelsterne. 


Stern P SE Exzentrizitat | Stern a Exzentrizität 
1. « Andromedae 96,67 0,52 30. d Lybrae 2,33 0,05 
2. y - 4,28 0,00 31. $ Lyrae 12,91 0,07 
3. A - 20,55 0,09 32.0, - 4,30. 0,00 
4. x - 143,67 0,57 33. a Orionis 2191,00 0,24 
5. 9 Aquilae 17,12 0,68 34g - 21,90 0,30 
6. $ Arietis 107,0 0.88 35.0 - 5,73 0,10 
7. a Aurigae 104,02 0,02 36.n - 7,99 0,02 
8& - 3,96 0,00 37.6 - 29,14 0,74 
9. n Bootis 497,1 0,24 38. nt - 9,52 0,03 
10. 8 Capricorni 1375,3 0,44 39.9 - 2,53 0,07 
11. x Cancri 6,39 0,15 40. BD-1° 1004 (Orionis) 27,16 ` 0,76 
12. « Carinae 6,74 0,18 41. a Pavonis 11,75 0,01 
13. I Hevel. Cassiopejae 6,07 0,22 42. n Pegasi 818,0 0,15 
14. 8 Cephei 0,19 0,00 43.6 - | 10,21 0,01 
15. 13 Ceti 2,08 0,06 44. B Persei 2,87 0,03 
16. a Coronae 17,36 0,39 - 45.0 - 4,42 0,00 
17. 57 Cygni 2,85 0,14 46.9 - 126,60. 0,00 
18. a Draconis 51,38 0,38 47. w Sagittarii 180,22 0,44 
19.9 - 3,07 0,01 48. o Scorpii 2117,00 0,20 
20. x - 281,8 0,42 49. ¢ Tauri 138,00 0,18 
21.w - 5,28 0,01 50.7 - 1,50 0,08 
22. a, Geminorum 2,93 0,01 51. 6 Urs. maj. 27,16 0,79 
23. a, - 9,22 0,50 52.0 - - 20,54 0,52 
24. 8 Herculis 410,58 0,55 53. 30 Hevel. Urs. maj. 11,58 0,44 
25. € - 4,02 0,02 54. a Urs. min. 3,97 0,13 
28.u - 2,05 0,05 55. x Velorum 116,65 0,19 
27. e Hydrae 5835,00 0,60 56. a Virginis 4,01 0,10 
28. 2 Lacertae 2,62 0,01 57. 9 - 71,9 0,25 
29. o Leonis 14,50 0,00 
Verzeichnis der veränderlichen Sterne vom dCephei-Typus 
und ¢Geminorum. 
Stern P re Exzentrizitat Stern P a Exzentrizitat 

1. 1 Aquilae 7,18 0,47 1.  SSagittae 8,38 0,35 
2. RT Aurigae 3,73 0,37 8. W Sagittarii 7,59 0,32 
3. Cephei 5,37 0,36 9 X - 7,01 0,40 
4. SU Cygni 3,85 0,21 10. Y - 5,77 0,16 
5. ¢ Geminorum 10,15 0,22 11. T Vulpeculae 4,44 0,43 
6. Y Ophinchi 17,12 0,10 


Die JSewesSun$ des Sonnensystems. 


N" der Privatsternwarte in Dresden hat bekanntlich Baron von Engelhardt 
an seinem Zwölfzöller vor etwa zwanzig Jahren zahlreiche Messungen von 
Sternen 9. bis 12. Größe ausgeführt. Diese Sterne sind nun in den Jahren 1907 
bis 1909 von Lau am Zwölfzöller der Urania-Sternwarte in Kopenhagen neu ge- 
messen und die Ergebnisse der Messungen in zwei Aufsätzen in den A N. 4430 
und 4502 zusammengestellt worden, 


Die Eigenbewegungen!) dieser lichtschwachen Sterne findet Lau ziemlich 
gering. Die jährlichen Eigenbewegungen betragen im Mittel nur 


für 23 Sterne von 9,0. bis 9,4. Größe . . . . 0,040 
- 30 - - 95. - 99. - , 0%,084 
- 24 - - 100. - 104. - . . . . 0%,086 
- 17 - - 105. - 109. =- ... . 0°,026. 


Die Abnahme der Eigenbewegung mit der Helligkeit, d. h. mit der 
wachsenden Distanz von der Erde, ist somit deutlich ausgesprochen. (Bei den 
Kopenhagener Beobachtungen wurden nur 3 Sterne mit größeren Eigenbe- 
wegungen benutzt, wie z.B. der Begleiter C von 17 Lyrae mit einer jährlichen 
Eigenbewegung von 2“, die ebenfalls von Burnham entdeckt wurde.) 

Bemerkenswert ist es, daß die Eigenbewegungen der Sterne 10. Größe in 
der Milchstraße kleiner sind als außerhalb. Lau hat die Eigenbewegungen nach 
der Distanz von der Ebene der Milchstraße geordnet und findet ein deutliches 
Minimum in der Nähe der Milchstraße. 


Galaktische Breite Eigenbewegung Sterne 
— 50° bis — 30° 0“ 039 H 
— 30° - —10° 0” ,036 14 
—10° - +10° 0“ ,032 25 
+10° - +30° 0“ ,032 16 
+30° - +50° _ 0” ,036 20 
+50° - +70° 0” 042 10 


Diese Zunahme der Eigenbewegungen mit wachsender Distanz — die schon 
von Comstock gefunden worden ist — dürfte nach Lau kaum auf einer dyna- 
mischen Wirkung der Milchstraße beruhen. Die Milchstraße besteht vielmehr 
vorzugsweise aus stark leuchtenden (absolut hellen) Sternen, wie die große 
Häufigkeit der weißen Sterne zeigt; die Sterne der Milchstraße, welche von der 
Erde gesehen, als Sterne 10. Größe erscheinen, werden sich daher durch- 
schnittlich in größeren Abständen befinden als die übrigen Sterne von derselben 
Helligkeit. Nach dieser Auffassung wären die Sterne der Milchstraße im Mittel 
um eine halbe Größenklasse (1,6 mal) heller als die Sterne in der Nähe der 
Pole der Milchstraße. 

Die Vergleichung der Messungen von Engelhardt und Lau läßt deutlich 
das Vorrücken der Sonne erkennen. Lau findet als Position des Apex: 


Rectascension = 290° Deklination = + 44°. 


Die Abweichung von den früheren Bestimmungen schreibt Lau dem 
persönlichen Fehler der Messungen zu. Da die mittlere Bewegung der Sterne 
bei 20 Jahren Zwischenzeit kaum eine halbe Bogensekunde beträgt, werden 
schon sehr kleine systematische Fehler das Resultat stark beeinflussen. Aus 
den Messungen geht jedenfalls hervor, daß zwei Messungsreihen von nur 
100 Sternen 9. bis 11. Größe mit 20 Jahren Zwischenzeit schon genügen, um die 
Bewegung der Sonne im Weltraume nachzuweisen. 

Aus dem gefundenen Wert der jährlichen Bewegung der Sonne läßt sich 
mittelst Campbells Geschwindigkeit der Sonne die mittlere Parallaxe der be- 
nutzten Sterne ableiten. Ein zweiter Wert ergibt sich aus der Größe der Eigen- 
bewegungen der Sterne. Die beiden Methoden deuten auf einen Wert zwischen 


1) Unsere Leser sind über Eigenbewegung der Sterne im Weltall Jahrg. 11 S. 204 und 219 
unterrichtet worden. 


— gu — 


0”,002 und 0”,003 hin, und Lau nimmt daher als vorläufigen Näherungswert der 
mittleren Parallaxe der Sterne 10. Größe 0”,0025 an. 

Dieser Wert entspricht einer Distanz von 1300 Lichtjahren, in dieser Distanz 
befinden sich also die nächsten Sternenwolken der Milchstraße. Die Sterne 
10. Größe wären hiernach in Wirklichkeit ebenso hell wie die nur näheren, so- 
daß kein Grund vorliegt, eine merkbare Absorption im Weltraume anzunehmen. 


ME 
Der Sestivate Himmel im Monat September 1m. 


Von Dr. F. S. Archenhold. 


Ausgedehnte Wolken von Kalziumdämpfen im Weltall. _ 


ei der Beobachtung des Sternenhimmels ist die Frage von großer Bedeutung, ob 

im Weltenraume eine Verschluckung des Lichtes der Sterne stattfindet oder nicht. 
Schon Olbers wies darauf hin, daß, wenn keine Verschluckung des Lichtes im Raume 
vorhanden wäre, unter der Annahme einer. unendlichen Anzahl von Sternen im unend- 
lichen Raume, das ganze Himmelsgewölbe stark leuchtend erscheinen müßte. In den 
besten Fernrohren gibt es jedoch Stellen am Himmel, an denen wir gar keine Sterne 
finden, wo auch der Himmelsuntergründ ganz dunkel ist. Dieses würde entweder auf 
Verschluckung des Lichtes im Weltenraume deuten oder darauf, daß die leuchtende 
Materie nicht in unendlicher Menge am Himmel verteilt ist. W. Struve glaubte aus 
der Zählung der Sterne auf eine teilweise Extinction des Sternenhimmels schließen zu 
müssen. Seeliger, der die Verteilung der Sterne am Himmel nach der Bonner Durch- 
musterung besonders eingehend studiert hat, zweifelt diese Gründe von Olbers und 
Struve an, indem er mit Recht darauf hinweist, daß eine Ausdehnung der leuchtenden 
Weltkörper bis in ungemessene Weiten eine völlig unbewiesene und auch unwahrschein- 
liche Annahme sei. Hingegen hält Seeliger das Vorkommen von Lichtabsorption im 
Weltall durch vorhandene dunkle Weltkörper wie auch durch ausgedehnte Wolken kos- 
“mischen Staubes für möglich. 

Es scheint jetzt, daß es Slipher, einem Astronomen der Lowell- Sternwarte: ive 
Bulletin No. 51 der Lowell-Sternwarte), durch spektroskopische Untersuchungen ge- 
lungen ist, das Vorhandensein von frei im Weltenraume schwebenden ausgedehntcn 
Wolken von Kalziumdämpfen nachzuweisen. Slipher fand im Spektrum von @Scorpii 
die Kalziumlinie K scharf und dunkel, während alle andern Linien breit und verwaschen 
waren. Während die breiten\Linien ausnahmslos an der Verschiebung teilnahmen, die 
durch eine Bewegung von 240 km bedingt ist, blieb merkwürdigerweise die scharfe 
Kalziumlinie fest stehen. Schon früher hatte Hartmann eine solche unveränderliche 
K-Linie im Spektrum von dOrionis gefunden. Slipher untersuchte nun auch noch den 
teleskopischen Begleiter 6. Größe von $Scorpii, und auch in seinem Spektrum fand er 
die feststehende K-Linie wieder. Bei der Untersuchung eines anderen spektroskopischen 
Doppelsterns ø Scorpii, der etwa 8° südwestlich von Ê steht, wurde dieselbe Eigentüm- 
tümlichkeit der Kalziumlinie gefunden. Daraus ist wohl zu schließen, daß die scharfen 
Kalziumlinien, da sie bei beiden Sternen :nicht an den Verschiebungen der andereä 
Linien teilnahmen, ihren Ursprung in einem absorbierenden Medium haben, das außer- 
halb dieser Doppelsterne liegt und zwar zwischen ihnen und uns. Im Spektrum des 
Sternes tScorpii ist die Kalziumabsorption nur schwach angedeutet, wohingegen 
dScorpii, dessen Spektrum sehr weite und zerstreute Linien enthält, die Kalziumab- 
sorption wieder sehr gut zeigt. Der Stern Scorpii, der südlich von d liegt, ist schon 
weniger beeinflußt, und bei dem Stern u ist die Absorptionslinie gaag ungewiß, wohin- 
gegen der nordwärts gelegene Stern », den Slipher auch als Doppelstern erkannt hat, 
eine verstärkte Kalziumabsorption zeigt, und noch weiter nordwärts, dort, wo die Milch- 


€ — adia ` "nn ı 


— $2 — 


7 straße den Skorpion kreuzt, ist im Stern ¢ des Schlangenträgers neben der scharfen 
K-Linie des Kalziums auch die H-Linie deutlich zu erkennen, während die meisten 
andern Linien hier sehr verschwommen sind. Auch einige schwächere Sterne zwischen 
Antares und #Scorpii zeigen die Kalziumabsorption. 

Später sind noch andere Sterne des Himmels untersucht worden, insbesondere + 
und n im Orion und o im Perseus. Auch sie zeigten dieselbe scharfe unveränderliche 


Der Sternenhimmel am 1. September 1911, abends 10 Uhr. 
Fig. 1. 


(olhöhe mai | = ee 


Kalziumlinie wie die Sterne in der Gegend des Skorpions. Die genaue Ausmessung. der 
spektroskopischen Aufnahmen ergab, daß die Bewegung der K-Linie unter 4 km blieb. 
Es ist bekannt, daß auch in dem neuen Stern im Perseus eine e scharfe SE 
wie. auch eine Natriumlinie gesehen worden ist. | 

“Alle diese Beobachtungen deuten nun darauf hin, daß entweder. die E 
Sterne von Kalziumwolken umgeben sind oder längs der genannten Sternbilder polche 
dunklen Kalziumwolken im Weltenraume vorkommen. 


EEE. 11T ” I 33: 


ER. WW 
Lauf von Sonne, Mond und den Planetes 
Fig. 2b 
24' 25 T ) 4h 2 n igh 48! 17h 16” 45 Anh 
ST ar ar Fra Wn nn 5 ” 
| PRR ige / be Genri ag 
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Pe | - | ee TA ER SSS = | ne ee — 
5 | @ Alaia : sary, ef Fe, @x co = 
E WI In. WI m x e a U M2 


xe! 


“20° 

-30° € Fomalhaut | | =, | sl tte | | 
{— — t: e — — — — m t -T 1, e, ew: CH emm 
24n 25" Ei 24" 20" 49" 1a” o Pate 16h igh 44h 15h 


S = Sonne. M = Mond. Me = Merkur. V = Venus Maes Man 


Es dürfte sich daher, um diese wichtige Frage endgültig entscheiden zu können, 
in Zukunft empfehlen, die Kalzium- und Natriumlinie in den Sternspektren vom B-Typus, 
welche nicht, wie die Sternspektren des A-Typus, schon selbst feine Kalzium- oder 
Natriumlinien enthalten, zu untersuchen. Auch dürfte es besonders wichtig sein, die 
Sterne der südlichen Krone zu untersuchen, in deren Nähe Innes auf einer Fläche 
von 25’ Durchmesser keinen Stern im Neun-Zöller gesehen hat, was er auch auf dunkle 
Massen im Weltenraum zurückgeführt hat. 


Die Sterne. 

Unsere Sternkarte, Fig 1, gibt den Stand der Sterne für den 1. September abends 10% 
wieder, sie gilt aber auch gleichzeitig für den 15. September abends 9b, für den 1. Ok- 
tober abends 8h und so fort. Der Meridian läuft von Süden aus zwischen den beiden 
Sternbildern Wassermann und Steinbock zum Pegasus und Adler; dann durch Delphin, 
Schwan, Cepheus und den kleinen Bären hindurch zu den hinteren Tatzensternen des 
großen Bären, die gerade tief im Norden stehen. Hoch oben im Zenit finden wir im 
Sternbilde des Cepheus, mit oe und y einen stumpfen Winkel bildend, den berühmten 
veränderlichen #Cephei. Wegen seiner intensiv roten Farbe nannte ihn Herschel den 
„Granatstern“, seine Helligkeit schwankt zwischen 3,7. und 4,7. Größe. Seine Licht- 
veränderung ist im Jahre 1848 von Hind entdeckt und neuerdings von Plaßmann 
genau verfolgt worden. Der Stern ist unregelmäßig veränderlich und besitzt vermutlich 
eine doppelte oder dreifache Periodizität der Lichtschwankung, was auch schon aus 
den früheren Beobachtungen von Argelander und Schmidt hervorzugehen scheint. 

Im gleichen Sternbilde findet sich noch ein anderer interessanter Veränderlicher 
d Cephei, der zwischen # im Cepheus und £ in der Cassiopeja steht. Sein Lichtwechsel 
vollzieht sich mit großer Regelmäßigkeit und zwar in 5 Tagen, 8 Stunden, 48 Minuten, 
die Lichtzunahme dauert 1 Tag 14 Stunden und die Lichtabnahme 3 Tage 19 Stunden. 
In der größten Helligkeit ist der Stern 4. Größe, in seiner geringsten 5. Größe. Es gibt 
eine ganze Gruppe von veränderlichen Sternen, die in ähnlicher Weise wie dCephei 
Lichtschwankungen zeigen, natürlich mit anderen Zeiten. Sie gehören zu der Spektral- 
klasse Ila und sind, so weit sie bisher untersucht sind, spektroskopische Doppelsterne, 
bei denen die Umlaufszeit gleich der Periode des Lichtwechsels ist. dCephei ist auch 
gleichzeitig ein visueller Doppelstern, der in kleinen Fernrohren schon gut zu trennen 
ist, und zwar hat der veränderliche goldgelbe Hauptstern, welcher spektroskopisch 
doppelt ist, in einer Entfernung von 41” einen blauen Begleiter 6. Größe. 


Peer genat 


ir den Monat September 1911. Fig. 2a. Washdrack verbalen: 


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an an gr 


J = Jupiter. Sa — Saturn. U = Uranus. N = Neptun. 


Der Lauf von Sonne und Mond. 
Die Sonne ist für den 1., 15. und 30. September in unsere Karten 2a und 2b 
eingezeichnet. Sie sinkt während des Monats um 11° in ihrer Bahn und schneidet am 
23. September den Äquator; alsdann ist Tag und Nacht gleich. 


Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshdhe 
Sept. 1. + 8° 37° 5b 18m morgens 66 55m nachm. 46° 

- 15. + 3° 23° 5b 41m - 6b 22m - 41° 

- 30. — 2227 65 7m - 5b 47m - 35° 


Der Mond ist mit seinen Phasengestalten von zwei zu zwei Tagen wieder in unsere 
| Karten 2a und 2b eingetragen. Seine Hauptphasen fallen auf folgende Tage: 
| Vollmond: Sept. 8. 5h nachm. Neumond: Sept. 22. 4b nachm. 
Letztes Viertel: - 15. 7h - Erstes Viertel: - 30. mittags. 
Sternbedeckungen und Finsternisse finden im Monat September nicht statt. 


Die Planeten. 

Merkur (Feld 111/,5 bis 101/,h bis 111/,5) ist in der zweiten Hälfte des Monats am 
Morgenhimmel bis ?/, Stunden lang sichtbar. Sein beleuchteter Teil nimmt von 0,14 auf 
0,70 zu, der Durchmesser hingegen von 10,3 auf 6,1 ab. Am 25. befindet sich Merkur 
in seiner größten westlichen Abweichung 17° 52’ von der Sonne. Am 21. steht Merkur 
in Konjunktion mit dem Monde. 

Venus (Feld 11?/, bis 115) ist für das unbewaffnete Auge unsichtbar, bis sie in 
der zweiten Hälfte des Monats auf kurze Zeit als Morgenstern wieder auftaucht. Der 
Durchmesser erreicht am 18. September ein Maximum von 60,26. Sie steht am 21. in 
Konjunktion mit dem Monde. 

Mars (Feld 3°/,® bis OLM ist bereits am Ende des Monats 9 Stunden lang am 
Nachthimmel zu beobachten. Sein Durchmesser nimmt von 12”,0 bis 15⁄2 zu. Er 
wendet während des ganzen Monats seinen Südpol gegen die Erde und tritt am 14. in 
Konjunktion mit dem Monde. Saturn und Mars rücken immer weiter auseinander und 
bilden Ende des Monats mit den Plejaden ein gleichseitiges Dreieck. Der Mars wird mit 
dem großen Fernrohr (siehe unsere Beilage) jeden Abend den Besuchern der Treptow- 
Sternwarte gezeigt werden. 

Jupiter (Feld 14!/,h bis 143/,5) rückt immer weiter von uns ab, sodaß sein Durch- 
messer von 32,5 auf 30,7 abnimmt. Er ist am Ende des Monats nur noch wenige 
Minuten am Abendhimmel aufzufinden. 


— 328 — 


Saturn (Feld 31/,5) ist zuerst schon 7 Stunden lang, zuletzt sogar 91/, Stunden 
lang zu beobachten. Sein Durchmesser nimmt von 17,8 auf 186 zu. Er tritt am 
13. in Konjunktion mit dem Monde. 

Uranus (Feld 19°/,b) ist in den ersten Abendstunden im Sternbild des Schützen 
"zu beobachten. 

Neptun (Feld "Ch tritt erst am Schluß des Monats aus den Strahlen der Sonne, 
ist aber wegen seines kleinen Durchmessers von 2“,5 nur in großen Fernrohren als 
Scheibe zu erkennen. 

Bemerkenswerte Konstellationen: 
Sept. 13. 3b nachmittags Saturn in Konjunktion mit dem Monde. 
- 14, 1h - Mars in Konjunktion mit dem Monde. 
- 21. 5b morgens Merkur in Konjunktion mit dem Monde. 
- 21 mittags Venus in Konjunktion mit dem Monde. 
- 24. 5b morgens Herbstanfang; Sonne im Sternbilde der Wage. 
- 25. 3% nachmittags Merkur in größter westlicher Abweichung von der Sonne 17° 5%. 
- 26. 5b morgens Jupiter in Konjunktion mit dem Monde. 


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DC 


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33 Kleine Mitteilungen. | a = S 


ER Rex ER ys 
egenen 


Mars im Jahre 1909 in Transvaal. Während der Opposition 1909 haben R. T. Jnnes und 
Mrs. H. E. Wood den Mars am 9-Zöller der Transvaal-Sternwarte beobachtet. Die benutzten Ver- 
größerungen waren von 270 bis 660fache. (Transval Observatory Circular No. 6.) 

Aus den (42) Zeichnungen ist ersichtlich, daß die „Meere“ anfangs August 1909 noch sehr 
blaB waren und erst später deutlicher und detailreicher wurden. Der Polarfleck (immer bedenklich 
klein!) zeigte anfangs September mehrere Einschnürungen, von denen sich Ende September eine 
kleine ,Schneeinsel“ abléste. Auch später war der Polarfleck unregelmäßig. Der dunkle Saum 
um den Polarfleck ist auf den Zeichnungen nur schwach angedeutet; auf einigen fehlt er gänzlich. 
In den Polargegenden sind ebenfalls nur ganz schwache Schattierungen vorhanden. Die Südpolar- 
gegenden sind überhaupt sehr blaß; die lange Inselkette in Mare australe erscheint als durch gerad- 
linige „Kanäle“ getrennt. Auf Hellas hat Mrs. Wood das bekannte „Kreuz“, Jnnes dagegen nur 
„a curious curved shading“ gesehen. | 

In der Syrtis major haben die Beobachter zahlreiche Einzelheiten gesehen, die aber in der 
Generalkarte fehlen, wie z. B. die große dreifache Bucht auf dem rechten Ufer mit den entsprechen- 
den „Halbinseln“. Auch in dem Mare Cimmerium haben sie zahlreiche schwache, schräg gestellte 
Halbinseln gesehen Der „Sonnensee“ erscheint viereckig. die „Meridianbai“ doppelt. Aus Sinus 
Aurorae mit den angrenzenden Halbinseln und den Kanälen Ganges, Jamunas etc. hat Mrs. Wood 
sich dagegen eine sonderbare „Oase“ konstruiert, wodurch die Generalkarte dieser Gegend einen 
sehr merkwürdigen Eindruck macht. 

Obgleich Jnnes selbst sagt, daß er „no canals in the usual acceptance of this word“ geste 
hat, erscheinen doch die „Kanäle“ Phison, Euphrates. Titan, Tartarus, Cyclops, Cerberus, Scamander, 
Xanthus u. a teilweise in seinen Skizzen. (Verblüffend wirkt es, daß der Moris See (4% groß) auf 
allen Zeichnungen fehlt) Die besten Zeichnungen sind: 

No. 35 mit der Großen Syrte und dem dreifachen Deltafon Sinus, 
No. 32 mit der doppelten Meridianbucht. 
* * 
* 

Martin Kelloggstiftung für die Lick-Sternwarte. Die soeben verstorbene Witwe Luise 
Kellogg des Expräsideuten Martin Kellogg der Universität California hat der Lick-Sternwarte 
bereits im Jahre 1908, fast drei Jahre vor ihrem Tode, eine Stiftung überwiesen, mit der Bedingung, 
daß diese erst nach ihrem Tode bekannt gemacht werde, aus deren jährlichen Zinsen 6000 M. die 
Forschungsarbeiten auf der Lick-Sternwarte unterstützt werden. Die erste frei gewordene Summe 
ist bestimmt, um Dr. Keivin Burns eine Studienreise zum Besuch der EULODAISCHEN Observatorien 
zu ermöglichen. 

Diese Stiftung wird für die Arbeiten der Lick-Sternwarte von großer Bedeutung sehen 


A se ee aaa 
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


Beilage zur illustrierten Zeitschrift fir Astronomie und verwandte Gebiete 
„DAS WELTALL“, Jahrg. 11, Heft 22. 


(Zu Dr. F. S. Archenhold: „Neues Verzeichnis von alten Kometeneinblattdrucken“.) 


POURTRAICT 


Of the New Wonderful 


Blazing Star, 


Which appcar’d to the Inner Anftrian Countrics, and 
the adjacent Parts of Croatia, ftandıng over Rackelsburg 
and Czackenthurn, {cen betwixt two and three 
of the Clock feveral mornings, from the 
Oh of Fannary, 1664. to the 
terrour of the Beholdcrs. 


DELINEATION 


Of a Marvellous New 


Blazing Star, 


Which appcared ro Auffria, chicfly about Rackel/- 
burg and Cxackenthurn, {cen fevcral mornings be- 
twixt two and three of che Clock, from the 
1 2'"of January, 1664. to the.amaze- 
GE the Beholders. 


E fce clearly as io a Looking-glafs thar 
the coming of Chrift draws nigh, and 
that the laft timesare at hand, through 
the Signs and Wonders that are feen 

on the Firmament of Heaven, Sun, Moon, and Stars, 
unto a warning and rowfing of the drowfie man, that 
he fhould be converted, and turn off from his finfal 
ways. Hereupon we thought good to communicate 
this horrible Star, che pourtrai& whereof was fent hi- 
ther from Germany. 


His unnatural and on the Firmament in a 

horrid and fire-burning fhape appearcd 

Star, alighted Torch of God’s Wrath, 
conjedturally is feared to be a forc-runner 

of far greater Wars, and fubfequent Calamirics, then 
that which appeared Anno 1618. and fecn all Europe 
over for thirty days.togethcr, forcfhewing bloody 
Wars, lafting thirey years ; as likewde char feen 
Anno 1652. upon which the Polonian, Swedifl, and 
Danifh Wars enfued. The form of thi. wonderful | This unnatural, and never the like feen Heavens- 
Star fo exceedingly admired in refpc&t ot the appa- | fign or wondrous Star, appeared on the Firmament in 
rent Half-moons in ir, is doubtlcfs a fore-runner of | a horrid fhape and burning fire, as a kindled Torch 
mifcrable Alterations, the rather becaufe the Arch- | of God’s Wrath: Iris feared chat heavy Wars and 
Enemy to Chriftendom hath wich a ftupendious Army | Calamitics will enfue thereupon; like as that Anno 
invaded the Chriftian Empire, threatning to come | 1618. feen all Europe over for thirty days together, 
yet more ftrongly to make horrid Devaftations ; | fignificd thirty years bloody Wars; and the Blazing 
therefore let us fall upon our knees, doing truc Re- | Star alfo which was feen Anno 1652. intimated the 
pentance, be frequent and fervent in our Prayers, | enfuing Polonian, Swedifh, and Dauifh Wars: The 
that God's fierce ftriking Hand may be ftay’d, and | rather, becaufe the form of it is ftrange and marvel- 
thefe threatncd Calamitics be averted. And whereas | lous, bearing inthe midh ewo Half-moons, the Orto- 
Neubarthus inhis Almanack of the 1663. laft, under | man Arms, who with his warlike Preparations afto- 
the Title of a Great Conjundion of Saturn and Fu- | nifheth whole Europe. Yet the Lord of Heaven 
piter in the fiery Sign of Sagitarie, this enfuing Bla- | fcems to promile fome good towards Chriftendom, and 
zing Star from thence upon Aftrological conjectures | through this token to turn off chefe Calamities. Nene 
hath its defcent, unto a warning to all isit publifhed, | barthws in his laft years Almanack 166 3. under the Ti- 
that we all may be turning toa fpeedy and true Re- | tle of the Creat Conjundion of h and x in the berg 


rT 


pentance. High- Dutch Copy. Sign z, holds this Blazing Star for aneffc& of it. Se- 
veral Aftronomcrs held it for good that it fhould be 
publifhed. Low-Dutch Cop). 


Wich Licenfe, 


AAG Roger L’ Eftrange. 


LONDON, Printed by J. M. and are to be fold by E. Brewfter at the Crane in St Paul's Church-yard. 1664. 


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DAS WELTALL 


Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete. 
Herausgegeben von 
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 22. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Zweites Augustheft). 
Berlin-Treptow. 


Diese Zeitschrift erscheint zweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Trepiow-Berlin, some durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post- 

Zeitungsliste alphabelisch eingeordnet). Einzelne Nummer 60 Pjg. — Anzeigen-Gebühren: 1 Seite 80.— Mk., (ix Seite 45.— 
1/, Seite.25.—, il Seite 15.—. U Seite 8—. Bei Wiederholungen Rahatt. — Beilagen nach Gewicht. 


INHALT 
1. Uber die Entwicklung des Baues der optischen In- 4. Kleine Mitteilungen: Uber die Entwicklung der 
strumente. Von Dr. Werner Haken ee 7; kosmischen Nebel. — Die Konstitution der Jupiter- 
2. Der neue Komet Brooks 19llc. Von Dr. F. S. streifen — Eine große Wasserhose .... . . . 343 
Archenhnld. (Mit einer Beilage) . . .» 2 2.20.3937 | 5. Bücherschau: Bei der Redaklioneingegangene Bücher 344 
3. Neues Verzeichnis von allen Kometeneinblattdrucken. | Nachdruck verboten. 
Von F. S. Archenhold. (Mit einer Beilage). . . . 338 Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet. 


Über die Entwicklung des Baues der optischen Instrumente. 


Von Dr. Werner Haken. 


Werne man die Entwicklung des Baues der optischen Instrumente, so sicht 
man, wie auch hier jeder Fortschritt mit dem tieferen Eindringen in das 
Wesen des Lichts selbst Hand in Hand geht, von den ersten primitiven optischen 
Hilfsmitteln bis zu den heutigen, an der Grenze der Leistungsfähigkeit stehen- 
den Instrumenten. Die Entdeckung, daß. gekrümmte spiegelnde Flächen die 
Eigenschaft besitzen, von den Körpern Bilder von beliebiger Größe zu entwerfen, 
war schon lange vor Beginn unserer Zeitrechnung bekannt und ist die Grund- 
lage für den Bau der ersten optischen Hilfsmittel geworden; aber erst mit Beginn 
des 17. Jahrhunderts kann man von einem planmäßigen Bau optischer Instru- 
mente sprechen durch die Möglichkeit, optische Gläser herzustellen. Gibt man 
(Gilasstücken durch Schleifen eine geeignete Form, so erhält man durch sie eben- 
falls Bilder der umgebenden Körperwelt, deren Größe und Lage allein von der 
betreffenden Glasart, der Krümmung der Linsenflächen und der Objektentfernung 
abhängt. Nach Auffindung dieser allgemeinen Beziehung ging man daran, die 
Gläser für die mannigfachsten Zwecke zu bearbeiten, sei es, um entfernte Ob- . 
jekte dem Beobachter im Bilde zugänglich zu machen oder von zu kleinen eine 
mörlichst stark vergrößerte Abbildung herzustellen; so fand man außerordentlich 
wichtige Hilfsmittel zur Erweiterung der Kenntnisse von der Natur, das Fernrohr 
und das Mikroskop. Es ist ganz zweifellos, daß schon die ersten Verfertiger 
optischer Instrumente eifrigst bemüht waren, die Leistungen der Linsen nach 
Möglichkeit zu vervollkommnen; die Bilder sollten, den Objekten ähnlich, scharf 
begrenzt sein und möglichst viel von den Einzelheiten des Objekts erkennen 
lassen. Es ist nun sehr interessant, zu sehen, wie die hier erzielten Fortschritte 
Hand in Hand mit der Vorstellung vom Wesen des Lichts gingen und sich so 
zu der heutigen Höhe entwickeln konnten. 


— 330 — 


Die einfachsten Erfahrungen zeigen, daß das Licht sich geradlinig fort- 
pflanzt, die Lichtwirkung selbst also längs einer Anzahl von „Lichtstrahlen“ vor 
sich geht. Auf Grund dieser Annahme lassen sich die optischen Grundgesetze 
von der Reflexion und Brechung des Lichts in elementarer Weise ableiten. 
Sucht man aber dementsprechend dem Wesen des Lichts dadurch näher zu 
kommen, daß man den Querschnitt eines von einer Lichtquelle ausgehenden 
Strahlenbündels durch Blenden immer mehr einengt, um auf diesem Wege mit 
einem einzelnen Lichtstrahl zu operieren, so zeigt sich, daß dieser Versuch 
nicht durchführbar ist. Verengert man die Öffnung, durch die das betreffende 
Lichtbüschel tritt. mehr und mehr, so wird, wenn das Loch einen Durchmesser 
von etwa !/, mm erreicht hat, das durchgehende Büschel nicht ebenfalls 
enger, sondern verbreitert sich, und bei noch weiterer Verkleinerung des Loches 
erscheint dieses selbstleuchtend, bewirkt also eine Erhellung des ganzen hinter 
ihm liegenden Räumes, nicht aber eines einzigen Punktes, wie man erwarten 
sollte. Die in diesem Falle auftretende Beugung und Diffusion des Lichts zeigt 
also, daß die Lichtstrahlen keine reale Existenz besitzen können. Diese Er- 
scheinung war mit die Ursache zur Aufstellung der sogenannten Undulations- 
theorie des Lichts, die annimmt, daß jeder leuchtende Körper das Erzeugungs- 
zentrum von Kugelwellen ist, die sich von ihm aus mit Lichtgeschwindigkeit 
ausbreiten; von diesem Standpunkte aus lassen sich die Beugungserscheinungen 
widerspruchsfrei erklären; man sieht ein, daß eine endliche Lichtwirkung nur 
durch Bündel von endlicher Weite vermittelt werden kann. Bei kleiner Öffnung 
muß dann der Fall eintreten, daß die Öffnung selbst wieder wie eine Lichtquelle 
wirkt. Trotzdem ist es jn vielen Fällen außerordentlich nützlich, mit dem Be- 
griff der Lichtstrahlen zu operieren, als ob sie wirklich eine physikalische Be- 
deutung hätten; nachträglich muß man dann natürlich untersuchen, inwiefern 
die erhaltenen Resultate durch die Wellennatur des Lichts in dem betreffenden 
Falle geändert werden. Auf dieser Grundlage baut sich die sogenannte geo 
metrische Optik auf, deren Betrachtungen nur unendlich enge Lichtbüschel zu- 
grunde liegen. Man erhält dann nämlich einfache und übersichtliche Gesetze 
für Größe und Lage der durch optische Systeme vermittelten Bilder und den 
Einfluß der Konstanten dieser Systeme auf die Abbildung. Es läßt sich nun 
zeigen, daß die durch Reflexion oder Brechung an einer gekrümmten Fläche 
zustande kommenden Bilder durch die Entfernung des Objekts von der Fläche, 
deren Krümmungsradien und den Brechungs- 
exponenten der betreffenden Substanzen voll- 
kommen bestimmt sind. Ist beispielsweise 
in Fig. 1 LSL, ein Teil einer Kugelflache, S 
ihr Scheitel und P ein leuchtender Punkt, von 
dem Strahlen unter dem sehr kleinen Winkel v 
die Begrenzung treffen, so ist sein Bild P’ 

Fig. 1. durch den Schnittpunkt zweier beliebiger, 

| durch die Fläche gehender Strahlen be- 

stimmt, also etwa durch PA'P’ einerseits und den achsialen Strahl PSF’ anderer- 
seits. Der letztere Strahl verläuft in der optischen Achse, um die die von L 
ausgehenden, auf das Kugelsegment fallenden Strahlen symmetrisch liegen. 
Die Fläche teilt nun gewissermaßen den Raum in zwei Teile, die 
Punkte des einen werden in Punkte des andern abgebildet, links liegt der 
„Objektraum“, rechts der „Bildraum“. Es ist leicht einzusehen, daß eine Ver- 


— 3381 — 


schiebung des Objektpunktes L längs der Achse auch eine solche von Li her- 
vorrufen muß. Ebenso zeigt Fig. 2, daß auch Punkte in unmittelbarer Nachbar- 
schaft der Achse im Objektraum bestimmten 
Punkten im Bildraum entsprechen, also auch 
Elemente senkrecht zur Achse durch die 
brechende Fläche abgebildet werden. Diese 
Betrachtungen lassen sich auch auf beliebig 
viele hintereinander angeordnete brechende 
oder spiegelnde Flächen anwenden, auf ,cen- 
trierte Systeme“, mit denen man es in der Praxis ja stets zu tun hat. Der einfachste 
Fall eines solchen Systems ist eine einzelne Linse. Fig. 3 zeigt, wie in diesem 
Falle die Abbildung vor sich geht. Die speziellen Eigenschaften solcher Systeme 
lassen sich ebenfalls in eindeutiger Weise bestimmen und sich durch einfache 
Beziehungen ausdrücken, so lange die Öffnungswinkel der betreffenden Strahlen- 
büschel klein bleiben, man also einen der Achse unendlich benachbarten Raum 
betrachtet. Dann besteht zwischen Objekt- und Bildraum durchgängige Rezi- 
prozität, der Objektraum wird Punkt für Punkt in den Bildraum abgebildet. Die 
geometrische Optik umfaßt also nur 
dieses parachsiale Gebiet, die ge- 
nannten Schlüsse haben in völliger 
Strenge nur hier Gültigkeit. Wollte 
man sich nun in Wirklichkeit 
darauf beschränken, Objekte durch Fig. 3. 

unendlich schmale Büschel abzu- | 

bilden, so würde an sich schon die erzielte Lichtstärke der Bilder eine 
ganz minimale sein, dann aber würde sich auch die Abbildung durchaus nicht 
in der von der geometrischen Optik geforderten Weise vollziehen, denn hier 
würden die vorhin erwähnten Beugungserscheinungen ein scharfes Bild nicht 
zustande kommen lassen. Läßt man andererseits die Beschränkung auf un- 
endlich schmale Büschel fallen, so ergibt sich, daß schon infolge der Brechung 
durch gekrümmte Flächen an sich von einer punktförmigen Abbildung nicht 
mehr die Rede sein kann. Konstruiert man in derselben Weise wie in Fig. 1 
den L entsprechenden Bildpunkt durch eine | 

größere Zahl von Strahlen, so ergibt sich, daß 
sich die einzelnen gebrochenen Strahlen nicht in 
einem Punkte schneiden, sondern, wie Fig. 4 zeigt, 
eine leuchtende Fläche mit der Spitze P’, die 
durch die parachsialen Strahlen gebildet wird, 
erzeugen. Diese Abweichung ist also durch die Fig. 4. 
Kugelgestalt der brechenden Fläche hervorgerufen, | 
dieStrahlenbündel von größerem Öffnungswinkel besitzen eine andere Vereinigungs- 
weite als die parachsialen. Die Größe dieser sogenannten sphärischen Aberration ist 
also allein durch die Krümmung der betreffenden Flächen bestimmt; die statt 
des Bildpunktes entstehende leuchtende Fläche hat bei einer kollektiv wirken- 
den Fläche die Form eines nach dem ankommenden Licht zu offenen Kelches >, 
bei einer dispansiven dagegen die Form eines geschlossenen Kelches <. Man 
sieht, daß durch Kombination beider Arten zu einem optischen System die Möglich- 
keit gegeben ist, diesen Fehler mehr oder weniger vollkommen aufzuheben und sich 
der Erzeugung eines idealen Bildpunktes in hohem Maße zu nähern. Trotzdem 


Fig. 2. 


— 332 — 


aber würde ein solches, vom Standpunkte der geometrischen Optik aus voll- 
-kommenes System einen leuchtenden Punkt nicht wieder in einen Punkt ab- 
bilden, da ja ihre Voraussctzungen, wie schon vorhin erwähnt, durchaus nicht 
im Einklang mit der physischen Optik stehen. Nach der Wellenlehre ist ja 
jeder leuchtende Punkt das Erschütterungszentrum einer Ätherbewegung, die 
sich in kugelförmigen Wellen fortpflanzt: trifft ein Teil einer solchen Kugel- 
welle auf eine gekrümmte leuchtende Fläche. so kann offenbar dieser Wellen- 
teil nur dann in einen einzigen Punkt konvergieren, wenn die auffallende 
Wellenflache wieder in eine Kugelwelle mit anders gelegenem Zentrum um- 
gewandelt wird, und dieses Zentrum ist dann der ,Bildpunkt* der geo- 
metrischen Optik. Ein Strahlenbüschel ist demnach ein Teil einer von dem 
leuchtenden Punkt ausgehenden Kugelwelle, die Strahlen sind die Normalen 
auf diesem Flächenteil. In Fig.5 sei WM ein solcher Teil einer von L aus- 
gchenden Welle; ist die Welle bis zur Linse S fortgeschritten, so erleidet sie 
jo > eine Umformung; an ihre Stelle 

| tritt die Wellenfläche W' M’, die, 
da sie das Zentrum J besitzt 
und demnach hier eine Licht- 
wirkung hervorruft, den Bild- 
punkt JZ’ erzeugt. Offenbar 
sind in diesem Falle wegen der 
Fig. 5. Symmetrie der beiden Wellen- 

flächen zur Achse LL’ die optischen Wege L M M'L’ und LWW L'‘ einander 
gleich: die von L ausgehenden Störungen treffen mit gleicher Phase in Z” ein, 
die von den einzelnen Wellenteilen übertragenen Bewegungen müssen sich also 
in Z’ summieren und einander verstärken; ganz anders aber steht es mit den 
Punkten in der Nähe von ZL‘: hier können sich die Wirkungen aufheben, falls 
die optischen Längen ungleich sind, z. B. oi: und o M', in andern Punkten 
können aber wieder Verstärkungen auftreten usw. Diese Interferenzwirkung 
hat also zur Folge, daß statt eines Bildpunktes ein helles Scheibchen entsteht, 
das abwechselnd von dunklen und hellen Ringen umgeben ist, deren Helligkeit 
nach außen hin rasch abnimmt. Die Helligkeit des Ringsystems sinkt um so 
rascher, je größer die wirksame Fläche der Lichtwelle ist, das Scheibchen 
schrumpft auf ein Flächenelement Li zusammen, der ideellen Grenze des zu L 
gchörigen Bildpunktes. Also nur durch Umformung der auffallenden Kugel- 
wellen in Kugelwellen mit anders gelegenen Zentren können die optischen 
Systeme angenähert einen Objektpunkt in ein Beugungsscheibchen verwandeln, 
das man als Bildpunkt bezeichnen kann. Es Jäßt sich nun leicht einsehen, 
daß die Verhältnisse noch viel komplizierter werden müssen, wenn die Welle 
nach der Brechung in eine 

nicht mehr sphärische Fläche 
An umgewandelt wird, also in ver- 
7» SQ, schiedenen Richtungen ver- 
B, schiedene Krümmungen be- 
sitzt; dann wird auch von 
einer nur angenähert punktförmigen Abbildung keine Rede mehr sein 
können. Diese Erscheinung tritt z. B. stets auf, wenn verhältnismäßig enge 
Büschel schief auf ein System von Kugelflächen fallen. Es läßt sich zeigen. 
daß dann statt eines Punktes zwei zueinander senkrechte Brennlinien entstehen. 


Fig. 6. 


— 333 — 


die einen bestimmten Abstand von einander haben. Fig. 6 stellt diese Er- 
scheinung dar: A, Bp A, B, sind die Brennlinien. P” ist der „Kreis der kleinsten 
Konfusion*, den ein Beobachter unwillkürlich als Bildpunkt von P betrachten 
wird. Diese astigmatische Strahlenvereinigung spielt in der praktischen Optik 
cine große Rolle. | 

Somit zeigt sich, daß zwischen der Abbildung durch parachsiale Büschel, 
wie sie der Gaußschen Theorie zugrunde liegt und der durch die Wellennatur 
des Lichtes hervorgerufenen Abbildung ein prinzipieller unlösbarer Widerspruch 
besteht; denn es kann einerseits nur durch unendlich enge Büschel eine punkt- 
förmige Abbildung des Objektraumes erzielt werden; versucnt man andererseits 
aber diese Form der Abbildung tatsächlich zu verwirklichen, so erhält man in- 
folge der Beugung doch keine punktweise Abbildung, vielmehr wird jeder Punkt 
als mehr oder weniger großes Beugungsscheibehen abgebildet. Infolgedessen 
ist es auch theoretisch und praktisch völlig unmöglich, mittels zentrierter 
Systeme einen beliebig großen Raum durch beliebig weit geöffnete Büschel ab- 
zubilden. Trotzdem aber ist gerade diese Aufgabe für die praktische Optik von 
größter Wichtigkeit, und es fragt sich, ob sich die Abbildungsgrenzen nicht doch 
künstlich erweitern lassen; das ist nun in der Tat in hohem Grade möglich 
geworden durch Kombination von Einzelsystemen verschiedenartiger Eigen- 
schaften zu Gesanıtsystemen. Ein Umstand fördert dieses Bestreben noch be- 
sonders, nämlich das beschränkte Auflösungsvermögen des menschlichen Auges. 
Da das Auge Punkte nicht mehr zu trennen vermag, die ihm unter einem Sch- 
winkel von einer halben Winkelminute erscheinen, so wäre es völlig wertlos, 
eine schärfere Abbildung bewirken zu wollen als die Sehschärfe erfordert: es 
braucht also cin System statt Lichtpunkte nur Lichtflecke entstehen zu lassen, 
daß sie noch vom Auge getrennt wahrgenommen werden können. | 

Die erstrebte Erweiterung der Abbildungsgrenzen ließ sich nun dadurch cr- 
reichen, daß man optische Systeme zu schaffen suchte, die entweder Achsen- 
punkte und Flächenelemente mittels beliebig weit geöffneter Büschel homozen- 
trisch abbilden, also ein sehr kleines Gesichtsfeld haben, oder aber ausgedehnte 
Flächen durch unendlich enge Bündel darstellen. Durch Kombination beider 
Typen ist es möglich, für spezielle Zwecke Apparate von hoher Vollkommenheit 
zu konstruieren. Der zuerst erwähnte Typus findet Anwendung als Objektiv 
für Mikroskope und Fernrohre; bei ihm handelt es sich darum, durch möglichst 
weit geöffnete Büschel Flächenelemente in der Nähe der Achse aberrationsfrei 
abzubilden. Wie schon vorhin erwähnt, läßt sich die stets vorhandene sphärische 
Aberration für Achsenpunkte durch geeignete Krümmung der Linsenflachen 
stark vermindern. Es gibt jedoch eine Reihe von Flächen, durch die bestimmte 
Punkte durch beliebig weit geöffnete Büschel aberrationsfrei abgebildet werden. 
Die Bedingung für eine derartige Abbildung ist, daß die Summe der Lichtwege 
zwischen den beiden Punkten konstant ist: bei der Spiegelung genügt dieser 
Bedingung die Ellipse, in deren einem Brennpunkt der leuchtende Punkt sich 
befindet, alle von ihm ausgehenden Strahlen werden streng im Brennpunkt ver- 
einigt. Rückt der leuchtende Punkt ins Unendliche, so wird die Ellipse zur 
?arabel. Die aberrationsfreien Flächen für brechende Systeme sind wesentlich 
kompliziertere Kurven, die sogenannten Cartesischen Ovale Der praktische 
Wert dieser Flächen ist jedoch nur ein sehr geringer, da ja offenbar z. B. bei 
der Ellipse jeder Punkt in der Nähe des leuchtenden Punktes: nicht mehr 
aberrationsfrei abgebildet wird: die Verundeutlichung auch für ein in dem einen 


— 334 — 


Brennpunkt befindliches Flachenelement ist sehr erheblich, so daß von einer 
punktförmigen Abbildung nicht die Rede sein kann. Beim Mikroskop wie beim 
Fernrohre spielt aber die punktförmige Abbildung von Flächenelementen eine 
hervorragende Rolle, so daß für diese Zwecke diese Flächen ziemlich unbrauch- 
bar sind. Abbe gelang es nun, die Bedingung für die homozentrische Abbildung 
von Flächenelementen senkrecht zur Achse aufzustellen. Diese berühmte Be- 
dingung, der Sinussatz, läßt sich wohl an Hand der Fig. 7 leicht veranschau- 

sl lichen. Beschränkt man sich gemäß 

re aa -iy der Voraussetzung der geometrischen 
Optik auf unendlich enge parachsiale 
Büschel, so ist die durch ein optisches 
System hervorgerufene Vergrößerung 
eines Flächenelements senkrecht zur 
Achse eindeutig bestimmt. Erfolgt aber 
die Abbildung durch weitgeöffnete 
Büschel, so wird im allgemeinen die durch die parachsialen Strahlen bewirkte Ver- 
größerung verschieden von der durch die Randstrahlen erzeugten sein. Das 
Objektiv zerfällt in verschiedene „Zonen“, die jede eine andere Vergrößerung 
besitzen, demnach würden sich die Bilder überlagern und so eine starke Ver- 
undeutlichung verursachen. Abbe fand nun, daß nur dann eine aberrations- 
freie punktförmige Abbildung eines solchen Flächenelements möglich ist, wenn 
das Verhältnis der sin. der Öffnungswinkel u und uw, ein konstantes ist. 
Ist diese Bedingung erfüllt, so ist das System ein aplanatisches. Für den 
Mikroskopbau ist das Auffinden dieser Beziehung von fundamentaler Bedeutung 
geworden, erst durch ihre Kenntnis konnte sich die Mikroskopie zu ihrer heu- 
tigen Blüte entwickeln. 

Durch die Erfüllung der Sinusbedingung wird nur ein Flachenelement durch 
beliebig weit geöffnete Büschel, nicht jedoch eine ausgedehnte Fläche oder 
mehrere Flächenelemente hintereinander, ein Raumelement, scharf abgebildet. 
Dieses bescheidene Verlangen läßt sich nicht verwirklichen. Somit gibt es also 
nur ein Paar aplanatische Punkte; ein Mikroskopobjektiv kann nur für das 
Punktepaar berechnet werden, für das es gebraucht werden soll: liegt das 
Objekt außerhalb des aplanatischen Punktes, so ist das Bild nicht mehr 
aplanatisch. 

Da es also unmöglich ist, eine scharfe Abbildung ausgedehnter Flächen 
durch beliebig weite Büschel zu erreichen, so galt es, die zweite Gattung 
optischer Systeme unter möglichster Aufhebung aller hier in Betracht kommen- 
den Fehler zu konstruieren, die dieses Ziel durch unendlich enge Büschel er- 
reichen. Die hier auftretenden Fehler bestehen vor allem in dem schon vorhin 
erwähnten Astigmatismus, der statt eines Bildpunktes zwei aufeinander senk- 
rechte Brennlinien verursacht; erst nach dessen Aufhebung kann von einer 
angenähert punktförmigen Abbildung die Rede sein; dann kann das Bild noch 
durch Bildwölbung und Verzerrung eine starke Verundeutlichung erfahren. Für 
die Beseitigung des Astigmatismus gibt es nun keinen Satz, der die gleiche 
Allgemeingültigkeit wie der Sinussatz besitzt. Wie Fig. 8 zeigt, ordnen sich die 
gleichen Brennlinien auf zwei Flächen A, und A, an, die sich in der Bildebene 
für parachsiale Strahlen berühren. Man sicht, wie die Verundeutlichung des 
Bildes in dieser Ebene mit größer werdendem Abstand von der Achse immer 
mehr wächst. Der Bildpunkt stellt sich hier als Scheibehen dar. Ist der Astig- 


WI 
ee, 
D 


Fig. 7. 


— 35 — 


matismus gehoben, so bleibt die Krümmung übrig. Erst nach sehr mühevollen 
Untersuchungen und nach Herstellung der neuen Jenaer Gläser war es praktisch 
möglich, auch diesen Fehler zu beseitigen. Die Bedingung für die Verzeich- 
nungsfreiheit läßt sich dadurch formulieren, daß 
die Tangenten der Neigungswinkel der Elementar- 
büschel gegen die Achse des Systems in kon- 
stantem. Verhältnis zu einander stehen müssen, 
also eine Bedingung, die in gewissem Sinne 
der Sinus-Bedingung gerade widerspricht und 
recht deutlich zeigt, warum sich ausgedehnte 
Flächen nicht durch weite Büschel abbilden 
lassen. 

Ein Typus von Systemen hat sich jedoch 
besonders im Laufe der letzten 20 Jahre ent- 
wickelt, der eine Mittelstellung zwischen den Fig. 8. 
beiden oben erwähnten einnimmt, das sind 
die photographischen Objektive, die ja möglichst ausgedehnte Objekte 
mittels möglichst weiter Büschel abbilden sollen. Hier fragt es sich vor 
allem, ob und inwieweit es überhaupt möglich ist, eine beliebig ausgedehnte, 
achsensenkrechte Ebene scharf und ähnlich wieder in eine Ebene mittels weiter 
Büschel abzubilden. Diese grundlegenden Untersuchungen stammen von dem 
Münchener Astronomen L. Seidel; das Resultat ist, daß ein optisches System 
fünf Bedingungen zu diesem Zweck erfüllen muß. Die erste bedeutet die Auf- 
hebung der sphärischen Aberration, die zweite ist die Sinusbedingung, die dritte 
beseitigt den Astigmatismus, die beiden letzten die Bildwölbung und die Ver- 
zerrung. | 

Ein Fehler blieb bisher unerwähnt, der sämtlichen brechenden Systemen 
anhaftet und der die Entwicklung der optischen Instrumente in außerordent- 
lichem Maße beeinflußte, das ist die mit der Brechung Hand in Hand gehende 
Farbenzerstreuung. Da im allgemeinen die abzubildenden Objekte mit weißem 
Licht leuchten, tritt in jedem brechenden System eine Zerlegung dieses zu- 
sammengesetzten Lichtes ein, und diese Zerlegung vermindert die Schärfe des 
Bildes in sehr hohem Grade. Denn jede der Farben, aus denen das weiße 
Licht besteht, erfährt durch diese Brechung eine andere Ablenkung, mithin ent- 
steht &tatt eines weißen Bildpunktes eine Reihe verschiedenfarbiger Bilder, die 
im allgemeinen nicht an derselben Stelle des Bildraums liegen und außer der 
farbigen Abbildung eine sehr starke OR 
Verundeutlichung herbeiführen. Fig. 9 = 
zeigt, wie durch eine Sammellinse 
parallel auffallendes weißes Licht zerlegt 
wird und statt eines weißen Brenn- 
punktes eine kontinuierliche Reihe 
solcher Punkte in den Farben Rot bis 
Violett auf der Achse entstehen, dab 
also durch diese Verschiedenheit der 
Vereinigungsweiten ein scharfes Bild 
nicht zustande kommen kann. Newton kam zu der Überzeugung, daß es überhaupt 
unmöglich wäre, die Farbenzerstreuung brechender Systeme aufzuheben und ein 
praktsich brauchbares Bild durch sie zu erhalten. Infolgedessen wandte er sich von 


Fig. 9. 


— 336 — 


der Konstruktion von Glaslinsen für astronomische Fernrohre ab und führte an ihrer 
Stelle Hohlspiegel ein, denn jede Spiegelung ist von Farbenzerstreuung völlig 
frei, und er begründete so den Bau der Spiegelteleskope, die auch heute noch mit 
großem Erfolge angewandt werden und, wie es den Anschein hat, in Zukunft 
noch mchr an Boden gewinnen werden. Diese Annahme Newtons war jedoch 
ein Irrtum, der die weitere Entwicklung der optischen Instrumente sehr stark 
hemmte. Erst 1752 gelang es Dollond durch Verbindung zweier Linsen aus 
verschieden brechenden Glasarten ein System herzustellen, das die Farben- 
zerstreuung stark verminderte und gleichzeitig ein ziemlich aberrationsfreies 
Bild lieferte. Diese sphärisch und chromatisch korrigierten Doppellinsen heißen 
Achromate: sie bestehen aus Gläsern, die für die einzelnen Farbenbereiche ver- 
schiedenes Brechungsvermögen besitzen, so daß die durch die eine Linse be- 
wirkte Zerstreuung durch die andere wieder aufgehoben wird. Einen außer- 
ordentlichen Aufschwung nahm jedoch die Konstruktion astronomischer Systeme 
erst durch die von Abbe und Schott in den achtziger Jahren geschaffenen neuen 
Gläsern, die es gestatteten, nicht nur sphärisch und chromatisch korrigierte Objek- 
tive herzustellen, sondern auch die Bildwölbung zu beseitigen; ferner ist es durch 
diese Gläser möglich geworden, drei Farben in einen Punkt zu vereinigen und 
somit ein praktisch völlig farbenfreies Bild zu erzielen. Durch die Herstellung 
dieser Glasarten war es erst möglich, die Leistungen der optischen Instrumente 
zu ihrer heutigen Höhe zu bringen. 

Es fragt sich nun, ob sich durch immer größere Vervollkommnung der 
theoretischen und praktischen Hilfsmittel die Leistung der optischen Instrumente 
immer mehr verfeinern läßt oder ob hier vielleicht doch gewisse Grenzen be- 
stehen, die nicht mehr überschritten werden können. Das letztere ist tatsächlich 
in gewissem Sinne der Fall. Diese Grenzen sind hier auch wieder durch die 
Wellennatur des Lichtes gegeben. Die Lichtwellen des sichtbaren Gebiets um- 
fassen die Größen von 0,8 bis 0,4 Tausendstel Millimeter, und es läßt sich zeigen, 
daß durch diese Größe das Auflösungsvermögen des Fernrohrs und des Mikro- 
skops bedingt ist. Das Fernrohr gestattet eine um so stärkere Trennung von 
Objekten, je größer sein Objektivdurchmesser ist. So ergibt sich das Trennungs- 
vermögen von Fernrohrobjektiven bei Annahme einer Wellenlänge des auffallen- 
den Lichts von etwa 0,5 u bei einem Durchmesser von 


20 cm zu 0,54“ 


40 - - O27" 2 
60 - - 0,15" 
80 - - 0,13“ 
100 - - 010” 


Diese Winkelunterschiede sind die höchste theoretisch mögliche Leistung 
der betreffenden Objektive, die jedoch infolge der unvermeidlichen Zonenfehler 
der groben Linsen kaum praktisch erreicht werden dürfte. l 

Ähnlich liegen die Verhältnisse beim Mikroskop; das kleinste hier noch 
wahrnehmbare Gebilde ist von der Größenordnung einer halben Lichtwellen- 
länge: da man jedoch durch Zuhilfenahme der Photographie bis zur Wellen- 
länge von 0,2 u gelangen kann, so könnte das Mikroskop noch Objekte von der 
Größe eines Zehntausendstel Millimeters im günstigsten Falle zur Darstellung 
bringen. Weiter führt noch in gewisser Weise das Ultramikroskop, bei dem 
noch Teilchen, die weit unterhalb einer Lichtwellenlänge liegen, dadurch sichtbar 


— 337 — 


gemacht werden, dab das durehfallende Licht an ihnen aufgesplittert wird; da- 
durch erscheinen die Teilchen als helle Punkte auf dunklem Grunde: von einer 


Abbildung ihrer Struktur kann dabei natürlich keine Rede sein. 
5 f 


Eine sehr eingehende und klare Darstellung aller für die einzelnen optischen 
Systeme in Betracht kommenden Beziehungen findet sich in dem von Lummer 
bearbeiteten Teil der Neuauflage von Müller-Pouillets Lehrbuch der Physik, 
Verlag von Vieweg & Sohn, Braunschweig, dem auch ein Teil obiger Figuren 
entnommen ist. wë 


Der neue Komet Brooks 1911c. 
Von Dr. F. S. Archenhold. 
(Mit einer Beilage). 


Wines der Komet Kiess 1911b, über dessen Entdeckung wir früher be- 
richtet haben (Jg. 11, S. 314), bereits nach dem südlichen Himmel ab- 
marschiert und für uns unsichtbar geworden ist, kommt der am 20. Juli entdeckte 
Komet Brooks 1911 c in immer günstigere Stellung. Er steht bereits unter den 
Circumpolarsternen und ist jetzt nicht nur in kleinen Fernrohren, sondern sogar 
in ‘lichtstarken Opernglasern aufzufinden. Er ist im Sternbilde des Pegasus 
entdeckt worden und seitdem in das benachbarte Sternbild des Schwans gerückt. 
Die Leser finden seinen Lauf auf beifolgender Sternkarte für die Zeit vom 
1. bis 15. September eingezeichnet, während welcher er vom Sternbild des Schwans 
in das des Drachen rückt. Am 3. September steht er oberhalb des Sterns x im 
Schwan und aın 10. September bei dem Stern & im Drachen. | 


Es ist der 26 Komet, den Dr. William R. Brooks, der Direktor des Smith 
Observatoriums und Professor der Astronomie am Hobart College in Geneva im 
Staate New York entdeckt hat. Er benutzt bei seinen Beobachtungen einen 
10 Zoller und hat sich eine Karte aller mit diesem sichtbaren Nebelflecke hergestellt, 
sodaß er sofort feststellen kann, ob ein nicht auf seiner Karte verzeichnetes verdäch- 
tiges Objekt ein neuer Komet oder ein schon bekannter Nebelfleck ist. Von allen 
lebenden Astronomen hat bisher noch keiner eine so große Zahl von Kometen 
entdeckt wie Brooks. Er wird gelegentlich von seiner Frau und seiner Tochter 
bei seinen Beobachtungen unterstützt. 

Der neue Komet gehört zu «den nichtperiodischen, die nur einmal in die 
Nähe der Sonne kommen, um dann für immer zu verschwinden. Nach einer 
Bahnbestimmung von Ebell wird der neue Komet erst am 27. Oktober seine 
größte Sonnennähe erreichen. Bei seiner Entdeckung hatte der Komet die 
Helligkeit eines Sternes 10. Größe, wurde dann am 8. August 9. Größe, am 
24. August 8. Größe und Mitte September wird er wie ein Stern 7. Größe erscheinen. 

Wir finden in den A. N. 4517 folgende vorausberechnete Oerter: 


Rektaszension Deklination 

September 5. 189 be toe g 590 48,2° 
i. 29 D? DO 38,2 

9. 1s 4 t Di 96 

11. 37 29 57 20,4 

13. 17 un 353 BT 94 


Der Komet ist bis jetzt noch immer kugelförmig mit einer Ausdehnung von 
einigen Bogenminuten und einerZentralverdichtung,dessenSpektrum nachStratton 
kontinuierlich ist, wohingegen die Kohlenwasserstoffbande von 516 Wellenlänge, 
etwa 2’ vom 
Kern, sowohl 
in der Richtung 
auf dieSonne zu 
wicin entgegen- 
gesetzter Rich- 
tung zu sehen 
ist.— Da die Ko- 
meten zumeist 
erst ihre beson- 
dere Helligkeit 
erreichen, wenn 
sie ihre Sonnen- 
nähe passiert 
haben, so dürfte 
sein Anblick 
vielleicht allen 
denen,die durch 
die geringe Entwicklung des Halleyschen Kometen für das Auge enttäuscht 
waren, eine Entschädigung bieten. Seine Photographien hingegen zeigten inter- 
essante Schweifbildungen, wie die auf unserer Beilage wiedergegebenen Auf- 
nahmen der Licksternwarte erwiesen haben. Der Komet Brooks wird jetzt 
allabendlich den Besuchern der Treptow-Sternwarte gezeigt. 


W 


Neues Verzeichnis von alten Kometeneinblattdrucken. 
Von F: S. Archenhold. 
(Mit einer Beilage.) 

Si dem Erscheinen der Schrift, „Kometen, Weltuntergangsprophezeiungen 

und der Halleysche Komet!)“ habe ich das im Anhang veröffentlichte 
Verzeichnis der alten Kometeneinblattdrucke noch vervollständigen können und 
einige interessante neue Blätter der Sammlung unseres astronomischen Museums 
einverleibt. Welches Aufsehen das Erscheinen großer Kometen in früheren 
Zeiten hervorrief, beweist die Auffindung eines englischen Flugblattes, des ersten, 
das ich in dieser Sprache kenne, welches das Erscheinen des großen Kometen aus 
dem’ Jahre 1664 beschreibt. Es existieren von diesem Kometen noch 18 andere 
Einblattdrucke, welche in folgendem Verzeichnis auch aufgeführt sind. Dieser 
große Komet wurde von Ende November 1664 bis Mitte März 1665 gesehen, und 
das große Werk „Theatrum cometicum* von Lubienietzky handelt fast aus- 
schließlich von diesem Kometen. Wir geben in unserer Beilage eine Abbildung 
des englischen Originalblattes, das um etwa !/, verkleinert ist, und hierbei 
eine freie Übersetzung des Textes wieder. Es findet sich sowohl der Komet 
1618, dessen Erscheinen den 30jährigen Krieg veranlaßt haben soll, wie auch 
der erwähnte Komet aus dem Jahre 1652 in dem folgenden Verzeichnis mehr- 
fach angeführt ist. 


Lauf des Kometen Brooks 1911c vom 1. bis 15. September 1911. 


1) Verlag der Treptow-Sternwarte, Preis brosch. M. 1,—., geb. M. 1,60. 


Beilage zur illustrierten Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete 
„DAS WELTALL“, Jahrg. 11, Heft 22. 


Der Halleysche 


vor und nach 
mit der 


Komet 


der Begegnung 
Erde. 


1910, Juni 6. 
ah 50™ — 10" 55". 


1910, Juni 7. 
gh a7 10" 47. 


1910, Mai 1. 158 42™—16" 5". 1910, Mai 5. 155 17™ — 15 53m, 


Digitized by Google 


— 339 — 


Um eine spätere Vervollständigung dieses Verzeichnisses vornehmen zu 
können, ohne die Nummern der chronologisch geordneten Kometeneinblattdrucke 
umändern zu müssen, habe ich nur die Zehner bei der Numerierung benutzt. 


Übersetzung des in unserer Beilage wiedergegebenen englischen Kometen-Einblattdruckes 


PORTRAIT 


des neuen wunderbar 


leuchtenden Sternes, 


der im Inneren Vesterreichs und den angren- 
zenden Teilen Arvatiens zu sehen war; er 
stand zum Schrecken der Bewohner 
über Rackelsburg und Csackenthurn 
vom 12. Januar 1664 an einige 
tagelang morgens zwischen 
zwei und drei Uhr. 


ieser unnatürliche und Schrecken ver- 

breitende, am Firmament in feuriger 

Gestalt erschienene Stern, eine leuch- 

tende Fackel des göttlichen Zornes, wird 

als Vorläufer großer Kriege und 
darauffolgendem Elend gefürchtet; er gleicht 
dem Stern, der im Jahre 1618 30 Tage lang in 
ganz Deutschland zu sehen war und den unheil- 
vollen 30 jährigen Krieg zur Folge hatte, es ist 
ein ähnliches Zeichen wie jener Stern, der im 
Jahre 1652 erschien und auf den die polnischen, 
schwedischen und dänischen Kriege folgten. 
Dieser wundervolle Stern, in dessen Innerem 
zwei Halbmonde gesehen werden konnten, ist 
zweifellos ein Vorläufer von furchtbaren Ver- 
änderungen, die der Erzfeind des Christentums 
hervorbringen wird, der mit einem erstaunlichen 
Heer in das christliche Reich eingefallen und 
gedroht hat, mit stärkerer Macht wiederzukommen 
und schreckliche Verwüstungen anzurichten. 
Damit nun Gottes strafende Hand zurückgehalten 
und die uns drohenden Uebel abgewendet werden 
mögen, laßt uns auf unsere Knie fallen, auf- 
richtige Reue und Buße tun und mit unseren 
Gebeten nicht nachlassen. Sintemal Veubarthus 
in seinem Kalender 1663 schließt, daß unter 
dem Zeichen einer großen Konjunktion von 
Saturn und Jupiter in dem feurigen Zeichen des 
Sagittarius dieser leuchtende Stern nach astro- 
logischen Vermutungen seinen Ursprung hat, 
überall ertönt der warnende Ruf, sich schnell 
vom Bösen abzukehren und wahre Buße zu tun. 

Aus dem Hochdeutschen. 


vom Jahre 1664. 


SCHILDERUNG 


des übernatürlichen neuen 


leuchtenden Sternes, 


der in Oesterreich, hauptsächlich über 
Rackelsburg und Csackenthurn an 
einigen Tagen morgens zwischen 
zwei und drei Uhr vom 12. Ja- 
nuar 1664 an zum groben 
Erstaunen derBewohner 
zu sehen war. 


ir erkennen deutlich wie in einem 
Spiegel, daB die Wiederkunft Christi 
und die letzten Zeiten bevorstehen, 
denn die Zeichen und Wunder, die 
am Himmelsfirmament bei Sonne, 
Mond und Sternen beobachtet werden können, 
sind nichts als eine Warnung und Drohung, damit 
die Menschen umkehren und von ihren sündigen 
Wegen lassen sollen. Daraufhin halten wir es für 
gut den schrecklichen Stern zu beschreiben, dessen 
Portrait uns aus Deutschland gesendet wurde. 
Dieses unnatürliche und noch niemals 
gesehene Himmelszeichen, dieser wundervolle 
Stern erschien am Firmament in schrecklicher 
Gestalt und als feurige Fackel des göttlichen 
Zornes. Man fürchtet, daß dieser Komet schwere . 
Kriege und Zwistigkeiten zur Folge haben 
wird, wie auch jener im Jahre 1618 in ganz 
Deutschland 30 Tage lang gesehene Stern einen 
30jährigen blutigen Krieg nach sich zog und 
der im Jahre 1652 beobachtete Stern die pol- 
nischen, schwedischen und danischen Kriege 
verkündete, umsomehr, da er von wunderbarer 
Gestalt ist. Zwei Halbmonde in der Mitte 
des Sternes sollen die beiden Arme Ottomans 
versinnbildlichen, der mit seinen kriegerischen 
Vorbereitungen ganz Europa in Staunen und 
Schrecken versetzt. Doch der Herr des Himmels 
scheint sich dem Christentum wieder in Gnaden 
zuzuwenden und diese Zwistigkeiten beseitigen 
zu wollen. .Vewbarthus hält in seinem letzten, 
1663 erschienenen Kalender diesen leuchtenden 
Stern für eine Wirkung der großen Konjunktion 
von Saturn und Jupiter in dem feurigen Zeichen 
des Sagittarius. Einige Astronomen erachten es 
für gut, daß solches alles veröffentlicht werden 
sollte. Aus dem Niederdeutschen. 


Chronologisches Verzeichnis alter Kometen- Einblattdrucke. 


1460 Dieser Comet ist erschienen im 1460. Jhar. 


Oben 4 Z. Vers: O du Babst o du 


Furst von Meilandt wie ist dein Haus und deines mitgenossen so weibisch das er 


alle nur Krieg auff euch leget und fellett. 
Von dem Cometen oder Pfawenschwantz /so in etlichem hochteutschen land x. tag 
des Augsten sich zuerst erzeigt, und darnach viel naecht... 
1 Stern mit Schweif, links neben ein lat. 
inama nota colom“ etc., unten 3 Absätze Text: Was es sey. 


15314 
ist... 


auslegung und wircken.“ fol. 


(Arch. 10.) 


am himmel gesehen 
Vers: „Tu steriles agros, et 
Wie es werd. Sein 

(Arch. 20.) 


1573 


1577 


1580 


1581 


1618 


1623 


1649 


— 340 — 


Dise zween stern mit langen krommen flammen / seind zu Wurmbs am 27. Novrembis 
. auffgange etc. — 2 Sterne mit Schweifen, darunter 4 Zeilen Text. (Arch. 30). 
„Ein erschrocklich wunderzeichen / von zweyen Erdbidemen / welche gesehen 
seind zu Rossanna und Constantinopel / Im 1556. Jar.“ Darstellung des über 
Konstantinopel im März sichtbar gewesenen grossen Kometen, sowie einer am 13. Mai 
ebendort wahrgenommenen Sternkonstellation. Unten 24 Doppelzeilen Text. „Zu 
Nürnberg bey Herman Gall / Brieffmaler / in der Kotgassen.“ (Arch. 40.) 
— Derselbe. Ein erschröcklich wunderzeichen / von zweyen Erdbidemen ; 
welche gesehen sind zu Rossanna und Constantinopel im 1556. Jar. 12 Doppelzeilen 


Text. Zu Nürnberg bey Hermann Gall / Brieffmaler in der Kotgassen. (Arch. 50. 


Bericht über den — Cometen — mit seinem Prognostico zu betrachten. Holz. 
Zur Seite und unten Text, 2sp.: Sinte mal sich bey den Gelehrten“ etc. Darunter 
gereimtes Prognostikon. Gedruckt zu Strassburg, durch Bernhard Jobin. fol. 
| (Drugul. 435.) (Arch. 60.) 
(2. März und 27. Sept.) „Von den Erschrockenlichen Wunderzeichen dem 
newen Cometen, zweyen Finsternussen, Erdbidmen vnd blutigen Bach zu Kertzers 
(in Bern) Anno 1577.“ Holz. Unten langer Text 2 sp: Erschrockenliche Wunder- 
zeichen beide oben am Himmel etc. Gedruckt zu Basel, bey Samuel Apiario. 
1577. fol. (Drugul. 507.) (Arch. 70.1 
(4.—25. Oct.) Von dem Cometen, welcher im October dises LXXX. Jars erstlich 
erschinen vnd noch am Himmel zu sehen ist. Autore Georgio Henischio.* Unten 
lange Beschreibung 3sp.: ES hat Gott der Allmechtig — Vigilate et orate. Holz. 
mit Angabe der Sternbilder. Col. Gedr. zu Augspurg durch Hanss Rogel Form- 
schneider. gr. fol. | (Drugul. 597.) (Arch. SO). 
— Derselbe Comet zu Nürnberg gesehen. Oben „Erinnerung vnd Warnung, 
von dem jetzt scheinenden Cometen +'¥'¥ so erschienen.“ Unten Text 2sp.: „Die 
erfarung gibts, das auff erscheinung der Cometen — nicht mutwilligklich verachten, 
Amen. Holz. col. Zu Nürnberg bei Hans Macken Brieffmaler, ins Ayrershof, beym 
Thiergärtner Thor. fol (Drugul. 598.) (Arch. 90.) 
(29. Jan) „Ware Contrafactur des jüngsten Zorn vnd Wunderzeichen — sich 
gentzlich in diser gestalt zu Nürnberg vnd andern vilen orten sehen lassen.“ 
Unten Gottesfürchtige Vermahnung und ein Gebet 2sp.: Es haben sich nu in wenig 
Jaren hero — Erlösers vnd Heylands willen, Amen. Holz. col. „Zu Nürnberg, bei 
Leonhardt Blümel Brieffmaler, beymt Newen Thor, hinder dem gulden Stern.“ fol. 
(Drugul. 600.) (Arch. 100) 
(1. Dec. und 1619 2. fan.) Zwei neue Klagelieder, wie sich zu Augsburg haben 
drei Engel sehen lassen und von neuerschienen Kometen. O.: Ein schönes neues 
Klaglied von der letzten Zeit — im Thon: Wie schön leucht uns der Morgenstern. 
— Dann: die ander Zeitung von dem Neuen Cometstern. In Thon: Kompt her zu 
mir spricht Gottes Sohn. Zu Seiten und unten 2sp. Lieder: Wach auf etc. 
Gedruckt zu Laingen durch Jacob Senfft, im Jahr 1619. fol. (Drugul. 1361.) (Arch. 110, 
— (Dec. bis 1619.) Comet und Wundzeichen. Erschröckliche Wunderwerck 
— so sich vnlangst inn Vngern vnd an mehr Orthen zugetragen. Ein Komet, 
eine blutige vom Himmel fallende Fahne, ein Metcorstein u. A. Unten 2sp. Beschr.: 
Wann ein Obrigkeyt, arme Sünder — Gott erhalt sein häufflein Amen. Holz. col. 
Getruckt zu Augspurg, bey Georg Kress, Brieffmaler. fol. (Drugul. 1362.) (Arch. 120. 


(10. Aug.) Newe Zeittung Welcher gestalt sich — vber — Constantinopel ein 
Cometstern mit erschrecklichen vnd grausamen Fewerigen Stralen neben dreyen 
Christlichen Kriegspersonen am Firmament — sich sehen lassen — aussgelegt 
worden Unten 3sp. 30 Strophen Auslegung: Hoert zu jhr lieben Christenleut 
— In won vnd Frewden Leben Amen. Rad. fol. (Drugul. 1617.) (Arch. 150) 


Des Newen Cometen, kigentliche Abbildung. Welcher sich in dem vergangenen 
1649. Jahr den 28. Dec... . a... Abend umb 11 Uhr über der Stadt Warschau 


1652 


1653 


1661 


1663 


1664 


— 341 — 


in Pohlen hat sehen lassen. Der Comet als Schreckensrute dargestellt mit nach 
rechts gekehrtem Schweif. Darunter 2sp. Text, links deutsch, rechts dänisch. 
Erstlich gedruckt zu Hamburg /Im Jahr 1650. (Arch. 140.) 


(14.—18. Dec.) Observationes Cometae. Grosser Komet, zu Regensburg be- 
obachtet. Rechts seine scheinbare Grösse und Gestalt, links seine Bahn „Getruckt 
zu Cölln Bey Abraham Hohenberg — 1653.“ fol. (Drugul. 2361.) (Arch. 150.) 


— Eigentlicher Abriss und Situation — gesehen worden. Rechts seine 
scheinbare Gestalt, links seine verschiedenen Stellungen zum Sternbild des Wagens 
am 14., 15. und 16. December. S. Furck exc. qu. fol. Drugul. 2372.) (Arch. /60.) 


— Pars Coeli in planum projecti etc. Rechts seine Erscheinung in zwei ver- 
schiedenen Formen, links seine Bahn durch die Sternbilder E. Brun fec. G. Altzen- 
bach exc. Cöln. Mit lat. u. deutschem Typentext zu Seiten. gr. qu. fol. 

(Drugul. 2373.) (Arch. 170.) 


(15. Oct.) Wahrh afftige — beschreibung Von dem grossen Cometstern — welcher 
— an vielen Orten gesehen worden — In ein Gesang verfast. Im Thon Hilff Gott, 
dass mir geligne. Der Komet über Erfurt. Holz. Unten Gesang in 20 Strophen: 
Merckt auff jhr Menschenkinder etc. Erstlich Gedruckt zu Erffurt bey Jacob 
Sing. fol. (Drugul. 2394. (Arch. 180.) 


(29. Jan.) Komet zu Strassburg beobachtet auf seiner Bahn zwischen den Stern- 
bildern des Adlers u. Delphins. O.i. T.: Die Erste Observation dess Cometen. 
U. die gereimte Anzeigung der acht Unglücksfälle, die ein Komet bedeutet: Acht 
Hauptstuck sind etc. Durch M. E. Weigel, Math. 4. (Drugul. 2535.) (Arch. 190.) 

— Abbild- u. Beschreibung des Cometen. An den Seiten Beschreibung u. 


‚unten gereimte „Bedeutung der Cometen insgemein samt beigefügtem Trost für die 


frommen. 4. (Drugul. 2536.) (Arch. 200.) 
— Kurze Auffmerckung über den Comet Stern etc. U. Text mit Bericht über 
frühere Kometen-Erscheinungen u. deren Bedeutung. fol. (Drugul. 2537.) (.Irch. 210.) 


— (11. Februar.) Derselbe, wic er zu Augsburg beobachtet worden: . Cometa 
crinitus. 8. (Drugul. 2538.) (Arch. 220.) 


(10. Dec. bis 1664 2. Jan.) Abbildung unterschiedlicher Zeichen u. Wunder — zu 
treuer Warnung vorgestellt. Dieselben Himmelszeichen und ein grosser zu Grätz 
gesehener Komet. U. 2sp. Beschr. u. Deutung. Frankfurt bey Abr. Aubry. fol. 
(Drugul. 2592.) (Arch. 230.) 
(29. Jan.) Abbildung dess Neuen Comet- und Wunder-Sterns, wie sich der- 
selbe in den innern österreichischen Landen — hat sehen lassen. U. 19 Zeilen 
Deutung: Diese übernatürliche — Soviel in Eil zur Nachricht. — Nürnberg bei 
P. Fürst. fol. (Drugul. 2595.) (Arch. 240.) 
— (2. Juni.) Wahre vnd ua abbildung des schröcklichen Comet Sterns. 
Christ. a fec. 4. (Drugul. 2596.) (Arch. 250.) 
— Derselbe, fast ebenso mit etwas veränderter Schrift: Dieser schreckliche 
Comet Stern ist zu Grätz etc. 8. (Drugul. 2597.) (Arch. 260.) 
— Derselbe, mit breitem, nach rechts gekehrtem Schweif: Dieser Grausame V. 
Erschreckliche Comet Stern etc. — Zu finden bey Joh. Hoffman. qu. 4. 
(Drugul. 2598.) (Arch. 270.) 
— (7. bis 18. Dec.) Wahre vnd eigentliche Verzeichnus des Newen Cometen — 
in Frankreich, Lothringen, Elsass vnd andern Orten mehr gesehen worden. Ansicht 
desselben mit den Sternbildern seiner Bahn. Unten ein Judicium ,Von den Cometen 
insgemein“ und „Von dem letzt erschienenen Cometen insonderheit. fol. 
(Drugul. 2629.) (Arch. 200.) 
— Derselbe, zu Basel von J. Meyer beobachtet, mit der Ansicht von Klein- 
Basel. Oben: Eigentlicher Abriss dess newscheinenden Cometen etc., unten 2 sp. 
Geistliche Betrachtung hierüber. fol. (Drugul. 2630.) (Arch. 290.) 


— 342 


— Derselbe, zu Strassburg von E. Welper beobachtet; Observation Dess 


Cometens. 
Cometens. 


— Derselbe, zu Ulm beobachtet. 


Ulm bey Balt. Kühnen Buch drucker. 


Unten ein: Astrologisches Urtheil aon vermuthlicher Bedeutung dieses 
Strassburg, gedruckt bei Joh. Welper. fol. 
Rad. J. Arnold fec. 
fol. 


(Drugul. 2631.) (Arch. 300.) 


U. 19 Zeilen Tert. 
(Drugul. 2632.) (Arch. 310.) 


— Derselbe, mit breitem Schweif, zu Nürnberg beobachtet, unter dem Kopf 
des Sternbildes des Raben. Unten 3 Zeilen gestochener Text: Im Jahr Christi 1664. 


Joh. Hofman exc. qu. 4. 


(Drugul. 2633.) (Arch. 320.) 


— Dieser Stern ist zu Nürnb. — gesehen worden. Oben 7 Zeilen Typenschrift. 
Eigentliche Abbildung, und erschröcklicher Cometenblick etc. qu. fol. 


(Drugul. 2634.) (Arch. 330. 


— Derselbe, zu Augsburg beobachtet. Unten 4 Zeilen gestochene Schrift. Anno 
1664 den 18. Decembris etc. Mart. Zimmermann exc. 4. (Drugul. 2635.) (Arch. 340.) 
— Eigentliche Abbildung des grossen Cometen — dessen Bedeutung ist Gott 


bekannt. qu. 4. 


(Drugul. 2636.) (Arch. 350.) 


— Dasselbe Bl. vor der Angabe der Länge des Schweifes. 


(Drugul. 2637.) (Arch. 360.) 


— Derselbe, zu Ingolstadt observirt. U. 10 Z.: Cometa observatus Ingolstadij 


etc. 4. 


— Derselbe, seine unterschiedlichen Standpunkte am Firmaınent. 
3sp.: Figürliche Darstellung Des erschrocklichen Cometen etc. 


qu. fol. 


(Drugul. 2638.) (Arch. 370.) 
Unten 
H. Sultzer fec. 
(Drugul. 2639.) (Arch. 380.) 


— Derselbe, nebst seiner Beobachtung im Januar 1665 von Adam Herdrich 


in Regensburg: Observation zweyer Cometen oder Schwantzstern etc. U. 


Text fol. 


— Punktierter Kupferstich: Wahrer natürlicher 


Cometen. U. 2sp. Text. fol. 


— Derselbe, zu Rom von Athan. Kircher beobachtet. 


20 Z. 
(Drugul. 2640.) (Arch. 390.) 

— Abbriss Dess newen 
(Drugul. 2641.) (Arch. 00. 
Bericht an Herzog 


August von Braunschweig. O.: Kurtzer Bericht von dem Cometen u. dessen 


Lauff etc., unten 30 Z. Text. fol. 
— Derselbe Comet: 

Pourtraict of the New Wonderful 
Blazing Star, Which appear’d to the 
Inner-Austrian Countries, and the ad- 
. jacent Parts of Croatia, standing over 
Rackelsburg and Czackenthurn, seen 
betwixt two and three of the Clock 
several mornings, from the 12!h of Ja- 
nuary, 1664, to the terrour of the 
Beholders. (Das Portrait eines neuen 
wunderbar leuchtenden Sternes, der 
im Inneren Österreichs und den an- 
grenzenden Teilen Kroatiens zu sehen 
war; er stand zum Schrecken der 
Bewohner über Rackelsburg und 
Czackenthurn vom 12. Januar 1664 an 
einige tagelang morgens zwischen zwei 
und drei Uhr.) 


Abb. des Kometen mit nach rechts gekehrtem Schweif. 
London, Printed by J. M. and are to be sold by E. Brewster. 


(Drugul. 2642.) (Arch. 410.) 

Delineation of a Marvellous New 
Blazing Star, Which appeared to 
Austria, chiefly about Rackelsburg and 
Czackenthurn, seen several mornings 
betwixt two and three of the Clock, 
from the 12th of January, 1664, to the 
amazement of the Beholders. (Schil- 
derung des übernatürlichen neuen 
leuchtenden Sternes, derin Öster- 
reich, hauptsächlich über Rackels- 
burg und Czackenthurn an einigen 
Tagen morgens zwischen zwei und 
drei Uhr vom 12. Januar 1664 an zum 
großen Erstaunen der Bewohner zu 
sehen war.) 


Unten 2sp. Text. 
(Arch. 420.) 


(Schluß folgt.) 


CCCEECECEEEEEEEECEEEECEECEEECEEEEEEEEEEEE CEE CCE CEEEEEEEE 


Uber die Entwicklung der kosmischen Nebel veröffentlicht Fr. Nölke neue Anschauungen 
in den A. N. 4509, die auf den Untersuchungen fußen, welche auf dem Gebiete der elektrischen 
Strahlung und bei den Vorgängen der radivaktiven Stoffe zu einer neuen Entwicklung der Physik 
geführt haben. Die festesten Stützen der Physik, die Hypothese der Unteilbarkeit des Atoms und 
das Prinzip der Unveränderlichkeit der Masse sind bekanntlich hierdurch ins Wanken geraten. 
Man wies nach, daß das elektrische Elementarquantum, das sogenannte Elektron, beim Aufbau der 
Materie die Hauptrolle spielt und nicht, wie man bisher annahm, das chemische Atom. Nachdem 
Lenard durch Untersuchungen über die Absorption von Kathodenstrahlen verschiedener Ge- 
schwindigkeiten nachgewiesen hatte, daß im Innern des chemischen Atoms elektrische Feldstärken 
von so gewaltiger Größe vorhanden sind, wie wir sie niemals herstellen können, wurden die 
Physiker in ihrer Anschauung bestärkt, daß das Atom als ein Komplex elektrischer Vorgänge zu 
betrachten ist. So konnten in befriedigender Weise auf einheitlicher Grundlage durch die Elektronen- 
theorie alle elektrischen und optischen Erscheinungen ihre Erklärung finden. Da sich weiter 
herausstellte, daß das elektrische Feld der Atome noch über ihre Begrenzung herausreicht, so 
besteht auch die Aussicht. noch die sogenannten Molekularkräfte, wie Kohäsion, Adhäsion, Festigkeit, 
Elastizität auf elektrische Vorgänge zurückzuführen. Auf diese Weise hat die alte Vorstellung, daß 
die chemischen Elemente nur Modifikationen eines und desselben Urstoffs, eines elektrisch geladenen 
Atoms sind, eine wissenschaftliche Stütze erhalten. 

Im Weltall selbst müssen wir nun Gebilde finden, da alle Weltkörper eine Entwicklung durch- 
machen, die uns das Anfangsstadium ihrer Entwicklung vor Augen führen. Die sogenannten echten 
kosmischen Nebel dürften zweifelsohne eine solche frühe Stufe in der Entwicklung der Welt- 
körper darstellen. Ihre physikalische Beschaffenheit kann nach Nölke zweierlei Art sein: Entweder 
bildet der Nebel eine einheitliche, nur den Gesetzen der Gasausdehnung unterliegende Masse, oder 
die Nebelteilchen sind frei beweglich. Der erste Fall kann nur bei den wenigen Nebeln mit kugel- 
förmiger, ellipsoidaler oder birnenförmiger Gestalt stattfinden, bei den sogenannten planetarischen 
Nebeln, deren Entwicklung infolge der Wärmeaustrahlung und der hieraus folgenden Zusammen- 
ziehung sich leicht übersehen läßt und zur Bildung der engeren doppelten und mehrfachen Stern- 
systeme führt. Hierüber finden unsere Leser im Weltall Jahrg. 11 Seite 261 in der Notiz „Die 
Entwicklung der Doppelsterne“* nähere Angaben. 

Nölke verfolgt nur die Entwicklung der Nebel der zweiten Art, zu welchen alle unregelmäßig, 
wolkig oder spiralig geformten Nebel gehören. Sind die einzelnen Nebelteilchen frei beweglich, so 
müßte im allgemeinen ein Zerfallen der Nebelmasse herbeigeführt werden, wenn nicht im Nebel 
Kräfte vorhanden sind, die die Möglichkeit einer Kontraktion zulassen. Eine solche nachzu- 
weisen, ist der Zweck der Nölke’schen Arbeit. Um dies zu erreichen, verfolgt er auf Grund der 
physikalischen Anschauungsweise die Entwicklung der Weltkörper noch weiter rückwärts als das 
Nebelstadium, dessen Zustand, wie das Spektrum ergibt, schon fertige Atome wie z.B. das Wasser- 
stoffatom enthält. 

Das Ursprüngliche müssen die positiven und negativen Elektronen sein, die anzichende und 
abstoßende Kräfte aufeinander ausüben. Wir müssen uns vorstellen, daß diese Elektronen im 
Raume an manchen Stellen nahe bei einander liegen, an anderen wieder mehr zerstreut vorkommen. 
Nur im ersteren Falle werden sie sich nach und nach zu materiellen Atomen vereinigen. Mit der 
langsameren oder schnelleren Annäherung der Elektronen sind mehr langwellige oder kurzwellige 
Strahlungen verbunden, deren spektroskopischer Charakter durch die innere Konstitution der Atome 
bestimmt wird. Von nun an tritt der Weltkörper als Nebel erst in Erscheinung. Die bereits eunt- 
standenen Atome und die noch frei beweglichen Elektronen üben Kräfte auf einander aus, die den 
weiteren Entwicklungsgang des Nebels bestimmen werden. Haben sich gleich viel positive und 
negative Elektronen zu Atomen verbunden, so sind diese elektrisch neutral; sie können also weder 
anziehende noch abstoßende Wirkung auf die noch freien Elektronen ausüben, jedoch zwischen 
ihnen selbst wird nunmehr die Gravitation wirksam. Es muß daher im Innern des Nebels, da die 
Atome nach und nach aus den Elektronen entstehen, die Gravitation sich vergrößern und damit der 
Abstand der Atome selbst kleiner werden. Es muß mithin eine stetig fortschreitende Kon- 
traktion des Nebels eintreten. Ist die Masse des Nebels beispielsweise auf den zehnfachen Betrag 
gewachsen, so muß der Durchmesser des Nebels nur noch den zehnten Teil des ursprünglichen betragen. 


= BU e 


Es ist Nölke gelungen, unter Benutzung der Mittel, die die moderne Physik an die Hand 
gibt, das Vorhandensein von Kontraktionskräften auch bei den Nebeln von unregelmäßiger Gestalt, 
bei denen die einzelnen Nebelteilchen frei beweglich sind, nachzuweisen und damit die Schwierig- 
keit, die bisher der Bildung von einfachen, doppelten und mehrfachen Sternen aus solchen Nebel- 
teilchen entgegenstand. aus dem Wege geräumt zu haben. FS Archenhold. 

* d 8 

Die Konstitution der Jupiterstreifen. Am Refraktor der Barcelonaer Sternwarte hat Herr 
Comas Sola in der Nacht vom 3. zum 4. Mai 1911 bei sehr ruhiger Luft eine sehr wichtige Beob- 
achtung gemacht (Revista de la Sociedad astronomica de Espana 1911, Junio). Die dunklen Striche 
in den Rändern der Äquatorialstreifen. die bisher immer als breite verwaschene Bänder dargestellt 
worden sind, lösten sich schon bei 250 facher Vergrößerung in Kolonnen von kreisförmigen. absolut 
schwarzen Flecken auf mit einem mittleren Durchmesser von 07,25 (800 km). Auch die schwachen 
guirlandenähnlichen Bänder der Aquatorialzone lösten sich bei sehr ruhiger Luft in zerstreute 
Flecken auf. Durch diese wichtigen Beobachtungen wird die früher vermutete Verwandtschaft 
zwischen den Jupiter- und den Sonnenflecken gewissermaßen bestätigt. 


* * 


ER 


Eine große Wasserhose beobachtete der Sekundaner Herr Fritz Stege aus Berlin während 
seines Aufenthaltes in dem Ostseebade Rewahl am Dienstag, den 15. Aug. 1911, worüber er uns folgendes 
schreibt: „Es war gegen 11 Uhr vormittags, als ich einen Spaziergang die Düne entlang machte. 
Ein starker Westwind trieb eine schwarze Wolkenwand vor sich her. die nach unten zu in Mam- 
mato -cumuli- Wolken ausging und bis zum Horizont einen Streifen unbedeckten Himmels frei ließ, der 
in gelblichem Lichte leuchtete und eine geringe Breite besaß. Meine Aufmerksamkeit wurde aber 
durch einen schwarzen Keil erregt. der wie ein Zahn oder Hauer aus der Wolke hervorragte und 
mit ihr sich schnell nach Osten fortbewegte. Allmählich ging der Keil in einen langgestreckten 
Trichter über, jedoch ohne daB dessen feine Spitze das Wasser berührt hätte. Da sah ich, wie das 
Wasser senkrecht unter dem Trichter eine leichte Erhöhung zeigte, und bei näherem Hinschen 
bemerkte ich, daß er unten in eine Röhre ausging, die beinahe so hell wie Silber glanzte und den 
Horizont zu berühren schien. Es gewann den Anschein. als ob an dem Berührungspunkte mit dem 
Wasser ein Dampfer entlang zöge. Um die Röhre herum zog sich nun eine kleine graue Wolke, 
die allmählich an Ausdehnung zunahm und bald besser, bald schlechter zu schen war. Während- 
dessen krümmte sich die Röhre spiralföürmig, so daß sie schließlich ganz schief von rechts oben 
nach links unten gerichtet war. Allmählich aber wurde die Erscheinung immer undeutlicher, bis sie 
zum Schluß ganz im Osten unter Regenschauern verschwand. Bis zuletzt war aber, wena auch schr 
schwach, die obere Trichterform zu erkennen. Das ganze Ereignis hatte noch nicht eine halbe 
Stunde gedauert.“ — Über die Entstehung von Wasserhosen vergl. den Artikel: „Mehrfache Wasser- 
hosen“ von F. S. Archenhold. „Das Weltall“ Jg. 11, Heft 9. 


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Bei der Redaktion eingegangene Bucher. 

Auerbach Felix., Die Grundlagen der Musik. 209 Seiten mit 71 Abbildungen, erschienen 
in „Wissen und Können“, Sammlung von Einzelschriften aus reiner und angewandter Wissenschaft. 
herausgegeben von Prof. Dr. B. Weinstein, Leipzig 1911. Verlag von Johann Ambrosius Barth. 
gebunden 5.— M. 

Thurn H., Die Verketrs- und Nachrichtenmittel im Kriege. 278 Seiten mit 32 Abbildungen, 
in „Wissen und Können.“ Sammlung von Einzelschriften aus reiner und anzewandter Wissenschaft. 
herausgegeben von Prof. Dr. B. Weinstein, Leipzig, 1911. Verlag von Johann Ambrosius Barth. 
vebunden 6,— M. 

E. Belot, Essai de Cosmogonie Tourbillonnaires. Paris 1911. Gauthier Villars, Imprimeur 
Libraire; du bureau des Longitudes, de Teeole polytechnique. 280 Seiten. 

George Ellery Hale, director of the Mount Wilson Solar Observatory. The Study 
of Stellar Evolution. An account of some recent methods of astrophysical research. Chicago: 
the university of Chicago Press and London: William Wesley and Sun. 252 Seiten. 


Für die Schnitleituny verantwortlich: Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M Wuttig, Berlin SW 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


e 


DAS WELIALL... 


[llustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Dee 


Herausgegeben von 
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 23. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Erstes Septemberheft). 
Berlin-Treptow. 


Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — <Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Trepiow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlunger und Postanstalten (Post- 

Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pie, — Anseigen-Gebühren: 1 Seite 80.— MR., 1; Seile 45.— 
1/, Seite 25.—, 1/5 Sette 15.—, yg Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rahatt - Beilagen nach Gewicht. 


INHALT 
1. Neues vom Kometen Brooks 1911c. Von Dr. F. S. 6. Bücherschau: Franz Rusch, Himmelsbeobachtungen 
Archenhold . - 2... 2 2 ee ern 0. $ . 345 mit bloBem Auge. — Pr. Emil Carthaus: Die klima- 
2. Das Schicksal der Planeten von Svante EE tischen Verhältnisse der geologischen Vorzeit vom 
Kritik von Adrian Baumann, Zürich ...... 347 Praecambrium an bis zur Jelstseit und ihr Einfluß 
3. Neues Verzeichnis von allen Komeleneinblattdrucken. auf die kntwicklung der Haupttypen des Tier- und 
Von F. S. Archenhold. (Mit einer eh, Pflanzenreiches. -- Prof. Lehmann, Die neue Welt 
Schluß) = = = es ei au ei . 349 der flüssigen Krystalle und ihre Bedeutung für 
4. Der gestirnte Himmel im Monat Oktober 1911. Von Physik, Chemie, Technik und Biologie. — L’aplane- 
Dr. F. S. Archenhold . . . . . 2.2.20... 353 tisme des surfaces et des lentilles elliptiques et hyper- 
5. Kleine Mitteilungen: Eine bemerkenswerte Feuerkugel. boliques par J. P. Konderef. — Die Theorie der 
— Die 83. Versammlung Deutscher Naturforscher und modernen oplischen Instrumente. — Jahrbuch der 
Ärzte. — Die Deutsche Meleorologische Gesellschaft 356 Motorluftischiff-Studiengesellschafl. `, . a... 357 


Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet 


Neues dem Kometen fårooks 1911c. 
Von Dr. F. S. Archenhold. 


N: neue Komet nimmt an Helligkeit ständig zu, freilich nicht ohne Licht- 
schwankungen zu machen, über die wir später noch berichten werden. Ich 
schätzte ihn durch Anschlüsse an penchant Sterne nach der Argelanderschen 
Stufenmethode am 


4. und 6. September so hell wie einen Stern 4,8. Größe 


7. - 8, - 5 : 46, - 
9. : : i Bi = 
10. a $ i 42. - 
11. S x = 241. « 
12. e s = 4,2. - 
15. a 2 36. - 
16. S P = 39. - 


Im großen Fernrohr war der Kern im Kopfe des Kometen bis Sonntag, 
den 17. September, kreisrund und völlig sternartig, nur am Rand etwas ver- 
schwommen. Am Sonntag erschien er zum erstenmal etwas länglich. Er ist 
jetzt sofort schon von den Sternen gleicher Helligkeit dadurch zu unterscheiden, 
daß er mehrere Bogenminuten Ausdehnung zeigt und hedeutend heller und 
größer als der mit bloßem Auge sichtbare Adromeda-Ncbel ist. Auf bei- 
folgender Karte ist sein Lauf bis zum 15. Oktober nach einer Nceubestimmung 
von Schiller und Kobold in A. N. 4522 aufgezeichnet. Hiernach rückt der 
Komet am 23. September aus dem Sternbilde des Drachens in den Bootes 
und am 1. Oktober von diesem in die Jagdhunde, um alsdann am 10. Oktober 


— 34 — 


in das Haar der Berenice einzutreten. Während der ganzen Zeit bleibt sein 
Lauf fast parallel mit der Verbindungslinie Wega, dem hellsten Stern in der 
Leier und Arktur, dem hellsten Sterne des Bootes. Am 1. Oktober weisen 
die drei Deichselsterne des großen Bären gerade auf den Ort des Kometen. 
Fir die Besitzer unseres Schulfernrohres mit Kreisen geben wir noch seine 


Orter anbei wieder. 
Entfernung in Millionen 


1911 Rektascension Deklination Kilometer von der 
: ‘ Sonne Erde 
Sept. 25 14h 55m 378 + 49° 44,7 133 79 
26 46 35 48 44,5 
27 37 56 ` 47 41,9 
28 29 40 46 36,9 
29 21 47 45 30,0 122 81 
30 14 14 44 21,0 
Okt. 1 7 2 43 10,2 
2 14 O 9 41 57,7 
3 13 63 35 40 43,6 112 . 84 
4 47 18 39 28,1 
5 Al 18 38 11,1 
6 35 34 36 52,8 
7 30 6 35 33,1 103 87 
8 24 53 34 12,2 
9 19 56 32 50,1 
10 15 14 31 26,9 7 
11 10 46 80 2,5 94 92 
12 6 33 e 28 37,1 
13 13 2 34 27 10,7 
14 12 58 51 25 43,1 
15 12h 55m 228 24° 14,5 86 98 


Der Komet stand am 17. September der Erde am nächsten, wird aber noch 
weiter an Helligkeit zunehmen, obgleich er sich jetzt schnell von der Erde ent- 
fernt. Am 15. Oktober beträgt seine Entfernung von der Erde bereits 98 Millionen 


Lauf des Kometen Brooks 1911c vom 5 September bis 15. Oktober. 


Kilometer, der Sonne ist er aber bis auf 86 Millionen Kilometer nahe gerückt. 
Infolgedessen treten die Wirkungen in erhöhtem Maße ein, welche eine größere 
Helligkeit des Kometen verursachen, wie Wirkungen der elektrischen Strahlen 
und Verdampfung der Gase, aus denen der Komet hauptsächlich besteht. Der 


— 347 — 


größere Lichtdruck, welcher von der gesamten Sonnenstrahlung ausgeht, kann 
dann auch zur Entwickelung eines Schweifes führen. 

Von Pickering wird gemeldet, daß nicht nur, wie schon im vorigen Hefte 
berichtet wurde, die Kohlenwasserstoffbande von 516 Mikron Wellenlänge, 
sondern auch noch die beiden anderen Banden 473,7 und 383,3 Mikron auf Auf- 
nahmen des komctenspektrums gleich hell zu sehen sind. 


Das Schicksal der Planeten Von Svante Arrhenius. 


Kritik von Adrian Baumann, Zürich. 


Cl: das Schicksal der Planeten ist selbstredend cine Beweisführung unge- 
mein schwierig, und es ist vorauszuscehen, daß sich über diese Frage Be- 
hauptungen aufstellen lassen, die weder bewiesen noch widerlegt werden 
können. Wenn also ein Forscher vom Rufe und den Fähigkeiten des Herrn 
Arrhenius mit dieser Frage nicht nur Ball spielt, sondern sich ernsthaft damit 
beschäftigt, so findet er genug zu schreiben, ohne daß er sich der Gefahr einer 
sofortigen Widerlegung aussetzt. Leider wird aber die Planctenforschung viel- 
fach nicht voraussetzungslos, sondern als wissenschaftlicher Sport betrieben. 

Das Schicksal der Planeten oder — wir sprechen besser und be- 
scheidener in der Einzahl — das Schicksal der Erde ist nach Arrhenius in 
erster Linie der Mars, noch später der Mond. Diese Einteilung läßt sich hören, 
obgleich sie in bezug auf den Mond nicht cinwandsfrei ist. Denn der Mond ist 
doch kein selbständiger Planet, und Herr Arrhenius nimmt auf Seite 48 selbst 
an, daß der größte Teil seines Wassers (als Dampf) von der Erde angezogen 
wurde. Diese Annexion von Mondwasser durch die Erde und der wohl gleich- 
zeitige Raub der Mondluft durch die überlegene Anziehungskraft der großen 
Erdmasse beeinträchtigt die Vergleichbarkeit in empfindlicher Weise; denn 
wenn ein Wanderer im kalten Weltenraum dem andern Luft und Wasser, Rock 
und Hemd auszieht und damit den eigenen Mantel besser füttert, so ist doch 
wahrscheinlich das spätere Schicksal der beiden von einander verschieden. Es 
sei aber hier auf den Mondvergleich verzichtet, weil die Erde jedenfalls zuerst 
den Marszustand erreichen muß, der genug zu denken gibt. 

Vor allem müssen wir die Zustände auf dem Mars erst kennen, bevor wir 
sie unseren Zeitgenossen als Spiegel der Zukunft der Mutter Erde vorhalten 
können. Herr Arrhenius ist der Ansicht, daß das Wasser des Mars längst ge- 
froren und mit Erde bedeckt sei. Die Oberfläche des Mars ist so der freie 
Tummelplatz von ungeheuren Mengen Wüstensand, von dem Herr Arrhenius 
bereits weiß, daß er viel feiner ist als der unsere. Diesen Sand hat Herr 
Arrhenius nötig, um Veränderungen der Marsoberfläche, besonders aber um 
die ungeheure graugelbe Wolke zu erklären, die man 1909 gesehen hat. 
(Seite 39.) Das sei eine Wolke aus wirbelndem Wüstensand gewesen. Es ge- 
hört aber ein sehr großes und tiefes barometrisches Minimum dazu, um einen 
Sturm zu erzeugen, der auf einmal so vielSand aufwirbelt, um während Wochen 
Gebiete wie ganz Europa, das mittelländische Meer und Kleinasien zu ver- 
schleiern. Wodurch aber entstehen Winde und Stürme? Ihre letzte Ursache 
ist die Sonnenstrahlung, und da diese auf dem Mars nicht halb so stark ist wie 
bei uns, ist dort bei sonst gleichen Verhältnissen auch die Energie der Winde 


— 348 — 


entsprechend geringer. Außerdem entstehen starke Winde dadurch, daß bei 
teilweiser Bewölkung des Planeten die Erwärmung eine ungleiche ist, besonders 
aber dadurch, daß aufsteigende warme, mit Wasserdampf gesättigte Luft immer 
höher hinauf drückt, weil durch Wolkenbildung genügend Wärme frei wird, um 
die entsprechende Ausdehnung zu sichern. Dazu kommt noch der Einfluß der 
Zyklonen als Bahnen der Winde. Dies alles ist aber beim Mars ungemein ein- 
fach; denn abgesehen von vulkanischen Ursachen gibt es dort keine Bewölkung; 
es gibt dort überhaupt fast keinen Wasserdampf, wie auch Herr Arrhenius 
wiederholt; folglich kann derselbe auch den Wind nicht beeinflussen; die Winde 
müssen also verhältnismäßig schwach sein. Entscheidend ist aber der Umstand, 
daß (von vulkanischen Einwirkungen abgesehen) die Verteilung der Sonnen- 
wärme zu derselben Tages- und Jahreszeit immer wieder dieselbe ist. Daher 
muß auch dieselbe Luftbewegung jedes Jahr wiederkommen, und es kann die 
Windstärke zur gleichen Tageszeit von einem Tag zum andern nur wenig ver- 
schieden sein. Wenn also die Erscheinung von 1909 nach Herrn Arrhenius 
als Sandsturm zu deuten ist, muß dieser Sturm in jedem Marsjahr vorkommen. 
Die Erscheinung hätte weder Schiaparelli vor 30 Jahren noch den meisten 
seitherigen Beobachtern entgehen können. Der Sandsturm hat sich also zu 
Dunst aufgelöst. Die Erscheinung kann nämlich dadurch erklärt werden, daß 
bei vulkanischen Ausbrüchen viel vulkanischer Staub in die Marsluft geworfen 
wurde. Da sich derselbe durch elektrische Abstoßung dort in der trockenen 
Luft und bei geringer Schwerkraft viel länger oben halten kann als auf der 
Erde, ist seine große Ausbreitung erklarlich. Die Orte der vulkanischen Aus- 
brüche sind durch die Veränderung der betreffenden Gegenden bekannt. 

Herr Arrhenius behauptet (Seite 43) ein kilometerdick bis auf den Boden 
gefrorenes Meer, oben darauf Wassertümpel und dunkle Erde auf dem Eisblock 
unter dem Wasser, zu dem Zwecke, die Übereinstimmung mit der dunklen Farbe 
des betreffenden Gebietes herzustellen. Es ist aber zu bedenken, daß viele 
solehe Tümpel gelegentlich auch einen deutlichen Reflex der Sonne zu uns 
werfen müssen, der aber noch nie gesehen wurde; ferner, daß die Tümpel 
mindestens im Winter zufrieren und dann blendend weiß aussehen müssen, 
während die betreffende Gegend uns immer dunkel erscheint. Es ist doch viel 
natürlicher, dieses Gebiet als schneefreies Land zu bezeichnen. Wenn nämlich 
bei beliebigem Kältegrad nur ein Stein oder ein Stück Erde der Sonne ausge- 
setzt wird, so erwärmt es sich mehr als die Schneefläche daneben und be- 
günstigt dadurch die Verdunstung des nächstliegenden Schnees. Infolgedessen 
rückt die Grenze des schneefreien Stückes etwas vor, wenn auch vielleicht nur 
um Millimeter. In der Nacht fällt der verdunstete Schnee auf eine große Fläche 
gleichmäßig herunter, sodaß am folgenden Tage die Schneegrenze wieder vor- 
“rücken kann usw. | 

Herr Arrhenius deutet die Marskanäle als Reihen ehemaliger Wüsten- 
seen, d.h. als die Orte, wo sich die Salze solcher Seen abgesetzt haben. Damit 
erklärt er die vielen Beobachtungen dieser Kanäle zum kleinsten Teil. Es 
kann nämlich von einem Tag zum andern ein neuer Kanal sichtbar werden, 
oder eine Verdoppelung, oder es kann von benachbarten Kanälen der eine 
stärker und der andere schwächer sichtbar werden usw. Die Auffassung des 
Herrn Arrhenius wurde übrigens im Jahre 1909 unmittelbar widerlegt. Damals 
sahen wir den Mars in seiner wärmsten Zeit. Daher hätte recht viel „fossiles“ 
Eis nach Herrn Arrhenius verdunsten, die Luft befeuchten und von den 


hygroskopischen Kanalsalzen aufgesaugt werden müssen. Diese hätten dunkler 
und die Kanäle sichtbarer werden müssen als je. Man sah aber die Kanäle im 
Verhaltnis zu anderen Einzelheiten kaum je so undeutlich wie damals. 

Den Tatsachen entspricht vielmehr die andere Auffassung, daß das Eis des 
Meeres nicht kilometertief (Seite 43), sondern nur etwa 100 Meter oder weniger 
dick sei, daß die Kanäle die Rißlinien in diesem Eise sind, die sich in der 
wärmeren Jahreszeit schließen und verschweißen, weil sich das Eis ausdehnt 
und in der Kälte nebenan wieder aufreißen. Im Jahre 1909 sah man daher 
hauptsächlich nur die Spuren ehemaliger Risse und Verschweißungen, während 
die Sichtbarkeit zu anderen Zeiten noch durch wirkliche Risse erleichtert wird. 
Diese Auffassung wird noch durch viele Beobachtungen bestätigt, an deren Er- 
klärung Herr Arrhenius nicht herantreten konnte. 


se 


Neues Verzeichnis Von alten Kometeneinblattdrucken. 
Von F. S. Archenhold. 
(Mit einer Doppelbeilage.) 
(Schluß.) 


U: den bisher bekannt gewordenen Einblattdrucken alter Kometen finden 
wir den Halleyschen Kometen zweimal vertreten, einmal die Erscheinung 
aus dem Jahre 1531, es ist dies die Nummer Arch. 20 unseres Kataloges, und 
die Erscheinung aus dem Jahre 1682 (Arch. 740 und 750). Diese letzte Erscheinung 


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Karte des Laufesydes Halleyschen Kometen für das Jahr 1682. 


ist deshalb besonders wichtig, da sie von Halley benutzt wurde, um die Identität 
dieses Kometen mit den Erscheinungen aus dem Jahre 1607 und 1531 nachzu- 
weisen und dadurch die Bahn des Halleyschen Kometen als eine Ellipse mit 


— 350 — 


einer Periode von 75 bis 76 Jahren zu bestimmen. Der Halleysche Komet ist im 
Jahre 1682 im Monat August und September sichtbar gewesen. Wir geben seinen 
Lauf unter den Sternen nach einer Zeichnung von Johann Jakob Zimmermann 
umstehend aus seiner Schrift: ,Das ist Neuer Komet-Stern, welcher in Diesem 
1682. Jahre im Monat August sich anfänglich von Mitternacht her sehen lassen“, 
wicder. 

Außerdem werden in unserer Doppelbeilage noch die Erscheinungen des 
Halleyschen Kometen aus dem Jahre 684 in den Plejaden und dann aus den 
Jabren 837, 1066, 1301, 1456, 1531 und 1607 dargestellt. Das, was wir über diese 
Erscheinungen wissen, ist in Lubienitzky ,Theatrum cometicum“ und teilweise 
in meiner Broschüre über „Kometen etc.“ zusammengestellt. | 

In besonderem Maße erregte die außerordentliche Erscheinung des großen 
Kometen aus dem Jahre 1680 die Aufmerksamkeit der Laienwelt. Dieser Komet 
hatte einen Schweif von 80° Länge. Es sind nicht weniger als 21 Einblattdrucke 
unseres Verzeichnisses allein diesem Komcten gewidmet, die mit ihren Versen 
und interessanten Städtebildern eine fast unerschöpfliche Fundgrube der damals 
herrschenden Sitten und des stark ausgeprägten Aberglaubens für den Kultur- 
historiker bilden. In dem hier folgenden Verzeichnis sind alle uns bekannt ge- 
wordenen Kometenblätter aufgeführt. Es ist anzunehmen, daß noch weitere 
diesbezügliche Dokumente mit der Zeit bekannt werden. 


Chronologisches Verzeichnis alter Kometen-Einblattdrucke. 
(Fortsetzung und Schluß.) 

1665 (26. bis 29. März.) Derselbe, zu Nürnberg observirt. Unten 3 Z.: Figur und Stand 
des Cometen etc. Jac. Sandrart exc. qu. 4. = (Drugul. 2643.) (Arch. 430.) 
— (26. März.) Derselbe, ebenfalls zu Nürnberg ob servirt, ohne Sternbilder. 
U. 3 Z.: Im Jahr Christi. (Joh. Hofman exc.) qu. 4. (Drugul. 2644.) (Arch. 440) 
— (2. April.) Derselbe, grösser, durch S. Trew beobachtet. Oben: 
Abzeichnung Dessen allhie zu Altdorff etc. U. 3sp. Prognosticon: Was Comeien 
seyn etc. Nurnberg bei P. Fürst. fol. (Drugul. 2645.) (Arch. 450.) 
1672 (23. Marz.) Figur und stand dess Cometen — zu Strassburg observirt worden. 

Unten 10 zeil. Reim: Hat jemahls ein Comet etc. Strasburg bei P. Aubri. fol. 
(Drugul. 2788.) (Arch. 460.) 
— Derselbe, mit Hinzufügung der Form des Cometen in drei verschiedenen 
Grössen u. dem Sternbild des Perseus. Nürnberg, gedruckt bei Chr. Lochner. fol. 
(Drugul. 2789.) (Arch. 470.) 


1675 (31. Oct. A. S) Neuer Comet — zu Neustadt an der Haardt gesehen: Göttlicher 
Buss-Wecker, oder feurige Straff-Ruthe etc. Unten 8 stroph. Bussgedicht: Was 


die Guttes Feuer-Ruten etc. fol. | (Drugul. 2899.) (Arch. 480.) 

1676 Göttliche Wunder- und Warnungswerke — zu Gesicht und Herzen stellen. 
Wunderbare Gewachse, misgeborner Rehbock, Comet und Nebensonnen. Unten 

2sp. Text: Auch mitten unter dem grössten Zorn etc. Auf den Seiten Verse. fol. 
(Drugul. 2911.) (Arch. 490.) 

1677 Wahre eigentliche Abbildung des zu Nürnberg — wahrgenommenen 
Cometen. Links seine Bahn, rechts seine Erscheinung, auf Schwarzkunst Grund. 
Unten 20 Z. Text u. 6 zeiliger Bussreim: Mensch, du kleines Welt-Gebäu etc. fol. 

as (Drugul. 2946.) (Arch. 500.) 
1680 (26. Dec. bis 1681. 25. Febr) Der Neue Komet, zu Augsburg beobachtet. U.: 
Eigentlicher abriss des Schröcklichen Cometsterns etc — Augsburg bei.Jac.Koppmeir, 
Buchdrucker. fol. ` (Drugul. 3020.) (Arch. 510.) 

— Sein Stand am 27. Dec. im Sternbild des Antinous. U.: Septima fax haec 

est etc. qu. fol. (Drugul. 3021.) (Arch. 520.) 


— 351 — 


— Derselbe, zu Nürnberg auf der Veste beobachtet. O.: Des Neuen 
Wunder grossen Comet Sterns-Lauf etc. J. J. de Sandrart fec et exc. qu. fol. 
e (Drugul. 3022.) (Arch. 530.) 


— Derselbe, bei Niirnberg beobachtet. U.: gereimte Aufforderung zur Busse: 
Schau, ein neuer Schreck-Comet etc. (G. J. Schneider sc.) G. Scheurer exc. qu. 4. 
: (Drugul. 3023.) (Arch. 5-40.) 


— Dasselbe Blatt in anderem Druck mit 2sp. Typenschrift an den Seiten 
u. unten: Kurz-verfasste denk-würdige Cometen-Tafel. fol. 
(Drugul. 3024.) (Arch. 550) 


— Derselbe, ebenfalls bei Niirnberg beobachtet, aber von anderem Stand- 
punkt und grösser. O.: Vernünfftige Erkantniss und eigentliche Bewandtniss Dess 
— entsetzlichen Cometens. U. 2 sp. Text: Soviel dess Mutmasslichen Prophezeyens 
etc. fol. (Drugul. 3025.) (Arch. 560.) 


— Derselbe, jedoch von gleichem Standpunkte aus gesehen. Durch den 
ganzen Vorgrund eine dichte Reihe Zuschauer. Oben: Abbildung und Beschreibung 
dess — Cometen etc. U. 2sp. Text: Man findet sowoln in heiliger Schrifft etc. 
Nurnberg bei Joh. Jac. Schollenberger Kupferstecher. fol. 

(Drugul. 3026.) (Arch. 570.) 


— Derselbe, von gleichem Standpunkt aus gesehen, mit breitem Schweif über 
den ganzen Himmel. Vorn rechts nur ein Zuschauer. Oben: Wahre eigentliche 
Abbildung etc. Im Unterrand 2sp. Bussgedicht: Schau hier, o Sünder schau! 
U. in Typen 3sp.: Christlich-vernünfftige Cometen-Betrachtung. Nürnberg bei 
Joh. Hoffmann, Kunst- u. Buchhändler. fol. (Drugul. 3027.) (Arch. 580.) 


— Derselbe, bei Augsburg beobachtet. Vorn Stein brücke und fünf Figuren. 

O.: Eygendliche Abbildung dess entsetzlichen — Cometens. U. 2spalt. Text: Als 
die Cometen zu jeden Zeiten — Augsburg bei Joh. Phil. Steudner, Briefmaler. fol. 
(Drugul. 3028.) (Arch. 590.) 


— Derselbe, ebenfalls zu Augsburg beobachtet. Im Grund die Stadt. Vorn -> 

9 Figuren. O.: Eigendliche Abbildung Dess erschröcklichen Cometen etc. In Zwei 

Geistliche Gesängen verfasset vnd gestellet. U. 4sp. Gesänge: Wach auf, wach 
auf O Mensche Kind. Holz. Augsburg bei Abr. Bach Briefmaler. fol. 

(Drugul. 3029). (Arch. 600.) 

— Derselbe, zu Markt-Wailtingen beobachtet. U. 2sp. Text: Eigentlicher 

Bericht welcher Gestalten der — Comet zu Markt-Wailtingen etliche Abend observiret 

worden. Augsburg gedruckt bei Jac. Koppmayer. fol. (Drugul. 3030.) (Arch. 610.) 


— Derselbe, zu Wien observirt. Stand desselben im Kopf des Füllens. 

O.: Eigentliche Figur oder Abbildung dess Neuen — Comet- oder Wunder-Sterns 
etc. Auf den Seiten Bericht über die Observationen zuRom und Wien; unten 3 sp. 
Beschreibung u. Prognosticon — Nürnberg bei Joh. Leonh. Buggel, Buchbinder. fol. 
(Drugul. 3031.) (Arch. 620.) 


— Seine Bahn im Sternbild der Jungfrau. U. 2sp. Bussreim: Schau die 
Wunder-Fackel-Kertze. Nürnberg bei Gg. Scheurer. qu. 4 . 
(Drugul. 3032.) (Arch. 630.) 


— Derselbe, zu Regensburg observirt. O.: Abriss und Beschreibung des 
erschröcklichen Cometen etc. Regensburg gedruckt bei Aug. Hankwitz. fol. 

Ä (Drugul. 3033.) (Arch. 640.) 

— Dasselbe Blatt in anderem Druck mit dem Zusatz: „auch daselbst zu finden“ 

hinter der Adresse unten. (Drugul. 3034.) (Arch. 650.) 


— Derselbe, zu Coburg bis 10. Febr. 1681 beobachtet. O.: Dess Cometen 
Lauff — zu Coburg observirt von Gottfried Kirch. qu. fol. 
(Drugul. 3035.) (Arch. 660.) 


1681 


1682 


1687 


1702 


1769 


— 352 — 


— Klag- u. Warnungs-Lied auf den Cometen u. die in Leipzig u. Dresden 
grassirende Pest. 20 Strophen in Typendruck auf 2 Octavbl. mit Abbildung des 
Cometen und dem Titel: Göttliche Straff und Heimsuchungs-Zeichen von Cometen 
und bösen Seuchen etc. Gedruckt im Jahr 1681. (Drugul. 3036.) (Arch. 670.) 


— Der Comet über Rom, mit dem Hühnerei, worauf er sich abgebildet. 
Oben: Im Monath Decembris etc. qu. fol. (Drugul. 3037.) (Arch. 680.) 


— Der Comet, das Huhn u. das Ei. Comet appaarsa in Roma etc. Wahrhafftige 
Relation des Comet-Sterns — zu Rom ist gesehen worden. U. 2sp. italien. u. 
deutsch. Text, verfertiget u. zu finden bey Abraham Cosathe in Regenspurg. fol. 

(Drugul. 3038.) (Arch. 690.) 

— Drei Darstellungen: in der Mitte der Comet, auf den Seiten Vorder- u. 
Rückansicht des Eis. U.: Wahre Abbildung des Cometen — Nürnberg, bei 
Scheurer. qu. fol. l (Drugul. 3039.) (Arch. 700.) 

— Zwey Lieder in Typendruck auf 2 Octavblättern mit zwei Abbildungen des 
Eis in Holzschn. und dem Titel: Das Wunderwirdige Hennen-Ey — Verfasset in 
ein Christliches Buss-Vermahnungs Gesang, In der Singweise: Es ist gewisslich 


an der Zeit. 4. (Drugul. 3040.) (Arch. 710.) 
Straff-Folge, Unverantwortlicher Cometen — Verwerffung unfehlbare Straff-Folge 
Nürnberg 1681. fol. (Arch. 720.) 


(1. Jan. u. 10. Febr.) Wahre und eigentliche Abbildung eines Cometen oder Wunder- 
Sterns. Comet, zwei Türkenköpfe u. Krone über Neuhäusl u. Leopoldstadt gesehen. 
U. 15 Z. Text u. 6 zeil. Bussgedicht. Nürnberg bei Leonh. Loschge. Gedruckt bei 
Hrn. Sigm. Froberg. fol. (Drugul. 3061.) (Arch 730.) 
— (15. Aug.) Eigentliche Vorstellung Des Neu entstandenen Cometen 
Liechts — über Nürnberg. U. 2sp. Beschreibung u. Bussgedicht: Von denen 
Alex Arten etc. fol. (Drugul. 3068.) (Arch. 740.) 
— Wider neu-scheinende entsetzliche Zorn- u. Wunder-Ruthe Gottes oder 
Cometen Fackel. Stand desselben zwischen Krebs, grossem Bär und den Zwillingen: 
U. 2sp. Beschreibung u. Bussvers. Nürnberg, bei Leonh. Loschge. fol. 
(Drugul. 3069.) (Arch. 750.) 
Wahre eigentliche Abbildung / Eines entsetzlichen Wunder-Zeichens zu Esseck: 
So sich Sonntags / den 10/20. Julii / dieses 1687. Jahres / nach "einem vorher 
gegangen enerschroecklichen Gewitter / bey wieder ausgeheiterter Lufft / Abends / 
mit hereinrückender Nacht /am lichten Himmel / zu grausamen Entsetzen vieler 
Tausende / die es sahen / hat ereignet und zugetragen. Mit 14 Zeilen Text und 
8 Zeilen Vers. Nürnberg, / zu finden bey Leonhard Loschge. l (Arch. 760.) 


(3. März.) Abbildung dessjenigen Cometen welcher — über der Statt Neapoli 
sich sehen lassen. Rechts die Abbildung eines wunderbaren, von einer Henne zu 
Rom 1702 4. März gelegten Eies. Unten 10 Zeilen Schrift. fol. (Drugul. 3598.) 
(9. Sept.) Prospect ein Theil der Häusser am Schiessgraben (in Nürnberg). Nebst 
dem Comet. P. Küffner del. sc. et exc. qu. 4. (Drugul. 4876.) (Arch. 780.) 
— Vorstellung des Sonnen-Systems und der Bahn des Cometen, welcher 
— gegen die Erdbahn an unsern Gesichts-Kreis sichbar erschinen ist — abgemesse 
werden. J.C. Berndt exc. Colorirter Kupferstich. Die Cometenbahn als Klappbild. 
(Drugul. 4877.) (Arch. 790.) 
— Vtrumque Hemisphaerium Coeleste ad Annum 1769 ex observationibus 
Cl. Abb. de la Caille — in quibus Cometae — via de terminatur a Dr. Gg. F. 

Kordenbusch. Impensis Joseph. Ehrenr. Ammermülleri Bibliopolae. qu. fol. 
(Drugul. 4878.) (Arch. $00.) 

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Doppel-Beilage zur illustrierten Zeitschrift für Astronomie ur 


(Zu Dr. F.S. Archenhold, „Neues Verze 


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Der Halleysche Komet im Jahre 1301. 


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Der Halleysche Komet im Jahre 1456. 


ad verwandte Gebiete „DAS WELTALL“, Jahrg. 11, Heft 23. 


-:aichnis von alten Kometeneinblattdrucken.“) 


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Der Halleysche Komet im Jahre 1607. 


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— 353 — 


Der Sestirnte Himmel im Monat Oktober 1911. 
Von Dr. F.S. Archenhold. 
Die Sterne. l 


Unsere Sternkarte zeigt den Sternenhimmel so, 
abends 104, am 15. Oktober, abends 95, am 1. November, abends 8b, und so fort 
Es bietet sich Gelegenheit, das in unseren Breiten sehr schwer sichtbare 


wie er uns am 1. Oktober, 


erscheint. 


Der Sternenhimmel am 1, Oktober 1911, abends 10 Uhr. 
Fig. 1. 


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‘Dolhöhe 521/,0) 


Sternbild der südlichen Fische mit dem hellsten Stern Fomalhaut abends 105 im Süden 
gerade über dem Horizont zu sehen. Das Sternbild hat die Gestalt eines Fisches, und 
der hellste Stern Fomalhaut bedeutet „Maul des Fisches“. Dieser Stern ist den See- 
fahrern wohlbekannt, weil er an manchen Orten, wo er den Horizont nur eben streift, 
wie z. B. für die Gegend von St Petersburg, wenn er überhaupt sichtbar ist, den Süd- 


Lauf von Sonne, Mond und den Planeten 


S=Sonne M = Mond. Me = Merkur. V = Venus. Ma = Mars. 


punkt bezeichnet. Die beiden nächsthellsten Sterne in diesem Bilde ß und y sind beide 
Doppelsterne. Über den Fischen, auch im Meridian, steht der Wasserman, der sehr 
viele bemerkenswerte Objekte zeigt. Insbesondere ist der Doppelstern ¢ leicht zu 
trennen; der Hauptstern 3. sowohl wie der Begleiter 4. Größe sind beide von hellgelber 
Färbung. 


Der Lauf von Sonne und Mond. 


Die Sonne, auf der sich Ende August ein kleiner Fleck gezeigt hat, beschreibt im 
Monat Oktober schon einen merklich kürzeren Tagesbogen. Ihr Stand in der Ekliptik 
ist wiederum für den 1., 15. und 31. Oktober in unsre Karte 2b eingetragen. Die 
Zeiten für ihren Auf- und Untergang und die Größe der Mittagshöhe ersehen wir aus 
folgender Tabelle: 


Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshöhe 
Okt. 1. — 2° 50° 64 8m morgens 5b 44m nachm. 341/,0 

- 15. — 8° 11’ 64 33m - 5b 12m - 291/,° 

- 31. — 13° 50° qb 2m - 4h 38m - 231/,° 


Der Mond, dessen Lauf und Phasengestalten von zwei zu zwei Tagen fir die 
Mitternachtszeit wiederum in unsere Karten 2a und 2b eingetragen sind, hat seine Haupt- 
phasen an folgenden Tagen: 


Vollmond: Okt. 8. 55 morgens Neumond: Okt. 22. 5b morgens 
Letztes Viertel: - 15. ib - Erstes Viertel: - 30. 8b - 


Im Monat Oktober findet eine Sternbedeckung statt. 


| Eintritt |Win- | Austritt |Win- 


| Bemerk 
MEZ | kel | M. E.Z. | kel | oo 8 


‘Bürg. Ta | Name 
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| tergan 
= h 13m 7 gh 48m 9 uns 
Okt. 6. | di Aquarii | 4,7 23b HEN —90 34m 3 : 6° * | 2920 des Mondes 
| | morgens morgens 3h 30m morgens. 


Eine ringförmige Sonnenfinsternis findet am 22. Oktober statt; sie ist jedoch in 
Europa unsichtbar und kann nur in Asien, Australien und im westlichen Teil des Stillen 
Ozcans beobachtet werden. 


|ür den Monat Oktober 1911. 


Fig. 2a. Nachdruck verboten. 
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J = Jupiter. 


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Sa = Saturn. U= Uranus. N = Neptun. 


Die Planeten. 


Merkur (Feld 111/,5 bis 14!/,b) verschwindet um die Mitte des Monats vollständig 
in den Strahlen der Sonne. Sein Durchmesser nimmt von 6“,1 bis 4,7 ab, wohingegen 
der beleuchtete Teil der Scheibe von 0,74 auf 1,00 zunimmt. Er erreicht am 6. Ok- 
tober seine größte nördliche heliozentrische Breite, steht am 22. Oktober in Konjunktion 
mit dem Mond und am 23. Oktober in oberer Konjunktion mit der Sonne. Die Entfer- 
nung Merkurs von unserer Erde beträgt am 1. Oktober 166, am 31. Oktober 215 Mill. 
Kilometer. 3 | | 

Venus (Feld 10%/, bis 111/,5) wird als Morgenstern wieder sichtbar, und zwar an, 
fangs Oktober schon eine Stunde und am Ende bereits 21. Stunden, und erreicht am 
22. Oktober wieder ihren größten Glanz. Ihr Durchmesser nimmt von 53,4 bis 34,1 ab, 
wohingegen der beleuchtete Teil ihrer Scheibe von 0,09 auf 0,34 zunimmt. Zu Anfang 
des Monats ist sie 46 und am Ende 72 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Am 
19. Oktober wird der gelbliche Mond mit der darunter stehenden bläulichen Venus und 
dem rötlichen Regulus eine interessante Konstellation geben. Unmittelbar über dieser 
farbenprächtigen Konstellation wird der neue Komet Brooks stehen, dessen Schweif an- 
nähernd parallel mit der Verbindungslinie Venus-Regulus verlaufen wird. 

Mars (Feld 4!/,®) ist während der ganzen Nacht, am Schluß des Monats 12 Stunden 
lang, sichtbar. Da er in seinem scheinbaren Lauf in einem kleinen Bogen umdreht, 
ist er während des ganzen Monats fast an derselben Stelle des Himmels oberhalb 
Aldebarans aufzufinden und bildet mit den Plejaden und Aldebaran eine interessante 
Konstellation. Seine Entfernung von der Erde nimmt von 99 auf 80 Millionen Kilometer 
ab, und dementsprechend nimmt der Durchmesser des Marsbildes von 14”,1 auf 17”,5 
zu. Er nähert sich in seinem Laufe in den nächsten Monaten wieder dem Saturn. Mit 
unserem großen Fernrohr ließ sich in den letzten Monaten das Kleinerwerden der süd- 
lichen Eiskalotte, die der Erde zugewendet ist, deutlich verfolgen. 

Jupiter (Feld 143/,5 bis 151/,5) tritt am 18 Oktober in Konjunktion mit der Sonne 
und bleibt deshalb unsichtbar. Seine Entfernung nimmt von 919 auf 948 Millionen Kilo- 
meter zu, sodaß sein Durchmesser von 31,7 auf 31,1 abnimmt. 

Saturn (Feld 3!/,®) ist während des ganzen Monats im Sternbilde des Stiers sehr 
günstig zu beobachten. Man sieht auf das weitgeöffnete, interessante Ringsystem von 
unten, sodaß man den Schatten der Saturnskugel im umdrehenden Fernrohr auch 


' — 356 — 


deutlich unten wahrnehmen kann. Sein Durchmesser nimmt von 18,3 auf 184 zu, 
und entsprechend nimmt seine Entfernung von der Erde von 1255 auf 1222 Millionen 
Kilometer ab. 

Uranus (Feld 19°/,b) ist nur gleich nach Sonnenuntergang einige Stunden lang 
im Sternbilde des Schützen zu beobachten. Sein Durchmesser beträgt nur är D und 
seine Entfernung von der Erde beträgt fast 3000 Millionen Kilometer. 

Neptun (Feld "hiet in den Zwillingen nur einige Stunden vor Sonnenaufgang 
am Osihimmel in großen Fernrohren zu beobachten. Sein Durchmessers beträgt nur 
2“,5, da seine Entfernung von der Erde 4500 Millionen Kilometer ausmacht. 

Bemerkenswerte Konstellationen: 

Okt. 10. 7 abends Saturn in Konjunktion mit dem Monde. 

- 12. 7b morgens Mars in Konjunktion mit dem Monde. 

- 18. 8b abends Venus in Konjunktion mit dem Monde. 

- 22. 35 morgens Merkur in Konjunktion mit dem Monde. 

- 22. Ringförmige Sonnenfinsternis, in Europa unsichtbar. 

- 22. 10Ľł morgens Venus im größten Glanze. 

- .23. Mitternacht Jupiter in Konjunktion mit dem Monde. 


Eine bemerkenswerte Feuerkugel wurde von mir am 20. Septemher 1911, abends 8 Uhr 
1 Minute 3 Sekunden, auf der Plattform der Treptow-Sternwarte gesehen. Da ich gerade den Kometen 
Brooks 1911c beobachtete, konnte ich die volle Erscheinung genau auffassen. Das Aufleuchten ge- 
schah in der Nähe von e Herkules und das Verschwinden unterhalb des Sternes OZ Serpentis; die 
Länge der Bahn beträgt hiernach über 30 Grad. Eine genaue Beschreibung der doppelten Schweif- 
erscheinung etc. behalte ich mir für später vor und möchte heute nur an alle Leser des Weltalls, 
welche diese Feuerkugel beobachtet haben, die Bitte richten, genaue Angaben über dieselbe um- 
gehend an die Treptow-Sternwarte gelangen zu lassen und hierbei möglichst folgende 12 Punkte 
zu beantworten: 1. Name. Stand, Ort und Straße und ob die Beobachtung die erste ist. 2. Datum 
der Beobachtung: Monat, Tag, Uhr, Minuten. Sekunden 3. Genauer Standpunkt bei der Beobachtung. 
4. Ort der Erscheinung am Himmel, ihr Anfangs- und Endpunkt, entweder Angabe nach Sternen, 
jedoch nur, wenn solche sicher bekannt sind, oder nach Himmelsrichtungen, oder nach großen Ge- 
bäuden. 5. Richtung der Bahn, ob von oben nach unten oder dergl. 6. Art der Bewegung, schnell 
oder langsam. 7. Scheinbare Länge der Bahn: in Graden, oder nach Vollmondsbreiten, oder nach 
bekannten Sternen. 8. Form und Größe des Kopfes. 9 Seine Farbe und Helligkeit. 10. Farbe und 
Helligkeit des Schweifes. 11. Zeitdauer der Sichtbarkeit des Schweifes. 12. Sonstige Wahrnehmungen, 
Geräusche, Zerplatzen ete. Je mehr Beobachtungen cinlaufen, um so genauer kann die Bahnbe- 


stimmung ausgeführt werden. F. S. Archenhold. 
* x 


x 

Die 83. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte tagt vom 24. bis 30. Sep- 
tember 1911 in Karlsruhe. In der Sektion „Astronomie und Geodäsie“ interessicren uns fol- 
gende Vorträge: Prof. L. Ambronn (Göttingen): „Über die Einrichtung eines neuen photographischen 
Durchgangsinstrumentes für die Bestimmung fundamentaler Rektaszensionen*; Dr. F. S. Archen- 
hold (Treptow): „Über ein neues Verfahren astronomischer Daueraufnahmen ohne Leitfernrohr“ 
und „Vorführung von Sonnenflecken und Mondfinsternisphotographien“; E. Stephani (Cassel): 
„Über den Einfluß der Erde auf den Entstehungsort der Sonnenflecken* und „Ein Vorschlag zur 
kinematographischen Aufnahme der Granulation der Photosphäre“, 

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* 

Die Deutsche Meteorologische Gesellschaft hält die 12. allgemeine Versammlung in München 
vom 2. bis 4. Oktober 1911 unter dem Ehrenvorsitz Ihrer K. H. der Prinzessin Therese von Bayern, 
Ehrenmitglied der Kgl. Bayer. Akademie der Wissenschaften, ab. Unter den angekündigten Vorträgen 
interessieren uns insbesuonders „Die wissenschaftlichen Observatorien auf Teneriffa und Spitzbergen“ 
von Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Hergesell (Strabburg i. Els.) und „Über die Notwendigkeit der 
Gründung eines Instituts für theoretische Meteorologie“ von Geh. Hofrat Prof. Möller (Braunschweig). 


— 357 — 


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Franz Rusch, Himmelsbeobachtungen mit bloBem Auge. Teubner 1911. 8. 
223 Seiten mit 30 Fig. im Text und einer Sternkarte. Preis geb. in Leinwand 3,50 Mk. (Aus 
Dr. Schmids „Naturwissenschaftliche Schülerbibliothek“). 

Ruschs Buch erstrebt, wie die früheren Bände der N. S., die Schüler in die Astronomie 
durch planmäßige Beobachtungen mit bloßem Auge der alltäglichen Himmelserscheinungen einzu- 
führen. Es werden behandelt: Die Atmosphäre (Scintillation, Refraktion, Absorption, Dämmerungs- 
und Nordlichterscheinungen), die Zeit (Sonnen- und Sternzeit, Zeitbestimmung durch Schattenlänge, 
Sonnenuhren), die Kalender, Bestimmung der Lage des Beobachtungsortes, der Sternhimmel (Stern- 
verzeichnisse, Helligkeit der Fixsterne, veränderliche, farbige und doppelte Sterne, Nebelflecke), die 
Sonne (Lauf und Größe der Sonne, Finsternisse), der Mond (Phasen, Erdlicht, Rotation, Finsternisse), 
die Planeten (Lauf am Himmel, Helligkeit, Aussehen [im Fernrohr!]), Kometen und Meteore, Photo- 
graphie des Sternenhimmels. Das Prinzip, auf das das Buch von R. beruht, dürfte sehr gut sein: 
die Beobachtungen sollen immer so genau sein wie möglich, weil sie dann nicht nur Anregung 
zum Nachdenken, sondern auch Erziehung zum richtigen Sehen geben werden. 

Auch für manche Amateure dürfte Ris Buch sehr nützlich sein, da diese freiwilligen Mit- 
arbeiter wohl sich in den meisten Fällen zu derjenigen methodischen Durcharbeitung des Lehr- 
stoffes entschlossen haben, die Ris Buch erstrebt. Das Buch enthält u. a. Anleitungen zur Aus- 
führung zahlreicher Beobachtungen (Nordlicht, Nachtwolken, Helligkeitsveränderungen der Fix- 
sterne u, a.), die zur Förderung der Wissenschaft dienen können, obgleich sie keine Instrumente 
erfordern. Auch enthält Ris Buch mehrere für den Laien nützliche Tafeln wie Mittlere Refraktion, 
Extinktion der Sterne, Sonnenorte, Verwandlung von Sternzeit in mittlere Zeit, Verzeichnis von mit 
bloßem Auge sichtbaren veränderlichen Sternen, Position, Helligkeit und Farbe der Sterne bis 3. bis 
4. Gr., Sternschnuppenradianten, und (etwas im Widerspruche mit dem Titel!) eine gute Übersicht 
über die Resultate der neueren teleskopischen Beobachtungen. 

* * 
x ` ` 

Dr. Emil Carthaus: Die klimatischen Verhältnisse der geologischen Vorzeit vom 
Praecambrium an bis zur Jetztzeit und ihr Einfluß auf die Entwicklung der Haupttypen 
des Tier- und Pflanzenreiches. Mit 4 Figuren. Berlin 1910. Verlag von R. Friedländer & Sohn. 

Der Verfasser geht bei seinen wissenschaftlichen Ausführungen von denselben Anschauungen 
aus, wie sie Günther in seinem bekannten Lehrbuche der Geophysik dargelegt hat. Auf Grund 
physikalischer und meteorologischer Gesetze sucht jener nun in seinem Geiste die Klimaveränderungen 
während der verschiedenen Erdperioden zu rekonstruieren und nimmt sodann die wissenschaftlichen 
Befunde der Tier- und Pflanzenphysiologie zu Hilfe, um sich in den während der verschiedenen 
geologischen Zeiträume bestehenden Faunen und Floren, sowie deren Veränderungen Indikatoren für 
das jeweilige Klima mit dessen Veränderungen zu schaffen. Bei der Annahme einer stetig fort- 
- schreitenden Erkaltung der festen Erdrinde, der Atmosphäre und vor allem des Weltmeeres legt der 
Verfasser mit Recht ein Hauptgewicht auf den Einfluß des letzteren als riesenhaften Wärmeregulator 
zwischen Pol und Äquator. Das Gesamtvolumen des Weltmeeres ist 13mal so groß als das der 
ganzen Festlandsmasse, soweit sie über den Meeresspiegel hervorragt, und dazu hat das Seewasser 
eine spezifische Wärme, welche mehr als 5mal die der die feste Erdkruste bildenden Gesteine über- 
trifft (während diese nur ein spezifisches Gewicht von 2!/, bis 3 besitzt. Da sich nun außerdem 
im Ozean die erkalteten Wassermassen in die Tiefe verschieben, während die feste Erdrinde haupt- 
sächlich nur aus ihrer Oberflächenzone Wärme an die Atmosphäre abgibt, so hätte man den Einfluß 
des Weltmeeres auf die Ausbildung und Umgestaltung des Klimas während. der ganzen geologischen 
Vorzeit viel mehr in Betracht ziehen sollen, als dieses bisher geschehen ist. In dem vor- 
liegenden Buche ist dieses nun zahlenmäßig weiter durchgeführt. Aus den, weiteren wissen- 
schaftlichen Ausführungen ergibt sich nun im Verlaufe der verschiedenen Erdperioden eine stetige 
Zunahme der Bewegung bezw. der Strömungen in der Atmosphäre und Hydrosphäre der Erde, sowie 
eine immer größer werdende Wärmedifferenz zwischen Pol und Äquator. Hierdurch wurde auch 
eine Zunahme der atmosphärischen Niederschläge, die während der Primärzeit und der ersten Hälfte 
der Sekundärzeit noch verhältnismäßig spärliche waren, bedingt. Erst mit dem Lückenhaft- 
werden des unseren Planeten bis dahin umgebenden, geschlossenen Wolkenmantels und dem Hervor- 
treten der Jahreszeiten in den höheren Breiten nahm die Regenmenge während der zweiten Hälfte 


— 358 — 


der Sekundärzeit allmählich zu, um aber erst mit dem völligen Zerreißen jenes schützenden Mantels 
in der Tertiärzeit mit viel größerer Schnelligkeit zu ihrem Maximum in der Diluvialzeit heran- 
zuwachsen. Nach den Ausfiihrungen des Verfassers drangen die ersten direkten Sonnenstrahlen 
nicht früher als in der späteren Sekundärzeit zur Erde und da noch viel seltener als heute; voll 
und kräftig traten sie überhaupt erst während der Tertiärzeit hervor, wo auch die Luft- und Mecres- 
strömungen an Energie und Umfang ganz außerordentlich zunahmen. 

Mit Hilfe der Physiologie der Pflanzen und Tiere sucht der Verfasser zugleich auch zu zeigen, 
weshalb bei den von ihm für die verschiedenen Erdperioden herauskonstruicrten klimatischen Ver- 
hältnissen, bzw. deren Veränderungen während der betreffenden Zeiträume gerade die Tier- und Pflanzen- 
typen entstanden, die wir da in der Tat auf der Weltbühne erscheinen sehen: so die Säugetiere in der Trias- 
periode, die Vögel in der Jura- und die Angiospermen in der Jura- oder der Kreideperiode. Ebenso glaubt 
der Verfasser zeigen zu können, weshalb sich mit dem Beginne der Tertiärzeit namentlich in den 
höheren Breiten sozusagen plötzlich jene überraschenden Veränderungen in der Flora und Fauna 
vollzogen, die verhältnismäßig schnell zu den heutigen Pflanzen- und Tierformen hinübergeführt 
haben. Für die älteren Floren bis zum Aufkommen der Angiospermen, namentlich auch für die 
Pflanzen der Steinkohlenperiode, wird in dem vorliegenden Buche das Meerwasser der Lagunen und 
seichten Mecresbuchten als Vegetationsgebiet angenommen, wie auch heute noch die weit aus- 
gedehnten, hunderte von geographischen Quadratmeilen bedeckenden Mangrove- oder Rhizophoren- 
Wälder auf der seichten Ostküste von Sumatra im Salzwasser vegetieren. 

Ein langjähriger Aufenthalt in den Tropen, verbunden mit zahlreichen Reisen, besonders 
durch das Inselreich eines werdenden Kontinentes, des malaiischen Archipels, bat den Verfasser 
zu geologischen Anschauungen geführt, die in mancher Beziehung von den bisher geltenden ab- 
weichen und anfangs teilweise überraschend erscheinen, die aber alle wissenschaftlich begründet 
werden. Das Buch ist nicht in Deutschland, sondern in jener fernen Inselwelt entstanden, wie auch 
in der Vorrede ausdrücklich hervorgehoben ist, mit deren Erdbeben, Kratern und seltsamen, optischen 
Phänomenen der Verfasser, die Leser des „Weltalls“ in seinen interessanten Schilderungen (Jg. 10, 
S. 93, 109 und 245) bereits bekannt gemacht hat, so daß dieses neueste Carthaussche Werk keiner 
besonderen Empfchlung bedarf. 


% % 
* 


Die neue Welt der flussigen Krystalle und ihre Bedeutung fiir Physik, Chemie, Technik 
und Biologie. Von 0. Lehmann, Professor der Physik an der Technischen Hochschule zu 
Karlsruhe. VIII u. 388 Seiten mit 246 Abbildungen im Text. Akademische Verlagsgesellschaft m. b. H. 
in Leipzig. 1911. Preis geh. 12,— M., geb. 13,— M. 

In dem vorliegenden Buche hat sich Lehmann der dankenswerten Aufgabe unterzogen, seine 
Anschauungen über die flüssigen Krystalle zusammenfassend darzustellen. Über den reichen Inhalt 
des Werkes gibt das im folgenden abgedruckte Inhaltsverzeichnis Auskunft. 

Einleitung. — Was ist ein Krystall? — Wie erklärt sich die Anisotropie? — Die molekulare 
Richtkraft. — Die optische Anisotropie. — Wie verhält sich ein Krystall bei Biegung? — Entsteht 
durch Kneten cine amorphe Masse? — Biegung durch Translation längs Gleitllächen. — Ist Umklappen 
des Raumgitters (Polymorphie) möglich? — Krystalle und Lebewesen. — Das Krystallisationsmikroskop. 
— Krystalliten und Mischkrystalle. — Die Entdeckung der Umwandlungstemperatur. — Doppelte 
Sättigung und Aufzehrungserscheinungen. — Die drei Aggreyatzustände eines Körpers. — Was sind 
amorphe Körper? — Isomorphe und anomale Mischkrystalle. — Amorphe Stoffe sind keine Phasen. — 
Es gibt wirklich plastische Krystalle. — Gibt es auch flüssige Krystalle? — Gestaltungskraft und 
zusammenfließende Krystalle. — Spontane und erzwungene Homöotropie. — Erzwungene und 
spontane Pseudoisotropie. — Flüssige Schicht- und Mischkrystalle. — Krystalltrapfen ohne Ge- 
staltungskraft. — Physikalisch-homogene krystallinische Flüssigkeiten. — Künstliche Drehung der 
Polarisationsebene. — Knickung und Zwillingsbildung. — Hetervtropie flüssiger Krystalle. — 
Lamellierte und ellipsoidale Mischkrystalltropfen. — Optische Eigenheiten dicker flüssiger Krystalle. 
— Stoffe mit mehreren flüssigen Zuständen. — Chemisches Mikroskop für thermische Analyse. — 
Wie entstehen Myelinformen? — Scheinbar lebende Krystalle. — Wachstum von Lebewesen. — 
Latentes Leben und Secle. — Atomseelen. — Muskelkraft. — Die Selbstreinigung flüssiger Krystalle. 
— Flüssige Krystalle und Magnetismus. — Konische und zylindrische Strukturen. 

Das Buch ist nach Form und Inhalt ein spezifisch Lehmannsches Werk. Sein Zweck ist der, 
zu zeigen, zu welcher Auffassung Lehmann im Laufe seiner jahrzehntelangen Beobachtungen über 
die Natur der Krystalle gelangt ist. Das Buch gibt daher in der Hauptsache nur eine Übersicht 
über die Ergebnisse der Lehmannschen Arbeiten und berücksichtigt die Untersuchungen anderer 
Forscher nur in so weit, als sie mit Lehmanns Untersuchungen in Zusammenhang stehen. Daher 


— 359 — 


ist denn auch entsprechend der wesentlich qualitativen Arbeitsweise Lehmanns, die in unserer Zeit 
des wesentlich quantitativen Arbeitens in ihrer Bedeutung vielfach unterschätzt wird, die Darstellung 
der Erscheinungen fast ausschließlich qualitativ. Dieses Überwiegen des qualitativen Moments ist aus 
einem doppelten Grunde zu bedauern, erstens aus einem sachlichen Grunde, weil nämlich die 
quantitative Untersuchung einer Erscheinung eine wesentliche und unentbehrliche Ergänzung der 
qualitativen Beobachtung bildet und zweitens aus einem mehr persönlichen Grunde, dem Grunde 
nämlich, daß Lehmanns Wirken bei einer etwas mehr quantitativen Arbeitsweise die verdiente 
Anerkennung viel eher und in viel höherem Maße gefunden hätte. 

Jedenfalls seien dem neuen Buche, dessen Verfasser zweifellos einer der besten Kenner der 
Krystallwelt ist, recht viele aufmerksame Leser gewünscht. Der an schönen Einzelbeobachtungen 
und an Anregungen reiche Inhalt bringt dem Leser reichen Gewinn. 

Werner Mecklenburg, Clausthal i. H. 
* % 
$ 

L’aplanetisme des surfaces et des lentilles elliptiques et hyperboliques par J. P. Konderef, 
Édition Atar Genève. 

Eine der Hauptschwierigkeiten, die der Vervollkommnung derLinsen in. hohem Maße entgegen- 
standen, bilden die durch die sphärische Aberration bedingten Bildfehler. Schon Deskartes hatte die 
Frage untersucht, ob es möglich wäre, Linsenflächen zu schaffen, die bei beliebig weiter Öffnung 
des abbildenden Büschels einen Objektpunkt wieder in einen Bildpunkt abbilden und hatte gefunden, 
daß diese Flächen im allgemeinen sebr komplizierte Kurvęn sind, die sich nur schwer praktisch 
herstellen lassen. Linsen, die von diesen cartesischen Flächen begrenzt wären, würden dana frei 
von Fehlern der sphärischen Aberration sein. Herr Konderef zeigt nun in der vorliegenden 
Broschüre, daß auch Ellipsoide und Hyperbeloide geeignet sind, eine aberrationsfreie Abbildung eines 
Punktes zu liefern, wenn nämlich der Brechungsexponent des betreffenden Glases gleich der reziproken 
Exzentrizität, dem Verhältnis von großer Achse zum Brennpunktsabstand ist. Der Verfasser macht dann 
verschiedene Vorschläge, wie man dieseEigenschaften zur Konstruktion von elliptisch und hyperbolitisch 
begrenzten Linsen verwenden könnte. Wenn auch dieses Ergebnis an sich ganz interessant ist, so 
dürfte ihm jedoch kaum eine größere praktische Bedeutung zukommen. Denn erstens gilt der 
Brechungsexponent eines Glases nur für eine ganz bestimmte Wellenlänge; diese Linsen könnten 
also nur für homogenes Licht der Farbe benutzt werden, für die ihr Brechungsexponent gilt; weisses 
Licht würde erhebliche chromatische Aberrationen hervorrufen; es wäre ja natürlich möglich, die 
Farbenfehler durch Kombination mehrerer Linsen von verschiedenen Brechungsexponenten herab- 
zudrücken, wie es ja bei fast allen Objektiven üblich ist, aber dadurch dürften die technischen 
Schwierigkeiten erheblich wachsen. Aber selbst wenn es gelänge, die Systeme in dieser Weise gut 
zu achromatisieren, so würden sie doch auch so eine außerordentlich beschränkte Verwendbarkeit 
haben. Denn diese Linsen sind durchaus nicht im Abbeschen Sinne aplanatisch, sie bilden wohl 
Achsen-Punkte, nicht aber zur Achse senkrechte Flächenelemente durch beliebig weite Strahlen- 
büschel aberrationsfrei ab. Sollte auch diese Forderung erfüllt sein, so müßten die Linsen der Sinus- 
bedingung entsprechen. Die Sinusbedingung ist aber offenbar an diesen Linsenflächen nicht erfüllt, 
da nach dem Sinussatz die Schnittpunkte der einfallenden und gebrochenen Strahlen auf dem 
apollonischen Kreise liegen müssen, der zu den beiden konjugierten Punkten gehört, für die die Sinus- 
bedingung erfüllt sein soll. Deshalb würde die durch Linsen dieser Art bewirkte Abbildung durchaus 
nicht besser sein als die von den gewöhnlichen nur sphärisch korrigierten Linsen, ihre Herstellung 
aber wäre wesentlich schwieriger, so daß mit dem praktischen Ergebnis dieser Arbeit nicht viel 


gewonnen ist. 
x * 


x 

Die Theorie der modernen optischen Instrumente von Dr. Alexander Gleichen, 
Regierungsrat. Stuttgart, Verlag von Ferdinand Enke 1911. 

In sehr dankenswerter Weise liefert das vorliegende Werk eine eingehende Übersicht über 
die Konstruktion und Eigenschaften der modernen optischen Hilfsmittel und trägt dadurch einem 
dringenden Verlangen der Fachleute Rechnung. Doch nicht nur dem Fachmann bietet das Buch 
ein sehr wertvolles Hilfsmittel, sondern ist auch durchaus geeignet, jeden, der sich über die Fortschritte 
der praktischen Optik in den letzten Jahrzehnten zu orientieren wünscht, mit der Materie vertraut 
zu machen. Dazu trägt sowohl die elementar gehaltene Übersicht über die Grundlagen der 
- geometrischen und physischen Optik wie auch besonders eine große Zahl durchgerechneter praktischer 
. Aufgaben wesentlich bei. 

Im ersten Kapitel werden die Grundgesetze der Reflexion, Brechung und Zerstreuung des 
Lichts behandelt. Das zweite beschäftigt sich eingehend mit dem Zustandekommen der Abbildung 
durch Kugelflächen und die hier geltenden Beziehungen Das dritte Kapitel erläutert in anschaulicher 


— 360 — 


Weise den fiir die praktische Optik so wichtigen Begriff der Dioptrie, seine Erweiterung durch 
Gullstrand und seine praktische Anwendung. Im vierten gelangt die Strahlenbegrenzung und deren 
Einfluß auf die Abbildung zur Darstellung. Während die bisherigen Ausführungen wesentlich auf 
den Grundlagen der geometrischen Optik beruhten, also die Abbildung durch unendlich schmale, 
in der Nähe der optischen Achse verlaufende Strahlen zustande kommen sollte, werden im fünften 
Kapitel die Bildfehler besprochen, die bei der Abbildung durch weite Büschel oder sehr schief zur 
Achse auffallende Strahlen hervorgerufen werden, die sphärische Abberation und der Astigmatismus 
Die Sinusbedingung wird an dieser Stelle ebenfalls sehr anschaulich abgeleitet. Im speziellen Teil 
wird zunächst das menschliche Auge, seine Abbildungsfehler und deren Beseitigung durch Brillen- 
gläser an der Hand von zahlreichen Beispielen erläutert, dann die kombinierte Wirkung der einzelnen 
optischen Instrumente und der Augen dargestellt, zunächst die Lupen, dann die astronomischen und 
terrestrischen Fernrohre — hier wird das Prinzip der hauptsächlichsten Okularkonstruktionen klar- 
gelegt — und dann werden die verschiedenen Ausführungsformen der Prismenfernrohre und ihre Vorzüge 
vor den gewöhnlichen terrestrischen Fernrohren eingehend geschildert. Ein größerer Raum ist natur- 
gemäß den Zielfernrohren gewidmet, deren Güte ja mit den Leistungen der modernen Feuerwaffen 
Hand in Hand geht. Das Goerzsche Panorama-Fernrohr wird in seinen Konstruktionsdetails erläutert, 
ebenso dieGeschützaufsätze derFirma Zeiß. Eine eingehende Würdigung findet dann das stereoskopische 
Sehen, das erst in der letzten Zeit eine so hohe Bedeutung in der Entfernungsmeßtechnik, sowohl für 
geodätische wie auch astronomische Zwecke gefunden hat. Beim Mikroskopbau wird nicht nur 
eine eingehende Schilderung der optischen Wirkungsweise gegeben, sondern es sind hier auch 
alle bemerkenswerten Neukonstruktionen und Verbesserungen bis ins einzelne klargelegt, die 
Bedeutung der Kondensoren für die Mikroskopie wird eingehend besprochen. Entsprechend der 
besonderen Rolle, die die photographischen Objektive als optische Instrumente spielen und auch ihrer 
hohen Vervollkommnung in den letzten zwanzig Jahren, sind die für ihre Konstruktion maßgebenden 
Gesetze klar hervorgehoben und eine Übersicht über die gebräuchlichsten Typen angegeben. In der 
Ophtalmologischen Optik sind die an Brillengläsern und Augenspiegeln erzielten Verbesserungen der 
letzten Jahrzehnte dargestellt. Zum Schluß legt der Verfasser eingehend die Bedeutung des 
Aplanatismus für die optischen Systeme dar und weist auf die hervorragende Wichtigkeit hin, die 
die aplanatischen Systeme in der Zukunft der optischen Technik spielen werden. 

Das Werk kann bei seiner übersichtlichen und klaren Darstellungsweise, die durch zahlreiche 
‘ Abbildungen noch erhöht wird, zum Studium der modernen optischen Instrumente dringend 
empfohlen werden. i ý a er , 


Jahrbuch der Motorluftschiff-Studiengesellschaft. Vierter Band 1910—1911. Mit 
72 Textfiguren. Verlag von Julius Springer in Berlin. Gebunden Preis M. 6,—. 

Im neuen Jahrbuch der M. St. G. kommt das bereits in der vorigen Ausgabe bewiesene 
Bestreben, durch Erweiterung des wissenschaftlichen Teiles das Jahrbuch mehr und mehr zu einem 
auch für Fachleute wertvollen Werke A een sowohl in der Form als auch im Inhalt erneut 
und verstärkt zum Ausdruck. 

' Geheimrat Aßmann bespricht in seiner interessanten Abhandlung über den Warnungsdienst 
für Luftfahrer die Ursachen der zahlreichen und schweren Unglücksfälle im Jahre 1910 und’ die 
Maßnahmen, welche zur Organisation eines Warnungsdienstes für Luftfahrer zu ergreifen sind. 

Der Bericht von Professor Prandtl über die Tätigkeit der Göttinger Versuchsanstalt und die 
wissenschaftliche Abhandlung von Dr. Föppl, Aachen, über „Windkräfte an ebenen und ge- 
wölbten Platten“ umfassen die Ergebnisse der eingehenden Untersuchungen, welche im letzten 
Jahre in der Göttinger Versuchsanstalt angestellt wurden. Sie dürften im Verein mit den Jahrbüchern 
der Vorjahre für jeden Fachmann auf diesem Spezialgebiet eine unentbehrliche Quelle des Studiums sein. 

In seiner Abhandlung über Luftschiffmotoren berichtet Direktor P. Daimler, Cannstatt, 
über die neuesten Erfahrungen, welche im verflossenen Jahr auf diesem Gebiete gemacht wurden. — 
Die Weiterentwicklung der astronomischen Navigation im Luftschiff hat einen guten Schrift 
vorwärts getan durch Einführung des eingehend besprochenen Instruments Orion, dessen Patente 
im Besitz der M. St. G. sind. 

In anregender und volkstümlicher Weise schildern die folgenden mit zahlreichen Illustrationen 
versehenen Abhandlungen die letztjährigen Fahrten des P. L. 5 und 6, während der letzte Artikel eine 
kurze Übersicht über den augenblicklichen Stand der Luftschiff- und Flugzeugindustrie in den ver- 
schiedenen europäischen Staaten bringt. Wir können das reichhaltige, geschickt zusammengestellte 
und mit großer Sorgfalt ausgestattete Jahrbuch allen Iuteressenten warm empfehlen. 


Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.8. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


DAS WELTALI 


Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebi 


Herausgegeben von 
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 


11. Jahrgang, Heft 24. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Zweites Septemberheft). 
Berlin-Treptow. 


Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko 

durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Trepiow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlunger und Postanstalien (Post- 

Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einzelne Nummer 60 Pie. — Anseigen-Gebithren: 1 Sesle 80.— Mk., ( Seite 45.— 
1/, Seite 25.—, lja Seite 15.—, Li Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewicht. 


INHALT 

1. Die drei neuen Komelen Brooks 1911c, Quenisset 1911 f 3. Elektronenemission bei chemischen Reaklionen. Aus- 
und Beliawsky I9llg. Von Dr. F. S. Archenhold . 361 | zug aus einem Vortrag von Prof. F. Haber-Karlsriuhe, 

2. Zerfullsprozesse in der Natur. Auszug aus einem gehallen auf der Naturforscherversammlung in Karls- 
Vortrag von Geh. Rat Prof. Dr. Engler-Karlsruhe, ruhe 191 2. sur ee ass 368 
gehallen auf der Nalurforscherversammlung in Karls- (Diesen Heft liegt das 12 Seiten starke Inhallsverzeichnis 
Fuhe EE ae 2 GK Be a ee Se a a 363 des 11. Jahrganges bei.) 


Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet. 


Die drei neuen Kometen 
em 1911c, Quénisset 19 fF und Reliaëske 10118. 


Von Dr. F. S. Archenhold. 
1. Brooks 1911 c. 

Der Komet Brooks 1911c ist noch heller geworden und jetzt bereits 2,5. 
Größe. Auf einer Photographie, die ich am 3. Oktober mit cinem 6-Zöller von 
Busch, der an unser großes Fernrohr anmontiert wurde, bei einer Expositions- 
dauer von nur 10” hergestellt habe, ließ sich der Schweif auf der Original- 
platte, obgleich der Himmel etwas diesig war, fast 5° weit verfolgen. Im großen 
Fernrohr selbst zeigte der Kern interessante Ausstrahlungen, die unter einem 
Winkel von 70° gegeneinander verliefen und fast bis zum Ende des Kopfes zu 
verfolgen waren. An vielen Orten ist dieser Komet jetzt mit bloßem Auge und 
einer Schweiferscheinung gesehen worden. So schreibt uns Freiherr E. von 
Hake aus Hasperde bei Hameln: „Ich möchte Ihnen mitteilen, daß ich gestern 
den 28. September, abends um 8°30" zum ersten Male den Schweif des Kometen 
1911c wahrgenommen habe. Am 27. konnte ich trotz eifrigen Beobachtens den 
Schweif noch nicht wahrnehmen. Er hatte die Lange von 6!/,°, seine Breite war 
nur gering, sie betrug ungefähr 1!/,—2!/,°. Seine Lichtstärke war so stark, 
daß man ihn nach schärferem Hinsehen mit freiem Auge sehen konnte Um 
Oh 15m konnte der Schweif nicht mehr gesehen werden.“ Weiter teilt Herr 
Dr. Korn z. Zt. Filehne (Provinz Posen) mit: „Hier ist der Schweif am 15. September 
schon mit dem Feldstecher, am 17. sogar mit dem bloßen Auge gesehen worden; 
am 27. September zeigte der Schweif hier im 3-Zöller 12° Länge, bei Luft 3, mit 
bloBem Auge 4°. Durchmesser des Kopfes am 27. war 20‘, des Schweifes an 
der Koma 12‘, gegen das Ende ungefähr 25° groß.“ Die Helligkeit des Kometen 
scheint Schwankungen unterworfen zu sein, sodaß weitere ständige Licht- 
schätzungen erwünscht sind. 

2. Quénisset 1911f. 


Ein neuer heller Komet Quénisset 1911f ist am 23. September 1911 
auf der Sternwarte Juvisy bei Paris im kleinen Bären entdeckt worden. 


V 


Lauf des Kometen Quenisset 1911f 

vom 7. Oktober bis zum 23. Oktober. 
(Auf der Karte ist auch der Lauf der 
Feuerkugel vom 20. September 1911 
aufgezeichnet, vgl. Weltall Jg. 11, S. 356.) 


1911 


Okt. 8 
9 
10 
11 
12 
13 
14 
15 
16 
17 
1s 
19 
20 


15" 27™ 59° 


29 


39 


15" 39™ 50° 


Rektascension 


30 
11 


— 362 — 


Er bewegt sich fast um 2° Dekl. taglich nach 
Süden zu, sodaß er in unseren Breiten nicht 
lange zu sehen sein wird. Wir geben seinen 
Lauf auf beifolgender Karte wieder. 

Hiernach steht er jetzt schon im Sternbild 
des Herkules und rückt bereits am 11. Ok- 
tober in das Sternbild der nördlichen Krone. 
An diesem Tage steht er hier beim Stern u, am 
13. beim Stern ¢ und am 20. beim Stern y; am 24. 
rückt er schon in das Sternbild der Schlange. 

In dieselbe Karte habe ich die am 
20. September 1911 von mir beobachtete Feuer- 
kugel (Vgl. „Weltall“ Jg. 11 S. 356) eingetragen, 
und zwar ist der erste Schweif dieser Feuer- 
kugel zwischen a und b und der zweite 
Schweif zwischen c und d sichtbar gewesen. 

DerkometQuénisset 1911f gehört zu der 
Schar der nichtperiodischen, die nur einmal in 
die Nähe der Sonne kommen, um dann für 
immer zu verschwinden. Diese Sonnennähe 
erreicht er nach einer Bahnberechnung von 
Ebell (A.N. 4527) am 12. November. Da cr 
sich jedoch immer weiter von der Erde ent- 
fernt, so wird seine Helligkeit höchstens die 
eines Sternes 6. Größe erreichen. Für unsere 
Leser, die ein Fernrohr mit Kreisen besitzen, 
geben wir die Rektaszension und Deklination 
in folgender Tabelle wieder. 

Entfernung in Millionen 


Deklination Kilometern von der 
Sonne Erde è 
+ 45° 48 153 150 
43 19,6 
41 36,9 150 164 
39 66,8 
38 19,3 146 158 
36 44,4 
35 11,9 143 163 
33 41,9 
32 14,4 140 168 
30 49,2 
29 26,4 138 173 
28 5,8 
+ 26° 47,5 137 178 


Er zeigt bereits ebenso wie der Brooksche komet einen längeren Schweif, 
aber sein Kern ist bedeutend kleiner. Am 20. Oktober wird seine Entfernung 
von der Erde bereits 178 Millionen km betragen. 


3. Beliawsky 1911 g. 


Weiter haben wir noch die Entdeckung eines sehr hellen neuen Kometen 
Beliawsky 1911 g zu melden. Derselbe ist in der Simeis-Sternwarte in der 
Krim am 2s. September im Sternbild des Löwen bereits in der Helligkeit eines 
Sternes 3. Größe aufgefunden worden. Ich habe ihn am 4. Oktober morgens 


— 363 — 


45 45™ am Osthimmel sowohl mit dem Kometensucher als auch mit dem Hensoldt- 
schen Prismenbinocle beobachten können. Derselbe zeigte einen scharfen Kern 
und einen gleichmäßigen 2° langen Schweif, der sehr breit war, sodaß der Komet 
eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Johannesburger Kometen 1910a aufwies. Er bildet 
mit Regulus und Venus ein fast gleichseitiges, rechtwinkliges Dreieck, in dessem 
rechten Winkel die Venus stand. Er zeigt eine starke Bewegung nach Osten, 
eine Bahnbestimmung liegt noch nicht vor. Am folgenden Tage konnte ich ihn 
bereits eine viertel Stunde früher am Morgenhimmel auffinden. Auf einer 
photographischen Aufnahme ist er, obgleich es sich sehr bald bezogen hat, noch 
deutlich zu erkennen. Er ist nur noch kurze Zeit am Morgenhimmel zu be- 
obachten. Seit 15 Jahren ist es wieder das erste Mal, daß wir so viele und 
helle Kometen zu gleicher Zeit am Himmel beobachten können. 


Aevfalisprozesse in der Natur. 
Auszug aus einem Vortrag von Geh. Rat Prof. Dr. Engler-Karlsruhe, 
gehalten auf der Naturforscherversammlung in Karlsruhe 1911. 

W: Energie und Materie in dem Weltbetrieb einen ewig sich wiederholenden 

Kreislauf des Aufbaues und Abbaues beschreiben, indem sie abwechselnd 
sich zu Sonnen vereinigen, von da aus wieder in das Universum zerstrahlen 
und zerstäuben, um dann von neuem in einen solchen Kreislauf cinzutreten, 
so bildet auch das organische Leben auf unserem Planeten einen Kreislauf. 
Im Gegensatz zu dem Weltbetrieb, an dem sich die Gesamtenergie und Gesamt- 
materie beteiligen, nimmt an dem Kreislauf des organischen Lebens nur ein 
fast unendlich kleiner Teil der Materie teil, und die treibende Kraft der 
Sonne scheidet während einer jedesmaligen Umdrehung aus und muß durch 
neue Sonnenenergie ersetzt werden. Einige Fälle des abbauenden Teiles 
dieses Kreislaufes, des Vergehens der organischen Substanz und dessen Pro- 
dukte werden näher besprochen. 

Zur Klarstellung des Zusammenhangs zwischen Vergehen und Entstehen 
werden kurz die derzeitigen Ansichten über das erste Entstehen des organischen 
Lebens definiert: Die Generatio spontanca oder Selbstzeugung und die Pan- 
spermie oder die Lehre von den Kosmozoen. Nach der ersteren Ansicht können 
überall, auf jedem Weltkörper, wo die dafür günstigen Bedingungen vorhanden 
sind, lebende Organismen aus lebloser unorganischer Materie entstehen und 
sich bis zu den höchst organisierten Lebewesen entwickeln, eine Meinung, die 
von jeher ihre Anhänger hatte, von Thales bis zu den Alchemisten, von 
Wagner, den wir im Faust an der Arbeit schen, bis zu jenem englischen 
Physiker, neuester Zeit, der irrtümlicher Weise glaubte, durch Bestrahlung mit 
Radium in einer Gelatinelösung Leben hervorrufen zu können. Alle Versuche 
in dieser Richtung haben sich bisher als nichtig erwiesen, und man darf sich 
auch durch die glänzenden Ergebnisse der neueren Biologie, welche zeigen, 
daß man gewisse Lebenserscheinungen künstlich hervorrufen kann, wie z. B. 
am tierischen Ei durch chemische Mittel, trotz des großen darinlicegenden Fort- 
schrittes, nicht irre machen lassen. Noch immer trennt uns eine ticfe Kluft von 
der Lösung des Lebensproblems. 

Nach der Lehre von den Panspermen war das Leben gleich Energie und 
Materie von Uranfang an vorhanden, und es sei ebenso aussichtslos, den Ur- 
anfang des Lebens wie den von Energie und Materie ergründen zu wollen. 


— 364 — 


Die Verbreitung des Lebens denkt man sich dabei durch kleinste Urkeime, die 
gemäß der Annahme Arrhenius vermittelst des Strahlungsdruckes der Sonne 
durch das Weltall getrieben werden und überall zur Entwicklung kommen 
können, auf jedem Weltkörper, wo die für deren Wachstum erforderlichen Be- 
dingungen vorhanden sind, wie z. B. auf der Erde, vielleicht auch auf den 
Planeten Mars und Venus, nicht wahrscheinlich auf den übrigen Planeten, weil 
hier die Temperatur zu hoch oder zu niedrig ist. In der organischen Substanz 
der Lebewelt nimmt der Kohlenstoff eine besondere Stellung ein. Um ihn 
gruppieren sich die übrigen Elemente, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff usw. 
Seiner staunenswerten Kombinationsfähigkeit, d. h. der Fähigkeit seiner Atome 
sich mit anderen Atomen und mit sich selbst zu Tausenden der vielartigsten 
Verbindungen zu vereinigen, verdankt die lebendige organische Substanz ihre 
wunderbare Gestaltung. Er ist durch diese Fähigkeit unter den für die Betäti- 
gung derselben auf unserem Planeten vorhandenen besonders günstigen Bedin- 
gungen zur Herrschaft über die übrigen Elemente gelangt. Sein Kreislauf bietet 
deshalb besonders Interesse, auch in seinem abbauenden Teil. Nachdem er 
aus der Kohlensäure der Luft in die Pflanzen gelangt ist und dort mit anderen 
Elementen die Pflanzensubstanz: Stärkemehl, Zellstoffe, Zucker, Eiweiß usw. 
gebildet hat, wobei zugleich Sonnenenergie als chemische Energie aufgenommer 
wurde, können wir die Pflanzen als Akkumulatoren aufgespeicherter orga- 
nischer Substanz mit aufgespeicherter Sonnenenergie ansehen. 

Mit dem Absterben einzelner Teile, zuletzt des Ganzen, beginnt der Abbau, 
welcher auf drei verschiedenen Wegen erfolgen kann. Weitaus der größte 
Teil unterliegt der Verwesung, wobei als Endprodukte dieses unter Mitwirkung 
des Sauerstoffs der Luft vor sich gehenden Prozesses wieder Kohlensäure und 
Wasser, die Ausgangsmaterialien, gebildet werden. Dabei erörtert der Vor- 
tragende insbesondere den Prozeß dieser langsamen Verbrennung und die 
Atoxidationstheorie. Das Wesentliche der letzteren ist, daß die Oxydation 
durch Vermittlung von Überträgern, „Induktoren“ (Autoxidatoren) oder „Kata- 
lysatoren~ erfolgt, wobei die Sauerstoffmoleküle sich vorübergehend als ganzes 
an die Überträger anlagern, die ihn dann teilweise oder ganz an die sonstigen 
nicht oder doch nur schwer oxydalen Stoffe, die „Akzeptoren“, weitergeben und 
so eine beschleunigte Oxydation und Zersetzung herbeiführen. Bei bio- 
chemischen Vorgängen in Pflanze und Tier, auch bei der Zersetzung derselben 
durch Verwesung, spielt diese Übertragung und Beschleunigung der Wirkung 
des Sauerstoffs eine sehr wichtige Rolle. Als Induktoren und Katalysatoren 
wirken dabei die Oxydationsfermente (Oxydasen). Die auf diese Weise durch 
Verwesung „langsam verbrennende* organische Substanz liefert dabei ebenso- 
viel Wärme, wie sie beim raschen Verbrennen mit Flamme entwickeln würde, 
nur wird diese infolge Wasserverdampfung, wegen des langsamen Verlaufs 
und der ständigen Abkühlung meist nicht dirckt wahrnehmbar. (Die dadurch 
gebildete Kohlensäure, zirka 48 Milliarden Tonnen, entspricht annähernd dem 
50. Teil der Gesamtkohlensäure unserer Atmosphäre, ohne daß jedoch deren 
Kohlensäuregehalt dadurch beeinflußt würde, weil er durch Wiederassimilation 
durch die Pflanzen und durch andere bekannte Ursachen reguliert wird. 

Sowie der Übergang des Kohlenstoffis der Pflanzenreste in Kohlensäure 
durch Schmarotzer nur einen Umweg darstellt, so bedeutet auch der Abbau der 
Pflanzensubstanz auf dem zweiten Weg des Abbaus, als Nahrungsmittel der 
Tierwelt, nur einen Umweg, denn auch dabei findet eine langsame Verbrennung 
zu Kohlensäure und Wasser statt, und der Sauerstoff der Luft wird auch im 


— 365 — 


tierischen Organismus, durch Oxydationsfermente gemäß der Paroxydtheorie 
übertragen. (Der Anteil der Atmungskohlensäure des gesamten Tierlebens 
dürfte, auf 5 bis 10 Milliarden Tonnen pro Jahr geschätzt, höchstens etwa den 
5. Teil der Gesamtkohlensäure aus zersetzten Pflanzen betragen. Der Anteil, 
der durch den menschlichen Organismus erzeugt wird, beträgt rund 600 Millionen 
Tonnen im Jahr, etwa den 80. Teil) 

Einen wissenschaftlich sowohl als auch für die Gestaltung unseres heutigen 
Kulturlebens interessanten Fall des Abbaus oder Zerfalls organischer Leber.s- 
substanz haben wir in der Bildung von Kohle und Erdöl. Beides sind Reste, 
welche die zu ihrer vollständigen Zersetzung durch Verwesung nötige Sauer- 
stoffmenge nicht gefunden haben, so daß anstatt einer Ablösung der organischen 
Substanz durch Autoxydation in nur flüchtige Produkte, bei der Verwesung 
ein Fäulnisprozeß eintrat, bei welchem die Elemente der organischen Substanz 
durch innere Umlagerung nur teilweise verflüchtigt wurden, so daß schließlich 
je nach der Natur des Ausgangsmaterials besonders kohlenstoffreiche Dauer- 
reste als Kohle, oder kohlenwasserstoffreiche Dauerreste als Bitumen oder 
Erdöl zurückbleiben. Bedingung der Bildung dieser Produkte war, daß 
die in Frage kommenden pflanzlichen und tierischen Reste vor ihrer 
völligen Verwesung von der Luft abgeschlossen wurden, wodurch ihre voll- 
ständige Verflüchtigung durch Oxydation gehemmt oder ganz behindert wurde, 
und jene Dauerreste zurückbleiben mußten. Der tierische Zerfallsprozeß führte 
hier gewissermaßen in eine Sackgasse, und ces bildeten sich jene gewaltigen 
Ansammlungen nicht völlig zersetzter organischer Reste, die nach vieltausend- 
jähriger Ruhe erst in der Neuzeit allmählich durch Menschenhand gehoben 
und ihrer endgültigen Bestimmung, der Oxydation zu Kohlensäure und Wasser, 
durch Verbrennung zugeführt werden. Die Bedeutung der Kohle für unser 
Wirtschaftsleben und im Zusammenhang damit für unser ganzes Kulturleben 
bedarf keiner besonderen Betonung. In ihr ist die Sonnenenergie früherer 
Jahrtausende aufgespeichert, und sie ist, indem man sie verbrennt, die vor- 
nehmste Kraftquelle unserer in der Neuzeit zu so gewaltiger Entwicklung ge- 
langten Industrie. In dem wirtschaftlichen Konkurrenzkampf der Völker spielt 
deshalb der Kohlenvorrat ihrer Territorien eine hochbedeutsame Rolle: Je mehr 
Kohlen ein Land besitzt, umso längere Dauer scheint die Grundlage der 
Weiterentwicklung seiner Industrie gegeben. Es dürfte nicht ohne Interesse 
sein, zu erfahren, daß nach neuerer Schätzung im Jahre 1908 der Gesamt- 
kohlenvorrat Europas ungefähr 700 Milliarden Tonnen betrug, wovon auf das 
Deutsche Reich 411 Milliarden Tonnen, auf Groß-Britannien 193, auf Belgien 20, 
auf Frankreich 19, auf Ocsterreich-Ungarn 17 und auf Rußland 40 Milliarden 
Tonnen entfallen. Hiernach ist das Deutsche Reich mit seinen gewaltigen 
Kohlenlagern in Lothringen, Rheinland und Westfalen, vor allem auch in Schlesien 
im glücklichen Besitz von weit über die Hälfte des Gesamtvorrats an Steinkohle 
in Europa. Noch reicher gesegnet mit Kohle sind allerdings die Vereinigten 
‚Staaten von Nord-Amerika mit einem geschätzten Kohlenvorrat von 680 Milliarden 
Tonnen. Europa und Nordamerika zusammen weisen somit einen Vorrat von 
rund 1400 Milliarden Tonnen auf. Macht man die allerdings willkürliche doch 
. wohl kaum übertriebene Annahme, daß die übrigen Erdteile zusammen, von 
denen bekanntlich Asien in China ganz gewaltige Kohlenlager besitzt, mindestens 
ebensoviel Kohlen haben, so kommt man auf einen ungefähren Kohlenvorrat 
der ganzen Erde von. gegen 3000 Milliarden Tonnen. Vollständig verbrannt er- 
gäben jene 1400 Milliarden Tonnen Kohle bei nur 75°/, Kohlenstoffgehalt 3800 Milli- 


+ 


Ki 


— 366 — 


arden Tonnen Kohlensäure Da die Gesamtmenge der Kohlensäure unserer 
Atmosphäre aber nur ein Gewicht von 2400—2500 Milliarden Tonnen besitzt, so 
würde diese nur zu ?/, ausreichen, um die in den Kohlenflözen Europas und 
Nordamerikas aufgespeicherten Kohlen zu bilden und nur zu etwa ?/ für die 
Bildung des Gesamtkohlenvorrats der Erde. Dabei ist aber noch zu berück- 
sichtigen, daß bei der Verkohlung der Pflanzensubstanz schr viel Kohlenstoff 
als Sumpfgas (Methangas) und Kohlensäure in Verlust gerät, so daß nahezu 
doppelt so viel Kohlensäure nur zur Bildung der europäisch-nordamerikanischen 
Kohlenlager erforderlich war, als die atmosphärische Luft im ganzen heute ent- 
hält. Sie ist ja auch in der Tat zur Zeit der Bildung der Kohlenlager, also zur 
Karbonzeit, auch noch zur Tertiärzeit erheblich kohlensäurereicher gewesen als 
jetzt, womit wiederum höhere Temperatur und üppigere Flora und Fauna im 
Zusammenhang steht. 

Legt man die derzeitige Förderung an Steinkohlen zuende: so reicht der 
Gesamtvorrat für das DeutscheReich noch 3000 Jahre, für Groß-Britannien 
700, für das übrige Europa 900, für Nordamerika 1700 Jahre. Allerdings liegen die 
Kohlenflöze größtenteils so tief, daß an ihre völlige Ausbeutung heutigen Tages, 
der hohen Kosten wegen, nicht zu denken ist. Indessen sind auch hierin solche 
technischen Fortschritte mit Sicherheit zu erwarten, daß in späterer Zeit der Abbau 
dennoch möglich sein wird. Unter Hinzurechnung von 175 Millionen Tonnen 
Braunkohlen betrug die Gesamtförderung von Kohle im Jahre 1909 nicht weniger 
als 1100 Millionen Tonnen, entsprechend einem Kohlenwürfel von 900 m Seiten- 
lange oder gleich dem 290 fachen Volumen der Cheopspyramide. 

Nimmt man als rohe Gesamtwasserkraft der Erde (nach Prof. Rehbock) 
8 Milliarden (nach Flügel) bis 10 Milliarden Pferdestärken an, wovon Europa 
nur 400 Millionen, Asien 5000, Afrika 1200 (die Zambesifälle allein 35 Millionen), 
Nordamerika 2300 (Niagarafälle 5 Millionen), Südamerika 1300, Australien 1,2 Mill. 
Pferdestärke besitzt, so wären zur Erzeugung derselben Kraft vermittelst Dampf- 
maschinen jährlich 70 Milliarden Tonnen Kohlen nötig; unser Gesamtvorrat an 
Steinkohlen Europas und Nordamerikas (1400 Milliarden Tonnen) wäre damit in 
20 Jahren total aufgebraucht. Da aber von der rohen Gesamtwasserkraft nach 
Rehbock nur etwa je ausnutzbar sein dürfte (so daß sich die praktisch ver- 
wertbare Wasserkraft der Erde auf etwa 500 Millionen Pferdestärken reduziert), 
vermindert sich der jährliche wasserkraftäquivalente Kohlenbedarf auf 4,4 Milli- 
arden Tonnen. Immerhin müßte dafür die jährliche Kohlenförderung auf 
das vierfache gesteigert werden. Man muß hoffen, daß der derzeitige so ge- 
ringe Nutzeffekt der Kohle in den Dampfmaschinen von nur 15°/, der theoretischen 
Energie baldigst, vielleicht auf elektrischem Wege, wesentlich erhöht und damit 
der derzeitigen Kohlenverschwendung gesteuert werde. 

Immerhin, es kommt der Tag, an welchem unser jetzt noch gewaltige 
Kohlenvorrat verbraucht sein wird, und wenn bis dahin keine andere Energie- 
quelle für industrielle Zwecke gefunden ist, so wird eine ganz andere Verteilung 
des industriellen Lebens auf der Erde die notwendige Folge sein. Da kommen 
dann vielleicht die alten Kulturländer Asiens mit ihrer Hälfte der Gesamtwasser- 
kraft der Erde wieder zu ihrem historischen Recht; demnächst folgten Amerika 
und Afrika, während Europa in die bescheidene Rolle industrieller Leistungs- 
fähigkeit wie etwa vor dem Mittelalter zurücksinken müßte. Doch wer möchte 
wagen zu behaupten, daß es dem menschlichen Geiste bis dahin nicht gelungen 
sein sollte, neue \Wege einer direkteren Verwertung der Sonnenenergie oder 
andere neue Kraftquellen aufzufinden, Intelligenz und technisches Wissen und 


— 367 — 


Können zu noch höherer Geltung zu bringen gegenüber der rohen Naturkraft, 
als heute? 

Neben der Kohle bildet das Erdöl einen zweiten Vorrat an Restsubstanz 
organischen Lebens. Auch dieses ist auf dem Wege seiner völligen Zersetzung 
durch Luftabschluß in eine Sackgasse geraten, aus der es durch Menschenhand 
befreit und seiner Bestimmung, der Verbrennung zu den Ausgangsmaterialien 
Kohlensäure und Wasser, zugeführt werden muß. 

Während sich die Kohle in der Hauptsache aus der Zellsubstanz und den 
sonstigen Kohlenhydraten der Pflanzensubstanz gebildet hat, nimmt man jetzt 
fast allgemein als Urmaterial des Erdöls die flüssigen und festen Fette und Wachse 
tierischer und pflanzlicher Lebewesen an. Dabei kommt höchstwahrscheinlich 
ebensowohl die Makro- als dieMikro-Fauna und -Flora in Betracht, in letzterer haupt- 
sächlich wieder organisierte pflanzliche Gebilde wie Fettalgen, Diatomeen usw., 
von ersteren vorwiegend Kleintiere des Meeres und brakischer Küstenwässer, 
auch Fische, Saurier etc. 

Sowie man das in alten Gräbern häufig auftretende Leichenwachs oder 
Adipocire als das nach dem Wegfaulen und Verwesen der stickstoffhaltigen 
organischen Substanz hinterbliebene, allerdings auch schon etwas veränderte 
menschliche Fett anzusehen hat, muß man annehmen, daß bei mangelndem oder 
ganz behindertem Luftzutritt in den mit Schlamm vermischten und von Schlamm 
bedeckten natürlichen Leichenfeldern tierischer Organismen sich nach dem Ver- 
schwinden der Nichtfettstoffe durch Fäulnis und Verwesung Massenreste von 
Fetten ansammeln. Ein ganz analoger Vorgang führt zu Ansammlungen pflanz- 
licher Fett- und Wachsreste. Das für die Erdölgenese Wesentliche dieses Vorgangs 
liegt in der natürlichen Abtrennung beziehungsweise Beseitigung der Nicht- ` 
fettstoffe, der Muskelsubstanz, pflanzlichen Zellsubstanz etc., der abgestorbenen 
Organismen durch Fäulnis und Verwesung, denn ohne diese läßt sich eine plau- 
sible Erklärung für die Bildung der fast reinen Kohlenwasserstoffe des Erdöls 
aus tierischer und pflanzlicher Substanz nicht finden; müßten doch sonst im 
ersteren Fall dem Erdöl große Mengen stickstoffhaltiger Öle, im letzteren Fall 
Kohlen beigesellt sein, was nicht der Fall ist. 

Es ist nun aber weiterhin auch noch gelungen, durch Erhitzen im ge- 
schlossenen Rohr unter starkem Druck tierische und pflanzliche Fette und 
Wachse künstlich in Erdöl umzuwandeln, und da man annehmen darf, daß 
dieselbe Umwandlung auch in der Natur, und zwar in fast unendlich langen 
Zeiten auch bei erheblich niederer Temperatur als beim Laboratoriumsversuch 
(300—350°) vor sich geht, ist damit eine ausreichend begründete Ansicht von 
der natürlichen Bildung des Erdöls gegeben. 

Der noch vorhandene Vorrat an Erdöl in den verschiedenen Erdöllagern der 
Erde ist bis jetzt nicht sachgemäß eingeschätzt geworden. Macht man aber einmal 
die Annahme, es ruhe noch etwa die zehnfache Menge der von 1860 bis jetzt 
geförderten 540 Millionen Tonnen Erdöl im Schoße der Erde, so käme man auf 
einen noch vorhandenen Vorrat von rund 5000 Millionen Tonnen, welcher bei 
einer Jahresförderung von 50 Millionen Tonnen (1910: 44 Millionen) noch für 
100 Jahre vorhalten würde. Ein vielfaches davon dürfte kaum zu erwarten sein, 
höchstens das doppelte, oder vielleicht weniger, so daß man, da eine nennens- 
werte natürliche Nachbildung nicht vorhanden ist, in absehbarer Zeit 
dem Ende der Erdölproduktion entgegensehen muß; immerhin eine Kala- 
mität im Hinblick namentlich auf die Bedeutung dieses Naturproduktes für 
die Kraftfahrzeuge zu Wasser, Land und Luft. Für geraume Zeit wird man sich 


— 868 — 


noch durch Verschwelen der verschiedenen Bitumine, meist unfertige Ubergangs- 
produkte des Erdöls, helfen können. 

Wie in der Kohle, so haben wir auch in dem Erdöl ein Zerfallsprodukt, 
dessen Bildung durch Sonnenenergie vermittelt ist. Und die Flamme der Petroleum- 
lampe ist Sonnenlicht und Sonnenwärme, die vor Tausenden und Millionen Jahren 
herübergestrahlt sind auf die Erde. 

Zum Schluß berührt der Vortragende kurz die Frage nach der Quelle der 
Strahlungsenergie derSonne. Der Gedanke, daß die gewöhnlichen chemischen 
Reaktionen etwa einer Art Verbrennungsprozeß entstammen, mußte aufgegeben 
werden, da das Gesamtmaterial der Sonnenmasse für eine solche Reaktion nur 
für etwa 5000 Jahre ausgereicht haben würde, während wir schon aus historischer 
Zeit wissen, daß ihr Alter ein viel höheres sein muß; hätte sie doch sonst zu 
Zeiten Altbabylons, vor zirka 6000 Jahren, noch nicht geschienen haben können. 

Auch die Helmholtzsche Kontraktionstheorie, wonach die strahlende 
Sonnenwärme auf ein Zusammenziehen der Sonnenmasse zurückgeführt wird, 
mußte aufgegeben werden, weil sie eine gleich starke Wärmeabgabe nur für 
einen Zeitraum von gegen 20 Millionen Jahre erklären kann, während das Alter 
gewisser geologischer Schichten, in denen man die Spuren lebender Organismen 
aufgefunden hat, auf ein Alter auch der letzteren zwischen 100 und 1000 Milli- 
onen Jahren schließen läßt. So wurde man nach der Entdeckung des Radiums 
mit seinem nach bisherigen Begriffen geradezu unerhörten Strahlungsvermögen 
zu der Ansicht geführt, daß sich im Innern der Sonnenmasse eine Anhäufung 
von Radium und verwandter Stoffe finden müsse, die die Quelle einer Energic- 
fülle sei. Bedenkt man, daß 1 g Radium, indem es zerfällt, ungefähr 2000 Milli- 
onen kalorische Einheiten abgibt, während 1 g Steinkohle bei der Verbrennung 
nur 700 liefert, man also annähernd 6 Zentner Kohle verbrennen muß, um so 
viel Wärme zu erhalten, wie aus 1 g Radium erhältlich ist, so ergeben sich 
unter der obigen Annahme für die Deckung des Wärmeverlustes der Sonne 
Hunderte und Tausende von Millionen Jahren, zumal da man zu der Annahme 
berechtigt ist, daß auch noch radioaktivere Stoffe als das Radium selbst sich 
im Sonneninnern befinden. Somit scheint es also nicht, wie man früher anzu- 
nehmen geneigt war, ein wärmeabgebender Bildungsprozeß einer komplizierteren 
Verbinduug aus einfacheren Komponenten zu sein, sondern ein Prozeß des Zer- 
falls mit Energie beladener komplexer Körper, der als die Quelle der Energie- 
strahlen der Sonne anzusehen ist, und es verdankt deshalb auch unser ganzes 
Erdenleben die Möglichkeit seiner Existenz und Erhaltung auf unabschbare 
Zeiten einem Zerfallsprozeß, der in weiter Ferne von uns auf der Sonne sich 


abspielt. ME 


Elektronenemission bei chemischen Reaktionen. 

Auszug aus einem Vortrag von Prof. F. Haber-Karlsruhe, gehalten auf der Naturforscher- 
l versammlung in Karlsruhe 1911. 
| TD Elektronenemission bei chemischen Reaktionen ist ein Gegenstand, den 

die Wissenschaft bisher nicht behandelt hat. Aber das Thema steht in 
Beziehung zu Fragen des Faches, die der erste Vertreter der physikalischen 
Chemie an der Karlsruher Hochschule Lothar Meyer vor langer Zeit behandelt 
hat. Der Vortragende hat den Gegenstand in einer längeren Untersuchung ge- 
meinsam mit G. Just verfolgt. Der Gedanke, daß die große Zahl der chemi- 
schen Elemente nicht die letzte Grundform der Materie darstellt, sondern daß 
sich die Atome der Elemente aus einem einheitlichen Grundstoff aufbauen, ist 


— 869 — 


alt. Aus ihm ist im vorigen Jahrhundert die Erkenntnis von dem Gruppen- 
zusammenhang der chemischen Elemente entstanden, die in dem periodischen 
System derselben zum Ausdruck gelangt. Aber fiir die Frage, welche innere 
Beschaffenheit der Elementaratome diesen Zusammenhang bedingt, fehlten der 
Chemie im vorigen Jahrhundert die zur erfolgreichen Bearbeitung unentbehr- 
lichen Kenntnisse. Ein großer Fortschritt wurde um die Wende des Jahr- 
hunderts durch die Erkenntnis gemacht, daß die negative Elektrizität aus dis- 
kreten einander gleichen Teilchen einer feineren Materie, den Elektronen, 
besteht, welche durch die verschiedensten physikalischen Hilfsmittel, nämlich 
durch elektrische Kräfte, durch kurzwellige Bestrahlung und durch hohe Tem- 
peratur zum Austritt aus den Stoffen gebracht werden können. Die Beobach- 
tungen an Spektrallinien im magnetischen Felde bewiesen, daß die Schwingungen 
solcher Elektronen im Atom die Ursache der Linienspektra sind. Dieser Komplex 
von Tatsachen nötigte zu der Vorstellung, daß die’Elektronen Bausteine der 
Elementaratome sind und weckte sogar die Hoffnung, das Grundproblem des 
Zusammenhanges der Elemente durch die Auffassung der Atome als Einlage- 
rungen verschieden zahlreicher und verschieden angeordneter Elektronen in 
dieselbe positive Grundsubstanz zu lösen. Nun ist in den letzten Jahren wohl 
klar geworden, daß der innere Aufbau des Atoms an Mannigfaltigkeit dem 
Aufbau der Moleküle aus Atomen nichts nachgibt. Wir sind unter diesen Um- 
ständen noch recht weit davon entfernt, die chemischen Unterschiede der 
Elemente auf Zahl- und Bewegungsunterschiede in dieselbe positive Grund- 
materie eingelagerter Elektronen erklären zu können. Wir können vorerst nur 
versuchen, die Mannigfaltigkeit der chemischen Erscheinungen in Gruppen auf- 
zulösen, von denen einige den Schwingungen ausgezeichneter Elektronen im 
Atomverbande, andere den Eigenschaften der positiven Reste zugeschrieben 
werden, die bei den einzelnen Elementen vorerst individuell verschieden 
bleiben. Schon von diesem beschränkten Eindringen in den Atombau ist aber 
außerordentlich viel zu gewinnen. Erfolge sind bisher vorzugsweise auf dem 
Gebiet der Zustandseigenschaften der Stoffe zu verzeichnen. Aber auch für die 
Reaktionsichre darf man großen Nutzen erwarten, da es ganz den An- 
schein hat, daß die Quelle der Affinität in den Eigenschaften gewisser aus- 
gezeichneter Elektronen gelegen ist. Bei den radioaktiven Veränderungen tritt 
der innere Aufbau des ‘Atoms aus elektrischen Teilen unmittelbar zutage. 
Diese radioaktiven Veränderungen sondern sich indessen bisher von den che- 
mischen Umsetzungen dadurch vollständig ab, daß sie freiwillig ohne unser 
Zutun geschehen und durch keine Einwirkung in ihrem Verlaufe beeinflußt 
werden. Auf der anderen Seite sind die geläufigen chemischen Reaktionen 
„war häufig von elektrischen Erscheinungen begleitet, aber keine dieser Er- 
scheinungen ist so geartet, daß man aus ihr eine ähnliche Beteiligung der zum 
Atombau gehörigen Elektronen an der chemischen Umsetzung hätte herleiten 
mögen. Das Auftreten von Elektronen in Flammen muß nicht notwendig der 
Reaktion zugeschrieben werden, sondern kann auch als Folge der hohen Tem- 
peratur aufgefaßt werden. Reaktionen, die bei gewöhnlicher Temperatur ver- 
laufen, lassen zwar häufig in benachbarten Gasen elcktrisch leitende Teile auf- 
treten, aber dieselben sind in klaren Fällen nicht auf Elektronenemission bei 
der Reaktion zurückzuführen, sondern auf mechanische Zerreißung geladener 
Oberflachenschichten. So stehen sich radioaktive Verwandlungen und gewöhn- 
liche chemische Umsetzungen als getrennte Erscheinungsgebiete gegenüber. 
Der Gedanke an eine Verknüpfung kann als die Aufnahme einer alten Idee 


— 370 — 


bezeichnet werden, die Lothar Meyer zu einer Zeit ausgesprochen hat, als die 
Fassung in der hier angegebenen Art noch nicht möglich war. Ihn beschäftigte 
die Frage, ob die chemische Umsetzung ihrem vollen Wesen nach dadurch dar- 
gestellt wird, daß wir dieselben Atome in einer chemischen Gleichung auf 
beiden Seiten des Gleichheitszeichens verschieden anordnen. Zu seiner Zeit 
gab es außer den unveränderlichen Atomen nur den Äther, und die Frage nahm 
deshalb die spezielle Gestalt an, ob der Äthergehalt der Umsetzungsprodukte 
mit dem der Ausgangsstoffe gleich oder durch eine wägbare Differenz davon 
unterschieden sei. Die Frage ist dann insbesondere von Landolt eingehend 
mit dem Ergebnis studiert worden, daß eine wägbare Differenz dieser Art sich 
nicht nachweisen läßt. Aber schon bei Landolt wandelt sich die Fragestellung, 
indem nicht mehr der Äther, sondern die Elektronen als die Ursache des mög- 
lichen Unterschiedes angesehen werden. Durch den Nachweis von Umsetzungen, 
bei denen eine Emission von Elektronen stattfindet, wird die Frage bejahend in 
dem Sinne beantwortet, daß auch bei den gewöhnlichen chemischen Reaktionen 
die veränderte Gruppierung derselben Atome auf beiden Seiten der Reaktions- 
gleichung nicht immer eine vollständige Beschreibung der Veränderung abgibt. 
Die gesamte Energieänderung, welche sich bei der chemischen Verbindung 
zweier einwertiger Elemente zu einem Molekulargewicht einer binären Verbin- 
dung im Höchstfalle zeigt, beträgt etwa 100000 Gramm Kalorien und ist eine 
Millionmal geringer als diejenige beim Zerfall eines Atomgewichts Radium. Die 
Energie des Radiumzerfalls dient dazu, um die Elektronen nahezu mit Licht- 
geschwindigkeit, die außerordentlich viel trägeren Alpha-Teilchen noch immer 
mit etwa 20000 km Geschwindigkeit pro Sekunde zu entsenden. Wenn man 
sich vorstellt, daß bei einer chemischen Reaktion die Reaktionsenergie ver- 
wendet würde, um von jedem Molekül ein Elektron wegzutreiben, so würden 
diese Elektronen nur 1200 km Geschwindigkeit pro Sekunde haben. Elektronen 
von dieser Geschwindigkeit stellen aber ganz weiche Strahlen dar, welche schon 
durch eine verzögernde Kraft von 4 Volt am Fortgehen gehindert werden und 
wegen ihres geringen Durchdringungsvermögens in materiellen Schichten, 
welche dem Ursprungsorte benachbart sind, mit der größten Leichtigkeit stecken 
bleiben. Nun weiß man freilich nicht, ob sich die einzelnen Moleküle gleich- 
artig verhalten werden. Es mag auch sein, daß die Geschwindigkeiten der 
ausgesandten Elektronen ein Geschwindigkeitsspektrum darstellen, in welchem 
auch rascher bewegte Teile nicht fehlen. Vielleicht geben überhaupt nur 
Atome, deren innerer Zustand im Reaktionsmomente besonders bevorzugt ist, 
cine Emission von Elektronen, die dann etwas größere Geschwindigkeit -haben. 
Aber auf alle Fälle darf man nur ganz weiche Strahlen und auch diese nur bei 
den Reaktionen erwarten, die mit besonders hoher Energieänderung verlaufen. 
Solche weichen Elektronenstrahlen werden gar nicht bis zu einer Elektrode vor- 
dringen, an welcher man sie auffangen und nachweisen kann, wenn sie auf ihrem 
Wege von der Entstehungsstelle dorthin irgend ein dichteres Medium zu durch- 
setzen haben. Diese Überlegung führt auf den Gedanken, hochverdünnte Gase unter- 
einander reagieren zu lassen. Aber auf diese Weise käme man nicht über das 
Ergebnis hinaus, welches die Flammen unter gewöhnlichem Druck liefern, weil 
die grobe Energieänderung an der Reaktionsstelle notwendigerweise die Masse 
auf hohe Temperatur bringt. Um das zu verhüten, muß man ein hochverdünntes 
Gas auf einen flüssigen oder festen Stoff von bedeutender Wärmekapazität cin- 
wirken lassen. Das Ergebnis des Versuches wird sonst immer durch den Zweifel 
getrübt bleiben, ob nicht eine gewöhnliche thermische Elektronenemission vor- 


— 371 — 


liegt. Die Verwendung fester Körper bietet dabei bedeutende Schwicrigkeit, 
denn man muß die Oberfläche bei dem niederen Versuchsdruck beständig 
erneuern, wenn sich nicht alsbald eine Haut der Reaktionsprodukte bilden soll, 
in der die Strahlen stecken bleiben müssen. Damit kommt man auf die Reaktion 
von Flüssigkeiten mit hochverdünnten Gasen. Bei der Auswahl der Flüssigkeit 
ist dann zu erwägen, daß ihr Dampfdruck so klein wie möglich sein muß und 
daß sie andererseits nicht etwa erst mit dem Gase reagieren darf, nachdem es 
sich gelöst und in der Flüssigkeit verbreitet hat. Bei gewöhnlicher Temperatur 
findet man flüssige Stoffe, welche diesen Bedingungen genügen und zugleich 
imstande sind, mit Gasen Umsetzungen von großer Reaktionsenergie zu liefern, in’ 
der Legierung der Metalle Kalium und Natrium und in zahlreichen Amalgamen. 
Dann läßt sich noch als unedelster Stoff mit größter Reaktionsenergie das Caesium 
hinzunehmen, welches ganz dicht über die Zimmertemperatur hinaus noch flüssig . 
ist. Dies sind die Stoffe, welche in den Kreis der Untersuchung gezogen worden 
sind. Um sich über den Gegenstand experimentell zu unterrichten, sieht man ` 
zweckmäßig zunächst von der Verwendung sehr niedriger Drucke ab und unter- 
sucht das Verhalten der metallischen Flüssigkeiten in Gasen, die sich unter 
atmosphärischen Bedingungen befinden, Elektronen werden in diesem Falle 
nicht gefunden werden können, da sie beim Austritt in den Gasraum sich an 
Gasmolcküle anlagern. Aber man kann die Bedingungen feststellen, unter denen 
negative Elektrizitatstrager im Gase auftreten und daraus lernen, wie man den 
Versuch später im Vacuum einzurichten hat. Wenn man die flüssige Legierung von 
Kalium und Natrium durch eine Metallkapillare entsprechend dieser Überlegung 
langsam in einen mit Gas von gewöhnlichem Druck erfüllten Raum tropfen 
läßt, sodaß ihre Oberfläche sich unablässig erneut, so findet man so lange keine 
elektrische Erscheinung, als der Gasraum mit den chemisch indifferenten Gasen 
Wasserstoff oder Stickstoff gefüllt ist; wenn man aber diese unwirksamen Gase 
mit kleinen Mengen anderer verunreinigt, die lebhaft auf die flüssige Metall- 
legierung einwirken, so läßt sich ein elektrischer Strom erhalten, indem man 
den negativen Pol einer Stromquelle an die metallene Tropfkapillare legt und 
den positiven mit einer Hilfselektrode verbindet, die sich einige Millimeter von 
dem Tropfen entfernt in dem Gasraum befindet. Kehrt man die Pole um, so 
ist keinerlei elektrische Wirkung mehr wahrzunehmen. Daraus sieht man, daß 
durch die Reaktion negative Träger und nur solche in den Gasraum getrieben 
werden. In der Wahl der chemisch aktiven Gase, die man dem indifferenten 
Stickstoff oder Wasserstoff beimengt, kann man sich mehr frei bewegen. Die 
Erscheinung tritt auf, sowohl wenn man Wasserdampf verwendet, als wenn man 
Chlorwasserstoffgas, Joddampf oder Sauerstoffgas benutzt. Auch die kom- 
plizierteren Dämpfe des Thionylchlorids und des Phosgens lassen sich verwenden. 
Ja beim Phosgen ist der Effekt am stärksten. Wählt man statt der flüssigen 
Legierung von Kalium und Natrium die Amalgame des Caesiums, des Kaliums 
oder Lithiums, so ist er schwächer, und innerhalb der Reihe der Amalgame 
selbst nimmt seine Intensität von Caesium über das Kalium zum Lithium, also 
in der Reihenfolge der chemischen Aktivität, stark ab. Um zu prüfen, ob diese 
Aussendung negativer Träger wirklich darauf beruht, daß Elektronen im Augen- 
blicke der Umsetzung ausgesandt werden, läßt man das undifferente Gas weg 
und leitet den reaktionsfähigen Dampf bei sehr niedrigem Druck durch einen 
Raum, in welchem das flüssige Metall langsam durch eine Metallkapillare ein- 
tropft. Kaliumnatriumlegierung, die in ganz verdünnten Phosgendampf tropft, 
sendet dann cinen Strahl negativer Elektrizität aus, der ein Elektrometer auf 


— 312 — 


ein Volt aufladt. Die Erscheinung vollzieht sich unter Ausschluß allen Lichtes, 
und der chemische Umsatz ist so gering, daß er den Tropfen höchstens um 2° 
erwärmen kann. Daß dieser Strahl wirklich aus Elektronen besteht, wird durch 
seine Untersuchung im magnetisch-elektrischen Felde bewiesen. Man findet 
dabei, daß die Strahlteilchen auf die Einheit der Masse jene ungeheure Ladung 
besitzen, welche nur Elektronen eigentümlich ist. Die Elektronenabgabe, welche 
die Entstehung eines Tropfens begleitet, erreicht schon ihren Höchstwert bei 
einer Ladung der Kapillare auf etwa 4 Volt. Verbindet man das Elcktrometer 
mit einer sehr großen Kapazität, so kann man dann die ganze Elektrizitätsmenge, 
die ein einzelner Tropfen abgibt, auffangen und messen. Dabei ist der Wert 
1,3. 0—7 Coulomb. ist mit Kaliumnatriumtropfen von 3 mm Durchmesser im 
Phosgendampf beobachtet worden. Wenn die Entstehung eines Chlorkalium- 
ınoleküls immer ein Elektron zur Aussendung bringt, so berechnet sich, daß der 
Tropfen an seiner Oberfläche 1012 Moleküle Chlorkalium entstehen lassen muß, 
um diese Elektrizitätsmenge zu liefern. Nun haben die Tropfen, um die cs sich 
hier handelt, eine so große Oberfläche, daß 100mal mehr Chlorkaliummoleküle 
notwendig sind, um sie gleichförmig mit einer Chlorkaliumschicht von molekularer 
Dicke zu überziehen. Die wirklich entstehende Schicht ist jedenfalls noch 
dicker. Wenn also jedes Chlorkaliummolekül bei seiner Entstehung ein Elektron 
aussendet, so müssen wir annehmen, daß nur ein kleiner Bruchteil von diesen 
Elektronen an die Auffangeplatte gelangt. Ob die anderen in der Haut stecken 
bleiben, die gleichzeitig mit ihrer Aussendung entsteht, ob die lebendige Kraft, 
mit der sie die Molekülgrenze verlassen, nicht ausreicht, um die elektrostatischen 
Kräfte zu überwinden, die das abgeflogene Elektron in der allernächsten Nähe 
des Atoms sehr stark bremsen und zum aussendenden Molekül zurück- 
bringen, oder ob schließlich überhaupt nur bevorzugte Chlorkaliummoleküle 
unter Elektronenemission gebildet werden, läßt sich vorerst nicht sagen. Benutzt 
man statt der Kaliumnatriumlegierung das unedlere Caesium dicht über seinem 
Schmelzpunkte, so findet man die freiwillige Ausladung anderthalb mal höher 
und die abgegebene Menge negativer Elektrizität pro Tropfen fast zehnmal 
erößer. Die Zahl der aufgefangenen Elektronen ist aber auch hier viel kleiner 
als die Zahl der umgesctzten Cacsiumatome. Wenn man statt des Phosgens 
das Brom verwendet, so findet man wiederum bei der Benutzung der Kalium- 
natriumlegierung durch Beobachtung im magnetisch-elektrischen Felde, daß die 
zahlreich ausgesandten negativen Träger Elektronen sind. So liegt der Schluß 
nahe, daß in allen Fällen, in denen bei gewöhnlichem Drucke das Auftreten’ 
negativ geladener Träger im Gasraume wahrzunehmen ist, beim Vacuumversuch 
Elektronenstrahlen erscheinen. Aber die nähere Untersuchung zeigt, daß die 
Annahme nicht zutrifft. Nur bei der Einwirkung der unedelsten Metalle auf 
chemisch wirksamste Gase tritt freiwillig Aufladung und Abgabe von Elektronen 
ein. Mit sinkender Verwandtschaft der beteiligten Stoffe wird zunächst sowohl 
die freiwillige Aufladung wie die Zahl der abgegebenen Elektronen kleiner. 
Dann gesellen sich schwerere negative Träger den Elektronen zu. Auf der 
nächsten Stufe erscheinen nur noch diese geladenen materiellen Teilchen, zu 
deren Aussendung es kleiner beschleunigender Spannungen unter 2 Volt bedarf. 
In derselben Reihenfolge der Verwandtschaft wird mit der sinkenden Stärke 
des Effektes seine Auffindung schwieriger; man wird den mitgeteilten Beobach- 
tungen entnehmen dürfen, dab an der Grenze der radioaktiven Erscheinungen 
gegen die bekannten chemischen Reaktionen ein Gebiet liegt, dessen Bearbeitung 
die darauf verwendete Mühe verlohnt. = 


Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F. S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW. 
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. 


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Series 1665 


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