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UNIVERSITY OF CALIFORNIA, SANTA
DUT
3 2106 02070 6666
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‘Das Weltall
illustrierte Zeitschrift für Astronomie und
eavavavavavara verwandte Gebiete. eeraa
Herausgegeben unter Mitwirkung zahlreicher Fachgenossen
von
Dr. F.S. Archenhold,
Direktor der Treptow-Sternwarte.
„Was die Natur tief im Verborgnen
schafft, mup mir entschleierl und ent-
siegell werden.“ (Schiller.)
11. Jahrgang
Oktober 1910 bis September 1911.
Mit 15 Beilagen und 203 Abbildungen.
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ONS
Verlag der Treptow-Sternwarte
Treptow - Berlin.
1397/3
Alle Rechte vorbehalten.
Emit Ureyer s Buchdruckerei, Berlin S, W
DAS WELTALL.
11. Jahrgang.
Mitarbeiter.
(Die Klammer bei der Seitenzahl zeigt an, daß der Artikel vom Verfasser nicht unterschrieben ist.)
Seite
Archenhold, Dr. F. S., 10, 17, 23, 28, 35, 40, (42),
45, (58), 61, 71, 100, 104. 105, 115, 117, 120,
121, 128, 130, 136, 139, 168, 173, 175, (176),
177, 190, 204, (219), 231, 234, (235), 237, 246,
961, (267, 268), (282), 283, 294, 296, 301, 310,
311, (314), 315, 317, (322), 324, (328), 337, 338,
343, (344), 345, 349, 353, 356, 357, 361
Baumann, Adrian . 347
Clemens, Dr. H. . . . 193
Engler, Geh. Rat, Prof. Dr. . 363
Fenyi, J.. . ras eo ber Aë A a e
Fritsche, Dr. H. e Ge at nd DR
Ginzel, Prof. F. K. : 161, 185, 268
Günther, F., Distrikts-Ingenieur . . 119
Habenicht, H.. ENEE . 42
Haber, Prof. F. . . . . . 2 2 2 020.0 . 368
2 ED ee Ee
Seite
Haken, Dr. Werner 90,182, 220, 235,240, 253, 276, 329, 359
Henning, Dr. F. l gé el
Kekule von Stradonitz, Dr. Stephan . 216, 308
Krebs, Wilhelm . HEH 21, 285
Larkin, Edgar Lucian . 203
Lau, H. E. . 269
Linke, Felix . 118
Lukács, Ernst . . a ee ce 87
Lysakowski, Karl von ; 107, 127
Mecklenburg, Werner 29, 47, 63, 83, 220, 316, 359
Verzeichnis der Abbildungen.
; Seite
Beobachtung einer Eruption auf der Sonnen-
scheibe (6 Fig.) . . . - 7
Der gestirnte Himmel im Monat November 1910
(3 Fig.) : 11
Der Eulennebel im groten Bären 13
32
Einiges von den flüssigen Krystallen :3 Fig)
Der gestirnte Himmel im Monat Dezember 1910
(3 Fig.) 35
Modell cines Ringnebels i 3 . 37
Die Stellung unseres Sonnensystems B tind d.
Globular-Sternhaufen A zur Milchstrabe C in
unserm galaktischen System h a. eSB
Stellung unseres galaktischen Systems G unter
den planetarischen Urnebeln ; 37
Der Komet 1823 mit seinen anomalen Schweifen
i. J. 1824 (4 Fig.) 40
Nordlicht am 3. Nov 1899 . 46
Nordlicht am 7 Nov. 1899 . 47
Zähigkeit des p-Azoxyanisols als Funktion der
Temperatur nach Schenck . g 50
Zahigkeit derp-Methoxyzimmtsäure als F Hiktiön
der Temperatur nach Schenck . 50
Zähigkeit des p-Azoxybenzoésaureaethylesters
als Funktion der Temperatur nach Schenck 50
Die fließenden Krystalle des p-Azoxybenzoé-
säureaethylesters nach Vorländer 53
|
|
Niessl, Prof. G. v. . 4l
Osthoff, H. 1, 19
Passarge, Hans . er tee ee em ee y A 93
Peppler, Wilhelm ........ 200 7
Schindler, Robert . ..... .. . 209, 225
Stempell, Leutnant G. von. .... 34, 282
Seite
Die fließenden Krystalle des ölsauren Ammo-
niums nach Vorländer 54
Linsenförmiger Krystall des Cholesterylbenzoats
nach Lehmann J 54
Abbildung eines Kry stalltropfens in der ersten
Hauptlage nach Lehmann 55
Zwischenstadien eines aus der disten in die
zweite Hauptlage sich drehenden Krystall.
tropfens nach Lehmann . 55
Abbildung eines Krystalltropfens in der zweiten
Hauptlage nach Lehmann 55
Darstellung eines Tropfens in der Gesten Haupt
lage bei der Betrachtung im ee
Lichte nach Lehmann e er a DO
Deformation eines Krystalles von ge e
benzoüösäureaethylesterbeim Zusammentreffen
mit einer Luftblase nach Lehmann 56
Verschmelzung zweier Krystalle des p-Azoxy-
benzoésaureacthylesters nach Lehmann . 56
Darstellung einiger durch Verschmelzung zweier
Krystalltropfen in der ersten Hauptlage ent-
standener Gebilde nach Lehmann 57
Gewaltsame Zerteilung eines Krystalltropfens
in zwei kleine Krystalltropfen nach Lehmann 57
Mondring mit Nebenmonden. Beobachtet von
Fridtjof Nansen in der Polarnacht am 24. No-
vember 1893 . 2 2 2 2 e 63
Seite
Einiges von den flüssigen Krystallen (3 Fig.)
Umwandlungspunkt Së ër e NO
Enantiatropie, Monotropie 67
Der gestirnte Himmel im Monat jaur 1911
(3 Fig.) . 72
Neuer Ellipsograph (3 Fig.) A 87
Eine neue Methode zur Erforschung des Erd-.
innern (2 Fig.) : 90
Der gestirnte Himmel im: Monat Februar 1911
(3 Fig.) Er . . 100
Sternhaufen Messier 3 in en ‚Tagdhunden.. . 100
Komet Brooks 1889 V und seine vier Begleit-
kometen . . 105
Das Kaspische Meer und das alte Flußbett des
Amu-Darja . e , 111
Der Aralsee und die Ricitupess eränderungen
im Laufe des Flusses Amu-Darja . 111
Der neue Stern in der Eidechse (Nova Lacertae
136, 1910) und seine Umgebung . . . 116
Die Entstehung, Entwicklung und Auflésung
dreier Wasserhosen in der Singapore-Strabeam
6. Oktober 1909 in der Zeit von 1” 30 ™ - 50™ 124
Der gestirnte Himmel im Monat März 1911
(3 Fig) . ; e 131
Denkmal von johannes Hev düs . . 139
Hevelius Sternwarte „Stellaeburgum“ in Danzig 140
Großes Fernrohr Hevelius vor den Toren
Danzigs . SM g a ee e E
Titelbild, aus: Hevelius „Prodromus Astro-
nomiae“, 1690 142
Der Drache (Draco) e . 143
Der Sobieskische Schild ‚Sentum Sobiesii) 143
Wassermann (Aquarius) er . 144
Fuhrmann (Auriga) 1 EECH , 144
Der große Bär (Ursae Major) ... . . 145
Die Jagdhunde (Canes Venatici) . 145
Centaur (Centaurus) und siidliches Kreuz (Crux 146
Orion . 146
Johannes Hevelius nach den Gemälde von
Daniel Schulz : u te AT
Der siidliche Sternenhimmel ‘ . 148, 149
Hevelius und sein Gehiilfe bei der Beobachtung
der Sonnenfinsternis im Jahre 1661 150
Johannes Hevelius und seine Frau bei der Be-
obachtung am großen Quadranten . . 151
Sonnenflecken im Jahre 1625 . : . 153
Anblick des Vollmonds nach einer Zeichnung
von Hevelius . 153
Verschiedene Kometen aus den fahren 1577
1590, 1607, 1618, 1647 und 1652, letzterer von
Hevelius selbst beobachtet . . 155
Der Komet 1661 inseiner Abnahme vom3. Februar
bis zum 28. März von Hevelius beobachtet 155
Der große Komet vom 2. Dezember 1680 bis
zum %. Januar 1651, von Hevelius in Danzig
beobachtet . 155
Johannes Hevelius . 159
IV
æ MM M E ea aeg y hg cc geb ps ca EES
Seite
Die arabischen, indischen und chinesischen
Mondstationen . 165
Der gestirnte Himmel im "Monat April 1911
(3 Fig.) : . 169
Komet 18861. März 31. 1130”. März 31,
115 15™ bis LU 20™. April 1, 8° 40” bis
9" 30™. . 174
Die Titanbanden im ve Teile des GE
der Sonnenflecken und des elektrischen
Flammenbogens . . ....... . ITR
Die Spektren von Sonne, Procyon, y Cygni,
Capella, Arktur und Beteigeuze . . 179
Das Spektrum der Sonne und eines GER
fleckes in der Region der b-Linien . . 180
Das Spektrum der Sonne und der Sterne
u Geminorum und 132 Schjellerup . 181
Das Aronsche Chromoskop .6 Fig.) . 182
Personifizierung der 27 nakshatra nach Dar-
stellungen auf Ceylon . 186
Hindu-Zodiakus Choultry . 189
Das 27füßige Newtonische Spiegelteleskop zu
Lilienthal . 198
Das 26fübßige Sniegelteleskop von Schrader
unweit Wien . 200
Der gestirnte Himmel im Monat Mai 1011 (3 Fi ie ) 205
Venus oder der vermeintliche Komet . 207
Zur Genesis des Mondes (11 Fig.) . 209
Super- Exlibris des Louis- Henri de Lomenie,
Grafen von Brienne f . 217
Der gestirnte Himmel im Monat jui. 1911
(3 Fig.) . 231
Der Doppelncbel im Bootes e v 231
Zodiakallicht und Komet 1910a, 1910 enna
3° 72 10". . 239
Uber elektrische Strahlen (2 Pig.) 2 . 240
Über elektrische Strahlen (7 Fig.) . . 253
Der gestirnte Himmel im Monat Juli 1911 (3 Fi ig.) 261
Der rote Fleck. 1881, Juli 7, 3" 4™ morgens,
1881, September 21, 4" 35™. . 270
Jupiter mit schrägen Streifen. 1904, Dezbr. 13,
6" 55™ abends, 1906, Januar 15, 7" om abds. As,
Der Schleier (1904 - 1906). 1904, Dezember 16,
6" 47™ abends, 1906, Februar 12, 6" 5y™
abends i Bie ot oo cae ee wa Woes
Der rote Fleck mit der Bai. 1883, Januar 31,
7° 30" abends, 1883, Januar 31, 8" 28"
abends. ir. ee i 205
Über elektrische Strahlen (6 Fig) . : 276
ODE des Halleyschen Kometen 16. Mai 1910,
4" morgens 283
Größte Sonnenflec kenere toi 1908. iig T. ou 286
Schematische Darstellung der Vorgänge der
Sonnentätigkeit am 17.,18. Juli 1907 9RN
Tiefenunterschiede von Sonnenflecken zusam-
mengesetzter Gruppen und andere Ausbruchs-
erscheinungen der Sonne ; 290
Der Ursprung des Sexagesimalsy dee 294
Verlauf der Polbewegung von 1900 bis 1911 296
NV
Seite e Seite
Der gestirnte Himmel im Monat August 1911 Lauf des Kometen Brooks 1911c vom 1. bis
(3 Fig) a. e æa soeg e w alt 15. September 1911... . . 338
Der dunkele Ring des Gen . . . . . . 304 | Lauf des Kometen Brooks 1911 € c vom e Sep-
tember bis 15. Oktober . . . ... . . 346
Die Exlibris in der „Selenographia“ des
Hevelius der Bibliothek der Treptow-Stern- Karte des a des Halleyschen Kometen für
warte (2 Hei... agent EE eg deg
. "Der gestirnte Himmel im Monat Oktober 1911
Der gestirnte Himmel im Monat September 1911 Brig)... 353
(3 Fig) ee aa rer 324 | Lauf des Kometen Soe 1911 1 vom 1. bi
Über die Entwicklung des Baues der optischen | 23. Oktober. — Lauf der Feuerkugel vom
Instrumente (9 Fig.) . . 2 2 . , 829 20. September 1911. . . 2 2 20 . 362
Verzeichnis der Beilagen.
Heft Heft
Über den Einfluß der Sonne auf die Erde. Ptolemäus, Alphons und Arzachel. — Theo-
Cirruswolken: 1885, Januar 17. — 1906, Sep- philus, Cyrillus und Catharina. — Copernikus.
tember 16 — 1906, Juli 15. — 1902, April 26. — Cassini und Aristoteles. — Apenninen,
— 1903, Mai27. — 1903, August 8. — 1906, Archimedes, Aristillus und Autolycus. . . 15
Oktober 15. — 1906, Juli 15. (8 Fig) . . . 1 | Das große Fernrohr der N na
Über ausgedehnte Sonnenfleckengruppen und und die neue Plattform . . . ET
Fackeln am 29. September, 1. und 2. Ok-
tober 1910 . . . . 2
Nordlicht am 25. Dezember 1899, 191,5 —Nord-
lichtkrone am 25. Dezember 1899, 201P
Pourtraict Of the New Wonderful Suen ae
from the 12‘ of January 1664. Delineation
of a Marvellons New Blazing Star ... from
th 5
— Nordlicht am 26. Januar 1900. (3 Fig) . 4 the 12 of January, 1664 ee, 2
Parelia, cum arcubus coloratis visa in Misnia Der Halleysche Komet vor und nach der Bce-
l , h
ad Albim, Anno 1578. die 18. Februarij. . 5 | &gegnung mit der Erde 1910, Juni 6. 8
Eine mehrfache Wasserhose im sicilianischen WID e, Juni UE
Meere, beobachtet von Kapitan Cabbage am 1910, Mai 1. 15 42-16 5 . 1910, Mai 5.
27. Juni 1827 in der Nähe von Stromboli . 9 am...
Johannes Hevelius (geboren am 28. Januar 1611, Neues Verzeichnis von alten Komcteneinblatt-
gestorben am 28. Januar 1687) . . . . 10 drucken. Der Halleysche Komet im Jahre
Petavius und Wrottesley. — Clavius und Tycho: 684 in den Plejaden. Der Halleysche Komet
— Triesnecker, Ukert und Horrocks. — | im Jahre 837, 1066, 1301, 1456, 1531, 1607 . 23
Be en oe
Inhaltsverzeichnis.
Seite Seite
Über den Einfluß der Sonne auf die Erde. Von Wandlungen und Ziele der Wettervoraussage.
H Osthoff. (Mit einer Beilage) . . . . 1, 19 Wilhelm Peppler, Öffentliche Wetterdienst-
Beobachtung einer Eruption auf der Sonnen- stelle Gießen . . . 2 2 2 2 ee ee 7
scheibe. Von J. Fenyi, S. J. Direktor des Neuer Ellipsograph. (D. R. P. 218013). Von
Haynald-Observatoriums in Kalocsa
Über ausgedehnte Sonnenfleckengruppen und
Fackeln am 29. September und 1. und 2. Ok-
tober 1910. Von Dr. F. S. Archenhold. (Mit
Ernst Lükäczı eu s we a ET
Das Wesen der Gravitation im Sonnensystem.
Von Hans Passarge, Königsberg i. Pr. . . 93
Zur Wiederentdeckung des Kometen Brooks
einer Doppel-Beilage) . . . 17 . :
Zur Frage EE Von Wilhelm LOIN: VON Dr PiS Archennold. i ee
Krebs, Großflottbek . . . . oi | Der Aralsee und die Richtungsveränderungen
Finiges von den flüssigen Kesställen: “on im Laufe des Flusses Amu-Darja. Von Karl
Werner Mecklenburg . . . . . 29. 47, 63, 83 von Lysakowski. . . . . 107
Weitere Mitteilungen über den Veränderlichen Die Entdeckung eines neuen Sterns im Stern-
ô, Lyrae. Von Leutnant G. von Stempell . 34 bilde der Eidechse. Von Dr. F. S. Archenhold 115
Über Nordlichter in der Polarregion Von Dr. Mehrfache Wasserhosen. Von Dr. F. S. Archen-
F. S. Archenhold. (Mit einer Beilage) . . 45 hold. (Mit einer Beilage) . . . . 121
Nebensonnen mit farbigen Bogen. Von Dr. F. Erdbeben im russischen Turkestan. Von Karl
S. Archenhold. (Mit einer Beilage) . . . 61 von Lysakowsky, Odessa ee II
Bestimmung der Sonnenrotation aus der Be-
wegung der Fackeln in den Jahren 1906
bis 1908. Von Dr. F. S. Archenhold
Johannes Hevelius. Ein Gedenkblatt zum 300. Ge-
burtstage. Von Dr. F. S. Archenhold (Mit
einer Beilage) . A
Die Mondstationen. Von Prof. F. K Einzel 161,
Neuere Untersuchungen über den chemischen
Ursprung verschiedener Linien im Sonnen-
spektrum und in Sternspektren. Von Dr. F.
S. Archenhold : e
Das Aronsche Chromoskop. Con Dr. W. Haken
G. J. F. Schrader und seine Spiegclteleskope.
Von Dr. H. Clemens .
Der Zauber in der Perspektive des großen
Orionnebels. Von Edgar Lucian Larkin,
Direktor des Mount Lowe-Observatoriums,
Kalifornien . :
Zur Genesis des Mondes. Von Robert Schindler.
.(Mit einer Doppelbeilage) 209,
Das Exemplar der ,Selenographia* des Hevelius
in der Bibliothek der Treptow-Sternwarte.
Bemerkungen vom bibliophilen Standpunkte
aus. Von Dr. Stephan Kekule von Stradonitz
Ober die Brownsche Molekularbewegung. Von
Dr. F. Henning
Das Zodiakallicht.
Ober elektrische Strahlen. Von Dr. W. Haken
240, 253,
Das Schicksal der Planeten. Von Dr. F. S.
Archenhold .
Der Planet Jupiter. Nach den Entersneliuneen
von Prof. Lohse. Von H E. Lau
Tiefenunterschiede von Sonnenflecken zusam-
mengesetzter Gruppen und andere Ausbruchs-
erscheinungen derSonne. Von WilhelmKrebs,
Großflottbek : :
Der Ursprung des Sesagesimalsystens
Dr. F. S. Archenhold . l
Drei Aufsätze von Heinrich Schwabe aus den
Jahre 1852 über Saturn, die veränderlichen
Sterne und die kleinen Planeten. Von Dr.
F. S. Archenhold ;
Die Exlibris in der -Seiendgraphia® des Hev dis
der Bibliothek der Treptow-Sternwarte. (Er-
gänzungen zu 1911, S. 216ff ) Von Dr. Stephan
Kekule von Stradonitz A
Williamina Fleming}. Von Dr F.S. EE
Über den Sterakultus der Pani-Indianer. Von
Dr. F. S. Archenhold . e
Über spektroskopische und visuelle Bohne:
sterne. Von Dr. F. S. Archenhold .
Die Bewegung des Sonnensystems?
Über die Entwicklung des Baues der een
Instrumente. Von Dr. Werner Haken
Von Dr. ES
(Mit einer Beilage)
Von
Der neue Komet Brooks 1911c.
Archenhold.
Von Dr. F. S. Archenhold 2
, Alt
Scite
128
285
. 294
. 301
. 308
310
. dtl
. 317
H 322
ra |
VI
|
Neues Verzcichnis von alten Kometencinblatt-
drucken. Von F. S. Archenhold. (Mit einer
Beilage und einer Doppelbeilage) . 338,
Neues vom Kometen Brooks 1911c. Von Dr.
F. S. Archenhold
Das Schicksal der Planeten von Seet Arche
Seite
349
WER
nius. Kritik von Adrian Baumann, Zürich 347
Die drei neuen Kometen Brooks 1911c, Qué-
nisset 1911f und Beliawsky 1911g. Von Dr.
F. S Archenhold soy a. e eS L
Zerfallsprozesse in der Natur. Auszug aus
einem Vortrag von Gch. Rat Prof Dr. Engler-
Karlsruhe auf der Naturforscherversammlung
in Karlsruhe 1911 . 363
Elektronenemission bei hemischen Reaktionen.
Auszug aus einem Vortrag von Prof. F. Haber-
Karlsruhe auf der Naturforscherversammlung
in Karlsruhe 1911 , 368
Aus dem Leserkreise.
Einige Beobachtungen des Johannesburger
Kometen . 218
„Alondmeteore“ 22)
Der gestirnte Himmel.
Im Monat November 1910 10
- - Dezember - 35
- - wee 1911 . a
- - “ebruar - . 100
- - März - . 130
- - April - . 168
- - Mai - . 204
- - Juni - . 231
- - Juli - . 261
- - August - . 296
- - September - . 324
- - Oktober - . 353
Kleine Mitteilungen.
Beobachtung einer Feuerkugel 16. — Die Ent-
deckung eines neuen Sterns 23. Die
säcularen Änderungen der erdmagnetischen
Elemente 24. — Uber die Temperatur der
Sonne und Sterne 2s. Über die Licht-
veränderung gewisser Satelliten in unserm
Planetensystem CH. .— Neue Fernrohre für
das Sproul-Observatorium in Swarthmore
(Pennsylvanien) 28. — Eine definitive Bahn-
bestimmung des Kometen 1823: 40. — Neue
Bahnbestimmungen von September-Meteoren
41. — Uber Sonuentlecken und Witterung 42.
— Eis- und Wetterbericht von dem Nordatl
Ozean und Europa 42. Uber die vierte
Versammlung der internationalen Vereinigung
für kooperative Sunnenforschung 42.
Wiederentdeckung des periodischen Kometen
Faye (1910e Cerulli) 58. — Beobachtung der
hellen Planeten am Tage 58. — Scebeben im
Bismarck-Archipel 58. — Eine neue Methode
zur Erforschung des Erdinnern 90. — Bec-
obachtung einer glänzenden Feuerkugel am
13. Dezember 1910 in Dortmund 104. — Die
VII
Seite
Entdeckung eines Veränderlichen oder eines
neuen Sterns in den Fischen 117. — Die
»Vermondung* der Erde und der Planeten
118. — Todesfall 119. — Die Farben der
Sterne im Orionnebel 186. — Uber die natür-
liche und künstliche Brandzone der Meteor-
eisen 136. — Ein Meteorstein 136. — Der
Komet 1886 I 173 - Uber die Bahn einiger
spektroskopischer Doppelsterne 175. — Über
die eruptive Tätigkeit des Vesuvs im Monat
Mai 1910: 175. — Das Technikum Mittweida 176.
— Die Darstellung von metallischem Radium
190. — Die Verbreitung der Funkentelegraphie
191. — Über Erdbeben in Österreich im Mai
1910: 191. — Über die Eigenbewegung der
Fixsterne 219. — Uber die Elemente des
Thuliums 220. — Zwei neue kleine Planeten 234.
— Beobachtungen von Feuerkugeln aus dem
Leserkreise 235 — Der Apex der Sonnen-
bewegung 267. — Uber den spektroskopischen
Doppelstern o Persei 267 — Der Halleysche
Komet 268. — Die Störungen des Roten
Fleckes 282. — Beobachtung einer Feuer-
kugel 282. — Komet Halley am 16. Mai 1910
2x3. — Ernennungen 283. — Ein neuer
Komet 1911b (Kiess) 314. — Der rote
Fleck 314. — Der Rote Fleck im Jahre
1909 314. — Neue Geschwindigkeitsbestim-
mungen der Heliumsterne von Campbell
315. — Dunkle Massen im Weltraume 315. —
Der Veränderliche S Arae 315 — Die inneren
Schleier der Sonnenflecke 315. — Das Tech-
nische Museum für Industrie und Gewerbe-
in Wien 315 — Mars im Jahre !909 in Trans-
vaal 32s. — Martin Kelloggstiftung für die
Lick-Sternwarte 328. — Über die Entwicklung
der kosmischen Nebel 343. — Die Konstitution
der Jupiterstreifen 344. Eine große
Wasserhose 344. — Eine bemerkenswerte
Feuerkugel 356. Die 83. Versammlung
Deutscher Naturforscher und Ärzte 356. —
Die Deutsche Meteorologische Gesellschaft
356.
—
Bucherschau.
Mascart, Jean, Astronome ... Le tremblement
de terre en Bretagne. Paris 1910 .
Deutscher Photographen - Kalender für 1911.
Herausgeg. von K. Schwier. Weimar 1911 104
Mecklenburg, Werner, Dieexperimentelle Grund-
59
legung der Atomistik. Jena 1910 . 120
Lemme, Albert, Eine neue Vulkan- und Welt-
entstehungstheorie. Eßlingen a. N. 197
Seite
Grebe, Dr. L., Spektroskopie. Leipzig 1910 . 192
Pokrowski, Prof. K., Publikationen der Kaiser-
lichen Universitätssternwarte zu Jurjew
(Dorpat). Dorpat 1910 e <- 192
Helm, Georg, Die Grundlehren der höheren
Mathematik. Leipzig 1910 . . 220
Börnstein, B., und Marckwald, W., Sichtbare |
und unsichtbare Strahlen. Zweite AURIGE:
Leipzig 1910 . R . 220
Auerbach, Felix, Geschichtstafeln der Physik.
Leipzig 1910 . . ... . 235
Annales of l'observatoire aval de Belgique 1910 236
Bulletins of Laws Observatory. Publications
of the University of Missouri . ; . 236
Warren, William Fairfield. The earliest Cos-
mologies. New-York, Cincinnati 1910. . 268
Annuaire astronomique pour 1912. Publié par
G. Lecointe J . 284
Stavenhagen, W., Haupimanns a. D., Zur Fertig-
stellung der Karte des Deutschen Reiches.
Wien 1911 . A
Stavenhagen, Die Karte und. der Kavallerie
offizier. Wien 1911 .
Stavenhagen, Über die Bedeutung der Militär-
geographie. Wien 1910 . e
Righi, Augusto, Kometen und Elektronen.
Leipzig 1911 A
Ostwald, Wilhelm, Sprache und Verkehr.
Leipzig 1911
Rusch, Franz, Einimelsbeobachlungen
bloßem Auge Teubner, 1911..
Carthaus, Dr. Emil: Die klimatischen Verhält-
nisse der geologischen Vorzeit, vom Prac-
cambrium an bis zur Jetztzeit und ihr Ein-
fluß auf die Entwicklung der Haupttypen des
Tier- und Pflanzenreiches. Berliu 1910. .
Lehmann, O. Die neue Welt der flüssigen
Krystalle und ihre Bedeutung für Physik,
Chemie, Technik und Biologie Leipzig,
1911 , 35%
Konderef, J. P. Lapane sme des sarees et
des lentilles elliptiques et hyperboliques. . 359
Gleichen, Dr. Alexander: Dle Theorie der mo-
dernen optischen Instrumente. Stuttgart, 1911.
Jahrbuch der Motorluftschiff - Studiengesell-
| schaft. Vierter Band 1910 bis 1911. Berlin.
at
mm a nn nn Eee en la ab Fr E an u rl En a ee ae nm
359
360
| Bücheranzeigen: 236, 284, 300, 344.
59, 176.
|
| Briefkasten:
| Fehlerberichtigung: 20s.
EN
Vill
Sach- und Namenregister.
Seite
Abbe: a eee 2 He S 124, 334
Absorption der Kathoden-
Strahlen: s 4: 4 = 2% 4% 45
ATK CM: Sa ee oo Se 105, 318
Aldebaran ........ 168
Alpol San ae sea ie ces Bie eg 305
Amalgam ........ 190
Amorphe Gebilde... . . 31
Amu-Darja, Richtungsverän-
derungen des Flusses. . 107
Änderung der Wetterlagen 79
Anderungstendenz d. Wetter-
lagen Gë Ze Kg. ya E 3 79
ma Andromedae ...... 175
Annales de l'observatoire
royale de Belgique . . . 236
Annuaire astronomique pour
19125 2 u 2 SS 284
Apex der Sonnenbewegung
l’Aplanétisme des surfaces 267
t Aquilae 175
Araber ie 426 ne
Aralsee u. die Richtungsver-
e eè e t'o òè òo oò% e o
änderungen des Amu-Darja 107
ArktUr oc e Gs a, es Se en 177
Aronsches Chromoskop . . 182
Arrhenius 243, 246, 347, 364
Asphalt ......... 29
Atmosphäre, Dove 81
Atmosphär. Erscheinungen 61
Atomistik, experimentelle
Grundlegung . ... . . 120
Auerbach, F.. . . . . . . 235
Babylonier, Sexayesimal-
SYSIEIM 32.0 4.5 2 EE 294
— Sternkenntnis . 168
Bahnbestimmung des Ko-
meten 1823. ...... 40
— neue, von September-
Meteoren. ....... 41
Baikalsee ........ 110
Baker nd. S234 e Bae te He 318
Barnard ....... 106, 117
Bau der optischen Instru-
WENE u, ae a 329
Baxandall . ....... 181
Beliawsky ......2.. 361
Bellatrix Guat 2, Se ce & 180
Bere, De Aa as a 107
Beteigeuze e, 179
Bewegung d. Sonnensystems
Bibliothek d Treptow-Stern-
Warte u se G 216, 308
Biot e os 8 hw ee a 184
birotationstheorie . . . . . 94
Seite
Bohlin . . 2 a.a ea Re 11
Bootes . . . 2 2 2 220. 231
Börnstein und Marckwald . 220
Brander AN 4 440% 194
Brandzone der Meteoreisen,
natürliche und künstliche 136
Braunsche Röhre... . . 257
Breithaupt ........ 29
Briefe an und über Hevelius 152
Brooks . 100, 105, 337, 345, 361
Brounow , . . 2.2... . 79
Brownsche Molekularbewe-
SUNG «62s 6 ore EE 221
Bulletins of Laws Observa-
EEN e 2: Se eo Ss 236
Burns, Ke ........ 136
Caesa o 6.2 84 6 42% 161
Cag x see aa 45
Campbell. ........ 315
Capea. = 4 4. 8 we ade 177
Carthaus, Emil ...... 357
Cassegrainscher Reflektor . 193
Cassiopeia .......-. 305
Cerulli a. % # = 2% 58, 100
Chandler © o o o nae Ze 106
Chemie:
Amalgam ....... 190
Atomistik ....... 120
Brownsche Molekularbe-
wegung ....... 221
Chemischer Ursprung ver-
schied. Linien im Sonnen-
spektrum und in Stern-
spektren . . . 2.2... 177
Chinesen. ........ 166
Chromoskop, Aronsches . . 182
EES Ae 8 tb 5
Class, 2... 8.00% 242
Cosmologies, earliest . . . 268
Coulomb: — Ze & 4% 4% 244
CONG lr er e Sas A 190
51. Cygni, e 2. oe g 175
Dalton. EN oes 221
Dana aena Bei 2 aea 210
Darstellung v. metallischem
Radium w 3.20%: % 190
Darwin ....... 118, 261
Daubrée ......... 136
Deutsche Meteorologische
Gesellschaft ...... 356
Deutscher Photographen-
Kalender für 1911 . 104
Dichtigkeit der Planeten 94
— der Sonne. ..... 97
Beite
Dollondscher Refraktor . . 197
Doppelnebel im Bootes . . 231
Doppelsterne:
Entwicklung ...... 261
oPersei...... - . 207
Spektroskopische und vi-
suelle ...... 175, 317
DOVE p 4.6 2 o 4 © RS Hl
Draperscher Katalog 133 |
Earliest Cosmologies . . . 268
Easton. c & 2% Sse Se 3 10
Ebbe und Flut...... 118
Ebel. sso. na aan A 337
Eberhard. ........ 117
Eigenbewegung der Sterne
204, 219
Einblattdrucke ...... 61
Einfluß der Sonne auf die
Erde +... 2.2.8 & A 1, 19
Eis-u. Wetterberichtvon dem
Nordatl.Ozean und Europa 42
Ekholm ......... 80
Elektr. Strahlen . 240, 253, 276
Elektrolyse... aaa. 253
Elektronen ...... 254, 316
Elektronenemission . . . . 368
Elektroskop ....... 278
Elemente des Thuliums . . 220
Ellipsograph, neuer. . . H
Enckescher Komet . 100
Engelhardt. ....... 322
Entdeckung eines neuen
SternS . © : 2 #2... 23
— in der Eidechse . . . 115
— in den Fischen . 117
Entwicklung der Doppel-
sterne u: ee eS) 261
— der kosmischen Nebel 343
Erathostenes ...... - 204
Erdbeben:
im russischen Turkestan 127
in Osterreich im Mai 1910 191
Tremblement de terre en
Bretagne . 3.2.6 d e 59
Erdbebenwellen. . - , . 90
Erde 93. 99, 248, 347
— Einfluß der Sonne.. I
— Erforschung d. Innern 90
— Vermondung . 118
Erdmagnetische Elemente . 24
Erdmagnetismus, säkulare
Änderungen . . 2... 24
Erdöl: ee x at Boe a ae 25309
Erforschung des Erdinnern 90
— der russischen Seen . 107
Ernennungen:
Oppenheim, S.
Schumann, Richard. . .
Eruptiona d.Sonnenscheibe 7
ESPI pa zur as ie 115
Eulennebel im gr. Bären 13
Exlibris in der „Selenogra-
phia“ des Hevelius . 216, 308
Wanye Se Er 173
Faraday 6. éi ‘ee ww BS 244
— -Maxwellsche Theorie . 245
Farben der Sterne im Orion-
Nebel. cea 40S: mer. 136
HAVOC es & m ao. 9. 3% 100, 126
== (1910 8) d Aw. wes 58
Fernrohre, neue ..... 28
Feuerkugel 16, 104, 235, 282, 356
Feuersee auf Hawai . 210
Finley, J. P. ....... 125
Fixsterne: .
Eigenbewegung - . . . . 219
Wie stellt man Helligkeits-
messungenan. .... 59
Flammenbogen . . .... 178
Fleming, Williamina + . 310
Fletcher, Alice C.. .... 311
Fließende Krystalle. . . . 29
Flora u. Fauna des Aralsees 114
Flüssige Krystalle 29, 358
Fraunhofer. ..... 130, 303
Fraunhofersche Linien . 184
Funkentelegraphie, Die Ver-
breitung ....... - 191
Galilei. -. 2. 22 2220. 98
Gambart ......... 41
Gaußsche Theorie . 333
Genesis des Mondes . 209, 225
Geographie:
Aralsee und die Richtungs-
veränderungen des Amu-
Darja =... Bk eS 107
Baikalsee . ...... 110
Berg, LE sr. a8... 4% 107
Karte d. Deutsch. Reiches 284
Kaspisches Meer . . 111
Massais ........ 35
Reclus, Elisée ..... 110
Oxus, Fluß . ...... 113
Pani-Indianer. ..... 311
BE wo Sn 2 od 8 114
Geologie:
Klim. Verh. d geol. Vorzeit 367
Geschichte der Astronomie:
Araber......... 166
Babylonier ....... 168
Chinesen. . . . 2... 166
Earliest Cosmologies 268
|
|
|
Seite
Erathostenes ...... 204
Galilei ......... 98
Hevelius, Ein Gedenkblatt
zum 300. Geburtstage . 139
Inder An Ge ee 166
Kepler ie Dër #3: e, aS 119
Mondstationen ..... 161
Nebensonnen mit farbigen
Bögen: — u s ewa & % 61
Sonnenverehrung d. Wad-
schagga ...... 35, 71
Sternkultus d.Pani-Indianer 311
Geschichtstafeln der Physik 235
Geschwindigkeitsbestimmun-
gen der Heliumsterne. . 315
Gestirnter Himmel im Monat:
November 1910. .... 10
Dezember - ..... 35
Januar 19115. 0 71
Februar e e Wwe 100
Marz See Woa 130
April Ee ee 168
Mai We da en te oe 204
Juni Sr, Grete bag 231
Juli TEE ee ER: 261
August En ae E eeh 296
September - ..... 324
Oktober ee ee 353
Gewitterbildung ..... 80
GUL Za 3. & a Ge A A 18
Glas 2 ce Se a a ert, A 31
Gleichen, A ....... 359
Gravitation, Newtonsche 94
— im Sonnensystem 93
Grebe 64-8 444% *# &4 192
Gregorianische Kalender-
reform . 2.3%, 4c a she: #44 161
Grundlegung der Atomistik 120
Günther, L.T ...... 119
Hake, Freiherr v.. .... 361
Hale 4%. aala 20, 43, 171
Hallevscher Komet . . 268, 349
— — am 16. Mai 1910 . 283
— Medaille ...... 92
Haloerscheinung u d. Sonne 61
Helligkeitsmessungen ant ix-
sternmen . www we es 59
Hellmann ........ 42
Helm; G... 2% 2.80% 220
Hennig... A 8... SS 126
- Henricus, M... & % 61
Herschel. . .. . 12, 193, 303
EE, 2,8 a a E 95
' Hevelius:
Briefe an und über ihn . 152
Gedenkblatt zum 300 Ge-
burtstage. . 2.2.2... 139
|
|
|
1
Seite
Literatur. ....... 160
Werke s o e e aom e 158
Selenographia . . 216. 308
Himmelsbeobachtungen mit
bloßem Auge . . 357
Himmelserscheinungen,
Nebensonnenm.farb.Bogen 61
Hnatek. 2.2.2.2. 320°. 40
Hoffmeister. ....... 238
HOP PC 4.4. a a ee A 295
Huggins ........-. 180
Huygens 2-2. baa er 3 240
Hydrologie des Aralsees . 109
Inder ..... PET 166
Instrumente:
— auf dem Mount Wilson 42
Bau na Se ee ee 329
Ellipsograph ...... 87
Hevelius........ 150
Mikroskop ....... 334
Reflektor . ....... 183
Refraktor ....... 183
Spiegelteleskope . .193 336
Internationale Vereinigung
für kooperative Sonnen-
forschung, 4. Vers.-. . . 42
Jahrbuch d. Motorluftschiff-
Studienges. , . . 360
Johannesburger Komet . . 218
Jupiter. .. ana‘ 98, 269
Atmosphäre ...... 246
CSC 275
Flecken . 20, 270, 282, 314
Schleier ........ 273
Streifen, Konstitution . . 344
Jurjew, Publikationen . . . 192
JUSE, E EENEG 368
Kalziumdämpfe im Weltall 324
Kant-Laplacesche Theorie. 95
Kaspisches Meer . ‚1
Kathodenstrahlen . . . 45, 253
Kelloggstiftung für die Lick-
Sternwarte . . . 328
Kepler . 119, 139
Kewitsch . 294
Kieß . ; er 3 E |
Kilimandscharo, Sonnen-
verehrung am .35, U
Klimatische Verhältnisseder
geologischen Vorzeit . . 357
Klimatologie des Aralsees . 109
Kobold . , 345
Kohle . 365
Kometen:
— und Elektronen . , 310
Aitken . 105
Barnard . . 106
Seite
Beliawsky . E . 361
Brooks 100. 105, 337, 345. 361
Cerulli . 100
Encke . . 100
Faye 1910e 58, 100
Halley . 92, 268, 283, 349
Johannesburger . . 218
Kieß 1911b . 314
Periodische d. J. 1911 . 100
Quenisset . 361
Tempelscher . 100
Wilson . 105
Zodiakallicht . . 239
1823, Bahnbestimmung 40
18861. i a welts
Kometeneinblattdrucke,
neues Verzeichnis . 328, 349
Konderef, J.P., l’aplanctisme
des surfaces . . . 359
Konstanten der Himmels-
körper, Tabelle 248
Konstellationen 16, 40, 75. 103
135, 173, 208, 234, 266. 299,
328, 356
Konstitution der Jupiter-
streifen. . . 344
Korn, Dr.. . - . . 361
Kosmischer Nebel ° 343
Krystalle:
flüssige . . 29, 47, 358
fließende >. 47
Allgemeines 63, 183
Landolt e . . 870
Lau, H. E. 314, 322
Lehmann, O.. 48, 358
Lemme . . 192
Leonhard . 45
Licht 182
Lichtveranderung Bewisser
Satelliten 28
Lick-Sternwarte, Kellogg:
stiftung . e, ar 2328
Linien. Fraunhofersche . 184
— Neumannsche 136
Linsen . 335, 359
Literatur über Hevelius und
seine Werke . . 160
Lockyer. . 1, 170
Lohse . 269
Löwy , 90
Ludendorff . 267
Luftdruck . A 80
Luftmangel auf dem Monde 225
ô, Lyrae
Mantel oder Schale der Pla-
neten i
Mareebenen des Mondes
. 213
34
o4
Gi
Seite |
Mars . 93, 96, 247, 328, 347
— Kanäle . , 348
Mascart, J. 59
Massais . 35
Masse 95
Massen i. Weltraume: dunkle 315
Materie, Konstitution . . 241
Mathematik:
Grundlehren . 220
Unterrichtskurse . 44
Maxwell 30, 245
Mecklenburg, W . 120
Merkur . 99
Messier 3in den Jagdhunden 100
Meteore:
Bahnbestimmungen von
September-Meteoren .
Feuerkugeln, Beobachtun-
gen 16, 104, 235, 282, 356
Mondmeteore . . 229
Meteoreisen, natürliche und
künstliche Brandzone .
41
, 136
| Meteorologische Gesellschaft 356
a ee
Meteorologie:
Anderungstendenz
Wetterlagen 79
Aralsee u. seine Umgebung 109
Atmosphärische Erschei-
der
nungen 61
Cirren ... 5
Einfluß der Sanne auf die
Erde in 2, 19
Eis- u. Wetterbericht vom
Nordatlant Ozean und
Europa 42
Gewitterbildung . 80
Moderne Wetterprognostik (7
Sonnenflecke u. Witterung 42
Temperaturverhältnisse
auf der Erdoberfläche . 78
Wettervoraussage, Wand-
lungen und Ziele 717
Zyklone . 78
Meteorstein 136
Meyer, Lothar 365
Mikroskop . . . 334
Milchstraße 37, 3.3
— neue Theorie. . 10
Mineralogie:
Flüssige Krystalle . 29
— Oktaéder 48
Mittweida. Technikum 176
Moderne Wetterprognostik . 77
Molekularbewegung, Brown-
sche . 221
Mond:
Allgemeines 93, 96, 209, 347
Atmosphäre . 247
gen = —
nn nr A E EE LE rer
mg E EE
Seite
Erhebungen . 210
Genesis . . 209, 225
Höfe und Ringe . 61
Lauf 13, 38, 73. 102, 134,
171, 206, 233, 265, 299, 327
Neison . 226
Puisseux . 168
Topographie . 226
Mondfinsternis, totale 14
Mondmeteore , . . 229
Mondstationen . 161, 185
— arabische . . 165
— chinesische . 165
— indische . 165
— Ursprung . . . 166
Motorluftschiff-Studienges.,
Jahrbuch . . 360
Mount Wilson 42
Nansen. . 63
Naturforscherv creaming 356
Natur, Zerfallprozesse . 363
Nebel, kosmischer . . 343
Nebenmonde . ; 6l
Nebensonnen mit Gate
Bogen 61
Neison : ; . 226 `
Neptun, Atmosphäre A , 246
Neumannsche Linien . . 136
Newton . e , . 336
Newtonsche Gravitation. 94
—_ Men . 198
Niejahr . . 123
Niessl . 41
Noël . . 193
Nölke, Fr. . : . 343
Nordlichter in der Polar.
region 45
Nordmann . 28
Nova Lacertae . . 115
— 134, 1910 Piscium . . 117
— Sagittarii 23
Oppenheim, S . 283
Optik:
Instrumente, Bau . 329, 359
Instrumente. Theorie . . 359
Verhalten der Krystalle
gegen das Licht . 32
Zerlegung des Lichts. . 182
Orion . 155
Orionnebel, ashen der
Sterne . 136
— Perspektive , 203
Ostwald, W. . . 316
Oxus, Fluß . 113
Pani - Indianer, Sternkultus 311
Pendulationstheorie 21
Seite
Perin ée, 4 . 256
Periodische Kometen d. J.
1911: a... % . 100
Perspektive des großen“
Orionnebels . 203
Physik:
Faraday-Maxwellsche
Theorie . EE
Geschichtstafeln . . . 235
Kathodenstrahlen . 253
Röntgenstrahlen . . 256
Pickering . 132, 310
Planeten:
Beobachtung am Tage . 58
Erde 99, 347
Jupiter . 20, 98, 269
Lauf 15, 39, 73, 103, 135, 172
207, 233, 266, 299, 327, 355
Mantel oder Schale . . 94
Mars . . 93, 328, 347
Merkur und Venus. . . 99
Schicksal der Planeten 246, 347
Schwabe: UberSaturn und
die kleinen Planeten . 301
Venus . . . . . . 99, 118
Vermondung . . 118
Zwei neue kleine . 234
Poincaré . . 2 2 . . . 261
Pokrowski. . . . . 192
Polarexpedition 1899—1900 45
Polarlichter . . . . . 46
Polhöhenschwankung von
1900—1911. i
Publikationen der Kais. Uni-
versitäts - Sternwarte ` zu
Jurjew ..... . . 192
Puiseux ...... . 168
Putland, J. 308
Quarz ...... . . 184
Quecksilber . . . . . . 190
Quénisset . . . . . . . 361
Badium, metallisches 190
Reaktion, chem. . 368
Reclus, Elisée . . . . . 110
Reflektor . . . . . . 193
— Cassegrainscher . . 193
Refraktor . . . > a 198
— Dollondectier: . e 197
Rigel . . ..... . 180
Righi, A. . 276, 316
Röntgen ` . . 256
Röntgenstrahlen . . 256
Roter Fleck im Jupiter 270, 282
Rusch, Franz . . . . . 357
Dest SC we E 264
Rutherford’ ... . 280
XI
Seite
Säkulare Änderungen der
erdmagnetisch. Elemente 24
Satelliten, Lichtveränderung 28
Satum . . . 301
Atmosphäre , . 246
Dunkeler Ring . . . . 303
Schiaparelli 99, 225, 348
Schicksal der Planeten 246, 347
Schiffskreisel . . . . . 21
Schleier der Sonnenflecken 315
Schlesinger . . . .175,
Schlick. . . së 22
Schrader, Biographie . , . 195
— u.seineSpiegelteleskope 193
Schröter . . . . . . . 194
Schumann, R. d . . 283
Schwabe, H.. . . . . . 301
Schwarzschild . . . . . 42
Schwefel . . 2. 22.2. 31
Secchi . . . . . . . . 130
See .... . . 28
Seebeben im Bismarck:
Archipel . . . . 58
Seen, Erforschung der rus-
sischen . . . . 107
Selenographia des Hev elius 216
— Exlibris 3 . 308
Sexagesimalsystem, Ur-
sprung 2 . 294
Sichtbare und unsichtbare
Strahlen. . TEE
Sieberg. . . .... .191
Sonne . ir e 248
Bewegung . . . . . . 267
Dichtigkeit . . .. . 97
Einfluß auf die Erde . . 1
Eruption auf der Sonnen-
scheibe ...... 7
Höfe und Ringe. . . . 61
InternationaleVereinigung
für Sonnenforschung,
4. Vers.. .. 42
Lauf 13, 38, 73, 102, 134,
171, 206, 233, 265, 299,
327, 354
Stellung unter den Sternen 168
Temperatur . . . . 28
Zöllner... . a 97
Sonnenfackeln, Bestimmung
der Rotation aus der Be-
wegung . 128
Sonnenfinsternis
partielle. . . ... . 14
totale am 28. IV. . . . 171
Sonnenflecke l
— und Witterung . . . 42
Bedeutungsvolle Erschei-
nung e- a ss ee 0
Seite
Beobachtungen . 1, 7, 302
Gruppen und Fackeln am
29. Sept. und am 1. und
2. Okt. 1910 . . . 1%
Haloerscheinung . . . 61
Innere Schleier . . . . 315
Spektra . . . . , 20
-~ Zusammengesetzte Grup-
pen und andere Aus-
bruchserscheinungen
Sonnenrotation,Bestimmung
aus der Bewegung der
Fackeln 1906—1908 . . 128
Sonnenspektrum . . . . 9
Sonnensystem
Bewegung . 322
Wesen der Gravitation . 93
Sonnenverehrung der Wad-
schagga. . . . . 35, Tl
Spektralfarben . . . . . 182
Spektren:
— der Sterne . . . . 130
Chemischer Ursprung ver-
schiedener Linien . . 177
Nova Lacertae . . . . 117
Secchi . e . 130
Sonne... 77
Stellung der Sonne unter
den Sternen . . . . 168
Tabelle . . .... . 181
Titanbande . . ...178
Spektroskop von Hilger . 7
Spektroskopie . . . 182, 192
Spektroskopische Doppel-
sterne,überihreBahn 175, 267
Spektroskopische u. visuelle
Doppelsterne . . . . . 317
Spiegelteleskope . 336
— Schraders. . . . . 193
— Newtonische . . . . 198
Sprache und Verkehr . . 316
Sproul-Observatorium: . . 28
Stavenhagen, W. 284
Sterne:
Aldebaran. . . . . . 168
wz Andromedae . . . . 175
t Aquilae .... . . 105
s-Arae ...... . 316
Arktur ... . 177
Bedeckungen 15. 38, 73,
103, 134, 207, 233, 266,
299, 354
Bellatrix . . . . . . 180
Beteigeuze. . . . 179
‘Bilder 12, 37, 101, 133, 298, 326
Capella... . . . 177
57 Cygni. . « . . 2 . 17
Doppelsterne . . . . . 261
Seite
Eigenbewegung . . 204, 219
Farben . 136
Geschwindigkeitsbestim-
mungen der Helium-
sterne . ‚315
| Helligkeitsmessungen an
Fixsternen 59
ô Lyrae f 34
Nova Lacertae 136, "1910 115
— 134, 1910 Piscium . . 117
— Sagittarii Nr. 2. 23
Orion . ‘ . 185
o Persei . . 267
Rigel . CH . 180
Spektroskopische u. visu-
suelle Doppelsterne . 317
Stellung der Sonne unter
den Sternen . 168
Temperatur 28
€ Ursae Majoris . . 175, 180
Veränderliche . 301
Sternhaufen Messier. . . 3
— in den Jagdhunden . 100
Sternkultus d. Pani-Indianer 311
Sternspektren . 130, 324
Stickstofflinien . 180
Stiftung, Martin Kellogg-
für die Lick-Sternwarte . 328
Stoney . 249
Störungen des Roten Fleckes 282
Stundeneinteilung . , . 294
Strahlen und Rillen des
Mondes . . 226
Strahlen:
Elektrische . . 240, 253, 276
Kathodenstrahlen . 253
Röntgen . . 256
Sichtbare u. unsichtbare 220
Tabelle der Konstanten der
Himmelskörper . 248
Technikum Mittweida . 176
Technisches Museum für In-
dustrie und Gewerbe in
Wien . . 316
All
Seite
Teer . f , 30
Tempelscher Komet . 100
Temperatur der Sonne und
Sterne . . 28
Theorie der optischen In-
strumente 359
Thomson, J. J. 257
Thulium , . 220
Tictenunterschiede - von
Sonnenflecken . 285
Titanbande . . . . 178
Topographie des Mondes 226
Treptow-Sternwarte
Astronomischer Vortrags-
zyklus . . . 1%6
Bibliothek . . 216, 308
Einblattdrucke . . . . 61
Halley-Kometen-Medaille 92
Mathematische und astro-
nomische Unterrichts-
kurse . 44
Tromben . 121
Undulationstheorie 240
Uranus, Atmosphäre . 246
€ Ursae Majoris . . 175, 180
Ursprung des Sexagesimal-
systems . 294
Uzboi . 114
Venus ....... 99
— oder der vermeintliche
Komet . 207
Venusrotation . 118
Venussichel . 249
Verbreitung der Funken-
telegraphie . : . 191
Verlauf d. Polhöhenschwan-
kung von 1900—1911 . . 296
„vermondung“ der Erde u.
der Planeten . . 118
VersammlungDeutscherNa-
turforscher und Ärzte . 356
Versamml. d Meteorol, Ges. 356
Verzeichnis von alten Ko-
meteneinblattdrucken 338, 349
KAAS >
Seite
Vesuv, eruptive Tätigkeit . 175
Vorlander . 64
Vulkanismus:
Tätigkeit des Vesuvs im
Mai 1910. . .15
Vulkanismus und Welt-
entstehungstheorie 192
Wadschagga . . . . 35, 7
Warren, W. F. 8
Wasserhosen = 2 O
— im sicilianischen Meere 121
Entstehung, Entwicklung
und Auflösung . 124
Wassermangel auf dem
Monde 228
Weber, A.. . 167
Weiß, E. . 219
Welt der flüssigen Krystalle 358
Weltall . . 343
— EE Wolken
von Kalziumdämpfen . 324
Weltentstehungstheorie . . 192
Werke von J. Hevelius . . 158
Wetterbericht vom Nordatl.
Ozean und Europa 42
Wettervoraussage, Wand-
lungen und Ziele . . . 77
Whitney . . . 167
Wiederentdeckung Kö-
meten Brooks 18$89V . . 105
Wien . 315
Wilkens, A. . 267
Williams . 282
Wilsing. Br te del
Wilson . . 105, 257
Wolf . « 1, 116, 285
Zauber in der Perspektive
des großen Orionnebels . 213
Zeemann 20
Zertaliprozessse in d. Natur 363
Zinn . , 20
Zodiakallicht . . 237
Zöllner . . 2. 2 2.2.2.9
Zyklone | 78
Beilage zur illustrierten Zeitschrift fir Astronomie und verwandte Gebiete
„DAS WELTALL“, Jahrg. 11, Heft 1.
(Zu H. Osthoff: „Über den Einfluß der Sonne auf die Erde“.)
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Fig. 1. 1885, Januar 17.
Fig 2. 1906, September 16.
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Fig. 4. 1902, April 26.
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Fig. 6.
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1903, Mai 27.
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1903, August 8.
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Fig. 7. 1906, Oktober 15
Fig. 8. 1906, Juli 15.
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DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
Dr. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 1. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1910 Oktober 1.
Treptow-Berlin.
Diese Zettschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Treplow-Sternwarte, Trepiow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalten (Post-
Zeilungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pie. — Anseigen-Gebühren: I Seite 80.— MR., (ix Seile 45.—
1/, Seite 25.—, Us Seite 15.—, yg Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewicht.
: INHALT
- 1. Uber den Einfluß der Sonne auf die Erde. Von 3. Der gestirnte Himmel im Monat November 1910.
H. Osthoff. (Mit einer Beilage) . . . : 2 2... 1 Von Dr. F. S. Archenhold . . . .... 2... 10
2. Beobachtung einer Eruption auf der Sonnenscheibe. 4. Kleine Mitteilungen: Beobachlung einer Feucrkugel 16
Von J. Fenyi, S. J. Direktor des Haynald-Observa- Nachdruck verboten.
toriums in Kalocsa . . . » 2 2 2 0 22 we o’ 7 Auszüge nur mit genauer (Juellenangabo gestattet.
ber den Einfluss der Sonne auf die Erde.
Von H. Osthoff.
(Mit einer Beilage.)
De das gesamte Leben auf der Erde, alles was Bewegung und Veränderung
aufweist, von der Sonne abhängt und ohne ihre wohltätigen Strahlen in
Todesstarre verfallen würde, ist eine alte Wahrheit. Und soweit menschliche
Überlieferung reicht, bot sich kein Anlaß, an der Gleichmäßigkeit der SEH
die uns die Sonne zu teil werden läßt, zu zweifeln.
Als nach der Entdeckung der 11jahrigen Sonnenfleckenperiode der mit ihr
vollig parallel verlaufende Gang der erdmagnetischen Elemente im Jahre 1852
durch Lamont, Sabine und Wolf nachgewiesen war, lag zum ersten Mal die
Tatsache einer Veränderlichkeit der Sonnenstrahlung vor, und damit begannen
allgemein die Versuche, die Unregelmäßigkeiten im Verlaufe von allen möglichen
irdischen Naturerscheinungen gleichfalls auf die wechselnde Menge der Sonnen-
flecken zurückzuführen. Man wollte die Einwirkung der Sonne im einzelnen
nachweisen.
Beobachtungen über die Sonnenflecken finden sich zwar schon im Jahre
1610, aber erst von 1833, von Schwabes Auftreten an, sind die Flecken syste-
matisch beobachtet worden, und erst von dieser Zeit an sind die über sie vor-
liegenden Daten zuverlässig genug, um Untersuchungen über ihre Periodizität
den erforderlichen Grad von Sicherheit zu gewähren. R. Wolf konnte zwar von
1749 an die Relativzahlen berechnen, aber doch nur mit graphischer Überbrückung
einiger Lücken.
Zahlreich ausgeführte Untersuchungen erwiesen sämtlich die 11 jährige
Fleckenperiode als vorhanden, außer ihr aber noch andere. Schon Wolf selbst
ermittelte aus dem ganzen Material noch eine 55,5jährige Periode, die das Fünf-
fache der gewöhnlichen von 11,1 Jahren ist. Ferner vermutete er noch Neben-
perioden von 8!/, und 10 Jahren. William Lockyer fand aus den Relativ-
— ? —
zahlen der 66 Jahre von 1833 bis 1900 außer der 11jahrigen eine Periode von
ungefähr 35 Jahren, die sich auch im Wechsel der Häufigkeit der Polarlichter
und der magnetischen Stürme ausprägt und auch mit Brūckners 35jahrigen
Klimaschwankungen übereinstimmt. Nichtsdestoweniger ist ein Mitwirken des
Zufalls beim Zustandekommen dieser großen Periode nicht ausgeschlossen, denn
der Beobachtungszeitraum für sie ist zu kurz.
Trotzdem die Relativzahlen vor 1833 der erforderlichen Sicherheit ermangeln,
verwendete alsdann A. Schuster doch alle bis 1749 zurückreichenden Daten zu
einer neuen Untersuchung, die ihm eine Periode von 4,8 Jahren lieferte, die sich
den ganzen Zeitraum hindurch sogar beständiger erwies, als die 11jährige
Hauptperiode. Außer diesen beiden ermittelte er noch eine von 8,3 Jahren. Man
kann diese drei Perioden als Teile einer großen von 33,4 Jahren ansehen.
Vielleicht ist noch eine vierte angedeutet im Betrage von 13,6 Jahren.
Zahllos sind nun die Forschungen nach einem Zusammenhange des 11jährigen
Hauptwechsels der Anzahl der Sonnenflecke mit dem Verlauf von Wind und
Wetter, mit dem Luftdruck, der Temperatur, der Regenmenge, der Bewölkung,
der Stürme usw. Aber der Erfolg dieser endlosen Bemühungen ist höchst
gering. Das hat seinen Grund darin, daß der Einfluß der direkten Sonnen-
strahlung sich mit lokalen irdischen Einwirkungen mischt. Beschränkt man die
Untersuchung auf einen einzigen Ort oder ein einzelnes Land, so steht man
vor der eigenartigen Tatsache, daß sich die Witterung an weit von einander
entfernten Gegenden oft geradezu entgegengesetzt verhält. Leidet z. B. Europa
unter einem kalten und nassen Sommer, kann es in Nordamerika heiß und
trocken sein. Die Voraussetzung eines die ganze Erde gleichzeitig und gleich-
sinnig treffenden kosmischen Einflusses trifft nicht zu. Immer gibt es Orte, an
denen irgend ein unbekannter Umstand die anderwärts gefundene Wirkung der
Sonne ins Gegenteil verkehrt. Man ist daher niemals sicher, ob ein heraus-
gerechneter gleichsinniger Verlauf der Sonnenfleckenmenge mit irdischen Vor-
gängen auf Zufall beruht oder nicht.
Dazu kommt es dann bei solchen Untersuchungen noch viel auf die Länge
der Beobachtungsreihe an, nicht minder auch auf die Art und Weise der Be-
arbeitung. Das ersieht man ja schon aus den verschiedenen Ergebnissen
der Untersuchungen über die Periode der Sonnenflecken seitens verschiedener
Autoren.
Was die der Erde von der Sonne zugesandte Wärme betrifft, so ist nach
Köppen, Nordmann u.a. in den Tropen, in denen sich alle meteorologischen
Vorgänge am reinsten abspielen, die Temperatur niedriger zur Zeit der größten
Fleckenmenge. Aber der ganze Unterschied beläuft sich nur auf rund !/,°.
Für mittlere und höhere geographische Breiten zeigt sich gar kein bestimmter
Zusammenhang, die Ergebnisse widersprechen sich für verschiedene Örtlichkeiten.
Wenden wir uns von den wenig erfolgreichen Bemühungen der Meteorologen
zu den astronomischen Beobachtungen, so erlangen wir ebenfalls keine sichere
Auskunft darüber, zu welcher Zeit die Sonne eine größere oder geringere Wärme-
menge aussendet als im Durchschnitt. Die beiden Lockyer schließen aus den
Spektren der Sonnenflecke auf eine gesteigerte Wärmestrahlung, andere Forscher
halten die Flecken ihrer Spektren wegen umgekehrt für Gebiete erniedrigter
Temperatur und lassen gerade die Zeit der Sonnenfleckenmaxima als die einer
verringerten Wärmestrahlung gelten. Beide Anschauungen haben ihre An-
hänger. Daß sich als Folge einer gesteigerten Wärmestrahlung der Sonne
eine verminderte Temperatur in den Tropen der Erde ergeben kann, wird
der durch die Wärme gesteigerten Verdunstung des Wassers zugeschrieben.
Die Verdunstung hat ihrerseits vermehrte Wolkenbildung mit Regen im
Gefolge und der Regen vermindert seinerseits wieder die Temperatur.
Nun ist aber auch durch direkte Messungen eine Erniedrigung der Tempe-
ratur innerhalb der Flecken selbst nachgewiesen. Vorausgesetzt, daß
dabei nicht irgend ein Fehler begangen ist, könnten doch die zugleich mit
den Flecken zunehmenden Begleiterscheinungen, die Protuberanzen oder
die Fackeln, oder infolge der gewaltigen Umwälzungen die ganze Photo-
sphäre, wieder die Wärme vermehren. Dadurch würde ein Ausgleich herbei-
geführt sein.
Ähnlich widerspruchsvoll sind auch die Untersuchungen über die Regen-
menge, die Bewölkung und dergleichen ausgefallen. Stets gibt es Ausnahme-
gebiete, auf die ein anderweit nachgewiesener Zusammenhang zwischen Sonnen-
flecken und Wind und Wetter nicht zutrifft. Die Zusammenfassung der Beob-
achtungen vieler Orte zu Mittelwerten ist deshalb ebenso wenig sicher, wie die
Beschränkung auf einen einzelnen, weil sich dabei die Überschreitungen der
Mittelwerte im ganzen wieder ausgleichen können.
Jedenfalls aber ist die 11jahrige Schwankung der Witterungselemente so
unbedeutend, daß die verschiedenen Klimate durch sie in keiner Weise berührt
werden. Ist es nieht sonderbar, daß die recht sicher zu erkennende 11jährige
Fleckenperiode in den meteorologischen Beobachtungen kaum nachzuweisen ist?
Da könnte man den Glauben an einen Wechsel des Einflusses der Sonne auf
unser Wetter im einzelnen überhaupt verlieren und annehmen, daß die Licht-
und Wärmestrahlung der Tagesherrscherin sich stets gleichbleibt. Und doch
hat Brückner eine 35jährige Schwankung von Temperatur und Niederschlag
nachweisen können (allerdings auch nicht ohne Ausnahmefälle), eine Periode,
die in der Anzahl der Sonnenflecken gegen die 11jährige zurücktritt. Möglicher-
weise wird auch sie in der Zukunft nicht bestätigt.
Vielleicht sind die Sonnenflecke dabei garnicht das eigentlich Wirksame,
als das sie uns wegen ihrer auffälligen Dunkelheit auf der hellen Sonnenober-
fläche erscheinen.
Man hat nun auch andere Vorkommnisse auf der Erde auf die wechselnde
Menge der Sonnenflecke zurückzuführen gesucht, sobald sich solche Ereignisse
öfter wiederholten. Das sind z. B. Zeiten der Hungersnot in Indien, große Heu-
schreckenschwärme, ergiebige Heringsfänge u. a.m. Die Sonne wurde ebenso
für sogenannte „Hitzewellen“ verantwortlich gemacht, wie man andrerseits in
den „Eisheiligen“ des Mai eine 11jährige Periode und deshalb einen Zusammen-
hang mit den Sonnenflecken erkennen wollte. Flammarion läßt sogar die
Brutzeit der Sperlinge und die Rückkehr der Zugvögel von der Sonne abhängig
sein. Schließlich ist es soweit gekommen, daß alle möglichen Unglücksfälle, wie
Dynamit- und Pulverexplosionen, dem unmittelbaren Einflusse des Tagesgestirns
zugeschrieben wurden, sobald sich zufällig zu gleicher Zeit Flecke zeigten. Wie
im Mittelalter die Kometen, so beschuldigt man heute die Sonne aller möglichen
Schandtaten.
Nun besteht eine Fernwirkung der Sonne in andrer Art mit deutlich aus-
geprägtem Wechsel ihrer Stärke aber doch. Es ist der zweifellos sicher nach-
gewiesene Zusammenhang der Menge der Sonnenflecke mit den Veränderungen
des Erdmagnetismus und der Häufigkeit der Polarlichter.
HN SE
Die Magnetnadel verhält sich niemals vollständig ruhig, und der Gang der
_ Veränderungen schmiegt sich in 11jähriger Periode so genau der Sonnenflecken-
kurve an, daß R. Wolf einen einfachen mathematischen Ausdruck hat angeben
können, nach dem man die Größe der einen der beiden Erscheinungen aus der
andern berechnen kann. Dieser mehr oder weniger regelmäßige Verlauf der
erdmagnetischen Variationen wird aber gelegentlich durch plötzlich eintretende
Störungen unterbrochen. Wenn sich nun auch oft genug ein unverkennbares
Zusammentreffen einer magnetischen Störung mit dem Auftreten eines großen
Sonnenflecks nachweisen ließ, besonders auffällig dann, wenn die Sonnenober-
fläche sonst ziemlich fleckenfrei gewesen war, so übt doch keineswegs jeder
große -Sonnenfleck eine solche Wirkung aus, und dieses Ausbleiben einer
magnetischen Störung hatte bereits vielfach zu Zweifeln an der Wirksamkeit
der Sonnenflecke überhaupt geführt. Da zeigte Maunder durch eine Unter-
suchung der größeren in Greenwich beobachteten magnetischen Störungen, daß
in ihrem Auftreten die synodische 27tagliche Rotation der Sonne zum Vorschein
kommt (d. i. diejenige, nach deren Ablauf die Sonne wieder dieselbe Stelle der
Erde zuwendet, während sonst keine einzige andere Zwischenzeit sich wieder-
holte. Er behauptete daraufhin, daß die Störungen jedesmal dann von einem
Sonnenfleck verursacht würden, wenn dieser sich nahe dem Zentralmeridian auf
der Sonnenscheibe befinde. Das kann sich bei mehreren Umdrehungen der
Sonne wiederholen, auch wenn der Fleck inzwischen verschwunden sein sollte.
Außerdem erstreckt sich diese Wirkung nicht nach allen Seiten, wie sich die
‚Lichtstrahlen ausbreiten, sondern nur in einer bestimmten Richtung. Von dem
Sonnenfleck geht ein schmales Strahlenbündel aus, das sich mit der Sonne dreht
und nur, wenn es dabei die Erde trifft, eine Störung des Erdmagnetismus ver-
ursacht. Daher kann mancher Sonnenfleck vorübergehen, ohne sich auf Erden
irgendwie bemerkbar zu machen. Wenn auch Maunder mit diesen Anschauungen
keineswegs zuerst auftrat oder allein stand!), so stellte er doch die verwickelte
Sache, gestützt auf die Greenwicher Beobachtungen, zum ersten Mal eingehend dar.
Solche Strahlenart, die sich nicht in Kugelwellen allseitig, sondern in gerad-
linigen, ziemlich schmalen Bündeln ausbreitet, kennen wir heute aus Experimental-
untersuchungen in den Kathodenstrahlen.
Mehrere Forscher nehmen an, daß die Sonne mit diesen Strahlen feine
Teilchen, die sogenannten Ionen, elektrisierte Atome, aussendet, die, sobald sie
die Erde erreichen, die magnetischen Störungen und die Polarlichter verursachen.
Jedenfalls sind es die ultravioletten Strahlen der Sonne, die in den höchsten,
Stark verdünnten Schichten der Erdatmosphäre lonisation zustande bringen
können und dadurch die Luft selbst elektrisch leitend machen.
WasdiePolarlichteranbelangt,sovermochteFritz imJahre 1862denschon früher
vermuteten Zusammenhang mit der Menge der Sonnenflecke festzustellen. Auch
sie befolgen eine 11jährige Periode in Glanz und Häufigkeit, wenn auch deren
Verlauf nicht so deutlich zutage tritt, wie der der Variationen des Erdmagnetismus.
Es ist mir nun gelungen, noch ein anderes irdisches Objekt ausfindig zu
machen, das gleichfalls einem Einflusse der direkten Sonnenstrahlung unterliegt,
und zwar sind das die Cirruswolken.
1) S. u. a. Archenhold, „Sonnenflecke, Erdstréme und Nordlichter“, im „Weltall“ Jg. 4, S. 71,
und Jg.7, S. 157. Auf der Naturforscher-Versammlung zu Frankfurt a. M. 1896 und später in Karlsbad
1902 hat Dir. Archenhold die Ansicht ausgesprochen, daß aus dem Innern der Sonnenflecken
elektrische Strahlen auf die Erde gesandt werden.
ii
Die Cirren sind die höchsten aller Wolken; sie schweben in Höhen von
durchschnittlich 10 km, können daher wegen der dort herrschenden niedrigen
Temperatur nur aus Eisnadeln zusammengesetzt sein. Ihre oft so eigen-
artige Figur weicht von der der massigen Schichten und Ballen der tiefer
schwebenden Wasserdampfwolken meistens auffallend ab und zeigt sich ähnlich
Palmbäumen, Federn, Roßschweifen u. dgl. Man kann sie auch mit den Eis-
blumen an der Fensterscheibe vergleichen. Während sich die Gestalt der untern
Wolken genügend durch das Walten und Mischen von Luftströmungen — ver-
schieden an Temperatur und Feuchtigkeit — erklären lassen, ist das bei den
Cirren nicht immer der Fall, daher denn noch vor einigen Jahren sich einer
unserer angesehensten Meteorologen dahin aussprechen konnte, er wisse für die
Formen der Cirruswolken keine rechte Erklärung.
Im Jahre 1883 lockte mich zum erstenmal der Anblick der damals wunder-
voll zart und oft symmetrisch gefügten fadenförmigen Cirren, mich näher mit
ihnen zu beschäftigen, um einen Zusammenhang zwischen bestimmten Formen
und dem kommenden Wetter ausfindig zu machen. Der Erfolg blieb jedoch aus.
Da fiel mir mehrere Jahre später das andauernd unscheinbare Aussehen der
Federwolken auf. Sie erschienen grob und breit und es fehlte das fadenförmige
Gefüge. Eine daraufhin erfolgte Durchsicht meiner Beobachtungen ließ einen
deutlichen parallelen Gang der Cirrusgestaltung mit der Sonnentätigkeit
erkennen, der von den weiteren, bis heute gesammelten Erfahrungen bestätigt
worden ist.
Wenn die Wolken überhaupt einer direkten Einwirkung der Sonnenstrahlen
unterworfen sind, wird sich das am deutlichsten in den Cirren kund tun müssen,
weil in ihrem Reiche die Luft sehr verdünnt ist, daher von den Strahlen der
Sonne mehr durchdrungen (leichter ionisiert) wird und sodann, weil sie wegen
ihrer Höhe dem störenden Einflusse der Erdoberfläche entrückt sind. Bei dem.
untersten Gewölk ist oft genug eine Abhängigkeit von den Bodenverhältnissen,
Gewässern, Bergen deutlich wahrnehmbar.
Nach meinen Wahrnehmungen lassen sich wohl die Grundformen der Cirren
durch das Walten von Luftströmungen und Luftmischungen deuten. Aber zeit-
weilig werden sie durch den Einfluß derjenigen Strahlung mehr in Fäden auf-
gelöst und dadurch zierlicher gestaltet, die von der Sonne zur Zeit der Flecken-
maxima ausgesandt wird. (Fig. 1, 2, 3 unserer Beilage.) ‘Da die neugebildeten
Cirren oft nach kürzerer oder längerer Zeit das Zierliche verlieren, zu breiten,
verschwommenen Flächen zusammenfließen, so kann man auch sagen: Die
breitflächigen, groben Formen ohne zierliche Einzelheiten (Fig. 4, 5 und 6 unserer
Beilage) sind jederzeit zu sehen, die symmetrisch fadenförmigen Gestalten hin-
gegen nur während der Zeit größerer Tätigkeit der Sonne. Davon abgesehen ist
die Menge der Cirruswolken in jedem Jahre durchschnittlich die gleiche.
Zu den auffallendsten Bildungen unter ihnen gehören die sog. Polarbanden,
die langen Streifen, die, in Wahrheit parallel neben einander, am Himmels-
gewölbe in zwei einander entgegengesetzten Punkten zusammen zu laufen
scheinen. Ihr eigenartiges Gefüge zeigt sich in seiner vollkommensten Aus-
bildung nur selten, zur Zeit der größten Sonnentätigkeit. Es besteht aus einem
schmalen, schnurgeraden Rückgrat, das 180° lang sein kann und an beiden
Seiten entweder im rechten oder im spitzen Winkel angesetzte lange Fäden oder
sonstige Anhängsel trägt. Diese Polarbanden scheinen von allen Cirruswolken
die größten Höhen im Luftmeer inne zu haben.
Das Langstreifige an sich ist unter den Cirren jederzeit zu finden, aber es
ist wahrend der Sonnenfleckenminima schlicht verlaufend, breit, verschwommen,
ohne die zierlichen Fadenbildungen. Die Seitenauslaufer sind, wenn vorhanden,
breitzackig.
Es wirde jedenfalls etwas zur Erkenntnis dieser ratselhaften Bander bei-
tragen, wenn man ihre Entstehung verfolgen könnte. So vielfach ich Augen,
zeuge der Entwicklung von Cirruswolken aller Art gewesen bin, ist es mir doch
noch nicht vergönnt gewesen, echte Polarbanden am blauen Himmel auftauchen
zu sehen, wohl aber ähnliche Formen. Was die langen,. schlichten Fäden und
Streifen betrifft, so habe ich feststellen können, daß sie der Länge nach schnell
aufschießen. Aber wie verhält es sich, wenn diese Streifen mit beiderseits ab-
stehenden Querfäden ausgestattet sind? Kurze Bänder mit Seitenanhängseln
(in der äußeren Form Palmbäumen gleichend), die ich hatte entstehen sehen,
bildeten sich so, daß zuerst der Hauptstreif, der Stamm, auftauchte und alsdann
diesem nach und nach an beiden Seiten Verzweigungen entquollen. Ähnlich
könnte man den Vorgang auch bei den 180° langen Polarbanden erwarten. Am
15. Oktober 1906 bezog sich der Himmel aus Nordwesten her rasch mit langen,
dünnen, schlichten Fäden, die übereinstimmend von Nordwest nach Südost lagen.
Alsdann bildeten sich überall senkrecht zu ihnen (also Nordost bis Südwest)
gerichtete lange und breite Bänder anscheinend dadurch aus, daß die langen,
dünnen Fäden sich genau an denselben Stellen verdickten (Fig. 7 unserer Bei-
lage). Hier waren die breiten, dicken, im Nordost und Südwest konvergierenden
Bänder trotz ihrer Auffälligkeit nicht das Ursprüngliche, sondern eine Folge-
erscheinung, wahrscheinlich Wogenwolken.
Die geradlinig fadenförmigen Cirren bieten überhaupt mit ihren rätselhaften
Vorgängen der Beobachtung ein dankbares Feld, und man sollte sie verfolgen
wie die Polarlichterscheinungen. Die beiderseits vom Rückgrat abstehenden
Fäden können sich z. B. in ihrer Richtung verlängern. Ein paarmal habe ich
geschen, daß die rechtwinklig am Mittelstreif sitzenden Seitenfäden sich nach
einiger Zeit schief zu ihm gestellt hatten. Wirkung der Perspektive war dabei
ausgeschlossen, weil sich weder mein Standpunkt, noch Lage und Höhe des
Streifens geändert hatten.
Am 15. Juli 1906 verfolgte ich ein nur kurzes, dickes Band, anscheinend
aus zusammengedrängten Schäfchenwolken bestehend, sicher überhaupt nicht
cirrös. Da begannen die einzelnen Teile des Bandes zu einer gleichmäßigen,
einen Grad breiten Fläche zusammenzufließen, und an beiden Längsseiten bil-
dete sich ein Gekräusel zarter Fäden aus (Fig. 8 unserer Beilage), obere Wolke).
Aus diesem Fadengewirr zogen sich hierauf an beiden Seiten des Bandes senk-
recht abstehende gradlinige Fäden heraus, zugleich verdunstete das ursprüngliche
Band, bis an seine Stelle ein echter Cirrusstreif, aus querliegenden Fäden be-
stehend (Fig. 8 unserer Beilage, untere Wolke), getreten war. Solche Verände-
rungen, denen ich noch andere hinzufügen könnte, allein durch Luftströmungen
erklären zu wollen, dürfte schwer fallen. (Schluß folgt.)
se
E Se
Réebachtonä einer Eruption auf der Sonnenscheibe.
Von J. Fényi, S. J. Direktor des Haynald-Observatoriums in Kalocsa.
Rn für die Theorie der Protuberanzen bedeutungsvolle Erscheinung zeigte
sich über dem großen Sonnenfleck, welcher am 5. August 1908 18° östlich
vom Zentralmeridian der Sonne in der heliographischen Breite von + 11°,2 und
der Länge 357°,5 (nach den Konstanten von Greenwich) stand. Um 25 55m mittlere
Zeit von Greenwich untersuchte ich den Fleck im Spektroskop und bemerkte
über dem Kern desselben eine ungewöhnlich lebhafte Umkehrung, das ist Auf-
hellung der H,-Linie. Beistehende Skizze (Fig. 1) zeigt den Sonnenfleck, wie
er mit dem Helioskop gezeichnet wurde, mit der Bezeichnung der größeren Kerne.
Der mit a bezeichnete zeigte keine Umkehrung; über b war sie sehr hell; von
c zeigte der in der Zeichnung untere breite Teil ebenfalls lebhafte Umkehrung.
Ich öffnete nun etwas den Spalt und wandte ein schwaches Blendglas an, um
die allzugroße Helligkeit so weit abzuschwächen, daß Helligkeitsunterschiede
wahrzunehmen waren. Ich konnte so in der Weise, wie man die Protuberanzen
am Sonnenrande beobachtet, das ganze leuchtende Gebilde sehen; eserschien
als ein schwaches Wölkchen von der in
Fig. 2 dargestellten Form. Zu solchen
Beobachtungen ist natürlich eine sehr
große Dispersion notwendig. Das be-
nützte Spektroskop ist ein automatisches
von Hilger, in welchem der Strahl
6 Prismen zweimal durchläuft; die Dis-
persion entspricht 10 Flintglasprismen `
von 60° Prismenwinkel. Um 3" 17™ fand
ich die Umkehrung außerordentlich
hell; viel heller, als die Photo-
sphäre, deren Spektrum im Gesichts- 7 =j
felde unmittelbar an die H,-Linie an- Fig. 1. Fig. 3.
grenzte und So eine exakte photometrische
Vergleichung gestattete. Der enge Spalt zeigte die in Fig.3 dargestellte Form;
links von der Mitte ragten zwei Lichtkegel durch Verschiebung des Spektral-
lichtes gegen rot und gegen blau ein wenig tiber den Spalt hinaus; die Enden
der Linie waren beiderseits verbreitert und etwas verwaschen. Ich öffnete nun
wiederum den Spalt und konnte mit Blendglas die nun schon größere Form,
wie sie in Fig. 4 dargestellt ist, sehr klar und deutlich überblicken. Diese
Form erweiterte sich nun sehr rasch: 35 26” skizzierte ich die in Fig. 5 dar-
' gestellte Form, in welcher das mit einem Pfeil bezeichnete flammenförmige
Stück mit außerordentlicher Helligkeit hervorstach. Das Gebilde war nun schon
so groß geworden, daß es nicht mehr anging, den Spalt so weit zu Öffnen,
daß man das Ganze überblicken konnte; ich bestimmte die Ausdehnung in
OW-Richtung mittels Durchgang durch den Spalt und fand 71” geozentrisch,
fast 5° auf der Kugel, ungefähr die Größe des Sonnenfleckes mit seinem Halb-
schatten. 4h 5m war die Umkehrung noch immer sichtbar. Sie war aber sehr
zusammengeschwunden, ohne besondere Helligkeit. Eine Umkehrung war auch
am nächsten Tage noch zu sehen, aber nur von gewöhnlicher Art.
Derartige Umkehrungen der Hydrogeniumlinien werden überhaupt nur in
der Nähe von Sonnenflecken oder doch auf Fleckenherden beobachtet, wenn
lig. 2
— 8 —
wir unter letzteren das Gebiet um den Fleck herum verstehen, wo die zer-
streuten Fackeln ein erregtes Feld erkennen lassen!). Sie werden wohl einfach
daraus erklärt, daß sich an diesen Stellen eruptive Protuberanzen auf die
Sonnenscheibe projizieren, welche ja ebenfalls nur neben Sonnenflecken oder
auf dem gestörten Gebiete um diese herum vorkommen,
age am Sonnenrande durch ihre überraschende Intensität
GE den Ubergang eines Fleckes kennzeichnen, wenn sich
Fig. 4. derselbe im Zustand seiner Entwicklung befindet.
Der am 5. August 1908 beobachtete Fleck befand
sich in stürmischer Entwicklung: er hatte nicht nur
stückelter Kern war auch so raschen Veränderungen
hie seit seinem Eintritt an Größe zugenommen, sein zer-
~
unterworfen, daB zwei am 3. August im Zeitintervall von
nur 1b 40™ angefertigte Zeichnungen die Identität
der Stücke nur unsicher erkennen ließen. An der Stelle seines Eintrittes auf
die Scheibe wurde am 30. Juli 1908 eine sehr zierliche, aus hell leuchtenden Strahlen
bestehende Protuberanz (Fig. 6) beobachtet, welche mit einer Basis von 5° sich genau
über dem Fleck in der Höhe von 88” zusammen wölbte. In beistehender Fig. 6
ist auch der Fleck an der betreffenden Stelle eingezeichnet, wie er am 31. Juli beob-
achtet wurde; am 30.war er noch nicht sichtbar. Ähnliche helle Strahlen wurden schon
am 29.Juli 1908 angetroffen, welche aber nur mit 38“ über den Rand hervorragten.
Das Zustandekommen
Fig. 6. solcher Umkehrungen er-
gg" scheint hiermit genügsam
erklärt zu sein; es ist nicht
notwendig, besondere über
dem Fleck schwebende heiße
Hydrogeniummassen anzu-
nehmen, welche etwa aus
dem Kern empordringen
sollten.
Von besonderer Be-
deutung ist aber die große
Fig. 5.
85°
90 Jul: haus, Helligkeit, drei- bis viermal
heller als die Photosphäre,
108" die in vorliegendem Falle
beobachtet wurde. Nach ge-
wissen Theorien sollte das
Licht der Protuberanzen nur?
das durch normale oder
anormale Brechung oder so-
genannte Spiegelung abge-
lenkte Licht der Chromo-
y sphäre oder Photosphäre
h e 3 sein. Dann ist es aber
a7 5m. 108 SC
cru (uer vollends unmöglich, daß
eine Protuberanz jemals in
"e
1) Uber Erscheinungen derselben Art wurde Mitteilung gemacht in „Memorie della sociéta
degli Spettroscopisti italiani“ Vol. XX, p. 161 und Vol. XXVIII, p. 109.
Se 20: he
ihrer Lichtfarbe heller erscheine, als die Photosphäre selbst. Ich erinnere hierbei
an das optische Gesetz, nach welchem durch kein optisches System, d.i. durch
keinerlei Spiegelung oder Brechung, die Flächenhelligkeit eines Gegenstandes
erhöht werden kann.
In ähnlicher Weise erscheint auch eine andere Erklärung unhaltbar,
welche in den Protuberanzen nur ein Aufflammen stehender Massen — ohne
Massenbewegung — sehen will, das dadurch zustande kommt, daß infolge
lokaler Abkühlung oder anderswie allmählich oder plötzlich chemische Verbin-
dungen eintreten. Es kann doch auch in diesem Falle keine höhere Temperatur
erzeugt werden als die der Dissoziation selbst. Die dissoziierten Massen über
der Photosphäre können wiederum nicht heißer angenommen werden als die
Photosphäre, weil sonst die Sonne nach innen kälter werden müßte.
Die größere Helligkeit solcher Protuberanzen wird hingegen ganz leicht
erklärt, ergibt sich selbst als eine Notwendigkeit bei der bisher wohl allgemein
herrschenden Ansicht, daß die eruptiven Protuberanzen aus größeren Tiefen
der Sonne hervordringen, demnach Gasmassen von viel höherer Temperatur
sind, als die Photosphäre besitzt. Das Intensitätsspektrum der Gase entspricht
ebenfalls der Energiekurve des schwarzen Körpers. Glühendes Hydrogenium
muß in der ihm eigentümlichen Lichtfarbe, in der Linie H,, ebenso hell
leuchten wie ein schwarzer Körper gleicher Temperatur in derselben Lichtfarbe.
Hat also das Hydrogenium höhere Temperatur als die Photosphäre, so wird es
auch in seiner Lichtfarbe H, heller strahlen. Wollen wir die obige Schätzung:
„viermal heller“ als richtig betrachten und die physiologische Helligkeit als
Maß der Temperatur annehmen, so wäre die Temperatur der eruptiven Pro-
tuberanz über dem Sonnenfleck 24000° gewesen, wenn der Photosphäre 6000°
zugeschrieben wird. Diese Temperatur wäre noch von derselben Größe, wie
die 30000°, die ich für die eruptive Protuberanz vom 1. Juli 1900 aus der
Schnelligkeit der Auflösung berechnet habe. Die relative Helligkeit mag aller-
dings in etwas erhöht werden durch den Umstand, daß die höher reichenden
Protuberanzen der Absorption durch die niedrigeren Schichten entzogen sind.
Allein der ganze Überschuß der Helligkeit kann daraus nicht erklärt werden,
weil in dieser Annahme alle Protuberanzen, die doch immer weit über die
Chromosphäre emporragen, heller sein müßten. | '
Der Sonnenfleck, über welchem sich die besprochene Erscheinung abspielte,
zeigte noch ein interessantes Verhalten, das hier kurz erwähnt werden möge,
obwohl es mit dem Gesagten nicht in engem Zusammenhange steht.
Es fand nämlich dreimal kurz nacheinander an derselben Stelle der Sonne,
genau unter derselben heliographischen Länge und, in Hinsicht auf die Aus-
dehnung des Fleckes, auch derselben Breite eine Fleckenbildung statt. Am
4. Juli trat ein schon behofter Fleck auf die Scheibe, der sich auf der Rück-
seite gebildet hatte, mit der Breite +10°,8 und der Länge 355°,9. Er zerfiel in
drei Stück, welche auseinander traten, und löste sich bis 13. Juli noch auf der
Scheibe auf. Beim Austritt dieser Stelle am 17. Juli war auch keinerlei Er-
scheinung im Spektroskope zu sehen. Es bildete sich aber auf der Rückseite
wieder ein Fleck genau an derselben Stelle und erschien am 30. Juli am Ost-
rande als großer Fleck; es ist der große Fleck, über welchem die Protuberanz
auf der Sonnenscheibe sichtbar war. Die Breite war etwas größer: + 11°,2, die
Länge wiederum 357°,5; die Kerne gingen wieder auseinander und der Fleck
trat am 12. August am Westrande aus mit der größeren Breite 13°,6 und löste
kt, GÉIE =
sich auf der Rückseite auf, denn am 28. August erschien kein Fleck mehr am
. Ostrande. Am 30. August bildete sich aber auf der Scheibe an derselben Stelle `
mut 357°,5 Lange und der noch größeren Breite 16°,2 wiederum ein Fleck;
auch dieser léste sich bis zum 8. September noch auf der Scheibe auf. Auch
dieser Umstand, daß an derselben Stelle wiederholt ein Fleck sich bildete,
spricht vielmehr dafür, daß die Ursachen der Sonnenflecken, sowie die der
damit eng verbundenen eruptiven Protuberanzen, in größeren Tiefen der Sonne
liegen müssen und nicht in den oberflächlichen, durch zufällige Strömungen ge-
störten Schichten zu suchen sind.
SS
Der Sestirnte Himmel im Monat November 1910.
Von Dr. F.S. Archenhold.
Eine neue Theorie der MilchstraBe.
B: der allabendlichen Beobachtung des Sternenhimmels fällt jedem Laien besonders
in den mondscheinlosen Nächten jenes zarte, milchige breite Band am Himmel auf,
das die Sternensphäre in zwei fast gleich große Teile trennt und das seit Alters her die
Frage anregt, wie erklärt sich dieser vielfach geästelte und an manchen Stellen bis zu einer
ansehnlichen Breite (35°) anschwellende Himmelsstrom, „Milchstraße“ genannt, deren nörd-
licher Pol im Haar der Berenice liegt? Im Sternbilde des Schwans setzt eine große
Gabelung ein, die sich auf der südlichen Halbkugel bis zum Sternbilde des Winkelmaßes
(nahe bei dem Centauren) über 110° weit forterstreckt. Noch an vielen andern Stellen
zeigt die Milchstraße eine verwickelte kontrastreiche Struktur, wir brauchen nur an die
beiden dunklen Räume, die sogenannten „Kohlensäcke“, zu erinnern, die eine Erklärung
dieses verwickelten, unregelmäßig begrenzten Bandes, dessen weißlicher Schimmer in
den modernen Fernrohren sich sofort in ungezählte Sterne auflöst, noch schwieriger
gestaltet.
Es kommt noch hinzu, daß das Fernrohr, wenn es dem Zuge der Milchstraße folgt,
auf eine große Zahl von „Sternhaufen“ stößt, die an andern Stellen des Himmels nur
höchst selten auftreten. Von 1000 Sternhaufen finden sich allein 900 in dem Bereich
der Milchstraße und die übrigen 100 liegen auf dem ganzen übrigen großen Teil des
nördlichen und südlichen Himmels verteilt.
Welchen tiefen Eindruck die Milchstraße auch auf die naiven Naturvölker macht,
beweisen die mannigfachen Erklärungsversuche derselben in ihren Mythen und Sagen.
Der wilde Stamm der Massais in den ostafrikanischen Steppen glaubt beispielsweise,
daB die Kinder ihres Schöpfers, Ngais, auf der MilchstraBe als helle Sterne einher-
wandern und das Tun und Treiben der Menschen überwachen, und daß die beiden
Kohlensäcke in der Milchstraße zwei Seen seien, in denen die Rinderherden Gottes getränkt
werden. Auch die schöne Sage der Griechen, daß Herkules, der Sohn des Zeus und der
Königin Alkmene, der von seinem Vater an die Brust der Gottgemahlin Hera gelegt wurde,
um ihm Unsterblichkeit zu verleihen, von ihr vor Schmerz abgeschüttelt sei und daher
die herausgespritzte Milch den weißen Gürtel am Himmel erzeugt habe, beweist, daß
schon in den frühesten Zeiten der Milchstraße große Beachtung geschenkt worden ist.
Die moderne Wissenschaft sieht nach den schönen Erklärungsversuchen von Easton!)
in der MilchstraBe einen großen Spiralnebel,?) dessen Ebene mit Ausnahme einiger
heraustretender Windungen, die gleichzeitig die verschiedenen Verästelungen erklären,
im Zuge der Milchstraße selbst liegt. Die größere Breite der Milchstraße auf der einen Seite
1) Vergl. „Das Weltall“ Jg. 1, S. 61: „Eine neue Theorie der Milchstraße“. Hier ist auch (S. 64)
eine Abbildung des Spiralnebels wiedergegeben.
2) Vergl. „Das Weltall“ Jg. 6, S. 132; Jg. 7, S.59 und 345; Jg. 8, S. 130.
= de
kann hierbei sehr gut dadurch erklärt werden, daß unser Sonnensystem nicht genau im Zen-
trum dieses Spiralnebels steht, sondern etwas nach der Seite hin, die breiter erscheint. Von
einem weit entfernten Standpunkte des Weltalls aus würde unsere Milchstraße den Anblick
eines Spiralnebels ergeben, so wie umgekehrt nach dieser Erklärung die Tausende von
Spiralnebelwelten als große Milchsraßensysteme im Kosmos aufzufassen sind. Die in der
Milchstraße selbstdicht gedrängten Haufen werdenhierbei wohl am besten als dichtereStellen,
Der Sternenhimmel am 1. November 1910, abends 10 Uhr.
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(Polhöhe 521/40)
sogenannte Knoten, des einstigen Spiralnebels_ angesehen. Gegen diese Spiraltheorie der
MilchstraBe wendet sich nun Professor Bohlin. Er fand bei der Zusammenstellung der
Nebel und Sternhaufen, daß die von William Herschel „Globular Clusters“ benannten
Sternhaufen, die, von kugelförmiger Gestalt, tausende von kleinen winzigen Sternen ent-
halten und eine starke Konzentration nach dem Zentrum hin zeigen, eine ganz bevor-
zugte Stelle einnehmen. Als Bohlin dieses Material bearbeitete, zeigte sich, daß sich
diese Sternhaufen weder gleichmäßig über die Himmelskugel verteilen noch wie die
— 12 —
Sterne sich längs der MilchstraBe anhäufen, sondern daß sie sich auf einer großen Fläche
ausdehnen, deren Zentrum auf der südlichen Halbkugel im Sternbilde des Teleskopes
(Rekt. 17h 40m Dekl. — 35°) liegt. Diese kugelförmigen Sternhaufen sind nun als das
Zentrum der Milchstraße anzusehen, deren seitliche merkwürdige Lage sich perspektivisch
sofort erklärt, wenn wir, wie bei der früheren Annahme, unser Planetensystem seitlich
außerhalb dieses kugelförmigen Sternhaufensystems verlegen. Die Milchstraße selbst
faßt Bohlin als einen großen Ringnebel auf, dessen Zentrum eben diese kugelförmigen
Sternhaufen bilden. Hiermit steht in Übereinstimmung, daß wir bei vielen Ringnebeln
Konzentrationsstellen finden, die nach dem Befunde der spektroskopischen Untersuchungen
weder Sterne noch Nebel sein können (Vergl. die Abbildung des Ringnebels in der Leyer,
„Weltall“ Jg. 10, Heft 23). Die Bildung solcher Ringnebel leitet nun Bohlin von den
planetarischen Nebeln ab. Solche planetarischen Nebel haben wir uns als rotierende
leuchtende Kugelschalen, in ihrem ursprünglichen Zustande rein gasförmig, vorzustellen.
Im Verlaufe ihrer Entwicklung zerfallen sie; an ihren eingestürzten Polen bilden sich
die Spiralnebel und an ihrem Äquator die Ringnebel mit oft deutlich hervortretenden
Kernen. Die geborstene Schale unseres planetarischen Nebels würde die großen An-
häufungen von Spiralnebeln an den Polen erklären, während die Milchstraße selbst als
der bei der Entwicklung des kugelförmigen planetarischen Nebels im Äquator entstandene
ringförmige Gürtel (Ringnebel) aufzufassen ist. Die verschiedenen Äste der MilchstraBe
erklären sich durch Risse in dem sich weiter kondensierenden Ringnebel. In Überein-
stimmung mit dieser Erklärung müssen wir den verhältnismäßig nahen Stand des
Andromedanebels von uns, nur 80 Lichtjahre, ansehen. Wären die Spiralnebel selb-
ständige MilchstraBensysteme, so müßte der spiralige Andromedanebel unmeßbar weit
von uns entfernt sein.
| Die Sterne. :
Unsere Karte Fig. 1 gibt den Stand der Sterne für den 1. November abends 10 Uhr,
den 15. abends 9 Uhr, den 1. Dezember abends 8 Uhr usw. wieder. Die MilchstraBe
schneidet den Verbindungsbogen zwischen dem Nord- und Südpol, den sogenannten
Meridian, um diese Zeit senkrecht, sodaß ihre beiden Schnittpunkte mit dem Horizont
den Ost- und Westpunkt angeben. Die Kassiopeja steht genau im Zenit.
Als Bayer seinen Atlas im Jahre 1601 veröffentlichte und die Sterne in jedem
Sternenbilde der Helligkeit nach mit dem griechischen Alphabet a, 8, y usw. bezeichnete,
war a Kass. naturgemäß noch der hellste; heute ist es y Kass. Er ist 2,0. Größe, wo-
hingegen £ und « jetzt beide gleich hell und nur 2,3. Größe sind. Außerdem ist «æ Kass.
noch als veränderlich erkannt worden, seine Helligkeit kann bis auf 2,8. Größe herab-
sinken. Eine Periode der Lichtveränderung hat man bis jetzt noch nicht feststellen
können; er gehört zu den unregelmäßig Veränderlichen. Kass. steht verhältnismäßig
nahe, seine Entfernung beträgt nur 22 Lichtjahre, sie ist also nur fünfmal so weit, wie der
uns nächste Stern, der hellste im Centauern, « Centauri, der nur 4,3 Lichtjahre von uns
entfernt ist. Es gibt noch 2 schwächere Sterne in der Kassiopeja, die uns verhältnismäßig
nahe stehen; das ist 7 Kass. mit 18 Lichtjahren und pø Kass. mit 25 Lichtjahren. n Kass.
(Rekt. = 04 42m, Dekl. = + 57°11’) gehört zu den schon in kleineren Fernrohren leicht
trennbaren Doppelsternen. Der Hauptstern ist 4. Größe und von gelber Farbe. In
einem Abstand von 5,8” steht der rosenrote Begleiter 7,5. Größe, der, nach einer Bahn-
bestimmung von Doberck im Jahre 1900, in 328 Jahren einen vollen Umlauf um den
Hauptstern vollendet. Die Gesamtmasse des Systems beträgt 8 Sonnenmassen, und zwar
ist der Hauptstern 6!/,, der Begleiter 11/, Sonnenmassen groß. Die Distanz hat sich seit
dem Jahre 1832 bis zum Jahre 1900 von 9,7“ auf 5,2“ verringert. Seit dem Jahre 1900
nimmt sie wieder zu und wird im Jahre 1913 6“ und im Jahre 1915 6,1” betragen.
Wenden wir uns von der hochstehenden Kassiopeja nach Norden, so treffen wir
zunächst auf den Polarstern, der auch ein schon in kleinen Fernrohren leicht erkennbarer
Doppelstern ist und von William Herschel im Jahre 1779 entdeckt wurde. In unserm
Treptower Fernrohr können wir diesen Begleiter bequem am Tage sehen. Der Abstand
DE qo". 25
des Polarsterns vom wirklichen Pol beträgt jetzt nur noch 1° 10’, wohingegen er im
Jahre 1880 1° 20’ vom Pol abstand; im Jahre 2000 wird er genau in der Verlängerung
der Erdaxe stehen. Die Distanz des Begleiters beträgt 18”,2 und erscheint fast unver-
änderlich, wohingegen der Positionswinkel seit dem Jahre 1865 von 211° auf 216° bis
-jetzt zugenommen hat. Der Hauptstern ist von Campbell als ein spektroskopischer
Doppelstern erkannt worden. Mit dem Fernrohr läßt er sich nicht in zwei Sterne trennen.
Die kurze Periode von 4 Tagen, welche für die Bewegung von Campbell bestimmt
worden ist, deutet auf ein nahes Zusammenstehen dieser beiden Hauptsterne hin.
Weiter nach Norden finden wir die beiden hellsten Sterne im großen Bären, o und £,
von denen der letztere auch als ein spektroskopischer Doppelstern festgestellt worden
ist. Jedoch stellt sich hier die Periode auf 27 Tage. Zwischen £ und y finden wir im
groBen Bären den berühmten Eulennebel (Rekt. 119m, Dekl. + 55° 34’). Wir haben im
Jahrgang 10, Heft 23, unserer Zeitschrift auf Seite 350 eine eingehende Beschreibung
3s
wg
Pe 3 Der Eulennebel im großen Bären (Messier 97.)
nach einer Photographie von Keeler am 28. März 1910.
und mehrere Abbildungen dieses Nebels von Rosse, Barnard und Ritchey gegeben.
Wir weisen hier noch darauf hin, daß auch Keeler mit dem Crossley Reflektor auf der
Lick-Sternwarte diesen Nebel am 28. März 1900 bei einer vierstündigen Expositionszeit
photographiert hat. Aus dem Vergleich der oben stehenden Photographie (Fig.2) mit der
von Ritchey vom 9. Februar 1910 (vergl. Beilage Jg. 10, Heft 23) können wir eine
Bestätigung für die interessanten Änderungen in diesem Nebel gegen die früheren Ab-
bildungen konstatieren.
Wegen des hohen Standes des Perseus werden auch die Lichtminima des ver-
änderlichen Algols im November zu folgenden Zeiten günstig zu beobachten sein.
2. November 105 abends 22. November 11h abends
5. - 6h - 25. - 8h -
17. - 65 morgens 28. - 5h nachmittags
20. - 3h -
Der Leonidensternschnuppenschwarm, der immer in der Zeit vom 14. bis
16. November seine größte Entfaltung erreicht, wird wegen des Mondes, am 17. November
haben wir Vollmond, diesmal nur sehr ungünstig zu beobachten sein.
Der Lauf von Sonne und Mond.
Die Sonne hat wiederum ihr Aussehen verändert, es sind eine größere Zahl von
Fleckengruppen sichtbar geworden, deren Auftreten, trotz des herrschenden Minimums,
Lauf von Sonne, Mond und den Planete l
Han
S = Sonne. M = Mond. Me = Merkur V = Venus. Ma= Mar
auf eine erhöhte Tätigkeit schließen läßt. Die Lage der Sonne im Tierkreis ist wiederum
für den 1., 15. und 30. November in unsere Karte 3b eingetragen. Wir sehen, daß sie
im Laufe des Monats um 7?/,° in ihrer Bahn sinkt. In folgender Tabelle geben wir ihre
Deklination, ihre Auf- und Untergangszeiten für Berlin und ihre größte Höhe um die
Mittagszeit wieder:
Sonne Deklination . Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshöhe
November 1. +, 14% 14° qh 5m morgens 4b 36m abends 231/,°
- 15. — 18° 20° qh 31m - 4h 12m - 19?/, °
- 30. — 21° 33/ qh 55m - 3b 55m - 16?
Partielle Sonnenfinsternis. |
Am 1. November 1910 findet eine partielle Sonnenfinsternis statt, die in Berlin
und Europa unsichtbar, jedoch im nordöstlichen Asien, in Japan, auf der Nordwestspitze
Amerikas und in der mittleren nördlichen Hälfte des stillen Ozeans zu beobachten sein wird.
Der Mond ist mit seinen Phasengestalten in unsere Karten 3a und 3b von zwei
zu zwei Tagen für die Mitternachtszeit eingetragen. Seine Hauptphasen fallen auf
folgende Zeiten:
Neumond: Nov. 2. 35 morg. Vollmond: Nov. 17. (bh morg.
Erstes Viertel: - 10. 61/,k morg. Letztes Viertel: - 23. 7b abends.
Totale Mondfinsternis.
Am 16. November ist eine totale Mondfinsternis in Berlin sichtbar, sie wird in
ganz Europa, in Asien, mit Ausnahme der östlicher gelegenen Gebiete, im indischen
Ozean und in Amerika zu beobachten sein. Wir geben hier die Hauptphasen in mittel-
europäischer Zeit an:
Erste Berührung des Mondes mit dem Halbschatten der Erde 105 45m,6 abends.
Erste Berührung des Mondes mit dem Kernschatten der Erde 11 44 ‚1 abends.
Besinn Ger Totallat oes o 3:4 8: Se e >) H St DO morgens:
Mitte der Finsternis ` — «4 3 Ee AN ed AS gz a a A St Sot
Ende der Totalitat . e 46 ,8 morgens,
Letzte Berührung des Mondes mit dem Kernschatten der Erde 57 ,7 morgens.
Letzte Berührung des Mondes mit dem Halbschatten der Erde 56 ‚2 morgens
am 17. November.
Die größte Phase der Verfinsterung beträgt in Teilen des Monddurchmessers
1,13, die Berührungsstellen liegen 94° beim Eintritt und 227° beim Austritt vom nörd-
lichsten Punkte der Mondscheibe ab.
SCH NY
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„für den Monat November 1910.
Fig. ša. Nachdruck verboten.
BE | Pallt DÉI 7
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Pr Se: Beteigeuse A |
Le akyon Aë CH P
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"e H H, D? Ee
Ni 4 ER Ñ Ae fe Arc enhold. `
IR
J = Jupiter. Sa = Saturn. U = Uranus. N = Neptun.
Im Monat November finden 4 Sternbedeckungen statt:
| Eintritt |Win-
Austritt |Win-
| M. E. Z. | kel
Gr Rekt. | Dekl. M. E. Z. | kel
4,0 22h 45m | — 14° Ai 7h 55m8 | 290
Bürg. Tag Name Bemerkung
|
265° | Mond im Meridian
Nov. 11. t? Aquarii
abends abends 7h 30m abends
- 14 uœ Piscium | 56,0 | 1h25m| + 5°41‘) 10b59m,4 | 71° | Oh 4m,8 | 2220| Mond im Meridian
abends Noe th 9h 56m abends
- 17. 13 Tauri 5,5 | 3h 37m| + 19925’; 6h 40m 4 | 950 | 7b 28m 4| 239%°| Monduntergang
morgens ~ | 8h0m morgens
- 17. v! Tauri 4,6 | 4b 21m | + 220 37°| ob 42m,6 | 49° |10h43m,0| 267°| Mond im Meridian
abends Oh 48m früh Nov. 18.
Die Planeten.
Merkur (Feld 145 bis 175) ist während des ganzen Monats wegen seiner großen
Sonnennähe unsichtbar.
Venus (Feld 14 bis 16'/,4) ist nur noch in den ersten Tagen des Monats !/, Stunde
lang zu beobachten. Am 3. November 10 Uhr vormittags tritt sie in Konjunktion mit
Merkur und steht 10' nördlich von demselben, sodaß beide Planeten zugleich im Ge-
sichtsfelde eines kleinen Fernrohrs zu sehen sind. Da die Venus am 26. November in
obere Konjunktion mit der Sonne EEN so ist sie dann auch im Fernrohr our schwer
zu beobachten.
Mars (Feld 133/,5 bis 154) ist zu Anfang des Monats nur ganz kurze Zeit am süd-
östlichen Morgenhimmel sichtbar, jedoch am Ende des Monats schon 2, Stunde lang zu
beobachten, da die Sonne immer weiter von ihm abrückt. Am 4. November nachmittags
3 Uhr tritt er in Konjunktion mit Jupiter und zwar steht Jupiter 34’ nördlich von Mars.
Am 27. September, als der Mars in Konjunktinn mit der Sonne stand, war er noch
395 Millionen km von der Erde entfernt; am 1. November 1910 beträgt die Entfernung
385 Millionen km. Am 17. November 1911 wird der Mars der Erde wieder am nächsten
stehen, alsdann beträgt seine Entfernung nur 76!/, Millionen km. Er wird dann fast
23° über dem Äquator stehen, während er jetzt 10° unter dem Äquator steht. Bei seiner
letzten Erdnähe am 18. September 1909 betrug seine Entfernung nur 58 Millionen km.
Damals jedoch stand der Mars fast 4° unter dem Aquator, sodaß er sich selbst in seiner
größten Höhe immer nur wenig über den Horizont erhob. Bei seiner bevorstehenden
ee" | e
Erdnähe steht er 26'/,° höher als im Jahre 1909, sodaß trotz der größeren Entfernung
ein gutes Bild zu erwarten ist.
Jupiter (Feld 133/,5 bis 14") ist zu Anfang des Monats am östlichen Himmel nur
ganz kurze Zeit vor Tagesanbruch zu sehen, wird jedoch am Ende des Monats schon
zwei Stunden vor der Sonne zu beobachten sein. Er kommt am 28. November, abends
10 Uhr in Konjunktion mit dem Mond. An manchen Orten der Erde findet sogar eine
Bedeckung statt. Am 19. Oktober stand er am weitesten von der Erde ab und zwar
963 Mill. km. Jetzt rückt er der Erde immer näher und wird am 30. November nur
noch 932 Mill. km von der Erde entfernt sein.
Saturn (Feld 25) ist zu Anfang des Monats während der ganzen Nacht zu be-
obachten, geht jedoch Mitte des Monats bereits vor Tagesanbruch unter, seine Sichtbar-
keit beträgt immerhin noch 12 Stunden und Ende des Monats noch 11 Stunden. Er tritt
am 15. November nachmittags 3 Uhr in Konjunktion mit dem Monde und wird teilweise
auch von demselben bedeckt und zwar so, daß seine Bedeckung an manchen Orten zu
beobachten ist. Er stand am 27. Oktober der Erde am nächsten, seine Entfernung
betrug 1230 Millionen km. Am 30. November rückt er in eine Entfernung von 1260
Millionen km. Es sind jetzt deutlich zwei Äquatorialstreifen in unserm Fernrohr, in dem
er allabendlich gezeigt wird, auf ihm zu beobachten und eine interessante Färbung sowohl
am Südpol wie in der Gegend zwischen den beiden dunklen Streifen.
Uranus (Feld 191/,5) ist nur einige Stunden nach Sonnenuntergang in geringer
Höhe über dem Horizont zu beobachten und verschwindet im nächsten Monat ganz in
den Strahlen der Sonne.
Neptun (Feld 7!/,b) ist von abends 10 Uhr an wegen seines hohen Standes in
größeren Fernrohren jetzt sehr günstig zu beobachten. Sein einziger Mond, der sich in
5 Tagen und 21 Stunden um den Neptun herumbewegt, ist in 16” Abstand vom Neptun,
aber nur in größten Fernrohren, aufzufinden.
Bemerkenswerte Konstellationen:
4h morgens Jupiter in Konjunktion mit dem Monde.
. 115 vormittags Merkur in Konjunktion mit dem Monde.
Novbr. 1
1
- 1, 145 nachmittags Venus in Konjunktion mit dem Monde.
1
3
. Partielle Sonnenfinsternis, unsichtbar in Europa.
. 10h wi Merkur in Konjunktion mit der Venus (Venus 10‘ nördlich vom
erkur).
- 4, 3h ee Mars in Konjunktion mit dem Jupiter (Jupiter 34' nördlich vom
ars).
- 12. 35 nachmittags Merkur in oberer Konjunktion mit der Sonne.
- 15. 35 nachmittags Saturn in Konjunktion mit dem Monde (Bedeckung).
- 16. Sichtbare totale Mondfinsternis, Beginn 11h 44", Ende Nov. 17. morgens 2h 56m,
- 22. 4h morgens Merkur in Sonnenferne.
- 26. 2 nachmittags Venus in oberer Konjunktion mit der Sonne.
- 28. 105 abends Jupiter in Konjunktion mit dem Monde (Bedeckung).
- 29. 115 abends Mars in Konjunktion mit dem Monde.
Ay
Kleine Mitteilangen.
Beobachtung einer Feuerkugel. Freiherr E. v. Hake, Hasperde, Hannover, teilt uns mit,
daß er am 26. September 1910 bei sehr klarem Sternenhimmel um 8 Uhr 13 Minuten ein sehr helles
leuchtendes Meteor beobachtet habe, das in der Nahe von «Bootes aufzuflammen schien und in der
Richtung von zBootes weiter marschierte. Den Punkt des Erlöschens konnte der Beobachter nicht
wahrnehmen, da Bäume ihn verdeckten. Die Sichtbarkeitsdauer betrug "LG bis ?/, Sekunden. Die
. Farbe des Meteors war intensiv blaugrün, und zwar so, daß anfangs die blaue Farbe vorzuherrschen
schien, am Ende der Beobachtung dagegen die grüne Farbe mehr hervortrat. — Sollten noch andere
Abonnenten die Erscheinung beobachtet haben, so wären wir für eine Mitteilung dankbar.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F. 8. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
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Doppel-Beilage zur illustrierten Zeitschrift für Astronomie uni:
(Zu Dr. F.S. Archenhold: „Über ausgedehnte Sonnenfleckengr:
becob. 79/0 Sept. 29.v. 4"30”7- 35”
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DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 2. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1910 Oktober 15..
Berlin-Treptow.
Dieze Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treplow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postansialten (Posi-
Zeilungslisie alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pie — Anzeigen-Gebühren: I Seite 80.— MR., ju Seite 45.—
1/, Seite 25.—, 1/g Seite 15.—, Un Sette 8.—. Bei Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewicht.
INHALT
1. Über ausgedehnte Sonnenfleckengruppen und Fackeln 4. Kleine Mitteilungen: Die Entdeckung eines neuen
am 29. September und 1. und 2. Oktober 1910. Von Sterns. — Die säcularen Änderungen der erdmagne-
Dr. F. S. Archenhold. (Mit einer Duppel-Beilage). . 17 tischen Elemente. — Uber die Temperatur der Sonne
2. Über den Einfluß der Sonne auf die Erde Von und Sterne. — Über die Lichlveränderung gewisser
H. Osthoff. (Schuß) s 6 6. 2 2 2 2 en ne. 19 Satelliten in unserm Planetensystem. — Neue Fern-
3. Zur Frage der Pendulationstheorie. Von Wilhelm rohre für das Sproul-Observatorium in Swarthmore
Krebs, GroBflottbeR . . 2. 2 2 2 we ww ee 21 (Pennsylvanien) . 2 2 2 220. Fe er a re De 23
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer (Quellenangabe gestattet.
(Über ausSedehnte SonnenfleckenSruppen und Fackeln
am 29. September und 1. und 2. Oktober 129;
Von Dr. F. S. Archenhold.
(Mit einer Doppel-Beilage.)
e wir wissen, daß sich in den Sonnenflecken interessante elektrische
Strahlungen bilden können, die, wenn sie unsre Erde treffen, sowohl diese
selbst als auch die atmosphärische Hülle in starker Weise beeinflussen, gewinnt
die Verfolgung der Sonnenfleckengruppen immer mehr an Bedeutung. Die auf
unserer Doppelbeilage wiedergegebene Sonnenfleckengruppe A ist schon deshalb
von besonderem Interesse, da sie eine der größten ist, welche seit dem Jahre 1905
auf der Sonnenscheibe erschienen sind. Sie konnte gerade noch von Beobachtern,
die scharfe Augen besitzen, durch ein angeschwärztes Glas mit bloßem Auge
auf der Sonnenscheibe gesehen werden.
Wir bekommen eine richtige Vorstellung von der Längenausdehnung dieser
Fleckengruppe A, wenn wir die in dem gleichen Maßstabe eingezeichnete Erde
auf unserer Beilage mit derselben vergleichen. Letztere hat in Wirklich-
keit einen Aquatoreal-Durchmesser von 12755 km, und da die Sonnenflecken-
gruppe annähernd 16 mal so lang erschien, so hatte sie eine Mindestausdehnung
von über 200000 km. Natürlich erscheinen die Flecken am Rande durch die
perspektivische Wirkung bedeutend verkürzt, so daß sie in Wirklichkeit viel größer
sind als die direkte Beobachtung erkennen läßt. Die Lage GE großen Sonnen-
fleckengruppe A am 29. September 1910 nachm. Ah 35" und am 2. Oktober nachm.
3h 53™ auf der Sonnenscheibe ist, wie ich sie mit dem Sucher des großen
Treptower Refraktors gezeichnet habe, auch auf der Beilage wiedergegeben und
daneben im kleinen Maßstabe die Erde, die in diesem Falle wie ein kleiner
Punkt erscheint. Wir schen die Wanderung der Gruppe 4 in diesen wenigen
Tagen vom östlichen Rande bis zur Mitte der Sonnenscheibe. Während am
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29. September außer der großen Gruppe A cine sehr schwache, nur kleine Kerne
enthaltende Gruppe B und ein größerer Sonnenfleck C mit großem Kern und
Hof sichtbar war, ist am 1. und 2. Oktober die Gruppe B auch im großen Fern-
rohr unsichtbar gewesen; mit andern Worten: sie hatte sich aufgelöst. Die
Gruppe C zeigte in ihrem Kern am 29. September nachm. Ah 40™ deutlich den
Beginn einer Trennung. An diesem Tage waren in ihrer näheren Umgebung
noch keine Fackeln zu sehen!), wohingegen am 1. und 2. Oktober sehr
schöne Fackelgruppen in der Nähe dieses Fleckes auftraten, die auch auf Photo-
graphien, welche ich bei einer Exposition von nur Lann Sekunde mit unserm
großen Fernrohr im Brennpunkt gemacht habe, sehr gut zu erkennen sind.
Der Durchmesser der ganzen Sonnenscheibe auf diesen Photographicen, die für
spätere Ausmessungen der Lage der einzelnen Flecken ein gutes Material er-
geben werden, beträgt 19,3 cm. Ein Abzug von einer dieser Aufnahmen ist im
„Astronomischen Museum“ der Treptow-Sternwarte ausgehängt. Ihre Reproduk-
tion würde zu große Kosten verursachen und auch nicht die Fleckengruppen so
groß erkennen lassen, wie unsere Zeichnungen, da bei diesen der Durchmesser
der Sonne auf dem Projektionsschirm, auf dem sie angefertigt sind, 120 cm beträgt.
Eine genaue Beschreibung der Vorrichtung, welche an unserem Fernrohr
angebracht ist, um die Sonne auf dem Projektionsschirm zu beobachten, ist in
meinen früheren Publikationen bereits gegeben. Vgl. Jg. 3, Seite 57. Inbezug
auf interessante Änderungen, die ich schon früher in den Sonnenflecken be-
obachtet habe, vergl. auch noch: „Über eine ausgedehnte Sonnenfleckengruppe
in hoher heliozentrischer Breite am 5. März 1902*, Jg. 2, Seite 149. „Über eine
Sonnenfleckengruppe in hoher Breite, 1902, Nov. 21.—25.*, Jg. 3, Seite 57. „Mehrere
größere Sonnenfleckengruppen vom 22. bis 29. März 1903“, Jg. 3, Seite 203.
,sonnenflecken, Erdströme und Nordlichter“, Jg. 4, Seite 71. „Die vier Sonnen-
fleckengruppen am 9. Februar 1905“, Jg. 5, Seite 183. „Der große Sonnenfleck‘“,
Jg. 5, Seite 214. „Über die großen Sonnenfleckengruppen am 12., 15. und 18. Februar
und das Nordlicht vom 9. Februar 1907“, Jg. 7, Seite 157.
Es mögen noch einige Angaben hier folgen über das Aussehen der einzelnen
Fleckengruppen. In der Gruppe A zählte ich am 29. September von Ah 30” bis
35™ nachm. 46 Kernflecken und 5 in der Zeichnung erkennbare Höfe, während
im Sucher nur drei kleine Flecken um diese Zeit an derselben Stelle zu sehen
waren. Am 1. Oktober nachm. 4b 15" bis 20” betrug die Zahl der Kern-
flecken in dieser Gruppe 58 und 9 Höfe waren zu sehen, die auch in unserer
Doppelbeillage wiedergegeben sind. Am 2. Oktober nachm. Ah 45" bis 50"
zählte ich noch 56 Kerne und 7 hofartige Erscheinungen. Die vielfachen Ver-
änderungen, welche in dieser Hauptgruppe aufgetreten sind, lassen sich ja ohne
weiteres durch Vergleich dieser Zeichnungen erkennen. Die starke Bewölkung
am 30. September und nach dem 2. Oktober vereitelte die weitere Verfolgung
dieser interessanten Gruppe. Die Gruppe B, die am 29. September nachm. Ah 45”
von mir gezeichnet wurde, enthielt 11 ganz kleine Kernflecken ohne jede Hof-
erscheinung. Sie hatte sich, wie schon erwähnt, in den nächsten Tagen völlig
aufgelöst, was gerade bei so isoliert auftretenden Kernflecken ja schr häufig
der Fall ist.
1) Ich bemerkte unmittelbar am Rande in einer Entfernung von 2 cm gerade in der Richtung
der sogenannten täglichen Bewegung zwei intensiv helle kleine Fackeln. Des Raumes wegen konnten
sie auf der Tafel nicht reproduziert werden, aber in der Originalzeichnung ist ihre genaue Lage
vermerkt.
De, CO
Gber den Einfluss der Sonne auf die Erde.
Von H. Osthoff.
(Schluß.)
Gainne herrschen über den Ursprung der Cirruswolken noch Ver-
mutungen. Aber da waltet kein Geheimnis. Es ist sicher, daß sie jeder
herannahenden barometrischen Depression entströmen und ihr vorausziehen.
Daneben entstammen manche im Sommer den Gewitterwolken. Endlich aber
auch läßt sich unzweifelhaft die Neubildung von Cirren — nicht nur einzelner,
sondern ganzer Decken — am blauen Himmel über uns verfolgen. Daß dies
nicht allgemein bekannt ist, kann nur an der Art und Weise liegen, wie man
beobachtet. Sich bildende Federwolken nehmen im allgemeinen langsam Ge-
stalt an mit Ausnahme der fadenförmigen Streifen. Wenn ich diese auftauchen
sah, schossen sie — wie schon erwähnt — der Länge nach mit einer fast blitz-
ähnlichen Schnelligkeit über den Himmel, die bei der Berechnung eine wahre
Geschwindigkeit von mehreren Kilometern in der Sekunde ergibt. Ein auf-
merksamer Beobachter kann nun allerdings binnen wenigen Minuten den
Himmel auch mit unterm dicken Gewölk sich beziehen sehen. Es genügt, auf
die bekannte Wahrnehmung von John Herschel zu verweisen, der in der
Nacht des 19. April 1827 am klaren Himmel ein Stratusgewölk sich im Osten
bilden sah, das gegen den westlichen Horizont vorrückte und binnen 8 Minuten
den ganzen Himmel einnahm. Das war, wie in allen ähnlichen Fällen, natürlich
nicht die Bewegung der Wolkendecke, sondern es war die so schnell fort-
schreitende Verdichtung des unsichtbaren Wasserdampfes zu sichtbaren Wolken.
Der eigentliche Fortzug, das Schwimmen der Wolken auf einer Luftströmung,
ist verschieden davon. Ratselhaft aber wird jener Vorgang, wenn er bei den
Cirren in schnurgrader langer Fadenform plötzlich mit einem Ruck vor sich
geht. Ohne Zweifel ist auch das nur ein Kondensationsvorgang. Aber warum
so rasend schnell und warum in Linienform? |
Unwillkürlich denkt man dabei an das Aufschießen der Nordlichtstrahlen,
wie ja überhaupt die äußere Ähnlichkeit der Polarlichter und der Cirruswolken
oft überraschend groß ist. Tatsächlich haben manche Beobachter eine unmittel-
bare Verbindung zwischen Cirren und Nordlichtern geschen. Die Angaben da-
rüber lauten zu bestimmt und sind von so eingehenden Schilderungen begleitet,
daß ein Zweifel ausgeschlossen ist. A. von Humboldt hielt auf Grund seiner
Erfahrungen die in Reihen geordneten feinsten Schäfchenwolken für die Träger
des Lichts. Abercromby sah am 3. September 1885 bei den Lofoten eine
dünne Dunstschicht, „zu strukturlos, um Cirrus genannt zu werden“, in Ver-
bindung mit einem Nordlicht. Viele Beobachter fanden die Lichtstrahlen dann
am lebhaftesten, wenn ein blasser Cirrusdunst den Himmel bedeckte, so dünn,
daß er sich nur durch optische Erscheinungen um den Mond verriet. Wiederum
hielten andere die langen Polarbanden für das dem Nordlicht zugrunde lie-
gende Gerüst. Nicht selten fanden sich bei Tagesanbruch Cirruswolken von
gleicher Gestalt vor, wie sie an derselben Stelle nachts das Polarlicht gezeigt
hatte. Aus diesen verschiedenen Mitteilungen folgt, daß es auf die Gestalt
der Cirren nicht anzukommen scheint, und das ist klar, wenn man die oft
schnellen Formänderungen kennt, denen sie unterliegen. |
Nun sind aber diese den Zusammenhang beider Erscheinungen betonenden
Angaben von andern Beobachtern bestritten worden; nach ihnen soll die Ver-
— %ğ —
bindung gar nicht bestehen. Der Widerspruch läßt sich wahrscheinlich durch
Berücksichtigung des Jahres des Sonnenfleckenzyklus oder der Relativzahl
lösen. Wenn zur Zeit der Fleckenmaxima die Polarlichter häufiger sind, kann
auch häufiger ein zufälliges Zusammentreffen mit gerade vorhandenen Cirrus-
wolken eintreten.
Die Cirruswolken ahmen die Polarlichter oft genug nach, ohne daß sich
eine Lichterscheinung zeigt. Und während diese sich nur in der Richtung
zum magnetischen Pol am stärksten entwickelt und die Scheitel der Licht-
bögen stets die bestimmte Lage zu ihm besitzen, sind die Cirren an keine
bestimmte Stelle des Himmels gebunden. Auch geht ihnen die innere Be-
weglichkeit ab, welche die Polarlichter aufweisen. Allerdings gilt alles das
nur von unsern geographischen Breiten, über denen auch die Höhenlage beider
Erscheinungen sehr verschieden ist. Wenn die Cirren 9 bis 12 km hoch über
dem Erdboden schweben, ist die Höhe der Polarlichter nach einigen hundert
Kilometern zu bemessen. Aber in den Polargegenden spielen sich die Licht-
erscheinungen in bedeutend geringeren Erhebungen ab, ja sie können sich
dort unmittelbar über dem Erdboden entwickeln. Und gerade aus den Polar-
gebieten stammen viele Berichte über die enge Verbindung zwischen Cirrus-
gewölk und Polarlichtern. |
Wie sich aus Versuchen ergeben hat, ist das Polarlicht ein durch Kathoden-
strahlung hervorgerufenes elektrisches Leuchten der Luft, bei dem außer der
Sonne als Hauptursache doch auch der Magnetismus der Erde durch Ausstrahlung
nach dem Himmelsraum mitbeteiligt zu sein scheint. Wenn dieselbe Sonnen-
strahlung auch dem Eisstaub in der Luft von ihrer Kraft mitteilt, ihn ionisiert
und elektrisch leitend macht, könnte er die den Lichterscheinungen äußerlich
gleichenden Formen annehmen und beide könnten gleichzeitig nebeneinander
bestehen, ohne aber sonst etwas mit einander zu tun zu haben.
Übrigens ist ein ähnlicher Formenwechsel, wie ihn die irdischen Cirrus-
wolken durchmachen, seit längerer Zeit schon an den Flecken auf der Ober-
fläche des Planeten Jupiter bekannt. Diese erscheinen in 11jähriger Periode
abwechselnd zierlicher und mannigfaltiger und dann wieder schwächer ausgeprägt.
Soweit es sich um die Aussendung einer zeitweise verstärkten Strahlenart
handelt, die auf Polarlichter, Erdmagnetismus und Cirruswolken wechselnde
Wirkung ausübt, ist am dirckten Einfluß der Sonnenflecke auf die Erde nicht
zu zweifeln.
Was aber die Erreger dieser Wirkungen eigentlich sind, wissen wir nicht
sicher. Es ist auch noch nicht entschieden, ob die Fleckenperioden von außen,
etwa durch die Planeten oder Meteorschwärme angeregt werden, oder ob die
Anregung aus dem Innern des Sonnenkörpers selbst kommt. Beide Ansichten
haben ihre Verfechter.
Im Spektrum der Sonnenflecken erblickt man die Fraunhoferschen Linien
verbreitert und verstärkt, außerdem treten auch neue Bänder auf. Aber neben
verstärkten Linien werden andere blasser, ja die Wasserstofflinien können sogar
hell erscheinen. Vor kurzem ist es Hale gelungen, im Spektrum der Sonnen-
flecken den „Zeemanschen Effekte („Weltall* I, 77) aufzufinden. Zeeman
hatte die Entdeckung gemacht, daß unter dem Einflusse magnetischer
Kräfte die Linien eines Spektrums sieh nicht nur verbreitern, sondern bei
stärkerer magnetischer Einwirkung sich spalten, verdoppeln oder weiter teilen.
Durch Hales Wahrnehmung ist nun nicht nur ein Beitrag zur Erklärung der
as: Of as
Spektra der Sonnenflecken geliefert, sondern es ist damit der Nachweis erbracht,
daß die Flecke magnetische Kraftfelder sind und sich wie Magnete verhalten
müssen, wodurch weiter die aus den wahrnehmbaren Wirkungen geschlossene
elektromagnetische Strahlung der Sonne auf eine bestimmte Quelle zurückgeführt
wird. Die Ursache dieser magnetischen Kraitfelder wird wahrscheinlich in den
gewaltigen Wasserstoffwirbeln um die Sonnenflecke liegen, die Hale in Sonnen-
aufnahmen im roten Wasserstofflicht gefunden hat.
Man pflegte bisher das Fleckenspektrum durch eine Zunahme der Absorption
zu erklären, die ihrerseits die beste Erklärung durch eine Temperaturabnahme
der Gase innerhalb der Flecken findet. Schon längst war man auf eine gewisse
Übereinstimmung dieses Spektrums — wenn von Einzelheiten abgesehen wird —
mit dem der Sterne vom Spektraltypus Hla aufmerksam geworden. Zu diesem
gehören die orangefarbenen Sterne wie Beteigeuze im Orion, ferner auch viele
veränderliche mit langer Periode, unter denen Mira im Walfisch der bekannteste
ist, der zugleich als Vorbild dieser Klasse dienen kann.
Da lag die Hypothese nahe, den Lichtwechsel dieser Sterne durch eine
wechselnde Menge ähnlicher Flecken zu erklären, wie sie unsere Sonne zeigt.
Man sah die Flecken als „Abkühlungsprodukte“ an — nach Belieben als Wolken
oder Schlacken. Wenn die veränderlichen Sterne sich in ihrer geringsten
Helligkeit befinden, würden sie am stärksten von Flecken bedeckt sein. Um-
gekehrt erklärte man auch die Sonne ihrer wechselnden Fleckenmenge wegen
für einen veränderlichen Stern mit 11jähriger Periode. Die Bildung solcher
Abkühlungserzeugnisse auf einem Fixstern wäre als Zeichen des Alters zu deuten.
Die Temperatur des Sterns nimmt ab, die Folge davon sind chemische Ver-
bindungen der Gase in seiner Atmosphäre, begleitet von Absorptionserscheinungen,
die das Licht zu dämpfen beginnen. Die rötliche Farbe erinnert dazu an einen
von früherer Weibglut bereits bis zur Rotglut abgekühlten Körper. Im Wider-
spruch damit steht aber die Tatsache, daß unsere Sonne gerade dann, wenn sie
von der größten Fleckenmenge bedeckt ist, ihre größte Tätigkeit entwickelt,
ganz abgeschen davon, daß zur sclben Zeit weder eine Abnahme des Tageslichts
zu bemerken, noch eine Temperaturabnahme auf Erden mit Sicherheit nachzu-
weisen ist. Je mehr Flecken, desto mehr und desto gewaltigere Umwälzungen
im Innern des Sonnenkörpers, für uns in Fackeln und Protuberanzen, Gasaus-
brüchen aus dem Sonneninnern, sichtbar. Die Folge davon sind Einwirkungen
auf den Erdmagnetismus, die Polarlichter und Cirruswolken.
Die größte Kraftentfaltung der Sonne gerade zu dieser Zeit verträgt sich
aber schlecht mit der Annahme, die in den Flecken ein Zeichen von Alters-
schwäche sieht.
WW
Zur Frage der Pendulationstheorie.’)
Von Wilhelm Krebs, Großflottbek.
Me Hinweis auf die mechanische Begründung des pendelnden Ausweichens
eines rotierenden Systems, im besonderen des Schiffskreisels, ist Lesern,
die sich in die Kreiseltheorie nicht eingearbeitet haben, nicht verständlich ge-
worden. Leider hatte die Redaktion des „Weltall“ meine ausführliche Dar-
legung der einschlägigen Punkte abgeschnitten und außerdem auch das Zitat
1) Vergl. auch „Das Weltall“ Jg. 10, S. 115, 145 und 204.
— 2 —
dieser Darlegung, in Dr. Völlers Münchener Halbmonatschrift „Natur und
Kultur“ vom 15. Januar 1910 durch eine andere Anmerkung ersetzt.
Ich lasse deshalb die einschlägige Stelle wörtlich folgen:
„Alle Räderdampfer zeigen bei aufmerksamer Beobachtung eine Reihe
von Erscheinungen, die den Gesetzen der Schlingerbewegungen scheinbar
widersprechen. Dahin gehört zunächst ihr beträchtliches seitliches Neigen beim
Überlegen des Ruders. Die hierbei auftretenden Neigungen sind wesentlich
größer als durch die Zentrifugalkräfte erklärlich erscheint. Die Räderdampfer
zeigen ferner in der Fahrt eine merklich größere Periode (Verlangsamung:!) der
Schlingerbewegungen als bei stillstehender Maschine, und sie rollen im all-
gemeinen weniger als Schraubendampfer von ähnlichen Verhältnissen. Besonders
der zuletzt erwähnte Umstand ist eine allseitig anerkannte Tatsache, weshalb
Räderdampfer vielfach auch da noch verwendet werden, wo es längst vorteil-
haft gewesen wäre, sie durch Schraubenschiffe zu ersetzen. Die Räderdampfer
zeigen außerdem, wenn sic dem Seegang ausgesetzt sind, ein pendelndes Ab-
weichen vom geraden Kurs, das man gewöhnlich dadurch erklärt, daß bald das
eine und bald das andere Rad tiefer in die See eintaucht und so das Fahrzeug
von der geraden Linie ablenkt.“
Das sind, mit den eigenen Worten des Erfinders, zitiert aus einer Ver-
öffentlichung im Jahrgang 1906 der „Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure“,
die Beobachtungen, die dem jetzigen Ehren-Doktor-Ingenieur der Technischen
Hochschule, dem Hamburger Schiffbausachverständigen Otto Schlick, die
Keime geschenkt haben zur Erfindung des nach ihm benannten Schiffskreisels.
Eines der Kreiselgesetze besagt, daß die Achse eines rotierenden Kreises
jeder Ablenkung Widerstand leistet. Die Räder eines Raddampfers wirken wie
ein Doppelkreisel. Aus den erwähnten Unarten der Raddampfer konnte so-
gleich eine Einschränkung gefolgert werden.
Die Ebene jeden Rades steht senkrecht zu der Horizontalebene des Dampfers.
Außer diesen beiden ist noch eine dritte, auf ihnen senkrechte Ebene möglich, der
der Querschnitt des Schiffes angehört. Jene Unarten kommen darauf hinaus, daß
eine Bewegung in dieser Querrichtung — das Rollen des Schiffes — den Kurs
ändert, und daß umgekehrt eine Kursänderung eine dem Rollen entsprechende
Neigung zur Folge hat. Der Scharfblick des Erfinders Schlick erkannte, daß das
Kreiselgesetz gebunden ist an die Möglichkeit des Ausweichens in der
dritten senkrechten Ebene, wenn man als erste die Rotationsebene, als zweite
und dritte den Quer- und den Horizontalschnitt des Schiffes auffaßt. Der Versuch
brachte die volle Bestätiguug des Schlusses. Ein Kreisel, der nieht in ent-
sprechender Weise ausweichen kann, Jeistet keinen Widerstand mehr, sondern
überschlägt sich beim Versuche des Umlegens.
Erst durch diese Entdeckung wurde die Vergeblichkeit früherer Versuche
erklärt, durch einen Rotationsapparat Fahrzeuge gegen Rollbewegungen zu
schützen. Der Schlicksche Schiffskreisel ist deshalb in eine Kapsel eingebaut,
die um eine, zur Rotationsachse selbst senkrechte Achse drehbar ist. Aus
praktischen Gründen sind diese Richtungen so gewählt, daß jene eigentliche
Kreiscelachse im Schiff von oben nach unten, diese Achse für die ausweichende
Drehung dagegen von rechts nach links — von Steuer- nach Backbord — ge-
richtet ist. Beide Drehungen, die der Rotation und die des Ausweichens,
finden demnach in Längsrichtungen des Schiffes statt, die zueinander senk-
recht stechen.
me 28 ==.
Doch ist auch damit der volle Erfolg noch nicht erreicht. Wie bei den
gewöhnlichen Raddampfern wird durch diese Anordnung die Rollbewegung
zwar verlangsamt, also gemildert, aber nicht aufgehoben. Auch das wurde
durch den wissenschaftlichen Versuch bestätigt. Ein Kreisel wurde in einen
beweglichen Rahmen gespannt und dieser mit einem Pendel verbunden. Durch
die Rotation des Kreisels wurden die Pendelschläge verlangsamt. Eingeschränkt
bis nahe zum vollen Verschwinden wurden sie erst dann, wenn die aus-
weichende Bewegung durch dämpfende Bremsung erschwert wurde. Die Er-
klärung ist, daß die Pendelbewegung — beim Schiff also die Rollbewegung —
sich in die ausweichende Drehung umsetzt. Diese verlängert nur die Schwin-
gungen und verlangsamt sie, solange sie ungestört bleibt. Durch Dämpfen
wird die ausweichende Drehung aber in Wärme umgesetzt. Durch solches
Verschwinden dieser mechanischen Bewegung wird dann auch die Rollbewegung,
die den Anlaß gab, auf Nimmerwiederkehr vernichtet. — Soweit das Zitat.
Das pendelnde Ausweichen eines rotierenden Systems, beim Neigen seiner
Axe, ist demnach durch die Kreiselversuche und durch den Schiffskreisel des
Herrn Dr. ing. Schlick aufs neue, erwiesen. Ts ist sogar der Kern der
genialen Erfindung des Schiffskreisels. Seine Anwendung auf die rotierende
Erde in der Form der Pendulations-Theorie der Herren Reibisch und Simroth
ist also durchaus berechtigt. `
Eine wissenschaftliche Diskussion über Ansichten, die auf vollkommene
Verkennung jener Tatsache und auf eine durchaus verkehrte Darstellung der
Arbeit des Schiffskreisels hinauslaufen, ist unmöglich. Ihr Ausbleiben ist also
nicht als Zustimmung aufzufassen. |
Großflottbek, März 24. 1910.
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R NA NAN AN ANA NAN AN, INT NA - N. E
FSEecssseccssese<ssssscee<gggeeessesiesiege<sssesseceeeseccee se
Die Entdeckung cines neuen Sterns im Sternbilde des Schützen ist auf telegraphischem
Wege aus Cambridge, Mass., der Kieler Zentralstelle gemeldet worden. Dieser neue Stern ist nach-
träglich auf einer Platte vom 31. Mai 1910 von Frau Fleming entdeckt worden. Damals war der
Stern 7. Größe, also hell genug, um schon mit einem kleineren Fernrohr gesehen werden zu können.
Seine Position ist: Rektaszension = 17" 52™ 15° und Deklination = —27° 32.2‘. Er steht unweit
des hellen Sternes y im Schützen und befindet sich wie fast alle neuen Sterne in der Milchstraße.
Er hat die Bezeichnung Nova Sagittarii Nr.2 bekommen. Es war auch Frau Fleming, der die
Entdeckung von Nova Sagittarii Nr. 1 im März 1899 gelungen ist und zwar auf einer Photographie,
die bereits ein Jahr zuvor in Arequipa aufgenommen worden war.
In früheren Zeiten wurden nur solche neuen Sterne entdeckt, deren Aufflammen aus dem
Dunkel der Nacht schon mit unbewaffnetem Auge wahrgenommen werden konnten. Zu den be-
kanntesten Erscheinungen dieser plötzlich auftauchenden Gestirne gehört der Tychonische aus dem
Jahre 1572, welcher oberhalb der Cassiopeja stand und noch heller als der Sirius war. Die Nova
Persei, welche am 21. Februar 1901!) zuerst von Anderson geschen worden ist, hat durch die im
6. Jahrgang unserer Zeitschrift, Seite 24, abgebildeten Nebel, die sich um diesen neuen Stern aus-
breiteten, die frühere Annahme zur Gewißheit gemacht, daß das Aufleuchten* dieser interessanten
Gebilde dadurch hervorgerufen wird, daß dunkle abgekühlte Welten beim Durchmarsch durch
kosmische Nebel zum Wiederaufglühen gebracht werden. So erklären sich auch die hellen Linien,
welche zumeist in dem Spektrum der neuen Sterne geschen werden. r. S. A.
1) Vgl. F. S. Archenhold: Jg. 1, S. 93: Der neue Stern im Perscus; Jg. 6, S. 171: Der neus
Stern Nr. 2 im Adler 1905; Jg. 1, S. 108, 132, 222; Jg. 6, S. 64, 145.
ee" "E a
Die säcularen Aenderungen der erdmagaetischen Elemente von Dr. H Fritsche. (Aus-
zug vom Verfasser). In der vorliegenden Publikation') habe ich versucht, die säcularen Aenderungen
der erdmagnetischen Elemente fiir alle Zeiten naherungsweise zu bestimmen, insbesondere fir die
Jahrhunderte vor der Epoche 1550 n. Chr., von denen wir fast gar keine Nachrichten über den Erd-
magnetismus besitzen, indem Beobachtungen der Deklination erst um ca. 1500 n. Chr. beginnen.
Ich ging davon aus, daß die Erde, was ihre Gestalt, Zusammensetzung, Temperatur etc. anbetrifft,
seit vielen tausend Jahren. im großen und ganzen sich wenig verändert hat, und bewies an der
Hand meiner früheren Publikationen dies speziell für den Erdmagnetismus während der Beobach-
tungsperiode 1550 bis 1900, wobei ich auch an. den von mir sehr wahrscheinlich gemachten Satz
erinnerte, daß seine Säcularvariation von Wanderungen der Wärme in der Erdrinde herrühre, und
kam zu dem Schlusse, daß die erdmagnetischen Elemente in sehr verwickelter Weise, unperiodisch,
wellenförmig im Laufe der Jahrhunderte hin und her schwanken und nach langen Zeiträumen zu
denselben oder nahe denselben Werten zurückkehren, weshalb man fast immer nur einen mittleren,
genäherten, nicht exakt den wahren Wert der Säcularvariation bestimmen kann.
Da für eine bestimmte Epoche die erdmagnetischen Elemente, welche wir an einer unbe-
grenzten Zahl von Orten an der Erdoberfläche beobachten können, von den Coefficienten g h der
Theorie, deren Anzahl eine beschränkte, 46, ist, abhängen, so teilte ich letztere in drei Gruppen von
24, 9 und 13 Gliedern und stellte die erste Gruppe durch eine 500jährige, die zweite durch eine
700jährige und die dritte durch eine 900jährige Periode dar. Dazu bediente ich mich der Formel (1)
g oder h = p% + ol cost‘ + q"’sint‘ + p® cos2t‘ fiir g und h der 500- und 900jährigen Periode,
und der Formel (2) g oder h=p"® + p” cost + q sint+qsin2t' für die g und h der 700-
jährigen Periode; worin p und q konstante, von der Zeit unabhängige, aus den gegebenen Werten
gh der 8 Epochen 1550, 1600, 1650, 1700, 1780, 1842, 1885 und 1900 abzuleitende Größen bedeuten
und t’ = resp. t, Së t, oder ot Grad, wenn t die Zahl der Jahre, von der Epoche + 1575 als
Anfang gerechnet. Hieraus folgt, daß dieselben erdmagnetischen Elemente — nämlich das Potential
P, der ideale Maguetismus F, die nördliche Componente X, die westliche Y, die vertikale Com-
ponente Z, die Deklination J, die Inklination i, die horizontale Intensität T und die ganze Intensität
I — erst nach Verlauf von 5.7.900 oder 31500 Jahren in derselben Reihenfolge wiederkehren.
Es sind also die verhältnismäßig kurzen Perioden von 500, 700 und 900 Jahren der Coefficienten
gh der Theorie von mir dazu benutzt, um die daraus sich ergebenden Elemente PFXYZsiTI
in langjähriger Periode darzustellen, etwa wie Ptolemäus sich der Epicyclen — an deren Realität
er wohl selbst nicht geglaubt hat — bediente, um die verwickelten Bewegungen der Planeten
approximativ zu bestimmen.
Die Verteilung der 46 Coefficienten g h der Theorie in die genannten 3 Gruppen habe ich
derart vorgenommen, daß die die ganze Periode umfassenden Werte der Funktionen g und h über die
Grenzen der während des Zeitraumes 1550 bis 1900 beobachteten g und h möglichst wenig hinaus-
gingen. Dies ersieht man aus Tafel (1) und den Tafeln (le (Die (10)& der vorliegenden Publikation,
wo die Größen g und h für alle Zeiten t der drei Perioden, nach obigen Formeln (1) und (2) be-
rechnet, angegeben sind.
Aus (ie, (9)a und (10)« habe ich sodann die 46 Werte g h der 27 Epochen: — 2700, — 1100,
— 900, — 700, — 560, — 300, — 100, + 100, + 300, + 500, + 700, + 900, + 1000, + 1100, + 1200,
+ 1300, + 1400, + 1500, + 1550, + 1600, + 1650, + 1700, + 1780, + 1842, + 1885, + 1900 und
+ 1925 interpoliert und damit für die Breiten $ = + 50°,2 + 45°,2 + 40°.2 + 350,2 + 30%2 + 20°1 und
0° die nördliche Componente X, die westliche Y und vertikale Z als Funktionen der Länge A be-
rechnet, nämlich:
X=k + k cos 1 +K, sin, +k, cos22+K,sin2)...... + k,cos 521 + K; sin 57
Y= l cos 2 + L, sin +L cos27,+L,sin2j...... + l cos 52 + L; sind}
Z= m, +m, cos A + M, sin +m, cos 23 +M,sin24...... +m; cos 52 + M; sin54
wo kim KLM nur von g abhängen.
Mit Hilfe dieser Gleichungen habe ich nun endlich die Deklinationen 4, die Inklinationen i
und die Intensitäten T und I abgeleitet für Südostasien und das Mittelmeergebiet, von denen uns
') Dr. H. Fritsche. Die säcularen Aenderungen der erdmagnetischen Elemente. Mit 4 Iso-
gonenkarten des Mittclmeergebietes für die Epochen 1200, 1300, 1400 und 1500. Riga 1910, gedruckt
in der Müllerschen Buchdruckerei (Herderplatz Nr. 1).
ur (208
Nachrichten, wenn auch sehr spärliche, über den Erdmagnetismus aus Zeiten vor + 1500 über-
kommen sind,
Im chinesischen Reiche, wo der Kompaß schon um 1100 v. Chr., vielleicht schon viel früher,
bekannt war, dürfte die Deklination nie bedeutende numerische Werte erreicht haben, da die Chi-
nesen, welche auch bei bedecktem Himmel über die 4 Himmelsgegenden NOS W gut orientiert sind,
sie beim Bau der Häuser stets berücksichtigen, die Wegrichtung danach angeben etc., große Ab-
weichungen der Kompaßnadel von der Südrichtung gewiß bemerkt und in ihrer Literatur überliefert
hätten. Dies stimmt auch mit der folgenden von mir berechneten Tafel (3), welche ich aus Tafel (14)
p. 13 meiner Arbeit, entlehnt habe:
Tafel (3). Deklination J.
Epoche Breite p = + 40°,2 p = + 2001 p = 00
Länge A= 105° | 120° 105° | 1209 105° 1200
—2700 —19,27 —0°.46'
—1100 +5 .59 +29
— 700 —2 42 +3 .51
— 100 +4 Ap +3 18
+ 300 +6 .53 .
+1100
+1200
+1300
+ 1550
+1600
+1650 .32
+1700 +1.19 0.0 | +0.1
+1780 —0 .22 +1.33 | —0 .48
+1842 —1.0 +2.18 | —1 20
+ 1885 —0 .46 +3 .24 | —1 36
Grade und Minuten der Deklination ð der Tafel (3) sind durch Punkte getrennt.
Im Nordosten des eigentlichen Chinas war also d vorwiegend stets westlich und zu Peking
in den Jahrhunderten n. Chr. immer westlich, um das Jahr + 1150 gleich +6° und um + 1300 gleich
+ 12%, während die Chinesen um + 1150 in China (wo?) 8 = + 15° beobachtet haben, wie der
Sinologe Klaproth berichtet!
Was ferner die Deklination im Mittelmeergebiet anbetrifft, so habe ich in der körliegenden
Arbeit zwei ausführliche Tafeln (19) und (20) pag. 17 und 18 für die Breiten $ = + 5002, + 450,2,
+ 400,2, + 350,2, + 30°,2 und Längen A = 0°, 70,5, 15°, 220,5, 30°, 370,5, für 21 Epochen zwischen
+ 1000 und + 1925 gegeben, wovon ich hier nur die 7 Epochen zwischen den Jahren + 1200 und
+ 1500 in der Tafel (4) mitteilen werde.
Tafel (4). Deklination d in Graden und Zehntel-Graden.
Breite y= + 502 2 Breite p = n 45°. 2
Epochel à = 0°| 70.5 | 15° | 220,5 370.5 [EpochelA = 0°! 7.5 | 15° | 2205 | 30° | 3705
+ 1200 |+ 3°.1 — 1°5 — 5°.6 |— 9.0 |}—11°.8 —14°.0 | +1200 |+ 39.8 |— 09.3 \— 39.8 !— 60.8 |— 99.3 |—11°.3
+1250 |— 1.6 |— 6.3 —10 2 |—18 .2 |—15 .5 |-17..1|+1250 |— 0 3 |— 4.5 |— 7.9 |-10 5 |—12 .3 |—13 .3
+1300 |— 5 .2|— 9 8 |—13 .6 |—16 .2 |—17.8|—18 .4 | +1300 |— 3.6 — 7.7 1-10 .9 j- 13 1 |—14 3 |—14 5
+1350 |— 8.5 |—12 .9 |—16 .0 —17 8 |—18 .4 |—18 0 | +1350 |— 6 .9 |—10 8 |—13 5 —15 .0 |—15 .2 ;—14 .2
£1400 11 114.9 .2 —18 2 |—17 5 |—15 -3 | +1400 |— 9.5 12.9 |- 15 0 |—15 6 —14 .9 |— 12.8
+1450 --12 .7|—15 8 |—17 .3 |—17 .1 |—15 .4 |—12 .2 | +1450 |—11 .0 |—14 0 |—15 4 |—15 .1 |—13 .2|— 9.7
+1500 |—13 .1 |—15 .6 |-16 3 ---15 .0 |-11.9 |— 7.0] +1500 |—11 6 |-13..8 |—14 4 |—13 2 |- 10 4|- 6.0
Breite pọ = + 40°.2° p = + 35°2
+1200 |+ 49.4 + 0°.7 Z 20.5 |— 50.2 |— 70.4 |— 80.9 [+1200| +4°.9 + 12.6 |— 10.3 |— 30.8 — 509] — 70.5
+1250 |+ 0.7 — 3.0 |— 6.0 j~ 8 .3'— 9.9 |—10 .8 | +1250] +1.6 — 18 — 4.5|— 6.6 - 8.0; -8 8
+1300 |— 2.2 '— 5.8 ;— 8.8 |- 10.8 |—11 .7 |—11 .6 |+1300| —1.0 — 4.5j- 7.1 8 8 — 95) 9.2
+1350 |- 5.4 - 90-11 „4 |—12 7-12 8-11 .8 | +1350| — 4.1 1— 7.5 |— 9.7.—10.8 -10.8| —9 .7
41400 |— 8.01-11 3|-13 .2 —13 .7 i—12 .9 |-10 8|+1400| —6 .7 |— 9.8 |-11.6 ER -11.3) —9 2
+1450 | - 9 .6 —12 .3 —13 .6 —13 3—11 .7 ;— 8.8 | +1450| —8 .5 |—11 .1 |—12 3|-12.0.-10.4| —7 .5
+1500 |—10 .2 |-12.3,—12.8|—11.8 — 9.2 |— 5 .1]+4+1500] —9 1 |—11 .0 |—11.5|-10. 5 |— 8.1| —4.3
— 2X% —
Tafel (4). Deklination ð in Graden und Zehntel-Graden.
p = + 300.2
Epoche 150 mun" mmm l! "Toon
41200 | $523 | +23 | — 008 | — 26 | 95 | - 6
+1250 | 424 | -0O7 ,—32:—51 | —63 —69
+1300 0.0 —3 .3 = 6.7,—72 At —ī 2
+50 | -239 eGo) tt dt |280
AAO bt, en 10 Lett ër 0
+1450 | -7.2 | -98 ,—-11.0 | —10.6 > —8 9 | -5.9
+1500 | —7.9 | = ey ea ee
Die Deklinationen de der Tafel (20), welcher die vorstehende Tafel (4) entnommen ist, lassen
sich leicht darstellen als Funktion der Zeit in SOOjahriger Periode durch eine Reihe mit nur 5 Gliedern
von der Form de = pl) + pl) cos t+ q sin t+ pe) cos 2t’+q%) sin 2 (wo t = 09.45, t das
Jahr in der Periode von S00 Jahren und p q konstante, von t unabhängige Größen); welche Formel,
wenn man dr mit den in der folgenden Tafel (5) gegebenen numerischen Werten p q berechnet,
von den Tafelwerten (20) oder (4) durchschnittlich nur um + 0%8 abweicht. Man darf dies als
eine Bestätigung der in (20) und (4) enthaltenen, vermittelst der drei Perioden der Coefficienten g h
von 500, 700 und 900 Jahren abgeleiteten Deklinationswerte betrachten.
Tafel (5). py in Graden und Bruchteilen ven Graden,
LängeA = 30°
Anfangsepoche + 1120,
wo t=0 ist.
Länge A = 00
Länge A = 15°
Anfangsepoche + 1270
Anfangsepoche + 1175
Breite p = + 5002 + 402 + 3092 fy = +5082 4 4002 +4 302 [p= +5002 44002 + 302
po) H mat + 3010 Tl 31T 09T + (Ant Än — 22.19 — 09.05
po f= 2.26 — 2.24 — 1864 4.34 +3.64 +3.204 4.05 +3.50 + 3.09
(UU 16.02 =—14.25 —12.47|—15.52 —13.57T —12 20|—13.47 —11.57 —10 .32
p> j- 0.97 — 1.20 — 1.577 - 1.95 — 2.67 — 35|- 0.12 — 1.65 — 2.52
ui j+ 2.50 + 2.62 + 2.40|— 0.30 +0.22 4+ 0407-020 — 0.17 — 0.1%
Die Differenzen zwischen den höchst spärlichen Angaben inbetreff der beobachteten Dekli-
nation vor der Epoche + 1500 oder zwischen ð» und der von mir berechneten de sind folgende:
dr — dt
ðb beobachtet von Columbus im Jahre 1492 bei der Insel Corvo + 195
ð» nach Angabe von P.de Maricourt in Italien (Rom?) im Jahre 1269 —1.%
Ob, e P „ zu Paris, im Jahre 1269 . . +25
Mittel de — di = 722.2, während ich
für die zahlreichen Messungen der 5 Epochen 1550, 1600, 1650, 1700 und 1780 dr — db = + Ur,
also nur "/, Grad weniger erhielt.
Was nun die italienischen Seekarten des Mittelalters (Portolanen) anbelangt, so sind sie, nach
den Forschungen der Geographen sehr wahrscheinlich im 13. Jahrhundert entstanden, waren Ende
desselben definitiv ausgebildet mit Hilfe des um ca. 1200 n. Chr. in Gebrauch gekommenen Kom-
passes, und die Karten des Mittelmeergebietes späterer Zeiten, bis etwa 1600, sind bloße Kopien
der von 1300 ohne wesentliche Veränderungen. Nach den von mir berechneten Tafeln der Deklination
[cf. Tafel (4) und (20)] fand im Mittelmeergebiet um das Jahr 1400 ein langdauerndes Maximum der
östlichen Deklination ð, ca. — 15° statt, so daß sich d von 1300 bis 1500 sehr wenig änderte: wo-
durch es erklärlich wird, daß nach dem 13. Jahrhundert auf den Seekarten keine wesentlichen Ver-
besserungen vorgenommen wurden. Professor K. Kretschmer hat seinem im vorigen Jahre cr-
schienenen Werke. betitelt: „Die italienische Portolane des Mittelalters“ (Berlin 1909), die Kopie einer
italienischen Seekarte aus der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts beigegeben. Nahe ihrer Mitte ist
eine Kompaß-Strichrose mit 16 Durchmessern gezeichnet, die untereinander alle einen Winkel von
II, Grad bilden und sich über die ganze Karte, auf welcher weder Meridiane noch Breitenkreise
aufgetragen. erstrecken. Einer dieser Durchmesser geht durch das Zentrum c der Strichrose und
durch den Mittelpunkt d des nördlich über c stehenden Sternes « und außerdem sind in Abständen
von 79 mm im Osten und Westen von dc sieben zu dc parallele Gerade von N nach S über die
ganze Karte ausgezogen. Ich habe nun angenommen, daß diese 8 unter sich parallele gerade
Linien, wovon eine d e, durch den Stern » geht. die Richtung der Kompaßnadel repräsentieren und
daß diese Richtung bei der Konstruktion der Karte als überall gleich vorausgesetzt wurde. Mit
— 7 —
Hilfe des Stielerschen Atlas und der Küsten der Inseln und des Festlandes habe ich 3 möglichst
richtige Parallelkreise auf die mittelalterliche Karte aufgetragen: im westlichen Mittelmeer unter der
Breite P = + 40° und Längen 4 = ( bis 15° E. v. Gr: im östlichen Mittelmeer von A 15° bis 40° für
p = + 35° und im Schwarzen Meer unter der Breite + 45°, und habe die Senkrechten auf diese
3 Parallelkreise als astronomische Meridiane betrachtet. Es ergab sich, daß auf der Portolane die
Deklination dk überall östlich, negativ war.
Die folgende Tafel enthält die Werte von ðk, sowie die von mir berechneten dr der Epoche
+1300, der Zeit der Ausbildung der Portolane.
Länge = | o 5O 100° 150 A=15° 21° 26° 30° 350 1A om 870E. v. Gr.
arte dk —2°.5 — 4.5 —6°.0 —6°.5 | - 80.5 — 100.6 — 120.0 —132.0 — 139.0) —1300 —14°.0
Rechnung dr !—1.2 —4 .6 —6 .8 —8 8 -7.1—- 85 —- 91— 9.5— 9.3 —14.4 —145
F13-01-08-237147 21729735737 14 — 05
Die Differenz dr — ók ist also im Mittel aller 11 Werte nur + 10.8.
Nach Steger, welcher eine Anzahl mittelalterlicher Kompaßkarten mit Meridianen und Parallel-
kreisen versah, ist der Orientierungsfehler im westlichen Teile des Mittelmeeres 6° bis 7°, im Tyr-
rhenischen Meer 8 bis 9 Grad und im Levantemeer bis 110. Dies stimmt also hinreichend genau’
mit meinen Rechnungen.
Zum Schlusse meiner Arbeit bringe ich in den acht Tafeln (23) bis (30) die erdmagnetischen
Elemente X Y Z 6 i TI zur Epoche 1925 für die ganze Erdoberfläche, berechnet in Länge und
Breite von 10 zu 10 Grad mit den Werten der Coefficienten g h der Theorie, welche ich auf Grund
der 3 Perioden 500, 700 und 900 Jahre für g h gefunden habe; und außerdem habe ich vier
Isogonenkarten des Mittelmeergebietes für die Epochen 1200, 1300, 1400 und 1500 dem Werke
angefügt.
Von besonderem Interesse dürfte die folgende Zusammenstellnng (6) der Coordinaten $ und
4 der magnetischen Erdpole sein, wie sie sich nach meinen Rechnungen ergeben.
Tafel (6.
Südpol
Breite p | Länge A
— 759.5 160°.0
Nordpol
Breite p | Länge 4
—80 A 209 A
— HU .4 202 .0
— 77.8 155 0
- 75 0 162 0
+80°.0 100°.0 | — 699.0 158°.0
+76 .3 241.9 | —8l 4 205 .5
+78 NM 239 0 | —81 3 190 .5
+80 .2 248 .8 | —80.5 180 0
155 .2
+1300
+1550
+1600
+1650
+1700
Die Werte der ersten 6 Epochen und die der Epoche + 1925 sind mittelst der 3 Perioden 500,
700 und 900 Jahre der Coefficienten g h abgeleitet, die übrigen meinen früher publizierten Schriften
entnommen. Hiernach variierte die Lage (y, A) der beiden erdmagnetischen Pole im Laufe der
4625 Jahre — vom Jahre — 2700 bis +1925 — welche obige Tafel (6) umfaßt, zwischen nachstehenden
Grenzen:
Nordlichste Lage d.magn.Nordpols$ = + 879.0 Epoche + 700, d.magn Südpols p = — 69°.0Epoche + 1300
Siidlichste , , , » f=+68.0 , +10, ,» sw P=—8l4 » +1550
Westlichste Lage d. magn. NordpolsA = 100°.0Epoche + 1300, d.magn. Südpols? = 1440.6 Epoche + 1780
Qestlichste , , , « 2=2665 , + 10,, , „ A=209.0 „ —1100
Ss OR). se š
Die Schwankungen in der Position des magnetischen Nordpols betrugen demnach im Maximum
in Breite Jy = 190.0 in Länge 44 = 166,°5, die des magnetischen Südpols 4 p = 1294 und 4A
= 64,4, waren also, ähnlich wie die jährlichen Temperaturschwankungen der Luft am Nordpol be-
deutend größer als am Südpol. Endlich ist noch bemerkenswert, daß um das Jahr 2700 vor Christus
beide magnetischen Erdpole sehr nahe dieselbe Lage hatten wie in der Jetztzeit, um 1900.
x +
*
Uber die Temperatur der Sonne und Sterne stellte M. Nordmann an der Sternwarte zu
Paris neueste photometrische Messungen an. Nach zunehmender Temperatur geordnet ergibt sich
folgendes Bild:
Temperatur Temperatur
Stern Grad Stern Grad
o im Perseus. . . . 2870 WORE 0: we es ae ee y 12 200
E - Cepheus . . . . 4260 8&8 im Perseus... . 13 300
ô - Cepheus . . . 48550 y in der Leier . . . 14 500
Sonne ..... . 65820 ` e im Perseus... . 15 200
y im Schwan. . . . 5620 ô - Perseus. ... 18 500
ð - Cepheus . . . 6900 2 - Stier. . . . „über 40000
Polarstern . . . . . 8200
Bei diesen hohen Temperaturen ist die jüngst geprägte Bezeichnung „Sternöfen“ für solche
heißen Sonnen nicht ohne Berechtigung.
* x
*
Uber die Lichtveränderung gewisser Satelliten in unserm Planetensystem stellt See
eine neue Hypothese (A. N. 4448) auf, da die bisherigen Erklärungsversuche nicht befriedigend aus-
gefallen sind. Die Entfernungen der Monde sind mit Ausnahme unseres eigenen Mondes so groß,
daß größere Einzelheiten auf der Oberfläche derselben nicht beobachtet werden können. Aus ihrer
Lichtschwankung lassen sich jedoch gewisse Schlüsse ziehen. Es ist anzunehmen, daß die kleinen
Monde durch Gezeitenwirkung ihres Planeten sehr bald.ihre Axendrehung verloren haben. Ein
besonders auffälliges Beispiel für die Veränderung der Helligkeit bietet der Saturnsmond Japetus
dar. Schon bald nach seiner Entdeckung von Cassini im Jahre 1671 war er so schwach, daß er
einige Jahre als verloren galt. William Herschel bestätigte die spätere Beobachtung Cassinis,
daß dieser Mond in der einen Hälfte seiner Bahn regelmäßig unsichtbar wurde, was See damit
erklärt, daß dieser Satellit dem Saturn immer, wie unser Mond der Erde, dasselbe Gesicht zeigt und
daß die eine Hälfte viel dunkler als die andere ist. Die dunklere Hälfte besteht hiernach aus so-
genannten Meeresflächen, deren Boden das Licht nicht so stark reflektiert wie die andere Seite.
Auch bei den andern Saturnsatelliten, ebenso wie bei den Jupitertrabanten, fällt die Beziehung
der Helligkeitsschwankungen zu den Stellungen der Satelliten in ihrer Bahn auf und zwar ist diese
Beziehung um so stärker ausgeprägt, je kleiner der Abstand von den Planeten ist. Guthnick
nimmt an, daß eine starke Abweichung von der Kugelgestalt bei einer Erklärung der Helligkeits-
schwankung der Satelliten eine gewisse Rolle spielt. Es müssen weitere Beobachtungen abgewartet
werden, bevor eine alle Beobachtungen befriedigende Erklärung dieser hochinteressanten Licht-
veränderlichkeit der Satelliten gegeben werden kann.
* x
*
Neue Fernrohre für das Sproul-Observatorium in Swarthmore (Pennsylvanien) sind
vom Staatssenator W. C. Sproul in Cester, Pa. und Herrn Stephen Loines in New-York gestiftet
worden. Is handelt sich um einen 24zölligen Refraktor, der in den Brashearschen Werkstätten in
Allegheny angefertigt wird, und um einen neuen Reflektor. Der Direktor des Observatoriums
LA Miller, Professor der Astronomie am Swarthmore College, ist besonders bekannt wegen seiner
Doppelsternmessungen und Sternschnuppenbeobachtungen. Miller hat schon mit dem früher von
W. C. Sprove der Sternwarte geschenkten Brashearschen neunzölligen photographischen Doppelt- `
refraktor sehr schöne Aufnahmen des Kometen Morehouse erhalten, die die Sprengung des Schweifes
dieses Kometen in zwei Teile am 15. Oktober 1908 deutlich erkennen lassen. Auch hat Miller in
seiner früheren Stellung als Direktor der Kirkwood-Sternwarte in Bloomington Gelegenheit gehabt,
mit dem dortigen 12zölligen Refraktor zahlreiche Doppelsternmessungen anzustellen und auch schöne
Photographien vom Monde und von Nebelflecken anzufertigen, sodaß die neuen Instrumente in die
Hände eines erfahrenen Beobachters gelangen. F.S. A.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F. S. Archenhold, Berlin-Treptow, für den Inseratenteil: M. Wuttig. Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW,
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Ilustrierte Zeitschrift für Astronomie.und verwandte
Herausgegeben von |
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 3. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1910 November 1.
d Berlin-Treptow. KEE
Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnemenispreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Trepiow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post-
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnel). Einzelne Nummer 60 Pie. — Anseigen-Gebühren: 1 Seile 80.— Mk., Uu Seile 45.—
Ma Seite 25.—, 1/ Seite 15.—, yg Seile 8—. Bet Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewicht.
INHALT
1. Einiges von den flüssigen Krystallen. Von Dr. Werner September -Meteoren — Über Sonnenflecken und
- Mecklenburg. » 2 2 we rennen 29 Witterung — Eis- und Wetterbericht von dem Nordatl.
2. Weitere Mitteilungen über den Veränderlichen de Lyrae. - Osean und Europa. — Über die vierte Versammlung
Von Leutnant G. von Stempel . . . . » 2... 34 der internationalen Vereinigung für kooperative
3. Der gestirnte Himmel im Monat Desember 1910. Von Sonnenforschung . , . = 2 2 ss le... 40
Dr. F. S. Archenhold. . 2. 6 2 2 2 220.0... 35 | 5. Mathematische und astronomische Unterrichiskurse
4. Kleine Mitteilungen: Eine definitive Bahnbestimmung von Doc. Dr. F. S. Archenhold, Direktor der deeg
des Kometen 1823. — Neue Bahnbestimmungen von ` ` Sternwarte. . . 2 2 2 1 + 2 © ww oť .. . . 4
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet.
Einiges don den flüssigen Krystallen.
Von Werner Mecklenburg.
Einleitung.
Wy ein fester Körper ist, das glaubt ein Jeder zu wissen, und doch gibt `
es Fälle, in denen man sich mit Recht fragen muß, ob ein Körper, der
einem vorliegt, tatsächlich das Prädikat „fest“ verdient. So sei z.B. an den in
der Natur vorkommenden Asphalt erinnert: Manche Asphaltsorten machen, wenn
man sie sieht und befühlt, durchaus den Eindruck von festen Stoffen. Breit-
haupt hat die Härte von Asphalten bestimmt; sie schwankte bei dem von ihm
untersuchten Proben zwischen 2 und 4, d.h. der Asphalt war so hart, er setzte
dem Eindringen eines festen Körpers einen so großen Widerstand entgegen,
wie der Gips mit der Härte 2, eine Kupfermünze mit der Härte 3 oder gar der
Flußspath mit der Härte 4. Der berühmte Asphalt- oder Pechsee von La Brea
auf der Insel Trinidad, ein großer kreisförmiger See, dessen Durchmesser etwa
eine halbe Meile beträgt, wird folgendermaßen beschrieben!): „Man denke sich
einen See inmitten eines holsteinischen Torfmoores, man ersetze in der Phantasie
das Wasser durch eine rötlichbraune zähe Flüssigkeit, die in einem ewigen
langsamen Sieden und Brodeln begriffen ist und auf deren Oberfläche kleinere‘
und größere Inseln von bereits in der Erstarrung begriffenem Erdpech treiben;
rund herum eine Zone von hartem, beschreitbarem, aber noch eindrucksfähigem,
mit der Hacke zu bearbeitendem Asphalt, der wieder etwas weiter nach außen
vom See steinhart wird.“ Der Asphalt ist also offenbar bei gewöhnlicher Tem-
peratur durchaus als fester Körper zu bezeichnen. Und doch, läßt man. ein Stück
dieses harten Asphalts längere Zeit liegen, so sieht man, wie die vorher scharfen
1) Zitiert nach Köhler: Chemie und Technologie der natürlichen und künstlichen Asphalte. |
Braunschweig 1904, S. 24.
ds G0 ee
Kanten der Bruchflache sich allmählich abrunden, wie das ganze Stick unter
der Wirkung der Schwerkraft allmählich nach den Seiten hin auseinander-
lauft und auf der Unterlage schließlich wie etwa ein Wassertropfen eine ganz
flache Scheibe bildet. Diese Erscheinungen sind nun wieder mit dem Begriff
eines festen Körpers nicht vereinbar, Ferner kann man, worauf schon
Maxwell die Aufmerksamkeit gelenkt hat, den harten, festen Asphalt mit
steigenden Mengen des zähflüssigen Teers mischen; man erhält dann Stoffe,
deren Festigkeit, Härte und Flüssigkeitsgrad zwischen denen des Asphalts und
des Teers liegen, und verdünnt man endlich den Teer mit Benzol, so kommt
man mit wachsendem Benzolgehalt zu immer leichter beweglichen Flüssigkeiten
Kurz, nicht nur können wir nicht mit Bestimmtheit sagen,- ob der Asphalt fest
oder flüssig ist, sondern wir können auch alle möglichen Übergänge zwischen
dem uns in erster Linie doch als fest erscheinenden Asphalt und so leicht be-
weglichen Flüssigkeiten wie dem Benzol verwirklichen. Ähnliche Beobachtungen
können wir an dem gewöhnlichen Glase machen: Erwärmen wir das un-
zweifelhaft feste, harte Glas, so wird es mit steigender Temperatur: weicher
und weicher und geht allmählich in eine tropfenbildende Flüssigkeit über.
Also auch hier wieder die Unmöglichkeit, die Grenze zwischen fest und flüssig
anzugeben.
Aus dem Gesagten darf man nun aber keineswegs den Schluß ziehen, daß
der Übergang aus dem festen in den flüssigen Aggregatzustand immer allmählich
oder kontinuierlich erfolge, im Gegenteil, in den meisten Fällen geschieht die
Umwandlung eines festen Stoffes in einen flüssigen oder umgekehrt plötzlich
Erhitzen wir z. B. metallisches Zinn, so behält es bis 232° seine Festigkeit, und
bei 232° wird es auf einmal flüssig. Wir sagen, das Zinn schmilzt bei 232° und
nennen die Temperatur, bei der es schmilzt, seinen Schmelzpunkt. Wir können
demnach die festen Stoffe — das Wort „fest“ im gewöhnlichen Sinne des Wortes
genommen — in zwei Klassen einteilen; in die eine Klasse gehören die Stoffe,
die sich beim Erhitzen allmählich, und in die andere die, die sich beim
Erhitzen plötzlich in Flüssigkeiten verwandeln. Die Stoffe der einen Klasse
haben einen wohl definierten Schmelzpunkt, die der anderen nicht. Die
weitere Untersuchung hat nun ergeben, daß der Unterschied zwischen den
Stoffen mit, und denen ohne bestimmten Schmelzpunkt mit einem anderen
wichtigen Unterschiede zwischen den beiden festen Stoffarten zusammenfällt:
alle Stoffe, welche im festen Zustande krystallisiert sind, haben
einen Schmelzpunkt, alle Stoffe, die im festen Zustande amorph sind
haben keinen Schmelzpunkt. |
Beispiele für krystallisierte Stoffe bilden der gewöhnliche Zucker oder das
Kochsalz; ein Beispiel für den amorphen Zustand ist das Glas, der Asphalt oder
der sogenannte Kandiszucker, der in bestimmter Weise aus dem krystallisierten
Zucker hergestellt werden kann. Nun ist in den meisten Fällen die Ent-
scheidung, ob ein Stoff krystallisiert ist, d. h. ob er Krystalle bildet, ziemlich
leicht, aber trotzdem bietet die Aufstellung einer richtigen Definition des Be-
griffes Krystall nicht unbeträchtliche Schwierigkeiten. In der Tat sind schon
sehr viele Definitionen für den Krystallbegriff aufgestellt worden, ohne daß sich
jedoch vollkommene Einigkeit bisher hätte erzielen lassen. Was uns bei der
Betrachtung eines Musterkrystalles zunächst in die Augen fällt, ist die Be-
grenzung durch ebene Flächen, die zu einem regelmäßigen Polyeder angeordnet
sind. Indessen können wir die polyedrische ebenflächige Begrenzung allein
— 31 —
keineswegs zur Grundlage der Definition machen, denn wenn wir z. B. ein
schönes Oktaeder aus Glas schneiden, so haben wir damit noch keineswegs aus
dem Glase einen Krystall gemacht. Ein richtiger Krystall unterscheidet sich
von einem Stück Glas, dem wir dieselbe äußere Form gegeben haben; vielmehr
dadurch, daß erstens die äußere Form des Krystalles wesentlich durch seine
stoffliche Natur bedingt ist — die äußere Form eines Krystalles ist eine Funktion
seiner chemischen Zusammensetzung —, und zweitens dadurch, daß die Eigen-
schaften eines Krystalles, so seine Härte, sein Verhalten gegen das Licht,
gegen die Wärme, gegen elektrische oder magnetische Einflüsse, seine Festig-
keit und Elastizität usw. von der Richtung abhängen: Parallele Flächen eines
Krystalls, mögen sie nun natürlichen oder künstlichen Ursprunges sein, ver-
halten sich gegen alle äußeren Kräfte gleich, während beliebige nicht parallele
Flächen ein verschiedenes Verhalten zeigen.
Wir wollen daher die Krystalle als Körper definieren, deren
von ihrer chemischen Natur abhängige Eigenschaften ganz oder nur
zum Teil eine Funktion der Richtung sind.
Aus der vorstehenden Definition darf man nun aber nicht etwa den Schluß
ziehen, als ob durch die chemische Natur eines Stoffes allein die Art seines
Aggregatzustandes vollständig bestimmt sei. Im Gegenteil, man weiß bereits seit
langem, daß eine und dieselbe chemische Substanz in verschiedenen Krystall-
formen und außerdem auch noch amorph vorkommen kann, eine Erscheinung,
die man als Polymorphie bezeichnet und die durchaus nicht etwa als eine Aus-
nahme anzusehen ist, sondern vielmehr die Regel zu bilden scheint. Als Bei-
spiele für Polymorphie seien der rhombisch und monoklin krystallisierende
Schwefel, der Kohlenstoff, der als Diamant regulär, als Graphit hexagonal
krystallisiert und in der gewöhnlichen Kohle, wie im Ruß oder in der Zucker-
kohle, amorph ist, das Calciumcarbonat CaCO,, das als Aragonit rhombisch, als
Kalkspath hexagonal krystallisiert, das Kieselsäureanhydrid SiO,, das als Quarz
hexagonale, als Tridymit rhombische und als Christobolit reguläre Krystalle
bildet, hier angeführt. Amorphe Gebilde entstehen fast immer nur dann, wenn
ein geschmolzener Stoff sehr rasch abgekühlt wird; sie sind gewöhnlich unbe-
ständig und wandeln sich daher, wenn auch oft nur sehr langsam, in
krystallisierte Stoffe um. So wird z. B. das gewöhnliche Glas im Laufe der
Jahrhunderte infolge von Krystallisation trübe und undurchsichtig, und in der
zu einer glasklaren festen Masse erstarrten Lava bilden sich mit der Zeit
schöne Krystalle von Feldspat, Augit, Leucit usw.!) Welche Krystallform ein
chemischer Stoff annimmt, hängt vor allen Dingen auch von der Temperatur ab.
Der bei etwa 116° schmelzende Schwefel erstarrt oberhalb 95,5° in monoklinen,
unterhalb 95,5° in rhombischen Krystallen. Zwischen 95,5° und dem Schmelz-
punkt ist der Schwefel nur in seiner monoklinen, unterhalb 95,5° nur in
seiner rhombischen Form beständig. Erhitzen wir rhombische Schwefelkrystalle
über 95,5%, so wandeln sie sich bei dieser Temperatur plötzlich in monokline
Krystalle um, und umgekehrt gehen monokline Schwefelkrystalle beim Ab-
kühlen in dem Augenblick, wo sie die Temperatur von 95,5° überschreiten, in
rhombische Krystalle über. Die beiden Krystallformen des Schwefels sind also
durch eine Umwandlungstemperatur oder durch einen Umwandlungspunkt von
1) Vergl. die anregende und geistvolle Arbeit von Salvador Calderön „Über das Streben
zum molekularen Gleichgewicht in der Mineralwelt“; Naturw. Wochenschrift, N. F., Bd. VI, a 341
bis 346 (1907).
ei E
einander getrennt. Analoge Umwandlungspunkte, die ebenso wie die Schmelz-
punkte (d. h. die Umwandlungspunkte krystallisiert — flüssig) vollkommen kon-
stante und für die betreffenden Stoffe charakteristische Werte darstellen, finden
wir auch bei den anderen krystallisierten polymorphen Stoffen. So sind von
dem Ammoniumnitrat NH,NO, vier verschiedene Krystallformen, eine 3-rhom-
bische, eine a-rhombische, eine rhomboédrisch-hexagonale und eine reguläre
bekannt, deren Umwandlungspunkte in derselben Reihenfolge bei 35°, bei 83°
und bei 125° liegen. Der Salpeter erleidet eine Umwandlung bei 129° und das
Zinn eine solche bei 20°. |
Während wir die Einteilung der Krystalle in die verschiedenen Krystall-
systeme hier übergehen, wollen wir der wichtigsten Eigenschaft der Krystalle,
ihrem Verhalten gegen das Licht, einige Worte widmen. Im allgemeinen wird
das Licht, wenn es in verschiedenen Richtungen den Krystall durchsetzt, ver-
schieden stark gebrochen. Die Krystalle, deren Brechungsvermögen von der
Richtung abhängt — und dies ist die Mehrzahl der Krystalle — werden als
anisotrope Krystalle bezeichnet; ihnen stehen die isotropen Krystalle gegenüber,
bei denen ein Lichtstrahl stets die gleiche Brechung erfährt, in welcher Richtung
er auch in den Krystall eintreten mag. Alle anisotropen Krystalle zeigen das
von Malus an dem isländischen Doppelspath entdeckte Phänomen der Doppel-
brechung, d. h. ein in beliebiger Richtung in den Krystall eintretender Licht-
strahl wird in zwei Lichtstrahlen zerlegt. Diese beiden Lichtstrahlen unter-
scheiden sich in einem wichtigen Punkte von
dem gewöhnlichen Lichte, sie sind polarisiert. B Ze
# Licht ist bekanntlich eine Wellenbewegung im i g
Ather, und zwar schwingen die einzelnen Ather-
À teilchen senkrecht zu der Richtung, in der sich
der Lichtstrahl selbst fort- 4
pflanzt. Denken wir uns also
C A A, A, A, A, einen gerade auf uns zukom-
menden Lichtstrahl, der die
ADD.I Abb. 2. Ebene der Zeichnung (Abb. 1) Abb. 3.
| in einem Punkte A durch-
schneidet, so schwingt das in A selbst befindliche Atherteilchen in der
Ebene der Zeichnung etwa in der Richtung des Pfeiles, d. h. es geht aus der
Ruhelage A auf geradem Wege nach B, kehrt dort um, schwingt über A hinaus
nach C macht dort wieder kehrt, und pendelt nun auf der Geraden BAC hin
und her. Wenn nun ein Lichtstrahl sich, wie es Abb. 2 andeutet, von A nach
A,, A, usw., hier also in der Ebene der Zeichnung fortpflanzt, und A, A,, A, usw.
die einzelnen schwingenden Ätherteilchen darstellen, so sind die Richtungen, in
der die einzelnen Teilchen schwingen, im allgemeinen nicht parallel, obwohl sie
alle senkrecht zur Linie A, A,, A, ... A, liegen. Liegt z.B. die Schwingungs-
linie BAC des Teilchens A in der Ebene der Zeichnung, so würden die des Teilchens
A,, Ay, As... An — wir wollen sie analog mit B, A, Cis B,A,C,... Da Ann
bezeichnen — schräg durch die Ebene der Zeichnung hindurchgehen, und zwar
würden die Winkel, unter denen sie dies tun, alle möglichen Werte zwischen
O und 180° haben. Würden wir also den Lichtstrahl, ebenso wie es in Fig. 1
geschehen ist, von vorn betrachten, so würden wir die einzelnen Schwingungs-
linien, wenn wir sie uns auf die Ebene der Fig. 3 projiziert denken — in Wirk-
lichkeit liegt ja nur A selbst in der Ebene der Zeichnung, A,, A, usw. liegen
Gei: ZE Sei
vor oder hinter ihr — als Stern erblicken, dessen Mittelpunkt die bei der Pro-
jektion zu dem Punkte A zusammengeschrumpfte Fortpflanzungsrichtung des
Lichtstrahles bildet. Ein polarisierter Lichtstrahl unterscheidet sich nun von
einem gewöhnlichen Lichtstrahl dadurch, daß die Schwingungslinien sämtlicher
Teilchen parallel sind, d. h. das sämtliche Teilchen in derselben Ebene schwingen.
Würden wir also den polarisierten Lichtstrahl ebenso projizieren, wie wir in
Fig. 3 einen gewöhnlichen Lichtstrahl projiziert haben, so würden wir nur die
Schwingungslinie B A C des Teilchens A sehen, denn diese würde uns alle da-
hinter liegenden Schwingungslinien verdecken.
Nach dieser Abschweifung kehren wir zu dem Hauptthema der Einleitung
zurück. Wir hatten die festen Stoffe in zwei Arten eingeteilt, in die krystalli-
sierten, d. h. diejenigen, die im festen Zustande Krystalle bilden und die zu
ihnen im Gegensatze stehenden amorphen Stoffe. Da die amorphen Stoffe
ihrem ganzen Verhalten nach mit den Flüssigkeiten sehr nahe verwandt sind
und sich von ihnen nicht klar trennen lassen, so rechnet man sie zur Zeit
nach dem Vorgange von Ostwald in der Regel zu den Flüssigkeiten, indem
man sagt, sie seien Flüssigkeiten von großer innerer Reibung. Mag diese Art
und Weise streng wissenschaftlich auch berechtigt sein, so widerstrebt es doch
der täglichen Anwendung der Worte „fest“ und „flüssig“, feste amorphe Stoffe,
wie etwa das Glas, als flüssig zu bezeichnen, und es ist daher zweckmäßiger,
das Wort „fest“ bei wissenschaftlichen Erwägungen überhaupt zu vermeiden
und anstelle der alten Einteilung fest, flüssig, gasförmig eine neue Einteilung
einzuführen. Die Stoffe zerfallen zunächst in krystallisierte und in amorphe
Stoffe; die krystallisierten Stoffe werden ihrerseits nach den verschiedenen
streng von einander getrennten Krystallsystemen eingeteilt, während sich eine
weitere Einteilung der amorphen Stoffe, da zwischen ihnen alle möglichen
Übergänge bestehen, nicht durchführen läßt. An die Stelle der drei alten
Aggregatzustände sind also jetzt zwei Aggregatzustände getreten, indem die gas-
förmigen,!) flüssigen und amorphen festen Stoffe als amorphe zusammengefaßt
werden, während die verschiedenen krystallisierten festen Stoffe nunmehr eine
Gruppe für sich bilden.
Neue Aggregatzustände
_ Krystallisiert Amorph
(Die einzelnen Krystallsysteme). (Feste amorphe Stoffe, Flüssigkeiten, Gase).
Es ist zweifellos, daß diese Neueinteilung mit dem Verhalten der ver-
schiedenen Stoffe sehr viel besser harmoniert als die alte Einteilung, jedoch
muß es dahingestellt bleiben, ob sie sich auch für die Zukunft wird aufrecht
erhalten lassen. (Fortsetzung folgt) ` `
1) Die kontinuierlichen Übergänge zwischen flüssig und gasförmig lassen sich — darauf sei
hier der Vollständigkeit wegen kurz hingewiesen — bei der sogenannten kritischen Temperatur
leicht bewirken.
en E e
Weitere Mitteilungen über den Weranderlichen 4, Joyrae.
Bach meiner letzten Veröffentlichung über die Beobachtung des Veränder-
lichen ð, Lyrae im „Weltall“, Jg. 9, Heft 13, habe ich die Untersuchung
über den Lichtwechsel weiter fortgesetzt und gestatte ich mir, darüber zu be-
richten. Wenn a. a. O. ich mit einiger Zurückhaltung die Veränderlichkeit des
Sternes nur als mutmaßlich hinstellen mußte, haben sich seitdem dank der
gütigen Mitarbeit verschiedener Fachgenossen die Argumente einer wirklichen
Veränderlichkeit derartig gesteigert, daß ich mit großer Freude wohl aussprechen
darf, die Veränderlichkeit von d, Lyrae entdeckt zu haben. Einen eingehenden
Bericht veröffentlichte ich in den „Mitteilungen der V. A. P., Jahrgang XX,
Heft 2, worin ich die mir zur Verfügung gestellten Beobachtungsreihen anderer
Beobachter einer kurzen Kritik unterwarf und mit den meinigen in Vergleich
setzte Da die genannte Zeitschrift allgemein zugänglich ist, verweise ich
betreffs Einzelheiten auf dieselbe!) und möchte ich mich hier nur auf einen
Überblick beschränken und diesem dann meine neuesten Beobachtungen und
Berechnungen folgen lassen.
Nach dem hohen Maximum Anfang April 1908 von 8,4 Einheiten trat im
Oktober 1908 ein flaches Minimum (7,3 Einheiten), dem dann im Mai 1909 ein
Maximum (8,4 Einheiten) folgte. Nachdem nach geringen Schwankungen ein
noch höheres Maximum von 8,5 Einheiten im August 1909 erreicht war, senkte
sich die Kurve allmählich zu einem deutlicher ausgeprägten Minimum, das mit
7,1 Einheiten Anfang 1910 eintrat. Darauf hob sie sich wieder zu einem Ende
Mai 1910 eintretenden Maximum (8,3 Einheiten), und nun ging es stufenweise
abwärts zu einem ausgesprochenen Minimum, das wahrscheinlich bis auf den
heutigen Tag noch nicht erreicht ist. Bis jetzt ist die Kurve unter geringen
Zuckungen von 8,3 auf 5,9 Einheiten herabgesunken und verharrt von Ende
September 1910 bis zur letzten Beobachtungsmittelerrechnung Mitte Oktober
in dieser Höhe. Ich würde cs mit Freuden begrüßen, wenn andere Beobachter
von d Lyrae dies Minimum bestätigen könnten, denn im Vergleich zu $ und
n Lyrae — die ich als Vergleichssterne neben e und u Lyrae benutze — hat
der Stern ganz augenscheinlich an Helligkeit abgenommen.
Im übrigen ergaben die Gegenüberstellungen der Beobachtungen der
Herren Professor Dr. Plassmann in Münster, Felix de Roy in Antwerpen,
stud. phil. Hornig in Breslau mit den meinigen folgende Gleichheiten der
Maxima und Minima von d, Lyrac bis zum Jahre 1910:
Maxima:
Plassmann — von Stempell | Hornig — von Stempell | Plassmann — de Roy
1906, Mai; 1906, Juni; | 1909, Sept.; 1909, August; | 1909, Juni; 1909, Juni;
Minima:
Plassmann — von Stempell
1905, September; 1905, Oktober;
1906, August; 1906, September;
1908, Februar; 1908, Marz;
September. Oktober.
1) Von den noch vorhandenen Sonderabzügen bin ich gern bereit, Interessenten auf ihren
Wunsch ein Exemplar kostenfrei zur Verfügung zu stellen.
— =
Zum Schluß erlaube ich mir noch zu bemerken, daß Herr Professor
Dr. Wolfer, Direktor der Sternwarte Zürich, sich mir in freundlichster und
dankenswerter Weise angeboten hat, den Lichtwechsel von d, Lyrae auf photo-
graphischem Wege zu überwachen.
Charlottenburg, 1910, Oktober 21. _ Leutnant G. von Stempell.
Rönnestraße 7. |
Der Sestirnte Himmel im Monat Dezember 1910.
Von Dr. F. S. Archenhold.
Die Sonnenverehrung der Wadschagga am Kilimandscharo.
Wd im Monat Dezember in unseren Breiten die Sonne am niedrigsten steht, und
wir durch die geringe Höhe (14°), die die Sonne selbst um die Mittagszeit erreicht,
die gewohnten Wohltaten ihrer Licht- und Wärmespendung fast entbehren müssen, dann
steht sie in den Äquatorialgegenden, obgleich sie dort auch am 22. Dezember nur ihre
geringste Höhe um die Mittagszeit hat, immer noch 66!/,° über dem Horizonte, sodaß
es in diesen Gegenden heißer ist, als bei uns selbst am 21. Juni, an welchem Tage sie
in ihrem Höhepunkt (61°) den Meridian durchschreitet. Es ist daher erklärlich, daß die
Ureinwohner am Kilimandscharo, der nur 3° 7’ südlich vom Aquator liegt, als Symbol der
Gottheit ihrer Naturreligion die Sonne gewählt haben. |
Bei den Wadschaggas ist der Name für „Gott“ derselbe wie der für „Sonne“, = „iruva“.
Gleich den Massais, welche auch die Höhen des Kilimandscharo durchstreifen und die
umliegenden Steppen bewohnen, begrüßen noch heute die Wadschaggas die aufgehende
Sonne, indem sie nach ihrer Art ihr viermal entgegenspucken und das kurze Gebet aus-
sprechen: „oh, iruva, schütze mich und die meinen“! Beim Sonnenuntergang sprechen
sie: „Jetzt gibt Herr Sonne seiner Frau, dem Monde, den Schild“, indem er aus seinem
Familienleben sich erinnert, daß die Frau dem heimkehrenden Krieger den Schild ab-
nimmt. Wenn die niedergehende Sonne Wasser zieht, so sagen sie: „Die Sonne streckt
die Arme herab, um sich beim Niedersteigen darauf zu stützen“; oder „Die Sonne hebt
ihr Essen empor“. Wenn die Sonne im Zenit steht und eine Zeit lang noch in der-
selben Höhe verweilt, so sprechen sie: „Die Sonne läßt sich auf das Tragkissen nieder“,
so wie ein müder Lastträger sich ein wenig ausruht. Nach ihrer Anschauung wohnen
am Ende der Welt fern im Osten Leute, die den Schlaf nicht kennen, deren
Hauptaufgabe darin besteht, die Sonne zu behüten, damit sie nicht von den Vögeln ge-
fressen wird, während sie unter der Erde entlang läuft, um im Osten wieder empor zu
steigen. Sowie die Indianer den Wohnplatz des Großen Geistes auf die Sonne verlegen,
so erinnert auch die Bezeichnung „iruve-u“ (bei Gott) an eine ähnliche Anschauung der
Wadschaggas. Später wurde jedoch der Sitz ihres Gottes an alle Stellen des Himmels
verlegt, sodaß „iruva“* auch gleichbedeutend mit dem ganzen Himmelsgewölbe ist.
Manche Erzählungen der Wadschaggas lassen erkennen, welches Wundervermögen sie
ihrem Sonnengotte zutrauen. So steigt ein Häuptling, dem nur Mädchen beschieden sind,
empor zur Sonne, um sich einen Sohn zu erflehen. In einer anderen Erzählung wird
berichtet, wie ein Mann, der auf die Gottsuche bis ans Ende der Welt ging, dorthin, wo
Erde und Himmel an einander stoßen, schließlich in der Morgenfrühe auf einer schönen
Wiese sich befand, nahende Schritte hörte und einen gewaltigen Glanz sah. „Er fürchtete
sich und versteckte sich im niedrigen Gehölz. Viele Männer sah er da kommen, die
waren sehr schön und mitten unter ihnen war ein Mann größer als alle anderen, der
trug ein sehr helles Kleid und er leuchtete wie Feuer.“ Die Augen des Suchenden aber
wurden geblendet, sodaß er nicht mehr sehen konnte. Wir verdanken B. Gutmann
die Wiedergabe dieser interessanten Erzählungen (Globus, Bd. 96 No. 7).
== BE ce
Auch dem Monde wird Verehrung zuteil. Der Tag, an dem die schmale Mondsichel
nach Sonnenuntergang wieder am westlichen Himmel sichtbar wird, gilt bei den
Wadschaggas als besonders glückbringend. An diesem Tage richtet er sein Gebet auch
an den Mond. Er stellt sich auf einen Hügel, spuckt dem Monde viermal entgegen, indem
er deutlich bis vier zählt und so betet: „Mein Mond, gib mir Frieden, gib mir Speise,
Der Sternenhimmel am 1. Dezember 1910, abends 10 Uhr.
Fig. 1.
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(Polhöh e 52,10)
bringe mir Glück, halte alle Händel von mir fern“. Auch wird der Mond um Vernichtung
eines. persönlichen Feindes angegangen. Das Rachegebet lautet: „Mond, ich bitte dich,
brich ihm Hals und Nacken!“
Wir haben schon früher eingehend erörtert, wie bei den Babyloniern ein Gestirnsdienst,
eingerichtet war und die Wochentage der Sonne, dem Monde und den damals bekannten
fünf Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn geweiht waren. Siehe „Weltall“
— 3%. —
Jg. 3 Heft 8. „Warum machten die Babylonier den Saturnstag, Sonnabend, zum Ruhetag?“
und Jg. 4 Heft 1: „Bilder aus der Astrologie“. Wenn auch nicht bei allen Völkern eine
so konsequente Durchführung des Einflusses der Gestirne wie bei den Babyloniern sich
herausgebildet hat, so sind doch bei fast allen Naturvölkern deutliche Spuren der
Gestirnsverehrung nachzuweisen.
Die Sterne. po on er
Unsere Karte Fig.1 gibt den Stand der Sterne für den 1. Dezember abends 10 Uhr,
den 15. Dezember abends 9 Uhr, den 1. Januar SSES 8 Uhr und so fort wieder. Die
MilchstraBe durchschneidet im
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Dezember noch den Scheitel- Ke SE
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Fig. 2. : ld, 7 er > ei
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Modell eines Ringnebels. | d SCH BS ar Te,
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südwesten den Horizont be | x eg E E Er
rührt. Nach der Anschauung ` '——--—-—— --— —
von Bohlin (vergl. „Weltall“ | Fig. 3.
Jg. 11 S. 10) ist unsere Milch- Die Stellung unseres Sonnensystems B und der Globular-
straße ein groBer Ringnebel Sternhaufen A zur Milchstraße C in unserm galaktischen
(Fig. 2), der ats Uberbleibsel System.
eines planetarischen Urnebels anzusehen ist und aus dessen Zerfall unser ,Galaktisches
System“ entstanden ist. Die Stellung unseres Sonnensystems zur MilchstraBe und inner-
halb des ganzen galaktischen Systems wird durch folgende schematische Darstellung
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P WI eo. bd
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d e > e D ® Richtung Sternbild
@ o s e Ge „Schwan“.
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G © © è "o
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“ = © 6 Si
Fig. 4.
Stellung unseres galaktischen Systems G unter den planetarischen Urnebeln.
wiedergegeben. (Fig. 3.) A ist dabei das Centrum des planetarischen Urnebels und
besteht nach Bohlin‘) aus den merkwürdigen kugelförmigen Sternhaufen. B deutet
die Stellung unserer Sonne an, die ein Stern ist wie die vielen anderen tausende von
1) Karl Bohlin; On the galactic System with regard to its structure, origin and ralations
in space.
Lauf von Sonne, Mond und den Planeten
167
. Se ur Soe: |
: Si ën ee, 2
KC SE SL
S = Sonne. M = Mond. Me = Merkur V = Venus. Ma = Mars.
Sternen, welche naturgemäß am zahlreichsten in der MilchstraBe auftreten. Jeder
planetarische Urnebel ist wiederum nach dieser Anschauung der Erzeuger eines galaktischen
Systems, das wir naturgemäß in seinen Einzelheiten nicht mehr erkennen können. Es
läßt sich jedoch aus der Verteilung der planetarischen Nebel im Raume schließen, daß
sie eine Schicht von beträchtlicher Breite und Dicke bilden. Unser galaktisches System
steht in dieser Schicht der planetarischen Urnebel etwas seitlich und entgegengesetzt
der Richtung, die auf das Sternbild des Schwans zugeht. (Fig. 4.) Durch diese besondere
Stellung unsres galaktischen Systems erklärt sich die Anhäufung von hellen planetarischen
Nebeln am Himmel in der Gegend des Schwans und aus der Tendenz der planetarischen
Nebel, sich etwas häufiger in der Nähe der Milchstraße anzufinden, kann auf die in Fig. 4
abgebildete Schichtung geschlossen werden.
Der Lauf von Sonne und Mond.
Die Sonne rückt im Monat Dezember aus dem Sternbilde des Skorpions in das
des Schützen und erreicht am 21. Dezember ihren tiefsten Stand am Himmel. (Fig. 5b.)
Ihr Lauf ist für den 1., 15. und 31. in unsere Karte 5b eingezeichnet. In der folgenden
Tabelle geben wir die Auf- und Untergangszeiten und die größte Höhe der Sonne um die
Mittagszeit für Berlin wieder:
Sonne | Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang se
Dezember 1. —21° 43° qh 56m morgens 35 54m nachm. 15?/,°
- 15. — 23° 15° 8b 13m - 3h 50m - e
- 31. — 23° 9 8h 20m - 3b 58m - 141), °
Der Mond ist wieder fiir den 1., 3., 5. usw. mit seinen Phasengestalten in unsere
Karten 5a und 5b fiir die Mitternachtszeit eingetragen. Seine Hauptphasen fallen auf
folgende Daten:
Neumond: Dez. 1. 101/,h abends Vollmond: Dez. 16. 125 mittags
Erstes Viertel: - 9. 8h ` - Letztes Viertel: - 23. 11!/,h vormittags
Neumond: - 31. 51/,5 nachmittags.
Im Monat Dezember finden 3 Sternbedeckungen statt:
Be Tag | Name |Gr.| Rekt | Dep | Eintritt |Win- | Austritt |Win-| pem BS
| | f | M. E. Z. | kel | M. E. Z. | kel
4h 21m,0 | 169 | 4b 54m,8 296° | Sonnenuntergang
Dez. 14. 13 Tauri | 5,5 | 3h 37m
abends | | abends | 3h 49m
+ 19° 25°
fir den Monat Dezember 1910.
J = Jupiter.
Dez. 16 139 Tauri
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Fig. 5a. Nachdruck verboten.
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Si, GË "me Wë
r. F S.Archeahold.
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Sa = Saturn. U = Uranus. N = Neptun.
Win-
kel
Austritt
M. E. Z.
Eintritt
M. E. Z. Bemerkung
5,4 | 5h 52m | -+ 25°57'| 6b5m,0 | 87° | 6h57m,0] 258°) Mondaufgang
abends abends 3b 31m nachm.
- 24. y Virginis 3,0 12h 37m | — 00957’) 1b 30m,8 |1429 | 2b 30m,8| 279°) Mondaufgang
morgens morgens 0h 34m morgens
Die Planeten.
Merkur (Feld 17!/,b bis 205) ist in der zweiten Hälfte des Monats am südwestlichen
Abendhimmel für kurze Zeit sichtbar, da er alsdann erst um 5 Uhr untergeht. Am
2. Dezember tritt er in Konjunktion mit dem Monde; am 24. befindet er sich in seiner
größten östlichen Elongation fast 20° ab von der Sonne und am 26. steht er um Mitter-
nacht 36’ südlich vom Uranus.
Venus (Feld 161/,5 bis 19!/,h) ist während des ganzen Monats unsichtbar.
Mars (Feld 15h bis 16!/,b) ist zu Anfang des Monats ?/, Stunden lang am Morgen-
himmel zuletzt bereits 1!/, Stunden lang sichtbar, da die Sonne immer weiter von ihm
abriickt. Am 28. Dezember abends 11b tritt er in Konjunktion mit dem Monde. |
Jupiter (Feld 14!/,$ bis 141/,5) ist zu Anfang des Monats 21/, Stunden, um die Mitte
d. M. 3 und am Ende bereits 4 Stunden lang am Morgenhimmel sichtbar. Er tritt am
26. Dezember 35 nachmittags in Konjunktion mit dem Monde und zwar so, daß an
manchen Orten der Erde eine Bedeckung stattfindet. Er rückt der Erde jetzt immer
näher und steht am 1. Dezember 930 Millionen km von uns entfernt,
Saturn (Feld 2b) ist zu Anfang des Monats nur noch 10!/, Stunden und am Ende
des Monats nur noch 9 Stunden lang am Abendhimmel sichtbar. Er tritt am 12. Dezember
115 abends in Konjunktion mit dem Monde und zwar so, daß an manchen Orten der
Erde eine Bedeckung stattfindet. Am 1. Dezember steht er in einer Entfernung von
1260 Millionen km von der Erde. Da seine Ringe sich immer weiter öffnen, so bietet er
jetzt in unserm großen Treptower Fernrohr mit seinen deutlich hervortretenden dunklen
rötlich gefärbten Athmosphärenstreifen einen interessanten Anblick dar.
Uranus (Feld 193/,5) ist wegen seines nahen Standes bei der Sonne im Monat
Dezember nicht mehr günstig zu beobachten.
— 40 —
Neptun (Feld "hu ist im Monat Dezember besonders günstig zu beobachten, da
er der Sonne gerade gegenüber steht und um Mitternacht eine große Höhe über dem
Horizonte erreicht.
Bemerkenswerte Konstellationen:
Dezbr. 2. 25 morgens Venus in Konjunktion mit dem Monde.
- 2, 115 abends Merkur in Konjunktion mit dem Monde.
-- 12. 115 abends Saturn in Konjunktion mit dem Monde. Bedeckung. f
- 22. 6b nachmittags Sonne im Zeichen des Steinbocks. Wintersanfang.
- 24. 75 abends Merkur in größter östlicher Elongation (19° 54 ').
- 26. 3b nachmittags Jupiter in Konjunktion mit dem Monde (Bedeckung).
- 26. mitternacht Merkur in Konjunktion mit Uranus (Merkur 36' südlich).
- <28. 114 abends- Mars in Konjunktion mit dem Monde.
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Eine definitive Bahnbestimmung des Kometen 1823 ist von Adolph Hnatek der Wiener
Akademie der Wissenschaften überreicht worden. Dieser Komet ist in den letzten Tagen des
Monats Dezember 1823, kurze Zeit nach seiner Sonnennähe fast gleichzeitig von mehreren Personen
mit freiem Auge gesehen worden. Er gewann später besonderes Interesse dadurch, daß er in der
Zeit vom 22. bis 31. Januar 1824 außer dem gewöhnlichen, von der Sonne abgekehrten Schweif,
einen Zweiten gegen die Sonne gerichteten Schweif entwickelte Nach dem 31. Januar hatte der
Komet wieder sein gewöhnliches Aussehen, nahm immer mehr und mehr an Helligkeit ab, sodaß
genaue Lagebestimmungen des Kometen bereits am 31. März 1824 — die letzte Beobachtung rührt
von Knorre in Nicolajew her — ihr Ende fanden.
Der Komet 1823 mit seinen anomalen Schweifen im Jahre_1824,
gezeichnet von Harding.
1824 Januar 23 abends 10° . Januar 24 abend 7” Januar 27 abends 8® Januar 31 abends ?®
Draco
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+ *
Fig. 1 Fig. 2 Fig.3 | Fig. 4
Bode hat in seinem ,Astronomischen Jahrbuch für 1826“ Zeichnungen von diesem Kometen
von Harding veröffentlicht, die wir hier wiedergeben: Harding hat den anomalen Schweif
zuerst am 23. Januar und zwar in fast gleicher Helligkeit wie den der Sonne abgewandten gesehen.
Es blieb ihm unerklärlich, daß er am 22. Januar, an welchem Tage einer Zeitungsnachricht zufolge
in Berlin der anomale Schweif schon mit einem kleinen Taschenperspektiv gesehen worden ist, keine
Spur davon bemerkt hat, obgleich er den Kometen zur Zeit beobachtet und auch die Lage und Ge-
stalt des gewöhnlichen Schweifes aufgezeichnet hat. Am 23. Januar erschienen ihm beide Schweife
sehr hell, sodaß sie mit bloßem Auge wahrgenommen werden konnten. Der Komet hatte das Aus-
sehen des bekannten Nebelflecks in der Andromeda. Der anomale Schweif war 4'/,°, der gewöhnliche
31/,0 lang. (Fig.1.) Am 24. Januar erschien der anomale Schweif 7° lang — die wahre Länge
betrug 1780000 km — aber er war kaum halb so breit wie der gewöhnliche Schweif, dessen Länge
41/,° betrug. (Fig.2.) Der Kern erschien so hell wie der in der Nähe befindliche Stern «Draconis.
— 41 —
Am 27. Januar bildeten beide Schweife mit einander einen Winkel von etwa 170° (Fig.3.) Am
28. Januar konnte Harding, obgleich es sehr klar war, von dem anomalen Schweife nichts bemerken.
Am 31. Januar sah er den anomalen Schweif wieder. und zwar bildete derselbe diesmal mit dem
gewöhnlichen einen Winkel von beiläufig 138'/,°. (Fig. 4.)
„Gambart in Marseille hat die doppelte Schweifbildung wohl am eingchendsten. beobachtet
und gleichzeitig versucht, aus seinen Beobachtungen eine Erklärung dafür zu finden. Er knüpft
zunächst daran an, daß die Erde gerade in den letzten Tagen des Januar 1824 die Bahnebene des
Kometen passiert hat, und erörtert. zuerst die Möglichkeit, daß das Phänomen vielleicht nur eine
Folge der Perspektive gewesen sein könne. Nimmt man nämlich an, daß der Schweif des Kometen
überhaupt eine fächerförmige Gestalt von großem Öffnungswinkel (etwa 120°) gehabt hatte, so konnte
man grade zu der Zeit, wo die Erde durch die Bahnebene des Kometen ging, auf die Spitze des
Fächers sehen und daher den Schweif selbst zu beiden Seiten des Kometenkopfes erblicken. Unter
diesen Umständen mußte natürlich einer der beiden Schweifteile von der Sonne abgewendet, der
andere ihr zugekehrt erscheinen. Es blieb aber noch zu erwägen, ob die dabei erforderliche Be-
dingung, daß die Ebene durch Schweif, Kometenkopf und Sonne für beide Schweife dieselbe sei,
erfüllt war: Das scheint nun nach Gambart’s Untersuchungen nicht immer der Fall gewesen zu
sein. Der zweite Schweif scheint sogar ziemlich beträchtliche Schwankungen ausgeführt zu haben
und Gambart schließt daher, daß derselbe tatsächlich ein reelles Gebilde gewesen sei.“
Olbers nahm zuerst an, daß solche anomale Schweife nur nach dem Durchgang des Kometen
durch seine Sonnennähe auftreten können, jedoch wurde von Schiaparelli beim Kometen 1862111,
dem Erzeuger des periodischen Auguststernschnuppenschwarmes, der sogenannten Perseiden, ein
anomaler Schweif schon vor seiner Sonnennähe beobachtet. Kirch wieder sah bei dem berühmten
Kometen 1680 am 28. und 29. Dezember alten Styles einen mehrere Grade langen. gegen die Sonne
gerichteten Schweif, während der Komet schon am 18. Dezember seine Sonnennähe passiert hatte.
Hnatek hat aus dem reichen Beobachtungsmaterial — es liegen 800 genaue Positions-
bestimmungen vor — zuerst als Bahn des Kometen eine Ellipse und 9764 Jahre Umlaufszeit gefunden,
die wohl nur als Rechenresultat aufgefaßt werden konnte. Hnatek führte daher noch eine zweite
Berechnung durch unter der Annahme, daß die Bahn eine Parabel sei. Die daraus folgende Bahn
kann als definitiv angesehen werden, da sie in befriedigender Weise das gesamte Beobachtungs-
material darstellt. | | D Dr. F. S. Archenhold.
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x
Neue Bahnbestimmungen von September-Meteoren veröffentlicht Professor G. von Niessl,
wortiber in dem Anzeiger der Wiener Akademie der Wissenschaften, Jg. 1910, No. 19, folgendes be-
richtet wird:
Anläßlich eines am 10. September 1905, 9° 50™ mittl. Wiener Zeit benbachteien hellen Meteors
lief bei der k. k. Universitätssternwarte in Wien sehr reiches Nachrichtenmaterial ein, das in nach.
träglichen Messungen durch den damaligen EE Herrn SE
Dr. H. Ducke, wichtige Ergänzungen fand. . ,
Bei der genaueren Sichtung war zu erkennen, daß diese sammlung von Beobachtungen sich
auf mehrere Feuerkugeln bezieht, die in der Zeit zwischen 9 und 10" abends wahrgenommen wurden.
Für drei derselben gelang es, Radiationspunkt und Bahnlage ea
Die bei weitem größte Anzahl der Berichte galt jedoch dem um 9” som beobachteten Meteor
aus dem Radianten in a = 318°, ô = + 33° Das früheste Aufleuchten desselben ergab sich 217 km
über der Gegend von Megyer Uröni, unweit Budapest, die schließliche Hemmung 37,7 km hoch westlich
von N. Oroszi im Neograder Komitat. Die Bahn war 1° östlich von Süd gegen den Eudpunkt ge-
richtet und 75° gegen den Horizont geneigt. Für die heliozentrische Geschwindigkeit wurde 53,5 km
gefunden. Die genauen Angaben des Herrn Dr. Ducke über seine eigene Beobachtung erweisen
bemerkenswerte Unterschiede zwischen der Geschwindigkeit in den EE und nn atmo-
sphärischen Schichten. |
Die KE Anzahl der Beobachtungen desselben Abends. vereinigt sich auf einen Fall
um ungefähr 9® 34” mittl. Wiener Zeit aus einem Radianten in «= 285°, d = + 48° Die Höhen über
der Erdoberfläche ergaben sich für das Aufleuchten zu 235 km, für die Hemmung zu 61 km. Die
Bahn war aus 8° nördlich von West gerichtet, 710 gegen den Horizont des in der Gegend von Rutka
im Sohler Komitat gelegenen Endpunktes geneigt. Für die heliozentrische Geschwindigkeit wäre
nach .den betreffenden Angaben 2 km zu nehmen.
Eine dritte, beiläufig um 9” 30” m. Wiener Zeit auch in Griechenland beobachtete E E
kam aus dem Strahlungspunkt in æ = 70°, d = + 42°, und eine Schätzung der heliozentrischen. Ge-
ao AD Hs
schwindigkeit lieferte 61 km. Der nicht genau nachweisbare Endpunkt befand sich weit südlich,
ungefähr 61 km über dem Tyrrhenischen Meere, östlich von Sardinien.
Überdies enthält dieses Material noch einige beiläufige Beobachtungen, welche auf einen Fall
in Südböhmen hindeuten.
Hinsichtlich eines Meteors am 18. September 1905, 7" 7,8” m. e. Z., liegen wenige, aber sehr
gute Beobachtungen vor. Dessen Strahlungspunkt war in « = 35,6°, ó = + 26,30, der Hemmungs-
punkt 28,6 km über der Gegend von St. Lorenzen in Kärnten, wohin die Bahn aus 55,9 ° östlich von
Nord unter 4,8° Neigung gegen den Horizont gerichtet war. Die sehr verläßlichen Angaben des
Herrn Universitätsassistenten Dr, Edmund Weiß lassen eine erhebliche Verminderung der Ge-
schwindigkeit im letzten Teile der Bahn erkennen.
Die Untersuchung wurde endlich auch auf das in wenig verschiedener Knotenlänge am
18. September 1908, gh 10” m. e Z., beobachtete Meteor ausgedehnt. Sie lieferte für dessen
Radiationspunkt a = 0°, d= + 44% Die Strahlungspunkte dieser beiden zuletzt erwähnten Fälle
sind ohne Zweifel nicht identisch. R
Li
Uber Sonnenflecken und Witterung berichtet Krü ger in der „Naturwissenschaftl. Rund-
schau“ vom 16. Juni 1910. Bis jetzt wußte man, daß in den Jahren der Fleckenminima ein Maximum
der Wärme eintritt und umgekehrt. Zugleich aber wurde festgestellt, daß die Sonne zur Zeit der
Fleckenmaxima am heißesten ist; dadurch ergab sich der Widerspruch, daß bei der kältesten Witte-
rung die Sonne am wärmsten ist. Um diesen Widerspruch zu lösen, mußten die Niederschläge
genau untersucht werden. G. Hellmann machte schon früher darauf aufmerksam, daß der Zu-
sammenhang zwischen Sonnenflecken und Wetter in verschiedenen Orten verschieden ist. Er unter-
suchte die Regenmengen von über 30 Stationen aus fast ganz Europa für die fünf Sonnenflecken-
zyklen von 1851 bis 1905 und fand, daß der Zusammenhang zwischen Niederschlagsmenge und
Sonnenfleckenhäufigkeit regional verläuft. Infolge des Fortschreitens nasser und trockener Jahre
. von Süden nach Norden verschieben sich die Regenmaxima und -minima im Sonnenfleckenzyklus.
Bei der Mehrzahl der Stationen zeigen sich im allgemeinen während eines Zyklus zwei Maxima des
Regenfalls. Die Sonnenflecke erreichen ihr Minimum zur Zeit des Maximums vom Regen. — Es
. wäre ferner zu untersuchen, wie die Häufigkeit der Gewitter, des Hagelfalls, der Erdbeben usw. mit
der Häufigkeit der Sonnenflecken im Zusammenhang steht.
* Li
x
Eis- und Wetterbericht von dem Nordatl. Ozean und Europa. Sowohl die gleichmäßige
Temperaturverteilung im Golfstrom, eine Folge des diesjährigen Eismangels bei Neufundland, als die
im vergangenen Sommer zwischen dem Nordkap und Spitzbergen eingetroffenen außergewöhnlich
großen Treibeismassen lassen nach unserer Theorie) auf ungewöhnlich strenge und anhaltende
Kälte während des bevorstehenden Winters in Europa schließen. Der Mangel an Temperaturgegen-
sätzen im Golfstrom gibt wenig Veranlassung zu tiefen, zugkräftigen nordatlantischen Minima, und
die Eismassen beim Nordkap begünstigen die Ausbreitung des sibirischen Hochdruck- und Kälte-
gebiets nach Westen. In Mitteleuropa setzen strenge Winter vielfach zu Ende November oder Anfang
Dezember nach einem Neu- oder Vollmondtermin mit beträchtlichen Niederschlägen und unmittelbar
darauffolgender Ostluft und Kälte ein. Sollte sich der bevorstehende Winter nicht beträchtlich kälter
als der langjährige Durchschnitt gestalten, so wäre der Beweis geliefert, daß ich den Einfluß der
Treibeis- und Temperaturschwankungen im nordatlantischen Ozean auf unser Klima überschätzt
hätte, und daß meine bisherigen Treffer auf Zufall beruhten. Ich würde dann meine Eis- und Wetter-
berichte definitiv einstellen, da sie keinen erkennbaren praktischen Wert besäßen.
H. Habenicht,
x *
x
Über die vierte Versammlung der internationalen Vereinigung für kooperative
Sonnenforschung, die vom 27. August bis 3. September 1910 in Pasadena und auf dem Mount
Wilson unter Teilnahme von 85 Astrophysikern stattfand, berichtet Professor Schwarzschild in
den „Astron. Nachr.“ 4443 folgendes:
Die Instrumente. Auf dem Mount Wilson sind drei Instrumente in voller Tätigkeit. Der
täglichen Aufnahme der Sonne gewidmet ist das Snow-Teleskop, ein Cölostat mit horizontal
liegendem Fernrohr von 18 m Brennweite. Feinere Untersuchungen an der Sonne erfolgen mittels
des wirksameren und dabei in der Konstruktion sehr einfachen sogenannten „kleinen“ Turmteleskops.
Hier befindet sich der Cölostat auf einem eisernen Gerüst von 18 m Höhe. Das Gerüst umschließt
ein vertikales Fernrohr von 18 m Brennweite. Darunter in einem Schacht befinden sich ein
Spektrograph und ein Spektroheliograph von 9 m Brennweite.
gegen WER ER M mmm
wurd, eS
Der Photographie des Himmels und der Spektralanalyse der Sterne dient der Reflektor von
150 cm Spiegeldurchmesser. Die Lichtfülle und Bildschärfe dieses Instruments wird durch die Tat-
sache gekennzeichnet, daß der Stern 1830 Groombridge der Größe 6,5 bei einer Exposition, von 15m
mit einem 1 Prismenspekirographen von 40 cm Brennweite des Kollimators und der Kamera ein
gutes Spektrum gibt.
In den nächsten Monaten geht das „große“ Turmteleskop der Vollendung entgegen. Der
Heliostat ist bereits auf dem 50 m hohen Turme aufgestellt und ein Schacht von 25 m Tiefe zur
Aufnahme der Spektrographen ausgemauert.
In der Werkstatt von Pasadena ist die Schleifmaschine für den projektierten Spiegel von
250 cm Durchmesser zur Arbeit bereit. Die von den Werken zu St. Gobain gelieferte Glasscheibe
von diesem Durchmesser wird zurzeit probeweise angeschliffen. |
Aus den wissenschaftlichen Mitteilungen. Wie Prof. Hale in seiner Einführungsrede
mitteilte, hat das genauere Studium des magnetischen Feldes der Sonnenflecken ergeben, daß sich
zu einem Fleck, der einen positiv magnetischen Pol darstellt, vielfach die negativen Pole in Gestalt
eines oder mehrerer benachbarter Flecken nachweisen lassen. Auch die Drehung der Polarisations-
ebene in den Flecken ist in einzelnen Fällen sehr deutlich.
Herr Abbot, dessen bolographisches Observatorium sich dicht bei der Sternwarte am Süd-
abhang des Mount Wilson befindet, gibt als zurzeit besten Wert der Solarkonstante 1,92 Kalorien
an. Die Schwankungen der Tageswerte sind klein, selten die Grenzen 1,90 und 1 ‚95 überschreitend,
scheinen aber nach der Übereinstimmung der Stationen Washington, Mount Wilson, Mount Whitney
solaren Ursprungs. Andere unabhängige Stationen sind dringend erwünscht, auch empfiehlt sich
eine häufigere Kontrolle des Intensitätsabfalls längs des Radius der Sonnenscheibe.
Veranlaßt durch die Mißstimmigkeiten, die sich bei Ableitung der Eigenbewegung der Sonne
aus den Radialgeschwindigkeiten der Orionsterne ergaben (Frost und Kapteyn, „Astrophysical
Journal“, Vol. 32, p. 83), hat Professor Kapteyn die Eigenbewegungen der Orionsterne auf Grund
des Boss’schen Katalogs einer besonderen Untersuchung unterzogen. Er findet einen gemeinsamen
Konvergenzpunkt für 90°, aller Orionsterne im Gebiete: 12h bis 18h RA., 0° bis — 60° Dekl. und
einen andern gemeinsamen Konvergenzpunkt für 95°/, der Orionsterne im Gebiet: 2h 50m bis
4h 30m RA, + 15° bis + 55° Dekl. Es sind damit also zwei neue sehr ausgedehnte Sternströme
von der Art der Hyaden und der Bärensterne aufgefunden.
Herr Deslandres bezeichnet als Hauptresultat seiner Registrierungen der Radialgeschwindig-
keit des Calciums auf der Sonne, daß die dunklen Massen aufsteigen, die hellen absteigen.
Aus den Resolutionen: Für die 50 Standards 2. Ordnung im Wellenlängengebiet 4282 bis
6494 A E. wird das Mittel aus den drei Bestimmungen von Fabry und Buisson, Pfund und
Eversheim angenommen. Die Zahlen werden demnächst im „Astrophysical Journal“ veröffentlicht.
Als weitere Standards 2. Ordnung werden in der Nähe von à = 5800 A E., wo die Eisenlinien
nicht zahlreich genug sind, Bariumlinien empfohlen.
Die Bestimmung der Standards 3. Ordnung und anderer Spektren im Anschluß an die neuen
Standards ist von möglichst vielen Seiten erwünscht. Die — vom Rowlandschen Wert abweichende —
Einheit des neuen Systems soll durch I. A. (Internationales Angström) bezeichnet werden.
_ Die visuellen Beobachtungen des Sonnenspektrums haben bisher zwar nur eine unerwartete
Konstanz und Einheitlichkeit des Fleckenspektrums bei den verwandten Dispersionen erkennen
lassen, doch sollen dieselben über eine volle Fleckenperiode fortgesetzt werden.
Die Positionswinkel am Sonnenrande werden zukünftig allgemein — auch von den bisher
umgekehrt zählenden italienischen Astronomen — im Sinne Nord Ost-Süd-West gezählt.
Zum Studium der Sonnenrotation, die nach Elementen getrennt durchgeführt werden muß,
übernahmen sechs Beobachter je eine bestimmte Strecke des Sonnenspektrums.
Die Vereinigung hat ferner beschlossen, ihr Arbeitsgebiet künftig auf Astrophysik im all-
gemeinen auszudehnen, und hat bereits eine Kommission ernannt, die sich mit der Frage der
Klassifikation der Sternspektren beschäftigen soll. Als Versammlungsort für das Jahr 1913 wurde
Bonn gewählt.
*
Die nebenher tagende Kommission für Sterngrößen der photographischen Himmelskarte
einigte sich auf den Vorschlag, daß für die Sterne vom Spektraltypus A, der Harvarder Klassi-
fikation und von der Sterngröße 5,5—6,5 photographische und visuelle Sterngröße im Mittel gleich
zu setzen sei, wobei die visuellen Größen nach der Harvardskala zu zählen sind. Die Harvard-
sternwarte übernimmt die Festlegung absoluter photographischer Sterngrößen für 24 Sequenzen in
jeder Zone der photographischen Himmelskarte.
Se, SE
Mathematische und astronomische Gnterrichtskurse `
von Doc. Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. S
Im neuen Hörsaal der Treptow - Sternwarte, Treptow bei Berlin, Alt-Treptow 1 |
ep Dienstags 6—7 Uhr abends. Beginn: 10. Januar 1911. 29
: | Einführung in die höhere Mathematik.
Funktionentheorie und Differentialrechnung.
' A. Funktionentheorie. Begriff der Funktion, ihre geometrische Darstellung. — Grenz-
_ begriffe. — Binomischer Lehrsatz. ` i |
B. Differentialrechnung. Begriff des Differentialquotienten und der Stetigkeit. —
Differentiation der verschiedenen Funktionen. — Lineare, trigonometrische und Kreisfunktionen
— Differentiation von Funktionen mit zwei Veränderlichen. — Anwendungen aus der Astronomie
und Physik.
Die Mathematik wird nach eigener Methode so vorgelragen, daß die praktischen An-
wendungen von der ersten Stunde an zu ihrem Rechte kommen.
Die Hörerkarten sind schon zum ersten Vortrage mitzubringen m jedesmal als au:
weis vorsusergen. Ä |
Ki
‘Horgebihr für den zehnstiindigen Kursus 6 M., für Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 4,50 M.
Astronomie fiir Jedermann.
Mit Lichtbildern, Demonstrationen und praktischen SE auf der Plattform der
Treptow- Sternwarte.
Gw: Montags 9—10 Uhr abends. Beginn: 9. Januar. zu
Zwei kleinere Fernrohre stehen vor und nach dem Vortrage zur freien Mart e
Die Sternbilder und Anleitung zu ihrer Auffindung.
Sonne und Mond.
Unser Planetensystem.
Kometen und Sternschnuppen.
Unser Wissen von den Sternenwelten.
MilchstraBe und Nebelgestirne.
Sternhaufen, veränderliche und neue Sterne.
. Astronomie mit dem Opernglas und kleinen Fernrohren.
Sonnen- und Mondfinsternisse.
Unsere Erde als Planet.
mare ann
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Die Hörerkarten sind schon zum ersten Vortrage orined und jedesmal als Aus-
weis vorz uzeigen.
Hor gebühr fiir den EE Kursus 5 M., fiir Mitglieder, Studenten, Penre etc. 3,50 M,
— Über die Bestimmung der Zeit und ihre Weitergabe.
Mit Lichtbildern, ‘Demonstrationen und praktischen Übungen auf der Plattform der
Treptow-Sternxarte.
om Dienstags 8—9 Uhr abends. Beginn: 10. Januar. KT
Begriff von Raum und Zeit. — Die ersten Zeitmesser. — Sonnenuhren. — Die verschiedenen
Zeitarten. — Präzisionsuhren und ihre Vergleichung. — Die Erde als Uhr. — Die verschiedenen
Methoden der Zeitbestimmung. — Zeitbestimmung im Luftschiff. — Die telegraphische Weitergabe
der Zeit. — Normaluhren und Zentraluhren. — Die Zeitsignale vom Eiffelturm und Norddeich mittels
Wellentelegraphie. — Zukunft der Zeitverwaltung.
"Die Hörerkarten sind schon sum ersten Vortrage mitzubringen und jedesmal als Aus
weis vorsuselgen.
Hörgehühr für den sehnstündigen Kursus 7 M., für Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 5,50 M.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.8. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
Beilage zur illustrierten Zeitschrift far Astronomie und verwandte Gebicte
„DAS WELTALL“, Jahrg. 11, Heft 4.
(Zu Dr. F. 8. Archenhold: ,Uber Nordlichter in der Polarregion“.)
Fig. A.
Fig. B.
Fig. C.
Nordlicht am 26. Januar 1900.
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DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
Dr. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 4. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1910 November 15.
Berlin-Treptow.
Diese Zeitschrift erscheint zweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalten (Post-
Zeilungsliste alphabetisch eingeordnet). Einzelne Nummer 60 Pjg. — Anseigen-Gebtihren: 1 Seite 80.— MR., 1), Seite 45.—
1/, Seite 25.—, 1/, Seite 15.—, 1/4, Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewicht.
INHALT
1. Uber Nordlichter in der Polarregion. Von Dr. F. S. 4. Bücherschau: Jean Mascart, Astronome de l Observa-
Archenhold. (Mit einer Beilage). . . x - 2... . 45 toire de Paris, Le tremblement de terre en Bretagne . 59
2. Einiges von den flüssigen Hrystallen. Von Dr. Werner 5. Briefkasten. .. e Be Bh oe ër e 59
Mecklenburg. (Fortsetzung). . 2. . 1. : © © © ee 47 6. Mathematische und astronomische Unterrichtskurse _
3. Kleine Mitteilungen: Wiederentdeckung des periodi- von Doc. Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-
schen Kometen Faye (1910e Cerulli). — Beobachtung Siernwarle. 2. 2 2 2 2 Eu IER ea eh 60
der hellen Planeten am Tage. — Seebeben im Bis- Nachdruck verboten. |
marck-Archipel. e s. 2 2 6 © ee ee we ew 58 Auszuge nur mit genauer Quellenangabe gestattet.
ber Nordlichter in der Polarregion.
Von Dr. F. S. Archenhold.
(Mit einer Beilage.)
D“ der Polarexpedition des Herzogs der Abruzzen hat Major Cagni!) in der
Zeit vom 13. September 1899 bis zum 30. Januar 1900 Gelegenheit gehabt,
in der Teplitz-Bai zahlreiche Nordlichter zu beobachten, von denen einige sehr inter-
essante seltene Formen darbieten, die wir hier im Bilde wiedergeben wollen. Zuvor
möchte ich jedoch darauf hinweisen, daß durch den Zusammenhang der Nordlichter
mit den Sonnenflecken?) die Theorie immer mehr gestützt wird, daß die Nordlichter
Erscheinungen sind, die erst durch die von der Sonne ausgesandten Kathoden-
strahlen in unserer Atmosphäre sichtbar werden. Die Nordlichter finden ihr
Ende dort, wo die Kathodenstrahlen durch unsere Atmosphäre völlig absorbiert
werden. Lenhard, der zuerst im Laboratorium die Kathodenstrahlen aus
einem Aluminiumfenster in die Luft hineingeführt hat, hat sich auch besonders
mit der Absorption derselben durch die Luft beschäftigt und neuerdings in den
Sitzungsberichten der Heidelberger Akademie der Wissenschaften auf die große
Ladung der von der Sonne ausgehenden Strahlungen hingewiesen. Es muß
sich um schnellere Strahlen handeln, als es die g-Strahlen des Radiums sind.
Er spricht die Meinung aus, daß auf der Sonne radioaktive Stoffe vorhanden
sein müssen, und vielleicht aus dem Sonneninnern durch die dort herrschenden
gewaltigen Drucke bei ihrem Austritt an die Oberfläche der Sonne zur Bildung
1) Die wissenschaftlichen Beobachtungen dieser Expedition sind in einem von der Verlags-
buchhandlung Ulrico Hoepli in Mailand vorzüglich ausgestatteten Werke unter dem Titel: „Osser-
vazioni scientifiche eseguite durante la spedizione polare di S. A. R. Luigi Amadeo di Savoia, Duca
degli Abruzzi 1899 bis 1900“ herausgegeben.
2) Vergl. F. S. Archenhold, ,Sonnenflecken, Erdströme und Nordlichter“, „Das Weltall“,
Jahrg. 4, Seite 71 und Jahrg. 7, Seite 157.)
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von Atomen führen, die bei ihrem Zerfall die Quelle der die Nordlichter verur-
sachenden Strahlen bilden und voraussichtlich starker radioaktiv sind als die
Uranatome. In bezug auf eine Erklärung der einzelnen Strahlen der Nordlichter
verweisen wir unsere Leser noch auf die Abhandlung von C.Störmer: „Neuere
norwegische Untersuchungen über die Natur der Polarlichter‘, „Das Weltall“,
Jahrg. 9, Seite 129 u. £.
Wir wenden uns jetzt den erwähnten Nordlichtern zu. Major Cagni beob-
achtete u. a. in der Teplitz-Bai (nördl. Breite = 81° 47’ 26“ Lange = 352m 9,*7) am
13. September 1899 im Westen einen weißlichen runden Streifen, der regen-
bogenförmig von Nordnordwest nach Südsüdost gerichtet war. Am 3. November
trat ein Nordlicht auf, das schnellen Änderungen unterworfen war und zuletzt
die in Fig. 1 wiedergegebene Gestalt zeigte, die deutlich erkennen läßt, daß die
Kathodenstrahlen in unserer Atmosphäre verschiedene, oft übereinander ge-
lagerte Schichten durchlaufen. Am 7. November ging ein Nordlichtstrahl von
Denebola durch den zweiten Stern im großen Bären, Benetnasch, bis zum Stern-
bilde des Pegasus als ein halbrunder Streifen, mit seiner konvexen Seite nach
Fig. 1. : Nordlicht am 3. November 1899.
Südost gerichtet. Gleichzeitig versilberten sich die Wolken im Nordosten durch
ein Nordlicht, das sich bald zu einem prächtigen Ringe formte, dessen Achse
durch die Plejaden ging. (Fig. 2.)
Eine Viertelstunde später verschwand der Ring, indem er sich länglich in
der Richtung des Windes auszog.
Am 25. Dezember trat um 19'/, ein Nordlicht auf, das zuerst die Form
von elliptischen, sich konzentrisch einschließenden, in der Mitte ein wenig ein-
gedrückten Bändern annahm, die allmählich bis zum Zenit stiegen (Beilage Fig. A).
Fast ein Drittel des ganzen Himmelsgewölbes war von dieser Lichterscheinung
bedeckt. Um 20!/," nahm die Erscheinung an Intensität ab und bildete sich in
die Gestalt einer Nordlichtkrone um, deren Zentrum genau im Zenit lag und
sich von hier gegen Südosten strahlenförmig ausbreitete (Beilage Fig. B). All-
mählich wurden die Streifen schwächer, sodaß um 21® nur noch Spuren der-
selben zu sehen waren. Um 21!/," war das ganze Phänomen bereits ver-
schwunden.
Am 26. Januar 1900 scho ein prachtvolles Nordlicht um 215 von Nordosten
durch die beiden oberen Sterne des großen Bären halbkreisförmig gegen den Polar-
stern, durchlief die Zwillinge und endete 30° über dem Horizonte im Südwesten
= AT
(Beilage Fig. C). Es zerfiel bald in drei fast parallele Streifen und begann sich
unter ständiger Helligkeitszunahme wie. eine Schlange zu bewegen. In der `
Mitte löste sich der Streifen in einen Nebel auf, nur feine weiße Körner zurück-
lassend, die wie phosphoreszierender Sand, der vom Winde bewegt wird,
leuchteten. Die strahlenden Körner unterschieden sich kaum von Sternen erster
Größe. Um 9!/," traten erst zwei und dann drei konzentrische nach Norden
konkav geformte Bänder auf; eine halbe Stunde später war die ganze Erscheinung
verschwunden.
Je größer die Zahl der einzelnen Beobachtungen der Nordlichter wird, um
so besser läßt sich der Zusammenhang derselben mit den Sonnenflecken stu-
dieren; insbesondere, wenn unsere Polarexpeditionen sich mit photographischen
Apparaten ausrüsten, die dann Höhenbestimmungen der Polarlichter dadurch
gestatten, daß an zwei, nicht zu weit von einander entfernten Punkten, 5 bis
10 km, gleichzeitige photographische Aufnahmen gemacht werden; durch die
sich mitphotographierenden Sterne, unter Berücksichtigung der Aufstellungs-
punkte und sonstigen Konstanten der Apparate usw., ließe sich eine Höhen-
Fig. 2. Nordlicht am 7. November 1899.
bestimmung für die einzelnen Nordlichterscheinungen erzielen, wie es Carl
Störmer jüngst auf einer Expedition in Bossekop gezeigt hat. Die Höhen der
von Störmer photographierten Polarlichter betrugen 50, 120, 166 und 190 km über
der Erdoberfläche, während Paulsen im Jahre 1884 aus seinen Messungen in
dem grönländischen Küstenorte Godthaab als größte Höhe nur 68 km ge-
funden hatte. app
Einiges Von den flüssigen Krystallen.
Von Werner Mecklenburg.
(Fortsetzung )
Die fließenden und die flüssigen Krystalle.
Eine bei der Betrachtung besonders deutlich in das Bewußtsein tre-
tende Eigenschaft der Krystalle ist ihre große Starrheit. Allerdings sind schon
seit langem Erscheinungen bekannt, nämlich die Erscheinungen der Biegsamkeit,
welche auf minder große Starrheit deutlich hinweisen. So unterscheidet der
Mineraloge die elastisch biegsamen Krystalle, wie etwa den Glimmer, dessen
— 48 —
_ Krystalle sich ohne Schwierigkeit biegen lassen, aber nach Aufhören der wirk-
samen Kraft wieder ihre ursprüngliche Form annehmen, von den gemein bieg-
samen Krystallen, deren Elastizität so gering ist, daß sie, wenn sie einmal
deformiert sind, dauernd deformiert bleiben; als Beispiel dafür seien Talk oder
Chlorit angeführt. Indessen tritt ein so betrachtlicher Grad der Biegsamkeit nur
selten und nur bei den in sehr dünnen Blattchen oder Nadeln krystallisierenden
Stoffen auf; auch sind die Kräfte, die bei der Deformation aufgewendet werden
müssen, wenn man erstens die große Dünnheit der Krystalle und zweitens
die bei den Versuchen in Frage kommende Hebelwirkung berücksichtigt, tat-
sächlich nicht so gering, wie man zunächst vielleicht meinen möchte. Diese
Erfahrungen ließen daher, so interessant und wichtig sie auch waren, doch
keineswegs die Möglichkeit von so wenig starren Krystallen voraussetzen, daß
sie nicht nur weich oder plastisch, sondern sogar flüssig erscheinen würden.
Das große Verdienst, durch seine Arbeiten die allgemeine Aufmerksamkeit
auf die weichen und flüssigen Krystalle gelenkt und dadurch außerordentlich
anregend gewirkt zu haben, kommt dem Professor der Physik an der tech-
nischen Hochschule in Karlsruhe Dr. O. Lehmann zu.
Das erste Beispiel für sehr weiche Krystalle hat Lehmann schon im
Jahre 1877 am Jodsilber aufgefunden. Wird das hexagonal krystallisierende
Jodsilber erhitzt, so geht es bei 146° in eine andere Krystallform, nämlich in `
reguläre Oktaöder über, aber diese Oktaéder sind so weich und werden, wenn
sie aneinander stoßen, so leicht deformiert, daß ein Aggregat von ihnen ur-
sprünglich für eine trübe Flüssigkeit gehalten wurde. Eine eingehendere
Untersuchung der weichen und der flüssigen Krystalle konnte erst einsetzen,
nachdem durch neuere Entdeckungen auf dem Gebiete der organischen Chemie
eine größere Reihe von Substanzen gewonnen worden waren, die als geeignetes
Versuchsmaterial dienen konnten. Diese neue Periode in der Geschichte der
flüssigen Krystalle setzte im Jahre 1883 ein, nachdem Reinitzer in Wien das
Cholesterylbenzoat, eine organische Substanz von ziemlich komplizierter, bis
jetzt noch nicht mit Sicherheit ermittelter Struktur, dargestellt und sie Lehmann
zur näheren Untersuchung übergeben hatte. Nun folgte weiter die Entdeckung
der weichen Krystalle der ölsauren Salze, dann die der Azoxyverbindungen und
schließlich die systematische Aufsuchung und Auffindung krystallinisch flüssiger
Substanzen durch Vorländer. Besonders durch die Arbeiten von Vorländer
ist die Zahl der weiche oder flüssige Krystalle liefernden Stoffe außerordentlich
vergrößert worden; wir kennen jetzt über 250 verschiedene Substanzen, die die
merkwürdigen Erscheinungen zeigen.
Während die meisten krystallisierten Substanzen, sofern sie beim Erhitzen
keine Zersetzung erleiden und auch sonstige störende Nebenerscheinungen
nicht auftreten, bei einer bestimmten Temperatur, dem Schmelzpunkt, aus dem
festen in den flüssigen Zustand übergehen, zeigte das Cholesterylbenzoat ge-
wissermaßen einen doppelten Schmelzpunkt. Bei 145,5° schmilzt es zu einer
trüben, aber völlig flüssigen Flüssigkeit, die bei 178,5° plötzlich klar wird.
Beim Abkühlen wird die klare Schmelze, sowie die Temperatur 178,5 erreicht
hat, plötzlich trübe, bleibt aber vollkommen flüssig und nimmt erst bei 145,5°
die feste Form an. Die trübe Flüssigkeit zeigt bei der Untersuchung im Pola-
risationsmikroskop starke Doppelbrechung. In der folgenden Tabelle ist eine
Reihe von Substanzen aufgeführt, die sich ähnlich verhalten. In der ersten
Reihe steht der Name der Substanz, in der zweiten Reihe die Strukturformel,
DEE, SE
in der dritten Reihe der Schmelzpunkt, d. h. die Temperatur, bei der der Über-
gang fest — trübe Flüssigkeit erfolgt, und in der vierten Reihe der Klärungs-
punkt.
Name Formel Schmelzpunkt Klärungspunkt
Cholesterylbenzoat . C3H,;.0.C0.C,H; 145,5 ° 178,5 0
p-Azoxyanisol . . . CH,.0.C,H, — N — N — C, H, . O . CH; 116 178
O
p-Azoxyphenetol . . C,H,.0.C,H,—N—N—C,H,.0.C,H; 137,5 168
O
p-Azoxyanisolphenetol CH, . O.C H; — N — N — C; H, . O . C, H; 93,5 149,6
o
Azin des p E Oxaethyl- C, H, e O D Ce H, D CH Gë N 172 199
benzaldehyds . . . C, H,.0.C,H,. CH—N
p-Methoxyzimtsäure . CH,.0.C,H,.CH = CH. COOH 170 187,5
Kondensationsprodukt Cs H,.N = CH.C, H; ) 234 260
aus Benzaldehyd und
Benzidin . a Gee C,H,.N = CH. C, H;
p-Azoxybenzoťsäure- p N.C, H,. CO, C, H; 113,5 120,5
Aethylester š
N.C, H, . CO, C, H,
Erhitzt man eine größere Menge (etwa 100 g) einer dieser Substanzen auf
eine Temperatur, die zwischen dem Schmelz- und dem Klärungspunkt liegt, so
erhălt man, wie bereits gesagt worden ist, eine trūbe, undurchsichtige Masse,
die in weiten Gefäßen eine vollständig horizontale Oberfläche, in engeren Röhren
einen konkaven Meniskus bildet. Der Grad der Beweglichkeit oder Zähigkeit
der Schmelzen ist besonders von Schenck und seinen Schülern ermittelt
worden. Bezeichnet man die Zāhigkeit des Wassers bei 0° mit 100, so liegen
die Zahigkeiten der triben Schmelzen von
Cholesterylbenzoat . . . . . . . zwischen 893 und 621
p-Azoxybenzoésdureaethylester . . - 856 - 471
p-Azoxyanisolphenetol . . ... - 171 - 11
p-Azoxyanisol ........ - 148 - 128
p-Methoxyzimtsdure. : ..... - 106 - 91
p-Azoxyphenetol . . ...... - "H - 66
Es gibt also krystallinisch-flüssige Stoffe, deren Zähigkeit etwa der des
Olivenöls entspricht, und ebenso solche, die viel leichter beweglich als Wasser
sind. Mit steigender Temperatur nimmt die Zähigkeit einer Flüssigkeit stark ab,
die oberen Werte der kleinen Tabelle entsprechen also den Beobachtungen bei
niedriger, die unteren Werte bei höherer Temperatur. Demnach wäre zu er-
warten, daß bei weiterem Erhitzen der Schmelzen über den Klärungspunkt hinaus
die Zähigkeit kleiner wäre, als unterhalb desselben. In einigen Fällen, z. B.
beim p-Azoxybenzoösäureaethylester und beim Cholesterylbenzoat ist es auch
tatsächlich so, in der beträchtlichen Mehrzahl der Fälle aber nimmt die Zähig-
keit, beim Überschreiten des Klärungspunktes plötzlich stark zu, d. h. die
isotrope Flüssigkeit ist, obwohl sie bei höherer Temperatur existiert als
die anisotrope Schmelze, schwerer beweglich als diese, ein schr über-
raschendes Resultat, das besonders deutlich wird, wenn man die nebenstehenden,
die tatsächlichen Verhältnisse allerdings nicht ganz richtig wiedergebenden
— 50 `
Diagramme betrachtet, in denen die Zahigkeit als Ordinate, die Temperatur als
Abszisse eingetragen ist und der auf der Abszisse senkrecht stehende Pfeil die
Klarungstemperatur angibt; die beiden
ersten Diagramme zeigen die in Wirk-
lichkeit allerdings nicht so plötzlich ver-
laufende Zunahme der Zähigkeit, während
das dritte Diagramm ein Beispiel für den
an erster Stelle erwähnten, weniger
häufigen Fall darstellt.
Von den Messungen physikalischer
Größen seien hier noch die Wärme-
tönungen beim Verflüssigungs- und beim
Klärungspunkte besprochen. Wenn ein
krystallisierter Stoff schmilzt, d. h. in
den amorphen Zustand übergeht, so
wird bekanntlich eine gewisse Wärme-
menge, die sogenannte Schmelzwärme,
gebunden, und dieselbe Wärmemenge
wird frei, wenn dieselbe Menge desselben
Stoffes umgekehrt wieder aus dem amor-
4480 ”
n-Azoxyanisol
100 110 120 130 140 150
Abb. 4. phen in den krystallisierten Zustand
Zähigkeit des p-Azoxyanisols als Funktion übergeht. Verwandelt sich zum Beispiel
der Temperatur nach Schenck. 1 g Wasser von 0° in 1g Eis von der-
selben Temperatur, so werden 80 kleine
x Kalorien frei, und wenn 1 g Eis von
í
ed n- Methuxy- geg zr-Azox yben zoë-
zīimmtsaure saurcathylester
150
130
110
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Ton its
90 BER Ser een
160 770 180 190 200 210
Abb. 5. Abb. 6.
Zahigkeit der p-Methoxyzimmtsäure als Funktion Zähigkeit des p-Azoxybenzoésaureaethylesters
der Temperatur nach Schenck. als Funktion der Temperatur nach Schenck.
a. SE
0° zu 1 g Wasser von 0° schmilzt, so erheischt der Vorgang dieselbe Wärme-
menge von 80 Kalorien. Ganz analoge Vorgange spielen sich bei der poly-
morphen Umwandlung ab: der Schmelzwärme beim Schmelzen entspricht die
Umwandlungswärme bei der polymorphen Umwandlung In der folgenden
Tabelle sind einige Schmelz- und Umwandlungswärmen angegeben; die Werte
beziehen sich auf je ein Grammmolekül der betreffenden Substanz und auf große
Kalorien:
Schmelzwärmen: Umwandlungswärmen:
Aluminium. . . 2... . 6,5 Kal. Schwefel monoklin — rhombisch . . . . . 0,08 Kal.
Biel a. A @ & mt: Jl e Kohlenstoff-Graphit—» Diamant. . . . . . 0,50 -
Jode e a. e A eg de Quecksilberjodit H,J grüngelb — gelb . . . 015 -
Kupfer . ...... . 27 - Quecksilbersulfid HS amorph — krystallisiert 03 -
Zink ... °’... 18 - Ammoniumnitrat
Bleichlorid Pb CL . . . . 58 - ß8-rhombisch — a-rhombisch . . . . . . 0,40 -
Wasser HO ..... . 1,4 - «-rhombisch — rhomboédrisch . . . . . 0,43 -
Salpeter KNO. . . . . . 4,9 - rhomboédrisch — regulär . . . . . . . 0,95 -
Schwefelsäure KSO, . . . 2,4 - Calciumcarbonat
Essigsäure . . . . . . . 26 - Aragonit — Kalkspath ........04 -
Stearinsäure C,,H;,0, . . . 13,5 - Glukose C,H,,0,
Benzol . .... a... 23 = GEF e e e RE Ge e e e e OD =
p-Bromphenol. . . . . . 30 - Vm p oa tke Se Se ae are er OOT =
Diphenylamin. . ... . 40 -
Nitrobenzol. . .... . 2,% -
Phenylessigsdure. . . . . 35 -
p-Toluidin . . . .... 88 -
Die Wärmetönungen beim Schmelz- und beim Klärungspunkt bei den
weichen und flüssigen Krystallen sind von Schenck und seinen Schülern und
von anderen Forschern gemessen worden und haben zu den in der folgenden
Tabelle zusammengestellten Ergebnissen geführt.
Substanz: Verflüssigungswärme: Klärungswärme:
p-Azoxyanisol 7,48 Kal. 0,181 Kal.
p-Azoxyanisolphenetol 3,65 - 0,291 -
p-Azoxyphenetol 6,01 - 0,458 -
p-Methoxyzimtsäure _ 0,623 -
p-Azoxybenzoésdureaethylester . — 5,335 -
Cholesterylbenzoat — 0,130 -
- Betrachtet man die beiden vorstehenden Tabellen, so bemerkt man eine
sehr interessante Tatsache: Im allgemeinen ist der Übergang krystallisiert —
flüssig mit einem beträchtlichen Wärmeeffekt verbunden, während bei poly-
morphen Umwandlungen innerhalb des festen Zustandes nur geringe Wärme-
tönungen auftreten; die Schmelzwärmen sind viel größer als die Umwandlungs-
wärmen. Bei den weichen und fließenden Krystallen haben wir das umgekehrte
Bild: Der Übergang von den festen zu den weichen oder flüssigen krystalli-
nischen Stoffen, also der Übergang von einer krystallisierten Form in die andere,
der der polymorphen Umwandlung entspricht, zeigt eine verhältnismäßig große
Wärmetönung, die von derselben Größenordnung ist wie die gewöhnliche
Schmelzwärme. Die Klärungswärme hingegen, die als Übergang fest — amorph-
flüssig der Schmelzwärme entspricht, ist in der Regel sehr klein; in der Größen-
ordnung folgt sie der Umwandlungswärme bei den gewöhnlichen polymorphen
Umwandlungen. Die Folgerung, die wir aus dem Gesagten ziehen müssen, ist
eer, EE, eg
die, daß die weich und die flüssig krystallinischen Stoffe ihrem Energie-
inhalte nach den eigentlichen Flüssigkeiten in der Tat sehr nahe und zwar
näher als den gewöhnlichen festen Krystallen stehen, ein nach Ansicht des
Berichterstatters sehr wesentliches Ergebnis, dessen Prüfung an weiterem
Material dringend wünschenswert wäre.
Das bis jetzt Gesagte bezieht sich auf die trüben Flüssigkeiten, die als
Aggregate von weichen und flüssigen Krystallen aufzufassen sind. Als besonders
wesentlich für das Studium der weichen und flüssigen Krystalle mußte aber die
Isolierung einzelner Krvstallindividuen erscheinen, und in der Tat sind auch
die interessantesten Beobachtungen an diesen gemacht worden. Bevor wir
uns jedoch deren Besprechung zuwenden, wollen wir uns kurz die Er-
scheinungen an sehr kleinen Flüssigkeitsmengen in die Erinnerung zurück-
rufen.
Kleine Flüssigkeitsmengen nehmen bekanntlich infolge einer auf ihre
Oberfläche wirkenden Kraft, der sogenannten „Oberflächenspannung“, Kugelform
an. Die Oberflachenspannung sucht nämlich die Oberfläche der Flüssigkeit so
klein wie irgend möglich zu machen, und die Kugel ist gerade derjenige Körper,
der von allen Körpern mit demselben Rauminhalt die kleinste Oberfläche hat.
Vollen Erfolg hat die Obertlächenenergie allerdings nur dann, wenn ihr nicht
andere Kräfte allzu hindernd in den Weg treten. So zeigen z. B. größere
Flüssigkeitsmengen die charakteristische Kugelgestalt nicht mehr, weil die
Schwere die gesamte Masse so tief wie möglich zieht, und bei festen Flüssig-
keiten, d. h. bei festen amorphen Körpern, fehlt die für die gewöhnlichen
Flüssigkeiten charakteristische leichte Verschicbbarkeit der einzelnen Teilchen,
sodaß diese der Oberflächenspannung nicht mehr so leicht zu folgen im Stande
sind. Gleichwohl ist die Wirkung der Oberflächenspannung auch bei festen
amorphen Stoffen unverkennbar, denn bei sorgfältiger Beobachtung erkennt man
z. B. leicht, daß die scharfen Spitzen und Kanten von festem Asphalt sich mit
der Zeit abrunden: der größte Feind der scharfen Spitzen und Kanten ist in der
Tat die Oberflächenspannung. Etwas anders als bei den festen amorphen
Stoffen liegen die Verhältnisse bei den krystallisierten Körpern. Während ein
amorpher Stoff, wenn er durch ein geeignetes Mittel, etwa indem man ihn in
einer Flüssigkeit von demselben spezifischen Gewicht suspendiert, von der
Wirkung der Schwerkraft frei gemacht wird, mit der Zeit stets Kugelgestalt an-
nehmen wird, mag dies auch infolge der schweren Verschiebbarkeit der
Teilchen sehr lange dauern, wirkt bei einem krystallisierten Stoff die
Tendenz, eine bestimmte charakteristische Form, die Krystallform, anzunehmen, `
der Ausbildung der Kugelform entgegen. Bei den gewöhnlichen Krvstallen sind
nun die der Oberflachenspannung hindernd entgegentretenden Kräfte, einerseits
das Bestreben die Krystallform anzunehmen, und andrerseits die schwere Ver-
schiebbarkeit der Teilchen, die Starrheit des Krystalls, im Verhältnis zu ihr so
stark, daß die Wirkung der Oberflächenspannung praktisch kaum merklich in
Frage kommt. Es wäre aber falsch, aus dieser Tatsache den Schluß zu ziehen,
daß die Oberflachenspannung sich auf die amorphen Stoffe beschränke,
denn zu einer derartigen Beschränkung liegt kein einziger stichhaltiger Grund
vor, und die Beobachtungen an den weichen Krystallen widersprechen ihr sogar.
Denken wir uns jetzt einen Krystall, dem die Krvstallisationskraft zwar die
übliche von Spitzen, Kanten und ebenen Flächen begrenzte äußere Form zu
geben sucht, dessen Teilchen sich aber trotzdem ohne große Schwierigkeit in
E oe
jeder Richtung verschieben lassen, also einen in allen Richtungen nur wenig
starren Krystall. Welchen Einfluß wird die Oberflachenspannung auf ihn aus-
üben? Die Beantwortung der Frage bietet keine Schwierigkeiten. Die Krystal-
lisationskraft strebt zu einem normalen Krystall, die Oberflächenenergie zu
einem kugeligen Gebilde hin, und da beide Kräfte, dank der zur Voraussetzung
genommenen Beweglichkeit der Teilchen, frei gegeneinander wirken können, so
wird das Ergebnis ein Gleichgewichtszustand sein. Ist die Krystallisations-
kraft sehr groß gegenüber der Oberflachenspannung, so wird durch diese der
normale Krystall nur an den Ecken und Kanten ein wenig abgerundet werden.
Je größer aber die Oberflächenenergie gegenüber der Krystallisationskraft wird,
um so mehr wird sich die Form des Gebildes der Kugel nähern, und schließlich
wird der Krystall äußerlich vollkommen zur Kugel werden. Äußerlich, aber
nicht im Innern! Denn die Oberflachenenergie wirkt nur an der Oberfläche,
aber nicht im Innern. Im Innern des Gebildes kann die Krystallisationskraft
ungehindert von der Oberflachenenergie freischaltend die Moleküle in be-
stimmter symmetrischer Weise anordnen: Die Kugel hat im Innern durchaus die
für den Krystall charakteristische Anordnung der Moleküle behalten, sie ist trotz
ihrer äußeren Form immer noch ein Krystall, zeigt also z. B. Doppelbrechung
des Lichts usw. |
Die neueren Entdeckungen, die den Gegenstand dieser Mitteilung bilden,
haben nun gezeigt, daß die Gebilde, deren Möglichkeit wir soeben theoretisch ab-
geleitet haben, tatsächlich existieren: Es sind das die fließenden und die flüssigen
Krystalle, wobei wir nach dem Vorgange von Lehmann unter fließenden Krystallen
solche verstehen, bei denen die Formkraft stärker als die Oberflächenspannung ist,
sodaß auch äußerlich noch die eigentliche Krystallform zu erkennen ist, nur daß
die Ecken und Kanten durch die Oberflächenenergie bereits abgerundet sind,
während wir als flüssige Krystalle die bezeichnen, bei denen der überwiegende
Einfluß der Oberflachenspannung die Deformation des Krystalls zur Kugel, zu
einem „Krystalltropfen“, erzwungen hat. Ein prinzipieller Unterschied zwischen
fließenden und flüssigen krystallen
besteht also nicht, der Unterschied og Pen d Ag s ee RR en TE
zwischen ihnen ist nur graduell. un” IE a E |
D . e . > & ke th d Ce . ' A.
Die Isolierung einzelner fließen- |f ees J A á "e
der und flüssiger Krystalle aus den {f 7 d Le
_ Aggregaten weicher Krystalle, von
denen wir weiter oben gesprochen
haben, gelang Lehmann dadurch,
daß er kleine Mengen der trüben Flüs-
sigkeiten in geeigneten Lösungsmitteln,
Olivenöl, Glyzerin, Petroleum, Kolo-
phonium usw., suspendierte und sic
dann mikroskopisch untersuchte.
Als Beispiel für fließende Kry- Abb. 7.
stalle mag hier der p-Azoxybenzo¢saure- Die fließenden Krystalle des p-Azoxybenzot-
aethylester angeführt werden: In SE
einem geeigneten Lösungsmittel aufge-
schlämmt bildet der p-Azoxybenzoüösäureaethylester lange dünne nadelförmige
Krystalle, bei denen durch die Wirkung der Oberflächenspannung die Spitzen
und Kanten bereits etwas abgerundet sind. „Man kann förmlich greifbar wahr-
z bi
nehmen“, sagt Lehmann, „daß der einzelne Krystall gewissermaßen in eine
elastisch gespannte Oberflachenhaut eingeschlossen ist, welche ihn zur Kugel zu
deformieren sucht, woran sie aber durch die widerstehende Kraft der Elastizität
gehindert wird.“ An der richtigen Krystallnatur dieser Nadeln ist nicht zu
zweifeln, denn sie lassen eine Reihe charakteristischer Krystalleigenschaften
deutlich erkennen. Sie zeigen Doppelbrechung und besitzen einen wohl aus-
geprägten Dichroismus, da sie in polarisiertem Lichte, je nach der Richtung, in
der das Licht sie durchsetzt, verschiedenfarbig, teils gelb, teils farblos er-
scheinen. In der nebenstehenden Abb.7 sind die Stäbchen abgebildet.
Analoge Erscheinungen
treten bei dem ölsauren Am-
monium auf, dessen fließende
Krystalle in der Abb. 8 abge-
bildet sind, aber hier tritt der
Einfluß der Oberflachenspan-
nung noch stärker als bei den
Krystallen des p-Azoxybenzoč-
saureaethylesters in Wirk-
samkeit. „Die Flächen und
Kanten sind stark gerundet“,
sagt Lehmann, „sodaß hier-
nach eine nähere Bestimmung
der Form nicht wohl möglich
ist. Der Querschnitt erscheint
in der Regel nahezu kreis-
förmig, doch glaube ich in ein-
Abb. 8. zelnen Fällen. deutlich\beob-
Die fließenden Krystalle des ölsauren Ammoniums achtet zu haben, daß er in
BON Wirklichkeit sechseckig ist, daß
somit die Krystalle wahrschein-
lich als sehr steile hexagonale Pyramiden zu betrachten sind.“ Beim ölsauren Ammo-
nium haben sich auch, ein weiterer Beweis für die Krystallnatur der Gebilde,
Ätzfiguren beobachten lassen, d. h. es wird bei sehr schwacher Einwirkung eines
Lösungsmittels auf eine Krystallfläche diese nicht gleichmäßig angegriffen, son-
dern es bilden sich auf ihr kleine, charakteristische Figuren aus, die entweder |
besonders leicht oder besonders schwer angreifbaren Partien
a> entsprechen und deren Form und Anordnung mit dem vorliegen-
den Krystallsystem in engster Beziehung stehen.
_ Abb. 9. Als Mittelglied zwischen den fließenden und den flüssigen
Kaas Krystallen kann das Cholesterylbenzoat angeführt werden. Wie
Cholesteryl- aus der Abb. 9 hervorgeht, sind die einzelnen Krystalle ei- oder
er linsenförmig gestaltet; von der geraden Begrenzung sind nur
noch zwei Kanten übrig geblieben, die allein auch äußerlich
noch an die durch die Erscheinungen der Polarisation erweisbare Krystallnatur
des Gebildes erinnern.
Die ersten Beispiele von wirklich flüssigen Krystallen, d. h. solchen
Krystallen, die unter dem Einfluß der Oberflächenspannung Kugelform annehmen,
ohne dadurch ihre Krystallnatur einzubüßen, sind von Gattermann entdeckt
und von Lehmann näher untersucht worden: es waren das p-Azoxyanisol, das
gen EE eg
p-Azoxyphenetol und das p-Azoxyanisolphenetol. Die Eigenschaften der nach
dem weiter oben angedeuteten Verfahren isolierten kugelförmigen Einzel-
krystalle oder Krystalltropfen beschreibt Lehmann folgendermaßen: „Im
Gegensatz zu den zusammenhängenden Massen, welche stets Aggregate vieler
Individuen sind, erscheinen die isolierten einfachen Krystalltropfen nicht trübe,
sondern durchaus klar. Von den gewöhnlichen Flüssigkeitströpfchen lassen sie
sich ohne weiteres dadurch ben ist (vergl. Fig. 10). Un-
unterscheiden, daß sie im In- möglich ist es aber, Krystall-
nern eine eigentümliche Schatt- individuen mit polyedrischer
tierung zeigen, nämlich, falls Umgrenzung oder auch nur
sie sich in dem Zwischenraum eine Andeutung einer solchen
zwischen Objekttrager und Ss zu erhalten.“ Dreht sich ein
Deckglas frei bewegen können Abb. 10. flüssiger Krystall, der den
und die Temperaturdifferenz Abbildung eines dunklen Punkt in der Mitte
ee Krystalltropfens : e 2 5
oben und unten möglichst ge- in "` der ersten zeigt, in der strömenden Füs-
ring ist, einen dunklen ... ange nach sigkeit um eine horizontale
Punkt in der Mitte, welcher er Axe um 90°, so bietet er, wie
von einem grauen Hof umge- die Abb. 11 bis 16 zeigen, ein
anderes Bild, nämlich das Bild einer auf der Kante stehenden, die Oberfläche der
Kugel gerade berührenden Linse. Die Lage,die derKrystalltropfen gerade hat,wenn
das erste Bild erscheint, bezeichnet Lehmann als erste Hauptlage und unter-
Abb. 11. Abb. 12. Abb. 13. Abb. 14. Abb. 15.
Zwischenstadien eines aus der ersten in die zweite Hauptlage sich drehenden Krystalltropfens
nach Lehmann.
scheidet sie von der zweiten Hauptlage, die dem Linsenbild entspricht. Be-
trachtet man die in der ersten Hauptlage befindlichen Tropfen im polarisierten
Lichte, so erkennt man, wie die nebenstehende Abb. 17 andeutet, daß die vier
Sektoren verschieden gefärbt sind, und zwar
besitzen je zwei gegenüber liegende Sektoren
dieselbe Farbe: Die Krystalltropfen zeigen
also die bei Krystallen sehr häufig auftre-
tende Erscheinung des Dichroismus.
Bringt man einen in der ersten Haupt-
Abb. 16. lage befindlichen Krystalltropfen in ein starkes
en magnetisches Feld, so sucht er die zweite en nn
in der zweiten Hauptlage anzunehmen, ebenfalls ein Beweis ersten Hauptlagebei
ge de für die Anisotropie der Tropfen. | ran
Nachdem wir uns einen kurzen Über- nach Lehmann.
blick über die Erscheinungsreihe fließen-
der Krystall — flüssiger Krystall verschafft haben, wollen wir, indem wir
wegen der vielen beobachteten und nur schwer genauer zu erklärenden Einzel-
heiten auf die am Schlusse dieses Berichtes angeführte Literatur verweisen,
nur noch einige besonders interessante Phänomene schildern.
E en
Ein hübsches Beispiel für die fast schon flüssige Natur der flieBenden
Krystalle, oder mit anderen Worten für den großen Einfluß, den die Oberflächen-
spannung auf die Krystalle ausübt, bieten Beobachtungen, die an den flieBenden
Krystallnadeln des p-Azoxybenzoösäureaethylesters gemacht worden sind:
Kommt eine der Krystallnadeln dieses Esters in der Flüssigkeit mit einer Luft-
blase so zusammen, daß die Spitze des Krystalles senkrecht zu deren Ober-
fläche steht, so erleidet der Krystall eine merkwürdige Veränderung. An der
Berührungsfläche fängt er an, sich zu verbreitern, während die Masse des
Krystalls nachrückt, und schließlich wird aus ihm eine Pyramide, deren konkave
Basis auf der Luftblase ruht. Die nebenstehenden Abb. 18a—d verdeutlichen
das Gesagte. Bei dieser Formveränderung behält der Krystall, wie Lehmann
ausdrücklich betont, seine Krystallnatur: „Die Ausbreitung und Verzerrung des
Krystalles erfolgt derart, daß die Auslöschungsvorrichtungen überall senkrecht
zur Oberfläche der Blase stehen und ebenso die Streifung, welche stets der
Längsrichtung der Krystalle entspricht.“ Diese Erscheinung ist allgemein:
deformiert man einen weichen oder flüssigen Krystall, zerrt man etwa einen
Ee A
E
a
Abb. 18. Abb. 19.
Deformation eines Krystalles von p-Azoxybenzoösäure- Verschmelzung zweier Krystalle
aethylester beim Zusammentreffen mit einer Luftblase des p-Azoxybenzoésadureaethyl-
nach Lehmann. esters nach Lehmann.
fließend weichen Krystall von ölsaurem Ammonium senkrecht zur Längsrichtung,
so sucht er seine innere Struktur so gut wie möglich zu bewahren oder sie,
wenn er sie durch einen allzu stürmischen Angriff verloren hat, so schnell wie
möglich wiederzugewinnen.
Besonders eigenartige Phänomene treten auf, wenn zwei fließende oder
flüssige Krystalle zusammenstoßen. Als Beispiel mögen hier zunächst wieder
Beobachtungen am p-Azoxybenzoésaureaethylester angeführt werden. Die vor-
stehende Abb. 19 gibt ein typisches Bild der Beobachtungen: Treffen die Nadeln
a und 6 oder a und c so, wie es die Figur zeigt, schräg zusammen, so drehen
sich im Augenblicke der Berührung die Nadeln mit außerordentlicher Ge-
schwindigkeit so, daß sie parallel sind, und verschmelzen nunmehr zu einem
einzigen an der Verbindungsstelle verdickten Krystall, der sich bei der optischen
Untersuchung als vollkommen einheitlich erweist. Treffen hingegen die beiden
Krystalle nicht schief, sondern genau rechtwinklig aufeinander, so wachsen sie
zwar auch zusammen, aber sie bilden in diesem Falle nicht ein einheitliches
Ganzes, sondern einen Zwilling, dessen beide Komponenten etwa im polarisierten
Lichte betrachtet verschiedene Färbung zeigen.
e: ER as
Auch die Verschmelzung zweier. flüssiger Krystalle oder zweier Krystall-
tropfen erfolgt, wie ja nicht anders zu erwarten ist, in streng regelmäßiger
Weise, und zwar so, daß in den beiden Hälften des neugebildeten großen
Tropfens die eigentümliche Struktur der Komponenten erhalten bleibt. Die ent-
` Abb. 20. Abb. 22. Abb. 23.
Darstellung einiger durch Verschmelzung zweier Krystalltropfen in der ersten Hauptlage
entstandener Gebilde nach Lehmann.
stehenden Strukturen stellen sich verschieden dar, je nachdem die Verschmel-
zung in der ersten oder in der zweiten Hauptlage erfolgt. Einige häufigere Bei-
spiele sind in den nebenstehenden Abb. 20 bis 27 wiedergegeben, von denen die
vier ersten einer Vereinigung in der ersten, die anderen einer solchen in der
zweiten Hauptlage entsprechen. Auch kompliziertere Fälle sind von Lehmann
Abb. 25 Abb. 26. Abb. 27.
Darstellung einiger durch Verschmelzung zweier Krystalltropfen in der zweiten Hauptlage
entstandenen Gebilde nach Lehmann.
oft beobachtet worden. Alle diese Gebilde aber, die aus zwei oder, falls mehr
als zwei Tropfen zusammengetreten sind, aus mehreren Teilen bestehen, sind
wenig beständig: schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit treten Umlagerungen
ein, die schließlich zu einem homogenen Krystalltropfen führen.
Bruchstücke eines gewöhnlichen starren Krystalls ergänzen sich in über-
sättigter Lösung bekanntlich wieder zu vollen Krystallen. Diese Tendenz, voll-
ständige Krystalle zu bilden, be-
sitzen auch die fließenden und die
flüssigen Krystalle. Die neben-
stehende Abb. 28, in der die Zer-
teilung eines verzerrten flüssigen
Krystalls und die Ergänzung der
Bruchstücke zu zwei vollständigen
Krystallen schematisch wiederge-
geben ist, erläutern das Gesagte
zur Genüge. —
Das Vorstehende gibt nur einen kleinen Bruchteil der vielen verschieden-
artigen, oft sehr komplizierten Erscheinungen wieder, die an den fließenden und
den flüssigen Krystallen beobachtet worden sind. Alle diejenigen, die sich mit
dem in der Tat sehr reizvollen Gebiete näher beschäftigen wollen, seien auf
Abb. 28. `
Gewaltsame Zerteilung eines Krystalltropfens in zwei
kleine Krystalltropfen nach Lehmann.
— 5 `
die am Schlusse angeführten Sammelarbeiten, in denen sie alle nötigen Literatu r-
angaben finden werden, und vor allen Dingen auf die Natur selbst hingewiesen.
Geeignete Apparate zur subjektiven Beobachtung und zur Projektion der merk-
würdigen Phänomene sind von angesehenen Firmen, von denen hier besonders
Voigt und Hochgesang (R. Brunnée) in Göttingen für einfache und Carl
Zeiß in Jena für vollkommene Einrichtungen genannt werden mögen, konstruiert
worden. Anweisungen zur Herstellung der wichtigsten Präparate findet man
außer in der Originalliteratur in dem am Schlusse dieses Aufsatzes angeführten
Werke von Schenck; jedoch sind die Präparate auch zu verhältnismäßig
billigen Preisen im Handel, etwa bei C. A. F. Kahlbaum in Berlin oder
E. Merck in Darmstadt, zu haben, (Fortsetzung folgt.)
333333333333333333333333333333333333333333333
scheint und der nach einer brieflichen Nachricht von Prof. Berberich und einer Bahnbestimmung
von Herrn Ebell in A. N. 4456 mit dem periodischen Kometen identisch ist, den Faye im Jahre 1843
in Paris am 22. November entdeckt hat. Die erste elliptische Bahn dieses Kometen ist zurzeit von
Goldschmidt in Göttingen berechnet; nach seiner ersten Wiedererscheinung im Jahre 1851 und
der zweiten im Jahre 1858 bat Möller eine neue Bearbeitung des Kometen unternommen und dabei
auch die Frage des Einflusses eines widerstehenden Mittels auf den Lauf dieses Kometen eingehend
untersucht. Der Komet, welcher eine Umlaufzeit von 7'/; Jahren hat, konnte auf Grund dieser Vor-
ausberechnung im Jahre 1865, 1873, 1880, 1888 und 1895 wieder beobachtet werden. Die jetzige
Erscheinung ist die hellste und günstigste seit der Entdeckung des Kometen im Jahre 1843. Seine
Helligkeit nimmt allmählich ab und ist am 1. Dezember gleich der eines Sternes 10,4. Größe,
am 5. Dezember 10,5. Größe. Er steht am 31. Dezember in Rekt. = 3° 46" 40° und Dekl. = + 3°
30.7. Der Fayesche Komet hat bereits am 23. Oktober 1910 seine Sonnennähe passiert und stand
damals 247 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Am 5. Dezember ist er bereits in eine
Entfernung von 308 Millionen Kilometer von der Sonne gerückt. Von der Erde steht er an diesem
Tage nur 168 Millionen Kilometer ab und ist während der ganzen Nacht bequem zu beobachten. Er steht
alsdann nahe dem kleinen Stern u im Stier und bildet mit den beiden Sternen v und o des Stiers
ein gleichschenkliches Dreieck. Seine Ausdehnung ist etwa 1’ und sein Kern erscheint etwas
granuliert, was von Barnard als eine besondere Eigentümlichkeit der kurzperiodischen Kometen
angesehen wird. $ ý *
Fir die Beobachtung der hellen Planeten am Tage finden wir eine Anleitung von
J. Stoben in den Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie (1910, Heft IV, S.192). Be-
sonders häufig wird von Schiffen aus die Beobachtung von Jupiter und Venus unternommen. Man
berechnet dazu für den betreffenden Ort Höhe und Azimut des Gestirns und stellt den gewöhnlichen
Oktanten für Nachtbeobachtung mit Doppelglas auf diese Höhe ein Dann echt man nach dem
Kompaß in die Richtung des errechneten Azimuts und sucht mit dem senkrecht vor den Augen
gehaltenen Instrument die Kimm ab. Sehr bald erscheint die Venus im Spiegel, da sie sich am
hellen Mittag als blitzende Silberkugel darstellt. Die Gestirne am Himmel direkt aufzusuchen ist
wohl in den seltensten Fällen möglich.
* *
+
Seebeben im Bismarck-Archipel wurden in der Zeit von September bis Dezember 1909
beobachtet. Laut Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie (Heft VII, 1910, S. 383)
wurden Seebeben im Friedrich-Wilhelm-Hafen am 6. September und im Matupi-Hafen am 18. November
und 8. Dezember 1909 wahrgenommen. Am längsten dauerte das Seebeben vom 8. Dezember, es
konnten gegen 2 Uhr mittags im ganzen 8 Stöße festgestellt werden, von denen die längste Er-
schütterung 30 Sek. dauerte. Das Schiff „Planet“, von dem der Bericht stammt, wurde so stark
erschüttert, daß sogar die Mannschaft an Deck glaubte, es wäre etwas besonderes vorgefallen. Der
— 59 —
Kompaß schlug um !/, Strich aus. Dieselben Beobachtungen wurden auch von „Cormoran“ gemacht,
die zu jener Zeit ebenfalls im Hafen von Matupi lag.
„Planet“ berichtet ferner von einem starken Seebeben in Matupi in der Nacht vom 24. zum
25. Februar 1910. Ohne vorherige Anzeichen setzte es um 12" 52™ mit einem 4 Sekunden langen
Stoß ein, der den Eindruck hervorrief, als ob das Schiff eine Kollision erlitten hätte oder aufgelaufen
wäre. Eine Minute später folgte ein weiterer Stoß von 6 Sekunden. Der Kompaß zeigte einen
Ausschlag von 4 Strichen. Zu gleicher Zeit machte sich ein starker Schwefelgeruch bemerkbar.
Am Lande verspürte man das Seebeben sehr stark, ia den Häusern stürzten sogar Gegenstände herab.
a 00.
Jean Mascart, Astronome de l'Observatoire de Paris, Le tremblement de terre en
Bretagne (5. Aoüt 1909), Paris 1910, 17 Seiten. I
Diese Broschüre enthält mehr als ihr Titel anzeigt: Der Autor behandelt darin nicht nur das
Erdbeben in der Bretagne vom 5. August 1909, sondern bringt auch einige zeitgenössische Berichte.
über früher stattgefundene Erdbeben, so über das berühmte Erdbeben in Lissabon am 1. November 1755,
das u. a. einen unauslöschlichen Eindruck auf Goethe in seiner Kindheit gemacht hatte.
Am 5. August 1909 hörte man in Brest gegen 3 Uhr nachmittags plötzlich eine heftige
Detonation; ohne an ein Erdbeben zu denken, hielt man sie für eine Explosion in einer chemischen
Fabrik, an einigen Stellen der Stadt sogar nur für das Rollen eines schweren Wagens. Die eigentliche
Erschütterung begann um 3® 11™ und dauerte ungefähr 3 Sekunden lang. Die Barometerkurve wies
Ausschläge jedoch schon um 11" morgens und 1" 45” mittags auf, blieb dann aber bis um 3° 11"
unverändert. Ein Barometer in der Marine-Präfektur wurde so heftig erschüttert, daß die Tinte das
ganze Blatt befleckte und die Kurve verwischt wurde. Das Bureau der transatlantischen Kabel notierte
3 Stöße, der erste, der heftigste, dauerte 1 Sekunde, der zweite, der etwas schwächere, dauerte
ungefähr 3 Sekunden, der dritte dauerte, stetig anwachsend, fast 9 Sekunden. Das Erdbeben verursachte
keinen Schaden, nur auf Place Sadi Carnot wurden Gegenstände umgestürzt und Scheiben zertrümmert.
Der Verfasser ist gegen jede vulkanische Erklärung dieses Erdbebens, da es in der Bretagne
niemals Vulkane gegeben hat. Bis jetzt ist überhaupt der notwendige Zusammenhang zwischen
Erdbeben? und vulkanischen Ausbrüchen noch keineswegs als bewiesen zu betrachten.
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M. W. aus Berlin. Frage 1. Wie stellt man Helligkeitsmessungen an Fixsternen an?
_ Helligkeitsmessungen werden mit Hilfe von Photometern (Lichtmessern) vorgenommen. Die
wichtigsten in Betracht kommenden Photometer sind das Steinheilsche Prismenphotometer, das
Zöllnersche Astrophotometer und das Glaskeilphotometer. Das Steinheilsche Instrument hat ein
geteiltes Objektiv, vor jeder Hälfte desselben befindet sich ein Prisma, deren eines auf eine variable
Lichtquelle einzustellen ist, während das andere auf die verschiedenen Sterne gerichtet wird. Sind
beide Hälften gleich hell, so kann man die entsprechende Helligkeit ablesen. Bequemer in seiner
Art, aber theoretisch schwieriger ist das Zöllnersche Instrument, daß sich die Eigenschaft des
polarisierten Lichtes zu Nutze macht.
Das Prinzip beider Instrumente ist dasselbe wie es in den phy sikalischen Meßmethoden im
physikalischen Praktikum vorgenommen wird.
Frage 2 Bei welcher Vergrößerung sind Jupiter und Saturnsatelliten zu sehen?
Diese Frage ist viel zu allgemein gestellt. Mit den einfachsten Vergrößerungen etwa 3 bis
5fach kann man die Jupitermonde 1, 2 und 3 sehen, zu Jupitermond 4 gehört eine stärkere Ver-
größerung. Jupitermond 5 ist mit den bis jetzt stärksten Vergrößerungen nur bei Abblendung der
Jupiterscheibe zu sehen, die anderen Monde sind nur auf photographischem Wege zu ermitteln und
dem Auge verschlossen. Die Jupitermonde 1 bis 4 sind in den Größenordnungen 6 bis 7, die 5 bis
8 sind in den Größenordnungen 13 bis 17. Der größte Saturnmond Titan ist ein Stern von der
Helligkeit 9,4 der schwächste 17,5. Größe.
— 60 —
‚Mathematische und astronomische Gnterrichtskurse
von Doc. Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
Im neuen Hörsaal der Treptow - Sternwarte, Treptow bei Berlin, Alt-Treptow 1
a~ Dienstags 6—7 Uhr abends. Beginn: 10. Januar 1911. eg
Einführung in die höhere Mathematik.
Funktionentheorie und Differentialrechnung.
A. Funktionentheorie. Begriff der Funktion, ihre geometrische Darstellung. — Grenz-
begriffe. — Binomischer Lehrsatz.
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Differentiation der verschiedenen Funktionen. — Lineare, trigonometrische und Kreisfunktionen
— Differentiation von Funktionen mit zwei Veränderlichen. — Anwendungen aus der Astronomie
und Physik.
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wendungen von der ersten Stunde an zu ihrem Rechte kommen.
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Uber die Bestimmung der Zeit und thre Weitergabe.
Mit Lichtbildern, Demonstrationen und praktischen Übungen auf der Plattform der
` Treptow-Sternwarte.
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Zeitarten. — Präzisionsuhren und ihre Vergleichung. — Die Erde als Uhr. — Die verschiedenen
Methoden der Zeitbestimmung. — Zeitbestimmung im Luftschiff. — Die telegraphische Weitergabe
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Wellentelegraphie. — Zukunft der Zeitverwaltung.
Die Hörerkartın sind schon sium ersten Vortrage mitzubringen und jedesmal als Aus-
weis vorzuseigen.
Hörgebiühr für den zehnslündigen Kursus 7 M., für Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 6,50 M.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow, für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
PARELIA, CVM AR:
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Mifnia ad Albim, Anno 1578 die 18.
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A Idimus en iterum geminos fulgefcere
S e ey Soles,
Wat Horridadue aduerfo pralia Marte
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Vidimus in coelo diros arfiffe Cometas,
Atgalia irati triftia figna Dei,
CHRISTE Dei fili, coeleftis imago Parentis,
Fulgur, de Patris lumine Jumen, honor,
O Sol lufticiz, Rerum natura fatifcit,
Dum grauiter mundum curua fenedta premit,
Multa fecutur& monftrantur figna ruing,
Quz finem præ fe prodigiofa ferunt,
Perpetuz his que funtauror& nuncia vitæ,
Qui tua conftanti pectore iufla colunt.
Venturz his trifti portendunt omine clades,
Qui te contemnunt, & tua iuffa,Deus.
Ceelitus obfigna nobis oracula Legis,
Noftro Euangelij dogmata corde liga.
Quz Patris € gremio nobis arcana tulifti,
Quz monftrant vera fola falutis iter.
F range potens Sathanam,fzuos compefce Tyrannos,
Hoftibus & cun&is inijce frena tuis.
Neblafphema cohors, prohibe, conuicia iactet,
Infertosquetibi nos tua dextra tegat.
Nofter es Emmanuel, nobifcum CHRISTE maneto.
Nos verbi zternum lux tua clara regat.
Sunt tenebræ finete, nobis da CHRISTE precamur
Noticiam Patris, noticiamque tui.
Denig nos facias animis concordibus omnes
Vnanimi laudes ore fonare tuas.
M. Martinus Henricus Profeffor Ebrxx
linguæ in Academia Vitebergenfi.
Vuitebergx excudcbant Clemens Schleich & Antonius Schone.
Beilage zur illustrierten Zeitschrift „Das Weltall“.
CS
Illustrierte Zeitschrift fiir Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 5. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1910 Dezember 1,
Berlin-Treptow. |
Diese Zeitschrift erscheint zweimal im Monat. — <Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treplow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post-
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pjg. — Anseigen-Gebühren: 1 Seite 80.— MR., 1, Seite 45.—
1/, Seite 25.—, 1/, Seite 15.—, (iw Seite 8—. Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewicht.
INHALT
3. Der gestirnte Himmel im Monat Januar 1911. Von
1. Nebensonnen mit farbigen Bogen. Von Dr. FS Dr. F.S.Archenhold ....... «ee eee 71
Archenhold. (Mit einer Beilage). . . «+. + + + + 61 | 4. Mathematische und astronomische Untervichtskurse
2. Einiges von den flüssigen Krystallen. Von Dr. Werner von Doc. Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-
Mecklenburg. (Fortsetzung). >... : ee... 63 Sternwarte, a0. e BR ee a Re eR eG 76
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet. _
Nebensonnen mit farbigen Jgogen.
Von Dr. F. S. Archenhold.
(Mit einer Beilage.)
Gassentich der Zusammenstellung der Einblattdrucke von Kometen-
erscheinungen für die Ausstellung, welche bei der Erdnähe des Halleyschen
Kometen in den Räumen der Treptow-Sternwarte veranstaltet worden ist, fand ich
einen interessanten alten Einblattdruck von einerHaloerscheinung umdieSonne, die
am 18. Februar 1578 in Meißen a. E. beobachtet worden ist und von Martinus
Henricus, dem Professor der hebräischen Sprache an der Universität Witten-
berg, in Gedichtform beschrieben und bei Clemens Schleich & Antonius
Schöne zu Wittenberg gedruckt wurde. In der Zeit, als der herrschende
Wunder- und Aberglauben allerorten eine weite Verbreitung fand, war es nur
konsequent, auch die atmosphärischen und kosmischen Erscheinungen als über-
natürlich anzusehen. Wir verstehen daher, daß jedesmal, wenn eine solche
außerordentliche Erscheinung auftrat, zahlreiche Flugblätter mit kurzen Be-
schreibungen in Gestalt von Einblattdrucken oder sogenannte Prognostika große
Verbreitung fanden und oft die Angst, welche das Volk bei der Beobachtung
solcher Erscheinungen befiel, erhöhten und wissenschaftlich zu begründen ver-
suchten. In einer Publikation über die Kometeneinblattdrucke werden die
hauptsächlichsten diesbezüglichen Blätter in einem besonderen Werke ver-
öffentlicht werden.
Bei den atmosphärischen Erscheinungen fanden insbesonders die Sonnen-
und Mondhöfe und Ringe, wie auch die Nebensonnen und Nebenmonde,
insgesamt auch Haloerscheinungen genannt, besondere Beachtung. Die Neben-
monde wurden „Paraselenae“, die Nebensonnen „Parhelia“ oder „Parelia“
genannt. Das uns vorlicgende Blatt zeigt Nebensonnen, „Parelia* genannt,
mit farbigen Bogen.
=. R
Wir geben hier diesen interessanten Einblattdruck in gleicher Größe auf
unserer Beilage wieder und fügen gleichzeitig eine Übersetzung des lateinischen
Gedichtes, welches Martinus Henricus auf diese Nebensonne verfaßt hat, bei:
Nebensonnen mit farbigen Bogen.
Beobachtet in Meissen a. Elbe am 18. Februar 1578.
De sehen wir auf einmal zwei Sonnen am Himmel erglanzen;
Wir sehen, wie dem Mars gegenüber schreckliche Schlachten geschlagen werden,
Wir sehen, wie am Himmel unheilvolle Kometen entflammen,
Und andere betriibende Zeichen des Zornes Gottes.
Christus, Du Sohn Gottes, Du Ebenbild Deines himmlischen Vaters,
Du blinkender Glanz, Licht vom Lichte des Vaters, Du Gott der Ehre!
Du Sonne (Lustitiae)? die irdische Natur geht dem Verfall entgegen,
Während das sorgenvolle Alter schwer auf der Erde lastet.
Vielerlei Zeichen erscheinen von dem kommenden Untergang,
Die seltsam das Ende vor sich hertragen.
Denen, die beständigen Herzens Deine Befehle ehren,
Denen sind dies immerwährende Vorboten des jüngsten Gerichtes;
Denen aber, die Dich verachten und Deine Befehle, o Gott,
Denen steht durch dieses traurige Zeichen kommendes Unglück bevor.
Der himmlische Vater möge uns die Weissagungen des Gesetzes fest in den Sinn prägen,
Er möge die Lehren seines Evangeliums eng mit unserm Herzen verbinden.
Du hast uns aus dem Schoße des Vaters diese Geheimnisse gebracht;
Sie zeigen uns den einzigen Weg, der zum wahren Heile führt
Vernichte mit Deiner Macht den Satan, und unterdrücke die grausamen Tyrannen,
Lege Zügel an Deinen Feinden, und denen, die mit ihnen gemeinsame Sache machen.
Verhindere, daß Dich die Menge lästert und Schmähreden schleudert
Möge uns, die Dir dienen, Deine Rechte behüten.
Unser bist Du, o Friedefürst, bleibe bei uns, o Christus!
Uns regiere in Ewigkeit das helle Licht Deines Wortes.
In Finsternis wandeln wir ohne Dich, Christus.
Wir bitten Dich, gib, daß wir Deinen Vater erkennen und Dich.
Endlich aber verleihe uns, daß wir alle gemeinsamen Herzens und aus einem Munde
Dein Lob erschallen lassen können.
M. Martinus Henricus,
Professor der Hebräischen Sprache an der Akademie Wittenberg.
(In Wittenberg gestochen von Clemens Schleich & Antonius Schöne.)
In Hellmanns Repertorium der deutschen Meteorologie 1883 finden wir
Seite 685 eine Literaturzusammenstellung solcher beobachteten Nebenmonde und
Sonnen, worunter auch das abgebildete Blatt erwähnt ist. In einer besonderen
Publikation „Wetterprognosen und Wetterberichte des 15. und 16. Jahrhunderts‘
hat Hellmann einen Nebensonneneinblattdruck vom Jahre 1509 und ein Halo-
phänomen vom Jahre 1551 reproduziert. Das erstere ist Samstag vor Weih-
nachten 1509 zu Prugk bei München geschen worden. Das Originalblatt be-
findet sich in der Kgl. Hof- und Staatsbibliothek zu München und dürfte wohl
der erste Einblattdruck sein, welcher diese Materie behandelt. Das zweite am
21. März 1551 zu Wittenberg gesehene Halophänomen ist nach den Beobach-
tungen von Paul Eber, der auch eine erste gute Beschreibung eines Nordlichts
vom 3. März 1562 in deutscher Sprache gegeben hat, schon in guter Ausführung
und genauer Auffassung der Naturerscheinung wiedergegeben. Wie solche Er-
scheinungen durch Beugung oder durch Brechung und Reflexion der Licht-
strahlen in der Lufthülle unserer Erde entstehen, hat Sieberg in einem be-
DC E
sonderen Artikel im dritten Jahrgang unserer Zeitschrift „Über ringförmige Ge-
bilde um Sonne und Mond, sowie verwandte athmosphärisch-optische Er-
scheinungen“ beschrieben. Hier findet der Leser auch einige erklärende Ab-
bildungen solcher Haloerscheinungen.?)
Wir geben hier zum Schluß noch einen Mondring mit Nebenmonden (Fig. 1)
nach einer Aquarellskizze von Fridtjof Nansen wieder, die derselbe in seinem
berühmten Werke „In Nacht und Eis“ beschrieben hat. In der Polarnacht am
24. November 1893, in der Nansen diese Haloerscheinung beobachtet hat, stand
der Mond so niedrig, daß der Ring den Horizont berührte. Der untere Teil
Fig. 1. Mondring mit Nebenmonden.
Beobachtet von Fridtjof Nansen in der Polarnacht am 24. November 1893.
zeigte eine stark gelbe Färbung, die später in Rot und Blau überging. Ähn-
liche Farben traten, wenn auch schwächer, an den Nebenmonden auf; oben am
Ring zeigte sich noch ein umgekehrter Lichtbogen und dort, wo der Ring und
die vom Mond ausgehende vertikale Achse den Horizont traf, entstanden helle
Lichtfelder. In der horizontalen Achse des Mondes waren an der Seite, wie
unsere Abbildung zeigt, auch noch schwache Lichtstreifen zu erkennen. Die
Ringgebilde werden hauptsächlich durch die Strahlenbrechung des Lichts
in den kleinen, in unserer Luft schwebenden Eiskrystallen erzeugt und
zeigen sich daher im hohen Norden besonders häufig und in stark aus-
geprägter Weise. MR
Biniges Von den flüssigen Krystallen.
Von Werner Mecklenburg.
(Fortsetzung.)
Allgemeines.
Die Zahl der krystallisierten Stoffe der organischen Chemie ist außer-
ordentlich groß, aber es ist bei der Fülle der Erscheinungen bisher noch nicht
gelungen, allgemeine Gesetzmäßigkeiten ausfindig zu machen, die den zweifel-
los vorhandenen Zusammenhang zwischen der chemischen Konstitution, d. h.
- 1) Vergl. auch den Artikel von W. Krebs, Jahrgang 2, Heft 24, sowie „Weltall“ Jahrgang 10,
Heft 13 und Heft 20.
= =
der Art und Weise, ‘wie sich die Atome zum Molekül angeordnet haben, und
der Krystallform regeln. Wohl aber kann der organische Chemiker in vielen
Fällen mit ziemlich großer Sicherheit nur auf Grund der Kenntnis der Struktur-
formel einer Verbindung allgemein sagen, ob der in Frage kommende Stoff eine
Flüssigkeit ist, oder ob er Krystalle bildet. Für das Studium der fließenden und
flüssigen Krystalle insbesondere war nun natürlich die Frage von : großer
Wichtigkeit, ob sich auch Beziehungen zwischen chemischer Konstitution und
der Bildung fließender oder flüssiger Krystalle würden feststellen lassen, denn
wenn es gelang derartige Beziehungen zu entdecken, so war damit die systema-
tische Aufsuchung der eigenartigen Stoffe ermöglicht, und man war bei ihrer
Auffindung nicht mehr auf den Zufall angewiesen. Die Beantwortung verdanken
wir den schönen Arbeiten von Prof. Vorländer in Halle:
„Die Beziehungen zur chemischen Konstitution,“ sagt Vorländer, „sind so
einfach, daß man jetzt krystallinisch-flissige Substanzen in beliebiger Anzahl
synthetisch darzustellen vermag, während man noch vor einigen Jahren nur
wenige Vertreter kannte. Das Resultat der chemischen Untersuchungen läßt
sich in dem Satze zusammenfassen: Der krystallinisch-flüssige aniso-
trope Zustand wird durch eine möglichst lineare Struktur der Mole-
küle hervorgerufen. Doch nicht jedes linear gebaute Molekül ist im flüssigen
Zustande krystallinisch. Wie überall auf solchem Gebiete physikalischer und
chemischer Eigenschaften treffen auch hier mehrere Umstände zusammen. Wir
finden im günstigsten Falle einige den Zustand beeinflussende Faktoren heraus,
doch es fehlt die Kenntnis, wie die Faktoren miteinander wirken.“
Eine lineare Struktur, im Sinne der Strukturformeln der organischen Chemie,
besitzen unter den aliphatischen Verbindungen z.B. die Ölsäure
CH,.CH,.CH,.CH,.CH,.CH,.CH,.CH,.CH = CH CH, CH CH CH. CH. CH. CH, COOH
und ihre Salze und unter den zyklischen Verbindungen z. B. die para-Substitu-
tionsprodukte des Benzols. Die Struktur des Benzols C,H, wird bekanntlich
durch das folgende Bild
CH = CH
SS Q
CH oder kurz durch ein Sechseck wiedergegeben) in dem jede
So ee / Ecke eine CH-Gruppe repräsentiert.
Die Wasserstoffatome können durch andere Atome oder Atomgruppen er-
setzt werden, und zwar kann man für den besonders wichtigen Fall, daß gleich-
zeitig zwei Wasserstoffatome ersetzt sind, also für den Fall der Disubstitutions-
produkte, drei verschiedene Arten der Substitution, die ortho-, die meta- und die
para-Substitution, unterscheiden. In der ortho-Stellung liegen die beiden er-
setzten H-Atome unmittelbar nebeneinander, in der meta-Stellung sind sie durch
eine CH-Gruppe getrennt und in der para-Stellung endlich liegen sie einander
gegenüber. Denken wir uns z.B. zwei Wasserstoffatome des Benzols durch je
eine Amidogruppe NH, ersetzt, so erhalten wir die sogenannten Phenylen-
diamine, und zwar je nach der Stellung die folgenden Stoffe:
NH, NH,
WZ OS HS HL“ N oder NH,Z
EE BW oder NH > NH, > oder NH, 2 NH. NH,
— Ai Tu TI gg
identisch identisch p-Phenylendiamin
o-Phenylendiamin m-Phenylendiamin
HE ` E
Einen linearen, d. h. einen möglichst gestreckten Bau, besitzen nun offen-
bar gerade die p-Substitutionsprodukte, und gerade bei ihnen finden wir die
liquokrystallinen Eigenschaften. In der folgenden Tabelle sind die wichtigsten
Atomgruppen, die als Substituenten in p-Stellung fließende und flüssige Krystalle
bilden, zusammengestellt:
Stickstofffreie Atomgruppen: Stickstoffhaltige Atomgruppen:
—0--CH, —N:N—
— 0— C,H, . —N-N—
— 0 — C,H, No/
— O0 — CO — CH, SC:N
— 0— CO — C,H, E e, d
— O — CO — C,H, No
— 0 — CO, CH, — C:N
_ Gm C0,C,H, — NH,
"gës T
— CH, = N(CH),
— CO,H i
—C:C.CO,H
— C:C.CO,;R
— CO—CH,
—C:C—-CO—R
—C:C—
—C:C-
— Cl
— Br
Durch Kombination der angegebenen Gruppen kann natürlich eine sehr
große Anzahl von Verbindungen mit liquokrystallinen Eigenschaften gewonnen
werden. | |
Außer der p-Stellung ist noch von Wichtigkeit die An- oder Abwesenheit
tautomeren Wasserstoffs und der Sättigungsgrad des Moleküls. Tautomerie, d.h.
die Erscheinung, daß ein H-Atom nicht an ein einziges anderes Atom fest ge-
bunden ist, sondern zwischen zwei Atomen hin und herpendelt, verhindert das
Auftreten fließender oder flüssiger Krystalle; wird aber der Wasserstoff durch
eine Atomgruppe ersetzt, die nunmehr an dem einen der beiden Atome fest-
haftet, zwischen denen der Wasserstoff hin- und herschwankte, so verschwindet
der störende Einfluß. Was den Sättigungsgrad der Moleküle anbelangt, so wird
durch doppelte Bindungen die Tendenz zur Bildung fließender und flüssiger
Krystalle entschieden begünstigt. Die Wirkung der in der obenstehenden
Tabelle angegebenen Substituenten mit Doppelbindung
—N=N-,—N7o, ~C=0, —C=C— usw.
ist viel stärker, als die der gesättigten Substituenten
— CH,, — CH(CH,),, Cl, Br usw.
Allerdings fehlt es bis jetzt an einem Maßstabe, mit dessen Hilfe man den
Krystallflüssigkeitswert eindeutig bestimmen könnte, aber es ist doch möglich,
das soeben Gesagte zu erhärten. Weiter oben war bereits darauf hingewiesen
worden, daß der Verflüssigkeitspunkt, d. h. diejenige Temperatur, bei der die feste
Phase in die krystallinisch-flüssige Phase übergeht, das vollkommene Analogon
zu den gewöhnlichen Umwandlungspunkten darstellt, bei denen bei polymorphen
EN ake
Stoffen, die eine Krystallform in die andere übergeht. Dies mag hier etwas näher
ausgeführt werden.
Ein Umwandlungspunkt ist ein Temperaturpunkt, bei dem die beiden in
Frage kommenden Krystallarten, die beiden „festen Phasen“, mit einander im
Gleichgewichte sind. In gleicher Weise sind beim Klärungspunkte die beiden
Phasen, die feste krystallinische und die flüssige krystallinische Phase, mitein-
ander im Gleichgewicht. Nun ist die Grundbedingung für die Existenz eines
echten Gleichgewichtes die, daß beide Phasen den
7 gleichen Dampfdruck haben. Dies zeigt das neben-
stehende Diagramm (Abb. 30), in dem die Dampf-
drucke der beiden Phasen I und II als Funktion
der Temperatur eingetragen sind. Bei der Tem-
peratur A hat II einen größeren Dampfdruck als I;
wenn wir also in einem geschlossenen Gefäß
nebeneinander eine gewisse Menge von I und von
II haben, so wird, da II den größeren Dampfdruck
hat und der von II ausgehende Dampf mit dem
Umwandlung
Damptdruck
pe
: | von I ausgehenden Dampf identisch ist, die ganze
Temperatur Menge II allmählich verdampfen und sich der
Abb. 30. ursprünglichen Menge I in Form von I zugesellen,
Umwandlungspunkt. d. h. II ist neben I unbeständig — ein ganz
allgemeines Resultat: von zwei verschiedenen
polymorphen Modifikationen derselben Substanz ist stets diejenige, die den
größeren Dampfdruck hat, gegenüber derjenigen mit dem kleineren
Dampfdruck unbeständig. Bei der Temperatur B haben I und II denselben
Dampfdruck, keine der beiden Modifikationen ist vor der anderen bevorzugt,
beide sind gleich beständig. Steigt die Temperatur über B hinaus, so kehren
sich die Verhältnisse um, I ist aus demselben Grunde, aus dem es unterhalb von
B die beständige Modifikation darstellte, jetzt — etwa bei C — zur unbeständigen
Modifikation geworden. |
Zu eigenartigen Schlüssen gelangt man nun, wenn man das Diagramm noch
durch die Dampfdruckkurve der amorphen geschmolzenen Substanz ergänzt.
Nach dem Gesagten muß als Schmelzpunkt eines Stoffes die Temperatur de-
finiert werden, bei der die feste (krystallisierte) Phase mit der amorph-flüssigen
Phase im Gleichgewicht ist, d. h. bei der beide Phasen denselben Dampfdruck
haben. Ein allgemeines Gesetz über die relative Lage der Dampfdruckkurve
der amorphen Flüssigkeit, insbesondere darüber, ob sie die Dampfdruckkurven
der beiden polymorphen Modifikationen oberhalb oder unterhalb des Umwand-
lungspunktes B schneidet, existiert nicht; beide Fälle sind möglich. Beide Fälle
sind in den nebenstehenden Abb. 31 u. 32 zeichnerisch wiedergegeben. II? resp.
UI ist die Dampfdruckkurve der Flüssigkeit. Im Falle. III schneidet die Dampf-
druckkurve der Flüssigkeit die Dampfdruckkurven der beiden festen Formen
oberhalb des Umwandlungspunktes in D? resp. E?. Gehen wir jetzt von nied-
riger Temperatur, etwa von der Temperatur A, aus und erwärmen den Stoff all-
mählich, so beobachten wir folgendes: Bei Beginn des Versuches liegt der
Stoff in der Modifikation I vor, bei der Temperatur B geht die Modifikation I in
die Modifikation II über und bei ‚der Temperatur Fè endlich schmilzt der Stoff
zu der amorphen Flüssigkeit Ila- Lassen wir jetzt die Schmelze erkalten, so
erstarrt die Flüssigkeit bei der Temperatur E? zu der festen Modifikation U, und
ee Be
diese wandelt sich beim Umwandlungspunkt B in die ursprüngliche feste Modi-
fikation I um. Wesentlich anders wird der Vorgang, wenn die Dampfdruck-
kurve II® der amorphen Flüssigkeit die Kurven I und II unterhalb der Um-
wandlungstemperatur B, etwa bei Dh und E°, schneidet. Gehen wir wieder von
der tiefen Temperatur A aus und erwärmen, so schmilzt die Modifikation I, ohne
sich vorher in die Modifikation II zu verwandeln, und kühlen wir umgekehrt die
amorphe Schmelze III langsam wieder ab, so scheidet sich sofort wieder I ab.
II ist also überhaupt ausgeschaltet Oder mit anderen Worten: In dem zuerst
betrachteten Falle, dem Falle der ,Enantiotropie‘, hat jede Phase, I, II und
III Temperatur, ein Gebiet, in dem sie beständiger als die beiden anderen Phasen
ist, denn unterhalb der Temperatur B ist I, zwischen B und ŒF? ist I und ober-
halb Fə ist II am beständigsten. Im zweiten Falle hingegen, dem Falle der
,» Monotropie‘, gibt es, wenigstens unter den gerade herrschenden Versuchs-
bedingungen, kein Temperaturgebiet, in dem II die beständigste Phase darstellt:
unterhalb D® ist I, oberhalb Dh III am beständigsten.
Lnantotropte I
x v4 x
X Wik S
e N
RS) | I
S á N
S| 7° co N
Y Dob
S\7 E S
4 ‘A B iJa pa
Temperatur Temperatur
Abb. 31. Abb. 32.
Enantiotropie. = Monotropie.
Hiernach könnte es scheinen, als ob II im Falle von Monotropie überhaupt
nicht entstehen könnte, d. h. daß der zweite der oben besprochenen Fälle nur
eine theoretische Fiktion wäre, die praktisch nicht realisierbar sei. Diese An-
sicht macht indessen zwei Voraussetzungen, nämlich erstens die, daß jede,
direkte Umwandlung immer nur in der Richtung von der stabilen zur weniger
stabilen Form gehen kann, und zweitens dic, daß diese direkte Umwandlung
immer und beim: Überschreiten des Umwandlungspunktes sofort eintritt. Von
diesen beiden Voraussetzungen ist die erste richtig, die zweite falsch. Zwar
erfolgt eine Umwandlung immer nur so, daß sich aus dem weniger Beständigen
das Beständigere bildet, aber die Geschwindigkeit, mit der die Umwandlung
stattfindet, kann sehr verschiedene Werte haben. So ist z.B. das gewöhnliche
Glas, wie es im Haushalte gebraucht wird, nicht beständig, sondern wandelt
sich langsam in eine andere — krystallinische — Modifikation um. Diese Um-
wandlung geht aber so langsam vor sich, daß die amorphe Form scheinbar voll-
kommen beständig ist; nur wenn wir Hunderte von Jahren alte Glassachen be-
trachten, erkennen wir die stattfindende Umwandlung an der Trübung, die das
ursprünglich vollkommen klare und durchsichtige Glas erlitten hat. Der
Zustand, in dem sich an sich instabile Stoffe befinden, die infolge der Lang-
— 68 —
samkeit, mit der der Ubergang in die eigentlich stabile Form vor sich geht, als
stabil erscheinen, wird als ,metastabiler* Zustand bezeichnet.
Betrachten wir jetzt noch einmal die Abbildung 32, so erkennen wir ohne
weiteres das Prinzip, dessen Anwendung uns zur Darstellung der instabilen
Form II führt. Wenn wir, von der amorphen Schmelze ausgehend, die Um-
wandlungstemperatur D’ erreichen, hier aber die Umwandlungsgeschwindigkeit
so gering ist, daß, noch ehe die Umwandlung eingetreten ist, die Temperatur
bereits weiter bis ER gesunken ist, so wird sich, falls die Umwandlungs-
geschwindigkeit IN — II groß genug ist, bei dieser Temperatur die Modifikation II
bilden, obwohl sie weniger beständig als I ist. Die weitere Umwandlung der
metastabilen Modifikation II in die stabile Modifikation I kann je nach den be-
sonderen Verhältnissen mit größerer oder kleinerer Geschwindigkeit verlaufen.
Ist die Umwandlungsgeschwindigkeit II — I in diesem Fall auch sehr gering, so
wird II sogar, obwohl instabil, doch als durchaus stabil erscheinen, d.h. es ist
metastabil. |
Im Falle von Monotropie kann die Umwandlung immer nur in einem
Sinne, nämlich in der Richtung IT —I vor sich gehen, während im Falle der
Enantiotropie die Umwandlung, je nachdem wir uns unterhalb oder oberhalb
des Umwandlungspunktes befinden, entweder in der Richtung II — I oder in
der Richtung I — II verlaufen kann. Rein theoretisch betrachtet würde auch
bei der Monotropie eine Umwandlung I — II möglich sein, nämlich dann, wenn
es gelänge, die Modifikation I bis über den Umwandlungspunkt B zu erwärmen,
ohne daß die Schmelzung bei der Temperatur D einträte. Dieser theoretisch
denkbare Fall hat sich praktisch bisher nicht verwirklichen lassen, weil sich die
Umwandlungsgeschwindigkeit fest-krystallisiert — amorph-flüssig in allen bisher
untersuchten Fällen als schr groß erwiesen hat.
Betrachten wir jetzt von den neuen Gesichtspunkten aus die Verhältnisse
bei den fließenden und flüssigen Krystallen, so finden wir Fälle, in denen die
krystallinisch-flüssige Phase innerhalb eines bestimmten Temperaturgebietes am
beständigsten ist, in denen also sowohl die Umwandlung krystallinisch-fest —
krystallinisch-flüssig als auch dicjenige krystallinisch-flissig — amorph-flüssig
umkehrbar ist, d. h. Fälle von Enantiotropie. Außerdem aber finden wir auch
sehr viele Fälle von Monotropie, in denen die krystallinisch-flüssige Phase nie-
mals stabil, sondern immer nur metastabil ist. Im Falle von Monotropie tritt
dann beim Erwärmen der krystallinisch-festen Phase niemals die krystallinisch-
flüssige Phase als Übergang zur amorphen Flüssigkeit auf, wohl aber läßt sie sich
durch Abkühlung der amorphen Flüssigkeit unter den Verflüssigungspunkt
unter Umständen nachweisen. Der Erfolg hängt indessen hier vielfach vom
Zufall ab.
Der günstige Einfluß, den das Vorhandensein von doppelten Bindungen im
Molekül auf das Auftreten von nicht-starren Krystallen ausübt, läßt sich nun
ziemlich leicht dadurch erkennen, daß Moleküle ohne liquokrystalline Eigen-
schaften durch Einführung einer Doppelbindung monotrop oder gar enantiotrop-
krystallinisch-flüssig werden oder daß nur monotrop-krystallinisch-flüssige Sub-
stanzen, in denen die krystallinisch-flüssige Phase kein Gebiet vollkommener
Beständigkeit hat, durch das Hinzutreten von Doppelbindungen enantiotrop-liquo-
krystallinisch werden, zweifellos eine Steigerung der Stabilität der krystallinisch-
flüssigen Phase. Wird andrerseits die Doppelbindung durch Addition von
Wasserstoff, Brom oder dergleichen wieder aufgehoben, so wird dadurch der
ei 6
vorher vorhandene Zustand wieder hergestellt. Die Wirksamkeit der gesättigten
Substituenten wie CH,, Cl, Br usw. ist, worauf bereits hingewiesen wurde, viel
schwächer.
Ebenso wie bekanntlich die Umwandlungs- und Schmelzpunkte werden
auch die Verflüssigungspunkte durch Hinzufügung andrer Stoffe verschoben.
Besonders interessant ist es, daß bei manchen Stoffen, ebenso wie bisweilen
mehrere krystallinisch - feste Phasen auftreten, auch mehrere krystallinisch-
flüssige Phasen beobachtet worden sind. So werden die Verhältnisse bei dem
von F.M. Jaeger hergestellten und von Lehmann genauer untersuchten Cho-
lesterincaprinat, dem Cholesterinester der Caprinsäure, folgendermaßen be-
schrieben: „Kühlt man die isotrope Schmelze ab, so entsteht bei 90,6° die
fließend-krystallinische Modifikation I, welche nur geringe Doppelbrechung be-
besitzt und relativ leichtflüssig ist. Sie erstarrt normal bei 82,2° und entsteht
auch bei dieser Temperatur beim Wiedererwärmen der festen Krystalle. Ähnlich
wie eine isotrope Schmelze läßt sie sich aber auch unterkühlen und geht dann
etwa bei 77,4° in die stärker doppelbrechende, in größeren Individuen auf-
tretende und wesentlich zähere Modifikation II über. Umgekehrt verwandelt
sich diese hem Wiedererwärmen bei derselben Temperatur (77,4) zurück in die
Modifikation I. Letztere ist somit zwischen 90,6° und 82,2° enantiotrop in bezug
auf die feste Modifikation zwischen 82,2° und 77,4°, aber monotrop in bezug auf
die feste und enantiotrop in bezug auf die fließend-krystallinische Modifikation II.
Diese ist unterhalb 77,4° enantiotrop in bezug auf Modifikation I, aber monotrop
in bezug auf die feste Modifikation. Die etwas komplizierte Sachlage wird
übersichtlicher, wenn wir sie mit Vorländer, nach dem auch das Zitat gegeben
ist, in folgender Zeichnung veranschaulichen, in der die Doppelpfeile Enantio-
tropie, die einfachen Pfeile Monotropie anzeigen:
90,6° 82,2°
Amorph-flüssig 7? krystallinisch-flüssig I 7? krystallinisch-fest
77,4° \\ krystallinisch-flüssig I /
Noch viel komplizierter liegen die Dinge bei dem von Vorländer ent-
deckten p-Azozimisäureaethylester
C,H,0,C.CH.CH.C,H,.N:N.C,H,.CH:CH.CO,C,H, `
wie das nachstehende Schema zeigt:
krystallinisch-flüssig I 7? krystallinisch-fest I
Amorph-flüssig d IS:
krystallinisch-flüssig I 7? krystallinisch-fest IH
N krystallinisch-fest U 7
Die Existenz der monotropen Modifikationen krystallinisch-flüssiger Stoffe
stellt keineswegs den niedrigsten Beständigkeitsgrad dieser Gebilde überhaupt
dar. Lehmann hat vielmehr in einer wichtigen Arbeit nachgewiesen, daß es
Stoffe gibt, die, ohne selbst eine krystallinisch-flüssige Phase zu besitzen,
fließende oder flüssige Krystalle bilden, sobald zwei von ihnen mit einander ge-
mischt werden. So zeigen die p-Azophenolacther, wie das p-Azophenetol und
das p-Azoanisol
C,H,O.C,H,.N:N.C,H,.OC,H, und CH,O.C,H,.N:N.C,H,. OCH,
— Ww —
im Gegensatz zu den p-Azoxyphenolaethern, dem p-Azoxyphenetol und dem
p-Azoxyanisol
C,H,O.C,H, N.N.C,H,.OC,H, und CH,O.C,H,.N.N.C,H,. OCH,,
ee Sar
o o
liguokrystalline Eigenschaften wenig oder garnicht, wohl aber treten diese
hervor, sowie man etwa eine Mischung von p-Azophenetol mit p-Azoanisol her-
stellt. Ein andres Beispiel liefert die Anisalpropionsäure
CH, .0.C,H,CH: CH . CH, . CO,H.
Wenn man die rohe Anisalpropionsäure aus Wasser umkrystallisiert, so erhält
man aus den ersten Auszügen mit wenig heißem Wasser eine krystallinisch-
flüssige Säure, welche anfangs für eine einheitliche Verbindung gehalten wurde,
da sie auch nach wiederholtem Umkrystallisieren aus Wasser ihre Eigen-
schaften behielt; doch ergab sich bald, daß die Säure nur im unreinen Zu-
stande krystallinisch-flüssig blieb und aus einer Mischung von Anissäure (Schmelz-
punkt 184°)
CH, . O . C,H, . CO,H
und Anisalpropionsäure (Schmelzpunkt 154°) bestand, von denen jede allein
nicht krystallinisch-flüssig ist. Stellt man sich durch Verreiben abgewogener
Mengen der beiden Säuren Mischungen verschiedenen Gehaltes her, so findet
man das Säuregemisch innerhalb weiter Grenzen krystallinisch-flüssig, am voll-
ständigsten zwischen 65 °/, der einen und der andern Saure..... Das krystal-
linisch-flissige Gemenge hat je nach Darstellung einen variabelen Schmelzpunkt
und kann dadurch leicht von einer reinen Substanz unterschieden werden.“
Weitere Versuche von Vorländer und Gahren haben zu dem Ergebnis ge-
führt, daß das Auftreten krystallinisch-flüssiger Phasen in Gemischen nicht sehr
häufig ist, und daß zu ihrer Entstehung nicht notwendig beide Komponenten
„liquo-krystallinisch konstituiert“* sein müssen, sondern daß eine derartige Kon-
stitution nur bei der einen Komponente vorliegen muß, womit jedoch nicht ge-
sagt sein soll, daß die Konstitution der zweiten Komponente unerheblich für das
Zustandekommen der Erscheinung wäre.
Die Feststellung der Tatsache, daß durch Mischung nicht liquo-krystal-
linischer Stoffe krystallinisch-flüssige Phasen gebildet werden können, schien
für die Theorie der flüssigen Krystalle von großer Bedeutung zu werden. Das
Auftreten der trüben Schmelzen hatte die Vermutung nahegelegt, daß es sich
hierbei nicht um chemisch-reine homogene Stoffe, sondern vielmehr um in-
homogene Gemische, um Emulsionen, handelt. Diese Ansicht, die zuerst von
Quincke ausgesprochen, später, in etwas anderer Form, besonders energisch
von Tammann vertreten, von Lehmann, Schenck und Vorländer ebenso
energisch bekämpft worden ist, führte zunächst zur Prüfung der Frage, ob die
krystallinisch-flüssige Phasen bildenden Stoffe durch irgend welche Fremdstoffe
verunreinigt seien. Die zahlreichen Versuche, die sich mit der Beantwortung
dieser wichtigen Frage beschäftigt haben, haben übereinstimmend das Ergebnis
gehabt, daß das Vorhandensein von Verunreinigungen in keinem Falle, in dem
die Prüfung mit genügender Sorgfalt vorgenommen worden ist, nachgewiesen
werden konnte. Der Reindarstellung der Stoffe auf chemischem Wege haf be-
sonders Schenck große Aufmerksamkeit gewidmet; manche Stoffe, so das p-Az-
oxyanisol, hat er auf verschiedenem Wege gewonnen und dadurch nachgewiesen,
2 ZE"
daß Verunreinigungen, deren Existenz durch die besondere Methode der Her-
stellung bedingt sein könnte, die fraglichen Erscheinungen nicht verursachen;
auch fand er, daß die typischen Phänomene, die an den liquo-krystallinen
Phasen beobachtet werden, um so deutlicher hervortreten, je sorgfältiger er die
Präparate reinigte. Außer chemischen Methoden stehen zur Reinigung trüber
Flüssigkeiten, bei denen die Trübung durch winzig kleine feste oder flüssige
in der Flüssigkeit schwimmende Teilchen verursacht wird, vor allen Dingen
noch zwei physikalische Methoden zur Verfügung: Trübe Flüssigkeiten können
entweder dadurch, daß man sie zentrifugiert, oder durch die sogenannte elek-
trische Kataphorese, d. h. dadurch, daß man einen hochgespannten elektrischen
Strom durch sie hindurchgehen läßt, der die suspendierten Teilchen mit sich
fortführt, geklärt werden. Alle Versuche aber, die Klärung der krystallinisch-
flüssigen Phasen durch Zentrifugieren (Schenck, Coehn) oder durch Kata-
phorese (Coehn, Bredig und v. Schukowsky) zu erreichen, sind vollkommen
negativ ausgefallen.
Nun liegt aber noch eine andere Möglichkeit vor, die zu berücksichtigen
ist. Es wäre an sich nicht unmöglich, daß die liquo-krystallinen Stoffe durch-
aus chemisch rein sind, daß sie aber unter Zersetzung schmelzen, indem sie
beim Schmelzpunkt in zwei verschiedene miteinander nicht vollständig misch-
bare Stoffe übergehen, die aber bei einer etwas höheren Temperatur (dem
„Klärungspunkt“) vollständig mischbar werden. Ein solcher Stoff liegt im Di-
bromtrichlorphosphor PC1,Br, vor. Die einheitlichen (festen) Krystalle dieser
interessanten Verbindung schmelzen bei 35°, indem sich nicht eine, sondern
zwei miteinander nicht mischbare Flüssigkeiten bilden, eine Lösung von Phos-
phortrichlorid in Brom und eine Lösung von Brom in Phosphortrichlorid. Er- `
wärmt man höher, so nimmt einerseits die Löslichkeit von Brom in Phosphor-
trichlorid und andrerseits die von Phosphortrichlorid in Brom zu, und bei
einer bestimmten Temperatur, dem kritischen Punkt, werden beide Flüssig-
keiten identisch und mischen sich darum vollkommen, d. h. es tritt Klärung
ein. Ähnliche Erscheinungen zeigen das Bromhydrat und das Chlorhydrat.
(Schluß folgt.)
WW
Der Sestirnte Himmel im Monat Januar 191.
Von Dr. F. S. Archenhold.
Wi haben in dem gestirnten Himmel fiir Monat Dezember 1910 (Seite 35 dieses
Jahrgangs) auf die groBe Rolle hingewiesen, die die Sonne in der Gottesidee der
Wadschaggas einnimmt. Wir wollen hier, den Untersuchungen Gutmanns (Globus,
Bd. 96 No. 8) folgend, ergänzend mitteilen, daß dieser Volksstamm von jedem, der leicht
Eingang und Aufnahme bei allen Leuten findet, kurz der durch sein angenehmes Wesen
auf den ersten Blick gefällt, sagen: „irúva ankúnda“, „Die Sonne hat ihn lieb“. In einem
ihrer Lieder heißt es: „Seht die Sterne, droben bei Gott wird Recht gesprochen.“ Er
sieht, wie sich die kleinen Sterne oft um einen größeren gruppieren und so denkt er an
das sich ihm täglich darbietende Bild seiner Rechtsversammlungen, bei denen sich um
den Häuptling die unruhige Menge der sich bekämpfenden Parteien schart. Wenn es
ihnen schlecht ergeht oder wenn sie Veranlassung haben, Gottes Gunst und Hilfe
besonders zu gewinnen, so bringen sie Opfer dar, stets wenn die Sonne im Zenit steht.
aes) MD: ep
Diese Opferung unterscheidet sich von der, die sie ihren Ahnen darbringen, dadurch,
daß das Opfertier restlos aufgezehrt werden muß. Sie sprechen hierbei nur ein kurzes
Gebet: „Gott errette mich und meine Kinder!“ Während jetzt zumeist Haustiere geopfert
werden, fielen auch früher Menschen zum Opfer. So wird von einem schönen Mädchen
erzählt, „Gott begehrte sie zum Eigentum.“ Als das Opfer nicht gleich gebracht wurde,
sandte Gott eine große Hitze und sagte: „Bevor ihr mir nicht dieses Mädchen übergebt,
Der Sternenhimmel am 1. Januar 1911, abends 10 Uhr.
Fig. 1.
ES Da LI OU e og
d SEET 5 S H
~- iesen
` Beteiguuris a
(Polhöhe 521/2%
werde ich keinen Regen bringen.“ Es ist besonders interessant, daß schließlich die
Großmutter des Mädchens dasselbe rettete, indem sie ein Lamm zum Opfer brachte, das
auch angenommen wurde. |
In der mittleren Landschaft des Kilimandscharo findet sich auch die Meinung, daß
die Häuptlinge nach ihrem Tode zur Sonne emporsteigen, während die übrigen Menschen
alle unter die Erde gehen. In einem interessanten Rätselspiel heißt es von der Sonne
„Sie ist Häuptling über die ganze Erde.“ Himmelsmenschen wurden auch die ersten
u SB) se
Europäer genannt, die den Wadschaggas zu Gesicht kamen, Rebmann 1848 und Von
der Decken 1861. Obgleich man den Missionar Rebmann völlig ausraubte, wagte man
nicht, ihn zu töten. Der Häuptling sagte: „Er ist ein Kind Gottes, tötet ihn nicht,
vergießt nicht sein Blut in meinem Lande.“ Die weiße Hautfarbe und die unbekannte
Herkunft rettete die ersten Europäer vor sicherem Untergang. Erst als die Wadschaggas
erfuhren, daß der Weiße nicht ein Kind der Sonne, sondern ein Erdgeborener sei, wie
sie, wagten sie auch, ihn zu töten. |
Der Lauf von Sonne und Mond.
Die Sonne rückt im Monat Januar aus dem Sternbilde des Schützen in das des
Steinbocks. Sie steigt in diesem Monat schon um 5!/,° höher. Ihre Stellung im Tier-
kreis ist in unsre Karte 2b wiederum für den 1., 15 und 31. Januar eingezeichnet. In
folgender Tabelle geben wir ihre Deklination, ihre Auf- und Untergangszeiten und ihren
höchsten Stand um die Mittagszeit für Berlin wieder.
Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshöhe
Januar 1. —23° 5 8b 19m morgens 3b 59m nachm. 141/, 0
- 15. — 21° 17 8h 12m - 4h 18m - 161/,°
- 31. — 17° 37° ‚7b 52m - 4h 46m - 20°
Der Mond ist fiir den 1., 3., 5. usw. mit seinen Phasengestalten in unsre Karten
Fig. 2a und 2b eingetragen. Seine Hauptphasen fallen auf folgende Tage:
Erstes Viertel: Jan. 8 7!/,h vormittags. Letztes Viertel: Jan. 22. 71/,5 vormittags.
Vollmond: - 14. 11!/,h abends. Neumond: - 30. 103/,5 vormittags.
Im Monat Januar finden folgende 6 Sternbedeckungen statt:
Eintritt Austritt |Win-
M. E. Z.
3b 22m 1
nachm.
|
Rekt. |
u Piscium |5,0/.1b26m 4 Dou:
Dekl. Bemerkung
70° | 4b 27m,3 221°! Sonnenuntergang
4h 8m nachm.
„11. 13 Tauri 5,5 3h 37m | + 19° 25’) 3h 39m,3 | 129° | 45 10m,7 | 2060| Monduntergang
morgens 4h 22m morgens
ill: v Tauri 4,6: 4h21m | + 22037°| Th27m 4 | 920 | 8h3im,2 | 225°) Mond im Merid.
abends 9h 8m abends
» 13. 139 Tauri 5,4) 55 52m + 25°67‘; 6b 44m,2 | 88° | 7h 30m,2 | 273°; Monduntergang
morgens , 7h 16™ morgens
„2L d Virginis A3 Dh 5m |— 50 4’) 1b 52m9 | 1860 | 2b 26m,5 | 243° Mondaufgang 2'/,
| morgens Stunden v. Einir.
26: A Ophiuchi | 5,0 17h 10m | — 26° 23°! Oh 44,8 | 950 | 8h 2m,6 | 293 | Mondaufgang
| morgens 5b 31m morgens
Die Planeten.
Merkur (Feld 205 bis 195) steht zu Anfang des Jahres im Sternbilde des Schützen.
Er kann in der zweiten Hälfte des Januar etwa !/, Stunde lang im Südosten am Morgen-
himmel gesehen werden. Am 2. Januar tritt er morgens in Konjunktion mit dem Monde
und steht am 5. Januar in Sonnennähe und morgens 4 Uhr zugleich in Konjunktion mit
Uranus, und zwar steht Merkur 1° 57’ nördlich von Uranus, wie wir in Feld 205 unsrer
Karte 2b sehen können. Am Abend desselben Tages tritt er noch in Konjunktion mit
der Venus und steht 2° 49' nördlich von derselben. Am 28. Januar, morgens 6 Uhr,
tritt er noch einmal in Konjunktion mit dem Monde, und zwar ist er dann oberhalb der
schmalen Mondsichel zu sehen. |
Venus (Feld 19!/,h bis 22h) ist in den ersten Tagen des Monats nur wenige Minuten
als Abendstern sichtbar, jedoch wächst die Dauer ihrer Sichtbarkeit bis Ende des Monats
auf 3/, Stunden an. Sie tritt am 1. Januar in Konjunktion mit dem Monde, am 6. in
ae
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kt: 46h
S =Sonne. M = Mond. Me = Merkur. V = Venus. Ma = Mars. |
Konjunktion mit Uranus und zwar steht sie nur 41‘ südlich von Uranus. Am 31. Januar
tritt sie um 4h nachmittags wiederum in Konjunktion mit dem Monde. Die große Dichte
der sie umhüllenden Atmosphäre gestattet uns keinen Blick auf ihre Oberfläche, jedoch
glaubt man, aus dem unregelmäßigen Rande, der bei der Sichelgestalt besonders deutlich
hervortritt, auf die Anwesenheit hoher Berge schließen zu dürfen. In unserm großen
Fernrohr ist der Anblick dieser Beleuchtungsgrenze auf der Venus noch besonders
interessant durch die Dämmerungszone, die sich oft farbig grade bei schmaler Sichel
der Venus besonders deutlich erkennen läßt. "
Mars (Feld 16!/,h bis 18h) rückt immer mehr aus den Strahlen der Sonne heraus
und geht schon 2 Stunden vor der Sonne auf, so daß die Dauer seiner Sichtbarkeit
bereits auf 1!/, Stunden ansteigt. Am 26. Januar, abends 11h tritt er in Konjunktion mit
dem Monde. Er erscheint dem bloßen Auge in starkem roten Lichte. Die Beobach-
tungen seiner Oberfläche haben ergeben, daß er unserer Erde nicht unähnlich ist. Wie
schon früher erwähnt, kommt er am 25. November 1911 in Erdnähe und seine Entfernung
beträgt dann nur 76 Millionen km.
Jupiter (Feld 14!/,b bis 14°/, ") ist zuerst 4 Stunden und zuletzt bereits 5!/, Stunden
lang am Morgenhimmel sichtbar. Am 23. tritt er in Konjunktion mit dem Monde, wie
wir aus unsrer Karte 2b, Feld 14!/, entnehmen können. Die wolkenähnlichen parallelen
Streifen, welche häufig mit hellen und dunklen Flecken durchsetzt sind, ändern recht
schnell ihr Aussehen und ihre Stellung zu einander, so daB vom Jupiter nicht wie vom
Mars eine Karte entworfen werden kann, sondern die Zeichnungen von Abend zu Abend
ein verändertes Aussehen zeigen. Wir müssen annehmen, daß seine Oberfläche sich
noch in glühendem Zustande befindet. Die Kenntnis der ihn umkreisenden Monde ist
durch die Entdeckungen der letzten Jahre besonders erweitert worden. Es sind 8 Satel-
liten, die in wechselvollem Spiel ihren Umlauf vollführen, bekannt.
Saturn (Feld 2b) ist zu Anfang des Monats 9 Stunden und zuletzt nur noch Gil,
Stunden lang sichtbar. Er tritt am 9. in Konjunktion mit dem Monde. Außer den 40
Monden, welche ihn in je bis 400 Tagen umkreisen, ist er noch von einem flachen System
von Ringen, die aus einer zahllosen Schar von kleinen Körperchen bestehen, umgeben. Je
nach der Stellung der Erde zu der Ebene dieses Ringsystems ist dasselbe mehr oder
weniger deutlich zu erkennen. In diesem Jahre ist die südliche Fläche des Ringes uns
zugewandt. Der Planet hält sich während des ganzen Jahres im Sternbilde des Widders auf.
‘fir den Monat Januar 1911.
J = Jupiter.
Fig. 2a. Nachdruck verboten.
eg A ar
ys: Stie, ti e S der
|
HS SES
SS Ae ée E
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Beret age ute Ly í ONA
© £
1 ef |
8 ‘Gr. Huch i Wi
£ | Enta. v. Ze ZA Archenhold,
re a
Ze zn
Sa = Saturn. U= Uranus. N - Neptun.
Uranus (Feld 493/,5) ist während des ganzen Monats wegen seines nahen Standes
zur Sonne unsichtbar.
Neptun (Feld "bh ist im Monat Januar wegen seiner großen Höhe sehr günstig
zu beobachten, er wird freilich nie dem bloßen Auge sichtbar, da er nur die Helligkeit
eines Sternes 8. Größe erreicht. In unserem Treptower Fernrohr können wir den
Planeten als eine kleine mattleuchtende Scheibe von grünlicher Färbung erkennen. Sein
einziger Mond, der ihn in 5 Tagen und 21 Stunden umkreist und nur 356 000 km von
ihm entfernt ist, zeigt eine rückläufige Bewegung, d h. er bewegt sich von Ost nach
West um seinen Planeten herum. Auch ist die große Neigung seiner Bahnebene zum
Neptunsäquator besonders auffällig.
Bemerkenswerte Konstellationen:
Januar 1. 115 vormittags Venus in Konjunktion mit dem Monde.
- 2. 15 morgens Merkur in Konjunktion mit dem Monde.
4h nachmittags Sonne in Erdnähe.
3h morgens Merkur in Sonnennähe.
4h morgens Merkur in Konjunktion mit Uranus, Merkur 1° 57’ nördlich von
Uranus.
- .5. Th abends Merkur in Konjunktion mit der Venus, Merkur 20 49' nördlich von
der Venus.
- 6. 6 morgens Venus in Konjunktion mit Uranus, Venus 41’ südlich von Uranus.
- 7. 2 nachmittags Venus in Sonnenferne.
- 9. 6b vormittags Saturn io Konjunktion mit dem Monde.
- 10. 115 vormittags Merkur in unterer Konjunktion mit der Sonne.
- 11. 1 nachmittags Neptun in Opposition zur Sonne.
- 16. 2 nachmittags Uranus in Konjunktion mit der Sonne.
- 23. 7 morgens Jupiter in Konjunktion mit dem Monde.
- 26. 115 abends Mars in Konjunktion mit dem Monde.
- 28. 6 morgens Merkur in Konjunktion mit dem Monde.
- 31. 45 nachmittags Venus in Konjunktion mit dem Monde.
SS
Mathematische und astronomische Gnterrichtskurse
von Doc. Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
Im gegen Hörsaal der Treptow - Sternwarte, Treptow bei Berlin, Alt- Treptow 1
gp: Dienstags 6—7 Uhr abends. Beginn: 10. Januar 1911. wu
Einführung in die höhere Mathematik.
Funktionentheorie und Differentialrechnung.
A. Funktionentheorie. Begriff der Funktion, ihre geometrische Darstellung. — Grenz-
begriffe. — Binomischer Lehrsatz.
B. Differentialrechnung. Begriff des Differentialquotienten und der Stetigxeit. —
Differentiation der verschiedenen Funktionen. — Lineare, trigonometrische und Kreisfunktionen
— Differentiation von Funktionen mit zwei Veränderlichen. — Anwendungen aus der Astronomie
und Physik.
Die Mathematik wird nach eigener Methode so vorgetragen, daß die praktischen An-
wendungen von der ersten Stunde an zu ihrem Rechte kommen.
Die Hörerkarten sind schon zum ersten Vortrage mitzubringen und jedesmal als Aus-
weis vorzuzeigen.
Hörgebühr für den zehnstündigen Kursus 6 M., für Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 4,50 M.
Astronomie für Jedermann.
Mit Lichtbildern, Demonstrationen und praktischen Uebungen auf der Plattform der
Treptow- Sternwarte.
gw: Montags 9—10 Uhr abends. Beginn: 9. Januar. 29
Zwei kleinere Fernrohre stehen vor und nach dem Vortrage zur freien Verfügung.
. Die Sternbilder und Anleitung zu ihrer Auffindung.
Sonne und Mond.
. Unser Planetensystem.
Kometen und Sternschnuppen.
Unser Wissen von den Sternenwelten.
MilchstraBe und Nebelgestirne.
Sternhaufen, veränderliche und neue Sterne.
Astronomie mit dem Opernglas und kleinen Fernrohren.
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Die Hörerkarten sind schon zum ersten Vortrage mitzubringen und jedesmal als Aus-
weis vorzuzeigen.
Hörgebühr für den zehnstündigen Kursus 5 M., fiir Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 3,50 M.
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keck
Uber die Bestimmung der Zeit und ihre Weitergabe.
Mit Lichtbildern, Demonstrationen und praktischen Ubungen auf der Plattform der
Treptow-Sternwarte.
ges Dienstags 8—9 Uhr abends. Beginn: 10. Januar. 29
Begriff von Raum und Zeit. — Die ersten Zeitmesser. — Sonnenuhren. — Die verschiedenen
Zeitarten. — Präzisionsuhren und ihre Vergleichung. — Die Erde als Uhr. — Die verschiedenen
Methoden der Zeitbestimmung. — Zeitbestimmung im Luftschiff. — Die telegraphische Weitergabe
der Zeit. — Normaluhren und Zentraluhren. — Die Zeitsignale von Norddeich und vom Eiffelturm
mittels Wellentelegraphie. — Zukunft der Zeitverwaltung.
Die Hörerkarten sind schon zum ersten Vortrage mitzubringen und jedesmal als Aus-
weis vorzuseigen.
Hörgebühr für den zehnstündigen Kursus 7 M., für Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 5,50 M.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.8. Archenhold, Berlin-Treptow, für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
DAS WELTALE
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Ge
Herausgegeben von
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 6. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1910 Dezember 15,
Berlin-Treptow.
Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Posianstalien (Post-
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pjg. — Anseigen-Gebühren: I Seite 80.— MR., Uu Seite 45.—
1/, Seite 25.—, lla Seite 15.—. Un Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewicht.
INHALT
1. Wandlungen und Ziele der Wellervoraussage. Von 4. Kleine Mitteilungen: Eine neue Methode zur Er-
Wilhelm Peppler, Oeffentliche Wetterdienststelle Gießen 77 forschung des Erdinnern . . . » 2 2 2 ew we 90
2. Einiges von den flüssigen Krystallen. Von Dr. Werner 5. Mathematische und astronomische Unlerrichiskurse
Mecklenburg. (Schuß) . -» 00 0. 83 von Doc. Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-
3. Neuer Ellipsograph. (D.R.P. 218013.) Von Ernst Sternwarte. > 20 rn 91
tege u ae ig ES Be, a E 87 |
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet.
Wandlungen und Ziele der WetterVoraussage.
Wilhelm Peppler, Öffentliche Wetterdienststelle Gießen.
We man von den wenig erfolgreichen Bestrebungen absieht, eine Wetter-
prognose auf theoretischem oder statistischem Wege für lange Zeit-
räume, Monate oder Jahreszeiten zu begründen, beschränkt sich die moderne
Wettervoraussage auf die Prognostik des recht kurzen Intervalls von 24 bis 48
Stunden; nur in Ausnahmefällen ist es möglich, mit genügender Sicherheit
längere Witterungsperioden im voraus zu erkennen. Die moderne Prognostik
beruht auf der synoptischen Methode, die die Witterungsverhältnisse über einem
bestimmten Teil der Erdoberfläche im Zusammenhange betrachtet, indem sie
eine große Zahl von Simultanbeobachtungen auf den bekannten Wetterkarten
zu einem übersichtlichen Bilde vereinigt. Die Witterung an einem bestimmten
Orte steht dabei immer in einem mehr oder weniger deutlichen Zusammen-
hange mit den Gebieten hohen und tiefen Baronieterstandes, die die Witterung
und ihren Wechsel als primäre Faktoren bestimmen. Die Prognose ist daher
im wesentlichen eine Luftdruckprognose, indem auf Grund von Erfahrungstat-
sachen und einem geringen Vorrat theoretischer Hilfsmittel auf die Ver-
lagerung der Hoch- und Tiefdruckgebiete und schließlich auf die davon ab-
hängigen Witterungsverhältnisse geschlossen wird.
Die zu Anfang des vorigen Jahrhunderts begründete synoptische Mete-
orologie ist durch umfassende Untersuchungen bis zur gegenwärtigen Zeit zu
einem gewissen Grad der Vollkommenheit gefördert worden, ohne daß das
Problem der Wetterprognose für kurze Intervalle eine endliche Lösung gefunden
hat. Auch die größte persönliche Erfahrung und praktische Kleinarbeit vermag
die Grenze nicht zu überbrücken, die durch den jeweiligen Stand des gesamten
meteorologischen Wissens gesetzt ist. Der weitere Ausbau der synoptischen
Meteorologie hat gezeigt, daß diese Grenze bald erreicht war; die gewonnenen
Resultate der ausgedehnten und langwierigen Untersuchungen über die Wetter-
lagen und ihre Beziehungen zur Witterung, die meist auf statistischem Wege
erfolgten, haben wohl großen theoretischen und klimatischen Wert, sind aber
von geringem Nutzen für die Prognostik gewesen, was in dem Wesen ee
Statistik begründet ist. Ä
Die Resultate lassen sich auf die Erkenntnis der Zusstraßen der baro-
metrischen Minima und der Witterungs- und Luftdrucktypen reduzieren. Die
Zugstraßen stellen Zonen größter Frequenz der Minima dar, die sich auf ihnen
in west-östlicher oder durch die Luftdruckverteilung geänderter Richtung mit
Vorliebe bewegen. Die praktische Meteorologie hat aber damit recht wenig an-
fangen können, da der für die Prognose daraus erwachsende Wahrscheinlich-
keitswert nur wenig die Schwelle der praktischen Nutzbarkeit überschreitet. Die
Zugstraßen sind eben nicht als Straßen aufzufassen, auf denen sich ausschließ-
lich die barometrischen Minima bewegen, sondern sie stellen Zonen größter
Zyklonenfrequenz dar. Im einzelnen Falle hat man keine Anhaltspunkte, welche
Bahn eine Zyklone einschlagen würde, sodaß man auf den sehr einfachen Er-
fahrungssatz angewiesen ist, daß sich die Zyklonen im allgemeinen den Iso-
baren der allgemeinen Luftdruckverteilung entlang bewegen und die Temperatur-
verhältnisse auf der Erdoberfläche die daraus folgende Bahn in geringem Maße
zu variieren bestrebt sind. Davon aber gab es zahlreiche Abweichungen, die
zunächst unerklärlich blieben und zu Fehlprognosen führten. Auch hat das
genauere Studium der Wetterlagen zur Genüge bewiesen, daß die die Witterung
bestimmenden Faktoren nicht allein die großen Zyklonen und Antizyklonen sind,
sondern daß die sekundären Isobarenformen, Teiltiefs, Druckfurchen, Hochdruck-
rücken usw. eine fast noch größere Rolle spielen, denn sie sind in der Regel
von viel ausgeprägteren Witterungsvorgängen begleitet. Gerade die flachen
Teiltiefs, die auf der Wetterkarte wenig hervortreten, bringen in Mitteleuropa
oft ungewöhnliche Regenfälle und Hochwasser. Für die Prognose sind diese
Tatsachen sehr ungünstig, denn die sekundären Isobarenformen entstehen rasch
und oft unerwartet, sind schr veränderlich und schlagen Bahnen ein, die schwer
vorauszubestimmen sind. Man findet dabei alle möglichen Formen der Ent-
stehung und Bewegung von Teiltiefs. Man hat sich daran gewöhnt, die Teil-
tiefs als sekundäre Wirbel der Hauptzyklone aufzufassen, die sich in dem
Luftstrom der letzteren wie Wellen bewegen und ihr Zentrum teilweise um-
kreisen, cine Form, in der sie auch nicht selten auftreten. Aber von größerer
Bedeutung sind die sekundären Zyklonen, die in keiner Abhängigkeit von einer
Hauptzyklone stehen; offenbar sind hier mächtigere äußere Faktoren in der
freien Atmosphäre wirksam. Zahlreiche Teiltiefs entstehen als harmlose Aus-
laufer einer großen Zyklone, und bilden sich in wenigen Stunden zu gewaltigen
Stürmen aus, während die Zyklone selber erlischt. Hier ließe sich eine ganze
Reihe anderer Probleme andeuten, die darauf hinweisen, daß zahlreiche noch
unbekannte Faktoren wirksam sein müssen, die scheinbar ohne jede Gesetz-
mäßigkeit schalten. Der praktische Meteorologe weiß, daß darin zum größten
Teil die Gründe dafür zu suchen sind, daß unsere Prognose mit kaum mehr als
80 °/, Treffsicherheit rechnen kann.
Wenn es bis heute auf Grund der Wetterkarte schwer ist, die genaue
Bahn einer Zyklone nach bestimmten Erfahrungssätzen vorauszubestimmen, so
ist dies noch viel weniger auf theoretischem Wege möglich. Alle die Be-
zichungen, die man zwischen der Bewegung der Zyklonen und den Temperatur,
| a
und Luftdruckverhältnissen an der Erdoberfläche gefunden hat, besitzen sehr
geringen prognostischen Wert, und noch vergeblicher sind heute die Bestrebungen,
das Problem der Wettervoraussage mathematisch anzufassen. Wir kennen die
Faktoren, die in diese Rechnung eingehen, kaum.
Bei Beurteilung der modernen Wetterprognostik darf man nicht vergessen,
daß dem praktischen Meteorologen eine eigentümliche Gesetzmäßigkeit der
Witterungsverhältnisse zur Seite steht, deren genaue Kenntnis die Voraussage
erleichtert. Es ist dies die deutlich ausgeprägte Erhaltungstendenz der Witterung.
Wer blindlings im Vertrauen darauf prognostizieren würde, hätte schon eine
Treffsicherheit von ca. 70 ®/,. Alle Witterungsumschläge würden ihm dabei
freilich entgehen. Diese Art zu prophezeien ist natürlich keine Wettervoraus-
sage. Aber es steckt in jeder Prognose, sowohl der auf lokale Anzeichen ge-
gründeten des Landmannes, wie der des geschulten wissenschaftlichen Prognosti-
kers ein Rest von blindem Vertrauen auf das Gesetz der Erhaltungstendenz,
der um so größer ist, je weniger Erfahrung und wissenschaftliche Gründlichkeit
der Wetterprognostiker besitzt. |
Trotzdem hat das wissenschaftliche Studium dieser Erhaltungstendenz der
Witterung die Prognostik gefördert. Bei bestimmten Wetterlagen ermöglicht oft
die Kenntnis der für Witterungsperioden längerer Dauer charakteristischen An-
zeichen eine Prognose auf mehrere Tage; ihre Treffsicherheit ist, wenn die
Voraussage nur in sicheren Fällen gestellt wird, ebenso groß wie die der täg-
lichen Wetterprognose. Es ist eben viel leichter, die Fortdauer einer bestimmten
Witterung richtig vorauszuerkennen als einen Wetterstvrz. Doch gehört in
allen Fällen für eine solche Prognose für mehrere Tage eine lange Erfahrung
und große Kenntnis der Wetterlagen, und der Anfänger in der praktischen
‘ Meteorologie ist daher allzuoft gezwungen, Prognosen ins Blaue hinein auf-
zustellen.
Die Methode der Voraussage selber hat sich nur wenig geändert, und es
ist in der synoptischen Meteorologie vielfach eine Stagnation eingetreten. Bei
dem ständigen Gebrauch der Wetterkarte hat man teilweise vergessen, daß sie
nur die Witterungszustände am Grund des Luftmeeres und nur die zu einem
bestimmten Zeitpunkt fixierten darstellt. Die Beachtung gerade dieser beiden
Gesichtspunkte ist aber schr notwendig, um die Wetterprognostik vorwärts zu
bringen. Der praktische Meteorologe hat sich daran gewöhnt, die Tief- und
Hochdruckgebiete als fertige, wirbelähnliche Gebilde anzusehen, die mit einer
gewissen Konstanz sich bilden und bewegen, und er gründet darauf seine
Prognose. Dabei übersieht er aber fast völlig die zeitlichen Änderungen der
Wetterlagen. Um die Mängel der im Laufe der Jahre schematisierten Prognosen-
methode zu beseitigen, bedurfte es entweder neuer besserer Methoden oder
neuer Anregungen von Seiten der Theorie und der mittlerweile stark aufge-
blühten Meteorologie der freien Atmosphäre. Auf jedem der drei Prinzipien sind
Anzeichen dafür vorhanden, daß sie die Wettervoraussage erheblich zu fördern
vermögen. |
Der erste merkbare Schritt in der Verbesserung der Prognostik wurde von
der Praxis selbst getan, und zwar durch das methodische Studium der Ände-
rungstendenz der Wetterlagen, besonders erwies sich die Differentiation
des Luftdrucks erfolgreich, die sowohl in mathematischer wie in synoptischer
Form Gegenstand interessanter Untersuchungen wurde. Zum erstenmale hat
der russische Meteorologe P. Brounow im Jahre 1873 auf die Beziehungen auf-
— 80 —
merksam gemacht, die zwischen der Bahn der barometrischen Minima und den
Gebieten fallenden und steigenden Barometers bestehen und ihren Wert
für die -Prognose erkannt. Seine Studien gerieten aber in Vergessenheit, da
man damit nichts anzufangen wußte. Neuerdings ist aber die Anderungstendenz
des Luftdrucks, besonders von N. Ekholm und dem Verfasser wieder für die
Wettervoraussage bearbeitet worden.
Wenn man auf eine Wetterkarte nicht die jeweiligen Barometerstände,
sondern die Luftdruckanderungen, etwa seit den letzten 12 Stunden, aufträgt,
erhält man Linien und Gebiete größter Barometeränderung, die von ersteren
umschlossen werden, ähnlich den Isobaren und den Hoch- und Tiefdruck-
gebieten.
Man unterscheidet auf der Karte dann immer Gebiete, über denen das
Barometer gesunken, und solche, über denen es gestiegen ist. Diese baro-
metrischen Fall- und Steigegebiete führen ähnliche Verlagerungen und Be-
wegungen aus wie die Zyklonen; wie diese ziehen sie vorwiegend in westöstlicher
Richtung. Es spricht sich so bei den meisten Wetterlagen deutlich aus, daß
der Verlauf der atmosphärischen Störung ein wellenartiger') ist, indem mit großer
Regelmäßigkeit barometrischer Wellenberg (Steigegebiet des Luftdrucks) und
Wellental (Fallgebiet des Luftdrucks) aufeinanderfolgen. Diese Verhältnisse
sind am besten ausgeprägt bei den großen zyklonalen Witterungsperioden der `
kalten Jahreszeit, wenn der Luftdruck von niederen nach höheren Breiten
abnimmt. Dann wandern mit außerordentlicher Geschwindigkeit die Luftdruck-
wellen im Isobarenfelde von Westen nach Osten und sind von tiefen Zyklonen
gefolgt. Aber auch bei ruhigem Hochdruckwetter über Deutschland sind fast
immer solche Wellenzüge des Luftdruckes zu beobachten, die rasch vorüber-
ziehen, oft ohne jede Störung der Witterung. Die Vorgänge, die sich beim
Vorübergang eines barometrischen Fallgebietes in der Wetterlage abspielen,
sind derart, daß das Fallgebiet der Zyklone unmittelbar vorauseilt, sie aber
meist nach einer bestimmten Zeit hinter sich zurückläßt. Im Rücken der
Zyklone folgt das Steigegebiet, das meist von einem rasch wandernden Hoch-
druckrücken begleitet ist. Der prognostische Wert liegt darin, daß die Luft-
druckwellen die die Wetterlage beherrschenden Faktoren sind und viel ein-
deutiger sich bestimmen lassen. Es hat sich herausgestellt, daß der größte Teil
der Teiltiefs und sekundären Zyklonen von rasch wandernden Luftdruckwellen
erzeugt wird, und gerade dadurch ist die Prognostik gefördert worden; außer-
dem werden zahlreiche Wetterlagen erst verständlich, wenn man sie an der Hand
der zugehörigen Luftdruckwellen untersucht. Die interessanten Wetterlagen,
wo flache Teiltiefs sich zu mächtigen Stürmen entwickeln oder Sturmwirbel sich
rasch verflachen, finden leicht in dem Verhalten der Druckwellen ihre Deutung.
Auch die Prognostik der Gewitter wird dadurch gefördert, denn ein großer Teil
derselben entsteht nicht ausschließlich durch die örtlichen thermischen Verhält-
nisse, sondern der Impuls zur Gewitterbildung wird meist durch flache Luft-
druckwellen gegeben, die vom Ozean gegen das: Festland wandern. Es ist
unmöglich, ausführlich auf die Förderung einzugehen, die die praktische Mete-
orologie durch die beschriebene Methode erfahren hat. Zumal da dieses
Forschungsgebiet noch nicht abgeschlossen ist. Es dürfte Aussicht vorhanden
1) Ohne hier und im nachfolgenden die Luftdruck- und Temperaturwellen als Wellen in rein,
physikalischem Sinne definieren zu wollen.
DEE ` E
sein, aus den zeitlichen Druckänderungen Gesetze herauszuschälen, die auch
die Prognostik für längere Zeiträume fördern. Alle Anzeichen sprechen dafür,
daß die Luftdruckwellen eine sehr allgemeine Erscheinung in der Atmosphäre
sind und daß sie eine bestimmte Rolle in der Zirkulation des Luftmeeres spielen.
Dafür spricht die überraschende Übereinstimmung der Luftdruckwellen in den
höheren Breiten der Nord- und Südhalbkugel. Jedenfalls sind die Luftdruck-
wellen der Ausdruck einer Störungsform der Atmosphäre, in der sich vielleicht
wertvolle Perioden auffinden lassen.
Die in der praktischen Meteorologie seit längerer Zeit mit prognostischem
Erfolg angewandte Methode der Luftdruckwellen hat neuerdings auch eine
thermodynamische Begründung gefunden. Bei dem Studium der Thermik der
Zyklonen und Anticyklonen war man darauf aufmerksam geworden, daß man
zwischen kalten und warmen Zyklonen und Anticyklonen wohl unterscheiden
muß. Seither hatte man angenommen, daß der Luftkörper der Antikyklonen
überhaupt wärmer sei als der der Zyklonen. Doch haben die neueren Unter-
suchungen gelehrt, daß dies nur für die großen stationären Antizyklonen, die
man zum Unterschied dynamische nennen könnte, gilt; in ihnen werden die
aus höheren Schichten herabziehenden Luftmassen dynamisch erwärmt. Ander-
seits kann in stationären Zyklonen der Luftkörper relativ kalt sein. Fundamental
unterscheiden sich davon die rasch wandernden Zyklonen und Antizyklonen.
Der Luftkörper der ersteren ist relativ warm, der der letzteren relativ kalt, oder
mit andern Worten, die beweglichen Zyklonen setzen sich aus warmen, die
beweglichen Antizyklonen aus kalten Luftströmen zusammen. Man nähert sich
damit wieder etwas der alten Doveschen Ansicht, die lange Zeit für überwunden
galt. Dove erklärte die atmosphärischen Störungen im wesentlichen aus dem
Kampf horizontaler Polar- und Äquatorialströmungen.
Diese fundamentalen Unterschiede zwischen den beweglichen und statio-
nären Luftdruckformen zwingen dazu, auf die Beziehungen einzugehen, die
zwischen den Temperaturverhältnissen der freien Atmosphäre und den Luft-
druckwellen an der Erdoberfläche bestehen. Es ist ohne weiteres klar, daß jede
stärkere Druckänderung, die am Erdboden beobachtet wird, durch eine ent-
sprechende Änderung der Temperatur in den darüberlagernden Luftschichten
zustande kommt. Sinkt die Temperatur einer Luftsäule über einem Punkt der
Erdoberfläche, so muß hier der Luftdruck steigen, fällt sie, so muß der Luft-
druck sinken, oder mit andern Worten, unter vorüberziehenden kalten Luft-
strömen sinkt das Barometer, unter warmen steigt es. Daß diese Verhältnisse
tatsächlich in der Atmosphäre bestehen, hat zuerst Ekholm nachgewiesen. Er
fand, daß die an der Erdoberfläche beobachteten Luftdruckwellen von Temperatur-
wellen in der freien Atmosphäre begleitet wurden. Neuerdings hat Trabert
diese Beziehungen eingehend an Hand der aerologischen Beobachtungen des
Lindenberger aeronautischen Observatoriums untersucht. Dadurch ist eine neue
Grundlage für das Studium der synoptischen Meteorologie und der Physik der
freien Atmosphäre geschaffen. Dabei wird natürlich die Wetterkarte immer als
Unterlage dienen müssen, auf die man die in der freien Atmosphäre herr-
schenden Verhältnisse bezieht.
Freilich ist zunächst die Zahl der Aerolagischen Stationen, die die Witte-
rungsverhältnisse in der freien Atmosphäre erforschen, noch zu gering. Im
Deutschen Reiche sind im Augenblick deren vier vorhanden: Lindenberg bei
Berlin, Großborstel bei Hamburg, Straßburg i. E. und Friedrichshafen, außer
DEE BO en
einigen wenigen andern Einrichtungen, die noch keine vollwertigen aerologischen
Stationen zu nennen sind. Täglich werden an den erwähnten Stationen acrolo-
gische Sondierungen der freien Atmosphäre mit Drachen oder Fesselballons aus-
geführt. Die Beobachtungen geben über Temperatur, Feuchtigkeits- und Wind-
yerhaltnisse in verschiedenen Höhen Aufschluß. Aber sie vermögen nur die
unteren Schichten, im Maximum bis 5000 m Höhe, zu erforschen. Ein täglicher
Wetternachrichtendienst würde sich also auf die untersten, im Maximum bis
5000 m reichenden Luftschichten, erstrecken. Für die Erforschung größerer
Höhen kommen nur die Registrierballons in Betracht, deren Resultate erst nach-
traglich verwendbar sind, und allenfalls Sondierungen mit kleinen mit Wasser-
stoff gefüllten Gummiballons. Aber diese geben nur über die Windrichtung
und Stärke und nicht über die so wichtigen Temperafurverhältnisse Aufschluß,
und sind nur bei klarem Wetter möglich. Man hat von meteorologischer Seite
schon mehrmals vorgeschlagen, ständige Pilotstationen in größerer Zahl, 20 bis
30, einzurichten, die jeden Morgen die Luftströmungen der freien Atmosphäre
sondieren und ihre Resultate an die Wetterdienststellen übersenden. Da die
Pilotmethode recht einfach und billig ist, würden der Durchführung des Planes
keine unüberwindlichen Schwierigkeiten im Wege stehen. Zahlreiche simultane
über ganz Deutschland verteilte Pilotbeobachtungen wären sehr wohl im Stande,
unsere Wetterkarten in der Vertikalen zu ergänzen und ein rohes Bild über
die Luftdruckverteilung in den verschiedenen Niveaus zu geben. Da die Winde
in der freien Atmosphäre ungefähr den Isobaren entlang wehen, geben die
Windrichtungen der verschiedenen Stationen ein Bild der Luftdruckverteilung.
Ohne Zweifel wäre für die Prognose schon dadurch manches gewonnen, aber
man darf den Wert der Pilotstationen für die Wettervoraussage nicht über-
schätzen. Wir wissen bis jetzt recht wenig über die Beziehungen zwischen dem
Oben und Unten in der Atmosphäre, und es bedürfte erst langer Erfahrung und
grundlegender Untersuchungen über die Beziehungen der Wetterlagen zu der
Meteorologie der freien Atmosphäre. Es müssen erst Gesetzmäßigkeiten und `
theoretische Grundlagen hier geschaffen werden. Erst dann wird die Prognose
nennenswerten Vorteil von der Aerologie haben. Aber jedenfalls liegt hier die
Zukunft der Wetterprognose.
Hier eröffnet sich ein großes Arbeitsgebiet, eine völlige Neuwertung der
synoptischen Meteorologie. Diese Arbeiten würden natürlich am vorteilhaftesten
von den Wetterdienststellen und den dort arbeitenden Meteorologen geleitet,
die durch die stetige Übung mit den Wetterlagen am besten vertraut sind. Zur
Verwirklichung dieser Ideen bedarf es in erster Linie eines geeigneten Ausbaus
der Wetterdienststellen; es müssen ihnen die Forschungsergebnisse der Wissen-
schaft zugänglich gemacht und zahlreichere wissenschaftliche Arbeitskräfte zur
Verfügung gestellt werden. Es wäre im Interesse des Fortschrittes der Prognostik
sehr zu bedauern, wenn die Dienststellen des öffentlichen Wetterdienstes zu
Wetterkarten-Geschäftsstellen und popularisierenden Instituten herabsänken,
deren Energie der praktische Betrieb völlig absorbiert; sie müssen selber die
Möglichkeit haben, wissenschaftlich zu forschen, damit ihre eigenen Forschungs-
ergebnisse und die Resultate der theoretischen und methodischen Meteorologie
dauernd verschmelzen. Das ist nur möglich, wenn sich die Regierungen der
Bundesstaaten endlich entschließen, den Wetterdienst zu stabilisieren und ihn
stärker zu fördern, als dies bisher geschehen ist.
E
— 8 —
Binides von den flüssiden Krystallen.
Von Werner Mecklenburg.
(Schluß.)
Fi cine Emulsionen, mögen sie nun auf dem üblichen mechanischen Wege oder
chemisch durch Schmelzen wohldefinierter reiner Verbindungen, wie dem
Dibromtrichlorphosphor, gewonnen sein, zeigen in der Tat manche Analogien
zu den Erscheinungen, die bei den flüssigen Krystallen beobachtet worden
sind. So besitzen sie die Fähigkeit, das Licht zu polarisieren; auch lassen sie
unter Umständen Pleochroismus erkennen. Andrerseits aber kann man bei
ihnen doch keineswegs alle die Beobachtungen, besonders nicht die kompli-
zierten optischen Beobachtungen wiederfinden, die an den liquo-krystallinen und ,
auch an den gewöhnlichen festen Krystallen gemacht worden sind. Die Ent-
stehung liquo-krystalliner Stoffe durch Mischung nicht-liquo-krystalliner Ver-
bindungen, von der weiter oben berichtet worden ist, kann auch nicht zugunsten
der Emulsionstheorie angeführt werden, da zunächst erst nachgewiesen werden
müßte, daß es sich bei ihnen tatsächlich um Emulsionen handelt. Andrerseits
kann das Auftreten der flüssigen Krystalle unter diesen Bedingungen darum
nicht so sehr überraschen, weil in ihnen an sich äußerst wenig beständige
polymorphe Modifikationen des betreffenden Stoffes vorliegen, und auch sonst
vielfach beobachtet worden ist, daß an sich sehr unbeständige oder überhaupt
nicht existenzfähige Krystallformen durch Hinzufügung von gewissen Bei-
mengungen beständig werden, und weil gerade die flüssigen Krystalle ein
großes Lösungsvermögen für andere Krystalle, eine starke Tendenz zur Bildung
von Mischkrystallen besitzen. Kurz, nach Ansicht des Berichterstatters ist die
Emulsionstheorie der flüssigen Krystalle bis jetzt nicht nur nicht genügend be-
gründet, sondern sie ist nach dem Gesagten nicht einmal imstande, die an
den flüssigen Krystallen beobachteten Erscheinungen zu erklären. Sie muß
also bei dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse als unzulänglich ab-
gelehnt werden. Ob sie, weiter ausgebildet, bessere Dienste wird leisten können,
mag dahingestellt bleiben.
Die der Emulsionstheorie gegenüberstehende Theorie legt den Hauptwert
auf die Analogie der Erscheinungen bei festen und flüssigen Krystallen: „Alle
wesentlichen Kennzeichen der festen Krystalle“, so faßt Vorländer die Er-
gebnisse seiner Arbeiten zusammen, „starke Doppelbrechung, schwarze Kreuze,
Achsenbilder, Pleochroismus, Wachstum, Gestalt und Auslöschungsrichtung (Auf-
treten von Ätzfiguren; Referent) sind bei den flüssigen Krystallen vorhanden,
fehlen aber (wenigstens zum Teil; Referent) den Emulsionen.“ Die innere
Struktur der vollständig flüssigen Krystalle, der Krystalltropfen, ist ihrem Wesen
nach gleichwertig mit der Struktur der gewöhnlichen starren Krystalle. Zwischen
beiden Erscheinungsformen der krystallisierten Materie, den starren und den
flüssigen Krystallen, die, sobald sie einen bemerkenswerten Grad von Weich-
heit haben, als fließende Krystalle bezeichnet werden, existieren alle möglichen
Übergänge. Gerade die Existenz von Übergängen ist im Sinne dieser Theorie
durchaus verständlich, während sie der Emulsionstheorie darum große Schwierig-
keiten bereitet, weil sie sie zur Errichtung einer Scheidewand dort zwingt, wo
in der Natur keine ist.
Die Freunde der Emulsionstheorie haben den Einwand erhoben, daß eine
vollkommen homogene reine chemische Substanz im flüssigen Zustande ganz
— 84 —
klar durchsichtig sein müsse, daß also die trüben Schmelzen der flüssigen
Krystalle nicht durchaus homogen sein könnten; die Trübheit der Schmelzen
bildete für die Emulsionstheorie den Ausgangspunkt und die stärkste Stütze.
Nun war allerdings bis zur Entdeckung der liquo-krystallinen Stoffe die klare
Durchsichtigkeit chemisch reiner Flüssigkeiten eine selbstverständliche, ja fast
dogmatische Forderung, die aber doch den neuartigen Tatsachen gegenüber
nicht aufrecht erhalten werden kann. Eine liquo-krystalline Schmelze ist als
ein Aggregat von einzelnen liquo-krystallinen Krystallen anzusehen. Die ein-
zelnen liquo-krystallinen Krystalle, die Krystalltropfen, sind, wie Lehmann
durch ihre Isolierung gezeigt hat, vollkommen klar und homogen. Ein Aggregat
von diesen Krystalltropfen aber muß trübe erscheinen, weil die verschiedenen
Krystalltropfen nicht schön geordnet nebeneinander, sondern wirr durcheinander
liegen, sodaß das Licht auf seinem Wege durch das Aggregat Partien von
wechselndem Brechungsexponenten passieren muß und dadurch innerhalb des
Aggregats eine Reflexion erleidet. Demnach ist also die Trübung der krystal-
linisch-flüssigen Phasen nur auf ihre unregelmäßige Anordnung zurückzuführen,
und darum müßte, falls es gelänge, die einzelnen Krystalle parallel zu richten,
die Schmelze klar werden. Dies Experimentum crucis ist nun in der Tat von
Vorländer ausgeführt worden: „Durch gelindes Hin- und Herschieben des '
Deckglases kann man die flüssigen Stäbchen vieler Ester, z. B. Anisalamino-
zimtsäureester und Aethoxybenzalaminozimtsäureester, parallel stellen und auf-
richten, und dadurch die trüben Flüssigkeiten in klare Flüssigkeiten verwandeln.“
In derartig künstlich geklärten liquo-krystallinen Flüssigkeiten sind die ein-
zelnen Krystalle so gestellt, daß ihre optischen Axen, in deren Richtung be-
kanntlich keine Doppelbrechung auftritt, senkrecht zu Objektträger und Deck-
gläschen stehen, sodaß die Flüssigkeit keine Doppelbrechung mehr zeigt, also
nicht mehr anisotrop, sondern isotrop erscheint. Diese künstliche Isotropie wird
von Lehmann als „Pseudoisotropie“ bezeichnet.!)
Wie weit in einem Aggregat flüssiger Krystalle die Individualität der ein- -
zelnen Krystalle erhalten ist, läßt sich aus den bisherigen Beobachtungen nicht
mit Sicherheit erschließen. Es erscheint jedoch zweifellos, daß, da die Starr-
heit, die bei den festen Krystallen die Erhaltung der Individualität in hohem
Maße begünstigt, hier fehlt, der Einfluß der von den Nachbarkrystallen und
allgemein von der Umgebung ausgehenden Störungen ziemlich weitgeht,
so daß die Auffassung eines Aggregats flüssiger Krystalle als eines Ge-
menges von mehr oder minder gut ausgebildeten Individuen mit ciner
amorphen Masse ungeordneter Moleküle der Wirklichkeit vielleicht nahe
kommen dürfte.
Diese Idee ist in allgemeiner Weise von E. Bose entwickelt worden.
Während in der üblichen kinetischen Theorie der Wärme die Moleküle als
Kugeln angeschen werden, geht Bose, indem er sich auf die Entdeckung
Vorländers vom Zusammenhange zwischen der Bildung liquo-krystallischer
Phasen und der chemischen Konstitution stützt, von der Voraussetzung aus,
daß die Moleküle nicht Kugeln, sondern langgestreckte Gebilde, in einfachster
Form zweiachsiger Rotationsellipsoide, darstellen. In ihnen sind also nicht
mehr wie bei den kugelförmigen Molekülen alle Richtungen gleichwertig, son-
1) Daß die Gebilde tatsächlich doch anisotrop sind, läßt sich durch Beobachtung im konver-
genten polarisierten Licht nachweisen.
— 85 —
dern eine Richtung erweist sich als bevorzugt. Ist nun die Entfernung der
Mittelpunkte der einzelnen Moleküle von einander kleiner, als der halben Längs-
achse des Ellipsoides entspricht, so können sich die Moleküle nicht mehr frei
bewegen, sondern hindern sich gegenseitig, und ihre Längsachsen werden an-
nähernd parallele Richtung annehmen. Alle Moleküle mit parallelen Längs-
achsen bilden einen Molekülschwarm. Treten derartige Molekülschwärme in
einer Flüssigkeit auf, so verliert die Flüssigkeit ihre homogene und isotrope
Struktur und nimmt eine anisotrope Struktur an, sie wird zur krystallinischen
Flüssigkeit. Der Klärungspunkt wäre nach dieser Auffassung als die Tempera-
turgrenze anzusehen, oberhalb deren die Molekülschwärme unbeständig sind.
Ob und inwieweit diese Theorie ohne allzu viele Hilfshypothesen den Erschei-
nungen gerecht werden wird, läßt sich zurzeit nicht mit Sicherheit entscheiden;
dem Berichterstatter scheint es aber keineswegs ausgeschlössen zu sein, daß
sie für das Verständnis der krystallinischen Flüssigkeiten größere Bedeutung
gewinnen wird.
Zum Schluß mögen noch einige Worte über die Frage gesagt werden, ob
denn die einzelnen flüssigen Krystalle, die Krystalltropfen, wirklich noch die
Bezeichnung „Krystalle“ verdienen. Zu ihrer Beantwortung müssen wir nun
vor allen Dingen die Definition eines Krystalles in die Erinnerung zurückrufen.
Ein Krystall ist ein Körper, dessen von der chemischen Natur abhängige Eigen-
schaften ganz oder teilweise eine Funktion der Richtung sind. Diese Definition
gilt zweifellos auch für die flüssigen Krystalle, wenn wir von der sekundären
Wirkung absehen, die die Oberflächenspannung auf die Gebilde ausübt. Sehen
wir aber von dieser sekundären Wirkung nicht ab, berücksichtigen wir also die
Erscheinung, daß der Krystall in der Nähe seiner Oberfläche deformiert wird,
sodaß seine Eigenschaften nicht allein mehr von der Richtung, sondern auch
von der Entfernung der in Frage kommenden Teile von der Oberfläche ab-
hängen, so werden wir für einen flüssigen Krystall, sofern wir streng urteilen,
die Bezeichnung Krystall nicht mehr gelten lassen. Daher empfiehlt es sich
vielleicht, die liquo-krystallinen Gebilde nach einem Vorschlage von Riecke
als „anisotrope Flüssigkeiten‘ zu bezeichnen, wobei man sich jedoch stets ver-
gegenwärtigen muß, daß zwischen den gewöhnlichen festen Krystallen und
den am leichtesten beweglichen anisotropen Flüssigkeiten ein wesentlicher
Unterschied nicht besteht, daß Übergangsformen zwischen ihnen existieren, die
das Ziehen einer Grenzlinie unmöglich machen, denn die Anisotropie be-
ruht in allen diesen Fällen auf einer inneren, als Funktion der chemischen Zu-
sammensetzung auftretenden eigentümlichen Struktur. Verfolgen wir diesen
Gedanken, zu dem uns das Studium der flüssigen Krystalle geführt hat, weiter,
so gelangen wir in konsequenter Weise zu einer neuen Einteilung der Zustände,
in denen die Materie erscheinen kann, indem wir in der früher gegebenen Ein-
teilung den Begriff ,krystallisiert‘, durch den etwas weiteren Begriff „an-
isotrop“, dieses Wort im weitesten Sinne, also nicht etwa nur im optischen
Sinne genommen, :und den Begriff „amorph* durch den Begriff „isotrop“ er-
setzen. Die weitere Einteilung würde dann so zu geschehen haben, daß man
bei den anisotropen Stoffen zunächst die verschiedenen Krystallsysteme,
zwischen denen Übergänge nicht bekannt sind, unterscheidet, und innerhalb
jedes einzelnen Krystallsystems die Stoffe nach dem Flüssigkeitsgrade an-
ordnet. Die isotropen Stoffe werden nur nach ihrer Beweglichkeit oder Fluidität
aneinander gereiht.
— 88 —
Es ist aber noch ein anderer Gesichtspunkt möglich, der nach Ansicht des
Berichterstatters den realen Tatsachen am besten gerecht wird. Die Betrach-
tungen über die Aggregate flüssiger Krystalle hatten uns zu der Auffassung ge-
führt, daß die krystallinischen Flüssigkeiten aus anisotropen Komplexen be-
stehen, zwischen denen sich Moleküle von geringerer Regelmäßigkeit in der
Anordnung befinden. Bei den Aggregaten fester Krystalle sind alle Moleküle
geordnet, bei den fließenden Krystallen ist die Anordnung der zwischen den
einzelnen Krystallzentren befindlichen Moleküle weniger streng, und noch
weniger Ordnung herrscht bei den Aggregaten der eigentlichen flüssigen
Krystalle. Ob wir bei diesen letzten bereits bei dem geringen Grade von Ord-
nung angelangt sind, den Bose in seiner Theorie der Molekülschwärme für die
krystallinischen Flüssigkeiten annimmt, mag dahingestellt sein, jedenfalls muß
die Möglichkeit durchaus zugegeben werden, daß es von den flüssigen Krystallen
bis zu den amorphen Flüssigkeiten mit dauernd abnehmender Tendenz zur
Ausbildung strenger Molekülanordnungen über immer labiler werdende Molekül-
schwärme hinweg alle möglichen Übergänge gibt, d. h. daß ein prinzipieller
Gegensatz zwischen anisotropen und isotropen Stoffen in der Natur tatsächlich
nicht existiert. Diese Auffassung läßt sich auch strenger und freier von hypo-
thetischen Voraussetzungen allgemein energetisch oder thermodynamisch ab-
leiten, indem man neben den Begriff der chemischen Affinität, die bekanntlich
durch die maximale Arbeit gemessen wird, die der chemische Vorgang zu
leisten vermag, den Begriff der Krystallaffinität stellt und die Krystallaffinität
durch die maximale Arbeit mißt, die bei dem isothermen Übergange des
amorphen in den krystallisierten Stoff geleistet werden kann. Gerade so, wie
nun die chemische Affinität vom Werte Null bis zu sehr hohen Werten steigen
kann, müssen wir auch für die Krystallaffinität zwischen den hohen Werten,
wie sie bei den festen Krystallen in Frage kommen, und dem Werte Null alle
Zwischenwerte als möglich annehmen. Demnach wären die Zustände der
Materie ganz anders einzuteilen. Die prinzipielle Unterscheidung zwischen iso-
tropen und anisotropen Stoffen würde fortfallen und die Einteilung nur nach
den einzelnen Krystallsystemen, zwischen denen direkte Übergänge bis jetzt
nicht bekannt sind, geschehen; innerhalb der einzelnen Krystallsysteme würde
als Einteilungsgrund die Krystallaffinität dienen. Wir kämen also zu folgender,
für jedes einzelne Krystallsystem geltenden Reihe:
Fester Krystall — fließender Krystall — flüssiger Krystall — amorphe Flüssigkeit,
zwischen deren einzelnen Gliedern alle möglichen Übergänge anzunehmen sind.
Wie dem auch sei: nach Ansicht des Berichterstatters ist für die Lehre
von den Krystallen die bisher kaum noch in Angriff genommene Messung der
Krystallaffinität in dem oben definierten Sinne die wichtigste Aufgabe der Zu-
kunft. Von ihrer Lösung können wir die größten Fortschritte in der Erkenntnis
der Natur mit Sicherheit erwarten.
* *
x
Die Literatur über die flüssigen Krystalle ist außerordentlich reich. An
erster Stelle ist hier die wundervoll ausgestattete Monographie von
O. Lehmann: Flüssige Krystalle sowie Elastizität von Krystallen im allge-
meinen, molekulare Umlagerungen und Aggregatszustandsänderungen,
Leipzig 1904, |
=. BT 22
zu nennen, ein Werk, das eine sehr reiche, in Ermangelung eines alphabetischen
Sachregisters aber unübersehbare Fülle von Einzelheiten enthält und für jeden,
der sich für die Probleme der Krystallbildung interessiert, unentbehrlich ist.
Eine Ergänzung des Lehmann’schen Werkes mit besonderer Berücksich-
tigung der physikalisch-chemischen Seite stellt das Werk von
R. Schenck: Krystallinische SSES und flüssige Krystalle, Leipzig
1905,
dar, in der vor allen Dingen die Originalarbeiten des Verfassers und seiner
Schüler, aber der Vollständigkeit wegen auch die wichtigsten Ergebnisse der
Untersuchungen von Lehmann u. a. zusammengefaßt sind. Eine neuere zu-
sammenfassende Darstellung hat Schenck vor einiger Zeit unter dem Titel
„Bericht über die neueren Untersuchungen der krystallinischen Pinssig kerten
im Jahrb. d. Rad. u. Elektronik, Bd. VI, S. 572 bis 639, publiziert.
Eine wertvolle Übersicht, in der der Hauptwert auf die Chemie der liquo-
krystallinen Stoffegelegt ist, verdanken wir
D. Vorlander: Krystallinisch-flüssige Substanzen: Stuttgart 1908.
AuBer diesen zusammenfassenden Arbeiten liegen sehr viele Originalarbeiten
vor, die in der Hauptsache während der letzten 10 Jahre in den Annalen der
Physik, in den Berichten der Deutschen Chemischen Gesellschaft, in der Zeit-
schrift für physikalische Chemie und in der Physikalischen Zeitschrift veröffent-
licht sind. Referate über jede einzelne Arbeit findet man im Chemischen
Centralblatt.
AR
Neuer Bllipso$raph.
(D. R. P. 218013.)
[H tipsograph oder Ellipsenzirkel nennen wir ein Instrument zum Zeichnen von Ellipsen,
deren Größe und Achsenverhältnis innerhalb gewisser Grenzen beliebig ist.
Die mathematischen Gesetze, auf denen die Konstruktion dieser Ellipsenzirkel
beruht, sind verschieden; hauptsächlich kommen aber zwei in Betracht. Das eine Gesetz
"e
ist: ,Bei einer Ellipse ist die Summe zweier Leitstrahlen stets gleich der großen, Achse,
das heißt r, +r,=2a.“ Das zweite Gesetz lautet: „Sind M und N die Punkte einer
geraden Linie, welche Punkte sich ständig auf den Schenkeln eines Rechteckes bewegen,
— BB —
so beschreibt ein beliebiger Punkt dieser Geraden eine Ellipse. Im speziellen Fall,
welchen Fig. 1a veranschaulicht, wurde MN der Differenz der halben großen und halben
kleinen Achse gleich gemacht, während Punkt P so gewählt wurde, daß NP gleich der
halben großen Achse ist“.
Ist nämlich in Fig. 1a
die große Achse = 2a, die kleine = 2b, also AO=OB=PN =a;
CO = OD = PM = b; so ist = sin a, 4 = cos a und da sin? a + cos? « = 1
2 2
mithin = + 7, = 1.
Dies ist die Gleichung der Ellipse, bezogen auf ihre Hauptachsen. Ein in P be-
festigter Zeichenstift beschreibt also eine Ellipse. Ebenso kann die Richtigkeit
des Lehrsatzes bewiesen werden, wenn sich P innerhalb MN befindet (und MN =a+ b
= MP + PN ist). )
Praktisch verwertbar, zum Konstruieren von Ellipsenzirkeln, ist nur das letztere
Gesetz, da die auf Grundlage anderer mathematischen Gesetze beruhenden Ellipso-
graphen, z. B. auf der Grundlage der Hypocykloiden
etc. viel zu kompliziert und daher zu praktisch wenig
verwertbaren Instrumenten führen.
Die neueste Erfindung auf diesem Gebiete (D.R.P.
218013) betrifft einen Ellipsographen, welcher bei ein-
facher aber kräftiger Bauart in einem Zuge vollstän-
dige Kreise oder Ellipsen zeichnet, deren Durchmesser
in den weitesten Grenzen wechseln kann (1.5 bis 50 cm),
im Gegensatz zu den bekannten ähnlichen Vorrich-
tungen, welche entweder nur halbe Ellipsen von be-
liebigen Durchmessern, oder wohl ganze Ellipsen, aber
nur innerhalb gewisser Durchmessergrenzen zeichnen
können.
Ein besonderer Vorteil des Ellipsographen ist,
daß die Führungen der als kreisförmige Teller aus-
gebildeten Führungsblöcke übereinander in verschie-
denen Ebenen liegen, wodurch einmal für die Führungs-
teller die führungslose Stelle beseitigt wird und wo-
durch zweitens bei Abschrägung der zu den Führungs-
tellern führenden Stifte gemäß Fig. 2 es ermöglicht
wird, Ellipsen mit ganz besonders kleiner Exzentrizität
bezw. Kreise zu zeichnen.
Auf der Zeichnung ist ein Ausführungsbeispiel
in Fig. 1 schaubildlich dargestellt, während die Fig. 2
eine Einzelheit veranschaulicht.
Auf dem mit vier kreuzweise gegenüberstehenden
Nadeln 1 versehenem Fuße 2 ist fest, jedoch leicht
lösbar die Versteifungsplatte 3 aufgesetzt, welche die
einander im rechten Winkel kreuzenden Führungen 4,4;
bezw: 6,6, trägt, deren Führungsflächen 5, bezw. 7,7,
in zwei übereinander liegenden horizontalen Ebenen
verlaufen.
Die Stange 10 trägt den festen Block 11, und den mittels Stellschraube _feststell-
baren Block 15, deren halbrunde, mit den flachen Seiten einander zugewandten fest-
stehenden Zapfen 12, bezw. 16 (Fig. 2) zwischen den Führungen 6,6 bezw. 4.4 nach unten
ragen und an ihrem freien Ende die unter die Führungsflächen 7,7 bezw. 5,5 greifenden
— 9 —
Führungsrollen 13 bezw. 17 tragen. Die Führungsrolle 17 ist mit einem bis zum Zapfen
reichenden Ausschnitt 18 versehen, so daß man Block 15 so weit an Block 11 zu schieben
kann, daß ihre halbrunden Zapfen aneinander liegen und einen Rundzapfen bilden, in
welchem Fall = 0 ist, und der Ellipsograph konzentrische Kreise zeichnet.
Die Stange 10 trägt ferner den verschiebbaren Block 25, in dessen senkrechtem
Arme 26 der Reißfederhalter 27 verschiebbar gelagert ist. Der Arm 26 ist von solcher
Länge, daß die Reißfeder 28 gegebenenfalls frei unter dem Tische 3 kreisen kann. Sollen
große Ellipsen gezeichnet werden, so wird der Halter 27 verkehrt in 26 eingesetzt, oder
Block 25 im Horizontalen um 180° verdreht auf der Stange 10 befestigt. Es ist ersicht-
lich, daß die untere Grenze der möglichen Figurengröße durch den Umfang des aus-
wechselbaren Fußes 2, die obere Grenze nur durch die Summe der Länge der Stangen 10
und 27 bestimmt ist. Bei Benutzung wird der Ellipsograph derart aufgestellt, daß die
kreuzweise sich gegenüberstehenden Nadeln 1 des Fußes 2 über dem vorgezeichneten
kleinen und großen Durchmesser in das Reißbrett eindringen. Da die Führungen 4,4
bezw. 6,6 parallel zu den durch je zwei gegenüberliegende Nadeln des Fußes bestimmten
Linien sind, ist der Ellipsograph nunmehr orientiert, indem nun Führung 4,4 über der
großen, Führung 6,6 über der kleinen Achse zu liegen kommt. Beim Zeichnen kleinerer
Ellipsen genügt der in der Figur dargestellte kleine Fuß zur pünklichen Einstellung,
während man bei größeren Ellipsen zweierlei Vorrichtungen behufs genauer Einstellung
anwenden kann, entweder wird der Fuß 2, welcher z. B. mittels einer vierkantigen Hülse
auf einem zentralen Vierkant der Platte 3 befestigt ist, gegen einen größeren umgetauscht,
dessen Nadeln in entsprechend größerem Abstande von einander angeordnet sind und
somit eine pünktlichere Einstellung über den Durchmessern ermöglichen, oder auf der
Stange 10 wird, zur Feststellung derselben über den Führungen während der Einstellung,
eine umklappbare, zwischen die Führungsstangen greifende Zunge angebracht, welche
ein genaues Einstellen der Reißfeder über dem großen bezw. kleinen Durchmesser er-
möglicht. Nun wird Stange 10 soweit verdreht (in der Figur nach rechts), daß der
Block 11 in die Kreuzung der Führungen und demgemäß die Stange 10 parallel zu der
Führung 4,4 steht, worauf man nach Lösen der Schrauben 29 oder 30 die Spitze der
Reißfeder auf das Ende der großen Achse einstellt und die gelöste Schraube wieder
anzieht. Wird nun die Stange 10 um 90° nach rechts gedreht, so kommt Zapfen 16 des
Blockes 15 in die Kreuzung der Führungen, und die Stange 10 wird parallel zur Führung 6,6
liegen. In dieser Stellung wird die Stellschraube 19 des Blockes 15 gelöst, und die
Stange 10 im Block 15 soweit nach rechts oder links verschoben, daß die Spitze der
ReiBfeder auf dem Ende des kleinen Durchmessers ruht. Nach Anziehen der Schraube 19
ist nun der Apparat gebrauchsfertig und wird durch Herumführen der Stange 10 um
360° betätigt.
Der neue Ellipsograph zeichnet sich andern ähnlichen Apparaten gegenüber durch
einfache Konstruktion, leichte Handhabung, Möglichkeit der Änderung der Figurengröße
in weiten Grenzen, und des Ziehens der Figuren ohne Absetzen aus.
Man kann den Apparat auch mit verschiedenen Vervollkommnungen versehen, z. B.
man kann die Reißfeder mit vertikaler Federung versehen und dieselbe auf einfache
Weise höher stellen, in dieser Stellung fixieren und bei dem Zeichnen der Ellipse wieder
senken, und die feine Einstellung durch eine horizontale Stellschraube bewirken, außer-
dem werden an dem Fuße 2 die Nadeln auswechselbar angeordnet usw.
Der Zweck dieser Vorrichtung ist, daB sie bei verhältnismäßig niedrigen Her-
stellungskosten und einfacher Handhabung die unpraktischen krummen Lineale voll-
ständig entbehrlich macht, was nicht nur eine große Zeitersparnis, sondern auch eine
schönere und genauere Ausführung der Zeichnung gewährleistet.
E
Ernst Lukács.
—, =
- Kleine Mitteilangen.
Eine neue Methode zur Erforschung des Erdinnern auf elektrodynamischem Wege teilen
die Herren Löwy und Leimbach in der physikalischen Zeitschrift mit. Unsere Kenntnis über die
Beschaffenheit der Erde unterhalb einer Schicht von etwa 3 km ist eine außerordentlich beschränkte,
da man direkt noch nicht tiefer in den Boden eindringen und somit die aufgestellten geologischen
Schlüsse bestätigen konnte. Erst neuerdings ist durch die großen Fortschritte der Seismologie auf
Grund der Beobachtung von Erdbebenwellen eine direkte Methode geschaffen worden, um die
elastischen Eigenschaften der einzelnen Schichten bis zu den größten Tiefen zu erforschen, wie
Wiechert und Geiger in einer neueren Arbeit darlegen. Die Möglichkeit, die Erdbebenwellen zu
- diesem Zweck zu benutzen, beruht darauf, daß die vom Erdbebenherd ausgehenden Wellenzüge
durch die Form der einzelnen Schichtungen und deren elastische Eigenschaften modifiziert werden
und infolgedessen an den einzelnen seismographischen Stationen in verschiedener Weise zur Beob-
achtung gelangen. Vergleicht man dann die von dem gleichen Beben herrührenden Aufzeichnungen
der einzelnen Beobachtungsstationen, so läßt sich daraus ein Schluß über Zahl und Beschaffenheit
der Schichten ziehen, ein Verfahren, das natürlich um so größere Genauigkeit gewinnt, je mehr
Material man bei der Auswertung heranziehen kann.
Auf ganz andrer Grundlage beruht nun die von Löwy und Leimbach vorgeschlagene Methode,
nämlich auf der Beobachtung elektromagnetischer Wellen, die das Erdreich durchdrungen haben.
Die elektrischen Wellen pflanzen sich ja mit Lichtgeschwindigkeit in dem von Materie nicht erfüllten
Raum fort, werden auch durch die Materie selbst bei ihrer Ausbreitung nicht allzu sehr geschwächt,
nur darf die betreffende Materie kein guter Leiter für Elektrizität sein, denn dann werden die
Wellen völlig verschluckt. Man ist nun von vornherein geneigt, die Erde als einen guten elektrischen
Leiter zu betrachten und zu meinen, daß die Wellen sehr bald vom Boden absorbiert werden
müßten; das trifft auch sicher für feuchtes Erdreich zu; bei Benutzung von trockenen Strecken,
Fig. ı. Fig. 2.
z. B., Wüstenstrecken ist das durchaus nicht der Fall, und gerade hier dürfte diese Methode die größte
Aussicht auf Erfolg haben. Die Anwendung der Methode besteht entweder in Beobachtung der Reflexion
oder der Absorption der elektrischen Wellen. Zur Veranschaulichung der ersten Art diene Fig. 1.
AB sei hier der Sender der elektromagnetischen Wellen, die sich durch das Erdreich fortpflanzen;
befindet sich in M eine relativ gut leitende Schicht, so werden sie hier wie Lichtstrahlen. reflektiert
und gelangen in der Empfangsantenne A'B: zur Beobachtung. Als solche reflektierenden Schichten
kommen in erster Linie Erzlager, Kohlenflöze und Grundwasserspiegel in Betracht. Die Rauheit
dieser Flächen kommt praktisch kaum in Frage, da für das Zustandekommen der Reflexion die
Unebenheiten nur klein gegen die benutzte Wellenlänge sein müssen, man anderseits die Wellen-
längen beliebig groß wählen kann, so daß Risse und Spalten von einigen Metern gar keine Rolle
spielen. Während der Meßbereich dieser Methode sich bis auf etwa 1 km erstrecken dürfte, erlaubt
die zweite in wesentlich größere Tiefen einzudringen. Diese Anordnung besteht darin, daß man
drei Bohrlöcher verwendet, von denen das mittelste zur Aufnahme des Senders, die beiden seitlichen
für Unterbringung zweier ganz gleichgebauter Empfänger dienen, wie Fig. 2 ergibt. Beobachtet
man nun gleichzeitig an beiden Empfängern, so werden die von S ausgehenden Wellenringe den
Empfänger E, wesentlich schwächer erregen als E,, wenn zwischen S und E, absorbierende, also
relativ gut leitende Schichten eingelagert sind, solche zwischen E, und S jedoch fehlen. Beide
Versuchsanordnungen haben die Verfasser mit zufriedenstellenden Ergebnissen geprüft. Wichtig ist
vor allen Dingen, dieses Verfahren in möglichst trockenem Boden anzuwenden, und da kämen
in erster Linie die großen afrikanischen Wüsten in Betracht, in denen man auf diese Weise etwa
vorhandenes Wasser entdecken und so auch diese jetzt völlig brach liegenden Striche der Bebauung
zugänglich machen könnte. Das wäre eine Anwendungsart dieses Verfahrens, das enorme kultu-
relle Werte schaffen könnte. Es ist zu hoffen, daß es einmal in großem Stil zu diesem Zweck zur
Durchführung gelangt. W. H.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F. S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
Mathematische und astronomische Gnterrichtskurse
von Doc. Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
Im. nduen Hörsaal der Treptow - Sternwarte, Treptow bei Berlin, Alt- Treptow. 1
wi Dienstags 6—7 Uhr abends. Beginn: 10. Januar 1911. eg
Einführung in die höhere Mathematik.
Funktionentheorie und Differentialrechnung.
l A. Fugktionentheorie. Begriff der Funktion, ihre geometrische parsteluug: — Grenz-
begriffe. — Binomischer Lehrsatz.
B. Differentialrechnung. Begriff des Differentialquotienten und der Stetigzeit. —
Differentiation der verschiedenen Funktionen. — Lineare, trigonometrische und Kreisfunktionen
— Differentiation von Funktionen mit zwei Veränderlichen. — Anwendungen aus der Astronomie
und Physik.
Die Mathematik wird nach eigener Methode so vorgetragen, daß die praktischen An-
wendungen von der ersten Stunde an su ihrem Rechte kommen.
Die Hörerkarten sind schon zum ersten Vorinage mitzubringen und jedesmal als Aus-
weis vorsuseigen.
Hörgebühr für den sehnstiindigen Kursus 6 M., für Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 4,50 M.
Astronomie für Jedermann.
Mit Lichtbildern, Demonstrationen und praktischen Uebungen auf der Plattform der
Treptow - Sternwarte.
WS Montags 9—10 Uhr abends. Beginn: 9. Januar. eg
Zwei kleinere Fernrohre stehen vor und nach dem Vortrage zur freien Ter
Die Sternbilder und Anleitung zu ihrer Auffindung.
Sonne und Mond.
. Unser Planetensystem.
Kometen und Sternschnuppen.
Unser Wissen von den Sternenwelten.
Milchstraße und Nebelgestirne.
Sternhaufen, veränderliche und neue Sterne.
Astronomie mit dem Opernglas und kleinen Fernrohren.
Sonnen- und Mondfinsternisse.
Unsere Erde als Planet.
Die Hörerkarten sind schon zum ersten Vortrage mitzubringen und jedesmal als Aus-
weis vorzugeigen.
Hörgebiühr für den zehnstiindigen Kursus 5 M., für Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 8,50 M..
O DOON Ppa o N H
æn
Über die Bestimmung der Zeit und ihre Weitergabe.
Mit Lichtbildern, Demonstrationen und praktischen Übungen auf der Plattform der
Treptow-Sternwarte.
pe Dienstags 8—9 Uhr abends. Beginn: 10. Januar. wg
Begriff von Raum und Zeit. — Die ersten Zeitmesser. — Sonnenuhren. — Die verschiederen
Zeitarten. — Präzisionsuhren und ihre Vergleichung. — Die Erde als Uhr. — Die verschiedenen
Methoden der Zeitbestimmung. — Zeitbestimmung im Luftschiff. — Die telegraphische Weitergabe
der Zeit. — Normaluhren und Zentraluhren. — Die Zeitsignale von Norddeich und vom Eiffelturm
mittels Welentelegraphie. — Zukunft der Zeitverwaltung.
Die Hörerkarten sind schon zum ersten Vortrage mitzubringen und jedesmal als Aus-
weis vorzuzeigen. g
Hörgebühr für den sehnstündigen Kursus 7 M., für Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 5,50 M.
ie Halley-Kometen-Metlaille
Herausgegeben zur Förderung wissenschaftlicher Arbeiten auf der Treptow - Sternwarte.
A A
Vorderseite: Porträt Edmund Halleys, des ersten Berechners des nach ihm benannten
Kometen. Text der Innenfläche: EDMUND / HALLEY /1656/1742 (E. Torff). Text auf dem
umschlieĝenden Rand: ZUR ERINNERUNG A. D. ERSCHEINEN D. HALLEYSCHEN KO-
METEN. 1910. U. Z. FOERDERUNG WISSENSCHAFTLICHER ARBEITEN DER TREP-
TOW:STERNWARTE * Unter dem Porträt: * HALLEY BESIEGTE DIE KOMETENFURCHT*
Rückseite: Die neuerbaute Treptow-Sternwarte mit dem großen Fernrohr, welches auf
den Kometen bei seinem Stand am 18. Mai gerichtet ist. Darüber der Horizont mit dem
Sternbild und der Laufbahn des Kometen in der Zeit vom 5. bis 30. Mai nach der von
Dr. F. S. Archenhold ausgeführten Berechnung. Auf dem tellerförmigen Rand in wage-
rechter Anordnung folgender Text.
/ DAS ERSCHEINEN DES HALLEYSCHEN KOMETEN / V. JAHRE 210 V. CHR. B. 1010 N. CHR A
SEINER SONNENNAEHE / N. DR. ES ARCHENHOLD / dann die Erscheinungsdaten: 15. MAI 240 V.
CHR. / 20. MAI 163 / 15. AUG. 87 / 8. OKT. 11 / 26. JAN. 66 / 25. MAERZ 141 / 6. APRIL 218 / 7. APRIL 295
1. NOV. éch 3. JULI 451 / NOV. 520 / OKT. 608 OKT. 684 / 11. JUNI 760 / 1. MAERZ 837 / APRIL 912 N.
CHR. / 12. SEPT 989 / 1. APRIL 1068 / 19. APRIL 1145 / 22 AUG. 1222 / 23. OKT. 1801 / 9. NOV. 1878 / 8 JUNI
1456 / 26. AUG. 1531 / 27. OKT. 1607 / 14. SEPT. 1682 / 18. MAERZ 1759 / 16. NOV. 1835 / 20. APRIL 1910.
Unter dem Gebäude steht in vertiefter Schrift / DIE TREPTOW : STERNWARTE / während
der übrige freie Raum zur Aufnahme des Namens des mit der Medaille beliehenen resp.
desjenigen, der die große Medaille zu dem festgesetzten „Wissenschaft-Förderungspreis“
erwirbt, bestimmt ist. |
Ausführender Künstler: E. Torff. Ausführende Prägeanstalt: Awes - Münze, Berlin.
Die Medaille wird in zwei Größen ausgegeben und zwar für die Allgemeinheit:
28mm groß in Bronze, zu 2,— M. p. Stück - 28mm groß in Silber, zu 5,— M. p. Stück
auf Wunsch auch mit Oese und Ring als Anhänger. Die Größe eignet sich für die im
Handel gebräuchlichen Broschenfassungen für Tubiläumsgeldstücke. Diese sind bei
jedem Juwelier erhältlich.
Für die Förderer und Freunde der Treptow - Sternwarte:
60 mm groß in Bronze . . . zu 650,— M. p. Stück
60 mm groß in massiv Silber . zu 500,— M. p. Stück
60 mm groß in massiv Gold . zu 3000,— M. p. Stück.
Die Preise verstehen sich einschließlich Gravur resp. Prägung des Namens des Käufers und Etui —
Die Erwerber dieser Medaillen werden ala Förderer wissenschaftlicher Arbeiten der Treptow - Sternwarte
betrachtet. — Die Medaillen sind nur von der Treptow -Sternwarte zu beziehen. ;
Direktion der Treptow-Sternwarte.
Bestellungen nimmt entgegen der
Verlag der Treptow - Sternwarte + Berlin - Treptow.
DAS WELTA
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 7. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 Januar 1.
i Berlin-Treptow. |
Diese Zeitschrift erscheint zweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) Nano.
durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treplow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post-
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pjg. — Anseigen-Gebühren: I Seite 80.— MR., 1/, Seite 45.—
1/, Seite 25.—, lg Seite 15.—, Up Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewicht.
INHALT
1. Das Wesen der Gravitation im Sonnensystem. Von 3. Kleine Mitteilungen: Beobachlung einer glänzenden
Hans Passarge, Königsberg i. Pr.. . . 1. 2... 93 Feuerkugel am 18. Dezember 1910 in Dortmund. . 104
2. Der gestirnte Himmel im Monat Februar 1911. Von 4. Bücherschau: Deutscher Pholographen - Kalender.
Dr. F. S. Archenhold. . ..... H ee Sle as 100 | Taschenbuch und Almanach für 1911... ... 104
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet.
Das Wesen der Gravitation im Sonnensystem.
Von Hans Passarge, Königsberg i. Pr.
SS weit Einwände erhoben worden sind gegen die Theorie der Schwere auf
den Planeten Venus, Erde und Mars und auf dem Mond der Erde, wie sie
in Nummer 18 und 19 des „Weltall“, Jahrg. 10 vorgetragen wurde, laufen sie
im wesentlichen entweder darauf hinaus, daß die ziffernmäßige Übereinstimmung
in den Werten G und 2C, m der Erde (G, ist die auf die reine Wegstrecke
reduzierte Schwerkraft am Äquator, m die Masse = 1 und C, die Sekunden-
geschwindigkeit eines Punktes am Äquator aus der Erdrotation) nicht ganz voll-
kommen sei, oder, wenn die vollkommene Übereinstimmung zugegeben wird,
daß sie auf einem Zufall beruhe und cine wirkliche Ursache der Überein-
stimmung nicht zugrunde liege. Dieser letztere Einwand wäre gewiß stich-
haltig, wenn nicht eben das Ergebnis der Berechnungen für Mars und Mond
genau dem für Erde entspräche. Die entscheidende Gleichung lautet auch nicht
3 o
Go = 2 V Cm, die nur für Erde und annähernd für Mars richtig ware, sondern
3
V Cm sin » oder G29) 22 oo
worin G, den auf die reine Wegstrecke reduzierten Wert von g., d. h. der
wirklich beobachteten Schwerkraft am Äquator, r den Aquatorialen Radius des
Planeten, m die Masse im Verhaltnis zur Erde, T die Rotationsdauer in Stern-
zeit und » den spitzen Winkel bedeutet, unter dem die Axen der beiden Ro-
tationen einander schneiden. Fir Mars weicht dieser Winkel, wie schon in dem
ersten Aufsatz gezeigt wurde, nicht erheblich von dem für Erde ab; deshalb
ist die annähernde Übereinstimmung vorhanden, wenn auch der Winkel » über-
haupt nicht berücksichtigt wird.
Was den Einwand betrifft, die ziffernmäßige Übereinstimmung zwischen G,’
und 2Cm der Erde sei nicht ganz vollkommen, so scheint er auf den ersten
Go =:
(e
= yp es
Blick zuzutreffen, denn nach den neuesten Ermittelungen Helmerts ist g,
= 9,78030 Meter und hieraus G, = 9,76074, nicht aber 9,7616, wie von uns zugrunde
gelegt wurde. Das geschah indesen nur, um die ganze Betrachtung nicht von
vornherein zu komplizieren; in Wirklichkeit muß nämlich nicht vom Wert für
g, sondern von dem für El: ausgegangen werden, da ja nach unserer
Birotationstheorie, wie man sie wohl nennen darf, die Äquatorebene der
Innenrotation gegen die Äquatorebene der Außenrotation um den Winkel
y= 14,°4776 geneigt ist. Die Schwere unter der Breite 14,0 4776 ist aber 9,78116
und auf die reine Wegstrecke reduziert 9,7616. Die vollkommene Uberein-
stimmung ist also tatsächlich vorhanden.
Was indessen allen bereits erhobenen und allen künftigen Einwänden
gegen die Richtigkeit der Birotationstheorie den Boden entzieht, ist dieses:
die Birotationstheorie, übertragen auf das Verhältnis der Schwer-
kräfte je zweier Planeten gegen einander erweist sich als voll-
kommen in Übereinstimmung mit der Newtonschen Gravitation,
deren mathematische Richtigkeit doch von keiner Seite angefochten wird, für
deren physikalischen Inhalt es aber bisher an jeder befriedigenden Erklärung
gefehlt hat.
Der Beweis läßt sich auf ganz elementarem Wege führen:
Ist (r—e) =D die Differenz zwischen dem Radius der äußeren und dem
der inneren Rotation, also die Mächtigkeit oder Dicke der Planetenschale oder
des Planetenmantels am Äquator, und setzt man nach der Birotationstheorie
_ 16a rmsin»v
1. G? i
[2 T
dann ist Ä
A 16rzDmsinv
2. G = —_ ;
T 3
dividiert man 1 durch 2, dann erhält man:
2_ E e
3. G =p oder D= as.
Die Mächtigkeit der Planetenschale ist also gleich dem Quotienten aus
Radius und dem Quadrat der auf die reine Wegstrecke reduzierten Schwerkraft.
Sollen nun die Werte für die G zweier Planeten in Beziehung zu ‘ein-
ander gebracht und auf die D zurückgeführt werden, so ist noch der Wert d,
also die Dichtigkeit der Planeten im Verhältnis zur Erde, zu berücksichtigen,
wenn Übereinstimmung mit der Gleichung für die Newtonsche Gravitation
stattfinden soll, welche lautet:
4. d‘r’g = dıg‘.
Wir schreiben also nach der Birotationstheorie:
5. DdG=Dd’G':
die auf den reinen Wegstrecken reduzierten Schwerkräfte sind umgekehrt pro-
portional den Produkten aus Mächtigkeit und Dichte; denn setzt man in 5 den
Wert für D aus 3 ein, dann erhält man
rd _ rd
GG’
d. h. die Gleichung der Newtonschen Gravitation:
d'r'g = drg’.
ee E
Es ist also Ubereinstimmung vorhanden zwischen der Gleichung der New-
tonschen Gravitation und der Gleichung der Birotationstheorie bis auf den im
Prinzip vorläufig unerheblichen Unterschied zwischen g und G, dem wirklich be-
obachteten Wert der Schwere, der das Vorhandensein einer Schwerkraft zur
Voraussetzung hat und dem auf die reine Wegstrecke reduzierten Wert der
Schwere, der das Vorhandensein einer „Kraft“ nicht voraussetzt, vielmehr an-
nimmt, daß eine Bewegung überall nur aus einer anderen Bewegung abzuleiten
sei. Diese letztere Anschauungsweise steht vollkommen in Einklang mit der
Hertzschen Mechanik. Die „verborgenen Massen‘ und „verborgenen Be-
wegungen“, die Heinrich Hertz in seinen „Prinzipien der Mechanik“ als eine
Hypothese einführt, um über den mystischen Begriff „Kraft“ und über den ganz
besonders mystischen Begriff ,Fernkraft* hinwegzukommen, sie sind tatsächlich
vorhanden. Das ganze Erdinnere ist eine verborgene Masse und die rückläufige
Rotation des Erdinneren ist eine verborgene Bewegung; der freie Fall aber der ma-
teriellen Körper vollzieht sich auf der Diagonale des Kräfteparallelogramms, dessen
beide Komponenten innere und äußere Rotation der Erde sind. So auch bei allen
anderen Planeten und, wie weiter unten gezeigt werden soll, auch bei der Sonne.
Im Lichte der Birotationstheorie verliert die Anziehungskraft eines Him-
melskörpers alles Geheimnisvolle, das ihr so lange anhaftet, als man annimmt,
daß lediglich die „Masse“ an sich als eine Grundeigenschaft der Materie die
Ursache der Schwere oder der Anziehungskraft sei. Man hat für den Begriff
„Masse“ heute noch keine andere Definition als die von Newton eingeführte,
wonach Masse das Produkt von Volumen und Dichtigkeit ist. Unter dieser
Definition besteht der Begriff „Masse“ bei rein mathematischer Behandlung
auch wirklich alle Proben; die Definition versagt aber sofort, sobald wir einmal
den Versuch machen, ihr einen physikalischen Inhalt zu geben. Die Masse
als Produkt von Volumen und Dichtigkeit ist also nur ein mathematisches
Vehikel, und in Wirklichkeit kann eine Definition überhaupt nicht gegeben
werden, so lange Masse als die Ursache a priori einer Anziehung oder all-
gemein einer Kraft gelten soll.
Der Ausgangspunkt für die Birotationstheorie ist übrigens nicht, wie es
nach jener ersten noch unvolikommenen Darstellung im „Weltall“ den Anschein
haben könnte, die ziffernmäßige Übereinstimmung zwischen den Werten für
G. und 2C,m der Erde gewesen. Vielmehr kam der erste Anstoß aus Be-
trachtungen ganz anderer Art, nämlich aus solchen über die Kant-Laplacesche
Nebulartheorie. Kant hat in seiner „Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie
des Himmels“ ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er die Neigung der Ro-
tationsaxen der Planeten gegen die Ebenen ihrer Bahnen als einen Wider-
spruch gegen seine Theorie erkenne und von seiner Theorie gefordert, daß,
wenn sie vollkommen genügen soll, aus ihr sich auch die Neigungen der Axen
erklären lassen müßten. Die Kant-Laplacesche Theorie. wäre also im Sinne
ihres ersten Urhebers und auch den menschlichen Denkgesetzen gemäß voll-
kommen, wenn .eben die Rotationsaxen der Planeten senkrecht zur Ebene des
Sonnenäquators ständen. Dieser Forderung genügt aber die Voraussetzung der
Birotationstheorie: die Axen der inneren Rotationen der Planeten Merkur,
Venus, Erde und Mars stehen senkrecht zur Ebene des Sonnenäquators.
Der Beweis für die Richtigkeit der Birotationstheorie läßt sich nun auch
ohne Berufung auf die Newtonsche Gravitation aus den Voraussetzungen der
Birotationstheorie selbst auf folgendem Wege ableiten.
QB: ees
Es muß sich aus sämtlichen Bestimmungsstücken für die G,? je zweier
Himmelskörper eine richtige Proportion ergeben, wenn die Theorie richtig ist.
Die Indices E und L mögen die Bestimmungsstücke für Erde und Mond an-
zeigen, dann ist nach Gleichung 1:
Te Geg? YE ME sin VE
a ei — 1)
Tt GL? rp (Mg + mi) sin rL
was man auch schreiben kann:
Te GE? rL (meg + mL) sin Ss Pa Th GL’ re Mg sin VR.
Die Zahlenwerte sind:
Erde:
Te = 86 164 Sek.
Ge=9,7616 Meter
re = 6 378 200 -
Mg = 1,00000
vg = 14°,4776
Mond:
TL = 2 354 143,5 Sck.?)
GL = 1,63 478 Meter
rL = 1740000 -
(mg + mı,) = 1,01 234
v = 69,67
Zur Ausrechnung bedienen wir uns fünfstelliger Logarithmen und finden:
log Te = 4,93 533
- Geg? = 2,96 856
- rn = 6,24055
log (meg + mz) = 0,00 538
log sin r, = 0,06 502—1
13,21 484
log Ti = 6,37 183
- Gr? = 0,64 039
= IE = 6,80 469
- me = 0,00 000
log sin rg= 0,39 793 —1
13,21 484
Also vollkommene Übereinstimmung. Die Werte für Mars sind:
Tu = 88 402 Sek., Gu = 3,667, rm = 3 371 COO Meter, my = 0,1035, vu = 149,07.
Setzt man wie oben die Logarithmen der Werte für Erde und Mars ein, dann
erhält man:
log Tr barge 4,93 533
- Gy? = 2,96 856
- Ty = 6,52 782
- mm = 0,01 494— 1
log sin Var = 0,39 036 — 1
12,84 201
log Tu = 4,94 646
- Gy? = 1,69 293
- Yg= 6,80 469
= Mg = 0,00 000
log sin rg = 0,39 793 -1
12,84 201
Also auch hier vollkommene Übereinstimmung, die sich auch bei Mars
und Mond wic folgt ergibt:
log Tx = 4,94 646
- Gar? = 1,69 293
- Ty, = 6,24 055
log (ny + mı) = 0,00 538
- sin rg = 0,06 502—1
11,95 034
log Tr = 6,37 183
- Gr? = 0,64 039
- YM = 6,52 182
- My = 0,01 424—1
I) Die Masse des Mondes muß gleich me Em gesetzt werden, weil sich Erde und Mond
zusammen als ein System um die Sonne bewegen.
*) Eine siderische Lunation.
E Ges
Indessen auch jetzt noch waren Zweifel an der Richtigkeit der Birotations-
theorie am Platze, wenn es nicht gelingen sollte, sie für die Anziehungskraft
der Sonne bestätigt zu finden. |
Aus der Newtonschen Gravitation ergibt sich als mittlere Dichtigkeit der
Sonne im Verhältnis zur Erde der Wert 0,255, und allgemein geht die Ansicht
der Astronomen dahin, daß dieser geringen Dichtigkeit nur ein gasförmiger
Zustand der Sonnenmasse entsprechen kann. Die Tatsache, daß das Sonnen-
spektrum diskontinuierlich ist, zwingt aber weiter zu der Annahme, daß nur
der Sonnenkern aus glühenden Gasen besteht, daß dieser Kern aber umhüllt
ist von einem Mantel von niedrigerer Temperatur und wahrscheinlich größerer
Dichtigkeit. Darauf baut sich die Zöllnersche Sonnentheorie auf. Man kann
also, ohne mit den Beobachtungen in Widerspruch zu kommen, den dichteren
Sonnenmantel als das Ergebnis einer beginnenden Abkühlung des ganzen
Sonnenballs verstehen, die aber natürlich noch bei weitem nicht so vorge-
schritten ist wie etwa bei den inneren Planeten, vielleicht jedoch dem Ab-
kühlungsprozeß bei Jupiter entfernt verglichen werden mag. Von vornherein
und auf allgemeine Überlegung hin wird man dem Sonnenmantel eine im Ver-
haltnis zum Sonnenhalbmesser nur geringe Mächtigkeit (Dicke) zusprechen
können, eine so geringe Mächtigkeit, daß die Verschiedenheit in den Dichtig-
keiten von Mantel und Kern für die Berechnung der Gesamtdichtigkeit
der Sonne garnicht in Betracht kommt. Wenden wir die Birotationstheorie
auf die Sonne an, so ergibt sich in der Tat aus Gleichung 3 die Mäch-
tigkeit des Mantels zu nur 9653 Meter, d. h. die Mächtigkeit des Mantels
ist rund = 39 36 e des Sonnenhalbmessers. Daß diese Berechnung richtig ist,
ergibt sich sofort aus der Gleichung 5: DdG = D‘d‘g‘, worin die ungestrichenen
Buchstaben Mächtigkeit, Dichtigkeit und Schwere auf der Erde, die gestrichenen
die auf der Sonne bezeichnen mögen. Hiernach ist nämlich d'= 0,2527, was
genügend mit der Berechnung der mittleren Sonnendichte aus der New-
tonschen Gravitation übereinstimmt.
Für die Bestimmung des Winkels » der Sonne, des Winkels also, unter
dem sich die Axe des rotierenden Sonnenkerns mit der Axe des entgegen-
gerichtet rotierenden Sonnenmantels schneidet, gibt es natürlich keinen äußeren
Anhalt; nur aus allgemeinen Erwägungen können wir schließen, daß der Winkel
nicht sehr groß ist, und ihn im Vertrauen auf die Richtigkeit der Birotations-
theorie aus der Gleichung berechnen:
l6armsiny `
T . T3
wir finden, wenn wir eine Sonnenrotation T zu 25,4 Sterntagen, den Wert für G
zu 268,4 und den fiir r zu 695 450 000 Meter setzen: »=0°,2t (log sin » =0,57192 — 3).
Machen wir die gleiche Zusammenstellung wie oben jetzt für Sonne und Erde,
so finden wir bei Anwendung fünfstelliger Logarithmen, und indem wir uns des
Index S für Sonne und E für Erde bedienen:
G? =
log Tr = 4,93 533 log Ts = 6,34 016
- Ge? = 2,96 856 - Gy? = 7,28 643
- Ts = 8,84 227 - Ces 6,80 469
- ms=5,51113 - me» = 0,00 000
log sin rg = 0,57 192-3 log sin rg = 0,39 793 — 1
19,82 921 19,82921
= OR, e
Die gleiche vollkommene Übereinstimmung findet sich auch weiterhin.
Hier sei die Rechnung nur noch für Sonne und Mars zusammengestellt:
log Ts = 6,34 016 log Tu = 4,94 646
- Gs = 7,28 643 - Gum? = 1,69 293
- rm = 6,52 782 | - Is = 8,84 227
- my = 0,01 494-1 - ms=551 113 |
log sin vu = 0,39536 — 1 log sin vs = 0,57 192 - 3
18,56 471 Ä . 18,56 471
Es mag schließlich noch Jupiter herangezogen werden. Die Umdrehungs-
zeit dieses Planeten ist Tj = 9 Stunden 55,5 Minuten = 35 662,5 Sekunden Stern-
zeit. Den Winkel » bestimmen wir wie oben bei der Sonne und finden ihn
zwischen 0°,02 und 0°,03 (log sin » = 0,67559- 4), die Masse des Jupiter m; = 309,81
im Verhältnis zur Erde, die Schwere Gj = 24,45. Für Sonne und Jupiter ergibt sich: `
log Ts = 6,34 016 log Ty = 4,55 221
- Gs? = 7,28 643 - Gj = 4,16 484
- ry = 7,84 911 - Yg = 8,84 227
- my = 2,49 108 - ms= 5,51113
log sin ry = 0,67 559—4 log sin vs = 0,57 192 —3
20,64 237 20,64.237
Endlich Erde und Jupiter:
log Tr= 4,93 533 log Ty = 4,55 221
- Gg? = 2,96 856 - Gj? = 4,16 484
- ry =7,54911 - Yg= 6,80 469
- my = 2,49 108 - Me = 0,00 000
log sin vu = 0,67 559-4 log sin rg = 0,39 793—1
14,91 967 14,91 967
Die Folgerungen, die sich aus der Birotationstheorie ergeben, einiger-
maßen erschöpfend zu ziehen, würde hier zu weit führen; aber soviel darf ge-
sagt werden, daß man ihre Bedeutung nicht leicht zu hoch anschlagen wird.
Für heute können wir uns auf einige Schlußbemerkungen allgemeiner Art be-
schränken und zusammenfassend sagen: |
Alle Mitglieder des Sonnensystems, den Zentralkörper selbst
einbegriffen, nicht aber wohl die Kometen mit geschlossener ellip-
tischer Bahn, haben eine zwiefache Rotation: eine äußere des Mantels
oder der Schale, die sich rechtläufig vollzieht, und cine innere des kerns, die
sich rückläufig vollzieht um eine Axe, die mit der Axc der äußeren Rotation
einen gewissen Winkel bildet. Die Außere Rotation der Sonne wie der Planeten
und der Monde ist als eine rezente Erscheinung innerhalb der Gesamtentwicke-
lungsgeschichte dieser Himmelskörper und als eine Reaktionsbewegung gegen
die ursprünglich einzige Rotation zu verstehen, die heute die innere ist. Die
auf diesen Himmelskörpern wirkende Schwere oder Anziehung, deren reinste
Ausdrucksforn für den Planeten Erde sich uns als den freien Fall der mate-
riellen Körper nach den Gesetzen Galileis darstellt, wirkt auf der Resultierenden
und als Resultierende aus den beiden Rotationen als ein Vorgang rein mecha-
nischer Natur.
Die Birotationstheorie setzt nicht etwa eine Leugnung der Richtigkeit der
Newtonschen Gravitation voraus, sie deckt sich vielmehr mit der mathema-
tischen Seite der Newtonschen Gravitation und gibt ihr einen physikalischen
Inhalt, an dem es bisher gefehlt hat. Nur dadurch unterscheidet sich die Biro-
tationstheorie von der Newtonschen Gravitation, daß sie als Ausgangspunkt
nicht die wirklich beobachtete Schwere annimmt, sondern die reine Wegstrecke,
die sich als Sekundengeschwindigkeit der Fallbewegung ergeben würde, wenn
diese selbst ohne Beschleunigung erfolgte:
G= 2 ( § — 0,001 g).
Der Begriff „Kraft“ fällt bei der Birotationstheorie überhaupt aus, ganz im
Sinne der Hertzschen Mechanik; wenn er gleichwohl in dieser Darstellung an-
gewandt ist, so ist er nur als eine Hilfsvorstellung zu verstehen, deren wir uns
aus Gründen der wissenschaftlichen Ökonomie mit dem Vorbehalt bedienen,
allemal da, wo von Kraft die Rede ist, darunter eine zusammengesetzte Be-
wegung zu verstehen, bei deren Zerlegung wir auf gleichförmige (beschleuni-
gungslose) Bewegungen stoßen würden.
Etwas Ähnliches gilt von dem Begriff Masse. Im Lichte der Birotations-
theorie erhält dieser Begriff seine wirkliche Bedeutung zurück, nämlich die
eines rein mathematischen Vehikels, einer Hilfsvorstellung also, der irgend-
welche „Kraft“ folgerichtig nicht beigelegt werden kann.
Das Vorhandensein der von Heinrich Hertz in seinen „Prinzipien der
Mechanik“ geforderten „verborgenen Bewegungen“ und „verborgenen Massen“
ist durch die Birotationstheorie erhärtet.
Aus der Birotationstheorie ergibt sich, daß die Vermutung Schiaparellis,
die beiden unteren Planeten Merkur und Venus hätten eine Rotation, die mit
. dem Umlauf um die Sonne identisch ist, es bestehe also zwischen ihnen und
der Sonne ein ähnliches Verhältnis wie zwischen Mond und Erde, für Venus
bestimmt nicht, für Merkur bedingt richtig ist.
Auf die rein logisch-mathematische Erklärung für die Identität von Mond-
umlauf und Mondrotation, die sich aus der Birotationstheorie ergibt, war schon
in dem früheren Aufsatz (Weltall X, 19 S. 286 f.) hingewiesen worden. Des-
gleichen auf die Erklärung der Diskrepanz in den Werten für die Erdabplattung,
die aus geodatischen und die aus Pendelmessungen gewonnen werden (ebenda
18 S. 273). |
Die besondere Anwendung der Birotationstheorie auf den Planeten Erde
eröffnet die Aussicht auf genügende Erklärung einer Reihe geophysikalischer
Erscheinungen, für die es bisher an einer solchen Erklärung gefehlt hat, nämlich
der regelmäßigen Variationen der normalen erdmagnetischen „Kraft“ (im Sinne
von Bezolds), da wahrscheinlich die Axe der inneren Erdrotation identisch ist
mit der erdmagnetischen Axe (Weltall X, 19 S. 285):
der Länge des Sekundenpendels, die sich aus der Birotationstheorie nach
dem Radius der inneren Rotation der Erde bestimmt:
` 2 or 0 TG
L 5 Coe) Der, za ara
2 > i -162m sinr
= ro ` r § 378 200:
40 000 000 ’ ER
— 100 —
der regelmäßigen elliptischen Bewegung mit ostwestlich gerichteter großer
Axe des nur scheinbar im Zustande der Ruhe befindlichen Pendels von
erheblicher Fadenlänge (Günther, Geophysik 2. Aufl., Bd. I, S. 273);
endlich |
der südlichen Abweichung des freien Falls.
Das bedeutet indessen nur eine rhapsodische Auslese aus den Folgerungen,
die sich nach der Birotationstheorie ergeben. Es ist keine Vermessenheit, zu
sagen, daß die Birotationstheorie dereinst den Schlüssel an die Hand geben
wird, der viele bisher versperrte Pforten der Erkenntnis öffnet.
AR
Der Sestirnte Himmel im Monat Februar 191.
Von Dr. F. S. Archenhold.
Die periodischen Kometen des Jahres 1911.
Von den vier periodischen Kometen, deren Wiederkehr für das Jahr 1911 voraus-
berechnet worden ist, ist der Komet Faye, der zuletzt im März 1896 gesehen wurde und
eine Umlaufszeit von 7,6 Jahren besitzt, bereits am 8. November 1910 von Dr. Cerulli
entdeckt worden (vgl. Weltall XI. S. 58). Seine frühe Entdeckung ist den überaus
günstigen Sichtbarkeitsverhältnissen seines diesmaligen Wiedererscheinens zuzuschreiben.
Ebenso ist auch der Komet Brooks, welcher eine Umlaufszeit von 7,1 Jahren hat,
schon am 28. September 1910 wieder aufgefunden worden. Der Enckesche Komet,
mit einer Umlaufszeit von 3,3 Jahren, ist zuletzt im Jahre 1908 gesehen worden. Der
damals von Wolff auf der photographischen Platte am 2. Januar aufgefundene und
bis zum 19. Januar verfolgte Komet lief jedoch anders, als die Vorausberechnung
für den Enckeschen Kometen ergeben hatte. Letzterer wurde dann am 27. Mai
1908 mit sehr verringerter Helligkeit und starker Abweichung von. dem vorausberech-
neten Orte an einer anderen Stelle auf- `
gefunden, sodaß die Vermutung nahe
liegt, daB der Enckesche Komet sich
geteilt hat.
Wir haben bereits an anderer
Stelle über die früheren Erscheinungen
des Enckeschen Kometen berichtet.
Er ist im Jahre 1786 zuerst gesehen
und 28mal in seiner Erdnähe mit
Sicherheit beobachtet worden. Seine
bevorstehende Wiederkehr wird uns
voraussichtlich über die vermuteten
Änderungen seines Laufes und Aus-
sehens den gewünschten Aufschluß
geben.
Der erste Tempelsche Komet,
welcher eine Umlaufszeit von 6 Jahren
besitzt und zuletzt im Mai 1897 gesehen
worden ist, ist am 3. April 1867 ent-
deckt worden und auch 1873 und 1879
nach der vorausberechneten Umlaufs-
zeit jedesmal wiedergekehrt; dann
Sternhaufen Messier 3 in den_Jagdhunden. d
N G. C. 5272. hatte jedoch Jupiter seine Bahn gestört
- 101 —
und seine Sichtbarkeitsverhältnisse ungünstiger gestaltet, sodaß es nur noch einmal,
im Jahre 1897, gelang, ihn wiederzusehen. Wir haben schon früher einmal eine Zu-
sammenstellung aller bisher bekannten periodischen Kometen gegeben (vgl.Weltall I, S.132).
Die Sterne.
Unsere Sternkarte, die für den 1. Februar abends 10 Uhr entworfen ist, gilt auch
für den 15. Februar abends 9 Uhr, den 1. März abends 8 Uhr und so fort. Das be-
merkenswerte Wintergestirn, der Orion, steht bereits in früher Abendstunde im Meridian
Der Sternenhimmel am 1. Februar 1911, abends 10 Uhr.
Fig. 1.
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tig GANT, e ` a
Sud +
(Polhöhe 521/6
und wird bald wieder nur kurze Zeit vor seinem Untergange am westlichen Himmel zu
beobachten sein. An den Stellen, an denen der Meridian abends 10 Uhr den Horizont
trifft, finden wir im Süden das Sternbild des Großen Hundes mit dem hellsten Stern am
Himmel, dem Sirius, und im Norden die Leier mit dem hellen Stern Vega. Eins der
Lauf von Sonne, Mond und den Planeten
» ej
Cer ma
ne ao
Gr.
A)
Mächt"?
Arctur
| O ptik ` Mat )
"wa? e . i Skorp!%%
2 e í . wi YA BAA ell
| ; |
x Formalkarıt S | = Te = E
27h ZA ( 49h EA 46h
S = Sonne. M = Mond. Me = Merkur. V = Venus.
schönsten Objekte im Sternbilde des Großen Hundes ist der Sternhaufen, welcher in
Rekt. 65 42m und in Dekl. —20° 37° steht und schon in kleinen Fernrohren gut zu trennen
ist, da er aus Sternen 8. Größe besteht. Noch eine zweite Gruppe von freilich
schwächeren Sternen 9. bis 12. Größe steht bei Rekt. 72 12™ und Dekl. —15° 25° in- der
Nähe einer dichten Stelle der MilchstraBe im gleichen Sternbilde. Diese Gruppe ist im
Jahre 1785 zuerst von Caroline Herschel gesehen worden. Ein ebenso bemerkens-
werter Sternhaufen steht im südlichen Teile der Jagdhunde, welche wir auf unsrer
Sternkarte zwischen den Deichselsternen des Großen Bären und dem Haar der Berenice
finden. Er ist neuerdings mit dem Crossley-Reflector photographiert worden (vgl.
Fig. 3). Während er in kleineren Fernrohren kugelförmig und aus Hunderten von dicht
zusammengedrängten Sternen zu bestehen scheint, sieht man in größeren Fernrohren
tausende von Sternen in der Mitte und außerdem noch strablenförmige Ausläufer dieses
Sternhaufens, die sich bis zum Rande des Gesichtsfeldes erstrecken. In dem Verzeichnis
von Messier trägt er die Bezeichnung 3 und im neuen Generalkatalog die Nummer 5272.
Unsere Abbildung (S. 100) zeigt diesen Sternhaufen bei 1!/,stündiger Expositionszeit und
rührt vom 22. Mai 1900 her. Während die Jagdhunde am östlichen Teil des Himmels
stehen, finden wir um dieselbe Zeit in annähernd gleicher Höhe am westlichen Himmel
das Sternbild des Perseus mit dem veränderlichen Sterne Algol. Jedesınal, wenn der
dunkle Begleiter sich zwischen unser Auge und den Algol schiebt, tritt ein sogenanntes
Minimum ein, von denen vier im Monat Februar günstig zu beobachten sind:
Februar 11. 6" morgens, Februar 16. 125 mitternachts,
- 14. 3h - - 19. 9b abends.
Der Lauf von Sonne und Mond.
Die Sonne steht, wie aus unserer Karte 2b zu ersehen ist, anfangs des Monats
Februar im Sternbilde des Steinbocks und riickt im Laufe des Monats in das des Wasser-
manns. Ihre Höhe beträgt am Schlusse des Monats schon 29°, sodaß auch die Tages-
länge eine ganz beträchtliche ist. In folgender Tabelle geben wir ihren Stand sowie
ihre Auf- und Untergangszeiten für den 1., 15. und 28. Februar wieder.
Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshöhe
Februar 1. 10921? 75 50m morgens 4b 48m nachm. 201/, °
- 19. = 12258 Th 25m - hb 15m - E E
- 28. — 8° 18" Gh57m žě - nh Aën ` 2011, °
Ma = Mars.
für den Monat Februar 1911.
J = Jupiter.
Fig. 2a. Nachdruck verboten.
ki | a ©:
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> Bellatvux
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j | ei ç a i af D os
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a| Entw.r. bir FS. K
D ~ t iz —_-- | —t+ —— +
z U 2h 4 n 0 h
Sa = Saturn. U= Uranus. N = Neptun.
Der Mond ist wiederum für den 1., 3., 5. usw. mit seinen Phasengestalten in
unsre Karten Fig. 2a und 2b eingetragen. Im Monat Februar fallen seine Hauptphasen
auf folgende Tage:
Erstes Viertel: Febr. 6. 4!/p nachmittags. Letztes Viertel: Febr. 21. 4!/,5 vormittags.
Vollmond: - 13.11!/,h vormittags. Neumond: - 28. nach Mittern.
Im Monat Februar finden nur 2 nn statt:
Bürg. Tag | ee Name | Ge Rekt. Dekl. Eintritt |Win-
| = E. Z. | kel
kel Bemerkung
es Austritt EE Win-
Febr. 7 A! Sagittarii 4,6! 3h 59m | 4 210 bo: Oh 34™,8 | 26° | Th29m,2 | 2900| Mond im Merid.
abends 7h 59m
n 23. X Sagittarii Ya 17h 42m | — 27048‘) 6h 30m,9 | 123° | 6b 45m,5 | 2609; Mondaufgang
| |
Die Planeten.
Merkur (Feld 19h bis 213/,") ist nur noch kurze Zeit zu Anfang des Monats sichtbar
und verschwindet dann in den Strahlen der Sonne. Er steht am 2. Februar in größter
westlicher Abweichung von der Sonne (25° 17') und am 10 6b nachmittags in Konjunktion
mit Uranus und am 27. nachm. in Konjunktion mit dem Monde.
Venus (Feld 225 bis O®) rückt allmählich immer weiter von der Sonne ab, sodaß
ihre Sichtbarkeit wieder zunimmt und sie am Ende des Monats 1'/, Stunden lang zu
beobachten ist.
Mars (Feld 18" bis 19!/, ott am 24. Februar um Mitternacht in Konjunktion mit
dem Monde, ist jedoch wegen seines tiefen südlichen Standes nur 1 Stunde lang am
Morgenhimmel sichtbar.
Jupiter (Feld 14°/,") tritt am 19. Februar abends in Konjunktion mit dem Monde
und wird Ende des Monats bereits 6 Stunden lang am Morgenhimmel zu beobachten sein.
Saturn (Feld 2b) tritt am 5. Februar in Konjunktion mit dem Monde. Die Dauer
seiner Sichtbarkeit nimmt am Ende des Monats bis auf 3 Stunden ab, sodaß er bereits
im Frühjahr in den Strahlen der Sonne für längere Zeit verschwinden wird.
Uranus (Feld 204) ist Ende des Monats auf kurze Zeit am Morgenhimmel sichtbar.
Neptun (Feld 71/,5) ist wegen seines hohen Standes noch 9 Stunden lang nach
Sonnenuntergang im Sternbilde der Zwillinge zu beobachten.
4h 24m morgens
— 104 —
Bemerkenswerte Konstellationen:
Februar 2. 3 nachmittags Merkur in größter westlicher Abweichung 25° 17.
- 5. 2h nachmittags Saturn in Konjunktion mit dem Monde.
- 10. 6 nachmittags Merkur in Konjunktion mit Uranus, Merkur 5° nördlich von
Uranus.
- 16. 35 nachmittags Mars in Konjunktion mit 6 Sagittarii Mars 2° 53° nördlich
vom Stern.
- 18. 3b morgens Merkur in Sonnennähe.
- 19. 7b abends Jupiter in Konjunktion mit dem Monde.
- 24. mitternacht Mars in Konjunktion mit dem Monde.
- 27. 3b nachmittags Merkur in Konjunktion mit dem Monde.
ZIZIIIIIIIIIII3I3II3II3I33333333 333333333333 III 333333
Se Kleine Mitteilungen.
VENEN a anaee
Beobachtung einer glänzenden Feuerkugel am 13. Dezember 1910 in Dortmund. Der
Kgl. Landmesser Schiller beobachtete am 13. Dezember 1910 6" 53" M. E. Z. ein helles Meteor,
das sich bald zu einer wunderbaren Erscheinung von etwa 5’ Durchmesser entwickelte. Es er-
strablte in intensiv weißem Lichte. Kurz vor dem Verlöschen splitterten große Stücke ab, die
einen Schweif von 4 bis 5° Länge bildeten, der noch fast 2 Sckunden nach dem Verlöschen des
Meteors seine Sichtbarkeit behielt. Eine Detonation war trotz angestrengten Lauschens nicht zu
hören; allerdings war in nicht zu großer Entfernung lebhaftes Wagenfahren. Herr Landmesser
Schiller gibt folgende genauen Daten, die es wünschenswert machen, das auch von anderer Seite
Mitteilungen über die Beobachtung dieser Feuerkugel einlaufen, um eine sichere Bahnbestimmung
vornehmen zu können.
Beobachtungsort: Breite = 51° 30° 30” nördl. Br. Länge = 70 28‘ 52" östl. Gr.
Beobachtungszeit: 1910 Dez. 13 oh 537 M. E. Zt.
Aufflammungspunkt: etwa d = + 7°; a = 22h g0"
Erster Hemmungspunkt: d = 20" 50™ (ziemlich unsicher)
Verlöschungspunkt: ô = + 30; a = 20" 05"
Zeitdauer der Erscheinung etwa 4-5°.
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Deutscher Photographen - Kalender. Taschenbuch und Almanach für 1911. Her-
ausgegeben von K. Schwier. 30. Jahrgang. In 2 Teilen. Mit einem Eisenbahnkärtchen nnd zwei
Kunstbeilagen. Preis: beide Teile zusammen bezogen M. 3,—, jeder Teil einzeln je M. 2,—. Ver-
lag der Deutschen Photographen-Zeitung (Karl Schwier), Weimar.
Wie alljährlich, so ist auch dieses Mal zu Anfang des Monats Dezember der erste Teil des
Deutschen Photographen-Kalenders für das Jahr 1911 in starkem Leinenband gebunden erschienen.
Er ist wie üblich mit einem Eisenbahnkärtchen von Deutschland versehen und enthält außerdem
2 vorzüglich ausgeführte Kunstbeilagen.
Die erste Hälfte des vorliegenden Teiles enthält wie üblich Kalendarium mit Notizblättern,
denen dieses Mal auch die täglichen Sonnen- und Mond-Auf- und Untergänge beigesetzt sind, so-
dann verschiedene Tabellen über Maße, Gewichte, statistische Nachrichten und vorzüglich bear-
beitete chemische und optische Tabellen. — Die zweite Hälfte gibt nicht weniger als 670 Rezepte
für alle möglichen photographischen Vorkommnisse. Auch die neueren katalytischen Verfahren
der Neuen Photographischen Gesellschaft sind eingehend behandelt
Der Kalender ist ein anerkannt unentbehrliches Taschenbuch für alle Photographie betrei-
benden Personen und wird von praktischen und wissenschaftlichen Photographen stets gern benutzt.
kr kann durch jede Buchhandlung bezogen werden. — Der II. Teil, der besonders statistische
Nachrichten und ein ausgezeichnetes Bezugsquellenverzeichnis enthält, erscheint bis zum Monat
März dieses Jahres.
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Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F. S. Archenhold, Berlin-Treptow, für den Inseratenteil: M.Wutlig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
DAS WELTALL `
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete
Herausgegeben von _
Dr. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 8. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Zweites e
Berlin-Treptow.
Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post-
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einzelne Nummer 60 Pjg. — Anseigen-Gebühren: 1 Seite 80.— MR., 1/, Seite 45.—
1/, Seite 25.—, 1/, Seite 15.—, yg Seite 8—. Bei Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewicht.
INHALT
1. Zur Wiederentdeckung des Komelen Brooks 1889 V 4. Kleine Mitteilungen: Die Entdeckung eines Ver-
Von Dr. F. S. Archenhold. . . . . 2: 2 ev... 105 änderlichen oder eines neuen Sternes in den Fischen.
2. Der Aralsee und die Richtungsverdnderungen im — Die ,,Vermondung der Erde und der Planeten. —
Laufe des Flusses Amu-Darja. Von Prof. Karl Todesfall uer 5 0 De RE. ain iu he AS. hee gt BE ee 117
von Lysakowski. . . 2220000. - 107 | 5. Bücherschau: Werner Mecklenburg, Die experimen-
3. Die Entdeckung eines neuen Sterns im Sternbilde telle Grundlegung der Atomistik . . 2 2.2... 120
der Eidechse. Von Dr. F. S. Archenhold . . . . - 115
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet.
Zur Wiederentdeckungd des Kometen Brooks 1889V.
Von Dr. F.S. Archenhold.
N: Geschichte dieses auf der Licksternwarte von Aitken und Wilson am
28. September 1910 im Sternbilde des Schützen wieder aufgefundenen Ko-
meten Brooks 1889V (Rekt. = 198 47m 51°, Dekl. = 28° 8‘ 39”) ist von größtem
Komet Brooks 1889V und seine vier Begleitkometen.
Interesse. Er gehört zu den Kometen der sogenannten Jupiterfamilie, das will
sagen, daß er vom Jupiter für unser Planetensystem eingefangen worden ist.
Ferner hat er sich gleich dem,Bielaschen Kometen unter den Augen der Astro-
aoe
Kéi !
“cm,
— 106 —
nomen in mehrere Teile zerlegt. Bald nach seiner ersten Entdeckung, die
Brooks am 6. Juli 1889 auf dem Smith-Observatorium in Geneva N.-Y. gelang,
erregte es große Aufmerksamkeit, daß die Begleitkometen, welche Barnard
entdeckt hatte, merkwürdige Lichtschwankungen ausführten — bald erblaßte
der eine, bald der andere. Es erschien noch besonders rätselhaft, daß der
Komet, wie Chandler rechnerisch nachgewiesen hatte, bis zum Jahre 1886
eine Umlaufszeit von 27 Jahren hatte, daß er jedoch zur Zeit seiner Entdeckung
im Jahre 1889 zur Vollendung eines vollen Umlaufs um die Sonne nur 7 Jahre
1 Monat und 1 Woche gebrauchte.
Chandler erkannte weiter, daß diese merkwürdige Bahnumgestaltung da-
durch hervorgerufen war, daß der Komet ganz nahe bei Jupiter --- womöglich
unter Berührung der Oberfläche dieses Planeten — vorübergegangen war und
sich noch drei Tage lang in dem System der Jupitermonde aufgehalten hatte.
Chandler machte es auch wahrscheinlich, daß die 27jährige Periode bis zum
Jahre 1779 zurückreiche, und damals auch der Komet durch ein Zusammen-
treffen mit Jupiter aus einem kurzperiodischen erst in einen langperiodischen
umgewandelt wurde. Chandlers Rechnung ergab weiter, daß — um den Ko-
meten noch merkwürdiger zu machen — die neue Bahn nur bis zum Jahre 1921
anhalten würde, und daß dann wieder große Überraschungen bei einer Be-
gegnung mit Jupiter zu erwarten seien.
Der Komet Brooks hatte bei seiner Auffindung einen Durchmesser von einer
Bogenminute und war 11. Größe. Die Barnardsche Entdeckung von Begleitern
des Kometen Anfangs August 1889 ist von Charlois und Bigourdan Ende
August bestätigt worden. Leizterer hat rückwärts unter der Voraussetzung,
daß die Zunahme des Abstandes des einen Begleitkometen proportional der Zeit
vor sich gehe, die Trennung desselben vom Hauptkometen für den 15. April 1889
berechnet, etwa 4 Monate vor dem Durchgange durch die Sonnennähe. Nach
dieser Messung hat der Abstand des Kometen vom 4. bis 30. August von 267“
auf 331° zugenommen. Der erste und zweite Begleitkomet liegen in der direkten
Verlängerung des Hauptkometen und zeigen Schweifansätze, wohingegen der
_ dritte und vierte Begleitkomet ein mehr nebelartiges Aussehen zeigen. (Siehe
unsere Abbildung.) In allen vier Begleitkometen ist eine sternartige Ver-
dichtung gesehen worden. Spitaler konnte den ersten Begleiter am 21. Oktober
nur noch mit großer Mühe zeitweilig als ein schwaches Nebelchen mit einem
zuweilen darin aufblitzenden Kern wahrnehmen. Einen Tag später war er gar
nicht mehr zu sehen, obgleich der Luftzustand ein sehr guter war. Der zweite
Begleiter hatte jedoch an Helligkeit bedeutend zugenommen. Sein Kern glich
einem Stern 12. Größe und war von einer weißlichen Koma von beiläufig 150‘
Durchmesser umgeben. Er stand schon 360% vom Hauptkometen ab. Es ist
interessant, daß der erste Begleitkomet am 5. September von Barnard nur wie
ein großer, ungemein blasser und verschwommener Nebel beschrieben wird, der
sich bald darauf völlig auflöste. Dasselbe Schicksal erlitt der zweite Begleit-
komet, aber erst nachdem er am 31. August heller geworden war als der Haupt-
komet. Am 25. November verschwand dieser zweite Begleitkomet sogar aus
dem Gesichtsfelde des 36-Zöllers der Licksternwarte. und war somit auch dem
Schicksal der Unsichtbarkeit verfallen. Es ist wohl verständlich, daß die merk-
würdigen Lichtschwankungen der Begleitkometen zurzeit großes Aufsehen er-
regten. Obgleich solche Lichtschwankungen noch mehrfach beobachtet worden
sind, läßt sich eine befriedigende Erklärung hierfür noch nicht geben, jedoch
— 107 —
halte ich es nicht für unwahrscheinlich, daß Vorgänge auf der Sonne cine große
Rolle dabei spielen. |
Auch der Hauptkomet erblaßte immer mehr, jedoch gelang es Barnard,
ihn infolge der günstigen Bahnlage nach einer Ephemeride von Berberich am
22. November 1890 wieder aufzufinden und ihn bis zum 13. Januar 1891 fünfmal
zu beobachten, als der Komet nur noch ein schwaches kleines Scheibchen von
6 bis 10° Durchmesser und etwa 17. Größe war. Barnard zählt es zu den
schwierigsten Objekten, die er jemals am Himmel beobachtet hat. Nach der
Bahnbestimmung von Bauschinger betrug an diesem letzten Beobachtungs-
tage, also am 13. Januar 1891, die Entfernung des Kometen von der Sonne 3,8,
von der Erde 2,8, wenn wir die bekannte Entfernung Erde—Sonne als Einheit
nehmen. Die Sichtbarkeitsdauer des Kometen wurde durch diese letzte Beob-
achtung, da er am 6. Juli 1889 entdeckt wurde, auf 556 Tage gebracht.
Bei der nächsten Wiederkehr des Kometen im Jahre 1896 war nur ein ein-
facher Komet zu sehen, der aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem Haupt-
kometen vom Jahre 1889 identisch war. Es sei daran erinnert, daß der Komet
Brooks im Jahre 1886 so dicht am Jupiter vorbeimarschiert ist, daß er dessen
Oberfläche gestreift hat, worauf wohl die Umgestaltung seiner Bahn wie auch
das spätere Abmarschieren der Begleitkometen zurückzuführen ist. Die inneren
Kräfte des Kometen haben wohl nicht ausgereicht, um die verschiedenen Wir-
kungen der anziehenden Kräfte des Jupiters auf die einzelnen Teile des Ko-
meten auszugleichen.
Auch bei seiner letzten Wiederkehr im Jahre 1903 sind cbensowenig wie
im Jahre 1896 die Nebenkometen gesehen worden, obgleich ihn Aitken bereits
am 19. August 1902 im Sternbilde der südlichen Fische auf Grund der Bau-
schingerschen Bahnbestimmung, die auf 445 vorhandenen Beobachtungen fuBte
und die Störungen von Jupiter, Saturn und Erde berücksichtigte, aufgefunden
hatte. Auch bei seiner diesmaligen Wiederkehr hat man bisher vergeblich nach
Begleitkometen Ausschau gehalten, so daß wohl vermutet werden kann, daß
diese sich weiter aufgelöst bezw. besondere Bahnen im Weltall eingeschlagen
haben, die sie nicht wieder in die Nähe der Erde zurückführen.
WE
Der Aralsee und die RichtungsVeränderungen im Joaufe des Flusses
Amu-Darja.
Von Karl von Lysakowski.
m Jahrbuche für 1908 der turkestanischen Abteilung der Kaiserlich russischen
geographischen Gesellschaft erschien ein sehr ausführliches Werk von L. Berg
über den Aralsee. Trotzdem die Erforschung der russischen Seen im letzten
Jahrzehnt zu einer großen und bedeutenden Entwicklung gelangt ist, hatten wir
bis dahin keine ausführliche Monographie über die vaterländische Limnologie.
In der ausländischen Literatur sind nur zwei derartige Werke vorhanden: eine
Monographie in drei Banden von Professor Forel über den Genfer See und cine
ausführliche Beschreibung des ungarischen Balaton-Sees (Platten-See). Letzteres
Werk ist die Gesamtarbeit einer ganzen Reihe von Forschern und Fachgelehrten.
Die Arbeit von L. Berg ist der erste Versuch einer ausführlichen Beschreibung
eines der größten und bedeutendsten Becken RuBlands in physikalischer und geo-
— 108 —
graphischer Hinsicht; dieses Werk hat einen um so größeren Wert, als es keine
Kompilationsarbeit, sondern eine ausführliche Beschreibung der eigenen Beob-
achtungen und Erforschungen des Verfassers ist. Es ist vorzüglich durchgearbeitet
und in der Darstellung sehr klar; man bemerkt sofort, daß der Verfasser mit
der Literatur des Gegenstandes, den er behandelt, völlig vertraut ist. Das Buch
ist illustriert und enthält 78 Klischees, 6 Tafeln sowie 2 geographische Karten.
Den verschiedenen Teilen der Limnologie entsprechend, ist es in 10 Kapitel
eingeteilt. | |
Im ersten Kapitel schildert der Verfasser kurz die Geschichte der den
Aralsee betreffenden Forschungen. Die erste Erwähnung des Aralsees finden
wir bei dem arabischen Schriftsteller Ibn-Ruste, der im 10. Jahrhundert nach
Christi lebte; den alten Griechen und Römern scheint der See unbekannt gewesen
zu sein. Auch die erste geographische Karte des Sees datiert vom 10. Jahrhundert
nach Christi und ist von dem arabischen Geographen Istarchi gemacht worden.
Im Jahre 1339 erwähnt Kasuvingi, daß ein Teil der Gewässer des Flusses
Amu-Darja seinen Lauf in der Richtung nach dem Kaspischen Meere nähmen.
Ganz interessante Mitteilungen enthält ein Werk des Geographen Remezoff vom
Jahre 1701. Der Feldzug von Berkowitsh (1715 bis 1717) nach Khiwa trug viel dazu
bei, unsere Kenntnisse von dieser Gegend zu vermehren. Die erste offizielle
russische Aufnahme einer Karte des Aralsees ist im Jahre 1740 von Muraview
gemacht worden. Im 19. Jahrhundert besuchten den Aralsee Graf Berg,
Nikiforow, Butenew, Butakow, Sievertzew, Barbot-de-Marny, Alenitzine,
Tillo, Dorandta, Schultz, Abich, K. Schmidt u. a.
Im zweiten Kapitel behandelt der Verfasser die Topographie und Hydro-
graphie des Aralsees. Es befinden sich an dem Aralsee drei Forschungsstationen,
eine in Kara-Kamak, gegründet von Graf Tillo (1874), die zweite von L. Berg
auf dem Felsen Tokpakaulie errichtet, und eine dritte Station, die den Namen
Aralsee trägt und in der sich ein Limnograph befindet, der im Jahre 1905 dort
aufgestellt wurde. Die absolute Höhe des Wasserspiegels des Aralsees beträgt
50 m, und die Grundfläche hat nach den Berechnnngen von Schokalski und
Tillo nach der 100-Werstkarte des Generalstabes eine Ausdehnung von
- 67820 qkm, während die Oberfläche nach den Messungen von Berg mit den
Inseln 64490 qkm, ohne Inseln 63270 qkm groß ist. Also übertrifft der Aralsee
an Größe alle andern Seen der Welt mit Ausnahme des Kaspischen Meeres und
des Oberen Sees in Nordamerika. Die größte Länge des Sees beträgt 428 km,
die größte Tiefe 68 m und die durchschnittliche Tiefe 16 m. Im Verhältnis zur
Oberflachenausdehnung ist die Tiefe sehr unbedeutend. Die Oberfläche des
Aralsees ist 110 mal so groß wie die des Genfer Sees, aber an Wassermasse
übertrifft er ihn nur 11 mal.
Im mittleren Teile des Sees schwankt die Tiefe zwischen 20 und 28 m;
Tiefen von mehr als 30 m ziehen sich in einem schmalen Streifen in einer
Ausdehnung von 100 Seemeilen längs des westlichen Ufers entlang. Das ganze
Seebecken erreicht 1835 000 ykm; allein die Oberfläche des Teils des Bassins,
der unmittelbar mit seinen Gewässern den Aralsee enthält, übertrifft
nicht 600000 qkm (einschließlich der Oberfläche des Sees selbst); die Flüsse Amu-
Darja und Syr-Darja bringen zusammen ungefähr 2500 cbm Wasser pro Sekunde.
Im dritten Kapitel ist die Morphologie der Ufer dargelegt. Nach den
Beobachtungen von Berg gehört das westliche Ufer zu der Art der ebenen
Ufer, das nördliche zu der der ruderschaufelartigen, weil schmale Landstrecken,
— 109 —
die die Form einer Ruderschaufel haben, in den See einschneiden. Das süd-
liche Ufer ist gemischter Art. Am östlichen Ufer finden wir eine besondere
Art Uferbuchten der sogenannten aralischen Art, die sich durch eine An-
zahl Buchten, die in ein unbevölkertes Land eindringen, kennzeichnet. Nach
der Meinung des Verfassers rührt diese Eigenart des Ufers von der Ausdehnung
des Sees infolge der Erhöhung seines Wasserspiegels an einem Orte, der vom
Winde erodiert wird, her. Die von den Flüssen mitgebrachten Ablagerungen,
34,26 Mill. Kubikmeter pro Jahr, können das ganze Kesseltal des Aralsees nach
29 100 Jahren anfüllen. Die infolge der Ablagerung des Schlammes unvermeid-
liche Erhöhung des Wasserspiegels, 0,5 mm pro Jahr, muß nach einem Verlaufe
von 8000 Jahren 4 m betragen. |
Im vierten Kapitel behandelt der Verfasser die Klimatologie des Aral-
sees und seiner Umgebung. Die durchschnittliche Jahrestemperatur ist in Kisil-
dschar (an der Mündung des Flusses Syr-Darja) 7,6% Im Monat Juli steigt sie
auf 25,3%, im Monat Februar fällt sie bis auf — 25° Die Anzahl der bewölkten
Tage ist unbedeutend. Nebel kommt selten vor, die Niederschläge erreichen
108 mm pro Jahr. Im Sommer sind NW.- und W.-Winde vorwiegend, zu andern
Jahreszeiten solche aus NO. Nach den Beobachtungen, die in Kazalinsk (1885
bis 1899) gemacht worden sind, ist die durchschnittliche jährliche Verdunstung
1020 mm, die durchschnittliche jährliche Niederschlagshöhe 122 mm, das Ver-
haltnis der Niederschläge zur Verdunstung also wie 1: 8,4. In den feuchten
Jahren ist der Unterschied geringer (1896 1: 4,8), in den trockenen bedeutender
(1893 1: 13,9).
Fünftes Kapitel. Hydrologie. Die eigentümliche Zusammensetzung des
Wassers, die ganz derjenigen des Kaspischen Meeres gleicht, der Reichtum an
Sulfaten und der Mangel an Chloriden ist das charakteristische Kennzeichen
des Wassers dieses Sees. Das Schwarze Meer enthält im Gegensatz hierzu
schwach salzhaltiges Meerwasser. Infolgedessen betrachtet der Verfasser den
Aralsee und das Kaspische Meer als Seen und nicht als Meere.
Der Salzgehalt auf der Oberfläche erreicht 1,03°/,, das spezifische Gewicht
ist 1,0086. Ein schwächerer Salzgehalt des Wassers längs des westlichen Ufers
laßt sich durch eine Strömung erklären, die, von der Mündung des Flusses Amu
ausgehend, sich nach Norden richtet. Das spezifische Gewicht in einer Tiefe
von 61 m ist 1,0097. Die höchste Temperatur, die auf der Oberfläche in der
Mitte des Sees beobachtet wurde, ist 27,8%, die täglichen Schwankungen sind
0,8 bis 12°. Im Sommer ist die Temperatur des Wassers sowohl am Tage als
auch in der Nacht immer geringer als die umgebende Luft; der Aralsee übt
eine mäßigende Wirkung auf das Klima der Ufer aus. Der See friert jedes
Jahr in seinem nordöstlichen Teile zu und bleibt in manchen Jahren 160 Tage
zugefroren; die Dicke des Eises übersteigt jedoch nicht ?/, m. Nach Ansicht
des Verfassers nähert sich der Aralsce auch nach den Temperaturbestimmungen
in der Tiefe mehr dem Typus der Süßwasserseen. Die Tiefentemperaturen
sind sehr verschieden; im Juli und August finden wir folgende Temperaturen: `
Tiefe Temperatur
10 m 10,7°
20 - 5,5
40 - 1,6
60 - 1,0
— 110 —
Das Sinken der Temperatur mit der Tiefe ist schr ungleichmäßig. Der
sogenannte Temperatursprung ist an manchen Stellen sehr scharf ausgeprägt.
Am 11. August beobachtete der Verfasser die folgende Verteilung der Tem-
peratur des Wassers in der Tiefe:
0 m 16 m 16,5 m 17 m
22,6° 17,8° . 16,9° 4,8°
Es findet sich also auf einer Strecke von '/, m ein Unterschied in der
Temperatur des Wassers von 12°, woraus zu schließen ist, daß die Temperatur
mit der Tiefe um 0,24° pro Zentimeter fällt. Nach L. Berg ist dies das
rascheste Sinken der Temperatur, das überhaupt auf der Welt beobachtet worden
ist. Aber nach den Beobachtungen von Kuznefzow, der den Baikalsee in
Sibirien in den Jahren 1902, 1907 und 1908 besuchte, soll dort der Temperatur-
sturz nicht geringer, vielleicht sogar schärfer ausgeprägt sein als in dem Aral-
see. Die Temperatur soll mit jedem Zentimeter um 1° sinken. Zu Zeiten wurde
auch ein unbedeutendes Steigen der Temperatur mit der Tiefe beobachtet
(1902 bis 1903).
Die Durchsichtigkeit des Wassers des Aralsees ist bis zu einer Tiefe
von 24 m schr stark. Seine Färbung in der Mitte des Sees ist dunkelblau
(IH. Stufe, Forel).
Im sechsten Kapitel betrachtet der Verfasser die Veränderungen des
Wasserspiegels und die Strömungen des Aralsees. Die jährlichen Schwan-
kungen des Wasserspiegels sind unbedeutend (im Jahre 1903 0,34 m). Das
Maximum fällt in die zweite Hälfte des Sommers oder in den Septembermonat,
das Minimum in den Monat November, wenn man nach den Ergebnissen einer
geringen Anzahl von Beobachtungen urteilen darf. Dagegen ist die tägliche
Amplitude sehr bedeutend. Von der Mündung des Flusses Amu-Darja aus-
gehend, ist eine Strömung längs des westlichen Ufers in nördlicher Richtung
zu beobachten, und von der Mündung des Flusses Syr-Darja aus geht eine
solche längs des östlichen Ufers nach Süden; auf diese Weise kann in dem
Aralsee eine Rundströmung des Wassers in der Richtung der Uhrzeiger be-
obachtet werden. Nach langjährigen Beobachtungen wechseln bei dem Aralsee
Perioden hohen Wasserstandes mit Perioden niederen Wasserstandes. Dasselbe
ist auch bei manchen andern Seen Zentralasiens und Sibiriens der Fall. Die
Daten, die der Verfasser zusammenbrachte, geben uns einen Begriff von der
Veränderlichkeit des Wasserspiegels seit dem Jahre 1780. Im Jahre 1785 war
der Wasserspiegel sehr hoch, in den Jahren 1820 bis 1830 war er niedrig, in
den Jahren 1835 bis 1850 wieder hoch; im Jahre 1870 trat ein kleines Maximum
ein, im Jahre 1850 wieder ein Minimum, im Jahre 1885 bemerkte man wieder
eine Erhöhung des Wasserspiegels, die noch jetzt anhält und (1885 bis 1908)
3 m betrug. Die Schwankungen des Wasserspiegels des Aralsees stimmen mit
denen mancher andern Seen Turkestans und Sibiriens überein. Das Studium
der historischen Geographie Turkestans führte den Verfasser zum Schlusse,
daß sich seit historischen Zeiten das Klima Turkestans nicht bedeutend ver-
ändert hat. Infolgedessen muß man die Ansicht einer fortschreitenden Aus-
trocknung Zentralasiens, die so lange unter den russischen Gelehrten bestand
und noch heute unter manchen europäischen Gelehrten besteht, ganz aufgeben.
In der berühmten Geographie von Elisee Reclus finden wir über diese
Schwankungen folgendes: „Es ist leicht zu verstehen, daß der Wasserspiegel
des Aralsees öfters während der Jahrhunderte schwankte, da zu dem Klima
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Der Aralsee und die Richtungsveränderungen im Laufe des Flusses Amu-Darja.
- 13 —
infolge von Schwankungen in der Niederschlagsmenge und der Pflanzenwelt
auch die Richtungsänderung des Oxus!) hinzukam. Wenn auch zahlreiche
Anzeichen, und namentlich Niveaulinien auf den westlichen Abhängen,
bezeugen, daß der Wasserspiegel zu einer früheren Periode viel höher stand
als jetzt, so gibt es auch wieder andere, die beweisen, daß der Wasserspiegel
in einer früheren Epoche viel niedriger gestanden haben muß als heutzutage.
Es hat also der Wasserspiegel des Sees bald zu- und bald abgenommen, seit-
dem der Mensch seine Ufer bewohnt. Man hat diesen See auch Meer genannt,
eine Bezeichnung, die er weniger seiner Tiefe als seiner Ausdehnung wegen
verdient. Der See hängt hauptsächlich von den zwei Hauptflissen, die sich in
ihn ergießen, dem Amu und dem Syr-Darja, ab. Sollten diese Flüsse sich
wieder einmal dem Kaspischen Meere zuwenden, so würde der Aralsee im Laufe
mehrerer Jahre fast austrocknen. Es ist jetzt ganz bestimmt bewiesen, daß der
Fluß Amu-Darja zweimal den Aralsee verließ, um ins Kaspische Meer zu münden,
und es ist unzweifelhaft, daß im Laufe der Geschichte der Aralsee manch-
mal nur den Anblick eines kleinen Sees bot. Diese merkwürdigen Änderungen
können bis jetzt nicht völlig erklärt werden. Manche Gelehrte behaupten, daß
zwischen zwei Maxima und zwei Minima eine Periode von 33 Jahren liegt, aber
die letzten Forschungen haben diese Angaben nicht einwandfrei bestätigt.
Die großen Veränderungen in der Richtung des Flusses Oxus seit histo-
rischen Zeiten gehören zu den bedeutendsten Ereignissen der Physiographie,
und man kann mit ihnen nur die Veränderungen, die im Laufe des Hoang-ho
vorkommen, vergleichen. Von der Mitte des 13. Jahrhunderts bis zur Mitte des
16. war der Fluß Amu-Darja ein Zufluß des Kaspischen Meeres, aber zweimal
seit der Zeit der alten griechischen Geschichtsschreiber veränderte er seine
Richtung zum Kaspischen Mcere und floß dem Aralsee zu.
Zu Strabons Zeit mündete der Oxus in das Kaspische Meer, so daß der
Handelsverkehr der Bewohner der Ufer des Schwarzen Meeres mit Indien ver-
mittelst dieses Flusses getrieben wurde. Nach Alexanders Eroberungen, nach
der Gründung der griechischen Staaten am Oxus und der Erforschung des
östlichen Ufers des Kaspischen Meeres scheint ein Irrtum in unseren Kennt-
nissen vom Laufe des Amu Darja ausgeschlossen, aber zur Zeit der ersten
arabischen und türkischen Geschichtschreiber hatte sich dieser Fluß schon
nach Norden gewendet und mündete in den Aralsee. Alle arabischen Urkunden
dieser Zeit bezeugen es unzweideutig. Im XIII. Jahrhundert nahm der Amu
Darja seinen Lauf wieder nach dem Kaspischen Meere, wohin ihn eine ziemlich
bedeutende Senkung des Erdbodens führte. Dieser Abhang fällt ungefähr um
-14 cm pro Kilometer; aber um die Mitte des XVI. Jahrhunderts wendet sich
der Fluß wieder nach Norden, dem Aralsee zu.
Diese Änderungen wurden von einer ganzen Reihe Gelehrter nicht an-
erkannt und nur wenige geographische Fragen verursachten einen solchen
Streit. Man leugnete sogar das Faktum, daß der Oxus zur Zeit der alten
Griechen ins Kaspische Meer miindete; man behauptete, daß das alte Flußbett
nur zu geologischen Zeiten existiert hat und daß nur damals der Fluß durch
dasselbe floß. Aber die historischen Urkunden sind doch vorhanden. Die be-
stimmten historischen Zeugnisse, die von Rawlinson, Yule und Brunn an-
geführt sind, lassen keinen Zweifel darüber. Man kennt nur nicht genau das
1) Der alte Name des Amu-Darja.
— 14 —
Datum der Umkehr des Oxus nach dem Aralsce. Jedenfalls floß der Oxus
nicht mehr ins Kaspische Meer, als der englische Reisende Jenkinson im
Jahre 1559 Turkestan besuchte; aber er bewässerte noch die westlich von
Kunio-Urgendj gelegenen Gegenden. Nach dem Zeugnisse von Abdu-Gazi, Khan
von Urgendi, wendete sich der Oxus allmählich nach Osten und floß im
Jahre 1575 schon in den Aralsee. Er erzählt von Veränderungen, die dieser
Richtungswechsel in der Landwirtschaft verursachte.
Als Muraview im Jahre 1819 einen Teil des ehemaligen Flußbettes fand,
wurde seine Entdeckung mit Mißtrauen aufgenommen; aber Vambery, Ka-
relin und andere Reisende bestätigten seine Angaben. — Als im Jahre 1871 zum
Feldzug nach Khiva gerüstet wurde, wurden von Stebnitzki Forschungen unter-
nommen, die von der ehemaligen Mündung 300 km nach dem inneren Tur-
kestan hinauf führten, Gluckowski erforschte das Flußbett bei Khiva und Lu-
pandin im mittleren Teile. Auf diese Weise konnte eine genaue Karte des
ehemaligen Amu-Darja wieder hergestellt werden. Das verlassene Flußbett,
das eine durchschnittliche Breite von I km aufweist, ist so genau zu erkennen,
als wenn es eben erst vom Wasser des Flusses verlassen worden wäre. Die
Turkmenen zeigen noch heutzutage die Bewässerungskanäle die vom Oxus
stammten.
Dieses verlassene Flußbett wird jetzt allgemein ,Uzboi* genannt. Der
Uzboi fängt etwas östlich von dem Delta des Amu-Darja an und wendet sich
nach dem Doppel-See Sari-Kamisch. Nach diesem Doppelsee, der einst ein
ganzes System von Seen bildete und dessen Wasser vor den hydrographischen
Arbeiten der Russen viel salziger war als Mcereswasser, nimmt der „Uzboi“
eine südliche Richtung an, um die Anhöhen von Ust-Urt zu umgehen; später
wendet er sich nach Osten und erreicht den Balchan - Busen, der am süd-
östlichen Ufer des Kaspischen Meeres gelegen ist. Die Länge des Uzboi
von dem gegenwärtigen Flußbette des Amu-Darja bis zu seiner ehemaligen
Mündung im Kaspischen Meere beträgt 900 km. Die Trümmer der Städte, die
man an dem Ufern des Uzboi findet, namentlich zwischen dem Amu-Darja und
dem Sori-Kanisch, gehören zwei verschiedenen Perioden an, die den beiden,
zu denen der Fluß Oxus ins Kaspische Meer floß, entsprechen. Die Ruinen
beweisen einen viel höheren Kulturzustand als denjenigen der späteren Städte.
Diese Veränderungen in der Richtung des Oxus sind in geologisch-geo-
graphischer Hinsicht höchst merkwürdig und konnten bis jetzt in keiner Weise
erklärt werden.
Im siebenten Kapitel gibt der Verfasser eine Beschreibung der Ab-
lagerungen auf dem Grunde. Aus der biologischen Karte, die er beigelegt hat,
kann man klar erkennen, daß Sandablagerungen ungefähr bis zu einer Tiefe
von 10 m reichen. Alles andere ist mit grauem Schlamm bedeckt; nur in der
größten Tiefe, am westlichen Ufer, findet man schwarzen Schlamm.
Im achten Kapitel betrachtet der Verfasser die Flora und die Fauna
der Gegend. Es sind in dem Aralsee nur 157 Pflanzenarten gefunden worden.
Das Vorhandensein von Chaetoteros, Coscinodiscus und Acttinoptychus ist charak-
teristisch. Von Mollusken hat man nur 7 Arten gefunden, 18 Arten Fische und
eine Amfipode. Das läßt sich dadurch erklären, dab der Aralsce, ehe seine
Gewässer durch den Amu- Darja in Verbindung mit dem Kaspischen Meere
standen, ein Süßwassersee war und später durch das Salzwasser alle die Lebe-
wesen verschwanden, die sich den neuen Lebensbedingungen nicht anpassen
- 15 —
konnten. Die Fauna das Aralsees besteht aus endemischen Arten, "die auch
dem Kaspischen Meere eigen sind und aus solchen, die sich in anderen Seen
und -Meeren befinden. 7
Im neunten Kapitel behandelt der Verfasser die geologische Struktur
der Ufer des Aralsees. Man trifft hier Formationen verschiedener geologischer
Perioden. So befinden sich hier Oberjura und Kreideformationen, tertiäre
nummulitische Kalksteine und quaternäre Ablagerungen. Diese dem Kaspischen
Meere und dem Aralsee gemeinsamen Gesteine führten den Verfasser auf den
Gedanken, daß zu einer weitzurückliegenden geologischen Aral - Kaspischen
Periode die beiden Meere in Verbindung standen. Das Sinken des Wasser-
spiegels des Kaspischen Meeres hatte zur Folge, daß der Aralsee sich später
in einen Süßwassersee verwandelte. Später, aber doch noch zu vorhistorischen
Zeiten, fing der Aralsee an auszutrocknen und sich allmählich in ein salz-
haltiges Becken zu verwandeln. Die historischen Angaben beweisen, wie
schon erwähnt worden ist, daß seit der Hälfte des XII. bis zur Mitte des
XVI. Jahrhunderts die Gewässer des Flusses Amu-Darja ins Kaspische Meer
mündeten:! die Ursache davon ist wahrscheinlich eine Zunahme der atmo-
sphärischen Niederschläge gewesen. Das Entstehen des Aralsees ist wohl
tektonisch; das Kesseltal hat sich wahrscheinlich am Ende der Miocanperiode
gebildet.
Wie schon gesagt, ist das von Berg gesammelte Material sehr inter-
essant und reichhaltig. Es ist sehr sorgfältig und peinlich analysiert worden,
und der Verfasser hat alles mit großer Sorgfalt untersucht. Nur an wenigen
Stellen sind seine Angaben nicht ganz genau, und ces sind nicht alle Beweise
und Schlüsse genügend begründet. `
Die Entdeckung eines neuen Sterns im Sternbilde der Bidechse.
u Von Dr. F. S. Archenhold.
m 31. Dezember 1910 erhielt die astronomische Zentralstelle in Kiel aus
Greenwich ein Telegramm, Espin in Towlaw habe in Rekt. 22" 32m 98,5 und
in Dekl. + 52° 15° 21” einen neuen Stern entdeckt, der 8. Größe sei und dessen
Spektrum helle Linien zeige. Professor Wolf in Heidelberg konnte feststellen,
daß diese Nova bereits auf den Platten früherer Jahre als ein Stern 12. bis 13.
Größe vorhanden war.
K. Graff fand auf der Bergedorfer Sternwarte am 2. Januar 1911 beim Ein-
stellen dieser Espinschen Nova den Stern im 9!/, zölligen Aquatoreal auffallend
hell und von eigenartiger Rosafarbe ähnlich wie die Nova Persei im Mai 1901. Im
Heustreuschen Okularspektroskop war je eine helle Linie im Rot und im Blau
zu erkennen; eine weitere Aufhellung lag im gelben und violetten Teile des
Spektrums, wohingegen eine stärkere Absorption im Orange und jenseits der
F-Linie bemerkbar war. Die Helligkeitsschätzung ergab für die Nova 6,8. Größe.
Da der Stern der 137. veränderliche ist, der im Jahre 1910 entdeckt worden
ist, so hat er die Bezeichnung „Nova Lacertae 137. 1910“ erhalten. Die
Eidechse liegt zwischen den größeren Sternbildern Schwan, Andromeda und
Cassiopeja, und zwar findet man den Ort des neuen Sterns am besten, indem man
— 116 —
von den beiden hellen Sternen y, $ in der Cassiopeja ausgeht und den zwischen
ihnen liegenden Abstand nach dem Schwan zu verdoppelt.
Das Towlaw Observatorium in der Grafschaft Durham in England ist in
Wolsingham 1885 begründet worden und erst drei Jahre später nach Towlaw,
welches 302 m über dem Meere liegt, verlegt worden. Espin beschäftigt sich
hauptsächlich mit der Beobachtung von veränderlichen Sternen und mit solchen
Sternen, die besonders eigentümliche Spektren zeigen, was zumeist bei den
neuen und veränderlichen Sternen der Fall ist. Wir finden in den A. N. No. 4466
eine Aufnahme von Professor Wolf, die er in der einzigen halben Stunde, die
Der neue Stern in der Eidechse (Nova Lacertae 136, 1910) und seine Umgebung.
es seit Wochen klar war, mit seinem Reflektor erhalten hat (s. Abbildung). Das
Instrument war wegen einer vorangegangenen Reparatur nicht gut im Focus, die
Aufnahme geschah 1911 Januar 2 von 9" 4,1” bis 35,1”. Der neue Stern selbst
liegt im Zentrum der Aufnahme, und alle Sterne, welche in der Bonner Durch-
musterung sich vorfinden, sind auf der Reproduktion dadurch kenntlich gemacht,
daß sie einen wagerechten Strich zeigen. Nahe der Nova liegt rechts oben
der Stern der Bonner Durchmusterung + 51°3420. Seine Helligkeit ist
8,3. Größe, woraus hervorgeht, daß die Nova selbst auch am 4. Januar noch be-
— 17 —
deutend heller war. Die kleinsten Sterne, welche auf der Photographie wieder-
gegeben sind, dürften der 15. oder 16. Größe angehören. Nach dem Platten-
material der Königsstuhl-Sternwarte ist die Gegend i. J. 1894 am 9. und 11. Januar
2 Stunden 30 Minuten mit einem Sechszéller belichtet und am 15. Juli im Jahre
1904 3 Stunden 46 Min. photographiert worden. An dem Orte des neuen Sternes
stand damals ein Stern 12. bis 13. Größe, der hiernach die jetzige Katastrophe
erlebt haben muß.
Auch hat Prof. Barnard den neuen Stern auf 4 Aufnahmen nachträglich
aufgefunden als einen Stern 14. Größe und zwar auf Photographien aus den
Jahren 1893, 1907 und 1909 Aug. 22 und 24. Im 40-Zöller der Yerkes-Sternwarte
zeigte die „Nova Lacertae“ ebenso wie die „Nova Geminorum“ zwei verschiedene
um 8 mm auseinanderliegende Bilder. Das eine der Bilder liegt im gewöhn-
lichen Brennpunkte und ist nur wenig gefärbt; das andere, scharfe ist karminrot
und liegt 8 mm weit vom Objektiv ab. Es wird sehr wahrscheinlich von der
hellen He-Wasserstofflinie erzeugt. | |
Millosevich schätzte den Stern am 10. Januar nur noch 7,4. Größe. Pro-
fessor Eberhard und Dr. Münch haben in Potsdam am 6., 7. und 8. Januar
auf allen Spektralaufnahmen außer einigen schwächeren Linien besonders die
sehr breiten und hellen Wasserstofflinien He bis Hn und ein sehr helles Band
bei A 4654 erhalten. An der brechbareren Seite von Hy zeigte sich deutlich ein
breites Absorptionsband. Bei 4 4056 lag eine kräftige Emissionslinie und in
der Nachbarschaft bei d 4045 eine ebenso deutliche Absorptionslinie. Die Kal-
ziumlinie (K-Linie) schien ganz schwach als Emissionslinie angedeutet zu sein.
Wir haben schon des öfteren!) darauf hingewiesen, daß das Aufleuchten
neuer Sterne zumeist durch das Zusammenstoßen abgekühlter Welten mit kos-
mischen Nebeln verursacht wird und daß die hellen Linien von den eingeleiteten
Glühprozessen beredtes Zeugnis ablegen.
Die Entdeckung eines Veränderlichen oder eines neuen Sterns in den Fischen (Nova
134, 1910 Piscium) wird vom Herrn Ernst in den A. N. 4165 gemeldet. Bei der Vergleichung von
Aufnahmen kleiner Planeten zeigte es sich, daß ein Stern zehnter Größe Rekt. oh 277 3, Dekl. =
+ 9° 30’ (Epoche 1855,0) auf einer neuen Aufnahme fehlte, jedoch auf zwei Platten einer solchen vom
13. September 1907, die gleichzeitig mit einem Sechszöller aufgenommen worden sind, vorhanden war.
Die zweite Aufnahme ist viermal solange exponiert wie die erste; trotzdem hat das fragliche Objekt
auf der kürzer exponierten Platte die Helligkeit eines Sterns 8,8. Größe, auf der viermal so lange
exponierten Platte nur die Helligkeit 10. Größe. Es ist also wahrscheinlich, daß der Stern während
der Aufnahme an Helligkeit stark abgenommen hat, vielleicht sogar unsichtbar geworden ist. Die
Form der beiden Bilder läßt es kaum zweifelhaft erscheinen, daß das photographische Objekt ein
Stern war. Da es sich um eine Gegend am Himmel handelt (in der Nähe von 42 Piscium), die
wohl auch an anderen Sternwarten häufig photographiert wird, so darf man weitere Aufschlüsse
erwarten, nachdem die entsprechenden Aufnahmen untersucht sind. Der Stern fehlt auf allen an-
deren vorhandenen Platten — es sind 18 der Zahl nach —, welche in Heidelberg vom 21. Oktober 1894
bis 1. Oktober 1910 mit einer Expositionsdauer von einer Stunde bis zwei Stunden und 60 Minuten
auf der Heidelberger Sternwarte gemacht worden sind. F.S.A.
1) Vergl. „Der neue Stern im Perseus von F. S. Archenhold im „Weltall“ Jg. 1, S. 93. Weitere
Mitteilungen über andere neue Sterne im Jg. 1, S. 108, 132, 222. Jg. 6, S. 64, 145, 171. Jg. 11, S. 23.
Nova Sagittarii Nr. 2.
— 18 —
Die „Vermondung‘“ der Erde und der Planeten Fine Möglichkeit, durch welche der
Bestand des Sonnensystems gefährdet wird, ist die sogen. „L.unarisierung“ des Planeten, was man
als „Vermondung“ bezeichnen könnte. Es ist darunter zu verstehen, daß die Planeten, und als
typischer von ihnen die Erde, in den Zustand des Mondes kommen, mechanisch sowohl wie auch
physisch, der Körperbeschaffenheit nach.
Wir alle kennen die Erscheinung der Ebbe und Flut, der Gezeiten. Sie besteht darin, daß
der Mond und auch die Sonne das Wasser zu sich heranziehen, also besonders an denjenigen
Stellen der Erde aufbäufen, die diesem Himmelskörper jeweils am nächsten stehen. Da sich nun
aber die Erde dabei um ihre Achse dreht, so rollt sie gewissermaßen unter den entstehenden Flut-
bergen immerwährend dahin. Die Gestaltung der zusammenhängenden Ländermassen (Kontinente)
und der Inseln aber stellen sich den Flutbergen entgegen. Die Flut schlägt an sie an und bricht
sich, muß seitlich ausweichen, um dem Monde oder der Sonne zu folgen. Diese ewige Arbeit des
Anschlagens und der Reibung der Flutberge an der Erde hemmt diese naturgemäß in ihrer täg-
lichen Umdrehung. Diese muß daher langsamer werden und schließlich ganz aufhören. Die Flut
wirkt also wie ein Bremsschuh. Diese Bremswirkung muß auch auf die Umdrehung der Erde einen
Einfluß haben; sie muß die Umdrehung der Erde verlangsamen, wie die Bremse das Rollen
des Rades verlangsamt. Das heißt nichts anderes, als daß der Tag an Länge anwachsen
muß, denn die Tageslänge wird ja durch die Umdrehung der Erde um ihre eigene Achse bestimmt.
Das Bestreben der Gezeiten geht dahin, die Umdrehung der Erde um die eigene Achse so zu ver-
langsamen, daß sie gleich einem Umschwung um die Sonne wird, daß also der Erdentag gleich
einem Jahre wird.
Macht man sich an einer kleinen Zeichnung klar, wie sich dann die Dinge gestalten müssen,
so erkennt man, daß die Erde in diesem Endzustand gerade eine Umdrehung vollendet, wenn sie
einmal auch um die Sonne gelaufen ist, d. h. die Erde kehrt dann der Sonne immer dieselbe Seite
zu. Dieser Zustand besteht schon beim Monde in bezug auf die Erde. Der Mond kehrt der Erde
immer dieselbe Seite zu, sodaß wir nur diese eine Seite kennen, die andere nicht. Der Umlauf des
Mondes um die Erde stimmt also mit der Drehung um seine Achse überein. Nun ist zwar die
Erde für den Mond Zentralkörper, sie ist aber nicht Licht- und Wärmequelle, wenigstens nicht in
erheblichem Maße. Für den Mond ist vielmehr auch die Sonne Licht und Wärmequelle.
Anders bei der Erde. Für diese ist die Sonne nicht bloß Licht- und Wärmequelle, sondern
auch Zentralkörper. Wenn die Erde der Sonne also immerwährend dieselbe Seite zukehrt, so
empfängt nur diese Licht und Wärme von der Sonne, die abgekehrte Seite jedoch nichts von
beiden. Jahraus, jahrein würde also die Sonne auf diese Seite der Erde herniederbrennen und eine
Hitze erzeugen, die weit über diejenige des siedenden Wassers hinausgeht. Ein Leben wäre auf
dieser Seite der Erde damit unmöglich. Aber auch auf der andern Seite könnten wir keinen Tag zu-
bringen, denn hier müßte eine unerträgliche Kälte herrschen, die keinen Pflanzenwuchs dulden
würde. Die Kälte würde wahrscheinlich unter derjenigen der flüssigen Luft liegen, also unter
200°. Das bedingte noch ein anderes. Der Luftmantel der Erde würde hier nämlich verschwinden
müssen Denn wenn die Temperatur dort so tief ist, daß sie unterhalb des Verflüssigungspunktes
der Luft liegt, so muß sich die Luft dort verdichten und sich als Flüssigkeit niederschlagen. Damit
würde aber Luft von der andern Seite der Erde nachströmen, sich abkühlen und sich ebenfalls
verflüssigen. Dieser Vorgang würde solange anhalten, bis alle Luft verflüssigt wäre. Ihres Luft-
mantels wäre dann die Erde beraubt. Aus diesen wie auch aus anderen Gründen könnten also auf
ihr Geschöpfe nicht mehr existieren.
Es ist hier der Ort darauf hinzuweisen, daß durch die letztere Betrachtung die Frage der
Venusrotation eine überraschende Aufklärung erfährt. Wir wissen, daß die Venus eine Atmosphäre
besitzt. Das könnte aber nicht der Fall sein, wenn sie keine Axenrotation besäße, denn sonst hätten
sich die dortigen Luftgase längst verflüssigt oder gar verfestigt, in derselben Weise, wie soeben
dargetan. Die Untersuchungen Schiaparellis aber ließen nur die beiden Möglichkeiten offen, ent-
weder Rotation der Venus innerhalb ihrer Umlaufsperiode um die Sonne oder Rotationsdauer von
etwa einem Erdentage. Den ersteren Fall schließen die physikalischen Umstände aus, es bleibt
nur der zweite. Die Lehrbücher können auf diese Weise registrieren: Venus dreht sich um ihre
Axe in ungefähr einem Erdentage. —
Der Astronom Darwin schloß aus den Tatsachen der Gezeitenerscheinungen, daß die Erde
einstmals eine viel kürzere Umdrehungsdauer besessen haben muß. Robert Maver, der Entdecker
des Satzes von der Erhaltung der Energie und der englische Astronom Adams sowie Leverrier,
die theoretischen Entdecker des Planeten Neptun, haben ausgerechnet. in welchem Maße die Um-
drehung der Erde durch die Bremswirkung der Gezeiten vermindert wird. Der eine fand 0,0498 Sekunden,
— 19 —
der andere 0,01197 Sekunden innerhalb von 2000 Jahren. Dieser Betrag ist so klein, daß wir ihn
bisher durch die Messung nicht nachzuweisen vermochten Daß eine solche Verzögerung aber
vorhanden ist, ist zweifellos: denn irgendwo muß die Bremswirkung wieder zum Vorschein kommen.
Rechnet man mit dem kleinen Betrag, so findet man, daß diese Verzögerung in
2000 : 0,01197 = 200 000 000 : 1197 : 167 000
Jahren eine Sekunde beträgt. Soll also die Umdrehungszeit gleich der Umlaufszeit um die Sonne
sein, so muß eine Verlangsamung um 364 Tage eintreten. Ein Tag hat nun 24 x 60 x 60 = 86400 Se-
kunden; 364 Tage also 86 400 x 364 = 31449600 Sekunden. Die Verlangsamung um eine Sekunde
dauert 167 000 Jahre, die um 31 449 600 Sekunden soviel mal mehr, das sind rund.5'/, Billionen Jahre
oder legen wir den viermal größeren Betrag zugrunde, so würde dieser Zustand schon nach 1", Billionen
Jahrem eintreten. Dabei ist zu bedenken, daß sich die Zeit noch verlängert, weil ja die ee ts
Rotation den Endzustand hinausziehen muß.
So lange aber spendet die Sonne nicht ihre Wärme und ihr Licht! Bis dahin ist beides so
stark geschwächt, daß die Lebewelt aus diesem Grunde nicht mehr zu existieren vermöchte.
Was der Erde recht ist, ist jedem andern Planeten billig... Auch bei ihnen allen muß dieser
Zustand eintreten, wenn auch in noch so langer Zeit. Beim Merkur scheint das schon jetzt bereits
der Fall zu sein, bei der Venus sicher nicht, denn dieser Planet besitzt noch eine Atmosphäre, die
er nach unseren früheren Ausführungen schon längst verloren hätte, wenn seine Rotationszeit
gleich seiner Umlaufszeit um die Sonne wäre. Tritt also nicht der Fall eines Zusammenstoßes der
Sonne mit einem andern Sterne ein, bei welcher Gelegenheit das ganze System unterginge, so
werden die Planeten einer nach dem andern lunarisiert. Vorher aber wird die Sonne ihren Schein
verloren und ihre wärmespendende Kraft eingebüßt haben. Alles im Sonnensystem wird tot da-
liegen und das System als tote, abgestorbene Welt durch den Weltraum fliegen. Aus dieser Starre
kann es nur durch eine Zusammenstoßkatastrophe zu neuem Leben erweckt werden.
Was uns auf den ersten Anblick so fürchterlich erscheinen muß, die Vernichtung der Sonne
und ihres Systems durch einen Zusammenstoß mit einem andern gleichartigen Körper, wird so zu
einer Notwendigkeit, wenn neue Lebensbedingungen geschaffen werden sollen. So erfährt die Sage
von dem in Flammen sterbenden Phönix eine wissenschaftliche Auferstehung.
Felix Linke.
* *
*
Todesfall. Am 12. Dezember v. J. starb unser Mitarbeiter der Direktor Ludwig Günther
in Fürstenwalde a.Sp. Günther hat sich durch seine gründlichen Forschungen auf verschiedenen
astronomischen Gebieten, namentlich aber durch seine unermiidlichen Studien der Lebensschicksale
und des Wirkens des großen Astronomen und Geisteshelden Johannes Kepler einen geachteten
Namen in astronomischen Kreisen erworben.
Einen großen Teil seines Lebens hat Günther der Keplerforschung gewidmet und in allen
seinen Schriften begegnet man einer seinem großen Vorbilde Kepler verwandten Seele, die nıit
feinem Verständnis und großer Liebe den oft sehr schwierigen Pfaden des berühmten Astronomen
folgt. Außer zahlreichen größeren und kleineren Abhandlungen und Artikeln namentlich in den
„Mitteilungen der V. A. P.“, im „Weltall“, „Sirius“ und anderen Zeitschriften veröffentlichte er an
größeren Werken: „Keplers Traum vom Mond (bei B G. Teubner, Leipzig 1898); „Kepler und
die Theologie“ (bei Al. Töpelmann, Gießen 1905); „Ein Hexenprozeß, ein Kapitel aus der Geschichte
des dunkelsten Aberglaubens“, in dem nach dem Aktenmaterial der Hexenprozeß von Keplers
Mutter dargestellt wird (bei Al. Töpelmann, Gießen 1906) und endlich „Die Mechanik des Weltalls, eine
volkstümliche Darstellung der Lebensarbeit Keplers“ (bei B. G. Teubner, Leipzig 1909).
In den letzten Jahren beschäftigten den Verstorbenen noch verschiedene Entwürfe, so be-
sonders ein populärer Sternkatalog mit Anweisungen zur sicheren Auffindung der Sterne am
Himmelsgewölbe und ferner eine sehr interessante Arbeit über das Verhältnis Keplers zu
Wallenstein. Leider konnten diese Arbeiten nicht zur Vollendung gelangen, weil Günther
durch andauernde Krankheit, die nun auch seinen Tod herbeigeführt hat, daran verhindert wurde.
Günther wurde am 15. Januar 1846 zu Güstrow i. Mecklb. geboren. Nach Absolvierung
des dortigen Realgymnasiums, wo er schon durch vorzügliche Lehrer, besonders den Mathematiker
H. Seeger, zur Astronomie angeregt wurde, erlernte er in Neuruppin den praktischen Maschinen-
bau, besuchte alsdann mehrere Jahre die damalige Königl. Gewerbeakademie in Berlin und das
Polytechnikum in Hannover und war darauf in verschiedenen größeren Maschinenfabriken als
Ingenieur tätig. Nachdem er im deutsch-französischen Krieg an den Schlachten von Vionville,
Mars-la-Tour und Gravelotte und anderen Gefechten ruhmreichen Anteil genommen hatte, setzte
Günther seine Tätigkeit als Maschineningenieur fort gründete später in Neustadt i. Mecklb.
— 120 —
eine Stärkefabrik uud war auch in mehreren großen Zucker- und Sirupsfabriken als Direktor tätig.
Inzwischen schon hatte Günther sich vielfach und eifrigst mit astronomischen Studien uud haupt-
sächlich mit den Werken Keplers beschäftigt, bis er vor ca. 10 Jahren seine berufliche Tätigkeit
ganz aufgab, seinen Wohnsitz nach Fürstenwalde verlegte und sich von nun an fast ausschließlich
seiner Lieblingsbeschäftigung, der Astronomie, widmete.
Der Tod hat zu frühzeitig dem stillen Forscher und edlen Menschen die Feder aus der
fleißigen Hand genommen. Auf dem Friedhofe zu Fürstenwalde liegt er begraben.
F. Günther, Distrikts-Ingenieur.
$Bücherschau. SE | 8
3333333333333 333333333333333333333333333333333333393333
Werner Mecklenburg, Die experimentelle Grundlegung der Atomistik. Jena, Verlag
von Gustav Fischer, 1910. VIH + 143 Seiten mit einer Tafel. Preis geheftet 2,50 M.
Wir müssen dem Verfasser, der durch seine zusammenhängenden Berichte den Lesern des
„Weltalls“ schon lange bekannt ist, dankbar sein, daß er in der vorliegenden Schrift unter Beifügung
eines Verzeichnisses der wichtigsten Originalliteratur so bedeutende Fragen in elementarer Weise
behandelt hat.
Der wesentliche Inhalt des Buches ist etwa folgender: Die selbstverständliche Forderung der
Atomtheorie, daß die gemeinhin als homogene Gebilde angesehenen echten Lösungen, wie z.B. eine
Kochsalzlösung, tatsächlich heterogen sein müssen, wird nicht nur durch das Vorhandensein
kontinuierlicher Übergänge von den zweifellos heterogenen Suspensionen, in denen das bloße Auge
oder das Mikroskop einzelne Teilchen in einer homogen erscheinenden Grundmasse erkennen kann,
über die kolloidalen Lösungen mit kleiner und kleiner werdenden und zuletzt die Grenze der Sicht-
barkeit überschreitenden Teilchen zu den echten Lösungen, sondern auch durch besondere direkte
Versuche mechanischer und optischer Natur als richtig erwiesen. Über die absolute Größe der
Atome und Moleküle sind wir zuerst durch die Untersuchungen zur kinetischen Gastheorie unter-
richtet worden; sie ergaben, daß ein Grammolekül oder Mol!) eines Stoffes 7.10% einzelne Moleküle
enthält, eine für das menschliche Vorstellungsvermögene unfaßbar große Zahl. Diese Ergebnisse
konnten jedoch, so wichtig und interessant sie auch waren, nicht befriedigen, solange es keine
Möglichkeit zur Prüfung ihrer Richtigkeit gab. In den zwei letzten Jahren ist es nun gelungen, auf
ganz anderen Wegen noch Kenntnis von den absoluten Dimensionen der Atome und Moleküle zu
erlangen. Theoretische und experimentelle Arbeiten über die sogenannte Brown’sche Bewegung,
jenes eigentümliche zitternde Hinundher, das unabhängig von äußeren Energiequellen alle winzig
kleinen Teilchen in einem praktisch homogenen Medium, so z. B. Rauchpartikeln in Luft, zeigen,
haben erwiesen, daß diese jahrzehntelang rätselhaft erschienene Bewegung ein vollkommenes
Analogon zu der von der kinetischen Gastheorie vorausgesetzten Bewegung der Gasmoleküle darstellt
und daß beide Bewegungen denselben Gesetzen gehorchen, und es ward möglich, aus den experimen-
tellen Ergebnissen, die an der Brown’schen Bewegung erlangt waren, die Loschmidt’sche Zahl,
d. h. die bereits erwähnte absolute Zahl der in einem Mol eines beliebigen Stoffes vorhandenen
einzelnen Moleküle zu berechnen. Das Ergebnis war 7,15.10°, eine mit dem aus der kinelischen
Gastheorie abgeleiteten Wert überraschend gut übereinstimmende Zahl. Und zu dem ganz ähnlichen
Werte 6,19.1023 endlich führte auch die Lehre von den Elektronen?), deren Deduktionen eine ganz
besondere Sicherheit zu haben schienen. Neuere Forschungen von Ehrenhaft in Wien aber lassen
manche wichtige Grundlage der Elektronentheorie unsicher erscheinen, sodaß es angezeigt erscheint,
der von der Elektronik gelieferten Zahl nur die Bedeutung einer Größenordnung zuzuschreiben und
die größere Sicherheit im Absolutwerte der auf den anderen Wegen erlangten um etwa 15 °/, höheren
Zahl beizumessen. Wie dem auch sei, jedenfalls ist durch die Untersuchungen der letzten Jahre
die Lehre von den Atomen und Molekülen, die ja für die Chemie der Gegenwart ein unentbehrliches
Hilfsmittel ist, auf eine wesentlich festere Basis gestellt worden, als sie bisher besaß, und das muß
als ein außerordentlich wertvoller Fortschritt der exakten Wissenschaft bezeichnet werden.
1) Zum Begriff des Grammolcküls oder Mols vergl. „Weltall“, Jg. X, S. 136 (Anmerkung); 1909/10.
2) Vgl. Weltall, Jg. VIII, S. 206; 1907/8.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
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DAS WELTALL |
[Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 9. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Erstes Februarheft),
Berlin-Treptow.
Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland.16.— Mark) franko
durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treplow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalten (Post,
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pie — Anseigen-Gebtihren: I Seile 80.— MR., Uu Seite 45.—
LU, Seite 25.—, Ma Srite 15.—. Uu Seite 8 — Bei Wiederholungen Rahatt - Beilngen nach Gewicht.
INHALT
1. Mehrfache Wasserhosen. Von Dr. F. S. Archenhold. 4. Der gestirnte Himmel im Monat März 1911. Von
(Mil einer Beilage). s.. 2 © v2 en we 121 Dr. F.S Archenhold .. 2 2 2 2 2 2 2 2 2 0.0 130
2. Erdbeben im russischen Turkestan. Von Prof. Karl 5. Kleine Milleilungen: Die Farben der Slerne im
von Lysakowsky, Odessa. . .» 00. . . 127 Orionnebel. — Uber die nalürliche und künstliche
3. Bestimmung der Sonnenrolation aus der Bewegung Brandzone der Meteoreisen — Ein Meteorstein. . . 136
der Fackeln in den Juhren 1906 bis 1908 . . . . 128
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet.
Kichrfache Wasserhosen.
Von Dr. F. S. Archenhold.
(Mit einer Beilage.)
(e ruhiger und stark erwärmter Luft bilden sich oft, zumeist als eine
Wirkung aufsteigender Luftströmungen, Windhosen, Wasserhosen oder
auch Sandhosen, die in den romanischen Ländern gewöhnlich mit dem Namen
„Iromben“ belegt werden, weil sie oft eine trompetenartige Form haben. Sie
entstehen fast ausschließlich in heißer Jahreszeit. \Venn sie nicht bis auf den
Boden hinunter reichen, dann rufen sie nur eigenartige Wolkenbildungen hervor,
treiben also ihr Spiel nur im Wasserdampf. Wenn sie jedoch über sandige
Gegenden hinwegfahren, so wirbeln sie gewaltige Staubmassen empor. Ziehen
sie über Flüsse, Seen oder Meere hinweg, so wirbeln in ihre Trichter gewaltige
Wassermassen hinein. Wir sehen auf einer alten Abbildung, die wir hier in
der Beilage wiedergeben, eine Reihe solcher Wasserhosen, wie sie vom Kapitän
Cabbage im sicilianischen Meere in der Nahe des Kraters Stromboli am 27. Juni
1827 von der Brigantine le Portia beobachtet und von L. Mazzara gezeichnet
worden sind. Das Schiff hielt gerade den kurs auf diese Tromben, die es sehr
stark bedrohten. Unsere Beilage hat nur !/ der Größe der Originallithographice,
deren genaue Unterschrift wir hier wieder geben:
„Phénomène de Trombes Marines, observé dans la mer de Sicile, en
vue de Stromboli, le 27 Juin 1827, et dessiné par L. Massara, a bord du Bri-
gantin le Portia, capitaine Cabbage, au moment ou le navire fait feu sur la
trombe qui le menacait de plus pres.“ — St. Aulaire d'après le dessin de
L. Mazzara. — Lith. de Engelmann, rue du Faub. Montmartre No. 6.
Ich habe das interessante Blatt gelegentlich für unser Museum erworben,
ohne daß mir bis jetzt eine Beschreibung des Phänomens in der Literatur be-
kannt geworden ist.
— 122 —
Wir finden jedoch oft eingehende Beschreibungen von Wasserhosen, so
besonders einige in der „Meteor. Zeitschrift“, die wir hier auszugsweise wieder-
geben wollen.
So schreibt H. Seemann, daß die Annahme, dic Herr Professor Reye in
seinem Werke „Die Wirbelstürme, Tornados und Wettersäulen“ über die
Bildung von Wasserhosen vertritt, nämlich, daß sie hauptsächlich an wind-
stillen, heißen Tagen auftreten, nicht den Tatsachen entspricht: im Gegenteil,
bei böigem Wetter und umlaufenden Winden werden sie z B. im Calmen-Gürtel
des Äquators am allerhäufigsten gesehen. Seemann hat in der Singapore-
straße 5 oder 6 Wasserhosen im Septembermonat zu gleicher Zeit beobachtet,
während der Wind fortwährend seine Richtung änderte und der Himmel voller
schwarzer Wolken hing.
Die von ihm geführte Bark „Eduard“ befand sich am 11. April 1877 im
südindischen Ozean auf 7° südl. Breite und 85° östl. Länge auf der Rückreise
von Bassein. Der Wind war in den letzten Tagen nordöstlich, Stärke 4, ge-
wesen, er wurde dann flauer bis Stärke 3, während die Luft stark bewölkt war.
Um 2 Uhr nachmittags ging der Wind nach NW und frischte auf; er befand
sich in einer Seemeile Entfernung von einem englischen Vollschiff, mit dem
signalisiert war. Eine schwarze Wolke kam von SO gegen den Wind auf. Um
2!/, blies der Wind aus dieser heranrückenden Wolke mit starkem Regen fast
urplötzlich, so daß sie alle Segel back und Wind recht von vorne aus SO
bekamen. Plötzlich bildete sich ca. 300 Schritte hinter ihnen eine prone Wasser-
hose und gleich darauf ging der Wind wieder auf NW.
Die Wasserhose war in ihrer Grundflache jedenfalls 30 bis 40 Schritte
breit und reichte als schmale Säule sehr hoch hinauf in die Wolken. Sie hatten
frischen NW-Wind und sahen, wie die an Größe immer mehr zunehmende
Wasserhose, deren Sausen und Geräusch sie deutlich hören konnten, schnell
auf sie zukam, also nur allein noch unter dem Einfluß des NW-Windes stand.
Das Wasser kochte und zischte in fußhohen, kleinen, spitzen Wellen empor, es
war ein Sausen wie beim schwersten Platzregen. Die Wolke, in welche die
Wasserhose hineinreichte, war rabenschwarz. Die Wassermassen strömten in
größter Schnelligkeit in Windungen um einen hellen Streifen hinauf. Dieser
helle Streifen war scharf begrenzt von unten bis oben zu verfolgen; es wird
ein wasserfreier Raum gewesen sein. Unterdessen hatte sich die Wasserhose
auf 100 Schritt dem Schiffe genähert, da bog erst die Wolke nach Westen ab
und allmählich zog die ganze Erscheinung dicht hinter dem Schiffe weg nach
Westen zu. Die Wasserhose blieb ungefähr noch eine Stunde nach Westen zu
sichtbar.
P. Niejahr schreibt auch in der „Meteor. Zeitschrift“, Bd. 3, 1885: „In der
Gegend über dem Golfstrom, besonders an der Grenze des Nordostpassats,
beobachtet man oft die Entstehung von Wasserhosen, die sich mit auf-
kommenden langgestreckten Böenwolken, Wolkengürteln oder auch unvollständig
entwickelten Regenböen an deren Unterkante bilden und auf mehreren Stellen
trichterförmige Spitzen nach unten hin absenken, welche sich zuweilen, nach-
dem sie sich einige Grade von der Wolke entfernt, wieder hinaufziehen oder
auch ganz oder teilweise die Meeresfläche erreichen und dann als Wasserhosen
vielen Schaden anrichten können. Noch zu Anfang des Jahres 1885 wurde die
Rostocker Bark „Ceylon“ durch eine Wasserhose über dem Golfstrom teilweise
entmastet und dabei der Steuermann getötet.
— 13 —
Die Ausbildung dieser Phänomene geschieht gewöhnlich sehr schnell;
geht sie in nächster Umgebung des Schiffes vor sich, so steht man solchen
Naturgewalten hilflos gegenüber“. :
Uber eine Wasserhose, die er auf der Reise von Newcastle nach Santos
sah, schreibt Niejahr folgendes: „Um 1?/, Uhr kam eine größere Wolkenmasse
(Gürtel) von vorne auf, womit der Wind von SW zu W abschralte. In Lee,
von uns etwa 2 Seemeilen entfernt, bildete sich eine Wasserhose von 1 Grad
Breite bei 25° Wolkenhöhe, 5 Grad nach unten ausgedehnt, lebhafte Wolken-
drehung (Gewölk nicht ganz dunkel) mit den Zeigern der Uhr deutlich wahr-
nehmbar. Windhose über dem Meere darunter, wobei besonders die nördliche
Seite des Phänomens am meisten Wasserstaub aufwirbelte. Sonst existierte
keine sichtbare Verbindung mit der Trichterspitze und dem Meere Nach
10 Minuten war alles vorüber, und aus dem Wolkengürtel entwickelten sich
nach einer halben Stunde Nimbi mit konzentrierten Regenstreifen, wobei der
Wolkengürtel oben noch im Zusammenhang blieb.“
Über eine- Wasserhose von seltener Form schreibt Colladon in „La
Nature“ (18. Jahrg. S. 273): Sie wird in Genf oft beobachtet und kann zu jeder
Zeit hervorgerufen werden. An der hydraulischen Maschine ist ein Wehr an-
gebracht, dessen Teile einzeln versenkt werden können. Läßt man nun die
mittleren Schleusen herab, während die an den Seiten offen bleiben, so entsteht
auf jeder Seite eine Trombe mit der breiten Trichteröffnung nach unten. Fluß-
aufwärts entstehen beiderseits horizontale zylindrische Ansätze; sie haben die
Neigung, sich in eine horizontale Röhre zu vereinigen und eine „Wasser-
schlange“ zu bilden; so haben die Genfer die Erscheinung benannt. Der hori-
zontale zylindrische Teil der Trombe, welcher an den offenen Schleusen aus-
mündet, schwankt etwa innerhalb der Breite von einem Meter, sein Durch-
messer ist der ganzen Lange nach gleich groß: er kann einmal unter 1 cm
betragen, zuweilen aber auch 10 cm und mehr. Die Röhre kann bis 15 m
lang sein.
Faye behauptete gerade das Gegenteil, daß Wasserhosen immer absteigend
sind und die breite Trichteröffnung nach oben haben müssen, worüber z. Zt.
heftige Fehden stattfanden.
Uber eine Wasserhose, die einem Schiffe von 561 Reg.-Tons-Raumgehalt
ernstlichen Schaden zufügte, sind F. Raspe folgende Mitteilungen zugegangen:
„Die auf der Reise von Antwerpen nach Philadelphia begriffene Rostocker Bark
„Ceylon“, Kapitän Niemann, befand sich am 10. April 1885 ungefähr in 31° Nord-
breite und 71° Westlange. Am Tage herrschte schönes Wetter; gegen Abend
zog ein Gewitter herauf. Der Schiffer ließ deshalb alle Segel, mit Ausnahme
der Ober- und Untermarssegel festmachen und abends 8 Uhr, da die Luft ein
immer drohenderes Aussehen gewann, auch die Obermarssegel einnehmen.
Das Wetter fing bereits an, sich wieder aufzuklären, als gegen 9 Uhr eine
markierte dunkle Wolke im Westen sichtbar wurde. Man hielt sie anfangs für
ein fremdes Schiff; als die Erscheinung jedoch der Bark näher kam und die
Gestalt eines Trichters annahm, wurde sie als eine Wasserhose erkannt. Die
Segel waren, wie bemerkt, sämtlich fest und daher ein Entrinnen des Schiffes
unmöglich. Gleich darauf wurde das Schiff an der Backbordseite von der
Wirbelsäule ergriffen und hart nach Steuerbord tibergeschlagen. Das Fahrzeug
kam so schief zu liegen, daß die Spitzen der Raaen fast das Wasser berührten.
Der Vorderteil tauchte tief unter. Gleichzeitig wurde das Schiff selbst, wie der
— 124 —
Mann am Ruder beobachtete, von NNW nach SSE herumgedreht und dann mit
einer solchen Gewalt auf die Backbordseite geworfen, daß Groß- und Besanmast
über Bord gingen. — Der ganze Vorgang soll etwa zwei Minuten gedauert haben.
Über die Entstehungsursache der Wasserhosen ist man auch heute noch
ungenügend aufgeklärt. Als Vorläufer derselben wird gewöhnlich schwüle,
drückende Luft mit nachfolgendem Gewitter angegeben. Die meisten wurden
bei sehr böigem Wetter ange-
troffen und selbst in orkanarti- ww WERTE 3
gen Stürmen sind Wasserhosen er |
beobachtet worden. Ze" D
Der amerikanische Meteoro-
loge Cleveland Abbe hat wah-
rend einer Expedition auf. der Le
.Pensacola“ sehr eifrige Unter- |
suchungen angestellt. Er beob-
achtete, wie sich Wasserhosen
bei sonnenklarem Wetter in einer
plötzlich aufkommenden Regen-
böe bildeten. Die Regenwolke
war im westlichen Teil einer
Cumuluswolke, die aus losem,
niedrigem Gewölk bestand. Das
Eigentümlichste der ganzen Er-
scheinung lag darin, daß Wasser-
hosen auf der von der Sonne
beschienenen Seite der Wolke
auftraten, während sich auf der
andern Seite keine zeigten. Abbe
führt das Entstehen dieser
Wasserhosen auf einen beson-
deren aufsteigenden Luftstrom
infolge der größeren Erwärmung
zurück, der hier durch die
größere Leichtigkeit eines Teiles
der Wolke verursacht wurde.
Er sagt dazu folgendes:
„Es ist klar, daß zur Bil- | x |
dung des von der Wolke herab- Em "ZS 2: ee
hängenden Teiles der Wasser- Die Entstehung, Entwicklung und Auflösung dreier Wasser-
hose ein stärkerer Luftwirbel not- der Zeit von
wendig ist als zur Bildung des aus
Schaum, Wasserdunst und Tropfen bestehenden Wirbels an der Meeroberfläche.
In den meisten Fällen entstanden letztere früher als die charakteristische
Wolkenbildung der Wasserhose, aber es wurde nichts bemerkt, woraus sich
hätte schließen lassen, daß eine aufwärts stattfindende Bewegung an der Meer-
oberfläche begann und das Seewasser in die Wolken gelangte. Die empor-
gerissenen Wassertropfen wurden, nachdem sie höchstens 30 m Höhe erreicht
hatten, aus dem Wirbel herausgeschleudert und fielen hinab auf den von weitem
einer Schüssel gleichenden Wasserwirbel.“
—— (u mg
— 12 —
Kapitan Allen vom amcrikanischen Dampfer „Santiago“ beobachtete am
29. April 1889 nördlich von Royal Isl. (Bahamainseln) eine Wasserhose, welche
sich ihm näherte und ca. 30 m vom Schiffe entfernt auseinanderriß. Der
Dampfer passierte darauf den Außenrand der Wasserhose, deren Durchmesser
60 bis 70 m betragen mochte. Beim Passieren wurde festgestellt, daß das
Innere der W asserhose hohl war und daß sich das Wasser kreisförmig darum
bewegte, und zwar von W nach
EL = | = | O, also gegen die Sonne. Eine
a: er andere Beobachtung von Kapitän
Le y Lehmann vom Schiff „Sama-
| \ > ' rang“ ergibt, das die Drehung
| D - von links nach rechts, also mit
| der Sonne, erfolgte.
| Ob die Art der Fortbewegung
— el CP meee SS nn — Te von bestimmten Gesetzen ab-
= ger: SSL I eig hängig ist, ist ebenfalls noch
eee nicht aufgeklärt. Nach dem
amerikanischen Meteorologen J.P.
Finley soll die Fortbewegung
TE S > * ire et A ie
ST. | Y `" aler Tornados von W nach O
j erfolgen, so daß man sich west-
| ( | lich davon immer in Sicherheit
( befindet. In der Auffassung, daß
| \ Wirbelwinde und \Vasserhosen
ein und dieselbe Erscheinung
seien, müßte sich dies auch auf
die Fortbewegung der Wasser-
hosen anwenden lassen; dies
scheint aber nicht zutreffend zu
ee a sein, Abbe hat z. B. während
| A — vn einer Fahrt auf der „Pensacola“
| | bei seinen Beobachtungen im
| Golfstromgebiet festgestellt, daß
| ' alle Wasserhosen sich von SO
nach NW fortbewegen.
St te ee Aus einer anderen Mittei-
S lung von Kapitan J. Stricker
geht jedoch hervor, daß nicht
hosen in der Singapore - Strale am 6. Oktober 1909 in jede Wasserhose eine vernich-
1" 30”
— 50", tende Wirkung ausübt. Am
12. Mai gegen 8 Uhr morgens
bei leichter nordwestlicher Brise kam eine Nebelwolke in NW auf, an
welcher man anfänglich nichts Auffälliges entdeckte. Nachdem dicse Wolke
etwa 30 Minuten in einer Höhe von 45° über dem Horizont anscheinend
unbeweglich gestanden hatte, entwickelten sich jedoch aus ihr acht
Wasserhosen. Um einer Berührung mit denselben aus dem Wege zu gehen.
hielt man nach O ab. Es wurde aber windstill und eine der Wasserhosen zog
an der Steuerbordseite über das Heck hinweg, ohne irgend welchen Schaden
anzurichten.
— 126 —
In den „Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie 1910“ ver-
öffentlicht der 2. Offizier an Bord D. S. Silesia, O. Hennig, interessante Be-
obachtungen über die Entstehung, Entwickelung und Auflösung dreier Wasser-
hosen im Zeitraum von 20 Minuten. Am 6. Oktober 1909 um 1 Uhr verließ sein
Schiff den Hafen von Singapore und war in der Singaporestraße auf 1° 16’ nördl.
Breite und 104 0‘ östl. Länge, als um 1 Uhr 10 Min. eine Gewitterböe aus rw.
SSO aufkam, deren größte Regenmasse achteraus blieb. Aus dem nach östlicher
Richtung sich erstreckenden Ausläufer der großen Regenwolke bildete sich zu-
nächst eine Wasserhose im Zeitraum von 3 Minuten, gepeilt rw. SO und lief
diese nach ONO etwa 15 Seemeilen in der Stunde. (Fig. I)
Um 1 Uhr 35 Min. bildeten sich im gleichen Zeitraum zwei Wasserhosen,
deren Entfernungen von der mittleren Wasserhose gleich waren, etwa 15° aus-
einander. (lig. II.)
Die mittlere Wasserhose überholte jedoch die vordere und schien diese
durch den Luftdruck der überholenden Wasserhose in ihrer östlichen Fahrt
unterbrochen zu werden. Der Rüssel der am östlichsten stehenden Wasserhose
brach in der Mitte durch, und die untere Hälfte fiel zu Wasser, wogegen die
obere Hälfte in die Wolke zurückgezogen wurde. (Fig. III.)
Im Rüssel der westlich stehenden Wasscrhose, die mit gleicher Geschwin-
digkeit die östliche Richtung beibehielt, bildete sich eine rechtsdrehende, spiral-
förmige Schleife. (Fig. IV.)
Um 1 Uhr 45 Min. brach auch der Rüssel der Wasserhose am oberen Ende
ab und verfiel in sich selbst. (Fig. V.)
Die zuerst entstandene Wasserhose behielt die östliche Richtung mit noch
größerer Geschwindigkeit bei, indem der Rüssel in schlangenförmiger Bewegung
mit dem unteren Ende voranlief. Um 1 Uhr 40 Min. zerfiel auch diese Wasser-
hose in sich selbst. (Fig. VI.)
Die Rüssel der drei Wasserhosen gingen rechtwinklig von der Unterkante
der Wolke trichterförmig nach unten, bewegten sich schlangenförmig bis zur
Oberfläche des Wassers und endeten hier in eine 5° hohe, rechtsrotierende
Wasserwolke. Es erschien, als ob dies Wasser an der rechten Seite des Rüssels
von der Wolke nach unten in die Wasserwolke fiel und an der linken Seite aus
derselben nach oben gezogen wurde; letzteres sah so aus, als ob aus einem
aufrechtstehenden Wasserschlauch das Wasser nach oben getrieben wurde.
Fahrzeuge mit vollen Segeln befanden sich in der Nähe der Wasserhosen,
deren Besatzungen hierüber aber absolut nicht besorgt zu sein schienen, denn
die Fahrzeuge behielten ihren östlichen Kurs bei, ohne kleine Segel zu machen,
ein Zeichen, daß dort Windrichtung und Windstärke konstant blieben.
Zur Zeit der Beobachtung war die Windrichtung an Bord SSO Stärke ?°/,,
der Stand des Barometers während der ganzen Beobachtungszeit konstant
761.2 mm und die Lufttemperatur 32.5° C., Wassertemperatur 28.5° C.
Zum Schlusse verweisen wir noch außer auf das bereits erwähnte Spezialwerk
von Reye, das eine eingehende Schilderung der Wasserhose vom 10. Juni 1858
zu Königswinter a. Rh. giebt, auf zwei französische Schriften von Weyher
„Sur les Tourbillons, Trombes, Tempötes et Spheres Tournautes“, welcher auch
interessante Experimente zur Erzeugung künstlicher Wasserhosen bespricht, und
von Faye, „Nouvelle Etude sur les Tempétes, cyclones, Trombes ou Tornados‘,
der seine Theorie, daß die Tromben absteigende Luftströmungen seien, verteidigt.
= AE e "
Der Astronom hat an diesen merkwirdigen Erscheinungen!) deshalb ein
besonderes Interesse, weil mannigfache Vorgänge auf unserer Sonne, sowohl
in den Flecken, wie Fackeln und Protuberanzen nicht nur ihrer äußeren Form
nach, sondern auch in bezug auf ihr plötzliches Auftreten und die schnellen
Veränderungen an diese Erscheinungen anklingen.
Erdbeben im russischen @urkestan.
Von Karl von Lysakowsky, Odessa.
DE Gegenden des Kaukasus, des russischen Turkestans, Persiens und deren
Nachbargebicte gehören zu den Teilen unsrer Erde, die am häufigsten von
Beben heimgesucht werden. Seit dem Erdbeben von Wernyi im Jahre 1887
gab es eine ganze Reihe von Beben, deren Intensität 10° der Rossi-Forelschen
Skala betrug. So wurde nach dem Erdbeben von Krasnowodsk im Jahre 1895
das ganze Aussehen der betroffenen Gegenden verändert. Es bildeten sich große
Spalten und die Menschen wurden nach den Erzählungen der Eingeborenen in
die Luft geschleudert. Zu den bedeutendsten Beben, die in den letzten 20 Jahren
hier vorgekommen sind, gehören die von Wernyi, vom See Issyk-Kul und von
Andijan, die im folgenden kurz beschrieben werden sollen.
Die Erdbeben in der Umgegend von Wernyi kamen bis zum Jahre 1890
sehr häufig vor, waren von großer Heftigkeit und wiederholten sich sonderbarer
Weise in regelmäßigen Perioden. Sie entstammten einer der das Land durch-
ziehenden Bergketten, und zogen schwächere Beben nach sich, die allmählich
nachließen, bis es nach 2 Jahren wieder zu einer größeren Katastrophe kam.
Das Beben vom Jahre 1807 soll furchtbares Unheil angerichtet haben. Damals
bildete sich neben dem heutigen Bjelovodsk ein neuer See. 1858 ist ein großer
Teil Taschkents durch ein sehr heftiges Beben zerstört worden. 1883 bis 1890
sind folgende Beben aufgetreten: Im Tale Tchonisk stellten sich am 4. August
1885 Erdveränderungen ein, die von dem Alexander-Gebirge ausgingen. Am `
22. Juni 1887 wurde Wernyi fast völlig durch ein Erdbeben zerstört, das vom
nördlichen Alatau-Gebirge kam. Am 13. Juli 1889 trat im Tale Tshilik ein fürch-
terliches Erdbeben längs des Sees Issik Kul auf, das vom Berg Talgar herkam,
wo sich die beiden Zweige des Alatau-Gebirges schneiden. Das Erdbeben von
Wernyi erreichte die Intensitätsskala 10 und viele Menschen wurden getötet.
Insbesonders über das Beben vom See Issik Kul im Jahre 1889 hat die
russische geographische Gesellschaft durch Aussendung von Fragebogen manche
interessanten Einzelheiten gesammelt. Es traten damals viele neue Spalten in
der Nähe des Sees Issik Kul auf, die manchmal eine Länge von einem km er-
reichten und 3 m breit waren. Die Tiefe war eine so bedeutende, daß man selbst
mit langen Stangen den Grund nicht erreichen konnte. Mehrere Flüsse verän-
derten die Richtung ihres Laufes und ganze Flußufer stürzten ein. Auf der im
letzten Hefte unseres Weltalls Seite 107 befindlichen unteren Karte ist auch der
See Issik Kul und die von den Beben betroffene Gegend verzeichnet.
Das schwerste Beben aber war das vom 16. Dezember 1902, das um 9 Uhr
morgens die Stadt Andijan heimsuchte. Weder im russischen noch im ein-
ii
1) Vergleiche auch „Weltall“, Jg. 5, Heft 5, Prof. v. Lysakowski, „Der Cyklon von Moskau
am 16./29. Juni 1904“. Jg. 5, Heft9, Krebs, „Tornados“ und Jg. 6, Heft 18, Krebs, „Neuere Tornados’,
— 123 —
heimischen Viertel blicb auch nur ein Wohnhaus unbeschädigt. Der Hauptstoß
wurde um 7°/, Uhr abends beobachtet, jedoch wiederholten sich die Stöße noch
einmal am nächsten Tage um 11 Uhr morgens und 4 Uhr nachmittags. Das
Epizentrum lag nur 7 km von Andijan ab. Hier bildete sich eine große Spalte,
aus der hohe Wassersäulen, Sand etc. emporgeschleudert wurden. Die Mu-
hamedaner litten besonders stark, da sie fast alle infolge einer schlaflosen Nacht,
die sie wegen eincs Festtages mit Betübungen verbracht hatten, in ihren Betten
lagen und vom Beben überrascht wurden. Die russische Kirche, welche aus
gebrannten Ziegelsteinen aufgebaut war, blieb allein unbeschädigt. 7000 Menschen
verloren ihr Leben bei dieser Katastrophe und 100 000 Russen und Einheimische
wurden obdachlos. Der Materialverlust wurde auf 2 Millionen Rubel geschätzt,
32000 Hauser wurden vernichtet. Die Erdstöße hielten noch bis zum 25. Dezember
an. An jenem Tage, vormittags 11 Uhr, wurde noch ein intensiver vertikaler
Stoß beobachtet, der die liegengebliebenen Dachziegel herunter warf. Auch in
der Umgebung von Andijan sind fast alle Fabriken und Hüttenwerke zerstört
worden. Die Zerstörung war so gründlich, daß alle Einwohner von Andijan nach
Margelan auswandern mußten. Von den vielen sonstigen Katastrophen des
Jahres 1902, wie das Erdbeben von Chemaha am 12. Februar, wobei 4500 Menschen
zugrunde gingen und 5000 Häuser zerstört wurden, der Ausbruch des Mont Pelé
auf der Insel Martinique am 8. Mai, das Erdbeben von Kaschgar am 22. August,
war das von Andijan wohl die fürchterlichste. Es wurde eigentlich nur von den
Krakatoa-Beben im Jahre 1889 und von dem Lissaboner im Jahre 1757 übertroffen.
Es sind noch die großen turkestanischen Erdbeben, das von Karatag und
Kafiristan, zu erwähnen, wodurch ein großer Teil des russischen Turkestans,
der Bucharei und des Khanats Hissar zerstört wurden. Sie sind jedoch schon
im $. Jahrgang Heft 13 dieser Zeitschrift ausführlich beschrieben, sodaß sich ein
näheres Eingehen darauf erübrigt. Seit dieser Zeit ist ein zeitweiliger Ruhc-
zustand in dieser Gegend eingetreten, und es sind bis zum 4. Januar 1911 keine
intensiven Erdbeben vorgekommen. An diesem Tage trat wieder ein heftiges
Beben auf, über das noch fortgesetzt Berichte einlaufen, und das in einem
besonderen Aufsatze beschrieben werden soll.
Bestimmung der Sonnenrotation aus der Pewegung der Fackeln in
den Jahren 1906 bis 1908.
(Free berichtet im Dezemberheft 1910 des „Astrophysical Journal“ über
seine Versuche, aus einer Reihe von Sonnenaufnahmen aus den Jahren
1906 bis 1908 die Bewegung der Fackeln auf der Sonnenscheibe und aus dieser
die Rotation der Sonne abzuleiten. Bis dahin lagen nur zwei solcher Versuche
vor, die jedoch zu widersprechenden Resultaten geführt haben. Wilsing be-
rechnete aus der Bewegung der Fackeln, daß die Rotation für alle Breiten der
Sonne gleichmäßig verlief, wohingegen Stratonoff eine schnellere Bewegung
am Aquator ableitete.
Es war keine einfache Aufgabe, aus dem Beobachtungsmaterial die geeigneten
Platten herauszufinden. Um dieselbe Fackel auch sicher identifizieren zu können,
wurden zwei Photographien ausgesucht, zwischen deren Aufnahme annähernd
24 Stunden lagen und die eine möglichst scharf begrenzte Fackel aus einer
— 129 —
bestimmten Gruppe heraus erkennen ließen. Mit Hilfe einer Lupe wurden dann
die gefundenen identischen Fackeln auf Celluloidpapier, das über die Sonnen-
negative gelegt war, mit roter Tinte eingezeichnet. Die Identifikation ist deshalb
besonders schwer, weil die Beobachtung sich zumeist nur nach der Ähnlichkeit
im Aussehen der Fackeln richten kann und nur gelegentlich noch benachbarte
Flecken einen Anhalt bieten. Die Schwierigkeiten wachsen auch noch dadurch,
daß die Fackeln ja nur in der Nähe des Randes liegen und daß sie auch oft
sehr schnell ihre Form ändern, sodaß hierdurch die Einstellung des Schwerpunktes
der Fackel noch besonders mühsam ist. Es hat daher die spätere Messung
sehr oft ergeben, daß die beiden Fackeln nicht identisch sein konnten; es sei
denn, daß die Fackel eine besonders große Eigenbewegung in den 24 Stunden
gemacht habe.
Die heliographische Länge und Breite der einzelnen Gebilde wurde durch
Auflegung einer Karte, welche in Band 4 der Annalen des Observatoriums von
Z6-sc in Shanghai beschrieben ist, abgelesen. Der Fehler der einzelnen Messung
dürfte auf diese Weise unter !/,° bleiben, was in Bezug auf die schnellen Ge-
staltsänderungen der Fackeln wohl ausreicht. Es wurden im ganzen 1144 Platten
ausgemessen und es ergab sich folgendes Resultat:
Die tägliche Rotation einer Sonnenfackel war am Äquator zweifelsohne am
größten. Die gefundenen Zahlen hierfür geben wir in folgender Tabelle:
Breitenzonen Zahl Tägl. sid. Rotation
auf der Sonne d. beob. Fackeln einer Fackel
Zwischen +- 30° und + 25° 42 | 13°,90
+25 + 20 97 14 ‚17
+20 +15 TI 14,21
+15 + 10 3il 14,28
+ 10 + 5 312 14 A0
+5 0) 101 14 ‚45
0 =: y7 14 ,53
— D ~- 10 249 14 ,42
— 10 — 15 375 14 A0
— 15 359 14 ,26
=20 — 25 222 14 ‚21
-- 29 - Au 104 14 ‚05
Wir schen aus dieser Tabelle, daß die Geschwindigkeitszunahme der Fackeln
von 30° bis zum Äquator eine ganz regelmäßige ist; auch zeigt sich, daß die
Differenz zwischen der nördlichen und südlichen Halbkugel in der Geschwindigkeit
keine zufällige sein kann, denn alle Werte sind auf der südlichen Halbkugel
größer als die entsprechenden auf der nördlichen Halbkugel. Es macht sich aber
auch noch ein anderer Unterschied bemerkbar, nämlich, daß die Geschwindigkeits-
änderungen auf der nördlichen Halbkugel mit zunehmender Breite schneller vor
sich gehen, als auf der südlichen. Die größte Geschwindigkeit liegt einige Grad
südlich vom Aquator, jedoch ist dieses Resultat zweifelhaft, da in der Nahe des
Äquators eine geringere Zahl von Fackeln beobachtet worden ist.
Wenn beide Zonen der nördlichen und südlichen Halbkugel vereinigt werden,
so erhält man folgende Zahlen:
— 130 —
Breitenzonen
auf der Sonne
Tag! sid. Rotation Rotationsperiode der
der Fackeln Fackeln in Tagen
Zwischen 0° und 5° 14,50 24,836
5 10 14 ‚44 24,937
10 15 14 ‚34 25,125
15 20 14 ‚24 25,288
20 25 14 ‚20 25,357
25 30 14 ‚01 25,712
Wir schen hieraus, daß die Fackeln in der Zone zwischen 25 und 30° Breite
zu einer Rotation fast einen ganzen Tag mehr Zeit gebrauchen als am Äquator.
Aus einem Vergleich der Beobachtungen Chevaliers auf dem chinesischen
Observatorium Zô-sé mit denen von Stratonoff vom Observatorium in Pulkowa
geht hervor, daß beide eine Geschwindigkeitsabnahme in höheren Breiten fest-
stellen. Dem steht jedoch ein früheres Resultat von Wilsing auf dem Pots-
damer Observatorium entgegen.
Es ist auch noch interessant, die Rotation der Sonnenflecken, die in tieferen
Schichten der Photosphäre liegen, mit der der Fackeln, die in höheren Schichten
lagern, zu vergleichen, Es stellt sich hierbei heraus, daß die Bewegungen der
Fackeln nicht viel von denen der Flecke abweichen, ja, daß sie sich genau nach
einer Formel bewegen, die Maunder für die Sonnenflecke aufgestellt hat.
Es dürfte weiter interessant sein, die Rotation der Fackeln noch mit der
der Floccoli, welche von Hale und Fox zuerst bestimmt ist, zu vergleichen.
Wenn auch beide wieder eine Zunahme der Rotation am Aquator zeigen, so
scheint es jedoch, daß die Floccolischicht sich in der Nähe des Aquators etwas
schneller bewegt als in höheren Breiten. Es wird interessant sein, diese Unter- `
suchungen nach einigen Jahren zu wiederholen, um zu sehen, ob vielleicht eine
Änderung der Rotationsbewegung in den einzelnen Schichten der Sonne mit der
Periode der Sonnenfleckentätigkeit auftritt. F. S. Archenhold.
WW
Der Sestirnte Himmel im Monat März 191.
Von Dr. F. S. Archenhold.
Die Spektren der Sterne.
Bei der Bedeutung, welche heute die spektroskopische Untersuchung der Sterne
fiir die Entdeckung neuer, enger Doppelsterne, fiir die Feststellung der Bewegung der
Sterne in unserer Gesichtslinie wie für Temperatur- und Dichtebestimmungen gewonnen
hat, dürfte es zweckdienlich sein, hier einiges über die Einteilung der Sternspektren
mitzuteilen. Eine nur oberflächliche Beobachtung läßt schon auffallende Unterschiede
der Spektren erkennen, die sich in verwirrendster Weise vermehren, sobald man auf
Einzelheiten sich einläßt. Daher ist eine Klassifizierung der Sternspektren vonnöten.
Fraunhofer hat zuerst den Versuch zu einer solchen Einteilung der Sternspektren gemacht,
indem er drei Klassen aufstellte und als ihre Hauptvertreter Sirius, Capella und Beteigeuze
anfiihrte. Die Fraunhofersche Einteilung wurde später durch Secchi umgeändert,
der folgende fünf Klassen unterschied.
Die erste Klasse umfaßt die weißen und blauen Sterne (Sirius, Altair etc.).
Das Spektrum enthält hauptsächlich vier schwarze Linien, eine im Rot und im Grünblau
und zwei im Violett. Sie gehören alle dem Wasserstoff an. Fast die Hälfte aller Sterne
zählt zu dieser ersten Secchischen Klasse.
— 131 —
Zur zweiten Klasse gehören die gelben Sterne (Capella, Pollux etc.) Ihr Spektrum
enthält feine schwarze Linien und gleicht fast vollständig dem unserer Sonne, die auch
ein gelber Stern ist. |
In der dritten Klasse findet man die roten und orange gefärbten Sterne `
(Beteigeuze, « Herkulis etc.). Ihr Spektrum besteht aus feinen schwarzen Linien und breiten
dunklen Streifen, die sich zum Teil übereinander lagern. Die ersteren liegen auf der
blauen, die anderen mehr auf der roten Seite.
Der Sternenhimmel am 1. März 1911, abends 10 Uhr.
Fig. 1.
SPP 4 O A] ass aoe
$ "e
Sg %
e N
Ne
marie
GO 4
Walfisch
af.
2
N
w
=
Ge
“
(Polhöhe 521/46)
Die vierte Klasse enthält die blutroten Sterne. Hier sind die Linien nach der
roten Seite scharf begrenzt und werden mehr nach dem Violetten hin breiter.
Die fünfte Klasse enthält nur einige wenige Sterne, die ein direktes Wasser-
stoffspektrum geben (wie A Lyrae, y Cassiopejae).
Zu einer neuen Einteilung der Sternspektren schritt E. C. Pickering als er im
Draperschen Katalog der Harvard - Sternwarte die dort veröffentlichten Spektren von
20" Agh
4a" 12N
æ For nal hart 2. A ri tares
Zah Jan 20h qor ‘4gh ‘47r
S = Sonne M = Mond. Me = Merkur. V = Venus.
10351 Sternen zu ordnen hatte. Es wurden mit einem photographischen Objektiv von
20 cm Offnung und 115 cm Brennweite dadurch, daB ein Prisma vor das Objektiv gesetzt
war, statt der punktförmigen Bilder immer gleich die Spektren enthalten. Es wurde der
ganze Himmel bis zu den Sternen 25° südlicher Deklination in dieser Weise spektroskopisch
durchmustert. Die verschiedenen Pickeringschen Klassen sind mit A bis Q bezeichnet.
A enthält alle Sterne, deren Spektren nur Wasserstofflinien zeigen.
B. Außer den Wasserstofflinien treten noch andere Linien auf; besonders die von
der Wellenlänge 402,6 uu und 447,1 wu. Hierzu gehören viele Sterne im Orion und im
großen Bären.
C. Die Wasserstofflinien G und h erscheinen doppelt, sonst genau wie A.
D. Genau wie A, nur treten noch helle breite Banden auf.
E. Nur die Linien F, H und K sind sichtbar.
F. Ein Spektrum wie bei A, nur daß die G- und h-Linie schwach und die K-Linie
stark auftritt.
G. Es treten noch andere Linien hinzu.
H. Ähnelt dem Spektrum der Klasse F, nur daß die Intensität des Spektrums schnell
bei den Wellenlängen, die kleiner als 431 uu sind, abnimmt.
I. Wie H, nur sind noch weitere dunkle Linien sichtbar.
K. Wie H, nur treten noch dunkle Banden hinzu.
L. Andere Varietäten der Klasse H.
M. Die Strahlen von größerer Wellenlänge als 476,2 uw erscheinen bedeutend
schwächer als die von kleinerer Wellenlänge.
N. Ist für die roten Sterne reserviert, die freilich im Draperschen Katalog nicht
vorkonmen, da sie nicht hell genug sind.
O. Umfaßt die Sterne, die hauptsächlich aus hellen Linien bestehen, wie die, die
von Rayet entdeckt sind. |
P. Umfaßt die Spektren aller planetarischen Nebel.
Q. Alle Spektren, die nicht in den obigen Klassen unterzubringen sind.
Hiernach entsprechen die Pickeringschen Klassen A bis D dem ersten Secchischen
Typus. E bis L dem zweiten, M dem dritten, N dem vierten und O, P, Q Spektren,
welche bei Secchi nicht vorkommen. Pickering!) hat noch auf Grund des Materials
1) Annals of Harvard College. Bd. 26, Kap 8.
Ma = Mars.
fur den Monat Marz 1911.
Fig. 2a. Nachdruck verboten.
J = Jupiter.
e CA PR AN -3
—
Oh Ah on
Sa = Saturn. U= Uranus. N = Neptun.
in diesem Draperschen Katalog über die scheinbare Verteilung der Spektralklassen
am Himmel interessante Untersuchungen angestellt und gefunden, daß die Spektralklassen
A und B besonders häufig in der Milchstraße vorkommen. Boraston!) hat noch weiter
gefunden, daß Klasse B besonders stark im Schützen vorkommt und daß diese Stern-
gruppe auch eine gemeinsame Eigenbewegung zeigt, die gerade der Sonne entgegen-
gesetzt gerichtet ist, sodaß sie sich auf das Sternbild des Orions zu bewegt. Ebenso
scheint eine Gruppe von 150 schwachen Sternen zwischen Leyer und Herkules wiederum
eine besondere Bewegung zu vollführen.
Zöllner hat zuerst die Ansicht ausgesprochen, daß die gelben und roten Sterne
nur verschiedene Abkühlungsstufen der weißen Sterne darstellen, woraufhin H. C. Vogel
eine andere Klassifikation vorgenommen hat, die die verschiedenen Entwicklungsstadien
der Sterne darstellt:
Klasse I. Sterne, deren Glühzustand noch ein sehr hoher ist, sodaß die in ihren
Atmosphären enthaltenen Metalldämpfe nur eine geringe Absorption ausüben. Es treten
. entweder keine oder nur sehr zarte Linien im Spektrum auf (weiße Sterne).
Klasse II. Sterne mit kräftigen Absorptionslinien (gelbe Sterne wie unsere Sonne).
Klasse III. Sterne, deren Hitze schon so weit gesunken ist, daß Verbindungen
der Stoffe in ihren Atmosphären sich bilden können, die breite Absorptionsstreifen
hervorrufen (rote Sterne). Bei den einzelnen Klassen werden dann noch Unterabteilungen
vorgenommen.
Lockyer teilt die Sternspektren auf Grund seiner Ansicht, daß alle Körper im
Weltenraume aus meteoritischen Dämpfen und Meteoren sich zusammensetzen, in sieben
verschiedene Gruppen, von denen die erste Kometen und Nebelflecken enthält, deren
Spektrum nur helle Linien darbietet, und deren letzte siebente alle dunklen Körper umfaßt.
Aus dem angeführten ist wohl ohne weiteres ersichtlich, daß sich eine strenge
Vergleichung zwischen den Spektralklassen der einzelnen Autoren nur schwer durch-
führen läßt.
Die Sterne.
Unsere Sternkarte gibt den Sternenhimmel am 1. März abends 10 Uhr wieder, gilt
auch für den 15. März abends 9 Uhr, den 1. April abends 8 Uhr u. s. f. Der Meridian
läuft vom Südpunkte des Himmels durch die Wasserschlange zwischen den Zwillingen und
1) Astronomy and Astrophysics. Bd. 12, Seite 57.
E |) GE
dem Löwen entlang durch die vorderen Tatzensterne des großen Bären und den Polar-
stern parallel zu den beiden hellsten Sternen des Cepheus hin zum Nordpunkte des Hori-
zontes, wo noch gerade einige Sterne des Schwans sichtbar sind. Aus den Spektro-
grammen des Sternes 57 Cygni, der 4,7. Größe ist, hat Baker auf dem Allegheny-Obser-
vatorium in Pittsburgh aus drei Heliumlinien, zwei Wasserstofflinien und einer Magnesiumlinie
festgestellt, daß der Stern aus zwei Sternen besteht, die in 2,8546 Tagen um einander
laufen. Bei dem veränderlichen Stern Algol können wir den Umlauf des dunkleren Be-
gleiters um den Hauptstern sechsmal im Monat März an folgenden Tagen beobachten.
März 6. 5h morgens, März 14. 7b abends,
- 9 Qh - - 29. 3b morgens,
- 11. 105 abends, - 31. mitternacht.
Das Zodiakallicht wird vom 15. Februar bis zum 2. März und vom 16. bis 31. März
am Westhimmel, nach Beendigung der Abenddämmerung, als eine mattleuchtende, schief
zum Horizont gerichtete Pyramide zu sehen sein, insofern kein künstliches, störendes Licht
den Horizont aufhellt.
Der Lauf von Sonne und Mond.
Die Sonne steht zu Anfang des Monats März im Sternbilde des Wassermanns und
rückt, wie wir aus unserer Karte 2a ersehen, im Laufe des Monats in das der Fische.
Hierbei durchschneidet sie am 21. März den Äquator, den sogenannten Frühlingspunkt.
In diesem Moment stimmt die Sternzeit mit der mittleren Sonnenzeit überein. Obgleich
in diesem Schnittpunkte des Äquators und der Ekliptik kein heller Stern steht, ist es
doch einer der wichtigsten Punkte am Himmel, da immer, wenn dieser Punkt durch den
Meridian .zieht, der Sterntag in dem betreffenden Momente vollendet ist, bezw. von neuem
zu zählen angefangen wird. Wie wir auch aus unseren Karten ersehen, steht deshalb an
dieser Stelle Ob und von hier aus werden auch die Rektascensionen der Sterne gezählt,
sodaß beispielsweise die Sterne des Orions eine Rektascension haben, die zwischen 5h
und 6b liegt; die Sterne des kleinen Hundes zwischen 7° und 85 u. s.f. Die Ekliptik hat
schon in den frühesten Zeiten die Aufmerksamkeit der Beobachter auf sich gelenkt, da
sie auch die Wandelbahn für die Planeten ist. Heute liegt der Frühlingspunkt in den
Fischen, während er früher im Widder lag und 2151 Jahre zuvor im Stier, ebensolange
vorher in den Zwillingen u. s. f., sodaß im Laufe von 25800 Jahren alle Sternbilder der
Ekliptik einmal zu Frühlingssternen werden.
Infolge des Umlaufes der Erde um die Sonne rückt letztere im Laufe eines Jahres
einmal in eins der 12 Tierkreisbilder und wiederum infolge des täglichen Umschwunges
der Erde um ibre Achse rückt jedes Tierkreisbild im Laufe eines Tages einmal in den
Meridian. Aus folgender Tabelle geht hervor, daB sich die Mittagshöhe der Sonne während
des Monats März um 12° hebt.
Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshdhe
März 1. — 7° 55° 65 55™ morgens 5b 41™ nachm. 291/, 0
- 15. — 2° 29 6b 23m - Gh 7m - 35 °
- 3L + 3° 49° jh 45m - 6b 35m - 41!/,°
Der Mond ist für den 1., 3., 5. u. s. f. wiederum in unsere Karten 2a und 2b mit
seinen sich ändernden Phasengestalten eingetragen. Seine Hauptphasen fallen auf fol-
gende Daten:
Neumond: März 1. (Uh morgens.
Erstes Viertel: März 7. Mitternacht. Letztes Viertel: März 21. 1!/,b morgens.
Vollmond: - 15.15 morgens. Neumond: - 30. 1?/,b nachmittags.
Im Monat März finden drei Sternbedeckungen statt, von denen jedoch bei der
ersten nur der Eintritt, bei der zweiten nur der Austritt bei uns zu beobachten ist.
— 135 —
Win- | Austritt |Win- |
kel | M. E. Z. | kel |
Eintritt
M. E. Z.
Bürg. Tag Name ee Rekt. | Dekl.
Bemerkung
März 7. | Ar Tauri 4,6 | 3h 5gm | + 21050. Dir 53m,9 56° | 1b 38m,7 | 2840| Monduntergang
: | | morgens | morgens ih 22m morgens
» 16 | d Virginis 4,3 13h 5Bmi— 5° 4° 7bh15m5 103° Bh 10,7 | 3149) Mondaufgang
| | abends | abends | 8h 3m abends
go 21: 22 Scorpii | 5,0 16h 25m — 24055°; 1h50m,1 | 1270 3h 3m,7 _ 279°; Mondaufgang
| | morgens | EES | 1h 1m morgens
Die Planeten.
Merkur (Feld 21%/, bis 14/, 5) bleibt wegen seines nahen Standes zur Sonne während
des ganzen Monats unsichtbar. |
Venus (Feld 1/," bis 2!/,5) ist zuerst schon 1!/, Stunden und am Ende des Monats
2'/, Stunden lang am Abendhimmel sichtbar. In der Zeit, in der die Venus aus den
Strahlen der Sonne heraustritt, wird sie sehr oft von allen denen, die nicht an die Venus
denken, als ein angeblich neuer Stern entdeckt. Es ist dies die Zeit, in der ich stets
auf eine Reihe von Zuschriften rechnen kann, in denen von einem Stern berichtet wird,
der vorher nicht an dieser Stelle war und auffallend hell sei. Da die Venus oft durch
die Dünste des Horizonts ein verschwommenes Aussehen hat, wird auch von einem Schweif-
ansatz berichtet, der sie zu einem neuen Kometen stempelt. Die Venus steht am 2. März
abends 7 Uhr in Konjunktion mit dem Monde und am 29. März, 7b morgens, in Konjunk-
tion mit Saturn und zwar steht die Venus 2° 24' nördlich vom Saturn.
Mars (Feld 19'/," bis 21 b) tritt am 11. März in Konjunktion mit Uranus, sodaß beide
zusammen in einem Opernglase gesehen werden können, da Uranus nur 23° nördlich
vom Mars steht Freilich sind beide nur am Morgenhimmel !/, Stunde lang vor Sonnen-
aufgang sichtbar.
Jupiter (Feld 143/,") ist in rückläufiger Bewegung und tritt am 19. März in Konjunk-
tion ınit dem Monde. Er geht bereits vor Mitternacht auf, ist am Ende des Monats schon
7 Stunden lang am Nachthimmel sichtbar.
Saturn (Feld 21/,5) wird in der Dauer seiner Sichtbarkeit immer mehr gekürzt,
dadurch, daß die Sonne in seine Nähe rückt, sodaß er am Ende des Monats nur eine
Stunde lang am Abendhimmel zu sehen ist.
Uranus (Feld 20) ist schon mehrere Stunden lang am Morgenhimmel sichtbar.
Neptun (Feld 71/,5) ist wegen seines hohen Standes noch 7!/, Stunden lang am
Abendhimmel zu beobachten.
Bemerkenswerte Konstellationen:
März 2. 7 abends Venus in Konjunktion mit dem Monde.
- 4. 11 abends Saturn in Konjunktion mit dem Monde.
- 11. 10 vormittags Mars in Konjunktion mit Uranus. Mars 23' südlich von Uranus.
- 19. 35 morgens Juviter in Konjunktion mit dem Monde.
- 20. 25 nachmittags Merkur in oberer Konjunktion mit der Sonne.
- 21. 7h abends Sonne im Zeichen des Widders. Frühlingsanfang.
- 26. 1 morgens Mars in Konjunktion mit dem Monde.
- 29. Tb morgens Venus in Konjunktion mit Saturn. Venus 2° 24' nördlich von
Saturn.
morgens Merkur in Konjunktion mit dem Monde.
ME
Lg
bei
- 31. 8
Die Farben der Sterne im Orionnebel. Herr K. Burns teilt in den „Publ. of the astron,
Soc. of the Pacific vol. 22“ mit, daß er versucht hat, die von Curtis mit dem Croßley-Reflektor der
Lick-Sternwarte gemachten Aufnahmen, die auf gewöhnlichen oder auf farbenempfindlichen Platten
unter Benutzung eines Gelbfilters hergestellt sind, zu Farbenbestimmungen der Sterne im Orionnebel
zu benutzen. Es braucht wohl nicht erwähnt zu werden, daß die roten und. gelben Sterne auf den
farbenempfindlichen, und die blauen Sterne auf den gewöhnlichen Platten heller erscheinen, sodaß
die Größenunterschiede der einzelnen Sterne auf den verschiedenen Plattensorten einen Matstab für
die Farbentönung des Sternes also auch für seinen Spektraltypus abgeben können. Es stellte sich
heraus, daß die meisten Sterne, von 146 allein 125, gleicher Farbe und zwar blaue Sterne waren.
Die Größen der einzelnen Sterne wurden abgeleitet von den bekannten Größen der Vergleichssterne
des veränderlichen T Orionis. Da jedoch bei allen Sternen, deren Spektra im Orionnebel untersucht
waren, nur der blaue Typus sich vorfindet, so mußte man noch andere Platten zur Hilfe nehmen, und
zwar wählte man Aufnahmen vom Ringnebel in der Leyer, die unter den gleichen Bedingungen her-
gestellt waren. Hier fanden sich auch drei schwache Sterne vom Spektraltypus A, F und Ma. Bei
den Sternen des Orionnebels stellte sich eine geringe Farbenveränderung mit der größeren Dichte
der sie umgebenden Nebelmasse heraus, sodaß es nicht unwahrscheinlich ist, daß die Absorption der
Nebelmassen an der Veränderung die Schuld trägt. Die nebelfreien Stellen euthalten überhaupt nur
wenige Sterne und ausschließlich solche, deren Färbung normal ist, sodaß es wahrscheinlich ist, dab
fast alle Sterne dieses Gebiets auch wirklich physisch mit den Nebelmassen verbunden sind. Es hat
sich noch bei der Untersuchung der Platten ergeben, daß etwa 20 veränderliche Sterne unter ihnen
vorkommen, sodaß die schon früher ausgesprochene Vermutung, dali die Veränderlichen besonders
häufig in Nebelwelten und Sternhaufen vorkommen, sich auch hier bestätigt. Jedoch sind in diesem
Falle die gefundenen Veränderlichen nicht wie zumeist rot gefärbt, sondern von blauer Farbe, sodat
sie auch wahrscheinlich eine recht kurze Periode ihrer Veränderlichkeit zeigen werden.
F. S. Archenhold.
Ki $ x b
Uber die natiirliche und kiinstliche Brandzone der Meteoreisen und das Verhalten der
Neumannschen Linien im erhitzten Kamacit haben F. Berwerth und G. Tammann der Königl.
Akademie der Wissenschaften in Wien eine Abhandlung überreicht, die interressante Beobachtungen
über Veränderungen des Kamacites von Mount Joy bei Erhitzung enthalten; sie hängen von der
Zeit und der Temperatur ab. So war bei 700° Erhitzung und 240 Sekunden Branddauer die Ver-
änderung unvollständig, desgleichen bei 820° Temperatur und 20 Sekunden und 900° Temperatur und
1 Sekunde Branddauer; wohingegen bei 11009 Temperatur bereits bei 2 Sekunden und bei 12009
Temperatur schon bei 1 Sekunde Branddauer die Veränderungen vollständig auftraten. Weiter fanden
sie, daß die Kluftnetze zwischen den abgekörnten Teilen nicht wie die Neumannschen Linien durch
mechanische Beanspruchung entstanden sein können.
Beobachtungen über die Breite der natürlichen Brandzonen haben ergeben, daß die Behauptung
von Brezina, wonach die Breite der Brandzonen umgekehrt proportinal dem Gewichte des Meteo-
riten sei, nicht richtig und dieser Zusammenhang auch aus der Theorie der Wärmeleitung theoretisch
nicht zu erwarten ist. Da ferner die Brandzonen an den vertieften Stellen der Oberfläche stets die
kleinste Breite besitzen, also Stellen der schwächsten Öberflächenerhitzung sind, so beweist auch
diese Beobachtung die Unrichtigkeit der Daubreeschen Piezoglyptentheorie.
Schließlich werden Versuche über die Herstellung einer künstlichen Brandzone mitgeteilt.
Mittels Anwendung des Knallgasgebläses wurde eine den natürlichen Verhältnissen vollkommen ent-
sprechende künstliche Brandzone am Kamacit des Meteoreisens von Mount Joy erzielt.
Kr Ki
*
Ein Meteorstein, der in dem Meteorkrater, 8 km siidlich von der Sunhhine-Station der Atchison,
Topeka und Santa Fe-Bahn im Coconino-Distrikt in Arizona gefunden worden ist, und dessen Gewicht
92 kg beträgt, ist von W. H. Crocker der Lick-Sternwarte geschenkt und dort in der Haupthalle
aufgestellt worden.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW,
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
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„Das Weltall“, Jg. 11, Heft 10. Aus dem .Asironomischen Museum“ der Treptow- Sternwarte.
Johannes Hevelius.
(Geboren am 28 Januar 1611, gestorben am 28, Januar 1687.)
DAS WELTALL
[Illustrierte Zeitschrift für
Herausgegeben von
Astronomie und verwandte Gebiete.
Dr. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 10.
Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat.
Verlag der Treptow-Sternwarte,
Berlin-Treptow.
1911 (Zweites Februarheft).
— Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalten (Post-
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einzelne Nummer 60 Pie. — Anseigen-Gebtihren: 1 Seite 80.— MS. Vg Seite 45.—
1/, Seite 25.—, '/, Seite 15.—, (iw Seite 8.—.
Johannes Hevelius.
Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewicht.
Ein Gedenkblatt zum 300. Geburtstage.
Von Dr. F. S. Archenhold.
(Mit einer Beilage.)
bh dem gleichen Jahre, in dem der große Meister Kepler zum ersten Male die
Gesetze für die Lichtbrechung in Glaslinsen in seiner berühmten „Dioptrik“
aufstellte und das astronomische Fernrohr in seiner einfachsten Gestalt beschrieb,
10 Jahre nach dem Tode
des berühmten dänischen
Beobachters Tycho Bra-
he, wurde in Danzig am
28. Januar 1611 dem Braue-
reibesitzer Abraham He-
velke und dessen Ehe-
frau Cordula, aus dem
Geschlechte Hecker, ein
Sohn Johannes geboren,
der unter den schwierig-
sten Umständen zu einer
Zeit, als die Kriegsfurie
des dreißigjährigen Un-
friedens
Fluren verödete und ge-
radezu lähmend auf kün-.
ste und Wissenschaften
wirkte, jede freie Stunde
seines Lebens der Astro-
nomie weihte Mit wel-
chem Erfolge, wollen wir
im folgenden schildern,
jedoch zuvor aus seiner
Jugend- und Bildungszeit
Deutschlands
Abbildung 1.
Denkmal
von Johannes Hevelius.
alles das mitteilen, was
uns das so merkwürdige
Wirken dieses Mannes
verständlicher machen
wird und dazu beitragen
dürfte, unsere Sympathie
und Bewunderung für ihn
zu erhöhen. Ein Mann,
der zeitlebens den Beruf
eines Bierbrauers und
Ratsherren gewissenhaft
ausfüllte und doch Zeit
fand, ein großes Werk
über den Mond!) zu
schreiben, das neben vie-
len zahlreichen Einzel-
darstellungen die erste
vollständige Mondkarte
enthält, der einen wert-
vollen Fixsternkatalog mit
1564 Örtern und einen
Sternatlas mit prachtvol-
len Bildern auch des süd-
lichen Himmels veröffent-
lichte, der 4 Kometen,
1) Wir geben am Schluß ein Verzeichnis aller Werke von Hevelius und über Hevelius
wieder, die uns zugänglich waren.
— 140 —
die vom Jahre 1652, 1661, 1664 und 1677 entdeckte und den von
1672 so genau beobachtete, daß Berberich aus diesen Beobachtungen eine
definitive Bahn ableiten konnte, der die Periode des veränderlichen Sternes
„Mira“, des ,Wunderbaren* im Walfisch, zu 11 Monaten bestimmte, den Abstand
des berühmten Doppelsternpaares 61 Cygni zuerst maß, tausende von Mond-
kratern, Sonnenflecken, Jupiter-, Venus- und Merkurs-Beobachtungen etc. auf
seiner selbsterbauten „Stellaeburgum“ mit selbstkonstruierten Instrumenten an-
stellte, verdient es, das wir seiner noch heute gedenken.
Auszüge von Briefen, welche an und über Hevelius geschrieben worden
sind, und die wir weiter unten (S. 152) abdrucken, spiegeln, wenn auch im Style
der damaligen Zeit in überschwenglicher Weise, die Wertschätzung seiner Zeit-
genossen wieder.
Abbildung 2.
EEN SEH SC? e Aa
e SR
£2 227, “Ao Liht
“
‘ Aus: Hevelius, „Machinae coelestis“ 1673.
Hevelius Sternwarte „Stellaeburgum“ in Danzig.
Aus der frühesten Jugendzeit Johannes ist uns nur wenig bekannt, Er
war der Erstgeborene und hatte noch 6 Schwestern und 3 Brüder, von denen
ihn nur die jüngste Schwester überlebte. Er wurde von seinem Vater zu einem
praktischen Berufe bestimmt und, weil damals Danzig zum Königreich Polen!)
gehörte, schon mit 14 Jahren nach Gondecz, unweit Bromberg, geschickt, um
die polnische Sprache zu erlernen. Nach seiner Rückkehr trat er bei einem
Kaufmann als Lehrling ein. Aber seine Neigung zu den Wissenschaften ver-
anlaßte seine Eltern, ihn 1627 auf das akademische Gymnasium zu schicken,
wo er fleißig insbesondere mathematische Vorlesungen hörte, obgleich er sich
eigentlich nur mit Rechtswissenschaft und Literatur, um später Ratsherr werden
d Danzig behielt bei der ersten Teilung Polens 1772 zwar noch seine Freiheit, war aber
schon von preußischem Gebiet völlig umschlossen und fiel erst bei der zweiten Teilung endgiltig
an Preußen. Hevelius ist aber nachweislich deutscher Abstammung, was schon aus den ver-
schiedenen Schreibweisen seines Namens, Hövelcke, Hövelius, Hewelcke (eigentlich Hügelchen),
hervorgelit. Danzig ist auch der Geburtsort von Fahrenheit, v. Archenholtz, Chodowiecki,
Johanna Schopenhauer u. a.
= 141 —
zu können, beschäftigen sollte. Es war besonders der bekannte Mathematiker
und Astronom Peter Crüger (Krüger), der ihn für die Astronomie begeisterte.
Crüger war ein treuer Anhänger der Lehre des Kopernikus und trug auch
schon die neuen Himmelsgesetze des großen Kepler seinen Schülern vor.
Sein im Jahre 1630 in Breslau veröffentlichtes Werk „Frag und Antwort,
darinnen die aller kunstreichsten und tiefsten Geheimnisse d. Astronomie usw.
dermussen deutlich u. verständlich ausgeführt sind, dass dieselben beydes von
Gelehrten und Ungelehrten gar leicht können gefasst und begriffen werden“ fand
Abbildung 3.
Se ee as
E RN See SENG,
` Bi be N Lë, Zoe ZA ‘>
ah h ' 5 r u `
SÉ 7, Sr ap
e e
Aus: 'Hevelius. „Machinae coelestis“ 1673.
GroBes Fernrohr von Hevelius vor den Toren Danzigs.
große Verbreitung. Hevelius durfte als sein Lieblingsschüler ihm bei der
Konstruktion von Sonnenuhren, Himmelsgloben und Armilarsphären, beim
Linsenschleifen und bei sonstigen mechanischen Arbeiten behilflich sein und
erhielt so zum großen Nutzen seiner späteren Beschäftigung eine große Fertig-
keit in der Behandlung des Holzes, wie auch der Metalle, im Kupferstechen und
anderen mechanischen Künsten.
Soweit es der damals traurige Zustand der akademischen Instrumente zuließ,
half Hevelius seinem Lehrer mit jugendlichem Enthusiasmus bei seinen astro-
nomischen Beobachtungen. In der Frauengasse in Danzig, wo Peter Crüger
allerlei wunderbare Instrumente und Sammlungen untergebracht hatte, waren
oft Lehrer und Schüler in trautem Zwiegespräch bis in die frühen Morgenstunden
beisammen, um theoretisch und praktisch ihrer Lieblingswissenschaft obzuliegen.
Auf Wunsch seiner Eltern, die die astronomischen Neigungen ihres Sohnes nicht
gern sahen, trat Hevelius eine mehrjährige Reise (1630—34) ins Ausland an
und kehrte so zum Studium der Rechts- und Verwaltungswissenschaften zurück.
Er besuchte nacheinander Holland, wo er ein Jahr lang auf der Universität zu
Leyden studierte, England, Frankreich, wo er allerwärts in Berührung mit
bedeutenden Männern, wie Frist, Wallis, Gassendi und vielen anderen, kam.
Er hatte noch die Absicht, in Italien Galilei aufzusuchen, als er im Jahre 1634,
nach vierjähriger Abwesenheit, von seinen Eltern nach Danzig zurückberufen
Abbildung 4.
NEN:
<M WEE
KS
Titelbild, aus: Hevelius „Prodromus Astronomiae“, 1690.
wurde. Hier lebte er sich schnell in den Brauereibetrieb seines Vaters ein und
heiratete am 21. Mai 1635 Katharina, die Tochter eines angesehenen und wohl-
habenden Kaufherrn, Johann Rebeschke. Es hatte den Anschein, als ob die
Liebe zur Astronomie in dem jungen Manne ganz erstorben ware, doch trat im
Mai 1639 ein völliger Umschlag ein, nachdem sein Freund und ehemaliger Lehrer,
den er wenige Tage vor seinem Tode besuchte, ihn inständig gebeten hatte, sich
doch ja wieder der Astronomie zuzuwenden. Diese Bitte des Sterbenden machte
einen so tiefen Eindruck auf Hevelius, daß er von nun an seine ganze freie
Zeit zum Bau von Instrumenten und zu astronomischen Beobachtungen ver-
wendete. Trotzdem vernachlässigte er seinen Beruf und die Ehrenämter, die
er inne hatte, in keiner Weise, sodaß man mit Recht von ihm sagte: „Den Wissen-
schaften lag er ob, als ob er nichts weiter zu tun hatte; und den städtischen
Abbildung 5.
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DËS — — EN — — —_— EH ER = ER EZ? _— ER — = — — o- EE? = DE? EEN EI EH — — = — — EH — ca — =- ER EN
Der Drache (Draco). Aus: Hevelius, „Prodromus“ 1690.
Abbildung 6.
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x JEREN Oo, I Ah ba It GG u pee >
s, - \ A S ` A I fa Lë f
$; ër, = Gedam nuper ! hi ° |
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AQUARIUS. 7
Abbildung 7.
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X DAN N ' N N KW "a, Zn = e
N ks? e N Pilcis Auliin y
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Str 1. ee
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Wassermann (Aquarius). Aus: Hevelius, „Prodromus“ 1690.
Abbildung 8.
Fuhrmann (Auriga). Aus: Hevelius, „Prodromus“ 1690
en Google
Abbildung 9.
Der große Bar (Ursa Major). Aus: Hevelius, „Prodromus“ 1690.
Abbildung 10.
Die Jagdhunde (Canes Venatici). Aus: Hevelius, „Prodromus“ 1690.
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Abbildung 11.
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CENTAURUS.
Centaur (Centaurus) und südliches Kreuz (Crux). Aus; Hevelius, „Prodromus“ 1690.
Abbildung 12.
Orion. Aus: Hevelius, „Prodromus“ 1690.
Google
— 147 —
Amtern und seinen Freunden widmete er sich so, als wenn er von Wissenschaflen
garnichts verstünde“. Er war im Jahre 1641 in die Schöppenbank und 1651 in
den Rat der Altenstadt Danzig gewahlt worden.
Im Jahre 1639 beobachtete er sehr sorgfaltig die totale Sonnenfinsternis am
1. Juni und nachdem er eine Reihe astronomischer Instrumente beschafft und zum
Teil selbst erbaut hatte, errichtete er 1641, gleichzeitig mit der Übernahme des
Schöppenamtes, auf seinen drei nebeneinander liegenden Häusern in der „Pfeffer-
stadt“ eine Sternwarte, die er „Stellaeburgum* benannte. (Abbildung 1.)
Abbildung 13.
Johannes Hevelius
nach dem Gemälde von Daniel Schulz.
Das Original befindet sich in der Stadtbibliothek zu Danzig.
Da die Häuser gleiche Firstenhöhe hatten, ließ er über diese hinweg eine
Plattform in Gestalt eines Rechtecks von 1259 Quadratfuß Flachenraum, welche
rings mit einem Geländer umgeben war, auf einem einfachen Unterbaue auf-
führen. Auf derselben befand sich ein Drehpavillon für einen Quadranten und
ein anderer für einen neuen sechsfüßigen Sextanten, zwischen beiden ein dritter
Pavillon zum Aufenthalt des Astronomen. Die Aussicht von der Sternwarte
war ganz frei und bei der reizenden Umgebung von Danzig sehr schön; im
Norden und Osten erblickte man die Weichsel, die Festung Weichselmünde,
das Meer und am äußersten Horizont die Halbinsel Hela. Im Süden und Westen
sah man die Stadt, die Nehrung und die Hügel gegen Uhra und Langfuhr. Die
Lage wurde kaum von Tycho
Brahes Uranienburg über-
troffen, die jener mit Unter-
stützung des Königs von Dane-
mark auf der Insel Hveen
am Sunde errichtet hatte.
Die ersten Fernrohre He-
velius besaßen nur eine
Lange von 1'/, bis 4 m und
die Rohre selbst waren aus
Pappe angefertigt. Als He-
velius mehr Übung im Glas-
schleifen erlangte, erbaute er
Fernrohre bis 10 m Länge und
machte die Rohre aus Holz
oder verzinntem Eisenblech.
Das Objektivende wurde an
einem Geländer, vermittelst
einer Stange durch Rollen und
Stricke auf- und niederbewegt,
und das Okularende durch
eine gezackte Stange erhöht
oder erniedrigt. Das größte
Fernrohr, welches er noch auf
seiner ,Stellaeburgum* errich-
ten konnte, hatte eine Länge
von 18 m: dieses Fernrohr
mußte jedoch für jede Beob-
achtung besonders aufgestellt
werden und ist deshalb sehr
selten in Anwendung gekom-
men. Zuletzt baute Hevelius
ein Riesenfernrohr von 45 m
Länge, das an einem Mast von
27 m Höhe vermittelst Flaschen-
zug emporgezogen wurde. Das
Objektiv, welches von dem
Optiker Buratini in Warschau
geschliffen war und sich gegen-
wärtig noch in Danzig befindet,
wurde in diesem Falle mit
dem Okular nicht mehr durch
cine geschlossene Röhre ver-
bunden, sondern nur durch ein
versteiftes Brett, welches an
der Seite kreisrunde Öffnungen
trug; dieses große Fernrohr
(vergl. Abb. 3) erregte zurzeit
großes Aufsehen; es war je-
h Gë
Sextan!
Vrama
ve
SÉ Oh emt
GEI
ara um
COOLS
vun
Der südlich:
|
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\thidung 14.
ee ns | p a — = doch in seinen Bewegungen
| RT 1 E ze r ; recht unbeholfen und im Ge-
| ) Fa | ! ~~" Dio - brauchnichteinwandsfrei,wenn-
e KS, CH Le Auge Produ ü gleich zahlreiche Stricke die
SC? | Zeie U Los Ba Zeta, up Biegung des Rohres aufzu-
À n heben versuchten.
Hevelius hatte in seinen
Häusern auch eine Druckerei
eingerichtet. Er begnügte sich
nicht damit, die Zeichnungen
selbst zu entwerfen, sondern
er stach sie auch in Kupfer-
platten. Von dieser seiner
Kunst legen unsere Abbildung
4, das Titelblatt aus Hevelius
reich ausgestattetem Werke:
„Prodromus astronomiae“, wel-
ches 1690 aus seinen nach-
gelassenen Schriften von seiner
Frau herausgegeben wurde und
der prachtvolle Sternatlas, den
Hevelius auch eigenhändig
entworfen, beredtes Zeugnis
ab. Wir geben einige dieser
Sternbilder in Abb. 5 bis 12
wieder. Hierunter befinden
sich auch zwei der neu von
Hevelius eingeführten Stern-
bilder, Der Sobieskische
Schild (Abb 6), ein Ehren-
denkmal für seinen Gönner
Johann III, König von Polen,
der aus der Sobieskischen
Familie stammte, und die bei-
den Jagdhunde Asterion und
Chara (Abb. 10), die dem
Bootes, dem Treiber des
großen Bären, von Hevelius
als Hilfe beigegeben wurden.
Der kleine Löwe, Leo minor,
und der Luchs, Lyux, ver-
danken auch ihre Versetzung
an den Himmel Hevelius.
Wir finden sie als Neben-
figuren in Abb. 9 und 8. Das
letztere Sternbild wird nur aus
ganz kleinen Sternen gebildet.
Get die nur von sehr scharfen
e pas Augen gesehen werden können.
he Sternenhimmel. Aus: Hevelius, „Prodromus“ 1690.
— 150 —
Der Atlas enthält auch eine sehr schöne Darstellung des südlichen Sternen-
himmels (Abb. 14), bei der Hevelius ein Verzeichnis von Halley benutzen
konnte (vergl. Halleys Brief vom 11. Nov. 1678, S. 157).
Bei allen seinen
Beobachtungen be-
nutzte Hevelius
selbstgefertigte In-
strumente. Vergleicht
man die Winkelmes-
ser des Hevelius mit
denen Tychos, so
wird man zugestehen
müssen, daß Heve-
lius mehrere wesent-
liche Verbesserungen
daran angebracht hat,
die er selbst erfun-
den und meist, was
die feinere Arbeit, na-
mentlich die Teilung
anbetrifft, mit eigener
Hand ausgeführt hat.
Die Verbesserungen
betreffen 1. die über-
aus leichte Beweg-
barkeit der großen,
schwerenInstrumente,
welche er durch ge-
schickte Benutzung
von Rollen, Gegen-
gewichten, Hebeln,
Zahn und Trieb und
durch richtige Ver-
teilung der Last er-
zielte: 2. die sichere
und leichte Einstel-
lung des ganzen In-
struments und na-
mentlich der Alhidade
durch Anwendung von
Stell», Druck- und
Korrektionsschrauben
Abbildung 15.
Aus: Hevelius, „Machinae coelestis“ 1673.
Hevelius und sein Gehülfe bei der Beobachtung der Sonnenfinsternis
im Jahre 1661.
und durch Gewichte und Gegengewichte: 3. die möglichst genaue Einteilung
des Limbus mit Anwendung des Nonius und einer Mikrometerschraube;
4. die sinnreiche Einrichtung der Diopter, ebenso wohl des Objektiv- als
des Okular-Diopters; 5. die Vorrichtung, daß der Beobachter selbst bei vertikaler
Stellung der Alhidade noch mit aller Bequemlichkeit observieren konnte, und
6. die Einrichtung des Drehpavillons. — Von Scheiner, der zur Beobachtung
der Sonne ein Heliotrop und Helioskop erfunden hatte, entlehnte er das letztere,
— 151 —
vereinfachte es aber und verbesserte es wesentlich. Mit einem solchen Instru-
ment beobachtete er auch die Sonnenfinsternis im Jahre 1661 (Abb. 15), indem
er das Sonnenbild durch ein Fernrohr in ein verdunkeltes Zimmer auf Papier
` Abbildung 16. fallen ließ, das er
vermittelst einer Stan-
ge immer senkrecht
zur Fernrohrachse zu
halten verstand. Wenn
sein Gehilfe ander-
weitig beschäftigt war,
unterstützte ihn seine
Frau bei den astro-
nomischen Beobach-
tungen (Abb. 16).
Kein Beobach-
tungsgebiet blieb He-
velius fremd. In
den Jahren 1642 bis
1645 zeichnete er eif-
rig Sonnenflecke und
sammelte zum Ver-
gleich frühere Dar-
stellungen (Abb. 17).
Die zahlreichen Ta-
feln der ,Selenogra-
phia“, seines Haupt-
werkes über den Mond,
zeugen (Abb. 18) von
seinem zeichneri-
schen Geschick und
seinem unermiid-
lichen Eifer. In Paris
habe ich zufällig ein
Exemplar dieses Wer-
kes aufgefunden, das
ein vorzügliches Por-
trait von Hevelius
und eine eigenhän-
dige Widmung des
Verfassers an Louis
Aus: Hevelius, „Machinae coelestis“ Pars I. 1673 Henri de Lomenie,
Johannes Hevelius und seine Frau bei der Beobachtung Graf von Brienne
am großen Quadranten. R :
enthalt. Wir geben
sie in Abbildung 22 hier wieder. Das Buch. bildet jetzt eine Zierde unserer
Bibliothek. Das Wappen des Herzogs ist in Gold, als ein Super-Exlibris ')
1) Dr. Kekule von Stradonitz, der sich speziell mit den Super-Exlibris beschäftigt, wird
dieses kostbare Stück noch besonders vom bibliophilen Standpunkte aus behandeln; das Buch
enthält noch zwei Exlibris von John Putland und einem Unbekannten. Die Bibliothek des Grafen
von Brienne ist am 24. April 1724 bei James Woodman in London zur Auktion gelangt.
— 162 —
(AuBenpressung) auf den Umschlag gepreßt. Ein anderes Werk Hevelius
die ,Cometographia‘, enthält prachtvolle Darstellungen von Kometen (Abb. 19
und 20). Auch finden wir solche in dem berühmten Buche „Das Stufenjahr“
(Abb. 21), sein letztes Werk, das er noch eigenhändig in Diuck geben konnte.
Das Leben Hevelius blieb nicht frei von Prüfungen; im Jahre 1662, als
seine Beobachtung des Merkurdurchganges ihm viele Ehrungen von Akademien
und Universitäten einbrachte, traf ihn durch den Tod seiner Gattin ein harter
Schicksalsschlag.
Er heiratete ein zweites Mal am 3. Februar 1663 die schöne I6jährige
Tochter eines angesehenen Danziger Kaufmannes Elisabeth Koopmann, die
ihm eine treue Gehilfin, auch bei seinen Beobachtungen wurde. Nun konnte
Hevelius sich immer mehr seinen Beobachtungen widmen, zumal König
Johann III. ihm 1677 eine jährliche Pension von 1000 Gulden aussetzte. Zwei
Jahre später wurde Hevelius von einem neuen Schicksalsschlage getroffen:
als er außerhalb der Stadt auf scinem Landhause weilte, wurden seine Sternwarte
(Abb, 2) nebst Bibliothek, Druckerei, wie auch seine noch unveröffentlichten
Schriften in Asche gelegt. Gerettet wurden nur u. a. die Keplerschen Hand-
schriften, welche Hevelius auf seiner Reise von dem Sohne Keplers gekauft
hatte, eine große Anzahl seiner Kupferplatten und 15 Bände der an ihn ge-
richteten Briefe, von denen wir hier einige wiedergeben. Der größte Teil der
„Machinae coelestis, Pars posterior‘ ging mit in den Flammen unter, daher ist
dieses Werk besonders selten. Hevelius ließ jedoch den Mut nicht sinken und
erbaute mit Unterstützung seiner vielen Freunde und Gönner eine neue Sternwarte.
Unter der Nachwirkung jenes Unglückes und der angestrengten Beobachtungs-
tätigkeit ließen seine Kräfte immer mehr nach, und an seinem Geburtstage, den
28. Januar 1687 starb Hevelius mit dem Bewußtsein, daß sein wissenschaft-
licher Nachlaß in den Händen seiner Frau gut aufgehoben sei.
Während das der „Selenographia“ vorgesetzte Bildnis, welches von Twen-
husen gemalt und von Falck gestochen war (Abb. 22), Hevelius im kräftigen
Mannesalter darstellt, zeigt uns das in unserer Beilage wiedergegebene, dem
„Prodromus astronomiae“ vorgedruckte Bild, das von A. Stech gemalt und von
Lambertus Visscher gestochen worden ist, Hevelius im Alter von 70 Jahren.
Es existiert noch ein drittes Gemälde von Daniel Schulz, das Hevelius in
sitzender Stellung neben einem Himmelsglobus wiedergibt (Abb. 13). Auch zwei
Medaillen sind Hevelius zu Ehren geprägt worden. Ein Denkmal (Abb. 1) ist
ihm gelegentlich seines hundertjährigen Todestages von dem letzten König der
Polen, Stanislaus Augustus in Danzig errichtet worden. Noch länger als
dieses werden seine Werke und astronomischen Beobachtungen den spätesten
Geschlechtern seinen Ruhm verkünden. --
`
—
DAC | Auszüge von Briefen an und über Hevelius. ID,
Petrus Gassendi schreibt: 24. März 1644.
An den hochberühmten und hochweisen Joh. Hev. in Danzig,
Schöppen der Altstadt daselbst.
Sie haben mir, hochberühmter Mann, eine so außerordentliche
Freundlichkeit bewiesen, daß es über mein Vermögen geht, mich würdig
dankbar zu zeigen. Sie selbst haben mir Anieil an Ihrer Freundschaft ge-
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Aus: Hevelius, „Cometographia“ 1668.
Abbildung 17. Sonnenflecken im Jahre 1625.
Aus: Hevelius, „Selenographia“ 1047.
Abbildung 18. Anblick des Vollmonds nach einer Zeichnung SR ius.
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— 14 —
geben, um die ich viel mehr hatte werben müssen, und haben mir freiwillig
geschenkt, was ich zu verlangen nicht den Mut gehabt haben würde...
GroBen Dank schulde ich Ihnen fiir die so herrliche Darstellung
der Sonne mit ihren Flecken, und freue mich, daß Sie ein so treff-
liches Fernrohr besi zen und eine Methode anwenden, die weit bequemer als
die Scheiner’sche ist: daß Sie sich nicht bloß so vortrefflicher Augen er-
freuen, welche man recht eigentlich Luchsaugen nennen könnte, sondern auch
einer so kunstgeiibten Hand, daB die Darstellung garnicht besser gemacht
werden kann. Deshalb willige ich nicht bloßein,sondern fordere
Sie sogar auf, sovielich vermag, daß Sie die Beschreibung
des Mondes, die ich mir vorgenommen, zu Tage fördern.
Denn, während ich, ohne Geschicklichkeit zum Zeichnen,
mich fremder Hände habe bedienen müssen, können Sie
bei Ihrer seltenen Begabung sich der eigenen bedienen,
um die Gegenstände zu zeichnen, und was die Hauptsache
ist, in Kupfer zu stechen....
Petrus Gassendi:
Paris, den 24. Oktober 1647.
Jetzt erst habe ich Ihre Sendung erhalten, und sogleich die Exemplare
an Mersenne, Robervall und Boulliau übergeben; für das mir be-
stimmte sage ich Ihnen meinen verbindlichsten Dank. Sobald ich es vom
Buchbinder zurück hatte, kamen Freunde, die es sich ausbaten, um es zu
studieren, sodaß ich selbst es noch kaum habe ordentlich ansehen können.
Auch aus der oberflächlichen Betrachtung meine ich erkannt zu haben, daß
es ein Werk ist, würdig bis auf die späte Nachwelt zu
kommen, und geeignet, Ihrem Namen Dauer zu verleihen,
solange es eine Wissenschaft geben wird. Was Sie darin über
mich sagen, nehme ich mit schuldigem Danke auf, und halte es wert als cinen
Beweis Ihrer besonderen Freundschaft für mich.
Akademie zu Oxford:
18. November 1650.
Endlich haben wir hocherfreut Ihre Mondbeschreibung empfangen, eine
Gabe Ihres gelehrten Geistes und des Himmels zugleich:
sie hat, wie gebührend, eine Hauptstelle in der berühmten Bodlejani schen
Bibliothek erhalten, als ein des großen Vaters würdiger Nach-
wuchs, worin wir mit Freuden den raschen und hohen Geist erkennen,
den wir einst leiblich unter uns sahen. Wir wünschen Ihnen Glück, hoch-
verehrter Mann, daß Sie, beider Leitung Ihrer Stadt betraut, in
unserer geschäftereichen und für Wissenschaften nicht
sonderlich günstigen Zeit MuBe gefunden haben, mit dem
Himmel einen Verkehr zu unterhalten, wobei Sie den Weg
weisen, wie das blöde Auge sich zu den Sternen erheben
und verkünden mag, was außerhalb der Grenzen der Natur
geschieht...Wirgewöhnlichen Gelehrten begnügen uns meistens
mit herkömmlichen Wahrheiten und kleben an dem von unseren Vorfahren
längst Aufgefundenen; Sie aber, nicht zufrieden mit gewöhn-
lichem Ruhme, haben die Grenzen der Wissenschaften er-
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Abbildung 20.
Abbildung 19.
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Aus: Hovelius, .Cometographia™ 1668. Aus: Hevelius ,Cometographia“ 1608.
Der Komet 1661 in seiner Abnahme vom
Verschiedene Kometen aus den Jahren 157%,
1590, 160%, 1618, 1647 und 1652, letzterer von 3, Februar bis zum 28. März von Hevelius
(Hevelius selbst beobachtet beobachtet.
Abbildung 21.
ef ë/ Comete
Annus Climactericus* 1685.
Aus: Hevelilius, a
81, von Hevelius in Danzig beobachtet.
Der große Komet vom 2, Dezember 1680 bis zum q. Januar 16
— 156 —
weitert, haben durch verehrungswiirdige und wunderbare
Kunst den Mond uns vor Augen gestellt, undihn gleichsam
zur Erde hinabgezogen....
Prokanzler und Senat der Universität Cambridge:
16. Dezember 1649.
.... Ihre Selenographie ist ein ungewöhnlicher Beweis Ihrer Freund.
lichkeit, wie Ihrer Gelehrsamkeit. .... Wir hegten nicht geringe Hoffnungen;
Sie haben dieselben weit übertroffen. ... Sie schenken uns hier eine
neue Welt, die die gescheuten Leute in alter Zeit nur durch Zaubergesänge
angeblich herabbrachten; in einer Weise, als wären Ihnen die himm-
lischen Körper ebenso bekannt, wie uns sonst der Erdball,
auf dem wir stehen ... Die Mondscheibe erläutern Sie uns besonders trefflich
und heben an der Géttin Luna, was kein Endymion je zu kénnen hoffte, alle
Flecken und Mäler hervor..... Sie allein haben uns dies neue himm-
lische Amerika entdeckt und beschrieben. . .. Wir stellen Ihre Seleono-
graphie unter die Schätze der Bibliothek und weihen sie an unserm
Teile der Unsterblichkeit. So werden spate Enkel er-
kennen, wieviel sie Ihrer Gelehrsamkeit schuldig sind....
Stanislaus Lubieniecki an Joh. von Rautenstein:
| Hamburg, 20. Juni 1665.
... Mich wundert, daß Heinsius mich mit dem großen
Hevelius vergleicht.... Übrigens stehe ich vor Hevelius
alsvordem Homer unserer heutigen Astronomen auf, und
sehe, daß auch sonst ausgezeichnete Astronomen ihm die
Palme reichen.
Jean Dominique Cassini:
Paris, 23. Juli 1669.
(Dank für die Cometographia.) Dies Werk steigert die bisher von mir
gehegte Bewunderung für Sie; es zeigt sich darin außer der unvergleichlichen
Sorgfalt auch die hohe Auffassung der Kometentheorie und der Erforschung
der inneren Beschaffenheit dieser rätselhaften Himmelskörper. Ich wünsche
Ihnen Glück zur Vollendung dieses großen und für die Ewigkeit be-
stimmten Werkes..... Je großartiger unsere neue Sternwarte durch
des Königs Gnade werden soll, um so mehr Zeit braucht sie zur Vollendung;
solange wir noch keinen geeigneten Ort zu Beobachtungen haben, können
unsIhre Beobachtungen gar sehr zur Hülfe kommen....
Stanisl. Lubieniecki:
Hamburg, 22. Dezember 1673.
ENEE Ich habe mich nicht geirrt, groBer Hevelis, als ich Dich in
meinem „Theatrum Cometicum® einen zweiten Hipparch nannte, der zu
unserer Zeit gleichsam vom Himmelherabgesendet sei. Diese
ganz vortreffliche Beschreibung der himmlischen Maschinen und Gestirne.....:
beweisen, daB Du ein Mann vom Himmel und ein wahrer Be-
wohner des Himmelsbist.....
-—
— 157 —
Jean Picard:
Paris, 2. November 1674.
.... Ich kann es garnicht sagen, mit welcher innigen Herzens-
freude und Bewunderung ich dies außerordentliche Denk-
mal Ihrer Gelehrsamkeit, Ihres Fleißes, Ihres Scharfsinnes, Ihrer Genauigkeit
und Feinheit und Ihres erhabenen Sinnes für astronomische Untersuchungen
betrachtet habe. Durch Vereinigung aller jener Vorzüge sind
Sie sich allein genug in der Tätigkeit, die sonst ohne gemeinsames
Wirken gelehrter Männer und Freigibigkeit hoher Gönner kaum ordentlich
geübt werden kann. ..... |
John Flamsteed:
ZZ Greenwich, 20. Juli 1677.
Aus Ihrer Antwort auf meinen Brief sehe ich mit außerordentlichem
Vergnügen, daß derselbe nicht nur Ihr Mißvergnügen beseitigt, sondern mir
auch Ihre Freundschaft erworben hat, die mir erwünschter
und lieber ist als irgend Etwas in der Welt. Immer habe ich
nach der Freundschaft gelehrter Männer gestrebt, aber nach der Ihrigen
besonders; denn aus Ihren Werken habe ich Sie längst als einen Mann
kennen gelernt, der nicht obenhin, nicht bloß aus eitlem Haschen
nach Ruhm, sondern um der Nachwelt zu nützen und
wenigerbegabten Forschern beizuspringen, diese Wissen-
schaft mit ungewöhnlichen Kosten und.nicht geringeren
körperlichen und geistigen Anstrengungen betrieben hat.
',... Gott schütze Ihr Leben und Ihre Gesundheit, der Sie die Zierde
und Stütze der Astronomie sind.
Edmund Halley:
Oxford, 11. November 1678.
Aus Ihrem durch Freund Flamsteed erhaltenen Briefe ersehe ich
Ihren Wunsch, mein Verzeichnis antarktischer Sterne zu haben. Ich sende
es Ihnen sofort hiermit, und bin erfreut, mir bei der Gelegenheit die Freund-
schaft eines so ausgezeichneten Mannes erwerben zu kénnen....
Wollen Sie den Katalog benutzen und ihn in Ihren Arbeiten mit heraus-
geben, so werden Sie mich sehr verbinden und meine Liebe zu Ihnen und zur
Astronomie noch mehr entzünden; denn auf diese Art wird mein Name unter
Ihren unsterblichen Werken dem Geschicke der Ver-
gessenheit entrissen und bei später Nachwelt bekannt
werden. So Gott will, gedenke ich nächstens nach Danzig zu reisen, um den
bei allen Gelehrten berühmten Mann, den ich nicht ohne
Eiferder Nachahmung verehre, persönlich kennen zu lernen, Ihre
Instrumente und Ihre Beobachtungsweise in Augenschein zu nehmen und
mich mit Ihnen über den weiteren Fortschritt der Astronomie zu be-
sprechen.
Edmund Halley:
Danzig, 8. Juli 1679.
2.2... Daß ich mit solchem Wohlwollen und solcher Freundlichkeit
bei Ihnen aufgenommen bin, daß Sie mir mit solcher Zuvorkommenheit und
Rückhaltlosigkeit Ihre sämtlichen astronomischen Instrumente gezeigt haben,
— 158 `
und daB es mir so oft gestattet wurde, bei Ihren Beobachtungen zugegen zu
sein, rechne ich mir zum besonderen Glücke an, und kann mir zu meiner
Reise in hohem Grade Glück wünschen. ... Freiwillig lege ich Zeugnis
ab für die unglaubliche Zuverlassigkeit Ihrer Instrumente
gegenalle die, welche künftig die Richtigkeit Ihrer Beob-
achtungen bezweifeln möchten. Ich weiß nicht, ob meine
Freude oder meine Bewunderung größerist..... Ich bitte Gott
inbrünstig, daß er Sie noch lange im Besitze leiblicher und geistiger Kräfte
erhalte, damit Sie noch lange der gelehrten Welt nützen, und spät erst
inden Himmel zurückkehren mögen.
Verzeichnis der Werke von Johannes Hevelius. By) Verzeichnis der Werke von Johannes Hevelius. [EEN
Hevel, Johann [Hevelius, Hewelcke:] Selenographia: sive Lunae Descriptio; atque
Accurata ... delineatio. In qua simul caeterorum omnium Planetarum nativa facies, variaeque ob-
servationes, praesertim autem Macularum Solarium, atique Jovialium, Tubospicillo acquisitae figuris...
incisis, sub aspectum ponuntur: .. . Addita est, lentes expoliendi nova ratio; ... 112 Tafeln, 14 ff.
+ 563 S. fol. Gedani, 1647.
— E.rcellentissimo ... Dn. Laurentio Eichstadio, ... Johannes Hevelius. S. [Eclipsis Solis
observata Gedani Anno a nato Christo 1649. die 4. Novembris, st. Greg]. 1 Tafel, 2 ff. fol. [Ge-
dani, 1650]. |
— Illustribus Viris, Petro Gassendo E Ismaeli Bullialdo, Philosophis ac Mathematicis nostri
seculi summis ... Johannes Hevelius S. [Dabam Gedani è museo meo, Anno Salutis 1652, die 10. Julij,
st. n]. Tafel 4 ff. fol. [Gedani, 1652
— Epistolae II. Prior: De Motu Lunae Libratorio, in certas Tabulas redacto. .. . Posterior:
De utriusqué Luminaris defectu Anni 1654. 1 Tafel, 72 S. fol. Gedani 1654.
— Dissertatio, De Nativa Saturni Facie, ejusq, variis phasibus, certa periodo redeuntibvs.
Cui Addita est, tam Eclipseos Solaris anni 1656 Observatio, quam Diametri Solis apparentis accu-
rata dimensio. 4 ff. 6 Tafeln + 40 S. und 11 S. unpaginiert. fol. Gedani, 1656.
— Mercurius In Sole visus Gedani, Anno Christiano MDCLXI, ... Cui annexa est, Venus
In Sole pariter visa, Anno 1639, . .. Liverpoliae, a Jeremia Horroxio: . .. Quibus accedit . . his-
toriola, Novae illius, ac mirae Stellae in collo Ceti, ... Nec non genuina delineatio Paraselenarum,
& Pareliorum ... 10 Tafeln, 3 ff. + 181 S. fol. Gedani, 1662.
— Prodromus Cometicus, Quo Historia, Cometae Anno 1664 exorti Cursum, Faciesq;...
exhibitur. 4 Tafeln, 64 S. fol. Gedani, 1665.
— Descriptio Comelae Anno M.DC.LXV. exorti... . Cui addita est Mantissa Prodromi
Cometici, Observationes omnes prioris Cometae MDCLXIV . . exhibens. 4 Tafeln, 188 S. fol. Ge-
dani, 1666.
— Cometographia, Totam Naturam Cometarum; Utpote Sedem ... Parallaxes ... exhibens. ...
Accessit, Omnium Cometarum, . . . Historia, . . . 38 Tafeln, 18 ff. + 913 S. + 22 ff. fol. Gedani, 1668.
— Machinae coelestis, Pars Prior, Organographiam, sive Instrumentorum Astronomicorum
omnium, quibus Auctor hactenus Sidera rimatus, ac dimensus est, Accuratam Delineationem, et
Descriptionem, Plurinus Iconibus, aeri incisis, illustratam & exornatam, exhibens: Cum Aliis quebus-
dam, tam jucundis, quam scitu dignis, ad Mechanicam, Opticamque Artem pertinentibus; Inprimis,
De Maximorum Tuborum Constructione, & commodissima Directione; Nec Non Nova ac Facillima
Leutes quasvis, exsectiorubus Conicis, expoliendi Ratione. 30 Tafeln, 10 u. 464 S. fol. Gedani, 1673.
— Machinae coelestis Pars Posterior, Rerum Uranicarum Osbservaliones, Tam Eclipsium
Luminarium, quam Occultatiorum Planetarum, & Fixarum, Nec non Altitudium Meridianarum So-
larium, Solstitiorum, & Aequinoctiorum; Una cum Reliquorum Planetarum, Fixarumq; omnium
` hactenus cognitarum, Globisq; adscriptarum, acquc ac plurimarum hucusy: ignotarum Observatis;
Pariter quoad Distantias, Altudines Meridianos, & Declinationes; Additis Junumeris aliis natatu
Abbildung 22.
S SE EE rinas i A x
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BBeilage zur „Selenographia“,
Johannes Hevelius.
Taf fer A< Ge chee hofia sad Cy: AR ONT ©) BEE?
Conk Dr Brreuav A e M RS, sch nu Arg’ wë Wee AA conf Ly, = Siih;
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Danrfe, fe VE e ie?
ap Jo Ar Ca $.
— 160 —
dignissimis, atqué ad Astronomiam excolendam maxime spectantibus rebus, Plurimorum amorum,
sumnis vigiliis, in de fessoque labore, ex ipso acthere haustas, permultisqué Jconibus, Auctoris
manu, aeri incisis, illustratas, & exornatas, Tribus libris, exhibens. 2 Bde., 42 Tafeln, 66 und 840 S
u. 72 u. 447 S. fol. 1 Portrait, 1 Titelblatt. Gedani, 1679.
— Annus climactericus, sive rerum uranicarum observationum annus quadragesimus nonus;
exhibens Diversas Occultationes, tam Planetarum, quam Fixarum post editam Machinam Coelestem:
nec non Plurimas Altitudines Meridianas Solis, ac Distantias Planetarum, Fixarumque, ... & con-
tinuatione Historiae novae Stellae in Collo Ceti, ... 7 Tafeln, 66 ff. + 196 S. fol. Gedani, 1685.
— Firmamentum Soblesctanum, sive Uranographia, totum coelum stellatum, utpote tam
qvodlibet sidus qvam omnes et singulas stellas secundum genuinas earum magnitudines, nudo oculo,
et olim jam cognitas. et nuper primum detectas, accuratissimisqve organis rite observatas, exhibens,
Et quidem quodvis Sidus in peculiari Tabella, in plano descriptum, . . . 57 Tafeln, 21 S. fol. Gedani, 1690
— Prodromus astronomiae, Evhibens Fundamenta, quae tam ad novum plane & correc-
tiorem Stellarum Fixarum Catalogum construcndum, quàm ad omnium Planetarum Tabulas corri-
gendas omnimode spectant; ... Quibus additus est uterq Catalogus stellarum fixarum, .. . Por-
trait, 2 Tafeln, 1 f. + 350 S. + 1 f. Gedani, 1690.
Beziat, L.C., La vie et les travaux de J: Hévelius. Rome (Bulletino di Bibliografia Matemat.) 1876.
116 S.
Hooke, R., Animadversions on the first part of the Machina Coelestis. London 1674. (Ein ge-
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211 S.
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portrait and 8 Tafeln.
Bernoullis Reisen durch Brandenburg. Pommern ...io den Jahren 1777 u. 1778. 1. Band.
Leipzig 1779.
Monatliche Korrespondenz, herausg von Zach. Band 8, S. 30: Etwas von Hevelius u. Har-
riots Handschriften. S. 362; 403: Cher Hevels gelehrten Nachlaß von Bernoulli u. S. 474.
Littrow, C. L. v, Ober Hevels Wahrnehmungen der Mehrheit von Kometenkernen. Astronom.
Nachr. Bd. 24, S. 191.
Astronom. Nachrichten, verschiedene kleinere Notizen über Hevel: Bd. 23, S. 111. — Bd 21,
S. 34 bis 36. — Bd. 24, S. 297. — Bd 26, S. 289 — Bd 31, S. 356. — Bd. 38. S. 109. —
Bd. 11. S. 59 bis 61. — Bd. 10, S. 202. — Bd. 12, S. 63. — Bd. 15, S. 1, 166 bis 67.
Hevel., J.. Beobachtung des Merkurdurchgangs im Jahre 1661. A.N. Bd. 10, S. 202.
— Über das Aussehen des Halleyschen Kometen im Jahre 1692. A.N. Bd. 12, S. 59.
— (Lettre concernant les manuscrits de Jean Kepler) Londres, Philos. Transaci. 1674; 27.
_ Letter containing a narrative of Dr. Wasmuth about a new astronomico-chronological
work nor by him preparing. Londres, Philos Transact 1674; 74.
— Letter concerning ... the present appearance of the planet Saturn. Londres, Philos.
Transact. 1670; 2087.
— Facies Saturni A. 1671 d. 11. et 12. Sept. st. n. observata Gedani. Londres, Philos.
Transact. 1671; 3032.
weg e
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F. 8S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M.Wuttig, Berlin SW
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
Herausgegeben von
Dr. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 11. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Erstes Marzheft).
Berlin-Treptow. |
Diese Zeitschrifi erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis Jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) dee
durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (.
Zettungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pie. — Anseigen-Gebühren: 1 Seite 80.— Mk., A SE cz _
1/, Seile 25.—, Uh Seile 15.—, Uu Seile 8.—. Bei Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewich
INHALT
1. Die Mondstationen. Von Prof. F. K.Ginsel. . . . 161 Über die eruptive Tätigkeit des Vesuvs im Monat
2. Der gestirnte Himmel im Monat April 1911. Von Mai 1910. — Das Technikum Mittweida `, . . . . 173
Dr. F. S. Archenhold . -. . 2 2 2 200000 168 | 4. Zehnstündiger astronomischer Vortragscyklus . . . 176
3. Kleine Mitteilungen: Der Komet 1886I. — Über 5. Briefkasten o... 1 1 ee ee we ee _. « 176
die Bahn einiger spektroskopischer Doppelsterne. —
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet.
Die Kondstationen.
Von Prof. F. K. Ginzel.
d keete gegenwärtige Zeitrechnung beruht gänzlich auf der Lange des tro-
pischen Sonnenjahres. Wir kennen diese Lange und ihre langsame
Veränderung so genau, daß wir die Mittel in der Hand haben, unser
rechnerisches Jahr, d. h. die ihm durch die gregorianische Kalenderreform
gegebene Gestalt, beliebig genau verbessern zu können. Die Erkenntnis jener
mittleren tropischen Jahreslänge wurde von der Menschheit erst nach einem
sehr langen Entwicklungsprozesse erlangt. Vor der 1582 durch Papst Gregor XII.
ausgeführten Reform rechnete Europa seit 1600 Jahren nach dem von Julius
Caesar (46 v. Chr.) eingeführten Sonnenjahre, welches durchschnittlich 3651/, Tage
faßte, wodurch also jedes Jahr einen Fehler von 11 Min. 14 Sek. übrig ließ. Trotz
dieses Fehlers des julianischen Jahres war Caesars Reform eine große Tat, da
sie den Bruch mit der alten Jahrform bedeutete, welche bis dahin das Altertum
beherrscht hatte. Diese Jahrform, das Lunisolarjahr (auch gebundenes Mond-
jahr genannt), hat zur Grundlage nicht nur die Bewegung der Sonne, sondern haupt-
sächlich jene des Mondes. Der Anfang der Monate ist in dieser Jahrform an
die Lichtphasen des Mondes geknüpft, und zwar an das Neulicht, d. h. an den
Abend, an welchem nach Neumond zum erstenmal wieder die feine Mondsichel
tief am Westhimmel für das freie Auge sichtbar wird. Die Erneuerung der
Lichtgestalten des Mondes findet nach je einem synodischen Monat von etwa
29!/, Tagen statt und das Mondjahr hat danach 354 oder 355 Tage. Die alten
Völker waren aber genötigt, bei ihrer Zeitrechnung auch auf die Jahreszeiten,
also auf die Sonnenbewegung, Rücksicht zu nehmen, nicht allein, weil die Zeit-
rechnung ihnen die Zeit der Aussaat und Ernte der Feldfrüchte, der Arbeiten
auf dem Felde usw. ungefähr anzeigen sollte, sondern weil die Religion ihnen
bestimmte Feste zudiktierte, welche wegen der Art der dabei darzubringenden
Opfergaben immer nur an festen Zeitstellen der Jahreszeiten gefeiert werden
— 162 —
konnten. Aber die genauere Lange des synodischen Monats blieb den alten
Völkern lange unbekannt; sie mußten sich mit Näherungen begnügen. Noch
viel weniger gelang ihnen die Ermittelung eines ungefähr zutreffenden Wertes
des Sonnenjahrs; erst um die Zeit des Eudoxos (4. Jahrh. v. Chr.) verbreitete
sich in der alten Welt die Annahme, welche späterhin Caesar benützte, daß
das Sonnenjahr 365!/, Tage habe. Man trachtete nun das um 11 Tage gegen
das Sonnenjahr kürzere Mondjahr in der Weise mit der Rückkehr der Jahres-
zeiten in Übereinstimmung zu bringen, daß man innerhalb gewisser Zyklen
eine Anzahl von Schaltjahren zu 384 Tagen einlegte. Die Ermittlung der ge-
eignetsten dieser Zyklen, welche also den kommensurablen Verhältnissen der
Sonnen- und Mondbewegung zugleich gerecht werden, hat den antiken Völkern
ungemeine Mühe gemacht. Solche Zyklen sehen wir bei den Römern und
Griechen im Gebrauch, bei den ersteren seit der Zeit König Numas, bei den
anderen seit dem Gesetzgeber Solon; allein die Römer sind damit in ihrer
Zeitrechnung nicht weit gekommen und die Griechen erhielten erst ziemlich
spat durch Verbesserung der Zyklen ein ungefähr zutreffendes Lunisolarjahr.
Die anderen Völker des Altertums machten meistenteils noch langsamere
Fortschritte. Die Juden begnügten sich bis in Christi Zeit mit der Bestimmung
des Jahresanfangs durch direkte Beobachtung des Neulichts und mit willkür-
licher Einschaltung von Mondmonaten im Lunisolarjahre. Die Inder kamen
erst in nachchristlicher Zeit und die Chinesen gar erst am Ausgang des Mittel-
alters zu einem erträglichen Lunisolarjahre. Eine Ausnahme machen die astro-
nomisch sehr begabten Babylonier, welche wenigstens seit dem 4. Jahrh. v. Chr.
ein zyklisch richtig geordnetes Lunisolarjahr besaßen.!) Der Zustand der Zeit-
rechnung vor der Auffindung der regelrechten Schaltung vermittelst Zyklen
war bei den alten Völkern selbstverständlich sehr primitiv. Man half sich —
wie die Zeitrechnung bei den Römern vor Numa, bei den Griechen vor Solon,
bei den Babyloniern vor Kambyses zeigt — so gut man es verstand, mit der
Schaltung nach Bedarf, d. h. man legte den Schaltmonat ein oder ließ ihn
weg, je nachdem man ein Nachbleiben oder Vorauseilen des Mondjahres gegen
die Jahreszeiten (Sonnenstände) bemerkte. Die, wie man sieht, allmähliche
Entwicklung des Lunisolarjahrs setzt voraus, daß die Anfänge selbst in ge-
schichtlich für uns weit zurückliegenden Epochen zu Suchen sind. Schon sehr
früh muß man die Eignung des Mondes zur Zeitmessung erkannt haben. Die
vier ununterbrochen einander folgenden Mondphasen sind so eindruckvolle und
für jedermann wahrnehmbare Himmelszeichen, daß sie sich für die Zeitmessung
von selbst darboten. Man brauchte nur die Tage abzuzählen, die zwischen den
Phasen, z. B. zwischen 2 Vollmonden oder 2 Neulichtabenden enthalten zu sein
schienen, um zu einem ungefähren Begriff des synodischen Monats zu kommen.
Dazu brauchte man weder Astronomie noch sonstige Gelehrsamkeit. Ebenso
unmittelbar war eine andere Beobachtung zu machen, welche zur Kenntnis der
ungefähren Länge des siderischen Monats führte. Der Mond bleibt, nachdem
er nach Neulicht wieder als Sichel sichtbar geworden, auf seinem scheinbaren
Himmelslaufe von einem Abend zum andern um mehr als eine Stunde gegen
die Sterne zurück. Er kommt also jeden Abend in die Nähe anderer Sterne,
bis sich nach 27!/, Tagen, einem siderischen Monat, derselbe Lauf, natürlich
1) Bei den Ägyptern führten die regelmäßig sich erneuernden Nilüberschwemmungen zum
Gebrauch des Sonnenjahrs, aber erst seit dem 3. Jahrh. v. Chr. gaben sie dem Sonnenjahr eine
Länge von 365!,, Tagen. |
— 18 —
nur ungefähr wiederholt. So z. B. stand der Mond am 17. Februar 1910 nahe
beim Sterne Aldebaran (Stier), blieb aber bald im Orion zurück, erreichte am
20. die Zwillinge, am 23. den Löwen usw. und kam erst wieder am 16. März,
also nach 27 Tagen, in die Nachbarschaft von Aldebaran. Man konnte also
durch fortgesetzte Beobachtung des Himmels rohe Werte sowohl für den syno-
dischen wie für den siderischen Monat kennen lernen. Auf den: Anfangs-
stufen der Zeitrechnung konnte man sogar von dieser Kenntnis des siderischen
Monats Gebrauch machen.!) Da sich der Mond von der Ekliptik nicht weit
entfernt, auch seine Entfernung vom Aquator in feste, allerdings weitere
Grenzen (bis etwa 27° nördlich und südlich) eingeschlossen ist, so geht er
während seiner siderischen Umläufe von Zeit zu Zeit immer wieder zwischen
denselben Sternen hindurch, er kommt also oft in die Sterngruppen, die er
vorher durchlief und scheint so einzelne Sterngegenden mit seinem Besuche
auszuzeichnen. Diese einfache Beobachtung gab den Völkern schon in sehr
früher Zeit den Anlaß zur Bildung von Mondstationen. Man suchte die
Sterngegenden, in die der Mond während der 27 Tage seines siderischen
Umlaufs nach und nach eintrat, in der Erinnerung festzuhalten, indem man die
auffälligeren Sterne auf seinem Wege in Gruppen zusammenfaßte, mit Namen
benannte und als Häuser, Aufenthaltsorte, Gemächer, Lagerstätten oder Ruhe-
punkte des Mondes ansah.
Im antiken Europa kommen diese Mondstationen in der: Überlieferung nicht
vor, vielmehr ist Asien ihre Heimstätte, welches ja auch die Wiege des Luni-
solarjahres war. Besonders in der Literatur der Inder, Chinesen und Araber
treten die Mondstationen auf; bei den Indern haben sie die Gesamtbezeichnung
nakshatra, bei den Chinesen heißen sie sieu, bei den Arabern menäzil. Die
Angaben, aus welchen Sternen sich die einzelnen Stationen zusammensetzen,
sind in der Literatur dieser Völker zerstreut und bei ein und demselben Volke
öfters schwankend; die Bestimmung der Sterne ist in älterer Zeit von Le Gentil,
Colebrooke, Biot, Whitney, in neuerer von A. Weber, G. Schlegel,
F. Hommel vorgenommen worden. Als Namen der Stationen werden bei den
Indern, Chinesen und Arabern 27 und 28 angegeben; sie haben betreff ein und
derselben Station bei den drei Völkern ganz verschiedene Bedeutung und können,
besonders die indischen, nur zum Teil erklärt werden. Die indischen, chinesischen
und arabischen Mondstationen sind nicht überall identisch, d.h. nicht überall
auf die gleichen Hauptsterne sich beziehend, sondern sie zeigen verschiedene
bemerkenswerte Abweichungen, auf die ich noch zu sprechen komme. Die
Stationen können daher nur mehr astrognostisch, in Beziehung auf dieselbe
Himmelsgegend mit einander verglichen werden. In der folgenden Vergleichung
setze ich die ungefähr zu einander gehörenden Stationen auf dieselbe Zeile und
gebe die beiläufige Bedeutung der Namen an; bei den indischen Stationen sind
die Namen als älteste, die in der heiligen Veda-Literatur der Inder vorkommen;
zu verstehen: |
1) Die auf Nord-Sumatra von den Atchinesen jetzt noch gebrauchte “Kenongrechnung gibt
Zeugnis von der Anwendung des siderischen Mondmonats. Jedes Zusammentreffen der jungen
Neumondsichel mit dem Hauptstern des Skorpions heißt ein Kenong. Die Atchinesen rechnen auf
jedes Jahr 13 oder 14 Kenong; sie schalten 1 Kenong je nach Bedarf aus, um mit dem Sonnen-
jahre (besser gesagt, Naturjahre) in halbweger Übereinstimmung zu bleiben. Die Länge des Sonnen-
jahrs ist ihnen selbstverständlich unbekannt; aber die Beobachtung des Wiederkehrs der Aufgänge
der Plejaden, des Orion und des SE geniigt ihnen, um den SES: Ablauf des Jahres zu
erkennen,
Arabische. Indische. , _ Chinesische.
1. as-saratani. 27." asvini (Rosselenker).”} 16. leu (Schnitterin).
2. al-butain (Bäuchlein). 28. bharani (die Fortführen- 1%. wei (Korngefäß).
den).
3. at-turaija (Plejaden). 1. krittika (die Verfloch- 18. mao (untergehende
tenen) Plejaden. Sonne). |
4. al-dabaran. 2. rohini (die rote, aufstei- 19. pi (Jagdnetz).
gende).
5. al-hak‘a. 3. mrigasiras (Haupt des 20. tsui (Mund des Kriegers).
Rehs, Antilope).
6. al-han‘a. 4. ardra (die feuchte). 21. ts’en (der Erhabene).
7. ad-dira‘u. 5. punarvasu (die wieder 22. tsing (Brunnen).
gut machende). l
8. an-natra. 6. pushya (das nährende 23. kuei (die Manen).
| oder Heilgestirn). =
9. at-tarf (Auge) des Löwen. 7. aslesha (die Umschlin- 24. lieu (Weide, Bambus).
genden).
10. al-gabha (Stirn) des 8. magha (die mächtige). 25. sing (Stern).
Löwen.
11. az-zubra (Mähne). 9. pürva-phälguni (die erste 26. tschang (Fangnetz).
schimmernde).
12. as-sarfa (Wende). 10. uttara-phälguni (die 27. yi (Flügel).
zweite schimmernde).
13. al-awwa (die kläffende 11. hastä (die Hand). 28. tschen (Wagen).
Hündin).
14. as-simäk (Himmelshöhe). 12. chitr& (die wunderbare, 1. kio (Horn) des Drachen.
| glänzende).
15. al-ghafr (Decke). 13. sväti (das Schwert, Hals- 2. k'ang (Hals) des Drachen.
band?).
16. az-zubanay (die Scheren 14. visakha (die zweizinkige, 3. ti (Grund, Brust) des
des Skorpions). gabelförmige). Drachen.
17. al-iklil (Krone). 15. anurädhä (die Heilbrin- 4. fang (Haus).
gende, günstige).
18. al-kalb (Herz) des Skor- 16. jyeshtha (die älteste?). 5. sin (Herz) des Drachen.
pions.
19. as-shaula (Schwanz) des 17. mülam (die Wurzel, der 6. wei (Schwanz) des.
Skorpions. Ursprung). Drachen.
20. an-na’ajim (die Strauße). 18. pürva-shädhäs (die ersten 7. ki (Mistgefäß).
unbesiegten).
21. al-baldah (Land, Gegend). 19. uttara-shadhas (d. zweiten 8. teu (Scheffel).
unbesiegten).
22. sa‘d ad-däbih (Glücks- 20. abhijit (die siegreiche, 9. niai (Ochs).
stern des Schlächters). erobernde).
23. said bula‘ (Glücksstern 21. sravana (?) 10. niü (Jungfrau).
des Verschlingers).
24. said as sund (Glücksstern 22. sravishtha (die ruhm- 11. hit! (Grabhügel).
der Glückssterne). reichste). i
25. sa‘d al-ahbija (Glücks- 23. satahhishaj (?). 12. wei (Giebel).
stern der Zelte).
26. al-fargh al-awwal (erster 24. pürva-bhädra-padäs 13. schi (Feueraltar).
Henkel desSchöpfeimers). (erster Glücksschritt).
27. al-fargh al-tani (zweiter 25. uttara-bhädra-padäs 14. pi (Mauer).
Henkel). (zweiter Gliicksschritt),
28. batn al-hüt (Bauch des 26. revati (die reiche). 15. kuei (Sandale).
Fisches).
— 14 —
Aus der Karte (Fig. 1) kann man die Lage der Mondstationen ersehen. Die
arabischen Stationen sind auf derselben durch Ziffern mit eckigen Klammern
(z. B. [3]), die chinesischen durch gewöhnliche Ziffern (z. B. 3), die indischen mit
— 165 —
römischen (z. B. III) bezeichnet. Man erkennt leicht, daß die in der ersten Zeile
der obigen Zusammenstellung aufgeführten drei mit einander identisch sind, da
alle drei Mondhäuser [1], XX VI, 16, von denselben Sternen a, 8, y Arietis (Widder)
gebildet werden. Die Karte läßt gleichzeitig, da sie für die Zeit um 4000 v. Chr.
‚entworfen ist, die große Veränderung in der Lage der Sternbilder durch die
Präzession gegen die Jetztzeit übersehen. Betreff der Zählung resp. Numerierung
Die Mondstationen
um 4000 v. Chr.
Schwan
g eh
di dA SS EEE W kg
"mg
"H (2) (3)---erabische Manzil,
I II III--indische Nakshatra,
1 2 3- chinesische Siu.
Fig. 1.
Die arabischen, indischen und chinesischen Mondstationen.
der Mondhäuser bemerkt man aus dem obigen Verzeichnis sofort einen ver-
schiedenen Anfangspunkt: die chinesischen sieu gehen vom 1.kio, d.i. dem
hellen Hauptstern der Jungfrau (Spica = « Virginis), aus, während das erste der
arabischen menäzil, nämlich saratan, in den Widder fällt; das erste indische
nakshatra ist dagegen die Plejadengruppe krittika. Der letzterwahnte Anfang
der indischen Reihe, mit krittika, ist der uralte und ursprüngliche in der vedischen
— 166 —
Literatur, die Texte der späteren Zeit beginnen dagegen die Reihe mit XXVI
revati (¢ Piscium) resp. mit XXVII asvini ($, y Arietis). Ferner kennt die alt-
vedische Zeit nur 27 nakshatra, ein 28. Mondhaus, nämlich XX. abhijit (die Sterne
der Leyer), wurde später eingeschoben und erscheint erst allmählich in
den Texten. Berücksichtigt man diese Einschiebung und jenen jüngeren An-
fang, so kann man Asvini die Bezeichnung I geben, und die indische Reihe
läuft dann mit der arabischen der Numerierung nach vollkommen parallel.
Die Kenntnis der Mondstationen findet sich aber nicht bloß in Arabien, Indien und
China vor. In Vorderasien, südlich von Mesopotamien, und anderwärts
sind Spuren eines alten Mondkultus vorhanden. Die Harraniter (bei denen
sich die alte Mondreligion am längsten erhielt), feierten noch bis zum
12. Jahrhundert an jedem 27. Tage des Mondmonats einen Gedächtnistag des
siderischen Mondumlaufs, indem sie zum Tempel gingen und dem Sin (das
ist der Mondgott) ein Brandopfer brachten; auch hatten sie ein 2Ttägiges `
Fasten mit Mysterien und Opfern am Schlusse desselben. Es wäre danach
möglich, daß die Harraniter sich für jeden Tag des siderischen Mondlaufs eine
Station, also 27 oder 28 im ganzen, gebildet hatten. Auch die Juden des Alter-
tums scheinen in gewisser Zeit Kenntnis von den Mondstationen gehabt zu
haben, wie sie überhaupt in ihrer Zeitrechnung von der Annahme manches
fremden und „heidnischen“ nicht frei geblieben sind. Im II. Buch der Könige
(23, 5) wenigstens wird Josias gepriesen, daß er „die Räucherer des Baal, der
Sonne und des Mondes, der mazzalöt und alles Heeres des Himmels“ verjagt
habe. Die mazzalöt können nur eine besondere Art von Sternen vorstellen, und
es ist sehr wahrscheinlich, daß es sich hier um dieselbe Bezeichnung handelt,
die wir später im Koran der Araber, derselben Wurzel entspringend, als manzil
(Plural menäzil) = Mondstationen, wiederfinden.!) Ferner kannten die Parsen
(der altpersischen Zeit) die Mondstationen: in dem etwa im 8. Jahrh. n. Chr. ge-
schriebenen Bundehesh werden die 12 Zodiakalzeichen aufgezählt und „die von
Anfang in 28 Haufen (Khürdak) zu zählenden Sterne‘. Die Namen, welche für
letztere angegeben werden, sind entstellt überliefert und ihrer Bedeutung nach
zum Teil unbekannt, einige deuten auf Tiere, Geräte und anderes; ziemlich
sicher scheint die Deutung des Namens der 3. Station parviz auf parvin (Ple-
jaden), den gleichwertigen indischen krittika. Danach würden also die Mond-
häuser der Parsen mit derselben Station wie die der Inder, (s. oben), 4svini an-
gefangen haben. |
Woher stammen nun die Mondstationen? Hat eines der drei Völker, bei
denen sie direkt nachweisbar sind, den Arabern, Chinesen und Indern, hierin
die Priorität, oder ist eine ältere gemeinsame Quelle als Ursprung anzunehmen?
Die bezüglichen Fragen sind bis in die neueste Zeit besprochen worden.
J. B. Biot sah als Ursprungsland China an. Schon unter Yao (2357 v. Chr.)
sollen die Chinesen 24 Sterne ausgewählt haben, um die Meridiandurchgänge
der Äquinoktial- und Solstizialpunkte zu fixieren; die Zahl dieser Sterne soll um
1100 v. Chr. auf 28 erhöht worden sein, wobei man besonders auf Sterne in der
Nähe des Äquators Rücksicht nahm. Die Inder hätten dieses System akzeptiert,
aber mit ungleichen Entfernungen der Mondstationen untereinander ausgestattet.
1) In der arabischen Zeit scheinen den Juden die schon längst von ihnen vergessenen Mond-
stationen wieder durch arabische Werke bekannt geworden zu sein, da Saadia Gaon (9. Jahrh.
n. Chr.) angibt: „Der Mond geht einen längeren oder kürzeren Weg nach einer der 28 Stationen,
die wir kennen und mit Namen benennen.“
— 167 —
Whitney fand schon ziemliche Bedenken in der unmittelbaren Identifizierung
der chinesischen und indischen Mondstationen und machte darauf aufmerksam,
daß 11 von den indischen nakshatra eine selbständige Entwicklung haben
müßten; als Ursprungsland nahm er, auf Biot’s Darstellungen fußend, ebenfalls
China an; von dort hätten sich die Stationen über Persien nach Arabien ver-
breitet und von da erst nach Indien. L. A. Sedillot dagegen suchte den Aus-
gangspunkt in Arabien. Zwar haben China und Indien schon in sehr alter Zeit
einen Mondzodiakus gehabt, aber erst mit der Entwicklung der arabischen
Astronomie sei dieser ausgestaltet worden; in Indien komme dabei griechisches
oder babylonisches Wissen mit in Betracht. Diese Ansichten fallen in eine Zeit,
in welcher man vor dem angeblich hohen Stande der Astronomie des chine-
sischen Altertums noch, besonderen Respekt hatte und in welcher anderseits die
Kenntnis der Vedaliteratur der Inder noch auf einen kleinen Kreis von Sanskrit-
gelehrten beschränkt war. Der Berliner Sanskritist A. Weber zeigte 1860/61
aus einer 'genauen Darlegung des Vorkommens der nakshatra in den Veda-
schriften zum ersten Mal das hohe Alter der indischen Mondstationen und die
völlige Haltlosigkeit der Biot’schen Hypothese. Er wies aus der Literatur der
Chinesen nach, daß sich in China die Mondstationen nicht bis Yao, sondern
nur bis etwa 250 v. Chr. zurück verfolgen lassen. In den ganz verschiedenen
Zählungsweisen der chinesischen und der indischen Reihe erkannte er einen
bedeutsamen Hinweis auf die völlig verschiedene Entstehungszeit beider: die
chinesischen sieu fangen mit 1.kio (Spica) an, und dieses Zeichen entspricht
etwa der Stelle des Herbstäquinoktiums (September) zur Zeit der Han-Dynastie;
die nakshatra der Vedazeit gehen dagegen von I. krittika, den Plejaden aus,
einem in der Nähe des alten Frühjahräquinoktiums gelegenen Punkte (s. Karte).
Da der chinesische Jahresanfang im Lauf der Zeit mehrfach verändert und zu-
letzt, unter den Han, auf das Zeichen des Wassermanns gebracht wurde, so ist
das ein Hinweis, daß die chinesische Reihe, oder wenigstens das Arrangement
derselben, wie wir es aus der Literatur kennen, kurz vor der Han-Zeit ge-
bildet worden sein muß, womit die oben bemerkte Entstehungszeit, das 3. Jahrh.
v. Chr., übereinstimmt. Schließlich neigte A. Weber zu der Annahme, daß die
Mondstationen wohl einen gemeinsamen Ursprung haben könnten, der in
einer alten, vorderasiatischen Quelle liege. Zu dieser Vermutung wurde er
geführt durch die chinesische Angabe, daß der längste Tag 60 Khe oder 14 Std.
24 Min. sei, durch die weitere der indischen Astronomen, daß der längste Tag
18 muhurta d. i. ebenfalls 14 Std. 24 Min. betrage, und durch Ptolemaios,
welcher für Babylon den längsten Tag gleichfalls mit 14 Std. 25 Min. angibt.
Trotz der beträchtlich verschiedenen Breiten Chinas und Indiens wird also eine
Länge für den längsten Tag angegeben, die nur für die Breite von Babylonien
oder für das Hochland Kaschmir stimmt. Diese Tatsache weise auf babylo-
nischen Ursprung gewisser Elemente in der chinesischen und indischen Astro-
nomie. Die Angabe des Ptolemaios hat seither durch F. X. Kugler eine un-
erwartete Bestätigung erhalten, indem dieser aus keilinschriftlichen Angaben
babylonischer Tafeln des 3. Jahrh. v. Chr. berechnete, daß man in der Tat für
Babylon den längsten Tag zu 14 Std. 24 Min. angenommen hat. Da anderseits
die altvedische Literatur — welche schon die nakshatra namhaft macht — eine
auffällige Unkenntnis des gestirnten Himmels verrät, so ist für die neuere
Forschung die Möglichkeit näher gerückt worden, ob nicht die indischen, chine-
sischen und arabischen Mondstationen ihrem Ursprunge nach auf Babylonien
— 168 —
zurück zu führen sind. Ein direkter Nachweis dafür aus der Sternkenntnis der
Babylonier, für welche uns derzeit eine Fülle von Material zu Gebote steht, ist
indes bisher nicht gelungen. Epping hat zwar den Gebrauch von 36 Kon-
stellationen bei den Babyloniern nachgewiesen, und Hommel bemühte sich
daraus die 28 Mondstationen abzuleiten, jedoch ist diese Ableitung eine nur
‚künstliche. Mehr Gewicht hat Hommels Nachweis, daß die babylonischen
Namen von etwa 14 Sterngruppen auffällige Verwandschaft mit den späteren
arabischen Namen der menäzil haben, und daß die babylonische Gesamt-
bezeichnung mazzaltu stark an die arabische menäzil erinnert. Die Frage des
gemeinsamen Ursprungs der Mondstationen in Vorderasien harrt noch der Bei-
bringung ausreichenden archäologischen Materials. Aber sie hat entschieden
Wahrscheinlichkeit für sich. In der Ausbildung der Systeme sind Arabien,
China und Indien ihre eigenen Wege gegangen. Bei den Arabern schließen
sich die Stationen enger an die Ekliptik an als bei den andern, Sie sind wahr-
scheinlich das jüngste unter den drei Systemen; die chinesischen sieu sind
erheblich älter, vermutlich älter als das 3 Jahrh. v. Chr. (A. Weber), da
wir offenbar nur ihre spätere Organisierung, nicht ihre ursprüngliche
kennen; das älteste a aber nn unbestritten die indischen
nakshatra. | (Schluß folgt.)
Der sestirnte Himmel im Monat April 1911.
Von Dr. F. S. Archenhold.
Die Stellung der Sonne unter den Sternen.
Der bekannte Mondforscher Puiseux untersucht in der „Scientia“, in wieweit die
Sonne und der größte Teile der Fixsterne zu einer großen Familie gehört, und was sich
über deren Vergangenheit und künftige Entwicklung auf Grund moderner Untersuchungen
insbesondere spektroskopischer Beobachtungen, schon heute aussagen läßt. Es sind
Sterne aufgefunden worden, deren Masse der unserer Sonne völlig gleichkommt, und
eine große Zahl anderer, die ihr quantitativ weit überlegen sind. So konnte bei dem
Stern Beta im Fuhrmann und Xi im Großen Bären mit großer Sicherheit aus den
spektroskopischen Beobachtungen abgeleitet werden, daß ihre Massen mindestens das
Vierfache der Sonne betragen. Ja, Nordmann hat mit Hilfe einer neuen photometri-
schen Methode auch den Durchmesser einiger Sterne bestimmt. Er findet beispielsweise,
daB Aldebaran ein Riese unter den Sternen ist. Er übertrifft unsere Sonne im Ver-
hältnis noch mehr an Größe wie unsere Sonne den Jupiter, der hellste Stern des Himmels,
Sirius wurde hingegen nur ein wenig größer als unsere Sonne befunden. Zeigt der Stern
noch in regelmäßigen Zwischenräumen eine Lichtveränderung wie Algol im Perseus, so ist
es möglich, aus der Kurve der Lichtintensität und den spektroskopischen Linienverschiebun-
gen zu verschiedenen Zeiten festzustellen, daß das Sternensystem aus zwei Kugeln besteht.
Beim Algol beträgt die Masse des Hauptsterns */,, die Masse des Begleiters nur 2/, der
Sonnenmasse, beide zusammen erreichen also noch nicht die Sonnenmasse; jedoch ist
ihre Gesamtstrahlung viel größer als die der Sonne. Ihre Durchmesser ließen sich zu
1 700 000 und 1 330000 km bestimmen. Wir sehen hieraus, da unsere Sonne 1 380 000 km
groß ist, daß sie nur um 50000 km den Begleiter im Algolsystem überragt.
Die Entfernung der Mittelpunkte der beiden Körper beträgt noch keine 5 000 000 km
und der geringste Abstand ihrer Oberflächen noch keine 3000000 km. Nach diesen
Dimensionen zu urteilen, muß der Zustand der Algolsonne und ihres Begleiters, die beide
nur 1/,, unserer Sonnendichte haben, von dem unserer Sonne durchaus verschieden sein.
Gibt es nun Sterne, die unserer Sonne ähnlich sind? Es sind nach Gould 500 der
— 169 —
schönsten Sterne, welche als zur Familie der Sonne gehörig betrachtet werden können,
alles helle Sterne, die längs eines Kreises liegen, der weitab von der Milchstraße steht.
Diese Sterne müssen erstens eine bestimmte jährliche Parallaxe, zweitens eine kleine
radiale Geschwindigkeit, drittens eine unserem Sonnensystem ähnliche Bewegung in einer
Ebene zeigen und viertens ein Spektrum besitzen, welches im ganzen und im einzelnen
dem unserer Sonne entspricht. Von den bisher beobachteten Spektren der Sterne weisen
Der Sternenhimmel am 1. April 1911, abends 10 Uhr.
Fig. 1.
L d gd e
‘Prmann
Q
< o
Ekliptik
(Polhöhe 52!/,°
mindestens !/,, höchstens !/, ein der Sonne ganz ähnliches Spektrum auf, wenn wir nur
die Sterne 1. bis A Größe berücksichtigen. Dieser Prozentsatz [nimmt jedoch in dem
Maße ab, wie wir die entfernteren schwächeren Sterne, hinzunehmen. Das Gemeinsame
der sonnenähnlichen Sternspektren ist größte Intensität im gelben Teile des Spektrums;
die metallischen Linien sind zahlreich und stark ausgeprägt. Die im blauen Ende des
Spektrums liegenden am besten sichtbaren Linien sind die des Calciums und Eisens.
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oe. 7) SY “nh ka Sg: 1
H = Sonne. M = Mond. Me = Merkur. V = Venus.
Die Heliumlinien sind entweder schwach oder gar nicht vorhanden. Man sieht fast gar
keine Absorptionsbänder, abgesehen natürlich von denen, die durch unsere Erdatmosphäre
hervorgerufen werden, und die schwächer werden, je höher der Beobachtungsort liegt,
wodurch sie von den in den Sternen vorkommenden Linien sofort zu trennen sind.
Diese gelben Sonnensterne gehören sowohl bei Secchi wie bei Vogel zur zweiten Klasse.
Sie verraten sich auch noch durch ihre große Eigenbewegung und große jährliche
Parallaxe, wodurch auch ihre nahe Stellung zur Sonne angedeutet ist. Die Sterne in
der Milchstreße und in ihrer Nähe gehören zur ersten Spektralklasse, den weißen Sternen.
(Vgl. Das Weltall, Jg. 11, S. 130 u. f.) Am geringsten ist die dritte Klasse derSterne, die mehr
rötlichen mit starken Absorptionsstreifen, vertreten. Sie machen noch nicht den 10. Teil
unter den Sternen aus, die heller als 7. Größe sind. Es ist interessant, daß unsere Sonne
. selbst in ihren Flecken ein ähnliches Spektrum zeigt, so daß anzunehmen ist, daß sich
unsere Sonne aus einem gelben Stern in einen roten verwandeln wird, falls eine größere
Zunahme der Flecken eintreten sollte Manche Sterne zeigen nun neben den dunklen
Linien noch helle in ihrem Spektrum, wie besonders die Wolf Rayet’schen Sterne und
der Eta Argus-Stern, die entweder von Wasserstoff, Helium oder noch unbekannten Elemen-
ten herrühren. Es ist die Frage, ob wir es hier mit dem Beginn einer Glut oder ihrem
Erlöschen zu tun haben. Für Laplace wäre die Antwort nicht zweifelhaft gewesen.
Da er eine fortdauernde Erkaltung der Körper annimmt, verleiht er seinem Urnebel die
größte Temperatur. Nach unserer heutigen Auffassung ist dies nicht mehr notwendig.
Wir wissen, daß gerade bei der Kondensierung einer großen Nebelmasse eine solche
Hitze frei wird, daß nicht nur die Wirkung der Strahlung aufgehoben wird, sondern sogar
die gesamte Temperatur sich erhöhen kann. Ein Sternsystem kann daher heißer und
kälter werden.
Zu welcher Klasse gehört nun unsere Sonne?
Nach der Hypothese von Sir Norman Lockyer, die zwar vielfach angefeindet wird,
hätte jeder Stern folgende Etappen durchzumachen: Nebelstern, neuer Stern (mit hellen
Linien), rötlicher Stern (Klasse 3a), gelber Sonnenstern, weißer Stern, rötlicher Stern
(Klasse 3b), erloschener Stern und völlig erstarrter Stern. In diesen Entwicklungsstadien
stellen die weißen Sterne das Temperaturmaximum dar. Die durch das Zusammenziehen
des Körpers entstehende Wärme kann sich noch weiter erhöhen, ist dann aber nicht
mehr imstande, die durch die Ausstrahlung entstandene Hitze wieder zu ersetzen, so
daß die Gesamttemperatur des Himmelskörpers von nun an wieder geringer wird. Wenn
sms 77;
Ma = Mars.
fiir den Monat April 1911.
Fig. 2a. Nachdruck verboten.
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Entw. v. \ ZA Archenhold. -30
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TELS
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J= Jupiter. Sa = Saturn. U = Uranus. N = Neptun.
der erloschene Stern an seiner Oberfläche durch Explosion oder durch Zusammenstoß
einen Meteorstrom erzeugt, so beginnt der Kreislauf wieder von neuem. Da der Zustand
der Sonnensterne zweimal durchlaufen wird, so haben wir nach dieser Theorie die
Wahl, für unsere Sonne im Augenblick die Phase der Erwärmung oder der Erkaltung
anzunehmen. |
Das seltene Vorkommen der Sterne der zweiten Etappe der Lockyerschen Ent-
wicklung hat zu besonders scharfer Kritik herausgefordert. Hale bestreitet überhaupt
die Voraussetzung einer einheitlichen Entwicklungshypothese für alle Sterne. Für ihn
gibt es Einflüsse der Umgebung, welche uns noch nicht bekannt sind, die jedoch z. B.
den einheitlichen Zustand der Sterne in der Gruppe der Plejaden, des Orions und des
Andromeda-Nebels erklären. Das eigenartige Vorkommen der Sterne mit hellen Linien
und der neuen Sterne in der Milchstraße erscheinen als weitere Beweise für die Abhängig-
keit des Zustandes der Sterne von ihrer Verteilung im Raume. Daß andrerseits auch
die alte Laplacesche Anschauung von dem allmählichen Erkalten aller Sterne nicht zu-
treffend sein kann, geht schon aus dem Umstande hervor, daß man dunkle Massen in
größerer Zahl im Weltall nicht nachweisen kann.
Der Lauf von Sonne und Mond.
Die Sonne rückt im April vom Sternbilde des Widders in das des Stiers. Ihre
Stellung in der Ekliptik ist wieder für den 1., 15. und 30. April in unsere Karte 2a ein-
gezeichnet. Aus folgender Tabelle geht hervor, daß ihre Mittagshöhe sich während des
Monats um 10!/,° vergrößert.
Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshöhe
April 1. + 4° 12° 55 43m morgens 65 36m nachm. 413/, 0
- 15. + 90 27 5b jim - qh im - 47 °
- 30. + 14° 30° 4h 40m - Th 27m - dÉ P
Eine totale Sonnenfinsternis findet am 28. April statt Sie wird als solche nur
im Stillen Ozean sichtbar sein. Ihre Maximaldauer beträgt bm und zwar in der Mitte des
Stillen Ozeans bei den Dudoza-Inseln. An den beiden Endpunkten der Totalitätslinie
in Ost-Australien, wo die Verfinsterung gerade bei Sonnenaufgang, wie unweit der
Südspitze von Nordamerika, woselbst die Verfinsterung bei Sonnenuntergang sichtbar
ist, beträgt die Dauer 2!/,n. Von diesen beiden Endpunkten an bis zu den Dudoza-
Inseln nimmt die Dauer der Verfinsterung allmählich zu. Als partielle Verfinste-
— 172 —
rung wird sie in der östlichen Hälfte Australiens und Neu-Guinea, sowie in Neu.
seeland in den Vormittagsstunden und in der südlichen Hälfte Nordamerikas in den
Abendstunden sichtbar sein. In Washington wird an der untergehenden Sonne noch ein
kleiner Teil der Scheibe verfinstert gesehen werden können.
Der Mond ist wiederum für den 1., 3., 5. u. s. f. in unsere Karten 2a und 2b mit
seinen Phasengestalten eingetragen.
Seine Hauptphasen fallen im Monat April auf folgende Daten:
Erstes Viertel: April 6. 75 vormittags. Letztes Viertel: April 21. 11/,h abends.
Vollmond: - 13. 3!/,P nachmittags. Neumond: - 28. 111/,5 abends.
Im Monat April findet keine Sternbedeckung statt.
Die Planeten.
Merkur (Feld 1!/,b bis 3b) wird zu Anfang des Monats am Abendhimmel wieder
sichtbar. Die Dauer seiner Sichtbarkeit steigt bis zur Mitte des Monats nahezu auf eine
Stunde. Am 15. bildet Merkur mit den Plejaden und der Venus ein spitzwinkliges und
mit den Plejaden und dem roten Aldebaran im Stier ein gleichschenkliges Dreieck, in
dessen Mitte gerade die Venus steht. Am Ende des Monats wird der Planet wieder un-
sichtbar, da die Sonne ihn alsdann erreicht. Seine Phasengestalt nimmt während des
Monats ständig ab. Sein scheinbarer Durchmesser ist am 1. des Monats 46 und
am 30. 114.
Venus (Feld 2!/,b bis 55) ist zu Anfang des Monats schon 2!/, und zuletzt 3 Stunden
lang als hell leuchtender, auffälliger Abendstern sichtbar. Am 1. April wird es ein be-
merkenswerter Anblick sein, wenn die Venus oberhalb der jungen Mondsichel am Abend-
himmel erstrahlt und in der Nähe beider der Saturn zu sehen ist. (Vgl. Feld 21/,h.)
Am Schluß des Monats ist nur 2 der Scheibe beleuchtet. Die Phasengestalt nimmt
noch bis zum 13. September zu. Ihr scheinbarer Durchmesser steigt vom 1. des Monats
von 12,3 auf 14” am Schlusse des Monats.
Mars (Feld 21 b bis 221/, 5) ist während des ganzen Monats kaum eine Viertelstunde
lang am Morgenhimmel sichtbar. Er tritt am 24. in Konjunktion mit dem Mond. Der
scheinbare Marsdurchmesser nimmt während des Monats von 6” auf 6,6 zu.
Jupiter (Feld 14°/, $ bis 14!/, h) ist von der Mitte des Monats an während der ganzen
Nacht sichtbar. Der Planet befindet sich während des ganzen Jahres im Sternbilde der
Waage, ist seit Anfang März rückläufig geworden und wird erst wieder anfangs Juli
rechtläufig. Am 1. Mai steht Jupiter der Erde am nächsten und in Opposition mit der
Sonne. Seinen größten Abstand von der Erde erreicht er erst wieder Mitte November,
gerade wenn der Mars in Erdnähe rückt. In der größten Erdnähe beträgt die Ent-
fernung des Jupiters von der Erde 658 Millionen Kilometer. Auf seiner Oberfläche
sind die in Gestalt und Farbe sich stets ändernden, mit dem Aquator zumeist parallel
verlaufenden Streifen sichtbar, welche von ebenso schnell sich ändernden helleren und
dunkleren Flecken durchsetzt sind und Zeugnis von den gewaltigen Umwälzungen in der
noch heißen Lufthülle dieses größten Planeten ablegen. Einige dieser Gebilde, ins-
besondere der rote Fleck aus dem Jahre 1874, der heute noch zu sehen ist, haben eine
lange Sichtbarkeitsdauer, so daß sie ein vorzügliches Mittel abgeben, durch die Ab-
zählung der Zeit, die zwischen zwei Durchgängen durch die Mitte der Jupiterscheibe
verstreicht, die Umdrehungsdauer des Jupiters selbst zu bestimmen. Sie beträgt
nur 9 Stunden 55 Minuten. Der scheinbare Durchmesser des Jupiter nimmt von 41”,2
auf 42,6 während des Monats zu.
Saturn (Feld 2!/,b bis 21/, >) steht während des ganzen Jahres im Sternbilde des
Widders, tritt zweimal in diesem Monat, am 1. und 29. April mit dem Monde in Kon-
junktion und verschwindet, nachdem er mit seinem Ringsystem während des ganzen
Winters ein schönes Beobachtungsobjekt war, von der Mitte des Monats an auf längere Zeit
in den Strahlen der Sonne. Von den 10 Monden, die ihn umkreisen, ist nur der hellste,
Titan, lichtstark genug, um schon in kleineren Fernrohren gesehen werden zu können.
= j —
Er gebraucht 16 Tage zu einem vollen Umlauf um .den Saturn. Sein Durchmesser ist
4000 km groß, wohingegen der dritte Jupitermond 5400 km mißt, so daß dieser bereits
wegen seiner Größe von scharfen Augen unter günstigen Umständen ohne Fernrohr ge-
sehen werden kann. Der Durchmesser unseres Mondes beträgt nur 3480 km. Würde Titan
uns ebenso nahe stehen wie dieser, so würden wir ihn um 5 Bogenminuten größer sehen
als unseren Mond. Auch auf dem Saturn sind in größeren Fernrohren schwache dunkle
Streifen in der Äquatorgegend zu bemerken, jedoch viel seltener scharf begrenzte Flecke.
Wegen der farbenreinen Abbildung, die unser Treptower Fernrohr gibt, können wir
auch sehr deutlich eine rote Färbung auf diesen Saturnsgebilden wahrnehmen und daraus
schließen, daß auch die Atmosphäre dieses Planeten noch hohe Temperaturen, etwa
200 bis 250° besitzt. Der scheinbare Durchmesser des Saturns nimmt, da dieser Planet
sich jetzt von uns entfernt, von 15,5 auf 15,3 ab. |
Uranus (Feld 205) ist nur kurze Zeit am Morgenhimmel sichtbar. Er zeigt selbst
in den größeren Fernrohren nur ein kleines Scheibchen von blau-grünlicher Färbung
und von 3*,4 Durchmesser. Nur in den allergrößten Fernrohren sind auf seiner Ober-
fläche dunkler und heller gefärbte Flecken zu beobachten, deren Verfolgung jedoch bis-
her nicht möglich war, so daß wir über die Dauer seiner Axendrehung noch im Un-
klaren sind. Trotz seiner gewaltigen Entfernung von uns, 2900 Millionen Kilometer, sind
schon 4 Monde bei ihm entdeckt worden, die sich in 2!/, bis 13!/, Tagen um ihren Pla-
neten bewegen und die Eigentümlichkeit besitzen, daß sie in nahezu senkrechten Bahnen
von Osten nach Westen ihren Umlauf vollführen. Eine solche Bewegung ist nur noch
bei dem Saturnsmonde mit Sicherheit festgestellt worden. Während !des ganzen Jahres
steht Uranus im Sternbilde des Schützen.
Neptun (Feld 71/,5) ist im Monat April noch 6 Stunden lang am Abendhimmel
zu beobachten. Galle, welcher ihn zuerst am 23. September 1846 gesehen hat, ist im
vorigen Jahre gestorben. Sein geistiger Entdecker Leverrier der aus den Ablenkungen,
welche Uranus in seinem Laufe durch die Anziehungskraft des Neptuns erlitten hat, den
Ort dieses entferntesten Planeten vorausberechnet hat, ist gerade vor 100 Jahren geboren
worden und im Jahre 1877 gestorben. — Der größte Durchmesser dieses Grenzwärters
unseres Planetensystems beträgt nur 2*,6. Bisher konnte nur ein Mond in seiner Nähe
gesehen werden, der in 5 Tagen 21 Stunden in einer Entfernung von nur 356 000 km
seinen Planeten umkreist.
Bemerkenswerte Konstellationen:
April 1. mittags Saturn in Konjunktion mit dem Monde.
- 1. 65 abends Venus in Konjunktion mit dem Monde.
- 15. 4% morgens Merkur in seiner größten östlichen Abweichung von der
Sonne 19° 42°,
- 15. 6 morgens Jupiter in Konjunktion mit dem Monde.
- 24. 2h morgens Mars in Konjunktion mit dem Monde.
- 28. 2h morgens Totale Sonnenfinsternis. In Europa unsichtbar.
- 29. 4h morgens Saturn in Konjunktion mit dem Monde.
- 29. 3h nachm. Merkur in Konjunktion mit dem Monde.
Der Komet 1886 I, der,am 1. Dezember 1885 in Paris von Fabry als schwacher Nebel
entdeckt worden ist und Anfang April um die Zeit seiner Sonnennähe mit einem 5 Grad langen
Schweif mit bloßem Auge zu sehen war, zeigte, wie Arthur Stentzel mitteilt, interessante Er-
— 14 —
scheinungen, die mit denen des Brooksschen Kometen 1889 V') zwar große Ähnlichkeit hatten, aber
auf ganz andere physikalische Ursachen zurückzuführen sind.
Dieses Gestirn ging am 6. April 1886 durch das Perihel und näherte sich nachher im nieder-
steigenden Knoten einem Punkte der Erdbahn bis auf 0,2 Erdbahnradien, den die Erde nur 2'/, Tage
vorber berührt hatte. Die Helligkeit des Kometen stieg deshalb zu dieser Zeit sehr bedeutend und
machte ihn zu einem sehr auffallenden Objekt. Der stark leuchtende Schweif zeigte zunächst, wie im
allgemeinen, überhaupt keine besondere Abweichung von der regelmäßigen Form und erschien auch
am Abend des 31. März durchaus normal (Fig. 1). Doch plötzlich, um 11" 15", bot er im Fern-
rohre einen höchst merkwürdigen Anblick dar: der Schweif erschien etwa bei zwei Drittel
seiner Länge völlig abgebrochen und setzte sich erst nach einer schwarzen Lücke wieder fort. Der
Himmel war während des ganzen Abends vollkommen sternenklar, und der Zufall wollte es, daß
unmittelbar neben der eigentümlichen Lücke ein ziemlich heller Stern stand (Fig. 2). Eine den
Schweif an der unterbrochenen Stelle verdeckende Masse, etwa ein Wolkenstreif, konnte also nicht
Komet 18861.
Gezeichnet von Arthur Stentzel.
Fig. 1. | Fig. 2. Fig. 3.
März 31, 11P 30%. März 31, 115 15™ bis 11" 20”. April 1, 8? 40” bis 9" 30™.
Sterndurchgang D 0™ bis 9" 1™. |
vorhanden sein, die Lücke war vielmehr reell. Indessen schon nach 5 Minuten, um 11" 20” war die
Unterbrechung verschwunden, der Schweif zeigte wieder sein vorheriges normales Aussehen (Fig. 1).
Noch sonderbarer war der Vorgang am folgenden Abend. Von 8° 40° bis 9" 30% erschien der
Schweif sogar in vier gesonderte Stücke getrennt: der Kopf besaß nur einen kurzen, sehr hellen
Schweifansatz, diesem folgte nach einer schwarzen Lücke ein etwa ebenso langes Schweifstück,
diesem ebenfalls nach einer Lücke ein kurzes matteres Stück, nnd nach einer dritten, der größten,
Lücke, schloß ein längliches Wölkchen den Schweif ab. Dadurch, daß dieses letzte offenbar nur der
einen Seite des Schweifes angehörte, während die andere dunkel blieb, erhielt der Schweif eine
stark gekrümmte Form, die in Wirklichkeit (als er wieder lückenlos erschien) nicht vorhanden war.
Daß es sich hier weder um eine subjektive Täuschung, noch um eine materielle Verdeckung
handelte, bewies ein Stern, der die erste Lücke in ungeschwächtem Glanze passierte (Fig. 3).
Stentzel führt diese Erscheinung auf das elektrische Verhalten der Schweifteilchen zurück
und vermutet in den Lücken indifferente Stellen, wie sie zwei- oder mehrpolige Magnete zeigen;
die lichtaussendenden (elektrisch schwingenden) Schweifteile wären dann gewissermaßen als „Folge-
pole“ aufzufassen.
1) Vergleiche Dr. F. S. Archenhold, Zur Wiederentdeckung des Kometen Brooks 1889 V.
„Das Weltall“, Jg. 11, S. 106.
— 17% —
Auf der Nordhalbkugel konnte der Komet nour bis zum 28. April beobachtet werden, auf der
südlichen Halbkugel sah man ihn vom 1. Mai an mit einem 9 Grad langen Schweif. Die letzte
Beobachtung gelang Finlay im Fernrohr am Kap der guten Hoffnung am 30. Juli 1886.
= š j F. S. A.
- Über die Bahn einiger spektroskopischer Doppelsterne finden wir in den Publikationen
des Allegheny Observatoriums der Universität zu Pittsburg (Vol. II No.5 bis 8) interessante Mit-
teilungen.
1. Der Stern 30 H. Ursae Majoris (Rekt. = 10°17’, Dekl. = + 66° 4‘), wurde im Jahre 1909
von Frank Schlesinger und Robert Baker als doppelt erkannt. Das Spektrum ist vom Typus A
und hat große Ähnlichkeit mit dem Spektrum der Wega. Es wurden 50 Spektrogramme, die mit
dem Mellon-Spektrographen in den Jahren 1908 bis 1910 auf den Lumiéreschen Sigmaplatten her-
gestellt waren, untersucht und zwar, die Calciumlinie 393,38 wu, die beiden Wasserstofflinien
410,19 pu und 434,06 uw und die Magnesiumlinie 448,14 uu. Die Platte wurde durchschnittlich, da
der Stern nur 5,1. Größe ist, 50 Minuten lang exponiert; man fand für die Periode des Umlaufs
des Doppelsternpaares 11,5832 Tage.
2. Die Duplizität der Spektrallinien des Sternes 57 Cygni (Rekt. = 20°50’, Dekl. = +44°0')
wurde im Jahre 1903 von Frost und Adams zuerst aufgefunden (Astrophysical Journal XVII S. 881).
Die Spektren gehören zum Typus B 3, sind einander sehr ähnlich und fast gleich hell. Es wurden
von Baker 30 Spektrogramme, die im Jahre 1909 auch mit dem Mellon-Spektrographen gemacht
waren, zur Messung benutzt und zwar drei Heliumlinien 402,64 uu, 438,81 uu und 447,17 uw; die
beiden Wasserstofflinien 410,19 uu und 434,06 uu und die Magnesiumlinie 448,14 uw. Es ergibt
sich eine Periode von nur 2,8546 Tagen. Es scheint so, als ob die Maße der beiden Sterne fast
gleich sind.
3. Baker hat auch den Stern t Aquilae (Rekt. = 20" 6‘, Dekl. = —1° 7‘), der schon früher
von Deslandres im Jahre 1901 beobachtet war (Bulletin astronomique XX S. 29), neu untersucht
umd eine Periode von 17,1245 Tagen festgestellt; jedoch scheint die Periode um 0,072 Tage jährlich
veränderlich zu sein. Da der Stern hell genug, ist auch später die Anwendung dreier Prismen
möglich, und da das Spektrum eine Reihe von feinen metallischen Linien enthält, so wird man über
dieses interessante Sternsystem bald noch näheres erfahren und die Widersprüche erklären, welche
sich zwischen den Deslandreschen und den Bakerschen Beobachtungen gezeigt haben, und so
feststellen können, ob die Periode in Wirklichkeit konstant oder veränderlich ist.
4. Der Stern m Andromedae ıRekt. = 0° 32’, Dekl. = +33° 10°) ist von F. C. Jordan
durch Ausmessungen von 111 Platten, die auch mit dem Mellon-Spektrographen von August 1907
bis Oktober 1909 gemacht worden sind, untersucht und eine Periode von 143,67 Tagen abgeleitet.
Die Veränderlichkeit des Spektrums wurde schon von Frost und Adams im Jahre 1903 entdeckt.
Das Spektrum gehört dem Typus B3 an und zeigt gut ausmeßbare scharfe Linien bis auf die
Wasserstofflinien.
Es konnten 11 Linien zur Ausmessung benutzt werden. 1 Calciumlinie = 393,37 uu, 6 Helium-
linien = 400,94 Du, 402,64 uw, 412,10 wu, 414,40 um, 438,81 pu, 447,16 wu, zwei Wasserstoff-
linien = 410,19 ww, 434,06 we, 1 Kohlenstofflinie = 426,74 wu und 1 Titaniumlinie = 448,15 uu
Von besonderem Interesse ist, daß dieser Doppelstern ein Heliumstern mit langer Periode ist.
In der Tabelle der Heliumsterne, die in dem 2. Katalog der spektroskopischen Doppelsterne
(Lick Observ., Bulletin S. 36) veröffentlicht ist, ist eine große Lücke zwischen den kurzen- und den
langperiodischen, denn die kürzesten der letzteren haben eine Periode von 117 Tagen, während die
kurzperiodischen Sterne alle unter 1 Monat Umlaufszeit haben. Außerdem ist es noch bemerkenswert,
daß die kurzperiodischen im Durchschnitt 8,38 Tage und eine Excentrizität von 0,19 haben. Die lang-
periodischen haben 147,1 Tage und eine Exzentrizität von 0,41, das heißt, die Abnahme der Fx-
zentrizität mit der Umlaufszeit ist deutlich zu erkennen.
Die Exzentrizität von æ Andromedae beträgt 0,58, und es zeigt sich hier auch wieder ein Wachsen
der Exzentrizität mit der langen Periode, Nur drei der Heliumsterne, deren Umlaufszeit gerade
zwischen 20 und 30 Tagen liegt, machen eine Ausnahme, ihre Exzentrizität ist noch größer und be-
trägt 0,61. Sollten noch andere Sterne aufgefunden werden, die bei ähnlicher Periode eine ebenso
hohe Exzentrizität zeigen, so dürfte sich eine besondere Untersuchung dieser Gruppen anempfehlen.
a e F. S. Archenhold.
*
Uber die eruptive Tätigkeit des Vesuvs im Monat Mai 1910 berichtet Prof. Alfano über
seine Beobachtungen vom Observatorium „Pio X“ in Valle di Pompei aus, wie folgt:
Mai 1. weißlicher Rauch aus dem südwestlichen und nordöstlichen Teile des Kraters. Mai 6.
und 7. viel Dampf im Innern des Kraters, namentlich im Südwesten. Mai 7. und 8. desgleichen; dazu
— 1% —
noch grauer Rauch im Nordosten. Mai 12. und 13. wenig Dampf aus dem Rande des Kraters. Mai
15., 16., 20, 23., 24., 29.—31. wenig weißer Dampf aus SW. Mai 22. dichter weißer Rauch im Krater.
Mai 25. viel schwärzlicher Rauch. Ganz frei von Dämpfen war der Berg bloß vom 17. -19. Mai.
Dagegen durch Wolkenbedeckung der Beobachtung entzogen am 2.—5., 10., 11., 14., 21. 27. und
28. Mai. * *
*
Das Technikum Mittweida ist ein unter Staatsaufsicht stehendes, höheres technisches Institut
zur Ausbildung von Elektro- und Maschinen-Ingenieuren, Technikern und Werkmeistern und zählt
jährlich ca. 2 bis 3000 Studierende. Der Unterricht sowohl in der Elektrotechnik als auch im
Maschinenbau wurde in den letzten Jahren erheblich erweitert und wird durch die reichhaltigen
Sammlungen, Laboratorien für Elektrotechnik und Maschinenbau, Werkstätten und Maschinenanlagen
usw. sehr wirksam unterstützt. Das Sommersemester beginnt am 20. April 1911, und es finden die
Aufnahmen für den am 30. März beginnenden, unentgeltlichen Vorkursus von Mitte März an wochen-
täglich statt. Ausführliches Programm mit Bericht wird kostenlos vom Sekretariat des Technikum
Mittweida (Königreich Sachsen) abgegeben In den mit der Anstalt verbundenen, ca. 3000 qm be-
baute Grundfläche umfassenden Lehr-Fabrikwerkstätten finden Praktikanten zur praktischen Aus-
bildung Aufnahme. Auf allen bisher beschickten Ausstellungen erhielten das Technikum Mittweida
bezw. seine Präzisions-Werkstätten hervorragende Auszeichnungen. Industrie- und Gewerbe-Aus-
stellung Plauen: die Ausstellungsmedaille der Stadt Plauen „für hervorragende Leistungen“. Industrie-
und Gewerbe-Ausstellung Leipzig: die Königl. Staatsmedaille „für hervorragende Leistungen im
technischen Unterrichtswesen“. Industrieausstellung Zwickau: die goldene Medaille „für hervor-
ragende Leistungen“. Internationale Weltausstellung Lüttich: den Prix d’honneur.
Zehnstündider astronomischer Vortraßscyklus:
Die Bewohnbarkeit der Welten.
Mit Lichtbilder n, Demonstrationen und praktischen Uebungen auf der Plattform der
Treptow - Sternwarte.
von Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow - Sternwarte.
Im neuen Hörsaal der Treptow - Sternwarte, Treptow bei Berlin, Alt- Treptow 1.
gw: Montags 9—10 Uhr abends. Beginn: 24. April. wg
Zwei kleinere Fernrohre stehen vor und nach dem Vortrage zur freien Verfügung.
Einleitung: Geschichte der Bewohnbarkeitsfrage.
Lebensbedingungen auf den Himmelskörpern.
Die Beschaffenheit der Sonne.
Merkur und Venus, Gleichheit von Tag und Nacht.
Dauer der Jahreszeiten auf dem Mars, Kanäle und Eisfelder.
. Jupiter und seine Monde.
. Jahreslänge auf dem Saturn, das Ringsystem, die 10 großen Monde.
. Uranus und Neptun, Oberfläche und Färbung.
Planetenartige Begleiter im Kosmos. Die Vielheit der Welten.
Praktische Übungen in der Beobachtung von Planeten und Aufsuchung der Sternbilder.
Die Hörerkarten sind schon zum ersten Vortrage mitzubringen und al als Aus-
weis vorsuseigen.
Hörgebühr für den sehnstiindigen Kursus 6 M., für Mitglieder, Studenten, Lehrer etc. 4,50 er
1A
ZEEFEEEEETR
H. A. in B. Auf Ihre Anfrage, welche Lehrbiicher in elementarer Weise in die Differential-
und Integralrechnung einführen, teilen wir Ihnen mit, daß in Betracht kommen: „Kurze Einleitung
in die Differential- und Integralrechnung“ von J. Fisher, Leipzig, 1904; „Gemeinverständliche erste
Einführung in die Höhere Mathematik“ von H. Leschanowsky, Wien, 1907; „Die Anfangsgründe
der Differential- und Integralrechnung’ von R. Schroeder, Leipzig, 1905.
Fur die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.B. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
DAS WE LALL
Herausgegeben von
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 12. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Zweites Marzheft),
Berlin-Treptow.
Diese Zeitschrift erscheint zweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Treplow-Siernwarte, Treplow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalten (Post-
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einzelne Nummer 60 Pie, — Anzeigen-Gebühren: 1 Seite 80.— MR., 1j} Seite 45.—
1, Seite 25.—, Lis Seite 15.—, Un Seite 8—. Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewicht.
INHALT
1. Neuere Untersuchungen über den chemischen Ursprung lelcgraphie. — Über das Erdbeben in Österreich im
verschiedener Linien im Sonnenspekirum und in Mai 1910. o.s‘ We OS Ae ee 190
Slernspektren. Von Dr. F. 8. Archenhold . . . . 177 | 5. Bücherschau: Eine neue Vulkan- und Weltent-
2. Das Aronsche Chromoskop. Von Dr. W. Haken . 182 stehungslheorie. — Spektroskopie von Dr. L. Grebe.
3. Die Mondslalionen. Von Prof. F. K. Ginzel (Schluß) 185 — Publikationen (vorin. Beobachtungen) der Kaiser-
4. Kleine Mitteilungen: Die Darstellung von melalli- lichen Universiläts-Sternwarle zu Jurjew (Dorpat) . 192
schen Radium. — Die Verbreitung der Funken-
Nachdruck verboten. — Auszügo nur mit genauor Quellenangabe gestattet.
Neuere Untersuchungen über den chemischen Grsprung Verschiedener
hinien im Sonnenspektrum und in Sternspektren.
Von Dr. F. S. Archenhold.
TD) Hauptassistent des „Solar Physics Observatory“, Baxandall, in South-
Kensington, das, von Sir Norman Lockyer schon seit vielen Jahren ge-
leitet, wertvolle Beiträge zur Sonnenphysik liefert, und um dessen Verlegung
aus London heraus sich ein großer Streit entwickelt hat, veröffentlicht unter
obigem Titel sechs verschiedene Untersuchungen, deren Hauptergebnisse wir
hier mitteilen wollen. Die benutzten Sternspektren und Laboratoriumsauf-
nahmen sind hauptsächlich von Butler gemacht, die Sternphotogramme rühren
von verschiedenen Mitgliedern des Observatoriums her.
Zuerst wird das Spektrum der Sonnenchromosphare und einiger Stern-
spektren mit dem der Sonnenflecke verglichen. Die Arbeit ist vor 7 Jahren in
Kensington begonnen worden. Inzwischen wurden auch auf der Mount Wilson-
Sternwarte ähnliche Untersuchungen angestellt, mit denen die Kensington-
Resultate jetzt verglichen werden können. Es sind insbesondere bei diesem
Vergleiche die Spektren von Capella und Arktur herangezogen worden.
Während das Spektrum der Capella dem Sonnenspektrum schr ähnlich ist,
sind im Spektrum von Arktur besonders Vanadium- und Titanlinien aufge-
funden worden, welche nur in dem Sonnenfleckenspektrum schr stark vorkommen.
Wir geben hier als Beispiel das Spektrum eines Sonnenfleckes im roten Teile
nach Hale und Adams wieder, in welchem besonders die Linie 7054,6 kräftig
hervortritt. Als Vergleich ist darunter das Titanspektrum im elcktrischen
Flammenbogen abgebildet; da in diesem die Linien hell sind, so ist eine nega-
tive Kopie abgedruckt. (Abb. 1.) Es hat sich weiter herausgestellt, daß dic
Dämpfe in den Sonnenflecken, in der Sonnenphotosphäre und in der
absorbierenden Atmosphäre des Arkturs sich fast unter gleichen Be-
— 17% —
dingungen der Temperatur und elektrischen Ladung vorfinden. Der Ver-
gleich des Spektrums der Sonne selbst mit der Capella ergab, daß in
den Temperaturverhältnissen der absorbierenden Dämpfe dieser: beiden
Körper nur sehr geringe Unterschiede vorhanden sein können. Die starken
Eisenlinien von 4045 bis 4072 und zwischen 4383 und +4415 sind in Capella
ein wenig schmaler als in der Sonne, woraus geschlossen werden kann, daß
die Temperatur der Capella etwas höher sein muß, als die der Sonne. Dic
Intensitätsänderungen einiger anderer Linien weisen auch darauf hin, daß die
Capella ein wenig heißer als die Sonne ist. Es sind besonders die Scandium
und Proto-Titanlinien, welche bei Capella etwas stärker entwickelt sind. Wir
geben hier die Spektren von Sonne, Capella und gleichzeitig von Procyon,
yCygni, Arktur und Beteigeuze nach Huggins wieder (Abb. 2). Aus
dem Studium des Arkturspektrums von Baxandall') sowohl wie von Adams
hat sich in übereinstimmender Weise ergeben, daß erstens die stärkeren Linien
in den Sonnenflecken auch im Arkturspektrum stärker auftreten und zweitens,
daß die Linien des Vanadiums und Titans sich immer unter den am meisten
verstärkten Linien vorfinden. Drittens stellte sich heraus, daß die Temperatur
Abb. 1.
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7054,6 7088,0 7125.9
Die Titanbanden im roten Teile des Spektrums der Sonnenflecken (oben)
und des elektrischen Flammenbogens (unten).
von Arktur niedriger als die der Sonnc ist. Mit steigender Temperatur werden
die Eisenlinien schwächer und die Wasserstofflinien stärker in den Stern-
spektren. Es zeigt sich, daß im Arktur die Eisenlinie 4326 deutlich stärker
als die Wasserstofflinie Hy ist, und umgekehrt in der Sonne die Wasserstoff-
linie Hy die stärkere ist. Weiter hat der Vergleich ergeben, daß die absor-
bierenden Dämpfe in dem Kern der Sonnenflecken annähernd sich unter den-
selben Temperaturbedingungen befinden müssen, wie die absorbierenden Dämpfe
der Arkturhülle. Hieraus kann weiter geschlossen werden, daß, wie schon
gezeigt, die Temperatur des Arkturs niedriger als die unserer Sonne ist und
daß auch die Dämpfe der Sonnenflecken niedriger als ihre Umgebung sind
und daß es somit auch wahrscheinlich ist, daß auf dem Arktur die Flecken
') Vgl. Baxandall: „Researches on the chemical origin of various lines in solar and stellar
spectra“; Hale, Adams und Gale. „Preliminary paper on the cause of the characteristic pheno-
mena of sun-spot spectra‘. Astrophys. Journal Bd. 24, Seite 185. („Second paper . .“ Bd. 25. Seite 15.)
Adams: „Sun-spot lines in the spectrum of Arcturus“. Astrophys. Journal Bd. 24, Seite 69.
Adams: „Preliminary catalogue of lines affected in sun-spots“. Astrophys. Journal Bd. 27. Seite 45.
— 19 —
viel zahlreicher vorkommen als auf unserer Sonne. Den Unterschied des
Spektrums der Sonne und eines Fleckes in der Region der b-Linien zeigt uns
Abbildung 3
Weiter ist wohl anzunehmen, daß die Capella, welche im Augenblicke eine
höhere Temperatur als die Sonne hat, auch weniger Flecke zeigen wird.
Werden noch die Spektren der kälteren Sterne, Secchis 3. und 4. Klasse, (die
dem Antares und der Fischgruppe der Kensington-Einteilung entsprechen) zum
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Die Spektren von Sonne, Procyon, y Cygni, Capella, Arktur und Beteigeuze.
Vergleich herangezogen, insbesondere das Spektrum von «Orionis, welches
Pickering tabuliert hat, so stellt sich heraus, daß unter 79 Linien 45 dem
Eisen, 25 dem Titan, 13 dem Chrom und 9 dem Vanadium zugehören und dai
infolgedessen der Stern, der den Namen Beteigeuze trägt, weit fleckenreicher
sein muß als Arktur. Die Zunahme der Absorptionslinien bei dem Stern-
spektrum von u Geminorum, Typus 3, bis zum Spektrum des Sternes 132 Schjelle-
rup, Typus 4, ist verhältnismäßig geringer als vom Sonnen- zum Arktur-
spektrum. (Vgl. Abb. 4) Schon früher wurde gezeigt, daß das Spektrum
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Sonne
Capella
— 180 —
der Chromosphäre der Sonne schr stark den Sternspektren yCygni und Procyon
ähnelt, hauptsächlich inbezug auf die metallischen Linien.
Unter den heißeren Sternen nimmt eUrsae Majoris eine besondere Stellung
ein. Beim Vergleiche seines Spektrums mit dem des Sirius stellte sich heraus,
daß die Linien des Protochroms im Spektrums von ¿Ursae Majoris deutlicher hervor-
traten als in dem irgend eines anderen Sterns, woraus aber noch nicht geschlossen
werden darf, daß die Atmosphäre mehr Chromdämpfe enthält als die andern
Sternatmosphären, sondern daß vielleicht der spezielle Temperatur- oder elek-
trische Zustand des Dampfes in eUrsae Majoris dies Auftreten des Protochroms
mehr begünstigt als der anderer Sterne.
Das Auftreten von Stickstofflinien in den Sternspektren ist bereits im
Jahre 1899 im Kensington-Laboratorium bei ¿Orionis entdeckt worden. Die
stärksten Linien des Stickstoffs bei 3395 und 4631 treten in Sternen auf, welche
ungefähr die Temperatur des hellsten Sterns im Kreuz, « Crucis, besitzen. Sie
sind auch mit Sicherheit im Spektrum des Rigel und in ¢Orions nachgewiesen.)
Abb. 3.
5134 5151 b, bp b, b,
| | | | | |
|
| | |
Das Spektrum der Sonne und eines Sonnenfleckes in der Region der b-Linien.
Sir David Gill hat im Jahre 1899?) festgestellt, daß in dem Spektrum von
£Crucis die stärkeren Sauerstofflinien auftreten, zum mindesten die zwischen
4250 und 4575, ohne jedoch die Stickstofflinien, die zweifelsohne in diesem
Sterne auch vorkommen, aufzufinden. Schon vorher hatte Sir William
Huggins das Vorhandensein von Sauerstoff in den Sternen entdeckt; be-
sonders in den Heliumsternen Bellatrix und Rigel, und zugleich erkannt,
daß die in diesen Sternen vorkommende Linie 3905 auf das Vorhandensein
von Stickstoff zurückzuführen ist. In Kensington sind dann noch im Bellatrix-
spektrum die Linien 4237, 4242 und 4631 als Stickstoff erkannt worden. Eine
ausführliche Tabelle gibt alle die Stickstofflinien wieder, welche in £, y, x, ¢, §
und : Orions aufgefunden sind. Einige dieser Stickstofflinien sind verhältnis-
mäßig scharf, andere wieder stark verschwommen. Es ist von besonderem
Interesse, daß die Schärfe und Verschwommenheit im Laboratorium in gleicher
Weise auftritt wie in den Sternspektren.
1) „On the Order of Appearance of Chemical Substances at different Stellar Temperatures“.
Roy. Soc. Proc., Bd. 64, Seite 39s.
2) „On the Presence of Oxygen in the Atmospheres of certain Fixed Stars“. Roy. Soc. Proc.
Bd. 65, Seite 203.
Sonne
Sunnen-
fleck
— 181 —
Baxandall gibt zum Schluß noch eine wertvolle Tabelle aller scharfen
Linien in den Sternspektren, welche sich für die so wichtigen Geschwindig-
keitsmessungen besonders gut eignen. Eine andere Tabelle enthält alle am
Himmel aufgefundenen Linien, welche bisher noch nicht mit Sicherheit mit ir-
dischen Elementen identifiziert werden konnten. Alle Spektroskopiker, welche
die Spektren seltener Elemente im Laboratorium untersuchen, sollten in diese
Tabelle Einsicht nehmen, um sich zu vergewissern, ob nicht vielleicht einige
der noch unbekannten Linien in den Sternspektren mit den von ihnen gefundenen
Linien identisch sind. Die Wellenlängen der unbekannten Linien liegen
zwischen 3860 und 5304 und finden sich hauptsächlich im Spektrum von Dencb,
e Ursae Majoris, «Orionis, «Andromedae, © Aurigae, ¢Puppis und in unserer
Sonne.
Sonne
(Klasse Il)
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Das Spektrum der Sonne (Klasse II).und der ‚Sterne;“# Geminorum (Klasse II)
und 132 Schjellerup (Klasse IV).
Niemand konnte annehmen, daß die spektrale Zerlegung des Lichtes uns
so wichtige Einblicke in die Natur der Gestirne verschaffen würde. Freilich
müssen die Spektrogramme der schwachen Sterne selbst in den lichtstärksten
Fernrohren oft mehrere Nächte hintereinander auf die Platte wirken, um uns
die chemische Beschaffenheit der Lichtquelle zu verraten. Manche Aufnahmen
brauchen eine 24stündige Expositionszeit. Besonders interessant sind die
früher unerklärt gebliebenen Abweichungen im Aussehen der Spektren. (Über
die verschiedenen Arten der Sternspektren sind unsere Leser in einem früheren
Artikel von mir im „Weltall“, Jg. 11, Seite 130 orientiert worden.) So erschien
der helle Spektralgrund des Stern Pegasi nicht gleichmäßig hell, was jetzt
dadurch erklärt werden kann, daß ePegasi noch ein unfertiger Stern in gasartigem
Zustande ist der in der Mitte des Spektrums breite Emissionsbänder einer
heißeren Region zeigt, über welche sich breite Absorptionsstreifen der kühleren
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— 182 —
Außengebiete lagern. Auch können Wirbel, die im Innern dieses Gestirns auf-
treten, dem Spektrum einen unbestimmten Charakter geben.
Exner und Haschek haben beim Arktur und Pollux die vermeintliche
Calciumlinie als eine kräftige Linie des seltenen Elementes Europium erkannt
und Sir Norman Lockyer hat das Auftreten des Schwefels im Spektrum des
Rigel zum ersten Male in einem Gestirnsspektrum festgestellt. Neuerdings
hat Nordmann durch photometrische Vergleichung der Spektren bei vielen
Sternen die Temperatur bestimmt; so beim Polarstern auf 8200°, beim Algol
auf 13 300°, beim Stern A im Stier auf über 40000° Fast alle in den letzten
Jahren im Laboratorium entdeckten neuen Elemente können auch in den
Spektren der Sterne nachgewiesen werden, wodurch die Annahme, daß die
Materie, welche zum Aufbau der vielen Millionen Sonnen im Weltall benutzt
worden ist, auch das Material für die Zusammensetzung unserer Sonne und
ihrer Planeten abgegeben hat, zur Gewißheit wird.
Das Aronsche Chromoskop.
FR eranntticn gibt die Zerlegung des Lichts durch ein Glasprisma darüber
Aufschluß, daß fast jeder Körper mit Farben leuchtet, die durchaus nicht
im physikalischen Sinne homogen sind, sondern sich in Wirklichkeit aus ciner
größeren oder kleineren Zahl von Grundfarben zusammensetzen. So wird das
uns weiß erscheinende Tageslicht durch das Prisma in ein farbiges Band auf-
gelöst, das sämtliche Spektralfarben in kontinuierlichem Übergang von Rot bis
Violett enthält. Durch die Spektroskopie ist es möglich geworden, sich in
diesem Bereich der Spektralfarben mit außerordentlicher Genauigkeit zu orien-
tieren; denn jeder einzelnen Spektralfarbe entspricht ja cine ganz bestimmte
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Fig. 1
Wellenlänge, beispielsweise kommt der Linie B eine Wellenlänge von
0,000 687 mm, der Linie E, eine solche von 0,000 527, der Linie F die von
0,000 486, der Linie H die von 0,000 397 mm zu. Aus Fig. 1 ist die Lage dieser
Linien im Spektrum ersichtlich, ihre Bezeichnung stammt von Frauenhofer
her. Wenn es nun auf diesem Wege möglich geworden ist, jedes der achtzig
Grundelemente durch das Auftreten einer oder mehrerer charakteristischer
Linien im Spektralapparat mit aller Sicherheit sowohl einzeln als auch in den
Verbindungen zu erkennen, so hat es andererseits ein großes praktisches
Interesse für viele Zweige der Industrie, ein genaues Maß für die zahlreichen
Mischfarben zu besitzen, die man nun durch die Kombination der Spektral-
farben hervorrufen kann und den betreffenden Farbenton stets mit möglichster
Genauigkeit zu reproduzieren. Die Möglichkeit der Konstruktion eines solchen
Apparats ergibt sich durch die Färbung, die Plattchen aus Gips oder Quarz im
— 183 —
polarisierten Licht zeigen. Das linear polarisierte Licht, das hier allein in Be-
tracht kommt, unterscheidet sich von dem natürlichen dadurch, daß die Schwin-
gungen in einer bestimmten Richtung senkrecht zum Lichtstrahl vor sich
gehen, während im natürlichen Licht keine Richtung bevorzugt ist. Diesen
Unterschied kann man etwa durch
Fig. 2 veranschaulichen. Bei linear 4
polarisiertem Licht erfolgen die Schwin-
gungen stets in der Richtung a—b —
der betreffende Lichtstrahl geht durch
o senkrecht zur Zeichnungsebene —
andere Schwingungen sind unmöglich,
während im natürlichen Licht diese
Schwingungen gleichmäßig nach allen
Richtungen erfolgen. Es ist nun durch
verschiedene Versuchsanordnungen mög- Fiat.
lich, aus natirlichem Licht linear pola- I
risiertes herzustellen, unter anderm auch Linear pola- Natürliches Licht.
> : risiertes Licht.
durch Verwendung gewisser Krystalle.
Diese Krystalle, von denen sich der Kalkspat am besten zu diesen Zwecken
eignet, besitzen die Eigenschaft, das auffallende Licht nicht gleichmäßig hin-
durchzulassen, sondern nur solches, dessen Schwingungen in einer bestimmten,
ausgezeichneten Ebene und einer zu dieser senkrecht stehenden erfolgen.
Man kann bewirken, daß nur das Licht einer dieser beiden Schwingungsrich-
tungen zur Geltung kommt und hat dann lincar polarisiertes Licht hergestellt.
Zwei derartige Krystalle lassen sich in der Weise verwenden, daß man den
einen zur Polarisation des Lichts benutzt, den andern dagegen zur Unter-
suchung des Schwingungsunterschiedes des austretenden Lichtes. Denn werden
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Fig. 4,
beide Krystalle so orientiert, daß die betreffenden Schwingungsebenen des
Lichts parallel stehen, so wird das aus dem ersten Krystall austretende linear
polarisierte Licht auch den zweiten ungeschwächt durchsetzen, dagegen von
dem zweiten Krystall nicht mehr hindurchgelassen werden, wenn die be-
treffenden Ebenen aufeinander senkrecht stehen. Dreht man also das in Fig. 3
mit A bezeichnete Prisma aus der parallelen Stellung um einem rechten Winkel,
so wird uns das Gesichtsfeld völlig dunkel erscheinen, dreht man weiter, so
— 184 —
hellt es sich wieder auf, erreicht bei abermals 90° maximale Helligkeit, ver-
dunkelt sich dann wieder bis zur nächsten Drehung um 90°, hellt sich wieder
auf usw. Der Quarz besitzt nun die eigentümliche Eigenschaft, unter der Ein-
wirkung solchen linear polarisierten zusammengesetzten Lichts ganz bestimmte
Färbungen hervorzurufen, und zwar ist diese Färbung abhängig von der
Stellung der Schwingungsebene des Polarisators zu der des Analysators. Bei
Anwendung weißen Lichts ergeben sich z.B. nach Biots Messungen die Farben
Rot Orange Gelb Grün — Blau Indigo Violett
für den Winkel 15,30° 17,24 24° 28° 33% 38° 41°
zwischen diesen beiden Ebenen für eine
Quarzplatte von 1 mm Dicke. Es würde zu
weit führen, auf die Theorie dieser. Er-
scheinung näher einzugehen, nur soviel sei
bemerkt, daß die auftretenden Farbentöne
außer von dem Winkel, den die Schwingungs-
cbene der beiden Krystalle mit einander
bilden, noch von der Dicke der benutzten
Quarzplatte abhängen. Diese Eigenschaft des
Quarzes hat nun Arons zur Konstruktion
eines Chromoskops benutzt. Das Prinzip der
Anordnung besteht darin, daß er Quarzplatten
verschiedener, genau bekannter Dicke in
den Strahlengang zwischen Analysator und
Polarisator, Fig. 4, einschaltet. Durch An-
wendung von scchs Quarzplatten von der
Dicke !/, Y., 1, 2, 4 und 8 mm lassen sich dann durch Ubereinanderlegen die
denkbar reichhaltigsten Farbennüancen herstellen, die sich nun durch zwei Be-
stimmungsstärken, nämlich die Dicke
des verwandten Plattensatzes und den
Winkel des Analysators, mit völliger Ge-
nauigkeit festlegen lassen. Eine Dar-
stellung der Erscheinung für 6 mm
Quarzdicke gibt Fig. 5. An der Peri-
pherie des Kreises sind die Winkel für
die verschiedenen Lagen des Analy-
satorwinkels von 10 zu 10° aufgetragen.
Die charakteristischen Grenzen der ein-
zelnen Farben liegen zwischen den
Frauenhoferschen Linien A bis H, wie
die Figur ebenfalls zeigt, die entsprechen-
den Farben sind zwischen ihnen zur
Orientierung eingetragen. Die in den
inneren Kreis eingezeichnete Doppel-
kurve stellt eine Schablone dar, die die
Stärke der einzelnen Farbenanteile in
- den entsprechenden Sektoren cr-
kennen läßt.
Fig. 6 zeigt eine Ansicht des Appa-
rats, auf dessen konstruktive Einzel-
— 18 —
heiten hier nicht näher eingegangen werden kann. Das obere Ende trägt den
Polarisator; hinter diesem lassen sich durch Einschieben der in der Figur her-
vortretenden Messingplatten — scitlich von dem rechteckigen Kasten — dic ver-
schicdenen Quarzdicken herstellen; am unteren Ende sitzt das Analysator-Nikol,
dessen Stellung sich auf der Kreisteilung ablesen läßt.
Die Farben im Chromoskop sind natirlich bedingt durch die zur Be-
leuchtung dienende Lichtquelle: sie werden sich beispielsweise im Quccksilber-
licht ganz anders ergeben als in diffusem Tageslicht. Eine Übersicht über das
ganze Gebiet der unzähligen Farbennüancen zu geben, ist naturgemäß sehr
schwierig. Nur so viel sei erwähnt, daß sich bei jeder Quarzplattendicke eine
ganz besonders auffällige Farbenänderung von einer bläulichen zu einer röt-
lichen Nüance zeigt, der natürlich ein charakterischer ,Analysator-Winkel* ent-
spricht; diesen wird man dann zweckmäßig zum Ausgang der weiteren Unter-
suchung wählen. f
Es liegt auf der Hand, daß dieser Apparat für die mannigfachen Zwecke
des Kunstgewerbes von großer Bedeutung ist, da man jeden nur denkbaren
Farbenton durch Angabe der Quarzplattendicke und des Analysatorwinkels „ab-
solut“ festlegen kann. Erforderlich ist allerdings noch, eine zweckmäßige Uber-
sicht der einzelnen Farbenabstufungen zu geben und vor allem eine geeignete
Auswahl der wichtigsten und ihrer Bezeichnung. Es wäre außcrordentlich
wünschenswert, daß Maler und Theoretiker des Kunstgewerbes sich der Lösung
dieser Aufgabe unterziehen; dann wäre durch das Chromoskop diesem Mangel,
der sich bisher auf vielen Gebieten, nicht allein denen der Farbenindustrie,
empfindlich fühlbar gemacht hat, völlige Abhilfe geschaffen.
3e
Die Mondstationen.
Von Prof. F. K. Ginzel.
(SchluB.)
Dr. W. Haken.
VE auf einige Abweichungen der drei Systeme gegen einander sei aufmerk-
sam gemacht. Die arabischen Stationen liegen, wie schon betont, ziemlich
konsequent längs der Ekliptik, dem ungefähren Wege des Mondes (s. Karte Fig. 1);
eine Ausnahme machen nur (26) erster fargh, (27) zweiter fargh und (28) al-hüt,
welche auf dem Aquator liegen; diese Abweichung haben sie aber mit den
indischen XXIV, NAV und dem chinesischen 15. kuei gemeinsam. Die indischen
nakshatra weisen mehrere völlig selbständige Anordnungen auf. Vor allem die
Einbeziehung von Arktur (XIM sväti) und Wega (XX abhijit), zwei weit vom
Mondwege abgelegenen Sternbildern, in die Mondstationen: bei abhijit ist die
Aufnahme noch halbweg erklärlich, da diese Station eben später in die 27-Reihe
eingeschoben wurde, um 28 Glieder zu erhalten: auch der Name des Regenten
von abhijit, nämlich brahman, deutet auf spätere Zutat, da die Namen der
übrigen nakshatra-Regenten viel älteren Ursprungs sind. Die Lage von XXVI re-
vati (¢Piscium) ist insofern erklärlich, da dieser kleine Stern für die altindische
Astronomie von Bedeutung war: denn yon diesem Punkte aus wurden die
Längen der Planeten gerechnet und ein neues Zeitalter begann, als die Sonne
dort den Frühlingspunkt inne hatte. Daß man den vom Mondwege ziemlich
entfernten Orion (s. Karte, unten links) unter die Mondhäuser brachte, und
XXVIII XXVII
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Fig. 2. Personifizierung der 27 nakshatra
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nach Darstellungen auf Ceylon.
— 188 —
zwar dic Inder den Kopf des Orion, die Chinesen aber das ganze Sternbild
(21.ts’en), hat wahrscheinlich in mythologischen Begriffen seine Ursache: Orion
war bei diesen Völkern der „gewaltige Jäger“, der „große Krieger“; cin solcher
Herr mußte auch seinen Platz bekommen. Auffällig weit von der Ekliptik
schweifen verschiedene chinesische Stationen ab, welche deutlich auf das Be-
streben hinweisen, ihr System auf den Aquator zu gründen. Dies gilt namentlich
von den sicu 24 lieu, 25 sing, 26 tschang und 27 yi, welche zur Zeit der Han-
Dynastie (1. oder 2. Jahrh. v. Chr.), der vermutlichen Epoche der Organisation
der chinesischen Mondhäuser, ganz auf dem Aquator lagen (gegenwärtig liegen
sie beträchtlich südlich vom letzteren). Eine solche Vergleichung der Varianten,
von welcher hier nur Andeutungen gegeben werden können, ist auch Bedingung
bei den Untersuchungen über die Prioritätsfrage, natürlich nur dann, wenn
diese mit dem nötigen Rüstzeug der zeitrechnerischen, astrologischen und
mythologischen Kenntnis und nicht zuletzt der sprachlichen begonnen wird.
Daß man dabei leicht auf eine schiefe Ebene rutschen kann, zeigt der in
neuester Zeit von L. de Saussure unternommene Versuch, den chinesischen
sieu wieder die Priorität unter den Mondstationen zuwenden zu wollen; diese
Hypothese ist als unmöglich von H. Oldenberg abgelehnt worden.
Bei keinem Volke haben die Mondhäuser solchen Einfluß sowohl auf den
Kalender wie auf das Privatleben gewonnen wie bei den Indern. Die Grihya-
Sütra (die Hausregeln der alten Vedaschriften) geben schon allerlei Anweisungen,
wie man sich den Wirkungen des Mondes auf seinem Wege gegenüber zu ver-
halten habe. Unter einem bösen nakshatra geboren worden zu sein, ist eine
schlimme Sache; daher muß allmonatlich nach der Geburt eines Sprößlings ein
Gebet mit Opfer an die einzelnen nakshatra gerichtet werden, bis alle Mond-
stationen angefleht worden sind. Die erste Namengebung des Knaben muß mit
Beziehung auf die nakshatra gewählt werden, bis das Kind seinen öffentlichen,
mit Zustimmung der Priester erteilten Namen bekommt. Hochzeiten sollen
unter günstigen nakshatra, wie im Nill svati, bei bestimmten Vollmonden ab-
gehalten werden. Der Totenfeier sind jene Mondstationen günstig, die den
Vorfahren heilig sind, wie XllIsväti und XII chitra. Der Beginn des Studiums
der heiligen Vedabücher soll anfangs der Regenzeit, wenn die Stationen XI hasta
oder XXI sravana eintreten, stattfinden. Der Anfang der Felderbestellung, die
Grundsteinlegung eines Hauses, der Antritt einer Kasteiung, sogar das Haar-
schneiden sind an bestimmte nakshatra geknüpft. Als günstige Stationen gelten
im allgemeinen die ersten 14, d.h. in die „lichte“ Hälfte des Monats (vom Neu-
monde bis zum Vollmonde) fallenden, jedoch stehen darunter auch einige un-
günstige. Jedes nakshatra hat seinen besonderen Einfluß, namentlich je nach
seiner zeitlichen Stellung am Himmel. Ein glückverheißendes Mondhaus ist
z. B. Hrohini; durch dieses wird man reich an Geld und Gut und an Nach-
kommenschaft usw. Die nakshatra haben auch ihr Geschlecht: zum größten
Teile sind sie weiblich, entsprechend der Legende, daß sie die Frauen des
Mondes vorstellen; jedoch finden sich etwa 5 männliche und neutrale darunter.
Jedes Mondhaus hat seinen Regenten: I. krittika den Regenten der heiligen
Feuer, Il. rohini den Oberherrn aller Wesen, prajapati, III. mrigasiras den
Saft der heiligen Somapflanze (zu den Mondopfern) u. s. f£ Diese alten An-
schauungen haben sich im Laufe der Zeit vielfach gewandelt, bestehen aber
im Prinzipe noch fort. Auch die Personifizierung der nakshatra, die Art der
den einzelnen zugedachten Embleme usw. ist eine andere geworden. Fig. 2
— 189 —
zeigt die Personifizierung der 27 nakshatra, wie sie (aus mittelalterlicher Zcit)
in Tempeln auf Ceylon vorkommt. Die Reihe beginnt, wie man sieht, mit
äsvini (XXVII), läuft oben bis XI, dann unten bis XXVI zurück: das später
von den Indern eingeschobene Mondhaus abhijit (XX) fehlt in der Reihe. Jeder
Regent hat als Emblem ein Tier zur Begleitung. Bei Vlläsleshä sicht man,
daß. dasselbe noch ganz unter der alten Anschauung
personifiziert ist: der Regent war die Schlange, darum
erscheint im Bilde der Gott mit einer Schlange.
Wie anderwärts personifiziert wurde, davon gibt
Fig. 3 eine Vorstellung; dort ist aus einer nakshatra-
Reihe in einer siwaitischen Pagode von Trichinopoly
der böse Genius XXIII satabhishaj mit Stute und
Rabe hervorgehoben. Eine Personifizierung durch die
Tiere allein zeigt Fig. 4, ein Hinduzodiakus aus Choultry
(Südosiküste Indiens). Die 28 Mondhäuser laufen dort
Fig. 3.
Das nakshitra XXIII in einer
Pagode von Trichinopoly.
in der äußeren Reihe der Vierecke herum, die innere Reihe von 12 Vierecken
stellt den Zodiakus (die 12 Tierkreiszeichen) dar, die 8 geometrischen Figuren
Oo — SE — —
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Fig. 4. Hindu-Zodiakus Choultry.
— 1% — -
mit den Wagen sind die 6 Planeten und die beiden Mondknoten rahu und ketu
(in welchen Pankten die letztgenannten Damone lauern, um Sonne oder Mond
bei Sonnen- resp. Mondfinsternissen zu verschlingen). — Man würde aber fehl
gehen mit der Annahme, daß die nakshatra bloß eine solche astrologische
Spielerei abgeben. Vielmehr bilden sie in der Hinduzeitrechnung ein so wich-
tiges Glied wie in unserm Kalender das Datum oder die Woche Wie wichtig
sie sind, geht schon daraus hervor, daß aus den 28 Namen der Stationen die
Namen der Monate des indischen Jahres ausgewählt worden sind: chaitra, vai-
sakha, jyeshtha, ashadha usw. Ferner hat man die Jahre des sog. 12jährigen
Jupiterzyklus — einer Periode, nach der datiert wird — nach nakshatra-Namen
benannt. Die indischen astronomischen Werke lehren in umständlicher Weise
die Zeit des Mondeintritts in die nakshatra zu berechnen und bei öffentlichen
Akten, Schenkungen, Verträgen usw. wird die Datierung nach nakshatras be-
nützt. Es heißt z. B., daß eine Schenkung im 155. Jahre der Sri-Harsha-Ara
(761 n. Chr.) bei einem bestimmten tithi,!) unter dem Mondhause rohini, in der
dunklen Hälfte des Monats äshädha stattgefunden habe. Man sicht daraus, daß
die indische Art, ein Datum auszudrücken, zwar umständlicher, aber eigentlich
genauer ist als unsere. — Die Chinesen benützen ihre sieu in ähnlicher, wenn
auch bei weitem nicht in so systematischer Weise bei der Angabe von Er-
eignissen. Im Heu-han-schu heißt es z. B. betreff der Sonnenfinsternis vom
30. April 40 n. Chr., es sei „im Gemache der untergehenden Sonne bei 7 Grad‘
gewesen, das ist in der Station 18 mao (Plejaden). Um 40 n. Chr. stand die
Station mao bei 29° Rektaszension, also die Sonne (7° entfernt) bei 36° Die
Nachrechnung mit modernen Sonnentafeln gibt 35° Rektaszension. — Bei den
Arabern sind die Mondstationen kein Aggregat der Zeitrechnung geworden.
Aber sie wurden im Volke wenigstens zu rohen Bestimmungen (die vormoham-
medanische Zeitrechnung war sehr primitiv) benützt. Um die Zeit von Hand-
lungen zu erkennen, die an ein und dieselbe Jahreszeit gebunden waren, achtete
man auf die jährliche Rückkehr der Sternbilder und auf die Auf- und Unter-
gänge gewisser Mondstationen.
Die Darstellung von metallischem Radium ist Frau Curie und ihrem treuen Mitarbeiter
Debierne auf elektrischem Wege gelungen. Das so merkwürdige Element Radium kannte man bisher
nur in seinen Verbindungen mit Chlor oder Brom. Nach einem Vortrage. den Mme. Curie auf dem
internationalen Kongresse für Radiologie und Elektrizität zu Brüssel gehalten hat, wurde zur Ab-
scheidung des metallischen Radiums eine reine Radiumchloridlösung, als Kathode (Quecksilber, als
Anode Platiniridium angewendet.
Das so gewonnene Amalgam zersetzt sehr heftig Wasser. Es wurde getrocknet und das Queck-
silber, zur Vermeidung von Oxydation, in cinem Wasserstoffstrome aus dem Amalgam abdestilliert.
Der Druck des Wasserstoffes mußte höher sein als jener des gesättigten Quecksilberdampfes, auch
war ein besonderes Verfahren zur Herstellung des Wasserstoffes nötig, "nachdem der durch die ge-
wöhnlichen Methoden gewonnene Wasserdampf das Amalgam und das Metall angreift.
Die Destillation wurde sehr langsam durchgeführt. Die Hauptmenge des Quecksilbers destillierte
bei 270° C. über, wobei das anfangs flüssige Amalgam fest wurde, um bei weiterer Erhöhung der
1) tithi ist der dreibigste Teit der Zeit zwischen den Eintritten zweier Neumonde. Ihre Be-
rechnung bildet einen wichtigen Teil bei der Datierung resp. beim Entwurfe des Kalenders.
— 191 —
Temperatur auf 700° C. wieder zu schmeizen; das Metall begann sich sodann zu verflüchtigen und
die Quarzrohrwände anzugreifen. In dem Schiffchen, in welchen: das Amalgam in die Quarzröhre
eingebracht werden war, befand sich fast reines Radium von glänzendem metallischen Aussehen.
An der Luft wird das Radiummetall schwarz, es zersetzt Wasser sehr kräftig.
Die Destillation war aus einem reinen, vorher in Wasserstoff reduzierten Eisenschiffchen vor-
genommen worden. Das metallische Radium haftete sehr fest an dem Eisen und mußte mit einem
kleinen Meißel von diesem abgetrennt werden. Auf weißem Papier erzeugte das Radium einen
schwarzen Fleck; es besitzt die seiner Menge entsprechende Radioaktivität.
E. Ebler gelang die Darstellung des Metallischen Radiums jetzt noch auf anderm Wege.
Er benutzte die Stickstoffwasserstoffsäure, die mit den Erdalkalien Salze bildet, die beim Erhitzen
in Metall und Stickstoff zerfallen. 9P%oiges Radium - Bariumbromid wurde in stickstoffwasser-
stoffsaures Salz umgewandelt, aus dem sich bei 180-250 Grad die Metalle Barium und Radium
ausschieden. |
Für die Messung der Radioaktivität überhaupt wurde kürzlich von Rutherford vorgeschlagen.
ein internationales radioaktives Einheitsmaß festzustellen; für dieses kam der Name Curie in
Betracht. F. S. A.
* : *
*
Die Verbreitung der Funkentelegraphie hat ein Bericht zum Gegenstande der Erörte-
rungen, den das Internationale Bureau der Telegraphenverwaltungen in Bern vor kurzem heraus-
gegeben hat. Bis zum 15. März 1910 sind über 1000 Funkentelegraphenanlagen aufgeführt worden,
von denen auf Großbritannien 311, Deutschland 279, Frankreich 167, Italien 36, Holland 20.
Schweden 27, Österreich und Brasilien je 23, Dänemark 21, Japan und Norwegen je 17, Rußland 13,
Belgien 11, Chile 10, Spanien 7, Rumänien 6, Portugal 5, Mexiko und Westindien je 4 usw. ent-
fallen. Die größte Verbreitung hat dabei das deutsche Telefunkensystem mit 327 Anlagen. Es
folgen Marconi mit 233, das englische System Lodge mit 15, das französische Rochfort mit 4 An-
lagen, während 398 Anlagen aus unbekannten oder verschiedenen Systemen aufgeführt werden. Die
vom Internationalen Bureau der Telegraphenverwaltungen herausgegebene Übersicht ist aber nicht
vollständig, denn es fehlen insonderheit die Vereinigten Staaten von Amerika — dort ist die Funken-
telegraphie außerordehtlich stark verbreitet — sowie sämtliche Militär- und Marineanlagen. Allein
die Deutsche Telefunkengesellschaft hat schon 196 feste Landanlagen, 410 Anlagen für Kriegs-
schiffe, 31 für Handelsschiffe, 63 fahrbare und 37 tragbare Militäranlagen geliefert.
* *
x
Uber Erdbeben in Osterreich im Mai 1910 berichtet Sieberg in der ,Monatlichen Uber-
sicht über die seismische Tätigkeit der Erdrinde“, die nach den der Kaiserl. Hauptstation für Erd-
bebenforschung in Straßburg i. E. zugehenden Nachrichten zusammengestellt wird.
Dieses Beben wurde am 11. Mai 1910 in Nieder-, Oberösterreich, Steiermark, Mähren und
Böhmen bis zu den ungarischen Grenzgebieten hin verspürt. Es trat um 21h 18m ein und konnte
bis nach Straßburg hin instrumentell verfolgt werden. Das Beben war im Semmering- und Wechsel-
Gebiete, namentlich aber im Gloggnitz, am stärksten; hier fielen sogar Bilder und Figuren von den
Wänden, Geschirre wurden durcheinander gerüttelt und in vielen Häusern entstanden Risse in den
Mauern, was etwa dem 6.—7. Grade der Bebenintensitätsskala entspricht. Der Hauptherd des Bebens
fällt also in die von Prof. Sueb schon seit langem erwiesene Erdbebenlinie, die sogenannte Mürz-
linie, eine stark ausgeprägte Tiefenlinie der Erdrinde. Von hier aus wurde die seismische Energie
auch auf die sogenannte Thermenlinie übertragen, die mit scharfem Abbruch des östlichen Teiles der
nördlichen Kalkalpen gegen die inneralpine Senkung von Wien zusammenfallt. Es ist daher nicht
verwunderlich, dal das Beben auch in Wien ziemlich stark auftrat. In mäbiger Stärke griff es auch
auf ungarisches Gebiet über. Prof. Trabert glaubt, dab die ganz abnormen Witterungsverhältnisse,
die um die Zeit des Bebens geherrscht haben, darauf hindeuten, daß die wohl schon reife tektonische
Spannung im FErdbebengebiete durch einen steilen barometrischen Gradienten ausgelöst sei. Am
12. Mai um Oh 45m gab es noch einige leichte Erschütterungen in Niederösterreich zu Sieding.
Trattenbach und Stixenstein.
Fine eingehende Beschreibung dieses Erdbebens wird sich erst ermöglichen lassen, wenn alle
wissenschaftlichen Berichte von den verschiedenen seismischen Stationen in Österreich vorliegen.
F. S. A.
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— 192 —
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Eine neue Vulkan- und Weltentstehungstheorie von Albert Lemme. Preis M. —,50.
Verlag von Wilhelm Langguth, FBlingen a. N.
Der Verfasser, der sich mit seinen Ausführungen auf die neuesten Entdeckungen der Wissen-
schaft stützt, führt den Vulkanismus auf chemische Prozesse in der Erdrinde zurück und
kommt dann in seinen weiteren Folgerungen bezüglich des Zustandes unserer Erde zu dem Schluß,
daß diese nicht in der Erkaltung, sondern gerade umgekehrt, in der langsam fortschreitenden Er-
wärmung begriffen sei. Damit stellt er sich allerdings in einen direkten Gegensatz zu dem, was
die Wissenschaft auf dem Gebiete der Geologie bisher gelehrt hat. Die Broschüre ist ein teilweis
berichtigter, in übersichtlicher Form gefaßter Auszug des von demselben Verfasser veröffentlichten
Buches „Eine neue Vulkantheorie“ (Wilh. Langguth, M. 2,—). Sie ist bestimmt, seine Ideen
in weiteren Kreisen bekannt zu machen.
x y *
Spektroskopie von Dr. L. Grebe, Assistent am Physikal. Institut der Universität Bonn.
Mit 62 Figuren im Text und auf 2 Doppeltafeln. Aus Natur und Geisteswelt, Sammlung wissen-
schaftlich-gemeinverständlicher Darstellungen. 284. Band. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig, 1910.
Die Darstellung der Spektroskopie in populärer Weise kann als woblgelungen hingestellt werden.
Sie zergliedert sich in die vier Hauptabschnitte: Geschichte der Spektroskopie — Spektroskopische
Apparate — Methodenergebnisse spektroskopischer Forschung — und Anwendung der Spektros-
kopie. Letztere zerfällt wieder: 1. in die Astrophysik: Das Sonnenspektrum im allgemeinen —
Die Spektren einzelner Teile der Sonne — Die Spektren der Sterne — Spektroskopische Messung
der Bewegung an Himmelskörpern. — 2. in sonstige Anwendung der Spektroskopie: Messung hoher
Temperaturen — Spektroskopie und Beleuchtungstechnik. Zum Schluß gibt der Verfasser einige
Anwendungen der Spektroskopie auf verschiedenen Gebieten.
D
* *
Publikationen (vorm. Beobachtuagen) der Kaiscrlichen Universitäts-Sternwarte zu
Jurjew (Dorpat). Herausgegeben von Prof. K. Pokrowski, Direktor der Sternwarte. Dorpat, 1910.
Wir geben hier den Inhalt von Heft III des 21. Bandes wieder. A. Orloff: Neue Formeln zur
Bahnbestimmung der Kometenschweifmaterie nebst Anwendung auf den Kometen 1908c (Morehouse)
(Russisch. — A. Orloff: Die Bestimmung der Masse des Systems Erde - Mond aus geodätischen
Messungen (Russisch), — E. Schoenberg: Die Methode gleicher Zenitdistanzen symmetrisch zum
ersten Vertikal und ihre Anwendung zur Bestimmung der Polhöhe von Dorpat im Frühjahr 1909
(Deutsch). Die Polhöhe ist für 1909,33 auf 58° 22° 47*.14-+0*.02 bestimmt worden.
Der 22. Band enthält: Bearbeitung der von W.Struve am Dollondschen Durchgangsinstrument
der Dorpater-Sternwarte während der Jahre 1818 bis 1822 angestellten Beobachtungen ausgeführt durch
L. Struve. Angabe des Inhalts: I. Die Beobachtungen des Jahres 1882. II. Die Einzelpositionen.
III. Die Instrumentalconstante N. IV. Die Uhrcorrectionen. V. Katalog der Rectascensionen von 1716
Sternen für die Epoche 1820,0, nach den Beobachtungen von W. Struve. VI. Beschreibung der
Bearbeitung — Historisches — Das Instrument und der Beobachtungsraum — Die Fadendistanzen
— Die mitfleren Fehler der beobachteten Fadenantritte — Die seitliche Biegung des Fernrohrs —
Der Collimationsfehler — Erste Berechnung der N und der Uhrcorrectionen — Die zur Berechnung
der definitiven Uhrcorrectionen benutzten Sternpaare und Fundamentalsterne — Die bei der Aus-
gleichungsrechnung benutzten Formeln — Die Rectascensionsdifferenzen der Steropaare — Unter-
suchungen über die Instrumentalconstante N — Untersuchungen über systematische Unterschiede
zwischen den Beobachtungen zu beiden Seiten des Zenits — Die mittleren Fehler und Gewichte der
Uhrcorrectionen — Ableitung der definitiven Rectascensionen der zur Bestimmung der Uhrcorrectionen
dienenden Sterne — Ableitung der Rectascensionen der Polsterne — Unterschied zwischen den
Beobachtungen in beiden Culminationen.
Fur die Schriftleitung verantwortlich; Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
DAS WELTA
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwaande í KH
Herausgegeben von EH
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
ll. Jahrgang, Heft 13. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Erstes Aprilhefı)
Berlin-Treptow.
Diese Zeitschrift erscheint zweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Treptow-Slernwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post-
Zeilungsliste alphabetisch eingeordnet). Einzelne Nummer 60 Pis. — Anzeigen-Gebühren: I Seite 80.— Mk.. ue Seite 45.—
H, Seite 25.—, In Seite 15. —. Ua Seite 8 — Bei Wiederholungen Rahatt - Reilagen nach Gewichi
INHALT
1. G. J. F. Schrader und seine Npiegelteleskope. Von 3. Der gestirnte Himmel im Monat Mai 1911. Von
Dr. H. Clemens. . » 2 we te - . 193 Dr. F. 8. Archenhold. . . 2.2 2 222202. 204
2. Der Zauber in der Perspeklive des Einen Orion- 4. Fehlerberichligung. e, , . 208
nebels. Von Edgar Lucian Larkin, Direktor des Nachdruck verboten.
Mount Lowe-Observatoriums, Kalifornien. e . 203 Auszüge nur mit genauer (Quellenangabe gestaltet
G. J. F. Schrader und seine Spiegelteleskope.
Von Dr. H. Clemens.
N: allgemeine Anwendung, welche in neuerer Zeit der bisher gegen den
Refraktor etwas zurücktretende Retlektor wieder zu finden beginnt, recht-
fertigt den Versuch, im nachfolgenden eine wenig gekannte Episode aus
der Geschichte desselben in Deutschland zur Kenntnis weiterer Kreise zu
bringen. |
Die außerordentlichen Entdeckungen, die der geniale Wilhelm Herschel
dank der bis dahin unerhörten Schärfe und Lichtfülle seiner Spiegelteleskope
Schlag auf, Schlag am Himmel machte, regten damals in der ganzen gebildeten
Welt den Wunsch an, im Besitze gleich mächtiger Hilfsmittel die neuen Wunder
zu schauen und womöglich ähnliche Erfolge zu erringen. Es erfolgte eine plötz-
liche und allgemeine Zunahme des Interesses für astronomische Beobachtungen,
und bald konnte Herschel den überaus zahlreichen Bestellungen auf Teleskope
von seiner Hand, die aus aller Herren Ländern bei ihm einliefen, kaum noch
entsprechen, obgleich die Zahl der von ihm gelieferten Spiegel in die Hunderte
ging. Zugleich wurden an mehreren Orten mit großem Eifer Versuche unter-
nommen, in der Anfertigung derartiger Instrumente das große Vorbild zu cr-
reichen oder gar zu übertreffen, vor allem in Deutschland und Frankreich.
In Frankreich hatte bereits 1772 ein gewisser Noël auf Kosten Ludwigs XV.,
der mehr als 500 000 Lires dafür hergegeben haben soll, einen Cassegrain-
schen Reflektor von 24’ Brennweite und 221/,“ Öffnung zustande gebracht, der
unter den Herrschaften am Hofe zu Versailles viel Aufschen erregte. Wie es
aber um die optischen Eigenschaften dieser Röhre stand, beweist wohl am besten
der Umstand, daß Lalande vom Verfertiger nicht die Erlaubnis erhalten konnte,
dadurch einmal den Jupiter anzuschauen. „Denn,“ sagte Noël, „wenn Sie das
— 194 —
Teleskop gut finden, vermehren Sie meinen Kredit nicht, da ich so schon alles
erhalte, was ich verlange; finden Sie es aber schlecht, so können Sie mir viel
schaden.“ Es war offenbar cin Instrument von der nicht ganz seltenen Art, die
mehr zum Ansehen als zum Durchsehen bestimmt ist, und kam in wissen-
schaftlicher Beziehung jedenfalls nicht in Frage. — Nach Herschels Auftreten
gab sich besonders Lalande unendliche Mühe, England zu übertrumpfen. Mit
Hilfe von Rochon und Carrochez wurde zunächst dieses Noëlsche Instrument
—- Noël selbst war inzwischen verstorben — wieder vorgenommen und mög-
lichst verbessert, und bald ging es an den Bau neuer von ähnlichen Dimen-
sionen. Aus der Durchsicht der zahlreichen Notizen, mit denen Lalande u.a.
in seinem ausgebreiteten Briefwechsel über seine Bestrebungen und Erfolge
nicht sparsam ist, erhellt jedoch für den unbefangenen Leser, daß keiner der
Versuche wirklich das gewünschte Resultat gezeitigt hat. Trotz der bedeutenden
staatlichen Mittel, die zur Verfügung standen, kam kein größeres Spiegelfern-
rohr zustande, das den Vergleich mit den englischen irgendwie ausgehalten
hätte. Teils mag die Ursache in der damaligen Überhäufung der französischen
Astronomen mit anderen wichtigen Arbeiten liegen, teils mochten die unruhigen
Zeiten dem Auftreten von Männern zuwider sein, die, wie fast 100 Jahre später
ebendort bei der Konstruktion der photographischen Refraktoren die Gebrüder
Henry, die erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse mit einem
ungewöhnlichen Maße von Ausdauer und Beharrlichkeit verbanden; nicht zum
mindesten aber verführte der Wunsch, sogleich Niedagewesenes zu schaffen,
zu Phantastereien. Anders darf man wohl den Plan, einen Reflektor von 60‘
Brennweite und 6° Öffnung -- Herschels als Frucht allmählich steigender Ent-
wicklung entstandenes Riesenteleskop hatte 40° bezw. 4° — mit einem Spiegel
aus Platin zu bauen, angesichts des damaligen Standes der ganzen Technik
nicht bezeichnen.
In Deutschland hatten bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts herum
beachtenswerte Versuche stattgefunden, leistungsfähige Spiegelteleskope herzu-
stellen. Der sächsische Erbmarschall Graf v. Loeser brachte solche von 7‘
Brennweite und etwa 9” Öffnung zustande, die immerhin brauchbar gewesen zu
sein scheinen, wenn auch die darüber vorliegenden Angaben zur Beurteilung
ihrer Leistungsfähigkeit nicht ausreichen. Ebenso fertigte der rühmlichst be-
kannte Augsburger Mechaniker Brander solche bis zu 4’ Brennweite an, die
er mit seinen geschätzten Glasmikrometern versah. Vielleicht bringt das der
Geschichte der Optik und Mechanik jetzt von verschiedenen Seiten dargebrachte
lebhaftere Interesse eines oder das andere dieser alten Werke wieder zum Vor-
schein. Einen gewaltigen Aufschwung aber nahm dieser Zweig der praktischen
Optik auch hier infolge von Herschels Auftreten, und zwar ohne jede staat-
liche Unterstützung durch den Eifer, die Opferwilligkeit und die Geschicklich-
keit zweier für die Wissenschaft begeisterter Männer, des Oberamtmanns
Schröter zu Lilienthal bei Bremen und des Professors Schrader in Kiel. Wah-
rend aber Schröters Bestrebungen und Erfolge bei Mit- und Nachwelt die ver-
diente Würdigung fanden, ist das Andenken an den nicht minder wichtigen An-
teil Schraders selbst in Fachkreisen gänzlich verblaßt. Es erscheint daher als
eine Pflicht der Billigkeit, wenn wir im Folgenden etwas näher auf denselben
eingehen und die sehr zerstreuten Nachrichten über den merkwürdigen Mann.
soweit sich dieselben aufspüren ließen. zu einem neuen, wenn auch lücken-
haften Gesamtbilde vereinigen.
— 195 —
Gottlieb Johann Friedrich Schrader wurde am 23. September 1762!)
zu Salzdahlunr als Sohn des damaligen Herzoglich braunschweigischen Salzver-
walters (wie wir jetzt deutsch sagen „Salinendircktors*) Burchard Johann
Heinrich Schrader geboren. Den Keim seiner späteren Vorliebe für Technik
und Mechanik hat der Knabe wohl schon im Elternhause empfangen, denn
Schrader (der Vater), der später Besitzer des Salzwerks zu Oldesloe war,
wirkte selbst in dieser Richtung und legte z B. der Gesellschaft der Wissen-
schaften zu Göttingen eine mit Beifall aufgenommene Schrift über die Verbesse-
rung des Gradierens vor. Schrader der Jüngere, wie unser Held meist zum
Unterschiede von einem 12 Jahre älteren, als Professor der Rechte in Kiel zu
großem Ansehen gelangten Bruder genannt wurde, war nach Vollendung seines
Studiums zunächst 1783 bis 1787 Lehrer am Carolinum zu Braunschweig, habi-
litierte sich 1791 als Privatdozent in Kiel, wohin 1789 auch Vater und Bruder
übergesiedelt waren, und lehrte bis 1798 an der Universitat Mathematik und
Physik. Ostern 1798 folgte er einem Rufe als Professor und Aufseher des
physikalischen Apparates der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu
Petersburg, vertauschte diese Stelle später mit der eines Gcehilfen des Pro-
fessors am pädagogischen Institut und lebte seit 1817 daselbst als Privatmann.
Einsilbigkeit und Zurückgezogenheit scheinen von Anfang an in seinem \Vesen
gelegen zu haben und durch eine früh sich einstellende Schwerhörigkeit zuletzt
bis zu völliger Menschenscheu gesteigert zu sein.
Literarisch betätigte sich Schrader bereits früh. Außer einem „Grundriß
der Elementar-Naturlehre nach den neuesten Entdeckungen“ (Hamburg 1797),
der mehrere Auflagen erlebte, sei hier nur erwähnt sein „Versuch einer neuen
Theorie der Elektrizität, welche auf Grundsätzen des neuen Systems der Chemie
beruht“ (Altona 1796). Die großartigen Entdeckungen auf dem Gebiete einer-
seits der Elektrizität durch Galvani und seine Nachfolger, andererseits der
Chemie durch Lavoisier, Scheele, Priestley u.a.m. hatten damals einen Zu-
stand sich förmlich überstürzenden Fortschritts gezeitigt, der mit dem in jüngster
Zeit durch das Auffinden neuer Strahlungen und neuer wunderbarer Elemente
geschaffenen füglich in Parallele gestellt werden kann. Es galt, wie jetzt durch
die Ionentheorie, die chaotische Fülle der Erscheinungen von einem Gesichts-
punkte aus in Ordnung und Verbindung zu bringen. Der Versuch Schraders
sei hier nur deshalb erwähnt, weil er beweist, daß seinem Urheber auch das
Bedürfnis spekulativer Erkenntnis nicht fremd war und er nicht etwa in mecha-
nischer Tätigkeit völlig aufging.
Im Winter 1791/92 begann Schrader seine Versuche in der Herstellung
von Teleskopspiegeln. Obwohl ihm jede Kenntnis des praktischen Verfahrens
beim Gießen und Schleifen zunächst abging, gelang es seinem unverdrossenen
Eifer doch bald, der Schwierigkeiten Herr zu werden. Schon im Frühjahr 1792
vermochte er einige wohlgelungene Spiegel als Beweis seiner Geschicklichkeit
aufzuweisen. Das nächst Erforderliche war nun, durch Verbindung mit einer
Sternwarte das Erreichte nutzbar zu machen und für weitere Fortschritte Richt-
punkte zu erhalten. In Kiel selbst stand es gegen Ende des 18. Jahrhunderts
mit der ausübenden Astronomie recht kümmerlich. Es gab zwar Dozenten für
2 ‘
1) Die in allen Lebensbeschreibungen, u. a. auch in Poggendorfs biographischem Lexikon sich
findenden Angaben 1762 Sept 11 und 1763 Sept. 17 sind beide falsch. Ich verdanke die oben an-
geführte richtige Herrn Pastor Försterling in Salzdahlum. der auf meine Bitte die Freundlichkeit
hatte, das Kirchenbuch nachzuschlagen.
— 196 —
dieses Fach und ein Turm auf der Vorderseite des Schlosses war zu astrono-
mischen Beobachtungen eingerichtet, aber wie ein Durchreisender erzählt, „riet
die Baufälligkeit desselben, lieber auf glatter Erde zu bleiben“. Die Förderung,
die von dieser Seite nicht zu erwarten war, suchte und fand Schrader in
Lilienthal. |
Hier, am Ufer der still das Teufelsmoor durchschleichenden Wörpe, hatte
der churfürstlich hannoversche Oberamtmann Johann Hieronymus Schröter
seit zehn Jahren mit einer Begeisterung und Opferwilligkeit, die ihresgleichen
sucht, der Himmelsforschung eine Stätte errichtet, welche damals die Blicke der
gebildeten Welt ebenso auf diesen abgelegenen Erdenwinkel zog, wie es in
neuester Zeit durch die künstlerische Eigenart der im benachbarten Worpswede
blühenden Malerkolonie geschieht. Ein höchst anziehendes Bild von dem Treiben
auf der Lilienthaler Sternwarte, wo der gestrenge Herr Oberamtmann am Tage
gestiefelt und gespornt seinen juristischen Berufsgeschäften, seiner Landwirt-
schaft und der Urbarmachung des Moores nachging, um die Nächte dem Studium
des Himmels zu weihen, vermittelt uns ein Aufsatz von Schumacher!), auf
den hiermit verwiesen sei. Hier sei daraus nur noch des bedeutsamen Ein-
flusses gedacht, den der im benachbarten Bremen wohnende Olbers durch Rat
und Tat auf die Lilienthaler astronomischen Arbeiten ausübte.
Schröter besaß bereits in zwei Teleskopen von Ai und 7‘ Brennweite aus
den Meisterhänden Herschels selbst Instrumente von optischer Kraft, wie sie
zur Zeit kein anderer Astronom in Deutschland aufzuweisen hatte. Während
nun aber eben damals Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Herschel,
besonders über Venusbeobachtungen, in ihm den Wunsch erregten, noch kräf-
tigere Sehwerkzeuge zu besitzen, so hinderten doch gerade sie deren weiteren
Bezug aus derselben Quelle, ganz abgeschen von den Kosten, die schon für
den Siebenfüßer mehr wie #00 Taler betragen hatten und bei größeren Ab-
messungen die Mittel eines Privatmanns überstiegen. Für den Lilienthaler
Astronomen konnte also nichts erwünschter sein als die Nachricht, die ihm
Schrader alsbald von seinen erfolgreichen Bemühungen auf diesem Felde
machte, und er lud ihn sofort ein, dieselben in Lilienthal unter seiner Beihilfe
in ausgedehnterem Maße fortzusetzen. Im Frühjahr 1792 erhielt Schrader, der
zur selben Zeit zum außerordentlichen Professor ernannt war, von der dänischen
Regierung den nötigen Urlaub und eine Reiseunterstützung von 2v0 Talern und
hielt Anfang Mai seinen Einzug in das Amtshaus an der Worpe.
Nun entwickelte sich hier in wirklich beispiellos kurzer Zeit eine optische
Werkstätte, die weit über Deutschlands Grenzen hinaus gerechtfertigtes Auf-
sehen erregte. Unterstützt von Schröter und dessen Gärtner Harm Gefkens,
einem technischen Original, brachte Schrader in den nächsten Monaten in
schneller Steigerung eine Reihe von Spiegeln für Teleskope von 7, 10, 12 und
13 Fuß Länge zustande, die sofort auf ihre Brauchbarkeit geprüft wurden. Ein
Teleskop von 7 Fuß mit Spiegel von Gol" Durchmesser behielt Schröter selbst,
ein gleiches kaufte auf das Gutachten von Olbers hin alsbald die Museums-
gesellschaft in Bremen für 320 Taler, das zwölffüßige kam im nächsten Jahre
für 1200 Taler an die Sternwarte in Kopenhagen, die damals noch auf dem be-
kannten runden Turm untergebracht war, und das dreizehnfüßige wieder von
91/44” Öffnung bildete lange Zeit das Lieblingsinstrument Schröters, seinen
1) Herm. A. Schumacher: Die Lilienthaler Sternwarte. Festschrift zur Feier des fünfund-
zwanzigjährigen Bestehens des naturwissenschaftlichen Vereins zu Bremen. S. 39 bis 170. Bremen 189.
— 19% —
„teleskopischen Koloß, den größten und stärksten in Deutschland’, wie er in
seiner Herzensfreude Anfang 1793 an Bode schreibt. Eine Vergleichung mit
einem Dollondschen Refraktor von 3°/,“ Öffnung und 10° Brennweite ergab
einige Jahre später, daß dieser sich zum Reflektor verhielt „wie Dämmerung
zum hellen Tage‘.
Aber noch che dieser ganz vollendet war und noch während der Anwesen-
heit Schraders, die sich bis Anfang 1793 hinzog, gingen die beiden Unermüd-
lichen an die Konstruktion eines alle genannten weit in den Schatten stellenden
Instrumentes. „Nach verschiedenen, mit beträchtlichen Kosten verbundenen
Versuchen,“ schreibt Schröter in dem oben erwähnten Briefe an Bode, .istin
Lilienthal der Guß cines 24-füßigen Spiegels, von einem dauerhaften und
schönen Metall, gegen 181/,” engl. im Durchmesser und etwa einundeinhalb
Zentner schwer, zustande gebracht und sehr gut gelungen. Fünf\Wochen lang ist er
fast Tag und Nacht in seiner Figur aus dem Groben bearbeitet und wird seit.ein paar
Tagen in seinem zweckmäßig und zuverlässig vorgerichteten Maschinenwerke
lavigiret. Indes sind die Kosten für einen Privatmann zu beträchtlich und ich
werde die weitere Bearbeitung sehr langsam fortgehen lassen.“ Diese ange-
sichts der offenbar ganz bedeutenden im Jahre 1792 von Schröter aufgewendcten
Mittel höchst plausible Rücksicht auf den Geldbeutel scheint indessen sehr bald
gegen das Verlangen, das Instrument vollendet zu besitzen, in den Hintergrund
getreten zu sein, denn Ende 1793 war das Werk so weit vorgeschritten, daß die
ersten Beobachtungen damit beginnen konnten. Ein zweiter Spiegel von 27‘
Brennweite zur Auswechselung kam bald darauf hinzu und der Übereinstimmung
wegen wurde auch der erste nochmals umgeschliffen und auf dieselbe Fokal-
länge gebracht. Der Beschreibung dieses Telescopium Newtonianum XXVII
pedum constructum Lilienthalii 1793!) von Schröter ist umseitige Abbildung
(Fig.1) entnommen. Es ist über hundert Jahre das größte Spiegelteleskop geblieben,
das jemals in Deutschland aufgestellt wurde, und erst 1906 durch das auf dem
astrophysikalischen Institut Königstuhl bei Heidelberg aufgestellte von 72 cm
Spiegelöffnung und der den Anforderungen der Neuzeit entsprechenden geringen
Brennweite von 2,52 m aus der Werkstätte von Zeif in Jena von diesem Range
verdrängt worden.
Zum Verständnis wird es genügen, darauf hinzuweisen, daß die beiden
oberen, mehrfach miteinander verbundenen und eine Plattform bildenden Quer-
balken sich um eine feste, in dem turmartigen Gebäude stehende eichene Trag-
säule, an der oben auch die Pendeluhr ihren Stand gefunden hat, im Azimut
drehen lassen, wobei ihr weit hinausragendes linkes Ende von einem auf kreis-
förmiger Bahn fahrbaren Gerüst unterstützt wird. Zwischen zwei schräg herab-
gehenden parallelen Streben auf dieser Seite laßt sich das den Spiegel ent-
haltende, durch Gegengewichte an Seilen fast ausbalanzierte Ende des Fern-
rohrs mittelst eines Flaschenzuges im Groben heben und senken. Das Okular-
ende ruht auf einer Säule auf der Plattform, welche Schraubenvorrichtungen
zu seiner senkrechten und wagerechten Feinbewegung besitzt. Die beiden
Haufen Ziegelsteine auf der rechten Seite der oberen Querbalken dienen dazu,
den Schwerpunkt des Ganzen möglichst in die mittlere Tragsäule zu verlegen
und das Fahrgerüst zu entlasten. In dem kleinen Häuschen findet der horizontal
in das Okular schauende Beobachter einigen Schutz gegen den Wind.
1) Joh. Hier. Schröter, Aphroditographische Fragmente. Helmstedt 1796.
- 198 —
Das Aufschen, das dieses Riesenteleskop machte, war groß, und, wenn wir
billig sein wollen, durchaus gerechtfertigt. Mochte es später bei der Anwendung
nicht die Erwartungen erfüllen, die darauf gesetzt waren, so ist dieses Schicksal
noch manchem Riesenfernrohr älterer und neuerer Zeit widerfahren. Die
Schwierigkeit, mit einem nach unserer heutigen Anschauung so ungefügen Ge-
rüst im Klima der Nordsecküste unter freiem Himmel zu beobachten, mochte
den Gewinn, den seine optische Kraft bot, illusorisch machen, sie gibt uns aber
kein Recht, diese optische Leistungsfähigkeit, die es nach dem Zeugnis des
nichts weniger wie selbstzufriedenen oder ruhmredigen Schröter bei seiner
Fertigstellung besaß, anzuzweifeln. „Nach wiederholten Versuchen‘, schreibt
er, „ist die Gestalt des Spiegels so genau gelungen, daß Rand- und Kernstrahlen
pünktlich in Eins zusammenfallen.* Der Fortschritt von den ersten durchaus
dilettantischen Versuchen Schraders im Winter 1791/2 bis zur vorläufigen
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Fig. 1. Das 27-füßige Newtonische Spiegelteleskop zu Lilienthal.
Fertigstellung des Instruments Ende 1793 und zur endgültigen im Mai 179+ ist
derartig rapid, daß er allen Beteiligten zur höchsten Ehre gereichen muß. Mit
Recht hat daher auch einer der beiden Spiegel von 48 cm Durchmesser, die
später an die Göttinger Sternwarte kamen, in letzter Zeit einen Platz im Museum
von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik zu München gefunden.
Während Schröter und sein getreuer Gefken ihre von Schrader ge-
weckten Fertigkeiten im Schleifen und Polieren des großen Spiegels übten, war
jener selbst wieder in sein Amt nach Kiel zurückgekehrt. Zwar hätte Schröter
bald darauf seine Hilfe gern wieder gehabt und versuchte die Mitwirkung von
Olbers zu gewinnen, um die finanziellen Schwierigkeiten, unter denen der
Kieler Professor litt, zu heben, allein Olbers verhielt sich recht zurückhaltend.
„Was den Vorschlag betrifft“, schreibt er zurück, „dem Herrn Professor pekuniär
MT
— 199 -
noch gemeinschaftlich zu helfen, so gestehe ich Ihnen, daß ich bei ihm das Geld
keineswegs für sehr sicher halte, da die Geldnot 1796 bei ihm noch ebenso groß
sein wird wie jetzt. Sind Sie indeß doch der Meinung, ihm 50 Thlr. darleihen
zu wollen, so will ich 50 Thir. mit hergeben und die 100 vorschießen; haben Sie
aber von seiner Sicherheit Opinion, so cavieren Sie für die 100 Thlr., ich will
sie gern ohne Zinsen auf 2 Jahre an Schrader leihen.“ Aus der Sache ist,
wie es scheint, nichts geworden.
In Kiel setzte Schrader seine Anfertigung von Teleskopen fort und scheint
damit ziemlichen Absatz gehabt zu haben. Das Berliner astronomische Jahrbuch
für 1796 enthält eine Art Preisliste seiner Instrumente, die etwa für 1793 gilt.
Danach kostete 1. ein zweifüßiges von 2'/,” engl. Öffnung mit vollständigen
Okularen 90 Thlr., 2. ein dreifüßiges von 3!/,“ Öffnung nebst 6 Okularen 150 Thir.,
3. ein vierfüßiges von 4!/,” Öffnung 280 Thlr., 4. ein siebenfüßiges von 6'/,“
Öffnung 400 Thir.; Stativ und Rohr aus Mahagoniholz, Einrichtung nach Newton.
Ein bemerkenswerter Fortschritt scheint ihm dabei bald in der Vergrößerung
des Verhältnisses von Öffnung zu Brennweite gelungen zu sein. Während die
eben erwähnten Ausmessungen noch das damals allgemein, auch von Herschel
innegchaltene Verhältnis aufweisen, kündigt Schrader 1794 Teleskope von
6'/,“ Öffnung und nur 4° Länge bezw. Brennweite an, die noch eine dreihundert-
fache Vergrößerung geben sollten, und macht in einem Briefe an Bode auf die
bei dieser Konstruktion sehr gesteigerte Schwierigkeit in der genauen Form-
gebung des Spiegels aufmerksam. Vielleicht kommt eines dieser Instrumente
noch einmal zum Vorschein.
In befremdlichem Widerspruch zu der oben angedeuteten Geldnot Schraders
steht nun ein recht kostspieliges Unternehmen von ihm, das er bald nach seinem
Scheiden aus Lilienthal in Angriff genommen haben muß. Er baute nämlich
seinerseits in Kiel ebenfalls ein Riesenteleskop, und zwar ungefähr von
denselben Dimensionen wie das Schrötersche. Bereits 1794 gab er eine Be-
schreibung!) davon heraus, der umseitige Abbildung (Fig. 2) entnommen ist.
Ihr seien hier nur einige Worte zur Erläuterung des auch in Fachkreisen fast
völlig verschollenen Werkes beigefügt.
Das vielfach verstrebte und in sich verbundene untere Balkengerüst trägt
ein sechseckiges „Kabinet“ H, um den damaligen Ausdruck zu gebrauchen,
welches sich mit Hilfe des durch Haspel n gedrehten Triebes g und des fest-
liegenden großen Zahnkranzes in Azimut drehen läßt. Die ganze Last der Vor-
richtung ruht dabei auf dem metallenen Lager c, in das der untere, ebenfalls
metallene Endzapfen der zentralen Tragsäule bb eingreift. Das drehbare
Häuschen trägt links das Newtonsche Teleskop mit seiner Maschinerie, wobei
nach der von Herschel stammenden, wie wir sahen, auch von Schröter über-
nommenen und überhaupt damals allgemein angewandten Einrichtung die grobe
Einstellung in Höhe durch Heben und Senken des Spiegelendes des Fernrohrs
in einer Schienenführung mittels Flaschenzugs erfolgte (siehe die Winde ff),
während die feinere durch eine sauber gearbeitete Zahnstangenwinde, eine so-
genannte Wagenwinde geschah, die das offene Ende des Rohres stützte und
vom Beobachter in situ vor dem Okular betätigt werden konnte. Ein Horizontal-
support auf dieser Winde gestattete zugleich die Feinbewegung in Azimut. Die
zu dem oben beschriebenen Schröterschen Reflektor gehörige Vorrichtung
1) Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte, VII. Heft 4, 1794.
— 20 —
dieser Art, wahrscheinlich aus der Werkstatte von Drechsel in Hannover, be-
findet sich noch auf der Göttinger Sternwarte. Ihre höchst saubere Ausführung
wie ihr durchaus sanfter Hang lassen nichts zu wünschen übrig und beweisen,
daß da, wo es darauf ankam, auch bei diesen so cyklopisch anmutenden Mecha-
nismen die Feinmechanik ihr Recht fand. Doch zurück zu dem Schraderschen
Reflektor. Der Beobachter saß also oben auf der umgitterten Plattform und
blickte horizontal in das auf der Rückseite des Rohres zu denkende Trans-
versalokular: unmittelbar zu seiner Rechten befanden sich Feinbewegung d in
Azimut und Höhe, dicht hinter ihm die grobe Einstellung in Höhe t£, und nur,
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Fig. 2. Das 26-füßige Spiegelteleskop von Schrader unweit Kiel.
wenn die horizontale Feinbewegung zu Ende ging, was im ungiinstigsten Falle
nach etwa einer Viertelstunde eintrat, hatte er sie zurückzuschrauben und seinen
Sitz zu verlassen, um am Haspel v die ganze Maschinerie im Azimut nachzu-
drehen.
In ganz geschickter Weise sind hier die oben zur Plattform führende Treppe
und der Balkon FF, die sich beide mit dem Oberteil H drehen, als Gegen-
gewicht gegen das Fernrohr und sein Traggerüst benutzt. Der rechts herab-
hängende Strick dient nur dazu, bei Nichtgebrauch das Oberteil gegen eine un-
erwünschte Drehung durch den Wind zu sichern und es in einer zugänglichen
Stellung in bezug auf die feste untere Treppe zu erhalten. Bemerkt sei übrigens,
— 21 —
daß sich der dazu gehörige Reflektor von 26‘ Fokallänge zur Zeit der Beschrei-
bung 1794 noch nicht an seinem Orte befand, sondern vorläufig durch einen
kleineren, aber immerhin recht stattlichen von 13” Öffnung und 16‘ Lange ver-
treten wurde.
In mechanischer Beziehung scheint die Schradersche Bauart des Be-
obachtungsgerüstes, bei der offenbar die bereits vielfach bewährte Konstruktion
der holländischen Windmühlen zugrunde liegt, vor der Schröterschen den
Vorzug zu verdienen. Die ganze Anordnung ist gedrungencr und symmetrischer,
und die Übertragung der ganzen Last auf das einzige, leicht in Ordnung zu
haltende Lager c mußte die Beweglichkeit erhöhen und die Hilfe eines Dieners
entbehrlich machen, soweit man auf diese bei der Bewegung solcher Massen
überhaupt verzichten kann. Auf die handliche Anordnung der zur Beobachtung
erforderlichen Bewegungsmechanismen ist bereits hingewiesen; sie leistete
wirklich alles, was man damals von kleinen Instrumenten her gewohnt war und
für größere als wünschenswert ansah.
Wo hat nun aber dieses Instrument gestanden? Von welcher Seite sind
seinem Erbauer, der mit den Gütern, die Rost und Motten fressen, nur spärlich
bedacht war, die doch offenbar recht beträchtlichen Mittel zu seiner Errichtung
zugeflossen? Und was ist schließlich aus ihm geworden? Auf alle diese Fragen
war eine Antwort bisher nicht zu ermitteln. Daß das Instrument in der an-
gegebenen Gestalt wirklich existiert hat und nicht etwa bloßer Entwurf geblieben
ist, ist sicher. Die in Kiel selbst in einer verbreiteten Provinz-Zeitschrift er-
schienene Beschreibung Schraders spricht davon als von einer vollendeten
Tatsache, und das gleiche geschieht bei allen Erwähnungen, die das Werk in
der Literatur fand. Nachfragen aber, die vor einigen Jahren in den sich für
die Orts- und Gelchrtengeschichte Kiels interessierenden Kreisen stattfanden,
blieben ohne Ergebnis. Niemand wußte etwas davon. Die auf der Abbildung
sichtbare Landschaft hat keine besonderen Kennzeichen, aus denen man auf
den Aufnahmeort schließen könnte, und über das schließliche Schicksal des
doch auch einem weiteren Publikum auffallenden und schenswürdigen Bauwerks
schweigt die Geschichte gänzlich. _
Unter diesen Umständen mag die folgende Erwähnung Schraders und
seiner Kieler Tätigkeit seitens eines unbefangenen Zeitgenossen, die einzige
auf Augenschein beruhende, die sich finden ließ, an Interesse gewinnen, wenn
auch zweifelhaft erscheint, ob in ihr von dem großen Teleskop die Rede ist.
Der Verfasser!) machte Ende August 1797 einen Abstecher von Hamburg nach
Kiel, um gelehrte Freundschaft zu besuchen. „Nachmittags“, schreibt er,
„speisten wir bei einem der reichsten Kaufleute in kiel auf seinem, an der
inneren Bucht des Hafens romantisch gelegenen Gartenhause An Schüsseln
und Bäuchen für die Schüsseln fehlte es hier durchaus nicht. Es war, wie man
es sonst in Hamburg nannte, ein Bullengelag, d. h. wo bloße Männer gebeten
waren. Man ließ sich die geräucherten und frischen Speisen, die See- und
Landdelikatessen so zu Mund und Magen gehen, daß Kopf und Herz dabei völlig
in Ruhestand gesetzt zu sein schienen. Wenn eine Tracht Schüsseln vorbei
war, lüfteten sich die Gäste durch einen Spaziergang in den Garten und setzten
sich dann mit erneuter EBkraft wieder an die Arbeit. Nach Tische gab ein
t) „Böttiger. Literarisches Leben auf der Universität Kiel 1797“ in „Überlieferungen zur
Geschichte. Literatur und Kunst der Vor- und Mitwelt*, herausgegeben von F. A. Ebert. 2. Bd..
1. Stück, Dresden 1827.
— 202 +
Dollondscher Tubus, der auf dem Altan aufgerichtet stand, zu folgender Dis-
kussion Veranlassung. Dem Gartenhause gegenüber, am jenseitigen Ufer des
Hafens, liegen kleine Meiereien und reizende Landwohnungen unter Eichen-
gruppen und malerischem Gehölze eingebusemt. Die Kieler haben da Sommer-
wohnungen und die ganze Gegend heißt Dorfgarten. Hier ragte um etwas tiefer
hinab ein viereckigtes, turmartiges Gebäude hervor, das durch seine Bauart und
einen Apparat von Instrumenten, der sich durchs Fernrohr darauf entdecken
ließ, sogleich meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen mußte. Einige Beistchende
konnten mir anfangs gar keinen Bescheid geben. Endlich kamen mehrere, und
da hieß es denn: da wohne der Instrumentenmacher Schrader, ein gar künst-
licher Mann. Nun bemerkte einer als eine wahre Sonderbarkeit, daß dieser
Schrader sogar selbst durch diese Instrumente die Sterne angucke und in einer
Art von Hängematte oft ganze Nächte auf diesem Turme — den Namen Obser-
ratorium kannte Niemand — zubrächte. Dies konnte ein großer Teil der Gesell-
schaft gar nicht glauben. Andere schüttelten die Köpfe und meinten, das wäre
ein wunderlicher Appetit! Einer, ein freundliches, fettes Männchen, in einer
roten Weste und grünen Reithosen, nahm sich sogar auf der Stelle vor, seinen
Freund Schrader, den er doch mehrmals besucht und nichts davon erzählen
gehört habe, bei einer solchen nächtlichen Himmelscontemplation einmal zu
überraschen. So wird der berühmte Astronom Schrader in Kiel, seinem Wohn-
orte, gekannt! Wie gerne wäre ich zu ihm hinübergeschifft, aber jede Minute
war schon berechnet.“
Unter dem „Dorfgarten“ ist der jetzige Vorort Gaarden zu verstehen. Die
dem Erzähler so malerisch erscheinende Gegend wird heute von den gewaltigen
Anlagen der Kruppschen Germaniawerft und der Kaiserlichen Werft cin-
genommen, und wo Schrader seinem für seine Kieler Freunde so befremdlichen
Hange für nächtliche Himmelsbeobachtungen nachhing, tönt nun der Klang der
Hämmer und das Sausen der Maschinen. Von den Beobachtungsergebnissen
Schraders ist übrigens nichts in die Öffentlichkeit gelangt.
Die Berufung in die mit 1500 Rubeln dotierte Stellung eines wissenschaft-
lichen Beamten der Akademie in Petersburg mochte für Schrader vom wirt-
schaftlichen Standpunkte aus eine Wohltat sein, für seine selbständigen wissen-
schaftlichen Bestrebungen bedeutete sie zunächst den Abschluß. Erst 1819, als
er in den Ruhestand getreten war, finden sich wieder in Scherers Nordischen
Annalen der Chemie einige Arbeiten von ihm, die aber das pharmazeutisch-
technische Gebiet betreffen und uns hier weniger interessieren. Über seine
ferneren Lebensumstände war nichts Genaueres zu ermitteln, selbst sein Todes-
jahr ist unbekannt.
Bei dem Erwachen eines allgemeinen historischen Interesses für die Me-
chanik dürften die, wie wir sahen, erfolgreichen Bestrebungen Schraders in
der Verfertigung von Spiegelteleskopen einiger Aufmerksamkeit wert sein. Diese
kleine Anerkennung dem stillen Kieler Gelehrten zu verschaffen, war der Be-
weggrund zu der vorliegenden Schilderung dieser Episode aus der Geschichte
der praktischen Optik in Deutschland.
ae
— 203 —
Der Zauber in der Perspektive des Srossen Orionnebels.’)
Von Edgar Lucian Larkin,
Direktor des Mount Lowe-Observatoriums, Kalifornien.
T° Parallaxe des Mittelpunktes des großen Orionnebels beträgt sicher
wenigstens In, Daher muß man seine Entfernung von der Sonne und
Erde rund zu 8 Quadrillionen Kilometer annehmen. Man denke sich einen kreis
von 15‘ Durchmesser um die mittlere Region des Nebels nahe des Trapezes
gezogen, dann würde dieser Durchmesser nahezu 25 Billionen Kilometer groß
sein. Mit dem 60zölligen Spiegel der Carnegie-Sternwarte auf dem Mount Wilson
‚hat man durch lange Expositionszeit eine Reihe ganz hervorragender Photo-
graphien des Zentrums dieses wunderbaren Nebels erhalten.
Die Negative sind vergrößert und als Diapositive in den Rahmen der Türe
einer Kammer gebracht worden, die 16 16kerzige, weißglühende Birnen, dicht
zusammenstehend und in einem vierreihigen (Quadrat angeordnet, ent-
hält. Der Beobachter steht in einem großen verdunkelten Zimmer, 2 bis 5 m
entfernt, und dreht das elektrische Licht hinter der Platte an. Ein Anblick
himmlischer Schönheit und Pracht bietet sich nun dem überraschten Auge dar.
Kein menschliches Auge hat jemals etwas geschant, das sich mit diesem An-
blick interstellarer Tiefe messen könnte. Seit meiner Jugend habe ich den
Orionnebel mit Bewunderung betrachtet, die sich mit den Jahren immer mehr
steigerte; aber niemals habe ich ihn perspektivisch gesehen, niemals die herr-
lichen Bilder geahnt, die sich hinter der anscheinend flachen Oberfläche ver-
bergen. Nun enthüllt uns diese wunderbare Photographie, daß die Mitte des Nebels
die Öffnung einer riesenhaften Höhle ist, deren Wandungen von leuchtender,
glänzender Materie gebildet, sich bis zu einem weit entfernten Endpunkt er-
strecken. Die Öffnung dieser Nebelhöhle ist unregelmäßig, auch die wunder-
baren Wände und Seiten, Boden und Decke zeigen unregelmäßige Umrisse.
Keine Messung der möglichen Tiefe dieser Höhle im Weltall, ihres Bodens, der
kosmischen Wandungen kann hier vorgenommen werden. Das tiefe, weite, zer-
rissene, unregelmäßige und wilde Innere kann nur mit dem Geiste, nicht mit
dem Mikrometer gemessen werden; aber wenn man annimmt, daß der Abgrund
dreimal so groß wie der Durchmesser der Öffnung ist, so würde die Tiefe
200 Trillionen Kilometer betragen, das ist der Abstand des Sirius vom Sonnen-
system. Eine Reihe von 3000 Ringen mit je einem Durchmesser gleich der
Neptunsbahn könnten sich in dem mächtigen Raume dieser Lücke bewegen
oder auch 90000 aneinandergelegte Kreise, jeder in der Größe der Erdbahn.
Tausende von Sonnensystemen wie das unsrige könnten reichlich Platz in der
weiten Ausdehnung dieser Höhle finden. Aber in ihr herrscht keine Dunkel-
heit, sondern überall ist Licht. Die Wände erglühen und leuchten in einem
Glanz, der jede Vorstellung übertrifft und nicht beschrieben werden kann.
Millionen winziger glitzernder Pünktchen, kosmische Diamanten, schmücken alle
Teile des gigantischen Innern. Die Wandungen verschieben sich nach innen
und außen, was ihnen den Anblick von Pfeilern und Säulen verleiht. Mag
dieser Nebel nun der größte im Weltall oder mit vielen andern vergleichbar
sein: hier auf dem Gipfel des Mount Lowe, wenn der Regen jede Spur von
Staub niedergeschlagen hat und kein Wasserdampf in der Atmosphäre vor-
handen ist, dann zeigt der 16z6llige Refraktor, daß das ganze Sternbild des
1) Aus dem englischen Manuskript übersetzt. Die Redaktion.
— 204 —
Orion wie in glanzende und leuchtende Nebelmasse getaucht erscheint. Es ist
etwas heller als der helle Hintergrund des Himmels, da das ganze Sternbild
in eine Nebelhülle gebettet ist, mit Ausnahme der verhältnismäßig kleinen Dunkel-
räume, der wenigen Stellen, an denen die Licht ausströmende Materie fehlt.
Daher ist es ganz klar, daß der bei weitem größere Teil der vorhandenen Ma-
terie sich noch nicht zu Welten und glühenden Sonnen verdichtet hat. Die
ungeheure Höhle im Orion ist das bemerkenswerteste Objekt im Bereich der
Himmelsphotographie. Die Wissenschaft ist noch nicht imstande, uns Auf-
schlüsse zu geben, wie Gas, Nebelmasse, dünne Materie, Staubteilchen und
ähnliches dieses wunderbare Licht aus starrer Leere bei absolutem Nullpunkt,
das ist — 274°, aussenden können, wofern ein solcher Zustand überhaupt existiert.
Es ist bis jetzt weder das kosmische Licht des Himmelsgrundes und der Nebel-
welten erklärt, noch sein Ursprung enthüllt worden.
Der Ssestirnte Mimmel im Monat Mai loll.
Von Dr. F.S. Archenhold.
Eigenbewegung der Sterne.
Die Stellung der Sterne zueinander erscheint dem unbewaffneten Auge unver-
änderlich.. Würde Erathostenes heute seine Beobachtungen in Syene wiederholen
können, so würde er die meisten Sterne in derselben Stellung wie vor 2000 Jahren vor- `
finden. Das Sternbild des Orion, die Plejaden und viele andere haben ihren Ort am
Himmel nicht verändert. Der verfeinerten Meßmethode der modernen Instrumente ist es je-
doch zu danken, daß wir heute schon die Eigenbewegung von einer großen Zahl von Sternen
bestimmen können. Ja, einige Sterne haben eine so große Eigenbewegung, wie beispiels-
weise Arktur, der hellste Stern im Bootes, daß, wenn Hipparch ihn heute nach seinem
Katalog aufsuchen wollte, er ihn schon um 231. Vollmondbreiten von seinem früheren
Orte abstehend finden würde. Halley war der erste, der auf Grund der Vergleichungen
der neueren Sternörter mit den im Almagest mitgeteilten eine Ortsveränderung einiger
Fixsterne feststellen konnte. Der erste genaue Katalog von Sternen mit starker l:igen-
bewegung ist der sogenannte Aboer Katalog von 560 Sternen, welchen Argelander zu
Anfang des 19. Jahrhunderts zusammenstellte. Mädler verdanken wir alsdann durch
seine eingehende Bearbeitung der 3200 Sterne des berühmten Bradleyschen Verzeich-
nisses die umfassendste Kenntnis der Eigenbewegungen BoB hat in seinem im Jahre 1910
erschienenen „Vorläufigen Generalkatalog* Angaben über die Eigenbewegung von
6158 Sternen machen können. Für das Doppelsternsystem 61 Cygni ist eine jährliche
Eigenbewegung von 5,2 festgestellt worden.
0 Eridami. 4. Größe, hat 4%,1,
« Centauri. u Ae - e "SE
« Bootes (Arktur) . 1. - e OS.
3Hydrae ee - e EE
Cel s 2 a e oy. = - 179.
Die durchschnittliche Eigenbewegung der Bradleyschen Sterne nimmt mit der
Helligkeit ziemlich stark ab. Neuerdings ist von Burnham freilich ein schwacher Stern
im Sternbilde der Lever mit verhältnismäßig großer Eigenbewegung aufgefunden worden,
was darauf schließen läßt, daß dieser Stern uns verhältnismäßig nahe steht. Kapteyn
ist zu dem interessanten Resultat gekommen, daß die Sterne mit großer Ligenbewegung
sich gleichmäßig über den Himmel verteilen und nicht die Milehstraße bevorzugen, wie
wir es von den Sternen im allgemeinen und von den neuen Sternen im besonderen
`-
— 20 —
wissen. Weiter verdanken wir ihm cine interessante Beziehung zwischen der Größe der
Kigenbewegung und der Spektralklasse der Sterne. Die Sterne mit starker Eigenbewegung
überwiegen in der zweiten Spektralklasse, der auch unsere Sonne angehört. Entweder
bewegen sich diese Sterne schneller oder sie sind uns näher als die der ersten Klasse.
Hierbei müssen wir annehmen, daß die Eigenbewegung ganz gradlinig vor sich gehe, so
daß wir sagen können, daß die Sterne sich nicht in geschlossenen Bahnen bewegen.
Der Sternenhimmel am 1. Mai 1911, abends 10 Uhr.
Fig. 1.
#
SR
O
> g
w
e
Um
mm
=
er
mb
CH
(Polhého 521/4°)
Besonders bemerkenswert ist es, daß manche Sterngruppen eine gleichmäßige
Eigenbewegung sowohl der Größe als auch der Richtung nach erkennen lassen. So konnte
dies bei den Sternen der Hvaden nachgewiesen werden. Während diese heute für uns
noch eine weit ausgedehnte Sterngruppe bilden, werden sie in 65 Millionen Jahren,
wenn ihre Eigenbewegng inzwischen sich nicht ändert, für uns einen dichten Sternhaufen
von nur 20° Durchmesser bilden. Es ist noch eine andere zusammengehörige Gruppe
mit gleicher Eigenbewegung in den Sternen A y, ô, & ¢ Ursae majoris, Sirius, Gemma,
— 206 —
Lauf von Sonne, Mond und den Planctcı |
Fig. 2b.
24h an” 22" 21n 20" igh Eh Kë EM
= N = 4 — el e , o $
8 o, $ z Yu Se p A: i > J
SÉ e bk > | -3 Mara RR, Ubi O ei | benma ch
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æ Formal hart - Aritar LS
un pm D EE Gehen Set ZP _ — ee ee ee
24n 23n Hrn C A 20 n 49h EA ‘ATW 6h ish 14h 45h 17" k
S = Sonne. M = Mond Me = Merkur. V = Venus. Ma = Mar.
g Aurigae, 37 und 78 Ursae majoris, s Leonis und Groombridge 1930 bekannt geworden.
Sie bewegen sich auf den Punkt des Himmels zu, der bei Rekt. = 309° und Dekl. =
—-42° liegt. Die Geschwindigkeit des ganzen Systems im Raume beträgt etwa 19 km in
der Sekunde. (Vergl. „Weltall“, Jahrg. 6, S. 140.) Ähnliche gemeinsame Eigenbewegungen
zeigen noch die Sterne der Plejadengruppe und einige andere. Wir dürfen vermuten,
daß es noch viele solcher schnell wandernden Sterne am Himmel gibt, deren Eigen-
bewegung uns selbst die feinsten Instrumente nicht verraten, weil die Sterne ungezählte
Lichtjahre von uns entfernt stehen und daher selbst große l:igenbewegungen während der
kurzen Spanne Zeit, in der wir genaue Beobachtungen auf der Erde angestellt haben,
noch nicht in Ortsveränderungen zum Ausdruck kommen konnten. Würden wir ein
einziges gutes Sternverzeichnis aus der letzten Eiszeit besitzen, so könnten wir sicherlich
die Eigenbewegung von noch vielen Tausenden von Sternen feststellen.
Das Spektroskop hat uns erst gelehrt, auch die Bewegung der Sterne auf uns zu
und von uns fort im sogenannten Visionsradius kennen zu lernen. Diese Bewegung
gibt in Verbindung mit der durch das Fernrohr festzustellenden seitlichen Eigenbewegung
der Sterne erst deren wirkliche im Raume.
Der Lauf von Sonne und Mond.
Die Sonne, die vom Sternbilde des Widders in das des Stiers eintritt. ist wieder
für den 1., 15. und 31. Mai in unsere Karte 2a eingezeichnet. Ihre Fleckentätigkeit ist
jetzt sehr gering. Ihre Mittagshöhe steigt während des Monats um fast 7°, wie aus
folgender Tabelle hervorgeht:
Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshöhe
Mai 1. + 11° 59° 4h 37m morgens 75 28m nachm. Pea
- 15. +189 39°’ 4h 12m - 7h 5jm - 561/0
- Al. + 21° 48° db 52m - 8h 4m - SE
Die Hauptphasen des Mondes, die in unsere Karten 2a und 2b fiir die Mitter-
nachtszeit eingezeichnet sind, fallen auf folgende Daten:
Erstes Viertel: Mai 5. 2b nachmittags. Letztes Viertel: Mai 21. 10''," vormittags.
Vollmond: - 13. 7h morgens. Neumond: - 28, 714b vormittags.
ir den Monat Mai 1911,
Fig. 24. Nachdruck verboten.
Sab te — DÉI al ar Sa n h
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| © ce Ka e A ; & Pollux - Sirrah
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e 1 er C £ A a | ntn. Pa e EN Arc enhold. -30
. 4 n 41 10% "or " gh Kap "an 6 An ah z h on 3 an on
J= Jupiter. Sa = Saturn. U = Uranus. N = Neptun.
Im Monat Mai findet eine Sternbedeckung statt.
| intritt Win- Austritt | Win-
üre. | : a TR | | Bemerkun
Preise, Damen ate Beben SD Li E Z | kel ; M. E. Z. | kel | e
Mai 13. | t Librae | 4,6 | 15h 7m | — 190 27°: 4h 0m9 1230 bb Gm
4h gm
| 272°, Monduntergang
| | |
Die Planeten.
Merkur (Feld 2!/," bis äh bleibt während des ganzen Monats für das unbewaffnete
Auge unsichtbar. Jedoch kann er mit dem großen Treptower Fernrohr von Mitte des
Monats an bequem am Tage gesehen werden. Sein Durchmesser beträgt zu Anfang des
Monats 11,4 und am Ende 8⁄4. Am 5. Mai "bh abends steht er zwischen Sonne und
Erde, so daß seine unbeleuchtete
Seite der Erde zugekehrt ist. Die
Sichtbarkeit nimmt aber schnell
wieder zu, so daß am 31. Mai
bereits 0,4 der Fläche wieder be-
leuchtet ist. Die Leuchtkraft des
Merkurs ist am 31. Mai 33 mal so
stark als am 6. Mai.
Venus (Feld 55 bis 71/, P) ist
zu Anfang des Monats 3 Stunden
lang und am Ende 211. Stunden
am Abendhimmel als hellleuchten-
der Stern zu sehen. Ihre Leucht-
kraft nimmt während des Monats
fast um die Hälfte zu, obgleich
am Schlusse des Monats nur noch
?/, der Scheibe beleuchtet ist. Ihr
Durchmesser hat die Größe von
1171” am 1. und von 172 am
of. Mai. Am 1. Mai steht sie in (Aus dem ,,Astronomischen Museum“ der Treptow-Sternwarte.)
Konjunktion mit dem Monde und Fig.3. Venus oder der vermeintliche Komet.
— 28 —
am 30. mit Neptun und zwar steht sie fast 5° nördlich vom Neptun. (Vergl. Karte 2a,
Feld 7!/,®) Sie wird als Abendstern am 10. August ihren größten Glanz erreichen.
Wenn sie in der Nähe des Horizontes durch die Dünste unserer Atmosphäre länglich
erscheint, wird sie sehr oft als ein Komet angesehen, wie dies auch gelegentlich des
Erscheinens des Halleyschen Kometen im vergangenen Jahre wiederholt geschehen ist.
Ein interessanter Kupferstrich, den wir hier wiedergeben (Fig. 3), ist im Jahre 1795 von
Berthet in Paris für die National-Bibliothek ausgeführt worden und gibt eine Scene
wieder, in der die Venus als der Komet angesehen wird, der Ende des 18. Jahrhunderts
ganz Paris in Aufregung versetzte, da sich an seine Erscheinung eine Voraussage des
Weltuntergangs knüpfte. Es ist interessant, daß der Stich auch nebenbei noch eine
Änderung der Damenmode illustriert.
Sehr oft auch wird die Venus als ein neuer Stern entdeckt, und zwar dann, wenn
sie, nachdem sie einige Zeit unsichtbar gewesen war, wieder aus den Strahlen der
Sonne heraustritt. In diesem Jahre wird dies Ende August der Fall sein. Ihre Helligkeit
nimmt dann in kurzer Zeit um den achtfachen Betrag zu. Ist es während der kurzen
Dauer der Lichtzunahme bewölkt, so tritt sie plötzlich als ein sehr auffälliges Objekt
am Himmel auf. | |
Mars (Feld 22h bis 24h). Seine Sichtbarkeit nimmt wieder etwas zu und beträgt
Ende des Monats !/, Stunde am Morgenhimmel. Sein Durchmesser steigt von 6,6 auf 7,5.
Jupiter (Feld 14!/, » bis 14!/,") kommt am 1. Mai in Opposition zur Sonne und ist
daher während der ganzen Nacht am Himmel zu beobachten. Sein Durchmesser ist am
1. Mai mit 42,6 am größten und geht dann bis Ende des Monats auf 41,4 herab. Seine
größte Höhe im Meridian beträgt nur 24°, da er am 1. Mai 13!/,° südliche Deklination
hat. Am 12. Mai steht er in Konjunktion mit dem Monde. Der sechste Jupitersmond
hat am 8. Mai gleiche Rektascension mit Jupiter und steht in Deklination 21!/,‘ südlicher,
so daß er in lichtstarken Fernrohren bei Abblendung des Jupiters selbst aufzufinden sein wird.
Saturn (Feld 2';,h bis 2°/,b) kommt am 1. Mai in Konjunktion mit der Sonne und
bleibt daher während des ganzen Monats unsichtbar. Er tritt erst wieder Ende Juni am
Morgenhimmel aus den Strahlen der Sonne heraus.
Uranus (Feld 204) ist am Morgenhimmel im Fernrohr nur noch kurze Zeit zu sehen.
Neptun (Feld 7!/,b) ist zu Anfang des Monats 6 Stunden und zuletzt noch 4 Stunden
lang am Abendhimmel zu beobachten. Sein Durchmesser beträgt nur 2,5. Er kommt
am 30. Mai in Konjunktion mit der Venus, und zwar steht er 5° südlich von der Venus.
Der einzige Neptunsmond, welcher in 5 Tagen 21 Stunden seinen Planeten umkreist,
steht während des ganzen Jahres nur 16” von ihm ab.
Bemerkenswerte Konstellationen:
Mai 1. b morgens Jupiter in Opposition mit der Sonne.
- 1. 7" morgens Saturn in Konjunktion mit der Sonne.
- 1. 2b nachm. Venus in Konjunktion mit dem Monde.
- 5. 7b abends Merkur in unterer Konjunktion mit der Sonne.
- 10. mittags Merkur in Konjunktion mit Saturn. Merkur 1° 11’ nördlich vom Saturn.
- 12. 6% morgens Jupiter in Konjunktion mit dem Monde.
- 25. 3h morgens Mars in Konjunktion mit dem Monde.
- 26. 6 abends Merkur in Konjunktion mit dem Monde.
- 26. 8) abends Saturn in Konjunktion mit dem Monde.
- 299. Ah morgens Merkur in Konjunktion mit Saturn. Merkur 1° 55° südlich vom Saturn.
- 30. 4ħ morgens Venus in Konjunktion mit Neptun. Venus 2°5% nördlich vom Neptun.
- 31. 6h morgens Venus in Konjunktion mit dem Monde.
3
Fehlerberichtigung. Das Weltall Jg. 9, Seite 231. Lies stets d’Argenlieu statt d’Argeulieu
und Reihe 14 von unten lies C (Ceta) statt G im großen Bären. Jg. 11, Seite 128, Reihe 22, lies
Krakatoa- Ausbruch im August 1883 und von dem Lissaboner Beben am 1. 11. 1755 statt Krakatoa-
Beben im Jahre 1889 und von dem Lissaboner im Jahre 1757.
Für die Schrittleitung verantwortlich: Dr. F.8. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
DAS WELTALL
[llustrierte Zeitschrift fiir Astronomie und verwandte Gebiete. - -
Herausgegeben von
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 14. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Zweites Aprilheft).
Berlin-Treptow.
Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko _
durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post-
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einzelne Nummer 60 Pie. — Anseigen-Gebühren: I Seite 80.— MK. fy Seite 45.—
1, Seite 25.—, 1/, Seite 15.—, Uu Seite 8—. Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewicht.
INHALT
I. Zur Genesis des Mondes. Von Robert Schindler. . 209 | 4. Kleine Milteilungen: Uber die Eigenbewegung der
2. Das Exemplar der „Selenographia“ des Hevelius in Fixsterne. — Über die Elemente des Thuliums. . . 219
der Bibliothek der Treptow-Sternwarle. Bemerkungen 5. Bücherschau: Georg Helm, Die Grundlehren der
vom bibliophilen Standpunkte aus. Von Dr. Stephan höheren Mathematik. — B. Bornstein und W. Marck-
Kekule von Stradonits . . 2. . 2 2 2 2 eee 216 wald, Sichtbare und unsichtbare Strahlen . . . . 220
3. Aus dem Leserkreise: Einige Beobachtungen des Nachdruck verboten.
Johannesburger Kometen . . . » 2 «© 2.2... 218 | Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet.
Zur Genesis des Mondes.
Von Robert Schindler.
1. Allgemeines.
Der Mond ist das einzige Gestirn des Himmels, welches uns mit optischen
Hilfsmitteln einen weitgehenden Einblick in seine Oberflachenbeschaffenheit ge-
stattet. Trotz all dieser Beobachtungsmöglichkeit haben sich die Forscher über
die Natur dieses Planeten noch nicht einigen können, und wenn wir uns fragen,
ob dies überhaupt jemals eintreffen werde, so glaubt der Schreibende aus Er-
fahrungen auf einem der Wissenschaft weniger zugänglichen Gebiete, daß bei
vielseitiger Aufklärung die Überzeugung sich selbst Bahn brechen werde.
Die vielen Versuche, durch das Studium von analogen Zuständen in der
irdischen Natur oder mit Hilfe der Mathematik der Erklärung der Mondober-
fläche beizukommen, haben zu den verschiedenartigsten Resultaten geführt und
damit bewiesen, daß weder die Kenntnis der Erdoberfläche noch die Mathematik
ausreichend sind, die Rätsel des Mondes zu lösen. Bessere Anhaltspunkte
haben praktische Versuche geliefert, obwohl auch diese Resultate infolge ganz
verschiedener Grundideen oft einander diametral gegenüberstehen. Bezüglich
der Mondgebilde lassen sich die verschiedenen Ansichten hauptsächlich in fol-
genden 7 Hypothesen unterbringen: 1. Die Auftriebe gasiger und glühend
flüssiger Massen sowie deren zerstörende Ausbreitung, 2. der Auswurf loser
Massen und Ringbildung in bestimmter Entfernung, 3. die Krater- und Wall-
bildungen durch Meteoraufstürze, 4. der Einsturz aufgetürmter Pyramidenkegel
bis auf den Rest des Walles, 5. die glühend flüssigen Auftriebe infolge von
Mondrindenbewegungen, 6. die totale Vereisung der Mondoberfläche und 7. die
Erzeugung der runden Gebilde durch Wirbelwinde.
Fast allgemein ist man heute darüber einig, daß der Mond die Oberflächen-
abkühlung bedeutend früher vollendete als die Erde. Die Gründe der Kurz-
lebigkeit dieses kleinen Planeten gipfeln darin, daß, wie uns die Sonne belehrt,
— 210 —
Masse und Lebensdauer der Gestirne in einem gewissen Sinne proportional
sind. Da auch die Zusammensetzung der kosmischen Massen des Mondes
und der Erde kaum sehr verschieden sein kann und anderseits der Mond ein
tiefstarres Gewölbe bildet, das sich ohne eine Katastrophe durch äußere Ein-
wirkung nicht mehr verkleinern kann, so wird dereinst nach gänzlicher Durch-
kühlung des Planeten im Innern ein Hohlraum entstehen, welcher dem
spezifischen Mindergewicht der Erde gegenüber proportional sein wird.
Die nun folgenden Ausführungen gehen von der Voraussetzung aus, daß
der Mond zur Zeit der Entstehung der Oberflachengebilde sich an der Ober-
fläche im Stadium der Erstarrung, in der Tiefe im flüssigen und im Kern im
überhitzten gasförmigen Zustande befunden habe. Die Masse der starren Mond-
rinde sowie der glühendflüssigen Auftriebe scheinen die Eigenschaften des
zähen Glasflusses aufzuweisen, welche Masse durch expandierende Gase aus
dem Innern über die Oberfläche hinaufgetrieben wurden. Von einer geologischen
Schichtenfolge wie bei der Erde kann daher beim Mond nicht die Rede sein,
vielmehr präsentiert sich derselbe in seinem Urzustande, welcher durch gewalt-
same Abkühlung dieses kleinen Planeten herbeigeführt wurde, von welchem
Zeitpunkte an die Entstehung neuer Erhebungen total ausgeschlossen erscheint.
Es liegt somit in der Natur der Sache, daß wir auf der Erde meistens vergeb-
lich nach analogen Zuständen suchen, da nur ganz vereinzelte Stellen zu
schwachen Vergleichen herangezogen werden können.
2. Die Monderhebungen.
Die Theorie der glühendflüssigen Auftriebe ist eine der ältesten und hat
neben Hooke, R. Falb, Dana, P. Lehmann und anderen hauptsächlich
durch die Experimente von Ebert die maßgebendste Begründung gefunden.
Auch der Verfasser hatte die Ursache der feuerflüssigen Auftriebe seit vielen
Jahren in Gicßereien zu beobachten Gelegenheit gehabt und eine kleine Schrift
unter dem Titel „Die Mechanik des Mondes“ verfaßt, welche auf den Stern-
warten zu finden ist und dort eine gute Aufnahme gefunden hat.
Außer den durch Dana an dem Feuersce auf Hawai gemachten Beobach-
tungen scheint neben den Experimenten, wie solche von Ebert und dem Ver-
fasser ausgeführt wurden, die Eisengießerei der einzige Ort zu sein, welcher
einigermaßen geeignet ist, das Wesen der feuerflüssigen Auftriebe zu studieren.
An gleicher Stelle kann man auch beobachten, wie bestehende Gebilde durch
Anwesenheit feuerflüssiger Massen wieder zerstört werden können, worauf wir
bei der Besprechung der Ausbreitung der Meere wieder zurückkommen. Wer
Gelegenheit hat, entweder durch häufigen Besuch in Gießereien oder durch Ex-
perimente wie Ebert und der Verfasser seine Kenntnisse in bezug auf flüssige
Auftriebe zu erweitern, dürfte bezüglich der Entstehung der Mondgebilde schr
bald zu einer überzeugenden Ansicht gelangen. Wenn jemand die Erhebungen
auf dem Monde beobachtet, so muß ihm sofort auffallen, daß mit Ausnahme einiger
Bergrücken alle eine mehr oder weniger rundliche Grundrißform haben, welche
darauf hindeutet, daß dieselben durch die Wirkungen zentraler Kräfte ent-
standen sind. Als solche Kräfte kommen in erster Linie die expandierenden
Gase in Betracht, welche durch Tausende von Öffnungen zum Auspuff kamen.
Allerdings haben auch Magmaauftriebe zur Bildung von großen Höhenzügen,
wie den Apenninen und Karpaten, stattgefunden, bei welchen die Wirkung der
Gase meistens nur an einer großen Menge Beulen oder Gaseinschlüssen zu er-
- 21 —
kennen ist, welche die starr gewordene Oberfläche nicht mehr zu durchdringen
vermochten.
Von den offenen runden Gebilden kann man unterscheiden: Wallebenen,
Krater, Wallkrater, Blasenkrater und Gruben, unter welchen Bezeichnungen es
keine scharfen Grenzen gibt, nur sei bemerkt, daß Blasenkrater und Gruben
kleinere Objekte darstellen und ohne Magmazufuhr entstanden sind, während
es Krater gibt, bei welchen riesige Magmaaufschüttungen nachgewiesen werden
können. Das Interesse der Forscher dreht sich hauptsächlich um die Frage,
wie die gemeinhin als Krater bezeichneten Gebilde entstanden sind.
Wohl mag anfänglich, als die Mondrinde noch nicht sehr fest war, die
Schwindung oder Zusammenziehung zu den Auftricben von Bergrücken Ver-
anlassung gegeben haben, bei den Wällen und Kratern ist jedoch das Spiel der
expandierenden Gase mit dem flüssigen Magma als die einzige Ursache ihrer
Entstehung anzusehen. Diese Stoßwirkungen auspuffender Gase auf glühend-
flüssige Massen sind den EisengieBern zur Genüge bekannt, da dieselben be-
ständig mit den Gefahren der Gasstauungen zu rechnen haben. Der Schrei-
bende hat versuchsweise einen Gießermeister in dieser Richtung sondiert und
demselben Photographien von Mondgebilden vorgelegt mit der Frage, ob er
glaube, daß diese Krater durch die StoBwirkung glühendflüssiger Auftriebe ent-
standen sein können, worauf, wie vorauszuschen, für diejenigen, welche in
diesem Falle der Theorie der glühendflüssigen Auftriebe nicht zu folgen ver-
mögen, nur ein mitleidiges Lächeln übrig blieb. Jedenfalls wäre es schr wün-
schenswert, wenn die Zweifler sich mit tüchtigen Gießern oder Gießereitechnikern
über diese Frage möglichst gründlich auseinandersetzen würden.
Um einmal eine Anzahl Gießer mit dem Wesen der Mondoberflache bekannt
zu machen, hat der Verfasser denselben einen Vortrag gehalten, welcher zu
nachstehender Resolution Veranlassung gab:
Resolution.
Die unterzeichneten FisengieBer sind nach Anhörung eines am
19. Februar 1911 in der Aula des städt. Schulhauses auf der Musegg in
Luzern, durch Herrn Robert Schindler, Gründer und Aufsichtsrat
der Maschinenfabrik Schindler & Cie., abgehaltenen Vortrages über:
I. Populäre Astronomie, II. Die Selenologie und der Eisen-
gießer einstimmig zu folgender Resolution gelangt: |
1. Die verschiedenen Anzeichen deuten darauf hin, daß die Mond-
oberfläche von glasartiger Struktur ist und muß dieselbe in den Mare-
ebenen durch zusammengeschwemmte schaumige Verunreinigungen, wie
solche bei jedem Schmelzflusse vorkommen, bedeckt sein.
2. Die Entstehung aller Gebilde auf der Mondoberfläche, sowie die
Vernichtung solcher Gebilde durch neue Auftricbe und Ausbreitung der
Massen in den Mareebenen, sind mit absoluter Sicherheit als die Folgen
gasiger und glühendflüssiger Auftriebe zu erkennen und vom
Standpunkte des Eisengießers bis in die Details zwanglos zu erklären.
Luzern, den 3. März 1911.
Die Eisengießer der Maschinenfabriken
A.-G. Schindler & Cie. in Luzern,
A.-G. Th. Bell & Cie in Kriens.
(Es folgen die Unterschriften.)
— 212 —
Wenn auch diese aus Erfahrungen sich ergebende Erklarung, nur von
meistens intelligenten Arbeitern und Meistern herrührt, so ist dieselbe nicht
weniger beachtenswert als mancher Erklärungsversuch, wo entweder die höhere
Mathematik oder das Teleskop auf Grund irgend einer fantasievollen Annahme
das letzte Wort hatte. Ä
Für die Erklärung der nicht magmaführenden Blasenkrater und Gruben
hat der Verfasser in den Fig. 1 und 2 zwei Exempel gewählt, welche schr viel
Beifall gefunden haben. Das cine ist ein vergrößertes Stückchen Brotrinde,
das andere ein Siegel. In beiden Fällen zeigt sich deutlich, wie zähe Massen
durch auspuffende Gase Anlaß zu Grubenbildung geben können. Auch treten
hei Fig. 2 einige Beulenauftricbe deutlich hervor, wie solche auf dem Monde so
| massenhaft vorkommen. Charakteristisch
Fig. 1. Fig. 2.
tiefen, glänzenden Mulden und das Fehlen von ausgeworfenem Magma auf der
Außenböschung, welches man besonders auf den dunklen Mareebenen als hellere
Masse sofort erkennen würde.
Zur Demonstration in bezug auf die Stoßwirkung warmflüssiger Massen
hat der Verfasser zwei Apparate hergestellt, wovon Fig. 3 für die mittleren
und großen und Fig. 4 für die kleinsten Auftriebe bestimmt ist. Zu diesen
Versuchen werden gelochte Wachsscheiben verwendet und der durch eine
Gas- oder Spiritusflamme erwärmte Wachsinhalt des Zylinders mit Hebel
und Piston stoßweise auf die Oberfläche der Wachsscheibe gedrückt. Je
nach Masse, Schnelligkeit, Temperatur und Dauerwirkung hat man es in der
Hand, große oder kleine Gebilde zu erzeugen. In den Fig. 5 bis 11 sind einige
Versuche dargestellt, welche geeignet sind, das mechanische Prinzip der flüssigen
Auftricbe leichter zum Verständnis zu bringen.
x
für die Blasenkrater sind die relativ
e ~
—
— 23 —
Die meisten größeren Gebilde auf dem Monde haben innerhalb der Wille
den ursprünglichen Boden durch das andauernde Spiel mit glühendflüssigen
Massen wieder aufgeweicht und muldenartig vertieft. Durch Abkühlung wurde
den Aufwerfungen der Massen ein Ziel
gesetzt und die Austrittsöffnungen
sickerten zu. Die letzten ersterbenden
Auftriebe zeigen häufig: Sickerkegel,
Fig. 3. Fig. 4.
welche oft mehrmals auszubrechen versuchten, jedoch infolge Abkühlung nic-
mals die Höhe des umgebenden Walles zu erreichen vermochten. In den meisten
Fällen waren damit die Auftriebe in der Mitte abgeschlossen, jedoch nicht für
den umgebenden Wall. Viele Anzeichen sprechen dafür, daß die Mondober-
fläche eine glasartige Sprödigkeit besitzt. Da die Wärmezunahme in den Wällen
von der Krone nach unten zum Quer-
schnitt der Massen proportional
war, konnten die Kronen der fort-
schreitenden Abkühlung nicht
standhalten, sondern es mußten
Querrisse entstehen, welche viel-
fach zur Bildung der sogenannten
Wallkrater Veranlassung gaben.
Über diese Krater wurde schon von
Franz in seinem Buche „Der Mond‘
bemerkt: „Nie kommt es vor, daß
ein Wallkrater vom Walle unter-
brochen wird, was doch ebenso gut
möglich wäre.“ Diese Unmöglich-
keit hat ihren Grund darin, daß die
Zerreißung der Wallkrone und teilweise Niederschmelzung des Walles der
Neubildung des Kraters vorausging.
3. Die Mareebenen.
Der Mond war vor der Entstehung der Meere reicher an größeren Wall-
gebilden. Mit zunehmender Abkühlung wurden die freien Öffnungen weniger
und an Stelle des gasförmigen trat infolge der Abkühlung mehr der flüssige
— 214 —
Auftrieb, welcher durch seine Menge die Bildung der Meere herbeiführte. Das
Magma dieser Meere ist mit einer den meisten Schmelzflüssen eigenen schwim-
menden Decke oder Lava gänzlich überdeckt, einer dunklen Schicht, deren
Mächtigkeit vielleicht nur nach Metern zählt und mit einer Schaumdecke zu
vergleichen ist. |
Vig. 6. Vig. 7.
lig. S. Fig. 9.
Fig. 10. | Fig. 11.
Mit der Ausbreitung dieser Meere wurden, so lange die Wärme ausreichte,
alle Hindernisse durch Unterschmelzung ganz oder teilweise beseitigt, wovon
eine Menge zum Teil niedergeschmolzener Kraterwälle und insbesondere die-
Apenninen interessante Aufschlüsse geben. Der tatsächliche Vorgang der teil-
weisen Zerstörung der Apenninen mag geeignet sein, darüber Zweifel auf-
kommen zu lassen, dabei darf jedoch nicht vergessen werden, daß gerade im
— 215 —
Innern des gewaltigen Gebirges dic Temperatur noch eine sehr hohe gewesen
sein muß. Obwohl der SchmelzfluB des Meeres die zwar riesigen abgestirzten
Felsen nicht mehr zu verflüssigen vermochte, hat die Unterschmelzung der
Apenninen, wie die rundliche Bucht beweist, gleich der Ausbreitung der Meere
in anderen Gegenden keinen anormalen Verlauf genommen. Auf dieselbe
Weise sind eine Menge großer und kleiner Walle vernichtet worden, von
welchen man vielfach die Vorstellung hat, daß dieselben in die Meere ver-
sunken wären, zu welcher Auffassung zugegeben werden muß, daß ein unter-
schmolzener sich auflösender Körper genau dic Erscheinung des Versinkens
darstellt.
Obwohl die Meeresufer nicht in der Weise, wie die vernichteten Wälle den
Anschein geben, versunken sind, so darf nach den Untersuchungen von Franz
doch angenommen werden, daß nach seiner Niveaukarte die starren, krater-
reichen Gegenden der Schwindung mehr Widerstand geleistet haben und höher
geblieben sind als die mit Magma überströmten Maregegenden, welche im auf-
geweichten Zustande der Senkung durch Schwindung leichter zu folgen ver-
mochten. Die Temperaturabnahme hat jeweilen das Zerstörungswerk zum Still-
stande gebracht, so daß man besonders gegen den Nordpol Ruinen in allen
möglichen Stadien der Vernichtung findet, während die unversehrt ausschenden
Gebilde in den Mareebenen später entstanden sind, worauf an der Hand ge-
eigneter Bilder in der Fortsetzung zurückgekommen werden soll.
4. Strahlen und Rillen.
Wie beim Aufbau der Krater und der Ausbreitung der Meere waren der
Schmelzfluß und die Gase auch die Ursachen der Strahlen und Rillen.
Was uns der Mond mit seinen Strahlensystemen zeigt, kann dem nach-
lässigen oder unachtsamen Gießer infolge explosiven Speiens der Formen täg-
lich passieren. Es ist das Signal, daß die Gase sich nur mehr durch den ex-
plosiblen Auftricb des Eisens aus der Form entfernen können. Auf dieselbe
Weise sind die Strahlensysteme auf dem Monde entstanden, als die Gase und
Magma nur mehr gewaltsam durch wenige Öffnungen die Oberfläche erreichten.
Zu diesen Krateröffnungen gehörten, wie an den Ausfurchungen der Außen-
böschungen sowie an der Umgebung infolge Massenausschüttungen leicht zu
erkennen ist, die Krater Kopernikus, Kepler, Aristarchus, Autolycus,
Aristoteles, Langrenus, Petavius und einige andere, während Tycho mit
seinem riesigen Strahlensystem als wahrscheinlich letzter tätiger Krater unter
sehr hohem Druck eine gewaltige Menge Strahlen über einen großen Teil der
Mondfläche ausbreitete.
Während zur Beobachtung der Erhebungen die Phasen des Mondes die
beste Gelegenheit bieten, bedarf man für die Strahlen die volle Belichtung.
Die bessere Sichtbarkeit der Strahlen unter einem spitzen Winkel zur Sonne
hat ihren Grund in der schimmernden Durchsplitterung der rasch abgekühlten
Massen, dieser ünmerklich geringen Auftragung, weshalb die Strahlen bei Voll-
mond am besten beobachtet werden können.
Die Entstehung der Rillen läuft in der Hauptsache auf Schwindung hinaus,
obwohl Temperaturwechsel auch Spannungsrisse erzeugt haben muß.
Der Mond hat sich, wie jeder Mangel von Verwerfung zeigt, mit der gänz-
lichen Oberflächenabkühlung gar nicht mehr verkleinern können. Wenn daher
dort lange, Berg und Tal durchsetzende Rillen und Risse vorhanden sind, so
— 216 —
bedeuten dieselben weniger Schwindungs- als Spannungsrisse und sind daher
trotz ihrer großen Länge, wegen relativ geringer Öffnung für uns weniger gut
sichtbar, als die bekannten Schwindungsrisse. Die Sichtbarkeit der Rillen hängt
hauptsächlich von der Größe des Absturzes nachgerutschter Massen ab, was am
auffälligsten bei der Hyginus- und der Ariadaeus-Rille zu finden ist, bei welchen
die teilweise Ausfüllung teleskopisch wahrnehmbar ist.
Die riesigen Felsen, welche bei den Apenninen abstürzten, zeigen, daß die
Massen in der Tiefe weniger zerrissen waren, während man weiß, daß sowohl
durch die intensive Abkühlung, als auch die synodischen Temperatur-
schwankungen die äußersten Mondschichten vielfach zerrissen sein müssen.
Zieht man in Betracht, daß Glasfluß ein guter Wärmeleiter und der synodische
Temperaturwechsel kein gerade plötzlicher ist, so dürfte nach grober Schätzung
die Blockgröße auf der Mondoberfläche zwischen Kubikfuß und Kubikmeter
liegen und ist seit ferner Urzeit konstant, so daß das Sprichwort vom Zahn der
Zeit infolge Anpassung an die Temperaturschwankung und dem Mangel einer
aktiven erodierenden Atmosphäre für die Mondoberfläche keine Geltung hat.
(Schluß folgt.)
Das Exemplar der ,,Selenographia’ des Hevelius in der Bibliothek
der ®reptow- Sternwarte.
Bemerkungen vom bibliophilen Standpunkte aus.
Von Dr. Stephan Kekule von Stradonitz.
pee sein Super-Exlibris, ein in Gold in das Leder des Vorderdeckels auf-
gepreßtes Wappen, außerdem durch die Widmung von der Hand des
Hevelius, die Archenhold a. a. O. bereits abgebildet hat!) kennzeichnet
sich das in Rede stehende Exemplar als ein Stück aus dem Besitze des Louis-
Henri de Lomenie, Comte de Brienne. Das Super-Exlibris ist so, wie es auf
dem Bande ist, in dem bekannten „Nouvel Armorial du Bibliophile’ von Joannis
Guigard, Bd. 2, Paris 1890, S. 327, abgebildet, und da es eines der beiden
Super-Exlibris ist, die fast die sämtlichen Bücher tragen, die der genannte
Bichersammler besessen hat, so kann damit als erwiesen angesehen werden,
daß er das, ihm von Hevelius gewidmete Exemplar der „Selenographia“ wahr-
scheinlich selbst hat einbinden, jedenfalls selbst erst mit der „Außenpressung*,
dem Super-Exlibris, versehen lassen.
Louis-Henri de Lomenie, Graf von Brienne, war ein eifriger Bibliophile.
Schon sein Vater, Henri-Auguste de Lomenie, Comte de Brienne (7 1666),
und sein Großvater Antoine de Lomenie rk 1638) waren dieses gewesen. Der
Titel „Comte de Brienne” ist, nebenbei bemerkt, durch Henri-Auguste infolge
von dessen Ehe mit Louise de Béon de Luxembourg de Brienne erheiratet
worden. Als beider Sohn ist Louis-Henri am 13. Januar 1636 geboren. Den
berühmten .Fonds Brienne“ des Antoine, nämlich dessen Handschriften-
sammlung, jetzt in der Bibliotheque Nationale, hatte Henri-Auguste, um dem
allmächtigen Kardinal Richelieu zu gefallen, für ca. 180000 fres. (nach heu-
tivem Geldeswert: damals: 36000 livres) an diesen verkauft. Louis-Henri
t) Zu vergl. der Aufsatz „Johannes Hevelius* von Dr. Archenhold in Heft 10 des
Weltall} 1911 (zweites Februarheft). insbes. S. 151. Abb. 22.
erbte von Vater und Großvater somit von der großartigen Handschriftensammlung
des Großvaters so gut wie nichts und von der Büchersammlung beider nicht
viel, desto mehr aber war ihm die Eigenschaft, ein ,Bibliophile* zu sein, an-
geboren. Während seines Lebens hat er eine Büchersammlung zusammen-
getragen, die ihm erweislich etwa 80000 livres, also rund +00 000 frcs. nach
heutigem Geldeswert, gekostet hatte. Die äußere Lebensgeschichte des Mannes
ist völlig romanhaft. Bis 1663 hat er, wie es scheint, seinen Vater in der Aus-
übung der Geschäfte eines Staatssckretärs vertreten. In dieser Eigenschaft hat
er auch im Juni 1660 der Hochzeit König Ludwigs XIV. in San Juan de Luz
beigewohnt. Aus irgend einer geheimen Ursache, die man nicht kennt, trat er
1664 plötzlich zum geistlichen Stande über wahrscheinlich infolge eines König-
lichen Befehls, dessen Ur-
sache unbekannt ist. 1667
wurde er Sub-Diacon. Nach
einer Zeit wahrer oder er-
heuchelterInbrunst verliebte
er sich 1670 in eine Schrift-
stellerin und führte mit
dieser bis 1673 im Ausland
ein unordentliches und An-
sto erregendes Leben. 1674
wurde er zurückberufen und
nacheinander in die Klöster
Saint - Germain - des - Pres,
Saint-Benoit-sur-Loire und
Saint- Lazare eingesperrt
(1674 bis 1692), wo man thn
der Außenwelt gegenüber
für verrückt ausgab, bis er
durch Richterspruch vom
17. Juni 1692 scine Freiheit
erhielt. 1696 wurde er in-
folge einer „lettre de
cachet“ in die Abtei Saint-
Scverin zu Chäteau-Laudon
gesteckt und ist daselbst Super - Exlibris des Louis-Henri de L.omenie.
am 14. April 1698 gestorben. Grafen von Brienne.
Er hat zahlreiche Werke
verfaßt: über seine Reisen, über seine Gemäldesammlung, über die franzö-
sische Versbildung; man hat von ihm geistliche Dichtungen, die zu Paris
im Jahre 1671 in drei Duodez-Bänden erschienen und zu denen La Fontaine
das Widmungsgedicht zu Ehren des Prinzen von Conti verfaßte. Seine
„Mémoires“, erschienen 1720 zu Paris in zwei Duodez-Banden, seine „Mémoires
inédits“, erschienen zu Paris im Jahre 1828 in zwei Oktav-Bänden, endlich der
»waschechte Roman, oder geheime Geschichte des Jansenismus“, der noch un-
veröffentlicht ist, beweisen zweifellos, daß er geistig völlig gesund und höchstens
von Charakter ein ,Entgleister- war. Seine Bibliothek ging auf seinen Sohn
Louis-Henri den Jüngeren fr 1743) über, der dafür aber gar keine Liebhaberei
besaß, und sie in London am 24. April 1724 durch den bekannten Antiquar
James Woodman verkaufen ließ. Infolge dieser Veräußerung gehören Bande
aus der Bibliothek Lomeénie de Brienne — weitaus zum größten Teil übrigens
von dem bekannten Dussieux gebunden — zu den geschätztesten bibliophilen
Seltenheiten, namentlich in Frankreich.
Das in dem Super-Exlibris dargestellte Wappen enthält nachfolgende Bilder:
1. einen von zwei Löwen gehaltenen, gevierteilten, mit einem Herzschild
belegten Schild: z
2. darüber eine elfzackige Krone, überhöht von
3. einem Helm mit Helmschmuck.
Das erste und vierte, rote Feld des Schildes enthält je zwei schreitende
Kühe mit goldenen Hörnern, Hufen, Halsbändern und Glocken (Béon) und
das zweite und dritte, silberne Feld des Schildes je einen aufrechten: blau-
bezungten, gold-bewehrten und -gekrönten Löwen mit doppeltem Schweif
(Luxembourg). Der Hauptschild enthält im goldenen Felde einen grünen Baum,
dessen Wurzeln auf einer roten Scheibe stehen: im blauen .Schildeshaupt* dazu
drei silberne Rauten (Lomenie). Das Helmkleinod ist das in der heraldischen
Fachwelt weltbekannte der Loméniec: die „Schöne Melusine“ im Bade.
. Da Hevelius seine Widmung am 10. April 1655 geschrieben hat, fällt diese
Gabe des Verfassers in die Zeit der amtlichen Laufbahn des Empfängers.
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(be 3 be 8!
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D
R =
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Einiĝe JSeobachtungen des Johannesburger Kometen.
err W. Hinz, 2. Offizier S. S. Samland, Red Star Line, Antwerpen, schickt
uns von seiner Secreise einige Beobachtungen des Johannesburger Kometen,
die er während der Fahrt bei schr klarem Wetter gemacht hat. Er schreibt:
„Am 19. Januar 1910 verließen wir New-York. Wir hatten wolkiges und
schönes, klares Wetter. |
Am 20. abends sahen wir etwa 7° über dem westlichen Horizont einen
Kometen von erstklassiger Helle. Der Schweif war ca. 2 bis 3° lang, nach oben
(Zenit) zeigend und etwas südlich abgebogen. Der Schweif verlief in eine etwas
nördlichere Deklination und größere Rektaszension als der Kopf.
Um ca. 6" 8" p. m. = 10° 35” mittlerer Greenwichzeit in einer ungefähren
wahren Amplitude von W. 18° S. ging der Komet unter. Die Schiffsposition zu
dieser Zeit war 40° 15° N. und 66° 42° W. Ein genaues Beobachten war ob dor
mit Wolken bedeckten Kimm unmöglich.
Ungefähre Position des Kometen 20° 53" Rekt 13" 39° S. Dekl.
Am 21. um 5" 40" p. m = 9b 44m 30° m. G. Z. in 40° 27° N. und 61°24 W. beob-
achtete bei klarem Wetter die Höhe des Kometen 6° 225 Azimut N. 110° W.
Rekt. = 20" 54" 19° Dekl. 10° 46° S.
Der Komet erschien an diesem Abend schwächer, ungefähr in der Licht-
stärke eines Gestirns zweiter Größe. Der Schweif ungefähr wie am Abend
vorher.
Am 22. abends um oh 107 p m. = 9" 51" 49° m. G. Z. in 40° 42’ N. und 55° 28’ W.
hometenhéhe 3° 9° Azm. N. 103° W. Rekt. = 20" pom 10° Dekl. = 7° 44° S. Der
Schweif war ca. 5° lang sichtbar und wieder nach links abgebogen.
— 219 —
Am 23. abends um Dh 53™ = 9» 15™ 16° m. G. Z. in 40° 59’ N. und 49° 59° W..
Höhe des Kometen = 7° 43° w. Azm. = N. 106° W. Rekt. = 21" 8™ 13° Dekl.
= 6°46'S. |
Der Schweif war an diesem Abend schlecht sichtbar. Lichtstärke ungefähr
zweiter Größe.
Am 24. um 55 59" p. m. = 8" 57™ 33° m. G. Z. in 42°00’ N. und 44° 35‘ W.
Höhe des Kometen 7° 45‘,5 w. Azm. N. 104° W. Rekt. = 212 13" 6° Dekl. = 5° 2’ S.
Der Schweif des Kometen war an diesem Abend ungefähr 15° lang, stand
ziemlich senkrecht zum Horizonte, am oberen Ende vielleicht etwas nach Süden
abgebogen. Der Schweif des Kometen bildete somit mit dem Äquator einen
Winkel von ungefähr 40°.
Am 25. abends war der Himmel bedeckt, sahen daher den Kometen nicht.
Am 26. sahen wir den Kometen wieder; da es aber wolkiges Wetter war
und sich oft bezog, nur für kurze Zeit. Um 6" 6m p. m. = 8 18m 12° m. G. Z. beob-
achtete die Höhe 7° 47‘,5, wahres Azm. N. 102° W. Rekt. = 215 22™ 558 Dekl. =
2° 37,5. Der Schweif war ob der Wolken nur 2 bis 3° lang sichtbar. Schiffsort:
45° 58° N. und 33° 6! W. |
Am 27. abends sahen wir den Kometen nur für kurze Zeit und schwach. .
Der Schweif war an diesem Abend ca. 50° lang und endete mit einem starken
südlichen Bogen in der Nähe des Planeten Saturn. N
Am 28. abends sahen wir den Kometen für kurze Zeit mit einem ungefähr.
30° langen Schweife, welcher wie am vorhergehenden Abend stark nach Süden
abgebogen war.
Am 29. Januar sah ich den Kometen sehr schwach ohne merklichen Schweif,
weil noch zu hell. Spater sah ich nur noch das Ende cines langen, schwachen
Schweifes; der Komet selber war von Wolken bedeckt. Später habe ich den
Kometen nicht mehr gesehen. Es schien aber, daß er bei allen späteren
Beobachtungen schwächer war.“
7
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Uber die Eigenbewegung der Fixsterne') hat Hofrat E. Weiß eine Abhandlung von
Professor S. Oppenheim der Wiener Akademie der Wissenschaften überreicht und dazu bemerkt:
„In den letzten Jahren sind in den Eigenbewegungen der Fixsterne systematische Gesetzmäßigkeiten
erkannt worden, die darauf hinzudeuten scheinen, daß die Fixsterne nicht alle einem einzigen, sondern
mehreren Sternsystemen angehören. In dieser Beziehung hat speziel Kapteyn die Hypothese auf-
gestellt, daß das Sternenheer aus zwei Schwärmen bestehe, deren Bewegungen ganz unabhängig von-
einander vor sich gehen, und Eddington diese Annahmen mathematisch zu begründen gesucht.
Demgegenüber stellte Schwarzschild die Hypothese auf, daß das Sternsystem eine Art krystal-
linische Struktur besitze und in ihm die Geschwindigkeiten der Bewegung von drei Hauptachsen be-
dingt werden wie die Lichtgeschwindigkeit in einem Krystall. Es gelang ihm auch die Lage dreier
solcher Achsen mit genügender Annäherung festzulegen. Außerdem hat aber Gylden darauf aufmerk-
sam gemacht, daß die beobachteten Erscheinungen sich einfach auch dadurch erklären lassen, daß
wir die Bewegungen nicht vom Zentralpunkte aus, sondern von einem Körper sehen, der sich selbst
um ihn bewegt. Es sei dieselbe Erscheinung wie die, von der Erde aus geschen, so verwickelten
Bewegungen der Asteroiden.
Oppenheim untersucht nun, gestützt auf das über die Eigenbewegungen der Fixsterne vor-
handene Material, eingehend diese drei verschiedenen Hypothesen mittels Fourrierscher Reihen und
gelangt dabei zu folgenden Resultaten:
` mu Vergl. „Weltall“, Jahrg. 11, Seite 294.
1. Die Teilung des ganzen Systems der Fixsterne in einzelne Schwärme mit verschiedenen Be-
wegungsrichtungen cbenso wie die Annahme eines krystallinischen Baues, in dem die Geschwindig-
keitsausbreitung nach verschiedenen Richtungen eine verschiedene ist, ist zur Erklärung der in den
Spezialbewegungen der Sterne nachgewiesenen Gesetzmäßigkeiteu weder notwendig noch gerechtfertigt.
2. Die harmonische Analyse der Eigenbewegungen der Sterne, sowohl was ihre Größe anlangt,
als auch was rein statistische Abzählungen der Sterne im Verhältnis zum Positionswinkel der Eigen-
bewegungen betrifft, führt vielmehr zu der Vorstellung, daß die konstatierten Gesetzmäßigkeiten den
gleichen Charakter zeigen wie jene, die sich im geozentrischen Laufe der kleinen Planeten konstatieren
lassen.
3. Die Frage, ob durch diese Vorstellung allein der Beweis dafür erbracht ist, daß sich so wie
die Planeten auch die Sterne in geschlossenen Bahnen um einen Zentralkörper oder Zentralpunkt be-
wegen, bleibt noch offen.“ *
* *
Über die Elemente des Thuliums hat Freiherr Auer von Welsbach schon früher im Wiener
Akademischen Anzeiger No. 27 1908 berichtet. Er fand drei verschiedene Elemente In neueren Unter-
suchungen hat er nun festgestellt, daß das interessanteste von diesen Tu II ist, für das der Name
Thulium belassen wurde, weil es viele der charakteristischen Merkmale besitzt, die man bisher dem
mit Thulium bezeichneten Gemenge zugeschrieben hat.
Die Salze dieses Elementes sind bei Tageslicht blaß grünlichgelb, bei Lampenlicht, in welchem
die roten Strahlen vorherrschen, smaragdgrün. Diese Farbe ist nahezu komplementär mit der Farbe
der Erbiumsalze, woraus sich erklärt, daß man die Thuliumsalze, die stets nur erbiumhältig erhalten
.worden waren, für farblos hielt.
ER
Leger e I
Georg Helm, Die Grundlehren der höheren Mathematik. Leipzig, Akademische Ver-
lagsgesellschaft m. b. H. 1910. XV und 419 Seiten mit 337 Figuren im Text. Preis geheftet 12 M.,
gebunden 13 M.
Seit dem Jahre 1906 wird von dem Verf. an der Technischen Hochschule in Dresden eine
einheitliche Vorlesung über höhere Mathematik gehalten, die, sich über vier Semester erstreckend,
alle für ein gedeihliches Studium der gesamten technischen Mechanik, der Elektro- und Thermo-
dynamik erforderlichen Gebiete der analytischen Geometrie, Differential- und Integralrechnung umfaßt.
Der wesentliche Inhalt dieser Vorlesung ist in dem vorliegenden Buche niedergelegt, das allerdiugs
kein Lehrbuch sein, sondern dazu dienen soll, die in der Vorlesung gewonnenen Begriffe und Methoden
für den späteren Gebrauch bei Wiederholungen und Anwendungen sicherzustellen. Das vielfach
durch Anwendungen der theoretisch gewonnenen Begriffe auf die Probleme der Praxis belebte Werk
erscheint geeignet, seinen Zweck ausgezeichnet zu erfüllen. |
Clausthal i. H. Werner Mecklenburg.
* *
*
B. Börnstein und W. Marckwald, Sichtbare uad unsichtbare Strahlen. Zweite Auflage.
(Aus Natur und Geisteswelt. Teubner, Leipzig 1910.)
Unter diesem Titel bringen die Verfasser eine Reihe von Abhandlungen, die in aHgemein-
verständlicher Form die verschiedenen Strahlungsprobleme behandeln. Das erste Kapitel schildert
die charakteristischen Kennzeichen der Strahlen, ihre Wellenlänge, Geschwindigkeit, Brechung,
Interferenz und Beugung. Das zweite Kapitel beschäftigt sich eingehend mit den Schallquellen und
den durch sie hervorgerufenen Erscheinungen. Das dritte handelt von den Lichtstrahlen, schildert
ausführlich die optischen Vorgänge auf Grund der Wellennatur des Lichts. Im vierten Kapitel
wird das Zustandekommen der unmittelbar nicht wahrnehmbaren Strahlungsarten auseinandergesetzt,
die ultrarote, ultraviolette und Röntgenstrahlung eingehend besprochen. Dann werden die Strahlen
elektrischer Kraft und die auf ihnen berubende drahtlose Telegraphie behandelt. Das letzte Kapitel
beschäftigt sich mit den Strahlungsarten der radioaktiven Stoffe und deren Wirkungsweise in aus-
führlichem Maße. Besonders hervorzuheben ist die reiche Ausstattung des Bändchens mit zahl-
reichen Illustrationen, die das Verständnis der klaren Darstellung noch mehr erhöhen. Jedem, der
sich über dieses interessante Gebiet informieren will, kann die Schrift nur dringend empfohlen
werden. W. H.
Für die Schriflleitung verantwortlich: Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
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[llustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete
| Herausgegeben von
Dr. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 15. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Erstes Maiheft).
Berlin-Treptow.
Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnemenispreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalten (Post-
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pjg. — Anseigen-Gebühren: 1 Seite 80.— Mk. \/, Seite 45.—
1/, Seite 25.—, 1/5 Seite 15.—, tha Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewicht.
INHALT
1. Uber die Brownsche Molekularbewegung. Von Dr. 5. Kleine Mitteilungen: Zwei neue kleine Planeten. —
F. Hennig 2 ho wur eR ‘Ń‘ 221 Beobachtungen von Feuerkugeln aus dem Leserkreise 234
2. Zur Genesis des Mondes. Von Robert Schindler. 6. Bücherschau: Geschichistafeln der Physik. — Annales
(Schluß) Mit einer Doppelbeilage . . . . . . . 225 de Tobservatoire royal de Belgique. — Bulletins of
3. Aus dent Leserkreise: „Mondmeleore‘ ..... . 229 Laws Observatory. Publications of the University of
4. Der gestirnte Himmel im Monat Juni 1911. Von Missouri. — Bei der Redaktion eingegangene Bücher 235
Dr. F. S. Archenhold. . . 2 2 2 2 2000. 231
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet.
Über die Brownsche Molekularbeweĝang.
Von Dr. F. Henning.
Wen die exakten Naturwissenschaften sich nur darauf beschränkten, alle
Erscheinungen zu beschreiben, so würden sie nichts als ein unentwirr-
bares und nutzloses Chaos von Tatsachen aufhäufen können. Erst die Theorie,
auch wenn sie auf den schwankenden Boden einer Hypothese gebaut
ist, bietet die höhere Warte, von der aus die Resultate des experimen-
tierenden Forschers mit geringer Mühe überblickt werden können und von wo
aus ein tieferer Einblick in die Geheimnisse der Natur möglich ist.
Eine der ältesten Hypothesen, die auf dem Boden der Chemie erwuchs, ist
die Annahme gewisser kleinster Teilchen, der Moleküle und Atome, aus denen
jede Masse, sei sie fest, flüssig oder gasförmig, bestehend gedacht wird. Den
Molekülen werden ganz bestimmte Eigenschaften zugeschrieben. Fußend auf
wohlüberlegten Versuchen sprach bereits vor 100 Jahren Dalton die Vermutung
aus, daß irgend zwei Gase von gleicher Temperatur und gleichem Druck gleich
viel Moleküle im Kubikzentimeter enthalten. Diese Zahl, welche wir weiter
unten kennen lernen werden, möge mit n bezeichnet werden. Bei den Gasen
liegen die Verhältnisse am einfachsten, da hier die Moleküle im Gegensatz zu
den flüssigen und festen Körpern so weit voneinander entfernt sind, daß sie
aufeinander fast gar keine Fernkräfte ausüben. Darum hat die Molekulartheorie
auch auf diesem Gebiet die reichsten Früchte geerntet. Hier wurde die Er-
kenntnis gewonnen, daß die Moleküle bei ihrer dauernden Bewegung häufig wie
Billardkugeln zusammenprallen und daß die Energie, die in der Bewegung eines
Moleküls enthalten ist, zwar in jedem Augenblick wechselt, da das Teilchen
je nach den erlittenen Stößen seine Geschwindigkeit verändert, daß aber der
über eine längere Zeit genommene Mittelwert seiner Bewegungsenergie für alle
Moleküle derselbe ist, wenn nur die Temperatur die gleiche bleibt. Ändert sich
die Temperatur, so ändert sich auch die mittlere Energie E Diese ist stets
proportional der sogenannten absoluten Temperatur T, die sich von der gewöhn-
lichen nach der Celsiusskala gemessenen Temperatur ¢ durch ein additives
Glied unterscheidet, indem man setzt: T = ¢+ 273. Bezeichnen wir mit o einen
Proportionalitätsfaktor, so ist also E = a«a T. Der Faktor a ist in der Molekular-
physik von der größten Wichtigkeit. Er ist nicht nur derselbe für alle Moleküle
desselben Gases, sondern auch für jedes Molekül irgend eines sich in gas-
förmigem Zustand befindlichen chemischen Elementes. Aber noch mehr,
van tHoff konnte aus Beobachtungen an verdünnten Lösungen, also z. B. an
einer Lösung von etwas Zucker in Wasser schließen, daß die Moleküle des
gelösten Stoffes sich ganz den Gesetzen für gasförmige Körper fügen und daß
insbesondere für dieselben genau wie vorher E = «aT ist. Nur ein kleiner
Schritt weiter führt zu der Vorstellung, daß alle Moleküle der Flüssigkeit, gleich-
gültig, ob sie dem gelösten Stoff (Zucker) oder dem Lösungsmittel (Wasser) ange-
hören, dieselbe mittlere Bewegungsenergie E besitzen. Das Zuckermolekül ist
nun schon verhältnismäßig recht groß; es besteht aus 45 Atomen. Die Gesetz-
mäßigkeit muß aber auch Gültigkeit behalten für noch größere Moleküle, ja
selbst für Molekülkomplexe, die wir so groß wählen können, daß sie dem mensch-
lichen Auge sichtbar werden. |
Die Verwirklichung eines solchen Versuches könnte uns eine Bestätigung
für das wirkliche Vorhandensein der Moleküle sein. Wir müssen hier indessen
eines bedenken: mit dem Auge können wir nicht die Energie der Teilchen
wahrnehmen, sondern nur ihre Bewegung und ihre Geschwindigkeit messen.
Die Energie E stellt sich dar als das halbe Produkt aus der Masse des Teilchens
und dem Quadrat seiner Geschwindigkeit. Wenn nun E für alle Teilchen den-
selben Wert hat, so ist die Geschwindigkeit um so größer, d. h. die Bewegung
um so heftiger, je kleiner die Masse des Teilchens ist. Wir dürfen also keine
zu großen Molekularkomplexe für die Beobachtung wählen, da sonst die zu
erwartende Berechnung so klein sein wird, daß wir sie nicht messend verfolgen
können.
Es ist glücklicherweise gelungen, auf der goldenen Mittelstraße zum Ziel zu
gelangen. Die Prüfung der Molekulartheorie hat auf diesem Wege stattfinden
können und hat zu einer glänzenden Bestätigung geführt. Es mag auf diese
Untersuchungen, die am eingehendsten von dem französischen Forscher Perrin
durchgeführt sind, etwas näher eingegangen werden. Perrin hat seine hierauf
bezüglichen Arbeiten in einem kleinen sehr lesenswerten Buch" zusammengefaßt,
das im vorigen Jahr in deutscher Übersetzung erschien und der vorliegenden
Betrachtung mehrfach zugrunde gelegt ist.
Wenn man Wasser in ein Gefäß gießt, so bemerkt man, daß die Flüssigkeit
nach einiger Zeit völlig zur Ruhe gelangt. Das unbewaffnete Auge nimmt keine
Bewegung mehr wahr. Blickt man aber durch ein stark vergrößerndes Mikro-
skop, so sieht man bei guter Beleuchtung, daß sich in dem Wasser enthaltene
Staubteilchen noch bewegen und diese Bewegung dauert an, ohne jemals zur
Ruhe zu kommen. Diese Erscheinung heißt nach ihrem Entdecker Brown, der
sie im Jahre 1827 zuerst wahrnahm, aber noch nicht erklärte, die Brownsche
Bewegung. .Auf den ersten Blick erscheint es, als wenn wir hier eine Tatsache
vor uns hätten, die mit unseren physikalischen Grundgesetzen in Widerspruch
stände. Jede uns sonst bekannte Bewegung kommt nach gewisser Zeit infolge
ı) Die Brownsche Bewegung und die wahre Existenz der Moleküle von J. Perrin. Sonder-
ausgabe aus „Kolloidchemische Beihefte“, herausgegeben von Wo. Ostwald, Dresden 1910. 84 S.
— 2233 —
von Reibung zur Ruhe, während sich die Energie der Bewegung in Wärme
verwandelt, und hier soll die Bewegung immerfort dauern, so daß wir unwill-
kürlich an das perpetuum mobile erinnert werden. Sehen wir aber näher zu,
so schwinden alle Bedenken, denn die Molekulartheorie hat ja gerade zu der
Annahme geführt, daß Wärme nichts anderes ist als Energie, die in der un-
regelmäßigen Bewegung der kleinsten Teilchen enthalten ist. Beim perpetuum
mobile handelt es sich im Gegensatz hierzu um eine geordnete Bewegung, die
etwa in gewissen Perioden Geschwindigkeiten in ganz bestimmter Richtung
besitzt, die also prinzipiell verschieden ist von der Wärmebewegung. Aus jeder
geordneten Bewegung kann man nutzbare Arbeit gewinnen. Dasselbe gilt nicht
von der ungeordneten Bewegung. Freilich kann auch sie Arbeit leisten, doch
dauernd nur dann, wenn sich gleichzeitig andere Vorgänge abspielen, die denGewinn
an Arbeit wieder völlig illusorisch machen. Wir dürfen nun nicht mehr sagen,
daß jede Bewegung infolge von Reibungswiderständen unter Entwicklung von
Wärme mit der Zeit zur Ruhe kommt, sondern, daß jede geordnete Bewegung
sich nach und nach in eine ungeordnete verwandelt.
Den von Brown zuerst beobachteten Vorgang können wir dem Verständnis
noch auf etwas anderem Wege näher bringen. Denken wir uns einen verhält-
nismäßig großen festen Körper, etwa einen Würfel von 1 mm Seitenlänge, in
eine Flüssigkeit von gleicher Dichte geworfen, so daß der Würfel mitten in der
Flüssigkeit schwebt, dann wird er nach einiger Zeit für den Beobachter völlig
zur Ruhe zu kommen scheinen. Auf alle Flächen des Würfels prallen eine
große Anzahl Moleküle auf, von denen jedes einzelne zwar sehr verschiedene
Energie besitzt, aber nimmt man den Mittelwert von den Stoßkräften, die alle
auf eine Seitenfläche auftreffenden Moleküle ausüben, so ist derselbe für alle -
Flächen sehr nahe der gleiche, so daß keine sichtbare Bewegung des Würfels
resultiert. Denken wir uns aber den Körper 10000 mal kleiner, so daß er im
Mikroskop noch gut wahrnehmbar ist, dann treffen auf jede Fläche schon so
wenig Moleküle auf, daß der Mittelwert ihrer Stoßkraft nicht mehr dauernd der-
selbe ist und auch für die verschiedenen Flächen sich unterscheidet, ‚so daß
eine sichtbare Bewegung der Körper zustande kommt.
Die Bedeutung der Brownschen Bewegung wurde erst seit dem Jahre 1838
erkannt, nachdem der französische Forscher Gouy durch sehr sorgfältige Ver-
suche nachgewiesen hatte, daß sie einzig und allein durch Stöße der Moleküle
zu erklären sei. Gouy fand die Brownsche Bewegung bei Nacht und in
einem tiefen Stollen ebenso stark wie bei Tage und an der Oberfläche der Erde,
woraus zu schließen ist, daß sie nicht etwa durch bisher unbekannte von der
Sonne ausgesandte Strahlen hervorgerufen wird. Auch verdankt sie ihre Ursache
nicht etwa Strömungen, die infolge von Temperaturunterschieden in der Flüssig-
keit auftreten. Allerdings läßt sich die Brownsche Bewegung nur durch gute
Beleuchtung sichtbar machen, der man aber fast alle Wärmewirkung nehmen
kann. Auch hat verschiedenfarbiges Licht keine Unterschiede erkennen lassen.
Es ist also kein Zweifel daran möglich, daß die Brownsche Entdeckung uns
sichtbare Kunde gibt von der Existenz der Moleküle und ihrer Bewegung und
somit die ursprüngliche Hypothese von der atomistischen Struktur der Materie
zur völligen Gewißheit erhebt.
Nun ist es naheliegend zu fragen, ob uns die Brownsche Bewegung nicht
auch Auskunft über gewisse Eigenschaften der Moleküle erteilen kann, über
ihren Durchmesser, ihre Anzahl n im Kubikzentimeter und die Konstante a.
— 224 —
Die ungefähre Größe dieser Zahlen ist schon unter Annahme einiger Hilfshypo-
thesen bestimmt worden, aber es war zu hoffen, durch direkte Beobachtungen
mit dem Auge beträchtlich genauere Werte zu erhalten. Dies ist in der Tat
Perrin, dem Verfasser der eben erwähnten Schrift, durch sinnreich ausgedachte
Versuche glänzend gelungen. Exakte Messungen waren nur zu erwarten, wenn
sich die in der Flüssigkeit schwimmenden Teilchen alle kugelförmig und von
gleichem Durchmesser herstellen ließen, da nur dann die nötigen Rechnungen
mit genügender Genauigkeit durchführbar sind. Diese Forderung erfüllte Perrin,
indem er nach einem Zentrifugierverfahren, das hier nicht näher beschrieben
werden soll, aus Emulsion von Gummigutti (einer gelben Wasserfarbe) oder Mastix
(einem Pflanzensaft, der zur Bereitung von Firnis dient) kugelförmige Teilchen
von sehr nahe gleichem aber beliebigem Durchmesser aussondern konnte. Für
die Beobachtung eignen sich am besten Durchmesser von !/,ooo bis Yıoooo MM.
Leider ist es nicht möglich, die Geschwindigkeit, mit der diese Teilchen die
Brownsche Bewegung ausführen, direkt zu bestimmen, da die von ihnen be-
schriebene Bahn so viele und schnelle Richtungsänderungen erleidet, daß sie
mit dem Auge nicht verfolgt werden können. Wohl aber kann man feststellen,
wie viel Zeit ein Teilchen braucht, um sich von einem Punkt, den es in einem
gewissen Moment einnahm, um ein gewisses Stück zu entfernen. Nach einer
genialen Überlegung Einsteins genügt die Beobachtung dieser Größe zur Auf-
findung der Zahl n. Das Auge kann uns aber noch andere wertvolle Aufschlüsse
liefern. Wenn man das Gesichtsfeld des Mikroskops durch ein feines Loch
sehr verringert, so ist es möglich, die dauernd wechselnde Anzahl der Teilchen,
die in einem Moment sichtbar sind, zu zählen. Man muß indessen den Versuch
so einrichten, daß man nicht mehr als 5 oder 6 Teilchen gleichzeitig sieht, da
sonst die Zählung nicht schnell genug erfolgen kann. Wiederholt man diese
Operation etwa hundertmal und nimmt man das arithmetische Mittel aller Einzel-
zahlen, so erhält man eine Größe, die mit erheblicher Genauigkeit die Teilchen-
dichte an der betreffenden Stelle angibt, auf die das Mikroskop gerichtet ist.
Durch Verstellen des Mikroskops kann man bewirken, daß man nun die Teil-
chen etwa in einer tieferen Schicht deutlich sieht. Bestimmt man auch hier
die Dichte, so findet man eine Zahl, die größer ist als die vorherige. Die so
ermittelte Veränderung der Teilchendichte mit der Höhe, liefert ein anderes
Mittel zur Bestimmung von n.
Perrin findet n = 315.10", d.h. die Anzahl der Moleküle, die bei 0° und
1 Atm. Druck in 1 ccm vorhanden sind, ist gegeben durch die Zahl 315, an die
noch 17 Nullen zu hängen sind. Die in nahem Zusammenhang mit n stehende
Größe «, welche mit der absoluten Temperatur multipliziert, die mittlere Be-
wegungsenergie eines Moleküls darstellt, wird zu TZ Kalorien gefunden, was
‚10%
bedeutet, daß die gesamte Bewegungsenergie von 9. 10° Molekülen, die sich
auf 0°C. befinden, gleich derjenigen Energie ist, die man nötig hat, um 1 g
Wasser um 1° zu erwärmen. Lange bekannte Formeln stellen die Brücke her,
um aus n oder a die Durchmesser der kugelförmig angenommenen Molcküle
auszurechnen. Hierfür ergeben sich äußerst kleine Zahlen. Drücken wir sie
nicht in Zentimetern aus, sondern in einer Einheit, die 1.10° mal kleiner ist, so
findet Perrin für Helium 1,7, Quecksilber 1,8, Wasserstoff 2,0, Sauerstoff 2,6,
Stickstoff 2,7. Um uns von diesen Dimensionen ein ungefähres Bild zu machen,
können wir uns vorstellen, daß sich der Größe nach ein Molekül etwa zu einem
Tennisball verhält, wie ein Tennisball zu der Erdkugel.
— 2098 —
Aur Genesis des Mondes.
Von Robert Schindler.
(SchluB.)
(Mit einer Doppelbeilage.)
5. Der Mangel an Wasser und Luft.
Wer die Genesis des Mondes genauer studiert, dem muß es klar werden
daß eine Zeit kommen mußte, wo infolge fortschreitender Abkühlung, unzählige
Gasblasen von riesigen Dimensionen die äußerste Mondrinde nicht mehr zu
durchdringen vermochten, so daß durch viele Beulen auf der Oberfläche, eine
Menge Stellen solcher Gaseinschlüsse zu erkennen sind. Ferner kann kaum
ein Zweifel darüber bestehen, daß neben den teleskopisch sichtbaren Rissen in
der glasartigen, gewaltsam abgekühlten Mondrinde, naturgemäß sich bis in
Tiefen von mehreren Kilometern kleinere Risse befinden müssen, so daß die
durch Blasen gebildeten Hohlräume nach verschiedenen Richtungen mit der
Oberfläche Verbindungen haben. Jeder, der mit dem Glasflusse, seiner Be-
handlung und besonders der unerlässlichen künstlichen Abkühlung in der
Glasfabrikation vertraut ist, kann über diese Vorgänge mehr aus Erfahrung
sprechen. |
Die zirka 81mal geringere Wassermenge des Mondes gegenüber der
der Erde, hat also in den Blasenhohlräumen unter der Mondoberfläche reichlich
Platz gefunden, sonst müßten sich während der 14tagigen Belichtungsdauer,
Dampf- und Wolkenbildungen bemerkbar machen, welche der Beobachtung un-
möglich hätten entgehen können. Dieser Zustand unter der Mondoberfläche
steht also im strikten Gegensatze mit den Zuständen in unserer Erdrinde, bei der
in bedeutenden Tiefen gar keine und in geringeren Tiefen wohl Hohlräume aber
niemals blasenartiger Natur zu treffen sind, da so etwas weder in den Sediment-
ablagerungen noch in den aus der Tiefe dislozierten Eruptivmassen möglich
wäre. Es ist sonderbar, daß es immer noch Gelehrte gibt, deren Bestreben
dahin geht, für die Analogien des Mondes und der Erde Beweise zu erbringen,
während diese Gestirne in Bezug auf Maße, Lebensdauer und Aufbau durchaus
verschieden sind, wie das bezüglich der internen und externen Wasserhaltung
beider Gestirne nicht weniger der Fall ist. Es dürfte demnach ziemlich zu-
treffend sein, wenn man bezüglich der Wasserfrage sagt: „bei richtigem Ver-
ständnis für die Genesis des Mondes ergibt sich die Lösung der Wasserfrage
von selbst.“ | |
Bevor wir uns mit der Atmosphärenfrage des Mondes befassen, wollen wir
vorab die Rotationsfrage der Venus zu Rate ziehen. Im Jahre 1889 überraschte
Schiaparelli die Astronomen durch die Mitteilung, daß nach seinen acht-
jährigen Beobachtungen, der Merkur in 88 Tagen sich um seine Achse drehe '
und gleichzeitig einen Umlauf um die Sonne vollende. Später äußerte er sich,
daß dieser synchrone Zustand, bei dem die Achsendrehung und der synodische Um-
lauf zusammenfallen wie beim Erdmond und Merkur, auch bei der Venus vör-
handen sei, und sich in 225 Tagen vollziehe. Dieser Ansicht haben sich damals
Perrotin, Terby, Vogel, Holden, Lowell und andere angeschlossen. Heute
hat.es den Anschein, daß die große Mehrzahl der Astronomen, gleich den vielen
älteren Gelehrten des 19. Jahrhunderts, der Venus eine Rotationsdauer von zirka
23,5 Stunden zuschreiben.
- 26 —
In diesem Jahrgange „Das Weltall“, Heft 8, schreibt Felix Linke
über „Die ‚Vermondung‘ der Erde und der Planeten“. Der Verfasser
kommt darin in Bezug auf die Frage der Venusrotation zu dem einfachen
Schluß, daß die Venus sich wie die Erde, in Rotation befinden müsse, da
sie eine bedeutende Atmosphäre besitze, welche sich andernfalls auf der
Nachtseite infolge großer Kälte (zirka 250°), gänzlich verflüssigen, und ebenso
die Verflüssigung der nachströmenden Atmosphäre der Vorderseite zur Folge
haben müßte. Diese sehr wahrscheinlich richtige Annahme, läßt mit ziem-
licher Sicherheit darauf schließen, daß beim Monde die ohnedies schwache
Atmosphäre, längst vor der Verlangsamung bis zur Zwangsläufigkeit, als
Kondensprodukt, durch die vielen Mondspalten den Weg in das Innere des
Mondes fand. |
Der Mond kann wegen der Temperaturextreme und des Mangels an Wasser
auch unmöglich eine Vegetation irgend welcher Art besitzen, während es ander-
seits eher als möglich erscheint, daß Ursprung und Entwicklung alles vegeta-
bilischen und animalischen Lebens unter dem Einflusse von Wasser zustande
gekommen ist, oder mit anderen Worten, daß eine organische Entwicklung
ohne Feuchtigkeit nicht möglich ist, wobei zuträgliche Temperaturen ein Haupt-
erfordernis bilden.
6. Zur Topographie des Mondes.
Der große Mondforscher Neison sagt in seinem bedeutenden Werke über
den Mond (1881, Seite 28): „Der allgemeine Eindruck der die Mondoberfläche
bildenden Formationen deutet auf gänzliche Unähnlichkeit mit denjenigen der
Erde“. Das ist eine Äußerung, welcher jeder zustimmen muß, der sich mit der
Genesis der Mondoberfläche eingehend befaßt hat, und besonders dann, wenn
er von der Richtigkeit der gasigen und glühendflüssigen Auftriebe überzeugt
ist. Zur besseren Erklärung jener Vorgänge hat der Verfasser nachstehende
Mondbilder aus dem Pariser Mondatlas verkleinert aufgenommen. Wie bei
Sonnen- und Planetenbildern üblich, sind auch diese nach der Erscheinung im
umkehrenden Fernrohr dargestellt.
In Fig. 1 unserer Doppelbeilage finden wir oben links den Petavius, ein
großes Gebilde von zirka 125 km Durchmesser. Man erkennt sofort, daß es
sich hier um einen doppelten Rand handelt, wie wenn man zwei passende
Teller aufeinander legt, von welchen der innere einen klaffenden Riß aufweist,
welcher von Schröter entdeckt wurde. Es befinden sich jedoch dort noch
andere Risse, welche auf dem Bilde nicht sichtbar sind, dieselben wurden von
Gaudibert und Nielsen aufgefunden, wovon eine besonders gute Darstellung
Nielsen im „Sirius“ gebracht hat. Besonders die untere Umgebung des
Walles zeigt, daß das dort aus großen Höhen niedergeplätscherte Magma die
Außenböschung gewaltig ausgefurcht hat, so daß die doppelte Wand gegen Nord-
west angeschmolzen und verschweißt wurde. Der äußere Wall war ursprünglich
wie allgemein ein regelmäßiges Gebilde bis es zusinterte. Durch Abkühlung wurde
auch die Zusinterung wieder zerrissen, die Stichflammen austretender Gase
weichten den Schlund wieder auf, worauf die Tätigkeit von neuem begann,
was vorab die Bildung der zweiten Tellerform zur Folge hatte. Durch höheren
Gasdruck und Magmazufuhr wurde der Schlot ein heftiger „Speier“. Die fort-
geschrittene Abkühlung der Unterlage sowie die Kälte von außen, haben den
neuen Aufguß zersprengt, welcher Vorgang durch das stärkere, linsenförmig
— 27 —
aufgesickerte Wärmezentrum begünstigt wurde. Gegen die Mitte konnte sich
die Spalte erst durch die später nachfolgende Abkühlung erweitern. Wie die
damaligen Versuche, in der Mitte von neuem auszubrechen, durch äußere Ab-
kühlung unterdrückt wurden, zeigt eine große Gruppe von kleinen Sickerkegeln,
wie solche bei vielen Objekten deutlich zu erkennen sind. Der Petavius ist
für solche Studien eines der interessantesten Mondgebilde Durch Rißbildung
auf dem Fuße der Außenböschung entstand der Wrottesley, wobei ein kleiner
Teil des Petaviuswalles abgeschmolzen wurde.
In Fig. 2 sehen wir oben den Clavius, welcher die komplizierteste Wall-
ebene des Mondes bildet und 228 km Durchmesser hat. Wenn sich Wallkrater
bilden wie hier zwei auffällige vorhanden sind, so hat dies seinen Grund darin,
daß an der Wallkrone, wo die Abkühlung am größten war, die Masse am
kleinsten ist, weshalb radiale Risse den Stichflammen den Weg öffnen, worauf
die Abschmelzung und Kraterbildung beginnt. Das geübte Auge erkennt sofort,
daß diese Gegend nach der Bildung des Clavius und vor der Bildung des Tycho,
unten links, durch eine diagonale Überflutung verwüstet wurde, und alle
kleineren Krater durch ihre Vollkommenheit an den Rändern als neue Blasen-
krater deutlich zu erkennen sind. Ganz im Gegensatze zum Petavius, bei
welchem das ausgespritzte Magma mehr auf die Böschung fiel, hat der Tycho
sein Magma unter riesigem Druck tausende von Kilometer weit nach allen
Seiten fortgespieen, so daß in seiner Nahe kein Magma niederstürzte. Nach
dem Auswurf zu schließen, dürfte Tycho der letzte der speienden Krater ge-
wesen sein.
In Fig. 3 findet man oben rechts Ruinen eines Walles, welcher sich in
Fig. 4 unten links wiederholt, woraus sich der Zusammenhang beider Bilder
ergibt. Hier bietet sich Gelegenheit, auf den großen Unterschied der Zer-
störungen aufmerksam zu machen, welche infolge Überflutung durch Strömungen
oder langsamer Ausbreitung glühendflüssiger Massen zur Marebildung ent-
standen sind. Strömungen, wie dieselben auf beiden Bildern ersichtlich sind,
hatten eine kurze Dauer, weshalb dieselben ruinenhaft verwüsteten, und in den
zurückgelassenen Flächen viele und große Risse zeigen, weil die Zeit nicht
ausreichte, die Flächen dieser Gegenden genügend zu erwärmen. Durch die
Ausbreitung der Mareebenen sind im Gegenteil eher Runzeln entstanden, weil
die genügende Erwärmung der Unterlage treibend wirkte und die Zeitdauer
hinreichte, die Aufschüttung mit der Unterlage homogen zu verbinden. Es
würden demnach die runzeligen Flächen mehr den Namen Mare verdienen, wie
es tatsächlich zu sein scheint, während den stark mit Rissen durchsetzten
Flächen eher der Name Palus (Sumpf) zukäme. In Bezug auf das gesagte ist
es z.B. nicht richtig, daß man dem großartigen Mare Imbrium bei seiner im-
posanten runden Ausdehnung, in dem schönen Bogen Eratosthenes, Apenninen,
Capine, Plato, einen Palus Nebularum untergeordnet hat, welcher Irrtum durch
die bei Vollmond hervortretende Beleuchtung der Ausschüttung des Autolycus
entstanden sein muß. E
Die nach der Uberflutung entstandenen Gebilde der Fig. 3 und 4 sind
sämtlich Blasenkrater und als vollkommene Objekte leicht zu erkennen.
Schon 1884 schrieb P. Lehmann: „Man kann im Einklang mit dem Ergebnis
neuerer experimenteller Forschungen die eigentümlichen Oberflachenbildungen
des Mondes bezeichnen als Blasenbildungen, welche durch das Entweichen
innerer Gase verursacht wurden.“ Daß er damit, inbezug auf die Gebilde bis
— 28 —
mittlere Größe recht hatte, ist heute für den Schreibenden ein überwundener
Standpunkt, Im Jahre 1890 wurde die Blasenbildung, in den Annalen der Physik
und Chemie S. 361 von Ebert zu den sehr hypothetischen und weit hergeholten
Annahmen gezählt, während in Wirklichkeit wie früher schon bemerkt, alle
Gebilde auf dem Monde inklusive Strahlenbildungen, durch das Spiel glühend-
flüssiger Massen infolge Auftrieb und Expansion glühender Gase entstanden
sind. Als schöne Blasenkrater zeigen sich in Fig. 3 Ukert, Triesnecker und
Horrocks und in Fig. 4 Mösting, Lalande und Herschel.
Der Umstand, daß manche Wälle nicht kreisrund sind, hat mitunter zur
Ansicht geführt, daß die Genesis der Wallbildung Neigung für polygonale Formen
gehabt habe. Natürlich können ungleiche Temperaturwiderstände oder ältere
Gebilde Veranlassung zum unrund werden, gegeben haben, die Grundform ist
jedoch naturgemäß rund. Wie jedoch Zerstörungen durch Überflutung von Wall-
ebenen solchen Wällen eine Sechseckform geben können, das beweist Fig. 4 besser
als die scheinbar beste Theorie. Wie man am Fuße des Bildes sieht, hat die
Überflutung und Zerstörung in der ganzen Breite stattgefunden. Durch die
inneren und äußeren Widerstände und Abschmelzungen der Wälle Arzachel,
Alphons und Ptolemäus, wurde denselben eine veränderte Form gegeben. Oben
neben dem Arzachel befinden sich, einige später entstandene Blasenkrater. Der:
Strom nahm seinen Weg teils mitten durch und teils links am Arzachel vorbei,
zerstörte den oberen und unteren Wall desselben und ebenso den oberen
und den mit dem Ptolemäus gemeinschaftlichen Wall des Alphons. Die Strömung
. links vom Arzachel führte teils in den Alphons und teils außen herum über
den Wall des Ptolemäus an dessen unterem Ende, wo sich damals noch kein Blasen-
krater befand, sich die charakteristische Spitzenbresche des Sechseckes bildete.
Links und rechts an den Flanken, ist die Geraderichtung durch die Strömung
bis zu einem gegebenen Widerstandswinkel von ca. 60°, beim Alphons und
noch besser. beim Ptolemäus, gut zu erkennen. Sehr schön sind auch die
rechisseitigen Überläufe mit ihren Furchen auf der Außenböschung dieser beiden `
Wälle zu verfolgen. Diese Wälle müssen vor der Ausfüllung durch den Strom
bedeutend tiefer gewesen sein. Die beiden Wälle, die unterhalb befindlichen
Ruinen und dazwischen der neu erstandene Herschel, bilden einen großartig
interessanten Kontrast. Die Katastrophe muß von ganz kurzer Dauer gewesen
. sein, da sonst die kleinen Ruinen nicht mehr vorhanden wären. Damit hofft
der Schreibende die Ansichten über polygonale Grundformen der Krater und
Wälle genügend widerlegt zu haben.
In Fig. 5 befindet sich links. das typische Mare Nectaris, in welches der
Fracastor fast zur Hälfte eingeschmolzen ist. Auf der andern Seite oben be-
findet sich ein beleuchtetes Band, welches sich schließlich doch noch als eine
einzigartige Verwerfung herausstellen dürfte, während sonst im allgemeinen
keine Anzeichen von Verwerfungen auf dem Monde vorhanden sind. Auch hier
ist eine Strömung durch die Wälle von Catharina und Cyrillus nach unten zu
bemerken. Bezeichnend für die Wallbildungen ist, wie der Theophilus den
Wall des Cyrillus weggeschmolzen und sich tiefer als dieser eingebettet hat.
Auf dem Grunde des Theophilus sind in der Mitte eine Menge Ausbruchsver-
suche, als durch Abkühlung unterdrückte Aufsickerungen zu erkennen.
Der Copernikus in Fig. 6 bedarf eigentlich keiner weitläufigen Erklärung
mehr, er spricht als wuchtiger Speier selbst. Die blätterartige Innenwand zeigt,
daß öftere und große Massenausschüttungen stattgefunden haben müssen, wo-
Doppel-Beilage zur illustrierten Zeitschrift für Astronomie un:
(Zu Robert Schindler: „
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I Petavius und Wrottesley.
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3 Triesnecker, Ukert und Horrocks 4. Ptolemäus, Alphons und Arzachel.
t4 verwandte Gebiete „DAS WELTALL“, Jahrg. 11, Heft 15.
ute Die Genesis des Mondes.“)
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1— Autolyeus
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7. Cassini und Aristoteles. 8. Apenninen, Archimedes, Aristillus und) Autolycus.
Digitized by Google
— 29 —
rüber die Außenböschungen mit ihren Ausfurchungen deutlich Auskunft geben,
obwohl das Magma oft auf viele hundert Kilometer weit fortgeschleudert wurde.
Die Vernichtung von Gebilden in der Umgebung muß bedeutend gewesen
sein. Von der unteren linken Ecke aufwärts erkennt man einen halb zuge-
sinterten RiB.
In Fig. 7 sehen wir unten links einen Teil des großen Speiers Aristo-
teles, welcher zum großen Teil das Mare Frigoris gebildet und damit die Ruinen
der Metongegend verschuldet haben dürfte. An der rechten unteren Ecke be-
findet sich das große Quertal der Alpen, welches zweifellos von einem Streif-
schuß von einem über 10 km großen Himmelskörper herrührt, aus einer Zeit,
wo die Oberfläche zur Deformation noch plastisch genug war. Spätere Auf-
stürze sind nur noch in den dunklen Mareebenen als helle Flecken, wie von
splitterigen Zermalmungen herrührend, zu erkennen. Die Gebirgsgegend über
dem Quertal ist mit Blasenbuckeln ganz. übersät. Oberhalb befindet sich der
durch seine schönen Innenkrater bekannte Cassini; links davon der durch-
furchte Kaukasus, welcher vor der Vereinigung der Mare Imbrium und Sereni-
tatis, mit den Apenninen (Fig. 8) ein einziges großes Gebirge bildete. Die obere
Ecke rechts zeigt in dieser Beleuchtung wie unrichtig es war, diesen Teil des
Mare Imbrium als Palus nebularum zu bezeichnen.
In Fig. 8 haben wir unten den Speier Autolycus, welcher durch das ver-
spritzte Magma bei hoher Beleuchtung zu der Auffassung eines Palus nebularum
führte, da diese Gegend dann heller erscheint. Aristillus oberhalb ist ein
Blasenkrater und steht nur in einer hellen Gegend nicht ganz aufgelöster
Apenninenmassen. Da der große Archimedes oben eine Bresche hat, dürfte
derselbe als durchgekühlte Masse vor der Zerstörung der Apenninen bestanden
haben. Da im Innern der Apenninen noch große Wärme vorhanden gewesen
sein muß, ging die Unterschmelzung leicht vonstatten, zur Wiedereinschmelzung
der abgestürzten Felsen reichte jedoch die Temperatur des sich ausbreitenden
Schmelzflusses nicht mehr aus, wie aus dem Bilde leicht zu ersehen ist. Es
‚ scheint als ob man die Blöcke rechts von Bradley nur wieder in die Nischen
der Abbruchstellen hineinstellen könnte. Die Apenninen bilden einen der inter-
essantesten Teile des Mondes.
Aus obigen Ausführungen möge der Leser selbst ermessen, wic weit
sich durch Erfahrungen, Versuche, Studien und Beobachtung, die Genesis des
Mondes nachweisen läßt.
„Aondmeteore“.
err W. Spill veröffentlichte in Heft 3 des 7. Jahrganges dieser Zeitschrift
einen Artikel, in dem er Beobachtungen schildert, die er von „Mond-
meteoren* gemacht haben will. Meteore auf dem Monde werden wohl nicht zu
den Seltenheiten gehören, doch, damit sie von uns, zumal mit so geringen
optischen Mitteln, wie Herr W. Spill sie anwendet, wahrgenommen werden
können, müssen ihre Dimensionen enorm groß sein.
— 230 —
| Mit einem Fernrohr von 55facher Vergrößerung, wie es Herr W. Spill
benutzt, ist es uns nur möglich, auf dem Monde Flächen zu unterscheiden,
deren Durchmesser im Minimum 2050 m beträgt, und zwar nur unter den
günstigsten atmosphärischen Bedingungen, da unser Auge Gegenstände, deren
Gesichtswinkel unter eine Minute herabsinkt, nicht mehr zu unterscheiden
vermag, und gerade unter diesem Winkel erscheint uns in oben erwähntem
Fernrohr der Durchmesser jener Fläche auf dem Monde. Es ist auch wohl
nicht anzunehmen, daß die Helligkeit der ,Mondmeteore* die des Mondes in
dem Maße überstiegen hat, daß ähnliche Erscheinungen hätten eintreten können,
wie sie etwa bei Anwendung der Dunkelfeldbeleuchtung in einem Mikroskop
eintreten, wo uns Gegenstände, deren scheinbarer Durchmesser unter dem an-
gularen Gesichtswinkel liegt, eben des Kontrastes wegen als helle Körper auf
dunklem Grunde erscheinen. (Die Tatsache, daß wir die Fixsterne, obwohl ihr
scheinbarer Durchmesser keinen meßbaren Winkel darstellt, dennoch sehen
können, läßt sich allein auf diese Weise, durch bloßen Kontrast zwischen Hell
‘und Dunkel, nicht erklären, hier spielen noch Beugungserscheinungen mit.)
Rechnen wir aber wirklich mit einem solchen Kontrast, obwohl wir ihn kaum
in Betracht zu ziehen brauchen und lassen wir den „Meteoren“ im Minimum
einen wahren Durchmesser von 1500 m zukommen. Mit welcher Geschwin-
digkeit müßten sich diese „Weltkörperchen‘, man könnte sie fast mit den
Planetoiden vergleichen, nach den Beobachtungen von Herrn W. Spill bewegen?
Es sind nicht weniger als 1800 km, die dieselben in dem kurzen Verlauf einer
Zeitsekunde zurücklegen müssen, ja das „Meteor“ No. 4 muß — nach der
Zeichnung zu urteilen — den Rekord von 2000 km aufstellen. Die irdischen
Meteore, die in Höhen von ca. 90 bis 130 km aufleuchten, besitzen dagegen bei
ihrem Eintritt in unsere Atmosphäre nur die bescheidene Geschwindigkeit von
20 bis 70 km pro Sekunde (Mébius). Und nun noch ein Drittes. Die Atmo-
späre unseres Mondes, wenn eine solche überhaupt existiert, besitzt eine so
geringe Dichte, nach Annahme einiger Autoritäten etwa nur 1/5. bis 3/35), der
unserer Atmosphäre, daß die Reibung der ,Meteore“ an ihr, trotz der un-
geheuren Geschwindigkeit derselben, nicht hinreichen würde, dieselbe in Rot-,
geschweige denn in Weißglut zu versetzen. Es wäre also überhaupt nicht
möglich, daß „Meteore“ von obigen Dimensionen auf dem Monde aufleuchten
könnten. Herr W. Spill kann also keine „Mondmeteore“ gesehen haben.
Ich will in folgenden Zeilen eine Erklärung geben, wie das Phänomen der
„Mondmeteore“ möglicherweise entstanden sein kann. Es kommt beim Beob-
achten am Fernrohr sehr leicht vor, auch der Mikroskopiker wird sich dessen
erinnern können, daß sich besonders bei der Beobachtung sehr heller Objekte
das verkleinerte Bild des Objektes, welches — ähnlich dem Sonnenbild auf
einer glänzenden Kugel — auf dem Augapfel des Beobachters entsteht, sich in
einer der Okularlinsen spiegelt und daß auf diese Weise wohl „Mondmeteore‘
entstehen können, die bei unvollkommener Achromatisierung des Instrumentes
auch wohl als „Kugel mit opalisierendem Glanze“ erscheinen können. Am
häufigsten mag diese Erscheinung bei Beobachtern vorkommen, die ein Augen-
glas tragen, da hier die Zahl der reflektierenden Flächen noch größer ist. Aus
eigener Erfahrung kann ich hier nicht sprechen, da ich kein Glas trage. Der
geübte Beobachter bemerkt diese Störungen nicht mehr, sie sind ihm zur Ge-
wohnheit geworden. Max Robitzsch, stud. rer. nat.
— 231 —
Der Sestirnte Himmel im Monat Juni 1911.
| Von Dr. F. S. Archenhold.
Die Sterne.
Unsere Sternkarte gibt den Sternenhimmel für den 1. Juni abends 10 Uhr, den
15. Juni abends 9 Uhr, den 1. Juli abends 8 Uhr usw. wieder. Der Meridian durch-
schneidet von Norden beginnend das Sternbild des Perseus, den kleinen Bären, den
Drachen, Bootes, die Wage und erreicht endlich zwischen dem Scorpion und Centaur den
Südpunkt. Im Osten steht der helle Atair im Adler und im Westen der rötliche Regulus
über dem Horizonte. Die Milchstraße ist nicht nur wegen der großen Helligkeit der
Nächte, sondern insbesondere auch wegen ihrer tiefen Lage nur ungünstig zu beob-
achten. Das Sternbild der Jungfrau hat bereits den Meridian überschritten, jedoch fällt
der hellste Stern in ihm, die Spica, noch besonders auf. Die Chinesen zählten ihre Mond-
stationen von ihr an und die Araber verlegten die 14. Mondstation in sie. In der Jung-
. frau steht auch eins der interessante-
sten mehrfachen Sternsysteme am
ganzen Himmel, Gamma Virginis.
(Rect. 125 35m 378 Dekl. —0° 47° für
1880.) In kleineren Fernrohren er-
kennt man nur zwei Sterne dieses
Systems, die beide gleich hell sind,
3. Größe und jetzt eine Distanz von
6,2 haben. Der Positionswinkel beträgt
328°. Gamma Virginis gehört zu den
am längsten bekannten Doppelsternen,
da sie schon über 200 Jahre beob-
achtet wird. Die Komponenten haben
eine gemeinsame Eigenbewegung von
0,59 in Richtung 272%. Die Umlaufs-
zeit beträgt 194 Jahre. Einen dritten
Stern 11,6 Größe fand man im Jahre
1880 in einer Distanz von 103” und
88° Positionswinkel und 1889 wurde noch
ein schwacher vierter Stern 14,5. Größe
in einer Distanz von 53” und 159°
Der Doppelnebel im Bootes. Positionswinkel mit dem Lick-Refraktor
(H. II 751—752. N.G.C. 5857, 5859.) hinzu entdeckt. Infolge der starken
Exzentrizitat der Bahn kann der
Hauptbegleiter sich dem MHauptsterne so sehr nähern, daß beide kaum zu
trennen sind, wie dies im Jahre 1836 der Fall war. Die Distanz betrug damals
nur 03. Jetzt sind sie bequem in jedem schwachen Fernrohr zu trennen,
während sie damals zu den schwierigsten Objekten gehörten. Sie scheinen
auch einer periodisch auftretenden schwachen Helligkeitsschwankung unterworfen
zu sein. |
Höher als die Jungfrau steht noch der Bootes am Himmel, dessen hellster Stern,
der Arktur, kurz vor 10 Uhr gerade im Meridian steht. Aus ihm hat Herschel im
Jahre 1717 zuerst die Eigenbewegung der Fixsterne abgeleitet. Er steht von uns in
einer Entfernung von 26 Lichtjahren, nähert sich uns aber mit einer ungefähren Ge-
schwindigkeit von 70 km in der Sekunde, sodaß er im Laufe der Jahrtausende immer
heller wird. Für kleinere Fernrohre ist der Doppelstern Delta in Rekt. 15b 11m, Dekl.
33° 46% leicht zu trennen. Der Hauptstern, von gelber Farbe, ist 3,2. Größe, der Begleiter,
von blauer Farbe, ist 7,4. Größe. Ihre Distanz beträgt 105”. Es konnte auch ein inter-
essanter Doppelnebel in diesem Sternbilde festgestellt werden, von dem wir umstehend
eine Abbildung nach einer Photographie mit dem Crossley-Reflektor!) wiedergeben.
Die umstehende Aufnahme rührt vom 31. Mai 1900 her und ist 2!/, Stunden lang
exponiert worden. Die Position des Hauptnebels beträgt für 1900 Rekt. 155 2m 55s,
Dekl. + 19° 58’ 56°. Dieser Doppelnebel ist zuerst von John Herschel beobachtet und
Der Sternenhimmel am 1. Juni 1911, abends 10 Uhr.
Fig. 1. |
aly
Mh
pion | Centaur
EL tS Areh ohola 3 AG
DR aaan ude eg
(Polhöhe 521/5
gezeichnet worden; jedoch sieht man auf der Zeichnung gar keine Einzelheiten, insbe-
sonders nicht den schönen Ring um den Hauptnebel, der auf unserer Abbildung gut zu
sehen ist. Später hat ihn Lord Rosse vom Jahre 1848 bis 1872 verschiedentlich beob-
achtet und auch schon mit mehr Einzelheiten gezeichnet. Es wird der Zukunft vorbe-
halten bleiben, auch in Doppelnebeln mit Sicherheit Bewegungen nachzuweisen, die
durch einzelne Beobachtungen bereits angedeutet sind.
1) Vgl. „Weltall“, Jahrg. 9, Heft 20: „Photographische Aufnahmen zweier Sternhaufen mit
dem Crossley-Reflektor.“
Ba m
— 233 —
Der Lauf von Sonne und Mond.
Die Sonne tritt aus dem Zeichen der Zwillinge in das des Krebses. Am 22. Juni,
3 Uhr vormittags ist Sommers-Anfang. An diesem Tage erreicht mittags die Sonne
ihren höchsten Stand während des ganzen Jahres, ein Tag, der in der Frühgeschichte
der meisten Völker ein großer Festtag war. Wir haben schon früher eingehend über
die Sonnenverehrung berichtet. Der große ausgetretene Zugangsweg, welcher zu dem
alten Sonnentempel von Stonehenge bei Amsbury in England gerade in der Richtung führt,
in der an diesem längsten Tage die Sonne vom Innern des Tempels aus gesehen sich über
den Horizont erhebt, zeugt von der Massenverehrung der Sonne, die bei dem Wiederaufbau
von Stonehenge im 18. Jahrhundert v. Chr. wohl ihren Höhepunkt erreicht hat. Der
Lauf der Sonne für Monat Juni ist in unsere Karte (Fig. 2a) eingetragen. Andere
wissenswerte Daten gibt uns die folgende Tabelle:
Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshdhe
Juni 1. + 21° 56’ 34 51m morgens 8b 15m abends 591/, ©
- 15. + 23° 17° 3b 45m - 8hb 27m - 603/, °
- 30. + 23° 14° 3h 49m - 8h 30m - 603/,°
Der Mond ist mit seinen Phasengestalten wiederum in unsere Karten 2a und 2b
fiir die Mitternachtszeit des 1., 3., 5. usw. eingetragen. Seine Hauptphasen fallen auf
folgende Tage: )
Erstes Viertel: Juni 3. 115 abends. Letztes Viertel: Juni 19. 105 abends.
Vollmond: - 11. 11babends. Neumond: - 26. 2b nachm.
Im Monat Juni findet eine Sternbedeckung statt:
Bürg. Tag .| Rekt. Bemerkung
OR 11m,9 e IS
Juni 10. | 22 Scorpii | 5,01161 25m|—240 58° | 11b 9m,7 | 74° | morgens | 3230 Mond im Meridian
| Juni 11. | 11h 18m
Die Planeten.
Merkur (Feld 3b bis 61/,5) erreicht seine größte westliche Abweichung am 1. Juni, ist
jedoch wegen seines tiefen Standes nur schwer aufzufinden. Sein Durchmesser beträgt
zu Anfang des Monats 8",2 am Ende nur ht Er ist am 1. Juni fast voll beleuchtet.
Venus (Feld 71/,5 bis 93/,5) ist Mitte des Monats 2 Stunden, am Ende nur noch
1!/, Stunden als Abendstern am nordwestlichen Himmel sichtbar. Der beleuchtete Teil
ihrer Scheibe nimmt von 0,65 auf 0,53 ab. Am 29. Juni tritt sie in Konjunktion mit
dem Monde und auch in die Nähe von Regulus, des hellsten Sternes im Löwen. Trotz der
Abnahme der beleuchteten Scheibe nimmt sie noch an Helligkeit zu, da sie der Erde
immer näher rückt.
Mars (Feld Oh bis 1'/,®). ist am Ende des Monats 1!/, Stunden lang am Morgen-
himmel sichtbar und tritt auf die nördliche Seite des Äquators. Sein Durchmesser nimmt
von 7",5 auf 8”,6 zu. Am 28. Juni tritt er in Konjunktion mit dem Monde.
Jupiter (Feld 14!/, 5) ist während des ersten Drittels des Monats noch während der
ganzen Nacht sichtbar; am Ende des Monats jedoch nur noch 2!/, Stunden. Sein Durch-
messer nimmt von 41,4 auf 38,6 ab.
Saturn (Feld 23/,5 bis 3b) wird erst von der Mitte des Monats an am östlichen
Himmel sichtbar. Sein Durchmesser nimmt von 15”,5 auf 16’,0 zu. Am 23. Juni steht
er gerade in Konjunktion mit dem Monde und zwar steht er südlich von ihm. |
Uranus (Feld 205) ist in großen Fernrohren trotz seines tiefen Standes zu be-
obachten. Sein Durchmesser beträgt 3,5.
16"
Gemina
+20°
iz
= |
ei Mar kab |
©-
l
Lauf von Sonne, Mond und den Planeten
|
! Antares
x Formal heart SE
San IS
En am
S =Sonne. M = Mond. Me = Merkur. V = Venus.
Neptun (Feld 7}/,5) bleibt wegen seiner Sonnennähe während des ganzen Monats
unsichtbar.
Bemerkenswerte Konstellationen:
Juni 1. 6" abends Merkur in größter westlicher Abweichung von der Sonne = 24° 30’.
- 8. 65 morgens Jupiter in Konjunktion mit dem Monde.
- 21. 2b morgens Mars in Konjunktion mit dem Monde.
- 22. 35 nachmittags Sonne im Krebs; Sommersanfang.
- 23. mittags Saturn in Konjunktion mit dem Monde.
- 25. 10h abends Merkur in Konjunktion mit dem Monde.
-.29. 6b nachm. Venus in Konjunktion mit dem Monde.
ZALZA 0
GALA GE JP ae A AA Ss
Ga <A P KA
Le KKKS ONIA P, ev
NA xi ee CH
El
Zwei neue kleine Planeten sind laut Telegramm an die „Astronomische Zentralstelle“ in
Kiel auf dem Transvaal-Observatorium gelegentlich des Versuches, den achten Jupiters-Satelliten zu
photographieren, in der Nähe dieses Planeten aufgefunden worden. Der erste steht in Rectascension
14b 41m und in Deklination — 12° 34’, der zweite in Rectascension 14h 48m und in Deklination
— 15° 18’. Es sind dies die ersten kleinen Planeten, welche auf einer Sternwarte der südlicher Halbkugel
entdeckt worden sind. In Amerika sind 100, in Asien 6, in Europa alle übrigen 595 entdeckt worden.
Über die Entfernungen, Abstände von der Sonne und Durchmesser dieser kleinen Himmelskörper haben
wir schon früher!) eingehend berichtet. Die bisherigen — schon über 700 der Zahl nach — sind in
folgenden Zeiträumen aufgefunden worden:
1801—50 = 13 1851—90 = 83
1851—60 = 49 1891—1900 = 161
1861—70 = 50 1900 —1910 = 238
1871—80 = 107
F. S. Archenhold.
') Vergl. Archenhold, „Die kleinen Planeten“. Das Weltall, Jg. 10, S. 355.
Ma = Mars.
ir den Monat Juni 1911.
Fig. 2a. Nachdruck verboten.
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on 1" LOL gh Ki Bh AE, eK a oe oh on
J = Jupiter.
Sa = Saturn. U= Uranus. N = Neptun.
Beobachtungen von Feuerkugeln aus dem Leserkreise. Am 6. Februar 1910 sahen die
Herren Hintz und Berlt um 1 Uhr nachts in der Stephanstraße in Südende ein sehr helles rot-
grünes Licht, das etwa 3 bis 4 Sekunden dauerte. Der südliche Himmel leuchtete ganz hell auf;
man hätte sogar auf der Straße lesen können. Der Schein wurde ebenfalls von Herrn stud. jur. Bender
und der Familie Nieke gesehen. Da gerade regnerisches Wetter war, vermutet Herr Hintz, daß
der Schein von einem Meteore herrührte, der hinter den Wolken aufleuchtete.
Am 10. November 1910 beobachtete Herr Dr. Curt Bading zu Wilmersdorf um 9" 52” eine
Sternschnuppe 4. Größe, die zwischen e und £ Cephei aufleuchtete und nahe bei d Ursae minoris
erlosch. Zwei Minuten später erschien ein prachtvolles grünweißes Meteor in der Gegend zwischen
g und y Cephei, das 3 oder 4 Sekunden aufleuchtete und in der Nähe von £ Draconis erlosch.
S Ein sehr schénes Meteor von der Helligkeit der Capella wurde ferner am 26. März 1911 um
5" 7” von Herrn Henkel zu Beetz (Osthavelland) gesehen. Der Anfang der Flugbahn lag zwischen
« Andromedae und y Pegasi, das Ende nahe bei « Aquilae. Die Flugdauer betrug 7°. Es war ein
lautes Zischen wahrnehmbar.
Schließlich hat Herr Dr. med. Weibel zu Worb-Dorf am 29. März 1911, morgens 2" 56” eine
7 Sekunden lange sichtbare Sternschnuppe von gelber Farbe beobachtet. Die Flugbahn begann bei
Spica, ging dann nahe südlich von Jupiter vorüber und endigte bei A Scorpii.
Aus den eingesandten Skizzen lassen sich folgende Anfangs- bezw. Endpunkte ableiten:
1 Meteor von Bading Ant 314° + 67° Ende 286° + 84°
2 Meteor von Bading 325 + 76 259 +55
Meteor von Henkel 6 +24 295 + 77ih.
Geschichtstafeln der Physik von Felix Auerbach. Leipzig 1910. Joh. Ambr. Barth.
Mit diesem Nachschlagewerk schafft Verfasser einem schon lange empfundenen Mangel in
sehr glücklicher Weise Abhilfe. Zunächst werden in chronologischer Reihenfolge alle wichtigen
Fortschritte der Physik unter Angabe des Jahres und des Urhebers seit der ältesten Zeit bis zum
Jahre 1900 in sehr gründlicher Weise aufgeführt und ermöglichen eine sehr schnelle Orientierung.
Nicht minder nützlich ist die zweite Tafel, die ebenfalls nach den Jahren geordnet, die wichtigsten
physikalischen Schriften bis zur neuesten Zeit bringt. Dann folgt ein Verzeichnis ausgewählter
— 236 —
Physiker mit Angabe ihres Geburts- und Todesjahres. Ein alphabetisches Register von Tafel I
ermöglicht ein schnelles Zurechtfinden in den Arbeiten der einzelnen Autoren, so daß der Zweck
des Buches in sehr glücklicher Weise erfüllt wird. W. H.
* . +
*
Annales de l’observatoire royal de Belgique, tome XIII, fasc. I (1910).
1. Catalogue de 3553 étoiles de repére de la zone + 21° + 22° pour la Carte photographique
du ciel, dressé par Phillippot et Delporte.
Das Verzeichnis von mittleren Ortern fiir 1900,0 ist in der üblichen Form angeordnet. Stern-
grüßen nach A. G. Wir finden in der Einleitung: Eine Beschreibung der Instrumente, Darlegung
der Beobachtungsmethode und Reduction. Angaben über die mittleren Fehler bei Auge, Ohr und
Chronograph, sowie über die m. F. der Katalogörter. Resultate der einzelnen Beobachtungen.
2. Carte photographique du ciel, zone + 21° + 22° ascensions droites moyennes de 1481 etoiles
de repére réduites par M. Dolvosal d’aprés ses observations faites a Uccle a la lunette méridienne
de Gambey de 1902 a 1905.
Eine Darlegung der Reduktion wird als Einleitung gegeben. Im Verzeichnisse finden wir die
Ergebnisse der Einzelbeobachtungen nach Rectascensionen geordnet.
* x
: +
Bulletins of Laws Observatory. Publications of the University of Missouri. No.1 bis 16.
Wir führen aus dem Inhalt hier nur kurz an: l
1. Observations and elements of Comet 1902b (Perrine) mit Bemerkungen über Leuschner's
„short Method“.
2. Observations of Comets (1902 b, 1903 a, 1902 d, 1904 a |Brooks]).
3. Observations of Comet 1904 a (Brooks).
4. Observations of Comet 1904e (Borrelly); Photometric observations of Nova Geminorum
March 31 to April 30, 1903; Special time signals from the U. S. Naval Observatory.
5. The Polaris vertical cercle method of determining time and azimuth.
6. The Algol variable 188, 1904 Draconis.
7. Photometric investigations. (The disc photometer; The wedge photometer; — Beschreibung
und Untersuchungen tiber die Instrumente.
8. General remarks concerning variable star observations; A New variable 88, 1906 Lacertae
(mit Lichtkurve); Preliminary results for v Lacertae (110, 1904); The variable v Vulpeculae (4, 1904);
Preliminary note on variable 108, 1905 Capricorni.
9. The Algol variable RR Draconis (188, 1904) [mit Lichtkurve]; The Algol variable 121,
1906 Draconis.
10. Preliminary results (for 64, 1905 Cassiopeia, 65, 1905 Cassiopeia, 190, 1904 Cassiopeia,
RW Cassiopeia, RV Andromeda, RV Persei, RV Tauri, RR Camelopardalis, Y Ursae majoris, RY Ophi-
uchi; RZ Ophiuchi; RS Draconis; X Lyra; UV Cygni; U Vulpeculae (mit Lichtkurve); X Vulpeculae;
W Vulpeculae; RR Delphini; VX Cygni; TX Cygni; VY Cygni; YY Cygni: SS Cygni; VZ Cygni (mit
Lichtkurve): 70, 1905 Pegasi; 88, 1906 Lacertae; RZAndromedae; SS Andromedae; RU Aquarii;
RS Cassiopeiae; RS Cassiopeiae; 52, 1906 Andromedae; RS Andromedae; 53, 1906 Andromedae.
11. The variable RS Cassiopeiae. — Umfassende Diskussion von Beobachtungen aus 1906—7 mit
Lichtkurve.
12. Finding ephimerides for Comet 1894 IV Swift (für die Erscheinung 1907).
13. The Zöllner Photometer (Beschreibung und Tafeln für die Umrechnung der Kreisablesungen in
Sterngrößen); The Crawford Telescope (ein 4'/, Zöller); The variabel X Lacertae, U Lacertae (Lichtkurve).
14. The variable RV Tauri (Lichtkurve vom £ Lyra-Typus).
15. The Algolvariable RW Monocerotis (24, 1907): zwei Notizen über RS Bootis, 43, 1907 Dra-
conis und 44, 1907 Ursae maioris.
16. The long period Algol variable RZ Ophiuchi (Lichtkurve mit flachen Mininum); Notiz betr.
SW Andromedae. = e S
Bei der Redaktion cingegangene Bucher.
Surya, G. W., Okkulte Astrophysik oder kann die Wissenschaft den Lauf der Ge-
stirne erklären? Ein Versuch. Brosch. M. 1.50.
Voll, Dr. med. Adam, Die Wünschelrute und der siderische Pendel. Ein Versuch zu
einer praktisch-wissenschaftlichen Studie. Mit 17 Abb. Brosch. M. 1.60, geb. M. 2.40.
Prasad, Rama, Die feineren Naturkräfte und die Wissenschaft des Atems. Aus
dem Sanskrit-Original übersetzt. Ins Deutsche übertragen von Heinz Widtmann. Brosch. M. 3.—,
geb. M. 4.—. Leipzig, sämtlich aus dem Verlag von Max Altmann, 1910.
Für die Schriflleitung verantwortlich: Dr. F.8. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Iuseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
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DAS WELTALL `
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illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Za.
Herausgegeben von
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
IL Jahrgang, Heft 16. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Zweites Maiheft).
Berlin-Treptow.
Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Tveptow-Siternwarte, Treplow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post-
Zettungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pie — Anseigen-Gebühren: I Seite 80.— Mk., 1l} Seite 45.—
1/, Seite 25.—, 1/, Seite 15.—, Yıs Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewichi.
INHALT
1. Das Zodiakallicht. Von Dr. F. S. Archenhold . 237 8. Das Schicksal der Planeten. Von Dr F. S.
2. Über elektrische Strahlen. Von Dr. W. Haken . . 240 Archenhold. . : 2: 2: 2 2 ew tw we wt re. 246
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestaltet
Das Zodiakallicht.
Von Dr. F. S. Archenhold.
I unseren Breiten erscheint das Zodiakal- oder Tierkreislicht als cine
zarte schwache Lichtpyramide, die am besten mit unbewaffnetem Auge an
Orten beobachtet wird, deren Horizont weder durch Staubteilchen getrübt ist,
noch durch künstliches Licht erhellt wird. Es handelt sich hier um einen
äußerst lichtschwachen, vom Horizonte pyramidenförmig aufsteigenden Licht-
schimmer, der kurz vor’Sonnenaufgang am Osthimmel und kurz nach Sonnen-
untergang am Westhimmel sich je nach der Stellung der Ekliptik unter ver-
schiedenem Winkel gegen den Horizont bis zu der Gegend der Plejaden hin
erstreckt. Von hohen Bergen aus oder in den Tropengegenden, unter günstigen
Umständen auch in unseren Breiten, erkennt man noch einen wesentlich
schwächeren und nicht so ausgedehnten Lichtschimmer der Sonne gegenüber,
den sogenannten Gegenschein. Ist die Atmosphäre besonders dunstfrei, so
kann man sogar auch noch eine zarte Verbindung des pyramidenförmigen
Zodiakallichts mit dem Gegenschein, der zuerst von Alexander v. Humboldt
1803 beobachtet worden ist, längs der ganzen Ekliptik verfolgen.
Zahlreiche photographische Aufnahmen des Zodiakallichtes, die von Prof.
Wolf mit einem ungewöhnlich lichtstarken Objektiv (Quarzlinse von 37 mm,
Öffnung und nur 25 mm Brennweite), dem sogenannten Schnittphotometer, her-
gestellt sind (vergl. „Das Weltall“, Jg. 1, S. 70), haben ergeben, daß die Haupt-
achse des Zodiakallichtes nicht genau in der Ekliptik, sondern um einen Winkel
von 7° gegen diese verschoben ist, so daß die Hypothese an Wahrscheinlichkeit
gewinnt, daß der Ring des Zodiakallichtes in der Ebene des Sonnenäquators
gelagert ist. Marchand hatte schon vorher auf dem Pic du Midi durch eine
Reihe zuverlässiger Beobachtungen ableiten können, daß die Achse des Zodiakal-
lichtes nahe einem größten Kreise liegt, der gegen die Ekliptik 6 bis 7° geneigt
ist und dessen aufsteigender Knoten die Lange von 70° besitzt. Da nun die
Neigung des Sonnendquators gegen die Ekliptik auch 70° beträgt und der auf-
— 235 —
steigende Knoten der Ebene des Sonnenaquators eine Länge von etwa 74° hat,
so ist es wahrscheinlich, daß die Achse des Zodiakallichtes mit der Ebene des
Sonnenäquators zusammenfällt. In diesem Falle dürfte man annehmen, daß die
Masse des Zodiakallichtes in einem früheren Entwicklungsstadium der Sonne
von dieser am Aquator abgeschleudert worden ist. Uber die Natur der Teilchen,
die das Zodiakallicht erzeugen, ist bestimmtes noch nicht auszusagen. Die
spektroskopischen Untersuchungen haben nur mit Sicherheit ergeben. dab das
Spektrum dem Sonnenspektrum ähnlich ist und daß die sogenannte helle Nord-
lichtlinie im gelbgrünen auch hier sich bemerkbar macht. Dieses letztere wird
aber sehr wahrscheinlich nicht von dem Zodiakallicht selbst herrühren, sondern
von Nordlichtern, die zufällig an der gleichen Stelle mit dem Zodiakallicht sicht-
bar waren.
Die schon von Cassini Ende des 17. Jahrhunderts beobachteten Hellig-
keitsschwankungen können vorläufig noch nicht als reell angesehen werden,
sondern dürften voraussichtlich eine hinreichende Erklärung in der verschiede-
nen Durchsichtigkeit unserer Atmosphäre selbst finden. Ob das Leuchten des
Zodiakallichtes allein auf zurückgeworfene Sonnenstrahlen zurückzuführen ist
oder ob die elektrischen Wirkungen der Sonnenflecke auch einen wesentlichen
Anteil haben, kann auch noch nicht festgestellt werden. Es ist zunächst von großer
Wichtigkeit, daß recht viele Beobachtungen des Zodiakallichtes angestellt
werden; hierbei dürften auch die immer häufiger werdenden Ballonfahrten von
großem Vorteil sein. Unsere Leser finden im ersten Jahrgang unserer Zeit-
schrift S. 69 die Abbildung eines Zodiakallichtes vom 15. November 1898, das
A. Hansky ge:egentlich einer nächtlichen Ballonfahrt, die zwecks Beobachtung
der Leonidensternschnuppen’ von Paris aus unternommen war, gezeichnet. hat.
Um diese Zeit ist das Zodiakallicht von den unteren Luftschichten aus nur
schwer sichtbar. Es hatte die Gestalt eines Konus, dessen Achse gegen den
hellsten Stern im Löwen, gegen Regulus, gerichtet war und war in der Mitte
heller als die hellsten Stellen der Milchstraße. Die Basis war etwa 15° bis 20°
breit und stand im Sternbild der Jungfrau. Die Gesamtlänge des Konus von
der Sonne aus gerechnet betrug etwa 60° bis "un
Neuerdings hat C. Hoffmeister in Sonneberg in Thüringen, dessen öst-
liche Länge von Greenwich 11° 10⁄5 und dessen geographische Breite 50° 21⁄5
beträgt, das Zodiakallicht des öfteren beobachtet und in den A. N. No. 4484 ver-
öffentlicht Mit freundlicher Erlaubnis des Herrn Professor Kobold geben wir
nebenstehend die Hoffmeistersche Beobachtung des Zodiakallichtes vom
3. Februar 1910 mit dem in unmittelbarer Nähe stehenden Johannisburger Ko-
meten 1910a wieder. Die Spitze des Lichtkegels lag im \Widder etwa 3° west-
lich vom Mars; die Spitze des hellsten Teiles wurde von Saturn eingenommen.
Die genaue Feststellung der an sich schon undeutlichen Begrenzungslinie im
N. W. wurde durch den Schweif des Kometen 1910a erschwert. Im S. W. war
eine plötzliche Abstufung vorhanden, indem sich an den hellen Teil nur ein
wenige Grade breiter Streifen matteren Lichtes anschloß. Die Intensität des
Zodiakallichtes war schr beträchtlich und übertraf die Milchstraße bedeutend an
Helligkeit. Der Kometenschweif war deutlich bis zum hellsten ‚Stern der
Andromeda e zu erkennen. Am H. Februar hatte die Intensität des Zodia-
kallichtes schon stark abgenommen; ebenso machte auch die Erscheinung am
5. März in ihrer Gesamtheit einen mehr verschwommenen Eindruck als am
3. Februar.
— 239 —
Es wäre sehr erwünscht, wenn sich verschiedene Beobachter vereinen
würden, um das Zodiakallicht zu gleicher Zeit nach einem vorher verabredeten
Beobachtungsschema aufzuzeichnen und so die durch atmosphärische Verhält-
nisse verursachte Abweichung in der Lichtverteilung des Zodiakallichtes deutlich
erkennen zu können Es dürfte hierbei empfehlenswert sein, um jedes kiümst-
liche Licht von den Augen fern zu halten, bei der Bestimmung der Grenzen
des Zodiakallichtes, einen Pappzylinder zu benutzen, der innen geschwärzt ist,
so wie es Heis zuerst getan hat. Es genügt, wenn der Zylinder einen Durch-
messer und eine Länge von etwa 30 cm besitzt.
Zebiakallicht und Jlomet 19100. 1910 febuar Ai Orb.
Jonnaberg : A: 1100's, P + S0%215 Deotachter : 4 Hvffmuo Let
Insbesondere wird es wichtig sein, festzustellen, ob mit der Rotation der
Sonnenflecken, den elektrischen Stérungszentren auf der Sonne, Aufhellungen
innerhalb des Tierkreisringes Hand in Hand gehen Es wird sich auf diese
Weise am besten die Hypothese prüfen lassen, ob das Zodiakallicht durch
schwache, winzige kleine Körperchen verursacht wird, die in der Ebene der
Erdbahn bezw. in der Ebene des Aquators der Sonne, diese umkreisen und bis
wie weit sich dieser ratsclhafte Leuchtring erstreckt.
M
— 20 —
(ber elektrische Strahlen.
Von Dr. W. Haken.
Wem wir die historische Entwickelung eines Gebiets der exakten Wissen-
schaften verfolgen, so können wir sehr häufig die Beobachtung machen,
daß schon verhältnismäßig frühzeitig Vermutungen über das Wesen eines Vor-
ganges aufgestellt wurden, die man als mit der Erfahrung nicht im Einklang
stehend wieder aufgab, andere anscheinend besser begründete Hypothesen
traten an die Stelle der früheren, aber dann führten doch bestimmte Er-
scheinungen mit zwingender Notwendigkeit dazu, auf die ersten Vorstellungen
zurückzugreifen; und durch die Verschmelzung dieser ursprünglichen mit den
neueren Hypothesen wurde dann der Grundstein zu einem neuen Gebäude
wissenschaftlicher Forschung gelegt. Sehr deutlich können wir diesen Verlauf
an den verschiedenen Phasen wahrnehmen, die der Begriff der Strahlung im
Laufe der Zeit bis zu dem heutigen Standpunkt durchgemacht hat. Die ur-
sprüngliche und wohl dem unbefangenen Beobachter sich meist aufdrängende
Vorstellung über das Wesen der Strahlen war die, daß von dem strahlenden
Körper winzig kleine unwägbare Teilchen fortgeschleudert würden und nun die
verschiedensten Wirkungen, sei es den Lichteindruck im Auge, sei es die Tem-
peraturerhöhung der bestrahlten Fläche, hervorrufen sollten. Aber im Laufe der
weiteren Forschung kam man zu Tatsachen, die mit dieser eben gekennzeich-
neten „Emissionshypothese“ nicht in Einklang zu bringen waren. Infolgedessen
mußte diese Vorstellung aufgegeben und eine neue Hypothese an ihre Stelle
gesetzt werden, die die beobachteten Erscheinungen widerspruchsfrei darzustellen
gestatte. Eine solche Hypothese wurde nun durch die von Huygens begründete
„Undulationstheorie“* geboten; sie steht im direkten Gegensatz zu der anderen
Vorstellung und beruht auf der Annahme, daß die Strahlung durch eine Wellen-
bewegung, deren Mechanismus einstweilen dahingestellt blieb, zustande käme,
und in der Tat ließen sich alle Vorgänge ohne Widerspruch mit der Erfahrung
auf Grund dieser Hypothese erklären. Eine ganz besondere Stütze erfuhr die
Undulationstheorie Ende des vorigen Jahrhunderts noch dadurch, daß sich auch
die Existenz elektromagnetischer Schwingungen im Raum zweifellos feststellen
ließ, ja daß sogar Licht- und Wärmestrahlung in letzter Linie nichts anderes
als elektromagnetische Schwingungen seien. Alle weiteren Untersuchungen
bestätigen diese Auffassung aufs Glänzendste, ein Zweifel an ihrer Richtigkeit
ist jetzt nicht mehr möglich. Man machte nun die verschiedenartigsten
Versuche, auch die höchst eigenartigen Leuchterscheinungen in stark
verdünnten Gasen auf Grund dieser Theorie zu erklären, und gerade dadurch
wurde das Studium dieses Gebiets, von dem die folgenden Ausführungen han-
deln sollen, zu einem außerordentlich interessanten. Aber es reichte, wie wir
sehen werden, zur Erklärung der hier auftretenden Erscheinungen die Undu-
lationstheorie nicht aus, man war genötigt auf die Emissionstheorie in gewissem
Sinne zurückzugreifen und auf diese Weise entstand nun die Theorie, die so-
wohl das Gebiet der elektrischen Strahlen sowie das vieler anderen physika-.
lischer und chemischer Vorgänge, die bisher in keinem unmittelbaren Zusammen-
hang zu stehen schienen, umfaßt, die sogenannte Elektronentheorie, deren Kon-
sequenzen bisher in der Erfahrung volle Bestätigung gefunden haben.
Im 5. Jahrgang des „Weltall“ sind von Herrn Dr. Mecklenburg die
Grundlagen der Elektronentheorie bereits ausführlich geschildert worden,
— 241 — `
ich will jedoch auch an dieser Stelle ihre Grundzüge kurz erörtern, da sie
mit den zu besprechenden Erscheinungen gerade im innigsten Zusammenhang
stehen. |
Die Frage nach der Konstitution der Materie beschäftigte bereits seit den
ältesten Zeiten den forschenden Menschengeist; schon die griechischen Natur-
philosophen stellten die verschiedenartigsten Vermutungen über den Aufbau
der uns umgebenden Körperwelt auf und gelangten zu der Auffassung, daß
sämtlichen Körpern bestimmte Bausteine zugrunde liegen müßten, deren ver-
schiedenartiger Anordnung und jeweiligen Zustandsbedingungen die mannig-
faltigen Naturgebilde ihre Entstehung verdanken sollten. Bekanntlich steht ja
auch die moderne Chemie auf einem ganz ähnlichen Standpunkt, allerdings
sind ihre Grundlagen durchaus nicht reine Spekulation, wie die der griechischen
Naturphilosophen, sondern beruhen auf einer sicheren experimentellen Grund-
lage, die einzig und allein als Basis für eine Disziplin der exakten Naturwissen-
schaften dienen kann.
Nach der Atomtheorie setzen sich die einzelnen Körper aus Molekül-
komplexen zusammen, die Moleküle selbst sind wieder aus Grundelementen, den
Atomen aufgebaut. Die Atome sollen die kleinsten, in der Natur vorkommenden
Teilchen der Grundelemente, deren Zahl zurzeit etwa 80 beträgt, sein. Zur
Kenntnis dieser Grundelemente gelangte man dadurch, daß man durch die ver-
schiedenartigsten chemischen und physikalischen Prozesse eine immer weiter
gehende Trennung der einzelnen Substanzen vornahm; die schließlich zurück-
bleibenden, auf keinem Wege weiter trennbaren und in ihren chemischen und
physikalischen Eigenschaften genau charakterisierten Bestandteile nannte man
die den Körpern zugrunde liegenden Elemente. Indem man nun weiter die Ver-
hältnisse genauer untersuchte, unter denen die Grundstoffe untereinander zu
Verbindungen zusammentreten können, gelangte man bald zu der Erkenntnis,
daß die Mengen der miteinander reagierenden Stoffe für das Zustandekommen
einer vollständigen Verbindung von wesentlicher Bedeutung sind. Beispiels-
weise kann sich eine ganz bestimmte Menge Natrium (z. B. 23 Gramm) nur
mit einer ganz bestimmten Menge Chlor (35,4 Gramm) vollständig zu Kochsalz
umsetzen und ähnliche Verhältnisse gelten ausnahmslos für alle anderen
chemischen Vorgänge Man könnte nun irgend eine Substanz, deren Ver-
bindungsprozesse mit anderen Substanzen leicht quantitativ zu verfolgen sind,
wählen, und auf diese Weise die Verbindungsverhältnisse aller andern Körper
ermitteln. Benutzt man z B. für diese Reaktion jedesmal 1 Gramm Wasser-
stoff, so findet man, daß 35,4 Gramm Cl, 80 Gramm Br, 126 Gramm J erforderlich
sind, um sich mit dem 1 Gramm Wasserstoff vollkommen zu Chlorwasserstoff,
Bromwasserstoff, Jodwasserstoff umzusetzen. Auf diese Weise gelangt man zu
den sogenannten (relativen) Atomgewichten der Elemente, Zahlen, die angeben,
in welchen Gewichtsverhältnissen die Bildung der Moleküle aus den Atomen
der Elemente erfolgt. Hier tritt nun aber noch eine Vieldeutigkeit dadurch auf,
daß oft nicht eine einzige Verbindung zwischen zwei Elementen besteht, sondern
nach Maßgabe der mitwirkenden Massen mehrere Verbindungen zustande
kommen können. So können durch das Zusammentreten von Kohlenstoff und
Sauerstoff zwei verschiedene Körper entstehen, Kohlenoxyd (CO) und Kohlen-
säure (CO,), aber es hat sich bei allen derartigen Verbindungen gezeigt, daß die
an der Reaktion beteiligten Mengen in sehr einfachen rationalen Verhältnissen
zu einander stehen; so besteht Kohlenoxyd aus 12 Teilen C und 16 Teilen O,
— 242 —
Kohlensäure aus 12 Teilen C und 32 Teilen O, letztere Verbindung enthält also
gerade die doppelte Menge an Sauerstoff wie Kohlenoxyd. Auf Grund dieser
Eigenschaften der Elemente miteinander in verschiedenen Verhältnissen rea-
gieren zu können, spricht man von einer bestimmten chemischen Wertigkeit
oder Valenz eines Elements. Um ein Maß für die Wertigkeit zu gewinnen,
hat man das Wasserstoffatom zugrunde gelegt; so bezeichnet man ein Element
als vierwertig, wenn es in einem Molekül 4 Wasserstoffatome zu ersetzen ver-
mag. Die Wertigkeit der einzelnen Elemente geht nun aber nicht ins Unge-
messene, sondern es bestehen auch hier bestimmte Grenzen, ebenso wie die
Atomgewichte anscheinend eine gewisse obere Grenze nicht überschreiten können.
Man ist nun durch die zahlreichen langjährigen Untersuchungen dazu gekommen,
zwischen Atomgewicht und Wertigkeit eine ganz bestimmte Beziehung heraus-
zufinden, die Lothar Meyer und Mendelejeff zur Aufstellung des perio-
dischen Systems der Elemente führte. Ordnet man die Elemente nach stei-
gendem Atomgewicht, so findet man, daß in ganz bestimmten Abständen Ele-
mente auftreten, die dieselbe Wertigkeit besitzen, und zwar weisen weiterhin
die Elemente derselben Wertigkeit wiederum untereinander ähnliche chemische
Eigenschaften auf.
So ist dann die Wertigkeit eines Elements in hohem Grade durch den
Platz gegeben, den es im periodischen System einnimmt und aus dieser „natür-
lichen“ Einteilung der Elemente scheint wieder notwendig zu folgen, daß die
Atome verschiedenartige Gefüge und Verdichtungszustandé ein und desselben
Urstoffs seien, nur unter der Annahme eines solchen Urstoffs erscheint die Ab-
hängigkeit der Eigenschaften der Elemente von der Größe der Atomgewichte
verständlich. Es ist daher nicht verwunderlich, daß man bald nach der Auf-
stellung der ersten Atomgewichtstafeln derartige Beziehungen von ciner Grund-
substanz zu finden glaubte und so war es vor allem am Anfang des vorigen
Jahrhunderts die Proutsche Hypothese, die die Vermutung aussprach, daß alle
Atomgewichte einfache Vielfache von dem des Wasserstoffs seien, die einzelnen
Elemente stellten also verschiedene Verdichtungszustände dieses Grund- `
elements’ dar. Aber die weiteren sehr eingehenden Untersuchungen haben
dieser Hypothese jeden tatsächlichen Untergrund entzogen, so daß sie als nicht
zutreffend aufgegeben werden mußte.
Eine wesentliche Erweiterung unserer Kenntnis von der Konstitution der
Materie wurde dann durch das Studium der elektrolytischen Vorgänge ermög-
licht. Löst man ein Salz in einer Flüssigkeit und läßt einen elektrischen Strom
in die Lösung treten, so zeigt sich, daß sich die Bestandteile des Salzes an den
Eintrittsstellen des Stromes, den sogenannten Elektroden, abscheiden. Diese Er-
scheinung widerspruchsfrei zu deuten, war recht schwierig, und es hat lange
gedauert, bis man zu einer klaren Anschauung gelangte. Die Elektrolyse, deren
Grundlagen von Clausius und Arrhenius gelegt wurden, trägt einen recht
eigenartigen Charakter. Es haben sich jedoch alle Konsequenzen dieser Theorie
aufs glänzendste bestätigt und ihre Richtigkeit zweifelsfrei festgestellt. Haben
wir z.B. eine Lösung von Silbernitrat der elektrolytischen Zerlegung unter-
worfen, so bemerken wir, daß sich der eine Bestandteil, das Silber, an der
negativen Elektrode, der Kathode, abscheidet (Fig. 1), während der andere an der
Anode frei wird. Die Moleküle des Silbernitrats bestehen also aus zwei Teilen, der
eine wird von der Anode, der andere von der Kathode angezogen; wir müssen
also annehmen, daß beide Teile selbst entgegengesetzte elektrische Ladungen
— 243 —
tragen. Es wäre ja nun möglich, daß durch den Strom selbst die Ladungen
hervorgerufen werden, die dann beim Unterbrechen des Stromes wieder ver-
schwinden; es zeigt sich jedoch, daß dies nicht der Fall ist, sondern, daß in
der verdünnten Lösung eines Salzes tatsächlich elektrische Ladungen unab-
-hängig von allen äußeren Einwirkungen vorhan- |
den sind. Faraday hatte nun bereits gefunden,
daß die durch den elektrischen Strom ausge- Kathode Anode
schiedenen Substanzmengen in ganz bestimmten — ua e+
Verhältnissen zueinander stehen, nämlich in den-
selben, wie die chemischen Verbindungsgewichte.
Dadurch kamen Clausius und Arrhenius zu der
Annahme, daß jedes Atom mit einer bestimmten
Elektrizitätsmenge verbunden wäre, und zwar
sollen die Atome der einwertigen Substanzen
eine Einheitsladung, die zweiwertigen zwei
Einheitsladungen, die dreiwertigen drei usw. Fig. 1.
tragen. Da ferner die Moleküle nach außen
neutral erscheinen, so mußte man positive und negative Ladungen für
die einzelnen Atomgruppen annehmen, z. B muß man in dem Molekül CuSO,
Kupfersulfat, dem Kupfer zwei positive, dem Säureradikal SO, zwei negative
Einheitsladungen zuschreiben; beim Zusammentritt beider haben wir es dann
mit einem neutralen Molekül zu tun, da sich die entgegengesetzten Elektrizitäts-
arten aufheben. Wird nun eine Substanz in Wasser gelöst, so sollen nach
Arrhenius die Moleküle die Fähigkeit besitzen, teilweise in ihre negativ und
positiv geladenen Bestandteile zu zerfallen, und der Vorgang der Elektrolyse
spielt sich dann so ab, daß die positiven Teilchen von der negativen Elektrode,
der Kathode, die negativen von der Anode angezogen werden. Auf diese Weise
tritt eine dauernde Wanderung beider Arten in der Flüssigkeit ein, die so lange
dauert, bis alle Teilchen an die Elektroden geschafft sind. Diesen positiv und
negativ geladenen Atomen resp. Atomgruppen hat man den Namen Ionen ge-
geben. |
Eine wichtige Frage war nun die nach der Größe der von den Ionen mit-
geführten elektrischen Ladung. Gerade so wie wir nicht direkt die Größe der
Atome bestimmen können, sondern nur die Gewichtsverhältnisse, in denen sie
in den einzelnen Molekülen auftreten, so kann man auch nicht direkt den Wert
der Ionenladung angeben, wohl aber das Verhältnis von Ladung zur Masse der
einzelnen Ionen feststellen. Die von den Ionen pro Sekunde transportierte
Elektrizität, den Strom, kann man ja direkt messen, ebenso die abgeschiedene
Menge; das Verhältnis beider gibt dann auch ohne weiteres das Verhältnis
von Ladung zur Masse des einzelnen Atoms an. Diese Bestimmung von
Ladung
Masse
trischen Entladungen in Gasen von fundamentaler Bedeutung, da erst durch sie
eine klare und sichere Erkenntnis der hier vorliegenden scheinbar so
außerordentlich komplizierten Verhältnisse möglich wurde. Diese Unter-
suchungen führten nun zu dem Ergebnis, daß das mit der geringsten
‚Stlbernitratlosung
(<) ist sowohl für die Elektrolyse wie auch ganz besonders für die elek-
Masse begabte Atom, Wasserstoff, den größten Wert fir besitzt, für alle
anderen Körper ergaben sich kleinere Werte, die zueinander in umgekchrtem
et DIR Sass
Verhältnis wie die chemischen Aquivalente stehen, und dieses Resultat führte
dann zu der schon erwähnten Annahme, daß die einzelnen Ionen mit einer oder `
entsprechend ihrer Wertigkeit, mit mehreren Einheitsladungen behaftet wären.
Man könnte demnach die Größe dieser Einheitsladung, die elektrisches Ele-
mentarquantum genannt wird, berechnen, wenn man nur die Größe eines
einzigen Atoms, z. B. die des Wasserstoffatoms, kennen würde. Diese Größe
kann man nun mit großer Wahrscheinlichkeit nach der kinetischen Gastheorie
| -2 TEE
bestimmen (etwa 1,6 10 Zei und dadurch ergibt sich fir das Elementarquantum
der Wert von 2° 0 elektromagnetischen Einheiten.
Somit führen die elektrolytischen Untersuchungen zu dem außerordentlich
wichtigen Resultat, daß auch die Elektrizität nicht bis zu unendlich kleinen
Werten wirken kann, sondern daß auch ihr eine gewisse atomistische Struktur
eigentümlich ist. Die Größe von 2° to elektromagnetischen Einheiten ist der
kleinste in der Natur überhaupt mögliche Wert der elektrischen Ladung; das `
Elementarquantum ist gewissermaßen das Atom der Elektrizität. Aber nicht nur für
die elektrolytische Leitung ergibt sich auf dieserGrundlage eine völlig befriedigende
Erklärung, sondern auch die mannigfachen Erscheinungen auf dem Gebiete der
elektrischen Strahlen sind durch den weiteren Ausbau dieser Grundanschauungen
der elektrolytischen Theorie auf einem anscheinend so verwickelten Wege dem’
Verständnis wesentlich näher gerückt worden.
Schon Mitte des vorigen Jahrhunderts beobachtete man, daß auch Gase,
besonders in stark verdünntem Zustande, ein gewisses Leitvermögen für den
elektrischen Strom zeigen und daß in ihnen je nach der Stromstärke und dem
Grade der Verdünnung die verschiedenartigsten Leuchterscheinungen auftreten
können. Diese Verhältnisse einwandsfrei zu deuten und sie vor allem mit den
Anschauungen über das Wesen der Elektrizität in Einklang zu bringen, machte
äußerst zahlreiche Untersuchungen notwendig, und erst vor verhältnismäßig
kurzer Zeit ist es gelungen, eine Theorie aufzustellen, die alle Erscheinungen
dieses Gebiets einwandfrei zu deuten gestattet und wie gesagt durch das
Studium der elektrolytischen Vorgänge veranlaßt wurde. Die Schwierigkeit, in
die Erscheinungen der Elektrolyse, wie die der Gasentladungen einen klaren
Einblick zu gewinnen, beruhte in erster Linie auf den Vorstellungen, die man
sich über die Wirkungsweise der elektrischen Körper bildete, und die im Laufe
der Zeit mannigfaltige Wandlungen erfuhren. Das erste Gesetz über die von
elektrischen Körpern ausgeübten Kräfte wurde bekanntlich von Coulomb auf-
gestellt; es ist dem Newtonschen Gravitationsgesetze völlig analog und sagt aus,
daß zwei Elektrizitätsmengen aufeinander mit Kräften wirken, die dem Quadrat
ihres gegenseitigen Abstandes umgekehrt proportional sind. Diese Analogie mit
dem allgemeinen Gravitationsgesetz legte es natürlich nahe, auch die Elektrizität
als matericlles, an den elektrischen Körpern haftendes Gebilde, „Fluidum“, aufzu-
fassen, wie man ja auch in der damaligen Zeit die Wärme als ein Fluidum ansah.
Die elektrischen Körper mußten also nach dieser Anschauung genau wie die
Massen im Raume durch unmittelbare Fernwirkung auf einander wirken. Da man
nun bei den elektrischen Körpern nicht nur Anziehung, sondern auch Abstoßung
beobachtete, nahm man zur Erklärung ein negatives und ein positives elek-
trisches Fluidum an, dergestalt, daß gleichartige Elektrizitäten sich anziehen,
ungleichnamige sich abstoßen sollten. Eine gewaltige Anderung erfuhr die Vor-
stellung über die Wirkung der Elektrizität durch die Arbeiten Faradays und
— 245 —
Maxwells. Faraday wies nach, daß bei den elektrischen Erscheinungen
das umgebende Medium von fundamentaler Bedeutung ist. Er schloß aus
seinen Untersuchungen, daß der sogenannte elektrische Zustand der Körper
durch einen eigentümlichen Zwangszustand ihrer unmittelbaren Umgebung her-
vorgerufen ‘sei; das umgebende Medium ist der Sitz der elektrischen Kraft, die
an den Körpern beobachteten Erscheinungen sind nur die Wirkungen des elek-
trischen Feldes. Die Fig. 2 soll zur weiteren Erklärung dieser Annahme dienen.
Es treten Zug- und Druckkräfte in der Umgebung der magnetischen oder elek-
trischen Körper auf, die an den betreffenden Körpern angreifen und unmittelbar
die beobachteten Verschiebungen hervorrufen, und zwar findet die Stärke dieser
Kräfte eine sehr klare Darstellung durch den Begriff der Kraftlinien, indem von
dem betreffenden Körper eine um so größere Anzahl von Kraftlinien ausgeht,
je stärker das von ihm erzeugte elektrische oder magnetische Feld ist, d. h.
also, je stärker er elektrisiert oder magnetisiert ist.
Dieser Begriff des elektrischen Feldes erwies sich als außerordentlich
anschaulich. Vermochte man doch mit seiner Hilfe nicht nur die Erscheinungen
der Elektrostatik, sondern auch
die des Elektromagnetismus
restlos zu erklären. Diese Auf-
fassung von der Elektrizität
führte dann auch zu der An- ,
nahme, daß die elektrische -
Erregung nicht an allen noch
so entfernten Punkten gleich-
zeitig auftreten könne, son-
dern daß sie sich mit einer
bestimmten Geschwindigkeit
im Raume fortpflanze. Faraday vermutete bereits, daß diese Geschwindig-
keit gleich der Lichtgeschwindigkeit sein würde. Seine Theorie, die von Max-
well in mathematische Form gebracht und wesentlich erweitert wurde, fand
dann später durch die klassischen Herz schen Versuche über elektromagneti-
sche Schwingungen ihre glänzende Bestätigung. Herz stellte die Existenz elek-
trischer Wellen im freien Raum zweifellos fest und wies nach, daß sie sich
tatsächlich mit Lichtgeschwindigkeit fortpflanzen. Als letzter Schlußstein der
Faraday-Maxwell’schen Theorie ergab sich schließlich die vollkommene
Identität von Licht. Wärme- und elektromagnetischen Strahlen. Es gibt
zwischen diesen drei Schwingungsarten keine Grenzen, eine greift in die
andere über, ihr Mechanismus ist vollkommen derselbe, sie unterscheiden
sich nur durch die Schwingungszahl. Somit erschien der Beweis für die
Richtigkeit der Faradayschen Auffassung, daß die Elektrizität allein
im Äther ihren Sitz habe, vollkommen bestätigt zu sein. Nur die Erschei-
nung der Elektrolyse und die der elektrischen Entladungen wollten sich
dieser genialen Theorie nicht fügen und trotz der mannigfaltigsten Versuche,
diese Erscheinungen durch eine Wellenhypothese zu erklären, hat man doch zu
der Vorstellung greifen müssen, daß gewisse Elektrizitätsarten von atomistischer
Struktur die Ursache dieser Erscheinungen seien, wie bereits vorhin angedeutet
wurde. In der Tat wurde diese Auffassung durch die Untersuchung der
Kathodenstrahlen und den Zeemanneffekt mit zwingender Notwendigkeit herbei-
geführt. Auf diesem Wege bildete sich nun die moderne Theorie vom Wesen
Fig. 2.
— 246 —
der Elektrizität, die Elektronentheorie, die gewissermaßen cine Verschmelzung
der alten auf dem Coulombschen Gesetz fußenden Anschauung und der Fara-
day-Maxwellschen Theorie darstellt; und zwar ist diese Auffassung nicht
eine durch mehr oder weniger willkürliche Annahmen entstandene, sondern sie
hat sich als notwendige Konsequenz der Forschungsergebnisse der letzten Jahre
ergeben. (Schluß folgt.)
se
Das Schicksal der Planeten.
De bekannte schwedische Physiker Svante Arrhenius hat in Erweiterung
eines früheren Aufsatzes über die Atmosphäre der Planeten neuerdings
ein Buch über das Schicksal der Planeten') bei der Akademischen Verlags-
gesellschaft in Leipzig erscheinen lassen, dessen Inhalt wir hier im Auszug
wiedergeben: Im Anfangsstadium waren alle Planeten, so wie es unsere Sonne
noch jetzt ist, gasförmig. Auch die Atmosphären von Jupiter und Saturn sind
noch heute glühend, da wir in unserem Treptower Fernrohr rote und gelbe
Wolkenstreifen und Flecken auf ihnen sehen. Ebenso ist es wahrscheinlich, daß
die beiden äußersten Planeten Uranus und Neptun, entsprechend ihrer geringen
Dichte, noch heiße Atmosphären haben. Wegen der Schwerewirkung nimmt die
Dichte der Gase in den äußeren Schichten sehr schnell nach innen zu, bis sie
so groß ist, daß die Kompressibilität äußerst gering wird und das Gas sich fast
wie ein fester Körper verhält. So ist es zu erklären, daß auf der Sonne, trotz
ihres gasförmigen Zustandes, sich Flecke länger als ein Jahr halten und der
rote Fleck auf dem Jupiter sich sogar seit 1878 erhalten konnte. Der Übergang
in der Dichte zwischen verschiedenen Schichten ist natürlich ein kontinuierlicher,
wohingegen bei wirklichen Atmosphären über einem festen oder flüssigen Kern
die Dichte in verschiedenen Tiefen an der unteren Begrenzung der Atmosphäre
sich sprungweise ändert. Svante Arrhenius schreibt:
„Sind andere Planeten aus demselben Hauptmaterial, schweren Metallen,
ihren Oxyden, Silikaten, Karbonaten, Hydraten und etwa Hydrosulfiden der
leichten Metalle, einschließlich Aluminium und Wasserstoff aufgebaut, wie unsre
Erde, was ja in höchstem Grade wahrscheinlich ist, so ist für die Möglichkeit
der Existenz von Lebewesen eine feste Erdkruste Bedingung. Denn der Schmelz-
punkt dieser Materialien liegt so hoch, wenigstens über 1000° daß noch weit
unter ihrem Erstarrungspunkt Lebewesen nicht wohl gedeihen können. Das
Leben ist an das Vorhandensein sehr weitgehend zusammengesetzter und des-
halb recht unbeständiger Kohlenstoffverbindungen geknüpft, die sicherlich schon
bei viel tieferen Temperaturen als 1000° zugrunde gehen. — Man hat sich
mitunter vorgestellt, daß Silizium den Kohlenstoff in diesen Verbindungen ver-
treten könnte, wovon man jedoch kein Beispiel besitzt. Die komplizierteren
Siliziumverbindungen scheinen auch im allgemeinen viel weniger stabil zu scin
als die entsprechenden Kohlenstoffverbindungen. Sfliziumverbindungen, welche
als Bestandteile des Protoplasmas an Stelle der Kohlenstoffverbindungen_ ein-
treten könnten, sind gänzlich unbekannt und vermutlich unter keinen äußeren
Bedingungen stabil. Wir wollen also diese und ähnliche Phantasien ganz außer
Rechnung lassen, bis eine Andeutung von ihrer Wahrscheinlichkeit vorliegt. —
1) Svante Arrhenius, Leipzig 1911, Akademische Verlagsgesellschaft m. b. H. (Auch zu
beziehen durch den Verlag der Treptow-Sternwarte gegen Einsendung von 1,35 M.)
— 47 —
Die genannten Kohlenstoffverbindungen sind schon unter dem Siedepunkt des
Wassers unbeständig, die Eiweißstoffe gerinnen schon bei etwa 55 bis 60 ® lang-
sam. Jedenfalls müssen wir annehmen, daß sie oberhalb der kritischen
Temperatur des Wassers, 365°C, nicht vorkommen können. Es muß also
auch die Bedingung für die Kondensation von Wasser, d. h. für die Bildung
von Wasseransammlungen, vorhanden sein. Da aber eine freie Wasserfläche
ohne Wasserdampf von wenigstens 4,6 mm Druck nicht stabil ist, so schließt
schon das Vorhandensein von Wasserflächen auch dasjenige einer Atmosphäre
ein. Wenn Sauerstoff, wie die Biologen behaupten, für die Unterhaltung des
Lebens unentbehrlich ist, so können wir an Stelle einer festen Erdkruste eine
Sauerstoff enthaltende Atmosphäre als Bedingung einsetzen, und da Sauerstoff
aus unten näher ausgeführten Gründen ohne feste Erdkruste in der Luft nicht
vorkommen kann, so lassen sich die Bedingungen für die Existenz von Lebe-
wesen in die des Vorhandenseins einer sauerstoffhaltigen Atmosphäre zu-
sammenfassen.
Nur diejenigen Planeten, welche eine wirkliche Atmosphäre besitzen,
können lebendige Wesen beherbergen. Gerade aus diesem Grunde ist die
Atmosphäre der Planeten von ganz außerordentlichem Interesse. Es handelt
sich um das Problem, um welches die edelsten Persönlichkeiten der Mensch-
heit seit dem grauen Altertum ihre schönsten Träume gesponnen haben
und dessen Auslegung in freimütigem Sinne Giordano Bruno auf den Scheiter-
haufen brachte.
Haben also die Planeten ohne feste Kruste oder flüssige Oberflächenschicht
keine Atmosphäre, so ist die Anzahl der einen Luftkreis besitzenden Planeten
stark beschränkt. In unserem Sonnensystem, dessen Planeten die einzigen uns
bekannten sind, gehören nur die vier inneren Planeten: Merkur, Venus, Erde
und Mars, zu dieser Kategorie, sowie die zwischen Mars und Jupiter kreisenden
kleinen Planeten, die vermutlich ebenfalls mit einer festen Kruste versehen
sind. Von diesen.allen sind aber aller Wahrscheinlichkeit nach nur drei, nämlich
außer der Erde noch Venus und Mars, wirklich mit Atmosphären begabt. Merkur
verhält sich etwa wie der Mond. Er besitzt wie dieser nahezu dieselbe geringe
Fähigkeit, Licht zu reflektieren — Diese Fähigkeit wird Albedo — „die
Weiße“ — genannt und ist in die unten aufgeführte Tabelle einiger wichtigen
Eigenschaften der Planeten eingetragen. Die Albedo dieser beiden Himmels-
körper beträgt nur 0,14 bezw. 0,13, dagegen diejenige des Mars 0,22 und der
Venus 0,76. Vom Monde wissen wir, daß er jetzt keine Atmosphäre besitzt, und
dies ist wahrscheinlich auch beim Merkur der Fall. Dagegen scheint die Atmo-
sphäre der Venus derjenigen der Erde sehr ähnlich zu sein. Die Luftmasse
des Mars ist der geringen Albedo entsprechend sehr dünn. Lowell nimmt an,
daß der Mars, nach der Albedo zu urteilen, nur 22°/, so viel Luft über jedem
Quadratmeter besitzt wie die Erde. Diese Schätzung ist höchst unsicher. Denn
die Albedo hängt hauptsächlich mit dem Vorkommen von Wolken zusammen,
deren Albedo ohne Zweifel nahezu ebenso groß ist, wie diejenige von frisch
gefallenem Schnee, die von Zöllner zu 0,80 bestimmt worden ist und innerhalb
der Beobachtungsfehler mit der Albedo der Venus übereinstimmt. Hieraus
können wir wohl schließen, daß die Venus gänzlich von Wolken eingehüllt ist
Die Albedo der Erde können wir folgendermaßen schätzen. 52°/, der Erdober-
fläche sind wolkenbedeckt. Der Staub in der Atmosphäre nimmt nach meiner
Berechnung von Langleys Messungen etwa 30 °/, der Sonnenstrahlung weg, von
— 248 —
welchen die Halfte zum Himmel reflektiert wird. For das Licht der Sonne ist
die Ziffer etwa doppelt so groß. Von den 40°/, Licht, welche die Erdoberfläche
erreichen, werden etwa 13°, (wie beim Mond) reflektiert und von diesen
erreichen 0,7 Teile die obere Grenze der Atmosphäre. Die Totalsumme ist also
0,52 . 0,5 + 0,48 (0,30 + 0,13 . 0,40 . 0,70) = 0,57. Die Albedo der Erde ist also
derjenigen der Venus stark unterlegen, trotzdem steht sie dieser etwa doppelt
so nahe als dem Mars. Ohne Wolkenbedeckung wäre die Albedo der Erde 0,34,
also um 0,21 über derjenigen des atmosphärenfreien Mondes, während die Albedo
vom Mars (ohne Wolkenbedeckung) nur um 0,09 diejenige des Mondes übertrifft.
Unter der Annahme, daß die Eigenschaften des Maıs-Staubes dieselben sind wie
Tabelle der wichtigsten Konstanten der Himmelskörper
im Sonnensystem.
| Um ooo n
| Ent- | Mittl. e | TE Exzen-
Himmels- fernung; spezif. a Umdreh- nn R TE asa © trizität
körper von der| Ge- messer | U28SZeit| Sonne der
' Sonne | wicht Bahn
|
H
Sonne 0,00 | 1,403 | 696098 | 24,844 = — | 332750,0 Së
Merkur 0,39 | 3,09 2175 | 87974 | 0,24 | 0,14 0,0224 | 0,20561
Venus 0,72 | 514 6091 , 23,358 0,61 | 0,76 0,815 | 0,00682
Erde 1,00 | 553 63711). 23,946 10 | — 1.000 | 0,01675
Mond 100 | 33L ' 1740 ` 27,324 1,00 | 0,18 | 0,0123 ` 0,05491
Mars 1,52 | 400 ` 3366 | 24.62h 188 | 022 | 0,1080 | 0,09331
Jupiter 520 | 135 | 69449 992 : 1187 | 0,62 | 3177 | 004825
Saturn 955 | 0,71 | 57635 | 1027 29,47 | 0,72 95,1 0,05606
Uranus 1922 | 221 | 21101 | unbek. | 8402 | 060 | 146 | 0,04704
Neptun 30,12 | 2,42 | 21643 | unbek. | 164,80 | 0,52 | 172 0,00853
}
|
Die Entfernung der Erde von der Sonne (als 1 oben gesetzt) beträgt 149,5 Millionen km,
die Masse der Erde ist 5985 Trillionen (5985 . 10'8) metrische Tonnen.
dic des Staubes in der Erdluft, kommt man zu dem Schluß, daß die Luft auf
dem Mars etwa halb (0,46) so viel Staub als die irdische Luft enthält. Viel
weiter kann man nicht kommen, jedenfalls sind alle Mars-Beobachter darüber
einig, daß die Lufthülle dieses Planeten nur ein Bruchteil derjenigen unserer
Erde ist; die Lowellsche Schätzung entspricht einigermaßen der allgemeinen
Meinung.
Man könnte sich wohl darüber wundern, warum die äußeren Planeten nicht
ebensoviel Licht wie eine Wolke oder wie frischer Schnee reflektieren, da alles,
was wir auf ihnen beobachten können, doch nur Wolken sind. Die Antwort ist,
daß, nach den Beobachtungen von Slipher, diese Planeten, und besonders
Uranus und Neptun, in ihrer Lufthülle stark absorbierende Gase, meistens
unbekannter Art, besitzen, die das von den Wolken zurückgeworfene Licht be-
deutend herabsetzen. Bekanntlich ist die dunkle rötliche Färbung vom Jupiter
bedeutend heller in Sonnenfleckenjahren als sonst, was auf eine stärkere Aus-
bildung der höheren Wolken bei großer Sonnentätigkeit zurückgeführt wird"
Eine ähnliche Zunahme der höheren irdischen Wolken mit der Anzahl der
Sonnenflecken ist wohlbekannt und wird als Folge der von der eruptiven
Tätigkeit der Sonne abhängigen Menge von ausgestoßenem Sonnenstaub
betrachtet.
1) Im Original steht irrtümlich 63705.
2) Unsere Leser finden über diese Frage eingehende Mitteilungen von Osthoff im „Weltall“
Jg. 11. S.1, in dem Artikel: „Über den Einfluß der Sonne auf die Erde“.
— 249 —
Schon seit langem ist eine Erklärung für die Abwesenheit eines Luft-
kreises auf dem Monde gegeben worden. Ritter hat in seinen klassischen
Untersuchungen über gasförmige Himmelskörper (1878 bis 1882) gezeigt, daß der
Mond wegen der lebhaften Bewegungen der Wasserstoffmolekeln keine solchen
an seine kleine Masse zu fesseln vermag. Dasselbe gilt auch für andere Gase,
die nicht allzu schwer sind, beispielsweise für die gewöhnlichen Gase der Luft.
Johnstone Stoney hat diese Ansicht weiter entwickelt und darauf hinge-
wiesen, daß im allgemeinen die uns bekannten Himmelskörper um so weniger
Gas in ihrer Umgebung besitzen, je geringer die Schwerkraft auf ihnen ist.
Aus diesem Grunde müssen wir annehmen, daß die kleinen Planeten, von
welchen keiner den Mond in bezug auf Größe erreicht, ebenfalls ohne Lufthülle
sind. Was den Merkur anbetrifft, so ist die Schwere an seiner Oberfläche nicht
völlig anderthalbmal größer als an der Mondoberflache; es gilt demnach ohne
Zweifel in bezug auf seine Fähigkeit, Gase zu fesseln, dasselbe wie für den
Mond. Es kommt aber noch ein anderer Umstand hinzu. Aus guten Gründen
glaubt man, daß der Merkur immer dieselbe Seite der Sonne zukehrt. Dem-
zufolge besitzt die dunkle Seite dieses Planeten, welche gegen den Himmels- `
raum strahlt, dieselbe Temperatur wie dieser, vielleicht etwa 50° über dem
absoluten Nullpunkt. Alle Gase, ausgenommen Helium und Wasserstoff, müssen
sich dahin kondensieren und zu gewaltigen Eismassen gefrieren. Helium und
Wasserstoff aber sind gerade so leicht, daß sie nach Stoneys Hypothese längst
verschwunden sein müßten. Folglich kann es keine Gase auf dem Merkur
geben, auch keine schweren. Ähnliches gilt für den Mond, der eine so lange
Nacht ('/, Monat) hat, daß der kälteste Punkt der Nachtseite wohl Zeit hat, seine
Temperatur fast auf die Temperatur des Himmelsraumes herabzusetzen. Man
könnte danach erwarten, daß gerade beim Hineintreten eines Punktes auf der
Mondoberfläche in das Sonnenlicht Spuren von kondensierten Dämpfen in Form
von Reif sichtbar werden würden. Solche Beobachtungen werden wohl bisweilen
gemeldet, sie sind aber sehr zweifelhaft. Jedenfalls kommt keine merkliche
Menge von Dämpfen vor. |
Wenn es nun richtig wäre, wie es von verschiedenen Beobachtern ange-
geben wird, daß die Venus immer dieselbe Seite der Sonne zukehrt, so müßte
man erwarten, daß die Verhältnisse daselbst denjenigen auf dem Merkur ähnlich
wären, d. h. es könnte keine merkliche Atmosphäre bestehen. Dagegen ist man
allgemein darüber einig, daß die Venus eine dichte Atmosphäre besitzt; die
Strahlenbrechung darin ist so groß, daß die Hörner der Venussichel normaler
Weise weniger als 180° voneinander entfernt liegen und bisweilen sogar ver-
schmelzen, so daß der Planet wie ein Lichtring erscheint. Da aber nach
Stoney das geringe Vorkommen von Helium in der Erdatmosphäre, trotz
stetiger Zufuhr aus den Quellen, auf dem Verschwinden dieses Gases aus der
Luft beruht, so müßte man ähnliches für die Venus erwarten, besonders da die
Schwere daselbst um ein Fünftel geringer als auf der Erde ist. Dazu käme
noch, daß der wärmste Punkt der Oberfläche der Venus, wenn diese immer
dieselbe Seite der Sonne zukehrte, eine Temperatur von über 200° C. besitzen
würde, was das Verschwinden der leichten Gase außerordentlich fördern würde.
Es kann demnach Helium und ebenfalls Wasserstoff nicht in nennenswerter
Menge auf der Venus vorkommen. Die anderen Gase sind zu leicht kondensicr-
bar, um auf der stets dunklen Seite eines Planeten vorkommen zu können. Darum
muß die Venus eine Achsendrehung von kurzer Zeit (etwa 24 Stunden) haben.
— 20 —
Vom Mars wissen wir durch direkte Beobachtung, daß er Reif oder Schnee
an den Polen hat, was nur mit dem Vorhandensein einer Atmosphäre vereinbar
ist. Außerdem hat man Spuren von Wolken und Nebel in der Marsatmosphäre
und Sandstürme auf dem Mars mit Sicherheit beobachtet.
So viel wissen wir also mit recht großer Sicherheit über das Vorhandensein
von Atmosphären der Planeten in unserem Sonnensystem. Ohne Zweifel gibt
es in der Nahe von anderen Sonnen ähnliche mit Atmosphäre versehene
Planeten, obgleich wir keine solchen kennen Die sogenannten dunklen Be-
gleiter, welche in der Nähe von verschiedenen Sternen wegen ihrer Bewegungen
oder Helligkeitsveränderungen angenommen werden, sind so groß, daß sie wohl
durch und durch gasförmig sind, wie die großen Planeten in unserem Sonnen-
system; wir können also keine eigentliche Atmosphäre, noch lebende Wesen
auf ihnen vermuten.“
Der Wasserdampfgehalt auf unseren beiden Nachbarplaneten ist wesentlich
anders als auf unserer Erde. Wenn man die Sonnenstrahlung und die Ab-
schwächung durch Wolken berücksichtigt, so müssen wir schließen, daß der
Wasserdampfgehalt auf der Venus 20 mal größer ist als auf der Erde, und daß
er auf dem Mars, dessen Oberfläche wir sehen können, außerordentlich wenig
vertreten ist. Wir sind zu diesem Schluß berechtigt, weil die Atmosphären
unserer Nachbarplaneten wahrscheinlich ebenso konstituiert sind wie die unserer
Erde. Vorhanden gewesener Sauerstoff hat sich bei dem Entwickelungsprozc#
mit dem Wasserstoff verbunden; der in der Luft noch befindliche Sauerstoff kann
auf unserer Erde durch die Wirkung der Pflanzen aus Kohlensäure entstanden sein,
als sich also schon eine feste Kruste gebildet hatte. Nach Arrhenius wurden
alle Gase mit zunehmender Abkühlung aus den sauren Silikatmassen ausge-
schieden und gaben Wasserdampf sowie Kohlensäure an die Gashülle der Erde
ab. Außerdem können wir mit einer Zufuhr von Stickstoff in Form von Cyan-
verbindungen aus dem Erdinnern rechnen, die sich in der kühlen Atmosphäre
zersetzen. Der Wasserdampf verdichtete sich nun zu Ozeanwasser und die
Kohlensäure wurde zu Kohle und Sauerstoff umgesetzt. Diese Vorgänge ver-
ringern sich, je dicker die Kruste wird, und der Zufluß von Wasser und Kohlen-
säure wird außerdem durch die Verwitterung beeinträchtigt. Die Verwitterung
würde allein genügen, die Kohlensäure der Luft in etwa 1400 Jahren zu ver-
brauchen, wenn keine Zufuhr vom Erdinneren stattfände Die vulkanischen
Erscheinungen werden aber auch durch die ,Verpanzerung* der Erde aufhören,
die Temperatur wird sinken und die Verwitterung viel langsamer erfolgen; da-
durch wird ein Versiegen des Weltmeers herbeigeführt und unsere Verhältnisse
werden denen des Mars ähnlich werden. Der Planet wird einer Wüste gleichen,
die Höhen und die Tiefen werden durch den Wüstensand ausgeglichen und die
Spalten von Salzseen ausgefüllt. Die herunterstürzenden Meteoriten werden
oxydiert und bedecken die Oberfläche des sterbenden Planeten mit einer ocker-
farbenen Schicht von Eisenoxyd. Mit der schwindenden Hydrosphäre und Atmo-
sphäre eilt der Planet einem Zustand entgegen, wie er jetzt auf dem Mond zu
finden ist. Auch der Mond besaß eine Gashülle, auch er zeigte in einem späteren
Stadium „Kanäle“; das beweisen die sogenannten Strahlensysteme!?), und die
letzten Gase in der Lufthülle verschwinden gänzlich durch die Molekular-
bewegung oder durch Kondensation an den kältesten Stellen der Mondober-
') Die Kanäle auf dem Mars treffen immer auf einen See oder andern Kanal, wohingegen
die Mondstrablen im Kontinent enden, daher trifft der Vergleich nicht ganz zu. Der Referent.
— zm =
— 21 —
fläche. Diese allgemeine Abkühlung geht auf der Erde viel langsamer vor sich,
da der Mond doppelt so hohe Temperatur und sechsmal geringere Schwerkraft
besitzt. Trotzdem wir eine geringe Abnahme der Wärme konstatieren können,
ist im großen und ganzen seit dem ersten Auftreten des Menschen die Temperatur
ziemlich konstant geblieben. Nach der, wie wir heute mit Sicherheit annehmen
können, dreimaligen Eiszeit, finden wir jedes Mal einen ungeheuren Pflanzen-
wuchs und dementsprechend eine ziemlich hohe Temperatur. Wir leben jetzt in
einer Übergangszeit, in der zuweilen diese, zuweilen jene Temperatur vorherrscht.
Die Feuchtigkeit, die früher über den ganzen Planeten verteilt war, finden wir
heute nur noch in den Tropen stark ausgeprägt; dort ist kein starker Wechsel
in der Temperatur, weil die dichten, schützenden Wolkenmassen einen ziemlichen `
Ausgleich, auch zwischen verschiedenen Breitegraden, bewirken. Daher finden
wir in der prähistorischen Zeit Tiere, die über den ganzen Planeten verbreitet
waren. Der Feuchtigkeit in früheren Zeiten wird die Trockenheit in der Zukunft
entsprechen, die wir heute in ausgedehnten Wüsten schon vorfinden. Hier ist der
Temperaturunterschied wegen der fehlenden Wolken sehr groß: Felsen zer-
bersten, die vorhandene Feuchtigkeit dringt in die Risse ein, friert in der Nacht
und sprengt Blöcke ab. So geht der Zerstörungsprozeß immer weiter vor sich.
Der herumwirbelnde Dünensand wird nach Regenfällen talabwärts geführt, das
Wasser verdunstet, der zurückbleibende Schlamm trocknet aus und wird im
Innern stark salzig. Dieser sogenannte Kevir wird durch die stete Salzzufuhr
der Flüsse und durch die Verdunstung immer salzhaltiger; er ist im Innern
feucht und von einer halbtrockenen Tonschicht umgeben. Nach Regen ver-
wandelt sich das Ganze in Schlick, der sich mit der Zeit verfestigen und mit
Flugsand bedecken wird, bis er sich allmählich in eine Sandwüste umgewandelt
hat. Kein Leben herrscht in dieser Einöde; „man ist in diesen Gegenden Zeuge
des beginnenden Todeskampfes des Planeten,* und man kann sich dann unge-
fähr die Verhältnisse auf dem Mars vorstellen. Die spektroskopischen Unter-
suchungen von Campbell bestätigten den geringen Wasserdampf in der Mars-
luft, 0,4 g Wasserdampf pro Kubikmeter, und daraus schließt man auf eine
mittlere Temperatur von — 37° C. Das nicht verbrauchte Wasser hat sich zu Eis
verdichtet oder mit Sand gemischt und bildet so eine Art Gestein. Eigentliche
Meere und Flüsse gibt es deshalb nicht auf dem Mars. Der häufig vorkommende
Wüstensand bringt die Herausmodellierung des Mars-„Antlitzes* hervor, umso
mehr, da- der Schrumpfungsprozeß des glühenden Marsinnern noch immer an-
dauert. Durch diese Wirksamkeit entweichen viele Gase, die sich im Erdboden
kondensieren, neue Salzmengen bilden und sich so zu einem undurchdringlichen
Boden verdichten; oder es entstehen größere Salzseen, die schließlich aus-
frieren. Der Wüstenstaub verdeckt diese Salzseen, wie man deutlich aus der
roten Wüstenfarbe erkennen kann, und man sieht auch im Sommer, wenn die
Seen wieder teilweise auftauen, die dunkle Farbe der Tümpel. Die Sonnen-
wärme dringt namentlich bis zu den Polen, bei denen man ein Schmelzen des
Eises beobachten kann. Jetzt findet naturgemäß ein Austausch der heißeren
mit der kälteren Zone statt, die großen Salzseen tauen immer weiter auf und
nchmen einen blaugrünen Ton an. Der Südpol wird von vielen Wasserläufen
umgeben, deren Salz vom Staub ausgelaugt ist, die im Winter zusammen-
schrumpfen und von dem naheliegenden Festland nicht zu unterscheiden sind.
Die Seesysteme sind ebenso schachbrettförmig angelegt wie die Bajirs in der
Tschertschenwüste und bilden die sogenannten Kanäle, deren Bilder wegen der
— 262 —
mangelnden optischen Hilfsmittel zu Linien znsammenschmelzen. Das Flußbett
entspricht offenbar den tiefsten Stellen in der Tschertschenwüste, das Wasser
sammelt sich deshalb in seiner Nähe an. Die Marskanäle, die den Bruchlinien
der Kruste folgen, vereinigen sich in Seen, in früheren Einsturzbetten. Die
Verhältnisse, die wir jetzt auf dem Mars, der dieselben Eigenschaften der
Materie aufweist, beobachten, werden später auf unserer Erde zu finden sein,
und nach noch größerer Luftabnahme können wir die weitere Entwickelung uns
am Mond veranschaulichen. Die tiefer liegenden Meere sind wahrscheinlich
Senkungsgebiete, die bei der Abkühlung einstürzten und den inneren Kraterwall
mit in die Tiefe zogen. Die großen Krater sind vielleicht zu einer Zeit ent-
standen, da die Mondkruste schon sehr dick geworden war und der Mond eine
geringere Schwerkraft als die Erde besitzt. Die sogenannten ,Perlenschnire‘,
die stets jüngeren Datums sind, erinnern sehr an dic kleinen Krater auf Island.
Die Strahlensysteme, die wir auch auf dem Mond wahrnehmen, sind alte Risse,
die in früherer Zeit mit Vulkanasche gefüllt wurden. Im großen und ganzen
ähnelt der Mond den Gebilden, die wir auf dem Mars finden, nur mit dem Unter-
schied, daß die Luftmenge geschwunden ist und keine merklichen Gasaus-
scheidungen mehr vorkommen. Der Mond besteht aus fast der gleichen Prozent-
anzahl von Silikaten wie die Erde, was schon aus seinem Ursprung hervorgeht.
Fassen wir die obigen Ausführungen zusammen, so ergibt sich folgendes Bild:
Nach der Abkühlung des Magmas bildete sich eine feste Oberfläche; aus dem
Inneren stiegen Wasserdampf und Kohlensäure zu den höchsten Schichten der
Atmosphäre auf und in den darüber liegenden Teilen entstanden durch photo-
chemische Reaktionen Sauerstoff und Kohlenstoff. Die Wasserstoffgase wurden
durch den Sauerstoff allmählich verbrannt, so daß nur noch träge Gase, wie
Stickstoff, übrig blieben. Durch Spalten in der Kruste wurden Wasserdampf
und Kohlensäure in den Luftkreis geführt; die Entwicklung schreitet immer
weiter vor, der Wasserdampf kondensiert sich zum Weltmeer, die Kohlensäure
geht in den Verwitterungsprozeß ein und wird von Schalentieren als Calcium-
karbonat abgesetzt. Zugleich schwemmt das Wasser Sand und Ton zum Meere
hinunter und starke Schichten von sedimentären Gesteinen entstehen auf diese
Weise. Wasser und Kohlensäure wird durch die Verwitterung vermindert; die
Oberfläche verwandelt sich in eine Wüste: der Sauerstoff verbindet sich mit
dem Stickstoff zu Nitraten und verbraucht sich ebenso wie der Stickstoff; die
Temperaturunterschiede werden immer größer, und die letzten Gase verschwinden
zufolge der Molekularbewegung Der Himmelskörper bleibt tot und unveränder-
lich. Diesen Entwicklungsgang werden alle Planeten nehmen; vielleicht wird
auf kurze Zeit Leben aufblühen und sich entfalten, um dann doch wieder in
die dunkle Nacht des Vergessens zurückzusinken. Der Mars ist in seiner Ent-
wickelung schon weiter vorgeschritten als unsere Erde. Die Venus, der Lieb-
lingsplanet der Babylonier, Istar, d. h. Himmelskönigin, strahlt noch in
hoffnungsreicher Jugend, ihr wird einstens nach dem Verfall der Erde die stolze
Rolle als Führerin der Planeten zufallen Die Lebensentwickelung auf den
entferntesten Planeten Uranus und Neptun wird immer durch ihre große Ent-
fernung von der Licht- und Wärmespenderin, der Sonne, zu leiden haben.
Die vielen Millionen Jahre ungewöhnlich günstiger Lebensbedingungen, die
gerade der Erde noch bevorstehen, berechtigen die Menschheit einer überaus
elanzvollen Entwickelung entgegenschen zu dürfen, da doch schon die letzten
Jahrhunderte gewaltige Fortschritte gezeitigt haben. Dr. F. S. Archenhold.
SE
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
DAS WELTALL:
e e e e | x 77 e R E
Illustrierte Zeitschrift fiir Astronomie und verwandte Gebi eta, the
Herausgegeben von
Dr. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 17. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Erstes Juniheft).
Berlin-Treptow.
Diese Zeitschrift erscheint zweimal im Monat. — Abonnemenispreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Trepiow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post-
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pie. — Anseigen-Gebühren: 1 Seite 80.— MR., 1/, Seite 45.—
1/, Seite 25.—, 1/, Seite 15.—, ji Seite 8—. Bei Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewicht.
INHALT
, 3. Kleine Mitleilungen: Der Apex der Sonnenbewegung.
1. Über elektrische Strahlen. Von Dr. W. Haken. (Fort- — Uber den spektroskopischen Doppelstern oPersei.
selzung) © 6 6 ee ee ee eee ee ee 253 — Der Halleysche Komet . . . - . 2 2 2 2 0. 267
2. Der gestirnte Himmel im Monat Juli 1911. Von 4. Bücherschau: William Fairfield Warren, The earliest
Dr. F. S. Archenhold . . » 2». 2 20.220. 261 Cosmologies. . 2... 0 nr re. 268
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet
(über elektrische Strahlen.
Von Dr. W. Haken.
(Fortsetzung.)
WV: bereits erwähnt, ließen sich die Erscheinungen der Elektrolyse in
keiner anderen Weise widerspruchsfrei deuten, als daß man sie durch
elektrisch geladene Körperchen, die Ionen, hervorgerufen ansah, und die elek-
trischen Entladungen führten dann schließlich ebenfalls zu einer ähnlichen Auf-
fassung, aber mit einem sehr wesentlichen Unterschiede. Die elektrolytische
Theorie steht auf dem Standpunkt, daß die Ionen den Elektrizitätstransport in
der Flüssigkeit vermitteln; wir sahen bereits, wie der sich hier ergebende Wert
= (Ses zur Bestimmung des Elemementarquantums benutzt werden kann,
m \ Masse
und erwähnten, daß der größte Wert für das Element mit kleinstem Atom-
gewicht, den Wasserstoff, gefunden wurde, — = 10000 elektromagnet. Einheiten.
Das eingehende Studium der Kathodenstrahlen führte nun zu ganz ähnlichen Ergeb-
nissen, nämlich daß diese Strahlen durch Körperchen gebildet werden, für die
ebenfalls ein bestimmtes Verhältnis z charakteristisch ist, das aber überraschen-
der Weise noch 2000mal so groß war als das für Wasserstoff gefundene, und
es fragte sich, wodurch dieser Unterschied zu erklären wäre; die naheliegendste
Annahme wäre ja nun zunächst die, daß der elektrische Leitungsstrom in Gasen
gerade so wie der in verdünnten Lösungen durch geladene Atome bedingt sei,
nur müßte dann in den Gasen, wenn beispielsweise die Entladung sich in H,
abspielt, das Wasserstoffatom eine 2000mal größere elektrische Ladung tragen
als bei der Elektrolyse, um den Wert £ = 2.107 zu erklären; man könnte jedoch
auch andererseits annehmen, daß die die Kathodenstrahlen bildenden Teilchen
— 24 —
ebenfalls nur mit einem einzigen Elementarquantum ausgestattet wären, ihre
Masse aber wäre dann noch um 20.0mal geringer als die des Wasserstoffatoms.
In der Tat führten nur sehr gewichtige Gründe zu der letzten Annahme. Was
sollte das nun aber für ein merkwürdiges neues Element sein, dessen Atom-
gewicht nach dieser Auffassung noch um so viel kleiner als das leichteste bisher
bekannte Element wäre? Die weiteren Untersuchungen hierüber zeigten dann
mit großer Wahrscheinlichkeit, daß wir es hier mit dem Auftreten von freien
Elementarquanten zu tun haben, also mit Elektrizitätsatomen, die nicht mehr
an ein materielles Substrat gebunden sind, sondern als völlig selbständige Ge-
bilde für sich existieren. Diesen freien Elementarquanten hat man den Namen
Elektronen gegeben, und von ihnen hat auch die hier besprochene Theorie ihren
Namen. Man lernte nun auch bald andere sehr wichtige Unterscheidungsmerk-
male für diese Gebilde kennen. Es zeigte sich, daß ihre Geschwindigkeit
millionenmal so groß ist wie die der elektrolytischen Ionen, fast die größte über-
haupt mögliche Geschwindigkeit, die Lichtgeschwindigkeit, erreichen kann, und
daß sie infolge dieser großen Geschwindigkeit die Fähigkeit besitzen ein elektro-
magnetisches Feld zu erzeugen. Bekanntlich finden wir, wenn wir die Er-
scheinungen der ruhenden Elektrizität, z. B. die einer elektrischen Kugel, unter-
suchen, keine Spur von einer Einwirkung der Kugel auf die Magnetnadel. Ganz
anders aber werden die Verhältnisse, wenn wir zu dem Gebiet der bewegten
Elektrizität übergehen, also irgendwie einen elekrischen Strom erzeugen; in
diesem Fall bemerken wir, daß dieser Strom stets von einem magnetischen
Felde begleitet ist, dessen Stärke einzig und allein durch die Stärke des elek-
trischen Stromes bedingt ist. Wir könnten nun auch versuchen, einen solchen
elektrischen Strom durch eine sehr schnelle Bewegung der elektrisch geladenen
Kugel hervorzurufen, und untersuchen, ob dann wohl eine Ablenkung der Magnet-
nadel eintritt. Dieser Versuch ist tatsächlich von Rowland und Cremieu aus-
geführt worden und zwar mit positivem Erfolg. Eine sehr schnell bewegte
elektrische Ladung besitzt tatsächlich dieselben charakteristischen Eigenschaften
wie ein elektrischer Strom, wir können uns also umgekehrt einen solchen auch
aus sich sehr schnell bewegenden Elcktrizitätsteilchen bestehend denken.
Da nun die Elektrolyse und die Erscheinungen der elektrischen Entladungen
notwendigerweise zu der Annahme einer atomistischen Struktur der Elektrizität
führen, andererseits aber auch die Erscheinungen des Elektromagnetismus
widerspruchslos als von sehr schnell bewegten elektrischen Teilchen herrührend
angeschen werden können, so hat man konsequenter Weise diese Ergebnisse
miteinander zur Elektronentheorie vereinigt und nimmt auf Grund dieser
Anschauung an, daß jede Elcktrizitätsströmung, wie sie auch entstehen möge,
durch Elektronen resp. Ionen vermittelt wird. Nun hat sich bisher nur die freie
Existenz negativer Elektronen nachweisen lassen, während der Nachweis für
das Vorkommen freier positiver Elektronen bisher nicht erbracht werden konnte.
Daher kam man zu der Vorstellung, daß jedes neutrale Atom resp. Atom-
komplex mit einer bestimmten Zahl negativer Elektronen verbunden wäre, deren
negative Ladung durch die entgegengesctzte positive des Restatoms kompen-
siert werden sollte. Verliert ein Atom irgendwie ein oder mehrere Elek-
tronen, so erscheint es als positives Ion, nimmt es dagegen noch ein oder
mehrere negative Elektronen auf, so hat man es mit einem negativen Ion zu
tun. Auf diese Weise wären dann auch die Ionen in letzter Linie durch die
Existenz freier negativer Elektronen bedingt. Um nun die Erscheinungen der
— 25 —
elektrischen Entladungen von diesen Gesichtspunkten aus zu deuten, müssen
wir noch eine Wirkung der Elektronen berücksichtigen, nämlich die, welche sie
beim Zusammenprall mit einem Atom resp. Molekül ausüben. Erfolgt dieser
Zusammenstoß mit großer Geschwindigkeit, so wird die lebendige Kraft des
Elektrons plötzlich frei und kann bei genügender Intensität die Spaltung des
neutralen Atoms in ein negatives Elektron und positives Ion bewirken. Dies
ist eine der hauptsächlichsten lonisierungsmöglichkeiten bei Gasentladungen,
und zwar ist diese Stoßionisation stets von einer Lichtentwickelung begleitet.
Es ist leicht einzusehen, daß bei der gewaltigen Erschütterung, die ein Atom bei
Abgabe eines Elektrons erleidet, alle in ihm verbleibenden Elektronen eine
plötzliche Störung erfahren, zu Schwingungen angeregt werden und somit we-
nigstens für kurze Zeit zu Emissionszentren für elektromagnetische Wellen,
also auch Lichtwellen, werden. Das Leuchten der elektrischen Entladungen
und das Bogenlicht haben tatsächlich in diesem Vorgang ihre Ursache.
Die Erscheinungen der elektrischen Strahlen spielen sich nun auf Grund
dieser Anschauungen in folgender Weise ab Bringen wir eine Entladungs-
röhre mit einer Luftpumpe in Verbindung und evakuieren wir sie unter An-
legung genügend hoher Spannungen, so beobachtet man bei einem Druck von
etwa 1 mm Quecksilber die in Fig. 3 dargestellten Erscheinungen. Wir müssen
uns vorstellen, daß ganz analog wie in |
verdünnten Lösungen so auch in ver- Kathode ——— SE Anode
dünnten Gasen positive und negative me EE = Nr
Ionen vorhanden sind, die sich teilweise FE)
neu bilden, sich auch teilweise neutrali- EE 7
f
sieren, so daß ein mehr oder weniger a 6 c d
stabiles Gleichgewicht entsteht. Erregen Fig. 3.
wir nun ein elektrisches Feld, so
werden gleichzeitig die positiven Ionen zur Kathode, die negativen zur Anode
wandern, dort ihre Ladungen abgeben und so wieder zu einem neutralen Körper
werden. Wählen wir die Spannungsdifferenz stark genug, so werden aus der
Kathode Elektronen herausgeschleudert werden können, und zwar mit erheb-
licher Geschwindigkeit. Diese von der Kathode fortgeschleuderten Elektronen
rufen ein von der Kathode ausgehendes Strahlenbündel hervor, das wegen
seines Ursprungs den Namen Kathodenstrahlen erhalten hat. Ihre lebendige
Kraft wird groß genug sein, um beim Zusammenstoß mit neutralen Molekülen
Ionisation hervorzurufen; durch diese Stoßionisation wird eine Leuchterscheinung
zu Tage treten können, und tatsächlich beobachtet man unmittelbar an der Ober-
fläche der Kathode eine helle Lichtschicht (Stelle a in der Figur). Durch den Zu-
sammenprall mit den neutralen Molekülen haben die Elektronen natürlich erheblich
an Geschwindigkeit eingebüßt und werden daher erst eine gewiße Strecke zurück-
legen müssen, bis ihre kinetische Energie groß genug geworden ist, um von neuem `
Ionisation hervorzurufen. Dadurch entsteht dann wieder ein zweiter leuchtender
Bezirk (b in der Figur), von dem ersten durch ein dunkles Gebiet getrennt. Die
durch den Stoß frei gewordenen Elektronen vereinen sich nun mit den ursprüng-
lichen und setzen mit diesen gemeinsam den von der Kathode abgewandten Weg
fort. Jetzt durchlaufen die Elektronen eine verhältnismäßig lange Strecke, den
Faradayschen dunklen Raum (c in der Figur) bis sie wieder im Stande sind,
eine ionisierende Wirkung auszuüben und das sogenannte positive Licht (d in
der Figur) zu bilden.
— 266 —
Verfolgen wir nun weiter die Wirkung der Kathodenstrahlen, so beobachten
wir, daß bei genügend hohem Vakuum die positive Lichtsäule immer mehr zu-
rücktritt und das betreffende Gefäß mit grünlichem Licht erfüllt ist, die gegen-
überliegende Glaswand wird zu lebhafter Fluoreszenz erregt. Bringt man einen
Metallkörper in den Strahlengang, so wirft er einen deutlichen Schatten, ein
klarer Beweis, daß die Kathodenstrahlen den Körper nicht zu durchdringen
vermögen. Ferner zeigte Crooks bereits die drehende Wirkung, die die Ka-
thodenstrahlen auf ein leicht bewegliches Rädchen ausüben können, ferner
können die Kathodenstrahlen durch geeignete Anordnung der Elektroden außer-
ordentlich hohe Wärmegrade erzeugen, sogar Platin zum Schmelzen bringen.
Diese Erscheinungen ließen sich schon schwer mit einer Auffassung der Ka-
thodenstrahlen als Schwingungsvorgänge vereinigen, ausschlaggebend aber
waren die Versuche Perins, der die Kathodenstrahlen auf einen in der Ent-
ladungsröhre angeordneten Käfig wirken ließ. und feststellte, daß der Käfig
dabei negativ geladen wurde, ein deutlicher Beweis dafür, daß man es hier mit
der Abschleuderung negativ geladener Körperchen
zu tun hatte. Es war das das erste Anzeichen für
die tatsächliche Existenz strahlender Materie.
Was wird nun aus den Kathodenstrahlen,
wenn sie auf einen Körper treffen? Geben sie
ihm restlos ihre negative Ladung ab oder bringen
sie vielleicht sekundäre Effekte, ähnlich der be-
reits geschilderten ionisierenden Wirkung hervor?
Man hat tatsächlich das Auftreten sekundärer
Strahlen feststellen können, und zwar eine Art’
Reflexion der Kathodenstrahlen; denn die ausge-
sandten Strahlen zeigen ebenfalls negative Ladung,
sind aber von geringerer Intensität und Geschwin-
digkeit, sonst jedoch den Kathodenstrahlen völlig
gleichwertig.
Röntgen machte nun die Entdeckung, daß
von der durch die Kathodenstrahlen zur Fluo-
reszenz erregten Glaswand nicht allein Strahlen
ins Innere der Röhre reflektiert werden, son-
dern daß auch eine prinzipiell verschiedene
Strahlenart von der Glaswand ausgesandt wird. Die Wirkungsweise der Röntgen-
strahlen ist ja zu bekannt, als daß ich auf sie hier noch näher einzugehen
brauchte. Sie besitzen ein außerordentlich großes Durchdringungsvermögen,
das für die dichteren Körper schwächer ist als für die weniger dichten. Darauf
beruht die Möglichkeit, photographische Aufnahmen von röntgendurchstrahlten
Körpern zu machen. In Fig. 4 ist eine Röntgendurchleuchtung wiedergegeben.
Die Natur der Röntgenstrahlen ist bisher noch nicht mit Sicherheit fest-
gestellt. Jedenfalls bestehen sie nicht in periodischen Ätherschwingungen wie
die Lichtwellen, führen aber auch keine nachweisbare Ladung mit sich, wodurch
ihr materieller Ursprung sichergestellt wäre. Die plausibelste und zurzeit von
den meisten Physikern vertretene Ansicht ist die, daß durch das Auftreffen der
Elektronen auf einen Körper plötzliche und sehr intensive Ätherimpulse ent-
stehen, die die Röntgenstrahlen bilden; sie beständen also aus einer Folge
solcher Impulse, nicht aber aus periodischen Schwingungen.
Fig. 4.
— 27 —
So erklart die Elektronentheorie in zufriedenstellender Weise diese merk-
würdige Erscheinung der Kathodenstrahlen, zeigt, daß sie negative Ladung mit
sich führen und wie ein elektrischer Strom ebenfalls ein Magnetfeld erzeugen
müssen. Man darf daher erwarten, daß durch Erregung elektrischer und mag-
netischer Felder auch umgekehrt auf die Kathodenstrahlen eine Wirkung aus-
geübt wird, und das ist in der Tat der Fall. Gerade der Nachweis dieser Wirkung
bildet die beste Stütze für die Richtigkeit unserer Auffassung über das: Wesen
der Elektronen, und auf ihr beruhen die interessantesten und glänzendsten
Resultate des Studiums über die Strahlung der Materie.
Diese Erscheinungen lassen sich am besten an der Braunschen Röhre
untersuchen, wie sie in Fig. 5 und 6 wiedergegeben ist. In einer auf etwa
Ia mm Druck evakuierten Röhre ist vor der
Kathode eine mit einer Öffnung versehene Alu-
miniumscheibe angebracht, sodaß von hier aus
ein feines Kathodenstrahlbündel ausgeht. Die
Kathodenstrahlen fallen auf den Fluoreszenz-
schirm und erzeugen hier einen deutlich sicht-
baren Fleck. Nähert man der in Betrieb ge-
setzten Röhre einen Magneten, so beobachtet
, man eine Ablenkung der Strahlen in demselben
_ Sinne, als wenn sie aus einem entsprechenden
biegsamenStromfaden beständen. Für die elektro-
statische Ablenkung ist im inneren der Röhre
noch ein Plattenpaar angebracht, zwischen dem ein elektrisches Feld erzeugt
werden kann. Die Ablenkung entspricht in diesem Fall auch wieder vollkommen
der Auffassung der Kathodenstrahlen als einer elektrischen Strömung. Man
kann nun die Intensität des zur Ablenkung benutzten magnetischen und elek-
trischen Feldes genau bestimmen, ebenso die Spannungsdifferenz an den Enden
der Röhre und die erhaltene Ablenkung messen. Die Beziehungen zwischen
diesen Größen führen dann zu dem wiederholt erwähnten Wert = für die Ka-
thodenstrahlen, der zu 2.107 elektromagnetische Einheiten ermittelt wurde.
Wilson und J.J. Thomson stellten dann durch weitere Versuche direkt fest,
daß die Kathodenstrahlen tatsächlich ebenfalls ein Elementarquantum mit sich
führen, und dieses wichtige Resultat führte zu dem Schluß, daß die Kathoden-
strahlen durch freie negative Elementarquanten, Elektronen, gebildet wurden.
Wie steht es nun aber mit den Trägern dieser elektrischen Grundladung selbst,
welche Vorstellung müssen wir uns von ihrer Masse machen? Ihre Masse ist
ja nach diesen Ergebnissen 2000mal kleiner als die des Wasserstoffatoms, aber
weitere Untersuchungen zeigten, daß diese Masse nicht konstant ist, sondern
sich als abhängig von der Geschwindigkeit erweist, mit der die Elektronen sich
bewegen. Dieses Resultat muß auf den ersten Blick sehr befremdend er-
scheinen, ist doch gerade das Gesetz von der Konstanz der Masse eine der
fundamentalsten physikalischen Grundaxiomen. Erklärlich wird jedoch diese
Erscheinung, wenn man berücksichtigt, daß man es hier mit außerordentlich
schnell bewegten elektrischen Ladungen zu tun hat. Es läßt sich in der Tat
nachweisen, daß, wenn ein geladener Körper sich mit großer Geschwindigkeit
bewegt, auch sein Trägheitswiderstand ein größerer ist, als wenn er keine Ladung
besitzt. Diese Zunahme an Trägheitswiderstand besteht aber nicht in einem
— 268 —
Wachsen an mechanischer Masse, sondern ist rein elektromagnetischen Ur-
sprungs, da ja ein geladener mit einer gewissen Geschwindigkeit sich be-
wegender Körper ein Magnetfeld um sich erzeugt und dieses Magnetfeld einen
hemmenden Einfluß auf ein Wachsen der Geschwindigkeit ausübt. Diese zu-
erst von Kaufmann an den $-Strahlen angestellten Versuche, zu denen in
letzter Zeit noch eine Reihe anderer getreten sind, führen somit zu dem höchst
merkwürdigen Resultat, daß die Masse der Elektronen ganz oder doch wenigstens
zum größten Teil nicht in mechanischer Masse besteht, sondern rein oz
magnetischer Natur ist.
Die Hauptkennzeichen der Kathodenstrahlen bestehen also darin, daß sie
durch negative Elektronen gebildet werden, die sich mit einer der Licht-
geschwindigkeit sehr nahe kommenden von der Kathode zur Anode bewegen;
sie besitzen in hohem Maße die Eigenschaft, beim Zusammenstoß mit den neu-
tralen Molekülen des Gases diese in zwei entgegengesctzt elektrische Teile zu
spalten, d. h. das Gas durch Stoß zu ionisieren, cin Vorgang, der von einer leb-
haften Leuchterscheinung begleitet ist. Ist das Gas, in dem die Entladungen
vor sich gehen, sehr stark verdünnt, so rufen die Kathodenstrahlen ein sehr in-
tensives Fluoreszenzlicht der der Kathode gegenüberliegenden Glaswand hervor
beim Auftreffen auf einen Körper erzeugen sie ferner
Sekundärstrahlen, gewissermaßen neue Kathoden-
strahlen, die nur. geringere Geschwindigkeit als die
ursprünglichen besitzen. Ferner sind sie noch im-
stande, einen ganz andersartigen Strahlungstyp beim
Aufprallen auf ein Hindernis hervorzurufen, die
Röntgenstrahlen, die selbst aller Wahrscheinlichkeit
nach in Ätherimpulsen bestechen.
Nachdem das Auftreten negativer Strahlen in den
Entladungsröhren einwandsfrei nachgewiesen war, cr-
schien die Existenz positiver
Strahlen sehr wahrscheinlich,
und es gelang gleichfalls ihr
Vorhandensein in verschiede-
nen Formen nachzuweisen.
Wie schon mehrfach er-
wähnt, rufen die Kathoden-
strahlen durch den Zusammenstoß mit neutralen Molekülen eine Zerlegung
dieser in negative Elektronen und positive Ionen hervor, die abgespaltenen
negativen Elektronen werden von den kathodenstrahlen mit fortgerissen, während
die zurückbleibenden positiven Ionen von der Kathode angezogen werden und
auf sie zueilen. Goldstein gelang es zuerst, diese positiven Strahlen einer ein-
gehenden Prüfung zugänglich zu machen, indem er die Kathode in den mittleren
Teil des Entladungsrohrs verlegte und diese Kathode mehrfach durchbohrte.
Dann beobachtet man bei genügend hoher Verdünnung, wie von den „Kanälen“
der Kathode ein rötliches Strahlenbündel auszugehen scheint, wie Fig. 7 an-
deutet. Infolge dieses ihres scheinbaren Ursprungs erhielten diese Strahlen
den Namen Kanalstrahlen. Erst kürzlich hat Goldstein!) andere einfachere
Formen der Kathode angegeben, die das Auftreten dieser positiven Strahlenart
Fig. 7
') Goldstein, Verhandlungen der Deutschen physikalischen Gesellschaft 1910.
— 29 —
ebenfalls zu erkennen gestatten. Fig. 8 zeigt deutlich das Auftreten der
Kanalstrahlbündel BB zu beiden Seiten der als Kathode dienenden Drähte.
Um den Charakter dieser Strahlung festzustellen, bediente man sich
ganz derselben Methode, die auch beim Studium der Kathodenstrahlen
angewandt wurde, also der elektromagnetischen und elektrostatischen
Ablenkung. Das Resultat dieser Untersuchungen war, daß die Kanal-
strahlen tatsächlich positive Ladung mit sich führen, doch daß der für sie
charakteristische Wert = ca. 10? elektromagnetische Einheiten betrug, keines-
falls aber größer war, so daß die Kanalstrahlen als positive Ionen gekenn-
zeichnet sind. Über die Konstitution dieser Strahlen stellte J. J. Thomson
sehr eingehende Untersuchungen an und gelangte zu dem beachtenswerten Er-
gebnis, daß sie in sehr stark verdinnten Gasen aus Teilchen mit Massen von
zweierlei Größe beständen, nämlich aus Massen von der Größe des Wasser-
stoffatoms und von doppelter Größe. Hieraus zog J. J. Thomson den Schluß,
daß die Kanalstrahlen aus positiv geladenen Wasserstoffatomen und Helium-
atomen bestanden, welch letztere mit einer doppelten Ladung ausgestattet waren,
sie wären dann mit denjenigen Ionen identisch, aus denen nach der jetzigen
Auffassung die «-Strahlen der radioaktiven Substanzen bestehen. Doch scheint
diese Auffassung bisher nicht genügend experimentell gestützt, um als Tatsache
gelten zu können, wenn sie auch große Wahrscheinlichkeit für sich hat. Ferner
hat man beobachtet, daß auch sogenannte rückläufige positive Strahlen in den
Entladungsröhren auftreten, die sich in umgekehrter Richtung von der Kathode
fortbewegen. Ihre Entstehungsmöglichkeit ist eine noch durchaus nicht ent-
schiedene Frage, man kann nur sagen, daß sie von positiven Ionen ge-
bildet werden, die von der Kathode zurückprallen, höchstwahrscheinlich
infolge des starken Freiwerdens dieser Ionenart in der zweiten negativen
Schicht.
Wenn man die Entladungserscheinungen in verdünnten Gasen, besonders
unter bestimmten Versuchsbedingungen, aufmerksam verfolgt, so bemerkt man,
daß die Verschiedenheiten der Erscheinungen in der unmittelbaren Nähe beider
Elektroden durchaus nicht so tiefgehend sind, wie es zunächst den Anschein
hat. So besteht ebenfalls ein dunkler Anodenraum, der dem Kathodenraum
schr ähnlich, wenn auch weit weniger ausgeprägt ist, und so läßt sich denn
auch die Existenz von Anodenstrahlen denken, die
ganz ähnliche Wirkungen wie die Kathodenstrahlen
auszuüben imstande sind. Schon früher hatte man
mehrere, wenn auch unsichere Anzeichen für diese
Strahlenart gehabt, aber erst kürzlich ist es Gehrke
und Reichenheim gelungen, eine Methode zu
finden, die Anodenstrahlen in den üblichen Ent-
ladungsröhren deutlich sichtbar zu machen. Sie
verwenden hierzu eine Röhre von der Form Fig. 9.
An der Stelle A ist eine Paste aufgetragen, die aus einem Gemisch eines geschmol-
zenen Alkalisalzes und Graphitpulver besteht und durch einen Draht positiv geladen
werden kann, dic Kathode befindet sich bei C. Von A geht dann ein Strahlen-
bündel aus, das sich durch elektrische und magnetische Ablenkungen sowie
durch spektroskopische Untersuchung als ein Strom von positiven Ionen des in
der Anode enthaltenen Alkalimetalls ergibt. Nicht nur dadurch unterscheiden
— 260 —
sich die Kanal- und Anodenstrahlen wesentlich von den Kathodenstrahlen, daß
sie aus einer Ionenstranlung bestehen, sondern infolge ihrer Entstehungsweise
legen sie ihren Weg teils als positive Ionen teils als neutrale Moleküle zurück;
ein weiterer sehr wesentlicher Unterschied besteht ferner in den von ihnen her-
vorgerufenen Leuchterscheinungen Ihr Licht kommt nämlich nicht durch Stoß-
ionisation zustande, sondern sie sind, wie Stark entdeckte, von selbst leuchtend,
bewegen sich also wie Lichtquellen im Raum. Denn betrachtet man das von
ihnen ausgehende Licht im Spektroskop, so treten die charakteristischen Spektral-
linien des betreffenden Gases, jn dem die Entladung vor sich geht, auf, aber sie
erscheinen verbreitert und je nach der Richtung des Spektroskops nach der
violetten oder roten Seite verschoben. Die sich hierauf gründende Methode,
ihre Geschwindigkeit zu bestimmen, beruht also auf dem Dopplerschen Prinzip,
das ja in der Astronomie zur Bestimmung der Eigengeschwindigkeit von
Sternen eine so ausgedehnte Anwendung gefunden hat. Das Resultat dieser
Untersuchungen war, daß sich ein Teil dieser positiven Strahlen nur mit ge-
ringer Geschwindigkeit bewegt, ein anderer aber mit recht erheblicher, der an
die der Kathodenstrahlen heranreicht. |
Das Studium der bei den Gasentladungen beteiligten positiven Strahlen
hat also ergeben, daß sie jedenfalls von positiven Ionen gebildet werden, deren
Masse unter allen Umständen mindestens von der Größe des Wasserstoffatoms
ist. Wie steht es nun mit den positiven Elektronen? Sollte es nicht ebenso
wie negative auch positive Elektronen geben? Allerdings schienen einige Beob-
achtungsresultate von Lilienfeld und Becquerel auf die Existenz von posi-
tiven Ionen hinzudeuten. Aber diese Ergebnisse lassen teils auch eine andere
Deutung zu, teils waren die betreffenden Versuchsbedingungen zu kompliziert,
um mit Sicherheit die Existenz auch dieser Strahlenart behaupten zu können.
Allerdings gibt es auch verschiedene eigenartige Erscheinungen beim Einwirken
eines starken Magnetfeldes auf stromdurchflossene Leiter, die nach dem heutigen
Stande der Forschung nur durch die Strömung positiver Elektronen erklärlich
scheinen, aber ein zwingender Beweis für ihr Vorhandensein ist bisher nicht
erbracht, und es bleibt dies einstweilen noch eine offene Frage.
Aber man bedarf garnicht des Nachweises positiver Elcktronen, um die
elektromagnetischen Erscheinungen vom Standpunkt der Elektronentheorie, bis
auf die cbenerwähnten vorläufig noch ungeklärten Verhältnisse, befriedigend
darstellen zu können, sondern es läßt sich zeigen, daß tatsächlich die Existenz
der negativen Elektronen vollkommen ausreichend ist, und von diesem unita-
rischen Gesichtspunkt aus hat dann auch H. A. Lorentz die Elektronentheorie
durchgebildet.
Jedenfalls spielen die negativen Elektronen, wie wir gesehen haben, eine
außerordentlich bevorzugte Rolle, nicht allein bei den Gasentladungen, sondern
vor allem auch im Gebiet der Optik. Daher erklärt sich auch die schon vorhin
erwähnte Auffassung, daß in letzter Instanz die Atome selbst durch verschiedene
Konfigurationen negativer Elcktronen gebildet würden, und dieser Annahme wird
durch die Ergebnisse der radioaktiven Forschung eine gewichtige Stütze ver-
liehen; wie aber auch die weitere Untersuchung über die Frage nach den posi-
tiven Elektronen ausfallen mag, die fundamentale Bedeutung der negativen
Elektronen kann in keiner Weise erschüttert werden. (Schluß folgt.)
WW
— 261 —
Der Sestirnte Mimmel im Monat Juli 1911.
Von Dr. F. S. Archenhold.
Die Entwicklung der Doppelsterne.
Unter den Problemen der Kosmogonie hat die Entwicklung der Doppelsterne erst in
der neuesten Zeit die genügende Beachtung gefunden. Die älteren Anschaungen, wie
die Kant-Laplaceschen, sind ausschließlich den im Sonnensystem beobachteten Ver-
hältnissen angepaßt, wo wir einen überwiegenden Zentralkörper mit ganz kleinen Be-
gleitern finden. Auf die Verhältnisse in den Doppelsternsystemen lassen sich indessen
diese Anschauungen garnicht übertragen; nach den neueren Untersuchungen bestehen
die meisten Doppelsterne aus zwei Körpern von derselben Masse und Farbe, und es
geht hieraus schon deutlich hervor, daB der Entwicklungsgang bei den Doppelsternen
ein ganz anderer ist. Die neueren Untersuchungen über die Gleichgewichtsfiguren von
Flüssigkeiten haben indessen schon etwas Licht auf die Entwicklung dieser prachtvollen
Sonnensysteme geworfen.
Wie bekannt hat schon Maclaurin gezeigt, daß eine schnell rotierende Flüssig-
_keitsmasse sich stark abplatten muß; wenn eine solche Masse sich durch Abkühlung
zusammenzieht, wird die Rotation schneller und zuletzt werden vom Äquator Teilchen
abgeschleudert. Diese Abtrennung hat Plateau durch Versuche mit Öltropfen nach-
ahmen können (obgleich die wirkenden Kräfte andere sindı und man hat daher den
Schluß gezogen, daß eine rotierende flüssige Masse immer solche Äquatorringe abscheiden
müsse, obgleich die Sache noch nicht mathematisch festgestellt worden ist. Auf diese
Weise würde sich vielleicht die Entwicklung des Sonnensystems erklären lassen, mit
den beobachteten Verhältnissen in den Doppelsternen sind sie aber ganz unvereinbar.
Jacobi hat indessen gezeigt, daB es gewisse Ausnahmefälle gibt, die für. das
Studium der Doppelsterne von der größten Bedeutung sind. Er hat gefunden, daß eine
rotierende Flüssigkeitsmasse unter gewissen Umständen eine unsymmetrische Figur an-
nehmen kann, indem der „Äquator“ elliptisch werden kann (Ellipsoide mit drei Achsen).
Poincare hat die hierdurch aufgeworfene Frage weiter verfolgt, er hat dadurch —
gleichzeitig mit Darwin — die für die Doppelsterne astronomisch wichtige Entdeckung
gemacht, daß es auch „birnenförmige“ Gleichgewichtsfiguren gibt. Das ursprüngliche
Ellipsoid verlängert sich in einer bestimmten Richtung zu einer Beule, als ob sich die
Masse bei größerer Geschwindigkeit in zwei gleich große Komponenten teilen würde.
Wir können hieraus vielleicht den Schluß ziehen, daß eine flüssige inkompressible Masse
sich in zwei Massen von derselben Größenordnung teilen werde.
Die Untersuchungen von Poincare verfolgen die Entwicklung der Nebel von dem
Urzustande bis zu der kritischen Periode, wo die Teilung vorbereitet wird. Die Unter-
suchungen Darwins verfolgen dagegen die Entwicklung rückwärts; er geht von dem
gegenwärtigen Zustande der Doppelsterne aus und versucht durch numerische Rechnung
die Entwicklung des Systems rückwärts zu verfolgen. Aber auch seine Untersuchungen
reichen nicht bis zur Trennung zurück. Zwischen der Phase, wo die Untersuchungen
Poincares abbrechen, und derjenigen, wo die Untersuchungen von Darwin eingreifen,
besteht also eine Lücke, die bisher noch nicht ausgefüllt worden ist, und es ist sogar
die Vermutung ausgesprochen worden, daß die „Birne“ Poincares vielleicht sich gar-
nicht in den Darwinschen Doppelstern überführen läßt, sondern daß vielmehr die „Birne“
sich in einzelne Molekeln auflösen wird.
Die Untersuchungen Poincares und Darwins sind nur als Lösungen einer be-
stimmten mathematischen Aufgabe zu betrachten; ihre Voraussetzungen entsprechen
durchaus nicht der wahren Konstitution der Gasnebel bezw. der Doppelsterne In der
Analyse werden die Nebel als inkompressible und homogene Massen betrachtet; die
wirklichen Nebelflecke sind aber äußerst kompressibel und besitzen sehr dichte Kerne.
Es bleibt daher noch immer eine offene Frage, in welcher Weise eine rotierende Gas-
masse, die sich durch Wärmeabgabe zusammenzieht, zerfällt.
— 262 —
Die Untersuchungen über die Gleichgewichtsfiguren von solchen Gasmassen sind
leider äußerst kompliziert, und es ist noch niemandem gelungen, eine allgemeine Lösung
dieser für das Studium der Doppelsterne so wichtigen Frage zu geben. Indessen ist es
doch möglich, eine annähernd richtige Lösung zu erhalten, wenn man sich auf Gaskugeln
beschränkt, deren Verhältnisse sich nur wenig von den oben erwähnten idealen entfernen,
und in der neuesten Zeit ist mehrfach der Versuch gemacht worden, den Übergang von den
„idealen“ auf die tatsächlichen im Weltenraume herrschenden Verhältnisse zu machen.
Über diese Versuche, die zunächst mehr Spekulationen als Resultate exakter Unter-
suchungen sind, verbreitet sich Henry Norris Russel in einer Abhandlung über den
Ursprung der Doppelsterne im Astrophysical Journal, April 1910.
Über die Gleichgewichtsfiguren von rotierenden Gasmassen wissen wir einerseits,
daß die Abplattung durch das Vorhandensein eines centralen Kerns verringert
wird, wodurch die Auflösung der Masse verhindert wird. Auf der anderen Seite hat in-
dessen Jeans!) gezeigt, daß die Kompressibilität der Gase im entgegengesetzten Sinne
wirken müsse, indem die äußersten Schichten die „Birnenform“ annehmen; die Tiefe der
Einschnürung bei gegebener Rotationszeit usw. wird daher natürlich sowohl von der Dichte-
als der Temperaturzunahme innerhalb der Gasmasse abhängen. Da die Untersuchungen
über die späteren Phasen der Entwicklung eines solchen Systemes nicht mathematisch
durchgeführt worden sind, bleibt leider noch eine große Unsicherheit über die wahre
Entwicklung einer unter Wärmeabgabe rotierenden Gasmasse. Darwin selbst meint
in seinem Werke (The Genesis of double stars 19(9):
„Ursprünglich muß der Stern einfach gewesen sein, er muß sich dann ausgebreitet
und eine langsame Rotation angenommen haben. In diesem Zustande muß die Schicht
von gleicher Dichtigkeit von planetarischer Form gewesen sein. In dem Maße, wie sich
der Stern abkühlte und zusammenzog, muß die Rotationsachse geschwankt haben eben
durch die Wirkung der Gravitation und vielleicht auch durch die zunehmende Schnelligkeit
derselben. Die Schicht von gleicher Dichtigkeit mußte dann birnenförmig werden und
sich später wie eine Sanduhr zusammenziehen, mehr im Inneren als im Äußeren.
Die Zusammenziehungen der auf einanderfolgenden Schichten, fangen dann von innen
nach außen zu platzen an, und wenn dann schließlich dieser Prozeß bis zum Schluß
vor sich gegangen ist, haben wir die beiden Sterne, wie sie von Roberts und von
anderen geschildert werden.“
Chamberlin dagegen spricht die Änstehi aus, daß bei gesteigerter Rotations-
geschwindigkeit die Gaskugeln ihrem äquatorialen Teile Molekel nach Molekel abgeben
müssen, und ebenso meint Moulton, daß cine große Gefahr vorhanden sei, daß die „Birne“
sich in zahlreiche kleine Massen auflöst, woraus er u. a. folgert, daB die Doppelsterne
sich aus Nebeln mit mehreren Kernen entwickelt haben müssen, falls sie überhaupt von
Nebeln erzeugt worden sind. Aus diesen abweichenden Anschauungen hervorragender
Forscher geht schon hervor, daß die Theorie hier auf unsicherem Boden steht; die
Analyse liegt noch wie ein unbekanntes Nebelland vor uns.
Unter diesen Verhältnissen, sagt Roberts, muß die Entscheidung weiteren Beobach-
tungen überlassen werden. Die Konstitution der sehr engen Doppelsterne, die sich durch
periodische Lichtschwankungen verraten, liefert keinen Probierstein; nur die Tatsache,
daß die Masse der beiden Komponenten gewöhnlich von derselben Ordnung ist, spricht
zu gunsten der Darwinschen Spaltungstheorie. Wenn wir aber zu den mehrfachen
Sternen übergehen, wird die Sachlage eine andere.
Es scheint a priori unmöglich, daß mehrfache Systeme, die sich von unabhängigen
Kernen ausgebildet haben, bestimmte Beziehungen zwischen Distanzen und Maßen zeigen
sollten. Wir müssen vielmehr eine rein zufällige Gruppierung erwarten. Nach der
Darwinschen Theorie müssen dagegen bestimmte Relationen vorhanden sein, denn die
Entwicklung der mehrfachen Sterne muß nach dieser Theorie nach festen dynamischen
Gesetzen fortschreiten, und wir müssen daher (trotz der zahlreichen Abweichungen, die
') Philos. Trans A. 199. S. 1-53 (1902).
— 23 —
durch Spezialfälle der Störungen entstehen können) in dem gegenwärtigen Zustande der
mehrfachen Sterne noch die Spuren dieser Gesetzmäßigkeiten nachweisen können.
Wenn ein Nebel in zwei Komponente zerfallen ist, erzeugt der Hauptstern sofort
eine enorme Flutwelle auf der Oberfläche des Begleiters und umgekehrt. Wenn die
Massen sich zusammenziehen, wird ihre Rotation schneller werden und die Gezeiten
werden nach und nach die Energie der Rotation in Umlaufsenergie umsetzen. Dasselbe
Spiel wiederholt sich, wenn der Begleiter sich teilt.
Der Sternenhimmel am 1. Juli 1911, abends 10 Uhr.
Fig. 1.
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Aus dem Umstande, daß die Bewegungs - Energie des Systems vor und nach den
Teilungen dieselbe sein muB, ergeben sich dann gewisse Beziehungen zwischen den
Distanzen der beiden Paare. Russel findet, daß die Distanz s, der beiden Komponenten
des Begleiters etwa 10mal kleiner sein muß, als die Distanz s, von dem Hauptstern. Dies
liefert uns ein Mittel zur PANNE der Spaltungstheorie, und Russel findet in der Tat,
daß die Häufigkeit der Werte = — bei 74 dreifachen Systemen sehr gut mit seinen Angaben
übereinstimmen, wie folgende Tabelle zeigt:
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25" Les a Lé i e ATK SH he D 44h jan
5
kl
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S = Sonne. M = Mond. Me = Merkur. V = Venus. Ma = Mars.
SS), Beobachtung Theorie
Ueber 0,4 1 1
0,4 bis 0,30 2 2
0,3 - 0,20 3 é
02 - 0,15 5 4,5
0,15 - 0,10 8 9,5
0,10 - 0,05 17,5 16
0,05 - 0,025 14,5 | 8
unter 0,025 13 1
Die Verteilung stimmt also gut mit Russels Theorie überein.
Aus der Spaltungstheorie folgt ferner, daß alle drei Komponenten sich in derselben
Richtung bewegen müssen. Von der Erde gesehen, müssen daher die Bahnbewegungen im
allgemeinen auch in demselben Sinne gehen; da jedoch die Bahnebenen nicht zusammen-
zufallen brauchen, können die Ebenen auch auf entgegengesetzte Seiten von der Erde ge-
sehen fallen und die Komponenten daher scheinbar in entgegengesetztem Sinne laufen.
Unter den 8 dreifachen Paaren, bei denen alle drei Sterne merkbare Bewegungen haben,
laufen die Komponenten in demselben Sinne bei 7, eine Tatsache, die ebenfalls zu Gunsten
der Spaltungstheorie spricht.
Da die Spaltungstheorie also Tatsachen erklärt, welche der „Zerstäubungs-
theorie“ (Moulton) große Schwierigkeiten bereiten, dürfte es sich lohnen, auch die
Argumente gegen diese Spaltungstlieorie näher zu betrachten.
| Über die Stabilität solcher geteilten Massen, deren Existenz hier postuliert worden
ist, besitzen wir keine theoretischen Kenntnisse wegen der Schwierigkeit der Analyse.
Russel meint jedoch, daß die schon vorhandenen Tatsachen es wahrscheinlich machen,
daß „Birnenformen“ von kompressiblen Gasen stabil sein können. Hierfür sprechen
u. a. die Untersuchungen über ß-Lyra. Wir können daher die Stabilität als gesichert
ansehen, bis das Gegenteil ınathematisch bewiesen wird.
Chamberlins ‚loss of gas“ findet wohl statt, aber dann müßten gerade Helium
und Wasserstoff, die leichtesten Gase, am ersten verschwinden. Die spektroscopischen
Beobachtungen von $-Lyrae lehren uns aber gerade, daß dieser Stern sehr reich an He
und H ist. Die Tatsache, daß Wasserstoff nie in den Sternspektren fehlt, zeigt, daß der
vermutete Verlust an Gas keine Rolle in der Entwicklung der Sterne spielt; denn wäre
der Wasserstoff im Äquator abgeschleudert, müßten seine Linien bei fast allen Sternen fehlen.
„l für den Monat Juli 1911.
| Fig. 2a. Nachdruck verboten.
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o dl Ze al Eë dë Archenhold
A ` £ 6 > Ah
J = Jupiter. Sa = Saturn. U = Uranus. N = Neptun.
Gegen die Spaltungstheorie hat Moulton den Einwurf gemacht, daß die reinen
Doppelsterne gegenwärtig eine große Dichte besitzen, weshalb sie eine enorme Kontraktion
erlitten haben müßten. Mit dieser Kontraktion wäre aber eine Zunahme der Rotations-
geschwindigkeit verbunden, welche die schon gefährliche Tendenz zur Spaltung steigern
müßte. Die Ungleichheit ist daher vorhanden, daß die „Birne“ nach der Teilung in
zahlreiche Fragmente zerfällt.
Herr Russel bemerkt hierzu, daß die Vorgänge in erster Linie von der Dichte der
Gase abhängen. Nun gibt es bei gleicher Dichte und Rotationszeit mehrere Gleich-
gewichtsfiguren; z. B. ist das dreiaxige Ellipsoid, gerade bevor es in Birnenform übergeht,
so stark abgeplattet, daB seine große Axe 2,90 mal größer ist, als seine kürzeste, die
Rotationsaxe; aber bei derselben Dichte und Rotationszeit gibt es noch eine zweite, sehr
stabile Gleichgewichtsfigur, ein zweiaxiges Ellipsoid, dessen Aquatorialradius 1,42 mal
größer als sein Polarradius ist. Bei gleicher Masse will das Sphäroid, wie Russel zeigt,
erst die ellopsoidale Figur annehmen, wenn seine Dichte 22 mal größer geworden ist.
Dieser Fall erinnert an die Verhältnisse bei der Spaltung. Vor der Spaltung ist
die ganze Masse einer „Sanduhr“ ähnlich; nach der Spaltung teilt sie sich in zwei
eiförmige Massen. Die Dichte und Rotationszeiten sind praktisch unverändert. Da die
Sanduhrfigur das größte Moment besitzt, müssen die Eierfiguren eine frühere Phase
darstellen und sich viel mehr verdichten, bevor sie sich teilen als die Sanduhrfiguren.
Russel meint sogar, daß die Dichte so groß sein muß, daß die Gesetze der Gase
ungültig werden. Bei der Teilung muß die Dichte viel kleiner als amtosphärische Luft
gewesen sein.
Die weiten unregelmäßigen Sterngruppen innerhalb der großen Nebel, wie z. B. das
Trapez im Orion, mögen vielleicht durch die „Kerntheorie* erklärt werden. Die Haupt-
masse der Doppelsterne müssen aber, wie die statistische Prüfung der dreifachen Sterne
zeigt, sich durch wiederholte Teilung gebildet haben, und diese Spaltungstheorie können
wir als eine „Arbeitshypothese“ benutzen, solange dieselbe nicht durch neue Be-
obachtungen bezw. theoretische Tatsachen widerlegt wird. Ja, die Spaltungstheorie allein
gibt uns eine ausreichende Erklärung für die Bildung der mehrfachen Sternsysteme.
Der Lauf von Sonne und Mond.
Die Sonne ist wieder für den 1., 15. und 31. Juli in unsere Karte 2a eingezeichnet.
Andere wissenswerte Daten gibt uns folgende Tafel:
20°
— 266 —
Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshdhe
Juli 1. + 23° 11’ 35 49m morgens 86 30m abends 601/,°
- 15. + 21° 41’ 4b 3m - 8b 21 - 591/,
- $i. + 18° 30’ 4b 25m - Th 59m - 56°
Mond. Die Hauptphasen des Mondes, dessen Lauf für die Mitternacht des 1., 3,
5. usw. wieder in unsere Karten 2a und 2b eingetragen ist, fallen auf folgende Tage:
Erstes Viertel: Juli 3. 10b morgens. Letztes Viertel: Juli 19. 6b morgens.
Vollmond: - 11. 2" nachm. Neumond: - 25. Ob abends.
Im Monat Juli findet eine Sternbedeckung statt:
| | | | ntergang
D D oe D 3h 44m5 | | 4h 24m 1 D Led N
Juli 12 w Sagittarii 5,0 119h 50m | —260 32 morgens | 6° | morgens pons E
Die Planeten.
Merkur (Feld 61/,5 bis 10'/, 5) steht am 4. Juli in oberer Konjunktion mit der Sonne,
ist also voll beleuchtet. Der Durchmesser beträgt zu Anfang des Monats 5” am Ende 6,1.
Am 27. Juli steht Merkur in Konjunktion mit dem Monde und am 29. 10’. nördlich von
Regulus. Wegen seiner großen Sonnennähe bleibt er für das unbewaffnete Auge
unsichtbar.
Venus (Feld 9°/,b bis 11!/,5) ist zu Anfang des Monats 1!/, Stunden und zuletzt nur
noch eine Stunde als Abendstern am Westhimmel sichtbar. Ihr beleuchteter Teil nimmt
von 0,53 bis 0,34 ab. Ihr Durchmesser nimmt von 22',5 auf 32,9 zu. Am 6. Juli steht sie
37‘ nördlich von Regulus und am 7. Juli erreicht sie ihre größte östliche Abweichung von der
Sonne (45° 29‘); am 28. Juli tritt sie in Konjunktion mit dem Monde. In unserem großen
Fernrohr kann die Venus auch jetzt am Tage in großer Höhe beobachtet werden, und
es ist hierbei von großem Vorteil, daß bei der Besichtigung der Venus mit unserem
großen Fernrohr nicht die Temperaturdifferenzen, die bei anderen Fernröhren zwischen
der in der Kuppel befindlichen Luft und der Außenluft hervortreten, das Bild verzerren.
Jeder Beobachter, der mit kleineren Fernrohren die Venus zumeist unruhig sieht, ist
über unser außerordentlich ruhiges Bild erstaunt. |
Mars (Feld 1'/,h bis 21/,b) geht schon vor Mitternacht auf. Die Dauer seiner
Sichtbarkeit beträgt am Ende des Monats bereits 4 Stunden; sein Durchmesser wächst
von 8",7 auf 10”. An seinem Südpol ist trotz seiner großen Entfernung eine mächtige
Eiskalotte jetzt gut sichtbar. Am 19. Juli tritt der Mars in Konjunktion mit dem Monde.
Jupiter (Feld 141/,5) ist wegen seines südlichen Standes immer schlechter zu
beobachten; am Ende des Monats beträgt die Dauer seiner Sichtbarkeit nur noch
1!/, Stunden nach Sonnenuntergang. Sein Durchmesser nimmt von 38,5 auf 35,3 ab.
Am 5. Juli wird der Mond gerade in der Mitte zwischen Jupiter und Spica, dem hellsten
Stern in der Jungfrau, stehen.
Saturn (Feld 3 bis 3'/,) ist anfangs nur 3/, Stunden, am Ende 3!/, Stunden lang
am Morgenhimmel zu beobachten. Sein Durchmesser nimmt von 16” auf 17”,7 während
des Monats zu. Am 20. Juli bilden Mond, Plejaden und Saturn eine ähnlich interessante,
bemerkenswerte Konstellation wie am 5. Juli Jupiter, Mond und Spica.
Uranus (Feld 20") ist während der ganzen Nacht zu beobachten. Sein Durchmesser
beträgt 3,6.
Neptun (Feld 7'/,5) ist während des ganzen Monats auch für die großen Fernrohre
unsichtbar, da er am 14. Juli in Konjunktion mit der Sonne steht.
Bemerkenswerte Konstellationen:
Juli 1. 10" abends Mars in Sonnennähe.
- 5. 10b vorm. Jupiter in Konjunktion mit dem Monde.
— 267 —
Juli 6. 35 morgens Venus 37’ nördlich von Regulus.
- 7. 4b nachm. Venus in ihrer größten östlichen Abweichung (45° 29°).
- 8 35 nachm. Merkur 2° 19’ nördlich von Neptun.
- 14. 108 abends Neptun in Konjunktion mit der Sonne.
- 19. 8 abends Mars in Konjunktion mit dem Monde.
- 20. Mitternacht Saturn in Konjunktion mit dem Monde.
- 21. 7b vorm. Uranus in Opposition mit der Sonne.
- 27. Dh vorm. Merkur in Konjunktion mit dem Monde.
- 28. 10b abends Venus in Konjunktion mit dem Monde.
-.29. 3b nachm. Merkur 10’ nördlich von Regulus.
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LAVA O LT LML MEM
Kleine Mitteilungen. 1 2 25
A SE VOLL LO AZ Se LOLS. ER OOK OK ORO OKO
CECEEEEECEECEEEEEEEEECEECECECEECEEECECECEECCEEE ECE Ee
Der Apex der Sonnenbewegung ist von A. Wilkens neuerdings aus den Eigenbewegungen
von 620 meist lichtschwachen Sternen abgeleitet (A. N. 4499). Die untersuchten Sterne sind im
Jahre 1905 bis 1906 am Repsoldschen Meridiankreise der v. Kuffoerschen Sternwarte zwischen
29° 50° und 35° 10’ nördlicher Deklination beobachtet worden; die Eigenbewegungen lassen sich aus
den vor etwa 35 Jahren angestellten Leidener Meridianbeobachtungen ableiten. Da Herr Wilkens
in sein Arbeitsprogramm nur Sterne, bei denen die Leidener Beobachtungen um mehr als 6” von
den alten Bessel’schen abweichen, aufgenommen hat, besitzen seine Sterne, trotz ihrer Licht-
schwäche, meist größere Eigenbewegungen; bei 180 Sternen betragen die Eigenbewegungen mehr
als 10” im Jahrhundert.
Herr Wilkens findet, daß die vorhandenen Gesetzmäßigkeiten in der Verteilung der Eigen-
bewegungen seiner Sterne sich allein durch die Bewegung des Sonnensystems erklären lassen. Als
Apex der Sonnenbewegung findet er Rectasc. = 286°, Dekl. + 37° in guter Übereinstimmung mit
anderen modernen Bestimmungen. Unsere Sonne bewegt sich hiernach gegen einen Punkt in der
Nähe von Lyrae.
* x
*
Über den spektroskopischen Doppelstern o Persei macht Prof. Ludendorff in den
A. N. 4500 eine bemerkenswerte Mitteilung. Dieser Stern ist besonders dadurch interessant, daß die
beiden Kalciumlinien H und K nicht an den periodischen Verschiebungen der übrigen Linien teil-
nehmen, sondera vielmehr eine konstante Geschwindigkeit ergeben, die gleich derjenigen des Schwer-
punktes des Systems ist.
Die Neubestimmung der Bahn von o Persei durch Jordan hat nun zu dem auffallenden Er-
gebnisse geführt, daß die Geschwindigkeit des Schwerpunktes gegenwärtig + 18 km beträgt, während
Vogel im Jahre 1903 dafür — 3 km erhielt. Es wäre hiernach denkbar, daß ein dritter Körper im
System o Persei vorhanden wäre, dessen Vorhandensein das abweichende Verhalten der Kalcium-
linien erklären könnte.
Herr Ludendorff hat daher die Vogel’schen Platten unter Anwendung eines Reversions-
prismas neu vermessen, wodurch die persönlichen Auffassungsfehler, die bei den verwaschenen
Spektrallinien der Sterne des Oriontypus sehr groß sein können, unschädlich gemacht werden. Das
Resultat war ein überraschendes; Herr Ludendorff findet die Geschwindigkeit des Schwerpunktes
zu + 9 km, so daß auf eine Veränderlichkeit der Schwerpunktsbewegung nicht geschlossen werden
darf. Herr Ludendorff meint vielmehr, daß die große Abweichung zwischen Vogel und Jordan
sich dadurch erklärt, daß Vogel die Platten nur in einer Lage gemessen hat.
Die Ludendorff’sche Neubearbeitung der Potsdamer Spektogramme von o Persei zeigt
somit, daß die Schwerpunktsbewegung nicht veränderlich ist Auch bei d Orionis, bei dem sich die
K-Linie ebenso zu verhalten scheint, wie bei o Persei, läßt sich eine Veränderlichkeit der Bewegung
nicht nachweisen. Man wird daher gut tun, weitere Beobachtungsresultate abzuwarten, ehe man
Hypothesen zur Erklärung des eigentümlichen Verhaltens der Kalciumlinien aufstellt.
— 268 —
Der Halleysche Komet ist gegenwärtig nach Barnards Beobachtungen selbst am Yerkes
40-Zöller ein ziemlich schwieriges Objekt. Seine Gesamthelligkeit ist nur 15. Größe. Der Komet
stand bei den letzten Beobachtungen Barnards (Ende April) im südwestlichen Teile des Sextanten.
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o CALAN NINI NENN SAINTS D
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IF:
3333393333329393393333333333339339939333333933933333333939333
William Fairfield Warren, The earliest Cosmologies. New-York-Cincinnati 1910.
Der Verfasser gibt in diesem Buche eine Übersicht betreffs der Vorstellungen, welche sich die
antiken Völker, insbesonders die orientalischen, über die Stellung der Erde im Weltr.ıume, über das
Himmelsgewölbe usw. gemacht haben. Das Material zu dieser Arbeit bilden die Sagentraditionen
und die uns in den heiligen Büchern, anderweitigen Literaturresten und in den Denkmälern der
Völker erhaltenen Weltanschauungen und Vorstellungen. Die Richtigkeit dieser Rekonstruktion des
Weltbildes der alten Völker hängt ganz von jenen Materialien ab. Die Überlieferung ist aber viel-
fach nur dürftig; die Begriffe der Alten müssen meist erst durch Interpretation aus dem Materiale
abgeleitet werden; hierzu kommt noch die Schwierigkeit, daß es oft kaum möglich ist, die Zeitepoche
zu bestimmen, aus welcher die Weltvorstellungen bei den einzelnen Völkern herrühren. Die Re-
konstruktion des Weltbildes der alten Völker ist daher ein wissenschaftliches Wagnis, für welches
sich als Resultat nur eine Wahrscheinlichkeit, nicht aber die Gewißheit, angeben läßt. Noch mib-
licher wird ein solcher Versuch, wenn nicht bloß das jedesmalige antike Weltbild hergestellt, sondern
auch noch der gegenseitige Zusammenhang der Weltbilder, eventuell deren Entwicklung aus einer
gemeinsamen Quelle, dargetan werden soll An diese Schwierigkeiten möchte ich den Leser erinnern,
wenn er das Buch Warrens zur Hand nimmt. Er wird dann den sehr geschickten Darstellungen
des Verfassers mit Interesse folgen, sich aber auch hier und da die Frage vorlegen, ob der Zustand
des uns derzeit zu Gebote stehenden Materials die Schlüsse völlig verbürgt, die der Verfasser in
seinem Buche zieht. — Den Anfang macht das Weltbild der antiken Juden, für welches als Quelle
freilich nicht viel mehr als die biblischen Bücher vorhanden sind. Nachdem der Verfasser hier auch
die von Schiaparelli (in dessen „Astronomie des alten Testaments“) aufgestellte Ansicht berührt
hat, wendet er sich zum Weltbilde der Babylonier. Aus dem wenigen Materiale, was Winckler,
Hommel, Sayce u. a. hierüber haben finden können, läßt sich ungefähr ersehen, daß das baby-
lonische Weltbild die Erde im Zentrum der Welt annahm; die Erde wurde in eine obere und untere
Hälfte geteilt; sieben Sphären, bestimmten Göttern geweiht, umgeben konzentrisch die Erde. die
äußerste Sphäre der Welt (Anu und Ea geweiht) stellt der Fixsternhimmel vor. Gewisse Eigentümlich-
keiten. die sich im Weltbilde der Juden vorfinden, scheinen auf einen chemaligen, also sehr alten
Zusammenhang der kosmischen Vorstellungen zwischen den Babyloniern (oder einer Urquelle) und
Juden hinzudeuten. Spuren dieses vielleicht semitisch allgemeineren Weltbildes sieht der Verfasser
noch in den rabbinistischen Schriften, wie der Erwähnung des siebenfachen Himmels und der sieben-
stufigen Hölle. Masperos Weltbild der alten Ägypter (die Welt als vierseitiges Prisma, mit den
vier Weltecken, Sonnenjahrpunkten und der Himmelssphära) hält der Verfasser nicht für zutreffend,
neigt vielmehr zu einer mit dem babylonischen Himmelsbilde verwandten Auffassung, für welche
auch Ansichten von Lepsius, Roth und Steindorff zu sprechen scheinen. Betreffs der Werke
Homers hat der Verfasser nachgewiesen, daß bei den Griechen im Zeitalter des Homer die Erde
keineswegs als eine flache Scheibe angesehen wurde; vielmehr ergibt sich aus Homers Schriften
ein dem babylonischen ähnliches Weltbild: eine freischwebende Erde mit Ober- und Unterwelt, auf-
rechte Weltaxe, Mehrheit um die Erde wandelnder Welten, Welt- und Erdozean u. a. Aus dem für
die Hindu in Betracht kommenden Material, besonders den Schriften der Veda-Zeit, schließt der Ver-
fasser, daß trotz der selbständigen Form des indischen Weltbildes einige vorderasiatische Züge darin
nicht zu verkennen sind. Die Anschauung der Buddhisten über das Universum schließt sich — mit
einigen Abweichungen, die der Verfasser notiert — unmittelbar an das Hindusystem an. Im weiteren
Inhalt des Buches beschäftigt sich der Verfasser mit einer neuen Erklärung des altägyptischen
(kosmologischen) Begriffs „Tuat“, mit der Zusammenstellung der noch der Aufklärung oder weiteren
Erforschung bedürftigen Weltbild-Probleme und in einigen Anhängen mit Spezialgegenständen, wie
mit der Frage über die Lage des Totenreichs bei Homer, mit dem ,Weltbaum* der germanischen
Mythologie, dem „Sonnentor“ der Babylonier und Ägypter u. a. F. K. Ginzel
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F. 8. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
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CA IT CS
e 5 mm, D GC
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte G
Herausgegeben von
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
LL. Jahrgang, Heft 18. Verlag der Treptow-Sternwarte, "1911 (Zweites Juniheft).
Berlin-Treptow.
Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnemenispreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Trepiow-Siernwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post-
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pie. — Anseigen-Gebühren: 1 Seite 80.— Mk., lJa Seite 45.—
1/4 Seite 25.—, 1/, Seite 15.—, Le Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rabati. — Beilagen nach Gewicht.
INHALT
I. Der Planet Jupiter. Nach den Untersuchungen von EE pee ee
Prof. Lohse. Von H. E. Lau 269 | Stavenhagen, W., Hauptmann a. D., Berlin, 1. Zur
` i Kee Seed Geet Ferligstellung der Karte des Deutschen Reiches. Der-
2. Überelektrische Strahlen. Von Dr. W. Haken. (Schluß) 276 selbe: 2. Die Karle und der Kavallerieoffisier. Der-
3. Kleine Mitteilungen: Die Störungen des Roten Fleckes selbe: 3. Über die Bedeutung der Militärgeographie.
— Beobachlung einer Feuerkugel. — Komet Halley — Bei der Redaklion eingegangene Bücher. — Neu
am 16. Mai 1910. — Ernennungen ....... 282 erschienene Kataloge. . . . . .. 2: 2 2 eee 284
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet
Der Planet Jupiter.
Nach den Untersuchungen von Prof. Lohse.
Von H.E.Lau.
U: den großen Planeten gibt es keinen anderen, dessen Oberfläche in
kleinen Fernrohren so viele Einzelheiten zeigt, wie der „Riesenplanet“
unseres Sonnensystems, der Jupiter. Die Geschichte der Jupiterforschung be-
ginnt daher sofort nach der Erfindung des Fernrohrs; im Gegensatz zu den
frühesten Venusbeobachtungen haben die ältesten Jupiterbeobachtungen ein
Bild des Riesenplaneten geliefert, das auch noch heute in seinen Hauptzügen
als richtig erkannt wird.
Schon die alten mangelhaften Fernrohre von Zucchi (1630), Fontana und
Grimaldi stellten die Hauptstreifen des Jupiters deutlich dar, und wenige Jahr-
zehnte später erkannte Hooke (1664) schon Flecke auf dem Jupiter. Die erste
genauere Untersuchung verdanken wir dem berühmten D. Cassini. Es gelang
ihm außer den beiden Hauptstreifen noch vier feinere in größeren Breiten zu
erkennen; auch entdeckte er zuerst die Abplattung des Jupiters Aus seinen
Beobachtungen der dunklen Flecke bestimmte Cassini die Rotationszeit des
Planeten zu 9" 56”; aus den hellen Wolken der Äquatorzone fand er dagegen
yb 50™. Aus diesem Ergebnisse ging hervor, daß die Flecke keine festen Ge-
bilde sein konnten; selbst der große „Dauerfleck“ (tache permanente), der bis
1713 verfolgt wurde, zeigte unregelmäßige Eigenbewegung. Die späteren Beob-
achtungen von Messier, Schröter und W. Herschel bestätigten im all-
gemeinen die Cassinischen Resultate, ohne wesentlich Neues hinzuzufügen.
Unter den Jupiterbeobachtern der Folgezeit sind besonders zu erwähnen
Gruithäusen, der die hellen Lichtpunkte, die in gewissen Streifen immer vor-
handen sind, entdeckte, Schwabe, der zuerst die „rifts“ (hellen Risse) der
— 270 —
Hauptstreifen und die große Ähnlichkeit der kleineren Flecke mit den Kern-
flecken der Sonne bemerkte, und Mädler, der die erste genaue Bestimmung
der Rotationszeit lieferte. Aus diesen Beobachtungen ging im allgemeinen
hervor, daß die Flecken und Streifen des Jupiters außerordentlich veränderlich
sind, und die meisten Astronomen meinten daher, daß es eigentlich keinen
Zweck habe, so viele Zeit auf diese vermeintlichen „Wolken“ zu verschwenden,
da man doch nie daraus Aufschlüsse über die physischen Verhältnisse im Innern
des Riesenplaneten erhalten würde.
Im Jahre 1878 erschien indessen auf der südlichen Halbkugel des Jupiters
ein ovaler, intensiv rot gefärbter Fleck von etwa +41 000 km Durchmesser. Das
Entstehen dieses „Roten Fleckes“ (Fig. 1 u. 2) mußte ein reges Interesse für die
Untersuchungen über Jupiter hervorrufen. So wurden völlig neue Aussichten für die
Erforschung der physischen Beschaffenheit des Planeten eröffnet. Im „Roten
Fleck“ sahen die meisten Astronomen wohl einen ungeheueren, von leichten
\Wolkenschleiern bedeckten Lavasee, aber diese Anschauung erwies sich bald
Der rote Fleck
(nach Lohse).
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Fig. 1. Fig. 2
1x81 Juli 7. gb 4™ morgens. 1831 September 21. ` AN 35".
als ungenügend: Die Rotationszeit des „Roten Fleckes* wurde stark veränder-
lich gefunden, was mit dem obigen Erklärungsvermerk in Widerspruch stand.
So wurde eine Menge von schwierigen Fragen aufgeworfen, die nur durch
systematische Jupiterbeobachtungen gelöst werden konnten.
Seit dem Jahre 1878 ist daher sehr vieles auf dem Gebiete der Jupiter-
forschung geschehen. Die Arbeiten von Hough, Denning, Pritchard, Noble,
Williams, Barnard, Bredichin, Phillips, Brenner, Antoniadi, Fauth,
Rheden, Sola und viele andere haben bekanntlich die merkwürdigsten Tat-
sachen ans Licht gebracht. Die bisherigen Untersuchungen beruhen leider
meist auf Schätzungen, die — wie Schmidt und Phillips nachgewiesen —
mit enormen persönlichen Fehlern behaftet sind; auch sind viele wichtige Beob-
achtungen zufällig von Astronomen gemacht, die sich nur gelegentlich mit dem
Jupiter beschäftigten. Es dürfte daher eine sehr schwierige Aufgabe sein, aus
diesen zahllosen Fragmenten ein einheitliches Ganzes darzustellen; be-
sonders gilt dies für die ältesten Beobachtungen des „Roten Fleckes“, die ja
bei der Prüfung der verschiedenen Theorien von der größten Bedeutung sein
werden. i
E ME
Bei dieser Sachlage haben die Jupiter-Forscher mit Ungeduld auf die Ver-
öffentlichung der von Professor Lohse in den Jahren 1879 bis 1909 am Pots-
damer 11 Zöller ausgeführten Jupiterbeobachtungen gewartet. In diesem langen
Zeitraume hat Prof. Lohse andauernd eine große Zahl von Zeichnungen und
Mikrometermessungen ausgeführt; diese umfassenden Untersuchungen liegen
nun endlich vor in einem stattlichen Bande von 182 Seiten Text mit 12 Tafeln.
Wegen der hervorragenden Bedeutung dieses Werkes werden wir im Folgenden
eine ausführliche Übersicht über den reichhaltigen Inhalt des Lohseschen
Werkes geben. l
Die Oberfläche des Jupiters, sagt Lohse, erscheint bei fortgesetzten Beob-
achtungen sehr veränderlich. Die gewaltigen Dampf- oder Gasmassen, welche
die sichtbare Oberfläche des Planeten bilden, sind offenbar kräftigen Wärme-
wirkungen aus dem Innern ausgesetzt. Bisweilen sieht man rotglihende Massen
hervorbrechen, deren abweichende Bewegungen verraten, daß sie aus Tiefen
kommen, wo ganz andere Bewegungsverhältnisse herrschen. Die Massen, welche
hierbei in Bewegung gesetzt werden, sind von riesigen Dimensionen; selbst
die kleinsten Flecke, die wir auf dem Jupiter wahrnehmen können, die hell-
glänzenden Wölkchen der südlichen Halbkugel, sind von der Größe der Jupiter-
trabanten. Ä
Bei dieser Größe der tätigen Kräfte, meint Prof. Lohse, dürfte die wech-
selnde Tätigkeit im Innern des Planeten eine entsprechende Expansion der ge-
waltigen Gaskugel hervorrufen können. Auch wäre es möglich, daß der starke
Auftrieb vom Innern in gewissen Gegenden des Planeten, wo die Streifen und
Flecke vom aufsteigenden Gasstrome weggestoßen werden, örtliche Deformationen
hervorrufen könnte; ja Prof. Lohse hält es nicht für ausgeschlossen, daß der
Riesenplanet noch gegenwärtig eine unregelmäßige (dreiachsige) Gestalt als Über-
bleibsel aus der Vorzeit haben könnte.
In den Jahren 1891 bis 1909 hat Prof. Lohse daher eine große Reihe von
Mikrometermessungen ausgeführt. Die Bearbeitung zeigt, daß die örtlichen
Abweichungen höchstens 0,1 bis 0 ‘2 betragen können und ferner, daß von
einer dreiachsigen.Gestalt keine Rede sein kann. Die Lohseschen Messungen
zeigen — abgeschen von einer zeitlichen Zunahme der beiden Durchmesser,
die Prof. Lohse auf eine Abnahme seiner Sehschärfe zurückführt —, nur kleine
Schwankungen und es scheint somit, daß der Riesenplanet sich gegenwärtig in
verhältnismäßiger Ruhe befindet und daß keine Abnormitäten mehr an seine
stürmische Vorzeit erinnern.
Die Richtigkeit seiner Bestimmungen der Jupiterdurchmesser hat Professor
Lohse durch Untersuchungen an einem Modell geprüft. Auf dem Turm der
Garnisonkirche zu Potsdam wurde eine Scheibe befestigt, deren bekannter
Durchmesser von Prof. Lohse dann durch Mikrometermessungen am tl Zöller
bestimmt wurde. Aus diesen Versuchen meint Prof. Lohse schließen zu dürfen,
daß die persönlichen Fehler seiner Messungen nicht 0,1 übersteigen können.
Im Mittel findet Lohse:
Aquatorialdurchmesser des Jupiters = 38,345
Polardurchmesser - - = 36,031.
Sein Wert der Abplattung des Jupiters 1:16,58 stimmt innerhalb der
Beobachtungsfehler mit dem aus den Störungen des 5. Trabanten abgeleiteten
Wert überein.
— 22 —
Die starke Abplattung des Jupiters rührt bekanntlich von der schnellen Um-
drehung des Planeten her. Eine andere Erscheinung, die auch hiermit zu-
sammenhängt, ist die Streifenbildung. Die zahlreichen Streifen sind fast immer
mit dem Jupiteräquator parallel; wenn ausnahmsweise schräge Streifen (Fig. 3 u. 4)
auftreten, stellen sie sich nach kurzer Zeit mit den übrigen wieder parallel ein.
Die Lage der Jupiterstreifen kann daher für die Bestimmung der Stellung der
Rotationsaxe des Planeten benutzt werden. Aus seinen Messungen der Positions-
winkel der Streifen aus den Jahren 1891 bis 1908 findet Lohse, daß die Polar-
achse des Jupiter gegen einen Punkt des Nordhimmel’ gerichtet ist, dessen
Rekt. = 267°,30, Dekl. = + 64°,65 beträgt. Dieser "Punkt liegt im Sternbilde
des Drachen, in der Nähe des Sternes ¢, der also als „Polarstern“ des Jupiters
angesehen werden kann.
Die Anordnung der Jupiterstreifen zeigt eine gewisse Regelmäßigkeit.
Obgleich Prof. Lohse im Laufe seiner langjährigen Beobachtungen Streifen in
fast allen Breiten bis + 50° Breite gesehen hat, gibt es doch auf dem Jupiter
Jupiter mit schrägen Streifen
(nach Lohse).
Fig. 3. Fig. 4.
1904 Dezember 13. 6" 55” abends. 1906 Januar 15. 7? 8” abends.
gewisse Zonen, wo die Fleckentätigkeit am größten ist. Aus seinen 600 Mikro-
metermessungen, die hauptsächlich aus den Jahren 1891 bis 1909 stammen, findet
l.ohse, daß auf beiden Halbkugeln ausgesprochene Maxima von 8°, 20° und 30°
Breite vorhanden sind. Besonders die beiden Maxima in + 8° und — 8° Breite
sind sehr ausgesprochen; man sicht dort fast immer zwei kräftige Streifen von
rotbrauner Farbe, die die helle Äquatorzone begrenzen. Die großen Schwankungen
in der Lage der Streifen können nicht als Beobachtungsfehler erklärt werden;
sie müssen vielmehr durch langsame, dauernde Verschiebungen der Tätigkeits-
zonen bedingt sein.
Den Farbenänderungen der Streifen hat Prof. Lohse große Aufmerk-
samkeit gewidmet. Seine Beobachtungen bestätigen den Farbenwechsel von
rotbraun bis braungrau; auch die feuerrote oder dunkelrote Farbe der äquator-
nahen Ränder der beiden Hauptstreifen hat er erkannt. Der angebliche perio-
dische Farbenwechsel der Hauptstreifen wird entschieden widerlegt; überhaupt
scheint die Streifenentwicklung auf Jupiter nach Lohses Beobachtungen nur
durch die Tätigkeit im Innern bedingt zu sein.
— 23 —
Die größeren Streifen scheinen nach Lohses Beobachtungen jeder einen
bestimmten Fleckentypus zu besitzen. In der hellen Aquatorzone treten un-
geheuere weiße, eiförmige Wolken auf; in 20° bis 30° Breite sind dagegen kleine
hellglanzende Wölkchen sehr häufig, während der nördliche Äquatorstreifen
durch kleine tiefrote „Striche“ charakterisiert wird. Die großen eiförmigen
Hecke sind nur von kurzer Dauer, die kleinen Lichtpunkte können dagegen oft
jahrelang verfolgt werden. Auffallend ist es, daß beide Typen nach Lohses
Beobachtungen in gewissen Jahren wie 1882, 1894 und 1906 — also in der Nahe
der Maxima der Sonnenflecke — besonders häufig waren.
Bei der Berechnung seiner Fleckenbeobachtungen hat Prof. Lohse die
Positionen auf ein gewisses Normalsystem bezogen, das der Rotationszeit
Dh 55m 41° entspricht. Dieser Wert ist aus den älteren Beobachtungen des
„Roten Fleckes“ abgeleitet worden. Da die übrigen Flecke jedoch eine kürzere
Rotationszeit ergeben, eilen sie immer dem „Roten Fleck“ voraus, und ihre
jovigraphischen Längen nehmen daher fortwährend ab. Aus Lohses Flecken-
Der Schleier (1904 bis 1906)
(nach Lohse).
"së ee
Fig. 5. Fig. 6.
1904 Dezember 16. 6" 47™ abends. 1906 Februar 12. 6" 59™ abends.
beobachtungen ergeben sich nun folgende Mittelwerte der taglichen Bewegung
der verschiedenen Fleckentypen:
Fleckentypus Breite e H
Weiße Wolken . . . 0° — 8°16 3
Helle Flecken. . . . +8° `. — 6°05 3
Rote „Striche“ . . . +10° bis +15° = 9° 27 d
Lichtpunkte .... + 20° — 0521 5
Lichtpunkte ... . — 26° — 0°,55 11
Aus dieser Tafel ist zunächst ersichtlich, daß eine einfache Beziehung
zwischen der Geschwindigkeit und der Breite der Flecke nicht besteht. Prof.
Lohse meint jedoch, daß eine mathematisch ausdrückbare Abhängigkeit nach-
gewiesen werden könnte, wenn es gelingt festzustellen, zu welchen Schichten
der Gashülle die vorhandenen Fleckentypen gehören. Wenn man Flecken aus
allen Schichten zusammenfaßt, kommt man allerdings zu dem Schluß, daß ein
plötzlicher Sprung in der Rotationszeit zwischen 8° und 10° Breite stattfindet.
— 24 —
Besonders ist die große Geschwindigkeit der weißen Wolken in der
Äquatorzone auffallend. Diese Wolken machen in kaum 6 Wochen eine ganze
Reise um die Jupiterwelt, während die Lichtpunkte auf der südlichen Halbkugel
diese Reise erst in zwei Jahren vollführen. Wenn nun diese Wölkchen sich zu-
fällig in derselben Breite wie z. B der „Rote Fleck“ befinden, müssen sie alle
zwei Jahre über oder unter ihm vorbeigehen, und diese Vorübergänge dürften uns
wohl einen Einblick in die eigenartigen Verhältnisse des „Roten Fleckes~
gestatten.
Im Jahre 1901 bildete sich nun gerade in dieser Breite ein dunkler Fleck,
der sich nach und nach zu einem ungeheueren Streifen entwickelte. Es war die
berühmte „South tropical disturbance‘, die von den deutschen Beobachtern
kurz als „Schleier“ bezeichnet wird.
Diesen Schleier (Fig. 5 u. 6) hat Prof. Lohse seit 1004 verfolgt. Aus seinen
Beobachtungen geht hervor, daß der „Rote Fleck” während der Vorübergänge des
Schleiers unsichtbar wird. An seinem Orte sieht man einen grau-weißen Fleck,
während er sonst als schwach lachsrotes Oval erscheint. Auch hat Prof. Lohse
während der Vorübergänge mehrfach helle Punkte über dem „Roten Flecken“
gesehen. Er erklärt die Unsichtbarkeit des Schleiers in folgender Weise: Aus
dem „Roten Flecke“ strömen fortwährend heiße Gasmassen, welche die grauen
Massen des Schleiers erhitzen und teilweise auseinander treiben, bis sie sich auf
der anderen Seite des „Roten Fleckes* wieder kondensieren. Diese Auffassung
erklärt in ungezwungener Weise das Aussehen der Gegend des „Roten Fleckes*
während der Vorübergänge des Schleiers.
Die großen Störungen, welche Phillips u. a. in der Bewegung des Schleiers
gefunden haben, sind in Prof. Lohses Beobachtungen nur schwach angedeutet.
Dieses Ergebnis dürfte indessen auf der ungünstigen Verteilung der Potsdamer
Beobachtungen beruhen; in der Nähe der Vorübergänge führt Lohse überhaupt
nur drei Beobachtungen an, die er wegen ihrer großen Abweichung von den
übrigen als unsicher verwirft. Die Frage nach den Störungen des Schleiers
bezw. des „Roten Fleckes“ muß daher wohl noch als eine offene bezeichnet
werden. |
Den „Roten Fleck“ hat Lohse seit dem Jahre 1878 mit der größten Aus-
dauer verfolgt. Seine sorgfältigen Zeichnungen lassen verschiedene Phasen in der
Entwickelung des Fleckes erkennen. Im Jahre 1881 lag der „Rote Fleck“ in einer
hellen Zone. 1882 breitete der südliche Äquatorstreifen sich gegen Süden aus
und bildete eine merkwürdige Bucht am Ostende des „Roten Fleckes“. In den
Jahren 1883 bis 1884 bildete der Streifen eine dunkle Umrahmung um den
„Roten Fleck“, der im Innern einer „Bai“ zu liegen schien (Fig. 7 u. 8). In den
Jahren 1885 bis 1894 nahm die Gegend ihr altes Aussehen an, aber seit dem Jahre
1896 hat sich die „Bai“ aufs neue gebildet. Im Aussehen des Fleckes sind
ebenfalls große Veränderungen eingetreten. Im Jahre 1881 erschien er noch als
ein rötliches Oval. In der Folgezeit war er kaum zu erkennen; scine Farbe
war gelblich, in den späteren Jahren (nach 1895) sogar mattgrau. Der „Rote
Fleck“, besonders seine Osthälfte, erschien häufig mit hellen Flecken bedeckt,
seine Form war häufig unregelmäßig, ja bisweilen schien der ganze Fleck schräg
gestellt zu sein.
Die Bewegungen des „Roten Fleckes* hat Prof. Lohse sehr eingehend auf
Grund eigener und fremder Beobachtungen untersucht. Aus den Ergebnissen
dieser mühevollen Arbeit können wir hier nur die wichtigsten wiedergeben.
— 2735 —
Nach Lohse nahm. die jovicentrische Lange des „Roten Fleckes“ in den Jahren
1878 bis 1892 von 250° bis 0° ab. Dann kehrte der Fleck um und wanderte
gegen Osten, bis er 1901 eine Lange von 50° erreichte. Seitdem geht der Fleck
wieder gegen Westen; gegenwärtig befindet er sich in der Nähe des Null-
meridians. Die Bewegung des „Roten Fleckes* ist somit ganz unregelmäßig,
und kein mathematischer Ausdruck vermag seine rätselhaften Wanderungen
darzustellen.
Den neueren Anschauungen über den „Roten Fleck“ kann Lohse, wie er
sagt, nur mit Widerstreben zustimmen. Da er die Störungen des „Roten
Fleckes“ durch den Schleier — die bekanntlich die Grundlage der neueren Auf-
fassung bilden — nicht erkannt hat, so liegt allerdings für ihn kein Grund vor,
die alten Anschauungen aufzugeben. Nach Lohse befindet sich der „Rote
Fleck“ in den tieferen Schichten der Atmosphäre des Planeten; die heißen Gas-
massen, welche fortwährend vom „Roten Flecke“ aufströmen, treiben die über-
lagernden Wolkenstreifen auseinander und eröffnen uns somit einen Einblick
Der rote Fleck mit der Bai
(nach Lohse).
Sa IES ie. wn oe OPE 4. P
Fig. 7. | Fig. 8.
1883 Januar 31. 7° 30™ abends. 1883 Januar 31. 8" 28” abends.
ins Innere des Planeten. Diese Annahme erklärt sehr schön die Beständigkeit
der großen Einbuchtung, im südlichen Aquatorstreifen, welche den „Roten Fleck“
umschließt; auch wird dadurch das rätselhafte Verschwinden des Schleiers
während seiner Vorübergänge am „Roten Fleck“ in ungezwungener Weise
erklärt. |
Durch die neuesten Untersuchungen über den „Roten Fleck“ ist das ganze
Studium indessen wieder so in Fluß gekommen, daß es wohl vorläufig keinen
Zweck hat, auf den vorliegenden Tatsachen eine Jupitertheorie aufbauen zu
wollen. Die Hauptsache ist jetzt, daß die Jupiterbeobachtungen mit der größten
Ausdauer und Sorgfalt fortgesetzt werden. Bei den theoretischen Unter-
suchungen wird man aber immer auf die Beobachtungen aus den ersten Phasen
der Entwickelung des „Roten Fleckes“ zurückgreifen müssen. Aus dieser Zeit
besitzen wir sonst keine im wissenschaftlichen Sinne systematischen Beob-
achtungen, und Prof. Lohse hat daher durch seine 30 jährigen Beobachtungen
für die Jupiterforschung einen Beitrag geliefert, dem noch kein zweiter an die
Seite gestellt werden kann. one
— 276 —
über elektrische Strahlen.
Von Dr. W. Haken.
(Schluß.)
Inden wir somit über die Strahlen negativer Elektronen und positiver Ionen
eine genaue Kenntnis besitzen, während das Vorhandensein positiver Elektronen
noch unentschieden ist, so können wir uns von vornherein sehr wohl noch ver-
schiedene andere Strahlungsarten vorstellen, z. B. Strahlen von neutralen Atomen
und Molekülen oder negativen Ionen. In der Tat werden derartige Annahmen
durch die höchst bemerkenswerte Tatsache sehr nahe gelegt, daß beispielsweise
eine Strahlungsart der radioaktiven Substanzen, die «-Strahlen, nur dann nach-
weisbar ist, wenn ihre Geschwindigkeit oberhalb eines bestimmten Schwellen-
wertes liegt, es könnte also sehr wohl Körper geben, die dauernd eine materielle
Strahlung emittieren, ohne daß wir beim gegenwärtigen Stande der experi-
mentellen Forschungsmethode die geringsten Anzeichen für ihre Existenz haben.
Was speziell die Strahlung nicht elektrischer Teilchen betrifft, so hat das ein-
gehende Studium der Kanalstrahlen zu der Erkenntnis geführt, daß diese ihren
Weg teils als neutrale Moleküle teils als positive Ionen zurücklegen, indem
zeitweilig ihre positive Ladung durch das Zusammentreffen mit negativen
Elektronen kompensiert werden kann. Schon hieraus geht hervor, daß
die Verkettung eines negativen Elektrons mit einem positiven Ion zu
einem neutralen Molekül durchaus nicht immer eine sehr innige zu sein
braucht, es lassen sich vielmehr gewisse Übergangsformen zwischen der
völligen Lostrennung eines negativen Elektrons aus dem Atomverband
einerseits und seinem völligen Aufgehen in diesem andererseits denken.
Eine derartige Vorstellung hat nun neuerdings Righi zur Erklärung
verschiedener eigenartiger Vorgänge in Entladungsröhren unter Einwirkung
magnetischer Felder benutzt. Schon von Plücker, Hittorf und mehreren
anderen Physikern waren merkwürdige Entladungserscheinungen im Magnet-
felde beobachtet worden. Die Kathodenstrahlen zeigten einen spiral-
förmigen Verlauf, wenn das magnetische Feld in die Richtung ihrer ursprüng-
lichen Bahn fiel, gleichzeitig beobachtete man auch ein Lichtbündel, das sich
längs einer magnetischen Kraftlinie verteilte. Diese Erscheinungen glaubte
man zunächst einzig und allein den Kathodenstrahlen zuschreiben zu können,
die sich um die magnetischen Kraftlinien drehen müssen, wie sich ein strom-
durchflossener biegsamer Leiter um einen Magnetstab windet. Aber ver-
schiedene Untersuchungen von Birkeland und Villard ließen doch das Auf-
treten neuer Strahlungsarten als sehr wahrscheinlich erscheinen, wenn es ihnen
auch nicht gelang, ihren Charakter zweifelsfrei festzustellen. Diese Versuche
hat nun Righi weiter fortgesetzt und ist dabei zu sehr interessanten Resultaten
gekommen, die das Vorhandensein einer neuen Strahlenart, die er „magnetische
Strahlen“ nennt, im höchsten Maße wahrscheinlich machen.
Nach Righi entstehen diese Strahlen durch das Zusammentreten eines
positiven Ions und negativen Elektrons zu einem nach außen neutral er-
scheinenden System, und zwar so, daß beide kreisende Bewegungen umeinander
ausführen, und da die Masse eines Ions fast 2000mal so groß ist als die des
Elektrons, so wird die Bewegung ganz ähnlich der eines Planeten oder Kometen
um die Sonne sein (Fig. 10). Eine wesentliche Bedingung für das Zustande-
kommen und die Existenzfähigkeit dieser Doppelsternsysteme positives Ion-
— 27 —
negatives Elektron ist das Vorhandensein und die Starke eines magnetischen
Feldes, daher erhielten diese Gebilde den Namen magnetische Strahlen. Es
würde zu weit führen, auf die sehr umfangreichen Untersuchungen, die aus-
führlich in dem Werke Righi’s „strahlende Materie und magnetische Strahlen‘
im Verlage von Grimme & Tromel, Leipzig, geschildert sind, näher einzugehen,
nur die wichtigsten Ergebnisse möchte ich kurz hervorheben.
Wie wir bereits gesehen hatten, gehen von der Kathode E
nicht allein die Kathodenstrahlen aus, sondern auch rückläufige
positive Strahlen treten hier auf; es war daher zu erwarten, daß
sich unter der Wirkung eines magnetischen Feldes hier am ersten
die vermuteten Doppelsternsysteme würden bilden können. Eine
der zahlreichen Versuchsanordnungen Righis ist in Fig. 11
wiedergegeben. Die Kathode liegt bei B, die Anode bei D, E
ist der Elektromagnet, dessen Feld in weiten Grenzen verändert
werden konnte. JZ ist eine durch das metallene Gehäuse abcd
geschützte Platte, die von der Röhre isoliert mit einem Elektro- Fig. 10.
meter verbunden wurde. Wurde die Röhre nun bis auf '/,, mm
Quecksilbersäule evakuiert, B mit dem negativen, D mit dem positiven Pol einer
Influenzmaschine verbunden und die Stärke des magnetischen Feldes mehr und
mehr gesteigert, so tritt plötzlich außer den ge-
wöhnlichen Entladungserscheinungen ein neuer
Lichtstrahl auf, der bei noch größer werdender
magnetischer Feldstärke wieder verschwindet, und
dies sind nach Righi die magnetischen Strahlen.
Er suchte nun festzustellen, ob diese Strahlen-
gattung elektrische Ladungen mit sich führt, und
dazu diente die isolierte Aluminiumscheibe S.
Diese Scheibe wurde zunächst, als sie nur von
Kathodenstrahlen getroffen wurde, negativ aufgeladen, durfte jedoch keine Ladung
zeigen, wenn sie von den magnetischen Strahlen getroffen wurde Hierfür
fanden sich tatsächlich deutliche Anzeichen, so daß ihr neutraler Charakter
dadurch erwiesen und das von Righi gegebene Modell dieser Verkettung beide
Strahlenarten als tatsächlich existierend angesehen werden kann.
Die elektrischen Strahlen sind jedoch durchaus nicht an engbegrenzte, ab-
geschlossene Räume gebunden, sondern im Laufe der neueren Untersuchungen
fand man überraschender Weise deutliche Anzeichen für ihre Existenz auch
unter gewöhnlichen Verhältnissen, ein Befund, der speziell in den letzten Jahren
vollkommen sicher gestellt wurde. Und zwar waren es hier in erster Linie die
radioaktiven Erscheinungen, die zu diesem Ergebnis führten. Die radioaktiven
Substanzen verdankten ja dadurch ihre Entdeckung, daß sie ohne jeden äußeren
Einfluß eine Schwärzung der photographischen Platte bewirkten, mithin also
dauernd eine unsichtbare Strahlung emittieren mußten. Es zeigte sich weiter,
daß diese Strahlung eine außerordentlich durchdringende war: Körper, die das
sichtbare und ultraviolette Licht vollkommen aufhielten, bildeten für sie ab-
solut kein Hindernis. Die Figur 12 zeigt eine derartige Schwärzung einer
Platte, die in wenigen Minuten mit einem Radiumpräparat erhalten wurde.
Das Gewebe und die Schlüssel waren auf eine photographische Platte gelegt
und in eine Pappschachtel völlig lichtdicht abgeschlossen. Sehr deutlich zeigt
sich die verschiedenartige Durchdringungsfähigkeit für die beiden verschiedenen
£iektromelter d Eltktrome one?
Erde
eg
Sonde nag magn Strahlen
Fig. 11.
e 978 =
Stoffe. Diese Eigenschaft von auBerordentlich starker Durchdringungsfahigkeit,
war aber nur bei einer Strahlenart, den Röntgenstrahlen, bekannt, und so ver-
mutete man logischer Weise, daß die ausgesandte Strahlenart eine der Röntgen-
strahlung verwandte sei. Der elektrische Charakter wurde jedoch vor allem
durch ihre Wirkung auf das Elek-
troskop sicher gestellt. Denn nähert
man eine radioaktive Substanz
einem geladenen Elektroskop, so
fallen die Blättchen des Instruments
je nach der Stärke des verwandten
Präparats mehr oder weniger schnell
zusammen, das Elektroskop wird
also entladen. Diese entladende
Wirkung kann aber kaum anders
gedeutet werden, als daß die
Strahlung der Substanz die Luft
ionisiert, d. h. die neutralen Luft-
moleküle in positiv und negativ ge-
ladene Ionen zerlegt. Wird nun
- das Elektroskop beispielsweise po-
Fig. 12. sitiv geladen, so wird die positive
Elektrizität die negativen Luft-
-ionen anziehen, dadurch aber immer mehr den positiven Überschuß verringern,
also das Instrument mit der Zeit völlig entladen. Genau in derselben Weise
wirken aber auch die Röntgenstrahlen. Noch viel tiefer gelang es in das Wesen
dieser Strahlungsart einzudringen, als man, genau wie bei den Kathoden- und
Anodenstrahlen, den Versuch machte, sie durch elektrische oder magnetische
Felder zu beeinflussen. Und hierbei zeigte sich nun merkwürdiger Weise, daß
das tatsächlich der Fall war. Die schematische Versuchsanordnung ist in Fig. 13
wiedergegeben. Der Bleiklotz
B besitzt eine die radioaktive
Substanz enthaltende Höhlung;
infolgedessen geht ein dünnes
Strahlenbündel nach oben und
bewirkt bei der skizzierten
Stellung der photographischen
Platte eine vertikal verlaufende oi
Schwärzung. Erregt man ein KE
starkes Magnetfeld in der un- Fig. 13.
mittelbaren Nahe des Präparats
und wiederholt den Versuch, so sieht man, daß außer dem vertikalen
Strahlenbündel sich auch noch zwei seitliche auf der Platte abgebildet haben,
also ein sicherer Beweis, daß die angewandte Strahlung nicht einheitlich sein
kann, sondern aus mindestens drei verschiedenartigen Gruppen besteht. Stellt
man nun den Versuch in ganz derselben Weise unter Benutzung eines elek-
trischen Feldes an, so ergibt sich, daß ein Teil des Bündels von der positiv
geladenen Platte, Fig. 14, der andere von der negativen angezogen wird, ein
unabgelenkter Teil aber auch hier bestchen bleibt. Das sind aber ganz dieselben
Resultate, die wir bereits beim Studium der Kathoden-, Anoden- und Röntgen-
— 279 —
strahlen angetroffen haben. Die negativen Kathodenstrahlen wurden ja von der
positiven Platte, die positiven Anodenstrahlen von der negativ geladenen Platte an-
gezogen, die Röntgenstrahlen hingegen durch keine noch so starken magnetischen
oder elektrischen Felder abgelenkt. Demnach mußte man in diesem Falle an-
nehmen, daß hier ebenfalls diese drei Strahlenarten vorliegen, und zwar werden
merkwürdigerweise alle drei gleichzeitig von radioaktiven Substanzen emittiert.
Ganz ähnlich wie bei den in evakuierten Röhren erzeugten Strahlen wurde nun
auch hier das charakteristische Verhältnis EE
| Masse
sich in der Tat, daß die negative Radiostrahlung, die man ß-Strahlen genannt
hat, auch in dieser Beziehung den Kathodenstrahlen vollkommen entspricht,
die positiven Strahlen, «-Strahlen genannt, sich genau wie Anodenstrahlen ver-
halten, die y-Strahlen hingegen dieselben Eigenschaften wie die Röntgenstrahlen
aufweisen. Somit sind die radioaktiven Substanzen dadurch gekennzeichnet,
daß sie sowohl freie negative Elektronen, die #-Strahlen, als auch positiv
geladene Atome, die «a-Strahlen, aussenden, außerdem aber auch eine Art
Röntgenstrahlung, die y-Strahlung, ständig ohne jede äußere Energiezufuhr
abgeben. i
Doch sind diese drei radioaktiven Strahlenarten nicht nur durch die eben
skizzierte verschiedene Ablenkbarkeit durch magnetische und elektrische Felder
charakterisiert, sondern besitzen noch andere sehr charakteristische Unter-
scheidungsmerkmale in ihrem stark verschiedenen Durchdringungsvermögen.
Es ist in höchstem Maße wahrscheinlich, daß diese Radioelemente, wenigstens
gleich nach ihrer Abscheidung aus der Muttersubstanz, entweder nur «- oder
nur -Strahlen aussenden; die auftretenden y-Strahlen werden, wie man annimmt,
erst indirekt durch die $-Strahlen erzeugt, genau so wie auch die Röntgen-
strahlen erst ihre Entstehung dem Aufprall der Kathodenstrahlen auf. ein
Hindernis verdanken. Alle drei Strahlenarten üben jedoch die.schon erwähnte
entladende Wirkung auf ein Elektroskop aus. Speziell durch die große Ver-
feinerung dieser MeBmethode ist das Studium der radioaktiven Erscheinungen
zur heutigen Vollkommenheit gelangt. Holt man nun eine allein «-Strahlen ab-
gebende Substanz, beispielsweise Polonium, in ein Stück Papier, so bemerkt
man, daß die entladende Wirkung auf das Elektroskop vollkommen aufhört,
d. h. also, das Papier läßt die «-Strahlen nicht mehr hindurch. Unternimmt
man denselben Versuch mit einer f-Strahlen abgebenden Substanz, so tritt die
Entladung des Elektroskops in ungeschwächter Weise ein. Erst die Benutzung
dichterer Schichten hat eine Abnahme der Ionisationsfähigkeit zur Folge und
erlischt schließlich völlig. Aber auch wenn die -Strahlen bereits in der um-
hüllenden Materie vollkommen stecken bleiben, so gehen doch noch die
y-Strahlen, auch wieder völlig den Röntgenstrahlen ähnlich, durch die Hülle
hindurch und sind außerhalb dieser noch durch ihre Wirkung nachweisbar.
Erst bei wesentlicher Steigerung der Schichtdicke werden auch sie abgeschnitten.
So hat man zum Studium der einzelnen Strahlen durch diese verschiedene
Absorbierbarkeit ein recht bequemes Mittel in der Hand. Durch Einhüllen der
betreffenden Substanz in Aluminiumfolie von einigen Zehntelmillimetern Dicke
hält man die Wirkung der u-Strahlen völlig zurück, durch einen Mantel aus
etwa 5 mm starkem Blei schließt man auch die f-Strahlen aus; es bleiben dann
nur noch die etwa vorhandenen y-Strahlen übrig. Dabei ist noch zu bemerken,
daß ein prinzipieller Unterschied in der Art der Absorption zwischen den
untersucht, und es zeigte
— 2830 —
a-Strahlen einerseits, den $- und y-Strahlen andererseits, besteht. Auch sind die
«-Strahlen der einzelnen Radioelemente durch ganz bestimmte Reichweiten
charakterisiert, worauf hier jedoch nicht näher eingegangen werden kann.
Indem nun diese Strahlenarten ununterbrochen ohne jeden äußeren Energie-
ersatz von den radioaktiven Substanzen ausgesandt werden, und zwar mit einer
sehr beträchtlichen Geschwindigkeit, so leisten sie hierdurch eine ganz bestimmte
Arbeit. Die Energiemenge eines bewegten Körpers ist aber gegeben durch das
halbe Produkt aus seiner Masse und dem Quadrat seiner Geschwindigkeit, und
da man nun beide Größen bestimmen konnte, so läßt sich die von jedem a- und
6-Teilchen mitgeführte Energie berechnen; sie beträgt für die «-Strahlen etwa
: -10
DEELER EEN >» D .
100000 8 000 000 000 oder 1,25.10 PS., so besitzt ein
-15
«-Teilchen die Arbeitsfähigkeit von 1,25. 10 PS., also ungefähr von einer
tausendbillionstel Pferdekraft. Das ist nun ein ganz außerordentlich geringer
Betrag; bedenkt man jedoch, daß ein Milligramm Radium in jeder Sekunde
3400000 «-Teilchen erzeugt, so erhält man für die von einem Gramm Radium
4
100000 PS., also
eine immerhin recht beträchtliche Größe. Die Energie derselben Zahl von
-Teilchen ist um !/,, kleiner. Der bei weitem größte Anteil an der radioaktiven
Energie kommt also den a-Strahlen zu, etwa 80°/, der ge-
samten Leistung. Hierüber gibt das von Rutherford auf-
gestellte Schema eine sehr anschauliche Vorstellung (Fig. 15).
Infolge ihrer etwa 2000 mal größeren Masse überragen die
«-Teilchen trotz ihrer geringeren Geschwindigkeit die gleichen
an Arbeitsfähigkeit ganz wesentlich.
.Weiter stellte sich dann heraus, daß diese Energieabgabe der Radio-
elemente nicht ununterbrochen fortdauert, sondern allmählich, bei den einen
fast unmerklich langsam, bei den andern erheblich schneller abnimmt, daß
die gewaltige Produktion von Arbeit überhaupt Hand in Hand geht mit der Um-
wandlung der radioaktiven Elemente. Am besten wird dies wohl aus der Um-
wandlung klar, die das Radium selbst im Laufe der Zeiten erleidet. Ruther-
ford und Soddy beobachteten nämlich, daß das Radium ständig von einer
gewissen Gasart begleitet wäre, der sie den Namen Emanation gaben. Es gelang
diesen Forschern eine hinreichende Menge dieses Gases aufzufangen, um seine
Eigenschaften genauer prüfen zu können, und da zeigte sich dann, daß dieses
Gas vollkommen die Eigenschaften eines radioaktiven Körpers besaß, «-Strahlen
aussandte, fluorescierende Substanzen aufleuchten ließ, auch bei spektro-
skopischer Untersuchung ein ganz charakteristisches Spektrum zeigte. Dem-
nach können wir uns diesen radioaktiven Prozeß darstellen durch die Figur:
Aber die Radioaktivität dieses Gases blieb nicht konstant,
sondern nahm mehr und mehr ab, nach Verlauf eines Monats
war sie völlig verschwunden; gleichzeitig aber trat in dem
Gefäß ein neues Gas auf; es war Helium, wie das Spektro-
skop deutlich zeigte. Man wird nun zu der Annahme neigen, daß sich die
Emanation unter Verlust ihrer radioaktiven Eigenschaften in Helium umsetzt,
das ist jedoch nicht der Fall, denn man bemerkte bei näherer Untersuchung,
daß sehr wohl noch eine radioaktive Substanz in dem Gefäß vorhanden ist,
zwar nicht mehr in Gasform, sondern als fester Niederschlag auf den Wänden:
erg oder da lerg = ca.
pro Sekunde geleistete Arbeit den Betrag von 34000) erg oder ca.
Fig. 15.
we
—
Ra dium Fmanatı..
— 31 —
Sie wird Radium A genannt, die nächste Stufe in der weiteren Umwandlung
des Radiums Woher kommt aber nun das Helium? Diese Frage hat eine
ganz außerordentlich überraschende Beantwortung gefunden.
Wir wissen ja, daß Radium auch «-Teilchen ständig in großer Zahl abgibt
und hatten bereits geschen, daß die a-Strahlen vollkommen den positiven
| e
Anodenstrahlen entsprechen, also auch vor allem durch einen Wert von
charakterisiert sind, der keinesfalls größer als der des Wasserstoffes ist. Die
näheren Untersuchungen hierüber lieferten nun mit großer Übereinstimmung
das interressante Resultat, daß die «-Teilchen mit Massen begabt sind, die
genau der Masse eines Heliumatoms entsprechen, es sind positiv geladene
Heliumatome. Und diese Tatsache führte nun zu der weiteren Hypothese, daß
das bei der Umwandlung des Radiums auftretende Helium gebildet wird durch
die «-Strahlen, die ihre positive Ladung verloren haben. Durch diese An-
nahme wird aber unsere Einsicht in das Wesen der radioaktiven Prozesse ganz
außerordentlich erweitert. Denn wenn jedes Radiumatom einen a-Strahl aus-
sendet, mithin ein Heliumatom abgibt, so muß ja sein Atomgewicht um das des
Heliums sinken. Dieses beträgt aber 4, und somit können wir die Umwandlung
des Radiums jetzt symbolisch so andeuten u or. Helium Aus Radium mit
m ;
dem Atomgewicht 226 entstehen also zwei neue Elemente: die Emanation
vom Atomgewicht 222 und Helium. Aber wie wir gesehen haben, ist auch die
Emanation nicht beständig, sondern
setzt sich wieder in einen neuen
radioaktiven Körper um, auch de 3 Baie
wieder unter Verlust eines Helium- als SE + Br Ben A D)
atoms, und so geht es fort. Wir 4
sehen also, daß sich das Atom- Ze Lage ce ong Ge = radium X
gewicht in dieser Weise ständig F 13
um 4 verringern muß. Die Tabelle
gibt hierüber sehr deutlich Auf-
schluß; jedesmal wenn von einer S Sey Zeg Se? D. cl Pasties
radioaktiven Substanz a-Strahlen 83 Tage Ar Miederschiag eg: eme
ausgehen, verringert sich das Atom- sais Seco ert >
gewicht um 4 Einheiten. Vom Uran 7 engt 2
geht es über Radium und dessen FR 0) — ER
Umwandlungsprodukte bis zum Po- Hmmm Pama "Delt
lonium mit dem Atomgewicht 210. | tee EE e? S
Der nächste Schritt führt dann zu | 7 "ër
einem Körper, dessen Atomgewicht
uns wohl bekannt ist, es ist das Blei Eine direkte Umwandlung des Poloniums
hat sich bei der Kürze der bisherigen Beobachtungszeit in Blei noch nicht fest-
stellen lassen, doch haben sich sehr viele gewichtige Anhaltspunkte dafür
ergeben, daß tatsächlich im Schoß der Erde eine derartige Umwandlung seit
Millionen Jahren stattgefunden hat und dauernd stattfindet, doch würde es zu
weit führen, hierauf näher einzugehen.
Wir sehen also, eine wie tiefgehende Bedeutung den elektrischen Strahlen
bei diesen radioaktiven Umwandlungen zukommt, und es kann keinem Zweifel
hadivw f
Ee
— 299 —
unterliegen, daß man durch ihr weiteres Studium immer tiefer in viele uns einst-
weilen noch rätselhafte Vorgänge wird eindringen können. Speziell auf kos-
mischem Gebiete sind ja schon die ersten Anfänge mit überraschendem Erfolg
gemacht worden; die Theorie des Zeemanneffekts auf Grund der Annahme freier
Elektronen in den leuchtenden Gasen, deren Schwingungen durch magnetische
Felder beschleunigt bezw. verzögert werden, und somit die beobachtete Ver-
schiebung der Spektrallinien hervorbringen, und die Erklärung des Nordlichtes
durch elektrische Strahlen, die von der Sonne ausgehend in den obersten
Schichten der Atmosphäre diese eigenartigen Leuchterscheinungen erzeugen.
Doch ist speziell hierüber im „Weltall“!) bereits ausführlich berichtet worden,
sodaß ich hierauf nicht näher einzugehen brauche.
ee Gee me EEE
user |
Die Störungen des Roten Fleckes. Die starke westliche Bewegung des Roten Fleckes, die
neuerdings von J. Phillips entdeckt wurde, ist jetzt schon von anderen Beobachtern bestätigt
worden. Aus den Beobachtungen von Stanley Williams (6'/,zélligen Spiegel), Kritzinger (Ber-
liner 9 Zöller), Lau (8zölligen Spiegel) und Archenhold (Treptower 26 Zöller) ergeben sich im
Mittel für 1911 Mai 27. die Länge des Roten Fleckes zu 332%. Der Durchmesser des Roten Fleckes
beträgt noch immer 349; seine Ausdehnung scheint somit durch die starke Bewegung von mehr als
30° in nur 11 Monaten garnicht beeinflußt zu sein,
Wiliams findet, daß der Rote Fleck jetzt wieder rötlich geworden ist; auch der helle
„Kanal“, welcher ihn von den umgebenden Äquatorstreifen trennt, ist jetzt sehr hell und deutlich
geworden.
Nach Kritzingers Ephemeride („A. N.“ 4502) passiert der Rote Fleck den Centralmeridian
zu folgenden Zeiten (M. E. Z.):
1911 Juli 2.10" 36% Juli 11. 12" pp Juli 19. ob 35™ Juli 28. (Oh Am
4.12 15 12. 8 50 21. 11 14 29. 7 56
5. 8 7 14. 10 30 23. 12 53 31. 9 31
7. 9 40 16.12 9 24. 8 45 Aug. 2.11 10
9.11 19 1%. 8:1 26. 10 25 5. 8 41
Der „Schleier“ passiert nach den Treptower Beobachtungen den Centralmeridian 5 Stunden
vor oder nach dem Roten Fleck, also etwa zu folgenden Zeiten:
1911 Juli 1. 10" Juli 6. 9° Juli 18. ah Juli 27. 11”
3. 11 8. 10 20. 10 30. 9
4. 7 13. 10 22. 12 Aug. 1. 10
5. 13 15. 11 25. 10 4, 8
* Li
A
Beobachtung einer Feuerkugel. Die Mitteilung des Freiherrn E. von Hake in Heft 1 des
laufenden Jabrgangs über die Beobachtung einer Feuerkugel am 26. September 1910 veranlaßt mich
zu dem Bericht, daß am 27. September 1910 9" 52™ ebenfalls ein großes Meteor erschien, das
ich vom Bahnhof Charlottenburg-Berlin beobachtete. Ich bemerkte dasselbe erst wenige Sekunden
vor seinem Verschwinden. Sein sehr rascher Flug war von Süden nach Westen gerichtet, die Bahn
lag südlich des Sternes @-Aquilae. An Glanz die Helligkeit des Sirius übertreffend, war es weiß-
glutfarbig, zeigte keine Schweifbildung, verschwand aber unter Funkensprühen. G. von...
1) 9. Jahrgang. S. 120ff.
— 23 —
Komet Halley am 16. Mai 1910. :
Im Bulletin der Sternwarte zu Zö-se ver-
öffentlicht Chevalier die Ergebnisse der
Beobachtungen während des Vorüberganges
des Kometen Halley am 19. Mai 1910 Auf
der Sonnenscheibe konnte am Fernrohr
überhaupt nichts gesehen werden, obgleich
der Kern am 16. Mai 15“ groß war. Auf
den photographischen Aufnahmen sind in
der Nähe des großen Sonneufleckes noch
Poren von 1“ Durchmesser sichtbar, an der
bezeichneten Stelle des Kernes dagegen
nichts. Die magnetischen Beobachtungen
vom 17. bis 19. Mai ergaben nur eine fast
unmerkliche Störung während des Vorüber-
ganges.
Chevalier gibt die beistehende Abbildung
des Kopfes des Halleyschen Kometen am
16. Mai 1910, 4 Uhr morgens
(Man vergleiche die Abbildungen im
„Weltall“ J. 10, S. 340: Dr. F. S. Archen-
hold: ‚Der Halleysche Komet im Monat Mat 7)
Über die lonisation der Atmosphäre in
Jekaterinoslaw während des Durchganges des
Halleyschen Kometen schreibt I.v Kotelow e
in den „Verhandlungen der Deutschen
physikalischen Gesellschaft im Jahre 1911*,
daß ein Maximum der beobachteten Kurve
angenähert mit der Konjunktion des Kometen
mit der Erde zusammenfällt. Zum Schluß
sei noch darauf hingewiesen, daß auch A. Wigand in Halle mit dem Zerstreuungsapparat von
Elster und Geitel Störungen der Ionisation der Atmosphäre beobachtet hat während derselben
Zeit, wie in Jekaterinoslaw; ferner hat Prof. Amaduzzi nach Angabe von Prof. A. Righi ebenfalls
mit dem Elster-Geitelschen Apparat die Störungen der Ionisation erhalten Ein solcher Parallelismus
der Störung der Ionisation der Atmosphäre in Bologna, Jekaterinoslaw und Halle an drei sowohl
klimatisch wie topographisch so verschiedenen Punkten gibt uns einiges Recht, für diese Erscheinung
eine Ursache der kusmischen Natur zu vermuten und sie folgerecht der Ladung durch den Halleyschen
Kometen zuzuschreiben. F.S. Archenhold.
* x
*
Kopf des Halleyschen Kometen
16. Mai 1910, 45 morgens.
8 Ernennungen.
Professor Dr. S. Oppenheim, der bisher als Privatdozent für Astronomie an der deutschen
Universität und gleichzeitig als Professor an der Staatsrealschule in Prag gewirkt hat, ist zum
ordentlichen Professor der Astronomie an die Universität in Wien berufen worden. Prof. Oppen-
heim ist am 15. November 1857 zu Braunfels in Mähren geboren. Er arbeitete von 1881—1887 an
der Universitäts-Sternwarte und dann als Observator an der Kuffnerschen Privat-Sternwarte in
Wien. Seit 1902 wirkte er als Privatdozent an der Prager Universität mit dem Titel eines auber-
ordentlichen Professors. In den Astronomischen Nachrichten hat er die Bahnbestimmung der
Kometen 1846 VIII, 1881 VIII und 1886 IV angegeben. Auf der Kuffnerschen Sternwarte hat er
hauptsächlich Planeten und Kometen beobachtet und auch die Rotation und Präzession eines
flüssigen Sphäroides veröffentlicht.
Der ordentliche Professor für Vermessungskunde an der Technischen Hochschule in Aachen
Dr. Richard Schumann ist als ordentlicher Professor für höhere Geodäsie und sphärische
Astronomie an der Technischen Hochschule zu Wien ernannt worden.
ME
Ke,
An
Annuaire astronomique pour 1912. Publie par G. Lecointe Das kleine Jahrbuch der
Brüsseler Sternwarte gibt auf 467 Seiten außer den gewöhnlichen Ephemeriden von Sonne, Mond,
Planeten, Fixsternen, Finsternissen, Sternbedeckungen, Gezeiten, einer umfangreichen Sammlung von
astronomischen und magnetischen Tafeln eine sehr wertvolle Übersicht der Fortschritte der Astronomie
und der Astrophysik im Jahre 1909 von Prof. Stroobant. Es werden behandelt: die Untersuchungen
über die Sonne ıFleckentätigkeit, Spektralanalyse Korona, Sonnenparallaxe), die großen Planeten
(Mars, Jupiter, Trabantenentdeckungen), Kometen (darunter ein 65 Seiten fassender Bericht über den
Halleyschen), Fixsterne (neue Kataloge, Entdeckungen von Veränderlichen, spektroskopische und
visuelle Doppelsterne, Sternfarben, Absorption im Weltraume, Parallaxen, Eigenbewegungen, Stern-
haufen) und Geodäsie (Polhöhenschwankung).
* *
®
Stavenhagen, W., Hauptmann a. D (Berlin), 1. Zur Fertigstellung der Karte des
Deutschen Reiches. 1:100000. Sonderabdruck aus „Danzers Armee-Zeitung“ 1911. Wien, Druck
und Verlag Helios 1911. Preis geh. M. 0,50.
Derselbe. 2. bie Karte und der Kavallericoffizier. Sonderabdruck aus „Kavalleristische
Monatshefte“. Wien, Druck und Verlag Helios 1911. Preis geh. M. 0,50. |
Derselbe. 3. Ueber die Bedeutung der Militärgeographie. Sonderabdruck aus: „Danzers
Armee-Zeitung‘‘ 1910. Wien, Druck und Verlag Helios. 1910. Preis M. 0,50
Diese drei bemerkenswerten Themen zeigen in ihrem Inhalt die vielseitige Wirksamkeit des
Herrn Verfassers auf dem von ihm wieder neu angeregten wichtigen Gebiet der Militär-
geographie sowie auf dem der Kartograpbie, und sie bieten auch für dieLeser unserer Zeitschrift manches
Interessante. Die genannten beiden Wissenschaften benutzen auch die Astronomie als Hilfsmittel für
militärische und geodätische Zwecke. Siehe auch W. Stavenhagen: „Über Himmelsbeobachtungen
in militärischer Beleuchtung“. 2. verbesserte Auflage. Taschenformat, Heft 17 unserer Sonderhefte.
Preis M. 1,50. i $ *
Bei der Redaktion cingegangene Bücher.
Giese, Fritz, Die Lehre von den Gedankenwelten Brosch. M. —.80.
Sigerus, Robert, Die Telepathie, Telästhesie, Telenergie, Mentalsuggestion,
magische Gedankenubertragung usw. — Gemeinverstandl Studie über Geschichte, Wesen, Auf-
treten, Erklärung und Wichtigkeit der telepathischen Vorgänge. Brosch. M. 2. —.
Mitraton, Gott-Menschentum. Den Freien und Führern gewidmet. Brosch M. —,50.
Leipzig, sämtlich aus dem Verlag von Max Altmann, 1910. É
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Neu erschienene Kataloge.
1. Gustav Heyde, mathem.-mechan Institut und optische Präzisions-Werkstätten, Dresden-A.
Friedrichstr. 18. Preisliste V. Teil-Maschinen und Hilfsinstrumente.
In diesem Katalog befindet sich eine eingehende Beschreibung der selbsttätigen Kreis-Teil-
maschine nach dem System von Gustav Heyde mit erläuternden Figuren des vertikalen und horizontalen
Reisserwerkes, der selbsttätigen Ausschaltvorrichtung. sowie der Zahlen-Schreibapparate. Ebenso
interessiert die Abbildung des Apparates zur Untersuchung geteilter Kreise, welche nach Angaben
von Professor Dr. Bruns konstruiert worden ist, wie auch ein Apparat zum Aufziehen von Spinn-
faden auf Diaphragmen für Fernrohre.
2. C. A. Steinheil Soehne, optisch-astronomische Werkstätte, photographische Objektive,
optische Hilfsapparate, München, Theresienhöhe Nr. 7.
Der neue Katalog behandelt photographische Objektive, u. a.: Serie Triplar 1:3, 8, Unofocal
1:4, 5, Orthostigmat 1:6. 8, neue lichtstarke Orthostigmat-Sätze und unter seinen optischen Hilfs-
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werfer mit Zeiß-Spiegel. Berlin, Friedrich-Karl-Ufer 2-4.
4. Emil Busch, A-G., „Lichtbild“, Optische Industrie. Rathenow. Preisliste für Projektions-
Objektive: Objektive für Vergrößerungs-Apparate, Kondensoren
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
DAS WE LIAL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte
Herausgegeben von
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 19. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Erstes Juliheft).
Berlin-Treptow.
Diese Zaischrifli erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Trepiow-Sternwarte, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post-
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pig. — Anseigen-Gebtihren: 1 Seite 80.— MR., h Seite 45.—
LU, Seile 25.—, (Uh Seite 15.—, lhg Seile 8.—. Bei Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewicht
INHALT
1. Tiefenunterschiede von Sonnenflecken zusammen- 3. Der gestirnte Himmel im Monat August 1911. Von
gesetster Gruppen und andere Ausbruchserschei- Dr. F. S. Archenhold . . . . 2. 2 2 2200. 296
nungen der Sonne. Von Wilhelm Krebs, Großflollbek 285 4. Bücherschau: Bei der Redaklion eingegangene
2. Der Ursprung des Sexagesimalsystems. Von Dr. Bücher. rn 300
F. S. Archenhold . . . . 2» 2 2 ww te we ee ‘e 294
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet.
Giefenunterschiede Yon Sonnenflecken zusammengesetater Gruppen
und andere Ausbruchserscheinunden der Sonne.
Von Wilhelm Krebs, Großflottbek.
Br neue Errungenschaft der Photographie ist die stereoskopische und
photogrammetrische Feststellung von Tiefenunterschieden beobachteter Er-
scheinungen. Auf der Grundlage von Abschnitten der Erdbahn hat sie sich
auch in den Weltenraum gewagt. Die Stereogramme von den der Erde näheren
Außenplaneten, die cinem der Schöpfer jener neuen Methoden, Dr. K. Pulfrich
in Jena, zu danken sind, dürfen wohl auf allgemeine Bekanntheit rechnen. Ähn-
liches ist von Dr. Pulfrich selbst und ferner von dem Besitzer der Sonnen-
warte zu Kassel, Herrn E. Stephani, mit der Sonne versucht worden. Tat-
sächlich stellte sich, bei gleichzeitiger Betrachtung von ungefähr um Tages-
frist auseinanderliegenden Bildern, der Sonnenball in plastischer Rundung dar.
Vor allem ließen die Flecken mancher Gruppen Tiefenunterschiede erkennen.
Doch vermochte Professor M. Wolf in Heidelberg solche Tiefenunterschiede
stercoskopisch auch an Fixsternen festzustellen, die eine starke relative Orts-
veränderung besitzen'). Die Meinung wiegt deshalb in fachastronomischen
Kreisen noch vor, daß jene Tiefenunterschiede zwischen Sonnenflecken eben-
falls nur scheinbar sind, und daß sie von einer selbständigen oder vielmehr
einer von der Regel abweichenden Bewegung einzelner Flecken herrühren.
Professor M. Wolf ist, wie er mir bei Gelegenheit einer auf der Naturforscher-
versammlung 1907 zu Dresden verstatteten Unterredung versicherte, allerdings
selbst nicht dieser Meinung. Bei Sonnenflecken ist er geneigt, tatsächliche Tiefen-
unterschiede zuzugeben.
1) „Astronomische Nachrichten“, Kiel, Nr. 4101.
— 286 —
Die Streitfrage beschäftigte mich selbst aus einem besonderen Grunde.
Wiederholt war mir, schon bei mäßiger teleskopischer Vergrößerung von Flecken-
gruppen, der Eindruck geworden, die Flecken lägen in verschiedener Höhe.
Erklären kann ich ihn höchstens daraus, daß meine Augen in besonders hohem
Grade farbenempfindlich sind. In dieser Beziehung sei gestattet, auf meine
Beobachtung an der grünen Strahlung und ferner von Blitzfärbungen hinzu-
weisen, von denen die ersteren aus der Meteorologischen Zeitschrift in Professor
S. Günther’s Handbuch der Geophysik übergegangen sind’). Durch die
stärkere Absorption in tieferen Schichten der Atmo- oder Chromosphäre der
Sonne stellen sich bei verschiedener Tiefenlage zweifellos auch Färbungsunter-
schiede gleichmäßig abgeblendeter Sonnenflecken ein.
Der Eindruck drängte sich zunächst dann auf, wenn die Flecken benach-
barter Gruppen in Doppelreihen standen, deren eine gleichmäßig tiefer als die
andere zu liegen schien. Das war in sehr ausgeprägter Weise der Fall am
Vormittage des 22. Januar 1904. Ich beobachtete damals eine solche Doppel-
reihe in mittleren Südbreiten der Sonne. Die Doppelreihe wurde gebildet
von drei in einer Linie nebeneinander stehenden Fleckengruppen, deren öst-
lichste und mittlere je drei, deren westlichste je zwei kräftige Flecken erkennen
ließ. Die Flecken der einen Querreihe verhielten sich für meine Augen sehr
deutlich zueinander wie die Wurzeln zu den Gipfeln von Bäumen oder wie
Krater zu über ihnen schwebenden Ausbruchswolken oder wie die unteren zu
den oberen Enden von Schuß- oder Einschlagskanälen. Der Eindruck war so
überzeugend, daß, entsprechend dem Grundsatz: Direkte Beobachtung geht
über die Theorie — ich mich versucht fühlte, trotz Einstellung des Okulars auf
Unendlich, die beim Mikroskopieren übliche Suche nach verschiedenen optischen
Ebenen anzustellen. Zwei am gleichen Vormittage an das Fernrohr gebetene
Mitglieder der Deutschen Seewarte, mit
deren kleinen Refraktoren jene Beob-
achtung gemacht worden war, vermoch-
ten allerdings verschiedene Höhenlagen
der beiden Fleckenreihen nicht zu er-
kennen. |
Noch überzeugender stellte sich
bei der einfachen teleskopischen Beob-
achtung der Eindruck von Tiefenunter-
schieden heraus, wenn sich zusammen-
hängende, streifige Partien von Flecken-
Abb. 1. substanz, durchsetzt von Fleckenreihen,
Größte Sonnenfleckengruppe von 1908, Aug. 7, über andere, mehr oder weniger flächen-
7 M.E.Z. Nach teleskopischer Beobachtung haft ausgebreitete Partien legten. In
zu Großflottbek gezeichnet im Maßstab 1 mm = b Ta; ;
4700 km von Wilhelm Krebs. esonders ausgeprägter Weise trat dieser
Eindruck entgegen an den großen
Fleckengruppen der ersten August- und der zweiten Novemberwoche 1908.
Abb. 1 gibt eine Zeichnung wieder, die bei direkter, mit etwa 40facher Ver-
größerung ausgeführter Fernrohrbeobachtung entworfen ist. Sie betraf die
westlichste und größte der Sonnenfleckengruppen vom 7. August 1908 gegen
7 Uhr MEZ. vormittags. Für den Nachweis der Tiefenunterschiede genügt der
W.
') A. a. O., Stuttgart 1899, Bd. 2, S. 145, 161.
— 237 —
an zwei Stellen sehr deutliche Zusammenhang der «-förmig gekrümmten
Schlieren (Abb. 2 a und b.) Es kommt dabei nicht darauf an, ob diese Schlieren
die übrige Fleckenmasse verdecken oder ob sie umgekehrt von ihr verdeckt
werden. Doch spricht der Augenschein sehr für den ersteren Fall, also für ein
Herausschießen der Schlieren aus der Photosphäre nach außen, wenn nicht für
ein Hineinschießen von außen. |
Der große, exzentrisch umhofte Fleck, in dem bei b die südöstliche, und die
gerundete kleine Fleckengruppe, in der bei a die nordwestliche dieser Schlieren
endeten, wurden ganz augenscheinlich von der Sonnenoberfläche aus in den
Weltraum geschleudert, fast parallel dem Äquator der Sonne. Sie vollführten
beide dabei eine Rotation, vermutlich durch den schlierenförmigen Schweif, den
sie hinterließen. Diese Rotation führte von Norden über Osten nach Süden.
Für die Südhalbkugel, der die ganze Gruppe angehörte, war sie deshalb deutlich
zyklonal, während sonst an Sonnenflecken antizyklonale Rotationen häufiger
sind. Es liegt nahe, jene von dieser Regel abweichende Rotationsrichtung mit
einer Ausbruchnatur der Schlierengebilde in Zusammenhang zu bringen. Denn
nach neueren Beobachtungen an Erdkatastrophen haben sich antizyklonale
Wirbeltendenzen mit Einbrüchen, zyklonale mit Ausbrüchen oder Aufstauchungen
verbunden erwiesen!). Für die ungewöhnliche Heftigkeit der Sonnentätigkeit,
die auch demnach wohl vulkanisch als Ausbruchstätigkeit zu erklären ist, sprach
in der gleichen Epoche das Schicksal der Fleckengruppe selbst. Es spielte sich
unter der Kontrolle menschlicher Beobachtung ziemlich vollständig auf der dies-
seitigen Halbkugel des Sonnenballes ab. Der Direktor der Sternwarte von
Cartuja, Pater R.Garrido, bringt über die Sonnenfleckengruppe im Doppelhefte
9/10 des „Bulletin de la société belge d'astronomie“ 1908 neben einer Photo-
graphie vom 7. August eine Mitteilung, deren wichtigste Sätze in getreuer Über-
setzung lauten:
„Am 30. Juli stellte sie sich vor in der Form eines doppelten, geteilten
Fleckes Von da an entwickelte sie sich mehr und mehr. Ihre Ausdehnung
beim Kreuzen des Mittelmeridians betrug etwa 0,001161 der ganzen Halbkugel.
Von diesem Tage an verkleinerte sie sich mehr und mehr, um schließlich
nicht mehr als ein nebelhafter Kern zu sein bei ihrem Verschwinden.“
Diese letzte Bemerkung erscheint zwar nach meinen eigenen Beobach-
tungen etwas übertrieben. Am Vortage des Entschwindens, dem 10. August 1908,
vermochte ich selbst noch 15 Flecken in dieser Gruppe zu zählen. Auch kehrte
seit dem 25. August, diesseits des östlichen Sonnenrandes sichtbar, in ungefähr
der gleichen heliographischen Lage ein ansehnlicher, mehrkerniger Fleck wieder,
der vom 29. August an durch Schlierenausbrüche wieder eine Gruppenbildung
einleitete. Aber die starke Abnahme der Gruppe nach dem 7. August kann auch
ich bestatigen. Sie ging ferner hervor aus der Reihe photographischer Auf-
nahmen der Herren Stephani und Henze, die von dem erstgenannten auf der Ver-
Sammlung deutscher Naturforscher und Arzte zuCöln inLichtbildern gezeigt wurden.
Es lag demnach ein neuer Fall vor der raschen Zerstörung einer großen Sonnen-
fleckengruppe durch ungewöhnlich gesteigerte Sonnentätigkeit, die, unabhängig
1) Vgl. W. Krebs, Das Erdbeben vom 14. Januar 1907 und seine Begleiterscheinungen, „Das
Weltall“, Jahrg. 9, S 103. Derselbe über Ausbruchserscheinungen auf der Sonne in „Ver-
handlungen Deutscher Naturforscher etc. zu Salzburg“ 1909 II, I, S. 24, in „Physikalische Zeitschrift“
11, S. 241, in Dr. Völler’s „Natur und Kultur“ VII, S. 678 u. fgde. über Drehungsgesetz bei Wirbeln
in „Physikalische Zeitschrift“ 10, S. 1022.
— 238 —
von der Zerstérung selbst, aus besonders auffallenden Vorgangen erschlossen
werden konnte. — Einen früheren, sehr ähnlichen Zusammenhang, vom 17. Juli
1907, hatte ich selbst auf der gleichen Versammlung mitgeteilt. Die auffallenden
Abb. 2.
Schematische Darstellung der Vorgänge der Sonnentätigkeit am 17./18. Juli 1907.
Oben: Aufnahme der Sonnenflecken zu Großflottbek 1907, Juli 17., 2" 40” bis 50" MEI Am Rande
die nach der spektrographischen Aufnahme zu South Kensington zusammengestellten Ring-
systeme am gleichen Tage, 1907, Juli 17., 4" 24™ M.E. Z.
Unten: Aufnahme der Sunnenflecken zu Großflottbek 1907, Juli 18, 12" 45" bis 1? M.E.Z.
— 239 —
Vorgänge waren hier nicht allein Wirbelerscheinungen innerhalb einer cbenfalls
überaus großen Fleckengruppe, sondern vor allem auch die in South Kensington bei
London und auf Mount Wilson in Nordamerika spektrographisch aufgenommenen
Ringsysteme aus photosphärischem Material, die von mir im „Archiv für Optik“
1908 beschrieben sind. Über den Südostrand der scheinbaren Sonnenscheibe
hinaus projizierten sie sich bis zur Entfernung von mehr als 5‘, also mehr als
200000 Kilometer, eine Höhe, die durch die wahrscheinliche Annahme einer
Elevation des Ausbruchs aus der optischen Ebene dieser Scheibe schon verviel-
facht wird. (Abb. 2a.)
Eine weitere, sehr große Wahrscheinlichkeit besteht aber dafür, daß der
Herd dieses ungewöhnlichen Sonnenausbruches nahe der scheinbaren Sonnen-
mitte, doch noch im gleichen südöstlichen Quadranten der Scheibe lag. Denn
hier befand sich an dem denkwürdigen 17. Juli 1907 jene riesenhafte Sonnen-
fleckengruppe mit deutlichen Anzeichen von Wirbelbewegungen. Es war tat-
sächlich diejenige Gruppe, die seit der vorhergehenden 26tägigen Epoche des
Juni 1907 die Stelle höchstgesteigerter Tätigkeit auf der Sonne markiert hatte,
wenn anders ein Signal maximaler Art auf ein Maximum dieser Tätigkeit zu
schließen gestattet. Dazu kam endlich und vor allem dasselbe, was der Flecken-
gruppe vom 7. August 1908 geschehen ist. Anstatt der großen Fleckengruppe
des 17. Juli 1907, gelangte am 18. Juli 1907 ein Gebilde zur Beobachtung, das
nur noch aus dem großen Kopffleck jener Gruppe und sonst lediglich aus
einigen strichartig angeordneten Reihen kleiner Flecken und Poren bestand.
Die große Fleckengruppe des 17. Juli 1907 war demnach einer weitgehenden
Zerstörung verfallen. Diese Zerstörung geschah innerhalb Tagesfrist, genauer
innerhalb der 22 Stunden, die zwischen der Aufnahme des 17. und des 18. Juli
1907 lagen. Sie entfiel in den gleichen Zeitraum, in dem auch jene seltsamen
Ringerscheinungen photosphärischer Herkunft zur spektrographischen Aufnahme
gelangt waren. Es liegt außerordentlich nahe, die beiden ungewöhnlichen Er-
eignisse in inneren Zusammenhang zu bringen. Dann enthüllt sich aber dieser
Vorgang der Sonnentätigkeit als eine Ausbruchserscheinung ganz ungeheuer-
licher Art. Die sichtbare Reichweite dieses Ausbruches darf auf 1 bis 2 Mill.
Kilometer eingeschätzt werden, wenn als Herd der Ringbildung die in der Bild-
ebene 700000 bis 900000 Kilometer entfernte Stelle der Sonnenfleckengruppe und
außerdem noch eine angemessene Elevation, aus der Bildebene heraus, ange-
nommen wird.
Die Größenordnung einer solchen, den Sonnendurchmesser übertreffenden
Reichweite, bei Sonnenausbrüchen aus der Photosphäre, verliert an Unwahr-
scheinlichkeit schon bei Berücksichtigung der Koronastrahlen zur Zeit ge-
steigerter Sonnentatigkeit. Bei der Beobachtung der Sonnenfinsternis des
30: August 1905 wurde zu Suk Ahras cin solcher Strahl bis zum vierfachen des
Sonnendurchmessers, also auf mehr als 5,5 Millionen Kilometer, verfolgt. In
meinem, im Juniheft 1906 der „Deutschen Rundschau für Geographie und Sta-
tistik“ veröffentlichten Berichte über die hamburgischen Unternehmungen zur
Beobachtung dieser Sonnenfinsternis habe ich, in Übereinstimmung mit
Dr. M. W. Meyer, der ähnliches damals in Assuan beobachtet hatte, diesen
Koronastrahl in Zusammenhang gebracht mit einer beschränkten Stelle erhöhter
Sonnentatigkeit, die am Südostrande durch einen Sonnenfleck signalisiert war.
Aber auch im eigentlichen Bereiche der Photosphäre selbst findet sich An-
halt für die Möglichkeit von Sonnenausbrüchen so ungeheurer Art. Im „Archiv
— 2900 —
der Optik“ 1908 und in Nr. 4267 der „Astronomischen Nachrichten“ habe ich
Berechnungen veröffentlicht über Tiefenunterschiede der Sonnenflecken einer
Gruppe, die am 4., 5. und 6. Juli 1906 auf der diesseitigen Hälfte des Sonnen-
balles in ihren mittleren Längen vorüberzog. Sie erstreckten sich über acht
Fleckenstellen einer sehr ausgebreiteten Gruppe, die von Tag zu Tag in ost-
westlicher Richtung näher aneinander oder weiter auseinander rückten. Daß
diese relativen Eigenbewegungen auf die perspektivischen Folgen von Tiefen-
unterschieden zu deuten seien, dafür sprach schon der einheitliche stereosko-
pische Eindruck, den ein vom 4. und 5. Juli zusammengestelltes Bilderpaar her-
vorrief. Es war ein Verdienst des eingangs erwähnten Herrn E. Stephani,
zuerst auf diesen stereoskopischen Eindruck hingewiesen zu haben. Die end-
gültigen Messungen und Berechnungen wurden freilich nicht an den scharfen
aber kleinen Photographien Herrn Stephani’s, sondern an den ungleich
größeren Solar Transparencies des Greenwich Observatory vorgenommen,
die von diesem mit höchst anerkennenswerter Liberalität zur Verfügung ge-
stellt wurden. Beiden Stellen, dem Greenwich Observatory und der Kasseler
Sonnenwarte, sei auch an dieser Stelle für die gelieferten wertvollen Materialien
der schuldige Dank abgestattet.
Die Tiefenberechnung ging von der naheliegenden stereographischen Be-
trachtung aus, daß die Unterschiede der Fleckenentfernung von einer Tagfahrt
zur anderen in festem Verhältnis zu einer verschiedenen Höhenlage der Flecken
stehen müsse, Das Verhältnis muß ferner mit dem übereinstimmen, in welchem
die inzwischen von der Erde zurückgelegte Wegstrecke zu ihrer Entfernung von
der Sonne stand.
Geometrisch läßt sich dieser Vergleich durch Abb. 3 ausdrücken, arith-
methisch durch die Proportion o:H=S:E. In ihr bedeutet e den zwischen
jedem Paare von Flecken durch Messung festgestellten Unterschied ihrer Ent-
S
Wës 2
kee,
Æ
Abb. 3.
fernungen, H den gesuchten Tiefenunterschied, S die von der Erde zurückgelegte
Strecke, E die Entfernung der Erde von der Sonne, angesetzt zu 149,5 Millionen
Kilometer. Von diesen Werten sind, außer E, S und o bekannt, weil sie durch
Messung oder Berechnung direkt bestimmt werden können. Der gesuchte
Tiefenunterschied je zweier Sonnenflecken der Gruppe ergibt sich demzufolge
E /
/S.
Die Benennung der Fleckenstellen ist gemäß der folgenden Zusammen-
stellung gewählt:
f e d
aus der Formel H = ø
— 291 —
Von ihnen war der nordwestliche Fleck a nicht allein durch seine Größe
ausgezeichnet; er war auch der älteste Fleck der Gruppe, die sich erst in den
Tagen des Vorüberganges, vom 2. Juli 1906 an, entwickelt hatte. Er war
drittens der einzige Fleck, neben g oder A, der bei der Verabschiedung am
westlichen Sonnenrande, am 10. Juli 1906, noch sichtbar blieb. Man hat ein
Recht, ihn schon aus diesen Gründen als Hauptfleck der ganzen Gruppe zu be-
zeichnen. Sehr bedeutsam muß es deshalb erscheinen, daß die stereo-
graphische Berechnung bei beiden bearbeiteten Tagfahrten von 1906 Juli 4./5.
und 5./6., ihn als den tiefstgelegenen Fleck der ganzen achtstelligen Gruppe aus-
wies. Wegen der Berechnung selbst verweise ich auf die erwähnten Veröffent-
lichungen, besonders auf die im „Archiv für Optik“ 1908. In der folgenden
Tabelle sind nur die Endergebnisse zusammengestellt, die Niveaulagen der
sieben Fleckenstellen b bis A über jenem als Hauptfleck charakterisierten
Sonnenfleck a. Die einzige Abweichung, bei A in der ersten Reihe, wird hin-
reichend erklärt durch den Einfluß der Perspektive bei diesem, am 4. und
5. Juli noch sehr nahe dem Ostrand stehenden Sonnenfleck, der erst am
5. Juli annähernd in das Niveau der mittleren Sonnenlängen emportauchte.
Niveauhöhen der kleineren Sonnenflecken über a
in 1000 Kilometern.
Flecken berechnet 1906, Juli 4./5. 1906, Juli 5./6. H-Zunahme
aus H H vom 4./5. zum 5./6.
b ab 1881 1117 — 104
e be 1215 1718 503
d cd 970 1421 451
f af 730 237 — 493
£ ce 427 | 770 343
C bc 249 D33 25-4
h gh — 50 178 228
a — 0 () —
Die größte dieser Höhen H, die von bübera, reicht also nahe an 2 Millionen
Kilometer heran. Die kleine Abnahme, die sie aufweist, um 104000 Kilometer,
etwa 6 Prozent, fällt in Betracht der Fehlerquellen wenig ins Gewicht. Sie kann
auch dynamisch aus dem Widerstreit zwischen Wurfkraft und Massenanziehung
erklärt werden. Größer ist die Abnahme bei f, um 493000 Kilometer, nahezu
10 Prozent der Höhe bei der ersten Tagfahrt. Aber bei f, als dem westlichsten
Fleck der ganzen Gruppe, kommt dieselbe starke Fehlerquelle der Perspektive
wie bei dem Ostlichsten Fleck A, natürlich umgekehrt, zur Geltung. Bei der
sehr symmetrischen Lage der drei Tagesbilder, vom 4, 5. und 6. Juli, zum
Mittelmeridian erscheint es statthaft, eine durchschnittliche Höhenzunahme der
sieben Flecken über a zu ermitteln. Sie ergibt sich zu 202000 Kilometer oder
23 Prozent.
Bei so außerordentlich großen Niveauverschiedenheiten, besonders wenn
ihnen Ausbruchserscheinungen oder überhaupt rasche Änderungen der Niveau-
lagen zugrunde liegen, muß berücksichtigt werden, daß rotierende Gegenstände,
in höhere Niveaus gelangt, langsamer, in tiefere Niveaus gelangt, schneller
fortschreiten, als das dortige Rotationsmoment erfordert. Ausbrüche und
— 292 —
Rotation bieten die wahrscheinlichste Annahme fiir die oben rechnerisch fest-
gelegten Höhenunterschiede. Kommen nicht noch besondere Eigenschaften der
Mechanik auf der Sonne dazu, wofür kein sicherer Anhalt Reese so ist jene
Rücksicht bei diesen Berechnungen nicht zu umgehen.
Deshalb sind von mir in den angegebenen Abhandlungen die Berechnungen
noch einmal ausgeführt, unter Anwendung einer Formel, die jene Änderungen
des Geschwindigkeitsverhältnisses mit der Höhe berücksichtigt. Die neue Formel
ergab sich in sehr einfacher Weise aus der Überlegung, daß der gemessene
Unterschied der Fleckenabstände von Tag zu Tag o dann nicht allein vom ein-
fachen Höhenverhältnis des jeweilig betrachteten Fleckenpaares abhängt, also
nicht allein gleich zu setzen ist KS , sondern daß ein Teil von ihm von der
durch das Steigen oder Sinken um den Betrag H bedingte Geschwindigkeits-
Änderung abhängt. Für diesen Teil ergibt sich aber die Proportion
o,:vt = Hr
In ihr bedeutet r den Halbmesser der Sonne = 700000 km und vt die Rota-
tionsgeschwindigkeit im Bereiche der leuchtenden Sonnenoberflache: v multipli-
ziert mit dem Zeitunterschied t. o wird dann = vt =. Das neue ø setzt sich
demzufolge aus dem alten und dem neuen Rechnungsgliede zusammen zu
S vt
, S vt
Daraus ergibt sich H = el +") oder
rE
rs+vtE`
Nach dieser Formel ist dann die neue Tabelle berechnet.
H =o
Niveauhöhen der kleineren Sonnenflecken über a in 1000 km, unter
Berücksichtigung der Änderung der Geschwindigkeitsverhältnisse
mit dem Niveau.
Flecken berechnet aus 1906, Juli 4./5. 1906, Juli 5./6. Zunahme
H H
b ab 137 129 — 8
e be 88 124 36
d cd 70 113 43
f af 53 17 — 36
g cg 31 56 25
c bc 18 39 21
h gh — 3 13 16
a — d 0 —
Die Größenordnung ist bei diesen Niveau-Unterschieden auf weniger als
ljo herabgemindert. Sonst kehren dieselben Verhältnisse wieder wie in der
andern Tabelle, besonders bei den Flecken b und f. Die Zunahme des durch-
schnittlichen Niveauunterschieds der sieben Flecken gegen a beträgt noch etwas
mehr als 27 %/.
Ob man nach der einen oder andern Rechnungsweise geht, immer erweist
sich das Niveauverhaltnis jedes der sieben kleineren Flecken zu a als im
— 293 —
wesentlichen gleich von einer Tagfahrt zur andern. Nieveauunterschiede des-
halb als tatsächlich bestehend anzunehmen, liegt unvergleichlich viel näher als
die andere Erklärung, daß diese so regelmäßigen Niveauunterschiede lediglich
vorgetäuscht werden durch ein System entsprechender Eigenbewegungen im
gleichen Niveau. Denn dieses System würde ganz unglaublich verwickelt sein
müssen.
Im Blick auf die Änderung der Geschwindigkeiten mit dem Niveau fordern
die Schlieren der Fleckengruppe in Abb. 1 zu genauerer Betrachtung heraus.
Ihre Hauptrichtung nahe parallel dem Aquator der Sonne, von der Hauptmasse
der Gruppe aus nach Osten, steht durchaus im Einklang mit der Forderung, die
sich aus der, an den Sonnenflecken und mit dem Spektroskop nachgewiesene
Rotation des leuchtenden Sonnenballes von Osten nach Westen, ergibt. Das oben
schon angewandte Verhältnis oe : vt = H:r würde eine genaue Berechnung der von
diesen Ausbrüchen erreichten Höhen H über die Photosphäre gestatten, wenn
vt bekannt wäre. Aus meinen eigenen Aufnahmen kann ich zunächst entnehmen,
daß jedenfalls am Vortage, August 6. 1908, gegen 6!/, Uhr abends der mittel-
europäischen Zeit an den westlichen Ausgangsstellen der Schliere 6 noch nichts,
an denen der Schliere a höchstens eine Andeutung sichtbar war. Die 121},
Stunden, die zwischen beiden Aufnahmen liegen, liefern ein vt, das gestattet,
ein Mindestmaß der beiden Ausbruchshöhen zu erreichen. Diese vorläufige
Berechnung ist von mir ausgeführt. Unter Berücksichtigung der heliograpischen
Länge und Breite der Sonnenfleckengruppe, ergab sie wieder enorme Beträge
für die Höhen H, bis zu denen die Schlieren hinaufreichten. Um lediglich in-
folge der ihrem photosphärischen Ausgangspunkte entsprechenden Rotations-
geschwindigkeit nach Osten’ zurückgeblieben zu sein, müßten die Endflecke
bei a um mehr als 556000, bei 6 sogar um mehr als 708000 km emporge-
stiegen sein. (Vgl. meine genauere Darstellung in No. 4349 der Astron. Nach-
richten.) |
Hoffentlich existieren noch Photographien dieser merkwürdigen Sonnen-
fleckengruppe aus zwischenliegenden Phasen, die gestatten, dieses vorläufige
Ergebnis zu einem endgültigen zu gestalten. Besonders wertvoll freilich würden
spektrographische Aufnahmen jenseits des Sonnenrandes sein. Denn die ge-
schilderten Vorgänge an der größeren Gruppe, besonders ihre starke Abnahme,
nach dem 7. August 1908, ließen wieder auf die seltsame Erscheinung von
Halbringen und Ringen aus photosphärischem Material im Gebiet der Korona
vermuten. Ein am 8.. August 1908 deshalb an das Londoner Solar Observatory
von mir gerichtetes Telegramm war leider vergeblich, da dieses Observatorium
am 8. und 9. August (Sonnabend und Sonntag) geschlossen war. Doch braucht
die Hoffnung nicht aufgegeben zu werden, daß ein glückhafter Zufall die damals
‚beabsichtigte Kontrolle gewährt.)
1) Diese, im November 1908 bei der letzten Durchsicht dieser Arbeit ausgesprochene Erwartung
ist inzwischen erfüllt. In No. 4344 der Astronomischen Nachrichten konnte ich über ringförmige
Protuberanzen im August 1908 berichten, die ich der Güte des Professor A. Ricco (R. Osservatorio
di Catania) verdanke. Von 14 dieser, von mir .auf Wirbelringe gedeuteten Randerscheinungen
konnten dort 7 direkt, 6 indirekt mit jenem Felde hochgesteigerter Sonnentätigkeit von August 1908
in Zusammenhang gebracht werden.
WW
— 294 —
Der (rsprung des SeXasesimalsystems.
Hi vor kurzem hatte man noch keine befriedigende Erklärung für den Ursprung
des Sexagesimalsystems, d. h. der Stundeneinteilung in 60 Minuten und
60 Sekunden in der Zeitrechnung, so wie der 60 Bogenminuten und 60 Bogen-
sekunden in der kreisteilung. Die erste Erklärung, die dafür gegeben wurde,
war eine astronomische. Danach sollten die Babylonier das Jahr in 360 Tage
und dementsprechend die vermeintliche Sonnenbahn, den Kreis, in 360 Grade
eingeteilt haben. Es war das Verdienst von Kewitsch, diese Ansicht widerlegt
zu haben. Die Babylonier hatten zwar ein 360 tägiges Jahr, doch war dies bei
dem an den Geldverkehr so gewöhnten Volke das sogenannte „Bankjahr‘“.
Es herrschte die Sitte, daß nur an 360 Tagen des Jahres Zinsen gezahlt wurden;
die übrigen 5 Tage galten als ein Geschenk des Lichtgottes Marduk und wurden
als Festtage begangen. Außerdem ist es höchst unwahrscheinlich, daß gerade
die Babylonier, die in der Astronomie sehr bewandert waren, das Jahr in
360 Tage eingeteilt haben sollten, eine Einteilung, die schon während eines
Menschenalters zu einer völligen Verschiebung der Jahreszeiten führen mußte.
Kewitsch gibt nun für die 60-Teilung eine arithmetische Erklärung. Be-
kanntlich haben nicht alle Völker unser Dezimalsystem der Zahlen. Der Natur-
mensch gebraucht zum Zählen die Hand, und daher ist auf der primitivsten
Kulturstufe das 5-System natürlich. Kewitsch führt einen Volksstamm in
Labrador an, der bis 6 zählt; was darüber geht, ist unzählbar. Ebenso
haben die Bolaner in Afrika Reste eines 6-Systems, wonach 7 = 6 +1; 12 =
2.6 usw. ist. In Indien gibt es ein besonderes Wort für „Sechsheit“, das wahr-
scheinlich aus Babylon stammt. Bei diesem Zählprinzip ergeben die Finger
der linken Hand 1 bis 5, für 6 wird die ganze Hand ausgestreckt. Die beiden
ausgestreckten Hände ergeben dann 6.6 = 36, dreimal ausgestreckte Hand
= 6° = 216 usw. Dieses 6-System könnte auch die Einteilung in 60 plausibel
machen.
Nun gibt der Hamburger Hoppe (im Archiv der Mathematik und Physik
Bd. 15 H. 4) eine neue Erklärung für das Sexagesimalsystem, und zwar ist sie
im Gegensatz zu den zwei oben angeführten, eine geometrische. Seiner An-
sicht nach ist das Zahlensystem der Babylonier durchaus dezimal gewesen, wie
die Keilinschriften beweisen.
Wenn im alten Babylon die Zahl 6 für ein Maß existiert hat, so kann sie
nur eine Bedeutung für gewisse Handelsobjekte gehabt haben, etwa wie bei uns
Mandel oder Schock gebrauchen.
Ebenso elementar wie das Bedürfnis nach Zahlen ist das der Festlegung
einer Richtung. Aus dem Unterschiede zweier Richtungslinien kommt man als-
dann zu dem Begriffe des Winkels. Am leichtesten läßt sich der rechte Winkel
festlegen, da er schon durch das Lot gegeben wird. Drei gleiche Stäbe bilden,
zusammengelegt, ein Dreieck mit drei gleichen Winkeln. 6 solche Winkel neben-
einander gelegt, füllen die ganze Ebene aus, und so erscheint es natürlich, daß ein
Volk, welches für das Zählen sich des Dezimalsystems bediente und als Winkel-
einheit den Winkel des gleichseitigen Dreiecks benutzte, zu dem Sexagesimal-
system kommen mußte. Teilte man den 60. Teil nach dem Dezimalsystem
weiter, so kam man auf den 600. Teil, das Ner der Babylonier; teilte man den
60. Teil wieder in 60, so ergab sich der 360. Teil oder das Sar.
Diese Auffassung hatte mit dem Kreis nichts zu tun und konnte entstanden
sein, lange noch bevor man den Zirkel kannte. Erst bei fortschreitender Kultur
— 295 —
konnte die 60-Teilung auf astronomische und geometrische Aufgaben übertragen
werden. So sieht man auch, daß der Kreis verhältnismäßig spät in den Dar-
stellungen der Babylonier auftritt, dagegen kommt ein Winkel durch die
6 Winkel des gleichseitigen Dreiecks ausgedrückt d ziemlich früh vor. Man
fand geometrische Figuren zu Wahrsagezwecken, die aber keine Kreise auf-
weisen, sondern nur geradlinige Figuren, wie z. B. die folgende:
Hoppe deutet das untere Dreieck a dieser Figur als ein Winkelmaß mit
dem Normalwinkel von 60° und hält den unten angebrachten Bogen für einen
Handgriff zum Hantieren mit dem Maße. Das andere obere Dreieck b, das nur
unvollkommen vorhanden ist, stellt vielleicht einen rechten Winkel dar. Wo
in Babylon ein Kreis in Verbindung mit Winkeln auftritt, findet man die Scchs-
teilung. In Ägypten und Griechenland hatte das Rad des Kriegswagens 4 Speichen
da hier der rechte Winkel Normalmaß war, in Babylon dagegen 6 und später
wird in Ägypten das Rad mit 6 Speichen als babylonisches Rad eingeführt.
Nur den Babyloniern war es auch möglich, schon ziemlich früh die Dreiteilung
des rechten Winkels zu finden, wie Smith durch eine aufgefundene Tafel nach-
gewiesen hat.
Eine Folge dieser Winkelmessung war für die Babylonier auch die Ein-
teilung des Tages in 60 Stunden. Man denke sich die Zeit durch eine Sonnen-
uhr, durch einen in der Erde senkrecht steckenden Stab, gemessen. Der Schatten
beschreibt hierbei keinen Kreis, sondern eine ungeschlossene Bahn, die Stunden
werden durch die Winkelunterschiede gemessen. Denkt man sich die ganze
Ebene in 60 Teile geteilt, entsprechend der 6-Teilung der Ebene in gleiche
Winkel und der weiteren Teilung nach dem Dezimalsystem, so kommt man zu
60 Etappen für den Stand des Schattens, wodurch die 60 Stunden markiert
werden. |
Diese 60 Stunden-Einteilung des Tages ging von Babylon nach Indien über
und hat sich sogar bis jetzt noch bei einigen Bergvölkern Indiens erhalten, deren
Bildung einen Rest der vor mehreren tausend Jahren von Babylonien nach
Osten ausgebreiteten Kultur darstellt. H.von Schlagintweit hat der Münchener
Akademie eine Uhr mit 60 Stunden für den Tag übergeben, die er bei diesen
Völkern vorfand. Bei diesen Bergvölkern spielt auch der Begriff der „Sechsheit“
eine Rolle als Inbegriff der Vollkommenheit, das ist ja der Begriff des Winkels,
der die ganze Ebene ausfillt. Aus der Sechsteilung der Ebene erklärt sich
auch der Umstand, daß die Babylonier die Windrose nicht in 32 Teile teilten wie
wir, sondern in 36. Aus der Verbindung der Winkelteilung und des Dezimal-
systems ergab sich danach die Einteilung des Kreises in 360 gleiche Teile als
natürliche Folge. F. S. Archenhold.
ME
— 296 —
Der Sestirnte Himmel im Monat August 1911.
Von Dr. F. S. Archenhold.
Der Verlauf der Polhöhenschwankung von 1900 bis 1911.
m Jahre 1888 gelang es Professor Küstner, dem jetzigen Direktor der Bonner Stern-
warte, gelegentlich seiner Beobachtungen zur Bestimmung der Abberationskonstante
die schon früher von Bessel vermuteten kleinen Schwankungen der Rotationsachse
der Erde mit Sicherheit festzustellen. Der erste, der darauf hingewiesen hat, daß die
Drehungsachse der Erde durch Veränderungen der Massenverteilung auf der Oberfläche
Schwankungen erleiden muß, war der große Mathematiker Euler; der Ausschlagswinkel
ist natürlich nur ein äußerst geringer, es handelt sich im Maximum um eine halbe
Bogensekunde. Das entspricht in Wirklichkeit einer Palhöhenverschiebung von 15 m.
Um diese kleinen Schwankungen mit Sicherheit nachweisen zu können, ist ein inter-
-0%0
+020 +00 000 O10 -020 -030 o.
-040
0 00
+040
*030 Y +030 wu "eg 0.00 -0% -0.20 -0.0 yY -040
Verlauf der Polbewegung von 1900 bis 1911.
nationaler Breitendienst eingerichtet worden, dessen Resultate von Herrn Professor
Albrecht vom geodätischen Institut zu Potsdam regelmäßig bearbeitet werden und für
die obigen Jahre in den A. N. 4504 veröffentlicht worden sind. Wir geben vorstehend
eine Tafel wieder, welche den gefundenen Verlauf der Polhöhenbewegung für die Zeit
von 1900 bis 1911 deutlich erkennen läßt. Unsere Zeitschrift (Jg. 1, S. 43) enthält in dem
Artikel „Verlauf der Polschwankungen von 1890 bis 1900“ eine ähnliche Karte für die
frühere Zeit. Aus der obigen Darstellung geht hervor, daß die Schwankungen im Jahre
1910 noch mehr zugenommen und einen Betrag erreicht haben, wie solcher noch nicht
beobachtet worden ist. Der früher gemessene größte Wert der Polschwankung betrug
im Jahre 1903 nur 0,2, während er im Jahre 1910 auf 0,32 angewachsen ist. Hieraus
— 297 —
ist schon zu ersehen, daB die Polkurve durch eine einfache mathematische Formel nicht
darstellbar ist und daB außer den regelmäßig wirkenden Ursachen, wie die Ansammlung
von Schnee und Eis am Nord- und Südpol, die Massenverschiebung durch Ebbe und
Flut etc., noch anderweitige unregelmäßige Ursachen vorhanden sein müssen, die bisher
der Rechnung noch nicht zugänglich waren. An Beobachtungen sind während des Jahres
1910 auf den verschiedenen Stationen und zwar auf dem Nordparallel in + 39° 8° Breite,
Der Sternenhimmel am 1. August 1911, abends 10 Uhr.
Fig. 1.
!
©
Vu
ce
3
$
(Polhöhe 521/,%)
angestellt worden in Mizusawa von Prof. Dr. H. Kimura und Dr. M. Hashimoto =
2140 Sternpaare, in Tschardjui von Oberstleutnant A. Ausan bis zum Mai und Kapitän
Kremljakow vom Mai ab = 2031 Sternpaare, in Carloforte von Dr. G. A. Favaro und
Dr. F. Chionio 2996 = Sternpaare, in Gaithersburg von Dr.Frank, E. RoB und Dr. Walter
N. RoB = 1671 Sternpaare, in Cincinnati von Prof. Dr. J. G. Porter, sowie Dr. De Lisle
Stewart bis zum Juni und Dr. E. J. Yowell vom Juli ab = 1262 Sternpaare und in Ukiah
von Dr. James D. Maddrill = 1249 Sternpaare.
ig
+10 Markab
è è x wi
Pr > Antares
)
| a Formal hart
faan
AT}
e l
Lo
'47h 46h 15h
S = Sonne. M = Mond. Me = Merkur. V = Venus. Ma = Mars
Die Beobachtungen auf dem Südparallel in — 31° 55’, umfaBten ebenso wie im
Vorjahre nur solche auf der argentinischen Station Oncativo: von Herrn Aguilar
311 Sternpaare und von den Herren Furque und Gomez 576 Sternpaare. Es ist dann
später eine neue Station in Johannesburg (Transvaal) in —26° 11‘ Breite hinzugetreten.
Hier wurden in sechs Monaten 2380 Sternpaare von Mrs. Abbott und Mr. E. A. Innes
beobachtet. |
Sieberg hat schon früher den gegenwärtigen Stand der Frage nach den Beziehungen
zwischen Polschwankungen und Erdbeben behandelt. (Weltall Jg. 5, S. 43.) Milne neigt
der Ansicht zu, daß die Größe der Breitenschwankungen, besonders aber ihre schnellen
Richtungsänderungen auf die Bebentätigkeit einen unmittelbaren Einfluß ausüben.
Da bei vielen astronomischen Beobachtungen die Polhöhe des Beobachtungsortes
eine große Rolle spielt, so geht schon hieraus hervor, wie wichtig die ständige weitere
Überwachung dieser kleinen Schwankungen der Erdachse für einen geregelten wissen-
schaftlichen -Dienst in der Astronomie ist. Es kann der internationalen Erdmessung nicht
genug gedankt werden, daß sie die Mittel verfügbar gemacht hat, um an verschiedenen
Orten für die nächsten Jahre diese mit großem Eifer begonnenen Beobachtungen
fortzusetzen.
Die Sterne.
Unsere Karte, Fig. 1, gibt den Stand der Sterne für den 1. August abends 104, für
den 15. August abends Oh und für den 1. September abends 85 usw. wieder. Um diese
Zeit zieht der Meridian von Süden nach dem hellsten Stern im Schützen zwischen Adler
und Schlangenträger zur Wega hin und dann durch den Zenit weiter zum kleinen Bären,
den Drachen durchziehend zum Nordpunkt, in dessen Nähe alsdann die Capella leuchtet.
Um diese Zeit umlagern auch die Sternbilder des Schwans, der Leyer und des Herkules
den Zenit. 8 im Schwan, Albireo genannt, ist ein sehr schöner Doppelstern 3. und 3,5. Größe.
Der Hauptstern von rötlicher Farbe verändert diese ein wenig, wohingegen der blaue
Begleiter in seiner Farbe unverändert erscheint. Auch d im Schwan, der im Jahre 1738
von ‚Herschel als doppelt. erkannt wurde, besitzt als Hauptstern einen solchen
3.Größe und grünlicher Färbung; der Begleiter ist 8. Größe und aschfarben. In der Leyer
ist Wega selbst spektroskopisch doppelt, und auch der zweithellste Stern $ hat nach
Burnham fünf Begleiter und ist selbst veränderlich. Unter den Nebeln ist der zwischen
f und y stehende berühmte Ringnebel in der Leyer, der einzige in diesem Sternbilde,
der in kleineren Fernrohren den Beobachtern noch zugänglich ist. In Jg. 9 finden die
Leser des „Weltall“, S. 279, eine eingehende Beschreibung und Abbildung dieses Nebels,
ur den Monat August 1911.
J] = Jupiter.
Fig. 2a. 'Nachdruck verboten.
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Gh
Sa = Saturn. U = Uranus. N = Neptun.
- wie er den Besuchern der Treptow-Sternwarte mit dem großen Fernrohr in den Sommer-
monaten hoch oben im Zenit erscheint.
Der Lauf von Sonne und Mond.
Die Sonne ist für den 1., 15. und 31. August in unsere Karte 2a eingetragen.
Sie geht vom Sternbilde der Zwillinge in das des Löwen über und sinkt bereits während
des Monats in ihrer Bahn um 10!/,°, sodaß sich gegen Ende des Monats die Abnahme
der Tage bereits stark bemerkbar macht. Folgende Tabelle gibt uns andere wissens-
werte Daten:
Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshdhe
Aug, 1. +18° 16° 4b 27m morgens 75 58m abends 553/,°
- 15. + 14° 21° 4h 50m - 7h 32m Ce 513/,°
- 31. + 8° 59° 5b 16m - 6h 57m - 461/,0
Der Mond ist mit seinen Phasengestalten von zwei zu zwei Tagen wieder in unsere
Karten 2a und 2b eingetragen. Die Hauptphasen fallen auf folgende Tage:
Erstes Viertel: Aug. 1. 12h Mitternacht Letztes Viertel: Aug. 17. 15 nachm.
Vollmond: - 10. 4b morgens Neumond: - 24. 55 morgens
Erstes Viertel: Aug. 31. 5b nachm.
Im Monat August findet eine Sternbedeckung statt:
Win- | Austritt |Win- Bemerkung
| Eintritt
SES | M. E. Z. | kel L E. Z. | kel |
Birg. Tag | Name
tergan
ee h 33m3 | Ap 13m5 | neergang
Aug. 10. | 33 Capricorni 5,5 21h 19m L Ae 14m 3 10° | * , 295° des Mondes
g | p | | morgens | | morgens | Äh ton mien ve
Die Planeten.
Merkur (Feld 10!/,5 bis 11!/,h) erreicht am 13. August seine größte östliche
Elongation und steht am 25. August in der Nahe des Mondes. Der beleuchtete Teil
nimmt von 0,62 bis 0,14 ab, der Durchmesser hingegen nimmt von 6,2 bis 10,1 zu.
Mit unbewaffnetem Auge ist Merkur während des ganzen Monats nicht zu sehen. Strobant
hat aus Beobachtungen des Merkurdurchganges vom 14. November 1907 den Durchmesser
des Planeten zu 4464 km bestimmt. Er ist nicht viel größer als der Durchmesser
(3480 km) unseres. Mondes. |
Venus (Feld 111/,5 bis 11?/,®) erreicht am 11. August ihren größten Glanz und steht
am 13. 5° südlich von £ in der Jungfrau; am 26. tritt sie in Konjunktion mit dem Monde.
Ihr beleuchteter Teil nimmt von 0,34 bis auf 0,08 ab, sodaß sie am Schluß des Monats
als schmale Sichel erscheint. Ihr Durchmesser nimmt von 34” auf 54" zu. Kurz nach
ihrem größten Glanze verschwindet sie in den Strahlen der Sonne, da sie selbst umkehrt
(siehe Feld 11'/, »), die Sonne ihr aber näher rückt. |
Mars (Feld 2}/, bis 3°/,») ist zuletzt schon 61/, Stunden lang sichtbar. Er steht
am 17. August um 5h morgens 22° nördlich vom Saturn; vier Stunden später geht der
Mond 4° nördlich an ihm vorbei. Diese Konjunktion findet gerade auf der Grenze zwischen
Stier und Widder unweit der Plejaden statt (siehe Feld 35 bis 45). Aitken hat neuer-
dings den Äquatorialdurchmesser vom Mars 7034 km und den Polardurchmesser 6252 km
groß gefunden, was eine Abplattung von 1:100 bedeuten würde. Die Umlaufszeit der
beiden Marsmonde beträgt 75 39m 138,8 (Phobos) und 805 7m Die 0 (Deimos). Sie werden
im Monat November, wenn der Mars der Erde am nächsten steht, in einer Entfernung
von 25” (Phobus) und 62” (Deimos) und unter einem Positionswinkel von 53° vom Mars
aufzufinden sein, sodaß es dann möglich sein wird, sie mit großen Fernrohren zu
photographieren.
Jupiter (Feld 14!/,h bis 141/,®) ist am Ende des Monats nur noch eine Stunde lang
vor seinem Untergange am Westhimmel zu sehen, sein Durchmesser nimmt von 35,2
auf 32”,5 ab; er rückt aus dem Sternbild der Jungfrau in das der Wage und steht am
1. und 29. August in Konjunktion mit dem Monde.
Saturn (Feld 31/,®) ist anfangs nur 3'/, Stunden, zuletzt aber fast 7 Stunden lang
sichtbar. Sein Durchmesser nimmt von 16,8 auf 17,7 zu. Er bildet am 17. August
eine interessante Konstellation mit dem Mars und dem Monde (Feld 3!/,b).
Uranus (Feld 20-4) ist während der ganzen Nacht im Schützen zu beobachten.
Sein Durchmesser beträgt 3,6.
Neptun (Feld 7'/,") steht während des ganzen Monats der Sonne zu nahe, um
beobachtet werden zu können.
Bemerkenswerte Konstellationen:
Aug. 1. 8» abends Jupiter in Konjunktion mit dem Monde.
- 11. 10b vormittags Venus im größten Glanze.
=- 13. 105 vormittags Merkur in seiner größten östlichen Abweichung (27° 25%.
- 17. 5h morgens Mars 22° nördlich von Saturn. |
- 17. 9% morgens Mars und Saturn in Konjunktion mit dem Monde.
- 25. b nachmittags Merkur in Konjunktion mit dem Monde.
- 26. 1b morgens Venus in Konjunktion mit dem Monde.
- 29. 11h vormittags Jupiter in Konjunktion mit dem Monde.
38
j3ücherschau.
Bei der Redaktion eingegangene Bücher.
Münch, Dr. Peter, Lehrbuch der Physik. In zwei Teilen neu bearb. von Dr. Heinrich
Lüdtke, Prof. am Reform-Realgymnasium zu Altona. 1. Teil: Vorbereitender Lehrgang. Mit einem
Anhange: Von den chemischen Erscheinungen. 12. verb. Aufl. Mit 213 in den Text gedruckten
Abbildungen. Gr. 8° (12, 182 S.). Freiburg im Br., Herdersche Verlagsbuchhandlung 1911. M. 2,—;
geb. in Leinwand M. 2,50. |
Deutsches Meteorologisches Jahrbuch für 1909. Aachen. Hersg. im Auftrage der Stadt-
verwaltung von P. Polis, Direktor, Jg. 15. Karlsruhe, in Kommissionsverlag der G. Braunschen
Hofdruckerei 1911.
Rudolph, Prof. Dr. H., Die Stellung der Physik und Naturphilosopbie zur Welt-
ätherfrage. Berlin, Allgemeine medizinische Verlagsanstalt, G. m. b. H., 1911, brosch. 0,80 M.
Brester, J, A. Du Soleil et de ses Rayons Beta et Gamma qui causent nos Aurores
polaires, les Protuberances et la Couronne solaire et les Queues des Cometes. La Have,
W. P. Van Stockum et Fils, 1911.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.8. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
e
DAS WELTAL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 20. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Zweites Juliheft).
Berlin-Treptow.
Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementsprets jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Trepiow-Siernwarle, Treptow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalten (Post-
Zeilungsliste albhabelisch eingeordnet) Einzelne Nummer 60 Pip. — Anseigen-Gebühren: 1 Seite 80.— MR., if, Seite 45.—
1/, Seite 25.—, (in Seite 15 —. lha Seite 8 — Bei Wiederholungen Rabatt. - Beilagen nach Gewicht.
INHALT
1. Drei Auf älze von Heinrich Schwabe aus dem Jahre 5. Kleine Mitteilungen: Ein neuer Komet 1911b (Hiess).
1852 über Saturn, die verdnderlichen Sterne und die — Der Rote Fleck im Jahre 1909. — Neue Geschwin-
kleinen Planeten. Von Dr. F. S. Archenhold . . . 301 digkeitsbestimmungen der Heliumslerne von Cump-
2. Die Exlibris in der ,,Selenographia des Hevelius der bell. — Dunkle Massen im Weltraume. — Der Ver-
Bibliothek der Treptow - Sternwarte (Ergänzungen dinderliche S-Arae. — Die inneren Schleier der
zu 1911, S. 216 f). Von Dr. Stephan Kekule von | Sonnenflvcke — Das Technische Museum für In-
Stradonilz2z . 6 6 6 2 2 2 20 ne. ve go 308 dustrie und Gewerbe in Wien. . . . 2 2 2 2.02. 314
3 Williamina Fleming r Von Dr. F. S. Archenhold 810 | 6. Bücherschau: Augusto Righi, Kometen und Elek-
4. Über den Sternkultus der Pani-Indianer. Von Dr. . tronen. — Wilhelm Ostwald, Sprache und Verkehr 316
F. S. Archenhold . . 2 2 2 2 ew nn. 311
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet
Drei Aufsätze von Heinrich Schwabe aus dem Jahre 1852.
über Saturn, die Veränderlichen Sterne und die kleinen Planeten.
Von Dr. F. S Archenhold.
A: dem Nachlasse des Hofapothekers Heinrich Schwabe in Dessau erhielt
unsere Sternwarte durch die freundliche Vermittlung unseres Mitglieds,
Seiner Hoheit Prinz Aribert von Anhalt, drei Manuskripte, die ich im fol-
genden veröffentliche, da insbesonders die Zeichnung des Saturns auch heute
noch nicht des Interesses entbehrt. Schwabe kann als ein leuchtendes Bei-
spiel dafür hingestellt werden, was ein Laie auf dem Gebiete der Astronomie
zu leisten vermag, wenn er es versteht, für sein Fernrohr erreichbare Beobach-
tungsobjekte auszuwählen. |
Wir verdanken Heinrich Schwabe die Entdeckung der zehnjährigen
Periode der Sonnenflecken, der Exzentrizität des Saturnringes und interessante
Beobachtungen über die physische Beschaffenheit des Halley schen Kometen
im Jahre 1835. Wegen der Entdeckung der Sonnenfleckenperiode wurde
Schwabe im Jahre 1857 von der Kgl. Astronomischen Gesellschaft zu London
die goldene Medaille verliehen. Bei dieser Gelegenheit hob der Präsident mit
Recht hervor, daß es schon von großem Mute gezeugt hätte, sich ein Arbeits-
gebiet zu wählen, welches bis dahin nicht nur vernachlässigt wurde, sondern
welches nach Aussagen von Cassini, Lalande, Delambre und vielen anderen
maßgebenden Gelehrten gar keine Aussicht auf erfolgreiche Bearbeitung bot.
Allen damaligen Beobachtern erschien die Zahl sowohl wie die Form der Sonnen-
flecke regellos. Daher zögerte Schwabe auch sehr lange mit der Veröffent-
lichung seiner Entdeckung. Er zählte vom Jahre 1826 bis 1843 die Sonnen-
fleckengruppen fast täglich und wagte dann auch nur schüchtern darauf hinzu-:
weisen, daß ein Vergleich der Zahl der Gruppen in den verschiedenen Jahren
— 302 — á
ergibt, daß alle 5 Jahre eine große Zahl solcher Flecken (Maximum) eintritt und
nach weiteren 5 Jahren die Sonne fast frei von Flecken ist (Minimum). Es ist
bemerkenswert, daß von dieser Entdeckung auch dann noch keine Notiz ge-
nommen wurde, als im Jahre 1844 und in den folgenden die Periodizitat der
Sonnenflecken durch weitere Beobachtungen Schwabes bestätigt wurde. Nur
Julius Schmidt nahm ähnliche Beobachtungen auf; aber erst dadurch, daß
"Alexander von Humboldt im Jahre 1851 im dritten Bande des „Kosmos“ die
Aufmerksamkeit auf die Schwabe sche Entdeckung lenkte, fand sie Beachtung
größerer Kreise. Rudolf Wolf in Zürich sammelte alsbald die gesamten Be-
obachtungen der Sonnenflecke seit Entdeckung des Fernrohrs (1610) und konnte
an dieser großen Zahl von Sonnenfleckenzeichnungen die Periodizität bestätigen;
nur fand er statt der Schwabe’schen 10jährigen Periode eine solche von
11 Jahren.
Heute nimmt die Beobachtung der Sonnenflecke nicht nur im Arbeits-
programm der Greenwicher Sternwarte einen großen Raum ein, sondern es sind
viele Sonnenwarten begründet worden, um den Zusammenhang von Sonnen-
flecken mit anderen Erscheinungen, insbesonders mit erdmagnetischen und
atmosphärischen, wie Nordlichtern usw., aufzuklären. |
Erst in jüngster Zeit ist man auch auf einen Zusammenhang der
Sonnenflecken mit der Gestalt der Korona aufmerksam geworden. In den Jahren
der Sonnenfleckenminima ist die Korona zumeist in der Richtung des Sonnen-
aquators mehrere Millionen Kilometer weit zu verfolgen, während sie zusammen-
schrumpft und sich gleichmäßig um den Sonnenkörper verteilt, wenn ein Maximum
von Sonnenflecken vorhanden ist.!) Da wir die Sonnenkorona nur während einer
totalen Sonnenfinsternis zu Gesicht bekommen und eine solche verhältnismäßig
selten und nur während weniger Minuten zu beobachten ist — haben wir doch in
den letzten 20 Jahren durch Expeditionen im ganzen nur !/, Stunde Gelegenheit
gehabt, die Korona zu beobachten bezw. zu photographieren, — so ist es nicht
verwunderlich, daß dieser Zusammenhang erst so spät entdeckt worden ist. Es
ist auch sicher, daß sich die Koronastrahlen in Wirklichkeit viel weiter in den
Raum hinein erstrecken, als wir sie wahrnehmen, so daß es nicht unmöglich ist,
daß sie zu Zeiten der Sonnenfleckenminima bis zur Erde reichen und auf diese
Weise einen direkten Einfluß auf manche Erscheinungen der Erde gewinnen
können. |
Aus der Verfolgung der Sonnenflecke ergab sich nicht nur die allgemeine
Rotationsdauer der Sonne zu 25 Tagen, sondern auch die interessante Tatsache,
daß die Teile in der Nähe des Äquators schneller rotieren als in der Nähe des:
Pols, so daß damit die alte Herschel’sche Annahme von dem festen Sonnen-
körper für immer umgestoßen wurde.
Heinrich Schwabe hat sein ganzes Leben in Dessau zugebracht. Er ist
am 25. Oktober 1789 geboren und am 11. April 1875 verstorben. Neben seinen
größeren Arbeiten hat er noch zahlreiche Notizen über Nebensonnen, Nord-
lichter, Eisblumen, Bildung von Tau und Höhenrauch und regelmäßige meteoro-
logische Beobachtungen veröffentlicht. Seine botanischen Studien hat er in
seiner „Flora von Anhalt“ (1865) zusammengefaßt. Wie weit die astronomischen
1) Vgl. die Abbildungen der Korona während der totalen Sonnenfinsternisse von 1900 und 1905.
„Weltall“ Jg.1 S. 40/41: F.S. Archenhold, Die Beobachtung der totalen Sonnenfinsternis am 28. Mai
1900 in Bouzareah bei Algier, und Jg.5 S.415: F. S. Archenhold, Vorläufige Mitteilung über
unsere Beobachtung der totalen Sonnenfinsternis am 30. August 1905 in Burgos.
— 303 —
Interessen Schwabes reichen, mögen die hier folgenden Abdrucke der drci
Manuskripte über Saturn, veränderliche Sterne und kleine Planeten dartun. Sie
geben uns auch ein Bild von den Kenntnissen, die im Jahre 1852 über diese
drei verschiedenen Gebiete vorhanden waren.
Der dunkele Ring des Saturn.
(20. April 1852.)
Nachdem Dominikus Cassini 1671 die erste Spur des Saturn-Ringes und
William Herschel seine große Theilung entdeckt hatten, so gelang das erst
1837 Encke durch die wesentlichen Verbesserungen der Fernrohre eine zweite
Theilung auf dem äußern Ringe wahrzunehmen, so daß der helle Ring als ein
dreifacher angesehen werden muß. Die Herschelsche Theilung, die früher
‘nur mit den besten Instrumenten gesehen werden konnte, stellt sich jetzt in
einem 3!/, f. Fernrohr von Fraunhofer ziemlich deutlich dar und mit meinem
6 ff. 216, 288, 324 u. 360 m. V. kann ich nicht nur diese mit der größten Schärfe,
sondern auch die bei weitem feinere Enckesche, diese jedoch nur als eine
feine Linie in den Enden der Nasen, erkennen. Die nähere Beschreibung dieser
drei Ringe wird die beiliegende Zeichnung hinreichend erläutern und ich er-
wähne hierbei nur die Resultate der neusten Messungen ihrer Dimensionen.
Der äußerste Ring mit Inbegriff der Enckeschen Theilung hat eine Breite
von 1927 Meilen, die Theilungslinie selbst kann ihrer Feinheit wegen auf
129 Meilen Breite nur geschätzt werden, da bei der Enfernung des Saturn schon
80) Meilen nur eine Secunde groß erscheinen und folglich eine Messung nicht
angewendet werden kann. Der zweite Ring ist 3722 Meilen und die zwischen
beiden befindliche Trennung 387, der ganze helle Ring mithin 6074 Meilen breit.
Seine Dicke ist so gering, daß sie nach einer Schätzung kaum 100 Meilen be-
tragen kann.
Im Jahre 1851 wurde vom Lord Rosse und dem Astronom Lassell mit
einem 50 füß. Spiegelteleskop noch ein vierter Ring bemerkt, der sich zwischen
dem alten dreifachen und der Kugel befindet. Ich habe bis jetzt keine wissen-
schaftliche Nachricht von der genauern Beschreibung gefunden und ich muß
mich daher auf meine eigenen Beobachtungen beschränken, die freilich nur mit
einem 6 f. Fraunhoferschen doch vorzüglich guten Fernrohr gemacht werden
konnten. Schon im Jahre 1826, wo ich mit meinem 3'/, ff. 168 m. V. die Excen-
tricität der Kugel im Ringe entdeckte, bemerkte ich zugleich, daß die dunkeln
Zwischenräume zu beiden Seiten der Kugel, bei ihrer veränderlichen Größe
auch eine verschiedene Schwärze zeigten, und daß namentlich am häufigsten
der westliche Zwischenraum eine geringere Schwärze hatte als der östliche; ich
machte dieses in unsern Zeitschriften, bei denen ich Mitarbeiter war, z. B. in
Kastners Archiv, Schweigger-Seidtls Journal und den Astronomischen Nachrichten
bekannt; diese Beobachtungen blieben jedoch ohne alle Beachtung bis zur Ent-
deckung des dunkeln Ringes und nun zeigt es sich, daß meine frühere Beob-
achtung nicht nur mit dem Dasein dieses Ringes, sondern auch mit meiner
folgenden Beobachtung, daß er in der westlichen Nase deutlicher hervortritt,
recht gut übereinstimmt.
Am 10. October 1851 bemerkte ich diesen dunkeln Ring, den die Entdecker
sehr ungeeignet Schleier nennen, zum erstenmal mit großer Deutlichkeit in
meinem DH 288 m. V.; ich benutzte eine der wenigen günstigen Abende des
— 54 —
Herbstes und Winters zu genauern Beobachtungen, deren Resultat ich hier
mittheile. u
Der dunkele Ring erscheint in einem sehr matten Lichte und in Gestalt
einer Wulst oder eines Walles, an dem innern Rande des innersten hellen
Ringes, sein schwaches Licht verliert sich so wohl nach der Kugel als auch
nach dem hellen Ringe zu in die dunkelste Schwärze. In der westlichen Nase
sehe ich ihn stets etwas breiter und deutlicher als in der östlichen, jedoch
treten oft Änderungen hierin ein, die ich mit der größern oder geringern
günstigen Beschaffenheit unserer Atmosphäre nicht vereinbar finde. Am ge-
wöhnlichsten scheint er mir bei der westlichen Nase ungefär den dritten Theil
des dunkeln Zwischenraumes in der Breite einzunehmen, da nun dieser ungefär
3600 Meilen beträgt, so würde der dunkele Ring hier ungefär 1200 breit sein
Eine wirkliche Messung war wegen der verwaschenen Grenzen unmöglich. Seine
Veränderlichkeit, wenn sie sich bestätigen sollte, vorzüglich aber seine geringe
Lichtstärke deutet darauf hin, daß das Material, woraus es besteht, nie anders
als das des hellen Ringes sein muß und daß dieser letzte durch seinen starken
Glanz, welcher den des Ringes übertrifft und durch die schwarzen scharfen
Schatten, die er auf die Kugel wirft und von ihr empfängt, auf ein nasses
Material hinweist, während der des dunkeln Ringes nur eine wolkenartige Masse
anzudeuten scheint. Diese Vermuthungen gründen sich allerdings nur auf Ana-
logien, die jedoch dadurch einigen Werth erhalten, daß der vollständigste Beweis
geführt werden kann, daß der Ring den Gesetzen der Schwere unterliegt und
daß folglich auch sein Material dem unserer Erde ähnlich sein muß. Wie weit
diese Ähnlichkeit geht, läßt sich freilich nicht darthun. I. F.H.Schwabe.
Über die veränderlichen Sterne.
(14. Juli 1852.)
Unter diesem Namen begreift man diejenigen Fixsterne, welche einen
veränderlichen Glanz oder da man bis jetzt nur nach dem Glanze die schein-
bare Größe bestimmt, eine veränderliche Größe zeigen. Bis jetzt sind nur
1s Sterne bekannt, welche diese Veränderlichkeit haben und von diesen wenigen
— 305 —
sind nur folgende theils wegen der genauen Bestimmung ihrer Periode, theils
wegen der Auffalligkeit ihrer Erscheinung bemerkenswerth.
1. Algol (6-Persei): Im Kopf der Medusa. Von allen andern veränderlichen
Sternen unterscheidet er sich dadurch, daß er fast die ganze Periode hindurch in
ungeschwächtem Glanze leuchtet und nur 8 Stunden lang eine Verdunkelung
erleidet. Die Abnahme währt 4 Stunden, das kleinste Licht etwa 18 Minuten und
die Zunahme abermals nahe 4 Stunden. Seine Periode wurde von Wurm be-
stimmt und scheint selbst in den Sekunden sicher, sie beträgt 2 Tage 20 Stunden
48 Minuten und 57,9 Sekunden, so daß er jährlich 127 Perioden durchmacht.
Er ist ein Stern zweiter Größe und bleibt im seinem schwächsten Licht noch
SE
2. Mira Ceti (o Ceti, im Kopf des Walfisches). In seinem Maximo erreicht
er bald die 2’. bald die 3’. Größe und nimmt bis zur 11‘. ab, d. h. er wird dem
unbewaffneten Auge unsichtbar. Er behält stets ein röthliches Licht und hat
einen kleinen Begleiter, 11’. Größe, dessen Licht unveränderlich ist. Seine
Periode währt 332,04 Tage. Er braucht 40 Tage um von der 6’. Größe, wo er
dem unbewaffneten Auge sichtbar wird, bis zu seinem Maximum zu wachsen,
hingegen 66 Tage um wieder bis zur 6’. Größe abzunehmen. Da seine Periode
vom Erdjahre nicht sehr abweicht, so kann er einige Jahre nacheinander dem
bloßen Auge unsichtbar bleiben; denn vom April bis Juli ist er der Nähe der
Sonne wegen unsichtbar, was 3 bis 4 Jahre nacheinander geschieht.
3. Ras algethi («-Herculis). Seine Veränderlichkeit ist nur gering, er nimmt
von der 3‘. bis 4‘. Größe ab. Seine Abnahme währt 52, seine Zunahme 43 Tage.
Seine Periode beträgt 95 Tage. Dieser rothe Doppelstern hat einen blauen Be-
gleiter, der ebenfalls veränderlich ist. Zu Herschels Zeit nahm er 39 Tage zu
und 22 ab. Ä
4. n-Aquilae. Seine Periode beträgt 7! Ah 13’ 30”. Theilt man diese
nach 4 Phasen ein, nämlich: kleinstes Licht, mittleres im Zunehmen, größtes,
mittleres im Abnehmen, so findet sich, daß die von der 3‘. zur 4‘. Phase 80 Stunden,
während jeder der übrigen 3 Zeiträume 31 Stunden beträgt.
Bei den meisten dieser Sterne scheint die Veränderlichkeit selbst wieder
veränderlich, daß die Zunahme schneller als die Abnahme erfolgt und daß,
Algol ausgenommen, alle veränderlichen Sterne in ihrem Minimo längere Zeit
verweilen als in ihrem Maximo.
Hierher gehören nun noch einige plötzlich erschienene und meist wieder
verschwundene Sterne.
1. Im Jahre 1572 sah Tycho in der Cassiopeia einen überaus hellen Stern,
auf den er durch einen Zusammenlauf des erstaunten Volkes aufmerksam ge-
macht wurde. Er übertraf an Glanz alle Fixsterne, selbst Venus, so daß er recht
gut bei Sonnenschein gesehen werden konnte. Im folgenden Jahre nahm sein
Licht ab und 1574 verschwand er ganz und ist mit den später entdeckten und
selbst mit den jetzigen besten Fernrohren ist diesem Stern nicht wieder aufzu-
finden. In derselben Gegend soll 1260 und 945 ein neuer Stern erschienen
sein, was eine Periode von 315 und 312 Jahre wahrscheinlich macht.
Im Jahre 1600 sah Kepler im Schwan einen neuen Stern 1’. Größe. Nach-
dem er 19 Jahre lang unverändert nach Art und Glanz beobachtet wurde, nahm
er plötzlich ab und verschwand 1621. Cassini und Hevel sahen ihn 1655 wieder
als einen Stern 3°. Größe, er nahm dann bis zur 6‘. Größe ab, worin er bis jetzt
beharrt.
— 306 —
Kepler sah 1601 im Fuße des Ophiuchus einen neuen Stern, der heller als
alle Sterne 1‘. Größe wurde, der aber schon 1605 spurlos verschwand.
Im Jahre 1670 entdeckte Anthelm am Kopfe des Fuchs einen neuen Stern
3’. Größe, er und Hevel beobachteten ihn von Juni bis August, wo er ver-
schwand. Im März 1671 zeigte er sich als Stern 4’. Größe wieder, verschwand
dann aber fiir immer.
John Herschel sah 1837 December 15. am Cap. d. g. H. den Stern »-Argo,
der bis zum November 1837 als ein Stern 2. Größe unverändert geblieben war,
unerwartet in der ersten Größe. Bis zur Mitte des Januar 1838 nahm er an
Glanz beständig zu, so daß er «-Centauri gleich kam und Arctur übertraf. Bald
darauf nahm er wieder ab.
Zur Erklärung der erwähnten Erscheinungen sind zwei Hypothesen aufge-
stellt, die deswegen einige Wahrscheinlichkeit für sich haben, weil sie in unserm
Sonnensystem durch Revolutions- und Rotations-Bewegung Analogien finden.
Bei der ersten muß man sich vorstellen, daß der Fixstern nur von einer Seite,
vielleicht nur von einem Punkt seiner Oberfläche aus ein starkes Licht aus-
strömt, während die übrigen Theile entweder sehr schwach oder gar nicht
leuchten. Wo die Veränderlichkeit nur gering ist, kann man auch annehmen,
daß die eine Seite blos mit zahlreicheren Flecken, gleich denen unserer Sonne,
besetzt ist als die andere. Sind diese Flecken in sich selbst veränderlich,
so kommt nur eine schwankende oder gar keine bestimmte Periode heraus. Bei
der zweiten Hypothese muß man annehmen, daß ein oder mehrere Trabanten
sich in einer Ebene bewegen, welche durch unser Sonnensystem geht und daß
ihre Größe sehr beträchtlich ist. Dem Gesetze der Schwere würde es sogar
nicht entgegen sein, wenn das Volumen eines umlaufenden Körpers größer als
das der centralen wäre, weil die Masse des letztern weit überwiegend sein
könnte. Auch könnte der Fall gedacht werden, daß ein selbstleuchtender Körper
um einen größeren dunkelen centralen seine Bahn beschriebe. Eine dritte Hypo-
these, welche die Erklärung der Veränderlichkeit erklären soll, ist zwar dadurch
aufgestellt, daß der Stern eine Linsenform habe und so rotire, daß die Kante
mit der breiten Fläche der Linse abwechsele. Allein hierzu findet sich keine
Analogie, so daß die Hypothese wohl möglich, aber nicht wahrscheinlich wäre.
_ Die erste Hypothese dürfte bei den meisten periodisch veränderlichen
Sternen die angemessenste sein, wobei die oft beträchtlich schnellere Zunahme
des Lichtes. gegen die Abnahme desselben nicht erklärt. Die zweite scheint
bei Algol am nächsten zu kommen; ist sie die richtige, so beobachten wir alle
69 Stunden eine Algolfinsternis, bewirkt durch einen dunkeln Körper der etwa
S Stunden gebraucht, um in seiner Bahn eine Strecke zurückzulegen, welche
der Summe seines eigenen und des Algoldurchmessers gleich ist. Die schnell
erschienenen und schnell für immer verschwundenen Körper lassen sich nach
diesen beiden Hypothesen schwieriger oder nicht erklären; das Auflodern in
Flammen würde nur eine sehr gezwungene Erklärung sein. I. F. H. Schwabe.
Über die 18 kleinen Planeten zwischen Mars und Jupiter.
(14. Juli 1852.)
Obgleich ich schon mehrere Vorträge über dieses Thema und namentlich
vor kurzer Zeit gehalten habe, so hat man doch in dieser kurzen Zeit nicht nur
wieder drei neue hierzugehörige Planeten entdeckt, sondern auch die Elemente
— 307 —
der meisten verbessert, wodurch ich auf ein Resultat kam, das ich in meinen
letzten Vorträgen über diese merkwürdigen Weltkörper schon dadurch aus-
drückte, daß man sie in zwei Hauptgruppen eintheilen könnte, von denen die
erste die kleinen Planeten enthält, welche dem Mars näher stehen und die
zweite aber nur zwei begreift, welche sich dem Jupiter mehr nähern. Die ver-
besserten Bahnelemente und die hinzugekommenen Planeten widersprechen der
obigen Eintheilung in zwei Gruppen nicht, sondern berichtigen sie besser, aber
von einem andern Gesichtspunkte aus, der mir bei der jetzigen Zusammen-
stellung dieser 18 Planeten als sehr merkwürdig aufgefallen ist. Mir waren
von jeher die höchst sonderbaren Verschlingungen ihrer Bahnen bemerkens-
werth, vorzüglich aus dem Grunde, daß die großen Störungen, die sie gegen-
seitig auf sich ausüben, in ihren Bahnen große Unregelmäßigkeiten verur-
sachen, die aber sich als notwendig zu ihrer Erhaltung herausstellen und zu
der Entdeckung führen, daß die Bahnen theils sich ganz einfach umschließen,
theils in einander eingreifen. Hierauf gründe ich nun die Modifikation der schon
früheren Einteilung in zwei Hauptgruppen. |
Stellt man- sich nämlich die Bahnen dieser kleinen Planeten materiell, z. B.
aus Draht konstruirt, vor, so findet sich, daß diese Drahtbahnen theilweis wie
Glieder einer Kette zusammenhängen und keins heraus genommen werden
kann, ohne daß sie nicht eins oder mehrere mit sich fortreißt. Durch Rechnung
kann ich dieses nur bei 15 Bahnen nachweisen, weil die Bahnelemente der
Thetis und Psyche noch zu unvollständig und die erst vor einigen Tagen aufge-
fundenen noch unbenannten Planeten gar nicht bekannt sind.
Juno greift ein in: Hebe, Pallas, Egeria, Parthenope, Asträa, Metis, Vesta,
Victoria, Ceres, Eunomia, Irene,
ist isolirt von: Hygiea, Iris, Flora.
Iris greift ein in: Flora, Metis, Vesta, Irene, Hebe, Parthenope, Victoria, Egeria,
Pallas, Hygiea,
ist isolirt von: Juno, Ceres, Asträa, Eunomia.
Victoria greift ein in: Juno, Hebe, Egeria, Pallas, Parthenope, Asträa, Iris,
Metis, Flora, Vesta,
ist isolirt von: Eunomia, Irene, Ceres, Hygiea.
Asträa greift ein in: Flora, Vesta, Metis, Irene, Juno, Hebe, Victoria, Eunomia,
Egeria, Parthenope,
ist isolirt von: Ceres, Iris, Pallas, Hygiea.
Hebe greift ein in: Egeria, Pallas, Asträa, Juno, Iris, Vesta, Victoria, Ceres,
Irene,
ist isolirt von: Hygiea, Parthenope, Flora, Eunomia.
Parthonope greift ein in: Asträa, Flora, Vesta, Irene, Iris, Juno, Victoria,
Eunomia, Pallas, |
ist isolirt von: Metis, Ceres, Hebe, Egeria, Hygiea.
Metis greift ein in: Flora, Vesta, Egeria, Victoria,.Hebe, Juno, Pallas, Asträa,
Iris,
ist isolirt von: Irene, Ceres, Eunomia, Hygiea, Parthenope.
Flora greift ein in: Vesta, Irene, Victoria, Egeria, Pallas, Parthenope, Asträa,
Iris, Metis,
ist isolirt von: Ceres, Hebe, Juno, Eunomia, Hygiea,
— 308 —
Vesta greift ein in: Hebe, Juno, Victoria, Eunomia, Parthenope, Asträa, Iris,
Metis, Flora,
ist isolirt von: Irene, Ceres, Egeria, Pallas, Hygiea.
Irene greift ein in: Ceres, Hebe, Egeria, Juno, Pallas, Parthenope, Asträa, Iris,
Flora,
ist isolirt von: Eunomia, Hygiea, Metis, Vesta, Victoria.
Egeria greift ein in: Asträa, Iris, Metis, Flora, Victoria, Juno, Hebe, Eunomia,
Irene,
ist isolirt von: Pallas, Hygiea, Parthenope, Vesta, Ceres.
Pallas greift ein in: Parthenope, Iris, Metis, Flora, Victoria, Juno, Hebe, Eunomia,
Irene,
ist isolirt von: Hygiea, Asträa, Vesta, Ceres, Egeria.
Eunomia greift ein in: Juno, Egeria, Pallas, Vesta, Parthenope, Asträa,
ist isolirt von: Hebe, Hygiea, Iris, Metis, Flora, Victoria, Irene, Ceres.
Ceres greift ein in: Hebe, Juno,
ist isolirt von: Egeria, Eunomia, Pallas, Hygiea, Parthenope, Asträa, Iris,
Metis, Flora, Vesta, Victoria, Irene.
Hygiea greift ein in: Iris,
ist isolirt von: Victoria, Eunomia, Parthenope, Asträa, Metis, Flora, Vesta,
Irene, Ceres, Juno, Hebe, Egeria, Pallas.
WE
Die Exlibris in der ,,Selenographia’ des Hevelius der Bibliothek
der ®reptoWw- Sternwarte.
(Ergänzungen zu 1911, S. 216 ff.)
Von Dr. Stephan Kekule von Stradonitz.
A dem Super - Exlibris (Außenpressung), das ich a. a. O. beschrieben
habe, ist der Einband des Exemplares der „Selenographia“, auf dessen
Besitz die Bibliothek der Treptow-Sternwarte stolz sein kann, auf dem Innen-
deckel noch mit zwei Exlibris (Bucheignerzeichen) ausgestattet, deren Be-
stimmung einigermaßen schwierig war, weil es sich um die Exlibris englischer
Besitzer handelt.
Infolge des äußerst dürftigen Bestandes an englischen genealogisch-
heraldischen Nachschlagewerken in den großen öffentlichen Bibliotheken Berlins
gelang mir die Bestimmung hier am Ort nur teilweise und ich mußte mich erst
nach England wenden. Mein verehrter Freund und Fachgenosse Charles von
Hofmann in London (Sohn des berühmten Chemikers August Wilhelm v.H,,
der seinerseits mit meinem Vater befreundet war), hat mir geholfen, und ich
bin nunmehr in der Lage, ein sicheres Ergebnis vorzulegen.
Das erste der beiden Exlibris (siche die Abbildung 1) kennzeichnet sich
durch die Unterschrift als dasjenige eines John Putland. Durch das Wappen
gelang es unschwer, nicht nur den Namen, sondern auch die Persönlichkeit
festzustellen.
Es handelt sich um John Putland, einem Irischen Gentleman, wohnhaft
in Dublin, geboren 1709, vermählt am 22. Juli 1738 mit Katharina, des Sir
Emanuel Moore, Baronet, Tochter und Erbin. Mr. Putland starb im Jahre 1773.
I. F. H. Schwabe.
— 309 —
Der Sitz der Familie war später Bray Head, Co. Wicklow. (Burke, History of
the Landed Gentry of Great Britain and Ireland, 9. Aufl., London 1898, Bd. I,
S. 379 des Teiles ,Irland*.) )
Da Burke a. a. O. das Wappen nicht beschreibt, kann man annehmen,
daß es sich um ein wenig bekanntes Exlibris handelt.
Das Wappen zeigt im blauen Felde einen
Schrägbalken, begleitet von zwei sogenannten
Sporenrädern, die ohne Zweifel silbern sind. Der
Schragbalken ist golden und mit drei eigentüm- Ag
lichen Figuren belegt, die der Bestimmung spotten. *®&
Sie stellen augenscheinlich ein altes Gerät dar,
aber welches? Der Schrägbalken hat übrigens d
auch „gewellte“ und nicht gerade Ränder. Der
»Crest* auf dem Schilde ist durch ein Elefanten-
haupt gebildet. Die Wappendevise lautet: „Deus
astra regit“.
Das zweite der beiden Exlibris (siehe die
Abbildung 2) ist nach der ganzen Art der Zeich-
nung das zeitlich jüngere. Seine vier Felder (von Zéi SL. Vo ;
denen je das 1. und 4. sowie das 2. und 3. unter Go Sr LÉI
T S87 A
sich gleich sind) und zwei Helme erwecken auf e hn LS LOE
den ersten Blick die Vermutung, daß es sich
um die Verbindung des Wappens von zwei
Geschlechtern handelt Den ersten Bestandteil dieses Doppelwappens
(1. und 4. Feld): mit dem „geschachten“ Schrägbalken und den beiden Quer-
balken darunter, mit dem Bären als „Crest“, gelang es leicht, als das Wappen
des Geschlechtes Lee of Hartwell zu ermitteln. Den zweiten Bestandteil
(2. und 3. Feld) ergaben die Ermittelungen meines
Freundes Charles von Hofmann als das
Wappen der Familie Fiott. Das der „Landed
Gentry of Great Britain“ angehörige Geschlecht
„Lee of Hartwell“ findet sich bei Burke a a.O.,
Bd. I, S. 879 behandelt. Aus diesem Geschlechte
stammte William Lee, + 1776, dessen Tochter
Harriet sich mit John Fiott vermahlte. Wil-
liam Lee war der Sohn von Sir William Lec,
Lord-Oberrichter von England und Geh Rat,
Harriet also die Enkelin dieses hervorragenden
Juristen. Sir William Lee war der zweite
Sohn von Sir Thomas Lee, Baronet, Harrict
also dieses Baronets Urenkelin.
Harriet Lee hatte von ihrem Gemahle
Abb. 2. John Fiott einen Sohn; John Fiott, geb. 1783,
April 28. Dieser, Dr. der Rechte und Friedens-
richter, John Fiott nahm infolge Testamentes seines Mutterbruders William
Lee zunächst den Namen Lee an und erbte von Sir George Lec, Baronet,
dem 6. und letzten Baronet aus dem Geschlechte, im Jahre 1827 auch die große
Besitzung Hartwell. Infolge beider Umstände nahm er zu dem Wappen Fiott
auch das Wappen Lee an und verband beide in folgender Form:
Abt. 1.
— 310 —
1. und 4. Feld: Lee. Im Schilde zwei goldene Querbalken in Blau, darüber
ein von Gold und Rot .geschachter“ Schragbalken. Crest: ein schreitender
schwarzer Bär mit silbernem Maulkorb und silberner Kette daran, die sich über
den Rücken schlingt.
2. und 3. Feld: Fiott. Im Schilde ein goldener „Sparren“, begleitet von
drei goldenen Rauten in Blau; der Sparren an seiner Spitze belegt mit einem -
schwarzen Anker. Crest: ein „wachsendes“ silbernes Roß, an der Schulter mit
einer gleichfarbigen, heraldischen Lilie (als Linienbeizeichen) belegt. Die
Wappendevise lautet: „Verum atque decens“. John Lee alias Fiott starb 1866.
Es ist hiernach sein Exlibris, das sich in der „Selenographia“ in Treptow
befindet. Es mag noch erwähnt werden, daß die Lee eine uralte Familie sind,
die ihren Besitz Hartwell usw. seit 1268 in ununterbrochenem Besitz
gehabt hat. —
Habent sua fata libelli!
Im vorliegenden Falle hat die Wappenkunde geholfen, den ersten Besitzer
des in Rede stehenden Exemplares des seltenen Buches und die Umstände zu
erkennen, in denen er es binden ließ; (s. oben, S. 216 ff.) sodann von den späteren
Besitzern noch zwei. Waren diese Feststellungen zwar auch gerade nicht von
sehr großer Bedeutung, so konnten sie doch den methodischen Weg zeigen,
auf dem Heraldik und Genealogie zur Lösung mancher Einzelfragen herangezogen
werden können. Die Darlegung dieser Methode einmal vor einem naturwissen-
schaftlichen Leserkreise war der Zweck dieser Zeilen.
se
Williamina Fleming t.
You Amerika kommt die Nachricht, daß Frau Williamina Fleming, welche
im Jahre 1857 in Dundee in Schottland geboren wurde und vor mehr als
30 Jahren zunächst als einfache Gehilfin der astronomischen Berechnungen von
Pickering an der Harvard-Sternwarte in Boston beschäftigt wurde, nach
längerer Krankheit am 21. Mai 1911 gestorben ist.
Professor E. Pickering hatte es verstanden, das Spektroskop und die
photographische Platte bei den groBen Fragen, die damals nach dem Alter und
der Beschaffenheit der Sterne auftauchten, in geschickter Weise zu verwenden.
Im Jahre 1882 begann Pickering in systematischer Weise den Himmel abzu-
suchen. Seine Arbeiten konnten aber erst in größerem Maßstabe durchgeführt
werden, als ihm durch den Edelmut von Frau Henry Draper Mittel hierzu zur
Verfügung gestellt wurden, die sie bis heute jährlich wieder gewährt hat. Nun
konnte jede klare Nacht zu photographischen Aufnahmen verwandt werden. Nach
einem von Pickering entworfenen Plane wurden Photographien gemacht, die
nach ihrer Entwicklung in die Hände von Frau Fleming kamen. Ihrer
glänzenden Befähigung war es vorbehalten, zu einer Zeit, als von vielen Fach-
genossen diese Arbeiten mit großem Zweifel aufgenommen wurden, eine große
Zahl von veränderlichen und neuen Sternen auf den Harvard-Photographien zu
entdecken. Dadurch, daß ein Prisma vor das Objcktiv-Glas des Teleskops
gesetzt war, wurde das Licht eines jeden photographierten Sternes in ein kleines
Band ausgezogen, das sofort den Spektral -Charakter verriet. Waren helle
Linien sichtbar, so wurde dadurch angezeigt, daß es ein neuer Stern sein
konnte. Durch Aufnahmen ohne Prismen, die zu dem Zwecke einer ständigen
— 311 —
Uberwachung des ganzen Himmels angefertigt waren, konnte dann zumeist weiter
entschieden werden, ob der Stern wirklich ein neuer war, oder ob er zu den
selteneren Sternen gehört, die helle Linien enthalten.
Wenn auch zunächst die photographischen Entdeckungen Frau Flemings
in den Fachkatalogen nicht aufgenommen wurden, so zweifelte sie nicht an der
Realität ihrer Entdeckungen und prüfte weiter Tag für Tag mit dem ver-
größernden Okular in der Hand das sich immer mehr ansammelnde Platten-
material. Noch zwei Wochen vor ihrem Tode hat sie einen Band Harvard-
Annalen fertig stellen können, der in einer Liste alle die interessanten Objekte
vereinigt, die durch besondere Spektren sich auszeichnen und auf den Harvard-
Photographien von ihr aufgefunden worden sind. Hierin sind alle gasigen
Nebelsterne, die helle Wasserstofflinien zeigen, Sterne des 5. Spektraltypus,
veränderliche Sterne und neue Sterne vereinigt.
Schon ihre frühere Arbeit „Der Draper-Katalog der Sternspektren‘, der
10 351 Sternspektren enthält, fand den Beifall ihrer Fachgenossen und bleibt
als erster Versuch, einen Einblick in die Beschaffenheit der Sterne zu geben,
von großer Bedeutung. Williamina Fleming hat über 300 veränderliche und
10 neue Sterne aufgefunden.
Im Jahre 1897 wurde sie offiziell zum Kurator der astronomischen Photo-
graphien der Harvard-Sternwarte ernannt, wodurch sie Vorsteher der eigen-
artigen Bibliothek wurde, die über 200000 photographische Platten enthält.
Ihrem Organisationstalent ist es zu verdanken, daß diese gewaltige Zahl von
Himmelsdokumenten in jedem Augenblick bei Bekanntwerden neuer Objekte
danach befragt werden kann, welche Zeit der Stern gebraucht hat, eine gewisse
Helligkeit zu erreichen und wann er zum ersten Male eine Spur auf der Platte
zurückgelassen hat. Unsere Leser finden in den letzten Jahrgängen des
» Weltalls* manche eingehende Beschreibung der Fleming’schen Entdeckungen.
In Anerkennung ihrer hervorragenden Leistungen wurde sie im Jahre 1906
zum Auswärtigen Mitglied der Royal Astronomical Society zu London ernannt
und bald darauf auch zum Ehrenmitgliede der astronomischen Abteilung des
Wellesley-College.
Ich erinnere mich stets gerne der interessanten Stunden, die ich in ihrem
Reiche unter ihrer und Professor Pickerings Führung verleben durfte.
F. S. Archenhold.
W
(Über den Sternkultus der Pani-kndianer.
TD weitreichenden Handelswege Amerikas erstrecken sich von den Aquatorial-
gegenden bis zu den nördlichen und südlichen Polarkreisen. Langs dieser
Wege brachten die Handeltreibenden nicht nur ihre Waren, sondern auch die
Kunde von Riten, Sitten, Mythen und Volkssagen, welche sich mehr oder weniger
veränderten, von Stamm zu Stamm. Daher kann man wohl sagen, daß kein
Stamm des westlichen Erdteils völlig abseits der anderen Stämme steht, oder
unbeeinflußt in bezug auf seine Organisation, Kultur oder Volkssagen geblieben
ist. Dieses Netz des Austausches, das sich über das ganze Land spannt, er-
schwert die Arbeiten der ethnologischen Forschung.
Als Alice C. Fletcher vor einigen 20 Jahren bei den Omaha und anderen
Stämmen der Sioux-Sprachengruppe Studien machte, fand sie Anzeichen dafür,
— 3312 —
daß der Panistamm viel zur Verbreitung gewisser Kulten unter seinen Nachbarn
beigetragen habe und daß dieser Stamm die alten Zeremonien noch in allen
ihren Einzelheiten besitzt. Obgleich ihr der Weg zur Beobachtung und Fest-
legung dieser Zeremonien zu jener Zeit durch einige alte Omahahäuptlinge, die
in engen freundschaftlichen Beziehungen zu den Pani standen, geebnet schien,
wurde ihr durch Umstände, die sie nicht kennen lernte, der Eintritt in das Pani-
lager versagt. Trotzdem ist es ihr später gelungen, genaue Berichte!) der
Zeremonien und des damit zusammenhängenden Rituels durch alte eingeweihte
Panileute zu erhalten. |
Die Sprache der Pani gehört dem Caddostamm an. Als die weiße Rasse
dem Volke zuerst begegnete, lebte es nahe des Plattenflusses, im jetzigen Staate
Nebraska. Vor ungefähr 30 Jahren zog der Stamm, der aus vier Zweigen besteht,
von dort nach dem nordöstlichen Oklahoma, wo er jetzt noch lebt.
Diese Zweige bauten ihre Niederlassungen in bestimmter geographischer
Beziehung zu einander. Der Skidizweig befand sich immer im Westen der
anderen. Wir wollen hier eine kurze Skizze der Organisation und des Kultus
dieses Zweiges geben. Der Skidizweig wurde in verschiedene Dörfer geteilt,
von denen jedes heilige Symbole besaß, die in einem Schrein aufbewahrt wurden.
Für jeden Schrein waren eigene Zeremonien und Riten vorgeschrieben. Die
heiligen Symbole, ihr zeremonieller Gebrauch und die Weisen, die vorgetragen
oder gesungen wurden, sollen nun den verschiedenen Dörfern durch ebenso
viele Sterne übergeben worden sein. Der Schrein erhielt den Namen des Sternes
und nach dem Schrein wurde wiederum das ganze Dorf benannt. \Wenn noch
ein zweiter Name im Gebrauch war, stand er entweder mit dem Inhalt des
Schreins oder mit der geographischen Lage des Ortes im Zusammenhang.
Fünf Dörfer bildeten die Hauptgruppe deren Lage durch die Stellung der
Sterne bestimmt wurde, die ihre Symbole waren.
Um diese Mittelgruppe lagerten sich die anderen Dörfer, jedes genau nach
dem Sterne seines Schreins orientiert, so daß die Dörfer der Skidileute ein
genaues Bild der Konstellation am Himmel wiedergaben.
In der Mittelgruppe hatte der Schrein des westlichen Dorfes die Führung
der religiösen Riten, und zwar begannen seine Zeremonien, sobald im Frühling
der erste Donner gehört wurde. Bis auf zwei nahmen alle Dörfer in einer be-
stimmten Reihenfolge an der Leitung der Zeremonien teil.
Der Schrein des westlichen Dorfes eröffnete nicht nur die Festlichkeiten
des Jahres, sondern es wurden auch einige seiner rituellen Gesänge zu Beginn
der Zeremonien der anderen Dörfer wiederholt. Der westliche Schrein hatte
nichts mit Tagesangelegenheiten zu tun, oder das Volk mußte sich im tiefsten
Elend befinden.
Die Zeremonien der anderen vier Hauptdörfer bezogen sich auf Angelegen-
heiten des Stammes, wie Jagen, Pflanzen und Ernten, die Erteilung von Ehren
an Krieger und die Einsetzung von Häuptlingen. Die Führerschaft dieser
Schreine wechselte nach bestimmten Gesetzen. Der des Dorfes im Nord-
westen war der Leiter für das erste Jahr, d.h. für einen Winter und einen
Sommer, worauf die Führung im nächsten Jahr auf das Dorf im Südosten, dann
im Südwesten und zuletzt auf den Schrein des nordöstlichen Dorfes überging.
Es gelangte also die Führerschaft alle 4 Jahre wieder an denselben Schrein.
1) Vergl. Alice C. Fletcher: Star cult among the Pawnee — a preliminary report. (American
Anthropologist (N. S. Vol. 4).
— 313 —
So wurden nach dem indianischen Berichterstatter „die Skidis durch die
Sterne organisiert, in Familien und Lager geteilt und belehrt, wie sie leben und
ihre Zeremonien vollführen müßten. Die Schreine der vier führenden Dörfer
wurden durch die vier Leitsterne bestimmt. Der Schrein des westlichen Dorfes
stammt jedoch von Tiräwa, der über allen Sternen steht, sodaß auch dieser
Schrein höher als die anderen von den Sternen gegebenen steht. Tiräwa sandte
diesen Schrein durch den Stern im Westen. Der Schrein sollte jedoch nicht
diesen Stern, sondern Tirawa selbst, versinnbildlichen, der allem, was unter
diesem Stern stand, die Macht verlieh, den Dingen Leben zu geben, das Volk
zu regieren und ihm Wissen zu verleihen. Tiräwa, „Vater“, war zuerst mächtig
über Alles und Allem, der Vater aller Dinge. Dann kamen die geringeren oder
Untermächte. Diese wurden als Sterne an den Himmel versetzt. Dann wurden
alle Dinge gemacht und Männer und Frauen erschaffen. Die Zeremonien der
Schreine spiegeln die Schöpfungsgeschichte, die Einsetzung der Familie und die
Schaffung der Riten wieder, durch welche der Mensch an seine Abhängigkeit
von Tirawa, den er um Nahrung bitten muß, erinnert wurde.“
Eine der Grundlehren dieser Zeremonien ist die Annahme des Dualismus
im Weltall. Jedes Ding ist entweder männlich oder weiblich. Diese beiden
Prinzipien waren für den Bestand aller Dinge nötig Der Osten war weiblich,
der Westen männlich; der Süden männlich, der Norden weiblich; das obere
war männlich, das untere weiblich. Daher waren alle Sterne im Osten männlich
und alle Sterne im Westen weiblich. Diese Eigenschaft wurde auch auf die
Schreine übertragen. Der des Westens war weiblich, ebenso auch der des nord-
westlichen gelben Sterns, des ersten der Führerschaft; der nächste war der
Schrein des roten männlichen Sterns im Südosten. Dann kam die Führung an
den weißen weiblichen Stern im Südwesten und im nächsten Jahre ging diese auf
den schwarzen männlichen Stern im Nordosten über. Diese diagonal gelegenen
Sterne nannte man auch „Pare“. Die Sorge um die Schreine wurde einer
Frau; die Kenntnis ihres Inhalts, ihrer Zeremonien und Riten einem Manne
übertragen.
Durch die Zeremonien des Sterns im Westen ging die lebenspendende
Kraft des Tiräwa-Vaters in alle lebenden Wesen über. Auf die Zeremonien
dieses Sterns folgten die des Schreins, der in dem Jahre gerade die Führer-
schaft hatte. Im allgemeinen ging die Reihenfolge von West nach Ost und
schloß mit den Zeremonien des Schreins des Morgensterns, die in einem Opfer
gipfelten als Symbol für die Verbindung des Ostens und Westens, des oberen
und unteren, wodurch die Dauer und Fruchtbarkeit aller lebenden Dinge ge-
währleistet ward.
Außer diesen 5 Hauptschreinen gab es noch mehrere, die, obwohl sie auch
ihre Herkunft von Sternen ableiteten, nicht an der Führerschaft teilnahmen.
Diese befaßten sich mehr mit gewöhnlichen Dingen, hatten ihre besonderen Riten
mit bemerkenswerten Waffenspielen, wodurch die Pani berühmt geworden sind.
Der Einfluß des Sternkultus zeigte sich auch in dem Bau der Erdhöhlen
der Pani. Der kreisförmige Flur ihrer Wohnung stellte die Erde dar und das
kuppelförmige Dach den gewölbten Himmel. Die 4 Pfeiler, die das Rahmenwerk
des Daches stützten, bedeuteten die 4 Sterne der führenden Lager und waren
gelegentlich mit ihren vier bezüglichen Farben bemalt. Der Platz für den
Schrein befand sich im Westen in Übereinstimmung mit der Stellung des west-
lichen Sterns.
— 314 —
Die hervorragenden Riten, die sich an den Bau dieser Erdhöhlen anschließen,
sowie ihr mannigfaltiger Symbolismus, die Zeremonien, die sich auf andere
Sterne beziehen, von denen man annahm, daß sie einen Einfluß auf das Leben
des Volkes ausübten, müssen noch weiter studiert werden. Von den Sternen,
die die Lage und Zeremonien der Dörfer bedingen, können die Skidi nur noch
den Nordstern (welcher Zeremonien, die sich auf die Häuptlinge beziehen, ver-
langt), und den Morgenstern identifizieren. Die Mittelgruppe, die 4 führenden
Sterne, scheinen auf die 4 Körpersterne des großen Bären zu deuten, aber wenn
diese Beziehung jemals bestanden hat, scheint sie jetzt vergessen worden zu sein.
Die Tatsache, daß die Kenntnis der Sterne, welche einen so sichtbaren
Einfluß ausübten, verloren gehen konnte, beweist, daß wir es hier mit den Über-
resten eines alten und tiefgewurzelten Kultus zu tun haben, dessen völlige Auf-
hellung uns noch weitere Einblicke in die Beziehungen gewähren wird, die
zwischen dem Tun und Denken der Naturvölker und den Sternen bestanden.
Dr. F. S. Archenhold.
333333333333333333333333333333333333333333333 3333333333333
2222| Kleine Mitteilungen.
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Co MOLLIN o O
Ein neuer Komet 1911b (Kiess) ist am 6. Juli auf der Licksternwarte entdeckt worden und
jetzt mit bloBem Auge sichtbar. Seine Bahn ähnelt der des Kometen 1790I. Dieser Komet erreicht
seine größte Helligkeit Mitte August und ist am Morgenhimmel jetzt mit bloßem Auge zu schen,
am besten auf der Südhalbkugel. Seine Stellung ist nach Kobold
am 3. Aug. a = 3" 49” 45° d=+249 5,6 9. Aug. a = 3? 12™ 59° ó= + 139 29,3
5. „ 40 8 +21 29,4 ll. „ 2 52 46 +r 2r
es 28 15 18 6,0 13. ,, 25 14 — —2 1,6
Hiernach rückt der Komet in der Richtung von den Pleyaden nach dem Saturn zu immer
weiter nach Siiden und wird heller. S
*
Der Rote Fleck, der nun seit 1878 eine der markantesten Gebilde der Jupiteroberfläche
bildet, hat wiederum eine sehr beträchtliche Störung erlitten. Nach den Beobachtungen des Herrn
Phillips (A. N. 4498) war seine Länge im April 1911 nur 332°; der Fleck hat sich also in den
letzten 10 Monaten um volle 30° verschoben. Im Aussehen des Roten Fleckes sind ebenfalls durch-
greifende Änderungen eingetreten; am großen Fernrohr der Treptow-Sternwarte erscheint die Gegend
des Roten Fleckes mit einem braunen Schleier bedeckt. |
Der Rote Fleck im Jahre 1909. In den A. N. 4509 veröffentlicht H. E. Lau seine am
Zehnzöller der Kopenhagener Urania- SE arte während der Opposition 1909 ausgeführten Mikro-
metermessungen auf Jupiter.
Der berühmte Rote Fleck war nur einmal, am 19. März, als eine schwach lachsrote Ellipse
im Innern der „Bai“ sichtbar. Im April konnte der Rote Fleck selbst bei guten Bildern nie erkannt
werden; im Innern der „Bai“ war vielmehr ein grauer, nebcliger Streifen zu sehen. Im Mai verlor
die „Bai“ ihre elliptische Gestalt. Der Beobachter bemerkte eine Einschnürung in der Mitte; an
dem Westende erschien dagegen ein heller Streifen, der weit über das dunkle Material des süd-
tropischen Streifens hinausragte. Während dieser sonderbaren Gestaltveränderungen wanderte die
„Bai“ fortwährend gegen Westen; die Abnahme der Länge betrug für das Westende der „Bai“ in
zwei Monaten (19. März bis 21. Mai) 10°, für das Ostende 8°.
Bei den ersten Beobachtungen des Roten Fleckes am 19. März hatte der Voraierkang des
südtropischen ,Schleiers* bereits begonnen. Nach Laus Angaben scheint ein Teil des Schleiers
südlich um den Roten Fleck gegangen zu sein. Im südtropischen Streifen (in 28.05 südl. Breite)
wurden mehrere Knoten bemerkt, welche durch den Roten Fleck gegen Süden abgelenkt wurden
und dann nach der Konjunktion weiter gegen Westen liefen, wo sie (nach Laus Meinung) die auch
früher gesehenen Erhebungen an der Südseite des genannten Streifens bilden.
— 316 —
In der hellen Zone, in welcher der Schleier liegt, wurde am 19. Marz an dem Westrande des
Roten Fleckes eine hellbraune, raurhäbnliche Masse gesehen, die jedoch die starke westliche Be-
wegung des Schleiers nicht teilte. Dagegen erschien am 4. Mai an derselben Stelle eine fast
schwarze Masse, die sich schnell gegen Westen bewegte und dessen Westende durch einen großen
hellen Fleck markiert wurde, dessen Aussehen an den früher im Kopfe des Schleiers gesehenen
hellen Fleck erinnerte,
Da die dunklen Knoten auf der Südseite des Roten Fleckes nach dem Vorübergang sich nicht
gegen Norden wandten, sondern weiter nach Westen liefen, können sie kaum zur Bildung der im
Mai gesehenen schwarzen Masse beigetragen haben, und Lau meint daher, daß diese schwarze
Masse gerade der Anfang des Schleiers ist, der nach dem Vorübergang wieder unter den grauen
Wolken der „Bai“ hervortaucht. Da der Schleier im Mai über 100° lang war, konnte das Ostende
noch immer gemessen werden; seine tägliche Bewegung betrug — 0.057.
Die mattweißen Wolken, welche 1905 bis 1906 in der Äquatorzone so zahlreich auftraten,
fehlten 1909 gänzlich; ebenso waren die südtropischen Lichtpunkte nur schwach entwickelt.
* *
*
Neue Geschwindigkeitsbestimmungen der Heliumsterne von Campbell. Bei der Bear-
arbeitung der auf der Lick-Sternwarte gemachten Messungen von Radialgeschwindigkeiten von
1047 Sternen hat W. W. Campbell eine sehr merkwiirdige Entdeckung gemacht, die er in den
„Publ. of the Astron. Society of the Pacific“ Vol. 23, S. 85 bis 108 veröffentlicht.
Er findet nämlich, daß die Messungen der Geschwindigkeiten der Heliumsterne mit einem
konstanten Fehler von +5 km behaftet sind. Da die Lickmessungen mit denen der übrigen Stern-
warten gut übereinstimmen, muß die Ursache in den zugrunde gelegten Wellenlängen der Helium-
linien gesucht werden. Campbell meint, daß entweder die schwächeren Komponenten der Helium-
linien, die bekanntlich immer paarweise auftreten, in den Sternspektren kräftiger sind, oder daß die
Heliumlinien durch hohen Druck in den Gashüllen der Sterne gegen Rot verschoben sind. Aus
seinen Messungen findet Campbell z. B., daß die Hauptsterne im Orion sich im Mittel um + 22km
von der Sonne entfernen, während der große Orionnebel, der doch wohl damit physisch verbunden
ist, nur +17 km gibt. Durch diese Entdeckung Campbells werden die Hypothesen Kapteyns
von der Existenz zweier „Ströme“ von Heliumsternen wohl hinfällig. Dagegen findet Campbell.
daß die Radialgeschwindigkeiten nicht nur der Orionsterne, sondern auch des ersten Typus in der
Milchstraße größer sind als außerhalb.
Aus seinen Beobachtungen von 1047 Sternen findet Campbell als Position des Apex der
Sonnenbewegung Rektasc. = 272°, DTekl. = + 28° und die Geschwindigkeit der Sonne zu rund 20 km.
* x
. *
Dunkle Massen im Weltraume. In No.5 des,, Transvaal Observatory Circulars‘ diskutiert Jnnes
die leere Himmelsgegend um S-Coronae australis und äußert die Vermutung, daß die scheinbare
Leere durch ein absorbierendes Medium, welches das Licht der Sterne verschluckt, hervorgebracht
wird. Jnnes und Worsell finden in dieser Gegend eine Fläche von 25 Bogenminuten Durchmesser,
wo in einem 9-Zöller überhaupt keine Sterne sichtbar sind. Einige Sterne in der Nachbarschaft sind von
Nebel umgeben. Gerade an der Grenze dieser Gegend steht ein Sternchen, das nach Worsell,
Beobachtungen von 11,0 bis 12,2 Gr. schwankt und in den Jahren 1899 bis 1901 unsichtbar war, —
nach Meinung der Beobachter — wegen einer Ausdehnung des vermeintlichen dunklen Stoffes.
der sich gegenwärtig von ihm zurückzieht.
* *
*
Der Veränderliche S-Arae. In „Transvaal Circular“ No.5 publiziert Jnnes seine Beobach-
tungen von dem Veränderlichen S-Arae (1900,0 Rekt. 17" 51” 27°, Dekl. —- 49° 25°). Jnnes findet,
daß dieser Stern zu den „veränderlichen Sternhaufen gehört; die Periode beträgt nur 10» 50m 43s.
Die Helligkeit schwankt von 8,9 bis 9,5 Grad. Im Minimum ist er 3 Stunden stationär; dann nimmt
die Helligkeit plötzlich bis 8,9 zu und fällt dann langsam wieder bis 9,5.
* *
. œ
Die inneren Schleier der Sonnenflecke. Nach Beobachtungen von Maggini am 35cm
Calverschen Spiegel der Florentiner Sternwarte entstehen die schwachen Schleier im Innern der
Kerne der Sonnenflecke durch Ausbriiche von leuchtenden Streifen (jets brillants), die von der
inneren Seite der Penumbra in den Kern hineinschießen und sich dort in eine Wolke auflösen. Die
Kerne der Sonnenflecke (außerhalb der Schleier) findet er lila gefärbt.
Li *
*
Das Techaische Museum für Industrie und Gewe: be in Wien veröffentlicht soeben einen
künstlerisch ausgestatteten Aufruf, dem wir entnehmen, daß das sechzigjährige Regierungsjubiläum
— 316 —
Seiner Majestät des Kaiser Franz Josef I. der österreichischen Industrie den Anlaß bot, unter Mit-
wirkung des Staates und der Stadt Wien dieses neue Museum zu errichten. Das eine Fläche von
20 009 Quadratmetern bedeckende Museumsgebäude, dessen Grundsteinlegung am 2%. Juni 1909 erfolgte.
wird nun bald vollendet sein Das Technische Museum soll die Entwicklung der industriellen und
gewerblichen Arbeit und die Großtaten der Technik in geschichtlicher Reihenfolge aufzeigen; es will
aber auch den technischen Leistungen unserer Zeit gerecht werden und durch periodische Fach-
ausstellungen die Fortschritte auf diesem Gebiete fördern. Kein schweigendes Museum soll erstehen,
sondern eine lebende, der Allgemeinheit gewidmete Bildungsstätte, die die wissenschaftlichen Voraus-
setzungen und die wirtschaftlichen Ziele der Technik laut verkündet. Ein ansehnlicher Sammlungs-
bestand ist bereits gesichert, denn die Einverleibung umfangreicher und wertvoller staatlicher
Sammlungen. die bisher zerstreut angeordnet waren, steht unmittelbar bevor. Noch fehlen aber viele
Glieder in der Kette der technischen Entwicklung. deshalb ergeht an die Vertreter der technischen
Wissenschaft, der Industrie und des Gewerbes der Ruf, an dem groen Werke mitzuarbeiten und
ihm bei der Beschaffung und Auswahl der Museumsobjekte ihre Unterstützung angedeihen zu lassen.
Alle Gegenstände die die technische Arbeit in ihren Voraussetzungen, an ihren Mitteln und durch
ihre Wirkungen zu verstehen lehren, sind als Sachspenden geeignet. Zur vorläufigen Aufbewahrung
und Sichtung der einlangenden Sachspenden hat die Staatsverwaltung geräumige Hallen in der
Rotunde im k. k. Prater bereit gestellt. F.S. Archenhold.
VENZYZNYZNZNZNZNZNZ
f KARLS È
D ews G
Augusto Righi, Kometen und Elektronen. Aus dem Italienischen übersetzt von Max
Ikle. 64 Seiten. Akademische Verlagsgesellschaft, Leipzig 1911. Preis geh. 3 Mk.
In der vorliegenden Schrift, die wie so viele andere Werke über die Kometen ihr Erscheinen
dem Auftreten des Halley’schen Kometen zu verdanken hat, legt der durch seine Leistungen
auf dem Gebiete der Physik weit bekannte Verfasser seine Anschauungen über die Konstitution der
Kometenschweife dar. Im wesentiichen schließt sich Righi den den Lesern dieser Zeitschrift nicht
mehr fremden Auffassungen von Arrhenius an. aber er ergänzt sie in recht anregender und in-
teressanter Weise durch Betrachtungen über die in den Kometenschweifen zweifellos sich ab-
spielenden Vorgänge elektrischer Natur. Die Righi’sche Theorie hat sehr viel für sich, da sie sich
auf Tatsachen der Experimentalphysik stützt, deren Anwendung auf die Kometen, soweit der
Referent sehen kann, keinem prinzipiellen Einwande unterliegt.
Die Lektüre des Büchleins kann auch den Lesern des „Weltalls“, die keine speziellen Vor-
kenntnisse besitzen. warm empfohlen werden.
* *
x
Wilhelm Ostwald, Sprache und Verkehr. Leipzig 1911, Akademische Verlagsgesellschaft
m. b. H. 51 Seiten i
© Vor etwas mehr als einem Jahre wurden unsere Leser (Jg. 10, S. 120) in einer Besprechung des
von Couturat, Jespersen, Lorenz, Ostwald und Pfaundler unter dem Titel „Weltsprache
und Wissenschaft“ (Jena 1909) herausgegebenen Büchleins auf die wichtige Angelegenheit der
Schaffung einer Hilfssprache „Ido“ hingewiesen, die dazu bestimmt ist, den von Tag zu Tag
wachsenden internationalen Verkehr zu erleichtern und damit auch zu fördern.
In der Zwischenzeit ist, besonders Dank der zielbewußten Tätigkeit von Wilhelm Ostwald,
die Frage der Weltsprache wesentlich weiter entwickelt worden: Am 27. Februar 1911 hat im GroBrats-
saale des Rathauses zu Bern in der Schweiz die Gründung eines „Verbandes zur Schaffung eines
internationalen Weltsprachamtes” stattgefunden, dessen Aufgabe darin besteht, alle Vorarbeiten zu
erledigen, die erforderlich sind, daß eine Staatsregierung — dies wird vermutlich die der Schweiz
sein — die nötigen diplomatischen Schritte tut, um eine internationale Konferenz zusammentreten
zu lassen, die sich mit der Frage der Einführung einer internationalen Hilfssprache zu befassen
hätte. Die Weltsprachenangelegenheit wird also offiziell.
Die vorliegende kleine Broschüre enthält einen Vortrag, den Ostwald unmittelbar nach der
Gründung des Verbandes gehalten hat, und dürfte durch die enfache und schlichte, aber immer
interessante Art der Darstellung recht geeignet sein, das Interesse an der Weltsprache in immer
weitere Kreise zu tragen. Werner Mecklenburg.
Fur die Schrittleitung verantwortlich: Dr BLS. Archenbold, Bourlin-Treptow; für den loseratenioil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
„Das Weltali“, Jg. 11, Heft 21.
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_Das große Fernrohr der Treptow-Sternwarte und die neue Plattform.
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DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
Dr. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
ll. Jahrgang, Heft 21 Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Erstes Augustheft).
Berlin-Treptow.
Diese Zeischrift erscheint sweimal im Monat. —. Abonnementspres jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Treplow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post-
Zeitungsliste alphahetisch eingeordnet), Einzelne Nummer 60 Pje. — Anzeigen-Gebühren: 1 Seite 80.— MR.. Lu Seite 45.—
1/, Seite 25.—. Uu Seite 15 —, U, Seite 8— Bei Wiederholungen Rahatt Beilngen nach Gewicht.
INHALT
| 3. Der gestirnte Himmel im Monat September 1911.
1. Über spektroskopische und visuelle Doppelsterne. Von Dr. F. S Archenhold. (Mit einer Beilage) . . 324
Von Dr. F. S. Archenhold. . . . 6 1 se ee 317 | 4. Kleine Mitteilungen: Mars im Jahre 1909 in Trans-
2. Die Bewegung des Sonnensystems . 2... 1... 322 | vaal.— Marlin Kelloggstiftung für die Lick-Sternwarte 328
Nachäruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet
(ber spektroskopische und Visuelle Doppelsterne.
Von Dr. F. S Archenhold.
k den letzten Jahren ist eine so große Reihe von Entdeckungen auf dem Ge-
biete der kurzperiodischen Doppelsterne, der sogenannten spektroskopischen
Doppelsterne, gemacht worden, daß es sich jetzt schon verlohnt, allgemeine
Fragen aufzuwerfen nach den Verhältnissen in diesen interessanten Systemen,
die in Verbindung mit den schon seit Jahrhunderten studierten weiteren Doppel-
sternsystemen, den sogenannten visuellen, deren einzelne Komponenten
so weit von einander stehen, daß sie sich in den Fernrohren noch trennen
lassen, zu Gesichtspunkten führen können, welche uns in die Bahnverhältnisse
der Sternenwelten interessante Einblicke gestatten. Es besteht in bezug auf die
Länge der Umlaufszeiten ein großer Unterschied zwischen den visuellen und
spektroskopischen Doppelsternen. Es gehört bei den visuellen Doppelsternen `
zu den Ausnahmen, wenn die Umlaufsperiode einer vollen Bahn kleiner ist als
10 Jahre, und bei den spektroskopischen Doppelsternen gibt es wiederum nur
wenige, deren Umlaufszeit länger als ein Jahr dauert. Die meisten spektrosko-
pischen Doppelsterne, von denen der erste im Jahre 1889 von Edward Picke-
ring entdeckt worden ist — es war ¢ Ursae majoris — durchlaufen in wenigen
Tagen ihre volle Bahn. Wenn auch bisher noch keiner der spektroskopischen
Doppelsterne visuell hat getrennt werden können, — die Berichte, daß Capella in
großen Fernrohren elliptisch aussähe, beziehungsweise eben noch getrennt werden
könnte, haben sich nicht bestätigt, — so ist es in Zukunft nicht ausgeschlossen,
daß spektroskopische Doppelsterne als visuelle bestätigt werden können, zumal
die Entfernung mancher spektroskopischer Doppelsterne schon jetzt als die der
Erde von der Sonne übertreffend bekannt ist.
Das System Sirius war als visueller Doppelstcrn mit einer Periode von
49 Jahren schon länger bekannt, Neuerdings hat sich Sirius selbst als ein
— AIR ` —
spektroskopischer Doppelstern erwiesen. Wir sehen hieraus, daß zwischen
beiden Arten von Doppelsternen prinzipielle Unterschiede nicht bestehen.
Obgleich bisher keine hundert spektroskopische Doppelsternpaare bekannt
sind, haben es Frank Schlesinger und Robert Baker unternommen, die
Resultate nach allgemeinen Gesichtspunkten zu ordnen !)
Im folgenden machen wir unsere Leser mit diesen Untersuchungen be-
kannt: Unter den 63 mit Sicherheit bestimmten spektroskopischen Doppelstern-
bahnen sind 11 veränderliche Sterne vom Delta Cephei Typus vertreten; das
sind kurz veränderliche Sterne, bei denen die Dauer des abnehmenden Lichtes
geringer als die des zunehmenden Lichtes ist. Es ist eine interessante Tat-
sache, daß die veränderlichen Sterne der Delta Cephei-Klasse sich alle bisher
als spektroskopische Doppelsterne erwiesen haben, und die genaueren Unter-
suchungen haben es außer Zweifel gestellt, daß ihre Lichtveränderung in ur-
sächlichem Zusammenhang mit dem Umlauf des Begleiters steht.
Weiter enthält die Liste 6 veränderliche Sterne vom Algol-Typus, deren
Lichtschwankung bekanntlich durch Verfinsterung, die der Vorübergang eines
dunklen Begleiters hervorruft, erklärt werden kann.
Von den visuellen Doppelsternen konnten bisher 53 genaue Bahnbestim-
mungen berechnet werden. Diese sind von Professor Aitken im Jahre 1905 in
einer Liste vereinigt, die 17 Doppelsterne enthält, deren Umlaufszeit zwischen
105 und 347 Jahren liegt. Da die visuellen Doppelsterne schon seit mehreren
Jahrhunderten beobachtet werden und ihre Zahl jetzt bereits gegen 15000 beträgt,
so muß es im ersten Augenblick auffallen, daß nur so wenige Bahnen genau
bestimmt werden konnten, während bereits 63 spektroskopische Doppel-
sternbahnen bekannt sind, obgleich noch keine 23 Jahre seit Entdeckung
des ersten spektroskopischen Doppelsternes vergangen sind. Es findet
dieses seine Erklärung darin, daß bei dem kurzen Umlauf der spektro-
skopischen Doppelsterne nur eine kurze Zeit nötig ist, um zur Berechnung
der Bahnen die genügende Unterlage zu erhalten, wohingegen im Laufe
eines Jahrhunderts oft nur erst ein kleines Stück der Bahn des visuellen
Doppelsternpaares beobachtet werden kann, welches keine sicheren Schlüsse
auf den Verlauf der ganzen Bahn gestattet. Im folgenden werden nun einige
der gefundenen Resultate mitgeteilt.
Die Größe der Exzentrizität.
Es ist nun von besonderem Interesse, daß die Verteilung der Exzentrizität,
das ist eines der wichtigsten Stücke der Bahnelemente?) ganz bestimmte Be-
ziehungen zu den spektroskopischen, visuellen und Cephei-Bahnen er-
kennen läßt.
') Vgl. Publications of the Allegheny-Observatory Vol. 1 Nr. 21 und Miscellaneous scientific
papers of the Allegheny-Obs. New Ser. Nr. 4.
2) Unter Exzentrizität einer Ellipse verstehen wir das Verhältnis des Abstandes eines Brenn-
punktes der Ellipse vom Mittelpunkt zu der halben größten Achse der Ellipse. Diese Exzentrizität
schwankt zwischen 0 und 1; wenn der Stern seine Bahn in einem Kreise vollführt, so fällt der
Brennpunkt der Ellipse in den Mittelpunkt des Kreises, und die Exzentrizität wird 0, wenn die Ellipse
ganz flach wird und zuletzt mit einer geraden Linie zusammenfällt, sodaß die kleine Achse der
Ellipse gleich 0 wird. wird die Exzentrizität gleich 1. Es ist dieses auch aus der Formel zu erkennen:
H D NEE a?— b? H e H D D D
Exzentrizitat = ec = y ‚wobei a = grobe Achse und b = kleine Achse der Ellipse ist. Hier-
a
aus geht hervor, daß die Exzentrizitat ohne weiteres ein bequemes Maß ist für die Größe der
Krümmung der Babn.
— 819 —
Exzentrizität . . . . . . 0,0-0,10 0,10—0,19 0,20—0,29 0,30—0,39 0,40—0,49
Spektrosk. Doppelsterne. . 24 9 41 3 4
Visuelle Doppelsterne . . d 3 3 9 - 44
Delta Cephei Veränderliche 0 2 2: 4 3
Exzentrizität . . . . . . 0,50—0,59 0,60—0,69 0,70—0,79 0,80—0,89 0,90—1
Spektrosk. Doppelsterne. . 4 2 2 1 0
Visuelle Doppelsterne . . 10 5 4 4 1
Delta Cephei Veränderliche 0 d d 0 0
Wir sehen aus dieser Tafel, daß die meisten spektroskopischen Doppel-
sterne eine geringe Exzentrizität haben, abgesehen von den é-Cephei Veränder-
lichen, welche mit den 53 visuellen Doppelsternen in Aitkens Katalog in bezug
auf ihre Exzentrizität korrespondieren. ` Sie zeigen einen besonderen Hang zur
Exzentrizität zwischen 0,30 und 0,60; die kreisrunden Bahnen sind bei ihnen
ebenso selten, wie die stark elliptischen. Es geht hieraus hervor, daß die
spektroskopischen Doppelsterne, abgesehen von dem é-Cephei-Typus, der Mehr-
zahl nach fast kreisrunde Bahnen beschreiben. Es ist noch besonders zu be-
merken, daß alle 6 Algol Veränderlichen Bahnen beschreiben, deren Exzen-
trizität unter 0,1 liegt.
Wenn wir alle D enden: unter Fortlassung der
Cephei Veränderlichen nach ihrer Umlaufszeit ordnen und daneben die ent-
sprechende Exzentrizität schreiben, so stellt sich ein enger Zusammenhang
zwischen diesen beiden Elementen heraus. Von 21 spektroskopischen Doppel-
sternen, deren Umlaufszeit 6 Tage nicht überschreitet, hat nur ein einziger eine
größere Exzentrizität als 0,10. Diese Ausnahme bildet der Polarstern mit einer
Periode von vier Tagen und einer Exzentrizität von 0,20. Andererseits ist das
einzige Paar unter 16 spektroskopischen Doppelsternen, deren Periode größer als
21 Tage ist, das System Capella, welches eine kleine Exzentrizität, nur 0,02,
hat. Die 11 d-Cephei Veränderlichen unterscheiden sich wieder von den an-
deren spektroskopischen Doppelsternen dadurch, daß im Durchschnitt ihre Ex-
zentrizität 0,31 beträgt, während ihre Umlaufszeit im Durchschnitt nur 7,3 Tage
ausmacht. Wenn wir hingegen die 53 Bahnen der visuellen Doppelsternsysteme
nach zunehmender Periode ordnen und sie in Gruppen von je 10 einteilen, so
.sehen wir, daß mit fortschreitender Zunahme der Exzentrizitat auch ihre Um-
laufszeit zunimmt.
Mittlere Mittlere
Visuelle Doppelsterne p,zentrizität Umlaufszeit
- 1—10 0,44 20 Jahre
11—20 0,43 42 -
21—30 0,51 GE
31—40 0,53 104 -
41—50 0,56 201 -
51—53 0,60 827 -
Diese Neigung der visuellen Doppelsterne, bei größerer Exzentrizitat auch
eine größere Umlaufszeit zu zeigen, halten Schlesinger und Baker für reell.
Wenn sowohl für die spektroskopischen wie für die visuellen Doppelsterne eine
Tabelle aufgestellt wird, wiederum unter Ausschluß der Cephei Veränderlichen
und der letzten drei visuellen Doppelsterne mit langer Periode, deren Bahnen
noch etwas unsicher sind, so entstehen folgende Resultate:
H
g i o Mittlere Mittlere
Exzentrizitat Umilaufszeit
25 'spektroskopische Doppelsterne mit kurzer Periode . 0,07 4 Tage `
25 > - ©- mit langer Periode . ~- 0,35 129 - id
25 visuelle Doppelsterne mit kurzer Periode . . . . 0,45 36, Jahre,
25 - - — mit langer Periode. . . . . 0,54. +, 136 -
Die eigenartige Beziehung, daß. ‚langperiodische visuelle EES eine
gréBere Exzentrizitat haben als die kurzperiodischen, ist bereits 1877 von
Doberck erkannt worden.
Die Verteilung der Lange des Periastrons. 1)
Barr hat zuerst im Jahre 1908 die Aufmerksamkeit auf die sonderbare , Tat-
sache gelenkt, daß unter den damals bekannten 30 spektroskopischen Doppel»
sternen nur bei 3 die Länge des Periastrons 180° überschritt. Schlesinger
und Baker haben hingegen festgestellt, daB bei den neuerdings berechneten
Bahnen die Barrsche Eigentümlichkeit nicht auftritt. In 36 Fällen beträgt die
Länge des Periastrons weniger als 180°, in 19 Fällen mehr als 180° und in einem
Falle ist sie = 180°. Ä | 7
Das Vorhandensein und der Charakter des Nebenspektrums
Wahrend in dem ersten spektroskopischen Doppelstern C Ursae Majoris ane
Spektrum beider Komponenten deutlich sichtbar war, ist in den Spektrogrammen
der späteren spektroskopischen Doppelsterne nur das Spektrum. der. helleren
Komponenten sichtbar gewesen, sodaß zuerst angenommen wurde, daß die
zweiten Komponenten zumeist sehr dunkel seien. Neuere Untersuchungen
haben jedoch ergeben, daß bei 18 spektroskopischen Doppelsternen das Neben- |
spektrum gesehen werden kann und daß wohl noch bei vielen der übrig-
bleibenden spektroskopischen Doppelsterne nur die geringe Empfindlichkeit der
benutzten Platten, beziehungsweise die geringe Größe der Linienverschiebung
eine Sichtbarkeit des Spektrums des Begleiters verhindert hat. Es. ist be-
merkenswert, daß in 13 Fällen, in denen das sehwächere Spektrum gemessen
werden konnte, es ein fast genaues Abbild des helleren war. Besonders ist
dieses Ichinohe bei dem Stern 7 Virginis aufgefallen. Die Identität der
Spektren geht soweit, daß sie sich auch nicht in einer Linie von einander unter-
scheiden; die Spektren gehören alle dem ersten Spektraltypus an.
E i
Die relative Masse der beiden Komponenten.
Es ist möglich geworden,. aus den Messungen der spektroskopischen Doppel-
sterne in Allegheny die Masse des Begleiters in Einheiten des größten Sterns
anzugeben. Hierbei stellt sich heraus, daß immer die hellere Komponente auch
die größere Masse besitzt. Die gefundenen Zahlen hierfür sind folgende:
1) Periastron heißt derjenige Punkt in einer Doppelsternbabn, in welchem der Begleiter dem
im Brennpunkt der Bahn stehenden Hauptstern am nächsten ist. Periastron entspricht dem Perihel
im Planetensystem, das ist der Punkt eines Planeten in seiner Bahn, in welchem derselbe der Sonne
am nächsten steht.
KH
—
Masse des .
Begleiters, wenn
die Masse des
921
„Masse des
Begleiter, wenn
die Masse des
S Stern: größten Sternes ` SE größten Sternes
A i gleich 1 gesetzt . gleich 1 geset. |
. v Andromeda . . . om `. t Großer Bar. . . . 0,99
o, Perseus. .... O81 - a Jungfrau. . . . . 0,61
«Fuhrmann . . .. 0,81 e Herkules . .:. . 0,68
“ q Orton. ©... 0,95 u Herkules . . . . 0,40 —
y Orion: . . .. . 0,76 : 0 Adler. . ..... 0,89
ß Fuhrmann `, . . . 0,99 — 57Schwan..... 0,96 `
-.o Löwe. ! . . .....0,86 2Eidechse . . . . 0,81
n Jungfrau. .°. . . 0,70 | | |
Die Masse EN D E E Doppelsterne im 1 Vergleich
: zur Sonnenmasse.
D ; gibt Sege wenig spektroskopische Doppelsterne, für welche die set
Masse im Vergleich zur Sonne sich angeben läßt: Die Geschwindigkeits- |
messungen genügen allein nicht, die Neigung der Bahn zu bestimmen. Wir
Masse
(sinus der Neigung)”
Wenn nur ein Spektrum meßbär ist, können wir auch nichts über. die
relative Masse aussagen, sondern wir können nur eine gewisse Funktion der
Summe der beiden Massen angeben. In allen den Fällen, in denen durch einen
Vorübergang die Lichtveränderung hervorgerufen wird, können wir annehmen,
daß die Neigung fast 90° ist und alsdann die Masse berechnen. Wenn nun in
solchen Veränderlichen noch beide Komponenten getrennt gemessen werden
können, so kann man auch die einzelne Masse aus der Summe der beiden
Massen bestimmen. Von diesen, dem f-Lyrae-Typus angehörigen Veränder-
lichen sind nur vier hell genug, um diese Trennung vornehmen zu können. Es
hat sich in allen diesen Fällen herausgestellt, daß die Durchschnittsmasse jeder
Komponente mehrmals größer ist als die Masse der Sonne; einige von ihnen
haben noch eine tausendmal größere Masse. Die d-Cephei Veränderlichen haben
jedoch fast alle die gleiche. Masse und gehören auch fast alle demselben
Spektrum an. iEs liegt somit nach der Pickeringschen Einteilung: zwischen
F und G (Vgl.’„Weltall“ Jg. 11, S. 132). = Ä
Wir geben zum Schluß (siehe, Seite 322) hier noch ein Verzeichnis aller
spektroskopischen Doppelsterne bis auf die Neuzeit, das von Ludendorff
zusammengestellt worden ist.
können. nur das Verhältnis bestimmen:
Aus den Untersüchungen von Schlesinger und Baker geht somit hervor, daß `
trotz des verhältnismäßig geringen Materials der bis jetzt vorliegenden visuellen
und spektroskopischen Doppelsternbahnbestimmungen schon mancher interessante
Einblick in diese Welten-gewonnen werden kann. Es steht aber außer Zweifel,
daß erst noch weitere Beobachtungsreihen abgewartet werden müssen, bevor
wir dese werden zwingen können, uns Gewisses über die frühere Entwickelung
dieser Doppelsternsysteme zu verraten. |
— 32 —
Verzeichnis der spektroskopischen Doppelsterne.
Stern P SE Exzentrizitat | Stern a Exzentrizität
1. « Andromedae 96,67 0,52 30. d Lybrae 2,33 0,05
2. y - 4,28 0,00 31. $ Lyrae 12,91 0,07
3. A - 20,55 0,09 32.0, - 4,30. 0,00
4. x - 143,67 0,57 33. a Orionis 2191,00 0,24
5. 9 Aquilae 17,12 0,68 34g - 21,90 0,30
6. $ Arietis 107,0 0.88 35.0 - 5,73 0,10
7. a Aurigae 104,02 0,02 36.n - 7,99 0,02
8& - 3,96 0,00 37.6 - 29,14 0,74
9. n Bootis 497,1 0,24 38. nt - 9,52 0,03
10. 8 Capricorni 1375,3 0,44 39.9 - 2,53 0,07
11. x Cancri 6,39 0,15 40. BD-1° 1004 (Orionis) 27,16 ` 0,76
12. « Carinae 6,74 0,18 41. a Pavonis 11,75 0,01
13. I Hevel. Cassiopejae 6,07 0,22 42. n Pegasi 818,0 0,15
14. 8 Cephei 0,19 0,00 43.6 - | 10,21 0,01
15. 13 Ceti 2,08 0,06 44. B Persei 2,87 0,03
16. a Coronae 17,36 0,39 - 45.0 - 4,42 0,00
17. 57 Cygni 2,85 0,14 46.9 - 126,60. 0,00
18. a Draconis 51,38 0,38 47. w Sagittarii 180,22 0,44
19.9 - 3,07 0,01 48. o Scorpii 2117,00 0,20
20. x - 281,8 0,42 49. ¢ Tauri 138,00 0,18
21.w - 5,28 0,01 50.7 - 1,50 0,08
22. a, Geminorum 2,93 0,01 51. 6 Urs. maj. 27,16 0,79
23. a, - 9,22 0,50 52.0 - - 20,54 0,52
24. 8 Herculis 410,58 0,55 53. 30 Hevel. Urs. maj. 11,58 0,44
25. € - 4,02 0,02 54. a Urs. min. 3,97 0,13
28.u - 2,05 0,05 55. x Velorum 116,65 0,19
27. e Hydrae 5835,00 0,60 56. a Virginis 4,01 0,10
28. 2 Lacertae 2,62 0,01 57. 9 - 71,9 0,25
29. o Leonis 14,50 0,00
Verzeichnis der veränderlichen Sterne vom dCephei-Typus
und ¢Geminorum.
Stern P re Exzentrizitat Stern P a Exzentrizitat
1. 1 Aquilae 7,18 0,47 1. SSagittae 8,38 0,35
2. RT Aurigae 3,73 0,37 8. W Sagittarii 7,59 0,32
3. Cephei 5,37 0,36 9 X - 7,01 0,40
4. SU Cygni 3,85 0,21 10. Y - 5,77 0,16
5. ¢ Geminorum 10,15 0,22 11. T Vulpeculae 4,44 0,43
6. Y Ophinchi 17,12 0,10
Die JSewesSun$ des Sonnensystems.
N" der Privatsternwarte in Dresden hat bekanntlich Baron von Engelhardt
an seinem Zwölfzöller vor etwa zwanzig Jahren zahlreiche Messungen von
Sternen 9. bis 12. Größe ausgeführt. Diese Sterne sind nun in den Jahren 1907
bis 1909 von Lau am Zwölfzöller der Urania-Sternwarte in Kopenhagen neu ge-
messen und die Ergebnisse der Messungen in zwei Aufsätzen in den A N. 4430
und 4502 zusammengestellt worden,
Die Eigenbewegungen!) dieser lichtschwachen Sterne findet Lau ziemlich
gering. Die jährlichen Eigenbewegungen betragen im Mittel nur
für 23 Sterne von 9,0. bis 9,4. Größe . . . . 0,040
- 30 - - 95. - 99. - , 0%,084
- 24 - - 100. - 104. - . . . . 0%,086
- 17 - - 105. - 109. =- ... . 0°,026.
Die Abnahme der Eigenbewegung mit der Helligkeit, d. h. mit der
wachsenden Distanz von der Erde, ist somit deutlich ausgesprochen. (Bei den
Kopenhagener Beobachtungen wurden nur 3 Sterne mit größeren Eigenbe-
wegungen benutzt, wie z.B. der Begleiter C von 17 Lyrae mit einer jährlichen
Eigenbewegung von 2“, die ebenfalls von Burnham entdeckt wurde.)
Bemerkenswert ist es, daß die Eigenbewegungen der Sterne 10. Größe in
der Milchstraße kleiner sind als außerhalb. Lau hat die Eigenbewegungen nach
der Distanz von der Ebene der Milchstraße geordnet und findet ein deutliches
Minimum in der Nähe der Milchstraße.
Galaktische Breite Eigenbewegung Sterne
— 50° bis — 30° 0“ 039 H
— 30° - —10° 0” ,036 14
—10° - +10° 0“ ,032 25
+10° - +30° 0“ ,032 16
+30° - +50° _ 0” ,036 20
+50° - +70° 0” 042 10
Diese Zunahme der Eigenbewegungen mit wachsender Distanz — die schon
von Comstock gefunden worden ist — dürfte nach Lau kaum auf einer dyna-
mischen Wirkung der Milchstraße beruhen. Die Milchstraße besteht vielmehr
vorzugsweise aus stark leuchtenden (absolut hellen) Sternen, wie die große
Häufigkeit der weißen Sterne zeigt; die Sterne der Milchstraße, welche von der
Erde gesehen, als Sterne 10. Größe erscheinen, werden sich daher durch-
schnittlich in größeren Abständen befinden als die übrigen Sterne von derselben
Helligkeit. Nach dieser Auffassung wären die Sterne der Milchstraße im Mittel
um eine halbe Größenklasse (1,6 mal) heller als die Sterne in der Nähe der
Pole der Milchstraße.
Die Vergleichung der Messungen von Engelhardt und Lau läßt deutlich
das Vorrücken der Sonne erkennen. Lau findet als Position des Apex:
Rectascension = 290° Deklination = + 44°.
Die Abweichung von den früheren Bestimmungen schreibt Lau dem
persönlichen Fehler der Messungen zu. Da die mittlere Bewegung der Sterne
bei 20 Jahren Zwischenzeit kaum eine halbe Bogensekunde beträgt, werden
schon sehr kleine systematische Fehler das Resultat stark beeinflussen. Aus
den Messungen geht jedenfalls hervor, daß zwei Messungsreihen von nur
100 Sternen 9. bis 11. Größe mit 20 Jahren Zwischenzeit schon genügen, um die
Bewegung der Sonne im Weltraume nachzuweisen.
Aus dem gefundenen Wert der jährlichen Bewegung der Sonne läßt sich
mittelst Campbells Geschwindigkeit der Sonne die mittlere Parallaxe der be-
nutzten Sterne ableiten. Ein zweiter Wert ergibt sich aus der Größe der Eigen-
bewegungen der Sterne. Die beiden Methoden deuten auf einen Wert zwischen
1) Unsere Leser sind über Eigenbewegung der Sterne im Weltall Jahrg. 11 S. 204 und 219
unterrichtet worden.
— gu —
0”,002 und 0”,003 hin, und Lau nimmt daher als vorläufigen Näherungswert der
mittleren Parallaxe der Sterne 10. Größe 0”,0025 an.
Dieser Wert entspricht einer Distanz von 1300 Lichtjahren, in dieser Distanz
befinden sich also die nächsten Sternenwolken der Milchstraße. Die Sterne
10. Größe wären hiernach in Wirklichkeit ebenso hell wie die nur näheren, so-
daß kein Grund vorliegt, eine merkbare Absorption im Weltraume anzunehmen.
ME
Der Sestivate Himmel im Monat September 1m.
Von Dr. F. S. Archenhold.
Ausgedehnte Wolken von Kalziumdämpfen im Weltall. _
ei der Beobachtung des Sternenhimmels ist die Frage von großer Bedeutung, ob
im Weltenraume eine Verschluckung des Lichtes der Sterne stattfindet oder nicht.
Schon Olbers wies darauf hin, daß, wenn keine Verschluckung des Lichtes im Raume
vorhanden wäre, unter der Annahme einer. unendlichen Anzahl von Sternen im unend-
lichen Raume, das ganze Himmelsgewölbe stark leuchtend erscheinen müßte. In den
besten Fernrohren gibt es jedoch Stellen am Himmel, an denen wir gar keine Sterne
finden, wo auch der Himmelsuntergründ ganz dunkel ist. Dieses würde entweder auf
Verschluckung des Lichtes im Weltenraume deuten oder darauf, daß die leuchtende
Materie nicht in unendlicher Menge am Himmel verteilt ist. W. Struve glaubte aus
der Zählung der Sterne auf eine teilweise Extinction des Sternenhimmels schließen zu
müssen. Seeliger, der die Verteilung der Sterne am Himmel nach der Bonner Durch-
musterung besonders eingehend studiert hat, zweifelt diese Gründe von Olbers und
Struve an, indem er mit Recht darauf hinweist, daß eine Ausdehnung der leuchtenden
Weltkörper bis in ungemessene Weiten eine völlig unbewiesene und auch unwahrschein-
liche Annahme sei. Hingegen hält Seeliger das Vorkommen von Lichtabsorption im
Weltall durch vorhandene dunkle Weltkörper wie auch durch ausgedehnte Wolken kos-
“mischen Staubes für möglich.
Es scheint jetzt, daß es Slipher, einem Astronomen der Lowell- Sternwarte: ive
Bulletin No. 51 der Lowell-Sternwarte), durch spektroskopische Untersuchungen ge-
lungen ist, das Vorhandensein von frei im Weltenraume schwebenden ausgedehntcn
Wolken von Kalziumdämpfen nachzuweisen. Slipher fand im Spektrum von @Scorpii
die Kalziumlinie K scharf und dunkel, während alle andern Linien breit und verwaschen
waren. Während die breiten\Linien ausnahmslos an der Verschiebung teilnahmen, die
durch eine Bewegung von 240 km bedingt ist, blieb merkwürdigerweise die scharfe
Kalziumlinie fest stehen. Schon früher hatte Hartmann eine solche unveränderliche
K-Linie im Spektrum von dOrionis gefunden. Slipher untersuchte nun auch noch den
teleskopischen Begleiter 6. Größe von $Scorpii, und auch in seinem Spektrum fand er
die feststehende K-Linie wieder. Bei der Untersuchung eines anderen spektroskopischen
Doppelsterns ø Scorpii, der etwa 8° südwestlich von Ê steht, wurde dieselbe Eigentüm-
tümlichkeit der Kalziumlinie gefunden. Daraus ist wohl zu schließen, daß die scharfen
Kalziumlinien, da sie bei beiden Sternen :nicht an den Verschiebungen der andereä
Linien teilnahmen, ihren Ursprung in einem absorbierenden Medium haben, das außer-
halb dieser Doppelsterne liegt und zwar zwischen ihnen und uns. Im Spektrum des
Sternes tScorpii ist die Kalziumabsorption nur schwach angedeutet, wohingegen
dScorpii, dessen Spektrum sehr weite und zerstreute Linien enthält, die Kalziumab-
sorption wieder sehr gut zeigt. Der Stern Scorpii, der südlich von d liegt, ist schon
weniger beeinflußt, und bei dem Stern u ist die Absorptionslinie gaag ungewiß, wohin-
gegen der nordwärts gelegene Stern », den Slipher auch als Doppelstern erkannt hat,
eine verstärkte Kalziumabsorption zeigt, und noch weiter nordwärts, dort, wo die Milch-
€ — adia ` "nn ı
— $2 —
7 straße den Skorpion kreuzt, ist im Stern ¢ des Schlangenträgers neben der scharfen
K-Linie des Kalziums auch die H-Linie deutlich zu erkennen, während die meisten
andern Linien hier sehr verschwommen sind. Auch einige schwächere Sterne zwischen
Antares und #Scorpii zeigen die Kalziumabsorption.
Später sind noch andere Sterne des Himmels untersucht worden, insbesondere +
und n im Orion und o im Perseus. Auch sie zeigten dieselbe scharfe unveränderliche
Der Sternenhimmel am 1. September 1911, abends 10 Uhr.
Fig. 1.
(olhöhe mai | = ee
Kalziumlinie wie die Sterne in der Gegend des Skorpions. Die genaue Ausmessung. der
spektroskopischen Aufnahmen ergab, daß die Bewegung der K-Linie unter 4 km blieb.
Es ist bekannt, daß auch in dem neuen Stern im Perseus eine e scharfe SE
wie. auch eine Natriumlinie gesehen worden ist. |
“Alle diese Beobachtungen deuten nun darauf hin, daß entweder. die E
Sterne von Kalziumwolken umgeben sind oder längs der genannten Sternbilder polche
dunklen Kalziumwolken im Weltenraume vorkommen.
EEE. 11T ” I 33:
ER. WW
Lauf von Sonne, Mond und den Planetes
Fig. 2b
24' 25 T ) 4h 2 n igh 48! 17h 16” 45 Anh
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-30° € Fomalhaut | | =, | sl tte | |
{— — t: e — — — — m t -T 1, e, ew: CH emm
24n 25" Ei 24" 20" 49" 1a” o Pate 16h igh 44h 15h
S = Sonne. M = Mond. Me = Merkur. V = Venus Maes Man
Es dürfte sich daher, um diese wichtige Frage endgültig entscheiden zu können,
in Zukunft empfehlen, die Kalzium- und Natriumlinie in den Sternspektren vom B-Typus,
welche nicht, wie die Sternspektren des A-Typus, schon selbst feine Kalzium- oder
Natriumlinien enthalten, zu untersuchen. Auch dürfte es besonders wichtig sein, die
Sterne der südlichen Krone zu untersuchen, in deren Nähe Innes auf einer Fläche
von 25’ Durchmesser keinen Stern im Neun-Zöller gesehen hat, was er auch auf dunkle
Massen im Weltenraum zurückgeführt hat.
Die Sterne.
Unsere Sternkarte, Fig 1, gibt den Stand der Sterne für den 1. September abends 10%
wieder, sie gilt aber auch gleichzeitig für den 15. September abends 9b, für den 1. Ok-
tober abends 8h und so fort. Der Meridian läuft von Süden aus zwischen den beiden
Sternbildern Wassermann und Steinbock zum Pegasus und Adler; dann durch Delphin,
Schwan, Cepheus und den kleinen Bären hindurch zu den hinteren Tatzensternen des
großen Bären, die gerade tief im Norden stehen. Hoch oben im Zenit finden wir im
Sternbilde des Cepheus, mit oe und y einen stumpfen Winkel bildend, den berühmten
veränderlichen #Cephei. Wegen seiner intensiv roten Farbe nannte ihn Herschel den
„Granatstern“, seine Helligkeit schwankt zwischen 3,7. und 4,7. Größe. Seine Licht-
veränderung ist im Jahre 1848 von Hind entdeckt und neuerdings von Plaßmann
genau verfolgt worden. Der Stern ist unregelmäßig veränderlich und besitzt vermutlich
eine doppelte oder dreifache Periodizität der Lichtschwankung, was auch schon aus
den früheren Beobachtungen von Argelander und Schmidt hervorzugehen scheint.
Im gleichen Sternbilde findet sich noch ein anderer interessanter Veränderlicher
d Cephei, der zwischen # im Cepheus und £ in der Cassiopeja steht. Sein Lichtwechsel
vollzieht sich mit großer Regelmäßigkeit und zwar in 5 Tagen, 8 Stunden, 48 Minuten,
die Lichtzunahme dauert 1 Tag 14 Stunden und die Lichtabnahme 3 Tage 19 Stunden.
In der größten Helligkeit ist der Stern 4. Größe, in seiner geringsten 5. Größe. Es gibt
eine ganze Gruppe von veränderlichen Sternen, die in ähnlicher Weise wie dCephei
Lichtschwankungen zeigen, natürlich mit anderen Zeiten. Sie gehören zu der Spektral-
klasse Ila und sind, so weit sie bisher untersucht sind, spektroskopische Doppelsterne,
bei denen die Umlaufszeit gleich der Periode des Lichtwechsels ist. dCephei ist auch
gleichzeitig ein visueller Doppelstern, der in kleinen Fernrohren schon gut zu trennen
ist, und zwar hat der veränderliche goldgelbe Hauptstern, welcher spektroskopisch
doppelt ist, in einer Entfernung von 41” einen blauen Begleiter 6. Größe.
Peer genat
ir den Monat September 1911. Fig. 2a. Washdrack verbalen:
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aa Ae e d | Leen r. Lr. F. S.Archenhold.
gr ei eh 5 m
an an gr
J = Jupiter. Sa — Saturn. U = Uranus. N = Neptun.
Der Lauf von Sonne und Mond.
Die Sonne ist für den 1., 15. und 30. September in unsere Karten 2a und 2b
eingezeichnet. Sie sinkt während des Monats um 11° in ihrer Bahn und schneidet am
23. September den Äquator; alsdann ist Tag und Nacht gleich.
Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshdhe
Sept. 1. + 8° 37° 5b 18m morgens 66 55m nachm. 46°
- 15. + 3° 23° 5b 41m - 6b 22m - 41°
- 30. — 2227 65 7m - 5b 47m - 35°
Der Mond ist mit seinen Phasengestalten von zwei zu zwei Tagen wieder in unsere
| Karten 2a und 2b eingetragen. Seine Hauptphasen fallen auf folgende Tage:
| Vollmond: Sept. 8. 5h nachm. Neumond: Sept. 22. 4b nachm.
Letztes Viertel: - 15. 7h - Erstes Viertel: - 30. mittags.
Sternbedeckungen und Finsternisse finden im Monat September nicht statt.
Die Planeten.
Merkur (Feld 111/,5 bis 101/,h bis 111/,5) ist in der zweiten Hälfte des Monats am
Morgenhimmel bis ?/, Stunden lang sichtbar. Sein beleuchteter Teil nimmt von 0,14 auf
0,70 zu, der Durchmesser hingegen von 10,3 auf 6,1 ab. Am 25. befindet sich Merkur
in seiner größten westlichen Abweichung 17° 52’ von der Sonne. Am 21. steht Merkur
in Konjunktion mit dem Monde.
Venus (Feld 11?/, bis 115) ist für das unbewaffnete Auge unsichtbar, bis sie in
der zweiten Hälfte des Monats auf kurze Zeit als Morgenstern wieder auftaucht. Der
Durchmesser erreicht am 18. September ein Maximum von 60,26. Sie steht am 21. in
Konjunktion mit dem Monde.
Mars (Feld 3°/,® bis OLM ist bereits am Ende des Monats 9 Stunden lang am
Nachthimmel zu beobachten. Sein Durchmesser nimmt von 12”,0 bis 15⁄2 zu. Er
wendet während des ganzen Monats seinen Südpol gegen die Erde und tritt am 14. in
Konjunktion mit dem Monde. Saturn und Mars rücken immer weiter auseinander und
bilden Ende des Monats mit den Plejaden ein gleichseitiges Dreieck. Der Mars wird mit
dem großen Fernrohr (siehe unsere Beilage) jeden Abend den Besuchern der Treptow-
Sternwarte gezeigt werden.
Jupiter (Feld 14!/,h bis 143/,5) rückt immer weiter von uns ab, sodaß sein Durch-
messer von 32,5 auf 30,7 abnimmt. Er ist am Ende des Monats nur noch wenige
Minuten am Abendhimmel aufzufinden.
— 328 —
Saturn (Feld 31/,5) ist zuerst schon 7 Stunden lang, zuletzt sogar 91/, Stunden
lang zu beobachten. Sein Durchmesser nimmt von 17,8 auf 186 zu. Er tritt am
13. in Konjunktion mit dem Monde.
Uranus (Feld 19°/,b) ist in den ersten Abendstunden im Sternbild des Schützen
"zu beobachten.
Neptun (Feld "Ch tritt erst am Schluß des Monats aus den Strahlen der Sonne,
ist aber wegen seines kleinen Durchmessers von 2“,5 nur in großen Fernrohren als
Scheibe zu erkennen.
Bemerkenswerte Konstellationen:
Sept. 13. 3b nachmittags Saturn in Konjunktion mit dem Monde.
- 14, 1h - Mars in Konjunktion mit dem Monde.
- 21. 5b morgens Merkur in Konjunktion mit dem Monde.
- 21 mittags Venus in Konjunktion mit dem Monde.
- 24. 5b morgens Herbstanfang; Sonne im Sternbilde der Wage.
- 25. 3% nachmittags Merkur in größter westlicher Abweichung von der Sonne 17° 5%.
- 26. 5b morgens Jupiter in Konjunktion mit dem Monde.
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33 Kleine Mitteilungen. | a = S
ER Rex ER ys
egenen
Mars im Jahre 1909 in Transvaal. Während der Opposition 1909 haben R. T. Jnnes und
Mrs. H. E. Wood den Mars am 9-Zöller der Transvaal-Sternwarte beobachtet. Die benutzten Ver-
größerungen waren von 270 bis 660fache. (Transval Observatory Circular No. 6.)
Aus den (42) Zeichnungen ist ersichtlich, daß die „Meere“ anfangs August 1909 noch sehr
blaB waren und erst später deutlicher und detailreicher wurden. Der Polarfleck (immer bedenklich
klein!) zeigte anfangs September mehrere Einschnürungen, von denen sich Ende September eine
kleine ,Schneeinsel“ abléste. Auch später war der Polarfleck unregelmäßig. Der dunkle Saum
um den Polarfleck ist auf den Zeichnungen nur schwach angedeutet; auf einigen fehlt er gänzlich.
In den Polargegenden sind ebenfalls nur ganz schwache Schattierungen vorhanden. Die Südpolar-
gegenden sind überhaupt sehr blaß; die lange Inselkette in Mare australe erscheint als durch gerad-
linige „Kanäle“ getrennt. Auf Hellas hat Mrs. Wood das bekannte „Kreuz“, Jnnes dagegen nur
„a curious curved shading“ gesehen. |
In der Syrtis major haben die Beobachter zahlreiche Einzelheiten gesehen, die aber in der
Generalkarte fehlen, wie z. B. die große dreifache Bucht auf dem rechten Ufer mit den entsprechen-
den „Halbinseln“. Auch in dem Mare Cimmerium haben sie zahlreiche schwache, schräg gestellte
Halbinseln gesehen Der „Sonnensee“ erscheint viereckig. die „Meridianbai“ doppelt. Aus Sinus
Aurorae mit den angrenzenden Halbinseln und den Kanälen Ganges, Jamunas etc. hat Mrs. Wood
sich dagegen eine sonderbare „Oase“ konstruiert, wodurch die Generalkarte dieser Gegend einen
sehr merkwürdigen Eindruck macht.
Obgleich Jnnes selbst sagt, daß er „no canals in the usual acceptance of this word“ geste
hat, erscheinen doch die „Kanäle“ Phison, Euphrates. Titan, Tartarus, Cyclops, Cerberus, Scamander,
Xanthus u. a teilweise in seinen Skizzen. (Verblüffend wirkt es, daß der Moris See (4% groß) auf
allen Zeichnungen fehlt) Die besten Zeichnungen sind:
No. 35 mit der Großen Syrte und dem dreifachen Deltafon Sinus,
No. 32 mit der doppelten Meridianbucht.
* *
*
Martin Kelloggstiftung für die Lick-Sternwarte. Die soeben verstorbene Witwe Luise
Kellogg des Expräsideuten Martin Kellogg der Universität California hat der Lick-Sternwarte
bereits im Jahre 1908, fast drei Jahre vor ihrem Tode, eine Stiftung überwiesen, mit der Bedingung,
daß diese erst nach ihrem Tode bekannt gemacht werde, aus deren jährlichen Zinsen 6000 M. die
Forschungsarbeiten auf der Lick-Sternwarte unterstützt werden. Die erste frei gewordene Summe
ist bestimmt, um Dr. Keivin Burns eine Studienreise zum Besuch der EULODAISCHEN Observatorien
zu ermöglichen.
Diese Stiftung wird für die Arbeiten der Lick-Sternwarte von großer Bedeutung sehen
A se ee aaa
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
Beilage zur illustrierten Zeitschrift fir Astronomie und verwandte Gebiete
„DAS WELTALL“, Jahrg. 11, Heft 22.
(Zu Dr. F. S. Archenhold: „Neues Verzeichnis von alten Kometeneinblattdrucken“.)
POURTRAICT
Of the New Wonderful
Blazing Star,
Which appcar’d to the Inner Anftrian Countrics, and
the adjacent Parts of Croatia, ftandıng over Rackelsburg
and Czackenthurn, {cen betwixt two and three
of the Clock feveral mornings, from the
Oh of Fannary, 1664. to the
terrour of the Beholdcrs.
DELINEATION
Of a Marvellous New
Blazing Star,
Which appcared ro Auffria, chicfly about Rackel/-
burg and Cxackenthurn, {cen fevcral mornings be-
twixt two and three of che Clock, from the
1 2'"of January, 1664. to the.amaze-
GE the Beholders.
E fce clearly as io a Looking-glafs thar
the coming of Chrift draws nigh, and
that the laft timesare at hand, through
the Signs and Wonders that are feen
on the Firmament of Heaven, Sun, Moon, and Stars,
unto a warning and rowfing of the drowfie man, that
he fhould be converted, and turn off from his finfal
ways. Hereupon we thought good to communicate
this horrible Star, che pourtrai& whereof was fent hi-
ther from Germany.
His unnatural and on the Firmament in a
horrid and fire-burning fhape appearcd
Star, alighted Torch of God’s Wrath,
conjedturally is feared to be a forc-runner
of far greater Wars, and fubfequent Calamirics, then
that which appeared Anno 1618. and fecn all Europe
over for thirty days.togethcr, forcfhewing bloody
Wars, lafting thirey years ; as likewde char feen
Anno 1652. upon which the Polonian, Swedifl, and
Danifh Wars enfued. The form of thi. wonderful | This unnatural, and never the like feen Heavens-
Star fo exceedingly admired in refpc&t ot the appa- | fign or wondrous Star, appeared on the Firmament in
rent Half-moons in ir, is doubtlcfs a fore-runner of | a horrid fhape and burning fire, as a kindled Torch
mifcrable Alterations, the rather becaufe the Arch- | of God’s Wrath: Iris feared chat heavy Wars and
Enemy to Chriftendom hath wich a ftupendious Army | Calamitics will enfue thereupon; like as that Anno
invaded the Chriftian Empire, threatning to come | 1618. feen all Europe over for thirty days together,
yet more ftrongly to make horrid Devaftations ; | fignificd thirty years bloody Wars; and the Blazing
therefore let us fall upon our knees, doing truc Re- | Star alfo which was feen Anno 1652. intimated the
pentance, be frequent and fervent in our Prayers, | enfuing Polonian, Swedifh, and Dauifh Wars: The
that God's fierce ftriking Hand may be ftay’d, and | rather, becaufe the form of it is ftrange and marvel-
thefe threatncd Calamitics be averted. And whereas | lous, bearing inthe midh ewo Half-moons, the Orto-
Neubarthus inhis Almanack of the 1663. laft, under | man Arms, who with his warlike Preparations afto-
the Title of a Great Conjundion of Saturn and Fu- | nifheth whole Europe. Yet the Lord of Heaven
piter in the fiery Sign of Sagitarie, this enfuing Bla- | fcems to promile fome good towards Chriftendom, and
zing Star from thence upon Aftrological conjectures | through this token to turn off chefe Calamities. Nene
hath its defcent, unto a warning to all isit publifhed, | barthws in his laft years Almanack 166 3. under the Ti-
that we all may be turning toa fpeedy and true Re- | tle of the Creat Conjundion of h and x in the berg
rT
pentance. High- Dutch Copy. Sign z, holds this Blazing Star for aneffc& of it. Se-
veral Aftronomcrs held it for good that it fhould be
publifhed. Low-Dutch Cop).
Wich Licenfe,
AAG Roger L’ Eftrange.
LONDON, Printed by J. M. and are to be fold by E. Brewfter at the Crane in St Paul's Church-yard. 1664.
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DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 22. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Zweites Augustheft).
Berlin-Treptow.
Diese Zeitschrift erscheint zweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Trepiow-Berlin, some durch alle Buchhandlungen und Postanstalien (Post-
Zeitungsliste alphabelisch eingeordnet). Einzelne Nummer 60 Pjg. — Anzeigen-Gebühren: 1 Seite 80.— Mk., (ix Seite 45.—
1/, Seite.25.—, il Seite 15.—. U Seite 8—. Bei Wiederholungen Rahatt. — Beilagen nach Gewicht.
INHALT
1. Uber die Entwicklung des Baues der optischen In- 4. Kleine Mitteilungen: Uber die Entwicklung der
strumente. Von Dr. Werner Haken ee 7; kosmischen Nebel. — Die Konstitution der Jupiter-
2. Der neue Komet Brooks 19llc. Von Dr. F. S. streifen — Eine große Wasserhose .... . . . 343
Archenhnld. (Mit einer Beilage) . . .» 2 2.20.3937 | 5. Bücherschau: Bei der Redaklioneingegangene Bücher 344
3. Neues Verzeichnis von allen Kometeneinblattdrucken. | Nachdruck verboten.
Von F. S. Archenhold. (Mit einer Beilage). . . . 338 Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet.
Über die Entwicklung des Baues der optischen Instrumente.
Von Dr. Werner Haken.
Werne man die Entwicklung des Baues der optischen Instrumente, so sicht
man, wie auch hier jeder Fortschritt mit dem tieferen Eindringen in das
Wesen des Lichts selbst Hand in Hand geht, von den ersten primitiven optischen
Hilfsmitteln bis zu den heutigen, an der Grenze der Leistungsfähigkeit stehen-
den Instrumenten. Die Entdeckung, daß. gekrümmte spiegelnde Flächen die
Eigenschaft besitzen, von den Körpern Bilder von beliebiger Größe zu entwerfen,
war schon lange vor Beginn unserer Zeitrechnung bekannt und ist die Grund-
lage für den Bau der ersten optischen Hilfsmittel geworden; aber erst mit Beginn
des 17. Jahrhunderts kann man von einem planmäßigen Bau optischer Instru-
mente sprechen durch die Möglichkeit, optische Gläser herzustellen. Gibt man
(Gilasstücken durch Schleifen eine geeignete Form, so erhält man durch sie eben-
falls Bilder der umgebenden Körperwelt, deren Größe und Lage allein von der
betreffenden Glasart, der Krümmung der Linsenflächen und der Objektentfernung
abhängt. Nach Auffindung dieser allgemeinen Beziehung ging man daran, die
Gläser für die mannigfachsten Zwecke zu bearbeiten, sei es, um entfernte Ob- .
jekte dem Beobachter im Bilde zugänglich zu machen oder von zu kleinen eine
mörlichst stark vergrößerte Abbildung herzustellen; so fand man außerordentlich
wichtige Hilfsmittel zur Erweiterung der Kenntnisse von der Natur, das Fernrohr
und das Mikroskop. Es ist ganz zweifellos, daß schon die ersten Verfertiger
optischer Instrumente eifrigst bemüht waren, die Leistungen der Linsen nach
Möglichkeit zu vervollkommnen; die Bilder sollten, den Objekten ähnlich, scharf
begrenzt sein und möglichst viel von den Einzelheiten des Objekts erkennen
lassen. Es ist nun sehr interessant, zu sehen, wie die hier erzielten Fortschritte
Hand in Hand mit der Vorstellung vom Wesen des Lichts gingen und sich so
zu der heutigen Höhe entwickeln konnten.
— 330 —
Die einfachsten Erfahrungen zeigen, daß das Licht sich geradlinig fort-
pflanzt, die Lichtwirkung selbst also längs einer Anzahl von „Lichtstrahlen“ vor
sich geht. Auf Grund dieser Annahme lassen sich die optischen Grundgesetze
von der Reflexion und Brechung des Lichts in elementarer Weise ableiten.
Sucht man aber dementsprechend dem Wesen des Lichts dadurch näher zu
kommen, daß man den Querschnitt eines von einer Lichtquelle ausgehenden
Strahlenbündels durch Blenden immer mehr einengt, um auf diesem Wege mit
einem einzelnen Lichtstrahl zu operieren, so zeigt sich, daß dieser Versuch
nicht durchführbar ist. Verengert man die Öffnung, durch die das betreffende
Lichtbüschel tritt. mehr und mehr, so wird, wenn das Loch einen Durchmesser
von etwa !/, mm erreicht hat, das durchgehende Büschel nicht ebenfalls
enger, sondern verbreitert sich, und bei noch weiterer Verkleinerung des Loches
erscheint dieses selbstleuchtend, bewirkt also eine Erhellung des ganzen hinter
ihm liegenden Räumes, nicht aber eines einzigen Punktes, wie man erwarten
sollte. Die in diesem Falle auftretende Beugung und Diffusion des Lichts zeigt
also, daß die Lichtstrahlen keine reale Existenz besitzen können. Diese Er-
scheinung war mit die Ursache zur Aufstellung der sogenannten Undulations-
theorie des Lichts, die annimmt, daß jeder leuchtende Körper das Erzeugungs-
zentrum von Kugelwellen ist, die sich von ihm aus mit Lichtgeschwindigkeit
ausbreiten; von diesem Standpunkte aus lassen sich die Beugungserscheinungen
widerspruchsfrei erklären; man sieht ein, daß eine endliche Lichtwirkung nur
durch Bündel von endlicher Weite vermittelt werden kann. Bei kleiner Öffnung
muß dann der Fall eintreten, daß die Öffnung selbst wieder wie eine Lichtquelle
wirkt. Trotzdem ist es jn vielen Fällen außerordentlich nützlich, mit dem Be-
griff der Lichtstrahlen zu operieren, als ob sie wirklich eine physikalische Be-
deutung hätten; nachträglich muß man dann natürlich untersuchen, inwiefern
die erhaltenen Resultate durch die Wellennatur des Lichts in dem betreffenden
Falle geändert werden. Auf dieser Grundlage baut sich die sogenannte geo
metrische Optik auf, deren Betrachtungen nur unendlich enge Lichtbüschel zu-
grunde liegen. Man erhält dann nämlich einfache und übersichtliche Gesetze
für Größe und Lage der durch optische Systeme vermittelten Bilder und den
Einfluß der Konstanten dieser Systeme auf die Abbildung. Es läßt sich nun
zeigen, daß die durch Reflexion oder Brechung an einer gekrümmten Fläche
zustande kommenden Bilder durch die Entfernung des Objekts von der Fläche,
deren Krümmungsradien und den Brechungs-
exponenten der betreffenden Substanzen voll-
kommen bestimmt sind. Ist beispielsweise
in Fig. 1 LSL, ein Teil einer Kugelflache, S
ihr Scheitel und P ein leuchtender Punkt, von
dem Strahlen unter dem sehr kleinen Winkel v
die Begrenzung treffen, so ist sein Bild P’
Fig. 1. durch den Schnittpunkt zweier beliebiger,
| durch die Fläche gehender Strahlen be-
stimmt, also etwa durch PA'P’ einerseits und den achsialen Strahl PSF’ anderer-
seits. Der letztere Strahl verläuft in der optischen Achse, um die die von L
ausgehenden, auf das Kugelsegment fallenden Strahlen symmetrisch liegen.
Die Fläche teilt nun gewissermaßen den Raum in zwei Teile, die
Punkte des einen werden in Punkte des andern abgebildet, links liegt der
„Objektraum“, rechts der „Bildraum“. Es ist leicht einzusehen, daß eine Ver-
— 3381 —
schiebung des Objektpunktes L längs der Achse auch eine solche von Li her-
vorrufen muß. Ebenso zeigt Fig. 2, daß auch Punkte in unmittelbarer Nachbar-
schaft der Achse im Objektraum bestimmten
Punkten im Bildraum entsprechen, also auch
Elemente senkrecht zur Achse durch die
brechende Fläche abgebildet werden. Diese
Betrachtungen lassen sich auch auf beliebig
viele hintereinander angeordnete brechende
oder spiegelnde Flächen anwenden, auf ,cen-
trierte Systeme“, mit denen man es in der Praxis ja stets zu tun hat. Der einfachste
Fall eines solchen Systems ist eine einzelne Linse. Fig. 3 zeigt, wie in diesem
Falle die Abbildung vor sich geht. Die speziellen Eigenschaften solcher Systeme
lassen sich ebenfalls in eindeutiger Weise bestimmen und sich durch einfache
Beziehungen ausdrücken, so lange die Öffnungswinkel der betreffenden Strahlen-
büschel klein bleiben, man also einen der Achse unendlich benachbarten Raum
betrachtet. Dann besteht zwischen Objekt- und Bildraum durchgängige Rezi-
prozität, der Objektraum wird Punkt für Punkt in den Bildraum abgebildet. Die
geometrische Optik umfaßt also nur
dieses parachsiale Gebiet, die ge-
nannten Schlüsse haben in völliger
Strenge nur hier Gültigkeit. Wollte
man sich nun in Wirklichkeit
darauf beschränken, Objekte durch Fig. 3.
unendlich schmale Büschel abzu- |
bilden, so würde an sich schon die erzielte Lichtstärke der Bilder eine
ganz minimale sein, dann aber würde sich auch die Abbildung durchaus nicht
in der von der geometrischen Optik geforderten Weise vollziehen, denn hier
würden die vorhin erwähnten Beugungserscheinungen ein scharfes Bild nicht
zustande kommen lassen. Läßt man andererseits die Beschränkung auf un-
endlich schmale Büschel fallen, so ergibt sich, daß schon infolge der Brechung
durch gekrümmte Flächen an sich von einer punktförmigen Abbildung nicht
mehr die Rede sein kann. Konstruiert man in derselben Weise wie in Fig. 1
den L entsprechenden Bildpunkt durch eine |
größere Zahl von Strahlen, so ergibt sich, daß
sich die einzelnen gebrochenen Strahlen nicht in
einem Punkte schneiden, sondern, wie Fig. 4 zeigt,
eine leuchtende Fläche mit der Spitze P’, die
durch die parachsialen Strahlen gebildet wird,
erzeugen. Diese Abweichung ist also durch die Fig. 4.
Kugelgestalt der brechenden Fläche hervorgerufen, |
dieStrahlenbündel von größerem Öffnungswinkel besitzen eine andere Vereinigungs-
weite als die parachsialen. Die Größe dieser sogenannten sphärischen Aberration ist
also allein durch die Krümmung der betreffenden Flächen bestimmt; die statt
des Bildpunktes entstehende leuchtende Fläche hat bei einer kollektiv wirken-
den Fläche die Form eines nach dem ankommenden Licht zu offenen Kelches >,
bei einer dispansiven dagegen die Form eines geschlossenen Kelches <. Man
sieht, daß durch Kombination beider Arten zu einem optischen System die Möglich-
keit gegeben ist, diesen Fehler mehr oder weniger vollkommen aufzuheben und sich
der Erzeugung eines idealen Bildpunktes in hohem Maße zu nähern. Trotzdem
Fig. 2.
— 332 —
aber würde ein solches, vom Standpunkte der geometrischen Optik aus voll-
-kommenes System einen leuchtenden Punkt nicht wieder in einen Punkt ab-
bilden, da ja ihre Voraussctzungen, wie schon vorhin erwähnt, durchaus nicht
im Einklang mit der physischen Optik stehen. Nach der Wellenlehre ist ja
jeder leuchtende Punkt das Erschütterungszentrum einer Ätherbewegung, die
sich in kugelförmigen Wellen fortpflanzt: trifft ein Teil einer solchen Kugel-
welle auf eine gekrümmte leuchtende Fläche. so kann offenbar dieser Wellen-
teil nur dann in einen einzigen Punkt konvergieren, wenn die auffallende
Wellenflache wieder in eine Kugelwelle mit anders gelegenem Zentrum um-
gewandelt wird, und dieses Zentrum ist dann der ,Bildpunkt* der geo-
metrischen Optik. Ein Strahlenbüschel ist demnach ein Teil einer von dem
leuchtenden Punkt ausgehenden Kugelwelle, die Strahlen sind die Normalen
auf diesem Flächenteil. In Fig.5 sei WM ein solcher Teil einer von L aus-
gchenden Welle; ist die Welle bis zur Linse S fortgeschritten, so erleidet sie
jo > eine Umformung; an ihre Stelle
| tritt die Wellenfläche W' M’, die,
da sie das Zentrum J besitzt
und demnach hier eine Licht-
wirkung hervorruft, den Bild-
punkt JZ’ erzeugt. Offenbar
sind in diesem Falle wegen der
Fig. 5. Symmetrie der beiden Wellen-
flächen zur Achse LL’ die optischen Wege L M M'L’ und LWW L'‘ einander
gleich: die von L ausgehenden Störungen treffen mit gleicher Phase in Z” ein,
die von den einzelnen Wellenteilen übertragenen Bewegungen müssen sich also
in Z’ summieren und einander verstärken; ganz anders aber steht es mit den
Punkten in der Nähe von ZL‘: hier können sich die Wirkungen aufheben, falls
die optischen Längen ungleich sind, z. B. oi: und o M', in andern Punkten
können aber wieder Verstärkungen auftreten usw. Diese Interferenzwirkung
hat also zur Folge, daß statt eines Bildpunktes ein helles Scheibchen entsteht,
das abwechselnd von dunklen und hellen Ringen umgeben ist, deren Helligkeit
nach außen hin rasch abnimmt. Die Helligkeit des Ringsystems sinkt um so
rascher, je größer die wirksame Fläche der Lichtwelle ist, das Scheibchen
schrumpft auf ein Flächenelement Li zusammen, der ideellen Grenze des zu L
gchörigen Bildpunktes. Also nur durch Umformung der auffallenden Kugel-
wellen in Kugelwellen mit anders gelegenen Zentren können die optischen
Systeme angenähert einen Objektpunkt in ein Beugungsscheibchen verwandeln,
das man als Bildpunkt bezeichnen kann. Es Jäßt sich nun leicht einsehen,
daß die Verhältnisse noch viel komplizierter werden müssen, wenn die Welle
nach der Brechung in eine
nicht mehr sphärische Fläche
An umgewandelt wird, also in ver-
7» SQ, schiedenen Richtungen ver-
B, schiedene Krümmungen be-
sitzt; dann wird auch von
einer nur angenähert punktförmigen Abbildung keine Rede mehr sein
können. Diese Erscheinung tritt z. B. stets auf, wenn verhältnismäßig enge
Büschel schief auf ein System von Kugelflächen fallen. Es läßt sich zeigen.
daß dann statt eines Punktes zwei zueinander senkrechte Brennlinien entstehen.
Fig. 6.
— 333 —
die einen bestimmten Abstand von einander haben. Fig. 6 stellt diese Er-
scheinung dar: A, Bp A, B, sind die Brennlinien. P” ist der „Kreis der kleinsten
Konfusion*, den ein Beobachter unwillkürlich als Bildpunkt von P betrachten
wird. Diese astigmatische Strahlenvereinigung spielt in der praktischen Optik
cine große Rolle. |
Somit zeigt sich, daß zwischen der Abbildung durch parachsiale Büschel,
wie sie der Gaußschen Theorie zugrunde liegt und der durch die Wellennatur
des Lichtes hervorgerufenen Abbildung ein prinzipieller unlösbarer Widerspruch
besteht; denn es kann einerseits nur durch unendlich enge Büschel eine punkt-
förmige Abbildung des Objektraumes erzielt werden; versucnt man andererseits
aber diese Form der Abbildung tatsächlich zu verwirklichen, so erhält man in-
folge der Beugung doch keine punktweise Abbildung, vielmehr wird jeder Punkt
als mehr oder weniger großes Beugungsscheibehen abgebildet. Infolgedessen
ist es auch theoretisch und praktisch völlig unmöglich, mittels zentrierter
Systeme einen beliebig großen Raum durch beliebig weit geöffnete Büschel ab-
zubilden. Trotzdem aber ist gerade diese Aufgabe für die praktische Optik von
größter Wichtigkeit, und es fragt sich, ob sich die Abbildungsgrenzen nicht doch
künstlich erweitern lassen; das ist nun in der Tat in hohem Grade möglich
geworden durch Kombination von Einzelsystemen verschiedenartiger Eigen-
schaften zu Gesanıtsystemen. Ein Umstand fördert dieses Bestreben noch be-
sonders, nämlich das beschränkte Auflösungsvermögen des menschlichen Auges.
Da das Auge Punkte nicht mehr zu trennen vermag, die ihm unter einem Sch-
winkel von einer halben Winkelminute erscheinen, so wäre es völlig wertlos,
eine schärfere Abbildung bewirken zu wollen als die Sehschärfe erfordert: es
braucht also cin System statt Lichtpunkte nur Lichtflecke entstehen zu lassen,
daß sie noch vom Auge getrennt wahrgenommen werden können. |
Die erstrebte Erweiterung der Abbildungsgrenzen ließ sich nun dadurch cr-
reichen, daß man optische Systeme zu schaffen suchte, die entweder Achsen-
punkte und Flächenelemente mittels beliebig weit geöffneter Büschel homozen-
trisch abbilden, also ein sehr kleines Gesichtsfeld haben, oder aber ausgedehnte
Flächen durch unendlich enge Bündel darstellen. Durch Kombination beider
Typen ist es möglich, für spezielle Zwecke Apparate von hoher Vollkommenheit
zu konstruieren. Der zuerst erwähnte Typus findet Anwendung als Objektiv
für Mikroskope und Fernrohre; bei ihm handelt es sich darum, durch möglichst
weit geöffnete Büschel Flächenelemente in der Nähe der Achse aberrationsfrei
abzubilden. Wie schon vorhin erwähnt, läßt sich die stets vorhandene sphärische
Aberration für Achsenpunkte durch geeignete Krümmung der Linsenflachen
stark vermindern. Es gibt jedoch eine Reihe von Flächen, durch die bestimmte
Punkte durch beliebig weit geöffnete Büschel aberrationsfrei abgebildet werden.
Die Bedingung für eine derartige Abbildung ist, daß die Summe der Lichtwege
zwischen den beiden Punkten konstant ist: bei der Spiegelung genügt dieser
Bedingung die Ellipse, in deren einem Brennpunkt der leuchtende Punkt sich
befindet, alle von ihm ausgehenden Strahlen werden streng im Brennpunkt ver-
einigt. Rückt der leuchtende Punkt ins Unendliche, so wird die Ellipse zur
?arabel. Die aberrationsfreien Flächen für brechende Systeme sind wesentlich
kompliziertere Kurven, die sogenannten Cartesischen Ovale Der praktische
Wert dieser Flächen ist jedoch nur ein sehr geringer, da ja offenbar z. B. bei
der Ellipse jeder Punkt in der Nähe des leuchtenden Punktes: nicht mehr
aberrationsfrei abgebildet wird: die Verundeutlichung auch für ein in dem einen
— 334 —
Brennpunkt befindliches Flachenelement ist sehr erheblich, so daß von einer
punktförmigen Abbildung nicht die Rede sein kann. Beim Mikroskop wie beim
Fernrohre spielt aber die punktförmige Abbildung von Flächenelementen eine
hervorragende Rolle, so daß für diese Zwecke diese Flächen ziemlich unbrauch-
bar sind. Abbe gelang es nun, die Bedingung für die homozentrische Abbildung
von Flächenelementen senkrecht zur Achse aufzustellen. Diese berühmte Be-
dingung, der Sinussatz, läßt sich wohl an Hand der Fig. 7 leicht veranschau-
sl lichen. Beschränkt man sich gemäß
re aa -iy der Voraussetzung der geometrischen
Optik auf unendlich enge parachsiale
Büschel, so ist die durch ein optisches
System hervorgerufene Vergrößerung
eines Flächenelements senkrecht zur
Achse eindeutig bestimmt. Erfolgt aber
die Abbildung durch weitgeöffnete
Büschel, so wird im allgemeinen die durch die parachsialen Strahlen bewirkte Ver-
größerung verschieden von der durch die Randstrahlen erzeugten sein. Das
Objektiv zerfällt in verschiedene „Zonen“, die jede eine andere Vergrößerung
besitzen, demnach würden sich die Bilder überlagern und so eine starke Ver-
undeutlichung verursachen. Abbe fand nun, daß nur dann eine aberrations-
freie punktförmige Abbildung eines solchen Flächenelements möglich ist, wenn
das Verhältnis der sin. der Öffnungswinkel u und uw, ein konstantes ist.
Ist diese Bedingung erfüllt, so ist das System ein aplanatisches. Für den
Mikroskopbau ist das Auffinden dieser Beziehung von fundamentaler Bedeutung
geworden, erst durch ihre Kenntnis konnte sich die Mikroskopie zu ihrer heu-
tigen Blüte entwickeln.
Durch die Erfüllung der Sinusbedingung wird nur ein Flachenelement durch
beliebig weit geöffnete Büschel, nicht jedoch eine ausgedehnte Fläche oder
mehrere Flächenelemente hintereinander, ein Raumelement, scharf abgebildet.
Dieses bescheidene Verlangen läßt sich nicht verwirklichen. Somit gibt es also
nur ein Paar aplanatische Punkte; ein Mikroskopobjektiv kann nur für das
Punktepaar berechnet werden, für das es gebraucht werden soll: liegt das
Objekt außerhalb des aplanatischen Punktes, so ist das Bild nicht mehr
aplanatisch.
Da es also unmöglich ist, eine scharfe Abbildung ausgedehnter Flächen
durch beliebig weite Büschel zu erreichen, so galt es, die zweite Gattung
optischer Systeme unter möglichster Aufhebung aller hier in Betracht kommen-
den Fehler zu konstruieren, die dieses Ziel durch unendlich enge Büschel er-
reichen. Die hier auftretenden Fehler bestehen vor allem in dem schon vorhin
erwähnten Astigmatismus, der statt eines Bildpunktes zwei aufeinander senk-
rechte Brennlinien verursacht; erst nach dessen Aufhebung kann von einer
angenähert punktförmigen Abbildung die Rede sein; dann kann das Bild noch
durch Bildwölbung und Verzerrung eine starke Verundeutlichung erfahren. Für
die Beseitigung des Astigmatismus gibt es nun keinen Satz, der die gleiche
Allgemeingültigkeit wie der Sinussatz besitzt. Wie Fig. 8 zeigt, ordnen sich die
gleichen Brennlinien auf zwei Flächen A, und A, an, die sich in der Bildebene
für parachsiale Strahlen berühren. Man sicht, wie die Verundeutlichung des
Bildes in dieser Ebene mit größer werdendem Abstand von der Achse immer
mehr wächst. Der Bildpunkt stellt sich hier als Scheibehen dar. Ist der Astig-
WI
ee,
D
Fig. 7.
— 35 —
matismus gehoben, so bleibt die Krümmung übrig. Erst nach sehr mühevollen
Untersuchungen und nach Herstellung der neuen Jenaer Gläser war es praktisch
möglich, auch diesen Fehler zu beseitigen. Die Bedingung für die Verzeich-
nungsfreiheit läßt sich dadurch formulieren, daß
die Tangenten der Neigungswinkel der Elementar-
büschel gegen die Achse des Systems in kon-
stantem. Verhältnis zu einander stehen müssen,
also eine Bedingung, die in gewissem Sinne
der Sinus-Bedingung gerade widerspricht und
recht deutlich zeigt, warum sich ausgedehnte
Flächen nicht durch weite Büschel abbilden
lassen.
Ein Typus von Systemen hat sich jedoch
besonders im Laufe der letzten 20 Jahre ent-
wickelt, der eine Mittelstellung zwischen den Fig. 8.
beiden oben erwähnten einnimmt, das sind
die photographischen Objektive, die ja möglichst ausgedehnte Objekte
mittels möglichst weiter Büschel abbilden sollen. Hier fragt es sich vor
allem, ob und inwieweit es überhaupt möglich ist, eine beliebig ausgedehnte,
achsensenkrechte Ebene scharf und ähnlich wieder in eine Ebene mittels weiter
Büschel abzubilden. Diese grundlegenden Untersuchungen stammen von dem
Münchener Astronomen L. Seidel; das Resultat ist, daß ein optisches System
fünf Bedingungen zu diesem Zweck erfüllen muß. Die erste bedeutet die Auf-
hebung der sphärischen Aberration, die zweite ist die Sinusbedingung, die dritte
beseitigt den Astigmatismus, die beiden letzten die Bildwölbung und die Ver-
zerrung. |
Ein Fehler blieb bisher unerwähnt, der sämtlichen brechenden Systemen
anhaftet und der die Entwicklung der optischen Instrumente in außerordent-
lichem Maße beeinflußte, das ist die mit der Brechung Hand in Hand gehende
Farbenzerstreuung. Da im allgemeinen die abzubildenden Objekte mit weißem
Licht leuchten, tritt in jedem brechenden System eine Zerlegung dieses zu-
sammengesetzten Lichtes ein, und diese Zerlegung vermindert die Schärfe des
Bildes in sehr hohem Grade. Denn jede der Farben, aus denen das weiße
Licht besteht, erfährt durch diese Brechung eine andere Ablenkung, mithin ent-
steht &tatt eines weißen Bildpunktes eine Reihe verschiedenfarbiger Bilder, die
im allgemeinen nicht an derselben Stelle des Bildraums liegen und außer der
farbigen Abbildung eine sehr starke OR
Verundeutlichung herbeiführen. Fig. 9 =
zeigt, wie durch eine Sammellinse
parallel auffallendes weißes Licht zerlegt
wird und statt eines weißen Brenn-
punktes eine kontinuierliche Reihe
solcher Punkte in den Farben Rot bis
Violett auf der Achse entstehen, dab
also durch diese Verschiedenheit der
Vereinigungsweiten ein scharfes Bild
nicht zustande kommen kann. Newton kam zu der Überzeugung, daß es überhaupt
unmöglich wäre, die Farbenzerstreuung brechender Systeme aufzuheben und ein
praktsich brauchbares Bild durch sie zu erhalten. Infolgedessen wandte er sich von
Fig. 9.
— 336 —
der Konstruktion von Glaslinsen für astronomische Fernrohre ab und führte an ihrer
Stelle Hohlspiegel ein, denn jede Spiegelung ist von Farbenzerstreuung völlig
frei, und er begründete so den Bau der Spiegelteleskope, die auch heute noch mit
großem Erfolge angewandt werden und, wie es den Anschein hat, in Zukunft
noch mchr an Boden gewinnen werden. Diese Annahme Newtons war jedoch
ein Irrtum, der die weitere Entwicklung der optischen Instrumente sehr stark
hemmte. Erst 1752 gelang es Dollond durch Verbindung zweier Linsen aus
verschieden brechenden Glasarten ein System herzustellen, das die Farben-
zerstreuung stark verminderte und gleichzeitig ein ziemlich aberrationsfreies
Bild lieferte. Diese sphärisch und chromatisch korrigierten Doppellinsen heißen
Achromate: sie bestehen aus Gläsern, die für die einzelnen Farbenbereiche ver-
schiedenes Brechungsvermögen besitzen, so daß die durch die eine Linse be-
wirkte Zerstreuung durch die andere wieder aufgehoben wird. Einen außer-
ordentlichen Aufschwung nahm jedoch die Konstruktion astronomischer Systeme
erst durch die von Abbe und Schott in den achtziger Jahren geschaffenen neuen
Gläsern, die es gestatteten, nicht nur sphärisch und chromatisch korrigierte Objek-
tive herzustellen, sondern auch die Bildwölbung zu beseitigen; ferner ist es durch
diese Gläser möglich geworden, drei Farben in einen Punkt zu vereinigen und
somit ein praktisch völlig farbenfreies Bild zu erzielen. Durch die Herstellung
dieser Glasarten war es erst möglich, die Leistungen der optischen Instrumente
zu ihrer heutigen Höhe zu bringen.
Es fragt sich nun, ob sich durch immer größere Vervollkommnung der
theoretischen und praktischen Hilfsmittel die Leistung der optischen Instrumente
immer mehr verfeinern läßt oder ob hier vielleicht doch gewisse Grenzen be-
stehen, die nicht mehr überschritten werden können. Das letztere ist tatsächlich
in gewissem Sinne der Fall. Diese Grenzen sind hier auch wieder durch die
Wellennatur des Lichtes gegeben. Die Lichtwellen des sichtbaren Gebiets um-
fassen die Größen von 0,8 bis 0,4 Tausendstel Millimeter, und es läßt sich zeigen,
daß durch diese Größe das Auflösungsvermögen des Fernrohrs und des Mikro-
skops bedingt ist. Das Fernrohr gestattet eine um so stärkere Trennung von
Objekten, je größer sein Objektivdurchmesser ist. So ergibt sich das Trennungs-
vermögen von Fernrohrobjektiven bei Annahme einer Wellenlänge des auffallen-
den Lichts von etwa 0,5 u bei einem Durchmesser von
20 cm zu 0,54“
40 - - O27" 2
60 - - 0,15"
80 - - 0,13“
100 - - 010”
Diese Winkelunterschiede sind die höchste theoretisch mögliche Leistung
der betreffenden Objektive, die jedoch infolge der unvermeidlichen Zonenfehler
der groben Linsen kaum praktisch erreicht werden dürfte. l
Ähnlich liegen die Verhältnisse beim Mikroskop; das kleinste hier noch
wahrnehmbare Gebilde ist von der Größenordnung einer halben Lichtwellen-
länge: da man jedoch durch Zuhilfenahme der Photographie bis zur Wellen-
länge von 0,2 u gelangen kann, so könnte das Mikroskop noch Objekte von der
Größe eines Zehntausendstel Millimeters im günstigsten Falle zur Darstellung
bringen. Weiter führt noch in gewisser Weise das Ultramikroskop, bei dem
noch Teilchen, die weit unterhalb einer Lichtwellenlänge liegen, dadurch sichtbar
— 337 —
gemacht werden, dab das durehfallende Licht an ihnen aufgesplittert wird; da-
durch erscheinen die Teilchen als helle Punkte auf dunklem Grunde: von einer
Abbildung ihrer Struktur kann dabei natürlich keine Rede sein.
5 f
Eine sehr eingehende und klare Darstellung aller für die einzelnen optischen
Systeme in Betracht kommenden Beziehungen findet sich in dem von Lummer
bearbeiteten Teil der Neuauflage von Müller-Pouillets Lehrbuch der Physik,
Verlag von Vieweg & Sohn, Braunschweig, dem auch ein Teil obiger Figuren
entnommen ist. wë
Der neue Komet Brooks 1911c.
Von Dr. F. S. Archenhold.
(Mit einer Beilage).
Wines der Komet Kiess 1911b, über dessen Entdeckung wir früher be-
richtet haben (Jg. 11, S. 314), bereits nach dem südlichen Himmel ab-
marschiert und für uns unsichtbar geworden ist, kommt der am 20. Juli entdeckte
Komet Brooks 1911 c in immer günstigere Stellung. Er steht bereits unter den
Circumpolarsternen und ist jetzt nicht nur in kleinen Fernrohren, sondern sogar
in ‘lichtstarken Opernglasern aufzufinden. Er ist im Sternbilde des Pegasus
entdeckt worden und seitdem in das benachbarte Sternbild des Schwans gerückt.
Die Leser finden seinen Lauf auf beifolgender Sternkarte für die Zeit vom
1. bis 15. September eingezeichnet, während welcher er vom Sternbild des Schwans
in das des Drachen rückt. Am 3. September steht er oberhalb des Sterns x im
Schwan und aın 10. September bei dem Stern & im Drachen. |
Es ist der 26 Komet, den Dr. William R. Brooks, der Direktor des Smith
Observatoriums und Professor der Astronomie am Hobart College in Geneva im
Staate New York entdeckt hat. Er benutzt bei seinen Beobachtungen einen
10 Zoller und hat sich eine Karte aller mit diesem sichtbaren Nebelflecke hergestellt,
sodaß er sofort feststellen kann, ob ein nicht auf seiner Karte verzeichnetes verdäch-
tiges Objekt ein neuer Komet oder ein schon bekannter Nebelfleck ist. Von allen
lebenden Astronomen hat bisher noch keiner eine so große Zahl von Kometen
entdeckt wie Brooks. Er wird gelegentlich von seiner Frau und seiner Tochter
bei seinen Beobachtungen unterstützt.
Der neue Komet gehört zu «den nichtperiodischen, die nur einmal in die
Nähe der Sonne kommen, um dann für immer zu verschwinden. Nach einer
Bahnbestimmung von Ebell wird der neue Komet erst am 27. Oktober seine
größte Sonnennähe erreichen. Bei seiner Entdeckung hatte der Komet die
Helligkeit eines Sternes 10. Größe, wurde dann am 8. August 9. Größe, am
24. August 8. Größe und Mitte September wird er wie ein Stern 7. Größe erscheinen.
Wir finden in den A. N. 4517 folgende vorausberechnete Oerter:
Rektaszension Deklination
September 5. 189 be toe g 590 48,2°
i. 29 D? DO 38,2
9. 1s 4 t Di 96
11. 37 29 57 20,4
13. 17 un 353 BT 94
Der Komet ist bis jetzt noch immer kugelförmig mit einer Ausdehnung von
einigen Bogenminuten und einerZentralverdichtung,dessenSpektrum nachStratton
kontinuierlich ist, wohingegen die Kohlenwasserstoffbande von 516 Wellenlänge,
etwa 2’ vom
Kern, sowohl
in der Richtung
auf dieSonne zu
wicin entgegen-
gesetzter Rich-
tung zu sehen
ist.— Da die Ko-
meten zumeist
erst ihre beson-
dere Helligkeit
erreichen, wenn
sie ihre Sonnen-
nähe passiert
haben, so dürfte
sein Anblick
vielleicht allen
denen,die durch
die geringe Entwicklung des Halleyschen Kometen für das Auge enttäuscht
waren, eine Entschädigung bieten. Seine Photographien hingegen zeigten inter-
essante Schweifbildungen, wie die auf unserer Beilage wiedergegebenen Auf-
nahmen der Licksternwarte erwiesen haben. Der Komet Brooks wird jetzt
allabendlich den Besuchern der Treptow-Sternwarte gezeigt.
W
Neues Verzeichnis von alten Kometeneinblattdrucken.
Von F: S. Archenhold.
(Mit einer Beilage.)
Si dem Erscheinen der Schrift, „Kometen, Weltuntergangsprophezeiungen
und der Halleysche Komet!)“ habe ich das im Anhang veröffentlichte
Verzeichnis der alten Kometeneinblattdrucke noch vervollständigen können und
einige interessante neue Blätter der Sammlung unseres astronomischen Museums
einverleibt. Welches Aufsehen das Erscheinen großer Kometen in früheren
Zeiten hervorrief, beweist die Auffindung eines englischen Flugblattes, des ersten,
das ich in dieser Sprache kenne, welches das Erscheinen des großen Kometen aus
dem’ Jahre 1664 beschreibt. Es existieren von diesem Kometen noch 18 andere
Einblattdrucke, welche in folgendem Verzeichnis auch aufgeführt sind. Dieser
große Komet wurde von Ende November 1664 bis Mitte März 1665 gesehen, und
das große Werk „Theatrum cometicum* von Lubienietzky handelt fast aus-
schließlich von diesem Kometen. Wir geben in unserer Beilage eine Abbildung
des englischen Originalblattes, das um etwa !/, verkleinert ist, und hierbei
eine freie Übersetzung des Textes wieder. Es findet sich sowohl der Komet
1618, dessen Erscheinen den 30jährigen Krieg veranlaßt haben soll, wie auch
der erwähnte Komet aus dem Jahre 1652 in dem folgenden Verzeichnis mehr-
fach angeführt ist.
Lauf des Kometen Brooks 1911c vom 1. bis 15. September 1911.
1) Verlag der Treptow-Sternwarte, Preis brosch. M. 1,—., geb. M. 1,60.
Beilage zur illustrierten Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete
„DAS WELTALL“, Jahrg. 11, Heft 22.
Der Halleysche
vor und nach
mit der
Komet
der Begegnung
Erde.
1910, Juni 6.
ah 50™ — 10" 55".
1910, Juni 7.
gh a7 10" 47.
1910, Mai 1. 158 42™—16" 5". 1910, Mai 5. 155 17™ — 15 53m,
Digitized by Google
— 339 —
Um eine spätere Vervollständigung dieses Verzeichnisses vornehmen zu
können, ohne die Nummern der chronologisch geordneten Kometeneinblattdrucke
umändern zu müssen, habe ich nur die Zehner bei der Numerierung benutzt.
Übersetzung des in unserer Beilage wiedergegebenen englischen Kometen-Einblattdruckes
PORTRAIT
des neuen wunderbar
leuchtenden Sternes,
der im Inneren Vesterreichs und den angren-
zenden Teilen Arvatiens zu sehen war; er
stand zum Schrecken der Bewohner
über Rackelsburg und Csackenthurn
vom 12. Januar 1664 an einige
tagelang morgens zwischen
zwei und drei Uhr.
ieser unnatürliche und Schrecken ver-
breitende, am Firmament in feuriger
Gestalt erschienene Stern, eine leuch-
tende Fackel des göttlichen Zornes, wird
als Vorläufer großer Kriege und
darauffolgendem Elend gefürchtet; er gleicht
dem Stern, der im Jahre 1618 30 Tage lang in
ganz Deutschland zu sehen war und den unheil-
vollen 30 jährigen Krieg zur Folge hatte, es ist
ein ähnliches Zeichen wie jener Stern, der im
Jahre 1652 erschien und auf den die polnischen,
schwedischen und dänischen Kriege folgten.
Dieser wundervolle Stern, in dessen Innerem
zwei Halbmonde gesehen werden konnten, ist
zweifellos ein Vorläufer von furchtbaren Ver-
änderungen, die der Erzfeind des Christentums
hervorbringen wird, der mit einem erstaunlichen
Heer in das christliche Reich eingefallen und
gedroht hat, mit stärkerer Macht wiederzukommen
und schreckliche Verwüstungen anzurichten.
Damit nun Gottes strafende Hand zurückgehalten
und die uns drohenden Uebel abgewendet werden
mögen, laßt uns auf unsere Knie fallen, auf-
richtige Reue und Buße tun und mit unseren
Gebeten nicht nachlassen. Sintemal Veubarthus
in seinem Kalender 1663 schließt, daß unter
dem Zeichen einer großen Konjunktion von
Saturn und Jupiter in dem feurigen Zeichen des
Sagittarius dieser leuchtende Stern nach astro-
logischen Vermutungen seinen Ursprung hat,
überall ertönt der warnende Ruf, sich schnell
vom Bösen abzukehren und wahre Buße zu tun.
Aus dem Hochdeutschen.
vom Jahre 1664.
SCHILDERUNG
des übernatürlichen neuen
leuchtenden Sternes,
der in Oesterreich, hauptsächlich über
Rackelsburg und Csackenthurn an
einigen Tagen morgens zwischen
zwei und drei Uhr vom 12. Ja-
nuar 1664 an zum groben
Erstaunen derBewohner
zu sehen war.
ir erkennen deutlich wie in einem
Spiegel, daB die Wiederkunft Christi
und die letzten Zeiten bevorstehen,
denn die Zeichen und Wunder, die
am Himmelsfirmament bei Sonne,
Mond und Sternen beobachtet werden können,
sind nichts als eine Warnung und Drohung, damit
die Menschen umkehren und von ihren sündigen
Wegen lassen sollen. Daraufhin halten wir es für
gut den schrecklichen Stern zu beschreiben, dessen
Portrait uns aus Deutschland gesendet wurde.
Dieses unnatürliche und noch niemals
gesehene Himmelszeichen, dieser wundervolle
Stern erschien am Firmament in schrecklicher
Gestalt und als feurige Fackel des göttlichen
Zornes. Man fürchtet, daß dieser Komet schwere .
Kriege und Zwistigkeiten zur Folge haben
wird, wie auch jener im Jahre 1618 in ganz
Deutschland 30 Tage lang gesehene Stern einen
30jährigen blutigen Krieg nach sich zog und
der im Jahre 1652 beobachtete Stern die pol-
nischen, schwedischen und danischen Kriege
verkündete, umsomehr, da er von wunderbarer
Gestalt ist. Zwei Halbmonde in der Mitte
des Sternes sollen die beiden Arme Ottomans
versinnbildlichen, der mit seinen kriegerischen
Vorbereitungen ganz Europa in Staunen und
Schrecken versetzt. Doch der Herr des Himmels
scheint sich dem Christentum wieder in Gnaden
zuzuwenden und diese Zwistigkeiten beseitigen
zu wollen. .Vewbarthus hält in seinem letzten,
1663 erschienenen Kalender diesen leuchtenden
Stern für eine Wirkung der großen Konjunktion
von Saturn und Jupiter in dem feurigen Zeichen
des Sagittarius. Einige Astronomen erachten es
für gut, daß solches alles veröffentlicht werden
sollte. Aus dem Niederdeutschen.
Chronologisches Verzeichnis alter Kometen- Einblattdrucke.
1460 Dieser Comet ist erschienen im 1460. Jhar.
Oben 4 Z. Vers: O du Babst o du
Furst von Meilandt wie ist dein Haus und deines mitgenossen so weibisch das er
alle nur Krieg auff euch leget und fellett.
Von dem Cometen oder Pfawenschwantz /so in etlichem hochteutschen land x. tag
des Augsten sich zuerst erzeigt, und darnach viel naecht...
1 Stern mit Schweif, links neben ein lat.
inama nota colom“ etc., unten 3 Absätze Text: Was es sey.
15314
ist...
auslegung und wircken.“ fol.
(Arch. 10.)
am himmel gesehen
Vers: „Tu steriles agros, et
Wie es werd. Sein
(Arch. 20.)
1573
1577
1580
1581
1618
1623
1649
— 340 —
Dise zween stern mit langen krommen flammen / seind zu Wurmbs am 27. Novrembis
. auffgange etc. — 2 Sterne mit Schweifen, darunter 4 Zeilen Text. (Arch. 30).
„Ein erschrocklich wunderzeichen / von zweyen Erdbidemen / welche gesehen
seind zu Rossanna und Constantinopel / Im 1556. Jar.“ Darstellung des über
Konstantinopel im März sichtbar gewesenen grossen Kometen, sowie einer am 13. Mai
ebendort wahrgenommenen Sternkonstellation. Unten 24 Doppelzeilen Text. „Zu
Nürnberg bey Herman Gall / Brieffmaler / in der Kotgassen.“ (Arch. 40.)
— Derselbe. Ein erschröcklich wunderzeichen / von zweyen Erdbidemen ;
welche gesehen sind zu Rossanna und Constantinopel im 1556. Jar. 12 Doppelzeilen
Text. Zu Nürnberg bey Hermann Gall / Brieffmaler in der Kotgassen. (Arch. 50.
Bericht über den — Cometen — mit seinem Prognostico zu betrachten. Holz.
Zur Seite und unten Text, 2sp.: Sinte mal sich bey den Gelehrten“ etc. Darunter
gereimtes Prognostikon. Gedruckt zu Strassburg, durch Bernhard Jobin. fol.
| (Drugul. 435.) (Arch. 60.)
(2. März und 27. Sept.) „Von den Erschrockenlichen Wunderzeichen dem
newen Cometen, zweyen Finsternussen, Erdbidmen vnd blutigen Bach zu Kertzers
(in Bern) Anno 1577.“ Holz. Unten langer Text 2 sp: Erschrockenliche Wunder-
zeichen beide oben am Himmel etc. Gedruckt zu Basel, bey Samuel Apiario.
1577. fol. (Drugul. 507.) (Arch. 70.1
(4.—25. Oct.) Von dem Cometen, welcher im October dises LXXX. Jars erstlich
erschinen vnd noch am Himmel zu sehen ist. Autore Georgio Henischio.* Unten
lange Beschreibung 3sp.: ES hat Gott der Allmechtig — Vigilate et orate. Holz.
mit Angabe der Sternbilder. Col. Gedr. zu Augspurg durch Hanss Rogel Form-
schneider. gr. fol. | (Drugul. 597.) (Arch. SO).
— Derselbe Comet zu Nürnberg gesehen. Oben „Erinnerung vnd Warnung,
von dem jetzt scheinenden Cometen +'¥'¥ so erschienen.“ Unten Text 2sp.: „Die
erfarung gibts, das auff erscheinung der Cometen — nicht mutwilligklich verachten,
Amen. Holz. col. Zu Nürnberg bei Hans Macken Brieffmaler, ins Ayrershof, beym
Thiergärtner Thor. fol (Drugul. 598.) (Arch. 90.)
(29. Jan) „Ware Contrafactur des jüngsten Zorn vnd Wunderzeichen — sich
gentzlich in diser gestalt zu Nürnberg vnd andern vilen orten sehen lassen.“
Unten Gottesfürchtige Vermahnung und ein Gebet 2sp.: Es haben sich nu in wenig
Jaren hero — Erlösers vnd Heylands willen, Amen. Holz. col. „Zu Nürnberg, bei
Leonhardt Blümel Brieffmaler, beymt Newen Thor, hinder dem gulden Stern.“ fol.
(Drugul. 600.) (Arch. 100)
(1. Dec. und 1619 2. fan.) Zwei neue Klagelieder, wie sich zu Augsburg haben
drei Engel sehen lassen und von neuerschienen Kometen. O.: Ein schönes neues
Klaglied von der letzten Zeit — im Thon: Wie schön leucht uns der Morgenstern.
— Dann: die ander Zeitung von dem Neuen Cometstern. In Thon: Kompt her zu
mir spricht Gottes Sohn. Zu Seiten und unten 2sp. Lieder: Wach auf etc.
Gedruckt zu Laingen durch Jacob Senfft, im Jahr 1619. fol. (Drugul. 1361.) (Arch. 110,
— (Dec. bis 1619.) Comet und Wundzeichen. Erschröckliche Wunderwerck
— so sich vnlangst inn Vngern vnd an mehr Orthen zugetragen. Ein Komet,
eine blutige vom Himmel fallende Fahne, ein Metcorstein u. A. Unten 2sp. Beschr.:
Wann ein Obrigkeyt, arme Sünder — Gott erhalt sein häufflein Amen. Holz. col.
Getruckt zu Augspurg, bey Georg Kress, Brieffmaler. fol. (Drugul. 1362.) (Arch. 120.
(10. Aug.) Newe Zeittung Welcher gestalt sich — vber — Constantinopel ein
Cometstern mit erschrecklichen vnd grausamen Fewerigen Stralen neben dreyen
Christlichen Kriegspersonen am Firmament — sich sehen lassen — aussgelegt
worden Unten 3sp. 30 Strophen Auslegung: Hoert zu jhr lieben Christenleut
— In won vnd Frewden Leben Amen. Rad. fol. (Drugul. 1617.) (Arch. 150)
Des Newen Cometen, kigentliche Abbildung. Welcher sich in dem vergangenen
1649. Jahr den 28. Dec... . a... Abend umb 11 Uhr über der Stadt Warschau
1652
1653
1661
1663
1664
— 341 —
in Pohlen hat sehen lassen. Der Comet als Schreckensrute dargestellt mit nach
rechts gekehrtem Schweif. Darunter 2sp. Text, links deutsch, rechts dänisch.
Erstlich gedruckt zu Hamburg /Im Jahr 1650. (Arch. 140.)
(14.—18. Dec.) Observationes Cometae. Grosser Komet, zu Regensburg be-
obachtet. Rechts seine scheinbare Grösse und Gestalt, links seine Bahn „Getruckt
zu Cölln Bey Abraham Hohenberg — 1653.“ fol. (Drugul. 2361.) (Arch. 150.)
— Eigentlicher Abriss und Situation — gesehen worden. Rechts seine
scheinbare Gestalt, links seine verschiedenen Stellungen zum Sternbild des Wagens
am 14., 15. und 16. December. S. Furck exc. qu. fol. Drugul. 2372.) (Arch. /60.)
— Pars Coeli in planum projecti etc. Rechts seine Erscheinung in zwei ver-
schiedenen Formen, links seine Bahn durch die Sternbilder E. Brun fec. G. Altzen-
bach exc. Cöln. Mit lat. u. deutschem Typentext zu Seiten. gr. qu. fol.
(Drugul. 2373.) (Arch. 170.)
(15. Oct.) Wahrh afftige — beschreibung Von dem grossen Cometstern — welcher
— an vielen Orten gesehen worden — In ein Gesang verfast. Im Thon Hilff Gott,
dass mir geligne. Der Komet über Erfurt. Holz. Unten Gesang in 20 Strophen:
Merckt auff jhr Menschenkinder etc. Erstlich Gedruckt zu Erffurt bey Jacob
Sing. fol. (Drugul. 2394. (Arch. 180.)
(29. Jan.) Komet zu Strassburg beobachtet auf seiner Bahn zwischen den Stern-
bildern des Adlers u. Delphins. O.i. T.: Die Erste Observation dess Cometen.
U. die gereimte Anzeigung der acht Unglücksfälle, die ein Komet bedeutet: Acht
Hauptstuck sind etc. Durch M. E. Weigel, Math. 4. (Drugul. 2535.) (Arch. 190.)
— Abbild- u. Beschreibung des Cometen. An den Seiten Beschreibung u.
‚unten gereimte „Bedeutung der Cometen insgemein samt beigefügtem Trost für die
frommen. 4. (Drugul. 2536.) (Arch. 200.)
— Kurze Auffmerckung über den Comet Stern etc. U. Text mit Bericht über
frühere Kometen-Erscheinungen u. deren Bedeutung. fol. (Drugul. 2537.) (.Irch. 210.)
— (11. Februar.) Derselbe, wic er zu Augsburg beobachtet worden: . Cometa
crinitus. 8. (Drugul. 2538.) (Arch. 220.)
(10. Dec. bis 1664 2. Jan.) Abbildung unterschiedlicher Zeichen u. Wunder — zu
treuer Warnung vorgestellt. Dieselben Himmelszeichen und ein grosser zu Grätz
gesehener Komet. U. 2sp. Beschr. u. Deutung. Frankfurt bey Abr. Aubry. fol.
(Drugul. 2592.) (Arch. 230.)
(29. Jan.) Abbildung dess Neuen Comet- und Wunder-Sterns, wie sich der-
selbe in den innern österreichischen Landen — hat sehen lassen. U. 19 Zeilen
Deutung: Diese übernatürliche — Soviel in Eil zur Nachricht. — Nürnberg bei
P. Fürst. fol. (Drugul. 2595.) (Arch. 240.)
— (2. Juni.) Wahre vnd ua abbildung des schröcklichen Comet Sterns.
Christ. a fec. 4. (Drugul. 2596.) (Arch. 250.)
— Derselbe, fast ebenso mit etwas veränderter Schrift: Dieser schreckliche
Comet Stern ist zu Grätz etc. 8. (Drugul. 2597.) (Arch. 260.)
— Derselbe, mit breitem, nach rechts gekehrtem Schweif: Dieser Grausame V.
Erschreckliche Comet Stern etc. — Zu finden bey Joh. Hoffman. qu. 4.
(Drugul. 2598.) (Arch. 270.)
— (7. bis 18. Dec.) Wahre vnd eigentliche Verzeichnus des Newen Cometen —
in Frankreich, Lothringen, Elsass vnd andern Orten mehr gesehen worden. Ansicht
desselben mit den Sternbildern seiner Bahn. Unten ein Judicium ,Von den Cometen
insgemein“ und „Von dem letzt erschienenen Cometen insonderheit. fol.
(Drugul. 2629.) (Arch. 200.)
— Derselbe, zu Basel von J. Meyer beobachtet, mit der Ansicht von Klein-
Basel. Oben: Eigentlicher Abriss dess newscheinenden Cometen etc., unten 2 sp.
Geistliche Betrachtung hierüber. fol. (Drugul. 2630.) (Arch. 290.)
— 342
— Derselbe, zu Strassburg von E. Welper beobachtet; Observation Dess
Cometens.
Cometens.
— Derselbe, zu Ulm beobachtet.
Ulm bey Balt. Kühnen Buch drucker.
Unten ein: Astrologisches Urtheil aon vermuthlicher Bedeutung dieses
Strassburg, gedruckt bei Joh. Welper. fol.
Rad. J. Arnold fec.
fol.
(Drugul. 2631.) (Arch. 300.)
U. 19 Zeilen Tert.
(Drugul. 2632.) (Arch. 310.)
— Derselbe, mit breitem Schweif, zu Nürnberg beobachtet, unter dem Kopf
des Sternbildes des Raben. Unten 3 Zeilen gestochener Text: Im Jahr Christi 1664.
Joh. Hofman exc. qu. 4.
(Drugul. 2633.) (Arch. 320.)
— Dieser Stern ist zu Nürnb. — gesehen worden. Oben 7 Zeilen Typenschrift.
Eigentliche Abbildung, und erschröcklicher Cometenblick etc. qu. fol.
(Drugul. 2634.) (Arch. 330.
— Derselbe, zu Augsburg beobachtet. Unten 4 Zeilen gestochene Schrift. Anno
1664 den 18. Decembris etc. Mart. Zimmermann exc. 4. (Drugul. 2635.) (Arch. 340.)
— Eigentliche Abbildung des grossen Cometen — dessen Bedeutung ist Gott
bekannt. qu. 4.
(Drugul. 2636.) (Arch. 350.)
— Dasselbe Bl. vor der Angabe der Länge des Schweifes.
(Drugul. 2637.) (Arch. 360.)
— Derselbe, zu Ingolstadt observirt. U. 10 Z.: Cometa observatus Ingolstadij
etc. 4.
— Derselbe, seine unterschiedlichen Standpunkte am Firmaınent.
3sp.: Figürliche Darstellung Des erschrocklichen Cometen etc.
qu. fol.
(Drugul. 2638.) (Arch. 370.)
Unten
H. Sultzer fec.
(Drugul. 2639.) (Arch. 380.)
— Derselbe, nebst seiner Beobachtung im Januar 1665 von Adam Herdrich
in Regensburg: Observation zweyer Cometen oder Schwantzstern etc. U.
Text fol.
— Punktierter Kupferstich: Wahrer natürlicher
Cometen. U. 2sp. Text. fol.
— Derselbe, zu Rom von Athan. Kircher beobachtet.
20 Z.
(Drugul. 2640.) (Arch. 390.)
— Abbriss Dess newen
(Drugul. 2641.) (Arch. 00.
Bericht an Herzog
August von Braunschweig. O.: Kurtzer Bericht von dem Cometen u. dessen
Lauff etc., unten 30 Z. Text. fol.
— Derselbe Comet:
Pourtraict of the New Wonderful
Blazing Star, Which appear’d to the
Inner-Austrian Countries, and the ad-
. jacent Parts of Croatia, standing over
Rackelsburg and Czackenthurn, seen
betwixt two and three of the Clock
several mornings, from the 12!h of Ja-
nuary, 1664, to the terrour of the
Beholders. (Das Portrait eines neuen
wunderbar leuchtenden Sternes, der
im Inneren Österreichs und den an-
grenzenden Teilen Kroatiens zu sehen
war; er stand zum Schrecken der
Bewohner über Rackelsburg und
Czackenthurn vom 12. Januar 1664 an
einige tagelang morgens zwischen zwei
und drei Uhr.)
Abb. des Kometen mit nach rechts gekehrtem Schweif.
London, Printed by J. M. and are to be sold by E. Brewster.
(Drugul. 2642.) (Arch. 410.)
Delineation of a Marvellous New
Blazing Star, Which appeared to
Austria, chiefly about Rackelsburg and
Czackenthurn, seen several mornings
betwixt two and three of the Clock,
from the 12th of January, 1664, to the
amazement of the Beholders. (Schil-
derung des übernatürlichen neuen
leuchtenden Sternes, derin Öster-
reich, hauptsächlich über Rackels-
burg und Czackenthurn an einigen
Tagen morgens zwischen zwei und
drei Uhr vom 12. Januar 1664 an zum
großen Erstaunen der Bewohner zu
sehen war.)
Unten 2sp. Text.
(Arch. 420.)
(Schluß folgt.)
CCCEECECEEEEEEEECEEEECEECEEECEEEEEEEEEEEE CEE CCE CEEEEEEEE
Uber die Entwicklung der kosmischen Nebel veröffentlicht Fr. Nölke neue Anschauungen
in den A. N. 4509, die auf den Untersuchungen fußen, welche auf dem Gebiete der elektrischen
Strahlung und bei den Vorgängen der radivaktiven Stoffe zu einer neuen Entwicklung der Physik
geführt haben. Die festesten Stützen der Physik, die Hypothese der Unteilbarkeit des Atoms und
das Prinzip der Unveränderlichkeit der Masse sind bekanntlich hierdurch ins Wanken geraten.
Man wies nach, daß das elektrische Elementarquantum, das sogenannte Elektron, beim Aufbau der
Materie die Hauptrolle spielt und nicht, wie man bisher annahm, das chemische Atom. Nachdem
Lenard durch Untersuchungen über die Absorption von Kathodenstrahlen verschiedener Ge-
schwindigkeiten nachgewiesen hatte, daß im Innern des chemischen Atoms elektrische Feldstärken
von so gewaltiger Größe vorhanden sind, wie wir sie niemals herstellen können, wurden die
Physiker in ihrer Anschauung bestärkt, daß das Atom als ein Komplex elektrischer Vorgänge zu
betrachten ist. So konnten in befriedigender Weise auf einheitlicher Grundlage durch die Elektronen-
theorie alle elektrischen und optischen Erscheinungen ihre Erklärung finden. Da sich weiter
herausstellte, daß das elektrische Feld der Atome noch über ihre Begrenzung herausreicht, so
besteht auch die Aussicht. noch die sogenannten Molekularkräfte, wie Kohäsion, Adhäsion, Festigkeit,
Elastizität auf elektrische Vorgänge zurückzuführen. Auf diese Weise hat die alte Vorstellung, daß
die chemischen Elemente nur Modifikationen eines und desselben Urstoffs, eines elektrisch geladenen
Atoms sind, eine wissenschaftliche Stütze erhalten.
Im Weltall selbst müssen wir nun Gebilde finden, da alle Weltkörper eine Entwicklung durch-
machen, die uns das Anfangsstadium ihrer Entwicklung vor Augen führen. Die sogenannten echten
kosmischen Nebel dürften zweifelsohne eine solche frühe Stufe in der Entwicklung der Welt-
körper darstellen. Ihre physikalische Beschaffenheit kann nach Nölke zweierlei Art sein: Entweder
bildet der Nebel eine einheitliche, nur den Gesetzen der Gasausdehnung unterliegende Masse, oder
die Nebelteilchen sind frei beweglich. Der erste Fall kann nur bei den wenigen Nebeln mit kugel-
förmiger, ellipsoidaler oder birnenförmiger Gestalt stattfinden, bei den sogenannten planetarischen
Nebeln, deren Entwicklung infolge der Wärmeaustrahlung und der hieraus folgenden Zusammen-
ziehung sich leicht übersehen läßt und zur Bildung der engeren doppelten und mehrfachen Stern-
systeme führt. Hierüber finden unsere Leser im Weltall Jahrg. 11 Seite 261 in der Notiz „Die
Entwicklung der Doppelsterne“* nähere Angaben.
Nölke verfolgt nur die Entwicklung der Nebel der zweiten Art, zu welchen alle unregelmäßig,
wolkig oder spiralig geformten Nebel gehören. Sind die einzelnen Nebelteilchen frei beweglich, so
müßte im allgemeinen ein Zerfallen der Nebelmasse herbeigeführt werden, wenn nicht im Nebel
Kräfte vorhanden sind, die die Möglichkeit einer Kontraktion zulassen. Eine solche nachzu-
weisen, ist der Zweck der Nölke’schen Arbeit. Um dies zu erreichen, verfolgt er auf Grund der
physikalischen Anschauungsweise die Entwicklung der Weltkörper noch weiter rückwärts als das
Nebelstadium, dessen Zustand, wie das Spektrum ergibt, schon fertige Atome wie z.B. das Wasser-
stoffatom enthält.
Das Ursprüngliche müssen die positiven und negativen Elektronen sein, die anzichende und
abstoßende Kräfte aufeinander ausüben. Wir müssen uns vorstellen, daß diese Elektronen im
Raume an manchen Stellen nahe bei einander liegen, an anderen wieder mehr zerstreut vorkommen.
Nur im ersteren Falle werden sie sich nach und nach zu materiellen Atomen vereinigen. Mit der
langsameren oder schnelleren Annäherung der Elektronen sind mehr langwellige oder kurzwellige
Strahlungen verbunden, deren spektroskopischer Charakter durch die innere Konstitution der Atome
bestimmt wird. Von nun an tritt der Weltkörper als Nebel erst in Erscheinung. Die bereits eunt-
standenen Atome und die noch frei beweglichen Elektronen üben Kräfte auf einander aus, die den
weiteren Entwicklungsgang des Nebels bestimmen werden. Haben sich gleich viel positive und
negative Elektronen zu Atomen verbunden, so sind diese elektrisch neutral; sie können also weder
anziehende noch abstoßende Wirkung auf die noch freien Elektronen ausüben, jedoch zwischen
ihnen selbst wird nunmehr die Gravitation wirksam. Es muß daher im Innern des Nebels, da die
Atome nach und nach aus den Elektronen entstehen, die Gravitation sich vergrößern und damit der
Abstand der Atome selbst kleiner werden. Es muß mithin eine stetig fortschreitende Kon-
traktion des Nebels eintreten. Ist die Masse des Nebels beispielsweise auf den zehnfachen Betrag
gewachsen, so muß der Durchmesser des Nebels nur noch den zehnten Teil des ursprünglichen betragen.
= BU e
Es ist Nölke gelungen, unter Benutzung der Mittel, die die moderne Physik an die Hand
gibt, das Vorhandensein von Kontraktionskräften auch bei den Nebeln von unregelmäßiger Gestalt,
bei denen die einzelnen Nebelteilchen frei beweglich sind, nachzuweisen und damit die Schwierig-
keit, die bisher der Bildung von einfachen, doppelten und mehrfachen Sternen aus solchen Nebel-
teilchen entgegenstand. aus dem Wege geräumt zu haben. FS Archenhold.
* d 8
Die Konstitution der Jupiterstreifen. Am Refraktor der Barcelonaer Sternwarte hat Herr
Comas Sola in der Nacht vom 3. zum 4. Mai 1911 bei sehr ruhiger Luft eine sehr wichtige Beob-
achtung gemacht (Revista de la Sociedad astronomica de Espana 1911, Junio). Die dunklen Striche
in den Rändern der Äquatorialstreifen. die bisher immer als breite verwaschene Bänder dargestellt
worden sind, lösten sich schon bei 250 facher Vergrößerung in Kolonnen von kreisförmigen. absolut
schwarzen Flecken auf mit einem mittleren Durchmesser von 07,25 (800 km). Auch die schwachen
guirlandenähnlichen Bänder der Aquatorialzone lösten sich bei sehr ruhiger Luft in zerstreute
Flecken auf. Durch diese wichtigen Beobachtungen wird die früher vermutete Verwandtschaft
zwischen den Jupiter- und den Sonnenflecken gewissermaßen bestätigt.
* *
ER
Eine große Wasserhose beobachtete der Sekundaner Herr Fritz Stege aus Berlin während
seines Aufenthaltes in dem Ostseebade Rewahl am Dienstag, den 15. Aug. 1911, worüber er uns folgendes
schreibt: „Es war gegen 11 Uhr vormittags, als ich einen Spaziergang die Düne entlang machte.
Ein starker Westwind trieb eine schwarze Wolkenwand vor sich her. die nach unten zu in Mam-
mato -cumuli- Wolken ausging und bis zum Horizont einen Streifen unbedeckten Himmels frei ließ, der
in gelblichem Lichte leuchtete und eine geringe Breite besaß. Meine Aufmerksamkeit wurde aber
durch einen schwarzen Keil erregt. der wie ein Zahn oder Hauer aus der Wolke hervorragte und
mit ihr sich schnell nach Osten fortbewegte. Allmählich ging der Keil in einen langgestreckten
Trichter über, jedoch ohne daB dessen feine Spitze das Wasser berührt hätte. Da sah ich, wie das
Wasser senkrecht unter dem Trichter eine leichte Erhöhung zeigte, und bei näherem Hinschen
bemerkte ich, daß er unten in eine Röhre ausging, die beinahe so hell wie Silber glanzte und den
Horizont zu berühren schien. Es gewann den Anschein. als ob an dem Berührungspunkte mit dem
Wasser ein Dampfer entlang zöge. Um die Röhre herum zog sich nun eine kleine graue Wolke,
die allmählich an Ausdehnung zunahm und bald besser, bald schlechter zu schen war. Während-
dessen krümmte sich die Röhre spiralföürmig, so daß sie schließlich ganz schief von rechts oben
nach links unten gerichtet war. Allmählich aber wurde die Erscheinung immer undeutlicher, bis sie
zum Schluß ganz im Osten unter Regenschauern verschwand. Bis zuletzt war aber, wena auch schr
schwach, die obere Trichterform zu erkennen. Das ganze Ereignis hatte noch nicht eine halbe
Stunde gedauert.“ — Über die Entstehung von Wasserhosen vergl. den Artikel: „Mehrfache Wasser-
hosen“ von F. S. Archenhold. „Das Weltall“ Jg. 11, Heft 9.
ecececececceccececccegeccese cece eeeeceeeceeecececeecccsce Coe
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Bei der Redaktion eingegangene Bucher.
Auerbach Felix., Die Grundlagen der Musik. 209 Seiten mit 71 Abbildungen, erschienen
in „Wissen und Können“, Sammlung von Einzelschriften aus reiner und angewandter Wissenschaft.
herausgegeben von Prof. Dr. B. Weinstein, Leipzig 1911. Verlag von Johann Ambrosius Barth.
gebunden 5.— M.
Thurn H., Die Verketrs- und Nachrichtenmittel im Kriege. 278 Seiten mit 32 Abbildungen,
in „Wissen und Können.“ Sammlung von Einzelschriften aus reiner und anzewandter Wissenschaft.
herausgegeben von Prof. Dr. B. Weinstein, Leipzig, 1911. Verlag von Johann Ambrosius Barth.
vebunden 6,— M.
E. Belot, Essai de Cosmogonie Tourbillonnaires. Paris 1911. Gauthier Villars, Imprimeur
Libraire; du bureau des Longitudes, de Teeole polytechnique. 280 Seiten.
George Ellery Hale, director of the Mount Wilson Solar Observatory. The Study
of Stellar Evolution. An account of some recent methods of astrophysical research. Chicago:
the university of Chicago Press and London: William Wesley and Sun. 252 Seiten.
Für die Schnitleituny verantwortlich: Dr. F.S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M Wuttig, Berlin SW
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
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DAS WELIALL...
[llustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Dee
Herausgegeben von
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 23. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Erstes Septemberheft).
Berlin-Treptow.
Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — <Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Trepiow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlunger und Postanstalten (Post-
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einselne Nummer 60 Pie, — Anseigen-Gebühren: 1 Seite 80.— MR., 1; Seile 45.—
1/, Seite 25.—, 1/5 Sette 15.—, yg Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rahatt - Beilagen nach Gewicht.
INHALT
1. Neues vom Kometen Brooks 1911c. Von Dr. F. S. 6. Bücherschau: Franz Rusch, Himmelsbeobachtungen
Archenhold . - 2... 2 2 ee ern 0. $ . 345 mit bloBem Auge. — Pr. Emil Carthaus: Die klima-
2. Das Schicksal der Planeten von Svante EE tischen Verhältnisse der geologischen Vorzeit vom
Kritik von Adrian Baumann, Zürich ...... 347 Praecambrium an bis zur Jelstseit und ihr Einfluß
3. Neues Verzeichnis von allen Komeleneinblattdrucken. auf die kntwicklung der Haupttypen des Tier- und
Von F. S. Archenhold. (Mit einer eh, Pflanzenreiches. -- Prof. Lehmann, Die neue Welt
Schluß) = = = es ei au ei . 349 der flüssigen Krystalle und ihre Bedeutung für
4. Der gestirnte Himmel im Monat Oktober 1911. Von Physik, Chemie, Technik und Biologie. — L’aplane-
Dr. F. S. Archenhold . . . . . 2.2.20... 353 tisme des surfaces et des lentilles elliptiques et hyper-
5. Kleine Mitteilungen: Eine bemerkenswerte Feuerkugel. boliques par J. P. Konderef. — Die Theorie der
— Die 83. Versammlung Deutscher Naturforscher und modernen oplischen Instrumente. — Jahrbuch der
Ärzte. — Die Deutsche Meleorologische Gesellschaft 356 Motorluftischiff-Studiengesellschafl. `, . a... 357
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet
Neues dem Kometen fårooks 1911c.
Von Dr. F. S. Archenhold.
N: neue Komet nimmt an Helligkeit ständig zu, freilich nicht ohne Licht-
schwankungen zu machen, über die wir später noch berichten werden. Ich
schätzte ihn durch Anschlüsse an penchant Sterne nach der Argelanderschen
Stufenmethode am
4. und 6. September so hell wie einen Stern 4,8. Größe
7. - 8, - 5 : 46, -
9. : : i Bi =
10. a $ i 42. -
11. S x = 241. «
12. e s = 4,2. -
15. a 2 36. -
16. S P = 39. -
Im großen Fernrohr war der Kern im Kopfe des Kometen bis Sonntag,
den 17. September, kreisrund und völlig sternartig, nur am Rand etwas ver-
schwommen. Am Sonntag erschien er zum erstenmal etwas länglich. Er ist
jetzt sofort schon von den Sternen gleicher Helligkeit dadurch zu unterscheiden,
daß er mehrere Bogenminuten Ausdehnung zeigt und hedeutend heller und
größer als der mit bloßem Auge sichtbare Adromeda-Ncbel ist. Auf bei-
folgender Karte ist sein Lauf bis zum 15. Oktober nach einer Nceubestimmung
von Schiller und Kobold in A. N. 4522 aufgezeichnet. Hiernach rückt der
Komet am 23. September aus dem Sternbilde des Drachens in den Bootes
und am 1. Oktober von diesem in die Jagdhunde, um alsdann am 10. Oktober
— 34 —
in das Haar der Berenice einzutreten. Während der ganzen Zeit bleibt sein
Lauf fast parallel mit der Verbindungslinie Wega, dem hellsten Stern in der
Leier und Arktur, dem hellsten Sterne des Bootes. Am 1. Oktober weisen
die drei Deichselsterne des großen Bären gerade auf den Ort des Kometen.
Fir die Besitzer unseres Schulfernrohres mit Kreisen geben wir noch seine
Orter anbei wieder.
Entfernung in Millionen
1911 Rektascension Deklination Kilometer von der
: ‘ Sonne Erde
Sept. 25 14h 55m 378 + 49° 44,7 133 79
26 46 35 48 44,5
27 37 56 ` 47 41,9
28 29 40 46 36,9
29 21 47 45 30,0 122 81
30 14 14 44 21,0
Okt. 1 7 2 43 10,2
2 14 O 9 41 57,7
3 13 63 35 40 43,6 112 . 84
4 47 18 39 28,1
5 Al 18 38 11,1
6 35 34 36 52,8
7 30 6 35 33,1 103 87
8 24 53 34 12,2
9 19 56 32 50,1
10 15 14 31 26,9 7
11 10 46 80 2,5 94 92
12 6 33 e 28 37,1
13 13 2 34 27 10,7
14 12 58 51 25 43,1
15 12h 55m 228 24° 14,5 86 98
Der Komet stand am 17. September der Erde am nächsten, wird aber noch
weiter an Helligkeit zunehmen, obgleich er sich jetzt schnell von der Erde ent-
fernt. Am 15. Oktober beträgt seine Entfernung von der Erde bereits 98 Millionen
Lauf des Kometen Brooks 1911c vom 5 September bis 15. Oktober.
Kilometer, der Sonne ist er aber bis auf 86 Millionen Kilometer nahe gerückt.
Infolgedessen treten die Wirkungen in erhöhtem Maße ein, welche eine größere
Helligkeit des Kometen verursachen, wie Wirkungen der elektrischen Strahlen
und Verdampfung der Gase, aus denen der Komet hauptsächlich besteht. Der
— 347 —
größere Lichtdruck, welcher von der gesamten Sonnenstrahlung ausgeht, kann
dann auch zur Entwickelung eines Schweifes führen.
Von Pickering wird gemeldet, daß nicht nur, wie schon im vorigen Hefte
berichtet wurde, die Kohlenwasserstoffbande von 516 Mikron Wellenlänge,
sondern auch noch die beiden anderen Banden 473,7 und 383,3 Mikron auf Auf-
nahmen des komctenspektrums gleich hell zu sehen sind.
Das Schicksal der Planeten Von Svante Arrhenius.
Kritik von Adrian Baumann, Zürich.
Cl: das Schicksal der Planeten ist selbstredend cine Beweisführung unge-
mein schwierig, und es ist vorauszuscehen, daß sich über diese Frage Be-
hauptungen aufstellen lassen, die weder bewiesen noch widerlegt werden
können. Wenn also ein Forscher vom Rufe und den Fähigkeiten des Herrn
Arrhenius mit dieser Frage nicht nur Ball spielt, sondern sich ernsthaft damit
beschäftigt, so findet er genug zu schreiben, ohne daß er sich der Gefahr einer
sofortigen Widerlegung aussetzt. Leider wird aber die Planctenforschung viel-
fach nicht voraussetzungslos, sondern als wissenschaftlicher Sport betrieben.
Das Schicksal der Planeten oder — wir sprechen besser und be-
scheidener in der Einzahl — das Schicksal der Erde ist nach Arrhenius in
erster Linie der Mars, noch später der Mond. Diese Einteilung läßt sich hören,
obgleich sie in bezug auf den Mond nicht cinwandsfrei ist. Denn der Mond ist
doch kein selbständiger Planet, und Herr Arrhenius nimmt auf Seite 48 selbst
an, daß der größte Teil seines Wassers (als Dampf) von der Erde angezogen
wurde. Diese Annexion von Mondwasser durch die Erde und der wohl gleich-
zeitige Raub der Mondluft durch die überlegene Anziehungskraft der großen
Erdmasse beeinträchtigt die Vergleichbarkeit in empfindlicher Weise; denn
wenn ein Wanderer im kalten Weltenraum dem andern Luft und Wasser, Rock
und Hemd auszieht und damit den eigenen Mantel besser füttert, so ist doch
wahrscheinlich das spätere Schicksal der beiden von einander verschieden. Es
sei aber hier auf den Mondvergleich verzichtet, weil die Erde jedenfalls zuerst
den Marszustand erreichen muß, der genug zu denken gibt.
Vor allem müssen wir die Zustände auf dem Mars erst kennen, bevor wir
sie unseren Zeitgenossen als Spiegel der Zukunft der Mutter Erde vorhalten
können. Herr Arrhenius ist der Ansicht, daß das Wasser des Mars längst ge-
froren und mit Erde bedeckt sei. Die Oberfläche des Mars ist so der freie
Tummelplatz von ungeheuren Mengen Wüstensand, von dem Herr Arrhenius
bereits weiß, daß er viel feiner ist als der unsere. Diesen Sand hat Herr
Arrhenius nötig, um Veränderungen der Marsoberfläche, besonders aber um
die ungeheure graugelbe Wolke zu erklären, die man 1909 gesehen hat.
(Seite 39.) Das sei eine Wolke aus wirbelndem Wüstensand gewesen. Es ge-
hört aber ein sehr großes und tiefes barometrisches Minimum dazu, um einen
Sturm zu erzeugen, der auf einmal so vielSand aufwirbelt, um während Wochen
Gebiete wie ganz Europa, das mittelländische Meer und Kleinasien zu ver-
schleiern. Wodurch aber entstehen Winde und Stürme? Ihre letzte Ursache
ist die Sonnenstrahlung, und da diese auf dem Mars nicht halb so stark ist wie
bei uns, ist dort bei sonst gleichen Verhältnissen auch die Energie der Winde
— 348 —
entsprechend geringer. Außerdem entstehen starke Winde dadurch, daß bei
teilweiser Bewölkung des Planeten die Erwärmung eine ungleiche ist, besonders
aber dadurch, daß aufsteigende warme, mit Wasserdampf gesättigte Luft immer
höher hinauf drückt, weil durch Wolkenbildung genügend Wärme frei wird, um
die entsprechende Ausdehnung zu sichern. Dazu kommt noch der Einfluß der
Zyklonen als Bahnen der Winde. Dies alles ist aber beim Mars ungemein ein-
fach; denn abgesehen von vulkanischen Ursachen gibt es dort keine Bewölkung;
es gibt dort überhaupt fast keinen Wasserdampf, wie auch Herr Arrhenius
wiederholt; folglich kann derselbe auch den Wind nicht beeinflussen; die Winde
müssen also verhältnismäßig schwach sein. Entscheidend ist aber der Umstand,
daß (von vulkanischen Einwirkungen abgesehen) die Verteilung der Sonnen-
wärme zu derselben Tages- und Jahreszeit immer wieder dieselbe ist. Daher
muß auch dieselbe Luftbewegung jedes Jahr wiederkommen, und es kann die
Windstärke zur gleichen Tageszeit von einem Tag zum andern nur wenig ver-
schieden sein. Wenn also die Erscheinung von 1909 nach Herrn Arrhenius
als Sandsturm zu deuten ist, muß dieser Sturm in jedem Marsjahr vorkommen.
Die Erscheinung hätte weder Schiaparelli vor 30 Jahren noch den meisten
seitherigen Beobachtern entgehen können. Der Sandsturm hat sich also zu
Dunst aufgelöst. Die Erscheinung kann nämlich dadurch erklärt werden, daß
bei vulkanischen Ausbrüchen viel vulkanischer Staub in die Marsluft geworfen
wurde. Da sich derselbe durch elektrische Abstoßung dort in der trockenen
Luft und bei geringer Schwerkraft viel länger oben halten kann als auf der
Erde, ist seine große Ausbreitung erklarlich. Die Orte der vulkanischen Aus-
brüche sind durch die Veränderung der betreffenden Gegenden bekannt.
Herr Arrhenius behauptet (Seite 43) ein kilometerdick bis auf den Boden
gefrorenes Meer, oben darauf Wassertümpel und dunkle Erde auf dem Eisblock
unter dem Wasser, zu dem Zwecke, die Übereinstimmung mit der dunklen Farbe
des betreffenden Gebietes herzustellen. Es ist aber zu bedenken, daß viele
solehe Tümpel gelegentlich auch einen deutlichen Reflex der Sonne zu uns
werfen müssen, der aber noch nie gesehen wurde; ferner, daß die Tümpel
mindestens im Winter zufrieren und dann blendend weiß aussehen müssen,
während die betreffende Gegend uns immer dunkel erscheint. Es ist doch viel
natürlicher, dieses Gebiet als schneefreies Land zu bezeichnen. Wenn nämlich
bei beliebigem Kältegrad nur ein Stein oder ein Stück Erde der Sonne ausge-
setzt wird, so erwärmt es sich mehr als die Schneefläche daneben und be-
günstigt dadurch die Verdunstung des nächstliegenden Schnees. Infolgedessen
rückt die Grenze des schneefreien Stückes etwas vor, wenn auch vielleicht nur
um Millimeter. In der Nacht fällt der verdunstete Schnee auf eine große Fläche
gleichmäßig herunter, sodaß am folgenden Tage die Schneegrenze wieder vor-
“rücken kann usw. |
Herr Arrhenius deutet die Marskanäle als Reihen ehemaliger Wüsten-
seen, d.h. als die Orte, wo sich die Salze solcher Seen abgesetzt haben. Damit
erklärt er die vielen Beobachtungen dieser Kanäle zum kleinsten Teil. Es
kann nämlich von einem Tag zum andern ein neuer Kanal sichtbar werden,
oder eine Verdoppelung, oder es kann von benachbarten Kanälen der eine
stärker und der andere schwächer sichtbar werden usw. Die Auffassung des
Herrn Arrhenius wurde übrigens im Jahre 1909 unmittelbar widerlegt. Damals
sahen wir den Mars in seiner wärmsten Zeit. Daher hätte recht viel „fossiles“
Eis nach Herrn Arrhenius verdunsten, die Luft befeuchten und von den
hygroskopischen Kanalsalzen aufgesaugt werden müssen. Diese hätten dunkler
und die Kanäle sichtbarer werden müssen als je. Man sah aber die Kanäle im
Verhaltnis zu anderen Einzelheiten kaum je so undeutlich wie damals.
Den Tatsachen entspricht vielmehr die andere Auffassung, daß das Eis des
Meeres nicht kilometertief (Seite 43), sondern nur etwa 100 Meter oder weniger
dick sei, daß die Kanäle die Rißlinien in diesem Eise sind, die sich in der
wärmeren Jahreszeit schließen und verschweißen, weil sich das Eis ausdehnt
und in der Kälte nebenan wieder aufreißen. Im Jahre 1909 sah man daher
hauptsächlich nur die Spuren ehemaliger Risse und Verschweißungen, während
die Sichtbarkeit zu anderen Zeiten noch durch wirkliche Risse erleichtert wird.
Diese Auffassung wird noch durch viele Beobachtungen bestätigt, an deren Er-
klärung Herr Arrhenius nicht herantreten konnte.
se
Neues Verzeichnis Von alten Kometeneinblattdrucken.
Von F. S. Archenhold.
(Mit einer Doppelbeilage.)
(Schluß.)
U: den bisher bekannt gewordenen Einblattdrucken alter Kometen finden
wir den Halleyschen Kometen zweimal vertreten, einmal die Erscheinung
aus dem Jahre 1531, es ist dies die Nummer Arch. 20 unseres Kataloges, und
die Erscheinung aus dem Jahre 1682 (Arch. 740 und 750). Diese letzte Erscheinung
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Karte des Laufesydes Halleyschen Kometen für das Jahr 1682.
ist deshalb besonders wichtig, da sie von Halley benutzt wurde, um die Identität
dieses Kometen mit den Erscheinungen aus dem Jahre 1607 und 1531 nachzu-
weisen und dadurch die Bahn des Halleyschen Kometen als eine Ellipse mit
— 350 —
einer Periode von 75 bis 76 Jahren zu bestimmen. Der Halleysche Komet ist im
Jahre 1682 im Monat August und September sichtbar gewesen. Wir geben seinen
Lauf unter den Sternen nach einer Zeichnung von Johann Jakob Zimmermann
umstehend aus seiner Schrift: ,Das ist Neuer Komet-Stern, welcher in Diesem
1682. Jahre im Monat August sich anfänglich von Mitternacht her sehen lassen“,
wicder.
Außerdem werden in unserer Doppelbeilage noch die Erscheinungen des
Halleyschen Kometen aus dem Jahre 684 in den Plejaden und dann aus den
Jabren 837, 1066, 1301, 1456, 1531 und 1607 dargestellt. Das, was wir über diese
Erscheinungen wissen, ist in Lubienitzky ,Theatrum cometicum“ und teilweise
in meiner Broschüre über „Kometen etc.“ zusammengestellt. |
In besonderem Maße erregte die außerordentliche Erscheinung des großen
Kometen aus dem Jahre 1680 die Aufmerksamkeit der Laienwelt. Dieser Komet
hatte einen Schweif von 80° Länge. Es sind nicht weniger als 21 Einblattdrucke
unseres Verzeichnisses allein diesem Komcten gewidmet, die mit ihren Versen
und interessanten Städtebildern eine fast unerschöpfliche Fundgrube der damals
herrschenden Sitten und des stark ausgeprägten Aberglaubens für den Kultur-
historiker bilden. In dem hier folgenden Verzeichnis sind alle uns bekannt ge-
wordenen Kometenblätter aufgeführt. Es ist anzunehmen, daß noch weitere
diesbezügliche Dokumente mit der Zeit bekannt werden.
Chronologisches Verzeichnis alter Kometen-Einblattdrucke.
(Fortsetzung und Schluß.)
1665 (26. bis 29. März.) Derselbe, zu Nürnberg observirt. Unten 3 Z.: Figur und Stand
des Cometen etc. Jac. Sandrart exc. qu. 4. = (Drugul. 2643.) (Arch. 430.)
— (26. März.) Derselbe, ebenfalls zu Nürnberg ob servirt, ohne Sternbilder.
U. 3 Z.: Im Jahr Christi. (Joh. Hofman exc.) qu. 4. (Drugul. 2644.) (Arch. 440)
— (2. April.) Derselbe, grösser, durch S. Trew beobachtet. Oben:
Abzeichnung Dessen allhie zu Altdorff etc. U. 3sp. Prognosticon: Was Comeien
seyn etc. Nurnberg bei P. Fürst. fol. (Drugul. 2645.) (Arch. 450.)
1672 (23. Marz.) Figur und stand dess Cometen — zu Strassburg observirt worden.
Unten 10 zeil. Reim: Hat jemahls ein Comet etc. Strasburg bei P. Aubri. fol.
(Drugul. 2788.) (Arch. 460.)
— Derselbe, mit Hinzufügung der Form des Cometen in drei verschiedenen
Grössen u. dem Sternbild des Perseus. Nürnberg, gedruckt bei Chr. Lochner. fol.
(Drugul. 2789.) (Arch. 470.)
1675 (31. Oct. A. S) Neuer Comet — zu Neustadt an der Haardt gesehen: Göttlicher
Buss-Wecker, oder feurige Straff-Ruthe etc. Unten 8 stroph. Bussgedicht: Was
die Guttes Feuer-Ruten etc. fol. | (Drugul. 2899.) (Arch. 480.)
1676 Göttliche Wunder- und Warnungswerke — zu Gesicht und Herzen stellen.
Wunderbare Gewachse, misgeborner Rehbock, Comet und Nebensonnen. Unten
2sp. Text: Auch mitten unter dem grössten Zorn etc. Auf den Seiten Verse. fol.
(Drugul. 2911.) (Arch. 490.)
1677 Wahre eigentliche Abbildung des zu Nürnberg — wahrgenommenen
Cometen. Links seine Bahn, rechts seine Erscheinung, auf Schwarzkunst Grund.
Unten 20 Z. Text u. 6 zeiliger Bussreim: Mensch, du kleines Welt-Gebäu etc. fol.
as (Drugul. 2946.) (Arch. 500.)
1680 (26. Dec. bis 1681. 25. Febr) Der Neue Komet, zu Augsburg beobachtet. U.:
Eigentlicher abriss des Schröcklichen Cometsterns etc — Augsburg bei.Jac.Koppmeir,
Buchdrucker. fol. ` (Drugul. 3020.) (Arch. 510.)
— Sein Stand am 27. Dec. im Sternbild des Antinous. U.: Septima fax haec
est etc. qu. fol. (Drugul. 3021.) (Arch. 520.)
— 351 —
— Derselbe, zu Nürnberg auf der Veste beobachtet. O.: Des Neuen
Wunder grossen Comet Sterns-Lauf etc. J. J. de Sandrart fec et exc. qu. fol.
e (Drugul. 3022.) (Arch. 530.)
— Derselbe, bei Niirnberg beobachtet. U.: gereimte Aufforderung zur Busse:
Schau, ein neuer Schreck-Comet etc. (G. J. Schneider sc.) G. Scheurer exc. qu. 4.
: (Drugul. 3023.) (Arch. 5-40.)
— Dasselbe Blatt in anderem Druck mit 2sp. Typenschrift an den Seiten
u. unten: Kurz-verfasste denk-würdige Cometen-Tafel. fol.
(Drugul. 3024.) (Arch. 550)
— Derselbe, ebenfalls bei Niirnberg beobachtet, aber von anderem Stand-
punkt und grösser. O.: Vernünfftige Erkantniss und eigentliche Bewandtniss Dess
— entsetzlichen Cometens. U. 2 sp. Text: Soviel dess Mutmasslichen Prophezeyens
etc. fol. (Drugul. 3025.) (Arch. 560.)
— Derselbe, jedoch von gleichem Standpunkte aus gesehen. Durch den
ganzen Vorgrund eine dichte Reihe Zuschauer. Oben: Abbildung und Beschreibung
dess — Cometen etc. U. 2sp. Text: Man findet sowoln in heiliger Schrifft etc.
Nurnberg bei Joh. Jac. Schollenberger Kupferstecher. fol.
(Drugul. 3026.) (Arch. 570.)
— Derselbe, von gleichem Standpunkt aus gesehen, mit breitem Schweif über
den ganzen Himmel. Vorn rechts nur ein Zuschauer. Oben: Wahre eigentliche
Abbildung etc. Im Unterrand 2sp. Bussgedicht: Schau hier, o Sünder schau!
U. in Typen 3sp.: Christlich-vernünfftige Cometen-Betrachtung. Nürnberg bei
Joh. Hoffmann, Kunst- u. Buchhändler. fol. (Drugul. 3027.) (Arch. 580.)
— Derselbe, bei Augsburg beobachtet. Vorn Stein brücke und fünf Figuren.
O.: Eygendliche Abbildung dess entsetzlichen — Cometens. U. 2spalt. Text: Als
die Cometen zu jeden Zeiten — Augsburg bei Joh. Phil. Steudner, Briefmaler. fol.
(Drugul. 3028.) (Arch. 590.)
— Derselbe, ebenfalls zu Augsburg beobachtet. Im Grund die Stadt. Vorn ->
9 Figuren. O.: Eigendliche Abbildung Dess erschröcklichen Cometen etc. In Zwei
Geistliche Gesängen verfasset vnd gestellet. U. 4sp. Gesänge: Wach auf, wach
auf O Mensche Kind. Holz. Augsburg bei Abr. Bach Briefmaler. fol.
(Drugul. 3029). (Arch. 600.)
— Derselbe, zu Markt-Wailtingen beobachtet. U. 2sp. Text: Eigentlicher
Bericht welcher Gestalten der — Comet zu Markt-Wailtingen etliche Abend observiret
worden. Augsburg gedruckt bei Jac. Koppmayer. fol. (Drugul. 3030.) (Arch. 610.)
— Derselbe, zu Wien observirt. Stand desselben im Kopf des Füllens.
O.: Eigentliche Figur oder Abbildung dess Neuen — Comet- oder Wunder-Sterns
etc. Auf den Seiten Bericht über die Observationen zuRom und Wien; unten 3 sp.
Beschreibung u. Prognosticon — Nürnberg bei Joh. Leonh. Buggel, Buchbinder. fol.
(Drugul. 3031.) (Arch. 620.)
— Seine Bahn im Sternbild der Jungfrau. U. 2sp. Bussreim: Schau die
Wunder-Fackel-Kertze. Nürnberg bei Gg. Scheurer. qu. 4 .
(Drugul. 3032.) (Arch. 630.)
— Derselbe, zu Regensburg observirt. O.: Abriss und Beschreibung des
erschröcklichen Cometen etc. Regensburg gedruckt bei Aug. Hankwitz. fol.
Ä (Drugul. 3033.) (Arch. 640.)
— Dasselbe Blatt in anderem Druck mit dem Zusatz: „auch daselbst zu finden“
hinter der Adresse unten. (Drugul. 3034.) (Arch. 650.)
— Derselbe, zu Coburg bis 10. Febr. 1681 beobachtet. O.: Dess Cometen
Lauff — zu Coburg observirt von Gottfried Kirch. qu. fol.
(Drugul. 3035.) (Arch. 660.)
1681
1682
1687
1702
1769
— 352 —
— Klag- u. Warnungs-Lied auf den Cometen u. die in Leipzig u. Dresden
grassirende Pest. 20 Strophen in Typendruck auf 2 Octavbl. mit Abbildung des
Cometen und dem Titel: Göttliche Straff und Heimsuchungs-Zeichen von Cometen
und bösen Seuchen etc. Gedruckt im Jahr 1681. (Drugul. 3036.) (Arch. 670.)
— Der Comet über Rom, mit dem Hühnerei, worauf er sich abgebildet.
Oben: Im Monath Decembris etc. qu. fol. (Drugul. 3037.) (Arch. 680.)
— Der Comet, das Huhn u. das Ei. Comet appaarsa in Roma etc. Wahrhafftige
Relation des Comet-Sterns — zu Rom ist gesehen worden. U. 2sp. italien. u.
deutsch. Text, verfertiget u. zu finden bey Abraham Cosathe in Regenspurg. fol.
(Drugul. 3038.) (Arch. 690.)
— Drei Darstellungen: in der Mitte der Comet, auf den Seiten Vorder- u.
Rückansicht des Eis. U.: Wahre Abbildung des Cometen — Nürnberg, bei
Scheurer. qu. fol. l (Drugul. 3039.) (Arch. 700.)
— Zwey Lieder in Typendruck auf 2 Octavblättern mit zwei Abbildungen des
Eis in Holzschn. und dem Titel: Das Wunderwirdige Hennen-Ey — Verfasset in
ein Christliches Buss-Vermahnungs Gesang, In der Singweise: Es ist gewisslich
an der Zeit. 4. (Drugul. 3040.) (Arch. 710.)
Straff-Folge, Unverantwortlicher Cometen — Verwerffung unfehlbare Straff-Folge
Nürnberg 1681. fol. (Arch. 720.)
(1. Jan. u. 10. Febr.) Wahre und eigentliche Abbildung eines Cometen oder Wunder-
Sterns. Comet, zwei Türkenköpfe u. Krone über Neuhäusl u. Leopoldstadt gesehen.
U. 15 Z. Text u. 6 zeil. Bussgedicht. Nürnberg bei Leonh. Loschge. Gedruckt bei
Hrn. Sigm. Froberg. fol. (Drugul. 3061.) (Arch 730.)
— (15. Aug.) Eigentliche Vorstellung Des Neu entstandenen Cometen
Liechts — über Nürnberg. U. 2sp. Beschreibung u. Bussgedicht: Von denen
Alex Arten etc. fol. (Drugul. 3068.) (Arch. 740.)
— Wider neu-scheinende entsetzliche Zorn- u. Wunder-Ruthe Gottes oder
Cometen Fackel. Stand desselben zwischen Krebs, grossem Bär und den Zwillingen:
U. 2sp. Beschreibung u. Bussvers. Nürnberg, bei Leonh. Loschge. fol.
(Drugul. 3069.) (Arch. 750.)
Wahre eigentliche Abbildung / Eines entsetzlichen Wunder-Zeichens zu Esseck:
So sich Sonntags / den 10/20. Julii / dieses 1687. Jahres / nach "einem vorher
gegangen enerschroecklichen Gewitter / bey wieder ausgeheiterter Lufft / Abends /
mit hereinrückender Nacht /am lichten Himmel / zu grausamen Entsetzen vieler
Tausende / die es sahen / hat ereignet und zugetragen. Mit 14 Zeilen Text und
8 Zeilen Vers. Nürnberg, / zu finden bey Leonhard Loschge. l (Arch. 760.)
(3. März.) Abbildung dessjenigen Cometen welcher — über der Statt Neapoli
sich sehen lassen. Rechts die Abbildung eines wunderbaren, von einer Henne zu
Rom 1702 4. März gelegten Eies. Unten 10 Zeilen Schrift. fol. (Drugul. 3598.)
(9. Sept.) Prospect ein Theil der Häusser am Schiessgraben (in Nürnberg). Nebst
dem Comet. P. Küffner del. sc. et exc. qu. 4. (Drugul. 4876.) (Arch. 780.)
— Vorstellung des Sonnen-Systems und der Bahn des Cometen, welcher
— gegen die Erdbahn an unsern Gesichts-Kreis sichbar erschinen ist — abgemesse
werden. J.C. Berndt exc. Colorirter Kupferstich. Die Cometenbahn als Klappbild.
(Drugul. 4877.) (Arch. 790.)
— Vtrumque Hemisphaerium Coeleste ad Annum 1769 ex observationibus
Cl. Abb. de la Caille — in quibus Cometae — via de terminatur a Dr. Gg. F.
Kordenbusch. Impensis Joseph. Ehrenr. Ammermülleri Bibliopolae. qu. fol.
(Drugul. 4878.) (Arch. $00.)
R
Doppel-Beilage zur illustrierten Zeitschrift für Astronomie ur
(Zu Dr. F.S. Archenhold, „Neues Verze
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Der Halleysche Komet im Jahre 1301.
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Der Halleysche Komet im Jahre 1456.
ad verwandte Gebiete „DAS WELTALL“, Jahrg. 11, Heft 23.
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Der Halleysche Komet im Jahre 1607.
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— 353 —
Der Sestirnte Himmel im Monat Oktober 1911.
Von Dr. F.S. Archenhold.
Die Sterne. l
Unsere Sternkarte zeigt den Sternenhimmel so,
abends 104, am 15. Oktober, abends 95, am 1. November, abends 8b, und so fort
Es bietet sich Gelegenheit, das in unseren Breiten sehr schwer sichtbare
wie er uns am 1. Oktober,
erscheint.
Der Sternenhimmel am 1, Oktober 1911, abends 10 Uhr.
Fig. 1.
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Sternbild der südlichen Fische mit dem hellsten Stern Fomalhaut abends 105 im Süden
gerade über dem Horizont zu sehen. Das Sternbild hat die Gestalt eines Fisches, und
der hellste Stern Fomalhaut bedeutet „Maul des Fisches“. Dieser Stern ist den See-
fahrern wohlbekannt, weil er an manchen Orten, wo er den Horizont nur eben streift,
wie z. B. für die Gegend von St Petersburg, wenn er überhaupt sichtbar ist, den Süd-
Lauf von Sonne, Mond und den Planeten
S=Sonne M = Mond. Me = Merkur. V = Venus. Ma = Mars.
punkt bezeichnet. Die beiden nächsthellsten Sterne in diesem Bilde ß und y sind beide
Doppelsterne. Über den Fischen, auch im Meridian, steht der Wasserman, der sehr
viele bemerkenswerte Objekte zeigt. Insbesondere ist der Doppelstern ¢ leicht zu
trennen; der Hauptstern 3. sowohl wie der Begleiter 4. Größe sind beide von hellgelber
Färbung.
Der Lauf von Sonne und Mond.
Die Sonne, auf der sich Ende August ein kleiner Fleck gezeigt hat, beschreibt im
Monat Oktober schon einen merklich kürzeren Tagesbogen. Ihr Stand in der Ekliptik
ist wiederum für den 1., 15. und 31. Oktober in unsre Karte 2b eingetragen. Die
Zeiten für ihren Auf- und Untergang und die Größe der Mittagshöhe ersehen wir aus
folgender Tabelle:
Sonne Deklination Sonnenaufgang Sonnenuntergang Mittagshöhe
Okt. 1. — 2° 50° 64 8m morgens 5b 44m nachm. 341/,0
- 15. — 8° 11’ 64 33m - 5b 12m - 291/,°
- 31. — 13° 50° qb 2m - 4h 38m - 231/,°
Der Mond, dessen Lauf und Phasengestalten von zwei zu zwei Tagen fir die
Mitternachtszeit wiederum in unsere Karten 2a und 2b eingetragen sind, hat seine Haupt-
phasen an folgenden Tagen:
Vollmond: Okt. 8. 55 morgens Neumond: Okt. 22. 5b morgens
Letztes Viertel: - 15. ib - Erstes Viertel: - 30. 8b -
Im Monat Oktober findet eine Sternbedeckung statt.
| Eintritt |Win- | Austritt |Win-
| Bemerk
MEZ | kel | M. E.Z. | kel | oo 8
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Okt. 6. | di Aquarii | 4,7 23b HEN —90 34m 3 : 6° * | 2920 des Mondes
| | morgens morgens 3h 30m morgens.
Eine ringförmige Sonnenfinsternis findet am 22. Oktober statt; sie ist jedoch in
Europa unsichtbar und kann nur in Asien, Australien und im westlichen Teil des Stillen
Ozcans beobachtet werden.
|ür den Monat Oktober 1911.
Fig. 2a. Nachdruck verboten.
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J = Jupiter.
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Sa = Saturn. U= Uranus. N = Neptun.
Die Planeten.
Merkur (Feld 111/,5 bis 14!/,b) verschwindet um die Mitte des Monats vollständig
in den Strahlen der Sonne. Sein Durchmesser nimmt von 6“,1 bis 4,7 ab, wohingegen
der beleuchtete Teil der Scheibe von 0,74 auf 1,00 zunimmt. Er erreicht am 6. Ok-
tober seine größte nördliche heliozentrische Breite, steht am 22. Oktober in Konjunktion
mit dem Mond und am 23. Oktober in oberer Konjunktion mit der Sonne. Die Entfer-
nung Merkurs von unserer Erde beträgt am 1. Oktober 166, am 31. Oktober 215 Mill.
Kilometer. 3 | |
Venus (Feld 10%/, bis 111/,5) wird als Morgenstern wieder sichtbar, und zwar an,
fangs Oktober schon eine Stunde und am Ende bereits 21. Stunden, und erreicht am
22. Oktober wieder ihren größten Glanz. Ihr Durchmesser nimmt von 53,4 bis 34,1 ab,
wohingegen der beleuchtete Teil ihrer Scheibe von 0,09 auf 0,34 zunimmt. Zu Anfang
des Monats ist sie 46 und am Ende 72 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Am
19. Oktober wird der gelbliche Mond mit der darunter stehenden bläulichen Venus und
dem rötlichen Regulus eine interessante Konstellation geben. Unmittelbar über dieser
farbenprächtigen Konstellation wird der neue Komet Brooks stehen, dessen Schweif an-
nähernd parallel mit der Verbindungslinie Venus-Regulus verlaufen wird.
Mars (Feld 4!/,®) ist während der ganzen Nacht, am Schluß des Monats 12 Stunden
lang, sichtbar. Da er in seinem scheinbaren Lauf in einem kleinen Bogen umdreht,
ist er während des ganzen Monats fast an derselben Stelle des Himmels oberhalb
Aldebarans aufzufinden und bildet mit den Plejaden und Aldebaran eine interessante
Konstellation. Seine Entfernung von der Erde nimmt von 99 auf 80 Millionen Kilometer
ab, und dementsprechend nimmt der Durchmesser des Marsbildes von 14”,1 auf 17”,5
zu. Er nähert sich in seinem Laufe in den nächsten Monaten wieder dem Saturn. Mit
unserem großen Fernrohr ließ sich in den letzten Monaten das Kleinerwerden der süd-
lichen Eiskalotte, die der Erde zugewendet ist, deutlich verfolgen.
Jupiter (Feld 143/,5 bis 151/,5) tritt am 18 Oktober in Konjunktion mit der Sonne
und bleibt deshalb unsichtbar. Seine Entfernung nimmt von 919 auf 948 Millionen Kilo-
meter zu, sodaß sein Durchmesser von 31,7 auf 31,1 abnimmt.
Saturn (Feld 3!/,®) ist während des ganzen Monats im Sternbilde des Stiers sehr
günstig zu beobachten. Man sieht auf das weitgeöffnete, interessante Ringsystem von
unten, sodaß man den Schatten der Saturnskugel im umdrehenden Fernrohr auch
' — 356 —
deutlich unten wahrnehmen kann. Sein Durchmesser nimmt von 18,3 auf 184 zu,
und entsprechend nimmt seine Entfernung von der Erde von 1255 auf 1222 Millionen
Kilometer ab.
Uranus (Feld 19°/,b) ist nur gleich nach Sonnenuntergang einige Stunden lang
im Sternbilde des Schützen zu beobachten. Sein Durchmesser beträgt nur är D und
seine Entfernung von der Erde beträgt fast 3000 Millionen Kilometer.
Neptun (Feld "hiet in den Zwillingen nur einige Stunden vor Sonnenaufgang
am Osihimmel in großen Fernrohren zu beobachten. Sein Durchmessers beträgt nur
2“,5, da seine Entfernung von der Erde 4500 Millionen Kilometer ausmacht.
Bemerkenswerte Konstellationen:
Okt. 10. 7 abends Saturn in Konjunktion mit dem Monde.
- 12. 7b morgens Mars in Konjunktion mit dem Monde.
- 18. 8b abends Venus in Konjunktion mit dem Monde.
- 22. 35 morgens Merkur in Konjunktion mit dem Monde.
- 22. Ringförmige Sonnenfinsternis, in Europa unsichtbar.
- 22. 10Ľł morgens Venus im größten Glanze.
- .23. Mitternacht Jupiter in Konjunktion mit dem Monde.
Eine bemerkenswerte Feuerkugel wurde von mir am 20. Septemher 1911, abends 8 Uhr
1 Minute 3 Sekunden, auf der Plattform der Treptow-Sternwarte gesehen. Da ich gerade den Kometen
Brooks 1911c beobachtete, konnte ich die volle Erscheinung genau auffassen. Das Aufleuchten ge-
schah in der Nähe von e Herkules und das Verschwinden unterhalb des Sternes OZ Serpentis; die
Länge der Bahn beträgt hiernach über 30 Grad. Eine genaue Beschreibung der doppelten Schweif-
erscheinung etc. behalte ich mir für später vor und möchte heute nur an alle Leser des Weltalls,
welche diese Feuerkugel beobachtet haben, die Bitte richten, genaue Angaben über dieselbe um-
gehend an die Treptow-Sternwarte gelangen zu lassen und hierbei möglichst folgende 12 Punkte
zu beantworten: 1. Name. Stand, Ort und Straße und ob die Beobachtung die erste ist. 2. Datum
der Beobachtung: Monat, Tag, Uhr, Minuten. Sekunden 3. Genauer Standpunkt bei der Beobachtung.
4. Ort der Erscheinung am Himmel, ihr Anfangs- und Endpunkt, entweder Angabe nach Sternen,
jedoch nur, wenn solche sicher bekannt sind, oder nach Himmelsrichtungen, oder nach großen Ge-
bäuden. 5. Richtung der Bahn, ob von oben nach unten oder dergl. 6. Art der Bewegung, schnell
oder langsam. 7. Scheinbare Länge der Bahn: in Graden, oder nach Vollmondsbreiten, oder nach
bekannten Sternen. 8. Form und Größe des Kopfes. 9 Seine Farbe und Helligkeit. 10. Farbe und
Helligkeit des Schweifes. 11. Zeitdauer der Sichtbarkeit des Schweifes. 12. Sonstige Wahrnehmungen,
Geräusche, Zerplatzen ete. Je mehr Beobachtungen cinlaufen, um so genauer kann die Bahnbe-
stimmung ausgeführt werden. F. S. Archenhold.
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Die 83. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte tagt vom 24. bis 30. Sep-
tember 1911 in Karlsruhe. In der Sektion „Astronomie und Geodäsie“ interessicren uns fol-
gende Vorträge: Prof. L. Ambronn (Göttingen): „Über die Einrichtung eines neuen photographischen
Durchgangsinstrumentes für die Bestimmung fundamentaler Rektaszensionen*; Dr. F. S. Archen-
hold (Treptow): „Über ein neues Verfahren astronomischer Daueraufnahmen ohne Leitfernrohr“
und „Vorführung von Sonnenflecken und Mondfinsternisphotographien“; E. Stephani (Cassel):
„Über den Einfluß der Erde auf den Entstehungsort der Sonnenflecken* und „Ein Vorschlag zur
kinematographischen Aufnahme der Granulation der Photosphäre“,
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*
Die Deutsche Meteorologische Gesellschaft hält die 12. allgemeine Versammlung in München
vom 2. bis 4. Oktober 1911 unter dem Ehrenvorsitz Ihrer K. H. der Prinzessin Therese von Bayern,
Ehrenmitglied der Kgl. Bayer. Akademie der Wissenschaften, ab. Unter den angekündigten Vorträgen
interessieren uns insbesuonders „Die wissenschaftlichen Observatorien auf Teneriffa und Spitzbergen“
von Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Hergesell (Strabburg i. Els.) und „Über die Notwendigkeit der
Gründung eines Instituts für theoretische Meteorologie“ von Geh. Hofrat Prof. Möller (Braunschweig).
— 357 —
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Franz Rusch, Himmelsbeobachtungen mit bloBem Auge. Teubner 1911. 8.
223 Seiten mit 30 Fig. im Text und einer Sternkarte. Preis geb. in Leinwand 3,50 Mk. (Aus
Dr. Schmids „Naturwissenschaftliche Schülerbibliothek“).
Ruschs Buch erstrebt, wie die früheren Bände der N. S., die Schüler in die Astronomie
durch planmäßige Beobachtungen mit bloßem Auge der alltäglichen Himmelserscheinungen einzu-
führen. Es werden behandelt: Die Atmosphäre (Scintillation, Refraktion, Absorption, Dämmerungs-
und Nordlichterscheinungen), die Zeit (Sonnen- und Sternzeit, Zeitbestimmung durch Schattenlänge,
Sonnenuhren), die Kalender, Bestimmung der Lage des Beobachtungsortes, der Sternhimmel (Stern-
verzeichnisse, Helligkeit der Fixsterne, veränderliche, farbige und doppelte Sterne, Nebelflecke), die
Sonne (Lauf und Größe der Sonne, Finsternisse), der Mond (Phasen, Erdlicht, Rotation, Finsternisse),
die Planeten (Lauf am Himmel, Helligkeit, Aussehen [im Fernrohr!]), Kometen und Meteore, Photo-
graphie des Sternenhimmels. Das Prinzip, auf das das Buch von R. beruht, dürfte sehr gut sein:
die Beobachtungen sollen immer so genau sein wie möglich, weil sie dann nicht nur Anregung
zum Nachdenken, sondern auch Erziehung zum richtigen Sehen geben werden.
Auch für manche Amateure dürfte Ris Buch sehr nützlich sein, da diese freiwilligen Mit-
arbeiter wohl sich in den meisten Fällen zu derjenigen methodischen Durcharbeitung des Lehr-
stoffes entschlossen haben, die Ris Buch erstrebt. Das Buch enthält u. a. Anleitungen zur Aus-
führung zahlreicher Beobachtungen (Nordlicht, Nachtwolken, Helligkeitsveränderungen der Fix-
sterne u, a.), die zur Förderung der Wissenschaft dienen können, obgleich sie keine Instrumente
erfordern. Auch enthält Ris Buch mehrere für den Laien nützliche Tafeln wie Mittlere Refraktion,
Extinktion der Sterne, Sonnenorte, Verwandlung von Sternzeit in mittlere Zeit, Verzeichnis von mit
bloßem Auge sichtbaren veränderlichen Sternen, Position, Helligkeit und Farbe der Sterne bis 3. bis
4. Gr., Sternschnuppenradianten, und (etwas im Widerspruche mit dem Titel!) eine gute Übersicht
über die Resultate der neueren teleskopischen Beobachtungen.
* *
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Dr. Emil Carthaus: Die klimatischen Verhältnisse der geologischen Vorzeit vom
Praecambrium an bis zur Jetztzeit und ihr Einfluß auf die Entwicklung der Haupttypen
des Tier- und Pflanzenreiches. Mit 4 Figuren. Berlin 1910. Verlag von R. Friedländer & Sohn.
Der Verfasser geht bei seinen wissenschaftlichen Ausführungen von denselben Anschauungen
aus, wie sie Günther in seinem bekannten Lehrbuche der Geophysik dargelegt hat. Auf Grund
physikalischer und meteorologischer Gesetze sucht jener nun in seinem Geiste die Klimaveränderungen
während der verschiedenen Erdperioden zu rekonstruieren und nimmt sodann die wissenschaftlichen
Befunde der Tier- und Pflanzenphysiologie zu Hilfe, um sich in den während der verschiedenen
geologischen Zeiträume bestehenden Faunen und Floren, sowie deren Veränderungen Indikatoren für
das jeweilige Klima mit dessen Veränderungen zu schaffen. Bei der Annahme einer stetig fort-
- schreitenden Erkaltung der festen Erdrinde, der Atmosphäre und vor allem des Weltmeeres legt der
Verfasser mit Recht ein Hauptgewicht auf den Einfluß des letzteren als riesenhaften Wärmeregulator
zwischen Pol und Äquator. Das Gesamtvolumen des Weltmeeres ist 13mal so groß als das der
ganzen Festlandsmasse, soweit sie über den Meeresspiegel hervorragt, und dazu hat das Seewasser
eine spezifische Wärme, welche mehr als 5mal die der die feste Erdkruste bildenden Gesteine über-
trifft (während diese nur ein spezifisches Gewicht von 2!/, bis 3 besitzt. Da sich nun außerdem
im Ozean die erkalteten Wassermassen in die Tiefe verschieben, während die feste Erdrinde haupt-
sächlich nur aus ihrer Oberflächenzone Wärme an die Atmosphäre abgibt, so hätte man den Einfluß
des Weltmeeres auf die Ausbildung und Umgestaltung des Klimas während. der ganzen geologischen
Vorzeit viel mehr in Betracht ziehen sollen, als dieses bisher geschehen ist. In dem vor-
liegenden Buche ist dieses nun zahlenmäßig weiter durchgeführt. Aus den, weiteren wissen-
schaftlichen Ausführungen ergibt sich nun im Verlaufe der verschiedenen Erdperioden eine stetige
Zunahme der Bewegung bezw. der Strömungen in der Atmosphäre und Hydrosphäre der Erde, sowie
eine immer größer werdende Wärmedifferenz zwischen Pol und Äquator. Hierdurch wurde auch
eine Zunahme der atmosphärischen Niederschläge, die während der Primärzeit und der ersten Hälfte
der Sekundärzeit noch verhältnismäßig spärliche waren, bedingt. Erst mit dem Lückenhaft-
werden des unseren Planeten bis dahin umgebenden, geschlossenen Wolkenmantels und dem Hervor-
treten der Jahreszeiten in den höheren Breiten nahm die Regenmenge während der zweiten Hälfte
— 358 —
der Sekundärzeit allmählich zu, um aber erst mit dem völligen Zerreißen jenes schützenden Mantels
in der Tertiärzeit mit viel größerer Schnelligkeit zu ihrem Maximum in der Diluvialzeit heran-
zuwachsen. Nach den Ausfiihrungen des Verfassers drangen die ersten direkten Sonnenstrahlen
nicht früher als in der späteren Sekundärzeit zur Erde und da noch viel seltener als heute; voll
und kräftig traten sie überhaupt erst während der Tertiärzeit hervor, wo auch die Luft- und Mecres-
strömungen an Energie und Umfang ganz außerordentlich zunahmen.
Mit Hilfe der Physiologie der Pflanzen und Tiere sucht der Verfasser zugleich auch zu zeigen,
weshalb bei den von ihm für die verschiedenen Erdperioden herauskonstruicrten klimatischen Ver-
hältnissen, bzw. deren Veränderungen während der betreffenden Zeiträume gerade die Tier- und Pflanzen-
typen entstanden, die wir da in der Tat auf der Weltbühne erscheinen sehen: so die Säugetiere in der Trias-
periode, die Vögel in der Jura- und die Angiospermen in der Jura- oder der Kreideperiode. Ebenso glaubt
der Verfasser zeigen zu können, weshalb sich mit dem Beginne der Tertiärzeit namentlich in den
höheren Breiten sozusagen plötzlich jene überraschenden Veränderungen in der Flora und Fauna
vollzogen, die verhältnismäßig schnell zu den heutigen Pflanzen- und Tierformen hinübergeführt
haben. Für die älteren Floren bis zum Aufkommen der Angiospermen, namentlich auch für die
Pflanzen der Steinkohlenperiode, wird in dem vorliegenden Buche das Meerwasser der Lagunen und
seichten Mecresbuchten als Vegetationsgebiet angenommen, wie auch heute noch die weit aus-
gedehnten, hunderte von geographischen Quadratmeilen bedeckenden Mangrove- oder Rhizophoren-
Wälder auf der seichten Ostküste von Sumatra im Salzwasser vegetieren.
Ein langjähriger Aufenthalt in den Tropen, verbunden mit zahlreichen Reisen, besonders
durch das Inselreich eines werdenden Kontinentes, des malaiischen Archipels, bat den Verfasser
zu geologischen Anschauungen geführt, die in mancher Beziehung von den bisher geltenden ab-
weichen und anfangs teilweise überraschend erscheinen, die aber alle wissenschaftlich begründet
werden. Das Buch ist nicht in Deutschland, sondern in jener fernen Inselwelt entstanden, wie auch
in der Vorrede ausdrücklich hervorgehoben ist, mit deren Erdbeben, Kratern und seltsamen, optischen
Phänomenen der Verfasser, die Leser des „Weltalls“ in seinen interessanten Schilderungen (Jg. 10,
S. 93, 109 und 245) bereits bekannt gemacht hat, so daß dieses neueste Carthaussche Werk keiner
besonderen Empfchlung bedarf.
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*
Die neue Welt der flussigen Krystalle und ihre Bedeutung fiir Physik, Chemie, Technik
und Biologie. Von 0. Lehmann, Professor der Physik an der Technischen Hochschule zu
Karlsruhe. VIII u. 388 Seiten mit 246 Abbildungen im Text. Akademische Verlagsgesellschaft m. b. H.
in Leipzig. 1911. Preis geh. 12,— M., geb. 13,— M.
In dem vorliegenden Buche hat sich Lehmann der dankenswerten Aufgabe unterzogen, seine
Anschauungen über die flüssigen Krystalle zusammenfassend darzustellen. Über den reichen Inhalt
des Werkes gibt das im folgenden abgedruckte Inhaltsverzeichnis Auskunft.
Einleitung. — Was ist ein Krystall? — Wie erklärt sich die Anisotropie? — Die molekulare
Richtkraft. — Die optische Anisotropie. — Wie verhält sich ein Krystall bei Biegung? — Entsteht
durch Kneten cine amorphe Masse? — Biegung durch Translation längs Gleitllächen. — Ist Umklappen
des Raumgitters (Polymorphie) möglich? — Krystalle und Lebewesen. — Das Krystallisationsmikroskop.
— Krystalliten und Mischkrystalle. — Die Entdeckung der Umwandlungstemperatur. — Doppelte
Sättigung und Aufzehrungserscheinungen. — Die drei Aggreyatzustände eines Körpers. — Was sind
amorphe Körper? — Isomorphe und anomale Mischkrystalle. — Amorphe Stoffe sind keine Phasen. —
Es gibt wirklich plastische Krystalle. — Gibt es auch flüssige Krystalle? — Gestaltungskraft und
zusammenfließende Krystalle. — Spontane und erzwungene Homöotropie. — Erzwungene und
spontane Pseudoisotropie. — Flüssige Schicht- und Mischkrystalle. — Krystalltrapfen ohne Ge-
staltungskraft. — Physikalisch-homogene krystallinische Flüssigkeiten. — Künstliche Drehung der
Polarisationsebene. — Knickung und Zwillingsbildung. — Hetervtropie flüssiger Krystalle. —
Lamellierte und ellipsoidale Mischkrystalltropfen. — Optische Eigenheiten dicker flüssiger Krystalle.
— Stoffe mit mehreren flüssigen Zuständen. — Chemisches Mikroskop für thermische Analyse. —
Wie entstehen Myelinformen? — Scheinbar lebende Krystalle. — Wachstum von Lebewesen. —
Latentes Leben und Secle. — Atomseelen. — Muskelkraft. — Die Selbstreinigung flüssiger Krystalle.
— Flüssige Krystalle und Magnetismus. — Konische und zylindrische Strukturen.
Das Buch ist nach Form und Inhalt ein spezifisch Lehmannsches Werk. Sein Zweck ist der,
zu zeigen, zu welcher Auffassung Lehmann im Laufe seiner jahrzehntelangen Beobachtungen über
die Natur der Krystalle gelangt ist. Das Buch gibt daher in der Hauptsache nur eine Übersicht
über die Ergebnisse der Lehmannschen Arbeiten und berücksichtigt die Untersuchungen anderer
Forscher nur in so weit, als sie mit Lehmanns Untersuchungen in Zusammenhang stehen. Daher
— 359 —
ist denn auch entsprechend der wesentlich qualitativen Arbeitsweise Lehmanns, die in unserer Zeit
des wesentlich quantitativen Arbeitens in ihrer Bedeutung vielfach unterschätzt wird, die Darstellung
der Erscheinungen fast ausschließlich qualitativ. Dieses Überwiegen des qualitativen Moments ist aus
einem doppelten Grunde zu bedauern, erstens aus einem sachlichen Grunde, weil nämlich die
quantitative Untersuchung einer Erscheinung eine wesentliche und unentbehrliche Ergänzung der
qualitativen Beobachtung bildet und zweitens aus einem mehr persönlichen Grunde, dem Grunde
nämlich, daß Lehmanns Wirken bei einer etwas mehr quantitativen Arbeitsweise die verdiente
Anerkennung viel eher und in viel höherem Maße gefunden hätte.
Jedenfalls seien dem neuen Buche, dessen Verfasser zweifellos einer der besten Kenner der
Krystallwelt ist, recht viele aufmerksame Leser gewünscht. Der an schönen Einzelbeobachtungen
und an Anregungen reiche Inhalt bringt dem Leser reichen Gewinn.
Werner Mecklenburg, Clausthal i. H.
* %
$
L’aplanetisme des surfaces et des lentilles elliptiques et hyperboliques par J. P. Konderef,
Édition Atar Genève.
Eine der Hauptschwierigkeiten, die der Vervollkommnung derLinsen in. hohem Maße entgegen-
standen, bilden die durch die sphärische Aberration bedingten Bildfehler. Schon Deskartes hatte die
Frage untersucht, ob es möglich wäre, Linsenflächen zu schaffen, die bei beliebig weiter Öffnung
des abbildenden Büschels einen Objektpunkt wieder in einen Bildpunkt abbilden und hatte gefunden,
daß diese Flächen im allgemeinen sebr komplizierte Kurvęn sind, die sich nur schwer praktisch
herstellen lassen. Linsen, die von diesen cartesischen Flächen begrenzt wären, würden dana frei
von Fehlern der sphärischen Aberration sein. Herr Konderef zeigt nun in der vorliegenden
Broschüre, daß auch Ellipsoide und Hyperbeloide geeignet sind, eine aberrationsfreie Abbildung eines
Punktes zu liefern, wenn nämlich der Brechungsexponent des betreffenden Glases gleich der reziproken
Exzentrizität, dem Verhältnis von großer Achse zum Brennpunktsabstand ist. Der Verfasser macht dann
verschiedene Vorschläge, wie man dieseEigenschaften zur Konstruktion von elliptisch und hyperbolitisch
begrenzten Linsen verwenden könnte. Wenn auch dieses Ergebnis an sich ganz interessant ist, so
dürfte ihm jedoch kaum eine größere praktische Bedeutung zukommen. Denn erstens gilt der
Brechungsexponent eines Glases nur für eine ganz bestimmte Wellenlänge; diese Linsen könnten
also nur für homogenes Licht der Farbe benutzt werden, für die ihr Brechungsexponent gilt; weisses
Licht würde erhebliche chromatische Aberrationen hervorrufen; es wäre ja natürlich möglich, die
Farbenfehler durch Kombination mehrerer Linsen von verschiedenen Brechungsexponenten herab-
zudrücken, wie es ja bei fast allen Objektiven üblich ist, aber dadurch dürften die technischen
Schwierigkeiten erheblich wachsen. Aber selbst wenn es gelänge, die Systeme in dieser Weise gut
zu achromatisieren, so würden sie doch auch so eine außerordentlich beschränkte Verwendbarkeit
haben. Denn diese Linsen sind durchaus nicht im Abbeschen Sinne aplanatisch, sie bilden wohl
Achsen-Punkte, nicht aber zur Achse senkrechte Flächenelemente durch beliebig weite Strahlen-
büschel aberrationsfrei ab. Sollte auch diese Forderung erfüllt sein, so müßten die Linsen der Sinus-
bedingung entsprechen. Die Sinusbedingung ist aber offenbar an diesen Linsenflächen nicht erfüllt,
da nach dem Sinussatz die Schnittpunkte der einfallenden und gebrochenen Strahlen auf dem
apollonischen Kreise liegen müssen, der zu den beiden konjugierten Punkten gehört, für die die Sinus-
bedingung erfüllt sein soll. Deshalb würde die durch Linsen dieser Art bewirkte Abbildung durchaus
nicht besser sein als die von den gewöhnlichen nur sphärisch korrigierten Linsen, ihre Herstellung
aber wäre wesentlich schwieriger, so daß mit dem praktischen Ergebnis dieser Arbeit nicht viel
gewonnen ist.
x *
x
Die Theorie der modernen optischen Instrumente von Dr. Alexander Gleichen,
Regierungsrat. Stuttgart, Verlag von Ferdinand Enke 1911.
In sehr dankenswerter Weise liefert das vorliegende Werk eine eingehende Übersicht über
die Konstruktion und Eigenschaften der modernen optischen Hilfsmittel und trägt dadurch einem
dringenden Verlangen der Fachleute Rechnung. Doch nicht nur dem Fachmann bietet das Buch
ein sehr wertvolles Hilfsmittel, sondern ist auch durchaus geeignet, jeden, der sich über die Fortschritte
der praktischen Optik in den letzten Jahrzehnten zu orientieren wünscht, mit der Materie vertraut
zu machen. Dazu trägt sowohl die elementar gehaltene Übersicht über die Grundlagen der
- geometrischen und physischen Optik wie auch besonders eine große Zahl durchgerechneter praktischer
. Aufgaben wesentlich bei.
Im ersten Kapitel werden die Grundgesetze der Reflexion, Brechung und Zerstreuung des
Lichts behandelt. Das zweite beschäftigt sich eingehend mit dem Zustandekommen der Abbildung
durch Kugelflächen und die hier geltenden Beziehungen Das dritte Kapitel erläutert in anschaulicher
— 360 —
Weise den fiir die praktische Optik so wichtigen Begriff der Dioptrie, seine Erweiterung durch
Gullstrand und seine praktische Anwendung. Im vierten gelangt die Strahlenbegrenzung und deren
Einfluß auf die Abbildung zur Darstellung. Während die bisherigen Ausführungen wesentlich auf
den Grundlagen der geometrischen Optik beruhten, also die Abbildung durch unendlich schmale,
in der Nähe der optischen Achse verlaufende Strahlen zustande kommen sollte, werden im fünften
Kapitel die Bildfehler besprochen, die bei der Abbildung durch weite Büschel oder sehr schief zur
Achse auffallende Strahlen hervorgerufen werden, die sphärische Abberation und der Astigmatismus
Die Sinusbedingung wird an dieser Stelle ebenfalls sehr anschaulich abgeleitet. Im speziellen Teil
wird zunächst das menschliche Auge, seine Abbildungsfehler und deren Beseitigung durch Brillen-
gläser an der Hand von zahlreichen Beispielen erläutert, dann die kombinierte Wirkung der einzelnen
optischen Instrumente und der Augen dargestellt, zunächst die Lupen, dann die astronomischen und
terrestrischen Fernrohre — hier wird das Prinzip der hauptsächlichsten Okularkonstruktionen klar-
gelegt — und dann werden die verschiedenen Ausführungsformen der Prismenfernrohre und ihre Vorzüge
vor den gewöhnlichen terrestrischen Fernrohren eingehend geschildert. Ein größerer Raum ist natur-
gemäß den Zielfernrohren gewidmet, deren Güte ja mit den Leistungen der modernen Feuerwaffen
Hand in Hand geht. Das Goerzsche Panorama-Fernrohr wird in seinen Konstruktionsdetails erläutert,
ebenso dieGeschützaufsätze derFirma Zeiß. Eine eingehende Würdigung findet dann das stereoskopische
Sehen, das erst in der letzten Zeit eine so hohe Bedeutung in der Entfernungsmeßtechnik, sowohl für
geodätische wie auch astronomische Zwecke gefunden hat. Beim Mikroskopbau wird nicht nur
eine eingehende Schilderung der optischen Wirkungsweise gegeben, sondern es sind hier auch
alle bemerkenswerten Neukonstruktionen und Verbesserungen bis ins einzelne klargelegt, die
Bedeutung der Kondensoren für die Mikroskopie wird eingehend besprochen. Entsprechend der
besonderen Rolle, die die photographischen Objektive als optische Instrumente spielen und auch ihrer
hohen Vervollkommnung in den letzten zwanzig Jahren, sind die für ihre Konstruktion maßgebenden
Gesetze klar hervorgehoben und eine Übersicht über die gebräuchlichsten Typen angegeben. In der
Ophtalmologischen Optik sind die an Brillengläsern und Augenspiegeln erzielten Verbesserungen der
letzten Jahrzehnte dargestellt. Zum Schluß legt der Verfasser eingehend die Bedeutung des
Aplanatismus für die optischen Systeme dar und weist auf die hervorragende Wichtigkeit hin, die
die aplanatischen Systeme in der Zukunft der optischen Technik spielen werden.
Das Werk kann bei seiner übersichtlichen und klaren Darstellungsweise, die durch zahlreiche
‘ Abbildungen noch erhöht wird, zum Studium der modernen optischen Instrumente dringend
empfohlen werden. i ý a er ,
Jahrbuch der Motorluftschiff-Studiengesellschaft. Vierter Band 1910—1911. Mit
72 Textfiguren. Verlag von Julius Springer in Berlin. Gebunden Preis M. 6,—.
Im neuen Jahrbuch der M. St. G. kommt das bereits in der vorigen Ausgabe bewiesene
Bestreben, durch Erweiterung des wissenschaftlichen Teiles das Jahrbuch mehr und mehr zu einem
auch für Fachleute wertvollen Werke A een sowohl in der Form als auch im Inhalt erneut
und verstärkt zum Ausdruck.
' Geheimrat Aßmann bespricht in seiner interessanten Abhandlung über den Warnungsdienst
für Luftfahrer die Ursachen der zahlreichen und schweren Unglücksfälle im Jahre 1910 und’ die
Maßnahmen, welche zur Organisation eines Warnungsdienstes für Luftfahrer zu ergreifen sind.
Der Bericht von Professor Prandtl über die Tätigkeit der Göttinger Versuchsanstalt und die
wissenschaftliche Abhandlung von Dr. Föppl, Aachen, über „Windkräfte an ebenen und ge-
wölbten Platten“ umfassen die Ergebnisse der eingehenden Untersuchungen, welche im letzten
Jahre in der Göttinger Versuchsanstalt angestellt wurden. Sie dürften im Verein mit den Jahrbüchern
der Vorjahre für jeden Fachmann auf diesem Spezialgebiet eine unentbehrliche Quelle des Studiums sein.
In seiner Abhandlung über Luftschiffmotoren berichtet Direktor P. Daimler, Cannstatt,
über die neuesten Erfahrungen, welche im verflossenen Jahr auf diesem Gebiete gemacht wurden. —
Die Weiterentwicklung der astronomischen Navigation im Luftschiff hat einen guten Schrift
vorwärts getan durch Einführung des eingehend besprochenen Instruments Orion, dessen Patente
im Besitz der M. St. G. sind.
In anregender und volkstümlicher Weise schildern die folgenden mit zahlreichen Illustrationen
versehenen Abhandlungen die letztjährigen Fahrten des P. L. 5 und 6, während der letzte Artikel eine
kurze Übersicht über den augenblicklichen Stand der Luftschiff- und Flugzeugindustrie in den ver-
schiedenen europäischen Staaten bringt. Wir können das reichhaltige, geschickt zusammengestellte
und mit großer Sorgfalt ausgestattete Jahrbuch allen Iuteressenten warm empfehlen.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F.8. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
DAS WELTALI
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebi
Herausgegeben von
Dr. F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
11. Jahrgang, Heft 24. Verlag der Treptow-Sternwarte, 1911 (Zweites Septemberheft).
Berlin-Treptow.
Diese Zeitschrift erscheint sweimal im Monat. — Abonnementspreis jährlich 12.— Mark (Ausland 16.— Mark) franko
durch den Verlag der Treptow-Sternwarte, Trepiow-Berlin, sowie durch alle Buchhandlunger und Postanstalien (Post-
Zeitungsliste alphabetisch eingeordnet). Einzelne Nummer 60 Pie. — Anseigen-Gebithren: 1 Sesle 80.— Mk., ( Seite 45.—
1/, Seite 25.—, lja Seite 15.—, Li Seite 8.—. Bei Wiederholungen Rabatt. — Beilagen nach Gewicht.
INHALT
1. Die drei neuen Komelen Brooks 1911c, Quenisset 1911 f 3. Elektronenemission bei chemischen Reaklionen. Aus-
und Beliawsky I9llg. Von Dr. F. S. Archenhold . 361 | zug aus einem Vortrag von Prof. F. Haber-Karlsriuhe,
2. Zerfullsprozesse in der Natur. Auszug aus einem gehallen auf der Naturforscherversammlung in Karls-
Vortrag von Geh. Rat Prof. Dr. Engler-Karlsruhe, ruhe 191 2. sur ee ass 368
gehallen auf der Nalurforscherversammlung in Karls- (Diesen Heft liegt das 12 Seiten starke Inhallsverzeichnis
Fuhe EE ae 2 GK Be a ee Se a a 363 des 11. Jahrganges bei.)
Nachdruck verboten. — Auszüge nur mit genauer Quellenangabe gestattet.
Die drei neuen Kometen
em 1911c, Quénisset 19 fF und Reliaëske 10118.
Von Dr. F. S. Archenhold.
1. Brooks 1911 c.
Der Komet Brooks 1911c ist noch heller geworden und jetzt bereits 2,5.
Größe. Auf einer Photographie, die ich am 3. Oktober mit cinem 6-Zöller von
Busch, der an unser großes Fernrohr anmontiert wurde, bei einer Expositions-
dauer von nur 10” hergestellt habe, ließ sich der Schweif auf der Original-
platte, obgleich der Himmel etwas diesig war, fast 5° weit verfolgen. Im großen
Fernrohr selbst zeigte der Kern interessante Ausstrahlungen, die unter einem
Winkel von 70° gegeneinander verliefen und fast bis zum Ende des Kopfes zu
verfolgen waren. An vielen Orten ist dieser Komet jetzt mit bloßem Auge und
einer Schweiferscheinung gesehen worden. So schreibt uns Freiherr E. von
Hake aus Hasperde bei Hameln: „Ich möchte Ihnen mitteilen, daß ich gestern
den 28. September, abends um 8°30" zum ersten Male den Schweif des Kometen
1911c wahrgenommen habe. Am 27. konnte ich trotz eifrigen Beobachtens den
Schweif noch nicht wahrnehmen. Er hatte die Lange von 6!/,°, seine Breite war
nur gering, sie betrug ungefähr 1!/,—2!/,°. Seine Lichtstärke war so stark,
daß man ihn nach schärferem Hinsehen mit freiem Auge sehen konnte Um
Oh 15m konnte der Schweif nicht mehr gesehen werden.“ Weiter teilt Herr
Dr. Korn z. Zt. Filehne (Provinz Posen) mit: „Hier ist der Schweif am 15. September
schon mit dem Feldstecher, am 17. sogar mit dem bloßen Auge gesehen worden;
am 27. September zeigte der Schweif hier im 3-Zöller 12° Länge, bei Luft 3, mit
bloBem Auge 4°. Durchmesser des Kopfes am 27. war 20‘, des Schweifes an
der Koma 12‘, gegen das Ende ungefähr 25° groß.“ Die Helligkeit des Kometen
scheint Schwankungen unterworfen zu sein, sodaß weitere ständige Licht-
schätzungen erwünscht sind.
2. Quénisset 1911f.
Ein neuer heller Komet Quénisset 1911f ist am 23. September 1911
auf der Sternwarte Juvisy bei Paris im kleinen Bären entdeckt worden.
V
Lauf des Kometen Quenisset 1911f
vom 7. Oktober bis zum 23. Oktober.
(Auf der Karte ist auch der Lauf der
Feuerkugel vom 20. September 1911
aufgezeichnet, vgl. Weltall Jg. 11, S. 356.)
1911
Okt. 8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
1s
19
20
15" 27™ 59°
29
39
15" 39™ 50°
Rektascension
30
11
— 362 —
Er bewegt sich fast um 2° Dekl. taglich nach
Süden zu, sodaß er in unseren Breiten nicht
lange zu sehen sein wird. Wir geben seinen
Lauf auf beifolgender Karte wieder.
Hiernach steht er jetzt schon im Sternbild
des Herkules und rückt bereits am 11. Ok-
tober in das Sternbild der nördlichen Krone.
An diesem Tage steht er hier beim Stern u, am
13. beim Stern ¢ und am 20. beim Stern y; am 24.
rückt er schon in das Sternbild der Schlange.
In dieselbe Karte habe ich die am
20. September 1911 von mir beobachtete Feuer-
kugel (Vgl. „Weltall“ Jg. 11 S. 356) eingetragen,
und zwar ist der erste Schweif dieser Feuer-
kugel zwischen a und b und der zweite
Schweif zwischen c und d sichtbar gewesen.
DerkometQuénisset 1911f gehört zu der
Schar der nichtperiodischen, die nur einmal in
die Nähe der Sonne kommen, um dann für
immer zu verschwinden. Diese Sonnennähe
erreicht er nach einer Bahnberechnung von
Ebell (A.N. 4527) am 12. November. Da cr
sich jedoch immer weiter von der Erde ent-
fernt, so wird seine Helligkeit höchstens die
eines Sternes 6. Größe erreichen. Für unsere
Leser, die ein Fernrohr mit Kreisen besitzen,
geben wir die Rektaszension und Deklination
in folgender Tabelle wieder.
Entfernung in Millionen
Deklination Kilometern von der
Sonne Erde è
+ 45° 48 153 150
43 19,6
41 36,9 150 164
39 66,8
38 19,3 146 158
36 44,4
35 11,9 143 163
33 41,9
32 14,4 140 168
30 49,2
29 26,4 138 173
28 5,8
+ 26° 47,5 137 178
Er zeigt bereits ebenso wie der Brooksche komet einen längeren Schweif,
aber sein Kern ist bedeutend kleiner. Am 20. Oktober wird seine Entfernung
von der Erde bereits 178 Millionen km betragen.
3. Beliawsky 1911 g.
Weiter haben wir noch die Entdeckung eines sehr hellen neuen Kometen
Beliawsky 1911 g zu melden. Derselbe ist in der Simeis-Sternwarte in der
Krim am 2s. September im Sternbild des Löwen bereits in der Helligkeit eines
Sternes 3. Größe aufgefunden worden. Ich habe ihn am 4. Oktober morgens
— 363 —
45 45™ am Osthimmel sowohl mit dem Kometensucher als auch mit dem Hensoldt-
schen Prismenbinocle beobachten können. Derselbe zeigte einen scharfen Kern
und einen gleichmäßigen 2° langen Schweif, der sehr breit war, sodaß der Komet
eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Johannesburger Kometen 1910a aufwies. Er bildet
mit Regulus und Venus ein fast gleichseitiges, rechtwinkliges Dreieck, in dessem
rechten Winkel die Venus stand. Er zeigt eine starke Bewegung nach Osten,
eine Bahnbestimmung liegt noch nicht vor. Am folgenden Tage konnte ich ihn
bereits eine viertel Stunde früher am Morgenhimmel auffinden. Auf einer
photographischen Aufnahme ist er, obgleich es sich sehr bald bezogen hat, noch
deutlich zu erkennen. Er ist nur noch kurze Zeit am Morgenhimmel zu be-
obachten. Seit 15 Jahren ist es wieder das erste Mal, daß wir so viele und
helle Kometen zu gleicher Zeit am Himmel beobachten können.
Aevfalisprozesse in der Natur.
Auszug aus einem Vortrag von Geh. Rat Prof. Dr. Engler-Karlsruhe,
gehalten auf der Naturforscherversammlung in Karlsruhe 1911.
W: Energie und Materie in dem Weltbetrieb einen ewig sich wiederholenden
Kreislauf des Aufbaues und Abbaues beschreiben, indem sie abwechselnd
sich zu Sonnen vereinigen, von da aus wieder in das Universum zerstrahlen
und zerstäuben, um dann von neuem in einen solchen Kreislauf cinzutreten,
so bildet auch das organische Leben auf unserem Planeten einen Kreislauf.
Im Gegensatz zu dem Weltbetrieb, an dem sich die Gesamtenergie und Gesamt-
materie beteiligen, nimmt an dem Kreislauf des organischen Lebens nur ein
fast unendlich kleiner Teil der Materie teil, und die treibende Kraft der
Sonne scheidet während einer jedesmaligen Umdrehung aus und muß durch
neue Sonnenenergie ersetzt werden. Einige Fälle des abbauenden Teiles
dieses Kreislaufes, des Vergehens der organischen Substanz und dessen Pro-
dukte werden näher besprochen.
Zur Klarstellung des Zusammenhangs zwischen Vergehen und Entstehen
werden kurz die derzeitigen Ansichten über das erste Entstehen des organischen
Lebens definiert: Die Generatio spontanca oder Selbstzeugung und die Pan-
spermie oder die Lehre von den Kosmozoen. Nach der ersteren Ansicht können
überall, auf jedem Weltkörper, wo die dafür günstigen Bedingungen vorhanden
sind, lebende Organismen aus lebloser unorganischer Materie entstehen und
sich bis zu den höchst organisierten Lebewesen entwickeln, eine Meinung, die
von jeher ihre Anhänger hatte, von Thales bis zu den Alchemisten, von
Wagner, den wir im Faust an der Arbeit schen, bis zu jenem englischen
Physiker, neuester Zeit, der irrtümlicher Weise glaubte, durch Bestrahlung mit
Radium in einer Gelatinelösung Leben hervorrufen zu können. Alle Versuche
in dieser Richtung haben sich bisher als nichtig erwiesen, und man darf sich
auch durch die glänzenden Ergebnisse der neueren Biologie, welche zeigen,
daß man gewisse Lebenserscheinungen künstlich hervorrufen kann, wie z. B.
am tierischen Ei durch chemische Mittel, trotz des großen darinlicegenden Fort-
schrittes, nicht irre machen lassen. Noch immer trennt uns eine ticfe Kluft von
der Lösung des Lebensproblems.
Nach der Lehre von den Panspermen war das Leben gleich Energie und
Materie von Uranfang an vorhanden, und es sei ebenso aussichtslos, den Ur-
anfang des Lebens wie den von Energie und Materie ergründen zu wollen.
— 364 —
Die Verbreitung des Lebens denkt man sich dabei durch kleinste Urkeime, die
gemäß der Annahme Arrhenius vermittelst des Strahlungsdruckes der Sonne
durch das Weltall getrieben werden und überall zur Entwicklung kommen
können, auf jedem Weltkörper, wo die für deren Wachstum erforderlichen Be-
dingungen vorhanden sind, wie z. B. auf der Erde, vielleicht auch auf den
Planeten Mars und Venus, nicht wahrscheinlich auf den übrigen Planeten, weil
hier die Temperatur zu hoch oder zu niedrig ist. In der organischen Substanz
der Lebewelt nimmt der Kohlenstoff eine besondere Stellung ein. Um ihn
gruppieren sich die übrigen Elemente, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff usw.
Seiner staunenswerten Kombinationsfähigkeit, d. h. der Fähigkeit seiner Atome
sich mit anderen Atomen und mit sich selbst zu Tausenden der vielartigsten
Verbindungen zu vereinigen, verdankt die lebendige organische Substanz ihre
wunderbare Gestaltung. Er ist durch diese Fähigkeit unter den für die Betäti-
gung derselben auf unserem Planeten vorhandenen besonders günstigen Bedin-
gungen zur Herrschaft über die übrigen Elemente gelangt. Sein Kreislauf bietet
deshalb besonders Interesse, auch in seinem abbauenden Teil. Nachdem er
aus der Kohlensäure der Luft in die Pflanzen gelangt ist und dort mit anderen
Elementen die Pflanzensubstanz: Stärkemehl, Zellstoffe, Zucker, Eiweiß usw.
gebildet hat, wobei zugleich Sonnenenergie als chemische Energie aufgenommer
wurde, können wir die Pflanzen als Akkumulatoren aufgespeicherter orga-
nischer Substanz mit aufgespeicherter Sonnenenergie ansehen.
Mit dem Absterben einzelner Teile, zuletzt des Ganzen, beginnt der Abbau,
welcher auf drei verschiedenen Wegen erfolgen kann. Weitaus der größte
Teil unterliegt der Verwesung, wobei als Endprodukte dieses unter Mitwirkung
des Sauerstoffs der Luft vor sich gehenden Prozesses wieder Kohlensäure und
Wasser, die Ausgangsmaterialien, gebildet werden. Dabei erörtert der Vor-
tragende insbesondere den Prozeß dieser langsamen Verbrennung und die
Atoxidationstheorie. Das Wesentliche der letzteren ist, daß die Oxydation
durch Vermittlung von Überträgern, „Induktoren“ (Autoxidatoren) oder „Kata-
lysatoren~ erfolgt, wobei die Sauerstoffmoleküle sich vorübergehend als ganzes
an die Überträger anlagern, die ihn dann teilweise oder ganz an die sonstigen
nicht oder doch nur schwer oxydalen Stoffe, die „Akzeptoren“, weitergeben und
so eine beschleunigte Oxydation und Zersetzung herbeiführen. Bei bio-
chemischen Vorgängen in Pflanze und Tier, auch bei der Zersetzung derselben
durch Verwesung, spielt diese Übertragung und Beschleunigung der Wirkung
des Sauerstoffs eine sehr wichtige Rolle. Als Induktoren und Katalysatoren
wirken dabei die Oxydationsfermente (Oxydasen). Die auf diese Weise durch
Verwesung „langsam verbrennende* organische Substanz liefert dabei ebenso-
viel Wärme, wie sie beim raschen Verbrennen mit Flamme entwickeln würde,
nur wird diese infolge Wasserverdampfung, wegen des langsamen Verlaufs
und der ständigen Abkühlung meist nicht dirckt wahrnehmbar. (Die dadurch
gebildete Kohlensäure, zirka 48 Milliarden Tonnen, entspricht annähernd dem
50. Teil der Gesamtkohlensäure unserer Atmosphäre, ohne daß jedoch deren
Kohlensäuregehalt dadurch beeinflußt würde, weil er durch Wiederassimilation
durch die Pflanzen und durch andere bekannte Ursachen reguliert wird.
Sowie der Übergang des Kohlenstoffis der Pflanzenreste in Kohlensäure
durch Schmarotzer nur einen Umweg darstellt, so bedeutet auch der Abbau der
Pflanzensubstanz auf dem zweiten Weg des Abbaus, als Nahrungsmittel der
Tierwelt, nur einen Umweg, denn auch dabei findet eine langsame Verbrennung
zu Kohlensäure und Wasser statt, und der Sauerstoff der Luft wird auch im
— 365 —
tierischen Organismus, durch Oxydationsfermente gemäß der Paroxydtheorie
übertragen. (Der Anteil der Atmungskohlensäure des gesamten Tierlebens
dürfte, auf 5 bis 10 Milliarden Tonnen pro Jahr geschätzt, höchstens etwa den
5. Teil der Gesamtkohlensäure aus zersetzten Pflanzen betragen. Der Anteil,
der durch den menschlichen Organismus erzeugt wird, beträgt rund 600 Millionen
Tonnen im Jahr, etwa den 80. Teil)
Einen wissenschaftlich sowohl als auch für die Gestaltung unseres heutigen
Kulturlebens interessanten Fall des Abbaus oder Zerfalls organischer Leber.s-
substanz haben wir in der Bildung von Kohle und Erdöl. Beides sind Reste,
welche die zu ihrer vollständigen Zersetzung durch Verwesung nötige Sauer-
stoffmenge nicht gefunden haben, so daß anstatt einer Ablösung der organischen
Substanz durch Autoxydation in nur flüchtige Produkte, bei der Verwesung
ein Fäulnisprozeß eintrat, bei welchem die Elemente der organischen Substanz
durch innere Umlagerung nur teilweise verflüchtigt wurden, so daß schließlich
je nach der Natur des Ausgangsmaterials besonders kohlenstoffreiche Dauer-
reste als Kohle, oder kohlenwasserstoffreiche Dauerreste als Bitumen oder
Erdöl zurückbleiben. Bedingung der Bildung dieser Produkte war, daß
die in Frage kommenden pflanzlichen und tierischen Reste vor ihrer
völligen Verwesung von der Luft abgeschlossen wurden, wodurch ihre voll-
ständige Verflüchtigung durch Oxydation gehemmt oder ganz behindert wurde,
und jene Dauerreste zurückbleiben mußten. Der tierische Zerfallsprozeß führte
hier gewissermaßen in eine Sackgasse, und ces bildeten sich jene gewaltigen
Ansammlungen nicht völlig zersetzter organischer Reste, die nach vieltausend-
jähriger Ruhe erst in der Neuzeit allmählich durch Menschenhand gehoben
und ihrer endgültigen Bestimmung, der Oxydation zu Kohlensäure und Wasser,
durch Verbrennung zugeführt werden. Die Bedeutung der Kohle für unser
Wirtschaftsleben und im Zusammenhang damit für unser ganzes Kulturleben
bedarf keiner besonderen Betonung. In ihr ist die Sonnenenergie früherer
Jahrtausende aufgespeichert, und sie ist, indem man sie verbrennt, die vor-
nehmste Kraftquelle unserer in der Neuzeit zu so gewaltiger Entwicklung ge-
langten Industrie. In dem wirtschaftlichen Konkurrenzkampf der Völker spielt
deshalb der Kohlenvorrat ihrer Territorien eine hochbedeutsame Rolle: Je mehr
Kohlen ein Land besitzt, umso längere Dauer scheint die Grundlage der
Weiterentwicklung seiner Industrie gegeben. Es dürfte nicht ohne Interesse
sein, zu erfahren, daß nach neuerer Schätzung im Jahre 1908 der Gesamt-
kohlenvorrat Europas ungefähr 700 Milliarden Tonnen betrug, wovon auf das
Deutsche Reich 411 Milliarden Tonnen, auf Groß-Britannien 193, auf Belgien 20,
auf Frankreich 19, auf Ocsterreich-Ungarn 17 und auf Rußland 40 Milliarden
Tonnen entfallen. Hiernach ist das Deutsche Reich mit seinen gewaltigen
Kohlenlagern in Lothringen, Rheinland und Westfalen, vor allem auch in Schlesien
im glücklichen Besitz von weit über die Hälfte des Gesamtvorrats an Steinkohle
in Europa. Noch reicher gesegnet mit Kohle sind allerdings die Vereinigten
‚Staaten von Nord-Amerika mit einem geschätzten Kohlenvorrat von 680 Milliarden
Tonnen. Europa und Nordamerika zusammen weisen somit einen Vorrat von
rund 1400 Milliarden Tonnen auf. Macht man die allerdings willkürliche doch
. wohl kaum übertriebene Annahme, daß die übrigen Erdteile zusammen, von
denen bekanntlich Asien in China ganz gewaltige Kohlenlager besitzt, mindestens
ebensoviel Kohlen haben, so kommt man auf einen ungefähren Kohlenvorrat
der ganzen Erde von. gegen 3000 Milliarden Tonnen. Vollständig verbrannt er-
gäben jene 1400 Milliarden Tonnen Kohle bei nur 75°/, Kohlenstoffgehalt 3800 Milli-
+
Ki
— 366 —
arden Tonnen Kohlensäure Da die Gesamtmenge der Kohlensäure unserer
Atmosphäre aber nur ein Gewicht von 2400—2500 Milliarden Tonnen besitzt, so
würde diese nur zu ?/, ausreichen, um die in den Kohlenflözen Europas und
Nordamerikas aufgespeicherten Kohlen zu bilden und nur zu etwa ?/ für die
Bildung des Gesamtkohlenvorrats der Erde. Dabei ist aber noch zu berück-
sichtigen, daß bei der Verkohlung der Pflanzensubstanz schr viel Kohlenstoff
als Sumpfgas (Methangas) und Kohlensäure in Verlust gerät, so daß nahezu
doppelt so viel Kohlensäure nur zur Bildung der europäisch-nordamerikanischen
Kohlenlager erforderlich war, als die atmosphärische Luft im ganzen heute ent-
hält. Sie ist ja auch in der Tat zur Zeit der Bildung der Kohlenlager, also zur
Karbonzeit, auch noch zur Tertiärzeit erheblich kohlensäurereicher gewesen als
jetzt, womit wiederum höhere Temperatur und üppigere Flora und Fauna im
Zusammenhang steht.
Legt man die derzeitige Förderung an Steinkohlen zuende: so reicht der
Gesamtvorrat für das DeutscheReich noch 3000 Jahre, für Groß-Britannien
700, für das übrige Europa 900, für Nordamerika 1700 Jahre. Allerdings liegen die
Kohlenflöze größtenteils so tief, daß an ihre völlige Ausbeutung heutigen Tages,
der hohen Kosten wegen, nicht zu denken ist. Indessen sind auch hierin solche
technischen Fortschritte mit Sicherheit zu erwarten, daß in späterer Zeit der Abbau
dennoch möglich sein wird. Unter Hinzurechnung von 175 Millionen Tonnen
Braunkohlen betrug die Gesamtförderung von Kohle im Jahre 1909 nicht weniger
als 1100 Millionen Tonnen, entsprechend einem Kohlenwürfel von 900 m Seiten-
lange oder gleich dem 290 fachen Volumen der Cheopspyramide.
Nimmt man als rohe Gesamtwasserkraft der Erde (nach Prof. Rehbock)
8 Milliarden (nach Flügel) bis 10 Milliarden Pferdestärken an, wovon Europa
nur 400 Millionen, Asien 5000, Afrika 1200 (die Zambesifälle allein 35 Millionen),
Nordamerika 2300 (Niagarafälle 5 Millionen), Südamerika 1300, Australien 1,2 Mill.
Pferdestärke besitzt, so wären zur Erzeugung derselben Kraft vermittelst Dampf-
maschinen jährlich 70 Milliarden Tonnen Kohlen nötig; unser Gesamtvorrat an
Steinkohlen Europas und Nordamerikas (1400 Milliarden Tonnen) wäre damit in
20 Jahren total aufgebraucht. Da aber von der rohen Gesamtwasserkraft nach
Rehbock nur etwa je ausnutzbar sein dürfte (so daß sich die praktisch ver-
wertbare Wasserkraft der Erde auf etwa 500 Millionen Pferdestärken reduziert),
vermindert sich der jährliche wasserkraftäquivalente Kohlenbedarf auf 4,4 Milli-
arden Tonnen. Immerhin müßte dafür die jährliche Kohlenförderung auf
das vierfache gesteigert werden. Man muß hoffen, daß der derzeitige so ge-
ringe Nutzeffekt der Kohle in den Dampfmaschinen von nur 15°/, der theoretischen
Energie baldigst, vielleicht auf elektrischem Wege, wesentlich erhöht und damit
der derzeitigen Kohlenverschwendung gesteuert werde.
Immerhin, es kommt der Tag, an welchem unser jetzt noch gewaltige
Kohlenvorrat verbraucht sein wird, und wenn bis dahin keine andere Energie-
quelle für industrielle Zwecke gefunden ist, so wird eine ganz andere Verteilung
des industriellen Lebens auf der Erde die notwendige Folge sein. Da kommen
dann vielleicht die alten Kulturländer Asiens mit ihrer Hälfte der Gesamtwasser-
kraft der Erde wieder zu ihrem historischen Recht; demnächst folgten Amerika
und Afrika, während Europa in die bescheidene Rolle industrieller Leistungs-
fähigkeit wie etwa vor dem Mittelalter zurücksinken müßte. Doch wer möchte
wagen zu behaupten, daß es dem menschlichen Geiste bis dahin nicht gelungen
sein sollte, neue \Wege einer direkteren Verwertung der Sonnenenergie oder
andere neue Kraftquellen aufzufinden, Intelligenz und technisches Wissen und
— 367 —
Können zu noch höherer Geltung zu bringen gegenüber der rohen Naturkraft,
als heute?
Neben der Kohle bildet das Erdöl einen zweiten Vorrat an Restsubstanz
organischen Lebens. Auch dieses ist auf dem Wege seiner völligen Zersetzung
durch Luftabschluß in eine Sackgasse geraten, aus der es durch Menschenhand
befreit und seiner Bestimmung, der Verbrennung zu den Ausgangsmaterialien
Kohlensäure und Wasser, zugeführt werden muß.
Während sich die Kohle in der Hauptsache aus der Zellsubstanz und den
sonstigen Kohlenhydraten der Pflanzensubstanz gebildet hat, nimmt man jetzt
fast allgemein als Urmaterial des Erdöls die flüssigen und festen Fette und Wachse
tierischer und pflanzlicher Lebewesen an. Dabei kommt höchstwahrscheinlich
ebensowohl die Makro- als dieMikro-Fauna und -Flora in Betracht, in letzterer haupt-
sächlich wieder organisierte pflanzliche Gebilde wie Fettalgen, Diatomeen usw.,
von ersteren vorwiegend Kleintiere des Meeres und brakischer Küstenwässer,
auch Fische, Saurier etc.
Sowie man das in alten Gräbern häufig auftretende Leichenwachs oder
Adipocire als das nach dem Wegfaulen und Verwesen der stickstoffhaltigen
organischen Substanz hinterbliebene, allerdings auch schon etwas veränderte
menschliche Fett anzusehen hat, muß man annehmen, daß bei mangelndem oder
ganz behindertem Luftzutritt in den mit Schlamm vermischten und von Schlamm
bedeckten natürlichen Leichenfeldern tierischer Organismen sich nach dem Ver-
schwinden der Nichtfettstoffe durch Fäulnis und Verwesung Massenreste von
Fetten ansammeln. Ein ganz analoger Vorgang führt zu Ansammlungen pflanz-
licher Fett- und Wachsreste. Das für die Erdölgenese Wesentliche dieses Vorgangs
liegt in der natürlichen Abtrennung beziehungsweise Beseitigung der Nicht- `
fettstoffe, der Muskelsubstanz, pflanzlichen Zellsubstanz etc., der abgestorbenen
Organismen durch Fäulnis und Verwesung, denn ohne diese läßt sich eine plau-
sible Erklärung für die Bildung der fast reinen Kohlenwasserstoffe des Erdöls
aus tierischer und pflanzlicher Substanz nicht finden; müßten doch sonst im
ersteren Fall dem Erdöl große Mengen stickstoffhaltiger Öle, im letzteren Fall
Kohlen beigesellt sein, was nicht der Fall ist.
Es ist nun aber weiterhin auch noch gelungen, durch Erhitzen im ge-
schlossenen Rohr unter starkem Druck tierische und pflanzliche Fette und
Wachse künstlich in Erdöl umzuwandeln, und da man annehmen darf, daß
dieselbe Umwandlung auch in der Natur, und zwar in fast unendlich langen
Zeiten auch bei erheblich niederer Temperatur als beim Laboratoriumsversuch
(300—350°) vor sich geht, ist damit eine ausreichend begründete Ansicht von
der natürlichen Bildung des Erdöls gegeben.
Der noch vorhandene Vorrat an Erdöl in den verschiedenen Erdöllagern der
Erde ist bis jetzt nicht sachgemäß eingeschätzt geworden. Macht man aber einmal
die Annahme, es ruhe noch etwa die zehnfache Menge der von 1860 bis jetzt
geförderten 540 Millionen Tonnen Erdöl im Schoße der Erde, so käme man auf
einen noch vorhandenen Vorrat von rund 5000 Millionen Tonnen, welcher bei
einer Jahresförderung von 50 Millionen Tonnen (1910: 44 Millionen) noch für
100 Jahre vorhalten würde. Ein vielfaches davon dürfte kaum zu erwarten sein,
höchstens das doppelte, oder vielleicht weniger, so daß man, da eine nennens-
werte natürliche Nachbildung nicht vorhanden ist, in absehbarer Zeit
dem Ende der Erdölproduktion entgegensehen muß; immerhin eine Kala-
mität im Hinblick namentlich auf die Bedeutung dieses Naturproduktes für
die Kraftfahrzeuge zu Wasser, Land und Luft. Für geraume Zeit wird man sich
— 868 —
noch durch Verschwelen der verschiedenen Bitumine, meist unfertige Ubergangs-
produkte des Erdöls, helfen können.
Wie in der Kohle, so haben wir auch in dem Erdöl ein Zerfallsprodukt,
dessen Bildung durch Sonnenenergie vermittelt ist. Und die Flamme der Petroleum-
lampe ist Sonnenlicht und Sonnenwärme, die vor Tausenden und Millionen Jahren
herübergestrahlt sind auf die Erde.
Zum Schluß berührt der Vortragende kurz die Frage nach der Quelle der
Strahlungsenergie derSonne. Der Gedanke, daß die gewöhnlichen chemischen
Reaktionen etwa einer Art Verbrennungsprozeß entstammen, mußte aufgegeben
werden, da das Gesamtmaterial der Sonnenmasse für eine solche Reaktion nur
für etwa 5000 Jahre ausgereicht haben würde, während wir schon aus historischer
Zeit wissen, daß ihr Alter ein viel höheres sein muß; hätte sie doch sonst zu
Zeiten Altbabylons, vor zirka 6000 Jahren, noch nicht geschienen haben können.
Auch die Helmholtzsche Kontraktionstheorie, wonach die strahlende
Sonnenwärme auf ein Zusammenziehen der Sonnenmasse zurückgeführt wird,
mußte aufgegeben werden, weil sie eine gleich starke Wärmeabgabe nur für
einen Zeitraum von gegen 20 Millionen Jahre erklären kann, während das Alter
gewisser geologischer Schichten, in denen man die Spuren lebender Organismen
aufgefunden hat, auf ein Alter auch der letzteren zwischen 100 und 1000 Milli-
onen Jahren schließen läßt. So wurde man nach der Entdeckung des Radiums
mit seinem nach bisherigen Begriffen geradezu unerhörten Strahlungsvermögen
zu der Ansicht geführt, daß sich im Innern der Sonnenmasse eine Anhäufung
von Radium und verwandter Stoffe finden müsse, die die Quelle einer Energic-
fülle sei. Bedenkt man, daß 1 g Radium, indem es zerfällt, ungefähr 2000 Milli-
onen kalorische Einheiten abgibt, während 1 g Steinkohle bei der Verbrennung
nur 700 liefert, man also annähernd 6 Zentner Kohle verbrennen muß, um so
viel Wärme zu erhalten, wie aus 1 g Radium erhältlich ist, so ergeben sich
unter der obigen Annahme für die Deckung des Wärmeverlustes der Sonne
Hunderte und Tausende von Millionen Jahren, zumal da man zu der Annahme
berechtigt ist, daß auch noch radioaktivere Stoffe als das Radium selbst sich
im Sonneninnern befinden. Somit scheint es also nicht, wie man früher anzu-
nehmen geneigt war, ein wärmeabgebender Bildungsprozeß einer komplizierteren
Verbinduug aus einfacheren Komponenten zu sein, sondern ein Prozeß des Zer-
falls mit Energie beladener komplexer Körper, der als die Quelle der Energie-
strahlen der Sonne anzusehen ist, und es verdankt deshalb auch unser ganzes
Erdenleben die Möglichkeit seiner Existenz und Erhaltung auf unabschbare
Zeiten einem Zerfallsprozeß, der in weiter Ferne von uns auf der Sonne sich
abspielt. ME
Elektronenemission bei chemischen Reaktionen.
Auszug aus einem Vortrag von Prof. F. Haber-Karlsruhe, gehalten auf der Naturforscher-
l versammlung in Karlsruhe 1911.
| TD Elektronenemission bei chemischen Reaktionen ist ein Gegenstand, den
die Wissenschaft bisher nicht behandelt hat. Aber das Thema steht in
Beziehung zu Fragen des Faches, die der erste Vertreter der physikalischen
Chemie an der Karlsruher Hochschule Lothar Meyer vor langer Zeit behandelt
hat. Der Vortragende hat den Gegenstand in einer längeren Untersuchung ge-
meinsam mit G. Just verfolgt. Der Gedanke, daß die große Zahl der chemi-
schen Elemente nicht die letzte Grundform der Materie darstellt, sondern daß
sich die Atome der Elemente aus einem einheitlichen Grundstoff aufbauen, ist
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alt. Aus ihm ist im vorigen Jahrhundert die Erkenntnis von dem Gruppen-
zusammenhang der chemischen Elemente entstanden, die in dem periodischen
System derselben zum Ausdruck gelangt. Aber fiir die Frage, welche innere
Beschaffenheit der Elementaratome diesen Zusammenhang bedingt, fehlten der
Chemie im vorigen Jahrhundert die zur erfolgreichen Bearbeitung unentbehr-
lichen Kenntnisse. Ein großer Fortschritt wurde um die Wende des Jahr-
hunderts durch die Erkenntnis gemacht, daß die negative Elektrizität aus dis-
kreten einander gleichen Teilchen einer feineren Materie, den Elektronen,
besteht, welche durch die verschiedensten physikalischen Hilfsmittel, nämlich
durch elektrische Kräfte, durch kurzwellige Bestrahlung und durch hohe Tem-
peratur zum Austritt aus den Stoffen gebracht werden können. Die Beobach-
tungen an Spektrallinien im magnetischen Felde bewiesen, daß die Schwingungen
solcher Elektronen im Atom die Ursache der Linienspektra sind. Dieser Komplex
von Tatsachen nötigte zu der Vorstellung, daß die’Elektronen Bausteine der
Elementaratome sind und weckte sogar die Hoffnung, das Grundproblem des
Zusammenhanges der Elemente durch die Auffassung der Atome als Einlage-
rungen verschieden zahlreicher und verschieden angeordneter Elektronen in
dieselbe positive Grundsubstanz zu lösen. Nun ist in den letzten Jahren wohl
klar geworden, daß der innere Aufbau des Atoms an Mannigfaltigkeit dem
Aufbau der Moleküle aus Atomen nichts nachgibt. Wir sind unter diesen Um-
ständen noch recht weit davon entfernt, die chemischen Unterschiede der
Elemente auf Zahl- und Bewegungsunterschiede in dieselbe positive Grund-
materie eingelagerter Elektronen erklären zu können. Wir können vorerst nur
versuchen, die Mannigfaltigkeit der chemischen Erscheinungen in Gruppen auf-
zulösen, von denen einige den Schwingungen ausgezeichneter Elektronen im
Atomverbande, andere den Eigenschaften der positiven Reste zugeschrieben
werden, die bei den einzelnen Elementen vorerst individuell verschieden
bleiben. Schon von diesem beschränkten Eindringen in den Atombau ist aber
außerordentlich viel zu gewinnen. Erfolge sind bisher vorzugsweise auf dem
Gebiet der Zustandseigenschaften der Stoffe zu verzeichnen. Aber auch für die
Reaktionsichre darf man großen Nutzen erwarten, da es ganz den An-
schein hat, daß die Quelle der Affinität in den Eigenschaften gewisser aus-
gezeichneter Elektronen gelegen ist. Bei den radioaktiven Veränderungen tritt
der innere Aufbau des ‘Atoms aus elektrischen Teilen unmittelbar zutage.
Diese radioaktiven Veränderungen sondern sich indessen bisher von den che-
mischen Umsetzungen dadurch vollständig ab, daß sie freiwillig ohne unser
Zutun geschehen und durch keine Einwirkung in ihrem Verlaufe beeinflußt
werden. Auf der anderen Seite sind die geläufigen chemischen Reaktionen
„war häufig von elektrischen Erscheinungen begleitet, aber keine dieser Er-
scheinungen ist so geartet, daß man aus ihr eine ähnliche Beteiligung der zum
Atombau gehörigen Elektronen an der chemischen Umsetzung hätte herleiten
mögen. Das Auftreten von Elektronen in Flammen muß nicht notwendig der
Reaktion zugeschrieben werden, sondern kann auch als Folge der hohen Tem-
peratur aufgefaßt werden. Reaktionen, die bei gewöhnlicher Temperatur ver-
laufen, lassen zwar häufig in benachbarten Gasen elcktrisch leitende Teile auf-
treten, aber dieselben sind in klaren Fällen nicht auf Elektronenemission bei
der Reaktion zurückzuführen, sondern auf mechanische Zerreißung geladener
Oberflachenschichten. So stehen sich radioaktive Verwandlungen und gewöhn-
liche chemische Umsetzungen als getrennte Erscheinungsgebiete gegenüber.
Der Gedanke an eine Verknüpfung kann als die Aufnahme einer alten Idee
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bezeichnet werden, die Lothar Meyer zu einer Zeit ausgesprochen hat, als die
Fassung in der hier angegebenen Art noch nicht möglich war. Ihn beschäftigte
die Frage, ob die chemische Umsetzung ihrem vollen Wesen nach dadurch dar-
gestellt wird, daß wir dieselben Atome in einer chemischen Gleichung auf
beiden Seiten des Gleichheitszeichens verschieden anordnen. Zu seiner Zeit
gab es außer den unveränderlichen Atomen nur den Äther, und die Frage nahm
deshalb die spezielle Gestalt an, ob der Äthergehalt der Umsetzungsprodukte
mit dem der Ausgangsstoffe gleich oder durch eine wägbare Differenz davon
unterschieden sei. Die Frage ist dann insbesondere von Landolt eingehend
mit dem Ergebnis studiert worden, daß eine wägbare Differenz dieser Art sich
nicht nachweisen läßt. Aber schon bei Landolt wandelt sich die Fragestellung,
indem nicht mehr der Äther, sondern die Elektronen als die Ursache des mög-
lichen Unterschiedes angesehen werden. Durch den Nachweis von Umsetzungen,
bei denen eine Emission von Elektronen stattfindet, wird die Frage bejahend in
dem Sinne beantwortet, daß auch bei den gewöhnlichen chemischen Reaktionen
die veränderte Gruppierung derselben Atome auf beiden Seiten der Reaktions-
gleichung nicht immer eine vollständige Beschreibung der Veränderung abgibt.
Die gesamte Energieänderung, welche sich bei der chemischen Verbindung
zweier einwertiger Elemente zu einem Molekulargewicht einer binären Verbin-
dung im Höchstfalle zeigt, beträgt etwa 100000 Gramm Kalorien und ist eine
Millionmal geringer als diejenige beim Zerfall eines Atomgewichts Radium. Die
Energie des Radiumzerfalls dient dazu, um die Elektronen nahezu mit Licht-
geschwindigkeit, die außerordentlich viel trägeren Alpha-Teilchen noch immer
mit etwa 20000 km Geschwindigkeit pro Sekunde zu entsenden. Wenn man
sich vorstellt, daß bei einer chemischen Reaktion die Reaktionsenergie ver-
wendet würde, um von jedem Molekül ein Elektron wegzutreiben, so würden
diese Elektronen nur 1200 km Geschwindigkeit pro Sekunde haben. Elektronen
von dieser Geschwindigkeit stellen aber ganz weiche Strahlen dar, welche schon
durch eine verzögernde Kraft von 4 Volt am Fortgehen gehindert werden und
wegen ihres geringen Durchdringungsvermögens in materiellen Schichten,
welche dem Ursprungsorte benachbart sind, mit der größten Leichtigkeit stecken
bleiben. Nun weiß man freilich nicht, ob sich die einzelnen Moleküle gleich-
artig verhalten werden. Es mag auch sein, daß die Geschwindigkeiten der
ausgesandten Elektronen ein Geschwindigkeitsspektrum darstellen, in welchem
auch rascher bewegte Teile nicht fehlen. Vielleicht geben überhaupt nur
Atome, deren innerer Zustand im Reaktionsmomente besonders bevorzugt ist,
cine Emission von Elektronen, die dann etwas größere Geschwindigkeit -haben.
Aber auf alle Fälle darf man nur ganz weiche Strahlen und auch diese nur bei
den Reaktionen erwarten, die mit besonders hoher Energieänderung verlaufen.
Solche weichen Elektronenstrahlen werden gar nicht bis zu einer Elektrode vor-
dringen, an welcher man sie auffangen und nachweisen kann, wenn sie auf ihrem
Wege von der Entstehungsstelle dorthin irgend ein dichteres Medium zu durch-
setzen haben. Diese Überlegung führt auf den Gedanken, hochverdünnte Gase unter-
einander reagieren zu lassen. Aber auf diese Weise käme man nicht über das
Ergebnis hinaus, welches die Flammen unter gewöhnlichem Druck liefern, weil
die grobe Energieänderung an der Reaktionsstelle notwendigerweise die Masse
auf hohe Temperatur bringt. Um das zu verhüten, muß man ein hochverdünntes
Gas auf einen flüssigen oder festen Stoff von bedeutender Wärmekapazität cin-
wirken lassen. Das Ergebnis des Versuches wird sonst immer durch den Zweifel
getrübt bleiben, ob nicht eine gewöhnliche thermische Elektronenemission vor-
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liegt. Die Verwendung fester Körper bietet dabei bedeutende Schwicrigkeit,
denn man muß die Oberfläche bei dem niederen Versuchsdruck beständig
erneuern, wenn sich nicht alsbald eine Haut der Reaktionsprodukte bilden soll,
in der die Strahlen stecken bleiben müssen. Damit kommt man auf die Reaktion
von Flüssigkeiten mit hochverdünnten Gasen. Bei der Auswahl der Flüssigkeit
ist dann zu erwägen, daß ihr Dampfdruck so klein wie möglich sein muß und
daß sie andererseits nicht etwa erst mit dem Gase reagieren darf, nachdem es
sich gelöst und in der Flüssigkeit verbreitet hat. Bei gewöhnlicher Temperatur
findet man flüssige Stoffe, welche diesen Bedingungen genügen und zugleich
imstande sind, mit Gasen Umsetzungen von großer Reaktionsenergie zu liefern, in’
der Legierung der Metalle Kalium und Natrium und in zahlreichen Amalgamen.
Dann läßt sich noch als unedelster Stoff mit größter Reaktionsenergie das Caesium
hinzunehmen, welches ganz dicht über die Zimmertemperatur hinaus noch flüssig .
ist. Dies sind die Stoffe, welche in den Kreis der Untersuchung gezogen worden
sind. Um sich über den Gegenstand experimentell zu unterrichten, sieht man `
zweckmäßig zunächst von der Verwendung sehr niedriger Drucke ab und unter-
sucht das Verhalten der metallischen Flüssigkeiten in Gasen, die sich unter
atmosphärischen Bedingungen befinden, Elektronen werden in diesem Falle
nicht gefunden werden können, da sie beim Austritt in den Gasraum sich an
Gasmolcküle anlagern. Aber man kann die Bedingungen feststellen, unter denen
negative Elektrizitatstrager im Gase auftreten und daraus lernen, wie man den
Versuch später im Vacuum einzurichten hat. Wenn man die flüssige Legierung von
Kalium und Natrium durch eine Metallkapillare entsprechend dieser Überlegung
langsam in einen mit Gas von gewöhnlichem Druck erfüllten Raum tropfen
läßt, sodaß ihre Oberfläche sich unablässig erneut, so findet man so lange keine
elektrische Erscheinung, als der Gasraum mit den chemisch indifferenten Gasen
Wasserstoff oder Stickstoff gefüllt ist; wenn man aber diese unwirksamen Gase
mit kleinen Mengen anderer verunreinigt, die lebhaft auf die flüssige Metall-
legierung einwirken, so läßt sich ein elektrischer Strom erhalten, indem man
den negativen Pol einer Stromquelle an die metallene Tropfkapillare legt und
den positiven mit einer Hilfselektrode verbindet, die sich einige Millimeter von
dem Tropfen entfernt in dem Gasraum befindet. Kehrt man die Pole um, so
ist keinerlei elektrische Wirkung mehr wahrzunehmen. Daraus sieht man, daß
durch die Reaktion negative Träger und nur solche in den Gasraum getrieben
werden. In der Wahl der chemisch aktiven Gase, die man dem indifferenten
Stickstoff oder Wasserstoff beimengt, kann man sich mehr frei bewegen. Die
Erscheinung tritt auf, sowohl wenn man Wasserdampf verwendet, als wenn man
Chlorwasserstoffgas, Joddampf oder Sauerstoffgas benutzt. Auch die kom-
plizierteren Dämpfe des Thionylchlorids und des Phosgens lassen sich verwenden.
Ja beim Phosgen ist der Effekt am stärksten. Wählt man statt der flüssigen
Legierung von Kalium und Natrium die Amalgame des Caesiums, des Kaliums
oder Lithiums, so ist er schwächer, und innerhalb der Reihe der Amalgame
selbst nimmt seine Intensität von Caesium über das Kalium zum Lithium, also
in der Reihenfolge der chemischen Aktivität, stark ab. Um zu prüfen, ob diese
Aussendung negativer Träger wirklich darauf beruht, daß Elektronen im Augen-
blicke der Umsetzung ausgesandt werden, läßt man das undifferente Gas weg
und leitet den reaktionsfähigen Dampf bei sehr niedrigem Druck durch einen
Raum, in welchem das flüssige Metall langsam durch eine Metallkapillare ein-
tropft. Kaliumnatriumlegierung, die in ganz verdünnten Phosgendampf tropft,
sendet dann cinen Strahl negativer Elektrizität aus, der ein Elektrometer auf
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ein Volt aufladt. Die Erscheinung vollzieht sich unter Ausschluß allen Lichtes,
und der chemische Umsatz ist so gering, daß er den Tropfen höchstens um 2°
erwärmen kann. Daß dieser Strahl wirklich aus Elektronen besteht, wird durch
seine Untersuchung im magnetisch-elektrischen Felde bewiesen. Man findet
dabei, daß die Strahlteilchen auf die Einheit der Masse jene ungeheure Ladung
besitzen, welche nur Elektronen eigentümlich ist. Die Elektronenabgabe, welche
die Entstehung eines Tropfens begleitet, erreicht schon ihren Höchstwert bei
einer Ladung der Kapillare auf etwa 4 Volt. Verbindet man das Elcktrometer
mit einer sehr großen Kapazität, so kann man dann die ganze Elektrizitätsmenge,
die ein einzelner Tropfen abgibt, auffangen und messen. Dabei ist der Wert
1,3. 0—7 Coulomb. ist mit Kaliumnatriumtropfen von 3 mm Durchmesser im
Phosgendampf beobachtet worden. Wenn die Entstehung eines Chlorkalium-
ınoleküls immer ein Elektron zur Aussendung bringt, so berechnet sich, daß der
Tropfen an seiner Oberfläche 1012 Moleküle Chlorkalium entstehen lassen muß,
um diese Elektrizitätsmenge zu liefern. Nun haben die Tropfen, um die cs sich
hier handelt, eine so große Oberfläche, daß 100mal mehr Chlorkaliummoleküle
notwendig sind, um sie gleichförmig mit einer Chlorkaliumschicht von molekularer
Dicke zu überziehen. Die wirklich entstehende Schicht ist jedenfalls noch
dicker. Wenn also jedes Chlorkaliummolekül bei seiner Entstehung ein Elektron
aussendet, so müssen wir annehmen, daß nur ein kleiner Bruchteil von diesen
Elektronen an die Auffangeplatte gelangt. Ob die anderen in der Haut stecken
bleiben, die gleichzeitig mit ihrer Aussendung entsteht, ob die lebendige Kraft,
mit der sie die Molekülgrenze verlassen, nicht ausreicht, um die elektrostatischen
Kräfte zu überwinden, die das abgeflogene Elektron in der allernächsten Nähe
des Atoms sehr stark bremsen und zum aussendenden Molekül zurück-
bringen, oder ob schließlich überhaupt nur bevorzugte Chlorkaliummoleküle
unter Elektronenemission gebildet werden, läßt sich vorerst nicht sagen. Benutzt
man statt der Kaliumnatriumlegierung das unedlere Caesium dicht über seinem
Schmelzpunkte, so findet man die freiwillige Ausladung anderthalb mal höher
und die abgegebene Menge negativer Elektrizität pro Tropfen fast zehnmal
erößer. Die Zahl der aufgefangenen Elektronen ist aber auch hier viel kleiner
als die Zahl der umgesctzten Cacsiumatome. Wenn man statt des Phosgens
das Brom verwendet, so findet man wiederum bei der Benutzung der Kalium-
natriumlegierung durch Beobachtung im magnetisch-elektrischen Felde, daß die
zahlreich ausgesandten negativen Träger Elektronen sind. So liegt der Schluß
nahe, daß in allen Fällen, in denen bei gewöhnlichem Drucke das Auftreten’
negativ geladener Träger im Gasraume wahrzunehmen ist, beim Vacuumversuch
Elektronenstrahlen erscheinen. Aber die nähere Untersuchung zeigt, daß die
Annahme nicht zutrifft. Nur bei der Einwirkung der unedelsten Metalle auf
chemisch wirksamste Gase tritt freiwillig Aufladung und Abgabe von Elektronen
ein. Mit sinkender Verwandtschaft der beteiligten Stoffe wird zunächst sowohl
die freiwillige Aufladung wie die Zahl der abgegebenen Elektronen kleiner.
Dann gesellen sich schwerere negative Träger den Elektronen zu. Auf der
nächsten Stufe erscheinen nur noch diese geladenen materiellen Teilchen, zu
deren Aussendung es kleiner beschleunigender Spannungen unter 2 Volt bedarf.
In derselben Reihenfolge der Verwandtschaft wird mit der sinkenden Stärke
des Effektes seine Auffindung schwieriger; man wird den mitgeteilten Beobach-
tungen entnehmen dürfen, dab an der Grenze der radioaktiven Erscheinungen
gegen die bekannten chemischen Reaktionen ein Gebiet liegt, dessen Bearbeitung
die darauf verwendete Mühe verlohnt. =
Für die Schriftleitung verantwortlich: Dr. F. S. Archenhold, Berlin-Treptow; für den Inseratenteil: M. Wuttig, Berlin SW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
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